Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
I
ij j ' . ' • V
HE ^
.RGSTÜCKE
> SI-:üM in WIEN.
lEN IM TEXTE.
■:.rv
ETHNOLOGISCHE
A
• •
ERFAHRUNGEN UND BELEGSTUCKE
AUS DER
S U D S E E.
BESCHREIBENDER KATALOG
EINER SAMMLUNG IM K. K. NATURHISTORISCHEN HOFMUSEUM IN WIEN,
VON
D»- O. FINSCH, ^
IN DELMENHORST BEI BREMEN.
MIT EINEM VORWORT VON FRANZ HEGER.
MIT 26 TAFELN (DAVON 6 IN FARBENDRUCK) UND 108 ABBILDUNGEN IM TEXTE.
AUS DEN „ANNALEN DES K. K. NATURHISTORISCHEN HOFMUSEUMS IN WIEN",
BAND III— VIII, JAHRGANG l888— 189^, SEPARAT ABGEDRUCKT.
J j j •» -• '
' ^ J ^ i J
0
1 t '
■»-••". • ^ • , ^ •
J *■' Ir
r . • i >
WIEN, 1893.
ALFRED HOLDER,
K. UND K. HOF- UND ÜNIVERSITÄTS-BUCHHANDLER.
. T
THE NEW voRK
PUBUC LIBRARY
631054
i9fa
^ w w w w V
W V
W V
w ^ V «. »,
«i k k " % W
VW W W «. w
Druck von AOOLF HOI.ZHAUSEN in Wien.
K. UND K. HOF- UND UN1VF.RJ»ITXtJ»- BUCHDRUCKER.
\'
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee.
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Bremen.
Mit einem Vorwort von Franz Heger.
Erste Abtheilung: Bismarck-Archipel.
Mit fünf Tafeln, davon zwei in Farbendruck (Nr. III — ^I).
Vorwort.
Oammeln ist heutzutage eine Modesache. Dieselbe hat aber einen tieferen Sinn
als die meisten anderen unter dieses Schlagwort fallenden Thätigkeiten des Menschen.
Selbst viele Privatsammler gehen bei der Anlage ihrer Sammlungen heute von gewissen
Gesichtspunkten aus und nähern sich vielfach in ihren Bestrebungen jener grossartigen
Thätigkeity welche die Museen der Jetztzeit allerort entfalten. Dieses Vertiefen der
Sammelthätigkeit hängt innig zusammen mit dem ausserordentlichen Fortschritt der
\vissenschaftlichen Forschung, namentlich jenem der inductiven Naturwissenschaften,
Die jüngste derselben, die Ethnologie, ist erst von dem Zeitpunkte an zur Wissenschaft
geworden, seitdem man auf sie die strenge, nüchterne Methode der anderen beschrei-
benden Naturwissenschaften angewendet hat. Die ethnographischen Sammlungen bil-
deten bis vor gar nicht langer Zeit den letzten Rest der alten Curiositätencabinete, aus
welchen sich die anderen Naturwissenschaften schon längst zu selbstständigen, lebens-
fähigen Individuen herausgebildet haben.
;ä Das energische Satr^meln ethnographischer Gegenstände ist heute dringend geboten
1^ durch das ganz ausserordetitii'ch* rasche Verschwinden der primitiven Culturen der so-
' genannten Naturvölker. Wie'der $cl*riee vor der Sonne, so schmelzen diese dahin, ohne
^ auch nur bemerkenswerthe, Spiir.cn, ihres .paöeins zu hinterlassen, während die vorge-
^ schichtlichen Bewohner EuropasL- Ux)d «cdnes «Pheiles von Amerika sorgsam die Zeugen
^ ihrer Cultur dem sicheren Boden der Mutter Erde anheimgaben. Was würden unsere
^ Prähistoriker dafür geben, könnten sie sich nur einen kurzen Tag in die vorgeschicht-
-t liehe Zeit versetzen und das Thun und Treiben der damaligen Menschen belauschen!
« Der Ethnograph kann dies heute noch in vielen Fällen thatsächlich thun; und doch
Anoalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. III, Heft 2, i888. 7
i!
84 Dr. O. Finsch. [2]
geschieht dies noch immer viel zu selten. Die Worte verwehen bei den schriftlosen
Völkern gleich Blättern vor dem Winde und mit ihnen auch die Gedanken'; die Sprachen
sterben aus, Sitte* und Brauch vergehen und es bleibt von manchem Volke nichts übrig
als das todte Object in unseren Museen, das nur zu oft dann dem denkenden Geiste wie
ein grosses Fragezeichen entgegenstarrt. So ist unendlich viel schon verloren gegangen
von den Naturvölkern, welche nicht die schöne Sitte unserer Altvordern haben und
hatten, ihre Todten in sorgsamer Weise mit den ihnen im Leben theuer gewesenen
Gegenständen zu bestatten.
Eines der Gebiete, in welchem dieser Zerstörungsprocess mit ungeahnter Vehe-
menz sich gleichsam vor uns abspielt und wo das Auge des Ethnologen fast nur noch
wüste Trümmerhaufen, Steine ohne Inschriften, ohne geschichtliche Daten und An-
haltspunkte erblickt, ist die ausgedehnte Inselwelt der Südsee. Seit den Reisen von Cook
ist kaum mehr als ein Jahrhundert verstrichen; in dieser kurzen Zeitspanne hat die
destructive Thätigkeit des weissen Menschen hier eine That vollbracht, für welche wir
ein Analogon nur in dem Schalten der Conquistadoren des XVI. Jahrhunderts in Amerika
finden. In den letzten Jahrzehnten wurde hier das Rettungswerk in Bezug auf ethno-
graphische Sammlungen in grossem Massstabe betrieben; leider beschränkte sich das-
selbe meist nur auf die Objecte, die wir heute in den grossen Museen finden, die uns
aber so viele Fragen schuldig bleiben. Wenige der zahlreichen Südseereisenden haben
ihre Aufgabe ernster erfasst; den letzteren verdankt unsere Wissenschaft aber auch die
schönsten Blüthen an dem noch so jungen Baume der Ethnographie.
Die von dem weissen Menschen bis vor Kurzem noch am wenigsten berührten
Südsee-Inseln sind jene im Westen des Pacific, welche sich von der grossen Insel Neu-
Guinea — diese eingerechnet — im grossen Bogen parallel der Nordostküste Australiens
hinziehen. Aber auch hier ist seit einem Dutzend Jahren die Axt angelegt worden an
der Ursprünglichkeit der Lebensweise des Aboriginers derselben, und seit dieser kurzen
Zeit sind schon grosse Waldstrecken dieser Axt zum Opfer gefallen. Im Nordosten von
diesen Inseln sind — verstreuten Perlen gleich — zahllose kleine Eilande quer über
einen grossen Theil des Pacific vertheilt — die Inselwelt Micronesiens. Traurig wendet
sich der Blick des Ethnographen ihnen zu; sie sind für denselben heute so gut wie ver-
loren. Um letzte spärliche Reste aufzusammeln, zog vor weniger als einem Decennium
ein bewährter Reisender und Naturforscher dahin aus — Dr. Otto Finsch. Mit Unter-
stützung der Humboldt-Stiftung für Naturforschung und Reisen zu Berlin und eigene
Mittel daransetzend, unternahm er fast vierjährige Reisen in Gebieten, in welchen es
damals ganz besonders schwierig war, ohne ein eigenes Fahrzeug von Insel zu Insel zu
wandern und das nur gelegentlich von Kriegsschiffen besucht wurde. Von der ethnogra-
phischen Trümmerstätte Micronesien sehen wir den Reisenden nach den verheissungs-
voUen melanesischen Inseln aufbrechen, die, damals noch herrenlos, jetzt zum Theile
Deutschland gehören. Hier, in einer damals in noch vollster Ursprünglichkeit befindlichen
ethnographischen Provinz, liess Fins^^*.<Jdi:fV M^Jlte.»öpder. Ein ausgezeichnetes
Beobachtungstalent, zu dem sich die *Cjewa;i4,thqiit^.(n 'deV^ülirung des Stiftes gesellt,
und die seltene Gabe, sich rasch mit den Ein»ä)otAlDh fcl»f guten, ja vertraulichen Fuss
Stellen zu können, setzten ihn in den St^ijd^ •tiftfete» Blicke* in das Leben dieser Natur-
menschen zu thun, als dies vielen andenpnr*ftwii<i3i5H r^Pt^erswo möglich war. Das
strenge geübte Auge des Naturforschers, welches die Dinge so ansieht, wie sie sich ihm
präsentiren, und sich von allen oft gefährlichen Combinationen und geistreichen Deu-
tungen fernehält, kam ihm dabei vortrefflich zu statten. So kehrte er zurück, reich be-
laden mit Schätzen. Lange sollte sein Aufenthalt in Europa nicht währen; in bcson-
[3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 85
derer Mission entsendete man ihn in den nächsten Jahren wieder dahin, um die Besitz-
ergreifung eines Theiles dieser Inseln für Deutschland vorzubereiten. Diesmal waren
CS namentlich seine für die Entdeckungsgeschichte Neu-Guineas für immer denkwür-
digen Fahrten mit dem Dampfer »Samoa«, welche er längs der Nordostküste dieser
Insel ausführte. Es war eine Entdeckungsfahrt im wahren Sinne des Wortes und nicht
nur für den Geographen, sondern auch — und vorzugsweise — für den Ethnographen.
Die Sammlungen, die F in seh von dieser Fahrt heimbrachte^ sind fast ausnahmslos ganz
neu, von bis dahin unbekannten Stämmen und Völkern der Papua-Insel. Der grösste
Theil der Schätze von beiden Reisen fiel dem neuen Museum für Völkerkunde in Berlin ')
anheim, der Rest lag lange Zeit in Wien, in unserem neuen Museum, ohne die Möglich-
keit zu finden, denselben zu erwerben. Da, zur letzten Stunde, als schon der grössere
Theil dieses Restes — der freilich zusammen über 2800 Objecte zählte — nach Italien
gewandert war, fand sich ein Mann, der aus reinstem Patriotismus und aus edler Hin-
gabe für unsere Wissenschaft ein namhaftes Opfer brachte, um einen Theil dieser Samm-
lungen für Wien zu erhalten. Adolf Bachofen von Echt ist der Name des wackeren
Mannes, der sich dadurch ein bleibendes Denkmal in dem neuen Prachtgebäude des
naturhistorischen Hofmuseums gesetzt hat. Um seiner schönen That aber die Krone
aufzusetzen, ging er mit kaum genug zu lobender Bereitwilligkeit, welche sein Ver-
standniss für unsere Wissenschaft so recht anschaulich macht, auf die Idee ein, die
durch ihn erworbene Sammlung auch der wissenschaftlichen Welt zugänglich zu machen,
und widmete eine bedeutende Summe für die Herstellung guter Abbildungen. Nun war
alles beisammen, bis auf einen sehr wichtigen Punkt: das erklärende Wort. Zu meiner
Freude folgte Herr Dr. Finsch mit grosser Bereitwilligkeit voll und ganz meiner Auf-
forderung und übernahm die Bearbeitung, welche durch Benützung sorgfältig geführter
Tagebücher und Aufzeichnungen an Ort und Stelle besonderen Werth erhält. Den
beiden Männern, dem Mäcen wie den Forscher, sei hier aus vollem Herzen der beste
Dank gesagt, den die wissenschaftliche Welt in allen Zungen gewiss noch oft auf das
Nachhaltigste wiederholen wird.
Zum Schluss noch ein Wort über die Tafeln. Dieselben sind weniger dazu be-
stimmt, alle Objecte der an , 1 000 Nummern zählenden Sammlung zur Anschauung zu
bringen, als vielmehr die charakteristischen Stücke, sowie jene, welche rasch ihrem Unter-
gange entgegengehen oder heute schon untergegangen sind, darzustellen. Dabei werden
verschiedene Skizzen des Reisenden den Gebrauch gewisser Geräthschaften veranschau-
lichen und so zum besseren Verständniss beitragen. Es ist uns schliesslich noch eine
angenehme Pflicht, Frau Elisabeth Finsch an dieser Stelle herzlichen Dank aus-
zusprechen für die freundliche Sorge, mit der sie gewissenhaft und sicher in der Füh-
rung des Stiftes die Ausführung eines Theiles der Tafeln zu übernehmen die Güte hatte.
Wien, im Februar 1888. F. H.
1) Vergl. >Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee von Dr. O. Finsch, welche in
den Besitz des königl. Museums für Völkerkunde zu Berlin gelangten« (in: Original-Mittheilungen aus der
ethnologischen Abtheilung der königl. Museen zu Berlin, herausgegeben von der Verwaltung, 1. Jahrgang,
1886, Heft 213, Seite 57—70). Gibt »ethnologische Erläuterungen« zu den Sammlungen der Reisen in
den Jahren 1879 — 1882, denen das Berliner Museum 1665 Nummern verdankt, während es von den Reisen
101884—1885 2128 Stück, zusammen also durch Dr. Finsch an 4000 Nummern erhielt. Vergl. auch
»Katik)g der ethnologischen Sammlung der Neu-Guinea-Compagnie, ausgestellt im königl. Museum für
Völkerkunde« (I und II, Berlin, 1886).
7*
86 Dr. O. Finsch. [4]
Einleitung.
Durch die Erfahrungen in Sibirien belehrt, wandte ich während meiner späteren
Südseereisen der Ethnologie ganz besonderes Interesse und Thätigkeit zu. Wie dort
fand ich auch hier bestätigt, dass die Eigenart sogenannter Naturvölker in Berührung
mit sogenannter Civilisation rasch verschwindet, Vielerwärts ist dies bereits geschehen.
Das Häuflein Menschen der Steinzeit schmilzt immer mehr zusammen; gewisse Stämme
sind bereits untergegangen und von ihnen oft weniger übrig geblieben als von unseren
pfahlbauenden Vorfahren. Wer das karge Vermächtniss der Tasmanier im Museum zu
Hobart betrachten konnte, wird sich davon am besten überzeugt haben. Anderen
Menschenstämmen steht über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal bevor, wenn auch
nicht, wie bei jenen, völliges Aussterben, so doch der Untergang ihrer Originalität.
Während sich gewisse Sitten und Gebräuche länger zu halten pflegen, verschwindet das,
was der unberührte Naturmensch verfertigt, gewöhnlich zuerst und am schnellsten.
Glücklicherweise besitzen die Museen von derartigen Erzeugnissen der Intelligenz
Eingeborener gar Manches. Aber die Ethnologie ist eine junge Wissenschaft. Die An-
stalten zur Pflege derselben, die Museen, haben erst in letzter Zeit angefangen, ihre Auf-
gabe zu begreifen, und sich hie und da aus Raritäten- und Curiositätenkammern zu
wissenschaftlichen Sammlungen der Völkerkunde emporgeschwungen. Das Bestreben,
möglichst viel, namentlich sogenannte Schaustücke zusammenzubringen, hat dabei
vielfach mehr geschadet als genützt, denn nicht die Quantität, sondern die Qualität ist
für den Werth einer wissenschaftlichen Sammlung entscheidend. Dabei kommt es vor
Allem auf Zuverlässigkeit der Localitätsangaben an, und in dieser Hinsicht ist gar Vieles
in den Museen bedenklich, namentlich ältere Stücke aus jener Zeit, wo man es mit der
Geographie nicht so genau nahm und sich mit Bezeichnungen wie »Südsee« u. dergl,
begnügte. Das ist jetzt anders geworden. Wir wissen, dass nicht allein bei ganz ver-
wandten Stämmen erhebliche Verschiedenheiten der Sitten und Gebräuche vorkommen,
sondern auch, dass gewisse ethnologische Eigenthümlichkeiten sehr localisirt auftreten,
ähnlich wie dies in der Fauna mit gewissen Thierspecies der Fall ist. Wenn sich bezüg-
lich der Letzteren Irrthümer häufig noch berichtigen lassen, ist dies bei ethnologischen
Belegstücken nicht immer möglich. Die wissenschaftliche Benützung solcher Stücke
hat daher nicht selten zu Irrthümern geführt, die in Wort und Bild in wissenschaftliche
Werke übertragen wurden und unbewusst der Völkerkunde mehr schadeten als nützten.
Für das ungeheure Inselreich der Südsee, in welchem fast jede Insel, die grösseren
selbst localisirt, Verschiedenheit bietet, sind daher zuverlässige Localitätsangaben ganz
besonders erforderlich. Solche waren aber nicht immer möglich, da viele Sammlungen
erst durch verschiedene Hände gingen, ehe sie auf dem Wege des Curiositätenhandels
in Museen gelangten.
Wenn ein Pfeil, Speer, oder welcher Gegenstand es immer sein mag, ohne die
richtige Herkunft schon ziemlich werthlos wird, so gilt dies nicht minder für solche
Sachen, deren Benützung und Zweck unbekannt sind. Denn gerade durch den Nach-
weis der Letzteren erhalten ja Sammlungen erst den wissenschaftlichen Werth, der sie
als Material zur Völkerkunde geschickt macht und selbst dem unscheinbarsten Gegen-
stande Bedeutung verschafft.
Sammeln ist überhaupt nicht so leicht, als es scheint, zumal unter Naturvölkern, die
noch nicht für den Handel arbeiten und keine Bazare besitzen. Die aus den Museen mit-
gebrachten Erwartungen erfüllen sich nur theilweise. Vieles, was daheim schränkcwcis
[5] * Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 87
— ■ _^_^^ _ _ _ ■ — — ■ I ■ ^m^^ — - ___^.
vertreten war, bekommt man an Ort und Stelle kaum zu Gesicht, weil es vielleicht in
einem engbegrenzten Bezirke oder gar nicht mehr gemacht wird. Mit Ausnahme ge-
wisser in Menge vorhandener Sachen ist die Erlangung gar mancher mit Schwierig-
keitenverbunden, nicht selten vom guten Glück oder Zufall abhängig. Wer hätte gedacht,
dass der nackte »Wilde« gewisse Dinge überhaupt nicht hergeben würde, wo man er-
wartet hatte, mit einem Stück Bandeisen, einer Handvoll Glasperlen jedes zu erlangen.
Aber mit dem ethnologischen Sammeln verhält es sich gerade wie mit dem zoologischen.
Manche Vogelspecies ist überall in Masse vertreten, ihre Habhaftwerdung verhältnissmässig
leicht, andere sind auf gewisse Localitäten beschränkt, die der Reisende nicht zu erreichen
vermag, einzelne überhaupt von so seltenem Vorkommen, dass sie nur der Zufall ver-
schafft. Die Gelehrten der Museen scheinen dies oft zu vergessen und nur zu leicht
geneigt, dem Reisenden die Schuld zu geben, wenn er das Eine oder Andere nicht mit-
brachte.
Noch grössere Mühe als das Sammeln der Gegenstände selbst bereitet in vielen
Fällen die Erkundigung über die Anwendung und Benützung derselben. Dabei bietet
besonders in Melanesien die grosse Sprach Verschiedenheit ernste Schwierigkeiten, und
Miss Verständnisse sind nur zu leicht möglich. Oefters wird man absichtlich durch Ein-
geborene, nicht selten durch ansässige Weisse irregeleitet, die in der Regel von den
Eingeborenen, unter denen sie leben, am wenigsten wissen. Mit einem Worte, die
Aufgabe ist ebenso mühsam als zeitraubend und nur durch Studium der Eingeborenen
erreichbar. Bei den Letzteren hat mich die Gabe, guten Verkehr anzubahnen und zu
erhalten, nicht wenig unterstützt. Ich bemühte mich, als Freund betrachtet zu werden,
dem gegenüber sich die Eingeborenen ohne Rückhalt und Scheu bewegen und betragen
konnten. Dennoch hält es schwer, ihr Wesen, Thun und Treiben so kennen zu lernen,
wie man gern möchte, und trotz aller Bemühungen bleibt noch Manches unklar, ja
selbst ununtersucht. Auch mir ist es so ergangen. Immerhin brachte ich an Beleg-
stücken und Notizen ein Material zusammen, wie es in gegenseitiger Ergänzung nicht
häufig vorliegt und welches für eine wissenschaftliche Bearbeitung besonders geschickt
schien. Aber nur wenigen Glücklichen ist eine solche vergönnt! Die meisten Reisenden
erreichen dieses Ziel ihrer Wünsche, den Lohn vieler Zeit und Arbeit, Mühen und
Sorgen nicht. Gewöhnlich wandern die Sammlungen als der begehrtere Theil in die
Museen, die Aufzeichnungen bleiben dem »Sammler« übrig, eine Zersplitterung, die
den Nutzen solcher Reisen sehr beeinträchtigt und für die Wissenschaft am meisten zu
bedauern ist. Der spätere Bearbeiter kann mit den mageren Notizen des Verzeichnisses
nicht viel anfangen, und Fehler, die der Sammler selbst vermieden haben würde, sind
unausbleiblich und nur zu leicht erklärlich.
Auch ich hatte mir die systematische Bearbeitung meines ethnologischen Südsee-
materiales (von 1879 — 1882) als erste Aufgabe gestellt, aber verschiedene Verhältnisse
verhinderten dieselbe. Und das war diesmal gut. Denn inzwischen hatte ich eine zweite
Südseereise (1884 und i885) zu unternehmen, die mich mit zum Th eile ganz neuen
Gebieten bekannt machte und meine Erfahrungen bereichern half.
Wenn in der vorliegenden Arbeit ein Theil derselben zur Publication gelangt, so
ist dies in erster Linie dem Leiter der ethnologischen Abtheilung des k. k. Hofmuseums
in Wien, meinem verehrten Freunde Franz Heger zu verdanken, der in seinem Eifer
für die Wissenschaft auch für eine würdige illustrative Ausstattung zu sorgen wusste.
Dadurch war das Hauptbedenken, welches mich bisher von einer Bearbeitung zurück-
hielt, beseitigt, denn Abbildungen sind für eine solche durchaus erforderlich. Die bei-
gegebenen werden charakteristische Typen der Steinperiode bringen, Proben der oft
88 Dr. O. Finsch. [6]
staunenswerthen Ornamentik Eingeborener, die mit keinen anderen Werkzeugen als
von Stein, Muschel oder Knochen arbeiteten, aber auch solche unscheinbare Gegea-
stände, die im Verkehr mit der Civilisation immer mehr abkommen und zum Theile
als untergegangen zu betrachten sind. Wie wir uns mit den Abbildungen zu beschränken
hatten, so war dies auch bezüglich des Textes nothwendig. Ich habe deshalb manche
mir bekannte Sitten und Gebräuche unerwähnt lassen müssen, mich aber bemüht, ein
möglichst übersichtliches ethnologisches Bild derjenigen Stämme zu geben, die ich
mehr oder minder eingehend kennen lernte. Wie weit das Letztere möglich war, dar-
über wird der Text Auskunft geben, der sich freilich öfters nur auf kürzere Notizen
beschränkt. Aber auch diese werden von Interesse sein und dazu beitragen, die »Er-
fahrungen und Belegstücke aus der Südsee« zu vermehren und ihnen, als eine Förde-
rung der Völkerkunde überhaupt, freundliche Aufnahme und Willkommen zu sichern.
Bremen, im Februar 1888. Otto Finsch.
I. Bismarck -Archipel
umfasst die drei Hauptinseln: Neu -Britannien, Neu -Irland und Neu -Hannover und
erstreckt sich nordwestlich über die Admiralitäts- Inseln bis zu den Anchorites (Ana-
choreten).
Für die vorliegende Arbeit habe ich die wenigen aus den Salomons herrührenden
Stücke der Sammlung mit angeschlossen. Einige dieser Inseln sind ja inzwischen dem
deutschen Schutzgebiete einverleibt.
I. Neu -Britannien,
seit Erklärung als deutsches Schutzgebiet in »Neu -Pommern« umgetauft; die grösste
Insel des Bismarck -Archipels, von über 3 2.000 Quadratkilometer Flächeninhalt unter
4 — 6® s. Br. Die Insel ist langgestreckt, aber schmal, dabei bergig bis gebirgig, meist
dicht bewaldet, von durchgehends vulcanischer Formation mit zum Theile thätigen
Kratern. Sie ist noch heute grösstentheils unbekannt und wurde zuerst 1884 mit dem
Dampfer »Samoa« fast in ihrer ganzen Ausdehnung umfahren*).
Der bekannteste Theil der Insel ist das Gebiet von
a. Blanche -Bai,
und zwar besonders die knieförmige Halbinsel, welche den nördlichsten Theil der
Gazelle-Halbinsel bildet und das südöstlich etwa bis Gap Gazelle, nordwestlich nicht
über Weberhafen hinausreicht. Aus diesem Gebiete stammen fast alle in unseren Museen
mit »Neu-Britannien« bezeichneten ethnologischen Sammlungen. Dabei kommt fast nur
die Küste in Betracht, denn erst vor ein paar Jahren gelangten Europäer im Innern
bis zum Berge Beautemps-Beaupres (Unakokor der Eingeborenen), eine Entfernung
von kaum 20 Kilometer in der Luftlinie. Der Engländer Littleton war übrigens schon
1880 bis zu diesem Berge vorgedrungen und sagte mir, dass er bei den Eingeborenen
Vanokokoro heisse.
Blanche-Bai, schon in den fünfziger Jahren von Walfisch fahrern besucht, wurde
erst 1872 von Capitän Simpson mit dem englischen Kriegsschiff »Blanche« aufge-
nommen. Mitte der siebziger Jahre Hessen sich einige wenige Europäer ständig nieder,
1) Seitdem durch Herrn von Schleinitz genauer aufgenommen.
[-1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gq
und zwar auf Matupi oder Henderson - Insel, welche mit Mioko in der nahen Herzog
Vork-Gruppe das Hauptcentrum des Handels des westlichen Pacific bildet, der nahezu
ausschliessend in dem Export von Copra*) besteht. Im Ganzen gibt es an der Küste
von Blanche-Bai etwa zwanzig Stationen, die aber meist nur von einem Weissen (7Va-
der) besetzt sind, der gegen Tauschwaaren Cocosnüsse, respective Copra, von den Ein-
geborenen aufkauft. Diese übrigens sehr wechselnden Traderstationen sind meist sehr
primitive Häuser, grösstentheils vom Material des Landes (Rohr, Bambus etc.) errichtet
und wechseln ebensosehr als die Besitzer. An der Nordküste der Blanche-Bai-Halbinsel
haben sich nur ein paar Traderstationen halten können; die weiter westlich in Weber-
hafen müssen häufig für längere Zeit wegen feindseligen Betragens der Eingeborenen ver-
lassen werden. Fast gleichzeitig mit dem Handel hat auch die Mission, und zwar die der
Wesleyaner von Sydney, inNeu-BritannienFuss gefasst, aber bisher keine nennenswerthen
Erfolge zu verzeichnen; die Gesammtzahl der Getauften beträgt 2 1 5. Sie werden, wie die
Mission und die christliche Lehre überhaupt Loto genannt, ein weit über die Südsee ver-
breitetes Wort, das wahrscheinlich vom englischen »Lord« herstammt. Die Haupt -
Missionsstation ist in Port Hunter auf der Herzog- York-Insel, ausserdem je ein weisser
Missionär in Kabakadai an der Nordküste und einer in Blanche-Bai; die übrigen Missionäre
sind farbige Lehrer (teachers), meist Samoaner und Vitianer. Es gibt 27 Kirchen, d. h.
meist Hütten aus Bambus mit Grasdächern, die aber nicht alle ständig von einem Missionär
versehen werden. Seit einigen Jahren hat sich auch die katholische Mission in Nodup an der
Nordseite der Blanche-Bai-Halbinsel niedergelassen. Hier wurde am 18. Februar 1876
die erste protestantische Kirche auf Neu-Britannien errichtet, der Platz später aber auf-
gegeben. Die Heimatskunde der Eingeborenen selbst reicht über das im Eingang mar-
kirte Gebiet nicht hinaus. Daran ist hauptsächlich mit die grosse Verschiedenheit der
Sprachen schuld, der Mangel grosser seetüchtiger Canus für weitere K.üstenreisen, sowie
die stete Feindschaft zwischen Nachbarstämmen. Der Verkehr ist also ein sehr be-
schränkter, aber durch regelmässige Wochenmärkte der befreundeten Dörfer vermittelt,
wie die Eingeborenen überhaupt ausgesprochenen Sinn für Handel und Schacher be-
sitzen. Littleton, der weiter auf der Blanche-Bai-Halbinsel herumgekommen war als
irgend ein anderer Weisser bisher, gab mir 19 verschiedene Districte an. Ein besonders
landeskundiger Eingeborener von Matupi wusste dagegen nur 1 2 Districte oder Land-
schaften zu bezeichnen, als den äussersten Birara an Cap Gazelle. Darüber hinaus war
kein Matupite gekommen, wie sie auch selten über die Berge an die Nordküste gehen,
weil sie mit den dortigen Bewohnern meist in Fehde leben. Einen CoUectivnamen für
die ganze Insel gibt es nicht, die Bezeichnung »Birara« ist also ganz willkürlich.
A. Eingeborene.
Wie alle Neu-Britannier sind die Eingeborenen von Blanche-Bai echte Papuas-)
oder Melanesier und als solche hinsichtlich ihrer Lebensweise vorzügliche Ackerbauer,
') Vergl. Finsch: »Ueber Naturproducte der westlichen Südsee, besonders der deutschen Schutz-
gebiete« (Berlin, 1887, Deutscher Colonial verein).
2) Ausführlich behandelt in: Finsch, »Anthropologische Ergebnisse einer Reise in der Südsec
und dem raalayischen Archipel« etc. (Berlin, Asher & Co., 1884), Seite 52—58. — Vergl. auch: Finsch,
»Die Rassenfrage in Oceanien« (Zeitschrift für Ethnologie, 1882, Seite 163 — 166).
Ich will hierbei bemerken, dass die gewöhnliche Hautfarbung, welche ich mit »dunkel« bezeichne,
«ch zwischen Nr. 28 und 29 der Brocca'schen Tafel bewegt, dass aber bei allen Papuas auch dunklere
Hauiförbung (wie Nr. 27, 35 und 42), häufiger aber, zuweilen familienweise, zuweilen individuell, eine
'hellcrec Färbung (zwischen Nr. 29 und 30 bis 31) vorkommt.
QO Dr. O. Finsch. [8]
die vorherrschend von den Erträgen ihrer Pflanzungen leben, die Küstenbewohner, wie
überall, ausserdem vom Fischfange. Dagegen kommt Jagd kaum in Betracht. Unter
ihren moralischen Eigenschaften verdient besonders der strenge eheliche Verkehr und
die Keuschheit des weiblichen Geschlechts hervorgehoben zu werden. Ich habe nie eine
unkeusche Geberde gesehen. Ehebruch kommt übrigens vor und kann unter Umständen
dem Manne oder der Frau das Leben kosten. Ich selbst sah eine Frau, die bei einem
solchen Falle Speerstiche erhalten hatte. Gewöhnlich wird die Sache aber mit Diwara
ausgeglichen. Kinderliebe und Familiensinn sind stark entwickelt, nicht minder pietäts-
volle Verehrung der Todten beiderlei Geschlechts, die sich in Begräbnissen und anderen
besonderen Festlichkeiten bekundet und zuweilen zu einem förmlichen Todtencultus
steigert. Diebstahl kommt im Ganzen wenig vor; Trunksucht und Syphilis sind unbe-
kannt. Selbstverständlich herrscht Vielweiberei, aber sehr beschränkt und nur bei den
Reichen, da eine Frau viel Diwara kostet. Die Frauen werden besser behandelt, als es
sonst meist in Melanesien der Fall ist, und dürfen z. B. mit am Essen theilnehmen,
wenn auch im Uebrigen eine grössere Arbeitslast auf ihnen ruht. Aber es herrscht
Arbeitstheilung und jedem Geschlecht fallen besondere Verrichtungen anheim. Häupt-
linge gibt es sehr viele und jeder Mann, der viel Diwara (Muschelgeld) besitzt, nennt
sich Kjap (vom englischen Captain), doch ist ihre Macht meist eine sehr geringe. Reli-
gion fehlt. Dagegen herrscht, wie überall in der Welt, Aberglaube und Geisterfurcht,
die in Blanche-Bai besonders in der vor dem Toberan gipfelt.
Heiter und fröhlichen Temperaments, sind die Eingeborenen auch gutmüthig und
ebenso gute Menschen als wir. Der Hon. Littleton, ein Engländer aus hoher Familie
und der merkwürdigste Südseebummler, den ich je kennen lernte, machte ganz allein
und unbewaffnet weite Touren ins Innere, bis zum Berge Vanokokoro, im District
Viviren, und an der am meisten verschrieenen Nordküste, ohne dass ihm je ein Leid
geschah. Dabei war er, entblösst von allen Mitteln, meist auf die Gastfreundschaft der
Eingeborenen angewiesen. Wenn ihn die Letzteren schliesslich dennoch erschlugen, so
hatte das eben seine besonderen Gründe und war seine eigene Schuld. Ratulivei, ein
samoanischer Teacher, unternahm ebenfalls ganz allein Inlandsreisen und der Rev.
Brown wagte sich mit seiner Nussschale von Dampf barcasse in Küstengebiete, wo er
oft von hunderten Eingeborenen umringt war, die nie einen Weissen gesehen hatten
und ihn mit Leichtigkeit tödten konnten. Diese friedlichen VerhäJtnisse haben freilich
längst aufgehört und Mord und Todtschlag zwischen Eingeborenen und Weissen sind
nichts Seltenes mehr. Während meines Aufenthaltes wurden in meiner Nachbarschaft
allein fünf Weisse erschlagen, aber waren selbst Schuld an diesem Schicksale. Wenn man
weiss, dass Fälle vorkamen, wo ein Europäer auf Anstiften eines Andern von dafür
bezahlten Eingeborenen ermordet wurde, so kann man sich nur wundern, dass Morde
nicht häufiger passirten, und wird daraus ersehen, dass die Moral der Eingeborenen durch
die erste Berührung mit der Civilisation nicht gerade glänzende Vorbilder erhielt. Der
Vergeltungskrieg, welchen die Mission zur Bestrafung für die Ermordung von vier
farbigen Lehrern 1878 in Scene setzte und der einer Menge Eingeborenen das Leben
kostete, hat nicht wenig zu dem feindseligen Wesen beigetragen und die Ausschrei-
tungen der Werbeschiffe in den letzten Jahren den Verkehr mit den Eingeborenen
immer mehr erschwert. Dabei sind die Segnungen der Civilisation und Mission ohne
bemerkbar günstigen Einfluss geblieben und CannibaliSIflUS noch heute an der Tages-
ordnung. Ich selbst wohnte am 7. März 1881 auf Matupi, wo die Mission schon seit
sechs Jahren bestand, einer Menschenschlächterei bei (vergl. die Seite 91 unter Nr. 5
citirte Publication) und gehöre wohl zu den Wenigen, welche darüber aus eigener
U{] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Södsee. n i
Anschauung erzählen können. Die Eingeborenen sprechen Weissen gegenüber nicht
gern von dieser abscheulichen Sitte, die ihnen übrigens, von Generation zu Generation
überkommen und durch Usus in Fleisch und Blut übergegangen, gar keinen Abscheu
erweckt. Es ging deshalb bei diesem »Cannibalenfeste« durchaus friedlich und ohne
alle Aufregung her, als handle es sich nur um Schweinschlachten. Die Frauen durften
nicht zusehen, wie sie auch nicht mitessen dürfen; auch fand die Schlächterei ausserhalb
des Dorfes statt. Weisse sind nachweislich noch nie gegessen worden, sondern nur Ein-
geborene, gewöhnlich die im Kriege erschlagenen Feinde, wobei übrigens auch Frauen
nicht verschont werden. Besondere Gebräuche oder Geräthe (z. B. Gabeln, wie früher
in Fidschi) kommen nicht in Anwendung; auch gibt es keinen besonderen Namen für
Menschenfresserei. Eigentliche Menschenjagden kommen in Neu-Britannien nicht vor,
sondern es handelt sich meist nur um Blutrache. Ist z. B. ein Matupite irgendwo an
der Küste erschlagen und verzehrt worden, so sucht man das in derselben Weise zu
vergelten, wobei die Rache häufig Unschuldige trifft. Diwara (Muschelgeld) ist hierbei
gewöhnlich die mächtigste Triebfeder, das Aufessen selbst mehr nebensächlich.
Ethnologische Charakterzüge für die Bewohner von Blanche-Bai sind: vollkom-
mene Nacktheit in beiden Geschlechtern, Mangel an Pfahlbauten, Bogen und Pfeil,*)
geringe Entwicklung von Schnitzarbeiten, lebhafter decorativer Sinn, Musikliebe, An-
fertigung durchbohrter Steinwaffen (Keulen), Todtenverehrung und Dugdug.
Blanche-Bai war auch für mich das Hauptfeld meiner Forschungen. 2) Ich lebte
hier, 1880 und 1881, acht Monate und brachte grosse, namentlich ethnologische Samm-
lungen zusammen. Schon damals war die Steinzeit sehr stark im Untergange begriffen
und bei meinem zweiten Besuche (1884— 1 885) fast völlig erloschen, gewisse Gegen-
stände gar nicht mehr zu haben. So schnell geht bei Naturvölkern die Originalität
durch den Einfluss von Weissen verloren, eine Erscheinung die sich überall wiederholt,
und welche die gleichsam vom Untergange geretteten Belegstücke der Völkerkunde
um so werthvoller macht.
Die im Nachfolgenden citirten Wörter gehören der vocalreichen und wohlklin-
genden Matupi- Sprache an, die für eine melanesische besonders reich zu sein scheint.
So war ich erstaunt, dass die Eingeborenen nicht allein fast für die meisten Vögelarten
•circa 140) Eigennamen besassen, sondern auch viele Fische, Schmetterlinge, ja Spinnen
mit solchen bezeichneten. Sie sind jedenfalls sehr gute Naturbeobachter. Uebrigens ist,
wie überall in Melanesien, die Zersplitterung der Sprachen ausserordentlich gross. So
werden selbst in Blanche-Bai mehrere Sprachen oder Dialekte gesprochen.
*) Hölzerne Schilde kommen nach Powell in Spacious-Bai vor (»Wanderings in a wild countryc,
Seite HO).
2) Aus den Ergebnissen derselben publicirte ich bisher :
1. »Briefe aus Matupi in Neu-Britannien« in: Zeitschrift für Ethnologie, 1880, Seite 402 — 404.
2. »Aus dem Pacific. IX. Neu-Britannien« in: Hamburger Nachrichten, Nr. 153, 30. Juni; Nr. 154,
I.Juli; Nr. 155, 2. Juli; Nr. 156, 4. Juli 1881.
3. »Brief aus Neu-Britannien« in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band XVI
11882), Seite 293—306.
4. »Bilder aus dem Stillen Ocean. 2. Land und Leute in Neu-Britannien« in: Gartenlaube, 1882,
Nr. 42, mit Bild; »Leichenfeier in Neu-Britannien«, Seite 697.
5. »Menschenfresser in Neu-Britannien« in: Leipziger Illustrirtc Zeitung, Nr. 2107, 17. November
1883, mit Bild.
6. »Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee. von Dr. O. Fi n seh, welche in Besitz
vics kÖnigL Museum für Völkerkunde zu Berlin gelangten,« in: Original -Mittheilungen aus der eihno-
I'jgischcn Abtheilung der königl. Museen zu Berlin, I. Jahrgang, 1886 (Heft 2 und 3), Seite 57—70.
Q2 Dr. O. Finsch. [lo]
B. Körper an sputi und Bekleidung
sind bei einem Menschenstamme, der, wie die Bewohner von Blanche-Bai, und zwar in
beiden Geschlechtern, völlig nackt einhergeht, identisch, denn der Erstere ersetzt eben
die Letztere, und von Bekleidung in unserem Sinne kann daher keine Rede sein. Ein
Halsstrickchen, Armband und ein paar Schnüre Glasperlen um den Leib sind der ge-
wohnliche Ausputz. Trotz der völligen Nacktheit sind die Eingeborenen äusserst decente
und keusche Menschen, deren Moralität als Beispiel dienen und beweisen könnte, dass
Nacktheit und Schamhaftigkeit sehr wohl nebeneinander bestehen. Von Kindesbeinen
an ihre Blosse gewöhnt, sind sie sich derselben zwar bewusst, aber ihre Schamhaftig-
keit fühlt sich dabei so wenig verletzt als bei bekleideten Menschen. Sicher ist, dass die
Nacktheit die Sinnlichkeit eher dämpft als reizt und die letztere daher bei diesen Menschen
sich viel weniger regt als gewöhnlich angenommen wird.
Die engere Bekanntschaft mit der Civilisation hat in der Bekleidungs frage wenig
geändert. Ich sah die Eingeborenen i885 noch in demselben Zustande der Nacktheit
als drei Jahre vorher, obwohl viel Kattun unter die Leute gekommen ist. Sie betteln
auch nach Zeug und Kleidungsstücken, meist aber nur um solches zu besitzen, da ihnen
das Tragen bald unbequem wird. Nur bei den Stationen sieht man zuweilen bekleidete
Kanaker, häufiger dagegen solche in Lavalava, d. h. einem Stück Zeug von der Grösse
zweier Taschentücher, um die Lenden geschlagen; Lavalavas sind daher ein gefragter
Tauschartikel.
Die für dieses Gebiet charakteristische Nacktheit entspringt selbstredend dem Usus
und der Bedürfnisslosigkeit, aber nicht etwa dem Mangel an geeignetem Material, das
sich für Bekleidungszwecke hier ebenso als anderwärts findet. So tragen die Weiber
auf dem nahen Mioko meist aus Palmblatt geflochtene Schürzchen, die man hin und
wieder auch auf Matupi sieht. Bei Regenwetter pflegen die Eingeborenen Matten
(Aiding) über den Kopf zu halten, die auch als Unterlage beim Schlafen benützt werden.
Kranke sieht man zuweilen ein grosses Stück Tapa als Hülle gebrauchen, Körper-
bedeckung also nur dann, wenn sich das Bedürfniss darnach einstellt.
Die Fertigkeit, Tapa, d. h. aus Baumbast mittelst Klopfen einen zeugähnlichen
Stoff zu bereiten, ist auch in Blanche-Bai wie in Melanesien überhaupt nicht unbekannt,
also keineswegs Polynesien allein eigenthümlich. In Polynesien benützt man den feinen
Bast der Broussonetia papyrifera, in Blanche-Bai ein weit gröberes Material, wahr-
scheinlich vom Brotfruchtbaume, wie die folgende Nummer:
A brewo oder A mal ') (Nr. 2 56, i Probe), Tapa, von einem Baumast geklopft,
daher in Form einer langen Röhre.
Solche Stücke werden hauptsächlich gebraucht, um Säuglinge darin zu tragen.
Ich füge hier zur Vergleichung Proben oceanischer Tapa bei, wovon die Sammlung
einige charakteristische Stücke aufweist, darunter solche mit aufgedrucktem Muster:
Tapa (Nr. 255, i Probe) aus dem Baste des Brotfruchtbaumes von Pikiram
(Greenwich-Island), Carolinen.
Tapa aus dem Baste von Broussonetia von Samoa: Nr. 253 (i Probe) sehr
fein geschlagen, gebleicht, weiss (heisst Djapo)\ Nr. 254 (i Probe) mit Anfängen von
Mustern bedruckt und Nr. 259, 260 (2 Proben) in bunten Mustern bedruckt, wie Nr. 261
(i Probe) von der Insel Rotumah und Nr. 262 (i Probe) von der Insel Fotuna.
») Parkinson (»Im Bismarck -Archipel«, Seite 122) spricht irrthümlich von »Weben« dieses
Stoffes, aber Weberei ist in ganz Melanesien unbekannt.
[i i] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. q3
Wie z. B. in Hawaii Tapa bereits gänzlich abgekommen ist, so wird dies auch
bald im übrigen Polynesien der Fall sein und damit eine eigenthümliche Eingeborenen-
industrie vollends aussterben. Die polynesischen Tapamuster wurden bekanntlich mit-
telst eigens dafür aus Holz angefertigter Matrizen aufgedruckt; in Neu -Britannien er-
reicht man denselben Zweck durch Bemalen, wie die folgenden Nummern zeigen:
A mal (Nr. 263, 264, 2 Proben), Tapa mit hübschen Mustern bemalt; Beining.
Diese feinere Art Tapa wird nur in den Beining- und Kabaira-Districten der Nord-
küste angefertigt, hier aber auch nicht als Bekleidung, sondern nur bei Festlichkeiten
benutzt. Man stellt dann aus grossen Stücken Tapa eine Art Poncho her, indem man
einen Schlitz hineinschneidet oder ein paar Löcher für die Arme, und in dieser Weise
bedecken sich die Tänzer damit.
Die oft sehr geschmackvollen Muster in Roth, Schwarz und Weiss repräsentiren
eine höchst originelle Ornamentik, welche gegenüber der sonstigen Armuth an solcher,
besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Schmuck und Zieraten sind im Ganzen minder reich und mannigfaltig als ander-
wärts, enthalten aber immerhin einiges Originelle.
Als Material werden in erster Linie frische, buntfarbige Blätter benützt, meist
von eigens dafür cultivirten Crotons und Draceen, feinfiedrige Farrenkräuter (Abunum)y
ferner eine rothe Art Schilf (Akanda, wie Nr. 417) und die Samenkerne von Coix
lacryma {Piuwe)^ Taf. III (i), Fig. 8, 9, merkwürdiger Weise aber nicht die schön
rothen Abrusbohnen (Andiwole), obwohl dieselben überall wild wachsen.
Aus dem Thierreich kommen hauptsächlich folgende Conchylien: Nassa, Trochus
niloticus, Oliva, Dentalium zur Verwendung, aber merkwürdiger Weise keine grossen
Kegelschnecken (Conus) und kaum nennenswerth Perlmutter oder Schildpatt (A paia-
pun), Schildkröten (A maiai) sind übrigens sehr selten in Blanche-Bai, ebenso Perl-
schalen. Auch Tridacna gigas wird hicht verarbeitet, und schon darin bekundet sich die
geringere Entwicklung künstlerischer Intelligenz der hiesigen Eingeborenen.
Zähne werden nur wenig zu Zierat benützt, solche von Menschen und Schweinen
gar nicht; Eckzähne vom Hunde, die sonst so beliebt sind, nur untergeordnet, weil
Hunde nur in geringer Zahl gehalten werden. Dagegen bilden die kleinen Eckzähne,
'^ngut genannt (Taf. III [i], Fig. 16), ein äusserst werthvolles, für dieses Gebiet charak-
teristisches Schmuckmaterial. Diese Zähne stammen von einem kleinen, kaum katzen-
grossen Beutelthier,') Phalangista (Cuscus) orientalis, welches bei seiner nächtlichen
Lebensweise sehr schwer zu erlangen ist; ich erhielt in acht Monaten nur zwei Exem-
plare. Die Matupileute nennen es Angirau, bekommen es aber kaum zu sehen und
erhalten die Zähne meist von der Nordostküste, wo das Thier Arum heisst. Die dor-
tigen Kanaker wissen, um den Werth zu erhöhen, manchferlei Fabelhaftes von dem
Arum zu erzählen, der Menschen angreifen soll u. s. w., so dass die Matupiten dasselbe
fürchten. Eine Menge Angut soll übrigens über Mioko von Neu-Island eingetauscht
werden und hier dieses Beutelthier häufiger sein.
Federn kommen im Ganzen wenig in Betracht. Das Feinste, was aus solchen
gemacht wird, sind die geschmackvollen Verzierungen der Staatsspeere, wie an Nr. 724,
und Federkronen zum Ausputz von Paradeleichen Vornehmer. Auffallend ist, dass
vom Casuar nicht die eigentlichen Federn, sondern nur die fahnenlosen, hornartigen
Schäfte der Primärschwingen (vergl. Nr. 3o2) zu Nasenstiften benützt werden.
>) In der unter Nr. 6 (Seite 91) citirten Abhandlung von mir irrthümlich als »Delphinzähne«
'Seite 60) bezeichnet.
Q4 Dr. O. Finsch. [12]
Diese ohnehin nicht zahlreichen Materialien zu Schmuck und Zieraten sind übrigens
mehr oder minder, zum Theil ganz, durch Ambit (vom englischen bead)y d. h. euro-
päische Glasperlen verdrängt worden, die in Menge eingeführt sind und überall als
Tauschmittel gelten. Die gangbarsten Sorten sind kleine vsreisse (A kukurua)^ blaue
(A balemdrum) und rothe (Afilja) Emailperlen, darunter die letzteren am werthvollsten.
Ehe ich auf die verschiedenen Schmuckgegenstände näher eingehe, will ich hier
einer kleinen Muschel gedenken, die, obwohl sie mit zu den Materialien für Zierat zählt,
doch vorzugsweise den Verkehr vermittelt und im Sinne unseres Geldes betrachtet wer-
den muss. Es ist dies eine kleine Meeresschnecke (Nassa callosa var. camelus Martens),
aus welcher das berühmte Diwara (Nr. 628, i Probe aufgereiht) oder Muschelgeld ver-
fertigt wird, das für Blanche-Bai und darüber hinaus eine besondere charakteristische
Bedeutung erlangt und mit dem Leben jedes Einzelnen so innig zusammenhängt als
Geld mit dem unseren. Taf. III (i), Fig. i gibt eine Darstellung desselben: a die natür-
liche Muschel von der Seite, b von unten, c verarbeitet, d. h. mit eingeschlagenem
Mantel, wodurch ein Loch entsteht zum Aufreihen auf dünn gespaltenes Rohr oder
Rottan (A kadai)^ wie dies d zeigt. So aufgereiht wird das Diwara in der Form kleinerer
und grösserer Ringe aufbewahrt, die den eigentlichen Reichthum ausmachen. Häupt-
linge sammeln Ringe von der Grösse eines Wagenrades an, die sauber in gespaltenes
Rohr eingesponnen sind und Tambu aloloi (alolei = Häuptling) heissen. Solche wer-
den bei feierlichen Gelegenheiten, namentlich Begräbnissen, zur Parade ausgestellt, und
ich zählte zuweilen 20 dieser enormen Ringe, manche so schwer, dass zwei Männer
zum Tragen erforderlich waren.
Diwara, für welches übrigens zwei Stücke die Einzahl sind, wird praktischer Weise
gemessen, da das Zählen zu lange dauern würde. Die Neu-Britannier haben übrigens
Zahlwörter von i bis 100, bedienen sich aber am meisten der Fünfzahl nach Fingern
und Zehen. Ein Stück Diwara von der Spitze des Zeigefingers bis zum Ellbogen heisst
A turoaie, von der Fingerspitze bis zur Schulter A wiloai, von Fingerspitze zu Finger-
spitze, also die Klafterung eines Mannes, A pokorno. Letztere kommt bei grösseren
Zahlungen in Betracht und wird in Matupi meist Param genannt, wie das Diwara selbst,
ein corrumpirtes Wort aus dem englischen /<:i/Äom (= Faden = Klafter). Da auf einen
Faden circa 480 einzelne Diwara gehen, so erhellt daraus, wie viele Tausende zu einem
Tambu aloloi gehören. Es gibt unter den nackten Wilden in Blanche-Bai also auch
Millionäre, und Jeder bemüht sich ein solcher zu werden, denn wie bei uns verschafft
Reichthum Ansehen und eine gewisse Macht. Diwara ist aber viel mächtiger als Geld
bei uns. Mit Diwara kann man in Blanche-Bai alles erreichen; Ehebruch, Blutschuld,
Mord sühnen; Fehden werden meist mit Diwara geschlichtet und darin die Kriegscon-
tribution der unterlegenen Partei bezahlt. Auch die Kriegsschiffe strafen, wie dies von jeher
der Fall war, in Diwara und damit etwaige renitente Eingeborene am empfindlichsten.
So sah ich beim Rev. Brown einen colossalen Tambu aloloi, der als Kriegsbusse für die
vier erschlagenen Fidschi -Tcacher bezahlt worden war. Für Mord eines gewöhnlichen
Mannes wurden gewöhnlich 5o Faden (also circa 100 Mark) bezahlt; für ein Schwein 1 881
6 — 9 Faden (= 12 — 18 Mark). Ohne Diwara kann Niemand eine Frau erlangen. Aeltere
Knaben sparen daher bereits eifrig für die Zukünftige, deren Preis je nach dem Range
der Eltern 5o — 100 Faden und mehr beträgt. Weissen gegenüber sind Eingeborene
übrigens sehr zurückhaltend mit Diwara und geben es nicht immer im Tausch weg.
Ein Faden wird mit 20 Stück Tabak im Werthe von 2 Mark bezahlt, doch variirt, je
nach der Nachfrage, der Preis nicht unbedeutend. Diwara ist also wie Effecten bei uns
Coursschwankungen unterworfen und, was noch mehr überrascht, Gegenstand des
ffV» Elhnologischc Errahrungcn und Belegstücke aus der SOdeee. g5
Wuchers. Die braven «Wilden« verstehen sich nämlich bereits darauf Diwara gegen
ZinseD auszuleihen, was die Bedeutung desselben am besten illustrirt. Der Werlh des
Diwara hat übrigens durch die eingeführten Tauschwaren keinerlei Einbusse erlitten.
Da die Nassa callosa in Blanche - Bai lebt, wo ich sie selbst erhielt, liegt die Frage
nahe, warum sich nicht jeder nach Belieben Diwara verfertigt? Das hat aber seine grossen
Schwierigkeit ea. Die Muschel lebt, bewacht von der Furcht vor Haifischen, in ansehn-
lichen Tiefen im Schlamm, ist also kaum für gewöhnliche Taucher zu erlangen; ich habe
nur wenige Male in geringeren Quantitäten Diwara machen sehen. Die Hauptmasse des
Diwara stammt jedenfalls, wie die Kanaker selbst behaupten, aus alter, längst vergangener
Zeil her, wo diese Leute noch intelligenter und fleissiger waren als jetzt. Bei der Dauer-
haftigkeit des Materials ist Diwara weniger vergänglich als gewisse Münzen, aber es
bleibt immerhin schwer zu erklären, woher der Abgang ersetzt wird. Denn beträcht-
liche Quantitäten werden Todten mit ins Grab gegeben und sind, wie ich aus Erfahrung
weiss, beim späteren Ausgraben der Gebeine, behufs Erlangung des Schädels, als Münze
werthlos. Diwara wird übrigens hauptsächlich an der Nordküstc gemacht, wo die Ver-
hältnisse wahrscheinlich günstiger und die Eingeborenen noch Aeissiger sind. In
Blanche-Bai hat durch Einführung von Tauschwaren, namentlich Glasperlen, die Be-
nützung von Diwara zu Zieraten bedeutend nachgelassen und für manche Stücke (z. B.
Halskragen, Seite 98, Nr. 441) ganz aufgehört.
Eine andere Art Muschelgeld, A pellä, aus kleinen runden Muschelplättchen (ahn-
lichTaf. 111 [1], Fig. 4, von Neu-Irland) wird von der Herzog York-Gruppe einge-
Uuscht, spielt aber als Geld nur eine untergeordnete Rolle. Als solches dienen dagegen
die Armringe aus Trockus nilottcus (Lalei, Nr. 37 1 , von Neu- Irland).
Kinder verfertigen eine besondere Art Muschelgeld :
A kanoare (Nr. 63i, i Probe), falsches Diwara (Taf. 111 [1], Fig. 2) aus Nassa
vibex (a von der Seite, b von unten). In die Muscheln wird ebenfalls ein Loch ge-
schlagen, um sie in derselben Weise auf gespaltenen Rottan zu reihen und zu Ringen
lu winden als Diwara. Kanoare dient aber nur zum Spielen der Kinder unterein-
ander und zeigt bereits die Bestrebungen der Erwachsenen.
Doch kehren wir wieder zu den eigentlichen Ausschmückungen des Körpers
nirück, unter denen Bemalen obenan steht und zumal bei Festlichkeiten gar nicht ent-
behrt werden kann. Zu den allenthalben bei Naturvölkern _-
Flg. I.
bekannten und benutzten Farben: Schwarz, Weiss und Roth
kommt hier noch Gelb und durch Importation Blau.
Die Art der Bemalung hat übrigens ihre gewissen
Regeln, und meine neuen Muster fanden z. B. keinen An-
klang. Die mit am häufigsten benutzte Farbe ist Weiss:
Akabang (Nr. 623 a, 1 Probe), so der aus Corallen
gebrannte und pulvcrisirte Kalk, wie er zum Betel gegessen
wird. Gewöhnlich dient er, und zwar bei beiden Ge-
schlechtern, zum Einschmieren des Kopfhaares, womit
schon beim Säugling begonnen wird. Die Männer bemalen
äch auch das sorgf^tig frisirte Schamhaar mit Kalk, weisse Eingeborner von Blanche-Bai
Striche ins Gesicht und mit Vorliebe einen breiten Längs- """ N^enschmuck aus Glas-
«rdf Ober Brust und Bauch. P"'*" """ ^-i^htsbemalung.
Die nebenstehende Abbildung (Fig. 1) soll die Bemalung eines jungen Mannes
wenigstens andeuten. Um die Augen, quer über die Stirn und ums Gesicht weiss; über
liie Nase und quer über die Wangen blaue Striche; um den Mund roth.
q6 Dr. O. Finsch. [14]
Schwarz, A korrkorr (= Trauer) wird meist aus gebrannten Cocosnussschalen
oder den Galibnüssen (Seite loo, Nr. 883) bereitet, aber man benutzt auch mineralische
Stoffe (wahrscheinlich Mangan oder Eisen). Wie überall in Melanesien ist Schwarz die
Trauer färbe, mit der je nach ^er Wichtigkeit des Trauerfalles das Gesicht oder der
ganze Körper angestrichen wird. Frauen gehen beim Tode eines grossen Häuptlings
oft wochenlang in »Schwarz«. Besonderen Trauerschmuck, wie z. B. in Neu-Guinea,
gibt es nicht.
Mit Schwarz eingeriebenes Haar ist bei beiden Geschlechtern beliebt und nicht
Zeichen der Trauer. Die Männer malen häufig die eine Seite schwarz, die andere roth,
oder vier farbige Felder, was sehr hübsch kleidet. Schwarze Striche im Gesicht dienen
ebenfalls als Zier, nicht als Trauerzeichen.
Roth, A tarr, ist die eigentliche Fest- und Freudenfarbe und kommt sowohl im
Gesicht als am Körper in Anwendung, und weil am theuersten, vorzugsweise bei
Männern. Bei grossen Festlichkeiten sind sie zuweilen am ganzen Körper roth ange-
strichen, aber nicht wenn sie in den Kampf gehen, denn es gibt keine Kriegsfarbe. Roth
wird, wie überall, mittelst Glühen aus eisenhaltiger Erde bereitet, die eben A tarr
heisst. Für Farbe hat man kein Wort, und das dafür angewendete A penn ist dem
englischen paint (= Farbe) entlehnt.
Gelb, A mier, heisst eine Pflanze, deren ausgepresste Blätter einen Saft liefern,
welcher schön, aber schnell vergänglich gelb färbt und nur für das Haar, namentlich bei
Frauen, verwendet wird.
Blau, Ballemdrum, ist eingeführtes Waschblau und wird zum Färben des Kopf-
haares, sowie für Striche im Gesicht angewendet. Ballemärum^ wie auch blaue Glas-
perlen heissen, ist übrigens ebensowenig der Name für Blau als Farbe, wie Alimut für
Grün; aber es gelang mir nicht, die Stoffe, auf welche diese Bezeichnungen zurück-
zuführen sind, ausfindig zu machen. Bemerkt mag übrigens sein, dass der Farbensinn
der hiesigen wie der meisten Eingeborenen Blau und Grün nicht immer unterscheidet.
Tätowirung, A kotto, welche sich übrigens auf der dunklen Haut sehr wohl
abhebt, wird, obwohl sie bekannt ist, nicht geübt. Nur in seltenen Fällen sieht man auf
Stirn oder Wangen von Mädchen ein Paar punktirte Striche, die in der üblichen Weise
eingeschlagen wurden, aber als Körperschmuck nicht in Betracht kommen. Beliebter
sind dagegen als solcher Ziernarben, A kotto, die mittelst scharfer Instrumente ein-
gerissen werden und bei Wiederholung der schmerzhaften Operation heller gefärbte
erhabene Male bilden. Sie gruppiren sich zuweilen zu Figuren, meist in der Form eines
Rades, und werden von Männern auf der Brust, von Mädchen auf dem Hintertheil,
zuweilen in anderem Muster auf dem Oberschenkel eingeschnitten. Solche Mädchen
gelten als besonders schön. Dennoch ist diese Körperzier sehr wenig verbreitet, wahr-
scheinlich infolge der Schmerzhaftigkeit und namentlich Langwierigkeit. Gut ausge-
führtes A kotto muss mehrmals wiederholt werden und erfordert schon der Heilung
wegen mehrere Monate Zeit.
Ich gehe nun zum Ausputz und den Zieraten der einzelnen Körpertheile über.
Haarschmuck besteht, wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, besonders in
Färben des Kopfhaares, das schon von frühester Jugend, ja fast von der Geburt an, mit
Kalk behandelt sich zu Zotteln klumpt und eine blonde Färbung erhält. Im Uebrigen
wird auf das Kopfhaar keine Pflege verwendet. Man kennt z. B. keine Kämme zum
Aufzausen desselben, weshalb auch bei den hiesigen Eingeborenen die weitabstehende
Haarwolke (englisch mop) fehlt, welche mit Unrecht als charakteristisch für das Papua-
haar gilt, weil sie nur infolge von Dressur entsteht. Grosse Sorgfalt verwenden die Männer
[15] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. qy
auf das Barth aar. Es wird bis auf einen schmalen Streif rings um das Gesicht ausge-
rissen und dieser Streif weiss, an der Basis roth bemalt. Dasselbe gilt in Bezug auf die
Schamhaare, welche bis auf zwei schmale Längsstreifen von der Penisbasis an ausgerissen
werden. Frauen sind in dieser Richtung, wie überhaupt, minder eitel als die Männer
und entfernen hier nur ausnahmsweise die Behaarung. Rasiren des Kopfhaares kommt
bei beiden Geschlechtern vor, meist um sich von den lästigen Parasiten, Aut, zu befreien.
Als gewöhnlichster Kopfputz für beide Geschlechter dienen bunte Blätter oder
Büschel Farrenkraut. Sehr häufig findet man auch ein Endchen Diwara im Haar ange-
bunden, um Kleingeld bei der Hand zu haben. Männer pflegen auch 0/iVa-Muscheln
(Nr. 482, Seite 98), einzelne Hundezähne und durchbrochen gearbeitete, runde oder
ovale Scheiben und Ringe aus Nautilus-Muschel, seltener Perlmutter, Kalagi genannt,
an die Haarzotteln zu befestigen, Weiber kleine Bündel Schweinsborsten.
Federnschmuck wird nur von Männern getragen, und zwar in den folgenden
beiden Formen :
Lakur (Nr. 333, i Stück), runder Büschel aus zerschlissenen Federn des Muar
'Cacatua ophthalmica) und Hahnenfedern^ A kakdruk.
Desgleichen (Nr. 334, < Stück) aus zerschlissenen Cacatufedern und einem langen
schmalen Büschel aus Hahnenfedern.
A kangal (Nr. 335, i Stück), aus Hahnenfedern, an der Basis aus Schwingen federn
von Papageien (Trichoglossus oder Lorius und einigen gelben vom Cacatu).
Beide Arten Kopfputz werden im Haar festgesteckt und vorzugsweise bei Fest-
lichkeiten getragen. Der Paradeleiche von Häuptlingen pflegt man ein kronenartiges,
mit weissen Cacatu- und Hahnenfedern besetztes Gestell auf den Kopf zu setzen.
Stirnschmuck kommt nur bei Festlichkeiten in Gebrauch, und zwar bei Männern.
Am häufigsten werden Awub, eigenthümliche Wülste aus Flaumfedern des Haushuhns
um die Stirn getragen. Seltener sind Stirnbinden aus einem 2 — 3 Cm. breiten Streif
Akanda, das wie rothes Leder aussieht, aber aus einer Art Schilf oder dergleichen be-
steht (vergleiche Nr. 417 von Willaumez). Diese Streifen sind häufig mit etwas Diwara,
Angut, gelben Cacatufedern, einigen Kalagi (siehe oben) und dünnen Muschelplättchen
verziert. Leichen Vornehmer werden mit solchen Stirnbinden geschmückt.
Ohrecbmuck beschränkt sich meist auf Schnüre von Glasperlen, Martalinga, die
namentlich bei den Weibern Mode sind, hie und da mit ein paar Angut oder einem
Hundezahn und bietet nichts Eigenthümliches.
Dagegen findet sich origineller Nasenschmuck, der nicht nur in dem durchbohrten
Scptum, sondern auch in den durchbohrten Nasenflügeln getragen wird. Männer be-
dienen sich des :
Bilibagu (Nr. 3o2, i Stück), Nasenstift aus der ersten Schwinge des Murrup
fCasuarius Bennetti), in der Nasenscheidewand, und des:
Aurnäta (Nr. 3oi, 6 Stück), Z)ew/j/iMm-Muscheln (Taf. 111 [i], Fig. 19), als Ver-
zierung in die mit 2 — 3 Löchern durchbohrten Nasenflügel. Längere Exemplare dieser
Muschel (9 — 10 Cm. lang) werden zuweilen auch im Septum getragen.
Aibuta heisst ein Nasenzierat von 3 — 4 Angut, die an einem kurzen Stiele in die
Löcher der Nasenflügel gesteckt wurden, aber wie der übrige eigenthümliche Nasen-
schmuck durch Glasperlen fast ganz verdrängt ist.
Am beliebtesten, und zwar für beide Geschlechter sind jetzt Zündhölzchen mit
einigen aufgereihten Glasperlen, die in die Löcher der Nasenflügel gesteckt werden, oder:
Ambit(Nr. 3o3, i Stück), Ringe von aufgefädelten Glasperlen (meist weissen) durch
Nasenflügel und Septum, wie dies die Abbildung eines Mannes Fig. i (Seite 96) zeigt.
gS Dr. O. Finsch. [ i 6]
Halsschmuck. Unentbehrlich für Mann wie Frau, Jung wie Alt ist ein Halsstrick-
chen aus einem gewöhnlichen Bindfaden, an welchem die jungen Leute ihre Maul-
trommel tragen und die auch zur Befestigung von Schmuck dient. Als solchen verwendet
man gewöhnlich frische Blätter, besonders die Abunum genannten hübschen Farren-
kräuter, welche, auch als dichte Halskränze, im Festschmuck beider Geschlechter nicht
fehlen dürfen.
A baul heisst ein Halsband aus dreifach aufgereihten getrockneten Knospen (wohl
von Mangrove), das aber nur gelegentlich getragen wird.
Blumen und Federn finden als Halsschmuck keine Verwendung, was namentlich
im Hinblick auf die sonst so beliebten Casuarfedern besondere Erwähnung verdient.
Für dieses Gebiet eigenthümlich ist dagegen der:
A midi (Nr. 441, i Stück), Halskragen der Männer, welcher gleichsam als Zier
des waffenfähigen Mannes dient, übrigens jetzt auch von Knaben getragen wird. Er
besteht in einem tellerartigen oblongen Geflecht aus gespaltenem Rottan, mit einer Oeff-
nung, so gross um den Kopf durchzuzwängen, das, oben mit Glasperlen besetzt, unter-
seits mit Kalk geweisst ist und nur von den Männern verfertigt und getragen wird. Von
der Fülle des Haares gehalten, kann der A midi auch auf dem Kopfe getragen werden
und kleidet dann ähnlich einer breiten losen Hutkrempe sehr originell. Früher wurden
diese A midi mit Diwara besetzt, die mit zum kostbarsten Schmuck zählten, jetzt aber
gar nicht mehr zu haben sind. An dem hinteren, nur 2 — 3 Cm. breiten Rande des
A midi, der mit rothem Schilf oder Zeug umwunden ist, wird gewöhnlich ein Anhängsel
befestigt aus Schnüren von Glasperlen, Samenkernen von Coix, etwas Diwara, einigen
Hundezähnen und ganz besonders:
Wuäweo (A tobo) (Nr. 482, 4 Stück), Klingeln aus Oliva porphyrea. Die Spitze
ist abgeschlagen und abgeschliffen und bildet einen Querschnitt wie die kleine Oliva
carneola (Taf. III [i], 7 a), nur dass derselbe grösser ist und i — 2 Cm. misst. Die
Manier, wie die Löcher zum Befestigen an Bindfaden verfertigt werden, verdient er-
wähnt zu werden. Sie bestehen nämlich nicht in eigentlichen Bohrlöchern, sondern
werden durch einen Querschnitt hergestellt. Zu mehreren zusammengebunden geben
diese Muscheln durch die Bewegung beim Gehen einen hellen Ton, der häufig dadurch
erhöht wird, dass man einen Hundezahn, eine Dentalium-lAa^chA oder Stückchen
Coralle als Klöpfel befestigt. Solche Wudweo werden auch am Halsstrickchen oder im
Haar befestigt, da die Kanaker das Geklingel und Geklapper besonders lieben.
Den kostbarsten Schmuck bilden:
Angut (Nr. 479), Beutelthierzähne, Seite g3 (Taf. III [1], Fig. 16), welche früher
bündelweise an Schnüren befestigt um den Hals getragen wurden, jetzt aber in anderer
Weise verarbeitet werden. Wie das Stück der Sammlung (aus circa 100 bestehend)
zeigt, flicht man die Zähne reihenweise zusammen und benutzt sie als Einsätze von
Halsbändern aus Glasperlen. Dieselben sind circa 4 Cm. breit und schliessen den Hals
so fest wie eine Militärhalsbinde. Sie werden noch mit allerlei Anhängseln (Schnüre
Diwara, Glasperlen, Hundezähnen, Knöpfen u. s. w.) verziert.
Solche Halsbinden (A gurgurüa) bilden den Staatsschmuck von Häuptlingen bei
grossen Festlichkeiten und sind nur in den seltensten Fällen erhältlich. Es gelang mir
nur durch gute Bekanntschaft mit »King Dick« von Makada, ein solches zu erstehen, für
welches ich in Tauschwaaren etliche 3o Mark bezahlte und das sich jetzt im Berliner
Museum befindet.
Der Werth dieses Materials findet in der grossen Seltenheit des betreffenden Thieres
volle Rechtfertigung. Angut bilden den werth vollsten Tauschartikel, gleich Goldeswerth.
[i^] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gn
BrustSChmuck kommt kaum in Betracht. Vor Allem verdient das Fehlen von
Kampf-Brustschmuck der Männer, wie wir ihn im Verfolg kennen lernen werden,
hcnorgehoben zu werden, für welchen allerdings die Halskragen (A midi, Nr. 441) im
gewissen Sinne als Ersatz gelten können.
Piuwe, d. h. die aufgereihten Samenkerne von Coix lacryma (Taf. III [1], Fig. 8)
oder Querschnitte derselben (ibid. Fig. 9) bildeten früher zu Schnüren aufgereiht den
Staat der Weiber, sind aber jetzt durch Glasperlen fast oder ganz verdrängt worden.
Letztere wxrden, je nach der Wohlhabenheit, in vielreihigen Schnüren um Hals und
Brust, auf letzterer oft kreuzweise getragen und machen jetzt den vorherrschenden und
gewöhnlichen Schmuck aus.
Armschmuck bietet nichts Eigcnthümliches. Schmale, circa i — 2 Cm. breite Bän>
der aus Pflanzenfaser, A kinlim genannt, oder ein gewöhnliches Strickchen, sehr fest
um den linken Oberarm geflochten, sind ebenso unentbehrlich als die erwähnten Hals-
strickchen. Sie dienen praktischen Zwecken, um unter diesem Band die Pfeife, ein Stück
Tabak oder Diwara einzuklemmen, bei Festlichkeiten bunte Blätter. Feine Armbänder
von Flechtwerk kommen nicht vor oder sind eingetauscht.
Dagegen werden aus Trochus niloticus:
Lalei (Nr. 370, i Stück), werthvolle Armringe verfertigt, die mit zu den müh-
samsten und kunstvollsten Arbeiten zählen.
Die beiden folgenden Nummern: Nr. 368 und 369 (2 Stück) zeigen solche L^/e;
in den Anfängen der Bearbeitung. Sie besteht im Wesentlichen darin, dass durch vor-
sichtiges Klopfen der Spitzentheil der Muschel nach und nach abgeschlagen wird, bis
nur der Basisrand übrig bleibt, der dann auf einem Steine mit Wasser zu einem dünnen
Reif geschliffen wird, wie ihn die Nummern 366 (von Forestier-Insel) und 371 und 372
(Von Neu-Irland) zeigen. Schon 1881 waren die zierlicheren und feineren Laieis von
Ncu-lrland sehr beliebt und wurden vielfach von dort eingetauscht; seitdem wird die
Kunst der Anfertigung wohl vollends verloren gegangen sein. Laieis werden mehr von
Frauen als Männern, oft zu 20 bis 3o, um den Oberarm getragen, meist so fest, dass
sie sich kaum mehr abstreifen lassen, und bildeten früher eins der werthvoUsten Tausch-
raittcl, das z. B. beim Ankauf einer Frau unerlässlich war.
Aus 7Wrfacn£i-Muschel geschliffene Armringe (A kagale), welche als seltene Aus-
nahme von einem Häuptlinge getragen werden, sind nicht eigenes Fabrikat, sondern
meist von den Salomons eingetauscht und gelten als sehr kostbar. Gegenwärtig werden
Imitationen aus Emailglas auf den Markt gebracht und haben sich zum Theile Eingang
verschafft. Eine besondere Art:
A papal (Nr. 397, i Stück), schmaler, flacher Armring aus Schildpatt (District
Luen), wird nur an der Nordküste der Gazelle-Halbinsel gefertigt und ist wenig verbreitet.
Leibschmuck ist kaum nennenswerth, denn das Strickchen, welches fast jeder
Kanaker um die Hüften trägt, dient wie die Hals- und Armstrickchen praktischen
Zwecken. Früher galten ein paar Schnüre der feinen Muschelscheibchen (A pellä)
«Seite 95) als beliebter Hüftenschmuck, werden aber jetzt vor» beiden Geschlechtern
durch Glasperlenschnüre ersetzt.
Beinschmuck kommt nicht vor. Nur den zur Parade ausgestellten Leichen Vor-
nehmer pflegte man das Fesselgelenk mit Diwara zu umwickeln, ebenso zuweilen das
Handgelenk. Hin und wieder sieht man jetzt an diesem Theile Schnüre von Glasperlen
tragen, sowie Fingerringe von solchen. Letztere sind auch in Metall eingeführt worden
und bilden einen Tauschartikel, den die Eingeborenen anfangs durch Querschnitte von
weggeworfenen Metall-Patronenhülsen zu ersetzen wussten.
AnoaJen des k. k. naturhistorischen Hofmuseuras, Bd. UI, Heft 2, 1888. 8
6:U054
lOO Dr.O. Finsch. [,8]
C Häuser und Siedelungen.
Wie erwähnt, stehen die Häuser (A pal) nicht auf Pfählen, sondern auf der Erde
und sind mehr als Hütten zu bezeichnen, Jedoch von eigenthümlicher oblonger Form,
meist mit einer Spitze an jedem Ende der Dachfirste. Das Material zu den Häusern ist
Ried oder Gras, sowie grobe Matten aus Cocospalmblatt. Die Siedelungen bestehen ge-
wöhnlich aus mehreren Häusern, die mit einen gemeinschaftlichen hohen Zaune, A liplip,
aus Bambu umgeben sind, was für dieses Gebiet charakteristisch wird. Diese Zäune
besitzen eigenthümlich construirte Eingänge, A motiolaulo. Die Dörfer sind nicht gross;
so zählten die drei Dörfer der Insel Matupi, des bedeutendsten BevÖlkerungscentrunis
von Blanche-Bai, im Jahre 1881 600 — 700 Bewohner.
Grosse Versammlungshäuser wie in Neu-Guinea gibt es nicht, wohl aber Schuppen
für unverheiratete Männer. Ebenso fehlen Schnitzereien als Verzierung an den Häusern,
die indess bei gewissen feierlichen Gelegenheiten in anderer Weise geschmückt werden.
Dabei finden ausgeblasene Eierschalen häufig Verwendung, und zwar wie die folgende
Nummer:
Klau (Nr. 20, i Stück), Ei des Angiok (Megapodius eremita).
Dieses Scharrhuhn ist sehr häufig, macht aber keine Bruthaufen wie die ver-
wandten Arten Neu -Guineas (Megapodius Duperreyi) und Australiens (Megapodius
tiimulus)y sondern gräbt Höhlen oder legt die Eier einzeln in ein, im schwarzen Lava-
sande gescharrtes Loch, wo sie von der Sonne gezeitigt werden. Das eben ausge-
schlüpfte Junge ist bereits befiedert und »flugfähig«!
Aus solchen Angiokeiern werden im Verein mit Federwülsten, Awiib genannt,
aus den weissen Flaumfedern vom Haushuhn und bunten Croton- und Draceenblättern
artige Guirlanden verfertigt, welche in der Decoration von Festplätzen eine so hervor-
ragende Rolle spielen und hauptsächlich bei Begräbnissen zur Geltung kommen, wie
ich in der unter Nr. 4 citirten Abhandlung (Seite 91) ausführlich beschrieb.
A bogil heissen die in Verbindung mit Begräbnissen, aber auch freudigen Ereig-
nissen errichteten eigenthümlichen Erinnerungszeichen, welche für dieses Gebiet cha-
rakteristisch sind. Sie bestehen aus einem hohen, oft 3o Schritt und mehr langen Zaune
aus gespaltenem Bambu, der mit bunten Blättern, rothbemalten Cocosnüssen und Ba-
nanenstengeln, Angiokeiern, Galibnüssen, Unterkiefern von Schweinen und zuweilen
mit Imitationen von Diwararingen geschmackvoll ausstaffirt ist und imW^esentlichen zur
Erinnerung an die gehaltene Schmauserei dient. In sinniger Weise werden bei solchen
Gelegenheiten auch Bäumchen gepflanzt.
Auch die folgenden:
A Galib (Nr. 883, i Probe), Nüsse (Früchte einer Canarium -Art aus der F'amilie
Burseraceae) werden zur Ausschmückung verwendet. Man verziert sie dann besonders,
indem in die noch weiche Schale ein Muster gravirt und dasselbe mit Kalk eingerieben
wird, so dass es von dem dunklen Grunde scharf hervortritt. Galibnüsse, die eine sehr
harte Schale und einen angenehm mandelartig schmeckenden Kern haben, kommen
aber auch bei Festen zum Essen körbeweise zur Vertheilung, namentlich wird die Jugend
damit regalirt.
Ackerbau ist, wie erwähnt, die Hauptbeschäftigung der Eingeborenen und liefert
die vorherrschenden Nahrungsmittel: Yams (Aup), Taro (A pa), Bananen (A mau),
süsse Kartoffel und Zuckerrohr (A tub). Die Cocospalme (Alema) wird ebenfalls culti-
virt und jeder Baum hat seinen Besitzer. Brotfrucht (A kapiake) spielt im Haushalt der
Eingeborenen keine grosse Rolle; Sago ist ihnen unbekannt. Bei den Cultivationen sind
[iq] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. lOI
beide Geschlechter thätig, d9ch fällt auf die Frauen der grössere Antheil. Besondere
Geräthschaften, ausser zugespitzten Stöcken, kommen bei der Bearbeitung des Bodens
nicht in Betracht.
VonThieren werden nur Schweine, Ambereu, und Hunde, A pap, in beschränkter
Anzahl gehalten, ebenso Hühner, A kakarük, welche die Eingeborenen aber nicht essen.
Durch Importation europäischer Schweine sind diese Thiere auf Matupi sehr zahlreich,
aber dennoch, wie Hühner, nicht immer erhältlich. An wilden Thieren sieht man zu-
weilen Cacatus, Muar, und Edelpapageien (Eclectus polychlorus)^ A kalanger, gezähmt
bti den Häusern. — Jagd und Fischerei wird im Verfolg gedacht werden.
D. Geräthschaften und Werk{euge.
Wie von Hausrath kaum die Rede sein kann, so verhält es sich auch nahezu mit
dem Kochgeräth. Die Bewohner von Blanche-Bai sind unbekannt (nicht wegen Mangel
des Materials) mit der Töpferei, besitzen auch keinerlei Holzge fasse,*) Löffel, Messer
und Gabel.
Als Schaber für Cocosnuss oder Taro bedient man sich beliebiger Muscheln, ohne
weitere Bearbeitung, als Brecher Knqchenstücke oder Holzpflöcke, als Messer scharf-
kantige Bambuleisten, mit denen sich selbst Fleisch trefflich schneiden lässt. Ich
habe damit noch 1881 Weiber äusserst geschickt und in eigenthümlicher, sehr prak-
tischer Methode Schweine ausschlachten sehen, so sauber, wie es bei uns nicht besser
i^eschchen kann. Als Schüssel und Teller dienen Blätter meist von Bananen (A mapinai)
oder Brotfruchtbaum (A kapiake), oder flache Körbchen aus Cocospalmblatt, die sich
schnell anfertigen lassen und bei jeder Mahlzeit erneuert werden. Bei Festen werden
die Speisen (z. B. gekochte Bananen und Fische) oft in grossen runden Körben aus
einem mit Banane nblätlern ausgekleideten Gestell von Rottan (To parapa) aufgetragen,
so appetitlich und hübsch mit bunten Blättern geschmückt, dass sie eine Tafel bei uns
zieren würden. Jeder Theilnehmer hat sich inzwischen ein Blatt oder Körbchen zurecht
gemacht und empfängt darauf seinen Antheil.
Als Wassergefässe dienen Cocosschalen oder Bambu, denn zum Kochen ist ja hier
kein Wasser erforderlich. Zwar werden alle Speisen zubereitet genossen, aber das geht
auch ohne Töpfe, und die bekannte Redensart: »es wird überall mit Wasser gekocht«
findet auf Neu-Britannien und viele andere Südseegebiete keine Anwendung. So lässt
sich z. B. in einer Düte von Bananenblatt trefflich Rührei (von Megapodius-EiQTn)
bereiten; ein in ein Bananenblatt eingeschlagener und auf heissen Steinen gerösteter
Kisch wird sehr schmackhaft, und das in einer Grube zwischen Blättern und heissen
Meinen gar gewordene Schweinefleisch ist nicht zu verachten. Dies, oder einfach heisse
Asche oder Rösten über glühenden Kohlen, sind die einfachen, aber sehr praktischen
Kochmethoden der hiesigen Eingeborenen, die in erster Linie die Frauen beschäftigen.
Als das unentbehrlichste Geräth hierbei dient ein langes, vorne gespaltenes Stück
Bambu, eine Art grosser Pincette, mit welcher die glühenden Steine und die heissen
Speisen hantirt werden und mit der die Weiber sehr geschickt umzugehen verstehen.
Gegessen wird, ausser den genannten Vegetabilien , welche die Hauptnahrung
liefern, eigentlich Alles, was kreucht und fleucht. Meeresthiere, wie Muscheln, Dinten-
^sche, sind ebenso beliebt als grosse Käferlarven oder Warneidechsen (Monitor);
Schlangen werden nicht gegessen.
») Das im Katalog des Museum Godetfroy (Seite 76) erwähnte ist sicher nicht aus Neu-Britannien.
8*
I02 Dr. O. Finsch. [^ö]
Merkwürdigerweise sind gewisse Thiere koscher, aber nur für die Männer, jedoch
nicht für alle; und zwar Schweine, Kängurus {Aukin) und für manche auch Haifisch
(A mong) und Menschenfleisch. Solche Männer werden als »Marewot« bezeichnet,
wozu aber auch schon Knaben gehören können. Frauen sind nicht »Marewot« und
ihnen fällt bei den Festlichkeiten das Schweinefleisch meist allein zu.
Salz ist, wie wohl in der ganzen Südsee, unbekannt.
Die Sammlung enthält zwei der wichtigsten Haushaltungsgeräthe, die einzigen,
welche ich überhaupt kennen lernte.
A kua (Nr. 5o, i Stück), Feuerreiber (Taf. IV [2], Fig. 9 und 10).
Dieses Instrument ist, wenigstens auf Matupi, nicht mehr im Gebrauch und durch
schwedische Zündhölzer, die ein beliebterTauschartikel sind, vollständig verdrängt worden.
Das Feuerreiben geschieht auf folgende Weise :
Mit dem kurzen, zugespitzten, 16 Cm. langen Holzstifte (Fig. 10) wird unter
kräftigem Aufdrücken in der Rille des grösseren, 25 Cm. langen Holzstückes (Fig. 9)
nicht allzuschnell hin- und hergerieben. Es entsteht dadurch ein feiner, schwarzer
Mulm, der schon nach 20 — 40 Secunden zu rauchen anfängt. Unter wiederholtem Ab-
setzen fängt dieser Mulm in circa 3 — 4 Minuten an zu glimmen, in geschickter Hand in
kaum I Minute. Der glimmende Zunder wird in trockene Blätter geschüttet und diese
mittelst Schwenken in Brand gesetzt. Ich habe, mit der Uhr in der Hand, beobachtet,
dass ein Mann in 25 Secunden auf diese Weise Feuer erzeugte, mich aber vergeblich
bemüht, es ihm nachzumachen.
A mamarau (Nr. 5i, i Stück), Stampfer aus Stein, ohne besondere Bearbeitung.
Dient zum Zerstampfen von Taro, Fruchtkernen (z. B. von der Brotfrucht); gewöhn-
lich werden Steine, wie sie sich gerade finden, verwendet.
Gewerbskunde ist wenig entwickelt. — Mattenflechten beschränkt sich nur auf
grobes Flechtwerk (Aiding) aus Cocospalmblatt zum Hausbau oder als Unterlage zum
Schlafen. Strickarbeiten kommen nur für Netze (vergl. Nr. i65) zur Verwendung, aber
nicht zu Beuteln, wie sie sonst allenthalben in Melanesien üblich sind.
Korbflechterei. Die F'rauen bedienen sich flacher, viereckiger Körbe (A rat) an
einem Bande über den Vorderkopf getragen, so dass der Korb auf dem oberen Theile
des Rückens ruht. In dieser Weise tragen sie auch, meist von den Plantagen heim-
kehrend, Lasten.
Eine besondere Art feiner Körbe, zum Aufbewahren von allerlei Kleinigkeiten,
werden dagegen an der Nordküste verfertigt und sind das Beste in diesem Genre, wie
die folgende Probe zeigt:
Aem (Nr. 114, i Stück), feiner Korb aus gespaltenem Rottan; District Beining.
Bei dem Mangel von Netzbcuteln ist für die Männer unentbehrlich:
A Lokopit (Nr. 107, i Stück), Armkorb aus Cocosblatt, um darin die nothwcn-
digsten Kleinigkeiten, vor Allem Betelnüsse, Kalk, etwas Muschelgcld (Diwara), Bind-
faden oder dergleichen zu verwahren. Der Träger steckt den Arm durch das Loch, so
dass der Korb fast bis zur Schulter kommt.
Dies führt zu den Genussmitteln, unter denen nur Tabak und Betelnuss bekannt,
aber für beide Geschlechter und von frühester Jugend an fast unentbehrlich sind. Der
Tabak (Tobacco) ist wahrscheinlich erst durch Europäer eingeführt worden, und zwar
wird ausschliessend amerikanischer Stangen tabak {Twist, Nr. 642^) begehrt. Er steht
als Tauschmittel im Verkehr mit den Eingeborenen obenan und ist gleich Münze zu
betrachten. Früher (1881) war ein Stück Tabak der Taglohn, jetzt verlangen die Ein-
geborenen schon werthvoUere Dinge, wie Kattun, Messer u. dgl. Ein besonderes Rauch-
r2|l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. lo3
geräth kennt man nicht und europäische Thonpfeifen sind überall eingeführt und ein
gangbares Tauschmittel.
Betel (A buoi)y d. h. die Frucht der Betelpalme, Areca (A potnur), wird in der
üblichen Weise mit pulverisirtem Kalk und den Blättern (Ai-ertulum) oder Blüthen
iAi-er) eines Pfefferstrauches gegessen. Betelnüsse wie Kalk bilden ebenfalls Tausch-
artikel, von denen der letztere in folgender Originalverpackung:
A gaga (Nr. 892), i Säckchen aus Blättern mit aus Corallen gebranntem Kalk
{Akabang)j unter den Eingeborenen in den Handel kommt. Ein solches Säckchen mit
Kalk wird mit 6 Stück Diwara bezahlt.
Zum Aufbewahren des Kalkes bedient man sich nur:
A waun (Nr. 893, i Stück), viereckiges Täschchen aus Pandanusblatt.
Kalebassen') und Spatel (sogenannte Kalklöffel), die in Neu -Guinea häufig zu
Kunstgegenständen werden, sind unbekannt; zum Aufbrechen der Bctelnuss benutzt
man gewöhnliche Knochen- oder Muschelstücke.
Werkzeuge. Mit dem Untergange der Steinzeit ist auch das hervorragendste Geräth
desselben, die Steinaxt, verschwunden und sowohl in Matupi, wie an der Küste durch
eiserne verdrängt worden. Schon 1880 konnte ich keine vollständige mit Stiel versehene
Steinaxt mehr erhalten und gebe deshalb die Abbildung einer:
Steinaxt von Neu-Hannover (Taf. IV [2], Fig. 3), im Besitz des k. k. natur-
historischen Hofmuseums in Wien, welche mit solchen aus Neu -Britannien ganz über-
einstimmt. Zu dem Holzstiel, Aruge (a), wird ein passendes rechtwinkliges Aststück
gewählt und an diesem mittelst eines Geflechtes aus gespaltenem Rottan (b) die Stein-
klinge (c) festgebunden. Letztere zeigen die folgende Nummer:
Arium lua, Airam (Nr. 12, 4 Stück), Steinklingen, (Taf. IV [2], Fig. i und 2 Längs-
durchschnitt), und zwar in der gewöhnlichen Grösse. Das Material ist ein harter schwärz-
licher Diabas und grüner Quarzit, von dem man passende Rollsteine auswählte und
diese zurecht schliff. Grössere Steinaxtklingen als 1 2 Cm. lang und 8 Cm. breit habe ich
nicht gesehen, solche aus Muschel (wie Nr. 120, Taf. IV [2], Fig. 4, von der Nordwest-
küste) niemals; 1884 waren überhaupt keine mehr zu haben.
An sonstigen Werkzeugen wurden früher nur spitze Muscheln, Terebra oder
\fitra, Ago genannt, zum Bohren und Steine oder Holzstücke zum Hämmern benutzt.
Raspeln aus Rochenhaut, die sonst überall vorkommen, sah ich nicht.
WafTen. Die landesüblichen Waffen: Wurfspeer, Schleuder und Keulen, sind durch
Feuergewehre bereits ziemlich verdrängt worden und auf Matupi wenig mehr in Ge-
brauch. Im Jahre 1881 gab es nur vereinzelte Musketen (A Market) und der Besitz
einer solchen war der höchste Wunsch jedes Kanaker. Drei Jahre später verlangte man,
hauptsächlich infolge des verderblichen Verkehrs mit Arbeiterwerbeschiffen (Labour-
tradern)j bereits Hinterlader (Snider Rifles)^ und mit solchen traten die Eingeborenen
wiederholt den bewaffneten Mannschaften von strafenden Kriegsschiffen gegenüber.
Feuerwaffen sind inzwischen im deutschen Schutzgebiet verboten worden, haben aber,
was ausdrücklich hervorgehoben zu werden verdient, die Fehden der Eingeborenen
untereinander unblutiger gemacht. Die Neu-Britannier sind weder Jäger noch grosse
Krieger und ihre Kampfweise sucht das offene Gefecht zu vermeiden, so lange es angeht.
Dagegen liebt man hinterlistige Ueberfälle, wobei wehrlose Weiber nicht geschont
werden. Im Ganzen verlaufen alle diese Fechtereien, bei denen viel Geschrei die Haupt-
') Die im Katalog des Museums Godeffroy (Seite 75) erwähnten stammen wahrscheinlich von den
Admiralitäts- Inseln, von wo solche nicht selten durch Handelsschiffe miti^ebracht werden.
I04 Dr. O. Finsch. [22]
rolle spielt, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, ziemlich unblutig. Es handelt sich
gewöhnlich um ein oder ein paar Opfer, die, wo es angeht, mitgeschleppt und daheim
verzehrt werden. Mit Diwara schliesst man Frieden, löst für solches die Körper er-
schlagener Freunde ein, um sie zu begraben, oder bezahlt damit Schmerzengeld an Ver-
wundete, wovon ich selbst Zeuge war. Blutrache und Weiberraub sind die gewöhnlichen
Ursachen zum Kriege. Unter den Waffen nehmen Wurfspeere die erste Stelle ein, und
schon die Jugend übt sich im Gebrauche derselben, zunächst als Spiel und mit dünnen
Rohrstäben. Die Speere sind ausnahmslos aus hartem Holz, meist Palmholz, gefertigt,
lang und schwer und zeichnen sich durch den Mangel von Zahnkerben und Widerhaken
an der Spitze aus. Vor der letzteren ist der Speer gewöhnlich etwas verdickt und verläuft
dann in die glatte, schlanke Spitze. Das Fussende des Speeres ist häufig verdickt und
wie ein Arm- oder Schenkelknochen ausgearbeitet, auch mit wirklichen von Casuar
oder Mensch verziert, was im Verein mit Umwicklung von rothgefärbtem Schilf und
Muschelgeld (Diwara) für die Speere Neu-Britanniens charakteristisch ist. Schnitzerei
fehlt an denselben; dagegen werden sie häufig roth und weiss bemalt. Die Tragweite
von Wurfspeeren werden wir in der F'olge bei Neu -Irland kennen lernen.
Die Sammlung enthält die vorzüglichsten Typen von Sp6er6n in den folgenden
Stücken:
Aluraket (Nr. 730, i Stück), Wurfspeer, 262 Gm. lang, rund, glatt; die gewöhn-
lichste im Kampfe gebrauchte Sorte.
A pupungo (Nr. 725, 726, 727, 3 Stück), 240 — 292 Cm. lang; wie vorher, aber
an der Basis mit einem Federbüschel verziert, meist aus rothen und gelben Flügel-
federn von Papageien (Trichoglossus Massenae und subplacens) und weissen Hahnen-
federn, die vorzugsweise beliebt sind.
Eine andere Art Speere, bei denen sich die Federverzierung an 5o Cm. und weiter
erstreckt, heissen Vivivawoan.
Akut (Nr. 729, I Stück), schwerer Speer, 252 Cm. lang, an der Basis in einen
Knochen ausgeschnitzt, der weiss bemalt ist.
Lauka (Nr. 728, i Stück), schwerer Speer, 209 Cm. lang, mit einem wirklichen
Knochen vom Menschen (Oberarm) an der Basis.
Am häufigsten werden die Schenkelknochen des Morrup (Casuarius Bennetti)
benützt, aber auch solche von Menschen, die aber nicht von erschlagenen Feinden,
sondern Anverwandten herrühren, deren Gebeine, des Schädels halber, nach circa
Jahresfrist ausgegraben werden. Solche Speere mit Menschenknochen heissen Aur
(= Knochen).
Burunga werden schwere Speere mit knaufartiger Verdickung vor der Spitze und
verdicktem abgesetzten Basistheile genannt;
Lemtina solche, bei denen die Basis in einer knopfartigen Verdickung endet.
Eine besondere Art Speer ist der:
A Pulepän (Nr. 724, i Stück), Staatsspeer, 244 Cm. lang, an der Basis mit 65 Cm.
langem, runden, reichen Federknauf, über Bambus geflochten, zu unterst zwei rothe
Ringe (von Lorius hypoenochrous), die einen grünen Ring (von Geoffroyus oder Pti-
lopus) einfassen, dann folgt ein konisches, langes weisses Stück (von Haushühnern und
Cacatua ophthalmica), das oberseits von einem schwarzen Rande (wohl Haushuhn oder
Eudynamis) begrenzt wird, an den sich ein gelber Ring aus Cacatuhaubenfedern an-
schliesst; das äusserste, dicke, an 3o Cm. lange Ende besteht aus rothen, gelben und
schwarzen Federn (Flügelfedern von Trichoglossus Massenae und Trichoglossus sub-
placeus).
m
Ethnologische Erfahrungen und Belegsiäckc aus der Südsec.
loS
Si-hkuder von Blnnche-Bai,
NLU-BriMnnien, (< i)
Schlcudcrstein
Blanche-Bai, Nou-
Briiannien. pl3)
Diese Speere dienen nicht zum Kampfe, sondern nur bei feierlichen Gelegenheiten,
namentlich Begräbnissen von Häuptlingen. Man gibt dann der in sitzender Stellung
zur Parade ausgestellten Leiche gewöhnlich einen solchen Speer in die Hand {vergl,
die unter Nr. 4 citirte Abhandlung, Seite 91).
Eine sehr gebräuchliche und weit gefährlichere Angriffswaffe als der Wurfspeer
ist die Schleuder.
Awaije (Nr. 832, 1 Stück), Schleuder (Fig. 2). Sie besteht aus einem dichten,
festen Polster aus Baumblatt oder Bast, an deren Enden zwei dünne, feste Schnüre
von je r2oM. Länge befestigt
sind, von denen die eine in
eine Schlinge, die zweite in
einen Knoten endet.
Dazu gehört der:
Ali1ia(von likai — wer-
kn) (Nr. 833'), Schleuder-
stein (Fig. 3). Man benutzt als
solche gewöhnliche imWasser
rundgeschliffene Rollsteine.
Die grössten haben 5' « Cm.
Durchmesser.
Schleudersteine werden
beim Kampfe in Körbchen
getragen, und wie die Speere,
von den Knaben den Männern
?.ugeschleppt.
Die Hantirung der
Schleuder zeigt Fig. 4. Der
Schieuderer streckt zunächst
die Schnüre rückwärts über den Nacken klafternd aus, damit jede Hälfte genau dieselbe
Länge hat. Dann hält er mit der wagrecht ausgestreckten Linken zwischen Daumen
und Zeigefinger, die Schleuder mit dem Steine und spannt die Schnüre mit der Rechten
an, wobei die Schnur mit dem Knoten zwischen den Daumen und Zeigeünger gehalten,
während die mit dem Schlingenende um den Mittelfinger geschlungen wird. Plötzlich,
die linke Hand loslassend, schwingt der Schleuderer den Stein mit dem Polster hori-
zontal über seinem Kopfe und entsendet dann mit scharfem Rucke das Geschoss. Es
lliegt mit Geräusch und so grosser Vehemenz, dass es Einem Arm oder Bein zer-
schmettern, ja einen Mann niederzustrecken vermag.
Die Bewohner von Blanche -Bai wissen die Schleuder vorzüglich zu handhaben,
aber es war nur Zufall, wenn Powell') einen Vogel auf 100 Schritt treffen sah. Aller-
dings fliegt ein Schleudcrstein wohl i5o Schritt weit, aber er weicht dann gewöhnlich
ab, und schon deshalb ist es nicht räthlich Zuschauer bei einem Kampfe der Einge-
hirenen zu spielen, wie ich aus eigener Erfahrung weiss. Einer der besten Schleuder-
'icrfer von Matupi war der Häuptling Totem, den ich zwölfmal hintereinander auf
<:irca 3o Schritt (nach Schätzung) einen Palmstamm treffen sah. In der Hand eines
solchen Meisters wird die Schleuder in der That zu einer gefährlichen Waffe.
lo6 Dr. O. Finsch. [24]
Schleudern kommen übrigens immer mehr ausser Gebrauch, ebenso Keulen, die
früher zu den gewöhnlichsten Waffen gehörten und von denen mehrere Arten unter-
schieden werden. Eine der feinsten Sorten repräsentirt die folgende:
Pakul (Nr. 766, i Stück), Keule aus hartem Holz, i -4 M. lang, an beiden Enden
flach und ruderartig (i3 Cm.) verbreitert.
Diese Art Keulen werden zuweilen in der Mitte mit gespaltenem Rohr übersponnen.
Die gewöhnlichsten Arten sind: PalaububUy ein flaches, oben 4 — 5, am unteren
Ende 6 — 7 Cm. breites Stück Hartholz, wie eine Latte, und der Dirimbirika, ein runder,
häufig an dem einen Ende spitz zulaufender Kampfstock von 1 73 M. Lunge und 4—6 Cni.
Durchmesser. Alle diese Holzkeulen und Knüppel sind ohne Schnitzerei und werden
höchstens mit Flechtwerk, Schnüren mit Diwara und gelegentlich Blättern und Cacatu-
federn verziert.
Sehr eigenthümlich sind dagegen:
Palau (Nr. 763, 764, 765, 3 Stück, Taf. IV [2], Fig. 5, 6), einfache, runde, nach
unten spitz zulaufende Stöcke von Hartholz, die mit einem durchbohrten runden Stein-
ring bewehrt sind und somit eine wuchtige Schlagwaffe abgeben, Fig. 5 zeigt den Stein-
knauf von der Seite mit a dem Bohrloch, ferner den Stock, der oben 7 cm, vorragt und
stumpf abgeschnitten ist, unten 1*20 M. lang in eine stumpfe Spitze ausläuft; Fig. 6 zeigt
die Hälfte eines Steinknaufcs von oben: a das Bohrloch, dasselbe rundum einfassend
eine Verzierung aus Diwara, auf einen schwarzen Kitt aufgeklebt.
Diese Palau gehören schon wegen ihres isolirtcn Vorkommens mit zu den inter-
essantesten Erzeugnissen der melancsischen Steinzeit, denn sie finden sich meines Wissens
in ähnlicher Weise nur noch an der Südostküste von Neu -Guinea wieder. Die von
Powell (1. c. S. 161) abgebildeten Steinkculen stammen jedenfalls von dort und nicht
von Blanche -Bai her.
Die an derselben Stelle beschriebene F'abrikationsweise der Steinringe mittelst
Tropfen von Wasser auf den glühend gemachten Stein ist mit grosser Vorsicht aufzu-
nehmen. Wahrscheinlich werden oder wurden die Bohrlöcher, in ähnlicher Weise wie
dies in Neu-Guinea geschieht, mit anderen Steinen ausgepickt und geschliffen, aber ein
zuverlässiger Beobachter hat wohl nie Gelegenheit gehabt, dies zu sehen. Diese Palau
werden verschwunden sein, ehe man über die Anfertigung noch genau unterrichtet ist,
denn sie sind jetzt schon so selten, dass ich i885 keine mehr erlangte.
Ebenfalls im Untergang begriften ist eine andere, für Blanche -Bai eigenthümliche
Art Waffe, die Streitaxt, Aibane, welche erst nach Einführung eisener Aexte erfunden
wurde und sich aus der flachendigen Holzkeule (wie z. B. Nr. 766, oben) entwickelte.
Schon aus diesem Grunde beansprucht sie besonderes Interesse. Man befestigte eine der
gewöhnlichen Beilklingen, wie sie unter dem Namen »Fan-tail hatchct« in den Handel
kommen und 35—40 Pf. kosten, an eine besondere Art Stiele:
Arram (Nr. 775, 776, 128 Cm. lang, 2 Stück), wovon Taf. VI (4), Fig. 10 eine
Darstellung des breiten, mit etwas Schnitzerei und Malerei verzierten Endes (von Nr. 775)
gibt. Blau findet hierbei häufig Anwendung, ist aber von Europäern erhandeltes
Waschblau. Als weitere Verzierung des Stielknaufes dienen Schnüre mit Diwara,
Glasperlen und zuweilen Schweinsborsten. Gewisse Kerben in diesen Axtstielen be-
zeichnen häufig die Zahl der Kämpfe, welche sie mitmachen halfen, aber nicht immer
die Erschlagenen.
1881 gehörte Aibane noch mit zu den Hauptwatfen in Matupi und jeder Mann
von Ansehen trug eine solche bei sich, 1884 sah ich kaum eine mehr, sie waren aus der
Mode, fast jeder Kanaker besass eine Muskete, die Häuptlinge Snider-Rifles.
[25] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 107
Wie erwähnt kommen in Blanche -Bai Bogen und Pfeile nicht vor, und ich will
noch hinzufügen, dass auch Schilde und Knochendolche fehlen.
Jagd. Wie in ganz Melanesien der Mangel an Wild keine Jägerstämme ermög-
lichte, so die Thierarmuth Neu-Britanniens, welches im Ganzen nur circa 26 Arten
Saugethierc (darunter 17 Arten Flugthiere) besitzt, im Besonderen. Wildschweine und
eine kleine Art Känguru [Macropus lugens Sei.), Aiikin, sind die einzigen grösseren
Säugethiere, die aber nicht zur Jagd reizen, da sie von den Eingeborenen nicht gegessen
werden. Schlingen- und Fallenstellen ist unbekannt, und man begnügt sich mit der gele-
gentlichen Erbeutung fliegender Hunde (Pteropus)y AnganaUy des Among (Beuteldachs,
Perameles doreyanus), des Angirau (Arum, Phalangista orientaUs)y sowie der übrigen
kleinen Säuger. Casuare (Murriip) werden nicht gejagt. Seit Einführung von Schiess-
gewehren haben sich einzelne Kanaker auf die Jagd von verwilderten Schweinen ver-
legt, um solche an Schiffe zu verkaufen.
Kommt somit Jagd kaum in Betracht, so spielt eine um so wichtigere Rolle im
Leben der Eingeborenen die Fischerei, welche mit zu den hauptsächlichsten Beschäf-
tigungen zählt und einen nicht unbedeutenden Theil der Nahrung liefert. Man bedient
sich dazu vorzugsweise der Netze und Uschkörbe.
Als Material zu den Netzen wird:
Amakum (Nr. 142, i Probe), die Faser einer Schlingpflanze verarbeitet, welche
getrocknet und dünn gespalten, mit der angefeuchteten Hand auf dem Schenkel zu
Bindfaden (Akuare) von verschiedener Dicke und Güte gedreht wird, eine Arbeit,
die beide Geschlechter verstehen, die aber vorherrschend dem weiblichen überlassen
bleibt. Dagegen werden die Netze selbst nur von Männern gestrickt, und zwar bedient
man sich dazu als Filetnadeln dreier dünner Stäbchen (Avinajare) aus den Rippen der
Blattfaser des Blattes der Cocospalme, auf welche der Faden gewickelt wird.
Die Netze sind natürlich von sehr verschiedener Grösse, oft so kolossal, dass die
Männer eines ganzen Dorfes gemeinschaftlich an denselben arbeiten. Mit grosser Mühe
kaufte ich ein solches von circa 600 Fuss Länge, denn es war Gemeindeeigenthum und
wurde nur weggegeben, weil es anfing schadhaft zu werden. Mit solchen Netzen wird,
wie bei den russischen Artells, gemeinschaftlich gefischt und der Fang getheilt. Die oft
in ungeheuren Schwärmen in Blanche-Bai vorkommenden Makrelen bilden das Haupt-
object des Fischfanges, der nur im stillen W^asser von Baien und Buchten betrieben
wird. Kleine Netze, höchst sinnreich in ein Blatt eingewickelt, wie das folgende
Aubene (Nr. i65, i Stück), Fischnetz in Originalverpackung, sind ein Tausch-
artikel der Eingeborenen unter sich.
Die Fischnetze haben übrigens Stücke leichten Holzes als Schwimmer, Diwai
(= Holz), angebundene Steine, Awat (= Stein), dienen als Senker.
Die gebräuchlichsten Fischkörbe {A wup genannt), meist von bedeutender Grösse,
oft über 3 M. lang, in Form wie grosse, walzenförmige Ballons, werden sehr geschickt
aus gespaltenem Bambu und Rottan gefertigt. Sie werden an zwei 'schweren Steinen
verankert, und mit einem Stück Baumstamm oder Bündeln dicker Bambu als Buoje
Aumbar) versehen, Abends ausgelegt und am frühen Morgen aufgeholt. Sie liegen
oft ein paar englische Meilen von der Küste in beträchtlich tiefem Wasser und sind
häufig durch an der Buoje befestigte Stangen markirt. Als Tau (Kwola) dient ein
Rottan.
Aumut heisst eine sinnreiche Fischfalle in Form eines konischen Körbchens
aus einem Schlinggewächs mit rückwärts gekrümmten, sehr scharfen Dornen. Am
Boden dieses mit Schwimmer und Senker versehenen Fischereigeräths wird ein kleiner
lo8 Dr. O. Finsch. [^61
Fisch als Köder befestigt. Indem nun ein Raubfisch mit dem Kopf in den Korb fährt,
um die Beute zu erlangen, bleibt er mit den Kiemen an den Dornen hängen.
A h'iihr, Fischspeere, aus einem 2 — 3 M. langen Bambu mit einem Kranz von
5 — 7 eng zusammengebundenen spitzen Holzstacheln, sind sehr gebräuchlich. Der
Speer wird deshalb aus Bambus gefertigt, damit er nicht untersinken kann.
A bia heisst auf den Herzog York-Inseln ein besonderes Fischgeräth, eine Hai-
rassel,*) die mir sonst noch auf Trobriand und Teste-Insel vorkam. Es ist dies ein Reifen
von Bambu, an welchen querdurchgeschnittene Cocosschalen aufgereiht sind, welche
beim Bewegen ein klapperndes Geräusch hervorbringen und dadurch den Hai anlocken.
In Blanche-Bai scheint diese Rassel schon deshalb nicht üblich, weil für die Marewot
auch Haifischfleisch koscher ist; sie heisst hier wie der Hai Among.
Fischhaken sind im Ganzen wenig im Gebrauch und bereits stark durch eiserne
verdrängt, aber sehr eigenthümlich, wie die folgende Nummer zeigt:
Aibo (Nr. 154, i Stück), Fischhaken (Taf. IV [2], Fig. 11); sehr spitzer Haken
aus dem Rückenstachel (Ageo) eines Fisches, der durch feinen Bindfaden befestigt ist,
welcher gleich in die Fischleinc ausläuft.
Fischhaken aus Schildpatt und Perlschale, wie sie Powell (1. c, Seite 178) abbildet,
sind mir niemals vorgekommen. Der im Katalog des Museums Godetfroy (Seite 66)
angeführte Angelhaken aus Perlmutter ist von den Salomons.
Zum Betriebe der Fischerei sind CanuS erforderlich, welche mit zum Reichthum,
namentlich der Häuptlinge, gehören. Sie bestehen aus einem ausgehöhlten Baumstamme
und erhalten durch den hohen schnabelförmigen Aufsatz an beiden Enden eine für
Blanche-Bai und die Herzog York-Gruppe eigenthümliche Form, welche die folgende
Nummer
Avange (Nr. 178, 1 Stück), Modell eines Canu, veranschaulicht. Obwohl von
Eingeborenen angefertigt, ist es nicht correct, z. B. im Verhältniss zur Höhe zu kurz
und sollte statt mit zwei Querstöcken, an welchen der Auslegerbalken (Hamen) be-
festigt ist, mit sechs versehen sein. Die weissangemalten Aestchen dienen nur als Ver-
zierung, die hauptsächlich in Bemalung besteht und bei welcher kein Schnitzwerk-)
Anwendung findet. Nur selten (z. B. beim Dugdug-Canu) sind an den senkrechten
Aesten und Stäben des Auslegergestells sehr rohe bildliche Darstellungen von Vögeln,
häufig dagegen Federschmuck angebracht, meist aus weissen Flaumfedern vom Haus-
huhn (Auipub), Das Canu selbst wird weiss, zuweilen mit etwas bunter Verzierung
bemalt. Das oft copirte Bild bei Powell (1. c, Seite 168), jedenfalls nach einem solchen
Modell entworfen, gibt eine sehr unrichtige Vorstellung. Die Dimensionen eines sehr
grossen von mir gemessenen Canus waren folgende: Länge 10 '/o M., Breite in der
Mitte 54 Cm., Tiefe 67 Cm. Der Auslegerbalken (Balancier), welcher das Umschlagen
übrigens keineswegs verhindert, wie meist irrthümlich angenommen wird, wurde von
14 Querstangen gehalten. Kleine Canus (A natineik) sind so schmal, dass man nicht
beide Füsse nebeneinander, sondern voreinander hineinsetzen muss. Im Ganzen gehören
die Canus von Blanche-Bai zu den minder kunstvollen. Aus sehr leichtem Holz gebaut
und lotterig zusammengebunden, sind sie leicht vergänglich. Nach dem Gebrauch hält
1) Die besondere Art, welche Powell (1. c, Seile 274) abbildet, und die von ihm hier beschriebene
Methode, Haifische zu fangen, habe ich niemals gesehen oder davon gehört; die Eingeborenen von Blanche-
Bai fürchten sich vielzuschr vor dem Hai, um sich auf so gewagte Experimente einzulassen, und fangen
den Hai an Haken.
2) Die Localitätsangabe >Neu-Bntannien« für die im Katalog des Museums Godeflfroy (Seite 64)
beschriebenen »Boots Verzierungen« sind jedenfalls irrthümlich.
[2^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsec. 109
man sie daher an Land und bedeckt sie sorgfältig mit Matten, weil das Holz in der
Sonnengluth leicht platzt. Segel besitzen diese Canus nicht und werden nur mit
Schlechten Rudern (Paddeln), die sich durch keinerlei Schnitzerei oder dergleichen aus-
zeichnen, fortbewegt. Sie eignen sich daher nur zu kürzeren Fahrten längs der Küste,
Jic sich höchstens bis Mioko, eine Entfernung von 1 7 Seemeilen, erstrecken.
Die Fertigstellung eines Canus gibt Gelegenheit zu einer Festlichkeit der Männer,
wobei viel Geschenke (namentlich Diwara) vertheilt werden und der ich noch 1 88 1 auf
Malupi beiwohnte. Die Canus wurden damals bereits mit eisernen Werkzeugen gear-
beitet und werden jetzt wahrscheinlich kaum mehr gemacht.
E. Musiky Tani und Todtenverehrimg,
Musik, soweit von solcher bei einem Naturvolke überhaupt die Rede sein kann,
steht bei den Bewohnern von Blanche- Bai auf einer besonders hohen Stufe der Ent-
\Nicklung und wird für dieselben ethnologisch charakteristisch. Neben Lärminstru-
menien zum Taktschlagen gibt es solche, auf denen wirkliche Melodien hervorgebracht
werden, deren Wiedergabe in Noten aber, trotz der anscheinenden Einfachheit derselben,
sehr schwierig ist. Auch in der Musik konnte ich bei meinem letzten Besuch (i885)
den erheblichen Verfall an Originalität beobachten. Von den circa i3 verschiedenen
Instrumenten, welche ich 1881 noch sammelte, waren nur noch einzelne im Gebrauch
und bereits durch eiserne Maultrommeln, Blechpfeifen und Mundharmonikas verdrängt.
Die nachfolgenden Nummern der Sammlung enthalten die hervorragendsten Instrumente
aus der guten alten Zeit.
Blasinstrumente. Am weitesten und wohl über die ganze Südsee verbreitet
ist die :
A taburu, Tawur (Nr. 597, i Stück), Muscheltrompete aus einem grossen Tritons-
horn (Triton tritonis), in deren obere Mündung ein Loch geschlagen ist, in welches ge-
blasen wird. Sie gibt einen weithin hörbaren, dem Hirschruf ähnlichen Ton und dient
nicht als Kampfruf, wie dies meist angenommen wird, sondern bei besonderen Gelegen-
heiten. So verkündet man den Tod eines Häuptlings, die Ankunft von Canus u. s. w.
mit der Muscheltrompete, die nicht als Musikinstrument dient. Auch beim Austreiben
von Krankheiten wird sie zum Lärmmachen benützt.
Ein wirkliches Musikinstrument ist dagegen die Rohrflöte, A kauf\ der stete Be-
gleiter der Männer, auf welchen sie zwar einfache, aber ganz artige Weisen hervorzu-
bringen wissen, die namentlich Abends sehr angenehm tönen. Die Rohrflöte besteht
aus einem, selten zwei dünnen Bambu (= A kaur) von etlichen 20 bis etlichen 60 Cm.
Unge. Am oberen Rande (Taf. V [3], Fig. 5) ist gewöhnlich eine rundliche Kerbe ein-
geschnitten, in welcher der Spieler die Unterlippe ansetzt, am unteren Ende meist ein
bis zwei Schalllöcher zum Fingern. Die Rohrflöten werden öfters mit hübschen ein-
gebrannten oder eingeritzten Mustern verziert, die mit zu den besten Kunstleistungen der
hiesigen Eingeborenen gehören. Die Haupttypen enthält die Sammlung in folgenden
Stucken:
A kaur (Nr. 58o, 1 Stück), Rohrflöte (Taf. V [3], Fig. 5), 48 Cm. lang, mit fein
eingravirtem Muster (ohne Löcher zum Fingern).
A kaur (Nr. 582, i Stück), Rohrflöte aus zwei Röhren.
» (>58i,i »), » glatt mit zwei Löchern.
> ( > 583, I » ), » mit zierlichem eingebrannten Muster.
> ( > 584, I » ), » glatt, sehr dünn.
I lO Dr. O. Finsch. [28]
Panflöten, wie eiserne Maultrommeln und Mundharmonika ebenfalls A kaur
genannt, sind bei den Männern weniger gebräuchlich, übrigens ganz so wie solche von
Neu-Irland (Taf. V [3], Fig. 4).
Sehr verbreitet ist dagegen die
Hangap (Nr. 585, i Stück), Maultrommel, ein sehr sinnreich erfundenes Instru-
ment. Es besteht (vergl. Taf. V [3], Fig. i, 2, 3) aus einem circa 20 Cm. langen, flachen
Stück Bambu, das nach unten spitz zuläuft, hier zusammengebunden ist und in der
Mitte durch zwei feine Längsschnitte in eine Zunge gespalten wird. Seitlich derselben
ist häufig ein feines Muster, wie Fig. 2, eingravirt; durch das Loch am breiten Ende
ist ein Bindfaden befestigt; hier werden häufig als Schmuck Federbüschel (meist zer-
schlissene Federn von Centropus und Eudynamis)^ Blätter und aufgereihte Samenkerne
(von Coix lacrymd) angebracht. Die Methode des Spielens erläutert Fig. 3. Der Spieler
drückt mit den Fingerspitzen der Linken das spitze Ende des Instruments sanft an die
etwas geöffneten Zähne und zupft, indem er Luft ein- und ausathmet, mit der Rechten
an dem Bindfaden, wodurch die Zunge ähnlich wie bei unseren Maultrommeln vibrirt
und brummende und summende Töne, aber keine eigentliche Musik hervorbringt.
Diese Art Maultrommeln war früher sehr häufig und namentlich bei jungen
Leuten beliebt, welche man beständig eine solche, am Halsstrickchen im Nacken befestigt,
bei sich tragen sah. 1884 war es damit vorbei, ebenso mit dem folgenden Instrument:
A wuwu (= Wind, Luft) (Nr. 591, 2 Stück), Blasekugel (Taf.V [3], Fig. 7). Die-
selbe besteht aus einer innen hohlen, kugelförmigen Fruchtschale, in der Grösse einer
grossen Aprikose, in welche vier runde Löcher eingeschnitten sind. In das grössere
Mittelloch wird mit den zugespitzten Lippen geblasen, auf den drei kleineren Löchern
gefingert, wodurch einige Töne, aber keine eigentliche Melodie entsteht.
Das A wuwu wurde nur vom weiblichen Geschlecht gespielt, besonders auf dem
Wege nach den Plantagen.
Schlaginstrumente, die keine eigentliche Melodie hervorbringen, sondern meist
zum lärmenden Taktschlagen dienen, waren früher (1880) mannigfach vertreten, werden
aber gegenwärtig durch Blechgefässe ersetzt, welche sich (von der Sardinenbüchse bis
zum Blechkasten für Petroleum oder Biscuit) überall bei den Stationen der Weissen
finden und den Zweck mühelos effectvoller erfüllen. Früher gebräuchlich waren:
Belalialia (Nr. 590, i Stück), Nautilusmuschel, die wie:
A tidirr (Nr. 589, i Stück), flaches Stückchen Bambu, mit einem kurzen Stöckchen
geschlagen, einen hellen Klang geben. Letztere wurden bei den Gesängen der Weiber,
Angära, zum Taktschlagen benutzt, die sich dazu auch über einen Meter langer Stücke
Bambu, Abua, bedienten, mit welchen auf den Boden gestampft wurde.
Ein in seiner Art sehr vervollkommnetes und für Blanche -Bai eigenthümliches
Schlaginstrument repräsentiren die folgenden Nummern:
Angramut (Nr. 595, 596, 2 Paar), Schlaghölzer (nebst zwei Paar Schlägeln).
Sie bestehen aus zwei yb Cm. bis i M. langen und circa i5 Cm. breiten, flachen,
seitlich sanft abgerundeten Stücken Hartholz, die an den Enden im Feuer gehärtet und
ungleich lang sind, weshalb sie verschieden tönen.
Der Angramutspieler (Fig. 5) macht zunächst ein Loch in den Sand, über welches
er sich mit ausgespreizten Beinen setzt, wodurch in sinnreicher Weise Resonanz ent-
steht; er legt dann die beiden Schlaghölzer quer über seine Schenkel und bearbeitet sie
mit zwei kurzen, runden hölzernen Schlägeln. Das Angramut klingt wie unsere Holz-
instrumente, und geschickte Spieler wissen grosse Abwechslung in diese nicht übel
tönende Trommelei zu bringen.
[■9l
Ethnologische Erfahrunsen und Belefiatücke aus der SQdeee.
Auf der oberen Seite des Angramut ist eine flache Vertiefung ausgehöhlt, welche
Aleane {= Vulva) heisst, weshalb das Instrument für Weiber labu ist und von solchen
par nicht gesehen werden darf. Es wird meist erst nach Einbruch der Dunkelheit gespielt,
und die Männer suchen damit ihren Schönen zu gefallen. Die Exemplare, welche ich
taufte, wurden mir stets sorgfältig in Blatter eingehüllt oder am Abend gebracht. Auch
diese Art Schlaghölzer werden bald gUnzlich abkommen.
Mit Eidechsenhaut von Monitor (A palei) überspannte Holztrommcln (A kudu)
In der weit verbreiteten sanduhrförmigen Form, wie wir sie in Neu-Guinea kennen
lernen werden, waren früher üblich und wurden von beiden Geschlechtern zur Be-
gleitung der sogenannten Tänze, Malänkene, mit der Hand geschlagen. Sie sind meist
glatt oder nur mit sehr un- p.
bedeutender Schnitzerei ver-
ziert, die keinerlei künstle-
rische Bedeutung hat.
Sehr selten sind grosse,
schwere Holztrommeln, eben-
falls Angramut genannt, wo-
vonTaf.V{3), Fig.8 und 8a
Abbildungen geben. Solche
Holztrommeln sind nur im
Besitze von Häuptlingen und
bestehen aus einem an i M.
langen und 40-5o Cm. hohen,
länglichrunden Stammstuck,
seillich mit rohen Handhaben,
und werden gewöhnlich roth
oder weiss bemalt. Oben ist
ein Schlitz und hier das Instru-
ment ausgehöhlt. Es wird mit
einem ^^un, einem circa i M.
langen Bambu geschlagen, und
Zwarinder Weise, dass der Schläger, neben dem Instrument knieend, den Stock durch die
linke Hand gleiten und auf die etwas unterhalb des Schlitzes befindliche Stelle nieder-
fallen lässt. Dieses Instrument ist tabu und schon bei der Anfertigung herrschen ge-
wisse Gebräuche. So wird z. B. jedes Spänchcn sorgfältig aufgehoben und verbrannt;
Jie Verfertiger dürfen ihre Weiber nicht besuchen u. s. w. Das Instrument dient überall
nj Signalen der verschiedensten Art, ruft die Männer zu Festlichkeiten oder zum Kampf,
verkündet Todesfälle, dient hauptsächlich zu Todtenklagen und ist in der Stille der
Nacht sehr weit hörbar. An der Seite ist zuweilen eine Erhöhung mit einem Schlitz,
Fig. 8a, geschlitzt, welche ebenfalls Aleane (— Vulva) heisst. Derartige Signaltrom-
meln finden sich weit über Neu-Guinea, ja ganz Melanesien verbreitet.
Saiteninstrumente kommen bei den Völkern der Südsee wohl überhaupt kaum
vor. Wenigstens lernte ich nur eines') kennen, welches nur von den Weibern von
Blanche- Bai gespielt wurde und für dieses Gebiet eigenthünilich ist, wie die folgende
Nummer zeigt;
Angramutschläger v
n Blancbe-Bai, Neu-Britanr
') Sehr ähnlich scheint das
^tiber von Treaaury-lsland,
n Guppy (iThe Solomon-Ulands< Seile 14z) «
Dr. O. Finsch.
[3o]
Pangolo (Nr. 576, 1 Stück), Saiieninstrument {Fig. 6). Dasselbe besteht:
a) aus einem circa 60^ — 70 Cm. langen, im Feuer gehärteten, etwas gekrümmten
Stock, der
b) mit zwei Saiten aus Bindfaden bespannt ist, von denen die eine
c) durch eine Schlinge mit dem Stock verbunden ist und dadurch loser und
straffer gespannt werden kann.
Die Spielerin setzt den Bogen mit e
umen der Linken die eine Saite und spielt i
Fiif. G.
1 Ende an die Lippen, spannt mit dem
nittclst einen kurzen dünnen Stäbchens
mit der Rechten auf den Saiten, die
nur einen sehr leisen Ton, ahnlich einer
kleinen Kindergeige, hervorbringen.
Dieses eigenthümliche Instrument
war 1881 noch sehr üblich, als ich
aber drei Jahre später darnach fragte,
erhielt ich zur Antwort: »Pangolo die;
yewsharpe make him kill!> (Pangolo
ist lodl, die Maultrommel [eiserne]
tödtete es!).
Das von Powell (I. c. Seite 73)
abgebildete sonderbare Saiteninstru-
ment von Blanche-Bai ist mir niemals
vorgekommen.
Sehr vergnügungssüchtig und hei-
teren Temperaments lieben die Ein-
geborenen neben der Musik auch Ge-
sang und Tanz, zu deren Begleitung,
wie wir gesehen haben, besondere
Instrumente unumgänglich nothwen-
dig sind. Noch weniger als die Musik ist aber der Tanz als solcher in unserem Sinne
aufzufassen. Denn es handelt sich hiebei nicht blos um Hüpfen und Springen, sondern
um regelmässige Bewegungen, die mehr turnerischen Freiübungen ähneln und wobei
sowohl Beine als Arme, wie der Körper inThätigkeit kommen. Bald werden die Füsse
ein paar Schritte vorwärts-, bald zurückgesetzt, die Arme erhoben oder gesenkt, der
Körper vorgebeugt, eine Kniebeuge gemacht, in dieser gehüpft u. s. w. Da gewöhnlich
eine grosse Anzahl von Theilnehmern diese Bewegungen und gleichzeitig ausführen, so
nehmen sie sich sehr hübsch aus und werden durch verschiedene Schwenkungen und
üruppirungcn noch wirkungsvoller. Diese sogenannten Tänze dienen fröhlichen wie
ernsten Festlichkeiten und werden nur von einem Geschlecht ausgeführt, während das
andere von Weitem zusteht.
In besonders feierlicher Weise finden solche .Aufführungen zum Andenken Ver-
storbener statt, können daher leicht als eine Art Todtencultus aufgelasst werden, bei
dem CS sich aber hauptsächlich um Diwara und Schmauscrcten handelt.
Die Theilnehmer, bald Männer, bald Frauen, und zwar jung wie alt, erscheinen
dabei im höchsten Festschmuck, d. h. grotesk bemalt (Seite yS) und mit Büscheln von
bunten Draceen- und Crolonblättern und feinen Farrenwedeln geschmückt. Ein Blätter-
büschel wird vorn, das andere hintersetts mit einem Strick um den Leib gebunden;
diese, übrigens nur sehr primitive, Verhüllung der Schamtheile kommt also nur als Putz
n Blnuche-BBi, Neu-Brit
''3il Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. I i 3
zum Ausdruck. Im Nacken oder um den Hals werden ebenfalls Blätterbüschel oder
Kränze befestigt, während die Weiber auch das Haar mit Blättern schmücken.
Bei diesen Aufführungen wird eine monotone Weise gesungen und wie bei allen
Gesangen mit taktschlagenden Instrumenten begleitet, wobei die sanduhrförmigen
Trommeln, A kudu (Seite 1 1 1), besonders in Thätigkeit kommen. Um den Rhythmus
in Takt wie Bewegung zu erhöhen halten die Tanzenden gewisse, eigenthümliche
Tanzgeräthe in den Händen, mit welchen die Bewegungen begleitet werden und wo-
von die Sammlung die gebräuchlichsten Stücke enthält.
Aiwun a xnumür (Nr. 607, i Stück), Tanzstäbchen, circa 3o Cm. lang, mit einem
Büschel von Schwanzfedern des Mumür (Trichoglossiis subplaceus) geschmückt.
Ainabe (Nr. 608, i Stück), desgleichen, aus einer Anzahl zusammengebundener,
gelbgefärbter Grashalme oder gespaltener Rohrstäbchen, die mit Mumurfedern, weissen
Huhnerdunen und schwarz. und weiss bemalten Klümpchen Kalk verziert sind.
Beide Arten werden hauptsächlich von Frauen benützt, aber auch von Männern,
wie überhaupt in Ermangelung von derartigen Tanzstäbchen grüne Zweige aushelfen
müssen.
Alemin heissen sehr primitive Tanzstöckchen, die aus einem kurzen Stück Holz
bestehen, in welches einige schwarze Striche eingebrannt sind.
Den Männern allein kommt die kunstvollste Sorte zu, welche die folgenden Num-
mern repräsentiren :
Mapinakulau (Nr. 609 und 610, 2 Stück), Tanzbretter (Taf. VII [5], Fig. 8,
Nr. 610). Flache, dünne, paddeiförmige, circa i M. lange Bretter, durchbrochen ge-
schnitzt, bemalt und am Stiel häufig mit feinfiederigen Farrenkrautbüscheln geziert.
Diese Art Tanzbretter sind für die Frauen tabu und dürfen von ihnen nicht ge-
sehen werden. Sie kommen übrigens mehr und mehr ab und damit geht das Beste
unter dem Wenigen was die hiesigen Eingeborenen in Schnitzereien leisten, vollends
verloren.
In der Herzog York-Gruppe bedient man sich ganz anderer Tanzgeräthe, wovon
Jie folgende Nummer eine Probe gibt.
Tanzbrett (Nr. 611,1 Stück) von Mioko.
Dasselbe besteht aus einem circa i M. langen, schmalen, dünnen, an beiden Enden
'^nft aufwärtsgebogenen Brett mit bunter Bemalung, das an der Rückseite einen Griff
besitzt, an welchem es von dem Tanzenden mit den Zähnen festgehalten wird.
Die folgende Nummer betrifft das seltenste Tanzgeräth:
Alor (- Schädel) (Nr. 620, i Stück), Schädelmaske (Taf. VII [5], Fig. 7).
Sie ist aus der vorderen Hälfte eines menschlichen Schädels verfertigt, an welchen
die Fleischtheile durch eine aufgeklebte Masse ersetzt sind. Das auf diese Weise her-
gestellte Gesicht wird in der üblichen Weise des Festschmuckes bemalt und häufig mit
naturlichem Kopf- und Barthaar besetzt. An der Rückseite ist ein Querholz angebracht,
mit welchem der Tanzende die Maske mit den Zähnen vor sein Gesicht hält.
Diese Art Masken wurden früher aus den Schädeln Angehöriger angefertigt und
dienen der Todtenverehrung.
Die Schädel der in und vor den Hütten oder in eigens dazu errichteten Grab-
häusern, A pal a imat (Haus des Todten oder Todes), bestatteten Todten, sowohl
Mannern als Frauen, sofern sie zu den Reichen gehörten, werden nämlich circa nach
Jahresfrist oder früher oder später wieder ausgegraben, und dies gibt Gelegenheit zu
einem grossen Feste, das oft länger dauert und feierlicher begangen wird als das Be-
gräbniss ( A punangia) selbst. Wie bei letzterem die aufs höchste geschmückten Leichen,
I lA Dr. O. Finsch. [^^l
sowohl von Männern als Frauen, selbst Kindern, zur Parade (Dimaria) ausgestellt
wurden, so geschieht es jetzt mit den festlich, d. h. roth bemalten Schädeln, wovon ich
1881 auf Maiupi noch Zeuge war. Diese Feste werden von den Angehörigen des Ver-
storbenen gegeben, wohl weniger aus innerem Drange, sondern hauptsächlich um den
Reichthum zu zeigen. Denn es wird selbstredend viel Diwara vertheilt, es finden, wie
nach dem Begräbniss grosse Schmausereien (A paluka) und von Männern wie Frauen
gesonderte Tanzaufführungen (Agu und Orokiva) statt, die aber wie bei fröhlichen
Gelegenheiten unter dem Collectivnamen Maldnkene zusammenzufassen sind. Klage-
geheul (A tinangi)y wie bei Begräbnissen, kommt dabei nicht vor, aber man errichtet
die (Seite 100) beschriebenen Gedächtnisszäune (A bogil).
Die Sitte Todtenschädel aufzubewahren ist bekanntlich weitverbreitet und wird
gewöhnlich auf Cannibalismus oder Menschenjägerei, zur Erbeutung von Schädeln als
Trophäen (Koppensnellen), zurückgeführt. Beides kommt für die Eingeborehen Neu-
Britanniens nicht in Betracht, denn die im Kriege erschlagenen Feinde werden eben
verzehrt, und da das Gehirn als der feinste Leckerbissen gilt, geht der Schädel verloren.
Beim Rösten zwischen heissen Steinen springen die Näthe, und die abgenagten Knochen
werden sorgfältig weggeworfen, wie ich selbst beobachten konnte. Ich sah auch einen
Erschlagenen, der deshalb nicht gegessen wurde weil er mit einer Hautkrankheit behaftet
war, an einem Steine ins Meer versenken, ohne dass man den Kopf als Trophäe zurück-
behielt. Und in gleicher Weise wurde mit erschlagenen Weissen verfahren. Die Schädel,
welche man daher in Hütten von Cannibalen durch reinen Zufall sieht, da sie gewöhn-
lich sorgfältig verhüllt aufbewahrt werden, sind meist nicht solche von Erschlagenen,
wie Reisende gewöhnlich wähnen, sondern solche Angehöriger, nicht Zeichen der
Menschenfresserei, sondern werden zum Andenken verwahrt. Es hält daher meist sehr
schwer Schädel von Eingeborenen zu kaufen, da Anerbietungen in dieser Richtung
gewöhnlich zurückgewiesen werden. Freilich ist ein hoher Preis für die Eingeborenen
sehr verlockend, aber Keiner will aus Furcht vor den Anderen der Erste sein, nicht,
dass er deshalb ein Leid zu erwarten hätte, aber es genirt ihn. Hat aber erst Einer den
Anfang gemacht Schädel seiner Angehörigen, die ja ohnehin nicht von Generationen
aufbewahrt werden, zu verkaufen, dann findet er schnell Nachfolger. So habe ich wäh-
rend meines achtmonatlichen Aufenthaltes nicht weniger als 167 Schädel kaufen und
an Geheimrath Virchow nach Berlin schicken können. Alle diese Schädel wurden mir
sorgfältig in Blätter eingepackt, im Geheimen gebracht und eben so sorgfältig von mir
versteckt, denn nur durch Verschwiegenheit konnte ich das Vertrauen der Eingeborenen
gewinnen und erhalten. Unter allen diesen Schädeln war kein einziger, der Spuren
eines gewaltsamen Todes oder Cannibalismus zeigte; die meisten waren sichtlich frisch
ausgegraben und beim Reinigen fanden sich nicht selten ein paar Diwara in der Nasen-
höhle. Die Zähne fehlten sehr häufig ganz oder theilweise, weil sie ausgefallen waren,
aber sie werden nicht etwa zu Halsketten oder dergleichen verwendet. Bei fast allen
Schädeln wurde der Unterkiefer, bei einzelnen auch dazugehörige Knochen (Becken,
Schulterblätter, Schenkel- und Armbeine) gebracht und der Name des oder der Ver-
storbenen angegeben. Sie gehörten eben nahen Verwandten, und zwar geringerer Leute
an, deren Gebeine überhaupt begraben bleiben, weil keine Mittel für grosse Festlich-
keiten vorhanden sind. Es werden also nur Schädel von Wohlhabenden wieder aus-
gegraben, zum Andenken aufbewahrt und solche nur in seltenen Fällen verkauft.
Wie gut den Eingeborenen alle solche Andenken bekannt sind, wird der folgende
Fall zeigen. Dem Häuptlinge Tau ro pale war ein Schädel gestohlen und, wie er richtig
vermuthete, an mich verkauft worden. Er bat mich deshalb meine Schädelsammlung
[33] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. I j 5
ansehen zu dürfen, und griff sogleich den richtigen heraus, den seiner verstorbenen Frau
Jetangi, für welchen er mir freiwillig einen Faden Diwara gab. Gegen Rückerstattung
der Begräbnisskosten in Diwara würde er mir ohne Bedenken den Schädel gelassen
haben. Man wird aus den angeführten Beobachtungen den Schluss ziehen, dass von
eigentlichem Todtencultus bei den Neu-Britanniern nicht die Rede sein kann, und dass
Jas Aufbewahren von Schädeln jeder religiösen Anschauung .entbehrt.
Schädelmasken sah ich 1881 nicht mehr in Gebrauch, sie waren vielleicht schon
abgekommen und schon damals äusserst rar; 1884 konnte ich überhaupt keine mehr
erlangen. Aber die Intelligenz der Eingeborenen hatte sich bereits zu plumpen Falsi-
Bcaten »us Holz aufgeschwungen, welche früher ganz unbekannt waren, jetzt aber bei
der gesteigerten Nachfrage nach Curiositäten gute Abnahme fanden und lediglich zum
Handel dienten.
In die Kategorie der eigentlichen Maskenfeste mit Mummenschanz gehört der
Dugdug, wobei eigenthümliche Masken und Anzüge aus Blättern für einzelne Theil-
nehmer zur Anwendung kommen und den Glanzpunkt des Festes bilden, das in erster
Linie den Zweck hat von der leichtgläubigen Menge Diwara einzuheimsen und Schmau-
sereien zu halten. Deshalb ist der Dugdug in geheimnissvolles Dunkel gehüllt, und nur
solche, welche sich in den Dugdug eingekauft haben (wozu ich auch gehörte), dürfen
an demselben theilnehmen, können aber noch Knaben sein. Die Hauptsache bleibt
immer Einkaufen mit Diwara, und schon aus diesem Grunde können nicht alle Männer
dem Dugdug angehören. Das weibliche Geschlecht ist, wie bei allen Festlichkeiten der
papuanischen Männerwelt, ausgeschlossen und wird, damit jene ungestörter sind, unter
dem Zauber eines Tabu in Furcht gehalten. Das für den Dugdug bestimmte Land, wo
die Festlichkeiten stattfinden, liegt abseits von den Dörfern und darf von Keinem, der
nicht zum Bunde gehört, betreten werden. Die unter Tabu stehenden Dugdugplätze
ersetzen in gewissem Sinne die Versammlungshäuser der Männer, wie wir sie sonst in
Melanesien finden. Die Grenzen des Dugduglandes sind zuweilen durch Merkzeichen
an Bäumen, roh gemalte Gesichter oder dergl. bezeichnet.
Wie beim Dugdug hat das Tabu auch sonst nichts mit Religion zu thun, sondern
dient hauptsächlich praktischen Zwecken. So ist das Tabu auf Cocospalmen (Aiwiri
genannt) eine sehr nützliche Einrichtung, um den Ertrag der Palmen durch eine Schon-
zeit zu erhöhen. Auch die Mission zog Vortheil aus dieser Sitte und stellte die Kirchen
als unverletzlich unter den Tabu der Eingeborenen, wusste also den »heidnischen« Ge-
brauch zum Besten der Kirche klugerweise auszunützen. Dass der Eingeborene eine
«Kirche«, die meist nicht besser ist als ein grosses Eingeborenenhaus, nicht für »heilig«
hält, ist wohl selbstverständlich.
Religion. Falls man nicht die beschriebenen Todtenfeste als Religion betrachten
will, kann von solcher überhaupt bei den hiesigen Eingeborenen nicht die Rede sein.
Sie besitzen weder Götzen noch Tempel oder Priester, fürchten sich aber vor Geistern,
die unter dem gemeinschaftlichen Namen Toheran *) sehr verschieden und zum Theile
Verstorbene, ja selbst Sternschnuppen (Tulungane) sein können.
Wie noch so häufig in Europa fürchtet man das Wiederkommen Verstorbener
(Tobtran), Aber es gibt keine eigentlichen Geisterbeschwörer, wohl aber Regenmacher,
Leute, welche Krankheiten beschwören, also eine Art Zauberer, die von Leichtgläubigen
I) Die von Parkinson (»Im Bismarck-Archipel«, Seite 136) abgebildeten Figuren aus Holz, War-
rabat genannt, haben ebenfalls auf Toberane Bezug und sind keine Idole.
Anoalen des k. k. naturhistorischeo Hofrouseums, Bd. III, Heft 2, 1888. 9
I i6 Dr. O. Finsch. [^4]
■*- I
profitiren, wie Kartenlegerinnen bei uns. Mit dem Aberglauben der Neu-Britannier ist
es daher im Ganzen nicht schlimmer als anderwärts.
Die Eingeborenen haben übrigens für alle Naturerscheinungen, z. B. den zuneh-
menden wie abnehmenden Mond, Namen, wenn sie auch keine Erklärung derselben
geben können; aber auch bei uns gibt es noch Viele, die nicht wissen, wodurch eine
Mondesfinsterniss entsteht. Beim Neumond (Angai) wird oft ein Brüllen (Freuden-
geschrei) erhoben, weil er als glückbringend gilt, wie bei uns ja die Sitte herrscht, beim
ersten Anblick des Neumondes ein Geldstück zu berühren. Die Eingeborenen knüpfen
übrigens keinen Aberglauben an Naturerscheinungen, fürchten sich aber, wie wir, vor
dem Blitz, Malamalapang (der nach ihnen von Donner, A kurung, gemacht wird) und
vor Erdbeben (Anguria), weil sie Schaden anrichten können. Von Sternen (A tongulj
unterscheiden sie nur die Venus (gewengewen kawdwur).
In Verbindung mit Besprechen von Krankheiten und Derartigem kommen gewisse
TalismanB in Anwendung, von denen die folgende Nummer den gebräuchlichsten
repräsentirt.
Auf (auch Kinakinan; Nr. 666, i Stück), Talisman für Diebe (Taf. VII [5], Fig. 9).
In Form und Grösse ganz einem grossen Vorlegeschloss ähnelnd, aus Rinde oder
dergleichen geschnitzt oder zusammengekittet und roth, zuweilen mit einem mensch-
lichen Gesicht bemalt. Die Form des Schlosses ist, da man solche natürlich nicht kannte,
nur eine zufällige und nicht etwa Symbol der Verschwiegenheit, wie wir zu einer solchen
Deutung geneigt sein würden.
Der Dieb oder überhaupt solche, die etwas im Stillen, dabei aber stets im Dunkel
der Nacht, ausüben wollen, halten den Talisman an dem Bügel mit den Zähnen fest
und glauben sich dadurch zwar nicht unsichtbar, aber doch gesicherter vor dem Ent-
decktwerden, kurzum an einen guten Einfluss des Talisman. Auch bei uns wird ja noch
an einen solchen geglaubt.
Heilkunde ist natürlich sehr gering entwickelt und wird äusserlich ausgeübt.
Das Hauptmittel bleibt für alle Fälle Blutlassen, durch kleine Einschnitte, früher mit
Stein-, jetzt mit Glassplittern, an der kranken Stelle, A koito genannt, die dann mit
Kalk eingerieben wird. Hat Jemand z. B. Kopfschmerzen, so werden an der Stirnc
Einschnitte gemacht, die hier Dilaworria, am übrigen Körper Dite heissen. Fast an
jedem Kanaker kann man solche A /fo//o- Narben sehen, die aber nicht mit den absicht-
lich gemachten Ziernarben (Seite 96) zu verwechseln sind. Bei Epidemien macht man
A Wupagäle, d. h. versucht durch gemeinschaftliches Lärmmachen den bösen Geist,
die Krankheit, zu vertreiben, was ich öfters auf Matupi gesehen habe. — Als sichtbares
Zeichen von gewissen Krankheitsbesprechungen wird ein circa i M. langer Bindfaden
mit einigen Diwara am Haar befestigt, dies heisst Averkumha.
Innerliche Heilmittel sind mir nicht bekannt geworden, von äusserlichen nur das
folgende :
A Tonn (Nr. 882, i Probe), Rinde eines Baumes, welche pulverisirt auf offene
Wunden gestreut wird und bei der tonischen Eigenschaft derselben unter Umständen
nützlich sein kann, obwohl ich niemals eine nennenswerthe Wirkung beobachtete.
Wunden werden wenig beachtet, nur wenn sie schlimm sind, mit Bananenblatt
verbunden, wie dies auch bei Knochenbrüchen geschieht. Man legt dann wohl auch
Schienen an, und wenn es sich nur um einen gewöhnlichen Knochenbruch handelt,
kommen die meisten durch, gewöhnlich bleibt aber das Glied schief. Im Ganzen sind
Knochenbrüche selten und rühren meist von Schleudersteinen her. In ganz Matupi gab
es nur einen Lahmen, der von einer Cocospalme gefallen war und den Fuss gebrochen
[33] Ethnologische Erfahrungen und Belegslücke aus der Südsee. ny
hatte, der infolge der unzulänglichen Verbandmethode erklärlicher Weise schief ange-
heilt war.
Die chirurgischen Operationen, wie sie Powell (1. c. Seite i65') beschreibt, hat er
wohl selbst nie beobachtet. Aber freilich er sah auch »einen Mann mit neuen künst-
lichen Zähnen von Perlmutter« (! ?).
Auf eine Beschreibung der Beschwörungs- und Besprechungsmethoden näher ein-
zugehen, würde zu weit führen und muss einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben.
Dasselbe gilt für die Spiele, von denen es mehrere gibt, die sich indess für Samm-
lungen nicht eignen, da meist keine Geräthe dazu nöthig sind. Das folgende heisst:
Tongala-up (Nr. 627, i Stück), Luftkreisel, als Spiel der Kinder, zuweilen auch
Frauen.
An einem circa meterlangen dünnen Bambu ist an einem langen Bindfaden ein
kurzes, flaches, zugespitztes, blattförmiges Stück Bambu befestigt. Dasselbe bringt durch
schnelles Schwenken des Stockes ein lebhaftes Sausen von überraschender Wirkung
hervor.
b, Willaumez,
die grösste InseP) an der Nordküste ist gebirgig und bis auf die Spitzen der Berge (dar-
unter ein ansehnlich hoher Kegel, jedenfalls erloschener Krater) dicht bewaldet. Wir
fanden längs der Nordküste, die nur selten freiere Uferstreifen zeigt, blos wehige kleine
Niederlassungen und hatten nur einmal Gelegenheit mit Eingeborenen zu verkehren.
Sie kamen unter fortwährendem, nicht unübel klingendem Singen in Canus ab, wahr-
scheinlich um sich Muth zu machen, und waren sehr scheu. Wahrscheinlich hatten sie
noch nicht oft mit Schiffen verkehrt, denn sie machten sich nichts aus Beilen und kannten
Tabak gar nicht. Sie glichen ganz Bewohnern von Blanche-Bai, gingen wie diese total
nackt und schienen meist beschnitten. Von Weitem sahen sie sehr hell aus, wie sich aber
beim Näherkommen zeigte, infolge Anstriches von rother und gelber Ockerfarbe. Manche
waren ganz roth bemalt, wie auch ihr Haar, das sonst keine besondere Pflege verrieth.
Die Männer hatten meist kurzgeschnittene Barte ; einzelne waren durch Ziernarben
(A kotto) ausgezeichnet; Tätowirung fehlte.
An Waffen besassen sie nur gewöhnliche Speere mit wirklichen und imitirten
Knochen am Ende, ganz wie die von Blanche-Bai (Nr. 729, 730, Seite 104), und Diwara
schien hier eine ebenso grosse Rolle zu spielen als dort. Im Uebrigen war das, was sie
an sich trugen und besassen, meist von den in Blanche-Bai gebräuchlichen Sachen ver-
schieden und zeigte die grösste Uebereinstimmung mit Neu-Guinea. So sah ich schöne
aus Tridacna geschliffene Nasenkeile (ganz wie solche von Port Mores by), Brustschmuck
aus abnorm gebogenen Eberhauern (der aber nicht verkauft wurde), Brust- Kampf-
schmuck^) aus zwei Oi^u/a-Muscheln, Kalebassen zu Kalk, Mattensäcke, flletgestricktc
t) »In the case of a broken leg or arm the Besh is cut open to the bone (mit einem Stück Obsi-
dian, Glas oder Haifischzahn! !), which is drawn into position and a picce of bamboo inserted next to the
bone to keep it in its place, and the wound is then bound up«. Das >Stuck Bambu« eitert dann ganz rein-
lich wieder aus wird hinzugefügt! Nicht wahr, wunderbar! wer's glaubt!
3) Nach den neuesten Untersuchungen des Herrn von Schleinitz keine Insel, sondern Halbinsel!
(vergl. Nachricht, der N. G. Comp. 1888, Seite 34).
3) Ueber »Kampf-Brustschmuck« vergl.: Finsch, Original-Mitihellungen aus der ethnologischen
Abthciiung des königlichen Museums zu Berlin (I. Jahrg., 1886, Heft 2 und 3, Seite 102, 103, Taf. I und II).
Dieser für Neu-Guinea eigenthümliche »Kampfschmuck«, für gewöhnlich an einem Band oder
Strick um den Hals getragen, wird beim Kampfe vom Krieger im Munde, d. h. mit den Zähnen fest-
gehalten, um dadurch dem Gegner fürchterlicher zu erscheinen.
9*
Il8 Dr.O. Finsch. [36]
fein verzierte Tragbeutel, fein geflochtene, mit Diwara verzierte Armbänder, Haar-
schmuck aus Casuarfedern, Ohrringe aus Schildpatt, aber auch einige eigenthümliche
Machwerke, die wir im Folgenden kennen lernen. Einige Männer hatten das Fessel-
gelenk bis fast zur halben Wade herauf dicht mit, oft rothgefärbtem, Rottan umwunden.
Die Canus, übrigens von gewöhnlicher Bauart und ohne Schnitzwerk und sonstige
Verzierungen, glichen am meisten denen von Neu -Guinea und waren sehr verschie-
den von solchen in Blanche-Bai.
«.. . , Schmuck.
Stirnschmuck.
Stirn binde (Nr. 417, i Stück), aus einem Bande rothgefärbten Schilfes, ganz wie
solches in Blanche-Bai (Seite 97) verwendet wird; waren am häufigsten.
Stimbinde (Nr. 426, i Stück), aus Muschelgeld, ganz wie das Diwara von
^Blanche-Bai, das auch hier jedenfalls als Münze dient. Nach den Bestimmungen von
Professor von Martens ist die Muschel aber eine andere Species: Nassa callospira.
Stimbinde (Nr. 427, i Stück; Taf. III [i], Fig. 17), eigenthümlich, besteht
aus zwei Reihen flach geschliffener, sehr kunstvoll zusammengebundener Diwara und
wird in längeren Stücken auch zu Leibschnüren benutzt.
Hals- und Brustschmuck.
Halsschmuck (Nr. 493, i Stück), Taf. III [i], Fig. 10. Lange Schnur aufgereihter
halbdurchschnittener Samenkerne von Coix lacryma und Abschnitten eines dunklen
Pflanzenstengels. Diese Halsketten waren am häufigsten und sind durch das Verwenden
der Pflanzenstengel eigenthümlich.
Halsschmuck (Nr. 5 12, i Stück), aus einem Doppelbüschel schmaler, langer
Blätter oder Pflanzenstoff bestehend, das an den Halsstrick befestigt, über den Nacken
herabhängt.
Halsschmuck (Nr. 492, i Stück), sehr fein und eigenthümlich; sechs Reihen fein
geflochtener Schnüre zum Theile dicht mit Muscheln (Diwara) besetzt; als Anhängsel vier
Schnüre halbdurchschnittener Coix"-Samen (Taf. III [i], Fig. 9) mit Cypraea moneta.
Hals- und Brustschmuck (Nr. 491, i Stück; Taf. III [i], Fig. 9, i3, i5, 16), sehr
fein und eigenthümlich. An drei sehr fein geflochtenen, schmalen (5 Cm. breiten)
Bändchen und zwei Schnüren aufgereihter durchschnittener Samenkerne von Coix
lacryma f mit einigen Beutelthierzähnen (Fig. 16) sind als Anhängsel acht 12 Cm. lange
Schnüre von Querschnitten von Coijr- Samen (Fig. 9) befestigt, von denen vier in zier-
liche Breloques aus einer längsdurchschnittenen Fruchtschale mit zwei Hundezähnen
(Fig. i5) enden (ganz wie solche in Neu-Guinea gemacht werden). An der Verbindungs-
stelle der Halsschnüre und des Anhängsels sind zwei Scheiben, von der Spitze eines
Conus geschliffen (Fig. 1 3), befestigt.
Hals- und Brustschmuck (Nr. 490, i Stück; Taf. III [i], Fig. 18), sehr fein und
eigenthümlich. An einer Doppelreihe von je fünf dünnen feinen Bindfaden hängt
ein halbmondförmiger Schild von Perlmutter (Fig. 18); am Ende vereinigen sich die
Bindfaden zu einer 9 Cm. langen Wulst, auf die drei Längsreihen von Diwara aufge-
flochten sind; als Anhängsel für den Nacken sind zwei Büschel getrockneter Blätter,
ein Ferkelschwanz und ein feiner, circa 9 Cm. langer Kamm aus zehn dünnen, an der
Basishälfte fein zusammengeflochtenen Stäbchen befestigt.
Armschmuck.
Armband (Nr. 382, i Stück), dünner Reif aus gespaltenem Rottan.
Armbänder (Nr. 383, 2 Stück), aus gleichem Material, roth gefärbt, aber breiter
und in eigen thümlicher Weise halbrund geflochten.
[37] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 1 1 g
Armband (Nr. 384, i Stück), eigenthümlich (Taf. III [i], Fig. 21). Fein
geflochtenes Band (Umfang 26 Cm.) aus buntgefärbter Pflanzenfaser (gelb, schwarz
und roth), wohl von einer Schlingpflanze, und oben und unten mit einem Rande von
Diwara besetzt.
Armband (Nr. 398, i Stück), aus Schildpatt (ganz wie Nr. 397, Seite 99).
Geräthschaften.
Perlmutterschale (Nr. 32, 1 Stück), als Instrument zum Schneiden und Schaben
und überall gebräuchlich.
Schaber (Nr. 46 a, i Stück), aus Perlmutter (Taf. IV [2], Fig. 7 und 8, Seitenansicht),
sauber gearbeitet (oben durchbohrt); zum Schaben hauptsächlich von Cocosnuss.
Fasermaterial (Nr. 141,1 Probe), zu Bindfaden; ganz dasselbe, wie es sonst in
Neu -Britannien und Neu -Guinea verwendet wird.
Musik.
Panflöte (Nr. 578, i Stück), ganz wie von Neu -Irland (Nr. 577).
Rohrflöte (Nr. 579, i Stück; Taf. V [3], Fig. 6, von oben), aus zehn Röhren, die
mit fein gespaltenem Rohr zusammengebunden sind; das längste Rohr ist 58 Cm., das
kürzeste 26 Cm. lang.
Kommt ganz ähnlich in den Salomons vor.
c. French-Inseln,
eine Gruppe kleiner, bergiger, vulcanischer Inseln westlich von Willaumez, die ziem-
lich bevölkert zu sein scheint. Ich lernte nur Eingeborene von Forestier- Insel kennen,
die aber in Folge des Besuches eines Arbeiterwerbeschiffes (Lahoiirtrader) so scheu
und vorsichtig waren, dass sich nur mit Mühe Einiges erlangen Hess.
Die Leute glichen ganz Neu-Britanniern von Blanche-Bai und gingen wie diese
total nackt (ohne Tätowirung); es gab viele von lichterer Hautfärbung. Ihre Canus
waren von gewöhnlicher Bauart, ohne allen Schmuck, und sind für weitere See-
fahrten jedenfalls nicht geeignet. In dem einen, übrigens ganz überladenen Canu
Sassen i5 Mann, die, wie die übrigen, vor Furcht zitterten und sich nicht längsseits
des Dampfers wagten. Sie kannten keinen Tabak und brachten einige Cocosnüsse,
.V/tt genannt, ein polynesisches Wort, das aber auch an der Nordküste von Neu-Guinea,
wenn auch nicht überall, angewendet wird.
Von Waffen sah ich nur Speere, ganz wie solche mit imitirten Knochen am Fusse
von Blanche-Bai. Die Leute hatten meist gewöhnliche Kalebassen zu Kalk, ich bemerkte
aber keine filetgestrickten Beutel.
Wie die Canus und Kalebassen, zeigten auch die Schmucksachen neuguineisches
Gepräge und sind meist mit solchen identisch. So der eigenthümliche Kampfschmuck
aus zwei Ovi/Zü- Muscheln und die Armbänder (Taf. III [i], Fig. 20), welche für die
Ostköste Neu -Guineas ganz besonders charakteristisch werden. Die meisten trugen
übrigens gewöhnliche, geflochtene schwarze Armbänder. Im Uebrigen notirte ich:
Haarkämme, aber keinen Federschmuck, als Ohrschmuck grüne Blätter, Nasenkeile
von Rohr, gespaltene Rottanstreifen um Hand- und Fesselgelenk, einzeln aus Tridacna
geschliffene Scheiben als Brustschmuck, Halsketten aus Diwara und eine mit feiner
Gravirung ornamentirte Cocosschale. Ein Mann besass eine Axt, an welcher ein Stück
Flacheisen als Klinge befestigt war, verkaufte dieselbe aber nicht.
I20 Dr.O. Finsch. [38]
Die folgenden Stücke sind von Forestier-Insel:
Armbänder (Nr. 366, 3 Stück) aus Trochus niloticiis geschliffen. Wie die Laieis
von Blanche-Bai und Neu-Irland (Nr. 371), aber nicht so zierlich, daher ganz mit solchen
von der Nordküste Neu-Guineas übereinstimmend.
Armband (Nr. 393, i Stück), Taf. III (i), Fig. 20, sehr fein und in der für Neu-
Guinea charakteristischen Form mit zwei blattförmigen Schneppen. Umfang 27 V2 Gm. ;
a feines Flechtwerk aus gespaltenem rothgefärbten Rohr oder Rottan, b noch feineres
aus Pflanzenfasern, c Randverzierung aus Diwara (Nassa callospira)^ in der Mitte sechs
solcher Reihen.
d. Cap Raoul,
an der Nordwestküste, schien eine ziemlich bevölkerte Gegend. Etwas östlich vom Cap
sehen wir zuerst drei grössere Dörfer, deren Bewohner sich in ihren Canus durch die
Brandung arbeiteten und längsseit, aber nicht an Bord kamen, da die meisten vor Furcht
zitterten. Diese Eingeborenen waren echte Papuas, gingen, bis auf einzelne, die einen
schmalen, schlechten Schamschurz aus Tapa trugen, total nackt und waren alle be-
schnitten. Die meisten Männer hatten Voll- und Schnurrbarte, das Haar ohne Frisur,
nur mit rother Farbe eingeschmiert, daher zuweilen verfilzte Zotteln. Keine Tätowirung,
aber Einzelne mit rothen Strichen über Nase und Backen. Die Canus waren zum Thcil
ansehnlich gross, bis 3o Fuss lang; ein solches trug 19 Mann, wovon allein 12 auf der
Plattform hockten. Im Uebrigen zeichneten sich nur ein paar Canus durch eingebrannte
rohe Verzierungen aus, wie auch die eigenthümlichen Ruder. Diese Leute besassen
keine Wasserschöpfer und schöpften mit den Händen aus. Ich sah keinerlei Waffen,
noch Diwara oder filetgestrickte Beutel; die Leute trugen ihre Habseligkeiten in Matten-
säcken. Sie kannten keinen Tabak, nahmen aber Glasperlen, rothes Zeug, vor Allem
aber Flacheisen (Gari).
Der Ausputz dieser Eingeborenen zeigt die grösste Uebereinstimmung mit Neu-
Guinea; namentlich der charakteristische Kampf-Brustschmuck (Taf. III [i], 23) und die
Armbänder (Taf. III [i], 20), darunter solche aus gebogenem Schildpatt (Taf. III [i], 22).
An sonstigen Gegenständen beobachtete ich: Kopfputz aus Casuar- und Cacatu-
federn (keine Kämme und Nasenpflöcke), breite Schild pattohrringe (doch hatten die
meisten die Ohren undurchbohrt); gewöhnliche schwarze und rothe Grasarmbänder;
Brustschmuck aus Tridacna geschliffen; Stirnschmuck aus Cymbium (keinen Schmuck
aus Schweine- oder Hundezähnen, keine Diwaraschnüre); Kalkkalebassen, darunter
solche mit einem Mundstück von einer Co^zw^-Muschel, am Halse mit schöner Ver-
zierung von aufgeklebten Mi^^a- Muscheln und rothen Abriis-hohnQn (ganz wie sie in
Neu-Guinea, z. B. Finschhafen, vorkommen). Ein Mann trug einen Reif von Rottan
um das Handgelenk, was vermuthen lässt, dass diese Eingeborenen vielleicht Bogen
besitzen. Es wurden keine Fischhaken angeboten.
Schmuck.
Armband (Nr. 385, 1 Stück), aus einer Art Gras oder Liane geflochten; gewöhn-
liche Form, wie sie überall vorkommt (z. B. von Port Moresby, Nr. 378).
Armband (Nr. 399, i Stück), aus Schildpatt (ganz wie Nr. 397 von Luen und
Nr. 398 von Willaumez).
Armband (Nr. 400, i Stück), breiter Reif von Schildpatt, mit eingekratzten Rillen
(ganz ähnlich von Ruk, Nr. 411).
r3q] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 1 2 1
Annband (Nr. 401, i Stück), von Schildpatt (Taf. III [i], Fig. 22), mit eingra-
vlrter Zeichnung, Umfang 22^3 Cm.
Derartige Armbänder sind an der Ostküste von Neu-Guinea sehr häufig und die
Sammlung enthält mehrere Exemplare daher. Die vorhergehenden beiden Stücke zeigen
am besten, wie verschieden die Ornamentirung an derselben Localität sein kann.
Sehr feiner Kampf-Brustschmuck (Nr. 529, i Stück; Taf. III [1], Fig. 23, rechte
Hälfte) in der für die Nordostküste Neu-Guineas eigenthümlichen und charakteristischen
Form. Das Stück besteht aus zwei 0]/2//a-Muscheln (a)j die durch einen mit gespaltenem
Rottan umwickelten Riegel (b) verbunden sind, an dem ein blattförmiger Anhang be-
festigt ist, aus feinem Flechtwerk, mit Randbesatz von Diwara (c), in der Mitte drei
Längsreihen/ — Ganz ähnlich ist ein solcher Schmuck von Huon Golf (Nr. 53o).
Geräthschaften,
Perlschale (Afargarita margaritifera) (Nr. 3i, i Stück), als Schneid- und Schab-
Instrument.
Muscheln bilden überall das gewöhnlichste Instrument zum Schneiden, und zwar
hauptsächlich bivalve Flussmuscheln. Mit einer Schale von Cyrene papua sah ich einen
hiesigen Eingeborenen sein Grasarmband abschneiden, wobei er ein Stück Holz unterlegte.
Schaber (Nr. 46 b, i Stück) für Cocosnuss, aus Perlschale gearbeitet.
Axt (Nr. 120, I Stück; Taf. IV [2], Fig. 4), a Holzstiel, b Futter, aus zwei Holz-
stücken, in welche die Klinge c, aus Tridacna-lAuszhtl geschliffen, eingeklemmt und mit
Bindfaden d festgebunden ist; e Verbindung des Holzstieles mit dem Futter durch fein
gespaltenen Rottan.
Ich sah nur so kleine Aexte mit Muschelklingen; die meisten waren viel roher und
bestanden nur in einem Stück ffipj70/7W5-Muschel, das ganz in der Weise mit dem Stiele
verbunden war wie Sie Steinaxt von Neu-Hannover (Taf. IV [2], Fig. 3). Ganz gleiche
Aexte mit Muschelklinge werden wir in Neu-Guinea kennen lernen (Nr. 121) von Hatz-
feldthafen.
e, Hansabucht
nannte ich eine Bucht an der Südwestküste von Neu-Britannien, welche zwischen dem
Südcap und Roebuk-Point der Karten liegt und mit dem Dampfer »Sanioa« entdeckt
wurde. Die Gegend schien mehr als sonst bevölkert, obwohl die Häuser meist nur zu
3 bis 4, selten so viel als i o beieinander standen, und es kamen eine Menge Canus mit
Eingeborenen ab, die sich aber erst nach vielen Bemühungen längsseit wagten. Die
Canus waren sehr roh, aus einem Baumstamm mit rohem Auslegergeschirr und trugen
bis 16 Mann; auch diese Canus sind nur für Localverkehr geeignet.
Die Leute selbst waren echte Papuas und alle mit einem schlechten Mal aus zum
Theile buntbemalter Tapa bekleidet, welcher die Geschlechtstheile suspensoriumartig
einhüllte. Die meisten trugen das Haar in der üblichen Weise am Hinterkopfe rasirt,
andere in besonderen Scheerfrisuren oder im Nacken durch Schmutz verfilzte Zottel-
siränge, ganz wie die Gatessi in Astrolabe-Bai. Ich sah verschiedene Männer mit Voll-
bart, aber die meisten hatten das Gesichtshaar ausgerissen. Die oft auffallend zurück-
ziehende Stirn und der lange Kopf gaben diesen Eingeborenen ein eigenthümliches
Aussehen, schienen aber eine Folge künstlicher Deformation. Bei einigen Männern
bemerkte ich Tätowirung, nur 2 — 3 Längslinien aus Querstrichelchen über die Stirn
und Querlinien über die Wangen. Um den Kopf trugen manche eine Binde von einer
Art Heede, wie ich sie sonst nur noch bei Festungshuk in Neu-Guinea sah.
122
Dr. O. Finsch.
[40]
Sie brachten einige Cocosnüsse, Taro, Hunde, getrocknete Tabakblätter, Betel-
nüsse, kannten aber keinen Tradetabak und nahmen wie überall am liebsten Bandeisen.
Sie führten keinerlei Waffen, aber sonst mancherlei mit sich. Ich notirte : Kopf-
putz aus Cacatu- und weissen Hahnenfedern (keine Casuarfedern und Kämme); im
Septum ein Stückchen Rohr; gewöhnliche geflochtene Grasarmbänder; grobe Trochus-
Armbänder (wie die Lalei, Seite 99, aber gröber), kleine filetgestrickte Brustbeutel,
schöne grosse Fischnetze mit Senkern von i4rca-Muschel (keine Fischhaken); Panflöten
aus 6 — 7 Röhren (ganz wie sonst z. B. von Neu-Irland); Scheiben von Co«M5-Muschel
zu Hals- und Brustschmuck; ich beobachtete keine breiten gravirten Armringe (wie
Nr. 401, Seite 121) von Schildpatt, keinerlei Stein- oder Muschel Werkzeuge, nur die
gewöhnlichen Brecher aus Knochen, welche im Armband getragen wurden. Die meisten
Gegenstände stimmen also mit solchen aus Neu-Guinea überein, darunter besonders
die charakteristischen Armbänder (Taf. III [i], Fig. 20) und Brust-Kampfschmuck (ganz
wie von Gap Raoul). Diwara schien hier eine grosse Rolle zu spielen, ebenso Schweine-
zähne (ich bemerkte keine Hundezähne), die wir mit anderem eigenthümlichen Schmuck
in den folgenden Stücken kennen lernen.
Schmuck.
Schnur-Muschelgeld (Nr. 629, i Stück).
Stimmt ganz mit dem Diwara von Blanche-Bai (Taf. III [i], Fig. i) überein und
schien in derselben Weise als Geld zu dienen, da es fadenweise verkauft, sowie zu Hals-
ketten wie sonst verwendet wurde. Das Material ist ebenfalls eine Nassa, aber nach Dr.
Reinhardt Nassa callospiray übrigens in derselben Weise als in Blanche-Bai bereitet
und aufgereiht.
Ohrringe (Nr. 32i, 2 Stücke; Taf. III [1], Fig. 12), eigenthümlich.
Sie bestehen in einem flachen Ringe aus Schildpatt (a)y auf dessen Rande mittelst
Pflanzenfaser Diwaramuscheln (b) befestigt sind. Sie werden durch den Schlitz (c) in
den durchbohrten Ohr-
^*S" '^' läppen gezwängt und
oft in so grosser Anzahl
getragen, dass das Ohr
tief herabhängt.
Armband (Nr. 896,
I Stück) von Schildpatt
(ganz wie Nr. 399, Seite
1 20), von Cap Raoul.
Halskette (Nr. 496,
I Stück; Taf. III [i],
Fig. 1 1 ), aus a Diwara
und b Abschnitten der
Primärschwingen des
Casuar (vermuthlich
Casuarius Bennctti).
Sehr werthvoll und in ähnlicher Weise an der Südostspitze Neu-Guineas in Ge-
brauch (wie Nr. 487 von Milne-Bai).
Kampf-Brustschmuck (Nr. 528, i Stück) (Fig. 7), eigenthümlich. Besteht aus
zwei abnorm gewachsenen zirkelrundcn Ebcrhaucrn, die mit sieben Reihen Diwara ver-
bunden sind und an einem 84 Cm. langen, eigenthümlich aus Pflanzenfaser geflochtenen
Feiner Kampf-Brustschmuck aus abnorm gekrümmten Eberhauern,
von Hansabucht, Neu-Britannien. •
[ii] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 123
Tragbande hängen; ausserdem hier noch eine 35 Cm. lange Schnur aufgereihten
Diwaras. Derartigen Schmuck habe ich nur hier angetroffen. Er erhält durch die Ver-
wendung der zirkelrunden Eberzähne, deren Erzeugung^) die Eingeborenen also ver-
stehen müssen, eine besondere Bedeutung und hohen Werth.
2. Neu-Irland,
neuerdings >Neu-Mecklenburg« ') genannt, eine bedeutend kleinere Insel als Neu-Britan-
nien (Flächeninhalt 1 1.690 Quadratkilometer), aber von gleicher Formation: vulcanisch,
bergig bis gebirgig, dicht bewaldet, im Nordwesten niedriger; Form ähnlich Neu-Britan-
nien, langgestreckt aber schmäler. Der Rev. George Brown gelangte von dem Küsten-
dorfe Kalil an der Westküste, in der Nähe von Rossel-Bai, gegenüber den Herzog York-
Inseln, ohne Mühe an die Ostküste. Nachdem das sehr steile, ca. 25oo Fuss hohe Küsten-
gebirge erklettert worden war, kam man auf hübsches Tafelland, das sich allmälig bis
zur Ostküste abflachte. Die Breite der Insel, welche nirgends mehr als 20 Seemeilen
überschreitet, beträgt hier gar nur wenige englische Meilen; an einem anderen nicht
weit von Kalil gelegenen Platze, Koromud oder Kurumul genannt, nach dem Rev.
Brown kaum eine halbe englische Meile. — Ausser der eben erwähnten Landreise
Brown's ist wohl noch keine andere gemacht worden und Neu-Irland ebenso oder
noch mehr unbekannt als Neu-Britannien. In früheren Zeiten pflegten Walfischfahrer
an der Südspitze (im Port Carteret) vorzusprechen, um Wasser und Holz einzunehmen,
weshalb die Eingeborenen hier etwas Englisch radbrechen. Im Jahre 1 876 errichtete die
Wesleyanische Mission eine Station in Kalil, später noch ein paar in der Nähe, die sich
aber ebensowenig entwickelten als der Handel, welcher hier nur die unbedeutende Station
Kurass^) zum Ankauf von Copra besitzt. Einen weit bedeutenderen Aufschwung nahm
dagegen, in Folge des Reichthums an Cocospalmen, der Handel an der äussersten Nord-
westecke der Insel. Unter der energischen Leitung von Friedrich Schulle errichtete
das Hamburger Haus Hernsheim & Co. hier 1 879 und 1 880 von Nusa bis Lagunebange,
einem Küstenstriche von circa 25 Seemeilen Länge (in der Luftlinie), an ein Dutzend
Stationen, die aber mit mancherlei Schicksalen zu kämpfen hatten und von denen i883
nur noch zwei bestanden. Uebergriffe seitens der Trader (Aufkäufer), namentlich aber
der Werbeschiffe (Labourtrader) haben hier viel Unheil angerichtet und zum Theile
bJutige Conflicte mit den Eingeborenen herbeigeführt. So wurde i883 die schon 1879
errichtete Hauptstation auf Nusa niedergebrannt, im folgenden Jahre durch Friedrich
Schulle aber wieder aufgenommen und ist seitdem das Centrum des Handels für Neu-
Irland geblieben. Ausserdem gibt es an der Küste vielleicht noch zwei oder drei andere
Stationen, die übrigens sehr wechseln. Was unsere Museen besitzen ist in erster Linie
diesen Handelsniederlassungen zu verdanken, und die meisten mit »Neu-Irland« bezeich-
neten ethnologischen Gegenstände stammen entweder von der Nordwestecke oder dem
erwähnten kleinen District an der Südwestküste. Beide Gebiete besitzen aber gewisse
höchst charakteristische Eigenthümlichkeiten, die sich z. B. in den sogenannten Götzen-
«) Vcrgl. F in seh: ^ Abnorme Eberhauer, Pretiosen im Schmuck der Südseevölker« in Miuhei-
lungcn der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. XVII (1887), Taf. VI.
2) Die Benennung »Tombara« ist den Eingeborenen, die für die Gesammtinsel überhaupt keinen
Namen haben, unbekannt.
3) Dieses Dorf liegt in der Gegend von Rosscl-Bai, ist aber, wie die vorhergenannten Plätze, auf
keiner Karte verzeichnet.
1 24 ^^* ^' Finsch. [42]
bildern aus Holz im Nordwesten und solchen meist aus Kalk im Südwesten so frappant
markiren, dass es zweckmässig erscheint, diese Gebiete gesondert zu behandeln. Einge-
hendere ethnologische Studien sind in Neu-Irland noch nicht gemacht worden. Es gibt
daher hier noch einige sogenannte Räthsel von besonderem Interesse zu lösen, die aber
wie so manches anfangs wunderbar Scheinende durch vorurtheilsfreie Beobachter sehr
leichte Erklärung finden werden. Eile scheint hierbei mehr als anderwärts geboten,
denn bald wird es zu spät sein. Nicht allein, dass die Werbeschiffe eine grosse Anzahl
Eingeborener als Arbeiter weggeführt, ja gewisse Gebiete fast entvölkert haben, so
sind durch den zersetzenden Einfluss der Civilisation die Eingeborenen nicht mehr die-
selben geblieben. Im Jahre 1880 noch über Glasscherben, Stückchen Bandeisen und
ähnliche Kleinigkeiten erfreut, sind sie jetzt mit gewöhnlichen Beilen nicht mehr zu-
frieden und verlangen bereits nach Feuerwaffen. Der reichliche Besitz von eisernen
Werkzeugen hat, wie überall, auch hier die Eingeborenen fauler gemacht und ihre
Arbeiten sind statt besser, schlechter geworden. Dies zeigt sich namentlich an den
Schnitzereien, die durch theilweise Wiedergabe europäischer Erzeugnisse (Hüte u. dergl.)
bereits an Originalität verloren haben und zum Theile nur noch für den Handel gemacht
werden, da der gesteigerte Schiffsverkehr ja immer Abnahme sichert.
Ich selbst habe Neu-Irland, sowohl im äussersten Süden als Norden, fünfmal be-
sucht, aber immer nur auf zu kurze Zeit, um eingehendere Studien machen zu können.
Die Bevölkerung, wenigstens an der ganzen Westküste, welche ich wiederholt von Gap
St. George bis zur Steffenstrasse und Nusa befuhr, schien überall äusserst spärlich und
schon aus dem Mangel grösserer Bestände von Cocospalmen, sowie der ausserordent-
lichen Steilheit der Gebirge, die im Südwesten meist bis ins Meer herabsteigen, erklärlich.
A. Eingeborene.
Dieselben sind echte Papuas (vergl. Anthropologische Ergebnisse Seite 58) und,
abgerechnet die bekannten Nuancirungen, wie sie sich allenthalben in Melanesien finden,
sowohl im Süden als Norden durchaus als Rasse gleich. Die Isolirtheit der Wohnsitze
hat, wie überall, eine grosse Verschiedenheit der Sprachen hervorgebracht und der Ver-
kehr der verschiedenen Stämme ist bei dem Mangel grosser Segelcanus ein sehr be-
schränkter und meist nicht friedlicher. Nur die Bewohner der Herzog York- Inseln
kommen zuweilen an die gegenüberliegende Küste, entweder um zu fechten oder
Muschelgeld einzutauschen. Auch die Neu-Britannier am Nordrande der Mutter sollen
Neu-Irland, das sie »Lau-uru^ nennen, zuweilen besuchen. Die Matupiten lernten das
kaum 20 Seemeilen entfernte Neu-Irland erst durch Handelsschiffe kennen und nennen
die Eingeborenen ^ Kaputt ^ ein Wort, das sie so häufig von ihnen hörten, denn es be-
zeichnet Band- oder Flacheisen.
Die Neu-Irländer sind sehr fröhliche, aufgeweckte Menschen, die im Verkehre mit
Weissen einen sehr guten Eindruck machen, und längst nicht so schlimm als ihr Ruf.
Der Rev. Brown besuchte unbewaffnet Plätze, die vorher nie von Weissen betreten
worden waren, und obwohl sich oft ein paar Hundert Bewaffnete um ihn sammelten,
wurde er doch stets gut behandelt und ihm kein Haar gekrümmt. Der längere Verkehr
mit Weissen ändert solche Verhältnisse gar bald. Dies gilt namentlich auch in Bezug
auf die Keuschheit der Frauen, die in Neu-Irland an manchen Plätzen schon sehr
gelitten haben soll; aber die Frauen scheinen überhaupt in Neu-Irland minder streng
als in Neu -Britannien gehalten zu werden.
Wie dort leben die Eingeborenen in kleinen Gemeinden, von denen nur die be-
nachbarteren zusammenhalten, und nähren sich in erster Linie nur von dem Ertrage
r^3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 125
ihrer sorgfältig angelegten Plantagen. Aber es gibt Häuptlinge von bedeutendem An-
sehen und grösserer Macht als in Neu-Britannien^ schon deshalb, weil die Neu-Irländer
viel kriegerischer sind als die Neu-Britannier und für ihre stetigen Fehden Anführer
bedürfen. Romilly, der i883 in Kapsu einem grossartigen Kampfe beiwohnte, schätzt
die Anzahl der dort versammelten Menge auf i5oo, die der Gegenpartei auf looo
Krieger. Das ist seitdem anders geworden; denn Werbeschiffe haben einen grossen
Thcil der besten Männer (über 2000 allein aus dem Gebiete von Nusa) weggeführt,
\\m denen nur die wenigsten zurückkehrten.
Eng mit dem Kriege verbunden ist der CannibalismuSy welcher in Neu -Irland
noch heute in voller Blüthe steht. Ich sah von Nusa 1 5 Canus abgehen, um ein benach-
bartes Küstendorf zu überfallen, lediglich um Menschen zum Essen zu erbeuten, woraus
^ar kein Hehl gemacht wurde. An den Festivitäten nimmt Alles, Alt wie Jung, Männer
wie Frauen theil, da Menschenfleisch als besonderer Leckerbissen gilt und dem von
Schweinen vorgezogen wird. Der Mangel an animalischer Nahrung ist keineswegs die
Ursache dafür, denn im Wesentlichen leben alle Südseestämme nur von Pflanzenkost,
und es gibt weite Gebiete, wo Menschenfresserei unbekannt ist. Auch da wo sie herrscht
bildet sie keinen Antheil an der Ernährung der Menge, sondern nur eine Festzugabe,
von der jeder Theilnehmer eben nur sehr wenig erhält. Die einzige und zugleich beste
Beschreibung der schauerlichen Sitte gibt Romilly,*) ausser Friedrich Schulle wohl
der einzige Europäer, der einem grossartigen Cannibalenfeste in Neu-Irland beiwohnte.
Kr bestätigt meine Beobachtung, dass die Schädel nicht als Trophäen bewahrt, sondern
dem Schmause mit geopfert werden, da das Gehirn als das Feinste gilt. Die »Oefen«,
welche Romilly erwähnt, sind keine solchen in unserem Sinne, sondern nur die Auf-
häufung von Steinen, wie sie auch sonst zum Kochen benutzt werden. Ich selbst sah
in Neu-Irland auf dem Festlande, Nusa gegenüber, nur einmal einen Schädel an einem
Baume hängen, der einer Frau angehört hatte, die verzehrt worden war. Mit freund-
lichem Lächeln bestätigten niedliche Mädchen, auf Befragen, ohne Scheu, dass sie an
dem Mahle theilgenommen. Der Rev. Brown sah in einem Versammlungshause an
der Ostküste 35 menschliche Unterkiefer neben solchen von Schweinen, als Erinnerung
an die abgehaltenen Schmausereien, aufgehangen, und in einem anderen Dorfe an dem
Stamme einer Cocospalme 76 Kerbe eingehauen, von denen jede ein erschlagenes oder
aufgezehrtes Opfer bezeichnete. Wie mir Schulle erzählte war Cannibalismus, nament-
lich in früheren Jahren, etwas Gewöhnliches in Nusa. Nicht selten wurden Gefangene
umgebracht, die man an Händen und Füssen gefesselt, oft stundenlang im Canu mitge-
schleppt hatte, und zuweilen wurden diese unglücklichen Opfer noch gequält. So sah
Schulle einem Gefangenen die Hände abhacken, ehe man ihn tödtete, weil der Mann
ein gefährlicher Dieb gewesen war. Auch Weiber sähen solchen Brutalitäten nicht nur
glcichgiltig zu, sondern betheiligten sich zuweilen dabei. Dennoch ist Grausamkeit
nicht ein vorherrschender Zug im Charakter der Neu-Irländer, sondern nur Einzelner,
und man wird diese sogenannten »Wilden« milder beurtheilen, wenn man an die
scheusslichen Martern der Folter bei uns zurückdenkt. Es gibt auch in Neu-Irland
humane Sitten und Menschen. So können sich Gefangene nicht selten freikaufen, und
ich erlebte einen Fall, wo ein Nusamann an der Küste von den Männern übel zugerichtet,
') >The Western Pacific and New Guinea« (London 1887), hier Cap. III »Cannibalism in New
'■rcland^ eines der interessantesten des ausgezeichneten Buches, bei dem Jeder nur die Kürze beklagen
'Ttni, mit der der Verfasser, einer der bestan Kenner des Pacitic. über manche hochwichtige Beobach-
"mcn hin wegeilt.
durch deren energische Weiber gerettet wurde, die den schwer Verwundeten nach Nusa
brachten.
Die ethnologischen Eigenthümlichkeiten der Neu-Irländer stimmen in manchem
mit denen der Neu-Britannier (Seite 91) überein. Doch kennt man keine durchbohrten
SteinwafTen, Diwara und Dugdug, dagegen Versammlungs- oder sogenannte Tabuhäuser
und Kokonon (Muschelgeld). Vor Allem verdienen aber die hohe Entwicklung von
kunstvollen Holzschnitzereien und Leichenverbrennung als besondere ethnologische
Charakterzüge genannt zu werden.
Die vorstehenden Bemerkungen beziehen sich auf das
a. Nordende,
das ritfreiche Inselgebiet von der Steffenstrasse bis zur Insel Nusa und der entsprechen-
den Küste des Festlandes; die Sammlungen stammen zumThcile weiter östlich aus den
Küstendörfern bis Kapsu hin her. Neu-Hannover scheint, nach dem was ich von
dort zu sehen bekam, ethnologisch aufs innigste mit diesem Gebiete übereinzustimmen.
Ä Körperausputi.
Bekleidung fehlt bei den Männern ganz, wie in Neu-Britannien. Während dort
aber auch die Frauen nicht mehr bedeckt sind als Eva im Paradiese, gleichen die Neu-
Irländerinnen der Menschenmutter nach dem Sündenfall. Sie befestigen nämlich in
einem Leibstricke vorder- und hinterseits ein Büschel frischer Blätter. Selbst ganz kleine
Mädchen vom vierten oder fünften Jahre an gehen nie völlig nackend, sondern tragen
ein HibicuS'BX^XXy wie Eva das Feigenblatt, das die schlanken braunen Bronzegestalten
sehr gut kleidet und an die Antike mahnt.
Besonders fein ist der:
Mauropi (Nr. 245, i Stück), eigenthümliche Bekleidung einer Frau, bestehend
in einem Büschel rothgefärbter Pflanzenfaser, das mittelst eines Leibstrickes festgebun-
den wird. — Nusa. — Ein solcher Mauropi wie dieser wird nur bei besonderen fest-
lichen Gelegenheiten getragen und bildet den Ausputz heiratslustiger Mädchen. Zu-
weilen sind wohlriechende Kräuter mit eingebunden.
Ich sah aus Neu-Irland auch Schamschürzen der Weiber aus circa 3o Cm. langen,
fein gedrehten Stricken aus Pflanzenfaser, wahrscheinlich von Banane.
Verheiratete Frauen zeichnet eine Neu-Irland eigenthümliche Kopfbedeckung
aus, die :
Karua (Nr. 246, i Stück), Kappe, aus Pandanus-^l^XX genäht, in Form einer phry-
gischen Mütze und recht kleidsam. — Nusa.
Diese Kappen werden besonders auf Szelambiu (Mausoleum-Insel) angefertigt und
von hier aus verhandelt.
Ganz übereinstimmend mit Neu-Britannien ist die
Tapa (Nr. 25 1, i Probe), grober, aus geschlagenem Baumbast hergestellter Stoff.
— Festland gegenüber Nusa.
Wie das Material ist auch die Benutzung eine gleiche, indem diese Tapa nur zum
Tragen der Säuglinge Anwendung findet. In einem langen, auf der Brust zusammen-
geknoteten, Stück wird das Kind in der Weise auf dem Rücken getragen, dass Arme,
Beine und Kopf freibleiben. Trotz dieser anscheinend unbequemen Lage sind die
Kinderchen sehr zufrieden und schlafen in derselben, so schön als unsere im weichsten
Steckkissen.
[i5l Ethnologische Ertahrungen und Belegstucke aus der Sudsee. 127
Eigenthümlich ist eine besondere Art Matten, die mit zur Bekleidung gerechnet
werden können:
Karua (Nr. 247, i Stück), Regenmantel, aus zwei, je an einer Längs- und Schmal-
seite zusammengenähten Matten aus Pandanus-Blalt bestehend; zum Schutz gegen Sonne
wie Regen, namentlich bei Canufahrten. — Festland gegenüber Nusa.
Diese Matten sind zuweilen an der oberen Kante mit durchbrochener Näharbeit
in hübschen Mustern kunstvoll verziert, wie solche auch an der Hinterseite der Kappen
in Anwendung kommen. Die Kenntniss gewisser, wenn auch primitiver Näharbeiten
verdient ethnologisch besondere Beachtung, da solche in Melanesien sehr isolirt vor-
kommen.
Schmuck und Zieraten werden im Wesentlichen aus dem gleichen Material als
in Neu-Britannien hergestellt und frischer Blätterschmuck nimmt wie dort die erste
Stelle ein. Rothgefärbten Schilf habe ich nicht gesehen, ebenso keine Schweinezähne;
Hundezahne nur sehr beschränkt, Menschenzähne gar nicht. Sie finden bei Cannibalcn-
stämmen überhaupt keine Verwendung, wie so häußg irrthümlich geglaubt wird. Die
Seile 93 erwähnten Beutelthierzähne (Angut) sind mir nicht vorgekommen und stam-
men von der Südwestküste. Eigenthümlich sind die kleinen, aus Muschel gefertigten
Plättchen oder Perlen, Kokonon genannt. Im Ganzen ist Schmuck spärlicher als in
Neu-Britannien, aber meist viel kunstvoller gearbeitet; übrigens wie dort bereits durch
Glasperlen ziemlich verdrängt, die jetzt einen wesentlichen Theil des Schmuckes
ausmachen.
Unentwerthet durch Glasperlen und andere europäische Erzeugnisse ist aber das
Kokonon oder Muschelgeld der Eingeborenen geblieben, welches noch heute bei den
Eingeborenen eine ebenso bedeutende Rolle spielt als das Diwara (Seite 94) in Neu-
Britannien. Von der Steffenstrasse bis nach Langunebange, wahrscheinlich auch längs
dem grössten Theile der Westküste, ist Kokonon das gangbarste Tauschmittel, welches
Jen eigentlichen Reichthum bildet, tnit dem man in Neu-Irland Alles erreichen kann.
Während sich Diwara in Neu-Irland keinen Eingang verschaffte, ist, wie wir gesehen
haben, Kokonon in Neu-Britannien beliebt und wird oder wurde wegen seiner Feinheit
gern zu Schmuckgegenständen verwendet. In der That sind die sauber und accurat
geschliffenen kleinen Muschelplättchen, mit einem so kleinen Loche, dass zum Auffädeln
eine feine Nähnadel gehört, wohl die zierlichsten dieses in der Südsee weitverbreiteten
Genres. Leiden wissen wir trotz der Häufigkeit über die Anfertigung dieses Muschel-
geldes nichts und kennen nicht einmal das Material genau.
Da es sich um kleine Perlen handelt, von denen 48 — 5o Stück der feinsten Sorte
erst 3 Cm. messen, und von denen jedes Stück wahrscheinlich besonders geschliffen und
gebohrt wird, so muss man den Fleiss und die Geduld der Eingeborenen, die sich
gerade in der Verfertigung so winziger Objecte zeigen, wahrhaft bewundern.
Es gibt drei Sorten Muschelgeld:
Kokonon luluai (Nr. 635, i Schnur; Taf. III [i], Fig. 3), Muschelgeld gewöhn-
lichster Sorte, aus rundlichen, hirsekorngrossen, schwarzen Perlen aus Cocosnussschale *)
und abwechselnd weissen Perlen, von circa 3 Mm. Durchmesser, aus Muschel geschliffen,
bestehend. — Nusa.
Diese Sorte dient im gewöhnlichen Verkehr und wird meist zum Friedenstiften
benutzt. Die Eingeborenen pflegen Schnüre dieses Muschelgeldes, am Kopfhaare ange-
>) Nicht zweifellos sicher, aber jedenfalls pflanzlichi da diese Perlen langsam im Feuer verkohlen.
1 28 Dr. O. Finsch. [^,6]
bunden, bei sich zu führen, um kleine Einkäufe zu bestreiten oder eventuell sich bei
einem Ueberfalle freizukaufen.
Kokonon (Nr. 634, i Schnur; Taf. III [i], Fig. 4; zur rechten Seite ein Stück im
Durchmesser), Muschelgeld zweiter Sorte, besteht aus hellfarbigen, elfenbeinweissen
Muschelscheibchen von kaum 3 Mm. Durchmesser. — Nusa.
Diese Sorte ist werthvoUer als die vorhergehende, wird hauptsächlich zum Kaufen
von Frauen benutzt und gilt vorzugsweise im Nusa-Archipel westlich bis zur Mauso-
leum-Insel (Szelambiu).
Kokonon (Nr. 633, i Schnur; Taf. III [i], Fig. 5; zur rechten Seite ein Stück im
Durchmesser), Muschelgeld feinster Sorte, besteht aus dünnen, rundlichen, sehr feinen
röthlichen Muschelscheibchen von kaum 4 Mm. Durchmesser. — Nusa,
Diese Sorte ist die werthvollste, und zwar um so mehr, je mehr röthliche mit
weissen Streifen abwechseln; sie wird besonders zum Kauf von Frauen, Canus u. s. w.
benützt und gilt an der ganzen Nordwestküste.
Diese drei Sorten Kokonon, besonders aber die gewöhnlichste, werden zu allerlei
Schmuck verwendet, wie wir in der Folge sehen werden.
Als Körperzier ist Bemalen sehr üblich und geschieht in ähnlicher Weise und mit
demselben Farbenmaterial als in Neu-Britannien (vergl. Seite gS und Fig. i auf Seite 95,
Gesicht). Ausser Schwarz, Weiss und Roth kennt man noch Ockergelb, das aber zum
Bemalen von Schnitzereien verwendet wird, wie eingeführtes Waschblau. — Bei den
Frauen beobachtete ich häufig künstlich gefärbte Zähne (vergl. weiter zurück: Betel).
TätOWirung ist unbekannt, dagegen sind Ziernarben nicht selten, besonders bei
Frauen. Sie werden aber nicht durch Einschnitte, wie in Neu-Britannien, sondern durch
Brennen oder besser Auflegen glühender Kohlenstückchen hervorgebracht. Sie bilden
auf Oberarm, Brust und Rücken rundliche Male, die sich aber nur selten zu rohen
Mustern gruppiren und weit hinter dem feinen Akotto in Neu-Britannien (Seite 96)
zurückstehen.
Besonderen Haarschmuck habe ich nicht kennen gelernt, auch nicht die Seite 97
erwähnten Kalagi gesehen, höchstens Blätter oder Schnüre Kokonon im und am Haar
befestigt. Schmuckstücke sind auch insofern überflüssiger, weil bei den Männern häufig
wirkliche Haarfrisuren die Stelle versehen. Gewöhnlich wird das Haar ziemlich kurz
gehalten, am Hinterkopf und bis zum oberen Ohrrande abgeschoren und bildet einen
dichten wolligen Pelz, gleich einer Pelzkappe. An der Südspitze sah ich aber auch ver-
filzte Haarzotteln, ganz wie in Neu-Britannien, aber wie hier niemals aufgezauste Haar-
wolken (Mop)y da die Neu-Britannier wie Neu-Irländer ja überhaupt auch keine Kämme
besitzen. Bemalen des Kopfhaares mit Kalk und rother Farbe ist in Neu-Irland die
gewöhnlichste Verzierung und kommt ganz besonders bei der eigenthümlichen Frisur
der Männer zur Geltung. Dieselbe besteht gewöhnlich darin, dass das ganze Haar bis
auf einen Mittellängsstreif von der Stirn bis zum Hinterkopfe abgeschoren wird, so dass
hier eine hohe Haarwulst gleich einem Raupenhelm entsteht. Dieser Helm erscheint
dann in der natürlichen Farbe löwengelb, die Seiten dunkel, da das Haar durch den
unausgesetzten Gebrauch mit Kalk, vom Säuglingsalter an, eine blonde Farbe erhält
und nur an der Basis dunkel bleibt. Nicht selten wird die eine geschorene Kopfseite
weiss, die andere schwarz oder roth bemalt, ganz wie dies die der Wirklichkeit nach-
gebildeten Tanzmasken zeigen.
Auf das Barthaar wird viel weniger Sorgfalt als in Neu-Britannien verwendet.
Gewöhnlich wird es ausgerissen oder nur ein Rand rings um dajs Gesicht stehen gelassen
und dieser zuweilen so dicht mit Kalk eingeschmiert, dass kleine Klümpchen und Zacken
[ 1-*] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 1 20
entstehen. Häufig sieht man übrigens auch Vollbarte. Hinsichtlich des Schamhaares
herrscht keine Mode wie in Neu -Britannien ; beide Geschlechter lassen es meist wachsen
oder reissen es zuweilen aus.
KopfiBChmuck aus Federn sah ich nicht, und dieser Mangel ist schon dadurch er-
klärlich, weil in Neu-Irland keine Kakatus vorkommen. Haushühner erinnere ich mich
nicht gesehen zu haben. Auch Stimschmuck ist mir nicht vorgekommen, ebensowenig
besonderer OhrSChmuck. Gewöhnlich wird, und zwar bei beiden Geschlechtern, nur
der eine Ohrlappen, seltener beide, durchbohrt oder dreieckig ausgeschnitten und dann
durch einen schmalen Ring aus einem Streifen von grünem Pandanus-Blsin ausgespannt,,
oft so bedeutend, dass das Ohrläppchen nur einen schmalen Hautrand bildet. Diese
Mode findet sich in Neu-Britannien -nicht und erinnert am meisten an die Marshalls-
inseln. Die früher gebräuchlichen Ohrbommeln aus Scheibchen von Cocosnussschale
oder Muschelgeld sind durch Glasperlen fast ganz verdrängt worden.
Nasenschmuck habe ich nicht gesehen und finde in meinen Notizen nur bemerkt,
dass die Eingeborenen in Likelike an der Südspitze die Nasenflügel, aber nicht das
Septum durchbohrt hatten.
Halsschmuck. Für gewöhnlich genügt ein Strickchen, an dem Blätter, Schnüre,
Muschelgeld oder Glasperlen befestigt sind, oder die auch in Neu-Britannien beliebten
Klingeln aus 0//va-Muscheln (Nr. 484, i Stück), die oben abgeschliffen und zum
Tbeile mit einem Klöpfel aus Hundezahn versehen sind, welche beim Gehen tönen.
Festland gegenüber Nusa. — Halsschnüre aus Coix lacryma-Seimcn sind durch Glas-
perlen schon sehr verdrängt worden, dagegen jetzt noch sehr beliebt Schnüre von
Muschelgeld oder wie die folgende Nummer:
Halsschnur (Nr. 485, i Stück, Taf. III [i], Fig. 7), aus einer Reihe Muschelgeld
der gewöhnlichen Sorte (Nr. 635), mit eilf kleinen durchbohrten, an der Spitze abge-
schliffenen Muscheln (a) der Oliva carneola. — Nusa.
Eigenthümlich ist die folgende:
Halsschnur (Nr. 483, i Stück), sehr dünner, zierlich mit schwarzgefärbter Pflanzen-
faser übersponnener Bindfaden, welcher beim ersten Anblick ganz an die Haarschnüre
der Gilberts-Insel erinnert; sehr selten. — Nusa.
Halskragen (Seite 98) und die eigenthümlichen kostbaren Halsbänder (Seite 98)
kommen in Neu-Irland nicht vor.
Brustschmuck beschränkt sich fast nur auf Glasperlen, und es gibt, wie in Blanche-
Bai, keinen Kampf-Brustschmuck.
Das einzige, was ich an Brustschmuck kennen lernte, ist das folgende Stück, zu-
gleich eine der zierlichsten Arbeiten des Kunstfleisses überhaupt:
Brustschmuck (Nr. 486, i Stück, Taf. III [i], Fig. 14), eigenthümlich, sehr
selten. Besteht aus einem herzförmigen Mittelstück, anscheinend der Oberkiefer einer
Schildkröte, das von einem inneren Rande aus schwarzen Cocosperlen und einem äusseren
aus Muschelperlen (Muschelgeld, Fig. 5) eingefasst ist. Diese Randverzierung aus Perlen
ist in geschickter Weise zwischen dünnen Pflanzenstengeln mittelst feinen Fadens be-
festigt. — Kapsu.
Als Mittelstück wird am häufigsten die halbmondförmige Längshälfte einer harten
Fruchthülse benützt, als Tragband Schnüre Muschelgeld, als Anhängsel Klingeln aus
Oliva carneoia (Fig. 7), grösserer O/rVa-Muscheln mit Klöpfeln von Hundezähnen.
Arm8Ghmuck. Für gewöhnlich genügt ein Strickchen um den Oberarm oder aus
Gras (vielleicht einer Liane) geflochtene schmale Bänder, meist schwarz, seltener mit
gelbem Muster« wie der Leibgurt Nr. 553.
1 3o Dr. O. Finsch. [48]
Dünne, sehr zierlich gearbeitete Ringe aus Querschnitten von Trochus niloticus^
ganz wie die Laieis (Seite 99) in Neu-Britannien, aber feiner, sind ebenfalls beliebt, wie
die folgenden Nummern:
Armringe aus Trochus (Nr. 371, 6 Stück), 8 Cm. Durchmesser und
» » » (Nr. 372, 4 Stück), 6 Cm. Durchmesser; Festland gegen-
über Nusa.
Schnüre Glasperlen um das Handgelenk werden jetzt häufig getragen, eben solche
als Leibschmuck, der sonst wenig angewendet wird und früher meist in Schnuren
Muschelgeld oder den eigenthümlichen dünnen Schnüren (Nr. 483) bestand.
Sehr selten ist:
Leibgurt (Nr. 553, i Stück) aus einem schwarzen, gelb gemusterten Bande (3 Cm.
breit und 64 Cm. lang), fein aus Gras oder Liane geflochten und dasselbe Material als
zu den Armbändern.
Beinschmuck ist nicht in Gebrauch.
C Häuser und Siedelungen,
Wie in Neu-Britannien fehlen Pfahlbauten und die Häuser stehen meist auf der
Erde, sind aber in der Bauart ganz verschieden von denen in Blanche-Bai und noch
unansehnlicher. Am häufigsten sah ich ziemlich roh aus Ried oder Gras gebaute Hütten,
die eigentlich in einem bis zum Erdboden herabreichenden sanftgebogenen Dache be-
stehen und nur in der etwas zurückstehenden Giebelfront einen niedrigen Thüreingang
besitzen. Häuser mit Seitenwänden und schrägem gradfirstigen Dache sind ebenfalls
häufig, übrigens ebenso lotterig gebaut als die Hütten. Die Häuser haben im Innern
zuweilen Abtheilungen, mitunter ein kleines Gemach für die Weiber, enthalten aber im
Uebrigen sehr wenig. In Blättern eingepackte Bündel mit den wenigen Habseligkeiten
oder Speeren, einige Matten aus Cocospalmblatt als Unterlage beim Sitzen und Schlafen
und die Feuerstelle aus etlichen Steinen sind ungefähr Alles.
Die Siedlungen bestehen meist aus wenigen Hütten, die gewöhnlich von einem
freien, sauber gehaltenen Platze umgeben sind, der mit buntblättrigen Crotons bepflanzt,
oft von solchen oder nur durch eine Schnur eingezäunt ist. Solche freie Plätze finden
sich auch häufig abseits, weit von den Dörfern und dienen für die Festlichkeiten. Sie
sind zuweilen in geschmackvoller Weise mit oft bäumchengrossen Blattpflanzen be-
pflanzt, so dass das Material für den hauptsächlichsten Schmuck gleich bei der Hand ist.
Nach weitverbreiteter melanesischer Sitte gibt es auch in Neu -Irland Versamill-
lungs- oder Clubhäuser der Männer, die wie überall für die Frauen streng tabu sind,
wie Alles was sie enthalten. Romilly beschreibt dasjenige in Kapsu leider zu ober-
flächlich. In einer Ecke des freien Platzes »was a very complicated labyrinth, which
surrounded a house containing some most grotesque carvings«. Das Versammlungs-
haus, welches ich auf Kapaterong kennen lernte, unterschied sich von den übrigen Hütten
durch nichts als bedeutendere Grösse und einige Schnitzereien (Nr. 689—693) an bei-
den Seiten der Thür. Im Inneren befanden sich nur Schlafstätten, denn dieses Haus
diente — wie die Junggesellenhäuser in Neu-Guinea — als Schlafhaus für die unver-
heirateten jungen Männer und fremde Freunde, die hier empfangen werden. Schnitze-
reien fehlten in demselben und waren vermuthlich schon verkauft worden. Neben dem
Hause stand auf Pfählen ein gerüstartiges, vorn offenes, überdachtes Vorrathshäuschen,
in dem Schnitzereien und Lebensmittel geborgen waren, unter denselben eine grosse
Holztrommel (wie Taf. V [3], Fig. 8). Dieses Qubhaus stand ganz frei, und ich sah
r^ql Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 1 3 1
Weiber nur in gebückter Stellung, selbst kriechend in einiger Entfernung passiren. Die
Vermuthung Hegt daher nahe, dass die labyrtnthartigen Umzäunungen, wie sie Romilly
in Kapsu erwähnt, wohl hauptsächlich den Zweck haben, diese Häuser den Augen der
Frauen zu entziehen; vielleicht dienen die überdeckten Gänge auch bei den Masken-
festen gewissen Zwecken.
Wie diese Männer- oder Tabuhäuser gewöhnlich als Tempel gedeutet werden, so
die inneren und äusseren Verzierungen an Holzschnitzarbeiten als Götzen. Beides ist
unrichtig, denn diese Schnitzereien sind eben nichts Anderes als Verzierungen, wie wir
sie anderwärts in anderer Weise wiederfinden, wofür ich eine Menge Beispiele aus
meinen eigenen Erfahrungen anführen könnte.
Diese Holzschnitzereien sind ethnologisch für Neu -Irland charakteristisch, aber
nur für das hier behandelte beschränkte Gebiet, denn wie weit sie östlich ') vorkommen,
wissen wir nicht, wohl aber ihr Fehlen im Südwesten. Sie stehen durch die schwung-
volle Ornamentik und groteske Zusammenstellung wohl unter allen Holzschnitzereien
Melanesiens einzig da und repräsentiren mit die bedeutendsten Leistungen in diesem
Genre. Das ist zum grossen Theile mit auf Rechnung des Materials zu bringen, ein weiches
Holz, welches sich viel leichter schneidet als z. B. Linde oder Weide und dessen Bearbei-
tung selbst Muschel- und Steinwerkzeugen nicht entfernt die Schwierigkeiten bereitet,
wie gewöhnlich angenommen wird. Mit scharfen Muschelstücken, Steinsplittern, Bambu
und Rochenhaut lässt sich da ohne sonderliche Anstrengung viel erreichen, denn das
Holz ist häufig so weich, dass man mit einem harten Gegenstande Furchen ziehen kann.
Ein solches Material ermöglichte daher auch die schwungvoll durchbrochen gearbeiteten
grösseren Schnitzereien, die aber begreiflicherweise sehr zerbrechlich sind, wie das Ma-
terial selbst bald dem Verderben, namentlich durch Wurmfrass, unterliegt. Aus diesem
Grunde verwahrte man in Kapaterong die Schnitzereien auf dem hohen Gerüst, um sie
so besser gegen die weissen Ameisen zu schützen. Gewiss ist, dass solche Bildwerke
auch in den Tabuhäusern nicht lange vorhalten und stets durch neue ersetzt werden
müssen.
Schon darin liegt ein Grund zu der grossen Verschiedenheit der Stücke, sowie
der Hinweis, dass dieselben nur bei gewissen feierlichen Gelegenheiten, Festen der
Manner, als Decoration des Tabuhauses dienen, aber keine religiöse Unterlage haben.
Freilich ist der Culturmensch stets geneigt, alles, was er an absonderlichem Schnitzwerk
bei sogenannten »Wilden« sieht, namentlich also figürliche Darstellungen, ohne Weiteres
för Fetisch- und Götzensymbole zu halten, und die Missionäre sind in der Verbreitung
dieser Ansicht stets vorangegangen. Da wird jedes Fratzengesicht auf einem Kalk-
spatel für eine heidnische Gottheit erklärt und in jeder Figur ein »mächtiger Götze«
erblickt. >Venn ich in Neu-Guinea sicher zu der Ueberzeugung gelangte, dass die
mancherlei oft sehr grossen und plumpen menschlichen Figuren auf Ahnen zu beziehen
sind, so scheint mir dies in Bezug auf die gleiche Kategorie von Bildwerken in Neu-
Irland nicht so gewiss. Aber Götzen, denen man eine gewisse Verehrung zollt, opfert
u. dergl., sind auch diese Figuren, im Allgemeinen »Kulap« genannt, nicht; eher
dürften sie mit Geisterglauben, ähnlich dem Toberan in Neu-Britannien (Seite 1 15), im
Zusammenhange stehen. Doch genug davon ! Das Richtige wird doch erst durch ruhige,
nüchterne Beobachter ergründet werden können, die bis jetzt noch fehlen und vielleicht
überhaupt zu spät kommen, denn die neue Aera des Eisens wird diesen Kunstwerken
der Steinzeit bald ein Ende machen.
1) Nach Romilly werden die götzenähnlichen Figuren auf der Vischer-Insel gefertigt.
Aaukn des k. k. naturhistorischeo Hofmuseums, Bd. lU, Heft 2, 1888. 10
l32 Dr.O. Finsch. [5o]
Die Holzschnitzereien zerfallen im wesentlichen in zwei Kategorien: i. in Bretter
oder Leisten mit Relief- oder durchbrochener, seltener eingravirter Arbeit oder nur be-
malt; 2. in figürliche Darstellungen von Menschen, sowohl Männern als Frauen, in Ver-
bindung mit gewissen Thiergestalten und Ornamenten, beide Kategorien mit oft sehr
zierlicher Bemalung in Schwarz, Roth und Weiss und beide demselben Hauptzwecke
dienend: Ausschmückung des Tabuhauses von innen wie aussen.
Die nur mit Wasser angeriebenen Farben sind leicht verwischbar, übrigens die-
selben Stoffe als in Neu-Britannien (Seite 9 5, 96). Als Pinsel werden Federn benutzt,
als Farbenäpfe Cocosnussschalen«
Die menschlichen Figuren sind, wie überall, Nachbildungen Eingeborener, mit
oft recht gelungenen Köpfen, an denen die hiesige charakteristische Haarfrisur durch
eingeklebte Pflanzenstengel, Fasern o. dergl. gut imitirt ist und die durch die Verwen-
dung der Deckel (operculum) von Turbo petholatus als Augen einen besonderen Aus-
druck erhalten. Die eigenthümliche Färbung dieser Turbo-Decktl ähnelt gar sehr einem
Glasauge und die ingeniöse Verwendung derselben wird für Neu-Irland charakteristisch.
Die Gesichter sind daher, bis auf die sehr beliebten monströsen Ohren, meist viel
proportionirter, als dies bei ähnlichen Figuren, z. B. in Neu-Guinea der Fall ist, die
übrigen Körperformen wie überall verfehlt und verzerrt. Brüste und Geschlechtstheile
kommen meist zur Darstellung, indess ohne Unanständigkeiten, sind auch zuweilen
bedeckt, z. B. bei der weiblichen Figur (Taf. VII [5], Fig. 3).
Unter den Thiergestalten kommen fast nur Vögel und Fische vor. Säugethiere,
an denen Neu-Irland ohnehin sehr arm ist, finden sich höchst selten wiedergegeben, in
rohen Nachbildungen des Cuscus, zuweilen auch des Delphin. Schlangenbilder sind
ebenfalls selten. Das Krokodil, welches in Neu-Guinea ein oft benutztes Vorbild liefert,
erinnere ich mich nicht in Neu-Irland als solches verwendet gesehen zu haben, ebenso
nicht die grossen Warneidechsen (Monitor)^ wahrscheinlich weil beide sehr selten sind.
Die Vögel werden meist fliegend dargestellt, und von Species lassen sich fast nur Hahn
und Nashornvogel erkennen, von denen der letztere die Hauptfigur bildet. Dies ist schon
deshalb leicht erklärlich, weil der Nashornvogel (Buceros ruficollis) überhaupt den
grössten Vogel Neu -Irlands (das z. B. keinen Casuar und Cacatu besitzt) repräsentirt
und durch seine Stimmlaute, das auffallende Rauschen beim Fliegen und seine Lebens-
weise ohnehin die hervorragendste Stellung in der Fauna einnimmt — Ich sah eine
Schnitzerei, einen Nashornvogel, welcher ein Nest plündert, darstellend, also ein ganz
aus dem Leben gegriffenes Motiv. Sehr beliebt ist eine Bastard -Vogelgestalt von einem
Hahn mit Bi/cero5- Schnabel.
Von Fischen lassen sich auch nur wenige durch auffallende Formen charak-
teristische Arten (Diodon, Acanthurus, Scomber und wie erwähnt Delphine, Phocaena)
erkennen; Haifische sind mir nicht erinnerlich, aus anderen Thierclassen nur der Scorpion
(Taf. VII [5], Fig. 5^). Sehr häufig reihen sich in den Schnitzereien abwechselnd Fisch
und Vogel aneinander, oder ein Fisch hält einen Vogel im Maul. Nicht minder häufig
sind verschiedene Thiere unter sich oder mit Menschenfiguren in phantastischer Ver-
bindung, wie die folgenden Schnitzereien zeigen: i. (klein): ein Fischkopf hält den Kopf
eines Nashornvogels am Halse in den Zähnen; 2. (klein): eine Fruchttaube (Carpo-
phaga) hält einen Fisch in den Klauen, um ihn mit einer Betelnuss zu füttern; 3. (gross,
an 5 Fuss hoch): menschliche Figur bis zum Bauch (ohne Geschlechtstheile), hier in
Blattwerk ausgehend, hält einen Vogel in den Händen (Dicranostreptus megarhynchus)^
der mit der Schnabelspitze das Kinn berührt und von einer Schlange am Schwanz fest-
gehalten wird; 4. (gross, circa 5 Fuss hoch): menschliche Figur, vom Rumpfan in einen
[5 1 1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I 3 3
Delphin (Phocaena) übergehend und hier korkzieh er artig von einer Schlange umwun-
den, deren Kopf das Kinn berührt; 5. (klein): eine weibliche Figur, in hochschwan-
gerem Zustande, steht mit den Füssen auf den geöffneten Schwingen eines Vogels, der
mit dem geöfiheten Schnabel anscheinend den Accoucheur spielt.
Diese Beispiele Hessen sich bis ins Unendliche ausdehnen und die Beschreibung
oeuiriändischer Schnitzereien würde ein Buch füllen, denn nicht zwei sind vollständig
gleich. Gerade in dieser Verschiedenheit, wie der meist phantastischen und grotesken
Darstellung, liegt aber die Charakteristik derselben, die sich auch in der übrigen Orna-
mentik und namentlich der eigenthümlichen Bemalung ausspricht. Mit Ausnahme ge-
wisser blumen- und blattähnlicher Motive herrscht auch hier eine phantastische Zusam-
menstellung der Ornamentik, in der jedoch meist gebogene Linien mit Zacken vor-
kommen, aber auch die Kreuzform vertreten ist. Dass diese wilde Ornamentik beredtes
Zeugniss für die gleichartige Phantasie der Verfertiger bekundet, unterliegt keinem Zweifel
und findet in den nicht minder grotesken Masken weitere Bestätigung. Ein tieferer Ge-
danke, wie ihn der Culturmensch so gern herauslesen möchte, liegt aber diesen Bild-
nereien nicht zu Grunde. Die grosse Verschiedenheit derselben, innerhalb des oben an-
gedeuteten Rahmens des Ideenkreises der Eingeborenen, ist in der Individualität der
Verfertiger und Zufälligkeiten aller Art leicht erklärlich. Würde zehn Personen bei uns,
unabhängig voneinander, die Aufgabe zufallen, einen Mann oder eine Frau in Verbin-
dung mit gewissen Thieren darzustellen, so würden diese Darstellungen auch alle ver-
schieden werden. Wie viel nicht mehr bei Naturmenschen, die keinerlei Hilfsmittel und
nur die primitivsten Werkzeuge besitzen, wo Jeder nach der mehr oder minder ent-
wickelten Phantasie nur nach seinem Augenmass arbeitet. Schon daraus müssen sich
eine Menge Abweichungen der Symmetrie ergeben, wie im Verfolg der Arbeit selbst.
Da hat vielleicht Einer einen Taun (Mann) angefangen, die Arbeit aber nicht vollenden
können oder ist inzwischen zu einer anderen Idee gekommen und schnitzt nun einen
Fisch daran, vielleicht weil dies leichter war oder das Stück Holz gerade besser passte.
Die Eingeborenen arbeiten ja nicht wie Culturmenschen unausgesetzt an einem
Stöcke, bis es fertig ist, sondern je nach Lust und Zeit, nicht nach einer Vorlage, sondern
nur nach Phantasie und Laune. Derselbe Mann, welcher soeben die schwungvollste
Schnitzerei vollendete, ist nicht im Stande, sie nur in rohen Umrissen auf dem Papiere
wiederzugeben. Diese Naturkünstler suchen ja nicht in ihren Bildnereien tiefere Ideen
mit symbolischer Bedeutung zum Ausdruck zu bringen, sondern ihre Grundgedanken
gehen über einen Mann (taun)^ eine Frau (paptni), Vogel (manu) oder Fisch (aigent)
nicht hinaus, das Uebrige entwickelt sich dann bei der Arbeit, je nach Laune und zu-
fälligen Eingebungen, von selbst. Häufig mag es vorkommen, dass ein Stück, von dem
Einen angefangen, von dem Andern vollendet oder bemalt wird, oder dass Zwei gemein-
schaftlich an einem Stücke arbeiten und bei dem Mangel von Modellen oder Vorlagen
schon dadurch verschiedene Ideen zum Ausdruck bringen. Eine Beschränkung des
Geschmacks auf gewisse stets wiederholte Motive, wie z. B. an der Nordostküste Neu-
Guineas, fällt in Neu-Irland eben weg, denn hier ist gerade die individuelle Auffassung
charakteristisch und bildet den Hauptzug dieser Art von Kunstleistungen. Wie schon
erwähnt, gibt die Mannigfaltigkeit und Variation der Masken die beste Erklärung auch
für die gleichen Principien bei den Schnitzereien. Wie sich Jedermann bemüht, bei den
Festen in einem möglichst originellen Aufputze zu erscheinen, und wie man sich hier in
Phantasterei und Groteske überbietet, so geschieht es auch bei den Bildwerken. Jeder
sucht hier innerhalb des Ideenkreises etwas Neues, Nochnichtdagewesenes, Mögliches
oder Unmögliches zu schaffen, was bei den Anderen Aufsehen, Bewunderung erregt und
10*
l34 Dr. O, Finsch. [52]
natürlich in sehr verschiedener Weise gelingt. Denn wie bei uns gibt es ja auch unter
diesen Wilden kleine und grosse Künstler, und Jeder versucht sein Bestes in seiner Weise.
Da wird man sich also über die grosse Verschiedenheit der Leistungen nicht zu wun-
dern brauchen, ebensowenig über das Hineinziehen neuer, durch die Bekanntschaft mit
dem weissen Manne entstandener Motive. So habe ich in Form wie Färbung trefflich
gelungene Nachbildungen europäischer Aexte gesehen, die für den Eingeborenen ja
keinerlei Zweck hatten und lediglich dem Nachahmungstriebe entsprangen. Der Mann
besass noch keine eiserne Axt und wollte wenigstens mit einer Imitation paradiren und
bei seinen Freunden Bewunderung erregen.
Die Berührung mit Weissen ist auch für diese Schnitzereien nicht ohne Einfluss
geblieben, natürlicher Weise nur zur Verschlechterung. So werden statt der schönen
yiwr^o-Augen nicht selten Augen aus Flaschenscherben benützt, man verwendet auf-
fallende farbige Etiquetten von Conservebüchsen und sucht europäische Motive, Hüte
und Gesichter von Weissen, bei den Schnitzereien anzubringen. Originalität geht daher
ihrem Untergange entgegen, um so rascher, je mehr der Verkehr mit Weissen zu-
nimmt. Bereits haben die Eingeborenen angefangen Schnitzereien für den Handel an-
zufertigen, und dass dieselben viel nachlässiger und flüchtiger ausfallen, ist selbstver-
ständlich, wie überall wo der Naturmensch seine primitiven Geräthe weglegt und mit
eisernen arbeitet.
Die nachfolgenden sehr instructiven Stücke der Sammlung werden durch die bei-
gegebenen Abbildungen am besten veranschaulicht und zeigen vor Allem auch den
eigenthümlichen Charakter der Bemalung, welche für diese Bildwerke so charakteristisch
ist und zum besseren Verständniss derselben wesentlich beitragen wird.
Giebelverzierungen, die übrigens nur an Tabuhäusern, nicht an gewöhnlichen
Wohnhäusern vorkommen, bestehen meist aus flachen, schmalen Brettern oder Leisten,
die an der Frontseite neben der Thür reihenweise angebunden werden. Wie verschieden
dieselben an ein und demselben Hause sein können, werden die nachfolgenden fünf
Stücke vom Tabuhause auf der Insel Kapaterong am besten beweisen, zugleich aber
auch meine vorhergehenden Erörterungen belegen, dass diesen Verschiedenheiten indi-
viduelle Auffassung und Ausführung zu Grunde liegt.
Giebelleiste (Nr. 691, 1 Stück; Taf. VII [5], Fig. 5, 5a und 5b). Schmale Leiste
(9*5 — 11 '5 Cm. breit und 164 cm. lang) mit drei erhaben geschnitzten Larven oder
Gesichtern in Profil (Fig. 5 a mit Turbo -Äugt und Kreuz auf Wange) und einem
Scorpion (Fig. 5 b).
Giebelleiste (Nr. 690, i Stück; Taf. VI [4], Fig. 2 und 2 a). Schmale (i 3— 1 5'5 Cm.
breite und 1 24 Cm. lange) Leiste, durchbrochen gearbeitet, mit Darstellung von Vögeln
und zwei Gesichtern; in der Mitte eine durchbrochene Schnitzerei als Aufsatz, Fig. 2 a,
angebunden.
Giebelleisten (Nr. 689, 692, 2 Stück), ähnlich der vorhergehenden, ebenfalls
durchbrochen gearbeitet, aber verschieden in Schnitzerei und Bemalung.
Giebelleiste (Nr. 693, i Stück), schmale, i5 Cm. breite, 85 Cm. lange Leiste, mit
eingravirtem Muster und bunter Bemalung.
Das folgende Stück stammt vom Festlande gegenüber Nusa und stand wohl nicht
vor, sondern in einem Tabuhause, da es unten einen Zapfen zum Einsetzen in ein ent-
sprechendes Loch einer Bodenleiste besitzt. Es zeichnet sich auch dadurch aus, dass
beide Seiten in Schnitzwerk ausgeführt sind.
Grosse Hausverzierung (Nr. 688, i Stück; Taf. VI [4], Fig. i). Flaches, oben
abgerundetes Brett (107 Cm. lang und 40 Cm. breit) mit reicher phantastischer, durch-
[33] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 1 33
brochener Schnitzerei, wie Blattwerk und Vogelschnäbel, mit Twr^o -Augen verziert;
sehr kunstvoll und dabei eine treffliche Darstellung der verworrenen Phantasie und
Ideen neuirländischer Eingeborenenkunst.
Holzschnitzerei (Nr. 694, i Stück; Taf. VI [4], Fig. 3), Haushahn mit Buceros-
ähnlichem Schnabel, in ganzer Figur, die seitlich abstehenden Schwanzfedern plastisch
ausgearbeitet. — Nusa. Ich kaufte das Stück von einem Eingeborenen, der es nur aus
Liebhaberei, ohne einen bestimmten Zweck geschnitzt hatte.
Die folgenden Stücke betreffen sogenannte Kulap oder menschliche Figuren, die
im Innern der Tabuhäuser aufgestellt und nach der gewöhnlichen Auffassung meist als
Götzenbilder gedeutet werden. Sie stammen aus dem Dorfe Kapsu, dessen Bewohner
sieb besonders durch Schnitzereiarbeiten auszeichnen, und werden die grosse Ver-
schiedenheit zeigen, welche auch in dieser Richtung herrscht. Romilly sah in dem
Tabuhause von Kapsu ausser »some six or seven hideous painted figures, between
three and four feet high, innumerable small carvings of birds and fishes« und einige
der grotesken Helmmasken, was am besten beweist, dass alle diese Machwerke den
Festen der Männer dienen.
Unsere Bildertafel erspart eine weitere Beschreibung.
Kulap (Nr. 643, 1 Stück; Taf. VII [5], Fig. i), männliche Figur (222 Cm. hoch),
aus einem Stück geschnitzt, mit schwungvollen Verzierungen in durchbrochener Arbeit;
Bart aus Pflanzenfaser angeklebt; die Bemalung noch unvollendet. Eines der längsten
und grössten Stücke, welche ich sah.
Kulap (Nr. 644, i Stück; Taf. VII [5], Fig. 2), weibliche Figur (107 Cm. hoch);
die Arme sind mit angeschnitzten Zapfen in Löcher des Rumpfes eingekittet; das Haar
aus Pflanzenstengeln hergestellt; zwischen den Beinen ein Fisch.
Kulap (Nr. 645, 1 Stück; Taf. VII [5], Fig. 3), weibliche Figur (68 Cm. hoch),
mit Kappe und Schamschurz, in hübschem Schachbrettmuster.
Kulap (Nr. 646, i Stück), männliche Figur (38 Cm. hoch), ziemlich rohe Dar-
stellung eines Anfängers oder minder begabten Künstlers.
Wie in Neu-Britannien bildet Ackerbau die Hauptbeschäftigung und Nahrungs-
quelle der Bewohner. Vorzugsweise wird Taro (aopai) angebaut und Bananen (aun),
weniger Yams (akaü) und süsse Kartoffeln (akau), Cocosnüsse (alemass) und Arro-
wroot liefern ebenfalls einen beträchtlichen Theil der Nahrung. Eine nicht sonderlich
gute Art Brotfrucht und deren Kerne werden vielfach benutzt, nicht minder die kasta-
nicngrosse, doppelkernige Nuss eines Baumes, Savai genannt (Nr. 885). Zuckerrohr
erinnere ich mich nicht gesehen zu haben; es mag aber vorkommen.
Hunde und Schweine werden in beschränkter Zahl gehalten und sind die einzigen
Hausthiere.
D. Geräthschaften und Werkzeuge.
Im wesentlichen gilt auch hier das bei Neu -Britannien Gesagte (Seite loi) und
Hausrath ist ebenso unbedeutend und kaum der Rede werth als Kochgeräth, da
auch hier Töpfe') und Holzgefässe fehlen. Die Methode des Feuerreibens habe ich
nicht kennen gelernt. Das Kochen geschieht in derselben Weise wie Seite 101 be-
schrieben; auch kennt man kein Salz.
Zum Schneiden und Schaben dienen:
>) Romilly (I. c, Seite 54) erwähnt »large pots« von Kapsu; es dürfte hier wohl aber ein Irrthum
2u Grunde liegen.
l36 Dr.O. Finsch. [5^]
Muschelschalen (Nr. 25, 2 Stück, von Cyrene eximia Dunker) — Kapaterong
— wie man dazu am liebsten bivalve Süsswassermuscheln (z. B. auch Batissa) benutzt.
Fleisch wird mit Bambu geschnitten, und Romilly sah (1. c, Seite i23) in Kapsu noch
i883 Menschen damit schnell und geschickt ausschlachten. Auf Nusa sah ich höchst
einfache Schaber für Cocosnuss (7a genannt) aus einer Muschel (Area granosa), an
einem Stückchen Brett befestigt.
Gewerbelcunde ist so wenig als in Neu-Britannien entwickelt. Von Matten bereitet
man nur die gewöhnlichen aus Cocospalmblatt. Zum Tragen bedient man sich Körbe
aus gleichem Material; Frauen tragen die Lasten auf dem Kopfe oder in Körben an
einer Stange auf der Schulter. Filetgestrickte Beutel sind mir nicht vorgekommen; die
Eingeborenen führen ihre wenigen Habseligkeiten in länglichen Taschen, kunstlos aus
Pandanus-hlBil geflochten, mit sich.
Genussmiitel. Vor Ankunft der Europäer kannten die Eingeborenen nur Betel,
der in derselben Weise wie in Neu -Britannien (Seite io3) gegessen wird und ebenso
allgemein beliebt ist. Trotz Betelessen zeichnen sich die Neu-lrländer meist durch schöne
weisse Zähne aus, weil sie dieselben nach dem Genüsse mit Sand abreiben. Bei den
Frauen gelten dagegen durch Betel gefärbte Zähne als Schönheit, und zwar in der
Weise, dass die zwei mittelsten Vorderzähne ganz schwarz, der nächste jederseits
braun, die übrigen weiss gehalten werden.
Zum Aufbewahren des pulverisirten Kalks bedient man sich meist:
Täschchen (Nr. 894, i Stück), länglich, fein geflochten und mit Pandanus-BldHa
ausgelegt. — Nusa. — Ich sah auch Cocosnussschalen, zum Theile mit eingravirter
Zeichnung, als Kalkbehälter.
Romilly machte mich auf das Erdeessen in diesem Theile Neu-Irlands auf-
merksam, aber ich habe mich an Ort und Stelle vergebens darnach erkundigt; auch
Friedrich Schulle wusste nichts darüber. Vermuthlich hat sich Romilly in Bezug
auf den Stoff geirrt und einen andern für Erde angesehen.
Tabak ist erst seit 1879 durch Europäer eingeführt worden. Ich konnte selbst
noch beobachten, wie die Eingeborenen aus purer Nachahmungssucht, trotz der üblen
Folgen, sich an das neue Genussmittel zu gewöhnen versuchten, das sich jetzt bereits
in der bekannten Form (Seite 102) als gangbarer Tauschartikel Bahn gebrochen hat.
Ein solcher sind auch Tabakspfeifen aus Thon geworden, da die Eingeborenen nur aus
solchen rauchen.
Werkzeuge. Mit Steinäxten ist es in diesem Theile von Neu-Irland ziemlich
vorbei, da die Eingeborenen zur Genüge mit Bandeisen und nach und nach mit Beilen
und Aexten versehen sind. Ein Stück Flacheisen, an einem Stiele in der Weise wie auf
Taf. IV (2), Fig. 3 befestigt, wird gewöhnlich von Eingeborenen den Aexten vorge-
zogen, im Anfange stets. Dennoch sah ich i855 auf der Insel Nusalik den Häuptling
Metango, der viele Aexte besass und eine solche neben sich liegen hatte, mit dem
alten Geräth an einem Canu zimmern. Er bediente sich dazu einer kleinen Axt in der
Form wie Taf. IV (2), Fig. 3, aber mit einer Klinge aus Af/Yra-Muschel, die wie bei
Fig. 4, Taf. IV (2) mit dem Stiele verbunden war. Sie eignet sich wegen der halbkreis-
förmigen Schneide, die einem Hohlmeissel entspricht, zum Aushöhlen (wobei kein Feuer
benützt wird) viel besser als unsere Beile, und solche Aexte stehen höher im Werthe als
eiserne. Deshalb waren alle lockenden Anerbietungen, mir diese Axt zu verkaufen, er-
folglos. Ich musste mich daher mit
Spähnen (Nr. 20) begnügen, welche zeigen werden, dass eine Muschelaxt gar kein
so elendes Geräth ist, wie meist geglaubt wird. Die Aussenseite des 25 Fuss langen
[53] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 1 37
Canu war mit einem eisernen Beile gezimmert worden, das Aushöhlen geschah nur mit
der Muschelaxt. Ein solches Canu wird von einem Manne in drei Monaten hergestellt,
der aber bei Weitem nicht die ganze Zeit daran' arbeitet, sondern, ganz nach Kanaker-
manier, wenn es ihm passt.
WafTen. Bogen und Pfeil fehlen wie in Neu -Britannien in ganz Neu -Irland,
ebenso Schilde.') Die Schleuder scheint ebenfalls nicht in Gebrauch; ich erinnere mich
wenigstens nicht, solche gesehen zu haben, auch nicht mit Knochen verzierte Speere,
die aber nach Romilly aus solchen verzehrter Feinde gemacht, aber nur zur Aus-
schmQckung von Tabuhäusern verwendet werden.
Speere sind in diesem Theil Neu-Irlands die HauptwafFe, und zwar ohne alle
Widerhaken oder Einkerbungen in folgenden beiden Hauptformen: glatte Wurfspeere
wie die folgenden Nummern:
Wurfspeere (Nr. 742, 743, 2 Stück), der geringsten Sorte, dünne, circa 196 Cm.
lange, von der Rinde entblösste, zugespitzte und hier im Feuer gehärtete Stecken, Nusa;
oder glatte
Wurfepeere (Taf. VII [5], Fig. 6) aus Holz und Bambu, von denen die 8 Stück
der Sammlung (Nr. 784 — 741) eine hübsche Serie in allen Grössen (von 180 — 249 Cm.
Länge) repräsentiren. Die schwachen Speere (Nr. 789 — 741) werden von der Jugend
gebraucht, die auch schon am Kampfe theilnimmt.
Diese Axt Speere zählen zu den vollendetsten Waffen der Südsee und zeichnen
sich durch besondere accurate Arbeit aus, die wohl einer Beschreibung werth ist.
Der Spitzentheil eines solchen Speeres von üblicher Grösse besteht aus einem i '60 M.
langen Stück harten Holzes, wohl von der Cocospalme, das noch besonders im Feuer
gehärtet ist. Dasselbe ist rund und circa 70 Cm. vor der ganz allmälig zulaufenden
schlanken Spitze am dicksten (2 Cm. Durchmesser). Weiter gegen den Bambutheil,
oberhalb der eigentlichen Mitte des ganzen Speeres, ist gewöhnlich eine etwas abge-
flachte Stelle und hier eine spitzwinkelige Nute eingeschnitten (wie an Nr. 784 — 738).
Die Basis des Holztheiles steckt 3o Cm. tief in dem i*3oM. langen Endtheil aus Bambu,
der hier ganz dünn ausgearbeitet und auf eine Länge von 20 Cm. mit einer 2 Mm. breiten
und 56o Cm. langen Pflanzenfaser, wohl Liane oder Rottan, so fest und sauber umwickelt
ist, dass dadurch keine Erhöhung entsteht; Holz- und Bambutheil verfliessen daher in-
einander und bilden einen Speer, wie er als Wurfwaffe nicht vollkommener sein, und
den kein Europäer accurater und besser machen kann. Zu der Haltbarkeit kommt das
geringe Gewicht, denn ein Speer, wie der obige von 2*60 M. Gesammtlänge, wiegt nur
35o Gramm, wovon auf den an der Basis 3 Cm. Diameter messenden Bambutheil circa
100 Gramm kommen. Der letztere ist gewöhnlich mit Kalk geweisst, um das Auffinden
zu erleichtern, sehr häufig aber noch ausserdem mit schwarzen Mustern verziert. Diese
Muster bewegen sich meist (wie Fig. 6, Taf. VII [5] von Nr. 734 zeigt) in zierlichen,
ausserordentlich feinen Ovallinien mit dazwischen liegenden grösseren schwarzen Fel-
dern und werden dadurch charakteristisch. Diese Muster ähneln am meisten solchen auf
den runden Kalkkalebassen in den d'Entrecasteaux- Inseln. Obwohl alle Speere nach
derselben Hauptpaterne verziert sind, zeigt doch jeder kleine Verschiedenheiten des
Musters und kaum zwei sind vollkommen gleich. Das rührt jedenfalls mit von der
Herstellungsmanier her, die leider noch nicht bekannt ist. Gewöhnlich wird ange-
nommen, dass diese Muster eingebrannt werden, allein das scheint mir nicht der Fall,
und ich glaube, dass sie aufgemalt sind. Leider hatte ich bei meinem Besuche auf
I) Romilly erwähnt solche (L c, Seite 47) von Kapsu.
,38 Dr. O. Finsch. [56]
Szelambiu Wichtigeres zu thun und konnte mich an Ort und Stelle nicht informiren.
Denn gerade diese Insel (Mausoleum-Insel von d'Entrecasteaux) ist ein Hauptplatz für
Anfertigung dieser Speere, welche von hier aus im Handel weite Verbreitung längs der
Nordwest- und Nordostküste finden, sowie nach Neu-Hannover. Im Süden Neu-Irlands
scheinen sie nicht vorzukommen.
Trotz ihres unscheinbaren Ansehens sind diese Speere weit gefährlicher als die
mit Wiederhaken versehenen, die den Laien am meisten erschrecken. Vermöge ihrer
Leichtigkeit ermöglichen sie eine viel grössere Sicherheit im Treffen als die meisten der-
artigen Wurfgeschosse, und es kann daher nicht verwundern, wenn die Neu-Irländer
mit zu den besten Speerwerfern gehören. Jedenfalls sind es die besten, welche ich
kennen lernte. Da auch die Waffenleistungen Eingeborener so häufig übertrieben ge-
schildert werden, will ich hier die Resultate der von mir veranstalteten Preis- und Wett-
Speerwerfen geben. Das Werfen geschieht mit wenigen Schritten Anlauf und anschei-
nend ohne alle Anstrengung. Der Werfer wiegt den Speer erst in der Hand, wobei
derselbe, wenn schadhaft, namentlich an der Verbindung mit dem Bambu, zuweilen
bricht. Dann wird der Basistheil des Bambu mit den Zähnen zerbissen, so dass sich die
Splitter beim Wurf gleich einem Rädchen drehen, was möglicher Weise Kraft und
Schnelligkeit erhöht. Die meisten warfen mit der Rechten, einige mit der Linken. Von
14 kräftigen jungen Kerlen, notorischen Raufbolden, die schon manchen »fight« mit-
gemacht hatten, warfen mehrere 143, nur Einer 200 Fuss (Rheinl.) weit,*) trafen aber
kein Ziel. Erst auf 46 Fuss (nicht Schritt!) Entfernung trafen von 34 Speeren 20 einen
Palmstamm, davon einmal fünf hintereinander. Cocosnüsse, d. h. ein Bündel derselben,
in 38 Fuss Höhe, wurden von den meisten getroffen oder doch nur sehr nahe vorbei-
geschossen. Da der Stamm einer Cocospalme weniger als eine Mannsbreite beträgt, so
ergibt sich hieraus, dass die neuirländischen Speerwerfer nicht zu verachten sind. Die
Speere drangen meist so tief in das harte Palmholz^ dass sie mit Leichtigkeit einen
nackten Menschen durchbohren mögen. Widerhaken können dabei wenig mehr thun
und sind meist nichts als Ornament. Die steten Fehden halten die Neu-Irländer übri-
gens in guter Uebung. Sehr häufig schicken die jungen Leute eines Dorfes eine Heraus-
forderung nach einem anderen. Der Kampf wird meist am Strande ausgefochten und
die Sieger nehmen die etwa dabei Getödteten mit, um sie aufzuessen. Die Eingeborenen
halten von diesen Speeren Unmassen auf Lager. Beim Gefecht werden sie bündelweise
von Knaben und Weibern den Kriegern nachgetragen. Im Ganzen sind aber auch hier
die Fehden nicht besonders blutig und gegenseitiges Ausschelten und wüstes Gebrüll
die Hauptsache. Die beste Schilderung einer förmlichen Schlacht bei Kapsu gibt Ro-
milly (1. c, Seite 48); obwohl nach seiner Schätzung nahezu 25oo Mann gegeneinander
kämpften, eroberte die siegende Partei doch nur sechs Todte! Freilich wird es eine
Menge Verwundeter gegeben haben.
Da die meisten Kämpfe mit Wurfspeeren ausgefochten werden und es nur selten
zum Handgemenge kommt, sind Keulen weniger gebräuchlich; solche mit durch-
bohrtem Steinknauf fehlen ganz. Auch im Uebrigen unterscheiden sich die Keulen von
Neu-Irland von den neubritannischen theils durch vorherrschend pritschenförmige Form,
wie durch eingravirte Verzierungen. Letztere kommen an den runden Knüppeln, wie
Nr. 770 und ähnlich dem Birimbirika (Seite 106) vor und werden gewöhnlich mit Kalk
eingerieben. Charakteristisch ist die Form der beiden folgenden Stücke:
I) Mein Matupiknabe (circa 16 Jahre alt), warf 160, einmal 200 Fuss weit; Eingeborene der Cap
York-Halbinsel mit dem Wurfstock (WumeraJ 170 — 190, nur Einer 270 Fuss weit.
[3^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. iSq
Keule (Nr. 768, i Stück) aus Hartholz (io3 Cm. lang), flach, an beiden Seiten
pritschenförmig verbreitert; Nordküste, und
Keule (Nr. 769, i Stück) aus Hartholz (circa 120 Cm. lang), an der Basis schmal
abgerundet, am Ende pritschenförmig verbreitert. — Nordküste.
Die geringe Benützung der Keulen ist wohl Ursache, dass mit Einführung eiserner
Beile in Neu-lrland nicht eine ähnliche Streitaxt wie die Aibane (Seite 106) von Neu-
Britannien erfunden wurde.
Jagd kommt bei der armen Fauna Neu-Irlands vollends nicht in Betracht. Kän-
gunis fehlen; doch gibt es wilde Schweine, die vielleicht auch gejagt werden.
Fischerei wird anscheinend minder lebhaft als in Neu-Britannien betrieben. So
fehlen z. B. die kolossalen Fischkörbe (A wup, Seite 107) bestimmt. Merkwürdiger
Weise sind mir keine Fischhaken vorgekommen, die es höchst wahrscheinlich gibt.
Ich beobachtete nur
Fischnetze (Nr. i65, i Stück), sehr feinmaschig und fein filetgestrickt. — Nusa.
Das Material ist ein anderes als das Seite 107 erwähnte Amakum Neu-Britanniens
und Bananenfaser. Ich sah auch grosse, an 5o Fuss lange Netze, mit Senkern aus
Muscheln {Area oder Hippopus) oder Corallsteinen und triangelförmig geschnittenen
Holzschwimmern, wodurch sie sich von den neubritannischen unterscheiden.
CanuS werden in vortrefflicher Weise angefertigt, eigenthümlich in Form wie Aus-
legergeschirr. Sie bestehen nur aus einem ausgehöhlten, langen, schmalen und nie-
drigen Baumstamme, sind am oberen Rande gerade, an beiden verschmälerten Enden
mit etwas, meist durchbrochener Schnitzerei in Form eines Henkels verziert, sonst glatt
und fuhren keine Segel. Auf dem Auslegergerüst sind zwei Heck angebracht, zum Auf-
bewahren der Speere, da die Canus häufig zu kriegerischen Expeditionen benützt wer-
den. Nusaleute pflegen übrigens selten weiter als bis zur Insel Szelambiu oder dem
Köstenplatze Butbut zu gehen. Die Eingeborenen sind sehr geschickt in der Hand-
habung dieser Canus, die sie mit Paddeln von gewöhnlicher Form sehr schnell fort-
zubewegen wissen. Bei vier Meilen Fahrt pflegten uns Canus auf weite Strecken zu
begleiten. Ein Canu (Tambul) von 7-30 M. Länge, wie ich es dem Berliner Museum
complet mitbrachte, trägt vier Mann. Es gibt aber auch kleine für nur einen Mann und
grosse, an 5o und mehr Fuss lange, die Kati heissen und 16 — 18 Mann tragen. Ro-
milly erwähnt (1. c, Seite 52) grosse Kriegscanu, die 3o — 5o Krieger führen und von
anderer Bauart zu sein scheinen, denn er beschreibt die Querhölzer so breit, dass zwei
Mann nebeneinander sitzen können, wogegen in einem gewöhnlichen Canu nur ein
Mann Platz findet und dabei noch einen Fuss vor den anderen setzen muss. Romilly
gedenkt auch der feinen Schnitzarbeiten an den Querhölzern und Seiten dieser Canus,
aber keiner besonderen figürlichen Aufsätze. Die im Katalog des Museums Godeffroy
iSeite 62 — 65) als »Boot Verzierungen« aufgeführten Stücke sind gewiss keine solchen,
sondern Schnitzereien aus den Tabuhäusern.
E. Musik, Tan^ und Todtenverehrung.
Musik scheint in Neu-lrland hauptsächlich in Gesang zu gipfeln. Wenigstens sind
<lie Weisen, wenn auch immerhin einfach, melodiöser als in Neu-Britannien und Ge-
sangssinn überhaupt entwickelter. Jedenfalls besitzen diese Eingeborenen ein treffliches
musikalisches Gehör. So dirigirte ich einmal einen Gesangsverein in Matupi, bei dem
wir als Chor nur Neu-Irländer brauchen konnten, die in kurzer Zeit den Refrain gewisser
140 Dr. O. Finsch. [58]
deutscher Lieder (z. B. »Als die Römer frech gewordene) sehr gut lernten und richtig
einzufallen wussten.
Mit Musikinstrumenten scheint es dagegen — was vielleicht kein Schaden ist —
schlechter bestellt als in Neu-Britannien. So glaube ich, dass die gewöhnliche Rohrflöte
(A kauKf Seite 109) ganz fehlt; sie ist mir wenigstens nie vorgekommen. Ebenso nicht
die eigenthümlichen Schlaghölzer (A tidirr, Seite 1 10 und Angramut, Seite in). Da-
gegen gibt es, wie überall, Trompeten aus 7>f/on5- Muscheln, die, wie wir durch Ro-
milly erfahren, auch zum Kampfe ertönen. Trommeln scheinen sehr beschränkt und
sind sehr primitiv aus einem Bambu (circa 80 Cm. lang und circa 1 1 Cm. Diameter)
raitAfo«j7or-Haut überspannt hergestellt. Grosse Holztrommeln (wieTaf. V [3], Fig. 8)
kommen in derselben Form wie in Neu-Britannien vor und werden zu denselben
Zwecken, hauptsächlich zum Signalgeben benützt. Sie sind Eigenthum des Versamm-
lungshauses, werden schon unter besonderen Tabu gebrauchen (z. B. innerhalb eines mit
Matten verdeckten Raumes) angefertigt und sind unverkäuflich. Nur durch Zufall (Ab-
brennen des Hauses) erhielt ich das schöne Stück, welches sich jetzt im Berliner Mu-
seum befindet. Diese Trommeln sind ohne Schnitzerei und nur mit Roth und Weiss
bemalt. — Unter allen Musikinstrumenten scheint am häufigsten die:
Panflöte (Nr. 577, i Stück), Taf. V (3), Fig. 4, aus 14 Rohrstengeln, von abneh-
mender Grösse. — Nusa.
Dieses schon im Alterthume bekannte Instrument, welches noch heute bei rumä-
nischen Zigeunercapellen eine hervorragende Stelle einnimmt, zeigt am besten wie an
ganz verschiedenen Orten der Welt, unabhängig von einander, dieselbe Erfindung ge-
macht werden kann.
Identisch mit dem gleichen Instrument in Neu-Britannien ist die
Maultrommel (Nr. 586, 1 Stück), Taf. V (3), Fig. i, 2, 3 (vergl. Seite iio);
Nusa, und
Maultrommel (Nr. 587, i Stück) mit fein eingravirten Schachbrettmustern und
oben rechtwinkelig abgeschnitten. — Kapsu.
Ein wohl in der ganzen Welt einzig dastehendes Streichinstrument ist das
Kulepaganeg (Nr. 594, i Stück), Taf. V (3), Fig. 9. — Kapsu.
Dasselbe besteht aus einem 40 Cm. langen, 14 Cm. breiten Stück weichen Holzes,
an den Seiten sanft bauchig, mit drei durchgehenden Oeffnungen, von denen die erste,
grösste, an beiden Innenseiten, die beiden anderen nur an der Hinterseite sanft concav
ausgehöhlt sind, um in ingeniöser Weise die Resonanz zu erhöhen. Das Instrument
wird auf der 10 Cm. breiten Oberfläche mit der angefeuchteten Hand gestrichen und
gibt drei nicht eben melodische quitschende Töne (in i, 3, 6).
Tanz habe ich nicht genügend kennen gelernt und muss mich auf die vorliegen-
den Stücke der Sammlung beschränken, die nur bei grossen Festen der Männer in An-
wendung kommen. Diese Tanzgeräthe sind von den in Neu-Britannien gebräuch-
lichen (Seite II 3) ganz verschieden; Masken aus Menschenschädeln (Seite 11 3) fehlen
durchaus.
Am häufigsten ist ein Ornament in Form eines :
Buceros-Kopf (Nr. 614, i Stück), Taf. VI (4), Fig. 9, aus Holz geschnitzt, mit
bunter Bemalung (das Blau Waschblau) und Augen von T^r^o-Deckel. — Nusa.
Weit seltener, schon wegen der schwierigen Erlangung des ausserordentlich
scheuen Vogels:
Buceros-Kopf (Nr. 6i5, i Stück), natürlicher im Rauch getrockneter Kopf und
Hals eines Nashornvogels (Buceros ruficolis), — Festland gegenüber Nusa.
r5n1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. Iz^l
Ich habe auch Buceros-Köpfe aus Holz geschnitzt mit aufgeklebten Federn gesehen
und andere zum Theile combinirte Thiergestalten (z. B. einen Fisch, der einen Vogel
im Rachen hält u. s. w.), mit einen Wort, es herrscht auch in dieser Richtung eine Ver-
schiedenheit grotesker Zusammenstellung, wie sie für alle Schnitzereien Neu -Irlands
so charakteristisch ist. Alle derartigen Tanzornamente sind an der Basis hinterseits mit
einem Zapfen (Fig. 9) oder einem Hänge versehen, an welchen sie mit den Zähnen
des Tanzenden festgehalten werden können, und kommen in dieser Weise zur Be-
nützung. Die zahllosen Schnitzereien von Vögeln und Fischen, welche Romilly im
Tabuhause von Kapsu sah, sind alles solche Tanzornamente, welche hier aufbewahrt
werden. Wer bei den Festen nicht im Stande ist in einer Maske zu erscheinen, muss
sich eben mit diesem geringeren Ausputze begnügen. Wenn unter denselben der Nas-
hornvogel so häufig vertreten ist, so habe ich die Gründe dafür schon Seite i32 ange-
deutet. Es erscheint aber auch nicht unwahrscheinlich, dass dieser merkwürdige Vogel
neileicht überhaupt bei manchen sogenannten Tänzen als Motiv dient, wie dies z. B. in
Sibirien in Bezug auf andere Thiere (Bär, Elen, Kranich) der Fall ist; ich sah hier sogar
von Russen den »Birkhahntanz« aufführen.
Die beiden folgenden Stücke dienen nicht in der Weise wie Nr. 614 und 61 5 als
Tanzornamente, sondern sind Verzierungen (Ohren) zu Tanzmasken, aber als fein aus-
geführte Schnitzereien bemerkenswerth.
Flaches Brett (Nr. 612, i Stück), Taf. VI (4), Fig. 7 (68 Cm. lang, 1 5 Cm. breit),
durchbrochen gearbeitet, am Rande mit Hahnenfedern verziert; Nusa, und •
Flaches Brett (Nr. 6 1 3, i Stück), Taf. VI (4), Fig. 8, ähnlich dem vorigen, aber
ganz verschieden; unter den Farben kommt das im Ganzen seltene Ockergelb vor. Nusa.
Besonders charakteristisch für diesen Theil Neu -Irlands sind die Talowa oder
Tanzmasicen, welche fröhlichen Festen der Männer, dem eigentlichen Mummenschanz
dienen und in Form wie phantastischer Ausstattung zu den originellsten und vollkom-
mensten der ganzen Südsee gehören.
Die Grundform dieser Masken und am häufigsten vertreten ist der Kopf des Ein-
geborenen. Das Gesicht bildet eine aus weichem Holz geschnitzte Larve, ähnlich den
unseren, mit Nase, Augen- und Mundöffnung, die in zierlicher Weise roth, schwarz
und weiss bemalt ist; gewöhnlich sind noch Ti/r^o-Deckel als Augen eingesetzt. Die
Gesichtsmaske ist meist gegenüber der übrigen Kopfmasse zu klein, die gewöhnlich
aus einem Gestell von gespaltenem Bambu, mit allerlei Stoffen überzogen, besteht. Diese
Hauptform der Masken erinnert an einen kleinen Kopf mit einem mächtigen Helme,
dem aber nicht etwa europäische Motive in den beliebten ersten Spaniern, sondern die
(Seite 1 28) erwähnten eigenthümlichen Haarfrisuren als Modell dienten. Die geschorenen
Kopfseiten werden in entsprechender Weise imitirt, ebenso der raupenhelmartige Kamm,
und zwar durch gelbe Bananenfaser, welche die natürliche Haarfärbung am besten wie-
dergibt. Gute Typen dieser häufig vertretenen Art sind die folgenden beiden Stücke:
Talowa (Nr. 616, i Stück), Taf. VI (4), Fig. 4 und 4a, Nusa, welche durch die
Abbildungen am besten erläutert wird und die Verschiedenheiten beider Seiten zeigt,
von denen die eine fein bemalt ist, während die andere mit dem weissen Mark einer
Binse besetzt erscheint. Ebenso die folgende:
Talowa (Nr. 6 1 8, i Stück) mit Kamm aus gelbgefärbter Bananenfaser, die eine
Seite ist bemalt, während die andere in origineUer Weise durch kurze Pflanzenstengel
imitirtes Haar zeigt. — Kapsu.
Schon von derartigen Masken gibt es kaum zwei ganz gleiche Stücke und Be-
malung wie groteske Ausstaffirung sind ausserordentlich verschieden. Für die letztere
142
Dr. O. Finsch.
[60]
werden mancherlei Stoffe geschickt und zuweilen in der originellsten Weise benutzt
und fast stets ist die Arbeit eine saubere und zeigt von grossem Fleiss. Da werden Barte
aus CocoS' oder Bananenfaser, Flechten und anderen Pflanzenstoffen angesetzt, mehr
oder minder phantastische Ohren aus Holz oder pflanzlichem Material, fühlhörnerartige
Ansätze, buntgefärbte Troddeln und Fransen, Wimpern aus Fischzähnen, die Kopf-
seiten mit schwarzen Bindfaden bezogen, bemalt, mit Kalk beschmiert, mit Federn
beklebt, Pflanzenstengel oder Binsenmark eingesetzt (aus letzteren zuweilen auch der
Kamm), aber stets sind beide Seiten verschieden, zuweilen versteigt man sich zu Hör-
nern und besonderen häufig durchbrochen gearbeiteten Aufsätzen. Ausputz von Federn
kommt übrigens kaum in Betracht, weil Vögel überhaupt selten und für die Einge-
borenen zu schwierig erlangbar sind.
Sehr abweichende Formen zeigen die folgenden beiden Stücke:
Talowa (Nr. 617, 1 Stück), Taf. VI (4), Fig. 5, mit durchbrochen gearbeitetem
Nasenaufsatz, langen bemalten Ohren; Bart und das vorspringende Kopfgestell aus
schwarzer Pflanzenfaser; Kapsu, — und
Talowa (Nr. 619, i Stück), Taf. VI (4), Fig. 6, mit Seitenflügeln in durch-
brochener Schnitzarbeit und Troddeln aus Bananenfaser; das Kopfgestell ist aus Bambu,
innen mit Tapa ausgekleidet und an der einen Seite das Etiquett einer Conserven-
büchse aufgeklebt, welches damals (1881) bei den Eingeborenen als neu Bewunderung
erregte. — Festland gegenüber Nusa.
Wie die Maske Nr. 617 einen kleinen Nasenaufsatz zeigt, so gibt es auch solche
mit sehr grossen, meist Vögel und Fische darstellend, darunter nicht selten den Buceros,
Die Masken geben auch häufig einen Tänzer wieder, der ein Tanzornament (wie z. B.
Nr. 614, Seite 140) im Munde hält. So will ich nur eine Maske erwähnen, bei der'die
Gesichtslarve einen grossen, aus Holz geschnitzten Fisch (Histiophorus) im Munde hielt,
eine andere mit einem circa i M. hohen Nashornvogel. Ich sah auch aus Zeug (Tapa)
gefertigte Masken mit Malerei (darunter als nicht seltene Figur das Malteserkreuz), solche
aus Tapa mit Nasenaufsätzen, wie aus Holz und Tapa und sogar solche, an denen die
75 Cm. langen phantastischen Ohren mittelst Bindfaden bewegt werden konnten. Noch
mehr wie bei den Schnitzereien liessen sich daher mit der Beschreibung neuirländischer
Tanzmasken Bücher füllen, denn gerade in diesem Genre scheint die wilde Phantasie
der Eingeborenen unerschöpflich, und zwar aus leicht begreiflichen Gründen, die sich
aus dem Zwecke dieser Masken ganz von selbst erklären. Bei den Festen der Männer,
welche nicht wie die »Teufelsmasken mit Hörnern und Ohren« vielleicht deuten lassen,
zu Ehren von Götzen, sondern zur Verherrlichung grosser Schmausereien veranstaltet
werden, spielen Maskeraden eine wichtige Rolle. Wie bei den unseren kommt es haupt-
sächlich darauf an unerkannt zu bleiben, nebenbei durch die Maske zu brilliren, und
Jeder bemüht sich daher in der Stille dies Ziel zu erreichen, um die Anderen durch mög-
lichst groteske, womöglich neue, Darstellungen zu überbieten. Da sich diese Hauptfeste
ungefähr nur alle Jahre wiederholen und eine grosse Menge der leicht vergänglichen
Masken inzwischen durch Wurmfrass u. s. w. unbrauchbar geworden sind, so rajiiss
schon deshalb Neues geschaffen werden. Man bessert die alten, in den Tabuhäusern ver-
wahrten^ Masken aus oder macht ganz neue, zu denen sich inzwischen bisher nicht dage-
wesene Motive gefunden haben oder in der, ganz den Festfreuden zugewandten, ohne-
hin reichen Phantasie der Eingeborenen erdacht wurden. Das ist die einfache Erklärung
dieser Masken, die übrigens auch zum Festputze bei Leichenverbrennungen in Be-
nützung kommen. Wie so manches Andere werden sie vielleicht verschwunden sein,
ehe noch eine gute Beschreibung der betreffenden Festlichkeiten, die bis jetzt noch fehlt,
[(^i] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SQdsee. 1^3
vorliegt. Freilich die Feste, die bleiben gewiss noch lange, wenn auch keine Masken mehr
gemacht werden. Aber sie werden ohne dieselben auch viel an Originalität verlieren,
denn meist bleibt nichts übrig als eine Esserei mit Getrampel und Lärm. Ich kenne das
aus Erfahrung von Torresstrasse. Dort wurden vor kaum 12 — 15 Jahren für Festlich-
keiten und Tänze höchst originelle und kunstvolle Masken aus Schildpatt gefertigt, die
häufig Fische und Vögel darstellten. Ich kam aber i883 schon zu spät, da gab es keine
Masken aus Schildpatt mehr. Tänze fanden freilich noch statt, aber man machte dazu
rohe Masken aus den dünnen Blechgefässen, wie sie bei allen Stationen von Weissen
umherliegen. Das ersparte viel Arbeit, sowie das mühevolle Fangen der Schildkröten,
deren Schale sich überdies jetzt viel besser in Schnaps verwerthen Hess.
Todtenverehrung findet In ganz anderer Weise als in Neu-Britannien und zwar
durch Leichenverbrennung der Verstorbenen statt, eine Sitte, die meines Wissens
in ganz Melanesien, vielleicht der Südsee überhaupt, nur in diesem Gebiete vorkommt.
Dabei finden je nach dem Range grosse Feierlichkeiten statt, die Leiche wird roth be-
malt und reich mit Glasperlen geschmückt, die Asche grosser Häuptlinge (Taman)
gesammelt. Ich verdanke diese Nachrichten Friedrich Schulle, dem besten Kenner
dieses Theiles von Neu-Irland, der verschiedenen Leichenverbrennungen beiwohnte und
mir versicherte, dass alle Leichen verbrannt werden. Durch ihn erfuhr ich auch, dass
bei diesen Festlichkeiten, die ich hier nicht näher beschreiben will, den Tanzmasken
eine Rolle zufällt.
Spi6l6. Es war mir interessant das bekannte Abheben eines zwischen den Fingern
ausgespannten Fadens, welches bei uns vielerwärts bei Mädchen beliebt ist, auch in
Neu-Irland zu finden. Ziemlich grosse Burschen beschäftigten sich damit, wussten sehr
hübsche Figuren abzuheben und sangen eine nicht unüble Melodie dabei.
b. Südwestküste.
Dieses Gebiet ist noch viel weniger bekannt als das der Nordspitze und der Rev.
Brown wohl der Einzige, welcher gewisse Küstenpunkte in der Gegend von Rössel-
Bai, sowie von hier aus die Ostküste besuchte. Ich selbst habe zwar eine Anzahl Ein-
geborener an der Südspitze gesehen, die sich anthropologisch in nichts von der übrigen
Bevölkerung unterschieden, aber an Land selbst keine Beobachtungen machen können.
Zwar besitzen unsere Museen gerade aus dem Küstengebiete, den Herzog York-Inseln
gegenüber, eine Menge Gegenstände, aber von eingehender ethnologischer Kenntniss
kann keine Rede sein. Eine gründlichere Untersuchung wird sehr interessante Resul-
tate liefern, denn schon aus dem Wenigen, was bis jetzt aus diesem Gebiete und über
seine Bewohner vorliegt, ergeben sich bedeutende Verschiedenheiten, und es lassen sich
bereits bestimmte ethnologische Charakterzüge erkennen.
Die wenigen Stücke der Sammlung liefern dafür schon Belege.
Muscbelgeld (Nr. 6J6, i Probe), Taf. III (i), Fig. 6 (rechts im Durchmesser ge-
zeichnet), aus violettbräunlichen, auf der entgegengesetzten Seite weissen, sehr dünnen
Muschelscheiben und mit grösserem Bohrloch; eigenthümlich. Ausser dieser Art gibt
es an der Südwestküste auch feinere Sorten, ähnlich dem Kokonon (Taf. I, Fig. 4).
Waffen.
Wurfspeer (Nr. ySi, i Stück), 225 Cm. lang, aus hartem Holz mit glatter Spitze,
<ias etwas verdickte Fussende mit Querrillen, wie gedrechselt. — Kurass.
Wurfepeer (Nr. ySS, i Stück), 2*33 M. lang, ähnlich dem vorigen, mit Querrillen
um Fussende und roth,-weiss und schwarz bemalt. — Kurass.
144 ^^' ^' ^^^^^' [^^]
Wurfspeer (Nr. 782, i Stück), 178 Cm. lang; vor der Spitze sanft verdickt, am
Fussende eine vierkantige Erhöhung, hinter derselben jederseits verdünnt. — Kurass.
Keule (Nr. 767, i Stück) aus schwerem Holz, 141 Cm. lang, rund, an beiden
Enden mit kegelförmig verdickter, scharf abgesetzter Spitze. — Kurass.
Keule (Nr. 770, i Stück), runder, 114 Cm. langer Knüppel mit eingravirtem,
vsreiss eingeriebenem Muster. — Kurass.
Keule (Nr. 771, i Stück), i'3o M. lang, jederseits abgeflacht mit stumpf gerun-
deten Kanten. — Kurass.
Von diesem Platze, sowie aus der Nachbarschaft, gelangen namentlich Waffen
nach der Herzog York-Gruppe und von hier nach Blanche-Bai, was eine Menge irrthüm-
licher Localitätsangaben zur Folge hat, die um so mehr zu bedauern sind, als jedes
Gebiet gewisse Eigenthümlichkeiten besitzt.
Zu denen der Südwestküste gehören vor Allem die folgenden beiden Nummern,
sogenannte Götzenbilder:
Figur eines Mannes (Nr. 647, i Stück), Taf. VII (5), Fig. 4, und
Figur einer Frau (Nr. 648, i Stück), je 53 Cm. hoch, aus weissem Kalk geschnitzt
(nicht gebrannt) und bemalt, sehr schwer und leicht zerbrechlich. — Kurass.
Von diesen Figuren habe ich sehr viele gesehen, die alle mehr oder minder mit
der Abbildung übereinstimmen und in sehr roher Weise nackte Männer und Frauen
repräsentiren, mit glattem Gesicht, meist auf der Brust gefalteten Händen und abstehen-
den affenartigen Ohren. Zuweilen ist eine helmartige Frisur angedeutet oder eine Kopf-
bedeckung, die einer bis auf die Schulter reichenden Weiberkappe entspricht. An son-
stigem Körperputz ist zuweilen eine Leibschnur oder ein Armband, auch Trochus-King
kenntlich. Die Geschlechtstheile sind stets unbedeckt, meist übertrieben, der Penis nie-
mals erotisch dargestellt. Die Bemalung ist sehr einfach und besteht meist in Linien oder
Punkten, meist in Roth und Gelb, neuerdings auch in (eingetauschtem) Blau. Diese
Figuren werden in sehr verschiedener Grösse angefertigt; die grösste, welche ich sah,
hatte i'5o Cm. Höhe, die meisten sind bedeutend kleiner. Es kommen an dieser Küste
auch roh aus Holz geschnitzte Figuren vor, die in den Formen ganz denen aus Kalk
gleichen, sich also mit den phantastischen Figuren an der Nordspitze gar nicht ver-
gleichen lassen. Die Kalkfiguren werden hauptsächlich von dem Küstenplatze Kurass
angebracht, aber nicht hier, sondern weiter im Innern gemacht, in dem Dorfe Punam.
So sagten mir wenigstens die eingeborenen Missionslehrer, die mit »Götzen« öfters nach
Mioko kommen, um sie zu verkaufen.
Was Powell (1. c, Seite 248) über diese Kalkfiguren sagt, beruht jedenfalls nur
auf Hörensagen, und die Abbildung (Titelbild) einer »Morturary Chapel« mit solchen
Figuren ist reine Erfindung. Der einzige weisse Mann, welcher diese Kalkfiguren an
Ort und Stelle zu sehen bekam, ist wohl der Rev. Brown. Der Häuptling des Küsten-
dorfes KalU führte ihn in eine nahe dem Dorfe gelegene Umzäunung, welche einen
oblongen, sehr rein gehaltenen, circa einen Viertelacre grossen Platz umschloss, an
dessen Ende ein grosses Haus stand. Dieses Haus enthielt zwei grosse Kalkfiguren,
ein Mann und eine viel kleinere Frau; der Mann war mit einer grossen konischen Kopf-
bedeckung und einer Halskrause dargestellt, beide Figuren, sowie die Hauspfosten be-
malt. Brown konnte den Zweck dieser Figuren nicht erfahren, deutete dieselben aber
keineswegs als Götzenbilder, wie dies Missionäre sonst meist zu thun pflegen. Jeden-
falls dienen Haus wie Platz, die für die Frauen streng tabu waren, den Festen der
Männer und die Figuren sind vielleicht Ahnen, wie solche in Neu-Guinea häufig dar-
gestellt werden.
[03] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I a^
Crosse Versammlungshäliser traf Brown auch an der Ostküste und bezeichnet sie
ausdrücklich als Häuser, in welchen die unverheirateten Männer und Fremde schlafen;
sie entsprechen also ganz den tabuirten Junggesellenhäusern, wie sie überall in Melanesien
vorkommen. Ein solches Haus, welches Brown in Ratama, circa 7 englische Meilen im
Innern der Ostküste, besuchte war an 40 Fuss lang und 1 2 Fuss hoch und stand auf drei
Pfeilern. Die Wände bestanden aus dichtem Ried, im Innern waren Bänke zum Schlafen,
ausserdem eine Menge Unterkiefer von Schweinen und Menschen, auch andere mensch-
liche Körpertheile (z. B. eine im Rauch getrocknete Hand) aufgehangen, als Erinnerung
an gehaltene Festmahle. Schnitzereien oder Kalkfiguren werden nicht erwähnt.
Sehr merkwürdig ist das Jungfrauenhaus, welches Brown an demselben Platze
kennen lernte. Es war 25 Fuss lang, ähnlich dem Junggesellenhause und stand in einer
Umzäunung von Bambu, über dessen Thor als Tabuzeichen ein Bündel Gras hing.
Der Häuptling selbst wagte nicht das Haus zu betreten und Hess eine alte Frau holen,
die allein die Thüren (aus Cocosmatten) öffnen darf und dies nur mit Widerstreben
und auf Befehl des Häuptlings that. Im Innern des Hauses waren drei kegelförmige
Abtheilungen, circa 7 — 8 Fuss hoch und 1 2 Fuss im Umfange, in welchen ein Mensch
sich kaum ausstrecken und nur gebückt sitzen konnte. In diesen dunklen Käfigen wird
je ein Mädchen oft noch im Kindesalter für lange Zeit eingesperrt, die Eingeborenen
sagten 4 — 5 Jahre! was aber wohl auf einem Irrthum beruhen mag. Die Mädchen
werden täglich nur einmal auf kurze Zeit herausgelassen, dürfen aber mit den Füssen
den Boden nicht betreten und man breitet deshalb Cocosmatten aus. Das Haus enthielt
nichts, die Käfige nur Bamburohre mit Wasser zum Trinken. An der Westküste soll
dieselbe Sitte herrschen, welche keinen andern Zweck hat, als die Mädchen gut zu ver-
heiraten, wobei ein grosses Fest gegeben wird (Brown). Und diese Erklärung trifft
jedenfalls das Richtige, da solche Mädchen, die natürlich zu den Ausnahmen gehören,
einen hohen Kaufpreis erzielen und wahrscheinlich nur für Häuptlinge bestimmt sind.
Dieser sonderbare Gebrauch findet sich in der ganzen Südsee nur hier, steht aber wohl
nicht vereinzelt da. Ich erinnere mich, etwas Aehnliches gelesen zu haben, muss aber
für diesmal das Nachsuchen Anderen überlassen.
3. Admiralitäts- Inseln.
Diese von mir nicht besuchte Gruppe besteht aus einer grösseren Insel (Taui) und
zahlreichen, meist rifireichen kleineren Inseln, die zwischen i«> 5o' und 3° s. Br. liegen
und dem deutschen Schutzgebiete mit einverleibt wurden.
Die im Ganzen spärliche Bevölkerung gehört der Papuarasse an, unterscheidet
ach aber ethnologisch, trotz der unbedeutenden Entfernung von dem benachbarten
Neu-Hannover im Osten ( 1 20 Seemeilen) und dem Festlande Neu-Guineas im Süd-
westen (i5o Seemeilen), durch einige hervorragende Eigenthümlichkeiten.
Die Bewehrung der Speere mit Spitzen aus Obsidian steht darunter obenan und
wohl überhaupt in der ganzen Südsee, trotz des Vorkommens dieser Lava anderwärts,
isolirt da. Aus diesem durch Klopfen leicht zu bearbeitenden Material werden auch
Dolche angefertigt, die wie die Speerspitzen durch die messerscharfen Bruchflächen
besonders gefährliche Waffen liefern.
Sehr merkwürdig und einzig dastehend ist die Schambekleidung der Männer,
welche nur in einer Eiermuschel (Ovula ovum) besteht, in deren etwas erweiterte, kaum
i5 Mm. breite, Oeffnung der Penis gesteckt wird. Diese Schambedeckung findet in den
1 46 Dr. O. Finsch. [64]
Kalebassen von Humboldt-Bai und Nachbarschaft ein Analogon. Einen hervorragenden
ethnologischen Zug dieser Inselgruppe bilden auch die kunstvollen Schnitzarbeiten in
Holz, welche neben menschlichen, verschiedene Thierfiguren (darunter auch das Kro-
kodil) darstellen und am vollkommensten in, zumTheile sonderbar geformten, Schüsseln
und Schalen, oft von bedeutender Grösse, repräsentirt werden. Diese Schüsseln erinnern,
wie so manches Andere, an ähnliche Erzeugnisse der Salomon$-Inseln, darunter nament-
lich auch die eigenthümlichen Brust- und Stirnschmucke aus einer rundgeschliffenen
Tridacna-Platte mir aufgelegter durchbrochener Schildpattarbeit. Mit Ausschluss der
ziemlich rohen Steinäxte, die in Form wie Befestigung am meisten denen des Bismarck-
Archipels ähneln, zeigen die übrigen Erzeugnisse, namentlich auch die mannigfachen
Schmuck- und Ziergegenstände neuguineisches Gepräge, nicht zu vergessen die sorg-
fältig gearbeiteten und gebrannten Töpfe, welche ganz mit denen von Neu- Guinea über-
einstimmen. Dasselbe gilt in Bezug auf die grossen, trefflichen, mit Ausleger, Plattform,
Segeln und vorzüglicher Schnitzarbeit versehenen Canus.
Neben den Salomons- gehören die Admiralitäts- Inseln mit zu den am wenigst
bekannten Gruppen und empfehlen sich einer gründlichen wissenschaftlichen Unter-
suchung ganz besonders, Sie sind bisher im Ganzen nur sehr wenig besucht worden,
aber einzelne unternehmende Tripangfischer, welche längere Zeit unter den Einge-
borenen lebten, haben bewiesen, dass sich mit Letzteren wohl auskommen lässt.
Die folgenden Stücke stammen von der westlichsten Insel der Gruppe Jesus Maria,
welche gelegentlich von Neu -Britannien aus von kleinen Handelsfahrzeugen besucht
wird. Stationen für Handel und Mission gibt es noch nicht.
Schmuck.
Schambekleidung (Nr. 902 a, i Stück) eines Mannes aus einer Eiermuschel.
Dieselben sind zuweilen mit eingravirtem Muster verziert.
Brustschmuck (Nr. 480, i Stück), bestehend aus einer glattgeschliffenen, fast
polirten Perlmutterschale (Avicula sp.) von i5 Cm. Diameter.
Geräthschaften.
SchöpflöfTel (Nr. 59, i Stück) aus Cocosnuss mit senkrecht befestigtem, roh ge-
schnitztem (circa 22 Cm. langem) Holzstiele.
Holzschüssel (Nr. 83, i Stück), rund, flach (33 Cm. Durchmesser), mit Rand-
verzierung, auf der Unterseite mit vier sehr kurzen Füssen.
Flaschenförmige Kalebasse (Nr. 897, i Stück), 26 Cm. lang, mit eingebranntem
zierlichen Muster; für pulverisirten Kalk zum Betelgenuss.
Diese Art Kalkbüchsen sind auf den Hermites ein sehr beliebter Tauschartikel,
dessen sich Handelsschiffe bedienen.
Kalkspatel (Nr. 910, 911 und 920, 3 Stück) zum ßetelgenuss; rundliche, circa
3o Cm. lange Holzstöckchen mit etwas verbreiterter Spitze. Die mit den Lippen ange-
feuchtete Spitze wird in die Kalebasse gesteckt, so dass der pulverisirte Kalk daran
hängen bleibt, und so zum Munde geführt.
Waffen.
Wurfspeer (Nr. 744, i Stück) aus Rohr, circa 175 M. lang, mit breiter, langer
Obsidianspitze, die in einen mit eingravirter und bemalter Ornamentirung verzierten
Knauf eingekittet ist.
Wurfspeere (Nr. 745, 746, 747, 748, 4 Stück) aus Rohr mit Obsidianspitze.
[65] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. iaj
Ich fQge hier drei Stücke an von den
Hermit- und Anachoreten-Inseln.
Kalkspatel (Nr. 921, i StQck) aus Holz, mit 48 Cm. langem runden Stiel, dessen
um 5 Cm. verbreitertes, 1 5 Cm. breites Ende in kunstvoller Weise mit durchbrochener
Schnitzarbeit in geschmackvollem Muster verziert ist. — Hermites.
Mit das Schönste von Schnitzarbeiten der Södsee überhaupt.
TauTverk (Nr. iSg, i Probe), feinste Seilerarbeit des Pacific. — Anachoreten.
Wurfspeer (Nr. 703, i Stück) aus Palmholz, circa 3 M. lang, rund, das circa i M.
lange Ende vierkantig, mit 10 scharfen, spitzwinklig eingeschnittenen Kerben, vor der
circa 25 Cm. langen runden, sehr schlank zulaufenden Spitze. Um die letztere vor dem
Abbrechen zu schützen, pflegen die Eingeborenen eine runde Frucht auf die Spitze zu
stecken. — Anachoreten.
Die Form dieser Speere ist sehr abweichend von denen in Neu-Guinea und ähnelt
am meisten der in Ruck und früher auf den Marshalls gebräuchlichen.
4. Salomons-Inseln,
sieben grössere und eine Menge kleinerer Inseln, alle gebirgig, vulcanisch, dicht be-
waldet und sehr fruchtbar, mit zusammen 44.000 Quadratkilometer Flächeninhalt und
angeblich 175.000 Bewohnern. Die noi'dwestlichen Inseln : Ysabel, Choiseul und Bougain-
ville sind seit 1 3. December 1 886 dem deutschen Schutzgebiete einverleibt, die übrigen
England zugefaUen, doch befinden sich bis jetzt nur im letzteren Gebiete einige wenige
Handels- und Missionsstationen, namentlich auf Ugi.
Die Eingeborenen gehören zu den dunkelsten der Südsee und ähneln am meisten
echten Negern; doch kommen auch hellere Farbennuancirungen (vergl. Finsch, An-
thropologische Ergebnisse, Seite 60) und einzeln schlichtes Haar vor, welches ich z. B.
bei Boukaleuten, sonst den schwärzesten von allen, beobachtete.
Schon bei dem ersten Auftreten der Spanier unter Mendana übel behandelt, hatten
die Eingeborenen keinen Grund sich des weissen Mannes zu freuen, und diese Verhält-
nisse sind in diesem Jahrhundert durch das ruchlose Treiben der Arbeiterschiffe nicht
gebessert worden. Man darf sich daher über die häufigen Massacres gerade in den
Salomons nicht verwundern, und der Verkehr mit ihnen erfordert daher besondere Vor-
sicht. Noch jetzt werden in den meisten Fällen die »freiwilligen« Arbeiter einfach durch
Kauf von den Häuptlingen erworben, wobei bislang Feuerwaffen den hauptsächlichsten
Kaufpreis bildeten. Diese Arbeiterverdingung hat mit ihren zersetzenden Folgen, wor-
unter die der verheerenden Syphilis obenan stehen, die Bevölkerung sehr vermindert
und ist hauptsächlich die Ursache der üblen und hinterlistigen Gesinnungen der Ein-
geborenen gegenüber Weissen.
Der zwei Jahrhunderte lang vermisste und erst nach und nach wiederentdeckte
Archipel der Salomons-Inseln zählt noch heute zu den unbekanntesten *) Gebieten der
Sudsee. Er ist einer gründlichen wissenschaftlichen Durchforschung am meisten be-
dürftig und verdient dieselbe umsomehr, als gerade die Salomons eine eigene ethno-
') Eine wesentliche Lücke ist seit Kurzem durch Guppy's treffliches Werk: »The Solomon-
Ulanda and their Natives« (London 1887) ausgefüllt worden. Vergl. Finsch, Deutsche Colonialzeitung
iS^, Seite 16.
ADoalea des k. k. naturhistorischei) Hofmuseums, Bd. III, Heft 2, 1888. 1 1
148 Dr. O. Fin«ch. [66]
logische Provinz bilden^ die, reich an Eigenthümlichkeiten, eine besonders lohnende
Ausbeute verspricht. Sehr viele Erzeugnisse des Eingeborenenfleisses zeichnen sich
durch besonders accurate Arbeit und einen bedeutenden Kunstsinn der Ornamentirung
aus, welcher dieselben zu den vollendetsten der Südsee erhebt. Als besondere Eigen-
thümlichkeiten der Salomons muss vor Allem die reizende und geschmackvolle Ver-
zierung der Waffen mit kunstvollem farbigen Flechtwerk erwähnt werden, wie die
rafünirt erdachte Bewehrung der Lanzen und Pfeile mit Widerhaken (übrigens früher
ähnlich auf gewissen Carolinen-Inseln), wodurch ihre Wirkung eine wahrhaft scheuss-
liche wird. Dabei mag aber bemerkt sein, dass Pfeil- und Speerspitzen nicht vergiftet
werden. Die kunstvoll geflochtenen Schilde stehen einzig da. Auch die Schmucksachen
sind geschmackvoller und von besserer Arbeit als im Bismarck-Archipel. So zeichnen
sich auch die schönen aus Tridacna-Muschel geschliffenen Armringe aus, Brust- und
Stirnscheiben aus gleichem Material, mit aufgelegter durchbrochener Schildpattschnitzerei
(wie Nr. 420); abnorm gewachsene Eberhauer sind der kostbarste Schmuck. Sie stammen
aber vom Schwein und nicht dem Babyrussa (Porcus babyrussa), wie im Katalog des
Museum GodefTroy gesagt wird, denn bekanntlich fehlt die letzte Gattung in der Süd-
see überhaupt und ist der Fauna von Celebes eigen. Ein weiterer charakteristischer Zug
der ethnologischen Erzeugnisse ist die eingelegte Arbeit, hauptsächlich in Perlmutter,
welche bei verschiedenen Holzschnitzereien in wahrhaft geschmackvoller Weise die
höchste Vollendung dieses Genres bei den Naturvölkern der Südsee erreicht. Die mit
Perlmutter eingelegten Canus bilden das Schönste dieser Art. Von Perlmutter sind auch
die Fischhaken, die in der Form ganz den polynesischen gleichen, was beachtenswerth
ist. — Cannibalismus wird noch heute auf allen Salomons-Inseln wie vor Jahrhun-
derten geübt.
Ich selbst konnte nur die herrlichen Küsten einiger der Salomons-Inseln sehen,
aber nicht betreten; doch sind die nachfolgenden Stücke von durchaus sicherer Her-
kunft. Trotz der geringen Zahl derselben beweisen sie, wie z. B. die Pfeile von Malayta
und Sir Charles Hardy - Inseln, die ethnologische Uebereinstimmung ihrer Bewohner,
mit denen auch die der kleinen Inseln St. Jones und Green identisch sind. Bogen und
Pfeile voh diesen Inseln bilden einen hervorragenden Tauschartikel an vorbeipassirende
Schiffe und sind deshalb in Sammlungen nicht selten.
Schmuck.
Sessele (Nr. 481, i Stück), Halskette aus längsdurchschnittenen braunen Frucht-
hülsen, wie dieselben auch in Neu-Guinea benutzt werden. — Insel Savo..
Stirnschmuck (Nr. 420, i Stück), bestehend aus einer flachen, runden, aus Tri-
dacna geschliffenen Scheibe mit aufgelegter, durchbrochener Schildpattarbeit. — Insel
Bougainville.
Diese Art Schmuck gehört mit zu den vorzüglichsten Kunstleistungen der Südsee-
völker und findet sich meines Wissens ganz in derselben Weise nur noch auf den Ad-
miralitäts-Inseln und ähnlich an der Süd Westküste Neu-Guineas wieder (vergl. Nr. 423).
Durch angeworbene Arbeiter gelangen solche Stücke nach den Inseln des Bismarck-
Archipels und sind daher zuweilen irrthümlich mit >Neu-Britannien« oder »Neu-Irland«
bezeichnet.
Geräthschaften.
Poke (Nr. 897, i Stück), Büchse aus Bambu mit sauber eingravirter schwarzer
Zeichnung; dient zum Aufbewahren des pulverisirten Kalks für Betelgenuss. — Insel Savo.
Paraka (Nr. 686, i Stück), feingestrickter kleiner Netzbeutel als Behälter für Betel-
nüsse und andere Kleinigkeiten, welche die Männer stets bei sich führen. — Insel Savo.
[67] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. l aq
WalTen.
Potul (Nr. 706, I Stück), Wurflanze, 326 Cm. lang, mit hübsch verzierter Spitze
und Widerhaken aus Fischknochen. — Insel Bouka.
Potul (Nr. 707, 1 Stück), Wurflanze, 277 Cm. lang, ohne Widerhaken; die Spitze
hübsch mit gelbem Stroh umflochten. — Bouka.
Bogen (Nr. 814, i Stück), 207 Cm. lang, mit Sehne aus Pflanzenfaser gedreht. —
Sir Charles Hardy-Island.
Diese Bogen gehören mit zu den am saubersten gearbeiteten der Südsee.
Von der gleichen Localität sind die drei folgenden Pfeile:
Nr. 81 5, I Stück, von Rohr (i3i Cm. lang), mit glatter weisser Holzspitze, daher;
Nr. 816 und 817, je i Stück, gleiche Länge.
Die drei folgenden Pfeile stammen von der Insel Malayta:
Nr. 8 1 8, I Stück, glatt (142 Cm. lang), ganz wie die vorhergehenden von Sir Hardy.
Nr. 819, I Stück (iSg Cm. lang), mit zierlich bunt (roth und gelb) umflochtener,
glatter Holzspitze und
Nr. 820, I Stück (144 Cm. lang), wie vorher, aber mit neun Längsreihen dicht-
anliegender scharfer Widerhaken aus Knochen.
Uebereinstimmend damit ist:
Pfeil (Nr. 821, 1 Stück), iSg Cm. lang, von der Insel Rubiana.
Die folgenden Pfeile:
Nr. 822, 823, 824 (3 Stück), »Iliuc genannt, i36 — 142 Cm. lang, mit glatter
Spitze, und
Nr. 825, 826, 827 (3 Stück), »Warrau« genannt, i35 — 144 Cm. lang, mit Wider-
haken, sind von der Insel Bouka.
n*
i5o
Dr. O. Finsch.
[68]
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Vorwort von Franz Heger [i] 83
Einleitung [4] 86
I. Bismarck-Archipel.
I. Neu-Britannien
a. Blanche-Bai . .
A. Eingeborene
Cannibalismus
B. Körperausputz und Beklei'
düng
Bekleidung
Tapa
Schmuck und Zieraten
Diwara
Bemalen
Tätowirung
Haarschmuck
Stirnschmuck
Ohrschmuck
Nasenschmuck
Halsschmuck
Brustschmuck
Armschmuck
Leibschmuck
Beinschmuck
C. Häuser und Siedelungen . .
Ackerbau
D. Geräthschaften und Werk
zeuge
Haushaltungsgeräthe
Gewerbskunde
Korbflechterei
Genussmittel
Werkzeuge
Waffen
Jagd
Fischerei
Canus
E. Musik, Tanz und Todtenver
ehrung.
Musik
Tanz
Todtenverehrung
Dugdug
Seite
[6] 88
[61 88
[7] 89
[8] 90
IG]
IG]
IG]
«']
12]
'3]
H]
14]
'5]
15]
'51
16]
17]
»7]
'7]
17]
92
92
92
93
94
95
96
96
97
97
97
98
99
99
99
99
18] 100
18] lOG
19] IGI
20] 102
20] 1G2
20] IG2
20] 102
21] 103
21] IG3
25] 107
25] "07
26] 108
27] 109
27] 109
30] 112
31] "3
33] 115
Religion .
Heilkunde
Spiele . .
b. WiDaumes
Schmuck . . .
Geräthschaften
Musik . . . .
c. French-Inseln
d. Cap Raoul .
Schmuck
Geräthschaften
e. Hanaabucht
Schmuck
2. Neu-Irland
A. Eingeborene
Cannibalismus .
a. Nordende ....
• •
B. Körperausputz ......
Bekleidung
Schmuck und Zieraten . . .
Kokonon-Muschelgeld . . .
Uebriger Schmuck
C. Häuser und Siedelungen
Versammlungshäuser
Holzschnitzereien
D. Geräthschaften und Werk-
zeuge
Werkzeuge
Waffen
Canus
E.Musik, Tanz und Todtenver-
. ehrung
Musik . .'
Tanz
Tanzmasken
Todtenverehrung
Seite
[33]
[34]
[35]
[35]
[36]
l37]
[37]
[37]
[38]
[38]
[39]
[39]
[40]
[41]
[4*]
[43]
[44]
[44]
[44]
[45]
[45]
[47]
[48]
[48]
[49]
[53]
[54]
[55]
[57]
[57]
[57]
[58]
[59]
[61]
«5
16
17
17
18
»9
19
19
20
20
21
21
22
»3
24
»5
26
26
26
27
»7
29
30
30
3«
35
36
37
39
39
39
40
4t
43
[ö9]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstöcke aus der Südsee.
i5i
Seite
'b. SUdwestkOste. . . [6i] 143
Waffen [61] 143
Götzenbttder (sogenannte) [62] 144
Versammlungshäuser [63] 145
3. Admiralitäts-Inseln [63] 145
Schmuck [64] 146
Wtffen [64] 146
Seite
Hermit- und Anachoreten-
Inseln .... [65] 147
4. Salomons-Inseln . [65] 147
Schmuck [66] 148
Geräthschaften [66] 148
Waffen [67] 149
Verzeichniss der Textillustrationen nebst Erklärungen.
Seite
Fig. I. — Eingeborner von Blanche-Bai mit Nasenschmuck aus Glasperlen und Gesichts-
bemalung
2. (Vs) Schleuder von Blanche-Bai
3. {y^ Schleuderstein von Blanche-Bai
4. — Hantining der Schleuder
5. — Angramutschläger von Blanche-Bai
6. — Pangolospielerin von Blanche-Bai
7. (7}) Feiner Kampf-Brustschmuck aus abnorm gekrümmten Eberhauern von Hansa-
bucht, Neu-Britannien
in]
95
[23]
«OS
[23]
JOS
[23]
lOS
[29]
III
[30]
112
[40] 122
1 5 2 l^r. O« Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. [70!
Erklärung zu Tafel III (i).
Bismarck - Archipel. Schmuck.
Fig. I. (V,) Muschelgeld (Diwara), Neu -Britannien, Blanche -Bai
2. (7,) Falsches Muschelgeld, daher
3. (Vi) Muschelgeld (Kokonon), gewöhnliche Sorte, Neu-
Irland, Nusa
4. (V,) Desgl., zweite Sorte, daher
5. (Vi) Desgl., feinste Sorte, daher
6. (Vi) Muschelgeld, Neu-Irland, Südwestküste
7. (Vi) Halskette aus Oliva, Neu-Irland, Nusa
8. (Vi) Halskette aus Coix lacryma, Neu-Britannien, Blanche-
Bai
9. (Vi) Desgl., aus Querschnitten von Coix, Neu-Britannien,
Willaumez
10. (Vi) Desgl., aus Coix und Pflanzenstengeln, daher . . .
1 1 . (Vi) Halskette aus Diwara und Casuarschwingen, Neu-
Britannien, Hansabucht
12. (Vi) Ohrring aus Schildpatt, daher
i3. (Vi) Scheibe zu Schmuck aus Conus, Willaumez . . .
14. (Vi) Brustschmuck, Neu-Irland, Nusa
i5. (Vi) Reisszahn vom Hunde zu Schmuck, Willaumez . .
16. (Vi) Zahn vom Beutelthier zu Schmuck, daher (»Angut«
von Blanche-Bai)
17. (Vi) Stirnbinde, Neu-Britannien, Willaumez
18. (V2) Brustschmuck aus Perlmutter, daher
19. (Vi) Nasenstift von Dentalium, Neu-Britannien, Blanche-Bai
20. ('/a) Feines, geflochtenes Armband (linke Hälfte), Neu-
Britannien, Forestier-Insel
21. (V3) Feines, geflochtenes Armband, Willaumez . . . .
22. (V3) Armband aus Schildpatt, Neu-Britannien, Cap Raoul
23. (V2) Feiner Brust-Kampfschmuck, daher
Nr. 628,
Seite 94
» 63i,
» 95
» 635,
. 127
» 634,
> 128
» 633,
> 128
. 636,
. 143
» 485,
» 129
» 492, 1
> 118
» 493, >
> 118
» 489, l
» 122
> 321, J
> 122
» 491, )
> ir8
» 486, ^
> 129
» 491, l
> 118
» 49^ '
> 118
* 427^ '
> 118
» 490, 1
> 118
» 3oi, j
> 97
» 393, 1
► 120
» 384, .
> 119
» 401, >
> 121
» 529, >
> 121
99
Finsch. Ethnologische Erfahrungeo, Taf. 1.
'mmt:^^^ ^0
Ajtnalea des k. k. naturhisi. Hofmuseums, Band III, i
THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
MTOK, L£NOX AN«
fti
[^ I ] Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 1 5 3
Tafel IV (2).
Bismarck -Archipel. G eräthschaften.
THENEW YOKK
PUBLIC LIBRARY
MTOK, L£hoX Ata«
[713 ^- ^- Füuch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 1 5 3
Tafel IV (2).
Bismarck -Archipel. Geräthschaften.
r
THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
M7QK, LENOX AftC
[ji] Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 1 53
Tafel IV (2).
. Bismarck -Archipel. Geräthschaften.
i54
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee.
[72]
Erklärung zu Tafel IV (2).
Bismarck - Archipel. Geräthschaften.
Fig. I. (Vi) Steinbeilklinge, Neu-Britannien, Blanche-Bai . . .
2. (Vi) Dieselbe, Seitenansicht
3. ('/j) Steinaxt mit Holzstiel, Neu-Hannover
4. (V2) Axt mit Muschelklinge, Neu-Britannien, Cap Raoul .
5. (V2) Steinknauf einer Keule, Neu-Britannien, Blanche-Bai
6. (V2) Derselbe, halber Durchschnitt
7. (2/3) Schaber aus Perimutter, Willaumez
8. (73) Derselbe, Querschnitt
9. (Vi) Feuerreiber, Neu-Britannien, Blanche-Bai ....
10. (Vi) Reibholz dazu
11. (Vi) Fischhaken, daher
Nr. 12, Seite io3
» 12, 1
► io3
— 3
► io3
» 1 20, s
> 121
. 763, .
► 106
» 763, '
> 106
» 46a, 1
► 119
. 46a, >
. 119
» 5o, >
> 102
. 5o, >
> 102
. 154, 1
> 108
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 2.
Anndcn des k. k. naturhiiL Hofmuseums, BEuid Ili, i8SS.
V ^
■i
fc SiA)^
aH*
^0'''^^'::^.5'.r^'*^
T".
'. y
K r'
[^3] Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfldsee. 1 5 5
Tafel V (3).
Bismarck -Archipel. Musik.
i56
Dr. O. Finscb. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
[74]
Erklärung zu Tafel V (3).
Bismarck - Archipel. Musik.
Fig. I. (V2) Maultrommel aus Bambu, Neu-Irland, Nusa . . .
> 2. (7i) Eingravirtes Muster derselben
»3. — Ansatz der Maultrommel
» 4. (%) Panflöte aus Rohr, daher
» 5. ('/,) Rohrflöte, Neu-Britannien, Blanche-Bai
» 6. (2/3) Rohrflöte, Querschnitt, Willaumez
* 7. (V'4) Blasekugel der Weiber, Neu-Britannien, Blanche-Bai
»8. — Grosse Signaltrommel, daher
» 8 a. — Verzierung einer solchen, daher
> 9. (Vs) Streichinstrument aus Holz, Neu-Irland, Kapsu . .
Nr.
586,
Seite
140
»
586,
»
140
»
I 10
»
577»
»
140
»
5 80,
»
109
»
579.
>
119
»
591,
»
I 10
>
I I I
»
I I 1
»
594.
»
140
nnsch. Ethaologische Erfahrungen, Taf. 3.
■^
i
Annalcn des k. k. naturhist. Hofmuseuma, Bund III, i88S.
THSIU w , ,■., :
?U'3LIClIr..UAY
r75] I^x** O. Finsch. Ethnologische Erfiahrungen und Belegstücke aus der Südsee. l Sj
Tafel VI (4).
Bismarck -Archipel. Schnitzereien.
A analen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. III, Heft 2, 1888. 12
i58
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[76]
Erklärung zu Tafel VI (4).
Bismarck - Archipel. Schnitzereien.
Fig. I. (Vö) Feine Holzschnitzerei aus einem Tabuhause, Neu-
Irlandy bei Nusa
Nr. 688
2.
2 a.
3.
4-
4 a.
5.
6.
7-
8.
9-
10.
(Vö) Giebelleiste, daher, Insel Kapaterong ,
(V3) Aufsatz derselben
(Ve) Geschnitzter Hahn, daher, Nusa . .
(Vö) Tanzmaske, daher, Nusa
(Vö) Dieselbe, andere Seite
(Ve) Tanzmaske, daher, Kapsu . . . .
(Ye) Desgl., daher, bei Nusa
(Ve) Holzschnitzerei zu Maske, Nusa . .
(Yö) Desgl., Nusa
(V'e) Tanzgeräth (Buceroskopf), Nusa . .
(Ve) Axtstiel, Neu-Britannien, Blanche-Bai
690,
>
> 1 mf*^
i34
690,
»
i35
694,
»
i35
616,
>
141
616,
»
141
617,
»
142
619,
»
142
612,
«
141
6i3,
>
141
614,
»
140
775,
»
106
finsch: Ethnologische Erfahrunaen (Taf. '1- )
yi
■• n
Annal. des k.k. Naturhisl. Hofmtiseu
-rrr^w YORK
[77] ^^' ^* ^^''^^^* Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. i 5q
Tafel VII (5).
Bismarck -Archipel. Schnitzereien.
12'
i6o
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[78]
Erklärung zu Tafel VII (5).
Bismarck - Archipel. Schnitzereien.
Fig. I. (Vö) Kulap, grosse männliche Figur, Neu-Irland, Kapsu .
2. (Vö) Desgl., weibliche Figur, daher
3. (Vö) Desgl., weibliche Figur, daher
4. ('/e) Desgl., männliche Figur, daher, Südwestküste . . .
S* (Vö) Giebelleiste, Neu-Irland, Kapaterong
5a.(V3) Kopf von derselben
5b.(V3) Scorpion von derselben
6. (V3) Muster von einem Speer, daher, Nusa
7« (Ve) Schädelmaske, Neu-Britannien, Blanche-Bai . . .
8. (Ve) Tanzbrett, daher
9. (Ve) Talisman für Diebe, daher
Nr. 643, Se
ite i35
» 644, 1
> i35
> 645, .
> i3S
» 647, .
► .4^
» 691, .
. 691, .
■■•^
» 691, 1
. .34
» 734, .
► «3»
> 620, >
► 1.3!
1
> 610, I
. n3|
> 666, >
> ii6i
Fuisch: Ethnologische Erfahnmgeii (Taf. 5.)
\^,Jcu*^>^l
ork
4 y^
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee.
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhistorischen Hofmuseum inWien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Bremen.
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea,
Mit zwölf Tafeln (Nr. XIV— XXV) und 36 Abbildungen im Texte.
Neu-Guinea, neben Borneo und Madagascar die grösste Insel der Welt, mit einem
Flächenraume von über 785.000 Quadratkilometer (mehr als 14.000 deutsche geogra-
phische Quadratmeilen), ungefähr so gross als Spanien und Italien zusammen, zählt
noch immer zu den unbekanntesten Gebieten des Erdrundes. Schon seit Anfang dieses
Jahrhunderts bis zum 141. Meridian von Holland beansprucht, ist die etwas grössere
östliche Hälfte im Jahre 1 884 zwischen England und Deutschland getheilt worden,
I. Englisch - Neu - Guinea
umfasst das Festland östlich vom 141. Meridian, nördlich bis zum 8. Grade südlicher
Breite (Mitrafels), die Inseln vor der Ostspitze nebst dem Louisiade-Archipel, die d'En-
trecasteaux-Gruppe, mit Einschluss von Trobriand und Woodlark, als östlichste Grenz-
inseln. Bei einem Flächeninhalt von 233.o38 Quadratkilometer, also nur wenig kleiner
als Gross-Britannien, ist dieses ungeheure Gebiet ethnologisch nur sehr lückenhaft be-
kannt und das Material noch zu gering, um ein ethnologisches Gesammtbild zu ent-
werfen. Aber schon jetzt lassen sich gewisse ethnologische Provinzen unterscheiden,
Jie bei eingehenderer Kenntniss ohne Zweifel eine engere Begrenzung nothwendig
machen werden. Als eine solche ethnologische Provinz betrachte ich zunächst die
a. Südostküste,
und zwar das Gebiet von Torresstrasse (142. Grad) bis Keppel-Bai (148. Grad). Obwohl
geographisch längs der Küste gut erforscht und kartirt, ist unsere Kenntniss des Innern
immer noch sehr beschränkt und lückenhaft. Denn nur auf den grossen Wasserstrassen
des Flyflusses und der benachbarten Ströme sind Expeditionen mehrere hundert Meilen
"englisch) vorgedrungen, während die zu Land erreichten Distanzen, in der Luftlinie
gemessen, kaum mehr als 40 Meilen (englisch) überschreiten. Der Grund dieser geringen
Erfolge liegt, wie überall in N2U-Guinea, nicht an der Wildheit und Feindseligkeit der
Eingeborenen, sondern an der ungenügenden Ausrüstung der bisherigen Expeditionen, in
Annalen des k. k. naturhistoriKchen Hofmuseums, Bd. III, Heft 4, 1888. 22
2Q4 Dr. O. Finsch. [^o]
erster Linie an dem Mangel von Trägern. Die Eingeborenen kennen ihre Heimat ja
nur auf gewisse, sehr beschränkte Gebiete, und nur zu Wasser werden zwischen gewissen
Küstenpunkten regelmässige Handelsreisen unternommen. Die grosse Sprachverschie-
denheit, welche auch in diesem Theile Neu-Guineas herrscht, hat nicht wenig zur Isolirt-
heit der einzelnen Stämme beigetragen und erschwert bei dem Mangel an Dolmetschern
selbstverständlich den Verkehr nicht wenig. Die häufig in Fehde lebenden Eingeborenen
fürchten sich meist über die Grenzen ihres Gebietes oder das der befreundeten Dörfer
hinauszugehen, kurzum es zeigen sich Schwierigkeiten aller Art, wie ich aus eigener
Erfahrung kennen lernte. Das Haupthinderniss bleibt aber vor Allem der Mangel an
Trägern. Die Eingeborenen sind Überhaupt wenig dafür geeignet, und nur mit Hilfe
importirter geschulter Träger werden daher Inlandexpeditionen Aussicht auf Erfolg
haben. Vergessen wir auch nicht, dass Neu-Guinea ein sehr spärlich bevölkertes Land
ist, ohne natürliche Hilfsquellen zur Ernährung einer grösseren Anzahl Reisender, und
dass in Folge dessen ausreichend für Proviant gesorgt werden muss. Lastthiere würden
sich übrigens allenthalben genügend ernähren lassen und namentlich Esel oder Maul-
thiere ganz besonders zu empfehlen sein. Wie bei allen Reiseunternehmungen spielt
auch für Neu-Guinea die Geldfrage die Hauptrolle, und derjenige, welcher die Verhält-
nisse kennt, wird sich nicht wundern, dass selbst geschulte und gut ausgerüstete Pio-
niere, wie James Chalmers, verhältnissmässig nur auf unbedeutende Entfernungen vor-
zudringen im Stande waren.
Die Spärlichkeit exportwerther Naturproducte hat den Handel von diesem Ge-
biete bisher ferngehalten, und erst in den letzten Jahren ist mit der Ausfuhr von Cedern-
holz und etwas Kopra begonnen worden, wofür übrigens nur sehr beschränkte Districte
massige Erträge liefern. Dagegen haben die kleinen Fahrzeuge der Tripangfischer')
schon seit Jahrzehnten innerhalb des Barrier-Riffs die Küsten besucht, aber in den
meisten Fällen den friedlichen Verkehr mit den Eingeborenen nur erschwert, nicht
selten Ausschreitungen zur Folge gehabt. Plantagenwirthschaft wird in diesem Theile
Neu-Guineas nicht betrieben oder ist noch nicht über gewisse erste Versuche hinaus-
gekommen; weisse Ansiedler fehlen noch.
Die Erschliessung des Gebietes für die Civilisation ist daher in erster Linie der
Londoner Missionsgesellschaft zu verdanken, die ohne die Gegenströmung des Handels,
wie sie sich in anderen Gegenden meist nachtheilig bemerkbar macht, noch bis heute das
Feld allein behaupten konnte und den grössten Einfluss besitzt. Die Mission begann im
Jahre 1871 Stationen zu errichten und mit farbigen Lehrern (Teachers) zu besetzen.
Es sind dies Eingeborene aus Ost-Polynesien (Hervey-Gruppe u. s. w.) oder von den
Loyalitäts-Inseln, und diesen braunen und schwarzen Sendboten hat die Mission und
Civilisation das Meiste zu verdanken. Sie waren die eigentlichen Pioniere, welche sich
zuerst unter den sogenannten »Wilden« niederliessen und fast ausnahmslos dauernd
freundliche Beziehungen anzuknüpfen verstanden. Englische Missionsvorsteher resi-
diren nur auf Erub (Darnley- Island) in der Ost-Torresstrasse, sowie in Port Moresbv,
das, zugleich Sitz der Regierung, als eigentliche Hauptstadt von Englisch-Neu-Guinea
zu betrachten ist. Im Ganzen besitzt die Mission etwa zwanzig Stationen, die, mit
Ausnahme einiger wenigen in der Gegend des Flyflusses, sich zwischen Hall-Sund und
Keppel-Bai vertheilen. Die Stationen im Innern mussten in Folge der spärlichen Be-
völkerung, die überdies häufig mit ihren Wohnplätzen wechselt, aufgegeben werden,
I) Ucber Tripang und andere Naturproducte vcrgl. meine Abhandlung: »Ueber Naturproducte der
westlichen Südsee« (Berlin, Deutscher Colonialverein, 1887, Seite 16).
1*8 1] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 20 5
obwohl die Mission überall die freundlichste Aufnahme fand. Zur Eröffnung und Fort-
setzung einer dauernden Freundschaft mit den Bewohnern des Inlandes haben die wie-
derholten Reisen der Naturaliensammler Goldie, Hunstein und deren Gefährten nicht
wenig beigetragen. Sie drangen zuerst in manche vorher unbesuchte Gegenden in der
Richtung des Owen-Stanley, sowie des Astrolabe-Gebirges vor und eröffneten überall
friedlichen und freundlichen Verkehr, was hier in dankenswerther Anerkennung erwähnt
sein mag.
Wenn wir ethnologisch vom äussersten Westen, also der Südküste, westlich von
Torresstrasse bis zum 141. Grad, kaum etwas wissen, so ist auch unsere Kenntniss der
weiter östlich gelegenen Gebiete um den Papuagolf noch eine sehr massige und be-
schränkt sich zumeist auf die Sammlungen, welche durch Expeditionen auf dem Fly
und seinen Nachbarströmen gemacht wurden, die grösstentheils in Australien blieben.
Mit Freshwater-Bai erweitert sich unsere ethnologische Bekanntschaft nach Osten
und erreicht ihren Höhepunkt in Port Moresby, das in Sammlungen daher meist als
Localität für die Südostküste figurirt. Als Centrum des Tauschhandels der Einge-
borenen, wie des Fremdenverkehrs überhaupt, werden aus verschiedenen Gegenden,
selbst von der Ostspitze Neu-Guineas, Gegenstände nach Port Moresby gebracht, aber
nur noch Weniges hier selbst verfertigt. Unter dem jahrelangen Einfluss der Mission
ist daher bereits viel Originalität verschwunden, wenn auch anerkennend erwähnt wer-
den muss, dass die Londoner Gesellschaft viel toleranter gegenüber Sitten und Gewohn-
heiten der Eingeborenen ist als z. B. die amerikanische Mission in Mikronesien.
Durch einen mehr als fünfmonatlichen Aufenthalt (1882) lernte ich die Verhält-
nisse genauer kennen, indem ich die Küste von Hall-Sund bis Keppel-Bai besuchte und
eine Zeitlang meine Hütte unter den Koiäri des Innern am Laioki- und Goldieflusse
aufschlug, um so umfassend als möglich Sammlungen und Beobachtungen') zu machen.
Wenn in diesem Gebiete auch eine Anzahl verschiedener Stämme in Betracht kommen,
deren jeder gewisse Eigenthümlichkeiten besitzt, so lassen sich doch schon jetzt einige
ethnologische Charakterzüge aufstellen. Als solche sind zu betrachten: Tätowirung,
1) Aus dem reichen Material meiner schriftlichen Aufzeichnungen publicirte ich bisher das
Folgende :
1. »Reise nach Neu -Guinea« in: Zeitschrift für Ethnologie (Anthropologische Gesellschaft in
Berlin), 1882, Seite 309 — 313 (mit Skizze: Papuamädchen).
2. »Topferei in Neu-Guinea«, ibid., Seite 574 — 576.
3. >ljeber weisse Papuas«, ibid., 1883, Seite 205 — 208.
4. »Aus dem Pacific. Xlll. Neu-Guinea« in: Hamburger Nachrichten, 1882, Nr. 241 (11. Octobcr),
Nr. 242 (12. October), Nr. 243 (13. October), Nr. 244 (14. October) und 245 (15. October).
5. »Waffen aus der Südsee« in: Schorer's Familienblatt, 1883, Nr. 17 (April), Seile 268, 269
mit Illustration).
6. »Ein Besuch in einem Papuadorfe auf Neu-Guinea« in: Gartenlaube, 1885 (Nr. 3), mit Bild.
7. »Ueber Bekleidung, Schmuck und Tätowirung der Papuas der Südostküste von Neu-Guinea«
»r: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1885 (Band XV), 23 Seiten mit 39 Ab-
^^lduni;en.
8. Dasselbe in französischer üebersetzung in: Revue d*£thnographie (Paris), 1886, Seite 49 — 116.
9. »Hausbau, Häuser und Siedelungen an der Südostküste von Neu-Guinea« in: Mittheilungen
k'er Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1887 (Band XVII), 15 Seiten mit 16 Abbildungen.
10. »Abnorme Eberhauer, Pretiosen im Schmuck der Südseevölker« in derselben Zeitschrift,
iJih; (Band XVIl), 7 Seiten mit einer Tafel (VI) in Buntdruck.
11. »Bemerkungen über eine Tanzmaske von Südost-Neu-Guinea« in: Zeitschrift für Ethnologie
Berlin), 1887, Seite 423—425 (mit Skizze).
I?. »Tätowirung und Ziernarben in Melanesien, besonders im Osten Neu-Guineas« in: Joe st,
Titowiren etc., 1887 (Berlin, A. Asher & Co.), Seite 36—42, Tafel II.
22*
2q6 J^r. O. Finsch. [^-1
Pfahlbauten, Baumhäuser, Töpferei, durchbohrte Steinwaffen, ein besonderes Rauch-
geräth (Baubau). Kunstvollere Holzschnitzereien, wie Schnitzarbeiten überhaupt, sind
wenig entwickelt, am geringsten bei den Motu. Im Vergleich mit Neu-Britannien ist
die geringere oder doch minder prunkhaft hervortretende Todtenverehrung bemerkens-
werth. Wie weit diese ethnologischen Eigenthümlichkeiten, die ohnehin schon selten
an einer Localität vereint vorkommen, sich östlich von Keppel-Bai verbreiten, vermag
ich nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Wie es scheint, fangen aber schon mit Cloudy-
Bai die ethnologischen Verhältnisse an sich zu verändern. Aber der ganze Küstenstrich
ostwärts von Keppel-Bai bis Südcap (Stacy-Island) ist ethnologisch noch sehr unge-
nügend und weniger bekannt als der Westen.
Das letztere Gebiet, von den Inseln der Torresstrasse bis zum Flyfluss, zeichnet
sich durch einige ethnologische Charakterformen aus, unter denen ich nur die beson-
dere Bauart der Canus (mit jederseits einem Ausleger), Bogen aus Bambu, Harpunen
zum Fange des Dugong (Halicore), die besondere P'o/m der Trommeln, Mumificirung
der Verstorbenen und künstliche Deformation des Schädels anführen will. Vieles ist
auch hier bereits im Untergange begriffen oder ganz verschwunden, namentlich auf den
Inseln der Torresstrasse, die im Ganzen noch etwa 5oo Bewohner zählen. Die phanta-
stischen Masken aus Schildpatt, Fische und andere Thiere darstellend, oft von bedeu-
tender Grösse, welche diesem Gebiete früher eigenthümlich waren, erhielt ich zur Zeit
meines Aufenthaltes (1881 und 1882) nicht mehr. Durch den regen Verkehr der Perl-
fischer waren die Eingeborenen bereits in jenem Stadium der Civilisation, welche fast
alle Originalität vernichtet, und verfertigten zu ihren Festlichkeiten rohe Masken aus
Blech, das sich in Form weggeworfener Gefässe ja bei jeder Station reichlich findet.
A. Eingeborene.
Bezüglich der äusseren Erscheinung verweise ich auf die ausführlichen Mitthei-
lungen in meinen »Anthropologischen Ergebnissen« ') etc., Seite 38 — 52. Darnach sind
die Bewohner dieser Küsten, wie des Inlandes echte Papuas und gehören zu derselben
Rasse als die Eingeborenen Neu-Guineas überhaupt. Hautfärbung und Haar variiren
ausserordentlich und mehr als sonst in Melanesien. So ist schwachgekräuseltes, flockiges,
lockiges, welliges, selbst ganz schlichtes Haar (vergl. Fig. i)^) nicht selten, hinsicht-
lich der Färbung bei Kindern natürlich blondes Haar häufig. Die helle Hautfärbung
(Nr. 29 — 3o, selbst 3i), welche sich vereinzelt fast allerwärts in Neu-Guinea, wie Mela-
nesien überhaupt, findet, ist an der Südostküste viel häufiger verbreitet als sonst, tritt
dabei aber sehr localisirt auf. So wird in manchen Küstendörfern die grosse Anzahl
1) Unter denselben nimmt die auf meinen Reisen zusammengebrachte Sammlung von Gesichts-
masken jedenfalls die hervorragendste Stelle ein. Sie zählt im Ganzen 164 Individuen, die, alle nach dem
Leben abgegossen und coloriri, ohne Zweifel die beste Darstellung dieser Völker geben. Die schöne Serie
von 85 Melanesiern (darunter 24 Bewohner Neu-Guineas und 35 Neu-Britannier), zeigen mit einem Blicke
die erheblichen Abweichungen in Physiognomie wie Hautfärbung, welche sich nur schwer beschreiben
lassen, und ist ganz besonders geeignet, die Kenntniss dieser Menschenrasse zu fördern. Obwohl ich es
mir angelegen sein Hess, dieses als Lehrmittel der Anthropologie wichtige Material allgemein zugänglich
zu machen, indem selbst kleine Sammlungen (durch Gebrüder Castan in Berlin, Panopticum) bezogen
werden können, so hat dasselbe bis jetzt seitens der Museen und Lehranstalten nur geringe Theilnahme
gefunden.
2) Dieselbe stellt, in eben nicht sehr getreuer Wiedergabe, meine Skizze von Kabadi, eines Motu-
mädchens von Port Moresby (nicht von Hula, wie Seite 16 unrichtig angegeben ist) dar. Sie hatte schlichtes
Haar und war sehr hell (circa Nr. 30), ihre typisch dunkel (Nr. 29) gefärbten Eltern dagegen typisches
Papuahaar (vergl. Anthropologische Ergebnisse, Seite 46).
[SS]
Ethnologische Erfahrungen und Belegsiäckc iub ilcr Süds
297
hcllgeiarbter Individuen auffallend und hat zu der Annahme der Vermischung mit ein-
gavanderten malayischen oder polynesischen Völkerslämmen verleitet, eine Ansicht, die
schon der gründliche Papuakenner Miklucho-Maclay als irrthOmlich zurückweist, worin
kh mich ihm nur anschliessen kann. Nach
meinen Untersuchungen sind auch die spär-
lichen Reste der Bewohner der Inseln der
Torresstrasse echte Papuas und zeigen kei-
nerlei Vermischung mit den Eingeborenen
Jes australischen Festlandes, die einer sehr
Jisrincten Rasse angehören, welche von den
Papuast mehr abweicht als letztere von
Negern. Mit Ausnahme gewisser Districte
ist die Bevölkerung an der Südostküste im
Ganzen eine spärliche und wird es im Bin-
nenlande noch mehr. Wie überall in Mela-
nesien herrscht grosse Sprach Verschieden-
heit, welche eine Zersplitterung in viele
Ut-ine Stämme, von denen allein an dieser
Küste etliche zwanzig zu unterscheiden sind,
herbeiführte, die alle eines engeren Zusam- t' ."' " . -
mcnhanges entbehren. Port Moresby ist das
f IC- , II I Molumädchen mit schlichlcm Haar. '1
Lentnim des btammes der Motu, der von
Redscar-Bai östlich bis Kapakapa siedelt und circa 2000 Köpfe zählt. Mit den Motu
zusammen leben die Koitapu, welche eine ganz andere Sprache sprechen. Sie be-
wohnten früher das Binnenland, bis sie von einem andern Stamme, dem der Koiäri,
nach der Küste vertrieben wurden. Im Gegensatz zu den Motu, welche, ausser Land-
bau, hauptsächlich Fischfang betreiben, scheuen die Koitapu die See und sind mit Vor-
liebe Jager. Es ist dadurch ein gegenseitiger Tauschverkehr entstanden, der sich nicht
Nos auf Producte des Landes, sondern auch auf gewisse Erzeugnisse erstreckt und sich
allenthalben längs dieser KUste findet. Aber überall bleibt Ackerbau die vorherrschende
Beschäftigung, und die Erträge desselben liefern die Hauptnahrungsmittel. Aermere
Districte, wie z. B. der von Port Moresby, sind auf Zufuhr von anderwärts angewiesen,
und die Motu unternehmen daher als geschickte Canuschiffer weite Handelsreisen. Das
Haupttauschmittel seitens der Motu sind ausser Toias (Armringe von Conusmuschel)
und Mairis (Brustschilde von Perlmutter) Töpfe (Uro), für welche Port Moresby an
der ganzen Südostküste das Centrum der Fabrikation und des Handels bildet. Schon
aus diesem Grunde wird Port Moresby regelmässig von Handelsflotten, namentlich aus
Jem Westen (Freshwater-Bai) besucht, welche Sago (Rabia) einführen, sowie von
Bergbewohnern des Innern, die hier ausser Töpfen auch Schildpatt und Muscheln zu
Sthmuck eintauschen. Port Moresby bietet daher bei längerem Aufenthalt gute Ge-
legenheit, auch andere Stämme kennen zu lernen.
Mit geringen Ausnahmen ist auch in diesem Theile Neu-Guineas die Machtstellung
der Häuptlinge') eine sehr unbedeutende und tritt nur bei Fehden, grösseren Jagden,
I) Die Clichfs für die Textügurcn dieser Ablhcilung sind von der Wiener Anthropologischen Ge-
■cllscluft freundlichst zur Verfügung gestellt worden.
') Ein solcher Häuptling von bedHutendem Einfluss ist z. B. Goapäna von Maupa, den ich (citirte
\t-hanJlung Nr. 6) und Anthropologische Ergebnisse (Seite 49} beschrieb und dessen Gesichtsmaske ich
ii;ibrichle (Sammlung Nr. 17t)).
298 Dr. O. Finsch. [84]
Handelsreisen und Festen stärker hervor. Wenn auch die Keuschheit der Mädchen nicht
so streng zu sein scheint als in Neu-Britannien, so ist die Ehe um so reiner, das Fami-
lienleben sehr entwickelt und, wie bei allen diesen sogenannten Wilden, ganz besonders
die Kinderliebe. Im Allgemeinen herrscht Monogamie. Nur Reiche sind im Stande,
mehrere Frauen zu nehmen, da diese einen hohen Brautpreis erfordern, in welchem
Toias, Mairis, Halsketten von Hundezähnen (Totoma) und Muschelschnüre (Tautauj
die hervorragendsten Gegenstände sind. Im Westen (Freshwater-ßai) ist kein Braut-
preis üblich.
Die Stellung der Frauen ist bei Weitem keine so niedrige und bedauernswerthe,
als meist angenommen wird. Sie erfreuen sich im Allgemeinen guter Behandlung und
nehmen zuweilen sogar an den Berathungen der Männer theil, wie ich im Streit mit
Keulen bewaffnete Mädchen in der ersten Reihe der Kämpfenden thätig sah. Im Nara-
District bei Port Moresby herrscht sogar Koloka als Königin.
Die Motu und andere Küstenstämme, welche länger im Verkehr mit Weissen
stehen, sind vom Hange zum Stehlen nicht freizusprechen, aber die Bewohner des
Innern scheinen denselben nicht zu kennen. Wenigstens ist mir hier nie das Geringste
entwendet worden, obwohl eine Menge sehr verführerischer Sachen oft gänzlich unbe-
wacht in meinem Lager umherstanden. Trunksucht und Syphilis sind, auch in diesem
Theile Neu-Guineas, glücklicherweise noch unbekannt. Mord kommt im Ganzen selten
vor, ebenso Ehebruch, der meist mit Verstössen der Frau bestraft wird. Anerkennend
zu erwähnen ist die strenge Schamhaftigkeit, welche gerade bei sogenannten Natur-
völkern streng geübt wird und bekanntlich durch geringe Bekleidung oder völlige
Nacktheit keine Einbusse erleidet. Massacres sind erst in Folge der Ausschreitungen
Weisser verübt worden, unter denen namentlich Tripangfischer durch schlechte Be-
handlung und Uebervortheilung der Eingeborenen ihr Schicksal selbst provocirten. In
den 17 Jahren, dass die Mission an diesen Küsten siedelt, hat dieselbe nur den Mord
zweier eingeborenen Lehrer auf Bampton-Insel, nahe der Mündung des Flyflusses, und
zwölf zur Mission gehöriger Farbiger in Kalau, in Hood-Bai (März 1 881) zu beklagen,
wobei besondere Verhältnisse die Schuld trugen. Dasselbe gilt bezüglich der Ermor-
dung von Dr. James und Thorngreen bei Jule Island, dessen Bewohner durch den Auf-
enthalt von d'Albertis eben keine freundschaftlichen Erinnerungen und Gefühle für
Weisse bewahrt haben mochten. Alles in Allem dürfen die Eingeborenen, namentlich
die Bergbewohner weiter im Innern, als friedliche Menschen bezeichnet werden, und
die gefürchteten Bewohner von Cloudy-Bai, welche allgemein als notorische Räuber
gelten, sind wahrscheinlich auch nicht so schlimm als ihr Ruf.
Cannibalismus kommt, wenigstens soweit es die Motu und die Stämme von Hall-
Sund bis Keppel-Bai, sowie die des Innern betrifft, ganz bestimmt nicht vor und war
niemals Sitte. Die Eingeborenen im Eläma-District von Freshwater-Bai und weiter
westlich sollen Cannibalen sein, und nach dem, was C halmers') berichtet, ist wohl
kaum daran zu zweifeln, wenn er auch selbst niemals Augenzeuge war.
B. Körperausputi und Bekleidung.
Mit Ausnahme der Districte des Papuagolfes, westlich von Madatchie-Point, wo
wenigstens die Männer völlig nackt gehen, pflegen alle Bewohner der Südostküste die
Geschlechtstheile zu verhüllen, wenn dies auch bei den Männern meist sehr ungenügend
>) »Pioneering in New-Guinea« (London, 1887), Seite 59.
[8S)
EthnologiKhc Erfahrungen und Belegslücke ai
geschieht und nach unseren Begriffen nicht als Beklelduns bezeichnet werden kann.
Für gewöhnlich genügt ein Stück Strick, Bast oder Liane tl^der Weise um den Leib
gebunden, dass ein Ende zwischen den Schenkeln durchgezogen und hinterseits fest-
geknüpft wird (Fig. 2), Die Hoden bleiben dadurch meist mehr oder minder sicht-
tur, ebenso der mit der Vorhaut in den Lcibstrick eingeklemmte Penis. Diese noth-
Jiirfiige Bekleidung, Tikini (Tiki oder
Tserikini) genannt, gilt bei Papuas ebenso ^'8- -■
Jeccnt als die unsere; mit dem Tikini
erscheinen sie selbst in der Kirche, und
kl zufalligem Herabfallen des Leibstrickes
wird sich jeder für so nackt halten als
ivir ohne Beinkleider. Die Ansichten über
Schamhaftigkeit sind eben sehr verschie-
Jen. So pflegen die Motu von ihren nackt-
gehenden Kassegenossen im Westen als
von macklen Wilden« zu sprechen.
Feine Tikini bestehen aus langen
Sirciten geschlagenen Baumbastes oder
Tapa, die zuweilen in ziemlich rohen Mu-
siern orange und schwarz bemalt sind, wie
Jic folgenden Nummern der Sammlung:
Tilrini'), Tiki oder Tserikini (Nr.
25o und 23 1, 2 Stück), Schambinden aus
grober Tapa (2 M. lang, 5, resp. 6 Cm.
breit) von Port Moresby und tCapakapa,
einem Motudorf etwas Östlich von Port
Moresby. Derartige feine Tikinis werden
nur bei festlichen Gelegenheiten, nament-
lich von jungen Stutzern getragen und sind
besonders in der Gegend zwischen Port
Moresbv und Keppel-Bai in der Mode, Als
besonders fashionabel gilt es, den Tikini
so eng als möglich zusammenzuschnüren,
so dass das Bauchfleisch zu beiden Seiten
weit über die Einschnürung hervorquillt
'vergl. Fig. 3). Männer von i", M. Kör-
perhöhe erhalten dadurch eine Taille von
nur 58 Cm- Umfang, und selbst ein Hüne
vvieGoapäna (Seite 297) hatte bei rSi M.
Körperhöhe nur 85 Cm. ßauchumfang.
Dieses enge Zusammenschnüren und Weg-
pressen der Geschlechtstheile hat häufig gesundheitsschädliche Folgen. Orchitis und
Phimose sind, selbst bei Kindern, nicht selten. Knaben, welche bis zum achten oder
zehnten Jahre meist völlig nackt gehen, pflegen erst mit dem dreizehnten oder vier-
zehnten Jahre den Tikini permanent zu tragen und treten dann unter die JUnglinge ein.
n vollem Staate.
') Die Eingeborenennsmcn sin<t, wo ca nicht nndeis bcmerkl ist, die <ter Moiusprache, in welcher,
a fati allen melancsischen Sprachen, r und l gleich sind.
3oo
[86]
Knaben, weiche zum ersten Male den Tikini tragen, werden bei dieser Gelegenheit, die
gleichsam eine feierliche ist, besonders fein ausgeputzt, wie der junge Bursche auf der
Abbildung (Fig. 3).
Westlich von Hall-Sund in Maiva und Molumotu tragen die Männer einen
breiteren Schamgurt, der die Geschlechtsthcile vollständig verhüllt. Häutig hängt
hintcrseits ein langes Ende schwanz-
■"'S" 3- J^if!- 4. artig herab, was auch hier die Mythe
von »geschwänzten Menschen' erfin-
den liess.
Schon von früher Jugend an,
in dem Alter, wenn ein Kind laufen
kann, trägt das weibliche Geschlecht
um die Lenden sogenannte Gras-
röcke oder Schürzchen, die auch in
unserem Sinne als Bekleidung gelten
dürfen. Es ist dies der Lami {oder
Rami), ein von den Hüften bis fast
zu den Knieen reichender Rock, der
rings um den Leib schliesst oder
doch nur an der rechten Hüfte einen
Theil der Schenkel freilässt (Fig. 4).
Das Material zu diesen Lamis sind
Blattfasern, und zwar breitere von
der Cocospalme oder sehr schmale
von der Sagopalme, von denen er-
stere die Alltags-, letztere die Feier-
tracht bilden. Weiter östlich, nament-
lich von Hood-bis Keppel-Bai, wirii
ein anderes Matertal zu Alltags-Lamis
verwendet, Kapa genannt; das sind
die circa 1 M. langen und i5 Cm,
breiten Blätter einer hohen, krautar-
tigen, aloeartig aussehenden Pflanze.
Diese Blätter werden getrocknet und
in 2 — 3 Cm. breite Streifen gespalten,
die wie breite, blassgelbe Bänder aus-
sehen. Diese Art Lamis zeigt die fol-
gende Nummer:
T2ilikä-u(Hood-Bai-Sprache}, Nr. 334, 1 Stück,Weiberrock von Hula InHood-Bai.
Feinere Lamis werden aus Imudi, d. h, der Blattfaser der Sagopalme, gefertigt,
die man mittelst eines scharfkantigen MuschelstUckes (meist Pinna) in sehr dünne, kaum
[ - 3 Mm. breite Fasern spaltet. Sie sind entweder Naturfarben, wie die folgende Nummer
Lami (Nr. 335, 1 Stück), Weiberrock von Port Moresby, oder buntgefärbt wie: ,
Lami (Nr. 336, i Stück), sehr feinfaseriger Weiberrock, mit gelben, kirschbraunen
und schwarzen Querstreifen von Port Moresby.
Da die Sagopalme im Gebiet von Port Moresby nicht vorkommt, so bilden Imudi
wie fertige Lamis einen Tauschartikel der Weiber untereinander, Sie erhalten dieselben
meist von Manumanu in Redscar-Bai, sowie weiter westlich^ wo schmalfascrige Lamis
'>->] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3oi
^ch^ häufig sind, dagegen breitblättrige aus dem Osten von Hood-Bai. Von hier wird
noch eine besondere Sorte bezogen, Räwa genannt, die namentlich in Hood-Bai heimisch
ist. Diese Räwa bestehen aus Blattfasern dreier verschiedener Pflanzen. Die Unterlage
bilden die 6 - 9 Cm. breiten Blattstreifen (wohl von Pandanus), Räwa genannt, in Natur-
larbe, über welche feingespaltene Fasern der Sagopalme, schön roth gefärbt, daher
Ramikaka {kaka = roth), zuweilen noch gelbe Fasern geknüpft sind. Als Garnirung
werden Streifen von Kapa, gleich blassgelben Bändern, hinzugefügt, mit denen der obere
Rand des Lami meist in doppelter Reihe besetzt ist. Diese buntgefärbten, garnirten
Staatslamis werden vorzugsweise von der heiratsfähigen Jugend getragen und kleiden
in der That sehe artig. Ueberhaupt wissen die Papuafrauen, und namentlich Mädchen,
im Lami eine gewisse Koketterie zu entfalten. So entsteht durch Uebereinandertragen
von zwei bis drei dieser Kleidungsstücke eine reiche Fülle, welche beim Gehen nament-
lich die hintere Partie, unterstützt durch ein künstliches Wackeln, in lebhaftes Hin- und
Herschwenken bringt, was als schön gilt. Auf Reisen pflegen Frauen stets feine Lamis
mitzuführen und legen dieselben an, d. h. binden sie über den alten, wenn sie sich ihrem
Bestimmungsorte nähern, um hier in voller Toilette zu erscheinen.
Im District von Freshwater-Bai und weiter westlich kleidet sich das weibliche
Geschlecht nicht so decent und begnügt sich mit der
Nare (Motumotu, Nr. 287, 1 Stück), Doppelschürzchen aus fein gespaltener, bunt-
i;clärbter Blattfaser der Sagopalme von Motumotu. Das längere Schürzchen wird vorne,
Jas kürzere hinten getragen.
Tapabereitung (vergl. I, Seite 92) ist bekannt; das Material wahrscheinlich eben-
falls die Rinde einer Broussonetia, welche einen ziemlich groben Stoff:
Dabua (Nr. 257, i Stück als Probe) liefert, der übrigens nur untergeordnet als
Bedeckung benutzt wird. Bei kühlem, regnerischem Wetter, in der Morgenfrische, oder
wenn sie sich krank fühlen, pflegen die Papuas ein grosses Stück Tapa togaartig um
den Körper zu schlag'en. Auch Frauen hüllen sich zuweilen in Tapa, bedienen sich
aber bei Regenwetter meistens eines Lami, der nach Art einer Mamille um die Schultern
ji'.schlagen wird. Die Motu von Port Moresby verstehen keine Tapa zu bereiten, son-
dern beziehen sie aus dem Westen, wo sie, namentlich im Maiva- und Eläma-District,
hautiger verfertigt wird und bei den Motumotu *Putu* heisst. Feine und mit Malerei
verzierte Tapa (wie z. B. Nr. 263 und 264 von Neu-Britannien, I, Seite g3) ist mir in
Ncu-Guinea nicht vorgekommen.
Europäische Kleidung kommt, um dies noch zu erwähnen, im Grossen und
Ganzen noch nicht für die Eingeborenen in Betracht, die derartige Kleidungsstücke
nur als Staat, aber nicht als Bedürfniss betrachten. Die Missionszöglinge tragen meist
einen >Lavalava< (Lendentuch), sogenannte Aelteste der Kirche hemdartige Gewänder,
namentlich Sonntags, der an den Missionsstationen die wunderlichsten Trachten ent-
Nvickelt, besonders in Port Moresby. Papuafrauen mit Grasrock, Kattunjäckchen und
blumengarnirten Strohhüten sind dort nichts Seltenes und sehen ebenso possirlich aus
als solche in Kleidern mit Volants und Schleppe.
Schmuck und Zieraten sind, auch hinsichtlich des Materials, mannigfacher als
im ßismarck-Archipel und dabei zum Theile in kunstvollerer Bearbeitung vertreten.
Perlmutter und Schildpatt finden häufiger Anwendung, ebenso 7>/^<Jcw^-Muschel (zu
Nasenkeilen Nr. 304). Von anderen Conchylien werden hauptsächlich benutzt: eine
Art kleine Cypraea oder Cassidula (Taf. XIV [6], Fig. 6), Conus, Oliva (carneola),
Cymbium und Spondylus.
3o2 Dr. O. Finsch. [gg]
Zähne vom Känguru, Hund und Schwein (letztere zum Theile bearbeitet) sind
sehr geschätzt, zum Theile Kostbarkeiten von höchstem Werthe, wie z. B. abnorm
gewachsene, fast zirkelrunde Eberhauer (vergl. Seite 295, Abhandlung 10,') Menschen-
zähne finden keine Benutzung; merkwürdigerweise auch nicht die des Dugong (Hau-
core), die als Jägertrophäen für Eingeborene doch geschätzt sein sollten, wie z. B. Eck-
zähne des Hirsches bei unseren Nimrods. Cw^cw^-Zähne (Angut, I, Seite 93, Taf. III [ i],
Fig. 1 6) bleiben trotz des häufigenVorkommens dieser Beutelthiere (Phalangisia [^Cuscus]
maculata und orientalis) unbenutzt.
Dagegen ist Federschmuck sehr mannigfach und wird in verschiedenen, zum Theile
kunstreichen Arbeiten (vergl, Taf. XXII [14], Fig. i) hergestellt, die durchaus von den
wenigen im Bismarck-Archipel(I, Seite 97) üblichen abweichen. Am häufigsten verwendet
man Federn vom Casuar, Paradiesvogel (Paradisea Raggiana) und gewisser Papageien.
Von letzteren werden besonders Kakatus (Cacatua Triton) und Edelpapageien (Eclec-
tus polychlorus) hauptsächlich der Federn wegen gehalten, die man ihnen von Zeit zu
Zeit ausrupft, wobei Kakatus ihre Hauben-, Edelpapageien ihre Schwanzfedern hergeben
müssen. Hahnenfedern wie Blätterschmuck findet minder häufige* Anwendung als im
Bismarck- Archipel (I, Seite 97 und 98). Meist wird ein Büschel wohlriechender Kräuter
oder buntfarbiger Crotonblätter im Armband getragen, und zwar von beiden Geschlech-
tern, von 'denen das weibliche in manchen Gegenden noch mit besonderer Vorliebe
das Haar mit eingesteckten rothen Hibiscus-^hivatn ziert.
An Samenkernen benutzt man, wie im Bismarck-Archipel, keine rothen Ahrus-
Bohnen, sondern nur die von Coix lacrymae (Taf. III, Fig. 8), eine besondere Art glän-
zend schwarzer Fruchtkerne, Gudduguddu (Taf. XIV [6], Fig. i c), und verfertigt aus
Cocosnussschale oder runde flache Rinde-Plättchen oder Perlen.
Eine besondere Art Schmuck sind feine Flecht- oder Knüpfarbeiten aus dünnen
Bindfaden, die wie gewebt aussehen und für gewisse Gebiete dieser Küste charakte-
ristisch werden.
Wie die meisten Zieraten und Schmuckgegenstände als Tauschmittel Verwendung
finden, so ganz besonders einige, welche das hiesige Gdid repräsentiren , wenn auch
nicht in so ausgebreiteter Weise wie Diwara (1, Seite 94) oder Kokonon (Seite 127) im
Bismarck-Archipel. Dem Diwara entspricht am meisten das Tautau (Taf. XIV [6], Fig. 6),
ebenfalls eine kleine Muschel, deren wissenschaftlicher Name noch nicht festgestellt ist,
die aber keiner Nassa, sondern einer Art Cassidula oder Cypraea angehört und fast über
ganz Neu-Guinea Verbreitung findet. Durch Abschlagen des Rückenstückes entstehen
zwei Löcher (Taf. VI, Fig. 3 ^), durch welche die Muscheln aufgeflochten werden und
sich dadurch leicht von dem einlöcherigen Diwara (Taf. III [i], Fig. i c) unterscheiden.
Bedeutend werthvoUer und gleich grossem Silbergeld sind Hundezähne zu be-
trachten, und zwar wie stets nur die Eckzähne (Taf. III [i], Fig. 1 5), wovon jeder Hund
bekanntlich nur vier besitzt. Sie spielen im Kaufpreis der Frau eine wichtige Rolle, wie
Toias (Taf. XV [7], Fig. i), d. h. Armringe aus dem Querschnitt eines Conus miliepunc-
tatus und Mairis, d. h. halbmondförmig geschliffene Stücke Perlmutterschale, die das
werthvoUste Tauschobject repräsentiren. Flache runde Muschelplättchen (ähnlich Taf. III
[ I ], Fig. 4 und 6) kommen in diesem Gebiet nur vereinzelt vor, ebenso solche von rothem
Spondylus (Taf. XIV [6], Fig. i a\ die von der Ostküste eingeführt, aber nicht selbst
verfertigt werden.
I) Hier ist auch (Seite 7) die richtige Erklärung über die Entstehung dieser abnormalen Z.ihn-
bildung gegeben, die in meiner früheren Abhandlung (Seite 295, Nr. 7, Seite 11) unrichtig war.
['9l
Ethnologische Erführungen und BclepMQcke
Obwohl Glasperlen, 'Akäii'H*, und zwar kleine
roihe, im Verkehr mit Weissen eine hervorragende
Rolle spielen und sehr begehrt sind, so sieht man
solche doch im Ganzen wenig verwendet, am mei-
sten noch zu Ohrbonimeln. Der reiche Ausputz
des weiblichen Geschlechts mit zahlreichen Schnü-
ren Glasperlen um Hals, Brust und Hüfte, wie er
In N'eu-Britannien üblich ist (Seite 99 und Fig. 6,
Seite 112) fällt hier fast ganz weg. Wie überall in
Melanesien, schmückt sich das weibliche Geschlecht
viel weniger als das männliche, mit Ausnahme der
Tätowjning.
Sic ist hauptsächlich bei den Motu, hier Rä-
waräwa {= zeichnen, schreiben) genannt, üblich
und wird lediglich im Sinne der Verschönerung als
Körperzier angewendet, mit der sich selbst das
Auge des Fremden bald befreundet. Die hiesige
Tätowirung zeichnet sich durch den schrift artigen
Charakter der Zeichen aus, die wie Buchstaben
Ji J^ "V "^ /[. aussehen. Doch herrscht
;;rosse Verschiedenheit, und das Andreaskreuz im
Junklcn Felde 1
, sowie das Malteserkreuz
«f«
Zierden häufig angewendet. Gewöhnlich wird schon
im Kindesalter mit Tätowiren begonnen, meist im
Gesicht (vcrgl. Fig. 6), auf dem Bauche oder den
Armen und damit je nach Laune oder Gelegenheit
fortgefahren. Bestimmte Satzungen und Vorschriften
Ijibt es nicht, und die Tätowirung ist weder an ein
gewisses Alter, noch Zeit oder Zeichen gebunden,
mit Ausnahme des Gato. So heisst der doppelte,
lal^arIige Bruststreif {Fig. 5), welcher für die Moto-
frauen charakteristisch wird und eigentlich die Ver-
heiratete kennzeichnet. Deshalb wird der innere
Streif Naiuna (Kind), der äussere Sinana (Mutter)
genannt. Aber meist lassen sich verlobte Mädchen
schon den Gato tätowiren, den sie dann behalten
müssen, wenn auch die Verlobung zurückgeht, wie
dies vorzukommen pflegt (und z. B. bei Iru, Seite 3oo,
Kig. 4, der Fall war). Da die Tätowirung zu ver-
schiedenen Zeiten und meist von anderen Personen
ausgeführt wird, so entsteht daraus die grosse Ver-
schiedenheit in der Zeichnung und der Mangel an
Symmetrie, welche sich namentlich in der Motu-Täto-
wirung finden.
Die beigegebenen Abbildungen von Gbohila (Fif
werden dies am besten zeigen.
•tbohila*. Motu fr au von Anuapatn.
5 und 7, Vorder- und Rückseite)
3o4
Dr. O. Finsch.
[90]
Die Procedur des Tätowirens ist im Ganzen eine sehr einfache. Mittelst eines
zündholzstarken Hölzchens wird die Zeichnung mit schwarzer Farbe, Lamanu, aus
Russ von gebrannten Cocosnussscha-
V\^. 7. len auf die Haut gezeichnet und dann
mit einer
Gihni (Nr. 374, [ Stück). Nadel
eingeschlagen, die aus einem rechtwink-
Fig. 8.
'rsiowlrnadel.
lig abgeschnittenen Dorn eines Strau-
ches besteht (Fig. 8). Zum Einschlagen
bedient man sich eines
Iboki (Nr. 5/5, [ Stück), Klopler
aus Hartholz (2 1 Cm. lang), der an dem
etwas verdickten Ende mit Bast um-
wickelt ist, um den Schlag zu mildern.
Durch sanftes Klopfen dringt die Spitze
des Dornes durch die Oberhaut und er-
zeugt eine prickelnde, keineswegs sehr
schmerzhafte Empfindung, wie auch
der Heilprocess meist ein sehr rascher
ist und ohne Entzündung vorübergeht.
Kochseiiu von .Hbohila«. Der «Gato« wird gewöhnlich in einer
Sitzung von 2 bis 3 Stunden tätowirt.
Fast jede Motofrau versieht zu tätowiren, ohne ein Gewerbe daraus zu machen. Doch
gibt es Künstlerinnen, die sich eines besonderen Rufes erfreuen, höher bezahlen lassen
und zuweilen besondere Zeichen, gleichsam ihre eigene Marke, mit in ,\nwendung
bringen. Die Frauen der Koitapu tätowiren sich ganz in denselben Mustern als die
Motu. Bei den Koiäri im Innern, wie westlich von Redscar-Bai, ist TStowirung kaum
mehr Sitte und wird nur von Einzelnen in wenigen Strichen angewendet, wie auch
Motufrauen in sehr verschiedenem Grade tätowirt sind. Aber die Weiber der Motu-
motu, welche mit der Sagoflotte aus Freshwater-Bai nach Port Moresby kommen, lieben
es, gleichsam zur Erinnerung an die grosse Reise, sich hier tätowiren zu lassen. Im
District von Hood-Bai ist Tütowirung noch sehr im Schwange und, bis auf gering-
fügige Abweichungen, dieselbe als bei den Motu (vergl. Fig. 4). Mit Keppel-Bai scheint
das Tätowiren an der Südostküste die östlichste Grenze zu erreichen, und wir finden
sie dann erst auf Dinner-Insel wieder. Die Tütowirung in Keppel-Bai weicht (wie die
Skizze einer jungen Frau von Maupa, Fig. 9, zeigt) durchaus von der bei den Motu
üblichen ab und unterscheidet sich von dieser vor Allem durch den Mangel des Gato,
das Vorkommen von Bogenhnien und die symmetrische Vertheilung des Musters. Im
Ganzen wird Tütowirung in Keppel-Bai wenig geübt, und man sieht nur vereinzelt
[»0
Ethnologische Erfahrungen und Belegslücke aus der Südsee.
3o5
Fig. 9.
reich damit verzierte Frauen, die dann gewöhnlich Häuptlingsfamiiien angehören. So
isi die Figur q dargesleUte Frau eine Schwester des ^grossen Häuptlings Goapäna«
Seite 397). Bei Männern ist Tatowirung sehr selten, kommt aber einzeln längs der
;;anzen SOdostkUste vor. Bei den Motu lassen sich
junge Leute zuweilen das Gesicht, mit Ausschluss
Jes Kinns, in ähnlicher Weise wie die Frauen und
als Verschönerung tätowiren. Tätowirung auf an-
deren Körpertheilen, namentlich der Brust, gilt
meist als sichtbares Zeichen verrichteter Helden-
ihaten des Betreffenden, kennzeichnet also den
siegreichen Krieger. Derselbe braucht übrigens
nur an einem Kainpfe theilgenommcn und nicht
lelbst einen Feind erschlagen zu haben, ja gewisse
Zeichen vererben sich von Vater auf Sohn. Die
Muster der Tätowirung bei Männern sind meist
iihr einfache (vergl, Fig. 10) und werden vorzugs-
weise auf Brust, Schulter und Schenkel, seltener
auf den Armen angebracht. Der grosse Häuptling
Goapäna von Maupa hatte auf jeder Schulter ein
Zeichen (Fig. 1 1 a), eines auf dem linken Arme,
zwei auf der Vorderseite des Oberschenkels (Fig.
i\b\ und auf dem Gesäss.
Eine ausführliche, durch 24 Abbildungen
illustrirte Darstellung der Tätowirung an dieser
KQsie gibt die Abhandlung
Fig. na
iVJ
uipn, Kcppcl-Boi.
V
Fig. 1
Seile 295 (Nr. 7).
Ziernarben erinnere
ich mich nicht gesehen zu
haben ; sie mögen aber trotz-
dem vorkommen.
Bemalen wird nicht in
dem Masse als Verschöne-
rn g des Körpers angewen-
det wie im Bismarck- Archi-
pel, aber die Farben (Seite
ii5i sind dieselben, nämlich
Schwarz (knrrema), Weiss
kurrokurro) und Roth (ka-
iij). Dabei bezeichnen diese
\\ örter die Farben und sind
nicht, wie in Neu-Britannien,
identisch mit dem Material.
So hcisst z. B. der zum Be-
malen benützte rothe mineralische Stoff fPairat,
Zum Seh warzbc malen verwendet man gern:
Lagoa {Nr. 624, i Stück), ein Mineral (Eisenerz oder Mangan), das aus dem
Innern von Redscar-Bai im Tausch an die Küste gelangt, wie Nadiumu, ebenfalls ein
■Mineral, das dem gleichen Zwecke dient. Man reibt diese Stoffe auf einem Stein und
'.7/
Tätowirung v
TätoM'irte Brust c
, gegenüber kaka, iin Farbensinne.
3o6
Dr. O. Finsch.
M
malt sich mit dem Pulver einen Langsstrich über Stirn und Nase und je einen Quer-
strich unter das Auge. Roth und Weiss werden vorzugsweise bei festlichen Gelegen-
heiten und von den Männern benützt, die zuweilen den ganzen Oberkörper roth bemalen.
Schwarzmalen des Gesichtes, oft des ganzen Körpers, mit Russ, Lamanu, aus ge-
brannter Cocosnussschale und Cocosöl gilt an dieser ganzen Küste, wie im Innern, als
Zeichen der Trauer, der beim Tode eines Häuptlings das weibliche Geschlecht oft
wochenlang Ausdruck geben muss. In gewissen Gebieten, z. B. in Hood- und Keppel-
Bai, herrscht eine besondere Trauertracht, in Kopfbinden, Gürteln und Ohrbommeln
(meist aus Samen von Coix lacrimae) bestehend, die sehr eigenthUmlich kleidet (vergl.
Seite agS, Abhandlungen Nr. 7, Seite i3 und 14).
Kopfschmuck. Das Kopfhaar erfreut sich bei fast allen Stämmen dieser Küste be-
sonderer Sorgfalt und Pflege, soweit es die Jugend beider Geschlechter betrifft. Es wird
mit einem mehrzinkigen hölzernen Instrument, einem sogenannten Kamm, sorgfältig
aufgezaust und bildet in Folge dessen, bei der spiraligen Kräuselung, \s'elche für das mela-
nesische Haar eigen thünilich ist, eine umfangreiche künstliche Wolke (Mop) (Seite 3o3,
Fig. (j), welche je nach Bedürfniss chignonartig aufgebunden wird. Schlichthaarri^c
Personen (wie z. B. Seite 297, Fig. i ), oder solche mit lockigem Haar
vermögen diese so sehr beliebte Haartour nicht zu erzielen, die über-
haupt nur Männer und Mädchen ziert. Bei den Motu tragen ver-
heiratete Frauen kurzes Haar (Seite 3o3, Fig. 5) oder rasieren den
Kopf (mit Obsidianspliltern, jetzt mit Glasscherben) völlig. Im Westen
(Freshwater-Bai) sah ich sowohl bei Männern als Frauen höchst
groteske eigenthümliche Frisuren und Haartrachten, darunter den
einem bairischen Raupcnhelm ähnlichen Haarwulsi, wie wir ihn bei
den Neu-lrländern (1, Seite 128) kennen lernten. Die Männer des
Innern, besonders die Koiäri, hüllen das Kopfhaar in ein Stück feiner,
ungefärbter Tapa turbanartig ein, was für diese Stämme charakteri-
stisch wird. Die Koiäri lieben es auch, Stückchen Muschel, nament-
Plg_ ,j_ lieh rothe Spondylus, im Haar zu befestigen, meist in
der Weise, dass durch ein Loch in dem Muschelstück
ein Haarbüschel gezogen wird. Diese Sitte stammt von
der Küste, woher die Koiäri auch die Muscheln im Tausch
(meist gegen Paradiesvögel) erhalten, und ist namentlich
in Hood-Bai heimisch. Klingeln aus Muscheln, wie in
Neu-Britannien (1, Seite 98) habe ich an dieser KüsIl*
nicht bemerkt. Aber die Koiäri pflegen Nussschalcn im
Nackenhaar zu befestigen, die beim Gehen ebenfalls ein
klapperndes Geräusch hervorbringen.
Die Instrumente zum Aufzausen des Haares be-
stehen meist aus mehreren zusammengebundenen Stäb-
chen und haben die beistehende Form (Fig. 12, i3|.
Als Kopfzierde werden sie nur von Männern, vorzugsweise jungen Leuten, getragen,
und zwar ins Stirnhaar gesteckt, so dass der lange Stiel wagrecht vorragt. Letzterer
ist seilen mit geringer Schnitzerei, dagegen häufig mit aufrechtstehendem oder herab-
hängendem Federschmuck verziert. In der Regel genügen zwei Schwanzfedern der
weissen Fruchttaube (Carpophaga spilorrboa), bei den Motu 'Pone" genannt, ein paar
gelbe Haubenfedern des Cacatu (Cacatua Triton), oder rothe und blaue Papageifedern
(von Ecleclus); zuweilen befestigt man nur einen herabhängenden Streif, plisseartig
o3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 307
i;efaltetes Pandanusblatt oder europäischen Zeuglappen, der vor dem Gesicht hin- und
herflatlert. Junge Leute, die nur mit dem Tikini (Seite 299) nothdürftig bekleidet in die
Kirche kommen, dürfen in derselben keinen Kamm tragen, wahrscheinlich, weil die
Mission denselben identisch mit Kopfbekleidung betrachtet. Kämme sind über das
ganze Gebiet, sowohl an der Küste, wie im Innern verbreitet und bilden einen wesent-
lichen Schmuck, sowie nothwendiges Geräth des Mannes, der mit Aufzausen seines
Haares oft Stunden verbringt.
Iduarri (Nr. 282, i Stück), dreizinkiger Kamm, in Bambu eingesponnen, am
Ende mit Federschmuck (rothen und blauen von Eclectus poly chlor us), Port Moresby.
Iduarri (Nr. 283, i Stück), fünfzinkiger Kamm, fein in Bindfaden eingesponnen.
Port Moresby.
Iduarri (Nr. 284 0, i Stück), fünfzinkiger Kamm, sehr lang (40 Cm.), aus einem
Siuck geschnitten, der Stiel mit eingeschnittenen Randverzierungen, an der Spitze Feder-
schmuck (rothe Federn von -Ec/ec/w^ -Weibchen), von Kaire, etwas östlich von Port
Moresbv.
Als Schrauckhalter für Federn benützt man auch Knochenstücke, Jabi vom Schwein,
Ms:atu vom Casuar und
Kobi (Nr. 284, i Stück), gespaltener, zweizinkiger Känguruknochen. Port Mo-
resby. Die Federn werden in die Oeffnung, der Knochen ins Haar gesteckt. Ebenfalls
nur Männerschmuck.
Bemalen des Kopfhaares ist ebenfalls üblich, aber seltener als im Bismarck-Archipel,
ebenso die Benützung bunter Blätter (meist von Crotons) als Haarschmuck, die meist
nur von jungen Leuten beiderlei Geschlechts getragen werden.
Sehr mannigfach ist der Ausputz des Kopfhaares mit Federschmuck, wofür die
Ornis des Landes ja reicheres Material liefert als im Bismarck-Archipel. *) Aller derartiger
Schmuck wird nur vom männlichen Geschlecht und meist bei besonderen festlichen
Gelegenheiten getragen, so dass er i/n Alltagsleben nur eine untergeordnete Rolle spielt
und wenig hervortritt. Ein sehr beliebter Kopfputz ist der
Turubu (Nr. 337, 338, 339, 340, 4 Stück), Binde aus dicht aneinandergebundenen
Federn des Casuar (Kokok). Port Moresby.
Diese Binden sind sowohl in Port Moresby (wo die Federn aus dem Innern ein-
:;etauscht werden), als an der ganzen Küste beliebt und werden in der Weise auf dem
Norderkopfe befestigt, dass der Federstreif, entweder aufrechtstehend, eine Art Sonne,
'>^er herabhängend, eine Art Schirm bildet, was mehr phantastisch als schön kleidet.
Vergl. Abbildung 2, Seite 299.)
Ganz in derselben Weise dient der:
Lokohu (Nr. 341, i Stück), Binde aus den langen rothen Brustseitenfedern des
Männlichen Paradiesvogels (Paradisea Raggiana), Port Moresby.
l^ie Federn oder vielmehr die schlecht präparirten Bälge bilden einen lebhaften
auschhandel aus dem Innern nach der Küste, da im Litorale von Port Moresby keine
aradiesvögel vorkommen. Kapakapa, Tupuzele wie Manumanu sind Hauptplätze für
aradiesvogelfedern , deren Bewohner sie von denen des Innern eintauschen, meist
?cgen Muscheln.
') Wenn in der auf Seite 295 unter Nr. 7 angeführten Abhandlung (Seile 9) der Federschmuck
^cr , cu-Britanmcr als schöner bezeichnet wird, so beruht diese Bemerkung auf einem Verschen, denn
gtradc das Gcgcntheil sollte gesagt werden.
3o8 Dr. O. Finsch. [94]
Uhbi (Nr. 343, i Stück), Stirnbinde (3o Cm. lang) aus Papageienfedern (Taf. XXII
[14], Fig. i), Schwanzfedern einer Trichoglossus- Arty die mit Trichoglossus subplacens
verwandt ist; a die obere Rüche besteht aus ßrustfedern derselben Art. Port Moresby.
Die Federn sind mühsam an Bindfaden und vier Reihen Federn übereinander befestigt.
Diese Art Stirnbinden werden nicht mehr in Port Moresby gemacht, sondern aus
dem Westen (Maiva, Kabadi) eingetauscht und zählen zu den kunstvollsten Feder-
arbeiten in diesem Gebiete, wie in Melanesien überhaupt.
Prachtvolle Stirnbinden aus Federn des seltenen Xanthomelus aureus sah ich aus
dem Kabadi-District.
Totoro heisst ein kronenartiges Diadem aus gelben Haubenfedern des Kakatu, das
bei besondern Gelegenheiten von Motuburschen getragen wird (yergl. Seite 3oo, Fig. 3).
Die Männer des Innern bedienen sich zuweilen einer Kopfbinde, wie die folgende
Nummer:
Vaura(Nr. 344, i Stück), Binde aus Cuscus-FtW. (Vaura = Cuscus, eine ArtBeutel-
thier), Lalokifluss im Innern von Port Moresby (Stamm der Koiäri), sowie das:
Mumüria(Nr. 35i, i Stück), Schmuck für Männer aus schmalen Streifchen Cuscus-
Fell, die am Ende mit Trichoglossus-Fcdtm verziert sind. Wird mit einem Bindfaden
ans Haar befestigt, so dass der Schmuck auf den Rücken herabfällt (Seite 3oo, Fig. 3)-
Lalokifluss.
Ausführliches über Kopfschmuck, darunter verschiedene Arten aus Federn findet
sich in meiner Seite 295 citirten Abhandlung (Nr. 7, Seite 8 und 9).
Auf das Engste mit dem Haar- und Kopfschmuck ist der sehr mannigfaltige Stirn-
schmuck verbunden, welcher ebenfalls nur von Männern und vorherrschend bei fest-
lichen Gelegenheiten getragen wird. Die Sammlung enthält alle hieher gehörigen typi-
schen Stücke, mit Ausnahme der Stirnbinde aus Eckzähnen des Hundes, die im Port
Moresby-District so hoch gehalten wurden, dass ich keine erlangen konnte. Diese Binden
stimmen übrigens ganz mit der Taf. XIV [6], Fig. 1 1 und 1 2 dargestellten von der Nord-
küste überein, nur dass die Zähne etwas abweichend befestigt sind.
Am häufigsten und verbreitetsten ist folgende Sorte:
Tautau (Nr. 424, i Stück), Stirnbinde aus kleinen Muscheln (Tautau, Seite 3o2,
Taf. XIV [6], Fig. 6, 7), an jeder Seite eine Bommel aus rothen Glasperlen mit schwarzen
Fruchtkernen (Gudduguddu). Port Moresby. Wird mit Vorliebe von jungen Burschen
getragen, wie die folgende Nummer:
W^aake (Nr. 425, i Stück), Stirnband (2 Cm. breit, 3o Cm. lang), sehr feine Knüpf-
arbeit aus Bindfaden, mit Muster, ganz wie gewebt aussehend. Port Moresby. Diese Art
Bänder, darunter auch viel breitere und sehr kunstvolle, werden nicht von den Motu,
sondern im Westen (Freshwater-Bai) verfertigt und von dort eingetauscht. Man be-
schmiert diese Bänder gewöhnlich mit rother Farbe.
Für den Port Moresby-District und bei den Koiäri des Innern sind die folgenden
beiden Sorten beliebt und werden gegeneinander ausgetauscht:
Pariri (Nr. 421, i Stück), Stirnbinde (Taf. XIV [6], Fig. 8) aus kleinen Muscheln
(Oliva carneola), deren Spitze abgeschliffen und die auf eine Schnur (a) festgebunden
sind. Port Moresbv.
Totoma (Nr. 422, i Stück), Stirnbinde (Taf. XIV [6], Fig. 9) aus Vorderzähnen des
Känguru ( Macropus crassipes), Nr. 422, eine Probe solcher Zähne als Material. Dieselben
sind durchbohrt, durch feines Flechtwerk aus Bindfaden (a) verbunden und auf einen
dickeren Strick (b) geflochten. Eine 3i Cm. lange Schnur zählt 85 Zähne. Port Moresby.
[qJ] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3og
Beliebt als Stirnschmuck, namentlich bei den Motu, sind kleinere weisse Cypraea-
oder Oi'u/d- Muscheln, wie das folgende Stück:
Lokoru (Nr. 527, 1 Stück), Stirnrauschel von Port Moresby, Als besonders fein
gdien solche Muscheln, die (wie Fig. 14) mit einem punktirten Muster verziert und
Jessen Vertiefungen mit schwarzer Farbe eingerieben sind. Solche Muscheln werden,
gewöhnlich mit einigen Schnüren rother Glas-
fwlcn verziert, an einem Strickchen auf der
Siirne festgebunden. In Hood-Bai, nameni-
Hch Hula, sind Stirnbinden aus rundlichen,
unbearbeiteten rothen Spondylus - Stücken
beliebt.
Im Westen ( Fr esh water - Bai) verfertigt I
man kunstvolleren Stirnschmuck, der für
dieses Gebiet eigenthümlich ist und an ähn-
lichen, aber viel schöneren in den Salomons
1 I.Seile 148, Nr. 430) erinnert. Es ist dies der:
Korrokorro (Nr. 423, 1 Stück), Stirnschmuck (Fig. i5) aus einer runden Scheibe
von Conus mit aufgelegter durchbrochener Arbeit von Schildpatt. Kerama in Fresh-
wacer-Bai, bei den Motumotu Hawä genannt. Ich sah derartige Muschelscheiben (von
Tniacna) von 8 Cm. Durchmesser, die aber als kostbarer Schmuck nicht verkäuflich
waren. Sowohl im Westen, wie östlich bis Hood-Bai wird zuweilen auch tHoborro",
J, h. der Oberschnabel des Nashornvogels (Ruceros rußcollis) als phantastischer Stirn-
oder Kopfputz, namentlich von jungen Leuten bei festlichen Tänzen benützt.
Nasenschmuck. Die Sitte, die Nasenscheidewand zu durchbohren und in der Oefl'-
nung irgend einen, meist rundlichen Gegenstand als Zierat zu tragen, ist über ganz Neu-
Guinea und hier mehr als anderwärts in Melanesien verbreitet. Das Septum wird schon
in froher Jugend mit einem spitzen Hölzchen durchstochen und zunächst ein sehr dünnes
Stückchen Holz von Zündholzdicke darin getragen, breit genug, um die Nüstern aus-
zudehnen; allmäJig werden dickere Gegenstände hineingesteckt. Nasenschmuck ist vor-
zugsweise bei den Männern in Gebrauch; in gewissen Gebieten, z. B. Kabadi im Innern
*on Redscar-Bai, auch bei den Frauen, welche dicke Nasenkeile aus Tridacna tragen,
die jederseits fast bis zum Ende der Backen retchen.
Der häufigste Nasenschmuck der Motu sind:
Daikuku (Nr. 3o4, 4 Stück) PBöcke oder Stifte, 5—7 Cm. lang, circa von Blei-
«iftstärke, aus Tridacna geschliffen; Port Moresby.
Käma (Nr. 3o5, i Stück), Material zu Nasenkeilcn: Muschelstücke vom Schloss-
theil der Tridacna gigas; Port Moresby.
Für gewöhnlich werden diese werthvoUeren Nasenpflöcke durch einfache runde,
kurze Siückchen Holz oder Rohr ersetzt, namenlhch bei den Stämmen des Innern, den
Koiäri. Im Westen, im Gebiet von Freshwater-Bai, erreichen diese Holzpflöcke,
-Omera. genannt, oft eine ansehnliche Dicke (i3— 16 Mm.) und dehnen in Folge
essen das Septum gewaltig aus. Ich glaube hier auch dicke Nasenkeile, aus Quarz ge-
«hliffen.gtsehen zu haben.
Mokoro heissen andere, weit werthvollere Arten Nasenkeile aus rric/acHü-Muschel
«r Kippen von Schweinen oder Känguruhs geschliffen. Erstere sind bis 20 Cm. lang
'S 12 Mm. dick, rund, an beiden Enden zugespitzt (Fig. 16) und der wenhvollste
■Mcnachmuck dieses Gebietes überhaupt. Mokoros aus Knochen sind dünner, ge-
(■'■ß- 17) und weit minder werthvoll. Beide Arten werden vor der Spitze an
I 'ulip Jr, i 1, „jiuf historischen Hofmuscums, ÜJ. IM, Hclt 4, iSSS. 13
3io
Dr. O. Finsch.
[96]
Nasenkeil.
Nasenstift.
zwei bis drei Stellen etwas eingekerbt und hier mit einem feinen Ringe aus Menschen-
haar umflochten. Mokoros werden hauptsächlich in Hood-Bai verfertigt und finden von
hier aus den Weg
^^ß* ^^' weiter nach Osten
bis in den Aroma-
District und west-
lich bisRedscar-Bai.
Ohrschmuck fin-
det in dem ganzen
Gebiete häufige Ver-
wendung. Gewöhn-
lichwerden die Ohr-
läppchen, und zwar
nur massig durch-
löchert, um die OefFnung mit buntfarbigen Blättern oder gewissen wohlriechenden
trockenen Kräutern zu schmücken. Diese Art Schmuck ist der häufigste, und zwar
bei beiden Geschlechtern. Indess traf ich auch Männer sowohl als Frauen, welche jeden
Ohrputz verschmähten, aus Furcht vor der Operation.
Nicht selten wird der Ohrrand durchbohrt, oft mit sechs Löchern, in die dann
Schnüre rother Glasperlen, am Ende mit einem schwarzen, glänzenden Gudduguddti-
Fruchtkern(vergl.Taf. XIV [6], Fig. i c) verziert, befestigt werden. Diese Ohrbommeln sind
vorzugsweise bei den Motu Sitte, sowohl bei jungen Burschen als Mädchen, und heissen
Gewa (Akäwa = Glasperlen). Schwänzchen von Ferkeln, mit etwas rothen Glasperlen
und den genannten schwarzen Fruchtkernen verziert, sind bei den Motu ebenfalls beliebt
und dienen als Tauschmittel gegen Betelnüsse nach dem Westen. Im Hood-Bai-District
gibt es eine andere Art sehr zierlicher Ohrbommeln aus kleinen, dünnen, runden, ab-
wechselnd schwarzen und weissen Muschelscheibchen, am Ende mit einem Stückchen
rother Spofidj^lus-Muschel verziert, die ebenfalls im Ohrrand befestigt werden. Rothe
Spondj^lus -Stückchen sind auch bei den Koiäri des Innern beliebt.
Im Westen (Hall-Sund bis Freshwater-Bai) ist der Ohrlappen bei beiden Geschlech-
tern oft ausserordentlich weit ausgedehnt und wird, in ähnlicher Weise wie bei den
Gilberts-Insulanern, durch einen Streifen Pandanus-Elsiit oder gespaltenen Rohres kreis-
förmig ausgespannt. Die Weiber befestigen zuweilen auch wxite Ringe aus Rohr im
Ohrlappen, die Männer den Abschnitt eines Bambu, häufig mit eingravirtem Muster
verziert, welcher zugleich als Tabaksbehälter dient.
Zu den werthvollsten Ohrzieraten, die an der Südküste im Ganzen nicht viel be-
deuten und weit hinter denen der Nordostküste zurückstehen, gehören die folgenden
Nummern der Sammlung:
Kokokoko (Nr. 32o, i Stück), Ohrring, aus der hornartigen, bartlosen ersten
Schwinge des Casuar (Kokok) gebogen. Port Moresby.
Diese Sorte ist hier wenig üblich und wird meist aus dem Westen (Freshwater-
Bai) eingetauscht, wo sie im Eläma-District häufig ist und » Oririo. heisst.
Geborre (Nr. 322, 4 Stück), Ohrschmuck, aus Schildpatt geschnitzt (wie Fig. 18).
Keräma, eine andere beliebte Form, zeigt Fig. 19. Diese aus Schildpatt (Geborre)
gefertigten Plättchen werden durch einen aufbiegbaren Spalt der Oeffnung auf den Rand
des Ohrlappens gereiht, und zwar meist in grosser Anzahl (5o— 60), so dass ihr
Gewicht den Ohrlappen weit herabzieht. Noch mehr ist dies der Fall mit runden
[«-]
Ethnologische Erfahrungen und Belegslücke aus der SQdsee.
Scheiben von Schildpatt, deren Rand mit Muschelscheibchen verziert ist und die des-
halb sehr dem Ohrschmucke von der SüdkÜste Neu-Briianniens(l, Seite 122, Taf. 111 [i],
Fig. 1 2) gleichen. Auch diese Art Ohrschmuck gehört
ilem Westen (District von Freshwater-Bai) an.
Ein für die Motu (wie auch für die Koiäri) eigen-
Ihümlicher, übrigens nicht häufiger Ohrschmuck ist der
Togo (Nr. 323, 2 Stück), Ohrring (Taf. XVII [9],
Fig. 8), aus einer spiralig gewundenen Pflanze beste-
hend, Port Moresby. In diesem Gebiete (und bis Hood-
Bai| werden zuweilen auch Ohrgehiinge von Schnüren
halbdurchschnittener, aufgereihter Coijr-Samen, 'Iwo-
wei genannt, getragen, die für beide Geschlechter zum
Trauerschmuck gehören.
Brust- und HaiSSChmUCk. Eigentlicher Halsschmuck, wie z. B. die steifen Hals-
bänder aus Cu.tc US -Zähnen (Seite 98, Taf. 111, Fig. 16} und die breiten Halskragen aus
hiwara (Seite 98) in Neu -Britannien, kommt in diesem Thcile Neu-Guineas nicht vor,
und das womit der Hals geschmückt wird, ziert in den meisten Fallen auch die Brust,
(Qr welche indess einige Stücke specieli dienen.
Engschliessende gewöhnliche Halsstrickchen, wie sie fast jeder Neu-Britannier
trägt, sind in diesem Theile Neu-Guineas nicht übhch, wie Hals- und Brustschmuck
überhaupt höchstens von Stutzern und heiratslustigen Mädchen alltäglich benutzt wird.
F.ine der gewöhnlichsten Arten heisst:
Uhbo (Nr. 495, 1 Stück), Halskette, i M. 25 Cm. lang, aus einer Doppclreihe
kleiner, rundlicher, nicht sehr regelmässiger Rindenplättchen bestehend, die auf eine
Schnur gereiht sind. Port Moresby.
Wird hier vorzugsweise vom weiblichen Geschlecht getragen. Für Kinder ver-
wendet man gern:
Mairi (Nr. 514^», i Stück), Halsschmuck aus fünf kleinen, an eine Schnur be-
festigten Muschelschalen. Port Moresby.
Diese Muscheln, wahrscheinlich einer Bivalve angehörend, erhalten durch Ab-
schleifen der Oberfläche einen perlmutterähnlichen Glanz, daher Mairi = Perlmutter.
Sehr beliebt bei beiden Geschlechtern sind:
Boo (Boho, Nr, 5i3, 4 Stück), Scheiben aus Conus geschliffen. Port Moresby.
Sie werden in der Weise wie die Stirnmuscheln (Seite Sog), mit eingravirtem,
schwarz eingelassenem Punktmuster (Fig. 20) verziert und einzeln oder in beliebiger
.\nzahl als Halsband oder Brustschmuck (zuweilen auch auf der Stirn)
getragen und dienen als Tauschartikcl für die Bewohner des Innern.
Weit werthvoller als Tauschmittel sind dagegen, wie bereits (Seite 3o2)
envShm, Schnüre aufgereihter Muscheln:
Tautau (Nr. 494, i Stück), Halskette, 1 M. 3o Cm. lang (Taf. XIV
i.'']' f^'g- 6, 7). Port Moresby.
Die Länge dieser Muschelschnüre bestimmt ihren Werth. Sie wer-
den vorzugsweise von jungen Leuten beiderlei Geschlechts getragen und
eng um den Hals geschlungen (vergl. Seite 297, Fig. i und Seite 3oo,
Fig. 3). Diese An Schmuck ist fiauptsächlich in Hood-Bai und bei den Motu behebt.
Tautau bildet zugleich ein beliebtes Tauschmittel nach dem Westen, wo für eine
Uafterlange Schnur ein ansehnliches Gefäss mit Sago als Gegenwerth gilt. Aus dem
Westen kommen dagegen feingeflochtene Schnüre, wie die folgende Nummer:
Halsschmuck.
3 1 2 J^r. O. Finsch. [98]
Halsschnur (Nr. 496, i Stück), iio Cm. lang, 8 Mm. breit, roth angestrichen.
Eläma in Freshwater-Bai.
In diesem Gebiet werden, in der Knüpfmanier wie die Stirnbinden (»Waake<,
Seite 3o8), breite Halskragen aus feinem Bindfaden verfertigt, die oft sehr kunstvoll
und für den Westen charakteristisch sind. Solche Halskragen, sowie breite Bänder,
kreuzweise über die Brust befestigt, werden sowohl von Männern als Frauen getragen,
von ersteren zuweilen auch Halskragen von Casuarfedern, die sehr gut kleiden. Ein
anderer, diesem Gebiet eigenthümlicher Brustschmuck heisst »Biobio^ und besteht in
einer (circa 10 Cm. langen) Steincocosnuss, die mit eingravirtem Muster verziert ist,
das, mit Kalk eingeschmiert, weiss hervortritt. In gleicher Weise werden auch grössere
»Korrokorro^ (Seite 309, Fig. i5) auf der Brust getragen. Längs der ganzen Südost-
küste gilt als werthvoUster Brustschmuck für beide Geschlechter eine halbmondförmig
geschliffene Perlmutterschale:
Mairi (Nr. 5i^a, i Stück), klein, 7 Cm. Durchmesser, Port Moresby, deren
Werth sich nach der Grösse richtet und mit dieser unverhältnissmässig steigt. Grosse
Perlmutterschalen von 2p bis 24 Cm. Durchmesser sind daher das werth vollste Tausch -
object, und der Streit über eine solche kostete Dr. James (Seite 298) das Leben.
Mairis zählen mit unter die hervorragendsten Tauschmittel zwischen dem Osten
und Westen, wofür in letzterem besonders Sago eingehandelt wird. Leute, die keine
echten Mairis erschwingen können, tragen imitirte aus Nautilus- Muschel, Sie sind
namentlich im Hood-Bai-District Mode; hier auch Halsketten und Brustschmuck aus
roh bearbeiteten Scheiben und Platten rother Spondylus-Muscheln.
Der kostbarste Brustschmuck für die Südostküste, wie Neu-Guinea überhaupt, ist
ein abnorm gewachsener, zirkelrunder Eberhauer, *Doa^ (Seite 295, Abhandlung Nr. 10
wie Nr. 5 1 6 von der Nordküste). Solche Eberhauer werden von Hand zu Hand aus dem
Osten eingetauscht und gelangen nur äusserst selten bis Hood-Bai und weiter westlich.
Ich sah nur zwei solcher Eberhauer, und zwar bei Goapäna und dem ersten Häuptling
von Keräpuno, die diesen Schmuck als eine Art Hoheitszeichen zu betrachten schienen.
Zieraten aus Eberzähnen sind im Ganzen selten. Zuweilen sieht man die fol-
gende Form:
Doa (Nr. 524, i Stück), Brustschmuck aus zwei aneinandergebundenen Eberhauern
(Fig. 21). Port Moresby.
Die Motu erhandeln diesen Schmuck gelegentlich aus dem Westen, wo er, nament-
lich im District von Freshwater-Bai, häufiger ist und auch in der Form wie Fig. 22
vorkommt. Im Innern von Redscar-
^. ,- ^. .,^ Bai wird auch Brustschmuck aus
Flg. 21. /^ Flg. 22. \\
einer Doppelreihe längsgespaltener
»Eberzähne« verfertigt, der inter-
essante Analogien mit ähnlichen
Formen an der Nordostküste bietet
und wahrscheinlich mit in die be-
sondere Kategorie des Brust-Kampf
schmuckes gehört, wie die folgende
Nummer:
Brustschmuck. Musikaka {kaka = roth), Taf.
XVI [8], Fig. I, \U n. Gr.), Kampf-
schmuck aus dem Innern von Port Moresby. a Platte aus Schildpatt, mit ^, Randbesatz
von dünnen Längsschnitten von Eberhauern, die mittelst gebohrter Löcher festgebunden
[()()] Elhnnlogische Erfahrungen und Belej^Blücke aun der Südsec. 3 I 3
sind, der Raum zwischen den Eberzähnen ist mit rothen und blauen Abrus-Bohnen ver-
liert, die in einer Art Kitt aus Harz festgeklebt sind, in der Mitte zwei Ringe aus Quer-
schnitten von Co/tuj-Muschel geschliffen; der untere Rand c ist mit einem Doppelstreif
von Bast von der Biattbasis der Sagopalme geschmitckt und dient dazu, allerlei kleine
Zieraten: Federn, au/gereihte CoiAr-Samen u. dergl. zu befestigen. Oben, in der Mitte,
d, ist eine breite Oese aus Bindfaden, welche dazu dient, den Schmuck mit den Zahnen
festhalten zu können, was beim Kampfe geschieht, um den Gegner herauszufordern
und fOrchterlicher zu erscheinen. Neben der Oese ist ein Strick befestigt, an welchem
der Musikaka gewöhnlich auf dem Rücken getragen wird.
Diese Art Kampfschmuck, Attribut des waffenfähigen Mannes, ist für ein be-
st:hränktes Gebiet an der Südostküste, zwischen Redscar- und Hood-Bai cigenthümlich
und durch seine Form charakteristisch. In
Port Moresby sind Musikaka nicht mehr in '^'S- '3-
Gebrauch und überhaupt sehr in der Ab-
nahme begriffen; ich sah bereits Nachbil-
dungen dieses Schmuckes aus Blech, mit
Atrus-Bohnen beklebt. Musikaka werden
haupisächlich von den Koiari, den Bergbe-
wohnern des Innern von Port Moresby, in
Jer Richtung des Owen-Stanley und des
Astrolabe - Gebirges verfertigt, welche von
den Küstenstämmen Schildpatt und Zicr-
muscheln eintauschen. In der Form stets
gleich, zeigen die Musikaka grosse Versehie- Brusi- Kampfschmuck.
denheit im Ausputz, so z. B. das Fig. 23 ab-
gebildete Stück in der Mitte einen Ring von Conus, jederseits davon eine Scheibe von
Perlmutter (die dunkle Punktirung bezeichnet blaue Bohnen, die hellen Querstreifen
rotber Bohnen von Abrus praecatortus).
In die Kategorie des Kampfschmucks gehört der >Gadiwa*, bestehend aus der
Längshalfte eines circa 23 Cm. langen Stückes Bambu, mit eingebranntem Muster
verziert, in der Mitte mit Federschmuck, klappernden Nussschalen (Taräko) u. dergl.
Auch dieses Geräth wird mit den Zähnen gehalten, um die wilden Grimassen des Krie-
gers zu erhöhen, und ist, wie der Musikaka, ein Fabrikat der Koiäri des Inlandes.
Ein besonderer Brustschmuck der Stämme im Westen (Fresh water-Bai) ist der
'Kiiiut, d. h. der schalenförmige Abschnitt einer CymÄ i'mwi- Muschel, in dessen Mitte
meist eine durchbrochene Arbeit aus Schildpatt oder Cocosnussschale, eine Vogelklaue
u- dergl. angebracht ist, und die ganz einem ähnlichen Kampfschmuck entspricht, den
wir an der NordostkUste (Nr. 536) kennen lernen werden.
Armschmuck. Wie bei allen Melanesiern, sind auch bei den Bewohnern dieser
Küste Armbänder ein unumgänglich nothwendiges StUck des Ausputzes, das wie der
Tikini (Seite 299) und LamI (Seite 3oo) in gewissem Sinne zur Bekleidung gerechnet
werden darf. Die Sammlung enthält eine schöne Reihe dieser:
Gaama (Nr. 378, i3 Stück), Armbänder, aus Pflanzenfasern geflochten (Port
Moresby), von der schmälsten (5 Mm. breiten) bis zur breitesten (6 Cm. breiten) Sorte.
Diese Armbänder werden meist schwarz gefärbt, bei den Motu mit Vorliebe mit rother
Erde angestrichen; zuweilen ist ein artiges Muster in Gelb eingeflochlen. Derartige
Armbänder sind an der ganzen SüdostkÜste, sowie im Innern verbreitet und werden
einzeln oder zu mehreren an einem, oft an beiden Armen, und zwar dem Oberarm, von
3 1 4 ^^' ^' Finsch. [ I oo]
beiden Geschlechtern und in jedem Alter getragen oder vielmehr gleich um den Arm
geflochten, daher oft so fest, dass sie tief ins Fleisch einschneiden. Sie dienen auch
praktischen Zwecken, um Stückchen Tabak, Betelnussbrecher und andere kleine Dinge
hineinzustecken. Am häufigsten geschieht dies aber mit farbigen Blättern (von Crotons)^
wohlriechenden frischen, wie getrockneten Kräutern und Pflanzen, die als Schmuck
dienen und namentlich von der Jugend benützt werden. Die Motu-Burschen und Mäd-
chen befestigen auch gern schmale, oft künstlich, plissdartig gefaltete Streifen von
PandanuS'hloXX. (ähnlich Nr, 412) im und am Armband, die gleich Bändern im Winde
flattern.
Die Koiäri und andere Stämme des Innern begnügen sich meist mit gewöhnlicheren
Armbändern der folgenden Sorte:
Ohro (Nr. 379, i Stück), schmales Armband, aus gespaltenem Rotang geflochten.
Kaire.
Die werth vollsten Armbänder werden aus einer grossen Kegelschnecke:
Toia (Conus millepunctatus^ Nr. 365, i Stück), verfertigt, eine Arbeit, die ich
in Port Moresby noch selbst verrichten sah. Durch Abschleifen der Basis und Spitze
auf einem Stein wird ein anfangs roher Ring hergestellt und dann vollends zurecht-
geschliffen. Man bedient sich dabei, unter Anwendung von Sand und Wasser, eines
primitiven, aber ganz praktischen Apparates, der im Wesentlichen aus dem Aststück
einer grobkörnigen Koralle besteht. Die folgende Nummer zeigt die fertige Arbeit:
Toia (Nr. 364, i Stück), Muschelring. Port Moresby.
Der Werth der Toias richtet sich nicht nur nach der Grösse, sondern auch nach
dem besonderen Ausputz. Gewöhnlich sind als solcher einige schwarze Fruchtkerne
und rothe Glasperlen angebracht, oder statt der letzteren rothe 5po«rf;^/w5-Plättchen,
wie dies besonders im Osten üblich ist (vergl. Taf. XV [7], Fig. i). Hier verfertigt man
auch einen andern sehr zierlichen Armbandschmuck:
Riuriu (Nr. 414, 1 Stück), Kettchen aus kleinen SpondjrlusSchc\bchtn (5 Mm.
Durchmesser), am Ende mit drei kleinen Muschelplättchen und schmalen Pandanus-
Bändern verziert. Port Moresby. Wie die Motu derartigen Spondyliis-Schrnyiok aus
dem Osten einhandeln, um ihre Toias auszuputzen, so vertauschen sie die letzteren an-
dererseits nach dem Westen. Die Sagoflotte, welche alljährlich aus Freshwater-Bai nach
Port Moresby kommt, nimmt als Gegengabe hauptsächlich Toias mit nach Haus. Zur
Zeit meines Aufenthaltes wurden für eine gute Toia 3oo bis 35o Pfund Sago bezahlt.
Da grosse Co«M5-Muscheln selten sind und um Port Moresby nicht in genügender An-
zahl gefunden werden, so beziehen die Motu einen guten Theil Toias aus Hood-Bai,
wo sie ebenfalls angefertigt werden und » Uhli<s^ heissen.
Armringe aus 7rocÄw5-Muscheln (wie die T>Laleis€ in Neu-Britannien, I, Seite 99)
sind mir an dieser Küste nicht vorgekommen.
Fingerschmuck, der bei Melanesiern kaum in Betracht kommt, ist in diesem Ge-
biete zuweilen vertreten, und zwar in Form von Fingerringen aus dem Querschnitt von
einem Känguru- oder Cw^cw^-Schwanz, die ich namentlich bei Weibern aus Freshwater-
Bai sah.
Leibschmuck. Die mannigfachen Arten von Gürteln, Schnüren u. s. w., welche
wir an der Nordostküste als Schmuck kennen lernen werden, kommen an dieser Küste
fast ganz in Wegfall. Nur die Koiäri pflegen zuweilen schmale, aus Rotang geflochtene
Leibbinden zu tragen. Dagegen sind im Westen (Freshwater-Bai) 8 — 16 Cm. breite
Gürtel (Fig. 24) aus einer Art fester Baumrinde üblich, die sich in ähnlicher Weise auch
an der Nordostküste wiederfinden. Die gewöhnliche Sorte zeigt die folgende Nummer:
[,0.]
Elhnologische Erfahrungen
Gaawa (Nr. 568, i Stück), Leibganel. Port Moresby.
Diese Gürtel werden aus dem Westen c
voller Weise mit eingravirtem Muster verziert
iFig. 35), wie:
Gaawa (Nr. 569, 1 Stück), Leibgürtel
von Keräma in Fresh water- Bai.
Das mit rother und weisser Farbe ein-
fieriebene und dadurch vortheilhaft hervor-
tretende Muster ist nur mit Stein Werkzeugen
hergestellt und repräsentirt einen der besten
Typen des Kunstfleisses jener Periode. Diese
Lcibgürtel schnüren den Bauch noch mehr
ein als die Tikini (Seite 3oo) und sind ohne
Zweifel noch gesundheitsschädhcher als diese.
Fig. 2S.
igetauscht und hier zuweilen in kunst-
Fif!. 24.
LeibgOrtel.
Beinschmuck ist im Ganzen nicht häufig und beschränkt sich meist auf ein Strick-
chen, Liane, Blattstreif von Pandanus oder ein Stück gespaltenen Rotang, das unter
dem Knie festgebunden wird, wie zuweilen noch ein zweites, aus gleichen Materialen,
um das Fesselgclenk. Im Westen wird das letztere manchmal bis zur halben Wade
herauf mit feinem Flechtwcrk eingestrickt. Hier sind auch breitere Kniebänder, fein
aus Bindfaden in der Weise geknüpft, wie die Stirnbänder (Waake, Seite 3o8) üblich,
die zuweilen von Motus erhandelt werden, wie das folgende Stück:
Ropo (Nr. 543, 2 Stück), fein geknüpftes Knieband (i5 Mm. breit), mit rother
Farbe bemalt. Port Moresby.
Eine besondere Art hcisst:
Ruburubu (Nr. 340 a, 1 Stück), Kniebinde aus Halsfcdern vom Casuar, Port
Moresby,
Wird zuweilen auch ums Fesselgelenk getragen und ist ebenfalls ein Schmuck,
der sich mehr im Westen findet und nur gelegentlich von Motu benützt wird.
C. Häuser und Stedehmgen.')
Im Gegensatz zum Bismarck-Archipel (I, Seite 100) ist für Neu-Guinea Pfahlbau-
siyl ethnologisch charakteristisch und wird es auch für diese Küste, deren Häuser aus-
nahmslos auf Pfählen stehen. Der Hausbau, wie die Anlage der Dörfer führt daher in
I) Eine Busführllche Darstellung findet skh in der Seite 395 citirten Abhandlung (Nr. 9), der auch
ic hier eingefagten Clichds entlehnt sind, deren Wiedergabe leider Manches zu wOnschen Übrig lässt, die
bcr immerhin eine bessere Vorstellung nls die blosse Beschreibung geben.
3i6
Hr. O, Finsch.
[102]
unsere eigene prähistorische Zeit zurück, die man an diesen modernen Pfahlbauten, so-
wohl auf dem Lande, wie im Wasser erst richtig verstehen lernt. Der Eindruck, welchen
Pfahlbauten machen, ist gewöhnlich kein sehr vortheilhafter und entspricht unseren
Vorstellungen im Ganzen wenig. Nur bei Pfahlhüusern auf dem Lande handelt es sich
zuweilen um »Pfähle« in unserem Sinne, d. h, solide, etwas behauene Stammstiickc.
In der Regel sind die Pfähle aber nichts als unbehauene, häutig schiefe und krumme
Stämmchen, die, namentlich bei den im Wasser erbauten Häusern, meist zu dOnn -er-
scheinen. Wie verschieden aber auch diese meist primitiven Bauten sein mögen, stets
sind Fleiss und Kunstfertigkeit
^'S- ^^' zu bewundern, mit welchen der
Mensch der Steinzeitsich Woh-
nungen schafft, die immerhin
denNamen>Häuser< verdienen.
Die stattlichsten Häuser fin-
den sich in Hood- und Keppel-
Bai, In dem Aroma-District der
letzteren ist Maupa das grösste
Dorf, vielleicht das grösste an
dieser ganzen Küste, denn es
zählt an aSo Häuser mit einer
Bevölkerung von 1200— i5oo
Seelen. Als ich die niedrige Dü-
nenkette überschritt, welchedas
Dorf vom Strande aus verdeckt,
war ich erstaunt, fast eine kleine
Stadt vor mir zu sehen. Denn
_ ^^^^ einen solchen Eindruck machte
fe!!!!^']^*^^^ "nBjlijiJ— ' ' ~^ _^ '■ dieser dichte und geregelt an-
m:*ti^ittrT. ■ *ifc«Mi»i>..— L; ... ._. I gelegte Complex von Häusern,
deren hohe, spitze Giebel und
Grasdächer (Fig. 26) an gewisse
kleinere, alte Landstädtchen daheim erinnerten. Um das Bild vollständig zu machen,
fehlte nur ein alter, wettergebräunter Kirchthurm. Die Häuser stehen mit der Giebel-
front einander zugekehrt, zum Theil dicht aneinander und bilden neun mehr oder min-
„. der gerade Längsstrassen,') die durch eine Menge
Quergassen und Gässchen verbunden sind, in denen
die Reinlichkeit nichts zu wünschen lässt. Die Häuser
in Maupa stehen auf soliden Pfosten aus etwas be-
hauenen Baumstämmen und haben Seitenwändc von
Mattcngeflecht, das sich versetzen lässt. Wie die Diele
besteht die Decke aus dicken Planken, die zuweilen
in bis 8 Cm. hohen Kerbzähnen (Fig. 27) ausge-
zimmert sind, eine Leistung filr Steinäxte, die besondere Anerkennung verdient. Von
der Diele führt eine schmale Leiter auf den Bodenraum oder Söller, der als Schlaf-
stelle oder zum Aufbewahren von Provisionen, Waffen u. dgl. dient. In der Mitte der
Hausdiele befindet sich in üblicher Weise die Feuerstelle, mit einer Horde darüber zum
Haus in Maupa.
Dcckenvcrzicru ng.
1) Vergl. i
.r Nr. 6 (Seite 295) citirten Aufeaiz n
n sehr anschaulichen Bilde.
>']
Ethnologische Erfahrungen und Belefjstüi
3,7
üicbd Schilder in Maupa.
aufbewahren von Lebensmitteln. An der einen Lüngsscite des Hauses läuft eine Stel-
le, auf der weiteres Hausgeräth: hölzerne Schüsseln, Töpfe, Pandanusblatt als Mate-
rial zu Manen, Lebens-
mittel in Bananen blätter
ijingepackt , geräucherte
Kiinguru sc hinken u. s. w.
ihren Platz linden. Die
vorderen Pfeiler, welche
die Träger der Decke
bilden, sind häufig tnit
Schädeln von wilden
Schweinen verziert, und hier hängen, sorgfältig in Tapa oder Cocosblattbust eingehüllt,
die Schilde, vielleicht noch eine Trommel oder dergleichen. Im Hause Goapänas war
hier dessen mit einem cirkelrun-
dun Eberhauer gezierte Staats- *' "^'
kaic aufgehangen, gewiss ein
;;uies Zeugnis s für die Ehrlichkeit
Act Bewohner oder des Respec-
tts derselben gegenüber ihrem
Hüuptlinge. Ein eigenthUnilicher
Schmuck der Häuser in Maupa
lind die Verzierungen der Giebel-
sciue (Fig. 28}, die zum Theil
anWappcnschilder erinnern oder
Jii die Pferdeköpfe an den nie-
Jersächsischen Bauernhäusern.
Diese Gicbelschilder, Übrigens
weder mit Schnitzerei noch Ma-
lerei versehen, haben, nach mei-
nen Erkundigungen, nichts mit
Hausmarken zu thun, sondern
gehören zu jenen Verzierungen,
»ie sie so häutig der Laune der
Papuas entspringen. Besondere
durch Grösse und eigene Bauart
-lus^e zeichnete Häuser gibt es in
Maupa nicht, wohl aber in Kcrä-
funo, einem der grössten Dörfer
in Hood-Bai. Die beigegebene
Stizze(l-"ig. 29) zeigt ein solches
Haus, das sich durch einen an
10 M. hohen, thurmspitzenarti-
üen Aufbau der Giebelfront aus-
zeichnet. Ein anderes Haus war
it Thurmspiize in|^ Kerlpur
mii zwei Thurmspitzen versehen und zeigte auf der Dachfirste rohe Puppen aus Blatt-
iJsern, einen Mann und eine Frau darstellend. Die Eckpfosten des Hauses sind solide,
l>£haücne Pfähle, von denen einzelne löS M, Umfang messen und bereits mit etwas ein-
gravirtcr und erhabener Schnitzerei (Fig. 3o) verziert. Auch die Enden der Träger-
Dr. O. Finsch.
[■04]
balken des Daches zelgcQ solche, und zwar rohe Darstellungen von Crocodtlköpfen.
Die Dörfer der Koiäri, welche ich im Innern von Port Moresby kennen lernte, sind
sehr klein und ärmlich, wie die Häuser selbst. Selten zählt ein Dorf mehr als 10 bis
i5 Häuser und solche mit 20 werden schon als grosse gerechnet. Die Eingeborenen
dieses Stammes lieben es, sich auf zerklüfteten Felsenbergen anzusiedeln, die eine natür-
liche Festung bilden und zuweilen fast uneinnehmbar sind. Die Häuser kleben hier
zuweilen wie Schwalbennester an den Felsen. Bei der Unebenheil des Terrains sind
die Stangen und Pfähle, auf denen sie stehen, von sehr ungleicher Höhe. Das Dach, aus
einem langen, schilfartigen Grase, hängt tief an den Seiten herab, die wie die Hinter-
und Vorderseite aus gespaltenem Bambus oder Stäben bestehen.
8* ^°' Von demselben Material ist die schwache, mit einiger Vorsicht
zu betretende Diele. Vor der Thür ist über die ganze Breite des
Hauses ein mehr oder minder breiter Sitz angebracht, unterhalb
desselben eine niedrige Plattform aus Brettern oder Stangen.
l-'iS. 3'-
Holzschnitzerei ei
Hauses in Keräpuna
Zuweilen gehl mitten durch das Haus der Stamm des Baumes,
auf dessen Wipfel das >Kohoro'i oder Baumhaus gebaut ist. So
heissen bei den Koiäri und Koitapu jene besondere Art kleiner
Hauser mit Vorplatz und Diele, welche mit wunderbarer Ge-
schicklichkeit im Gezweige oder den Wipfeln grosser Bäume,
oft in 5o Fuss Höhe und mehr, errichtet werden. Sie dienen
als Ausguck und Feste, in welche sich bei einem feindlichen Ueberfalle die Bewohner
des Dorfes zurückziehen. Diese Kohoros werden mittelst einer rohen Leiter aus Lianen
und Querhölzern bestiegen, was nicht immer leicht ist. Ini Innern enthalten sie Ver-
thcidigungsmaterial, mächtige Bündel Speere und grosse Haufen Steine, mit denen die
Angreifer empfangen vverden, aber auch eine Feuerstelle und mit Wasser gefüllte Töpfe.
Eine besondere Art Pfahlbauten sind die im Wasser errichteten, wie sie nament-
lich bei den Motu und verwandten Stämmen vorkommen, für welche diese Art Baustyl
charakteristisch wird, wie für diese Küste überhaupt. Die Pfahldörfer in Port Moresby
säumen in einer langen Häuserreihe das Ufer in der Weise, dass sie bei Ebbe auf dem
Trockenen, bei Fluth im Wasser stehen. Da die letzlere allen Schmutz mit wegspült,
:io>]
Ethnologische Erfahrungun und Belegstücke ai
3iq
Sil empfiehlt sich diese Art Baustyt schon aus Reinlichkeits- und Gesundheitsrücksichten.
W'k die rohe Skizze eines Hauses in Anuapata (Fig. 3 1) zeigt, gehören die Pfahihäuser
dir Motu mit zu den primitivsten Bauten, und der Besitz eiserner Werkzeuge, deren
sich gerade die Bewohner von Port Moresby am längsten erfreuen, hat darin keinerlei
Verbesserungen herbeigeführt.
Wie bei allen Häusern der Steinperiode sind Sparrenwerk, Dach, überhaupt alle
Thiile des Hauses mineist gespaltenem Bambu, Rotang, Bast oder Lianen verbunden
■jnJ befestigt, wodurch übrigens grosse Haltbarkeit erzielt wird. Fast alle PfShIe, auf
Jenen das Haus ungefähr 2 — 3 M. hoch steht, sind ungleich, zuweilen krumm und auf-
loliend dünn, da sie selten mehr als Armdicke erreichen. Die vier Eckpfahle, welche
Hs unter das Dach reichen, sind
sicis dicker als die übrigen, Fig. 32.
nekbe meist nur bis zur Diele
reichen und in ein Gabelende
auslaufen, in dem die Längs-
irä^er ruhen.
Das Haus wird der Länge
itjch von vier, in der Breite
lon drei Reihen Pfählen') ge-
ira^cn, die Diele von acht Quer-
■ungen; Balcon und Plattform
n:Iien ebenfalls auf Querstan-
S^n, die auf Pfählen stehen.
Etwas abweichend sind
lit Pfahldörfer Tu pusele, Kaire
Kaile I, Kapakapa und Hula in
Hon(l-Bai,die20o — 3oo Schritt
Mim Ufer auf CorallrifT errich-
m sind und auch bei Ebbe nur
mit Canus erreicht werden kön-
nen. Die Abbildung (Fig. 32)
'■■^'ip. die Bauart eines solchen
Plahlhauses, das aus Missver- Vorderfront eines Hauses in Kaire.
'TJndniss des Zeichners leider
jufs Trockene und auf viel zu kräftige, dicke Pfähle gesetzt worden ist. Die Häuser dieser
permanenten Wasserdßrfer besitzen eine sehr breite Plattform, da dieselbe ja als Haupt-
juienchaltsort der Bewohner dient. Sie besteht aus Brenern oder Stangen, und hier sieht
man auch Schweine und die nie fehlenden Hunde; letztere sind im Erklettern der
Leitern sehr geschickt. Die Häuser stehen zuweilen so nahe aneinander, dass man von
Met Plattform auf die andere treten kann; meist sind sie aber etwas von einander ent-
icrnt und dann durch sehr primitive, leiterähnliche Stege, oft nur einen unbehauenen
Baumstamm verbunden. Diese halsbrecherischen Stege, für Europäer kaum prakticabel,
machen den Eingeborenen keine Schwierigkeiten. Nicht selten sieht man schwangere
^Wibcr mit einem grossen Topfe oder dergleichen auf dem Kopfe, ein Kind auf dem
"ücken, von einem Hause zum andern balanciren. Kleine Kinder, die noch nicht laufen
|| Die Abbildung Fig. 31 steht damit im Widerspruch; aber der Zeichne
angegeben, aus Versehen aber die vielen kleine
320
Dr. O. Finsch.
f .
[ I o(
können, spielen sorglos am Rande der Plattform, ohne dass sich die Mütter im Mindeste
ängstigen, wie dies bei uns der Fall sein würde. Ich habe auch nie gehört, dass ei
Kind ins Wasser gefallen und ertrunken wäre, da sie ja ohnehin sehr früh schwifnme
lernen und mit demWasser bald vertraut werden. Nicht selten sieht man Eingeborne ein
Schüssel voll Essen auf einem Brette schwimmend an ihren Bestimmungsort dirigircr
Wie die Skizze Fig. 33 zeigt, hat sich auch die Mission mit Schule und Kirche i
diesen Pfahldörfern eingerichtet. Das grösste derselben, Hula in Hood-Bai, zählt an lo
Häuser, deren Bewohner sich hauptsächlich mit Fischfang beschäftigen, aber auch Plan
tagen auf dem Festlande besitzen. Hier liegen auch die eigenthümlichen galgenartigei
Gerüste mit erhöhter Plattform, *Dubu* genannt, welche das Centrum der Festlich
keiten bilden. Fig. 34 gibt die Darstellung eines solchen Dubus in Tupuselö, ') da
wegen der Schnitzerei der Pfahlenden für die Baukunst der Papuas dieser Küste aJs be
sonderes Kunstwerk gelten muss. Die Plattform des Dubu dient als Ehrenplatz fü
Häuptlinge und andere hervorra
Fig. 33.
0
w w w w W W w
QQDQ
QOOö
Plan des Pfahldorfes Kaire.
gende Männer, sowie für die Le
bensmittel, welche selbstredenc
bei den Festen eiije Hauptrolle
spielen. An den Querstangen der
Dubus werden auch die sorg-
fältig geputzten und verzierten
Schädel erschlagener Feinde als
Trophäen aufgehangen, wovon
ich an dem in Maupa allein
neunzehn zählte. — Dubus in
der abgebildeten Form scheinen
hauptsächlich von Keppel-Bai
bis Port Moresby üblich, kom-
men aber in letzterer Localität
selbst nicht mehr vor.
Die Mission hat die »heid-
nischen Feste« ohnehin sehr bc.-
schränkt, und die wenigen festlichen Belustigungen werden auf dem breiten Sandufer
vor den Dörfern abgehalten. Die Dubus versehen in diesem Theile der Küste die Ver-
sammlungs- oder Tabuhäuser der Männer, wie sie im Westen (Maiva, Eläma und weiter
westlich) vorkommen und überall in Neu -Guinea, wie Melanesien überhaupt, in Ge-
brauch sind. Chalmers^) beschreibt einige dieser Häuser von ungewöhnlicher Länge
(bis 200 Fuss) und erklärt sie für »Heidentempel«, weil sich zuweilen Holzschnitzereien
von menschlichen Figuren, Crocodilen u. s. w. darin vorfinden. Aber was er im Uebrigen
von diesen Dubus sagt, beweist deutlich, dass sie Versammlungshäuser der Männer
sind, in welchen diese zum Theil schlafen, ihre Feste feiern und Fremde empfangen,
ganz wie ich dies an der Nordostküste Neu-Guineas fand. Das isolirte grössere Haus
in Deräni (Deleni), welches ich (Abhandlung Nr. 9, Seite 4) beschrieb, gehört eben-
falls zu diesen Tabuhäusern.
Ackerbau bildet auch für die Bewohner dieser Küste die Hauptquelle des Unter-
haltes und der Ernährung und bezieht sich auf dieselben Producte als im Bismarck-
1) Chalmers (»Pioneering in New Guinea«, Seite VIll) bildet ein anderes der vier Dubus in
Tupusel^ ab mit der Bezeichnung »heathen temple«.
2) »Pioneering in New Guinea«, Seile 3, 40, 50, 52, 59, 66 und 180.
['•7]
Eihnologilche Erfahrunfien und BelegstQcke aus der Südsee.
331
Archipel (I, Seite loo). Doch kommen mehr als dort Fischerei und Jagd ftlr gewisse
Gebiete zur Geltung.
Die Urbarmachung und Bearbeitung des Bodens geschieht ohne besondere Werk-
zi'uge. Die Männer besorgen die grobe Arbeit, das Fällen und Roden der Bäume (zum
Thcilc mit Hilfe von Feuer), wobei die grossen Stämme liegen bleiben, bis sie verwittern,
während die Weiber das Land vollends klären und den Boden umgraben. Dies ge-
scliiehi in sehr primitiver Weise mittelst eines zugespitzten Stockes, der das Erdreich
nur sehr oberflächlich auflockert. Die Pflanzungen erfordern viel Mühe und Arbeit,
nnrunter das Einzäunen derselben nicht die geringste ist, um sie gegen die VerwtU
Fig. 34.
siungen der Wildschweine (und Kängurus) zu schützen. Der Aufbau der Zäune ge-
schieht vorzugsweise durch die Münner, während die Frauen das Ausjäten des Unkrautes
^:sorgcn. Sache der Männer ist es dagegen wiederum, Stangen für die rankenden Jams-
prianzen und Pfähle für die Bananen zu schaffen, .\uch müssen die jungen Fruchtbündel
■ier Bananen, wie später die reifenden Früchte derselben, gegen die Verheerungen der
Ugel (namentlich Papageien) und fliegenden Hunde geschützt werden, die sonst grossen
Schaden anrichten. Es werden daher in den Plantagen besondere^ Hünen und kleine
Häuser errichtet, in welchen die Familien während der Erntezeit wohnen. Um Ueber-
ijUen feindlicher Nachbarn zu begegnen, ziehen die Münner stets bewaffnet nach den
l'lantagen, die fast ausnahmslos weitab von den Dörfern liegen.
322 Dr. O. Finsch. [lo8]
Steile Abhänge sind bevorzugte Localitäten zur Anlage von Pflanzungen, nament-
lich bei den Bergbewohnern des Innern.
Ausser Brotfrucht und Sago (Rabia), welcher für einige Gebiete Neu-Guineas,
namentlich die Küsten von Freshwater-Bai von Bedeutung und selbst ausgeführt wird,
kommen nur wenige wildwachsende Früchte, meist nussartige, aber alle nur unter-
geordnet als Nahrungsmittel in Betracht. Wie in ganz Melanesien, werden alle Speisen,
sowohl vegetabilische als animalische, nur in gekochtem Zustande genossen.
Die obige Skizzirung des Ackerbaues ist in den Grundzügen für ganz Melanesien
massgebend. Doch finden sich locale Abweichungen. So sind z, B, die Bewohner von
Port Moresby, wegen der Armuth des Bodens, auf Zufuhren von auswärts angewiesen
und müssen sich in Zeit von Mangel mit Surrogaten von wenig Nährstoff, z. B. den
nur durch Maceration geniessbaren , pflaumengrossen Früchten von Cycas und Man-
grove, grünen Stämmen der Banane u. s. w. nähren.
Hausthiere in unserem Sinne gibt es nicht. Die einzigen Thiere welche gezähmt
gehalten werden, sind Wildschweine (wovon Neu-Guinea zwei eigenthümliche Arten:
Sus papuensis und Siis niger Finsch, Proc. Zool. Soc, London, 1886, pag. 217, besitzt)
und Hunde, letztere eine eigenthümliche kleine, dingoartige Rasse, welche nicht bellt,
sondern nur heult. Beide Arten Thiere werden mit grosser Liebe, hauptsächlich von
den Weibern aufgezogen, die sie nicht selten an ihren Brüsten im Verein mit Kindern
säugen. Nur bei festlichen Gelegenheiten kommen Schweine und Hunde auf die Tafel;
Fleischnahrung bildet also im Leben der Papuas nur die Ausnahme. Kleinere Säuge-
thiere, wie Cuscus, Beuteldachse (Perameles), fliegender Hund (Pteropus), werden
gerne gegessen, nicht minder Crocodile und grosse Schlangen. Läuse und Flöhe sind,
wie in der ganzen Südsee, eine beliebte Leckerei. Haushühner sieht man nicht selten,
aber stets vereinzelt um die Häuser der Eingeborenen. Sie sind halbverwildert, zeitigen
ihre Jungen im Busch und werden hauptsächlich der Federn wegen gehalten, da Hahnen-
federn, namentlich weisse, als Kopfputz der Männer allen anderen vorgezogen werden.
Zu gleichem Zweck, nämlich der F'edern wegen, hält man gewisse Papageienarten ge-
zähmt, vorzüglich Kakatus (Cacatua Triton) und Edelpapageien (Eclectus polychlorus),
denen man die Federn ausrupft; vor Allem sind die gelben Haubenfedern des Kakatu
beliebt.
D, Geräthschaften und Werkzeuge.
Hausrath in Form von Kisten, Kasten und Derartigem fehlt, und die wenigen
Habseligkeiten (vergl. Seite 3 17) werden in Blätter oder Bast (Tapa) eingehüllt, oder
auf besonderen Stellagen und Horden im Innern der Hütte oder auf dem Vorplatze auf-
gehangen. Ein eigenthümliches Geräth im Haushalte der Motu ist der
Ikini (Nr. 1 87, i Stück), Wiegenhalter. Port Moresby. Derselbe besteht aus einer
Scheibe von Cocosnussschale, an welcher ein Strick zum Aufhängen befestigt ist. An
diese Cocosnussscheibe wird nun das Tragband eines weitmaschigen Tragbeutels (z. B.
ähnlich Nr. 186) aufgehangen, welcher als Wiege dient. Das Kind liegt in derselben
gekrümmt, mit eingezogenen Beinen, und wird in solchen Beuteln auch von der Mutter
auf der Wanderung mitgeschleppt.
Kopfunterlagen, aus Holz geschnitzt, sogenannte Kopfkissen (wie Taf. XVIII [10],
Fig. I — 3), kommen an diesem Theil der Küste nicht vor, aber im Westen (Fresh-
water-Bai).
Nicht so ärmlich als in Bezug auf Hausrath ist es mit KochgeräthSChafien be-
stellt, und darin überragen die Bewohner dieser Küste, wie Neu-Guineas überhaupt, die
j'ioq] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 323
des Bismarc k- Archipel bei Weitem. Während man dort ohne Wasser kocht, bedient man
sich in Neu-Guinea überall Töpfe, deren Fabrikation dem Papua Neu-Guineas allein
schon eine höhere Stufe der Gesittung anweist.
Die Art der Nahrungsmittel haben wir bei Ackerbau (Seite 3 20), Jagd und Fischerei
■ Seite 333) kennen gelernt und daraus ersehen, dass auch die Bewohner dieses Theiles
Neu-Guineas vorzugsweise Vegetarianer sind. Das Kochen wird von beiden Geschlech-
tern verstanden und besorgt und kein Salz dabei gebraucht. Letzteres ist aber bei den
Bewohnern des Innern (Koiäri) sehr beliebt und gilt bei denselben als besondere Leckerei,
die man sich jedoch nur selten verschaffen kann. Salz bildet daher für jene Gebiete ein
willkommenes Tauschmittel.
Mit Ausnahme der wenigen Missionsstationen, wo sich bereits Zündhölzer Eingang
verschafft haben, ist Feuerreiben noch gang und gäbe.
Die Methode, Feuer zu reiben, wie ich sie bei den Koiäri im Innern von Port
Moresby sah, ist ganz verschieden von der in Neu- Britannien (I, Seite 102). Das Haupt-
instrument, Newäta genannt, ist ein kurzes, von der Rinde entblösstes Aststück, an einem
tnde längsgespalten und mittelst eines eingeklemmten Steinchens klaffend gehalten.
Der Eingeborene nimmt eine Handvoll trockenes Gras, reibt es, ballt es zusammen und
legt es unter das Holzstück, auf welches er mit den Füssen tritt, um es festzuhalten.
Mit einem langen Streifen gespaltenen Bambus, Ana genannt, das durch den klaffenden
Spalt gesteckt wird, fängt er nun an, mittelst Hin- und Herziehen zu reiben, wodurch
häutig schon in 3o Secunden das Gras in Brand geräth. Den Ana trägt jeder Eingeborene
bei sich, Holz findet sich überall, da jedes trockene Stück genügt.
Weitere unentbehrliche Requisiten, welche sich in dem Tragbeutel jedes Mannes
tinden, sind die folgenden Stücke:
Pako (Nr. 922, 923, 2 Stück), meisselartiges Instrument aus Knochen (meist vom
Schwein), das zum Schaben und Aufbrechen dient. Port Moresby.
Bedi (Nr. 62, 63, 64, 3 Stück), Löffel mit Stiel aus Cocosnussschale. Port Moresby.
Diese Löffel sind zuweilen mit hübschen, eingravirten 'Mustern, die mit Kalk ein-
uerieben werden, verziert und zählen mit zu den besten Kunstleistungen der Motu.
Eigentliche Gabeln fehlen, doch werden nicht selten die (Seite 307) erwähnten
Kobi als solche benützt, sowie auch Pfriemen aus Känguruknochen (Dinika, Nr. 42).
Zum Schneiden von Fleisch und festerer Speisen bedient man sich scharfkantiger
Bambuleisten oder Muschelschalen. Als Stampfer werden passende Steine, Muninga,
benutzt, die zuweilen etwas bearbeitet sind, ausnahmsweise sogar Querrillen zeigen.
Wie überall in der Südsee, gebraucht man als Behälter für Trinkwasser:
Bio (Nr. 70, I Stück), eine Cocosnussschale. Port Moresby.
Diese Art Gefässe sind im Port Moresby-District zuweilen mit einfachen Rand-
vcrzicrungen versehen; in anderen Küstengegenden, z. B. Aroma sah ich ausserordent-
lich kunstvoll in Reliefarbeit verzierte Cocosschalen.
Die Bergbewohner im Innern von Port Moresby bedienen sich, da die Cocos-
palme hier nicht mehr vorkommt, langer Bamburohre als Wasserbehälter, aus denen
zugleich auch getrunken wird, was für den Unkundigen allerdings mit Schwierigkeiten
verknüpft ist.
Ein weiterer Fortschritt im Haushalt der Papuas dieser Küsten wird durch Holz-
schüsseln bekundet, von welchen die folgende Nummer eine Probe gibt:
Dihu (Hood-Bai-Sprache, Nr. 79, i Stück), länglich-ovale Holzschüssel (36 Cm.
lang) mit etwas Randverzierung. Hula in Hood-Bai. Eigenthümlich in der Form. Diese
Art HolzsohQsseln werden nicht in Port Moresby, sondern in Hood-Bai (namentlich
324 Dr. O. Finsch. [uo]
Hula und Keräpuno) und weiter östlich gefertigt, wo sie die Stelle der aus Thon ge-
brannten vertreten und zugleich einen Handelsartikel bilden.
In der Gewerbskunde bildet Töpferei für gewisse beschränkte Gebiete einen be-
deutenden Fabrikationszweig und eines der wichtigsten Tauschmittel für den Handel
und den Verkehr der Stämme untereinander. An der Südostküste Neu-Guineas wird
Töpferei nur von Hall-Sund, und zwar dem Dorfe Deräni (Deläni) gegenüber, Jule-
Insel (Laval), bis etwa nach Keppel-Bai östlich betrieben, aber nirgends so lebhaft als
in Port Moresby, welches den Centralpunkt für die Töpferei dieser Küste bildet.
Dabei mag bemerkt sein, dass dieses Gewerbe ausschliessend vom weiblichen Ge-
schlecht betrieben wird, das dadurch einen wesentlichen Antheil am Wohlstande nimmt.
Die Sammlung gibt eine schone Darstellung dieses Gewerbszweiges, vom Material
bis zum fertigen Fabrikat.
Das Material ist sorgfältig gereinigter und zubereiteter Lehm, *Raro€y von welchem
folgende Sorten unterschieden werden:
Rare koroto (Nr. 92, i Probe), hellfarbiger Lehm, welcher das Hauptmaterial bildet;
Rare duba (Nr. gS, i Probe), dunkelfarbiger Lehm;
Rare kaka (kaka = roth, Nr. 94, i Probe), rother Lehm.
Der mit Wasser geschlemmte und sorgfältig geknetete Lehm wird mit
Rario (Nr. 91, i Probe), feinem Sand, gemengt und damit zur Verarbeitung
fertig. Die Töpferei ist eine wegen ihrer Einfachheit höchst interessante, da bei der-
selben nur zwei Instrumente angewendet werden : ein flacher, runder Stein, Nadi^ von
circa 6 Cm. Durchmesser, und
Japatu (Nr. 96, i Stück), hölzerner, flacher, peitsahenförmiger Schlägel, circa
25 Cm. lang, am Ende 10 Cm. breit.
Die Frau macht eine Kugel aus Lehm, die sie mit den Fingern ausweitet und
dann vollends mittelst Stein und Schlägel zu einem Topfe formt. Indem sie mit der
linken Hand den Stein an die Innenseite hält, treibt sie mit dem Schlägel in der Rechten
die Lehmmasse in der gewünschten Form aus; die Arbeit ist also gewissermassen eine
getriebene. Die Geschicklichkeit und das scharfe Augenmass verdienen hierbei ganz
besonders Bewunderung, wie die Erzeugnisse der Töpferei in der That eine beachtens-
werthe Culturstufe bekunden. Ich habe öfters die Oeffnung fertiger Töpfe mit dem
Cirkel nachgemessen und die tadelloseste Kreisform gefunden. Bei dem sehr oberfläch-
lichen Brennprocess verwerfen sich die Töpfe leicht. Das Brennen geschieht, indem um
die fertigen, im Schatten getrockneten Töpfe, vielleicht 4— 6 Stück, leicht brennbares
Feuerungsmaterial (trockene Blätter, Rinde, kleine Aeste u. dgl.) angehäuft und dieses
angezündet wird. Die Töpfe werden während des Brennens, das circa 1 5 Minuten er-
fordert, mit einer langen Pincette aus Bambu gewendet, damit alle Seiten möglichst in
Gluth kommen, dann aus dem Feuer genommen und noch glühend mit Arara, d. h.
einem Absud von Mangroverinde in Seewasser, bespritzt und bestrichen. Sie werden
hierauf nochmals auf kürzere Zeit (10 Minuten) einem heftigen, hellen Feuer ausgesetzt
und sind dann fertig.
Die folgenden Nummern repräsentiren Proben der Töpferkunst von Port Moresby:
Hodu (Nr. 86, i Stück), Wassertopf;
Kaiwa (Nr. 87, i Stück), Kochtopf;
Oburo (Nr. 88, i Stück), Napf;
Nao (Nr. 89, i Stück), Schüssel.
Die zwei vorzüglichsten Topfsorten, welche namentlich auch für den Tausch-
handel fabricirt werden, sind erstens Hodu, Wassertöpfe, fast kugelförmig, mit enger
[t 1 1] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 325
OefTnung, nur so weit, um die Hand der Töpferin einzulassen (wie Nr. 86), besser
gebrannt, 3o — 40 Cm. Durchmesser, und zweitens Uro, Kochtöpfe, mit weiter Oeffnung
(18 — 23 Cm. weit); sie gleichen ganz Nr. 87 (Kaiwa oder Kaike), nur sind sie meist
grösser und ohne den breiten Rand. Bei der Benützung werden den Töpfen Steine
untergelegt, um sie vor dem Umfallen zu sichern.
Schüsseln und Näpfe (wie Nr. 88 und 89) sind im Ganzen wenig im Gebrauch,
ebenso jene ungeheuren Gefässe in L^ro-Form, Tohä genannt, welche zum Aufbe-
wahren von Sago, Arrowroot u. s. w. benutzt und wegen ihrer Zerbrechlichkeit meist
in Rohr eingeflochten werden. Ich mass einen solchen Tohä von 1-41 M. Umfang.
Geschickte Töpferinnen erringen sich ein Renomm^, das weithin bekannt ist und
ihren Fabrikaten besondere Nachfrage verschafft. Es ist daher bei den Weibern in Port
Moresby Brauch, ihre Töpfe mit einem besonderen Zeichen, Igeri genannt, zu versehen,
Zeichen, die wir meist als Anfänge von Ornamentik ansprechen, die aber in der That
Handels- oder Schut*zmarken bedeuten.
In der Nr. 2 citirten Abhandlung (Seite 295) habe ich eine ausführliche Beschrei-
bung der Töpferei in Port Moresby gegeben.
Flechtarbeit ist bei den Bewohnern dieser Küste nur sehr schwach entwickelt
und beschränkt sich auf gröberes Mattenwerk aus Cocos- oder Pandanus-Blatty welches
zu Segeln oder Schlafmatten benutzt wird. Eine Probe solcher Flechtarbeit gibt die
folgende Nummer :
Gähda (Nr. 1 1 3, i Stück), flaches viereckiges Täschchen. Port Moresby. Dient
zum Aufbewahren kleiner Geräthschaften des täglichen Gebrauchs (Schneidemuscheln,
Knochenmeissel, Betelnüsse etc.) und wird von den Männern im Tragbeutel mitgeführt.
Ein nicht selten benutztes Naturproduct ist :
Nudu (Nr. 265, I Probe), bastartiges Gewebe, welches an der Basis des Blattes
der Cocospalme wächst. Keräpuno, Hood-Bai.
Aus diesem Material werden namentlich im Maiva-District von Freshwater-Bai
und in Hood-Bai Beutel und Säcke genäht; auch wird dasselbe zum Einhüllen besserer
Gegenstände, wie Schilde u. dgl., verwendet, und die Motumotu verfertigen die kolos-
salen Segel ihrer Canus aus diesem Stoffe.
Gegenüber der geringen Entwicklung von Flechtarbeiten stehen Strickarbeiten
in Filetmanier in hoher Blüthe, und die Erzeugnisse dieser Handfertigkeit ersetzen die
Körbe, wie sie z. B. in Neu-Britannien (I, Seite 102) allgemein gebraucht werden.
Die Weiber der Motu und anderer Stämme an der Südwestküste, welche allein
das Tragen von Lasten besorgen^ an welches sie schon von frühester Jugend gewöhnt
werden, bedienen sich dazu Tragbeutel oder Säcke (Kiapa) von oft bedeutender Grösse.
Sie schleppen darin die Erzeugnisse der Plantagen, Feuerholz, Wasser in Töpfen (Hodu),
Kinder, ganz in der Weise, wie dies in Neu-Britannien geschieht (I, Seite 102). Wie
bedeutend der Einfluss dieses beschwerlichen Geschäftes unbeschadet der Gesundheit
sein kann, zeigt der Abguss einer alten Motufrau meiner Sammlung von Völkertypen
iNr. 164), an deren Vorderkopf man deutlich den Eindruck des Tragbandes fühlen kann.
Die Männer bedienen sich meist kleinerer Tragbeutel (671, Seite 326) welche auf
der Schulter getragen werden, indem der eine Arm durch das Tragband gesteckt wird.
Besondere Verzierungen und Schmuck der Tragbeutel sind mir an dieser Küste
Neu-Guineas nicht vorgekommen.
Das Material zu den Strickarbeiten ist :
Aaaalen des L k. oaturhistorischen Hofmuseumsi Bd. III, Heft 4, 1HK8. 24
320 Dr. O. Finsch. [112"
Lakv^a (Nr. 140, i Probe), d. h. die durch Klopfen zubereitete Faser einer auf
der Erde rankenden, grossblättrigen Schlingpflanze, derselben, welche überall in Neu-
Guinea und dem Bismarck-Archipel (vergl. I, Seite 107) als Hauptmaterial benutzt wird.
Aus diesem Material bereitet man :
Lakwa (Nr. 145, i Probe), Bindfaden, indem die fein gespaltene Faser, mit
Speichel angefeuchtet, auf dem Schenkel gedreht wird, ganz in ähnlicher Weise, als wie
dies die Samojeden und Ostiaken mit Renthiersehne auf der Backe thun.
Sowohl Männer als Weiber sind geschickt in der Anfertigung des Bindfadens, wie
Strickarbeiten, zu denen man sich einer Art Filetnadel, Diwdy ähnlich der unseren be-
dient, sowie des:
Geborre (Nr. 162, 2 Stück), Maschenmass. Port Moresby. Dieses Geräth besteht
aus schmalen, flachen Stücken Schildpatt (Geborre) von verschiedener Grösse (6 bis
1 1 Cm. lang, 25 Mm. bis 4 Cm. breit), welche die Weite der Maschen bestimmen.
Die folgenden Nummern zeigen das fertige Fabrikat in den beiden gebräuch-
lichsten Formen:
Kiapa (Nr. 672, i Stück), Tragbeutel der Frauen (49 Cm. breit, 29 Cm. hoch)
in hübschem Grecmuster. Port Moresby.
Waiina (Nr. 671, i Stück), Tragbeutel der Männer; wie vorher, aber kleiner,
buntgemustert. Port Moresby.
Genussmittel sind dieselben als im Bismarck-Archipel (I, Seite 102) und auch
hier ist Betel, die Frucht einer Arecapalme, das beliebteste, und zwar für beide Ge-
schlechter. Diese schöne Palme zeitigt grosse, traubenförmige Bündel einer grünlichen
oder gelben Frucht von der Grösse einer Mirabelle, welche in einer faserigen Hülle
einen muscatnussgrossen Kern, die eigentliche Betelnuss, enthält. Zum Aufbrechen der
äusseren Hülle bedient man sich eines kurzen Knochenmeissels(Pj/co, Seite 323), welchen
jeder Mann in seinem Tragbeutel mit sich führt. Die Betelnuss hat einen säuerlichen
Geschmack, wirkt zusammenziehend auf das Zahnfleisch und wird mit pulverisirtem,
aus Corallen gebranntem Kalk (Ahu) und Blättern oder Früchten einer rankenden
Pfefferpflanze zusammen gegessen. Betel wirkt erfrischend, aber in keiner Weise be-
täubend oder berauschend. Betel färbt Lippen, Zunge und Zähne, sowie den Speichel
roth, bei längerem Gebrauch, ohne Reinigung, die Zähne braun bis schwarz. In Port
Moresby wo die Betelpalme nur in beschränkter Zahl wächst, sind Betelnüsse ein be-
liebter Tauschartikel, der namentlich mit der Sagoflotte aus dem Westen (Motumotu)
angebracht wird. Betel gilt hier, wie überall, auch als Friedens- und Freundschafts-
zeichen.
Zum Betelgenuss bedarf man in Neu-Guinea gewisser Requisiten, nämlich eines
Behälters zum Aufbewahren des Kalkes und sogenannter Kalklöffel. Letztere haben
keine Aehnlichkeit mit Löffeln, sondern sind vielmehr lange, spateiförmige Instrumente
aus Holz oder Bein, deren meist etwas abgeflachte Spitze, im Munde angefeuchtet, in
den Kalk gesteckt und dann abgeleckt wird. Beide Arten Geräthschaften werden in
gewissen Gebieten Neu-Guineas reich verziert, und wir werden kunstvoll geschnitzte
Kalkspatel von der Ostspitze kennen lernen. Von hier aus gelangen solche Spatel zu-
weilen bis Port Moresby, wo sie sehr gesucht sind, da die Motu wenig Kunstfleiss be-
sitzen und sich mit geringeren Erzeugnissen begnügen, wie sie die Sammlung in den
folgenden Nummern zeigt :
Ahu (Nr. 8g8, i Stück), Kalkcalebasse aus Flaschenkürbis. Port Moresby. (Taf.XIX
[11], Fig. 2); das dunkle Muster ist eingebrannt. Als Spatel dient ein 19 Cm. langes,
fi i31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 327
dünnes, rundes Stöckchen von Palmholz mit einigen roh eingeschnittenen Absätzen am
Basistheile.
Eni (Nr. 917, i Stück), Kalkspatel, aus einem 19 Cm. langen schmalen Stück
Knochen. Port Moresby.
Eni (Nr. 918), wie vorher, 21 Cm. lang, am Ende etwas geschnitzt. Port Moresby.
Nächst dem Betel bildet Tabak (Kuku) bei Männern wie Frauen, Alt und Jung
ein fast unentbehrliches Genussmittel. Die Tabakspflanze ist ohne Zweifel auch an dieser
Küste Neu-Guineas eigenthUmlich, und ihre Cultur wurde längst vor Ankunft der Euro-
paer in der Weise betrieben, wie ich dies noch bei den Koiäri im Innern und ander-
wärts an der Küste sah. An den Missionsstationen hat sich bereits amerikanischer
Stangentabak (I, Seite 102) eingeführt und ist im Verkehr das beliebteste Tauschmittel
geworden, ja hat an manchen Orten, wie z. B. Port Moresby, den eingebornen Tabak
gänzlich verdrängt. Dagegen haben sich europäische Tabakspfeifen keinen Eingang
verschafit, sondern man bedient sich allgemein des :
Baubau (Nr. 980, i Stück), Rauchgeräth, bestehend aus einer 1*4 M. langen
Röhre aus Bambu, an der einen Seite offen, an der anderen vor dem Ende mit einem
kleinen Loche; mit eingebranntem und eingravirtem Muster. Maiva-District.
Dieses eigenthümliche Rauchgeräth ist an der ganzen Südostküste Neu-Guineas,
von Torres-Strasse bis Ost-Cap, gebräuchlich und für dieses Gebiet charakteristisch.
Der Gebrauch ist folgender : Der in eine kleine Düte aus Baumblatt gestopfte, grob zer-
pflückte Tabak wird in die kleine Oeffnung des Baubau eingesetzt und nun mit dem
Munde am breiten, offenen Ende gesogen, bis die Röhre voll Rauch ist. Dann nimmt
man das Dütchen heraus, hält die Endöffnungen zu und saugt aus dem kleinen Loche
den Rauch ein. Jeder nimmt ein paar Züge und gibt den Baubau seinem Nachbar,
worauf das Vollsaugen der Röhre aufs Neue beginnt. Diese Rauchmethode hat eine
ausserordentlich starke Wirkung, wird trotzdem aber schon von Kindern leidenschaftlich
geübt. Die schönsten Baubau kommen aus Fr esh water- Bai und sii\d durch ihre reichen
Verzierungen in zierlichen eingebrannten oder eingeritzten Mustern oft beachtenswerthe
Producte papuanischen Kunstfleisses.
Werkzeuge. Mit Ausnahme von Port Moresby, wo Steinäxte bereits gänzlich ab-
gekommen und durch eiserne verdrängt wurden, hat die Steinaxt in diesem Theile
Neu-Guineas noch ihr altes Recht behalten, ja wird an gewissen Plätzen theilweise noch
gebraucht, wo man bereits eiserne Werkzeuge reichlich besitzt.
Die Steinklingen stimmen mit solchen aus Neu-Britannien (Taf. 2, Fig. 1,2) überein,
wie die der folgenden Reihe :
Ira {IIa, Nr. 9, 8 Stück), Steinklingen in verschiedenen Grössen (9 — 13 Cm.
lang und 4* 3 — 10 Cm. breit) von Port Moresby.
Ira (Nr. 11, 3 Stück) noch unfertige Steinklingen, um Material und Bearbeitung
zu zeigen. Port Moresby.
Eine schmälere (bis circa 3 Cm. breite) Sorte Steinklingen, die übrigens ganz so
wie die grossen geschaftet wird, heisst :
Godi (Nr. 1 1, 3 Stück), Steinmeissel (Taf. XX [12], Fig. 3). Port Moresby.
Mit diesen kleinen Steinäxten werden feinere Arbeiten ausgeführt. Aber Ira und
CoJf gehen so ineinander über, dass die Eingeborenen häufig selbst beide Formen nicht
zu unterscheiden wissen.
Fertige Steinäxte zeigen die folgenden Nummern :
Ira (Nr. iSa, i33, 2 Stück), Steinäxte gewöhnlicher Sorte, von Redscar-Bai (etwas
westlich von Port Moresby). Schon diese gewöhnlichen Aexte zeichnen sich gegenüber
24*
328
Dr. O. Fin»ch.
["4]
den in Neu-Britannien gebräuchlichen (Taf. IV [2], Fig. 3) durch sorgfältigere Schäftung
aus, die zuweilen zu einer sehr kunsrvollen wird, wie in der folgenden Nummer :
Ira (Nr. i3i, 1 Stück), Steinaxt schwerster Sorte mit Holzstiel, von Kapakapa bei
Round-head, nahe Port Moresby. Der hölzerne Stiel (a) (vergl. Fig. 35), Harara, ist
aus einem passenden knieTörmigen AststUck hergestellt und an dieses die Steinklinge
(b) mittelst eines feinen GeHechtes (Ijxha) von gespaltenem Rotang (c) befestigt. \\"k
bei den meisten Steinäxten steht die Schürfe der Klinge quer zum Stiel, also ganz wie
bei den Aexten der SchilTs-
zimmerleute. Es gibt Stein-
äxte in den verschiedensten
Grössen und Dicken, darunter
so schwere, dass sie mit bei-
den Händen geführt werden
müssen.
Eine besondere Art Stein-
axt heisst in Hood-Bai:
Lachela{Nr.i3o,i Stück).
Steinaxt mit drehbarer Klinge
von Keräpuno in Hood-Bai.
Diese Art Steinäxte finden
sich nur in dem genannten
Districte und üorfe, das sich vorzugsweise mit Canubau beschäftigt. Ich selbst sah hier
noch 1882 Eingeborene mit diesen Steinäxten zimmern, obwohl sie gute amerikanische
eiserne Aexte neben sich liegen hatten. Die in einem besonderen EinsatzstUck {vergl.
Fig. 36, b) befestigte Steinklinge (e) ist nämlich drehbar und kann in verschiedener
Richtung verstellt werden,
^'^■^^- was namenüich beim Aus-
höhlen der Canu sich als sehr
praktisch erweist.
Die charakteristische Eigen -
thümlichkeit dieser Art Stein-
äxte flndet sich an gewissen
Localitäten der Nordostküste
wieder (vergl. Nr. 124 von
Finschhafen), was von hohem
Interesse ist.
Die Keräpunoleute besitzen
auch Steinäxte der gewöhn-
lichen Form (wie Nr. i32),
welche hier ^Kanapi' hcissen. Die Arbeit mit Steinäxten geht viel flotter, als man
glauben sollte. Aexte mit halbcirkelförmigcn Klingen von Terebra und Mitra (vergl. '<
Seite ]36) habe ich in diesem Theile Neu-Guineas nicht gesehen, wie Überhaupt keine
Muschelklingen.
Dagegen Bndet sich ein anderes eigenthUmlichcs Werkzeug :
Ibudu (Nr. 35, 1 Stück), Drillbohrer mit Feuerstein spitze. Port Moresby. Wird
mittelst des Querholzes in eine quirlende Bewegung gesetzt und zum Bohren kleiner
Löcher benutzt. Für gewöhnlich bedient man sich zum Bohren auch spitzer Muschel-
Luc heia. Steinaxt V
[i i3l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 32Q
stucke, wie z. B. der Arme von Pteroceras-MuschdUy doch kommt Bohren im Ganzen
wenig in Anwendung.
Ein weit verbreitetes Werkzeug ist die :
Iri (Nr. 38, i Stück), Raspel, aus einem Stückchen Bambu mit Rochenhaut über-
zogen. Port Moresby. Mit solchen Raspeln, die in Port Moresby übrigens mehr und
mehr abkommen und durch Glasscherben Ersatz finden, werden die feineren, mit Stein-
und Muschelsplittern angefertigten Arbeiten, namentlich Schnitzereien und Gravirungen
geglättet.
Dinika (Nr. 42, 4 Stück), Pfriemen aus Känguruknochen. Port Moresby. Dienen
bei Flechtarbeiten zum Löcherstechen und werden auch als Gabel benutzt, um festere
Speisen (Fleisch) aus dem Topfe zu holen.
WafTen und Wehr. Feuerwaffen sind bis jetzt an dieser Küste, wie in Neu-Guinea
überhaupt, nicht in Gebrauch bei den Eingeborenen, die, im Gegensatz zu den Neu-
Briianniern von Blanche-Bai, sich noch vor Gewehren und deren Knalle fürchten. Der
Grund für diese erfreulichen Verhältnisse liegt darin, das ausser gelegentlichen Tripang-
Hschern keine Händler an dieser Küste dauernd Fuss fassten, sondern nur die Mission.
Und diese hat natürlich Alles gethan, um den Verkauf von Waffen zu verhindern, wie
sie selbst niemals mit solchen den Eingeborenen strafend gegenübertrat. Im Vergleich
mit dem blutigen Vergeltungskriege der Wesleyanischen Mission in Neu -Britannien
(1880) verdient diese echt christliche Handlungsweise der Londoner Gesellschaft ehren-
volle Anerkennung.
Die gebräuchlichste und allgemein verbreitete Waffe ist, wie fast überall, der Wurf-
speer, wozu in gewissen Gebieten noch Bogen und Pfeil kommen. Schleuder und Stein
\ I, Seite I o5) sind mir in diesem Gebiet, wie in Neu-Guinea überhaupt nicht vorgekommen.
a, Geschosse:
I-o (Nr. 716, I Stück), Wurfspeer von Palmholz (255 Cm. lang), glatt, am Fuss-
ende sehr schmal, gewöhnliche Form. Port Moresby.
I-o (Nr. 717, 1 Stück), desgl., mit fünf Kerbsägezähnen an der Spitzenkante; daher
I-o (Nr. 7 1 8, I Stück), desgl., mit acht Kerbzähnen. Port Moresby.
I-o (Nr. 719, I Stück), desgl. (267 Cm. lang), mit zahlreicheren, ganz verschie-
vlcnen Zahnkerben an der einen Seite des kantigen Spitzentheiles, vor der Spitze ein
Ring aus Merischenhaar. Port Moresby.
I-o (Nr. 720, I Stück), desgl. (267 Cm. lang), mit neun Doppelreihen Kerbzähnen
an jeder Kante des an einer Seite abgeflachten Spitzentheiles. Kaire.
I-o (Nr. 721, 722, 2 Stück), schwere Wurfspeere (253 und 257 Cm. lang), mit
Jrei, respective fünf Kerbzähnen an der einen Kante der Spitze. Kaire.
I-o (Nr. 723, I Stück), sehr schwerer und langer Wurfspeer (3o6 Cm. lang), mit
Kerbzähnen wie vorher. Kaire.
Die vorliegende Reihe repräsentirt die hauptsächlichsten Formen dieser Waffe,
wie sie nicht nur bei den Motu, sondern überhaupt an dieser Küste gebräuchlich ist.
Die Verzierung des Spitzentheils mit Säge- und Kerbzähnen (nicht eigentlichen Wider-
haken) ist sehr verschieden und dient mehr der Ausschmückung als praktischen Zwecken.
Charakteristisch für diese Verzierung scheint, dass der seitlich etwas abgeflachte, daher
euvas kantige Spitzentheil meist nur an der einen Kante mit Säge- oder Kerbzähnen
versehen ist. Zuweilen ist eine Seite der Spitze abgeflacht (wie Nr. 720), der Spitzen-
iheil erscheint daher etwas dreikantig. Diese Speere werden mit dem Arm geworfen
und bilden für die Motu, wie die meisten Bewohner des Innern wie der Küste, die
33o Dr. O. Finsch. [' '6]
gebräuchlichste und fast einzige Waffe. Sie dient vorzugsweise beim Kampf, aber auch
bei der Jagd auf Känguru und Wildschweine.
Bogen und Pfeil sind keine allgemein üblichen Waffen und wie überall in Mela-
nesien auf gewisse, oft engbegrenzte Gebiete beschränkt. An der Südostküste findet
sich diese Art Geschosse nur im Westen, von Maiva an längs den Küsten von Fresh-
water-Bai und des Papua-Golfes, woher sie von den Motu eingetauscht wird, die mit
dieser Waffe nur schlecht umzugehen verstehen. Die Bewohner des Innern, wie die
Stämme östlich von Port Moresby, sind unbekannt mit Pfeil und Bogen.
Päwa (Nr. 789, i Stück), Bogen (188 Cm. lang) aus dem Holz der ßetelpalme
(Boatau) mit Sehne (Maura) aus einem circa i Cm. breiten Streifen aus gespaltenem
Rotang. Eläma-District; hier »i4/?o< genannt, bei den Maiva »//owmc Die kürzesten
Bogen, welche ich mass, hatten r6o M. Länge, die längsten massen über 2*3o M.
Diba (Nr. 790 — 795, 6 Stück), Pfeile aus Rohr, das Spitzendrittel aus Hartholz
mit verschiedenartigen, meist seichten Einkerbungen. Eläma; bei den Maiva »P^Ari«,
bei den Motumotu i^ Parität genannt.
Die Bewohner von Freshwater-Bai, namentlich die Motumotu, sind sehr geschickte
Bogenschützen und bedienen sich dieser W^affe meist beim Kampfe. Die Länge der
Pfeile variirt von circa i — i^j M-> wovon circa ein Drittel auf den hölzernen Spitzen-
theil kommt. Die Pfeile sind gewöhnlich glatt, ohne besonderen Schmuck. Häufig ist
die Spitze schwarz oder roth bemalt, zuweilen mit eingravirten einfachen Mustern ver-
ziert. Pfeile mit tief eingeschnittenen Kerbzähnen, oft nur an einer Kante, die also
eigentliche Widerhaken bilden, sind im Ganzen selten, die Pfeile daher weit minder
gefährlich als die der Salomons-Inseln (vergl. I, Seite 149) und in gewissen Gebieten
der Nordküste Neu-Guineas (vergl. Nr. 821).
Eine besondere Art Pfeil zeigt die folgende Nummer:
Matanika-Diba (Nr. 796, i Stück), Pfeil (i5i Cm. lang) von dünnem Rohr, mit
27 Cm. langer und circa 3 Cm. breiter, lanzettförmiger, sehr scharfrandiger Spitze aus
Bambu. Eläma. ^KairU der Motumotu.
Diese Art Pfeile, welche sich überall in Neu-Guinea wiederfindet, soll hauptsäch-
lich zur Jagd von Känguru benützt werden. Der rothe Farbanstrich dient hauptsäch-
lich dazu, das Auffinden der verschossenen Pfeile zu erleichtern. Auch diese Art Pfeile
gelangt häufig durch Tausch aus dem Westen nach Port Moresby.
Im äussersten Westen an den Mündungen des Fly und anderer Flüsse werden
die Bogen nicht aus Holz, sondern aus Bambu verfertigt; die Sehne ebenfalls aus ge-
spaltenem Rotang. Solche Bogen finden ihren Weg durch Tausch bis auf die Inseln
der Torresstrasse. Die Pfeile zu diesen Bogen weichen in nichts ab, wie die folgende
Nummer zeigt:
Pfeil (Nr. 797, I Stück) aus Rohr mit glatter Spitze aus gehärtetem Holz. Insel
Saibai.
Diese Pfeile gewinnen dadurch ein besonderes Interesse, dass sie vergiftet sein
sollen, aber weder in diesem Gebiet, wie in ganz Melanesien überhaupt konnte bisher
Pfoilgift oder überhaupt Vergiften der Pfeile auf zuverlässiger wissenschaftlicher
Grundlage nachgewiesen werden. Das Vergiften soll in der Weise geschehen, dass man
die Pfeilspitzen in einen verwesenden Leichnam steckt; das Gift selbst wäre also
Leichengift. So wird von verschiedenen Seiten, z. B. dem Missionär Mac Farlane,
behauptet, aber Niemand hat das Vergiften selbst gesehen. Die Eingeborenen von Saibai
erzählten mir die gleiche Geschichte und warnten mich sehr vor den gefährlichen
Spitzen dieser Pfeile, die sie selbst mit Scheu betrachteten. Die Saibaileute stehen im
f] i-r1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. 33 1
Tauschverkehr mit den Eingeboreaen der Küste, besonders denen an der Mündung
des Katauflusses, von denen sie auch Pfeil und Bogen erhalten. Die Männer des Mavvat-
stammes am Katau tauschen diese Waffen aber wiederum von den Bewohnern weiter
im Innern ein, und diese sollen es nun sein, welche das Vergiften der Pfeile besorgen,
Jas bei genauer Nachfrage keiner der Saibaimänner mit eigenen Augen gesehen hatte.
Bekanntlich wird das Vergiften der Pfeile für die Neu-Hebriden allgemein als
zweifellos angenommen, und der betrauernswerthe Fall von Commodore Goodenough
als Beweis angeführt. Sicher ist, dass der Genannte in Folge eines Pfeilschusses an
Tetanus starb, aber es wurde nicht ausgemacht, ob dieser Pfeil vergiftet war. Ich erhielt
in Mioko von einem direct aus den Neu-Hebriden kommenden Schiffe Pfeile, deren
Spitze mit irgend einem Stoffe, im Aussehen wie getrocknetes Blut, beschmiert war und
der, wie mir versichert wurde, tödtliches Gift sein sollte. Experimente mit diesem Gifte
ergaben das Gegentheil. Der Giftstoff wurde sorgfältig abgekratzt und Hühnern ein-
l^eiinpft, welche keinerlei Symptome zeigten und sich nach der Operation ebenso wohl
befanden als vor derselben.
Ganz ebenso erwies sich ein anderes Gift einer Pflanze, ^Tuha^ genannt, vor dem
man mich in Port Moresby Seitens der weissen Missionäre warnte. Nach deren Aus-
sagen sollten die Eingeborenen die Bereitung dieses Giftes in raffinirter Weise, um
schnell oder langsam zu tödten, verstehen und sogar eingeborene Lehrer (Teacher)
damit vergiftet haben. Ich liess das Gift von den Eingeborenen unter meiner Aufsicht
bereiten und experimentirte damit an Hunden, bei denen es keine andere Wirkung als
Erbrechen hervorbrachte.
Ein nothwendiges Requisit (\ts Bogenschützen ist das folgende:
Aukorro (Nr. 38o, i Stück), breite Handmanschette, aus gespaltenem Rotang
j;criochten. Maiva. Wird am Fesselgelenk der linken Hand getragen zum Schutz gegen
den Rückschlag der scharfen Bogensehne.
b. Schlag- und Hauwaffen. (Keulen).
Karevira (Nr. 754, i Stück), schwere, i85 Cm. lange, flache Keule aus Palmholz.
Port Moresby
Diese Art lattenförmiger, schwerer Keulen, bis über 2 M. lang, sind besonders bei
den Motu gebräuchlich.
Karevtra (Nr. 752, i Stück), 1 32 Cm. lange, flache Holzkeule, unten verbreitert, mit
rundlichem Stiel und etwas eingravirtem Muster verziert. Kaire.
Diese Art Keulen, bei den Motumotu »Poht:[i<i genannt, repräsentiren die ge-
wöhnlichste Form, welche sich überall ähnlich wiederfindet. Die eingravirten Ver-
zierungen sind selten reich und bewegen sich meist in sehr einfachen Mustern.
Zu den hervorragendsten Waffen in diesem Theile Neu-Guineas gehören die mit
durchbohrtem Steinknauf bewehrten Keulen, welche nur in den Palau (I, Seite 106,
Taf. 2, Fig. 5, 6) im Gebiete von Blanche-Bai in Neu-Britannien in ähnlicher Weise sich
wiederholen. Diese in der Form verschiedenen und eigenthümlichen Steinkeulen, die
Ott sehr kunstvoll ausgearbeitet und bis 12 Cm. lang durchbohrt sind, finden sich haupt-
sachlich im Westen (Freshwater-Bai). Sie sollen hier von den Küstenbewohnern selbst
angefertigt werden, da diese keinen Verkehr mit denen des Innern haben. In Port
Moresby und der Nachbarschaft macht man keine Steinkeulen, sondern tauscht sie von
den Bergbewohnern des Innern, in der Richtung des Owen-Stanley und des Astrolabe-
Gebirges, hauptsächlich dem Stamme der Koiäri, ein. Ausser den im Nachfolgenden
t>€schriebenen Formen gibt es noch solche in Triangelform und in Gestalt von fünf-
332 Dr. O. Finsch. [x,8]
bis achtarmigen Sternen, die zuweilen mit bewundernswerther Accuratesse gearbeitet
und wohl das Schönste von Steingeräthen der Steinzeit sind.
Das Bohrloch dieser Keulen wird sicher nicht mittelst Tropfen von Wasser auf
den glühend gemachten Stein (vergl. I, Seite io6), sondern durch Klopfen, und zwar
in der Weise hergestellt, dass man, nachdem die äussere Form im Rohen hergestellt ist,
an beiden Seiten beginnt. Man bedient sich dazu eines Steines, der härter ist als der
Stein, aus welchem die Keule gemacht wird. Wie Fig. 8, a, Taf. XX [12] zeigt, ist das
Bohrloch oben weiter und verjüngt sich konisch nach der Mitte zu. Die innere Fläche
dt^ Bohrloches wird dann mittelst Schleifen geglättet, durch letzteres auch die äussere
Form hergestellt, eine Arbeit, die ungeheure Geduld und viel Zeit erfordert.
Die Verbreitung dieser bewundernswerthen Waffen, die in Port Moresby nicht
mehr vorkommen und bald ganz verschwunden sein werden, scheint sich östlich kaum
weiter als Keppel-Bai zu erstrecken. Anderwärts habe ich Steinkeulen nirgends in Neu-
Guinea angetroffen.
Gahi (Nr. 757, i Stück), Steinkeule (Taf. XX [12], Fig. 6) vom Astrolabe-Gebirge.
Ein circa 70 Cm. langer Stock, an dem eine flache, runde, scharfkantige Steinscheibc
(? Basalt) von 14 Cm. Durchmesser und 16 Mm. Dicke (Fig. 6, a) befestigt ist. Gewicht
55o Gramm. Diese Form ist, weil am leichtesten anzufertigen, die häufigste. Gewöhn-
lich beträgt der Durchmesser 10 Cm., die grösste von mir gemessene hatte i8 Cm.
Diameter.
Gahi (Nr. 758, i Stück), Steiniteule (Taf. XX [12], Fig. 7), Inneres von Port
Moresby, mit 5 Cm. tief durchbohrtem Stein (? Basalt) in Form eines vierarmigen
Morgensternes. Gewicht 460 Gramm. Der Stock ist am oberen Ende mit Federbüschel
(gelbe Kakatuhauben federn und rothe f'c/ecfw^-Schwanzfedern) verziert, wie dies häufig
geschieht. Diese Form ist weit seltener als die vorhergehende und findet sich bei den
Bergvölkern im Innern von Port Moresby.
Gahi (Nr. 759, i Stück), Steinkeule (Taf. XX [12], Fig. 8) von Keräma in Fresh-
water-Bai, in der für dieses Gebiet charakteristischen Form des Steinknaufs, der zehn
vierreihig übereinanderstehende, gerundete Buckel zählt und dadurch in der Gestalt an
gewisse Seeigel erinnert (Gewicht 600 Gramm). Das Bohrloch hat eine Tiefe von circa
7 Cm. und ist (Fig. 8, a) in der Mitte verengt. Das Material ist anscheinend ein grober
Basalt.
Gahi (Nr. 756, i Stück), Steinkeule (Taf. XX [12], Fig. 9) vom Astrolabe-Gebirge,
mit kugelförmigem, glatten Steinknauf, der bei einem Querdurchmesser von 8'/2 Cm.
in der Längsachse circa 7 Cm. (Fig. 9 bis a) durchbohrt ist (Gewicht 65o Gramm). An
der einen Seite ist, wahrscheinlich in Folge von Aufschlagen auf einen Stein, ein Stück
ausgesprungen, welches unebene Bruchfläche zeigt. Das Material ist von den vorigen
verschieden und ein gemengtes Gestein, das an Granit erinnert und der näheren Unter-
suchung werth scheint. Der Stock, an welchen dieser Knauf gesteckt ist, hat eine Länge
von circa i'25 Cm. Diese Form, welche am meisten mit den Palau von Neu-Britan-
nien (1, Seite 106) übereinstimmt, ist äusserst selten, und es sind mir nur wenige Stücke
vorgekommen. Die Sammlungen in der Colonial-Exhibition in London (1886) ent-
hielten nur ein derartiges Stück.
c, Stichhandwaffen sind mir an dieser Küste nur aus dem Gebiete von Fresh-
water-Bai bekannt, und zwar Dolche aus Kasuarknochen, bei den Motumotu *Haurai<
genannt. Sie stimmen ganz mit solchen von der Nordküste (vergl. Nr. 787 vom Sechs-
strohfluss) überein, sind aber glatt, ohne eingravirte Muster.
Tiiq] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 333
l Wehr (Schilde).
Käs (Nr. 834, i Stück), Schild aus Holz (Taf. XXIV [i6], Fig. 6), mit feingespal-
tenem Rotang überflochten und reichem Federnschmuck (hauptsächlich aus rothen
Federn des Weibchens von Eclectus polychlorus), Keräpuno in Hood-Bai; hier i^Geh*
genannt.
Diese schon in der Form eigenthümlichen Schilde sind nur von Hood- bis Keppel-
Bai verbreitet und für dieses Gebiet charakteristisch. Die feine Umstrickung mit Rotang-
gertecht dient hauptsächlich zur grösseren Haltbarkeit, da das weiche Holz sonst sehr
leicht durch einen kräftigen Speer zerschmettert wird.
Eine andere Form zeigt die folgende Nummer:
Käs (Nr. 835, i Stück) (Schild, Taf. XXIV [i6], Fig. 4), ganz aus Holz, mit
reichem, vertieft gearbeitetem Muster, das mit weisser, schwarzer und rother Farbe
;iusgeschmiert ist. Kerräma in Freshwater-Bai ; hier »Lana* genannt.
Diese Art Schilde sind für den Westen (Maiva- und Eläma-Districte) eigenthümlich
und namentlich durch die sehr verschiedene, äusserst schwungvolle, vertiefte Schnitz-
arbeit ausgezeichnet, welche mit zu den besten mit Stein- und Muschelwerkzeugen ver-
tcrtigten Kunstarbeiten zählt. Der rechtwinklige Ausschnitt am oberen Rande wird
für die Form dieser Schilde charakteristisch und ist für den linken Arm freigelassen,
Ja der Schild an dem an der Rückseite befestigten Bande (Fig. 4 a) über die linke
Schulter getragen wird.
e. Besondere Waffen.
Ein sehr eigenthümliches und in seiner Art einzig dastehendes Kriegsgeräth
ist der:
Kora (Nr. 828, 829, 2 Stück), Menschenfänger, bestehend aus einem langen Stock,
der in eine Spitze ausläuft und in einen weiten Ring aus Bambu gebogen endet (vergl.
viic gute Abbildung, Fig. 4, in der unter Nr. 5 citirten Abhandlung, Seite 295). Hula,
Hood-Bai.
Dieses merkwürdige Geräth ist nur im Hood- Bai -District und dessen Nachbar-
schaft üblich und dafür eigenthümlich, soll sich aber auch im Westen (Fresh water-Bai)
finden, wo es bei den Motumotu *Ssäwape<^ heisst. Der Kora wird dem fliehenden
Feinde über den Kopf geworfen, der durch den Stachel zum Stillstehen gebracht, viel-
leicht getödtet wird. Aber kein Weisser hat wohl je dieses Geräth wirklich in Anwen-
dung gesehen, und Bilder wie die aufregende Scene bei Chalmers (»Work and adven-
lures in New Guinea«, Titelbild) sind eben nichts als Darstellungen irgend eines Zeich-
ners, der »Life in New Guinea« nur nach seiner Phantasie kennt. *)
Jagd kommt nur untergeordnet und für gewisse Zeiten in Betracht und wird
Hauptsächlich von den Bergbewohnern des Innern, den Koiäri betrieben; eigentliche
Jägerstämme fehlen. Pfeil und Bogen werden zur Jagd kaum benutzt, noch eher der
Speer zur Erlegung von Wildschweinen (Boroma) und Kängurus (Makani)y welche
nebst Casuaren (Gockgock) die hervorragendsten jagdbaren Thiere bilden. Zur Zeit,
wenn das dürre Gras angezündet wird, finden systematische Jagden, Treibjagden, statt,
bei denen man sich grosser Stellnetze, » Waro<y bedient, in welche das Wild getrieben
und hier mit Speeren und Keulen getödtet wird. Es kommt hierbei noch ein beson-
deres Jagdgeräth in Anwendung:
*) Die sonderbaren Schamschürzen dieser Krieger beweisen dies allein schon.
334 Dr. O. Kinsch, [l2o]
Ora (Nr. 83o, i Stück), Schweinefänger, bestehend in einem länglichrunden Reif
aus Barabu, der mit einem Netz aus dicken Stricken überzogen ist, ähnlich einem grossen
Fänger beim Federballspiel. Keräpuno in Hood-Bai.
Dieses Geräth wird dem im Stellnetz gefangenen oder mit Speeren verwundeten
Wildschwein über den Kopf geworfen, damit es sich im Netz verwickelt und somit am
Beissen verhindert ist. Man benützt es auch zum Fange der gezähmten Schweine, indem
man eine solche Ora über dasselbe wirft, wodurch es sich in dem Netzwerk verwickelt
und so zum Fall kommt. Im Gebiet von Port Morc'sby sind die Koitapu eifrige Jäger
und geschickt im Aufspüren kleinen Wildes, wie Beuteldachse (Perameles)^ Cuscus
(Phalangista)y des »Migu« (Echidna Lawesi) u. A., die als grosse Leckerbissen gelten.
Die Motu bekümmern sich weniger um die Jagd der genannten Thiere, da sie ohnehin
reichlich Schweine züchten, betreiben dagegen dtn ¥ds\g des »Ruioder Lui« (Halicore
australis), eines grossen Meeressäugethieres, mit Vorliebe. Sie stellen dazu kolossale
Netze aus dickem Tauwerk im Meere auf, die schon unter Beobachtung gewisser Tabu-
formen gestrickt werden, wie später solche beim Fange selbst herrschen.
Fallenstellen ist unbekannt, aber die Bewohner des Innern wissen Paradiesvögel')
(Paradisea Raggiana) in Schlingen zu berücken. Während der Fortpflanzungszeit
pflegen sich nämlich die männlichen Paradiesvögel auf gewisse Bäume zu versammeln
und auf besonderen kahlen Aesten derselben ihre Balztänze aufzuführen. Auf diese
Aeste legen dann die Eingeborenen Schlingen, in welche sich die Vögel mit den
Füssen fangen.
Fischerei wird überall von den Küstenstämmen lebhaft betrieben, und zwar vor-
zugsweise mit Netzen, wie die folgenden:
Räke (Nr. 166, 167, 2 Stück), Fischnetze kleinerer Sorte, mit Schwimmern (Uhto)
aus leichtem Holz oder Baummark und Senkern (Kiri) von durchbohrten Muscheln
(meist Area), Port Moresby.
Das Stricken der Netze geschieht in derselben Weise als bei uns und ist aus-
schliessend Arbeit der Männer, die dabei, wo es sich um besonders grosse Netze, wie
z. B. zum Fange des Dugong handelt, unter gewissem Tabu stehen, unter Anderem
während der Zeit nicht sprechen dürfen.
In einigen Gegenden, wie z. B. in Hood- und Keppel-Bai, hat sich die Fischerei
zu einem Gewerbe ausgebildet, das von gewissen Dörfern ausschliessend betrieben
wird, welche die Nachbardörfer täglich mit frischen wie geräucherten Fischen versorgen.
Als eine Art Gewerkzeichen oder zur Erinnerung an einen besonders reichen
Fischfang findet man zuweilen an den Häusern getrocknete Schwänze grosser Fische
als Zierat aufgehängt, wie:
Dahudahu (Nr. 174, 1 Stück), Makrclenschwanz. Port Moresby.
Ein besonderes Fischereigeräth ist der
Uhto (Nr. 173, I Stück), Holzschwimmer mit Schlinge. Port Moresby.
An einem circa i M. langen Stock aus leichtem Holz ist eine 3 — 4 M. lange
Schnur befestigt, welche in eine nicht zusammenziehbare Doppelschleife endet und mit
einem Senker aus Muschel beschwert ist. In jeder Schlinge wird ein kleiner lebender
Fisch als Köder angebracht. Indem nun ein grosser Fisch nach dem kleinen schnappt.
») Nach Ch ahn er 8 (»Work and adventure in New Guinea«, Seite 246) werden von den Einge-
borenen des Binnenlandes Paradiesvögel auch mit Pfeilen geschossen. Aber diese Notiz scheint schon
deshalb mehr als zweifelhaft, weil die Binnenländer ja gar nicht Pfeil und Bogen besitzen. Das beige-
gebene Bild einer solchen Jagdscene ist wohl nichts Anderes als eine freie Bearbeitung desselben Sujets in
der Reise von Wallace (Titelbild zu Band 2), der diese Jagd (Seite 364) aber von den Aru-Inscln beschreibt.
[121] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 335
Weibt er mit den Kiemen in der Schleife hängen und wird so zur Beute. Ein Canu
führt etwa zehn solcher Uhto mit sich, die sorgfältig beaufsichtigt werden müssen, weil
der gefangene Fisch mit dem Uhto oft weit weggeht.
Fischkörbe und Fischhaken habe ich an dieser Küste nicht gesehen, sie kommen
aber im Westen vor. Eiserne Angelhaken sind daher ein sehr beliebter Tauschartikel.
Tintenfische, Krebse und eine Menge von Schalthieren, die meist zur Ebbe auf
dem Riff gesucht werden, darunter hauptsächlich Nerita, Natica, kleine Conus, sowie
Bivalven, sind sehr beliebt und bilden einen nicht unwesentlichen Theil der Nahrung.
Aale werden nicht gegessen.
CanitS. Schiffahrt ist bei den Motu, wie an der ganzen Küste lebhaft im Betriebe,
beschränkt sich aber meist auf Küsten fahrten innerhalb des Barrieriffs. Man baut
zweierlei Canus, kleinere: Vanaka und grosse: Lakatoi. Letztere sind oft an 5o Fuss
und mehr lang, führen ein bis zwei mächtige Segel (aus Nudu, Nr. 265, Seite 325) in
c-it^cnthümlicher Form, die an eine Hummerscheere erinnert, und mit ihnen werden die
regelmässigen Handelsfahrten (mehr als 1 00 Seemeilen weit) unternommen. Die grossen
Baumstämme zu den Lakatois, die zum Theile mit Hilfe von Feuer ausgehöhlt werden,
•commen aus Freshwater-Bai, da es in und um Port Moresby keine so grossen Bäume
gibt. Auch die Vanaka führen Segel (aus Mattengeflecht). Da sich die Canufahrten
meist innerhalb des Barrieriffs halten, so werden die Canus vorzugsweise durch Staken
mittelst langer Stangen fortbewegt. Ruder (Hodä) sind daher wenig in Gebrauch, von
Jer gewöhnlichen paddeiförmigen Form und, wie die Canus, ohne nennenswerthe
Verzierung in Schnitzarbeit. Für die grossen Canus dient ein besonders grosses, am
Ende breites (nicht spitzes) Paddel als Ruder, als Anker grosse, in Rotang eingebun-
dene Steine, wie Rotang als Tauwerk benutzt wird.
Im äussersten Westen, am Kataufluss und Saibai werden sehr schöne grosse
Canus verfertigt, die im Tausch bis auf die Inseln von Torresstrasse gelangen (vergl.
Seite 296).
E. Musik und Tan\.
Musik. Die Papuas dieser Küste, wie überhaupt in Neu -Guinea, sind minder
musikalisch als die Neu-Britannier und besitzen deshalb auch weniger Musik- oder
besser Spectakelinstrumente.
Wie überall in Melanesien ist die Trommel eines der gebräuchlichsten, in der
bekannten Form (vergl. XXI [i3], Fig. i) wie die folgenden zwei Stücke:
Gapa (Nr. 6o5, i Stück), Trommel von Port Moresby, aus einer 53 Cm. langen,
ausgehöhlten Holzröhre (i3 Cm. Durchmesser), mit flachkantigen Längsstreifen, die
undeutlich quergemustert sind; Henkel und Fuss mit etwas Schnitzerei; an der untern
Hälfte mit zwei erhabenen Längsleisten, durch welche einige Löcher gebohrt sind. Sie
dienen dazu, um SpondylusSz)\Q\hchtr\y Fransen von Pflanzenfaser und dergleichen
Zierat zu befestigen, sowie halbdurchschnittene Fruchtschalen ; letztere haben den Zweck,
um durch ihr Geklapper den Lärm zu verstärken. Wie stets ist nur eine Seite, und zwar
mit Eidechsenhaut (Monitor) bespannt.
Gapa (Nr. 604, i Stück), Trommel von Port Moresby, wie vorher, aber glatt, wie
dies meist der Fall ist.
Diese Art Trommeln werden in Port Moresby selbst nicht mehr gemacht und
gebraucht, da die Mission den Eingeborenen das Tanzen verboten hat. Sie werden aber
sonst allenthalben an der Küste wie im Innern benutzt, hauptsächlich zur Begleitung
336 Dr. O. Finsch. [122]
des einförmigen Gesanges bei den Tänzen, »Mauäru*, die hauptsächlich von den Männern
aufgeführt werden. Die Trommel wird mit der einen Hand am Henkel gehalten und
mit den vier Fingern der andern Hand geschlagen, wobei die Tänzer oft in den wil-
desten Sätzen umherspringen. Bei Kriegszügen, Krankheit, Ankunft von Canus, Fremden
u. s. w. ertönt die Gapa ebenfalls, ist also zum Theile auch Signalinstrument. Die grossen,
schweren Signaltrommeln, wie sie sonst in Neu-Guinea und dem Bismarck- Archipel
(Taf. III, Fig. 8, Seite 111) üblich sind, habe ich an dieser Küste nicht gesehen. Für
gewöhnlich sind die Tanztrommcln in diesem Theile der Südostküste wenig durch
Schnitzwerk verziert, was weiter im Westen (Fresh water-Bai) schon häufiger Anwendung
findet. Hier zeichnen sich die Trommeln, wie dies ausnahmsweise auch bei denen der
Motu vorkommt, durch zwei tiefe Ausschnitte an der untern Hälfte aus, die noch weiter
westlich, in Saibai, den Rachen eines Thierkopfes darstellen (vergl. die citirte Abhandlung
Nr. 5, Fig. 7) und die auch sonst mit mancherlei Schnitzerei wie Ausputz von Casuar-
federn verziert sind. Diese Trommeln werden am Kataufluss gemacht und finden, wie
so manches Andere (z. B. die schönen Canus), ihren Weg über die ganze Torresstrasse,
wo ich sie noch auf Prince of Wales-Island (Morilug) sah.
Da die Anfertigung von Holztrommeln, schon des Aushöhlens wegen, viele Mühe
macht, dieses Instrument daher im Ganzen selten ist, so bedienen sich Aermere eines
Substituts:
Ssadä (Nr. 593, i Stück), Schlaginstrument von Port Moresby, bestehend aus
einem circa i M. langen Bambu, in das an einem Ende durch zwei Einschnitte eine
Zunge geschnitzt ist, aufweiche mit einem Stöckchen geklopft wird, wodurch ein heller
Klang entsteht.
Ich fand dieses Instrument auch an der Nordostküste bei Gap de la Torre.
Kibi (Nr. 598, i Stück), Muscheltrompete aus Tritonium. Port Moresby. Wird ganz
in derselben Weise gebraucht wie in Neu-Britannien (vergl. 1, Seite 1 09) und anderwärts.
Ausser den oben angeführten Instrumenten beobachtete ich nur noch : KikOj Maul-
trommel von Bambu, ganz wie von Neu-Britannien (Nr. 585, Seite 1 10), aber kleiner, und
Iriliku, eine Art Flöte aus dünnem Rohr mit zwei Löchern (ähnlich Nr. 584, Seite 109),
die meist mit der Nase geblasen wird und einen sehr schwachen Ton gibt. Beide In-
strumente sind aber überhaupt selten. Panflöten (wie Taf. III, Fig. 4) scheinen ganz zu
fehlen, wenigstens erlangte ich keine, sie sollen aber, und zwar an der ganzen Küste
von Fly-Fluss bis Südcap vorkommen,
Tanz. Wie erwähnt, ist in Port Moresby und anderen Missionsplätzen dieses Ver-
gnügen unterdrückt worden, spielt aber sonst eine ebenso wichtige Rolle im Leben
dieser Stämme, als in Melanesien überhaupt. Besondere Tanzgeräthe sind mir nicht vor-
gekommen, aber im Westen im Gebiete von Freshwater-Bai werden Feste ausser durch
Tanz auch durch Maskeraden gefeiert, wobei höchst groteske, zuweilen enorm grosse
Masken in Anwendung kommen (vergl. Seite 295 die unter Nr. 1 1 citirte Abhandlung).
Diese Masken sind nicht aus Holz verfertigt, sondern bestehen aus hohen, mit Tapa
bekleideten Gestellen, die bunt bemalt und mit Federn und Pflanzenfaser verziert sind.
Nach Beendigung der Feste werden die Masken meist verbrannt, zuweilen aber auch
in den Tabuhäusern aufbewahrt. Ch almers zählte in dem Tabuhause in Meka nicht
weniger als 80 Masken.
Die feierlichen Tänze zur Verehrung Verstorbener, wie dieselben in Neu-
Britannien Sitte sind (I, Seite 1 1 3), kommen bei den Bewohnern dieser Küste nicht
vor. Die Todten werden meist vor oder in den Hütten begraben, in gewissen Districten
auf Gerüsten in ekelhafter Weise der Verwesung anheimgegeben, zuweilen später die
ri231 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. 337
Knochen an den Hütten oder Bäumen aufgehangen. Die Angehörigen Verstorbener,
zuweilen das ganze Dorf, ehren das Andenken durch gewisse Zeichen der Trauer, die
oft in eigen thümlichem Ausputz bestehen (vergl. Seite 3o6).
Religion fehlt bei den Motu, die wie die Neu-ßritannier den Toberan (I, Seite 1 1 5),
einen andern bösen Geist »Wattewatte« fürchten, der besonders in der Nacht sein
Wesen treibt, sowie ausserdem an aller Art Aberglauben kein Mangel ist. Die Koitapu,
welche unter den Motu siedeln, stehen besonders im Rufe, Zauberer und Geister-
beschwörer zu sein, und werden deshalb mit Scheu betrachtet, nicht selten beschenkt,
um böse Einflüsse des Wattewatte abzulenken.
Im Westen, in Freshwater-Bai, stellt man in den Tabuhäusern wie an den Hütten
aus Holz geschnitzte menschliche Figuren auf, die nach C halmers Götzen sind und
den grossen Geist Semese repräsentiren, vielleicht aber, wie an der Nordostküste, mit
Ahnencultus in Verband stehen.
Tabu ist in verschiedenen Formen und für verschiedene Lebensverhältnisse ver-
breitet und findet sich, wie überall in Melanesien, auch bei den Bewohnern dieser Küste.
Grosser Beliebtheit erfreuen sich auch
Talismane, als welche gewisse Naturproducte gelten, denen für gewisse Zwecke
besondere segenbringende Kräfte zugeschrieben werden, Gebräuche, die ja auch bei den
gebildetsten Völkern noch heute nicht ganz verschwunden sind.
Die Motu verwenden mit Vorliebe natürliche Steine, meist- gewöhnliche, vom
Wasser abgeschliffene Rollsteine mit ziemlich glatter Oberfläche, wie:
Ka^vabu (Nr. 660, i Stück), Talisman aus einem 1 1 Cm. langen und 5 Cm.
breiten, abgeflachten, an beiden Enden zugerundeten Rollsteine. Port Moresby.
Bevorzugt sind solche Steine, welche sich durch Eindrücke oder irgend eine andere
Besonderheit auszeichnen, wie:
Kawabu (Nr. 661, i Stück), Talisman (Taf. XXIIl [i5], Fig. 6), Rollstein mit
einer natürlichen Längsrille. Port Moresby.
Diese Kawabu gelten als segenspendende Talismane für die Pflanzungen und
werden beim Stecken des Jams und anderen Feldfrüchten mit eingegraben, ganz in
der Weise wie die Maoris früher ähnliche Steine beim Pflanzen der Kumara (süssen
Kartoffeln) benutzten.
Diese Talismane haben insofern Werth für die Motu, da sie aus Basalt bestehen,
der bei Port Moresby nicht vorkommt, und die daher aus dem Westen bezogen werden
müssen. Eine andere Art Talisman heisst:
Kopikopi (Nr. 664, i Stück) von Port Moresby und besteht aus einem Stückchen
Rinde (Massoi)y das an einem Strickchen um den Hals befestigt getragen und als heil-
iiräfiig betrachtet wird, wie die Papuas verschiedene andere Dinge als Talismane mit
sich führen. So unter Anderem eine wohlriechende Wurzel, Tohni genannt, ein Harz,
Tomäna, das für die unter Tabu stehenden Verfertiger der grossen Dugongnetze be-
deutsam wird, u. a. m. Die runden, wie abgeschliffenen Kiesel, welche sich zuweilen
im Magen der Kronentaube (Goura) finden, werden, wie andere besondere Steinchen,
Casuarklauen u. dgl., gern von Jägern verwahrt und als glückbringend in ihren Trag-
bcuteln oder besonders eingestrickt am Halse oder Oberarm befestigt getragen.
Heilldinde besteht, aber auf einer so niedrigen Stufe, dass sie nur mit Unrecht
diesen Namen verdient. Da nach Annahme der Motu Krankheiten von bösen Geistern
verursacht werden, so sucht man dieselben durch Lärmschlagen (mit Trommeln,
Seite 335) zu verscheuchen, ganz ähnlich wie dies bei den Neu-Britanniern geschieht.
^Vie bei den Letzteren, besteht die Hauptheilmethode in Blutlassen^ indem man mit
338 Dr. O. Finsch. C«^-4l
einem scharfen Steine Einschnitte an der schmerzhaften Stelle macht. Die Motu t>e-
dienen sich dazu noch eines besonderen Instrumentes, das, als das einzige mir bekannte
auf dem Gebiet der Heilkunde Neu-Guineas und der Südsee überhaupt, Erwähnung
verdient. Dasselbe heisst Ibassi und besteht in einem Miniaturbogen von circa y Zoll
Länge, mit einem daran befestigten Pfeil von entsprechender Grösse. Der letztere trä^
eine äusserst scharfe, feine Spitze, die jetzt gewöhnlich aus einem Glassplitter lierge-
stellt wird. Indem man nun den kleinen Bogen anspannt und den Pfeil abschoellt,
dringt der letztere in die Haut, so dass Blut fliesst.
Spiele verschiedener Art erfreuen, wie bei uns, namentlich die Jugend. Tau-
springen ist bei den Mädchen beliebt, während sich die Knaben gern mit kleinen Canus
vergnügen, die sie, mit Segeln versehen, treiben lassen, ein Spiel, an dem sich oicht
selten Erwachsene betheiligen. Windmühlen, die, in der Hand gehalten, sich beim
schnellen Laufen drehen und aus zusammengebogenen Blattstreifen verfertigt werden,
sind gebräuchlich. Ein sehr beliebtes Spiel von Knaben und Mädchen ist Ballschla^cn
{Poht:{i)y wozu man sich aufgeblasener Fischblasen als Bälle bedient.
1125]
Ethnologische Krfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
339
Inhaltsverzeichniss
für die II. Abtheilung, Abschnitt I a.')
IL Neu -Guinea.
Seile
I. Hln^lisch-Neu-Guinea [79] 293
a. SüdostkUste . . . [79] 293
.V.Eingeborene [82] 296
CannlbaUsmus [84] 298
B. Korperausputz und Beklei-
dung [84] 298
Bekleidung [85] 299
Schmuck und Zieraten [87] 301
Geld [88| 302
Täto^'irung [89] 303
Ziernarben [91] 305
Bemalen [91] 305
Kopfschmuck [92] 306
Stirnschmuck [94] 308
Nasenschmuck [95] 309
Ohrschmuck [96] 310
Brust- und Halsschmuck [97] 311
Brust-Kampfschmuck [98] 312
Armschmuck [99] 313
Fingerschmuck [100] 314
Leibschmuck ['oo] 314
Beinschmuck [loi] 315
C Häuser und Siedelungen . . . [loi] 315
Ackerbau [106] 320
Hausthicre [108] 322
D. Geräthschaften und Werk-
zeuge . [108] 322
Hausrath [108] 322
Kochgcräthschaftcn
Feuerreiber
Töpferei
Flechtarbeit
Strickarbeiten
Genussmittel
Tabak
Werkzeuge
Waffen und Wehr
a. Geschosse
Speere
Pfeile
Pfeilgift
b. Schlag- u. Hauwatfen (Keulen)
c. StichhandwafTen
d. Wehr (Schilde)
e. Besondere Waffen
Jagd
Fischerei
Canus
E. MusikundTanz
Musik
Tanz
Religion
Tabu
Talismane
Heilkunde
Spiele
Seile
108] 322
109] 323
iio] 324
I"] 325
inj 325
112] 326
113] 327
113] 327
115] 329
115] 329
115] 329
116] 330
116] 330
117] 331
118] 332
119] 333
119] 333
119] 333
120] 334
121] 335
121] 335
121] 335
122] 336
123] 337
123] 337
123] 337
123] 337
124] 338
«) Leider war es dem Autor nicht möglich, den Rest der 11. Abtheilung, Neu-Guinea betreffend, bis zum
Schlüsse der Redaction dieses Heftes der Annalen auszuarbeiten, so dass dieser in dem nächsten Jahrgange nach-
jc/iw-fert werden wird, in welchem auch mit der III. Abtheilung der Schluss der ganzen Arbeit erscheinen soll.
Die Redaction.
340
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee.
t.26]
Verzeichniss der Textillustrationen nebst Erklärungen.
'g
. I. —
2. —
3. -
4. —
5- —
6. —
7. -^
8. -
9- —
10. —
1 1 a, b.
12. (V5)
13. (Vi)
14. (Vi)
15.(72)
16. (Vj)
17. (V2)
18. (Vy)
19. (Vj)
20. (V2)
31. (V2)
22. (»/,)
23. (V4)
24. m
25. (Vb)
26. —
27.
28. —
29. —
30. —
31. -
32. —
33- -
34- —
35- -
»
36. -
Seite
Motumädchen mit schlichtem Haar . . [83
Motuhäuptling in vollem Staate [85
Motuknabe von Anuapata in vollem Staate [86
»Iru«, Frau von Hula, Hood-Bai [86
»Ebohila«, Motufrau von Anuapata [89
Gcsichtstätowirung eines Mädchens von Hula [89
Rückseite von »Ebohilac [90
Tätowirnadel [90
Junge Frau von Maupa, Keppel-Bai [91
Tätowirte Brust eines Mannes [91
Täiowirung von Goapäna [91
Haarkamm aus Holz [92
Haarkamm aus Holz [92
Stirnschmuck aus Muschel [95
Stirnschmuck aus Muschel [95
Nasenkeil aus Triäacna [96
Nasenstift aus Knochen [96
Ohrschmuck aus Schildpatt [97
Ohrschmuck aus Schildpatt [97
Halsschmuck aus Muschel [97
Brustschmuck aus Eberhauern [98
Brustschmuck aus Eberhauern ... [98
Brust-Kampfschmuck [99
Leibgürtel aus Rinde
Leibgürtel aus Rinde, aufgerollt
Haus in Maupa
Deckenverzierung
Giebelschilder in Maupa
Haus mit Thurmspitze in Keräpuno
Holzschnitzerei eines Hauses in Keräpuno ...
Pfahlhaus in Anuapata
Vorderfront eines Hauses in Kaire
Plan des Pfahldorfes Kaire
Dubu in Tupusele
Ira, Motu-Steinaxt
Lachela, Steinaxt von Keräpuno ...
lOI
101
102
102
103
103
104
104
106
107
114
114
207
299
300
300
303
303
304
304
305
305
305
306
306
300
309
310
310
311
3H
311
312
312
3'3
3»5
315
316
316
317
318
31«
319
320
321
32S
328
[127] t)r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 341
Tafel XIV (6).
Neu-Guinea. Schmuck.
Anoalen des k. k. naturhistori&chcn Hofmuseums, Bd. III, Heft 4, 1888. 25
342
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
[128]
Erklärung zu Tafel XIV (6).
Neu -Guinea. Schmuck.
Fig. I.
2.
3.
4-
5.
6.
7-
8.
»
» 10.
» I I.
» 12.
» i3.
» 14.
» i5.
> 16.
» 17.
(Vi) Halskette aus Muschelscheiben: a rothe von Spondylus, b weisse,
c schwarze Samenkerne; Teste-Insel Nr. 488
(Vi) Halskette aus Abschnitten von Casuarschwingen (a) und Spon-
rf^/tt5-Scheibchen (b)^ von Milne-Bai » 487
(Vi) Muschelgeld aus Cii55fVffi/a? Finschhafen » 63o
(Vi) Muschelgeld aus Muschelsplittern geschliffen, Huongolf ... > 638
(Vi) Leibgürtel aus Septaria-lAvLSQYitlf Astrolabe-Bai »555
(Vi) Muschelgeld aus Cassidula, Port Moresby » 632
(^i) Desgl. von unten, um die Art des Aufflechtens zu zeigen ... » 632
( y,) Stirnbinde aus Muscheln (Oliva carneola)^ Port Moresby » 42 1
(Vi) Desgl. aus Känguruzähnen, Port Moresby » 422
(Vi) Desgl. aus Cassidula, Venushuk . . . • »433
(Vi) Desgl. aus Hundezähnen und Cassidula, Venushuk .... »556
(Vi) Dieselbe von der Rückseite, um die Flechtarbeit zu zeigen . . »556
(Vi) Leibgurt aus Cassidula und Cocosnussperlen, Angriffshafen . . > 56o
(Vi) Leibschnur aus Muscheln (Cypraea moneta), Insel Guap . . » 558
(Vi) Binde aus Conus-King^n und Cassidula, Hansemannküste . . »357
(Vi) Schmuck aus Fruchtschale und Hundezähnen, Finschhafen . . » 5oq
(Vi) Theil eines reich verzierten Backenbartes, Krauel-Bai » 276
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 6.
Vi- a.
AnnBlen des k. k. naturhist. Hofmuieum», Bnnd III, 1888.
THE NEW YORK
PUBLIC LlBtN AK Y
ABT OK, LfcNoX ANO
[ ' ^9l ^^' ^' ^^^^^^* Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 348
Tafel XV (7).
Neu -Guinea. Schmuck (und Wurfstock).
• k •
>
iS'
r
3^4 I)r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. [i 3ol
Erklärung zu Tafel XV (7).
Neu -Guinea. Schmuck (und Würfstock).
Fig. I. ('/i) Armring aus Cofff/5-Muschel, Weihnachtsbucht, Normanby . . Nr. 362-
» 2. (7,) Nasenschmuck aus Perlmutter, Venushuk » 3 1 1
9 3. (7,) Eingravirtes Muster eines Armbandes von Schildpatt, Astrolabe-
Bai » 4o3
» 4. (7,) Haarkamm aus Holz mit Flechtwerk und Zierrat, Hammacher-
fluss »291
» 5. (74) Wurfstock aus Bambus mit Schnitzerei, Venushuk » 753
\
Pinsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 7.
Annalen dei k. k. nacurhUt. Hoftnuscums, Band III, 1888.
[ I 3 I J r>r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 346
Tafel XVI (8).
Neu-Guinea. Schmuck.
Unsch; tllmolugisclie Krfahnmgen (Tuf. s)
AnnaI.desk.k.Naturhist.Horniuseums Band DT 1888.
346 I^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstöcke aus der Südsee. [l^^l
*
Erklärung zu Tafel XVI (8).
Neu - Guinea. Schmuck.
Fig. I. (V3) »Musikaka«, Kampfschmucky Südostküste, Inneres von Port
Moresby Nr. 541
» 2. (V'3) Brust-Kampfschmuck (rechte Hälfte), Nordostküste, Sechstroh-
fluss . » 540
> 3. (V,) Brustschmuck, Angriffshafen > 526
iiä
Finsch: Elimologisclie Erlahrungen (Taf. s)
Annal.de5k.k.Narurhist.Hofniu8eunis BandlD
[ I 331 I)r* O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 347
Tafel XVII (9).
Neu-Guinea. Schmuck.
3j.8 ^r. O. Finsch. Kthnologtsche Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. f i Sa]
Erklärung zu Tafel XVII (9).
Neu - Guinea. S chmuck.
Fig. I. Q/2) Brust-Kampfschmuck aus Eberhauern und Muscheln, Insel Guap Nr. 537
» 2. (^2) Desgl. von Grager, Friedrich Wilhelmshafen »533
» 3. (72) Kinnbart mit reicher Verzierung, Dallmannhafen > 274
» 4. (7a) Binde zu einem Haarkörbchen, Flechtwerk mit Muscheln und
Schildpatt, Krauel-Bai » 356
> 5. (Vi) Eingravirtes Muster von einem Armring aus Trochus, Friedrich
Wilhelmshafen » 374
» 6. (Vi) Desgl. daher > 374a
» 7. (7,) Muster einer Ohrspange von Schildpatt, Insel Guap . . . . »327a
» 8. (y,) Ohrring aus Pflanzenstengel, Port Moresby »323
Piasch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 9.
Aonalen des k. k. naturhist. Hofmuscuins, Band III, iSSS.
THENEW YOÜ
PUBLIC LIBR ÄST
ri351 I^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SQdsee. 34g
Tafel XVIIl (ib).
Neu-Guiriea. Geräth.
\ • • y
Aaoalcn des k. k. iiaturhistorisclicn Hofmu&eums, Bd. III, Hctt 4, 1SS6. 26
35o- Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. [1^36]
Erklärung zu Tafel XVIII (lo).
Neu - Guinea. Geräth.
Fig. I. (Va) Kopfruhgestell, durchbrochene Holzschnitzerei, Finschhafen . Nr. loi
» ia.(V3) Eingravirtes Ornament der Rückseite desselben > loi
» 2. (Va) Kopfruhgestell, Finschhafen > 102
» 3. (y^) Kopfruhbänkchen aus Holz mit Schnitzerei und Beinen aus
Bambus Insel Guap »100
» 4. (»/a) Geschnitzter Spitzentheil desselben »100
» 5. (2/3) Schamkalebasse für Männer, Sechsstrohfluss » 900
» 5a. ('/i) Weite der Oeffnung derselben » 900
» 5b.(7i) Eingebrannte Verzierung (Eidechse) » 900
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 10.
Taf. XVIII. \
Annalcn des k. k. nttturhist. Hofmuscum«, Band III, 1888.
T^l^^^a^^
r* -7] ^^' ^' ^'"5^^* Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 35 I
Tafel XIX (ii).
Neu-Guine.a. Betelgeräth.
< t
26*
352
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[.38]
Erklärung zu Tafel XIX (ii).
Fig.
I.
(V3)
»
2.
CA)
»
3.
CA)
»
4-
CA)
»
5.
CA)
»
5 a.
CA)
T>
6.
(V3)
»
7-
(73)
>
7a.
CA)
Neu - Guinea. Betelgeräth.
Kalebasse zu Kalk mit Flechtarbeit, Finschhafen . ' . . . . Nr. 899
Desgl. mit eingebrannter Verzierung, Porj Moresby .... > 898
Kalkspatel aus Ebenholz mit eingravirtem Muster, Milne-Bai . > 903
Desgl., Insel Goulvain, d'Entrecasteaux »912
Desgl., Hihiaura, bei Bentley-Bai » 904
Das Ende der flachen Spitze > 904
Der Handgriff desselben Stückes von oben » 904
Kalkspatel aus Ebenholz mit eingravirtem Muster, Milne-Bai . » 905
Das Ende der flachen Spitze » 905
Piosch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 11,
Aonalen de« k. k. naturhisi. Hormuseums, Band III, 1888.
r I 3q1 Dr. 0. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 353
Tafel XX (12).
Neu-Guinea. Steingeräth.
^4
354
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[140]
Erklärung zu Tafel XX (12).
Fig.
»
»
»
»
I. (
;v8)
b.(
:■/■)
2. 1
:■/.)
3. (
:v.)
a.i
:■/.)
4- (
:'/5)
5. (
:■/.)
6. (
:'A)
a.i
['/.)
7- (
:%)
8. (
:%)
a.i
[Va)
9- (
:v3)
a.|
:■/.)
Neu - Guinea. Steingeräth.
Staats-Steinaxt, Weihnachtsbucht, Norman by-Insel Nr. 127
Dicke der Steinklinge »127
Steinaxt, Bonga in Astrolabe-Bai »122
Steinmeisselklinge, Port Moresby » 11
Schärfe von der Seite gesehen > 11
Sagoklopfer mit rundem Stein, Sechsstrohfluss » 55
Der Stein desselben von der Unterseite » 55
Scheibenförmige Steinkeule, Astrolabe-Gebirge, Südostküste . » 757
Dicke derselben » 757
Morgensternähnliche Steinkeule, Inneres von Port Moresby . . »758
Steinkeule in Seeigelform, Kerräma in Fresh water-Bai . . . »759
Das Bohrloch derselben *7^9
Kugelförmige Steinkeule, Astrolabe-Gebirge, Südostküste . . »756
Länge des Bohrloches derselben > 756
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 12.
AnnaleD des k. k. naiurhist. Hofinuseums, Band III, i8S8.
^_ _ — I
[1413 ^^' ^' f^*"sch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. 355
Tafel XXI (13).
Neu - Guinea. Kunstschnitzereien.
356 Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. ("14^1
Erklärung zu Tafel XXI (13).
Neu-Guinea. Kunstschnitzereien.
Fig. I. (VJ Hölzerne Trommel mit Eidechsenhaut überspannt, Huongolf . Nr. 601
» 2. (72) Canuverzierung, aus Holz geschnitzt (eine Hälfte), Insel Fer-
gusson, d'Entrecasteaux ^o 1 82
» 3. (7i) Muster eines Armbandes von Schildpatt (obere Hälfte), Finsch-
hafen » 4^4
» 4. ('/,) Muster eines Ohrringes von Schildpatt, Friedrich Wilhelmshafen » 326
Annalen des k. k. naturhisl. Hofmuteums, Band lil, 1888.
Tl.
Fi 431 Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 357
Tafel XXII (4).
Neu- Guinea. Verschiedene Kunstarbeiten.
Jts
Anoaleo des k. k. naturhistorischeo Hofmuseums, Bd. III, Heft 4, 1888. 27
f '.
1 .•..•'! aXTI
4 s
\ '
j, I .**. ^
\ V '
> . .1
.(' V-Il>.. I, (1
I ' N. 1 :^
:> I
1 '« . '
' . \\',>\
;i •
\ « M-'-.i'ii .
. .t \
i i > ♦ .!<!-' \' •••^ • I.l I |T-,
♦"insrh: Ellinulogisflie Ert';iliiimyeit (T\i/-/
Annal.desk.k.Nalurtiisf. Hofmuseums Band Hl 1888.
[l4^] ^r* ^* Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 350
1
Tafel XXIII (15).
Neu-Guinea. Talismane.
27»
36o ^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. [14^1
Erklärung zu Tafel XXIII (15).
Neu - Guinea. Talismane.
Fig. I . (y,) Talisman oder sogenannter Götze, Figur eines Mannes aus Holz
geschnitzt mit Haarkörbchen, Insel Guap Nr. 652
2. ('/,) Desgl., Insel Guap > 656
3. (72) Desgl., Dallmannhafen > 65i
» 4. (73) Desgl. aus einer Art ziemlich festen Kalkthones geschnitzt,
Bonga in Astrolabe-Bai, en profile > 659
* 5. (^3) Dieselbe Figur en face > 659
» 6. (ca.y,) Kawabu, Stein als Talisman, Port Moresby > 661
»
»
Pinsch. Ethaologische Erfahrungen, Taf. lÖ.
Annalen des k. k. naiurhisi. Hofmuseuma, Band III, i8SS.
\
\
['4/] ^^* ^' ^^'^^^^* Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Sudsee. 36 1
Tafel XXIV (i6).
Neu-Guinea. Schilde und Kürass.
362
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[148]
Erklärung zu Tafel XXIV (16).
Fig.
»
»
»
»
»
»
!• 1
:v8)
2. 1
:'/8)
2a. 1
:v8)
3. (
f'/s)
3a. 1
:■/«)
4- (
:'k)
43.1
:v8)
5. (
:v8)
5a.(
:'/8)
6. (
:v8)
6a. 1
.V8)
7- (
:'/8)
7a. (
:'u)
Neu-Guinea. Schilde und Kürass.
Schüd, Finschhafen Nr. 838
Schild, Friedrich Wilhelmsbafen »839
Griff auf der Rückseite des vorigen > 839
Schild von Milne-Bai » 839
Griff auf der Rückseite des vorigen > 839
Schild von Freshwater-Bai »835
Griff auf der Rückseite des vorigen »835
Schild von Trobriand »841
Griff auf der Rückseite des vorigen »841
Schild von Hood-Bai »834
Griff auf der Rückseite des vorigen »834
Kürass von Angriffshafen » 844
Detail des Rohrgeflechtes beim vorigen Stück » 844
Pinsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 16.
mlen des k. k. nalurhisi
T^r-, i;e
I
t
/
•f (••»»• .,
.. »-'.N 1- • . •-..:
[149} I^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 363
Tafel XXV (17).
Neu-Guinea. Schilde.
364 Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. [l^^l
Erklärung zu Tafel XXV (17).
Neu - Guinea. Schilde.
Fig. I. (Vs) Schild von Angriffshafen Nr. 840
» 2. (Vs) Schild von Teste-Insel » 836
» 2di.{^l^ Detail der geschnitzten Verzierung beim vorigen Schilde ... » 836
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 17.
TH ,- r K'A'' YO? '. •
U
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee,
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Delmenhorst bei Bremen.
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea.
I. Englisch-Neu-Guinea.
(Fortsetzung und Schluss von Bd. III, 1888, S. 364 [150].)
b) Ostspitze mit den d'Entrecasteaux- Inseln.
Einleitung.
Das Gebiet umfasst die Ostspitze des Festlandes, östlich vom Südcap (Stacy
Island), mit den vorgelagerten Inseln östlich der Chinastrasse und der Gruppe d'Entre-
casteaux, lässt sich aber jetzt noch nicht ethnologisch in seinen Grenzen genau fest-
stellen. Muthmasslich erstrecken sich dieselben westlich bis Orangerie-Bai, nordwestlich
bis Gap Vogel und östlich bis auf die Louisiade-Gruppe mit Woodlark-Insel.
Ich selbst lernte innerhalb dieses Gebietes nur einige Punkte von Normanby- und
Fergusson-Insel der d'Entrecasteaux, Dinner- und Teste-Insel, Milne-Bai und die Fest-
landsküste vom Ostcap bis zum deutschen Gebiete (Mitrafels) kennen. *)
I) Meine bisherigen PubÜcationen aus diesem Gebiete sind die folgenden:
1. »Aus den Berichten des Dr. Finsch über die im Auftrage der Compagnie nach Neu-Guinea
ausgefQhxtcn Reisen« in: Nachrichten über Kaiser Wilhelms-Land und den Bismarck-Archipel (heraus-
gegeben von der Neu-Guinea-Compagnie in Berlin) 1885, Heft III, S. 7 — 10 und Heft IV, S. 3 und 4.
2. »Catolog der ethnologischen Sammlung der Neu-Guinea-Compagnie, ausgestellt im königl.
Museum für Völkerkunde (Berlin 1886),« I, S. 28—39 und II, S. 39 — 42.
3. »Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im königl. Museum für Völker-
kunde« in: Originalmittheilungen aus der ethnologischen Abtheilung der königl. Museen zu Berlin,
Jahrg. I, 1886, S. 99— io3.
4. »Uebcr Canus in den d'Entrecasteaux und der Südostspitze Neu-Guineas« in: Verhandl. der
Berliner anthropolog. Gesellsch., 15. Januar 1887, S. 29.
5. »Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers Samoa« in: Gartenlaube Nr. 21, 23. Mai 1886
«III, d'Entrecasteaux, Ostcap bis Mitrafels, mit 5 Abbild.); Nr. 18, 1 3. April 1887 (IV, Milne-Bai und
Morcsby-Archipel, mit 4 Abbild.).
6. »Tätowining und Ziernarben in Melanesien, besonders im Osten Neu-Guineas< in: Wilhelm
Joest, Täto'wiren, Narbenzeichnen und Körperbemalen (Berlin, A. Asher & Co., 1887, S. 36 — 42, Taf. II,
S. 116.
14 Dr. O. Finsch. [152]
In letzterem Küstenstriche kam ich nur wenig mit Eingeborenen in Berührung;
schon westlich von Chads-Bai wohnen sie hauptsächlich hoch in den Gebirgen, während
die Küste nur eine höchst spärliche Bevölkerung aufweist. Dasselbe gilt von den d'Entre-
casteaux und von dem grössten Theil der Südostküste zwischen Keppel-Bai und China-
strasse, die (nach Chalmers) von Aroma bis CloudyrBai und von Table- bis Amazons-
Bai gänzlich unbewohnt ist. Wie schon aus diesen Andeutungen erhellt, ist die ethno-
logische Kenntniss dieses Gebietes eine sehr unvollständige und beschränkt sich auf
einige Punkte der d'Entrecasteaux, in Milne-Bai und wenige andere mehr. Aber was
ich an Erzeugnissen des Eingeborenenfleisses aus diesem Gebiete kenne, berechtigt zu
der Annahme, dass dasselbe eine eigene ethnologische Provinz bildet. Davon
konnte ich mich schon 1882 in Port Moresby am besten überzeugen bei Ansicht der
reichen Sammlungen, welche Goldie von einer Reise aus diesem östlichen Gebiete
heimbrachte, die aber leider in alle Winde verstreut wurden, ehe sie zu wissenschaft-
licher Bearbeitung gelangten. Ich bekam damals mehr Gegenstände aus diesem Gebiete
(namentlich den d'Entrecasteaux) zu sehen als später bei meinen eigenen Besuchen in
demselben oder in irgend einem Museum. Charakteristische Eigenthümlichkeiten dieser
ethnographischen Provinz sind: kunstvolle Holzschnitzereien (vgl. z. B. Taf. XXI, Fig. 2)
in eigenthümlichen, zuweilen an den Maoristyl erinnernden Mustern, die häufige Verwen-
dung von Menschenhaar und feingearbeiteten Scheibchen aus rother Spondylus-Muschel
zu Schmuck und Zieraten; besondere Form (kugelrunde) der Calebassen zu Betelkalk
mit eigenartigen kunstvollen Mustern; grosse Mannigfaltigkeit in Kalkspateln; eigen-
thümliche Bekleidungsmatten der Männer, aus Pandanusblatt genäht; besondere Form
der Steinäxte (Taf. XX, Fig. i); die in Form wie Technik eigenartige Töpferei; der
Mangel von Bogen und Pfeilen, sowie Steinkeulen; Catamarans oder flossartige Fahr-
zeuge, daneben aber auch vorzüglicher seetüchtiger Segelcanus, die in Bauart wie Orna-
mentirung mit zu den vollkommensten in ganz Neu-Guinea gehören, ja vielleicht
die besten sind.
Diese Canus vermitteln den Verkehr zwischen den Bewohnern dieses Gebietes,
bald zu friedlichem Tausch, bald zu räuberischen Ueberfällen. Ein Hauptcentrum des
Handels ist die kleine Insel Chas oder Vaare (Teste), die südöstlichste des Moresby-
Archipels, und zwar wegen ihrer Töpferei, deren Erzeugnisse weithin bis Südcap und
die d'Entrecasteaux verführt werden. Mit der letzteren Gruppe, Duau genannt, nament-
lich Kulala oder Normanby-Insel, scheint ein besonders lebhafter Tauschverkehr stattzu-
finden. Die Teste-Insulaner beziehen von dort, wie aus Milne-Bai, hauptsächlich Sago und
früher Steinäxte (zum Theil unfertige Klingen), Waffen, Holzschüsseln, Schmucksachen,
die sie wiederum auf die Inseln vor und bis Milne-Bai verhandelten. Auch mit der
Woodlark-Insel, wo besonders schöne Steinäxte, Waffen, Holzschüsseln etc. ange-
fertigt werden, scheinen Handelsbeziehungen zu bestehen, denn man sprach auf Teste
viel von Mulua (Murua), worunter diese Insel gemeint ist. Die Woodlark-Insulaner
besuchen wiederum mit ihren ausgezeichneten seetüchtigen Canus die nahegelegene
Laughlan-Gruppe, so dass Erzeugnisse von Woodlark eine weite. Verbreitung finden.
Aus diesen Andeutungen ergibt sich zur Genüge, dass es eines längeren Aufent-
haltes bedürfen würde, um diese so interessanten Verhältnisse der Beziehungen der
7. »Samoafahrten. Reisen im Kaiser Wilhelms-Land und Englisch-Neu-Guinea etc.« (Leipzig,
Ferd. Hirt & Sohn, 1888), sechstes Capitcl, S. 194 — 287. Iliezu wissenschaftlicher Theil:
»8. Ethnologischer Atlas. Typen aus der Steinzeit Neu-Guineas« (Leipzig, Ferd. Hirt & Sohn,
1888), 24 Tafeln mit Text in deutscher, englischer und französischer Sprache; enthält eine Menge für
dies Gebiet charakteristische^ Typen.
[icjl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. iq
verschiedenen Inselbewohner untereinander nur annähernd klarzustellen. In vielen
Fällen würde dies überhaupt nicht mehr möglich sein, da in manchen Gebieten durch
den Verkehr mit Weissen bereits alle Originalität verschwunden oder im Verschwinden
beariffen ist. So namentlich an den von der Mission besetzten Plätzen wie Dinner-Insel
Saraarai), Teste-Insel (Chas) und drei bis vier anderen Plätzen in Milne-Bai und Süd-
cap. Trepangfischer, Kriegsschiffe, vor Allem aber Arbeiterwerbeschifle (Labourtrader)
haben Vieles weggeführt, so dass an solchen Plätzen kaum noch etwas zu erlangen ist,
wenn auch immerhin noch eine Menge anderer Localitäten übrig bleiben, die ohne
Zweifel reiche Ausbeute liefern werden. So besonders die d*Entrecasteaux, Louisiade
und vor Allem Woodlark-Insel, die noch von keinem wissenschaftlichen Sammler be-
sucht worden zu sein scheint.
An den von mir besuchten Plätzen war ethnologisch wenig mehr zu holen und
ich konnte, wie z. B. auf Teste- und Dinner-Insel, die ganz unter Commando einge-
borener Missionslehrer stehen, nur noch letzte Reste sammeln. Die Stücke gewinnen
dadurch ein erhöhtes Interesse, die beifolgenden Notizen, trotz bedauernswerth er Lücken,
vielleicht ebenfalls. Denn aus einem Gebiete, über das wir bisher nur durch Capt.
Moresby') magere Kunde erhielten, muss am Ende eine zusammenhängende und aus-
führlichere Mittheilung doppelt willkommen sein.
Die Localitäten, an denen gesammelt wurde, soweit sie die nachfolgende Abhand-
lung betreffen, lasse ich in alphabetischer Reihe folgen (sie sind meist auf dem Ueber-
sichtskärtchen der »Samoafahrten« — S. 9 — eingetragen):
Aroani, eine kleine Insel der Killerton- Gruppe am Eingange von Milne-Bai;
früher unbewohnt, jetzt Sitz einer Station der Londoner Missionsgesellschaft, die hier
einen farbigen Lehrer (teacher), ausserdem nur noch eine Station in Milne-Bai hält.
Bentley-Bai (von Moresby benannt) liegt circa 15 Seemeilen westlich von Ost-
cap und ist ziemlich bevölkert. Die Eingeborenen sind in Sitten und Gewohnheiten ganz
übereinstimmend mit denen von Milne-Bai, wohin Verkehr zu Land besteht. Da die
Bewohner von Bentley-Bai keine grossen Canus besitzen, so können sie keine grossen
Seereisen machen, werden aber von den Handelscanus der d'Entrecasteaux-Gruppe
besucht.
Blumenthal; so wurde eine 1885 von mir errichtete Handelsstation benannt, die
in der Hihiaurabuchtung, etwas östlich von Bentley-Bai, liegt. Die Bewohner stehen in
Verkehr mit denen der letzteren und Milne-Bai.
Fergusson; von dieser grössten Insel der d'Entrecasteaux-Gruppe kommt hier
ein Dorf in Betracht, dessen Namen ich nicht erfuhr und welches am östlichen Ausgange
von Dawsonstrasse liegt.
Goulvain (Ulebubu der Eingeborenen), eine kleine vulcanische, ziemlich bevöl-
kerte Insel am Ostende von Dawsonstrasse, d'Entrecasteaux.
Higibä, ein Dorf an der Nordküste von Milne-Bai.
Mcinlay (von Moresby), Maivara der Eingeborenen von Dinner-Insel; eine
kleine Insel in Chinastrasse.
I) >Neu-Guinea and Polynesia. Discoverics and Surveys iA New Guinea and d*Entrecasteaux
Islandsc (London 1876). Ihm verdanken wir die geographische Aufnahme dieses ganzen Küstengebietes
und der d'Entrecasteaux-lnseln, die vorher durch d'Entrecasteaux (1793) nur sehr unvollkommen und
unrichtig dlrgestellt waren. So erwies sich die bisher als Ostcap angenommene Spitze Neu-Guineas als
eine Insel (Stacy Island), und Moresby blieb es vorbehalten, das eigentliche Ostcap mit Chinastra.sse zu
entdecken und die schwierigen Verhältnisse des Moresby- Archipels und der d'Kntrecasteaux-lnseln klar-
zulegen.
l
i
i
I
i6 Dr. O. Finsch. [l54]
Samärai (Dinner-Insel von Moresby), eine kleine Insel in Chinastrasse zwischen
Säriba (Hayter-Insel) und Rogia (Heath-Insel), die früher unbewohnt war. Seither Sitz
einer Missionsstation (Londoner Gesellschaft) unter Führung eines farbigen Lehrers
(teacher), mit circa 50 christianisirten Eingeborenen (meist von Rogia). Die Insel wird
häufig von Bewohnern der Nachbarinseln wie des Festlandes besucht.
Teste-Insel (Chas, Uare oder Vaaro der Eingeborenen) die südlichste des Moresby-
Archipels. Die circa 3oo Eingeborenen der kleinen, fruchtbaren Insel sind dem Namen
nach Christen und leben unter Aufsicht eines farbigen Lehrers (teacher) der Londoner
Missionsgesellschaft.
Weihnachtsbucht, eine Nebenbucht der tiefeinschneidenden Nordbucht der Insel
Normanby, d'Entrecasteaux, in welcher die »Samoa« Weihnacht 1884 ankerte.
A. Eingeborene.
Was die Bewohner dieses Gebietes anthropologisch, als Race, anbetrifft, so
sind sie ausnahmslos echte Papuas oder Melanesier, und das, was ich von den
Bewohnern der Südostküste (II, S. 296, 297) sagte, gilt auch für diese. Wie bei allen
Papuas finden sich in Hautfärbung wie Haarbildung erhebliche Schwankungen und eine
oft sehr auffallende individuelle Verschiedenheit, namentlich auch hinsichtlich der
Kopf- und Gesichtsbildung') (Physiognomie). Im Allgemeinen sind die Bewohner
dieses grossen Gebietes minder kräftig gebaute, mehr schwächliche Menschen, deren
Hautfärbung sich in den Farbentönen der Broca'schen Tafel Nr. 28 — 3o, meist zwischen
29 und 3o, bewegt und für welche die von mir gegebene farbige Abbildung einer Frau
von Rogia (Heath-Island) in Chinastrasse (in Joes t: Tätowiren, Taf. II) als Norm gelten
darf. Aber allenthalben finden sich, oft ziemlich zahlreich, heller gefärbte Individuen;
in Chads-Bai sah ich einen Mann fast so hellgefärbt als ein sonnverbrannter Europäer.
Eigentliche Albinos sind mir in diesem Gebiete nicht vorgekommen. Dagegen fand ich
nur innerhalb dieses Gebietes, als seltene Ausnahme, Individuen (im Ganzen drei, und
zwar in Normanby und in Milne-Bai) mit natürlich rothem Haar, das, was man bei uns
einen »Rothkopf« nennt, wie mir solche sonst nirgends in Melanesien begegnet sind.
Kinder haben häufig blondes Haar, ganz wie dies an der Südostküste der Fall ist.
Wenn auch das typische, spiralig gekräuselte Papuahaar vorherrscht, so sind doch
Lockenköpfe ziemlich häufig und ebenso traf ich allenthalben, wenn auch immer ver-
einzelt, Individuen mit durchaus schlichtem Haar. Meine auch aus diesem Gebiete mit
heimgebrachte ansehnliche Sammlung von Haarproben 2) gibt ausreichende Belegstücke
und hinreichendes Beweismaterial für Solche, welche noch immer an der Existenz
1) In dieser Beziehung verhalten sich Farbige gerade so als Weisse, wofür meine Sammlung von
Gesichtsmasken, nach Lebenden abgegossen (vgl. I, S. 296, Anm. i), die besten Belegstücke liefert. Das-
selbe dürfte auch bezüglich der Schädel gelten, soweit sich nach blosser Betrachtung derselben urtheilen
lässt, namentlich bei Vorlage eines Materials, wie ich es aus der Südsee heimsandte, denn es zählt nicht
weniger als 336 Schädel, davon allein 167 (die meisten mit genauen Geschlechtsangaben) aus Blanche-Bai
in Neu-Britannien. Mit Ausnahme einer sehr geringen Anzahl ruht dieses reiche Material noch heute zum
grössten Theil unbenutzt und unbeal-beitet in Berlin, denn meines Wissens sind von Geheimrath Vircho w
nur folgende Publicationcn gemacht worden: »Schädel- und Tibienformen von Südsee-Insulanern« (Ver-
handl. der Berl. Anthropol. Gesellsch., 1880, S. 112) und »Ueber mikroncsische Schädel« (Sitzungsber.
der königl. Akademie der Wissensch., Berlin, 3. December 1881, S. Iii3).
2) Das reiche von meinen Reisen mitgebrachte Material, 232 Nummern zählend, liegt nun, nach
acht Jahren, noch immer unbenutzt in Berlin und würde doch höchst wahrscheinlich manche interessante
Aufschlüsse liefern, da wohl keine ähnlich umfassende Sammlung bisher aus der Südsee vorliegen dürfte.
[icc] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ly
schlichthaariger Papuas zweifeln sollten. Dass die Bewohner der Inseln mit denen des
Festlandes anthropologisch durchaus übereinstimmen, mag hier noch besonders hervor-
gehoben sein.
Sprachlich herrscht, wie überall in Melanesien, grosse Verschiedenheit. Doch war
es mir auffallend, in der Ostcapsprache eine Menge mit Motu identischer Wörter wieder-
zufinden. Nach Chalmers, unbestritten mit dem besten Sprachkenner dieses Theiles
von Neu-Guinea, ist die Ostcapsprache identisch mit dem Districte Daui oder Dauni,
der sich von Orangerie-Bai bis zur Chinastrasse erstreckt.
CannibalismUS scheint, mit Ausnahme der wenigen Missionsplätze, so ziemlich in
dem ganzen Gebiete geübt zu werden, wenn auch darüber nur ein paar positive Nach-
weise vorliegen. So sah Hunstein, an dessen Zuverlässigkeit nicht zu zweifeln ist,
auf Basilisk-Insel (Urapotta) frisch gekochte, in Blätter eingepackte Menschenschädel
und Chalmers') wurde auf Stacy-Island ebenfalls Fleisch von erschlagenen Feinden
angeboten. Die so liebenswürdigen Bewohner von Teste-Insel machten kein Hehl
daraus, dass sie »früher« (vielleicht vor kaum zehn Jahren) ebenfalls notorische Men-
schenfresser waren, und auf Goulvain (in Dawsonstrasse) Hessen mich gewisse Anzeichen
schliessen, dass auch hier diese barbarische Angewohnheit noch im Schwünge ist. Alle
Schädel, welche ich hier wie auf Fergusson erhielt (zusammen 20), haben nämlich das
Hinterhaupt zertrümmert, was mit ziemlicher Sicherheit hindeutet, dass sie von Er-
schlagenen herrühren, die verzehrt wurden. Manche Schädel sind zum Theil bemalt,
mit einem Loch versehen oder in Lianen derart eingestrickt, dass sie aufgehangen
werden können, um als Trophäen zu dienen, wie das folgende Stück:
Buruburu^) (Nr. 667, i Stück), Menschenschädel von Ulebubu (Insel Goulvain),
d'Entrecasteaux.
Auf Fergusson sah ich an einem Hause ein menschliches Becken aufgehangen,
was ebenfalls für Cannibalismus zu sprechen scheint, wenn ich solche Anzeichen auch
noch keineswegs als positive Beweise betrachte, wie das meist zu geschehen pflegt.
Findet da ein Reisender bei oder in einem Hause irgend ein paar Gebeine oder Schädel,
soheisst es gleich: hier wohnen Menschenfresser! Das braucht nun aber thatsächlich
noch lange nicht der Fall zu sein, denn diese Ueberreste können ebensowohl von er-
schlagenen Feinden herrühren, die nicht verzehrt wurden, als gar von Anverwandten.
I So wissen wir von den Koiäri, den Bergbewohnern der Südostküste, dass sie die Leichen
der Verstorbenen auf Gerüste legen, bis das Fleisch abgefault ist, und dann die Knochen
sammeln und in ihren Hütten aufhängen.
Charles Lyne (»New Guinea«, London 1885), der viel von Cannibalismus und
Cannibalenfesten (S. 167, 187 und 198) schreibt, aber ebensowenig davon als Augen-
zeuge zu sehen bekam als Romilly in seinem neuesten interessanten Buche, ■^) erwähnt
^S. 168) von Stacy-Island besonderer Steinflure vor den Häusern, welche dazu dienen
sollen, um die Körper der Erschlagenen, die verzehrt werden, hier niederzulegen
und zu zertheilen. Ich erwähne dies, weil ich in Bentley-Bai vor den Häusern flache
Steinplatten, ähnlich wie Schiefer platten, sah, die mir sonst nicht vorgekommen waren,
») »Work and Ad venture in New Guinea 1877—1885« (London 1885), S. 62, übrigens die einzige
Stelle in Chalmers* Büchern, wo ein positiver Beweis beigebracht wird, da sich die anderen auf Canni-
balismus bezüglichen Stellen (»Cannibalism of Stacy Island«, S. 48 und »Cannibal feast«, S. 61) nur in An-
nahmen bewegen.
3) Die Eingeborenennamen sind stets die der betreffenden Locaütäten und so, wie ich sie aus-
sprechen hörte, geschrieben.
I 3) »From my Verandah in New Guinea« (London 1890).
! Annaiea des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft i, 1891. 2
I
l8 Dr. O. Finsch. [156]
auf denen aber die Männer gemüthlich Ruhe zu halten pflegten. Immerhin mögen sie
auch dem oben angedeuteten Zwecke dienen.
Wenn auch somit über den thatsächlichen Cannibalismus in diesem Gebiete (nach
Chalmers östlich von Baxterhafen = Farm-Bai) kein Zweifel sein kann, so fällt ebenso
gewiss ein Theil der auf Cannibalismus gedeuteten Anzeichen in ein ganz anderes, ge-
rade entgegengesetztes Gebiet, das der Todtenverehrung.
Wie in Neu-Britannien (I, S. 114) herrscht nämlich die Sitte, die Schädel Verstor-
bener nach gewisser Zeit auszugraben, aber nur den Unterkiefer als theures Andenken
zu verwahren, ganz in derselben Weise, wie dies durch Maclay aus Astrolabe-Bai
zweifellos nachgewiesen ist.
Ein solches Stück liefert die nächste Nummer:
Gaiagaia (Nr. 33i j, i Stück), Armband aus einem menschlichen Unterkiefer;
Teste- Insel.
Diese Armbänder sind sehr werthvoll und nur durch Zufall zu erlangen. Sie wer-
den in verschiedener Weise mit Streifen von Pandanus-Blatt und einer besonderen An
Klappernuss (Rapita) verziert. Derartige Armbänder finden sich auch auf den d'Entre-
casteaux. Hier sah ich von Normanbv auch eine Kalkkalebasse, die mit drei mensch-
liehen Unterkiefern verziert war.
Ob dieselben ebenfalls von verstorbenen Anverwandten herrührten, wage ich nicht
zu behaupten. Ebenso enthalte ich mich eines bestimmten Urtheiles über jene mensch-
lichen Halswirbel, welche man zuweilen, übrigens sehr selten, als Zierrath am Zopfe
von Männern angebunden findet und die gewöhnlich als Cannibalentrophäen gedeutet
werden. Solche Zöpfe, mit einem Atlasknochen vom Menschen verziert, erhielt ich in
Bentley-Bai und auf Dinner-Insel, hier »/?ow^rowa« genannt. Häufiger als Wirbelknochen
vom Menschen fand ich solche vom Schwein und Dugong (//^i/icore — »Lmw/« auf Din-
ner-Insel), sowie auch seltene Fischgebisse als Breloques an den Haarzöpfen befestigt.
Es sind offenbar Erinnerungszeichen guter Jagden, respective Mahlzeiten, während die
Halswirbel vom Menschen, nach meiner Ansicht, wie die Armbänder aus Unterkinn-
laden, ebenfalls von Angehörigen herrühren. Die Pietät gegen Verstorbene ist gerade
in diesem Gebiete sehr entwickelt und zeigt sich oft in rührender Weise. So sah ich
eine Frau auf Teste-Insel ein besonderes Souvenir — '»Sapisapi<:i genannt — auf der
linken Brust tragen. Es war ein an einem Bindfaden befestigtes kleines Polster aus
Menschenhaar, zierlich mit Spondylus-Schcibchen garnirt. Die Haare waren die der
verstorbenen Schwester der Trägerin, die dies theure Andenken um keinen Preis ver-
kaufte. Die Schädel, welche ich mit grosser Mühe auf Dinner- und Teste-Insel erhielt
(im Ganzen 11 und wohl die letzten), wurden von den verkaufenden Eingeborenen
zwar als die von erschlagenen und verzehrten Feinden bezeichnet, aber dies war sicher
blos Prahlerei und sie gehörten ruhig entschlafenen Stammesgenossen, vielleicht
Anverwandten an. Alle Schädel zeigten keinerlei Verletzung, nur auf der Schädel-
mitte ein sauber gebohrtes rundes Loch, um einen Strick zum] Aufhängen darin zu
befestigen.
Gräber habe ich überall (Normanby, Teste- Insel, Bentley-Bai) in pietätvoller
Weise gehalten gesehen; meist in Form einer Umzäunung, in die hübsche Blattpflanzen
gepflanzt worden waren, oder in Form eines Miniaturhauses wie auf Teste (vgl.
»Samoafahrten«, Abbild., S. 280). In Weihnachtsbucht sah ich auch in den Gabel-
zweigen zweier blühender Bäume, etwa 4 Fuss über dem Erdboden, eine Röhre aus
den ßlattscheiden der Sagopalme, welche sechs Schädel enthielt, die aber nicht verkault
[icyl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ig
wurden. Dies gibt einen Beleg zu dem, was vorher gesagt wurde, nämlich, dass die
Todten erst begraben, später aber die Schädel wieder ausgegraben und besonders ver-
wahrt werden, nachdem man die Unterkiefer in anderer Weise verwendet hat.
B. Körperausputi und Bekleidung.
In der Bekleidung herrscht in diesem Gebiet viel grössere Decenz als an der Süd-
ostküste, die namentlich beim männlichen Geschlecht vortheilhaft hervortritt. Dasselbe
bedient sich meist eigenthümlicher Matten, wie die folgende:
Gigi (Nr. 244, i Stück), Bekleidungsmatte der Männer, aus zusammengenähten
Streifen von Pandanus-l&ldXl in eigenthümlicher Weise gemustert; Normanby- Insel
(Weihnachtsbucht).
Diese Art Matten sind in dem ganzen Gebiet, bis Teste- und Dinner-Insel (hier
yDam^y in Bentley-Bai »/lÄrö«, in Milne-Bai ^Barutta<i genannt) gebräuchlich und für
dasselbe charakteristisch. Das hübsche Muster wird in dem frischen Blatte durch Ein-
drücken hervorgebracht und ähnelt Moire. Diese Matten kleiden sehr hübsch und
machen von Weitem ganz den Eindruck kurzer Badehosen. Für gewöhnlich genügt
ein Streif von PandanusSidXij auch wohl (namentlich in Bentley- und Chads-Bai)
Schnüre und Stricke bis dicke Wülste von Menschenhaar um den Leib, durch welchen
zwischen den Beinen ein breites Stück Pandanus-h\M, gezogen wird (vgl. Finsch,
Ethnol. Atlas, Taf. XVI, 6, Chads-Bai). >Tapa<i ist mir in diesem Gebiete nicht vorge-
kommen, dürfte aber gefertigt werden.
Die Frauen bekleiden sich wie an der Südostküste (II, S. 3oo) mit einem Faser-
schurz oder Röckchen, dem
Nogi (Nr. 289, I Stück), feiner Lendenschurz, grau und gelb längsgestreift, sehr
schwer und dicht (64 Cm. breit, 49 Cm. lang) aus fein gespaltenen Blattfasern der Sago-
palme; Higibä, Milne-Bai.
Nogi (Nr. 243, I Stück), Lendenschurz aus gleichem Material, sehr fein, vorherr-
schend roth mit einigen gelben Streifen (76 Crii. breit, 50 Cm. lang); Insel Maivara
(Mc Inlay-Insel), in Chinastrasse.
Die obigen Stücke repräsentiren besonders feine Lendenschurze, besser Röckchen
zu nennen, da sie rings um die Hüften reichen. Sie werden nur bei feierlichen Gelegen-
heiten und meist von heiratslustigen Mädchen oder jungen Frauen getragen. Sehr nied-
liche und kokett kleidende »Nog^/«, in Volants, findet man auf Teste-Insel (vgl. Finsch,
Ethnol. Atlas, T. XVI, 8); auf Normanby eigenthümlich grau und naturfarben gestreifte,
die von hier wohl im Tausch nach Teste-Insel gelangen, wo ich dieselbe Art sah, da
auf Teste keine Sagopalmen vorkommen.
Für gewöhnlich werden auch in diesem Gebiet schwere ungefärbte schmal- und
breitblätterige Lendenschurze aus Blattfasern der Cocospalme getragen (vgl. S. 3oo).
Schmuck und Zierrathen. Die häufige Verwendung von rothen Spow4r^z/5-Scheib-
j chen erinnert lebhaft an das gleiche Material, welches im Putz der Mikronesier (haupt-
_ sächlich Karolinier) eine so hervorragende Rolle spielt und wird für dieses Gebiet be-
' sonders charakteristisch, denn an der ganzen übrigen Nordostküste sind Spondylus-
Scheibchen unbekannt. Auch Menschenhaar, nicht in den fein geflochtenen Schnüren,
wie z. B. in den Gilberts (vgl. Nr. 546), sondern in groben Strickchen und Wülsten,
I <ier natürlichen Beschaffenheit des Papuahaares entsprechend, wird häufig zu Schmuck
I
2'
20 ör. O. Finsch. [158]
» verarbeitet und ethnologisch von Bedeutung. Auffallend war mir der Mangel von
Hundezähnen und der an der Südostküste (bis Hood-Bai) so gebräuchlichen Muschel-
schnüre (Tautau, Taf. XIV, Fig. 6).
Wie fast überall dienen die aufgereihten Muschelscheibchen*) oder Plättchen zu-
gleich als Tauschmittel im Sinne von Geld. Ausser rothen Muschelscheibchen von
Spondylus (Taf. XIV, Fig. i a) sind auch solche aus einer weissen Muschel geschliffen
(Taf. XIV, Fig. i^) beliebt. Als werthvoUere Tauschmünzen gelten Armringe aus
CowM5-Muschel (Taf. XV, Fig. i) und aus Muschel geschliffene Nasenkeile, von denen
die aus einer Hippopus-Art am werthvoUsten sind (Taf. XXII, Fig. 2). Die sonst über-
all beliebten Samenkerne von Coix lachryma sind mir in diesem Gebiete nicht vorge-
kommen, dagegen werden häufig die schwarzen Fruchtkerne ^Gudduguddu€ (Taf. XIV,
Fig. I c) verwendet, sehr beschränkt auch die von Abrus precatorius,
TätOWirung. Bemerkenswerth und von ungewöhnlichem Interesse ist, dass wir
inmitten dieses Gebietes einen kleinen Bezirk, gleichsam eine Oase, finden, in welchem
Tätowirung der Frauen, und zwar in sehr eigenthümlicher Paterne als Körperzier be-
liebt ist. Das eigenartige Muster zeigt die farbige Abbildung einer Frau von Rogia
(Heath-Island) in Joe st (Tätowirung etc., Taf. II) und Finsch (Samoafahrten, S. 278)
Diese Tätowirungsoase beschränkt sich nur auf die Inseln östlich der Chinastrasse von
Dinner- bis Teste-Insel, deren Bewohner übrigens echte Papuas und genau derselben
Menschenrace angehören als die des Festlandes. Auf letzteren, sowie den d*Entre-
casteaux ist Tätowirung unbekannt, soll aber wiederum auf Südcap (St acy- Island) geübt
werden. Krieger pflegen sich zuweilen als Erinnerung an erfolgreiche Kämpfe gewisse
Zeichen auf der Brust einzuritzen, ganz ähnlich wie solche an der Südwestküste vor-
kommen (vgl. II, S. 305, Fig. 10 und 11). Ich sah solche Zeichen einige Male bei Män-
nern in Bentley- wie Milne-Bai. Ziernarben sind mir nicht vorgekommen.
Bemalen dts Körpers ist (ausser bei Trauer) im Ganzen selten. Auf Normanby
und in Bentley-Bai begnügte man sich mit einigen schwarzen Strichen im Gesicht;
Kindern hatte man Kreuze auf die Stirn gemalt; zuweilen lief rings um den Mund ein
schwarzer Strich, oder die eine Wange war roth, die andere schwarz bemalt.
Schwarzmalen des Gesichtes, wie des ganzen Körpers, gilt auch hier als vorherr-
schende Form der Trauer. Doch gibt es, wie an der Südostküste, auch in diesem Ge-
biete Trauerschmuck, der in einigen sehr eigenthümlichen Formen auftritt, die beson-
dere Beachtung verdienen und zu denen auch das vorher (S. 18) erwähnte tSapisapi^
zu gehören scheint. Am häufigsten wird eine Art Brustlatz aus kunstvoll aneinander
geknüpfter Bindfaden (in Bentley-Bai y>Nerawandi* genannt), und zwar von beiden
Geschlechtern getragen. In Bentley-Bai waren für beide Geschlechter breite, aus Gras
geflochtene Bänder, die kreuzweis über Brust und Rücken laufen, Zeichen der Trauer.
Häuptlingsfrauen, und nur diese allein, durften sich hier noch eines besonderen Trauer-
schmuckes, T^Diadiro< genannt, bedienen. Derselbe besteht in einem Reifen, so gross
als von einem kleinen Fass, an dem weisse Eiermuscheln (Ovula) befestigt sind und
der über die Schulter getragen wird. Beiläufig mag bemerkt sein, dass derartige Gegen-
stände nur durch Zufall erworben werden können.
Kopfschmuck. Das Haar wird von jungen Leuten, in derselben Weise aufgeputzt,
in einer mächtigen Wolke getragen, als an der Südküste, Bentley-Bai (vgl. Finsch,
0 Mein bereits (I, S. 127) ausgesprochenes Bedauern, dass über die Anfertigung der so verschie-
denen Arten Muschelscheibchen nichts Sicheres bekannt ist, muss ich hier wiederholen. Möglicherweise
geht diese Kunstfertigkeit mit dem Steinzeitalter verloren, ohne dass wir über dieselbe genaue Kunde
besitzen.
[159] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 21
»Samoafahrtency S^ 235). Ausserdem bilden bei beiden Geschlechtern künstlich verfilzte,
durch Einschmieren mit Russ und anderen Stoffen unentwirrbare Stränge oder Strähne
eine beliebte Haartour (vgl. Finsch, »Samoafahrten«, S. 283, Teste-Insel), ähnlich den
y Gatessi*, wie wir sie in Astrolabe-Bai wiederfinden werden. Diese Haarstränge zieren
hauptsächlich den Nacken der Männer, welche hier auch nicht selten einen an 6 Zoll
langen, dicht verfilzten Haarzopf stehen lassen, an welchen Muscheln (Cypracaea oder
Ovula)y Halswirbel (vom Menschen, Schwein oder Dugong), zuweilen seltene Fisch-
gebisse als Zierrath befestigt werden. Aehnliche Haarzöpfe, mit besonderem Ausputz,
werden wir im Westen von Kaiser Wilhelms-Land kennen lernen.
Ueberhaupt ist Haarputz im Allgemeinen selten, auch die sogenannten »Kämme«
'^^auf Dinner-Insel »S^wari«, in Bentley-Bai ^Dine<, in Milne-Bai ^Diäwe* genannt),
welche bekanntlich nicht zum Kämmen, sondern mehr zum Aufzausen des Haares der
Männer dienen und nur von diesen getragen werden. In der Form ähneln die Haar-
kämrae dieses Gebietes denen der Südostküste (II, S. 3o6), wie die folgende Nummer
zeigt:
Haarkamm (Nr. 296, i Stück), bestehend aus acht dünnen, 39 Cm. langen, runden
Bambusstäbchen, die an der Basis 20 Cm. lang verdünnt und mit zierlichem Flechtwerk
aus Bindfaden verbunden sind; in der Mitte mit fünf aufgeklebten Abrus-Bohntn,
schwarzen Fruchtkernen (Gudduguddu auf Dinner-Insel) und einer grossen blauen
Glasperle verziert; Insel Normanby (Weihnachtsbucht).
Die Kämme sind seltener mit Federn, sondern mehr mit frischen Blättern oder
dem für dieses Gebiet eigenthümlichen Schmuck aus Spondylus-Schcibchen verziert.
Einen sehr schönen langen, sechszinkigen Kamm, aus einem Stück Schildpatt gearbeitet,
mit geschmackvoller Gravirung, sah ich auf Teste-Insel.
Haarputz aus Federn scheint ebenfalls selten zu sein.
Kopfputz (Nr. 342, 1 Stück), von Seitenfedern des Paradiesvogels (^Hiain, Paradi-
sea Raggiana) ; Bentley-Bai.
Federn vom Casuar werden ebenfalls verwendet, ebenso Federnschmuck vom
Cacadu, der in Bentley-Bai ^Tegora* heisst.
Kopfzier (Nr. 350, i Stück) aus einem über ein Stöckchen gezogenen Schwanz-
fell eines Flugbeutlers (Belideus ariel); Bentley-Bai.
Einen eigenthümlichen Kopfschmuck der Männer, angeblich aus Milne-Bai her-
slammend, sah ich in der Colonial-Exhibition 1886 in London. Dieser Kopfschmuck
bestand in einer Art Hutkrempe aus Holz, mit Schnitzerei und bunter Bemalung und
erinnerte lebhaft an die Perlkragen in Neu-Britannien (I, S. 98, Nr. 441).
Nasenschmuck, und zwar nur durchs Septum, ist bei beiden Geschlechtern Sitte.
Am häufigsten sind kurze runde Keile bis zur Dicke eines Bleistiftes aus Holz, Rohr
oder Coralle; in Bentley-Bai sah ich dünne, feine Rottanringe durchs Septum gezogen;
in Normanby und auf Dinner-Insel auch einige aufgereihte Spondj^lus-Schtibch^n.
Der werthvoUste Nasenschmuck dieses Gebietes und charakteristisch für das-
selbe ist:
Nasenkeil (Nr. 3o6, i Stück) aus dem Schlosstheile der Hippopus-Muschel (II,
S. 358 [144], Taf. XXII [14J, Fig. 2) geschliffen; Normanby (Weihnachtsbucht).
Diese Nasenkeile, in Milne-Bai T^Hiddo^^y auf Dinner-Insel T^Panaiate* genannt,
ähneln denen aus Tridaena (II, S. 96) von Port Moresby, zeichnen sich aber durch die
gelbe bis orange Färbung aus. Sie sind besonders beim weiblichen Geschlecht beliebt,
und ich sah auf Teste-Insel ein kaum zehnjähriges Mädchen, welches bereits einen
solchen Keil von Bleistiftstärke in der Nase trug. Solche Nasenkeile dienen als Tausch-
22 Dr. O. Finsch. [l^o]
mittel und sind sehr schwer zu erlangen. Ich beobachtete diese Art Nasenschmuck nur
in den d'Entrecasteaux und am Ostende Neu-Guineas (Milne- und Bentley-Bai).
Ohrschmuck. Auf dem Festlande dient ein Streif aufgerolltes Panda nus-Elatty in
Bentley-Bai T^Tanigata< genannt, als häufigste Ohrzier. Es weitet den Ohrlappen sehr
aus und wird, wenigstens in Bentley-Bai, nur von Männern getragen. Auf den Inseln
und in den d'Entrecasteaux sind rothe Spondylus-Schtibchtriy zuweilen an Schildpatt-
ringen befestigt, sowie zahlreiche runde, flache Ringe aus Schildpatt als feiner Ohr-
schmuck bei beiden Geschlechtern beliebt, aber im Ganzen selten.
Hals- und Brustschmuck. Halsstrickchen (in Bentley-Bai *Maura^) sind ein ge-
wöhnlicher Schmuck, dagegen habe ich keinen von kleinen Muscheln (Cassidula) oder
von Zähnen gesehen und besonders solchen von Hundezähnen vermisst, da diese
Thiere sowohl in den d'Entrecasteaux als auf dem Festlande in ziemlicher Anzahl ge-
halten werden.
Die Sammlung enthält indess einige hervorragende und besonders werthvolle
Stücke.
Waiatutta (Nr. 687, i Stück, Halskette aus runden geschliffenen und durchbohr-
ten Scheibchen (Taf. XIV, [6], Fig. i b) einer weissen Muschel, an jedem Ende mit einem
schwarzen Fruchtkern (Gudduguddn auf Dinner-Insel). Chas (Teste-Insel).
Sehr beliebter und weitverbreiteter Schmuck, aber seltener als die folgende Num-
mer. Ganz ähnliche weisse Muschelscheibchen finden sich in den Gilberts-Inseln wieder.
Samakupa (Nr. 488, i Stück), Halskette (II, S. 342 [128], Taf. XIV, [6], Fig. i),
29 Cm. lang, aus Scheibchen von rother Spondj^lus-Muschel (a), am Ende ein paar
weisse Muschelscheiben (b) und ein schwarzer Fruchtkern (c). Daher.
Sehr werthvoll. Ich sah solche Halsketten auch auf Normanby, konnte sie aber
nicht erwerben. Ganz ähnlicher Schmuck findet sich in den Marshall- Inseln, aber in
hellerer Färbung und wahrscheinlich von einer andern Species der Gattung Spondylus
herrührend.
Halskette (Nr. 487, i Stück) (II, S. 342 [122], Taf. XIV, [6], Fig. 2) aus Ab-
schnitten (a) von ersten Schwingen des Casuar und rothen 5/?o/i4^/z/5-Scheibchen (b) ;
Aroani, Killerton- Inseln, Milne-Bai.
Diese sehr zierlichen und eigenthümlichen, oft mehr als 2 Meter langen Halsketten,
auf Teste-Insel ^Dibi< genannt, werden vom Festlande eingetauscht, wo allein Casuare
vorkommen, und sind deshalb sehr werthvoll. Sehr ähnliche Halsketten finden sich im
Westen von Neu-Britannien (I, S. 122, Taf. III, Fig. 11).
Dona (Nr. 516, i Stück), kostbarer Brustschmuck, bestehend aus einem circa
40 Cm. langen Bande aus Bastgeflecht, an welchem 80 oblonge (22 Mm. lange) Spon-
4;^/w5- Plättchen (Bakiau) angeflochten sind; als Anhängsel dient ein abnormal ge-
krümmter Eberhauer (Dona), fast kreisrund und 65 Mm. im Lichten messend. Von
Dinner-Insel (Samarai), aber nach dort von den d'Entrecasteaux eingetauscht.
lieber die Entstehungsweise der abnormen Krümmung solcher Eberhauer und
ihren hohen Werth als Südseepretiosen vgl. die Abhandl. Nr. 10 (II, S. 295).
Bei der grossen Seltenheit werden derartige Eberhauer auch imitirt, wie das fol-
gende Stück:
Dona (Nr. 517, i Stück); Brustschmuck, bestehend aus einem Bande, auf welches
86 viereckige 5/70w4;^/M5-Scheibchen aufgeflochten sind; in der Mitte ist ein künstlich aus
Tridacna geschliffener nicht ganz kreisrunder Eberhauer (6 Cm. im Lichten) befestigt,
der mit sechs Scheiben aus Conws-Scheiben, vier Schnüren rother Glasperlen, die je in
einem schwarzen Fruchtkern (wie Taf. XIV, ic) enden, verziert ist; an der Rück-
[161] Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der Südsee. 23
I Nacken-) Seite ist eine Ovw/^ -Muschel (Dunari) befestigt. Von Dinner-Insel (Samarai),
aber vom Festlande herstammend.
Brustkampfschmuck (II, S. 3i2) dürfte diesem Gebiete ebenfalls nicht fehlen. So
sah ich in Milne-Bai Kreisabschnitte grosser C^m^/wm-Muscheln, T^Doru^ genannt, die
vielleicht in ähnlicher Weise dienen, als wie dies im Westen von Kaiser Wilhelms-Land
der Fall ist.
Armschmuck. Armbänder aus feinem, meist schwarzgefärbtem Flechtwerk (Gras
oder Pflanzenfaser, ganz wie Nr. 378, II, S. 3 12) von Port Moresby und anderwärts,
sind auch in diesem Gebiete, sowohl auf dem Festlande als den Inseln am häufigsten
und werden von beiden Geschlechtern getragen. Auf Normanby trägt man sehr breite
Armbänder, fast so breit als der halbe Oberarm. In Bentley-Bai sah ich sehr schön aus
Pflanzenfaser geflochtene mit schwarz und gelben Muster, die aber nicht verkauft
wurden. Sie heissen hier >Ohama* und ^Mi!imi!i<c. Ziemlich grobe Armringe aus
Trochus niloticus, ^Kakati«^ genannt (ganz wie Nr. 367 von der Nordküste), sind hier
ebenfalls vertreten, wie auch in Milne-Bai. Ein besonderer, aber seltener Armschmuck
besteht aus mehreren aneinandergebundenen Orw/a-Muscheln (Dunara) und heisst in
Bentley-Bai *Bunidoga<; derartiger Schmuck wird, wie auf Normanby, auch unterm
Knie befestigt, als Knieband von Männern getragen.
Einen werthvoUen Armschmuck, den wir als eine Art Geld unter dem Namen
■ 7b;ii€ schon von Port Moresby kennen (II, S. 314), repräsentirt die folgende Nummer:
Armring (Nr. 362, i Stück), aus Muschel (II, S. 344 [i3o], Taf. XV, [7], Fig. i),
ein 4 Cm. breiter Querschnitt vom Spitzenende eines Conus millepunctatus (750 Mm.
Durchmesser im Lichten), mit Verzierung von (a) halbdurchschnittenen schwarzen,
glänzenden Fruchtkernen und (b) weissen Muschelscheibchen (wie Taf. XIV, Fig. i^);
Normanby, Weihnachtsbucht.
Armring (Nr. 363, i Stück), wie vorher; Chas (Teste-Insel).
Diese Art Armringe, auf Dinner-Insel T>Massuoru<L genannt, werden hauptsäch-
lich auf den d'Entrecasteaux-Inseln angefertigt wie auch in Milne-Bai und finden im
Tausch ihren Weg auf die Inseln und längs der Küste weit nach Westen.
Bakibakiri (Nr. 386, i Stück), sehr grosses Armband (7 Cm. breit), aus gespal-
tenen, schwarzgefärbten Rottang geflochten (10 Cm. Diameter); Bentley-Bai.
Diese schon durch ihre ungewöhnliche Grösse alle anderen Armbänder über-
tretfende Sorte scheint für die Ostspitze charakteristisch. Ich sah sie nur in Milne-Bai
und nördlich bis Chads-Bai, sowie auf Normanby, aber nicht auf den übrigen Inseln.
Die Hohlkehle der Innenseite wird mit wohlriechenden Kräutern und Pflanzen ausge-
stopft und dient zum Aufbewahren von Kleinigkeiten.
Nach einer Notiz bei Moresby wäre diese Art Armbänder als Trauerschmuck zu
betrachten, von welchen die Eingeborenen nichts verkauften. Aber ich selbst hatte keine
Schwierigkeiten, solche Armbänder zu erlangen, und bemerkte nichts, was auf Trauer-
schmuck hindeutete. Der sonderbaren Armbänder aus einem menschlichen Unterkiefer
habe ich bereits im Vorhergehenden (S. 18) als charakteristisch für dieses Gebiet gedacht.
Wie bei den Motu (II, S. 100) ist für junge Leute beiderlei Geschlechts noch be-
sonderer Armbandschmuck beliebt, wie die folgenden zwei Nummern zeigen.
Päropöru (Nr. 412, i Stück), Armbandschmuck aus einem 84 Cm. langen, spitz
zulaufenden Streif von Pandanus-BXzXX genäht, an der Basis bemalt und am Ende mit
einem 45 Cm. langen Büschel feiner Pflanzenfaser verziert; Bentley-Bai.
Armbandschmuck (Nr. 4i3, i Stück), aus gleichem Material, aber pliss^artig in
Falten gelegt; Weihnachtsbucht, Normanby.
24 Dr. O. Finsch. [162]
Der (Nr. 414, II, S. 314) von Port Moresby erwähnte Schmuck für die Conus-
armringe aus kleinen Spondylus-Scheihchtn wird in diesem Gebiete ebenfalls getragen
und meist hier verfertigt. Als Armbandputz ist auch ein Büschel Casuarfedern geschätzt,
ausserdem allerlei buntfarbige Blätter, namentlich von Crotofi, die allgemein üblich sind.
In Bentley-Bai wurde häufig ein Badeschwamm im Armband getragen, wie dies auch in
Normanby vorkam.
Leibschnure aus ineinander verfilzten zottigen Haarstricken bilden einen charak-
teristischen Schmuck der Männer. Sie sind besonders in Bentley-Bai Mode, wo sie
^Apara<i heissen, kommen aber auch in Milne-Bai, auf den d'Entrecasteaux und den
Inseln (Dinner und Teste) vor. Häufig erhalten diese Leibwülste einen besonderen
Schmuck in einer an der Hüftseite herabhängenden Troddel, ebenfalls aus Menschen-
haar, an der drei bis vier Ovula-Muscheln befestigt sind (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas,
Taf. XVI, Fig. 6, Chads-Bai), ^Turituri^c heissen auf Dinner- Insel fein geflochtene
schwarze und gelbe Schnüre aus Pflanzenfaser, häufig mit SpondylusSchtibchtn ver-
ziert, die, auch von Frauen, als Leib- und Brustschmuck benützt werden und mir sonst
nirgends vorkamen.
C Häuser und Siedelungen.
Ich will nur erwähnen, dass auch in diesem Gebiete Pfahlbauten allgemein üblich
sind, die aber stets auf dem Lande, niemals im Wasser errichtet w^erden. Die Häuser
selbst sind wesentlich von denen der Südostküste (II, S. 3i6 — Big) verschieden und
repräsentiren nach den Localitäten mehrere sehr abweichende Baustv'le, von denen die
hauptsächlichsten in meinem Reisewerk (»Samoafahrten«) dargestellt sind (S. 217,
Weihnachtsbucht auf Normanby; S. 227 Fergusson; S. 287 Bentley-Bai; S. 250 Hihi-
aura; S. 280 Teste-Insel). Die Baukunst ist im Allgemeinen gut, an manchen Orten
hervorragend entwickelt. Schnitzerei habe ich nur an Häusern auf Teste-Insel gefun-
den, auf Fergusson Bemalung der Giebelfront.
Besondere Beachtung verdienen die Schuppen zur Aufbewahrung der grossen
Canus, von denen jedes Dorf meist nur einen besitzt. Diese Canusschuppen (vgl.
»Samoafahrten«, S. 224, Goulvain) scheinen in gewissem Sinne als Versammlungs-,
respective Tabuhäuser der Männer, welche in diesem Gebiete fehlen, zu dienen. Hier
werden die grossen Trommeln und Kampfschilde aufbewahrt und die Eingeborenen
lieben es nicht, dass Fremde diese Canusschuppen betreten. Baumhäuser kommen in
diesem TheUe Neu-Guineas ebenfalls vor (vgl. »Samoafahrten«, S. 272, Milne-Bai). In
Bentley-Bai wie auf Teste-Insel heisst Haus Numa, identisch mit dem Ruma oder Luma
der Motusprache.
Ackerbau. Was darüber von der Südostküste (II, S. 3 20) gesagt wurde, gilt in er-
höhtem Masse auch von diesem Gebiete. Selten wird man in Neu-Guinea so schöne
und ausgedehnte Flächen cultivirten Landes trefl'en als gerade in diesem Theile. Ganz
besonders überraschen die Inseln von Ostcap mit zahlreichen bepflanzten Hängen, die
sich schon von Weitem, je nach der Jahreszeit, als braune oder grüne, regelmässige
Felder abheben. Weit ausgedehnter sind diese »Culturflecken« in den d'Entrecasteaux,
wo sie dem Landschaftsbilde einen heimatlichen Charakter verleihen, mit dem freilich
die anscheinend äusserst spärliche Bevölkerung wenig im Einklänge steht. In Goode-
nough-Bai Hessen sich mit dem Fernrohr noch in Höhen von 4000 — 5000 Fuss wohl-
gepflegte Plantagen der Eingeborenen erkennen, wie meist mit Vorliebe an den steilsten
Stellen angelegt. Der Grund, weshalb gerade solche beschwerliche Localitäten bevor-
zugt werden, ist mir nie recht klar geworden, mag aber hauptsächlich mit darin zu
[153] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 25
suchen sein, dass an solchen Stellen die heftigen Niederschläge tropischer Regenschauer
schneller abfliessen, in derartigen Plantagen auch die Ueberfällc feindlicher Nachbarn
bedeutend erschwert werden.
Wie alle Melanesier sind auch die Bewohner dieses Gebietes vorherrschende
Vegetarianer, die den Haupttheil ihrer Ernährung aus dem Anbau von Culturgewächsen
(ganz besonders Yams, Taro, Bananen und Zuckerrohr) gewinnen.
Die Hausthiere sind dieselben als an der Südostküste (II, S. 322) und das in jenem
Abschnitt Gesagte gilt auch für dieses Gebiet. Beiläufig mag hier erwähnt sein, dais ich
1885 zuerst europäische Hausthiere, und zwar Rindvieh und Schafe in diesem Theile
Neu-Guineas (bei Bentley-Bai) einführte, von denen die letzteren bald eingingen, die
eriteren sich aber verwildert noch heute erhalten und vermehrt haben dürften.
2). Geräthschaften und Werkzeuge.
Ueber die Art des FeuerreibenS habe ich mich nicht unterrichten können. Uebri-
gens sind an mehreren Plätzen bereits Streichhölzer als Tauschartikel eingeführt.
Unter den kleineren Geräthschaften des täglichen Gebrauches finden wir auch hier
als Schab- und Schneidinstrument Stückchen Knochen oder Muschelschalen vertreten,
wie die folgenden beiden Nummern:
Perlmutterschalen (Nr. 28 und 29, 2 Stück), Bentley- und Chads-Bai (circa
10 Seemeilen westlich von Bentley-Bai). Die Perlmuscheln dieses Gebietes gehören zu
der im Handel als »schwarzrandige« bezeichneten Sorte (Meleagris margaritifera) ,
die zum Theil recht brauchbares (bis 500 Gramm schweres) Perlmutter liefern. Am
häufigsten ist dasselbe in Chinastrasse und auf den Riffen um die Inseln, indess wirth-
schaftüch doch nicht von Bedeutung.
Obsidian (Nr. 21, i Stück); Fergusson-Insel, d'Entrecasteaux. Splitter dieser
glasartigen Lava wurden früher mit Vorliebe zum Rasiren benützt, sind aber jetzt meist
durch Glasscherben verdrängt worden. Das Material stammt vermuthlich von Goode-
nough-Insel, wo es noch jetzt thätige Vulcane gibt, und wird zum Theil jetzt noch weit
verhandelt; so sah ich auf Teste-Insel noch Obsidianstücke.
Ein sehr eigenthümliches Instrument zeigen die folgenden Nummern:
Käginiss (Nr. 47, 48, 2 Stück), Spatel aus Muschel (Pinna nigra) mit kugel-
törmigen Handgriff aus einer Kittmasse (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. VI, Fig. 5);
Chas (Teste-Insel).
Dieses, in Material wie Fassung, sehr eigenthümliche Instrument habe ich nur hier
angetroffen. Es dient dazu, Farbe in die vertieften Schnitzereien, hauptsächlich der
Canusverzierungen, zu schmieren, vielleicht auch zum Dichten (Kalfatern) der Canus
selbst.
Als Trinkgefässe bedient man sich, wie fast überall, mit Vorliebe der Cocosnuss-
schalen, die auch zu Löffeln verarbeitet werden.
Knake (Nr. 65 und 66, 2 Stück), Cocosuussschalen als Löffel, respective Trink-
schale benutzt; Station Blumenthal bei Bentley-Bai.
Löffel (Nr. 61, i Stück) aus Cocosnussschale (sehr gross, 18 Cm. Diameter), mit
feiner Gravirung. Insel Normanby (Weihnachtsbucht),
Laro (Nr. 60, i Stück), Löffel aus Muschel (Perlmutter). Chas (Teste-Insel).
Gaiba (Gaiwa) (Nr. 84, i Stück), flache runde Holzschüssel (43 Cm. Durch-
messer) mit hübscher Randverzierung (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. III, Fig. 3).
Chas (Teste-Insel). Auch in Bentley-Bai Gaiba genannt.
26 Dr. O. Finsch. [164]
Diese Schüsseln werden hier nicht gefertigt, sondern kommen von ^Tekateka^
(wohl = Tekatua oder Butchard-Insel der Engeneer-Gruppe). Diese Art Schüsseln, in
der Form denen der Admiralitäts-Inseln gleichend, stehen den letzteren an kunstvoller
Verzierung (mit eigenthümlichen Mustern) nicht nach und gehören mit zu den besten
derartigen Erzeugnissen der Südsee überhaupt. Ich mass eine solche Schüssel von
84 Cm. Durchmesser. Sie sind kaum mehr zu haben, ebenso wie die kolossalen, ruder-
förmigen, an 6 Fuss und mehr langen Rührlöffel, auf Teste Kolopale genannt, deren
Stiel ^weilen mit sehr kunstvoller durchbrochener Schnitzerei, in Maori-Motiven, ver-
ziert ist. Sie kommen wohl von Normanby, wo Rührlöffel (zu Sago und Arrowroot) in
sonderbaren Formen zu den ethnologischen Eigenthümlichkeiten gehören.
Töpferei. Wie bereits erwähnt, bildet Chas (Teste-Insel) das Haupt- und, wie es
scheint, einzige Centrum der Töpferei, die hier in Technik wie Form der Fabrikate
durchaus verschieden von der in Port Moresby (II, S. 324) betrieben wird. Das Mate-
rial liefert ein trefflicher Wackenthon, der durch Verwitterung des reichlich mit Schörl
gemengten Basalts, aus welchem die Insel besteht, entstanden ist. Wie überall liegt die
Topffabrikation ausschliessend in den Händen der Frauen, die frühzeitig sich schon
darin üben und zuweilen eine staunenswerthe Geschicklichkeit erreichen. Die Methode
ist noch viel einfacher als die in Port Moresby (II, S. 324) übliche und erfordert eigent-
lich gar keine Geräthschaften. Die Töpferin rollt mit der flachen Hand runde, wurstför-
mige, circa 6 Zoll lange Wülste (Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 8) und baut dieselben spira-
lig,*) wie das Gewinde einer Schnecke auf. Zum Glattstreichen bedient man sich einer
kleinen
Muschel (Nr. 97)", wohl 7<?///;m-Species.
Die Töpfe, Ureii'a oder Gurewa (in Bentley-Bai Nau) genannt, erhalten daher
nicht die eigentliche melanesische Topfform, sondern sind oben offen und ähneln mehr
einem tiefen Napfe (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 6). Am Rande wird mit-
telst dem
Kulikulikoto (Nr. 97 a, 2 Stück), flaches Stückchen Bambus mit verschieden ge-
formten, gabelförmigen Zinken (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 9) eine Ver-
zierung, meist in rechtwinkeligen Mustern (z. ß. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IV,
Fig. 10) eingravirt, die wie bei den Töpfen von Port Moresby lediglich als Handels-
marke dient. Das Brennen geschieht in einer etwas abweichenden Weise (vgl. Finsch,
Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 7).
Teste-Insel versorgt das ganze Gebiet bis Südcap und die d'Entrecasteaux, ver-
muthlich auch die Louisiade, mit Töpfen, die allenthalben gesucht sind und ein beliebtes
Tauschmittel bilden. Teste-Töpfe sah ich in Bentley-Bai, auf Normanby und Fergusson.
Flecht- und Strickarbeiten sind wenig entwickelt. Ausser zu Segeln und groben
Fussbodenmatten sah ich kein anderes Mattengeflecht. Das Material zu diesen Flecht-
arbeiten besteht, wie meist, aus gespaltenem Pandanus-hl^xx,, Filetgestrickte Beutel, in
Bentley-Bai Goba (Gobe) genannt, kommen selten und nur als kleine Brustbeutel der
Männer vor. Die Weiber benützen keine solchen gestrickten Beutel, sondern tragen die
Lasten in grossen, roh aus Palmblatt verfertigten Körben meist in der Weise wie in
Port Moresby (d. h. an einem Bande, das auf dem Vorderkopf ruht) oder auf dem
Kopfe, wie in Normanby. Statt filetgestrickter Beutel benützen die Männer meist fein
geflochtene Körbchen, wie die folgende Nummer (aber grössere).
I) In ganz gleicher Weise werden auf den Andamancn Töpfe gemacht, dagegen in Doreh (an der
Nordküste von Neu-Guinea) in derselben Weise als in Port Moresby, Auf den Salomons sind beide Me-
thoden der Technik bei Verfertigung eines Topfes vereinigt.
[165] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 27
Körbchen (Nr. 895, i Stück), aus Pflanzenfaser (wohl Pandanus) geflochten,
6 Cm. lang, in eigenthümlicher Form, wie ein Hauskäppchen, oben mit 1 1 Cm., unten
mit 44 Cm. langen Fasern troddelartig verziert. Normanby-Insel (Weihnachtsbucht).
Ich erhielt diese Beutel auch auf Teste-Insel und ganz gleiche Von Savo (Salo-
mons), wo sie ^Tondo* heissen und von jedem Manne am Oberarm getragen werden.
Statt grosser filetgestrickter Tragbeutel bedienen sich die Männer einer besonde-
ren Art Tragkörbe, die für dieses Gebiet charakteristisch werden. Sie sind rund, höher
aJs breit, sehr sauber aus Pflanzenfaser (einer Art Gras) geflochten, enthalten zwei bis
drei Einsätze und werden an einem breiten, hübsch geflochtenen Band über die Schulter
'getragen. Sie Verden überall auf dem Festlande, sowie in den d'Entrecasteaux gemacht
und nach den Inseln verhandelt. Auf Dinner- Insel (Samara!) heissen diese Tragkörbe
^Kirakiranf in Bentley-Bai »Au-utu*.
Als Material zu Stricken und Bindfaden, sowie daraus gefertigten Strickarbeiten
in Filet wird in diesem Gebiete die zubereitete Faser der Luftwurzeln des Pandanus
benutzt. Sie gibt einen ausgezeichneten, äusserst haltbaren Faden von einer Länge bis
2 Meter und würde werthvoU für Ausfuhr sein, wenn sich dieses treffliche Fasermaterial
in genügender Menge beschaffen Hesse.
Reizmittel. Unter den Reizmitteln steht auch hier Betel obenan. Die dafür be-
nutzten Geräthe und Gefässc bilden in Form, wie der reichen Verzierung einen charak-
teristischen ethnologischen Zug dieses Gebietes. Die Calebassen zu Kalk, in Bentley-
Bai Ragum ([Mgum)y auf Teste- und Dinner-Insel Haligiu genannt, zeichnen sich
^lurch Kugelform, besonders schwungvolle, schnörkelförmige, kunstreich eingebrannte
Muster und fein umsponnene Stöpsel aus. Calebassen sah ich auch in Milne-Bai und
auf Trobriand. Sie werden an allen diesen Localitäten nicht selbst gefertigt, sondern
auf den d'Entrecasteaux und hauptsächlich auf Woodlark-Inseln (Murua) und sind
überall ein beliebtes Tauschmittel. Zum Aufbewahren von Betelnüssen bedient man
sich auch kleiner fein geflochtener Körbchen oder Säckchen wie Nr. 895.
Ein sehr eigenthümliches Geräth für Betelgenuss sind kleine, zum Theil sehr fein
mit Schnitzerei verzierte Mörser aus hartem Holz, die zum Zerstampfen der Betelnuss
ilienen für alte Leute, die keine ordentlichen Zähne mehr besitzen. Ich sah sie von den
d'Entrecasteaux unter Goldie's Sammlungen, erhielt aber selbst keine mehr.
Zu den charakteristischen Eigenthümlichkeiten dieser ethnologischen Provinz ge-
hören die Kalkspatel oder sogenannten Kalklöffel, in welchen hier ein förmlicher Luxus
herrscht. Diese Kalkspatel, meist aus Hartholz (zuweilen Ebenholz) verfertigt, ähneln
gewöhnlich in der Form einem Falzbeine, zeigen aber grosse Mannigfaltigkeit sowohl
in der Form als Verzierung, wobei unter letzteren beachtenswerthe kunstvoll eingravirte
Muster obenan stehen, wie schon die nachfolgende Reihe zeigt. Die schönsten Kalk-
spatel sollen von Woodlark-Insel kommen. Sie bilden einen beliebten Tauschartikel
und finden als solcher weite Verbreitung; einzelne aus dem Osten stammende Kalklöffel
sah ich in Port Moresby und erhielt solche von den Laughlands.
Gähm (Nr. goS, i Stück), Kalkspatel (II, S. 352 [i38], Taf. XIX [i i], Fig. 3) von
Milne-Bai; aus hartem schweren Holz (wohl Ebenholz), in eigenthümlicher Form,
3 Cm. dick, an beiden Seiten flach mit tief eingravirtem, schwungvollen Muster (auf
iler entgegengesetzten Seite mit'ganz gleichem). Die zugerundete flache Spitze wie in
Fi
g-
7a.
Gähm (Nr. 905, i Stück), Kalkspatel (II, S. 352 [i38], Taf. XIX, [11], Fig. 7 und
7^) von Milne-Bai, in der am häufigsten vorkommenden falzbeinartigen Form, aus
hartem Holz (wohl Ebenholz). Das 25 Mm. dicke Stielende ist mit einem 4 Mm. breiten
28 Dr. O. Finsch. [i66]
und 8 Cm. langen Längsspalt durchstochen gearbeitet; die beiden Seiten sind mit ein*
gravirtem Muster verziert, und zwar auf jeder Seite verschieden. Das vertiefte Muster
wird mit Kalk eingeschmiert und tritt daher (wie auf der Abbildung) weiss hervor.
Das auf der Zeichnung fehlende MittelstUck zwischen b und c hat eine Länge von
12 Cm.
Das erhabene Muster des Griffes dieser Kalkspatel dient auch dazu, um mit Kalk
bepudert, als weisse Verzierung auf die Backe gedruckt zu werden.
Aehnliche Formen und Muster von Kalkspateln kommen in den d'Entrecasteaux
vor (vgl. Finsch, Ethriol. Atlas, Taf. V, Fig. 2, 3 von Normanby).
Kalkspatel (Nr. 912, i Stück), von Ulebubu (Insel Goulvain, d^Entrecasteaux-
Gruppe), II, S. 352 [i38], Taf. XIX [11], Fig. 4); eigenthümliche Form, 43 Cm. lang,
aus Hartholz (Ebenholz?) mit eingravirtem Muster; der Stiel a (vom Ende der Zeich-
nung noch 1672 Cm. lang) ist circa 150 Mm. dick und in vier Hohlkehlen ausgearbeitet.
Das auf der Zeichnung zwischen b und c fehlende Mittelstück hat eine Länge von 6 Cm.
Boaboa (Nr. 904, i Stück), Kalkspatel (11, S. 352 [i38], Taf. XIX [11], Fig. 5,
5^ und 6) aus Hahhoiz, in eigenthümlicher gekrümmter Form, der Stiel Schnitzarbeit,
einem grotesken Thierkopfe ähnelnd (letzterer in Fig. 6 von oben gesehen); Fig. 5a das
spateiförmige Ende. Hihiaura in Bentley-Bai.
Kenä (Nr. 906, i Stück), Kalkspatel aus hartem Holz geschnitzt; der Griff eine
fratzenhafte menschliche Figur') (abgeb. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. V, Fig. 4) darstel-
lend. Chas (Teste-Insel). Auch auf Dinner-Insel werden hübsche Kalkspatel aus Holz
geschnitzt und heissen hier ^Genai<,
Kalkspatel (Nr. 908, i Stück); Insel Normanby (Weihnachtsbucht).
Kalkspatel (Nr. 909, i Stück), bestehend aus einem kurzen Stiele von Ebenholz
mit reichem Schmuck aus zwei Ketten von runden SpondylusSchoübQhtn mit Perlschal-
stückchen, einer Schnur blauer Glasperlen und einer eigenthümlichen sehr seltenen
Muschel (ähnlich einer grossen Patella) verziert. Insel Normanby (Weihnachtsbucht).
Tabak wird im ganzen Gebiet gezogen und geraucht. Sehr begehrt ist der be-
kannte amerikanische Stangentabak (Twist)^ als Tauschmittel, wie sich an einigen
Plätzen auch Thonpfeifen eingeführt haben; ja auf Teste-Insel verlangte man bereits
Holzpfeifen mit Beschlag.
Der y>Baubau^ (II, S. 327, Nr. 93o), das sonderbare Rauchgeräth der Motu, findet
sich auch auf Teste- und Dinner-Insel, hier »AT/ri*« genannt, aber nicht auf dem Fest-
lande oder den d*Entrecasteaux. Die Art des Rauchens zeigt das Bild S. 268 in Finsch*
»Samoafahrten«.
Werkzeuge. Zu den charakteristischen Formen der Ostspitze Neu-Guiheas als
ethnologische Provinz gehören auch die Steinäxte, und zwar hauptsächlich durch die
besondere Schäftung und namentlich den Einsatz der Steinklinge mit dem Stiel. Im
Allgemeinen sind die Steinklingen flacher, breiter und sauberer gearbeitet, w^ie die fol-
genden Nummern zeigen :
Gune (Nr. i3, 1 Stück), Steinaxtklinge, sehr gross (28 Cm. lang, 14 Cm. breit).
Chas (Teste-Insel).
Ich erlangte hier nur noch wenige, zum Theil unfertige Klingen zu Steinäxten, da
diese längst durch eiserne verdrängt sind. Das Material besteht in einem sehr fein-
I) Wenn schon derartig unschuldige Schnitzereien, die mit Religion absolut nichts zu thun haben,
von Missionären als Götzenbilder bezeichnet werden (vgl, Chalmers&Gill, »Work and adventure in
New Guinea«, S. 329), so erhellt daraus am besten, welchen Werth diese Deutungen ethnologisch haben,
und mahnt bei wissenschaftlicher Verwerthung derartiger Citate zu ernstester Vorsicht.
[167] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 29
körnigen, dunkelgrünen bis schwärzlichen Schiefer (?), der muscheligen Bruch zeigt und
häufig Nephrit ähnelt. Das Material wurde von den d'Entrecasteaux-Inseln eingetauscht.
Kila (Kira)f (Nr. 14, i Stück), Steinaxtklinge, wie vorher, etwas kleiner (22 Cm.
lang, 12 Cm. breit). Dorf Higibä, Milne-Bai.
Kila (Nr. 15, i Stück), Steinaxtklinge, klein, aber sehr sauber gearbeitet. Milne-Bai.
Diese Steinklingen sind im Gegensatz zu den meisten sonst üblichen Steinbeilen
(Vgl. II, S. 328, Fig. 35) nicht wie bei diesen quer mit dem Stiele, sondern in gleicher
Flucht mit demselben eingefügt, also ganz wie bei unseren eisernen Aexten und Beilen,
wie dies die folgenden Nummern zeigen:
Kiraxn (Kilam), (Nr. 129, i Stück), Steinaxt mit Holzstiel; Milne-Bai.
Kiram (Nr. 128, i Stück), Steinaxt (eigene Form), der Stiel mit etwas Schnitzwerk
verziert. Milne-Bai.
Die Holzstiele der Steinäxte dieses Gebietes, das sich bis Bentley-Bai und Südcap
iSsuau), über die d'Entrecasteaux bis Woodlark-lnsel und die Louisiade erstreckt, sind
breit und flach, aus einem Stück Holz (ohne besonderes Futter) gearbeitet und waren
früher häufig durch feines, oft durchbrochenes Schnitzwerk verziert, das jetzt wohl kaum
mehr gemacht wird. Ich sah nur noch wenige Holzstiele mit Schnitzerei (wie z. B.
Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 8, von Normanby, einen Vogel darstellend). In Weihnachtsbucht
Normanby-Insel) wie Bentley-Bai gab es fast nur ganz roh gearbeitete Holzstiele, die
mit eisernen Klingen aus eingetauschtem Bandeisen (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 8)
versehen und so häufig waren, dass fast jeder grössere Knabe eine solche Axt besass.
Eine besondere, nur bei feierlichen Gelegenheiten als Staats- oder Ceremonien-
zeichen benützte Steinaxt repräsentirt das folgende seltene Stück:
Ira (Iram oder Ilam) (Nr. 127, i Stück), Steinaxt (II, S. 354 [140], Taf. XX [12],
Fig. i) von Weihnachtsbucht, Normanby-Insel. Die 29 Cm. lange, 1472 Cm. breite,
21 Mm. (Fig. la) dicke, an i Va Kilo schwere Klinge ist sehr sauber gearbeitet und be-
steht aus einem dunklen, heller gestreiften Schiefer von serpentinähnlichem Aussehen.
Diese Klinge steckt bis a (Fig. i) in dem eigenthümlichen, aus einem Stück gefertigten
Holzschafte aus Hartholz, der 82 Cm. lang, flach (nur 25 Mm. dick) und dicht mit fein
gespaltenem Rottang umwickelt ist. Der Handgriff ist rundlich und endet in eine runde
querstehende Platte von 15 Cm. Durchmesser, mit zwei halbkreisförmigen, vertikal ge- .
stellten, aus einem Stück gearbeiteten, dünnen, flachen Ansätzen, die mit einer Reihe
Löcher durchbohrt sind. Diese Löcher dienten dazu, um allerlei Zierat (Kettchen von
Spondylus etc.) zu befestigen; der Holzstiel selbst war mit rother Farbe bemalt. Diese
Art kolossaler Steinäxte, welche früher bis Südcap vorkamen, sind wohl jetzt kaum
mehr zu haben und werden bald ebenso selten sein als die eigenthümlichen Ceremonien-
äxte von Mangaia. Ich sah ein Exemplar, das von Teste-Insel herstanlmte, aber hieher
durch Tausch von den d'Entrecasteaux gelangt war.
Waffen und Wehr. Bogen und Pfeile, sowie Keulen mit Steinknauf scheinen dem
Gebiete zu fehlen. Ebenso kamen mir keine Schleudern vor; ich sah aber solche (ganz
sowie die von Neu-Britannien, aber gröber) bei Goldie, der sie aus den d'Entrecasteaux
mitgebracht hatte. Auch an den Schilden von Bentley- und Milne-Bai lassen sich deut-
lich Spmen von Schleudersteinen erkennen.
Wurfspeer (Nr. 712, i Stück), aus Palmholz, glatt, dünn, circa 2*65 M. lang, an
beiden Enden schlank. Maivara (Mc Inlay- Insel), Chinastrasse.
Womari (Nr. 713, i Stück), Wurfspeer, glatt, dünn, mit verdickt abgesetzter
Basis (Fuss). Chas (Teste-Insel).
3o Dr. O. Finsch. [i68]
Womari (Nr. 714, i Stück), desgleichen, schwerer, an der Spitze mit fünf Säge-
kerbzähnen (ganz wie Nr. 717, II, S. 329 von Port Moresby). Samarai (Dinner- Insel).
Da die Bewohner der beiden letztgenannten Inseln christianisirt sind und keine
Kriege mehr führen, so bedürfen sie keiner Waffen mehr. Die wenigen Stücke, welche
ich erhielt, sind jedenfalls vom Festlande eingetauscht, da sich auf den Inseln selbst
schon kein passendes Holz findet.
Gita (Nr. 715, i Stück), Wurfspeer, dünn, schlank (ganz wie Nr. 713). Normanby-
Insel (Weihnachtsbucht).
Wurfspeere bilden auch für dieses Gebiet die Hauptwaffe. Auf den d'Entre-
casteaux sind sie zuweilen sehr schwer (aus Ebenholz), 7 — 8 Fuss lang und mit kunstvoll
eingravirtem Muster verziert, das für diese Inselgruppe charakteristisch wird. Die Speere
sind vorherrschend glatt und zeichnen sich durch Schlankheit aus. Doch gibt es solche
mit verschiedenartigen Kerbzähnen an einer, zuweilen an beiden Seiten. Dagegen kom-
men sehr kunstvoll geschnitzte Spitzen an Speeren vom Festlande vor (vgl. Fig. 5 in
der unter Nr. 5 citirten Abhandlung, II, S. 295).
Handkeule (Nr. 760, i Stück), flach, aus hartem Holz, eigenthümliche Form, am
Rande mit Sägezahnkerben. Insel Fergusson, d'Entrecasteaux.
Handkeule (Nr. 761, i Stück), gewöhnliche Form mit fein eingravirtem Muster.
Insel Fergusson, d'Entrecasteaux.
Diese Art Keulen, in der charakteristischen Form eines kurzen breiten Schwertes
(Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. XI, Fig. 4, Normanby), werden hauptsächlich in den
d'Entrecasteaux und auf Trobriand (hier häufig aus Ebenholz, daher sehr schwer) ge-
macht und nach den Inseln verhandelt, wo sie auf Dinner- und Teste-Insel Keräpa
(Kelepa) heissen. Das tief eingravirte und mit weissem Kalk eingeschmierte Muster
(vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. XI, Fig. 5) ist oft äusserst schwungvoll und wie alle
ähnlichen derartigen Holzschnitzereien für dieses Gebiet charakteristisch. Auf Normanby
fand ich den Griff zuweilen mit drei bis vier Ovw/a-Muscheln an Haarsträngen verziert.
Die gleichen Handkeulen und Speere (bis 1 5 Fuss lang) aus Ebenholz kommen nach
Romilly auch in der Louisiade vor.
Bossim (Nr. 786, i Stück), kurze, flache Handkeule aus Knochen (Unterkiefer des
Potwal, Physeter), Chas (Teste-Insel). Abgebildet in Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. XI,
Fig. 6.
Eine in Form wie Material sehr merkwürdige und höchst seltene Waffe, von der
ich nur wenige, offenbar sehr alte Stücke sah, die, wie man mir sagte, von Ssuau (Süd-
cap) herstammen sollen. Die Form zeigt eine auffallende Uebereinstimmung mit den
Meri der Maori. Die Randlöcher dienen zur Befestigung von Zierat, besonders von
Spondylus-VldMchtn,
Jessi, Schild (Nr. 836, i Stück), aus schwerem Holz (II, S. 364 [150], Taf. XXV
[17], Fig. 2), rechteckig, etwas concav, mit feiner Schnitzarbeit in Relief (Fig. ia).
Chas (Teste-Insel). Diese schönen Schilde sind nicht mehr zu haben; sie wurden früher
vom Festlande eingetauscht oder doch das Holz zu denselben und vielleicht auf der
Insel selbst geschnitzt.
Schild (Nr. 837, i Stück), aus Holz, andere Form (II, S. 362 [148], Taf. XXIV
[16], Fig. 3), länglich-oval, aussen mit feiner Schnitzarbeit und ßemalung, innen mit
einer in eigenthümlicher Weise befestigten Handhabe (Fig. 3 a) aus Holzstücken mit
Strickwerk verbunden. Higibä in Milne-Bai.
Beide Arten Schilde repräsentiren eigenthümliche, für die Ostspitze des Festlandes
charakteristische Formen, von denen die erstere (Nr. 836) aber viel seltener und in
[ 1 69] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 3 1
Bezug auf die Schnitzerei bei Weitem werthvoller ist Ich beobachtete Schilde nur in
Milne- bis Bentley-Bai, hier Ragena genannt, und in Chads-Bai, von wo sie früher ihren
Weg nach den Inseln fanden. Es ist ethnologisch von Bedeutung, dass auf den d'Entre-
casteaux Schilde unbekannt zu sein scheinen, dagegen wieder auf Trobriand vorkom-
men, und zwar in eigenthümlicher Form, die wir im Nachfolgenden kennen lernen
werden.
Jagd spielt auch in diesem Theile Neu-Guineas eine untergeordnete Rolle und
wird nur gelegentlich betrieben. Am häufigsten werden Casuare und Wildschweine bei
i^rossen Treibjagden in Stellnetzen gefangen. Zur Erinnerung an erfolgreiche Jagden
dient das folgende Stück:
Poni {= Schwein) (Nr. 688, i Stück), Unterkiefer eines Schweines. Bentley-Bai.
Die Sitte Schädel oder Unter kinnlad en von Schweinen als Jagdtrophäen oder zur
Erinnerung an grosse Schmausereien in den Häusern aufzuhängen, ist weit über Mela-
nesien verbreitet. Ich erhielt auf Dinner-Insel auch den Schädel (Uwonnu) einer kolos-
salen Schildkröte (Potoro). Auf Rogia (Heath-Island) sollen übrigens Wildschweine
(Boroke oder Buruka) vorkommen; wohl vom Festlande eingeführt und verwildert.
Ob die Bewohner des Moresby-Archipels sich auch mit dem Fange des Dugong, Hali-
core, beschäftigen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls ist ihnen das
Thier bekannt, das auf Dinner-Insel »Luni« heisst, also sehr ähnlich dem '»Ltii oder
Rui€ der Motusprache. In Bentley-Bai erhielt ich Kalkspatel, die aus einer Dugong-
rippe bestanden.
Fischerei wird überall, vorzugsweise mit Netzen (in Bentley-Bai Akita) betrieben,
die namentlich auf Normanby schön verfertigt werden (ganz wie Nr. i68 von Tro-
briand). Die hölzernen Schwimmer der Netze sind oft mit Schnitzwerk verziert (vgl.
Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. 2). In Hihiaura erhielt ich ziemlich schmackhaft
geräucherte kleine Fische, ähnlich Sprotten. Das Material zu Bindfaden (wie Stricken)
besteht, wie erwähnt, vorzugsweise in der präparirten Faser der Luftwurzel des Pan-
danus (ganz wie Nr. 143 von Finschhafen) und heilst auf 't'este-Insel Ino,
Wuba heisst eine originelle und sinnreich erfundene Fischfalle mit Senkstein
'^Veku) und ausgespanntem Netz (Gube)j welches zusammenklappt, wenn ein Fisch
den Köder berührt (abgebildet in Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. i). Ich sah diese
Fallen auf Dinner- und Teste-Insel, sowie in Bentley-Bai, hier Mahaba genanpt. Auf
Dinner-Insel beobachtete ich auch die eigenthümlichen, aus Cocosnussschalen gefertig-
ten Fischrasseln, Waduwadu genannt, welche dazu dienen sollen, Haifische anzulocken
und die auch auf Normanby, Trobriand und in Ncu-Britannien vorkommen (I, S. 108).
Fischhaken und Fischkörbe sah ich nicht; doch mag es welche geben. Fischspeere,
in der bekannten Form, werden überall benützt; auf Normanby sah ich solche mit
tigenthümlicher Doppelspitze.
Scllifffahrt steht, wie bereits erw^ähnt, auf einer hohen Stufe der Entwicklung.
Die grossen, bis 60 Fuss langen seetüchtigen Segelcanus gehören nicht allein in ihrer
Leistungsfähigkeit, sondern auch in der Technik zu den vollkommensten Fahrzeugen
von Naturvölkern. In der Bauart erheben sie sich vor Allem dadurch über das ge-
wöhnliche Canu, dass ein grosser ausgehöhlter Baumstamm mehr als Kiel dient, dem,
mittelst Kniehölzer (Rippen), hohe Borde aus Brettern aufgelascht sind (vgl. Finsch,
Lthnol. Atlas, Taf. VI, Fig. 3, Querschnitt eines Canu von Fergusson), so dass die Bau-
art dieser Fahrzeuge sehr an die unserer Kähne erinnert. Charakteristisch für die Canus
ist der ungeheuer dicke Auslegerbalken (Finsch, 1. c, Taf. VI, Fig. 4 von Teste) und
32 Dr.O. Finsch. [170]
die schmale Plattform^ die aber so lang als das Canu ist. Diese Canu führen ein grosses
Segel (vgl. Finsch, L c, Taf. VIII, Fig. 8 und 9) von eigenthümlicher fast ovaler Form
aus groben Mattengeflecht von Pandanus-FeiStr, Die grossen Canus, um Ostcap Wem,
in Milne-Bai Wage genannt, sind Gemeindeeigenthum oder gehören den Häuptlingen
und jedes Dorf besitzt, wenn überhaupt, nur eins oder ein paar. Sie werden in beson-
deren auf dem Lande errichteten grossen Schuppen untergebracht, um sie vor der
Sonne zu schützen (vgl. Finsch, »Samoafahrten«, S. 224, Goulvain).
Die folgende Nummer veranschaulicht ein in allen Theilen correctes
Modell (Nr. 179, i Stück) eines grossen Segelcanu von der Insel Ulebubu (Goul-
vain) d'Entrecasteaux.
Diese grossen Fahrzeuge werden hauptsächlich in den d'Entrecasteaux und in
Milne-Bai (Wagawaga in Discovery-Bay) gefertigt und finden ihren Weg im Tausch-
handel über die Inseln. Bentley-Bai besass kein solches Canu, dagegen aber Hihiaura-
Buchtung. Auf Chas (Teste-Insel) sah ich zwar an solchen Canus arbeiten, allein zum
vollständigen Bau fehlt es schon an dem nöthigen Baumaterial. Wie mir gesagt wurde,
werden diese Canus von Mulua, womit Woodlark-Insel gemeint ist, bezogen. Beiläufig
bemerkt, besitzt man in der Louisiade nur schlechte kleine Canus, die zu weiteren See-
reisen ungeschickt sind.
In der Weihnachtsbucht auf Normanby gab es nur kleine, circa 3 M. lange Canus
(vgl. Finsch, »Samoafahrten«, S. 214), übrigens in der Form und Bauart ganz wie die
grossen, welche nur einen Erwachsenen zu tragen vermögen. Ebensolche kleine Canus
sah ich auf Fergusson. In Chinastrasse und auf Samarai (Dinner-Island) benutzte man
auch grosse ausgehöhlte Baumstämme, ohne Ausleger, »Gebo* genannt, und kleine
Canus mit Auslegergeschirr, Kokea, die mit Rudern von der gewöhnlichen Form,
Uosse genannt, fortbewegt werden.
Neben grossen, in jeder Weise vortrefflichen Fahrzeugen zeichnet sich dieses Ge-
biet auch durch höchst primitive, sogenannte CatamaranSy aus. Sie bestehen nur aus
drei bis vier behauenen, circa 10 — 12 Fuss langen und je einen Fuss breiten aneinander-
gebundenen Baumstämmen, bilden also eine Art Floss und tragen ein bis zwei Personen
(vgl. Finsch, »Samoafahrten«, S. 2Z2). Die Eingeborenen wissen diese so leicht zum
Umschlagen geneigten Fahrzeuge äusserst geschickt zu führen und üben z. B. mit solchen
Netzfischerei aus.
Die grossen Canus sind meist reich, namentlich mit Schnitzwerk, an den Schnä-
beln, Seitenborden der Plattform, ja selbst am Mast verziert. So sah ich von den
d'Entrecasteaux einen Kloben, durch welchen das Seil für das Segel geht, in Gestalt
einer menschlichen Figur aus Holz geschnitzt. Die oft sehr schwungvollen Muster der
vertieft gearbeiteten Schnitzereien werden mit rother und weisser Farbe ausgeschmiert,
wozu man sich eines besonderen Instrumentes (vgl. Nr. 47, S. 25) bedient.
Die folgenden Nummern geben Proben dieser Schnitzarbeiten:
Canuverzierung (Nr. 182, i Stück), (II, S. 356 [142], Taf. XXI [i3], Fig. 2,
Hälfte), sehr kunstvolle Holzschnitzerei aus einem 56 Cm. langen und 17 Cm. breiten,
am Ende abgerundeten Brett bestehend, dessen zwei Hälften in der Mitte (a) handgrifl-
artig verbunden sind. Die tief eingravirte, zum Theil durchbrochen gearbeitete
Schnitzerei (bei b einen Vogel darstellend) gehört mit zu den schwungvollsten Typen
der für dieses Gebiet eigenthümlichen und charakteristischen Ornamentik. Beide Seiten
sind in übereinstimmendem Muster geschnitzt; die vertieften Stellen werden mit rother
und weisser Farbe ausgeschmiert. Fergusson-Insel, d'Entrecasteaux.
[lyi] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 33
Canu Verzierung (Nr. i83, i Stück), ein 77 Cm. langes und i3 Cm. breites Brett,
Seitenbord der Plattform, mit schwungvollem Muster in Relief, roth und schwarz bemalt,
die Vertiefungen mit weisser Farbe (Kalk) eingeschmiert. Fergusson.
Canu Verzierung (Nr. 184, i Stück), einen aus Holz ziemlich roh geschnitzten
Vogel (Manu) darstellend. Blumenthal in Hihiaurabucht.
Weitere Canuverzierungen bildete ich in meinem ethnologischen Atlas der
>Sanioafahrten€ ab (Taf. VII, Fig. 6 von Trobriand und Fig. 7 und 8 von Fergusson-
losel).
E. Musik.
Unter den Musikinstrumenten findet sich nichts Eigenthümliches. Am weitesten
ist die Holztrommel und wohl über das ganze Gebiet verbreitet. In Bentley-Bai wie
auf Normanby (hier mit feiner Schnitzerei) hatten diese Trommeln die gewöhnliche
sanduhrförmige Form, während die Trommeln von Teste-Insel etwas abweichen, indem
sie, wie die Trommeln von Südcap, eine gerade Röhre aus Holz bilden. Sie zeichnen
sich durch besondere Schnitzerei, sowie reichen Putz von Pandanus-El^XtstTtUtn aus.
In Bentley-Bai sah ich Panflöten in der bekannten Form (I, Taf. V, Fig. 4) und kleine
Nasenflölen aus Rohr, hier Pikoräre genannt, eben solche auch auf Normanby, aber
alle diese Instrumente waren selten und die einzigen, welche ich ausser der Muschel-
rrompete beobachtete. Auf Normanby wird statt Tritonium auch Cassis cornuta zu
Trompeten verwendet.
Kinderspiele. In Bentley-Bai waren dicke Stricke an Baumästen befestigt und
dienten ganz in derselben Weise wie bei uns als Schaukeln, mit denen sich Alt und
Jung belustigte. Das auch bei uns bekannte Spiel der Kinder, gegenseitig einen auf die
ausgespreizten Finger beider Hände gespannten Faden abzuheben, um dabei stets neue
Figuren zu erzielen, wurde in Bentley-Bai eifrig geübt (wie ich dies auch im Bismarck-
Archipel beobachtete (vgl. I, S. 143).
Idole, Talismane u. dgl. sind mir nicht vorgekommen, werden aber jedenfalls vor-
handen sein, wie ich auch in Bezug auf Religion nichts in Erfahrung brachte. Aber die
TabüSitte herrscht auch hier.
c. Trobriand,
eine noch sehr wenig bekannte, niedrige, kleine Insel, circa 50 Seemeilen nördlich von
Fergusson und circa go Seemeilen nordwestlich von Woodlark-Insel, mit deren Bewoh-
nern ich nur vom Dampfer aus verkehren konnte. Sie sind hell und haben meist schwar-
zes, schlichtes Haar, so dass sie darnach zur Race der Oceanier (Polynesier) zu zählen
sein würden. Allein es findet sich entschieden melanesische Beimischung und einzelne
Individuen mit echtem Papuahaar, zuweilen im Nacken in Gestalt verfilzter Strähne, wie
sie in Neu-Guinea Mode sind, wusste ich nicht von Melanesiern zu unterscheiden. Auch
bezüglich der Ethnologie herrscht melanesisches Gepräge vor und die grösste lieber-
einstimmung mit den d'Entrecasteaux und Woodlark-Insel, *) Die Bewohner der letz-
teren Inseln besuchen mit ihren seetüchtigen Fahrzeugen Trobriand, wo ich nur kleinere,
nicht zu weiten Seereisen geeignete Canus (ohne Segel) sah, die sich übrigens durch
I) Die Bewohner dieser Insel besitzen treffliche seetüchtige Canus, mit denen sie weitere Reisen
unternehmen, unter Anderem auch die Laughland-Inseln besuchen. Wenn z. B. Goldie von den letzteren
Inseln besonders schöne Canus erwähnt, so waren es eben solche von Woodlark(Mulua), da die Laughland-
losulaner nur kleinere Fahrzeuge besitzen.
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft 1, 1891. 3
34 Dr. O. Finsch. [l?^]
besondere Bauart auszeichnen (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. VII, Fig. 6). Jedenfalls
besteht ein Tauschverkehr mit den Nachbarinseln. So sah ich schöne kugelförmige
Kalkkalebassen, ganz so wie sie auf den d'Entrecasteaux gemacht werden, und die
gleichen Speere und schwertförmigen Handkeulen (wie Nr. 761, S. 3o) wie von dorther,
mit Gravirung in gleichem Muster verziert. Derartige Waffen waren zuweilen aus Eben-
holz, das (nach Romilly) übrigens in grosser Menge auf Trobriand wachsen soll. Die
eigenthümlichen Bekleidungsmatten (Nr. 244, S. 19) fand ich auch auf Trobriand. Ge-
wöhnlich trugen die Männer aber nur einen Strick um den Leib, an welchem, zwischen
den Beinen durchgezogen, ein Blattstreif von Pandanus befestigt war. Haarschmuck
und 5/?o;i^'/w5-Scheibchen beobachtete ich nicht; im Ganzen nur wenig Körperzierat
(Tätowirung nur höchst unbedeutend); von Federschmuck nur einzelne Cacadufedern,
von Cacatua Triton, der Art Neu-Guineas. Gewöhnliche Halsstrickchen und schwarze
Grasarmbänder waren am häufigsten, seltener Armringe aus Trochus, wie Ovula-
Muscheln als Armschmuck. Eine Halskette aus einer besonderen, mir neuen, weissen
Muschel sah ich nur hier. Durch das Septum der Nase wurden meist kleine Schildpatt-
reifen getragen; der Ohrlappen war undurchbohrt; Haarkämme fehlten. Steinäxte
kamen mir nicht zu Gesicht, sondern die Eingeborenen hatten nur einige schlechte
Aexte mit Stemmeisen als Klinge, ganz in der gewöhnlichen Weise befestigt, also sehr
abweichend von denen der d'Entrecasteaux. Die Eingeborenen begehrten übrigens nur
Hobel- oder Bandeisen, Toke, das sie fertigen eisernen Beilen vorzogen, und verschmäh-
ten merkwürdiger Weise Tabak, da sie offenbar nicht zu rauchen scheinen, was zu den
seltenen Ausnahmen bei den Südseevölkern gehören würde. Obwohl kleinere Handels-
schiffe Trobriand zuweilen anlaufen, um Yams einzuhandeln, der in vortrefflicher Quali-
tät (ich kaufte bis 17 Pfund schwere Knollen) und reichlich zu gewissen Zeiten zu haben
ist, so verstanden die Eingeborenen nur wenige englische Wörter und mit tomahawk
(Beil), knife (Messer) und beads (Glasperlen) war ihr fremder Sprachschatz ungefähr
erschöpft. Arbeiterwerbeschiffe scheinen hier also noch nicht gehaust zu haben, wie
Händler (Trader) schon deshalb der Insel fernblieben, weil die Insel gar keine Cocos-
palmen aufweist. Die Betelpalme ischeint ebenfalls zu fehlen und deshalb schon ist Ver-
kehr mit den Nachbarinseln nothwendig, ebenso im Hinblick auf Steinwerkzeuge, da
die Insel offenbar nur aus Corallformation besteht. Holzarbeiten, zum Theil mit kunst-
voller Schnitzerei, scheinen auf Trobriand sehr heimisch zu sein, darunter Holzschüsseln ,
Wasserschöpfer (in derselben Form als in Finschhafen) und eigenthümliche kleine (nur
28 Cm. lange) Holztrommeln (in der Form ganz wie von Chas, Teste-Insel).
Fischfang wird stark betrieben. Ausser sehr schön gearbeiteten Netzen (vgl.
Nr. 168) erhielt ich kolossale hölzerne Haifischhaken (vgl. Finsch, Ethnol. Atlas,
Taf. IX, Fig. 9), ähnlich solchen von den Gilberts- Inseln und der Ellice-Gruppe, sowie
Haifischrasseln, sah aber keine kleinen Fischhaken, wie solche aus Eisen überhaupt ver-
schmäht wurden. Die Insel schien wenigstens an der Westseite ziemlich gut bevölkert,
aber ich vermochte von den Eingeborenen keinen Namen für dieselbe zu erfahren.
Kebole oder Kaibol, wie die Eingeborenen sprachen, dürfte wohl nur ihr Heimatsdorf
bezeichnen. Die Insel soll nach Meinicke Kirvirai heissen, wie mir Goldie sagte
Jaraby was jedenfalls richtig sein wird. Ueber meinen Besuch von Trobriand vgl.
Finsch, »Samoafahrten« Englisch-Neu-Guinea, I, Trobriand, S. 205 — 210.
Die wenigen Stücke, welche ich sammeln konnte, enthalten einige charakteristische:
Perlmutterschale (Nr. 3o, i Stück), als Schneide- und Schabinstrument.
Holzschüssel (Nr. 85, i Stück), flach, rund, Sg Cm. Durchmesser.
Kalkspatel (Nr. 907, i Stück), flach falzbeinartig aus Schildpatt.
[173]
Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der SQdsee.
35
Tauwerk (Nr. iSy, eine Probe), aus einer Art Bast.
Fischnetz (Nr. 168, i Stück), sehr fein gestrickt, mit hölzernen Schwimmern und
Senkern aus Muschel (Area).
Ruder (Nr. 177, i Stück), in sehr eigertthümlicher Form, die ich nur hier antraf.
Schild (Nr. 841, i Stück), aus leichtem Holz (II, S. 362 [148], Taf. XXIV [i6],
Fig. 5), in sehr eigenthümlicher, für diese Insel charakteristischer Form. Der Griff (5 a)
auf der Rückseite ist aus Rottang und für unsere Hände zu eng.
Diese Schilde sind zuweilen auf weissem Grunde mit rother und schwarzer, sehr
feiner Malerei in eigenthümlichen Mustern verziert (vgl. Fi n seh, Ethnol. Atlas, Taf. XII,
Fig. 2) verziert, derartige Schilde aber kaum mehr zu haben. Nach den Schilden zu
urtheilen, müssen die Insulaner ziemlich kriegerisch sein, denn ich fand in einem
Schilde sechs, in einem anderen sogar elf abgebrochene Speerspitzen. Pfeil und Bogen
sind unbekannt.
Inhaltsverzeichniss.
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea.
I. Englisch -Neu -Guinea.
Seite
b. Ostspitze und d'Entrecasteaux-
Inseln
Einleitung
Gebiet
Ethnologische EigenthQmlichkeitcn
Sammel-Localitäten
A. Eingeborene
Racenstellung
Cannibalismus
Todtenverehrung
Gräber
B Körperausputz und Beklei-
dung
Bekleidung
Matten
Frauenröcke '
Schmuck und Zieraten . . . .
Geld
Tätowirung
Trauerschrouck
Kopfschmuck
Nasenschxnuck
Ohrschmuck
Hals- und Brustschmuck . . . .
Armschmuck
Leibschmuck
('.. Häuser und Siedelungen . .
Ackerbau
Hausthiere
[I5I1
i3
[151]
i3
[151]
i3
[152]
14
[153]
15
[I54J
16
[154]
16
[155]
17
11561
18
[156]
18
[157]
19
[157]
19
[157]
IQ
[157]
19
II57]
19
[158]
20
[158]
20
[158]
20
[158]
20
[i59l
21
[160]
22
[160]
22
[161I
23
[162]
24
[162]
24
[162]
24
li63]
25
Seite
D. Geräthschaften und Werk-
zeuge ['63] 25
Feuerreiben ['^3] 25
Schneideinstrumente [^^3] 25
Löffel [i63] 2S
Schüsseln [i63] 25
Töpferei [164] 26
Flecht- und Strickarbeilen . . . [164] 26
Reizmittel [165] 27
Kalkspatel [165] 27
Werkzeuge . [166] 28
Steinäxte [166] 28
Waffen und Wehr [167329
Speere L'^7l 29
Keulen [168] 3o
Schilde [168] 3o
Jagd [169] 3i
Fischerei [^69] 3i
Schifffahrt ['69! 3 1
Canus [169] 3i
Catamarans [170] 32
Canu Verzierungen [17^1 ^2
K. Musik [171] 33
Instrumente' L^7M 33
Spiele [171J 33
Talismane [171] 33
c. Trobriand I171I 33
36
Dr. O. Finsch Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
[174]
Abbildungen.
Die zu diesen Abschnitten gehörigen sind die folgenden und erschienen im Band III
der »Annalen« 1888.
Taf.
»
»
»
XIV [6]. Fig. I. Halskette aus Muschelscheibchen, Teste-Insel
» » » 2. » » Abschnitten von Casuarschwingen, Milne-Bai
^^ [7]> * ' • Armring aus Conus, Normanby
XIX [II], » 3. Kalkspatel, Milne-Bai
» » » 4. » Goulvain
» » » S« ^* * Hihiaura
» » » 7. » Milne-Bai
XX [12], » I. Steinaxt, Normanby
XXI [i3], » 2. Canuverzierung, Fergusson
XXII [14], » 2. Nasenkeil, Normanby
XXIV [16], » 5. Schild, Trobriand
» » » 3. » Milne-Bai
XXV [17], »2. » Teste-Insel
Seite
[160]
22
[160]
22
[161]
23
[165]
27
[166]
28
[166]
28
[165]
27
[167]
29
[170]
32
[159D
21
[173]
35
[1683
3o
[168]
3o
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee.
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhisiorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Delmenhorst bei Bremen.
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea.
IL Kaiser Wilhelms- Land.
Einleitung.
Kaiser Wilhelms-Land oder Deutsch-Neu-Guinea
umfasst die Nordküste von der Grenze des niederländischen Antheiles, dem 141. Grade
östl. L. (von Greenwich), bis zu dem Punkte in der Nähe von Mitre Rock, wo der
S.Grad sQdl. Br. die Küste schneidet. Das Areal beträgt (nach Friedrichsen), ohne
die vorgelagerten, meist vulcanischen Inseln, 179.250 Quadratkilometer (= 3255 deutsche
geographische Quadratmeilen), nach dem Gothaer Hofkalender 181.650 Quadratkilo-
meter (wohl mit den Inseln), ist also grösser als die Hälfte des Königreichs Preussen.
Diese ausgedehnte Küste gehörte bislang mit zu den unbekanntesten Theilen der
ganzen Insel. Nur von Wenigen erschaut, war sie blos an ein paar Punkten überhaupt
besucht worden, nachweislich zuerst von Willem Schonten und Jacob le Maire.
Diese berühmten Seefahrer entdeckten am 6. Juli 161 6 die noch heute brennende Insel
»Vulcanus«, Hansa- (Vulcan-) Insel und mussten ein paar Tage später, durch Mangel
an Wasser und Nahrungsmitteln gezwungen, an die Küste laufen, wo sie zwei Tage
(9. und 10. Juli) mit ihrem Schiffe »de Eendracht« (die Eintracht) ankerten und fried-
lichen Verkehr mit den Eingeborenen unterhielten. Das war in einer Bucht, die später
»Cornelis Kniers-Bai« benannt wurde, welche sich aber nicht mehr mit Sicherheit fest-
stellen lässt. Nach meinen Untersuchungen muss sie circa 50 Meilen West von Cap
de la Torre liegen. Abel Tasman hat (1643) einen Theil dieser Küste ebenfalls ge-
sehen, denn von ihm wird die kleine Aris-Insel nahe bei Hansa -Vulcan erwähnt, so-
wie die Auswässerung grosser Flüsse in der Nähe. Tasman scheint aber ebensowenig
gelandet zu haben als Dampier (1700), von dem das nicht mehr sicher auszumachende
»Cape King William« in der Nähe von Festungshuk herrührt. Dampier segelte nörd-
lich von den Inseln Wagwag (Rich-Insel) und Karkar (Isle Brülante, später nach Dam-
pier benannt), damals ein noch thätiger Vulcan, und ausserhalb der Le Maire- (Schonten-)
Inseln westwärts. D'Entrecasteaux' Recognoscirungen der Küste (1793) beziehen
sich hauptsächlich auf das Südostende Neu-Guineas und streifen unser Gebiet nur in
Huongolf.
38 Dr. O. Finsch. [l?^]
Die erste Küstenaufnahme geschah erst viel später, und zwar 1827 durch Dumont
d'Urville mit der französischen Corvette »Astrolabe« (der umgetauften ^Coquille«).
Von dieser für diesen Theil der Küste Neu-Guineas ersten bedeutungsvollen Reise
rühren die französischen Benennungen her, welche wir auf den Karten von Astrolabe-
bis Humboldt-Bai eingetragen finden. An Astrolabe-Bai vorübersegelnd, hielt das Schiff
von Cap Croissilles längs der Küste westwärts, bis das trübgefärbte Wasser der >Anse
aux eaux trouble« bei Venus Point nöthigte, ostwärts der Le Maire- (Schouten-) Inseln
abzuhalten, in einer Entfernung, wo wenig mehr von der Küste zu sehen ist. Daraus
erklären sich auch leicht mancherlei Versehen, namentlich dieses Theiles der Küsten-
aufnahme. So fanden wir, um nur ein paar Beispiele anzuführen, die auf den bisherigen
Karten sehr markant bezeichneten Punkte »Passir Point«*) und das 12 Meilen lange
»Karan Riff« überhaupt nicht. Die Astrolabe-Expedition hatte an dieser ganzen Küste
niemals gelandet und auch Humboldt-Bai, mit ihrem leicht kenntlichen Eingänge, war
nur von ihr gesichtet und benannt worden. Die Reise des englischen Kriegsschiffes 9Sul-
phur« unter Sir Edward Belcher (1840) machte uns mit Victoria-Bai an der West-
seite von Kairu (D'Urville-Insel) bekannt, scheint aber die Küste selbst nirgends berührt
zu haben. Die Holländer der neuen Zeit sind auf unserem Gebiete nicht thätig gewesen
und besuchten erst 1858, mehr als 3o Jahre nach der Entdeckung, die östlichste Grenze
ihres Besitzthumes in Neu-Guinea, Humboldt-Bai, mit dem Regierungsdampfer »Etna«.
Aber 1871 sehen wir das russische Kriegsschiff >Vitias«, als das erste überhaupt, in
Astrolabe-Bai, um den ersten Weissen, Nicolaus v. Miklucho-Maclay, an dieser
Küste zu dauerndem Aufenthalt zu installiren. Im folgenden Jahre wurde der Forscher
durch die Corvette »Isumrud« wieder abgeholt und 1883^) traf derselbe abermals mit
einem russischen Kriegsschiffe, der Corvette »Skobeleff«, zu kurzem Besuche hier ein.
Von dem Aufenthalte der russischen Kriegsschiffe rühren einige Aufnahmen in Astro-
labe-Bai her, sowie die Auffindung eines Hafens, Port Alexis, am Westende des Archi-
pels der zufriedenen Menschen. Weit wichtiger für unser Gebiet wurde die Reise des
Capitän Moresby (1874) mit dem englischen Kriegsschiffe »Basilisk«, der wir die, wenn
auch flüchtige, Aufnahme von Huongolf zu verdanken haben. Von hier ging der Dam-
pfer ausserhalb der Le Maire- (Schonten-) Inseln westwärts, ohne die Küste zu berühren.
Dies war der Stand der geographischen Kenntniss, als ich im Jahre 1884 im Auf-
trage der Neu-Guinea-Compagnie in Berlin mit dem Dampfer >Samoa« unter Führung
von Capitän Dalimann nach jenem Theile Neu-Guineas aufbrach. Die »Samoa«(
stand vor grossen Aufgaben, die, soweit es die Verhältnisse gestatteten, nach besten
Kräften zu lösen versucht wurden. Sie befuhr die ganze Küste ^) vom Mitrafels bis
Humboldt-Bai und konnte dabei die gefahrlose Schiffbarkeit des vorher unbekannten
Theiles zwischen Broken Water- und Humboldt-Bai, einer Strecke von 255 Seemeilen,
0 Dieser Punkt ist auf der englischen Admiralitätskartc (Nr. 2764) als eine circa zwei Seemeilen
lange Spitze eingezeichnet, wie sie an der ganzen Küste nicht vorkommt. Von den »extensive lagoon-
reefs«, welche Powell von dieser angeblichen Localität erwähnt, haben wir nichts gesehen, im Gegen-
theil die ganze Küste rifffrei gefunden.
2) Maclay lebte aber zwischen dem noch circa 17 Monate (vom 28. Juni 1876 bis 10. Novem-
ber 1877) in Astrolabe-Bai.
3) Nach seinem Vortrage »Visits to the Eastern and North eastern Coasts of New Guinea c in der
geographischen Gesellschaft zu London (Proceed., vol. V, Nr. 9, September i883, S. 505—514) hat Wil-
fred Powell, anscheinend im Jahre 1879, die ganze Küste (von Chinastrasse bis Cap Durville) bereits
befahren. Der sehr allgemein gehaltene kurze Bericht, ohne alle und jede Daten, der nicht einmal den
Namen des Fahrzeuges nennt, enthält nichts, was der »Samoa« Prioritätsrechte nehmen könnte, dagegen
verschiedene sehr irrige Angaben, die zu ernstesten Bedenken berechtigen.
[l^yl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3 g
nachweisen. Ihr blieb es vorbehalten, den grossen Fluss, ') dessen meilenweit hin das Meer
trübende Aus Wässerungen schon T asm an aufgefallen waren, aufzufinden, sowie eine
Reihe brauchbarer Häfen und schliesslich, in stets friedlichem Verkehr mit den Einge-
borenen, das ganze ausgedehnte Schutzgebiet »Kaiser Wilhelms- Land« für Deutschland
zu sichern. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass die »Samoa« nur ein kleiner
Dampfer von 1 1 1 Tons reg. mit 35 Pferdekraft war, der weder Dampfbarkasse noch
Kanonen besass und im Ganzen nur i3 Mann an Bord führte.
Im Auftrage der Neu-Guinea-Compagnie sind seitdem eine Reihe eingehender
geographischer Aufnahmen gemacht worden, um die sich in erster Linie der frühere
Landeshauptmann Baron v. Schleinitz grosse Verdienste erworben hat. Denn haupt-
sächlich verdanken wir ihm die Aufnahme von Huongolf und der Küste bis zum Kaiserin
AugustaflusSy wobei eine Menge Buchten, Häfen und Flüsse entdeckt wurden. Weiter
westlich vom Augusta wurde bisher nur von der »Samoa« vorgedrungen. Grössere In-
landsreisen sind, um dies noch zu erwähnen, in Kaiser Wilhelms-Land bisher noch nicht
gemacht worden. Hugo Zöller und seine Begleiter kamen, von Constantinhafen aus,
meist dem Laufe des Kabenauflusses folgend, etwa 100 Kilometer weit ins Finisterre-
Gcbiet und erreichten hier eine Höhe von 233o Meter; die Entfernung vom Meere in
vier Luftlinie beträgt aber nur circa 3o Kilometer. Die grosse wissenschaftliche Expe-
dition unter Dr. Schrader, welche die Hauptaufgabe hatte, ins Innere, »womöglich bis
zu den Grenzen des englischen Gebietes vorzudringen und das gesammte Gebiet all-
mälig aufzuschliessen«, hat die Aufgabe in diesem Sinne nicht entfernt zu lösen ver-
mocht, wie das im Voraus zu erwarten war. Sie machte nur kleinere Excursionen in
der Umgegend von Finsch- und Constantinhafen, sowie bei Bagili nördlich von Alexis-
hafen und gelangte allerdings auch tief ins Innere, aber per Dampfer auf dem Kaiserin
Augustafluss. Hier bezog die Expedition (unter 142*^7' östl. L. und 4® 18' südL Br.) ein
Lager, wo sie circa 2 Ya Monate verweilte, aber wegen Feindseligkeiten mit den Einge-
borenen bald den Verkehr mit den letzteren ganz abbrechen musste.
Was nun die ethnologische Kenntnisse) anbelangt, so lagen ausser einigen dürf-
tigen Notizen von Belebe r, Moresby und Romilly (der 1881 mit dem englischen
Kriegsschooner »Beagle« Astrolabe-Bai besuchte), nur die Arbeiten Miklucho-
Maclay's vor. Sie sind in nicht leicht zu erlangenden Zeitschriften publicirt, schwer
zugänglich, somit ziemlich unbekannt geblieben und beziehen sich fast nur auf Bemer-
kungen über die Eingeborenen der Umgebung von Constantinhafen während seines
ersten fünfzehnmonatlichen Aufenthaltes. Und doch war M aclay mehr als irgend Jemand
dazu berufen, über Land und Leute einer Küste zu berichten, die seinen Namen trägt,
unter und mit deren Bewohnern er in dreimaligem Aufenthalte zusammen 32 Monace
lebte, ihrer Sprachen und Sitten vollkommen mächtig, und die er besser kannte und
kennen lernte als irgend ein weisser Mann vor oder nach ihm. Seinen Namen hörte ich
von Cap Teliata bis Karkar überall, wo wir mit Eingeborenen zusammentrafen, als den
eines Freundes nennen, und wo man uns einen Melonenbaum (Carica), einen Kürbis,
eine Wassermelone (Arbuse) zeigte, gleich hiess es »Maday«, denn er hatte diese
I) Kaiserin Augusta von mir benannt und nicht nur der grösste schiffbare Fluss im deutschen
Schutzgebiete, sondern nächst dem Flyflusse der grösste von ganz Neu-Guinea überhaupt. Ucber die
Hefahrung dieses Stromes (38o englische Meilen weit mit Dampfer) geben die »Nachrichten aus Kaiser
\\Ühelms-I.and« ausführliche Berichte.
3) Die »Nachrichten aus Kaiser Wilhelms-Land « bringen im Ganzen sehr wenig über Ethno-
logie, immerhin aber manche bemerkcnswerthe Notizen, auf die ich, soweit sie Neues bringen, Bezug
nehmen werde.
40 Dr. O. Finsch. [178]
Früchte eingeführt. Ist es auch wenig, was der Forscher, *) der lediglich zum Studium
der Eingeborenen hieher kam, hinterlassen hat, zwei Abhandlungen von im Ganzen
56 gedruckten Octavseiten, so wiegt dieses Wenige doch schwerer als mancher dicke
Band und gehört zum Besten was über Papuas überhaupt geschrieben wurde. Ich darf
mir dieses Urtheil erlauben, denn ich konnte an Ort und Stelle Maclay*s Berichte
prüfen und mich von ihrer Gründlichkeit überzeugen, Berichte, deren Vollständigkeit
überhaupt nur durch einen so langen Aufenthalt und innigen Verkehr mit den Einge-
borenen möglich war.
Als Leiter einer Expedition, deren Hauptaufgabe in Landerwerb lag und die nichts
mit ethnologischer Forschung zu thun hatte, konnte ich der letzteren nur meine freie
Zeit widmen und habe dieselbe, im alten Eifer für diese am meisten bedürftige Wissen-
schaft, nach besten Kräften, oft unter recht schwierigen Verhältnisen auszunutzen ver-
sucht. Als sichtbares Resultat brachte ich eine reichhaltige Sammlung 3) mit, deren
Haupttheil, 2128 Stück, (wie der aller meiner Sammlungen), dem königl. Museum für
Völkerkunde in Berlin durch Kauf von der Neu-Guinea-Compagnie zuging.
Wenn es mir leider nicht vergönnt war, meine nach Berlin gelangten Sammlungen
(in ihrer Gesammtheit 4000 Stück aus der Südsee überhaupt) zu bearbeiten, so freut es
mich, wenigstens hier einen Theil meiner Erfahrungen und Beobachtungen aus Kaiser
Wilhelms-Land ^) mittheilen zu können. Sie betreffen neue, für Ethnologie besonders
I) Ausführlich über denselben, seine Reisen, Arbeiten und Schriften in Finsch, »Nicola us v.
Miklucho-Maclay, Reisen und Wirken« in »Deutsche geographische Blätter« (Bremen), 1888, S. 270 — 309.
3) Miklucho-Maclay, der während seines ersten Aufenthaltes in Astrolabe-Bai grundsätzlich
nicht sammelte, hat in dieser Richtung im Ganzen nur wenig geleistet, trotz denkbar günstigster \'er-
hältnisse. Der 1886 in Petersburg erschienene Katalog seiner Südsee-Sammlungen verzeichnet nur 198
Nummern.
3) Meine bisherigen Publicationen aus diesem Gebiet, über welche ich wiederholt zu referircn
haben werde, sind die folgenden:
1. »Aus den Berichten des Dr. Finsch über die im Auftrage der Compagnie nach Ncu-Guinca
ausgeführten Reisen« in: Nachrichten über Kaiser Wilhelms-Land und den Bismarck-Archipel. Heraus-
gegeben von der Neu-Guinea-Compagnie in Berlin, Jahrg. I (1885), Heft i (Juni), S. 3 — 9, Heft 3 (Sep-
tember), S. 2 — 10, Heft 4 (October), S. 3 — 19. Mit Uebersichtskarte von Kaiser Wilhelms-Land (Astro-
labe- bis Humboldt-Bai) von Dr. O.Fi n seh.
Der letzte Bericht nebst Karte auch abgedruckt in: »Deutsche geographische Blätter« (Bremen),
1885, S. 354—372.
2. Katalog der ethnologischen Sammlung der Neu-Guinea-Compagnie, ausgestellt im königl.
Museum für Völkerkunde (Berlin 1886), I, S. 7—27; II, S. 7—38.
3. »Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im königl. Museum für Völker-
kunde« in: »Original-Mitthcilungen aus der ethnologischen Abtheilung des königl. Museums zu Berlin«.
Herausgegeben von der Verwaltung. Jahrg. i (1886), Heft 2/3, S. 92 — löi.
4. Daselbst: »Brustkampfschmuck, S. 102, io3, Taf. II, III.
5. »Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers Samoa« in: »Gartenlaube«, I. Astrolabe-Bai bis
Fcstungscap (Nr. 5, I.Februar 1886, S. 83 — 86 und in, 112, mit 3 Abbild, und i Karte); IL Vom
Mitrafels bis Finschhafen (Nr. ii, 14. März 1886, S. 192 — 195, mit 6 Abbild.); V. Längs der vorher
unbekannten Nordostküste (Nr. 28, 1887, S. 460 — 462, mit 4 Abbild, und i Karte) und VI. Schluss
(Nr. 33, 14. August 1887, S. 541 — 543, mit 6 Abbild.).
6. Katalog der Ausstellung für vergleichende Völkerkunde der westlichen Südsee, besonders der
deutschen Schutzgebiete. Mit Erläuterungen von Dr. O. Finsch (Bremen 1887, 26 S., 8").
7. »Unsere Südsee-Erwerbungen: Kaiser Wilhelms-Land« in: »Ueber Land und Meer«, Deutsche
illustrirte Zeitung, Nr. 19, 12. Februar 1888, S. 415 — 418 (mit 5 Abbild.).
8. »Bemerkungen über die Wasserverhältnisse in Neu-Guinea und dem Bismarck-Archipel« in:
»Revue coloniale internationale« (Amsterdam 1887), ^* 47 — 49*
9. »Samoafahrten. Reisen in Kaiser Wilhclms-Land und Englisch-Neu-Guinea in den Jahren 1884
und 1885« (Leipzig, Ferd. Hirt & Sohn, 1888), Cap. 2, 3, 4, 5 und 7.
rxnni Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^.I
interessante Gebiete und bilden unter Bezugnahme des Sammlungsmaterials immerbin
eine Grundlage, die trotz zahlreicher Lücken schon jetzt gewisse allgemeine Schlüsse
erlaubt. Wenn ich in der nachfolgenden Arbeit öfters auf meine j^Samoafahrten« und
den »Ethnologischen Atlas« derselben verweise, so wird dies das bessere Verständniss
nur erleichtern und dürfte willkommen sein.
Bezüglich des ethnologischen Charakters von Kaiser Wilhelms-Land, so ist
im Vergleich mit dem der Ostspitze als ein Hauptzug derselben das Fehlen jeglichen
Schmuckes aus rothen Muschelplättchen (Spondylus)y sowie Armbändern aus Conus-
muscheln (Taf. XV, Fig. i) zu betrachten. Als weitere charakteristische Eigenthümlich-
keiten dieses Gebietes können gelten: häufige Verwendung von Hundezähnen, Eber-
hauern, kleinen Muscheln (Nassa)^ Schildpatt, Samen von Coix und Abriis als Mate-
rialien zu Gegenständen des Schmuckes, grössere Mannigfaltigkeit in Bearbeitung und
Eigenart derselben (Arbeiten aus gelbgefärbter Pflanzenfaser, Brustkampfschmuck, fein
gravirte Schildpatt- und Tz-ocÄi/^-Muschelarmbänder), sehr feine Strick- und Knüpf-
arbeiten, besondere Arten Haar- und Bartputz, sorgfältigere Bekleidung der Männer,
höhere Entwicklung in Holzschnitzarbeiten (Kopfruhebänke, kleine und grosse so-
genannte Götzen, Masken, Verzierungen an Canus und Häusern, besondere Art Waffen
(Wurfstock, Kürass), zum Theil hoch entwickelte Geschicklichkeit in Haus- und Canu-
bau (besondere Versammlungshäuser der Männer).
Soweit sich nach dem bis jetzt vorliegenden Materiale urtheilen lässt, darf man
das Gesammtgebiet von Kaiser Wilhelms-Land ethnologisch in drei Sectionen scheiden,
deren zahlreiche Stämme durch gewisse ethnologische Eigenthümlichkeiten ihre Zu-
sammengehörigkeit bekunden, die aber weit minder scharf ausgeprägte ethnologische
Provinzen bilden, als dies z. B. mit der Südostküste und Ostspitze Neu-Guineas der
Fall ist.
Diese drei ethnologischen Sectionen umfassen die folgenden Gebiete:
1. Mitrafels bis Gap Croissilles und Karkar, nebst den übrigen Inseln (Long, Rook),
die French-Inseln, sowie das ganze westliche Neu-Britannien (I, S. 117, 120 und 121)
mit Ausschluss der Gazelle-Halbinsel. Charakteristisch für dieses östliche Gebiet sind:
besondere Form und Verzierung gewisser Armbänder (Taf. III, Fig. 20, 21) und Brust-
schmuck (Taf. III, Fig. 23); Haarkämme von Bambu; häufige Verwendung von Hunde-
zahnen ; eigenthümliche Flechtarbeiten aus gelbgefärbter Pflanzenfaser (Taf. XX II, Fig. 3) ;
besondere eigenthümliche Kopfbedeckung (Tapa- und Haarmützen); viel Holzschnitzerei
(Kopfruhebänke, Taf. XVIII, Fig. i, 2); besondere Art Schilde (Taf. XXIV, Fig. i, 2);
wenig Nasenzier; breite zum Theil sehr kunstvoll gravirte Armbänder aus Schildpatt.
2. Von Gap Croissilles bis vor Dalimannhafen, mit den Le Maire- (Schouten-) Inseln.
Ausgezeichnet durch: Haar und Bartputz (Haarkörbchen, dichte wagrecht stehende
Zöpfe, verzierte Backen- und Kinnbärte, Taf. XIV, Fig. 17 und Taf. XVII, Fig. 3); be-
sondere Art Haarkämme (Taf. XV, Fig. 4); kunstvoll geknüpfte Brustbeutel, Verwen-
dung von C^m^/wm-Muscheln (auch zu Brust- [Kampf-] Schmuck); eigenen Nasen-
schmuck (Taf. XV, Fig. 2); häufige Durchbohrung des Ohrrandes; Wurfstock (Taf. XV,
Pig- 5)-
3. Von Dallmannhafen bis zur Humboldt-Bai: Haarkörbchen und Bartschmuck
selten; Verwendung von rothen >lfcrM5-Bohnen zu Schmucksachen; besonderer Brust-
kampfschmuck (Taf. XVI, Fig. 2), sowie Haarkämme; eigenthümliche Kopfruhe-
10. Hiezu wissenschaftlicher Theil: »Ethnologischer Atlas«, Typen aus der Steinzeit Neu-Guineas
in 154 Abbildungen auf 24 lithographirten Tafeln gezeichnet von O. und E. Ein seh (56 S., 4", in
Deutsch, Englisch und Französisch), Leipzig, Ferd. Hirt & Sohn, 1888,
42 Dr. O. Finsch. [i8o]
gesteile (Taf. XVIII, Fig. 3); sonderbare Holzmasken (Taf. XXII, Fig. 5) und sogenannte
Götzen (Taf. XXIII); Schamkalebassen (Taf. XVIII, Fig. 5); schön verzierte Bogen und
Pfeile; besondere Art Schilde (Taf. XXV, Fig. i) und Kürasse (Taf. XXIV, Fig. 7).
Nach Allem zu urtheilen, stehen die Bewohner von Kaiser Wilhelms- Land höher
als die der Südostküste und auf einer Stufe der Entwicklung, die sich nicht allein durch
bemerkenswerthen Fleiss auszeichnet, sondern auch in künstlerischer Begabung und
Ausführung verschiedener Arbeiten als eine hohe bezeichnet werden muss.
Zur Zeit meiner Anwesenheit lebte die Bevölkerung von Kaiser Wilhelms-Land
noch völlig unberührt von Cultur, und ich hatte das seltene Glück, mit Menschen des
unverfälschten Steinzeitalters verkehren zu können. Alle meine Sammlungen haben
daher den besonderen Werth, aus dieser Periode herzurühren. Ausser einigen russi-
schen Wörtern in Constantinhafen habe ich nirgends an der ganzen Küste irgend ein
Wort einer europäischen Sprache erwähnen hören, auch nicht in Humboldt-Bai, wo
Powell »Englisch« gehört haben will. Die Eingeborenen hier verstanden oder sprachen
nicht einmal eine Silbe Holländisch, wie meine Versuche lehrten, und europäischer
Tabak, den sie nach Powell sehr gern nahmen, schien ihnen unbekannt. Aber die
Eingeborenen in Constantinhafen verlangten gleich nach solchem, denn sie kannten
Stangentabak noch von Maclay her sehr wohl. Im Uebrigen war hier von europäi-
schen Sachen wenig mehr zu bemerken als einige russische Uniformenknöpfe, alte
Blechkasten, Fässchen und ein paar Hobeleisen. Glasperlen sah ich einzeln in Hum-
boldt-Bai, sowie je einmal in Huongolf und Angriffshafen. In den Tragbeuteln, welche
die Eingeborenen in der Eile nicht selten mit dem Inhalt verkauft hatten, fand ich später
bei näherer Untersuchung, in einem solchen von Dallmannhafen, acht rothe Glasperlen,
sorgfältig in Blätter eingepackt. Ein anderer Tragbeutel von Venushuk enthielt ein
Stückchen Bandeisen, 2 Cm. breit und 7 Cm. lang. Dasselbe war jedenfalls sehr alt,
total von Rost zerfressen und zu nichts mehr brauchbar, zeigt aber, wie sorgfältig die
Eingeborenen jedes, auch das kleinste fremde Stück aufbewahren. Wie die paar Glas-
perlen in Huongolf (die ein Mann in der Nase trug), so mochte auch dies Stückchen
Eisen vielleicht noch von Maclay herrühren und durch viele Hände im Tausch hierher
gelangt sein. Auf Guap sah ich ein paar Stücke Eisen (anscheinend alte Meissel
o. dgl.). Sie waren nach Eingeborenenweise an Axtstielen als Klingen befestigt und rühr-
ten wahrscheinlich noch von Belcher's Besuch auf Kairu (d'Urville-Insel) her; ich
konnte sie aber nicht erlangen. Im Allgemeinen kannten die Eingeborenen Eisen nicht,
und ich musste ihnen häufig erst die Benutzung von Beilen und Messern pantomimisch
andeuten. Am Sechstrohfluss erhielt ich ein paar Bruchstücke grosser, sehr schöner
Mosaikemail-Glasperlen, altvenetianischen Ursprunges, die jedenfalls noch aus den
Zeiten der ersten spanischen oder portugiesischen Seefahrer herstammen und beweisen,
dass dieser Theil Neu-Guineas schon vor drei Jahrhunderten den Europäern bekannt
war. Diese alten Glasperlen gehören in die Kategorie der Kalebukubs oder des so-
genannten Palaugeldes, d.[h. jener Emailglasperlen, die auf Palau noch heute einen hohen
Werth haben und denen dort eine mythische Herkunft zugeschrieben wird. Kubary')
hat diese Kalebukubs zuerst als »natürliche Emaillen« erklärt, ein grober Irrthum, der
aber häufig gedankenlos nachgeschrieben wurde.
>) »Joiirn. d. Mus. Godcffroy«, Heft IV, S. 49, Tat". II. Diese Kalebukubs sind auf Palau in be-
schränkter Zahl verbreitet und jedes einzelne Stück bekannt. Kubary bcsass eine ziemliche Anzahl
(16 Stück), die ich seinerzeit bei ihm sah, darunter waren auch gewöhnliche unbearbeitete Stücke
Glasfluss, aber in Betreff' der europäischen Herkunft konnte kein Zweifel sein, denn diese Eingeborenen
haben niemals hyalurgische Kenntniss besessen.
[igi] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. j.3
Was die Eingeborenen Weissen anzubieten vermögen^ ist ausser ihren Geräth-
Schäften etc. gewöhnlich] äusserst wenig und beschränkt sich meist auf ein paar Cocos-
nüsse, Betelnüsse, vielleicht ein paar Taro oder Yams. An ein paar Orten im Westen
wurden uns auch geräucherte Fische, in sonderbarer Zubereitung, offerirt.
Europäischer Tand (Glasperlen etc.) und namentlich eiserne Geräthe, als haupt-
sächlichstes Zahlungsmittel im Verkehr mit Eingeborenen, werden jetzt jedenfalls in
Kaiser Wilhelms-Land eine weitere Verbreitung gefunden und damit die Originalität
der Eingeborenen sehr benachtheiligt haben. Denn überall, wo der weisse Mann Eisen
hinbringt, verschwinden die Erzeugnisse des Eingeborenenfleisses sehr schnell oder
verschlechtern sich, so dass schliesslich kaum etwas übrig bleibt. Freilich ist bis jetzt
von Colonisation in Kaiser Wilhelms-Land noch nicht entfernt die Rede gewesen. Im
Ganzen mögen an 40 Weisse in Kaiser Wilhelms-Land leben, alle Beamte der Neu-
Guinea-Compagnie , welche als Herrin des Landes seit 1885 zwischen Finsch- und
Hatzfddthafen fünf Stationen zu Versuchen von Culturen gründete (Finschhafen, nahe
dabei Butaueng, Constantinhafen, Stephanort [Bogadschil und Hatzfeldthafen). Auch
die Mission besitzt einige wenige Stationen, hat aber, wie dies nicht anders zu erwarten,
bis jet2t noch keine Erfolge zu verzeichnen. Westlich von Hatzfeldthafen sind noch
keinerlei Stationen errichtet worden.
Zum Schluss dürften Erläuterungen derjenigen Localitäten, welche für die gesam-
melten Gegenstände dieser Abhandlung in Betracht kommen, nicht unwillkommen sein,
die ich in alphabetischer Reihe folgen lasse. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Loca-
litäten auf der Uebersichtskarte der tSamoafahrten« (S. 9) und dem Kärtchen S. 290
eingetragen.
Angrifibhafen, »anse de l'attaque«, von d'Urville am 11. August 1827 mit der
Corvette »Astrolabe« gesichtet, aber zuerst mit der »Samoa« (15. Mai 1885) besucht.
Astrolabe-Bai (Karte »Samoafahrten«, S. 3o), von Dumont d*Urville 1827 ge-
sichtet, aber zuerst (1871) von dem bekannten russischen Reisenden N. v. Miklucho-
Maday besucht, der hier wiederholt und auf längere Zeit lebte. Die meisten der ge-
sammelten Gegenstände stammen aus der Umgegend von Constantinhafen (Dorf Bongu)
und dem Dorfe Bogadschi, etwas weiter westlich, wo die Neu^Guinea-Compagnie seit
ein paar Jahren die Versuchsstation »Stephanort« gründete.
Bilibili, eine kleine, sehr gut bevölkerte und reiche Insel im Norden der Astro-
labe-Bai.
Caprivifluss, westlich von Cap de la Torre, in der ausgedehnten, zuerst mit der
»Samoa« besuchten und benannten »Krauel-Bucht«.
Dallmannhafen, unter 3** 28' südl. Br., 149** 32' östl. L., am i. Mai 1885 mit'der
Samoa« entdeckt; die meisten Gegenstände stammen aus Dörfern, die an der »Gauss-
bucht«, östlich von Dallmannhafen liegen.
Finschhafen (Karte in »Samoafahrten«, S. i63), etwas nördlich von Cap Cretin,
am 23. November 1884 von mir entdeckt und gegenwärtig Cenlralpunkt für Kaiser
Wilhelms-Land.
Friedrich VS^ilhelmshafen (Karte »Samoafahrten«, S. 93), am 19. October 1884
mit der »Samoa« entdeckt; nördlich von Astrolabe-Bai in dem von Miklucho-
Maclay gesichteten »Archipel der 3o Inseln oder der zufriedenen Menschen«, dem
•Archipelago of useless idle men« von Romilly. Hier auch die Inseln Bilia (Eickstedt)
und Tiar (Aly I.).
Gourdon, Cap (von d'Urville benannt), westlich von Karkar (Dampier-Insel,
>Isle Brülante« von Dampier).
44 Dr. O. Finsch. [182]
Gräger, Insel (Fischel-Insel der deutschen Admiralitätskarten), begrenzt im Nor-
den die Dallmann-Einfahrt zum vorhergehenden Hafen.
Guap, Insel, etwas westlich von Dallmannhafen, eine kleine, aber sehr stark be-
völkerte Insel, nahe bei Kairu (d*Urville Insel) und östlich von Aarsau (P4ris-Insel von
d'Urville).
Hammacherfluss, circa 10 Seemeilen westlich von Cap de la Torre.
Hatzfeldthafen, unter 4** 24' südl. Br., 145** 9' östl. L., westlich von Cap Gourdon,
am 23. Mai 1885 mit der »Samoa« entdeckt.
Huon-Golf (vgl. Kärtchen »Samoafahrten«, S. 143), 1793 von d'Entrecasteaux
gesichtet und nach Huon Kermadec benannt. Die gesammelten Gegenstände stammen
von Parsihuk (Parsee-Point von Moresby) und etwas westlich davon.
Massilia, an der Finschküste, circa 50 Seemeilen westlich von Berlinhafen und
27 Seemeilen östlich von Angriffshafen.
Potsdamhafen, erste Bucbtung östlich von Laing-Insel, am 21. Mai 1885 von der
»Samoac gesichtet, aber nicht untersucht und erst später von v. Schleinitz besucht
und benannt.
Sechstrohfluss, wenige Seemeilen östlich von der Grenze des holländischen An-
theiles von Neu-Guinea (dem 141. Meridian) und circa 7 Seemeilen östlich vom Eingange
zur Humboldt-Bai, am 16. Mai 1885 mit der tSamoa« entdeckt und von mir nach dem
ersten Officier des Dampfers benannt. Ethnologisch herrscht die vollständigste Ueber-
einstimmung mit Humboldt-Bai, welche von der >Samoa« ebenfalls besucht wurde.
Tagai, eine grosse Siedelung an der FinschkUste, circa 3 Seemeilen westlich vom
Albrechtilusse und circa 15 Seemeilen östlich von Berlinhafen.
Venushuk (von d'Urville benannt), in Broken Water Bay (»Anse aux eaux
trouble« von d'Urville), westlich der grossen Hansa- (Vulcan-) Insel; nicht weit davon
wurde mit der »Samoa« die Mündung des grossen Prinz Wilhelmflusses gesichtet.
Die Eingeborenennamen sind so niedergeschrieben, wie ich sie an Ort und Stelle
aussprechen hörte, doch dürften aus mancherlei Gründen Irrthümer in der richtigen
Bezeichnung keineswegs ausgeschlossen sein, was ich hier besonders bemerken möchte.
A. Anthropologie.
RaCB. Wie die Bewohner von ganz Neu-Guinea gehören auch die von Kaiser
Wilhelms-Land zur Race der Papuas oder Melanesier und stimmen anthropologisch
gane mit den Eingeborenen der Südostküste und Ostspitze (vgl. II, S. 296 und vorne
S. 16) überein. Maclay kam zu denselben Resultaten zwischen den Bewohnern der
Westküste (Kowiay) und der entgegengesetzten südlicheren Maclayküste im Osten.
Meine Bemerkungen basiren, wie ich wohl kaum zu bemerken brauche, aufzahlreichen
an Ort und Stelle gesammelten Aufzeichnungen, von denen ich hier nur eine kurze Zu-
sammenstellung des Wissenswerthesten geben kann. Ausser an den in dieser Abhand-
lung besprochenen 18 Localitäten bin ich noch an anderen mit Eingeborenen zusammen-
getroffen, so dass ich im Allgemeinen von den Bewohnern der ganzen Küste von
Mitrafels bis Humboldt-Bai sprechen darf. Bergbewohner sah ich nur wenige aus den
dem Constantinhafen angrenzenden niedriggelegenen Bergdörfern und fand hier eben-
solche Menschen als die Küstenleute, ganz wie dies an der von mir besuchten Südost-
küste der Fall war und wie A. B. Meyer dies für die Küstenbewohner der Geelvinks-Bai
und des Arfakgebirges schon früher darlegte.
[i83] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. ac
Statur. Wie alle übrigen Papuas sind auch die von Kaiser Wilhelms-Land im
Allgemeinen gut entwickelte, nicht allzu kräftige Menschen von Mittelgrösse. Der
höchste von mir gemessene Mann hatte 1700 M. Höhe; gewöhnliche Grösse 1*500 —
i'6oo M. Frauen sind, wie fast stets, ansehnlich kleiner.
Physiognomie. Sie ist, wie bei allen Melanesiern, sehr verschieden, aber im Ganzen
weniger negroid als bei Neu-Irländern und Salomons-Insulanern. Im Allgemeinen
herrscht der Motutypus von der Südostküste vor, aber man findet häufig echte Juden-
gesichter und Individuen, die so gut proportionirte Verhältnisse in Mund- und Nasen-
bildung zeigen, dass sie, mit Ausnahme der Hautfärbung, sich kaum von Europäern
unterscheiden. Ein aligemein giltiger Typus für Papuas lässt sich eben nicht angeben.
Wenn Wallace z. B. die grosse Nase der Papuas als besonders charakteristisch hervor-
hebt, so mag dies vielleicht für die Bewohner von Doreh zutreffen, aber als Charakter
für die Race jedenfalls nicht. Ich habe wenigstens in ganz Melanesien niemals beson-
ders grosse, wohl breite und platte Nasen gesehen. Beim weiblichen Geschlecht kommt
der negerähnliche Typus mehr zur Geltung als bei Männern. Unter Kindern sind, wie
bei allen Melanesiern, hübsche Gesichter gar nicht selten.
Hautfärbung. Im Allgemeinen herrscht ein Dunkelbraun, ähnlich wie Nr. 29 der
Broca*schen Farbentabelle oder zwischen Nr. 28 und 29 vor, neigt aber häufig zu einem
Farbentone wie zwischen Nr. 29 und 3o und selbst zu noch helleren Nuancen, wenn
auch die helle Farbenvarietät im Ganzen nicht so häufig als an der Südostküste vorzu-
kommen scheint. Dunklere Individuen (wie Nr. 28 und 43) finden sich ebenfalls. Es
zeigt sich also auch hier wieder, was ich schon wiederholt betonte, dass die Hautfärbung
kein bestimmtes Kennzeichen zur Charakterisirung für Papuas, wie anderen farbigen
Völkern, <) bietet. Es finden sich innerhalb ein und derselben Dorfgemeinschaft hellere
und dunklere Individuen, wenn auch für die Mehrzahl häufig eine gewisse Färbung mass-
gebend ist. So erscheinen die Bewohner des einen Dorfes zuweilen heller (wie zwischen
Nr. 29 und 3o), die eines anderen dunkler (wie zwischen Nr. 28 und 29), ohne deswegen
verschiedene Stämme zu bilden. Dass diese Nuancirungen der Hautfärbung lediglich
individuelle sind, wird am besten dadurch bewiesen, dass man bei dunklen Eltern hellere
und dunklere Kinder beobachten kann. Albinismus habe ich nur einmal beobachten
können, und zwar an einem Manne in Krauelbucht. Seine Hautfärbung entsprach
Nr. 25, die Gesichtsfarbe Nr. 23; die Augen waren grünlichgrau, etwas blöde und licht-
empfindlich. Hierbei will ich bemerken, dass ich in Bongu einen dunkelfarbigen Mann
(Haut Nr. 29) mit graublauen Augen (gleich Nr. 14 bei Broca) beobachtete, der ein-
zige Fall dieser Art, der mir überhaupt bei Melanesiern vorgekommen ist. Die Augen
sind sonst stets dunkelbraun bis schwarz.
Hautkranicheiten, welche die Hautfärbung so sehr beeinflussen, sind sehr häufig
und weit verbreitet, Schuppenkrankheit (Ichthyosis) und Ringwurm (Psoriasis) finden
sich überall. Letzterer ist (wie wir durch Maclay wissen) erblich, belästigt aber die
davon Befallenen anscheinend ebensowenig als Elephantiasis, die im Ganzen selten ist.
I) Ganz ähnlich verhalten sich die sogenannten Weissen. Auch hier finden sich innerhalb der
»weissen« Hautfärbung Nuancirungen vom blendendweissen bis brünetten Teint, die fast ebenso erheblich
sind als diejenigen bei Farbigen. Aber es ist stets sehr schwierig, diese verschiedenen Farbentöne sicher
zu bezeichnen und Bezugnahme auf irgend eine FarbentabcUe, selbst einer so unvollkommenen als der
von Broca, unbedingt nothwendig. Wenn z. B. Hauptmann D reger von den Eingeborenen von Huon-
golf sagt: »die Hautfarbe ist hellroth, an gebrannten Ocker erinnernd«, so ist dies jedenfalls eine sehr
schlecht gewählte Bezeichnung. Ich notirte für die Eingeborenen hier: Nr. 28 und 29, mehr zu 29
hinneigend.
46 Dr. O. Finsch. [^^4]
Pockennarben habe ich von Constantinhafen bis Humboldt-Bai an verschiedenen Localis
täten beobachtet, bei Personen die in den vierziger Jahren stehen mochten, aber in Bongu
auch bei einem Mädchen von circa 16 Jahren. Nach Maclay's Erkundigungen haben
die Pocken etwa im Jahre 1860 in Bongu grassirt und viele Eingeborene weggerafft,
aber nach dem obigen Mädchen zu urtheilen, muss die Krankheit auch noch später auf-
getreten sein. Sie war damals von Nordwesten gekommen, was mit meinen Beobach-
tungen übereinstimmt. Syphilis war glücklicherweise noch unbekannt.
Haar. Dasselbe ist echt melanesisch, d. h. kräuslig, wird aber schon von frühester
Jugend an in der verschiedensten Weise künstlich behandelt (siehe weiter hinten), dass
man von natürlichem, durch die Kunst unberührten Haare kaum sprechen kann. Aber
auch an dieser Küste traf ich, wenn auch seltener, Individuen mit schlichtem Haare,
das nicht durch Auskämmen, sondern von Natur diese Beschaffenheit besass. Langes
Papuahaar, von denen das einzelne eine korkzieherartig gewundene Spirale darstellt,
wird nämlich durch Gebrauch des Kämmens schwach gewellt, fast schlicht. Ich habe
dies bei christianisirten Papuamädchen der Missionsstationen, welche ihr Haar nach
unserer Weise behandeln, häufig beobachten können. Nach den Untersuchungen von
Miklucho-Maclay »unterscheidet sich das Papuahaar von jedem anderen gelockten
Haare (auch eines Europäers) nur durch seine enge Ringelung. Mikroskopisch zeigen
die Papuahaare (bei Männern) ungefähr die Stärke eines mitteldicken europäischen
Haares.« Die Färbung des Haares ist meist dunkel bis fast schwarz, wird aber durch
Behandlung mit Kalk und Asche, namentlich bei Kindern häufig bedeutend heller, bis
löwengelb. Graues und weisses Haar ist so schon deshalb seltener zu beobachten, weil
es meist mit Farbe bedeckt wird.
Augenbrauen wie Bartwuchs sind voll und reichlich entwickelt, werden aber durch
Kunst sehr beeinflusst (siehe weiter hinten).
Sprachverschiedenheit, wie sie überall in Melanesien herrscht, findet sich auch
an der Küste von Kaiser Wilhelms-Land; auf unserer Fahrt längs derselben hörten wir
manchmal an einem Tage mehrere ganz verschieden klingende Sprachen. Nach Maclay
werden in Astrolabe-Bai mehrere Sprachen gesprochen, wie sich dies schon bei Ver-
gleichung verschiedener Wörter') von Bongu, Bogadschi und den Archipel der zufrie-
denen Menschen zeigt. Polynesische Anklänge (z. B. in den Wörtern: Mm = Cocos-
nuss, Manu = Vogel u. a. m.) sind ebenfalls vorhanden und werden mitunter als
Beweis für die polynesische Herkunft der Papuas gedeutet. Warum nicht in umge-
kehrter Weise? Denn jedenfalls wird das Uebereinstimmen gewisser Wörter ungemein
überschätzt. Weit bedeutungsvollere Winke für die Herkunft der Papuas geben das
Halten einer Art Haushund und des Haushuhnes, das überall in Neu-Guinea, selbst tief
im Innern des Augustaflusses, beobachtet wurde. Für beide Arten Hausthiere bietet die
Fauna aber keine Form, von der sich nur im Entferntesten eine Abstammung herleiten
liesse. Die Annahme, dass die Papuas aus Ländern einwanderten, wo diese Hausthiere
heimisch waren, hat daher Berechtigung.
») So heisst z. B. Yams in Bongu Aijan, auf Grager Dabei; Banane: Moga (Bongu), Fud (Grager);
Cocosnuss: Munki (Bongu), Nin (Grager); Bogen: Aral (Bongu), Fl (Grager); Betel: Pinang (Bongu),
Jeb (Grager). Maclay beherrschte mit ungefähr 400 Wörtern die Bongusprache fast vollständig und
nimmt an, dass diese Sprache im Ganzen etwa 1000 Worte besitzt.
[185] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. An
B. Ethnologie.
I. Bevölkerung.
L Erster Verkehr mit Eingeborenen.
Bei meinen Erfahrungen im Umgange mit sogenannten »Wilden« habe ich über-
all im besten Einvernehmen mit ihnen verkehrt, auch in Angriffshafen, das deshalb von
d'Urville diesen Namen erhielt, weil ein Pfeil nach dem Schiffe abgeschossen wurde. Das
Betragen von Eingeborenen, die nie Weisse gesehen, ist übrigens sehr verschieden: an
dem einen Orte wird man freundlich, ja zutraulich aufgenommen, an einem anderen, viel-
leicht ganz nahe gelegenen, mit Misstrauen betrachtet, oder die Eingeborenen ergreifen
selbst die Flucht. Es mag hierbei bemerkt sein, dass vor meinen Reisen die Küsten von
Kaiser Wilhelms-Land noch niemals von den unheilvollen Arbeiterwerbeschiffen (La-
bourtradern) heimgesucht waren, die stets solche Eindrücke hinterlassen, dass die Ein-
geborenen meist ausreissen, sobald sie einen Weissen sehen. Im Allgemeinen betrugen
sich die Eingeborenen ') überaJl sehr anständig und ruhig, und wir erhielten sogar Be-
weise von Gastfreundschaft. Neu waren mir gewisse Friedenszeichen, welche uns von
Broken Water Bai westwärts verschiedene Male überreicht wurden. Sie bestehen in
Blattstreifen, in welche Knoten geknüpft werden, wie das folgende Stück:
Friedenszeichen (Nr. 669, i Stück) vom Caprivifluss in Krauelbucht. Dasselbe
besteht in einem Streifen den ein alter Mann von der Seitenfahne eines Cocosblattes
abriss und mir in feierlicher Weise überreichte, nachdem er mehrere Knoten hinein-
geknüpft hatte. Zuweilen wurden auch zwei längere Streifen Cocosblatt benutzt, wovon
die Eingeborenen den einen behielten und an den Mast ihres Canus anbanden. Winken
mit grünen Zweigen, sowie Anbieten von Betelnüssen sind auch hier Zeichen freund-
schaftlicher Gesinnungen. In Humboldt-Bai wurde uns Wasser und gekochte, noch
warme Yams angeboten.
Am lärmendsten und aufdringlichsten zeigten sich die Bewohner von Humboldt-
Bai und wir hatten alle Mühe, uns ihrer Diebsgelüste zu erwehren. Die kleine »Samoa«
mit ihren i3 Mann Besatzung war hier von etlichen 70 Canus mit zusammen an 600
bis 700 Eingeborenen, die alle ganze Bündel Waffen mit sich führten, umlagert, denen
das kleine Fahrzeug durchaus nicht imponirte. Sie kannten bisher nur grosse Kriegs-
schiffe, 2) wo man ihnen so viele Freiheiten erlaubt hatte, selbst Stehlen. Dass sie Pfeil
und Bogen auf uns anlegten, nahmen wir ihnen nicht übel, denn es war nicht so schlimm
gemeint.
2, Dichtigkeit der Bevölkerung.
Wie ganz Neu-Guinea, ist auch Kaiser Wilhelms-Land im Allgemeinen sehr
schwach bevölkert, wie dies die Beschaffenheit des Landes wie seiner Bewohner be-
I) Das Betragen der Eingeborenen haben wir niemals so gcfundeni wie es Powell schildert,
wonach die Eingeborenen sich einem Schiffe schreiend, singend und mit kampflustigen Geberden nähern,
>ils wenn sie sagen wollten: »wir sind zum Kampfe bereit«. Im Gegentheil zeigten sich die Einge-
borenen stets furchtsam bis misstrauisch und hatten in den meisten Fällen ihre Waffen verborgen, die
geringste Bewegung auf dem Schiffe brachte sie häufig zur Flucht.
3) Es waren die folgenden: 1858 (23. Juni bis S.Juli) hoUänd. »Etna«; 1871 (8. bis ii.October)
bolländ. »Dasoon«; 1874 (23. Mai) engl. »Basilisk«; 1875 (2^- ^^^ 24* Februar) engl. »Challenger«;
1875 (iS* bis 21. December) hoUänd. »Soerabaja«; 1881 (29. und 3o. März) hoUänd. »Batavia«; i883
(5. und 6. September) hoUänd. >Sing-Tjin'. Die »Samoa« war (1885) das erste Handelsschiff und das
erste unter deutscher Flagge, welches die Humboldt-Bai besuchte.
48 Dr. O. Finsch. [l86]
dingt.') Das erstere ist vorherrschend gebirgig, die letzteren sind sogenannte Natur-
menschen, die noch heute im Stadium der Steinzeit unserer Vorfahren leben. Der
Naturmensch hat aber überall einen schweren Stand im Kampfe ums Dasein, und seine
Vermehrung wird in mancher Richtung erschwert. Dazu gehört in Neu-Guinea, trotz
allerdings beschränkter und gemässigter Polygamie, der geringe Kindersegen, das zeitige
Verblühen der Frauen und die im Allgemeinen beschränkte Lebensdauer. Der Natur-
mensch besitzt auch wenig Widerstandskraft und selbst geringfügigere Krankheiten
raffen Viele dahin, wie ich dies in Neu-Britannien erlebte.
Wenn auch der grösste Theil der Küste unbewohnt erscheint, so kann dies doch
sehr erheblich täuschen, denn gewöhnlich liegen die Siedlungen hinter dem dichten
Urwaldsgürtel des Strandes versteckt, und so erschien z. B. Astrolabe-Bai völlig unbe-
wohnt. Im Allgemeinen sieht man längs der Küste dampfend sehr wenig von Dörfern.
Am dichtesten fanden wir Siedelungen von Hatzfeldthafen bis zur Hansa- (Vulcan)-
Insel und dann wieder an einigen Küstenstrichen zwischen Dallman- und Berlinhafen.
Kleinere, nahe der Küste gelegene Inseln, wie Bilibili, Guap Sanssouci besitzen wegen
ihrer geschützten Lage ebenfalls eine verhältnissmässig zahlreichere Bevölkerung. Bis
jetzt liegeh nur von ein paar Districten Schätzungen vor, und zwar Astrolabe- und
Humboldt-Bai, die aber sehr verschieden lauten. Nach v. Miklucho-Maclay (1871)
beträgt die Bevölkerung des Astrolabe-Golf 3500 — 4000, nach Dr. Schneider (1887)
nur 1400. Für Humboldt-Bai gibt die »Etnareise« (1858) 5000 Bewohner an, eine Zahl,
die Beccari (1875) auf 3ooo herabsetzt und die nach meiner Schätzung (1885) schon
mit 1500 reichlich hoch angeschlagen ist. Diese erheblichen Schwankungen beruhen
nicht auf Abnahme der Bevölkerung, sondern mehr auf Verschiedenheit der Schätzung.
Immerhin kann auch Verminderung der Siedelungen, respective der Bevölkerung statt-
finden. So haben nach Maclay Erdbeben an der Maclayküste die Bevölkerung erheb-
lich geschädigt. Wir selbst fanden hier eine Anzahl verlassener Dörfer und von den
grossen Siedelungen, die Moresby noch 1874 von Hercules-Bai erwähnt, keine Spur
mehr. Die Gebirge sind, wie sich dies leicht erklären lässt, spärlicher bevölkert als die
Küsten. Maclay bemerkt dies schon für die Port Constantin begrenzenden Berge und
die Expedition nach dem Finisterre-Gebirge fand dasselbe fast unbewohnt. Für das
Innere, über welches nur die Berichte vom Augustafluss vorliegen, gestalten sich die
Verhältnisse kaum günstiger. Denn wenn auch tief im Inneren einige ansehnliche
Siedelungen angetroffen wurden, so verzeichnet die Karte doch für den ganzen, 38o
engl. Meilen langen Stromlauf nur 26 Siedelungscentren.
Jedenfalls gibt es in Kaiser Wilhelms-Land keine grossen Reiche. Die Eingebore-
nen leben nur in kleineren Stämmen zusammen, die meist über einige benachbarte
Dörfer nicht hinausgehen und mit weiter entfernteren häufig in Fehde stehen. Die
Häuptlinge scheinen, wie meist, nirgends grossen Einfluss zu besitzen. Sclaverei^) ist
mir, wie überhaupt in Melanesien, nirgends vorgekommen. Der Tauschhandel vermit-
telt auch an dieser Küste den friedlichen Verkehr der Eingeborenen, und es gibt, wie
überall, gewisse Centralpunkte. Ein solcher ist z. B. die kleine Insel Bilibili mit ihrer
hervorragenden Töpferei. Wie die Bilibiliten einerseits weite Handelsreisen zum Ver-
triebe ihrer Fabrikate bis Karkar und CapTeliata unternehmen, so werden sie anderer-
I) Der Gothaer Hofkalender kennt die Einwohnerzahl ganz genau und gibt sie rund auf »circa
109.00OC an! Nun das wird dann wohl richtig sein, wenn auch selbstredend Solche, die das Land
cinigcrmassen an ein paar Stellen kennen, kaum eine Schätzung wagen würden.
a) Powell lässt gleich die prächtigen Culturen auf dem Terrassenlande von »Sclaven« be-
arbeiten.
[187] Fthnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 40
seits auch von den Bewohnern jener Gegenden besucht, Verhältnisse, die sich in ganz
ähnlicher Weise an der Südostküste und Ostspitze wiederfinden. In Finschhafen ver-
kehren Canus von der Rook-Insel. Im Ganzen ist die Heimatskunde der Eingeborenen
eine sehr beschränkte und erstreckt sich nur längs den Küsten per Segelcanu bis auf
höchstens 100 Seemeilen, geht aber nach dem Inlande meist nicht über die benachbarten
Dörfer hinaus.
3. Siedellingen.
So grosse Dörfer wie z. B. Maupa an der Südostküste habe ich in Kaiser Wilhelms-
Land nicht gesehen. Aber nach den Berichtea der Expeditionen auf dem Kaiserin
Augustafluss gibt es hier im Innern einige ansehnliche Dörfer. So wird Malu auf 1000
Einwohner geschätzt. Gewöhnlich sind die Dörfer meist klein, bestehen aus 10 bis 20
Hütten, die in einzelne Gruppen, oft versteckt von einander vertheilt sind und zählen
40 bis 80 Bewohner. Solche mit 3o Häusern, wie z. B. Bongu, und 100—150 Einwoh-
nern dürfen schon als gross gelten. In dem berühmten Pfahldorfe Tobadi in Humboldt-
Bai zählte ich 32 Häuser (Beccari gibt 40 an, die »Etna<-Expedition 90!) und schätzte
die Bevölkerung auf 250. Bei Weitem kleiner und unansehnlicher sind nach den über-
einstimmenden Berichten die Gebirgsdörfer, die oft nur aus 4 bis 6 Hütten bestehen,
und wo ein Dutzend solcher schon eine ansehnliche Siedelung ausmachen.
m
II. Lebensunterhalt und Bedürfnisse.
/. Landbau und Hausthiere.
Landbau liefert die vorherrschende, fast kann man sagen ausschliessende Nahrung
der Eingeborenen, denn auch in diesen Tropengegenden wächst dem Menschen nichts
in den Mund und er kann nicht ernten, ohne gesäet zu haben. Und da muss man wieder
den ungeheuren Fleiss dieser meist als »faul« gescholtenen »Wilden« bewundern. Das
Ausroden und Urbarmachen eines Stückes Urwald ist in der That eine gewaltige Arbeil
und lässt sich nicht blos mit Niederbrennen bewältigen. Unzählige, oft ziemlich dicke
Bäume müssen gefällt werden, und man begreift kaum, wie dies mit Steinäxten mög-
lich ist.
Als Spaten dienen an 2 M. lange zugespitzte Stöcke (Udscha in Constantinhafen)
mit denen die Männer das Erdreich aufbrechen, während die Weiber mit einer Art
hölzerner Schaufel (Udscha- Sab) die Schollen zerkleinern und zum Schluss die Kinder
mit den Händen die Erde vollends zerreiben, Steine auslesen etc. Zum Schutz gegen
die Verwüstungen der Wildschweine muss die Plantage noch mit einem hohen Zaune
eingefriedigt werden, was ebenfalls ein schweres Stück Arbeit ist. Diese Einzäunungen
werden in verschiedener Weise gemacht. In Constantinhafen benutzt man Schösse des
wilden Zuckerrohres (Iura), die schnell ausschlagen und eine dichte Hecke bilden.
Alle diese Arbeiten werden gemeinschaftlich verrichtet und jede Familie erhält dann in
der Plantage ein gewisses Stück Land zur Bearbeitung. Die Plantagen liegen meist ab-
seits von den Dörfern mitten im Urwalde, oder mit Vorliebe an steilen Berghängen.
Blosse ville-Insel ein circa 1200 Fuss hoher, mitten aus dem Meere aufsteigender, jetzt
todter Vulcankegel, zeigte an den ganz ausserordentlich schroff abfallenden Abhängen
ausgedehnte Plantagen, am Kraterrande ein hübsches Dorf (vgl. Abbild. »Samoafahrten«,
S. 365); kaum begreiflich, wie da Menschen hinaufgelangen konnten.
Annaten des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft i, 1891. 4
50 Dr. O. Finsch. [ 1 88]
Künstliche Bewässerung, wie sie Powell') vom Terrassenlande beschreibt, ist mir
weder hier noch anderswo in Neu-Guinea vorgekommen; auch die, welche nach mir
das Terrassenland besuchten, bemerkten davon nichts.
Culturgewächse. Die Hauptculturpflanzen der Eingeborenen von Kaiser Wil-
helms-Land, wie aller Papuas, sind Taro (Bau, Constantinhafen), Yams (Ajan) und
Banane (Moga) in verschiedenen Abarten, ausserdem süsse Kartoffeln, Zuckerrohr (Den)y
eine Art kleiner Bohne (Mogary Flagellaria indica) und ganz besonders die Cocos-
palme (^Munki in Constantinhafen), welche in ganz Kaiser Wilhelms-Land überall be-
schränkt*) und nur cultivirt vorkommt. Sago (Born) wird bei dem localisirten Auf-
treten dieser Palme nur in gewissen Districten von hervorragender Bedeutung und in
solchen, wie dies an der Südostküste der Fall ist, Mittel zum Tauschhandel. Brotfrucht
(Artocapus incisa, »Boli^, Constantinhafen) spielt im Haushalt der Papuas dieser Küste
keine grosse Rolle, wie dies für einige andere wildwachsende-^) Früchte und Nüsse
(z. B. die einer Canarium-Arl — ^ Kengar <i in Constantinhafen — vgl. »>1 galib^^ I,
S. loo) gilt. Wurzeln von Ingwer und Curcume habe ich Öfters bei den Eingeborenen
beobachtet, aber nicht von ihnen essen sehen, doch mag es geschehen; jedenfalls aber
nicht in der Form als Zuthat beim Essen wie unsere Gewürze. Tabak und andere Reiz-
mittel werden später erwähnt werden. Wie die wilden Früchte in verschiedenen Mona-
ten des Jahres reifen, so auch die cultivirten, deren Anbau daher abwechselt und deren
Pflege dieselbe Sorgfalt erheischt, als wie dies (II, S. 32i) bereits mitgetheilt wurde. Die
von Maclay zuerst in Constantinhafen eingeführten Früchte: Kürbis und Wasser-
melonen {^»Arbusen<^)j Mais (^Kukurus«^\ die unter ihrem russischen Namen bei den
Eingeborenen bekannt sind, haben im Ganzen wenig Beifall gefunden, aber eine zum
Theil ziemlich w^eite Verbreitung. Ganz besonders gilt dies für den Melonenbaum
(Carica papqya). Einen Maiskolben (als Haarputz benutzt) erhielt ich einmal bei
Venushuk.
Hausthiere, in gewissem Sinne, sind Hund (Ssa in Constantinhafen) und
Schwein,*) Ersterer eine kleine dingoartige Race, mit spitzen Ohren (Abbild. »Samoa-
fahrten«, S. 53) und stark gekrümmtem Schweif, die in allen möglichen Farben (auch
weiss, weiss und schwarz gefleckt) vorkommt; letztere Abkömmlinge der beiden Neu-
Guinea eigenthümlichen Arten (Sus papuensis und S. ;i/g^er Finsch, vgl. Abbild. »Samoa-
fahrten«, S. 52). Hühner (7t//M in Constantinhafen) finden sich überall, aber nicht zahl-
reich und werden eigentlich nur der Federn wegen gehalten; nach v. Maclay aber auch
deshalb, weil die Papuas den Hahnenschrei als Verkünder des Morgens lieben. Der Federn
halber werden auch gewisse Papageien gehalten, die man jung aus dem Nest nimmt
und aufzieht. Im Ganzen habe ich aber nur wenige Male Eclectus polychlorus und
>) »They use also a System of Irrigation, by means of pipes madc of bamboo joined together
with gum, obtaining the water from the numerous streams that flow from the montains above.«
2) So namentlich auch an der ganzen Küste westlich von Berlinhafen. Aber Powell beschreibt
sie: »with plenty of coco-nut-palm grovds and wild ,nutmeggs* (!)«.
3) Nach Dr. Hollrung: Früchte von drei Jambosa-Xncn, Pandatius, Tabernaemontana, zweier
Bassia, Citrus^ Owenia, Averhoa Blimbi, Eugenia, Mango, Beeren von Rubus mollucanus, Samen von
Nelumbium speciosum, Fruchtkapseln von Nymphaea. Am Augusta wird auch eine Meldenart fAma-
rantha BUtum) in den Plantagen als Gemüse cultivirt.
4) Beachtenswerth ist die merkwürdige Achnüchkeit des Wortes für Schwein in verschiedenen
Papuasprachen, die auf einen gemeinsamen Ursprung schliessen lässt und wobei bemerkt werden muss,
dass r und / meist gleich sind. Schwein heisst: Boroma (in Motu, Port Moresby), Bovoke oder Buruka
(Dinner-Insel), Poru (Bentley-Bai, Chads-Bai), Poro (Humboldt-Bai), Bor (Friedrich Wilhclms-Hafen,
Caprivi, Tagai), Bol (Bilia), Bo (Finschhafen), Bulbul (Bongu), Ämborro oder Amberreu (Blanche-Bai),
Boa (Salomons, Bogainville).
[iggl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ci
Cacatna Triton gezähmt bei den Hütten gesehen. Aber es war mir dabei interessant,
z. B. am Capriviflusse ganz dieselbe ingeniöse Weise der Befestigung mittelst einer
Cocosschale zu beobachten, als wie in Kerräpuna an der Südostküste. Im Uebrigen
gilt das von dort Gesagte (II, S. 322) auch für diese Küste.
Erwähnt mag noch sein, dass v. Miklucho-Maclay i883 an Bord des russischen
Kriegsschiffes zuerst Rindvieh, und zwar der grossen Zeburasse ' von Java, nach Bongu
(hier nach dem Russischen »/Ma« genannt) einführte, wovon ich einen Bullen und
eine Kuh 1884 noch sah. Die zu gleicher Zeit mitgebrachten Ziegen waren eingegangen
und der humanistische Zweck überhaupt nicht erfüllt worden. Die Rinder waren für
die Eingeborenen, wie sich erwarten liess, kein Segen, sondern eine Last geworden, in-
dem sie ihre Plantagen gegen die Verwüstungen derselben kaum zu schützen vermoch-
ten. Jetzt sind ausser Rindern auch Pferde in beschränkter Zahl eingeführt worden und
gedeihen gut, wie dies schon längst von dtn in Port Moresby eingeführten Pferden nach-
gewiesen war. An der Ostspilze Neu-Guineas wurden Rinder und Schafe zuerst durch
mich eingeführt (s. vorne S. 24).
2. Jagd und Fischerei,
Jagd. Bei der bekannten Armuth Neu-Guineas an Säugethieren kommt Jagd nur
untergeordnet in Betracht und erklärt das Fehlen eigentlicher Jägerstämme von selbst.
Die Fauna, ganz mit der Australiens übereinstimmend, besitzt von\'iegend Beutelthiere
fMarsupialia)^ eine ziemliche Anzahl Flederthiere (darunter grosse fruchtfressende
fliegende Hunde), wenige kleine Nager (leider auch verheerende Mäuse), kein einziges
Raubthier, von grösseren Säugern nur zwei Arten Wildschweine *) (s. vorn S. 50). Es
sind dies alles Thiere von vorwiegend nächtlicher Lebensweise, so dass man von ihnen
mit Ausnahme fliegender Hunde, deren Kreischen häufig die Stille der Nacht unter-
bricht, und den Spuren der Verwüstungen der Wildschweine kaum etwas sieht und
hört. Kängurus sind mir niemals vorgekommen, aber ich habe den Namen des Thieres
in Astrolabe-Bai nennen hören. Merkwürdiger Weise erwähnt v. Maday das Känguru
selbst nicht, sondern beiläufig nur Knochen desselben. Dennoch wird die eine oder
andere Art Känguru auch in Kaiser Wilhelms-Land nicht fehlen und diese Thiere sind
bisher wohl nur übersehen worden, da manche derselben, wie ich aus Erfahrung weiss,
im Dickicht des Urwaldes eine sehr versteckte Lebensweise führen, z. B. Dorcopsis lue-
tuosus, das ich im Inneren von Port Moresby jagte.
lieber die Jagdweise der Eingeborenen habe ich keine Beobachtungen machen
können. Aber Maclay erwähnt Treibjagden, die im Juli und August stattfinden, und
bei denen in systematischer Weise das dürre Gras angezündet wird, also ganz so, wie
liies an der Südostküste geschieht. Die durch das Feuer aus ihren Schlupfwinkeln auf-
gejagten Thiere, meist kleine Beutler,*) aber auch »viele Wildschweine«, werden mit
I) Wenn Dr. Hollrung meint, dass diese sowie das Wallabi in Kaiser Wilhelms-Land »dem
Aussterben nahe sind,« so ist dies eine ebenso unbegründete Annahme als die der muthmasslichen
Ausrottung von grossen Thieren (»wie Tiger, Leopard, Elephant, Rhinoceros, Affe, Hirsch«) durch die
•nichts schonenden Eingeborenen«. Ganz abgesehen, dass dafür die Letzteren viel zu wenig zahlreich
und schlecht bewaffnet sind, so ist die Säugethierfauna von Neu-Guinea doch so gut bekannt, dass man
<>uch in Kaiser Wilhelms-Land keine der genannten Thierarten (die alle der indo-malayischen Fauna
angehören) erwarten durfte.
3) Hauptsächlich eine Art Bandikut oder sogenannter Bcuteldachs {Brachymeles Garagassi,
Madav), in Astrolabe-Bai »Abana^^ genannt.
4*
52 Dr. O. Finsch. [100]
Speeren und Knitteln getödtet. In Finschhafen sah ich auch grosse Netze, *Uh^^)
genannt, zu Treibjagden auf Wildschweine, ganz wie solche an der SUdostküste ge-
braucht werden; ebensolche in Humboldt-Bai. In den »Nachrichten aus Kaiser Wil-
helms-Land« werden auch Fallgruben für Wildschweine erwähnt. Im Fallenstellen
besitzen die Papuas wenig oder kaum Kenntniss, wie bei ihnen Pfeil und Bogen zum
Jagen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Das Hauptjagdgeräth bleibt der Wurf-
speer. Nach der Häufigkeit von Casuarfedern zu urtheilen, müssen Casuare an der
ganzen Küste vorkommen. Vermuthlich werden sie auch hier, wie im Südosten, in
grossen Stellnetzen bei Treibjagden gefangen. Crocodile (in Finschhafen *0a* ge-
nannt), im Ganzen nicht häufig, scheinen nur selten erlegt zu werden; ich sah an der
ganzen Küste nur drei Schädel und doch verwahrt man solche so gern als Erinnerungs-
zeichen in den Gemeindehäusern.
Fischerei wird überall betrieben und nimmt einen nicht unwesentlichen Antheil
an der Ernährung, namentlich der Küsten bewohner. Sehr geschickt angelegte Fisch-
wehre, welche durch Rickelwerk kleinere Buchten abschlössen, habe ich in Finsch-
hafen und dem Archipel der zufriedenen Menschen gesehen, und wie von den Berg-
bewohnern berichtet wird, betreiben diese in gleicher Weise Fischfang in Flüssen und
Bächen. Fischnetze, oft sehr gross und accurat gearbeitet, mit Holzschwimmern und
Senkern von Muschel (meist Area), in Finschhafen » Uassang<i genannt, habe ich an
der ganzen Küste beobachtet. Ebenso die bekannten Fischspeere (I, S. 108), in Con-
stantinhafen »Jur* genannt, aus einem an 3 M. langen Bambu mit vier bis neun kranz-
förmig geordneten Holzspitzen. Sie werden mit der Hand geworfen, die ganz ähn-
lichen, aber viel kleineren Fischpfeile (vgl. Nr. 81 3) mit dem Bogen geschossen.
Nach V. Maclay werden die Fischspeere zu nächtlichen Fischereien bei Fackelschein
benutzt. Fischkörbe, aber bedeutend kleiner und anders construirt als in Neu-Britan-
nien (I, S. 107, »^4 wup^) sah ich in Finschhafen (hier ^Nemo<i^ genannt) und in Astro-
labe-Bai (*Nenir€ in Bongu); ebenso Fischhamen, im Uebrigen kein anderes Fang-
geräth. Am häufigsten sind Fischhaken, wie die folgenden Stücke:
Fischhaken (Nr. 155, 4 Stück) aus einem 6 bis g Cm. langen, runden, aus
Tridacna geschliffenen Stiel, an dem mittelst feinem Bindfaden ein flacher, an der
Basis breiter Haken aus Schildpatt sehr kunstreich befestigt ist. Finschhafen, hier ^/«^«
genannt, der Stiel aus Tridacna »Ping<, der Haken aus Schildpatt »Sai<t. In Friedrich
Wilhelms-Hafen heisst Fischhaken »Aule*,
Desgleichen (Nr. 156, i Stück), wie vorher, aber der Haken aus Knochen
gearbeitet. Daher.
Diese Fischhaken stimmen in ihrer eigenthümlichen Form am meisten mit denen
von Banaba (Ocean Isl., Nr. 147) überein und sind häufig wahre Muster accurater
Arbeit und zuweilen mit Schnitzerei in durchbrochener Arbeit. Der bis 16 Cm. lange
Stiel ist meist aus lyidacna-Muschd (Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. 3, 4), seltener aus Hip-
popus (ibid. Fig. 5), zuweilen, wie der Haken, aus Knochen. 2) Häufig ist der ganze
Haken aus einem Stück Schildpatt verfertigt (Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. 7, 8), oder noch
häufiger ein solcher an ein längliches bearbeitetes Muschelstück festgebunden (wie Ethnol.
Atlas, Fig. 6). Perlmutter habe ich nie verwendet gefunden. Die meist ziemlich dünne,
aber aus sehr haltbarer Faser (wohl von Pandanus) verfertigte Fischleine (in Finsch-
1) Dasselbe Wort bedeutet in Bongusprache :^Penis€,
2) Da diese Knochenstückc zuweilen eine Dicke von 14 Mm. im Durchmesser haben, so können
sie wohl nur von Walthicren herrühren, da unter den T-andthiercn keines mit so dicken Knochen
vorkommt.
[iQl] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. c3
hafen »Game) ist nicht mittelst eines Loches, sondern in einer sehr seichten Einkerbung
oder Rille an der Basis des Stieles festgebunden. Obwohl die Befestigung anscheinend
keine sichere ist, so wird die Praktik der Eingeborenen auch hier das Richtige getroffen
haben. Die Grösse dieser Fischhaken ist sehr verschieden. Ein kleines geflochtenes
flaches Täschchen von lo Cm. Länge und 5 Cm. Breite, welches ich in Finschhafen
kaufte, enthielt acht Fischhaken, darunter den kleinsten von nur 28 Mm. Länge, aus
einem Stück Schildpatt gearbeitet, welchen ich sah.
Diese Fischhaken dienen nicht zum Angeln, das der Papua nicht kennt, sondern
werden in der Weise wie die Haken beim Makrelenfange angewendet, d. h. an einer
Leine einem schnellsegelnden Canu nachgezogen. Der weisse glänzende Tridacna-
Stift dient dabei als Köder, auch mag solcher in anderer Form (Blattstreifen o. dgl.)
befestigt werden. Fischhaken, stets in den gleichen Formen wie oben beschrieben,
habe ich von Huongolf bis in Friedrich Wilhelms-Hafen sehr häufig erhalten, weiter
westlich keine mehr, obwohl solche auch hier vorhanden sein werden. Wie innig die
Küstenbewohner mit Fischerei verbunden sind, zeigt die häufige Darstellung von
Fischen in rohen Malereien an den Canus, wie in oft recht gelungenen Holzschnitze-
reien, die in dem figürlichen Schmuck der Gemeindehäuser hauptsächlich vertreten sind
ivgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 74 und S. 358).
3. Schifffahrt
Die Eingeborenen der Küsten von Kaiser Wilhelms-Land stehen auf einer hohen
Stufe der Entwicklung im Canubau, und ihre Erzeugnisse in dieser Richtung gehören
mit zu den bewundernswerthesten des Steinzeitalters. Die grossen, zuweilen zwei-
mastigen Segelcanus, wie ich sie z. B. auf Long-Insel und in Finschhafen sah, sind in
trefflicher Ausführung und Segeltüchtigkeit den Fahrzeugen an der Ostspitze kaum
nachstehend. Grosse doppelmastige Canus in Finschhafen (hier » Uang^ genannt),
haben eine Länge von 50 Fuss; aber der Baumstamm, welcher den Kiel bildet, ist nur
2' 2 Fuss breit; die Höhe des Mastes hJamo<) mag 20 Fuss betragen. Da sich der-
artige Gegenstände') mit einem kleinen Schiffe wie die »Samoa« nicht mitbringen
lassen, so musste ich mich mit Aufzeichnungen begnügen, aus denen ich hier nur einen
kurzen Ueberblick geben kann. Bezugnahme auf meinen Ethnologischen Atlas wird
zum besseren Verständniss beitragen, da blosse Beschreibungen durchaus unzureichend
bleiben.
Wie die meisten Canus bestehen auch die an diesen Küsten im Wesentlichen aus
einem ausgehöhlten Baumstamme, wohl meist vom Brotfruchtbaume, mit Ausleger an
einer Seite und einer Plattform in der Mitte, wie dies der Grundriss (Ethnol. Atlas,
Taf. VI, Fig. i) von Bongu zeigt. Auf den Baumstamm ist seitlich ein Brett (selten
zwei) aufgebunden (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. VI, Fig. 2), an jedem Ende ein schmäleres,
das zuweilen geschnitzt, selbst durchbrochen gearbeitet ist. Ein derartiges Brett, wie es
z. B. der Ethnologische Atlas (Taf. VI, Fig. 7) von Bongu darstellt, und das in der F'orm
wie ausgesägt aussieht, ist ohne Säge, allein mit Steinaxt gefertigt, eine mühevolle
Arbeit und gibt einen Begriff, was erst die Herstellung eines ganzen Canu bedeutet.
Dieser Typus von Canus findet sich von Huongolf bis nach Karkar. Die Enden des
Canu sind zuweilen hübsch geschnitzt (in Finschhafen meist mit einem menschlichen
Gesicht oder einer Schlange in Haut-reliet), die Seitenborde mit eingravirten oder be-
I) Aus Ncu-Irland brachte ich ein Canu mit allem Zubehör von 7*3o M. Länge mit, und ein
anderes seetüchtiges Canu erhielt das Berliner Museum früher durch mich von den Marshalls-Inseln.
^4 Dr. O. Finsch. [igal
malten Mustern verziert (wie Taf. VII, Fig. 9 von Huongolf). Kleine Canus tragen 2 bis
3 Erwachsene und werden mit Rudern fortbewegt, grössere ein Dutzend und mehr und
fuhren einen bis zwei Masten, die dann divergirend schief nach vorn und hinten ge-
richtet sind. Der Mast ist meist ohne besondere Verzierung und das viereckige fast
quadratische Segel (vgl. Taf. VIII, Fig. 6 von Huongolf) ist aus groben Mattengeflecht
aus PandanuS'BleiXl gefertigt oder mit dem eigenthümlichen zeugartigen Bast von der
Basis des Cocospalmblattes zusammengenäht. Grosse Canus tragen auf der Plattform
einen kastenartigen Aufbau, aus Stäben, wie ein Käfig, auf diesem zuweilen noch eine
zweite Plattform, wie auf Bilibili (vgl. »Samoafahrtenc, S. 84). Ich zählte hier 14 grosse
Canus am Strande. Sie zeichnen sich durch einen gebogenen Schnabelansatz an beiden
Spitzen aus, an dem Faserbüschel als Schmuck befestigt sind, wie solche an den Segel-
stangen. Die lange vorragende Spitze des Canu ist, wie die des Mastes, mit Vorliebe mit
rothbemalten Nautilus-Muschda verziert, hier zuweilen auch eine Holzschnitzerei, einen
Vogel o. dgl. darstellend, angebracht. Sehr reichen Ausputz zeigten die Canus von
Long-Insel (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. VI, Fig. 6, Taf. VIII, Fig. i und 2).
Einen abweichenden Typus in Bauart wie Ausputz zeigen die Canus westlich von
Karkar. Sie zeichnen sich durch hübsche Schnitzereien der beiden verschmälerten End-
theile aus, die meist einen Menschen- oder Crocodilkopf darstellen (wie Ethnol. Atlas,
Taf. VII, Fig. 4 von Dallmannhafen und Taf. VII, Fig. 5 von Venushuk) oder ein ganzes
Crocodil (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 292). Diese Figuren sind nicht aufgesetzt,
sondern aus dem Ganzen des Canuendes gezimmert und werden für dieses Gebiet
charakteristisch. Das viereckige Segel ist aus Mattengeflecht (Taf. VIII, Fig. 5 von Ham-
macherfluss) oder Bast von der Basis des Blattes der Cocospalme, die Mastverzierungen
oft sehr originell, meist Faserbüschel und Figuren aus Tapa o. dgl. gefertigt, z. B. in
Form eines Kreuzes (Ethnol. Atlas, Taf. VIII, Fig. 3 von Venushuk) oder eine Vogel-
gestalt aus Federn (Taf. VIII, Fig. 4, Fregattvogel, daher). Am Caprivifluss waren am
Mast lange aus Gras geflochtene Ketten befestigt. Auf der breiten Plattform grosser
Canus, die bis 16 Mann tragen, ist an Jeder Seite ein hoher, schmaler, käfigartiger
Kasten, meist mit Waffen gefüllt. Von Caprivifluss bis Guap westlich ist die Plattform
auf Stützen tischartig erhöht, so dass sich diese Canus schon von Weitem als besondere
auszeichnen (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. VIII, Fig. 10, von Guap, hier mit Ruderern, auf
dem Aufbau der Häuptling mit dem mit Casuarfederbüschel verzierten Staatsspeer und
Taf. VIII, Fig. 7, mit gesetztem Segel vom Hammacherfluss). Wie Bilibili für Astrolabe,
so scheint Guap für dieses westliche Gebiet ein Centrum der Schifffahrt; ich zählte am
Strande der Insel nicht weniger als 3j Canus.
Westlich von Guap ist ein senkrecht stehender Schnabel, der an die Gondeln
Venedigs erinnert, charakteristisch (vgl. Ethnol. Atlas, T. VI, Fig. 2a und Taf. VII, Fig. 3
von Tagai), wenigstens für die grossen Canus, die oft 20 Mann fassen, wovon allein 14
auf der Plattform Platz finden. Die Mastspitze ist zuweilen mit einem grossen Büschel
Casuarfedern verziert, das viereckige Segel aus Cocosblattbast. Weiter westlich in
Massilia habe ich diesen Schnabelaufsatz nicht beobachtet, aber die Seiten des Canu
zeichneten sich durch reiche Figurenverzierung aus (Taf. VII, Fig. i, mit Fischen, ein-
gebrannt). In ähnlicher Weise waren auch die Canus in Angriffshafen (Taf. VII, Fig. 2)
ornamentirt, ausserdem aber noch durch besondere kunstvolle Schnitzereien, die an
jedem Ende angebunden werden, ausgezeichnet, wie die folgende Nummer:
Canuschnabel (Nr. 185, i Stück) — II, S. 358, Taf. XXII (14), Fig. 4 — aus einem
Stück zum Theil durchbrochen geschnitzt, groteske Fische darstellend, die Spitze einen
Vogelkopf; die meisten Partien der Abbildung sind vertieft gearbeitet.
[igS] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsce. cc
Diese Schnitzereien werden mit der Basis (a) in die Spitze der Canu eingesetzt
und festgebunden. Manche Canus tragen an beiden Enden solche geschnitzte Schnäbel.
Obwohl gleich in der Form, sind derartige Schnitzereien doch in der Anordnung der
figürlichen Darstellung sehr verschieden und linden sich in derselben Weise auch am
Sechstrohfluss und in Humboldt-Bai, selbstredend nicht an jedem Canu. Auch die Platt-
form ist zuweilen mit kunstvollen, buntbemalten Schnitzereien, plastische Darstellungen
von Fischen und Vögeln, verziert, die Mastspitze nicht selten mit einem Casuarfeder-
buschel. Das viereckige Segel >) besteht gewöhnlich aus Mattengeflecht von Pandanus-
Blatt. Grosse Canus tragen 8 bis lo Menschen.
Canus ohne Auslegergeschirr, d. h. nur aus einem Baumstamme bestehend, sind
mir nur in Dallmannhafen vorgekommen. Nach den Berichten vom Augusta ist dies
aber dort die einzige Form; auch werden reiche Verzierungen derselben in Holzschnitz-
arbeit erwähnt. Sehr primitive Wasserkutschen sah ich in Massilia, wo junge Burschen
auf mehreren zusammengebundenen Blattstielen von Palmen knieend herausgerudert
kamen (vgl. Bild »Samoafahrten«, S. 323). Am Sechstroh genügten Baumwurzeln an
ein paar Stücken Bambu festgebunden (»Samoafahrten«, S. 344).
Das Tauwerk besteht zuweilen aus
Strick (Nr. i38, i Probe), von Finschhafen (hier -»Lepa* genannt), von der Dicke
eines kleinen Fingers, zweidrähtig, sehr accurat gedreht, aus einer Art Bast (wohl von
Hihiscus tiliaceus). Meist aus gespaltenem Rottang aus Lianen verfertigt. Als Anker-
tau wird ebenfalls ein langer Rottang benutzt, als Anker krumme Wurzel- oder Ast-
stücke mit einem grossen Steine oder mehreren kleineren, die mit Rottang eingefloch-
ten sind.
Da Canus stets undicht sind und fortwährenden SchÖpfens bedürfen, so sind
besondere Geräthe erforderlich. Zuweilen bedient man sich nur der Hände, einer
7r//ow-Muschel oder eines Stielabschnittes der Nipapalme (Hatzfeldthafen, Tagai). Im
Osten, von Huongolf bis Astrolabe, beobachtete ich meist aus Holz geschnitzte Schöpfer,
in sehr praktischer Form, zuweilen mit hübschem Schnitzwerk.
Als Feuerstätte, schon wegen des Rauchens unentbehrlich, dient gewöhnlich ein
mit Sand gefüllter Topfscherben oder ein Stück Blattbast der Sagopalme mit einer Lage
Sand oder CorallgeröU.
Zum Rudern werden 2 bis 3 M. lange Padel benutzt, in der allgemein üblichen
Form mit rundem langen Griff und lang-lanzettförmigem Blatt, wie ich dieselbe an der
ganzen Küste beobachtete. Die Ruder, oft aus hartem Holz und mit reicher Schnitz-
arbeit am Griff, seltener auf dem Blatte verziert, sind die besten welche ich in Neu-
Guinea sah, wie die folgenden Nummern zeigen:
Ruder (Nr. 175, i Stück), mit Schnitzwerk. Huongolf.
Desgleichen (Nr. 176, i Stück), mit feiner Schnitzarbeit. Finschhafen, hier » Oo^ ^)
genannt.
Zum Steuern dient meist ein gewöhnliches Ruder, grosse Canus führen zuweilen
ein grösseres und schwereres in der gleichen Form, aber am Ende abgestutzt (wie
Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 8 von Bongu), das in einer Schlinge von Strick befestigt ist.
1) Die mcrkwürüige Form der Segel »ähnlich den Flügeln eines Hicgcnden Fisches«, wie sie
Powell aus dem westlichen Gebiete zwischen Passier Point und Humboldt-Bai, ohne Angabe einer be-
stimmten Localität beschreibt, habe ich weder hier noch sonst in Neu-Guinea beobachtet und doch stets
Canus meine besondere Aufmerksamkeit zugewandt.
2) In Bongusprachc heisst dies Wort » Vulva <^,
c6 Dr. O. Finsch. [^94]
Nicht alle Küstenbewohner von Kaiser Wilhelms-Land besitzen übrigens Canus,
sondern zuweilen fehlen dieselben in einzelnen Strichen ganz, einmal weil die Bewoh-
ner den Bau nicht verstehen, oder weil sich das Landen der Brandung wegen von selbst
verbietet. Zu den besten Canus gehören die von der Insel Bilibili, mit denen die Ein-
geborenen Handelsreisen bis an loo Seemeilen unternehmen. Auch Canus von Rock-
Insel besuchen Finschhafen und umgekehrt. Aber die Eingeborenen sind keine eigent-
lichen Seefahrer, gehen nie aus Sicht des Landes und nur dann aus, wenn Wind und
Wetter günstig scheinen. Und im Allgemeinen ist es ja an diesen Küsten ruhig, für
Segelschiffe oft zu ruhig.
4. Häuser und Hausrath.
Häuser. Obwohl ich eingehendere Studien nur in beschränktem Masse machen
konnte, so zeigen dieselben doch, dass jedes Gebiet einen besonderen Baustyl besitzt,
wie eine Vergleichung typischer Häuser in den »Samoafahrten« (Bongu S. 46, Tiar
S. loi, Finschhafen S. 176, Dallmannhafen S. 3o8, Humboldt-Bai S. 352) am besten
lehrt. Diese Häuser weichen von denen der Südostküste (II, S. 3 16 — 319) meist erheb-
lich ab und sind im Ganzen besser gebaut, ja zum Theil sehr stattliche Bauwerke (wie
z. B. auf Bilibili und Dallmannhafen). Für Astrolabe-Bai werden gewisse tischartige
Gerüste aus gespaltenem Bambu charakteristisch, die sich fast vor jedem Hause befin-
den (vgl. »Samoafahrten«, S. 46). Sie heissen in Constantinhafen ^Barla^ und dienen
nur zum Aufenthalt der Männer, die hier unbelästigt von Schweinen, Hunden und
Kindern essen oder schlafen. Ich beobachtete solche Sitzgestelle auch in Finschhafen.
An verschiedenen Theilen der Küste (z. B. Hercules-Bai, am Caprivifluss) beobachteten
wir nur sehr primitive Hütten, die nichts mehr als ein auf den Erdboden gesetztes Dach
schienen, ganz wie dies aus dem Finisterre-Gebirge berichtet wird. Im Allgemeinen sind
aber die Häuser mehr oder minder über der Erde erhoben, auf Pfählen errichtet. Eigent-
liche Pfahlhäuser wie in Port Moresby (II, S. 3 18, Fig. 3i) habe ich nur wenige Male
an der Küste des Terrassenlandes (Singor, Village-Insel) gesehen, die aber auf dem
kahlen Corallfels und nicht im Fluthgebiet des Meeres erbaut waren. Die wenigen
Häuser, welche ich an der Mündung des Augustaflusses sah, schienen ebenfalls Pfahl-
bauten und, soweit sich erkennen Hess, ebenso die Siedelungen in der Lagune an der
Mündung des gleichnamigen Flusses, westlich von Berlinhafen. Hier schienen grössere
Dörfer, dicht Haus an Haus, vollständig im Wasser erbaut, ganz wie dies in Humboldt-
Bai der Fall ist. Aber hier zeigen wenigstens einige Häuser einen sehr eigenthümlichen
Baustyl) wie ich ihn sonst nirgends beobachtete (vgl. »Samoafahrten«, S. 352). Der-
artige grosse Häuser wurden von je vier Familien bewohnt (vgl. Grundriss, Ethnol.
Atlas, Taf. II, Fig. 2). Baumhäuser, d. h. in dem Gezweige von hohen Bäumen errich-
tete Hütten (vgl. »Samoafahrten«, S. 272), die als Warten und Vesten dienen, kommen
hauptsächlich in den Bergdörfern ebenfalls vor. Häuser in »Bienenkorbform«, wie sie
Powell vom Terrassenlande*) beschreibt, habe ich weder hier noch irgendwo anders
in Neu-Guinea gesehen. Schnitzwerk an Häusern ist mir kaum vorgekommen, wohl
aber Malerei an den Brettern der Seitenwände, die aber in solchen Fällen meist von
') »This curious formation of country leads in this way terrace by terracc up to thc immediate
base of the Finisterre Mountains (i3.ooo fcet)«, so beschreibt Powell das merkwürdige Tcrrasscnland,
aber so im Widerspruch mit der Wirklichkeit, dass man fast glauben möchte, er könne nicht aus
eigener Anschauung sprechen. Denn die Terrassen reichen nur im Küstengebirge vielleicht ein paar
Tausend Fuss hoch, haben aber mit dem Finisterrc-üebirge gar nichts zu thun.
[ige] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. cy
allen Canus herrühren. Solche Bretter in Finschhafen massen an 20 Fuss. Den Grund-
riss eines Hauses hier gibt der EthnoL Atlas, Taf. II, Fig. 3.
Eine besondere Art Bauten sind die Gemeindehäuser, welche wegen ihrer Grösse
und des Schmuckes an Schnitzwerk, häufig menschliche Figuren darstellend, von Un-
eingeweihten für Tempel, die Bilder für »Götzen« gehalten werden. Diese Häuser, in
Coostantinhafen *Buambramra€ genannt, scheinen in ganz Kaiser Wilhelms-Land vor-
zukommen und sind im Vergleich mit der Südostküste eine ethnologische Eigenthüm-
lichkeit dieses Gebietes. Manche derselben zeichnen sich durch bedeutende Grösse aus und
zahlen zu den grossartigsten Bauwerken der Steinzeit. So z. B. das Dschelum auf Bili-
bili (Abbild. »Samoafahrten«, S. 74), mit einer an 25 Fuss hohen Mittelsäule, die, aus
einem Stück geschnitzt, plastisch, sechs übereinanderstehende Papuafiguren (vier männ-
liche und zwei weibliche) zeigt. Diese Säule (»Samoafahrten«, S. 73), *Aimaka< genannt
iwas offenbar mit >/l/« :=^ Festlichkeit der Männer, in Verbindung steht), wird noch
übertroffen durch zwei circa 4 Fuss hohe Männerfiguren, die aus dicken Balken (Längs-
träger des Gebäudes) in der Weise ausgehauen sind, dass sie, wie das Glied einer
Kette, an diesen hängen. Wahrhaft bewundernswerth ist das Gemeindehaus im Dorfc
Tobadi, in Humboldt-Bai, die grösste Pfahlbaute im Wasser, welcher mir vorkam, mit
reichem Schmuck an Schnitzwerk, Friese mit menschlichen Figuren und plastische Thier-
gestalten darstellend (abgebildet in »Samoafahrten«, S. 358). ') Dasselbe war keineswegs
ein »Tempel«, wie das merkwürdige Gebäude in der »Etnareise« bezeichnet wird, son-
dern nichts Anderes als das Versammlungshaus der Männer, in welchen die unverheira-
teten schlafen, Fremde beherbergt und Feste gefeiert werden. Alle diese Gemeinde-
häuser sind, wie das Meiste von ihrem Inhalt für das weibliche Geschlecht streng tabu
und dürfen von diesen nicht betreten werden. Das Gemeindehaus in Tobadi (vgl.
Grundriss im Ethnol. Atlas, Taf. II, Fig. i) enthielt nichts als Feuerstätten, Kopfstützen,
einige Töpfe mit Wasser, grosse Trommeln und Flöten. Die sorgfältig aus gespaltenem
Holz der Betelpalme hergestellte Diele diente zum Schlafen. An den Wänden waren
Schädel von Schweinen, wohl ein paar Hundert befestigt, als Erinnerungszeichen der
hier abgehaltenen Schmausereien, wie dies stets geschieht. In Astrolabe pflegt man nur
die Unterkiefer der verzehrten Schweine aufzuhängen, ausserdem auch Anderes: Köpfe
grosser Fische, Schildkröten, Körbe mit Ueberbleibsel von Essen u. dgl. Auch die
Schnitzereien von Thieren, welche ausser- oder innerhalb der Versammlungshäuser an-
gebracht sind, dienen jedenfalls nur als Erinnerungszeichen besonders grosser Festlich-
keiten, wobei die betreffenden Thiere (meist Fische, seltener Eidechsen, Schildkröten
oder Vögel) eine Hauptrolle spielten, und haben nichts mit religiösen Anschauungen zu
thun. Derartige Figuren finden sich fast an allen Gemeindehäusern und oft so natur-
getreu dargestellt, dass manchmal die Gattungen zu erkennen sind. So liessen sich unter
den Fischen Makrele, Hemiramphus, Chaetodon und Pagrus unterscheiden, wenigstens
der Form nach, denn die Bemalung ist meist sehr grell in Roth und Weiss; bemerkens-
werlher Weise auch Grün unter den Farben vertreten. In Friedrich Wilhelms-Hafen
erhielt ich auch Fischfiguren, von denen ein grosser Fisch (eine 1-45 M. lange Makrele)
einen kleinen im Maule hält; sowie die Darstellung eines Fisches, der in einen Menschen-
kopf beisst. Neben dem Gemeindehause auf Tiar waren an langen Bambu befestigt eine
ganze Reihe derartiger Fischschnitzereien (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. io3), oft von
bedeutender Grösse (i*8o M. lang) aufgestellt. Andere befanden sich im Innern (Ethnol.
Atlas, Taf. XV, Fig. 3), hier auch die Figur eines Delphin (Phocaena) und anscheinend
0 Ein Vergleich dieser nach der Natur gezeichneten Abbildung mit der im Reisewerk der *Etna-
tipedition (T. FF.) publicirten wird die unbegreifliche Unrichtigkeit der letzteren zeigen.
58 Dr. O. Finsch. [196]
eines Hundes oder vielmehr Hündin (Ethnol. Atlas, Taf. XV, Fig. 2). Bemerkt mag
noch sein, dass ich nie eine Darstellung von Schweinen sah, aber für die Erinnerung an
solche dienen ja die Schädel zur Genüge. Die Gemeindehäuser in Astrolabe, welche
nicht gedielt sind, enthalten als nie fehlendes Geräth eine erhöhte Plattform zum Schlafen,
grosse und kleine Trommeln, zuweilen Waffen (namentlich grosse Schilde). In Bongu
waren noch einige heilige Andenken an den *Kaarem Tamo*^ den »Mann aus dem
Monde«, wie Maclay bei den Eingeborenen allgemein genannt wurde, aufbewahrt: ein
altes Fässchen und ein verrostetes Petroleum- Blechgefäss. Gewiss ein schöner Beweis
der Pietät der Eingeborenen, von der ich mich selbst überzeugen konnte. So war die
deutsche Flagge, welche ich den Häuptlingen des Dorfes auf der Insel Bilia geschenkt
hatte, sorgfältig eingepackt im ^Sirit* verwahrt worden.
Auch als Werkstätten dienen die Gemeindehäuser, denn es gibt Gegenstände,
z. B. die grossen Trommeln , welche Frauen nicht einmal in der Bearbeitung sehen
dürfen. So wurde im Gemeindehause von Tobadi gerade an einem grossen Balken
geschnitzt. Eine besondere Art Versammlungshaus sah ich in Dallmannhafen (Abbild.
»Samoafahrten«, S. 3o8). Das grosse Haus in dem Dorfe Ssuam in Finschhafen
(»Samoafahrten«, S. 173 und 174) schien ebenfalls das Versammlungshaus zu sein und
die mit einer nach unseren Begriffen höchst mangelhaften Leiter zugängliche obere
Etage als Schlafstätte der unverheirateten Männer zu dienen.
Hausrath ist für Menschen, welche den grössten Theil des Tages ausserhalb ihrer
Hütten zubringen, kaum nöthig. Das Innere einer solchen (vgl. Grundriss Etnol. Atlas,
Taf. II, Fig. 3) enthält daher ausser einer Feuerstelle, die auch nicht immer benutzt
wird, hauptsächlich Lagerstätten, erhöhte breite Bänke aus gespaltenem Bambu, in
Constantinhafen ^Barlat genannt, aufweichen die Männer schlafen. Ausserdem sind
meist noch Töpfe, Schüsseln, Waffen und Fischnetze in der Hütte untergebracht. Son-
stige Habseligkeiten (wie Schmuckgegenstände, Federn etc.) und Esswaaren werden in
Körben und Bündeln in Tapa oder Blätter sorglich eingepackt an den Dachsparren der
Hütte aufgehangen oder in besonderen Horden, die kaum in einer Hütte fehlen. Zum
Schutze gegen die Verheerungen der Mäuse werden diese Horden mit einem über-
stehenden Dache aus Bambu versehen oder mit einer runden Scheibe aus der Blattbasis
der Sagopalme. Zum Aufhängen benutzt man an Stricken befestigte Haken, meist aus
einem gebogenen Aste hergestellt, zuweilen aber auch wahre Kunstwerke der Holz-
schnitzkunst, wie ich solche in Finschhafen erhielt (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. III, Fig. 2).
Derartige Erzeugnisse des Papuafleisses verdienen umsomehr Beachtung, als sie, stets
im Dunkel der Hütte hängend, eigentlich nie zur Ansicht und Geltung gelangen und
somit den hervorragend entwickelten Kunstsinn der Papua bekunden.
Nahezu gleich verhält es sich mit den sogenannten Kopfkissen, Ruhebänkchen
oder Stützen, welche als Unterlage des Kopfes beim Schlafen dienen. Sie werden nur
von Männern benutzt und scheinen nicht überall üblich. In Bilibili sah ich sehr ein-
fache Kopfstützen, die nur aus einem Aststück mit vier Zweigabschnitten als Beine be-
standen, aber in Huongolf und Finschhafen erhielt ich sehr kunstvoll geschnitzte, wie die
folgenden Nummern:
Palim (Nr. 102, i Stück), Kopfstütze (II, S. 350, Taf. XVIII [10], Fig. 2); fein
durchbrochen gearbeitete Schnitzerei aus einem Stück Hartholz; die untere Hälfte jeder-
seils zeigt die Figur eines Papua in der charakteristischen verkrüppelten Gestalt; die
vertieft gearbeiteten Linien sind mit Kalk eingerieben. Breite der sanft eingebogenen
glatten Oberfläche 65 Mm. Von Finschhafen (Dorf Ssuam).
I'igy] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. eq
Desgleichen (Nr. loi, i Stück, II, S. 350, Taf. XVIII [10], Fig. i), kunstreiche
durchbrochen gearbeitete Schnitzerei aus einem Stück Hartholz (Cocospalme), in be-
sonderer eigenthümlicher, seltener Form; jederseits in der Mitte eine carrikirte Papua-
hgur; der untere Theil (7 Cm. breit) stellt ein auf vier Füssen stehendes Oval dar, das
auf der einen Seite (Abbildung) circa 4 Cm. concav ausgearbeitet, auf der entgegen-
gesetzten bauchig ist, hier mit einem sternförmigen Ornament (Fig. la); Breite oben
70 Mm. Von Finschhafen.
Ein anderes sehr interessantes Stück von derselben Localität (einen auf dem
Bauche liegenden Papua darstellend) ist im Ethnol. Atlas, Taf. III, Fig. i, abgebildet.
Weiter westlich kommt eine besondere Form von Kopfstützen, eine Art Bänkchen
vor, welche das folgende Stück repräsentirt:
Kopfstütze (Nr. 100, i Stück, II, S. 350, Taf. XVIII [10], Fig. 3, 4). Dieselbe be-
steht aus einem flachen (70 Mm. breiten) Brettchen aus Hartholz (Cocospalme), das auf
vier (15 Cm. hohen) Beinen ruht, von denen jedes Paar aus einem gebogenen Stück
Bambu besteht; die beiden jederseits über die Beine vorragenden i3 Cm. langen Enden
des Brettchens sind in Papuagesichter, mit durchbohrter Nase und durchbrochenem
Bart geschnitzt Fig. 4 (a das Bambubeinstück). Insel Guap. Derartige Kopfstützen
erhielt ich auch in Dalimannhafen und beobachtete solche in Humboldt-Bai. Die Schnitze-
reien sind wie bei allen diesen Stücken sehr verschieden; statt des Papuagesichtes war
zuweilen ein Crocodilkopf dargestellt. — * Matten zum Daran fschlafen sind mir nicht
vorgekommen; es mag aber solche geben.
5. EsS' und Kochgeräth.
*
Obwohl Papuas keine Küchen besitzen, sondern auf besonderen Feuerstätten in
den Hütten oder häufiger im Freien kochen, so besitzen sie doch eine Menge hierher
gehöriger Gegenstände, die an dieser Küste mannigfacher und kunstvoller sind als an
der Südostküste. Obenan stehen Holzschüsseln, die mit zum Reichthum eines Haus-
haltes zählen und überall ein beliebtes Tauschmittel sind.
Tabir (Nr. 80, i Stück), Holzschüssel; gewöhnliche Sorte, länglich-oval, an jeder
Seite etwas zugespitzt, 42 Cm. lang, 20 Cm. breit, künstlich geschwärzt, mit drei Rand-
rillen. Constantinhafen, Bongu.
Desgleichen (Nr. 81, i Stück), wie vorher, 42 Cm. lang, 22 Cm. breit, etwas
tiefer. Daher.
Dschu (Nr. 82, i Stück); sehr feine Holzschüssel, 66 Cm. lang und 28 breit, läng-
lich-oval, mit einem Mineralstoff (ähnlich Graphit oder Eisen) geschwärzt, matt glän-
zend, an jeder Seite eine hübsche Schnitzerei, mit weiss und rother Farbe eingerieben.
Finschhafen.
Hier wie im Archipel der zufriedenen Menschen waren derartige Schüsseln sehr
häufig und ich erhielt wahre Prachtstücke mit äusserst kunstvoller Schnitzerei (vgl.
Ethnol. Atlas, Taf. III, Fig. 3), bis 80 Cm. lang und 29 Cm. breit. Auch in Huongolf sah
ich schöne Schüsseln in gleicher Form. Die Holzschüsseln in Constantinhafen waren
weniger kunstvoll gearbeitet; hier erhielt ich aber auch runde Holzschüsseln und
hölzerne Näpfe in Form unserer Töpfe. Im Westen (Insel Guap) bekam ich ähnliche,
tiefe, aber ovale Näpfe und runde, flache Schüsseln, zum Theil mit Schnitzerei (darunter
eine einen fliegenden Hund darstellend).
6o ör. O. Finsch. [ i gg]
Nur die Männer und deren Gäste essen aus solchen Holzschüsseln und meist nur
bei Festlichkeiten. Für gewöhnlich wird aus Cocosschalen oder von Blättern gegessen,
die als Teller dienen.
Besondere Küchengeräthe, und zwar »Ssaku*, eine Art schaufelförmiger Rühr-
löffely darunter solche mit kunstvoller Schnitzarbeit (auch die bekannte Papuafigur dar-
stellend), erhielt ich in Finschhafen. Hier auch hölzerne Mörser, *Porrom€ genannt,
deren Zweck mir nicht ganz klar wurde. Zum Zerstampfen von Betelnuss (vsrie S. 27
erwähnt) schienen sie zu gross.
Die Essgeräthe, welche Jeder in dem Brustbeutel bei sich trägt, sind überall die-
selben^ wie wir solche bereits kennen lernten. Zum Schneiden, respective Schaben von
Früchten, z. B. Cocosnuss, die nur in geschabtem Zustande genossen wird, bedient man
sich häufig kleiner Perlmutterschalen oder daraus gefertigter, am unteren Ende meist
mit Kerbzähnen versehener Schaber (vgl. I, Taf. IV, Fig. 7) wie die folgenden Nummern:
Schaber (Nr. 46c, i Stück), aus Perlschale. Festungshuk.
Desgleichen (Nr. 46 rf, i Stück), aus Nautilus. Finschhafen, hier »Kiki* genannt.
Abgebildet: Ethnol. Atlas, Taf. V, Fig. 8.
In Westen sind mir derartige Perlschalen oder Schaber daraus, in Constantinhafen
» Karur* genannt, nicht vorgekommen. Statt derselben scheinen hier zu gleichem Zwecke
gewisse zweischalige Brackwassermuscheln benutzt zu werden:
Batissa violacea (Nr. 23, 3 Siück) von Venushuk.
Batissa angulata (Nr. 24, 3 Stück) von AngrifTshafen.
Diese sehr scharfrandigen Muscheln dienen auch als 'Schneidinstrumente und
fanden sich in dem Brustbeutel jedes Mannes vor. In Neu-Britannien sah ich mit einer
Schale von Cyrene papua ein Armband abschneiden. In Humboldt-Bai wurden Schulter-
blattknochen (wohl vom Schwein) als Schaber benutzt.
Ebenso wichtig als die vorhergehenden Instrumente ist ein anderes, meist sehr
unscheinbares, wie die folgenden Nummern.
Brecher (Nr. 924, i Stück) aus einem vorne flach und meisselartig abgeschliffenen
Knochen (wohl vom Schwein). Constantinhafen, Bongu (hier *Schiliupa<ii genannt, in
Bogadschi *Sorrop<i, auf Grager ^Schilup*),
Desgleichen (Nr. 295, i Stück), wie vorher. Finschhafen (hier »Kamata^^ ge-
nannt).
Desgleichen (Nr. 926, i Stück), aus einem längsdurchschlitfenen Schweine-
knochen, 17 Cm. lang, mit fein eingravirtem Muster; die Basis (der Gelenkskopf) mit
zwei schmalen Ringen aus gespaltenem Rottang umflochten, an denen drei Schmuck-
büschel von einigen Seitenfedern des Paradiesvogels und einige rothe Papageifedern be-
festigt sind. Angriffshafen.
Dieses ausnahmslos aus Knochen (vom Casuar oder Schwein) verfertigte Instru-
ment (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. V, Fig. 7) fehlt bei keinem Papua und wird gewöhnlich
im ArmbaAd eingesteckt getragen. Die Benützung ist eine sehr verschiedene, theils zum
Aufbrechen (z. B. von Betelnüssen), theils als Messer zum Schaben. Zum Aufbrechen
der Hülle der Cocosnuss bedient man sich grober zugespitzter Hölzer. Auch die
Knochendolche (siehe Waffen) werden wahrscheinlich nicht blos als Waffe benutzt,
sondern wohl mehr als Instrument zum Spalten und Aufbrechen von PVüchten.
Löffel (in Constantinhafen *Kai*) sind ähnlich denen an der Südostküste (II,
S. 323) meist aus Cocosnussschale, seltener aus einem Stück Muschel (Nautilus) ver-
fertigt; doch sah ich keine mit Verzierungen. Bambumesser, aus einem scharfkantigen
Stück Bambu, die ausserordentlich scharf schneiden, werden nicht beim Essen benutzt.
[igg] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 6l
sondern hauptsächlich beim Ausschlachten und Zertheilen von Fleisch. Gabeln
sind mir nicht vorgekommen, aber Maclay erwähnt solche aus einem circa 20 Cm.
langen zugespitzten Stöckchen bestehend, oder man bedient sich einfach der mehr-
zinkigen Kopfkratzer, sogenannten Kämme (wie Nr. 287). Als Trinkgefässe werden, wie
überall, Cocosnussschalen benutzt, als Wassergefässe lange Bamburohre, wie ich sie in
Constantinhafen sah, oder eine besondere Art Töpfe, ähnlich denen an der Südostküste
(II, S. 324, Nr. 86 *Hodu*), Zu Stampfern oder Klopfern (z. B. zum Aufklopfen der
ausserordentlich harten Canariumnüsse) benützt man passende Steine, doch sah ich keine
bearbeiteten wie an der Südostküste (S. 323). Ein sehr eigenthümliches Geräth zeigt
die folgende Nummer:
Sagoklopfer (Nr. 55, i Stück — II, S. 354, Taf. XX [12], Fig. 4, 5). Der rund
bearbeitete, 60 Cm. lange Holzstiel (a) ist am Ende mit einem Loche durchbohrt, in
welchem das 36 Cm. lange, in zwei Hälften gespaltene Futter (b) steckt, das durch
Ringe von feinem Flechtwerk aus gespaltenem Rottang (c) die Steinklinge (d) festhält.
Letztere ist circa 1 1 Cm. lang, rund, an der Basis etwas konisch verschmälert, an der
Spitze rechtwinkelig abgeschnitten und ausgehöhlt (Fig. 5). Um dem Spalten des Stieles
vorzubeugen, sind jederseits vom Bohrloch Ringe aus Rottang (e) fest umgeflochten. Um
dem Geräth grössere Festigkeit zu verleihen, ist von der Basis des Steines bis zur Mitte
des Stieles ein Band aus Bast befestigt. Vom Sechstrohfluss.
Steinklinge (Nr. 56, i Stück) zu einem solchen Klopfer. Daher.
Ich erhielt dieses Geräth nur am Sechstroh, es findet sich aber auch in Humboldt-
Bai und mag im Westen noch weiter verbreitet sein. Beim ersten Anblick erinnert
dieses Geräth sehr an die in- jenen Gegenden üblichen Steinäxte (vgl. Nr. 126) und
wird in der »Etnareise« (Taf. YY, Fig. 3) in der That als eine solche abgebildet. Aber
man braucht nur die runde Fläche des Steines zu betrachten, um einzusehen, dass
das Geräth unmöglich ein Schneidinstrument sein kann. Ausser zur Bereitung von
Sago dient es wahrscheinlich noch zu anderen Zwecken des Haushaltes, vielleicht zum
Klopfen von Arrowroot u. dgl. Das Material zu den Steinen dieser Klopfer ist ein von
dem der Steinäxte ganz verschiedenes, hartes, feinkörniges Gestein. Die Stiele dieser
Klopfer sind zuweilen mit Schnitzwerk verziert.
Als Kochgeräth dienen einzig und allein aus Thon verfertigte und gebrannte
Töpfe, in deren Herstellung die Eingeborenen dieser JCüste eine beachtenswerthe Ge-
schicklichkeit entwickeln. Die Sammking gibt ein Belegstück dafür:
Topf (Nr. 90, I Stück) von Bilibili, und
Thon (Nr. 95, i Probe) von der Insel Bilia in Friedrich Wilhelms-Hafen.
Ich habe an der ganzen Küste von Kaiser Wilhelms-Land, überall, wo ich mit
Eingeborenen zusammentraf, das Vorhandensein von Töpfen beobachtet, wenn auch
zuweilen nur in Gestalt von Scherben, die, mit Sand gefüllt, als Feuerstätte auf den
Canus dienten. Wie an der Südostküste sind die Töpfe auch an dieser Küste unterseits
halbkugelförmig, also rund, und wie dort scheinen fast überall zwei Hauptformen, eine
mit weiter Oeffnung: Kochtöpfe, und eine andere mit enger Oeffnung: Wassertöpfe vor-
zukommen. Die Töpfe von Huongolf und Finschhafen (hier »/lw« genannt) sind ähn-
iich denen von Teste-Insel, tief napfförmig, oben weit und gerade abgeschnitten (vgl.
Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 5). Die Töpfe in Astrolabe-Bai (^*\Vab* in Constantin-
hafen, Bogadschi und Grager) ähneln denen von Port Moresby, d. h. sind kugelförmig
oben verschmälert (ähnlich Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 3). Auf Bilibili gibt es solche
mit weiter (Jo) und enger Oeffnung (Bodi) ; zuweilen haben die weiten Töpfe einen
schief nach oben stehenden schmalen Rand; auch sah ich hier sehr kunstvolle mit
62 Dr. C). Finsch. [200]
Buckeln wie sonst nirgends. Die Töpfe am Caprivifluss stimmten in der Form ganz mit
solchen von Astrolabe überein, sehr ähnlich waren die von Dallmannhafen (Ethnol.
Atlas, Taf. IV, Fig. 3, 4), Angriffshafen (enge mit 16 Mm. Durchmesser der Oeffnung,
weite mit 240 Mm.) und vom Sechstrohfluss (Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. i, 2). In
Humboldt-Bai fand ich dieselbe Form von Töpfen, auch sehr grosse (mit 63 Cm. Durch-
messer der Oeffnung) zum Aufbewahren von Lebensmitteln, ähnlich den »7b/ia« von
der Südostküste (II, S. 325). Manche Töpfe zeichneten sich durch rohe Bemalung,
Figuren von Vögeln und Fischen in schwarzer, weisser und rother Farbe aus, eine Ver-
zierungsweise, die ich sonst nirgends beobachtete. Dagegen sah ich an den meisten
Töpfen von Huongolf und Astrolabe gewisse einfache Randmuster, die vielleicht in ähn-
licher Weise als Handelsmarke dienen, wie dies an der Südostküste und Ostspitze der
Fall ist. Die einfachen Randmuster, eigentlich nur gewisse Eindrücke, der Töpfe auf
Bilibili waren alle verschieden. Töpfe in Finschhafen zeigten am oberen Rande zu-
weilen erhabene, reihenweise angeordnete Knötchen (Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 5).
Wie in ganz Neu-Guinea wird Töpfemachen nicht überall verstanden, z. B. nach
V. Maclay nicht in den Bergdörfern des Astrolabegolfes, die ihre Töpfe daher von den
Küstenbewohnern eintauschen müssen, Verhältnisse, wie ich sie in gleicher Weise an
der Südostküste kennen lernte. Es gibt daher auch in Kaiser Wilhelms-Land gewisse
Centren der Töpferei, die dadurch auch zugleich für den Tauschverkehr der Eingebore-
nen von grosser Bedeutung werden. In Finschhafen sah ich nichts von Töpferei und
vermuthe, dass die Bewohner ihre Töpfe von wo anders her beziehen, aber die Insel
Bilibili ist ein bedeutendes Centrum der Töpferei und deren Fabrikat wird weit an der
Maclayküste bis Cap Teliata verhandelt. Leider konnte ich mich an Ort und Stelle
wegen Zeitmangels nicht so genau unterrichten und kann daher über die Technik nicht
positiv sprechen. Sie scheint aber die gleiche zu sein als in Port Moresby (II, S. 324),
d. h. die Töpfe werden mit einem hölzernen Klopfer aus einem Klumpen Lehm ge-
trieben (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 82). Ich sah eine Menge unterer, napfartiger
Topfhälften. Es ist daher möglich, dass die Fertigstellung der oberen Hälfte in anderer
Weise geschieht, durch spiralig gewundenen Aufbau von gerollten Thonwülsten
(Ethnol. Atlas, Taf. IV, Fig. 8), eine Technik, die aus den Salomons bekannt ist. Zum
Schluss mag noch erwähnt sein, dass das Töpfereigewerbe lediglich in Händen des
weiblichen Geschlechtes liegt, die sich schon in früher Jugend darin üben.
Feuerreiben. Die Methode dafür habe ich nicht in Erfahrung gebracht; sie wird
aber von v. Maclay genau mitgetheilt und ist ganz so, wie ich sie bei den Koiäri im
Inneren von Port Moresby sah und beschrieb (II, S. 323). Nach Maclay dauert aber
4as Verfahren viel länger, als wie ich dies beobachtete, und es erfordert zuweilen eine
halbe Stunde Arbeit, ehe der Zweck erreicht wird. Bemerkenswerth ist auch die Mit-
theilung von V. Maclay, dass zu seiner Zeit die Küstenbewohner von Constantinhafen
überhaupt kein Feuer zu machen verstanden, sondern es (wohl der Bequemlichkeit
halber) aus den nahegelegenen Bergdörfern holen mussten, wenn es etwa einmal fehlte.
Dies dürfte aber nur höchst selten vorkommen, denn in Papuahütten und -Dörfern
pflegt das Feuer nie auszugehen. Auch im Canu wie auf dem. Marsche nach den Plan-
tagen werden stets glimmende Holzstücke mitgeführt.
6. Kochen, Nahrung und Reiimittei
Die Kochkunst der Eingeborenen dieser Küste eingehender zu behandeln, würde
mich zu weit führen. Ich will nur erwähnen, dass sie in ähnlicher Weise betrieben
[201] Kthnologischc Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 53
wird als an der Südostküste (II, S. 323). Mit Ausnahme weniger wildwachsender
Früchte wird alle Nahrung in gekochtem Zustande genossen. Das Kochen geschieht
vorzugsweise in Töpfen, aber man versteht auch in heisser Asche zu rösten, z. B. Stücke
Fleisch oder Fische, die dazu in ein Stück Bananenblatt sauber eingeschlagen werden.
Der Küchenzettel der Papuas ist keineswegs so einförmig, als man gewöhnlich bei so-
genannten »Wilden» annimmt, und enthält, ganz wie bei uns, besondere Festgerichte.
Die Zubereitung der Nahrungsmittel ist keine unreinliche. Salz ist unbekannt,
Gewürze werden nicht verwendet. Kochen wird von beiden Geschlechtern verstanden
und betrieben und selbst kleine Knaben sind darin bereits geübt. Männer und Frauen
(mit den Kindern) essen gesondert, wie die Männer bei ihren besonderen Festlichkeiten
fdie V. Maclay trefflich beschreibt) für sich kochen.
Nahrungsmittel. Wie alle Papuas sind auch die Bewohner dieser Küste Vegeta-
rianer, die sich vom Ertrage ihrer Plantagen ernähren, deren Erzeugnisse wir im Nach-
folgenden kennen lernen werden. Fleischnahrung kommt kaum in Betracht, und zwar
hauptsächlich das von Schweinen und Hunden. Beide Hausthiere werden aber nur bei
Festen und nur von den Männern gegessen. Auch hohen Gästen zu Ehren wird zuweilen
ein Schwein geschlachtet. Die praktische Manier des Festbindens von Schweinen mit-
telst Lianen behufs lebenden Transportes zeigt die Abbildung in den »Samoafahrten«
(S. 327 ; die auf S. 53 ist aus Versehen des Zeichners nicht ganz richtig). Dabei mag
bemerkt sein, dass die sogenannten zahmen Schweine der Papuas sich meist sehr störrisch
geberden. Crocodile, grosse Eidechsen (Monitor) und Schlangen sind ebenfalls beliebt,
wie Casuare und die verschiedenen Arten Beutelthiere, unter denen namentlich die
fetten Beuteldachse (Perameles) als Leckerbissen gelten. Aber alle derartigen Thiere
kommen nur selten auf den Tisch des Papua, häufiger Fische, die man auch zu räuchern
versteht. Eigenthümlich geräucherte Fische erhielt ich in Dallmannhafen, Massilia und
Angriffshafen. Die von Massilia waren ringförmig gebogen, so dass die Schwanzspitze
den Mund berührte, an zwei Stöcken derart übereinander befestigt, dass die Fische von
Weitem einer Rolle Kautabak ähnelten. Schalthiere und Krebse werden von den
Küstenbewohnern ebenfalls gern gegessen. Von Venushuk an westlich schienen nament-
lich zweischalige Brackwassermuscheln (Batissa violacea Lam., angulata Reinh. und
Finschii Reinh.) beliebt, in Dallmann- und Angriffshafen kleine Neritina (Petitiiy Reclu\
und rhytidophora. Tapp. Canefn)^ die gekocht gegessen werden. Am Caprivifluss
zeigten mir die Eingeborenen grosse, schmutzigbraune Holothurien, die anscheinend
auch zum Essen dienten.
Reizmittel besitzen die Papuas mehrmals wir und ausser Tabak und Betel, die von
beiden Geschlechtern leidenschaftlich begehrt sind, kommt an der Küste von Kaiser
Wilhelms-Land noch Kawa hinzu.
Tabak. Dass die Tabakspflanze Neu-Guinea eigenthümlich ist und war, haben die
Expeditionen auf dem Augustaflusse wiederum auf das Unwiderleglichste nachgewiesen.
Denn hier wurden tief im Inneren überall Tabaksculturen der Eingeborenen gefunden,
so dass sich nicht wohl annehmen lässt, diese Culturpflanze sei durch Einführung hieher
gelangt. Viel wahrscheinlicher dürfte die Annahme sein, dass die Papuas bei ihrer Ein-
wanderung einst, wie Hund und Haushuhn, auch Tabak mitbrachten, vielleicht auch die
Beteipalme.
Tabak (in Constantinhafen und auf Grager *Kas<t genannt) in Blätterform, un-
fermentirt, zuweilen in hübsch aufgemachten Bündeln, habe ich an der ganzen Küste
gesehen und von vielen Localitäten (Huongolf, Finschhafen, Bongu, Long -Insel,
64 r)r. O. Finsch. [202]
Karkar, Dallmanhhafen, Tagai, Massilia und AngrifTshafen) mitgebracht. Die Sammlung
enthält:
Tabakprobe (Nr. 927) von Long-Insel und
Desgleichen (Nr. 928) von Tagai.
Ein besonderes Rauchgeräth wie an der Südostküste (II, S. 327, Nr. gSo, ^Baubau^ )
kennt man in Kaiser Wilhelms-Land nicht, sondern raucht die zusammengerollten oder
etwas zerpflückten Blätter in Form einer Cigarette von der Dicke gewöhnlicher Cigarren
bei uns. Als Decker nimmt man ein grünes
Baumblatt (Nr. 929), von Astrolabe-Bai, in welches der Tabak ziemlich lose ein-
gewickelt wird. Als Decker (in F'inschhafen *Kaupo«^ genannt) werden gewöhnlich die
Blätter von Hibiscus tiliaceus verwendet. Selbstverständlich brennen diese Art Ciga-
retten sehr schlecht. Aber der Papua ist kein anhaltender Raucher, sondern nimmt nur
wenige, aber heftige Züge und die Cigarre wandert wie der * Baubau < von Mund zu
Mund. Frauen und Kinder rauchen mit derselben Leidenschaft als an der Südostküste.
Tabakblätter führen die Männer gewöhnlich in ihren Brustbeuteln immer bei sich,
verwahren dieselben aber auch öfters in besonderen Behältern, wie die folgende Nummer:
Tabakbehälter (Nr. 93 1, i Stück) aus einer Büchse von Bambu vom Sechstroh-
fluss. Derartige Tabakbüchsen aus Bambu (in Friedrich Wilhelms-Hafen >Aduk< ge-
nannt), zuweilen mit hübsch eingravirten oder eingebrannten Mustern verziert, habe
ich allenthalben an der Küste beobachtet (Finschhafen, Festungshuk, Astrolabe-Bai,
Venushuk, Angriffshafen). An letzterem Orte erhielt ich auch eine Cocosnussschale
mit kunstvoll eingravirtem Muster, die als Tabakbehälter diente.
Betel. Das im Vorhergehenden (II, S. 326) Gesagte *) gilt auch für Kaiser Wilhelms-
Land. Auch hier habe ich die Betelpalme nie wildwachsend gesehen und sie scheint,
wie überall in Neu-Guinea, ein Culturgewächs, das die Papuas vermuthlich mitbrachten.
Betelpalmen kommen im Allgemeinen nur spärlich vor und deren Nüsse (»Pinangoi in
Constantinhafen, »7^6« auf Grager, »ßw« in Finschhafen) bilden daher ein beliebtes
Tauschmittel, z. B. aus den Bergdörfern, wo diese Palme häufiger ist, nach den Küsten-
dörfern von Astrolabe-Bai. Die Sammlung enthält Alles, was zum Betelgenuss gehört.
Betelnüsse (Nr. 889, 2 Stück, und Nr. 890, 2 Stück) von Finschhafen.
Kalk (Nr. 888, i Probe) aus gebrannter und pulverisirter Coralle (von Finsch-
hafen) wie derselbe zum Betel gegessen wird, ebenso das zweite Ingredienz:
Betelpfeffer (Nr. 891, i Probe) von Finschhafen (heisst in Constantinhafen
Ferner die zum Betelgenuss nothwendigen Requisiten, die wie überall diesel-
ben sind.
Kalkbehälter (Nr. 899, i Stück — II, S. 352, Taf. XIX [11], Fig. i) aus einem
gestreckten Flaschenkürbis (Calebasse), 3o Cm. lang, mit reicher Verzierung, das Mund-
stück besteht aus einem Conusringe und ist unterhalb (a) mit Nassa verziert, die auf
einem schwarzen Kitt aufgeklebt sind; der untere Theil des Halses ist mit einem fein-
geflochtenen Ringe (b) umgeben, an den sich ein langzipfeliges feines Geflecht (c) aus
feinem Bindfaden anschliesst. Finschhafen, hier *Nob oder Ngob* genannt.
>) Guppy fühlte sich nach dem Genuss einer Betelnuss wie betrunken, sein Puls stieg von 62
auf 92 Schläge in der Minute und seine Augen wurden verschleiert; er schreibt daher dem Genüsse
von Betelnuss eine berauschende Wirkung zu. Ich selbst habe nie eine ganze Betelnuss gekostet, aber
von kleineren Stücken nie die geringste Wirkung verspürt. Vnv die Eingeborenen ist sie keinesfalls
ein Berauschungsmittel, denn Betel wird selbst von Kindern leidenschaftlich verzehrt, ohne dass sich
irgendwelche schädlichen Symptome zeigen. f
[2o3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 65
Flaschenkürbis wird zur Herstellung dieser Kalkbehäller eigens in Neu-Guinea
gezogen, oft in eigenthümlichen Formen, mit ausserordentlich langem dünnen Halse,
wie ich solche beim Festungscap erhielt. Diese Art Kalkbehälter scheint im Osten, von
Huongolf bis Friedrich Wilhelms-Hafen (hier »ATaz/« genannt) die vorherrschende Form,
ebenso wie für dieses Gebiet die Verzierungsweise meist die gleiche und ähnlich wie bei
dem beschriebenen Stücke ist. Dieselbe besteht meist in Na55a-Muscheln, die um die
OefTnung geklebt sind, und in einem Mundstück aus einem Conusring. In Huongolf
waren zuweilen auch Abrus-Bohnen aufgeklebt, in Friedrich Wilhelms-Hafen seltene
Fischgebisse, in Finschhafen und Huongolf sogar schlechte unedle Perlen (vgl. Ethnol.
Atlas, Taf. V, Fig. i). Kalkkalebassen mit eingravirter oder eingebrannter Zeichnung
habe ich nur einige Male (so bei Festungshuk) gesehen, sowie in Massilia. Hier wie im
ganzen Westen, von Venushuk an, beobachtete ich keine mit Nassa verzierten Kalk-
kalebassen. Dieselben waren meist glatt und auch in der Form etwas abweichend, von
Venushuk bisTagai mehr birnförmig, von Massilia bis Humboldt-Bai mehr langgestreckt,
cylindrisch. Hier auch solche mit schönen eingebrannten Mustern. Als Besonderheit
mag noch erwähnt sein, dass ich bei Venushuk Kalkkalebassen mit angeflochtenen Hand-
haben und Oesen erhielt, die, an einem Stricke befestigt, umgehangen getragen wurden.
Die westliche Form zeigen die folgenden Nummern:
Kalkbehälter (Nr. 900 — 902, 3 Stück) aus Kalebasse von Angriffshafen.
In Kalkspateln, sogenannten Kalklöffeln, d. h. Instrumenten, die dazu dienen, den
Kalk aus dem Behälter zu stippen, wird in diesem Gebiete wenig Luxus getrieben. Ge-
wöhnlich genügen mehr oder minder langgestreckte, dünne Stückchen Holz oder
Knochen (meist von Casuar), wie ich solche an der ganzen Küste beobachtete, ähnlich
den folgenden Stücken:
Kalkspatel (Nr. 919, i Stück), aus einem 3i Cm. langen Knochen (Casuar).
Sechstrohfluss.
Kalkspatel (Nr. 9i3| i Stück), aus Holz, 32 Cm. lang, rund, bearbeitet (mit Ril-
len, wie gedrechselt), mit rothgefärbtem Stroh umwunden. Huongolf.
Wenige Male erhielt ich reich verzierte Kalkspatel; in Bogadschi aus Holz mit
kunstvoller Schnitzarbeit in geometrischen Figuren, in Huongolf aus Casuarknochen
mit eingraviriem Muster und gelber Schnur (Ssemu) Umflochten, in Guap aus Casuar-
knochen mit reicher Verzierung aus Flechtwerk und Nassa^ am Caprivi aus Schweine-
knochen mit Schweinezähnen und von Holz mit Schnitzerei und reicher Verzierung
von Nassa, feingeflochtenem Kettchen und einer Klingel aus Oliva-MuscheL
Eine besondere Art spateiförmiges Instrument, über dessen Benutzung ich nicht
ganz klar wurde, repräsentiren die folgenden Nummern:
Spatel (Nr. 914, i Stück), aus Bambu, 3o Cm. lang, 3 Cm. breit, flach, an beiden
Seiten zugespitzt, mit eingravirtem Muster. Insel Grager.
Desgleichen (Nr. 915, Stück), wie vorher, aber nur 18 Cm. lang, 17 Mm. breit.
Daher.
Desgleichen (Nr. 916, i Stück), wie vorher, 35 Cm. lang, ohne Gravirung. Daher.
Ich erhielt diese eigenthümlichen Instrumente (abgebildet Ethnol. Atlas, Taf. V,
^*ß- 5> 6) nur in Friedrich Wilhelms- Hafen, wo sie ^Tonde< genannt wurden, und
glaubte sie als Brecher für Betelnüsse ansprechen zu müssen. Es scheint mir aber rich-
tiger, sie unter die Kalkspatel zu stellen, wenn ich darüber auch keine positive Gewiss-
heil erhielt. Auf Bilia waren diese Spatel, sorglich in Tapa gehüllt, im Versammlungs-
haus verwahrt; die Eingeborenen schienen sie mit einer tabu-anigtn Scheu zu betrachten
und erlaubten kaum das Anfassen. Vermuthlich dienen diese Spatel bei den Festen
Annalen des k. k. natorhistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft 1, 1891. 5
66 I^r. O. Finsch. [204]
der Männer, die zum Theil im Versammlungshaus stattfinden, zum Bemalen und sind
deshalb tabu.
Kawa, ein Pfefferstrauch (Piper methysticum), aus dessen Wurzeln (auch Blättern
und Zweigen) in verschiedenen Inseln Polynesiens und Micronesiens eine Art be-
rauschendes Getränk bereitet wird, das aber nur die Beine wackelig macht und den
Kopf frei lässt, wächst auch in Kaiser Wilhelms- Land und dient als Genussmittel.
V. Miclucho-Maclay berichtet über das »AT^w-Trinken« in Constantinhafen und über
die dabei herrschenden Gebräuche ausführlich. Die Wurzel wird, wie in Polynesien,
(aber von Knaben) gekaut und in ähnlicher Weise wie dort bereitet. Keu kommt nur
bei grossen Festlichkeiten als besonderer Hochgenuss des Nachtisches zur Geltung und
darf nur von älteren Männern getrunken werden. Ich selbst konnte über Kawatrinken
keine Beobachtungen machen, dazu gehört eben ein längeres Zusammenleben mit den
Eingeborenen, wie es eben Maclay möglich war. Da die Kawapflanze überall in Kaiser
Wilhelms-Land wild wächst, so lässt sich annehmen, dass Kawatrinken auch weiter
verbreitet und nicht blos auf die Umgebung von Port Constantin beschränkt sein wird.
Wie mir ein Missionslehrer (teacher) versicherte, wird Kawa auch von den Eingebore-
nen an der Südküste am Maikassarflusse getrunken. Eine Probe der echten Kawawurzel
enthält die Sammlung (Nr. 932) von der Insel Niuafu.
7. Körbe und Beutel.
Wie nirgends in Neu-Guinea steht Mattenflechten auch hier auf keiner hohen
Stufe und derartige Arbeiten finden, ausser zu Segeln, kaum Verwendung. Mehr Ge-
schick und Fertigkeit zeigen die Flechtarbeiten in Körben und Mattenbeuteln. Gewöhn-
liche, rasch aus dem grünen Blatt der Cocospalme geflochtene Körbe dienen auch hier,
wie überall, zu mancherlei Haushaltszwecken, zum Aufbewahren von Lebensmitteln
u. dgl. Sie sind in der Regel flach und länglich mit einem Henkel zum Aufhängen oder
Tragen. Zuweilen werden sie auch als Handkörbe benutzt und sind dann nicht selten
hübsch verziert. So sah ich derartige Körbe in Angriffshafen und am Sechstroh, an
denen bemalte Tapastreifen befestigt waren, an einem ein sehr kunstvoller Schmuck mit
i4^rM5-Bohnen beklebt (wie Taf. XVI, Fig. 3). Am Sechstroh erhielt ich sehr zierliche
kleine Körbchen in Hutform, sehr dicht aus dünn gespaltenem Rottang geflochten, die
in Technik und Material ganz mit solchen von Neu-Britannien (vgl. I, S. 102, Nr. 114,
»i4^m«) übereinstimmten. Grosse runde, sehr weitmaschig aus Rottang geflochtene
Körbe sah ich in Humboldt-Bai. Runde Tragkörbe mit Deckel und Einsätzen, wie an
der Ostspitze (S. 27) sind mir nicht vorgekommen. Von Venushuk bis zum Caprivi er-
hielt ich wiederholt sehr eigenthümliche, längliche, flache Tragkörbe. Sie sind aus
einer Art Binsen sehr fein und dicht in bunten Mustern geflochten. Diese Muster stellen
quadratische Felder dar, aus buntgefärbter F'aser der Sagopalme, die gleich eingeflochten
sind und durch Kurzscheeren ein plüschähnliches Aussehen erhalten. Ausserdem haben
manche dieser Körbe Verzierungen in aufgenähten oder aufgeflochtenen Na55a-Muscheln.
Ein solcher Korb ist in »Samoafahrten«, S. 317, dargestellt, aber aus Versehen des
Künstlers einem Manne von Guap in die Hand gegeben. Derartige feine Körbe sind
mir im Osten von Kaiser Wilhclms-Land nicht vorgekommen, hier wohl aber (von
Huongolf bis Astrolabe) länglich-viereckige aus Blattfaser (wohl Cocos, vielleicht auch
Pandanus) geflochtene, flache Beutel, die zuweilen bunt bemalt waren (wie von
Festungshuk). Alle diese feinen Tragkörbe und Beutel sind nur für die Männer; die
Frauen müssen sich auch in dieser Richtung mit Geringerem begnügen. Sie bedienen
[205! Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 57
sich filetgestrickter Säcke — Nangeli-Gun = Frauensäcke in Bongusprache — ganz in
derselben Weise und zu denselben Zwecken, als wie dies an* der Südostküste (vgl. 11,
S. 325) geschieht. Dasselbe gUt auch für die Beutel der Männer, in deren Anfertigung
die letzteren eine geradezu erstaunliche Fertigkeit, fast kann man sagen Kunst, ent-
wickeln und in denen ein förmlicher Luxus getrieben wird.. Ausser Filetstricken, ganz
wie an der Südostküste (II, S. 826), verstehen die Papuas von Kaiser Wilhelms-Land
noch eine andere Strick- oder Knüpfmethode. Die in derselben hergestellten meist
kleineren Beutel sind so dicht als Strümpfe gearbeitet, aber nach dem Urtheile von in
Handarbeiten erfahrenen Damen ist es keine eigentliche Strickarbeit. Ich selbst konnte
betreffs der Technik keinen Aufschluss erlangen.
Bei dem Mangel an Kleidertaschen gehört daher ein Täschchen zum unumgäng-
lich nothwendigen Ausputz fast eines jeden Papuas. Es wird an einem Strickchen um
den Hals getragen und enthält die nothwendigsten Sachen, wie Tabak, Betelnüsse, viel-
leicht etwas Muschelgeld u. dgl.
Brustsäckchen (Nr. 510, i Stück), ein sehr fein in Filet gestricktes Säckchen,
18 Cm. lang, aber sehr schmal, das dicht mit Hundezähnen besetzt ist (längs der Aussen-
kante 35 Stück, im Uebrigen noch 41 Stück). Die Hundezähne sind gleich mit einge-
flochten, daher eine sehr kunstvolle Arbeit. Huongolf, Parsihuk.
Dieses Stück ist sehr werthvoll, da allein die Zähne von 19 Hunden dabei ver-
arbeitet sind, und darf ebensowohl als feiner Brustschmuck gelten. Ein ähnliches Stück
ist in den »Samoafahrtenc (S. 179) von Finschhafen abgebildet. In Astrolabe ist eine
andere Sorte gebräuchlich, wie die folgende Nummer:
Brusttäschchen (Nr. 676, i Stück), klein, 10 Cm. breit, 6 Cm. lang, sehr eng-
geknüpft, auf der Vorderseite mit einem Muster von dicht stehenden, halbdurchschnit-
tenen Coixkernen eingeflochten, Anhängseln von Bindfaden und zwei kleinen Schweine-
zähnen. Von Bogadschi, hier »GumbutU€ genannt, in Constantinhafen >Jambi<iy in
Finschhafen *Abimbi€.
Ausser diesen kleinen Täschchen oder Säckchen, die ich an der ganzen Küste be-
obachtete, bedarf der Papua noch eines grösseren Sackes oder Beutels, der über der
linken Schulter getragen wird. Derselbe enthält gar Vielerlei, was der Eingeborene stets
bei der Hand haben muss, wie der nachfolgende Inhalt solcher Beutel zeigt, wie ich ihn
selbst auskramte. Ein Beutel von Venushuk enthielt: einen sehr feinen Nasenschmuck
(wie Taf. XV, Fig. 2), eine Zierat aus Hundezähnen und Nassa, Geld (grosses: auf-
gereihte Hundezähne, und kleines: aufgereihte Nassa)^ einen Pfriemen aus Knochen
zum Löcherstechen, eine Raspel aus Rochenhaut, einen geflochtenen Ring zu einer
Steinaxt, ein Stück grauer Erde zum Bemalen, Pfefferblüthen zu Betel, Tabak und Deck-
blätter zu Cigaretten, einen kleinen Stein (Talisman), sorgfältig eingewickelt.
Ein anderer Beutel von Dallmannhafen enthielt: einen Löffel aus Cocosnussschale,
einen Schaber aus Perlmuschel, eine Muschelschale (Bivalve) zum Schneiden, einen ge-
flochtenen Ring zu einem Speer, Betelnüsse, Tabak und Deckblätter.
Der benutzte Bindfaden ist übrigens aus sehr haltbarem Material, musterhaft ge-
arbeitet, wie die eigentliche Filetstrickerei selbst. Gewöhnlich sind die Tragbeutel bunt
längs- oder quergestreift, oder in Grecmuster (wie Ethnol. Atlas, Taf. X, Fig. 2 von
Finschhafen), also ganz übereinstimmend mit solchen von der Südostküste, aber die
Muster von Kaiser Wilhelms-Land sind schöner und farbenreicher. Ausser der hellen
Naturfarbe des Garns und den allgemein üblichen Farben, düsteres Blau und Kirsch-
braun, kommen hier noch dunkles Grün, zuweilen fast Schwarzgrün, Braun, Gelb
5*
68 Dr. (). Finsch. [206]
und eine Art Mennige hinzu, manche Beutel sind in vierfarbigem Muster gestrickt. Die
gewöhnliche Sorte, wie die folgenden Nummern, beobachtete ich längs der ganzen Küste.
Tragbeutel (Nr. 186, i StQck), gross, weitmaschig, mit einzelnen düsterblaucn
und kirschbraunen Querstreifen. Finschhafen, hier T^Abelung^ genannt, in Constantin-
hafen -»Gun*.
Desgleichen (Nr. 673, i Stück), gross, 69 Cm. breit, 42 Cm. lang, bunt ge-
mustert in Kirschbraun, Blau und Naturfarben; das breite geflochtene Tragband mit
schlangenförmigem Muster aus zwei Reihen Nassa und Agraffen von Hundezähnen
verziert. Finschhafen.
Desgleichen (Nr. 675, i Stück), 25 Cm. breit, 19 Cm. lang, in abwechselnd natur-
farbenen und kirschbraunen Querstreifen. Huongolf.
Im Osten (von Huongolf bis zum Terrassenland) bilden Hundezähne den werth-
voUsten Ausputz, wie das folgende Stück:
Tragbeutel (Nr. 674, i Stück), reich mit Hundezähnen decorirt, die gleich mit
eingeflochten sind. Finschhafen.
Häufiger werden aber Coixsamen und Nd55^-Muscheln zur Verzierung verwendet
und damit hübsche Muster hergestellt (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. X, Fig. 3, von Huongolf
in Grecmuster, mit Nassa und Hundezähnen). Aehnlich sind die folgenden Nummern,
bei welchen halbdurchschnittene Coixsamen verwendet sind.
Tragbeutel (Nr. 677, i Stück), 20 Cm. breit, 9 Cm. lang, mit halbdurchschnit-
tenen Coixsamen in Schachbrettmuster eingeflochten. Insel Guap.
Desgleichen (Nr. 678, i Stück), gross, 53 Cm. breit, 52 Cm. lang, kirschbraun
und schwarzgrün quergestreift, mit Querstreifen von halbdurchschnittenen Coix und
langen Troddeln aus Bindfaden, die mit eingeflochten sind; als Zierat eine Muschel-
schale (Placuna) angebunden. Guap.
Derartige Beutel (dargestellt Ethnol. Atlas, Taf. X, Fig. 4) beobachtete ich von
Venushuk bis Guap; als besondere Verzierung sind Platten aus Cymbium sehr beliebt.
Eine andere Art Beutel, die nicht auf der Schulter, sondern auf der Brust getragen
werden, zeichnen sich durch verschiedene Technik der Strickarbeit, reichen und eigen-
thümlichen Schmuck und abweichende Form aus, wie die folgenden Nummern:
Brustbeutel (Nr. 679, i Stück), sehr feine Knüpfarbeit aus naturfarbigem Bind-
faden, 34 Cm. breit, 20 Cm. lang, auf der Vorderseite mit dichtstehenden Reihen kleiner
A^fl.?5^-Muscheln, die mit eingeknüpft sind, und geschmackvoller Garnirung aus drei ge-
flochtenen, mit Nassa bordirten Anhängseln, wie Schleifen, die in der Mitte roth oder
schwarz bemalt sind; sehr fein geflochtenes Tragband mit vier Conusringen. Vom
Caprivifluss.
Desgleichen (Nr. 681, i Stück), 34 Cm. breit, i3 Cm. lang, wie vorher, aber die
schleifenartigen Anhängsel einfacher. Potsdamhafen.
Desgleichen (Nr. 680, i Stück), 27 Ctm. breit, i3 Cm. hoch, wie vorher, eben-
falls mit drei schleifenartigen Anhängseln, die mit Nassa bordirt sind, aber quer über
die Mitte des Beutels ein breiter brauner Streif ohne eingeflochtene Nassa. Venushuk.
Desgleichen (Nr. 682, i Stück), 18 Cm. breit, 17 Cm. lang, mit dichten Reihen
von Nassa auf der Vorderseite, ähnlich Nr. 679, aber mit viel reicherem Ausputz; an
den schleifenartigen Anhängseln, von denen drei die Mittellinie zieren, sind längliche
qder rundliche Scheiben von Q^wi^n/m-Muscheln (bis 6 Cm. im Durchmesser), ausser-
dem solche am unteren Rande angebunden, am oberen Rande zwei weisse Cypraeen
und zwei Ovula; eine der Muschelplatten trägt auf der Innenseite eine durchbrochene
[207] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südscc. 6g
Schildpattarbeit aufgelegt; das Tragband ist an der Basis mit aufgeflochtenen Conus-
scheiben und Nassa verziert (wie Taf. XIV, Fig. 15). Von Potsdamhafen.
Diese Art Tragbeutel gehören zu den schönsten und kunstvollsten der ganzen
Küste. Sie sind ausserordentlich dicht gestrickt oder geknüpft, wie die schleifenartigen
oder rundlichen Anhängsel, welche für diese Art Tragbeutel charakteristisch werden.
Diese Anhängsel haben einen Randbesatz von Nassa und die Oberseite des Beutels,
dessen unterer Rand breiter als der obere ist, zeigt zuweilen Na^jfa-Muscheln so dicht
eingeflochten, dass sich dieselben dachziegelartig decken. Mein Ethnol. Atlas, Taf. X,
Fig. I, gibt eine gute Darstellung eines solchen hochfeinen Brustbeutels (von Potsdam-
hafen) mit reicher Verzierung von Hundezähnen, Cymbium-Schcibcn, feingeflochtenen
Graskettchen und schwarzen Fruchtkernen. Ausser derartigem Ausputz fand ich zu-
weilen noch andere, zum Theil Gebrauchsgegenstände an den Tragbeuteln angebunden,
wie: Bambumesser, Kalkkalebasse, Muschelklingel (aus Oliva mit Klöpfel aus einem
Stuckchen Coralle), Nasenschmuck aus Perlmutter (wie Taf. XV, Fig. 2) und Bart-
schmuck aus Eberhauern (Taf. XVII, Fig. 3^). Man ersieht hieraus, dass der »nackte
Wilde« keineswegs der bedürfnisslose Mensch ist, wie man ihn sich gewöhnlich vor-
stellt, sondern allerlei Nützliches und Unnützes mit sich trägt, wie wir dies auch thun.
Derartige in Form und Verzierung charakteristische Brustbeutel (wie die vorher-
gehenden Nummern) habe ich nur von Hatzfeldthafen bis Guap beobachtet, weiter west-
lich die gewöhnlichen, aber in anderer Weise verziert, wie die folgenden Nummern:
Brustbeutel (Nr. 684, i Stück), 3o Cm. breit, 16 Cm. lang, filetgestrickt (wie
Nr. 673 von Finschhafen), in naturfarbenen, blauen und kirschbraunen, schmalen Quer-
streifen, der untere Rand mit zwölf i3 Cm. langen Troddeln aus zerschlissenem Faser-
stüfl*. Von Tagai.
Desgleichen (Nr. 683, i Stück), 23 Cm. breit, 17 Cm. lang, bunt gemustert, in
Naturfarben, Kirschbraun und Schwarzgrün, mit Fadentroddeln und Behang von neun
Cj'mbiuni'Pl'dnen (eine 95 Mm. lang und 60 Mm. breit) und einem schönen aus 7r/-
dacna geschliffenen Ringe (55 Mm. im Durchmesser, 35 Mm. im Lichten). Von Massilia.
Ganz ähnliche Tragbeutel erhielt ich in Angriffshafen und am Sechstroh. F'ür
dieses westliche Gebiet werden die Fadentroddeln charakteristisch. Zuweilen sind am
Ende der Troddeln kleine Rollen eines stark nach Moschus riechenden Blattes ein-
geknüpft; in Angriffshafen auch einzelne Federn aus den Seitenbüscheln des Paradies-
vogels; hier auch Schnüre von Nassa mit Hundezähnen als Bommeln. Auch Conusringe
sind als Anhängsel beliebt.
<?. Werkgeräth.
A6Xt6. Das wichtigste, man kann sagen fast einzige Geräth des Stcinzeitalters war
und ist die Steinaxt,*) jenes unscheinbare Werkzeug, von welchem aus prähistorischer
Zeit uns meist nur die Klingen erhalten blieben. Sic bestehen fast ausnahmslos aus
mehr oder minder bearbeiteten Steinen, die sich in der Form ziemlich ähneln und denen
nicht im Entferntesten anzusehen ist, was damit geleistet werden kann. Einen besseren
Begriff als lose Steinklingen geben fertig geschäftete Aexte. Sie zeigen die staunenswerthe
Erfindungsgabe, mit welcher sich der Naturmensch, von der Civilisation so gern, aber
mit Unrecht, als »Wilder« bezeichnet, überall ein mehr oder minder treffliches, zuweilen
') Dieselbe ist keineswegs eine Waffe, wofür sie häufig gehalten wird. So konnte ich es z. B.
^Ibsi leider nicht mehr verbessern, dass der Künstler dem Hilde von einer meiner Skizzen, einen
*^rieger von Massilia darstellend (»Gartenlaube« Nr. 33 vom 14. August 1887), irrthflmlich eine Steinaxt
■n kampfbereiter Haltung in die Hände gab.
70 Dr. O. Finsch. [208]
in seinerEigenart als vollkommen zu bezeichnendes Werkzeug herzustellen wusste. Zum
volleren Verständniss des Werthes der Steinaxt gelangt man aber erst bei sorgsamer
Vergleichung derjenigen Gegenstände, wrelche allein mittelst Steinäxten verfertigt wurden.
Die Sammlung enthält deren ein reiches Material der verschiedenartigsten Gegenstände,
zum Theil wrahrer Kunstleistungen, aber es sind doch Alles nur kleinere Sachen, da
sich die grossen eben nicht anders als bildlich mitbringen lassen. Ich meine damit jene
zum Theil oft kolossalen Schnitzereien, wie sie noch besprochen werden sollen, und
die oft gewaltigen Bauwerke in Form von Häusern und Fahrzeugen. Sie alle, alle ent-
standen nur mit Hilfe von Steinäxten, deren Bedeutung als Werkgeräth man erst an
Ort und Stelle, bei den »Wilden« selbst, in ihrem vollen Umfange würdigen und be-
wundern lernt. Welch eine Arbeit ist es nicht allein schon mit der Steinaxt einen Baum
von 65 Cm. Stammstärke im Durchmesser zu fällen und zu behauen! Aber freilich
wird die Steinaxt nur in der Hand des Eingeborenen zu dem, was sie sein soll, denn der
Mann der Civilisation würde mit einer solchen wohl kaum Etwas zu schaffen vermögen.
Der Papua dagegen versteht mit der kaum 5 Cm. breiten Schärfe seiner Steinaxt sowohl
Bäume von fast einem halben Meter Durchmesser zu fällen, wie mit demselben Instru-
ment selbst feinere Holzbildnereien zu verfertigen.
Schon die Steinaxtklinge an und für sich ist in ihrer Herstellung eine bewunderns-
werthe Leistung. Nicht allein dass das passende Gesteinsmaterial') nicht überall zu
finden und daher meist selten ist, so muss durch Schlagen doch erst die Form hergestellt
und dann die Schärfe, zuweilen die ganze Klinge noch geschliffen werden, die oft in
einer politurartigen Glätte erscheint. Jedenfalls eine sehr mühsame und langwierige
Arbeit. Muschelstücke von Tridacna gigas, seltener Hippopus werden ebenfalls mit
Vorliebe zu Axtklingen verarbeitet und steinernen vorgezogen, da sie weniger spröde
sind und nicht so leicht abspringen; sie kommen aber im Ganzen nur sehr selten vor.
Halbrunde Axtklingen aus Mitra oder Terebra habe ich in Kaiser Wilhelms-Land nicht
gesehen, doch mag es solche geben. Steinbeilklingen von besonderer Grösse, wie
z. B. die 28 Cm. langen von Teste-Insel (S. 28), sind mir nicht vorgekommen; die
grössten dürften g Cm. Breite der Schärfe nicht überschreiten.
Axtklinge (Nr. 5, i Stück), aus Muschel (Hippopus), 7-8 Cm. lang, 3*2 Cm. breit.
Von Hatzfeldthafen.
Desgleichen (Nr. 16, i Stück), aus Stein, grössere Sorte, 19-5 Cm. lang, 8 Cm.
breit. Finschhafen.
Desgleichen (Nr. 18, i Stück), aus einem nephritähnlichen Steine, 6 Cm. lang,
4 Cm. breit. Massilia.
Desgleichen (Nr. 17, i Stück), aus einem nephritähnlichen Steine, ziemlich gross,
12 Cm. lang, 6 Cm. breit, und eine kleinere (Nr. 17^, i Stück). Vom Sechstrohfluss.
Axtklinge (Nr. 19, i Stück), aus nephritähnlichem Steine, in dem 25 Cm. langen
runden Einsatzstück aus Holz befestigt. Sechstrohfluss.
Wie sich die Steinaxtklingen mehr oder weniger alle gleichen, so auch die fer-
tigen Aexte selbst, namentlich im Hinblick auf den Stiel, der fast allemal aus einem
«) Dasselbe ist stets ein sehr feinkörniges, hartes Gestein, ähnlich Diorit (kein Basalt oder Kiesel),
das zuweilen an Nephrit erinnert. Eine unzweifelhafte Nephritklinge erhielt ich in Massilia, aber auch
alle anderen Steinklingen von hier bis zum Sechstroh schienen Nephrit zu sein. Leider scheint Prof.
Arzruni, der von diesen wie anderen Localitäten Proben zur mikroskopischen Untersuchung erhielt,
mit den Bestimmungen noch nicht fertig geworden zu sein. Die Steinklingen von Bongu erklärte Prof.
Roth für Dioritporphyr; ich erhielt hier aber auch noch solche aus einem anderen hellen Gestein,
ähnlich Jadeit.
[209] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. yi
knieförmigen Holzstück verfertigt ist, und auf die Stellung der Klingenschärfe zum Stiel,
die in den meisten Fällen wie bei dem Texel der Schiffszimmerleute, d. h. quer zum
Stiele stehty nicht in gleicher Flucht wie bei den meisten Beilen.
Steinaxt (Nr. 122, i23, 2 Stück — II, S. 354, Taf. XX [12], Fig. 2) mit dem knie-
förmig aus dem Abschnitt eines Astes und Stammstückes gefertigten, circa 3o Cm.
langen Holzstiele (a)y an dessen abgeflachter Vorderseite (dem kürzeren circa 18 Cm.
langen Schenkel aus dem Stammstücke) in einem Futter (b) aus zwei circa 22 Cm.
langen Stücken Holz (oder Bambu) die Steinklinge (a) festgeklemmt und mittelst
zweier Ringe aus gespaltenem Rottang befestigt und mit gleichem Material (d) fest um-
wickelt ist. Die Steinklinge selbst besteht aus einem grünlichschwarzen Dioritporphyr,
ist 95 Mm. lang, 60 Mm. breit und 22 Mm. dick. Von Constantinhafen, Dorf Bongu;
hier wie ich glaube >Angam* genannt.
Die Befestigung der Steinklinge mit dem Holzstiele ist im Ethnol. Atlas, Taf. I,
Fig. 3, sehr deutlich dargestellt, hier auch eine Steinklinge der gewöhnlichen Grösse
(Fig. I von oben, 2 von der Seite). Diese Form repräsentirt die gewöhnliche, wie sie
am häufigsten vorkommt und die z. B. fast ganz mit der Steinaxt von Cap Raoul (Taf. IV,
Hg. 4)') übereinstimmt. Ganz ähnlich, vielleicht in etwas anderer Weise mit Rottang
befestigt, waren die Steinäxte welche ich in Friedrich Wilhelms- Hafen (hier »/Ar« ge-
nannt), Finschhafen und Huongolf (hier »AT/« genannt) erhielt. Die Steinklingen von
letzterer Localität waren geschlagen (chipped).
In Finschhafen erhielt ich noch eine andere Art
Steinaxt (Nr. 124, i Stück), mit 62*5 Cm. langem Holzstiel; die Steinklinge
steckt in einem besonderen rundlichen, 24*5 Cm. langen Holzfutter und ist mittelst
eines breiten Bandes aus Flechtwerk von fein gespaltenem Rottang mit dem rechtwinke-
ligen Ende des Holzstieles befestigt, also drehbar und stimmt diese Art Axt daher ganz
mit der »Lachela^ (II, S. 328, Fig. 36) von der Südostküste überein. Finschhafen, hier
»Ki oder KJs< genannt.
Eine derartige Steinaxt ist im Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 4, abgebildet. Verschie-
den in der Art der Befestigung ist die folgende Nummer:
Axt (Nr. 121, I Stück) mit Muschelklinge (von einem Schalenstücke von Hippo-
pus)y die in sehr einfacher Weise mittelst gespaltenem Rottang am Ende des recht-
winkeligen Abschnittes des Holzstieles befestigt ist. Hatzfeldthafen.
Die Form und Befestigung dieser Aexte, von denen ich auch welche mit hübscher
Schnitzarbeit des Stieles erhielt (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. 1, Fig. 6), stimmt ganz mit
solchen von Neu-Hannover (I, S. io3, Taf. IV, Fig. 3) überein, nur dass letztere roher
gearbeitet sind.
Eine abweichende Form Steinäxte erhielt ich am Caprivifluss und später auf Guap,
wie die folgende Nummer :
Steinaxt (Nr. 125, i Stück), der 65 Cm. lange, dicke Holzstiel ist an seiner vor-
deren, rechtwinkelig abgesetzten Fläche mit dem seitlich abgeflachten, 28 Cm. langen,
unten verbreiterten Holzfutter mittelst fein gespaltenem Rottang dicht umflochten; in
dem Futter steckt die 1 1 Cm. vorragende und 8 Cm. breite Steinklinge, die durch drei
aus gespaltenem Rottang geflochtene Bänder befestigt ist. Insel Guap.
Ein klares Bild dieser Art Steinäxte gibt der Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 7. Die
Stellung der Klinge weicht von der sonst üblichen dadurch erheblich ab, dass dieselbe
mit ihrer Schneide in gleicher Flucht mit dem Stiele steht, also ganz wie bei unseren
«) I, S. 121 aus Versehen mit der Axt von Hatzfeldthafen verglichen: es sollte »Astrolabc-Bai«
Geissen.
7 2 Dr. O. Finsch. [210]
Beilen und der Steinaxt von Normanby (Taf. XX, Flg. i). Indess ist diese Eigenart
nicht constant für Guap, denn ich erhielt auch Steinäxte in der üblichen Querstellung
der Klinge, wie bei unseren SchifTszimmeraxten. Manche Holzstiele von Guap zeigten
schönes Schnitzwerk (unter Anderem ein Papuagesicht darstellend). Ich erhielt hier
auch Aexte mit Tridacna'KlingQn. Obwohl die Einstrick- oder Flechtarbeit aus Rot-
tang zuweilen sehr geschickt gemacht ist, so habe ich doch in dieser Richtung nie so
kunstvolle Arbeit als an der Südostküste gesehen (vgl. II, S. 3o8, Fig. 35).
Sehr abweichend sind die Steinäxte vom Angriffshafen bis Humboldt-Bai, indem
hier das sonst übliche knieförmige Holzstück als Stiel fehlt.
Steinaxt (Nr. 126, i Stück), mit Holzstiel vom Sechstrohfluss. Der hölzerne Stiel
und das durch ein Bohrloch desselben rechtwinkelig eingesetzte Futter stimmen ganz
mit dem (S. 61, T. XX, Fig. 4) beschriebenen Sagoklopfer überein, nur dass statt des
runden Steines eine richtige Steinklinge (aus nephritähnlichem Gestein) befestigt ist.
Genau abgebildet Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 5.
Sonstige Werkzeuge kommen eigentlich kaum in Betracht. Sägen kennt das Stein-
zeitalter Neu-Guineas nicht. Als Hammer braucht man passende Steine. Bohrer wie
die von der Südostküste (II, S. 328, Nr. 35 ^Ibudu€) sind mir in Kaiser Wilhelms-Land
nicht vorgekommen, wohl aber Raspeln aus Rochenhaut (ganz wie II, S. 329, Nr. 38)
und Feilen aus einem rundlichen Stück fein granulirter Coralle, sowie Pfriemen und
Nadeln aus Knochen. Filetnadeln dürften keinesfalls fehlen. Wie Maclay berichtet,
werden all die feineren Schnitzereien und Gravirungen nur mit Hilfe von scharfkantigen
Stein- oder Muschelstücken verfertigt, die nicht eigentlich bearbeitet sind, keine be-
stimmte Form haben und deshalb nicht im Sinne unserer Werkzeuge gelten. In Hum-
boldt-Bai wurde die feinere Ausarbeitung von Holzfiguren mit -ßa/zwa- Schalen ge-
macht. Wie wenig wird von derartigen interessanten Werkzeugen der Steinzeit noch
übrig sein, wenn diese verschwunden ist. So konnte ich 1880 in Blanche-Bai keine voll-
ständige Steinaxt mehr erhalten und in Finschhafen und anderen Niederlassungen
Weisser in Kaiser Wilhelms-Land wird es bald ebenso sein. Obsidian habe ich in
Kaiser Wilhelms-Land niemals gesehen. Ich bemerke dies deshalb, weil Powell den
mannigfachen Gebrauch dieser Lava bei den Eingeborenen des Terrassenlandes aus-
drücklich hervorhebt.') Soweit ich das letztere kennen lernte, besteht es aus gehobenen
Corallenformationen. Auch würde sich die glasartige Lava wegen zu grosser Sprödig-
keit wenig zu Holzschnitzereien eignen.
9. Waffen und Wehr.
Wenn meine Beobachtungen insofern unvollständig bleiben mussten, als ich nicht
an allen Orten Waffen zu sehen bekam, so bestätigen sie doch die früher gemachten
Erfahrungen, dass der Wurfspeer überall die Hauptwaffe und entschieden die gefähr-
lichste des Papua bildet. Interessant für Kaiser Wilhelms-Land ist der Nachweis einer
Art Wurfstock, ein Geräth, wie es bisher nicht bekannt war, und einer eigenthümlichen
Form von Kürassen.
a, Geschosse.
Schleudern habe ich nirgends beobachtet. Auch v. Maclay erwähnt sie nicht,
wohl aber »Wurfsteine«, die im Kriege gebraucht werden. In der Regel besitzen alle
Papuas eine grosse Geschicklichkeit im Steinwerfen.
>) »The Nativcs use obsidian for a grcat numbcr of purposcs, such as for shaving thcir heads
and faccs, carving wood etc.«
[211] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. 7 3
Speere, die mit der Hand geworfen werden^ sind gewöhnlich aus Holz, meist von
Palmen, am liebsten von der Betelpalme, rund, 2 — 3 M. lang, an beiden Enden zu-
gespitzt, glatt, ohne Widerhaken und Verzierungen, wie die folgende Nummer:
Wurfspeer (Nr. 708, i Stück) aus Astrolabe-Bai.
Derartige gewöhnliche Speere (in Constantinhafen ^Schatka€y in Bogadschi
^Gdlguhy auf Grager ^Embeb^ genannt), finden sich an der ganzen Küste. Ziemlich
roh waren die circa 3 M. langen Speere Von Long-Insel gearbeitet, die in Finschhafen
und Bongu kaum besser, aber in Bogadschi und dem Archipel der zufriedenen Men-
schen erhielt ich schon sehr fein verzierte Speere. Sie sind hier gewöhnlich über 3 M.
lang, an beiden Enden zugespitzt und am Fussende mit eingeschnittenen Rillen, wie
gedrechselt. Aehnliche glatte Speere aus Palmholz, 2*60 —3 M. lang, zum Theil mit
eingravirten Mustern und vor der Spitze mit einem Büschel Casuarfedern verziert, be-
obachtete ich von Potsdamhafen bis Guap. Auf letzterer Insel schienen derartig deco-
rirte Speere Auszeichnung für Häuptlinge zu sein.
Zuweilen sind die Speere sehr lang und reich verziert wie das folgende Stück:
Speer (Nr. 711, i Stück), über 3 M. lang, aus hartem Holz, die 60 Cm. lange,
etwas abgeplattete Spitze an beiden Kanten mit rückwärts gestellten Sägezähnen, an der
ßasis der letzteren eine Schnitzerei (ein Papuagesicht darstellend) und mit Ringen aus
Menschenhaar und aufgeflochtenen Nassa verziert. Vom Hammacherfluss (abgebildet
Ethnol. Atlas, Taf. XI, Fig. i).
Derartige Speere erhielt ich auch in Hatzfeldthafen, hier auch noch eine andere
Sorte:
Speer (Nr. 710, i Stück), 3-40 M. lang, aus Bambu, die circa i M. lange, etwas
breite Spitze aus hartem Holz (wohl Palme), glatt, ohne Kerbzähne. Hatzfeldthafen.
Ausser dem gewölinlichen Haupttypus glatter Wurfspeere aus Holz ist noch ein
zweiter zu unterscheiden, nämlich Speere aus Holz mit einer breiten lanzettförmigen
Spitze aus Bambu, wie die folgende Nummer:
Speer (Nr. 70g, i Stück), aus Palmholz, vor der breiten lanzettförmigen Bambu-
spitze mit feinem, rothgefärbten gespaltenen Rottang umflochten und mit eingravirtem
Muster. Friedrich Wilhelms-Hafen.
Diese Art Speere, in Constantinhafen T>Serwaru* genannt, sind aus hartem, meist
Palmholz, gefertigt, von a'/o bis über 3 M. lang, wovon 3o — 65 Cm. auf die circa
6 Cm. breite Bambuspitze kommen. Die letztere ist häufig roth, zuweilen roth und
grün bemalt, vor derselben mit roth und gelb gefärbtem gespaltenen Rottang umflochten
und nicht selten mit Federn (von Hahn, Cacadu und Casuar) verziert. Derartige Speere
erhielt ich in Astrolabe-Bai und Friedrich Wilhelms-Hafen; auf Grager auch solche, die
circa 25 Cm. unterhalb der Spitzenbasis zierliches Flechtwerk zeigten, mit Schnüren
aufgereihter Coixsamen, an denen Cacadufedern befestigt waren. In Hatzfeldthafen
dienten Streifen von Cuscusfcll und Federn als Verzierung; im Uebrigen stimmten die
Speere mit denen von Friedrich Wilhelmshafen (Nr. 709) überein, die Bambuspitze
zeigte aber zuweilen eingravirtes Muster. Die Verzierung der Speere von Venushuk be-
stand in Schnitzerei (Papuagesicht) und Schnüren aus Menschenhaaren und Nassa,
ganz in der Weise wie an dem Speere Nr. 711 vom Hammacherfluss. Zuweilen ist die
Bambuspitze durchbrochen gearbeitet.
Ich beobachtete diesen Typus Wurfspeere mit Bambuspitze westlich bis Guap;
sie mögen aber auch noch weiter verbreitet sein. An der Südostküste scheinen sie zu
fehlen. Im Gebrauch ist diese Art Speere weit gefährlicher, da die Bambuspitze sehr
scharf ist und häufig in der Wunde abbricht.
»JA Dr. O. Finsch. [212]
Speer- und Pfeilspitzen aus Obsidian habe ich in Kaiser Wilhelms-Land nie be-
obachtet, aber Powell glaubt solche in Broken- Water-Bai gesehen zu haben, allerdings
in 200 — 3oo Schritt Entfernung, wo sich selbstredend nichts mehr mit Sicherheit fest-
stellen lässt. Die Eingeborenen zeigten sich nämlich hier ganz ausserordentlich scheu;
wir beobachteten gerade das Gegentheil.
Wurfstock (Nr. 753, i Stück — II, S. 344, Taf. XV [7], Fig. 5), besteht aus einem
84 Cm. langen Stück Bambu, das an der Basishälfte längsgespalten ist, um bei a den
Speer einsetzen zu können; b durchbrochen geschnitzter hölzerner Handgriff, durch
feines Flechtwerk (c) mit dem Stock verbunden; d geflochtener Ring, um das leichte
Spalten des Bambu zu verhindern. Von Venushuk.
Ich erhielt diese eigenartige Hilfswaffe nur hier und am Hammacherfluss; sie mag
aber auch weiter verbreitet sein.
Als Speere, die mit dem Wurfstock geschleudert werden, betrachte ich die fol-
genden, obwohl ich mir darüber nicht volle Gewissheit verschaffen konnte. Sie sind
von Rohr, i '60— 2*40 M. lang, wovon auf die Spitze 40 — 80 Cm. kommen. Sie ist aus
hartem oder in Feuer gehärtetem Holz, seitlich etwas abgeflacht, zum Theil glatt oder
mit Kerbzähnen an einer oder beiden Kanten, wie die folgenden Nummern:
Wurfspeer (Nr. 749, i Stück), glatt, aus Rohr mit Holzspitze. Venushuk.
Desgleichen (Nr. 751, i Stück), wie vorher. Hammacherfluss.
Desgleichen (Nr. 752, i Stück), wie vorher, die Basis der abgeflachten Holzspitze
knaufartig erweitert. Hammacherfluss.
Desgleichen (Nr. 750, i Stück), wie vorher, aber die nach der Basis zu verbrei-
terte Holzspitze mittelst gespaltenem Rottang befestigt und am Spitzendrittel an beiden
Seiten mit Kerbsägezähnen. Venushuk.
Ein solcher Wurfspeer ist im Ethnol. Atlas, Taf. XI, Fig. 2, abgebildet. Am
Hammacherfluss erhielt ich auch derartige Wurfspeere (270 M. lang, davon die Holz-
spitze 80 Cm.), die sich dadurch auszeichnen, dass in der Mitte der Spitze ein Wirbel-
knochen vom Casuar') festgesteckt ist, vielleicht als Erinnerungszeichen an glückliche
Jagden. Auf Guap erlangte ich Speere von Rohr mit feingeschnitzten Widerhaken und
Kerbzähnen an den Seiten der Holzspitze, die ebenfalls für den Wurfstock dienen
mögen. Eine andere Art Wurfspeere von Guap sind (2-80 M. lang) aus hartem Holz
mit glatter Spitze und zeichnen sich durch einen fest angeflochtenen Dornfortsatz in
der Mitte des Speeres aus, der vielleicht zum Einsetzen in den Wurfstock dienen mag.
Den letzteren selbst bekam ich hier nicht zu Gesicht, wohl aber Bogen. Indess ist die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass vielleicht beide Arten Geschosse hier vorkommen.
Mit Ausnahme des Gebietes von Venushuk bis zum Caprivifluss habe ich fast an
allen Küstenplätzen Bogen und Pfeile beobachtet, am zahlreichsten und schönsten im
Westen von Tagai bis Humboldt- Bai.
Die Bogen sind ausnahmslos aus hartem Holz (wohl aus ßetelpalme), 170 bis
i'8o M. lang, mit Sehne aus einem Streif gespaltenen Rottang und stimmen ganz mit
denen der Südostküste (II, S. 33o, Nr. 789, T>Päipa<t) überein, wie das folgende Stück:
Bogen (Nr. 809, i Stück) von Astrolabe-Bai.
Diese Art einfacher Bogen ohne alle Verzierung beobachtete ich von Finschhafen
bis Dampier-Insel (Karkar). Sie heissen in Constantinhafen ^AraUj in Bogadschi ^Ma-
nembu<^f in Friedrich Wilhelms-Hafen >F/«, in Finschhafen »7'a/am«. Die Bogen von
Guap zeichnen sich durch kunstvolle Knotung der Sehnenenden aus und werden weiter
J) Die in den »Nachrichten aus Kaiser Wilhelms-Land« erwähnten Speere vom Augustaflusse
vmit menschlichen Wirbclknochcn« sind wohl nur diese.
[21 3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. yc
westlich noch schöner und reicher verziert, ganz besonders in Tagai. Die Bogenfläche
zeigt hier Felder mit hübschem eingravirten Muster, sowie breite, zierlich aus gespalte-
nem Bambu aufgeflochtene Ringe, die dem Bogen zugleich mehr Festigkeit verleihen,
ausserdem eine besondere Verzierung. Sie besteht aus einem feingeflochtenen Bind-
faden, halb so lang als der Bogen, an welchen einzelne schön rothe Federn eines
Papagei (Dasyptilus Pesqueti) befestigt sind. Auf der Mitte des Bogens ist zuweilen
ein Papageienkopf (von Eclectus oder Lori) befestigt; die Verpackung besteht in sorg-
fältigen Blatthüllen. Die folgenden Nummern zeigen solche Bogen:
Bogen (Nr. 804, i Stück) von Tagai, und
Desgleichen (Nr. 8o3, i Stück) von Massilia. Hier wie in Angriffshafen sind die
Bogen kaum verschieden. Auch die am Sechstroh und in Humboldt-Bai sind ganz ähn-
lich, nur fehlt ihnen Schnitzerei und statt Federn sind Schnüre aufgereihter Coixsamen
als Ausputz befestigt.
Bogen (Nr. 798, i Stück) vom Sechstrohfluss.
Pfeile. Dieselben sind ausnahmlos aus dünnem Rohr, 1*25 — 150 M. lang, wo-
von auf den Spitzentheil 25 — 60 Cm. kommen, und zerfallen in Bezug auf den letzteren,
wie die Wurfspeere, in zwei Hauptformen: i. Pfeile mit Spitze aus hartem oder im
Feuer gehärtetem Holz, und 2. solche mit breiter lanzettförmiger Spitze aus Bambu.
Hiezu kommt noch eine dritte Sorte:
Fischpfeil (Nr. 8i3, i Stück) von Astrolabe-Bai. Sie sind ebenfalls von Rohr^
haben aber wie die Fischspeere (I, S. 108) eine mehrzinkige Spitze aus dünnen, scharf
zugespitzten Holzstäbchen. Sie heisscn in Constantinhafen >Saran<i,
Die gewöhnliche Sorte Pfeile mit glatter runder Holzspitze zeigen die folgenden
Nummern:
Pfeile (Nr. 811 und 812, 2 Stück) von Astrolabe-Bai.
Sie sind 1*25 — 1-55 M. lang, wovon auf die Holzspitze 40 — 55 Mm. kommen,
und heissen in Finschhafen ^Subürre< oder »5o6«, in Constantinhafen y^Aral-ge*, in
Friedrich Wilhelms-Hafen t^Tikc, Zuweilen, aber nur sehr selten, ist die Spitze aus
Knochen (wohl von einem Vogel) gefertigt. Am Sechstroh sah ich auch Pfeile, in deren
Holzende als eigentliche Spitze ein Knochen eingesetzt war, und solche mit Knochen-
spitze und hölzernem Widerhaken in derselben. Pfeile mit den gefährlichen rückwärts
gerichteten Widerhaken aus Knochen, wie in den Salomons (I, S. 149), sind mir in
Neu-Guinea nicht vorgekommen.
Von der gewöhnlichen Sorte Pfeile erhielt ich in Astrolabe auch solche, deren
Spitze aus einer besonderen, an der Basis knaufartig verdickten Art Holz bestand. Im
Westen zeichnen sich die Pfeile durch eigenthümliche Bemalung aus, wie die folgende
Nummer:
Pfeil (Nr. 805, i Stück), von Tagai.
Ganz ähnliche Pfeile beobachtete ich in Massilia, die vom Sechstroh zeichneten
sich durch die schwarz bemalte Spitze aus.
Die zweite Hauptform Pfeile zeigen die folgenden Nummern:
Pfeil (Nr. 810, i Stück), von Rohr, mit lanzettförmiger scharfkantiger Spitze aus
Bambu. Astrolabe-Bai.
Diese Art Pfeile (in Constantinhafen »Palom<i, in Bogadschi i>Kolle^ genannt),
welche ganz mit denen an der Südostküste (II, S. 33o, Nr. 796) übereinstimmen, sind
weit gefährlicher als die mit einfacher Holzspitze. Ich fand diese Art Pfeile an der
ganzen Küste. Eigenthümlich ist die folgende Nummer:
yß Dr. O. Finsch. [214]
Pfeil (Nr. 808, i Stück), aus Rohr mit ßambuspitze, auf dem Blatt der letzteren
erhabene Muster aus einer Art Wachs oder Kitt aufgeklebt. Tagai.
Diese Wachsmuster dienen wohl mehr zur Verzierung, denn am Sechstrohfluss
erhielt ich Pfeile mit Bambuspitze, die auf der Innenseite des Blattes erhaben eingravirte
hübsche Muster zeigten.
Wie die Pfeile aus Kaiser Wilhelms-Land im Allgemeinen die von der Südost-
küste an sauberer Arbeit und Ausführung überragen, so auch in Betreff der Schnitze-
reien der Spitze in Kerbzähnen und Widerhaken. Wenn die letzteren auch zweifellos
den Zweck haben, eine gefährlichere Wunde beizubringen, so sind derartige Schnitze-
reien doch auch zum guten Theile im Sinne von Verzierungen aufzufassen. Dabei
kommt es, wie bei allen Arbeiten, hauptsächlich auf die Geschicklichkeit und den Ge-
schmack des Individuums an, und daraus resultiren die verschiedenartigsten Formen,
welche nicht durch Beschreibung, sondern nur durch Abbildungen zu veranschaulichen
sind. So erhielt ich am Sechstrohfluss allein 16 in Ausschmückung und Form des
Spitzentheiles verschiedene Pfeile. Wenn sich daher die Pfeile des einen oder anderen
Gebietes durch gewisse, oft unbedeutende Eigenthümlichkeiten auszeichnen, so lassen
sich für die letzteren doch schwer sichere Charaktere aufstellen, und ohne die genaue
Localitätsangabe bleibt die Bestimmung doch in den meisten F'ällen durchaus zweifel-
haft. Im Allgemeinen machte ich die Wahrnehmung, dass im Osten von Kaiser
Wilhelms-Land die Pfeile minder kunstvoll mit Schnitzereien der Spitze verziert werden
als im Westen. In Finschhafen und Astrolabe-Bai sind Pfeile mit Kerbzähnen und
Widerhaken im Ganzen selten, aber von Guap an westlich derartige sehr häufig. Sehr
kunstvoll sind die folgenden Nummern:
Pfeil (Nr. 806, i Stück), aus Rohr, mit fein geschnitzter Holzspitze, die an der
Verbindung mit dem Schaft knaufartig umwickelt und hier elegant mit Coixsamen und
bunten Federn beklebt ist. Von Tagai.
Desgleichen (Nr. 807, i Stück), wie vorher, aber die Spitze besteht nicht aus
Holz, sondern aus einem schmalen Stück Bambu, das mit kunstvoll durchbrochen ge-
arbeiteten Widerhaken versehen ist. Tagai.
Derartige durchbrochen gearbeitete Pfeilspitzen aus Bambu erhielt ich auch in
Wanua und am Sechstrohfluss, sie sind aber selten und die Spitze, wie gewöhnlich,
meist aus Holz. Die Sägezähne und Widerhaken sind zuweilen äusserst kunstvoll ge-
schnitzt, aber ausserordentlich verschieden. Dagegen wird die knaufartige Verdickung
an der Spitzenbasis und die besondere Verzierung der letzteren mit aufgeklebten Coix-
samen und Federn für die Pfeile von Guap und Tagai charakteristisch, wenn sich diese
Verzierung auch keineswegs an allen Pfeilen von diesen Localitäten findet. Am Sech-
stroh beobachtete ich keine derartigen Verzierungen, aber die Pfeile von hier zeichneten
sich durch mehrere (meist fünf) schwarz gemalte Ringe auf dem Rohre aus, sowie dass
der erste Absatz des Rohres unterhalb der Spitze meist mit hübschen eingebrannten
Mustern verziert ist. Die Pfeile haben eine Länge von 1*45 — i*8o M., wovon 40 — 46 Cm.
auf die Holzspitze kommen. Die Schnitzarbeit der letzteren in Kerbzähnen und Wider-
haken ist zuweilen äusserst geschickt und kunstvoll, aber, wie bereits erwähnt, ausser-
ordentlich verschieden. Die folgenden Nummern der Sammlung geben schöne Proben:
Pfeile (Nr. 799 — 802, 4 Stück) vom Sechstrohfluss.
Wie erwähnt, sind Pfeile, mehr zum Kriege als zur Jagd benutzt, weit weniger
gefährlich als Wurfspeere, weil sie sehr leicht sind, unruhig fliegen und ihre Trefffähig-
keit, zwischen 3o — 50 Schritt, eine beschränkte ist. Und soweit reicht auch ein kräftig
r2ic"| Kthnologischc Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. 77
geworfener Speer. Dass der letztere häufiger in Anwendung kommt, zeigen auch die
Wundnarben, welche man nicht selten am Körper von Eingeborenen sieht.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass auch den Papuas dieser Küste das Vergiften
von Pfeil- und Speerspitzen unbekannt ist (vgl. auch 11, S. 33i).
b. Schlag- und Stichwaffen.
Keulen scheinen weniger in Gebrauch als an der Südostküste, und solche mit Stein-
knauf (II, S. 332) sind mir nicht vorgekommen. Aber Capt. Rasch versicherte mir,
solche gesehen zu haben, und Dr. HoUrung bemerkt: »Die Steinkeule ist jetzt schon
sehr selten geworden.«
Ausser runden Kampfknütteln (ähnlich dem *Birimbirika<iy I, S. 106, von Neu-
Britannien), die ich in Finsch- und Constantinhafen beobachtete, sah ich nur eine Art
Keulen, wie die folgende:
Keule (Nr. 762, i Stück), aus einem flachen Stück Hartholz (wohl Palme) in
schwertähnlicher Form, mit einfacher Gravirung und roth bemalt. Finschhafen, hier
*Ssing€ genannt.
Diese Art Keulen, i*io — 1*20 M. lang, stimmen in der Form ganz mit der ge-
wöhnlichen Sorte von der Südostküste (II, S. 33 1, Nr. 752, *Karewa*) überein.
Steinäxte sind, wie bereits (S. 69) erwähnt, keine Waffen und werden nie als
solche gebraucht, wenn auch Powell kampflustige Eingeborene T>tomahawks€ schwin-
gen lässt.
Eine andere Waffe, oder beziehentliche Wafife, da sie auch friedlichen Zwecken
(S. 60) dient, repräsentiren die folgenden Nummern:
Dolch (Nr. 787, I Stück), 3o Cm. lang, aus Casuarknochen, an der Basis mit ein-
gravirtem Muster. Sechstrohfluss.
Desgleichen (Nr. 788, i Stück). Daher.
Diese Dolche werden meist aus der Tibia, seltener aus dem Tarsometatarsus des
Casuar hergestellt^ in der Weise, dass die eine Hälfte der Länge nach flach und am
Ende spitz zugeschlifTen wird, und liefern in dieser Form eine für den Einzelkampf
nackter Menschen recht gefährliche Waffe. Sie wird, oft zu zweien, im Armband des
rechten Armes getragen (Abbild. »Samoafahrten«, S. 334). Die eingravirten Muster
gehören in künstlerischer Ausführung und Zeichnung mit zu den besten Leistungen der
Papuakunst (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XI, Fig. 7, mit durchbrochen geschnitzter Arbeit).
Die Muster sind übrigens sehr verschieden, meist arabeskenartig, zuweilen aber auch
Darstellungen von Thieren (Crocodil und Frosch), wie ich solche am Sechstroh erhielt.
Die Oberfläche ist zuweilen durch langes Tragen so glatt wie polirt. Auf den Rand-
kanten der Innenseite finden sich zuweilen Querstriche eingekratzt, die wohl Erinne-
rungszeichen, nicht gerade der erlegten Feinde, sondern mitgemachter Kämpfe sein
mögen. Als weitere Verzierung werden an den Dolchen zuweilen Streifen von Cuscus-
fell befestigt. Knochendolche sind mir erst von Hatzfcldthafen an westlich häufiger
vorgekommen^ namentlich in AngrifTshafcn bis Humboldt-Bai.
c. Wehr.
Schilde scheinen an der ganzen Küste von Kaiser Wilhelms-Land in Gebrauch
und im Ganzen häufiger zu sein als an der Südostküste. Ich erhielt solche nur an drei
Localitäten, die verschiedene Typen darstellen und alle in der Sammlung repräsen-
tirt sind.
78 ' Dr. O. Finsch. [21 6]
Schild (Nr. 838, i Stück — II, S. 362, Taf. XXIV [16], Fig. i) aus einem concav
gebogenen Stück Holz, mit doppelter Handhabe für Arm und Hand aus Rottang.
Finschhafen.
Diese Schilde, in Finschhafen »Lazi/a« genannt, repräsentiren die eigenthümlichste
Form, welche ich inNeu-Guinea kennen lernte. Sie sind i*6o — 180 M. lang und 40 Cm.
breit, so dass sie einen Mann ziemlich decken, dabei nicht zu schwer. Zuweilen zeigen
diese Schilde originelle Muster in bunter Bemalung, darunter auch menschliche Figuren
(vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 178). In Adolfshafen sah ich sehr ähnliche Schilde,
lang, schmal, an einer Seite abgerundet, an der anderen gerade, mit Schwarz und Weiss
bemalt.
Schild (Nr. 839, i Stück — II, S. 362, Taf. XXIV [16], Fig. 2) aus hartem Holz,
rund, mit erhaben geschnitztem Muster und bunt bemalt. Auf der Rückseite des Schil-
des sind aus dem Ganzen gearbeitet zwei Buckel mit Bohrloch, durch welches ein Strick
gezogen wird, der als Handhabe dient (Fig. 2a). Friedrich Wilhelms-Hafen, Insel
Grager, hier *Gubir€ genannt, auf Bilibili »Dimu<i.
Diese Schilde, aus den Wurzelstreben hoher Bäume gezimmert, sind eine be-
deutende Leistung für Steinäxte, da sie einen Durchmesser von 80—92 Cm. haben.
Doch sah ich auch kleinere Schilde von nur 40 Cm. Durchmesser, die, in einen Netz-
beutel eingestrickt, an diesem getragen wurden. Besonders mühevoll ist die erhabene
Ornamentik, die in der Regel in der Mitte ein Kreuz, aber doch an jedem Stücke Ver-
schiedenheiten zeigt (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XII, Fig. i). Zur Bemalung ist Roth, Weiss
und Schwarz verwendet. Diese Schilde sind für den Archipel der zufriedenen Menschen
und die Insel Bilibili eigenthümlich, finden sich nach v. Maclay aber auch auf Jambom.
Wegen ihrer Schwere, bis 10 Kilo, eignen sie sich weniger um im Kampfe mitgeführt
zu werden, sondern mehr gegen Angriffe des Dorfes, weshalb sie auch meist in den
Gemeindehäusern aufbewahrt werden.
Vom Kaiserin Augustaflusse werden auch »grosse Schilde« erwähnt.
Schild (Nr. 840, i Stück — II, S. 364, Taf. XXV [17], Fig. i), aus hartem Holz,
oblong, mit kunstvoller, erhaben gearbeiteter Schnitzerei, Spiralen und zwei mensch-
liche Figuren darstellend. Als Handhabe ist ein Bast- oder Tapastreif durch zwei Löcher
in der Mitte des Schildes befestigt. AngrifTshafen.
Diese Schilde stimmen in der Form mit denen von der Südspitze überein (Taf. XXV,
Fig. 2), zeichnen sich aber durch eine Art Handgriff am oberen Rande aus. Sie sind
i'io M. lang und 48 Cm. breit, schwer, und die erhabene Schnitzarbeit, die an jedem
Schilde verschieden ist, gehört mit zu dem Besten, was die Steinzeit leistet.
Einen besonderen Schutz des Kriegers zeigt die folgende Nummer :
Kürass (Nr. 844, i Stück — II, S. 362, Taf. XXIV [16], Fig. 7), feine Korbfiecht-
arbeit aus gespaltenem schwarzgefärbten Rottang. Fig. 7 a Detail des Rohrgefiechtes.
Angriffshafen.
Ich beobachtete diese eigenthümlichen Panzer nur an dieser Localität, vielleicht
finden sie sich auch anderwärts. Die Taillenweite des unteren Randes, 77 — 83 Cm., ist
reichlich eng, wenigstens durchschnittlich für Europäer nicht ausreichend, und doch
mass ich in Angriffshafen Männer von 170 M. Höhe. Die Panzer müssen nämlich über
die Hüften gezogen werden, derart, dass die höhere hintere Seite den Nacken deckt, und
werden mit zwei Bändern Über die Schulter befestigt. Abbildung von Kriegern von
Angriffshafen mit Panzer und Schild geben die »Samoafahrten« (S. 337); doch hat der
Künstler die Befestigungsweise aus Versehen vergessen.
[217] Kthnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^g
jo. Rohmaterial und Verwendung.
Wie alle Naturvölker besitzen auch die Eingeborenen dieser Küste eine gute
Kenntniss der Naturerzeugnisse und unterscheiden eine grosse Anzahl derselben, selbst
Blumen und Schmetterlinge, durch Eigennamen. Bewundernswerth ist es, wie sie aus
der Fülle von Material gerade die für besondere Zwecke geeigneten Rohstoffe herauszu-
finden und in entsprechender Weise zu bearbeiten wissen. Für die Ethnologie ist dies
ein leider noch sehr dunkles Capitel, zu dessen Verständniss noch gar sehr Vieles ge-
ihan werden muss, ehe wir tiefer in die Industrie der Steinzeit blicken können. Bis jetzt
sind wir in den meisten Fällen noch nicht über die generelle Bestimmung der ver-
arbeiteten Materialien, als Holz, Steine, Knochen, Pflanzenstoffe u. dgl. hinausgekommen,
und wissen nur selten, von welchen Species diese Materialien herrühren, von der Art
der Bearbeitung aber fast so gut als nichts. Nur ein längerer Aufenthalt und enger
steter Verkehr mit den Eingeborenen wird in dieser Richtung erwünschte Aufklärung
geben können. Der meine war zu kurz, und so muss ich mich auf wenige Beobachtun-
gen und hauptsächlich darauf beschränken, Anregung zu geben, damit die vielen noch
vorhandenen Lücken ausgefüllt werden.
a. Aus dem Pflanzenreiche. Ganz abgesehen von Nahrungszwecken stehen die
Producte desselben jedenfalls für die Lebensbedürfnisse der Eingeborenen obenan und
liefern die meisten Materialien für Nutzgegenstände. Aber ethnologisch wissen wir
kaum mehr darüber als vielleicht, dass Bogen aus Holz der Betelpalme, dieser oder jener
Gegenstand aus Holz der Cocospalme oder aus Rottang verfertigt ist. Und doch be-
nutzt der Eingeborene allein schon an Hölzern für verschiedene Zwecke sehr verschie-
dene Bäume, je nach ihrer Brauchbarkeit, Leichtigkeit der Bearbeitung u. s. w. Schon
beim Bau eines Hauses oder Canus kommen eine ganze Reihe Rohproducte zur Ver-
wendung, ebenso für Waffen, Haushaltungszwecke u. s. w. Ganz besonders hervor-
zuheben ist dabei die ungemein vielseitige Anwendung von Bambu, das sowohl beim
Bau von Häusern, als zu den feinsten Kunstgegenständen benutzt wird. Nebenbei mag
bemerkt sein, dass Bamburohr keineswegs überall wächst. Nächst dieser gewaltigen
Grasart findet wohl die Cocospalme die mannigfachste Verwendung, vom Stamm bis
zur Fieder des Blattes. Dasselbe gilt annähernd für den Schraubenbaum (Pandanus)y
dessen Blätter zu sehr verschiedenen Zwecken verwendet werden und der auch in der
folgenden Nummer wichtig wird.
Faserinaterial (Nr. 143, i Probe), aus der Luftwurzel von Pandanus bereitet.
Finschhafen.
Dieses vorzügliche Material, das eine äusserst haltbare, bis i '/2 ^^« lange Faser
liefert, wird an der Küste zur Verfertigung von Bindfaden und Stricken benutzt. In
gleicher Weise findet auch der Bast eines Hihiscus (nach Hollrung//. tiliaceus) Verwen-
dung, wie sonst zum Binden und Befestigen, z. B. beim Hausbau. Ob der an der Südost-
kuste gebräuchliche Faserstoff (II, S. 326, Nr. 140, ^Lakwa^) auch in Kaiser Wilhelms-
Land verwendet wird, vermag ich nicht zu sagen. Vermuthlich werden aber noch andere
Faserstoffe benutzt, da Bindfaden und Bindematerial bei Menschen, die noch keine Nägel
kennen, eine wichtige Rolle spielen. Erwähnung verdient, dass der Nutzwerth der Faser
der Banane den Papuas auch an dieser Küste unbekannt ist. Aus Baumbast wird durch
Wässern und Klopfen ein zeugartiger Stoff, Tapa, bereitet, der zur Bekleidung und
vielen anderen Zwecken dient. Nach Dr. Hollrung liefert eine Ficus-An das Roh-
material, wahrscheinlich aber noch andere Bäume. Für die Bekleidung des weiblichen
Geschlechtes sorgen Cocos- und Sagopalme, aus deren fein gespaltener Blattfaser zier-
8o Dr. O. Finsch. [218]
liehe, meist buntgefärbte Röcke und Schürzchen verfertigt werden. Die Blattfaser der
Sagopalme dient aber auch noch zu mancherlei Putzzwecken. Im Uebrigen ist die wissen-
schaftliche Bestimmung*) der zu Zieraten verwendeten pflanzlichen Stoffe eine äusserst
mangelhafte, schon deshalb, weil diese Stoffe sich in der Verarbeitung, dazu häufig ge-
färbt, nicht mehr bestimmen lassen. So wissen wir z. B. noch nicht, welche Pflanzen
das Material zu den allgemein gebräuchlichen sogenannten » Grasarmbändern c (II,
S. 3i3, Nr. 378 ^Gaarna^) liefern. Nach Guppy wird in den Salomons ein Farn der
Gattung Gleichenia dafür benutzt. Wie zu so viel Anderem scheint aber auch für
Kunstflechtarbeiten das Blatt von PandanuSy welc|ies sich in ausserordentlich schmale
Streifen spalten lässt, das hauptsächlichste Material zu sein. Jedenfalls ist es aber schon
für den Laien ersichtlich, dass im Ganzen nur wenige Pflanzen in Betracht kommen,
denn fast überall finden sich dieselben Rohstoffe wieder. Das in Neu-Britannien viel zu
Stirnbinden u. dgl. benutzte Material, ähnlich rothgefärbten Schilfstreifen {*Akanda<iy
I, S. 97 und 118) erinnere ich mich in Kaiser Wilhelms-Land nicht gesehen zu haben,
doch mag es vorkommen. Dagegen sind fein oder gröber gespaltene, meist roth ge-
färbte Streifen eines Rohres, im Archipel der zufriedenen Menschen, wie die daraus ge-
fertigten Armbänder, Leibgurte, Kniebinden etc., *ArU genannt, sehr verbreitet, wie
spanisches Rohr (Rottang) überall und in der mannigfachsten Weise verwendet wird.
Ein besonderes Fasermaterial wird zu Armbändern, Gürteln u. dgl. ebenfalls häufig ver-
arbeitet. Es besteht aus harten, etwas brüchigen, glänzend schwarz gefärbten, runden
Fasern (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 8) und rührt wahrscheinlich von einer Liane
her. Sehr eigenthümlich und von hervorragender Schönheit sind zierlich geflochtene
Schnüre (Taf. XXII, Fig. 3), in Finschhafen T^Ssemu^ genannt, die hochgelb gefärbt wie
Goldbrocat aussehen und im. östlichen Theile (Huongolf bis Astrolabe) häufig zu
hübschen Schmucksachen verwendet werden.
Von Samen, Fruchthülsen oder Fruchtkernen finden die von Coix Lachryma (in
Finschhafen T^Kapukin<L genannt) ganz (Taf. III, Fig. 8) oder halbdurchschnitten (Taf. III,
Fig. 9) längs der ganzen Küste die häufigste Verwendung, sowohl zur Verzierung von
allerlei Schmuck, als auch in gewissen Gebieten namentlich von Tragbeuteln (Ethnol.
Atlas, Taf. X, Fig. 4). Die schönen rothen kleinen Bohnen von Abrus precatorius
(Taf. XVI), eines weit verbreiteten, längs der ganzen Küste vorkommenden Strauches,
finden nur im äussersten Westen häufigere Verwendung, und zwar stets mittelst Auf-
kittens. Hier auch eine ganz gleiche Bohne, die aber statt roth schön stahlblau ge-
färbt ist (Taf. XVI) ; eine gleich grosse, sehr ähnlich geformte gelbe Bohne erhielt ich
einmal am Sechstroh. Hier benutzt man auch die schön kirschbraunroth gefärbten
linsenförmigen und linsengrossen Samen von Adenanthera paponina (Ethnol. Atlas,
Taf. XXIV, Fig. 6 a), einer Mimose. Im Westen werden ausserdem auch kleine runde
schwarze Samenkerne (Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. ya) verwendet, die wie schwarze
Perlen aussehen, sowie eine grössere Art schwarzer Perlen (Taf. XIV, Fig. i3a). Sie
scheinen künstlich gearbeitet zu sein und stimmen fast ganz mit den Perlen aus Cocos-
nussschale überein, welche in den Carolinen so häufig zu allerlei Schmuck verwendet
werden. Die sonderbaren Pflanzentheile, wie Abschnitte von Stengeln (Taf. III, Fig. 10)
sind mir in Kaiser Wilhelms-Land nicht vorgekommen, wohl aber jene längsdurch-
schnittenen halbirten Fruchtschalen wie Taf. XIV, Fig. 16^, die auch in Neu-Irland (I,
S. 129) und in den Salomons (vgl. »Sessele<iy I, S. 148, Nr. 481) verwendet werden.
J) Die >Nachrichtcn aus Kaiser Wilhclms-Land* und Schumann und Hollrung: »Die Flora
von Kaiser Wiihelms-Land« (Berlin 1889) geben in dieser Richtung, ausser über einige Nährpflanzen
der Eingeborenen, nur sehr wenig Aufklärung.
[219] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. 81
Die im Südosten gebräuchlichen kleinen, glänzend schwarzen Fruchtkerne, Gudduguddu
(Taf. XIV, Fig. I c und Taf. XV, Fig. i a\ sind mir in Kaiser Wilhelms-Land nicht vor-
gekommen. Statt derselben wird häufig ein weinbeerengrosser, glänzend schwarzer
Kern (Taf. XIV, Fig. lyd und Taf. XV, Fig. 40) verwendet, der wie eine gedrechselte
Kugel aussieht. Am Sechstroh erhielt ich noch eine ähnliche grössere Art schwärz-
lichen Fruchtkernes oder Nuss (Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 2 b), mehr als kirschen-
gross, zuweilen mit Gravirung, den ich sonst nirgends beobachtete.
Gedenken wir zum Schluss noch des Blätterschmuckes, der für beide Geschlechter
zum gewöhnlichen, fast täglichen Ausputz gehört, in erhöhtem Masse bei feierlichen
Gelegenheiten. Einzelne Blätter oder Büschel werden ins Haar gesteckt, sowie in die
Armbänder, auch am Halsstrickchen befestigt und die Pflanzen deshalb eigens in be-
sonderen Gärtchen bei den Hütten oder in den Plantagen cultivirt. Nach Maclay
werden zu Blätterschmuck besonders Gewächse aus der Familie der Euphorbiaceen ver-
wendet, nach Hollrung hauptsächlich das wohlriechende Ocymum sanctum und eine
Evodia.^) Für Armbänder ist auch die nach Anis riechende Clausena anisata geschätzt.
Die Lieblingsblumen sind Celosium und die hochrothen von Hibiscus rosa sinensis,
welche letztere meist im Haare getragen werden.
b. Aus dem Thierreiche. Zu Gegenständen des nützlichen Gebrauches (z. B.
S. 60 Brecher, S. 77 Dolche) finden eigentlich nur Knochen Verwendung, und zwar fast
nur solche vom Schwein, Hund und Casuar. Wenigstens lassen sich diese Thierarten
zum Theil annähernd richtig bestimmen, während dies für kleinere Gegenstände aus
Knochen, wie Pfriemen, Nadeln u. dgl., nicht möglich ist. Knochen, anscheinend von
(wahrscheinlich gestrandeten) Walthieren (vgl. S. 52) kommen vor. Am häufigsten
werden jedoch Zähne, und zwar ausschliessend die vom Hunde und Schweine, zu Gegen-
ständen des Schmuckes verwendet und zum Theil bearbeitet. Im östlichen Theile von
Kaiser Wilhelms-Land sind es hauptsächlich Hundezähne, ^) und zwar die Eckzähne
(Taf. III, Flg. 15 und Taf. XIV, Fig. s^y ^^^7 ii)> welche zur Verzierung von allen
möglichen Schmuckgegenständen, auch Tragbeuteln (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. X, Fig. 3)
verwendet werden. Schneidezähne vom Hund habe ich nur einmal benutzt gesehen.
Schweinezähne, d. h. fast nur die Hauer von Wildschweinen (s. vorne S. 50) oder deren
gezähmten Abkömmlingen, die im Werthe viel höher als Hundezähne stehen, scheinen
besonders im Westen häufig. Durch Kunst hervorgebrachte, fast cirkelrund gebogene
Eberhauer (I, S. 122, Fig. 7 und Ethnol. Atlas, Taf. XXI, Fig. 2) sind auch in Kaiser
Wilhelms-Land die höchsten Werthstücke und bilden den kostbarsten Brustschmuck.
Der Länge nach gespaltene und dünn geschliffene Eberhauer werden zu Nasen- und
Bartschmuck (Taf. XVII, Fig. i und 3e) verarbeitet, Stücke von solchen zu Brustschilden
(Taf. XVI, Fig. ib und 2 a). Zähne von Kängurus (Taf. XIV, Fig. 9^) sind mir nicht
vorgekommen, solche von anderen Beutelthieren (Phalangista) nur einmal, obwohl
Cuscus sehr häufig sind. Crocodilzähne sah ich nur einmal in einem Brustschmuck am
Sechstroh verwendet. Menschenzähne fand ich nie benutzt, wohl aber in gewissen Ge-
bieten Menschenhaar in Form von grobgeflochtenen Schnüren.
Felle von Säugethieren, aber ungegerbt, da die Papuas nicht zu gerben verstehen,
finden zu allerlei Kopfschmuck und anderem Putz vielfach Verwendung. Nach den
1) Nach Guppy werden in den Salomons besonders folgende Schmuckpflanzen cultivirt: MoschO'
ioma polystachum, Ocymum sanctum und Evodia hortensis,
2) Wie überall in Melanesien noch heute, so fanden Hundezähne in gleicher Weise in unserer
prähistorischen Zeit Vcn\'endung (vgl. unter Anderen Nchring: Verhandl. der Berliner anthropologi-
schen Gesellschaft, Sitzung vom 16. Januar 1886, S. 39, Fig. 3).
Annalen des k. k. naturliistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft 1, 1S91. 6
82 Dr. O. Finsch. [220]
Rudimenten lassen sich die verwendeten Species nicht immer sicher bestimmen. Cus-
cus maculatus (in Constantinhafen *Mab^ genannt) scheint am häufigsten zu sein,
ausserdem aber auch noch andere Species benutzt zu werden. Am Sechstroh erhielt ich
das Fell eines sehr merkwürdigen Beutelthieres, das einer neuen Art angehören dürfte.
Zum Bespannen der Handtrommeln dient allgemein die Haut grosser Eidechsen (Moni-
tor), Rochenhaut wird zu Raspeln und Feilen benutzt, dazu auch passende Corall-
stücke. Hier mag auch noch der häufigen Verwendung von Schildpatt gedacht sein,
äusserst wichtig für Fischhaken, und der zum Theil äusserst kunstvollen Arbeiten,
namentlich Armbändern (Taf. XV, Fig. 3 und Taf. XXI, Fig. 3) aus diesem nicht leicht
zu bearbeitenden Material.
Bezüglich des Schmuckes aus Federn verhält es sich wie mit dem aus Muscheln,
nämlich trotz des grossen Artenreichthums der Vogelwelt Neu-Guineas werden auch
in Kaiser Wilhelms-Land nur wenige Arten Vögel benutzt. Die häufigste Verwen-
dung finden Federn von Casuaren {^MuU in Finschhafen, >7i/ar« auf Grager) und
gewisser weit verbreiteter Papageienarten. Unter den letzteren werden ganz besonders
benutzt: die grünen und rothen Federn von Eclectus {»Kabrai^ und *Kabrai
guang^ in Bongu), von Lorius erythrothorax (^Läng* in Bongu), Trichoglossus (wohl
Massenae und subplacenSy einer Charmoynd) und namentlich die gelben Hauben-
federn vom Cacadu (Cacatua Triton^ i^Regi«^ in Bongu). Weiter im Westen sind
die rothen Federn von Dasyptilus Pesqueti häufig, die ich übrigens auch in Finsch-
hafen erhielt. Paradiesvögel (Paradisea Finschi) wurden mir zuerst auf Grager (hier
>/)o€ genannt) angeboten, später ziemlich häufig im Westen (Tagai). Haubenfedern
der Kronentaube (Goura^ in Bongu *Gori«i) sind überall geschätzt, aber selten, im
Uebrigen Federn der so artenreich in Neu-Guinea vertretenen Ordnung der Tauben
(*ßuna€ in Bongu) wenig benutzt. Am beliebtesten und längs der ganzen Küste
verbreitet sind Hahnenfedern, und zwar ganz besonders weisse Schwanzfedern. Haus-
hühner finden sich zwar an der ganzen Küste, aber nur in beschränkter Zahl und werden
fast nur der Federn wegen gehalten. Federn anderer Vögel habe ich kaum verwendet
gefunden; nur ein paar Mal die mittelsten Schwanzfedern einer Tanyipteray einmal
die Haubenfedern von Microglossus. Dagegen werden die fahnenlosen hornartigen
Schwingen vom Casuar hin und wieder benutzt, z. B. Abschnitte derselben zu Hals-
ketten (Taf. III, Fig. 1 1 und Taf. XIV, Fig. 2^), sowie am Sechstroh auch Vogelknochen,
wohl von Buceros (Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 7.0). Erwähnen wir zum Schlüsse
noch der gelegentlichen Verwendung von Fischgebissen und Fischwirbeln (Taf. XIV,
Fig- 5^) und Theilen von Krebsbeinen und Krebsscheeren (Taf. XVI, Fig. 3 a).
Weit wichtiger als Knochen, Zähne und Federn sind im Leben der Papuas Con-
chylien, weniger zu nützlichen Gegenständen als zu solchen des Schmuckes und Ver-
zierung des letzteren. Wie bereits angedeutet, muss hervorgehoben werden, dass trotz
des ungeheuren Reichthums an «Arten nur einige wenige Meeresmuscheln in Betracht
kommen, und zwar fast ausnahmslos überall dieselben Species in derselben Bearbeitung
und Benutzung.
Zu Geräthschaften finden am häufigsten Perlmutterschalen (Margarita marga-
ritifera, seltener Avicula) als Schaber Verwendung und Verarbeitung (I, Taf. IV, Fig. 7),
zuweilen auch Nautilus, Demnächst als Instrumente zum Schneiden einige Arten bivalve
Brackwassermuscheln der Gattung Batissa (B, violacea Lam., B. Finschii und angu-
lata Reinh.), seltener eine Cyrene {papua Less.). Zu Netzsenkern werden fast nur
Muscheln verwendet und wie überall meist Arca-Anen (besonders A. granosa L. und
holosericea Reeve). Tritonshörner (Triton tritonis) dienen allgemein, wie in der ganzen
[22 il Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 83
r
Südsee, auch hier als ßlasinstrument, zum Sigoalgeben, werden auch zuweilen als
Schöpfer für Canus benutzt. Sehr wichtig ist die Riesenmuschel (Tridacna gigas)^
deren Schlosstheile das Material zu Axtklingen liefert, die seltener und höher geschätzt
als solche aus Stein sind. Zu gleichem Zwecke finden zuweilen auch Stücke von Hippo-
pus (Ethnol. Atlas, Taf. I, Fig. 6^) Verwendung. Aus Tridacna (seltener Hippopus)
werden auch Stiele zu Angelhaken (Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. i a) geschliffen.
Sehr mannigfach ist die Verwendung von Conchylien zu Schmuckgegenständen,
hier aber in Folge Bearbeitung die wissenschaftliche Bestimmung der Arten so ausser-
ordentlich erschwert, dass sich in den meisten Fällen nur die Gattungen feststellen
lassen. Wie bereits erwähnt, wird Spondylus in ganz Kaiser Wilhelms-Land nicht be-
nutzt, von künstlich geschliffenen Muschelplättchen nur eine Art (siehe Nr. 638).
Die weiteste Verbreitung und Verwendung findet eine kleine Cypraeen ähn-
liche Muschel (Taf. XIV, Fig. 3 und lo, die dem Aussehen nach identisch mit dem
>Tautau€ (Taf. XIV, Fig. 6) von der Südostküste scheint, aber nach den Untersuchun-
gen von Reinhardt*) einer Nassa-An angehört. Von Huongolf bis Humboldt-Bai
wird man diese kleine zierliche Muschel kaum an einem Schmuckgegenstande vermissen.
Schnüre dieser Muschel heissen in Finschhafen »Ssanemt; aber auch für viele mit die-
sem Material verzierte Gegenstände wurde mir dieser Name angegeben, der vielleicht
eben nur für die Muscheln gelten sollte.
Nächst dieser Nassa dienen Theile gewisser Kegelschnecken (Conus) allenthalben
als beliebter Ausputz für Gegenstände des Schmuckes. Aus den Spüren derselben, so-
genannte Conus-Boden, werden zuweilen sehr kunstvolle Ringe und Scheiben geschliffen
(vgl. Taf. III, Fig. i3 und Taf. XIV, Fig. ^a kleine; Taf. XIV, Fig. 15a und Taf. XVI,
Fig. I grössere; Ethnol. Atlas, Taf. XXI, Fig. 5 gross). Cypraea moneta, die im Leben
afrikanischer Völker als *Kauri€ eine so grosse Rolle spielt bleibt trotz ihrer Häufigkeit
fast unbenutzt und ich habe sie nur wenige Male verwendet gesehen (vgl. Taf. XIV,
Fig. 14 und Taf. XVII, Fig. i). Mehr beliebt sind dagegen eine oder ein paar andere
Arten Cypraea zu Brustschmuck (Taf. XVII, Fig. 2), sowie Opula-Antn (namentlich O.
Ovum, Taf. XVII, Fig. i). Ausserordentlich werthgeschätzt in gewissen Gebieten sind
schalenförmige Kreisabschnitte von Cymbium- (Meloä-) Arten (Taf. XVII, Fig. i uüd
Ethnol. Atlas, Taf. XXIII, Fig. i) zu Brustschmuck, die hier solche aus grossen Perl-
mutterschalen (Apicula) an der Südostküste (vgl. II, S. 3i2, Nr. 514a »Mairi^, ähnlich
I, Taf. III, Fig. 18) zu vertreten scheinen. Kleinere Scheiben und Platten von Cymhium
dienen hauptsächlich zu Behang von Tragbeuteln (Ethnol. Atlas, Taf. X, Fig. i c). Zu
letzterem Zwecke wird zuweilen auch eine Placuna -Art benutzt. Kleinere ovale
Muschelplatten (wie Taf. XIV, Fig. 17 c) scheinen ebenfalls aus Cymbium geschliffen.
Im ganzen Gebiet verbreitet, wenn auch im Ganzen nicht häufig, sind (ähnlich den
^Laleiü von Neu-Britannien, I, S. 99, Nr. 370) Armringe aus dem Basisquerschnitt von
Trochus niloticus geschliffen (Ethnol. Atlas, Taf. XVIII, Fig. 5), zuweilen mit kunst-
voller Gravirung. Sie gehören mit zu den hervorragendsten Arbeiten der Papuakunst,
wie des Steinzeitalters überhaupt und werden vielleicht nur übertroffen durch jene be-
wundernswerthen Schleifarbeiten aus dem Schlosstheile der Riesenmuschel, Tridacna
gigas, unter denen Brust- und Armringe obenan stehen (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XXI,
Fig. 3). Ein mir vorliegender Ring von 10 Mm. Dicke und 85 Mm. Durchmesser im
Lichten ist so sauber und accurat geschliffen, dass seine Herstellung europäischer Kunst
1) »Eine kleine Nassa- Art aus der Gruppe Arcularia Link (vielleicht N. callospira A. Ad.), di^
deshalb schwierig zu bestimmen ist, weil der Haupttheil des Gehäuses sammt der ganzen Spira ab-
geschliffen ist.€ (Sitzungsber. d. Gesellsch. naturf. Freunde, Berlin, 20. April 1880, S. 57.)
6*
gA Dr. O. Finsch. [222]
Ehre machen würde. Aus Tridacna werden auch schöne Nasenkeile (EthnoL Atlas,
Taf. XX, Fig. 3 und 7) geschliffen, zu Nasenschmuck auch Perlmutter (Taf. XV, Pig- 2)
und Nautilus verwendet. Letztere Muschel (und zwar Nautilus pompilius) diente auf
Bilibili auch zum Ausputz der Canus. In Astrolabe-Bai sind Leibschnüre aus Septaria,
wohl arenaria (Taf. XIV, Fig. 5) hochgeschätzt. Des Weiteren kommen andere
Muschelarten kaum oder doch nur ausnahmsweise in Betracht. So habe ich Cypraea
lynx und Oliva (zu Klingeln) nur einzeln benutzt gesehen, ebenso Patella; von L.and-
Schnecken nur einmal eine Helix-An (vgl. Nr. 504 der Sammlung) und Nanina aulica
Pfr. Deckel von Turbo (pentolarius)y als Augen für Masken in Neu-Irland so häufig
benutzt (vgl. I, Taf. Vi), fand ich zu gleichem Zweck einmal auf Guap verwendet.
c. Aus dem Mineralreiche. Hinsichtlich der Unkenntniss der verwendeten Ge-
steinsarten vergleiche im Vorhergehenden »Aexte« (S. 70).
d. Tauschmittei. Wenn alle hier aufgezählten Materialien und die daraus gefer-
tigten Gegenstände mehr oder minder als Tauschmittel im Verkehr der Eingeborenen
zu betrachten sind, so dürften doch ganz besonders einige wenige im engeren Sinne als
überall gangbare Münze, im Sinne von Geld bei uns, gelten. Konnte ich mir auch nicht
völlige Gewissheit darüber verschaffen, so glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich die
folgenden Nummern auch für dieses Gebiet als Eingeborenengeld anführe. Als häufigste
Sorte, gleich unseren Scheidemünzen, findet längs der ganzen Küste am meisten Ver-
wendung:
Ssanem (Nr. 63o, i Probe — II, S. 842, Taf. XIV [6], Fig. 3), Muschelgeld aus
einer Nassa, a aufgereihte Muscheln, b Muschel von der Unterseite, c desgleichen von
der Oberseite. Finschhafen. In Astrolabe-Bai (Bogadschi) heissen solche Muschelschnüre
9 Darramt.
Die Vergleichung mit dem » Tautaut ^ dem Muschelgeld der Südostküste (Taf. XIV,
Fig. 6), lässt kaum einen Unterschied erkennen. Aber das Tautau soll einer Cassidula
angehören, während i> Ssanem t^ nach der Bestimmung von v. Martens, unzweifelhaft
eine Nassa und ziemlich sicher N, callospira ist. Leider habe ich die unverletzte
Muschel nicht erlangen können, wie mir dies bei dem Diwara (Taf. III, Fig. i) von
Blanche-Bai möglich* war, das von v. Martens als Nassa callosa var. camelus (Taf. III,
Fig. la) festgestellt wurde. Die Bearbeitung von Ssanem ist ganz ähnlich wie bei
Diwaray d. h. der Mantel wird abgeschlagen, aber die Bruchfläche abgeschliffen, daher
die Stücke dünner sind. Auch zeigt Diwara nur eine Oeffnung, Ssanem dagegen zwei
(vgl. Taf. III, Fig. IC und Taf. XIV, Fig. Sc). Eine zweite, bei Weitem werth vollere
Sorte ist :
Muschelgeld (Nr. 638, i Probe — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 4), kleine, dünne,
runde, aus einer hellfarbigen, fast weisslichen Muschel geschliffene Scheibchen von circa
4—5 Mm. Durchmesser (Fig. 40). Huongolf.
Diese einzige Art künstlich geschliffener Muschelscheibchen, welche mir in Kaiser
Wilhelms-Land vorkam, fand ich nur von Huongolf bis zum Festungscap, sie mag aber
auch weiter verbreitet sein. Im Ganzen waren diese Art Muschelscheibchen sowohl zu
Schmucksachen verarbeitet, als auf Schnüre gereiht, sehr selten und wurden von den
Eingeborenen besonders hochgehalten. In Finschhafen heissen Schnüre dieses Muschel-
geldes ^ Ssanem ty also ganz wie die aus Nassa] doch ist eine irrige Auffassung meiner-
seits nicht ausgeschlossen.
Nach V. Martens sind diese Scheibchen höchst wahrscheinlich aus einem kleinen
Conus (wohl musicus) gearbeitet, nach meinem Vermuthen vielleicht aus Muschel-
splittern, wie sich solche am Strande finden. Genau so grosse, man kann sagen fast
[223] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 85
identische Muschelsch eibchen kommen auf Bonaba (Ocean-Island) vor, ganz ähnliche in
Ncu-Irland (I, S. 28, Taf. III, Fig. 4).
Als dritte und werthvollste Sorte Geld dürften, wie für die Südostküste, auch hier
Hundezähne zu betrachten sein.
Hundezähne (Nr. 500 ä, i Probe), durchbohrt, 49 Stück, die auf eine 35 Cm.
lange Schnur gereiht sind. Huongolf.
Schnüre aufgereihter Hundezähne heissen in Astrolabe-Bai (Bogadschi) * Bongala ^
und sind häufig von Huongolf bis Astrolabe-Bai. Hier, sowie von Astrolabe westlich bis
zum Hammacherfluss werden Hundezähne auch ausserordentlich häufig zur Verzierung
von allerlei Gegenständen des Putzes verwendet. Weiter westlich fiel mir der Mangel
von Hundezähnen auf, die ich zuerst in beschränkter Zahl wieder in Angriffshafen be-
obachtete.
Das werthvollste Tauschmittel sind, wie erwähnt, abnorm gekrümmte, fast cirkel-
runde Eberhauer.
//. Körperaiisput\.
Wie bei allen Papuas schmückt sich das männliche Geschlecht bei Weitem mehr
als das weibliche; alle im Nachfolgenden beschriebenen Gegenstände sind daher fast
ausnahmslos für Männer bestimmt.
A. Bekleidung.
Unter Bekleidung haben wir auch hier nur die zuweilen nothdürftige Bedeckung
der Schamtheile zu verstehen, wofür im Allgemeinen für Männer ein Tapazeugstreif,
für Frauen ein Faserschurz genügt. Völlig unbekleidet sah ich nur Männer in Adolph-
hafen und Humboldt-Bai (hier als Regel) und nach den Berichten von Dr. Schrader
gehen auch die Männer im Inneren, am Augustaflusse, meist nackt.
Dasselbe gilt im Allgemeinen auch für die männliche Jugend bis circa zum 10.
oder 12. Jahre, aber ich habe öfters (z. B. in Finschhafen) noch kleine Knaben bereits
mit der üblichen Schambinde bekleidet gesehen.
Tapa, d. h. Zeug aus geschlagenem Baumbast (vgl. I, S. 92), wird an der ganzen
Küste verfertigt, und zwar in verschiedenen Sorten. Gewöhnlich ist die Tapa ziemlich
grob und von bräunlicher Naturfarbe. Grössere Stücke solcher Tapa pflegen die kälte-
empfindlichen Papuas auch als eine Art Tücher zu benutzen, in welche sie bei kühler
Temperatur, namentlich in der Morgenfrische, ihren Oberkörper einhüllen. Tapa-
streifen zu Schambinden werden häufig gefärbt, meist mit rother Farbe eingerieben,
wie das folgende Stück.
Tapa (Nr. 258, i Stück), mit feinen cannelirten, eingedrückten Querstreifen. Insel
Grager.
Solche Schambinden färben ab und verlieren ihr schönes Aussehen sehr bald.
Andere in waschechter, meist rother Farbe,') zuweilen in recht hübschen Mustern be-
malt, halten sich länger, aber im Allgemeinen machen diese Schambinden doch einen
sehr armseligen und lumpigen Eindruck.
Für gewöhnlich genügt ein Stück ordinärer Tapa, das an einem Baststrick befestigt
ist und zwischen den Beinen durchgezogen, die Geschlechtstheile Suspensorium artig
verhüllt (wie Taf. XVI, Fig. 4 und 5 meines Ethnol. Atlas von Huongolf). Hier wie in
Finschhafen und auf Long-Insel ist aber häufig nur der Penis in den Tapastreif ein-
I) Das Färbemittel ist die Abkochung von Mangroverinde und ein sehr haltbarer Färbestoff,
86 Dr. O. Finsch. [224]
gewickelt, so dass das Scrotum sichtbar bleibt. In Astrolabe-Bai und weiter westlich
werden breite und lange Streifen Tapa oft zweimal um den Leib geschlungen, so dass
vorn ein Ende schürzenartig herabhängt. Diese meist bunt (roth) gefärbten Lenden-
binden (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XIV, Fig. i Bilia, und Fig. 2 Venushuk, und »Samoa-
fahrten« S. 55) kleiden sehr decent und hübsch.
Die folgende Nummer repräsentirt einen feinen
Mal (Bonguspr) (Nr. 248, i Stück), Leibbinde aus Tapa. Das Tapastück ist
5*6 M. lang und bildet eine oben 32 Cm., unten 10 Cm. breite Röhre, die in ihrer
ganzen Länge von dem betreffenden Baume abgezogen wurde. Das breite Ende ist in
gefälligem Grecmuster waschecht roth bemalt und der Länge nach mit 14 rothen
Streifen, Von Bogadschi (Astrolabe-Bai).
Sehr schöne Tapa in gefälligen Mustern sah ich unter Anderem auch auf Guap.
Junge Leute, die putzsüchtiger als die alten sind, tragen häufig unter der Leibbinde
von Tapa noch einen 10 — 16 Cm. breiten Gürtel aus feinem Geflecht, meist roth ge-
färbt, der gleich um den Leib geflochten ist und diesen unnatürlich einschnürt (vgl. II,
S. 3oo, Fig. 3), was auch hier als fashionabel gilt. Die Taillenweite eines jungen, circa
27 Jahre alten Mannes von Grager betrug in Folge dieses Einschnürens nur 65 Cm.,
bei einem anderen gar nur 60 Cm. Die Gürtel mussten, wie immer in solchen Fällen,
abgeschnitten werden. Diese Art Leibgürtel sind hauptsächlich im Archipel der zu-
friedenen Menschen und weiter westlich Mode (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XVI, Fig. 3
von Hatzfeldthafen). Sie werden in Astrolabe wie gewisse Armbänder >i4ri€ genannt,
wohl nach dem Material. Um dem Grasgürtel mehr Festigkeit zu geben, dient häufig
ein breiter Rindenstreif als Unterlage oder wird gleich unter der Tapaleibbinde getragen
wie das folgende Stück:
Leibgurt (Nr. 570, i Stück), aus Rinde. Massilia.
Ich beobachtete solche Rindengürtel von Astrolabe bis Angriffshafen. Sie werden
vorzugsweise von jungen Leuten getragen und sind zuweilen kunstlos roth und schwarz
bemalt. Fein gravirte Gürtel wie an der Südostküste (II, S. 315, Fig. 24 und 25) sah
ich nicht.
Ein besonders feines Stück ist die folgende Nummer:
Schamschurz (Nr. 249, i Stück), von Venushuk. Ein 3*6 M. langes, oben
22 Cm., unten 1 1 Cm. breites naturfarbenes Stück Tapa, mit reicher Verzierung aus
Flechtwerk, Na^^a-Muscheln und Menschenhaar. An dem breiten Ende ist eine 49 Cm.
breite Kante aus feinem Bindfaden geknüpft, in deren Mitte ein Querstreifen aus roth-
gefärbtem gespaltenen Rottang, jederseits mit einer Schnur aus Menschenhaar und einer
Reihe Nassa bordirt. Der untere Rand der Kante endet in neun Bögen, die mit Nassa
besetzt sind und an denen ebensoviel 48 Cm. lange Streifen befestigt sind, welche am
Ende länglich-runde Scheiben tragen ; Alles ist reich mit Muscheln (Nassa)y Menschen-
haar, schwarzen runden Fruchtkernen und Abschnitten von Cacadufedem verziert.
Diese Art Binden, welche ich nur bei Venushuk beobachtete, gürten den Leib,
während die reich verzierte Kante vorne schürzenartig herabfällt (vgl. »Samoafahrten«
Abbild., S. 292), was sehr originell und geschmackvoll kleidet.
Eine höchst originelle Schambekleidung der Männer findet sich zuerst in Angriffs-
hafen und von da weiter westlich, wie die folgenden Nummern.
Schamkalebasse (Nr. 900, i Stück — II, S. 350, Taf. XVIII [10], Fig. 5), aus
einem getrockneten Flaschenkürbis (Calebasse), von bauchiger Form, 21 Cm. Umfang,
mit hübschem eingebrannten Muster verziert; die Oeffnung (in welche der in die Vor-
[225I Ethnologische Erfahrungen und Belegistücke aus der SQdsee. gy
haut zurückgezogene Penis gesteckt wird) sehr eng, nur 20 Mm. Durchmesser (Fig. 5^).
Vom Sechstrohfluss.
Desgleichen (Nr. 901, i Stück), längliche Form, 11 Cm. lang; von Angriffshafen,
mit eingebrannter Zeichnung, OefTnung 3o Mm. weit.
Desgleichen (Nr. 902, i Stück) daher, länglich 16 Cm. lang und circa 5 Cm.
im Durchmesser; mit eingebrannter Zeichnung, darunter sehr erkennbar die einer
Eidechse (Taf. XVIII, Fig. 5^), Oeffnung 37 Mm. weit. In der Kalebasse befinden sich
noch Blätter, die zum Schutze des Penis oder zur Verstärkung desselben dienen, damit
beim Gehen die Schamkalebasse nicht abfällt.
Die Schamkalebassen bilden die häufigste, aber nicht ausschliessende Bekleidung
der Männer von AngrifTshafen und weiter westlich, denn manche bedienen sich statt
derselben des üblichen Tapastreifs. Die Mehrzahl der Männer in Humboldt-Bai, wo ich
diese Penisbekleidung ebenfalls beobachtete, ging übrigens völlig nackt einher. Die Art,
wie diese Kalebassen getragen werden, zeigt Taf. XVI, Fig. 7 in meinem Ethnol. Atlas.
Das weibliche Geschlecht ist schon von frühester Jugend an mit einem Faser^
schürzchen bekleidet und nur in Humboldt-Bai sah ich, das erste Mal seit Neu-Britan-
nien, junge mannbare Mädchen vollständig nackt. Die Frauen hier schlagen ein
breites, meist gemustertes Stück Tapa sarongartig um die Hüften (Abbild. »Samoa-
fahrten«, S. 354), aber auch in Humboldt-Bai bemerkt man Faserschurze, wie dies für
die ganze übrige Küste gUt. Diese Schürzchen oder Röcke stimmen ganz mit den Lami
(11, S. 3oo) an der SüdostkÜste überein und sind wie diese für gewöhnlich aus gröberer
Blattfaser (von Cocospalme) verfertigt, die besseren Sorten aus der feingespaltenen Blatt-
faser der Sagopalme und wie dort bunt *) (schwarz und kirschbraunroth oder schwarz,
roth und gelb) gestreift. Diese Faserschurze der Frauen, in Bongu auch y>MaU ge-
nannt, reichen meist bis zum und über das Knie und rings um den ganzen Leib.
Mädchen pflegen aber meist nur ein Doppelschürzchen zu tragen wie die folgenden
Nummern:
Schürzchen (Nr. 241, i Stück), aus Blatt fasern der Sagopalme, mit rothen und
naturfarbenen Längsstreifen; am oberen Rande mit zierlicher Bogenkante aus Bindfaden.
Das längere Schürzchen, welches über das Gesäss herabhängt, ist 39 Cm. lang und
19 Mm. breit, das vordere nur 3i Cm. lang. Finschhafen.
Desgleichen (Nr. 242, i Stück) schwarz und roth, zweitheilig; das vordere
Schürzchen ist 28 Cm., das hintere 45 Cm. lang. Friedrich Wilhelms-Hafen.
Diese Schürzchen bestehen zuweilen aus drei volantartig übereinander gelegten
Faserbüscheln (wie Abbild. »Samoafahrten«, S. 108) und werden an manchen Orten
auch von Frauen getragen, z. B. in Dallmannhafen (Ethnol. Atlas, Taf. XVI, Fig. 9).
Sehr schöne mit Muscheln (Nassa) und Federn verzierte Faserröcke erhielt ich in
Broken Water-Bai. Auf Bilibili scheint die Verfertigung von Weiberröcken lebhaft be-
trieben zu werden und sie gehören mit zu den Tausch artikeln, welche die Männer auf
ihren Handelsreisen mitnehmen.
Besondere Bekleidung der Frauen beobachtete ich einige Male in Finschhafen und
Huongolf. Dieselbe bestand in einem ausserordentlich grossen, sackartigen Ueberwurf aus
feiner Filetarbeit (bis 1-5 M. lang und 1*25 M. breit), welchen die Frauen über den Kopf
tnigen und sich darin einhüllten. Solche Ueber würfe heissen in Finschhafen T^Audun*,
ytxt die kleinen filetgestrickten Weiberkappen. In Finschhafen pflegten Frauen statt
1) Die Färbemittel fQr Schwarz und Roth sind Abkochungen von Mangroverinde, für Gelb höchst
wahnchcinlich Curcum^.
88 Dr. O. Finsch. [226]
des Faserschürzchens einzeln auch filetgestrickte Beutel vorder- und hinterseits in den
Leibstrick zu befestigen.
B. Schmuck und Zieraten.
a. Hautverzierung.
Tätowirung. Während wir dieselbe in reicher Ausbildung im Südosten (11,
S. 3oo — 305), sowie an der Ostspitze kennen lernten, fehlt sie an dieser ganzen Küste
durchaus. Ich war daher überrascht, zuerst wieder in Humboldt-Bai tätowirte Frauen
zu sehen, und zwar in neuen charakteristischen Mustern (vgl. Abbild. »Samoafahrten«,
S. 362). Am Sechstrohfluss hatte ein Mann auf der Stirne vier undeutliche Ringe täto-
wirt, der einzige Fall, welcher mir vorkam. Dagegen waren Ziernarben auf Achseln
und Brust, meist in sehr erhabenen Schnörkeln, zuweilen förmliche Figuren bildend
(vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 334), nicht selten bei Männern westlich von Astrolabe-
Bai, ganz besonders von Angriffs- bis Humboldthafen. Hier bemerkte ich auch häufig
bei Frauen stark hervortretende Ziernarben, die, wie in Neu-Britannien (I, S. 96) als
Schönheit gelten.
In Astrolabe-Bai (Bongu) beobachtete ich bei beiden Geschlechtern auf Schultern
und Armen kleine Brandwunden, reihenweise angeordnet, ganz wie dies in den Gilberts-
Inseln Sitte ist.
Bemalen des Körpers ist an der ganzen Küste üblich, es würde mich aber hier zu
weit führen, in Details zu gehen. Rothe Farbe spielt auch hier die Hauptrolle; schwarz
scheint, wie überall, Zeichen der Trauer zu sein. Zu den allgemein üblichen Farben
Roth, Schwarz, Weiss, die aus denselben Stoffen bereitet werden wie überall (z. B. Neu-
Britannien, I, S. 95, 96), kommt in gewissen Gebieten von Kaiser Wilhelms-Land noch
Gelb und Grau. Erstere Farbe ist eine gelbe Ockererde, die ich zuerst in Dalimannhafen
verwendet sah und die ganz besonders im Inneren des Augustaflusses benutzt wird.
Das folgende Stück:
Graue Erde (Nr. 933, i Probe), flacher, runder Fladen von 20 Cm. Durchmesser,
in der Mitte ein Loch, um ein Band zum Tragen hineinzuknüpfen. Vom Sechstrohfluss.
Dient, wie ich seither belehrt worden bin, ebenfalls zum Bemalen und ist nicht, wie ich
irrthümlich annahm, »essbare Erde« (Kat. II, S. 11 und 35; Kat. der Austeil. Bremen,
S. 9; »Samoafahrten«, S. 295 und 346). Ich erhielt diese Erde zuerst bei Venushuk, sie
wurde aber nach Westen häufiger und namentlich am Sechstrohfluss zum Kauf ange-
boten. Die Eingeborenen schienen anzudeuten, dass sie diese Erde essen, und mir schien
dies glaublich, weil sie kleine Proben davon genossen. Auch sah ich hier keine graue
Bemalung des Körpers, Wohl war mir dieselbe aber vorher bei Tagai aufgefallen, wo
einzelne Männer breite, grau gemalte Streifen über Brust und Rücken zeigten (vgl.
»Samoafahrten«, S. 325, Abbild.); aber hier erhielt ich zufälligerweise nicht das Fär-
bungsmaterial selbst.
Wenn Bemalen in der Toilettenkunst der Papuas obenan steht, so besitzen die
der Küste von Kaiser Wilhelms-Land noch besondere Toilettenmittel. Dazu gehört
eine Art Zahnpulver, anscheinend eine mergelartige graue Erde in Pulverform. Sie
heisst in Finschhafen »Gasu€ und wird zuweilen in hölzernen Büchschen (aus einem
markleeren Stückchen Zweig) oder solchen aus Bambu, Da genannt, aufbewahrt. Durch
das Abreiben der Zähne mit diesem Pulver werden dieselben, trotz des Betelgenusses,
weiss erhalten.
[227] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. So
Ausserdem erhielt ich ein wohlriechendes Harz (z. B. in Friedrich Wilhelms-
Hafen), das die Männer häufig in Form kleiner Kugeln in ihren Brustbeuteln mit sich
führen. Nach Hollrung wird das Harz mit dem wohlriechenden Ocymum sanctum
zusammengeknetet.
b, Frisuren und Haarschmuck.
Wenn wir zunächst das Haar selbst betrachten, so unterliegt dasselbe bei Papuas
in noch höherem Masse künstlicher Behandlung als bei uns. Schon von der zartesten
Jugend an wird es mit Farbe, Russ, Erde u. dgl. eingerieben, rasirt, aufgezaust, zu be-
sonderen Frisuren gruppirt, wie wir dieselben zum Theil schon im Vorhergehenden
(II, S. 3o6) kennen lernten. Bei der Fülle von Material, welches ich über Haar, dessen
Behandlung und Ausschmückung in Kaiser Wilhelms-Land sammelte, muss ich mich
hier auf allgemeine Bemerkungen beschränken. Da mag zunächst erwähnt werden,
dass Männer viel grössere Sorgfalt auf das Haar verwenden als Frauen, und ferner dass
die verschiedene Behandlung des Haares vom Lebensalter sehr beeinflusst wird, wie
schliesslich vom Individuum selbst. Denn auch unter den Papuas gibt es Personen mit
schwachem Haarwuchs, der sich selbst bis zur Glatze steigert, obwohl solche im Ganzen
sehr selten sind. Kinder beiderlei Geschlechts tragen meist kurzes Haar oder haben
häufig den ganzen Kopf rasirt, was schon aus praktischen Gründen geschieht, da das
Einschmieren mit feuchter Asche zur Ausrottung der Läuse nicht ausreicht. Angesichts
des sauber rasirten Kopfhaares, wie es nicht blos bei Kindern, sondern auch Frauen
vorkommt, muss man staunen, wie diese Procedur ohne eiserne Werkzeuge möglich
ist. Aber die scharfe Kante einer Steinbeilklinge oder eines Stückchen Bambu schneidet
gar nicht so schlecht, und mit solchen »Messern« wird die Haarfülle abgeschnitten, wie
ich selbst beobachten konnte. Zum Rasiren werden (wie Maclay lehrt) gewisse scharf-
randige Gräser benutzt, das Barthaar meist durch Ausreissen entfernt, wie ich dies in
Neu-Britannien oft sehen konnte.
Junge Leute pflegen das Haar meist an der Basis des Hinterkopfes abzurasiren
und lassen es im Uebrigen länger wachsen, so dass es in seiner Gesammtheit den Kopf
ähnlich wie eine kurze dichte Pelzkappe bedeckt (vgl. II, S. 3oo, Fig. 4, und Abbild.
»Samoafahrten«, S. 323, Bursche von Tagai, und S. 284, Mädchen von Teste-Insel).
Diese Art Haartracht ist am* häufigsten und von mir längs der ganzen Küste beobachtet
worden, ebenso jene, welche bei etwas längerem Haare diese zu Zotteln verfilzt. In
Folge der spiraligen Structur ist das Papuahaar ohnehin sehr geneigt, sich zu Klümp-
chen zu verschlingen, und Einreibungen von Erde, Farbe, geschabter Cocosnuss (nicht
Oel) etc. thun ein Uebriges, um Zotteln zu bilden, wie sie namentlich auch für das weib-
liche Geschlecht zur Regel werden (vgl. »Samoafahrten«, S. 40, Weiber von Bongu).
Junge Mädchen und Frauen, die mehr Sorgfalt anwenden, pflegen häufig das Haar in
dünnen, bleistiftdicken, zusammengedrehten Strähnen zu tragen, die vorne bis auf die
Augen, hinten bis in den Nacken herabhängen, mit rother Farbe eingerieben werden
und sehr artig kleiden (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 108, Mädchen von Grager, und
S. 362, Frau von Humboldt-Bai). Afop, d. h. jene durch Aufzausen künstlich herge-
stellten Haarwolken, wie sie namentlich bei den Motumädchen an der Südostküste (vgl.
II, S. 3o3, Fig. 6) so beliebt sind, habe ich in Kaiser Wilhelms-Land beim weiblichen
Geschlecht nicht gesehen, wohl aber bei jungen Burschen, die am putzsüchtigsten sind.
I^iese Haarwolken (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 333, Massilia) sind übrigens, dick
"™it rother oder schwarzer Farbe eingeschmiert oder bepudert, blos Festschmuck und
go Dr. O. Finsctu [2281
gelten nicht für alltags. Haarwolken kommen hauptsächlich in Astrolabe-Bai und
Friedrich Wilhelms-Hafen vor. Hier bedienen sich die jungen Leute (Malassi in
Bongu) noch einer besonderen Art zierlicher Bändchen , die ich sonst nirgends an-
getroffen habe^.wie die folgenden Nummern.
Dedal (Nr. 278 — 280, 3 Stück), Haarbänder von Grager, circa 10 — 15 Mm. breit
und circa 25 — 3o Cm. lang, aus sehr dünner Pflanzenfaser {PandanuS'BlBXt})y äusserst
zierlich, durchbrochen geflochten und mit Kalk weiss bemalt, so dass sie wie fein ge-
häkelt aussehen (Ethnol. Atlas, Taf. XVII, Fig. 7, 8) und sehr geschmackvoll kleiden.
Jede Seite des Bandes endet in eine hölzerne Nadel zum Feststecken, und das Band
dient dazu, das Haar (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 87) niederzuhalten. Zu diesem
Zwecke werden auch kunstlose, circa 3 Mm. breite Reifen aus gespaltenem Rottang be-
nutzt. Von Massilia westlich ist mir bei jungen Leuten zuweilen eine besondere Haar-
frisur aufgefallen: der Kopf war bis auf einen Mittellängsstreif rasirt, wie dies in Neu-
Irland (I, S. 128) so häuflg geschieht.
Erwachsene Männer (Tamo in Bongu) tragen keinen Mop, dagegen eine andere
Art Haartracht, die in Constantinhafen »Gatessi* heisst und für einen grossen Theil
dieser Küste charakteristisch wird. Die Haare am Hinterkopfe lässt man nämlich
wachsen, so dass sie im Vereine mit eingeriebener Erde u. s. w. lange gedrehte Strähne
bilden, die oft bis tief in den Nacken herabhängen (vgl. »Samoafahrten«, S. 283) und
zuweilen so lang sind, dass sie vorne über die Schulter gelegt werden können. Gatessi
sind der Stolz der Männer, werden aber bei Weitem nicht von allen getragen. Sie sind
in Astrolabe-Bai am häufigsten; ich beobachtete sie aber auch in Huongolf und ver-
einzelt bis Dallmannhafen.
In Huongolf sah ich ein paar Mal Männer, welche das ganze Kopfhaar in dünne
Stränge gedreht hatten, die längs der Scheitelmitte abgetheilt, an jeder Seite tief herab-
hängen, wie die folgende Probe:
Längste Haarsträhne (Nr. 271) eines Mannes von Parsihuk. Dieselbe hat 18 engl.
Zoll Länge und reichte. bis über die Brustwarze hinaus (vgl. Abbild. »Samoafahrten«,
S. 157). Der Träger schien ein hoher Herr zu sein und schnitt mir Proben dieses Haares,
wie ich sonst nie wieder in Neu-Guinea zu sehen bekam, mit einem Steinbeile ab. Als
Gegensatz zu dieser künstlichen Haarbildung kann die folgende Nummer dienen.
Nackenhaar (Nr. 270) eines Mannes von Tagai. Dasselbe bildet eine dicke,
dichte, filzartige Masse, die über den ausrasirten Hinterkopf tief in den Nacken herab-
reichte (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 325).
Ich sah derartig abnormes Haar nur von Tagai bis Angriflshafen, und zwar sehr
vereinzelt, so dass dasselbe möglicher Weise als Auszeichnung besonders hoher Häupt-
linge gelten mag.
Wie im Osten Gatessi, so werden im Westen (von Hatzfeldthafen bis Tagai)
Zöpfe charakteristisch. Ich meine damit nicht Zöpfe, wie sie in der darnach benannten
Zeit Mode waren, sondern eine Vereinigung des gesammten Haares des Hinterkopfes.
Dasselbe bildet dann eine dichte, bis 0*24 M. lange Masse, die wagrecht absteht, mit
Blattstreifen o. dgl. umbunden (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 299) oder in beson-
deren Haarkörbchen getragen wird, wie die folgenden Nummern :
Haarkörbchen (Nr. 352, i Stück), ein 24 Cm. langer, an der Basis 9 Cm., am
Ende 6 Cm. Durchmesser haltender, daher etwas konischer Cylinder von feinster Korb-
flechtarbeit, über Bambusstäbe, mit reichem Muster von Nassa besetzt; an der Basis eine
2 Cm. breite Binde aus rothem Geflecht, mit Nassa bordirt, und einem Conusring; am
Ende eine breite Binde aus fuchsrothem Cuscusfell; ausserdem vier Anhängsel aus
[229] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gi
schwarzen Fruchtkernen und feinen Kettchen, am Ende der letzteren ist je eine abge-
schnittene Feder (wohl von Eudynamis) angebunden. Vom Caprivifluss in Krauel-Bai.
Diese Anhängsel sind oft sehr zierlich wie das folgende Stück:
Schmuck für Haarkörbchen (Nr. 5x5, i Stück), bestehend aus einem 45 Cm.
langen, sehr fein aus Pflanzenfaser (Art Gras) geflochtenen Kettchen, an welches einige
}^a$sa und ein runder schwarzer Fruchtkern befestigt sind (ähnlich wie die Kettchen
an dem Haarkörbchen im Ethnol. Atlas, Taf. XVIII, Fig. i d). Vom Hammacherfluss.
Diese Art Kettchen werden häufig auch zum Ausputz von C^m^/um-Brustschmuck
(siehe weiter zurück Nr. 586) benutzt.
Haarkörbchen (Nr. 353, i Stück), ähnlich dem ersten, feine Flechtarbeit mit
Endborte von Cuscusfell. Von Potsdamhafen.
Desgleichen (Nr. 354, i Stück), nur 11 Cm. lang, gröberes, rothgefärbtes Ge-
flecht, an der Basis mit Strick von Menschenhaar, Nassa und vier Conusringen verziert.
Von Venushuk.
Die Haarkörbchen werden mit den vorragenden Enden des Gestelles oder beson-
deren Nadeln aus Bein im Haar festgesteckt, das die Männer, welche Haarkörbchen
tragen, meist von der Stirn bis zur Scheitelmitte abrasiren. Moresby gedenkt der
Haarkörbchen zuerst kurz von Lesson-Insel. Ich fand sie von Venushuk bis zum Caprivi-
fluss am häufigsten, aber keineswegs von allen Männern getragen. Sie dürften daher
ebenfalls Auszeichnung für Reichere, vielleicht Häuptlinge sein. Ein reich verziertes
Haarkörbchen ist im Ethnol. Atlas, Taf. XVIII, Fig. i, abgebildet, die Art, wie sie ge-
tragen werden, in den »Samoafahrten«, S. 292 von Venushuk, S. 3o2 vom Caprivi. Sehr
beliebt als Schmuck der Haarkörbchen sind lange Streifen Cuscusfell (wie sie der Mann
der letzteren Abbildung zeigt), Wülste von Casuarfedern, wie ich sie einzeln bei Tagai
sah, sowie besondere, oft äusserst kunstvolle Binden, wie die folgenden Nummern :
Schmuckbinde für ein Haarkörbchen (Nr. 357, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV
[6], Fig. 15, Theil derselben), 25 Cm. langes, sehr feines Flechtwerk von Bindfaden mit
Ringen von Conus (a)^ die jederseits (b) von einer Reihe Nassa bordirt sind; in der
Mitte ist ein 6 Cm. langer Stiel aus rothem Flechtwerk (rothen Lederstreifchen ähnelnd)
befestigt mit zwei grösseren Conu^-Ringen, als Halter einer 29 Cm. langen Feder (wohl
vom Hahn). Vom Hammacherfluss an der Hansemannküste.
Desgleichen (Nr. 355, i Stück), aus fünf Reihen aufgeflochtener Nassa, in der
Mitte ein Aufsatz aus sechs Hundezähnen, die jederseits mit Nassa, Schnur aus Men-
schenhaar und rothgefärbten gespaltenen Rottang bordirt sind. Daher.
Desgleichen (Nr. 356, i Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. 4), 40 Mm.
breiter Streif aus Bindfaden in kunstreicher Knüpfmanier hergestellt, in welchen zwei
Reihen Nassa und eine Längsreihe kleiner Conu^-Ringe eingeflochten sind und der (a)
in 20 Cm. lange Bindebänder endet. Die Mitte ziert eine dünne Schildpattplatte mit
Gravirung und durchbrochener Arbeit, die an der Basis mit einer Reihe Nassa und
einer Schnur aus Menschenhaar (b) eingefasst ist. Vom Caprivifluss in Krauel-Bai.
Eine den Haarkörbchen ähnliche Kopfzier bildet die folgende Nummer:
Haarcylinder (Nr. 358, i Stück) von Dalimannhafen; eine 3i Cm. lange Röhre
von 17 Cm. Durchmesser, aus gebleichtem Pandanus-BlaXty sehr sauber verfertigt (ge-
näht), die mit langen beinernen Nadeln im Haar festgesteckt wird und sehr auffallend
kleidet (vgl. Abbild. »Samoafahrtenc, S. 3b6 und S17),
Ich sah diese merkwürdigen Röhren nur in Dallmannstrasse, namentlich auf
Muschu (Insel Gresspien). Die sonderbare Kopftracht der Eingeborenen des nahe-
g2 Dr. O. Finsch. [23ol
gelegenen Kairu (d*Urville-Insel), welcher Bei eher gedenkt, bezieht sich wahrscheinlich
auf diese Röhren, aber die Länge ist mit i8 Zoll entschieden übertrieben angegeben.
Eine andere Art Kopfcylinder, aus einer Röhre von Baumrinde bestehend, bemalt
und reich mit Nassa und Hundezähnen yerziert, erhielt ich einmal in Finschhafen.
Derartige Cylinder ohne Verzierung dienen auch als Unterbau flir die Tapamützen.
Wenn die vorhergehenden Stücke nur scheinbare Kopfbedeckungen repräsen-
tiren, so kommen doch auch wirkliche vor. Von Huongolf bis zur Küste des Terrassen-
landes (Cap Teliata) pflegen die Männer nämlich den Kopf mit Stücken Tapa (meist
I '5 M. lang und 50 Cm. breit) zu umwickeln. Zuweilen entsteht dadurch eine förmliche
Mütze, wie das folgende Stück :
Tapamütze (Nr. 359, i Stück) eines Mannes von Huongolf.
Die Tapa (Obo in Finschhafen) ist meist roth') oder roth und weiss gefärbt, sehr
fein und wird zuweilen in Form einer hohen, oft spitzen (vgl, Abbild. »Samoafahrten«,
S. 155) Mütze getragen, welche Moresby mit der bei den Parsen üblichen vergleicht
und deshalb den Namen ^Parsee- Point* creirte. Die Bergvölker des Inneren von Port
Moresby pflegen das Haar auch mit Tapastreifen, aber turbanartig, zu umhüllen (II,
S. 3o6). In Finschhafen sah ich auch hohe, oben runde Tapamützen (Obo), die über
ein Gestell aufgebaut waren (Abbild. »Samoafahrten«, S, 179), sowie solche von Men-
schenhaar, über ein Holzgestell befestigt (Parung genannt), genau in der Form von
Derwischkappen. Derartige Kopfbedeckungen scheinen Auszeichnung der Häuptlinge
(Abumtau) zu sein, denn sie sind im Ganzen selten. Beiläufig mag noch bemerkt sein,
dass ich bei Iris-Point einen Mann sah, der sein Haar in einem filetgestrickten Netzbeutel
trug, ähnlich wie dies die Weiber in Finschhafen zuweilen thun. Solche filetgestrickte
Weiberkappen heissen hier *Audun*. Bei Festungshuk (wie an der Südwestküste von
Neu-Britannien, Hansabucht) trugen Männer zuweilen eine Binde um den Kopf, die
aus einem Faserstoff (ähnlich Hede) zu bestehen schien.
Im Sinne von Kopfbedeckung sind auch gewisse Felle zu betrachten, wie die fol-
gende Nummer:
Kopfbedeckung (Nr. 3 60, i Stück) eines Mannes, bestehend aus dem Fell eines
Cw5CM5-Beutelthieres (Phalangista) von Venushuk.
Derartige Felle werden vorzugsweise von solchen Personen benutzt, die ihren
spärlichen Haarwuchs damit verdecken und verbergen wollen, man sieht sie deshalb
nicht häufig. Ich beobachtete sie einzeln vom Herculesflusse bis Dallmannhafen. In
Hatzfeldthafen erhielt ich sehr schöne Kopfbedeckungen aus dem Fell eines weissen
Cuscus, Der Kopf fehlte, aber Klauen und der lange Schwanz waren erhalten, an den
Krallen Schnüre von Coixsamen als Zier befestigt. Am Hammacherflusse sah ich reich
mit Federn (Hahn, gelbe Cacaduhaubenfedern und Papagei, Eclectus) verzierte Cuscus-
feUe. Derartige Cuscusfelle werden zuweilen auch als Schmuck über den Haarkörbchen
getragen.
Bart. Wie bei den Papuas im Allgemeinen, so ist auch bei den Bewohnern dieser
Küste Bartwuchs nicht besonders beliebt, wenn auch immerhin mehr als anderwärts,
z. B. an der Südostküste, was ich in meiner Abhandlung (II, S. 3o6) zu bemerken ver-
gass. Jüngere Leute entfernen fast ausnahmslos das Barthaar durch Rasiren oder Aus-
reissen und erst Männer in vorgerückten Jahren lassen den Bart wachsen, beschneiden
ihn aber. Am häufigsten sieht man Kinn- und Backenbärte (wie die Abbild. »Samoa-
») Nach Dr. Hollrung wird dies Roth in einer Abkochung der Rinde von Bruguiera gymno-
rhi\a und Rhi^ophora hergestellt.
[231] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. q3
fahrtency S. 135, 179, 3o6 und 325), seltener solche im Vereine mit Schnurbärten;
letztere allein sind mir nie vorgekommen.
In gewissen Strichen von Kaiser Wilhelms-Land (von Hatzfeldthafen bis Guap)
wird aber der Bart besonders gepflegt und zuweilen in auffallender Weise verziert, wo-
von die Sammlung in den folgenden Nummern sehr charakteristische Belegstücke auf-
weist.
Backenbart (Nr. 275, i Probe), an den Spitzen mit angeklebten Thonklümpchen
verziert. Von Hatzfeldthafen. •
Obwohl im Ganzen genommen selten genug, sieht man diese einfachste Art, den
Bart zu verzieren, noch am häufigsten. Weit seltener ist die folgende Form:
Backenbart (Nr. 276, i Stück) eines Häuptlings vom Caprivifluss (Krauel-Bai)
(II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 17) mit reichem Ausputz: a in die Haare eingeflochtenes
Flechtwerk von Bindfaden, in welches (b) eine Reihe Nassa geflochten sind, als An-
hängsel sieben Reihen, bestehend je aus einem Muschelplättchen (c)y einer runden
schwarzen Fruchtschale (d), die ober- und unterseits (e) mit Na^^ö- Muscheln garnirt ist
und in ein fein geflochtenes Kettchen (f) endet.
Ich sah so reichen Bartausputz nur wenige Male und gehe wohl nicht fehl, wenn
ich die Träger solcher Barte als Leute von hohem Range betrachte. Zuweilen dienen
ausser Muschelstückchen auch Hundezähne als Bartanhängsel (Abbild, von Eingebore-
nen mit verzierten Barten in »Samoafahrten«, S. 299, von der Hansemannküste und
S. 3x7 von Guap). Wie Kinnbärte mit zu den seltensten Bart formen gehören, so ganz
besonders verzierte, wie die folgende Nummer:
Kinnbart (Nr. 274, i Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. 3) aus röthlich-blon-
dem, zum Theil dunkel gemischtem Haar, eine 37 Cm. lange spitze Röhre bildend, die
reich verziert ist: a Schnüre von JVa55a-Muscheln, b von rothgefärbtem Rottang; der
untere Theil des Bartes, c, ist sorgfältig mit gespaltenem Rottang eingeflochten; d kleine
Con2/5-Scheiben; zwei längsgespaltene dünngeschliffene Eberhauer (e) sind am Ende
eingeknotet. Dieses Unicum eines Kinnbartes gehörte Wulim, einem alten Häuptlinge
des Dorfes Rabun in Dalimannhafen, der mir denselben schenkte. Es ist anzunehmen,
dass bei der enormen Länge dieser Bart nicht nur aus dem eigenen Haar besteht, son-
dern dass fremdes mit eingebunden ist, was aber erst durch Auflösen des Bartes festzu-
stellen wäre. Ein werthvoUes Stück ist die folgende Nummer :
Bartzierat (Nr. 277, i Stück), bestehend aus zwei der Länge nach gespaltenen
und dünngeschliffenen Eberhauern. Dallmannhafen. Diese Eberhauer (welche auch als
Nasenzierat dienen) werden am Ende des Bartes befestigt, wie Taf. XVII, Fig. 3 (vgL
auch Abbild. »Samoafahrten«, S. 292 von Venushuk, und S. 3o2 vom Caprivifluss).
Die beim Papua meist gut und reichlich entwickelten Augenbrauen werden, um
dies noch zu bemerken, auch von den Bewohnern dieser Küste, namentlich der Jugend,
entfernt, d. h. abrasirt oder ausgerissen.
Käinni6 sind auch in diesem Gebiete sehr beliebt. Sie werden nur von Männern
und nicht, im Sinne unserer Kämme, alltäglich gebraucht, sondern dienen mehr als
Schmuck bei festlichen Gelegenheiten, namentlich für die Jugend. Die hier gebräuch-
lichen Formen weichen nicht unerheblich von den an der Südostküste ab.
Am eigenthümlichsten ist derjenige Typus von Kämmen, wie ich denselben von
Huongolf bis zur Dampier-Insel (Karkar) verbreitet fand und der für dieses Gebiet
charaktenstisch zu sein scheint. Diese Kämme (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XVII, Fig. i)
ähneln mehr den von unseren Frauen gebrauchten Einsteckkämmen, sind wie diese
g^ Dr. O. Finsch. [232]
vielzinkig und aus einem Stück Bambu gearbeitet. Sie sind oft sehr kunstreich mit
durchbrochener Arbeit und zierlicher Gravirung, wie das folgende Stück:
Supoa (Nr. 290, i Stück), Haarkamm aus Finschhafen, sehr fein mit sieben Zinken,
am Endrande durchbrochen und fein gravirt; als besonderer Schmuck ist ein aufrecht-
stehender Busch Casuarfedern (»Mu/c genannt) an diesem Kamme befestigt.
Haarkamm (Nr. 286, i Stück), von Friedrich Wühelms-Hafen (Insel Bilia); wie
vorher, 23 Cm. lang und 9 Cm. breit, mit 14 Zinken, der 7 Cm. breite Endrand durch-
brochen gearbeitet, mit Gravirung und roth bemalt.
Desgleichen (Nr. 288, i Stück), daher (Insel Grager); wie vorher, zwölfzinkig,
mit Casuarfederbüschel verziert.
Desgleichen (Nr. 289, i Stück), daher, wie vorher; zwölfzinkig, mit rothgefärb-
tem Farrenbüschel und einer weissen Hahnenfeder verziert.
Desgleichen (Nr. 285, i Stück), daher, wie vorher; achtzinkig, mit Pflanzen-
büschel geschmückt.
Kämme dieser Art, in Bongu *Gatiassem€y auf Bilibili >Kodeng€ genannt, wer-
den, wie die vorhergehenden Nummern zeigen, gewöhnlich noch besonders verziert,
wie sie überhaupt zum Festschmuck gehören. Junge Leute pflegen den Kamm meist
mit Blättern und einer Feder zu zieren (wie Nr. 289), Männer mit Federn, besonders
vom Casuar (wie Nr. 290) oder rothen Papageien (Eclectus). Die Kämme werden von
vorne oder von hinten ins Haar gesteckt, zuweilen auch seitlich hinter den Ohren (wie
der junge Mann von Grager, »Samoafahrten«, S. 87).
In Astrolabe-Bai, ganz besonders aber Friedrich Wilhelms-Hafen, bedienen sich
junge Leute noch einer anderen Art Kämme als Haarputz wie:
Haarkamm (Nr. 287, i Stück), Insel Grager (hier »5fi< genannt)« besteht aus
vier Stäbchen, deren zusammengebundenes Ende einen circa 70 Mm. langen Stiel bildet,
der abwechselnd mit je zwei rothen, gelben und schwarzen Streifen aus gefärbter
Pflanzenfaser (einer Art Stroh) umwickelt, am Ende mit einer Nassa verziert ist.
Eine andere Form von Kämmen ähnelt mehr den an der Südostküste gebräuch-
lichen (II, S. 3o6, Fig. 12) und besteht im Wesentlichen aus mehreren, am Ende zu-
sammengebundenen langen Stäbchen, meist von Holz, die aber in ganz anderer Weise
mit eigenthümlichem Schmuck verziert sind, wie in der folgenden Nummer:
Haarkamm (Nr. 291, i Stück — II, S. 344, Taf. XV [7], Fig. 4,7, n. Gr.), be-
steht aus vier hölzernen runden Stäbchen, die mit Bindfaden verbunden, am Stielende
mit rothgefärbtem feingespaltenen Rottang umflochten sind, an dieses Geflecht ist (a)
ein Knopf aus einer runden schwarzen Nuss befestigt, (b) mit einer Reihe Nassa-
muscbeln bordirt und an welchen (c) ein feingeflochtenes Kettchen befestigt ist. Vom
Hammacherfluss.
Ich fand derartige Kämme von Hatzfeldthafen westlich bis Dalimannhafen, indess
stets sehr vereinzelt, da in diesem Gebiete die Haare viel in dichte Zöpfe zusammen-
gebunden in Haarkörbchen (S. 90 vorher) getragen werden. Kämme also weniger zur
Geltung kommen. Einen hierher gehörigep Kamm mit besonders reichen Schmuck von
Zieraten (Kettchen mit Nassa, schwarzen Fruchtkernen, Federn) habe ich im EthnoL
Atlas, Taf. XVII, Fig. 2, abgebildet.
Von Dallmannhafen westlich bis Humboldt-Bai tritt eine dritte Art Kämme auf,
wie immer lediglich als Kopfputz der Männer dienend, die ebenfalls aus zusammen-
gebundenen langen Stäbchen besteht, wie die folgende Nummer:
Haarkamm (Nr. 295, i Stück), von MassUia, besteht aus sieben dünnen, runden,
26 Cm. langen Stäbchen von hartem schwarzen Holz (wohl Ebenholz), die zusammen-
[233] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. nc
gebunden sind, am Ende ist eine Betelnuss befestigt; als Ausputz dienen wohlriechende
Blätter und eine i8 Cm. lange Brustflosse eines Fisches (wohl Bonite = Scomber),
Desgleichen (Nr. 292, i Stück) von AngrifTshafen; wie vorher, aus sieben Stäb-
chen bestehend, die fein miteinander verflochten sind, besonders hübsch vor den Zinken;
am Ende ist eine Art Betelnuss befestigt.
Desgleichen (Nr. 293, i Stück), daher; wie vorher, siebenzinkig, am Ende eine
Betelnuss und ein Haarbüschel (runder Ball) aus Cuscusfell.
Desgleichen (Nr. 294, i Stück), daher, bestehend aus acht dünnen, runden,
42 Cm. langen Stäbchen aus Hartholz, die in der Mitte, 8 Cm. lang, durch äusserst
feines abwechselnd schwarz und hell gemustertes Flechtwerk aus Zwirn verbunden sind;
an der Spitze eine Betelnuss, ausserdem als Anhängsel vor derselben zahlreiche bis
40 Cm. lange Fäden, an deren Basis halbdurchschnittene Coixsamen und blaue Abrus-
Bohnen aufgereiht sind, die sehr elegant, wie Schmelzperlen aussehen, sowie einzelne
Paradiesvogelfedern.
Charakteristisch für diese Art Kämme, die ich hauptsächlich in Angriffshafen fand,
ist die feine Flechtarbeit, welche die Stäbchen verbindet, und das Anhängsel am Ende,
das zum Theil aus einer kunstreich gearbeiteten Bommel von Nassa, kleinen schwarzen
Samenkernen, Coixsamen, nicht selten Hundezähnen besteht (vgl. Ethnol. Atlas,
Taf. XVII, Fig. 3). In den Troddeln solcher Kämme von Angriffshafen fand ich ein
paar Mal grössere blaue und weisse Emailperlen eingeflochten, die einzigen europäischen
Erzeugnisse, welche mir hier vorkamen. Ein Kamm von Angriffshafen war mit einer
bunt bemalten Holzschnitzerei, ein Säugethier darstellend, an der Spitze verziert, so-
wie mit einem feingeflochtenen Graskettchen; als Behang auch einige Stückchen
Massoirinde.
Bei Tagai fand ich eine Art Kämme aus einem langen, schmalen, dünnen Stück
Holz verfertigt, mit Federschmuck (Haubenfedern der Krontaube, Goura) am Ende,
die über die Stirn vorragend im Haare stecken (vgl. Bild »Samoafahrtenc, S. 325), also
ganz gleich wie die Haarkämme an der Südostküste getragen werden.
Kopfputz aus Federn, nur von Männern getragen, werden wir, in der schönen
Reihe dieser Sammlung, zum Theil in sehr schönen Stücken und neuen Formen kennen
lernen.
Federkopfputz (Nr. 349 i, i Stück), aus weissen Hahnenfedern, die an einem mit
buntem Stroh umflochtenen Stöckchen befestigt sind, wie der Stiel des Haarkammes
(S. 94, Nr. 287). Vom Friedrich Wilhelmshafen, Insel Grager (hier ^Kalun< genannt).
Desgleichen (Nr. 345, b Stück), von Tagai, grosses Büschel aus weissen zer-
schlissenen Flügelfedern vom Cacadu, mit einzelnen Haubenfedern des schwarzen
Cacadu (Microglossus)^ das lange schmale Spitzenende aus rothen Papageifedern (von
Dasyptilus Pesqueti) und einigen gelben Cacaduhaubenfedern.
Desgleichen (Nr. 349, i Stück), daher; besteht aus zwei weissen Flügelfedern
vom Cacadu, mit einigen gelben Haubenfedern desselben Vogels und rothen Papagei-
Schwanzfedern (vom weiblichen Eclectus) mit zwei langen Mittelschwanzfedern eines
Eisvogels (Tanysiptera)y die an einem mit roth- und schwarzgefärbter Pflanzenfaser
(Art Gras) umwundenen Stiel befestigt sind.
Desgleichen (Nr. 346, i Stück), daher; 60 Cm. lang, rund, cylindrisch, aus rothen
Papageifedern (Dasyptilus)y mit einzelnen weissen Hahnenfedern, an der Spitze ist
eine lange weisse Hahnenschwanzfeder, an diese eine grüne Schwanzfeder von Papagei
(männlichen Eclectus) befestigt.
g6 J^r. O. Finsch. [2341
Desgleichen (Nr. 347, i Stück), daher; ein langes, schmales Stück Bambu, auf
welches abwechselnd rothe (Dasyptilus) und weisse Cacadufedern aufgebunden sind,
in der Mitte und am Ende gelbe Cacaduhaubenfedern.
Desgleichen (Nr. 348, i Stück), daher; ein kürzeres schmales Stück Bambu, auf
welches rothe Papageifedern (von Dasyptilus) gebunden sind; am Ende eine gelbe
Cacaduhaubenfeder.
Desgleichen (Nr. 349 fr, i Stück), daher; wie vorher, aber am Ende eine weisse
Feder.
Desgleichen (Nr. 349 a, i Stück), daher; wie vorher, aber aus grünen Papagei-
federn (von jFc/ec/w^- Weibchen); am Ende eine weisse Cacadufeder.
In Finschhafen erhielt ich auch schöne Federbüschel aus Casuar- und Dasyptilus-
Federn, »TamboU genannt.
Federschmuck wird eigentlich nur bei festlichen Gelegenheiten getragen, von
Jungen Leuten meist nur eine oder wenige Federn (meist weisse Hahnenfedern), von
Männern gewöhnlich complicirterer Federputz, wie die vorhergehenden Stücke. Am
beliebtesten für Männer sind Kopfbinden aus Casuarfedern, die indess meist von den
an der Südostküste üblichen (vgl. II, S. 307) dadurch abweichen, dass sie aus dicht zu-
sammengebundenen, häufig geschorenen Federn bestehen, also zum Theil bürstenartige
Wülste bilden. Ich sah derartigen Federkopfschmuck am häufigsten im Westen von
Venushuk bis zum Sechstrohfluss. Kopf binden aus den Federbüschen von den Brust-
seiten des männlichen Paradiesvogels, wie die ^Lokohu* an der Südostküste (II, S. 307),
habe ich in diesem Theile Neu-Guineas nicht bemerkt, wohl aber die ganzen Seiten-
büschel im Haar tragen sehen (wie der Mann von Tagai, »Samoafahrten«, S. 325). Von
den zahlreichen Paradiesvogelarten Neu-Guineas sah ich nur eine Art mit gelben Seiten-
büscheln, Paradisea Finschii, benutzt. Ich erhielt sie zuerst in Friedrich Wilhelm-
Hafen (hier ^Don, genannt), später in ziemlicher Menge im Westen, wie das folgende
Stück:
Paradiesvogel (Nr. 349c, i Stück), von den Eingeborenen präparirter Balg (mit
Kopf und Füssen). Von Tagai.
Kunstvolle, farbenprächtige Kopfbinden aus Papageischwanzfedern (meist von
Trichoglossus und Lori), die ganz mit denen an der Südostküste (Taf. XXII, Fig. i)
übereinstimmen, erhielt ich in Finschhafen. Sie heissen hier ^Mo-o^y mögen aber auch
anderwärts vorkommen. Zum Aufbewahren von Federschmuck bedient man sich
Bamburöhren (zuweilen 75 Cm. lang) oder weiss dieselben sehr geschickt in Blätterhüllen
einzuschlagen.
Am Hammacherfluss erlangte ich einen originellen Haarschmuck, aus dem Kopfe
eines grünen Papagei (Eclectus polychlorus) mit einem Ringe von Nassa bordirt. Ein
anderer merkwürdiger Haarputz stammt von Angriffshafen. Er besteht in einem 90 Mm.
langen Kegel aus einer Art Pflanzenmark, auf den Längsreihen von Nassa befestigt
sind, die Zwischenräume sind mit rothen und blauen i4^rM5-Bohnen beklebt, als weitere
Verzierung dienen einzelne Federn von Brustbüscheln des Paradiesvogels. Das Ganze
ist an einem Stöckchen befestigt zum Einstecken ins Haar.
c. Stimschmuck,
lediglich als Festschmuck der Männer, ist viel formreicher als an der Südostküste, aber
wie dort bilden Schnüre aufgereihter Nassa-Muschelny die ganz dem *Tautau* (II,
[235] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. g^
S. 3o8, Taf. XlVy Fig. 6) entsprechen, das häufigste Material, wie die folgenden Num-
mern:
Schnur (Nr. 433, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 10), circa 50 Cm. lang,
aus einer Doppelreihe Nassa^ die auf Bast, ähnlich dem der Linde (und wohl von Hibis-
cus) aufgeflochten sind. Von Venushuk.
Desgleichen (Nr. 437, i Stück), ähnlich der vorhergehenden, aus einer Doppel-
reihe aufgeflochtener Nassa. Von Angriffshafen.
Nicht selten werden aus Nassa und Hundezähnen Schmuckgegenstände verfertigt,
wie die folgenden Nummern:
Stimbinde (Nr. 432, i Stück), bestehend aus 26 durchbohrten Hundezähnen, die
auf eine Schnur von Bindfaden aus braunem Bast sehr fein aufgeflochten und oberseits
von einer Reihe Nassa bordirt sind. Von Venushuk.
Stimbinde (Nr. 556, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 1 1 von oben, und
Fig. 12 von unten, um die Flechtarbeit zu zeigen), bestehend aus 76 Hundeeckzähnen,
die sehr kunstreich (Fig. 12 a) mit dünner Schnur aufgeflochten und oberseits mit einer
Reihe Nassa bordirt sind, Länge 69 Cm. Von Venushuk. Sehr werthvoll, da für das
Zähnematerial allein 19 Hunde erforderlich waren; auch als Leibschnur verwendet.
Eigenthümliche Formen, wie ich solche an der Südostküste nicht antraf, zeigen
die folgenden Nummern:
Stimbinde (Nr. 438, i Stück), bestehend aus einer Reihe Nassay an ^yelche unter-
seits eine Reihe kleiner Ringe aus Conus befestigt sind. Massilia.
Stimbinde (Nr. 439, i Stück), zwei 43 Cm. lange zusammengeflochtene Stricke
aus Bindfaden, dick mit rother Farbe beschmiert, in welche neun sehr grosse Conus-
Ringe (bis 5 Cm. Durchmesser, 3 Cm. im Lichten) eingeflochten sind. Von Massilia.
Während wir an der Südostküste nur schmälere, künstlich geknüpfte Bänder als
Stirnschmuck angewendet finden, wie die Waake (II, S. 3o8), begegnen wir hier zum
Theil ausserordentlich kunstvoll geknüpften Stirnbändern, mit reicher Verzierung von
Muscheln und Hundezähnen, wie die folgenden Stücke:
Stirn binde (Nr. 435, i Stück), eine Reihe Ringe von Conus-Eodtn, jederseits mit
einer Reihe Nassa bordirt, auf ein Band geflochten, das in der Mitte einen Aufsatz von
Flechtwerk aus rothgefärbtem Stroh, mit Menschenhaar und Nassa trägt. Vom Ham-
roacherflusse. Die gleiche Arbeit als die Binde (S. 91, Taf. XIV, Fig. 15).
Stimbinde (Nr. 429, i Stück), von Finschhafen; 3o Cm. lang und 3 Cm. breit,
äusserst feine Knüpfarbeit aus feinem Bindfaden, in eigenthümlicher Manier so dicht
geflochten, als wäre das Band gewebt, zum Theil roth bemalt, mit dichtem Randbesatz
von Nassa; in der Mitte und an jedem Ende ist das Band ober- wie unterseits aus-
gebogt verbreitert und hier je mit einer mit Nassa bordirten Agraffe aus Hundezähnen
verziert.
Stimbinde (Nr. 434, i Stück), ein 46 Cm. langer, circa 2 Cm. breiter Streif, aus
drei sehr fein übersponnenen Schnüren, mit Randbesatz von Nassa ^ in der Mitte eine
Agraffe aus fünf Hundezähnen, mit Nassa bordirt und jederseits mit einem Conus-Kinge
verziert; die untere Seite der Agraffe tritt schneppenartig vor und trägt ein Anhängsel
aus feinem Flechtwerk mit Nassa und feinem Kettchen, an das eine schwarze Frucht
befestigt ist. Von Venushuk.
Desgleichen (Nr. 436, i Stück), daher, bestehend aus einem 26 Cm. langen und
3 Cm. breiten Streif, aus feinem, rothgefärbten Strohgeflecht, an einer Seite mit Nassa
^rdirt, an den beiden Enden je mit zwei grossen Ringen aus Conus.
Anaaleo des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VI, Heft i, 1891. 7
gS Dr. O. Finsch. [236]
Derartige kunstvolle Stirnbinden aus Flechiwerk, mit sehr mannigfachen Ver-
zierungen aus Muscheln und Hundezähnen (zuweilen auch dünngeschliffenen Eber-
hauern) sind mir besonders westlich von Venushuk bis Dallmannhafen vorgekommen;
in diesem Gebiete werden auch häufig Schnüre aus Menschenhaar geflochten über die
Stirne und den meist abrasirten Vorderkopf getragen. Weiter westlich von Dallmann-
hafen bis zum Sechstrohfluss sind Streifen aus Fell (von Cuscus) als Stirnschmuck nicht
selten.
Im östlichen Theile von Kaiser Wilhelms-Land wird häufig ein Material, das ich
schon (S. 80) erwähnte, benutzt, wie die folgende Nummer:
Ssemu (Nr. 431, i Probe), Schnur, circa 4 — 5 Mm. breit, etwas abgeplattet, aus
lebhaft hochgelb gefärbter Pflanzenfaser, in sehr schmalen, kaum 2 Mm. breiten Streifen,
wie Stroh, über zwei Schnüre aus anderem Fasermaterial (wahrscheinlich aus der Luft-
wurzel von Pandanus) geflochten. Finschhafen.
Dieses Ssemu (vgl. Taf. XXII, Fig. 3) wird zu allerlei Schmuck (Armbändern,
Leibgürteln etc.) verarbeitet und ist von Huongolf bis Long-Insel und Astrolabe ver-
breitet, weiter westlich mir aber nicht mehr vorgekommen.
Stirnbinde (Nr. 430, i Stück), aus Flechtwerk von sieben Reihen Ssemu, mit
zwei Querriegeln, von je einer Doppelreihe Nassa besetzt. Von Finschhafen.
Derartige Stirnbinden sind zuweilen äusserst kunst- und geschmackvoll mit Nassa
und Hundezähnen besetzt. Ich erhielt solche namentlich in Finschhafen und Huongolf.
Eine besonders eigenthümliche Form repräsentirt das folgende Stück :
Stirnbinde (Nr. 440, i Stück), 41 Cm. langer, in der Mitte 65 Mm. breiter Streif,
aus sechs Reihen sehr grosser (10 — 12 Mm. langer) Coixsamen (Taf. III, Fig. 8), die sehr
kunstreich auf Bindfaden gezogen sind und sich seitlich bis auf eine Reihe verschmälern.
Von Angriffshafen.
Hier erhielt ich auch eine andere Art Kopf binde, wie sie mir in ähnlicher Weise
sonst nicht vorkam. Sie bestand aus einem breiteren Streif von Flechtwerk mit Nassa
besetzt, die Zwischenräume waren mit rothen Abrus-Bohnen auf einer Art Kitt oder
Wachs beklebt.
d. Nasenschmuck.
Die Mode des Durchbohrens der Nasenscheidewand (Septum) herrscht auch an
dieser Küste, aber nicht alle Männer huldigen ihr und für das weibliche Geschlecht
kommt sie kaum in Betracht. Gewöhnlich wird ein dünnes, circa 4 — 6 Mm. dickes,
rundes Stückchen Holz, Rohr, Knochen, Abschnitte von Casuarschwingen oder ein
aus Muschel oder Coralle geschliffener Stift durch die Oeffnung getragen, wie ich dies
längs der ganzen Küste unseres Gebietes beobachtete. In Finschhafen heissen solche
Nasenkeile aus Knochen »^o«, aus Tridacna *Ping€, aus Casuarschwinge »Temtem*. In
Huongolf und Tagai sah ich einige Male dünne Schildpattringe (oft an ein Dutzend) im
Septum befestigt, in Huongolf auch Ringe aus aufgereihter Nassa (Abbild. »Samoa-
fahrten«, S. 155) und ein Mann trug einen Ring aus Conus-Boden (12 Mm. breit,
50 Mm. Durchmesser, 20 Mm. im Lichten) in der Nase. Ein anderer hatte zwei Ringe
aufgereihter, grüner und krystallweisser kleiner Glasperlen durchs Septum gezogen, der
(wie oben, S. 42, bemerkt) einzige Fall des Vorkommens eines europäischen Erzeug-
nisses in Huongolf. In Friedrich Wilhelms- und Finschhafen tragen junge Leute zu-
weilen zwei Hundezähne in der Nase (Abbild. »Samoafahrten«, S. 87).
Im Osten unseres Gebietes ist Nasenschmuck im Allgemeinen wenig üblich und
in Finschhafen konnten 8-10 Cm. lange Knochenstifte schon als etwas Besonderes
[237] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gg
angesehen werden. Aber im äussersten Westen, von Massilia bis Humboldt-Bai, waren
dicke Nasenkeile nicht selten, meist wie die folgenden Nummern:
Nasenkeil (Nr. 307, 2 Stück), Abschnitt eines Stück Rohr. Massilia.
Desgleichen (Nr. 3o8, i Stück), wie vorher, aber mit eingebrannter Verzierung
an jedem Ende. AngrifTshafen.
Ein derartiges Stück ist in meinem Ethnol. Atlas (Taf. XX, Fig. 4) abgebildet; hier
auch einer jener kunstvoll aus Tridacna-Muschtl geschliffenen Keile (Fig. 3), welche
zuweilen die monströse Grösse von über 10 Cm. Länge bei 20 Mm. Durchmesser und
ein Gewicht von 70 Gr. erreichen. Die Art, wie solche Nasenkeile das Gesicht ver-
unzieren, zeigen Fig. i und 2 des Ethnol. Atlas (Taf. XX). Nicht minder entstellend
wirkt im Gebrauch die folgende Nummer:
Nasenzierat (Nr. 3 12, i Stück), von Angriffshafen; aus zwei längsdurchschnit-
tenen, dünngeschliffenen Eberhauern, die an der Basis zusammengebunden sind und
durch das Septum getragen werden (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XX, Fig. 8 und Abbild.
»Samoafahrten«, S. 333). Diese eigenthümliche Form, auch als Bartschmuck benutzt
(vgl. S. 93, Nr. 274 und Taf. XVII, Fig. 3 c), beobachtete ich nur im Westen, von Massilia
bis Humboldt-Bai. Hier auch imitirte, kunstvoll aus Tridacna-Muschd geschliffene
Eberhauer (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XX, Fig. 7). Von Hatzfeldthafen bis Guap (einzeln
auch im Archipel der zufriedenen Menschen) war, ausser dünnen Nasenstiften, eine
andere Form dieser Art Schmuck ziemlich häufig, wie die folgenden Nummern:
Nasenzierat (Nr. 3 11, 2 Stück — II, S. 344, Taf. XV [7], Fig. 2), schnalenförmig
aus Perlmutter gearbeitet. Venushuk.
Desgleichen (Nr. 3 10, i Stück), vom Hammacherfluss; ähnlich dem vorhergehen-
den (übereinstimmend mit Taf. XX, Fig. 5 des Ethnol. Atlas).
Desgleichen (Nr. 309, 2 Stück), von Tagai; ähnlich den vorhergehenden, aber an
einer Seite in eine lange Spitze ausgehend (wie Ethnol. Atlas, Taf. XX, Fig. 6).
Diese Art Nasenschmuck, aus Perlmutter oder Nautilus-MuschQl gefertigt, gehört
schon wegen der Härte des Materials mit zu den hervorragenden Arbeiten des Kunst-
fleisses der Papua. Gewöhnlich werden mehrere (2 — 5) Stück übereinander gelegt,
durch das Septum getragen, in der Weise, dass die Enden nach vorn kommen.
In dem zuletztgenannten Gebiete wird ausser dem Septum auch häufig ein Nasen-
flügel durchbohrt und ähnlich wie in Neu-Britannien (I, S. 97) ein dünnes Hölzchen,
eine Feder, ein grünes Blatt oder ein Pflanzenstengel in das nur enge Loch gesteckt
(siebe Abbild. »Samoafahrten«, S. 299). Dass es auch möglich ist, die Nasenspitze zu
decoriren, habe ich nur einmal beobachtet, und zwar bei einem kleinen Knaben in
Wanua, der ein streichholzdickes kurzes Hölzchen longitudinal in einem Loche der
Nasenspitze trug.
e. Ohrschmuck.
Derartiger Putz ist auch an dieser Küste sehr beliebt und mannigfach. Gewöhn-
lich wird das Läppchen des einen Ohres durchbohrt, seltener von beiden Ohren, aber
CS gibt auch Viele, welche diese Mode überhaupt nicht mitmachen. Als Ohrschmuck
dienen in Ermangelung von etwas Besserem Blumen, bunte Blätter, Blattrollen, häufig
ein oder mehrere Co^j/s-Ringe, Hundezähne oder aufgereihte Nassa, zuweilen Zierat aus
allen drei Materialien. Derartiger Schmuck ist besonders im Osten (Huongolf bis Hatz-
feldthafen) gebräuchlich, einzeln aber auch im Westen (Albrechtfluss). In Huongolf
und Finschhafen sah ich nicht selten flache, rundliche Platten aus Schildpatt (wie
Ethnol. Atlas, Taf. XVII, Fig. 5 und 6), die in grosser Zahl (oft 60 und mehr) in einem
7*
lOO Dr. O. Finsch. [^38]
Ohre aufgereiht, das Läppchen sehr ausdehnen und herabziehen. In diesem Theile sind
daher weit ausgedehnte Ohrläppchen häufiger als anderwärts. Ein Mann in Huongolf
hatte einen tief herabhängenden Ohrzipfel, an dem die eine Hälfte abgeschnitten war
(siehe Abbild. »Samoafahrten«, S. 155). In Finschhafen und an der Küste des Terrassen-
landes werden zuweilen Büschel eines Faserstoffes, ähnlich Hede, im Ohre befestigt.
Weiter im Westen, von Hatzfeldthafen bis Tagai, durchbohrt man minder häufig das
Läppchen als den Rand des Ohres, nicht selten mit fünf bis sechs Löchern, in denen
aufgereihte Coixsamen, dünne Schildpattreife, Federn, Büschel Cuscusfell oder frische
grüne Blattstiele (vgl. Abbild. »Samoafahrtenc, S. 299) befestigt werden. Sehr originell
sind runde Bälle aus Cuscusfell, die mir im äussersten Westen, von Massilia bis zum
Sechstrohfluss, auffielen. Ohrringe aus einer gebogenen Casuarschwinge (ganz wie II,
S. 3io, Nr. 320, von Port Moresby) sah ich am Hammacherfluss.
Am häufigsten von allen ist jedoch Ohrschmuck aus Schildpatt in Form von
Spangen und Reifen, wovon die Sammlung ein hübsches Sortiment in den nachfolgen-
den Stücken aufweist.
Ohrspange (Nr. 326, i Stück — II, S. 356, Taf. XXI [i3], Fig. 4); ein 50 Cm.
breiter Reif (45 Mm. Diameter), aus einem Stück Schildpatt gebogen, mit hübscher
Gravirung und rother Farbe bemalt. Friedrich Wilhelms-Hafen, Insel Grager, hier
T^Damala* genannt (in Finschhafen ^Saiassa*).
Desgleichen (Nr. 326 a, i Stück), wie vorher (40 Mm. Diameter), mit eingravir-
tem Muster. Daher.
Diese Ohrspangen enden jederseits in eine accoladeförmig abgesetzte Spitze (w^ie
dies Fig. 4, Taf. XVII meines Ethnol. Atlas zeigt), denn nur dadurch wird es möglich,
diese breiten Ringe in das Loch des Ohrläppchens einzuschieben (vgl. Abbild. »Samoa-
fahrten«, S. 87). Derartige breite Schild pattspangen, zuweilen mit hübsch eingravirten
Mustern oder besonderen Anhängseln (Hundezähnen, Co/i U5-Ringen, Coixsamen,
Nassa) verziert, sind besonders im Osten (Huongolf bis Friedrich Wilhelms-Hafen) ge-
bräuchlich, kommen aber einzeln auch westlich bis Guap vor, wie das folgende Stück:
Ohrspange (Nr. 327, i Stück), wie die vorhergehenden, 45 Mm. breit, 90 Mm.
Durchmesser, ohne Gravirung. Insel Guap.
Desgleichen (Nr. 327^1, i Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. 7), wie vorher,
aber nur 20 Mm. breit (80 Mm. Durchmesser), an beiden Enden allmälig spitzzulaufend
(nicht rechtwinkelig abgesetzt), mit Gravirung in eingekratzten feinen Strichelchen.
Insel Guap.
Desgleichen (Nr. 328, i Stück), wie vorher, schmal (20 Mm.) und ohne Gravi-
rung. Caprivifiuss in Krauel-Bai.
Desgleichen (Nr. 324, i Stück), wie vorher, 20 Mm. breit, aber nur 40 Mm. im
Durchmesser. Von Huongolf, Parsihuk.
Desgleichen (Nr. 325, i Stück), ganz wie vorher, aber mit eingravirtem, ein-
fachem Muster. Daher.
Westlich von Guap sind mir breite Schild pattohrspangen nicht mehr vorgekom-
men, dagegen werden für dieses Gebiet schmale, 4 - 5 Mm. breite Reife, von 20 — 70 Mm.
Durchmesser, sehr charakteristisch, glatt oder mit langen Büscheln von Bindfaden und
Coixsamen verziert, wie die folgenden Nummern:
Ohrreif (Nr. 33 1, 2 Stück), schmale, enge Ringe aus Schildpatt. Massilia.
Desgleichen (Nr. 332, i Stück), wie vorher, 4 Mm. breit, 40 Mm. Diameter, als
Anhängsel ein 24 Cm. langes, fein aus Pflanzenfaser geflochtenes Kettchen (wie auf
Taf. XV, Fig. 4 c). Daher.
[230] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. loi
Desgleichen (Nr. 33o, 2 Stück), wie vorher. Von Angriffshafen.
Desgleichen (Nr. 329, i Stück); 5 Mm. breit, 65 Mm. Durchmesser, mit einer
Troddel aus i3 Cm. langen Fäden, an deren Basis Coixsamen eingeknüpft sind. Daher.
Diese Art Schildpattreifen werden sowohl im Ohrrande als Ohrläppchen getragen,
oft in grosser Anzahl, dehnen aber bei ihrer geringen Schwere das Ohr nicht weit aus.
Man pflegt diese schmalen Ringe ineinander zu hängen, und die Weiber in Humboldt-
Bai waren mit solchem Ohrschmuck überladen (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 362).
Dies gehört insofern zu den Ausnahmen, als das weibliche Geschlecht sonst, gegenüber
dem männlichen, auch in Bezug auf Ohrzierat sehr ärmlicTh bedacht ist. Gewöhnlich ge-
nügen einige Hundezähne oder Ringe aus Conus für sie, wie ich dies bei den Frauen in
Bongu und Dallmannhafen sah, die ausserdem im oberen Ohrrand einige derartige
Schmuckgegenstände trugen.
/. Hals- und Brustschmuck.
Schmuck dieser Art spielt im Ausputz der Eingeborenen dieser Küsten eine her-
vorragende Rolle, besonders bei Festlichkeiten und vorzugsweise für das männliche
Geschlecht. Wie überall genügt für gewöhnlich ein einfaches Halsstrickchen, an welches
vorne ein Paar Coww^-Ringe oder Hundezähne, hinterseits, im Nacken herabhängend,
mit Vorliebe grüne oder bunte Blätter befestigt werden (siehe Abbild. »Samoafahrten«,
S. 3o6), ein Ausputz, mit dem die Frauen im Allgemeinen Vorlieb nehmen müssen. In
Finschhafen trägt man als Zier des Halsstrickchens gern ein Büschel bunt gefärbter Faser
— Ssegum — (wohl vom Blatt der Sagopalme), das im Nacken herabhängt; besonders
bei jungen Leuten beliebt.
Charakteristisch für den Osten ist die folgende Form:
Halsstrickchen (Nr. 507, 508, 2 Stück), bestehend aus acht dünnen Bindfaden,
die vorne derart in einen Knoten geschlagen sind, dass das Ende über die Brust herab-
hängt. Finschhafen.
Desgleichen (Nr. 508, i Stück), acht dünne, sehr fein geflochtene Schnüre (50 Cm.
lang), blau und kirschbraun gefärbt, die hinterseits mit rothem Geflecht, vorderseits mit
gelber Schnur (Ssemu) zusammengebunden sind. Finschhafen.
Die hübsche Färbung verliert sich schnell im Gebrauche und Halsstrickchen wer-
den bald derart schmutzig und unansehnlich, dass sie sich für Sammlungen kaum mehr
eignen. Und dennoch sind derartige unscheinbare Dinge manchmal sehr schwer zu er-
langen, wie das folgende Stück :
Halsstrick (Nr. 506, i Stück), ein circa fingerdicker Strick, dessen Enden vorne
in zwei Knoten geschlagen sind. Finschhafen. Wurde von einem anscheinend hervor-
ragenden Manne getragen, der sich diesen Schmuck nur sehr ungern und gegen gute
Bezahlung abschneiden Hess. Auch auf Bilia schienen derartige Stricke Auszeichnung
der Häuptlinge zu sein. Halsschnüre aus Bindfaden, von Huongolf bis Long-Insel, ohne
jede weitere Verzierung, bilden den fast nie mangelnden Ausputz des Mannes. Zuweilen
wird derartiges Strickwerk kreuzweis über Brust und Rücken getragen, ich konnte
aber keine Auskunft erlangen, ob dies vielleicht ein Zeichen der Trauer ist, in ähnlicher
Weise wie an der Ostspitze (vorne S. 20).
Besonderer TrauerSChmuck ist mir nicht bekannt geworden, wird aber jedenfalls
vorhanden sein.
Brustbänder aus Flechtwerk, ähnlich den an der Südostküste üblichen (II, S. 3i2>
Nr. 496) habe ich nur im Westen gesehen, wie:
I02 Dr. O. Finsch. [240]
Brustband (Nr. 562, i Stück), ein 15 Mm. breites und 74 Cm. langes, äusserst
fein aus Pflanzenfaser geflochtenes oder geknüpftes Band (wie gewebt aussehend), auf
das schiefe Querreihen von Spitzenabschnitten von Coixsamen gleich eingeflochten sind.
Angriifshafen.
Derartige Bänder werden kreuzweise, auch von Knaben, über die Brust getragen,
zuweilen auch um Leib und Stirn. Ich erhielt solche auch weiter westlich am Albrechts-
flusse bei Wanua.
Halsschnüre von aufgereihten Samenkernen sind ebenfalls vertreten, hauptsäch-
lich im Westen. Am häufigsten sind solche von Coix Lachryma, ganz wie wir sie aus
Neu-Britannien kennen (1, S. 99 und 118, Taf. III, Fig. 8). Ich beobachtete derartige
Schnüre einzeln von Huongolf bis zum Sechstroh. Zuweilen werden Co/2U5-Ringe
daran befestigt, wie ich dies bei Mädchen auf Grager sah. Hieher gehört auch das fol-
gende Stück:
Halskette (Nr. 500, i Stück), So Cm. lang, aus halbdurchschnitten aufgereihten
Coixsamen, mit acht Hundezähnen. Von Huongolf.
Im Westen werden kleine, runde, schwärzliche Samenkörner (vgl. Ethnol. Atlas,
Taf. XXIV, Fig. 3 a), die vielleicht auch künstlich hergestellt sind, zu Halsschmuck ver-
wendet, wie die folgende Nummer:
Halskette (Nr. 501, i Stück), von Tagai.
Halskette (Nr. 498, i Stück), lange Schnur mit abwechselnd mehreren schwarzen
Samenkörnern und je einem Coixsamen aufgereiht. Von Massilia. Abgebildet Ethnol.
Atlas, Taf. XXIV, Fig. 7.
Desgleichen (Nr. 499, i Stück), 49 Cm. lang, aus zwei verschlungenen Schnüren
schwarzer Muschelperlen (die wie schwarze Perlen aussehen) und zwei Ringen aus Conus-
Boden eingeflochten. Massilia. Abgebildet Ethnol. Adas, Taf. XXIV, Fig. 3.
Schnüre aus gleichem Material und cingeflochtenen Nassa erhielt ich am Sech-
stroh. Hier auch eine andere elegante Form :
Halskette (Nr. 508, i Stück), 1*5 M. lang, aus aufgereihten Samenkernen von
Adenanthera pavonina. Sechstrohfluss.
Desgleichen (Nr. 502, i Stück), wie vorher, 1-5 M. lang, aber je ein Adenan-
/Äera- Samenkern wechselt mit zwei bis drei halbdurchschnittenen Coixsamen ab. Sech-
strohfluss. Abgebildet Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 6.
Die so schönen, glänzend rothen Samen von Abrus precatorius habe ich nirgends
aufgereiht zu Ketten verwendet gesehen. Dagegen am Sechstroh originelle Halsketten
aus aufgereihten Abschnitten langer Krebsbeine, abwechselnd mit einzelnen Nassa.
An Muschelmaterial flndet Nassa, wie fast überall, häufige Verwendung. Schnüre
von solchen Muscheln sah ich in Finschhafen, Constantinhafen und Venushuk (hier
ganz wie die Stirnbinden Taf. XIV, Fig. 10). Hierher gehört auch die folgende
Nummer:
Halsschnur (Nr. 497, i Stück), eine 1-4 M. lange, gedrehte Schnur, in die einzelne
Nassa eingeflochten sind. Vom Hammacherfluss.
Halsketten aus Nassa mit CowM5-Ringen (ganz wie die Stirnbinde Nr. 438, S. 97)
erhielt ich in Dallmannhafen, solche aus Nassa und Hundezähnen an verschiedenen
Orten zwischen Finschhafen und Venushuk. Dünne Schnüre aus geschliffenen Muschel-
scheibthen (wie Taf. XIV, Fig. 4) sah ich in Huongolf tragen, hier auch Ketten aus auf-
gereihten Hundezähnen (vgl. vorne S. 97, Nr. 556), die sehr werth voll sind und mir ein-
zeln auch in Finsch- und Friedrich Wilhelms-Hafen vorkamen.
[241] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. io3
Ein eigenthümlicher Halsschmuck ist der folgende:
Halskette (Nr. 504, i Stück), Strickchen, an dem 15 Landschnecken (Helix spec?)
aufgereiht sind. Sechstrohfluss. Ich sah sonst nirgends Landschnecken zu Schmuck ver-
wendet.
Zur Verzierung von Halsstrickchen, wie zu vielem anderen Schmuck dienen auch
Ringe aus Conus (Nr. 514, 4 Stück) geschliffen. Von Angriffshafen.
Derartiger Schmuck (in Finschhafen »Kekumt genannt), findet sich längs der
ganzen Küste; ich habe hier aber niemals die punktirten Muster gesehen, wie solche für
die Südostküste charakteristisch sind (vgl. II, S. 3ii, Fig. 20). Weit verbreitet, aber
überall selten, sind flache aus dem Schlosstheile von Tridacna gigas geschliffene Ringe,
die mit zu den bewundernswerthesten Arbeiten des Steinalters zählen. Sie dienen zu-
weilen, in Imitation (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XXI, Fig. 3) als Ersatz der cirkelrunden
Eberhauer und kommen im Werth diesen am nächsten. Sie werden meist einzeln am
Halse oder auf der Brust getragen. Auf Grager sah ich aber einmal einen Brustschmuck
aus zwei künstlich aus Tridacna geschliffenen, sehr gut nachgeahmten Eberhauern,
Sual genannt, der jedoch nicht verkauft wurde.
Halsschmuck (Nr. 522, i Stück), ein 20 Mm. breiter Tridacna-Kin^^ 5 Cm. im
Liebten, der an einem grobgeflochtenen Bande (aus Pflanzenfaser, ähnlich Stroh) be-
festigt ist; das letztere mit Nassa bordirt. Von Venushuk (ganz gleiche Technik wie
das Armband Nr. 395).
Brustring (Nr. 519, i Stück), aus Tridacna geschliffen, 18 Mm. breit, 8 Cm. im
Lichten (als Imitation eines cirkelrunden Eberhauers). Von Dallmannhafen.
Desgleichen (Nr. 520, i Stück), wie vorher, 20 Mm. breit, 7 Cm. im Lichten.
Vom Caprivi.
Desgleichen (Nr. 521, i Stück), wie vorher, schmäler, 6 Cm. im Lichten. Von
Tagai.
Sehr geschätzt als Brustornament sind Eberhauer (in Finschhafen »y^^o«, in Con-
stantinhafen ^Bul-Ra* genannt), einzeln oder zu zweien an einem Stricke um den Hals
befestigt, wie die folgende Nummer:
Bnistschmuck (Nr. 523, i Stück) aus zwei grossen Eberhauern, die an der Basis
durchbohrt und mit Bindfaden zusammengebunden sind (ganz wie II, S. 3i2, Fig. 21
von der Südostküste). Friedrich Wilhelms-Hafen, Insel Grager.
Ganz ähnlichen Schmuck beobachtete ich auf Willaumez, in Finschhafen und in
Astrolabe-Bai. Hier erhielt ich in Bogadschi ein Brustornament aus zwei Eberhauern,
die auf eine Scheibe aus Cymbium befestigt waren.
Halsring (Nr. 525, i Stück), aus zwei kolossalen Eberhauern (längs dem Aussen-
rand der Krümmung gemessen 23o Mm.), die an der Basis zusammengebunden sind;
sie messen 9 Cm. im Diameter, schliessen also eng um den Hals und werden hinter^its
festgebunden. Vom Sechstrohfluss; nur hier und in Humboldt-Bai beobachtet. Ein
ähnliches Stück ist im Ethnol. Atlas, Taf. XXI, Fig. i abgebildet; es misst 12 Cm. im
Lichten.
Der kostbare Brustschmuck, wie ihn die Sammlung von der Ostspitze (S. 22,
Nr. 516) bereits besitzt, ist aus diesem Gebiet durch ein noch schöneres Stück vertreten:
Brustschmuck (Nr. 516^, i Stück), aus einem abnorm gekrümmten, fast cirkel-
runden Eberhauer; derselbe misst fast 70 Mm. im Lichten, längs der Krümmung des
Aussenrandes 250 Mm.; Basis und Spitze stehen 40 Mm. entfernt von einander; an einer
Schnur aus grobem Bastgeflecht befestigt. Friedrich Wilhelms-Hafen.
I04 ^^- ^' PJnsch. [242]
Derartige Eberhauer (Ethnol. Atlas, Taf. XXI, Fig. 2) gelten auch an dieser Küste
als die grösste Kostbarkeit und ich habe sie nur an wenigen Plätzen (tlnschhafea,
Astrolabe, Venushuk, Hammacherfluss) zu sehen, noch weniger zu kaufen vermocht,
schon deshalb, weil die Eingeborenen solchen Schmuck ängstlich zu verbergen pflegen.
Der grösste derartige Eberhauer den ich sah, stammte, um dies beiläufig zu bemerken,
von Neu-Irland. Er war fast kreisrund, die Spitze reichte weiter als die Basis und war
von dieser nur 20 Mm. entfernt, die Länge war längs der Aussenkante der Krümmung
gemessen 335 Mm., die Weite im Lichten 80 Mm.
Bei der grossen Seltenheit verfertigen die Eingeborenen auch Falsificate, wie das
folgende :
Brustschmuck (Nr. 518, i Stück), aus einem cirkelrunden Eberhauer, dessen
Spitzentheil aber angesetzt ist, welcher Fehler durch feines Flechtwerk aus rothgefärb-
tem Stroh verdeckt wird. Vom Hammacherfluss.
Einen eigenthümlichen Brustschmuck sah ich in Huongolf ; er bestand in einem
länglichen Flechtwerk, in das jederseits drei Eberhauer befestigt waren und das unter-
seits in ein längliches filetgestricktes, reich mit Hundezähnen garnirtes Säckchen endete.
Das Ganze erinnerte in der Form an einen Krebs.
In Huongolf und Finschhafen werden Hundezähne häufig und zuweilen in origi-
nellen Formen zu Schmuck verarbeitet, wie z. B. das folgende Stück:
Brustschmuck (Nr. 511, i Stück), Rosette von 12 Cm. Durchmesser aus feinem
Flechtwerk, auf welche etliche 70 durchbohrte Hundezähne, in vier concentrischen Rin-
gen gruppirt, aufgeflochten sind. Von Parsihuk in Huongolf.
Derartige Rosetten erhielt ich auch in Finschhafen. Sie heissen hier >Aiumata^y
sind sehr selten und kostbar, wie gewisser Brustschmuck aus Flechtwerk in Triangel-
form, mit Hundezähnen besetzt (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 87), in Astrolabe-Bai.
Ich erwähne hier noch eine andere Art Brustschmuck, der aus mehreren stern-
förmig zusammengebundenen OvM/a-Muscheln bestand. Ich sah solchen Schmuck ein-
mal am Herculesfluss und sonst überhaupt nicht diese Muschel in ähnlicher Weise ver-
wendet.
Im Westen, wo Hundezähne selten verwendet werden, ist in anderer Weise für
Brustzierat gesorgt, wie das folgende Stück zeigt:
Brustschmuck (Nr. 526, i Stück — II, S. 346, Taf. XVI [8], Fig. 3), eigenthüm-
liche Form, besteht aus einem länglich-ovalen Stück Mark eines Baumes, mit einem
Randbesatze (a) von eigenthümlichen Krebscheeren, von denen vier Stück auch den
Mittelstreif bilden; diese Krebsscheerstreifen sind mit einer Reihe Nassa (b) bordirt und
der Zwischenraum jeder Hälfte mit aufgekitteten rothen und blauen Ahrus-^ohntn ver-
ziert; am unteren Ende (c) sind zwei, an der Basis mit rothen Papageifedern beklebte
Büschel von Seitenfedern vom Paradiesvogel (Paradisea Finschii) befestigt, ausserdem
zwei Hundezähne. Von Angriffshafen.
Derartige Schmuckstücke, von welchen ich nur wenige Exemplare zu sehen be-
kam, waren einzelne Male auch an den eigenthümlichen Handkörbchen der Männer an-
gebunden, wahrscheinlich nur zufällig und nicht als eigentlicher Ausputz der Körbe.
In AngrifTshafen beobachtete ich noch eine andere eigenthümliche Art von Halsschmuck.
Derselbe bestand aus einem breiten halbmondförmigen Streifen Flechtwerk, der mit
bunten Streifen bemalt und unterseits mit Troddeln aus Bindfaden und Coixsamen be-
setzt war. Derartige Halskragen haben gewisse Aehnlichkeit mit den an der Südostküste
gebräuchlichen fein geknüpften (II, S. 3i2) aus Fresh water-Bai.
[243] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 105
Von Brust -KampfBCbmuck, der an der Südostküste in einer charakteristischen
Form (vgl. Taf. XVI, Fig. i) vorkommt, besitzt Kaiser Wilhelms-Land an vier verschie-
dene Typen, die in der Sammlung schön vertreten sind. Es mag hierbei bemerkt sein,
dass derartiger Schmuck nicht ausschliesslich beim Kampf gebraucht wird, um, mit den
Zahnen festgehalten, den Gegner herauszufordern, sondern überhaupt als werthvoller
Ausputz der Männer zu betrachten ist. Er bildet gleichsam das Attribut des waffen-
fähigen Kriegers, mit dem sich derselbe auch bei festlichen Gelegenheiten zeigt.
Die am weitesten verbreitete Form dieses Brustschmuckes besteht aus zwei
Muscheln (meist Ovula, seltener Cypraea), die durch einen Querriegel verbunden sind,
der entweder nur mit Strickwerk oder gelbgefärbten Schnüren (Ssemu) umwunden ist,
oder an den ein herz* oder blattförmiges feines Flechtwerk aus dünnem Bindfaden be-
festigt ist, mit mehr oder minder reichem Randbesatz von iVa^^^-Muscheln. In der
S. 40 (Anmerkung) unter Nr. 4 verzeichneten Abhandlung und im Ethnol. Atlas der
»Samoafahrten« (Taf. XXII) habe ich eine reiche Auswahl dieses Brustschmuckes ab-
gebildet (von Neu-Britannien: Willaumez, Cap Raoul, Hansabucht, French-Inseln,
Long-Insel, Huongolf, Finschhafen, Festungshuk und Astrolabe-Bai) und lasse hier
(Taf. XVII, Fig. 2) eine weitere bildliche Darstellung folgen, um diese so charakte-
ristische Form zu veranschaulichen. Ich fand sie von Huongolf westlich bis Dampier-
Insel (Karkar), sowie an den im Westen von Neu-Britannien besuchten Localitäten bis
auf die French-Inseln.
Ohne blattförmigen Ansatz, also nur einfache Riegel mit jederseits einer Muschel
(wie Ethnol. Atlas, Taf. XXII, Fig. 5) sind die folgenden Stücke :
Brustschmuck (Nr. 582, i Stück), ein 19 Cm. langer, mit gelben Schnüren
(Ssemu) umwickelter Riegel, jederseits eine Ovula. Long-Insel.
Desgleichen (Nr. 531, i Stück), wie vorher, aber der mit Rohrgeflecht umwickelte
Riegel nur 1 1 Cm. lang und jederseits eine kleine Cypraea. Finschhafen.
Desgleichen (Nr. 584, i Stück), wie vorher, mit rothgefärbtem Rottang um-
wickelt, jederseits eine Cypraea. Friedrich VVilhelms-Hafen, Insel Grager.
Mit blattförmigem Mittelstück aus Flechtwerk versehen sind die folgenden Stücke:
Brustschmuck (Nr. 533, i Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. 2). Die triangel-
förmige Schneppe aus feinem Flechtwerk ist buntbemalt und reich mit Nassa bordirt,
jederseits eine Cypr,aea. Bei a ist eine geflochtene Oese zum Festhalten mit den Zähnen,
h das aus dicken Bindfaden geflochtene Tragband. Von Friedrich Wilhelms-Hafen,
Insel Grager, hier ^Darr^ genannt.
Desgleichen (Nr. 530, i Stück), der i3 Cm. breite Riegel ist mit gelber Schnur
(Ssemu) umwickelt, jederseits eine kleine Cypraea; an den Riegel ist ein dreiblätteriger
Ansatz aus feinem Flechtwerk befestigt, mit Randbesatz und Rippen von Nassa^ die
Mittelrippe aus einer Doppelreihe von Nassa ist an der Basis jederseits mit einem Conus-
Ringe verziert. Finschhafen, hier »Ssanim* genannt.
Westlich von Dampier-Insel (Karkar) ist mir diese Art Brustschmuck nicht mehr
vorgekommen, dagegen tritt hier eine andere sehr charakteristische Form auf, die sich
westlich bis Dallmannhafen zu verbreiten scheint, wie das folgende Stück:
Brustschmuck (Nr. 536, i Stück), besteht aus einer flachen länglichen Schale
(lö'/a Cm. lang und lo Cm. breit), Abschnitt von einer Cyrnhium- (Meloe-) Muschel, mit
feingefiochtenem Tragstrick aus einer Art Bast, der auf der Mitte der Muschel in einen
dicken Knoten endet, der mit Schnüren aus Menschenhaar, Nii55ii-Muschel und Flecht-
werk umwunden ist. An diesen Knoten schliesst sich ein 4 Cm. langes rundes Flecht-
Io6 Dr. O. Finsch. [244]
werk aus rothgefärbtem, gespaltenen Rohr an, mit einem Ringe aus Nassa, an dem ein
24 Cm. langer Streif von fuchsrothem Cuscusfell befestigt ist. Vom Hammacherfluss.
Abbildungen dieser Art Brustschmuck^ der ebenfalls im Sinne von Kampfschmuck,
mindestens als Auszeichnung des Kriegers dienen dürfte, geben die »Samoafahrten9
(S. 299) und Ethnol. Atlas (Taf. XXIII, Fig. i) und zeigen den reichen und mannig-
fachen Ausputz. Derselbe besteht aus Co/2t/5-Ringen, schwarzen Fruchtkernen, fein-
geflochtenen Graskettchen, immer aber und der Hauptsache nach in kunstvollen Schnüren
mit Besatz von Nassa und Menschenhaar. Aehnlicher Brustschmuck aus Cymbium
findet sich auch an der Südwestküste (vgl. '^Koio^ II, S. 3i3) und Ostspitze (Milne-Bai,
S. 23). In Astrolabe-Bai sah ich auch einige Male Brustschmuck aus kleineren Cymbium-
Abschnitten mit Schildpattverzierung; in Bogadschi »Koambim€ genannt
Eine dritte Form dieser Art Brustschmuck zeigt die folgende Nummer:
Brustschmuck (Nr. 537, i Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. i). Derselbe
besteht aus einem 16 Cm. breiten Querholz (a)y an welchem jederseits eine Eiermuschel
(Ovula Ovum) befestigt ist, sowie vier schmale Streifen Bambu (bj^ die ein Gestell
bilden, welches spitz nach unten läuft und in der Mitte durch Flechtwerk aus grobem
Bindfaden verbunden ist, das jederseits von einer Reihe von acht Muscheln (Cypraea
moneta) begrenzt wird; letztere wiederum seitlich durch eine Reihe von i3, respective
12 der Länge nach gespaltenen und flach geschliffenen Eberhauern; am unteren Ende
ist ein schalenförmiger Abschnitt einer Q/'w^/Mm-Muschel (12 Cm. Längsdurchmesser)
befestigt. Von der Insel Guap.
Diese höchst eigenthümliche Form bildet einen Uebergang von den östlichen
Formen aus Flechtwerk und Muscheln (Nr. 530 — 534) und C^mfr/nm -Abschnitten
(Nr. 536) zu der westlichen aus Eberhauern (Taf. XVI, Fig. 2). Ich erhielt diese Art
Brustschmuck nur auf der Insel Guap, und zwar in ein paar Exemplaren und habe ihn
sonst nirgends zu sehen bekommen.
Von Guap an westlich tritt eine neue charakteristische Form auf, wie die folgen-
den Nummern:
Brustschmuck (Nr. 540, i Stück — II, S. 346, Taf. XVI [8], Fig. 2), rechte Hälfte.
Als Unterlage dient ein herzförmiges Gestell, 3o Cm. lang und 23 Cm. breit, aus kunst-
vollem Flechtwerk von feingespaltenem Rottang. In diesem Gestell ist von oben jeder-
seits eine Reihe von neun der Länge nach gespaltenen, gewaltigen Eberhauern (aj, die
sich nach unten zu verkürzen und so einen spitzwinkeligen Keil bilden, durch gebohrte
Löcher festgebunden. Der Mittelstreif und die beiden blattförmigen Seitenfelder sind
von einer Doppelreihe Nassa bordirt und die dadurch gebildeten drei Felder mit rothen
AbruS'hohn^Tiy auf einer Art Harz, ausgekittet, die Seitenfelder in der Mitte noch mit
blauen Bohnen; die untere Hälfte des Mittelstreifes (b) zwischen den beiden Seiten-
feldern ist mit grünen Papagei federn (von Eclectus polychlorus) beklebt; an jeder Seite
sind zahlreiche Bindfaden, gleich Troddeln, angebunden, sowie ein Vogelknochen (c),
wohl von BuceroSy das Ganze wird an einem festen Strick um den Hals getragen. Vom
Sechstrohfluss.
Desgleichen (Nr. 539, i Stück), ähnlich dem vorhergehenden, mehr schildförmig,
23 Cm. lang, 22 Cm. breit, jederseits neun Stücke von Eberhauern und die Verzierung
von Nassa und ^^rw5-Bohnen in ganz verschiedenen Mustern. Von Angriffshafen.
Desgleichen (Nr. 538, i Stück), 21 Cm. lang, 23 Cm. breit, jederseits sieben
Stücke von Eberhauern; die Form des Schildes und der mit yl^rw^-Bohnen beklebten
und mit Nassa bordirten Felder sehr abweichend von den beiden vorhergehenden
Stücken. Von Angriffshafen.
[245] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ' 107
Diese Art ebenso kunst- als geschmackvollen Brustschmuckes kam mir zuerst auf
Guap zu Gesicht, wurde aber erst weiter westlich häufiger, besonders in AngrifFshafen
und am Sechstroh bis Humboldt-Bai. Er kleidet sehr originell und elegant (vgl. Abbild.
»Samoafahrten«, S. 333). In der Ornamentirung herrscht eine grosse Abwechslung, und
ich habe trotz der grossen Zahl nicht zwei völlig übereinstimmende Exemplare gesehen,
was, wie bei allen Kunstarbeiten von Naturvölkern, sich in der individuellen Begabung
der Künstler leicht erklärt. Die Troddeln an den Seiten dieser Brustschilde dienen
nicht nur zur Verzierung, sondern zum Anbinden von allerlei Kleinigkeiten (Vogel-
knochen, Stückchen Massoirinde, Ingwerwurzel, kleinen sogenannten Holzgötzen etc.),
die wahrscheinlich als glückbringende Amulete oder Talismane oder Erinnerungs-
zeichen für den Besitzer von hohem Werthe sind. An dem einen Brustschilde vom
Sechstroh fand ich einen verräucherten menschlichen Humerus befestigt, vermuthlich
ein Erinnerungszeichen, aber ohne cannibalische Tendenz. Die (S. 42) erwähnten alt-
venetianischen Glasperlen oder besser Hälften derselben, welche ich am Sechstroh er-
hielt, waren zwischen den i4^ru5-Bohnen solcher Brustschilde aufgeklebt. Wie sich
später ergab, gehörten die beiden von verschiedenen Brustschildern abgenommenen
Hälften zusammen und bildeten eine Perle, die einzige derart, welche ich überhaupt
erhielt.
Am Sechstroh beobachtete ich noch eine andere, bisher nicht gesehene Art Brust-
schmuck aus einem ovalen Schilde von Bast, mit rothen und blauen Abrus beklebt und
rings mit Zähnen (wohl vom Schwein) eingefasst. Ein anderer schildförmiger Brust-
schmuck war mit kleinen gelben Fruchtkernen beklebt, der Rand (mit Ausnahme des
oberen) mit Crocodilzähnen besetzt, der einzige mir vorgekommene Fall von Verwen-
dung dieses Materials.
g. Armschmuck.
Die gewöhnlichen aus Pflanzenfaser (Art Gras) geflochtenen Armbänder, die in
der Sammlung von der Südostküste (vgl. Gaarna II, S. 3i3) so reichlich vertreten sind,
bilden auch an der ganzen Küste von Kaiser Wilhelms-Land den unumgänglich noth-
wendigen Ausputz für beide Geschlechter, und was ich dort (I. c.) bereits darüber sagte,
gilt auch für hier. Schmale, aus gespaltenem Rottang geflochtene Armreife (wie Nr. 379,
II, S. 3i4 von Kaire und Nr. 382, I, S. 118 von Neu-Britannien) habe ich auch an dieser
Küste (Finsch- und Hatzfeldthafen) beobachtet, dagegen niemals Armringe aus Conus-
Muschel (vgl. Taf. XV, Fig. i) gesehen, wohl aber sehr kunstvoll aus Tridacna-
Muschel geschliffene (auf Guap und Tagai), ähnlich solchen von den Salomons-Inseln
(I, S. 148).
Armringe aus Basisquerschnitten von Trochus niloticuSy ähnlich den *Lalei€ des
Bismarck-Archipels (I, S. 99, Nr. 370) finden sich ebenfalls an dieser Küste. Grob ge-
arbeitete, schwere, wie von den French-Inseln (I, S. 120) sind im Westen (von Massilia
bis Humboldt-Bai) nicht selten, wie die folgende Nummer:
Armring (Nr. 367, i Stück), 12 Mm. dick, 9 Cm. Durchmesser, von Massilia. Sie
werden oft zu mehreren (6 — 8 Stück) am linken Oberarm getragen und dienen unter
Anderem zum Festhalten des Knochendolches (vgl. Abbild. »Samoafahrten«, S. 334).
Im Westen (von Huongolf bis Friedrich Wilhelms-Hafen) sind diese Armringe
{*Bi€ in Finschhafen) durchgehends zierlicher, wie die folgenden:
Armring (Nr. 373, i Stück) von Friedrich Wilhelms Hafen und
Desgleichen (Nr. 375, 2 Stück) von Finschhafen, zuweilen mit eingravirtem Rand-
niuster wie
Io8 * Dr. O. Finsch.
[246]
Armring (Nr. 374 und 374^, 2 Stück — II, S. 348, Taf. XVII [9], Fig. 5 und 6),
aus IrochuSf circa 8 Mm. dick und 60, respective 70 Mm. Weite im Lichten. Friedrich
Wilhelms-Hafen, hier »ß/o« genannt.
Von derartigen Armringen sind oft an ein Dutzend mit rothgefärbtem Rottang
zusammengebunden und bilden einen Schmuck des Oberarmes. Die kleinen Ringe
(wie mit 6 Cm. Weite) sind wohl für Kinder. Die Randmuster sind nicht blos ein-
gravirt, sondern zuweilen erhaben herausgearbeitet (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XIX, Fig. 4,
hier das Weisse erhaben). Im Hinblick auf die bedeutende Härte des Materials ist es
kaum zu begreifen, wie eine so kunstreiche Bearbeitung ohne eiserne Werkzeuge über-
haupt möglich ist, und derartige Stücke stehen unter den mancherlei bewundernswerthen
Arbeiten des Kunstfleisses der Steinzeit jedenfalls obenan. Kaum minderwerthig als
Kunstleistungen müssen jene breiten Ringe aus gebogenem Schildpatt betrachtet wer-
den, die wir zuerst im Westen von Neu-Britannien (I, S. 121, Taf. III, Fig. 22) kennen
lernten. Nach sachverständigem Urtheil erfordert es bei unseren Hilfsmitteln schon
einen geschickten Arbeiter, um aus einem Stück Schildpatt eine regelmässig runde Man-
schette zu biegen. Wenn daher bei »nackten Wilden« schon diese Technik volle An-
erkennung verdient, so müssen wir ihre künstlerischen Leistungen der Ornamentirung
vollends bewundern. Die zum Theil sehr tief eingravirten, ja zuweilen durchbrochen
gearbeiteten Muster stellen sich in regelmässiger schwungvoller Zeichnung nicht selten
europäischen ebenbürtig zur Seite. Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden, dass
nicht jeder Papua Schildpatt zu bearbeiten versteht und Meisterschaft darin besitzt, son-
dern dass es wie bei uns nur gewisse Künstler gibt. Deshalb sind die Kunstleistungen
auch sehr verschieden, wie dies durch die nachfolgende Reihe am besten illustrirt wird.
Armband (Nr. 409, i Stück), ein 5 Cm. breiter Ring aus Schildpatt, 6 Cm. Durch-
messer, mit sechs eingravirten Längsrinnen. Parsihuk in Huongolf. Einfachste Form
(ganz wie von Neu-Britannien, I, S. 120, Nr. 400 und von Ruk, Carolinen).
Desgleichen (Nr. 408, i Stück), daher; 7 Cm. breit, 8 Cm. Durchmesser, mit
Muster in eigenthümlicher Strichelung eingravirt.
Desgleichen (Nr. 407, i Stück), daher; 7 Cm. breit, mit eingravirtem Muster.
Desgleichen (Nr. 406, i Stück), von Finschhafen; nur 3 Cm. breit, mit schöner
Gravirung.
Desgleichen (Nr. 404, i Stück — II, S. 356, Taf. XXI [i3], Fig. 3), 12 Cm. lang
und 750 Mm. Durchmesser; das eingravirte Muster besteht aus geraden Linien und be-
deckt gleichmässig das ganze Armband. Daher.
Desgleichen (Nr. 402, i Stück), mit Gravirung. Von Friedrich Wilhelms-Hafen.
Desgleichen (Nr. 403, i Stück — II, S. 344, Taf. XV [7], Fig. 3), i3 Cm. breit,
8 Cm. Durchmesser, mit tief eingravirtem schwungvollen Muster in Bogenlinien. Das-
selbe ist mit Kalk weiss eingerieben und tritt daher im Gegensatz zur Abbildung weiss
(statt wie auf dieser schwarz) hervor. Von Bilibili in Astrolabe-Bai.
Desgleichen (Nr. 405, i Stück), 10 Cm. lang, 8 Cm. Durchmesser, aus dickem
Schildpatt sehr gleichmässig rund gebogen, mit sehr schwungvollem gravirten Muster,
das sich geschmackvoll um acht durchbrochen gearbeitete Felder gruppirt; besonders
feines Stück. Von der Insel Grager in Friedrich Wilhelms-Hafen.
Desgleichen (Nr. 410, i Stück), 7 Cm. breit, mit eigenthümlichem eingravirten
Muster (Schnörkel und W- förmige Figuren), das mit einem röthlich gefärbten Kalk
eingerieben ist. Vom Caprivifluss in Krauel-Bai.
Breite Schildpattarmbänder, in Finschhafen ^Simassim^, in Astrolabe »5i/ar« ge-
nannt, fand ich im Osten von Huongolf bis Friedrich Wilhelms-Hafen am häufigsten,
[2171 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. lOg
aber noch so weit westlich als Guap. In Bezug auf die Muster herrscht grosse Ver-
schiedenheit, und ich habe trotz der grossen Anzahl kaum zwei völlig gleiche gesehen.
Sehr hübsche Muster sind in meinem Ethnol. Atlas, Taf. XIX, Fig. i, 2, 3, abgebildet.
Die Schildpattarmbänder werden zuweilen noch mit besonderem Schmuck in Form
von Anhängseln verziert, wie das folgende Stück :
Armbandschmuck (Nr. 509, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 16), be-
stehend aus (a) sechs circa 10 Cm. langen Schnüren Muschelgeld, an welche je die
Längshälfte einer Fruchtschale (b) und zwei Hundezähne (c) befestigt sind. Von Finsch-
hafen. Derartiger Schmuck wird auch zur Verzierung anderer Gegenstände benutzt,
z. B. als Anhängsel an Leibgürtel.
Aus Gras oder Pflanzenfaser geflochtene Armbänder, in Bongu »Sagiu^ genannt,
reich mit Muscheln ornamentirt, sind sehr mannigfach und deren Hauptformen auch in
der Sammlung vertreten. Im Osten, von Huongolf bis Friedrich Wilhelms-Hafen, ist
jene Form vorherrschend, welche wir schon von den French- Inseln (Taf. III, Fig. 20)
kennen und für welche zwei blattförmige Ansätze charakteristisch sind, wie die folgende
Nummer:
Armband (Nr. 391, i Stück), aus Flechtwerk, mit Randbesatz von Nassa. Finsch-
hafen, hier »Ssanim* genannt (in Bogadschi »Dschula*^ auf Grager »i4n«). Sehr ähn-
lich wie Fig. 4, Taf. XVIII, des Ethnol. Atlas.
Ein besonders feines und kunstvolles Stück in diesem Genre repräsentirt die fol-
gende Nummer:
Armband (Nr. 392, i Stück), 10 Cm. breites Band aus rothgefärbtem Strohgeflecht,
mit zwei blattförmigen Schneppen und reicher Verzierung von Nassa, Cow«5-Ringen
und Hundezähnen in geschmackvoller symmetrischer Anordnung. Insel Grager, Friedrich
Wilhelms-Hafen. Ein ähnliches reichverziertes und kostbares Armband von dieser Loca-
lität ist Ethnol. Atlas,' Taf. XVIII, Fig. 3, abgebildet.
Aus den (S. 80) beschriebenen gelben Schnüren, Ssetnu genannt, werden in Huon-
golf und Finschhafen auch hübsche Armbänder geflochten, die sehr elegant aussehen,
wie das folgende Stück:
Armband (Nr. 389, i Stück), aus Ssemu, 4 Cm. breit, 20 Cm* Umfang; am
unteren Rande mit einem bogenförmigen Ansätze. Finschhafen. Die Art und Weise,
wie solche Armbänder am Oberarm getragen werden, zeigt die Abbild. »Samoafahrten«,
S. 179.
Im Westen treten andere Formen geflochtener Armbänder auf, wie die folgenden:
Armband (Nr. 394, i Stück), 25 Mm. breites Band (28 Cm. Umfang) aus roth-
gefärbtem Strohgeflecht, beiderseits mit Nassa bordirt, in der Mitte ein bogiger Ansatz
aus feinem Bindfadenflechtwerk, der dreireihig mit Nassa bordirt ist und in eine mit
gleichem Material besetzte Rosette endet. Hatzfeldthafen.
Armband (Nr. 395, i Stück), schmales Band von rothem Strohgeflecht, mit einem
grossen, schönen Ringe aus 7ri(/ac;ia-Muschel geschliffen, lose eingeflochten. Venushuk.
Armband (Nr. 390, i Stück), ein circa 35 Mm. breites, ziemlich grobgeflochtenes
Band aus schwarzer Pflanzenfaser (siehe Liane vorne S. 80) mit zahlreichen bis 3o Cm.
langen Fäden aus demselben Material, die zu Strähnen verflochten sind, an deren Enden
Coww5-Ringc befestigt. Finschhafen.
Aehnliche Stücke aus gleichem Material erhielt ich auch in Huongolf und Hum-
boldt-Bai.
Armband (Nr. 387, i Stück), schmales, nur i Cm. breites Band (27 Cm. Umfang)
aus gleichem Material als vorher, mit einer Reihe Nassa aufgenäht. Von Angriffshafen.
HO Dr. O. Finsch. [248]
Armband (Nr. 388^ i Stück), daher; 7 Cm. breites, feingeflochtenes Band, dicht
mit Nassa besetzt und einige i4^ru5-Bohnen aufgeklebt.
Eine besondere Art Armband, die ich einige Male am Sechstrohfluss beobachtete,
mag hier zum Schluss noch erwähnt sein. Diese Armbänder bestanden aus einem
spiralig gewundenen Ring, anscheinend aus einer elastischen Liane.
Ausser bunten Blättern und wohlriechenden Pflanzen, die bei festlichen Gelegen-
heiten in die Armbänder eingesteckt werden, gibt es auch noch besonderen Armband-
schmuck. In Finschhafen werden eigenthümliche, roth und gelb gefärbte Büschel einer
Pflanzenfaser, Ssegum genannt, wohl vom Blatt der Sagopalme, benutzt, weiter im
Westen, von Hatzfeldthafen bis Guap, tritt eine andere Art auf, wie die folgenden
Nummern :
Armbandschmuck (Nr. 416, i Stück), bestehend aus einem 84 Cm. langen, run-
den, über Pflanzenfaser befestigten Streif von weiss und goldbraunem Beutelthierfell
(Cuscus)\ an der Basis fein umflochten und mit Menschenhaar und Nassa besetzt.
Venushuk.
Desgleichen (Nr. 415, i Stück), wie vorher, aber kürzer, aus rothem Cuscusfell,
unverziert. Insel Guap.
Um das Handgelenk werden, ähnlich wie um das Fesselgelenk, zuweilen Bänder,
meist von grober Pflanzenfaser, manchmal feiner und roth gefärbt, umflochten, wie ich
dies von Finsch- bis Hatzfeldthafen notirte. An letzterem Platze, sowie am Caprivi er-
hielt ich auch Manschetten aus groben Flechtwerk von gespaltenem Rottang, zuweilen
mit reicher Verzierung von Nassa, Conus-Scheibcn und Menschenhaar, ähnlich den
>Aukoro€ von der Südostküste (II, S. 33 1, Nr. 38o). Ob dieselben, wie dort, zum
Schutz gegen den Rückschlag der Bogensehne dienen, vermochte ich nicht auszumachen.
Am Sechstroh hatten die Männer zuweilen, vielleicht zu demselben Zwecke, ein Strick-
chen um das Handgelenk gebunden, an welchen zwei Co^iu^-Ringe befestigt waren.
h. Leibschmuck.
Wir haben (S. 86) bereits unter Bekleidung gewisse Arten von geflochtenen und
Rindengürteln kennen gelernt, die nur in Verbindung mit den Tapaschambinden als
zur Bekleidung gehörig betrachtet werden können, eigentlich aber zum Ausputz ge-
hören. Lediglich als solcher sind die nachfolgenden Stücke aufzufassen, welche die vor-
züglichsten Formen von Leibschmuck in Kaiser Wilhelms-Land repräsentiren, darunter
sehr kunstvolle und originelle Arbeiten. Im Allgemeinen ist derartiger Körperausputz
selten, wird hauptsächlich bei festlichen Gelegenheiten und fast nur von Männern ge-
tragen, denn nur in Humboldt-Bai sah ich eine gewisse Art Leibschnüre (Nr. 564) auch
bei Frauen.
Leibgürtel (Nr. 554, i Stück — II, S. 358, Taf. XXII [14], Fig. 3), 17 M. lang,
geschmackvoll verschlungene Flechtarbeit aus 55emi/-Schnüren (S. 80). Finschhafen.
Ich erhielt hier auch sehr reich mit Nassa und Hundezähnen verzierte Leibgürtel
aus diesem Material, darunter einen mit Bommeln aus Fruchtschalen und Hunde-
zähnen (wie Taf. XIV, Fig. 16), auch ganz einfache (wie Ethnol. Atlas, Taf. XXIV,
Fig. s). Ausserdem sind mir Gürtel aus gleichem Material nur noch in Huongolf vor-
gekommen .
In Astrolabe-Bai erhielt ich eine andere sehr eigenthümliche Form, die ich sonst
nirgends antraf.
I
[249] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 1 1 1
Gogu (Nr. 555, I Stück), Leibschnur (IL S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 5) aus Ab-
schnitten der natürlichen Röhren einer Septaria-Muschely abwechselnd mit einzelnen
Fischwirbcln (a) und Hundezähnen (b), Bogadschi.
Diese Art Schmuck, welche in Friedrich Wilhelms-Hafen »Popok* heisst, gilt als
äusserst werthvoU und wird höher geschätzt als Hundezähne.
In Brocken Water-Bai (Venushuk) sah ich Schnüre von Nassa (ganz wie Fig. 10,
Taf. XIV) um den Leib gebunden, auch Leibgürtel von Hundezähnen und Nassa, wie
Taf. XIV, Fig. II, aber auch kunstvollere Arbeiten aus diesen Materialien, im Ganzen
aber wenig derartigen Schmuck.
Weiter nach W^esten wird solcher häufiger und formenreicher. Ein besonders
kunstvolles Stück repräsentirt die folgende Nummer :
Leibgürtel (Nr. 557, i Stück), ein 3 Cm. breiter und 52 Cm. langer Streif aus
rothgefärbten Rottangstreifen geflochten, an beiden Seiten mit einer Reihe Nassa bor-
dirt, in der Mitte des Gürtels ist eine Schneppe aus feinem Bindfadenflechtwerk an-
gebracht, mit einer Agraffe aus neun Hundezähnen und jederseits einem Conu^-Ringe,
die Spitze der Schneppe endet in einem Querriegel von gleichem Flechtwerk mit Nassa
bordirt und in ein Kettchen mit einem schwarzen Fruchtkerne (wie Taf. XIV, Fig. 17^);
an jeder Seite des Gürtels ist eine Doppelschneppe, kleiner als die der Mitte, aber in
gleicher Weise verziert, angebracht; der Gürtel endet jederseits in einen äusserst ge-
schickt geflochtenen Strick. Vom Caprivifluss in Krauel-Bai.
Sehr einfach ist die folgende Nummer:
Leibschnur (Nr. 588, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 14), eine 46 Cm.
lange, aus sehr gut gedrehten Bindfaden gefertigte Schnur, an welcher eine dicht stehende
Reihe Cypraea moneta angeflochten ist, sowie einzelne Cowws-Ringe (a). Der Mantel
der Muscheln ist abgeschlagen und abgeschliffen. Von der Insel Guap. Ich fand diese
eigenthümliche Form, die schon wegen der Benutzung von Cypraea moneta von Inter-
esse ist, nur hier, wie sonst überhaupt in Neu-Guinea keine Cypraea moneta zu Schmuck-
zwecken benutzt.
Eigenartig sind die folgenden Nummern :
Leibgürtel (Nr. 560, i Stück — II, S. 342, Taf. XIV [6], Fig. 15), ein circa meter-
langer und 25 Mm. breiter Baststreif, auf den vier Längsreihen iV^^^a-Muscheln genäht
sind; mit drei Querriegeln aus schwarzen runden Perlen (a) von Cocosnussschale, in
der Mitte eine Reihe Cassidula (b). Von Angriffshafen.
Leibgürtel (Nr. 561, i Stück), ein 3 Cm. breiter und 56 Cm. langer Streif aus
schwarzer Pflanzenfaser, wohl Liane geflochten, mit zum Theil lang abstehenden Fasern
und Besatz von Nassa in symmetrischen Mustern; der Gürtel endet jederseits in eine
Oese aus Rottang und wird mit dünnen Baststreifen festgebunden. Angriffshafen.
Hier erhielt ich auch kunstvolle, über gespaltenen Rottang mit Cont/5-Ringen ver-
zierte Leibgürtel (wie Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 8) und sehr zierliche, wie die fol-
gende Nummer:
Leibschnur (Nr. 559, i Stück), aus aufgereihten Coixsamen mit abwechselnd
vier kleinen schwarzen Perlen aus Rinde (wohl Cocosnussschale). AngrifTshafen. Ab-
gebUdet Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 7.
Von AngrifTshafen bis Humboldt-Bai kommt ein eigenthümliches Material vielfach
zur Verwendung, wie die folgende Nummer:
Pflanzenfaser (Nr. 566, i Probe), äusserst fein gespalten und hübsch kirschbraun-
roth gefärbt; wahrscheinlich Blattfaser der Sagopalme und dasselbe Material, aus dem
die Weiberschürzchen (S. 87) hergestellt werden. Sechstrohfluss.
112 Dr. O. Finsch. C^So]
Leibschnur (Nr. 563, i Stück), daher; bestehend aus 15 sehr dünnen Schnüren,
so fein wie Haarschnüre und aus obigem Material geflochten.
Desgleichen (Nr. 564, i Stück), daher; wie vorher, aber mit einzelnen Coixsamen
eingeflochten. Derartige Schnüre sah ich in Humboldt-Bai auch Frauen über den Tapa-
schürz tragen.
Ein sehr originelles Stück ist das folgende:
Leibgürtel (Nr. 565, i Stück), 45 Cm. lange Doppelreihe aus je 40 sehr fein-
geflochtenen dünnen Schnüren aus obigem Material; in der Mitte und an jeder Seite sind
zahlreiche dünne, bis 3o Cm. lange Bindfaden aus naturfarbenem Garn angebunden, an
deren Basis zum Theil halbdurchschnittene Coixsamen aufgereiht, während am Ende
zahlreiche dünne Ringe aus Napfmuscheln (Patella) eingeknüpft sind; am Gürtel selbst
sind ausserdem Büschel einzelner Seitenfedern des Paradiesvogels angebunden. Von
Angriffshafen.
Leibschmuck (Nr. 567, i Stück), auf eine Schnur gereihte Abschnitte von Vogel-
knochen (wohl von Buceros)\ in der Mitte vier grosse, runde, dunkle Fruchtkerne, zum
Theil mit Gravirung und einige schmale Querschnitte von Knochen (wohl vom Schwein).
Sechstrohfluss.
Diese eigenthümliche Form (abgebildet Ethnol. Atlas, Taf. XXIV, Fig. 2) fand ich
nur hier; statt Vogelknochen waren häufiger Abschnitte der langen Glieder von Krebs-
beinen verwendet. Eine andere Art Leibschnüre von dieser Localität bestand in auf-
gereihten Samenkernen von Adenanthera und Coix (vgl. Ethnol. Adas, Taf. XXIV,
Fig. 6).
/. Beinschmuck.
Aehnliche Bänder aus feinem Flechtwerk von Gras oder Faser, wie um den Ober-
arm, werden nicht selten unter dem Knie getragen, d. h. fest umgeflochten, wie ich
dies von Huongolf bis Venushuk beobachtete. Diese Kniebänder, in Constantinhafen
^ Samba Sagiu* genannt, sind häufig roth gefärbt und zuweilen mit ein paar Conus-
Ringen verziert, wie bei jungen Mädchen auf Grager (vgl. Abbild. »Samoafahrten«,
S. 108). In Finschhafen sah ich auch schmale Ringe aus gespaltenem Rottang unterm
Knie umgeflochten, aber auch sehr feinen Schmuck, wie die folgende Nummer:
Knieschmuck (Nr. 542, i Stück), ein 16 Cm. langer und 24 Cm. breiter zwei-
theiliger Streif aus feinem Flechtwerk von gespaltenem, mit rothgefärbtem Stroh über-
sponnenem Rottang, unterseits mit zwei je 55 Mm. langen bogenförmigen Ansätzen, die
durchbrochen gearbeitet sind; die oberen Hälften mit kunstvollem Besatz von Nassa
in Form einer Spirale; an den seitlichen Enden sind zwei Bänder zum Festbinden.
«
Finschhafen.
Sehr kunstvolle Arbeit. Festschmuck der Männer, nur hier von mir beobachtet.
Ein ähnliches sehr schönes Stück ist in meinem Ethnol. Atlas, Taf. XVIII, Fig. 2, ab-
gebildet.
Schmuck ums Fesselgelenk ist mir nur wenige Male vorgekommen. So trugen
einzelne Männer in Finschhafen grobgeflochtene Ringe aus gespaltenem Rottang um
die Fessel und in Grager und Hatzfeldthafen war zuweilen das Bein vom Knöchel bis
fast zur halben Wade mit rothen Flechtwerk eingestrickt, ganz wie ich dies auf Wil-
laumez beobachtete (I, S. 118).
[251] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. Il3
III. Sitten und Gebräuche.
Bei der Kürze meines Aufenthaltes konnte ich in dieser Richtung nur in sehr be-
schränkter Weise Notizen sammeln. Aber wir haben darüber, soweit es die Eingeborenen
von Astrolabe-3ai betrifft, durch v. Miklucho-Maclay ausführliche und ausgezeich-
nete Nachrichten, die im Grossen und Ganzen dieselben Verhältnisse zeigen, als wie ich
dieselben an der Südostküste fand. So in Betreffs der Moral, die namentlich in Bezug
auf das eheliche Leben eine sehr strenge ist, wie fast bei allen Stämmen papuanischer
Race, so lange dieselben noch unberührt blieben. Der Verkehr mit Weissen ändert
diese Verhältnisse indessen häufig sehr bald. So boten mir 1884 in Neu-Irland Männer
bereits ihre Frauen an, wobei ich bemerken will, dass derartige Offerten noch keines-
wegs als Zeichen der herrschenden Unsittlichkeit gelten dürfen. In den meisten Fällen
sucht der Eingeborene ein Stück Tabak als Vorausbezahlung zu erlangen, und das ist
Alles. In Kaiser Wilhelms-Land zeigten sich die Frauen durchgehends scheu, und es
hielt häufig schwer, sie überhaupt zu sehen. Nach v. Maclay herrscht übrigens an der
Maclayküste Monogamie.
Cannibali8inU8 ist bis jetzt nicht aus Kaiser Wilhelms-Land nachgewiesen. Maclay
erwähnt an einer Stelle »Der Menschenfresser Erempi« ein Gebiet, das er selbst nicht,
sondern nur vom Hörensagen kannte. Dasselbe liegt zwischen Juno-Insel und Cap
Croissilles und wurde von der wissenschaftlichen Expedition derNeu-Guinea-Compagnie
vielfach durchstreift. Sie hielt sich hier fünf Wochen auf, aber in den' Berichten wird
nichts von dieser Unsitte erwähnt, dagegen an ein paar anderen Stellen in den »Nach-
richten aus Kaiser Wilhelms-Land«. So sah Herr v. Schleinitz an den Häusern am
Prinz Wilhelmfluss Menschenschädel in Bündeln aufgehangen und glaubt deshalb, auf
Cannibalismus schliessen zu dürfen. Hauptmann Dreger bemerkt von den Eingebore-
nen in Huongolf : »dass die Erschlagenen gegessen werden, daraus wurde kein Hehl ge-
macht«. Aber dies genügt nach meiner Ansicht noch nicht, um daraufhin Cannibalis-
mus als zweifellos bestehend anzunehmen.
Namengebung und Heirat8gebräUChe. Darüber berichtet v. Maclay. Es besteht
auch eine Art Pathenschaft und v. Maclay wurde öfters gebeten, Neugeborenen seinen
Namen zu geben. Ein circa 16 Jahre altes Mädchen, das von ihm benannt war, bekamen
wir in Bongu zu sehen. Spätere Besucher haben dasselbe gedankenlos als Maclay 's
Frau oder Kind bezeichnet; es war aber nur sein Pathenkind.
B68Chneidling wird zuerst von V. Maclay aus Astrolabe-Bai erwähnt und ist von
mir auch nur hier beobachtet worden, ausserdem noch im Westen von Neu-Britannien
(I, S. 120). Nach V. Maclay ist diese Sitte übrigens nicht in allen Dörfern von Astro-
labe üblich. Die Operation wird, wie bei den alten Juden, mittelst eines scharfen Steines
verrichtet, und zwar im x3. bis X4. Jahre. Sie hat übrigens mit Pubertät nichts zu thun,
denn ich sah in Bongu beschnittene Knaben, die kaum älter als 6 bis 7 Jahre sein
mochten.
Be8tattung. Die Pietät gegenüber Verstorbener bekundet sich schon in den
Gräbern, wie ich solche in Astrolabe-Bai, Friedrich Wilhelms- und Finschhafen beob-
achtete. Man findet im Ganzen wenig Grabstätten, weil die Verstorbenen häufig in der
Hütte begraben werden, wie Maclay berichtet, also ganz ähnlich, wie ich dies in Neu-
ßritannien wahrnahm. Die Gräber in Bongu, auf Tiar und Bilia bestehen meist aus
einem Plankenzaun, in welchen bunte Blattpflanzen, zuweilen Betelpalmen gepflanzt
werden. In Finschhafen bezeichnet ein viereckiger flacher Holzrahmen, der mit weissem
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuscums, Ud. VI, Heft i, 1891. S
i^
J i i
I ♦
< -
i:
t
• r'
l .
I
'\
!
> • • •
,1- ^ r
i
" T
^•.
■^
li ^ <
l>
j
Im ^ ,•.
■ ^
« •
>,
114
Dr. O. Finsch.
[252]
Sande ausgeschüttet ist (Abbild. »Samoafahrten«, S. 176), die Grabstätte, oder es ist,
ähnlich wie auf Teste-Insel, ein kleines Häuschen errichtet (»Samoafahrten«, S. 173)
und um dasselbe eine Einfriedung von Corallstücken oder Cocosnüssen gelegt. Die
Gebräuche beim Begräbnisse selbst beschreibt v. Maclay ausführlich. Dr. HoUrung
kannte diese wichtigen Nachrichten gewiss nicht, wenn er unter Anderem sagt,*) »dass
man noch nicht einmal weiss, ob die Todten begraben, verbrannt oder gar verspeist (!)
werden.«
Andere Bestattungsgebräuche der Bergbewohner werden in den Berichten der
Expedition nach dem Finisterregebirge mitgetheilt, die ich hier nicht übergehen will.
Der Ort der Mittheilungen ist das Bergdorf Kadda, das circa 3o Kilometer von Con-
stantinhafen in einer Höhe von 36o Meter (etwas über 1000 Fuss), also keineswegs
sehr hoch liegt. Hugo Zoll er, der Chef der »Neu-Guinea- Expedition der Kölnischen
Zeitung«, schreibt in diesem Blatte (Nr. 53 vom 22. Februar 1889) über den Besuch in
Kadda unter Anderem das Folgende: »Es war ein grosses und volkreiches Dorf (!), das
wir, begrüsst von den Angesehenen und Wohlhabenden (!), betraten. Wir wurden ge-
beten, nicht hier, sondern in einem etwa eine Viertelstunde weiter gelegenen Dorfe, das
ebenfalls Kadda heissen sollte, unser Lager aufzuschlagen. Die Hütten glichen auf ein
Haar der in Dschongu zuerst gesehenen Schablone des hochdachigen Berghauses. Wohl
aber fiel uns das am Ende des Dorfes gelegene, mit Gesichtsmasken (!), Schädeln (!),
Thierknochen und ähnlichem Plunder phantastisch aufgeputzte Haus des Zauberers (!),
sowie eine andere grössere Hütte auf, von der man erzählte, dass sie der Zauberer bei
der Vorführung* seiner Kunststücke benütze (!). Des Weiteren fand sich bei Besichtigung
der rauchgeschwärzten Hütten, dass an deren Decken zahlreiche (!), meist schon nicht
mehr übelriechende Leichen herunterbaumelten (!), so dass wir die Nacht in einem
wahren und wirklichen Todtendorfe verbracht hatten.«
Es ist ein Glück für die Wissenschaft, dass sich bei der Expedition noch andere,
nüchterne Beobachter befanden, deren Berichte die feuilletonistische Ausschmückung
auf das richtige Mass zurückführen. Die Herren Dr. Hellwig und Winter schreiben
(»Nachrichten aus Kaiser Wilhelms-Land«, 1889, Heft I, S. 7) über den Besuch in Kadda
wie folgt: »Das Dorf wurde, nachdem der steile Abhang erklommen war, nach ungefähr
40 Minuten erreicht und nach weiteren 10 Minuten ein zweites zu demselben gehöriges
Dorf. Beide sind äusserst armselig und bestehen nur aus wenigen Hütten, von denen
der grösste Theil, besonders in dem letzten Dorfe, in welchem übernachtet wurde, sich
in sehr baufälligem Zustande befand. Die Einwohner waren nur mit Mühe zu bewegen,
im Dorfe zu bleiben (am anderen Morgen übrigens sämmtlich verschwunden). Bei
näherer Untersuchung der Hütten fand sich, dass vielleicht nur zwei bis drei bewohnt
sein konnten. In jeder von ihnen waren ein bis zwei Todte aufgestellt; dieselben be-
fanden sich in sitzender Stellung, die Knie hochgezogen und an den Leib gedrückt, in
Matten eingehüllt.«
Es handelt sich also hier um eine Art Mumificirung, wie sie in ähnlicher Weise
früher auf den Inseln der Torresstrasse üblich war. Der Unterschied mit den an der
Küste herrschenden Gebräuchen besteht nur darin, dass die in Bündel gepackten Leichen,
wie es scheint, nicht begraben werden, sondern in den Hütten verbleiben.
Todtenverehrung bekundet sich nicht allein in Bestattungsgebräuchen, sondern
auch im Verwahren von Andenken an die Verstorbenen. In ähnlicher Weise, wie ich
dies in Neu-Britannien beobachtete (I, S. ii3), werden nach v. Maclay in Astrolabe-
') In: »Nachrichten aus Kaiser Wilhclms-Land«, 1888, Heft IV, S. 227.
[253]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
"5
Bai nach Verlauf von circa einem Jahre die Ueberreste wieder ausgegraben und davon
die Unterkinnlade als theures Andenken verwahrt. Nicht selten wird aus dem Unter-
kiefer ein Armband verfertigt, wie wir diese Sitte bereits (S. i8) von der Ostspitze
kennen lernten. Deshalb hielt es so schwer, Schädel zu erlangen. Maclay erhielt in
15 Monaten nur 10, davon nur 2 mit Unterkiefer. Ich selbst habe nur einmal an einem
Hause in Bongu ein paar Menschenschädel bemerkt, sonst nie in einem in ganz Kaiser
Wilhelms-Land. Aber ich sah zwei menschliche Unterkiefer,*) die künstlich an Stäbchen
befestigt waren und jedenfalls sehr lange im Rauch der Hütte aufbewahrt gewesen sein
mussten, denn sie waren ganz geschwärzt. Dieses Erinnerungszeichen, welches aus
Bongu herstammte, bestätigt also vollkommen die Nachrichten Maclay's, wenn dieselben
überhaupt der Bestätigung bedürften.
Musik. Die ausführlichen Nachrichten v. Maclay's zeigen ungefähr dieselben
Verhältnisse als anderwärts, nämlich dass es sich auch bei den Eingeborenen dieser
Küste in erster Linie weniger um Musik, als um Lärmmachen handelt. Was die Instru-
mente selbst anbelangt, so sind es, mit Ausnahme einer Art Rassel, dieselben, welche
wir bereits aus Neu-Britannie^ und von der Südostküste kennen lernten. Die meisten
Instrumente konnte ich selbst sammeln. Obenan stehen Trommeln in der bekannten
Sanduhrform, aus einem Stück Hartholz gearbeitet und die eine OefTnung mit Eidechsen-
haut (Monitor) überspannt. Die Sammlung enthält davon hervorragende Stücke in den
folgenden Nummern:
Trommel (Nr. 601, i Stück — II, S. 356, Taf. XXI [i3], Fig. i), 62 Cm. lang,
15 Cm. Durchmesser, mit kunstvoller erhabener Schnitzerei, davon der aus einem
Stück gearbeitete Henkel, eine Eidechse (Monitor) darstellend; die Schnörkellinien auf
der oberen Hälfte sind eingravirt. Die Oberseite ist mit Monitorhaut bespannt. Von
Parsihuk in Huongolf.
Desgleichen (Nr. 600, i Stück); sehr gross, 70 Cm. lang, 19 Cm. Durchmesser,
mit feiner Schnitzarbeit; der durchbrochen geschnitzte Henkel endet jederseits in eine
Eidechse. Von Huongolf.
Desgleichen (Nr. 602, i Stück), 64 Cm. lang, 17 Cm. Durchmesser, ausserordent-
lich feines Stück, mit kunstvoller Schnitzerei: zwei Medaillons in Reliefarbeit, Gesichter
darstellend. Von Finschhafen, hier >Ong^ genannt, am Festungshuk >Onge€,
Die interessante Schnitzarbeit dieser Trommel ist im Ethnol. Atlas, Taf. XIII, Fig. 4,
abgebildet, sowie (Fig. 3) das folgende Stück:
Trommel (Nr. 6o3, i Stück), 55 Cm. lang, 10 Cm. Durchmesser, mit kunstvoll
durchbrochen gearbeitetem Henkel und eingravirtem Muster. Insel Grager, hier »Dubuagn
genannt, in Constantinhafen >Okam<.
Die eigenthümliche Schnitzarbeit des Henkels wird für die Trommeln von Fried-
rich Wilhelms-Hafen charakteristisch (vgl. auch Ethnol. Atlas, Taf. XIII, Fig. 2). Wenn
man bedenkt, welche Mühe es machen muss, ohne eisernes Geräth ein 70 Cm. langes
Stück harten Holzes allein nur auszuhöhlen, so wird man, ganz abgesehen von der oft
sehr kunstreichen und geschmackvollen Schnitzarbeit, diese Trommeln mit unter die
besonders hervorragenden und bewundernswerthen Leistungen der Papuakunst rechnen
müssen. Auch das ideale Streben des Menschen der Steinzeit v^erdient dabei volle
Würdigung.
») Ein ganz ähnliches Stück ist »Museum GodeflVoy, Taf. XIV, Fig. 4« von den Hcrmites abge-
t*iUet, aber keinesfalls ein Erinnerungszeichen an »einen erschlagenen Feind«, sondern an einen lieben
f"'rcund oder Anven^'andtcn, wie dies schon die Haarlocken beweisen.
f I
f
lA •
in. -
c.-
I!
ii6
Dr. O. Finsch.
[254]
fv-
■ .1
1^
■j'
1:
it '
1
3
3'
■t «
f .
■ ■* ♦ ,
Diese Art Trommeln habe ich an der ganzen Küste bis Humboldt-Bai beobachtet.
Gewöhnlich sind sie ohne bemerkenswerthe Verzierung in Schnitzarbeit. Sie dienen
zur Begleitung beim Tanzen und werden von dem Tanzenden selbst bearbeitet, der sie
mit der Linken am Henkel hält und mit den Fingern der Rechten den Tact schlägt.
Trommeln dieser Art dürfen von den Frauen gesehen werden, während die grossen
trogähnlichen Signaltrommeln (vgl. I, S. iii, Taf. V, Fig. 8) streng tabu sind, ja deren
Klang schon genügt, Weiber und Kinder zu verjagen. Diese Art Trommeln, in Con-
stantinhafen yBarum^ genannt, beobachtete ich ebenfalls an der ganzen Küste von
Kaiser Wilhelms-Land, und zwar meist in den Gemeindehäusern. Sie sind oft, wie
z. B. in Humboldt-Bai, von colossaler Grösse, nicht selten hübsch mit Schnitzarbeit ver-
ziert und werden mit einem Knüppel geschlagen. Im Ethnol. Atlas (Taf. XIII, Fig. i)
habe ich die grosse Trommel (Do) im Gemeindehause (Dasem) auf der Insel Tiar in
Friedrich Wilhelms-Hafen abgebildet.
Ein dem >Awuwu^ von Neu-Britannien (I, S. ixo, Taf. V, Fig. 7) sehr ähnliches
Instrument zeigt die folgende Nummer:
Blasekugel (Nr. 592, i Stück), eine sehr kleine, kugelrunde Steincocosnuss, mit
einem Loche zum Hineinblasen und Löchern zum Fingern. Constantinhafen, Dorf
Bongu, hier >Munki-ai€ genannt. Gehört nach v. Maclay zu den Lärminstrumenten,
deren Anblick für die Frauen tabu ist, während die Blasekugeln in Neu-Britannien ge-
rade nur vom weiblichen Geschlecht benutzt werden.
Ausser den angeführten Instrumenten beobachtete ich nur noch Rohrflöten (in
Constantinhafen *Thtmbin^ genannt), ähnlich denen von Neu-Britannien (I, Taf. V,
Fig. 5), aber ohne Verzierung, wovon ich eine aus dem Gemeindehause in Tobadi im
Ethnol. Atlas (Taf. XIII, Fig. 5) abbildete, ein Schlaginstrument aus Bambu am Ham-
macherfluss, ganz wie das von Port Moresby (II, S. 336, Nr. 593 -»Ssadä^) und ein
anderes Bambuinstrument auf der Insel Grager. Dasselbe, hier »Gadu€ genannt, besteht
aus einer einfachen 46 Cm. langen Bamburöhre, in welche Sprünge gemacht sind, um
den Ton zu verstärken. Ganz ähnlich ist das von v. Maclay aus Bongu beschriebene
^Ai'Kabrainy eine Bamburöhre, die ebenfalls nur zum Lärmmachen dient. Nach
V. Maclay werden lange Bamburöhre auch zum Taktstampfen benutzt, ganz wie ich
dies in Neu-Britannien beobachtete, aber aus Versehen (I. S. 109) anzuführen vergass.
Panflöten (I, Taf. V, Fig. 4) und Maultrommeln aus Bambu (Taf.V, Fig. i) sind mir
in Kaiser Wilhelms-Land nicht vorgekommen, aber ich beobachtete die bekannten Signal-
trompeten aus Tritonmuschel.
Festlichkeiten. Ich konnte mich mit den Eingeborenen von Constantinhafen be-
reits so gut verständigen, dass sie uns auf mein Ersuchen, einen >A/m/i«, Tanz, zum
Besten gaben. Die Vorstellung bot für mich durchaus nichts Neues, denn sie bestand
nur in dem üblichen Lärmniachen, wilden Springen und Trampeln, wie dies überall
bei derartigen Papuaaufführungen der Fall ist. Aber die Leute hatten keine Vorberei-
tungen treffen können und improvisirte Festlichkeiten Eingeborener sind aUemal ein
mehr oder minder kläglicher Abklatsch der wirklichen. Die letzteren beschreibt
v. Maclay am besten, der einmal drei Tage und zwei Nächte lang ununterbrochen Zu-
schauer dabei war. Die Feste der Männer heissen in Constantinhafen »/4/«, wie Alles, was
damit verbunden ist, und werden meist auf einem freien Platze, »-47«, im Urwalde ab-
gehalten. Eine grossartige Schmauserei, wobei Schweine geschlachtet werden und eine
Kawabowle den Schluss bildet, ist der Kernpunkt des ganzen »i4/«, und schon aus
diesem Grunde das letztere und Alles, was damit verbunden ist, für Frauen urtd Kinder
[255]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
117
Streng tabu.^) Die letzteren dürfen aber beim ^SeUmun^ zusehen, eine Festlichkeit der
Männer, die im Dorfe abgehalten wird. Die Verhältnisse sind also ziemlich ähnlich als
wie in Neu-Britannien.
Masken. Mit den Ais der Männer sind zuweilen auch grosse Maskeraden verbun-
den und V. Maclay zeigte mir unter seinen Skizzen die phantastischen, thurmartigen
Aufbaue, meist aus Federn, bunten Blättern u. dgl., welche die Männer dann auf dem
Kopfe tragen. Die gleiche Art Masken beschreibt Dr. Hollrung von Finschhafen. Sie
finden sich in ähnlicher Weise an der SUdostküste (II, S. 336) wieder und im >Dugdug<t
Neu-Britanniens (I, S. 1 1 5). Eine sehr eigenthUmliche Art Masken erhielt ich im Westen
von Kaiser Wilhelms-Land :
Maske (Nr. 621, i Stück — II, S. 358, Taf. XXII [14], Fig. 5) in Form einer aus
Hartholz geschnitzten Larve, auf der Rückseite 40 Cm. in der Länge und 20 Cm. breit,
ein Gesicht mit langer spitzer Nase darstellend, auf rothem Grunde mit weissen und
ockergelben symmetrischen Linien bemalt, Augen, Mund und Nasenlöcher sind durch-
bohrt gearbeitet, in den letzteren ein Blattstreifen von Cocospalme festgebunden, am
Kinn ein Bart aus Menschenhaar. Dallmannhafen.
Desgleichen (Nr. 622, i Stück), wie vorher, aber kleiner, 18 Cm. in der Länge,
7 Cm. breit, roth, schwarz und weiss, und mit gelben Punkten bemalt; rings um das
Gesicht ist eine Wulst von Blattfaser als Imitation des Bartes befestigt. Dallmannhafen.
Ich erhielt diese Masken in Dallmannhafen und auf der Insel Guap, darunter bis
50 Cm. lange und mit langer, spitzer, vogelschnabelartiger Nase (Ethnol. Atlas, Taf. XIV,
Fig. 2), auf Guap aber auch eine solche mit gekrümmter Judennase. Diese Masken sind
sehr verschiedenartig bemalt und verziert. So an den Nasenlöchern mit Nassa und
Faserstreifen oder Blattbüscheln (Ethnol. Atlas, Taf. XIV, Fig. i) oder imitirten Nasen-
schmuck in Nasenkeilen und Schmuck aus Perlmutter (wie Taf. XV, Fig. 2). Einer
Maske von Guap waren Augen aus Deckeln von Turbo (pentolarius) eingesetzt.
Von derartigen Masken gibt es auch Nachbildungen en miniature, wie die folgende
Nummer:
Maske (Nr. 660, i Stück), ein Gesicht darstellend, aus Holz geschnitzt, circa
140 Mm. lang. Dallmannhafen.
Diese kleinen Masken (vgl. Ethnol. Atlas, Taf. XIV, Fig. 3 und 4) fand ich zu-
weilen an den Brustbeuteln der Männer als Schmuck befestigt. Es sind vermuthlich
Erinnerungszeichen an grosse Masken feste, Talismane o. dgl.
In einer Hütte in Bongu, in welche die Frauen nicht Eintritt hatten, entdeckte ich
eine verstaubte und verkommene Holzschnitzerei, welche als »Aidogan^ bezeichnet
wurde. Es war ein ziemlich langes Stück Balken, in welchen mehrere Figuren, über-
einanderstehend, geschnitzt waren, ganz ähnlich dem ^Aimaka^ von Bilibili (S. 57),
aber viel kleiner. Ich konnte keinen Aufschluss über die Bedeutung dieser Schnitzerei
erhalten, finde denselben aber bei v. Maclay. Nach diesem Beobachter spielen näm-
lich diese ^AidogarKn bei den Maskenaufzügen des »/l/-mww«, der Festlichkeit der
Männer, welche oft mehrere Tage dauert, eine grosse Rolle und sind natürlich für die
Frauen ebenfalls tabu,
Ahnenfiguren und Talismane. Wie die Gemeindehäuser (S. 57) keine Tempel,
so sind die mannigfachen Holzsculpturen, meist in der Form menschlicher Figuren,
») Dies scheint jedoch nicht überall der Fall zu sein. So wird in den »Nachrichten aus Kaiser
^Vilhelms-Land« (1889, S. 37) ein grosses Fest in der Umgegend von Finschhafen beschrieben, bei dem
gerade die Frauen, besonders die jungen Mädchen, eine Hauptrolle spielten. In ähnlicher Weise sind
niir Feste von der SüdostkQste (Keräpuno in Hood-Bai) bekannt.
ii8
Dr. O. Finsch.
[256]
I r <
ir'
i I- •
• /
\1 i .
• r:
[t .*
jedenfalls keine Idole, wenn sie auch mehr oder minder mit dem geistigen Leben der
Papuas zusammenhängen mögen und werden. Selbst der beste Kenner der Papuas,
V. Maclay, vermochte kein klares Verständniss über den Zweck und die Bedeutung
dieser Bildwerke zu erlangen, die in Astrolabe-Bai, ^Telum oder Tselum* genannt,
sehr häufig sind und alle durch Eigennamen unterschieden werden. Ich selbst lernte
verhältnissmässig nur wenige Telums kennen, darunter den merkwürdigen überlebens-
grossen >Telum MuU in Bongu (abgebildet »Samoafahrtenc, S. 49), eine Riesenleistung
in Bildhauerarbeit der Steinzeit. Die Figur stellt einen Mann, und zwar nach dem hier
üblichen Brauch, beschnitten dar, mit unverhältnissmässig grossen Genitalien. Dies
findet sich übrigens bei den meisten Telums nicht selten in der Weise, dass die Spitze
des errecten Penis sich mit der lang ausgestreckten Zunge vereint. Aber nur die Dar-
stellung der letzteren wird für die Telums von Astrolabe-Bai charakteristisch (vgl.
Ethnol. Atlas, Taf. XV, Fig. i). Jedoch nicht als ausnahmslose Regel. Manche Telums
sind nämlich ohne Zunge, wie dies im Westen stets der Fall ist. Im Uebrigen ist der
Penis zuweilen sehr klein dargestellt, oder die Geschlechtstheile bleiben überhaupt un-
kenntlich. Auch weibliche Holzfiguren, ebenfalls Telum genannt, kommen vor, wenn
auch seltener als männliche; ich erhielt unter Anderem eine solche, fast i Va M« hoch,
auf Bilibili. Die Telums sind übrigens meist bemalt, und zwar in Roth, Schwarz und
Weiss. Am interessantesten und kunstvollsten sind die Kolossalfiguren in dem Dorfe
Ssuam in Finschhafen (abgebildet »Samoafahrten«, S. 176), schon deshalb, weil sie aus
noch mit den Wurzeln in der Erde stehenden Bäumen ausgehauen wurden, der einzige
derartige Fall, welcher mir vorkam. Jede Figur stellt einen Mann in vollem Staate (mit
Tapamütze, Ohrschmuck etc.) dar, aber ganz ohne Geschlechtstheile (vgl. ^Samoa-
fahrten«, S. 175), auf der Rückseite (daselbst S. 176) mit einem Crocodil in ganzer
Figur. Die Bildwerke wurden ^Abumtau Gabiang<c^) genannt; vermuthlich zur Erin-
nerung an einen berühmten Vorfahren dieses Namens, da das Wort ^ Abumtau^ Häupt-
ling bedeutet. Nach meiner Ansicht stehen nämlich alle diese grossen Telums mit
Ahnen und Verehrung derselben in engstem geistigen Verbände. Sie sind wahrschein-
lich Denkmäler der Geschichte der verschiedenen Papuastämme und ihre richtige Er-
klärung würde vielleicht Licht über die Herkunft derselben geben können. Hoch-
bedeutsam in dieser Richtung ist ein Telum, den Maclay beschreibt: eine menschliche
Figur, welche eine mit verschiedenen Zeichen bedeckte Tafel in den Händen hält,
welche, wie sich bei näherer Erkundigung ergab, einen alten Telum darstellte. Höchst
wahrscheinlich werden gewisse Telums besonders und im Sinne von etwas Heiligem (?)
verehrt, aber Jedenfalls nicht als Götzenbilder unter den Begriffen, die wir in unserer
Vorstellung daran knüpfen.
Mit Ausnahme von Humboldt-Bai, wo ich im Vorplatze des Gemeindehauses zwei
kleine, anscheinend aus Cycaspalme roh geschnitzte Figuren (Ethnol. Atlas, Taf. XV,
Fig. 8) sah, habe ich Telums nie in diesen Häusern beobachtet. Sie werden meist in
oder bei den Hütten aufgestellt, oder die ganz grossen in besonderen kleinen Hütten,
wie dies bei dem » Telum MuU in Bongu der Fall war.
Wenn die grossen Telums Ahnenfiguren darstellen oder mit solchen in Beziehung
stehen, so wird man die viel häufigeren mittelgrossen und kleinen vielleicht als Nach-
bildungen derselben im Sinne von Talismanen zu betrachten haben. Wenigstens scheint
mir dies vorläufig die einzig richtige Deutung, denn dass alle diese kleinen Figürchen
I) Diese Figur, wie die des »Telum Mul« hatte ich in genauen Nachbildungen in natürlicher
Grösse in der Handelsausstellung in Bremen (1890) ausgestellt, wo sie allgemeine Aufmerksamkeit fanden.
«ti
[257]
Ethnologische Erfahrungen und Belegslücke aus der Südsee.
119
keine Götzenbilder sind, darüber kann kein Zweifel herrschen. Die Sammlung enthält
im Nachfolgenden eine hübsche Reihe hierher gehöriger Belegstücke.
Telum (Nr. 659, i Stück — II, S. 36o, Taf. XXIII [15], Fig. 4 und 5), ein x8 Cm.
langes und circa 672 Cm. breites, jederseits flaches, geschnitztes Stück Kalkthon mit
dem Gesicht eines Mannes (Fig. 4 en profile, Fig. 5 en face), Stirnbinde (diese roth be-
malt) und Bart deutlich erkennbar; Nase nicht durchbohrt. Constantinhafen, Dorf Bongu.
Kleine aus Holz geschnitzte Telums erhielt ich in Astrolabe-Bai nicht, dagegen
sehr viele in Dalimannhafen und auf der Insel Guap.
Talisman (Nr. 651, i Stück — II, S. 36o, Taf. XXIII [15], Fig. 3), Holzfigur,
circa 3o Cm. lang, aus weichem Holz geschnitzt, mit rother Farbe bemalt, sehr roh,
einen Mann darstellend; Ohren und Nase durchbohrt, Füsse und Hände ohne Andeu-
tungen von Zehen und Fingern; auf dem Kopfe ein nicht näher zu bestimmendes Thier,
am wahrscheinlichsten einen Cuscus (Phalangista) darstellend, am Hinterkopf eine
lange Zopfwulst. Dallmannhafen.
Derartige roh aus weichem Holz geschnitzte Figuren erhielt ich auch auf Guap
und Päris-Insel (Aarsau). Zwei sehr schlanke Figuren, 90 Cm. lang, mit gelben Längs-
streifen, waren mit der Figur einer schwarz und weiss bemalten Eidechse und einer
nicht zu enträthselnden Thiergestalt zusammen in eine Hülle aus Bast der Sagopalme
gepackt. Ein Palmblatt enthielt drei ähnliche Figuren. Eine Figur von Aarsau stellte
einen auf dem Kopfe stehenden Mann, hinterseits ein Crocodil dar (ähnlich dem Gabiang
von Finschhafen, S. 118).
Talisman (Nr. 652, i Stück — II, S. 36o, Taf. XXIII [15], Fig. i), Holzfigur,
19 Cm. lang, einen Mann darstellend, aus weichem Holz geschnitzt, roth angestrichen.
Zeigt das eigenthümliche Haarkörbchen mit Binden: a von natürlichen Muscheln
(Nassa)j b von feingeflochtenem gespaltenen Rottang, c von Menschenhaar; am Ende
mit einem Büschel Casuarfedern, hinterseits einige dünne Bindfaden als Zierat. Die
Hände zeigen nur vier Finger; die Nase ist durchbohrt. An der Basis endet die Figur
in einen Stiel zum Einstecken. Guap.
Desgleichen (Nr. 653, i Stück), 19 Cm. lang, ähnlich dem vorhergehenden, aber
eine Frau mit hohem Kopfaufsatz darstellend. Guap.
Desgleichen (Nr. 654, x Stück), männliche Figur mit hohem Haarkörbchen, an
der Basis in einen langen Stiel endend, daher im Ganzen 27 Cm. lang. Guap.
Das zugespitzte Ende, welches solche Figuren zuweilen haben (vgl. auch Ethnol.
Atlas, Taf. XV, Fig. 7) dient dazu, um sie irgendwo einstecken zu können; vielleicht
auch in die Erde, da diese Art Figuren (ähnlich den >Kawabu<c von der Südostküste
II, S. 337) vermuthlich dem Gedeihen der Pflanzungen glückbringende Talismane sind.
Den meisten Figuren fehlt übrigens ein solcher Stiel, wie den folgenden :
Talisman (Nr. 656, i Stück — II, S. 36o, Taf. XXIII [15], Fig. 2), Holzfigur,
125 Mm. lang, aus weichem Holz geschnitzt, mit rother Farbe bemalt, einen Mann dar-
siellend, der eine Maske trägt; auf dem Kopfe ein roh geschnitztes Thier (wohl Frosch?),
Nase durchbohrt, Nasen- und Penisspitze verbunden und mit feinem Flechtwerk um-
strickt; um den Hals ein Strickchen aus Pflanzenfaser, die rechte Hand mit vier, die
linke mit drei undeutlich angedeuteten Fingern. Von Guap.
Eine ähnliche Holzfigur mit Maske, aber die Hände ans Kinn legend, ist in meinem
Ethnol. Atlas (Taf. XV, Fig. 6) abgebildet, eine andere mit hohem Haarkörbchen da-
selbst (Fig. 5), sowie eine dritte mit fast flachem Kopfe (Fig. 4).
Talismane (Nr. 655), drei circa 14 Cm. lange Figuren zusammengebunden, da-
von nur die eine als männliche erkennbar. Guap.
■ ^ 1 i-t 1
.--n
I
t
:«-
tc
11 ^
..'I
^
? M
i V
•^.:
!
»
>•
;•*'•
r« 4
I20
Dr. O. Finsch.
[258]
Diese Holzfiguren werden gewöhnlich von den Männern in ihren Tragbeuteln
mitgeführty andere kleinere an denselben als Zierat angebunden, wie die folgenden:
Talismane (Nr. 657 und 658, 2 Stück), 7 Cm. lang. Von Guap.
Auch an den Brustschilden (Taf. XVI, Fig. 2) fand ich zuweilen solche Holz-
figuren befestigt.
Die vorstehend beschriebene Reihe zeigt schon, dass fast jede dieser Holzfiguren
Verschiedenheiten bietet. In der That habe ich unter zahlreichen von mir untersuchten
Stücken nicht zwei gleiche gefunden, wie dies stets bei Arbeiten der Papuakunst vor-
kommt. Charakteristisch für die Holzfiguren aus dieser Gegend ist besonders die häufige
Nachahmung von Haarkörbchen oder diesen entsprechender Haarfrisur, sowie die
Wiedergabe der eigenthümlichen Masken.
An und in den Beuteln findet sich nicht selten eine andere Art:
Talisman (Nr. 663, i Stück), ein 14 Cm. langes Stück Rinde, wohl Massoi. ')
Von Guap.
Derartige Rindenstückchen, sowie Stückchen Ingwerwurzel, Curcume, wohl-
riechendes Harz (vgl. S. 89) scheinen beim Papua sehr hochgeschätzt zu sein, vielleicht
auch als Medicin benutzt zu werden. Jedenfalls findet man derartige Sächelchen, zum
Theil hübsch eingestrickt, allenthalben mit unter den Raritäten der Eingeborenen, nicht
selten auch kleine Steine u. dgl. als Talismane, ganz wie ich diese Verhältnisse an der
Südostküste kennen lernte und beschrieb (II, S. 337).
>) Nach Dr. Vorderman in Batavia stammt die echte Massoirinde von Sassafras goesianum
und nicht von Cinnamomum Kiamis,
.t t
'f. *
k /
:*i •.
[259]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
Inhaltsverzeichniss.
121
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea.
II. Kaiser Wilhelms-Land.
Seite
Einleitung [i75] ^7
Geographische Lage und Umfang [175] Sy
Bisherige geographische Kenntniss [175] 37
Samoafahrten [176] 38
Bisherige ethnologische Kenntniss [177] 39
Ethnologische Charakterzüge . . [179] 41
» Sectionen .... [179] 41
l'nberührtes Steinzeitalter . . . [180] 42
Sammellocalitäten [181] 43
A. .Anthropologie.
Racc [182] 44
Statur [i83] 45
Physiognomie [i^3] 45
Hautfarbung [i83] 45
Hautkrankheiten [i83] 45
Haar [184] 46
Sprachverschiedenheit [184] 46
Herkunft der Papuas [184] 46
B. Ethnologie.
I.Bevölkerung . . . . [185] 47
1. Erster Verkehr mit Einge-
borenen [185] 47
Friedenszeichen [185] 47
2. Dichtigkeit der Bevölkerung [185] 47
3. Siedelungen [^87] 49
U. Lebensunterhalt und Bedürf-
nisse [187] 49
I* Landbau und Hausthiere . . [187] 49
Landbau [187] 49
Urbarmachen [^87] 49
Ackergeräth [187] 49
Plantagen [187] 49
Culturgewächse [188] 50
Eingeführte Pflanzen [188] 50
Hausthiere [188] 50
Eingeführte [189] 51
2. Jagd und Fischerei .... (189] $1
Jag^i [189] 51
Wild [189] 51
Jagdmethoden [189] 51
Fischerei [J9o] 52
Fanggeräth [190] 5-
Fischhaken [190] 5^
3. Schifffahrt
Canu
Verschiedene Bauart
Tauwerk
Ruder
4. Häuser und Hausrath . . .
nauser ..........
Verschiedenheit im Baust)'le . .
Gemeindehäuser
Schnitzwerk derselben ....
Hausrath
Inneres einer Hütte ....
Haken
Kopfstützen
5. Ess- und Kochgeräthe . . .
Schüsseln
Rührlöffel .
Mörser
Essgeräthe
Schaber
Schneidemuscheln . . . . ^
Knochenbrecher
Löffel
Bambumesser
Trinkgefasse
Stampfer
Sagoklopfer
Kochgeräthe
Töpfe
Töpferei
Feuerreiben
6. Kochen, Nahrung und Reiz-
mittel
Kochkunst
Nahrungsmittel
Animalische Kost
Conserven
Reizmittel
Tabak
Betel
Kalkbehälter
Kalkspatel
Kawa
7. Körbe und Beutel
MattenÜ echten
Körbe
Seite
191] 53
191] 53
191] 53
»93] 55
193] 55
194] 56
194] 56
»94] 56
>95] 57
>95] 57
196] 58
196] 58
196] 58
196] 58
197] 59
197] 59
198] 60
198] 60
198] 60
198] 60
198] 60
198] 60
198] 60
198] 60
199] 61
199] 61
199] 61
199] 61
199] 61
200] 62
200] 62
200] 62
200] 62
201] 63
201] 63
201] 63
201] 63
201] 63
202] 64
202] 64
203] 65
204] 66
204] 66
204] 66
204] 66
«l
Ui
• I
l '
5,
i:
^ .^
t
V.
f-
>
1-
I-
V
'5*' ..>
f.*
^ .v:
l: '
.^•1
4 .
'1:1
4
•J'
!t
^
4
\'\l
122
Dr. O. Finsch.
Seite
Filetstricken [205] 67
Brustsäckchen [205] 67
Inhalt derselben [205] 67
Tragbeutel [206] 68
Feine Brustbeutel [206] 68
Aeusserer Schmuck derselben . . [207] 69
8. Werkgeräth [207] 69
Aexte [207] 69
Leistungsfähigkeit derselben . [208] 70
Steinklingen [208] 70
Muschelklingen [208] 70
Aexte mit Stiel [209] 71
Sonstige Werkzeuge [210] 72
9. Waffen und Wehr .... [210] 72
a. Geschosse [210] 72
Schleudern [210] 72
Speere [211] 73
Wurfstock [212] 74
Wurfspeere [212] 47
Bogen [212] 74
Pfeile [2i3] 75
Kein Vergiften [215] 77
b. Schlag- und Stichwaffen . . . [215] 77
Keulen [215] 77
Dolch [215] 77
c. Wehr [215] 77
Schilde [215] yy
Kürass [216] 78
10. Rohmaterial und Verwen-
düng [217] 79
Unkenntniss darüber [217] 79
a. Aus dem Pflanzenreich . . . [217] 79
Bambu [217] 79
Cocospalme [217] 79
Fasermaterial [217] 79
Tapa [217] 79
Für Putzzwecke [218] 80
Samen und Fruchtschalen . . [218] 80
Blätter und Blumen . . . . [219] 81
b. Aus dem Thierreiche . . . . [219] 81
Knochen [219] 81
Zähne [219] 81
Felle [219] 81
Schildpatt [220] 82
Federn [220] 82
Conchylien [220] 82
Perlmutter [220] 82
Tridacna . , \ . . . [221] 83
Nassa [221] 83
Cymbium [221] 83
Trochus [221] 83
c. Aus dem Mineralreiche . . . [222] 84
d. Tauschmittel [222] 84
Muschelgeld [222] 84
Hundezähne [223] 85
[260]
Seite
II. Körperausputz [223]
A. Bekleidung [223]
Tapa [223]
Schamkalebassen [224]
Weiberschürzchen und Röcke [225]
B. Schmuck und Zieraten . . . [226]
a. Hautverzierung .... [226]
Tätowirung [226]
Ziernarben [226]
Brandwunden [226]
Bemalen [226]
Toilettemittel [226]
b. Frisuren und Haarschmuck [227]
Haar [227]
Rasiren [227]
Frisuren [227]
Haarbinden [228]
Gatessi [228]
Abnorme Haare .... [228]
Zöpfe [228]
Haarkörbchen .... [228]
Schmuckbänder dafür . . [229]
Haarcylinder [229]
Tapamützen [23o]
Barte und Bartschmuck . [23o]
Kämme [23i]
Kopfputz aus Federn . . [233]
c. Stirnschmuck [234]
Stirnbinden [23$]
ä. Nasenschmuck .... [236]
Nasenkeile [236]
Eberhauer [237]
Aus Perlmutter . . [237]
e. Ohrschmuck [237]
Materialien dazu .... [237]
Ohrspangen [238]
Ohrreifen [238]
/. Hals- und Brustschmuck [239]
Halsstrickchen . . . . [239]
Brustband [240]
Halsketten [240]
Muschelringe [241]
Eberhauer [241]
Brustschmuck [241]
Brust-Kampfschmuck . . [243J
g. Armschmuck [245]
Grasarmbänder .... [245]
Muschelringe [245]
Schildpattarmbänder . . [246]
Armbandschmuck . . . [247]
• Geflochtene Armbänder . [247]
Schmuck aus Fell . . . [248]
Handgelenkschmuck . . [248]
h. Leibschmuck [248]
Leibschnüre und Gürtel . [248]
Fasergürtel [249]
Vogelknochcn [250]
85
85
85
86
87
88
88
88
88
88
88
88
89
89
89
89
90
90
90
90
90
91
91
92
92
93
95
96
97
98
98
99
99
99
99
00
00
Ol
Ol
02
02
o3
o3
o3
05
07
07
07
08
09
09
10
IG
10
10
II
12
"■ I
. ' ■
mir
[!6,]
Elhnolc^ische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
Seile
i, Betnschmuck [250] 1 1
Kniebinden [^5''] ' '
Fesselbinden [^S^] 1 1
Itl. Sitten und Qebriuche . . [251] 11
Moral [151] 11
Cannibalismus [lS'3 "
Namengcbung u. Hciralsgcbräuchc [351] 1 1
Beschneidung [^Si] ■'
Bestattung [251] 11
Gräber [251] 11
Seite
Mumien [251] 114
Todten Verehrung [151] 114
Musili [25^] ilj
Trommeln [353] 115
Sonstige Instrumente . . . [154] iit
Festlichkeiten [254] nt
Tant [254] iit
Masken [255] l'/
Ahnenfiguren [155] n;
Tclum [256] Mi
Talismane [257] 119
Abbildungen,
j diesem Abschnitt der
Vnnaieni gehörigen sind die folgenden und erschienen bereits
I Band Hl der »Annalcn« 188S.
XVI [8],
XVII [9],
Muschelgcld aus Nassa, Finschhafen L^^^] ^4
Huongolf [22a] 84
I^ibschnur aus Septaria, Asirolabe-Bai . ■ [249] m
Stirnbinde aus Nassa, Venushuk [sJs] 9"
II. Desgleichen aus Hundezähnen und Nassa, Venushuk .... [^^Sl 97
Leibgüncl aus Nassa und Cocosperlen, AngriSshafen [^49] ■■'
Leibschnur aus Cypraea moneta, Insel Guap [^49) '"
Schmuckbinde aus Conusringen und Nassa, llammacherfluss. . , [219] 9:
Armbandschmuck aus Fruchtschale und Hundezähnen, Finschhafen [247] lOq
Theil eines reich veriierien Backenbanes, Caprivifluss [:3iJ gi
Nasenschmuclt aus Perlmutter, Venushuk [^^7i 99
Eingravirtes Muster eines Armbandes von Schildpatt, BÜibili . . . [246] loB
Haarkamm mit Flechtucrk und Zierat, Hamm ach erfluss .... [232] 94
WurfsEOCk aus Bambu mit Schnitzern, Venushuk [212] 74
Brust-Kampfschmuck, SechstrohDuss (244] 106
Brustschmuck, Angriffshafen [^4^1 "^4
Brust-Kampfschmuck aus Eberhauern und Muscheln, Insel Guap . [244} 106
Desgleichen, von der Insel Grager [243] I05
Kinnbart mit reicher Verzierung, DaUmannhaFcn [--^'l 9^
Schmuckbinde lu einem Haarkörbchen, Caprivißuss [229] 91
6. Eingravirte Muster von Armringen aus Trothus, Friedrich Wil-
helms-Hafen [246] lOB
Muster einer Ohrspange aus Schildpatt, Insel Guap [238] loo
Kopfstütze, durchbrochene Holzschnltzerd, Finschhafen ['97] S9
Desgleichen, Finschhafen [196] 58
4. Desgleichen, Insel Guap [197] 59
Schamkalebasse für Männer, Scchstrohfluss [224] 86
Kalkkalebasse, Finschhafen [202] 64
Steinaxt, Astrolabe-Bai [209] 71
5. Sagoklopfer, Scchstrohfluss ['99l ÖJ
Hölzerne Trommel, Huongolf [^S^] "5
Muster eines Armbandes aus Schildpatt, Finschhafen [-4^] ^°^
l
124
Dr. O. Finsch.
[262]
* ..
)r.r
Taf.
>
>
>
>
Seite
XXI [i3], Fig. 4. Muster eines Ohrringes aus Schildpatt, Grager {238] 100
XXII [14], » 3. Leibgürtel aus Pflanzenfaser, Finschhafen [^4^] ii^
» » »4* Canuschnabel, AngrifFshafen [192] 54
> » »5* Maske, Dalimannhafen [255] 117
XXIII [15], » I. Talisman, Insel Guap [257] 119
» » »2. » » » [257] 119
» » » 3. » Dallmannhafen 1^57] 119
> » » 4, 5- Telum, Bongu [257] 129
XXIV [16], » u Schild, Finschhafen [216] 78
» » » 2. » Friedrich Wilhelms-Hafen [216] 78
» > »7* Kürass, Angriffshafen [216] 78
XXV [i7l, » I. SchUd, » [216] 78
'jf 't : f
Mir
[263]
Ethnologische Erflhrungen und Belegstücke aus der Südsee.
125
Verzeichniss sämmtlicher Abbildungen
der ersten und zweiten Abtheilung:
Bistnarck-Archtpel und Neu-Guinea
in systematischer Reihenfolge.
I.
2.
3.
6.
7.
8.
9.
10.
II.
12.
i3.
»4.
»5.
16.
»7.
18.
»9.
20.
21.
22.
23.
24.
25-
26.
27.
28.
29.
3o.
3i.
Seite Tafel Figur
Fischerei.
Fischhaken aus Knochen, Neu-Britannien, Blanche-Bai [26] IV 11
SchiffTabrt.
Canuverzierung, feine Holzschnitzerei, Fergusson, d*Entrecasteaux . . . [170] XXI 2
Desgleichen (farbig), Neu-Guinea, Angriffshafen [192] XXU 4
Häueer.
Plan des Pfahldorfes Kaire bei Port Moresby {a, b Mission, d Leitersteg
zu den Häusern etc.) [106] — 33
Pfahlhaus im Wasser, Kaire, bei Port Moresby [JOS] — 32
» » » Port Moresby [J04] — 3i
Haus in Maupa, Keppel-Bai . . , [102] — 26
> mit Thurmspitze, Kerapuno, Hood-Bai [jo^] — 29
Holzsculptur an einem Hause, Kerapuno [104] — ^o
Geschnitzter Deckenbalken, Maupa [102] — 27
Giebelschilder an Häusern, Maupa [io3] — 28
»Dubu«, Plattform fQr Festlichkeiten, mit Schnitzerei, Tupusel^ bei Port
Moresby [^o?] — ^4
Verzierungen von HSusem in Neu -Irland, kunstvolle Holzschnitz-
arbeiten (farbig).
Grosse Holzschnitzerei, durchbrochen gearbeitet, aus einem Tabuhause
bei Nusa [52] VI i
Giebelleiste mit durchbrochener Schnitzarbeit, Gesichter und Vögel,
Kapaterong [52] » 2
Durchbrochen gearbeiteter Aufsatz derselben [52] » 2 a
Giebelleiste in Relief, daher [52] VII 5
Relief geschnitztes Gesicht von derselben [52] » 5 a
» geschnitzter Scorpion von derselben [52] » 5^
Geschnitzter Hahn, Nusa [53] VI 3
Hausrath.
Kopfstütze, durchbrochene Holzschnitzerei, Finschhafen [}97] XVIII i
Desgleichen » » » [196] * 2
> andere Form, Guap [i97] * 3, ^i
EsS' oftd Kocbgeräthe.
Feuerreiber, Neu-Britannien, Blanche-Bai [20] IV 9, 10
Schaber aus Perlmutter, Neu-Britannien, Willaumez [37] > 7, 8
Sagoklopfer mit Steinklinge, Sechstrohfluss [199] XX 4, ;
Kalkbehälter aus Kalebasse, Port Moresby I112] XIX 2
Desgleichen, mit feiner Flechterei, Finschhafen [202] » i
Kalkspate! mit feiner Schnitzerei, Milne-Bai [i^S] * 3
Desgleichen »» » » [i^S] * 7
» > » » Hihiaura [166] » 5» 6 .
» > » > Goulvain . . [166J > 4
M
|:?f
T
-'.•
♦r*:
i» I
1'
f l'M
••■iL«
126
Dr. O. Finsch.
[264]
r:
»• .
i
•
r>
■4
m
• «
i
■r:
I ••
■i *
':-ß^
I
2
35
36
3
4
I, 2
Seite Tafel Figur
Stein- und Mttscbelixte.
32. Staats-Steinaxt mit Stiel, Normanby [i^?] ^^
33. Steinaxt mit Stiel, Astrolabe-Bai [209] »
34. > » » »Ira«, Port Moresby ['HJ —
35. » » drehbarer Klinge, Hood-Bai ['^4] —
36. » » Stiel, Neu-Hannover [21] IV
37. Axt mit Muschelklinge, Neu-Britannien, Cap Raoul [39] »
38. Steinaxtklinge, Neu-Britannien, Blanche-Bai [21] »
39. » kleine, Port Moresby [ii3] XX
Waffen und Wehr.
40. Eingravirtes Muster eines Speeres, Neu-Irland (farbig) [5I)] VII
41. Wurfstock von Bambu, Venushuk [212] XV
42. Schleuder, Neu-Britannien, Blanche-Bai [23] —
43. Schleuderstein, Neu-Britannien, Blanche-Bai [23] —
44. Hantirung der Schleuder, Neu-Britannien, Blanchc-Bai [23] —
45. Axtstiel mit Schnitzerei (farbig), Neu-Britannien, Blanche-Bai .... [24] VI
Durchbohrte SteinknXufe zu Keulen:
46. Runder Knauf, Neu-Britannien, Blanche-Bai [24] IV
47. Kugelförmiger, Astrolabe-Gebirge [118] XX
48. Seeigelförmiger, Freshwater-Bai [ii^l *
49. Morgenstemförmiger, Port Moresby ["8] >
50. Scheibenförmiger, Astrolabe-Gebirge l^i^] *
Schilde aus Holx:
51. Langer, schmaler, concav, Finschhafen [216] XXIV
52. Länglich-ovaler, Trobriand [^7^] »
53. Eingebuchtet, übersponnen und mit Federschmuck, Hood-Bai .... [119] »
54. Länglich-oval mit Schnitzerei, Milne-Bai l^^^] *
55. Oblong, mit feiner Schnitzerei, Freshwater-Bai [119] »
56. » » » » Teste-Insel [168] XXV
57. » » » » AngrifFshafen [216] »
58. Rund, » » » Insel Grager [216] XXIV
59. Kürass, Flechtarbeit, AngrifTshafcn [216] »
Materialien zu Scbnnoli und Zieraten.
Aus Pflanzenstoffen:
60. Samen von Coix Lachryma [218] HI
61. > » » » Querschnitte [17] »
62. » > Abrus precatorius (farbig) [218] XVI
63. » » » (blau) [218] »
64. Schwarzer Fruchtkern (Gudduguddu) [219] XIV
f^S' » » [219] XV
66. Grosser schwarzer Fruchtkern [219] XIV
67. Fruchthülse, halb durchschnitten (Sessele) [218] »
68. Schwarze runde Samen (wie bearbeitet) [218] »
69. Pflanzenstengel [36] III
70. Gelbe Schnüre (Ssemu), farbig [236] XXII
71. Kettchen aus Pflanzenfaser [23i] XIV
72. Desgleichen [232] XV
ZShne u. dgL
73. Reisszähne vom Hunde [219] IH
74» Desgleichen [219] XIV
75. Desgleichen [219] XIV
76. Desgleichen [219] >
77. Eberhauer, abnorm gekrümmt [40] —
78. » flachgeschliffene [219] XVI
79. » » [219] XVII
80. » > [219] »
6
5
2
3
4
IG
5,6
9
8
7
6
I
5
6
3
4
2, 2<3
I
2
7
8
9
IC
la
\7d
i6^
\la
10
3
17/
«5
5^
i6c
II
/
\b
I
[26s]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
127
Seite
Eberhauer, flachgeschliffene [219]
Känguruzähne [94]
Beutelthierzähne (Cuscus Orientalis) [ii, 36]
Abschnitte von Casuarschwingen [220]
» » > [220]
Fischwirbel [220]
Krcbsscheeren [220]
Conchylien. ,
Nassa callosa var. camelus, Diwara [12]
» » bearbeitet [12]
> » aufgereiht [12]
» (callospira) [221]
» » [221]
» » ; . . . . [221]
> oder Cassidula, * Tautau*. [88]
» vibex, falsches Muschelgeld [i3]
Perlschale [98]
Cymbium [221]
Ovula [221]
> [221]
Cypraea moneta [221]
» » [221]
Oliva carneola [47]
> » [94]
Septaria [222]
Dentalium [15]
Muscbelsoheibcben (Geld).
Aus Spondylus [158]
» weisser Muschel [^5^]
Kokonon, Muschelgeld, gewöhnliches, Neu-Irland. . . • [45J
» » zweite Sorte, » [46]
» » feinste » > [46]
Muschelgeld, Neu-Irland [61]
» Huongolf [222]
Plättchen aus Muschql (Cymbium?) [221]
Ringe und Scheiben aus Conus [221]
Desgleichen [221]
» [221]
» [221]
Bekleidung.
Mann mit Schambinde, Port Moresby [85]
Knabe » » » » [86]
Frau in Faserschürzchen, Hood-Bai [86]
Peniskalebasse mit eingebranntem Muster, Sechstrohfluss [224]
Muster einer solchen, Sechstrohfluss [225]
Körperauspntz.
Boi-vagi, Häuptling von Port Moresby, in vollem Staate [85]
mit: Kopfschmuck aus Paradiesvogel, *Lokohu€ [93]
Nasenkeil, *Mokoro^ [95]
Armbändern [97]
Kampf brustschmuck, »Musikaka* [99]
Stcinkeulc, »Ga/ii« [118]
^^^ Lohia, ein Motuknabe von Port Moresby, in vollem Staate [86]
mit: Stirnbinde von Cacaduhaubenfedern, *Totoro€ [94]
Darunter Schnüre von Nassa, *Tautau€ [94]
Eine dritte Schnur von Nassa über den Augen —
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
94.
95-
96.
97.
98.
99.
100.
101.
102.
io3.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
IG.
II.
12.
i3.
14.
15-
16.
17.
18.
19.
120.
121.
122.
123.
Tafel
Figur
XVI
2a
XIV
9
m
16
»
II
XIV
2a
»
sa
XVI
ia
III
la
»
16, c
»
lä
XIV
3a, b, c
»
IG
XVI
Sb
XIV
6
III
2 a, b
»
18
XVII
I
III
23a
XVII
1
XIV
14
XVII
I
m
7
XIV
8
»
5
UI
19
XIV
la
»
ib
III
3
»
4
»
5
»
6
XIV
4
»
17c
III
i3
XIV
14a
»
150
XVI
I
^_
2
—
3
—
4
XVIII
5
»
5^
— 2
— 3
I
i
.♦1 \ \
■« l
K
\ • -
■ I
..V
»t
th
1 - «
: i
.1
■ff
- •»
9-\ \
•y -
I
1
tU
# !
.•?
128
Dr. O. Finsch.
[266]
Seite Tafel Figur
Gesicht roth und blau bemalt —
Nasenkeil, »3/o/roroc [95)
Brust mit Schnüren von Hundezähnen —
Hals mit Schnüren von Nassa, ^Tautau^ [97]
Nackenschmuck vom CuscusfeU, »Mumuria* [94]
Grasarmband mit Blättern, > Gaarna* [99]
Enggeschnürte Schambinde, »TfArinfc [85]
Tfitowlren und Bemalen.
125. Tätowimadel, Port Moresby [90]
126. Tätowirtes Gesicht eines Mädchens, Port Moresby [83]
127. Desgleichen, Hula [89]
128. Reich tätowirte Motufrau, Vorderseite [89]
129. Dieselbe, Rückenseite [90]
i3o. Reich tätowirte Frau, Hula, Hood-Bai [86]
i3i. Desgleichen, Maupa, Keppel-Bai [91]
i32. Tätowirung der Brust, Mann, Freshwater-Bai [91]
i33. 9 » Schulter von Goapäna, Häuptling von Maupa . . . [91]
134. » des Oberschenkels, von demselben [91]
135. Gesichtshiemalung eines Neu-Britanniers [i3]
Haar und Kopfputz.
1 36. Mädchen mit aufgezaustem -Kopfhaare (Wolke), Hula, Hood-Bai . . . [89]
137. Gewöhnliche Frisur, Hula, Hood-Bai [86]
i38. Schlichthaariges Motumädchen, Port Moresby [83]
139. Kurzgeschorene Motufrau, Port Moresby [89]
140. » » » 9 [90]
141. Bartfrisur eines Neu-Britanniers [29]
142. Reich verzierter Backenbart, Caprivifluss [^31]
143. Desgleichen, Kinnbart, Dallmannhafen [23 1]
144. Schmuckbinde um Zopf oder Haarkurbchen aus Conusringen und
Nassa, Hammacherfluss [229]
145. Desgleichen, wie vorher, mit Aufsatz von Schildpatt, Caprivifluss . . [229]
146. Kamm aus Holzstäbchen, Port Moresby [92]
147. Desgleichen mit Federschmuck, Port Moresby [92]
148. 9 9 feinem Flechtwerk, Hammacherfluss [2 3 2]
Stirnechmuck. ,
149. Gravirte Muschel (Cypraea), Port Moresby . (95]
150. Muschelscheibe mit durchbrochener Schildpattscheibe, Freshwater-Bai . [95]
151. Aus Papageifedern (farbig), Port Moresby [94]
152. Binde aus Cassidula, 9Tautau*, Port Moresby [94]
153. » > Nassa, Venushuk [23$]
154. » » > Neu-Britannien, Willaumez [36]
155. 9 » Oliva carneola, Port Moresby [94)
156. » » Känguruzähnen, » » [94]
157« * > Hundezähnen und Nassa, Venushuk [^35]
Naeeneohmuck.
158. Glasperlcnschnüre, Neu-Britannien, Blanche-Bai [15]
159- Dentalium, für Nasenflügel, Blanche-Bai [15]
160. Nasenstift aus TVi^acw^, ' Port Moresby [96]
161. > » Knochen, » » [96]
162. » » Muschel (farbig), Normanby . [*59]
163. Aus Perlmutter, Venushuk [237]
Ohrschmuok.
164. Flacher Ring von Schildpatt, mit Rand von Nassa, Neu-Britannien,
Hansabucht [40]
165. Ring aus Pflanzenfaser, Port Moresby [97]
166. Ohrbommeln aus Schildpatt, Port Moresby [97]
— —
8
I
6
5
—
7
4
—
9
10
—
IIa
,
üb
I
_
6
4
I
—
5
—
7
5
XIV
17
XVII
3
XIV
15
XVII
4
.^
i3
— 12
XV 4
—
M
—
15
XXII
I
XIV
6,7
»
IG
UI
17
XIV
8
9
9
9
U, 12
III
I
19
—
16
—
17
XXII
2
XV
2
III
12
XVII
8
_
18
[267]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
Ohrbommeln aus SchildpaR, Freshwaier-Bai
EingravirM« Muster einer Ohripange aus Schildpatt, Guap
Desgleichen, Friedrich Wilhelms- Hafen
i BryitsohMiiok.
Halskette aus Coixsamen, Neu-Briunnicn, Blanchc-Bai
< Querachnitten von solchen, WiUaumez
' PflanzcnEtengein und Coit, WilUumei
■ aus Abschnitten von Casuarschwingen und Nassa, Neu-
Briiannien, Hansabuchi
Casuarschwingen und Spondyl us-Scheibchen, Miine-Bai
Naisa (TautauJ. Port Moreaby
> Vcnushuk
■ Ä/iondyiKS-Schei beben, Teste-Insel
Muschelgeid, Huongolf
> erste Sorte, Neu-Iriand
> dritte » •
> SQdwestkOsie von Neu-[rland
> und Olha carneola, Neu-Irland
Schmuck an Halskette -aus Conusscheibe mit Gravirung, Port Moreaby.
Brustschmuck, herzförmiges Schild aus Knochen mit Rsndbesatz von
Muschelgeld, Neu-Irland
Schild BUS Perlmutter, Neu- Britannien, WiUaumez . .
aus zwei Eberhauern, Port Moresby
> vier • Freshwater-Bai
r .lirus-Bohnen und KrebsEcheeren (farbig), Angrißahafen
Ksmpf-Brustschmuck aus zwei abnorm runden Eberhauern und Nassa,
Neu -Britannien, Hansa-Bucht
• aus FlechtwerK, mit Nassa und Ovula, Neu-Britan-
■ wie vorher, Grager
• aus Schildpatt, mit aufgeklebten Abrus-ßohnta und
Schweinezähnen, •Musikaka' (farbig), Port Moresby
» »Musikaka^, anderes Stock, Port Moresby . . .
> aus Eberhauem und zwei Ovula, Guap ....
> Schild mit .4irus-BohnBn und Eberhauem (farbig)
Seehstrohfluss
Seile
Tafel
FiKur
|97|
—
"9
|2J8|
XVII
7
\m\
XJU
4
[171
III
S
l>7l
9
tJ6j
10
[401
„
|ibo|
XIV
I
h7l
>
b, 7
1240I
.
10
|.60|
1
|22J|
XIV
4
[4^1
[U
3
|46|
•
4
I46I
>
S
|6.|
>
6
|47l
7
[97]
-
JO
[471
III
14
|36|
>
itl
|98|
—
ZI
|98|
—
22
L242]
XVI
3
[391
in
I24JJ
xvn
[981
XVI
|99|
—
|M4]
xvn
[^44]
XVI
[371
m
|J8|
•
|16.|
XV
[391
iji
[246J
XV
Armband, feines Flectatwerk mit Nassa, Neu -Britannien, WiUaumez
t andere Form, Forreatier- Insel
> aus Conus, reich verziert, Normanby
> aus Schildpatt mit Gravirung, Neu -Britannien, Raoul .
Eingravirles Muster eines Schildpattarmbandes, Ascrolabe-Bai . .
Desgleichen, Finschhafen [246] XXI
Ejngravirte Muster von Armringen aus Trockus, Friedrich Wühelma-
Hafen [246] XVII
Schmuck an ein Schild pstiarmband aus Fruchischale und HundeiUinen,
Finschhafen [247] XIV
16
l Cypraea moneta, Guap [249I •
■ Srpfun'a- Muschel, Asirolabe-Bai [249] >
Nassa, Vcnushuk 1^491 *
"t- > * > Neu-Biiiannien, WiUaumez (36] Dl
09, COrtel aus Nassa und Cocosperlen, Angriffshafen [249I ^^
lo- Brdter Gun aus Rinde, Frc«hwater-Bai ('°'] —
M, Eingravirtes Muster desselben [i^'l —
■I- QQrtel aus gelben SchnOren (farbig), Finschhafen [24S] XXII 3
Asaalin dci k. k. oalnrlilitoritcheD HofmoKunit, Bd. VI, Hcfl 1, iS|i. 9
n
x3o
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfldsee.
[268]
Musik und Tanz.
21 3. Rohrflöte mit Muster, Neu-Britannien, Blanche-Bai
214. Desgleichen aus 10 Röhren, Neu-Britannien, WiUaumez
215. Panflöte, Neu-Irland
216. Maultrommel aus Bambu, Neu-Irland
217. Eingravirtes Muster derselben
218. Hantirung der Maultrommel
219. Blasekugel der Frauen, Neu-Britannien, Blanche-Bai
220. Grosse Signaltrommel, » »
221. Handtrommel mit Schnitzerei, Huongolf
222. Holzinstrument, mit der Hand zu streichen, Neu-Irland
223. Mann, Schlaghölzer schlagend, Neu-Britannien
224. Frau, das Pangolo spielend, >
225. Tanzbrett, durchbrochen gearbeitet (farbig), Neu-Britannien
226. Tanzgerath (Buceros-Kopf), farbig, Neu-Irland
Masken.
227. Fein geschnitzte Tanzmaske, einen phantastischen Papuakopf darstellend
(farbig), Neu-Irland, Nusa
228. Dieselbe, von der anderen Seite (farbig)
229. Desgleichen, mit Ohren und Nasenaufsatz, durchbrochene Arbeit (farbig),
Kapsu, Neu-Irland
230. Desgleichen, mit Flügeln, durchbrochen gearbeitet (farbig), Nusa . . .
23 1. Ohr zu einer Tanzmaske, durchbrochen (farbig), Nusa
232. Desgleichen, verschieden (farbig), Nusa
233. Maske, ein Gesicht darstellend, bemalt, mit Bart (farbig), Dallmannhafen
234. Schädelmaske (farbig), Neu-Britannien, Blanche-Bai
Sogenannte Idole und Talismane.
235. Männliche Figur, kunstvolle phantastische Holzschnitzerei in durchbrochener
Arbeit (farbig), Neu-Irland, Kapsu
236. Desgleichen, weibliche Figur mit Ohren und Fisch (farbig), daher . . .
237. » > » » Kappe (farbig), daher
238. Männliche Figur aus Kalk (farbig), Südwestküste Neu-Irlands
239. Holzflgur, Mann mit einem Thier auf dem Kopfe, Dallmannhafen . . .
240. Desgleichen, mit Haarkörbchen, Guap
241. » » Maske, Guap
242. Telum, Figur aus Thon, Bongu
243. Dieselbe en face, Bongu
244. Kawabu, Stein als Talisman, Port Moresby
245. Talisman fQr Diebe (farbig), Neu-Britannien, Blanche-Bai
Seite
Tifel Figur
[27]
V 5
[37]
» 6
[58]
► 4
[58]
» I
[58]
» 2
[28]
> 3
[28]
► 7
[29]
> 8
[253]
XXI 1
[58]
V 9
[29]
—
- 5
[30]
-
- 6
[3l]
vn 8
[58]
VI 9
[59]
>
► 4
[59]
1
» 4(Z
[60]
j
• 5
[60]
1
> 6
[59]
1
* 7
[59]
1
> 8
[255]
XXII 5
[3i]
vn 7
[53]
s
I
[53]
a
2
[53]
»
3
[62]
»
4
[257]
xxm 3
[*S7]
»
I
[257]
a
2
[257]
»
4
[257]
9
5
[123]
»
6
[34]
vn 9
P"
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee.
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k.k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. O. Finsch
in Delmenhorst bei Bremen.
Dritte Abtheilung: Mikronesien {West-Oceanien).
Mit 8 Tafeln (Nr. [-VIIl [18-15]) "'"' ^S Abbildungen im Texie.
Vorwort.
Wenn ich im Drange zwingender Verhältnisse zu meinem grössten Leidwesen
zwischen dem Anfange und der Fortsetzung dieses Werkes') einen ungebührlich langen
Zeilraum von fast drei Jahren vorübergehen lassen musste, so gereicht es mir einiger-
massen zum Trost, den Schluss prompter folgen lassen zu können. Von Anfang an in
der Art der Bearbeitung den Rahmen eines beschreibenden Kataloges in der üblichen
Auffassung weit überschreitend, gestaltete sich gerade die letzte Abtheilung »Mikro-
nesien* zum schwierigsten Theile des ganzen Werkes. Denn mehr als anderwärts hat
der regere Verkehr mit der Aussenwclt gerade hier jene Originalität verwischt und zum
Theil fast zum Erlöschen gebracht, über welche wir durch wenige der ersten Besucher
meist nur unzureichende Kunde erhielten. Es war daher mitunter nothwendig, auf
diese ersten Berichte zurückzugreifen, nicht um sie wie bisher kritiklos nachzuschreiben,
sondern sorgsam zu prüfen, zu berichtigen, auf zweifelhafte Punkte hinzuweisen, die
dringender Revision bedürfen, so weit dies überhaupt noch möglich ist. In kritischer
Vergleichung damaliger Schilderungen mit eigenen Erfahrungen und diese ergänzend
war es erst möglich, ein objectives Bild des Völkerlebens jener Gebiete zu skizziren, wie
es unter stetem Rückblick auf vergangene Verhältnisse sich der Neuzeit mehr anpasse.
Wenn mir bedauerlicherweise einige ältere Reiseberichte nicht zugänglich waren, so
habe ich dagegen, unter Ausschluss aller compilatorischen Arbeiten, auf Originalmit-
theilungen aus anderen Gebieten der Südsee im Interesse vergleichender Ethnologie
Bezug genommen. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdiente der beschreibende Kata-
log des Museum Godeffroy,') der gerade für Mikronesien äusserst wichtigen Nachweis
■) In lAnnalen des k. k, nalurhislor Ischen Hofmuseums, Wien (Airred HOlder)«. Bd. III, 1S8S;
Etsle Abiheilung: ßismarck-Archipel, S. 83— 160 [1-78], Taf. III— Vll (Taf. 1-5). Zwei« Ab-
iheilung; Neu-Guinea. i. Englisch-Neu-Üuinea, aj .Südosttüate, S. 293 — 36* [79—150], Taf. XIV—
XXV (Taf. 6—17). Bd. VI, 1S91: b) Ostapitie mit den d'Enlrecasieaux-lnsGln. II. Kaiser Wilhelms-
Land. S. i3-i3o [151—268]. Taf. XIV— XXV (Taf. 6 — 17).
1) »Die ethnographisch- anthropologische Abiheilung des Museum GodefTroy in Hamburg. Ein
Beilrag lur Kunde der Südseevülker von J. D. E. Schmehi und Dr. med. R. Krause. Mit 46 Tafeln
"nd einer Karle.« (Hamburg, L. friedrichaen 4 Co., 1881.) AbgekÜ«ies Citat: >Kai. M. G.«
Annaltn d« V. k. naturhiston^lieii Hofmusciuns, Bd. Vin. Heft 1, i8i)3. 1
Dr. O. Finsch. [270]
liefert, aber, vorwurfsfrei für die Verfasser, doch mancher Berichtigung, namentlich be-
züglich der Localitätsangaben, bedarf. Wie die nachfolgende Arbeit zu dem genannten
Werke gleichsam als Commentar dienen kann, so zu einem anderen für Mikronesien
wichtigen,') dessen Einsicht ich der Güte meines Freundes Franz Heger verdanke,
und das, wie ich von diesem erfahre, im Buchhandel nicht zu haben ist. Bei vollstän-
diger Würdigung der hervorragenden Verdienste des erfahrensten Mikronesien-Reisen-
den Johann S. Kubary, Hessen sich Hinweise auf gewisse Schwächen seiner Arbeiten
nicht vermeiden. Neben empfindlichen Lücken und Widersprüchen erschwert zuweilen
die in peinlichste Details ausgesponnene Darstellung das klarere Verständniss. Ueber
das Wirken und die Werke des Reisenden gibt eine kurze biographische Skizze Aus-
kunft, die wohl für die Meisten neu und vielleicht willkommen sein dürfte.
In den »Nachträgen und Berichtigungen« ist, soweit mir dies möglich war, eigener
Mängel und Irrthümer gedacht worden.
Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, den Herren Hofrath Ritter
V. Hauer, Intendant des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, und Franz Heger, Leiter
der anthropologisch-ethnographischen Abtheilung, meinen besten Dank auszusprechen
für die Bewilligung weiterer Tafeln, in deren naturgetreuen Ausführung meine liebe
Frau mit künstlerisch begabter Hand sich wiederum als verständnissvolle Mitarbeiterin
bewährte.
Wenn durch diese illustrativen Beigaben der eigentliche Zweck des Werkes, ein
nützliches Nachschlagebuch für die systematische Völkerkunde der behandelten Gebiete
der Südsee darzubieten, dem Ziele nähergerückt werden konnte, so darf ich dies als
befriedigenden Lohn für eine ebenso anstrengende als zeitraubende Arbeit betrachten,
welche allein für die Ethnologie Mikronesiens weit über ein Jahr kostete, und unter den
mancherlei Opfern wissenschaftlicher Bestrebungen jedenfalls mein schwerstes war.
Delmenhorst bei Bremen, im December 1892.
Otto Finsch.
Einleitung.
Anthropologischer Ueber blick.
Das ausgedehnte Inselreich der Südsee (des grossen oder stillen Oceans) wird,
abgesehen vom Festlande Australien, nur von zwei Menschenracen bewohnt: Ocea-
niern (hellfarbig, vorherrschend schlichthaarig) und Melanesiern oder Papuas
(dunkelfarbig, mit vorherrschend kräusligem Haar), wie ich dies bereits auf Grund
eigener Wahrnehmungen 2) darstellte. Weitere Reisen in jenen Gebieten haben seit-
dem diese Erfahrungen nur bestätigt und neues Beweismaterial geliefert. Wenn es bei
den sehr erheblichen individuellen Schwankungen zuweilen schon schwer hielt, obige
beide Racen zu unterscheiden, so ist eine Trennung der Oceanier in weitere zwei Racen
0 »An Atlas of the weapons, tools, Ornaments, articles of dress etc. of the Natives of the
Pacific Islands Drawn and described from Examples in public and private collections in England by
James Edge Partington. 1890, PI. 167—188.« Die in einem ziemlich miitelmässigen Ueberdruck-
verfahren hergestellten, zum Theil recht skizzenhaften Abbildungen enthalten immerhin viel Inter-
essantes und werden Ethnologen nutzlich sein. Der manchmal recht unleserlich geschriebene Text
gibt übrigens nicht mehr als zum Theil etwas ausführlichere Etiquetten.
2) Finsch: »Anthropologische Ergebnisse einer Reise in der Südsee und dem malayischcn
Archipel in den Jahren 1879—1882.« (Mit 26 physiognomischen Aufnahmen etc., Berlin 1884.)
[270
Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der Südsee.
vollends nicht durchführbar. Man wird daher wohl thun, die sogenannten Mikro-
nesier als eigene Race ein- für allemal aufzugeben, denn in der That sind alle hellfar-
bigen Eingeborenen der Südsee anthropologisch nicht mehr verschieden als z. B. die
Völker Europas untereinander.
Auch die craniologische Forschung >) hat bisher zu einer Sonderstellung von
»Mikronesiern« kein Beweismaterial geliefert. Virchow ist geneigt, die Philippinen als
»den Schlüssel zur Lösung der mikronesischen Frage« und deren einstige Bewohner
als eine »prämalayische« Race zu betrachten. Die Untersuchung der in Grabeshöhlen
gefundenen sehr alten Schädel zeigte nicht die mindeste Anknüpfung an solche der
Negritos, die bekanntlich nichts als ein Zweig der melanesischen Race sind, dagegen
auffallender Weise die grösste Uebereinstimmung mit althawaiischen Schädeln. »Mit
.Ausnahme von Neuseeland scheint in der ganzen Inselwelt der Südsee keine zweite Art
von Menschen vorhanden zu sein, welche den Höhlenmenschen der Philippinen so nahe
kämen wie eben die Kanaken, sagt Virchow, erwähnt unter Anderem aber auch eine
gewisse Annäherung dieser Kanakenschädel von Hawaii zu den melanesischen Formen.
Dagegen bestreitet der berühmte Forscher Krause's Annahme, dass in den Schädeln
der Gilbert-Insulaner der papuanische Typus fortbestehe. Dabei wird a. O.') mit Recht
hervorgehoben, »dass Herr Krause seine allgemeinen Sätze viel zu früh aufgestellt
habe. Damit schädigt man nur die kaum flügge Anthropologie. Es wird sonst noch lange
dauern, bis die neue Disciplin sich ihren Rang in der Wissenschaft erkämpft und sie
die officieUe Vertretung erlangt, welche ihr gebührt (!).« Der Schädel eines Marshal-
lanen erinnert Virchow mehr an Melanesier als an Negritos, während Krause nähere
Beziehungen zu Caroliniern herausfindet. In Bezug auf die letzteren sind die Ansichten
der beiden Forscher ebenfalls erheblich abweichend und beweisen, dass die Craniologie
noch recht weit entfernt ist, zur Lösung der Racenfrage sichere und zweifellose Kenn-
zeichen festzustellen. Wenn dies bei Benützung eines wenig zahlreichen Materials viel-
leicht noch eher aussichtsvoll erschien, so dürfte die Untersuchung grösserer Reihen
vollends die Unmöglichkeit erweisen. Mir hat sich diese Ueberzeugung schon bei Ver-
gleichung der lebenden Menschen jener Gebiete aufgedrängt, und daher gibt es für mich
überhaupt keine »mikronesische Frage c.
In der That, wenn es kaum möglich ist, nach den am meisten in die Augen fallen-
den äusseren Kennzeichen (Hautfärbung, Haarbildung etc.) die verschiedenen Menschen-
racen in ihren ausserordentlich erheblichen Abweichungen diagnostisch sicherzustellen,
so dürfte dies auf Grund eines einzigen Charakters, der Schädelbildung, vollends zu den
Unmöglichkeiten gehören. Von dieser Wahrheit, die v. Miklucho-Maclay nach
jahrelangem Studium freiwillig eingestand, längst durchdrungen, gereicht es mir zur be-
sonderen Genugthuung, dass selbst Geheimrath Virchow auf dem Boden strengster
Objectivität sein Urtheil über den Werth der Craniologie sehr modificirt und auf das
richtige Mass zurückgeführt hat. Auf dem 23. deutschen Anthropologencongress zu
Ulm im August d. J. (1892) hob dieser grösste Forscher über Menschenschädel unter
Anderem hervor: »dass die Racenfrage durch die Betrachtung des Schädels allein nicht
1) Vgl. Virchow: »Schädel- und Tibiaformen von SQdseeinsulanern«, Verhandl. Berliner An-
throp. Gesellsch., 1880, S. 112; Finsch: »Bericht über die Insel Oahu«, ib. 1879, S. 28 — 33, und
Virchow: »lieber mikronesische Schädel c, Sitzungsber. der königl. Akademie der Wissensch. Berlin
vom 8. December 1881. An Oceanierschädeln sandte ich im Ganzen 71 von unzweifelhafter Herkunft
an Prof. R. Virchow ein, und zwar 28 Hawaiier (aus alten Gräbern von Oahu), 7 Maoris, 8 Morioris
(Chathaminseln), 8 Gilbert-Insulaner und 20 von der Ruk-Gruppe.
2) Verhandl. der Berliner Anthrop. Gesellsch., 1882, S. 162.
Dr. O. Finsch. [272]
entschieden werden könne, da man heute eben schon von der langgeübten Gewohnheit
zurückgekommen sei, Raceneintheilungen nach SchädelbeschafTenheiten zu machen.
Diese Versuche haben sich stets und allenthalben als nutzlos erwiesen. Mehr Beachtung
verdienen die Farbe der Haut, deren Unterschiede kennzeichnend seien c. Ist diese
letztere Annahme nun auch keineswegs in allen Fällen zutreffend, so unterliegt es doch
keinem Zweifel, dass die Hautfärbung (im Verein mit Haarbildung) wichtigere Momente
ergibt als die Schädelform. Auf dieser Grundlage müssen daher die hellfarbigen Be-
wohner der Südsee als die nächsten Verwandten der malayischen Race betrachtet werden,
und zwar der heutigen Malayen. Denn die »prämalayische« oder »promalayische« Race,
welche nach der Ansicht einiger Gelehrten zuerst die Südsee bevölkert haben soll, ken-
nen wir nicht, und sie wird für immer ein Phantom bleiben.
Für diese Verwandtschaft bietet aber ganz besonders auch die Ethnologie wich-
tige Anhaltspunkte, die zugleich deutlich für eine Abstammung, respective Herkunft aus
Westen sprechen. So vor Allem aus zoogeographischen Gründen das Vorkommen des
Haushuhnes und Hundes (wenigstens auf Ponape), sowie der Genuss von Betel (auf
Pelau und Yap), während dagegen Kawa auf Osten hinweist. Von hervorragender Be-
deutung für die Herkunft aus Westen ') ist ganz besonders auch die Webekunst der
Carolinier. Interessante Momente würde vielleicht auch eine gründliche Studie über
die Cocospalme liefern, die überall nur durch Cultur vorhanden, vermuthlich ebenfalls
aus dem Westen mitgebracht wurde, wenigstens in unser Gebiet. Wenn es sich em-
pfiehlt, für dasselbe die Bezeichnung Mikronesien beizubehalten, so ist dies allein aus
geographischen Gründen zu rechtfertigen, zur Unterscheidung von Polynesien oder der
grösseren östlichen Hälfte Oceaniens.
Mikronesien als geographisches Gebiet umfasst nur den nordwestlichen Theil,
und zwar die Archipele der Gilberts, Marshalls, Carolinen und Mariannen, innerhalb
der Grenzen, wie sie Gerland's Karte darstellt (in Petermann: »Geographische Mit-
theilungen«, 1872, Taf. 8, und »Anthrop. der Naturvölker«, 6. Theil). Sie verzeichnet
bereits sehr richtig Njua^) (Ontong-Java) als eine oceanische Enclave inmitten melane-
sischen Gebietes, und hieher gehört auch die Stewartsinsel (Sikayana), die Laughland-
inseln, sowie Yarab (Trobriand). Letztere Insel zeigt indess melanesische Beimischung
(II, S. 33 [171]), wie dies zum Theil für die Bewohner der kleinen Inselgruppen Lub
^Hermites), Kaniet (Anchorites) und Ninigo (Echequier) gilt, die indess, wenigstens an-
thropologisch, zu Mikronesien gehören.
Wenn auf der Karte zum Katalog des Museum Godeffroy die Bevölkerung von
Ostmelanesien als durch »polynesische Einwanderung« gemischt markirt wird, so ist
dies nur für gewisse Theile Fidschis richtig; im Uebrigen sind die Bewohner (von
Fidschi bis auf die Salomons und bis zur Ostspitze Neu-Guineas) reine Melanesier oder
Papuas.
Ethnologischer Ueberblick.
Allgemeine Züge. Bei den gleichartigen Verhältnissen, wie sie die Südsee in Be-
zug auf Klima und Lebensbedingungen bietet, ist es erklärlich, dass auch die Bewohner
in ihren Lebensverhältnissen und Erzeugnissen grosse Uebereinstimmung zeigen, zumal
») Nach Sittig wurde auch die Osterinsel von Westen aus bevölkert, und zwar von Rapa
(Opara) aus, wo sich ähnliche Steinbilder finden; die Galiapagos waren unbewohnt.
2) Finsch: »Bemerkung über einige Eingeborene des Atoll Ontong-Java (Njua)« in »Zeitschr.
für Fthnol.«, 1881, S. iio (mit 9 Textbildern, meist Tätowirung) und »Hamburger Nachrichten«,
Nr. 153, 3o. Juni 1881.
[273]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
da ihre Entwicklung ausnahmslos auf der ersten primitiven Stufe der Steinzeit steht,
oder vielmehr stand. Denn diese Epoche ist für die meisten Gebiete der Südsee vorbei.
Eisen hat sich, mit wenigen Ausnahmen, überall eingeführt und namentlich auch in
unserem Gebiete zum Verfalle der Originalität beigetragen, die theil weise bereits ver-
schwunden war, ehe die Wissenschaft genügendes Material sammeln konnte. Wenn
die Trennung der Südseevölker in zwei Racen noch durchführbar ist, so bieten sich
ethnologisch dafür keine durchgreifenden Momente.
Die Ethnologie Oceaniens ist vielmehr einem Mosaikbilde zu vergleichen, das sich
aus vielen Steinen von gleicher Beschaffenheit zusammensetzt, von denen indess jeder
neben gewissen sich stets wiederholenden Zeichen auch eigenthümliche besitzt, die öfters
in etwas veränderter Form an entfernteren Steilen des Gesammtbildes vorkommen.
Durchaus unabhängig von den künstlichen, aber zweckmässigen Grenzen der geo-
graphischen Eintheilung in Polynesien, Mikronesien und Melanesien haben diese Ge-
biete im Sinne von ethnologischen Provinzen keinen Werth, und deshalb gibt es auch
keine speciiische Ethnologie Mikronesiens. Denn auch diese zerfällt, wie wir dies
bereits bei Melanesien gesehen haben, in verschiedene Gebiete oder Subprovinzen,
deren sieben zu unterscheiden sind: Gilberts, Marshalls, Kuschai, Ponape, Central-
Carolinen, Yap und Pelau; die Mariannen bilden jedenfalls ein weiteres Gebiet, von dem
wir jedoch nur sehr wenig wissen und das deshalb hier nicht in Betracht kommen kann.
Jede dieser Subprovinzen besitzt gewisse charakteristische ethnologische Eigen-
thümlichkeiten, die sich indess gleich oder ganz ähnlich, theils in Polynesien, theils in
Melanesien, oder in beiden zugleich, wiederfinden. Ohne Bezugnahme und Vergleichun-
gen mit diesen letzteren sehr verwandten Gebieten und den noch näher stehenden
eigenen lassen sich daher die ethnologischen Verhältnisse Mikronesiens nicht klarlegen,
die unter sich kaum allgemein giltige Charakterzüge aufweisen.
Sitten und Gebräuche zu erörtern würde hier zu weit führen. Ich möchte nur
hervorheben, dass Cannibalismus fehlt und fehlte, denn die für die Gilberts, Pelau und
Yap angegebenen Einzelfälle sind sehr zweifelhaft und nicht entfernt zu einer Ver-
allgemeinerung genügend. Dagegen herrschte diese vorwiegend melanesische Unsitte
auch sporadisch in Polynesien, überall in Gebieten, die besonders reich an Lebens-
mitteln sind. Es ist daher ganz irrig, wenn Nahrungsmangel als Ursache des Ent-
stehens dieser barbarischen Sitte angegeben wird, wie z. B. Dr. Gräffe (Journ. Mus.
God. I, S. 3i) dies sehr unzutreffend mit Hinweis auf Fidschi und Neu-Seeland zu be-
gründen versucht. Denn verhielte sich das so, dann würden die Mikronesier, zum
Theil mit die schlecht ernährtesten Bewohner der Südsee, jedenfalls Cannibalen und
am ersten zu entschuldigen sein. Mertens erblickt schon in dem allerdings nicht appetit-
lichen, indess unschuldigen Läuseessen, übrigens eine fast kosmopolitische Sitte, die
erste Stufe zum Cannibalismus.
Ernährung. Dieselbe ist über die ganze Südsee vorwiegend vegetabilisch, kärglich
und auf wenige Producte beschränkt bei den Bewohnern der Atolle (von den Carolinen
bis auf Paumotu), reicher und mannigfacher für die Bewohner der hohen Inseln, die,
wie die Melanesier zum Theil, treffliche Ackerbauer sind. P'leischnahrung kommt,
ausser Fischen und Seethieren, kaum in Betracht.
Hausthiere. Nur Ponap^ besass Hunde und isst solche noch heute, wie dies in
vielen Gebieten Melanesiens und ehemals in Polynesien (Tahiti, Hawaii) geschah. Das
Schwein fehlt Mikronesien ganz, fand sich aber, wie noch jetzt in Melanesien (hier zum
Theile wild), in gewissen polynesischen Gebieten (z. B. Samoa und Hawaii), als Haus-
thier vor, was auch für diese Östlichen Inseln deutlich auf Einwanderung von Westen
kS
Dr. O. Finsch. [^741
spricht, ein sehr bedeutsamer Hinweis, der bis jetzt aber wenig Beachtung gefunden zu
haben scheint.
Nahrung und Reizmittel. Die Zubereitung der Speisen geschieht überall in dersel-
ben oder doch in sehr ähnlicher Weise, und zwar ohne Salz, das nur die alten Hawaiier
bereiteten, die sogar Einsalzen verstanden. Unter den Reizmitteln findet sich der für
Malayasien und Melanesien typische Betel (der aber auf Fidschi unbekannt ist) auch in
den westlichen Carolinen (Pelau, Yap, Uluti, Uleai), hier auch, wie in vielen Gebieten
Melanesiens, Tabak, der dem übrigen Oceanien fehlte. Kawa, vorwiegend polynesisch
(aber auf Fidschi, den Neuen Hebriden, Salomons, vereinzelt in Neu-Guinea beliebt),
wird auch in Mikronesien (aber nur Kuschai und Ponape) getrunken.
Fisclierei wird überall in derselben Weise, mit denselben Hilfsmitteln und Ge-
räthen betrieben, die sich nur in Form und zum Theil im Material unterscheiden. Ver-
einzelte, auf gewisse Localitäten beschränkte eigenthümliche Fanggeräthe (wie z. B. die
Aalschlinge der Gilberts) sind nur nebensächlich von Bedeutung und sinnreicher auch
in Melanesien vertreten (z. B. in Neu-Britannien »Aumut«, I, S. [25] und Neu-Guinea
»Uhto«, II, S. [120] und >Wuba€, II, S. [169]). Eigentliche Fischerstämme fehlen. Jagd
verbietet sich bei dem Mangel von W^ild von selbst und wird nur in den westlichen Ca-
rolinen (Pelau) auf den Dugong (Halicore) betrieben, wie in Torresstrasse und an der
Südostküste Neu-Guineas (II, S. [120]).
Falirzeuge. Die Südsee hat in diesen wichtigen Verkehrsmitteln einen so grossen
Reichthum aufzuweisen, dass sich darüber allein ein ganzes Buch schreiben Hesse. Bis
jetzt fehlte es leider an eingehenden vergleichenden Studien, die jedenfalls auch für
die Herkunft und Abstammung der Bewohner wichtige Aufschlüsse geben würden. Im
Ganzen handelt es sich um einige wenige Grundtypen, die mit mehr oder minder er-
heblichen Modificationen und Abweichungen über die ganze Südsee (und weiter) ver-
breitet sind und sich an den entferntesten Localitäten wiederholen. Charakteristisch
scheint namentlich die Form des Segels, welches, wenigstens in den von mir besuchten
Theilen Melanesiens, niemals die dreieckige oder lateinische Form zeigt, wie sie in ganz
Mikronesien und fast der ganzen Südsee (sowie darüber hinaus) allein vorkommt. Nicht
unwesentlich weicht davon die Form des Segels der Canus von Tonga und der identi-
schen von Fidschi ab, die sich merkwürdiger Weise am ähnlichsten im Papuagolfe der
Südostküste Neu-Guineas wiederfindet (II, S. [121]). Auch die Fahrzeuge Mikronesiens
haben in der Bauart mehrere charakteristische Formen aufzuweisen, darunter solche,
die, wie die der Marshalls und Carolinen, in Bezug auf Construction und Seetüchtigkeit
mit zu den besten Hochseefahrzeugen der Südsee gehören. Doppelcanus, wie in ge-
wissen Gebieten Polynesiens (Hawaii, Paumotu, Tonga; nicht auf Samoa) und Mela-
nesiens (Fidschi), fehlen in Mikronesien. Dagegen kommen Canus ohne Segel vor
(auf Kuschai nur solche), wie auch anderwärts in der Südsee. So kennen Neu-Irland
und die Salomons keine Segel ; ja letztere besitzen sogar eine Art Canus ohne Ausleger.
Bemerkenswerth für die Fahrzeuge Mikronesiens ist der fast gänzliche Mangel oder
doch sehr geringe Schmuck. Der von Edge-Partington (PI. 174, Fig. 5) abgebildete
geschnitzte »stafT fixed to the prow of a Canoe« ist sicher nicht mikronesischer
Herkunft.
Häuser. Hinsichtlich der Wohnstätten herrscht überall locale Verschiedenheit, die
namentlich in Mikronesien scharf ausgeprägt hervortritt. Auch hier gibt es (auf den Gil-
berts, auf Yap und Pelau) jene grossen Versammlungshäuser, wie sie hauptsächlich aus
Melanesien bekannt sind, sich aber auch unter gleichem Verbot für Frauen überall in
Polynesien finden. Die »Marai« der alten Hawaiier mit ihren sogenannten »Götzen-
[275]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
bildern«,*) wie die »Runangac der Maoris mit ähnlichem reichen Bilderschmuck ent-
sprechen ganz den raelancsischen »Tabuhäusern« auf den Salomons, Neu-Guinea u. s.w.,
deren phantastische Holzschnitzereien als Ahnenfiguren jedenfalls am richtigsten erklärt
werden (II, S. [255]). Die »Maneap« der Gilberts ähneln am meisten den »Fale tele« auf
Samoa und stehen in Mikronesien sehr isolirt. Eigentliche Pfahlhäuser fehlen Mikro-
nesien wie Polynesien, gehören aber auch in Melanesien zu den Ausnahmen; dagegen
sind die pfahlständigen Wachthäuser der Gilberts ein Analogon für die luftigen Baum-
häuser der Melanesien Bemerkenswerth, aber nicht eigenthümlich sind die Kolossal-
steinbauten auf Kuschai und Ponap^, die aber der Vergangenheit angehören.
Hausrath und Kochgeräth zeigen, wie bei allen Naturvölkern, grosse Ueberein-
stimmung und wenig Eigenthümliches. Kleine Schüsselchen und flache Gefässe aus
Schildpatt scheinen eine Specialität Pelaus zu sein, wie gewisse Deckelkisten und Kästen
aus Holz für die Central-Carolinen (Nukuor, Lukunor etc.); letztere werden indess ähn-
lich auch in Polynesien angefertigt, und zwar auf Tockelau. Hier auch eigenthümliche,
aus Holz geschnitzte Sessel, die sonst wohl nur auf Hawaii vorkamen. Das British
Museum besitzt daher einen solchen in Form eines auf allen Vieren stehenden Menschen,
aus einem Stück geschnitzt, von derselben Localität prachtvolle Kawabowlen (zum Theil
mit Schnitzerei). Letztere sah ich sehr schön auch von Fidschi in der Colonialaus-
stellung in London. Einiger besonders kunstvoll verzierter Holzgefässe von Pelau soll
unter »Ornamentik« gedacht werden. Im Uebrigen hat Mikronesien nicht viel auf-
zuweisen, besonders gegenüber Melanesien, das in dem Genre durch Schnitzerei ver-
zierter Holzgeräthe einen grossen Reichthum besitzt (so z. B. gewisse Gebiete Neu-
Guineas in Schüsseln, Haken, Rührlöffeln etc.). Bemerkenswerth sind für Kuschai Stam-
pfer aus Stein (Basalt), für Ruk ganz gleichgeformte aus Korallstein (Fig. 32, 33), die in
ganz anderer Form auch in Polynesien (Hawaii, Tahiti), primitiver in Melanesien vor-
kommen.
Feuer wird auch in Mikronesien local nach den beiden üblichen Methoden: Reiben
und Quirlen, erzeugt, sehr abweichend dagegen bei den Koiäri im Innern von Port
Moresby (II, S. [109]). Erwähnenswerth hierbei ist die von Hudson gemachte Beobach-
tung, dass die Bewohner Fakaafos der Tockelaugruppe kein Feuer zu kennen scheinen
(Wilkes V, S. 17), weil sie ganz einzig dasteht und daher der Bestätigung bedarf.
Werkzeuge und Geräth. Die wenigen hierher gehörigen Gegenstände sind, wie
nicht anders zu erwarten, im Wesentlichen dieselben; eigenthümlich ist, und zwar nur
für Mortlock, eine Hacke zur Feldarbeit aus Schildkrötenknochen (Fig. 55). Dagegen
findet sich der marshallanische Drillbohrer genau in derselben Construction auf Neu-
Guinea (Port Moresby) und auf der Tockelaugruppe (Fakaafo) wieder. Das unentbehr-
lichste Geräth der Steinzeit, die Axt, fehlt nirgends und hat auf allen Atollen, wegen
Mangel an anderem Material, eine Muschelklinge (meist aus Tridacna, seltener Terebra
und Mitra)j wie solche auch sonst überall sehr geschätzt sind. Es ist aber bemerkens-
werth, dass auch die hohen Inseln Mikronesiens, trotz trefflichem Steinmaterial (Basalt),
fast ausnahmslos nur Muschelklingen ^) gebrauchen, die mit zu den schwersten und
plumpsten gehören. Die Schäftung zeigt, abgesehen von gewissen localen Verschieden-
heiten, ganz denselben Grundtypus, als in Melanesien wie Oceanien überhaupt. Cere-
») Vgl. Choris, PI. V und Kotzebue II, S. 20.
2) Unter den zahlreichen Aexten und Axtklingen aus Mikronesien verzeichnet der Katalog des
Museum Godeffroy nur eine Steinklinge, und zwar von Pelau (S. 420, Nr. 589). Die Bemerkung
(^.417)1 dass Aexte auch als »Watfec benützt werden, ist nicht richtig; sie sind ausnahmslos nur
Werkzeuge.
♦'■
8 Dr. O. Finsch. [276]
monienäxte, wie in einigen Gebieten Polynesiens (z. B. Mangaia), fehlen Mikronesien;
dagegen findet sich eine analoge Form in Neu-Guinea (II, S. [167]).
Waffen und Wehr bieten nur in den eigenartigen Rüstungen und Helmen der
Gilbert- Insulaner ein charakteristisches Gepräge, das aber insofern nur beziehentlich
Eigenthümlichkeit beanspruchen kann, weil Kürasse oder Harnische, allerdings ver-
schieden in Form und Material, auch auf Neu-Guinea vorkommen (II, S. [216]), sowie
auf Borneo und Timor. Auch die mit Haifischzähnen besetzten Waffen') der Gilbert-
Insulaner sind zwar vorwiegend und sehr mannigfach, aber nicht ausschliessend hier
vertreten. Eigenthümlich scheint dagegen für ein beschränktes Gebiet der Carolinen
(Mortlock) eine besondere Waffe mit Rochenstacheln (Taf. II [19], Fig. 10), die sich in
anderer Form auf Yap findet und dem Knochendolch der Melanesier (II, S. [215]) ent-
spricht. Ein Schlagring von Mortlock (»Senjavin-Reise«, PI. 29, Fig. 5) ähnelt ganz
einer althawaiischen Waffe, wie Hawaii auch die eigenartige Kratzwaffe mit Haifisch-
zähnen der Gilbertweiber besass. Die am weitesten verbreitete Waffe, der Speer, bietet
in Mikronesien im Ganzen weit weniger Verschiedenheit, als in Polynesien, wo kunst-
reich geschnitzte Spitzen mit den formreichen Melanesiens wetteifern und zum Theil
an Material und Bearbeitung die Localität erkennen lassen. Manche mikronesische
Speere (wie z. B. auf Ruk) erinnern in der Bewehrung mit Rochenstacheln an die Salo-
mons. Keulen sind im Ganzen selten in Mikronesien und bieten wenig Auffallendes.
Bemerkenswerth ist aber die Aehnlichkeit in der Form der flachen Holzkeulen der
Central-Carolinen mit Jener in West-Melanesien, die sehr abweichen von den charakte-
ristischen Formen Fidschis und Samoas. Ganz abweichend sind die zum Theil hübsch
geschnitzten Keulen von Tonga, wie die neuseeländischen eigenartige Waffen. Auch die
Kampfstöcke (zugleich Tanzstöcke) von Ruk und Mortlock ähneln solchen im Bismarck-
Archipel, dagegen scheinen mit Steinknauf bewehrte Keulen nur in beschränkten Ge-
bieten Melanesiens vorzukommen, ebenso Schilde.^) Einen solchen besitzt das British
Museum mit der Angabe »Tahiti«. Bogen und Pfeil fehlen Mikronesien durchaus,
werden dagegen auffallender Weise von Wilkes für Samoa erwähnt (11, S. 151). Die
Schleuder, welche mit zu den gebräuchlichsten Waffen Mikronesiens zählt und mit Aus-
nahme der Gilberts fast auf allen Inseln vorkommt, ist auch in Melanesien vertreten,
wie früher in Polynesien (z. B. Tahiti). Eigenthümlich für die Gilberts ist eine besondere
Art Schlagstein (Taf. II [19], Fig. 15) und die Bola zum Fange des Fregattvogels (Fig. i)
auf Nawodo. Wenn Chamisso unter den Waffen von Yap nach Hörensagen ein »Wurf-
brett« erwähnt, so scheint dasselbe keine Bestätigung gefunden zu haben. Aber nach
Schmeltz würde auf Pelau eine Art Speere vorkommen, die mittelst eines »Wurfholzes«
geworfen werden, die Kubary aber selbst nirgends erwähnt.
Musik- und Tanzgeräthe. Ein charakteristischer Zug der Ethnologie Mikronesiens
ist das spärliche und sehr localisirte Vorkommen von sogenannten Musikinstrumenten,
an denen namentlich Melanesien so reich ist. Die Trommel fehlt hier fast nirgends, ist
aber in Mikronesien nur auf die Marshalls (Fig. 17) und Ponape beschränkt, und zwar
in einer etwas abweichenden Form, die übrigens durchaus melanesisches Gepräge trägt.
Mit Haut bespannte Trommeln finden sich aber auch, mit localen Abweichungen, in Poly-
nesien (Tockelau, Tonga, Samoa, Hawaii, Markesas). Hier auch Jene trogförmige Art (auf
Tockelau und Tonga), die ganz mit der von Fidschi übereinstimmt und sich in ähnlichen
») Ein Analogon bieten gewisse australische Speere neueren Ursprunges, deren Spitzentheil
beiderseits mit eingekitteten Glassplittern zahnartig bewehrt ist.
2) Die Schilde der hawaiischen Tänzer, wie sie Choris PI. XII abbildet, sind nur Tanzschmuck.
r277] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
Formen weit über Melanesien verbreitet (Neu-Guinea, Salomons, Bismarck-Archipel,
Taf. V [3], Fig. 8). Taktschlägel (Taf. V [22], Fig. 11) und Tanzstöcke (Fig. 53), wie
auf den Marshalls und Central-Carolinen, sind in verschiedener Weise auch in Polyne-
sien und Melanesien vertreten.
Von den zahlreichen Blasinstrumenten der Südsee ist die allgemein verbreitete
Signaltrompete (aus Tritonium) in ganz Mikronesien bekannt, im Uebrigen aber nur
die Nasenflöte auf den Carolinen (Ponap6 und Ruk). Dasselbe Instrument findet sich
übrigens auch in Melanesien (Neu-Guinea) und Polynesien (Tahiti und Tonga), in beiden
Gebieten auch Rohr- und Panflöten (letztere z. B. im Bismarck-Archipel, den Salomons
und auf Samoa).
Die sogenannten Tänze und Gesänge, eigentlich pantomimisch-gymnastische Auf-
führungen, zeigen zwar auf allen Inselgruppen Mikronesiens zum Theil charakteristische
Eigenthümlichkeiten; allein sie gehören sämmtlich zu derselben Gattung, die sich in
zahlreichen Species und Subspecies über die ganze Südsee verbreitet, vom »Hulac der
Hawaiier, »Haka« der Maoris bis zur »Malankene« in Neu-Britannien und dem »Munt
an der Küste vom Kaiser Wilhelmsland (Astrolabe-Bai). An Tanzgeräthen besitzt nur
Ponapö eine besondere Art Tanzpaddel (Taf. V [22], Fig. 12), das vielleicht auch auf
Pelau vorkommt, aber nicht eigenthümlich mikronesisch ist, da eine ähnliche Form auf
der Osterinsel vorkam. Weit reicher und mannigfaltiger sind hierhergehörige Geräth-
schaften in Melanesien vertreten (I, S. [3i]), und auch Polynesien scheint darin manches
Eigenthümliche besessen zu haben (z. B. Hawaii geschmackvolle Tanzschilde aus Fe-
dern). Besonderen Tanzschmuck gibt es in Mikronesien nicht; derselbe ist vielmehr,
wie fast überall, mit den sonst bei Festlichkeiten gebrauchten Schmuckgegenständen
identisch. Der von Edge-Partington (PI. 175, Fig. i) abgebildete eigenthümliche Stab
ist jedenfalls nicht mikronesischen Ursprungs, sondern wahrscheinlich ein melanesisches
Tanzgeräth. Als letztere dürften auch die Ceremonienstäbe für Frauen von den Mar-
kesas zu betrachten sein (Kat. M. G., S. 245). Bemerkenswerth ist, dass nach der Ab-
bildung von Wilkes (II, S. 134) die Tänzer auf Samoa bis auf ein kleines Faserschürz-
chen vorne ganz unbekleidet sind. Auf Hawaii war Tapa, namentlich von den Frauen
graziös um die Hüften geschlungen, mit der hauptsächlichste Tanzschmuck (Choris,
PL XII und XVI).
Ganz besonders charakteristisch ist aber das Fehlen von Masken, die nur von
Mortlock (Kat. M. G., PI. XXIX, Fig. i) bekannt zu sein scheinen, und zwar in einer
Form, die ganz an Fidschi erinnert (Wilkes III, S. 188). Polynesien scheint ebenfalls
keine Masken zu besitzen, die dagegen sehr abwechselnd und in zum Theil äusserst
phantastischen und grotesken Formen (namentlich auf Neu-Irland) für Melanesien cha-
rakteristisch sind. Sie zählen zum Theil zu den hervorragendsten Kunsterzeugnissen
in Schnitzerei und Verzierung, darunter namentlich auch in der Bemalung (I, S. [59]).
In einigen beschränkten Gebieten Melanesiens werden bei gewissen Festlichkeiten förm-
liche Maskenanzüge benützt, wie an der Südostküste (Fresh water- Bai) und Nordostküste
(Astrolabe-Bai) von Neu-Guinea. Hierher gehören unter Anderem auch der »Dugdug«
Neu-Britanniens und die »Clowns« von Fidschi (Wilkes III, S. 188).*)
Ornamentik und Schnitzereien stehen in Mikronesien auf einer sehr wenig ent-
wickelten Stufe im Vergleiche mit dem übrigen Oceanien, wo zum Theil selbst Gegen-
stände des täglichen Gebrauches originell verziert sind. Ich will hierbei nur an die Kopf-
stützen, Calebassen und Kalkspatel in gewissen Theilen Neu-Guineas (Taf. XVIII [10] und
0 Auch auf Neu-Caledonien kommen derartige Maskenanzüge vor. Anm. d. Red.
lO Dr. O. Finsch. F^?^]
XIX [ii]), an die unübertrefflich schön geschnitzten Kästen der Maoris, Ceremonienäxte
und Axtstiele der Herveygruppe (Mangaia), sowie gewisse Geräthe der Markesas erin-
nern (Joest, »Tätowiren«, Taf. V und XII). Geschnitzte Canu Verzierungen fehlen in
Mikronesien ganz. Sie finden sich mannigfach in Melanesien vertreten und erreichten
in Neu-Seeland ihre höchste künstlerische Vollendung. Dabei mag noch der trefflich
geschnitzten Ceremonienpaddel der Herveyinseln gedacht sein, ein Genre, in dem Mela-
nesien manches Beachtenswerthe, Mikronesien gar nichts leistet.
Bemerkenswerth sind gewisse Kunsterzeugnisse in eingelegter Arbeit aus Perl-
mutter und Muscheln altpelauscher Holzgefässe (Edge-Partington, PI. i8i und 182),
eine seltene Technik, die Übrigens auch auf Samoa und den Salomons bekannt ist.
Das British Museum besitzt von da wunderbar schöne Stücke, so unter Anderem einen
enorm grossen, mit Conusscheiben eingelegten Holznapf von Guadalcanar und einen
geflochtenen Schild mit Mosaikarbeit in aufgelegten zierlichen Muschelscheibchen, der
alles Aehnliche übertrifft.')
Idole, welche mit Ahnenfiguren zu den hervorragendsten Schnitzarbeiten gehören
(z. B. auf Neu-Irland I, S. [53] und Neu-Seeland), besitzt Mikronesien nur auf den Cen-
tral-Carolinen (Ruk und Mortlock) in roh geschnitzten Vogelgestalten (Fig. 54) und
menschlichen Figuren auf Pelau (nach Kubary) und Nukuor. Letztere (wie Kat. M. G.,
Taf. XXX, Fig. i) erinnern an ähnliche primitive polynesische Schnitzarbeiten (Oster-
insel, Hawaii, Tahiti, Markesas) und in gewissen engbegrenzten Localitäten Melanesiens
(z. B. Neu-Guinea, Taf. XXIII [15]), und würden nach Wilkes auch auf den Gilberts
(Tapiteuea) vorgekommen sein.
ReliQion gibt es eigentlich nicht, wohl aber Geisterglauben und als Folge desselben
allerlei Aberglauben unter der Aegide von Wahrsagern, Sehern, Zeichendeutern, mit
Besprechen von Krankheiten etc. Diese Leute bilden indess keine bestimmte Kaste und
zeigen mancherlei Anklänge an das Schamanenthum Asiens. Ausser bestimmteren,
mehr allgemeinen, aber localisirten Geistern gibt es viele persönliche, unter denen die
Verstorbener eine wichtige Rolle spielen, indess ohne wirklichen Ahnencultus. In ge-
wissem Zusammenhange damit steht die Verehrung besonderer Thiere, namentlich ge-
wisser Fische (die deshalb nicht gegessen werden), wie lebloser Gegenstände (gewisser
Steine, Bäume), denen hie und da, wie auch den unsichtbaren Geistern, geringe Opfer
gebracht werden, so dass Alles in Allem die religiösen Anschauungen der Mikronesier
auf einen rohen Fetischismus hinauslaufen.
GewerbfleiSS. Unter den Handfertigkeiten der Oceanier steht Mattenflechterei
obenan und ist auf den Marshalls wie Gilberts ebenso hoch entwickelt, als in gewissen
Gebieten Polynesiens, dabei in Muster wie Technik der Verzierung zum Theil wesent-
lich verschieden, aber nicht eigenartig. Kunstreich geflochtene Körbchen, die eine Spe-
cialität der Gilberts scheinen, finden sich ganz ähnlich auch auf Fidschi; analoge Arbeiten
an der Ostspitze Neu-Guineas (Einsatzkörbe, II, S. [165]), sowie aus gespaltenem Bambus
in Neu-Britannien (I, S. [20]) und localisirt in Neu-Guinea (II, S. [204]) und Fidschi. Be-
merkenswerth sind auch ausserordentlich fein geflochtene Täschchen auf den westlichen
Carolinen (Yap und Pelau).
Flechtarbeiten sind im Uebrigen in Melanesien, mit Ausnahme von Fidschi, wo
man schöne Schlafmatten aus Pandanus fertigt, wenig vertreten. Dagegen wird hier
1) Ein ähnliches Prachtstück von den Salomon-Inseln befindet sich in der ethnographischen
Sammlung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien, Coli, der Novara-Expedition, Inv.-Nr. 3859.
Anm. d. Red.
fiyo] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 1 1
Filetstrickerei (in F'orm von Taschen, Beuteln etc.) für gewisse Gebiete (besonders
Neu-Guineas) charakteristisch, eine Fertigkeit, die im übrigen Oceanien wenig, in Mikro-
nesien nur in primitiver Weise auf einigen Inseln der Carolinen (Kuschai, Mortlock)
geübt wird. Die verwendeten Materialien sind im Wesentlichen überall dieselben, be-
merkenswerth aber, dass nur gewisse Gebiete Melanesiens den vortrefflichen Faserstoff
aus der Luftwurzel von Pandanus kennen (II, S. [217]), da doch gerade die Mikronesier
so hervorragend auf diesen Baum angewiesen sind.
Interessante Zweige oceanischer Industrie und von hervorragender Bedeutung
sind Weberei und Tapabereitung, wovon wenigstens die erstere in Melanesien über-
haupt fehlt. Mit Ausnahme der Anfertigung gewisser Zeugstoffe auf Neu-Seeland ist
Weberei (übrigens ohne Hilfe eines Webstuhls) eine charakteristische Eigenthümlich-
keit Mikronesiens, und zwar der Carolinen allein. Die meisten Insulaner hier verstehen
aus Hibiscus- oder Bananenfaser Zeuge zu weben, die auf Kuschai sogar mehrfarbig
sind, so dass hier auch einö Färberei auftritt, die in der Südsee einzig dastehen dürfte.
Die Webekunst, übrigens durchaus spontan und nicht etwa durch spanische Missionäre
eingeführt, bietet ebenfalls einen bedeutungsvollen Wink für eine Abstammung aus
Westen her, namentlich im Hinblick auf die Benützung von Bananenfaser als Material.
Die >Maro< der Männer von Njua, welche ich sah, hatten freilich das Aussehen von
gewebtem Zeuge, waren wohl aber nur aus Tapa (Finsch, 1. c, S. iii). Für Einwan-
derung aus W^esten (Malayasien) spricht auch die Kunst des Buntdruckes, mit welcher
die Polynesier ihre Tapa verzieren, wozu besondere, aus Holz geschnitzte Matrizen be-
nützt werden. Bemerkenswerth ist, dass Tapabereitung auf Samoa erst durch Missio-
näre von Tonga eingeführt wurde (Wilkes). Im Uebrigen ist Tapabereitung, indess
beschränkt und localisirt, auch in Mikronesien (Pikiram, Pelau, Ponape) bekannt, da-
gegen in Melanesien weit verbreitet, auf Neu-Britannien sogar mit bunter origineller
Bemalung (I, S. [11]).
Töpferei, ein vorwiegend melanesisches, aber sporadisch verbreitetes Gewerbe,
war nur in den westlichen Carolinen (Yap und Pelau), aber auch auf den Mariannen
bekannt, scheint aber im übrigen Oceanien ebenfalls zu fehlen. Im Gegensatze zu d^n
ziemlich übereinstimmenden Formen der Töpfe Melanesiens, die übrigens in zwei ganz
verschiedenen Methoden verfertigt werden (s. II, S. [iio] und [164]), zeichnen sich die
verschiedenartigen Trinkgefässe Fidschis durch besondere Kunst und bizarre Formen
aus, die an gewisse keramische Arbeiten Amerikas mahnen.
Bekleidung. Mikronesien bietet in dieser Richtung verhältnissmässig mehr Ver-
schiedenheit, als sonst in Oceanien. Gewebte Stoffe nehmen wenigstens in den Caro-
linen eine hervorragende Stelle ein und ersetzen hier die Tapa gewisser Gebiete Poly-
nesiens. Beide Stoffe liefern Material zu dem hauptsächlichsten Bekleidungsstück der
Männer, einer Art Lenden-, respective Schambinde, wie sie aus gewebtem Zeuge vor-
herrschend auf den Carolinen benutzt wird und als »Maro« über Polynesien, als »Mal«
über Melanesien (hier meist aus Tapa) weit verbreitet ist. Die Faserröcke aus Bast, auf
den Marshalls nur von Männern, auf Yap von beiden Geschlechtern getragen, finden
sich ähnlich auch in gewissen Localitäten Polynesiens (z. B. Tockelau und EUice, nur
für Frauen). Dasselbe gilt für die zierlicheren Röckchen aus Blattfaser (meist Cocos)
auf Ponap6 (für Männer) und auf den Gilberts (für Frauen), welche auch in Melanesien
die Hauptbekleidung des weiblichen Geschlechts bilden, besonders auf Neu-Guinea (hier
aus Sagopalme und zum Theil bunt gefärbt). Für die Central-Carolinen sind poncho-
artige Ueberwürfe charakteristisch, finden sich ähnlich aber auch in gewissen melane-
sischen Gebieten. Völlige Nacktheit, die ich als Regel nur auf Neu-Britannien (hier für
12 Dr. O. Finsch [280]
beide Geschlechter) und Humboldt-Bai (Neu-Guinea) beobachtete, herrschte früher auch
auf den Gilberts und auf Pelau, sowie auf Samoa (auf Tutuila, und zwar für beide Ge-
schlechter; s. Kotzebue).
Kopfbedeckung in Form eigenthümlicher Hüte, die sehr an malayische Typen
erinnern, findet sich nur auf den Carolinen (Lukunor, Mortlock, Nukuor, Yap); gewisse
Kappen oder Mützen, für beide Geschlechter verschieden, auf den Gilberts, darunter be-
sonders eigenthümliche, geflochtene Helme.
Putz und Zieraten sind in Mikronesien weit minder mannigfach und reich ver-
treten als in Melanesien, aber fast ausnahmslos auf dieselben Materialien angewiesen,
wie sie mehr oder minder allenthalben in der Südsee und von Menschen verwendet
werden, die keine Metalle kennen. Obenan stehen gewisse Conchylien, von denen ein-
zelne Arten, in ähnlicher Weise wie in der Geologie, als »Leitmuscheln« betrachtet wer-
den können. Bezeichnend für Mikronesien wie Oceanien Überhaupt ist ganz besonders
das Fehlen jener kleinen Nassa-Arten, die in Melanesien so häufig verwendet werden
und vielerwärts zugleich als Geld eine hervorragende Rolle spielen, wie z. B. das »Di-
wara« Neu-Britanniens (I, S. [12]). Eine gleichwerthige »Leitmuschel« besitzt Mikrone-
sien nicht, wohl aber sind hier andere Muscheln in mehr oder minder vollkommener Be-
arbeitung von Wichtigkeit. So vor Allem Scheibchen aus rother Spondylus oder Chama,
namentlich auf den Marshalis und Carolinen (Taf.VIII [25]), aber nicht eigenthüm-
lich, da sie ganz gleich auch auf Neu-Guinea, aber nur an der Ostspitze (II, S. [157]),
sowie auf den Salomons vorkommen, in Polynesien dagegen sehr selten und nur von
Hawaii bekannt zu sein scheinen. Wenig bearbeitete oder fast rohe Spondylus-Muschclny
schon von den vorgeschichtlichen Bewohnern Ponapes (Taf.V[22]) benutzt, sind auf den
Gilberts sehr beliebt und zählen auf Fidschi zu den werthvollsten Erbstücken (hier auch
als bemerkenswerthe Ausnahme die »Orange Cowry«, Cypraea aurora). Nicht minder
wichtig sind geschliffene Scheibchen aus weissen Muscheln, die auf Schnüre gereiht, auch
in Melanesien weit verbreitet sind und zum Theil Geld bedeuten (II, S. [160] und [222]).
Sie werden in Mikronesien besonders für die Gilberts charakteristisch und bilden hier,
im Verein mit schwarzen Scheibchen aus Cocosschale, die beliebten »Tekaroro-Schnürc«
(Taf.VII [24]), die übrigens spärlich auch in Melanesien (Neu-Britannien, Neue Hebriden),
sowie auf den Marshalls und Carolinen vorkommen. Für die letzteren, jedoch nur für
Yap, ist das berühmte »Fe« merkwürdig, d. h. jene durchbohrten Scheiben aus dichtem
Kalkstein (von Pelau) von Thaler- bis Mühlsteingrösse, welche die Kolossalforni der
verschiedenen Arten Muschelscheibchen in der Benützung als »Geld« darstellen. In
ähnlicher Weise dienen grosse Ringe aus Kalkstein auf den Neuen Hebriden. Tridacna,
in melanesischem Schmuck häufig zu kunstvollen Stücken verarbeitet, wird in Mikro-
nesien nicht verwendet.
Unter den Materialien zu Schmuck fehlen, wie die Thiere, selbstredend auch die
Zähne von Schweinen und Hunden, die namentlich in Melanesien sehr mannigfach ver-
wendet werden, aber auch in gewissen Gebieten Polynesiens (wie z. B. auf Hawaii) den
werthvollsten Schmuck bildeten.
Spermwalzähne, einzeln auch auf den Carolinen benützt, sind vorzugsweise für die
Gilberts (Taf. V [22]) charakteristisch, noch mehr aber auf Fidschi geschätzt, wo man
daraus auch kunstvolle Schmuckstücke schnitzt, die in ganz verschiedenen Formen
auch auf den Marshalls (Taf.VIII [25]) und auf Hawaii vorkommen. Interessant ist, dass
Spermwalzähne auch auf Borneo zu Schmuck verwendet werden. Delphinzähne, in
Schnüren zu Hals- und Brustschmuck aufgereiht, sind in Mikronesien ebenfalls auf den
Gilberts (Taf. V [22]) am häufigsten, aber auch in gewissen Gebieten Polynesiens werth-
[281] Ethnologische Erfahrungen und Belegslücke aus der Südsee. l3
voller Schmuck, besonders auf den Markesas. Dasselbe gilt auf den Gilberts (wie Salo-
mons und Fidschi) auch für Menschenzähne (Taf. V [22]), die im Uebrigen nur unter-
geordnet und vereinzelt Verwendung finden.
Menschenhaar ist ein für die Gilberts charakteristisches Material, das übrigens
auch in Melanesien und Polynesien') benutzt wird.
An Federputz ist Mikronesien sehr arm und hat ausser dem Putz der Tanz-
kämme auf Ruk (Fig. 65) wenig Bemerkenswerthes aufzuweisen. Fregattvogelfedern
und die weit werthvolleren Schwanzfedern des Tropikvogels, früher auf den Marshalis
beliebt, werden auch in Polynesien hie und da verwendet, so z. B. in den sogenannten
Federhüten auf Mangaia, Markesas und Paumotu. Noch reicheren Federputz besass die
Osterinsel und Neuseeland, aber Alles wurde von Hawaii überstrahlt, mit seinen kost-
baren Mänteln aus Drepanis- und Mohofedern. Aber hier wurden auch Hahnenfedern
verwendet, die fast über ganz Melanesien mit am beliebtesten sind, auffallender Weise
in Mikronesien aber nur wenig benutzt werden, obwohl die Marshalls, noch häufiger
die Carolinen, halbzahme und verwilderte Haushühner besitzen. Wie gewisse Muscheln
bilden übrigens auch die Federn gewisser Vogelarten Merkmale, um die Herkunft zu
erkennen, wenn dies auch häufig durch die theilweise Bearbeitung der Federn (durch
Zerspalten, Zerschleissen etc.) selbst dem Fachmanne schwer fällt. So deuten Federn
vom Fregatt- und Tropikvogel mit Sicherheit auf Oceanien hin, für Melanesien sind
(mit Ausnahme gewisser Arten) Papageifedern nicht immer massgebend, dagegen
Cacadufedern specifisch.
Schildpatt findet fast nur auf den Carolinen eine häufigere Verwendung, aber
Scheiben daraus waren das Geld der alten Mariannen- Insulaner. Blätter und Blumen,
zum Theil in Form artiger Kränze, sind, wie über die ganze Südsee, so auch in Mikro-
nesien der häufigste Schmuck. Dagegen werden Samenkerne oder Bohnen, so häufig
im melanesischen Schmuck (namentlich von Coix lacryma und Abrus precatorius), in
Mikronesien nicht benutzt, wie auch in Polynesien nur Co/Jc-Samen, und zwar auf
Samoa Verwendung fand. Eigenthümlich für Ponape sind Abschnitte der Stengel einer
gewissen Grasart (Fig. 52), charakteristisch dagegen für die Carolinen die häufige Ver-
wendung von Cocosnussschale, ein Material, das wir bei Ruk genau kennen lernen
werden.
Hautverzierungen. Darunter steht Tätowiren, bereits stark in Abnahme be-
griffen, zum Theil völlig verschwunden (wie z. B. auf Kuschai), obenan und bildet einen
hervorragenden Charakterzug der Ethnographie Mikronesiens. Die mikronesischen
Tätowirungen gehören zum Theil mit zu den schönsten *) der Südsee und bilden wei-
tere Glieder in der formenreichen Reihe oceanischer Hautzeichnungen, die in Melane-
sien am schwächsten und nur sehr sporadisch vertreten ist. An der ganzen Küste von
Englisch- undDeutsch-Neu-Guinea fand ich nur drei Tätowirungscentren (Port Moresby:
II, S. [89]; Ostcap: S. [158] und Humboldt-Bai: S. [226]). Tätowiren findet sich ein-
zeln auch auf den Salomons, wird von den Frauen auf Vanua-Lava (Neue Hebriden)
als hervorragend gerühmt, die den ganzen Körper damit bedecken, während die Fidschia-
nerinnen nur die Schamtheile tätowiren (Wilkes).
I) Namentlich auf Savage-Island und den Markesas. Anm. d. Red.
3) Aber alle SQdseetätowirung ist, mit Ausnahme der Markesas, nur stümperhaft gegenüber der
Vollkommenheit, in welcher diese Hautverzierung, wahrhaft zur Kunst entwickelt, noch heute in
Japan ausgeübt wird (Rosse: »Cruise of the St. Corwin«, 1881, S. 34, und Joest: »Tätowiren«,
Taf. X und XI).
14 Dr. O, Finsch. [282]
Im Vergleich mit Melanesien ist Tätowiren in Oceanien viel häufiger, weiter ver-
breitet, und wird vorherrschend vom männlichen Geschlecht angewendet, während in
Melanesien gerade das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Aber so wenig, als sich ocea-
nische Tätowirung von melanesischer durch bestimmte Charaktere unterscheiden lässt,
so ist dies noch weniger zwischen mikronesischer und polynesischer möglich. Einheit-
liche Normen zu einer systematischen Classificirung der Tätowirungen gibt es auch für
Oceanien nicht, denn jede Inselgruppe besitzt eigenartige Muster. Die verschiedenen
Bewohner der Südsee würden sich also nach der Tätowirung leicht erkennen lassen,
wenn diese Sitte individuell so allgemein verbreitet wäre, wie meist angenommen wird.
Aber es muss hier besonders hervorgehoben werden, dass dies nicht der Fall ist und
dass tätowirte Personen gegenüber den nicht tätowirten überall die wesentlich geringere
Minderzahl bilden. Soweit die immer noch lückenhafte Kenntniss reicht, werden wir im
speciellen Theile an zehn verschiedene mikronesische Tätowirungscentren, davon allein
circa acht auf den Carolinen kennenlernen. Interessant und beachtenswerth ist, dass, wenig-
stens für dieses Gebiet, Tätowirung- und Sprachverschiedenheit eine gewisse Ueberein-
stimmung zeigen, die sich indess nicht in gleicherweise in Polynesien zu finden scheint.
lieber diesen östlichen Theil Oceaniens ist das Füllhorn der Hautverzierungen
noch reicher ausgeschüttet, als über den westlichen. Soweit Beobachtungen vorliegen,
besitzt nicht nur jede Inselgruppe eine charakteristische Hautzeichnung, sondern sie
unterscheidet zuweilen sogar die Bewohner nahegelegener Inseln, wie einige Beispiele
zeigen werden. Auf Funafuti der Ellice-Gruppe werden die Arme, sowie der untere
Theil des Rumpfes nebst dem oberen Theile der Schenkel ringsum tätowirt (Wilkes,
V, S. 39, Abbild.), auf Nukufetau derselben Gruppe zuweilen auch der Rücken und
die Beine bis zum Knie herab; hier auch bei Frauen in gleichem Muster. Ganz ab-
weichend und eigenartig ist die Tätowirung auf Oatafu der Tockelau- oder Union-
gruppe: Zwei Linienstreifen laufen vom Ohr über Backen und Nase; die Arme zeigen
fischartige Zeichen, die Brust Figuren, die man als Schildkröten deuten kann; die Hüften
concentrische Ringe. Mit Ausnahme der schildkrötenartigen Figuren auf der Brust ist
die Tätowirung auf dem benachbarten Fakaafo (Bowditsch Isl.) ganz verschieden und
namentlich durch die pfeilförmigen Zeichen im Gesicht eigenartig (Wilkes, V, S. 12).
Die Tätowirung der Bewohner beider Inselgruppen ist trotz der sprachlichen Verwandt-
schaft wiederum total abweichend von der auf Samoa, welche die Männer sehr eigen-
artig, wie mit einer Kniehose bekleidet (Wilkes, II, S. 141, Abbild.), während die
Frauen nur gewisse Zeichen, meist auf den Oberschenkeln, seltener auf den Händen
einritzen. Dieselben erinnern an mikronesische Muster, weichen aber wiederum durch
besondere Figuren in der Kniekehle schon dadurch ab, weil dieser Körpertheil in Mi-
kronesien nie tätowirt wird. Die von mir gesehene und gezeichnete Tätowirung von
Samoanerinnen zeigt zwar einen ganz ähnlichen Charakter, wie die Abbildungen (Kat.
M. G., S. 480), aber wesentlich verschiedene Figuren.
Einen selbstständigen Typus bildet auch die von mir gesehene Tätowirung auf
Niue (Savage Isl.), zwischen den Tonga- und Hervey-Inseln. Die Männer bedecken
hier den Hinterhals, von Ohr zu Ohr, mit ein oder zwei Reihen oblonger Zeichen.
Sehr abweichend ist die Tätowirung auf Rarotonga (Hervey- Gruppe), wie sie die
Abbildung von Gill (»Life in the Southern Isles«, S. iio) leider nur sehr undeutlich
darstellt. Gleiche Verhältnisse von erheblicher Verschiedenheit in der Tätowirung auf
nahegelegenen Inseln lehren Wilkes' Mittheilungen aus der Paumotu-Gruppe.
Auf Anaa oder Chaine Island werden Gesäss und Oberschenkeln mit besonders
eigenartigen rosettenförmigen Zeichen, das Kreuz mit Querbinden tätowirt (Wilkes, 1,
[283] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsec. ic
S. 326, Abbild.), auf Raraka Brust und Oberarm in Schachbrettmuster (I, S. 329, Ab-
bild.), auf Aratika (Carlshoff) aber nur die linke Körperseite in Schachbrettmuster,
dagegen die Schulter mit Querbinden (I, S. 333, Abbild.). Von Otooha derselben
Gruppe lässt Wilkes Tätowirung unerwähnt und ihr Fehlen ist auf Tongarewa
(Penrhyn) bestimmt nachgewiesen, wo man Ziernarben macht. Eine ähnliche Haut-
zeichnung als die von Aratika scheinen die alten Hawaiier besessen zu haben, näm-
lich ebenfalls eine Art Schachbrettmuster auf der linken Körperseite, aber auf dem
Oberarm Querstreifen und auf der linken Gesicht- und Halsseite Längslinien (Choris,
PI. XII, mittlere Figur, die aber ganz abweicht von der auf PI. XIX abgebildeten Täto-
wirung eines Häuptlings). Frauen scheinen sich auf Hawaii überhaupt nicht tätowirt
zu haben (Choris, PL XVI). Sehr eigenthümlich ist die Tätowirung auf Rapanui
I Osterinsel). Hier verzieren die Frauen namentlich die Beine und einen breiten Gürtel,
der sich gebogen bis zur Mitte des Rückens hinaufzieht; besonders eigenartig sind
Zeichen menschlicher Köpfe mit Kopfbedeckung unterhalb der Brüste, wie sie sonst
nirgends vorkommen (vgl. Thomson: »Te Pito de Henuac in Report of the National
Museum, Washington 1888 — 1889, S. 466, Fig. 4a, 4^, mit welchen Abbildungen die
wahrscheinlich sehr unrichtigen von Choris, PI. XI, wenig übereinstimmen; hier die
Frau untätowirt, der Mann auch mit Längsstreifen im Gesicht).
Sehr eigenartig und von allen mir bekannten abweichend ist die Tätowirung auf
Njua (Ontong-Java), in welcher als seltene Ausnahme auch Thierfiguren (Fische) und
Zeichen im Gesicht vorkommen (Finsch: »Zeitschr. für Ethnol.«, 1881, S. no, mit
Abbild.).
Nach den kurzen Notizen in der »Novara-Reise« (II) besitzen auch die Bewohner
lies kleinen, circa 270 Seemeilen südöstlich von Njua gelegenen Atolls Sikayana
(Stewart-Inseln) eine ganz eigene Tätowirung. Männer: »Fast alle am Oberarm vom
Ellbogen bis zur Achsel tätowirt« (S. 435) — »die meisten Männer waren an Armen
und Beinen tätowirt« (S. 443); Frauen: »Auf den Unterschenkeln und im Gesicht waren
sie tätowirt, in letzterem indess nur mit einigen Querstrichen« (S. 445).
Einzig und unübertroffen ist die Tätowirung der Markesa s, die in überaus
reichen, phantasievollen und dabei durchaus symmetrischen Mustern den ganzen Körper
(inci. Gesicht, Händen und Füssen) bedeckt und mit zu der schönsten gehört, welche
nicht nur in der Südsee, sondern überhaupt vorkommt. Ganz abweichend schon durch
die Technik vertiefter Linien, sind die Muster der Maori-Tätowirung*) Neu-Seelands,
welche ebenfalls das Gesicht in eigenthümlichen Spiralen bedeckt, aber nur bei Män-
nern, denn Frauen tätowirten nur einige Linien um die Lippen (wie die Markesas-Frauen)
und auf das Kinn (vgl. Joest: »Tätowiren«, Taf. IV, V und VI). Zu meiner Zeit (1881)
war Tätowiren auf Neu-Seeland schon fast ganz abgekommen und nur noch alte Leute
damit verziert. Bemerkenswerth für die Tätowirung sowohl der Markesas-Insulaner
als der Maori ist, dass die gleichen Muster auch in der Ornamentik der Schnitzereien
(nicht Webereien) vorkommen, was sonst in der Südsee nicht der Fall ist.
Mit Ausnahme der Marshall-Inseln, wo gewisse Zeichen für die Häuptlingswürde
bestehen, ist die Tätowirung in Mikronesien, wie Oceanien überhaupt, unabhängig von
I) Dieselbe wird daher auch durch Gypsabguss wiedergegeben, wie die Gesichtsmaske (Nr. 128
meiner Sammlung) des von mir abgegossenen Ngapaki-Puni, Häuptling des Ngatiawa-Stammes, zeigt.
Auch die Photographie lässt Maori-Tätowirung deutlich erscheinen, nicht aber andere Tätowirung,
^^ic sie sonst in der Südsec vorkommt. Da Beschreibungen wenig nützen, so können nur genaue
/'cichnungen helfen, was sehr mühsam und zeitraubend ist, wie ich aus Erfahrung weiss, da ich
Jcm Tätowiren besonderes Interesse zuwandte.
l6 Dr. O. Finsch. [284]
Rang, Alter, Geschlecht und Religion und dient in erster Linie dem Zwecke der Kör-
perverschönerung.
Ziernarben, die in Melanesien, *) namentlich zur Verschönerung des weiblichen
Geschlechts weiter verbreitet sind als Tätowirung, finden sich in Mikronesien nicht oder
doch nur sehr untergeordnet auf Ponape. Dagegen ist die vorwiegend melanesische
Sitte der Brandmale (Fig. 14), besonders beim weiblichen Geschlechte, auch in einigen
Gebieten Mikronesiens (den Gilberts, nach Kubary auch auf Pelau) sehr beliebt und
häufiger als Tätowiren, ebenso auf Samoa (Wilkes).
Bemalen, eine fast in ganz Melanesien beliebte Sitte, findet sich nur auf den Caro-
linen, und zwar ist Gelb (Curcuma) die einzige angewendete Farbe und eine Körper-
verzierung, mit der auch der Todte geehrt wird. Bemalen mit Gelb wird übrigens auch
auf Fidschi und Samoa von Frauen als Verschönerungsmittel angewendet. Sehr charak-
teristisch ist auch, dass das in Melanesien weit verbreitete Bemalen mit Schwarz, als
Zeichen von Trauer, in Mikronesien nicht vorkommt.
Haartracht und Kopfputz. Charakteristisch für Mikronesien ist das in einen
Knoten geschlungene Haar der Männer, eine Mode, die nur auf den Gilberts, Pelau und
Yap fehlt, sich aber auch auf Njua findet. Im übrigen Oceanien scheinen derartige
Zöpfe nicht vorzukommen, dagegen ist Melanesien sehr reich an mannigfachen, oft phan-
tastischen Frisuren, sowie besonderem, zum Theil sehr originellem Haarschmuck. Hier-
her gehören fein geflochtene Körbchen (in gewissen Theilen Neu-Guineas, II, S. [228])
und ganz besonders sogenannte Kämme (II, S. [23 1]), die schon in dem verschiedenen
Haarwuchs besseren Halt finden und mit auf diesen zurückzuführen sind. Oceanien ist
darin ärmer, besonders aber Mikronesien, das nur auf den Carolinen charakteristische,
zum Theil eigenthümliche Stücke besitzt. So die Haarnadeln (Fig. 64) und Tanzkämrae
der Central-Carolinen (Taf. VI [23], Fig. 5), zum Theil mit eigenartigem Federschmuck
(Fig. 65), der im Uebrigen in Mikronesien fast fehlt. Künstliche Haarperrücken, in
Mikronesien nur auf den Gilberts bekannt, sind auf Fidschi nicht selten. Die reiche Fülle
verschiedenartigen, zum Theil sehr kunstvollen Schmuckes in Form von Stirn- und
Kopf binden, wie wir sie in Melanesien (zum Theil aus bunten Federn, Taf. XXII [14])
kennen lernten, ist in Mikronesien sehr schwach vertreten. Kränze aus Blättern oder
Blumen sind am häufigsten; die Marshalls besitzen im Ganzen recht einfache Schnüre
aus Muscheln (Taf. V [22]), Ponap^ gewisse eigenthümliche, übrigens sehr modern ange-
hauchte Kopf binden; eigenthümlich sind dagegen zum Theil recht kunstvolle Kopf-
binden für Ruk und Mortlock. Polynesien scheint ebenfalls nur arm an hierher gehörigem
Schmuck; darunter bemerkenswerth hübsche Federkronen (zum Theil aus Hahnen-
federn) von den Markesas und der Oster-Insel, eigenthümlicher Kopf- und Stirnschmuck
von Samoa, und besonders die kostbaren Federhelme der alten Hawaiier, die mit zum
schönsten und eigenartigsten Putz der Südsee gehören. Bartschmuck, charakteristisch
für gewisse Localitäten Melanesiens (Neu-Guinea, Taf. XIV [6] und XVII [9]), fehlt in
Mikronesien wie in Oceanien überhaupt, nicht etwa in Folge des kärglichen Bartwuchses,
der im Gegentheil häufig so stark als bei Europäern entwickelt ist.
>) Ich beobachtete zum Theil kunstreiche Ziernarben auf Neu-Britannien (I, S. 14) an der Nord-
ostküste Neu-Guineas (II, S. [226]), sowie bei Eingeborenen der Torres-Inseln, Espiritu Santo (Neue
Hebriden), den Salomon-Inseln (Simbo), überall selten und häufiger bei Frauen als bei Männern (hier
zuweilen im Gesicht) am häufigsten in Australien (Queensland). Von den Salomons erwähnt sie auch
Guppy (»Salomon Isl.«, S. i36), hier zuweilen auch eine schwache Tätowirung, die aber ohne be-
sondere Instrumente, wie in Oceanien, gemacht wird, was bemerkenswerth ist.
[285! Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. ly
Ohrputz. Alle Mikronesier durchbohren die Ohrläppchen, deren monströse Aus-
dehnung (wie z. B. auf den Marshalls, Fig. 26) zuweilen an und für sich schon als Zier
gelten darf. Durchbohren des Ohrrandes war nur auf den Marshalls als seltene Ausnahme
üblich, findet sich aber auf N)ua. Im Uebrigen sind Blumen und Blätter, wie überall,
der häufigste Schmuck, und nur einzelne Inseln haben besondere Formen aufzuweisen.
So für die Marshalls (früher) weite Rollen aus Schildpatt, für die Central-Carolinen aus
Holz geschnitzte, zum Theil gravirte Klötzchen und Pflöcke, für Ponap^ eigene Stöpsel
aus Cocosnuss (Taf. VI [23]). Ganz besonders charakteristisch für die Central-Carolinen
sind eigenthümliche, massige Bommeln aus Cocosnussperlen und Ringen, welche an Ori-
ginalität allen übrigen Ohrschmuck Oceaniens und Polynesiens übertreffen. In letzterem
Gebiet zeichnen sich namentlich die Markesas durch eigenartigen Ohrputz (aus Schild-
patt, Tridacna, Menschenknochen, zum Theil geschnitzt) aus (Kat. M. G., S. 244).
Nasenschmuck, sehr charakteristisch und fast ausschliessend für Melanesien spe-
cifisch, kommt in Mikronesien eigentlich nicht vor. Allerdings wird auf Pelau wie Yap
der Nasenknorpel durchbohrt (wie dies früher auf Kuschai vereinzelt vorkam), aber
nur ein kleiner Holzstift eingesteckt (v. Miklucho-Maclay). Der im Katalog M. G.
(S. 414, Nr. 896) von Pelau beschriebene Ohrschmuck, »vielleicht Nasenschmuck« aus
Schildpatt bleibt bezüglich seiner Benutzung noch unklar. Dagegen hatten die Männer
der mikronesischen Insel Njua (Ontong-Java, Lord Howe), welche ich sah, die Nasen-
flügel mit einem Schlitz durchbohrt und trugen darin sehr eigenthümlich geformten
Schmuck aus Schildpatt geschnitzt (Edge-Partington, PL 175, Fig. 2. Kat. M. G., S. 115
»wahrscheinlich Andeutung irgend eines Götzen« (!?) und S. 116, einen Fisch darstellend
[Taf. XXIV, Fig. 6], Der S. 89 und 90 beschriebene Nasenschmuck von den Salomons
[Taf. XXIV, Fig. 5] ist wohl nur zum Theil solcher). Auf Sikayana (Stewarts-Insel)
wird weder Ohr- noch Nasenschmuck getragen (»Novara-Reise«, II, S. 443).
Hals- und Brustschmuck ist* in Mikronesien, gegenüber Melanesien, ebenfalls nur
sehr spärlich vertreten; so fehlt z. B. der für jenes Gebiet so charakteristische und formen-
reiche Kampfschmuck (Taf. XVI [8] und XVII [9]) ganz. Tekaroro- und Haarschnüre
(letztere auch von den alten Hawaiiern benutzt) sind für die Gilberts charakteristisch,
hier auch Schmuck aus Spermwal- und Delphinzähnen (Taf. V [22]), der übrigens zum
Theil auch in Melanesien (Fidschi), sowie in Polynesien (Markesas) vorkommt. Hals-
ketten aus Menschenzähnen (Taf. V [22]) sind auf den Gilberts (wie auf Fidschi und den
Salomons) werthvoll. Scheiben aus Conus (Taf. VII [24]), so häufig im melanesischen
Schmuck, finden fast nur auf den Gilberts, sowie auf den Carolinen Verwendung, auf
den letzteren nur als Anhängsel, ein Schmuck, der auch in den Ruinenfunden auf Ponap6
nachgewiesen wurde. Spondylus- oder CÄ^m^-Scheibchen sind hauptsächlich für die
Marshalls und Carolinen charakteristisch und zum Theil eigenthümlicher Halsschmuck
(Taf. VIII [25]). Dasselbe gilt für gewissen Schmuck aus Scheibchen, Perlen und Rin-
gen aus Cocosnussschale, welcher besonders auf den Central-Carolinen häufig und zum
Theil eigenthümlich ist, z. B. die schönen Halsketten aus Cocosringen (Taf. VII [24]).
Gewisser Halsschmuck aus Schildpatt (Taf. VI [23], Fig. 12) gehört Kuschai eigenthüm-
lich an. Im Uebrigen wird dieses Material nur nebensächlich meist zu Anhängseln ver-
arbeitet, unter denen die grossen flachen Ringe oder Scheiben von Ruk und Mortlock
besonders bemerkenswerth sind. Gleichen Zwecken dienen mehr oder minder bearbei-
tete Stückchen Perlmutter (sowie weniger anderer Conchylien), ein Material, das für
Mikronesien nebensächliche Bedeutung hat. Eine durch ihre Grösse (115 Mm. Durch-
messer, 73 Mm. Lichtweite) auffallende Scheibe aus »nacre de perl« ist im Atlas der
>Senjavin- Reise« (PL 3o, Fig. 6) abgebildet und das einzige mir bekannte, bemerkens-
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft i, 1893. 2
l8 Dr. O. Finsch. [286]
werthe Stück aus den Carolinen. Dagegen wird Perlmutter in Melanesien wichtig (z. B.
Neu-Guinea, II, S. [97], Admiralitäts-Inseln, Salomons, Fidschi) wie in Polynesien (Ta-
hiti, Markesas, hier mit bewundernswerther, durchbrochener, aufgelegter Schnitzarbeit
aus Schildpatt: British Museum) und liefert die werth vollsten Schmuckstücke. Typisch
melanesisch sind auch kunstvoll aus Tridacna geschliffene, zum Theil sehr grosse Ringe,
die in verschiedenen Gebieten Neu-Guineas (II, S. [241]), wie den Salomons (hier auch
in Form flacher Scheiben, zum Theil mit durchbrochener Schildpattarbeit verziert) sehr
werthvoUe Ornamente für Hals und Brust (wie Stirn) bilden, die in Mikronesien ganz
zu fehlen scheinen. Der Katalog des Museum Godeffroy verzeichnet (S. 414, Nr. 1627)
nur von Pelau eine »kreisrunde, dünne, in der Mitte durchbohrte Platte aus Muschel
(Tridacna) von 4 Cm. Durchmesser«, wie es scheint ein Unicum, bei dem aber auch
eine irrthümliche Localitätsangabe untergelaufen sein kann.
Armschmuck. Charakteristisch für Mikronesien ist das Fehlen geflochtener, so-
genannter »Grasarmbänder«, die in Melanesien, am Oberarm befestigt, fast nirgends
fehlen und zum Theil hervorragende Kunstarbeiten sind, wie auf Neu-Britannien und
Neu-Guinea (Taf. I und S. [247]). Im Ganzen ist Armschmuck, meist um das Hand-
gelenk getragen, nicht häufig in Mikronesien (wie Polynesien), bietet aber einzelne
eigenthümliche Formen. So vor Allem breitere, aus Cocosperlen oder Scheibchen auf-
gereihte, mit 5po/jdy/tt5-Scheibchen verzierte Armbänder auf den Central-Carolinen
(besonders Ruk und Mortlock), Materialien, die in gleicher Technik dort auch zu Leib-
gürteln verarbeitet werden. Eigenthümliche Handmanschetten aus Conus millepunc-
tatus und Nautilus pompilius werden nur auf Yap und Pelau getragen, auf letzterer
Insel auch Armringe aus Dugongwirbel nur als eine Art Orden von Häuptlingen.
Armringe aus demselben seltenen Material wurden nach Virchow neben Knochen-
resten in alten Gräbern auf Luzon gefunden, und das Leidener Museum besitzt gleiche
Schmuckstücke aus dem Epistropheus von Dugong, von Timorlaut, von Damma und
Daai der Babbergruppe, zum Theil in Nachbildungen aus Holz. Serrurier ist des-
halb geneigt, die Bewohner Pelaus von Timorlaut herstammen zu lassen, eine An-
nahme, die indess sehr bestreitbar ist. Interessant ist das gleichzeitige Vorkommen
breiter Armspangen aus gebogenem Schildpatt auf Ruk und Mortlock, sowie auf Neu-
Britannien und Kaiser Wilhelmsland, hier meist mit kunstvollen Gravirungen und zum
Theil sogar durchbrochener Arbeit (Taf. III [i] und XV [7], sowie S. [246]). Breite Arm-
spangen, aus Conus millepunctatus geschliffen, bisher nur von der Südostküste und
Ostspitze Neu-Guineas bekannt (Taf. XV [7], S. [loo]), waren früher auch auf Kuschai
und den Marshalls) werthvoUer Schmuck und sind in den Ruinen auf Ponape nach-
gewiesen. Der weitverbreitete Typus von schmalen Armringen aus Trochus niloticus
(nicht an der Südostküste Neu-Guineas, aber an der ganzen Nordostküste, hier zuweilen
schön gravirt [Taf. XVI [9], Fig. 5 und 6], im Bismarck-Archipel, den Salomons und
Fidschi) findet sich auch in Polynesien (Samoa) und in Mikronesien (Ruk, Pelau und
Yap). Eigenthümlich für letztere Insel scheinen schmale Reifen aus Querschnitten von
Cocosnuss, die an die ähnlichen aus Schildpatt auf Neu-Britannien erinnern (I, S. [17]).
Leibschmuck, so mannigfach und zum Theil kunstvoll in Melanesien, namentlich
auf Neu-Guinea (II, S. [loi] und [248]) bietet auch in Mikronesien bemerkens werthe und
zum Theil eigenthümliche Formen. Tekaroro-Muschelschnüre sind für die Gilberts
charakteristisch, ebenso Haarschnüre, die gröber auch auf Neu-Guinea (II, S. [162]) und
anderwärts vorkommen. Eigenthümliche, kunstvoll geflochtene Schnüre (Irik) besitzen
die Marshalls; hier auch Gürtel (Kangr) aus Pandanus-^XdXX., die früher mit zu den
Kunstarbeiten gehörten. Fein in bunten Mustern gewebte Schärpen zeichnen Ponape
[2871 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. ig
aus, finden jetzt aber in roheren Arbeiten, aus farbiger Wolle gestickt, Ersatz. Besonders
charakteristisch und eigenthümlich sind aber die kunstvollen Gürtel aus Cocos- und
Muschelscheibchen (Taf. VIII [2 3]) der Central-Carolinen (Ruk und Mortlock), ähnlich
die von Uleai, während Pelau eine ganz andere Art Muschelschnüre (in denen auch
SpondyluS'Schtibchtn verarbeitet sind) besitzt.
Beinschmuck kommt nicht vor, denn die Bandstreifen, welche die Gilbert-Insu-
laner zuweilen um das Fesselgelenk tragen, sind nicht als Schmuck zu betrachten, son-
dern dienen mehr zum Schutze. Aus demselben Grunde wird in verschiedenen Ge-
bieten Melanesiens das Fussgelenk förmlich umsponnen, aber hier gibt es auch eigent-
lichen Fuss- und namentlich Knieschmuck (II, S. [250]). Das von Edge-Partington
(PI. 174, Fig. 3) ohne nähere Localitätsangabe aus Mikronesien abgebildete »Legorna-
ment of brown seeds« besteht aus »Sesselesch aalen« (I, S. [66] und II, S. [218]) und
stammt von den Salomons. Wahrscheinlich ist es ein Tanzornament, analog den kost-
baren Fesselbinden aus Hundezähnen der privilegirten Tänzer des alten Hawaii.
Besonderer TrauBrschlllUCk, den Melanesien in einigen besonderen Formen auf-
zuweisen hat (II, S. [158]), fehlt in Mikronesien. Das British Museum besitzt aber ein
hierher gehöriges Stück von Tahiti, bestehend in einem grossen Stück Tapa mit auf-
genähten Cocosscheiben.
I. Gilbert-Archipel.
Einleitung.
Entdecker. Die Denkwürdigkeiten der Entdeckungsgeschichte dieser östlichsten
Provinz Mikronesiens haben keine hervorragenden Episoden zu verzeichnen. Wie
Commodore Byron 1765 durch Zufall die erste Insel des Archipels (Nukunau) ent-
deckte, so seine Nachfolger Marshall und Gilbert, Commandeure der englischen Kriegs-
schitfe »Scarborough« und »Charlotte« 1788 auf der Reise von Port Jackson (Sydney)
nach China sechs weitere (Arenuka, Kuria, Apamama, Tarowa, Maraki und Apaiang),
bis Capitän Clerk 1827 die Reihe dieser zufälligen Entdeckungen mit der Insel Peru
schloss. Durch diese Reisen war freilich kaum mehr als die Existenz der Inseln nach-
gewiesen, deren kartographische Aufnahme erst später wissenschaftlichen Forschungs-
expeditionen zu danken ist. So zunächst der französischen mit der Corvette »La Co-
quille« unter Capitän Duperrey 1824, welche über sechs Inseln (Arorai, Tapiteuea,
Nanutsch, Arenuka, Maiana und Tarowa) genauere Kunde gab und ganz besonders der
amerikanischen »United States Exploring Expedition«, die, wie für so manche andere
Gebiete der Südsee, auch für diesen Theil Ostmikronesiens Hervorragendes leistete.
Capitän Hudson besuchte mit dem »Peacock« 1841 nicht allein die vorhergenannten
sechs Inseln, sondern auch vier weitere (Kuria, Apamama, Apaiang und Makin), so dass
sein Name mit der Aufnahme des von ihm »Kingsmill« benannten Archipels für immer
ehrenvoll verbunden bleibt. Selbstredend ist trotz dieser grundlegenden Arbeiten die
geographische Kenntniss des Gilbert- Archipels bei Weitem nicht abgeschlossen, und wer
denselben besucht, wird sich von der Unzulänglichkeit der vorhandenen Karten über-
zeugen können.
Zur Literatur. »Narrative of the United States Exploring Expedition. During
the years i838— 1842. By Charles Wilkes, U. S. N.«, 5 vol. (London), 1845. Im
V. Bande (S. 45 — 75) beschreibt Capitän Hudson den Verlauf der Reise, Horatio Haie
2*
20 I>r. O. Finsch. [288]
(Chpt. III, S. 80 — 104) »Manners and Customs of the Kingsmill-Islanders«, eine Arbeit,
die noch immer Hauptquelle geblieben ist. Sie basirt auf den Aussagen zweier deser-
tirter Walschiffmatrosen, die vom »Peacockc mitgenommen wurden, von denen John
Kirby vier Jahre auf Kuria, John Wood sogar sieben Jahre auf Makin gelebt hatte,
damals (1841) die ersten und fast einzigen Weissen. Entsprechend dem geringen Bil-
dungsgrade der Betreffenden, die trotz ihres Sprachverständnisses doch Vieles missdeute-
ten und irrig auffassten, sind die nur nach der Erinnerung gegebenen Mittheilungen
nicht immer zuverlässig, besonders in Bezug auf das geistige Leben der Eingeborenen.
Die amerikanische Expedition selbst konnte nur flüchtige Beobachtungen sammeln, da
im Ganzen blos auf vier Inseln kurze Besuche stattfanden, die auf Tapiteuea zu blutigen
Conflicten führten. Dennoch enthalten die Berichte der Expedition eine Menge inter-
essante Mittheilungen, die namentlich durch ihre Objectivität werthvoU sind.
Im Jahre 1879 ^^^ ^^ ^^^ vergönnt, einen Theil der nördlichen Inseln des Archi-
pels, und zwar die Inseln: Butaritari, Maraki, Apaiang und Tarowa zu besuchen und
mit den Eingeborenen derselben zu verkehren. Ich war aber ausserdem während meines
längeren Aufenthaltes auf Dschalut fast täglich mit Eingeborenen von verschiedenen
Inseln der Gruppe zusammen und hatte somit hinreichend Gelegenheit, mancherlei Er-
fahrungen zu sammeln, denen die nachfolgenden Mittheilungen zu Grunde liegen.
Ueber die Gilbertinseln publicirte ich bisher nur drei längere Artikel: »Aus dem
Pacific III, Gilbertsinseln (Kingsmill)«, in »Hamburger Nachrichtenc, Nr. i3i, i32, i33
und 156 (3., 4., 5. Juni und 2. Juli 1880), kurze Notizen in »Verhandl. der Gesellsch. für
Erdk. zu Berlin«, 1882, Nr. 10, S. 5 und 6.
Geographischer Ueberblick. Der Gilbert- Archipel >) besteht aus 16 Inseln oder
Inselgruppen, die sich ungefähr von 3** S. bis 3° N. und zwischen 173 — 177** östl. L.
über eine Meeresfläche von circa 420 Seemeilen Länge und 240 Seemeilen Breite ver-
theilen. Sämmtliche Inseln sind niedrige Korallbildungen, aber nur zehn Atolle oder
Ringinseln mit massig ausgedehnten Lagunen, von letzteren jedoch nur vier Schiffen
zugänglich. Als isolirte Ausläufer gehören zum Gilbert-Archipel die Inseln Banaba
(Ocean Isl.) und Nawodo') (Onavera, Pleasant Isl.), merkwürdig durch die gehobene
Korallformation.
Unter den physikalischen Eigenthümlichkeiten des Archipels verdienen die zu-
weilen orkanartig heftigen Stürme erwähnt zu werden, obwohl andererseits die Inseln
innerhalb der »Doldrums« liegen, d. h. jenes Gürtels von Windstillen mit abwechseln-
den unregelmässigen Winden, die der Schifffahrt zuweilen ärgerlichen Aufenthalt ver-
ursachen. Oft sehr lange anhaltende Dürren wirken auf die ohnehin arme Vegetation
äusserst nachtheilig uncj schädigen namentlich die Erträge der Cocospalme. Die letzte-
ren sahen zur Zeit meines Besuches auf weite Strecken hin vergilbt, krankhaft und wie
abgestorben aus, denn nach den Aussagen weisser Händler sollte es seit 18 Monaten
nicht geregnet haben.
Flora. Die Atolle gehören mit zu den ärmlichsten Gebieten nicht nur der Südsee^
sondern der Erde überhaupt. Durchaus Korall bildungen, in der Hauptsache aus dich-
») Findlay's »Directory for the navigation of the Norlh-Pacific- Ocean« etc. (London 1870) ist
immer noch das beste Handbuch; die übersichtlichste Karte ist die von L. Friederichsen in »Ver-
träge und Uebereinkunft des deutschen Reiches mit den Samoainseln« etc. (Hamburg 1879)1 Taf. V.
a) Ausführliche Nachrichten über diese damals noch wenig bekannte Insel, welche ich 1880
besuchte, publicirte ich: »Aus dem Pacific VI, Nawodo (Pleasant Isl.)« in »Hamburger Nachrichten«
Nr, 286 vom i. December 1880, vgl. auch Finsch, »Zeitschr. der Gesellsch. für Frdkunde«, Berlin
(1882), S. 293 und 294.
[289! Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 21
tem, kalksteinartigen Korallfels, Trümroergestein, Geröll oder Sand aus Korallen be-
stehend, hat sich nur strichweise eine etwas dickere Humusschichte bilden können, die
aber im günstigsten Falle kaum mehr als einen Fuss beträgt. Nur die Sonne der Tropen
vermochte auf diesem armseligen Boden eine Pflanzenwelt zu erzeugen, die anscheinend
in üppiger Fülle, doch nur aus wenigen Arten besteht, welche sich den physikalischen
und geologischen Verhältnissen besonders anpassen. Die Cocospalme, der bescheidenste,
aber zugleich nutzbarste Baum der Welt, der nur Seeluft bedürftig, gleichsam auf nack-
tem Korallgestein gedeiht, fällt am meisten ins Auge. Sie gruppirt sich aber nur in ge-
wissen Strecken zu dichteren, fast waldartigen Hainen, die häufig mit Schraubenbaum
(Pandanus^) durchsetzt sind; letzterer bildet den eigentlichen Haupttheil des Baum-
bestandes. Unterholz fehlt fast ganz, wie Buschwerk überhaupt nur spärlich vertreten
ist. Mangrove (Eisenholz) erhebt sich selten zu ansehnlicher Höhe, sondern bildet
meist dichtes Gebüsch. Auffallend war mir ein hoher Baum wegen seiner dunkel-
grünen lorbeerartigen Blätter und reichen Blüthen, die in der Form an Apfelblüthe
erinnern, der aber nirgends in grösseren Beständen vorkam. Ich fand ihn nur auf
Butaritari, der reichsten Insel überhaupt. Rieh verzeichnet von Makin grosse »Pisonias*
und *Tournefortias<. Ganz besonders charakteristisch für die Gilbertinseln sind ausge-
dehntere Sandstrecken mit äusserst spärlichem Graswuchs. Blumen sieht man kaum; auch
das auf den Marshall bemerkenswerthe lilienartige Gewächs ist viel seltener, als dort.')
Fauna. Mit der Armuth der Flora steht die der Fauna in vollem Einklänge. Es
gab nur ein Landsäugethier: eine Rattenart. Aber die Gilbertsee war noch bis in die
Sechzigerjahre dieses Jahrhunderts ergiebiger Grund für den Fang des Spermwales oder
Cachelot (Physeter macrocephalus). Ich bekam keinen mehr zu sehen, sondern be-
gegnete nur einigemal sogenannten Schulen von zwei oder drei Arten Delphinen, dar-
unter einer grösseren, an 15 Fuss langen Art Orca. An Vögeln^) beobachtete ich, ein-
schliesslich pelagischer Arten, nur ig Species im Ganzen, darunter nur einen Landvogel,
einen weit über die Südsee verbreiteten Kukuk (Urodynamis taitiensis) als zufälligen
Wandergast. Der weit über die Südsee verbreitete, bald schieferfarbene, bald weisse
Reiher (Ardea Sacra) brütet auch auf den Gilberts. Von Reptilien sammelte ich nur
zwei Arten kleiner, hübscher Eidechsen (Mabouia cyanura und Ablepharus poecilo-
pleurus), sowie zwei Gecko (Gehyra oceanica und Platydactylus lugubris). Frösche
und Schlangen fehlen; Meeresschildkröten sind jetzt selten. Vom Reichthum des Meeres
sieht man überhaupt wenig genug, da Fische nur gelegentlich und im Ganzen nur sehr
spärlich zu haben sind. Unter den Krustenthieren machen sich besonders zwei Krabben-
arten bemerklich, deren selbstgegrabene Schlupflöcher den Uferrand der Lagunen zu
Tausenden durchsetzen. Im Uebrigen erhielt ich nicht viel; auffallend war die Selten-
heit der sonst so häufigen Einsiedlerkrabben. In der sehr armen Insectenwelt sind Li-
bellen (vielleicht 4 — 6 Arten) am häufigsten, dann zwei hübsche Tagfalter {Hypolim-
nas Bolina L. und Junonia vellida F.), von denen ich dem ersteren bis Ponap^,
Neu-Guinea und Australien überall begegnete. Ausserdem sammelte ich nur noch drei
I) Kenntlich abgebildet in: Hernsheim, »Sprache der Marshallinselnc, S. 51.
3) Leider ist mein Sudseeherbar, welches über looo Nummern (darunter über 200 aus dem
Gilbert- Archipel) enthielt, durch den bekannten Botaniker Dr. F. Kurtz (damals in Berlin), dem ich
CS zur wissenschaftlichen Bearbeitung anvertraute, verschleppt und verzettelt worden.
3) Finsch: »Ornithological letters from the Pacific IV. The Gilberts-Islands«, in »The Ibis« 1880,
^•429 und »Vögel der Südsee«, Wien 1884, S. 50. Es verdient bemerkt zu werden, dass die Atolle
*icr Carolinen Standvögel besitzen, darunter einen trefflichen Sänger (Calamoherpe syrinx). Eine ver-
wandte Art (C, Rehsei) entdeckte ich auf der gehobenen Koralleninsel Nawodo (s. Ibis i883, S. 142).
22 ^^' ^- Kinsch. [^QOl
andere Lepidopteren (Sesia mylas, Sphinx erotus und Utetheria pulchella)^ sechs Arten
Käfer, ») fünf Arten Spinnen (drei Arten neu) und eine Heuschreckenart (Locusta).
Areal und Bevölkerung. Mit der Armuth der Thier- und Pflanzenwelt steht die
ungewöhnlich starke Bevölkerung in seltsamem Widerspruche, denn noch heute ist der
Gilbert-Archipel das am stärksten bevölkerte Gebiet Mikronesiens, ja der Inselwelt
Oceaniens überhaupt. So abweichend die Angaben in Bezug auf den Flächeninhalt des
Archipels auch lauten (150 Square miles: Findlay = 7 deutsche geographische Quadrat-
meilen; 661 Quadratkilometer = 12 deutsche geographische Quadratmeilen: Wagner
und Behm 1878), jedenfalls handelt es sich um ein sehr beschränktes Gebiet, von dem
ein beträchtlicher Theil überhaupt unbewohnbar und uncultivirbar ist und bleiben wird.
Auf diesem Fleckchen Erde, oder vielmehr spärlich mit Humus bedecktem Korallen-
grund lebten, nach den ersten, gewiss sehr übertriebenen Angaben Kirby^s, im An-
fange der Vierziger) ahre 50.000—60.000 Eingeborene. Zählungen haben natürlich
nicht stattgefunden, ausser 1878 auf Tapiteuea durch die Mission, welche auf dieser
am stärksten bevölkerten Insel statt angeblich 10.000—15.000 nur 4538 Bewohner
nachwies. Nach meinen Erkundigungen in 1879 betrug die Gesammtzahl circa 33.ooo;
aber der Rev. Doane schätzte in demselben Jahre die gesammte Bevölkerung auf nur
25.000 und dürfte damit das Richtigere getroffen haben. Immerhin ergibt dies circa
40 Seelen auf den Quadratkilometer, also fast soviel als die Hälfte der Bevölkerungs-
ziffern Deutschlands, für die Verhältnisse der Südsee eine unerreichte Höhe.
»Labortrade«, d. h. das sogenannte Anwerben »freier« Arbeiter, dieser Fluch der
Südsee, hat auch die Gilberts heimgesucht und mehr als die stetigen Kriege zur Ent-
völkerung beigetragen. Denn dieser Arbeiterhandel') führte die kräftigsten Leute weg,
von denen sehr viele nicht zurückkehrten und diese, mit den Segnungen der Civilisation
auf Fidschi, Samoa u. s. w., namentlich auch mit Schnaps, bekannt, taugten gewöhnlich
nicht mehr viel. Wie schon Palm er sehr richtig bemerkt, sind die anscheinend kräf-
tigen Gilbert-Insulaner infolge schlechter Ernährung und Ungewohntheit überhaupt für
Plantagen arbeit durchaus ungeeignet. Schon in den Sechziger jahren wurden die Plan-
tagen auf Fidschi mit Arbeitern von hier, den sogenannten »Line-Islanders«, versorgt,
und der Menschenhandel stand damals in voller Blüthe. Später recrutirten Werbeschilie
sogenannte »Auswanderer« für Tahiti, Hawaii und namentlich Samoa. Während meines
kurzen Aufenthaltes auf Butaritari wurden (von circa 2000 Eingeborenen) allein 3oo
weggeführt, und allenthalben konnte man die böse Nachwirkung der »Labortrade« an
entvölkerten Dörfern u. s. w. sehen. Da ich die Reise im Gilbert- Archipel an Bord eines
solchen Werbeschiffes ^) mitmachte, darf ich einigermassen aus Erfahrung sprechen. Er-
wähnt mag noch sein, dass in beschränktem Masse auch eine freiwillige Bewegung der
1) Von meinen reichen, an das königl. zoolog. Museum in Berlin gesandten Sammlungen sind
nur die Käfer und Spinnenthiere von Hawaii, den Marshall und Gilbertinseln eingehender bestimmt
und beschrieben worden. Von 43 Arten Käfern erwiesen sich 18, von 37 Arten Spinnen 17 aU neu.
Vgl. Kar seh, Berliner entomol. Zeitschr., Bd. XXV, 1880, S. 1 — 16, Taf. I.
2) Ueber dieses schändliche Gewerbe, welches so viel Unheil anrichtete, gibt das interessante
Buch von Capitän Palmer 9Kidnapping in the South-Seas« (London 187 1) zum Theil haarsträu-
bende F^acten.
3) Die deutsche Brigantine »Nicolaus«, 157 Tons, von der Hawaiischen Regierung gechartert,
recrutirte 173 Eingeborene (Totalzahl 190 Personen an Bord) und entging später auf der Reise nach
Honolulu (mit 193 Eingeborenen) nur mit knapper Noth einem tragischen Schicksale, um notorische
Berühmtheit zu erlangen. Dabei war der »Nicolaus« noch viel besser ausgerüstet, als es sonst ge-
wöhnlich bei »Labortradern« der Fall ist, wo zuweilen ein kleiner, 73 Fuss langer Schoner (von 48
Tons) 100 »Auswanderer« an Bord führte.
[201] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 23
Bevölkerung stattfand. So lebten auf Butaritari, das als das Paradies der Gilberts gilt,
an 250 Eingeborene von Apaiang, die aber mit einem europäischen Schiff herüberge-
bracht waren.
Neuesten Zeitungsnachrichten zufolge haben in den letzten Jahren beträchtliche
Werbungen auf den Gilberts für Nicaragua stattgefunden, was jedenfalls zur weiteren
Entvölkerung beigetragen hat.
Handel. Wie in anderen Gebieten der Südsee ist die Erschliessung des Handels
Walfängern zu verdanken, die schon in den Zwanzigerjahren den Archipel besuchten,
der damals zu den ergiebigen Fanggründen gehörte, aber längst erschöpft ist. Deser-
teure von solchen Schiffen, welche bei den Eingeborenen freundliche Aufnahme fanden,
die häufig schlecht vergolten wurde, waren die ersten Pioniere einer meist recht zweifel-
haften Civilisation und nicht eben würdige Vertreter derselben. Im Jahre 1841 be-
glückten bereits sieben solche bedenkliche Abenteurer die Eingeborenen, unter denen
einzelne selbst zu Häuptlingen avancirten, um als solche eben keinen heilsamen Einfluss
auszuüben. Einen Vertreter dieser aussterbenden Spccies weisser Kanakas lernte ich
noch in dem Veteranen Guzman kennen, der seit 37 Jahren meist auf Tapiteuea lebte
und seine Muttersprache, Französisch, fast vergessen hatte. Im Anfang der Vierziger-
jahre begründete Capitän Rand all, ein Engländer, die erste ständige Station auf Makin
zum Ankauf von Cocosnussöl, aus dem sich später der grössere Betrieb mit Copra ent-
wickelte. Denn nur diese, d. h. der geschnittene und getrocknete Kern der Cocosnuss,
bildet für die Gilberts, wie für die meisten Inseln der Südsee, das einzige Ausfuhrsproduct.
Der Ertrag desselben ist infolge von Dürren und Stürmen ausserordentlich schwankend
und beträgt in günstigen Jahren 2000 — 3ooo Tonnen im Werthe von 400.000 — 600.000
Mark. Zur Zeit meines Besuches verliessen übrigens die meisten Trader (weisse Händ-
ler) den Archipel, weil die letzten zwei Jahre nur Missernten ergeben hatten. Der
grösste Coprahändler war damals der König von Apamama, der mit einem neuseeländi-
schen Hause in Verbindung stand, demnächst die chinesische Firma La Sing in Sydney.
Deutschland hatte nur massigen Antheil an dem Handel in den Gilberts, denn seine
Schiffe holten damals nur Arbeiter und waren deswegen wenig beliebt. Schildpatt und
Perlmutter sind ohne jede Bedeutung, Trepangfischerei erwies sich ebenfalls als erfolg-
los, wie der Handel ausserdem durch die Gefährlichkeit der Navigation wesentlich er-
schwert wird; fast jede Insel hat ein oder mehrere Wracks aufzuweisen.
Die Einfuhr ist bei der Bedürfnisslosigkeit der Bewohner natürlich nicht erheblich
und bestand damals hauptsächlich in Schnaps (meist Hamburger Gin), Waffen und
amerikanischem Stangentabak (Twist I, S. [20]); letzterer bildete zugleich die übliche
Scheidemünze.
Mission. Das Bekehrungswerk hat seine Begründung in Ostmikronesien haupt-
sächlich einem Walfänger, Capitän Handy, zu verdanken. Er kannte die Gilbert- und
Marshallinseln seit 17 Jahren und liess sich bereit finden, die ersten Sendboten der
»Hawaiian Evangelical Association« 1855 von Honolulu aus auf einer Fahrt durch die
Inseln mitzunehmen. Diese Gesellschaft, ein Zweig der Amerikanischen evangelischen
Missionsgesellschaft in Boston, besass damals noch nicht ihr eigenes Schiff, den Schoner
»Morning Star«, mit dem 1857 die erste Station auf Apaiang (unter Rev. Bingham)
gegründet wurde. Im Jahre 1878 war die Mission mit 20 meist hawaiischen Lehrern
auf neun Inseln gefestigt und mochte an 1500 Kirchenbesucher zählen, davon allein
800 — goo auf Tapiteuea. Während meines Besuches hatte bereits ein bedenklicher
Rückschlag staltgefunden, und eine grosse Anzahl Bekehrter, darunter sogenannte »Kö-
nige«, vorher »Diakonen«, waren abgefallen. So der König von Butaritari, wo die
24 ^r. O. Finsch. [292]
Kirche statt früher 211 nur noch 10 regelmässige Besucher aufzuweisen hatte. Auch
der mächtige König von Apamama zeigte sich im Anfang der Mission geneigt und nahe
daran, Christ zu werden. Im Jahre 1878 erliess er drakonische Gesetze gegen Störung der
Sonntagsruhe, aber kaum zehn Jahre später (1887) untersagte er den Sonntagsgottesdienst,
und die meisten Christen fielen ab. So ist das Missionswerk, schwankend wie immer
in seinen Erfolgen, mehr rück- als vorgeschritten und hat nach mehr als dreissigjähriger
angestrengter Arbeit im Ganzen nur wenig erreicht. Einen grossen Theil der Schuld
tragen daran freilich die vielen Kriege zwischen der christlichen und heidnischen Partei
(vgl. den nachfolgenden Abschnitt »Fehden und Krieg«), zu denen in neuester Zeit,
wenigstens auf Tapiteuea, noch ernste Misshelligkeiten zwischen Katholiken und Pro-
testanten nicht gerade erspriesslich wirkten.
Die besten Erfolge scheint die Londoner Missionsgesellschaft bei den Bewohnern
der südlichen Inseln (Tamana, Onoatoa, Nukunau, Arorai und Peru) gehabt zu haben
die durch die »Labortrade« am ärgsten heimgesucht, entmuthigt und eingeschüchtert,
durch die Mission, wenigstens nach aussen hin, einigen Schutz fanden. Seit 1870 mit
farbigen Lehrern von Samoa thätig, galten diese Inseln schon zehn Jahre später als völlig
bekehrt.
In diesem Gebiete ist es daher mit den früheren Gebräuchen der Eingeborenen
und ihren ethnologischen Eigenthümlichkeiten so ziemlich vorbei.
Schutzherrschaft. Durch Uebereinkunft zwischen Grossbritannien und Deutsch-
land (vom 10.. April 1886) gehört der Archipel in die Interessensphäre des ersteren
Reiches, wogegen Nawodo (1888) in deutschen Besitz überging. Nach Zeitungsnach-
richten von diesem Jahre (1892) hat das englische Kriegsschiff »Royalist« erst neuer-
dings auf den Gilberts die Flagge gehisst.
I. Eingeborene.
Aeusseres. In physischer Entwicklung nehmen die Gilbert-Insulaner unter den
Mikronesiern entschieden die erste Stelle ein und gehören überhaupt mit zu den schön-
sten Völkern der Südsee. Beide Geschlechter haben mehr als anderwärts stattliche Er-
scheinungen aufzuweisen, namentlich unter den jungen Mädchen, die mit Recht als die
hübschesten der Südsee gelten. Alte Frauen sind dagegen, wie stets bei wenig oder
kaum bekleideten Menschen, hässlich, ja bisweilen geradezu abschreckend. Die geringere
Verbreitung von Hautkrankheiten, unter denen Ringwurm (Psoriasis) seltener als sonst
vorkommt, erhöht den vortheilhaften Eindruck. Elephantiasis erinnere ich mich nicht
gesehen zu haben; aber Hudson verzeichnet diese Krankheit.
Wenn die Gilbert-Insulaner in dem amerikanischen Reisewerke (V, S. 45) als eine
den Malayen sehr nahestehende Race, die Bewohner von Makin dagegen als eine davon
ganz verschiedene bezeichnet werden, so ist das letztere jedenfalls nicht richtig, und das
bessere Aussehen der Makiner lediglich auf die weit günstigeren Ernährungsverhältnisse
zurückzuführen. Der abgebildete Makininsulaner mit langen Locken (S. 83) kann nicht
als typisch gelten, wohl aber der junge Häuptling von Tapiteuea (S. 78). Dass die Gil-
bert-Insulaner unter sich nicht verschieden sind und zu derselben Race als alle übrigen
Oceanier (Hawaiier, Samoaner, Marshalls u. s. w.) gehören, wird meine Sammlung von
22 nach dem Leben abgegossenen Gesichtsmasken (darunter drei Eingeborene von
Makin) am besten zeigen. Im Uebrigen verweise ich auf meine ausführlichen ethno-
logischen Mittheilungen (Zeitschr. für Ethnol. 1884, S. 4—11). Hier auch (Taf. I)
Typen von Gilbertphysiognomien nach photographischen Aufnahmen von mir.
[203] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
25
Spracho. Dieselbe ist eine eigenthümliche und einheitliche, welche auf allen Inseln
des Archipels verstanden wird, ebenso wie auf ßanaba (Ocean Isl.), dagegen nicht auf
Nawodo (Pleasant IsL), welches eine besondere Sprache oder Dialekt besitzt. Davon,
sowie von der totalen Verschiedenheit mit Marshallanisch, konnte ich mich selbst über-
zeugen. Bemerkenswerth und interessant ist, dass auf Nui (Eeg oder Netherland Isl.)
der Ellicegruppe eine mit Gilbert ganz ähnliche oder übereinstimmende Sprache ge-
sprochen wird, während die Eingeborenen der übrigen Inseln dieser Gruppe (z. B. Funa-
futi und Nukufetau) Samoanisch sprechen, das so ziemlich auch in der Tockelau- oder
Uniongruppe verstanden wird. Da zwischen den Bewohnern der Gilberts und Ellice
kein Verkehr besteht, die überhaupt keine Seefahrer sind, so darf man annehmen, dass
Nui einst durch Verschlagene von den Gilberts besiedelt wurde.
Wie die meisten Südsee-Eingeborenen, können auch die Gilbert-Insulaner kein /
aussprechen, das bei ihnen wie r klingt, wie c gleich unserem t^ v wie fau\ die Aus-
sprache von/ wird ihnen ebenfalls schwer, von x unmöglich.
Herkunft. Ich enthalte mich darüber jedes Urtheils, da dies nur in das Gebiet der
Muthmassungen führen würde, muss aber hier eine irrige Auffassung Haie 's berichti-
gen. Nach Wo od 's Mittheilungen glauben die Eingeborenen nämlich, dass ihre Vor-
fahren von »Baneba« und »Amoi«, einer anderen Insel im Süden, herkamen. Abgesehen
von der Legende, dass die Amoileute nach wenigen Generationen von den Banebaleuten
erschlagen wurden, lässt sich dagegen nichts einwenden, denn »Baneba« ist eben die
stammverwandte Insel Banaba (Ocean Isl.) und »Amoi« identisch mit Arorai. Aber
Haie deutet durchaus irrthümlich die erster^ Insel mit Ponap^ der Carolinen, die letz-
tere mit »Samoa« und daraus entstand die »verbürgte« Annahme, als seien die Gilberts
(Makin) durch Verschlagene aus den Carolinen bevölkert worden, eine Ansicht, die
ohne weitere Kritik selbst in der neuesten Literatur Vertreter findet (z. B. Sittig in
Petermann's Mittheil. 1890, S. 164).
Charakter und Moral. Die Gilbertinsulaner sind von lebhaftem Temperament,
ziemlich laut, lärmend, leicht aufgeregt, aber fröhlich und lebenslustig und unterscheiden
sich dadurch sehr von ihren durch Feudalwesen unterdrückten Nachbarn, den Marshalla-
nern. Nach der Aufnahme, welche die ersten verlaufenen Weissen bei ihnen fanden,
scheinen sie gutmüthiger Natur gewesen zu sein. Selbst Kirby rühmt die Gastfreund-
schaft und Freigiebigkeit der Gilbert-Insulaner, bezeichnet sie aber auch als unehrlich,
diebisch, hinterlistig und grausam. Freilich waren diese ersten Ankömmlinge arme Teufel,
welche die Habsucht nicht reizen konnten; aber diese friedlichen Verhältnisse änderten
sich bald, als mehr Schiffe verkehrten. Wie überall, fanden Ausschreitungen statt, welche
die Eingeborenen häufig an Unschuldigen zu vergelten suchten, und bald kamen die
Gilbertinsulaner in jenen schlechten Ruf, den sie noch heute, und zum Theil mit Recht,
verdient haben. Immerhin sind sie, trotz kriegerischer und kampflustiger Anlagen, nie so
notorisch geworden als andere Südseeinsulaner, und Massacres an Weissen in grösserem
Massstabe scheinen nicht vorgekommen zu sein, wenn auch verschiedentlich Versuche
dazu gemacht wurden. Wie überall, ist das Betragen der Eingeborenen je nach den
Verhältnissen ein sehr verschiedenes, und anscheinende Freundlichkeit schlägt häufig in
das Gegentheil um, sobald sich die Eingeborenen überlegen glauben. In diesem Wahne
und noch wenig bekannt mit der Wirkung von Feuerwaffen, traten die Bewohner des
Dorfes Utiroa auf Tapiteuea (1841), nachdem sie einen Seemann zurückbehalten und
wahrscheinlich ermordet hatten, selbst der Strafexpedition des amerikanischen Kriegs-
schiffes entgegen. Freilich hatten die Eingeborenen schon damals mit Weissen üble
Erfahrungen gemacht, und Capitän Hudson citirt bereits den Fall mit dem englischen
^
\ •
^-w'T"»
i
26 Dr. O. Finsch. [294]
Walschiffe »Offlay«, dessen Capitän (Leasonby) auf Peru sechs Mädchen gestohlen
hatte. Viel ärger als Walfisch fahrer, die schon wegen Furcht vor Desertion den Inseln
möglichst fern blieben, hausten aber später die gewerbsmässigen Menschenfänger der
Werbeschiffe, ') und man muss sich wundern, dass in Folge solcher Aufreizungen und
Brutalitäten nicht mehr Weisse erschlagen wurden. Das Einzige, was die Eingeborenen
im Verkehr mit den Letzteren profitirt hatten, war, wie Capitän Hudson sehr richtig be-
merkt, »Tabak und Syphilis«, wozu später das noch viel grössere Uebel »Schnapse hin-
zukam. Es ist sehr bemerkenswerth, dass die Gilbert-Insulaner bis zum Jahre 1841 noch
kein berauschendes Getränk kannten, und man darf als gewiss annehmen, dass der be-
rauschende »saure Toddy« (Palmsaft) ebenfalls erst durch Weisse eingeführt wurde.
Zu Hudson's Zeit tranken die Eingeborenen bei ihren Festen nur harmlose Karawe
(Palmsaftsyrup mit Wasser), als Bingham 1857 nach den Inseln kam bereits sauren
Toddy, und zu meiner Zeit war Schnaps (Gin) das hauptsächlichste Tauschmittel, mit
dem sich ungefähr Alles erreichen Hess. Ein weisser Händler auf Butaritari, der in der
Betrunkenheit aus Versehen eine Frau erschossen hatte, sollte die geringe Busse von
fünf Flaschen Gin (ä einen Dollar) bezahlen, verweigerte aber auch diese. Um sich
Schnaps zu verschaffen, verkauften die Eingeborenen ihre Gewehre an die weissen
Händler zurück (ein Gewehr von fünf Dollar für eine Flasche Schnaps), und wer gar
nichts mehr besass, machte »Mongin« (sauren Toddy), der übrigens auch von Weissen
keineswegs verschmäht wurde. Dass es bei diesen Saufgelagen, wie ich sie selbst mit
ansah, nicht friedlich herging, lässt sich begreifen. Gewöhnlich arteten sie in eine
solenne Schlägerei aus, an der sich auch die Weiber betheiligten, und nicht selten gab
es Mord und Todtschlag, die zu blutigen Fehden führten. Wenn Hudson die Einge-
borenen als eine dreiste, unverschämte Bande schildert, ohne Gesetz und Respect vor
Alter und Würde, so waren sie zu meiner Zeit in Folge des Schnapses, der bereits ein
Nationalübel bildete, womöglich noch schlimmer geworden. Dennoch haben mein
Reisegefährte (Herr Rehse aus Berlin) und ich, nur mit einer Vogelflinte versehen,
überall die Inseln durchstreift, ohne ernstlich belästigt worden zu sein, gingen aber frei-
lich heiteren Trinkgesellschaften möglichst aus dem Wege. Und das war auf Inseln,
wo die Mission damals gar keine Macht hatte, ebensowenig als sogenannte Häuptlinge.
Wenn schon zu Hudson's Zeiten Eingeborene hauptsächlich an das Schiff kamen,
um Mädchen anzubieten, »was nicht sehr zum Lobe der Walfischfahrer spricht,« wie
Hudson richtig bemerkt, so hatte sich die Moral der Insulaner inzwischen nicht ge-
bessert; aber sie war auch nicht schlechter als in anderen Gebieten Mikronesiens, z. B.
den Marshalls. Verheiratete Frauen sind übrigens treu, und Ehebruch kommt selten vor,
wie mir von Weissen, die mit Gilbertfrauen lebten, versichert wurde. Freilich fällt ihnen
die Trennung meist ebensowenig schwer als Frau Kirby, die sich mit dem Geschenk
eines Matrosenmessers tröstete, denn seitdem sind Ehen mit Weissen etwas Gewöhn-
liches geworden. Aber wie die meisten Eingeborenen besitzen die Gilbert-Insulaner wenig
Gemüth, wenn sie auch weder gefühl- noch schamlos sind. Was ihnen aber gegenüber
anderen Eingeborenen sehr mangelt, ist Schicklichkeit. Nirgends habe ich natürliche
Bedürfnisse von beiden Geschlechtern so ungenirt verrichten sehen als von den Gilbert-
Insulanern. Auch in der Kirche herrschte weit weniger Aufmerksamkeit und Respect als
») So stahl im Jahre 1869 ein Vili-Labortrader auf Peru nicht weniger als 280 Eingeborene,
die im Drange der Selbstbefreiung den Capitän und einen Theil der Mannschaft erschlugen und ans
Land zu schwimmen versuchten, das aber nur 3o in halbtodtem Zustande erreichten. Solche Tragödien
werden dann in der Colonialpresse als »Massacrcs« und Schlächterei Seitens der »Savage-murdcrers«
bezeichnet (vgl. Palmer, »Kidnapping«, S. 102).
[295]
Ethnologische Erfahrungen und Belegsttücke aus der Südsee.
27
anderwärts. Durch die Freiheit der socialen Verhältnisse an ein ungebundenes Leben
gewöhnt, kommt das lebhafte Temperament bei den Gilbert-Insulanern häufig sehr
heftig zum Ausdruck. Eifersucht führt unter den Weibern nicht selten zu Balgereien,
die in Kämpfe ausarten, und ich sah selbst eine Frau, die in einer solchen Rauferei fast
die Nasenspitze eingebüsst hatte. Dass die Männer in der Erregung noch ärgere Aus-
schreitungen begehen, lässt sich denken, und es mag wahr sein, dass in der Wuth des
Kampfes Verstümmelungen von erschlagenen Feinden vorkommen, wie mir versichert
wurde. In solchen Einzelfällen ist vielleicht sogar Menschenfleisch verzehrt worden, wie
Kirby behauptet, aber deswegen darf man nicht das ganze Volk der Gilberts als Canni-
balen brandmarken. Kirby, den die Kurianer, die ein grosses Feuer angezündet hatten,
zunächst auszogen, glaubte, dass man ihn braten wolle; statt dessen wurde er aber
freundlich aufgenommen und den »Wilden« durch Heirat verbunden. Mir selbst sind
eine Menge Schauergeschichten') erzählt worden; aber nie konnte ich einen Augen-
zeugen ausfindig machen, und selbst der hawaiische Missionär auf Tarowa hatte nur
sagen hören, dass nach der grossen Eingeborenenschlacht im vorhergehenden Jahre von
34 Gefallenen einer verzehrt worden sei. Wenn übrigens versucht wird, Mangel an
Fleischnahrung als Leitmotiv für Cannibalismus darzustellen, so müssten dieser Theorie
zu Folge die Gilbert-Insulaner jedenfalls am ersten auf diese barbarische Sitte verfallen
sein, namentlich wenn sie, wie Kirby meint, wirklich davon schon zu kosten ange-
fangen hatten. Wäre dies der Fall gewesen, dann würde Cannibalismus wohl auch hier
bleibend eingeführt worden sein. Aber dieser scheussliche Brauch ist eben unabhängig
von den übrigen Ernährungsverhältnissen. Bekanntlich waren die in Ueberfluss schwel-
genden Fidschianer noch in den Fünfziger jähren die berüchtigsten Menschenfresser der
ganzen Südsee.
Bemerkenswerlhe gute Eigenschaften habe ich auch bei den Gilbert-Insulanern
nicht kennen gelernt, und nur ein Verlassener wie Kirby hatte Ursache, von Gastfreund-
schaft und Freigebigkeit zu sprechen. Zu meiner Zeit fand sich davon keine Spur mehr,
selbst ein »König« liess sich die anscheinend geschenkten paar Cocosnüsse bezahlen,
nahm aber seinerseits gern Geschenke an. Im Ganzen waren die Gilbert- Insulaner da-
mals nicht schlechter als andere Eingeborene, und wenn auch zuweilen etwas dreist
und lärmend, liess sich doch mit ihnen verkehren, so lange sie nüchtern waren. Dass
ihr Intellect gut entwickelt ist und sie in Bezug auf geistige Auffassung höher stehen als
z. B. die Marshallaner, davon konnte ich mich öfters überzeugen. Zur Zeit des Walfisch-
fanges waren Gilbert-Insulaner als Matrosen auf solchefl Schiffen beliebt und erwiesen
sich als recht brauchbare Seeleute. Ich selbst lernte verschiedene Gilbertleute kennen,
die an Bord von Schiffen weite Reisen gemacht hatten und so gut zu erzählen wussten,
als seinerzeit der berühmte »Kadu«. Dass die Gilbert-Insulaner als Arbeiter nicht viel
taugen, habe ich bereits im Vorhergehenden (S. [290]) erwähnt. Im Arbeiterdepot auf
Dschalut fanden verschiedene turbulente Scenen statt, und ich selbst schlug einst einem
jungen Gilbertburschen das Messer aus der Hand, mit dem er einem weissen Aufseher
zu Leibe gehen wollte. Aber diese Herren taugten auch nicht viel und waren eben
keine glänzenden Vorbilder für Eingeborene, weder in Moral, noch Aufführung.
>) Ich wil! davon nur eine erwähnen, die kurz vor meinem Besuche auf Maraki passirt sein
soll. Einige- Eingeborene, welche einen andern erschlagen hatten, kochten von dessem Fleisch und
brachten davon der Mutter des Ermordeten, indem sie versicherten, es sei von einem neuen delicaten
Kischc, weshalb die Frau das Geschenk auch ohne Zögern verzehrte und trefflich fand. — Was sich
Chamisso auf Radak von den »Repith-Urur« (= Gilberts) erzählen liess, gehört in dieselbe Kate-
gorie der Fabeln, die, einmal in die Literatur aufgenommen, nur schwer wieder auszurotten sind.
i
r
r
Wi
k
28 r>r. O. Finsch. [296]
Wenn sich nach Kirby's Berichten die Gilbert-Insulaner täglich dreimal waschen,
so wird man darnach auf grosse Reinlichkeit schliessen müssen. Allein damit wird es
nicht sehr strict genommen, denn Waschen in unserem Sinne ist auch auf den Gilberts
unbekannt, aber ich wunderte mich schon, wenn ich sah, dass sich Manche nach der
Mahlzeit etwas Wasser über die Finger gössen und den Mund ausspülten, weniger über
das Läuseessen. Diese Angewohnheit ist ja in der ganzen Südsee verbreitet, aber wohl
nirgends dermassen im Schwange als gerade bei den Gilbert-Insulanern. Hier werden
diese sonst meist lästigen Parasiten*) des Kopfhaares förmlich gezüchtet, und ich sah
oft besonders grosse Exemplare durch Austausch von einem Kopfe auf den anderen
wandern. Dass sich Liebende, oder Eltern den Kindern, gegenseitig solche fette Lecker-
bissen zuwandten, kam häufig vor; aber das hatte ich schon in Sibirien bei Ostiaken und
Samojeden gesehen.
IL Sitten und Gebräuche.
(Sociales und geistiges Leben.)
/. Sociale Zustände,
Die Verhältnisse, wie sie Hudson 1841 auf Tapiteuea fand, wo Krieg, Unordnung
und eine Art Faustrecht herrschte, welches dem Verwegensten und Stärksten den
grössten Anhang verschaffte, waren auf den von mir besuchten Inseln noch genau die-
selben und werden auf den Gilberts mehr oder minder wohl immer so gewesen sein.
Auf Maraki und Apaiang gab es zwar Häuptlinge (»TuaSa« oder >Nea«), aber sie be-
sassen keine Macht und kein grosses Ansehen. Dem sogenannten »Könige« von Buta-
ritari ging es nicht viel besser, und doch hatte sein Vorgänger gewaltige Bauten auf-
führen lassen, nur um sein Volk zu beschäftigen. Der einst mächtige Herrscher von
Tarowa, der vor 20 Jahren einen Dieb noch mit eigener Hand erschlug, war ein Jahr
zuvor im Religionskriege gefallen und hatte noch keinen Nachfolger gefunden, obwohl
sonst die Häuptlingswürde erblich ist. Der einzige unumschränkte Gebieter war damals
Binoka von Apamama, zugleich auch über Kuria und Arenuka, ein absoluter König und
Tyrann, wie es deren wenige in der Südsee gegeben haben dürfte. Dieses dynastische
kleine Königreich war von einem Vorfahren Binoka's, einem gewaltigen Eroberer, ge-
gründet worden und bestand schon 184 1 in der zweiten Generation. Hier herrschten da-
her auch die am meisten geregelten Zustände. Schnaps und Toddy waren streng verboten,
aber kluger Weise erlaubte Binoka weder Werbeschiffe noch Trader und entfernte auch
die Mission, als dieselbe ihm anfing, unbequem zu werden. »Diebstahl und Ehebruch«
wurden mit dem Tode bestraft; »die Könige halten Gericht« u. s. w. heisst es in Be-
richten über die Gilberts, aber nur Häuptlinge wie Binoka durften sich solche Gewalt^)
anmassen. Auf den übrigen Inseln herrschten mehr republikanische Zustände. Streitig-
keiten wurden im Maneap verhandelt und von der Majorität entschieden, wobei Häupt-
linge nicht immer den Ausschlag zu geben, ja oft so wenig Einfluss hatten, als Alter.
») Die von mir an das Berliner Museum eingesendeten Exemplare dieser Pediculus-An sind
ununtersucht geblieben, dürften aber einer besonderen, durch dunkle Fftrbung ausgezeichneten Spccies
angehören.
2) Wie sehr Binoka gefürchtet war, mag folgende Episode lehren. Ich traf auf Milli (Marshalls)
sieben Eingeborene von Apamama, die über den König respectwidrig gesprochen hatten, deshalb ent-
flohen und hieher verschlagen waren. Die angebotene Passage nach ihrer Heimat wurde dankend ab-
gelehnt, denn hier hätte sie doch nur Todesstrafe getroffen.
[297]
Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der Südsee.
29
Hudson war auf Tapiteuea Zeuge, dass die dem bejahrten Häuptlinge gegebenen Ge-
schenke diesem sofort von Anderen entrissen wurden.
Dass Häuptlinge weder durch Tätowirung, noch sonst wie, am allerwenigsten aber
durch hellere Färbung sich vom gewöhnlichen Manne (»Tiarmid«) auszeichnen, mag
nur deshalb erwähnt werden, um irrthümlich verbreitete Ansichten zu berichtigen.
Hoheitszeichen habe ich nirgends beobachtet, noch finde ich solche erwähnt, ausser im
Katalog des Museum Godeffroy (S. 261, Taf. XXIX, Fig. 2, vermuthlich eine Waffe).
Stände. Nach Kirby gab es auf Kuria drei Stände: Häuptlinge (Nea), Landbe-
sitzer (Katoka) und Sclaven (Kawa); aber diese Verhältnisse sind nicht für den ganzen
Archipel giltig. Wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, bedeutet schon die Macht
der Häuptlinge nicht viel, und Wood berichtete von Makin, dass es dort nur Hohe und
Niedere gebe. Denselben Eindruck habe ich auf allen von mir besuchten Inseln ge-
wonnen. Jedes Familienhaupt besass Eigenthum in Land und Cocospalmen, bald mehr
bald weniger, Verhältnisse, die durch die »Labortrade« viel Störungen erlitten und Ur-
sache zu manchen Streitigkeiten und Fehden wurden. So vertheilten die hawaiischen
Missionäre nach dem grossen Siege der christlichen Partei auf Tapiteuea die Ländereien
der geschlagenen Heiden und behielten das Beste für sich. In ähnlicher Weise mag es
bei den Kriegen der Eingeborenen hergehen, die bei ihrer Häufigkeit geregelte Zustände
kaum aufkommen lassen. Sclaven (»Tebai«), die nach Kirby erbliches Eigenthum waren,
gab es zu meiner Zeit nicht mehr, sonst würden die Häuptlinge unseren Werbern
(Recruiters) gewiss welche verkauft haben. Wahrscheinlich bildeten Sclaven auch nie
einen bestimmten Stand, sondern waren wohl Kriegsgefangene von anderen Inseln, oder
Verschlagene. Letztere wurden auch gern von weissen Händlern als unbezahlte Arbeiter
behalten, wie dies unter Anderem auf Nawodo mit angetriebenen Maianaleuten passirte.
NamensaustauSCh, von Hudson noch als häufig erwähnt, war zur Zeit meines
Besuches kaum mehr Sitte. Aber es gab eine gewisse Bruderschaft, wenn auch nicht
durch Bluttrinken besiegelt, und fast jeder Mann hatte seinen »Jibüm« (Bruder), der
zuweilen auch ein Weisser war. Diese Bruderschaft geht aber nicht so weit, um dem
Bruder als Gast die Frau für die Nacht zu überlassen, wie z. B. auf den Marshalls.
Die BsgrÜSSUng nahestehender Personen ist Berühren der Nasen, das sogenannte
Nasenreiben. Frauen umarmen sich und berühren sich mit den Gesichtern, aber
ohne Kuss.
Tauschmittel (Geld). Nach Kirby's wenig glaubwürdiger Angabe herrschte da-
mals (auf Kuria) Gütergemeinschaft und mit Ausnahme von Sclaven konnte Jeder vom
Anderen nehmen, was er wollte, selbst Häuser und Canus. Aber an einer anderen
Stelle nennt Kirby den Preis, der für ein Canu zu zahlen war und in Lebensmitteln be-
stand. Ausserdem gab es aber gewiss auch noch andere Tauschmittel, und hierzu ge-
hörten jedenfalls Tekaroro-Muschelschnüre (Taf. VII [24], Fig. i — 4), sowie Sperm-
walzähne (Textfig. 16). Letztere waren noch in den Fünfzigerjahren auf Fidschi das
werthvollste Tauschmittel und wurden auch an die Bergbewohner verhandelt. Für
einen grossen Spermwalzahn konnte man ein Mädchen als Frau erwerben, einen Mord
sühnen oder für ein Paar ein grosses Canu bauen lassen. Spermwale waren damals
freilich noch häufig im Fidschimeere, und noch 1840 war das Erscheinen einzelner dieser
Thiere im Hafen von Levuka nichts Aussergewöhnliches. Selbstredend verstanden auch
die Fidschianer nicht, die Walthiere zu jagen, und begnügten sich mit zufällig gestran-
deten Exemplaren.
Verbot, d. h. Tabusitte, die so oft irrthümlich als »heilig« gedeutet wird, ist auch
auf den Gilberts üblich und hat meist Nützlichkeitszwecke. So verbietet ein um eine
t
u ■'
3o
Dr. O. Finsch.
[298]
Cocospalme gebundenes Palmblatt das Abnehmen der Nüsse während einer gewissen
Periode, um die Bäume zu schonen. Aber zu Zeiten des Mangels, wie während meines
Besuches, wurde und konnte dieses Tabu nicht gehalten werden. Bei gewissen Ge-
legenheiten wird auch das Versammlungshaus für die Weiber »tabu« erklärt, wahr-
scheinlich weil die Männer allein und ungestörter kneipen wollen. Das Tabu kann sich
auch auf andere Dinge, z. B. gewisse Speisen erstrecken, je nachdem es der Rath der
Männer für gut befindet, wobei der Glaube an schädlichen Einfluss von Geistern oder
Besprechungen zuweilen mit die Veranlassung sind.
I «
i
II
<
2. Stellung der Frauen.
Wie überall herrscht Arbeitstheilung, wobei schwere Arbeiten von Männern ver-
richtet werden. Diese bauen Häuser, Canus, besorgen die Tarofelder und schleppen (nach
Kirby) sogar die Früchte nach Haus, was sonst überall Sache der Frauen ist. Letztere
sind meist häuslich beschäftigt, vor Allem mit Flechten der kunstvollen Matten, gehen
aber auch aufs Rilf fischen und ziehen nicht selten mit den Männern zum Kampfe. Der
Verkehr zwischen beiden Geschlechtern ist daher auf den Gilberts viel minder beschränkt,
als sonst gewöhnlich, die Stellung der Frauen keineswegs eine untergeordnete, ihre Be-
handlung im Allgemeinen eine sehr gute. Sie dürfen an den Festlichkeiten im Ver-
sammlungshause (Maneap) theilnehmen, und die Todtenklagen, welche ich beim Ab-
leben einer Frau hörte, unterschieden sich in nichts von jenen beim Tode eines Mannes.
Mädchen geniessen volle Freiheit, und wenn auch auf den Gilberts Keuschheit nicht
als Tugend gilt, so wurde mir doch versichert, dass es Mädchen geben soll, die bis zu
ihrer Verheiratung .Tungfrauen blieben. Gewöhnlich haben aber Mädchen mehrere An-
beter, und es war eine beliebte Praxis unserer Werbeagenten, Mädchen zu engagiren,
von denen einige als Lockvögel dienten, weil dann junge Männer von selbst nachfolgten.
Nach einem anscheinend zuverlässigen Gewährsmanne von mir ist die erste
Menstruation Anlass zu einer besonderen Festlichkeit. Das betreffende Mädchen wird
lange Zeit (mehrere Monate?) unter einem Mosquitozelt gehalten und an dem festlichen
Tage besonders geschmückt (vgl. Textfig. i3) im Versammlungshause präsentirt. Die
Festfeier selbst besteht in den üblichen Tänzen und Gesang, verbunden mit Trink-
gelagen; Abschliessung des weiblichen Geschlechts in besondere Häuser während der
Periode findet nicht statt.
Ueber besondere Heiratsgebräuche habe ich nichts in Erfahrung gebracht, als dass
den Eltern der Braut Geschenke gegeben werden; aber Kirby (1. c.,V, S. loi) beschreibt
dieselben ausführlich. Dass aber eine besondere Vermählungsceremonie unter Assistenz
eines »Priesters« stattfindet, ist stark zu bezweifeln, aber mit den Festlichkeiten mag es
seine Richtigkeit haben. Wood weiss von Ceremonien bei Verheiratungen auch nichts
zu berichten, sagt aber, dass Kinder häufig noch sehr jung von ihren Eltern verlobt
werden, was an ähnliche Gepflogenheit auf Neu-Britannien erinnert. Uebrigens finden
ja Heiraten zwischen den Bewohnern verschiedener Inseln statt; auf Butaritari lernte
ich Frauen kennen, die von Apaiang herstammten; noch häufiger sind Ehen zwischen
den Bewohnern von Tarowa und Apaiang.
Die Ehen sind strenger als anderwärts, und Gilbertfrauen stehen wegen ehelicher
Treue in besonders gutem Rufe. Weisse Händler nehmen deshalb gern Gilbertfrauen
und lassen sich zuweilen von einem farbigen Missionär förmlich trauen, wenn die Ehe
wegen Weggang des Gemahls oft auch nur eine kurze ist. Ich lernte aber dauernde
Verhältnisse kennen, die so glücklich als möglich waren und wo, wie häufig bei uns,
It'
]
[299]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
3i
die farbige Frau das Regiment führte. Ueberhaupt sind die Gilbertfrauen sehr selbst-
ständig, dabei eifersüchtig, Temperamentfehler, die ja auch bei uns nicht selten das
gute Einvernehmen trüben. Wenn Männer auf den Gilberts ihre Frauen schlagen, so
dürfen sie sich auf Gegenwehr gefasst machen und ich sah einen Mann mit einer Biss-
wunde, die er der Eifersucht seiner Frau verdankte.
Polygamie gehört zu den seltenen Ausnahmen, und ich habe sie nur bei soge-
nannten »Königen« beobachtet, denn selbst Häuptlinge besassen nur eine Frau. Da-
gegen sah ich weisse Händler, die mit ihren vier Frauen ungeniert an Bord kamen.
Der König von Butaritari hielt eine grosse Anzahl Weiber, und Binoka von Apamama
soll sogar 19, nach Anderen etliche 40 besitzen, die in einem besonderen Harem ge-
halten werden, dem sich kein Mann nähern darf. Im Jahre 1881 halb und halb bekehrt,
begnügte er sich eine Zeitlang mit zwei Frauen, nahm aber später, der Mission über-
drüssig, seinen Harem wieder auf. Uebrigens gilt nur die erste Frau aus Häuptlingsblut
als eigentliche, deren Kinder erbberechtigt sind. Nach Kirby dürfen Sclaven gar nicht,
an anderer Stelle nur mit Bewilligung des Häuptlings heiraten. Noch unwahrschein-
licher klingt Wood's Angabe, dass Mädchen, die nicht gleich nach der Geburt verlobt
wurden, überhaupt ledig bleiben müssen. Dies widerspricht denn doch den Anschau-
ungen der Eingeborenen zu sehr, die heiraten, wenn sie können, d. h. die Mittel dazu
besitzen. Aus Mangel an letzteren bleiben höchstens Männer ledig.
Eigenthümliche Ceremonien beobachtete ich bei der ersten Schwangerschaft einer
jungen Frau, etwa im dritten Monate. Der Mond spielte dabei eine Rolle, wie auch
gewisse Besprechungen mit Opfern von Stückchen Cocosnuss, die weggeworfen wur-
den, stattfanden. Bei dieser Gelegenheit beschenken sich die Gatten, aber der ganze
Vorgang war verschieden von der Beschreibung Kirby's (V, S. loi), nach welcher im
achten Monat der Schwangerschaft die Verwandten des jungen Paares Geschenke aus-
tauschen, dem letzteren aber nichts übrig lassen.
lieber Feierlichkeiten bei Geburt und Namengebung habe ich nichts erfahren, aber
Kirby beschreibt dieselben (V, S. 102), wobei der unvermeidliche »Priester« figurirt.
Nach demselben Berichterstatter wird Kindesmord nicht geübt, wohl aber Aborticidium,
wenn bereits zwei Kinder vorhanden sind. Alte Weiber besorgen die Sache in roher
Weise durch Malträtiren des Unterleibes, was aber selten üble Folgen hat. Ledige
Mädchen sollen sich in gleicher Weise im Schwangerschaftsfalle die Frucht abtreiben
lassen. Wood bestreitet dies für Makin, und jedenfalls bedürfen diese Berichte der
zweifellosen Bestätigung. Uneheliche Geburten sind ja bei allen Kanaka nicht unehren-
haft und schädigen weder den Ruf von Mutter noch Kind.
Säuglinge werden in einem Stücke Matte auf dem Arme getragen, etwas grössere
Kinder auf dem Rücken oder auf der Hüfte der Mutter, gleichsam auf dem Rande des
Faserschurzes reitend.
Wie alle Eingeborenen sind auch die Gilbert-Insulaner sehr kinderliebend, und
Eltern lassen sich von ihren Sprösslingen Alles gefallen. Ich war wiederholt Zeuge,
dass kleine Kinder, die schon recht heftig werden können, ihrer Mutter im Zorne ins
Haar fielen, ohne dass diese sie strafte.
3. Vergnügungen.
Mit dem lebhaften Temperament steht der Hang zu Lustbarkeiten in vollem Ein-
klänge, bei denen es allerdings häufig etwas laut und lärmend zugeht. Musik verschönert
diese Lustbarkeit und Feste nicht, denn das Fehlen von Musik-Instrumenten gehört mit
I
32
Dr. O. Finsch.
[3oo]
i'f *.
.i L,
• «
I
i
V,
f
zu den charakteristischen ethnologischen Merkmalen. Nur die Muscheltrompete aus
Tritonium tritonis (auch aus Cassis cornuta^ Kat. M. G., S. 273) ist bekannt, aber kein
Musikinstrument, sondern dient nur zum Signalblasen. Ihr Ton hält die Canus zusam-
men, ruft zum Kriege, zu Versammlungen und Festlichkeiten im Maneap, wie auch der
hawaiische Missionär auf Tarowa mit diesem heidnischen Instrumente die Gläubigen
zum Gottesdienste aufforderte, freilich häufig mit wenig Erfolg.
Gosang oder Singen (»A£nene«) ist in Ermanglung von Instrumenten auf den Gil-
berts mehr und besser ausgebildet, als ich dies sonst in der Südsee antraf. Dies fiel mir
zunächst auf, als ich beobachtete, dass Männer und Knaben, wenn sie Früh und Abends
auf die Cocospalmen kletterten, um die mit Palmsaft (Toddy) gefüllten Cocosnuss-
schalen herabzuholen, stets dabei in nicht übler Weise zu singen pflegten.
Gesang bildet auch die hauptsächlichste Begleitung zu den sogenannten Tänzen,
die, wie der erstere, ebenso originell als wirkungsvoll, zu den besten Leistungen der
Südsee gehören.
Charakteristische EigenthUmlichkeiten dieser gymnastischen Vorstellungen sind,
dass beide Geschlechter gemeinschaftlich theilnehmen, dass die Gesänge, unter Leitung
eines Vorsängers, viel abwechselnder als sonst, theilweise sogar melodiös sind, und dass
die Begleitung nur in Händeklappen und Schlagen mit Taktstöcken besteht, der sich
beide Geschlechter bedienen. Das widerliche Rollen und Verdrehen der Augen, welches
auf den Marshalls eine Hauptrolle spielt, kommt auf den Gilberts nicht vor.
Als Taktschlägel ^) habe ich nur gewöhnliche Stöcke benutzen sehen; sie sind circa
60 Cm. lang und an beiden Seiten etwas zugespitzt, um einen helleren Klang zu er-
zielen. Meist genügt dazu ein Stück Palmblattrippe.
Die TänZ6 (»Ruia«) verdienen diese Bezeichnung mehr, als dies sonst der Fall ist,
und stehen, abgesehen vom Lärme, vielleicht auf derselben Stufe als die »Horac der
Bulgaren. Die vorwiegend gymnastischen Aufführungen finden sowohl im Sitzen als
im Stehen und Gehen statt, immer in der Weise, dass die Darsteller Gruppen bilden
von mindestens vier, oder sich in zwei Reihen gegenüber stehen oder sitzen. In letzterem
Falle handelt es sich nur um Bewegungen der Arme, respective Finger, hauptsächlich
aber um Klappen mit den Händen, das bei allen diesen Vorstellungen in hervorragender,
äusserst geschickter, ja fast möchte man sagen kunstvoller Weise zum Ausdrucke ge-
langt. Die Theilnehmer schlagen mit der flachen Hand in grosser Präcision theils gegen-
einander, theils auf die eigene Brust oder Schenkel, dass es taktmässig schallt, und ent-
wickeln dabei Abwechslungen, der die Feder des Beobachters nicht zu folgen vermag.
Nicht minder wechselvoll, aber bei Weitem graziöser und imposanter sind die gymna-
stischen Vorstellungen, bei welchen die Theilnehmer sich bald reihenweise, bald in
Gruppen gegenüber stehen oder in verschiedenartigen Wandelgängen hübsche Figuren
und Gruppirungen bilden, die an gewisse turnerische Uebungen bei uns erinnern,
namentlich da, wo, wie bei den Freiübungen,^) gleichmässige Bewegungen der Arme aus-
geführt werden. Auch die Beine sind nicht unthätig und führen mancherlei, zum Theil
i
») Im Kat. Mus. God., S. 261, ist ein Tanzstab, mit Natica Gamhiae besetzt, von den Gil-
berts erwähnt, der wohl aber von der Ellice-Gruppe herstammen durfte. Hieher gehört vermuthlich
auch der mit Muscheln (Natica) besetzte Stab, den Kdge-Partington (Taf. 175, Fig. 8) von Ellice
abbildet.
3) Die »Menari« oder Tänze der Malayen, wie sie von Joest trefflich beschrieben werden, haben
so viel Uebereinstimmendes, dass man auf malayische Herkunft der Gilbert-Insulaner schliessen dürfte;
aber im Menari kommen auch die Hock- und Springtouren vor, wie sie für Neu-Britannien (I, S. [3o])
so charakteristisch sind.
Ulli
[301]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
33
graziöse Touren aus. So berühren sich zuweilen die Zehenspitzen der Gegenüberstehen-
den, oder die Beine werden so hoch nach rückwärts geworfen, dass die Fusssohle das
Gesäss berührt. Klappen mit den Händen oder Aneinanderschlagen der meist mit
beiden Händen gehaltenen Tanzstöcke, in sehr abwechselnder Weise, gibt den Takt zu
den Bewegungen wie zum Gesänge. Letzterer, meist von einem Vorsänger intonirt,
besteht in verschiedenen Strophen, zum Theile Solovorträgen, die, gedämpft anfangend,
zuweilen melodisch wie ein Kirchenlied ertönen, sich nach und nach immer lauter und
heftiger steigern, bis sie in gellendem Schreien enden, was allerdings ziemlich wild
klingt. Der Text besingt übrigens keine besonderen Episoden, sondern ist nur improvi-
satorisch über gleichgiltige Dinge. Nach Kirby, der übrigens eine sehr mangelhafte Be-
schreibung gibt (V, S. loo), betheiligen sich oft ein paar hundert Personen bei diesen
Aufführungen, die aber keineswegs Kuria eigenthümlich sind. Ich sah sie von Einge-
borenen von Makin, Tarowa, Maraki, Apaiang und Maiana gemeinschaftlich ausführen,
wobei sich Männer, Frauen und Kinder mit gleichem Eifer betheiligten.
Nach Kirby (V, S. 99) finden jeden Monat zur Zeit des Vollmondes solche Fest-
lichkeiten statt, zu denen sich die Bewohner ganzer Dörfer oft gegenseitig einladen und
beiderseits Lebensmittel liefern. Dann beginnen die Gäste zuerst zu tanzen, die Gast-
geber folgen dann nach und so abwechselnd beide Parteien, wobei jede die andere zu
übertreffen bestrebt ist. Gegen Mitternacht ziehen sich die Dorfbewohner in ihre Häuser
zurück, während die Gäste im Maneap schlafen. Solche Feste dauern oft mehrere Tage,
wobei viel gegessen und getrunken wird, damals nur die unschuldige Karave. Zu meiner
Zeit war man damit nicht mehr zufrieden, sondern verzapfte sauren Toddy, der die
Köpfe bald erhitzte, so dass blutige Raufereien häufig den Schluss bildeten, wie dies bei
Festlichkeiten in civilisirten Ländern auch zu geschehen pflegt. Ich sah Trupps von
Eingeborenen zu solchen Festen marschiren, welche grosse Mengen sauren Toddy in
Cocosschalen schleppten; dabei figurirten auch Bewaffnete, unter Anderen Mädchen,
die geladene Pistolen unter dem Arme trugen. Ich war aber auch Zeuge, dass ältere, be-
sonnenere Männer vor dem Zuvielgenusse von Toddy abriethen. Nach Wood wurde
(1840) auf Butaritari jährlich ein grosses Fest gefeiert zum Andenken an Teouki, dem
berühmtesten Häuptlinge der Insel und Grossvater des damaligen Königs.
Tanzschmuck. Der ganze Ausputz der mit Cocosöl eingeriebenen Tänzer war ein
sehr einfacher und bestand in frischen Blumen und Blättern. Fast alle Theilnehmer
hatten frische Blätter ins Ohr gesteckt und Blumenkränze um den Hals wie auf dem
Kopfe, oder einzelne Blumen im Haare. Andere trugen Streifen von frischem Pandanus-
Blatt kreuzweise über die Brust, solche als Binden um das Kopfhaar, oder grosse Hals-
kragen von Blattfiedern der Cocospalme, zuweilen auch Schärpen aus diesem Materiale
quer über die Brust. Im Uebrigen waren die Männer, wie gewöhnlich, mit Matten, die
Frauen mit dem Faserröckchen bekleidet, dem manche noch ein zweites aus frischen,
grünen Cocosblättern hinzugefügt hatten. Zum besonderen Fest-, also auch Tanz-
schmuck gehören aber auch fein geflochtene Mädchenkappen (Textfig. i3), Kopf binden
und eine Art Kragen aus Mattengeflecht, sowie alle unter Putz aufgeführten Gegenstände,
namentlich Schnüre von Muschelscheibchen (Taf.Vll [24], Fig. 1), Zähnen u. s. w. Solche
Schnüre werden nach Kirby von Männern und Frauen um Hals und Leib, sowie um
das Fesselgelenk getragen, Spermwalzähne quer über den Rücken nur von Männern.
Letztere sollen auch Augenbrauen und Bart mit Kohle schwarz, die Backen mit feinem
Korallsand weiss bemalen (V, S. 99). Das geölte Haar wird mit einem Stöckchen auf-
gebauscht, so dass es eine weitabstehende, papuaähnliche Wolke bildet; Kahlköpfige
bedienen sich einer Perrücke.
Aonalen des k. k. naturhistoriscfaen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft i, 1893. 3
34
Dr. O. Finsch.
[3o2]
Spisis sind sehr beliebt, und namentlich die Jugend vertreibt sich die Zeit mit der-
artigen harmlosen Belustigungen und benimmt sich dabei sehr anständig. Prügeleien,
wie man sie doch bei solchen fröhlichen »Wilden« meist voraussetzt, habe ich nie
gesehen; auch bettelten die Kinder um Tabak nicht mehr als anderwärts und >varen
dabei weniger zudringlich. Am beliebtesten ist Ballspiel nach Art des Fangballes bei
uns. Man bedient sich dazu eines: «
Dscham (Nr. 626, i Stück), Ball, würfelförmig, aus Panda nus-Elatt geflochten,
Tarowa.
Ein anderes Kinderspiel ist eine Windmühle, ganz in derselben Weise, wie sie die
Kinder aus Papier bei uns anfertigen. Hier werden vier Streifen Palmblatt zusammen-
gefaltet und an ein Stöckchen aus der Rippe einer Blattfeder der Cocospalme befestigt.
Mit grosser Begeisterung wird von Kindern die Anfertigung von Miniaturcanus')
betrieben, die sie sehr primitiv, aber sinnreich aus dem Marke eines Baumes zu machen
wissen und mit einem kleinen Mattensegel versehen. Solche Canus lässt man dann bei
günstigem Winde auf der Lagune laufen, ein Spiel, an dem sich nicht selten Erwachsene
betheiligen.
Kirby erwähnt die letztere Vergnügung ebenfalls (V, S. 100), ausserdem »Fussballc
und »Drachensteigen«. Die Drachen sollen aus gespaltenem Pan^j/izis-Blatt gemacht und
sehr »hübsch geformt« sein, bedürfen aber noch dringend der Bestätigung durch andere
zuverlässige Beobachter. Wahrscheinlich liegt hier eine Verwechslung mit Südpolynesien
zu Grunde, wo GiU von der Herveygruppe Drachen »aus Tapa« und das Spiel mit
solchen beschreibt (»Life in the Southern Isles«, S. 64). Auch auf Pelau (Kubary).
Ein eigenes Gesellschaftsspiel mit kleinen Korallstückchen sah ich öfters von
Frauen eifrig betreiben, vermochte aber nicht die Regeln desselben zu ergründen. Durch
den Verkehr mit Weissen, namentlich auf den Werbeschiffen, hatte sich aber bereits die
»Civilisation« auch in ihren Spielen Eingang verschafft. Sowohl Dame, als auch Karten
sah ich öfters von beiden Geschlechtern mit Leidenschaft spielen, wobei manche ihren
ganzen Tabakvorrath verloren. Das Damenbrett wurde roh in den Sand gezeichnet;
dunkle und helle Korallstückchen vertraten die Stelle der Steine.
Sport. Nach Kirby würde Schwimmen auf der höchsten Brandungswelle, wobei
man sich, wie auf Hawaii (und den Herveyinseln), eines Brettes bedient, zu den Haupt-
belustigungen der Gilbert-Insulaner gehören, was ja möglich ist. Aber wenn derselbe
Berichterstatter sagt, dass die Gilbert-Insulaner Hahnenkämpfe sehr lieben (V, S. 67), so
könnte dies höchstens für Kuria gelten, wenn mir auch diese Angabe überhaupt sehr
zweifelhaft scheint, aus dem einfachen Grunde, weil kaum Hühner gehalten werden.
Ich füge hier einen eigenthümlichen Brauch ein, den ich auf Nawodo beobachtete.
Hier wird nämlich der Steinwälzer (Strepsilas interpres)y der auf seinen Wanderzügen
alle Inseln der Südsee besucht, in besonderen glockenförmigen Käfigen gehalten, um die
Männchen (im Frühjahre) kämpfen zu lassen. Auf dieser Insel lernte ich noch einen
anderen eigenthümlichen Sport kennen, den Fang von Fregattvögeln (Tackypetes
aquila)y der zur Zeit meines Besuches (Juli), wohl zugleich auch die Zugzeit dieses im-
posanten Fliegers des Meeres, mit grossem Eifer betrieben wurde. Man bediente sich
dazu eines besonderen Geräthes, einer Art:
Bola oder Schleuder (Textfig. i), bestehend aus einen konischen Gewicht, aus
Tridacna gigas geschliffen, welches an der zugespitzten Basis durchbohrt ist, um die
I) Das im Kat. Mus. God., S. 269, Nr. 2604, beschriebene »Canoe- Modelle gehört in die Reihe
der Spielzeuge und ist einem europäischen Boote nachgebildet, da Canus keinen »Klüverbaum« haben.
i
[3o3]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfidsee.
Fig. I.
sehr lange Fangleine zu befestigen. Letztere, 70 — 80 Fuss lang, ist sehr fein aus Cocos-
faser gedreht und endet in einen 40 Mm. breiten Fingerring, der, aus Schaftenden von
1 achjrpeteS'F edcrriy mit Faden aus Cocosfaser umsponnen ist und vom
Vogelfänger am Daumen oder kleinen Finger der Rechten befestigt wird.
Das obige Exemplar war aus Eisen geschliffen, andere aus dem festen
Kalkgesteine (Arragonit), identisch mit dem gleichen von Banaba, aus
welchem hier Stiele zu Fischhaken (wie Nr. 148) verfertigt werden.
Zum Fange der Fregattvögel waren nahe am Ufer besondere lauben-
artige Gerüste gebaut, und auf diesen sassen zahme Fregattvögel, um die
Wildlinge anzulocken, während der Vogelfänger sich unter der Laube
verborgen hielt. Wenn sich nun ein wilder Fregattvogel in weiten
Kreisen allmälig zu seinem zahmen Genossen herabsenkte, niedrig genug,
um von der Bola erreicht werden zu können, warf der Vogelfänger blitz-
schnell das Geschoss senkrecht in die Höhe, die Bola wickelte sich um
den Vogel und brachte denselben unverletzt zur Erde. Nur Häuptlinge
betrieben diesen eigenthümlichen Sport und hielten dafür besonders ge-
schickte Vogelfänger. Es handelte sich darum, eine möglichst grosse An-
zahl Fregattvögel zu fangen, wahrscheinlich wegen der späteren Be-
nutzung der Federn (vergleiche Finsch: »Hamburger Nachrichtenc, ^ '
Nr. 286, I. December 1881 und »Ibis«, 1881, S. 247). Natüri. Grosse.
4. Fehden und Krieg.
Unter den Völkern Mikronesiens sind die Gilbert-Insulaner jedenfalls am streit- und
kampflustigsten, eine Folge der unverhältnissmässig zahlreichen Bevölkerung der frühe-
ren Zeit. Kriege zwischen Dörfern und Districten einer Insel, wie zwischen Nachbar-
inseln waren von jeher an der Tagesordnung und haben im Leben dieser Eingeborenen
stets eine bedeutsame Rolle gespielt; Kriegführen gehörte gleichsam mit zu den Be-
schäftigungen der Männer. Es ist daher nur leeres Geschwätze, wenn Wood behauptet
(V, S. 93), auf Makin habe damals (1840) seit »loo Jahren« Frieden geherrscht und
Waffen habe man überhaupt nicht besessen. Denn derselbe Berichterstatter sagt, sich
selbst widersprechend, dass die von den Tarowaern verjagten Apaianger (1500 Köpfe
stark) auf Makin freundliche Aufnahme fanden, aber hier eine Verschwörung anzettelten
und in Folge dessen sämmtlich von den Makinern erschlagen wurden. Man sieht, wie
wenig zuverlässig diese ersten, unfreiwilligen Autoritäten sind, deren Aussagen häufig
der Bestätigung bedürfen. Aber es ist gewiss richtig, dass die Gilbert-Insulaner früher
mit ganzen Canufiotten Ueberfälle auf Nachbarinseln ausführten, ja sogar einzeln Er-
oberungen machten. Wie wir gesehen haben, wurden Kuria und Arenuka unter die
Botmässigkeit Apamamas gebracht ; ja Binoka, der Herrscher dieses Reiches, versuchte
in den Achtzigerjahren sogar Maiana zu unterjochen, woran ihn nur ein englisches
Kriegsschiff hinderte. Gewöhnlich handelt es sich aber bei diesen Kämpfen weder um
Politik, noch Eroberungen, sondern die Ursachen sind häufig sehr geringfügige, wie
Eifersucht, Liebeshändel, Untreue u. dgl. In der Regel fordern sich einzelne Raufbolde
mit ihrem Anhange heraus, ohne dass es zum Kampfe kommt, wie dies im Kat. M. G.,
S. 268, sehr amüsant geschildert wird; zuweilen entstehen aber auch langwierige, blutige
Fehden, die für die Eingeborenenverhältnisse noch am ersten als »Krieg« bezeichnet
werden dürfen. Dabei haben die Gilbert-Insulaner bisweilen sogar einen Muth gezeigt,
36
Dr. O. Finsch,
[3o4]
fL-
ii;
•ii'
>: H
ifi
A
f *j
f
♦'
•1
wie solcher selten bei Eingeborenen der SUdsee vorkommt. Die Bewohner ütiroas
traten der amerikanischen Strafexpedition mit einem Heere von circa 600 Kriegern, in
drei Treffen getheilt, entgegen, Hessen sich durch einzelne Schüsse, darunter von Rake-
ten, nicht schrecken, und erst als eine allgemeine Salve die vernichtende Wirkung der
Feuerwaffen zeigte, ergriffen sie die Flucht. Das in Brand gesteckte Dorf Utiroa (3oo Häuser
mit einem grossen Maneap) wurde gleich von den Bewohnern des Nachbardorfes Eta
geplündert, die sich über die Niederlage ihrer Feinde freuten, und diese Episode gibt ein
anschauliches Bild der Gilbert-Kriegsführung. Bei den Kämpfen nimmt übrigens das
weibliche Geschlecht nicht selten lebhaften Antheil; so fand der Missionär Bingham unter
den Gefallenen auf dem Schlachtfelde von Apaiang (1858) die Leichen von sechs Frauen.
Es ist eine für die Civüisation und christliche Gesittung beschämende Thatsache,
dass der Eintritt dieser Aera die Kriege der Eingeborenen nicht vermindert, sondern
vermehrt hat. Und daran ist das Missionswerk, selbstverständlich durchaus unbeab-
sichtigt, zu nicht geringem Theile mit Schuld gewesen. Allenthalben wo sich die Mission
auf den Gilberts festigte, entwickelten sich politische Zerwürfnisse zwischen christlichen
und nicht übergetretenen Königen, es bildeten sich Parteien, von denen jede die Ober-
hand zu geysrinnen strebte, bis man zu den Waffen griff. Nicht selten arteten diese
Streitigkeiten in Kriege aus, die als Religionskriege bezeichnet werden können, wenn
auch auf beiden Seiten andere Interessen mitsprachen. Kaum drei Monate nach der
ersten Niederlassung der Mission auf Apaiang (im Februar 1858) griffen Eingeborene
von Tarowa die christliche Partei an, welche zwar siegte, aber den ersten getauften
»König« verlor. Aehnliche Vorkommnisse ereigneten sich fast auf allen Inseln und
hatten zum Theile das zeitweise Aufgeben der Mission zur Folge. Nach zwanzigjähriger
Thätigkeit entbrannte (1878) auf Tarowa, wo die Mission fest begründet zu sein schien,
Krieg zwischen Christen und »Heiden«, es kam zum Kampfe, in welchem 34 fielen,
darunter der christliche König »David« Tekurapia. Auf Onoatoa siegte dagegen wieder
die christliche Partei. Am schlimmsten ist es auf Tapiteuea zugegangen, welches schon
1878 eine christliche Gemeinde von 800 — 900 Seelen besass. Hier schien, nach dem
blutigen Kriege von 1879, der Friede für immer gesichert; hatten doch die Einge-
borenen ihre Waffen (3oo Speere, Lanzen etc., viele Kürasse, 79 Musketen) freiwillig
der Mission zum Verbrennen eingeliefert. Aber schon im folgenden Jahre entstand aufs
Neue Krieg, und am 15. August wurde wohl die grösste Schlacht geschlagen, welche
die Geschichte der Gilberts kennt, ein grossartiger Sieg der Christen über die Heiden,
wobei über 3oo (nach Anderen viel mehr) der Letzteren, darunter eine Menge Frauen,
fielen. In diesem Kriege und an seinen Ursachen haben die hawaiischen Missionäre (die
Pastoren Kapu und Nalimu) eine sehr zweifelhafte Rolle gespielt; sie sollen nicht nur
dem Kampfe ruhig zugesehen, sondern zu demselben ermuthigt und schliesslich grosse
Strecken Land der Besiegten für sich behalten haben. Diese schweren, gegen diese
farbigen Missionsprediger erhobenen Anklagen hat die Oberleitung in Honolulu leider
nicht zu entkräften vermocht, zum Theile sogar zugestehen müssen. Die Ruhe war
übrigens bis 1887 auf dieser Insel nicht hergestellt, und auch auf anderen kam es hin
und wieder zu blutiger Fehde. Aber in allen diesen Kämpfen ist kein einziger der christ-
lichen, meist farbigen Missionäre zum Märtyrer geworden, was zum Lobe der Einge-
borenen besonderer Erwähnung verdient.
Auch zur Zeit meines Besuches herrschten auf allen Inseln Kriegszustände, aber
ich habe davon nicht mehr gesehen, als hie und da bewaffnete Banden, zum Theil in
recht possierlichem Aufzuge. Jetzt dürften englische Kriegsschiffe, wirksamer als die
Mission, wohl bessere Ruhe und Ordnung geschafft haben.
[3o5]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
37
5. Waffen und Wehr.
Moderne Waffe n, schon durch die ersten Händler >) eingeführt, waren damals
bereits ziemlich verbreitet und mindestens grosse Messer in der Hand jedes Eingebore-
nen. Letztere spielten im Streit eine grössere Rolle und wären im Ganzen gefährlicher
als Feuerwaffen! mit denen die Eingeborenen zucn Theil nur Lärm machten, um sich
zu schrecken. Vor den Maneaps oder Häusern der Häuptlinge lagen nicht selten Böller
als nutzloses Vertheidigungsmittel, aber Musketen und Reiterpistolen bildeten Haupt-
artikel des Tauschhandels. Besonders beliebt wairen Bajonnets, die, an einem langen
Stocke befestigt, am meisten den einheimischen Waffen entsprachen.
Eingeborene Waffen waren daher zum Theil äusserst selten und sind seitdem,
wie ich später durch einen auf den Gilberts ansässigen Händler erfuhr, so gut als voll-
ständig verschwunden. Eine Ausnahme machen diejenigen Waffen, welche noch auf
einigen südlichen christianisirten Inseln eigens für den Tauschhandel mehr als Spielereien
gefertigt werden.
Die Hauptwaffen der Gilbert-Insulaner bestehen in Speeren, kurzen Keulen und
verschiedenen kleineren Handwaffen. Eine weitere ethnologische Eigenthümlichkeit
sind Rüstungen in Form von Helm, Kürass und Hosen, die zuweilen den ganzen Körper
decken und aus sehr kunstvollem Flechtwerk aus Cocosnussfaser bestehen.
Ganz besonders charakteristisch für die Waffen der Gilbertinseln ist die häufige Ver-
wendung von Haifischzähnen (»Tetaba« der Eingeborenen) als Material zur Beweh-
rung. Sie finden sich äusserst selten an alten Marshallspeeren, sonst nur bei kleineren Hand-
waffen der alten Hawaiier und in der Ellicegruppe (Funafuti). Der auf den Gilberts so
lebhaft betriebene Haifischfang mag zu der Benutzung dieses Materials geführt haben. Es
werden hauptsächlich die Zähne von drei Arten Haifischen verwendet, deren wissenschaft-
liche Bestimmung ich zum Theile der Güte von Herrn Dr. Hilgendorf (Berlin) verdanke.
Am häufigsten verarbeitet werden Zähne von Galeocerdo Rayneri, Mac Donald
et Barron (Taf. II [19]). Fig. 11, ein sehr grosser Zahn der rechten Seite der Unter-
kinnlade von der Innenseite, mit einem Loch durchbohrt {a Dicke); Fig. 12, ein sehr
grosser Zahn von der linken Seite des Unterkiefers von der Aussenseite, mit zwei Bohr-
löchern {a Dicke).
Ein vor mir liegender Unterkiefer dieser Haifischart von Nukunau zählt fünf auf-
einander liegende und sich deckende Zahnreihen von je 16 — 20 Zähnen, von denen die
seitlichen jederseits, sowie eine Mittelreihe an der Verbindung der beiden knorpel-
artigen Unterkieferhälften sehr klein, übrigens in der Form gleich sind, im Ganzen also
circa ipo Zähne, so dass dieselben zur Bewehrung einer grossen Lanze (wie z. B. Nr. 701)
nicht ausreichen würden. Diese Art scheint weit verbreitet zu sein, denn ich fand Zähne
derselben bei alten Waffen von Hawaii und Tonga benutzt.
Zahn von Carcharias lamia, Risso, var.') (Taf. II [19]), Fig. iZ{a Dicke), Rand-
saum mit äusserst feinen, dichtstehenden Sägezähnchen. Wird meist zu kleineren,
namentlich zu Handwaffen verwendet. Eine dritte Sorte ist:
Zahn (Taf. II [19], Fig. 14) einer noch unbestimmten Haifischart, sehr klein, mit
äusserst feinen, sägeartigen Randzähnen.
I) Die circa 1500 Eingeborenen auf Nawodo lieferten bei der deutschen Besitzergreifung dem
Kanonenboote »Eberc nicht weniger als 750 moderne Gewehre ab, die sie meist von deutschen
Händlern gekauft hatten.
3) »Die Färbung etwas abweichend und die Brustflosse nicht ganz so schlank als bei Typus
»Hilgendorfc in litt, nach von mir eingesandten Exemplaren aus den Marshalls.
38
Dr. O. Finsch.
[3o6]
1
• «
,1
4
i
Fig. 2.
Haifisch-
zahn.
Tonga.
Diese Art findet hauptsächlich auf den südlichen Inseln der Gruppe Verwendung.
Ich sah derartige Zähne auch an althawaiischen Waffen.
Zur Ergänzung sei hier der sehr eigenthüralichen Zähne einer anderen,
nicht bestimmten Haifischart gedacht^ die ich zwar nicht an Waffen von den
Gilberts, aber bei solchen von Tonga') (im Hofmuseum) benützt fand. Die
beigegebene Skizze (Textfig. 2) zeigt nur den Umriss, ohne Detail der Rand-
bezähnelung.
Die grossen Haifischzähne , welche noch heute bei den Maoris als
Ohrbommel beliebt sind, gehören, wie ich hier anfügen will, zu Carcharias
Rondelettiy einer Art, die auch im Mittelmeere vorkommt.
Weitere Materialien zur Bewehrung von Speeren sind :
Rochenstacheln (Nr. 783) und
Rochenhaut (Nr. 784), erstere für die Spitze, letztere als Umhüllung der Parir-
stange (vgl. Taf. I [18], Fig. 4) verwendet.
Nicht alle Waffen der Gilbertinseln sind mit Haifischzähnen besetzt, sondern es
gibt auch glatte Speere, die sich aber in Museen selten finden, weil Reisende gewöhn-
lich nur die interessanteren, mit Haifischzähnen besetzten Waffen mitbrachten.
a) Speere (Lanzen).
aa) Ohne Haifischzähne.
Die gewöhnlichste Waffe der Gilbert-Insulaner ist oder war ein glatter Speer
— auf Tarowa »Tetaboa« oder »Tetabu« genannt — rund, an beiden Enden zuge-
spitzt, aus Cocospalmholz ; 2*80 — 3*36 M. lang, also ganz ähnlich, aber schwerer als
die gleichartige Waffe der Marshallaner. Sehr häufig ist in der Mitte eine Schlinge aus
Schnur von Cocosnussfaser angebunden, als Handhabe, da diese Speere wahrschein-
lich geworfen werden. Sehr verschieden ist der:
Tetara (Taf. II [19], Fig. 6, Spitzentheil), Wurfspeer aus Cocospalmholz, circa
2 M. lang, der Schaft etwas vierkantig, der circa 79 Cm. lange Spitzentheil an beiden
Seiten mit eilf eingeschnitzten Widerhaken, von denen die zehn ersten mit der Spitze
nach abwärts, die letzten drei mit der Spitze nach aufwärts gehen. Ich erhielt von
diesen sehr eigenartigen Wurfspeeren nur noch ein Stück, und zwar auf Tarowa.
Hudson erwähnt unter den Waffen von Tapiteuea auch Speere, deren Spitze mit
5 — 6 Rochenstacheln bewehrt war. Hierher gehören die von »Tockelau« und »Ellice«
verzeichneten Wurfspeere (Kat. M. G., S. 222), früher mit der Angabe »Kingsmill«.
Nach Hudson sind die Speere der Ellicegruppe einfache zugespitzte Stöcke von Palm-
holz, und auf Tockelau fehlt diese Waffe ganz. Dagegen waren die Speere der Samoaner
mit Rochenstacheln bewehrt, wie solche auch früher auf den Marshalls vorkamen. Glatte
oder mit geschnitzter Spitze versehene Speere besassen die Hawaiier noch 1841 (ab-
gebildet bei Choris, PI. XI, Fig. 11, 12 und i3), wie sie die einzige Waffe auf Tonga-
rewa (Penrhyn) waren (Choris, PI. XI, Fig. 3 und 4); die Form der geschnitzten Spitzen
der hier abgebildeten Speere ist sehr verschieden von den von mir dargestellten von den
Gilberts und Marshalls (Taf. II [19], Fig. i und 6).
bb) Mit Haifischzähnen.
Die Wirkung derartiger Waffen wird meist sehr übertrieben geschildert und ist
im Ganzen weit weniger gefährlich, als ihr Aussehen. Mit einer haifischzahnbesetzten
Handwaffe in Form eines kurzen Schwertes lässt sich nicht in »ein paar Minuten der
I) Die angeführten Waffen, aus der Cook*schen Sammlung herrührend, stammen wahrschein-
lich nicht von Tonga, sondern von Hawaii. Anm. d. Red.
i
, '<
[3o7]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee.
39
Kopf eines Menschen absäbeln«, wie ein Berichterstatter versichert (Gill, »Life in the
Southern-Isles«, S. Boy). Aber immerhin können hässliche Wunden entstehen, die
freilich meist Fleischwunden sind und daher im Ganzen wohl leicht heilen. Ich beob*
achtete, namentlich auf Brust und Rücken, bei einer ziemlichen Anzahl Eingeborenen
Wundnarben, die sich durch das zackig-zerrissene Aussehen der Ränder bemerkbar
machten. Ein Mann von Onoatoa trug besonders auffällige Zeichen der Tapferkeit an
seinem Körper: auf der linken Schulter eine 15 Cm. lange, blattähnlich aussehende
Wundnarbe, auf der rechten Rückenseite eine 20 Cm. lange, auf der linken Bauchseite
eine 12 Cm. lange, ausserdem sechs grössere Wundnarben auf dem rechten Arm, vier
Ratsche am Kinn und viele andere kleinere Kratzer. Gewiss ein Beweis, dass Gilbert-
krieger nicht immer gewappnet in den Kampf ziehen.
Unter den mit Haifischzähnen besetzten Waffen nehmen ausserordentlich schwere
und lange Speere oder Lanzen die erste Stelle ein. Ich beschreibe ein altes Stück von
Maraki:
Donu (Taf. I [18]), Kriegsspeer aus Holz der Cocospalme mit Haifischzähnen:
Fig. I, mittlerer Theil, grösste Breite; Fig. 2, äusserster, schmälster Spitzentheil; Fig. 3,
Querschnitt, a Basis des Zahnes, der b durch Bindfaden, welche durch Bohrlöcher, c,
gezogen sind, befestigt ist; Fig. 4, mittlerer Theil von der Schmalseite gesehen, a Parir-
Stange, b Umhüllung mit stachliger Rochenhaut.
Die Länge des Speeres beträgt 4*38 M., wovon der runde, dicke, an der Basis
stumpf zugespitzte Basistheil 2'3o M. misst, bei 4 Cm. Durchmesser; der 2*80 M. lange
Spitzentheil (an der Spitze nur 16 Mm. Durchmesser) ist an jeder Seite zu einer
sanften Hohlkehle ausgearbeitet (vgl. Fig. 3), so dass eine an der Basis 10, an der Spitze
2 Mm. hohe und 14 Mm. breite erhabene Kante entsteht, in welche in vertieft aus-
gearbeiteten Löchern die Haifischzähne (an der einen Seite 58, an der anderen 59) mit
der Basis eingelassen und mittelst Bindfaden sehr sauber festgebunden sind. Der letztere
besteht aus Faser von Hibiscus-Eeist mit eingedrehtem Menschenhaar. Die Zähne, sämmt-
lich von einem Gebiss von Galeocerdo Rayneri, nehmen von unten nach oben an
Grösse ab, und zwar so, dass die grössten in der Mitte des Basistheiles mit der Spitze
nach unten (vgl. Fig. i a), die kleinsten am Ende mit der Spitze nach oben gerichtet
stehen (vgl. Fig. 2 a). Einige der Zähne sind doppelt durchbohrt (vgl. Fig. i und 2 a).
Die eigentliche Spitze des Speeres besteht aus vier (14 Cm. langen) Rückenstacheln
eines Rochen (je an der Basis 8 Mm. breit und an jeder Seite mit 56 äusserst feinen
rückwärtsgebogenen Sägezähnen), die mit feinem Bindfaden aus Hibiscus-Faser und
Menschenhaar festgebunden sind. Als Schmuck dienen einige Streifen Pandanus-Blaxtf
die gleich Bändern flattern, sowie unterhalb der Spitze zwei Büschel Menschenhaar
(10 Cm. lang), wohl als Erinnerungszeichen an einen Kampf o. dgl. Da, wo die Hai-
fischzähne anfangen, circa 2*20 M. von der Basis, ist eine etwas gekrümmte (20 Cm.
lange) Parirstange aus Hartholz festgebunden, die mit einem 18 Cm. langen Stück von
der körnigen, aber mit sehr spitzen Stacheln besetzten Haut einer Rochenart bekleidet ist.
Wenn schon die mustergiltige Bearbeitung der Stange aus hartem Holz volle
Anerkennung verdient, so nicht minder die sehr accuraten, enggebohrten Löcher, wo-
von dieser Speer allein 117 durch Holz und ebensoviel durch die viel härteren Zähne
erforderte, gewiss eine ebenso mühsame als schwierige Arbeit, von der man nicht be-
greift, wie und mit welchen Werkzeugen sie die Eingeborenen bewältigen konnten.
Donu (Nr. 701, i Stück), wie vorher; circa 4-16 M. lang. Tarowa.
Ich erhielt eine sehr massige Anzahl dieser Speere auf Butaritari, Tarowa, Maraki
und Maiana, sah aber keinen mehr machen, da es damals damit so ziemlich vorbei war.
{
••i.
40
Dr. O. Finsch.
[3o8]
Der längste Speer mass fast 5 M. und war beinahe bis zur Hälfte mit Haifischzäbnen
besetzt, ein Ueberfluss, der nur dadurch einigermassen Erklärung findet, weil die Waffe,
wenn auch zum Stich geeignet, doch vorzugsweise hauend gehandhabt wird. Die
Parirstange (übrigens zuweilen fehlend) dient zur Abwehr, respective zum Auffangen
der feindlichen Waffe.
Die mit Haifischzähnen besetzten Waffen der südlichen Gilberts unterscheiden sich
meist durch die ganz abweichende Befestigung der Zähne. Dieselben sind an der Basis
zwischen zwei dünne Holzstäbchen, Rippen von den Blattfiedern des Blattes der Cocos-
palme, festgeklemmt und mittelst feinen Bindfadens festgebunden, der rings um das
Holz und durch das Bohrloch des Zahnes läuft, also nicht durch Bohrlöcher im Holz
(vgl. Taf. 171 von Edge-Partington). Die in dieser Weise verarbeiteten Zähne sind meist
die kleineren von Carcharias lamia und der noch kleineren Art (Taf. II [19], Fig. 14).
Speere von der Länge der >Donu« werden auch auf den südlichen Inseln ge-
fertigt (Hudson erwähnt 20 Fuss lange von Tapiteuea); gewöhnlich handelt es sich
aber um viel leichtere Waffen, die in Form und Ausführung des Besatzes mit Haifisch-
Zähnen grosse Verschiedenheiten aufweisen.
Ein 3*20 M. langer Speer von Tapiteuea ist am Spitzentheile 60 Cm. lang mit
vier Reihen Zähnen besetzt.
Ein anderer Speer, ganz wie vorher und von der gleichen Localität, ist in zier-
lichem Schachbrettmuster aus hellen Pa/i^^nw^-Blattstreifen und schwarzem Menschen-
haar umflochten.
Kleinere Speere (i*6o— 1*68 M. lang), vierkantig, mit vier Reihen feiner Haifisch-
zähne besetzt, erhielt ich ausser von Tapiteuea auch von Arorai.
Ein anderer Speer (1*44 M. lang) von Banaba (Ocean Isl.) ist mit zwei Reihen
Haifischzähnen besetzt, die sich spiralig um den runden Stock winden; eine sehr kunst-
volle Arbeit.
Eine andere Art Speere zeichnen sich durch Querhölzer oder Seitenäste aus (vgl.
Abbild. Wilkes, vol. V, S. 75), die ebenfalls mit Haifischzähnen besetzt sind, wie das
folgende Stück:
Teraidai (Nr. 702, i Stück), dreigegabelte Waffe, längs des Hauptstammes, wie an
ilen beiden Seitenästen mit Haifischzähnen besetzt. Tapiteuea.
Ein anderes Stück von derselben Localität, 2 M. lang, trägt in der Mitte ein halb-
mondförmig gebogenes Querholz (jederseits circa 3o Cm. lang), das, wie der mittlere
l^tirmie Spitzentheil, an jeder Seite mit einer Reihe Haifischzähnen besetzt ist. Andere
J^mrtige Stücke (0*9 — i*i M. lang) zeigten vier Reihen Zähne und gerade (nicht ge-
lu)gene) Seitenäste mit ein oder zwei Reihen Zähnen. Sie heissen auf Tapiteuea »Te
Eine ganze Reihe derartiger Waffen (darunter solche mit 2—3 zahnbesetzten
ScIlonUsten) von den südlichen Inseln bildet Edge-Partington (Taf. 171) ab.
Bei allen diesen Waffen bestehen die Bindfaden, mit welchen die Zähne fest-
^rhuiiilen sind, zum Theile oder ganz aus Menschenhaar, und häufig sind als Verzierung
UMiihcrc Umwickelungen aus Haarschnüren, sowie an der Spitze Blattstreifen von Pan-
tiiimt.i oder Haarbüschel angebracht. Ein grosser Theil dieser Waffen, ausgezeichnet
dllich weiches (eingeführtes) Holz, zierliche Arbeit und neues Aussehen des Nicht-
m*l»iiuichc8, werden oder wurden eigens lediglich für den Tauschhandel mit Weissen
MM^('lci(lf;t und nicht von den Eingeborenen gebraucht. Wenigstens war dies damals
(li}| lall, und solche Phantasiewaffen, zum Theil Miniaturnachbildungen grosser Speere,
wnrdon boNondcrs auf den christlichen Inseln Arorai und Peru gemacht.
[Sog]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
41
b) HandwaflTen (säbel- und messerartige).
aa) Mit Haifischzähnen.
Die folgenden altgebrauchten Stücke können als Typen dieser Art Waffen gelten.
Tetaba; Handwaffe mit säbelartig gekrümmtem Blatt aus Hartholz, 58 Cm. lang,
55 Mm. breit; längs der Mittellinie mit erhabenem Kiel, an der Basis mit rundlichem
Handgriff; die Schneide der einen Seite mit zehn, der anderen mit eilf Zähnen von
Galeocerdo Rayneri besetzt, die ganz in der Weise einzeln durch Bohrlöcher im Holz
festgebunden sind, wie bei den grossen Speeren (Taf. I [18], Fig. i). Peru.
Ein anderes Stück mit gekrümmtem Blatt von derselben Localität ist nur 87 Cm.
lang (davon der Handgriff 10 Cm.) und mit Zähnen von Carcharias lamia besetzt.
Solche säbelartige Haifischzahnwaffen sind abgebildet: Choris, Taf. II, Fig. i und
GiU, »Life in the Southern-Isles«, S. 807.
Wie sich viele der im Vorhergehenden erwähnten Waffen dadurch unterscheiden,
dass sie bis auf einen kurzen Handgriff an der Basis dicht mit Zähnen besetzt sind, so
werden andere noch mehr zu kurzen schwert- oder messerförmigen, sägeartigen Hand-
waffen, wie das folgende Stück:
Hand^vaffe (Taf. I [18]) von Nawodo: Fig. 5 Basistheil, der flachgerundete
Handgriff hinter a 12 Cm. lang; Fig. 6 Spitzentheil, die Länge des Mitteltheiles zwi-
schen a und b (Fig. 5) beträgt 23 Cm., die ganze Länge 51 Cm.; die Zähne (von Car-
charias lamia\ ig an der einen, 20 an der anderen Seite, sind mit der Basis in eine
Nute eingelassen und durch sehr fein gedrehten Bindfaden aus Cocosfaser und Menschen-
haar festgebunden.
Ein sehr ähnliches Stück ist
Handwaffe (Nr. 778, i Stück), kurz, messerförmig, jederseits mit Haifischzähnen
besetzt.
Aehnlich sind die Handwaffen, welche Hudson (V, S. Sg) von der Ellicegruppe
(Funafuti) als »Messer« erwähnt. Sie bestehen aus einem circa fusslangen Stück Holz,
an beiden Seiten mit kleinen Haifischzähnen besetzt, die aber nicht blos mit Bindfaden
befestigt, sondern auch in eine Art Kitt eingeklebt sind.
Diese Art kleiner Handwaffen gehen allmälig über in die Kratzinstrumente,
wie sie nur von Frauen gebraucht werden.
Tcbutj (Nr. 780, I Stück, Taf. I [18], Fig. 7), Frauenwaffe, ein an beiden Enden
zugespitztes Stück Holz von der Cocospalme, in welches eine Nute eingearbeitet ist, in
welcher ein Haifischzahn (von Galeocerdo Rayneri) sauber eingelassen und mittelst
zweier Bohrlöcher (eines durch den Zahn, das andere durch das Holz) mit Bindfaden
festgebunden ist; eine feingeflochtene doppelte Schnur aus Cocosfaser (a), welche eine
Schlinge von 6 Cm. Länge bildet, dient als Handhabe. Tarowa.
Tebutj (Nr. 779, i Stück), wie vorher, aber mit zwei Haifischzähnen (von der-
selben Species) bewehrt, die mit einem Loche durchbohrt und mit vierfachem Bindfaden
direct um den hölzernen (16 Cm. langen) Stiel festgebunden sind; der letztere ist ziem-
lich roh gearbeitet (aus Mangrove) und die Schlinge ein gewöhnlicher Cocosstrick.
Tarowa.
Die Zahl der Haifischzähne wechselt von einem bis zu mehreren Stücken und
(iarnach auch die Länge (bis 32 Cm.). Ich erhielt auch Exemplare, deren Stiel nicht
aus Holz, sondern aus Walfischknochen gearbeitet war.
Ein sehr feines Stück aus der alten Zeit ist das folgende:
Frauenwaffe (Nr. 781, i Stück, Taf. I [18], Fig. 8), ein am Ende sanft ge-
bogener, längs der Mittellinie flach gekielter (26 Cm. langer und 3 Cm. dicker) Holz-
^
42
Dr. O. Finsch.
[3io]
1
f
i
ii
griff, mit einem Haifischzahn (von Galeocerdo Rayneri) bewehrt und in zierlichem,
hellen und schwarzen Schachbrettmuster überflochten. Nawodo (Pleasant Isl.).
Der Haifischzahn ist mit dem Holz durch je zwei Bohrlöcher mittelst Binde-
material befestigt. Das letztere besteht nicht aus Pflanzenstoff, sondern scheint anima-
lisch (ähnlich gespaltenem Fischbein?) zu sein; das durch die aussenständigen Bohrlöcher
gezogene Material ist mit Menschenhaar umsponnen. Das helle Muster der Flechtarbeit
des Handgriffs besteht aus gespaltener Pandanus-ElM.idiStVy das schwarze in der vor-
deren Hälfte aus schwarzgefärbtem Hibiscus-Basiy in der hinteren Hälfte aus Menschen-
haar. Die 23 Cm. lange Schleife, welche als Handhabe dient, ist aus obigen Pflanzen-
materialien gedreht.
Ganz ähnlich sind althawaiische Handwaffen im British Museum und eine solche
im kais. Museum in Wien (noch von Cook's Reisen her). Letztere besteht aus einem
rechtwinkelig gebogenen, gleichschenkligen Holzstück, dessen dünneres, abgerundetes
Ende den Handgriff bildet, während in das verbreiterte entgegengesetzte Ende ein Hai-
fischzahn (von Galeocerdo Rayneri) eingesetzt ist.
Weiber pflegen häufig solche Handwaffen unter dem Faserschurz verborgen bei
sich zu führen, um sich bei Ueberfällen damit zu vertheidigen, benützen dieselben aber
Fig. 3.
k\
1
Vi natürl. Grösse.
Stichwaffe aus Walknochen.
auch nicht selten bei Streitigkeiten untereinander, um sich gegenseitig zu zerkratzen.
Die kleineren Kratzer (wie Nr. 780) werden mit den ersten zwei Fingern der Linken
geführt, da ja die Schlinge zu klein ist, um die ganze Hand aufzunehmen. Das spitze
Ende dient ausserdem zum Stossen, wie bei den meisten dieser zahnbesetzten W^affen,
welche hauptsächlich zum Kratzen bestimmt sind.
Eine eigenthümliche Stichwaffe ist im Kat. M. G. (Taf. XXVIII, Fig. 3) von den
Gilberts abgebildet. Sie besteht aus einem Griff aus Knochen (wohl Walfisch), an
welchen sechs (bis 17 Cm. lange) Rochenstacheln mit Cocosschnur angebunden sind.
bb) Ohne Haifischzähne (Stilet, Keulen).
Ein Stück aus der alten Zeit ist das folgende :
Te karabino (Nr. 785, i Stück, Textfig. 3), stiletartige Handwaffe aus Walfisch-
knochen, 26 Cm. lang, in der Mitte 20 Mm. breit und 15 Mm. dick, sehr unbedeutend
gebogen, an beiden Enden zugespitzt, in der Mitte mit einem runden, sehr sauber ge-
bohrten Loch, durch welches eine Cocosschnur als Handhabe befestigt ist. Tarowa.
Keulen sind niemals mit Haifischzähnen besetzt, sondern von sehr einfacher
Form (vgl. auch Kat. M. G., Taf. XXVI, Fig. 9), wie die nachfolgend beschriebene,
und waren damals die häufigst zu erlangende Waffe. Diese Keulen stimmen übrigens
in der Form ganz mit den althawaiischen überein, wie ich sie im British Museum sah,
fehlen aber auf den Marshall- und EUice-Inseln.
I
[3 II]
Ethnologische Erfahrungen und BelegscOcke aus der Sudsee.
Te batschirau (Nr. 772 — 774, 3 Stück). Keulen (Taf. II [ig], Fig. 9), vier-
kantige, am Ende zugespitzte, an der Basis in einen runden Handgriff gearbeitete,
schwere Knüppel aus Holz der Cocospalme; 63 — 81 Cm. lang; vor dem Handgriff ist
ein Loch durchgebohrt und hier eine Schlinge aus feingeflochtener Cocosfaserschnur
durchgezogen, welche um die Hand befestigt wird. Butaritari. Auch auf Makin, Maraki,
Tarowa und Apaiang erhalten.
Eine in der Form ganz übereinstimmende Keule (79 Cm. lang), aber nicht aus
Holz, sondern aus Walfischknochen (Unterkiefer vom Spermwal) gearbeitet, erhielt ich
auf Maraki. Andere Keulen (bis 1*18 M. lang) weichen dadurch etwas ab, dass beide
Enden zugespitzt sind. Nach Hudson dienen diese Keulen auch zum Abwehren der
Speere. Rohe Holzkeulen finden sich auch auf der Ellicegruppe (Funafuti) und auf
Otooha (Paumotu).
c) Schlagstein (? Schleuder).
Im Steinwerfen mit der Hand besitzen auch die Gilbert-Insulaner, wie alle diese
Völker, grosse Geschicklichkeit, und namentlich sollen sich damit die Weiber beim
Kampfe betheiligen. Eigentliche Schleudern finde ich aber nirgends erwähnt, erhielt
auch selbst keine, wohl aber die nächstfolgende eigenartige Waffe:
Tedau (oder Tekadau) (Nr. 833, i Stück), Schlag- oder Schleuderstein (Taf. II
[19], Fig. 15), eiförmig aus Tridacna geschliffen (Gewicht 125 Gr.), an der Basis mit
einem Bohrloch versehen, in welches eine 18 Cm. lange Schnur aus Cocosnussfaser
geknüpft ist, welche in eine Schlinge endet, weit genug, um die Hand durchzustecken.
Tarowa.
Wahrscheinlich diente diese Waffe nach Art unserer Todschläger im Hand-
geraenge zum Schlagen, wurde vielleicht aber auch geworfen. Als Bola zum Vogel-
fange (vgl. Textfig. I, S. 35) sind diese Steine zu schwer. Ich erhielt nur noch sehr
wenige Exemplare, darunter ein länglichspitzes, aus einem Stück Messing (wahrschein-
lich Gewicht oder dergleichen) geschliffen, ebenfalls durchbohrt und mit einer Schnur
zur Handhabung.
d) Wehr.
In Ermangelung geeigneten Holzes zu Schilden, ') hauptsächlich aber in Rücksicht
auf die eigenthümlichen Waffen, kamen die Gilbertinsulaner wohl auf den Einfall, aus
Cocosnussfaser Rüstungen zu verfertigen, die in ihrer Eigenart mit zu den ethnologi-
schen Charakterzügen dieser Inselgruppe gehören. Wenn Kirby meinte, diese Rüstun-
gen seien (1840) vor nicht langer Zeit eingeführt worden, so liegt dafür gar kein Be-
weis vor. Im Gegentheil zeigt das gleichzeitige Vorkommen dieser Wehrstücke auf
Nawodo und Banaba die ethnologische Zusammengehörigkeit dieser Inseln mit den
übrigen Gubens. Diese Rüstungen sind äusserst kunstvoll und mühsam gearbeitet, in-
dem circa 10 — 15 Mm. breite und dicke Wülste aus Cocosfaser mit feinem Bindfaden
aus demselben Material dicht umstrickt und reihenweise so zusammengeflochten wer-
den, dass sie ein anscheinend nur aus Bindfaden bestehendes, ausserordentlich dichtes
Gewebe darstellen, welches für die eingeborenen Waffen fast vollständig Schutz ge-
währt. Ich sah freilich einen Harnisch, der durchbohrt war, aber wohl von einem
Bajonnetstich.
I) Ich kenne nur einen Schild von den Gilberts im British Museum; derselbe besteht aus einer
sehr grossen Knochenplatte, jedenfalls aus dem Schulterblatt des Spermwales gearbeitet, aus welchem
Material ich Flechtbretter erhielt; vielleicht ist es ein solches.
SM
Dr. O. Flnich.
[31.]
Zur Rüstung gehört zunSchst der
Te paiingani (Nr. S43, i Stück), Helen; halbkugelfSrmige Kappe aus emem
spiralig aufgewundenen Wulsl oder Strick aus Cocosfaser (in 20 Windungeu), dicht
mit Bindfaden eingestrickt. Tarowa.
Zuweilen sind solche Kappen noch mit OhrenkUppeo verseheu und sammen
dann in der Form ausserordentlich mit gewissen Formen eiserner Helme des Mittel-
alters Qberein und mit solchen, wie sie heute noch im Kaukasus') vorkommen.
Ein solcher vor mir liegender Cocosfaserhelm misst 10 Cm. im Durchmesser, die
Höhe der halbkugel förmigen Kappe 12 Cm., die Ohrenklappen sind 12 Cm. lang, an
der Basis 15, am unteren Rande 10 Cm. breit, die Dicke beträgt 15 Mm. Ein solcher
Helm deckt den ganzen Kopf bis über die Augen und kann manchen Schlag und Stoss
aushallen. Das Exemplar zeigt auch verschiedene Ratsche durch Halfischzähne hervor-
gebracht, die aber wenig tief eindrangen.
Beliebt als Kopfbedeckung des Kriegers ist auch die aufgeblasene und getrocknete
Haut eines Stacheltisches (D'ioJnn), die wie eine Kappe, zuweilen mit Ohrenklappen
ausgeschnitten ist. Ich erhielt solche von Tapiteuea, hier >Te dautsch« genannt, wo sie
zu Hudsoa*s Zeil fast von jedem Krieger getragen wurden (Abbild. Wilkes V, S. 75).
Helme verschiedener Form bildet Edge- Parti ngton (Taf. 170) ab, worunter der
rechts unten dargestellte in seiner Flechtarbeit mit den oben beschriebenen Obereinstim ml.
Das Hauptstück der RQstung bildet der
Te dange (Nr. 842, i Stück), Kürass oder Harnisch mit Kopfschutz. Material
und Flechtarbeit ganz wie bei dem vorherbeschriebenen Helm. Maraki.
Ein solcher Kürass von derselben LocaÜtät besteht aus zwei Theilen, wovon der
eine die Brust, der andere den Rücken deckt und die, in einer Breite von ri Cm. über
die Achseln verbunden, aus einem Stück geflochten sind, wie der aufrechtstehende
Schutz für den Hinterkopf nur eine Fortsetzimg des Rückentheiles bildet. Der letztere
zählt 40 Reihen mit Bindfaden dicht zusammengefiochtener Wülste oder Stricke aus
Cocosnussfaser, das Kopfschuizstück 20. Die Masse sind folgende: Höhe vorne 52 Cm.,
hinten 72, davou der Kopfschutz 21, letzterer an der Basis 25, am oberen Rande 36Cm.
breit; Breite des Bruststückes über der Brust 38, am unteren Rande 70 Cm.; Breite des
Rückenstückes über den Schultern 45, am unteren Rande 74 Cm.; Brust- und Rücken-
stück messen längs des inneren Randes 34 Cm^ lassen also 12 Cm. hohe und 17 Cm.
breite Armlöcher frei; die Oetfnung für den Kopf misst 21 Cm. im Längs-, 19 im Quer-
durchmesser, ist also ziemlich eng; es erfordert einige Gewalt, um einen europäischen
Mannskopf durchzuzwängen. In der Mitte des Brusttheiles sind zwei circa meterlange,
dicke, fein aus Cocosfaser geiiL>chtene Schnüre befestigt, welche dazu dienen, die mit
den Seilenwänden übereinandergelegten beiden Theüe des Kürass festzubinden.
Da dieser Kürass, der noch nicht zu den schwersten gehört, bereits 4 Kilo 800 Gr.
»"legt, der Helm 700 Gr., so ergibt dies immerhin das anständige Gewicht von zusam-
mco II Pfund, was lur einen Tropenkrieger gewiss recht reichlich ist.
Die Kürasse sind übrigens, auch in der Flechtarbeit, sehr verschieden, zuweilen
ohne Kopfschutz, oder der lemere ist ansehnlich höher und dann häuiig durch Stützen
zum Geradehalten mit dem Achselstück verbunden.
Sehr eigenthönüich sind die enorm grossen und schweren Kürasse von Nawodo,
bei denen der Kopfschua rund herumllult und so einen trichterförmigen Aufsatz ober-
halb der Schulten» bildet, welcher bei einer Höhe von 40 — 50 Cm. und einem Durch-
it Bd Jen (IbevMires.
[3i3]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
45
roesser bis zu 60 Cm. den ganzen Kopf einschliesst und denselben weit überragt. Ein
Schlitz an der Vorderseite dieses Aufsatzes dient als Ausguck. Der ganze Kürass erhält
dadurch eine becherartige Form. Ich erhielt nur noch ein solches Stück, das mit reichem
Muster aus eingeflochtenem Menschenhaar verziert war, wie dies häufig bei Kürassen
der Fall ist. (Vgl. auch Kat. M. G., Taf. XXVIII, Fig. 2.) Die gleiche Form der Kürasse
soll übrigens auch auf Tapiteuea vorkommen, aber Hudson erwähnt sie nicht, sondern
nur die gewöhnliche Form (Abbild. Wilkes, V, S. 75).
Zur Rüstung eines Gilbertkriegers gehören auch KriegshOSen. Dieselben sind
nach unten zu ziemlich eng, aber lang und bis aufs Fussblatt fallend, aus grobmaschigem,
netzartigen Flechtwerk aus Cocosfaser geflochten, reichen oberseits meist bis auf die
Brust und werden durch Bänder über die Achseln festgehalten. Häufig ist mit sol-
chen Hosen ein fein geflochtener Brust- und Rückenlatz verbunden (vgl. Kat. M. G.,
Taf. XXVIII, Fig. 6). Ich erhielt solche Kriegshosen auch auf Nawodo.
Aus grobmaschigem Cocosfasergeflecht verfertigt man auch Jacken und Aermel,
die mit Bändern auf Brust und Rücken festgebunden werden. Die Figur eines solchen
Kriegsmannes in voller Rüstung bei Edge-Partington (Taf. 170) ist jedenfalls besser als
die bei Wilkes (V, S. 48) von Tapiteuea-Kriegern, von denen der links abgebildete
Mann wie in Tricot gekleidet aussieht.
e) Kriegsbauten.
Die Kriegsführung der Gilbert-Insulaner kennt auch gewisse Befestigungen, die
zar besseren Vertheidigung dienen. Ich beobachtete auf den nördlichen Inseln hie und
da um grössere Häuser mauerartige Wälle, aus Korallsteinen erbaut, solche auch auf
Nawodo. Das Haus eines alten Häuptlings hier war auf drei Seiten mit Schanzen um-
geben und circa 3 Fuss dicken und 4 — 5 Fuss hohen Mauern aus Flechtwerk von
Zweigen mit Korallgestein ausgefüllt, die gegen Flintenkugeln sicherten; die vordere
offene Seite der Fortification war mit einem Böller armirt. Hudson fand das Dorf Utiroa
auf Tapiteuea von einem Pallisadenzaune aus 8 — 10 Fuss hohen Pfählen umgeben;
innerhalb dieser Pallisaden waren je 10 oder 12 Häuser wiederum besonders eingezäunt,
so dass das Ganze für Eingeborene immerhin eine bedeutende Festung ausmachte.
WachthäUSer, wie sie Hudson von der letzteren Insel erwähnt, sah ich auch auf
Maraki, Apaiang u. s. w. Es sind kleine Hütten, auf 2 — 2 '/a M. hohen Pfählen und
mittelst einer rohen Leiter zugänglich, die aus einem mit Kerben versehenen Pandanus-
Stamm besteht. Solche Pfahlhäuser finden sich einzeln, meist ziemlich entfernt vom
Dorfe, auf dem Riffe der Lagune und sind auf einer kleinen Erhöhung von Korallsteinen
errichtet, zum Schutz gegen die Fluth. Diese sonderbaren Bauten wurden als »Mücken-
häuser« bezeichnet, in welchen man unbelästigt von Mosquitos (»Maninerac) nächtigt
und die namentlich von Fischern benutzt werden, welche zeitig Reusen und Fisch-
wehre revidiren. Das mag in Friedenszeiten wohl seine Richtigkeit haben, aber der
eigentliche Zweck dieser Pfahlbauten ist ein kriegerischer, denn bei Unruhen sind hier
Vorposten stationirt, die durch Rauchsäulen das Herannahen des Feindes anzeigen oder
die Dorfbewohner allarmiren.
Aehnlich sind die »Mückenhäuser« auf Rotumah (Edge-Partington, Taf. 168), die
wahrscheinlich gleichen Zwecken dienten.
ö. Bestattung und Schädelperehrung.
Die Bestattungsweise der Gilbert- Insulaner zeigt melanesische Anklänge und w^iwin
durch eigenthümliche, indess zum Theil äusserst widerliche Gebräuche sehr von der
eicht
■• I
i
11 1
»
tum. 1
1
ji ^V.B^
■
!■ Iv^B
<•
«
?fll t
i'f
1» **
i
^Ifln
11 .«■•■■
W -t V -I)
* i I
N
1 i
'f «]
Ü
ii
4,
•i
Ji
l(
i
i
i^'i
i
fr
i
Pllü
kr
46
Dr. O. Finsch.
[3 14]
sonst in Mikronesien üblichen ab. Der Leichnam wird gewaschen (!?) und geölt auf einer
Matte im Maneap zur Parade ausgestellt, wobei feierliche Tänze mit Gesängen zum
Lobe des Verstorbenen stattfinden. Dies dauert oft acht Tage und länger, so dass be-
reits starke Verwesung eingetreten ist, ehe man die Leiche, in Matten eingenäht, meist
im Hause eines nahen Verwandten mit dem Gesicht gegen Osten begräbt. Zuweilen
wird aber auch das Leichenbündel auf dem Boden des Hauses verwahrt, bis alles Fleisch
abgefault ist, und dann der Schädel, nachdem man ihn sorgfältig gereinigt und geölt
hat, aufgehoben. Mit diesen Angaben Kirby*s von Kuria stimmen die von Bingham
über diese Gebräuche auf Apaiang fast ganz überein. Dort schläft die Witwe nicht
selten wochenlang neben der Leiche ihres verstorbenen Gatten unter derselben Matte,
und Leidtragende sollen sich mit dem Schaume vom Munde des Verstorbenen das Ge-
sicht beschmieren etc. Aehnliches geschieht in gewissen Districten an der Südostkuste
Neu-Guineas (z. B. Hood-Bai), wo der Leichnam im Wohnhause liegen bleibt, bis er
ganz zersetzt ist.
Wood*s Angaben über die Gebräuche auf Makin, wonach der auf eine grosse
Schüssel aus Schildkrötenschalen gelegte Leichnam von zwei bis vier Personen abwech-
selnd während einer Periode von vier Monaten bis zwei Jahren (!!) auf den Knieen ge-
halten wird (Wilkes, V, S. io3), und zwar nicht blos die Leichen von Häuptlingen,
sondern auch solche von Sclaven, gehören einfach ins Gebiet der Fabel.
Ich selbst habe Gilbert -Eingeborene wenige Stunden nach dem Ableben begraben
sehen, wobei der nur in eine Matte gewickelte Leichnam ohne weitere Ceremonien in
das Grab gelegt wurde. Das letztere ist nicht deshalb so wenig tief, weil man den Aber-
glauben hat, dass sonst bald ein weiterer Todesfall folgen würde, sondern weil es bei
dem Korallboden jener Inseln überhaupt schwer fällt, einigermassen tief zu graben.
Ein Häuptling von Maiana, der in Folge des Genusses giftiger Fische auf Dschalut starb,
war wie verschwunden ; man habe ihn in der Stille beerdigt, hiess es. Als ich aber einige
Tage später in die Hütte der Leute kam, veranlasste mich ein sehr starker Geruch zu
Nachforschungen. Da fand ich die Leiche in einer kaum fusstiefen Grube liegen, mit
einer Matte zugedeckt, um welche die W^eiber hockten, und Alles schlief und ass in dem-
selben Räume, in welchem auch gekocht wurde. Ohne Einschreiten würde der Leich-
nam, welcher bereits ziemlich in Verwesung übergegangen war, wohl noch lange nicht
entfernt worden sein.
Die Gräber, welche ich auf den Gilberts sah, waren sehr nahe bei den Häusern und
kennzeichneten sich als eine sorgsam mit weissen Korallsteinen bestreute Stelle des
Erdbodens, ohne Erhöhung. Zuweilen waren Grabstellen mit flachen Korallplatten
bedeckt und ein paar Cocospalmen dabei angepflanzt. Solche Plätze sind irrthümlich
als »Aufenthalt der Götterc gedeutet worden.
Zum Andenken an den Verstorbenen werden übrigens, wie erwähnt, pantomimi-
sche Tänze abgehalten, wobei, wie ich nach eigener Beobachtung hinzufügen will, viel
Schnaps getrunken wird. Bemalen des Körpers mit Schwarz als Trauerfarbe wie in
Melanesien, oder irgend welchen Trauerschmuck habe ich nicht beobachtet.
Die Sitte, den Schädel verstorbener Anverwandten aufzubewahren, erinnert an den
ähnlichen Gebrauch in Melanesien (Salomons, Neu-Britannien, Neu-Guinea) und war
früher auch auf Samoa üblich, wo man den Schädel später ausgrub und als Andenken
behielt, sowie auf der Oster-Insel. Die amerikanische Expedition sammelte hier Schädel
mit eingravirten Schriftzeichen. Bingham sah auf Apaiang Witwen den Schädel ihres
verstorbenen Gatten mit sich umhertragen, selbst bei Besuchen in benachbarten Dörfern.
IL.
[3i5]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsce.
47
Ich selbst konnte den Schädel des vorher erwähnten Häuptlings um keinen Preis») er-
stehen; er wanderte mit der Witwe in die Heimat.
Diese Schädelverehrung bildet eine Art Ahnencultus, wie er besonders in Mela-
nesien stark entwickelt ist, in Mikronesien aber in dieser Weise sonst nicht vorkommt.
Nach Kirby werden die Schädel der Vorfahren als eine Art »Hausgötterc betrachtet, die
man bei wichtigen Angelegenheiten hervorholt, einölt, mit Kränzen schmückt und ihnen
Speise vorsetzt. Capitän Breckwoldt sah auf Banaba in einem Maneap Schädel aufge-
hangen (mündliche Mittheilung), und ich selbst entdeckte solche durch Zufall in einem
besonderen Hause auf Nawodo. Dasselbe war jedenfalls, wie allerlei Geräth bewies, be-
wohnt; aber im hinteren Theile befand sich eine eigenthümlich aufgeputzte Abtheilung.
Hier war aus Stäben eine Art Zaun gebildet, mit drei Reihen circa i Va Fuss hoher,
kreuzförmiger Stöcke, an denen lange Streifen Pandanus-BlüXl gleich Bändern flatter-
ten; an den Querhölzern der Stöcke hingen ausserdem etliche mit Cocosnussöl gefüllte
Flaschen, die wohl als Opfergaben gedeutet werden konnten. Denn vor diesen geputz-
ten Kreuzstöcken lag in einer Hamburger Ginkiste ein Todtenschädel, jedenfalls der
würdigste Schrein für einen notorischen Trinker, wie es alle Bewohner der vergnüg-
lichen Insel damals waren. Jim Mitchel, ein weisser Händler, erklärte denn auch den
Schädel als den des Vaters seiner Hauptfrau, eines gewaltigen Häuptlings,' dem sein
Sohn Agua ardente Nachfolger werden sollte. Solche Schädel sind daher keineswegs
»Trophäen« (Kat. M. G., S. 650) erschlagener Feinde, sondern Andenken verstorbener
Anverwandten, wie in Melanesien, wo man aus solchen Schädeln sogar Masken und
Armbänder (I, S. [3i] und II, S. [156]) anfertigt. Vermuthlich gehören die Halsketten
aus Menschenzähnen ebenfaUs in die Kategorie der Andenken an Verstorbene, wenn
auch Kirby behauptet, dass im Kampfe Gefallenen zuerst die Zähne ausgeschlagen wer-
den. Abgesehen davon, dass dies mit den Werkzeugen dieser Eingeborenen nicht so
leicht geht, verdient auch bemerkt zu werden, dass diese Halsketten fast stets nur aus
Vorder- und Eckzähnen bestehen, welche leicht ausfallen. Die festsitzenden Backen-
zähne finden sich nur einzeln und sehr selten verwendet (wie z. B. in der Halskette
Nr. 449 der Sammlung).
Ahnenfiguren, in Melanesien so häufig, scheinen auch auf den Gilberts vorzukom-
men. Ich sah im British Museum eine roh aus Holz geschnitzte menschliche Figur,
einen sogenannten »Götzen«. Dieselbe ähnelt sehr althawaiischen Schnitzereien, ist
aber durch Markirung von Tätowirung sehr merkwürdig und mit »Gilbert-Inseln« be-
zeichnet. Mir selbst ist niemals eine derartige Figur vorgekommen ; aber Hudson er-
hielt auf Tapiteuea »carved Images«, die aUe für Tabak hergegeben wurden (V, S. 4g),
beschreibt dieselben aber leider nicht. Derselbe erhielt auch einmal auf Fidschi eine
kleine Holzfigur, einen Menschen darstellend, die aber nicht verehrt wurde (IIl, S. 152).
7. Geister- und Aberglauben.
Ueber die im Leben von Naturvölkern am schwierigsten zu erkundenden Fragen,
die des geistigen Lebens und der religiösen Anschauungen, haben wir bisher hauptsäch-
lich nur durch Kirby und Wood Auskunft erhalten. Dieselben lebten ja allerdings
1) Ebenso ging es Rev. Dämon, als er sich auf Tarawa die grösste Muhe gab, Schädel zu
erlangen: »We visited a very Golgatha, where the skuUs (wohl etwas übertrieben!) lay upon the
ground thick as leaves in the valey of Vallombrosa, but the king would not allow us to take one
away.c (Morning Star papers, Honolulu 1861, S. 49.)
f:
ti-
l
48
Dr. O. Finsch.
[3 16]
t i <a
t •'
V
!
i '
llf
fr
lange genug als weisse Kanaka unter den Gilbert-Insulanern ; indess sind sie doch nicht
als Forscher zu betrachten und schon hinsichtlich ihrer Bildung gewiss nicht in dem
Masse competent, als dies wünschenswerth sein würde.
Nach Kirby heisst die hauptsächlichste Gottheit »Wanigain« oder »Tabu-eriki <
welche von der Mehrzahl des Volkes in Form besonderer Steine verehrt wird, wie in
ähnlicher Weise »Itivinic und »Itituapea«, beides weibliche Gottheiten. Andere ver-
ehren gewisse Vögel, Fische oder die Geister ihrer Vorfahren, letztere die Makiner nur
allein, die, nach Wood, keine Götter kennen. Zum Andenken berühmter Häuptlinge
werden nicht allein Feste gefeiert (S. 33), sondern auch grosse Steine errichtet, die mit
Cocosblättern geschmückt und bei denen Cocosnüsse niedergelegt werden. Auf Kuria
sind solche Steine zum Theil in besonderen Häusern (»Ba-ni-motac oder »Bota-ni-antic)
untergebracht, die sich von gewöhnlichen nur dadurch unterscheiden, dass das Dach
auf Korallblöcken ruht und im Innern der Bodenraum fehlt. Solche Häuser erwähnt
Hudson auch unter dem Namen »Teo-tabu« von Tapiteuea. Die circa 3 7a Fuss hohen
Steine oder Pfeiler aus Korallsteinen haben in der Mitte eine Aushöhlung, an welche
der »Iboyac oder »Boyac, Priester, sein Ohr legt, um die Eingebung des Gottes zu
empfangen und darnach zu weissagen. Nach Wood gibt es auf Makin keine Priester,
wohl aber Personen, welche vorgeben, mit den Geistern zu verkehren, und ebenfalls
weissagen, sowie Zeichen deuten. Kirby erzählt auch von dem »Kainakakic oder
Elysium der Kurianer, das auf der Insel »Tavairac (Maiana) liegen soll, wo die Seelen
herrlich und in Freuden leben, das aber nur die von »Tätowirten« erreichen können
und somit n ur einer sehr geringen Minderzahl zugänglich sein würde. Abgesehen von
diesem Unsterblichkeitsglauben, der sehr der näheren Bestätigung bedarf, reducirt sich
die sogenannte Religion der Gilbert-Insulaner zu einer Art Fetischismus, in welchen die
Ahnen eine hervorragende Rolle spielen, wie dies schon aus der Schädelverehrung her-
vorgeht. Die sogenannten »Priester« sind nichts Anderes als jene Art Weissager, wie sie
sich bei so vielen Naturvölkern (z. B. in Asien als Schamanen) finden und entsprechen
den »Drikanan« der Marsh allaner.
Die Weissager bedienen sich auch gewisser Dinge als Orakel- und betrachten
mancherlei Zeichen als Omen für den günstigen oder ungünstigen Ausgang eines Unter-
nehmens, einer Krankheit o. dgl., wie sie auch letztere besprechen, oder durch Zauberei
Jemanden damit behaften, ja tödten können. Alles Vorgänge, die ähnlich sich überall
wiederfinden. Nach Wood gelten auf Makin Sternschnuppen als Anzeichen des Todes
eines Familiengliedes, und ich selbst war Zeuge, dass Vogelflug gedeutet wurde, nur
wusste man nicht recht, welches Ereigniss eintreten werde, vermuthete aber die Geburt
eines Kindes. Auch Windmacher gab es. Eine Frau versprach gegen Bezahlung einiger
Stücke Tabak »guten Wind« zu machen; als derselbe ausblieb und ich den Tabak
scherzweise wieder zurückforderte, wurde sie (und ich) von den Eingeborenen ausgelacht.
Von der Geisterfurcht der Gilbert-Insulaner habe ich oft Proben erlebt. Schon der
klagende Ruf des »Tscheggun« (Goldregenpfeifers, Charadrius fulvus)^ der bei den
nächtlichen Wanderzügen vom Riff herübertönte, erschreckte zuweilen so, dass die
Eingeborenen die Hütte nicht verliessen. Ganz besonders fürchteten sie aber »Tebe-
rainimen«, einen anscheinend bösen Geist, ganz wie die Neu-Britannier den »Toberan«
und die Koiäri den »Wattewatte« (I, S. [33] und II, S. [i23]).
Sogenannte Steinfetische oder »Opferplätze« habe ich häufig auf allen von mir
besuchten Inseln gesehen, aber immer als Gräber von hervorragenden Häuptlingen
oder sonstige Erinnerungszeichen angesehen, was ja Wood's Angaben deckt. Gewöhn-
lich bestanden diese Denkmäler in Korallsteinen, kreisförmig hingelegt oder aufgerichtet,
^
1
1
i
1317]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee.
49
mit Cocosblättern oder Nüssen dabei, wie ein solches in Wilkes' Reisewerk (V, S. iio)
abgebildet ist. Zuweilen war ein Stock in die Erde gesteckt, mit einem an zwei Stricken
befestigten Querholz, das an jedem Ende mit einem Büschel Federn (vom Fregattvogel)
oder PandanuS'RlaitstTcifen geschmückt war und >Teman« (= Vogel) hiess. Der Platz
um diesen Stock war meist geebnet, zuweilen mit weissem Korallgrus bestreut und
einigen Cocospalmen bepflanzt. Ein besonders merkwürdiges und eigenartiges Denk-
mal fand ich auf Tarowa. In der Mitte eines grösseren, rings mit Cocospalmen bestan-
denen, sorgfältig geebneten und mit Korallschutt bedeckten runden Platzes war eine
kreisförmige Einfriedigung aus Platten von Korall fels errichtet, dessen Centrum der
Schädel eines gestrandeten Walthieres bildete. Er stand aufrecht, mit dem Vordertheil
eingegraben, so dass nur das Hinterhaupt hervorragte, und gehörte einer grösseren Art
Delphin, wahrscheinlich Orcüy an (die Breite über die Jochbeine mass i'3o M.). Um die-
sen Schädel lagen unregelmässig einige Korallplatten, und es waren einige Cocospalmen
angepflanzt. Vermuthlich galt dies Memento der glücklichen Erbeutung des betreffenden
Thieres, dessen Strandung gewiss ein besonderes Ereigniss in dem einförmigen Leben
dieser Menschen gebildet hatte. Die Cocosnüsse, welche an solchen Stellen niedergelegt
werden, und mit denen übrigens keinerlei »Tabu« verbunden ist, dienen gewiss als
Opfer, sollen aber häufig nächtlicher Weile von den Weissagern entfremdet werden.
Aehnliche Denkmäler, in Form mit Matten bekleideter Säulen, finden sich in der
Tockelaugruppe und werden von Hudson als »Götzen« beschrieben und abgebildet (V,
S. 14). Monsignore Elloy gedenkt »eines grossen Korallstückes, in Form eines Mark-
steines, umgeben von Matten und Cocosnüssen«, von Fakaafo.
In die Kategorie der Besprechungen fällt auch ein Theil der Heilkunde der Gilbert-
Insulaner. Ein weisser Händler trug einen Streifen Palmblatt, in besonderen Zauber-
knoten geknüpft, um den Hals, als sichtbares Zeichen einer Heilmethode durch Be-
sprechen, die seine Schwiegermutter geübt hatte, wie Knüpfen von Knoten in einen
ßlattstreif überhaupt mit Krankheiten Besprechen zu thun hat. Ich sah eine Wahr-
sagerin bei einem kranken Kinde thätig. Sie legte vier Steinchen in verschiedenen
Figuren um das Lager des Kindes, um darnach den Ausgang der Krankheit vorauszu-
sagen, ähnlich wie das Abreissen der Blüthenblätter einer Blume bei uns als Omen ge-
deutet wird. Ein anderer weisser Händler war von einem Eingeborenen glänzend von
Rheumatismus in der Schulter curirt worden. Der »Doctor« hatte erst den »Knoten«
als eigentlichen Sitz des Uebels aufgesucht, gefunden und dann mittelst Streichen und
Drucken das Leiden entfernt, also eine Art Massage angewendet, die ja ganz gut ge-
wesen sein kann. Brennen, d. h. Auflegen kleiner Stückchen glimmender Cocosnuss-
schale, wird ebenfalls als Heilmethode angewendet.
III. Bedürfnisse und Arbeiten.
(Materielles und wirthschaftliches Leben.)
/. Ernährung und Kost.
Entsprechend der Armuth von Flora und Fauna (S. 20 [288] f.) kann auch die Er-
nährung der Bewohner der Korallinseln nur eine bescheidene sein. Die Natur bietet
Mos sehr wenige geniessbare Producte und auch diese zuweilen nur äusserst spärlich,
so dass die Gilbert-Insulaner in der That mit zu den bedürfnisslosesten Erdenbewoh-
nern gehören. Trotz der mageren Kost sind indess die Gilbert-Insulaner jedenfalls die
am besten aussehenden, grössten und anscheinend stärksten von allen Mikronesiern,
Anoalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. Vllf, Heft i, 1893. 4
1
4 .; .1
.
r «
r •
«•
I - •
r-
i \
I «
T
J
1»?*^
r
,
I
1
%L
4
■4
lL_a
5°
Dr. O. Finsch.
[3i8]
die unter guten Ernährungsverhältnissen ebenso zu Corpulenz hinneigen wie die Poly-
nesier, z. B. Hawaiier. Ich sah solche Personen auf Butaritari, und Tekere, der König
von Makin, war, wie sein College aufApamama, so dick, dass er der Stärke der Strick-
leiter nicht traute und deshalb nicht an Bord kam. Der jeweilige Grad der Ernährung
übt ja überhaupt auf das Aussehen nicht blos der Eingeborenen, sondern überhaupt
einen gewaltigen Einfluss aus, und so ist es erklärlich, dass Haie die gut genährten
Makiner für eine besondere Race hielt. Auf den Gilberts lernte ich auch so recht ken-
nen, mit wie unglaublich Wenigem der Mensch in jenen Himmelsstrichen auszukommen
vermag; allerdings sind das Menschen, die nicht anstrengend arbeiten. Zur Zeit meines
Besuches war ein grosser Theil der Bewohner von Maraki auf nichts Anderes als Pan-
danuSy unreife Cocosnüsse, Palmsaft und kleine Fische angewiesen. Eine Handvoll der
Letzteren, nebst einer Cocosnussschale voll Palmsaft, Früh und Abends, genügte zur
Ernährung eines Erwachsenen. Von den grünen, unreifen Nüssen, die noch keinen
Kern enthielten, wurde die dreikantige Spitze abgeschlagen, in vier Stücke gerissen und
verzehrt. Obwohl der Mangel schon lange Zeit, über ein Jahr und vielleicht mehr, an-
hielt, war das Aussehen dieser Leute doch noch ein ziemlich erträgliches.
Freilich gab es damals auch klägliche Gestalten, aber sie waren nichts im Vergleiche
mit den Bildern menschlichen Elends, wie ich sie auf Tarowa kennen lernte, und gar
erst den Hungert^-pen von Banaba! Hier verliessen die wenigen Eingeborenen in Folge
factischer Hungersnoth ihre arme Insel, Jammergestalten aus Haut und Knochen, wie
sie entsetzlicher nicht gedacht werden können (Finsch, Anthrop. Ergebn., 1884, S. 11).
Aber eine mir vorliegende Photographie nahezu verhungerter Indier während der grossen
Hungersnoth in Bengalen zeigt freilich noch bei Weitem erbarmungswürdigere Wesen
und die Wirkung des Hungers in der traurigsten und abschreckendsten Form.
So regelmässig, als Kirby das Leben der Gilbert-Insulaner schildert (Wilkes, V,
S. 89), gestaltet es sich bei aller Einförmigkeit nirgends bei Eingeborenen, auch nicht
bezüglich der Mahlzeiten. Die Letzteren richten sich eben nach dem Vorhandensein
von Lebensmitteln, und diese sind, namentlich auf den Gilberts, nicht immer nach
Wunsch vorräthig.
a) Pflanzenkost.
Die Gilbert-Insulaner sind wie alle Mikronesier und Bewohner der Südsee über-
haupt vorherrschend Vegetarianer. Ihre Ernährung basirt in erster Linie auf dem
Schraubenbaum (Pandanus), »Tittu«, der auf diesen Inseln besonders üppig gedeiht
und in mehreren Arten wild vorkommt. Dieses palmähnliche, baumartige Kolbenrohr
zeitigt kolossale, runde, in der Form etwas an Ananas erinnernde Früchte,*) die an
20 Pfund und mehr wiegen. Jede Frucht setzt sich aus einer grossen Anzahl konischer,
circa 8 Cm. langer, faseriger Kerne zusammen, die eine gelbe, süsse Flüssigkeit enthal-
ten. Diese Kerne werden gewöhnlich ausgesaugt. Die holzige Faser Hndet sich daher
in den Auswurfstoffen der Gilbert- Insulaner in ansehnlicher Menge. Der Saft wird aber
auch ausgepresst, respective ausgeschabt und zu besonderen Conserven verarbeitet. Die
beste Sorte heisst >Teduai<. Der an der Sonne zu einer zähen Masse getrocknete Saft
wird in dünne Fladen ausgewalzt und diese dann in Rollen von circa i3 Cm. Diameter
aufgerollt. Die Rollen werden zuerst in den gewebeartii:en Stotf von der Basis des
Cocospalmblattes eingeschlagen, dann in /\2«J.>i«m.n- Blatt eingeschnürt, und diese Con-
serve hält sich sehr lange, wie man mir versicherte, iahrolang.
»'» Correct abj:c'r; Jet: O.orU, >Vo}Js:e pit:ore5q«.:e« etc., Tl. VI unJ X, uni Hernshe'm: >Mjr-
shdii-Srrache«. S, %>.
[3 19]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee.
Si
Zu Zeiten des Mangels, wie während meines Besuches, wo auch die Pandanus-
Frucht sparsam war, bereitet man dagegen eine andere Conserve, »Kabubuc genannt.
Sie besteht, wie die vorhergehende, ebenfalls aus Pandanus-Ssihy aber mit zerstampfter
und zerriebener Rinde*) dieses Baumes vermischt. Diese Masse wird in Wasser oder
Syrupwasser aufgeweicht und bildete damals mit einen Haupttheil der Nahrung.
Dies ist alles, was ich über die Bereitung dieser Conserven erfuhr und zum Theile
selbst beobachtete. Kirby, der drei Jahre lang ja von den Eingeborenen ernährt wurde,
berichtet über dieses Capitel sehr ausführlich und jedenfalls mit besserer Sachkenntniss
(Wilkes, V, S. g6, 97). Was mir als Pandanus-Rinde bezeichnet wurde, ist vielleicht
nur der steinhart getrocknete Saft (Teduai), auf Kuria »Kabul« genannt, und die eigent-
liche Dauerwaare der Gilberts. Kirby's Mittheilungen lehren übrigens, wie vielerlei Con-
serven die Eingeborenen aus wenigen Nahrungsstoffen herzustellen verstehen und wie
abwechslungsreich ihre Kochkunst ist.
Die Cocospalme (»Tinni«), wie überall ein Culturbaum und für die Ernährung
auch auf den Gilberts überaus wichtig, rangirt in wirth schaftlicher Bedeutung doch hinter
dem Pandanus, Die Cocosnuss (»Tibbin«) wird meist geschabt und in dieser Weise auch
mit PandanuS'Cowstiwtn^ ja mit Haifischfleisch, auf kaltem Wege zu besonderen Spei-
sen, respective Conserven verarbeitet. Einen wesentlichen Theil der Ernährung, nament-
lich in Zeiten des Mangels, bildet »Takaru« oder Palmsaft, auf Kuria »Caraca« genannt
(Kirby). Sehr zum Nachtheile des Baumes wird der Blüthenkolben desselben ange-
schnitten und der ausfliessende Saft in angebundenen Cocosnussschalen aufgefangen
(ausführlich beschrieben bei Wilkes, V, S. 98). Früh und Abends erklettern Männer und
Knaben, meist singend, die Palmen, um die gefüllten Schalen herunterzuholen, respec-
tive neue aufzuhängen, denn nach Kirby liefert eine Palme täglich 2 — 6 Pinten.
Das Erklettern') der an 50 — 60 Fuss hohen Palmstämme geschieht mit Hilfe
kleiner, in die Rinde eingehauener Kerben, die nur so gross sind, um die grosse Zehe
einsetzen zu können, sehr schnell und geschickt. Wie ertappte Cocosnussdiebe bewie-
sen, hindert das Dunkel der Nacht keineswegs an der Ausübung dieser Kletterkunst.
Palmsaft ist jein sehr angenehmes, süssliches Getränk, aus dem sich ein trefflicher
Syrup herstellen lässt, den aber nur die Besitzer vieler Cocospalmen bereiten können,
da sehr viel Saft erforderlich ist. Ich sah auf Butaritari die königlichen Frauen mit der
Fabrication von »Kamoimoic beschäftigt. Eine länglich-viereckige, seichte Vertiefung
im Korallboden war mit glimmenden Kohlen aus Cocosnussschale aufgefüllt, auf denen
wohl ein paar hundert halbdurchschnittene Cocosschalen als Gefässe zum Einkochen
dienten. Die Frauen hatten darauf zu achten, dass diese Gefässe nicht anbrannten und
ihr Inhalt nicht überkochte. Mit Kellen aus Cocosnussschale (»Aila«, Nr. 57 und 58)
schöpften sie den Schaum ab und gössen neuen Palmsaft auf, bis eine dickflüssige,
braune Masse entstand, wovon bereits ein Vorrath von 50 Flaschen (Ginflaschen) be-
reitet war. Dieser Syrup ist ganz ausgezeichnet und hält sich jahrelang; Proben, welche
ich mitbrachte, schmecken nach i3 Jahren noch vorzüglich; nur ist der früher helle Saft
ganz dunkel, fast schwarz geworden. Dieser Syrup, mit Wasser vermischt, gleich dem
') Nicht aus »Blatternc, wie im Kat. Mus. God., S. 275, gesagt wird. Hier auch (S. 276) eine
genauere Beschreibung der Bereitung von »Teduaic unter dem Namen >Kabuboc, welche von der
Darstellung Kirby's nicht unwesentlich abweicht.
2) In Neu-Britannien und Neu-Guinea hatte man eine andere Methode; man band die Füsse in
geringem Abstände mit einer Liane zusammen und erkletterte die Palme, indem der Körper bald mit
ilen Armen, bald mit den angestemmten Füssen gehoben wurde, eine Manier, die nach Bingham aber
auch auf den Gilberts prakticirt wird (vgl. tStory of the Morning Star«, Boston 1866, Abbild, zu S. 50).
4*
:;>.
I »
tt *
52
Dr. O. Finsch.
1320]
* «1
1 1 * • i
*'4
K
»Ailingc Pelaus, bildete früher unter dem Namen >Karave« das Hauptgetränk bei Fest-
lichkeiten, wurde in grossen Trögen servirt und aus Cocosschalen (oder nach Kirbv in
»Schalen aus Menschenschädeln«) getrunken. Vor 40 Jahren war dies noch der Fall,
seitdem haben sich die Gilbert-Insulaner an »Mongin« gewöhnt, d. h. Palmsaft, der nach
wenigen Stunden in Gährung übergeht und in zwei bis drei Tagen ein säuerliches Ge-
tränk liefert, den berüchtigten »sauren Toddyc. Er wirkt berauschender als Schnaps,
und sein Genuss trägt, nächst dem von Gin, mit die Hauptschuld an der Verkommen-
heit und Demoralisation, die damals auf den Gilberts bei Eingeborenen und den meisten
Weissen herrschte. Die Bewohner der Markesas- Inseln gehen in Folge von Toddy-
trinken auch dem Untergange entgegen.
Tabak ist nächst Schnaps das beliebteste Reizmittel der Gilbert-Insulaner und
wurde zuerst durch die Walfischfänger eingeführt. Zu Hudson*s Zeiten (1841) kannte
man auf Tarowa noch keinen Tabak, aber auf den übrigen Inseln bildete er das belieb-
teste und begehrteste Tauschmittel. Tabak wurde damals aber nicht geraucht, sondern
in der widerlichsten Weise gekaut und verschlungen. Jetzt raucht man allgemein in
Thonpfeifen jenen amerikanischen Stangenkautabak (Twist), der für die ganze Südsee
die gangbarste Scheidemünze bildet (vgl. S. [20] und [11 3]). Vom Kinde bis zum Greise
sind alle Gilbert-Insulaner leidenschaftliche Raucher, und die Mission verlangt mit ihrem
stricten Rauchverbote entschieden zu viel von den neuen Christen. Der alte gute
Haina, ein hawaiischer Missionär auf Tarowa, zweifelte ernstlich an meinem Christen-
thume, als er mich die Pfeife anzünden sah.
Brotfrucht, oder die unter dem Namen Jackfrucht bekannte Abart derselben,
kommt nur auf den nördlichen Inseln, aber so spärlich vor, dass sie als Volksnahrung
wenig bedeutet. Brotfrucht wird zwischen heissen Steinen geröstet, aber nicht, wie sonst
üblich, eine Dauerconserve (wie z. B. Pieru der Marshallaner) daraus bereitet.
Um so wichtiger war aber früher der Anbau von »Poipoi«, einer Taroart (Arum
cordifolium), des einzigen Culturgewächses, das die Gilbert- Insulaner kennen. Diese
Pflanze, mit gewaltigen, mehrere Fuss langen Blättern, gedeiht nur im Wasser. Es wurden
zu diesem Zwecke in dem Korallgerölle mühsam grosse, viereckige Gruben (an 8 Fuss
tief, 20 — 3o breit und 50 — 60 lang) ausgegraben und mit einer Schichte Erde bedeckt,
die oft weit in Körben herbeigeschleppt werden musste. In diese Erdschichte grub man
je für eine Pflanze bestimmte Löcher, die sich wie ein das Gesammtfeld einfassender
tieferer Graben von unten mit Wasser füllten. Die ausgegrabenen Koralltrümmer, wie
ich sie auf allen von mir besuchten Inseln sah, bildeten 10 — 12 Fuss hohe Geröllhaufen,
die sich, zuweilen in mehreren Reihen hintereinander, kilometerweit hin erstreckten und
für diese Inseln als Hügelreihen gelten durften. Hudson gedenkt dieser Taroculturen
bereits von Tapiteuea und erwähnt, dass Bimsstein als »Dünger« benutzt wurde, den die
Weiber am Aussenriflf sammelten. Ich habe auf mehreren Inseln, namentlich Maraki, viel
angetriebenen Bimsstein gesehen. Wenn ich mich (II, S. [187]) über den Fleiss der Papuas
von Neu-Guinea in Urbarmachung und Cultur ihrer Plantagen bewundernd aussprach,
so verdienen die Arbeiten der Gilbert- Insulaner entschieden ein noch höheres Lob. Sie
geben Zeugniss von einem Fleiss, wie er jetzt leider nicht mehr existirt, denn die meisten
Taropflanzungen, welche ich sah, waren verlassen und verkommen. Aber an diesem
Verfalle waren nicht allein die stetigen Kriege der Eingeborenen schuld mit ihren Folge-
wirkungen, Aufhören von autoritativer Gewalt, sondern hauptsächlich auch die »Labor-
trade«, welche diesen Inseln einen grossen Theil der besten Arbeitskräfte entführt hatte.
Die verschiedenen Zubereitungsweisen der gerösteten Tarowurzel beschreibt Kirby
ausführlich (Wilkes, V, S. 97), woraus hervorgeht, dass die Gilbert-Insulaner unter An-
[321]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee.
derem auch einen dem »Poi« der Hawaiier ähnlichen Kleister machten, der aber nicht
mit den Fingern, sondern Spateln aus Bein (wenn auch nicht gerade menschlichen Rip-
pen) gegessen wurde (vergleiche Textfig. 8 und g).
b) Fleischkost.
Hausthiere fehlen und können wegen Mangel an hinreichender Nahrung über-
haupt nur in beschränkter Zahl gehalten werden. Freilich sah ich auf Butaritari auch
ein paar Kühe, die dem Könige gehörten, aber auch die Ballen gepressten Heues, die
zur Fütterung von San Francisco angebracht waren. Der hohe Herr, der Schnaps ent-
schieden der Milch vorzog, wird daher die kostspielige Liebhaberei wohl bald aufgegeben
haben. Sonst wurden nur bei Missions- und Händlerstationen einige Schweine gehalten,
um gelegentlich davon an Schiffe zu verkaufen. Bei den Eingeborenen sah ich dagegen
nur, und dabei selten genug, Hunde (»Manc oder »Tekamia« = Thier), schlechte Köter
europäischer Abkunft. Sie sollen nur bei Hungersnoth gegessen werden, aber die Zu-
bereitung »Lebendigbraten«, wie mir ein Händler versicherte, ist natürlich nur eine
jener Unwahrheiten, wie sie solche Leute so gern fremden Besuchern aufbinden. Kirby
erzählt, dass von einem Schiffe während seines Aufenthaltes auf Kuria Schweine, Ziegen
und türkische Enten, ausgesetzt, aber aus Aberglauben von den Eingeborenen getödtet
wurden, die selbst keine Hühner essen. Hudson erwähnt von Tapiteuea einen Hund,
zwei oder drei Katzen und etliche Hühner. Ich selbst habe letztere nicht bei Eingebore-
nen halten sehen, wohl aber in halbwildem Zustande bei den Hütten auf Nawodo beob-
achtet, dessen Bewohner übrigens ebensowenig Hühner als Schweine essen. Die äusserst
interessante Frage, ob die Gilbert-Insulaner schon vor der Ankunft Weisser Haus-
bOhner besassen, bleibt leider eine ungelöste.
Das einzige einheimische Säugethier, die Ratte (»Tekimurra« = Dieb) wird selbst
in Zeit der Noth nicht gegessen. Auf Maraki beobachtete ich eine besondere Art Vogel-
fang. Männer, mit langen Stangen bewaffnet, deren Spitze mit einer klebrigen Masse,
einer Art Vogelleim, bestrichen war, zogen damit junge schwarze Meerschwalben (Anous
stoUdus) aus den auf Pandanus-BäumQn stehenden Nestern, um sie zu verzehren.
2. Fischerei und Geräth.
Der Fischreichthuro wird in Hinblick auf die grosse Anzahl von Arten meist
überschätzt und liefert nur zu gewissen Zeiten grössere Mengen. So fingen zwölf Ein-
geborene, die mit europäischen Senkangeln in der Lagune von Maraki fischten, in der Zeit
von vier Stunden kaum ein Dutzend massig grosser Fische. Immerhin liefert die
Meeresfauna den Bewohnern der Gilberts einen nicht unbeträchtlichen Theil der Er-
nährung und die einzige animalische Kost. Dabei kommen indess nicht lediglich Fische
(Tika) in Betracht, sondern eine grosse Menge anderer Meeresthiere, besonders Con-
chylien, weniger Crustaceen. Octopoden habe ich ebenfalls essen sehen, aber niemals
Holothurien, was Kirby behauptet; dies mag aber vorkommen.
NBtzflscherei wird im Ganzen wenig und nicht im Sinne von Hochseefischerei,
sondern auf den Lagunen betrieben, wie ich dies öfters sah. Zuweilen waren an ein
I^utzend kleiner Canus beisammen, je mit zwei bis drei Fischern bemannt, die aber
meist mit europäischen eisernen Fischhaken fischten. Man bedient sich aber auch
grosser, grobmaschiger Netze, Tekara-un (an loo und mehr Fuss lang, 7 Fuss hoch),
aus Bindfaden von Cocosnussfaser gestrickt, mit Senkern von Muscheln und hölzernen
Schwimmern, aus circa 16 Cm. langen Holzröhren von hohlen Pa/irfjww^-Zweigen.
Solche grosse Netze waren damals schon sehr selten und schienen (wie z. B. in Neu-
\ *'
1^
" 1
54
Dr. O. Finsch.
[322]
ti
11 (
I '
l|'
'1/'
li
1^
Britannien, I^ S. [25]) Gemeindeeigenchum. Wenigstens besass Tapiang, das grösste
Dorf auf Tarowa, nur ein grosses Netz, das natürlich nicht verkauft wurde. Ich erhielt
daher nur noch Reste wie das folgende Stück:
Tekara-un (Nr. 170, i Stück), Senkerleine eines grossen Fischnetzes; ein
fingerdicker Strick aus Cocosfaser mit Senkern aus Muschel (Area granosa)^ »Teüini-
buunc; auf 32 Cm. Stricklänge kommen sechs Muscheln. Tarowa.
In der Hakenfischerei steht der Hai fisch fang obenan und bildet eine Speciali-
tät der Gilbert-Insulaner,*) welche das Fleisch dieser Thiere ganz besonders lieben und
es zum Theil zu einer Conserve zu verarbeiten wissen. Es handelt sich dabei aber
selten um jene Meeresungeheuer, wie man sich dieselben meist vorstellt, denn der
grösste Hai, welchen ich fangen sah, mass kaum über 2 V^a M. Von den verschiedenen
Methoden des Haifischfanges, wie ihn Parkinson (Kat. M. G., S. 270) beschreibt, lernte
ich nur den mit Haken kennen, der aber nicht vom Canu, sondern vom Lande aus be-
trieben wurde. Und zwar wählte man dafür mit Vorliebe die Oeffnungen des Rififs (Pas-
sage), zur Ebbezeit, als die ergiebigsten Fangplätze. Ich habe an einem solchen in weni-
gen Stunden sieben Haifische fangen sehen. Man bediente sich damals meist schon
eiserner Haken, aber auch noch hölzerner, wie das folgende Stück:
Tingia (Nr. 158, i Stück), Haifischhaken (Taf. III [20], Fig. 14), Insel Tarowa.
Besteht aus einem natürlich gewachsenen, spitzwinkelig gebogenen Aststück aus Hart-
holz (wohl Mangrove) gearbeitet, mit einem rechtwinkelig nach innen abstehenden
Hakentheil (Fig. 14a) ebenfalls aus Holz, der mittelst Schnur aus Cocosfaser festgebun-
den ist. An der Aussenkante des Basistheiles sind zwei knotenförmige Erhabenheiten
ausgearbeitet und hier mit Schnur aus Cocosfaser, der circa fingerdicke, rundgeflochtene
Fangstrick aus gleichem Material befestigt. Dieser Strick hat eine Lange von circa
50 Cm. und endet in eine starke Oese, zur Befestigung einer zweiten, eigentlichen
Fangleine.
Ich erhielt nur wenige solcher Haifischhaken, die damals schon sehr selten waren.
Die Grösse ist sehr verschieden, ebenso die Krümmung des Endtheiles, welches den
Haken bildet, da diese ja von der Krümmung der betreffenden Aststücke abhängt, die
in der gewünschten Form nicht so leicht zu finden sind. Zuweilen sind diese Haifisch-
haken fast stumpfwinkelig gebogen und bestehen aus einem einzigen Aststück ohne an-
gesetzten Spitzentheil. Ziemlich ähnlich in der Form sind die zum Theil kolossal
grossen hölzernen Haifischhaken von der Insel Yarab oder Trobriand (II, S. [172] und
Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. 9).
Sehr ähnlich ist die folgende Nummer, welche ich des Vergleiches halber hier einfüge.
Haifischhaken (Nr. 157, i Stück, Taf. III [20], Fig. 15) von der Insel Nukufetau, Eliice- oder
Lagunengruppe, südlich von den Gilberts. Ein mit dem Hakenende stumpfwinkelig gebogenes Ast-
stück; das Hakenende innen und aussen abgeplattet, die Spitze stumpf abgestutzt. Die Fangschnur
besteht aus sieben dünnen Stricken aus Cocosnussfaser, die an der Hakenbasis ziemlich kunstlos be-
festigt sind. Hudson gedenkt grosser hölzerner Haifischhaken auch von Funafuti derselben Gruppe
und bildet einen solchen von Tongarewa (Penrhyn) ab (IV, S. 286). Derselbe ähnelt in der Form ganz
den enorm grossen, in Bogen gekrümmten Haifischhaken, wie sie das British Museum von Hawaii
besitzt, und die zuweilen eine Spitze aus Bein (Spermwalzahn) haben. Aehnlich abgebildet bei Choris,
PI. XIV, Fig. 4.
\m
I) Dieselben stehen übrigens in dieser Specialität weit hinter den Bewohnern der Hervey*
Gruppe zurück, die, wohl die besten Fischer der Südsee überhaupt, den Haifang mit unübertrefflicher
Kühnheit und Waghalsigkeit betreiben, indem sie dem in submarinen Höhlungen schlafenden Hai
tauchend eine Schlinge an der Schwanzflosse befestigen und denselben dann heraufziehen. Siehe »Shark-
catching at Aitutaki« (Giil, tLife in the Southern Isles«, S. 3o3), eine spannende Darstellung, die, wie
mir Rev. Chalmers versicherte, der lange auf dieser Insel lebte, durchaus auf Wahrheit beruht.
'1-*
[3231
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee.
55
Kleinere Fischhaken, die Hudson von Kuria leider nur erwähnt, erhielt ich auf den
Gilberts nicht mehr, da die selbstgefertigten wohl bereits total durch importirte eiserne
verdrängt waren. Als Köder bediente man sich der Krabben, denen man die Beine ab-
riss, sowie des Thieres von Cypraea moneta. Die Fischer führten deshalb auf der Platt-
form der Canus zwei Steine mit, um damit die Mundschale zu zerschlagen.
Fliegende Fische werden nach Kirby am Tage mit Haken gefangen, die am Stern
der Canus befestigt sind. Nachts bei Fackelschein mit Hamen, in welche die Fische
hineinfliegen.
Eine sehr eigenthümliche Art Fischhaken, die noch unbeschrieben sein dürfte, er-
hielt ich von Banaba (Ocean Isl.).
Fischhaken (Nr. 147, i Stück, Taf. III [20], Fig. 3) aus einem Schafte (a) von
Kalkspath, mit Fanghaken (b) aus Knochen, der mittelst dünnen Fadens (Garn) fest-
gebunden ist. Banaba.
Schaft (Nr. 148, i Stück) zu einem solchen Fischhaken, aus Kalkspath geschliffen.
Ebendaher.
Sehr eigenthümlich in der Form wie im Material, besonders deshalb, weil sie sich
bezüglich der ersteren am nächsten dem Typus von Kaiser Wilhelmsland (II, S. [190],
Ethnol. Atlas, Taf. IX, Fig. 3 — 5) anschliessen. Wie dort, besteht der Schaft aus einem
(6—10 Cm. langen) sehr sauber geschliffenem, fast runden Stück, aber nicht aus Mu-
schel (Tridacna), sondern einem kalkspath artigen Mineral, wohl Arragonit. Dasselbe
ähnelt in der fahlbräunlichen Färbung auf den ersten Blick Feuerstein, ist aber stärker
durchscheinend und gibt beim Anschlagen einen hellen Klang. Einzelne Stücke zeigen
dunkle Querbinden und erinnern im Aussehen an gewisse Bandachate. Mit Säuren be-
handelt, braust das Mineral stark auf. Diese Schäfte oder rundlichen Stiele sind an der
Basis sanft zugespitzt und hier mit einem feinen Loch durchbohrt, zum Anbinden der
Fangleine. An der Innenseite des Endtheiles ist eine Längsrille ausgeschliffen, in welche
der Fanghaken eingesetzt und mittelst feinen Garns befestigt wird. Dies geschieht ohne
Anwendung von Bohrlöchern; dagegen ist am Ende des Stieles eine Rille eingeschliffen,
welche dem Bindfaden Halt verleiht. Der sehr sauber gearbeitete Fanghaken (20 — 35 Mm.
lang) besteht aus Knochen, mit ziemlicher Sicherheit Spermwalzahn. Manche dieser Fisch-
haken sind am Ende mit dem üblichen Köderbüschel (50 — 65 Mm. lang) aus rohem Bast
von Hihiscus versehen. Die Fangleine ist sehr fein aus Hibiscus-Bast geflochten und
zuweilen über 20 Fuss lang.
Diese Fischhaken sind nicht mehr zu haben und dürften wohl nur in wenigen
Museen vertreten sein. Hierher gehört zweifelsohne das im Kat. M. G. (S. 294) mit
»Schaft eines Angelhaken aus gelblichem Quarzgestein« beschriebene Stück, das irr-
thürolich mit »Ponap^« statt »Banaba« bezeichnet ist. Das Material dürfte übrigens
auch auf Nawodo vorkommen, wo ich daraus geschliffene Bolas zum Vogelfange
erhielt.
RiffRschBrei, nach verschiedenen Methoden, wird bei Ebbezeit, wie auf allen Atol-
len, auch auf den Gilberts am häufigsten betrieben und liefert weitaus den grössten Theil
des täglichen Bedarfes an Meeresthieren. Wenn zur Zeit der Ebbe das Aussenriff, oft
aufweite Strecken hin, trocken läuft, bleiben noch immer kleinere und grössere Wasser-
tümpel übrig, in welchen eine Menge Thiere zurückgehalten werden. Meist sind es
recht kleine Fischchen, darunter besonders die munteren Arten der Gattung Galaxias,
welche von einer Fluth zur anderen auf dem Trockenen leben können. Zu allen Ebbe-
zeiten, bei Nacht nicht selten bei Fackelschein, sieht man daher die Eingeborenen auf
dem Riff beschäftigt, wobei sich Frauen und Kinder lebhaft mit betheiligen.
•»I
i
56
Dr. O. Finseh.
[324]
FiB-4-
l^iß- S-
Fackflln werden aus trockenen Piindaiius-EYättein ohne weitere Zuthat hergestellt,
geben einen sehr hellen Schein, brennen aber nicht länger als 5 — 6 Minuten.
Frauen bedienen sich bei dcrRifftischcreides
Tekao (Nr. 161, i6a, 2 Stück, Textfig. 4'),
Iclciner t'ischhamen; bestehend aus einem
Icurzen Stiel, an dem ein Reif aus den feinen
Rippen der Blattfiedern der Cocospalme festge-
bunden ist, die vordere Hälfte des Reifes trägt
einen 15 — 18 Cm. langen Netzbeutel, aus feinen
Cocos faserbind faden sehr feinmaschig gestrickt.
Tarowa.
Im seichten Wasser stehend, wird der Hamen
mit der einen Hand hinter den Füssen auf den
Grund gehalten ; mit der andern Hand werden die
Fischchen hineingejagt.
Männer bedienen sich grösserer Fischhamen (»Teriena* genannt),
mit rundem Netzreif (circa 32 Cm. im Durchmesser) an einem 60 — 70 Cm.
langen Stiel befestigt.
Ein besonderes Fisch ereigeräth, das mir nur auf den Gilberts vor-
kam und ebenfalls nur bei Ebbe auf dem Riff benutzt wird, ist die:
Te kainekabobo (Nr. 172, 1 Stück, Textfig. 5), Aalschlinge, ein
circa 60 — 80 Cm. langer Stock, mit einem etwas längeren Strick aus
Cocosfaser, der am Ende des Stockes durch eine Schnurhülse (a) mit
diesem in der Weise verbunden ist, dass sich die Endschlinge (b) auf-
und zuziehen lässt. Tarowa.
Die Fangmethode ist eine sehr einfache, indem man dem Aal die
Schlinge über den Kopf und diese dann fest zuzieht. Der Fänger entgeht
dadurch den oft gefährlichen Bissen grosser .^ale und kann sich mit einer
solchen Schlinge auch leichter der Tintenfische (Octopus) bemächtigen,
deren Tentakeln sonst schwer zu lösen sind.
Grosse im Meer verankerte Fischkörbe (wie in Neu -Britannien, I,
S. [25]) habe ich auf den Gilbert-Inseln nicht gesehen, sondern nur:
To-ü (Nr. 171, 1 Stück) Reuse. Tarowa.
Dieselben sind aus gespaltenen Panda nus-Si'ähea und Rippen aus
Palm blattfiedern mit Bindfaden verflochten und ähneln in der Form
einem länglichen Vogelkäfige. Die Länge beträgt circa 70—80 Cm., die
Breite circa 50, die Höhe circa 32 Cm., die vier Seitenwände und der
Boden sind gerade, die Oberseite etwas gewölbt. Sehr ausführlich be-
schrieben (Kat. M. G., S. 270), aber irrthümlich als aus Bambusrohr, das
auf den Gilberts fehlt. Diese Reusen werden mit Steinen beschwert auf
\^ ' dem Riff aufgestellt, häufiger sind hier aber eigene Fischwshre einge-
Aalschlingc. richtet. Aus K'orallstUcken baut man schmale, sich windende Gänge,
Tarowa, welche bei Ebbezeit trocken laufen, und in denen Fische zurückbleiben,
' Grü"«""' ' '^'^ d^nn mit den oben erwähnten kleinen Hamen herausgefangen
werden.
Auf Butaritari sah ich ein Fischwehr in grossartigem Massstabe, eine lange,
mehrere Fuss hohe Mauer, die der noch mächtige vorige König, der seine Unterthanen
absichtlich beschäftigte, auf dem Riff der Lagune halte bauen lassen. Solche Fisch-
J
[325]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
57
wehre dienen zum Massenfang periodischer Wanderfische (meist Makrelen), wie er
allenthalben in der Südsee betrieben wird. So sah Hudson auf Tapiteuea Männer und
Frauen eifrig damit beschäftigt, eine Schaar Fische in ein solches Wehr einzutreiben, wo-
bei sie sich Pandanus-Blätter in ähnlicher Weise bedienten, wie ich dies bei den Mar-
shalls beschreiben werde, und gedenkt derselben Methode auch von Raraka (Paumotu),
Samoa und Fidschi.
Auf Kuria sind zwei geschlossene Lagunen mit Fischen besetzt und dienen als
Fischteiche der Häuptlinge, wie ich dies auf Nawodo sah, wo die Eingeborenen in den
Teich im Innern der Insel eine sehr schmackhafte Fischart, Chanos salmoneus, einge-
setzt hatten.
Schalthiere bilden einen wesentlichen Theil der Ernährung. Das Riff liefert
davon, wenn die Fischerei, wie so häufig, spärlich ausfällt, immer noch so viel, um satt
werden zu können. Nach den Schalenresten zu urtheilen, die oft in grossen Haufen bei
den Häusern liegen, kommen indess im Ganzen nur wenige Arten als NährmuSCheln
in Betracht. Die von mir gesammelten, welche Herr Prof. v. Martens (Berlin) zu be-
stimmen die Güte hatte, sind die folgenden: Cardium fragum L. (»Tenigawiwi«) am
häufigsten, Lucina punctata L. (»Tebu-unc), Spondylus ducalis Chem. (»Teoigoinadj«),
Area (Anadara) uropygmelana Berg., Tridacna mutica Lam. und Tr, elongata Lam.;
die Riesenmuschel (Tridacna gigas) soll ebenfalls gegessen, und wie man mir sagte,
jung in passenden Localitäten ausgesetzt werden.
3. Zubereitung und Geräth.
Die Kochkunst liegt nicht lediglich in den Händen der Frauen, sondern wird, wie
bei allen Eingeborenen, je nach Bedürfniss, auch von den Männern ausgeübt. Da sich
in Cocos- und Muschelschalen nur in beschränkter Weise kochen lässt, so kommt auch
bei den Gilbert-Insulanern nur Rösten oder Garmachen in heisser Asche oder zwischen
heissen Steinen in Betracht. Der sogenannte Ofen besteht, wie meist, aus einer mit
Korallsteinen ausgesetzten Grube, in welcher fast stets glimmende Asche und Kohlen er-
halten werden. In dieser werden Taro, Brotfrucht, Krustenthiere und auch Fische ge-
röstet. Letztere legt man ungeschuppt und häufig unausgenommen auf glühende Kohlen
oder zwischen heisse Steine, so dass sie gewöhnlich anbrennen. Eine besondere Koch-
raethode beschreibt Wood von Makin (Wilkes, V, S. 98).
Häufig werden auch grössere Fische roh verzehrt, und zwar in sehr unappetit-
licher Weise, indem man mit den Zähnen und Fingernägeln die Schuppen abreisst und
dann grosse Stücke abbeisst. Den kleinen, kaum mehr als 5 Cm. langen Fischchen, wie
sie die Rifffischerei meist liefert, drückt man den Darminhalt durch den After heraus
und verschlingt sie dann mit grossem Behagen. Tintenfische werden an einen Stein
oder dergleichen geschlagen, dann die Tentakeln abgeschnitten und roh gegessen. Wie
überall, versteht man Fische zu räuchern, die sich aber ohne Salz nicht lange halten.
Bei roichem Fange von Haifischen bereitet man aus dem Fleisch eine haltbare Con-
serve in folgender Weise. Das Fleisch wird in Stücke zertheilt auf dem Feuer geröstet,
vollends in der Sonne getrocknet, dann zerrieben und mit geschabter Cocosnuss ver-
arbeitet.
Unter den Fischen der Gilbert-Meere scheinen übrigens weit weniger giftige zu
sein, als in jenen der Marshall-Inseln. Von den Gilbert-Eingeborenen im Arbeiterdepot
auf Dschalut erkrankten verschiedene, mehrere starben, am Genuss von Fischen, die in
ihrer Heimat als unschädlich gelten und ohne Bedenken gegessen wurden; darunter war
i
H
■tu
; ■
f
ff
\ij
! t
-I
i
j
i
»i
[■
58
Dr. O. Finsch.
[326J
eine ihrer beliebtesten Haifischarten (wohl Carcharias lamia). Auch Kirby und Wood
gedenken keiner giftigen Fische.
Salz ist unbekannt und findet nicht etwa, wie so oft irrthümlich gesagt wird, in
Seewasser Ersatz, denn auf den Gilberts wird eben, wie noch anderwärts, ohne Wasser
gekocht.
Küchengeräth, oder richtiger Geräthschaften, welche bei der Zubereitung von
Speisen benutzt werden, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, braucht man nur wenige.
Feuerreiben (»Tiai« == Feuer) habe ich nicht mehr gesehen, da die Eingeborenen
bereits Streichhölzer eintauschten, besonders aber Stahl und Feuerstein. Als Zunder be-
nutzten sie die angekohlte Hülle von Cocosnuss. Nach Dämon und Bingham rieben die
Gilbert-Insulaner ganz in der Weise Feuer, wie die alten Hawaiier, eine Methode, die
ich unter Marshallinseln beschreiben werde.
Ein eigenthümliches Küchengeräth ist das folgende:
Tekamaredei (Nr. 68, i Stück). Sieb, bestehend aus einem runden Holzreif,
circa 20 Cm. im Durchmesser, der mit einem sehr feinmaschigen Netzwerke aus Cocos-
faserbind faden überspannt ist. Tarowa.
Dient zum Durchsieben bei der Bereitung von Pa/iJa/?«5-Conserven (S. 51), so-
wie geschabter Cocosnuss und Tarowurzel.
Ein besonders primitives Geräth zum Schaben heisst »Tedueiroa«, bestehend aus
einem flachen, dreibeinigen Gestelle, aus einer dreigabligen PanJa/ii/5- Wurzel verfertigt,
auf welches ein flaches Schalenstück der Riesenmiesmuschel (Pinna nigra) festgebun-
den ist. Maraki.
Man reibt auf denselben Cocosnuss für grösseren Bedarf, benutzte aber Jetzt meist
alte Meissel oder Hobeleisen als Schaber. Für gewöhnlich genügt jedoch ein Stückchen
geschärfte Cocosnussschale oder eine passende Bivalve, wie:
Tekadidi (Nr. 26, i Stück). Schaber aus einer Schale von
Tellina eleganSj Gray (auct. von Martens), Butaritari.
Derartige Muscheln wurden auch vor Einführung eiserner
Messer, die jetzt ungefähr jeder Eingeborene besitzt, als Messer be-
nutzt, ganz wie dies in Melanesien geschieht (vgl. S. [19], [54]» [i63],
[198]). Aber ich sah auf den Gilberts keine derartigen Instrumente
aus Perlschale (Taf. IV [2], Fig. 7), da diese selten ist, oder die in
Melanesien so verbreiteten meisselartigen Brecher aus Knochen
(Finsch, Ethnol. Atlas, Taf. V, Fig. 7).
Zum Abschälen der Hülle der Cocosnuss, die namentlich an
jungen Nüssen sehr fest sitzt, habe ich weder hier, noch anderwärts
in Mikronesien ein besonderes Geräth gesehen. Irgend ein zuge-
spitztes Stück Holz, mit dem man die Hülle abstösst, genügt dem
Zwecke vollständig. Der Kopf der Nuss wird dann mit einem Steine
(Koralle) geschickt abgeschlagen, eine Hantirung, in der alle Ein-
geborenen selbstredend sehr bewandert sind.
Als Reibeisen verwendet man, wie so häufig auch anderwärts,
flache Stücke Korallen, deren rauhe Oberfläche sich trefflich für
diesen Zweck eignet.
Stampfer waren damals noch ein wichtiges Geräth, meist in der Form wie das
folgende Stück.
Tiggi (Nr. 54, i Stück, Textfig. 6), Stampfer, flaschenförmig, rund, aus einem
Stücke Eisenholz roh bearbeitet. Tarowa. Die Grösse der erhaltenen Stücke variirt
Fig. 6.
Stampfer aus Holz,
Tarowa.
*/4 nalürl. Grösse.
[327]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
59
Fig. 7-
Stampfer aus Holz.
Tarowa.
*/j natürl. Grösse.
von i8 — 34 Cm. in der Höhe, der Durchmesser der unteren Fläche 8 — 18 Cm.; andere
sind viel schmäler und dünner. Feiner bearbeitet sind die Stampfer wie Textfig. 7, eben-
falls aus schwerem Eisenholz (Mangrove). Tarowa, Maraki.
Die Stampfer dienen sowohl zum Zerstampfen von Taro, Jack-
frucht, Pandanus oder dessen Rinde, als auch zu anderen Zwecken
(Klopfen von Cocosnussfaser u. dgl).
Essgeräth ist sehr primitiv. Als Schüsseln werden nicht selten
grosse Schalen von Tridacna gigas benutzt, in denen ich auch Palm-
syrup aufbewahren sah, sowie:
Tekadadj (Nr. 74, i Stück). Schale der Riesenmiesmuschel (Pinna
nigra), Tarowa. Grosse Exemplare (bis 42 Cm. lang und 26 Cm.
breit) dienen als Schüsseln, kleinere als Teller (»Raurau«); als letztere
genügen auch grosse Blätter, z. B. vom Brotfruchtbaume.
Von Holzgefässen, wie das folgende, erhielt ich nur wenige Stücke.
Tekumedj (Nr. 77, i Stück). Napf, trogförmig, länglich, an
den Schmalseiten abgerundet und hier in der Mitte des oberen Randes mit einem kurzen
Vorsprunge zum Anfassen, 36 Cm. lang, 9 Cm. breit. Tarowa.
Das grösste derartige Gefäss, eine Art Trog, war an den beiden Schmalseiten recht-
winkelig abgestuzt, 63 Cm. lang, nur 21 breit und 18 Cm. hoch; von Maraki.
Das Material zu diesen meist sehr roh und ohne alle Verzierung gearbeiteten Ge-
fässen ist vorzugsweise Holz vom Brotfruchtbaume, zuweilen auch von der Cocospalme.
Sie werden als Wassergefässe oder bei der Zubereitung von Teig aus gestampftem Taro
verwendet, besonders aber als Bowle für »Karave« (Syrupwasser) oder »Mongin« (sauren
Toddy).
Zum Einschlürfen dieses beliebten Getränkes bedient man sich zuweilen auch
eines besonderen Saugrohres. Dasselbe besteht aus einer 17 Cm. langen Röhre aus
einem dünnen, innen marklosen Zweigstücke von Pandanus und ist am unteren Ende
mit einem Siebe (aus dem Bast von der Basis des Cocospalmblattes) versehen. Das für
den Palmsafttrinker so nöthige Utensil wird häufig im Ohrlappen befestigt getragen.
LÖlTel (»Tiria«) aus Cocosnuss, wie in Mela-
nesien (S. [109], [i63] und [198]), sind mir auf den
Gilberts nicht vorgekommen, wohl aber andere, sehr
primitive Geräthe, die zum Essen von Taropappe
dienen.
Te kanumoi (Textfig. 8). Flaches, spateiför-
miges Holz (circa 21 Cm. lang). Tarowa. Hier auch
ein Stück in anderer Form (Fig. 9), circa 18 Cm.
lang, aus Walfischknochen. Ein anderes löffelartiges
Geräth, von derselben Localität, war ebenfalls aus
Walfischknochen, in der Form ähnlich wie Fig. 8,
aber schmäler und 29 Cm. lang. Nach Kirby bedient
man sich als Löffel »menschlicher Rippen«, wobei
wohl aber eine Verwechslung mit Rippen von Wal-
thieren vorliegt.
Ein anderes Geräth dient zum Schöpfen:
Aila (Nr. 57, 58, 2 Stück). Schöpfkellen, bestehend aus der Hälfte einer Cocos-
nussschale, die vvagrecht an einen 20 — 3o Cm. langen Holzstiel mittelst Bindfaden be-
festigt ist. Tarowa.
Fig. 8.
Spatel aus Holz,
Tarowa.
Vi natürl. Grösse.
Fig. 9.
Spatel aus Bein.
Tarowa.
V« natürl. Grösse.
4'
60
Dr. O. Finsch.
[328]
♦ /
•r .. j
»^
1*;
y
1 4
h
'9-
tfct
^'
■^* rf**/
Man gebraucht diese Schöpfkellen nicht beim Essen^ sondern zum Wasserschöpfen
oder besonders bei der Syrupkocherei aus Palmsaft (S. 51).
In ähnlicher Form, aber mit senkrecht stehendem Holzstiele, bereits von den
Admiralitätsinseln (S. [64]) aufgeführt; sonst sind mir diese Art Schöpflöffel aber nicht
in Melanesien vorgekommen.
Als Behälter für Flüssigkeiten, von denen auf den Gilberts weniger Wasser als
Palmsaft, respective Cocosnussmilch in Betracht kommt, dient auch hier die weitver-
breitete Schale der Cocosnuss.
Te tjimpa (Nr. 71, i Stück). Cocosnussschale als Wassergefäss. Tarowa.
Ein Bindfaden, am oberen Ende durch zwei Löcher befestigt, dient als Henkel
zum Aufhängen, da in solchen Cocosnussschalen besonders der ausfliessende Saft der
angebohrten Palme aufgefangen wird. Auch nimmt man sie, mit Wasser gefüllt, auf
Seereisen mit.
Cocosnussschalen mit irgend einer Bearbeitung habe ich nie auf den Gilberts ge-
sehen; gewöhnlich sind sie vom langen Gebrauche und Hängen im Rauche fast schwarz.
Halbdurchschnittene Cocosschalen werden, ausser als Trinkgefässe, auch als Lampen
(»Tetaura«) benutzt, in welchen man Cocosnussöl brennt; ich habe solche nur in den
Maneap gesehen. Nach Kirby tranken die Kurianer auch aus Schalen aus menschlichen
Schädeln, was vielleicht als seltener Ausnahmsfall vorgekommen sein mag.
4. Wohnstätten.
Siedelungen. Die Gilbertinseln sind das einzige Gebiet Mikronesiens, in welchem
sich die menschlichen Wohnstätten zu wirklichen Dörfern (»Tekawa«) gruppiren, wie
ich dies sonst nur in Melanesien sah (vgl. II, S. [102] und [194]). Das grösste Dorf auf
Butaritari zählte etliche 40 Häuser, gewöhnlich sind die Dörfer aber kleiner und be-
stehen aus 10 — 20 Häusern; zuweilen nur aus drei. Nach Hudson bestand Utiroa, das
grösste Dorf der Insel Tapiteuea, aus circa 3oo Häusern und hatte an 1200 — 1500 Ein-
wohner. Die Siedelungen, stets am Innenrande der Lagune errichtet, so dass sie von der
See aus selten sichtbar werden, stehen ausserordentlich dicht beisammen und liegen oft
kaum mehr als eine Viertelstunde von einander entfernt. An der Lagune von Maraki
reiht sich Dorf an Dorf, die meisten mit einem Gemeindehause, das schon von Weitem
durch besondere Grösse auffällt. Das gibt sehr hübsche Bilder, die an die Heimat
mahnen; denn die grauen Blätterdächer sehen aus, als wären sie von Schindeln, und in
der That fehlt dem Gemeindehause nur ein Thurm, um die Täuschung zu vervollstän-
digen. Die Dörfer sind im Ganzen viel regelmässiger angelegt als sonst, und das Ge-
meindehaus bildet häufig den Mittelpunkt, um den sich die übrigen Häuser in Reihen
gruppiren, wie in kleinen Städten bei uns um das Rathhaus. Dabei herrscht auch
grössere Reinlichkeit, wie gewöhnlich; der Platz um das Gemeindehaus und andere
Häuser ist häufig hübsch geebnet und mit weissem Korallgerölle bestreut. Längs der
Wasserseite mancher Dörfer fand ich eine Mauer aus Korallsteinen errichtet, als Schutz-
wehr gegen feindliche Ueberfälle.
Häuser (»Tebata«) sind in einem für alle Inseln des Archipels giltigen eigen-
thümlichen Style und dabei viel sorgfältiger gebaut, als sonst. Zuweilen stehen die
Häuser hart am Rande der Lagune auf einem Unterbaue aus Korallsteinen, der sie vor
Ueberfluthen bei Hochwasser schützt. Als Material dient vorzugsweise PandanuSy dessen
Blätter auch die Dachbedeckung liefern, doch wird auch Cocospalme verwendet. Die
von Edge-Partington (Taf. 169) abgebildeten Gilbert-Häuser (aber auf Samoa von ein-
[329]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee.
6l
geführten Arbeitern aus den Gilberts gebaut) geben ein total falsches Bild. Die Häuser
auf den Gilberts sind nämlich keine Pfahlbauten, sondern eigentlich nur grosse, auf
niedrigen Pfählen ruhende Dächer aus Pa«iaww5- Blatt, die in der Bauart am meisten
mit den Häusern auf Oatafu der Tockelau-Gruppe (Wilkes, V, S. i) übereinstimmen.
Aehnlich, aber schlechter, scheinen auch die Häuser auf Nukufetau der Ellice-
Gruppe (Edge-Partington, PL i68). Da eine klare Vorstellung nur durch Abbildungen
möglich ist, so muss ich mich auf eine kurze Beschreibung beschränken. Die Länge eines
grossen Gilberthauses beträgt 7 — 9 M., die Breite circa 6 — 7 M., die Höhe bis zum Dach-
firste vielleicht 4 M. Die Firste des Daches (Terau) läuft geradlinig und ist mit Matten
bedeckt; die Giebel fallen in der oberen Hälfte fast gerade, in der unteren schräg vor-
springend ab, zuweilen auch ganz senkrecht. Die Träger dieses grossen Daches sind
nicht eigentlich Pfähle, sondern meist PandanusStammstückey mit drei bis vier Wurzel-
enden, die gleichsam als P'uss dienen, da sich bei dem steinigen Korallgrund Pfähle
schlecht einrammen lassen. Die Seiten des Gebäudes sind offen, können aber je nach
Bedürfniss mit gewöhnlichen Matten aus Cocosblatt verhängt werden. Da die Träger
des Daches meist weniger als einen Meter hoch sind, so muss man sich sehr bücken,
wenn man eintreten will. Im Innern der Hütte läuft etwa in i '/^ M. Höhe ringsum
eine meterbreite Plattform oder erhöhter Flur, auf Querbalken von PandanuSj aus ge-
spaltenen Stäben von gleichem Material errichtet. Dieser erhöhte Flur, welcher zum
Schlafen oder für allerlei Geräth dient, nimmt zuweilen nur die eine Hälfte des Hauses
ein, oder fehlt wohl auch ganz. Ueber dieser ersten Plattform ist in circa i M. Höhe
häufig eine zweite errichtet, eine Art Bodenraum, aus sperrig gelegten PandanusStähtny
der zum Aufbewahren von allerlei Habseligkeiten und Materialien (Matten, Palmrippen,
alten Cocosnüssen u. s. w.) benutzt wird. Das sind die zwei Stockwerke (!), wie sie
von Gilbert-Häusern beschrieben werden. Das Sparrenwerk besteht grossentheils aus
gespaltenen Palmblattrippen oder Pandanus und ist wie das ganze Gebäude mit Stricken
aus Cocosfaser zusammengebunden. Der Fussboden, häufig auch die Umgebung des
Hauses, werden mit Korallgrus bestreut, zuweilen auch um das Haus Platten von
Korallfels, auf die hohe Kante gesetzt, aufgestellt. Eine Feuerstelle enthalten diese
Häuser nicht, wie sie auch keinerlei Verzierung aufzuweisen haben. Zuweilen wird
in besonderen kleinen Schuppen gekocht, oder die Feuerstelle liegt immer abseits des
Hauses im Freien.
Die Bauart der Häuser auf Nawodo stimmt ganz mit der auf den Gilberts überein,
ebenso die auf Banaba, die aber aus Mangel an Pandanus mit Cocospalm blättern ge-
deckt sind (mündliche Mittheilung von Capitän Breckwoldt).
Es gibt auf den Gilberts auch besondere auf Pfählen stehende kleine Nebenhäuser
zum Aufbewahren von Vorräthen (Pö/?rfaw«5-Conserven in Rollen, geräucherte Fische
etc.), die gelegentlich auch zum Schlafen dienen mögen.
Der König von Butaritari wohnte übrigens in einem von San Francisco impor-
tirten sehr hübschen Bretterhause mit Wellblechdach und war besser eingerichtet als
die meisten weissen Händler. Er besass sogar eine eigene Flagge, ein Geschenk der
amerikanischen Firma, mit der er in Verbindung stand. Bei Weitem opulenter soll sein
College auf Apamama eingerichtet sein.
Ziergewächse, wie sie einzeln auf den Marshalls bei den Häusern gezogen werden,
ganz besonders aber in Melanesien die Siedelungen verschönern, habe ich auf den Gil-
berts nicht gesehen. Charakteristisch für die letzteren sind dagegen trockene Sträucher,
an deren Aesten Cocosschalen (mit Wasser und Toddy) aufgehangen werden und die
fct bei keinem Hause fehlen.
62 I>r. O. Finsch. [33o]
Jedes Dorf besitzt auch einen sogenannten Brunnen, d. h. eine Grube, zuweilen
mit Korallplatten ausgesetzt, in welcher sich Grund- oder Regenwasser sammelt, das
aber meist schlecht schmeckt. Hudson sah auf Tapiteuea eine 15 Fuss tiefe Wasser-
grube, für die Kräfte der Eingeborenen immerhin ein bedeutendes Werk.
Gemeindehäuser (oder Versammlungshäuser), »Maneap«, wie sie fast die meisten
Dörfer besitzen, gehören ebenfalls zu den charakteristischen Eigenthümlichkeiten der
Gilbert-Inseln und mit zu den bemerkenswerthesten Bauwerken Mikronesiens über-
haupt. Das Maneap stimmt in der Form und Bauart übrigens ganz mit einem Hause
überein, nur fehlt die innere Einrichtung von Plattformen oder erhöhten Fluren, und
die Dimensionen sind oft gewaltige. Das grosse Maneap in dem Dorfe Okianga auf
Butaritari, welches ich mass, war iio Fuss lang, 65 Fuss breit und 52 Fuss hoch, das
im Dorfe Butaritari selbst sogar 250 Fuss lang und 114 Fuss breit. Von letzterem sah
ich nur noch die Trümmer; der cyklonartige Sturm im Jahre 1876 hatte es umgeweht.
Kein Wunder, denn auch diese gewaltigen Bauten verbindet kein Nagel, keine einge-
falzten Balken, sondern nur Strickwerk aus Cocosfaser, und die Grundpfeiler und Träger
des gewaltigen Daches sind nicht eingerammt. Das Dach ruht seitlich auf 1*44 M.
hohen, circa i M. breiten und circa 20 Cm. dicken Platten von Korallfels, von welchen
das Maneap in Okianga an der Längsseite neun, an der Schmalseite fünf zählte. Diese
Platten bestehen aus einer Art Conglomerat und finden sich lose auf dem Aussenriff,
so dass sie oft ziemliche Strecken weit transportirt werden müssen. Zwischen diesen
Trägern aus Korallfels sind noch andere aus Balken, zum Theil in einen Fuss aus
Korallfels eingesetzt, angebracht, meist natürlich gekrümmte Palmstämme, welche das
etwas gewölbte Dach seitlich stützen, und, wie alles Balkenwerk, meist unbehauen. In
der Mitte ruht das Dach auf Palmstämmen als Pfeiler. Das Maneap von Okianga be-
stand aus drei Reihen von Je fünf Pfeilern oder Säulen, die den kunstvollen Dachstuhl
trugen. Seitenstreben halten die Säulen untereinander und sind mit den Hauptträgern
des Daches verbunden. Das letztere besteht, wie immer, aus Panda nus-Elatt und ist
auf der Firste mit Cocospalmblättern belegt, die wegen ihrer Schwere besseren Schutz
gegen den Wind gewähren.
Der Fussboden des Maneap besteht aus weissem Korallgrus; auch werden Matten
zum Sitzen ausgebreitet. Als Schmuck sah ich nur Palmwedel und Eiermuscheln (Ovula
ovum)y die Hudson auch von Tapiteuea erwähnt. Die Pfeiler des grossen Maneap
waren hier schwarz, die desjenigen auf Tarowa roth angestrichen; letztere Farbe war
aber importirt. Treffliche Abbildungen des Maneap auf Tapiteuea, ganz übereinstim-
mend mit denen, wie ich sie auf den nördlichen Inseln sah, gibt Wilkes (V, S. 52 von
aussen und S. 56 von innen).
Wenn man die ungeheure Mühe bedenkt, welche allein das Herbeischleppen des
Materials, darunter der gewaltigen Korallplatten verursachte, so wird man den Vorwurf
der Faulheit, welcher diesen Eingeborenen so leicht gemacht wird, gewiss zurück-
nehmen. Ganz abgesehen von dem Fleiss und der hohen Entwicklung einer primitiven
Baukunst, wird man vor Allem auch den Gemeinsinn und die Ausdauer dieser »Wil-
den« bewundern müssen. Freilich sind diese Riesenbauten zum Theil wohl mit unter
dem Druck der Häuptlingsmacht entstanden, wie sie früher an manchen Orten herrschte.
An dem Maneap von Okianga wurde vier, an dem eingestürzten Riesenmaneap, dem
grössten des ganzen Archipels, sogar sechs Jahre gebaut, und man ging damit um, es
wieder aufzubauen, da ja die Korallpfeiler noch standen. Wie verschwindend sind
gegenüber diesen heidnischen Leistungen die Kirchenbauten der christlichen Einge-
borenengemeinden, meist nicht mehr als ein grosser Schuppen oder Stall. Die Kirche
[33i]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
63
auf Butaritari war 40 Fuss lang und 20 breit und die einzige aus Brettern gebaute im
ganzen Archipel. An dem neuen Kirchlein aus Korallstein baute man schon drei Jahre,
und ich fürchte, es wird nie fertig geworden sein.
Die Maneap haben nichts mit religiösen Zwecken zu thun, wofür sie die Mission
so gern benutzt hätte, sondern dienen nur öffentlichen Angelegenheiten, Lustbarkeiten,
zum Empfange und als Schlafstätte von Besuchern und Junggesellen. Mit dem Tritons-
horn werden die Männer zu den Versammlungen über Gemeindeangelegenheiten ins
Maneap gerufen, wo jeder seinen bestimmten Platz einnimmt. Auch unsere »Einwan-
derungsagenten« begaben sich stets zuerst ins Maneap, um »freie« Arbeiter anzuwerben,
und es entwickelten sich dann Scenen, wie sie der Stahlstich in Wilkes' Reise (V, S. 56)
sehr anschaulich darstellt. Weit lebhafter geht es bei den Festen zu, welche im Maneap
zuweilen mehrere Hundert Personen beiderlei Geschlechts zu Tanz, Gesang und Trink-
gelagen vereinen.
In grösseren Dörfern lernte ich übrigens eigene Versammlungshäuser für Frauen
kennen, bedeutend kleiner als die Maneap, aber grösser als Wohnhäuser, in welchem
das weibliche Geschlecht und Kinder, meist mit Mattenflechten, beschäftigt war.
Nawodo besitzt keine Maneap; wohl aber kommen solche, indess meist kleiner,
auf Banaba vor (Capitän Breckwoldt). Sehr ähnlich den Maneap der Gilberts, aber
durch oblonge Form verschieden, sind die >Tui-tokelau« der Union- oder Tockelau-
Gruppe, wie ein solches Wilkes (V, S. 14) von Fakaafo abbildet, die aber mehr reli-
giösen Zwecken zu dienen scheinen. In Mikronesien entsprechen nur hinsichtlich ihres
Zweckes die »Bai« der Pelauer und »Fei« auf Mortlock den Maneap, unterscheiden
sich aber durch ganz abweichenden Baustyl. Dasselbe gilt für die grossen Versamm-
lungshäuser (Fale-tele«) auf Samoa, die »Runanga« der Maoris und die verschiedenen
Arten Junggesellen- oder Tabuhäuser in Melanesien (II, S. [195]).
Ich will hier noch besondere Wasserbauten erwähnen, die ich auf Butaritari sah
und welche den früher herrschenden Fleiss bezeugen. Es waren nämlich hier an einigen
Stellen von einer Insel zur anderen oft beträchtlich lange Dämme aus Korallsteinen und
Geröll aufgeschüttet, so dass man auf denselben selbst bei Hochwasser trockenen Fusses
von einer Insel des Atoll zur anderen kommen konnte.
5. Hausrath
ist nur gering und darunter trefflich geflochtene Matten (»Teki« oder »Tedjiet«) zum
Schlafen, respective zum Zudecken, das nothwendigste Requisit.
Teka-unida (Nr. 194, 195, 2 Stück), Schlafmatte, feine Flechtarbeit aus sehr
schmalen Streifen von Pandanus-hl^aXl. Tarowa.
Die Matte Nr. 194 ist noch nicht vollendet und äusserst instructiv, um die müh-
same und geschickte Arbeit zu zeigen. Solche Matten sind von sehr verschiedener
Grösse, zuweilen enorm gross (7 M. lang und 5 M. breit) und ebenso verschieden in
Güte und Feinheit der Arbeit, erreichen aber nicht den Grad der Vollkommenheit ge-
wisser polynesischer Erzeugnisse. Unter den letzteren stehen die oft riesig grossen
Schlafmatten (aus Pandanus) von Rotumah obenan, welche in Sidney mit 20 — 3o Mark
bezahlt werden. Aus gebleichten helleren und ungebleichten dunkleren Blattstreifen
werden auch auf den Gilberts solche Matten zuweilen in carrirtem feinen Schachbrett-
muster verfertigt. Die Basis der Blattstreifen bleibt häufig als Rand stehen und bildet
eine mehr oder minder gefranste Kante.
64 ^r. O. Finsch. [332]
Nach Weisser soll jede Insel ein eigenes Muster besitzen, aber ich möchte dies be-
zweifeln. Einmal sind die Muster überhaupt einfach und im Ganzen selten, und dann
habe ich von derselben Frau verschiedene Muster flechten sehen. Es wird daher wohl
kaum möglich sein, an dem Muster zu erkennen, ob eine Matte auf Tarowa oder
Apainang u. s. w. verfertigt wurde.
Zum Aufbewahren von Matten sah Hudson grosse aus Latten von Pandanus-
Holz gefertigte Deckelkisten, die den einzigen Hausrath im Maneap auf Tapiteuea aus-
machten (vgl. Wilkes' Abbild., V, S. 156).
»Teka-maireri«, Matten zum Bedecken beim Schlafen, sind meist schmäler (circa
2 M. lang und bis 5 M. breit) und werden häufig von mehreren Schläfern gleichzeitig
benutzt.
Selbstredend werden die Matten nicht blos in, sondern auch ausserhalb der Häuser
und nicht blos zum Daraufschlafen, sondern auch zum Daraufsitzen benutzt. Sie sind
daher namentlich in den Versammlungshäusern (»Maneap«) unentbehrlich, denn auf
solchen Matten sitzend, werden die Rathsversammlungen abgehalten.
Zum Abfegen derselben bedient man sich:
Tedaubar^, Tauberi (Nr. 115, i Stück), Handbesen, circa 50 Cm. lang, aus
den feinen Reisern, welche die Rippen (»Tenuk«) der Fiedern des Blattes der Cocos-
palme liefern, zusammengebunden. Tarowa.
Derartige Besen waren übrigens selten und wurden nur von einzelnen, anschei-
nend angesehenen Männern unter dem Arme getragen, die sorgfältig den Platz fegten,
auf den sie sich setzen wollten, wurden aber auch als Fliegenwedel') benutzt. Zu dem-
selben Zwecke erwähnt Hudson auch Fächer von Tapiteuea.
Als Kopfkissen, die übrigens keine
FJg- 10. Nothwendigkeit sind, genügt gewöhnlich
ein runder Stamm vom Pandanus-^dMmy
wie er sich in den meisten Häusern, auch
in den Maneap findet, aber ich erhielt auch
besondere Kopf unterlagen (wie Fig. 10)
aus Brotfruchtbaumholz geschnitzt. Das
Stück ist flach, sattelförmig ausgehöhlt,
circa 45 Cm. lang, 24 Cm. breit, mit einer
runden Handhabe an jeder Seite, hinten
12 Cm., vorne nur 2 Cm. hoch. Maraki.
Zum Verwahren von Esswaaren oder
'der wenigen Habseligkeiten werden Körbe benutzt. Dieselben sind sehr verschieden,
wie die folgenden Nummern zeigen.
Tubeine (Nr. 106, i Stück), grosser Korb aus Cocospalmblatt geflochten. Tarowa.
Die Anfertigung derselben ist eine sehr einfache und macht wenig Mühe. Man
spaltet ein Palmblatt in der Weise, dass ein schmälerer oder breiterer Rand der Mittel-
Kopfunterlage.
Maraki.
V« natürl. Grösse.
I) Sehr verschieden sind die Fliegenwedel von Samoa. die in der Form ganz mit den
Fliegenwedeln aus Pferdehaar übereinstimmen, wie sie bei uns im Stall gebraucht werden. Sie be-
stehen aus einem circa 34 Cm. langen runden Stock, an dessem Ende ein dichtes BQschel Pflanzen^
fasern geflochten ist. Dieselben erreichen eine Länge von 36 Cm. (sind also für Cocosnusspalme zu
lang) und an der Basis bündelweise (zu 20 — 3o einzelnen Fasern) sehr kunstvoll zusammengeflochten.
Im Kat. M. G., S. 210, als »Hoheitszeichen des Häuptlings oder Redners« und im Anthrop. Album
(Taf. 6y Fig. 238) in der Hand eines Mädchens, aber von Tonga, abgebildet. Diese Wedel werden in
Samoa zum Abwehren der Fliegen und Fächeln auch gern von hier ansässigen Weissen benutzt.
[333]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee.
6s
rippe mit den daran festgewachsenen Fiedern erhalten bleibt, und flicht die letzteren
kreuzweise ineinander, häufig so, dass in der Mitte oder seitlich ein Henkel angeflochten
wird. Diese Körbe haben meist eine länglich - viereckige Form oder sind unten ab-
gerundet, überhaupt sehr verschieden, ebenso in der Grösse, letztere oft bedeutend. Sie
dienen den verschiedensten Zwecken (zum Tragen von Cocosnüssen, Fischen etc.) und
halten nicht lange. Lasten werden übrigens, um dies noch zu bemerken, an einer Stange
auf der Schulter zweier Personen getragen.
Filetgestrickte Beutel, wie sie in Melanesien jedem Manne unentbehrlich sind (vgl.
II, S. [112] und [206]) kennen die Gilbert-Insulaner nicht; doch erhielt ich von Banaba
ein kleines, aus Cocosgarn grobmaschig gestricktes Säckchen oder Täschchen — 9 Cm.
lang (Nr. 685 der Sammlung). Bei den geringen Habseligkeiten tragen die Männer auch
nur selten ein Handkörbchen mit sich, da für die noth wendigsten Requisiten, ein Stück
Tabak und die Pfeife, ja die durchbohrten Ohrläppchen zum Unterbringen genügen.
Neben den groben Flechtarbeiten aus Palmblatt verstehen die Frauen ausser-
ordentlich feine Deckelkörbchen zu flechten, wozu das feinere Material des Pandanus-
Blattes benutzt wird, und die mit zu den charakteristischen Erzeugnissen der Ethnogra-
phie der Gilberts zählen.
Taping (Nr. iio — 112, 3 Stück), Handkörbchen mit Deckel für Frauen; feine
Flechtarbeit aus sehr schmalen Streifchen von Pandanus-^l^XX, Tarowa.
Diese Körbchen gehören mit zu den besten Flechtarbeiten überhaupt und sind oft
sehr kunstvoll. Mannigfach wie die äussere Form (viereckig, rund, viereckig-hoch,
länglich-rund oder viereckig, dabei flach, oder unten viereckig und oben rund) ist die
innere Einrichtung in besondere Fächer und Täschchen, wodurch diese Körbchen sich
besonders auszeichnen und eine für die Gilbert-Inslen charakteristische Eigenthümlich-
keit erhalten. Diese meist mit runden oder viereckigen Deckeln versehenen Körb-
chen sind den Necessaires unserer Damen zu vergleichen und dienen den Schönen der
Gilbert-Inseln zu denselben Zwecken, um allerlei nützliche und überflüssige Kleinig-
keiten aufzubewahren. Schnüre aus Cocosfaser, in die häufig, wie auch in die Körb-
chen selbst, das für die Gilbert- Inseln charakteristische Menschenhaar eingeflochten ist,
verschliessen den Deckel und sind zugleich Tragbänder. Solche Körbchen werden auf
allen Inseln der Gruppe verfertigt; ich erhielt welche von Butaritari bis Tapiteuea, so-
wie von Nawodo (Pleasant-Isl.), aber auch in diesem Genre verfertigt man verschiedene
Formen auf ein und derselben Insel.
Ganz übereinstimmende Formen zeigen die Deckelkörbchen, wie sie Wilkes (III,
S. 202) von Fidschi abbildet; die Vignette (V, S. 75) zeigt auch ein solches von Tapi-
teuea.
6. Werkzeug.
Aexte. Zu Hudson*s Zeiten (1841) waren kleine Stückchen Bandeisen noch sehr
begehrt, vierzig Jahre später besass fast jeder Eingeborene bereits eiserne Geräthschaften,
und ich konnte von den eigenthümlichen Aexten der Eingeborenen — »Tidagagaro«
grosse, »Waidebubu« kleine — auch nicht ein Fragment mehr erlangen. Wood und
Kirby gedenken des wichtigsten Geräthes der Steinzeit mit keinem Worte; aber der letz-
tere behauptet, dass in Treibholzstämmen Steine (Basalt) antreiben, welche von den
Eingeborenen »zu verschiedenen Zwecken« benutzt werden (Wilkes, V, S. 105).
Wenn die dicksten dieser Stämme bis zwei Fuss im Durchmesser angegeben werden, so
ist wohl nicht gut möglich, dass nach einer Reise von Neu-Seeland (über 2000 See-
meilen), woher die Stämme kommen sollen, noch Steine von 8 — 10 Zoll Durchmesser
Aanalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 1, 1893. 5
66 Dr. O. Finsch. [334]
zwischen den Wurzeln erhalten bleiben. Es könnte sich in einzelnen günstigen Fällen
höchstens um sehr kleine Steine handeln, die auf diese Weise in den Besitz der Atoll-
bewohner gelangen. Ich habe auf meinen Reisen viel Treibholzstämme gesehen und
untersucht, aber sie waren immer von den Wellen so stark mitgenommen, dass sie wie
bearbeitet aussahen und nur die grössten Wurzelständer zum Theil noch erhalten waren.
Das British Museum besitzt allerdings Aexte mit Basaltklingen, in der Form fast ganz
mit solchen von Tahiti und der Hervey-Gruppe übereinstimmend, die mit »Kingsmillt
bezeichnet sind, aber diese Angabe ist jedenfalls unrichtig. Im British Museum sah ich
dagegen Axtklingen aus Tridacna von den »Gilberts«, und das wird wohl correct sein.
Aexte mit 7rfJ<ic/ia-Klingen bekam ich auch von Nanumea (EUice-Gruppe); Wilkes
erwähnt solche von Otooha (Paumotu). Sonstige Werkzeuge aus der früheren Zeit er-
hielt ich nur wenige; sie waren wohl auch nie mannigfaltig.
Als Hammer benutzt man kurze, runde Knüppel von Eisenholz fMangrove)^ ohne
besondere Bearbeitung; zum Bohren spitze Muschelstücke (Pterocerasj^ wie auf den
Marshalls. Ich erhielt nur ein hierher gehöriges Stück:
Bohrer ^Nr. 34, i Stück") aus einem Stück Schildkrötenknochen (Tarowa 1, schon
deshalb sehen, weil Schildkröten auf den Gilberts nicht häufig vorkommen. Drillbohrer,
wie die der Marshall-Inseln, habe ich auf den Gilberts nicht gesehen, doch mögen solche
bekannt sein.
Raspeln« in der weitverbreiteten Form, wie wir dieselbe bereits aus Melanesien
(11, S. [115]* kennen, Hnden sich auch auf den Gilberts.
Temino ^^Nr. 36 und 37, 2 Stück^, Raspeln, bestehend aus einem schmalen
flachen Stück Holz, das mit Rochenhaut überzogen ist. Tarowa.
Solche Raspeln sind bis 32 Cm. lang und 5 Cm. breit; übrigens sehr verschieden
in Grösse. Die bis i-3o M. lange dünne Schwanzflosse eines Stachelrochen, wie sie
f Kai. M. G., S. 273, Nr. 1681» als >Raspelnc aufgeführt werden, sind keine solchen; da-
seien sah ich die rauhschali^e Teilt na rusrosa L. als solche benutzen.
Ein zum Dachdecken unentbehrliches Geräih ist:
Tcju iNr. 43, I Stück", Pfriemen aus Knochen iwohl vom Menschen\ 29 Cm.
lan^. Tarowa.
Dient zum Durchstechen der PanJanus-Bllncr^ um diese auf ein dünnes Stäbchen
zu reihen. Andere derartige Instrumente inur iS Cm. lan^' bestanden aus anderem
MateriaL anscheinend Rückenslachel eines Fisches. Einen circa 14. Cm. langen Pfriemen,
wahrscheinlich aus Menschenknochen, erhielt ich von Banaba.
7. MjiieTißechten iriJ Geriith,
Die einziiTe Industrie, soweit von einer solchen überhjur*t die Rede sein kann, be-
steht in der Anrer::cun4: ^osser Matten S. 63 33 1 , Nr. ic-t , ein Gewerbe, das ledi^rlich
vv^ra weiblichen Geschlecht betrieben wird und auf einer h.^hen Sr^re der Enrwncklung
steht. Sv^Iche Matten bilden den haurtsacrlichsten Tauschart: vel im Verkehre mit Schilfen.
Das ■aterial 3U diesen Flechtarbeiten ist ausschliesslich P^^zJ^nus-Bl^tt .,>Tebar-
ni\aia* , und zwar :ur feinere Arbeiten 'ur.«:e Bllitter.
Tcira Nr. ico, i Sruck , Probe zubereiteten r^ti-T:»c. Blattes: ein Streif in
natürlicher Lan^e bis i*^o M. lar^:'. Tarowa,
»* ^ ^
Die uro.stiniliche ur.d ro.ühevolle Zuberciturjt wird vor. Kirby Wildes, V, S. 94'
ausführlich Seschrieben, und ich werde in dciv. A^sch:":tte >Mir^':alI-in^>eIn< davon zu
st^rechen hären. Hi.r sei nur noch erwähnt, vta>s vi.e v» .ocrt-Io.sdaner nicht zu rarben
J
[335]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee.
67
verstehen. Die Muster, welche zuweilen in Matten vorkommen, entstehen durch die
Verschiedenheit des verwendeten Materials (braun von alten Blättern, gebleichte von
jungen Blättern). Die schwarzen Muster kleinerer Flechtarbeiten sind aus Menschenhaar
entweder eingeilochten oder aufgenäht (gestickt).
Geräthschaften gibt es sehr wenige, da bei der Flechterei nur zwei Geräthe nöthig
sind, von denen das folgende kaum diesen Namen verdient :
Teburre (Nr. 191, 192, 2 Stück), Schneidemuschel (Pinna vexillum Born), deren
dünne scharfe Schale (oder Längssplitter derselben) zum Spalten des Pan^a/iu^-Blattes
benutzt wird. Tarowa.
Zum Flechten selbst gehört ein:
Te baba (Nr. 188, i Stück), Flechtbrett (Tarowa), welches dazu dient, die
beiden Reihen von schmalgespaltenen Pandanus-^ilvtiitn auseinander zu halten.
Solche Flechtbretter, meist aus Holz des Brotfruchtbaumes gearbeitet, sind flach,
länglich-viereckig oder länglich-oval, sanft gebogen, 64 Cm. bis i M. lang und meist
nicht über 32 Cm. breit und 25 — 50 Mm. dick. Auf der einen Seite eines solchen
Flechtbrettes war die Figur eines Schiffes (Schuners) eingeschnitten, was als einziger
moderner Kunstversuch in Schnitzerei oder Gravirung hier erwähnt sein mag. Ein an-
deres Flechtbrett von Tarowa (92 Cm. lang und 32 Cm. breit) bestand aus Walfisch-
knochen, und zwar dem dünnen und flachen Basistheil des Unterkiefers vom Spermwal
(Pliyseter), stammte also jedenfalls noch aus sehr alter Zeit her.
Seilerei ist vorzugsweise Männerarbeit. Als Material zu Stricken und Bindfaden
wird benutzt:
Tekarai (Nr. 134, eine Probe), Bast von Hibiscus (Tarowa) oder noch häufiger
(Tebanu) die Faserhülle der Cocosnuss, aus welcher zumeist die Stricke zum Hausbau,
sowie die Fischnetze verfertigt werden. Die Fabrication von hübschen dichten und
dicken Fussmatten aus Cocosfaser, die ganz wie solche bei uns gearbeitet sind, ist durch
Seeleute auf einigen Inseln, namentlich Nawodo, eingeführt worden. Solche Fussmatten
sind ebenfalls Gegenstand des bescheidenen Tauschhandels.
(?. Fahrzeuge und Verkehr,
Die Fahrzeuge der Gilbert- Insulaner bilden einen eigenen Typus, wie ich ihn
sonst nirgends in der Südsee angetroffen habe. In Bezug auf Construction und mühe-
volle Arbeit nehmen diese Fahrzeuge mit den ersten Platz ein und liefern, neben Haus-
bau und Tarocultur, einen weiteren Beweis von dem ungeheuren Fleiss und der Aus-
dauer, wie sie früher herrschten. Schon der Mangel an passendem Bauholz vermehrt die
Schwierigkeiten, denn da der Brotfruchtbaum nur äusserst spärlich vorkommt und Fan-
danus gänzlich untauglich zum Schiffbau ist, musste man zu dem sehr harten Holze der
Cocospalme greifen. Aber der schlanke Stamm dieses Baumes liefert keine grossen
Kielstücke, wie sie sonst die Basis und mit einen Haupttheil der Canus bilden, sondern
man rauss ihn in Bretter spalten, von denen nach Hudson ein Stamm nicht mehr als
zwei liefert. Wie diese Bretter verfertigt wurden, habe ich nicht in Erfahrung gebracht,
aber da man keine Sägen, sondern nur Muscheläxte hatte, so lässt sich begreifen, wie enorm
die Mühe und Arbeit der Verfertigung eines solchen Canu früher gewesen sein muss.
Sehr gern werden Bretter von gestrandeten Schiffen, die auf den Gilberts jedenfalls häufi-
ger sind als Treibholz, verwendet, aber ich habe solch fremdes Material doch im Ganzen
selten gesehen und nur als geringe Zugabe des einheimischen. Zur Befestigung der Bretter
sind Rippen erforderlich, wodurch sich die Fahrzeuge der Gilbert-Insulaner allein schon
5*
68
Dr. O. Finsch.
[336]
wesentlich von den sonst in Mikronesien gebräuchlichen unterscheiden und eine hoch-
stehende Technik bekunden. Diese Rippen bestehen aus natürlichen, in einem spitzen
Winkel gebogenen Aststück (wohl von Eisenholz) und ruhen auf einer dünnen Latte
als Kielstück, mit der sie unten verbunden sind, wie oben mittelst Querhölzern. Auf
diese Weise entsteht das Gerippe, welches nun mit Brettern verschiedener Grösse be-
kleidet wird. Zum Dichten der Fugen dienen Streifen von Pandanus-Elatl, zwischen
die Nähte eingelegt. Diese Bretter sind meist aus Palmholz, 70 Cm. bis i M. lang,
circa 3o Cm. breit und circa 15 Mm. dick. Die dem Ausleger entgegengesetzte Seite
ist mehr oder minder flach, die andere mehr bauchig gebaut, aber diese Ungleichheit
der beiden Seitenflächen tritt nicht so auffällig hervor als bei den Marshall-Canus, die
überdies total verschieden sind, unter Anderem einen viel schwereren, ganz abweichend
construirten Ausleger haben. Die Befestigung der Bretter, wie sämmtlicher Bestand-
theile des Fahrzeuges, geschieht nur mittelst Stricken, die durch Bohrlöcher gezogen
Fig. II.
Theil eines Canu.
Tarowa.
und festgebunden werden. Die beigegebene Textfigur 11 wird dies veranschaulichen
und zugleich eine Idee von der ungeheuren Menge von Bohrlöchern geben, die erfor-
derlich sind.
Das Canu trägt in der Mitte ein Auslegergeschirr aus drei langen Querstangen mit
einem parallel mit dem Schißskörper laufenden langen Auslegerbalken, der an jedem
Ende stumpf zugespitzt, unterseits kielförmig gezimmert ist. Die Querstangen, welche
an der anderen Seite nicht über den Schiffsrumpf vorragen, sind an zwei- oder drei-
gabelige senkrechte Aststücke, letztere wiederum mit Strick an den Auslegerbalken fest-
gebunden. An der Basis der Querstangen ist aus Brettern häufig eine Plattform errich-
tet, oder eine solche aus Leisten hergestellt, die über die ganze Länge der Canus laufen
und so eine Art Seitendeck über das ganze Fahrzeug bilden. Der Mast (»Aniang«), zu-
weilen wegen Mangel an passendem Holz aus zwei bis drei Stücken zusammengebunden,
wird in der Mitte des Canu in eine Nabe eingesetzt. Eine zweite Nabe ist am Ende
desselben angebracht und dient zum Einsetzen eines Baumes (Raae) für das Segel, das
ausserdem noch durch einen zweiten Baum ausgespannt wird. Das Segel (»Tia«) ist
[337]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
69
ein sogenanntes lateinisches, also dreiseitig und besteht aus grobem Mattengeflecht von
PandanuS'BlaXi. Das Tau zum Hissen des Segels läuft durch ein Loch unterhalb der
Mastspitze. Am hinteren Ende des Canu ragt ein gabeliges Aststück wagrecht vor,
das zum Einlegen des Ruders dient. Das letztere ist ein Riemen von 2*10 M. Länge, mit
flachem, 1*24 M. langem und 10 Cm. breitem Blatt.
Das Manövriren mit dem Segel geschieht übrigens ganz in der Weise wie überall
und wie ich es bei den Marschall-Inseln beschreiben werde.
Diese grossen seetüchtigen Canus (9Baurua«) gehören mit zu den besten Erzeug-
nissen der Schiffsbaukunst*) Oceaniens und übertreffen in zierlicher Bauart selbst die
berühmten Fahrzeuge der Marshallaner. Nach Wood gibt es auf Makin an 60 Fuss
lange Canus; die grössten, welche ich sah, waren nur wenig mehr als halb so lang und
ich lasse hier die Masse eines ziemlich grossen von Tarowa folgen:
M. M.
Ganze Länge 7. —
Breite 0*565
» innen (Lichtweite) . . . 0-54
Höhe aussen 075
> innen 0*64
Länge der Querhölzer des Aus-
legergerüsts 3*o6
Dieselben stehen an der Basis von
einander entfernt .... 070
098
3'io
Entfernung derselben am Ende, wo
sie mit dem Ausleger verbunden
sind
Länge des Auslegerbalkens (Balan-
ciers I •*«■.....
Breite desselben 0*15
Dicke > 014
Länge der Plattform 2-10
Breite derselben 0*67
Höhe des Mastes 4*50
Solche grosse Canus, die an 3o Personen und mehr tragen und lediglich Kriegs-
zwecken dienten, gibt es im Ganzen wenige, Hudson verbrannte in Utiroa auf Tapi-
teuea etwa ein Dutzend, und doch besass dieses stark bevölkerte Dorf (circa 1200 bis
1500 Einwohner) damals (1841) an i3o Fahrzeuge, einige für 10 — 15, die meisten für
4—5 Personen tragfähig. Diese letzteren sind die gewöhnlichen:
»Toa< oder Fischerfahrzeuge, wie sie meist auf der Lagune und in der Regel von
drei Personen benutzt werden. Sie führen Mast und Segel, sind ganz so gebaut wie die
grossen Canus, nur ist der Ausleger etwas hinter der Mitte eingesetzt.
Der Typus des vorher beschriebenen Canus ist auf allen Inseln des Archipels der-
selbe, ebenso auf Nawodo (hier aber ohne Segel) und weicht sehr von dem der Nach-
bargruppen ab. Die grossen Canus der Marshall-Inseln stimmen, wie erwähnt, fast ganz
mit dem central-carolinischen überein. Das Fahrzeug der Ellice-Gruppe, wie es Hudson
von Funafuti beschreibt (Wilkes, V, S. 38), besteht nur aus einem ausgehöhlten Baum-
stamm mit aufgelaschten Seitenborden und Ausleger. Die Canus hier führen kein Segel,
wohl aber die von Nukufetau derselben Gruppe.
Ganz solche Canus fand ich auf Njua oder dem Atoll Ontong-Java (Finsch:
Zeitschr. f. EthnoL, 1881, S. 114), hier ohne Segel, und ebenso beschrieb mir Capitän
Breckwoldt die Canus von Banaba, die zwar ein kleines Mattensegel führen, aber nicht
seetüchtig sind. Das Canu von Tikei (Romanzoff-Insel) der Paumotu-Gruppe besteht
ebenfalls aus einem Baumstamme mit Ausleger (Choris, PI. XI, Fig. i).
I) Bei den damals herrschenden Wirren gelang es mir, auf Maraki ein schönes Canu mit allem
Zubehör zu erwerben, das ich für das Berliner Museum bestimmt hatte. Leider konnte ich nicht
verhindern, dass dasselbe in der Nacht heimlich zu Feuerholz zerhackt wurde, aus Mangel an Platz,
^^ie es hiess, was ja bei der thatsächlichen Ueberfüllung des Werbeschififes (s. S. 22 [290], Anm.) ge-
wisse Berechtigung hatte. Ein Canumodell von Peru ist im Kat. M. G. (S. 269) verzeichnet.
70
Dr. O. Finsch.
[338]
Aus einzelnen Brettstücken zusammengebundene Canus finden sich übrigens nicht
blos auf den Gilberts, sondern, wenn auch stets in abweichender Form, noch auf an-
deren Inseln. So auf Meschid der Marshall-Gruppe, auf Tongareva (Penrhyn), nach
Wilkes (IV, S. 279) die grössten Canus von allen niedrigen Inseln, aber ohne Segel (ab-
gebildet: Choris, PI. XI); auf Samoa (Wilkes, II, S. 143, Abbild.), auf Fakaafo der
Tockelau-Gruppe, die in Bauart ganz mit samoanischen übereinstimmen (Wilkes, V,
S. II, Abbild.); ebenso sind die Doppelcanus') von Ootafu derselben Gruppe aus ein-
zelnen Breitstücken zusammengebunden. Dieselbe Technik wird von den Canus der
Oster-Insel beschrieben, deren eigenthümliche Bauart wir bildlich nur durch Choris
kennen (PI. X, Fig. 2 ohne Ausleger, Fig. i mit doppeltem Ausleger, einen an jeder
Seite, was mir sonst in der ganzen Südsee nur in der Torresstrasse vorkam).
Nach Wood bildeten Zimmerleute damals eine hochansehnliche Zunft und standen
meist im Dienst der Häuptlinge. Ein Canu für 6 — 10 Personen erforderte eine Bauzeit
von 5 — 6 Monaten und wurde in »Teduai«, d. h. Pandanus-Conservc in Rollen
(S. 51 [319]) bezahlt.
Die Ausrüstung der Canus besteht in sehr Wenigem, darunter als unumgänglich
noth wendiges Geräth der:
Wasserschöpfer (Nr. 181, i Stück), schmal und lang, mit Handhabe
Fig. 12. (42 Cm. lang, 372 Cm. breit) aus Pandanus-Holz. Tarowa.
Bei den vielen Näthen, die trotz der zwischengelegten Blattstreifen
stets undicht bleiben, dringt natürlich viel Wasser ein, so dass fortwähren-
des Ausschöpfen erforderlich wird. Ausser Wasserschöpfern enthält das
Canu meist weiter nichts als Wasservorrath in einigen Cocosnussschalen,
ein paar Steine zum* Zerschlagen der Ködermuscheln (für Fischer), einige
Körbe zum Aufbewahren der Fische oder Lebensmittel und als moderne
Zugabe eine (europäische) Holzkiste mit Sand zum Auf bewahren von Zunder.
Die Paddel, welche häufig zum Fortbewegen dieser kleinen Canus be-
nutzt werden, zeichnen sich durch eigenthümliche Form aus. Sie sind nicht,
wie sonst meist üblich, aus einem Stück, sondern das länglich-ovale Blatt
(zu Hudson's Zeit zuweilen aus einer Schildkrötenschale, jetzt häufig aus
dem Deckel einer Ginkiste), ist an einen Stock festgebunden, wie Textfig. 12
und Figur bei Wilkes^) (V, S. 49). Hier zugleich eine bis auf Einzelheiten
des Auslegers correcte Skizze eines gewöhnlichen Canus von Tapiteuea,
welche die vollständige Uebereinstimmung in Form und Bauart mit den
Fahrzeugen der nördlichen Inseln zeigt.
Paddel. Verzierungen fehlen den Canus der Gilbertinsulaner; zuweilen sind
Apaiang. einige Eiermuscheln (Ovula ovum) am Bug, oder bei grösseren Fahrzeugen
in Längsreihen an den Bordseiten angebracht, wie die gleiche Muschel zu
dem gleichen Zwecke auch anderwärts benutzt wird. So z, B. auf Yap (Journ. M. G.,
Heft 2, S. 19, Taf. III), Fidschi und auf den Salomons.
J) Diese eigenthümlichen Canus, bei denen das eine kürzere Canu nur als Ersatz des sonst
üblichen Auslegers zu betrachten ist, finden sich auf verschiedenen Inseln (Anaa oder Chaine-Isl. der
Paumotu-Gruppe: Wilkes, I, S. 327, Abbild.; Tonga: ibid., III, S. i, Abbild.; Hawaii: Choris, PI. XIII)
sind aber keineswegs specifisch polynesisch. So besass Samoa keine Doppelcanus, dagegen das mela-
nesische Fidschi fast nur solche (Wilkes, III, S. 54, Abbild.), wovon ich schöne Modelle auf der Colonial-
Ausstellung in London sah.
2) Das auf der Vignette S. 75 abgebildete Paddel ist nicht von den Gilberts, sondern von der
Hervey-Gruppe (Mangaia).
[33g1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. ^I
Grosse Canus werden in besonderen niedrigen, mit Pandanus-Elatt gedeckten
Schuppen untergebracht, deren Dach in der Mitte der einen Seite weit vorspringt, um
auch den Ausleger gegen den schädlichen Einfiuss der Sonne zu schützen. Der grösseren
Schwere dieser Canu wegen erfordert es besonderer Vorkehrungen, um sie zu Wasser zu
bringen. Es werden zu diesem Zwecke Matten und darauf in gewissen Abständen
Abschnitte von Palmrippen gelegt, auf denen man das Canu ins Wasser der Lagune
schiebt.
Der Seeverkehr der Gilbert-Insulaner untereinander ist nicht erheblich, da eigent-
liche Handelsreisen nicht unternommen werden, und beschränkt sich mehr auf die Nach-
barinseln, die ja alle ziemlich nahe bei einander liegen. So beträgt die Entfernung
zwischen Butaritari und Maraki, deren Bewohner sich zuweilen besuchen, nur 70 See-
meilen. Häufig ist aber die Veranlassung dieses Verkehrs keine friedliche, wie Apaiang
und Tarowa (10 Meilen Distanz) meist in Fehde leben. Die Bewohner der südlichen
Inseln haben keine Verbindung mit den nördlichen oder umgekehrt, kennen aber ihre
Inseln zum Theil, so z. B. die Bewohner Arenukas Tapiteuea. Ueber den Archipel
hinaus besteht kein Verkehr mit Nachbargruppen, obwohl die Entfernung von Onoatoa
und Nanumea der Ellice-Gruppe nur 25 Seemeilen beträgt. Die Gilbert-Insulaner sind
keine Seefahrer und haben weite Reisen immer nur unfreiwillig gemacht, und zwar in
Folge Verschlagens. Solche Vorkommnisse mögen häufig genug passiren, werden
aber nur in Einzelfällen bekannt. Ohne nautische Kenntnisse und Hilfsmittel sind die
durch heftige Böen und Strömungen abgetriebenen Canus ganz den letzteren preis-
gegeben und hatten dann nur dem Glück ihre Rettung zu verdanken. Schon Chamisso
Hess sich von den verschlagenen »Repith-urur« ') auf Ratak erzählen, wo sie meist er-
schlagen wurden, und mir selbst kamen verschiedene Fälle zur Kenntniss. So wurden
eine Anzahl Männer und Frauen von Maiana, die nach dem benachbarten, nur 25 See-
meilen entfernten Tarowa segeln wollten, nach Nawodo (Pleasant-Isl.), 36o Seemeilen,
verschlagen. Drei Canus mit Eingeborenen von Arenuka flohen aus Furcht vor dem
Könige nach Banaba (220 Seemeilen), das auch glücklich erreicht wurde. Da bei dem
herrschenden Mangel nur die Insassen eines Canus aufgenommen werden konnten, be-
schlossen die übrigen die Rückreise nach den Gilberts. Das eine Canu wurde aber
(450 Seemeilen) nach Milli in der Marshall gruppe, das andere nach Madjuru (480 See-
meilen) verschlagen, die Insassen des letzten Canus hier erschlagen. Die sieben auf Milli
Geretteten sah ich hier selbst; sie behaupteten, drei Monate ohne Lebensmittel auf der
See umhergetrieben zu sein, aber diese Angabe bleibt durchaus unglaubwürdig, da die
Eingeborenen keine Zeit kennen. Der merkwürdigste Fall von Verschlagenwerden ist
der von vier Frauen, die 1879 auf der Reise von Maiana nach Tarowa abtrieben und
von dem französischen Schiffe »Dauphin« 840 Seemeilen weit von den Gilberts in halb-
todtem Zustande aufgefischt wurden, während die vier oder fünf Männer den Strapazen
erlegen waren. Sittig erwähnt in seiner Zusammenstellung (s. S. 25 [293]) unter Anderem
das Verschlagen eines Mannes von Maraki (Gilberts) nach Ponape (über 900 Seemeilen)
im Jahre 1837. Dass Europäer zuweilen von ähnlichen Schicksalen betroffen werden,
ist selbstverständlich. Ein hierher gehöriger interessanter Fall gelangte durch das
deutsche Kriegsschiff »Alexandrine« zur Kenntniss. Im Jahre 1890 wollte ein Boot mit
I) »Reise um die Welt« (2, S. 289) Bezeichnung der Marshallaner für die Bewohner, nicht eine
gewisse Gruppe der Gilbert-Inseln; eigentlich: »Dripitc von »Dri« (= Knochen, Mensch) und »Pitc
(= Makin, Pit-Insel), also soviel als Leute von Pit, und »urur« = tödten, womit der gewöhnliche
Ausgang des Schicksals dieser Verschlagenen deutlich genug bezeichnet wurde.
i
72 ör. O. Finsch. [3 40]
drei Weissen und elf Eingeborenen (darunter vier Mädchen) von Nawodo (Pleasant-
Isl.) aus ein vor der Insel kreuzendes Schiff besuchen, vertrieb dabei aber nach Westen,
und zwar nach Tatan (Gardener-Isl.), an der Nordküste von Neu-Irland, an 900 See-
meilen weit. Obwohl das Boot mit Hartbrol und Reis versehen war, starben die Weissen
doch während der dreimonatlichen Irrfahrt an Entkräftung, die Männer wurden bei der
Landung auf Tatan erschlagen, die Mädchen später durch das Kriegsschiff gerettet.
p. Körperhülle und Put{.
A. Bekleidung.
Der Einfluss der Civilisation hat in dieser Richtung nicht viel gewirkt. Euro-
päische Kleider waren noch wenig beliebt, und selbst bei Kirchenbesuchern in sehr ge-
ringem Grade eingeführt. Nur Diakone, seltener Könige, pflegten Padjamas und Hosen,
sowie einen Hut zu tragen, wie eingeborene Lehrer- oder Händlerfrauen Kattunkleider.
Es herrschte also noch so ziemlich vollständige Ursprünglichkeit, und ich sah öfters Män-
ner völlig nackt, wie dies zu Hudson's Zeit (1841) noch die Regel war. Nach Kotzebue
gingen übrigens 1824 noch die Bewohner von »Maouna« (Tutuila) der Samoagruppe,
und zwar in beiden Geschlechtern, vollkommen nackt; Tapabekleidung ist dort erst
später durch die Mission von Tonga aus eingeführt worden. Allerdings kommt auf den
Gilberts auch vollständige Bekleidung vor, wie sonst wohl kaum nirgends, sie betrifft
aber nur den Krieger in voller Rüstung, eine Erscheinung vergangener Zeiten.
Kinder gehen nackt; Mädchen bis vielleicht zum vierten oder sechsten, Knaben
bis zu 12 oder 14 Jahren. Im Uebrigen ist auch die Bekleidung Erwachsener höchst
einfach, wie der ganze Ausputz. Männer binden ein Stück Mattengeflecht um die
Hüften, Frauen ein Faserröckchen. Rechnet man hiezu noch ein paar Blätter ins Ohr,
eine Schnur Glasperlen um den Hals, einen Blattstreif ums Fussgelenk hinzu, so hat
man Gilbert- Eingeborene vor sich, wie sie damals waren. Alle Inseln zeigen darin
völlige Uebereinstimmung, ebenso Nawodo und Banaba. Sehr abweichend ist dagegen
die Bekleidung auf der benachbarten EUice-Gruppe, ') wo die Männer eine Art Maro
(Lendenbinde) mit ein bis zwei Mattenstreifen darüber tragen (vgl. Wilkes, V, S. 39,
Abbild.), die Frauen eine bis auf die Knie reichende Matte. In der Tockelau- oder
Union-Gruppe sind die Männer nur mit einem Maro aus Mattengeflecht umgürtet, aber
die Weiber tragen sehr schwere Röcke aus Blattstreifen (ähnlich wie auf Yap, Journ.
M, G., Heft II, Taf. 7); in solchen bildet Edge-Partington (PI. 168) aber auch Weiber
von Nukufetau der Ellice-Gruppe ab.
Tekabajanuga (»Kapenuga«) (Nr. 206, i Stück), Bekleidungsmatte für Männer,
ein circa i-6o M. langes und circa 60 Cm. breites Stück feinen Mattengeflechts aus Pan-
danus, das mittelst eines Strikes um die Hüften festgebunden wird (vgl. Finsch in Joest:
»Tätowiren«, Taf. III). Butaritari.
Diese Matten, sehr verschieden in Grösse und Feinheit der Flechtarbeit, bilden das
einzige Bekleidungsstück der Männer. Zuweilen sind diese Matten so lang, dass sie von
der Mitte der Brust bis zu den Knieen reichen. Ich sah übrigens auch öfters Männer
mit einem Weiberfaserrock bekleidet. Zur Befestigung um den Leib wurden früher
gern Stricke aus Menschenhaar benutzt.
I) Hierher gehört der im Kat. M. G. (S. 253, Nr. 46) angeblich von den Gilberts stammende
Schamschurz.
[340
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SOdsee.
73
Bei Weitem feiner sind übrigens die Bekleidungsmatten, wie sie früher auf Samoa gemacht
wurden und wovon die Sammlung (Nr. 198) noch ein Stück aus der guten alten Zeit besitzt. Sie sind
ebenfalls aus Pandanus-Bl^ttf aber aus äusserst schmalen Streifen geflochten und daher, zum Theil
auch durch den langen Gebrauch, so schmieg- und biegsam wie Zeug. In derartige Matten pflegte man
zuweilen als besondere Verzierung einen Randsaum von rothen Papageienfedern (von CoriphUus frin-
gillaceus) einzuflechten, wie dies ebenso auf Uea (Wallis-Insel) Mode war. Die Bekleidungsmatten von
hier kommen in feiner Arbeit und Weiche den altsamoanischen am nächsten, werden jetzt aber mit
Kanten und Mustern aus rother und blauer Wolle verziert. Aeusserst feine Flechtarbeiten sind auch
die eigenthOmlichen sogenannten »Brautmatten«, wie sie früher auf Samoa gefertigt wurden, davon
manche mit faseriger Oberseite, die dadurch das Aussehen eines grobhaarigen Vliesses erhalt (vgl.
Kai. M. G., S. 208, Nr. 972). ,
Poncho, aus einem Stück Mattengeflecht mit einem Schlitz zum Durchstecken des
Kopfes, werden zuweilen von Männern getragen. Von solchen als besonderer Ausputz,
namentlich beim Tanz, eine Art:
Schärpe, aus einem breiten Streif Mattengeflecht, zuweilen hübsch gemustert, an
dem die Enden der Blattstreifen häufig stehen bleiben und am oberen Rande eine Art
Fransenkante bilden. Solche Schärpen werden über die Schulter und quer über die
Brust getragen, meist von jungen Stutzern, wie dies die Abbildung eines jungen Häupt-
lings bei Wilkes zeigt (V, S. 78).
Die einfache Bekleidung der Frauen ist das:
Tiridi (Teridin) (Nr. 233, i Stück), Röckchen aus fein gespaltener Blattfaser der
Cocospalme, auf eine Schnur geflochten; Taillenweite 58 Cm., die Fasern 25 Cm. lang.
Butaritari.
Diese rings um die Hüften reichenden Faserröckchen kleiden sehr hübsch und
stimmen am meisten mit dem noch kürzeren »Titi« überein, noch 1841 der einzigen
Bekleidung heidnischer Samoanerinnen. Der »Liku« der Frauen Fidschis (Wilkes, II,
S. 355, Abbild.) ist ebenfalls sehr ähnlich, ebenso die Faserröcke auf Neu-Guinea (II,
S. [86] und [225]), letztere aber schon wegen der lebhaften Farben weit schöner. Auf
den Gilberts pflegen nur heiratslustige Mädchen zuweilen dunkel-, fast schwarzgrün ge-
färbte »Tiridi« zu tragen, wozu man den Saft einer Pflanze, sowie Syrup benutzt, eine
Methode, die Kirby (Wilkes, V, S. 95) ausführlich beschreibt. Die Faserröckchen erhalten
dadurch einen nach dortigen Begriffen angenehmen Geruch, den aber Hudson schon
sehr treffend als wie nach Tabak und Syrup bezeichnet. Die Tiridi kleiner Mädchen
von 5—10 Jahren sind sehr schmal (circa 8 — 10 Cm. lang), wie auf der Abbildung bei
Wilson (V, S. 51), die übrigens der Wirklichkeit wenig entspricht. Trotz der Kürze
kleiden diese Faserröckchen, die so geschickt getragen werden, dass sie auch beim
Niedersetzen keine Blosse geben, durchaus decent.
Die Anfertigung der Tiridi geschieht in folgender Weise: die Frau schlingt sich
zwei Schnüre aus Cocosfaser um den Leib, deren zu einer Schlinge vereinigte Enden
sie mit der grossen Zehe festhält. In diese zwei Stricke, deren Enden als Bindebänder
dienen, flicht sie nun breitere (circa 20 Mm.) Streifen aus den Fiedern des Blattes der
Cocospalme, die dann, wenn dieselben trocken sind, mit einem scharfen Muschelsplitter
(aus Pinna, S. 67 [335], Nr. igi) in äusserst schmale Fasern gespalten werden.
Bei festlichen Gelegenheiten pflegen Frauen und Mädchen zuweilen über den Gras-
schurz noch ein Stück feines Mattengeflecht zu tragen, das auf Maiana »Franigai« heisst.
Eine besondere Art kleiner viereckiger Matten, circa 28 Cm. lang und ebenso
breit, aus Faser von Pandanus-BleiXlf mit einfachem schwarzen Muster (aus Hibiscus-
Bast) erhielt ich auf Nawodo. Wie mir versichert wurde, werden diese Art Matten nur
von Frauen während der Schwangerschaft über dem Grasschürzchen getragen.
74
Dr. O. Rnsch.
[342]
Kopfbedeckung ist häufiger als sonst. Auf den südlichen Inseln (Tapiteuea) tragen
Männer dreieckige Kappen oder Motzen aus feinem Flechtwerk von Pandanus-Elaxiy
die auch auf Apaiang vorkommen und hier »Tebarac heissen. Häufig ist hier dagegen:
Teboani (Nr. 267, i Stück), Mütze, dreispitzig, aus Cocospalmblatt roh gefloch-
ten. Tarowa.
Solche kunstlose, im Gebrauchsfalle schnell gefertigte Mützen (abgebildet bei
Wilkes, V, S. 46, von Tapiteuea) werden besonders von Fischern im Canu getragen,
da das frische Palmblatt kühlt. Ich sah auch aus Segeltuch genähte Kappen.
Hüte nach europäischem Muster, in Form unserer Strohhüte, habe ich nur auf
Nawodo gesehen, wo die Fertigkeit der Anfertigung solcher durch den Schiffsverkehr
mit den Marshalls eingeführt war.
Wilkes erwähnt Mützen aus Mattengeflecht auch von Tockelau (Oatafu). Sehr
merkwürdig sind auch die aus Pandanus-Eloxt in hübschen Mustern geflochtenen
Kappen der alten Hawaiier, wie sie Choris (PI. XIV, Fig. i und 2) abbildet. Sie ähneln
in der Form am meisten den Kriegskappen der Gilbert-Insulaner, haben aber sehr
originelle Verzierungen.
Das weibliche Geschlecht bedient sich zuweilen eines Stückes feinen Matten-
geflechts als Schutz gegen die Sonne. Eine solche Matte, circa 1*90 M. lang und 3o Cm.
breit, wird gewöhnlich bei festlichen Gelegenheiten über den Kopf gehalten und heisst
auf Tarowa »Teraranga«.
Als besonderen Festschmuck junger Mädchen erhielt ich einige interessante Stücke
kunstreicher Flechtarbeiten aus Pandanus:
Terabaidoa (Fig. i3), kleines spitzes Käppchen, das auf
dem Hinterkopfe getragen wird. Die schwarzen Querlinien sind
zierlich aufgenähtes Menschenhaar. Von Maiana und Nukunau.
Man sagte mir, dass derartige Käppchen nur bei den Festen,
welche bei Gelegenheit der ersten Menstruation stattfinden, von
dem betreffenden Mädchen getragen werden. Hierher gehört
auch die aus Bast (?) geflochtene Mütze von »Ebon« (Kat. M. G.,
S. 255, Nr. 3353), die, wie schon die Verwendung von Menschen-
haar beweist, sicher aus den Gilberts herstammt.
Diese Käppchen erinnern an die »Karua« der Frauen von Neu-Irland (vgl. I,
S. [44] und Hernsheim: »Südsee- Erinnerungen«, Abbild. S. 104), die aber aus Panda-
nus-BlsXl genäht sind.
B. Putz und Zieraten,
Die hieher gehörigen Arbeiten, obwohl zum Theil recht kunstreich, bieten im
Ganzen wenig Auffallendes und beschränken sich meist auf Ausputz für Hals und Brust.
a) Material.
Dasselbe ist verschiedenartiger als sonst und wird durch die häufige Verwendung
von Menschenhaar, gewissen Conchylien, die indess kaum eine eigenthümliche Art
aufweisen, namentlich aber Zähnen charakteristisch. Hervorzuheben wäre das Fehlen
von Schildpatt und Federputz, Beides erklärlich durch die Seltenheit des Vorkommens
der betreffenden Thiere.
Unter den Zähnen nehmen die des Spermwal oder Cachelot (Physeter macroce-
phalus) den hervorragendsten Platz ein, ausserdem werden Zähne von ein paar kleinen
Delphinarten (Phocaena) benutzt und schliesslich Menschenzähne, die gerade für die
Gilberts besonders charakteristisch sind.
Fig. i3.
Mädchenkappe.
Maraki.
[343] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. yc
Wie überall ist die Zahl der benutzten Conchylienarten gering. Dieselben beschrän-
ken sich fast nur auf kleine weisse Scheibchen, aus einer noch unbekannten Species
(wohl Conus) geschliffen, runde Scheiben aus den Spiren von Conus (meist millepunc-
tatus\ sogenannte Conz/5-Böden, oder aus Perlschale und auf rothe Spondylus- oder
Chama-MuschtV ') Charakteristisch für die Benutzung der letzteren ist, dass auf den Gil-
berts nur ziemlich roh oder in Form von Plättchen bearbeitete Stücke (wie Taf. VIII [25],
Fig. 15, 16 und 17), aber keine durchbohrten runden Scheibchen (wie Taf. [25], Fig. i — 5)
vorkommen, die sich erst auf den Marshalls und von da weiter westlich finden. Spondylus
wird auch auf Banaba verarbeitet, aber ich notirte das Fehlen auf Nawodo (Pleasant-Isl.).
Ausser Blättern und Blumen, welche am häufigsten Verwendung finden, wird an
Materialien aus dem Pflanzenreich nur die Schale der Cocosnuss, wie das Holz dieser
Palme, benutzt und daraus kleine runde Scheibchen oder Perlen verfertigt. Die klein-
sten Cocosperlen (und zwar von Tarowa), sind nicht grösser als gewöhnliche Stick-
perlen, circa 3 Mm. im Durchmesser und noch kleiner als die kleinsten Cocosnussperlen
von Ruk (Taf. [24], Fig. 6). Sie stimmen in der Grösse fast ganz mit den schwarzen
Perlen des Muschelgeldes von Neu-Irland (»Kokonon«, I, S. [45], Taf. i, Fig. 3) über-
ein, sind aber im Ganzen sehr selten. Am häufigsten werden jene Grössen von Scheib-
chen von Cocosnussschale benutzt, wie sie Fig. i — 46 unserer Taf. [24] darstellen, und
die sich im Allgemeinen dadurch von anderen Cocosscheibchen auszeichnen, dass sie
so ausserordentlich dünn sind. Wenn diese Cocosscheibchen auch zuweilen für sich
allein aufgereiht zu Schmuck Verwendung finden, so werden sie doch meist in Verbin-
dung mit den weissen Muschelscheibchen verarbeitet und bilden dann die »Tekaroro-
Schnüre«, wie sie Fig. i — 4, Taf. [24] darstellen.
Dies »Tekaroro« (vielleicht nur die aufgereihten Muschelscheibchen) bildete früher
ein Tauschmittel, im Sinne von Geld, dessen Werth sich begreifen lässt, wenn man
weiss, dass 9 — 21 Muschel- und ebensoviel Cocosnussscheibchen erst 3 Cm. messen, so
dass zu einer i M. langen Schnur an 600—1400 Scheibchen gehören. Bei der mühe-
vollen Arbeit, jedes Scheibchen einzeln zu durchbohren und zu schleifen, wird man
dem früheren Fleisse der Eingeborenen gewiss volle Anerkennung zollen müssen. Zur
Zeit meines Besuches war dieser Fleiss bereits entschwunden; man hielt Tekaroro aller-
dings sehr hoch und schätzte es vielleicht höher als ehedem, aber begnügte sich meist
mit den mühelos zu erlangenden Glasperlen (»Teneremurra«). Von den letzteren sind
besonders, als Imitation des Tekaroro, schwarze und weisse Emailperlen beliebt, und
ich sah »Könige«, die einen solchen Halsschmuck nicht verschmähten. Statt dieser
Glasperlen, wie sie jetzt Mode sind, verwendete man früher Tekaroro, wovon abwech-
selnd weisse und schwarze Scheibchen zwischen anderem Schmuckmaterial (Zähne vom
Sperrawal, Mensch, Delphin u. s. w.) aufgereiht wurden.
lieber die Anfertigung des Tekaroro sagt Kirby nur, »dass alte Männer, die sonst
nichts mehr thun können,« die Muschelscheibchen schleifen. Ich selbst konnte mir
leider keinen Aufschluss mehr verschaffen und erlangte selbst nicht einmal das Roh-
material der Muschel. Nach einer Notiz (Kat. M. G., S. 256) wäre dieselbe ^ Conus
sponsalisty aber nach anderer Angabe^) ^Coronaxis nanus Brod.«.
1) Nach der hellrothen Färbung mancher Muschelstucke, die ganz mit solchen von den Marshalls
übereinstimmt, dürfte auch Chama pacifica Brod. in Betracht kommen (vgl. das Ober Muschelscheib-
chen Gesagte bei Marshall-Inseln).
2) Journ. d. M. G., Heft II (1873), S. 17. Tetens und Kubary: Yap: »Eine fernere Halszierde, die
nian besonders auf den Ellice- (?) und Gilbert- Inseln antrifft und vielleicht von dort einführt, besteht aus
schwarzen und weissen Scheibchen. Die weissen sind aus einer kleinen Kegelschnccke, Coronaxis nanus
76 Dr. O. Finsch. [344]
Die Vollkommenheit der Bearbeitung der Muschelschei beben ist übrigens, wie
immer, verschieden; besonders kunstvoll solche, bei denen der Aussenrand jedes
Muschelscheibchens geschliffen und polirt ist (wie Fig. 2 — 4, Taf. [24] von Banaba).
Was die Verbreitung des Tekaroro ausserhalb der Gilberts anbelangt, so findet
sich das gleiche Material, aus abwechselnd weissen Muschel- und schwarzen Cocosnuss-
scheibchen, auch anderwärts (z. B. auf Vate, Neue-Hebriden), aber meist nur neben an-
deren in beschränkter Menge verarbeitet, wie z. B. auf den Marshalls. Ich erhielt hier
zwar eine lange Gürtelschnur aus Tekaroro von Maloelab, darf aber nicht mit Sicher-
heit behaupten, dass dieselbe hier gearbeitet wurde. Beachtenswerth sind auch die mit
Tekaroro fast identischen »Pellä-Schnürec von Neu-Britannien (s. Nachträge). An unbe-
arbeiteten, blos durchbohrten Muscheln erhielt ich nur eine Halskette von Natica lurida,
und zwar von Banaba. Aber der Kat. M. G. (S. 255 und 256) verzeichnet mit der An-
gabe »Gilberts« Schmuckstücke aus Natica pes elephantis, N. mamilla, N. Gambiae,
Ruma melanostoma und Cypraea monetär die aber wohl von der Ellice-Gruppe her-
stammen. Hudson erwähnt von den Gilberts ausser Tekaroro nur Ovw/a-Muscheln
als gelegentlichen Tanzschmuck; von der Ellice-Gruppe: Muschel- und Perlmutterhals-
bänder; von Tockelau: Halsbänder und Ohrringe aus Muscheln und Knochen; »Teka-
roro« ist in beiden Gruppen unbekannt.
b) Hautverzierung.
Ich habe auf allen meinen Reisen diesem Gebrauche besondere Aufmerksamkeit
zugewendet, wo ich konnte Erkundigungen eingezogen und mit Feder und Stift Auf-
zeichnungen gemacht, da ich weiss, wie wenig man sich blos auf das Gedächtniss ver-
lassen kann und darf. Auf Grund dieser sorgfältigen Beobachtungen,') deren Einzel-
heiten hier übergangen werden müssen, ergeben sich folgende Thatsachen, wie ich
dieselben schon wiederholt mittheilte. (»Anthrop. Ergebnisse etc.«, S. 6 und in Joest:
»Tätowiren«, S. 37 und 117.)
Brandmale, durch Auflegen eines mehr oder minder grossen Stückchens glimmen-
der Kohle (meist Cocosschale) hervorgebracht, sind am häufigsten. Diese Wundmale
haben eine rundliche, übrigens sehr unregelmässige Form und Grösse, sind mehr oder
minder erhaben und markiren sich durch lebhaftere helle Färbung, schrumpfen aber in
höherem Alter ziemlich ein. Man kann wohl sagen, dass es nur wenige Gilbert-Insulaner
gibt, an deren Körper sich nicht wenigstens einige solcher Brandmale finden, obwohl
ich auch solche Personen kennen lernte. Das erklärt sich dadurch, weil Brennen auch als
Heilmethode angewendet wird. Zum Theile sind diese Brandmale, wie auf Samoa,
auch Erinnerungszeichen beim Ableben eines Verwandten, und deshalb im Ganzen
häufiger beim weiblichen Geschlecht als beim männlichen vertreten. Schliesslich werden
Brandmale eingebrannt, um den persönlichen Muth zu zeigen, und ich sah junge Mädchen -)
Brod gearbeitet, indem der ganze untere Theil weggeschlifTen und nur das obere breite Ende, ein
gekerbtes Scheibchen, mit einer runden regelmässigen Oeffnung in der Mitte übrig bleibt. Die schwar-
zen Scheibchen sind aus Cocosnussschale.« Die beigegebenen Abbildungen (Taf. IV, Fig. 6), nament-
lich die in natürlicher Grösse (Fig. 6 a) stimmen so vollständig mit Tekaroro von den Gilberts überein,
dass eine Verwechslung zu Grunde liegt,
') Dieselben erstrecken sich nicht blos auf eine 3otägige Reise in der Gruppe, wie der Ver-
fasser des Kataloges des Museum Godeffroy (S. 261) annimmt, sondern ich lebte auf Dschalut (damals
das Hauptdepot der »Labortrade«) fast ein Jahr lang in unmittelbarer Nähe von Gilbertleuten (oft
ein paar Hundert) und hatte somit reichlich Gelegenheit zu Beobachtungen.
a) Kubary berichtet in ganz ähnlicher Weise von Pelau: »dass sich die Müdchen untereinander
mit glimmenden Cocosblättern eine Reihe runder Narben den Arm entlang einbrennen. Nicht selten
geschieht dies im Zusammenhang mit den ersten Liebschaften.«
[34.5! Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. n»i
zum Spass sich selbst Brandmale beibringen. Sie zieren hauptsächlich die Arme,
und zwar in der Mehrzahl der Fälle den linken Arm. Nur ausnahmsweise haben, be-
sonders Frauen, einige grössere Brandwunden (bis 40 Mm. im Durchmesser) auf Schul-
tern, Brust und selbst auf den Brüsten. Nicht selten finden sich Brandmale in grösserer
Anzahl (bis 3o und mehr) meist auf dem Ober- oder Unterarme (oder auf beiden) einge-
brannt, so dass sie eine mehr oder minder regelmässige Längsreihe bilden, die dann als
Ziernarben betrachtet werden können. Die beigegebene Skizze (Fig. 14)
gibt eine ungefähre Idee solcher Zierbrandnarben von Arrau-Tiduan, einem ^^^' ^^'
Häuptlinge der Insel Maiana. Der rechte Arm dieses im besten Alter /^
stehenden Mannes war von der Mitte des Oberarmes bis zum Pulse herab ^*^
mit solchen Brandmalen geziert, der linke Arm hatte nur einige aufzu-
weisen. Im Uebrigen zeigte dieser Häuptling auf jedem Arme zwei Längs- ( ) ^
linien tätowirt und konnte somit als Typus der Hautverzierung eines \J
Gilbert- Insulaners gelten. ^
In ähnlicher Weise beobachtete ich Brandmale, besonders beim weib-
lichen Geschlecht und am meisten auf Armen und Brust, in Astrolabe-Bai ^
(Neu-Guinea), Neu-Irland, bei Eingeborenen von den Salomons und Aoba *-^
(Neue-Hebriden), aber auch bei Mädchen von Fakaafo (Union-Gruppe). C)
Auf den Admiralitätsinseln ist diese Hautverzierung auch häufig, die Sitte U Q
also vorherrschend, aber nicht ausschliessend über Melanesien verbreitet. q
TätOWirung. »Bekanntlich hat sich hier die Tätowirung noch in Brandnarben,
einem hohen Grade der Vollkommenheit erhalten, und die Männer be-
decken noch heute den ganzen Körper, und zwar auch die Extremitäten, damit.« Mit
diesen Worten bezeichnet Kubary*) die Tätowirung der Gilbert-Insulaner und sucht
zugleich einen Zusammenhang derselben mit jener der Bewohner der niedrigen centralen
Carolinen-Inseln nachzuweisen. Diese Folgerung ist ebenso unzutreffend als die Dar-
stellung der Gilbert-Tätowirung unrichtig, aber verzeihlich, da Kubary diese Inseln nicht
aus eigener Anschauung kannte. Hudson, der der Tätowirung besondere Aufmerksam-
keit schenkt, erwähnt dieselbe von den Gilberts nur von Makin und Tapiteuea, dabei
als im Ganzen selten, also zu einer Zeit (1841), wo die Eingeborenen noch fast un-
berührt in voller Originalität lebten. Auf Grund eingehender und sorgfältiger Unter-
suchung von vielen hundert Gilbert-Insulanern kann ich diese Angaben nur bestätigen.
In Wahrheit ist die Mehrzahl der Bewohner überhaupt nicht tätowirt; unter hundert
Eingeborenen beiderlei Geschlechtes kaum zwanzig, und von diesen haben die wenig-
sten mehr als zwei bis drei Parallellinien längs den Armen, seltener ein paar Längs-
oder Querstriche auf den Beinen aufzuweisen. Nur wenige Male beobachtete ich auch
punktirte Linien, und zwar in einer Längsreihe am linken Arme einer Frau, deren
rechter Arm das gewöhnliche Zeichen, zwei Parallellinien, zeigte.
Die spontane Tätowirung der Gilbert-Insulaner repräsentirt einen eigenthümlichen
Typus, der in der Zeichnung durch vorwiegend gerade Linien charakteristisch wird.
Das Muster besteht im Wesentlichen aus parallellaufenden Längslinien, die dicht mit
querJaufenden Zickzacklinien oder schiefen Querstrichen ausgefüllt sind. Diese Quer-
strichelung steht zuweilen so dicht, dass sie ineinander verfliesst und dann schlagblaue
Streifen und Felder bildet, wie dies durch Einschrumpfen der Haut bei alten Leuten
1) »Das Tätowiren in Mikronesien, speciell auf den Carolinen« in: Joest, »Tätowiren« etc.
(Berlin 1887, S. 74—98, mit zahlreichen Abbildungen), eine Abhandlung, die den Gegenstand keines-
wegs so übersichtlich schildert, als zu wünschen wäre, da ja der Verfasser auch nur gewisse Theile
des Gebietes kennen lernte.
78 Dr. O. Finsch. [346]
meist von selbst eintritt. Der Rücken solcher Personen sieht dann aus wie mit einem
blauen Lappen bedeckt. Dieses für die Gilbert-Insulaner eigenthümliche Muster bedeckt
meist den Rücken von der Schultermitte bis auf die Hüften herab, zieht sich an den
Seiten zuweilen bis unter die Arme und lässt meist einen Streif längs des Rückgrates
frei. Als seltene Ausnahme beobachtete ich diese Tätowirung auch auf der Brust. Ganz
gleiche, aber etwas nach innen gebogene Streifen zieren häufig die obere Hälfte des
Oberschenkels, wo sie sich zuweilen bis fast zum Knie herabziehen. Das Unterbein
unterhalb des Knies bis oberhalb des Knöchels ist in ähnlicher Weise mit Längsstreifen
tätowirt, meist so, dass die Wade hinterseits freibleibt, aber es zeigen sich hier mancher-
lei Verschiedenheiten. Zuweilen ist jede Seite dts Unterbeines mit zwei grösseren Längs-
feldern versehen, die wie Beinschienen kleiden. Häufiger läuft rings unterm Knie ein
Band, das an ein Strumpfband erinnert, während oberhalb des Knöchels mehrere Quer-
streifen eingeritzt sind, so dass das Unterbein ein Aussehen erhält, als wäre es mit
einem Strumpfe bekleidet. Als seltene Ausnahme beobachtete ich (bei Männern wie
Frauen) zwei Längsstreifen an der Hinterseite des Beines bis zur Achilles herab, häufi-
ger aber nur bei Frauen, einfache Querstriche auf der Hand, sowie auf den Fingern.
Individuen, die auf Rücken, Schenkeln und Unterbein in den oben beschriebenen
Mustern tätowirt sind, kommen höchst selten vor. Ich sah alte Männer, die nur die
eine Rückenhälfte, und alte Weiber, die nur das eine Schienbein tätowirt hatten. Kin-
der zeigten fast ausnahmslos keine Tätowirung, und selbst junge heiratsfähige Mäd-
chen waren selten mit mehr als den bekannten Längsstreifen auf den Armen geziert.
Tätowirung ist also nicht, wie in gewissen Gebieten Neu-Guineas (vgl. I, S. [91]), ein
Verschönerungsmittel des weiblichen Geschlechtes, um leichter einen Mann zu er-
langen.
Der von mir in Joest's vortrefflichem Werke (Taf. III) abgebildete Mann von
Banaba (Ocean-Isl.) darf insofern nicht als Muster für Gilbert-Tätowirung gelten, weil
er überhaupt der einzige war, bei dem ich, mit Ausnahme von Gesicht, Händen und
Füssen, eine vollständige Tätowirung beobachtete. Durch die Dichtigkeit des Zickzack-
musters erscheint der sonst auch für Bonaba giltige Typus der Gilbert-Tätowirung so
verändert, dass der Mann einen eigenen darzustellen scheint. Dasselbe gilt für den bei
Wilkes (V, S. 73) abgebildeten Mann von Makin, der wegen seiner fast den ganzen
Körper bedeckenden Tätowirung ebenfalls zu den Ausnahmen gehört.
Die Tätowirung der Gilbert-Insulaner kennt keine besonderen Zeichen als Rang-
unterschiede wie die der Marshallaner, ebensowenig hat sie religiöse Beziehungen, wie
sie von Kirby angedeutet werden. Wenn nach dessen Mittheilungen der Unsterblich-
keitsglaube der Gilbert-Insulaner nur Tätowirten den Eintritt ins bessere Jenseits erlaubt,
so würde dasselbe den meisten verschlossen bleiben, selbst grossen Häuptlingen. Von
letzteren lernte ich so manchen Untätowirten kennen, wie ich auch niemals bemerkte,
dass Tätowirte irgend einen grösseren EinHuss besassen, als Untätowirte.
Ceremonien irgendwelcher Art kommen bei Tätowirung nicht vor, und Wood
erwähnt nur, dass es damals auf Makin professionelle Tätowirer gab, die sich gut be-
zahlen Hessen, wie dies überall der Fall ist. Nach meinen Erfahrungen verstanden
übrigens die meisten Frauen zu tätowiren.
Die Tätowirung ist übrigens auf den Gilberts bei beiden Geschlechtern gleich,
wird aber nach Wood mehr von Männern, als von Frauen angewendet; mir schien dies
umgekehrt der Fall zu sein.
Auf Nawodo sah ich keine tätowirten Männer mehr und nur bei einigen wenigen
Frauen ein paar Längsstriche auf den Schenkeln; auch Brandmale waren hier selten.
r34.7l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. yg
Wie von den nördlichen Nachbarn, den Marshallanern, weicht die Tätowirung der Gil-
bert-Insulaner auch von ihren südlichen in der EUice-Gruppe durchaus ab.
Tätowirgeräth. Das Instrument zum Tätowriren, wie es Wood und Parkinson
(Kat. M. G., S. 260) beschreiben, aus einem gezähnelten Knochen, ähnlich dem der
Marshallaner, habe ich nicht mehr erhalten, dagegen ein anderes sehr abweichendes,
welches »Tommaggi« heisst. Es besteht aus einem am Ende mit einem feinen, äusserst
spitzen Stachel von Pandanus-BlaXt bewehrten Stäbchen, erinnert also am meisten an
die Tätowirnadel von Port Moresby (I, S. [90], Fig. 8). Ein längliches Stückchen Holz,
ohne besondere Form, dient als Klopfer zum Einschlagen dieser Nadel und heisst >Ta-
gaiberra«. Das Tätowiren selbst ist infolge der einspitzigen Nadel ziemlich langweilig,
aber die Frauen, in deren Händen das Tätowiren liegt, wissen das Instrument sehr ge-
schickt und schnell zu handhaben, und der sehr scharfe und spitze Stachel dringt leicht
durch die Oberhaut. Als Farbe — »Tebareg« — gebraucht man Russ, aus Hülle der
Cocosnuss gebrannt, der in dem Abschnitt einer Cocosschale angerührt wird. Wie
immer, trägt man die Zeichnung mit einem dünnen Hölzchen auf und schlägt dann die
Nadel ein. Da ich an mir selbst Tätowirversuche machen liess, darf ich versichern, dass
der Schmerz nicht erheblich ist. Die vollständige Tätowirung kostet beiläufig einen
Monat Zeit, w^ird aber wohl selten hintereinander ausgeführt.
Bemalen ist bei den Gilbert-Insulanern nicht Sitte, da sie überhaupt keine Farb-
stoffe noch Färben kennen. Aber das Einreiben des Körpers und Haupthaares mit
Oel (Cocosnussöl) ist beliebt. Als Behälter benützte man:
Teadinibua (Nr. 73, i Stück), kleine (verkrüppelte) Cocosnuss (wie Fig. 60), als
Behälter für Haaröl (Cocosnussöl) benutzt. Die OefTnung wird mit einem Stöpsel aus
PandanuS'Blailt verschlossen. Tarowa.
Ein Stück, das der Vergangenheit angehört, da Glasflaschen aller Art unter den
Eingeborenen nichts Seltenes mehr sind. Derartige Cocosnüsse werden auf den Mort-
lock-Inseln als Behälter für Firniss benützt (Kat. M. G., S. 328, Nr. 83 1).
c) Frisuren und Haarputz.
Auf das vorherrschend schlichte, indess nicht selten auch wellige und feinlockige
Haar — »Terenettu« — verwenden die Gilbert-Insulaner keine Sorgfalt, ebensowenig
die Männer auf den meist gut entwickelten Bartwuchs. Gewöhnlich wird das Kopfhaar
im Nacken und vorn auf der Stirn so abgeschnitten,') dass es eine sogenannte Polka-
frisur bildet (vgl. Finsch, »Anthrop. Ergebnisse«, Taf. I), nicht selten lassen aber Mäd-
chen das Haar länger wachsen, so dass es wild um die Schultern flattert. Kindern wird,
der vielen Läuse wegen, der Kopf häufig geschoren oder doch kurz im Haar gehalten;
zuweilen lässt man eine Scalplocke auf dem Wirbel stehen.
Kämme gibt es nicht, aber man bedient sich häufig eines 3o — 40 Cm. langen,
runden, an beiden Enden zugespitzten Stäbchens — auf Tarowa »Zero« genannt —
theils um die Läuse in ihrer Arbeit zu stören, theils zum Aufzausen. Durch letzteres
entsteht, namentlich bei Lockenköpfen, zuweilen eine weitabstehende Haarwolke, ganz
wie bei Papuas (vgl. II, S. [89], Fig. 6).
Männer mit Glatze, die übrigens nur selten vorkommt, pflegen ausnahmsweise,
aber nur bei den Festen im Versammlungshause (Maneap), eine selbstgefertigte Per-
I) Die Scheeren aus Haifischzähnen, wie sie Gill (»Life in the Southern Isles«, S. 3o7) be-
schreibt, mit denen Haarschneiden allerdings sehr schmerzhaft sein muss, dürften wohl nirgends exi-
>Hirt haben, wie Scheeren Oberhaupt unbekannt waren und auch als Tauschartikel wenig beliebt sind.
£iQe geschärfte Muschel genügt ja zum Haarabsäbeln sehr gut.
8o Dr. O Finsch. [3^8]
rücke') zu tragen. Dieselbe besteht nur aus einem korbartigen Geflecht aus dünnen
Reifen, an welches büschelweise Haare angebunden sind. Ich erhielt nur eine solche
PerrOcke, und zwar auf Butaritari.
d) Kopfputz
ist mir, ausser Kränzen aus bescheidenen Blumen und feinen Blättern, die nament-
lich bei jungen Mädchen beliebt sind, nicht vorgekommen. Das Museum Godeffroy
(Katalog, S. 255, Nr. 795 und 796, Taf. XXVIII, Fig. i) verzeichnet aber zwei »Kopf-
schmucke« aus Muscheln (Natica gambiae) von den Gilbert-Inseln, indess ohne Angabe
des Sammlers, so dass die Richtigkeit der Herkunft nicht über alle Zweifel erhaben ist.
Ich selbst erhielt nur ein hierhergehöriges Stück, eine Art Kopfbinde, aus einem 40
bis 50 Mm. breiten Streifen feinsten Geflechtes aus Pandanus-E\^ll bestehend, reich
mit Menschenhaar gestickt. Von Nukunau und hier »Tentoa-u« genannt. Solcher
Kopfputz wird, wie die Käppchen, nur beim Menstruationsfeste von jungen Mädchen
getragen.
e) Ohrputz
ist häufig, beschränkt sich aber nur auf Blätter und Blumen. Beide Geschlechter pflegen
meist beide, zuweilen nur ein Ohrläppchen zu durchbohren und in die Löcher
frische grüne Blätter oder Blumen zu stecken (vgl. Finsch, »Anthrop. Ergebnisse«,
Taf. I, Fig. I und 2, mit Blüthenkolben von Pandanus im Ohr). Am häufigsten ist ein
Ohrputz — auf Tarowa »Tekaburi« genannt — der einfach aus einer Rolle von einem
schmalen Streifen frischen Pandanus-hlzXXts besteht und gern mit Blüthenduft von
Pandanus parfümirt wird. Diese Blattrolle dehnt das Ohr übrigens nicht übermässig
aus. Ohrläppchen, die »bis auf die Schultern hinabhängen«, wie sie Parkinson (Kat.
M. G., S. 254) beschreibt, kommen auf den Gilberts nicht vor, und es liegt hier eine
Verwechslung mit den Marshalls zu Grunde. Schnüre aufgereihter Glasperlen hatten
sich damals bereits als Ohrschmuck zuweilen Eingang verschafft. Ich beobachtete
übrigens auch Personen, und zwar nicht blos Kinder, welche die Ohren gar nicht durch-
bohrt hatten.
In der benachbarten Ellice-Gruppe werden kleine Ringe aus Schildpatt in den
Ohren getragen, eine Zierart, die auf den Gilberts unbekannt ist.
f) Hals- und Brustschmuck
hatte damals bereits viel an Originalität verloren und Stücke aus der guten alten Zeit
waren kaum mehr zu haben. Am häufigsten wird, und zwar von beiden Geschlech-
tern, ein Strickchen um den Hals getragen, oder ein Streifen frischen Pa;i^^nK5- Blattes.
Die Halsstrickchen sind meist fein aus Menschenhaar geflochtene Schnüre, wie die fol-
gende :
Tedanadu (Nr. 546, i Stück), Halsschnur, sehr zierlich, aus sieben dünnen
Schnürchen von Menschenhaar. Banaba.
Solche Schnüre werden ein- oder mehrreihig um den Hals getragen, sowie mit
Vorliebe auch um den Leib. Zuweilen sind Haarschnüre über Cocosfaserschnüre ge-
flochten, so dass sie eine dicke W^ulst um den Hals bilden. Solche Haarwulste, mit
»Fingernägeln« verziert, erwähnt Wilkes als einzigen Schmuck der Bewohner Tonga-
rewas (Penrhyn). Halsschmuck aus Schnüren von Menschenhaar war auch bei den
alten Hawaiiern sehr beliebt, und das British Museum besitzt solchen von den
Salomons.
I) Sehr interessante Perrücken mit zum Theile gefärbten Haaren sind im Kat. M. G. (S. 145)
aus dem Inneren von Viti-Levu beschrieben und bei Wilkes (III, S. 364) abgebildet.
[S^g] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gl
Häufig werden Blumenkränze als Halsschmuck verwendet, ganz besonders eine
weisse BlÜthe, die Über eine Cocosfaserschnur geflochten wird. Solche Kränze heissen
auf Maiana »Dowanu-u« und sind bei Männern wie Frauen beliebt, müssen aber immer
frisch angefertigt werden, da sie sehr bald verwelken. Blumen besitzen die Inseln übri-
gens äusserst wenige und meist unscheinbare Arten.
Ein kunstvolleres Stück ist das folgende :
Äebirak (Nr. 448, i Stück), Halskette, 43 Cm. lang, aus 10—15 Mm. langen,
dichtstehenden Pflanzenstengeln (wahrscheinlich einer Art Farnkraut), auf eine dünne
Schnur aus Cocosnussfaser geflochten. Maraki.
Das frische Pflanzen material ist grün und kleidet sehr hübsch, vertrocknet aber bald
und wird dann schwarzbraun. Häufig sind diese Art Halsbänder auf dünne Schnüre
aus Menschenhaar geflochten, zuweilen parfümirt, und bei beiden Geschlechtern beliebt,
müssen aber bei ihrer Vergänglichkeit öfters durch neue ersetzt werden.
Auf Nawodo beobachtete ich auch breitere Halsbänder aus weiss- und schwarz-
gefärbtem Hibiscus-Basl.
Bei derselben festlichen Gelegenheit, bei welcher die Mädchen die zierlichen Käpp-
chen (siehe S. 74 [342], Textfig. i3) aufsetzen, werden sie auch mit einem besonderen
Halsschmuck bekleidet, der »Terabaraba« heisst. Er besteht aus einem sehr kunstvoll
geflochtenen, 25 — 80 Mm. breiten Streifen aus feinstem Pandanus-Blalt, häufig artig
mit Menschenhaar gestickt, der gleich einem Kragen um den Hals getragen wird. Ich
erhielt solche Kragen von Maiana und Nukunau.
Von Halsketten aus unbearbeiteten Muscheln erhielt ich nur das folgende Stück:
Halskette (Nr. 461, i Stück, Taf. V [22], Fig. 3), bestehend aus einer circa
50 Cm. langen dünnen Schnur, aus Hibiscus-F Siscr gedreht, aufweiche lose i3 Stück
einer schmutzigweissen Muschel {Natica lurida Phil., nach v. Martens) gereiht sind.
Banaba.
Statt der Tekaroroschnüre (siehe S. 75 [343], die übrigens mit den nachfolgend ver-
zeichneten Leibgürteln identisch sind), welche früher als werthvoUe Halsketten *) von
beiden Geschlechtern geschätzt waren, bedient man sich jetzt allgemein Schnüre auf-
gereihter Glasperlen. Gleichsam als Nachklänge an die Vergangenheiten werden an
solche Schnüre Anhängsel aus einem Stückchen SpondyluSy Scheiben aus Conus oder
Perlscbale, oder Zähne befestigt.
Die Sammlung enthielt eine schöne Reihe solch modernen Schmuckes, spwie
einige gute alte Stücke.
Tentabo (Nr. 452, i Stück, Taf. VIII [25], Fig. 17), eine circa 50 Cm. lange
Schnur aufgefädelter Glasperlen (meist blaue, sowie rothe und einzelne rosa und weisse),
an welches ein längliches Stück roh bearbeiteter rother Muschel (Spondylus odtr Chama)
als Anhängsel befestigt ist. Tarowa.
Tebaia (Nr. 454, i Stück), Schnur rother Glasperlen mit einem Anhängsel aus
Spondylus, ähnlich dem vorhergehenden, aber von hellerer Färbung (ähnlich Taf. [25],
Fig. I a). Maiana.
Derartige Anhängsel aus Spondylus sind weitaus am beliebtesten und im Ganzen
sehr wenig bearbeitet, zuweilen nur etwas zugerundet und von sehr verschiedener
<) Der Kat. M. G. verzeichnet einige interessante Tekaroro-Halsschmucke von ehenials (S. 256,
^^' 7^9« 788 und 182 1), wie ich keine mehr erhielt, dagegen auch Halsschnüre aus Glasperlen mit
•S^n(f)^/us- Anhängsel von Fidschi (S. 150, Nr. 1008 und S. 152, Nr. 1156), die durchaus mit modernen
von den Gilberts übereinstimmen.
Aonaleo des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIU, Heft i, 1893. 6
i
n
li
82 Dr. O. Finsch. [350]
i Grösse. Das grösste Exemplar, welches ich erhielt, war 90 Mm. lang und 40 Mm. breit
4
i
•
-1
1
und galt als besonders werthvoll. Gewöhnlich begnügt man sich mit Stücken von
40 Mm. Länge und 20 Mm. Breite, ähnlich den folgenden Nummern:
Halsband-Anhängsel (Nr. 459, i Stück), aus einem Stück Spondylus, Maraki.
Das Exemplar gehört zu den am besten bearbeiteten Stücken, welche mir auf den
Gilberts vorkamen, und stellt ein Triangel vor von 27 Mm. Länge, dessen gerader
unterer Schenkel 23 Mm. misst. Aehnlich geformte Stücke erhielt ich auch von Ba-
naba. Spondylus gehörte nach Wilkes auch zum werthvoUsten Schmuck auf Fidschi.
Am häufigsten auf den Gilberts sind 5/?ow4^/M5-Plättchen, die in Form wie Grösse
ganz mit den (Taf. [25], Fig. 15) von Ponap^ abgebildeten übereinstimmen und den
prähistorischen, welche ich dort in den Ruinen (Taf. [25], Fig. 14) ausgrub. Eine ge-
wöhnliche Form ist auch die folgende:
Halsband- Anhängsel (Nr. 459 a, i Stück, Taf. VIII [25], Fig. 16), aus einem
rohbearbeiteten Stückchen Spondylus-MM^chtl. Tarowa.
S/?ow^/w5-Stückchen werden, weil am werthvoUsten, meist von Männern benützt,
indess auch von Frauen, die ihre Halsschnüre aus Haar gern mit einem solchen
verzieren.
In früherer Zeit wurden aus SpondylusSliläuchtn ganze Halsketten hergestellt.
Einen solchen mir aus dem British Museum bekannten Halsschmuck bildet Edge-
Partington (Taf. 173, Fig. 4) ab; er besteht aus 42 etwas bearbeiteten Stücken (in der
Form Taf. [25], Fig. 17 ähnelnd), die von der Mitte nach den Seiten an Grösse ab-
nehmen.
Die auch in Melanesien (vgl. II, S. [221]) so häufig zu Schmuck verwendeten run-
den Scheiben und Ringe, aus den Spiren gewisser Kegelschnecken (Conus) geschliffen,
sogenannte Co;tu5-Böden, sind auch auf den Gilberts sehr beliebt. Früher wurden dar-
aus ganze Halsketten gefertigt, wie die folgende:
To-uba (Toba) (Nr, 460, i Stück, Taf. VII [24], Fig. 15 und 16), Halskette aus
27 sehr sauber geschliffenen flachen runden Scheiben aus Conus (millepunctatus), die
mittelst sehr feinem Bindfaden aus Cocosfaser kunstvoll auf eine Schnur geflochten
sind, und zwar so eng aneinander, dass sich die Scheiben decken. Maraki.
Die Kette ist 18 Cm. lang und stellt nur die eine Hälfte dar; in der Mitte sind die
grössten Scheiben (Fig. 15), welche nach den Seiten zu aUmälig an Grösse abnehmen,
so dass die äusserste (Fig. 16) die kleinste ist. Eine andere vollständige Kette (3o Cm.
lang\ ebenfalls von Maraki, besteht aus 70 kleineren Coraus-Scheiben (millepunctatus) ,
die mittelsten so gross als Fig. 16, die seitlichen \\\t Fig. 17 (Taf. [24]). Aehnliche Hals-
ketten bildet Edge-Partington (Taf. 174, Fig. i und 2) ab.
Ich erhielt nur noch wenige Stücke dieses werth vollen Schmuckes, der bald der
Vergangenheit angehören dürfte, denn selbst einzelne Corau^-Scheiben waren schon
ziemlich selten, wenigstens so grosse Exemplare als das folgende:
Halsbandschmuck (Taf. VII [24], Fig. i8\ aus einem kolossal grossen Conus
( millepunctatus } von 85 .Mm. Durchmesser, ausserordentlich sauber geschliffen. Baoaba.
Aehnlich grosse Exemplare erhielt ich auf Tarowa; sie waren aber in der Mitte
durchbohrt und bildeten einen 25 Mm, breiten flachen Ring, mit einer Oefinung von
35 Mm. Lichtweite in der Mitte. Die grösste Co «M.'f-Scheibe mit fast 100 Mm. Durch-
messer erhielt ich auf Nawodo.
Gewöhnlich sind kleinere Scheiben, wie das folgende Stück:
Halsbandschmuck ^^Taf. VII [24], Fig. 171, aus einer Scheibe von Conus,
Banaba.
i
i
[3 eil Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 83
Solche Conu^-Scheiben werden an einer Schnur befestigt um den Hals getragen,
häufig aber an Schnüren aus Glasperlen, wie die folgende Nummer:
Halskette (Nr. 450, i Stück, Taf. VII [24], Fig. 19), aus einer Doppelreihe jeder-
seits 16 Cm. langer Schnüre aufgereihter Glasperlen (3 — 6 blaue je mir einer rothen
abwechselnd), die jederseits in einen 12 Cm. langen Bindfaden, aus Hibiscus-Fastr ge-
dreht, enden. In der Mine als Anhängsel eine sauber geschliffene, in der Mitte durch-
brochene Scheibe — »To-uba« — aus Conus millepunctatus. Tarowa.
Nächst Scheiben aus ConuSy sehr selten aus Ovula ovum, sind solche aus Perl-
mutter') (Beio) geschliffen als Halsbandschmuck sehr beliebt, deren primitive Anferti-
gung durch die folgenden Nummern illustrirt wird.
Perlmutterschale (Nr. 458, i Stück, Fig. 15), Fig. 15.
und zwar Meleagrina margaritifera, im ersten Sta-
dium der Bearbeitung. Tarowa.
lieber die in der Länge 14 Cm., in der Quere
1 2 Cm. messende, also für die Gilbert-Inseln schon
ziemlich grosse Schale, ist auf der Rückseite quer über
^ ie Mitte eine Rille (a a) eingeschliffen.
Dies geschieht mit der abgenützten Schneide
s i nes jener (5 — 6 Zoll langen) Schlachtermesser, wie
sie allgemein in der Südsee als Tauschartikel gebraucht
^v- erden. Ist die Rille ziemlich tief eingeschnitten,
gleichsam gesägt, was viel Zeit erfordert, so wird die
Schale abgeschlagen, wobei sie nicht selten in meh-
i^^re Stücke zerspringt. Geht die Sache glatt ab, so Perlmutterschale in Bearbeitung,
rird von dem unteren Stück jederseits der obere Tarowa.
and schräg abgeschnitten (wie Fig. 15 ^ oder c). Es v, „atüri. Grösse,
entsteht dadurch ein Stück ähnlich dem folgenden:
Halsbandschmuck (Nr. 457, i Stück, Fig. 15 ^) aus Perlschale, im zweiten Sta-
d ium der Bearbeitung. Tarowa.
Indem nun von einem solchen Stück wiederum die seitlichen Ecken abgeschnitten
>3i^erden, nähert sich dasselbe mehr der runden Form, die es schliesslich durch Abschlei-
fen vollends erhält. Dies geschieht auf einem harten Korallenstück unter Anwendung
^von Wasser und Sand. In derselben Manier werden die mehr oder minder runden
Scheiben dann oft sehr dünn geschliffen und schliesslich das Loch eingebohrt, wozu
man sich einfach der Spitze des Messers als Bohrer bedient. Ich habe der Bearbeitung
solcher Muschelscheiben oft zugesehen, wobei die Weiber meist mehr Fleiss entwickel-
ten als die Männer. Die ungeheure Mühe und Zeit, welche die Herstellung eines solchen
Schmuckstückes, wie z. B. das folgende, erfordert, wird man erst nach der obigen Dar-
stellung zu würdigen verstehen.
Tebalja (Nr. 456, i Stück), kreisrunde Scheibe (circa 60 Mm. Diameter) aus
Perlmutter (Aussenseite dunkel), als Anhängsel für ein Halsband, Tarowa. ,
Zuweilen werden auch Anhängsel aus Perlmutter in der Form eines länglichen
Viereckes verwendet; ich erhielt solche unter Anderem von Banaba.
') Die Halskette (S. 386, Nr. 3ii8 des Kat. M. G.) von »Uleaic trägt so ganz den typischen
ilbcrtcharakter, dass sie jedenfalls hierher gehören dürfte, ebenso die kreisrunde Scheibe aus Perl-
■^»^e (S. 414, Nr. 1626) mit der Angabe .Carolinen*.
6^
84 ^^' O Finsch. [352]
Tebalja (Nr. 455, i Stück), Halskette aus schwarzen und einzelnen weissen Glas-
perlen mit Anhängsel aus einer sehr dünn geschliffenen, ziemlich runden Scheibe aus
hellfarbigem Perlmutter (so gross als Fig. 19, Taf. [24]). Tarowa.
Prachtvoll geschnitzte, kolossal grosse Perlmutterschalen, das Schönste, was ich
in diesem Genre sah, beitzt das British Museum von den Markesas, und ebenso von
Tahiti schönen Schmuck aus Perlschalen.
Tebalja (Nr. 454, i Stück), ähnlich dem vorhergehenden Stücke, mit hellfarbiger
(gelblicher) Perlmutterscheibe (fast so gross als Nr. 456), die mit zwei Rundlöchern
durchbohrt und an einer 32 Cm. langen Doppelschnur aus schwarzen Glasperlen be-
festigt ist, in welcher in regelmässigen Abständen jederseits fünf sehr zierliche Delphin-
zahne (Taf. V [22], Fig. 6) eingeflochten sind. Tarowa.
Die Delphinzähne sind von einer nicht bestimmten, mit Delphinus delphis verwand-
ten Art und kommen sehr selten vor. Ich erhielt auf Tarowa auch Halsketten, aus klei-
nen Cocosnussscheibchen und abwechselnd einzelnen solcher Delphinzähnen bestehend.
Häufiger waren Zähne einer anderen Delphinart (Phocaena), die früher zu ganzen
Ketten verflochten wurden, wie das folgende Stück:
Tebuangi (Nr. 446, i Stück, Taf. V [22], Fig. 5 a bis e)f Halskette; eine 60 Cm.
lange, sehr fein geflochtene Schnur aus Cocosfaser, auf welche, 40 Cm. lang, eine Dop-
pelreihe Delphinzähne sehr dicht durch Bohrlöcher aufgereiht sind. Butaritari.
Die Kette besteht aus mehr als 200 Zähnen, wovon die grössten (Fig. 5 a und b)
in der Mitte, die kleinsten (Fig. 5 d und e) an der Seite stehen. Sie gehören sämmtlich
ein und derselben Species (Phocaena) an, die sich aber nach den Zähnen allein wissen-
schaftlich nicht bestimmen lässt. Ein ähnliches Stück ist bei Edge-Partington (Taf. 172,
Fig. 12) von der Insel Arorai abgebildet.
Diese Art Halsbänder, früher auch in langen (60 — 80 Cm.) Schnüren als Leibgürtel
oder kreuzweise über die Brust getragen, sind sehr werthvoU und kommen nicht mehr
vor. Im Kat. M. G. (S. 244) ist Stirnschmuck aus Delphinzähnen von den Markesas
verzeichnet, welcher dort 40 — 80 Dollars kostete. Auf den Gilberts ist man jetzt froh,
so viele Delphinzähne zu haben, um sie einzeln Halsbändern aus Glasperlen einfügen
zu können (ähnlich Nr. 454).
Halskette (Nr. 451, i Stück), eine Schnur Glasperlen (schwarze und blaue, ab-
wechselnd mit rothen), in der Mitte ein der Länge nach durchbohrter, schwach geboge-
ner, stumpfgespitzter Zahn eines Fischsäugethieres (60 Mm. lang, 15 Mm. an der Basis
breit), das sich wissenschaftlich nicht bestimmen lässt; vielleicht von einem jungen
Spermwal. Tarowa.
Als Anhängsel zu einem Halsband erhielt ich auf Tarowa auch eine runde Kno-
chenplatte, wahrscheinlich aus dem Wirbel eines Walthieres gearbeitet. Edge-Parting-
ton bildet (Taf. 172) aus dem British Museum einige mir bekannte Halsbänder von den
Gilbert- Insulanern ab, die noch aus der guten alten Zeit herstammen und deshalb hier
angeführt werden mögen, weil ich keine solchen Stücke mehr erhielt. Fig. Nr. i besteht
aus einer Tekaroroschnur (vgl. S. 75 [348]), mit einem Zahn als Anhängsel, vermuthlich
von Spermwal. Als Localität ist »Byrons Isl. Mulgrave Group« angegeben, aber nur die
erstere giltig, also »Nukunau« der Gilbertinseln, da »Mulgrave «-Insel bekanntlich iden-
tisch mit Milli der Marshallinseln ist. Fig. Nr. 2 ist ganz wie das vorhergehende Stück,
als Anhängsel dienen aber zwei kleinere Zähne irgend einer Delphinart. Fig. Nr. 4 be-
steht aus einer schwarz und weissen Schnur (wie Nr. i), mit zwei Delphinzähnen (an-
scheinend gleich Taf. [22], Fig. 5 <i), in der Mitte ein ziemlich roh bearbeitetes Stück
5/70«^i7M5-Muschel (ähnlich Taf. [25], Fig. 16), rechts sind zwei andere undeterminirbare
[353]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sodsee.
8s
Halsschmuck (Spermwalzahn).
Tarowa.
Va natürl. Grösse.
Zähne (anscheinend menschliche) eingeflochten. Jedenfalls von den Gilberts und nicht
»Lord Mulgrave Group« (= Milli). Ein altes Gilbertstück ist auch Nr. 943 (Kat. M. G.,
S. 385) angeblich von »Uleai«.
Weit werthvoller als die im Vorhergehenden besprochenen Schmuckstücke waren
solche aus den Zähnen des Spermwales») oder Cachelot (Physeter macrocephalus) , die
in allen Grössen^ sowohl einzeln als zu mehreren, unbearbeitet und bearbeitet, als hoch-
geschätzter Zierat für Halsbänder beliebt waren. Es gelang mir, noch einige hierher
gehörige Stücke zu retten,
die jetzt wohl kaum mehr Fig. 16.
zu haben sein dürften.
Tebuangi (oder
Tebuonge) (Nr. 443, i
Stuck, Fig. 16), längs-
durchschnittener Sperm-
walzahn von kolossaler
Grösse; 18 Cm. lang,
65 Mm. breit und circa
20 Mm. dick; an der Ba-
sis zwei Löcher zum Be-
festigen einer Schnur aus
Cocosfaser. Tarowa.
Das graue, matte
Aussehen dieses Zahnes
zeigt, dass er lange der Witterung ausgesetzt war und, wie alle diese Zähne, von einem
gestrandeten Thiere herstammt.
Tebuangi (Nr. 442, i Stück), grosser (16 Cm. langer) Spermwalzahn, nicht
stumpf, sondern mit zugespitztem Ende. Tarowa.
Solche Zähne sind oft von kolossaler Grösse. Ein vor mir liegender misst 24 Cm.
in der Krümmung gemessen, 18 Cm. im Umfange und wiegt 750 Gramm. An der
Rundbasis ist ein sehr kleines Loch gebohrt, durch welches nur ein sehr dünner Bind-
faden befestigt werden konnte.
Tebuangi (Nr. 445, i Stück), Halskette aus fünf (circa 12 Cm. langen) an einer
Schnur befestigten Spermwalzahn en, davon einer der Länge nach durchgeschnitten.
Tarowa.
Ich erhielt eine Halskette, die aus 24 solchen Zähnen bestand.
Tebuangi (Nr. 444, i Stück, Taf. V [22], Fig. 7, a Dicke), Spermwalzahn, längs
durchgeschnitten, als Schmuck für Halsband. Tarowa.
Die Abbildung zeigt die Innenseite, die Mittelleiste, dass das Durchschneiden des
Zahnes von beiden Seiten aus geschah; das obere Bohrloch rechts ist noch nicht voll-
endet und geht nicht ganz durch.
Tebuangi (Nr. 444^, i Stück, Taf. V [22], Fig. 8, a Dicke), wie vorher, aber der
Zahn schmal. Tarowa.
Auch an diesem Stücke lässt sich deutlich erkennen, dass beim Durchschneiden
an jeder Seite angefangen wurde. Das Stück ist mit drei Löchern durchbohrt.
<) Der Kat. M. G. verzeichnet derartigen Schmuck (S. 257) von den Gilberts, sowie von Fidschi
(S. 181) und von den Markesas (S. 244). Der »Halsschmuck« (S. 41, Nr. 1164) von »?Neu-Britannien<
ist sicher von den Gilberts. Wilkes bildet (III, S. 237) eine Fidschifrau ab, die einen Spermwalzahn
um den Hals trägt
86 Dr. O. Finsch. [354.]
Die verschiedenen Hals- oder Brustschmucke aus Spermwalzahn, welche ich er-
hielt, waren an gewöhnliche aus Cocosnussfaser gedrehte Schnüre befestigt, weil diese
Art Schmuck bereits aus der Mode war. Früher wurden aber auch Tekaroroscheibchen
(aus Muschel und Cocosnussschale ') zwischen die einzelnen Zähne gereiht, wie dies
jetzt mit Glasperlen und Delphinzähnen geschieht.
Wenn die vorhergehenden Stücke keine andere Bearbeitung als Durchschneiden
zeigen, so wurden doch aus Spermwalzahn auch kunstvolle Arbeiten verfertigt, wie das
folgende kostbare Stück aus der guten alten Zeit:
Halsschmuck (Taf. VI [23], Fig. 4, a Breite an der Basis der Vorderseite), aus
dünngeschliffenen, sanft gebogenen, in eine Spitze auslaufenden Zinken, Abschnitten
von Spermwalzahn (Cachelot), die in der Form an lange Krallen erinnern. Der
Schmuck besteht aus 27 solchen Zinken, von denen die längsten (140 Mm.) die Mitte,
die kürzesten (85 Mm. lang) die seitlichen bilden, und die mittelst eines runden Bohr-
loches auf eine Schnur von Cocosnussfaser gereiht sind. Arorai.
Die gelbliche Färbung, ähnlich der von altem Elfenbein, bezeugt das hohe Alter
dieses Stückes, das wahrscheinlich Generationen von Häuptlingen als kostbares Erbstück
diente. Bei der bedeutenden Härte des Materials und der Unvollkommenheit der Werk-
zeuge muss die Bearbeitung in der That ganz ungeheure Schwierigkeiten gemacht und
eine nicht mindere Geduld erfordert haben. Man begreift kaum, wie es den Eingebore-
nen möglich war, aus den kolossalen Zähnen, wie sie zur Anfertigung derartiger Zinken
nöthig waren, dünne Streifen zu schneiden, respective zu schleifen.
Ganz gleicher Schmuck von Fidschi wird von Wilkes erwähnt und im Kat. M. G.
verzeichnet (S. 149, Nr. io33, ii32 und S. 150, Nr. 2225, Inneres von Viti-Levu);
ausserdem abgebildet (Anthrop. Atlas M. G., Taf. 1 1, Fig. 533), Fidschianer und (Taf. i3,
Fig. 202) ein Mann von Tanna mit solchem Halsschmuck. Dass das Material nicht aus
»Zähnen des Hirschebers« (Porcus babirusa) besteht, habe ich bereits früher angegeben
(Mitth. Anthrop. Gesellsch. Wien, XVII, 1887).
Halsschmuck aus Spermwalzahn geschnitzt war auch bei den alten Hawaiiern äusserst kost-
bar und wurden hier in sehr eigenthümlicher und charakteristischer Form an Schnüren aus MenscheD-
haar (vgl. Choris, PI. XVII) getragen. Andere Formen werden wir im Schmuck der Marshallaner
kennen lernen. Am kunstvollsten und mannigfachsten waren aber jedenfalls Arbeiten aus diesem
Material auf Fidschi. Ausser den krallenförmigen Zinken wurden hier auch Brustschmucke, aus ge-
schliffenen Spermwalzahnplatten zusammengesetzt, gefertigt, wie ich sie im British Museum sah und
wie sie ähnlich der Kat. M. G. (S. 150, Nr. 1045, 2459 — 2462 und S. 151) verzeichnet.
Das Schönste und Kostbarste in diesem Genre sah ich aber seinerzeit in der Privatsammlung
des früheren Gouverneurs der Fidschiinseln, Sir Arthur Gordon, damals Gouverneur von Neusee-
land in Wellington. Es waren dies ganz aus Spermwalzahn geschnitzte Figuren. Die eine, ziemlich
roh und unproportionirt eine menschliche Figur (ohne Sexus) darstellend, war circa i3 Cm. lang und
hatte mit neun anderen gleichen oder ähnlichen Figuren als Halsband gedient. Die andere Schnitzerei,
circa 10 Cm. lang, stellte zwei weibliche Figuren mit kolossalen Brüsten dar, die, mit dem Hintertheil
aneinandergelehnt, auf einer runden, unten ausgezackten Scheibe standen ; die Köpfe waren durch
eine ausgeschnitzte Oese verbunden, mit einem Loche zum Aufhängen, Alles aus einem Stück ge-
schnitzt. Denn auch dieses Unicum war nach der Versicherung Sir Arthurs, des gewiegten Kenners
fidschianischer Ethnologie, kein Götze, sondern ein Halsschmuck. Darnach lässt sich annehmen, dass
die aus »Walzahnc geschnitzten »Götzen« von Fidschi (Kat. M. G., S. i38) einst demselben Zwecke
dienten.
») Dieser Umstand lässt stark vermuthen, dass die (Kat. M. G., S. 884, Nr. 121 — 123) beschrie-
benen Halsketten von »Uleaic von den Gilberts herstammen, wofür auch der in Nr. 121 mitver-
wendete menschliche Schneidezahn besonders spricht. Die Halsschmucke (S. 221, Nr. 604 und 605)
von der »Ellice-Gruppe« gehören jedenfalls auch hierher, wie Nr. 464 (S. 395) und Journ. M. G., Heft II,
Taf. 4, Fig. 6 und da mit der Angabe »Yap« und Nr. i39 (S. 414) »Palau«.
[3551 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gy
In hohem Werthe standen auch Menschenzähne als Material zu Halsketten:
Te-ui (Nr. 447, i Stück, Taf. V [22], Fig. 4), Halskette aus Menschenzähnen,
die an der Wurzel durchbohrt und auf eine feine Schnur aus Cocosfaser geflochten sind.
Butaritari.
Die 40 Cm. lange Kette besteht aus 108 Zähnen, von vorzüglicher Beschaffenheit
und von Individuen verschiedenen Alters, meist Eckzähnen (60 Stück) und Schneide-
zähnen (48 Stück), darunter einige von besonderer Grösse (vgl. z. B. den mittelsten der
Abbildung, welcher der grösste ist).
Derartige Halsketten') gehören der Vergangenheit an, und ich erlangte nur ein
paar Exemplare. Häufiger vsraren Halsbänder aus Glasperlen mit einzelnen Menschen-
zähnen, wie das folgende Stück:
Halskette (Nr. 44g, i Stück), aus einer Reihe blauer Glasperlen, dazwischen in
regelmässigen Abständen acht Backenzähne. Tarowa.
Ich erhielt auch Halsketten aus Glasperlen mit abwechselnd einzelnen Menschen-
zähnen und Delphinzähnen (Taf. [22], Fig. 5) eingeflochten.
Eine sehr eigenthümliche Art Halskelten beobachtete ich auf Nawodo. Sie be-
stehen aus 3o — 40 halbkugelförmigen Perlen, von denen die grössten (mit circa lo bis
12 Mm. Diameter) die Mitte bilden, um nach beiden Seiten an Grösse abzunehmen; sie
sind durchbohrt und auf eine Schnur gereiht. Diese Perlen sind auf der Schnittfläche
weiss wie Muschel, im Uebrigen gelblich-bräunlich bis schwärzlich marmorirt, hie und
da mit unebener Oberfläche. Das Material war nicht auszumachen; nach Angabe der
Eingeborenen soll es eine Muschel sein, wofür allerdings die bedeutende Schwere
spricht. Ich sah übrigens nur ein paar solcher Ketten im Besitze von Häuptlingen, die
sie aber nicht verkauften und selbst den Verlockungen von fünf Flaschen Gin wider-
standen, wofür man sonst auf Nawodo ungefähr Alles haben konnte.
g) Armschmuck
wird nur bei besonderen feierlichen Gelegenheiten getragen, und zwar hauptsächlich in
Form der Tekaroroschnüre, die ums Handgelenk gewunden werden. Zuweilen sind
solche Schnüre aus weissen und schwarzen Scheibchen zu einem Armbande von 10 bis
12 Cm. Breite zusammengeflochten, wie dies die Figur (Nr. 7, Taf. 177) Edge-Parting-
ton's zeigt, der die Bemerkung hinzufügt: »ähnelt sehr Salomons-Insel- Arbeit«. Das
Exemplar stammt aber ohne Zweifel von den Gilberts, wo ich selbst derartige Stücke
auf Tarowa und Maiana erhielt. Solche Armbänder werden bei Tanzfesten von Frauen
um den Oberarm getragen. Hier zuweilen auch bei der gleichen Gelegenheit ein paar
Ovula ovum-Muscheln befestigt. Hiezu vgl. Tanzschmuck (S. 33 [3oi]). Schmale
Streifen frischen Pandanus-BlsLites werden häufig von beiden Geschlechtern um das
Handgelenk gebunden, sind aber kaum als Schmuck zu betrachten.
h) Leibschmuck.
Beide Geschlechter, besonders aber die Frauen, pflegen mit Vorliebe oberhalb des
Grasschurzes eine Schnur um die Hüften zu tragen, die gewöhnlich aus Menschenhaar
geflochten ist, ganz wie die Halsschnur (Nr. 546, S. 80 [348]) und wie diese »Tedanadu«
heisst. Zuweilen bestehen solche Leibgürtel nur aus 10 — 18 einzelnen Haarschnüren
von I M. und mehr Länge.
0 Die im Kat. M. G. (S. 42, Nr. 1662 und 2094) beschriebenen and (Taf. X, Fig. l) schlecht ab-
gebildeten Halsketten aus Menschenzähnen stammen jedenfalls nicht aus Neu -Britannien, sondern von
<ien Giibertinseln. Im British Museum sah ich solche Ketten mit den Localitätsangaben Tonga und
Salornons; Wilkes gedenkt ihrer von Fidschi.
i
88 Dr. O. Finsch. [356]
Wie ZU Halsketten sind auch als Gürtel lange Schnüre aufgereihter runder Scheib-
chen aus Cocosnussschale (wie Fig. i b, Taf. [24]) beliebt. Ich erhielt davon auch solche,
die wegen ihrer Dicke nicht aus diesem Material, sondern aus Scheibchen von Cocos-
palmholz zu bestehen scheinen.
Besonders geschätzt sind aber solche Gürtel wie die folgenden Nummern:
Tekaroro (Nr. 549, i Stück, Leibschnur VII [24], Fig. i) aus a runden weissen
Scheibchen, aus einer Muschel geschliffen, und b schwarzen Scheibchen aus Cocosnuss-
schale, die abwechselnd (ein weisses und ein schwarzes) auf eine Schnur aus Cocosnuss-
faser gereiht sind. Maraki. Die Schnur hat eine Länge von 170 M., reicht also doppelt
um den Leib und zählt über iioo Scheibchen. Die Scheibchen sind unegal in Breite
und Dicke, zum Theil am Rande nicht abgeschliffen, so dass dann der fein gekerbte
Rand der Unterseite der Muschel an der einen Kante bemerkbar ist, wie dies auch die
Abbildung zeigt. Die Cocosnussscheibchen sind meist nur am Aussenrande schwarz
und wie polirt in Folge des langen Tragens und Einreiben mit Oel.
Leibschnur (Nr. 548, i Stück, Taf. VII [24], Fig. 2), wie vorher a aus weissen
Muschelscheibchen und b aus dunklen Cocosscheibchen, 1 70 M. lang. Banaba. Weit
feiner als das vorhergehende Stück; die Muschelscheibchen sind sorgfältiger geschliffen
und aussen polirt, die Cocosscheibchen so dünn, dass sie sich auf der Abbildung nur
durch einen Strich markiren lassen.
Leibschnur (Taf. VII [24], Fig. 3, a Muschel, b Cocosnuss), wie vorher aber
noch kleinere, ausserordentlich accurat bearbeitete Scheibchen. Banaba.
Leibschnur (Nr. 547, i Stück, Taf. VII [24], Fig. 4), wie vorher, a weisse Muschel-
scheibchen, b dunkle von Cocosnussschale; Länge 1*43 M. Banaba. Dies ist die feinste
Sorte, bei der 21 Muschelscheibchen und ebenso viele von Cocosnuss erst 3 Cm.
messen. Die Scheibchen sind meisterhaft gearbeitet, die von Cocosnuss ausserordent-
lich dünn, wie Papier.
Wenn die vorhergehenden Nummern von Banaba überhaupt nicht mehr zu haben
sind, so werden Tekaroroschnüre wie Nr. 549 auch bald der Vergangenheit angehören.
Schon damals begnügte man sich gern mit einer Schnur aus abwechselnd weissen und
schwarzen Emailperlen, als Ersatz der theuren Muschelschnüre. Letztere wurden meist
von Frauen getragen und gewöhnlich in einer Länge von go Cm., eben weit genug, um
einen Arm durchzustecken und dann den geschlossenen Ring über die Brust zu zwängen.
Bedeutend werthvoller als Muschelschnüre waren Leibgürtel aus Delphinzähnen
(wie Nr. 446, S. [352]) und Menschenzähnen (wie Nr. 447, S. [355]). Ein Gürtel aus klei-
nen weissen Muscheln, wie ihn Edge-Partington (Taf. 171, Fig. i) von »Kingsmill« ab-
bildet, ist mir hier nicht vorgekommen. Derselbe dürfte wohl von anderer Herkunft sein.
i) Beinschmuck
kommt kaum in Betracht, denn der schmale Blattstreif (aus Pandanus oder Cocosnuss),
der nicht selten ums Fesselgelenk befestigt wird, ist nicht als solcher zu rechnen. Aber
bei Tänzen sollen Frauen Tekaroro-Muschelschnüre oder ein paar 0}^u/a -Muscheln ums
Fussgelenk tragen.
Ethnologische Schlussbetrachtung.
Der Gilbert-Archipel mit Banaba und Nawodo bildet innerhalb der Ethnologie
Oceaniens eine besondere Subprovinz, <)die sich durch verschiedene Eigenthümlichkeiten
«) Dieselbe ist in Museen im Ganzen nur schwach vertreten. Der Kat. M. G. verzeichnet circa
140 Nummern von hier ; das Berliner Museum für Völl&erl&unde erhielt durch meine Reisen 260 Stück
aus dieser Subprovinz.
[357]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
89
auszeichnet. Hierher gehören: eigene Sprache, eigene pantomimische Tänze (an denen
beide Geschlechter theilnehmen), eigene Tätowirung, eigener Baustyl der Häuser (die
sich zu grossen Dörfern gruppiren), darunter kolossale Versammlungshäuser (Maneap),
die mit zu den grössten Bauwerken der Südsee überhaupt zählen, eigene Bauart der
Canus, mit die besten, grössten und kunstvollsten der Südsee, und ganz besonders die
durch Verwendung von Haiiischzähnen eigenthümlichen Waffen (darunter auch beson-
dere glatte Holzkeulen und bearbeitete Schlagsteine aus Muschel), sowie vollständige
Rüstungen, wie sie derartig nirgends mehr in der Südsee vorkommen. Unter den
Fischereigeräthschaften scheint nur eine Aalschlinge (Fig. 5, S. 56 [324]) eigenthümlich
zu sein. Die sonst in Mikronesien üblichen Stämme und Stände fehlen, wie überhaupt
mit den Nachbarinseln kaum irgendwelche ethnologische Beziehungen vorhanden sind,
was besonders in Bezug auf die nur 25 Seemeilen südlich gelegene Ellice-Gruppe auf-
fallend erscheint. Mit Haifischzähnen bewehrte KratzwafTen sind ähnlich auf Hawaii
vertreten; die Hauptindustrie Mattenflechterei, wie überall in Händen der Frauen, findet
sich in gleicher Vollkommenheit auch in anderen Gebieten Oceaniens (z. B. Samoa,
Rotumah u. s. w.). In der Bekleidung fehlt die sonst übliche Lendenbinde (Maro) der
Männer, die Faserröckchen der Frauen ähneln am meisten denen der Männer auf
Ponape, finden sich aber fast gleich auch vielerwärts in Melanesien, sowie ähnlich auf
Fidschi, Samoa und Tockelau. Mehr eigenthümlich sind die aus Blättern geflochtenen
Mützen der Männer, während die Perrücken derselben sich fast nur auf Fidschi wieder-
finden. Mit den letzteren Inseln haben die Gilberts auch in gewissen Schmucksachen
am meisten Beziehungen, so in der Werthschätzung von Spermwal- und Menschen-
zahnen, wie in der Frauenhandarbeit der zierlich geflochtenen Deckelkörbchen beide
Inselgruppen wiederum die grösste Uebereinstimmung zeigen. Die Tekaroro-Schnüre,
aus Muschelschalen- und Cocosnussscheibchen, sind zwar sehr charakteristisch, aber
doch nicht ganz eigenthümlich für die Gilberts, die sich gegenüber den Marshalls durch
das Fehlen von Scheibchen aus Spondylus-Muschtl auszeichnen. Dagegen sind, wie
auf Ponap6 und Fidschi, roh bearbeitete Spondylus-Siilckchtn als Schmuck beliebt. In
letzterem ist das Fehlen von Armbändern und Gegenständen aus Schildpatt bemerkens-
werth. Die häufige Verwendung von Menschenhaar erinnert am meisten an Melanesien,
war aber auch in Hawaii in ähnlicher Weise beliebt und kommt unter Anderem auf
Penrhyn vor. Die auf den Gilberts so hoch entwickelte Verehrung der Schädel von
Anverwandten ist ebenfalls ein vorwiegend melanesischer Brauch, der sich aber auch
auf Samoa und der Oster-Insel findet. Aehnlich verhält es sich mit den so beliebten
Brandwunden, die am meisten auf Melanesien hinweisen, aber auch auf Samoa und
Pelau beliebt sind. Alles in Allem zeigen die Gilberts mehr Anklänge und Beziehungen
zu Melanesien, als zu Polynesien und am wenigsten mit Mikronesien.
i
[359] ^^' ^' ^insch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee.
91
Tafel I (18).
Mikronesien. Waffen mit Haifischzähnen.
r!
r
<
92 Dr. O. Finscfa. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. [36ol
Erklärung zu Tafel I (i8).
Mikronesien. Waffen mit Haifischzähnen.
Fig. I. (Vj) Mitderer Theil eines schweren Kriegsspeeres
(grösste Breite), mit Zähnen von Galeocerdo Rayneri
besetzt; Maraki, Gilbert- Archipel Seite
» 2. ( Y^) Desgl., äusserster Spitzentheil desselben Stückes >
* ^' (Vi) Desgl., Querschnitt desselben Stückes; a) Hai-
fischzahn; b) Bindfaden, mit welchem dasselbe durch
Bohrlöcher c) befestigt ist >
* 4. (V4) Desgl., mittlerer Theil, von der Schmalseite
gesehen, mit Parirstange (a) und Bewehrung {b) von
Rochenhaut >
* 5. (Vi) Basistheil einer Handwaffe mit Zähnen von
Carcharias lamia bewehrt, von der Unterseite; Na-
wodo (Pleasant Isl.) >
> 6. (7i) Spitzentheil desselben Stückes; Zähne von der
Oberseite >
> 7. (7i) Kratzwaffe der Frauen mit Zahn von Ga/eocer^o
Rayneri', Tarowa, Gilbert-Archipel Nr. 780, >
» 8. (V2) Desgl., mit kunstvoller Umflechtung, Zahn von
derselben Species; Nawodo »781, >
307
Sog
39
41
PtDsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 18.
Annalen des k. k. naturhist. HofmuMums, Band VIII, 1S93,
94
Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfidsee.
[362]
Erklärung zu Tafel II (19).
Mikronesien. Waffen.
Fig. I. Spitzentheil eines Speeres; Marshall- Archipel .
2. Desgl.; Ruk, Carolinen
3. (ca. 7J Desgl.; Ruky Carolinen
3 a. Desgl., Durchschnitt desselben
4. Desgl.; Anchorites
5. Spitzentheil einer Lanze, mit (a) Rochenstacheln
bewehrt; Ruk
6. Desgl., aus Palmholz; Tarowa, Gilberts. . .
7. Flache Keule (a Handgriff); Ruk
8. Desgl. (a Handgriff); Ruk
9. (Vg) Vierkantige Handkeule; Butaritari, Gilberts
IG. (7s) Handwaffe, mit (a) Rochenstacheln; Mortlock-
Insel, Carolinen
1 1. (7i) Haifischzahn zu Waffen (Galeocerdo Rayneri)^
Innenseite, mit einem Loch durchbohrt {a Dicke);
Gilbert-Archipel
12. (Vj) Desgl., von derselben Species, Aussenseite, mit
zwei Löchern durchbohrt {a Dicke); daher . . .
i3. (Vi) Desgl. (Carcharias lamia) (a Dicke); daher .
14. (7i) Desgl. (spec. ?); daher, Tapiteuea ....
15. (^/i) Schlagstein, aus Tridacna geschliffen; Tarowa,
Gilberts
16. (7s) Schleuderstein, aus Basalt geschliffen; Ruk,
Carolinen
17. (Vs) Desgl.; Ruk, Carolinen
18. (7s) Desgl.; Ruinen auf Ponap6
Seite [3o6] 38
Nr. 772, » [3 11] 43
7> [305] 37
» 833, » [3 11] 43
» 83ia,
Finscii. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 19.
11 I 5 1 2 i\ 3
AnuRlen des k. k. naturbUl. Hofmuscums, Band VIII, 1893.
i'OKV
THE NEW
PUBLIC L1BKÄK\
[3631 ^r* O* Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
95
Tafel 111 (20).
Mikronesien. Fischhaken.
7*
q5 Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. [364]
Erklärung zu Tafel III (20).
Mikronesien. Pischhaken.
Fig. I. (7i) Schaft (a) aus Perlmutter, Fanghaken (b) aus
Knochen und Köderbüschel (c); Marshall- Archipel Nr. 150,
» 2. (Vi) Schaft (a) aus Perlmutter, Fanghaken (b) aus
Schildpatt; Insel Satoan, Mortlock-Gruppe ... » 152,
» 3. (Yi) Schaft (a) aus Kalkspath, Fanghaken (b) aus
Knochen; Banaba (Ocean-Isl.) »147, Seite [323] 55
* 4. (Vi) Prähistorisches Fragment aus Perlmutter;
Ruinen von Nanmatal, Ponap6, Carolinen ...» 478,
* 5. (Vi) Fischhaken aus Perlmutter; Nukuor, Carolinen » 153,
» 6. (Vi) Desgl.; Nukuor, Carolinen > 153a,
» 7. (Vi) Desgl. ; Nukuor, Carolinen » i53b,
* 8. (Vi) Desgl.; Nukuor, Carolinen » is3 c,
» 9 a, b. (Vi) Desgl., in Bearbeitung; Nukuor, Carolinen
> 10. (Vi) Desgl., aus Perlmutter; Nukuor, Carolinen
> II. (Vi) Desgl., aus Schildpatt; Ponap6, Carolinen . . (38i3)
» 12. (Vi) DesgL, aus Cocosschale, zum Fange fliegender
Fische; Dschalut (Jaluit); Marshall- Archipel . . . » 151,
> i3. (ca. Vs) Desgl., aus Walfischknochen; daher . . .
» 14. (ca. VJ Haihaken aus Holz; Tarowa, Gilbert -
Archipel » 158, > [322] 54
» 14 a. Spitze des Fanghakens desselben ... » 158, » [ » ] '
> 15. (VJ Haifischhaken aus Holz; Nukufetau, Ellice-
Gruppe » 158, > [ * ] *
NB. Die unter Fig. 11, 12 und i3 abgebildeten StUcke gehören der Vergangenheit an.
Pinsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf. 20.
Annalen des k. k. naturhist. HoCmuaeuins, Band VIII, 1893,
i
i
PUBLIC LlSRAtiY
A8TOF., Lf NOX AN©
[365] ^^' ^- I^insch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. gy
Tafel IV (21).
Mikronesien. Web- und Flechtarbeiten.
gg Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfldsee. [3661
Erklärung zu Tafel IV (21).
Mikronesien. Web- und Flechtarbeiten.
Fig. I. (7j) Theil einer gewebten Lendenbinde »Toll«, Vs
der Breite der einen Endkante; a) Fransen aus den
zusammengeknüpften losen Kettfäden ; Kuschai . . Nr. 226,
> 2. (Vi) Desgl., Y3 der Breite der entgegengesetzten
Endkante von demselben Stück » »
• 3. (Yg) Theil eines Randmusters einer geflochtenen
Frauenmatte (ganze Breite); Marshall-Inseln . . .
Der helle Grund ist das eigentliche Flechtwerk
aus Pandanus - Blatt ; das Muster in Braun und
Schwarz besteht aus //;^;5C2/5-Bast und ist aufgenäht.
> 4. (Yi) Desgl. anderes Muster; daher > 199,
Wie vorher; a) zeigt die Art und Weise, wie
der braune Streif aus Hibiscus-BaiSt mittelst feinen
Bindfadens (»Oerr«) aufgenäht ist.
Finsrh. Etluiologisrlve RrtiluijntVn , Taf 21
:» i . /
*
[367] Dr. O. Finscb. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. qq
Tafel V (22).
Mikronesien. Schmuck und Verschiedenes.
lOO ^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. [368]
Erklärung zu Tafel V (22).
Mikronesien. Schmuck und Verschiedenes.
Fig. I. (^/i) Kopf binde aus Muscheln (Columbella versi-
color); Marshall- Archipel Nr. 428,
» I a. (7i) Unterseite derselben, um die Flechtarbeit zu
zeigen » >
» 2. (Yi) Kopf binde aus Muscheln (Natica candidis-
simaj'f daher » 464,
» 2 a. (7j) Unterseite derselben, um die Flechtarbeit zu
zeigen » »
* 3. (Vi) Halskette aus Muscheln (^Nia^/c^ /wr/iaj; Banaba > 461, Seite [349
* 4. (Vi) Desgl., aus Menschenzähnen ;Butaritari, Gilberts » 447, » [355
» 5. (Vi) Delphinzähne, Material zu Schmuck; daher . » 446, » [352
» 5 a — e. (^/i) Verschiedene Grössen (a grösster, e klein-
ster Zahn) » » *[*
* 6. (Vi) Delphinzahn (andere Art); Tarowa, Gilberts . »454, * [ »
» 7. (Vi) Halsschmuck, längsdurchschnittener Sperm wal-
zahn (a Dicke), daher » 444, > [353
* 8. (Vi) Desgl. {a Dicke), daher » » *[*
* 9- (^2) Prähistorischer Halsschmuck; bearbeitete Mu-
schelschale (Spondj^Iusflabellum); Ponape ... » 473 a,
» 10. (Vi) Erkennungsstab (Endlheil desselben); Ruk
» II. (V2) Taktschlägel für Frauen; Marshall- Archipel . » 588,
» 12. (ca. V5) Tanzpaddel für Männer, geschnitzt; Ponape
y> i3. (ca. Vg) Geschnitzter Kasten (in Form eines Fisches);
Insel Satawal, Carolinen
» i3a. Bodenhälfte desselben
» 14. (Vi) Klinge zu einem Beitel oder Hohlbeil aus Mu-
schel (Mitra)\ Kuschai, Carolinen » 6,
81
87
84
85
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf.
BP.n
Annalen des k. k. naturhUi. Hofmuseums, Band VIII, 1S93.
T
' j
1 .. '
[369] ^^' ^' I*'insch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. loi
Tafel VI (23).
Mikronesien. Schmuck.
I02 I^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. [3701
Erklärung zu Tafel VI (23).
Mikronesien. Schmuck.
Fig. I. (7i) Armring aus Muschel (aus Querschnitt von 7>o-
chus}); Kuschai, Carolinen Nr. 36i,
» 2. (7i) Halsschmuck aus Schildpatt für Männer; {a
Dicke) daher » 640,
» 3. (7i) Desgl. für Frauen [a Dicke); daher .... » 641,
» 4. {^,\) Desgl.y aus Spermwalzahn geschliffen {a Breite
der Vorderseite); Arorai, Gilbert- Archipel .... Seite [354] 86
» 5. (7j) Putzkamm, aus Holz geschnitzt, mit eingravir-
tem Muster; Ruk, Carolinen > 297,
* 5 a. (Yj) Endtheil desselben, um die Zinken zu zeigen » »
> 6. (Vi) Ohrstöpsel aus Cocosnussschale; Ponape . . » 3 15,
» 6 a. (7i) Umkreis desselben an der Basis » »
» 7. (7i) Ohrpflock aus Holz mit eingravirtem Muster
(a Sponäylus-SchQibchQn), Mortlock-Insel ... » 3i3,
Pinsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf.
Anniikn des k. k. naturhisl. Hofmuscums, Band VIII, 1S93.
[37 1] ^^' O- Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsec. io3
Tafel VII (24).
Mikronesien, Schmuck.
Annalen des k. k. naturhistorischeo Hofmuseums, Bd. VIII, Heft i, 1893. 8
I04 ^^' ^- I''insch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. [372]
Erklärung zu Tafel VII (24).
Mikronesien. Schmuck.
Fig. I. (Vi) Schnur aus aufgereihten Scheibchen:
» I a. (7i) weissen aus Muschel und
» ib. (7i) schwarzen aus Cocosnussschale; Maraki, Gil-
berts Nr. 549, Seite [356] 88
» 2. (7i) Desgl. (a und b wie vorher); Banaba ...» 548, > [ * ] *
3. (Vi) Desgl. » > > > ...
4. (Vi) Desgl. » » ^ » ...» 547, » [ » ] »
» 5. (Vi) Desgl., aus Scheibchen von Cocosnuss; Ruk,
Carolinen
» 5a. (Vi) Ein Scheibchen von oben; Ruk, Carolinen .
» 6. (Vi) Desgl. aus Perlen von Cocosnuss; daher . .
» 6a. (Vi) Eine Perle von oben; daher
» 7 — II. (Vi) Ringe aus Cocosnuss, Material zu Schmuck
(a Breite) ; daher » 471,
» 12 a. (Vi) Desgl., mittelster Ring einer Halskette; daher » 469,
» 12 b. (Vi) Desgl., Endring jederseits derselben Kette;
daher » »
» 12 c. (V^) Mittelste Ringe derselben Kette, Vorder-
ansicht; daher » »
» 12 d. (Vi) Desgl., dieselben Ringe von der Rückseite,
um die feine Flechtarbeit zu zeigen, in der die
Kette zusammengeflochten ist; daher » »
» i3. (Vi) Theil eines Halsbandes aus aufgeflochtenen
Cocosperlen; daher » 299,
» 14. (Vi) Prähistorischer Halsschmuck, Ring, aus Conus
geschliffen; Ruinen auf Ponapö
* 15. (Vi) Theil einer Halskette aus Conusscheiben;Maraki » 460, » [350] ^^
» 16. (Vi) Conusscheibe, kleinste seitliche derselben Kette » » * [ * ] *
» 17. (Vi) Desgl., sehr klein, Halsbandschmuck; Banaba
» 18. (Vi) Desgl., sehr gross, Halsbandschmuck; daher .
* 19. (Vi) Desgl., mittlere Grösse, Halsbandschmuck;
Tarowa » 450, » [351] 83
» 20. (Vi) Desgl., an Kette (a) aus Cocosringen, Theil
eines Ohrgehänges; Ruk »319.
Hnscb. Ethnologische Erfahrungen, Taf. '
-mamQc QOOOo
^MMffl]0©
-jpmjMjjiJfl 0 ®
Annaten des lt. k. nalurhist. Hofmuseums, Band VIII, TSyJ,
THE NEW YC VT
PUBLIC usr;;,y
[SyS] I^r. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 105
Tafel VIll (25).
Mikronesien. Schmuck.
Io6 Dr. O. Finsch. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. [374]
Erklärung zu Tafel VIII (25).
Mikronesien. Schmuck.
Fig. I. (Vi) Halskette aus S]po«((^/M5-Scheibchen; Marshalls Nr. 465,
» I a. (7i) Scheibchen derselben von oben .... » »
» 2—5. (7i) 5]pon(f;^/M5-Scheibchen zu Schmuck; Ruk,
Carolinen » 476,
* 5 a. (7i) Dieselben, Seitenansicht; daher » »
* 6. (7i) Desgl. (a Seitenansicht); Normanby - Insel,
d'Entrecasteaux, Neu- Guinea
» 7— 13. (7i) Prähistorische Spondylus - Schtibchen \
Ruinen von Ponap6 » 475,
» i3a. (7i) Dieselben, Seitenansicht » »
» 14. (7i) Prähistorisches 5]pow((^/w5-Plättchen ; daher .
* 15. (Vi) Modernes 5]pow4?^/M5-Plättchen ; Ponap6 . .
» 16. (7i) 5/7on<(;^/w5-Anhängsel für Halsband; Tarowa » 459a, Seite [350] 82
» 17. (7i) Desgl.; daher » 452, » [349] 81
» 18. (Vi) Halskette aus S^o^i^T^^-' - Scheibchen und
schwarzen Cocosperlen ; Ruk » 472,
» 19. (7i) Theil eines Ohrgehänges aus Cocosperlen und
5j?ow((;/'/M5-Scheibchen ; daher » 3i8,
» 20. (7i) Halskette aus (a) SpondyluSj mit Anhängsel
aus (Jb) schwarzen und weissen Muschelscheibchen,
(c) Schildpattplättchen, {d) Schnur; Marshall- Inseln » 466,
» 21. (7i) Desgl., wie vorher, aber (^) Glasperlen und An-
hängsel » 467,
» 21 c. (7i) Schnitzerei aus Spermwalzahn, {df) Schnur;
daher » »
» 22. (7i) Halsband aus frischen Blättern {a)j in ein fein-
geflochtenes Band (Jb) geflochten; daher .... » 463,
> 23. (7i) Leibgurt, mittelster Querriegel desselben;
a) Schnüre aus Scheibchen von Cocosnuss und
weissen Muschelperlen; b) SpondylusSchtWyzhtnj
c) Querhölzer; Ruk » 552,
» 24. (Vi) Frauengürtel, Seitentheil desselben aus: a)
schwarzen Cocos-, b) weissen Muschelperlen, c)
hölzerne Querriegel, d) Flechtwerk mit Binde-
schnur; daher » 550.
» * «
' /•;
i I
1
I 'v
» ' l.
Finsch. Ethnologische Erfahrungen, Taf 2.5.
Oo.i*!OI^|«|
Annalen des k. k naturtyst. Hotmusouras Band VIK, 1833.
THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
A9TOF., LENf9X kH§
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Delmenhorst bei Bremen.
Dritte Abtheilung: Mikronesien (West-Oceanien).
(Fortsetzung.)
II. Marshall-Archipel.
Einleitung.
Entdecker. Unzweifelhaft waren spanische Seefahrer die Ersten, welche diesen
Archipel oder vielmehr gewisse, nicht mit völliger Sicherheit auszumachende Inseln
desselben (1525 und 1655) sichteten. Mehr als hundert Jahre später (1767) gab der
Engländer Wallis bessere Kunde von zwei Atollen (Rongerik und Rongelab), während
die Zufallserfolge der Reise von Marshall und Gilbert (1788) den grössten Theil der
Inseln der östlichen Ratakkette (Milli, Madschuru, Arno, Aur, Maloelab, Erikub,Wotsche,
Likib, Jemo) entdeckten. Capitän Bond mit dem Schiffe »Royal Admiral« konnte 1792
vier Inseln (Namo, Ailinglablab, Nanrierik, Eniwetok) hinzufügen, das englische Schiff
»Oceanc 1804 drei weitere (Kwajalein, Udschae und Lae) und Patterson 1809 das Atoll
Dschalut (Jaluit, Bonham). Gebührt somit den Engländern das Verdienst der Ent-
deckungen, so sind es Russen, denen wir die genauere kartographische Aufnahme ver-
danken, unter welchen O. v. Kotzebue sich unbestritten die grössten Verdienste erwarb.
Er entdeckte 181 6 und 1817 (mit dem »Rurik«) die vier nördlichen Atolle von Ratak
(Utirik, Taka, Meschid und Ailuk), legte diese ganze Kette fest (mit Ausnahme der drei
südlichsten Inseln) und vervollständigte 1824 seine Aufnahmen durch vier nördliche
Inseln der Ralikkette. Die französische Expedition unter Duperrey kartirte 1824 Theile
der Lagune von Milli und Dschalut, der russische Flottencapitän Chramtschenko 1829
und i832 weitere Atolle von Ralik, und Capitän Schantz von derselben Flotte be-
schloss 1835 die Reihe der Entdeckungen mit der Insel Wotto (Schantz). Seitdem ist
Mancherlei zur besseren geographischen Kenntniss des Archipels, namentlich durch
Deutsche,*) geschehen, aber immer bleiben noch Lücken auszufüllen, die übrigens bei
1) So unter Anderen Capitän Jakob Witt »Die Marshall-Gruppe« in »Ann. d. Hydrogr.«, iSSi,
Heft X, S. 525 — 535, mit Karte, welche die beste sein dürfte. Der Verfasser führte während meines
Aufenthaltes den kleinen Handelsschuner »Jaluit« (15 Tons) der Firma Capelle und hatte somit mehr
aU Andere Gelegenheit, verschiedene Inseln des Archipels zu besuchen. Hoffentlich sind die Angaben
zuverlässiger, als es sonst mit mündlichen Mittheilungen des Genannten der Fall zu sein pflegte.
Annalen des k. k. naturhi&torischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3, 189J. 10
I20 Dr. O. Finsch. [376]
dem geringen' Interesse, welches die meisten Inseln bieten, keine schmerzlich empfun-
denen sind.
Zur Literatur. Otto v. Kotzebue: »Entdeckungsreise in die Südsee und nach
der Beringsstrasse« etc. (1815 — i8i8 auf dem Schiffe »Rurik«, 3 Bde, Weimar 1821)
und »Neue Reise um die Weite (i823 — 1826 auf dem Schiffe »Predpriatic«, 2 Bde,
Weimar i83o); Louis Choris: »Voyage pittoresque autour du monde« etc. (Paris 1822);
Adalbert v. Chamisso: »Reise um die Weite (2 Bde, Leipzig i836).
Die in den obigen Werken niedergelegten Ergebnisse der denkwürdigen Reisen
unter russischer Flagge, vorzugsweise die mit dem »Rurikc, bildeten bisher die oft be-
nutzte Hauptquelle der Kunde über den Marshall-Archipel und seiner Bewohner, oder
vielmehr einer beschränkten Anzahl von Inseln. Denn Chamisso, der Naturforscher des
»Rurik«, verkehrte 181 6 und 1817 im Ganzen nur 3g Tage mit Eingeborenen von vier
nördlichen Atollen der Ratakkette (Eilu = Ailuk, Otdia = Wotsche, Kaben = Maloelab
und Aur), dazu meist vom Schiffe aus, so dass bei dem Mangel aller Sprachkenntnisse
seine eigenen Beobachtungen nur lückenhafte bleiben konnten. Aber auf Aur nahm man
Kadu, einen verschlagenen Carolinier, auf, der vier Jahre hier gelebt hatte, und erhielt von
diesem Eingeborenen mancherlei Nachrichten. Chamisso hat dieselben zum Theil mit
seinen eigenen verschmolzen (im 3. Bande von Kotzebue's Reise, S. 106 — 121, wörtlich
abgedruckt im 2. Bande seines Werkes S. 202 — 239, sowie Bd. I, S. 235 — 290 und S. 859
bis 369) publicirt. Dies ist insofern zu bedauern, als Kadu bei aller Intelligenz doch
nur ein Kanaka war, den Chamisso's begeisterte Philantropie zum unverdienten Range
einer Autorität verhalf. Wie Chamisso's Objectivität aus Liebe zu den Eingeborenen
öfters getrübt wird, so sind die Aussagen Kadus noch mehr der Kritik bedürftig, was im
Nachfolgenden betreffenden Falls geschehen soll. Kotzebue's eigene Mittheilungen (im
2. Bande seines Werkes S. 39 — 96 und 117 — 123), die schon manche Fehler der Ein-
geborenen aufdecken, sind im Ganzen aphoristisch, namentlich betreffs seiner zweiten
Reise (Bd. I, S. i63 — 189), welche ihn nur wenige Tage auf das schon bekannte
Wotsche (Otdia) führte. Choris hat nur in 19 lithographirten Tafeln, die zum Theil
sehr viel zu wünschen lassen, ein für die Ethnologie immerhin in vieler Hinsicht
brauchbares Material gestiftet.
Diese ersten zum Theil sehr überschwänglichen Schilderungen werden durch neuere
objective Beobachter auf das richtige Mass zurückgeführt. So verdanken wir Kubary,
der 1871 mehrere Monate auf Ebon zubrachte, eine treffliche Skizze der Bewohner
dieses Atolls (»Die Ebongruppe im Marshall-Archipel« in »Journ. d. M. G.<, Heft I,
1873, S. 33 — 39, Taf. 6), besonders aber Franz Hernsheim über Dschalut (Jaluit) (III,
»Einiges über Land und Leute auf Jaluit« in »Beitrag zur Sprache der Marshall-Inseln«,
Leipzig 1880, S. 33 — loi, mit 3o zum Theil brauchbaren Abbildungen, und »Jaluit« in
»Südsee-Erinnerungen«, Berlin i883, S. 75 — 93, mit i3 Bildern, meist Wiedergaben
der vorhergehenden).
Bei dem geringen Schiffsverkehre gelang es mir nur drei Atolle (Dschalut, Arno
und Milli) aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Auf die ethnologisch bei Weitem
interessantesten, wenig oder kaum besuchten nördlichen Inseln musste ich verzichten,
denn dazu hätte es eines, wenn auch nur kleinen, aber eigenen Fahrzeuges bedurft, wo-
für mir leider die Mittel fehlten. Auf Dschalut, als dem Haupthandelsplatze, hatte ich
übrigens während eines fast einjährigen Aufenthaltes in den Jahren 1879 und 1880
immerhin Gelegenheit, Eingeborene von verschiedenen Inseln kennen zu lernen und
Erkundigungen über dieselben einzuziehen.
[^771 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I2I
Meine Publicationen über die Marshall-Inseln sind die folgenden:
1. »Reise nach den Marshall-Inseln«, kurzer Bericht in: Sitzungsber. der Anthrop. Ge-
sellsch., Berlin, 20. December 1879, S. 16.
2. >Aus dem Pacific. II. Marshall-Inseln« in: Hamburger Nachrichten Nr. I23 und 124
(25. und 26. Mai 1880).
3. »Bilder aus dem Stillen Ocean. I. Kriegsführung auf den Marshall-Inseln« in: »Gar-
tenlaube« Nr, 42, 1881, S. 700 — 703. Mit Abbild. (Marshall-Insulaner im Kriege).
4. > Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdkunde«, 1882, Nr. 10, S. 4 und 5 (kurzer Reisebericht).
5. » Deutschlands Colonialbestrebungen. Die Marshall-Inseln« in: »Gartenlaube«, Nr. 2,
i886, S. 37, 38 (mit 3 Abbild.).
6. »Canoes und Canoebau auf den Marshall-Inseln« in: Verhandl. d. Berliner anthrop.
Gesellsch. (Sitzung vom 15. Januar 1887, S. 22 — 29, mit 8 Textbildern).
7 »Aus unseren neuesten Schutzgebieten. Canubau und Canufahrten der Marshall-
Insulaner« in: Westermann, lUustrirte deutsche Monatshefte, Bd. LXII, 1887,
S. 492 — 504 (mit 16 Textbildern).
Geographischer Ueberblick,
Die circa 3o Inseln des Archipels (unter circa 4—15° n. Br. und circa 161 — 172°
ö. L.) bilden zwei grosse Längsreihen oder Ketten, eine östliche: Ratak (mit 15 Inseln)
und eine westliche: Ralik (mit 16 Inseln). Sie sind von gleicher Formation und Be-
schaffenheit als die der Gilberts, aber von deutlicher ausgesprochenem Atoll- Charakter
als die letzteren, mit zum Theil sehr ausgedehnten Lagunen, von denen nur acht für
kleinere Schiffe zugängliche Passagen besitzen. Die physikalischen und klimatischen
Verhältnisse sind sehr ähnlich, insofern aber auf den Marshalls günstiger, als diese
weniger von Dürre zu leiden haben, obwohl auch solche auf gewissen Inseln vor-
kommt. Orkane scheinen ebenfalls seltener zu sein, dagegen sind die im October
und November häufigen heftigen Böen für die Schifffahrt störend, zuweilen gefährlich.
Frisches Wasser fehlt auf sämmtlichen Inseln und wird durch aufgefangenes Regen-
wasser ersetzt, aber Holz ist viel reichlicher als auf den Gilberts vorhanden.
Flora. Dieselbe ist im Wesentlichen gleich mit der im Gilbert- Archipel, aber trotz
fast noch ärmlicherer Bodenbeschaffenheit doch anscheinend etwas reicher in Folge der
günstigeren Regenverhältnisse. Selbst dem Laien erscheint der Baumwuchs üppiger
und besser entwickelt, wenigstens an gewissen Stellen mancher Inseln. So fallen z. B.
die mächtigen »Galgal«- Bäume der Insel Dagelab des Arno- Atolls, welche mit ihren
dichtbelaubten Wipfeln die Kronen der Kokospalmen noch überragen, schon von
Weitem auf. Chamisso gedenkt schon dieser »erstaunlich hohen« Bäume von Aur.
Den Haupttheil des Baumvvuchses bildet Pandanus, obwohl die Cocospalme, wie stets,
am meisten hervortritt. Charakteristisch für die Flora sind zwei Schlingpflanzen, die
eine auf dürren Sandstrecken des Strandes üppig wuchernd (wahrscheinlich Trium-
phetta procumbens), die andere an Pandanus windenartig in die Höhe rankend, mit
rosarotben Blüthen, ähnlich denen unserer Bohnen, und ein lilienartiges Gewächs.')
Das letztere, eine meterhohe Staude, erinnert in der Form der breiten Blätter an Agave
und hat eine zarte, stark duftende Blüthe, mit der sich die Eingeborenen gern schmücken,
und dürfte ein Cridum sein. Auffallend auch für den Laien ist ein dickblätteriger, un-
gefiederter Farn, der parasitisch in Bäumen wuchert und auf allen von mir besuchten
1) Abgebildet: Hernsheim: »Marshall-Inseln«, S. 67 und 68.
lo*
122 Dr. O. Finsch. [378]
Inseln beobachtet wurde; wahrscheinlich Asplenium nidum, Chamisso sammelte auf
Ratak 52 Species wildwachsender Pflanzen, ich auf Ralik 60, die leider (vgl. S. 21 [289])
für die Wissenschaft verloren gingen.
Fauna. Die Eingeborenen-Ratte scheint durch die mit Schiffen eingeführten
Ratten {Mus rattus und Af. decumanuSy davon die erstere am häufigsten) ziemlich ver-
drängt; sie war das einzige Landsäugethier vor Ankunft der Weissen. Von Meeres-
säugethieren beobachtete ich nur zwei bis drei Arten Delphine, welche zuweilen auch
die Lagune besuchen. Vögel') konnte ich im Ganzen 20 Arten nachweisen, darunter
den Wanderkukuk (Urodynamis taitiensis)^ »Urik« der Eingeborenen, und eine
Fruchttaube (Carpophaga oceanica). Letztere, die »Mulle« der Eingeborenen, der ein-
zige Land- und Standvogel, kam nur auf drei Inseln vor und ist so ziemlich ausgerottet.
Chamisso erwähnt schon diese Taube als »Columba australis<.
Von Reptilien sammelte ich fünf Arten Eidechsen (darunter die weitverbreitete
Mabouia cyanura) und zwei Arten Gecko (dieselben als auf den Gilberts). Charakte-
ristisch für die Thierwelt der Marshall-Inseln sind besonders zwei Arten grösserer
Eidechsen, der »Gudildil«^) der Eingeborenen, und eine mit Lygosoma smaragdina
verwandte Art oder Varietät, die man beide häufig an Baumstämmen, namentlich der
Cocospalme, bemerkt, welche sie äusserst behend erklettern. Der Reichthum an Fischen
ist ziemlich beträchtlich, aber ich erhielt trotz allen Eifers kaum mehr als 150 Arten.
Unter den Krebsthieren fällt die ungeheure Menge von Einsiedlerkrabben (Pagurus)
auf, die mit ihren Muschelgehäusen (meist Turbo) selbst die Sträucher beleben. Die
Cocoskrabbe (Birgus latro) ist sehr selten. Im Ganzen sandte ich etliche 60 Arten
Crustaceen (in 500 Exemplaren) an das Berliner Museum, die aber nicht bestimmt
wurden. Die Insectenwelt^) enthält nur in einem hübschen Tagfalter (Hypolimnas
Bolina L. = Apatura Rarik Eschsch. in Kotzebue's Reise, III, S. 208, PI. V, Fig. 10)
und dessen zahlreichen Varietäten auffällige Erscheinungen, da Junonia vellida äusserst
selten ist. Gelegentlich sieht man eine schöne grosse Libelle (/Ig^r 20/2 sp.?), häufig die
kleine Pantolaea flavescens. Interessant ist das Vorkommen von Landconchylien, wo-
von ich sieben äusserst kleine und versteckt lebende, übrigens weit verbreitete Arten
(Truncatella pacifica, Stenogyra juncea, Pupina complanata, Helicopsis samoensis,
Omphalotropis laevis, Assiminea nitida und A. societatis) sammelte. Unter den zahl-
reichen niederen Meeresthieren kommt die herrlich dunkel rosenrothe Koralle (Stylaster
sanguineus) nur in der Lagune von Ailinglablab vor. Hier auch nur allein und äusserst
selten die »Orange Cowry« (Cypraea aurantia).
1) Finsch: »Ornitholog. letters from the Pacific. III. Marshall-Islands« in: »The Ibis c, 1880, S. 329,
und Finsch: »Vögel der Südseec, Wien 1884, S. 50. Die häufigsten Strandvögel sind dieselben als
auf den Gilberts, nämlich: Charadrius fulvus, Actitis incanus, Strepsilas interpres und Aräea sacra^
letzterer allein Brut- und Standvogel. Als seltene Wandergäste erhielt ich: Numenius femoraliSf Ca-
lidris arenaria und einmal sogar unsere Pfeifente (Anas penelope).
2) Diese Art, sowie zwei Species Mabouia dürften noch heute neu für die Wissenschaft sein,
da der grösste Theil meines so reichen Materials an Wirbelthieren noch heute unbeschrieben im Ber-
liner Museum steht. Bedauerlich ist dies z. B. auch in Bezug auf die von mir mitgebrachte grosse
Serie von Ratten, denn die Eingeborenen-Ratte ist nie zur wissenschaftlichen Untersuchung gelangt,
und auch ihre Bestimmung wäre für die Frage der Herkunft der Eingeborenen nicht ohne Interesse
gewesen.
3) Ich sammelte 14 Arten Lepidopteren (darunter ütetheria pulchella, Sphinx erotus, das
Uebrige Motten und Spanner), 16 Arten Coleopteren (davon 3 neu), 2 Arten Orthopteren, 4—6 Arten
Neuropteren, 5 Arten Dipteren, 2 Hemipteren, 7 Arten Spinnen (darunter 2 neue).
[Sygl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 123
Areal und Bevölkerung. Der Flächeninhalt sämmtlicher Inseln des Archipels
wird zu circa 400 Quadratkilometer = 7-28 deutsche geographische Quadratmeilen
(gegen 35*5 deutsche geographische Quadratmeilen früherer Berechnungen) angegeben.
Aber dieses feste Land vertheilt sich in unzählbaren kleinen Inselchen über eine unge-
heure Meeresfläche von circa 660 Seemeilen (= 180 deutsche Meilen) Länge und circa
780 Seemeilen (= 190 deutsche Meilen) Breite. Die eigenthümliche Bildung der Atolle,
Gürtel von Riff- und Inselstreifen, welche mehr oder minder eine stillere Wasserfläche,
die Lagune, umschliessen, vermag nur eine Seekarte zu veranschaulichen. Ein Theil
des Riffs und der Inseln werden bei Hochwasser überfluthet, nur die wenigsten sind
überhaupt bewohnbar und der Verkehr ihrer Bewohner durch die beträchtliche Aus-
dehnung der Lagune erschwert. Die Lagune des Atoll Dschalut (Bonham) ist 27 See-
meilen lang und setzt sich aus 58 (nach Witt nur 45) Inselchen mit 90 Quadratkilometer
Areal zusammen, von denen nur 6 bewohnt sind. Die grösste derselben, Dschabwor,
bildet einen an 8 Seemeilen (= 2 deutsche Meilen) langen, aber kaum einige hundert
Schritt breiten, grossentheils unfruchtbaren Inselstreif. Die grösste Lagune des Archipels,
Kwajalein, hat eine Länge von 57 Seemeilen (circa 16 deutsche Meilen); ihr Riffgürtel
zählt 81 Inselchen, von denen die grösste nur 4 Seemeilen lang und kaum i Seemeile
breit ist.
Die vorstehenden kurzen Notizen werden zur Genüge zeigen, dass ein so zer-
splittertes und dabei ärmliches Inselgebiet nicht stark bevölkert sein kann, wie dies
schon zu Chamisso's Zeiten der Fall war, der z. B. Meschid und Wotsche (Otdia) zu
je 100 Eingeborenen veranschlagt.
Die späteren Schätzungen der Gesammtbevölkerung mit 10.000 Bewohnern sind
zu hoch gegriffen und beruhen auf zum Theil ganz irrigen Angaben. So verzeichnet
der Missionär Gulik für Jemo 200 Eingeborene, für Udschilong gar 1000. Aber Witt
fand die erstere Insel ganz unbewohnt, auf der letzteren nur 6 Eingeborene. Das
grösste Atoll Kwajalein zählt nur eine Bevölkerung von 220 Seelen, und nach Witt
würde Madschuru mit 1500 das am stärksten bevölkerte Atoll sein. Kuhn gibt (1882)
für Arno sogar 3ooo Einwohner an, aber diese Angaben sind bei Weitem überschätzt.
Zuweilen kommen auf einer Insel durch zufällige Anwesenheit einer Canuflotte viel
mehr Eingeborene als für gewöhnlich zusammen. Eine wirkliche Volkszählung hat
nur auf Dschalut stattgefunden, und zwar durch Hernsheim 1878, die 1006 Bewohner
(darunter 335 Männer) ergab. Die Eingeborenen, selbst die » Könige c, kennen selbst-
verständlich, ebensowenig als ihr Alter, die Bevölkerungszahl ihrer Insel; »König Kai-
bukec von Milli hatte keine Ahnung, aus wie viel Inseln sich sein »Atoll -Königreich«
zusammensetze und rieth mir, selbst eine Zählung vorzunehmen.
Die Gesammtbevölkerung des Marshall- Archipels mit sechs überhaupt unbewohn-
ten Atollen (Erikub, Jemo, Taka, Bigar, Ailinginae, Elmore) beträgt zwischen 7000 und
8000(4000 auf Ratak, circa 36oo für Ralik), was circa 20 Seelen für den Quadratkilometer
ergibt. Dabei ist zu erinnern, dass die Eingeborenen-Bevölkerung auch hier wie überall
zurückgeht, woran aber hier der Arbeiterhandel (»Labortrade«) keine Schuld hat, der
dem dünnbevölkerten Gebiete überhaupt fernblieb. Die Eingeborenen fangen eben
an auszusterben, sobald sie in engeren Verkehr mit Weissen treten, eine Erscheinung,
die sich überall in der Südsee wiederholt, aber schwer zu erklären ist. Eine Vermeh-
rung in Folge der meist wilden Ehen zwischen Weissen mit eingeborenen Frauen findet
nicht statt, denn diese Ehen sind selten productiv. Auch andere Ursachen tragen zur
Verminderung der Bevölkerung bei. So waren die Atolle Rongelap und Rongerik
früher von 80, respective 120 Eingeborenen bewohnt; Witt fand aber Ende der Acht-
124 Dr. O. Finsch. [38o]
zigerjabre nur lo, respective i8 Bewohner, jedoch verlassene Hütten für hundert. Die
meisten Eingeborenen waren nämlich bei einer gemeinschaftlichen Canufahrt nach
Süden verschlagen worden und umgekommen.
Wie alle Kanaker sind auch die Marshallaner keine langlebige Race. Die Frauen
verblühen rasch, und die Männer treten schnell ins Greisenalter. Da die Eingeborenen
ihr Alter selbstredend nicht kennen, lassen sich keine sicheren Zahlen angeben. Wenn
daher z. B. Chamisso einen »80 Jähret alten munteren Greis erwähnt, Kotzebue sogar
einen »hundertjährigen«, so sind diese Schätzungen ohne Zweifel irrthümlich, denn ge-
rade Eingeborene altern viel früher und rascher als Europäer.
Handel. Das Marshallmeer war dem Walfischfange nicht günstig, und deshalb
verkehrten Fangschiffe hier selten. Aber der Führer eines solchen, Capitän Handy, er-
öffnete in den Fünfzigerjahren zuerst Handel mit den Eingeborenen Ebons, und 1857
Hess sich die hawaiische evangelische Mission hier nieder. Die erste ständige Handels-
station wurde 1860 von der deutschen Firma Stapenhorst und HofFschläger in Hono-
lulu errichtet. Sie setzte Adolf Capelle (1864) auf Ebon ein zum Ankauf von Cocos-
nussöl, der später auf Dschalut eine eigene Firma gründete und den Eingeborenen
zuerst Copra machen lehrte. Gegen Ende der Siebziger jähre (1877) errichteten Herns-
heim & Co. (Hamburg) auf derselben Insel eine Factorei, aus der 1889 die »Jaluit-Ge-
sellschaft« (mit Sitz in Hamburg) hervorging. Der Handel der Marshall-Inseln ist also
vorwiegend in deutschen Händen, das einzige Ausfuhrsproduct Copra, *) das übrigens
nur eine geringe Anzahl Inseln producirt, auf denen deshalb kleinere Stationen für
Tauschhandel bestehen (Dschalut, Ebon, Namurik, Madschuru, Milli, Arno, Ailing-
lablab). Um der Erschöpfung der Palmen, die etwa 50 Jahre lang tragfähig sind, vor-
zubeugen, ist mit der Anlage von Cocosplantagen begonnen worden, da die Eingebore-
nen in dieser Richtung kaum für sich selbst Vorsorge trafen. A. Capelle war wiederum
der Erste, der darin vorging: er kaufte 1877 die Insel Likib und miethete bald darauf
Udschilong; auch auf Arno soll mit Anpflanzungen begonnen sein. Stürme haben
übrigens auch auf den Marshalls wiederholt grosse Verheerungen in den Cocospalmen-
beständen angerichtet. So ein Orkan im Herbste 1874 ^^^ Ailinglablab, von dessen
üblen Folgen sich diese Insel sieben Jahre später noch nicht erholt hatte. Aus derselben
Ursache wurde Kili von den wenigen Bewohnern verlassen. Die Einfuhr nach den
Marshalls bestand früher besonders in Tabak (amerikanischem Twist), Waffen, Spiri-
tuosen, Baumwollenzeug, später kamen Lebensmittel (Reis und SchifTszwieback) hinzu.
Bei der geringen Bevölkerung und der Bedürfnisslosigkeit derselben wird die Einfuhr
übrigens immer eine beschränkte bleiben.
Mission. Durch Capitän Handy bei dem damals gewaltigen Häuptlinge Kaibuke
aufs Beste eingeführt, begann die Mission 1857 ihre Thätigkeit, und zwar auf Ebon mit
so gutem Erfolge, dass 1865 bereits 125, 1878 sogar 400 Eingeborene bekehrt waren.
Im Ganzen besass die Mission auf sieben Inseln (Ebon, Namerik, Dschalut, Madschuru,
Milli, Arno und Maloelab) Stationen, 6 Kirchen, i3 Lehrer und an 800 Bekehrte. Aber
auch hier machte sich bald ein Rückschlag geltend, von dem ich mich selbst überzeugen
konnte. Auf Dschalut kamen 1879 bei Gelegenheit der Anwesenheit des Missionsschiffes
nur 20 Männer und 14 Mädchen, sonst kaum die Hälfte davon zur Kirche, auf Arno
gab es nur 10 Christen und auf allen Marshall-Inseln zusammen 36o Kirchenbesucher.
I) Die Gesammtausfuhr schwankt je nach der Ernte zwischen 1500 — 2000 Tonnen (im Werihe
von 3oo.ooo — 500.000 M.). Ueber die wirthschaftliche Bedeutung der Cocospalme und Copra vgl.
Finsch: »lieber Naturproducte der westlichen Südsee« (Deutsche Colonialzeitung, 1887, S. 2— 11).
[381 1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 12 c
Seitdem ist das Missionswerk wohl nicht vorgeschritten und die Erfolge, nach 35 Jahren,
wie auf den Gilberts nur unbedeutend. Auf Grund der spärlichen Bevölkerung haben
glücklicherweise keine Kriege stattgefunden, vielmehr erlangte die Mission, namentlich
auf Ebon, ziemliche Herrschaft, die zu wiederholten Zerwürfnissen mit den weissen
Händlern führte. So musste 1885 das deutsche Kanonenboot »Nautilus« auf Ebon ein-
schreiten und der Mission eine Busse von 500 Doli. (= 2000 M.) auferlegen. Dabei
war Ebon am weitesten in der Bildung voraus, denn hier konnte fast Jeder lesen,
schreiben und rechnen,*) wie man es so nennt; trotz dieser Bildung war die Intelligenz
aber auf keine höhere Stufe gestiegen, wofür ich nur ein Beispiel anführen will. Ein
christlicher Ebonite liess sich in dem Kaufladen auf Dschabwor einen Dollar wechseln,
diesen in zwei halbe, einen halben in zwei Quarter, einen Quarter in zwei Realen und
kaufte sich dann für einen Real ein Fläschchen Haaröl!
Dass an den Missionsplätzen fast alle ethnologische Originalität verloren gegangen
ist, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen. Schon äusserlich kennzeichnen sich die
»Lovers of Jesus« oder »Dri-anitsch« (= Geistermenschen) durch das kurzgescho-
rene Haar.
Dem Vernehmen nach wollte eine deutsche rheinische Missionsgesellschaft das
Bekehrungswerk auf den Marhalls fortsetzen oder hat bereits damit angefangen.
Schutzherrschaft. Das deutsche Reich schloss bereits im Jahre 1878 mit dem
Häuptlinge Kabua (Lebon) von Jaluit einen Vertrag für Ralik ab und übernahm 1886
(6. April) die Schutzherrschaft über die ganze Marshall-Gruppe, einschliesslich der
etwas isolirteren nordwestlichen Inseln Eniwetok (Brown Isl.) und Udschilong (Provi-
dence Isl). Dadurch ist der Einfuhr von Schnaps und Waffen hoffentlich Schranken
gesetzt.
I. Eingeborene.
Aeusseres. Die Marshallaner stehen in körperlicher Bildung entschieden den
Gilbert-Insulanern nach, sind im Allgemeinen kleiner,') namentlich das weibliche Ge-
schlecht, und von schwächlicherem Aussehen, im Uebrigen von der oceanischen Race
nicht zu trennen (vgl. Finsch: »Anthropol. Ergebnisse« etc., 1884, S. i3 — 16). Auf
Taf. II dieser Abhandlung sind zum Vergleiche typische Frauen von den Marshalls und
von Samoa, nach meinen photographischen Aufnahmen, abgebildet. Ausserdem brachte
ich II Gesichtsmasken^) (darunter die des ehemaligen »Königs« Kabua) von Marshal-
lanern, nach Lebenden abgegossen, mit, so dass auch in dieser Richtung reiches Mate-
rial vorliegt. Unter den fast durchgehends wenig brauchbaren Völkertypen Choris' ist
der auf PL I abgebildete Rataker noch am gelungensten und verdient citirt zu werden;
die übrigen taugen nichts. Wie Chamisso dazu kam, die »grössere Reinheit« der Haut
dieser Eingeborenen hervorzuheben, ist nicht recht erklärlich, denn gerade hier sind
Schuppenkrankheit (Ichthyosis) und Ringwurm (Psoriasis, »Gogo«) stark verbreitet.
Ebenso unbegreiflich ist, wenn Kotzebue die Hautfärbung als »schwarz« bezeichnet.
Sprache. Ueber alle Inseln der Marshall-Gruppe, einschliesslich Eniwetok und
Udschilong, wird ein und dieselbe Sprache gesprochen, die diesem Archipel eigenthüm-
») Die Mission gab in Ebonsprache auch eine Arithmetik heraus: »Buk in Bwinbwin«, Mission
Press, Ebon 1876, 156 S., kl. 8'\
2) Kotzebue gibt die Höhe eines Ratakers zu 7 Fuss (= 2-24 M.) an, der allerdings ein Riese
gewesen sein muss; der längste von mir gemessene Gilbert-Mann, auch eine Ausnahme, mass 179 M.
3) Kubary hatte früher bereits drei Marshallaner abgegossen, die der Handelskatalog des Mu-
seum Godeffroy (V, 1874) verzeichnet.
126 Dr. O. Finsch. [382]
lieh und durchaus verschieden von der Gilbertsprache ist, wie von den carolinischen.
Ueber die Sprache von Radak hat zuerst Chamisso (II, S. 95 — iii) ein Verzeichniss
von circa 3oo Wörtern gegeben, die allerdings zum Theil total verschieden sind von
denen welche Kubary (1. c, S. Sg — 47 circa 400) und Hernsheim (1. c, S. i — 32; circa
700 Wörter) für Ralik verzeichnen.
Sind nun auch nach Hernsheim, jedenfalls dem besten Kenner der MarshaU-
spräche, die Dialekte von Ralik und Ratak so verschieden, »dass sich selbst Eingeborene
wechselseitig anfangs häufig nur schwer verstehen, so geht dieser Unterschied keines-
wegs über den gewöhnlichen Umfang der Dialekte hinaus, c Die grosse Anzahl ab-
weichender Worte bei Chamisso (nur etwa 40 stimmen mit Hernsheim überein) rühren
aber nicht allein von irrigen Auffassungen her, die ja für den, der eine derartige
Sprache zuerst nach dem Gehör niederschreibt, unvermeidlich sind, sondern nach
Hernsheim's gewiegtem Urtheil trägt hauptsächlich Kadu die Schuld, wie an so manchen
Irrthümern, die auf seine Autorität durch Chamisso in die Literatur übertragen wurden.
Ganz abgesehen, dass Chamisso seinen eingeborenen Freund und Sprachmeister wohl
nicht immer richtig verstand, so hat Kadu andererseits jedenfalls da, wo ihm gerade das
richtige Ralik- Wort nicht einfiel, irgend ein Wort aus seinem heimatlichen carolinischen
Wortschatz angegeben, das Vocabulär Chamisso's ist deshalb mit grosser Vorsicht aufzu-
nehmen. Mit der Aussprache unserer Buchstaben verhält es sich auf den Marshalls wie
auf den Gilberts (S. 25 [293]).
Herkunft. Darüber wissen die Eingeborenen, soweit meine Erkundigungen
reichen, absolut nichts.
Charakter und Moral. Chamisso hat von den Marshallanern ein so überschwäng-
liches, reizendes Bild entworfen, dass die späteren Beschreibungen wie reine Verleum-
dungen erscheinen. Er nennt sie »lebhaft, wissbegierig, geistreich, tapfer, treu, gastfrei,
schamhaft, ohne Falsch und Lügec, rühmt »die Unschuld und Zierlichkeit der Sitten,
die zarte Schamhaftigkeit, den sittigen Anstand, die ausnehmende Reinlichkeit c und
findet »überall ein Bild des Friedens und der fortschreitenden Cultur«. Wären die Mar-
shallaner wirklich jemals solche Mustermenschen gewesen, so müssten Civilisation und
Christenthum erröthend ihre Ohnmacht, sogenannte »Wilde« erziehen und bessern zu
können, eingestehen. Aber Chamisso's dichterische Begeisterung und Freude, endlich
einmal unverfälschte und unverderbte Naturmenschen gefunden zu haben, beeinflusste
eine objective Beurtheilung seiner neuen Freunde, die schon damals alle Fehler und die
wenigen Tugenden der Kanaka besassen. Sie stahlen bereits, hielten nicht immer Wort
und führten Kriege, wie selbst Chamisso zugestehen muss. Aber durch seinen Reise-
begleiter Choris erfahren wir ausserdem, dass sie auch Talent zu Taschendieberei
zeigten, und dass es mit der vielgerühmten Tugend des weiblichen Geschlechts schon
damals nicht weit her war. »Schamhaftigkeit und Keuschheit sind den Anschauungen
dieser Insulaner fremd; ohne etwas Unehrenhaftes zu finden, bietet der Mann seine
Frau einem Anderen, der Vater seine Tochter dem Fremden an« und »die Frauen
waren sehr bescheiden, aber ein Stückchen Eisen genügte, um die Tugend dieser Wil-
denschönheiten zu Fall zu bringen« sagt Choris jedenfalls auf Grund von Erfahrungen.
Auch Kotzebue erzählt von dieser ersten Reise einen Vorfall, wo ein Matrose den Ver-
lockungen einer braunen Schönen nicht zu widerstehen vermochte, hebt trotzdem aber
die »Sittsamkeit der Frauen« hervor. Chamisso bezeichnet merkwürdiger Weise sogar
das Ueberlassen der Ehefrau Seitens des Hausherrn an den Gast als »reine, unverderbte
Sitte«. Für die Beurtheilung der Sittlichkeitsfrage gibt überdies die Sprache gewichtiges
Zeugniss. Sie besitzt für obscöne Handlungen, deren verschiedene Stadien und Details,
pSSl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 127
sehr bestimmte Bezeichnungen, die, von Allen gekannt, ohne Zweifel schon zu Cha-
misso's Zeiten existirten, ebenso wie der mehr als lascive Tanz »Rrumm«. Das Wort
»Dschirung« = Jungfrau hatte jedenfalls schon damals dieselbe Bedeutung, aber nicht
in unserer Auffassung von »Unberührtsein«, denn häufig findet schon vor geschlecht-
licher Reife Verkehr zwischen beiden Geschlechtern statt. Es wird daher Zeit, mit
den in alle Lehrbücher übertragenen Mittheilungen Chamisso's in dieser Richtung zu
brechen. Sie waren schon für die damalige Zeit nicht immer zutreffende, wenn auch
der spätere Verkehr mit Weissen die bereits vorhandenen Untugenden leider nicht
besserte, sondern eher vermehrte, wie z. B. in Betreff der Prostitution.
Meine Schilderung vom Jahre 1880: >faul, unwissend, sinnlich, indolent, zur Lüge
und zum Diebstahl geneigt, ohne Gefühl für Dankbarkeit, Gastfreundschaft und Ehre
in unserem Sinne, ohne Energie, theilnahmslos, wenig lebhaft, dabei aber freundlich,
gutmüthig, nicht roh oder gefühllos, im Ganzen friedfertig, im Kriege ohne Muth und
Tapferkeit« dürfte daher noch heute zutreffend sein, natürlich nur in gewissem Grade
fär gewisse Individuen. Denn auch auf den Marshalls habe ich sehr nette Eingeborene
kennen gelernt, und im Ganzen lässt sich mit ihnen besser als mit den lebhaften und
leicht aufgeregten Gilbert-Insulanern verkehren. Gegenüber den letzteren ist das ruhige,
schweigsame, gedrückte Wesen der Marshallaner auffallend, aber erklärlich durch die
Unterwürfigkeit dem Geburtsadel gegenüber. So beobachtete ich oft die Stille, welche
bei Ankunft fremder Canus herrschte : schweigend hockt die Bevölkerung am Strande,
schweigend werden die angekommenen Freunde begrüsst. Selbst die unvermuthete
Zurückkunft der seit Monaten verschlagenen und längst verloren geglaubten Vertriebe-
nen mit dem Schuner »Lotus« rief keine besondere Aufregung hervor, ein gellender
Schrei der Weiber war Alles, dann folgte lautloses Umarmen, und erst Abends bei den
sogenannten Tänzen ging es lebhaft her. Trunksucht war verhältnissmässig wenig ver-
breitet, denn nur Häuptlinge, als die einzige besitzende Classe, konnten diesem Uebel,
das die Mission nicht auszurotten vermochte, huldigen, und thaten dies sehr gern. Zur
Arbeit im Ganzen wenig geeignet, leisten doch Marshallaner auf kleinen Schiffen inner-
halb ihrer heimischen Gewässer als Matrosen gute Dienste und erweisen sich als brauch-
bare Menschen, was Erwähnung verdient.
Gegenüber verbürgten Thatsachen, dass in den meisten Fällen Verschlagene von
anderen Inselgruppen (Gilberts, Carolinen) todtgeschlagen wurden, darf die Fried-
fertigkeit der Marshallaner nicht zu sehr herausgestrichen werden. Später zog man es
vor, Verschlagene am Leben und als eine Art Sclaven arbeiten zu lassen, wie ich solche
(von den Gilberts) auf Milli sah.
In den Vierziger- und Fünfzigerjahren erlangten die Marshallaner sogar durch
eine Reihe sicher nachgewiesener Ueberfälle auf Schiffe notorische Berühmtheit, beson-
ders die Eboner unter dem gefürchteten Kaibuke. Noch im Jahre 1869 wurde auf
Rongelab die Mannschaft des deutschen Schuners »Franz« erschlagen, das Schiff ge-
plündert und verbrannt, ein Drama, bei welchem der spätere König von Dschalut »Ka-
bua« stark mitbetheiligt gewesen sein soll. Wenn auch vermuthlich Uebergriffe und
Rohheiten Seitens der Fremden zuerst die Rache der Eingeborenen herausforderten, so
hat die Habsucht der Häuptlinge jedenfalls später eine nicht untergeordnete Rolle dabei
gespielt. Selbst das Schicksal Kadu's bleibt unaufgeklärt und die Vermuthung, dass er
wegen seines »Eisenreichthums« von den Freunden erschlagen wurde, berechtigt.
RdinlichlCBit, von Chamisso besonders hervorgehoben, ist thatsächlich sehr wenig
vorhanden. Von Waschen kann kaum die Rede sein, denn das Sitzen im Wasser, der
Lagune oder in den Tümpeln, denselben, welche Trinkwasser liefern, dient mehr zur
128 Dr. O. Finsch. [384]
Abkühlung. Badeschwämme, die in der Lagune von Ailinglablab in ziemlich guter
Qualität vorkommen, blieben unbenutzt. Aber an Missionsplätzen haben sich zum
Theil Kämme eingeführt, die Kopfparasiten aber nicht ausgerottet. Das gegenseitige
Absuchen der Läuse (Kid) und Verzehren derselben war damals noch gang und gäbe.
IL Sitten und Gebräuche.
(Sociales und geistiges Leben.)
/. Sociale Zustände.
Sehr bezeichnend für dieselben ist das mittelalterliche Feudalsystem mit be-
stimmten, ziemlich scharf begrenzten Ständen :
1. Kajur oder Armidsch (= Mann), besitzlos und nur mit Land (d. h. Cocos-
palmen) belehnt.
2. Leotakatak, mit eigenem Besitz.
3. Burak, meist Söhne und Brüder des Häuptlings, zuweilen sehr reich und ein-
flussreich.
4. Irodsch, Häuptling, muss wenigstens mütterlicherseits von Irodschblut abstam-
men, wenn sein Vater auch nur Burak war. Denn der Rang erbt nach der Mutter, nicht
nach dem Vater, entsprechend der marshallanischen Anschauung, dass man von einem
Kinde stets die Mutter kennt, aber nicht immer weiss, wer der Vater war. Heiratet z. B.
ein Irodsch aus dem Burakstande, so werden die Kinder nur Burak, während umgekehrt
im Heiratsfalle eines Burak mit einer Irodschfrau die Kinder dem letzteren Stande an-
gehören. Kabua alias Lebon (Laban), der damalige »Irodsch-lablab« oder »grosse«
Häuptling von Dschalut und Ebon, nur ein Leotakatak von dem nördlichen Atoll Ron-
gelab, wurde Irodsch, als er Limokoa, die Witwe des grossen Kaibuke von Ebon, hei-
ratete. Da diese Ehe kinderlos blieb, die anderen Kinder Kabua's von anderen Frauen
aber nur dem Burakstande angehörten, so war Kabua's Stiefsohn Lemoro (alias Latablin,
zuletzt »Nelu«), damals ein Jüngling von circa 20 Jahren, der zukünftige Irodsch-lablab,
für den Kabua als Vormund waltete. Andere, viel ältere Kinder Kaibuke's, wie z. B.
Lageri auf Dschalut, waren dem Stande der Mutter entsprechend nur Leotakatak, da-
gegen Lidauria, die Tochter Kaibuke's mit Limokoa, einer Irodschtochter, die höchste
Person überhaupt. Im Falle ihrer Verheiratung mit einem Irodsch würde dieser An-
recht auf die Würde des Irodsch-lablab erlangt haben, die gewöhnlich nicht auf den
Sohn, sondern den jüngeren Bruder übergeht. Man ersieht hieraus, dass die Verhält-
nisse der Erbfolge ziemlich verwickelt sind, aber sie werden oft durch Gewalt geregelt,
indem man den einen Gegner aus dem Wege schafft. Der Vorwand wird dann in
Hochverrath gesucht und gefunden, wobei natürlich die Hilfe der übrigen Irodsche er-
forderlich ist, die unter sich den Irodsch-lablab erwählen. Die Macht eines solchen war
früher sehr bedeutend, er befehligte auf Seereisen wie im Kriege und entschied über
Leben und Tod. Das Todesurtheil wurde nach Hernsheim durch Speeren oder Steini-
gen vollzogen, nach Kubary ertränkte man Frauen. Welche Vergehen die Todesstrafe
nach sich zogen, ist nicht recht klar, da Mord z. B. kein Grund dafür war. Bestimmte
Gesetze gab es eben nicht, und die Justiz und deren Ausführung hing ganz von der
Willkür der Irodsche und deren jeweiligen Machtstellung ab. So war kurz vor meiner
Ankunft auf Namurik ein Ehebrecher erschlagen worden, obwohl diese Sünde sonst
sehr häufig begangen wurde und ungestraft blieb. Aber die christliche Partei wollte
[385! Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. I2q
ein biblisches Urtheil vollziehen, und der Mann sollte eigentlich gesteinigt werden. Als
dem > Könige« von Arno in Folge einer Krankheit das Kopfhaar ausging, mussten alle
Männer seinem Beispiele folgen und sich scheeren. Ein Ebon-Häuptling, der auf
Dschalut einem betrunkenen weissen Schiffsführer einen goldenen Ring gestohlen hatte,
wurde zur Lieferung von Holz verurtheilt. Wäre es ein Kajur gewesen, so hätte er
wahrscheinlich die Ohren lassen müssen, denn Abschneiden der Ohren oder vielmehr
der künstlich verlängerten Lappen scheint eine beliebte Strafe gewesen zu sein. Sie
wurde noch 1878 auf Dschalut an einem Eingeborenen vollstreckt, der einen Weissen
blutig geschlagen hatte und eigentlich aufgehangen werden sollte. Aber als ein »beach-
comber« (bummelnder weisser Händler) dem »König« Kabua ohne allen Grund ein
blaues Auge schlug, erkannten die Weissen nur auf Verbannung.
Auf Arno lernte ich übrigens einen weissen Händler kennen, dem in verdächtiger
Weise der rechte Ohrlappen fehlte, erfuhr aber den Grund nicht. Wie Kabua seinerzeit
noch Ohren abschnitt, tödtete der gefürchtete Kaibuke (der Ende der Siebzigerjahre
starb) auf Ebon mit eigener Hand; ja sein Neffe, ebenfalls Irodsch, speerte zwei seiner
Frauen. Von der äusserlichen Unterwürfigkeit, wie sie z. B. Kaibuke gegenüber
herrschte, dem sich seine Unterthanen nur in demüthiger Haltung nahen durften, war
bei Kabua nicht mehr die Rede. Der »Oberhäuptling und Herr von Ralik«, wie er im
deutschen Vertrage euphonistisch genannt wird, genoss wenig Autorität und hatte höch-
stens auf Ebon, auf den übrigen Inseln kaum Einfluss. Auf Dschalut bestand zwar
noch die alte Feudalwirthschaft, aber auch hier gelang es Kabua nicht immer, die
nöthige Anzahl Arbeiter für die Weissen zu stellen. £s war viel, als er beim Baue eines
Steindammes aus Korallstücken 3o Männer, 40 Frauen und 20 Kinder für circa eine
Woche zusammenbrachte, für die er täglich einen »Bum« (d. h. ein Tabatidregewehr,
damals dort im Werthe von 40 Mark) erhielt. Bald musste aber pro Kopf täglich ein
Schiffszwieback beigelegt werden, weil Kabua sonst die Leute nicht ernähren konnte.
Uebrigens gehörte Kabua die meiste Copra, soweit dieselbe nicht heimlich verkauft
wurde, bei grossen Fischfängen erhielt er den Löwenantheil, er vermiethete seine Kajur
auf Schiffe und zog deren Lohn ein, kurzum machte es ziemlich ebenso wie sein Col-
lege auf Aur zu Chamisso's Zeit, der nach Weggang des »Rurik« alles vertheilte Eisen
einforderte. Wegen ein paar Stückchen Eisen gab sich Kabua freilich keine Mühe, aber
unisomehr war er dahinter, den Verdienst der Mädchen in blanken Dollars einzuheim-
sen, denn diese »sittsamen, keuschen, bekehrten« Mädchen waren oft sehr begehrt, und
er schlug zuweilen mehr aus ihnen heraus, als aus seinen Matrosen. Der »König« hielt
es daher nicht unter seiner Würde, nächtlicherweile die Hütten zu revidiren, ob die
Eine oder Andere vielleicht fehle, und beanspruchte in einem solchen Falle den üblichen,
je nach dem Range der Schiffsleute von i — 3 Dollar variirenden Obulus für sich.
Aeusserlich kennzeichnet sich der Häuptlingsrang durch einige auf die Backen
tätowirte Längsstriche; nach Chamisso damals durch einen Bandstreif von Pandanus-
Blatt um den Hals.
Nani6ntaU8Ch findet noch, aber nur zwischen Eingeborenen statt; Weisse geben
sich nicht mehr damit ab.
BegrÜSSUng ist jetzt fast allgemein das durch die Mission eingeführte Handgeben.
Die Begrüssungsformel »jokwejuk« entspricht ungefähr unserem »ich liebe Dich«.
Freunde pflegen sich beim Wiedersehen zu umarmen und mit der Nase zu berühren,
was »medschenmä« heisst, aber nicht blos, wie Chamisso sagt, unter Ehegatten üblich
ist. Nach Hernsheim gibt es noch eine andere Liebkosung oder Ausdruck der Zärtlich-
keit durch Berühren mit der Zunge (nicht unser Küssen), »lagomedschi« genannt«
i3o Dr. O, Finicb. [386]
Tauschmltt«) (Geld). Vermuthlkh waren Sponäylus-Schclbchen (»Aahtt) früher
das eigentliche Eingeborenengeld. Im Uebrigen wurden hauptsächlich Nahrungs-
mittel, Matten und andere Erzeugnisse vertauscht, wie dies zum Theil jetzc noch statt-
findet. Schon in den Siebziger jähren bezogen die christlichen Eboniten alle Matten,
Faserröcke, Fischhaken, Leinen etc. von den betriebsameren Bewohnern der nördlichen
Inseln. Auf Dschalut war es zu meiner Zeit noch ähnlich, aber hier bereits wie auf
anderen Inseln mit Handelsstationen Silbermünze, und zwar der chilenische Dollar (zu
circa 3-6o Mark) eingeführt. Der Taglohn betrug 25 Cents (= circa 1 Mark) pro Tag,
aber die durch die Mission mehr gebildeten Eboniten waren in dringenden Fällen, z. B.
Löschen und Laden eines Schilfes, mit einem DoUar pro Tag kaum zufrieden.
Verbot (emö = tabu) besteht für gewisse Fälle und wird von den Häuptlingen
angeordnet. Zur Zeit meines Besuches auf Arno war z. B. keine Cocosnuss zu haben.
Als Tabuzeichen wird ein Cocosblatt der ganzen Länge nach, mit den Enden derBlati-
fiedern zusammen geknotet, um den Stamm geflochten, ganz in der Weise, wie es fast
überall, auch in Melanesien geschieht, was allein schon das Erklettern sehr erschwert
2. Stellung der Frauen.
Bei Besprechung der Stände ist bereits der durch Geburt bedingten hervorragen-
den Stellung der Häuptlingsfrauen gedacht worden, deren Wort unter Umständen auch
ftir die Beschlüsse der Männer nicht ohne Einfluss ist. Schon Chamisso erwähnt eioer
Häuptlingsfrau auf Maloelab, die in besonders hohem Ansehen stand und auch Kotze-
bue gedenkt dieser 'Königin*. Niedere Männer sollen mit einer Irodschfrau eigentlich
nicht sprechen, und früher mussten alle Männer der zwei obersten Qassen die Insel ver-
lassen, wenn der Irod seh -lablab diese verlicss. Da die Reisen mit Canus und meist zu
mehreren geschehen, so folgten ja ohnehin die meisten Manner dem Häuptlinge. .Aber
auch die Frauen nehmen an Seefahrten wie am Kriege theiL Die Behandlung der
Frauen ist im Ganzen eine gute, wenn sie auch der Willkür des Mannes ausgesetzt sind.
Dass Mädchen durchaus freien Verkehr mit Männern pflegen und damit häufig schon
vor erlangter Pubertät anfangen, ist schon im Vorhergehenden erwähnt worden. Des-
halb finden auch bei der ersten Menstruation keine besonderen Feste statt, aber wäh-
rend der Periode haben Frauen und Mädchen in einer etwas abgesonderten, eigens dazu
erbauten Hütte (»Dschukwen«) zu wohnen, wie dies nach Kubary auch auf Yap Sitte ist.
Besondere Heiratsgebräuche gibt es nicht, als dass den Eltern der Braut Geschenke
gemacht werden; auch war früher für den niederen Stand die Einwilligung der Irodsche
nothwendig. Die Ehen, für die Kajur laut Satzung monogamisch, sind ziemlich lax und
ziemlich nahe Blutsverwandtschaft kein Hinderniss, denn beim Tode eines Irodsch muss
der Bruder die hinterlassenen Witwen heiraten. Ehebruch ist von beiden Seiten nicht
selten, war aber nur, wenn mit einer Häuptlings frau begangen, todeswürdig, ein Fall,
der aber wohl nur seilen vorkam. Aber der Irodsch hatte seine Frau dem ebenbürtigen
Gaste während dessen Anwesenheil zu überlassen und konnte dem Kajur die Frau weg-
nehmen; der letztere durfte aber keim; ßesi-hicdene Frau lier höheren Stände heiraten
oder überhaupt Umgang mit ihr pfli.'i;tn. Ehescheidung ist häufig;
die Frau nicht, so schickt er sie liinfach ihren Angehörigen
geborenen verheiratete Händler pflegten es ebenso zu
einen farbigen Missionär eingesi?[;;net und schriftlich b
Manne mehrere Kinder schenkten, durften 1
Manne essen, wie Kotzebue seh' m die gemcinschi
[387] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. l3l
erwähnt. Meist halten sich aber die Weiber gesondert und hocken z. B. bei Ankunft
von Canus in Gruppen für sich beisammen am Strande.
Die früheren Gebräuche bei Geburten waren damals schon stark in der Abnahme
begriffen. Die Entbindung fand früher in einer besonderen Hütte unter Hilfe alter
Frauen statt; zum Abschneiden des Nabelstranges bediente man sich einer scharfen
Muschel. Gleich nach der Geburt wurde das Kind in dem natürlich lauen Regenwasser
gewaschen, dann mit Cocosöl eingerieben und auf eine feine Matte gebettet; die Ver-
wandtschaft und Freundschaft kam, um das Neugeborene anzusehen. Zugleich zündete
man in der Hütte ein Feuer an, das drei Wochen lang, die Zeit, welche die Wöchnerin
zu verweilen hatte, unterhalten wurde. Dieses Feuer sollte die bösen Geister fernhalten
und wurde von einem Drikanan, Zeichendeuter oder Weissager, unter Hersagen von
Segenssprüchen langsam mit Wasser ausgelöscht. Die Mutter durfte während der drei
Wochen, mit Ausnahme gewisser Fische, Alles essen, aber während eines Monats
keinen Umgang mit dem Manne pflegen. Wenn nach Ablauf der drei Wochen die
Mutter mit dem Kinde nach ihrem Hause heimkehrte, fand grosser Tanz statt, zuweilen
an mehreren Tagen, respective Abenden. Mit der Namensgebung war keinerlei Fest-
lichkeit, kein Pathenwesen verbunden. Die Eltern gaben den Namen, wie es ihnen ge-
rade einfiel, mit Vorliebe den einer hervorragenden Person. So nannte Launa, ein
Irodsch von Kwajelein, seinen Sohn Ledschebuggi, nach einem alten bekannten Manne,
ohne dass letzterer davon Mittheilung erhielt. Kinder werden wie bei allen Eingebore-
nen lange Zeit, oft bis ins dritte oder vierte Jahr gesäugt, *) ausserdem mit Cocosmilch,
Palmsaft, später Arrowrootmehl aufgezogen. Uneheliche Kinder und deren Mütter trifft
selbstredend nicht der geringste Tadel, da solche Fälle ja keine seltenen sind. Ohnehin
kein fruchtbares Geschlecht, sterben ausserdem eine Menge Kinder während der Zahn-
periode, wie überhaupt in den ersten Lebensjahren, so dass das Gesetz, welches einer
Mutter nicht mehr als drei Kinder erlaubt, um Ueberbevölkerung vorzubeugen, wenn
überhaupt jemals existirend, sehr unnöthig gewesen sein würde. Der Kindesmord, wie
ihn Chamisso, nur auf Kadu's Zeugniss, in alle Lehrbücher einführte, darf daher mit
aller Bestimmtheit bestritten und die Ehre der Marshallaner muss in dieser Richtung
wieder hergestellt werden. Kabua war beim Tode seines kleinen Sohnes wie geknickt
und weinte tagelang; dasselbe Gefühl und Kinderliebe findet sich aber bei dem gering-
sten Kajur. Selbstredend wachsen Kinder ohne jede Erziehung auf und haben ihren
freien Willen, betragen sich aber sehr gut.
3, Vergnügungen.
So bedürftig und schweigsam die Marshallaner für gewöhnlich auch sind, um so
lebendiger und beweglicher werden sie, sobald es sich um Lustbarkeiten, Feste (»goje-
goi«) handelt. Weniger lärmend als auf den Gilberts, zeichnen sich diese Feste auch
dadurch vortheilhaft aus, dass sie ohne Trunkenheit, Zank und Schlägerei durchaus
friedlich verlaufen. Aber Musik wird natürlich gemacht, wenigstens Lärm geschlagen,
und dazu bedient man sich hauptsächlich der:
Adscha (Nr. 599, i Stück, Fig. 17), Trommel; 66 Cm. lang, aus einem Stück
leichten Holzes vom »Gningc-Baum gefertigt, in Form einer sanduhrähnlichen hohlen
l^öhre, das obere schmälere Ende (19 Cm. Diameter) mit der Kehlhaut (nach Anderen
^\ fV *imisso nach Kadu wieder einmal das Wort 9TaII< der Uteaisprache
.her »Milch«: Dren in ningening = Kinderwasser.
l32
Dr. O. Finsch
[3881
Fig. 17.
Trommel.
Dschalut.
Magenhaut) einer Haiart »Berro« bespannt. Dschalut. (Vgl. Abbild. Choris: PI. U,
Fig. 6; Hernsheim: »Beitrag etc.«, S. 95, und »Südsee-Erinnerungen«, S. 86; Finsch:
Westermann's Monatshefte, 1887, S. 498, Fig. 3.)
Die Trommel der Marshall-Inseln (und von Ponape) bildet
einen eigenen Typus und unterscheidet sich von der melanesl-
sehen (vgl. Taf. [i3], Fig. i) sehr erheblich durch die Ungleichheit
der beiden Enden, von denen das untere breiter ist, und dadurch,
dass sie keinen Henkel hat. Obwohl stets ganz glatt und ohne
jede Verzierung in Schnitzerei, durch welche sich die melanesi-
schen Trommeln oft als wahre Kunstwerke auszeichnen, gehören
die Trommeln der Marshalls doch mit zu den hervorragendsten
Erzeugnissen des Eingeborenenfleisses. Das isolirte Vorkommen
dieses Schlaginstrumentes gerade in diesem centralsten Theile
Mikronesiens (sowie nur noch auf Ponape) ist ethnologisch ein
ganz besonders interessantes und zeigt die spontane Entstehung
gewisser Geräthe und Gebräuche an den entferntesten Localitäten.
Die marshallanische Trommel schliesst sich in der Form zunächst
der melanesischen (Neu-Guinea etc.) an, aber gleiche Lärminstru-
mente sind auch weit über Polynesien verbreitet. So verzeichnet
Wilkes von Fakaafo der Tockelau-Gruppe ausser einer trogförmi-
gen Trommel, die sich zunächst der ähnlichen auf Fidschi und
Tonga und weiter den grossen in Melanesien (Taf. [3], Fig. 8) an-
schliesst, eine kleinere. Dieselbe besteht aus einer ausgehöhlten,
mit Haifischhaut überzogenen Holzröhre und wird nicht mit den
Händen, sondern zwei hölzernen Schlägeln geschlagen. Sehr ähnlich waren die Trom-
meln der alten Samoaner und Hawaiier, die Wilkes noch 1841 in Gebrauch sah. Die
Hawaiier benutzten eine kleine Trommel aus einer Cocosnussschale, mit Haifischhaut
überzogen, die mit einem hölzernen Schlägel geschlagen wurde (Choris: PL XI, Fig. 4
und 5 und PI. XII). Ausser zum Taktschlagen dienen Trommeln auch anderen Zwecken.
So erwähnt Kotzebue, dass die Bewohner von Otdia bei der Ankunft der Corvette die
Trommeln rührten, »auf diese Art die Götter um Hilfe anriefen« und »dass diese reli-
giöse (!) Handlung die ganze Nacht dauerte«. Selbstredend handelte es sich nur um
Allarmiren und um sich gegenseitig Muth zu machen.
Ausschliessend von Frauen benutzt wird der:
Dimuggemuk (Nr. 588, i Stück, Taf. V [22], Fig. 11), Taktschlägel, 19 Cm.
lang; kegelförmiges, rundes (wie gedrechseltes) Stück Hartholz (Mangrove, »Kinet«).
Dschalut.
Ich erhielt nur noch wenige solcher alten Stücke, darunter eines, in welches einige
Vertiefungen mit Blei ausgeschlagen waren, um das Gewicht zu erhöhen. Diese Takt-
schlägel werden bei gewissen Gesangsvorstellungen der Mädchen und Frauen benutzt,
um durch gegenseitiges Anschlagen der Hölzer helle Töne hervorzubringen, welche zur
rhythmischen Begleitung dienen. Aehnliche Taktschlägel ausBambu finden sich auf Neu-
Britannien (I, S. [28]); die hawaiischen Frauen bedienten sich kurzer Stöckchen. In der-
selben Weise wurden früher von den Männern runde, circa i M. lange Tanzstöcke
aus Eisenholz (Mangrove) benutzt, die aber damals bereits, wie die Taktschlägel der
Frauen, durch gewöhnliche unbearbeitete Knüppel und Holzstücke ersetzt waren.
Ein anderes sehr eigenthümliches Schlaginstrument der alten Hawaiier, aus einem
in der Mitte ausgeschnittenen Stück Bambu (Choris: PI. XI, Fig. 9 und 10) erinnert an
[3801 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Sodsee. l33
ähnliche Geräthe zum Taktschlagen in Melanesien (Neu-Guinea II, S. [122] und [254])
und auf Sarooa (Wilkes II, S. 134). Wie diese primitiven Instrumente in Polynesien
bereits der Vergangenheit angehören, so wird dies auch bald auf den Marshalls der Fall
sein. Zu meiner Zeit (1879) waren Trommeln auf Dschalut noch ziemlich vertreten,
und ihre dumpfen Töne, die an entferntes Dreschen erinnern, konnte man oft hören.
Die Trommel diente damals nur zum Taktschlagen bei Begleitung der Gesänge zu den
pantomimischen und gymnastischen Vorstellungen, den sogenannten Tänzen, und wird
nur vom weiblichen Geschlecht bedient. Die auf der Erde sitzende Trommlerin legt das
Instrument mit dem vorderen Ende auf ihren Schoss und bearbeitet das Fell mit den
Fingern beider Hände (vgl. Choris: PI. XVI und XIX). Auf Seereisen werden Trom-
meln ebenfalls mitgenommen und bei Abfahrt wie Ankunft von den Weibern darauf
Lärm geschlagen.
»Dschilil«, die bekannte Muscheltrompete aus Tritonium tritonis, war damals noch
in Gebrauch, wie immer nur zum Signalblasen. Dafür ist sie bei Seereisen unentbehr-
lich, um die Canus während der Nacht zusammenzuhalten. Jeremia, der farbige Mis-
sionär auf Dschalut, blies freilich oft ziemlich erfolglos nach seinen Bekehrten, obwohl
der Ton, ähnlich dem Brunfthirsche, sehr weit hörbar ist. Abbildungen der Muschel-
trompete: Choris, PL II, Fig. 5 (ungenau); Finsch, Westermann's Monatshefte, 1887,
S. 449, Fig. 4.
Gesang und Tanz, nach der alten Weise, hatten sich, trotz des Dagegeneiferns der
Mission, noch damals in voller BlUthe erhalten und wurden bei jeder passenden Ge-
legenheit ausgeübt, besonders bei der Ankunft von Canus. Selbstredend handelt es sich
nicht um Tanz in unserem Sinne, sondern um Vorstellungen, die Chamisso sehr pas-
send mit »sitzende Liedertänze« bezeichnet. In der Hauptsache sind es Bewegungen
der Arme, Verdrehen der Augen, seltener Trippeln der Beine, wobei gesungen, respec-
live geschrieen und mit Trommeln, Stöcken und Händen Takt geschlagen wird. Beide
Geschlechter haben ihre eigenen Vorstellungen, die indess insofern gemeinschaftlich
sind, als die Frauen stets das Singen und Lärmmachen besorgen, also gleichsam die
Kapelle bilden. »E-üb« wird nur von Weibern vorgetragen. Sie sitzen dabei in zwei
Reihen einander gegenüber, zwischen sich eine Schlafmatte ausgebreitet, und halten in
jeder Hand einen der vorher erwähnten Taktschlägel (»Dimuggemuk«), Ein Anfangs
leiser, dann immer lauter und rascher tönender Gesang wird durch entsprechendes An-
schlagen der Hölzer gegeneinander, wie auf die Matte begleitet und endet mit einem
gellenden Schrei. Die Bewegungen und das Klappern mit den Hölzern ist sehr wechsel-
voll, nicht minder die Verdrehungen des Kopfes und namentlich der Augen, welche
manche der Vortragenden am Schlüsse jeder Vorstellung in der unnatürlichsten Weise
zu verdrehen wissen. Bei diesem »E-üb« sah ich übrigens kleine, kaum sechs Jahre alte
Mädchen mitwirken, die ihre Sache so gut als Erwachsene machten. Aehnliche Vor-
stellungen beschreibt Wilkes von Samoa, wobei die Mädchen ebenfalls mit Stöckchen
auf einer Matte und mit Händeklatschen den Takt schlugen.
Sehr beliebt sind die Gesangsvorstellungen (>Elulu« = Gesang), welche meist
Häuptlinge zum Besten geben und bei denen Kabua selbst häufig mitwirkte. Die Vor-
tragenden, selten mehr als drei, sind glänzend mit Cocosöl eingerieben und besonders
geschmückt mit Kopfbinden aus Muscheln (Taf. [22], Fig. i und 2), Blumenkränzen,
Halsbändern und Federschmuck an Armen und Daumen, zuweilen im Haar (vgL die
unter Schmuck beschriebenen Gegenstände). Auf ausgebreiteten Matten sitzend und
mit einer Matte so bedeckt, dass der ganze Körper frei bleibt, besteht die ganze Kunst
in eigenartigen, wie durch einen Krampf hervorgebrachten Verdrehungen des Ober-
i34 Dr. O. Finsch. [3go]
körpers und ganz besonders der Arme und Augen, wobei leise eine eintönige Strophe
gesungen wird. Diese Verzerrungen, Verdrehungen und Zuckungen müssen sehr an-
strengend sein, denn die Darsteller gerathen gewaltig in Schweiss, den ihnen sorgsame
Frauenhände am Ende jeder Tour abwischen. Die im Halbkreise um die Vortragenden
sitzende weibliche Einwohnerschaft begleitet die Vorstellung mit Gesang, zu welchem
Frauen mit Trommeln, die übrigen mit Händeklatschen den Takt schlagen. Der Ge-
sang beginnt wie immer leise und langsam und endet in immer schnellerem Tempo in
einem gellenden, grässlichen Schrei. Die in der »Gartenlaube« (1886, S. 37) nach
meinen Skizzen entworfene Abbildung einer solchen Vorstellung ist durch künstlerische
Freiheiten in den Details vielfach verfehlt, gibt aber immerhin eine gute Vorstellung.
Eine durchaus exacte Vorlage übergab ich seinerzeit dem k. k. naturhistorischen Hof-
museum, die zu einem Wandgemälde, die MarshaU-lnsulaner darstellend, dienen sollte.
»Gjörräng« heisst eine Aufführung der Männer, die, bei Weitem am wirkungs-
vollsten, auch für europäische Augen ungemein interessant und anziehend wirkt, aber
schon damals kaum mehr stattfand. Die Theilnehmer stehen sich dabei in zwei Reihen
oder gruppenweise gegenüber und schlagen mit längeren Stöcken den Takt zum Ge-
sänge, der ausserdem von der Weiberkapelle mit Trommelschlag und Händeklatschen
begleitet wird. Der »Gjörräng« ist reich an wechselvollen Touren; bald schlängeln sich
die Theilnehmer wie bei unserer Polonaise, oder gerathen wie in wildem Kampfe durch-
einander, oder einzelne produciren sich im Solo, wobei jeder durch zitternde Bewegun-
gen des Oberkörpers und der Arme, die bis in die Fingerspitzen zu vibriren scheinen,
nicht minder durch krampfhaftes Augenverdrehen und Trippeln der Beine zu excel-
liren sucht. Dabei wird von den Theilnehmern bald gedämpft, bald schrill und miss-
tönend gesungen, und der Chor der Männer wechselt zuweilen mit dem der Weiber ab.
Die Theilnehmer des »Gjörräng« kleiden sich übrigens, soweit als möglich, in
den feinsten Kriegsstaat, denn die ganze Vorstellung ist in der That Imitation eines
Kampfes. Ein eigentlicher Kriegstanz ist es nicht, denn bei Gelegenheit der Kriegs-
unruhen auf Dschalut wurde der »Gjörräng« nicht aufgeführt, wie an demselben nicht
blos Männer, sondern auch kleine, kaum zwölfjährige Knaben theilnahmen. Diese Vor-
stellung ist übrigens sehr anstrengend und die Theilnehmer am Schlüsse derselben wie
in Schweiss gebadet.
Kotzebue beschreibt (»Neue Reise«, S. 178) solche Tanzaufführungen, die im
Wesentlichen mit den heutigen übereinstimmen; nur wurde die Muscheltrompete dabei
geblasen, weil die Aufführung eben eine »Schlacht« darstellen sollte. Wenn Kotzebue
in einer anderen Vorstellung (S. 182), bei welcher Mädchen mitwirkten, eine »Ver-
mählungsceremonie« zu erkennen glaubte, so ist dies eine phantasievolle Deutung, die
mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Solche Schmachtscenen kennen die Ein-
geborenen nicht; dagegen entspricht ihren sinnlichen Anschauungen eine lascive Vor-
stellung der Mädchen (»Rrumm« genannt), welche aus Rücksicht auf die Mission
damals nur unter besonders günstigen Verhältnissen zu sehen war und bisher unbe-
schrieben blieb. Die ausführenden Mädchen trugen als einzige Bekleidung eine Matte,
von der ein Zipfel zwischen den Beinen durchgezogen, mit einem Strick um die Hüften
befestigt war, Hessen aber im Laufe der Vorstellung auch diese Hülle fallen und erschie-
nen dann völlig nackt. Die sowohl sitzend als stehend, einzeln oder zu Mehreren
vorgeführte Production bestand, ausser dem bekannten Augenverdrehen unter Beglei-
tung von Gesang und Händeklatschen durch eine Damenkapelle, hauptsächlich in einer
vibrirenden Bewegung der unteren Bauchpartie, Wackeln mit dem Gesäss, also einer
Imitation des Coitus, wobei auch die Bewegung des Mannes zur Darstellung kam.
r3Qil Ethnologische Erfahrungen und BelegsfQcke aus der SQdsee. l3^
Ohne Zweifel wurden diese Vorstellungen schon von Chamisso*s »züchtigen, keuschen,
sittigen Jungfrauen« aufgeführt, und damals blieb es wohl nicht blos bei der Pantomime.
Aehnliche ziemlich unanständige »Tänze« beschreibt Wilkes von Samoa (II, S. i34).
Wie die Gesänge (»Elulu«) nicht musikalisch, so sind die Worte zu denselben
nicht poetisch, sondern behandeln in ermüdender Wiederholung gewisse Strophen die
gewöhnlichsten Vorkommnisse. Kotzebue und Chamisso ') geben bereits Proben davon,
und ich kann ein paar weitere hinzufügen. Ein Gesang, den ich auf Arno hörte, bezog
sich nur auf Cocosnüsse. »Copra wird gemacht« sangen die Männer, »bringen in
Coprahaus« die Weiber u. s. w. Eine andere Weise handelte nur vom Tabak: »Gib uns
Tabak — wir verlangen sehr — wo ist er geblieben — der so weit — der Tabak, Tabak«
u. s. w. Den nichtssagenden Text solcher Gesänge theilt auch Hernsheim mit (»Mar-
shall-Spracbe«, S. 32 und »Südsee-Erinnerungen«, S. 86).
Besondere Häuser zum Abhalten von Tanzvorstellungen gibt es auf den Marshalls
nicht, aber auf Arno sah ich vor dem Hause des Königs einen sorgsam geebneten und
mit weissem Korallsand bestreuten Tanzplatz. Die Vorstellungen fangen manchmal
schon früh an und dauern fast den ganzen Tag, finden aber der Hitze wegen vorzugs-
weise gegen Abend oder noch lieber bei Mondenschein statt, dauern aber nicht Nächte
lang, sondern enden, wie ich oft notirte, meist gegen Mitternacht. Für die ausserordent-
liche körperliche Anstrengung ist .dies auch hinreichend.
Tanzschmuck ist im Vorhergehenden (S. [BSg]) erwähnt und im Nachfolgenden
unter »Schmuck« eingehend beschrieben.
Spiele sind mir nicht bekannt geworden.
4. Fehden und Krieg.
Obwohl nicht sehr kriegerisch, haben die Marshallaner doch von jeher Streit
untereinander gehabt und in Folge dessen Kriege geführt, die nicht selten Eroberungen
galten. Schon Chamisso musste mit innigem Bedauern diese Thatsache zugeben. Denn
Lamari, der Irodsch-lablab über Aur, Maloelab und Wotsche, wollte seine Feinde von
Madschuru, Arno und Milli unter Latete angreifen und war bereits so schlau, sich von
dem mächtigen Fremden mit dem Kriegsschiffe Hilfe zu erbitten. Capitän von Kotze-
bue gab ihm denn auch etliche Lanzen und Enterhaken, wofür er als Gegengabe sechs
Rollen präservirten Pandanus erhielt. Die neuen Waffen hatten dann auch den Krieg
in sechs Tagen beendet, von mehreren Hundert waren aber nur fünf gefallen. Als
von Kotzebue 1824 zum zweiten Male die Marshalls besuchte, fand er Wotsche wie-
derum im Kriegsaufruhr, veranlasst durch Streitigkeiten von Häuptlingen, denen dann
ja die niederen Stände Heerfolge leisten mussten. Chamisso hatte übrigens nicht Ge-
legenheit Kämpfen beizuwohnen, und seine einzige Quelle ist, wie so häufig, Kadu.
Darnach ergibt sich, dass schon damals die Frauen mit in den Streit zogen, trommelten,
Steine warfen, die Kämpfenden zu trennen versuchten, dass aber die Schlachten im
Ganzen wenig blutige waren. Allerdings sollten in einem früheren Kriege 20 Krieger
gefallen sein, aber die neuliche Schlacht auf Tabual (Atoll Aur) hane nur vieren das
Leben gekostet. Damals scheinen auch zwischen Ratak und Ralik Kriege stattgefunden
zu haben, denn ein alter Mann des Ailuk- Atoll zeigte eine Wundnarbe, die er auf Ralik
erhalten haben wollte. Ich selbst erinnere mich kaum, Marshallaner mit Wundmalen
') Die in Band II, S. 112 mitgetheilten »Lieder von Radak« sind dichterische Uebertragungen,
die der Wirklichkeit nicht entsprechen.
Annalen de» k. k. naturhistorischen Hofmuseiims, Bd. VIIT, Heft 2, 1893. II
l36 ' Dr. O. Finsch. [3 92]
gesehen zu haben, machte aber den grossen Krieg auf Dschalut mit, den ich a. a. O. ')
ausführlicher beschrieben habe, so dass ich aus Erfahrung mitsprechen darf. Dabei gab
es nun zwar keine blutigen, aber um so lächerlichere Scenen, und von Tapferkeit und
Heldenthaten konnte überhaupt keine Rede sein. Die Ursache des Krieges war ein
unbedeutendes Stück Land auf Dschabwor, das der Irodsch-lablab Kabua diesmal nicht
einem Weissen, sondern einem schwarzen Wirthe »black Tom« verkauft hatte und das
sein Bruder Loiak beanspruchte. Darauf zog sich der letztere, auch ein Irodsch, mit
seinen Leuten auf eine andere Insel des Dschalut-AtoU zurück, und Kabua rüstete, um
dem Angriff tapfer standzuhalten. Da erschien er, wie seine Mannen denn allesammt,
im Nationalcostüm, es wurde viel getrommelt, gemimt, Augen verdreht und alle alten
Waffen, Speere, Walspaten etc. hervorgesucht. Endlich nahte die feindliche Flotte,
20 Canus stark, Kabua musterte sein Heer, Alles in Allem 85 Krieger, Greise, Krüppel
und Knaben inbegriffen, und zog dem Feinde, mit Spencer-Riffle und Lanze bewaffnet,
muthig entgegen; die tapferen Weiber mit. Sie trugen in Körbchen Lebensmittel,
Cocosnüsse, aber auch Steine und »pain-killer«, eine amerikanische Universalmedicin,
die sich bei den Eingeborenen bereits eingeführt hatte. Loiak landete mit seinen Trup-
pen, etwa 150 Köpfe stark, die Weiber inbegriffen, aber Kabua durfte ihn nach Kriegs-
gebrauch noch nicht angreifen, da sein eigentliches Gebiet noch nicht verletzt war. In
bewund ernswerth er Eile errichtete man aber eine Schanze, 4 — 5 Fuss hoch und ebenso
breit, aus Korallsteinen, über die ganze Breite der Insel, an dieser Stelle allerdings nur
ein paar hundert Schritt, denn dieses Verschanzen scheint ein eigen thümlicher Zug in
der Kriegsführung der Marshallaner zu sein. Trotz Wachposten durften Soldaten des
Feindes ruhig passiren, um ihre Weiber zu besuchen und bei dem weissen Händler
Pulver und Blei zu kaufen. Abends beim Schein der Feuer, wenn die Weiber mit Trom-
meln und Gesang einen Höllenlärm machten, wurde aber viel und scharf geschossen,
blindlings in das Dunkel der Nacht hinein, um den Feind zu schrecken und den eigenen
Muth zu stärken. Aber bei aller der Schiesserei gab es keinen Verwundeten, und als
beide Theile erschöpft waren, keine Patronen (ä 20 Pf.) mehr auf Credit erhielten,
nichts mehr zu leben hatten, da wurde, allerdings erst nach Monaten, Friede geschlossen.
Kabua trat seine Domäne wieder an, fand auf den Inseln, wo Loiak gehaust hatte, zwar
die Cocospalmen noch vor, aber keine Nüsse, denn diese hatte sein Gegner bereits in
Form von Copra an die weissen Händler verkauft. Nach Chamisso wurden schon da-
mals die Palmen aller Früchte beraubt (nach Kotzebue sogar die Palmen vernichtet?)
und überdies die etwaigen männlichen Gefangenen erschlagen, aber »der Sieger nahm
den Namen seines erschlagenen Feindes« an — sofern er ihn wusste.
Jedenfalls waren vor Einführung von Feuerwaffen die Kriege blutiger. Dies be-
weist das Nachspiel, welches der eben geschilderte Krieg später auf den zwei nördlichsten
Inseln der Ralikkette, Rongerik und Rongelap, fand, die Kabua, respective Loiak ge-
hörten. Kaum hatten die Eingeborenen dieser Inseln von dem Kriege auf Dschalut Kunde
erhalten, als sie übereinander herfielen und ohne Feuerwaffen Kämpfe führten, wobei
mehrere gefallen sein sollen.
Auf Arno sah ich auch gewaltige Schanzbauten in der Nähe des Königshauses, denn
eben war erst ein zweijähriger Krieg beendet, in welchem auch viel Pulver verschos-
sen, aber nur drei Leute verwundet wurden, obwohl beide Parteien oft an 900 Krieger,
inclusive Frauen und Kinder, ins Feld stellten.
Seekriege, d. h. mit Canuflotten, wurden nicht geführt.
I) »Gartenlaube«, 1881, S. 700—703.
[SqS] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 137
Streit unter Eingeborenen der gewöhnlichen Classen findet im Ganzen selten,
höchstens in der Betrunkenheit statt und verläuft meist ohne blutige Köpfe. Die Rauf-
bolde werden gewöhnlich von ihren Weibern oder Angehörigen festgehalten, bis sie
sich in gegenseitigen Schmähungen ausgeschrieen haben. Es geht also bei Weitem
friedlicher zu als auf den Gilberts.
5. Waffen.
Wie wir eben gesehen haben, waren die Eingeborenen bereits reichlich mit Feuer-
gewehren versorgt, und die Dschaluter standen damals (1879) ^"^ Uebergangsstadium
von den gewöhnlichen Percussionsge wehren (»Bu« genannt) zu Hinterladern, wovon
die 187 1 den Mobilgarden abgenommenen Tabati^regewehre damals zuerst eingeführt
wurden. Erst während der Kriegsunruhen kamen die alten eingeborenen Waffen zum
Vorschein, die sich übrigens auf den nördlichen Inseln noch allgemein erhalten hatten
und, soweit ich mich unterrichten konnte, nur in Wurfspeeren und Schleuder bestan-
den. Chamisso erwähnt noch von Ratak einen »an beiden Enden zugespitzten Stab
(»Gilibilip« '), der, im Bogen geschleudert, wie der Durchmesser eines rollenden Rades,
sich in der Luft schwingt und mit dem Ende, womit er vorne fällt, sich einbohrt«.
Diese Kampfwurfstöcke habe ich nicht mehr gesehen, vermuthe aber, dass sie mit den
Tanzstöcken (S. [388]) identisch sind, wie solche ja auf den Carolinen (Ruk) auch gleich-
zeitig als Waffe und Tanzgeräth dienen.
Charakteristisch für die Waffen des Marshall-Archipel ist die äusserst seltene Ver-
wendung von Haifischzähnen als Material zur Bewehrung. Chamisso erhielt auf Meschit
>ein kurzes, zweischneidig mit Haifischzähnen besetztes Schwert« (Choris, PL II, Fig. i),
bemerkt aber ausdrücklich, dass er nur dies eine sah. Wahrscheinlich stammte es von
einem verschlagenen »Repith-Urur« (Gilbert, s. S. [339] Anm.) her, die ja auf den Mar-
shalls meist erschlagen wurden. Haifischzahnschwerter sind also unter die gebräuch-
lichen Waffen der Marshallaner nicht aufzunehmen, dagegen wohl aber mit Haifisch-
zähnen besetzte Speere, die aber nach den Abbildungen bei Choris sehr erheblich von
den gleichartigen Waffen der Gilbert-Insulaner abweichen. Die Spitze des einen Speeres
(PI. II, Fig. 3) ist nämlich mit sehr wenigen Haifischzähnen (im Ganzen 6) bewehrt, zeigt
ausserdem aber auch ins Holz eingeschnitzte Widerhaken; der andere Speer (Fig. 4) hat
eine Doppelspitze, die jederseits mit 10 — 12 Haifischzähnen besetzt ist. Ich möchte
daher bezweifeln, dass der über 3 M. lange, ganz in der Gilbertweise mit Haifischzähnen
bewehrte Speer, welchen ich auf Dschalut unter dem Namen »Rairat« oder »Raddirat«
erhielt, wirklich auf den Marshalls gemacht wurde. Dieselben Zweifel gelten in Bezug
auf die Echtheit des mit Haifischzähnen besetzten Speeres, den Hernsheim in der Hand
von Kubu (»Südsee-Erinnerungen«, Taf. 9) abbildet. Dieser Speer ist allerdings nach
Marshallmanier in zierlichem Muster mit Pandanus-Gt^tohl umsponnen, allein diese
Verzierung ist wohl erst später auf Dschalut gemacht worden. Wie ich unter den
Waffen der Eingeborenen noch Walspaten aus der Zeit des Walfischfanges sah, so
mochten sich auch Waffen der Gilbert-Insulaner erhalten haben, die gar nicht so selten
auf die Marshalls verschlagen wurden. Vermuthlich existiren auf Ratak noch heute
Exemplare jener Waffe, die durch Kotzebue zuerst eingeführt wurde, nämlich eiserne
Beile, deren Klingen die Eingeborenen auf lange Stöcke steckten und als Streitäxte be-
nutzten. Dies erinnert an die ähnlich entstandene moderne Waffe in Neu-Britannien
(I, S. [24], Taf. 4, Fig. 10).
I) Das Wort findet sich, wie so viele, nicht bei Hernsheim, dagegen »Gilikelik« = Dorn.
II*
l38 Dr. O. Finsch. [394]
Häufiger als mit Haifischzähnen besetzte Speere waren jedenfalls solche mit
Rochenstachel (Choris^ PI. VIII, mit drei Stacheln), wie sie ähnlich auch auf den Gil-
berts und auf Samoa vorkamen. Von Otooha (Paumotu) erwähnt Wilkes Speere (ein-
fache, 6 — 7 Fuss lange Stöcke), an der Spitze mit dem Unterkiefer eines Delphins be-
wehrt (I, S. 322, Abbild.).
Ich erhielt auf den Marshalls keine Speere mit Rochenstacheln, sondern nur ge-
wöhnliche, d. h. schlanke, an beiden Seiten zugespitzte, 2 bis fast 3 M. lange Stöcke aus
Holz der Cocospalme, wie die folgende Nummer:
Mari (Nr. 705, i Stück) Wurfspeer aus Palmholz. Dschalut.
Eine feinere Sorte ist:
Mari (Nr. 704, i Stück), wie vorher, aber der Speer bis auf ein jederseits circa
50 Cm. langes Ende dicht mit hellem Pandanus-Blatt und schwarzgefärbtem Hibiscus-
Bast in zierlichem Schachbrettmuster umsponnen, die einzige Verzierung, welche mir
bei Marshallspeeren vorkam.
Eine andere Sorte:
Bobug (Taf. II [ig], Fig. i, Spitzentheil), Wurfspeer, 2*25 M. lang, rund, aus
Eisenholz (Mangrove), mit einer in sieben abgesetzten Kerben geschnitzten Spitze, ge-
hört der Vergangenheil an, und ich erhielt davon nur noch ein Stück.
Sehr abweichend sind die Widerhaken an der Spitze des von Choris (PI. H, Fig. 2)
abgebildeten Marshallspeeres.
Die Schleuder (»Buat«), wie sie damals wahrscheinlich noch auf den nördlichen
Inseln, auf Dschalut aber bereits nicht mehr gebraucht wurde^ ist eigenthümlich und
wesentlich von der der Carolinen verschieden. Das Polster, auf welches der Stein gelegt
wird, besteht aus einem viereckigen Stückchen Mattengeflecht aus P^n^a^iu^-Blattfaser,
an welches zwei Stricke befestigt sind. Die Proben, welche mir im Steinwerfen mit der
Schleuder vorgeführt wurden, bekundeten keine grosse Fertigkeit, wie dies schon Cha-
raisso erwähnt. Dagegen verstand man sehr geschickt mit der Hand Steine (KoraU-
trümmer) zu werfen und prakticirte dies früher auch im Kriege.
6. Bestattung.
Die widerlichen Gebräuche der Gilbert-Insulaner in der Behandlung Verstorbener
finden auf den Marshalls nicht statt, ebensowenig eine Verehrung der Schädel durch
Aufbewahren derselben, wodurch sich die Bewohner beider Archipele, auch in die.ser
Beziehung wesentlich unterscheiden. Die frühere Bestattungsweise hatte durch den
christlichen Einfluss an den Missionsplätzen zum Theil schon Einbusse erlitten, aber ich
erhielt noch eingehende Kunde durch Kabua und einem Häuptling des Atoll Kwajalein.
Beim Tode eines Häuptlings oder Angesehenen erhob sich zunächst ein grosses Geklage,
hauptsächlich seitens der Weiber, dann fanden einen ganzen Tag und eine Nacht, oft
zwei Tage lang Gesang- und Tanzaufführungen statt. Es waren dies aber keine beson-
deren, sondern dieselben wie sie im Vorhergehenden (S. [388]), namentlich unter »Eluluc
beschrieben sind. In den Gesängen feierten weise Männer (Drikanan) das Leben und
die Thaten des Verstorbenen, der übrigens nicht in Parade ausgestellt war. Inzwischen
hatten Männer (sechs Männer!) das circa 3 Fuss tiefe Grab (»Uliej«: Kubary; »Lüp«:
Hernsheim) gegraben, bei dem harten Grund und Boden ein mühsames Stück Arbeit.
Die Leiche wird (aber nicht in »sitzender Stellung«, wie Chamisso sagt) in dicke Schlaf-
matten (Nr. 196) eingeschnürt und so ins Grab gelegt, dass der mit zwei Matten beson-
ders bedeckte Kopf nach Sonnenuntergang liegt, mit dem Antlitz sich also nach Osten
[Sgc] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. l3g
wendet. Als Gaben erhält der Todte einen Bastrock (Ihn), zwei Matten und sonstigen
Schmuck, jetzt häufig auch eine wollene Decke, mit ins Grab. Die nächsten Anver-
wandten, besonders der Bruder des Verstorbenen werden bei der Gelegenheit von Allen
beschenkt. Das Grab wird von den (sechs) Männern mit Sand gefüllt, ein flacher Hügel
aus Koralltrümmern aufgeschüttet, mit einer Einfassung von auf die hohe Kante ge-
stellten Korallplatten. Zuweilen verwendet man auch kurze Stöckchen als Einfriedung
und steckt am Kopfende des Grabes ein altes Ruder in die Erde, manchmal ein zweites
am Fussende, wie ich dies beim Grabe des Königs auf Arno sah. Die (sechs) Todten-
gräber mussten drei Wochen lang am Grabe Wache und ein Feuer unterhalten, ver-
muthlich um böse Geister zu verscheuchen, und wurden während der Zeit verpflegt.
Vornehme Frauen wurden ganz in derselben Weise wie Männer bestattet, aber mit
Wenigbemittelten der niederen Stände machte man, wie überall, nicht viel Umstände,
und begrub sie entweder in weniger tiefen Gräbern oder übergab sie (nach Hernsheim)
in eine Matte gebunden, dem Meere. Nach Chamisso bezeichnete »ein eingepflanzter
Stab mit ringförmigen Einschnitten das Grab der Kinder, die nicht leben durften«, also
ein Kindergrab, wie ich es aber nicht zu sehen bekam. Der nur nominell bekehrte
Kabua kaufte für sein gestorbenes, circa zwei Jahre altes Söhnchen eine lackirte chine-
sische Kiste mit Schloss als Sarg, in welchem die kleine Leiche mit reichen Geschenken
von BaumwollenstofF u. s. w. noch lange über der Erde stehen blieb.
Die Gräber sind übrigens, um dies noch zu erwähnen, nicht in und bei den
Häusern, wie auf den Gilberts, sondern abseits, meist an versteckteren Plätzen unter
Cocospalmen angelegt, was mit der Geisterfurcht zusammenhängt. Auch werden keine
Cocospalmen bei Gräbern gepflanzt, wie dies sonst, z. B. in Melanesien (II, S. [252])
Brauch ist.
7. Geister- und Aberglaube.
Durch die Mission ist zwar gar Manches im inneren Geistesleben der Eingebore-
nen verändert worden, aber selbst sogenannte Christen — »Dri-anitsch« (»Dri« =
Knochen, Mensch; »anitsch« ^= Geist, Seele) hielten noch am alten Geisterglauben fest,
und das wird wohl noch lange so bleiben. Werden doch auf Hawaii noch heutigen
Tages im Stillen altheidnische Gebräuche gepflegt, und selbst bei uns haben sich An-
klänge daran zum Theil in etwas veränderter Weise erhalten.
Die Marshallaner haben keine Religion, keine Priester, wohl aber existirt ein ziem-
lich roher Fetischismus, und es gibt Drikanan (»Dri« = Knochen, Mensch und »kanan«
= weissagen), also Weissager, die aber keine bestimmte Zunft bilden, indess früher
beim Volk sehr einflussreich gewesen zu sein scheinen. Das Wort »Jageach«, wie es
Chamisso für »Gott« auf Ratak übersetzt, ist wenigstens auf Ralik unbekannt. Auch
kann nicht von der »Verehrung eines unsichtbaren Gottes im Himmel« die Rede sein,
sondern nur von Geistern (»Anitsch«), und deren gab und gibt es eine ganze Menge,
höhere und niedere, ja jeder wird nach seinem Tode »Anitsch«. Damit ist aber nicht
ein Glauben an ewiges Leben, Jenseits, nach christlicher Auffassung gedacht, sondern
ein gewisses Geisterleben im Verbände mit der bestehenden Welt, im engbegrenzten
geistigen Horizont des Marsh allaners. Es gibt Menschen, welche die Geister, namentlich
bei Nacht, hören, ja dieselben sehen und ganz wie unsere Spiritisten mit ihnen sprechen
können; aber das sind deswegen nicht immer »Drikanan«. Bei Gelegenheit des Krieges
auf Dschalut consultirte Kabua seinen »Anitsch«, der ihm den Sieg versicherte. Es
gibt auch böse Geister, Gespenster (»Dschiteb«), weshalb die Gräber gewisser Verstor-
bener vermieden werden und Geisterfurcht herrscht. Ein Theil der geringfügigen
I40 Dr. O. Finsch. [396]
Opfergaben y meist Stückchen Cocosnuss, wird daher aus Furcht gebracht, wie die
(S. [387]) erwähnten Feuer aus diesem Grunde angezündet werden. Götzenbilder irgend-
welcher Art gibt es nicht, aber man betrachtet gewisse Stellen, Steine, Bäume, selbst
Fische als den Sitz des Anitsch, ohne dieselben besonders zu verehren oder gar mit
dem Begriff unseres »heilig« zu betrachten. Nicht einmal »tabu« ist mit solchen Stellen
verbunden, denn schon Chamisso erwähnt, dass ein mit vier Balken eingefasster Platz
um ein solche »heilige Cocospalme«, vermuthlich eine Grabstätte, unbehindert betreten
werden durfte. Kabua zeigte mir die Stelle, wo früher ein alter Baumstumpf stand, der
als grosser Anitsch galt. Hernsheim liess ihn unbewusst weghauen, aber die Eingebore-
nen waren deswegen nicht im Mindesten beleidigt. Auf Ebon gibt es einen anderen
Stumpf eines alten »Bingebing« -Baumes, der aber noch etwas grünt, »Dscholobang«
genannt, welcher ebenfalls Sitz eines Anitsch ist; die Leute pflegen kleine Steine dort
niederzulegen. Auf dem Atoll Namo ist der grosse Stein »Luadonmul«, nach Kabua
ein wirklicher Stein und kein Korallfels, nur für Irodsche; doch blieb es unausgemacht,
ob Sitz nur für die Anitsche der Häuptlinge, oder ob blos für die letzteren zugänglich,
denn es ist schwer, über Derartiges von Eingeborenen klare Auskunft zu erlangen. Sie
sind schwerer von Begriffen als Ostiaken oder Samojeden. Auch auf Dschabwor des
Dschalut- Atoll gibt es Steine »Ladschibundao«, die als Sitz von Geistern gelten; es war
aber nicht auszumachen, ob diese Anitsch nicht blos als Aufenthalt Verstorbener, also
von Seelen gelten. Auch Anitsch in Gestalt von Fischen sind bekannt, sie zeigen sich
aber nur sehr selten, oft erst nach Jahren. Wer den grossen Fisch-Anitsch zuerst sieht,
ruft » Ladschi bunda-6« und Alle eilen in Canus so schnell als möglich zur Stelle. Nach
diesem Fische und der Anzahl kleiner, die mit ihm schwimmen (also wohl eine Art
Hai), wird geweissagt, wie dies aber geschieht und zu welchem Zweck, davon wusste
Kabua nichts.
Opferplätze waren aber solche Anitsch-Bäume, Steine u. dgl. nicht, doch werden
n anderer Weise bei gewissen Gelegenheiten bescheidene Opfer gebracht. So gilt ein
gewisser Platz im Hause, meist hinter dem Kopfende des Lagers, als »Anitsch-Stelle«,
nach der man eigentlich nicht blicken darf und wohin man beim Beginn der Mahlzeit
rückwärts einen Bissen wirft. Den begleitenden Spruch »Giedin Anis mne jeo« hat
Chamisso wohl nur nach dem Gehör geschrieben, er muss nach Hernsheim »Kidschin
(der Bissen) Anitsch (für den Geist) idschu« lauten. Bei dem »idschu« (»hier«) wird da-
bei mit dem Bissen nach der Stelle gedeutet, wo Anitsch helfen soll. Hat jemand z. B.
Kopfschmerz, so hält er mit der Linken erst den Bissen an die schmerzende Stelle und
wirft ihn dann hinter sich; bei Regenmangel deutet man mit dem Bissen nach den Wol-
ken. Die Weissager (Drikanan) spielen bei solchen wichtigen Gelegenheiten selbstver-
ständlich eine bedeutende Rolle, wie alle solche Leute, die ja auch bei uns noch nicht
ganz verschwunden sind. Der »Drikanan« ist kein Wind- und Regenmacher, er weis-
sagt nur den angeblichen Ausgang wichtiger Ereignisse und Vorgänge, wie Krieg und
Friedenschliessen, Canufahrten, Dürre oder Regen, Krankheiten u. dgl. Zuweilen zog er
sich deshalb wohl ein paar Tage fastend in seine Hütte zurück (denn Tempel gibt es
nicht) und liess sich schliesslich in Cocosnüssen und Lebensmitteln gut bezahlen, wäh-
rend der Anitsch leer ausging. Denn »feierliche Opfer, bei denen man dem Gotte Früchte
weihte«, wie dies Chamisso nach Kadu berichtet, fanden nicht statt. Die Geschichte
von dem »blinden Gotte« auf Bigar hat ebenfalls keine andere Autorität als die Kadu*s
und ist mit Vorsicht aufzunehmen.
Kabua erzählte auch von einem grossen Feste oder vielmehr Esserei, die früher
alljährlich im Juli auf Dschabwor stattfand, wie es scheint in Verbindung mit dem
[^97] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. I^I
Anitschglauben, aber das Warum und Wie blieb unklar. Seitdem ist dieses Fest nach
dem christlichen Ebon verlegt worden, und dahin begeben sich dann die Männer auch
vom Atoll Dschalut.
Heilkunde als solche existirt natürlich nicht, aber es gibt Aerzte (»Driuno«, von
»Dric = Knochen, Mensch und »uno« Farbe, Medicin), die aber nicht mehr verstehen
als Blutlassen, mittelst Hauteinschnitten, ausserdem warmes Wasser (»Dren-buil) inner*
lieh verordnen, wie bei Wunden Umschläge von frischen Blättern. Massage wird in
ähnlicher Weise wie auf den Gilberts (S. [3 17]) prakticirt, häufig von alten Weibern, die
wie bei uns noch auch hier kurpfuschen. Ich sah aber auch eine Zahnoperation, die aller-
dings in recht primitiver Weise vor sich ging. Ein hohler Zahn sollte entfernt werden.
Der Patient legte sich flach auf die Erde, nahm eine Nuss zwischen die Zähne, um den
Mund offen zu halten, und liess sich nun mit einem Holzstifte und Klopfer in etwa
20 Schlägen ohne Zeichen des Schmerzes die kranken Wurzeln herausmeisseln. Eigent-
liches Besprechen von Kränkelten scheint man nicht zu kennen, die »Drikanan« weis-
sagen nur den muthmasslichen Ausgang und bedienen sich dabei zuweilen eines
Orakels. Streifen von Pandanus-Blan werden zusammengefaltet und je nach der Länge
des letzten Stückes der Verlauf der Krankheit gedeutet. Ist z. B. das letzte Blattstück
von gleicher Länge mit den vorhergehenden Umbiegungen, so gilt dies als günstiges
Omen.
Im Hause des kurz vorher verstorbenen Königs auf Arno waren als Memento ein
getrockneter fliegender Fisch, ein paar Streifen Pandanus-Blsittj in welche etwas ein-
gewickelt war, und eine Flasche aufgehangen, wahrscheinlich im Zusammenhange mit
»Anitschglauben«. Die Flasche hatte Medicin enthalten von einem weissen Händler
und »Doctor med.«, seines Zeichens Barbier, den ein Schiff von S. Francisco mitbrachte,
um den König zu heilen. Handelte es sich doch um eine Schiffsladung Copra als
Honorar für glücklichen Erfolg, welche die Firma wie der »Doctor« indess nicht ein-
heimsen konnten. Chamisso erwähnt übrigens auch bereits ähnlicher Andenken (ge-
dörrte Fischköpfe, unreife Cocosnüsse, Streifen Pandanus-BlBit)^ die in Häusern von
Häuptlingen aufgehangen waren.
Wie alle Kanaken, denen irgend etwas .fehlt, gleichviel was es sein mag, bedienen
sich auch die Marshallaner beim geringsten Unwohlsein eines Stockes zum Gehen.
Krankheiten sind übrigens im Ganzen selten, nach Hernsheim wird eine Art In-
fluenza zuweilen verhängnissvoll. Syphilis ist schon lange durch den Schiffsverkehr
eingeführt, bisher ohne verheerenden Einfluss.
III. Bedürfnisse und Arbeit.
(Materielles und wirthschaftliches Leben.)
/. Ernährung und Kost.
a) Pflanzenkost.
Von ebenso ärmlicher Bodenbeschaffenheit als die Inseln des Gilbert-Archipels,
sind die Verhältnisse der Nahrung und Ernährung auch auf den Marshalls fast genau
dieselben und fast ebenso kümmerliche. Wenn auch nicht gerade Hungersnoth, so
herrscht doch zuweilen Mangel, wie z. B. zur Zeit meines Besuches auf Arno. Ein
Sturm hatte die Brotfruchternte grossentheils und dadurch eine Hilfsquelle vernichtet,
die sich nur schwer ersetzen liess. Die Cocosnüsse waren noch nicht reif, die Bevölke-
rung daher auf Pandanus angewiesen und auch dieser nur knapp vorhanden. Solche
142 Dr. O. Finsch. [398]
kärgliche Perioden sind von jeher vorgekommen und mit die Ursache des Canuver-
kehrs der Inseln untereinander, deren Bewohner auf den gegenseitigen Austausch zum
Theil angewiesen sind.
Mit der neuen Aera der Copraausfuhr im Grossen, womit den Eingeborenen ein
wesentlicher Theil ihrer bisherigen Nahrung entzogen wurde, musste daher durch Im-
port Ersatz geschafft werden, wie dies schon lange auf Dschalut und Ebon der Fall ist.
Hier haben sich die Eingeborenen bereits an fremde Nährstoffe gewöhnt, unter denen
Reis und Schiffszwieback (Biscuit) obenanstehen.
Die natürlichen Hilfsquellen sind übrigens dieselben als auf den Gilberts und be-
schränken sich wie dort auf einige wenige Producte, doch kommt Brotfrucht etwas häufiger
vor. Aber »Bob«, die Frucht des Schraubenbaumes (Pandanus odoratissimus)j liefert
den Haupttheil der Ernährung. Die Eingeborenen unterscheiden nach den Früchten
neun verschiedene (nach Chamisso 20!) Arten oder Varietäten, die nicht cultivirt wer-
den, sondern wild wachsen und Allgemeingut sind. Für gewöhnlich werden die einzel-
nen Fruchtkerne ausgesaugt, aber zur eigentlichen Erntezeit eine Conserve bereitet,
ähnlich dem »Teduai« (S. 51 [3 ig]) der Gilberts. Die Bevölkerung des ganzen Dorfes
betheiligt sich an dieser wichtigen Arbeit, und es herrscht freudige Betriebsamkeit, w^ie
in der Ernte bei uns. Aber irgend eine Feier oder ein Fest zum Danke der »Götter«
findet nicht statt, auch keine Tanzereien. Die Bereitung dieser Conserve »Dschenäguwe
in Bob« ist folgende: Es wird eine grosse Grube (circa 10 Fuss lang, 4 — 5 Fuss tief und
ebenso breit) gegraben, mit Korallplatten ausgelegt und in der Grube ein lebhaftes
Feuer unterhalten, welches die Steine backofenartig erhitzt. Inzwischen sind die
schweren Bobfrüchte gesammelt und in die einzelnen Fruchtkerne (abgeb. Choris,
PI. VI) getheilt worden, mit denen man die erhitzte Grube ausfüllt, abwechselnd eine
Schicht Fruchtkerne auf eine Lage Blätter. Ist die Grube nahezu voll, so bedeckt man
sie mit einer Blätterschicht, schüttet dann heissen Sand und heisse Korallsteine darauf
und lässt die ganze Masse an zwei Tage zur Abkühlung stehen. Die Hitze hat den
hochgelben, zähen Zuckersaft erweicht, der nun mittelst Schaben und Reiben vollends
gewonnen wird. Mädchen und Kinder tragen die Fruchtkerne körbeweis den Männern
zu, welche, vor einem Holzgestell knieend, mit Messern oder auf rauhen Korallsteinen
schaben und reiben, wobei Alles monotone Weisen singt. Der Saft wird nun auf Holz-
gestellen an der Sonne in Form flacher Kuchen getrocknet und dann in lange runde
Rollen gepresst, die in Pandanus-Eltitler eingepackt und sorgfältig in Cocosstricke ein-
geschnürt werden, wie dies die folgende Nummer zeigt:
Dschenäguwe (Nr. 98, i Stück) Modell einer Rolle mit Conserve, wie sie in
den Handel kommt. (Abbild. Finsch in: Westermann's Monatshefte, 1887, S. 498,
Fig. 2.)
Diese Dschenäguwe-Rollen haben gewöhnlich eine Länge von einem Meter, bei
16 Cm. Durchmesser und wiegen, wenn ich nicht irre, 20 — 3o Pfund. Das Pfund
kostete damals circa 20 Pfennige; aber das Product wurde, wie schon zu Chaniisso*s
Zeit, der es »Mogan« (?) nennt, als sehr werthvoll betrachtet, und die Eingeborenen
hatten selbst nicht genug. Die braune, schneidbare Masse schmeckt sehr angenehm
süss, wie Feigen, mit einem Beigeschmack von Datteln, und hält sich, wie man sagt,
selbst ein paar Jahre lang. Bob-Conserve bildet daher keine tägliche Nahrung, sondern
dient hauptsächlich als Proviant bei Seereisen; auch beschenken sich Häuptlinge gegen-
seitig damit.
In Zeiten von Mangel wird der Bob-Conserve auch geraspelte Rinde von Panda-
nus zugesetzt und so eine Dauerwaare bereitet, welche »Tikaka« heisst, und mit Wasser
[Sog] Ethnologische Erfahrungen und BelegstOcke aus der SOdsee. I43
ZU einem Teig geknetet, in flachen Kuchen geröstet wird. Dies ist die »Speise aus ge-
faultem und pulverisirtem Cocosholz«, welche Kotzebue und Chamisso erwähnen.
Die Cocospalme (Ni) wird angebaut, doch geschah damals wenig in dieser Cultur.
Nach Chamisso sollen nach den Nüssen 10 (!) verschiedene Arten oder Varietäten unter-
schieden werden, aber mir ist nur eine Art vorgekommen, ausser den merkwürdigen
kleinen Nüssen von Udschae, hier »Bir« genannt, deren Kern (Berungar) nicht ver-
härtet, wovon aber auch nur eine kleine Anzahl Bäume dort wachsen. Takaru, Palm-
saft (nicht »Pandanus-S^(t€y wie Kotzebue meint) verstehen die Marshallaner auch ab-
zuzapfen, aber das geschieht wohl nur selten, und von Bereitung von Syrup daraus oder
dem berüchtigten, berauschenden sauren Toddy habe ich nichts erfahren. Die Mar-
shallaner konnten damals genügend Schnaps (Hamburger Gin) kaufen und besassen
früher, wie die Gilbert-Insulaner, kein Berauschungsmittel.
>Mä< (Brotfrucht oder Jackfrucht, kenntlich abgebildet: Choris, PI. VII) kommt
nach Chamisso in zwei Arten (Arctocarpus incisca und integrifolta) vor, aber überall
recht spärlich und im Ganzen nur auf elf Inseln. Früchte mit Kernen (Kwelle), die ge-
röstet wie Maronen schmecken, sind selten. Ueberhaupt ist die Qualität der hiesigen
Brotfrucht gering; sie schmeckt in der gewöhnlichen Zubereitung, d. h. in der heissen
Asche geröstet, ähnlich wie Kartoffeln. Aus Brotfrucht wird aber auch eine Dauer-
nahrung bereitet, die mehr Volksnahrung ist als die obige aus Pandanus. Man schält
die reife Brotfrucht, schneidet sie in Stücke, lässt sie ein paar Tage in Salzwasser wäs-
sern, stampft sie dann und verwahrt die säuerliche Masse, mit Brotfruchtbaumblättern
(Bulik) zugedeckt, an einem schattigen Orte. Die weiche Masse wird dann durch-
geknetet, nach Verlauf einer Woche zum zweiten Male und ist dann als die unter dem
Namen »Piru« bekannte und beliebte, für unseren Geschmack aber fast ungeniessbare
Nahrung fertig. Man verwahrt dieselbe in einer mit Korallsteinen und Blättern aus-
gelegten Grube oder in Körben aus Palmblatt, aus welchen der tägliche Bedarf geholt
wird, oder verpackt sie in derselben Weise wie Bob in grosse, schwere, eingeschnürte
Rollen, »Dschenäguwe in Mä« genannt, die sich mehrere (5 — 6) Monate halten sollen.
Für einige wenige Inseln, wie z. B. Udschae, ist Piru ein Ausfuhrartikel.
>Mogemog« heisst ein aus den Knollen einer Taro- oder Arum-Art gewonnenes
Mehl, welches von jeher von den nördlichen Inseln nach den südlichen vertauscht wurde.
Es wird mit Wasser zusammen gerührt in Cocosschalen zu einem Brei gekocht oder
mit geschabter Cocosnuss und bildet eine Lieblingsspeise. Nach Chamisso wird Moge-
mog aus Tacca pinnattfida hergestellt; ausserdem aber auch drei Arten Pfeilwurz
(Arum esculentum, sagittifolium und macrorhi:^on) cultivirt. Diese liefern wohl das
bei den Eingeborenen »Iradsch« genannte Arrowroot. Nach meinen Erkundigungen
erzeugen nur acht Inseln (Madschuru, Bikini, Kwajalein, Udschae, Namerik, Ailinglablab,
Aur und Maloelab) massige Quantitäten Arrowroot. Aur führt circa 1000 Pfund jähr-
lich aus; das Pfund kostete damals circa 4 Pfennige, ein Handel, bei dem sich auch
Weisse betheiligten. In grossem Massstabe ist Taro auch früher nicht angebaut worden.
Noch interessanter als die Herkunft dieser Knollengewächse würde es sein, siche-
ren Nachweis darüber zu erhalten, woher die Eingeborenen die Banane (Käberang) be-
kamen, da dies zugleich einen Hinweis auf die eigene Herkunft geben könnte. Cha-
misso sah auf Kaben (Atoll Maloelab) einen Bananenbaum, anscheinend frisch gepflanzt,
auf Aur einige Bäume mit Früchten. Seitdem pflanzt man auf Madschuru, Namerik und
Eben Bananen, überall in bescheidener Zahl und auf diesen Inseln, wie es scheint, erst
durch Weisse eingeführt. Dasselbe gilt für den Melonenbaum (Carica papajra)^ »Ki-
napu« der Eingeborenen (Hernsheim »Momeapple« Fig.: S. 55 Baum, 59 Frucht,
144
Dr. O. Finsch.
[400]
61 Blatt, 63 und 65 Blüthe), der bei bescheideneren Ansprüchen besser gedeiht als die
Banane. Aber auch diese Frucht ist fQr die Ernährung der Eingeborenen ohne jeden
Werth geblieben, wie Alles, was der philantropische Eifer Chamisso's seinerzeit in dieser
Richtung mit unendlicher Geduld und Ausdauer anstrebte. Ueberall, wo Chamisso lan-
dete, legte er Gärten an und steckte Samen nützlicher Tropengewächse von den hawaii-
schen Inseln, in deren Cultur sein Freund Kadu die Eingeborenen unterwies. Alle
diese Mühen waren vergebens; die ungeheuren Mengen Kerne von Melonen, Wasser-
melonen u. s. w. hatten nicht eine Frucht gezeitigt. Als v. Kotzebue sieben Jahre später
die Inseln wieder besuchte, fand er nur auf Wotsche noch den von ihm eingeführten
Yams cultivirt, aber seitdem ist diese Nutzpflanze wieder verschwunden. Die Reben
des Weinstockes rankten bis in die Wipfel der Bäume, aber sie waren abgestorben. Die
geringe Regenmenge, der allgemeine Wassermangel und das Fehlen von Humus machen
eben jede Cultur von Nutzgewächsen unmöglich. Freilich gediehen bei Hernsheim*s
Station auf Dschabwor Melonen, Gurken, Radieschen und zum Theil Bohnen gut, aber
auf einer dichten Schicht trefflichen Bodens, der von Ponape und Kuschai mitgebracht
war, und unter der Pflege eines chinesischen Gärtners, der genug mit Giessen zu thun
hatte. Uebrigens haben diese tropischen Melonen wenig Aroma und Zierblumen (wie
Nelken und Rosen) keinen Duft. Ohne viele Mühe gedeihen an günstigen Stellen To-
maten, spanischer Pfeffer und unter besonderer Pflege auch Feigen und eine Art Orange
(Dodonaea viscora), letztere z. B. sehr beschränkt auf Ebon.
Tabak ist das einzige erst durch Weisse eingeführte Reizmittel, das den Ein-
geborenen bald unentbehrlich wurde. Trotz des strengen Verbotes der Mission raucht
Kind wie Greis, und zwar in Thonpfeifen, auch Cigaretten in einer Hülle von Bananen-
blatt. Stangentabak ist aber nicht in der Weise Scheidemünze als auf den Gilberts
(S. 52 [32o]), da jeder in Geld bezahlt sein will.
h) Fleischkost.
Die menschenfreundliche Mission Chamisso's beschenkte die Inseln zuerst mit
Hausthieren: Schweine, Ziegen, Hunde,') Katzen, denn nur auf einigen Inseln
(Wotsche, Maloelab) fand man das Haushuhn bereits verwildert vor. Nur auf Udirik
wurden Hühner zuweilen gegessen; sonst hielt man hie und da bei den Hütten einen
Hahn (Kaku) sorgsam angebunden, nach Chamisso nur der Federn wegen. Jetzt ist
das Eingeborenen- Huhn schon dermassen mit anderen eingeführten vermischt, dass
sich die ursprüngliche Race nicht mehr erkennen lässt; und doch wäre dies interessant
gewesen, weil gerade das Huhn für die Herkunft der Eingeborenen vielleicht Winke hätte
geben können. Jedenfalls ist es mitgebracht worden, und zwar aus dem Westen. Zahme
Reiher (Ardea sacra) sah ich, wie zu Chamisso*s Zeiten, gelegentlich bei den Hütten.
Gegenwärtig werden auf einigen wenigen Inseln Hühner gehalten, auf Milli und Ebon
sogar Enten (»Rak«, »Jejakc), und zwar Bisamenten (Cairinia moschata). Aber die
Eingeborenen essen dieselben ebensowenig als Eier (»Lip in lolo« = Hühnereier, »Lip
in Jejak« = Enteneier) und verkaufen das Geflügel lieber an Fremde, wie dies die
weissen Händler thun. Auf Rongerik und Lae sollen viel Hühner zu haben sein.
Mit den durch den »Rurikc eingeführten Hausthieren ging es übrigens wie mit
den Culturgewächsen : auf Wotsche hatten sich nur verwilderte Katzen (Keru-Kidscherik
= Rattenthier) erhalten, zur Verminderung der Ratten aber nicht geholfen. Alle übrigen
Thiere waren eingegangen, wie dies bei dem Mangel an Frischwasser nicht anders sein
I) Chamisso irrt übrigens, wenn er meint, dass der Name des Hundes auf Ratak bekannt ge-
wesen sei. tGiru« oder richtiger >Keruc bedeutet nur >Thier«.
[ioi] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. i^^
kann. Hernsbeim liess auf einer sehr versprechenden Insel der Dschalut-Atolls eben-
falls Ziegen aussetzen; wir fanden nach kurzer Zeit nur noch die Skelete. Gegenwärtig
werden daher nur Schweine (Keru = Thier oder Bik = dem englischen Pig) in be-
schränkter Zahl an einigen Handels- und Missionsstationen gehalten, für SchifTsbedarf.
Denn die Eingeborenen geben nichts um Fleisch und essen lieber Cocosnüsse, das ein-
zige Futter für Schweine, welches die Inseln bieten. Auf Namurik, wo die Banane zahl-
reicher angebaut wird, gab man deshalb die Schweinezucht auf. Schafe lassen sich
nicht halten, da das einheimische schlechte Schlinggras durchaus ungenügend zur Er-
nährung ist.
Die Ratte (»Kidscherik«), eine wissenschaftlich nicht untersuchte Art, die ich unter
Anderem auf der unbewohnten Insel Dagelab auf Bäumen beobachtete, wo sie Vögeln
(Anous stolidus) und deren Eiern nachstellte, wird nicht gegessen. Chamisso berichtet
von Wotsche und Udirik das Gegentheil. Hier sollen die Frauen Ratten essen, aber er
sah dies nicht selbst. Auch die eigenthümliche Art des Rattenfanges (nach Kadu), mit-
telst Feuergruben, ist mindestens sehr zweifelhaft und der weiteren Bestätigung bedürftig.
Nach Chamisso unternahmen die Rataker früher Reisen nach dem unbewohnten
Bigar, um hier während einer gewissen Periode Vögel und Schildkröten zu fangen,
deren Fleisch an der Sonne zu trocknen und als Vorrath mit heimzunehmen. Das
dQrfte jetzt wohl aufgehört haben, denn Schildkröten (»Wun«) sind bereits so selten,
dass sie gar nicht als Nahrung in Betracht kommen. Hinsichtlich der Vögel kann es
sich nur um wenige oceanische Arten (Anous stolidus, Sula/usca, vielleicht Tachy-
petes) gehandelt haben, die vermuthlich hier Brutplätze haben, so dass die Eingeborenen
Junge in grösserer Anzahl erlangen konnten. Ich erhielt auf Dschalut einige Male
lebende Vögel (»Gäguk« Numenius uropygialis; »Giri« Actitis incanus; »Ana« Ardea
Sacra, weiss; »Kabad« Ardea sacra, schieferfarben; »Käar-lab« Sterna Bergii;
>Käar« Sterna melanaachen; »Dscheggar« Anous melanogenys\ die offenbar in Schlin-
gen gefangen waren, aber als Nahrung keine Bedeutung hatten. Knaben verstanden in
Schlingen an einem Stöckchen sehr geschickt Eidechsen zu fangen, lediglich aber nur
um mir ihre Beute zu verkaufen, denn gegessen wurden dieselben nicht.
2. Fischerei und Geräth.
Die Marshallaner scheinen nie eifrige und geschickte Fischer gewesen zu sein,
denn Kotzebue bemerkt schon von ihnen: »Es ist auffallend, dass sie den Fischfang so
ganz vernachlässigen«. Zu meiner Zeit war es noch ganz ebenso und von eigentlicher
Fischerei nicht die Rede. Die wenigen Bewohner der nördlichen Inseln des Atolls
brachten zuweilen massige Quantitäten Fische zum Verkauf, aber die Eingeborenen von
Dschabwor, der Hauptinsel des Dschalut-Atolls, freuten sich, wenn sie für eigenen Be-
darf einige Fische erlangen konnten, die ihnen nur bei gewissen Gelegenheiten massen-
haft zur Beute fielen. Dynamitpatronen waren sehr begehrt, und ich habe mit einer
solchen Hunderte von Dules argenteus und einer Mulloides-An tödten sehen, was
freilich nicht in zu tiefem Wasser geschehen darf, denn den anscheinend unverletzten
Fischen ist die Schwimmblase zersprengt, so dass sie sinken und deshalb tauchend heraus-
gefischt werden müssen. Die Eingeborenen betheiligen sich daher gern bei diesem meist
von Weissen betriebenen Fischfange, wobei sie nicht leer auszugehen pflegen, da sie
einen guten Theil der Beute unterschlagen.
Chamisso irrt übrigens, wenn er die Lagune arm an Fischen nennt, oder es liegt
hier nur eine zufällige Beobachtung zu Grunde. Gewöhnlich sieht man viel Fisch e| vqq
146 I^r. O. Finsch. [402]
Bord eines ankernden Schiffes zuweilen erstaunliche Mengen, die ein farbenprächtiges
Schauspiel gewähren. Aber diese herrlichen Fische beissen nicht gut und sind, wie wir
im Nachfolgenden sehen werden, zum Theil sehr giftig, eine nicht eben angenehme
Eigenthtimlichkeit der Fische gerade des Marshallmeeres.
Netzfischerei und Fischnetze habe ich weder auf Dschalut, noch sonst auf den
Marshalls gesehen, ebensowenig Hai fisch fang, da diese Fische, wenn ich nicht irre,
überhaupt verschmäht werden. Chamisso verzeichnet in seinem Vocabular das Wort
»Kabuilc für Fischnetz, Hernsheim »Ok«.
Hakenfischerei wurde wenig mehr und dann meist mit eisernen Haken betrieben,
und zwar in der Weise wie beim Makrelen fange, d. h. man lasst den Haken hinter einem
schnellsegelnden Canu laufen, so dass er bald etwas unter Wasser geht oder lustig auf
den Wellen hüpft. Lebender Köder wird nicht benutzt, denn einmal lockt der Silber-
glanz des Perlmutterhakens die Fische an, oder man befestigt ein Stück weisses Zeug,
helles Panda nus-Blati oder Büschel Hibiscus-Easi am Haken als Köder, der je nach der
Fischart verschieden ist. Zum Fange grosser Makrelen*) wird ein Streif frischen Pan-
da n US -Blsittts in der Weise angebunden, dass jederseits ein (circa 16 Cm. langes) Ende
flügelartig absteht. Diese Enden sollen die Flügel eines fliegenden Fisches (Exocoetus)
imitiren, welcher von jenen Makrelen mit Vorliebe gejagt wird.
Angelflscherei in unserem Sinne ist, wie überall in der Südsee, unbekannt und
erst mit der Einführung europäischer Angelhaken in Mode gekommen.
Fischhaken nach der alten Weise wurden damals auf Dschalut nicht mehr ge-
macht, man bezog sie von dem benachbarten Namurik und Madschuru oder den nörd-
lichen Inseln, wo sie seitdem wohl auch sehr abgenommen haben dürften.
Gät (Nr. 14g, I Stück), Schaft zu einem Fischhaken in Bearbeitung. Dschalut.
Aus dem Schlosstheil der Perlmuttermuschel (Meleagrina margaritifera) gearbeitet,
circa 115 Mm. lang und in der Form mit dem folgenden Stück übereinstimmend, aber
ohne Bohrloch. Dagegen ist an dem einen Ende jederseits ein Randvorsprung aus-
gearbeitet, wohl zur Befestigung der Fangleine. Die Randkerben am entgegengesetzten
Ende, welche zur Befestigung des Hakens mittelst Bindfaden dienen (vgl. Edge-Par-
tington, Taf. 177, Fig. 10), fehlen an diesem Stücke noch. Derartige Schaftstücke, meist,
aber nicht ausschliessend, von Perlmutter, bilden den Haupttheil eines Fischhakens, wie
ihn das folgende Stück zeigt:
Gät (Nr. 150, I Stück), Fischhaken (Taf. III [20], Fig. i) aus Perlmutter (a) mit
Fanghaken aus Knochen (b) und Köderbüschel (c), Dschalut.
Das Perlmutterschaftstück hat auf der flachen Rückseite eine Breite von 22 Mm,
(Fig. I d) und ist an der Basis durchbohrt, um die Fangleine zu befestigen. Der sehr
sauber aus Spermwalzahn (Cachelot) gearbeitete Fanghaken (b) ist gegen die Basis zu mit
einem Bohrloch versehen, durch welches der feine Bindfaden (Art Zwirn) gezogen ist,
welcher den Fanghaken mit dem Schaft verbindet und der durch zwei Randkerben des
Schaftes grössere Festigkeit erhält. Das Faserbüschel (c) am Ende besteht aus 20 Mm.
breiten und 50 Mm. langen Streifen hellen ///^/5cm5- Bastes und dient als Köder.
Der aus Spermwalzahn gearbeitete Fanghaken dieses Stückes deutet auf das hohe
Alter desselben hin. Gewöhnlich ist der Fanghaken aus Perlmutter, zuweilen mit einem
») Es sind dies die Bonitc {Thynus pelamys L.), bis 3 Fuss lang, und Albacore <77ix/i ms gerino
Lacep.), die bis 6 Fuss lang werden soll, welche am häutigsten am Haken gefangen werden und auch
uns, wenn auch nicht allzu hdufig, zur Beute wurden. Ein 80 Cm. langes Exemplar der letzteren Art
wog 9 Kilo.
[^o31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. iaj
Widerhaken an der Innenseite (wie Edge-Partington, Taf. 177, Fig. 9), aber auch aus
Schildpatt (Kat. M. G. S. 270, Nr. 856). Ganz aus Schildpatt gearbeitete Fischhaken,
wie sie hier (Nr. 855) erwähnt werden (»mit Angabe: Mulgrave-Insel eingegangen«), sind
mir auf den Marshalls nicht vorgekommen. Chamisso erwähnt »sehr kleine Fisch-
angeln« von Ratak, ohne sie zu beschreiben, was bedauert werden muss. Zu meiner
Zeit pflegte man übrigens mit Vorliebe starke eiserne Angelhaken an den Perlmutter-
schaft zu befestigen, um sich dadurch viel Mühe und Arbeit zu ersparen. Die im Kat.
M. G. (S. 66, Nr. 1467) beschriebene »Fischangel« von »Neu-Britannien« gehört jeden-
falls hierher und war wohl durch Tausch von den Marshalls nach dort gelangt.
Besonders eigenthümliche Formen von Fischhaken aus der alten Zeit sind die
folgenden:
Gät, Fischhaken (Taf. III [20], Fig. i3) aus Walfischknochen (wohl Unterkiefer
vom Spermwal). Dschalut. Ich erhielt nur das eine Exemplar für das Berliner Museum.
Fischhaken (Nr. 151, i Stück, Taf. III [20], Fig. 12) zum Fange fliegender Fische
aus Cocosnussschale. Dschalut. Eine höchst originelle und wie es scheint den Mar-
shalls eigenthümliche Form von Fischhaken, deren Bekanntschaft und Anfertigung ich
einem alten Eingeborenen verdankte. Diese Haken wurden in der Mitte an einem
langen Bindfaden befestigt und in grösserer Anzahl derart an das schnellsegelnde Canu
befestigt, dass sie auf den Wellen hüpfend demselben folgten, um fliegende Fische
(>Dschodscho<) zum Beissen zu veranlassen. Ob man sich dabei eines besonderen
Köders bediente, ist mir nicht bekannt geworden, da diese Art Fischerei ') nicht mehr
betrieben wurde. Fischhaken aus Cocosnussschale erwähnt Kubary von den Mortlocks,
aber ohne jede Beschreibung.
RifTRscherei, und zwar vorzugsweise auf dem Innenriff der Lagune, lieferte die
meisten kleinen Erträge des täglichen Bedarfs, hauptsächlich in Schalthieren, wurde
aber nicht mit Hamen wie auf den Gilberts (S. 56 [324]) betrieben. Häufig beobachtete
ich dagegen Fischspeeren, eine Beschäftigung, die so recht dem trägen Charakter der
Eingeborenen entspricht, indem sie wenig Mühe, aber viel Zeit erfordert. Das Geräth
besteht in einem Stocke, an welchem ein spitzgefeilter Draht als Spitze befestigt ist,
mag früher wohl aber besser construirt gewesen sein (vgl. I, S. [26]). Diese Fischerei-
methode lieferte gewöhnlich herzlich wenig, um so ertragreicher waren dagegen die
Resultate des Massenfanges bei Gelegenheit des periodischen Erscheinens gewisser
Fischarten. Es sind dies eine kleine (circa 6 — 7 Cm. lange) Häringsart (Clupea)^ ähn-
lich der Sardine, eine andere Clupea-Arty so gross oder grösser als unser Häring und
ganz besonders eine circa 60 Cm. lange Makrelenart (wahrscheinlich Thynus thunnina
Cuv.),3) die jede für sich zu gewissen Zeiten in die Lagunen kommen, um zu laichen.
Sie schwimmen dann in ungeheurer Menge in so dichten Schaaren fast an der Ober-
fläche des Wassers, dass sie wie ein dunkler Fleck aussehen, der von kräuselnden Wel-
len bewegt wird. Zuweilen erhält dieser Fleck plötzliches Leben, wenn die ganze Masse
I) Hernsheim beschreibt (»Beitrag zur Sprache der Marshall-Inseln«, S. 45) dieselbe mit fol-
genden kurzen Worten: »Zum Fange des fliegenden Fisches wird in dunklen Nächten eine grosse
Fackel auf einem schnell segelnden Canoe abgebrannt. Die Fische fliegen nach dem bellen Schein und
fallen entweder, gegen das Segel stossend, in das Canoe oder werden mit einem eigens geformten
langstieligen kleinen Netze sehr geschickt aufgefangen.« Chamisso sagt vom Fange fliegender Fische
nur: »Die Rataker stellen ihnen Nachts bei Feuerschein nach.«
>) Wahrscheinlich ist dies der »yellow-tail« (Gelbschwanz), dessen Fang Hernsheim in dhn-
Hcher Weise (1. c, S. 46) beschreibt, aber nicht der »yellow-tail« der englischen Seefahrer. Letztere
An ist Coryyhaena equisetis L., die Dorade und der »Delphin« der Schifler.
148
Dr. O. Finsch.
[404]
• 1/
i n
l:t
i:
»»-1
rf
v^i
V
^F
wie mit einem Schlage hoch aus dem Wasser schnellt. Ich habe nicht erfahren, ob die
Eingeborenen die Laichzeit dieser Fische kennen, aber beobachtet, dass zu gewissen
Zeiten aus dem Wipfel einer Cocospalme Ausguck auf die Lagune gehalten wird. Zeigt
sich ein Schwärm Fische, so ruft ein gewaltiges Freudengeschrei alle Dorfbewohner
zusammen. Nicht selten werden in aller Eile ein paar Canus zu Wasser gebracht, die
sich bemühen, die Fischschaar nach dem Ufer zu dirigiren. Ein zwischen beiden Fahr-
zeugen ausgespannter, auf dem Wasser schwimmender Strick leistet diese Treiber-
dienste und jagt den Fischschwarm allmälig in das seichtere Wasser des Riffs, wo es
zunächst gilt, die Beute am Entweichen zu hindern. Vermuthlich bediente man sich
dafür früher Netze, jetzt geschieht dies in primitiverer Weise. Zunächst genügt ein
langes Tau, das von einer Anzahl Männer im weiten Bogen gehalten wird, die durch
Schlagen aufs Wasser die Fische zurückschrecken, bis genügend Palmblätter herbei-
geschleppt sind, um den immer enger gezogenen Halbkreis vollends zu schliessen. In-
zwischen ist mit der Ebbe das Riff ziemlich abgelaufen, und nun beginnt der allgemeine
Fang und Schlächterei, wobei sich unter ungeheurem Geschrei und Lärmen Alles, vom
Kinde bis zum Greise, Männlein wie Weiblein betheiligt. Statt in Hamen werden die
Fische in schnell gefertigten ilachen Körben, Matten, Taschen, von Vielen auch nur mit
der Hand gefangen, gespeert, kurzum Jeder sucht so viel einzuheimsen als möglich, um
sich einmal an Fischen recht satt essen zu können. Solche Gelegenheiten, wo Tausende
kleiner Sardinen oder Hunderte grosser Makrelen auf einmal gefangen werden, sind
aber selten und daher ein besonderer Festtag der Insulaner.
Der oben beschriebene Massen fang findet sich übrigens in ähnlicher Weise allent-
halben in der Südsee wieder, und an manchen Orten werden die Fische hinter eigens
gebaute Dämme getrieben und hier bis zur Ebbezeit zurückgehalten. Die Samoaner
suchten einen in dichter Masse schwimmenden Schwärm Zugfische mit Canus zu um-
zingeln und mit einem grossen Senknetze zu fangen.
Die Reusen, welche man damals in beschränkter Weise zum Fischfange benutzte,
sind ganz verschieden von den auf den Gilberts (S. 56 [324]) gebräuchlichen und ähneln
in der Form einer langen Röhre, aus Stäben mit Bast zusammengebunden, mehr unse-
ren Aalkörben. Sie scheinen wegen der engen inneren Oeffnung auch hauptsächlich für
Aale bestimmt, wie ich solche, zum Theil kolossal grosse, darin fangen sah.
Fischwehre, d. h. Dämme aus Korallsteinen, welche Fische bei sinkender Ebbe
zurückhalten, sind mir auf den Marshalls nur sehr vereinzelt vorgekommen.
I,*- 1«
Wl
u'
* »i
\t{
ä^
in;
4 »•
iJS^
•f Ä"
\f.:
- ' s.
3. Zubereitung und Geräth.
Rosten ersetzt, wie auf den Gilberts, unser Kochen und heisst »Umum« (von
»Um« = grosses Feuer), wenn auf Feuer erhitzten Steinen, oder »Kwanjen«, wenn auf
glimmenden Kohlen, meist Hüllen oder Schalen der Cocosnuss. Beide Methoden wer-
den, ausser bei Brotfrucht, eigentlich nur bei Fischen (lek) angewendet und bei Krusten-
thieren, 'die übrigens selten sind, denn ich erhielt nur wenige Male Exemplare einer
grossen Languste. Kleinere Fische, z. B. die oben erwähnten Sardinen, werden meist
roh gegessen, ebenso Schalthiere, die übrigens weniger Volksnahrung sind als auf den
Gilberts. Grössere Fische legt man, ungeschuppt und meist unausgenommen, in ein
Blatt gehüllt auf heisse Steine oder direct in die Asche und verzehrt sie halbgar oder
zum Theil angebrannt. Ich habe aber auch gesehen, dass grössere Fische aufgeschnitten
wurden, doch nahm man nur die Eingeweide heraus und liess Rogen wie Leber darin.
Ich glaubte die häufigen Fälle von Vergiftungen nach Genuss von Fischen auf
• ^
# >
r^Qc] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I^g
diese primitive Zubereitung zurückführen zu müssen, denn wir kennen bei uns ja auch
gewisse Fische (z. B. die Barbe), deren Rogen bei manchen Personen Vergiftungs-
erscheinungen hervorbringt. Meine Tagebücher verzeichnen von den Marshalls aber so
viele Fälle von Vergiftungen an Fischen, unter so verschiedenen Umständen, dass nicht
die Zubereitung allein die Schuld tragen kann. Da vorkommenden Falls von dem be-
treffenden giftigen Fische sich nur noch Reste finden, so ist meist kaum die Gattung zu
bestimmen. Und diese war so verschieden wie die Zubereitungsweise. Ich habe Leute
an Genuss von gerösteten Aalen, der oben (S. 147 [403]) erwähnten trefflichen Makrele
erkranken sehen, wie an gedörrtem Haifischfleisch (S. 57 [325]) Chaetodon u. A. Die
Krankheitserscheinungen waren nicht nach der Fischgattung, sondern individuell sehr ver-
schieden. Von Personen, welche von demselben Fische und ungefähr gleich viel gegessen
hatten, empfanden manche nur geringes Unbehagen, andere erkrankten bedenklich, ein-
zelne starben, zuweilen erst nach mehreren Tagen. Das Schlimmste ist, dass die Ein-
geborenen häufig selbst keine Kenntniss haben, ob ein Fisch giftig ist oder nicht; der
Eine sagt: Er ist gut; der Andere: Man soll ihn jedenfalls wegwerfen. Ein solcher
Streit entstand einst wegen eines grossen, eben frisch gefangenen Serranus (ich glaube
hexagonathus) zwischen zwei Häuptlingen, schliesslich mochte ihn Niemand versuchen ;
ich auch nicht und der schöne Fisch wurde weggeworfen. Und das war gewiss sehr
gut, denn Capitän Witt, der sonst gern übertreibt, sagt von den Fischen des Marshall-
meeres nicht mit Unrecht: »Dreiviertel sind giftig!« An den Handelsstationen hält man
gewöhnlich ein Brechmittel bereit, da Fälle von Vergiftung an Fischen, wie erwähnt,
sehr häufig vorkommen. Unschädlich sind, ausser den oben (S. 147 [403]) erwähnten
Arten, besonders Theutis rostrata^ Naseus Vlamingii, N. lituratus, Acanthurus hepa-
ticus, Mulloides, Dules, Mesoprion und einige andere Arten, davon die ersten vier Spe-
cies sogar nach unserem Geschmack recht gut, aber die Zahl der unschädlichen Arten ist
im Ganzen sehr gering und das Tropenmeer auch in dieser Richtung ein recht armes.
Erwähnt mag noch sein, dass die Eingeborenen bei grossen Fischfängen (S. 148
[404]) auch das Räuchern verstehen; die Waare hält sich aber nicht lange, denn Sftlz
kennt man nicht.
Hinsichtlich des EsS6ns wäre noch zu bemerken, dass die Marshallaner, wie fast
alle Eingeborenen, keine regelmässigen Mahlzeiten innehalten. »Es liegt ganz beim
Essbaren,« meinte ein alter Häuptling, womit er sagen wollte: »Es wird gegessen, wenn
etwas da ist!« Ueberfluss herrscht freilich nie; sollte er durch irgend eine günstige Ge-
legenheit gerade einmal vorhanden sein, dann isst jeder so viel er kann. Vorräthe
bleiben daher nicht lange erhalten, die Folge davon sind knappe Zeiten für das Gros
der Bevölkerung.
KQchengeräth ist auch hier kaum nöthig, und das Wenige aus früherer Zeit war
fast verschwunden. Aber eiserne Töpfe und Kessel hatten sich bereits, wenigstens auf
Dschalut, eingeführt, denn man fing ja schon an Reis zu kochen. Uebrigens liegen
meist bei allen Händlerstationen so viel leere Blechgefässe und Flaschen umher, dass
sich die Eingeborenen mühe- und kostenlos mit allerlei nutzbaren Gefässen und Ge-
schirr versehen können.
Feuerreiben verstand man zu meiner Zeit noch auf Dschalut, und ich konnte die
dazu nöthigen Hölzer (Jetgitschek, von »Jet« = Reiben und »gitschek« = Feuer) noch
erlangen. Sie bestehen aus einem Stück weichen Holzes, von einem hohen Strauch,
»Wud« genannt, das mit einer Längsrille versehen ist, auf welchem gerieben wird, und
einem kürzeren zugespitzten Stück Holz (»Dscholog«), mit dem gerieben wird. Die
Methode des Feuererzeugens ist ganz wie die in Neu- Britannien gebräuchliche (I, S. [20],
15°
Dr, O. Finsch.
[406]
«
Wi.
J^•i-
4
''*A
}£ '!
* . »ri
M (•
ftili:
i'li
Taf. IV [2], Fig. 9 und 10) und wie auf den Salomons (Guppy: »Solomonsc, S. 65).
Bei schnellem Hin- und Herreiben in der Rille bildet sich ein feiner Mulm, der bald an-
fängt zu glimmen und mittelst Anblasen zu Feuer angefacht wird, wozu circa fünf bis
sechs Minuten erforderlich sind. Schon damals verstanden jüngere Leute nicht mehr
die Kunst, Feuer zu reiben, da Streichhölzer, namentlich schwedische, bereits einen
begehrten Tauschartikel bildeten.
Ein Hilfsgeräth zum Feueranmachen ist der:
Drell (Nr. 116, i Stück), Fächer, aus Pandanus-Elatt geflochten. Dschalut.
Diese Fächer werden auch aus Cocospalmblatt, und zwar dem Spitzentheil des-
selben, ziemlich roh geflochten (wie Choris: PI. II, Fig. 7). Bei anderen bildet die Basis
der Fiedern oder ein Theil der Blattrippe den Stiel. Die Form ist dann blattförmig,
unten breit, nach der Spitze sanft gerundet zugespitzt (ganz wie die Abbildung bei
Guppy: »Solomons«, S. 63, Treasury-Isl.). Manche Fächer von den Marshalls sind sehr
zierliche Flechtarbeiten aus Pandanus mit schwarzgemusterter Randkante (vgl. Kat.
M. G., S. 274, Ebon) und dienen mehr zum Staate. Der hauptsächliche Zweck der
hiesigen Fächer besteht aber darin, glimmende Kohlen anzufachen.
Schaber. Chamisso erwähnt solche als »aus Perlmutter geschnitzte Messer <:
(»Bogebok«), wie wir sie bereits aus Melanesien (II, S. [198]) kennen. Aber die ohne-
hin sehr seltene Perlschale wurde nicht mehr verwendet, dafür erhielt man ja eventuell
Eisen. Auch leistet ein Stück Cocosnussschale gute Dienste.
Ein sehr interessantes Schab-
Fig. 18.
Schaber aus Cassis,
Dschalut.
geräth (Fig. 18) heisst »Dschibug-
gebug« (= Fass) und ist aus Cassis
cornuta^) (»Wuegang«) verfertigt.
Die Basis der Muschel wird abge-
schliffen, so dass dieselbe eine Schale
bildet, welche mittelst Bindfaden auf
einem flachen Dreibein, aus einem
gabeligen Wurzelstück von Panda-
nus, befestigt wird. Ich erhielt auf
Dschalut noch zwei solche Stücke,
die hier schon der Vergangenheit an-
gehörten, aber auf den nördlichen
Inseln noch in Gebrauch sein mögen. Gut abgebildet als »SpeisebercitungsschüsseU
in: Internat. Archiv für Ethnographie, Bd. I, 1888, S. 67, und hier als das »einzige
Hausgeräth« bezeichnet.
Stampfer für Brotfrucht lernte ich nicht mehr kennen. Man benutzte einfach
passliche Stücke Korallen, wie sie sich im Trümmergestein des Strandes ohne Mühe
finden lassen.
Essgeräth. Löffel sind mir nicht vorgekommen. Aber Kotzebue erwähnt höl-
zerne, die durch Kadu, nach seiner Bekanntschaft mit Europäern, eingeführt waren, in-
zwischen wohl aber wieder abgekommen sind. Zum Essen genügen eben die Finger,
als Teller Blätter (meist vom Brotfruchtbaum) oder flache Körbchen aus Cocosblatt,
auf denen auch SpeiseA servirt werden, wie dies schon zu Kotzebue's Zeit der Fall war.
Schalen von Tridacna gigas und Riesenmiesmuschel (Pinna nigra), »DoU (= Berg)
») Nach Kubary werden auf Mortlock grosse Schalen dieser Muschel als Kochgeschirr benutzt
(Kat. M. G., S. 328 und 377).
'407] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I^I
genannt, werden auch auf den Marshalls als Schüsseln, kleinere Exemplare der letzteren
als Teller benutzt. Die grösste dieser Pin/i^-Schalen, welche ich erhielt, mass 50 Cm.
in der Länge, 29 Cm. in der Breite. Früher verfertigte man auch aus Brotfruchtbaum
hölzerne Essgefässe, die weit sorgfältiger als die der Gilbert- Inseln gearbeitet sind, von
Chamisso aber nicht erwähnt werden.
Eine solche Holzschüssel, welche ich auf Milli erhielt, und für die man bei-
läufig bemerkt 6 Mark! forderte, ähnelt in der flachen kahnförmigen, an beiden Enden
spitzen Form, am meisten ähnlichen Gefässen von den Carolinen (wie »Senjavin-Reise«,
PL 29, Fig. 12), ist aber schmäler, 80 Cm. lang und nur 24 Cm. breit.
Als Trinkgefäss wird, wie üblich, eine halbdurchschnittene Cocosnussschale
(>Lat<) benutzt.
Als WassergefäSSe sah ich auf Milli ziemlich grosse, aber roh aus Brotfrucht-
baum gezimmerte Tröge zum Auffangen von Regenwasser, sonst nur die übliche:
Midjirong (Nr. 69, i Stück), Cocosnussschale (»Boka«) als Wasserbehälter. Jaluit.
Solche Cocosnussschalen sind meist mit einem Bindfaden zum Tragen oder Auf-
hängen versehen, oder weitmaschig in ein Netz von Cocosschnur eingestrickt (wie
»Senjavin-Reise«, PI. 29, Fig. 18) und die Oeffnung mit einem Stöpsel aus aufgerolltem
Pandanus-ElsLtt verschlossen. Ich erhielt auch vier solche Cocosnuss-Wassergefässe, die
in einem länglichen Korb aus Geflecht von Cocosfaser als Behälter standen, ganz wie
Choris (PI. II, Fig. 8) einen solchen Korb mit sechs Cocosgefässen darstellt. Von ver-
zierten Cocosnüssen bekam ich nur eine einzige, mit ziemlich unbedeutender Gravirung,
die wohl noch aus früherer Zeit herstammte.
Ausser frischen noch grünen Nüssen bilden mit Wasser gefüllte Pocosnuss-
schalen den Trinkvorrath für Canus auf Seereisen und werden in grosser Menge mit-
genommen.
4. Wohnstätten.
Die Baukunst der Marshallaner unterscheidet sich durchaus von der der Gilbert-
Insulaner und steht auf einer bedeutend niedrigeren Stufe; auch gibt es keine besonderen
grossen Gemeindehäuser und keine zusammenhängenden grösseren Siedelungen. Die
stets am Innenrande der Lagune, meist unter Cocospalmen gebauten Wohnstätten liegen
sehr zerstreut und verdienen nicht die Bezeichnung Dorf. Dasselbe gilt für die lieder-
lich und sehr kunstlos gebauten Häuser, eigentlich nur niedrige Schuppen, die höchstens
den Namen Hütte verdienen. Ein solches Haus (>Im<) besteht im Wesentlichen aus
einem auf circa 3—4 Fuss hohen Pfählen ruhenden, an den Giebelseiten sanft abge-
schrägten Dache, etwa 25 — 3o Fuss lang, 10 — 12 Fuss breit und 10 Fuss hoch. Die
Seiten sind meist offen oder haben an drei Seiten Wände (»Dudal«) aus Mattengeflecht
von Palmblatt; aus gleichem Material sind an beiden Längsseiten drei bis vier Abthei-
iungen errichtet, welche als Lagerstätten (Babu) dienen. Das Material zu den Häusern
sind meist unbehauene Stämme von Pandanus, mittelst Strick aus Cocosnussfaser zu-
sammengebunden, zum Dach, »Duling«,*) trockene Pa/irf^/zw^- Blätter. Die 4 — 7 Fuss
langen Blätter werden an der 8 — 10 Cm. breiten Basis 40 Cm. lang umgeschlagen und,
so dass ein Blatt das andere deckt, über circa 4 Fuss lange Stäbe aus gespaltenen Pan-
danus oder Hibiscus befestigt. Es geschieht dies mittelst der dünnen, runden, circa
80 Cm. langen, sehr haltbaren Reiser, welche die Rippe der einzelnen Blattfiedern des
Blattes der Cocospalme liefern. Ein Knochenpfriemen (Fig. 21) dient zum Durch-
I) Nach Hernsheim; nach Kubary »Katak«. Letzteres Wort heissi aber nach Hernsheim >lehren«.
Anaalen des k. k. natarhistorisctien Hofmuseums, Bd. VIU, Heft 2, 1893. 12
152 £>r. O. Finsch. [408]
Stechen der Blätter, unterhalb des Längsstabes, so dass der umgeschlagene Endtheil
jedes Blattes, wie die letzteren unter sich mit den Rippenstäbchen verbunden, circa
4 Fuss lange Blätterlagen bilden, zu welchen je circa 20 Blätter erforderlich sind. Die
Anfertigung dieser Blätterlagen ist hauptsächlich Frauenarbeit, das Dachdecken selbst
besorgen die Männer. Mit Ausnahme des Rüstbalkens und der Giebelbalken, besteht
das ganze Sparrenwerk aus ziemlich dünnen Stecken und Stäben, die mit Stricken zu-
sammengebunden werden. Beim Eindecken wird, wie überall, unten angefangen und
die erste Blätterlage mit Strick festgebunden, circa 10 Cm. darüber folgt die zweite und
so eine nach der anderen. Die Dachdecker stehen innen, um die einzelnen Blätteriagen
festzubinden, die ihnen von aussen zugereicht werden. Erhebt sich das Dach höher, als
ein Mann greifen kann, so dient ein an zwei Stricken befestigter Balken als Gerüst, und
man reicht die Blätterlagen an langen Stöcken hinauf. Die Firste des Daches wird mit
groben Matten aus Palmblatt oder letzteren bedeckt, um den Regen besser abzuhalten,
gegen den diese Dächer überhaupt guten Schutz gewähren, denn sie dienen ja eigent-
lich nur als Unterschlupf bei schlechtem Wetter und für die Nacht. Die von Choris
(PL XIV und XIX) abgebildeten Hütten entsprechen der Wirklichkeit, weniger die Dar-
stellungen des Inneren (Choris, PI. XVI, und in Kotzebue's Reise), welche viel zu ge-
räumig sind. Sie zeigen aber einen durchgehenden Bodenraum, ähnlich wie auf den
Gilberts, den ich nicht mehr beobachtete. Es gab im Inneren der Hütte nur Stellagen
aus Balken, welche zum Aufbewahren der wenigen Habseligkeiten dienten. Die Diele
der Hütte ist meist mit feinem weissen Korallgeröll bedeckt, als Feuerstelle dient eine
mit Korallsteinen ausgelegte Grube. Dieselbe liegt zuweilen am vorderen offenen Ein-
gange der Hütte, meist aber etwas abseits, häufig mit einem Dache überdeckt und
heisst dann »Bellak«, soviel als Kochhaus. Eine besondere Art kleiner elender Hütten
(»Dschukwen«) als Aufenthalt der PVauen und Mädchen während ihrer Periode er-
wähnte ich bereits (S. i3o [386]). Unverheirathete junge Männer pflegen in einer beson-
deren Hütte gemeinschaftlich zu nächtigen, ebenso sperrte Kabua die Mädchen zusam-
men ein, damit sie ihm nicht in der Nacht wegschleichen und somit eigenen Verdienst
machen konnten.
Die elenden Hütten und deren schmutzige Umgebung, voll verfaulender Cocos-
hülsen, Blätter etc., wie sie Kubary von dem christlichen Ebon beschreibt, finden sich
genau in derselben liederlichen Manier auch auf Dschabwor. Aber auf anderen heidni*
sehen Inseln des Dschalut-AtoUs, wie auf Milli und Arno, sah es bei Weitem reinlicher
und besser aus; hier war die Umgebung der Hütten planirt und meist mit weissem
Korallgrus bestreut.
König Kabua besass auf Dschabwor übrigens ein Bretterhaus und sogar einige
Möbel (Tisch und Stühle).
In der Nähe der Hütten findet sich gewöhnlich ein Wassertümpel, meist ein
künstlich gegrabenes Loch, in welchem sich Regenwasser (»Dren in wut«) sammelt
oder bei Fluth Wasser von unten eindringt. Es ist meist recht schlecht, aber das einzige
Trinkwasser für die Eingeborenen. Zuweilen sind diese Wassertümpel mit Korall-
steinen ausgemauert, an Plätzen, wo Schweine gehallen werden, wohl auch mit einer
Art Zaun eingefriedigt, damit die Thiere nicht so leicht hineinfallen und ertrinken
können.
5. Hausrath.
Dem ärmlichen Aeusseren der Hütte entspricht das Innere, denn von eigentlichem
Hausrath kann kaum die Rede sein. Auf Querstangen oder an solchen aufgehangen
[409I Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. X53
finden sich Körbe mit Brotfrucht (»Piru«), PandanuSy Material zu Flechtarbeiten, Flecht-
bretter, Hutformen, Cocosnüsse zu Wasser etc., hie und da eine alte Harpune oder
lange Stöcke. Letztere erwiesen sich als Speere (S. i38 [394], dienten aber im Frieden
dazu, um die Rattennester im Blätterdache zu zerstören. Leere Blechgefässe und
Flaschen gab es in jeder Hütte, bei Reicheren meist ein oder die andere verschliessbare
Holzkiste (»Dibedib«), als Zeichen der vorgeschrittenen Civilisation.
Die Abtheilungen zum Schlafen sind meist mit trockenen Pan^anz/5-Blättern be-
deckt, welche als Bett (»Babuc = liegen) dienen, während zwei dünne Pandanus-
Stämme, der Länge nach auf den Erdboden gelegt, als gemeinschaftliches Kopfkissen
benutzt werden. Es gibt aber auch solche primitive Kopfunterlagen für nur eine Per-
son, wie das folgende Stück :
Bitt (Nr. 99, I Stück), Kopfkissen; Abschnitt von einem von der Rinde ent-
blössten und geglätteten runden Stammstück vom Pandanus-hdMm ^ 45 Cm. lang,
10 Cm. im Durchmesser. Dschalut.
Die grossen, schön geflochtenen Pandanus-lABXXtny wie sie auf den Gilberts (S. 63
[33 1]) zum Schlafen verwendet werden, verfertigt man auf den Marshalls nicht, dagegen
aber gewöhnliche Matten zu gleichem Zwecke oder zum Daraufsitzen. Die gewöhn-
lichsten aus dem Blatt der Cocospalme (»Kimed») heissen »Dschinai«, bessere aus Pan-
danus-hlBXX. heissen »Dschebegoa«, nicht »Mang«, wie Chamisso schreibt, da letzteres
Wort nur das Material bezeichnet. Die feinste und wie es scheint für die Marshalls
eigenthümliche Sorte repräsentirt das folgende Stück:
Dschägi (Nr. 196, i Stück), Schlafmatte aus Pandanus-lSi^XX, Dschalut.
Derartige Matten werden aus den Rippenstücken alter Pandanus-hVaXttv verfertigt
und sind nicht geflochten, sondern in eigenthümlicher Manier mittelst durchgesteckter
PandanusSxxtiitTi zusammengenäht. Eine solche Matte besteht aus zwei je circa
i'ii M. langen und 60 Cm. breiten Stücken, die an der einen Längsseite zusammen-
geflochten sind, und jedes Stück wiederum aus einer Doppellage von Pandanus-hldXly
so dass im Ganzen vier Blattlagen herauskommen, wodurch die Matte ziemlich dick
und etwas weich wird.
In voller Originalität haben sich noch erhalten:
leb (Nr. 104, 105, 2 Stück), grosse Körbe, aus Cocospalmblatt geflochten.
Dschalut.
Die gewöhnlichen Tragkörbe aus gleichem Material, dreiseitig, mit einem Henkel,
oder flach und muldenförmig (ähnlich: Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 16 von Pelau)
mit einer Handhabe an jedem Ende, sind meist so flüchtig gemacht, dass sie nach kur-
zem Gebrauch meist weggeworfen werden. Einen gewöhnlichen Handkorb bildet
Choris ab (PI. II, Fig. 9).
Im Uebrigen ist die Anfertigung der Körbe ganz so wie auf den Gilberts (S. 64
[332]), ebenso die Benutzung derselben. In Körben werden z. B. auch die Cocosschalen
getragen, in welchen man Wasser holt.
Statt der kleinen hübschen Deckelkörbe (S. 65 [333]), welche auf den Marshalls
nicht gemacht werden, flicht man viereckige oder längliche flache Taschen (»Traau«),
die zuweilen in hübschen Mustern in Braun und Schwarz, wie die Bekleidungsmatten
(Taf. IV [21], Fig. 4), benäht sind. Eine solche Tasche, »Korb eines Fischers«, bildet
Edge-Partington (Taf. 177, Fig. 8) ab. Jetzt werden nur noch selten so hübsche Taschen
für solche Zwecke verfertigt, und ich erhielt nur einige kleine »Büchertaschen« (»Boju
in Buk«), in welchen die getauften Insulaner ihre Fiebel mit zur Kirche tragen. Solche
Taschen verzeichnet der Kat. M. G. (S. 273 und 274) von Ebon.
12*
154
Dr. O. Finsch.
[410]
Fig. 20.
Fig. 19.
6, Werk{eug.
Aexte. Wenn es mir auf den Marshall-lnseln auch nicht mehr gelang, eine voll-
ständige Eingeborenenaxt zu erlangen, mit denen es schon damals für immer vorbei
war, so bekam ich wenigstens die beiden Haupttheile einer solchen:
Axtstiel (Fig. 19) aus einem knieförmigen, natür-
lich gebogenen Aststück, an dessen flacher Vorderseite,
in ähnlicher Weise wie bei den Carolinen- Aexten (Fig. Sg)
mittelst feiner Schnur aus Cocosnussfaser die:
A xt klinge (»Mälla«, Fig. 20) festgebunden wurde.
Letztere ist aus »Medjenor«, dem Schlosstheil von Tri-
dacna gigas geschliffen. Ich erhielt davon im Ganzen
nur zwei Exemplare und ein Fragment auf Dschalut.
Die grösste Klinge misst 20 Cm. in der Lange und 9 Cm.
in der Breite und stimmt in der Form ganz mit Tri-
dacna-Klingcn von Kuschai überein. Das andere Exem-
plar von Dschalut ist 14 Cm. lang und 55 Mm. breit
und gehört zu der dreiseitigen hohen Form (Fig. 20),
wie sie ähnlich auch auf Kuschai und ganz so auf Nu-
kuor vorkam. Die Schneiden dieser Klingen sind wie
gewöhnlich so stumpf, dass man kaum begreift, wie die
Eingeborenen damit etwas schaffen konnten.
Sonderbarerweise gedenkt Chamisso dieses wich-
tigsten und interessantesten Werkzeuges der Marshal-
laner nur mit den kurzen Worten bei Chama (Tridacna)
gigas: >ts werden auch Schneidewerkzeuge daraus ver-
fertigt«, sagt aber an anderer Stelle: >Die Schätze un-
serer Freunde bestanden in wenigen zum Schleifen des
Eisens brauchbaren Steinen, die das Meer auf ihre Rifte ausgeworfen, jene auf Schiffs-
trümmern, diese im Wurzelgeflecht ausgerissener Bäume.« Ueber die angeblich im
Treibholz angeführten Steine habe ich mich schon (S. 66 [334]) ausgesprochen, be-
zweifle aber keineswegs, dass die Eingeborenen bereits aus Schiffstrümmern Eisen
kannten. Der Name dafür »Mal« ist derselbe, als für Muscheläxte, eiserne Aexte, Band-
eisen etc., bezeichnet aber nicht eigentlich »Eisen«. Chamisso sah selbst am Strande
ein angetriebenes Stück Holz*), in welchem einige Nägel steckten; solche Eisentheile
dürften sich aber in den wenigsten Fällen zu Aexten geeignet haben. Chamisso scheint
übrigens keine Muscheläxte gesehen zu haben, denn er sagt ausdrücklich: »Wir trafen
bei den Eingeborenen, das Holz zu bearbeiten, keine anderen Werkzeuge an als das
auf diesem Wege gewonnene kostbare Metall.« Aber Kotzebue, der übrigens eine
eiserne Axt erwähnt, sagt, »dass die Böte nur mit Korallsteinen und Muscheln bearbeitet
werden«. Der Mann auf dem Bilde von Choris (PI. XVI rechts, bei Kotzebue links)
scheint mit einer Eingeborenenaxt an einem Brette zu hantiren. Nach Eingeborenen-
maxime ist die Annahme nicht ausgeschlossen, dass die schlauen Insulaner ihren neuen
Axtstiel.
Dschalut.
///•
ä
Axtklinge aus
Tridacna.
Dschalut.
Vio nat. Grösse.
0 Nach Chamisso »Gaithoga«, »Flössholz«| d.h. Treibholz »Gaimedc; Stein »Ragha«; Schleif-
stein »RagalolU; Nagel oder Meissel »Mird«, alles Worte, die wohl von Kadu herrühren und sich bei
Hernsheim entweder gar nicht oder doch ganz verschieden finden. So heisst: »Rag« oder »Rak«
Süden; >Rac dagegen ein angetriebenes Brett oder Balken; »AlaU Baumstamm; »Oarc Stein (d.h.
Korallfels); »Top« Schleifstein; »Dschedil« Meissel.
[411] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. ice
Freunden gegenüber die kostbaren Muscheläxte verheimlichten, denn dass letztere vor-
handen waren, unterliegt keinem Zweifel Auch auf den Marshalls gab es eine Zeit, wo
keine SchifFstrümmer anspülen konnten, die ja ohnehin nur ein seltener Zufall brachte.
Eine interessante Uebergangsform von der Eingeborenenmuschelaxt zu der eiser-
nen ist das folgende Stück:
Mälla oder >Mel« (Nr. 119, i Stück), Axt; an einem Holzstiel der alten Form
(Fig. 19) ist ein Stemmeisen mittelst Cocosfaserschnur als Klinge festgebunden. Dschalut.
Derartige Aexte, ein Typus, der sich beim ersten Verkehr zwischen Eingeborenen
und Weissen überall in derselben Weise entwickelt, waren noch sehr beliebt. Wo ich
auch mit unberührten Naturmenschen der Steinzeit zusammenkam, immer wurden Stücke
Flacheisen (Hobeleisen oder selbst nur Bandeisen von einer Kiste) fertigen europäischen
Beilen bei Weitem vorgezogen, und zwar aus praktischen Gründen (vgl. »Samoa-
fahrten«, S. 63, 315 und 345). Solche Eisenstücke werden ganz in der Weise wie die
Stein- oder Muschelklingen an den Holzstielen eigener Arbeit festgebunden. Es entsteht
dadurch ein Geräth, das in der Form (mit der Schneide quer zum Stiel gestellt) am
meisten dem Texel unserer Schiffszimmerleute ähnelt und der Handhabung und den
Zwecken des Eingeborenen am besten entspricht. Auf der Colonialausstellung in Lon-
don war es mir interessant, unter den malayischen Schmiedearbeiten der Straits-Settle-
roents Aexte zu sehen, deren flache, lange Eisenklingen ganz in der Weise der Südsee-
Eingeborenen am Holzstiele mittelst gespaltenem Rottang befestigt waren.
Sonstige Werkzeuge eigener Arbeit waren bereits fast so selten, als die alten Aexte;
ich konnte aber noch einige der wichtigsten Stücke retten; darunter den alten Schlägel
oder Hammer, wie er früher zum Canubau gebraucht wurde, und eine der wichtigsten
Geräthe dafür.
Luit (Nr. 40, 41, 2 Stück), Hammer aus Eisenholz. Dschalut.
Die eine Form ist blattfcfrmig an beiden Seiten abgeflacht, das Ende stumpf zu-
gespitzt, die Basis zu einem rundlichen, kurzen Handgriff verlängert, circa 32 Cm. lang
(wie Finsch: Westermann's Monatshefte 1887, S. 504, Fig. 9). Die zweite Form ist
mehr birnförmig, rund (wie Finsch: Verhandl. der Anthrop. Gesellsch. Berlin, 1887,
S. 26, Fig. 7); übrigens sind beide Formen nicht constant, sondern jedes Stück zeigt
kleine Abweichungen.
Bohrer. Die eigenthümlichste Sorte ist der »Dribalc, eine Art Drillbohrer, aus
einem geraden Stock bestehend, in dessen Mitte eine runde Holzscheibe befestigt ist und
der mittelst zweier Schnüre in quirlende Bewegung gesetzt wird, ganz in ähnlicher Weise
wie der Drillbohrer der Uhrmacher. Als Spitze wurde früher in Ermangelung von
Steinen ein Haifischzahn oder ein aus Tridacna geschliffener Stift benützt, sofern man
nicht aus Schiffstrümmern einen eisernen Nagel erlangen konnte. Solche Drillbohrer
dienten besonders zum Bohren von Löchern in die SpondylusSch^ibchtHy Abbildungen
bei Finsch in: Westermann, 1887, S. so3, Fig. 8 und Verhandl. der Anthrop. Gesellsch.,
S. 26, Fig. 8, sowie Wilkes, V, S. 17, und zwar von Fakaofo der Tockelau- Gruppe.
Genau dieselbe Construction von Bohrern haben wir bereits von der Südostküste Neu-
Gumeas (II, S. [114]) kennen gelernt. Es verdient bemerkt zu werden, dass ein ganz
gleiches Geräth, aber ohne Steinspitze oder dergleichen, von den Irokesen Canadas zum
Feuerreiben benützt wird, so dass dieselbe Erfindung von den entferntesten Localitäten
zu verzeichnen ist (vgl. Hough: >the methods of fire-making« in: Report of the National
Museum Washington for 1890, Fig. 54).
>Aurak« hiess ein Bohrer, aus der Spitze eines Schalenfragments einer Pteroceras-
Art (wol^l lambts)y um Löcher in Holz vorzubohren, die durch Einschlagen eines Stiftes
r •■^^^'^^^'^■^■'^^'-^'^^^•^
Pfriemen aus Knochen.
ic6 I^r- O. Finsch. [4^2]
oder Keiles von Hartholz dann erweitert wurden. , Wie diese Geräthe jetzt wohl nicht
mehr zu erlangen sein dürften, so erhielt ich schon damals keine Raspel mehr, die
ehemals ganz wie auf den Gilberts (S. 66 [334]) aus Rochenhaut verfertigt wurde und
»La« hiess.
Eine andere Art Feile »Delal« war aus dem flachgeschliffenen Griffel eines Seeigels
(Acrocladia trigonaria) verfertigt und diente zu feineren Arbeiten (s. Tätowirinstru-
mente). Ein ähnliches Werkzeug erwähnt Wilkes als »Bohrer« von Fidschi.
Pfriemen. Das einzige hierher gehörige Geräth, welches ich erhielt waren:
li-inat (Nr. 44, i Stück),
p. 2x Pfriemen (Fig. 21) aus Knochen,
32 Cm. lang, zum Dachdecken
benutzt (S. 152 [408]). DschaluL
Das Material dazu ist der:
Unterkiefer eines Del-
phins, Phocaena spec. (Nr. 45,
^schalut. j Stück), dessen BasistheU zu
Circa »/« natüri. Grösse. einer Schiefen Spitze angeschlif-
fen wird.
Pfriemen aus Menschenknochen habe ich auf den Marshalls nicht gesehen, sie
mögen aber auch vorgekommen sein.
7. Flechterei und Seilerei
Die Flechtarbeiten der Marsh all-Inseln sind insofern verschieden von denen der
Gilberts, als sie meist Bekleidungszwecken dienen, und erhalten durch die zum Theil
sehr kunstreiche Verzierung in zweifarbigen Mustern, die aufgenäht (gestickt) werden,
einen besonders eigenartigen Charakter (vgl. Taf. IV [21], Fig. 3 und 4).
Das Material zu Flechtarbeiten ist das gewöhnliche:
Mang (Nr. 193, i Stück), Probe von zubereitetem Pandanus-l&ldLn, Dschalut.
Die Zubereitung alter Pa;i^ani/5-Blätter besteht in Trocknen und Klopfen; dann
schneidet man breite Streifen, die zu Rollen »Jeljit« gewickelt, bis zum Gebrauch auf-
gehoben werden. Aus diesem Material verfertigt man Segel und gröbere Matten; zu
feineren Flechtarbeiten kommen nur junge Pa«<fawi/5- Blätter »Manginej« zur Verwen-
dung, die man über Feuer trocknet, dann klopft und schliesslich zwischen den Händen
reibt, um sie vollends geschmeidig und biegsam zu machen. Diese PandanusSlr^ihn
sind von verschiedener heller Färbung (gelblich bis graulich), werden aber nicht als
solche gebleicht, sondern erst die fertig geflochtenen Matten, was durch wiederholtes Ein-
weichen und Trocknen geschieht. Darnach beginnt die Arbeit des Einstickens der Muster.
Zum Schlagen von Pandanus-hlztl bedient man sich einfach passlicher Rollstücke
von Koralltrümmergestein, wie sie sich am Strande so leicht finden lassen. Ich sah eine
alte Frau mit einem solchen natürlichen Schlägel arbeiten, der die Form eines künst-
lichen hatte und wie mit einem Handgriff versehen aussah. Die ganze Mattenflechterei
>Eetc sammt der Zubereitung und dem Färben des Materiales ist ausschliesslich Arbeit
des weiblichen Geschlechtes.
Als Material für das braune Muster der Matten verwendet man:
>Adaat«, den braunen Bast einer Kriechpflanze (nach Chamisso Triumphetta
procumbens Forst.: »aus der Familie der Linden«), die überall auf Sand wächst, sowie
den Bast des »Lao« (Law)-Strauches (Hibiscus populneus).
[£lS] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. i^j
Die Zubereitung des letzteren, eines auch vielfach zu feineren Stricken verwendeten
MaterialeSy geschieht auf folgende Weise, Man legt den abgehauenen Stamm circa eine
Woche in Salzwasser, wodurch sich die Rinde (>Gill<, auch = Haut) löst, welche dann
nicht selten mit den Zähnen abgerissen wird. Durch Klopfen mit einem Stück Holz
oder Stein entfernt man dann die äussere Rinde und erhält somit den eigentlichen Bast,
wie die folgende Nummer:
Gill (Nr. 20I, I Probe), zubereiteter Hibiscus-Bastf wie er zum Benähen der
Matten verwendet wird. Dschalut.
Dieser Bast wird zum Theil auch veredelt, denn die Marschallaner verstehen die
ersten Anfänge der Kunst des Färbens, und zwar mit:
Dschong (Nr. 2o3, i Stück), längliche schmale Frucht (angeblich der Blüthen-
kolben von Eisenholz ==-- Mangrove). Dschalut.
Diese Frucht wird mittelst eines geschärften Scherbens einer Cocosnussschale ge-
schabt und gekocht, wozu man sich früher Cocosschalen oder grosser Muscheln (z. B.
Cassis) als Gefäss bediente. In den Absud werden die präparirten Hibiscus-Bastslrtikn
gelegt und durch Trocknen im Schatten schwarz (»kilmedc) gefärbt. Werden die Bast-
streifen im Sonnenschein getrocknet, so entsteht keine schwarze, sondern nur eine
rothbraune (lohfarbene) Färbung, wie mir wenigstens von den Eingeborenen versichert
wurde.
Gill-kilmed (Nr. 200, i Probe), schwarz gefärbter Hibiscus-Basl, zum Benähen
der Matten, in circa 55 Mm. breiten, papierdünnen Streifen. Dschalut.
Eine dritte Sorte, zu dem gleichen Zweck benutzt, heisst »Gill-emearc (gelb) und
ist hell bastfarben. ^
Ein anderer Färbestoff heisst »Ninn« und wurde als die Rinde von der Wurzel
eines Baumes (? Mangrove) bezeichnet. Sie wird abgeschabt und gekocht, bis eine rothe
breiartige Masse entsteht, welche ebenfalls einen lohfarbenen Ton (»emerrar« = roth*)
erzeugt. Das Berliner Museum besitzt auch diesen Färbestoff durch mich, sammt der
Cocosschale, die als Gefäss diente.
Zum Aufnähen der dickeren Randstreifen des Musters (vgLTaf. IV [21], Fig. 4 a)
wird verwendet:
Örr (Nr. 202, i Probe), sehr feiner, sauber gedrehter dünner Faden. Dschalut.
Das Material dazu ist die Faser einer >Arm^< oder »Armiuc genannten Pflanze,
nach Chamisso »Aroma«, »ein zu der Familie der Nesseln (Boehmeria) gehöriger
Strauch, der nur auf feuchtem Grunde wächst und manchen Inseln fehlt, so z. B. Udirik
und Ailiu, die ihren Bedarf von Ligip beziehen«. Dieses Material ist sehr haltbar und
wurde besonders zu Fischleinen verwendet, die man jetzt meist bei weissen Händ-
lern kauft.
1} Die zahlreichen Prüfungen Qber Farbensinn, respective Farbenbegriffe, welche ich bei Natur-
völkern vornahm, zeigten auch bei den Marshallanem eine nach unseren Begriffen sehr massige
Entwicklung, sowie individuell* verschiedene Auffassungen, die ja auch bei uns nicht selten sind. Im
Allgemeinen unterschied man folgende Farben: »emudjc = weiss; »kilmedc = schwarz, womit aber
auch das Grün des Gelaubes bezeichnet wurde; »maroro« = blau und grün, welche Farben meist
gar nicht unterschieden werden; »emerrar« (= trocken) = roth, d.h. lohfarben, aber auch das zarte
Roth der Koralle (Stjrlaster) und violett, für Roth übrigens auch: »kilmirc und »beroroc, indess ohne
präcise Begriffe; ^enn ein Eingeborener bezeichnete die braune Farbe seiner Haut als >beroro€ oder
»bororo«; »emearc = gelb, womit auch nicht eigentliches Gelb, sondern eine lichte Bastfarbe be-
zeichnet wird. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Farbensinn der Gilbert Insulaner: »erraroc s=
schwarz; »mainainac := weiss; »uraurac = roth, aber eigentlich braun und »maua« = grün und blau.
158 Dr. O. Finsch. [414]
Geräthschaften zu Flechtarbeiten sind ungefähr dieselben, als auf den Gilberts.
Zum Spalten (Schlitzen) von Pandanus-BlBtt und Hibiscus-Bast benutzt man jetzt ein
Stückchen Blech, früher aber Splitter einer Muschel (Pinna vexillum)^ »Djebörr« ge-
nannt. Zum Flechten selbst dient ein:
Tiginiet (Nr. 189, i Stück), Flechtbrett aus Holz des Brotfruchtbaumes. Dschalut.
Entsprechend den kleineren Arbeiten ist dies unentbehrliche Geräth auf den Mar-
shalls-Inseln von geringerer Grösse, namentlich kürzer, von länglich-viereckiger Form,
sanft gebogen (also die eine Seite concav, die andere convex). Gewöhnliche Grösse:
37 Cm. lang, 21 Cm. breit und 3o Mm. dick.
Zum Benähen (Sticken) der Matten bediente man sich früher Nadeln »Jänc von
Bein (anscheinend schmale, spitze Knochen gewisser Fische), wovon ich noch einige
(bis 24 Cm. lang) erhielt, jetzt allgemein eingeführter kupferner Nadeln.
In Folge der Anfertigung moderner Hüte ist ein weiteres Flechtgeräth nothwendig
geworden, welches man früher nicht kannte:
Managedscham (Nr. 269, i Stück), Hut form aus Eisenholz. Dschalut.
Ein rundes, niedriges Stück Holz, das in der Form einem Hut ohne Krampe ent-
spricht, über welchem der obere Theil des Hutes geflochten wird.
Seilerei und Stricice. Die als Material zu feineren Bindfaden benutzten Faser-
stoffe: Adaat (Hibiscus-Bsist) und Arm6 {Boehmeria-Fastr) sind bereits auf der vorher-
gehenden Seite erwähnt worden. Es ist also hier nur noch der
Bueje (Nr. 135, i Probe), zubereiteten Cocosfaser zu gedenken, welche das Haupt-
material für Seilerei liefert.
Die Faserhülle (»Bäoc*) der Cocosnuss wird in grossen Längsstücken abgeschält,
diese in Süsswasser geweicht und dann mittelst Klopfen von den holzigen Bestandtheilen
gereinigt, ^o dass sich die einzelnen Fasern lösen. Dieselben sind nicht sehr lang (25
bis 27 Cm.,) aber je nach der Bearbeitung zum Theil sehr fein und liefern das Material
zu dem weit über die Südsee unter dem Namen »Coir« bekannten Garn.
Als Geräth zur Zubereitung der Cocosnussfaser dient ein Schlägel (»Rängränge),
der aus einem einfachen runden (circa 40 Cm. langen) Knüppel aus Eisenholz besteht,
ein plumper Hammer (= S. [155]) oder auch nur ein handliches Stück Korallrollstein.
Die gewöhnlichste Sorte Stricke ist die folgende:
Kwall (Nr. i36, i Probe), Strick aus Cocosfaser. Arno.
Diese gewöhnlich zum Hausbau ver-
Fig. 22. wendete Sorte wurde damals kaum mehr
auf Dschalut (und Ebon) verfertigt und
meist von den betriebsameren nördlichen
Inseln bezogen, hier auch durch Schiffe
mitgebracht. Aber aus solchen Stricken
sah ich auf Dschalut noch dicke Taue für
Canubedarf drehen (»bidebit« = Seil
drehen) und damit eine der primitivsten
Scheibe zum Taudrehen. Formen der Reepschlägerei kennen, wie
Dschalut. sie auch in diesem abgelegenen Winkel der
Welt bald verschwunden sein dürfte.
Als einziges Seilerei geräth diente eine runde hölzerne Drehscheibe (Fig. 22,
von circa 32 Cm. Durchmesser), in*der Mitte mit einem runden Loch, am Rande mit
<) Chamisso schreibt »Aö«, was aber nach Hernsheim »schwimmen c heisst.
[±1^'] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. I^g
neun Kerbeinschnitten versehen. Durch das Loch dieser Scheibe lief ein starkes, circa
vier Finger dickes Tau von 20 Schritt Länge, das mit dem einen Ende an einer Cocos-
palme festgeknüpft war, während das andere, um eine zweite Palme gezogen, von
einem Manne straff gehalten wurde. Neun dünne Stricke, (wie der obige Nr. i36), an
dem einen Ende mit dem Haupttau an der ersten Cocospalme befestigt, zogen sich
durch die Kerbeinschnitte der Scheibe und wurden am anderen Ende, (hier noch in
grosse dicke Knäuel aufgerollt), von ebenso vielen Männern gehalten und bedient. Indem
nun ein Mann die Scheibe stramm nach rechts drehte, hatten die übrigen Leute darauf
zu achten, dass sich die neun dünnen Stricke gleichmässig abwickelten und ohne zu
drillen auf das mittelste Haupttau aufwickelten. In dieser Weise entstand ein treffliches,
sehr sauber gedrehtes Schiffstau, zu dessen Anfertigung allerdings eilf Männer noth-
wendig waren.
8. Fahrzeuge und Verkehr.
•
Die bewundernswertheste und grossartigste Leistung dts Gewerbefleisses der Mar-
shallaner ist ihre Geschicklichkeit im Bau seetüchtiger Fahrzeuge; die letzteren sind
deswegen aber noch keineswegs die allerbesten der Südseevölker, wie gewöhnlich an-
genommen wird. Sie stehe»' jedenfalls in Technik und kunstvoller Ausführung weit
hinter den grossen, zuweilen zweimastigen Fahrzeugen in Melanesien zurück (vgl. II,
S.[i69] und [191]), unter denen dieDoppelcanus von F'idschi die erste Stelle einnehmen.
Wilkes mass ein solches von über 100 Fuss Länge, das 200 Personen trug. Auch die
gefälligen und schönen Fahrzeuge der Gilbert-Insulaner sind den marshallanischen voll-
auf ebenbürtig, besonders wenn man die ungeheuren Schwierigkeiten, die mit dem
Mangel passenden Bauholzes verbunden sind, berücksichtigt.
Die Marshallaner besitzen besseres Material in dem ziemlich weichen und leicht
zu bearbeitenden Holze des Brotfruchtbaumes, aus dem die Fahrzeuge gebaut werden,
denn Treibholz und Schiffstrümmer können bei ihrer Seltenheit doch immer nur unter-
geordnet in BetracRt kommen.
Das Marshall-Canu »U-a< (»0-a« : Chamisso; > Wa< : ') Hernsheim) gehört zu dem
weitverbreiteten Typus eingeborener Schiffsbaukunst, bei welchem der Haupttheil des
Fahrzeuges aus einem grossen Kielstücke besteht. Das letztere wird aus einem passen-
den Stamme vom Brotfruchtbaum gezimmert, respective ausgehöhlt, und ist massgebend
für die Grösse des Fahrzeuges. Dem unterseits spitzen Kielstück wird vorne und hinten
ein in eine lange Spitze (Schnabel) auslaufendes, vorderseits scharfes Bugstück angesetzt
und diese wiederum mit dem Kiel durch Seitenborde verbunden, Planken oder Brett-
stücke, deren Grösse sehr verschieden ist und sich nach dem vorhandenen Holz und
dessen Verwendbarkeit richtet. Gewöhnlich werden die flachen Wurzelstreben des Brot-
fruchtbaumes zu Seitenborden verarbeitet, die aber nur selten nach unseren Begriffen
Bretter sind.
I) Nächst »Niu< = Cocosnuss, wohl das am weitesten über Oceanien und Melanesien verbrei-
tetste Wort: »Waac; Hawaii; >VÄ-a«: Samoa; »Vaa«: Uluti, Carolinen; »Ua (Wa)«: Marshalls, Mort-
lock; >Wa<: Doreh, Neu-Guinea; »Waage: Kunschai; »Wagat: Louisiade, Hayter-Insel; »Vakac:
Tonga, Maori; Südcap, Neu-Guinea; »Wakha«: Nukuor; »Wage«: Milne-Bay, Neu-Guinea; »V'anaka«:
Port Moresby, Neu- Guinea; »A Vange«: Blanche-Bai, Neu-Britannien; »Wanjac: Rook -Insel; »Wonga«:
Astrolabe-Bai, Neu-Guinea; »Uang«: Finsch-Hafen, Neu-Guinea; »Uän«: Bilibili, Astrolabe-Bai ; »Wem«:
Ostcap, Neu-Guinea; »Wuar«: Ponap^, und schliesslich malayisch »Prau« oder »Pra-hu«. Sehr ab-
.weichend sind dagegen: »Tambul«: Neu-Irland; »Obuna«: Salomons (Bougainville) ; »Amlai«: Pelau;
»Mu«: Yap; »Baurua« (aber auch >Toa«): Gilberts.
i6o
Dr. O. Fiosch.
[4'6]
Nach Kotzebue waren die nur kleinen Canus, ohne Mast und Segel, von Meschid
>aus lauter kleinen Brettchen zusammengeflickt«, also ganz wie dies auf den Gilberts
geschieht, wahrscheinlich wegen Mangel an Brotfruchtbaum. Die Abbildung von Choris
(Radak, PI. IV) zeigt ein solches kleines Canu von Meschid.
Charakteristisch, aber nicht eigenthtlmlich ftir die Marshall-Canus ist die Un-
gleichheit der Seiten. Während die dem Ausleger zugekehrte Seite sich sanft bauchig
rundet, also convex gearbeitet ist, verläuft die entgegengesetzte fast gerade (vgl. Fig. 34).
Ohne diese ingeniöse Einrichtung wUrde das Fahrzeug in Folge des einseitigen, weit
abstehenden Auslegers nicht gerade, sondern in grossen Bogen laufen. Die einzelnen
Theile des Canus sind mittelst Bohrlöchern und Stricken aus Cocosfaser zusammen-
gebunden; zum Dichten werden Streifen Pandanus-Blatt zwischen die einzelnen Holz-
theile gelegt. Es ist mir nicht mehr erinnerlich, ob die Fugen auch noch mit Harz
Flg. aJ.
1 den Mb rshall- Inseln, SeJKnansicht.
Dschalut.
(»I)ur«) verschmiert werden, was ja der Brotfruchtbaum liefert. Das Canu trägt ein sehr
schweres Auslegergeschirr mit einem schweren Auslegerbalken (Balancier) von der
Länge des Kiels, der in eigenthUmlicher Weise mit den sechs Querhölzern verbunden ist.
lieber die etwas höhere Mitte des Fahrzeuges läuft eine breite Planform (»Bedak«,
■ Hängeboden*: Chamisso) aus Brettern, welche an der dem Ausleger gegenständigen
Seite (>Rong<), wie beim centralcarolinischen Canu, ansehnlich weit Übersieht und
zuweilen so gross ist, dass an jeder Seite eine kleine HUtte errichtet werden kann. Sie
wird aus Pandanus-h\ait gebaut und ist gross genug, um 5 — 6 Personen dicht zusam-
mengedrängt nothdilrrtige Unterkunft zu gewähren. Das Canu führt einen Mast und
ein grosses lateinisches Segel, das mit zwei Bäumen oder Raaen (iRodschak«), meist
aus Rippen des Blattes der Cocospalme bestehend, gespannt werden kann. Das ^egel
(»Wudschelat) wird aus circa 18 Cm. breiten Streifen von Manengeflecht (»Irr in
Wudschela«) aus Pandanus-Bhtl zusammengenäht; ein solcher Streifen ist zuweilen
200 Fuss lang, und zu einem grossen Segel gehören 700 Fuss Mattenstreif. Als Ruder
h'7]
EthnologUche Erfahrungen und Belegslücke aus der SQdsee.
(iDicbebwe*) dient ein langer Riemen, der in einer Schlinge aus Tauwerk befestigt ist.
Anker (»Kauliklik«) sind mir niclit erinnerlich, mögen aber vorhanden sein. Gewöhn-
lich sind die Canus vorne am Schnabel mit einem Tau an einer Palme befestigt und
werden bei Nichtgebrauch auf den Strand geholt, aber nicht in besonderen Schuppen
untergebracht. Verzierungen sind keine anderen angebracht als Büschel zerschlissener
schwarzer Federn (vom Fregattvogel) an der Mastspitze, den Haupttauen, welche den
.Mast halten, und am Ende des unteren Baumes oder Raae. Die Spitze jedes Buges ziert
zuweilen eine Schnitzerei in Form eines Uhlanenhelmes. Diese Verzierung (>Bellikc),
aus Holz geschnitzt oder Korbgeflecht, schwarz oder weiss bemalt, zuweilen mit Feder-
büscbel geschmückt, ist ganz besonders charakteristisch für die Canus der Marshatl-
insulaner, findet sich aber nur an grossen und grösseren Canus. Abbildungen solcher
geben Choris (PI. XI: von
FiB- »4-
der Seite und von vorne,
XK: Grundriss und XIV:
unter Segel) und Kotzebue
(S. 8o)immerhia kenntlich,
wennauch nichtinallen Ein-
zelheiten correct. Durchaus
richtig sind dagegen die
nach meinen photographi-
schen Aufnahmen gezeich-
neten Bilder von Dschalut-
Canus in »Westermann's
Monatshefte*, 1887,5. +92,
493, 496 und 497 (vgl. auch
Hernsheim, iSprache der
Marshall-Inseln«, S. 97, 99
und loi, und >SUdsee-Er-
innerungen«, Taf. 7 und
Die beigegebenen
Skizzen Fig. 23: Seilenan-
sicht und Fig. 24: Vorder-
ansicht (nach pholographi-
sehen Aufnahmen von mir) segek.nu von den Mar.h.U-taselr., Vorder.nsich,.
werden besser als die aus- Dscb^\ux.
fQbrlichste Beschreibung
zur genaueren Kennlntss beitragen und uns zugleich mit den einzelnen Theilen der
Canus bekannt machen.
A B
Maasse
iJ. a >U-a«, Rumpf oder eigentlicher Schiffskörper, Kiellänge .... 4-24 —
Grösste LSnge von Spitze zu Spitze 5-28 5-60
» Breite in der Mitte 0-55 058
. Höhe o 77 —
b »Ere«, Auslegergertist und sechs Querhölzer» Lange derselben . . 3-32 3-68
c >Kubak(, Auslegerbalken, Länge 4-34 —
d >Bedak<, Plattform an der Auslegerseite, Länge 3'3o —
l62 Dr. O. Finsch. [418]
A B
Maasse
e »Rong«, Plattform^ entgegengesetzte, ragt über i'3o 0*96
/,/ »Billebil«, kleine Hütten (ein oder zwei) — —
g ^Gidschu«, Mast, Höhe 4*97 6*24
— »Rodschak«, unterer Baum (Raae), Länge 5*56 7*46
oberer > > » 5*56 —
h »Wudschela«, Segel (aufgerollt), Länge 5'28 —
i »Do Kubak«, Tau vom Mast zum Ausleger — —
k »Gäg«, Taue zum Segelhissen — —
/ »Man«, zwei Taue — —
m »Bellick«, Verzierung der Bugspitzen — —
Die in Tabelle A gegebenen Masse (denen ich in B die von Chamisso — Reise,
I, S. 242 — notirten beifüge) sind die eines mittelgrossen Canu, wie dieselben am
häufigsten vorkommen. Es gibt aber auch, wie bereits erwähnt, kleinere, ohne Mast
und Segel und ansehnlich viel grössere. Chamisso notirt 38 Fuss (über 12 M.) Länge
für das grösste Canu, was richtig ist, Hernsheim sogar 50 Fuss (= 16 Meter), wohl
nur nach Schätzung und deshalb reichlich überschätzt. Ein Canu wie das der Mass-
tabelle A trägt 10 — 12 Personen, die gewöhnliche Zahl ist 6 — 10, für kleine noch
weniger, für ganz grosse 15 — 20. Freilich habe ich auf letzteren zuweilen 80—40 Per-
sonen zusammen gesehen, aber die Hälfte davon waren Frauen und Kinder, und es
handelte sich dann nur um eine Fahrt auf der Lagune. Bei der Schmalseite des Schiffs-
körpers, der eigentlich nur der Schwimmer für die Plattform ist, dient die letztere als
Aufenthalt für die Passagiere, welche bei einer grösseren Anzahl hier dichtgedrängt wie
die Häringe zusammenhocken.
Unter allen Fahrzeugen der Südsee stimmt übrigens das der Central-Carolinen
(vgl. Choris, PI. XVIII) am meisten mit dem der Marshalls überein und ist, abgesehen
von gewissen geringeren Abweichungen, durchaus identisch in Bauart, Form und
Takelung.
Canubau (»Digedik« = Holzhauen) war übrigens eine Kunst, die von Wenigen
verstanden und geübt wurde, bildete also gewissermassen ein Gewerbe. Zu meiner Zeit
gab es auf Dschalut nur noch ein paar alte Leute, die sich damit beschäftigten; grosse
Fahrzeuge wurden aber nicht mehr gebaut. Die Zahl derselben war überhaupt nie eine
bedeutende. Chamisso notirt von Airik, der grössten und volkreichsten von ihm be-
suchten Insel, sieben grosse Canus, ich von Dschalut etwa 33, von Ebon i3, von Milli
20. Seitdem dürfte sich die Zahl überall bedeutend vermindert haben, und ich freue
mich, dass es mir noch gelang, ein seetüchtiges Marshall-Canu für das Berliner Museum
zu retten, vermuthlich das einzige der Art, welches Sammlungen aufzuweisen haben.
Ein unentbehrliches Geräth bei allen Canufahrten bildet der Wasserschöpfer
(»Limm«) aus Brot fruchtholz, länglich-oval, kahnförmig fcirca 50 Cm. lang, 20 Cm.
breit) mit ausgeschnitztem Griff an der Basis der Innenseite (vgl. Finsch : Westermann's
Monatshefte, 1887, S. 495, Fig. i). Bei der Undichtheit der Fugen lässt jedes Canu
Wasser ein, so dass unaufhörlich ausgeschöpft werden muss, was übrigens bei gewöhn-
lichen Verhältnissen eine Person ohne Anstrengung zu bewältigen vermag.
Da das Segel nicht gerefft werden kann, so ist die Hantirung ziemlich umständ-
lich. Der Mast steht nicht in der Mitte des Canus, sondern wird in die Höhlung einer
mit Stricken festgebundenen Nabe auf der Plattform etwas über Bord der Auslegerseite
(Leeseite) eingesetzt. Aehnliche Naben sind an jedem Ende (Schnabel) des Fahrzeuges
[iig] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. l63
angebracht und dienen zum Einsetzen der beiden Bäume (Raaen, »Rodschak«), welche
das Segel halten. Soll nun gewendet werden, so muss das Segel von einem Buge nach
dem entgegengesetzten getragen und hier eingesetzt werden, zugleich auch der Steuer-
mann seinen Platz entsprechend wechseln. Wie ich aus eigener Erfahrung weiss, schlägt
das Manöver nicht immer ein, und das Einsegeln in eine Passage macht oft viele Mühe.
Dass der Auslegerbalken das Canu nicht vor Umschlagen bewahrt, kann nicht oft genug
wiederholt werden, da jedes Buch das Gegentheil versichert. Häufig hebt sich der Aus-
legerbalken bedenklich aus dem Wasser, ein paar Fuss mehr und das Fahrzeug geht
über Kopf, wie ich wiederholt beobachtete und was schon Kotzebue erwähnt. Freilich
wissen die Eingeborenen, ausgezeichnete Schwimmer wie alle Insulaner, das Fahrzeug
aufzurichten und schliesslich wieder flott zu kriegen, ja bei ruhigem Wetter etwaige
leichte Schäden mit Stricken schwimmend auszubessern, aber die Sache ist keineswegs
so leicht, als gewöhnlich angenommen wird. Für das richtige Gleichgewicht sorgt
übrigens die Schiffsgesellschaft selbst, denn bald klettern ein paar auf die Querhölzer,
um den Auslegerbalken niederzudrücken, wenn derselbe zu hoch über Wasser kommt,
oder auf die vorspringende Plattform, Alles gewohnheitsmässige Manöver, die sich
ganz von selbst, ohne besonderes Commando vollziehen. Das letztere wird übrigens bei
Seefahrten von erfahrenen Männern, meist Häuptlingen, geführt, die gewisse Zeichen
geben.
Die Segelfähigkeit dieser Canus wird meist überschätzt; sie laufen vor dem Winde
ungefähr so schnell als ein gutes Boot, beim Kreuzen vielleicht etwas besser, aber
4 — 6 Seemeilen in der Stunde ist wohl die höchste Leistung und Angaben darüber
hinaus (12 — 20 engl. Seemeilen) reine Uebertreibungen. Canus von Ebon pflegten
nach Dschalut (80 Seemeilen) in 18— 36 Stunden heraufzukommen, was einer Ge-
schwindigkeit von circa 4 72 Seemeilen, respective 2 Ya Seemeilen (oder Knoten) in der
Stunde entspricht, und ganz so verhielt es sich bezüglich der Reise von Udschae nach
Dschalut (270 Seemeilen), wozu zwei Tage und eine Nacht erforderlich sind. Zuweilen
dauerte die Reise von Dschalut nach Ebon aber auch zweimal 24 Stunden, doch liess
sich nicht ausmachen, wie lange man auf Kili verweilte, denn der Kanaker hat es
selten eilig.
Wir haben bereits einzelne Papuastämme auf Neu-Guinea als geschickte, wenn
auch nicht kühne Seefahrer kennen gelernt, die zum Vertriebe ihrer Fabricate (Töpfe)
oder des Tauschhandels wegen überhaupt ansehnliche Reisen unternehmen, und ähn-
liche Verhältnisse finden sich in der ganzen Südsee wieder. In hervorragender Weise
sind aber gerade die Marshallaner zur Schifffahrt gedrängt, ohne welche ein Verkehr
nicht einmal zwischen den Bewohnern des eigenen Atolls möglich wäre. Bei der Spär-
lichkeit des Ertrages, je nach dem Ausfall der Ernte, sind die Atolle wieder unter sich
aufeinander angewiesen, und grössere Tausch- und Handelsreisen waren behufs Ernäh-
rung schon von jeher eine Nothwendigkett. So mussten sich die Marshallaner zu
geschickten Seefahrern ausbilden, die jedenfalls unter den Südseevölkern mit die hervor-
ragendste Stelle einnehmen, wenn sie auch den Caroliniern nachstehen. Ihre Leistun-
gen sind in der That staunenswerth, besonders wenn man bedenkt, dass ihre astrono-
mischen und geographischen Kenntnisse äusserst gering sind, und dass sie kein einziges
nautisches Hilfsmittel besitzen. Denn die berühmten »Seekarten« sind, wie ich schon
wiederholt bemerkte, sicherlich kein solches, sondern höchstens als »Inselkarten«, »Medu
inailing« (»ailing« = Insel), zu betrachten. Eine solche »Karte« besteht aus einem Ge-
stell von zusammengebundenen Stäbchen (gerade, quer, schief, selbst gebogen), an
welche kleine Muschel (Cypraea, Melampus) oder Korallsteinchen festgebunden sind.
164 ^^- O. Flnsch. [420]
Letztere bedeuten die verschiedenen Atolle, während die Stäbchen, wie behauptet wird,
die Richtung der Wellen oder die Dünung angeben sollen, die je nach der Jahreszeit
wechselt. Leider hat noch kein wissenschaftlicher Seemann, vielleicht überhaupt kein
Weisser, je eine grössere Seereise mit einem Marshall-Canu gemacht, um den Werth
dieser »Karten« zu prüfen, und so bleibt es bei gelehrten Deutungen, denn die Ein-
geborenen selbst wissen herzlich wenig über ihre Seekarten und deren Benutzung mit-
zutheilen. Ich selbst habe solche Karten von den erfahrensten und befahrensten Ein-
geborenen machen und mir erklären lassen, und dabei kam nicht mehr heraus als die
individuelle geographische Kenntniss über die Lage einiger Inseln. Der Mann kannte
Dschalut, Kili, Namurik, Ebon, Milli, Ailinglablab, die ungefähr richtig gelegt waren,
was aber darüber hinausging, erwies sich als total unrichtig. Ein Blick auf die von
Hernsheim (Marshall-Sprache, S. 88, mit richtiger Lage der Inseln S. 89) gegebenen
Skizzen und auf die (Kat. M. G., Taf. XXXII) abgebildeten fünf verschiedenen »Medu«
wird Jeden überzeugen, dass von einem nautischen Hilfsmittel nicht die Rede sein kann,
und Friedrichsen (Kat. M. G., S. 272) erklärt, »nach eingehendem Studium keine nur
einigermassen befriedigende Deutung geben zu können«. Fast scheint es, als wären
diese »Inselkarten« überhaupt erst seit dem engeren Verkehr der Eingeborenen, und
zwar Dschaluts mit weissen Seefahrern entstanden und vielleicht aus den Stricken
hervorgegangen, die nach Gulik (wohl auf Ebon) »Seekarten« vorstellen sollten. Es
sind dies Stricke, »welche, in bestimmten Knoten zusammengebunden, den Lauf der
Strömungen bezeichnen« sollen, also jedenfalls noch primitiver als die »Seekarten« der
Dschaluter aus Stäbchen. Kubary erwähnt von Ebon keine der beiden Formen, und
wären sie ein altererbtes nautisches Hilfsmittel eigener Erfindung, so würde Kqtzebue,
der die Eingeborenen so viel über Seewesen ausfragte, ohne allen Zweifel schon damals
einen »Medu« erhalten und darüber berichtet haben.
Mit der »astronomischen« Kenntniss der Marshallaner ist es auch nicht weit her,
denn ich erfuhr auf Dschalut nur den Namen des Orion als »Lodde-lablab«. ') Aber es
unterliegt keinem Zweifel, dass, wie der Stand der Sonne bei Tage, so gewisse Sterne
bei Nacht diese Seefahrer leiten. So haben die Dschaluter einen »Leitstern« für die
Fahrt nach Milli, Madschuru, Namurik, und der »Dschabrog«, ein Stern (»Iju«), der nur
in gewisser Zeit im Süden sichtbar ist, führt nach Ebon. Selbstredend kennt man die
vier Himmelsrichtungen (für die, beiläufig bemerkt, Chamisso ganz falsche, vermuthlich
carolinische Namen angibt) und rechnet nach Monden (»Alin«), aber die Begriffe Jahr
und Jahreszeiten sind unbekannt, vielleicht mit Ausnahme von Sommer (»Rak« =
Süden, nicht = Stein: Chamisso).
Navigation verstehen die Marshallaner also nicht, wohl aber sich innerhalb ge-
wisser Grenzen von einem Atoll zum anderen zurechtzufinden, und das ist bei dem
eigenthümlichen Charakter der letzteren allerdings schon recht schwierig. Wenn Papuas
in Bezug auf die Entfernung ähnlich weite Reisen unternehmen (z. B. Woodlark — Tro-
briand: 90 Seemeilen oder Moresby-Archipel — Woodlark: i3o Seemeilen), so haben sie
immer hohe Berge als Landmarken und verlieren Land selten aus Sicht. Aber die
Wipfel der Cocospalmen sind selbst vom Deck eines grösseren Schiffes (voa3oo Tons)
kaum weiter als 5, aus dem Mast vielleicht 8 Seemeilen weit sichtbar (vgl. Finsch:
Westermann's Monatshefte, 1887, Abbild., S. 501); ein so niedriges Fahrzeug als ein
Canu läuft daher Gefahr vorbeizusegeln, wie dies ja häufig passirt. Um dem vorzu-
beugen, haben die Marshallaner für weitere Seereisen besondere Navigirungsregeln, und
I) Chamisso verzeichnet nur den Polarstern als »Lemannemann« (?).
\a2i\ Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 165
diese sind einmal: mit möglichst viel Canus zugleich auszugehen und dann: eine be-
stimmte Segelordnung einzuhalten! Die Canus bleiben in Sehweite, bei Nacht in Hör-
weite der Trojnmeln und Muscheltrompeten (S. i33 [SSg]) beieinander und bilden so
eine oft viele Seemeilen lange Linie, innerhalb welcher es einem der Canus meist ge-
lingt, Land zu sichten. Diese Regeln und die gerade für Seereisen in diesen Gewässern
so wichtige Kenntniss der Monsune bilden die eigentliche Grundlage der Steuermanns-
kunst der Marshallaner. Wenn noch heute in allen Büchern gesagt wird, »genaue
Kenntniss des Archipels war Gemeingut aller Bewohner der Marshall-Inseln, der Män-
ner wie der Frauen«, so sind dies Uebertreibungen, die nicht entfernt zutreffen. Wie
nur Einzelne Canus zu bauen verstanden, so waren es wiederum nur Einzelne, welche
bei weiteren Seereisen die Führung übernahmen. Solche Leute kennen ausser ihrem
Heimatsatoll meist noch einige benachbarte und darüber hinaus vielleicht noch mehrere,
letztere aber selten aus eigener Anschauung, sondern nach den Mittheilungen Anderer.
So zeichnete Lagediak von Wotsche Kotzebue nicht allein die Inseln dieses Atolls auf,
sondern wusste die Lage der meisten Inseln der Ratak-Kette anzugeben, die ein Häupt-
ling von Maloelab aber unrichtig fand. Ein anderer Häuptling fügte die meisten Inseln
der Ralik- Kette hinzu, auf welche Mittheilungen Kotzebue die seinem Reise werke bei-
gefügte Karte entwarf. Sie illustrirt in schlagender Weise die Unkenntniss der Ein-
geborenen über ihr Inselreich, das kein Marshallaner in seinem ganzen Umfange nur
annähernd richtig kennt, und es wäre Zeit, nicht immer aufs Neue die Mittheilungen
Kotzebue's und Chamisso*s zu wiederholen. Wie sich schon damals erfahrene Häupt-
linge in der Lage und namentlich der Entfernung zwischen den einzelnen Inseln irrten,
so verhielt es sich noch zu meiner Zeit. So verzeichnete ein Häuptling die Entfernung
zwischen Ebon und Kwajalein mit Dschalut als fast gleich, obwohl die letztere Insel
noch einmal so weit von Kwajalein entfernt liegt als Ebon, und ich könnte noch viele
ähnliche Beispiele anführen. Wie anderwärts nur mit den Nachbarinseln verkehrt wird,
so kamen auch die Dschaluter meist nicht über Ebon, Namurik und Madschuru hinaus
und besuchten nur selten Milli oder die nördlichen Inseln Rongerik, Rongelab und
Bikini. Der Verkehr zwischen beiden Inselketten war, wie von jeher, nur sehr unbe-
deutend, in Folge dessen auch die gegenseitige Kenntniss höchst mangelhaft. Die so
nahen Gilbert-Inseln (nur 40 Seemeilen zu Süd) kannten die Marshallaner nur nach den
auf ihre Inseln gelegentlich von dort verschlagenen Eingeborenen (>Repith-urur<,
S. 71 [339]). Der umgekehrte Fall des Verschlagens von Marshallanern nach den Gil-
berts ist, wegen der herrschenden westlichen Strömung, dagegen nur höchst selten vor-
gekommen, und diese Leute konnten keine Kunde bringen, da sie nicht wiederkehrten.
Die weitverbreitete Ansicht, als durchkreuzten Canus beliebig den ganzen Archi-
pel, also z. B. von Dschalut bis Bikini, circa 420 Seemeilen, in einer Tour, ist nicht
richtig, denn in Wahrheit handelt es sich in der Regel um bei Weitem geringere Di-
stanzen. Ist nach oft wochenlangem Warten ein günstiger Wind eingetreten, so segeln
vielleicht mehrere Canus von Dschalut nach Ebon, vereinigen sich mit der hiesigen
Flotte und steuern dann gemeinschaftlich nach dem Nord^en. Dabei wird vielleicht
noch Namurik angelaufen, dann Ailinglablab, Kwajalein u. s. w., so dass das jeweilige
nächste Ziel meist nicht sehr weit (25 — 80 Seemeilen) entfernt liegt, denn die weiteste
Reise, welche von Dschalut, und zwar höchst selten direct unternommen wird, nach
Milli, beträgt nur 1 20 Seemeilen. Rechnet man hinzu, dass sich von einer Insel zur
anderen Canus anschliessen, die dann für diese Strecken die Führung übernehmen, so
wird dies die famosen Fahrten der Marshallaner und ihre nautischen Kenntnisse ins
richtige Licht stellen. Da öfters längerer Aufenthalt gemacht werden muss, schon wegen
l66 I^r- O. Finsch. [422]
Reparaturen an den Canus, so vergeht oft sehr lange Zeit, ehe die Flotte nach ihren
respectiven Heimatshafen zurückkehrt.
Die grosse Sicherheit, mit der die Marshallaner, »die besten See/ahrer Mikro-
nesiens, ihr fernes Endziel stets richtig zu finden wissen«, wie in allen Büchern zu lesen
ist, bleibt jedenfalls eine recht bedenkliche, und ich würde Niemandem anrathen, sich
einer Canuflotte anzuvertrauen. Denn geht es auch oft, vielleicht in der Regel gut, so
findet gar häufig das Gegentheil statt, und wenn überhaupt, landen die Canus an weit
entfernten Inseln. Eine durch plötzlichen Sturm verschlagene und zerstreute Flotte
versucht allerdings den Rückweg zu finden, aber das ist ebenso schwer, als es für eines
unserer Schiffe ohne Compass und nautische Hilfsmittel sein würde. Oft erreichen
Canus selbst ein sehr nahes Ziel nicht, wovon schon Chamisso einen Fall anführt, in-
dem die Flotte von Ailuk das nur circa 50 Seemeilen entfernte Reiseziel Meschid ver-
fehlte. Dieses Verschlagen werden') gehört keineswegs zu den Seltenheiten und hat
den Marshallanern mit zu dem unverdienten Rufe, die besten Seefahrer der Südsee zu
sein, verholfen. Auf solchen unfreiwilligen Fahrten erreichten manche Canus, 1856 so-
gar eine ganze Flotte, Kuschai (36o Seemeilen), aber eben aus Zufall, denn selbstredend
besitzen die Marshallaner kein Hilfsmittel, um die Lage dieser Insel festzustellen und
dieselbe mit Verstand niss zu suchen. Winden, namentlich aber Strömungen überlassen,
ist es lediglich Glückssache, wenn sie irgendwo landen, wie dies wiederholt auf den
Carolinen (1500 Seemeilen), ja auf Guam (über 1700 Seemeilen weit) geschehen ist.
Ein paar höchst eclatante Fälle passirten während meines Aufenthaltes. Einige Häupt-
linge wollten mit dem von ihnen gekauften kleinen Schuner »Lotus« (18 Tons), trotz
der Warnung weisser Seefahrer, ohne fachkundige Führung von Dschalut nach Ebon
(80 Seemeilen) fahren. Wie zu erwarten, verfehlten sie das Ziel, segelten Ebon vorbei
und landeten nach einer Fahrt von etlichen 20 Tagen auf Faraulap, einer der westlichen
Carolinen (circa 1500 Seemeilen). Der andere Fall betrifft eine vereinte Flotte von
Milli und Ebon, 18 Canus stark, die von Dschalut nach Ebon segeln wollte, nach
25 tägigem Umherirren aber auf der Wetterseite von Namurik (65 Seemeilen westlich
von Dschalut) aufs Riff lief, wobei neun Canus zerschellten; vier waren ohnehin spurlos
verschwunden. Ueber diese interessanten authentischen Seefahrten habe ich genauen
Bericht gegeben (in: Westermann's Monatshefte, 1887, S. 500, und Verhandl. der Ber-
liner Anthrop. Gesellsch., 1887, S. 24), ebenso über eine andere unfreiwillige Seereise
von neun Amboinesen, die nach 38 tägiger Irrfahrt 840 Seemeilen weit in der Torres-
Strasse landeten, wo ich auf Thursday-Island die Prau (übrigens ein sehr brauchbares
Fahrzeug) sah und einen der Theilnehmer dieser Reise kennen lernte.
Den »Lotus« -Leuten hatte ein Sack Reis das Leben gefristet, von den Theilhabern
der Canuflotte waren eine ansehnliche Zahl den Strapazen und an Hunger erlegen,
denn die mitgeführten Vorräthe (einige Rollen Dschenäguwe, S. 142 [398]) sind sehr
unbedeutend und reichen natürlich nicht lange aus. Fälle, wie sie Chamisso nach Aus-
sagen Eingeborener wiedererzählt, wo Eingeborene acht und selbst neun (! ! !) Monate,
davon fünf ohne frisches Wasser (! ! !), verschlagen umhertrieben, sollten daher ein- für
allemal ins Reich der Fabel verwiesen und nicht immer aufs Neue citirt werden. Hierher
1) Vgl. auch Otto Sittig: 9Ueber unfreiwillige Wanderungen im Grossen Ocean«^ in: Peter-
mann's Mittheilungen, 1890, S. 161 — 166 und 185 — 188; Taf. 12. Eine dankenswerthe Zusammenstel-
lung, die namentlich durch die beigegebene Karte der Windrichtungen und Strömungen übersichtliche
Erklärung über die unfreiwilligen Fahrten (nicht Wanderungen) der Oceanier gibt. Leider ist das
zuverlässige Material noch immer sehr unzureichend und einige authentische P'älle von Verschlagen-
werden in dieser Arbeit unbeachtet geblieben.
I
[^^23] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 167
gehört auch die famose fünftägige Reise einer Frau auf einem Bündel Cocos (?) von
der unbekannten Insel »Boghac nach Udirik (Chamisso II, S. 241), welche Sittig leider
nochmals auftischt.
Sicherlich war Kadu von Uleai nach Aur (1680 Seemeilen weit) verschlagen wor-
den, aber seine Zeitmasse haben, wie die jedes Eingeborenen, durchaus keinen Werth.
Die Angabe, >dass mittelst Tauchen in Cocosschalen minder salziges Meerwasser aus
grösseren Tiefen heraufgeholt wurdec^ ist ebenso absurd, als dass sich Schiffbrüchige
fünf Monate lang von den zufällig gefangenen Fischen ernähren könnten. Ueberdies
würden vier Menschen ein Canu nicht acht Monate über Wasser zu halten vermögen,
weil ja Tag und Nacht geschöpft werden muss, und schliesslich leistet kein Canu für so
lange Zeit Seegang und Wellen Widerstand; es würde zerfaUen. Schon nach jeder kür-
zeren Reise ist ein so gebrechliches Fahrzeug reparaturbedürftig. Lütke, der bereits
die Zeitdauer von Kadus fabelhafter Seefahrt bezweifelt, sagt mit Recht, dieselbe würde
bei acht Wochen schon merkwürdig genug sein.
Erfahrungen wie die der »Lotus «-Leute, hatten das Vertrauen der Eingeborenen zu
ihren seemännischen Fähigkeiten natürlich bedeutend erschüttert. Schon 1879 wussten
sie die Sicherheit europäischer Schiffsführung zu würdigen und zogen es vor, interinsu-
lare Reisen mit » Wanbelli«, d. h. fremden Schiffen (von > Wa« = Canu und »Belli« =
Fremder) zu machen, und bald wird es mit der Eingeborenen -SchifflTahrtskunst auch
hier vorbei sein.
p. Körperhülle und Put{.
A. Bekleidung.
Auf Dschalut (und Ebon) hatten sich damals zum Theil bereits europäische Kleider
eingeführt, hauptsächlich in Folge des Einflusses der Mission. Männer pflegten das
eine oder andere, meist geschenkte, Kleidungsstück zu tragen, kauften sich wohl auch
einmal ein Hemd, während Häuptlinge nicht selten in Padjamas (Kittel und Hose) er-
schienen. Häuptlingsfrauen und Bekehrte überhaupt kleideten sich meist in jene langen
taillenlosen Kattunröcke, die unter dem Namen »Nugenuk« bereits einen Handelsartikel
bildeten (vgl. Zeitschr. für Ethnol., 1880, Taf. XI). W^eniger Bemittelte blieben den
alten Matten treu, denen häufig ein Kattunjäckchen hinzugefügt wurde. Auf den übri-
gen Inseln herrschte noch unverfälschte Nationaltracht, die selbst auf Dschalut bei Ge-
legenheit kriegerischer Ereignisse wieder zum Vorschein kam. Man sah damals alle
Bekleidungsstadien, wie ich sie (»Gartenlaube«, 1881, S. 701) abgebildet und beschrie-
ben habe.
Die eigentliche Tracht der Marshall-Insulaner ist bei beiden Geschlechtern ver-
schieden und verdient unter allen Stämmen Mikronesiens mit am meisten die Bezeich-
nung »Bekleidung«. Die Sammlung enthält alle hierher gehörigen Stücke:
Ihn (Nr. 207, i Stück, Fig. 256), Faserrock für Männer, bestehend aus zwei
dichten grossen Büscheln oder mehr Buschen, aus circa i M. langen, mehr oder minder
fein zerschlissenen Fasern von Hibiscus-Bast^ die an der Basis durch ein (circa 100 bis
140 Cm. langes und 9 — 12 Cm. breites) Band (Fig. 25 c) aus feinem Pandanus-ManGn-
geflecht verbunden sind. Dschalut. Das Band ist an der verbreiterten Basis häufig mit
aufgenähtem schwarzen Muster verziert. Eine gute Abbildung des »Ihn« findet sich in:
Journ. M. G., Heft I, 1873, Taf. 6, Fig. 8.
Das Material zu den Faserröcken (die Chamisso »Mudirdir« (!) nennt) ist »Adaat«
und »Lao« (S. 156 [472]). Es gibt aber auch fast weisse, sehr feinfaserige Männerröcke
AmialcD des k. k. natarhtstoriscben Hofmu&eams, Bd. VIII, Heft 3, 1893. l3
l68 D'- 0. RnKh. [^2^]
>Ihn jojo« genannt, wahrscheitüich aus >Arm£< (S. 157 [413]) verfertigt, die frQhernur
von Häuptlingen getragen werden durften. Auf Dschalut (wie auf Ebon) machte mao
übrigens keine Ihn mehr, sondern bezog sie, wie die Übrigen hieher gehörigen StQcIce,
von den nördlichen Inseln.
Zum Tragen des >Ihn< unumgänglich nothwendig ist der:
Kangr (Nr. 208, i Stück, Fig. 25*1), Gürtel aus Pandanus-BUn. Dschalul.
Diese Gürtel bestehen aus einer grösseren Anzahl (20 — 3o und mehr) circa 6 — 9 Cm.
breiter Streifen von Pandanus-Rl&ii (80 — 90 Cm. lang), die, aufeinander gelegt und an
den Enden mit Bindfaden zusammengebunden, einen dicken Wulst bilden. (Vgl. die gute
Abbildung in der oben citirten Abhandlung, Fig. 7.) Früher wurden diese Gürtel lu-
weilen mit hellen und dunklen Panda nus-Sxreifen in kunstvollem Muster umflochten
(s. Hernsheim: >Be)träge>, Abbild. S. 87), wovon ich aber kein Exemplar mehr erhielt
Der Gürtel (Kangr) dient dazu, um den Faserrock (Ihn) festzuhalten, wie dies die
beigegebene Skizze (Textfig. 25) illustrirt: a Kangr, b Ihn, dessen beide Faserbündel
durch das Band c verbunden sind. Dieses Band wird
^— ^ zwischen den Beinen durchgezogen, sodass der Gür-
tel das eine Bündel des Ihn vorne, das andere hinten
festhält. Indem man nun die Fasern sorgsam aus-
breitet, bilden dieselben einen fast rings um den
Leib schliessenden Rock, der bis oder über das Knie
reicht, weit absieht und daher ganz luftig ist. (Ab-
bildungen von Marshallanern mit dem »Ihm beklei-
det s. Choris: PI. I und VllI; Journ. M. G., Heft 1,
Taf. 6, Fig. 4; Hernsheim: > Südsee- Erinnerungen',
Taf. 9 [Lagadschtmi]; Finsch: 'Gartenlaube«, 1881,
. . ^ - S. 701 ; eine Schleppe, wie sie der Mann am Ruder
Bekleidung für Männer. ,,,... ., . r. . ™
Dschalul auf dem Bilde von Kotzebue, S. 80, trägt, ist Phan-
tasie.)
Nach den Mitiheilungea von Teiens und Kubary (Journ. M. G., Heft 11, 187}) wQrde die Tracbl
der Männer auf Yap nur eine Wiederholung tener der Marshallaner sein. Wie {5. 16) beschrieben und
(Taf. IV, Fig. 1) abgebildet, besteht dieselbe aus dem »LiN, zwei langen Faserbüscheln aus dem Bssl
einer Malvacee, die ganz dem Ihn enli'prechcn und in derselben Weise befestigt werden, nur dass
statt des iKangn ein GQriel aus einem zusammengerailelen gewebten Zeugsireifen benutzt wird.
Sonderbarer Weise gedenkt der Kat. M. G. des •Lit* nicht.
Unter dem >Ibn< wird häutig noch um den Leib als besonderer Schmuck ge-
tragen der:
Irik (Nr. 209, i Stück), GUrtetschnur. Arno. Dieselbe besteht aus einer dünnen
Schnur aus Cocosnussfaser, welche mit sehr schmalen (nur 2 Mm. breiten) Sireifchen
aus Pan(/(i««s-Blatt und kaum so breiten Streifchen aus schwarzgefärbtem Hibtscus-
Bast in der Weise äusserst kunstvoll umflochten ist, dass ein abwechselnd weisses und
schwarzes zierliches Muster entsteht. (Das Muster von Nr. 209 stimmt vollkommen
überein mit der oben citirten Taf. 6, Fig. 6 im Journ. M. G.) Die ganze Dicke der
Schnur beträgt nur 5 Mm., die Länge derselben Über 23 M. Dieses Stück ist daher ein
besonders schönes und theures, da sich der Werth eines Irik nach der Länge richtet
Häuptlinge tragen daher zuweilen einen Irik von 60—70 M. Länge, den umzuwickeln
allein ein Stück Arbeit ist. Der längste Irik, welchen ich erhielt, mass 57 M.
Die Muster der Iriks sind übrigens sehr verschieden und zuweilen weit geschmack-
voller als an dem vorliegenden Stück (s. Hernsheim: »Marshall- Ins. c, Abbild. S. 87 und
Edge-Partington, Taf. 177, Fig. 3).
[^25] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 169
Iriks werden übrigens nicht ausschliessend von Männern, sondern auch von
Frauen getragen und gehören zum Ausputz einer Häuptlingsfrau.
Bei besonders festlichen Gelegenheiten binden Häuptlinge vorne über den Faser-
rock noch eine feine Matte (s. Choris, PI. I, und Hernsheim, 1. c, S. 77 und Taf. 9
>Kabua«) oder ein buntes Taschentuch. »König« Kabua von Dschalut im Feldherrn-
costüm hatte über den Ihn ein aus kleinen viereckigen Flicken zusammengenähtes
Stück Zeug befestigt (s. Finsch: »Gartenlaube«, 1881, S. 701).
Während der Faserrock mehr von Männern getragen wird, bekleiden sich junge
Burschen und Knaben vorzugsweise mit einer Matte (wie Nr. 204), die zwischen den
Beinen durchgezogen und mittelst eines Strickes um die Hüften festgebunden, also in
ganz anderer Weise getragen wird, wie die Bekleidungsmatten der Gilbert-Insulaner
(S. 72 [340]). Knaben in den ersten Lebensjahren gehen unbekleidet, kleine Mädchen
werden dagegen schon sehr früh mit einem Stück Matte bekleidet, wie solche Matten
(»Nihr«) überhaupt die einzige Bekleidung des weiblichen Geschlechtes bilden. Kleinere
Mädchen befestigen eine solche Matte mittelst eines Leibstrickes um die Hüften; grös-
sere Mädchen und Frauen deren zwei. Diese beiden Matten, von denen meist die
hintere seitlich schürzenartig über die vordere schlägt (zuweilen auch umgekehrt), bil-
den eine Art engen, bis auf die Füsse reichenden Rock, der sehr decent kleidet, da
nur der Oberkörper frei bleibt. Wohlhabende wickeln über die Matten noch eine
lange Irik-Schnur, was sehr hübsch aussieht. (Abbild, mit Matten bekleideter Frauen:
Choris, PL V und IX [unrichtig durch falsche Colorirung], Kotzebue, S. 60, und Herns-
heim, L c. S. 83.)
Nihr (E-irr oder Nerir, Nr. 204, i Stück), Bekleidungsmatte für Frauen; feines
Geflecht aus Pandanus-Elaity mit braunem und schwarzem Muster aus Adaatbast (circa
86 Cm. breit und 90 Cm. lang). Dschalut.
Beiläufig bemerkt, gibt Chamisso sonderbarer Weise das Wort »Thibidja« für
diese Matten an, dagegen »Nir« für Zahn; letzterer heisst aber »Ngi«.
Nihr (Taf. IV [21], Fig. 3), wie vorher; besonders schönes Randmuster einer
solchen Matte von Dschalut.
Ein anderes geschmackvolles Muster zeigt das folgende Stück :
Kante eines feinen Mattengeflechts (Nr. 199, i Stück, Taf. IV [21], Fig. 4); die
hellen Streifen bilden das eigentliche Geflecht aus schmalen Streifen von Pandanus-
Blatt, die schwarzen und braunen Streifen sind aus Adaatbast und aufgenäht; der brei-
tere braune Längsstreif (a) zeigt den Bindfaden (örr), mit welchem derselbe aufgenäht
ist. Dschalut. Der Kantenstreif ist 25 Cm. breit, davon das schwarze Muster (b) 18 Cm.
Ein hübsches Muster derartigen Mattengeflechts zeigt der Korb von Milli (Edge-
Partington, Taf. 177, Fig. 8). Abbildungen ganzer Matten im Journ. M. G., Heft I, Taf. 6,
^^S* 9\ Hernsheim: »Südsee-Erinnerungen«, S. 91, und »Marshall-Inseln«, S. 71.
Die sehr mannigfachen, meist in Grecmanier gehaltenen Randmuster sind zuweilen
wahre Typen geschmackvoller Composition und gehören nicht nur zu den besten
Kunstleistungen der Marshall-Inseln, sondern der Südsee überhaupt. Technisch sind
diese braunen und schwarzen Muster deshalb interessant, weil sie nicht eingeflochten,
sondern aufgenäht (gestickt) werden. Im British-Museum sah ich geflochtene Panda-
nu5-Matten, mit aufgenähten schwarzem Muster, mit der Angabe »Chain-Isi.« (= Anaa
der Paumotu-Gruppe), die fast ganz mit denen der Marshalls übereinstimmten. Die
Manier Muster aufzunähen ist auch auf Uleai und Kuschai bekannt. Die im Kat. M. G.,
S. 275, Nr. 91 — 97, aufgeführten Matten, aus einer »Grasart (?)« geflochten und mit
i3*
ijo Dr. O. Finsch. [426]
blauer und rother Wolle verziert, sind nicht von den Marshalls, sondern von U£a
(Wallis-Isl.).
Wie überall, so ist auch auf den Marshalls die Mattenfabrication lediglich in den
Händen der Frauen, die damals auf Dschalut noch Vorzügliches in diesem Gewerbe
leisteten.
Kopfbedeckung kannten die Marshallaner nicht, machten sich dieselbe an den
Missionsplätzen aber bald zu eigen, indem sie die Geschicklichkeit im Flechten von
Matten auf einen neuen Industriezweig, der Verfertigung von Hüten nach dem Muster
europäischer Strohhüte, übertrugen.
Ballinbaran (Nr. 266, i Stück), Hut, feine Flechtarbeit aus Fvlsqt des Pandanus-
Blattes. Dschalut. Solche Hüte, in Fa^on und Aussehen ganz Panamahüten ähnelnd,
werden namentlich auf Dschalut in vorzüglicher Feinheit angefertigt und sowohl von
Eingeborenen getragen, als auch an Fremde verhandelt. Gute Hüte kosteten 8 — zoMark
das Stück. Die Fabrication ist lediglich in Händen der Frauen.
B. Putz und Zierarten.
Da die meisten der hierher gehörigen Arbeiten bereits der Vergangenheit an-
gehören, zum Theil verloren gegangen sind, so lässt sich kein klares Bild mehr ent-
werfen. Wie es scheint war auch früher kein besonderer Reichthum an Schmuck-
gegenständen vorhanden, was sich auch dadurch erklärt, dass die Anfertigung der
eigenartigen und besonders sorgfältig gearbeiteten Bekleidungsstücke viel Mühe und Zeit
beansprucht, so dass für Schmuck wenig übrig bleibt. Kopf binden und Halsketten aus
Muscheln, darunter besonders solche aus 5j7o;i^/K5-Sch eibchen, bilden die hauptsäch-
lichsten Stücke von Marshall-Schmuck. Die Aufmachung solcher Schmucksachen erhält
dadurch ein charakteristisches Gepräge, dass die Schnüre meist in zierlichem weissen
und schwarzen Muster zusammengeflochten sind.
a) Material.
So weit sich nach den noch vorhandenen Arbeiten urtheilen lässt, ist und war
dasselbe nicht sehr mannigfaltig. Menschenhaar, Menschenzähne und Perlmutter wur-
den nicht benutzt; Spermwalzahn nur in beschränkter Weise (zum Theil zu sehr kunst-
voll gearbeiteten Anhängseln für Halsbänder) ; dagegen kleine Conchylien, Conus, Del-
phinzähne und etwas Schildpatt ; Federn nur zu Tanzschmuck. Gegenwärtig beschränken
sich die zu Schmuck verwendeten Naturproducte, ausser Blättern und Blumen, auf einige
Arten Conchylien (besonders Natica und Columbella)y darunter vorzugsweise Spon-
dylus. Aus letzterem Conchyl wurden die runden, in der Mitte durchbohrten Scheib-
chen »Aaht« (Taf. VIII [25], Fig. la) verfertigt, die noch heute in hohem Werth
stehen und früher wohl das Eingeborenengeld bildeten. Wenn darüber auch kein
sicherer Nachweis vorliegt, so darf dies, im Vergleich mit anderen Verhältnissen, wie
sie noch heute auf den Carolinen (z. B. Ruk) bestehen, ruhig angenommen werden.
Die wenigen, meist unvollkommenen Stücke roher Muscheln, welche ich als Mate-
rial zu »Aaht« mit grosser Mühe erlangte, gehörten zu einer Art Spondylus, die sich
nicht mehr mit Sicherheit bestimmen lässt. Eine ziemlich gut erhaltene untere Schale
aus der Lagune von Madschuru wurde dagegen durch Güte von Prof. v. Martens (Ber-
lin) als Chama pacifica Brod. festgestellt, eine Art, die in Sammlungen bei uns selten
zu sein scheint. Die ziemlich dicke Schale dieses übrigens nicht grossen Exemplars
(70 Mm. lang, 45 Mm. breit) zeigt auf der äusseren Hälfte der Innenseite und am Rand-
saume jene helle, ins Orangerothe oder Mennige ziehende Färbung, wie sie für Muschel-
[^27] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. lyi
•
scheibchen von den Marshall-Inseln charakteristisch ist und sich in ganz gleicher Weise
auf den Carolinen (vgl. Taf. VIII [25], Fig. 2 — 5) wiederfindet. Uebrigens sind schon
an diesem Exemplar Abstufungen in der rothen Färbung bemerkbar, wie c(ieselben fast
an jedem einzelnen Muschelscheibchen hervortreten, die meist heller gefärbte Stellen,
zuweilen fast weisse Streifen aufweisen. Wenn, nach der Färbung zu schliessen, auch
Chama pacifica wohl am häufigsten benutzt wurde, so ist es doch unmöglich, Scheib-
chen aus Chama und Spondylus zu unterscheiden, da die Färbung beider häufig ganz
übereinstimmt, und man wird in ethnologischen Beschreibungen sich mit der Bezeich-
nung ^SpondyluS'SzhQ,\hchtVL€ begnügen müssen.
Beide Arten Conchylien leben übrigens festgewachsen in bedeutenden Tiefen,'
sind also nur mit grosser Mühe mittelst Tauchen zu erlangen und deshalb schon an
und für sich werthvoll. Wenn man nun ferner in Betracht zieht, dass nicht die ganze
Muschelschale, sondern nur gewisse Theile derselben brauchbar sind, so erhöht sich der
Werth des Materials ganz erheblich.
Wie ich von einem lange Jahre auf Namurik ansässigen weissen Händler erfuhr,
wäre das Material zu den »Aaht-Scheibchen« eine »solide rothe Koralle«, die in Platten
gespalten und dann geschliffen wird. Aber diese Angabe ist durchaus irrthümlich, und
ich führe sie nur an, um zu zeigen, wie leicht Irrthümer vorkommen, die dann meist
schwer wieder auszurotten sind.
Auf Dschalut wurden keine Aaht-Scheibchen gemacht, und man soll hier über-
haupt diese Kunst nicht verstanden, sondern die fertigen Scheibchen von Namurik und
Madschuru bezogen haben, wahrscheinlich weil die Muschel in der Dschalut-Lagune
nicht vorkommt.
Ich selbst sah daher keine Muschelscheibchen anfertigen und konnte nur das Fol-
gende erfahren. Die Muschel wird zerschlagen und dann die passend gefärbten Stücke
zu kleineren Stückchen zurechtgeklopft, die man auf einem besonderen Korallstein
(»Buge«) eben und rund schleift. Zum Durchbohren bediente man sich früher eines
Drillbohrers (S. 155 [411]) mit dem Zahne einer besonderen Haifischart (»Dschebegät«
genannt), jetzt allgemein Eisen, am liebsten einer Segelnadel.
Bei der ungeheuren Mühe, welche, mit den früheren so primitiven Werkzeugen,
die Anfertigung nur eines »Aaht-Scheibchens« verursachte, lässt sich der Werth eines
ganzen Halsschmuckes, zu dem oft 200 solcher Scheibchen gehören, am besten er-
messen. Ausser runden Scheibchen schliff man früher auch, als Anhängsel an Hals-
ketten, pyramidenförmige Plättchen (ähnlich Taf. VIII [25], Fig. 15), die sich durch viel
sauberere Arbeit von solchen der Gilbert-Insulaner unterscheiden. Aehnlich geformte
Stückchen Schildpatt dienten dem gleichen Zwecke. Scheibchen aus weisser Muschel
wurden früher auf den Marshalls ebenfalls gemacht, ebenso Scheibchen aus Cocosnuss-
schale (wie dies schon Chamisso erwähnt), also ganz dem »Tekaroro« der Gilbert- Inseln
entsprechend, aber es wurden davon wohl nie so lange Schnüre hergestellt als dort,
und dieses Material fand nur gelegentlich, in Verbindung mit »Aaht-Scheibchen« Ver-
wendung.
Die wenigen Arbeiten aus Spermwalzahn haben einen ganz anderen Charakter als
solche der Gilbert-Inseln (S. 74 [342]) und zählen zu den kunstvollsten und mühsam-
sten Erzeugnissen der Schmuckindustrie der Eingeborenen (Taf. VIII [25], Fig. 21 a),
gehören aber sämmtlich längstvergangenen Zeiten an.
b) Hautverzierung.
Brandmale und Ziernarben finden bei den Bewohnern der Marshall-Inseln keine
Anwendung, aber Tätowiren war 1879 noch gebräuchlich, wenn auch bereits stark in
lya ^^' O- FiMch. [428]
der Abnahme begriffen. Wie die Gilbert-Insulaner, so besitzen auch die Marshallaner eine
eigenthümliche Tätowirung, und zwar für jedes Geschlecht ein besonderes Muster, das
sich über alle Inseln des Archipels verbreitet. Diese Tätowirung ist eine durchaus spon-
tane, die sich durch sehr bestimmte charakteristische Merkmale von der auf den Gilberts
und Carolinen gebräuchlichen unterscheidet. Diese charakteristischen Kennzeichen der
Marshall -Tätowirung lassen sich kurz in Folgendem zusammenfassen: Bei Männern
sind vorzugsweise Brust und Rücken, bei Frauen die Arme tätowirt; ausserdem besitzen
Frauen besondere Zeichen quer über die Schulterhöhe. Das Muster besteht im Wesent-
lichen aus kurzen Strichelchen, die in Form und Anordnung als typisch gelten müssen.
Diese Strich eichen stehen sehr dicht an einander und bilden Linien, die meist wagrecht,
seltener longitudinal oder schief und noch seltener im Zickzack verlaufen. Wenn Cha-
misso einige Male das Zeichen des römischen Kreuzes bemerkte, so war dies rein zufallig.
Bei Männern ist der Rücken von der Schulter an bis zur Hüfte herab mit dichtstehendeo
Querlinien aus Strichelchen bedeckt, die auf den oberen Theilen des Rückens (Schultern)
schiefe Linien bilden ; die Brust von den Schlüsselbeinen bis zur Brustmitte ist wie mit
einem latzartigen Dreieck bekleidet, das von einem breiten Bande aus wagrechten
Querlinien begrenzt wird, ebensolche bedecken die Mitte des Bauches, während die
Seiten Längs- oder Zickzacklinien tragen. Ein vollständig tätowirter Mann sieht aus,
als wie mit einem Panzerhemd bekleidet, wie schon Kotzebue treffend hervorhebt. Mit
Ausnahme der einigermassen richtigen Darstellung auf PI. VIII sind Choris' Abbildungen
von Marshall- Tat owirungen aus der Reihe des Vergleichungsmaterials zu streichen, da
sie ganz unrichtige Vorstellungen geben und die irrige Ansicht erwecken, als stimmten
die Muster der Tätowirung und der Matten überein. Eine Vergleichung der Bilder von
»Larikc (Choris, PL I) und »Rarik« (Kotzebue, S. 168), die ein und dieselbe Person
darstellen sollen, zeigt, dass diese total verschiedenen Tätowirungen reine Phantasien
sind. Anschauliche und correcte Skizzen von Marshall -Tätowirungen gibt Hernsheim
(»Marshall-Inselnc, S. 91: Vorderseite und S. gS: Rückseite; reproducirt: »Südsee-
Erinnerungen c, S. 78), und zwar von einem besonders reich tätowirten Manne. Derselbe
zeigt nicht nur auf dem Halse Querstriche, sondern auch auf jedem Oberarme drei
Parallelquerlinien. Ausnahmsweise ist bei Männern der Arm mit Längs- und Quer-
linien gezeichnet (wie Hernsheim: »Südsee-Erinnerungen«, Taf. 9, Kabua), ebenso der
obere Theil des Oberschenkels und sogar der obere Theil des Gesässes (wie Hernsheim's
Skizze S. gS); aber dies zählt zu den seltenen Ausnahmen. Gewöhnlich haben Männer
keine andere Tätowirung auf den Beinen, als höchstens einige Zickzackquerlinien auf
dem Oberschenkel oder ein paar Querstriche auf der AVade. Die Abbildungen von
Kubary (in Joest: »Tätowiren«, S. 95) sind nicht sehr gelungen, namentlich ist die
Rückenansicht im Detail verfehlt, welche durch die schiefen Querlinien mehr Gilbert-
Charakter erhalten hat.
Das weibliche Geschlecht tätowirt vorzugsweise die Arme, und zwar oben (von
der Schulter an) und unten (oberhalb dem Handgelenk) mit dichtstehenden, aus den
erwähnten kurzen Strichelchen gebildeten Querlinien, auf dem übrigen Arme Längs-
linien, die meist rings um den ganzen Arm laufen. Diese Armtätowirung weicht ganz
ab von der auf Ponap^ und Pelau üblichen und ist eben so eigenthümlich, als die Tä-
towirung der Schulterhöhe, welche in dieser Weise nirgends vorkommt. Choris' im
Uebrigen ganz verfehlte Darstellung der Tätowirung von Marsh allanerinnen (PI. V und
IX) zeigt wenigstens diese charakteristischen Muster ziemlich richtig, ebenso Kotzebue
(S. 60); aber die einzig correcten Vorlagen gibt wiederum Hernsheim (»Marshall«, S. 91
und Südsee, S. 78), nur treten die Muster nie so scharf hervor als auf diesen Skizzen.
[j^q] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. iy3
Die vollständige Tätowirung einer Marshallanerin kleidet wie dichte Tricotärmel nebst
einer Art Schulterumhang. Tätowirung der ganzen Hand nebst Fingern (Choris, PL IX),
wie Kubary angibt, habe ich nie gesehen, sondern nur schmale Querlinien auf der Hand.
Dagegen beobachtete ich einige Male Tätowirungen auf den Beinen, welche nach Kubary
bei Frauen niemals vorkommen soll. Diese Beintätowirung besteht aber nur in ein
paar Querstrichen oder Zickzacklinien auf dem Oberschenkel, weit seltener in ein paar
gleichen Zeichen auf der Aussenseite der Wade. Ich sah auch junge Mädchen mit keiner
anderen Tätowirung als ein paar Querstrichen auf den Schenkeln.
Die Tätowirung der Marshallaner ist keineswegs »über die Haut erhaben«, wie
Chamisso angibt, sondern sieht nur erhaben aus. Ausser einzelnen Stellen, welche
schlechter abheilten, sind die Zeichen nicht einmal fühlbar, wie dies fast als Regel gilt.
Ueberhaupt zeigt Tätowirung meist etwas Verschwommenes und wird bei Personen
mit Schuppenkrankheit, sowie in vorgerückten Jahren durch Einschrumpfen der Haut
sehr undeutlich.
Charakteristische Züge für die Tätowirung der Marshallaner sind noch, dass die-
selbe weit häufiger vom männlichen als vom weiblichen Geschlecht angewendet wird,
und dass sie besondere Zeichen besitzt, welche nur Häuptlinge gebrauchen dürfen, wie
dies sonst nirgends in Mikronesien vorkommt Diese Abzeichen der grossen Häupt-
linge (»Irodsch«) bestehen aber nur aus 4 — 6 Längslinien über das Gesicht, von den
Schläfen bis zum Unterkiefer, das ist Alles, und Chamisso irrt, wenn er meint, dass nur
Häuptlinge »die Lenden, den Hals oder die Arme, der gemeine Mann diese Theile aber
nicht tätowiren dürfe«. Mit Ausnahme der Backenstriche ist es jedem erlaubt, sich so
reich tätowiren zu lassen, als er will oder bezahlen kann, und wie überall gehören solche
Individuen, welche vollständig tätowirt sind, zu den Ausnahmen, selbst unter den Häupt-
lingen. Viele begnügen sich nur mit einem Theile der Tätowirung, und vielleicht die
Hälfte aller erwachsenen Eingeborenen ist überhaupt nicht tätowirt, wie dies für Kinder
gilt. Kotzebue erwähnt bereits, dass auf Udirik und Taka gar nicht tätowirt wurde. Ich
lernte hohe Chiefsfrauen kennen, die gar nicht tätowirt waren, und sah junge Burschen,
die kaum Flaum auf der Oberlippe besassen, mit vollständiger Tätowirung auf Brust
und Rücken. Kabua, von geringer Herkunft, war längst vollständig tätowirt, ehe er in
Folge seiner Verheiratung (S. 128 [384]) die Backenstriche der Häuptlingswürde erhielt.
Seine Tätowirung, von einem gewöhnlichen Manne ausgeführt, hatte »eling wonenc
d. h. viel Werth (Cocosnüsse, Matten etc.) gekostet, wieviel wusste er aber nicht mehr
anzugeben. Seinen Sohn Lailing (damals — 1879 — ein Knabe von circa 12 Jahren)
wird Kabua selbst tätowiren ; Lamoro, ein Jüngling von circa 20 Jahren und Thronfolger
von Ebon, besass diese Auszeichnung des Häuptlings noch nicht, war im Uebrigen von
Kabua, damals noch nicht Häuptling, tätowirt worden.
Wie die Tätowirung an kein bestimmtes Alter gebunden ist, das der Eingeborene
ja ohnehin nicht kennt, so auch die Dauer der Operation selbst an keine bestimmte Zeit.
Wenn daher zwei bis drei Monate als erforderlich angegeben werden, so darf dies nicht
als feste Regel gelten, denn die Dauer der Operation richtet sich ja ganz nach dem
Wunsche und der Widerstandsfähigkeit des Individuums. Ein junger Mann, der auf
Brust und Rücken ringsum bis zum Halse herauf panzerhemdartige Tätowirung zeigte,
war in 14 Tagen tätowirt worden, und zwar, um Ausgaben zu ersparen, von seiner
Mutter. Die Operation würde auch in acht Tagen fertig gebracht worden sein, wäre
die Entzündung nicht eine so heftige gewesen; denn selbstredend sind auch diese Nach-
wirkungen individuell sehr verschieden und können zuweilen recht bösartig werden, ja
unter Umständen zum Tode führen. Die Eingeborenen, welche sich weigerten Chamisso
ij^ Dr. O. Finsch. [43o]
ZU tätowiren, wussten dies und wollten keine Verantwortung auf sich laden. Deswegen
verschleppten sie stets die Ausführung des Versprechens, aber religiöse Bedenken oder
dergleichen waren keineswegs die Ursache. Kabua bot mir wiederholt an mich sogar
gratis tätowiren zu lassen, aber ich dankte für eine Auszeichnung, nach welcher Cha-
misso so sehr verlangte und die ihm später gewiss leid geworden sein würde.
Kabua, ein Mann im Alter von damals vielleicht 40 Jahren, der sich der Zeit sehr
wohl noch erinnerte, wo die Eingeborenen unmolestirt von Civilisation und Christen-
thum ein zufriedeneres Dasein führten, wusste von besonderen Ceremonien, Opfern, gött-
lichen Zeichen, welche bei derTätowirung stattfanden, nichts zu berichten. Nach seinen
Mittheilungen durften sich Tätowirte nicht eher öffentlich zeigen, »ehe nicht Alles fertig«,
d. h. der so sehr verunzierende Schorf abgetrocknet war. Auch glaubten die Leute, dass
Tätowiren »stärkt«, womit wohl der Beweis des persönlichen Muthes im Ertragen der
Operation gemeint sein soll. Im Uebrigen fanden allerdings in früheren Zeiten Festlich-
keiten bei Gelegenheit von Tätowirung statt, aber es waren die gewöhnlichen pantomi-
mischen Gesangsaufführungen mit Trommelbegleitung der Weiber (S. i33 [BSg]), wenn
möglich mit Esserei verbunden. Jetzt hatte dies aufgehört und Tätowirung bedeutend
an Ansehen verloren, sehr zum Bedauern der Häuptlinge und Weissager, die früher
damit viel herauszuschlagen wussten, wie sie dies noch jetzt gern thun würden. Aber
eine »religiöse Bedeutung« hatte Tätowirung auch damals nicht, und es wäre Zeit, mit
den Anschauungen Chamisso's zu brechen und dieselben nicht immer aufs Neue in der
Literatur weiter zu schleppen. Chamisso spricht ja eben nicht aus eigener Erfahrung,
sondern nur aus dem Munde Kadus, den er gewiss oft recht missverstand.
Tätowir-Geräthschaften. Schon 1879 war es nicht so leicht, dieselben zu erlan-
gen, wie ich sie im Nachstehenden beschreibe. Sie stimmen im Wesentlichen mit den
auf den Carolinen gebräuchlichen überein, sind aber roher gearbeitet. *
Ngnie (Nie = Zahn; Nr. 571, i Stück), Tätowirinstrument. Dasselbe besteht aus
einem circa 26 Cm. langen runden Stäbchen (Abschnitt eines markhaltigen Zweiges),
in dessen oberes Ende ein circa 40 Mm. langes und circa 7 Mm. breites, flaches Knochen-
stück rechtwinkelig eingelassen ist, das in 3 — 5 feine Kerbzähne endet. Der Knochen
ist von einem Vogel (Fregattvogel oder Femur vom Haushuhn). Hiezu:
Dschib (Nr. 572, i Stück), Klopfer zum Einschlagen der Zähne des Kammes, aus
einem einfachen, circa 25 Cm. langen, etwas abgeplatteten Stöckchen aus Hartholz
bestehend.
Die Manipulation des Tätowirens (»Ao« genannt) wird in derselben Weise aus-
geführt, wie dieselbe vorne (S. 79 [347]) beschrieben wurde. Sowohl Männer als Frauen
verstehen zu tätowiren, doch wird die Fertigkeit nicht professionell betrieben, und
Frauen tätowiren erforderlichen Falls auch Männer.
Um die feinen Kerbe in den Knochen einzuritzen, bediente man sich früher einer
Art Feile, aus dem flach zugeschliffenen griffelartigen Stift von einfem Seeigel (Acrocladia
trigonaria) verfertigt. Zum Aufzeichnen des Musters auf die Haut wird ein Stück des
fahnenlosen Schaftes von der mittelsten Schwungfeder des Tropikvogel (»Aak«, Phaäton)
benützt, die zum festeren Halt in dem Kiele (Spule) einer Schwungfeder des Fregatt-
vogels (»Dschi-ik«, »Tschik«, Tachypetes aquila) steckt. Die schwarze Farbe (»Mom-
mudd«) wird aus Russ von verbrannter Hülle der Cocosnuss bereitet; als Farbennapf
dient der Abschnitt einer Cocosnussschale. Ein weiteres beim Tätowiren verwendetes
Utensil ist eine Art Pinsel aus Pflanzenfaser, um während der Heilung die tätowirten
Stellen zu fächeln, dasselbe heisst »Kadschala«.
r^3l] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ly^
Beinaleil ist auf den Marshalls, welche keine Gelbwurz produciren, nicht Sitte,
dagegen liebt man es, sich mit Oel (»Binibc, das aus der Cocosnuss gepresst wird) ein-
zureiben, wodurch auch die Tätowirung schärfer hervortritt. Dies Einölen (»kabitc)
ist die einzige Hautpflege, wird aber nicht als solche und etwa täglich, sondern nur bei
festlichen Gelegenheiten, namentlich Tanz Vorstellungen angewendet.
c) Frisuren und Haarputz.
Der christliche Einfluss der Mission hat auch die ursprüngliche Haartracht der
Eingeborenen umgewandelt und das lange Haar als unchristlich verboten. An Mis-
sionsplärzen wie Dschalut und Ebon tragen daher Männer das Haar meist nach europäi-
scher Weise abgeschnitten, Mädchen und Frauen lassen es bis etwa zu den Schultern
wachsen, scheiteln dasselbe, flechten aber keine Zöpfe (vgl. »Anthrop. Ergebnissec,
Taf. II, Fig. I — 4). Da, wo die Mission nicht hindrang, also auf allen nördlichen Inseln
und Ratak, herrscht noch die alte Sitte und die eigenthümliche kleidsame Frisur, wie
sie Choris correct darstellt. Frauen lassen das lange Haar über den Nacken herunter-
fallen oder knüpfen es im Nacken in einen Knoten, der mit einer langen Nadel be-
festigt wird.
Direb (Nr. 3oo a, i Stück), Haarnadel, 19 Cm. lang, aus dem schlanken (nur
SMm. dicken) Flügelknochen (Ulna) des Fregattvogels (Tachypetes) gefertigt. Dschalut.
Männer tragen ebenso langes Haar als Frauen, das straff nach dem Wirbel zu
aufgebunden und hier in einen Knoten geschlungen wird (vgl. Hernsheim: Beitrag etc.,
Abbild. S. 85, und Finsch: »Gartenlaube«, 1866, S. 38).
Putzkämme wie in Melanesien und auf Ruk (vgl. Taf. VI [23], Fig. 5) kennt man
nicht, aber früher bediente man sich eines eigenthümlichen Toilettengeräthes, wie die
folgende Nummer.
kirebag (Nr. 281, i Stück), Haarbürste, bestehend aus einem 80 Mm. langen,
60 Mm. breiten und circa 15 Mm. dicken Stück Faserhülle der Cocosnuss (»Husk«),
welches gleich einer Bürste zum Zurück- und Glattbürsten des Haares benutzt wurde.
Dschalut.
Ich erhielt auf Dschalut auch einen Theil eines Fischgebisses, wie man solche
früher als Kamm benützt haben soll. Zu meiner Zeit hatten sich aber bereits europäische
Hornkämme Eingang verschafft, und runde Einsteckkämme (auch von Celluloid), zum
Zurückhalten des Haares waren bei Frauen sehr beliebt.
Auf den Bart wird keine besondere Sorgfalt verwendet. Der Bartwuchs ist übrigens
gut entwickelt, und man findet starke Vollbarte; doch pflegen junge Leute häufig das
Barthaar auszureissen.
Zur Haarpflege gehört auch Einölen mit Cocosnussöl, das an Plätzen mit einer
Handelsstation durch europäische Haaröle ersetzt wird, die in kleinen Fläschchen hier
wie anderwärts in der Südsee schon damals ein Tauschartikel waren. Die Eingeborenen
lieben nämlich Parfüms sehr und bedienen sich als solcher für gewöhnlich der wohl-
riechenden Blüthen von Pandanus^) und eines lilienartigen Gewächses (nach Chamisso
eine Sida- und Cridum-hn). Früher, das heisst noch vor etwa 3o Jahren, waren noch
zwei andere Parfüms hochgeschätzt, von denen es mir auf Dschalut noch gelang Proben
zu erhalten:
I) Das8 der Wohlgeruch von Pandanus den Seefahrern zuweilen die Nihe der Inseln zu er-
kennen gibt, ehe dieselben noch zu sehen sind, ist natOrlich eine jener Uebertreibungen, die ohne
Verstftndniss stets wiederholt werden.
176 Dr. O. Finsch. [432]
Geörr, eine Art Harz») oder Erdpech (übrigens kein Ambra), das sehr selten an-
treibt und das nur von Häuptlingen benutzt werden durfte, und
Alk, eine Art Treibholz, das als sehr kostbar galt und geschabt in die Matten gelegt
wurde, um diese zu parfurairen.
Die Proben befinden sich im Berliner Museum, sind aber ununtersucht geblieben.
d) Kopfpub.
Blumen, nach Chamisso hauptsächlich von Guettardia speciosa und Volcameria
inermis, einzeln oder zu Kränzen vereint, bilden noch heute einen Hauptschmuck beider
Geschlechter, der namentlich bei den Tanzvorstellungen nicht fehlen darf. FrQher trug
man aber bei solchen Gelegenheiten förmliche Diademe oder Kronen aus Pflanzenmark,
wohlriechenden Blumen und Farn blättern, wie sie Choris (PI. I und V) und Kotzebue
(S. 60) darstellen, die im Verein mit Kopfbinden aus Muscheln gewiss sehr hübsch ge-
kleidet haben mögen. Aber Kotzebue schmeichelt den Marshallanerinnen doch etwas
zu sehr, wenn er meint, dass sie auf einem Balle mit ihrem Kopfputze Alles verdunkeln
würden.
Federputz kommt kaum in Betracht. Hahnenfedern habe ich nie verwendet ge-
sehen, aber Kotzebue erwähnt, dass Hühner nur der Federn wegen gehalten wurden,
gedenkt aber keines Putzes aus solchen (aber Wilkes, V, S. 279, von Penrhyn). Am
werthvollsten und höchsten geschätzt waren die rothen mittelsten Schwanzfedern des
>Aak«, Tropikvogel (Phaeton rubricauda) und die weissen von Phaäton aethereus,
sowie künstlich zerschlissene schwarze Federn des »Tschik«, Fregattvogels^) (Tachy-
petes aquila). Sie werden einzeln oder büschelweise ins Haar gesteckt, wie ich dies
selbst noch einige Male sah, sind aber lediglich Tanzschmuck oder Aufputz des Kriegers
(s. Finsch: »Gartenlaubec, 1881, S. 701). Schwanzfedern vom Tropikvogel waren auch
auf der Ellice-Gruppe (Fakaafo: Wilkes) beliebt.
Zum Festschmuck der pantomimischen Aufführungen oder Tänze gehörte auch
Kopfschmuck wie die folgenden Nummern:
Kopfbinde (Nr. 428, i Stück; Taf. V [22], Fig. 2-d, Unterseite); auf zwei schmale
Streifen Pandanus-hlvXiy circa 56 Cm. lang, ist mittelst fein gespaltener Pandanus-F Rser
eine Reihe kleiner (durchbohrter) weisser Muscheln, 43 Stück {Natica candidissima
Guillon, nach v. Martens) geflochten. Dschalut.
Choris bildet (PI. III, untere Figur) eine Kopfbinde aus dieser Art Muschel kennt-
lich ab.
Diese Binden werden unmittelbar am Anfang des glatt zurückgestrichenen Haares
befestigt, um das letztere zurückzuhalten, übrigens auch von Frauen getragen (s. Choris:
PL I und IX).
Kopfbinde (Nr. 464, i Stück; Taf. V [22], Fig. i-a, Unterseite), ähnlich dem vor-
hergehenden Stück (33 Cm., mit den Bindebändern 54 Cm. lang), aber aus zwei Reihen
sehr kleiner weisser Muscheln {Columbella versicolor Sow., nach v. Martens), je
I) Kubary erwähnt (in Joest »Tätowirenc, S. 86) von Nukuor ein Harz, »Setoi« genannt, »das
auf allen Carolinen von Osten antreibt und dessen Russ als Schwärze zum Tätowiren dientec.
3) Auf den Markesas trug man aus solchen Federn ganze Hute, wie sie das British Museum
besitzt, hier auch ähnlicher Kopfputz aus rothen Papageien- und P/i<i^/oyt-Federn von Anaa (Chain-
Isle) dtv Paumotu-Gruppe. Sehr phantastische Federhüte, mit vielen rothen Schwanzfedern des Tropik-
vogels, gehörten früher zum Hochzeitsschmuck des Erstgeborenen eines Häuptlings auf Mangaia,
Hervey-Gruppe, wenn derselbe als Bräutigam geschmückt zur Trauung über die Leiber der Unter-
thanen nach dem Hause seines Schwiegervaters schritt (s. Gill: »Life in the Southern-Isles«, Abbild.
S. 61). Reicher Federschmuck (darunter sogenannte Hüte) war auch auf der Oster-Insel sehr beliebt
(vgL Thomson: PI. LIV und LV).
[433]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
177
63 Stück, die auf zwei dickere, zusammengelegte Streifen von Pandanus-Blaxi (vgl.
Fig. I a) mittelst schmalen Streifen desselben Materials aufgeflochten sind. Dschalut.
Obwohl im Ganzen einfach genug zählte Schmuck, wie die vorhergehenden beiden
Stöcke doch bereits zu den Seltenheiten und wurde damals als werthvoll betrachtet.
Eine Kopfbinde wie Nr. 428 war würdig eines Königs und wurde in der That von
Kabua, dem ich sie abkaufte, bei Tanzvorstellungen getragen. Damals begnügte man
sich meist mit Imitationen, Zeugstreifen mit Glasperlen benäht, die für beide Geschlech-
ter als Kopfbinden beliebt waren, und jetzt dürften solche aus Muscheln wohl kaum
mehr zu haben sein.
Choris bildet (PI. III) solche Muschelschnüre ab, die ausser Natica lurida (zweite
Figur von unten) noch zwei andere Muschelarten QLitorina obesa Sow. oder 1 Engina)
kenntlich darstellen und sämmtlich einreihig sind. Hierher gehören auch die von Edge-
Partington (PI. 172, Fig. 8 — 11) von »Lord Mulgrave-Islec (= Milli) abgebildeten
Schmuckstücke. Dagegen sind die auf Taf. 175, Fig. 7 und 9 (Kopf binde und Hals-
band) aus Muscheln (wohl ebenfalls Columhella) jedenfalls von anderer Herkunft und
die Angabe »? Ellice- Groupc vielleicht richtig. Sie unterscheiden sich in der Auf-
machung sehr wesentlich dadurch, dass die Muscheln auf einen Reif geflochten sind,
der aber gewiss nicht, wie angegeben, aus »Bambuc besteht, da solches wohl schwerlich
auf diesen Koralleninseln vorkommt.
e) Ohrputz.
Eigentlichen Ohrschmuck gab es nicht mehr, aber im Sinne der Eingeborenen
muss die beträchtliche Ausweitung der Ohrläppchen als solcher betrachtet werden.
Dieselben sind zuweilen in wahrhaft monströser Weise dermassen ausgedehnt, dass sich
die Hautschlinge, zu welcher der Ohrlappen dann
deformirt wurde, über den Kopf ziehen lässt, wie
ich selbst wiederholt zu sehen Gelegenheit hatte.
Diese enorme Ausdehnung ist nur dadurch mög-
lich, dass der bis zum Aeussersten ausgespannte
Ohrlappen durch einen schmalen Streif Backen-
haut künstlich verlängert wird. Das gleich einer
dünnen Hautschlinge herabhängende Ohrläppchen
beginnt daher mit seiner unteren Basis auf der
Backe, wie dies die beigegebene Textfigur 26 zeigt,
von Leman (Lehmann) einen Eingeborenen, den
ich auf Milli zeichnete. Die Abbildung Kadu's
von Choris (PL XVII) und Chamisso (II, Titelbild)
ist für die Ausdehnung des Ohrlappens sehr typisch.
Für gewöhnlich wird die schlappe Ohrlappenhautschlinge meist in einen Knoten
geschlungen oder über die Ohrmuschel gehangen, bei festlichen Gelegenheiten aber
ausgespannt. Dies geschieht, indem man einen schmalen Streif frischen Pandanus-hlzXXts
(>Worrc) einlegt, welcher durch seine Elasticität die Hautschlinge gleich einem Reif
(oft von 60 — 70, ja 100 Mm. Durchmesser) ausdehnt, wie auf der beigegebenen Skizze
Fig. 26 a (s. auch Finsch: » Gartenlaube c, 1886, S. 38). Der innere Ring dieser Zeich-
nung ist der eingelegte Blattstreif, welcher früher, nach den Abbildungen von Choris
(PI. I, XIII) und Kotzebue (S. 60) zu urtheilen, viel breiter war. Zu jener Zeit trug man
auch breite Rollen von Schildpatt im Ohr, und Chamisso erwähnt, dass Einzelne auch
den Ohrrand durchbohrten (wie ich dies auf Njua fand), um Blumen einzustecken (vgl.
Choris, PI. I). Letztere, sowie frische Blätter werden von beiden Geschlechtern am häu-
Fig. 26.
Fig. 26 a.
Abnorm ausge-
dehnter Ohrlappen,
unausgespannt.
Durch Blattreif
ausgespannter
Ohrlappen.
178 Dr. O. Finsch. [^.3^.]
figsten zur Ausschmückung der Ohren benützt. Besonders beliebt sind die zarten, dabei
duftigen Blüthen eines lilienartigen Gewächses (Choris, PI. V und Hernsheim, »Beitrag
etc.c, S. 67, und 69 als »cactusartiges Knollengewächs«), Diese Pflanze, die Krone der
Atoll-Flora, welche auch auf den Gilberts, sowie auf Kuschai vorkommt, würde nach
Chamisso ein Cridum sein. Leider sind die von mir gesammelten Exemplare mit mei-
nem ganzen Herbar für die Wissenschaft verloren gegangen (s. S. 122 [378]). Ein sehr
beliebter und hübscher Ohrputz ist auch die weisse, sehr zarte innerste Haut des Blanes
der Cocospalme, »Wondinemit« genannt, deren schmale Streifen ganz wie weisses
Seidenpapier aussehen.
Frauen weiten die Ohren übrigens nicht entfernt in der kolossalen Weise als die
Männer aus, wie dies schon die Bilder von Choris sehr richtig zeigen. Zerrissene Ohr-
lappenschlingen, wie sie bei Raufereien der Männer vorkommen, werden meist gut zu-
sammengeheilt.
/; Hais- und Brustschmuck.
Frisches Pflanzen material, Blätter und Blumen finden für Halsketten und Kränze
am häufigsten Verwendung bei beiden Geschlechtern. Namentlich lieben die Frauen Hals-
ketten aus den erwähnten kleinen weissen Blumen und Farnblättern, welche sie mit grosser
Geschicklichkeit sehr schnell zu flechten verstehen. Manche Arbeiten in diesem Genre
sind recht kunstvoll und bilden besonderen Festschmuck, wie das folgende Stück :
Halsband (Nr. 463, i Stück; Taf. VIII [25], Fig. 22), 46 Cm. lang, aus (a)
schmalem, circa 15 Mm. langem Pflanzenmaterial (Abschnitten oder gespaltenen Blättern,
wohl von Farnkraut) dicht auf eine dreireihige Schnur (b) aus schmalen Streifchen
von hellem Pandanus-BXdXX und abwechselnd schwarzgefärbten Fasern von Hibiscus ge-
flochten, die jederseits in eine dünne Schnur als Bindebänder enden. Dschalut.
Das Exemplar wurde vom damaligen »Könige Kabua getragen, von dem ich es
kaufte, und hat sich in Folge sorgsamster Verpackung trotz seiner Zerbrechlichkeit
ziemlich gut erhalten. Da derartiger Schmuck bald der Vergangenheit angehören wird
und Beschreibungen nur eine schlechte Vorstellung geben, so freut es mich, eine farbige
Abbildung beifügen zu können. Manche derartige Halsbänder sind breit, so dass sie
den Hals wie eine Binde einschnüren, aus schwarz und weissen P<(Zii^aiiz/5-Streifen ge-
flochten , oben und unten mit Randbesatz von grünen Farnblättern oder Stengeln.
Frauen und Mädchen tragen solche Halsbänder besonders gern, zuweilen sind auch
flache, wohlriechende Holzspähnchen eingeflochten, über deren Herkunft ich mich nicht
unterrichten konnte. Vielleicht sind sie von dem oben (S. 176 [432]) erwähnten Treib-
holz »Aik«. Aus diesem Grunde waren wohl auch zu Chamisso*s Zeit »Bleistiftsplitter«
ihres Geruches wegen so begehrt. Häuptlinge pflegten damals einen in besonderer
Weise um den Hals geschlungenen und geknoteten Streif von Pandanus-^laXX als
Rangauszeichnung zu tragen (vgl. »Rarik« auf PI. I bei Choris).
Wie die Bänder zu dem Blatt- und Blumenschmuck der Gilbert-Insulaner sich
durch eingeflochtene Haare auszeichnen, so sind für die Marshallaner die weiss und
schwarzen Schnüre charakteristisch.
Halsbänder aus Glasperlen, meist in zahlreichen Schnüren wulstartig zusam-
men geflochten, bildeten zu meiner Zeit den hauptsächlichsten Schmuck beider Ge-
schlechter, und selbst »König« Kabua pflegte für gewöhnlich nur ein solches Collier zu
tragen.
Zuweilen befestigt man ein Stückchen Spondylus-lAMszhtl als Anhängsel (ganz
ähnlich wie Taf. VIII [25], Fig. 15), aber ich habe nie solche Anhängsel aus Conus-
[^35] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Södsee. lyg
boden oder Perlmutter gesehen, wie sie auf den Gilberts so häufig sind. Auch die Ab-
bildungen von Choris zeigen keinen derartigen Schmuck, wohl aber (PI. III, obere
Figur) einen Halsschmuck aus der alten Zeit. Er besteht aus einer Schnur, an welcher
zwei längliche Plättchen aus Schildpatt, zwei desgleichen aus Spermwalzahn geschnitzt
und zwei grössere S^o/i^^/i/^-Scheiben (circa 20 Mm. im Durchmesser) befestigt sind,
ausserdem schwarze, weisse und rothe Muschebcheibchen (wie Taf. VIII, [25], Fig. 20 b)
und einige kleine Delphinzähnchen (ähnlich Taf. V, [22], Fig. 6). Halsketten aus
weissen Muscheln (Natica und Columbella), wie sie früher von beiden Geschlechtern
getragen wurden (Choris, PL VIII), waren zu meiner Zeit kaum mehr zu haben. Die
werthvoUsten Schmuckstücke aus rothen iS^ora^/z/5-Scheibchen werden von Chamisso
sonderbarer Weise mit keiner Silbe erwähnt, wohl aber von Kotzebue, als »mühsam
aus rothen Korallen bearbeitet«. Von derartigem Schmuck aus Chama oder Spondylus
erhielt ich noch einige Exemplare aus der alten Zeit. Solche Halsbänder heissen »Ma-
remar« und kommen in zwei Hauptformen oder Typen vor:
A. Halsketten aus aufgereihten SpondylusSchtihzhtn — wie Taf. VIII, [25],
Fig. I — meist ohne Anhängsel.
B. Halsketten aus iSipon^^/i/s-Scheibchen, die einzeln (oder zu zwei übereinander)
mit der Breitseite so aufgeflochten sind, dass sie flach liegen, wie Taf. VIII, [25], Fig. 20 a
und Fig. 21 c; meist mit zum Theil sehr kunstvoll geschnitzten Anhängseln aus:
a) SpondyluS'^llkxxchtvi^
b) Schildpatt (bearbeitet),
c) Spermwalzahn (bearbeitet),
oder allen dreien zusammen.
Die Schnüre zu den Halsketten der Form B sind meist zweifarbige hübsche, zum
Theil äusserst zierliche Flechtarbeiten über einen dünnen Bindfaden aus Fasern oder
Streifchen hellen PandanuS'^\9XXts und schwarzgefärbtem Hibiscus-Bast (wie Taf. VIII,
[25], Fig. 20 und 21 d).
Halsschmuck-Typus A.
Maremar (Nr. 465, i Stück), Halskette (Taf. VIII, [25], Fig. i) aus ii3 rothen
Muschelscheibchen (Fig. i <z), die auf eine Schnur von Cocosnussfaser gereiht sind.
Dscbalut.
Dies ist die häufigste Form, ^) aber wegen der grossen Menge von Spondylus-
Scheibchen (oft an 200) besonders werthvoU. Hieher gehört Nr. 3256 (Kat. M. G.,
S. 385) »wahrscheinlich von Uleai« und ein Stück aus der alten Zeit (Edge-Partington
Taf. 172, Fig. 3), bei welchen die rothen Muschelscheibchen durch sechs pfeilförmige
Stücke aus weisser Muschel unterbrochen sind, mit einem Anhängsel aus Spondylus.
Halsschmuck-Typus B.
Die gewöhnlichste Sorte hat kein Anhängsel wie: Edge-Partington Taf. 173, Fig. 5
und Nr. 581 (Kat. M. G., S. 280) angeblich von »Pingelap« (Carolinen).
a) Mit Anhängsel aus Spondj^lus-Plänchtn,
Ich erhielt eine Halskette von Maloelab mit Anhängseln aus sechs kurzen Schnüren
abwechselnd weisser und schwarzer Scheibchen, die in eine länglich-viereckige Platte
aus Spondylus enden (in der Form wie Fig. 5, Taf. 172, bei Edge-Partington). Hier-
1) Dieselbe findet sich in ganz ähnlicher Weise auf Yap wieder {Journ. M. G., Heft II, Taf. IV,
Flg. 7 und Kat. M. G., S. 395, Nr. 465), nur dass die ^on4)^/tf5-Scheibchen nicht dicht liegen, sondern
weiter von einander abstehen. Ganz damit Obereinstimmend sind althawaiische Sponäjrlus -Kcttenf
die ich in der Sammlung von Dr. Arning sah.
i8o Dr. O. Finsch. [436]
her gehören Nr. 116 (Kat. M. G., S. 280) angeblich von »Pingelapc >) (früher mit
»KingsmiUc bezeichnet) und» Kopfschmuck« Nr. 719 und 720 (ibid. S. 336), die trotz der
Berufung auf Kubary gewiss nicht von »Nukuor«, sondern von den Marshalls herstammen.
b) Mit Anhängsel aus Schildpatt.
Maremar (Nr. 466, i Stück), Halsschmuck (Taf. VIII, [25], Fig. 20), besteht
aus einer, über zwei dünne (48 Cm. lange) Bindfaden sehr fein in Schachbrettmuster
geflochtenen Schnur (23 Cm. lang), an welche 3o iS/^on^^^/u^-Scheibchen (a) fest-
gebunden sind; in der Mitte zwei Anhängsel aus (b) weissen Muschelscheibchen und
schwarzen Cocosnussscheibchen, die mit einer rothen Muschelscheibe enden, daran je
ein meisselförmiges Stückchen Schildpatt (c) befestigt. Dschalut.
Die schwarz und weissen Muschelscheibchen sind ganz so wie die von den Gilberts
(Taf. VII, [24], Fig. 4), nur die Cocosscheibchen breiter. Hierher gehören Nr. 582 und
3513 (Kat. M. G., S. 280) angeblich von »Pingelap« und Nr. 114 (ibid. S. 395),
»Marofa«, Halsschmuck, angeblich von »Yap«. Ebenso die Abbildungen von Edge-
Partington Taf. 173, Fig. 2, mit der irrigen Angabe »Kingsmill« und Taf. 172, Fig. 6
mit »probably Lord Mulgrave-Isl.c, aber richtig von Milli; letzteres mit eigenthümlichen
pfeilförmigen Anhängseln aus Schildpatt.
c) Mit Anhängseln aus bearbeitetem Spermwalzahn.
Maremar (Nr. 467, i Stück), Halsschmuck(Taf. VIII, [25], Fig.21); wie vorher,
aber als Anhängsel (a) eine kunstvolle gitterförmige Schnitzerei (»Ninigä«) aus einem
Stück Spermwalzahn geschnitzt (40 Mm. lang und 55 Mm. breit). Maloelab.
Die ursprünglich wohl aus weiss und schwarzen Muschelscheibchen bestehenden
Schnüre, an welchen die Schnitzerei angebunden ist, sind an diesem Stück schon durch
grosse, bunt geschliffene Glasperlen (Fig. b) ersetzt.
Ein Stück aus der alten Zeit und mit das Schönste, welches die Schmuckindustrie
der Marshall-Inseln leistete. Hierher gehören Nr. 716 (Kat. M. G., S. 336, Taf. XXX,
Fig. 3), mit der irrigen Angabe >Nukuorc, wenn sich dieselbe auch auf Kubary und
Holste beruft, und das schöne, mir aus dem British Museum wohlbekannte Stück, welches
Edge-Partington abbildet (Taf. 173, Fig. 3), fälschlich mit »Kingsmill« bezeichnet.
Bei einem anderen Halsschmuck dieser Art von Maloelab ist das Spermwalzahn-
Anhängsel in zehn Längsstäbe durchbrochen ausgeschnitzt und 95 Mm. breit. Derartige
kunstvolle Schnitzereien werden weder von Chamisso noch Kotzebue erwähnt, denn
die Eingebornen behielten solche wohl für sich selbst und waren nur mit den minder-
werthigen freigebig. Der »künstlich gearbeitete Fischknochen c, welchen Kotzebue
geschenkt erhielt, betrifft jedenfalls eine Schnitzerei aus Spermwalzahn, ebenso der
Schmuck »aus Fischgräten, der die Stelle eines Ordens vertritt« (Kotzebue, II, S. 86).
Aus Spermwalzahn geschnitzte Anhängsel wurden auch einzeln getragen; ich erhielt
unter Anderem ein solches in Form eines kleinen Klöpfels. Der bei Kotzebue abgebil-
dete Mann (S. 60 links) trägt einen Halsschmuck mit einer Schnitzerei aus Spermwal-
zahn und grösseren Spondylus-Schtibchtn,
Ein anderes Spondylus-Hslsb^nd dieser Art von Maloelab hatte ein Anhängsel
aus sechs Schnüren aus weissen und schwarzen Muschelscheibchen mit je einer länglich-
viereckigen Platte von Spermwalzahn (wie: Edge-Partington, Taf. 172, Fig. 5 und
Taf. 173, Fig. I, letzteres mit der fälschlichen Angabe »Kingsmill«).
1) Die hier unter »Pingelap (Macaskill-Inseln)« ohne Angabe des Sammlers aufgeführten sechs
Stücke stammen jedenfalls nicht von dieser kleinen Carolinen-insel her, sondern von der zum Dschalut*
Atoll gehörigen gleichnamigen Insel des Marshall-Archipels.
[^3^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. l8i
Von den vorhergehend aufgeführten Stücken dürfte gegenwärtig wohl kaum etwas
mehr zu haben sein.
g) Armschmuck.
Armbänder irgend welcher Art sind mir nie vorgekommen, aber Charaisso er-
wähnt solche »aus der Schale einer grösseren einschaligen Muschel geschliffen« (II,
S. 224), also vermuthlich aus Conus (wie die von Kuschai, Taf. VI, [23], Fig. i).
Kotzebue erwähnt derartigen Schmuck übrigens nicht, ebensowenig ist er auf den
Bildern von Choris zur Darstellung gebracht. Diese ersten Reisenden gedenken auch
nicht des .eigenthümlichen Federputzes, der bei den Tanzvorstellungen der Männer
figurirt und jedenfalls schon damals benutzt wurde.
Rodschenebit (Nr. 606, i Stück), Federbüschel, aus künstlich zerschlissenen
Federn des Fregattvogels (Tachypeter), Dschalut.
Solche Federbüschel (Rodschenebit) werden am Oberarm, zuweilen am Unterarm
festgebunden, sowie ein drittes am Daumen (s. Finsch: »Gartenlaube«, x886, S. 37);
letzteres heisst »Berio«. Da Tachypetes-¥ tdtxn sehr werthvoU sind, so müssen sich
Manche mit billigem Schmuck aus P^n^ani/^-Blattstreifen begnügen.
Analog diesem Tanzschmuck ist ein anderer aus »schwarzen Federn« (wohl Fre-
gattvogel), der auf den Markesas, aber um das Fussgelenk getragen wurde (Kat. M. G.,
S. 245).
h) Leibschmuck.
Das einzige hierher gehörige Stück ist die kunstvoll geflochtene Gürtelschnur
(S. 168 [424]) für beide Geschlechter.
Eine Leibschnur aus weissen Muschelscheibchen und schwarzen Cocosnusssch eib-
chen (ganz wie »Tekaroro« von den Gilberts S. 75 [343]) die ich von Maloelab erhielt,
scheint mir bezüglich der Herkunft zweifelhaft, stammt aber möglicherweise noch aus
alter Zeit her.
Ethnologische Schlussbetrachtung.
Wie die Gilberts, so bildet auch der Marshall- Archipel eine besondere ethnologische
Subprovinz Oceaniens,') die aber weniger charakteristische Eigenthümlichkeiten bietet.
Als solche sind hervorzuheben: Eigene Sprache, eigene Tätowirung (nach den Ge-
schlechtern verschieden, eigene Zeichen für Häuptlinge), eigener, sehr primitiver Bau-
stil der Häuser (keine Versammlungshäuser), eigene pantomimische Vorstellungen
(sogenannte Tänze, darunter ein lasciver der Mädchen), ein sehr entwickeltes Feudal-
wesen, aber keine Stämme; Rang vererbt nach der Mutter. Unter den Schmuckgegen-
ständen ist Federputz bei den Tanzvorstellungen der Männer eigenthümlich, ebenso
die besondere Form der Schnitzereien aus Spermwalzahn; die übrigen Zieraten schliessen
sich mehr denen der Carolinen an, namentlich durch die häufige Verwendung von
Spoff^/u5-Sclieibchen. Charakteristisch sind auch die enorm ausgedehnten Ohrlappen,
ohne besonderen Schmuck. In der Bekleidung verdienen fein geflochtene Matten be-
sondere Beachtung und erhalten durch kunstvoll aufgenähte Muster ein charakteristisches
Gepräge. Eigenthümlich sind ferner die geschmackvoll geflochtenen Gürtelschnüre
(»Irik«), sowie die Gürtel (»Kangr«) und Faserröcke der Männer. Kämme fehlen.
Unter den Geräthschaften zeichnen sich ein besonderer Schaber aus CassiSy die Form
der Fischreusen, eine Art Fischhaken aus Cocosnussschale aus, während sich ein Drill-
I) Das Berliner Museum erhielt von hier durch mich 180 Stücke; der Kat. M. G. verzeichnet
nur 56 aus dieser Subprovinz.
184 Dr. O. Finsch. [h^]
Bevölkerung. Bei Weitem unsicherer als bezüglich des Areals sind die Angaben
hinsichtlich der Einwohnerzahl, die zwischen 20.000 und 3o.ooo schwanken und für
einzelne Inseln ungeheuer weit auseinandergehen, ') wie dies ja nicht anders sein kann,
da wirkliche Zählungen nur auf Kuschai und Nukuor stattfanden. Nehmen wir 20.000
als richtig an, so würde dies immerhin ein sehr dünn bevölkertes Gebiet mit nur circa zehn
Bewohnern auf den Quadratkilometer ergeben. Dabei ist ein steter Rückgang unzweifel-
haft, wenn sich derselbe auch nicht so rapid vollzogen hat, als aus gewissen Zahlen der
beigegebenen Anmerkung erhellt. So fand Kubary 1877 auf Nukuor nur 124 Bewohner
(die Kinder eingerechnet), aber 80 gute Fahrzeuge, was auf eine bedeutende Abnahme
der Bevölkerung schliessen lässt. Nach Doane wäre die Unsitte des Fruchtabtreibens
Schuld daran, wie Kubary überhaupt die bei den Carolinerinnen hä^ifig vorkommende
Unfruchtbarkeit als Hauptgrund für den Rückgang der Bevölkerung annimmt. Dies
mag richtig sein, namentlich für Pelau mit seinem ausgebildeten Prostitutionswesen.
Auch die »Labortrade« hat zur Entvölkerung der Carolinen mit beigetragen. So trieb,
nach Rev. Doane, Anfang der Siebzigerjahre das berüchtigte australische Sclavenschitf
»Carl«, blutigen Angedenkens, sein Unwesen und stahl Menschen.
Handel. Wie in Ost-Mikronesien der Walfisch fang, so war es für dieses westliche
Gebiet die Trepangfischerei, ^) welche den ersten Verkehr zwischen Eingeborenen und
Fremden anbahnte. Schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde dieses Gewerbe,
in bescheidener Weise, durch Spanier von den Philippinen (Manilla) und Mariannen
aus betrieben, wie die Eingeborenen der Central-Carolinen schon von jeher mit Guam
in Verkehr standen. Kuschai und Ponap6 waren später, von Mitte der Dreissiger- bis
Sechzigerjahre, häufig von meist amerikanischen Walfängern besucht und gaben Ver-
anlassung zur Niederlassung der amerikanischen Mission im Jahre 1852. Anfang der
Siebziger jähre errichteten Deutsche, zuerst auf Yap für Trepangfischerei (durch
Godeffroy), ständige Handelsstationen, die bei der Unergiebigkeit dieses Artikels bald
auf Coprahandel übergingen und sich (später auch durch das Hamburger Haus Herns-
heim) auf Kuschai und Ponape ausdehnten. Bei der allgemeinen Spärlichkeit der
Cocospalrae, die nur in gewissen Gebieten reichlich vorkommt, ist dieser Handel nie
sehr bedeutend gewesen und ausserdem durch die weiten Entfernungen erschwert.
Gegenüber der Arbeitsscheu der Eingeborenen und den ungünstigen Verhältnissen,
wie sie selbst die sonst so fruchtbaren hohen Inseln bieten, darf an Plantagenbau nicht
gedacht werden, er würde bei den erheblichen Unkosten kaum jemals Erfolg versprechen.
Schutzherrschaft. Wenn durch Schiedsrichterspruch des Papstes der Carolinen-
Archipel an Spanien fiel (17. December 1885), so ist dies ebensowenig ein Verlust für
Deutschland als ein Nutzen für die Krone Spaniens, die zu ihren grossentheils ohnehin
wenig lucrativen Besitzungen wohl die aussichtsloseste hinzufügen konnte. Handelt es
sich doch um ein Inselreich, das nur höchst unbedeutend zu exportiren vermag, und
dessen beste Inseln 1800 Seemeilen weit von einander entfernt liegen. Wie unheilvoll
übrigens die neue Schutzherrschaft wirkte, werden wir im Nachfolgenden bei Ponape
sehen, wo es bald zu blutigen Kämpfen kam, welche unter den Eingeborenen Ver-
heerungen anrichteten, aber auch an Spaniern viele Opfer forderten.
1) Nach Semper soll Patau vor etwa 100 Jahren, wohl sehr übertrieben, 40.000 — 50.000 (!I)
Bewohner gehabt haben; Ende der Sechzigerjahre nur 10.000; nach Kubary 1874: 5000, zehn Jahre
später nur 4000; Mortlock: 900 (Gullk), 3500 (Kubary); Ponap<5: 5000 (Gulik), 2000 (1880); Ruk:
5000 (Gulik), 12.000 (Kubary).
2) Ueber Trepang vgl. Finsch: »Ucber Naturproducic der westlichen SOdsee« in: »Deutsche
Colonialzeitung«, 1887, S- '^'
\±A.l] Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der Südsee. X85
Eingeborene. Dieselben gehören anthropologisch, wie alle Mikronesier und
Polynesier, zu der oceanischen Rasse (vgl. Finsch: »Anthrop. Ergebnisse« etc.,
S. 16, 18 und 19). Auch die Bewohner von Pelau und Yap, die man wegen ihres selten
schlichten, sondern tneist feinlockigen Haares als »papua-malayische Mischlingsrasse«
trennen zu müssen glaubte, dürfen ohne Bedenken als West-Oceanier eingereiht werden.
Ich verglich Eingeborene von Yap, Uleai und Uluti, ^) die ich von östlichen Mikronesiern
nicht zu unterscheiden vermochte, und v. Miklucho-Maclay') kam unabhängig von mir
zu den gleichen Resultaten.
Sprachverschiedenheit. Die vorhandenen Sprachverschiedenheiten ändern an
dieser Rassezusammengehörigkeit nichts, ihre Kenntniss würde aber jedenfalls wichtige
Winke für ethnologische Eintheilung zu geben vermögen. Leider liegt in dieser Rich-
tung, trotz der ausgedehnten jahrzehntelangen Missionsthätigkeit, wenig Material vor.
Auf Kadu's nicht immer verlässliche Angaben gründet sich Chamisso's Vocabular der
Sprachen von Uleai und Yap (Reise II, S. 96 — iii). Reicher, aber wahrscheinlich nicht
gründlicher ist das »Vocabular der Yapsprache« (circa 900 Wörter) von Blohm und
Tetens (Journ. M. G., Heft II, 1873, S. 28 — 50). Lütke gibt im zweiten Bande seiner
Reise (S. 356 — 371) ein »Vocabulaire comparatif de quelques dialectes Carolinois«, das
circa 250 Wörter von Kuschai, vielleicht ebensoviel von Lukunor und wenige von
Ponap^ und Fais enthält, also im Ganzen sehr mager ist. Dasselbe gilt in Betreff von
Tetens »Kurzes Vocabular der Sprache der Mackenzie- Insulaner«, circa 140 Wörter
(in: Journ. M. G., Heft II, S. 56 — 58). Ein kurzes Wörterverzeichniss derPonapesprache
findet sich in der »Novara-Reise« (Bd. II, Beilage III).
Kubary, der am meisten dazu berufen war, über die Sprache, respective Dialekte
der Carolinier Auskunft zu geben, hat nur über die Sprache von Mortlock einen Beitrag
geliefert. Leider enthält derselbe keine vergleichende Bemerkung zu anderen carolini-
schen Sprachen. Wie sich dieselben daher zu einander verhalten, bleibt vorläufig noch
unklar, ebenso ihre Verwandtschaft mit Marshallanisch etc. Dass auf Kuschai und
Ponape zwei ganz verschiedene Sprachen, sei es auch nur Dialekte, gesprochen werden,
davon konnte ich mich selbst überzeugen. Nach Tetens weicht die Sprache von Yap,
gleich mit der von Ngoli (Mateiotas), aber durchaus von der der Uluti-Gruppe (Macken-
zie) ab, dagegen zeigt letztere Gruppe sowohl ethnologisch als sprachlich die grösste
Uebereinstimmung mit Uleai (Wolea) und Fais. Dem widersprechen die Angaben
Lütke*s, nach welchen Floyd, ein Engländer, der lange auf Morileu (Hall-Inseln) gelebt
hatte, wohl Uleai, aber nicht Uluti verstehen konnte. Vielleicht gleich mit Uleai, aber
jedenfalls eigenthümlich scheint die Sprache der centralen Gruppen Ruk, Mortlock und
Hall mit Namoluk, Losop und Nema (nach Logan). Auf der isolirten südlichen Gruppe
Nukuor wird nach Capitän Bridge (i883) dagegen Ellice, also Samoanisch gesprochen.
Kubary, der dieser Gruppe zweimal einen kurzen Besuch abstattete, erklärte die (124)
Bewohner auch der Sprache nach für »Samoaner« und lässt sie vor 600 Jahren direct
») Meine Sammlung enthält von dieser Gruppe zwei Abgüsse von Gesichtsmasken Eingeborener,
und zwar von der Insel Mogcmog, sowie die eines Yap-Insulaners (vgl. »Anthrop. Ergebnisset, S. 19).
a) »Wenn auch das objeciive Betrachten des physischen Typus der Eingeborenen von Pelau
eher fOr als gegen eine Papuabeimischung spricht, so hat diese Mischung schon vor so langer Zeit
stattgefunden, dass längst die Bevölkerung in eine homogene Rasse übergegangen ist, deren Lebens-
weise, Gebräuche, Verfassung ganz mikroncsisch sind.« Und dann »die Pelauer lassen sich von den
Yap-Insulanern und überhaupt von den West-Mikronesiern (die ich gesehen habe, NB. Mogemog,
Ueai und Fauripik) nicht trennen, mit denen sie jedenfalls eine und dieselbe Rasse bilden«
{»Berliner Gesellsch. f. Anthrop.«, Sitzung vom 9. März 1878, S 8).
14*
l86 ' Dr. O. Finsch. [442]
von Nukufetau') der ElUce-Gruppe (beiläufig eine Distanz von 1600 Seemeilen) ein-
wandern. Diese Tradition wird durch die ethnologischen Verhältnisse, abgesehen von
der zufälligen Uebereinstimmung im Canubau, nicht unterstützt, denn auch die Täto-
wirung Nukuors weicht von der der Ellice-Gruppe (vgl. S. 14 [282]) durchaus ab. Und
diese würde sich doch am ersten erhalten haben. Im Uebrigen konnten die Nukuorer
auch nicht Webekunst aus Polynesien mitbringen.
Soweit sich bis jetzt urtheilen lässt, werden in den Carolinen sieben bis acht ver-
schiedene Sprachen oder Dialekte gesprochen: i. Kuschai; 2. Ponap6; 3. Central-Caro-
linen (Mortlock^ Ruk, Hall, vielleicht auch Uleai und Fais); 4. Nukuor; 5. Uluti mit
Ngoli; 6, Yap und 7. Pelau.
Ernährung. Dieselbe bietet ungleich günstigere Verhältnisse als in Ost-Mi kronesien.
Während dort Pandanus die Hauptnahrung liefert, ist es in den Carolinen vorzugs-
weise der Brotfruchtbaum. Andere Inseln sind mehr auf die Cocospalme angewiesen^
während die hohen Inseln bereits in geregelter Plantagen wirthschaft Bananen, Zuckerrohr
und Taro cultiviren. Letzteres Knollengewächs wird auch auf einigen Atollen angebaut,
aber die Erträge sind oft sehr gering, und nicht selten tritt Mangel ein, der selbst zur
Hungersnoth steigt, wenn Stürme die Brotfruchternte vernichten. Wie auf den Mar-
shall-Inseln sind daher auch die Bewohner dieser Atolle schon der Ernährung wegen
aufeinander angewiesen und zu Seereisen genöthigt, die übrigens auch des Tausch-
handels wegen, zum Vertriebe gewisser Erzeugnisse unternommen werden und einen
charakteristischen Zug im Leben dieser Menschen bilden.
Dies führt zu den Seefahrten der Carolinier, deren Kenntniss auch für die Ethno-
logie von grossem Interesse und wichtig ist, weil sie manche Eigenthümlichkeiten in die
Beziehungen der Inselbewohner untereinander erklärt. Chamisso's flüchtige Worte, dass
die kühnen carolinischen Seefahrer ihren Weg ostwärts bis auf die Marshalls (1680 See-
meilen), westwärts auf die Philippinen (11 50 Seemeilen) und »wieder zurückfindenc, ihre
Seereisen also über mehr als 2800 Seemeilen (fast die ganze Breite des atlantischen
Oceans!) ausdehnen, sind daher nicht einfach zu wiederholen, wie dies bisher stets ohne
Weiteres geschah. Bei derartigen weiten Fahrten handelte e§ sich nämlich (wie z. B.
bei Kadu) lediglich um unfreiwillige Reisen Verschlagener. Als solche wurden Marshal-
laner und selbst Gilbert-Insulaner auf die Carolinen geführt, wie von Westen her Ver-
schlagene von Celebes, Banka (1600 Seemeilen), wofür verbürgte Zeugnisse vorliegen.
Bei kritischer Betrachtung verhält es sich mit den Fahrten der Carolinier also ähnlich
wie mit denen der Marshallaner, d. h. sie erstrecken sich zwischen gewissen Inseln, wenn
das Endziel zum Theil auch weiter entfernt ist. Unabhängig in ihren Ernährungsverhält-
nissen, sind die hohen östlichen Inseln Kuschai und Ponap6 stets isolirt geblieben^ wäh-
rend die westlichen Pelauer Besuche der östlichen Nachbarn empfingen, aber selbst keine
Seereisen unternahmen. Ebenso scheint es auf der Rukgruppe zu sein, deren Reichthum
an Gelbwurz ebenfalls einen Anziehungspunkt bildete, so unter Anderem für die Mort-
locker, welche nur mit diesem Atoll und den Bewohnern seiner hohen Insel verkehrten.
Aus dem gleichen Grunde besuchten die Eingebornen von Namonuito, den Hall-Inseln
und Poloat die Rukgruppe, während die Bewohner der westlichen Inseln Uleai, Uluti,
Ngoli sich dem näheren, ebenfalls Gelbwurz erzeugenden, Yap zuwandten. Da die Fahr-
ten zwischen den eben angeführten Inseln zum Theil mit Berühren zwischenliegender
I) Nach Wilkcs (V, S. 39) wird hier, wie auf Funafuti rein Samoanisch gesprochen, auf Ooiafu
und Fakaafo der Tokelau-Gruppe konnte der am Bord befindliche Samoaner dagegen die Eingeborenen
nicht gut verstehen.
r^j.31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 187
Inseln gemacht wurden, so überschreitet die directe Distanz selten mehr als 180 See-
meilen. Anders verhält es sich mit der ansehnlich weiteren Fahrt nach den Mariannen,
mit deren Bewohnern die Carolinier von jeher in einem regelmässigen Verkehre standen,
der vermuthlich auch umgekehrt stattfand. Mit dem Einzug der spanischen Eroberer
hörte erklärlicher Weise diese Verbindung auf, denn bald gab es keine Chamorros oder
Marianner mehr, die 181 7 bereits vollständig ausgerottet waren. Die lange Zeit unter-
brochenen Fahrten nach Waghai (Guam) wurden erst 1788 von Uleai aus unter Führung
des eingeborenen Lootsen Luito wieder aufgenommen, aber auf der Rückreise ging die
kleine Flotte total verloren, so dass nicht Einer die Trauerkunde in die Heimat bringen
konnte. Hier nahm man natürlich Vernichtung durch die Spanier an und erst auf Ein-
ladung von Don Louis de Torres getrauten sich die Carolinier 1804 wiederum mit ihren
Canus nach Guam zu segeln. An diesen jährlichen Fahrten betheiligten sich aber nur
die westlichen centralen Inseln Poloat') (Enderby-Isl.), die Schweden-Inseln (Lamotrek
oder Namurek und Elato), Uleai und Faurolep. Für Namonuito (direct 370 Seemeilen
von Guam) fehlt es an sicherem Nachweis. Die Sammelpunkte zur Ausreise gegen
Ende des Ost-Monsuns im April waren besonders Uleai und die Schweden-Inseln. Die
Canus der letzteren, namentlich von Elato, gingen zuerst nach dem unbewohnten West-
Faio (40 Seemeilen), wo sie mit den über Satawal kommenden Canus von Poloat
(etwas über 100 Seemeilen) zusammentrafen, um dann gemeinschaftlich nach Guam
zu segeln, eine Reise von etwas mehr als 3oo Seemeilen, die in circa acht Tagen zurück-
gelegt wurde; inclusive Aufenthalt brauchten die Poloater aber einen Monat. Die Uleaier
gingen über Faraulep (80 Seemeilen) und mit der Flotte von hier vereint nach Guam
(280 Seemeilen). Die Rückfahrt geschah mit Eintritt des West-Monsuns im Mai oder
Juni. Auf Guam wurden hauptsächlich Eisengeräth (Messer), Glasperlen, Tücher etc.
eingetauscht und damit wieder in der Heimat Zwischenhandel getrieben. So von Poloat
aus nach Ruk, von Uleai über Sorol (180 Seemeilen) nach Yap (120 Seemeilen) und
Uluti (240 Seemeilen). Die Yap-Leute besuchten ihrerseits wieder Uleai, sowie Uluti
(40 Seemeilen) und westlich über Ngoli (65 Seemeilen) Pelau (160 Seemeilen), um hier
von Weissen Eisen einzutauschen. Auf solchen Reisen mögen Yap-Eingeborene über
üleai nach Guam gekommen sein, wie Hernsheim anführt (»Südsee- Erinnerungen«,
S. 20=), aber ein directer Verkehr hat wohl nie stattgefunden. Canus von Uleai und
Elato waren im Anfang dieses Jahrhunderts auf Guam noch ein begehrter Artikel, da
es an Fahrzeugen für den Zwischeninsel -Verkehr fehlte. Eingeborene der genannten
Inseln standen daher förmlich im Dienste der spanischen Regierung und besorgten mit
Ihren Canus den geringen Verkehr der Mariannen, zwischen Guam, über Rota (50 See-
meilen) und Tinian (60 Seemeilen) nach Seypan (im Ganzen 120 Seemeilen). Kotze-
bue erwähnt unter Anderem, dass der Adjutant des Gouverneurs in Agana sich eines
carolinischen Canu bedienen musste, um an Bord des »Rurik« zu kommen. Das war
181 7, aber Kittlitz fand zehn Jahre später noch dieselben Verhältnisse und traf Carolinier,
welche geläufig spanisch sprachen, unter Anderen auch auf Faraulep. Diese Verhält-
nisse und Beziehungen dürften sich seitdem gewaltig verändert haben, denn nach Kubary
unternahmen die Uleaier schon 1873 keine Fahrten mehr nach Guam, sondern ver-
kehrten nur mit den Nachbarinseln.
() Nach Kubary besteht dieses Atoll aus fQnf Inseln mit circa 500 Bewohnern, die mit zu den
besten Seefahrern der Carolinen gehören und hauptsächlich den Tauschhandel (mit Eisenwaaren) von
(len Mariannen nach den Central-Carolinen (Ruk) besorgten.
3) Wenn hier unter den Tauschwaaren der Uleaier auch »Walrosszähne« (wiederholt) angeführt
werden, so sind damit natürlich »Spermwalzähne« gemeint.
l88 Dr. O. Finsch. [444]
Entsprechend den weiteren Reisen war auch die geographische Kenntniss der
Carolinier ausgedehnter als bei den Marsh allanern. Wenn aber z. B. ein Häuptling von
Lukunor seinerzeit Lütke eine förmliche Karte der Carolinen und Mariannen mit Kreide
auf Deck zeichnete , so ist das noch kein Beweis, dass er dieses grosse Gebiet aus
eigener Anschauung kannte. Bei dem Zusammentreffen von Eingeborenen auf entfern-
teren Inseln wurden die Reiseerfahrungen ausgetauscht und so wechselseitig die geo-
graphische Kenntniss erweitert. Wie lückenhaft es mit derselben bestellt war und wie
viel unrichtige Vorstellungen dabei unterliefen, wird am besten durch Kadu's Berichte
bewiesen (Chamisso, II, S. i83 — 199), ganz besonders aber durch die Karte, welche
Kotzebue nach den Aussagen Edak's zusammenstellte (S. 88). Sie verzeichnet voq
Nukuor nördlich bis Guam, westlich bis Pelau allerdings 20 Inseln, aber grösstentheils
total falsch, namentlich bezüglich der Entfernungen, und zeigt, wie wenig Eingeborene
im Stande sind, Distanzen und Zeit zu schätzen. Und doch war Edak erfahrener und
kundiger als sein Gefährte Kadu, der unter Anderem die Dauer der Reise von Uleai
nach Fais t circa 220 Seemeilen) auf 14 Tage angab. Lütke bemerkt daher bereits sehr
richtig, dass die Angaben der Eingeborenen schon deshalb so verschieden und unrichtig
sind und sein müssen, weil sie nur auf dem Gedachtniss beruhen. Um dem letzteren
zu Hilfe zu kommen, werden verschiedene Zeichen tatowirt, von denen jedes eine Insel
bedeuten soll. So trug ein Häuptling von Lukunor fast alle Inseln der Carolinen in
Hautzeichnung auf seinem Körper, jedenfalls aber nur als Erinnerungszeichen an ver-
schiedene Inseln, nicht aber als Memorandum.
Wie die Marshallaner, so verstehen auch die Carolinier keine Navigation in un-
serem Sinne; ihre Fahrten sind aber um so bewundernswerther, weil sie kein einziges
nautisches Hilfsmittel besitzen, ohne welche selbst ein weisser Fachmann derartige
Reisen nicht auszuführen im Stande sein würde. Man sieht, dass die famosen »See-
karten« der Marshallaner (S. i63 [419]) nicht nöthig sind, denn die ganze Nautik der
Carolinier besteht in einer gewissen Kenntniss von Sternen, ganz besonders aber der
Passate und Strömungen.
Kubary's Schilderung der »Seefahrten der Mortlocks« (1. c, S. 284 — 293), die er
übrigens selbst nicht mitmachte, geben darüber den ausführlichsten und besten Nach-
weis und lehren zugleich, dass immer nur gewisse Personen (auf Mortlock »Pallüu« ^=
Sternkenner genannt) so hervorragende Kenntniss besitzen, die sich von Vater auf Sohn
vererbt. Am Tage steuert der »Pallüu« nach dem Winde, der Sonne und der Strom-
dünung. »Er kennt nicht nur die Strömung und ihre Dünung, sondern er braucht sie
auch als Wegweiser und weiss die stetige durch Strom verursachte Dünung und eine
Winddünung zu unterscheiden. c Nachts dienen dem »Pallüu< gewisse > Leitsterne« als
Fuhrer für gewisse Inseln, also ganz wie dies bei den Marsh all anem der Fall ist. Aber
die Sternkunde der Carolinier ist eine viel höher entwickelte. Lütke verzeichnet bereits
die Windrose der Lukunorer (mit 28 Strichen) nebst 15 Sternbildern und Kubary für
Mortlock sogar 3o. Kubans* gibt auch interessante Beispiele von der Benützung dersel-
ben auf der Fahrt nach Ruk und der schwierigeren zurück nach Mortlock. Im Uebrigen
gilt die Segelordnung der Marshallaner: Möglichst viel Canus in langer Reihe, um das
Auffinden d^ erwarteten Landes zu erleichtern.
Verschlagen werden gehört zu den häufigen Schicksalen carolinischer See-
fahrer, worüber schon von 1696 an eine Menge beglaubigter Fälle vorliegen. Neben
der bereits erwähnten Reise Kadu's (S. 167 [4^3') ist die unfreiwillige einiger Canus
von Yap nach Ebon 1870 wohl mit die weiteste, da sie an iSoo Seemeilen beträgt. Der
von Kubarv (Kat. M. G., S. 342, und in Joest* »Tälowiren<, S, gS) erzählte interessante
[445I Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. igg
Fall des Verschlagenwerdens eines Eingeborenen von Nukuor, der ganz allein in seinem
Canu die Reise nach Ponap^ (240 Seemeilen) wagte, aber statt hier auf dem Minto-RifF
(ebenso weit von Nukuor als Ponapd) landete, darf nicht als Beweis für beabsichtigte
und zielbewusste weite Seefahrten der Carolinier gelten. Der Mann hatte auf euro-
päischen Schilfen manche Insel Mikronesiens, darunter auch Ponap^, kennen gelernt
und riskirte die Reise nur aus Noth. Sie zeigt, wie oft carolinische Seefahrer ganz an-
dere Ziele als die beabsichtigten erreichen.
Ethnologischer Ueberblick.
Eine vergleichende Ethnologie der Carolinen wäre eine ebenso verlockende als
wünschenswerthe Aufgabe, für die aber bis jetzt wohl kein Museum') genügendes und
hinsichtlich der Localitäten zweifellos sicheres Material besitzen dürfte. Denn überall
liegen nur von einer kleinen Anzahl, allerdings den grössten und bedeutendsten Inseln
und Inselgruppen, Sammlungen vor. Es bleiben daher noch viele Lücken auszufüllen,
sofern sich dies bei dem Verfall von Originalität überhaupt noch ermöglichen lässt.
Für die Mariannen ist es dafür längst zu spät. Sie bilden eine Lücke, die um so schmerz-
licher empfunden werden muss, weil gerade die Beziehungen mit diesen Inseln sehr
innige und zum Theil gemeinsame waren, wie z. B. der Canubau, Weberei, Töpferei
u. A. m. Auch auf Kuschai war 1880 wenig mehr übrig geblieben, und bald wird es
auf anderen Inseln ebenso sein. Wie aus den vorhergehenden Bemerkungen über die
Seefahrten der Carolinier (S. 186 [442]) ersichtlich ist, hat von jeher ein reger Verkehr
zwischen den Bewohnern der nördlichen Inseln, westlich bis Yap und Pelau, bestanden,
während die östlichen Inseln Ponap6 und Kuschai, ausserhalb desselben, mehr isolirt
blieben. Durch diesen Verkehr und den damit verbundenen Tauschhandel haben ge-
wisse Erzeugnisse mancher Inseln, wie Gelbwurz, Schmucksachen, gewebte Zeuge
u. s. w., eine weite Verbreitung gefunden, wie manche Bräuche auf Nachbarinseln über-
tragen wurden. So entlehnten die Uleaier den Betelgenuss von Yap, wie von letzterer
Insel zum Theil wiederum Betelnüsse nach Pelau verhandelt werden. Bemerkenswerth
im Vergleich mit Melanesien ist, dass dieTopffabrication der westlichen Carolinen (Pelau
und Yap) nie ein Artikel des mikronesischen Handels geworden ist.
Herrscht somit auch in mancher Hinsicht eine ziemlich weitverbreitete Ueberein-
Stimmung, so ist doch eine allgemein giltige ethnologische Schilderung der Carolinen
nicht möglich, und derartige Versuche (wie z. B. die Compilationen von Meinicke und
Waitz) führen nur zu irrigen Vorstellungen und verwirren. Unter den fast für das
ganze Gebiet massgebenden ethnologischen Charakterzügen stehen besonders obenan:
Die Eintheilung in Stämme (Clans), die Benützung von gelber Farbe (Curcuma) zur
Verschönerung des Körpers (übrigens auch bei den Frauen auf Fidschi und früher auf
Samoa sehr beliebt) und ganz besonders die Webekunst.') Letztere ist deshalb ethno-
I) Das frühere von GodefTroy in Hamburg, welches seinerzeit als das reichste der Südsee galt,
enthielt aus den Carolinen im Ganzen etwas über 800 Stücke von 14 Inseln (Kuschai 4; Pingelap 6;
Ponap^ prähistorisch 25, modern 3i; Nema 3; Losop i; Mortlock 23o, darunter allein 40 Speere;
Nukuor 81; Pikiram 2; Ruk 13$; Poloat 2; Uleai 72; Uliii i; Yap 87, darunter 22 Speere; Pelau
142). Eine ziemliche Anzahl Gegenstände sind bezüglich der Localitätsangaben nicht ganz sicher.
Weit reicher sind die Carolinen -Sammlungen des königl. Museuro für Völkerkunde in Berlin, das mit
Ausschluss älterer Bestände durch Kubary allein 751 Stück, durch mich 427 Stück erhielt.
3) Dieselbe scheint auf Pelau und Yap zu fehlen; die gewebten Stoffe der letzteren Insel wer-
<ien von Uluti (Mackenzie) eingetauscht«
igo Dr. O. Finscb. [446]
logisch von ganz hervorragender Bedeutung, weil sie in ganz Polynesien und Mela-
nesien fehlt. Die Textilarbeiten der Maoris, namentlich die bewundernswerthen Muster
der breiten Randkante gewisser Mäntel, werden nicht durch Weben, sondern in einer
eigenthümlichen Technik hergestellt und übertreffen die carolinischen Webearbeiten
zum Theil bei Weitem. Auch die geschmackvoll gemusterten (bis 25 Cm. breiten)
Schamschurze der Neuen Hebridier, wie sie das British Museum unter Anderem von
den Banks-Inseln besitzt, sind nicht eigentlich gewebt, sondern Flechtarbeit,*) welche
im Aussehen übrigens ganz an die gewebten Stoffe aus Bananenfaser von Uleai erinnern.
Auch die Weberei der Indianer in Neu-Mexico ist der carolinischen sehr nahestehend.
Zeugstoffe aus geschlagener Baumrinde (Tapa), die in Polynesien vorzugsweise zur
Bekleidung dienen, werden oder wurden in beschränkter Weise nur auf einigen Inseln
(Pelau, Pikiram, früher Ponap6) angefertigt, sind aber auch in Melanesien nicht unbe-
kannt. Die geringe Verbreitung von Musikinstrumenten, unter denen nur einige Inseln
die Nasenflöte kennen, während die Trommel nur auf Ponap^ vorkommt, verdient
ebenfalls Erwähnung. Beachtenswerth ist auch das Vorkommen von geschnitzten Holz-
masken (nur auf Mortlock) und Idolen (?). Für Schmuck und Zieraten ist die häufige Ver-
wendung von Cocosnussschale, in Form von kleinen Perlen und Plättchen bis grossen
Ringen, namentlich für die Central-Carolinen charakteristisch, die wir, wie einige wenige
eigenthümliche Schmuckstücke, im Nachfolgenden genau kennen lernen werden. Das-
selbe gilt hinsichtlich der Waffen, unter denen das Fehlen von Bogen und Pfeilen') be-
merkenswerth ist. Die in einem Handelskatalog von Umlauff in Hamburg noürten
»Steinkeulen von Yap< stammen zweifellos von der Südostküste Neu-Guineas her.
Wenn Serrurier behauptet, dass auch auf den Carolinen mit Haifischzähnen bewehrte
Waffen vorkommen, so ist dies bis jetzt nirgends mit Sicherheit nachgewiesen. Zu den
ethnologischen Charakterzügen der Carolinen gegenüber Ost-Mikronesien zählt auch
die Holzindustrie, weniger in kunstvollen Schnitzereien als soliden Gegenständen dts
Hausgebrauches in Form von Deckelkisten, Trögen und Schüsseln, die übrigens auch
die Tockelauer anfertigen. Eigenthümlich sind dagegen kleine Gefässe, aus Schildpatt
gebogen, auf Pelau. Wie auf den westlichen Inseln (Pelau, Yap und Uleai) Betel auf
Melanesien, so weist im Osten (Kuschai und Ponap6) Kawa auf Polynesien hin. Aber
Kawagenuss ist auch keine ausschliessend polynesische Sitte, denn sie findet sich, ausser
auf Fidschi, den Neuen Hebriden u. a. O., auch spontan auf Neu-Guinea ( Astrolabe-Bai,
II, S. [201]). Jedenfalls haben aber die westlichen Inseln Yap und namentlich Pelau am
meisten melanesische Anklänge aufzuweisen, so im Anbau von Tabak, in der Kennt-
niss von Töpferei und in der Benützung primitivster Fahrzeuge in der Form von
1) Hierher gehören wahrscheinlich auch die Schamschurze der Männer von Sikayana (Stewart-
Inseln), über welche die »Novara-Reisec (II) leider sehr widersprechend berichtet: »Um die Lenden
hatten sie eine Art Schamgürtel, ein handbreites, von ihren Weibern gewebtes Band« (S. 443); »der
Lendengürtel, das einzige Kleidungsstück, welches sie tragen, ist aus Baumrinde verfertigt; einige
Webestühle, die sie besitzen, haben sie von Walfängern erhaltene (S. 446). Diese letztere Notiz klingt
äusserst unwahrscheinlich und bedarf dringend weiterer Bestätigung. Der Nachweis von »Webekunstc
auf diesem kleinen Atolle würde ethnologisch von höchstem Interesse sein, ist aber keinesfalls auf
Einführung von Seiten der Walfänger zurückzuführen.
2) Schmeltz hat aus Kubary'schen Notizen nachträglich das Vorkommen dieser Waffen auf
Pelau, schon von Jacquinot und Tetens beiläufig erwähnt, aufgefunden. »Die Bogen sind aus Man-
groveholz, die Pfeile aus Rohr mit Holzspitzen, die mit Widerhaken versehen sind. Aber diese Waffen
werden seit undenklichen Zeiten nur zur Taubenjagd und nie zum Kriege benutzt.« (»Internat. Archiv
für Ethnol., 1888, S. 67.) Hier sind auch »Blaserohre« von Pelau angeführt, »die aber von Manilla
eingeführt werden«.
N jyl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. iqi
Flössen') (auf Pelau »Prerc genannt). Diese ethnologischen Beziehungen der Carolinen
mit Melanesien und Polynesien, obwohl vereinzelt, sind immer noch erheblicher als die
mit Ost-Mikronesien. Wie hier die Gilberts und Marshalls (S. 88 [356] und i8i [487])
jede für sich selbstständige ethnologische Gebiete oder Subprovinzen bilden, ebenso die
Carolinen, nur dass die letzteren, minder einheitlich, in besondere Gebiete getheilt wer-
den müssen. Beachtenswerth ist dabei, dass die vier hohen Inseln in Haus- und Canu-
bau ganz verschiedene Typen zeigen, während die niedrigen Inseln darin so ziemlich
übereinstimmen. Aber die letzteren besitzen keine einheitliche Sprache, von denen im
Carolinen-Archipel, wie es scheint, sieben verschiedene gesprochen werden, deren Ge-
biete auffallender Weise nahezu mit denen der verschiedenen Tätowirungen zusammen-
fallen. Die letzteren werden wir im Nachfolgenden bei Schilderung der einzelnen Inseln
genauer kennen lernen; hier mag nur erwähnt sein, dass die Hautzeichnung auch auf den
Carolinen lediglich Verschönerungszwecken dient und nicht einmal besondere Rang-
zeichen besitzt. »Die Behauptung, dass das Tätowiren eine religiöse Bedeutung habe,
konnte ich auf keiner der von mir besuchten Inseln finden. Die erste und hauptsäch-
lichste Bedeutung der Tätowirung ist die eines persönlichen Schmuckes. Religiöse Be-
deutung konnte ich auch bei den ihren heidnischen Gebräuchen noch mit voller Stärke
anhängenden Yapern nicht entdecken,« sagt Kubary (in Joest: »Tätowiren«, S. 78, 82
und 89), aber auch, wie nicht selten, sich selbst widersprechend von Yap: »die Ope-
ration wird öffentlich und von Männern unter Beobachtung gewisser religiöser Cere-
monien besorgt« (Kat. M. G., S. 397). Soweit sich nach dem vorhandenen lückenhaften
Material urtheilen lässt, sind diese carolinischen Subprovinzen die folgenden :
1. Kuschai,
2. Ponap^,
3. Central-Carolinen: Ruk, Hall-Inseln, Losop, Namoluk, Mortlock, Lukunor
und Nukuor, welche drei Gebiete im Nachfolgenden zur Bearbeitung kommen.
Unsicher bleibt die Stellung der westlichen kleinen niedrigen Inseln mit Uleai
und Uluti, welche letztere am meisten in Verkehr mit Yap stehen, von denen aber das
einigermassen bekannte Uleai ethnologisch jedenfalls näher mit Ruk verwandt ist,
wie möglicherweise alle niedrigen Inseln zur dritten Subprovinz gerechnet werden
müssen.
4. Yap und
5. Pelau.
Beide letztere Subprovinzen unterscheiden sich sowohl untereinander als von den
übrigen Carolinen durch charakteristische Eigenthümlichkeiten in Sprache, Haus- und
Canubau, Tätowirung, Verfassung, Sitten, Gebräuchen etc., auf die ich hier nicht näher
einzugehen brauche, indem ich auf die ausführlichen Arbeiten Kubary's im Nachfolgen-
den (S. 193 [449]) verweise.
Wenn ich auf die Erforscher und Literatur der Carolinen hier selbstredend nicht eingehen
darf^ so kann ich es mir doch nicht versagen, an dieser Stelle eines Mannes zu gedenken, der jeden-
falls mehr als irgend ein Anderer von diesem Archipel kennen lernte, nämlich
1) Hernsheim (»Süd^ee-Erinnerungenc, Taf. 3) bildet ein solches von Yap ab, und zwar mit
jenem »Möhlsteingeld« beladen, das 200 Seemeilen weit von Pelau, aber in Canus und nicht auf
solchen gebrechlichen Flössen aus Bambu herübergebracht wird. Analoge Fahrzeuge primitivster Art
sind die sogenannten 9Catamaransc an der Ostspitze Neu-Guineas (Finsch: >Samoafahrten«, Abbild.,
S.-232). Flösse werden nach Guppy auch auf den Salomons benützt.
ig2 Dr. O. Finsch. [44^]
Johann S. Kubary,
ober dessen Reisen bisher nur wenig i) bekannt wurde, so dass einige zusammenhängende Mittheilun-
gen vielleicht willkommen sein dürften. Johann Kubary ist in Warschau geboren und gehört mütter-
licherseits unserer Nation an, denn seine Mutter war eine Berlinerin. Kaum mehr als i6 Jahre alt,
aber wie er mir selbst sagte, bereits »Student der Medicinc, wurde K. i863 in die Revolution seiner
Landsleute väterlicherseits, der Polen, hineingezogen, gefangen genommen, aber auf Fürbitte zur
Landesverweisung begnadigt. Er wandte sich nach Hamburg, kam hier mit Johann Cäsar Godelfroy
in Berührung und wurde von diesem als sammelnder Reisender für sein Südsee-Museum engagirt,
an dessen Bereicherung er wahrend eines Decenniums so wesentlichen Antheil hatte. Im Alter von
kaum 22 Jahren brach K. im April 1868 zum ersten Male nach der Südsee, und zwar Samoa auf,
wo er nach flüchtigem Besuche auf Tonga im September oder October desselben Jahres in Apia ein-
traf. Von hier aus unternahm K. einen Ausflug nach Savaii und reiste schon 1870 nach Pelau, wo
er aber erst am i. Februar 1871 anlangte, da er auf der Hinreise ^irca drei Monate auf Ebon (Mar-
shall-Inseln) und von September bis December auf Yap verweilt hatte. Auf Pelau blieb K. länger als
zwei Jahre und wandte sich dann nach Ponapd, auf welcher Reise flüchtige Bekanntschaft mit Ngoii
(Mateiotas), Uluti (Mackenzie), Mortlock und Nukuor gemacht wurde. Nach einjährigem Aufenthalte
auf Ponap^ (August 1873 bis 3o. August 1874) trat K. die Heimreise an, und zwar mit dem Godeffroy-
schen Schifle »Alfred«, das am 19. September (1874) beim Einlaufen in die Passage von Dschalut schei-
terte, wobei der grösste Theii der Sammlungen leider verloren ging, lieber Samoa in Hamburg
glücklich angelangt, musste K , nach einjährigem Besuche in der Heimat (1875), im Drange der Verhält-
nisse ein Neuengagement für das Museum Godcflroy annehmen. Er ging daher 1876 wiederum nach
Samoa und von hier im folgenden Jahre (1877) nach Ponapd, das nun für längere Zeit sein Stand-
quartier und seine zweite Heimat wurde. Von Ponape aus machte K. einen zweiten flüchtigen Besuch
auf Nukuor, verweilte (März bis Ende Mai 1877) auf Mortlock oder vielmehr dem Atoll Satoan und
später volle 14 Monate auf Ruk (Mai 1878 bis August 1879). Im September des letzteren Jahres von
August GodefTroy, dem damaligen Chef des Südseehauses, in rücksichtsloser Weise von seinem Ver-
hältniss zum Museum entbunden, blieb K. auf Ponapö, um hier auf seiner Besitzung Mbomp Plao-
tagenbau zu betreiben, ein von vorneherein aussichtsloses Unternehmen, umsomehr als K. keine
Mittel besass. Wie zu erwarten, konnte sich K. nicht lange halten, musste die mühsam erworbene
schöne Besitzung verpfänden und im März 1882 Ponap^ verlassen, um in Japan sein Heil zu ver-
suchen, wo er im April in Yokohama ankam. Ein Engagement am Museum in Tokio währte nur
drei bis vier Monate, und K. wandte sich zuerst nach Hongkong, von hier aus über Guam nach dem
ihm wohlbekannten Pelau, um für das ethnologische Museum in Leiden zu sammeln. Nach zehn-
jähriger Abwesenheit traf er hier Mitte des Jahres i883 zum zweiten Male ein, entblösst von allen
Mitteln und nur auf seine »Kalebukubs«, d. h. die hier als Geld, hochgeschätzten alten Glasperlen
(s. II, S. 180) angewiesen, welche ihm bei den Eingeborenen freundliche Aufnahme verschafften. Leider
erfüllten sich die auf das Leidener Museum gesetzten Hoflhungen nicht, und K. erwartete vergebens
die versprochene Unterstützung. Aus dieser damals äusserst bedrängten Lage, über welche ich brief-
liche Mittheilungen K.*s besitze, erlöste ihn Geheimrath Bastian durch ein Engagement als Sammler
für das ethnologische Hilfscomit6 des königl. Museums für Völkerkunde in Berlin. In Folge einer Kette
von Widerwärtigkeiten, verursacht durch K.'s Hin- und Herreisen, wodurch die Correspondenz immer
erst nach langer Zeit eintraf, war es K. nur möglich, die Insel Yap und vorübergehend Sorol, Merier
(Warren Hastings) und St. David zu besuchen, a) Mitte des Jahres 1884 begab sich K. von Pelau nach
Yap, von hier im März 1885 nach Hongkong, um im Mai desselben Jahres wieder nach Yap zurück-
zukehren, wo er, wie es scheint, bis September für das Berliner Museum thätig war. Zu jener Zeit
kam nämlich das deutsche Kriegsschiff »Albatrosc nach den Carolinen, um hier die Flagge zu hissen,
und sicherte sich die ausgezeichneten Sprachkenntnisse K.*s, der als Dolmetsch die Rundreise von
Yap über Pelau, Uleai, Ruk, Ponap^, Pingelap und Kuschai mitmachte, die übrigens eine sehr eilige
war und keine Zeit für Sammlungen übrig Hess. Wie es scheint mit demselben Kriegsschiff traf K.
im October desselben Jahres (1885) auf Matupi in Neu-Britannien ein, übernahm hier Hemsheim's
Handelsstation Kurakakaul an der Nordküste, bis Anfang 1887, von welcher Zeit an er als Stations-
beamter der Neu-Guinea-Compagnie dauernde Stellung in Kaiser Wilhelms-Land fand.
i) Ich selbst veröffentlichte kurze biographische Notizen in: »Hamburger Nachrichten«, Nr. 214.
vom 8. September 1880.
2) Nach gütiger Mittheilung von Herrn Conservator E. Krause, dem ich auch einige andere Noti-
zen über Kubary verdi^nke, erhielt das Berliner Museum als Ergebniss dieser Reisen: 277 ethnologische
Gegenstände von Yap, 58 von Sorol, 8 von St. David, 21 von Merir und 56 ohne genaue Localität.
r 1 igl Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. ig3
Von den circa 22 Jahren, die K. bisher in der Südsee lebte, fallen ungefähr 14 auf die Caro-
linen, die ihm somit fast zur zweiten Heimat wurden, namentlich Pelau und Ponapd, wo er zusam-
men über 12 Jahre zubrachte. Wie aus dem vorhergehenden kurzen Abriss seines wechselvollen
Lebens erhellt, konnte K. selbstredend nicht diese ganze lange Zeit ausschliessend wissenschaftlichen
Arbeiten widmen, sammelte aber, unterstützt durch Geläufigkeit in Sprachen der Eingeborenen, ein
reiches Material in handschriftlichen Aufzeichnungen. Leider war es ihm bisher nicht vergönnt, das-
selbe in seinem vollen Umfange zu veröffentlichen, ein Schicksal, das er mit so manchem unbemit-
telten Reisenden theilt. Im Nachfolgenden gebe ich eine Zusammenstellung seiner Publicationen, die
mit Ausnahme der (s. Nr. 1) über Ebon citirten sich durchgehends auf die Carolinen, namentlich Pelau
beziehen. Diese Arbeiten liefern ein sehr werthvolles, zum Theil fast zu sehr in Details gehendes
Material, dessen Benützung durch die häufige Verwendung eingeborener Namen i) ziemlich erschwert
wird. Ueberdies leitet K.'s sanguinisches Temperament ihn nicht selten von dem strengen Boden der
Objectivität ins Gebiet der Speculation und zu Schlüssen, die zuweilen recht bestreitbar oder zum
Theil, aus Mangel hinreichender Fachkenntniss, überhaupt irrthümÜche sind, wobei ich nur an seine
Deutung des Pelau-Geldes (s. II, S. 180) und der Schädelfragmente in den Ruinen von Nanmatal (s.
im Nachfolgenden II, Ponapd) erinnern möchte.
Kubary's literarische Arbeiten.
1. »Die Ebongruppe im Marshall- Archipel« in: Journ. M. G., Heft i (1873), S. 33 — 47, Taf. 6.
2. »Die Carolinen-Insel Yap oder Guap« (nach A. Tetens und J. Kubary). Daselbst Heft II (1873),
S. 12—53. Taf. 3—7.
3. »Die Ruinen von Nanmatal auf der Insel Ponap^ (Ascension).« Daselbst Heft IV (1873/74), S. 123
bis i3i, Taf. 5. (Dieser Aufsatz erschien bereits als Vortrag von L. Friederichsen in den Mit-
theilungen der Geograph. Gesellschaft in Hamburg über die Sitzung vom i. October 1874.)
4. »Weitere Nachrichten von der Insel Ponap^ (Ascension), Carolinen- Archipel« in: Journ. M. G.,
Heft VIll (1875), S. 129—135. (Mit IG Holzschnitten.)
5. »Die Bewohner der Mortlock-Inseln (Carolinen), nördlicher grosser Ocean« in: Mittheilungen der
Geograph. Gesellschaft in Hamburg (1878/79, S. 224—300. (Mit 8 Holzschnitten.)
6. »Die Palau-Inseln in der Südsee« in: Journ. M. G., Heft IV (1873), S. 5—62, Taf. 2—4.
7. »Ethnographische Beiträge zur Kenntniss der carolinischen Inselgruppen und Nachbarschaft. Heft i.
Die socialen Einrichtungen der Pelauer.« Berlin 1885, S. 33 — 150.
8. »Die Todtenbestattung auf den Pelau-Inseln« in: Original-iMittheilungen aus der Ethnographischen
Abtheilung der königl. Museen zu Berlin. Herausgegeben von der Verwaltung, i. Jahrg.,
Heft 1, Berlin 1885, S. 4— 11.
9. »Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln«. Daselbst Heft 2 und 3 (1886),
S. 79—91. (Geschrieben auf Pelau, 20. März 1884.)
10. »Die Religion der Pelauer« in : Bastian, »Allerlei aus Volks- und Menschenkunde«, Bd. I, Berlin
1888, S. 1—69, mit 3 photogr. Taf. (Geschrieben auf Pelau im October i883.)
11. »Das Tätowiren in Mikronesien, speciell auf den Carolinen« in: Joest, »Tätowiren«, Berlin 1887,
S. 74—98. (Mit 25 Holzschnitten.)
12. »Ethnographische Beiträge zur Kenntniss des Carolinen- Archipels. VeröfTentlicht im Auftrage der
Direction des königl. Museums für Völkerkunde zu Berlin. Unter Mitwirkung von J. D. E.
Schmeltz. I. Heft (mit 15 Tafeln), 1889 (Leiden). II. Heft (mit i3 Tafeln): Die Industrie der
Pelau-Insulaner.« Erster Theil, 1892.
Ausserdem enthält der Kat. M. G. mancherlei Notizen von Kubary, namentlich über Mortlock,
Nukuor, Ruk, Yap und Pelau.
1. Kuschai.
Einleitung.
Entdecker. Diese östlichste Insel des Carolinen - Archipels wurde 1804 von
Crozer, einem amerikanischen Schifiscapitän, entdeckt und nach dem damaligen Gou-
1) Um nur ein Beispiel zu geben, citire ich folgende Stelle aus Opus 7 (S. 86): »In einem
falle sah ich den Aybadul von Korryor einem Kaldebekel einen Kalebukub Strafgeld zahlen, weil
einer seiner Ngaleki unter dem Blul Kabuy pflückte.«
194
Dr. O. Finsch.
[450]
verneur von Massachusetts »Strong-Islandc benannt, unter welchem Namen sie später
bei Walfisch Fahrern sehr bekannt war. Die Aufnahmen sind Capitän Duperrey (mit
der »Coquille« 1824), ganz besonders aber der denkwürdigen Forschungsreise mit der
russischen Corvette »Senjavin« (1827—1828) unter Führung von Capitän Friedrich
Lütke zu verdanken. Mit Ualan (Oualan) bezeichnen die Eingeborenen nur den nord-
westlichen Theil der Insel, um Mataniel-Hafen, während sie den östlichen, Lälla-Hafen,
mit dem Festlande, »Kuschaic (es klingt sanft wie Kusaie oder Kushai) nennen, damit
aber auch zugleich die Insel im Allgemeinen verstehen, so dass dieser Name, als am
richtigsten, anzuwenden ist. Den carolinischen Seefahrern war Kuschai nicht bekannt;
das auch auf den ersten Karten des Archipels (von Cantova, de Torres, Kotzebue nach
Edak*s Angaben) fehlt. »Toroa« oder »Arao« bleibt wie so manche andere von Ein-
geborenen aufgegebene Insel unauflösbar und wird ohne den geringsten Anhalt auf
Kuschai bezogen. Floyd, ein weggelaufener englischer Matrose, den Lütke auf der Insel
Fananu (Hall-Gruppe) auflas, erzählte, dass die Bewohner Ponap6s regelmässig nach
Arao (Kuschai) gingen, um Gelbwurzel zu holen, da aber dieses beliebte Tauschmittel
auf Kuschai überhaupt nicht vorkam, so ergibt sich hieraus allein schon die Unrichtig-
keit der Behauptung. Wenn Kubary (der übrigens damals nicht auf Kuschai war) die
Glieder des Stammes » Azau« auf der Insel Uola der Rukgruppe von Kuschai, dem an-
geblichen »Azau« oder »Arao« herstammen lässt, so ist dies eine durchaus willkürliche
Annahme, die nicht einmal in einem gleichen oder ähnlichen Namen eines Stammes
auf Kuschai Anhalt findet.
Zur Literatur. Die besten Quellen sind wohl immer noch die Nachrichten der
ersten Erforscher der Insel, unter denen namentlich Lütke's »Observations g^n^rales
sur rile d'Ualan« im ersten Bande seines Reisewerkes') (S. 33g — 410) für die Völker-
kunde wichtiges Material enthalten, ebenso wie v. Kittlitz*: »Denkwürdigkeiten einer
Reise nach dem russischen Amerika, nach Mikronesien und durch Kamschatka« (2. Bd.,
Gotha 1858). Lesson's^) Nachrichten waren mir nicht zugänglich. Der Rev. Samuel
C. Dämon gibt in den »Morning Star Papers« (Honolulu 1861) manche brauchbare
Notiz, zum Theil nach Snow und Gulik. Ich möchte auch auf das lebensvolle Bild ver-
weisen, das Hernsheim von Kuschai und seinen Bewohnern entwirft (» Südsee-Erinne-
rungen c, III, Kusaie, S. 39 — 58). Mit ihm zusammen besuchte ich die Insel im Februar
1880 und umfuhr dieselbe mit Canu innerhalb des LagunenrifFs von Lälla (Chabrol-
Hafen) bis Mataniel (Goquille-Hafen), also den grössten Theil derselben, konnte aber im
Ganzen nur neun Tage verweilen. Ausser anthropologischen und zoologischen Abhand-
lungen publicirte ich nur einen längeren Artikel: »Aus dem Pacific. V. Kuschai« in:
Hamburger Nachrichten, Nr. 207 und 208 (3i. August und i. September), 1880; einige
Notizen auch in: »Verhandl. der Gesellsch. für Erdkunde, Berlin 1882, Nr. lo, S. 6, 7.
Geographischer Ueberblick. Kuschai, unter 5'' 19' n. Br. und 163"* 6' ö. L., ist
eine hohe Insel von vulcanischer Bildung (Basalt), aber von einer massig breiten
Lagune mit RifTgürtel (BarrierrifT) umschlossen, mit einigen unbedeutenden Inseln,
darunter das kleine Lälla an der Ostseite die grösste. Kuschai trägt einen vorwiegend
I) »Voyage autour du Monde, ex^cut^ par ordre de Sa Majest^ Tempereur Nicolai I., sur la
corvette Le Seniavine dans les ann^es 1826 — 1829 par Fr6d6nc Lutke« (2. vol., Paris i835) mit
»Atlas« (von Posteis und v. Kittlitz).
3) »Voyage ra^dical autour du monde, exdcutd sur la corvette La Coquille^ par R. P. Lesson,
Observations sur le sol, sur la production de File Oualan, et sur ses habitants, leur langage, leurs
moeurs etc. par R. P. Lesson. Journal de voyages publik par D. Frick et N. Devilleneuve (Mai et
Juin 1825).«
[^^l] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ig^
bergigen Charakter; die beiden höchsten Kuppen (Crozer und Buache) erheben sich
Ober 2000 Fuss, zwischen ihnen liegt eine Einsattelung, die aber meist aus sumpfigen
Niederungen besteht. Diese wie die ganze Insel sind mit meist undurchdringlichem
Dickicht tropischer Vegetation bedeckt, von der die Tafeln im Atlas der »Senjavin-
Reise« (PL 19 — 21) vortreffliche, wenn auch immerhin nur schwache Vorstellung geben.
Kuschai besitzt drei gute Häfen, unter denen Chabrol- oder Lällahafen, Ninmolschon
der Eingeborenen^ an der Ostseite, als der beste gilt und zur Zeit des Walfischfanges
am häufigsten besucht wurde. Die beste Karte ist die der englischen Admiralität
(Nr. 978).
Flora und Fauna. Die erstere schildert v. Kittlitz in anziehender Weise; sie scheint
wissenschaftlich noch ziemlich unbekannt, aber sehr reich zu sein. Wenigstens erstaunt
der Laie, welcher von armen Atollen herüber diese herrliche Insel betritt, über die Fülle
mannigfaltiger Pflanzenformen, darunter herrliche Bäume. Die Fahrt durch die Lagune
des Barrierriffs, zuweilen in engen Canälen unter mächtigen Laubdächern gewaltiger
Baumriesen, die mit Farren, Lianen und Bartflechten bedeckt sind, gehört mit zu der
schönsten meiner tropischen Erinnerungen. Hernsheim's Skizze (S. 52) gibt eine zwar
schwache, aber immerhin richtige Vorstellung. Ich beobachtete hier die Nipapalme und
V. Kittlitz erwähnt unter Anderen auch Baumfarne.
Von Säugethieren ist ausser der bisher ununtersuchten Ratte (»Fäk<) ein
Fiederhund (Pteropus ualanensis Kittl.) vertreten und der Insel eigenthümlich. Vögel
wurden von v. Kittlitz in 15 Arten nachgewiesen und durch mich auf 22 gebracht,') wo-
von vier {Zosterops cinereus K., Sturnoides corvina K., Ptilopus Hernsheimi F. und
Kittlit^ia monasa K.) Kuschai eigenthümlich angehören. Reptilien sind im Ganzen viel
seltener als auf den niedrigen Inseln Ost-Mikronesiens. Ich sammelte nur vier Arten
kleiner Eidechsen, die bisher nicht zur Untersuchung gelangten, aber wohl identisch mit
solchen von den Gilbert- und Marshall-Inseln sind (darunter die weitverbreitete reizende
Mabouia cyanura und Ablepharus poecilopleurus). Auffallend ist die Armuth an In-
secten, namentlich Schmetterlingen, die trotz der üppigen Flora viel spärlicher sind als
auf den Atollen. Die weitverbreiteten Arten Junonia vellida und Utetheria pulchella
sammelte ich auch auf Kuschai, beobachtete aber, wohl nur zufällig, nicht Hypolimnas
Bolina. Landkrabben, namentlich Einsiedlerkrebse (Pagurus) waren sehr häufig.
Areal und Bevölkerung. Die Länge der Insel von Nord nach Süd beträgt circa
7% Seemeilen (kaum = 2 deutsche Meilen), die Breite von Ost nach West 8V2 See-
meilen (nach der Admiralitätskarte), ihr Umfang nach Lütke 48 Seemeilen (kaum
7 deutsche Meilen). Bei dieser unbedeutenden Ausdehnung ist jedenfalls die Bevölke-
rung immer eine beschränkte gewesen, wie dies auch nach der Beschaffenheit kaum an-
ders sein kann, denn die Mikronesier meiden die Berge, und das Innere war wohl nie-
mals bewohnt. Kittlitz, der die Insel überquerte, fand auf der kaum eine deutsche
Meile langen Tour nur ein paar kleine Siedelungen und verzeichnet für das grösste
Dorf Liäl (Lual) nur 20 Männer und 15 Frauen, für ein paar andere in der Umgegend
von Coquillehafen noch weniger. Diese Dörfer existirten zur Zeit meines Besuches
Oberhaupt nicht mehr, und auf der Partie von Lälla nach Mataniel trafen wir im Ganzen
nur sieben kleine Siedelungen aus wenigen Häusern, darunter die grösste Malim mit
») Finsch: »Ornithological lettres from thc Pacific, Nr. V, Kushai« (»Ibis«, 188 1, p. 102—109)
und »Beobachtungen Ober die Vögel der Insel Kuschai (Carolinen)« (in: Cabanis, Journ. für Ornithol.,
1880, S. 296—310) und »On two species of Pigeons from the Caroline Islands« (Proc. Zool. Soc.
London, 1880, S. 577).
ig6 I^r. O. Finsch. [45^]
nur 15. Nach den durch weisse Missionäre vorgenommenen Zählungen betrug die Ein-
geborenenzahl 1855 noch iioo Seelen, 1858: 83o (518 Männer und 3i2 Frauen inclu-
sive Kinder), 1860: 749 und war 1880 auf weniger als 200 gesunken, wovon die Hälfte
auf Lälla siedelte. Bei diesem rapiden Rückgange und der unverhältnissmässigen Min-
derzahl des weiblichen Geschlechts wird der kleine Rest Eingeborener nicht lange vor-
halten. Nach Capitän Wright, der längere Zeit auf Kuschai lebte und den ich dort
kennen lernte, hatten in den letzten 18 Monaten 29 Todesfalle, aber nur 9 Geburten
stattgefunden. Man sieht hieraus, dass selbst christliche Gesittung, welche nun schon
40 Jahre auf Kuschai mit strengen Satzungen, monogamer Ehe u. s. w. herrscht, das
Aussterben von Naturvölkern nicht aufzuhalten vermag. Der Contact mit der Civili-
sation, welche Kleidung und Lebensweise der Eingeborenen zum Theil total umändert,
ist schuld an diesem Untergehen, eine Erscheinung, die sich überall in der Südsee
wiederholt, aber nirgends so schroff hervortritt als auf dem christlichen Kuschai.
Handel. Die hohen Erwartungen, welche Duperrey an diese Insel knüpfte, als
einen Halteplatz für Schiffe auf der Fahrt von Australien nach China, sind nicht erfüllt
worden. In den Zwanzigerjahren verkehrten hier bereits einzelne Walfisch fahrer; später
wurde die Insel eine häufig besuchte Station, und in den Fünfziger- und Sechzigerjahren
lagen in Lällahafen oft 15 — 20 Walschiffe auf einmal. Einzelne weisse Händler hatten
sich niedergelassen und versorgten diese Schiffe mit Schweinen, Hühnern, Taro und
anderem Proviant. Diese Zeiten sind aber längst vorüber, und zu meiner Zeit konnte
kaum eine kleine Handelsstation zum Ankauf des einzigen Productes, Copra, bestehen,
da die Cocospalme nur spärlich vorkommt. Kleine Schiffe sprachen gelegentlich vor,
um Kawa einzuhandeln. Bei der bergigen Urwaldsbeschaffenheit ist an Plantagenwirth-
schaft wohl schwerlich zu denken, und man wird Spanien kaum Vorwürfe machen
können, wenn es aus Kuschai nichts zu machen vermag.
Mission. Kuschai ist die älteste Station in Mikronesien und wurde 1852 durch
Rev. Snow begründet, den Capitän Holdsworth mit dem Schiffe »Caroline« von Hono-
lulu herüberführte. Die Mission fand hier bereits einen »König George« vor, der wie
viele seiner Unterthanen etwas englisch verstand und sprach, wodurch das Bekehrungs-
werk sehr erleichtert wurde. Der König selbst Hess sich taufen, starb aber bald (1854),
und so ging es anfangs nur langsam vorwärts. Nach 10 Jahren zählte die Kirche erst
33 Mitglieder, 1866 bereits 180, und 1880 waren fast sämmtliche Eingeborene Christen,
aber auf dem Aussterbeetat. Freilich hatte man (1879) die »training school« von Ebon
nach Kuschai verlegt, aber die 36 Marshallaner werden das Erlöschen der Kuschaier
wohl nicht aufhalten können. Uebrigens gab es 1880 auch noch Ungetaufte, und selbst
Christen pflegten heimlich dem Laster des Rauchens zu fröhnen.
I. Eingeborene.
Aeusseres. Lesson*s durchaus irrthümliche Annahme, als seien die Kuschaier
eine Mischlingsrace malayischen und mongolischen Blutes^ ist zwar bereits durch Lütke
und V. Kittlitz widerlegt worden, hat sich aber bis heute noch in der Wissenschaft er-
halten, und diese gänzlich haltlose Hypothese ist sogar auf alle Carolinier übertragen
worden. Ich möchte daher auch an dieser Stelle wiederholen, dass die Bewohner Ku-
schais sich von anderen Eingeborenen West-Oceaniens durchaus nicht im Geringsten
unterscheiden. Auf Kuschai selbst hatte ich die beste Gelegenheit zu Vergleichen, denn
ausser etlichen 3o Marshallanern lebten 40 Eingeborene von Banaba (Ocean Isl.) hier.
[acSI Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. igy
Wie ich auf die letzteren nur durch den besonderen Blätterschmuck in den Ohren als
Fremde aufmerksam wurde, so fielen mir einige mit Ringwurm behaftete Marshallaner
nur deshalb auf. Im Uebrigen würde ich diese Leute nicht von Kuschaiern unter-
schieden haben. Bezüglich letzterer rouss ich auch hier auf meine: »Anthropolog. Er-
gebnisse« (S. 17) verweisen, wie auf vier von mir abgenommene Gesichtsmasken,
welche den Typus der Kuschaier jedenfalls am besten wiedergeben, was von den im
Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 17) abgebildeten eben nicht gesagt werden kann.
Namentlich ist der Bartwuchs viel besser entwickelt, wie es nach diesen Bildern scheint,
übrigens, wie überall, individuell sehr verschieden.
Hautkrankheiten waren im Ganzen selten; ich beobachtete spärlich Ichthyosis;
aber Kittlitz erwähnt auch Lepra (»Ruff«).
Sprache. Dieselbe klingt, wie schon LUtke und Kittlitz bemerken, sehr verschie-
den von allen anderen mikronesischen, und manche Wörter erinnern, durch Aufhäufung
von Consonanten, in der Aussprache an slavische. Auffallend war mir, dass die Ein-
geborenen den Buchstaben r aussprechen konnten. Englisch, schon durch Whaler ein-
geführt, war zu meiner Zeit übrigens sehr verbreitet. Lütke gibt ein kurzes Vocabular
von circa 200 Wörtern der Kusch aisprache (II, S. 355 — 371), die zum Theil aber wenig
mit den von mir aufgezeichneten übereinstimmen.
Herkunft. »Einige Weisse meinen, dass wir von China herkamen; Andere von
»Tschensi* (= Ascension, Ponap6),« war Alles was mir der Vicekönig darüber sagen
konnte. Zu Kittlitz* Zeit standen die Eingeborenen ohne jeden Verkehr mit der Aussen-
welt und kannten nur ihre Insel.
Charakter und Moral. So liebenswürdig und freundlich, als wie Kittlitz die Ein-
geborenen schildert, fand auch ich dieselben, die in der That die angenehmsten und
gastfreiesten, aber nicht intelligentesten Südsee-Insulaner waren, welche ich kennen
lernte. Wie damals boten sie Cocosnüsse, Zuckerrohr und andere Kleinigkeiten
als Geschenk, ohne Bezahlung zu beanspruchen, wenn sie auch im Uebrigen bereits
Handel und durch die Mission sogar Geldeswerth in blanken Dollars kannten, welche
auch die Königin gern nahm. Und doch ist ihnen zuweilen von Weissen, wie sie in
der ersten Zeit diese Inseln heimsuchten, übel mitgespielt worden. Ein alter Mann, der
sich noch an »Litschkec (Lütke) erinnerte, wusste davon zu erzählen. Es kam vor,
dass man einen Eingeborenen ein Messer an der Klinge festhalten liess und ihm die
letztere durch die Hand zog u. s. w. Trotz solcher Brutalitäten haben die Eingeborenen
doch nie Schiffe anzugreifen versucht, wie dies sonst überall geschah, wenn sie auch
(1857) gezwungen waren, sich einiger weisser Eindringlinge zu erwehren, welche sich
zu Herren der Insel machen wollten.
Diebstahl wurde, wie überall auf diesem Erdenrunde, auch auf Kuschai verübt,
und Lütke liess deshalb einen Eingeborenen, der ein Beil entwendet hatte, prügeln.
Wie mein brauner Gewährsmann versicherte, war dies die Ursache, weshalb kein Ein-
geborener mehr das Schiff betreten mochte, ein Betragen, das Kittlitz mit der »unbe-
wussten Entweihung eines heiligen Ortes« zu deuten sucht. (Denkwürd., II, p. 67.)
In den glänzenden Zeiten der Walfischfahrer werden die Schönen Kuschais gegen-
über Weissen wohl ebensowenig spröde gewesen sein als überall in Mikronesien. Zu
meiner Zeit hatte das aufgehört, denn es gab ja keine fremden Matrosen, aber auch fast
keine Mädchen mehr. Dennoch wurde mir eines der letzteren nebst eigenem Kinde ge-
zeigt; die Mission konnte eben auch nicht Alles überwachen!
Trotz des eminent friedfertigen Charakters der Kuschaier sind früher doch Strei-
tigkeiten mit gewaffneter Hand zum Austrage gekommen, und wie überall ist auch das
igS Dr. O. Finsch. ^ [454]
idyllische Leben dieser Menschen durch Krieg unterbrochen worden. Wie mir erzählt
wurde, soll der letzte vor damals circa 50 Jahren stattgefunden haben. Die Festlandsbe-
wohner wurden von den Lallanern in befestigter Stellung angegriffen und total geschlagen.
Reinlichkeit hatte mit der theilweisen Einführung von Seife und Kämmen wohl
Fortschritte gemacht; wenigstens habe ich niemals Läuse essen sehen, wie dies noch
Lütke als etwas sehr Gewöhnliches erwähnt.
II. Sitten und Gebräuche.
(Sociales und geistiges Leben.)
Bei der fast vollständigen Umwälzung, die zu meiner Zeit bereits stattgefunden
hatte, liess sich darüber wenig mehr erfahren, zumal in so kurzer Zeit. Fast alle Ein-
geborenen waren Kirchenbesucher, viele konnten lesen und schreiben, wenn auch zum
Theil nur ihren Namen, wie z. B. der König, der übrigens recht geläufig englisch sprach.
So blieben nur die wenigen alten Leute, die von der vorchristlichen Zeit zu erzählen
wussten, aber sie waren schwer dazu zu bewegen, aus Furcht vor der Mission. Diese
hatte sie von der Schlechtigkeit ihres früheren Lebens so überzeugt, dass die Ein-
geborenen auf dasselbe wie auf eine Reihe fortlaufender Sünden zurückblickten; frei-
lich wurde ja schon Tabakrauchen in diese Kategorie gerechnet. »Kanaka, früher sehr
schlecht; jetzt sehr gut,« sagte Känker, der »Vice-König« und charakterisirte damit die
naive Auffassung dieses Völkchens, das jetzt zwar Wörter wie »Amerika«, »Million«
u. s. w. besass, dieselben aber nicht begreifen konnte. Wie erwähnt, sind die Kuschaier
geistig nicht sehr veranlagt, und auch dies verhinderte, über Vieles genauere Auskunft
zu erlangen.
/. Sociale Zustände.
Stammeintheilung hatte sich kaum mehr erhalten, wurde aber früher äusserst
streng beobachtet. Lesson und Kittlitz fanden nur drei Stämme (Tohn, Pennem^ und
Lirsinge) heraus. Aber nach Snow gab es vier »Se-uf« (Stämme): Penem^ (= wahr),
To-u (Eigenname einer Art Aal, der gewisse Verehrung genoss), Lisunge (= Abthei-
lung) und Ness (= Nahrung), die vielleicht in ähnlicher Weise wie auf den Marshails
zugleich verschiedene
Stände bezeichnet haben mögen. Die strenge Scheidung der letzteren in Häupt-
linge und Untergebene hatte ich noch hinreichend Gelegenheit zu beobachten, zugleich,
dass auch unter den Häuptlingen gewisse Rangstufen bestehen; das Wort »Iros«
(rr— Häuptling) hörte ich aber nicht. Wie auf Ponap^ wird die Würde durch den Titel
bezeichnet, der, wie bei uns, eine männliche und weibliche Form hat. So heisst der
Oberhäuptling oder sogenannte König »Tokoscha« (»Tokoja«: Lütke, oder wie ersieh
selbst schrieb »Tokosa«), seine Frau »Koscha«; der nächstfolgende grösste Häuptling
»Känker« (oder »Kenka«), deren frühere Namen mit Erlangung der Würde erloschen
waren und nicht mehr ausgesprochen werden durften. Namentausch war daher unter
Eingeborenen nicht Sitte, wenn dies auch mit Lütke und anderen Fremden damaliger
Zeit unbewusst geschah. Die Eingeborenen wollten nur den Namen, respective Titel des
Fremden erfahren, nannten den ihrigen und so entstand ein Namentausch, der eigentlich
gar nicht beabsichtigt war. So nannte Känker, dem ich viel von unserem Kaiser erzählen
und das Wort »Emperor« unzählige Male wiederholen musste, mich schliesslich bei
diesem Namen.
r^.^^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. ign
Die Würde des »Tokoschac ist übrigens nicht erblich, sondern kann auf den Sohn
eines früheren Tokoscha, oder einen Bruder, )a eine Schwester übergehen. Mit dem
Titel fällt auch alles Land und sonstiges Besitzthum an den Nachfolger, wie die Witwe
ihren Titel verliert, der übrigens nur der ersten Frau zukam. Wie es scheint, wird der
Tokoscha nicht blos von den Häuptlingen gewählt, sondern der Wille der Gesammt-
bevölkerung oder des Stammes hat dabei Einfluss. Dass der Tokoscha in wichtigen
Angelegenheiten nicht allein zu entscheiden hatte, sondern erst mit den übrigen Häupt-
lingen Rath halten musste, davon war ich selbst Zeuge. Diese Rathsversammlung be*
stand damals aus sechs Häuptlingen. Im Uebrigen schien der Tokoscha absoluter
Herrscher und wurde vom Volke mit einem Grade von Unterwürfigkeit behandelt, die
mir überhaupt nirgends begegnete. In Gegenwart des hohen Paares durfte nur leise
gesprochen werden, die Leute nahten in demüthiger Haltung und krochen fast auf
den Knieen die Stufen zu der Veranda hinauf, wo sie ihre Körbe mit Lebensmitteln
und anderem Tribut niedersetzten. Mit Ausnahme der Häuptlinge und ihrer Sippe muss
auch Alles für den Tokoscha arbeiten, der das Land nur zu Lehen gibt, wofür aber
Abgaben in Naturalien erlegt werden. Wie auf den Marshalls folgen die Kinder der
Mutter im Range, und an dieser Sitte wurde noch damals mit äusserster Strenge fest-
gehalten. Känkers ältester Sohn, ein Knabe von circa 14 Jahren, stand höher als sein
Vater, weil seine Mutter eine Tochter des verstorbenen Königs George war, und eine
jüngere Schwester aus dieser Ehe hatte einen noch höheren Rang als ihr Bruder. Nach
Snow wurden solche hohe Häuptlingssprossen schon vom Säuglingsalter an und selbst
von der eigenen Mutter mit derselben Ehrfurcht behandelt, als wären es bereits tituläre
Würdenträger. Das Haupt eines solchen Kindes durfte nie berührt werden; Wärterin-
nen trugen das Kind Tag und Nacht auf den Armen, das erst auf einer Matte schlafen
durfte, wenn es kriechen konnte.
Hieraus ergibt sich die hervorragende Stellung der Frauen, wenigstens der höheren
Stände; aber auch die übrigen Frauen werden gut behandelt. Kittlitz beobachtete, dass
die letzteren sich stets gesondert von den Männern hielten, aber dies ist ein unter allen
Eingeborenen weit verbreiteter Brauch.
Die Ehe ist jetzt allgemein christlich; früher herrschte Polygamie, aber wohl nur
bei Häuptlingen.
2. Vergnügungen.
Mit Spiel und Tanz war es vorbei; die Eingeborenen sangen Hymnen und
kannten ihre früheren Lieder kaum mehr. Nach vielem Zureden trug uns ein alter
Mann einen Gesang (»Onon«) vor. Er hielt dabei die Hand vor den Mund und sang
eine näselnde Weise, in welcher das Wort »Oio« sehr häufig vorkam. Aber übersetzen
mochte uns Niemand den Text, die Worte seien >zu schlecht«, meinte man; waren es
doch »heidnische«. Diese Gesänge im Verein mit sogenannten Tänzen (»Schalschal«)
bildeten früher, wie meist überall, die Hauptvergnügungen beider Geschlechter, aber
getrennt. Dabei werden in gleichmässigem Tempo die Arme und der Körper bewegt,
mit den Beinen getrampelt und dazu gesungen, wobei die zuschauenden Frauen in den
Refrain »Oio« mit einfallen. Taktschlägel oder Tanzstöcke, nach denen ich mich beson-
ders erkundigte, kennt man ebensowenig als irgend ein Musikinstrument. Von letzteren
erhielt ich noch die weitverbreitete Muscheltrompete (»Oguk«) aus Tritonium, die aber
auch hier nur zum Signalblasen diente und sicher kein »heiliges« Instrument war, wie
Lütke vermuthete. Der Letztere beschreibt übrigens einen Tanz der alten Kuschaier
Annalcu des k. k. naturbistorischen Hofmuseums, Bd. VllI, Heft 3, 1893. 15
200 Dr. O. Finsch [45^]
(iy S. 383) sehr übereinstimmend mit der obigen Skizze und erwähnt als einzigen Tanz-
schmuck nur der Muschelarmringe aus Conus (Taf.VI [23], Fig. i). Schon damals waren
die Kuschaier wenig fröhliche Menschen; Spiele schienen sie gar nicht zu kennen.
3. Bestattung und Geisterglauben.
Darüber war wenig mehr zu erfahren. Die Todten wurden früher in Matten ein-
gehüllt begraben, und es fanden besondere Feierlichkeiten statt. Schon beim Lager des
Sterbenden und um das Haus desselben sammelten sich Anverwandte und Stammes-
genossen. Beim Ableben eines Grossen wurde ein viertägiges Fest abgehalten, wobei
die erwähnten Tanz* und Gesangsaufführungen stattfanden, in denen man das Lob des
Verstorbenen besang. An diesen Klageliedern betheiligten sich auch die Frauen, und
Alles stimmte in den Refrain (»Oio«) ein. Essereien waren mit diesen Todtenfesten
ebenfalls verbunden und wahrscheinlich nicht Nebensache. Gräber habe ich ebenso-
wenig als V. Kittlitz gesehen, der deshalb irrthümlich annimmt, dass man Todte in
Sümpfe versenke. Aber Lütke gedenkt eines frischen Grabes, das an der Seite des
Hauses eines unlängst Verstorbenen gegraben und mit zwei der Länge nach darüber ge-
legten Bananenstämmen gekennzeichnet war. Die grossen Mauern auf Lälla sollen zum
Theil auch die Gräber grosser Häuptlinge bergen.
Geister- und Aberglauben herrscht wahrscheinlich noch heute, aber auch darüber
liess sich wenig und nur Unsicheres erfahren. Hiezu möchte ich die »steinernen Götzen-
bilder« rechnen, von denen man uns erzählte, die es aber sicher nie gegeben hat, ausser
vielleicht gewissen Steinen, die man, ähnlich wie auf den Marshall-Inseln, im Sinne
eines rohen Fetischismus verehrte, denn Religion haben auch die Kuschaier nie be-
sessen. Was Känker von der Insel »Millemöt«, dem Orte, wo die guten Menschen hin-
kommen, und »Millönut« für die Bösen erzählte, klang bereits sehr christlich an-
gehaucht, um weitere Beachtung zu verdienen. Im Uebrigen wurde von bösen Geistern
berichtet, die zuweilen sogar Diebe mit unsichtbaren »Geisterspeeren«, aber bei Nacht,
tödteten. Sicher ist, dass die Kuschaier einen grossen Aal (»To-u«, zugleich Bezeich-
nung eines Stammes) noch heute unberührt lassen, der früher als verkörperter Vertreter
der Seele von Vorfahren verehrt wurde. Fand man zufällig einen solchen »heiligen«
Aal todt, so begrub man denselben, sorgfältig in Matten eingehüllt, mit gleichen Cere-
monien und Ehren, als handle es sich um einen grossen Häuptling. Die Kuschaier
Hessen uns übrigens ruhig »heilige« Aale fangen und äusserten darüber ebensowenig
Missfallen als damals, da Kittlitz, noch in heidnischer Zeit, einen solchen schoss. Ver-
ehrung gewisser Fische war übrigens weit über die Südsee verbreitet. So galt den alten
Hawaiiern eine grosse Art Haifisch heilig, und Anklänge daran hatten sich noch zu
meiner Zeit erhalten. Als Consul Pflüger das hochinteressante Steinbild nach Europa
verladen Hess, zu dessen Erwerbung ich dem Berliner Museum mit behilflich war, er-
hob sich ein grosser Jammer bei den christlichen Eingeborenen, die in diesem Bilde
noch immer den grossen Gott der Fische ihrer Vorfahren in Andenken behalten hatten.
Interessant ist, dass Aale auch auf der Hervey-Gruppe und Tockelau (Fakaafo) verehrt
wurden, natürlich andere Arten als die von Kuschai. Gill, der den »sacred sea-eel« des
Süd-Pacific abbildet (»Life in the Southern Isles«, S. 279), möchte »diese Art Götzen-
dienst mit der Erinnerung an die Schlange der Arche, welche Eva verführte (!?)« in
Beziehung bringen und zieht daraus den Schluss, dass deshalb in so manchen Gebieten
der Südsee namentlich Frauen Aale nicht essen dürfen. Dieser Abscheju vor Aalen ist
aber keineswegs allgemein verbreitet und zum Theil auf das widerliche Ausseben
[^.^y] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 20i
gewisser Arten zurückzuführen, denn aus diesem Grunde mochte auch Niemand bei
uns an Bord die heiligen Aale Kuschais essen.
Ueber Priester und Wahrsager konnte ich nichts erfahren. Der hohe Herr, bei
dessen Eintreten Alles schweigend zusammenrückte, um Platz zu machen, und in wel-
chem V. Kittlitz unter dem Namen Iros »Togrshac irgend einen geistlichen Würden-
träger vermuthet (2, S. 47), war eben der »Tokoscha«, das ist der oberste Häuptling.
V. Kittlitz gedenkt eines »Heiligthumes«, das ihm unerklärlich blieb. Es war eine
massig lange Stange, »woran oben mehrere, dem Anscheine nach sehr alte Cocos-
flaschen befestigt waren c, und vermuthet in letzteren Reliquien, welche die ersten Ku-
schaier bei ihrer Einwanderung mitbrachten, und die damals wie noch heute als
Wasserbehälter dienten. Vielleicht waren diese Cocosnussgefasse Symbole der Häupt-
lingswürde, wie dies nach Kubary ähnlich auf Pelau der Fall ist, oder sie enthielten nur
Kawa oder vielleicht Palmsaft, aber auch darüber sind die Acten geschlossen. Dasselbe
gilt in Betreff der sogenannten heiligen Stäbe, welche Lütke erwähnt, als »4 — 5 Fuss
lange Ruthen, an einer Seite zugespitzt, an der anderen cannelirt«, welche in der Ecke
einiger Häuser mit Kawablättern und Muscheltrompeten zusammen besonders verwahrt
und bei der Bereitung von Kawa hervorgeholt wurden, v. Kittlitz beschreibt dieses
»vermuthliche Heiligthum«, in welchem Lesson nur ein Fisch ereigeräth erblickte, als
»einen Stab in Form einer Netzgabel«. Wenn die richtige Deutung schon wegen höchst
mangelhafter Sprachkenntniss unmöglich war, so hinderte das Lütke leider nicht, auf
dem Gebiete der Phantasie noch weiter zu schweifen und aus unverständlichen Trink-
sprüchen beim Kawagenuss, die sich häufig wiederholenden Worte »Sitel Nazuenziap«
(Kittlitz schreibt: »Sitel na ^ensap«) als den Namen des Gottes der Kuschaier heraus-
zufinden, der seitdem in allen Büchern weiterspukt. Was Lütke (I, S. 392) von diesem
angeblichen Gotte und seiner Familie erzählt, bezieht sich ohne Zweifel nur auf be-
rühmte Vorfahren, hat aber ebensowenig mit Religion zu thun, als der angeblich reli-
giöse Cultus des Kawatrinkens.
Der scharf beobachtende Kittlitz erwähnt als charakteristisch für das damalige
Kuschai eine Schnur, die vor dem Eingange des Dorfes über die Wasserstrasse gespannt
und an welcher Allerlei (Blattstreifen, Blumen etc.) als »muthmassiiche Opfergaben <
befestigt war. Ob diese Deutung richtig ist, Hess sich nicht mehr ausmachen. Ich ver-
muthe, dass eine solche Schnur (abgebildet »Senjavin-Reise«, PI. 19 unten) mit Aber-
glauben im Verband stand, um böse Geister abzuhalten o. dgl., wie dies in ähnlicher
Weise in Melanesien geschieht.
Bei Ankunft eines Schiffes pflegte man früher Kindern einen Streif Pandanus-
oder Cocosblatt um den Hals zu binden, zur Abwehr etwaiger schädlicher Einflüsse,
durch »bösen Blick«, ein Aberglaube, der sich früher, wie anderwärts, auch auf Kuschai
fand. Deshalb fürchtete man sich Anfangs vor dem Missionär Snow, weil dieser eine
Brille trug. Halsbänder galten früher auch als Heilmittel, wie in vielen Gegenden der
Südsee noch heute und zum Theil bei uns. Der Häuptling pflegte dem Kranken einen
Blattstreifen umzubinden und sagte dabei: »Du wirst nicht sterben«, was freilich, wie
Känker meinte, nicht immer eintraf. Von anderen Heilverfahren habe ich nichts in Er-
fahrung gebracht, möchte aber hiebei an das eigenartige »Instrument zum Aderlassen«
erinnern, das von Posteis (leider ohne nähere Localität von den Carolinen) abgebildet
und beschrieben wird (Atlas »Senjavin-Reise«, S. 25, PL 29, Fig. 19). Es besteht aus
einem 4 — 5 Zoll langen runden Stöckchen, an dessen Enden jederseits der Knochen-
stachel eines Fisches (aus dem Schwänze von Acanthurus) befestigt ist, welchen man
mit einem Stöckchen in die schmerzhaften Körpertheile einschlägt. Diese Heilmethode
i5*
202 ör. O. Finsch. [458]
wird namentlich bei Gelenksgeschwulst (»Make genannt) angewendet. Zum Blutlassen,
übrigens eine sehr beliebte Heilmethode, benutzen Eingeborene gewöhnlich scharfe
Steine, noch lieber Glassplitter; ein eigenes Instrument kam mir nur auf Neu-Guinea
vor (II, S. 338 [124]).
III. Bedürfnisse und Arbeiten.
(Materielles und wirthschaftUches Leben.)
/. Nahrung und Zubereitung.
a) Pflanzenkost.
Gegenüber Mangel und Spärlichkeit von Lebensmitteln auf den Atollen herrscht
auf den hohen Inseln, wie Kuschai, förmlicher Ueberfluss. Es fällt daher auf, dass trotz
dieser günstigen Ernährungs Verhältnisse die Kuschaier nur schwächlich aussehende
Menschen sind, deren äussere Erscheinung anderen Mikronesiern gegenüber, z. B. den
hungerleidigen Gilbert-Insulanern, entschieden zurücksteht, wie dies auch in Bezug auf
geistige Entwicklung gilt. Pflanzenkost bildet auch für Kuschai die fast ausschliessliche
Nahrung; aber wir finden hier zuerst eine geregelte Plantagenwirthschaft, in ganz
ähnlicher Weise als in Melanesien. Wie hier liegen die Plantagen meist von den Siede-
lungen entfernt, die der Lällaner z. B. auf dem Festlande. Weite Strecken Landes sind
urbar gemacht, mit Steinmauern aus Basaltstücken eingefriedigt und hier zuweilen be-
sondere kleine Hütten (»Lom« = Haus) errichtet, deren Dachfirste geradlinig verläuft.
Sie dienen zur Unterkunft für Arbeiter oder Wächter, um den Glanzstaaren (»Uäc, Ca-
lornis pacificus) und Flughunden (»Foak«, Pteropus ualanensis) zu steuern, welche
namentlich in Bananen und Brotfrucht viel Schaden anrichten. Wie auch anderwärts
pflegt man zur Zeit der Fruchtreife die Bananenbündel mit Netzen einzuhüllen, um sie
gegen die Nachstellungen der genannten Thiere zu schützen.
Brotfrucht (»Mose«) bildet die hauptsächlichste Nahrung der Kuschaier. Es
werden zwei fast kernlose Arten oder Varietäten cultivirt, die vorzüglich gedeihen und
deren Früchte die des Jackfruchtbaumes in Ost-Mikronesien bei Weitem übertreffen.
Brotfrucht kann nicht roh gegessen werden. Man zerschlägt die reife Frucht mit einem
hölzernen Geräth (Fig. 28) in zwei Hälften und lässt sie, in Blätter eingehüllt, ungefähr
eine Viertelstunde in der Gluth heisser Asche backen. Solche warme Brotfrucht riecht
wie Schwarzbrot, das eben aus dem Ofen kommt, und erinnert auch im Geschmack
daran. »Uro« ist eine Dauerwaare aus Brotfrucht, welche ganz so bereitet wird, als
»Piru« der Marsh all-Inseln (S. 143 [Sgg]). Sie ersetzt die frische Brotfrucht und wird
in Gruben verwahrt, die mit Steinen ausgemauert sind. Zum Abnehmen von Brot-
früchten bedient man sich eines langen Stockes mit einem Haken, wie dies PI. 33 der
»Senjavin-Reise« zeigt. Nächst Brotfrucht ist:
Taro (»Katak«) das wichtigste Nahrungsmittel, wovon (nach v. Kittlitz) drei
Arten, dieselben als wie in den Marshalls (S. 143 [399]), aber von weit besserer Qualität,
cultivirt werden. Die sehr nahrhaften und wohlschmeckenden, oft sehr grossen Knollen
werden in heisser Asche geröstet oder gewässert und gestampft zu einem säuerlichen
Teig verarbeitet, der ganz dem »Poi« der Hawaiier entspricht und sich lange hält.
Bereitung von Arrowroot scheint man nicht zu kennen. Bananen (in mehreren Arten,
darunter eine, die nur der Faser wegen angebaut wird) und Zuckerrohr bilden die wei-
teren Erzeugnisse des Plantagenbaues, die meist zusammen unter Brotfruchtbäumen
cultivirt werden. Ob man auch Yams (Diascorea) anbaut, ist mir nicht erinnerlich.
N cgi . Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 2o3
Zuckerrohr wächst übrigens auch wild, und daraus hat sich (wie allenthalben in Melane-
sien) wahrscheinlich nach und nach durch Cultur die essbare Art entwickelt. Zucker-
rohr dient übrigens nicht als eigentliche Speise, sondern wird von den Eingeborenen
nur roh ausgekaut, wie dies mit den holzigfaserigen Kernen von Pandanus, der zahl-
reich wild wächst, geschieht, aus denen man aber keine Conserve bereitet.
Cocosnüsse (»Nio« oder »Niuc) sind im Haushalt Kuschais minder von Be-
deutung, als dies sonst der Fall ist. Wie schon v. Kittlitz sehr richtig bemerkt, kommt
die Cocospalme im Ganzen spärlich und nur cultivirt vor und fehlte jedenfalls ehemals
der Insel ganz. In der That verdienen, wie bereits erwähnt (S. 4 [272]), die Beziehun-
gen zwischen diesem Edelbaum und dem Menschen, sowie zu der Ausbreitung des
letzteren, volle Beachtung. Ich selbst habe die Cocospalme nirgends wild angetrof-
fen, sondern immer nur mit Menschen zusammen, also cultivirt. Fehlten die letzteren
zufällig einmal, so hatten doch früher sicher welche unter den verlassenen Palmen ge-
lebt. Auf den meisten unbewohnten Inseln der Südsee fehlt auch die Cocospalme, und
nur selten (wie z. B. auf TimoS im Paumotu- Archipel) findet das Gegentheil statt. Das
Ersteigen der Cocospalme geschieht übrigens, um dies noch zu erwähnen, ganz in der
Weise wie z. B. in Neu-Britannien und vielerwärts, indem die Füsse unten mit einer
Liane zusammengebunden werden.
Die Früchte einer wildwachsenden Orangenart, die unserem Geschmacke aber
nicht behagen, waren schon zu Kittlitz' Zeiten bei den Eingeborenen sehr beliebt.
Seitdem sind durch Weisse weitere Culturge wachse eingeführt worden, und zwar der
Melonenbaum (Carica papaya), die Ananas und Feige, welche trefflich gedeihen.
Nach Lütke lebten geringere Leute vorherrschend von einer schlechteren Art
Banane (»Kaiasche« genannt), sowie von Brotfruchtteig, während Cocosnüsse, wie die
Palmen, allein den Häuptlingen gehörten und zukamen.
b) Fleischkost.
Bei der Fülle trefflicher Vegetabilien wurde die in diesen Urwäldern ohne Feuer-
gewehre ohnehin sehr mühsame und wenig lohnende Jagd überhaupt nicht ausgeübt.
Schon V. Kittlitz bemerkt, dass man die zahlreichen verwilderten Hühner gar nicht be-
achtete, ebensowenig als die »Mule« (Carpophaga oceanica), eine grosse Fruchttaube,
die einen ansehnlichen Braten liefert. Aber man ass fliegende Hunde (»Foak«, Piero-
pus ualanen$i$)j wahrscheinlich weil diese leichter zu erbeuten waren.
HaiiSthiere, selbst Hunde, fehlten, wenn auch die verwilderten Hühner jedenfalls
einer domesticirten Rasse angehören, die mit den ersten Einwanderern eingeführt wurde.
Es zeigen sich also auch hier wieder die interessanten und wichtigen Beziehungen
zwischen Mensch und diesem HausgeflügeL Hühner, fast so scheu als wilde, wurden
übrigens zu meiner Zeit nur wenig und meist bei den Stationen gehalten. Häufig waren
dagegen Schweine, die, zuerst durch Duperrey und Lütke eingeführt, in der Zeit der
Walfischfahrer bereits einen lebhaften Handelsartikel bildeten. Sie kommen jetzt auch
verwildert vor. Zu meiner Zeit hielt der eingeborene Pastor Likiat Sa auch einige
Stücke Rindvieh, wovon er an Schiffe verkaufte, wie Milch und Butter bei ihm zu
haben war. Die Eingeborenen verbrauchten davon freilich nichts, ebensowenig als
andere importirte Nahrungsmittel, die auf den Marshalls bereits von Bedeutung waren.
Aber an Schweinefleisch hatten sich die Kuschaier bereits gewöhnt, und bei Festlich-
keiten durfte ein gebratenes Spanferkel oder junges Schwein nicht fehlen. Wie überall
in der Südsee, wo man keine Töpfe kennt, wird ein derartiges Thier in einer Grube
zwischen Lagen von heissen Steinen und Blättern gar gemacht, was übrigens einen
204 ^^' ^' P'nsch. . [460]
vortrefflichen Braten liefert; nur fehlt Salz, das auch den Kuschaiem unbekannt ist.
Zu Lütke's Zeiten wurden noch viel Schildkröten gefangen und sicher auch gegessen,
wenn sich Lütke darüber auch nicht Gewissheit verschaffen konnte.
Die Kochkunst steht überhaupt auf einer hohen Stufe der Entwicklung und wir
haben sie zu würdigen gelernt. Das Menü eines solchen Eingeborenen-Dinner bestand
in: Hühnersuppe mit Brotfruchtklössen, gebratenen Fruchttauben, Brotfrucht, einem
gebratenen Spanferkel mit Taro und »Fafa«, einer sehr wohlschmeckenden Speise aus
Bananen, mit geschabter und ausgepresster junger Cocosnuss als Sauce. Kittlitz er-
wähnt »sehr wohlschmeckender Puddings von gestampfter Brotfrucht mit Cocosmilch
und Zuckersaft Übergossen c. Freilich war unser Gastgeber Wa ein eingeborener Missio-
när, und seine Frau Hin je verstand nicht blos in Pfannen und Töpfen zu kochen, son-
dern besass bereits solche moderne Küchengeräthschaften. Im Uebrigen war dergleichen
noch wenig im Gebrauch, und die Eingeborenen kochten meist wie üblich zwischen
heissen Steinen. In dieser Manier wurden namentlich auch Fische (»Jäk«) zubereitet,
welche noch die häufigste Fleischnahrung ausmachten. Aber kleine Fische verzehrte
man noch, wie schon zu Kittlitz* Zeiten, roh.
Regelmässige Mahlzeiten werden nicht gehalten und die in Schüsseln aufgetrage-
nen Speisen durch den Hausherrn vertheilt, wobei derselbe Rang und Alter der Gäste
gebührend berücksichtigt. Nach Lütke durften damals die Frauen nicht mit den Män-
nern gemeinschaftlich essen.
Reizmittel kennen die Kuschaier nicht mehr. Der Genuss von Palmsaft, ver-
muthlich auch hier durch Walfisch fahrer eingeführt, wurde schon Anfangs der Fünf-
zigerjahre von König Georg verboten, vielleicht auch deshalb, weil man sauren Toddy
bereitete.
Tabakrauchen, ebenfalls von Walfängern importirt, das bald allgemein beliebt
wurde, ist in Folge der strengen Missionsgesetze fast wieder verschwunden oder wird
doch nur heimlich betrieben. Dagegen hat Kawatrinken völlig aufgehört. Die Berei-
tung des Kawatrankes (»Tschekac) wird von Lütke (vol. I, S. 370) und Kittlitz (Denk-
würd., I, S. 374, und II, S. 52) ausführlich beschrieben und geschah ganz in ähnlicher
Weise, wie noch heute auf Ponap^. Die Wurzel des Tschekastrauches (Piper methysti-
cum), nach Lesson auch Blätter und Stengel (wie auf Ponap6), wurde mit steinernen
Stampfern (Fig. 32) auf einem grossen Steine zerstampft, respective zerrieben, der Brei
mit Wasser vermischt, durchgeseiht, in einen hölzernen Trog gegossen und dann aus
Cocosschalen getrunken. Die beiden Männer, welche dies besorgten, waren mit einem
Gürtel aus Bananenblättern bekleidet, trugen ein Band von Cocosblatt um den Hals,
das Haar nicht im Nacken, sondern auf dem Scheitel geknotet und hielten einen der
vorher erwähnten Stäbe (S. 201 [457]) zwischen den Knieen. Es herrschte also, wie
überall, beim Kawatrinken ein gewisses Ceremoniell, welches die ersten Beobachter
verleitete, eine »religiöse Bedeutung« herauszufinden. Die Worte, welche beim Kawa-
bereiten gesprochen wurden, deutet Lütke, obwohl er sie nicht entfernt verstehen
konnte, als Gebete, und so war der »Kawacultus zu Ehren des Gottes Nazenziap« fertig.
Sicher hatte Kawatrinken auch auf Kuschai nichts mit Religion zu thun, sondern war
ein Hochgenuss nur für Häuptlinge und deren Gäste, wobei Förmlichkeiten beobachtet
und gewisse Sätze hergesagt wurden, Trinksprüchen bei uns vergleichbar, in denen
man auch des »Uross Litschke« (Lütke) gedachte. Ganz ähnliche Gebräuche herrschen
auf Fidschi, wo Ava unter Gesang bereitet, aber nur vom König getrunken wird (Wil-
kes, III, S. 115).
[46 1]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee.
205
Fig. 27.
2, Kochgeräth
enthielt noch einiges EigenthQmliche. Mit Feuerreiben war es freilich vorbei, aber
V. Kittlitz sah es noch und beschreibt (Denkwürd., II, S. 27) die Methode, welche mit
der auf den Marshall- Inseln gebräuchlichen übereinstimmt. Der Apparat, »Eagä« ge-
nannt, besteht aus einem circa 50 Cm. langen Klötzchen von weichem Holz, zu dem
ein keilförmig zugeschnittenes Stuck Hartholz als Reiber gehört. »Zwei Männer bringen
damit in wenig mehr als einer Minute Feuer hervor, indem der eine den Reiber aus Hart-
holz mit beiden Händen und etwas nachdrücklich, aber ohne sich sichtbar anzustrengen,
in der Kerbe, die sich auf dem weichen Holze durch den Druck des harten alsbald bil-
det, auf und nieder bewegt, während der andere das längliche Klötzchen am Boden
festhält und die sich beim Reiben absondernden feinen Spähne beständig in die Kerbe
zurückdrückt. Aeusserst bald fangen diese Spähne zu rauchen und zu glühen an, worauf
die Flamme sogleich in bereit gehaltenen trockenen
Baststreifen durch Schwenken in der Luft gewonnen
wird.«
Ein eigenthümliches Schabgeräth, das noch
damals in Gebrauch war, ist das folgende:
Ful (Nr. 49, I Stück), Schaber (Fig. 27) aus
einer Muschel {Cypraea mauritiana L.)^ deren eines
Ende abgeschlagen ist, um sie besser halten zu kön-
nen, während das entgegengesetzte schief abgeschlif-
fen ist, so dass hier eine scharfe Schneide entsteht.
Lälla.
Wird zum Schaben von Cocosnuss u. s* w.
benutzt, zum Reiben von Taro und Banane be-
dient man sich dagegen flacher Stücke Korallen, mit fein geriefter Oberseite, als Reib-
eisen.
>Ta€ heisst ein besonderes Werkzeug zum Aufschlagen der Brotfrucht (Fig. 28).
Er besteht in einem circa 20 Cm. langen flachen Stück Hartholz, in der Form eines
Hackmessers, mit kurzem Handgriff und
ziemlicher Schärfe der Unterseite und f»g. 28.
wurde früher auch als Waffe benutzt.
Stampfer (»Tok«) aus Holz und
Stein gehören mit zu den eigenthüm-
lichen Kochgeräthen Kuschais und sind
zum Theil kunstvolle Erzeugnisse des
Fleisses der Eingeborenen.
Tok-sak (Nr. 52, i Stück), Stam-
pfer (Fig. 29) aus Hartholz (Mangrove), rund, 18 Cm. lang, die untere, etwas abge-
rundete Fläche 7 Cm. im Durchmesser. Lälla.
Das obige Exemplar ist minder sorgfältig gearbeitet als andere, die übrigens in
der Grösse nicht unerheblich variiren und von denen fast jedes Verschiedenheit in der
Form des Kopfendes zeigt. (Vgl. Fig. 3o und 3i, sowie Atlas der »Senjavin-Reisec,
PL 29, Fig. 10, und Edge-Partington, Taf. 175, Fig. 11 »Strongs-Isl.c.)
Solche hölzerne Stampfer waren damals noch ziemlich häuflg, aber ich erlangte
nur wenige:
Muschelschaber.
Kusch ai.
Vi natürl. Grösse.
Brotfruchtschl§ger.
Kuschai.
2o6
Dr. O. Rnsch.
[462]
Tok-jot (Nr. 53, I Stück), Stampfer (Fig. 32) aus einem grobkörnigen Basalt,
17 Cm, lang, die untere etwas abgerundete Fläche 9 Cm. im Durchmesser. LaUa.
Das grösste Exemplar, welches ich erhielt, war 21 Cm. lang, Durchmesser unten
10 Cm. Diese Stampfer gehören mit zu den besten Steinarbeiten Eingeborener, aber
bereits der Vergangenheit an. Ein fast gleiches Exemplar aus Stein bildet Edge-Par-
tington (Taf. 175, Fig. 10) von »Strongs-lsl.« ab. Ganz abweichende Formen bieten
Fig. 29.
Fig. 3i
Stampfer.
Fig. 29, 3o, Jl von Holz, Fig. 32 von Stein.
Kusch ai.
die steinernen Stampfer der alten Hawaiier (Wilkes, IV, S. 48, Abbild.) und Tahitier,
unter denen namentlich die letzteren merkwürdig sind (Gill, »Life in the Southern Isles«,
Abbild., S. 204).
Nach Posteis dienten die steinernen Stampfer nur zur Bereitung von »Tschel;a<
(ICawa). Kawapressen gedenkt V. Kittlitz (DenkwUrd,, I, S. 374). Sie bestand nur in
einem flachen Stein, »nicht unähnlich einem etwas eingesunkenen Grabsteine, der vor
dem Feuerherde liegt«, und fand sich nur in Häuptlingshäusern.
3. Essgeräth.
Nach dem, was ich in dieser Richtung noch zu sehen bekam und zum Theil erhielt,
müssen die Kuschaier einstmals treffliche Holzarbeiter gewesen sein, eine Fertigkeit, die
unter dem Einfluss der Civilisation bereits so gut als untergegangen zu betrachten ist.
Topp (Nr. 78, I Stück) Schüssel, kahnförmig, flach, braunroth angestrichen,
53 Cm. lang, 14 Cm. breit. Lälla. In der Form ganz mit der Abbildung (»Senjavin-
Reise«, PI. 29, Fig. 12) Übereinstimmend.
Alle Schüsseln, welche ich auf Kuschai erhielt, hatten die obige Form, bald
schmäler und schlanker, bald kürzer und breiter, aber immer flach und an beiden Enden
kahnförmig spitz zulaufend. Das grösste derartige Essgefäss war 70 Cm. lang, 29 Cm.
breit und 10 Cm. tief. »Tapuak« heissen grössere bis grosse Tröge, ziemlich tief und
an beiden Enden abgerundet, die aus dem Holze des »Ite«-Baumes gefertigt wurden
und meist zur Bereitung des Brolfruchneiges dienten. Ein solcher napfförmiger Trog
halte folgende Masse: Länge 80 Cm., Breite 32 Cm., Tiefe 29 Cm. Lütke notirt:
3 Fuss Länge und 2'/i Fuss Höhe und bemerkt, dass solche Tröge als Kawabowlen
benutzt wurden, sowie leer als Sitze.
[463]
Ethnologische ErFahrungen und Belegstücke
Das Material zu den meisten derartigen Getässen ist das
leichter zu bearbeitende Holz des Brotfruchtbaumes und charak-
teristisch für die Holzarbeiten Kuschais der Anstrich mit einer
braunrothen Farbe, die übrigens auch auf Ponapö angewendet
wird, aber nicht auf den Gilberts und MarshaUs.
Als Teller benutzt man gewöhnlich schnell geflochtene
längliche Matten aus Cocospalmblatt. LttlTel sind mir nicht vor-
gekommen.
Als Wassergefösee nimmt man leere CocosnQsse (>Allae<)
und besitzt ausserdem noch einen anderen ebenso einfach als in-
geniös ersonnenen Wasserbehälter aus Taroblatt (Fig. 33).
Die Enden eines grossen Tsroblattes werden am Stiele zusam-
mengebunden und bilden so eine Art Beutel, in welchem sich
Wasser sehr gut halt. Auf Canufahrten nimmt man solche Beutel
mit Wasser mit, wie dies meine eingeborenen Begleiter bei Jagd-
ausflQgen zu thun pflegten. Meist werden zwei solche Wasserbeute]
mit den Stielen zusammengebunden Ober der Schulter getragen.
Taroblaii
als Wasserbehälter.
Kuschal.
4. Fischerei und Geräth.
Bei der Fülle trefflicher Culturge wachse sind die Kuschaier nicht in dem Masse
auf Meeresproducte angewiesen, als die Bewohner der Atolle, betrieben aber selbstver-
ständlich von jeher Fischerei, um die einzige ihnen zugängliche Fleisch nah rung zu er-
langen. Diese Fischerei blieb aber immer auf die verhältnissmässig sehr schmale Lagune
des Barrierriffes, sowie auf das letztere selbst beschränkt, da sich die Kuschaier mit
ihren kleinen Canus, ohne Segel, nur in seltenen Fällen auf das Meer hinauswagen.
LUike bemerkt ausdrücklich, dass nicht im offenen Meere gefischt wurde.
Obwohl die Civilisation auch bezüglich der Fischerei Manches bereits verwischt
hatte, gelang es mir doch noch, die hauptsächlichsten Geräthschaften zu erlangen, die
immerhin einen Einblick auch auf die Fischereimethoden der früheren Zeit gewähren.
Netzflscherei wurde noch damals betrieben, denn ich erhielt noch ein ziemlich
grosses Netz (6 M. lang und circa 2 M. hoch), iNa-äki. Dasselbe ist ziemlich weit-
maschig (3o zu 50 Mm.) gestrickt, und zwar nicht aus eigentlichen Bindfaden, sondern
schmalen Bastfasern (wahrscheinlich von Hibiscus, »Lo» oder Seegras?); die Schwim-
mer sind (wie bei den Netzen der Gilbert- Insulaner) Abschnine von hohlen Zweig-
stücken von Pandanus, die Senker ^ reu -Muscheln,
Solche Netze erreichen zuweilen eine Länge von i3 M. und werden hauptsächlich
benutzt, um die Schaaren periodischer Wanderfische in ähnlicher Weise einzuschliessen
wie auf den Marshall- [ns ein (S. 148 [404]), eine Methode, der schon v. Kinlitz gedenkt. ')
Früher bediente man sich einer besonderen Art bauchiger Netze (circa i M. lang)
zum Nachtfange beim Scheine der Fackeln aus dürren Cocosblättern. Diese Netze
waren an einer circa 4 M. langen, sehr sauber gearbeiteten Stange befestigt, die vom
') tDiese (die Männer) fahren dann gewöhnlich in einer oder zwei Piroguen ein langes Neti
bei sich, welches sie an Stangen senkrecht in Form eines Geheges aufstellen und olltnalig immer
mehr zusammeniiehen ; endlich werden die darin eingeschlossenen Fische theils gefangen, iheils mit
Speeren erstochen. Man wendet das hauptsächlich gegen die grösseren, hcerdenweise lebenden Arten
>n, von denen man annehmen muss, dass sie die Lagune nur zur Laichzeit besuchen,. (Denkwürd.,
". S. T9.)
2o8 Dr O Finsch. [464]
Canu aus übers Wasser gehalten wurde. Ich erhielt nur noch eine solche Stange aus
dem sehr harten Holze des »Oic-Baumes, ein Stück, das die Eingeborenen als sehr
werthvoll betrachteten, da die Herstellung eine Woche Arbeit kosten soll. Diese Fang-
methode, bei welcher die nach dem Lichtschein springenden Fische in das Netz ge-
rathen, soU^ wie man mir sagte, früher blos auf fliegende Fische angewendet worden
sein; allein wohl nur bei sehr ruhigem Wetter, da sich die Insulaner in ihren unzu-
reichenden, segellosen Fahrzeugen nur dann bei Nacht aufs Meer hinauswagen durften.
Hakenfischerei. Eiserne Fischhaken hatten die selbstgefertigten aus Perlmutter
längst verdrängt. Ich erlangte von letzteren nur noch ein paar Schäfte (Stiele), die ganz
mit solchen von den Marshall-Inseln (S. 146 [402], Nr. 149) übereinstimmen. (Vgl.
auch Edge-Partington, Taf. 177, Fig. 9; hier der Fanghaken ebenfalls von Perlmutter
und mit Widerhaken an der Innenseite der Spitze.)
RiiTfischerei zur Ebbezeit wird hauptsächlich von den Frauen betrieben, die sich
dabei kleinerer und grösserer Hamen bedienen. Dieselben sind rund, mit kurzem Stiel,
oder grösser und an einem langen Stiele. Eine besondere Art, nur von Männern ge-
braucht, die bereits Lütke erwähnt und ganz gleich auf Ponap^ und Ruk vorkommt,
ist die folgende:
* Fig. 34.
Fischhamen.
Kuschai.
Fischhamen (Nr. i63, i Stück, Textfig. 34), bestehend aus einem 1-50 — 2*25 M.
langen Stecken, an dessen Basis ein circa 87 Cm. langes Astende rechtwinkelig an-
gebunden ist. Die Enden der beiden Schenkel sind durch einen Strick verbunden, der,
ziemlich straff angezogen, den Endtheil des langen Steckens in die Höhe biegt. Es wird
dadurch ein langer, aber schmaler Rahmen (a) gebildet, der mit ziemlich weitmaschigem
(40 zu 50 Mm.) Netzwerk etwas bauchig überspannt ist. Das Material zum Netz ist
dasselbe als bei den grossen Fischnetzen. Lälla.
Eine ähnliche Form, aber viel grösserer Hamen wird auf den Salomons gebraucht
(vgl. Guppy: »Solomons«, S. 155 mit Abbild.).
Reusen lernte ich nicht kennen; doch mögen solche vielleicht gebraucht worden
sein, wie früher auch Fischwehre, welche bei Ebbe die Fische zurückhalten und schon
von Lütke erwähnt werden. Auf der englischen Admiralitätskarte (Nr. 977) sind solche
Fischwehre an der Mündung des Lualflusses eingetragen und zeigen, wie gross der-
artige Anlagen damals waren.
Fischspeere, die von Lütke und Kittlitz nur erwähnt, aber nicht beschrieben wer-
den, erhielt ich nicht mehr.
5. Waffen.
Die Waffen waren die üblichen: Wurfspeere und Schleuder; aber schon v. Kitt-
litz bekam davon nichts mehr zu sehen. Das kurze schwertartige Instrument zum Auf-
r455] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 20Q
schlagen der Brotfrucht (S. [461], Fig. 28) soll als Handwaffe benutzt worden sein.
Wahrscheinlich als solche auch »ein besonderes Instrument aus drei Fischzähnen (soll
heissen Rochenstacheln), die in einem Griff stecken«, welches Lütke (I, S. 38 1) unter
Fischereigeräth unter dem Namen »Olonie« erwähnt, sowie im Atlas (PI. 29, Fig. 4)
abbildet und das wir bei Ruk näher kennen lernen werden. Die »lange Lanze zum
Tödten von Fischen« (»Mocha« genannt) diente vermuthlich auch als Kriegswaffe;
ich erhielt aber von alldem nichts mehr.
6. Wohnstätten.
SiddelunQen in Form zusammenhängender Dörfer gibt es auf Kuschai nicht. Aber
V. Kittlitz sah auf der Nordwestseite der Insel ein Dorf mit sehr nahe beieinander er-
bauten Häusern, die sich durch sehr nachlässige Bauart auszeichneten; »es waren fast
lauter elende Hütten«.
HäU86r. Unter den verschiedenen Typen mikronesischer Baustyle ist der von Ku-
schai wohl mit der eigenthümlichste, ausgezeichnet durch originelle Form, wie solide
Bauart. Besonders charakteristisch für das Haus Kuschais sind dessen schmale, in eine
hohe Spitze auslaufende Giebel und die sattelförmig eingebogene Firstenlinie des Daches.
Ich fand diese Eigenthümlichkeit sonst nur auf den d*£ntrecasteaux-Inseln (Normanby),
aber die Häuser hier sind Pfahlbauten und auch sonst verschieden (vgl. Finsch: »Samoa-
fahrten«, Abbild. S. 217 und 250, Bentley-Bai). Das kuschaische Haus (»Lom«) ruht
auf einem soliden Fundament aus Basaltplatten (»Utiap«), zuweilen behauenen Korall-
steinen (»Utien«), das Dach (»Haus«) auf behauenen Pfosten von 6 — 7 Fuss Höhe. Die
Zwischenräume der letzteren, also die Wände des Hauses, bestehen aus Rahmen von
zusammengebundenen Rohrstäben, die sich fachweise, gleich Fenstern und Thüren
herausnehmen lassen. Eine niedrige Oeffnung an der Vorderseite des Hauses dient als
Thür, in die man nur gebückt eintreten kann; sie wird vorkommenden Falls mit einem
Rahmen aus Rohrstäben verschlossen. Die Construction des 20 — 25 Fuss hohen, schief
nach innen neigenden, am unteren Theile mit einem schrägen Vordache versehenen
Giebels ist eine sehr kunstvolle. Die Querhölzer des Giebels wie die Hauspfosten sind
roth, zum Theile weiss und schwarz angestrichen. Die rothe Farbe (»Lab«, Nr. 623
der Sammlung) ist derselbe erdige, anscheinend mineralische Stoff, wie er auch ander-
wärts (z. B. auf Neu- Guinea) gebraucht wird und findet in Kuschai eine sehr häufige
Anwendung. Wie stets sind alle Theile mittelst Cocosfaserschnur zusammengebunden.
Das Braun dieser Schnüre hebt sich vom Anstrich der Balken sehr effectvoll ab und
bildet zum Theil sehr artige Muster, die dem Ganzen ein gefälliges decoratives Ansehen
verleihen. Bei manchen Häusern ist der Giebel auf weissem Grunde, mit rothen und
schwarzen Zeichen, die an griechische Buchstaben erinnern, bemalt. Das sehr dichte, über
den Gi6bel vorragende Dach besteht aus Blättern von Pandanus oder der Sumpfpalme
(Nipa) und ist längs der Firste mit Mattengeflecht bedeckt. Die Länge eines grossen
Hauses beträgt 40 — 50, die Breite 20 — 25 Fuss, das Ganze ist also mit dem hohen
Giebel ein sehr stattliches Gebäude, wie solche die »Senjavin-Reise« (PI. 18 und 19)
und Kittlitz (Denkwürd., I, S. 372) darstellen, Edge-Partington nur in der mittleren
hinteren Figur (PI. 168). Ein in allen Einzelheiten genaues Modell, vom Tokoscha selbst
angefertigt, erhielt das Berliner Museum durch mich. Die königliche Residenz war ein
Gebäude von bedeutend grösseren Dimensionen und stand auf einem 8 — 10 Fuss hohen
soliden Unterbau von behauenen Korallsteinen, der auf zwei Seiten, nach europäischem
Vorbild, zu einer überdachten Veranda verbreitert war, zu der behauene Steintreppen
2IO ^^- O- Finsch. [466]
hinaufführten. (Vgl. Hernsheim: »SUcIsee-Erinnerungen«^ S. 42^ nach einer Photo-
graphie von mir. Das in demselben Werke S. 40 abgebildete Haus von Kuschai, der
Mission gehörig, stellt den Typus des Hauses eines weissen Händlers, aber nicht eines
Eingeborenen dar.)
Das Innere des Hauses wird durch Querwände in ein oder mehrere Räume ge-
theilt, welche zum Theil als Frauengemächer dienen; die Decke besitzt häufig einen
ganz durchgehenden Boden oder Söller, zu dem man auf einer rohen Leiter hinauf-
steigt. Die Diele des Hauses besteht aus Rohrstäben; in der Mitte ist eine sorgfältig mit
Steinen ausgesetzte viereckige Vertiefung, welche als Feuerstelle zum Kochen dient.
Häufig ist neben dem Hause ein besonderes kleines Kochhaus errichtet. Auch gibt es
besondere kleine Nebenhäuser, welche Frauen und Kindern zum Aufenthalt dienen, aber
Männern nicht verboten sind.
Unter allen Häusern auf den Carolinen hat das von Pelau (»Blai«) noch die meiste
Aehnlichkeit mit dem von Kuschai ; aber der Giebel ist nicht so hoch und spitz, und die
Firstenlinie läuft gerade und nicht sattelförmig eingebogen. (Vgl. die Tafeln in: Bastian,
»Allerlei aus Volks- und Menschenkunde«, Bd. I, nach Photographien von Kubary.)
Hervorragende Bauwerke sind namentlich die »Baj« oder grossen Versammlungs- oder
Gemeindehäuser auf Pelau, welche in Baustyl und Ornamentirung des buntbemalten
Giebels malayisches Gepräge tragen. (Vgl. Hernsheim: »Südsee-Erinnerungen«, Taf. 5.)
Die zu der ausführlichen Beschreibung eines »Baj« im .Tourn. M. G. (Heft IV, S. 58)
citirte Abbildung (Taf. 3, Fig. i) stellt kein solches dar, sondern würde sich höchstens
auf ein gewöhnliches Haus beziehen lassen, wenn nicht gar blos ein aus eingeborenem
Material gebautes Traderhaus als Vorlage diente.
Besondere Versammlungs- oder Gemeindehäuser gab es auf Kuschai nicht mehr,
die ohnehin bei der geringen Bevölkerung und Christianisirung derselben überflüssig
waren. Aber Lütke erwähnt, dass jedes Dorf ein grosses Haus (»acht Toisen im Vier-
eck«) besass, in welchem die Männer zu essen pflegten. Ich sah solche Häuser nicht;
aber in Lälla standen nahe dem Strande zwei grosse niedrige Schuppen, welche ich An-
fangs für etwas Besonderes hielt. In dem einen hielten sich meist Frauen auf, die Pan-
danuS'BlaXl klopften oder ähnliche Arbeiten verrichteten, in dem anderen Männer, mit
Tarostampfen oder Holzarbeiten beschäftigt. Wie sich aber auf Nachfrage herausstellte,
waren diese Schuppen von Weissen errichtet worden und hatten als Kohlenlager ge-
dient. Um die Häuser sind häufig Korallplatten gelegt; auch die Umgebung ist meist
sehr reinlich gehalten, die durch eigens cultivirte, dichte Büsche eines buntblätterigen
Strauches von zuweilen baumartiger Höhe (nach v. Kittlitz Dracaena terminalis) ein
freundliches und behagliches Aussehen erhält.
Charakteristisch für Kuschai sind ganz besonders die mit Basaltsteinen belegten,
daher namentlich bei Regenwetter schwierig zu begehenden Fusspfade, welche von
einem Hause zum andern führen, und die aus gleichem Material zusammengesetzten
Mauern (»Pot«) oder Steinwälle (»Kai«). Mit solchen ist nicht allein das Areal um
die Häuser, sondern sind auch Gärten und Besitzungen in sehr verschiedener Höhe um-
friedigt. Diese Bauten, noch heute von den Eingeborenen gemacht, respective ver-
grössert, sind verkümmerte Reste Jener Sitte ihrer einst gewaltigeren Vorfahren, welche
uns zu den prähistorischen Bauten 0 führt. Sie finden sich nicht auf Kuschai selbst^
sondern auf dem Nordwesttheile der kleinen, kaum eine Seemeile langen Insel Lälla^
I) Ausführlich von mir beschrieben in »Hamburger Nachrichten«, Nr. 207, 3i. August 1880,
Abendausgabe.
[iSlI Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 211
welche Chabrol oder den Osthafen Kuschais an der Nordseite begrenzt. Die Osthälfte
dieser (circa 8 Cables = 4800 Fuss langen und circa 1200 Fuss breiten) Insel besteht
aus einem dichbtewaldeten Hügel oder Berge^ die Westhälfte ist dagegen niedrig, an-
scheinend Korall bildung, aber mit Basalttrümmergestein bedeckt. Nach Capitän Wright,
der lange auf LäUa wohnte, wäre dieser Theil der Insel künstlich aufgeschüttet, denn
er fand erst in einer Tiefe von 7 — 8 Fuss den eigentlichen Grund des Korallriffs, wie
dasselbe Lälla und ganz Kuschai umgürtet. Eine überreiche Vegetation von üppigem
Moos, Kletterpflanzen, Farnen, bis zu gewaltigen Bäumen bedeckt übrigens die Mauer-
reste und begräbt sie theilweise förmlich, so dass es zeitraubender Arbeit bedürfen
wQrde, um einen genauen Plan aufzunehmen. Der von Duperray (1824; vgl. die engli-
sche Admiralitätskarte Nr. 977) gibt immerhin eine Idee und zeigt ein Areal von 72 See-
meile Länge und 1/4 Seemeile Breite, mit einem Flächenraum von circa 14 Hektaren. Aber
diese Fläche ist weit dichter mit Mauern bebaut, als die obige Karte zeigt; auch verlaufen
dieselben nicht in so schnurgeraden Linien, sondern ausserordentlich winkelig, oft wie
ein Zickzack und bilden ein Labyrinth, in dem es schwer ist, sich zurechtzufinden. Die
Mauern schliessen an manchen Stellen schmale Gänge, an anderen grössere freie vier-
eckige Plätze ein, die, mit flachen Basaltsteinen und Platten belegt, wie gepflastert aus-
sehen. Hie und da sind mehrere Fuss breite Einschnitte freigelassen, welche als Ein-
gänge dienten, aber überklettert werden müssen. An der Nordseite ist eine zum Theil
mit gewaltigen Mauern eingefasste Wasserstrasse noch heute für Canus befahrbar. Mit
diesem an 40 Fuss breiten Hauptcanal, der ins Meer führt, standen kleinere Neben-
canäle, andere an der Südwestseite auch mit dem Hafen in Verbindung, durch welche
früher künstliche Inseln gebildet wurden. Die Dimensionen der Mauern sind sehr ver-
schieden, von 2 — 3o Fuss Höhe und bis an 40 Fuss breit, dabei gehen die niedrigen
Mauern der Neuzeit mit den ähnlichen der Vorzeit so ineinander über, dass sie sich
nicht unterscheiden lassen.
Die Mauern selbst sind aus lose aufeinandergelegten, meist abgerundeten Basalt-
stücken, zum Theil kolossalen Blöcken, deren einzelne viele Centner schwer sein mögen,
errichtet, dazwischen Säulenbasalt (vgl. Hernsheim: »Südsee- Erinnerungen c, Abbild.
S. 46). Einzelne Mauern bestehen ganz aus letzteren, die holzstossartig in der Weise
aufeinandergelegt sind, dass abwechselnd eine Reihe längsliegender Säulen auf einer
querliegenden ruht. Im Ganzen gibt es aber nur wenige solcher Riesenmauerreste,
unter denen ein Stück am grossen Canal, wohl 3o Fuss hoch und 40 Fuss breit, das ge-
waltigste und ein wahrer Cyklopenbau ist. Jedenfalls waren zu diesen Riesenbauten
viele Menschen erforderlich, denn das Material musste zum Theil von der Hauptinsel
herbeigeschafft werden, die gewaltigen Basaltsäulen sogar vom Nordende, wo allein die
säulenförmige Formation anstehend vorkommt. Gegenüber der Handvoll Menschen,
welche jetzt Lälla bewohnt, erscheinen die Riesenbauten der Vorzeit um so gewaltiger
und führen unwillkürlich zum Nachdenken über den Zweck derselben und ihre einstigen
Erbauer. Aber diese Mauern waren nicht immer so verlassen, als wie ich sie sah, denn
Lütke und Kittlitz schildern Lälla als mit Gärten und Häusern bedeckt. Alles von mehr
oder minder hohen Mauern umgeben. Diese so aufmerksamen Beobachter staunen
freilich »über die Beträchtlichkeit der hier aufgethürmten Steinmassen«, aber im Sinne
prähistorischer Bauten betrachteten sie dieselben nicht und konnten sie nicht betrachten.
Damals war eben Alles bewohnt, in manchen der jetzt leeren Höfe standen statt Bäu-
men etc. Häuser, die Höfe theilten sich in kleinere und »ein solcher durch Mauern von
der übrigen Welt geschiedener Hof bildete gleichsam eine Stadt im Kleinen«, wie sie
namentlich Lütke in der Behausung des Uross Sipe so trefflich beschreibt (vol. I, S. 362).
212 Dr. O. Finsch. [^68]
Denn alle Wohnungen grosser Häuptlinge waren von Mauern umgeben, üass die ge-
waltigen Bauten nicht von einer untergegangenen kräftigeren Menschenrasse, sondern
von den zahlreicheren Vorfahren der heutigen Bewohner errichtet wurden, kann nicht
dem geringsten Zweifel unterliegen, ebensowenig dass sie zum Schutze dienten. Lälla
war jedenfalls, wie noch heute, von jeher der Hauptplatz, gleichsam die Metropole,
welcher die Hauptinsel beherrschte, und hier haben unzählige Generationen im Laufe
von Jahrhunderten nach und nach jene Riesenbauten aufgethürmt. Die beutigen Be-
wohner wissen von ihrer Vergangenheit nichts mehr; aber König Georg, der 1854 als
alter Mann starb, erzählte Gulick, dass die Bauten in erster Linie Vertheidigungs-
zwecken gegen Angriffe vom Festlande gedient hatten. Einzelne der Mauern wurden
aber auch zum Andenken an grosse Häuptlinge errichtet und die allgemeine Trauer
beim Tode eines solchen fand darin ihren Ausdruck, dass man die Mauern höher baute,
unter denen die Grossen begraben wurden. Die Mauern sind also nur zumTheil als Grab-
denkmäler oder vielmehr Erinnerungszeichen an verstorbene hohe Häuptlinge zu be-
trachten; eine lebhafte Phantasie kann aber auch hier leicht »Königsgräber« heraustifteln.
Der Brauch, das Andenken oder Grab eines grossen Häuptlings durch derartige
Steinmonumente zu ehren, findet sich übrigens, abgesehen von Ponap6 und St. David
auch auf anderen Südsee-Inseln. So beschreibt Msgr. Elloy das Grabmal des »Tui-Tonga«
bei Mua auf Tonga-tabu aus »Steinen, die 6 M. lang, 3 M. hoch und i M. breit sind«
und »die auf grossen Piroguen von Wallis-Insel (U6a) herübergebracht wurden«, bei-
läufig an 480 Seemeilen.
Nach König Georgs Aussagen wurden die gewaltigen Steine und Säulen auf
Flössen vom Festlande herübergeschafft und dann auf schiefen Ebenen aus Baum-
stämmen mittelst Hebeln aufgerollt. Bei der früheren Macht der Häuptlinge wurde da-
mals wahrscheinlich die ganze Bevölkerung aufgeboten, die einst viel bedeutender ge-
wesen sein mag.
Kittlitz beschreibt übrigens ganz ähnliche, aber kleinere Basaltmauern um die
Häuser des Dorfes Liäl bei Coquillehafen an der Nordwestseite der Hauptinsel, wovon
ich nur noch Reste sah. Auch die kleinen RifT-Inselchen Schinei und Schinas in Chabrol-
hafen haben Mauerreste aufzuweisen, denn die Kuschaier waren von jeher Steinbauer,
und diese Eigenschaft gehört mit zu ihren ethnologischen Eigenthümlichkeiten.
7. Hausrath.
Mit der Originalität der Häuser hatten sich auch noch mehr hierher gehörige Ge-
räthschaften erhalten, als dies im Uebrigen der Fall war, namentlich auch deshalb, weil
die Mission einen viel grösseren Einfluss ausübte, als die Händler. Letztere führen
überall, wo sie sich niederlassen, eine Menge Geräthschaften ein, an die sich die Ein-
geborenen bald gewöhnen, lassen aber die letzteren in Tracht, Sitten und Gebräuchen
unbehelligt, während sich die Mission gerade um die letzteren kümmert und bemüht
ist, dieselben umzumodeln, respective auszurotten.
Wie wir auf Kuschai die ersten Häuser in Mikronesien finden, die eigens ge-
mauerte Feuerstätten besitzen, so auch zum ersten Mal Lager- oder Schlafstätten, die
auch in unserem Sinne fast als Bettstellen gelten können. Diese Bettstellen bestehen
in einem circa i'8o M. langen, 1*90 M. breiten und circa 32 Cm. über dem Fussboden
erhabenen Rahmen aus Rohrstäben, die mit dichtem Flechtwerk aus Bindfaden von
Cocosnussfaser verbunden sind. Sie erinnern an die »Barla« in Neu-Guinea (II, S. [196]),
sind aber unendlich viel bequemer als jene primitiven Machwerke aus Bambu.
ri5g1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 2l3
Solche Bettstellen finden sich übrigens nur in den Häusern der Wohlhabenden;
geringere Leute bedienen sich einer Schlafmatte, die (circa i'6o M. lang und i M.
breit) aus 50 — 80 Mm. breiten Streifen Pandanus-Blsilt zusammengenäht ist und daher
am meisten mit der in Ponape gebräuchlichen übereinstimmt.
Kopfkissen sind mir nicht vorgekommen; aber auffallend war mir die Menge ver-
schiedenartiger Matten, in verschiedenen Grössen, welche meist zum Sitzen dienen.
Solche Sitzmatten (circa I M. lang und circa 65 Cm. breit) bestehen aus feinem Flecht-
werk aus gespaltenen Fasern dos Pandanus-Blsiles und sind zuweilen in Schwarz
hübsch gemustert, z. B. in grosscarrirtem Schachbrettmuster. Das Muster ist zum Theil
eingeflochten, aber auch eingenäht (gestickt) und besteht aus schwarzgefärbter Faser
vom Hibiscus-Bast (»Loc genannt). Das Hübscheste in diesem Genre sind die »Saki«
genannten Matten, fast viereckig (circa i '40 M. breit und ebenso lang), aus (circa 8 Mm.
breiten) Streifen Pandanus^hlall und einer circa 18 Cm. breiten gemusterten Rand-
kante aus schwarzgefärbtem Hibiscus-Bast aufgenäht. Sie kommen deshalb mit den
Frauenmatten der Marshallaner (S. 169 [425]) am meisten überein, sind aber lange nicht
so schön als letztere. Namentlich ist das Muster sehr
einfach und viel weniger geschmackvoll als bei den fig- ^5-
Marshall-Matten, die sich stets leicht von ihnen unter-
scheiden lassen.
Diese »Saki«-Matten gehörten noch damals zu
den tributpflichtigen Gegenständen, welche bei Voll- ^
mond dem Könige überreicht werden müssen, und
dürfen nicht von Geringen gebraucht werden.
Auf sehr feine Matten aus (kaum 5 Mm. breiten
Streifen) Pandanus-Blatl (circa 60 Cm. lang und circa
48 Cm. breit) wird auch das Kind gebettet.
Ein besonderes Hausgeräth ist der »Aluetc
(^ »Mond«), Scheibenhaken (Fig. 35). Er besteht aus Scheibenhaken,
einem runden, circa 3o Cm. langen Stiel, der unten in Kuschai.
sieben Zinken (a) ausgeschnitzt ist, die zum Aufhän-
gen von Körben mit Esswaaren u. dgl. dienen, für welche eine runde hölzerne Scheibe
(b) von circa 42 Cm. Durchmesser als Schutzdach gegen die Verheerungen der Ratten
dient. Das Geräth ist mit einem Strick unter dem Dache des Hauses aufgehangen und
wird bei Bedarf herabgelassen.
Das abgebildete, übrigens roth angestrichene Exemplar (jetzt im Berliner Museum)
kaufte ich von einem Häuptlinge in Ta, und wie man mir versicherte, waren solche
Stücke früher nur Häuptlingen erlaubt, v. Kittlitz (Denkwürd., I, S. SyS) erwähnt dieses
>wie ein Kronleuchter aussehenden« Geräthes bereits, aber in einer anderen, minder
kunstvollen Form, wie es in ärmeren Häusern benutzt wurde.
Noch primitiver sind die Horden und Haken, welche in den Hütten Neu-Guineas
(II) S. [102]) denselben Zwecken dienen; hier aber auch zuweilen kunstvoll geschnitzte
Haken (II, S. [196]). Ein ähnliches Schutzgeräth ist (Kat. M. G., S. 180) von Viti be-
schrieben.
Korbe sind nach meinen Aufzeichnungen schon dadurch wesentlich von den in
Ost-Mikronesien gebräuchlichen verschieden, dass sie meist aus breiten Streifen Pan-
danus-Blatl geflochten werden, wahrscheinlich in Folge des ziemlich spärlichen Vor-
kommens der Cocospalme. Solche Körbe, »Artro« genannt, haben eine beutelförraige
^orm, sind sehr verschieden in Grösse und dienen zum Aufbewahren, wie Tragen von
214
Dr O. Finsch.
[470]
Lebensmitteln u. s. w. Für Habseligkeiten und allerlei Kleinigkeiten benfitzt man vier-
eckige Taschen (circa 40 Cm. lang und ebenso breit), die aus (circa 50 Mm.) breiten
Streifen von Pandanus-Blan zusammengenäht sind. Zu den gleichen Zwecken dienen
auch Beutel, die aus Cocosfaserbindfaden gestrickt oder geknQpft werden, aber nicht
häufig waren.
>Kobäsch« heissen eine besondere Sorte flacher, viereckiger kleinerer Körbe
(29—42 Cm. lang, 18— 32 Cm. breit und 10— 1 3 Cm. tief), aus Streifen von Pandanus-
Blatt geflochten, die zum Aufbewahren von allerlei Geräth, namentlich bei der Weberei
der Frauen benutzt werden (s. Nr. 109, bei »Weberei«).
<y. Werkzeug.
Aexte. Auch hier konnte ich ausser einer vollständigen Axt blos noch Reste sam-
meln; denn nur ältere Leute erinnerten sich, in ihrer Jugend mit Muscheläxten hantirt
zu haben, wie die folgenden:
Fig. 36.
A
Fig. 37.
Fig. 38.
Sl
X7
Tridacna-Axlkliagen.
Kuschai.
Tälla (Nr. i— 3, 3 Stock),
Axtklingen (Fig. 36 und 3;)
aus dem Schlosstheil von Tri-
dacna gigas geschliffen; sehr
grosse Exemplare; das grösste
32 Cm. lang und 8 Cm. breit.
Lälla.
Tälla (Nr. 4, i Stuck,
Fig. 38) wie vorher, aber andere
Form, breit und flach; 12 Cm.
lang und 7 Cm. breit. Lälla.
Unter der ziemlichen An-
zahl solcher Tridacna-Kllngen,
welche ich noch erhielt, gehörten
die meisten zu der grossen, schwe-
ren Form (Fig. 36), die auf der
^ einen Seite plan (a), auf der an-
deren convex geschliffen ist, so dass der Durchschnitt einen Kreisabschnitt bildet (wie c);
die Seitenansicht (b) zeigt die schief abgestutzte Schneide. Die grösste derartige Klinge
war 50 Cm. lang, 11 Cm. breit, circa 6 Cm. dick und wog 4V3 Kilo. Die grösste Axt-
klinge, welche Lutke sah, war 53 Cm. lang und 10 Cm. breit. Solche Kolossaläxte
waren nach Lutke Gemeindegut, w^ie ich dies auch vielerwärts auf Neu-Guinea fand.
Die zweite Form (Fig. 37) ist schmäler, länger und dicker, an der Schneide noch
stumpfer abgestutzt. Die grösste Klinge mass 34 Cm. in der Länge, bei nur 5 Cm.
Breite und 6 Cm. Dicke.
Eine dritte Form (Fig. 38) wie Nr. 4 ist flach, länglich-viereckig bis lang, zuweilen
an beiden Seiten flach, aber immer charakteristisch durch die stumpf abgestutzte
Schneide. Die Masse dieser Form Tridacna-Klingcn variiren von 6 — 22 Cm. in der
Länge, 45 — 85 Mm. in der Breite und 15 — 35 Mm. in der Dicke.
So sehr diese Formen nach einzelnen typischen Exemplaren auch specifisch ver-
schieden zu sein scheinen, so zeigt eine so grosse Reihe, wie ich sie vor mir hatte, doch
alle möglichen Uebergänge von der einen Form und Grösse zu der anderen, so dass eine
exacte Unterscheidung unhaltbar ist, wie ich dies bereits bei den Steinäxten von Neu-Guinea
[iTil Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 21 5
(11, S. [ii3]) hervorhob. Die Begriffe Axt, Beil und Meissel lassen sich daher bei Stein-
werkzeugen nicht scharf durchführen, und man kann höchstens kleine schmale Klingen
als Meissel unterscheiden, wie das folgende Stück:
Meisselklinge aus dem Schlosstheile von Cassis rufa geschliffen, 9 Cm. lang
und 17 Mm. breit.
Solche Klingen wurden in gleicher Weise wie Aexte an einem rechtwinkelig ge-
bogenen Aststück als Stiel befestigt und dienten zum Auszimmern feinerer Arbeiten,
wozu man auch noch heute mit Vorliebe Hohlmeissel. oder Texel benutzte, wie das
folgende Stück :
Momosch (Nr. 6, i Stück, Taf. V [22], Fig. 14), Klinge zu einem Hohlmeissel oder
Texel aus Mitra episcopalis. Lälla.
Spitze und Basis sind abgeschlagen, letzterere bis zur Centralspire, so dass hier
eine schief abgestutzte Kante entsteht, welche scharf geschliffen wird und die Schneide
bildet; die eine Längsseite ist ebenfalls flach geschliffen, um die Muschel besser an den
Holzstiel festbinden zu können.
Als Material zu solchen Texeln wird ausser Mitra nur noch Terebra maculata
(Nr. 7, I Stück) benutzt^ da solche Aexte besonders zum Auszimmern von Trögen
Fig. 39.
Axt mit Tridacna-K\m%G,
Kuschai.
u. dgl. dienten, wie ich sie noch beim Canubau in Neu-Irland verwendet sah (vgl. I,
S-[54])-
^ Angesichts des vorhandenen Reichthums an vorzüglichem Steinmaterial (Basalt)
zu Aexten muss es auffallend erscheinen, dass die Kuschaier dieses Material nicht be-
nutzten, umsomehr, da sie aus Stein treffliche Stampfer (S. 206 [462], Fig. 32) zu ver-
fertigen wussten. Auch Lütke sah niemals Steinäxte auf Kuschai. Freilich wird gerade
Tridacna der grösseren Zähigkeit wegen für Aexte überall höher geschätzt als Steine.
Ich bekam auf Kuschai auch noch unbearbeitete grosse Stücke Rohmaterial (»Telaua«
genannt), das die Eingeborenen aber nicht für Muschel, sondern »Steinet hielten, die
nach ihrer Versicherung zuweilen vom Meere ausgeworfen werden. Derartige Tridacna-
Stücke hatten früher einen grossen Werth, und die Bearbeitung eines solchen zu einer
Axtklinge muss ungeheure Mühe und Zeit gekostet haben. Und welch' eine kolossale
Muschelschale gehörte dazu, um eine Va M. lange Klinge daraus herzustellen! Uebri-
gens wurde nicht blos der Schlosstheil von Tridacna, sondern auch Schalenstücke, und
zwar zu den flacheren Klingen (Fig. 38) benutzt, denn ich erhielt Exemplare, an denen
sich die Querleisten noch deutlich erkennen Hessen, wie an den Axtklingen aus Hippo-
pus von Neu-Guinea (II, S. [208]).
Abbildungen von Tridacna-Klingen: Fig. 36 — 38, und Finsch: Westermann's
Deutsche Monatshefte (1887), S. 502, Fig. 5. Edge-Partington, Taf. 175, Nr. i3.
Anaalen des k. k. naturhistorischea Hofmuseums, Bd. VlII, Heft 2, 1893. 1 6
2i6 Dr. O. Finsch. [47^]
An vollständigen Aexten erhielt ich nur noch ein Stück (Jetzt im Berliner Museum),
ebenfalls »Tälla« genannt. Die Klinge steckt in einem besonderen Holzfutter und ist
mit diesem an den knieförmigen Stiel (»Ruwak«) mit Bindfaden aus Cocosfaser
(»Amem«) kunstvoll festgebunden. (S. Fig. Sg, und Finsch, Verhandl. der Anthrop.
Gesellsch. Berlin, 1887, S. 25, Fig. 5; Monatshefte. 1. c, Fig. 6. Auch »Senjavin-Reise«,
Atlas, PI. 29, Fig. I.) Der Kat. M. G. verzeichnet von Kuschai nur eine Axt mit Tri-
dacna-Klingt (S. 279), letztere 9 Cm. lang und 45 Mm. breit.
Die von Edge-Partington abgebildete Axt (PI. 179, Fig. i) ist wohl überhaupt nicht
von den »Carolinen«, sondern wahrscheinlich melanesischer Herkunft, wie nach der
Verzierung »with red crabs eyes« (d. h. /l^rMS-Bohnen) geschlossen werden darf.
Montirte Holzäxte oder Texel mit Klinge von Terebra von Kuschai sind abgebil-
det: »Senjavin-Reise«, PI. 29, Fig. 2, und Finsch: Westermann, 1. c, Fig. 7.
V. Kittlitz gedenkt der »Täla« von Kuschai (Denkwürd., I, S. 375) sehr richtig
»als Beile, die eigentlich die Form einer Hacke haben«, und erwähnt, dass die Ein-
geborenen bereits damals (1827) Aexte mit Eisenklingen (aus Hobeleisen und vom Be-
suche der »Coquille« her) besassen. Solche Aexte, aus einem alten Holzstiel mit einem
daran gebundenen Hobeleisen, waren auch zur Zeit meines Besuches noch in Gebrauch
und sehr beliebt.
Sonstige Werkzeuge aus früherer Zeit gab es kaum mehr, wenigstens erhielt ich
nur noch eine:
Beul (Nr. 39, i Stück), Raspel, ein flaches, schmales Stück Holz mit Rochenhaut
überzogen. Lälla. Die reticulirte Aussenseite einer Muschelschale {Tellina scobinata L.)
wird auch als Feile benutzt.
Beide Geräthe waren zum Theil noch damals in Gebrauch, dagegen nicht mehr
die Schneidemuschel (»Panak«), welche v. Kittlitz beschreibt und die statt Messer diente.
Es ist eine Art Austernschale, deren Schärfe noch etwas zugeschliffen wird. »Das In-
strument wird, wenn Jemand damit ausgeht, ganz leicht am Gürtel, oft aber aber auch,
um es nicht zu verlieren, an der Unterlippe getragen, die es dann, mit der convexen
Seite nach aussen gekehrt, ganz bedeckt. Bei der weisslichen Farbe der Muschel sieht
diese Bepflasterung des Mundes durch dieselbe sonderbar genug aus« (I, S. 376). Zum
Schleifen und Glätten von Holzarbeiten benutzt man auch Bimsstein (»Uon«), der häufig
antreibt.
g. Flechterei und Seilerei.
Die ersten beiden Gewerbszweige, bereits in den vorhergehenden Abschnitten
(Marshall-Inseln, S. 156 [412] und Gilbert-Inseln, S. 66 [334]) ausführlich behandelt,
bieten keine bemerkenswerthen neuen Momente und werden auf Kuschai in denselben
Materialien, und wie anzunehmen, in derselben Manier betrieben. Die Mattenflechterei
aus Pandanus-^l^ll (»Schausch«) steht auf einer minder hohen Stufe, erhält aber durch
aufgestickte eigenthümliche, indess nicht sehr schwungvolle Muster einen besonderen
Charakter. In der Anfertigung von Stricken (ganz so wie Nr. i36, S. 158 [414]) aus
Cocosfaser entwickeln die Kuschaier grossen Fleiss, da von diesem Artikel enorme
Quantitäten schon beim Bau der Häuser erforderlich sind.
jo. Weberei,
Von besonders hohem Interesse ist die Weberei, die wir auf Kuschai zuerst auf
den Carolinen antreffen, und zwar in einer Vollkommenheit, die in der Südsee unerreicht
lij^] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 217
dasteht und schon wegen der verschiedenen Farben als Kunstweberei bezeichnet wer-
den darf. Das Product dieser Weberei sind einzig und allein die Bekleidungsbinden
(>Toll<, Taf. IV [21], Fig. i u. 2), die erst durch eine genaue Darstellung der Weberei*)
selbst verstanden und gewürdigt werden können. Lütke beschreibt dieselbe bereits
richtig, aber zu kurz (I, S. 367), wie zum besseren Verständniss überdies Bilder uner-
lässlich sind. Die nachfolgende Beschreibung dürfte daher von Interesse sein, weil sie
eine durchaus spontane Kunstfertigkeit kennen lehrt, die mit wenigen einfachen, aber
sinnreich erfundenen Geräthschaften, unter denen ein Webestuhl überhaupt fehlt, in ihrer
Art Grossartiges leistet. An diesen Erfindungen hat, was besonders hervorgehoben zu
werden verdient, jedenfalls das weibliche Geschlecht grossen, wo nicht den grössten
Antheil, da die ganze Weberei, wie die Zubereitung des Materials, lediglich von diesem
betrieben wird. Wie v. Kittlitz erzählt (Denkwürd., II, S. 14), waren die damals noch
unberührten Kuschaier am meisten erstaunt »über die ungeheuren Massen von Weber-
arbeit, die sie an unseren Kleidern und nun gar erst an den Segeln und Zelten sahen.
Sie fragten gewöhnlich, ob denn das Alles von unseren Frauen gearbeitet werde, deren
Fleiss sie nicht genug bewundern konnten«.
Nach Shuffeldt's trefflicher Darstellung ist die höher entwickelte Buntweberei der
Navajos und Zunis in Neu-Mexico (aus selbst gezogener, gesponnener und gefärbter
Schafwolle) in der Technik der kuschaischen sehr nahestehend (vgl. »The Navajo
Belt-weaver« in: Procced. of the Un. Lt. Nat. Mus., vol. XIV, 1891, S. 3gi — SgS,
PI. XXVII.)
Das Material ist die Faser vom Stamme einer eigens cultivirten Bananenart
(»Allera«), wohl derselben, welche auf den Philippinen die berühmten Manillataue
liefert, und die auch auf anderen Carolinen benutzt wird. Man fällt den Stamm vor
der Fruchtreife, lässt denselben in Süsswasser maceriren, wodurch die 2 bis fast 3 M.
lange Faser erweicht und dann mittelst Klopfen und Schaben präparirt wird. Ich habe
diese Zubereitung selbst nicht gesehen, auch nicht den Klopfer erhalten, und vermuthe
nur, dass das bei Edge-Partington abgebildete Geräth (PL 176, Fig. 7) einen solchen
vorstellt, denn zum eigentlichen »Webeapparat« gehört es keinesfalls. Als Schaber
(»Ala«) benutzt man den Scherben einer Cocosnussschale, welcher mit einer Muschel
geschärft wird:
Tokschak (Nr. 218, i Stück), Schalenhälfte einer Bivalve (Tellina scobinata L.
auct, V. Martens) deren reticulirte Aussenseite sich trefflich als Feile eignet.
Die Faser der Banane (»Koschisch«) genannt, liefert einen sehr langen, ausser-
ordentlich dünnen Faden, feiner als ein Haar, der deshalb einzeln leicht reisst. Diese
Faserfäden werden nicht versponnen, sondern auf dem entblössten rechten Ober-
schenkel mit der flachen Hand der Rechten, auch wohl abwechselnd zwischen beiden
flachen Händen, zusammengedreht. Die Spinnerin sitzt dabei in der den Kuschaierinnen
eigenthümlichen Weise, 2) auf den Knieen hockend, mit auswärts gedrehten Unterbeinen,
respective Füssen, den Faserstoff durch Etwas beschwert, vor sich liegend und dreht
mit erstaunlicher Fertigkeit und Schnelligkeit Faden. Hernsheim (»Südsee-Erinnerun-
1) Bisher am ausführlichsten von mir beschrieben in: »Aus dem Pacific«, Hamburger Nach-
richten, Nr. 208, Abend-Ausg. vom i. September 1880. Wörtlich abgedruckt in: Kat. M. G., S. 482
und 483.
3) Dieselbe wird schon von v. Kittlitz (Denkwürd., II, S. 5) erwähnt, sowie in der ^Senjavin-
^eise« (Atlas, PI. 18, Fig. rechts) dargestellt und wegen der schmalen Schambinde im Interesse des
Anstandes als wohlbegrQndet erkLirt; aber die heutigen Kuschaierinnen haben trotz europäischer Klei-
liung diese eigene Sitzweise doch beibehalten. Nach Kubary sitzen die Mortlockerinnen ganz ebenso.
16*
Dr. O. FinEtch.
[♦-«]
gen«, S. 44'^ gibt eine ziemlich passable Abbildung einer solchen Spinnerio mit der Be-
zeichnung > FadenknQpfcndes Mädchen*.
Der auf diese Weise gedrehte Faden ist dreidrähtig, noch immer so dönn oJer
dCinner als unser feinster Zwirn, indess stets härter, und nun zur weiteren Bearbeitung
fertig, die sowohl in Bleichen als Färben besteht.
Kolsop (Nr. 220, I StQck), Probe naturfarbenen Fadens aus Bananenfaser, heU-
farbea, ähnlich Garn; wird durch Bleichen fast weiss.
Färberei ist auf Kuschai jedenfalls unter allen Inseln der Carolinen, wie der Süd-
see überhaupt, am höchsten entwickelt, denn man versteht drei Farben herzustellen;
in Geweben kommen daher zuweilen fünf Farben vor. Die hauptsächlichsten sind fol-
gende:
Schalschal =^ schwarz (Nr. 222, i Probe Faden); wird am häufigsten verwen-
det, da der grössere Theil der Gürtel schwarz ist. .Ms Färbestotf wird der Absud einer
Baumrinde (wohl Mangrove) veruendeL
,V^
j. -s.
Kenetokk.
Sctaäscba = roth ^Nr. 223, 224, 2 Proben Faden); eigentlich our frisch und io
einzelnen Füllen düster roth, im Gewebe aber oder in Rollen kirschbrauo (wie auf
Taf. 21), das nachdunkelt und dann in ein düsteres Braun übergehL fCommt nächst
S»;hwarz am häutigsten zur Verwendung.
Als Färbestotf wurde mir >Lab<, d.h. der mineralis»:he Stoff 1 Nr. 623, S, 209 [465]!
wekher zum Bemalen der Hluser, Canus etc. di^nt, bezei,;hnet, aüein jedenfalls un-
richrig, denn höchst wahrscheinlich wird dies Kirschbraun in einer schwächeren Ab-
kochung von Man^roverinde erzeugt (vgL 11, S. [223] Anm.\.
Rangerang ^= gelb iNr. 221, i Probe Faden >, und zwar, wenn frisch, ein pracht-
volles GoiJjieib. mit einem Glanz wie Seide, das aber gebraucht ziemlich verbleicht.
Der FärbesEo:!' ist ein vegetabilischer, aber wohl säum ^rwm-Wurzel. wie mir ange-
geben wurde. Curcuma iGelbwurz kommt auf Kuschai nicht vor. Möglicherweise ist
der Färbestoi" derselbe als zu den .Ssemu< auf Neu-Gi:inea 11. S. [2361. Taf. 14, Fig. 3)
und wie er auf den Salonions zu dem prachrvoLlcn F.ech;jrbe:;en ■ r. B. umsponnenen
Keulen und Armbändern' benutzt wird. Den ier::gen Faden versteht man sehr kunst-
reich auf;uwinden, entvseder in Form von Strähnen, ähnlich den unseren, oder auf
r475]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SOdsee.
215
Spulen aus dünnen Rohrstäbchen, bis zu grossen Knäueln von länglicher Form (wie
Edge-Partington, Taf. 176, Fig. 5 und 6).
Zum Aufbewahren von Fadenmaterial wie der kleineren Webegeräthschaften
überhaupt dienen Körbchen wie das folgende:
Kobäsch (Nr. 109, i Stück), niedriges, viereckiges Körbchen aus Pandanus-Bleitt.
geflochten. Lälla.
Es gilt nun den wichtigsten Theil des Gewebes, die Kette, anzufertigen, und dafür
hat man ein einfaches, doch sehr sinnreiches Geräth erfunden, den:
Pä-usch (Nr. 211, i Stück), Kettebock (Fig. 40) zum Herrichten der Kett-
fäden.') Lälla.
Derselbe besteht aus einem dreieckigen (80 Cm. langen, 11 Cm. breiten, circa
ebenso hohen) Block (a) sehr weichen Holzes, der jederseits auf einem (circa 34 Cm.
hohen, 23 Cm. breiten) seitlich und unterseits ausgeschweiften Ständer (b) ruht; der
letztere setzt sich aus zwei Längshälften zusammen, die mittelst Keilen
zusammengefügt sind, wie der Block mit den beiden Ständern. Das ganze l^ig- 4i-
Geräth ist in haltbarer Farbe rothbraun bemalt, der Längsblock an jedem
Ende ringsum in einer breiten Kante mit zum Theil sehr geschmackvollen
eingeschnitzten Mustern verziert, das auf dem hellen Grunde in heller
Holzfarbe hervortritt. Die dreieckigen Endflächen des Blockes sind meist
schwarz bemalt, wie die Schmalseite der Ständer oben und unten, hier mit
eingravirter, punktirter Zeichnung, deren Vertiefung mit weissem Kalk
eingerieben ist. Die Mittellinie der Ständer zeigt ebenfalls vertieftes, mit
Kalk eingeriebenes Muster, das auch als Randsaum die Innen- und Aus-
senseite der Ständer ziert. Die Grösse der »Pä-usch« ist etwas, aber nicht
erheblich abweichend, vielmehr verschieden aber die Verzierung der ein-
geschnittenen Muster. Es verdient bemerkt zu werden, dass die letzteren
ganz von den in der Weberei gebrauchten verschieden sind und ausser
carrirten auch rautenförmige Figuren, sowie Grec- und Kreuzformen")
enthalten. Zu meiner Zeit wurde bei der Bemalung der Kettenböcke auch
zuweilen eingeführtes Waschblau verwendet. Pflock
Zum Kettenstuhl gehören sieben Pflöcke (Fig. 40c und Textfig. 41, zum Keuebock.
>Popanigl«), flach, circa i3 Cm. lang, aus Hartholz geschnitzt, unterseits »/, natüri. Grösse,
mit zwei vorspringenden Querriegeln. Zwischen den Querriegeln dieser
Pflöcke und um die letzteren geschlungen werden die Kettfäden aufgemacht, deren
Länge sich also nach der des ganzen Kettstuhles richtet. Die Pflöcke sind meist braun,
die Querriegeln derselben schwarz angestrichen.
Der zweite Pflock der Hinterseite (Fig. 40 d) ist meist rund und stärker, hat aber
wie die übrigen sechs eine flache zugespitzte Basis. Mit letzterer werden die harten
Pflöcke in das weiche Holz des Blockes eingeschlagen, wozu man sich eines flachen
I) Meist unrichtig als »Webestuhl < gedeutet. Schon v. Kittlitz gedenkt der »kleinen, sehr artig
gearbeiteten Webestühle, deren Einrichtung der Hauptsache nach mit der der europäischen (!1) über-
einstimmt« (Denkwürd., 11, S. 14); aber Lütke erkannte bereits den wahren Zweck. Im Kat. M. G.
(S. 279) als »Scheerr ahmen« beschrieben, hier auch unter den Geräthschaften »Kreuzhölzer und Webe-
baum« erwähnt, womit wohl die Pflöcke und die Lade gemeint sind.
3) Die letztere ist nicht dem christlichen Einfluss zu verdanken, sondern spontan, wie bei vielen
Naturvölkern der Södsee (vgl. 11, S. [89]).
220
Dr. O. Finsch.
[476]
Fig. 42.
Hammer.
Circa V« natürl. Grosse.
Hammers (Fig. 42) aus Hartholz (circa 17 Cm. lang) bedient, nachdem man zuvor
die Löcher etwas vorarbeitet, und zwar mittelst eines schmalen Meisseis aus den griffel-
artigen Kalkstiften eines Seeigels (Acrocladia) geschliffen. Zum besseren Halt der
Pflöcke unter sich befestigt man zwischen die weit von ein-
ander abstehenden, wenigstens die zwei der Rückseite, ent-
sprechend lange Stücke Rohr. Zwischen den ersten zwei
Pflöcken der Vorderseite rechts ist das Hauptstück des ganzen
Kettebockes angebunden, ein Heck (Fig. 40 e) aus zwei dünnen
Längsstäbchen, mit neun (und mehr) noch feineren Querstäb-
chen aus Rippen der Fiedern des Cocospalmblattes. Wie die
Pflöcke die Länge des ganzen Gewebes angeben, so das Heck
die Länge der gemusterten End kante desselben, während die Querstäbe des Heck wie-
derum die Länge der einzelnen Querstreifen des Musters bestimmen (vgl. Taf. IV [21],
Fig. i), die natürlich sehr verschieden ist. So zählt das von Edge-Partington (Taf. 176,
Fig. 8) abgebildete Heck 17 Querstäbchen, der damit angefertigte Gürtel hat also eine
aus ebensoviel Querreihen bestehende gemusterte Endkante gehabt. An diesem Heck
misst nämlich die Weberin die Länge der farbigen einzeln auf Knäuel gerollten Faden
zusammen, wie sie aufeinander folgen, also z. B. erst roth, dann gelb, schwarz u. s. w.
Alle diese verschiedenfarbigen Fadenenden werden äusserst geschickt zusammen-
geknotet (vgl. Taf. IV [21], Fig. i) und die Enden ebenso geschickt abgeschnitten.
Dies geschieht auf dem Daumennagel der linken Hand, mittelst des scharfen Randes
einer im Brackwasser lebenden Bivalve.
Kalik (Nr. 217, 8 Stück, Textfig. 43) Schneide-
muschel; Schalenhälfte von Psammotaea radiataJ^tsh.
(auct. v. Martens) ausgezeichnet durch die dunkelviolette
Innenseite. Lälla.
Zum Schärfen dieser Schneidemuscheln benutzt
man eine:
Boe (Nr. 219, i Stück) Krebsscheere, deren etwas
rauhe Oberfläche als Feile benutzt wird. Lälla.
Die enorme Knotenknüpferei, welche zur Herstel-
lung der Kettfäden eines Gürtels noth wendig ist, ver-
dient besonders hervorgehoben zu werden, denn dadurch erhält man erst eine Vorstel-
lung von der ungeheuren Geduld und dem Fleiss der Weberinnen. So besteht ein
ig Cm. breiter Gürtel aus 38o Kettfäden, die bei einer Endkante von je 37 Cm. Länge
23 mal zusammengeknotet sind, was die enorme Zahl von 15.840 Knoten ergibt.
Die Webekunst Kuschais vermag nur geradlinige, quadratische Muster herzu-
stellen. Doch zeigen manche Gürtel in schmäleren eingesetzten, circa 20 Mm. breiten
Querstreifen auch rautenförmige Muster, die aber einer anderen Technik entstammen.
Das Muster ist dann, z. B. auf gelbem gewebten Grunde in Roth, nicht eingewebt, son-
dern gestickt, und zwar nicht mit Bananenfaser, sondern feingespaltenen F'asern von
if/^wcwÄ'-Bast.
Die eigentliche Wdbdrdl kann natürlich erst nach Herstellung der Kette ^) erfolgen
und erfordert keinen Webestuhl, sondern nur die folgenden höchst einfachen Geräth-
schaften:
Fig. 43.
Schneidemuschel.
Natürl. Grösse.
I) Dieselbe scheint Fig. 5 der Taf. 176 Edge-Partington*s darzustellen, der im Uebrigen auf
dieser Tafel unter »weaving-apparatus« ohne jede weitere Bezeichnung nur vier hieher gehörige Ge-
rathe (Webebrett, Görtel, Schiffchen, Heck des Kettestuhl) und ausserdem zwei Garnknäuel abbildet.
[477]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
221
Fig. 44.
Webebrett.
Circa Vt natürl. Grösse.
Webebrettcr (Nr. 212, 2 Stück, Textfig. 44) länglich- viereckige (circa 29 Cm.
lange und i3 Cm. breite) Bretter, auf der Vorderseite plan, auf der Rückseite sanft ge-
rundet (convex), iif der Mitte jeder Schmalseite mit vorspringenden Zapfen. Lälla.
Meist wie alle Webegeräthe rothbraun
angestrichen,häuf]gander Schmalseite mitein-
punktirtem oder eingravirtem Muster (wie an-
gedeutet bei Edge-Partington,Taf. 176, Fig. 6).
Diese Bretter stehen unter den eigent-
lichen Webegeräthen insoferne obenan, als
sie entsprechend dem Ketten- und Zeugbaum
unserer Webestühle zum Aufspannen, re-
spective Auseinanderhalten der ganzen Kette
dienen. Zu diesem Zweck wird das eine
Brett (= Kettenbaum) vertical an die Hüt-
tenwand befestigt, während die Weberin sich das andere (=^ Zeugbaum), ebenfalls ver-
tical stehend, vor den Leib bindet.*) Dies geschieht mit einem um den Rücken ge-
legten breiten Webegürtel (Edge-Partington, Taf. 176, Nr. 4) aus Bast, jederseits mit
einer Oese versehen, in welche die Zapfen des Webebrettes befestigt werden. Die
nun gleichsam mit der Weberei verbundene Weberin vermag auf diese Weise die sorg-
fältig ausgebreiteten Kettfäden straff anzuziehen. Zum Ordnen derselben bedient sie
sich einer besonderen, aus Hartholz ge-
fertigten Griffelnadel (Textfig. 45), _ Nr. 45.
circa 14 Cm. lang, ferner zum Auseinan-
derhalten der beiden Fadenreihen der
Kette :
Webestäbchen (Nr. 219^), zwei
dünne, runde, circa 36 — 40 Cm. lange
Stäbchen aus Hartholz, an beiden Seiten
zugespitzt, sowie
Webeleisten (Nr. 220 c,
zwei dünne, flache, circa
20 Cm. lange und 20 Mm. breite
Leisten aus Rohr, welche unse-
ren Schäften und Leisten ent-
sprechen.
Zwischen den beiden Reihen der Kettfäden liegt ein weiteres sehr wichtiges Ge-
räth, die:
Ebob (Nr. 2i3, i Stück) Webelade (Textfig. 46), ein flaches, dünnes, circa
40 — 42 Cm. langes und circa 4 Cm. breites, an beiden Enden stumpfgespitztes, an den
Längsrändern stumpfkantiges Holz. Es dient sowohl zum Fachbilden, als zum An-
schlagen des Schussfadens, ersetzt also die Lade oder das Ried (Schwert) unserer
Webestühle.
Der Schussfaden oder Einschlag, nebenbei bemerkt stets schwarz, wird auf ein
Schiffchen gewickelt, das in der Form an das unserer Webestühle erinnert, wie die fol-
gende Nummer zeigt:
Griffelnadel zur Weberei.
Circa Va natürl. Grösse.
Fig. 46.
Webelade.
Circa Vt natürl. Grösse.
X) Kubary irrt in der Annahme, dass dies auf Kuschai nicht nöthig sei. (»Ethn. Beitr., I, S. 95,
Anm. 2.)
222 Dr. O. Finsch. [478]
Kutab (Nr. 219^1, i Stück, Textfig. 47), Webeschiffchen (Schütze) aus Han-
holz (circa 21 Cm. lang und 3s — 40 Mm. breit), ringsum mit einem circa 5 — 7 Mm.
hohen Rande, an beiden Enden eingeschnitten, um den Schussfaden aufwickeln zu
können. Eine massige Figur bei Edge-Partington (Taf. 176, Fig. 3).
Die eigentliche Webearbeit vollzieht sich nun in folgender Weise: Indem die
Weberin die Lade auf die hohe Kante setzt, bildet sie Fach, d. h. die Kettfäden heben
sich hoch genug, um das Schiffchen mit dem
Seh uss, durchstecken zu können, worauf die Fig- 47-
Lade wieder flach gelegt und mit derselben
der durchgesteckte Schussfaden angeschla-
gen wird.
Trotz der peinlichsten Sorgfalt, die
Weberei der Kuschaierinnen bis in die klein- Webeschiffchen,
sten Details kennen zu lernen und wie im 1/, naturi. Grösse.
Vorhergehenden aufzuschreiben, habe ich
leider doch eines zu erkundigen vergessen, nämlich die Zeit, welche zur Anfertigung^)
eines »Toll« erforderlich ist. Wahrscheinlich wird dies, Alles in Allem gerechnet, nicht
wenig sein, und der Preis, welchen ich damals für ein solches kleines Kunstwerk des
Fleisses sogenannter »Wilden« zahlte, 8 — 12 Mark, war gewiss nicht zu hoch. Uebri-
gens webte auch die Koscha (»Königin«) und liess sich ihre Arbeiten natürlich höher
bezahlen.
//. Fahrzeuge.
Die Fahrzeuge der Kuschaier unterscheiden sich vor Allem durch das Fehlen von
Mast und Segel, die ja bei dem einzigen Verkehr in dem geschützten Wasser der
Lagune innerhalb des BarrierrifTs, welches die Insel umgürtet, nicht nöthig sind. Das
schliesst das ausnahmsweise Hinauswagen auf offenes Meer in beschränkter Weise nicht
aus, wie z. B. drei Canus dem »Senjavinc seinerzeit 12 Seemeilen weit entgegenkamen.
Aber eigentliche Seefahrten wurden auch damals nicht gemacht, und die Kuschaier
hatten darüber ebensowenig mehr eine Erinnerung als über ihre Herkunft. Nach
Lütke kannten sie aber die Himmelsrichtungen und mehr Sterne als die Marshallaner
(darunter den Orion, Sirius, Aldebaran, Pleiaden), woraus derselbe mit Recht schliesst,
dass auch die Kuschaier einst seebewanderte Leute waren, denen die Benutzung von
Segelgeschirr für ihre Fahrzeuge in Folge langer Sesshaftigkeit verloren ging.
Das Canu der Kuschaier, »Waag« (»Oak«: Lütke), besteht in dem ausgehöhlten
Stamme eines Brotfruchtbaumes, ist also ein langer schmaler, an beiden Enden stumpf-
gekielter und fast rechtwinkelig abgesetzter Trog mit Ausleger. Zuweilen ist ein
Seitenbord (»Pap«) aufgelascht, an den Enden ein höheres dreieckiges Bugstück (wie
»Senjavin-Reise«, PI. 22, und Hernsheim, Taf. 4). Der lange, schmale, weit vom
Schiffskörper abstehende Schwimmbalken (Balancier, »Eem«) ist an zwei Querhölzern
befestigt, und zwar in einer für diese Insel eigenthümlichen Weise, die sich nur durch
Wiedergabe meiner genauen Skizzen erklären lassen würde, weshalb ich auf die Be-
schreibung verzichte. Auf dem Basisdrittel der Querhölzer und quer über die Mitte des
Canus ist aus Stäben eine Plattform errichtet, um die Habseligkeiten (Körbe mit Ess-
I) Nach Kubary ist zur Anfertigung eines gewebten Gürtels auf Nukuor ein Monat Zeit erfor-
derlich, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass die Gürtel (»Maro«) von Nukuor viel länger und breiter
als die »TolPs« von Kuschai, wenn auch die Massangaben Kubary's: »9 Fuss lang und 3 Fuss breit<
entschieden zu hoch gegriffen sind.
Ajo] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 223
waaren, Früchte etc.) unterzubringen, die aber auf der entgegengesetzten Seite kaum
vorragt. Die Canus sind mit der beliebten ziegelrothbraunen Farbe (»Lab«) angestrichen,
die mit Oel angerieben auch im Wasser haltbar bleibt. Neuerdings verwendet man auch
gern eingetauschtes Waschblau um zur Abwechslung blaue Muster anzumalen.
Zum Fortbewegen der Canus bedient man sich Paddel (»Oa«), von der weit-
verbreiteten gewöhnlichen Form, wie ich sie vielerorts kennen lernte (z. B. auf Neu-
Guinea und Njua, Finsch: Zeitschr. für Ethnol., 1881, Abbild. S. 114). Die Kuschai-
Paddel zeichnen sich aber durch das lange, schmale Blatt aus (vgl. Fig. 48) und durch
die zierliche Arbeit in schwerem Hartholz. Sie sind circa 1*50 M. lang, davon das in
der Mitte nur 8 Cm. breite Blatt 58 Cm., und ebenfalls rothbraun ange-
strichen. Uebrigens wurden damals in Lälla zuweilen auch Segel benutzt, Fig. 48.
und zwar nach europäischem Muster, viereckig und aus Leinwand. Als Er-
satz von Segeln bediente man sich früher gelegentlich eines Bündels grosser,
oft über 2 M. langer Taroblätter, die ich noch gebrauchen sah und die auf
der Lagune treffliche Dienste leisteten.
Canus wurden noch zu meiner Zeit, natürlich mit eisernen Aexten
gebaut, und wie mir gesagt wurde, sollen 20 Mann drei Monate an einem
grossen zimmern, bei so langer Zeit aber jedenfalls mit erheblichen Unter-
brechungen.
Ein besonderes, nur auf Häuptlingscanus benutztes Geräth, aber kein
Bestandtheil desselben, beschreibt v. Kittlitz: »Es heisst ,PaIpal' und besteht
aus einem hohlen, pyramidenförmigen Aufsatz, der auf die Plattform des
Auslegers gestellt wird. Die Wände dieser Pyramide bestehen aus einem
sehr künstlichen und ziemlich dichten Geflecht von Bindfaden , mit auf-
gereihten kleinen, schneeweissen Muscheln, aus dem das Ganze zusammen-
gesetzt scheint. Man gebraucht es ohne Zweifel, um Vorräthe von Lebens-
mitteln vor dem Nasswerden und vor der Sonne zu schützen, c
Schöpfer (»Anomc) sind auch hier ein für Canufahrten unentbehr-
liches Geräth und werden aus Holz gefertigt (ähnlich »Senjavin-Reise«, ^ ® *
PL 29, Fig. 11). Kuschai.
Ich gebe hier die Masse eines Kuschaicanus von gewöhnlicher Grösse
und zur Vergleichung die einer »Vanakac von Port Moresby an der Südostküste Neu-
Guineas, einem in Form und Bauart (aus ausgehöhltem Baumstamme) sehr ähnlichen
Fahrzeuge.
Vanaka
Ganze Länge 6*60 M. 9*90 M.
Breite in der Mitte 0-47 » 0*49 »
» » » »im Lichten 0*34 » —
Höhe » » » » > o'Sy » 0*47 »
Länge der Querhölzer des Ausleger .... 2-08 » 3*27 »
Breite der Plattform o'68 » —
Länge des Schwimmbalken 470 » 4*94 »
Wegen der Schmalheit des inneren Raumes ist das Sitzen in einem solchen Canu
für einen Fremdling nicht sehr bequem, der gezwungen ist, einen Fuss vor den andern
zu setzen. Die grössten Canu sind an 25, nach Lütke selbst 3o Fuss lang, der übrigens
auch ganz kleine von 6 Fuss Länge erwähnt, die sich namentlich für die Mangrove-
dickichte der Lagune trefflich eignen. Am gewöhnlichsten sind solche Canus, welche
224 ^^^" ^ ^'"SC^- I480]
4 — 6 Personen tragen, wie sie der Atlas der »Senjavin-Reise« (PL 22 und 23) darstellt.
Das letztere Bild zeigt, wie auch das von Kittlitz (Denkwürd., I, S. 353), an den Seiten
ein Brett aufgelascht, sowie die Bugstücke zu Schnäbeln verlängert, wie ich solche nicht
mehr sah. Die Figuren bei Hernsheira (»Südsee-Erinnerungen«, Taf. 4 und S. 52) sind
daher treffender, lassen aber, wie alle diese Darstellungen, in den Details, namentlich
des Auslegergeschirrs, zu wünschen übrig.
Der Typus des Kuschaicanus findet sich übrigens an den entferntesten Locali-
täten, auch in Melanesien wieder. Es liegt ja so nahe, dass der Mensch überall zuerst
auf die Idee kam, einen ausgehöhlten Baumstamm als Fahrzeug zu benutzen, wie
Kinder bei uns dies gelegentlich mit einem Backtroge zu thun pflegen. Solche primi-
tive Fahrzeuge Eingeborener sind bereits wiederholt erwähnt worden, kommen aber
neben kunstvoll construirten auf ein und derselben Insel vor. So besteht das gewöhn-
liche Fischercanu der Samoaner nur aus einem ausgehöhlten Baumstamme mit Aus-
leger, ebenso das hawaiische, wovon ich noch Exemplare sah und benutzte. Ganz
ähnlich scheint auch das Canu von Sikayana (Stewart- Insel), soweit sich nach der
Abbildung in der »Novara-Reise« (II, S. 454) urtheilen lässt. Durch Aufsetzen von
Seitenborden und Bugschnäbeln entstehen dann die Formen, wie sie sich, je mit ge-
wissen Abweichungen, namentlich bezüglich des Auslegers, so mannigfach in Melanesien
finden, z. B. auf den Salomons (Guppy: »Solomons Isl.«, S. 63), hier sogar auch ohne
Ausleger; Neu-Britannien (schlecht abgebildet in Powell: »Wanderings in a wild
Country«, S. 168), Bilibili in Astrolabe-Bai (Finsch: »Samoafahrten«, S. 84), Tagai an
der Nordküste von Kaiser Wilhelms-Land (Finsch: »Ethnol. Atlas«, Taf. VII, Fig. 3),
um nur einige Beispiele anzuführen.
Besondere Häuser für Canus oder Canuschuppen, die Kubary auch für Kuschai
erwähnt, gibt es nicht, und zur Unterkunft derselben wird, wie schon v. Kittlitz er-
wähnt, meist der Giebelraum der Häuser benutzt.
//. Körperhülle und Put{.
A. Bekleidung.
Obwohl die heutigen Kuschaier ausnahmslos europäische Kleider tragen, hat sich
nebenbei doch noch das einzige Bekleidungsstück der früheren Zeit, der »Toll«, bei
ihnen erhalten. Es ist dies eine sehr auffallende und bemerkenswerthe Erscheinung, die
in ihrer Art fast einzig dasteht. Denn überall, wo die Civilisation bereits Bekleidung
nach europäischem Muster einführte, ist von Originalität des früheren Fleisses der Ein-
geborenen kaum etwas übrig geblieben, wie dies im Allgemeinen auch für Kuschai gilt.
Toll (Nr. 226, I Stück, Taf. IV [21], Fig. i und 2), Lendenbinde aus gewebtem
Stoff von Bananenfaser; Bekleidung für beide Geschlechter. Lälla.
Der 17 M. lange und 19 Cm. breite Streifen ist schwarz und trägt an beiden
Enden eine breite hübsch gemusterte bunte Kante in Schwarz, Kirsch braunroth. Gelb und
Weiss, denjenigen Farben, aus denen sich fast stets das Muster dieser Webearbeiten
zusammensetzt. Fig. i stellt einen Theil der einen, 43 Cm. langen End kante, und zwar
ein Drittel der ganzen Breite dar. Die fransenartige Endkante (a) besteht aus den losen
Kettfäden, von denen die verschiedenfarbigen durch Zusammenknüpfen verbunden
sind. Die Pünktchen (vgl. Abbild.) zwischen dem Kirschroth und Gelb der Fransen-
kante zeigen diese äusserst feinen Knoten. Diese Knotenverbindung der farbigen Kett-
fäden markirt sich auch auf dem übrigen gemusterten Theile des Gewebes durch ab-
N8i1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstocke aus der Sudsee. 225
gesetzte Querreihen, die nicht schnurgerade verlaufen, wie dies die drei unteren Reihen
der Abbildung zeigen. Oberhalb dieser drei Querreihen folgt eine kirschbraunrothe
durchgehende Querbinde (b), dann eine Querbinde aus schwarzen, gelben, rothbraunen
und weissen Längsstreifen (c), das übrige (noch 3i Cm. lange) Muster ist ganz so wie
das der drei ersten Querstreifen, nur dass dasselbe durch sechs viereckige kirschbraune
Flecken unterbrochen wird.
Die andere, Sy Cm. lange Endkante (Fig. 2) zeigt ein ganz verschiedenes Muster,
schmale Längsstreifen mit quergestreifter Randkante (a), die an der einen Seite breiter
ist als an der anderen; die ausgefranste Endkante der losen Kettfäden besteht aus zu-
sammengeknüpften gelben und schwarzen Fäden der Kette.
Toll (Nr. 225, I Stück), wie vorher, aber anderes Muster. Länge 1-54 M., Breite
17 Cm. Lälla.
Die Lendenbinden von Kuschai*) gehören jedenfalls zu den kunstvollsten Erzeug-
nissen der hochentwickelten Webekunst der Carolinier, namentlich durch die zum Theil
sehr geschmackvolle Zusammenstellung des bunten Musters, das an jedem Stücke Ver-
schiedenheiten zeigt. Dies erklärt sich leicht durch den Mangel an Vorlagen, weshalb
jede Weberin das Muster selbst erfinden muss und daher die individuelle Begabung wie
Geschmack voll zum Ausdruck gelangen kann. Ich verglich mehr als drei Dutzend und
fand nicht zwei ganz gleich.
Die Massverhältnisse dieser Toll variiren nur unerheblich: Länge i'68 — i-8o M.,
Breite 17 — 22 Cm.
Der Toll wird der Länge nach vierfach zusammengefaltet, so dass er einen nur
4—5 Cm. breiten Streif bildet, von dessen schönem Muster dann wenig mehr zu sehen
ist. In ähnlicher Weise wie den »Mal« der Melanesier oder »Maro« der Polynesier
gürtet man auch diesen Streif um die Hüften, zieht das eine Ende zwischen den Beinen
durch und knüpft es vorne fest, wobei Männer in der Schamgegend den Stoff etwas
ausbreiten, so dass das Scrotum suspensoriumartig eingehüllt wird. Nach v. Kittlitz (und
Lütke): »unterschieden sich Frauen von Männern im Costüm nur durch den breiteren
Gürtel«. Kubary irrt also, wenn er den Toll nur für einen »männlichen Schmuck-
gürtel« hält. (»Ethn. Beitr.«, I, S. 63.)
Im Atlas der »Senjavin-Reise« ist aber auch eine Frau abgebildet, welche ein brei-
teres Stück Matte in Form eines kurzen Röckchens um die Hüften trägt (PI. 18), ähnlich
wie die Frauen auf Sonsol. Wie ich bereits erwähnte, wurden 1880 noch Toll gewebt
und allgemein unter den europäischen Kleidern getragen. Wenn Männer im Canu
oder bei der Plantagenarbeit die geringe Bekleidung, Hemd und Hose, ablegten, was
häufig geschah, so waren sie mit dem Toll gegürtet, wie dies die Abbildungen im Atlas
der »Senjavin-Reise« (PI. ig und 22) zeigen. Früher pflegten Frauen hinterseits, am
Gürtel befestigt, zuweilen noch eine besondere Sitzmatte zu tragen (Kittlitz, II, S. 5),
die ich nicht mehr zu sehen bekam.
Ponchoartige Ueberwürfe aus gewebtem Stoff oder Mattengeflecht, wie solche
sonst in den Carolinen vorkommen (vgl. Nr. 227 von Ruk), kannte man auf Kuschai
nicht, wie v. Kittlitz besonders hervorhebt.
Als Bekleidung in gewissem Sinne möchte ich hier noch der kleinen viereckigen
Matten gedenken, die als Bedeckung kleiner Kinder benutzt werden, um sie beim Aus-
I) Sehr nahestehend scheinen die gleich grossen, aus Bananen- oder Hibiscus-Fsiscr gewebten
SchamgOrtel auf Sonsol, deren delicate Muster Kubary (»Ethn. Beitr.«, I, S. 91) ebenso oberBächlich
beschreibt, als die »Webevorrichtung« (S. 95), bei welcher z. B. der Kettebock unerwähnt bleibt.
226
Dr. O. Finsch.
[482]
tragen gegen die Sonnenstrahlen zu schützen, wie ich sie damals noch gebrauchen sah.
Das Material ist, wie stets, Pandanus-Blslt, die Grösse variirt (32 — 60 Cm. lang und
ebenso breit); zuweilen sind diese Matten hübsch schwarz gemustert und dieses Muster
nicht aufgenäht, sondern eingeflochten (vgl. S. 216 [472]). Auch Lütke gedenkt dieser
Matten als »Sonnen- und Regenschirme«, die hauptsächlich vom weiblichen Geschlecht
benutzt werden.
Fig. 49.
B. Putz und Zieraten.
a) Material.
Kusch ai scheint an Gegenständen des Putzes nie reich gewesen zu sein, denn
schon Lütke und v. Kittlitz') erwähnen die in dieser Richtung herrschende Armuth.
Dies erklärt sich zum Theil aus dem Umstände, dass die
Frauen, welche gewöhnlich stark an der Verfertigung von
Schmucksachen betheiligt sind, ihre Hauptthätigkeit der sehr
mühsamen Weberei zu widmen haben, so dass ihnen im
Ganzen wenig Zeit übrig bleibt.
Ich selbst konnte natürlich nur noch Reste sammeln, er-
langte aber immerhin noch einige eigenthümliche Stücke, die
zum besseren Verständniss früherer Verhältnisse nicht un-
wichtig sind. Bemerkenswerth für die Schmuckgegenstände
Kuschais ist, dass keine rothen Spondylus-Schcibchen ver-
wendet worden zu sein scheinen, wenigstens habe ich niemals
hier solche beobachtet, und auch Lütke und v. Kittlitz er-
wähnen sie nicht, dagegen aber Perlen von Cocosnussschale
und Muscheln. Ich erhielt nur Schmuckstücke aus Schildpatt,
Trochus, Conus und Perlmutterstücke (»Make). Letztere
wurden ebenfalls zu Schmuck verarbeitet, bildeten aber in
der nachfolgenden Form hauptsächlich ein Tauschmittel der
alten Kuschaier, welches mir als das frühere Geld bezeichnet
wurde.
Fai (Nr. 642, 2 Stück, Fig. 49), Perlmutterstücke;
Längsschnitte aus dem Mitteltheile von Meleagrina marga-
ritifera; 17 Cm. lang und 6 Cm. breit. Taaf, bei Port Lottin.
Ich erhielt mehrere dieser einst so hochgeschätzten
Stücke, von denen das grösste eine Länge von 28 Cm. und
eine Breite von 85 Mm. hatte, also von einer Perlschale her-
rührte, wie sie für diese Art Perlmuschel ') in dieser Grösse selten ist. Fai wurde jeden-
falls auch als Material für die Fischhaken (Nr. 149, S. 208 [464]) verwendet, denn ich
erhielt einige schmälere Stücke, die offenbar zu Schäften von Fischhaken dienen sollten,
die man mir aber ebenfalls unter dem Namen »Fai« als früheres Geld bezeichnete.
Perlmuttergeld.
Vs natürl. Grösse.
I) »Man sieht im Ganzen ungemein wenig Gegenstände des Putzes. c »Gewöhnlich waren es
nur Blumen, auch wohl grüne Blätter.« »Nur die kleinen Kinder sahen wir allezeit beladen mit Putz,
besonders Halsbändern, sehr sauber aus kleinen Früchten, Muscheln und Holzstückchen verfertigt.«
Denkwürd., II, S. 12 und i3.
3) Von der viel grösseren Avicula margaritiferaj die in gewissen Gebieten Melanesiens zu
Schmuck verwendet wird, messen grosse Exemplare aus Torresstrasse in der Länge nur 20 Cm., im
Querdurchmesser 28 Cm. (Gewicht i Kilo); eine kolossale Schale derselben Species von Borneo (La-
buan) ist 26 Cm. lang, 29 Cm. breit (Gewicht i 1/2 Kilo).
[483]
Elhnologische Erfahrungen und Bele^tQcke aus der SQdsee.
227
Fig. SO,
H,
Glasperlen, die sonst überall so beliebt bei Eingeborenen sind und die ursprüng-
lichen Schmucksacben besonders verdrängen halfen, erinnere ich mich in Kuschai kaum
verwendet gesehen zu haben, v. Kittlitz sprach darüber schon sein Verwundern aus,
denn er bemerkte nie, dass die reichlich geschenkten Glasperlen (welche die Kuschaier
ja bereits durch die >CoquilIec erhalten hatten) getragen wurden, ebensowenig als
Kleidungsstücke.
b) Hautverzierung.
Tfitowirung gehört der Vergangenheit an und hat auT Kuschai stets nur eine
untergeordnete Bedeutung gehabt, v. Kittlitz sagt über Tatowirung (»Schischin«) nur:
>Die Zeichen haben übrigens nicht viel Auffallendes, sie bestehen fast nur in breiteren
und schmäleren Längsslreifen und einigen Querstreifen an Armen und
Beinen« und erwähnt noch, dass das Muster bei beiden Geschlechtern
gleich ist (II, S. 12). Lütke, der die Tatowirung der Kuschaier als sehr
unregelmässigund wenigsymmetrisch bezeichnet, bemerkt ausdrückhch,
dass keine besonderen Zeichen für Rangunterschiede vorkamen Die
auf PI. 18 der >Seniavin-Reise( abgebildeten Kuschaier (beiderlei Ge-
schlechts) geben nur eine sehr flüchtige Darstellung der Tätovi irung,
welche ich auf Grund meiner genauen Skizzen vervollständigen kann
Der am reichsten tätowirte alte Mann (übrigens kein Vornehmer)
zeigte (Fig. 50, Innenseite des Armes) rund um den Ellbogen ein brei
teres Band, von hier aus einen schmäleren Streif an der Innen und
.\ussenseite des Unterarmes, hier sowie auf dem Oberarm ein paar
Längsstriche mit kurzen schriftartigen Zeichen, einem kleinen y ver
gleichbar, welche Lütke doppelt abbildet (I, S. 36o) und die nach ihm
• Vögel» darstellen sollen, wozu aUerdings viel Phantasie gehört. An
den Beinen war nur die Wade mit einem Längsstreif gezeichnet, bei
Anderen die ganze Aussenseite des Beines mit einem Längsstnch,
ähnlich der Binse einer Militärhose (wie die Frau bei Kittlitz, II, 5. 5).
Die Figuren der citirten Tafel zeigen das tätowirte Armband nicht um
den Ellbogen, sondern am Oberarme, was hier erwähnt sein mag. Ich
beobachtete übrigens Tatowirung nur noch bei einigen älteren Leuten,
denn die Misston hatte den Brauch bereits ausgerottet, gestattete da-
gegen das Einritzen christlicher Taufnamen in grossen Buchstaben, was aber auch nur
wenig geübt wurde.
Die Tatowirung Kuschais hat einen durchaus eigenthümlichen Typus, und Ku-
bary, der dieselbe übrigens nicht kannte, irrt durchaus, wenn er eine Verwandtschaft
mit der von Ponapä und Pelau annimmt. Erwähnt sei noch, dass das einfache Muster
der Tatowirung Kuschais, wenn man die paar Striche überhaupt so nennen kann,
durchaus von dem der Gürtel (>Tollc) abweicht.
Tätowirfloräth erlangte ich nicht mehr. Ueberhaupt besass Kuschai kein solches,
wie es sonst meist gebraucht wird, sondern man bediente sich nach Lütke nur einer Mu-
schel, mit der man die Haut einritzte und dann mit einem Pflanzensaft einrieb. Nach
Guppy geschieht das Tätowiren auf den Salomons mit ähnlichen primitiven Werk-
zeugen (Stück Muschel, Bambu oder dem Zahne eines Pteropus).
Bemalen mit Gelbwurzpulver (Curcuma), sonst auf allen Carolinen die belieb-
teste KSrperzier, war auf Kuschai unbekannt, wie Lütke und v. Kittlitz besonders er-
wähnen. Dagegen salbte man Haar wie Körper mit Cocosnussöl,
Ar miato wirung.
2 28 Dr. O. Finsch. [484]
c) Haartracht.
Darüber belehrt Taf. 17 der »Senjavin-Reise«. Die Männer schürzten das lange
Haar in einen Knoten, der aber nicht, wie bei den Marshallanern, auf dem Wirbel in
die Höhe stand, sondern vom Hinterkopf herabhing, die Frauen seitlich in einen Knoten.
Gegenwärtig halten die Männer das Haar kurz; Frauen lassen es, wie früher, länger
wachsen und binden es im Nacken oder seitlich in einem Knoten, der mit einem euro-
päischen Kamme festgesteckt wird.
d) Kopfputz.
V. Kittlitz gedenkt nur der Haut eines Tropikvogels (Phaeton), die vermuthlich
bei gewissen Gelegenheiten als Kopfputz diente, im Uebrigen aber nur Blumen, die
einzeln ins Haar gesteckt oder als Kränze getragen wurden. Diese Sitte herrschte noch
zur Zeit meines Besuches, und Blumen, sowie bunte Blätter waren der häufigste Kopf-
putz, den ich beobachtete. Sonst erhielt ich nur noch eine Kopfbinde, aus einer Reihe
kleiner weisser Muscheln auf eine Faserschnur geflochten, ähnlich (Taf. V [22], Fig. 21
von den Marshalls. Wie man mir sagte, wurden solche Stirnbinden nur bei den Tanz-
vorstellungen getragen, ganz wie dies auf den Marhalls der Fall ist.
e) Ohrputz
beschränkt sich nur auf Blätter und Blumen, wie dies schon von v. Kittlitz beschrieben
wird. Die Ohrläppchen sind meist durchbohrt und zum Theil, ähnlich wie auf den
Marshalls, bedeutend ausgeweitet, denn ich sah Frauen, welche ganze Blüthenkolben
des sehr wohlriechenden Pandanus im Ohre trugen. Sehr beliebt waren auch die
Blüthen einer Art Lilie, die wir schon auf den xMarsh all- Inseln (vgl. S. 178 [434]) kennen
lernten. Lutke sah als seltene Ausnahme den Ohrrand durchbohrt.
f) Nasenzier
gab es nicht; aber Lütke erwähnt, dass äusserst selten das Septum durchbohrt war, in
welchem man eine »kleine Papierrolle« trug, was hier erwähnt sein mag, weil Durch-
bohren der Nase sonst in Mikronesien nur auf den westlichen Carolinen (Yap und
Pelau) vorkommt.
g) Hals- und Brustschmuck.
Kuschai besass davon im Ganzen wenig, immerhin Eigenthümliches, wovon ich
sogar noch Einiges erhielt. Die allgemein gebräuchlichen Halsbinden der Frauen,
»dicke Wulste von 9 Zoll im Umfange aus unzähligen Schnüren von Cocosfaser«
(Lütke\ welche den Hals dicht umschlossen (Atlas, PL 17) und nicht abgelegt werden
konnten, sah ich nicht mehr. Sie erinnern übrigens an die Bas th aisschnüre verheirateter
Frauen auf Yap (Journ. M. G., II, Taf. 7). Zu meiöer Zeit begnügte man sich auf Ku-
schai mit einfachen Halsstrickchen oder flocht, wie früher. Kränze aus Blumen, nament-
lich den prachtvoll rothen Blüthen eines Strauches {^Ixora coccinea nach v. KittiitzV
Eigenthümlichen Halsschmuck aus der guten alten Zeit reprasentiren die folgen-
den beiden Nummern:
Ga (Nr. 640, i Stück\ Halsschmuck (Taf. IV [23], Fig. 2) für Männer aus Schild-
patt. Taaf. Der Strich a (Fig. 2") bezeichnet die Dicke des Stückes an der Rückseite,
welche sich dadurch erklärt, dass das Stück aus einer Randplatte der Karettschildkröte
gearbeitet ist. Ein fast gleiches Stück aus dem British Museum bildet Edge-Partington
(Taf. 175, Fig. 3\ aus leicht begreiflichem Irrthum, als >Fischhaken< ab. Als solche
auch (Journ. M. G., Heft IV, 1S74, Taf. 4, Fig. 4 a und 4 b, und KaL, S. 423, Nr. 212)
von Pelau, aber ein Eingeborener von dort kannte derartige Stucke Oberhaupt nicht.
Interessant ist der Nachweis ganz ähnlicher Schmuckhaken aus Schildpatt von Sonsol
durch Kubar\- (»Ethn. Beitr.c, I, S. 93, Taf. XII, Fig. 7\ die hier ebenfalls Geld ver-
[^85] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 229
treten und auch auf Bunai (St. Davids), Bun (Pulu Ana) und den Hermites vorkommen
(1. c, II, S. 126, Anm.).
Der »Ga« gehört der Vergangenheit Kuschais an und war früher einer der werth-
vollsten Schmuckgegenstände der Eingeborenen. An einem Strickchen um d«n Hals
befestigt, wurde der »Gac, und zwar immer nur ein Stück, von den Männern getragen,
die vor dem Tokoscha (König) zu erscheinen hatten. In gleicher Weise mussten sich
Frauen, die vor die Koscha (Königin) befohlen waren, schmücken, mit dem*.
Puti (Nr. 641, I Stück), Halsschmuck (Taf. VI [23], Fig. 3) aus Schildpatt, Rand-
schild. Taaf. a bezeichnet die Dicke. Ein anderes Exemplar war am oberen Rande
(über dem Bohrloch) mit fünf seichten Kerben verziert, in ähnlicher Weise wie der
>Ga« (Fig. 2). Beide Schmuckgegenstände galten früher als Geld und es gelang mir nur
noch wenige Exemplare einzuhandeln. Lütke und v. Kittlitz erwähnen diesen Schmuck
nicht, wohl aber der Erstere »Muschelstücke,*circa4 ZoUlangund i % Zollbreite (»Mock«
genannt), die aUe Bewohner Lällas beim Abschiede um den Hals trugen, und womit
ohne Zweifel die vorher erwähnten »Faic gemeint sind. Lütke bemerkt noch ausdrück-
lich: »anderen Halsschmuck sah ich nicht«, erwähnt aber vorher »Halsketten aus Perlen
von Cocosschale und Muscheln«.
h) Armschmuck.
Wie in gewissen Gebieten Neu-Guineas aus Coni/^-Muschel geschliffene Armringe
noch heute, als werthvoller Schmuck und zugleich Geld, im Leben der Eingeborenen
eine grosse Rolle spielen (vgl. II, S. [83], [100] und [161], Taf. XV [7], F'ig. i), so war
dies auch früher auf Kuschai der Fall. Es glückte mir, hier noch einige wenige Exem-
plare solcher Schmuckstücke zu erlangen, die früher zu den Kostbarkeiten zählten und
den Werth von Geld repräsentirten, jetzt aber längst der Vergangenheit angehören.
Nach Funden in den Ruinen von Ponap^ zu urtheilen, kam dieselbe Art Armbänder
früher auch hier vor, was bemerkenswerth ist, weil sie sonst auf allen übrigen Carolinen
fehlen, dagegen waren sie früher auf den Marshalls bekannt.
Forr (Nr. 36i, i Stück, Taf. VI [23], Fig. i), Armring, aus dem Querschnitt vom
breiten Ende einer Muschel geschliffen. (Längsdurchmesser 70 Mm., Höhendurchmesser
60 Mm. im Lichten.) Taaf.
Ein ausserordentlich interessantes und seltenes Stück, schon deshalb, weil sich das
Conchyl nicht mit Sicherheit bestimmen lässt. Selbst dem eminenten Fachkenner
Professor v. Martens (Berlin), der die Güte hatte dieses Exemplar zu untersuchen, ge-
lang dies nicht. Er schreibt mir über dasselbe: »Doch wohl Conus, wenigstens wüsste
ich nichts Anderes; aber nicht C. millepunctatus, Turbo kann es auch nicht sein.« Das
Exemplar ist stark abgeschliffen, wie es scheint auch innen abgeputzt und zeigt in Folge
dessen eine matte Färbung wie altes Elfenbein. Nach meinen Vergleichungen ist das
Material kein Conus, sondern eine Irochus-Art (wohl niloticus). Ein Armring aus der-
selben Muschelspecies ist bei Edge-Partigton (Taf. 175, Fig. 6) abgebildet. Ausser dieser
Muschel wurde aber auch sicher Conus millepunctatus zu Armringen verarbeitet, denn
ich erhielt davon auf Kuschai nicht nur fertige Armringe, sondern auch solche in Be-
arbeitung und das Rohmaterial. Ein solcher durchschnittener Conus (»Forr« genannt)
zeigte den kolossalen Durchmesser von 85 Mm. Zweifellos ebenfalls aus Conus mille-
punctatus geschliffen ist der in der »Senjaviti-Reise« (PI. 3o, Fig. 8) abgebildete Arm-
ring (im Text irrthümlich als aus »nacre de perl« bezeichnet).
BeinSChmuck gab es nicht, aber nach Lütke trugen die Frauen ähnliche Wülste
aus Cocosfaserschnüren wie um den Hals auch um das Fesselgelenk, was der Vollstän-
digkeit wegen erwähnt sein mag.
23o t)r. O. Finsch Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. [486^
Ethnologische Schlussbetrachtung.
In gänzlicher Abgeschiedenheit von der Aussenwelt und vollständig unberührt
von fremden Einflüssen, fanden die ersten Reisenden in den freundlichen, durchaus
harmlosen Bewohnern Kuschais ein Feld für ethnologische Forschungen, wie es in ähn-
licher Weise nirgends mehr vorhanden ist. Leider war das wissenschaftliche Interesse
der damaligen Zeit nur nebenbei auf Völkerkunde gerichtet, und wenn man den ersten
Reisenden (Lesson, Lütke, Kittlitz) immerhin dankbar sein muss, dass sie auch in dieser
Richtung mancherlei werthvolle Nachrichten hinterliessen, so genügen dieselben den
heutigen Ansprüchen doch nicht. Freilich konnte man damals nicht entfernt ahnen,
dass kaum mehr als 50 Jahre später nur noch Reste der Eingeborenen vorhanden sein
würden. Was hätte sich nicht in den 25 Tagen, die Kittlitz auf der Insel verweilen
konnte (vom 8. December 1827 bis 2. Januar 1828) alles thun lassen, nicht blos im
Sammeln, sondern Aufzeichnungen über das Leben und Treiben des interessanten
Völkchens, das eine kleine Welt für sich bildete. Mir waren hier nur im Ganzen neun
unvergesslich interessante Tage vergönnt! Die Vogelarten, welche Lesson und v. Kitt-
litz einst zuerst sammelten, sie alle waren noch ebenso zahlreich vorhanden als damals,
aber vom Menschen, jedenfalls, wie überall, dem interessantesten Geschöpfe* von allen,
fand ich nur noch Reste, die^in ihrer Eigenart bereits gar Vieles eingebüsst hatten. So
konnte ich nur noch Nachlese halten, wo meinen Vorgängern die volle Ernte winkte;
aber diese Nachlese ist um so interessanter, weil sie noch die letzten Reste retten half,
die bald ins Gebiet ethnologischer Reliquien gehören werden. Und an solchen sind un-
sere Museen gerade von Kuschai nicht sehr reich; enthielt doch die einst berühmte
Südsee-Sammlung Godeffroy in Hamburg im Ganzen nur vier Stück von Kuschai,
während das Berliner Museum durch mich mit 178 Gegenständen von hier bereichert
werden konnte.
Soweit sich nach eigenen Erfahrungen und den Aufzeichnungen meiner Vorgänger
urtheilen lässt, bildet auch Kuschai innerhalb der Ethnologie der Carolinen eine eigene
Subprovinz, ausgezeichnet durch verschiedene charakteristische Eigenthümlichkeiten.
Hierher gehören: Eigene Sprache, eigenes Feudalsystem, eigener Baustyl der Häuser,
eigene Construction der Canus (ohne Segel und Mast), eigene sehr kunstvolle Bunt-
weberei, eigenes Muster der Tätowirung (gleich für beide Geschlechter). Charakteristisch
für die ethnologischen Verhältnisse Kuschais sind ferner: Die zum Theil Kolossalstein-
bauten in Mauern und Steinwällen, der Genuss von Kawa und die auffallende Armuth
an Gegenständen des Schmuckes und der Körperzier, die nur in den Brustornamenten
aus Schildpatt (PL [23], Fig. 2, 3) eigenthümliches aufweisen, das sich aber auf den west-
lichen Carolinen (Sonsol) wiederholt. Im Vergleich mit den übrigen Carolinen ver-
dienen der Mangel an Putzkämmen, besonderem Ohr- und Leibschmuck, die Nichtver-
wendung von Scheibchen aus Spondylus-Muschel und ganz besonders von Gelbwurzel
(Curcuma) zum Bemalen des Körpers erwähnt zu werden.
[jgyl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 23 1
2. Ponapd.
Einleitung.
Entdecker. Wahrscheinlich schon 1595 von Pedro Fernandez de Quiros, dem
Begleiter Mendanas, gesichtet, blieb die Insel mehr als zwei Jahrhunderte vergessen, bis
sie von dem hochverdienten Erforscher des Carolinen- Archipels, F. Lütke, 1828 mit
der russischen Corvette »Senjavin« wieder entdeckt wurde. Vom 14. bis 19. Januar des
genannten Jahres recognoscirte der » Senjavin c diese Insel und die benachbarten west-
lichen kleinen Atolle Andema und Pakin, welche Lütke unter dem Namen »Senjavin-
Inseln« zuerst kartographisch niederlegte. Da in damaliger Zeit noch alle SUdsee-
Insulaner als »Wilde« arg verschrieen waren und sich die Eingeborenen, jedenfalls aus
Freude und nicht in böser Absicht, gegenüber den Russen ziemlich lärmend betrugen,
wie dies allenthalben vorkommt, wagte man nicht zu landen. Die übrigens treffliche
Aufnahme der Insel (von Lieutenant Zavalichine) verzeichnet daher ziemlich oberfläch-
lich nur einen, und zwar den nördlichen Jokoits- oder Jamestown- Hafen als »Port du
mauvais accueil«. Im Jahre 1839 vermass das englische Kriegsschiff »Larne« Roankiti,
den südwestlichen Hafen, während ein Jahr später die französische Corvette »La Danaide«
unter Capitän de Rosamel die übrigen kartirte und damit die Aufnahme der ganzen
Insel zum Abschluss brachte. Sie wurde schon in den Dreissigerjahren von Walfängern
besucht, bei denen sie später unter dem Namen »Ascension« sehr bekannt war. Auf
den skizzenhaften Kärtchen der Carolinen von Cantova (1722) und Don Luis de Torres,
wie sie Chamisso publicirt (»Reise«, 2, S. 152), ist die Insel übrigens nicht verzeichnet.
Schon aus Mangel an seetüchtigen Fahrzeugen ohne Verkehr mit den westlichen Inseln,
waren die Bewohner Ponapes als Verschlagene doch von jeher weiter bekannt, die Insel
selbst nur dem Namen nach. Hieraus erklärt sich die sehr verschiedene Aussprache,
respective Schreibweise: Bonabe, Bonaby, Bonabay, Bornabe, Bonibet, Fonnaby, Pai-
nipet, Pulupa, Falope, Funopet, Felupet, Falupet, Puynipet (Lütke), Hünnepet (Kittlitz).
Kadu's »Fanope« bezieht sich jedenfalls auch auf Ponapd, obwohl er es sehr verkehrt
als »niedrige Inselgruppen« bezeichnete (Chamisso, S. 188). Aber Kadu hatte von
Fanop6 nur sprechen hören, wie Eingeborene von Lukunor Lütke gegenüber Ponap6
mit »Faounoupei« nur dem Namen nach, aber bereits als hohe Insel kannten. Gegen-
stände von Ponap6, welche Lukunorer an Bord des »Senjavin« sahen, wurden gleich
als von »Faounoupei« bezeichnet; aber man glaubte auch, dass die polirten Möbel in
der Cajüte von dorther stammten. Dies beweist am besten, dass diese Eingeborenen
Ponape nicht aus eigener Anschauung kannten, wie sie andererseits von »Pyghirap«
(Pikiram) als einer von Menschenfressern bewohnten Insel erzählten, die sie natürlich
ebenfalls nur vom Hörensagen kannten.
Zur Literatur. Da die Forschungsreisenden des »Senjavin« nur wenige Stunden
und von Bord aus mit den Eingeborenen verkehrten, so konnten sie natürlich nur spär-
liche Beobachtungen sammeln, die aber immerhin als die ersten noch heute von Interesse
sind (Lütke, II, S. 26— 3 1 ; Kittlitz: Denkwürd., II, S. 70—75). Die ältesten Nachrichten
des Spaniers Francisco Michelena y Rojas (aus den Jahren 1822 — 1842), welche nach
Friederichsen auch hinsichtlich Ponapes »besonders bemerkenswerth« sein sollen, waren
mir nicht zugänglich. Ebenso gelang es mir leider nicht, des seltenen Büchleins habhaft
Anoalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VUI, Heft a, 1893. 17
232 r>r. O. Finsch. [488]
ZU werden, in welchem James F. O'Connell, *) jener schiffbrüchige Matrose des englischen
Walschiffes »John Bull«, der 1827 oder 1828 als der erste Weisse längere Zeit unter
den Eingeborenen zubrachte, seine Erlebnisse erzählt, und der unter Anderem zuerst
über die prähistorischen Bauten berichtete. Als Hauptquellen unserer Kenntniss über
Ponap6 dürfen daher immer noch die oft benutzten Mittheilungen von Capitän A.
Cheyne,') Dr. L. H. Gulick und anderer amerikanischer Missionäre betrachtet werden,
zu denen auch die unter Kuschai (S. 194 [450]) citirlen Notizen des Rev. Samuel C.
Dämon zu rechnen sind. In der Reisebeschreibung der Österreichischen Fregatte >No-
vara«^) wird der Insel »Puynipet« ein ganzes Capitel gewidmet, das eine Fülle von Mit-
theilungen enthält, welche aber meist auf Aussagen weisser Ansiedler beruhen. Denn
das Kriegsschiff lag nur einen Tag (18. September 1858) vor Roankiti, und die Mitglie-
der der wissenschaftlichen Commission konnten kaum fünf Stunden am Land«) ver-
weilen, also unmöglich eingehendere Studien machen. Aus diesem Grunde sind
dankenswerther Weise auch Cheyne's Nachrichten ergänzend angefügt worden, die in-
dess hinsichtlich Handel und Verkehr nicht mehr zutreffen.
Mit Franz Hernsheim, der in seinen »Südsee-Erinnerungen« (IV. Ponape, S. 61
bis 72) auch diese Insel anziehend skizzirt, verweilte ich vom 2. bis 12. März 1880 auf
Ponap6. Meine elftägigen Erfahrungen, die von Jokoits bis Metalanim reichen und uns
hier auch, unter Führung von Kubary,^) mit den wunderbaren Ruinen von Nantauatsch
bekannt machten, sind in den folgenden Publicationen niedergelegt, ethnologisch wohl
die ausführlichsten:
1. »Aus dem Pacific. IV. Ponape (Carolinen)« in: Hamburger Nachrichten, 1880,
Nr. 214 — 216 (8. bis 10. September).
2. »Ueber die Bewohner von Ponap6 (östliche Carolinen). Nach eigenen Beobachtungen
und Erkundigungen« in: Zeitschr. für Ethnol., Berlin 1880, S. 3oi~332, Taf. XI
(Eingeb.) und 16 Textbilder (meist Tätowirung).
3. »Ueber seine in den Jahren 187g — 1882 unternommenen Reisen in der Südsee« in:
Verhandl. der Gesellsch. für Erdkunde, 1882, S. 7.
Geographischer Ueberblick. Nach den Berechnungen von L. Friederichsen hat Po-
nape (unter 6° 43' und 7° 6' n.Br. und 157° 54' ö. L.), bei einem ungefähren Umfange von
i3 deutschen geographischen Meilen (60 Seemeilen nach Lütke), einen Flächenraum von
circa 7 '/a deutschen Quadratmeilen, ist also nach Pelau die grösste Insel des Carolinen-
Archipels. An 3oo Seemeilen nordwestlich von Kuschai erscheint Ponap^, durchaus
I) >A Residence of eleven years in New Holland, and the Caroline Islands; being the Adventures
of James F. O'Connell, edited from his verbal narrative; published by B. B. Mussey. Boston i836.<
3) »Description of Islands in the Western Paciüc Ocean, north and south of the Equator.«
London 1852.
3) »Reise der österreichischen Fregatte ,Novara* um die Erde in den Jahren 1857 — 1859 unter
den Befehlen des Commodore B. v. WüUerstorf-Urbair. Beschreibender Theil. II. Band. (Wien 1861.)
XVI. Die Insel Puynipet (S. 394 — 425).«
4) Eine hübsche Schilderung dieses Besuches, welche manche brauchbare Notiz auch fQr die
Ethnologie enthält, findet sich in: »Ferdinand v. Hochstetter's gesammelte Reiseberichte von der Erd-
umseglung der ,Novara* 1857— 1859 (Wien 1885), S. 276— 289.C
5) Bedauerlicher Weise hat dieser beste Kenner der Insel, welcher theils als Sammler, thcils
als Ansiedler mehrere Jahre hier lebte und der Sprache vollkommen mächtig war, seine Erfahrungen
nicht mitgetheilt, sondern, soweit mir bekannt, nur Folgendes publicirt:
1. »Die Ruinen von Nanmatal auf der Insel Ponap^ (Ascension)€ in: Journ. M. G., Heft VI (1874)»
S. 123— i3i, Taf. 5 und
2. »Weitere Nachrichten von der Insel Ponap^c, daselbst, Heft VIII (1875), S. 129—135, Beschränkt
sich hauptsächlich auf Tätowirung.
[aSq] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 233
gebirgig, dicht bewaldet und von einem Barrier- (Wall-) Riff umgürtet, wie der grössere
Zwilling der letzteren Insel. Aber die Gebirgsrücken zeigen durchgehends sanftere
Formen, die meist lange flache Kämme, seltener höhere stumpfe Kegel bilden, unter
denen der Tolocolme (Monte Santo von Lütke) als der höchste zu 2860 Fuss angegeben
wird. Wie Kuschai ist Ponap^ vulcanischen Ursprungs und besteht aus »olivin- und
augitreichen Basaltlaven in verschiedenen Structurabänderungen« (»Novarac), aber auch
aus dichtem Basalt (zum Theil in prismatischer Absonderung), der an mehreren Punkten
höchst interessante malerische Partien bildet, wie sie Kuschai nicht aufzuweisen hat.
Hierher gehören der merkwürdige zuckerhutförmige Berg Takain in Metalanim-Hafen
und der gewaltige Felsendom der Insel Jokoits mit seinen an 1000 Fuss hohen, fast
senkrechten kahlen Wänden, eine charakteristische Land marke für diesen nördlichen
Hafen. Die ein bis zwei Seemeilen breite, zum Theil für Schiffe befahrbare Lagune ist
viel ausgedehnter als die von Kuschai und besitzt vier Häfen, darunter drei ausgezeich-
nete (Jokoits oder Janiestown, Metalanim und Roankiti). Sie sind, wie die hydro-
graphischen Verhältnisse überhaupt, in Findlay's vortrefflichem Werke (S, 743 — 750)
eingehend beschrieben und auf der englischen Admiralitätskarte (Nr. 981) ebenso
mustergiltig dargestellt. Hier auch die benachbarten, zu Ponap6 gehörigen westlichen
kleinen Atolle Pakin oder Paguenema-Inseln und Andema- oder Ant-Inseln. Depen-
denzen von Ponap^ sind auch das circa 65 Seemeilen südwestlich liegende kleine Atoll
Ngatik oder Raven, identisch mit »Los Valientes« voh Don Felipe Tompson (1773)
und östlich Mokil und Pingelap (Macaskill).
Flora und Fauna stimmen im Allgemeinen mit Kuschai überein. Die erstere ist
ebenfalls von tropischer Ueberfülle und bildet Dickichte, in welche einzudringen nur
mit Hackmesser oder Säbel möglich ist, besonders da üppige Lianen überall Halt ge-
bieten. Das Jagen ist daher ausserordentlich mühsam, namentlich auch darum, weil sich
sehr schlecht gehen lässt in Folge des mit Moos überzogenen Trümmergesteins, wel-
ches meist den Boden bedeckt. Dazu fehlen betretene Pfade, wie sie allenthalben in
Melanesien vorhanden sind, und es machte uns einst Mühe, einen Jagdgefährten, der
sich im Urwalde verirrt hatte, aufzufinden. Baumfarne sind auch für den Laien eine
ins Auge fallende Erscheinung des Waldes. Ausserdem fiel mir die von den Marshalls
her bekannte Lilie auf, sowie ein Strauch mit schönen rothen Blüthen (wohl Hibiscus)
und ein anderer mit kleinen, dichtstehenden, orangerothen und rothen Blüthen, der
auf Hawaii sehr häufig ist. Er ernährt dort die Raupe von Danais erippus, den ich in
der That auch auf Ponap^ fand, und erklärt zum Theil mit die sogenannten »Wande-
rungen« dieses auffallenden Tagfalters.
Besser als die Pflanzenwelt ist die Thierwelt bekannt und dies hauptsächlich ein
Verdienst Johann Kubary's. Von seinen an das Museum Godeffroy gesandten Samm-
lungen scheint indess nur der ornithologische Theil*) eingehend bearbeitet worden zu
sein, denn auch der Handelskatalog des Museum Godeffroy (VI, März 1877) verzeichnet
(ausser sechs Arten, pelagischer Fische) nur Vögel, im Uebrigen kein einziges Thier
von Ponape. Einige zoologische Notizen finden sich aber im Kat. M. G, (S. 281).
An Säugethieren besitzt die Insel nur zwei Arten (eine Ratte, »KJtschik«, und
einen eigenthümlichen Fiederhund: Pteropus molossinus Temm.). Vögel, durch die
Naturforscher der »Novara- Reise c nur in 7 Arten nachgewiesen, sind durch Kubary,
«) Finsch: »Vögel von Ponap6 (Seniavin-Gruppe)c in: Journ. M. G., Heft XII (1876), S. 15 — 40,
Taf. 2. »On the birds of the Island of Ponape« in: Proc. Z. S. Lond., 1877, pag. 778 — 782. »Beob-
achtungen über die Vögel der Insel Ponapi^ (Carolinen)« in: Cabanis, Journ. für Ornithol., i880|
S. 283— 296. 9 0rnithological letters from the Pacific. VI. Ponape« in: The Ibis, 1881, pag. 109 — 115.
17'
234 ^^' ^' finsch. [490]
und wohl erschöpfend, auf 32 Arten gebracht worden, von denen ich während meines
Aufenthaltes allein 3o sammelte und beobachtete. Sechs Arten {Trichoglossus ruht-
ginosus Bp., Zosterops ponapensis F., Volvocivora insperata F., Myiagra pluto F.,
Rhipidura Kubaryi F. und Aplonis Pel:{elni F.) gehören der Insel eigenthümlich an.
Wie bereits erwähnt, ist das Vorkommen eines Papageis, des einzigen im ganzen Caro-
linen-Archipel, ganz besonders merkwürdig. Dasselbe gilt in zoo-geographischer Hin-
sicht in Betreff unserer Sumpfohreule (Otus brachyotus)j die auf Ponap^ Brut- und
Standvogel ist. Auffallend erscheint das Fehlen von rallenartigen Vögeln.
Reptilien sind ebenso selten und dieselben Arten als auf Kuschai (ich erhielt nur
Mahouia cyanura, Lygosoma smaragdina und Platydactylus lugubris). Reicher an
zum Theil ganz anständigen Flüssen als Kuschai, besitzt Ponap6 auch Süsswasserfische,
wovon ich drei Arten (darunter eine Perca) aus dem Pillapenchocolafluss erhielt, die
indess in Berlin seither unbestimmt blieben, wie eine interessante Art Krebs {Astacus
spec.) aus demselben Flusse, nach Kubary der einzige Süsswasserkrebs in ganz Mikro-
nesien. ') Die Insectenwelt ist ebenso arm als auf Kuschai und auch hier besonders
der Mangel an Tagfaltern auffallend. Ich sammelte nur die weitverbreiteten Arten:
Danais erippus L. (auch auf Hawaii = /^^a Plexippus Esch., Taf. VII, Fig. 14), Hypo-
limnas Bolina, Junonia vellida (auch bei Port Moresby) und zwei schöne Arten Ordens-
band (Ophideres spec).
Areal und Bevölkerung. ' Wie erwähnt, besitzt Ponape einen Flächeninhalt von
7 V2 deutschen Quadratmeilen = circa 412 Quadratkilometer, ist also ungefähr so gross
als das Areal der freien Hansestadt Hamburg. Nach Cheyne besass die Insel Mitte der
Vierziger jähre 7000 — 8000 Einwohner, aber 1854 wurden durch die englische Bark
»Delta« Blattern, und zwar in abscheulicher Weise absichtlich eingeschleppt, indem
man einen blatternkranken Matrosen heimlich landete und zuröckliess. Die Eingebore-
nen nahmen sich dieses Unglücklichen liebevoll an, stahlen ihm aber auch zugleich die
Kleider, und dadurch verbreitete sich die Seuche in furchtbarer Weise über die ganze
Insel und soll (nach Kubary) an 3ooo Eingeborene weggerafft haben. Zu meiner Zeit
(1880) wurde die Bevölkerung auf 2000, nach dem Missionsbericht von i8gi auf 1705
geschätzt, was kaum 5 Einwohner auf den Quadratkilometer, also eine weit geringere
Zahl als selbst auf den armen Atollen Ost-Mikronesiens ergibt. Die Bevölkerung ver-
breitet sich übrigens keineswegs über die ganze Insel, deren unzugängliches Innere nie
bewohnt war, sondern siedelt vprzugsweise in der Umgebung der Häfen, namentlich
Metalanim und Jokoits, da Roankiti, früher am dichtesten bevölkert, sich seit der
Pockenepidemie nicht wieder erholt hat. Das kleine Atoll Pakin wird (nach Doane)
von circa 75 — 100 Ponapesen bewohnt, Andema nur im Mai bis September von solchen
besucht. Ngatik besitzt nur 3o — 40 Eingeborene, Mokil 95 und Pingelap 800.
Wie wir im Nachfolgenden sehen werden, hat die spanische »Schutzherrschaft«
zu blutigen Kämpfen mit den Eingeborenen geführt, die für Ponap6 sehr verhängniss-
voll waren und ein ähnliches Schicksal wie das der Marianner nicht als unmöglich er-
scheinen lassen.
Handel. Wegen seiner guten Häfen, reichlichen Provisionen und hübschen Mäd>
chen war »Ascension« den Whalern noch besser bekannt als »Strongs- Island« (Kuschai).
Ihre Schiffe verkehrten hauptsächlich in Roankiti, wo noch Ende der Fünfziger jähre
I) Einen anderen Flusskrebs {* Astacus* spec), »der beinahe alle Bäche und Wasserlöcher be-
lebt«, erwähnt derselbe Reisende von Pelau und beschreibt dessen Fang mittelst Schlingen (Ethnol.
Beiträge zur Kenntniss des Carolinen-Archipels, II, S. 152, Taf. XXI, Fig. 10 a).
rj^Ql] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdäee. 285
während des Nordostpassat (November bis April) 50—60 Walfischfahrer vorsprachen,
uni Brennholz, Wasser und Provisionen eirtzunehmen. Weggelaufene Matrosen, welche
zugleich als Lootsen dienten, besorgten diesen Handel, namentlich mit Schweinen und
Taro; von letzterem wurden damals allein jährlich an 50 Tonnen ausgeführt. Diese Zeiten
sind längst vorbei, wie Jene, welche jährlich an 500 Pfund Schildpatt lieferten. Johann
Kubary, der zu meiner Zeit seine hübsche Besitzung »Mbomp« (= Hügel) in Jokoits-
Hafen mit Taro, Yams und Bananen bewirthschaftete und hier sogar Rindvieh hielt,
konnte nicht bestehen, weil der Absatz zu gering war. Ab und zu kam ein kleines
F'ahrzeug, um geringe Quantitäten Kawawurzel für Fidschi einzutauschen, im Uebrigen
genügten die beiden deutschen Stationen (A. Capelle und Hernsheim) in Jokoits-Hafen
vollständig und waren die einzigen. Copra bildete, wie gewöhnlich, den hauptsäch-
lichsten Export (bei der Spärlichkeit der Cocospalme jährlich aber nur circa 150.000
Pfund), ausserdem werden etwas Elfen bei nnüsse (die Frucht einer Palme, Phytelephas
macrocarpa), ausgeführt. Der ganze Umsatz betrug jährlich (nach Hernsheim) nicht
mehr als 6000 — 7000 chilenische Dollars (= 22.000 — 26.000 Mark), davon der Import
circa ein Drittel. Eisenwaaren (Messer, Aexte), Baumwollenzeug (besonders bunte
Taschentücher), Munition, hauptsächlich aber amerikanischer Stangentabak bildeten die
Hauptartikel; Schnaps und Feuerwaffen waren schon durch die Whaler eingeführt. Bei
der Bedürfnisslosigkeit der im Ueberfluss lebenden Eingeborenen ist wenig Aussicht auf
lebhaftere Entwicklung des Handels, der immer ein sehr beschränkter bleiben, seit der
spanischen Herrschaft aber jedenfalls bedenklich zurückgegangen sein wird. Bezüglich
etwaiger Cultivationen ist bei der Faulheit der Eingeborenen auf deren Hilfe, selbst
gegen Bezahlung, vollends nicht zu rechnen. Die kleinen Plantagen der Mission, welche
schon von den »Novarac -Reisenden bei Roankiti als sehr versprechend gerühmt werden,
und wie ich solche später, namentlich bei der Hauptstation Ua (Oua) sah, zeigen frei-
lich die hervorragende Fruchtbarkeit des reichen vulcanischen Bodens, aber trotzdem ist
Grossbetrieb völlig ausgeschlossen, selbst wenn Arbeitskräfte vorhanden wären. Die
grössten Hindernisse bietet die Beschaffenheit der Insel selbst mit ihren dichtbewal-
deten, steilen Bergen, welche, wie schon in Findlay sehr richtig bemerkt wird, kaum
einige Acre ebenes Land lassen; dazu Alles dicht mit Basaltgeröll oder grösseren com-
pacten Felsmassen und Blöcken von Basalt bedeckt.
Mission. In demselben Jahre (1852) als auf Kuschai, wurde auch auf Ponap^,
und zwar zuerst in Roankiti die Mission gegründet, die anfänglich grosse Fortschritte
machte. Ganze Stämme traten, wenn auch mehr äusserlich, zum Christenthum über,
so dass 1866 ein grosser Theil der Eingeborenen bekehrt war. Aber bald folgte der
Rückschlag; denn die strengen Temperenzgesetze der orthodoxen protestantischen
Kirche (mit Verbot von Tabak, Gelbwurz, Schnaps und Vielweiberei) behagten auf die
Dauer den Eingeborenen nicht sonderlich. Zu meiner Zeit (1880) gab es allerdings i3
sogenannte Kirchen, aber nach meinen Erkundigungen kaum 250 ständige Besucher.*)
Mit der spanischen Besitzergreifung im Jahre 1887 ist, wie ganz Ponap6, auch die Mis-
sion schwer betroffen und ihre 35 jährige mühevolle und angestrengte Arbeit, welche
») Der Bericht der hawaiischen Mission vom Jahre 1886 gibt über die »Ost-Carolinen« fol-
gende Statistik: i. Ponap^ (3ooo Einwohner), 3 weisse Pastoren mit 4 Lehrerinnen, 12 eingeborene
Lehrer, i3 Kirchen mit 451 regelmässigen Mitgliedern, 9 Sonntagsschulen mit 3oo Schülern; 2. Pin-
gelap (800 — 1000 Einwohner), seit 1872 gegründet, i eingeborener Pastor mit Frau, i Kirche mit
236 Mitgliedern, i tägliche Schule mit 75 — 100 Schülern; 3. Mokil (75 — 100 Einwohner), seit 1872
begründet und fast völlig bekehrt, ist das Missionswerk sehr zurückgegangen, so dass die Kirche nur
noch 36 Mitglieder, die Schule circa 25 Schüler zählte.
236 Dr. O. Finsch. [49^]
schon die »Novara« -Reisenden rühmend erwähnen, vernichtet worden. Im September
1891 siedelte die Mission nach Kuschai über. Ob die sechs Kapuziner, welche getreu
der glorreichen Vorzeit der ersten spanischen Eroberer auch auf Ponap6 mit Soldaten
zugleich ihren Einzug hielten, das Missionswerk in derselben friedlichen Weise betreiben
werden, darf nach den ersten blutigen Auftritten stark bezweifelt werden.
Schutzherrschaft. Der leidenschaftliche Eifer, mit welchem Spanien, fast kriegs-
lustig, wenn auch nicht kriegsbereit, für die Carolinen und seine angeblichen Rechte
auf dieselben eintraft, hielt nicht lange vor. Im December 1885 Vertrags massig im Be-
sitz dieser neuen Domäne, erschien doch erst am 15. März 1887 ein spanisches Kriegs-
schiff, von Manila her, auf Ponap^, um auf dieser grössten Carolineninsel die Flagge
zu hissen und zugleich eine Colonie zu gründen. Dies geschah in sehr einfacher Weise,
indem man die amerikanische Missionsstation Kenan ohne Weiteres annectirte und den
protestirenden Vorsteher, Pator Doane, als Gefangenen nach Manila führte, wo er
übrigens von dem einsichtsvollen Generalgouverneur Don Terrero sofort freigelassen
wurde. Inzwischen hatten die neuen Ansiedler, 35 Soldaten nebst einer Anzahl Sträflin-
gen und den unvermeidlichen Patres, in derselben Weise als Eroberer gehaust, wie dies
die Spanier in früheren Jahrhunderten bereits zu thun pflegten. Herausfordernd, ohne
Schonung von Eigenthum und Person, trieben sie es so arg, dass selbst die friedfertigen
und nichts weniger als kriegslustigen Ponapesen, die bis dahin noch nie gegen Weisse
gekämpft hatten, zu den Waffen griffen. Kaum drei Monate nach der Besitzergreifung,
am 25. Juli, wurden die Spanier überfallen und etliche zwanzig erschlagen, darunter
Se. Excellenz der Gouverneur Don Posadillo. Am 3i. October brachten zwei Kriegs-
schiffe 600 Soldaten, und ein schreckliches Strafgericht schien zu drohen. • Aber der
neue Gouverneur Don Juan de la Concha war ein ebenso besonnener als humaner
Herr, der mit Hilfe der sprachkundigen amerikanischen Missionäre die Sache friedlich
beilegte. Darauf herrschte zwei Jahre anscheinend Ruhe, obwohl es im Stillen gährte.
Denn die neuen >Schutz«-Herren führten ein System der Sclaverei und Besteuerung
ein, das die Eingeborenen, wie ehemals ihre Brüder, die Chamorros der Mariannen,
nicht zu ertragen vermochten. Im Jahre 1890 folgte ein allgemeiner Aufstand, der zu
mehreren blutigen Zusammenstössen führte. Dabei verloren die Spanier, welche zu-
letzt mit drei Kriegsschiffen 500 Mann landeten, über 160 Soldaten, die Eingeborenen
viel mehr, denn in einem Gefechte sollen allein über 3oo gefallen sein. Ua, der freund-
liche Sitz der Mission, war dabei bombardirt und wie alle Häuser der Eingeborenen
niedergebrannt worden, so dass von letzteren selbst, wenigstens was waffenfähige Män-
ner anbelangt, überhaupt wohl nicht viele übrig geblieben sein dürften. Spanien hat
daher an dieser neuen Südseeperle seiner Krone wenig Freude erlebt und die Straf-
expeditionen ihm sicher mehr gekostet, als Ponap6 und sämmtliche Carolinen jemals
aufbringen werden. Am unglücklichsten sind jedenfalls die Eingeborenen selbst weg-
gekommen, die ohne Zweifel noch eine zufriedene und glückliche Existenz führen
würden, wenn sich Se. Heiligkeit für Deutschland entschieden hätte, ohne dass dies des-
halb für letzteres ein besonderes Glück gewesen wäre.
I. Eingeborene.
AeuSSerBS. Die anthropologische Stellung der Bewohner Ponapes als echte Caro-
linier, respective Oceanier habe ich schon früher so eingehend erörtert, dass ich hier
auf diese Abhandlung (S. [488], Nr. 2) verweisen muss. Es ist aber vielleicht nicht über-
[49^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SQdsee. 237
flüssig, auch an dieser Stelle zu wiederholen, dass die Ponapesen ebensowenig eine
Mischlingsrace zwischen Mongolen (Chinesen) und Malayen (nach Rev. Dämon) sind,
als sie zur »Papuan race« (nach Rev. Doane) gehören. Durchaus unhaltbar erweisen
sich auch Kubary*s Thesen bezüglich der Raceverschiedenheit der prähistorischen und
heutigen Bewohner Ponap^s: >i. Die Steinbauten sind von einer der heutigen Ponap6-
bevölkerung verschiedenen Race aufgeführt« und »2. Die Erbauer Nanmatals gehörten
zur ^schwarzen Race* und die heutige Bevölkerung Ponapes ist eine Mischlingsrace «-
(1. c.y S. i3i), denn wohl selten sind so bedeutungsvolle Schlüsse auf ein armseligeres
Be\veismaterial begründet worden als in diesem Fälle. Vier Schädeldecken, Überhaupt
Alles was Kubary an Schädelfragmenten in den sogenannten Gräbern der Ruinen fand,
sollen nämlich »deutlich zeigen, dass die Schädel dolichocephal oder doch einer ver-
mittelnden Form von Kurz- und Langschädeln entsprechend waren«, und dies wird
auf zwei Schädelmessungen begründet, welche Grössedifferenzen von 11, respective
8 * 2 Mm. (!!) ergeben. *) Obwohl diese Zahlen schon die Leichtfertigkeit der Hypothesen
genügend beweisen, so mag doch noch angeführt sein, dass die Ruinenfunde durchaus
volle Uebereinstimmung mit den Arbeiten der heutigen Carolinier zeigen, wie auch
ausserdem derartige Steinbauten am allerwenigsten auf melanesischen Ursprung schlies-
sen lassen würden, üebrigens gab Kubary seinerzeit mündlich die Unhaltbarkeit seiner
Schlüsse zu mit dem Bemerken, dass er damals überhaupt nicht verstand, Schädel-
formen zu bestimmen, was gegenüber solchen Fragmenten auch wohl kaum dem ge-
wiegtesten Fachmanne gelingen dürfte. Wenn in der »Novara-Reise« (S. 414) auf das
häufige Vorkommen von Mischlingen zwischen Weissen und Negern mit Eingeborenen
hingewiesen wird, so bezog sich dies wohl hauptsächlich auf Roankiti, und diese Ver-
hältnisse haben sich seitdem sehr verändert. Damals (1858) lebten allerdings ziemlich
viel, im Ganzen circa So Weisse auf Ponape, die vielleicht eine hübsche Anzahl Bastarde
erzeugt haben mochten, wie dies, aber immer nur sporadisch, der Fall zu sein pflegt.
So bezeichnet Doane (1874) die geringe Bevölkerung der kleinen Ngatik- Atolls, die in
Sprache und Aussehen durchaus Ponapesen sind, als »gebleicht von weissem Blute«.
Aber hier handelt es sich nur um circa 30—40 Eingeborene, und diese Folgerungen
lassen sich nicht zugleich auch auf Ponape anwenden. Denn, wie ich bereits in meiner
Abhandlung nachwies (S. 304), waren Mischlinge, die sich übrigens auf den ersten Blick
erkennen lassen, damals selten. Ueberdies fallen dieselben bei wiederholter Kreuzung,
schon in der zweiten oder dritten Generation, in die ursprüngliche Race (Weisse oder
Eingeborene) zurück, so dass, bei dem geringen Nachschub fremden Blutes, eine beson-
dere Mischlingsrace nicht dauernd entstehen und erhalten bleiben kann.
Die Ponapesen, welche Hochstetter (1. c, S. 280) sehr treffend in ihrer äusseren
Erscheinung skizzirt, sind im Gänzen kein schöner Menschenschlag, wenn es auch unter
jungen Mädchen, namentlich in Bezug auf Wuchs und Büste, sehr anmuthige Erschei-
nungen gibt. Das schwarze Haar ist meist schlicht, nicht selten aber auch mehr oder
minder lockig und selbst kräuslig. Die Männer haben sehr häufig deshalb ein weibisches
Aussehen, weil sie die Barthaare ausraufen, so dass sich selbst in älteren Jahren nur ein
spärlicher Bartwuchs entwickelt. Ausgezeichnete Typen von Ponapesen sind Kubary's
photographische Aufnahmen (in*. »Anthropol. Album des Museum Godeffroy«, Taf. 25
I) »Ausgegrabene Schädel: Länge 181 Mm., Breite 127 Mm. Heutige native Schädel: Länge
170 Mm., Breite lis^h ^^' (^* ^-i ^' i3i).< Die Masse von 9 Schädeln heutiger Ponapesen, die Dr.
Krause, mit Ausnahme eines einzigen, als »dolichocephal« bezeichnet, schwanken in der Länge von
170 — 189 Mm., in der Breite von 125 — 135 Mm. (Kat. M. G., S. 654 und 655).
238 I^r. O. Finsch. [494]
bis 27)9 besonders aber meine Gesichtsmasken von drei Männern und drei Frauen, nach
Lebenden abgegossen (»Anthropol. Ergebn.«, S. 19).
Die bekannten Hautkrankheiten (Ichthyosis und Psoriasis) sind auf Ponape sehr
verbreitet und tragen nicht eben zur Verschönerung der Eingeborenen bei.
Sprache. Dieselbe ist eigenthümlich und wird nur noch auf den kleinen Atollen
Pakin, Andema und Ngatik gesprochen. Die »NoVara-Reise« enthält in Beilage III ein
kurzes Vocabular (circa 160 Wörter), welches indess sehr revisionsbedürftig scheint,
immerhin aber als einziges Anerkennung verdient. Durch den früheren regen Verkehr
mit Walfisch fahrern hat sich übrigens Englisch Eingang verschafft, und in den Hafen-
gebieten verstehen viele Eingeborene mehr oder minder in dieser Sprache zu radbrechen.
Charakter und Moral, Die freundliche Aufnahme, welche die ersten weggelaufe-
nen Seeleute schon im Anfang der Dreissigerjahre auf Ponape fanden, führte der Insel
nach und nach mehr zweifelhafte und bedenkliche Elemente zu, so dass dieselbe bald
den Ruf als »beachcombers paradise« erlangte und für nahezu ein Vierteljahrhundert
behauptete. Cheyne, der die Eingeborenen »im Allgemeinen als gutmüthig, gefällig,
ausserordentlich gastfrei, sogar als redlich« schildert, weist aber auch bereits auf die
schädlichen und demoralisirenden Einflüsse dieser weissen Gäste hin, welche sich be-
reits in den Vierzigerjahren bemerkbar machten. Schon damals war durch solche Ver-
treter der Civilisation die Kunst der Bereitung von »saurem Toddyc eingeführt worden,
jenes Schnapssurrogates, das wir bereits auf den Gilbert-Inseln kennen lernten (S. 26
[294] und 50 [32o]). Seitdem haben die Eingeborenen in dieser Richtung weitere in-
telligente Lehrmeister erhalten, denn der aus Palmsaft gebrannte Schnaps, welchen ich
1880 kostete, war gewiss keine Erfindung Eingeborener. Die Letzteren werden daher
im Ganzen wenig Nützliches von jenen Europäern gelernt haben, welche damals bluts-
verwandt, meist als »weisse Kanakas« unter ihnen lebten. Einige solcher alter Vetera-
nen traf ich noch im Gefolge des Idschiban von Metalanim, zu dessen Hofstaate sie
gehörten und deren Auftreten, um die milde Form der »Novara« -Reisenden zu wieder-
holen, »nicht auf ein tadelloses Vorleben schliessen Hess«. Die Zeiten, wo jeder an-
gesehenere Häuptling sich aus purer Eitelkeit einen »Hausweissen« hielt, waren ebenso
vorbei als jene goldenen des Walfischfanges. Damals konnte jeder verlaufene und ver-
lotterte Weisse alias »beachcomber« mühelos ein sorgenfreies Leben führen, jetzt war
dies weit schwieriger und nur noch wenige solcher fragwürdigen Existenzen auf der
Insel vorhanden. Hat der Verkehr mit meist notorischen Weissen jedenfalls erst Trunk-
sucht eingeführt und Prostitution zur Blüthe gebracht, so waren die Eingeborenen doch
auch vorher nie durch besondere Tugenden ausgezeichnet, wie die meisten Kanakas.
Kubary, der Anfangs der Siebzigerjahre die guten Eigenschaften der Ponapesen sehr
hervorhebt (1. c, Heft VIII, S. i3o), bezeichnete mir dieselben, auf Grund eingehender
Erfahrungen, als die miserabelsten aller Carolinier. Ich selbst fand ihr Wesen bei
Weitem minder ansprechend als das der kindlichen Kuschaier und lernte in kurzer
Zeit Indolenz, Trägheit, Gewinnsucht und Unsauberkeit als wenig angenehme Eigen-
schaften kennen. Die vielgepriesene mikronesische Reinlichkeit ist jedenfalls auf Po-
nap^ am geringsten heimisch, obwohl, wie in gewissen Gegenden Neu-Guineas (vgl.
»Samoafahrten«, S. 235), ein Badeschwamm gleichsam zu dem Necessair des weiblichen
Geschlechts gehört. Namentlich bei Visiten auf Schiffen pflegen Mädchen stets einen
Schwamm unter dem Arme mitzuführen, über dessen Gebrauch die Mittheilungen
meines Gewährsmannes (1. c, S. 3 18) belehren. Durch Einschmieren mit Curcuma
wird der ohnehin ziemlich bemerkbare Geruch, welchen Eingeborene fast immer in
Folge von Hautausdünstung und ranzigem Cocosöl verbreiten, bei Ponapesen wesent-
[495] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SGdsee. 289
lieh und nicht gerade angenehm erhöht. Lästige Parasiten gelten als Leckerbissen, und
die königlichen Frauen verschmähten auch die auf ihren Schooss- und Masthunden
zahlreich lebenden Flöhe keineswegs, die übrigens auch bei Papuas beliebt sind.
Das Lob der Ehrlichkeit, welches Kubary mit den Worten formulirt: »Stehlen
kennt man nicht«, wird durch den Nachsatz: »weil es nichts zu stehlen gibt« bedeutend
abgeschwächt, die Meisterschaft im Lügen schon von den »Novara« -Reisenden er-
wähnt.
Gastfreundschaft haben wir auf Ponap6 nicht erfahren, denn für jede Gabe er-
wartete man ein grösseres Gegengeschenk, ja erkundigte sich wohl gleich nach dem
Werthe desselben in Dollars, wie z. B. der Idschibau, obwohl uns derselbe auch nicht eine
Cocosnuss geschenkt hatte. Uebrigens waren die Eingeborenen nicht bettelhaft, und
wir wurden nie von ihnen belästigt. Dass, wie in ganz Mikronesien, auch auf Ponap^
Keuschheit und Tugend keinen Werth haben und eigentlich unbekannt sind, braucht
wohl nicht erst erwähnt zu werden. Während aber auf den Marshalls die Häuptlinge
mit den Reizen der Töchter von Untergebenen Handel treiben, thun dies auf Ponap6
die Väter, die sich auf diese Weise bei Ankunft eines Schiffes leichten Verdienst machen.
Uebrigens geschieht Alles ohne Zudringlichkeiten, nicht einmal indecente Geberden
und Gesten sind zu bemerken, und Chamisso hätte vermuthlich auch diese braunen
Mädchen für so unschuldig und züchtig gehalten als seinerzeit die Ratakerinnen. Aeus-
serlich bemerkt man also nichts von dem Triebe zur Sinnlichkeit, wie er gerade bei
diesem Volke so stark entwickelt zu sein scheint. Wenigstens weisen die raffinirtesten
Lüste*) des Geschlechtsverkehres daraufhin, wie ich dieselben (»Bewohner von Po-
nap^c, S. 3 16) nach Kubary's mündlichen Nachrichten mittheilte, und die jedenfalls
auch schon vor Ankunft Weisser geübt wurden.
An dieser Stelle wird auch jene unnatürliche Selbstverstümmelung der Männer
zuerst beschrieben, welche, am engsten mit dem Geschlechtsleben zusammenhängend,
hier eingereiht sein mag. Matrosen, die lange auf Ponap6 ansässig waren, erzählten mir,
als ich diese Insel bereits verlassen hatte, dass fast alle Männer den linken Hoden exstir-
piren, und zwar dass häufig schon Knaben diese sehr schmerzhafte Operation mit einem
Stück geschärften Bambu gegenseitig aneinander ausführen. Ursache dieser Selbstver-
stümmelung ist die Ansicht, dass man dadurch der sonst auf Ponap^ nicht selten auf-
tretenden Elephantiasis der Testikel (auf Samoa Fef6 genannt) vorbeugt, ganz besonders
aber weil die Frauen dies verlangen, da der Geschlechtsgenuss mit einem einhodigen
Manne andauernder und höher sein soll. Aus diesem Grunde müssen sich zuweilen
noch Männer in vorgerückteren Jahren zu der Operation bequemen, weil sie sonst von
den Frauen verächtlich abgewiesen werden. Kubary hat seitdem diesen heiklen Brauch,
»Kopatsch« (= Schmuck im allgemeinen Sinne), als »eigentliche Volkssitte« in seinem
ganzen Umfange bestätigt und zugleich die Operation, welche an kein bestimmtes
Lebensalter gebunden ist und die Zeugungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, eingehend
beschrieben (in: Joest, »Tätowiren«, S. 91). Nach ihm wird stets der linke Hoden
entfernt und die Sitte einzeln auch auf Samoa (hier »Pua« genannt) geübt. Dieselbe
ist übrigens auf Niutabutabu, einer der Freundschafts-Inseln, ebenso allgemein ver-
breitet als auf Ponape, dieser Insel also nicht eigenthümlich (vgl. »Bewohner Ponapds«,
S. 3i6, Anm.).
«) Hierher gehört unter Anderem die künstliche Verlängerung der Nymphen durch Saugen,
eine Sitte, die Kubary »auf sämmtlichen von ihm besuchten Inseln der Südsec gefunden haben will
(>£thnol. Beitr., I, S. 88), was ich indess stark bezweifeln möchte, wenn ich mir auch aus Mangel an
eigener Erfahrung kein positives Urtheil erlauben darf.
240 Dr. O. Finsch. [496]
In der eben citirten Abhandlung habe ich auch im Uebrigen meine Beobachtungen
über die Charaktereigenschaften der Ponapesen niedergelegt, die im Ganzen den Ein-
druck eines wenig lebhafteui aber harmlosen und friedfertigen Völkchens machten.
II. Sitten und Gebräuche.
(Sociales und geistiges Leben.)
Da die meisten ansässigen Weissen mit den Eingeborenen und so wie diese
lebten, die Mission aber im Ganzen keinen reformirenden Einfluss ausübte, so herrschte
zu meiner Zeit noch ziemliche Originalität, und von den alten Sitten und Gebräuchen
war im Ganzen wenig verwischt worden.
/. Sociale Zustände.
Stämme und Stände. Staatlich zerfällt Ponap^ in fünf Districte: Jokoits, Nut
(Ahuak, Awuak), Uu (Ou), Metalanim und Roankiti (letzterer nach Kubary in das
eigentliche Kiti und Wana oder Whana), deren Bewohner, nach Kubary, früher (noch
vor 40 Jahren) unter einer Anzahl grösserer Häuptlinge standen. Die »Novarac- Reisen-
den erwähnen Könige (Nanamariki), Minister (Nanikan), grosse Häuptlinge (Tschobiti
lappilap), Häuptlinge (Tschobiti), Adelige (Talk) mit besonderen, seltsam klingenden
Titeln, und Arbeiter oder Sclaven (?) (Aramas a mal).') Diese vielstufige Ständeein-
theilung dürfte wohl aber ebensowenig factisch bestehen oder bestanden haben als jene,
welche Bastian anführt, und die ausser Königen (Nanikon), Adel (Aroch), grossen
Häuptlingen (Munga), niederen Häuptlingen (Cherizo) und Gemeinen auch noch Prie-
ster (Ediomet) unterscheidet. Mar6 = Häuptling und = Halsschmuck (K.).
Nach Kubary besteht auf Ponap6 »die ursprüngliche Eintheilung in Stämme (Tip)
noch in voller Kraft«, da deren Zahl aber 22 beträgt, bei der geringen Bevölkerung
also kaum 140 Köpfe auf je einen Stamm kommen, so dürfte die Bedeutung derselben
keine grosse sein. In der That ist der »Boden der Insel«, nach demselben Bericht-
erstatter, nur unter vier Stämme vertheilt, und zwar i. Jou en Kowat (Jonkowat) in
Jokoits und Nut (unter einem obersten Häuptlinge, der. den Titel Nanemoreke führt),
2. Tipuneman Con^ol in Whana (Roankiti, unter dem »Wuajay«), 3. Tipunebanemay
in Metalanim (unter dem »Took«) und 4. Lajigalap in Uu (unter dem »Nooj«). Die
obigen, »auf allen vier Hauptplätzen identischen Häuptlingstitel besitzt nur der herr-
schende Stamm«, fährt Kubary fort, erwähnt aber an anderer Stelle, ausser dem »Lap
en Nut«, König des Nut-Districts, noch den »Nanmaraki«, Häuptling des Stammes Jan-
kowat, und auch einen »Nanekin en Jokoits, Häuptling der Tupulaps«. Bezüglich des
letzteren zweitgrössten Häuptlings sagt Kubary (a. a. O.) ausserdem, dass er »immer
das Oberhaupt des zweitwichtigsten fremden Stammes ist, mit dessen Frauen der herr-
schende Stamm seine künftigen Häuptlinge erzeugt«, und gibt damit zugleich einen
Wink für die Vererbung der Häuptlingswürde.
Nach meinen Erkundigungen herrscht auch auf Ponap^ der Brauch, dass der Rang
nach der Mutter vererbt und nicht nach dem Vater. Damals gab es fünf grosse Häupt-
») Die meisten Eingeborenen-Benennungen sind dem Vocabular der »Novara- Reise« entnom-
men, über dessen Richtigkeit ich kein Unheil habe.
[497] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 24 1
linge oder sogenannte Könige, und zwar nach Rang und Machtstellung folgende: den
»Idschibau von Metalanim, den »Nanmareki« von Jokoits und drei »Nanigän« (Nani-
kin) von Nut, Uu (Ou) und Roankiti. Wie auf Kuschai darf mit Antritt der Würde der
Träger derselben nur noch mit dem betreffenden Titel angesprochen werden, und auch
andere, selbst weibliche Glieder hoher Häuptlingsfamilien führen solche Titulareigen-
namen. So hiess z. B. die eine der ältesten Töchter des Nanmareki von Jokoits eigent-
lich »Amenut«, durfte aber nur bei ihrem Titel »Aunepon« genannt werden. Diese
»Prinzessin«, übrigens eine hübsche Person, nahm nicht den geringsten Anstand, gegen
Zahlung von einem Dollar und etlicher Stücke Tabak ihre besonders reiche Tätowirung,
auch an den geheimsten Theilen, abzeichnen zu lassen.
Den Nanikin von Roankiti lernten die »Novara« -Reisenden als einen nicht gerade
sehr mächtigen Herrscher kennen. Zu Kubary's Zeiten (1873/74) bekleidete ein jäh-
zorniger und gewaltthätiger Mann die Nanikin-Würde. Unter Anderem steckte er eines
Tages die neuerbaute Missionskirche, worunter selbstredend nur ein stallartiger Bau aus
eingeborenem Material zu verstehen ist, in Brand und erstach eine seiner Frauen wegen
angeblicher Untreue. Eine derartige Bestrafung durfte sich aber auch nur ein so hoch-
gestellter Herr erlauben, im Allgemeinen kann sie aber nicht als gesetzliche Regel
gelten.
Von den zwei höchsten Machthabern, welche wir kennen lernten, war der Idschi-
bau jedenfalls der grösste, aber sie wurden von den Eingeborenen längst nicht mit der
Unterwürfigkeit behandelt, wie ich sie auf Kuschai dem Tokoscha gegenüber so auf-
fallend bemerkte, wenn es auch an gewissem Ceremoniell in den Umgangsformen nicht
fehlte. Dass sich Häuptlinge äusserlich in keiner Weise unterscheiden, ausser vielleicht
bei besonderen festlichen Gelegenheiten durch bessere europäische Kleidungsstücke,
mag nur nebenbei bemerkt sein. So war der Idschibau im Faserrock und goldgestickten
englischen Uniformsfrack eine gar komische Erscheinung.
Nach Kubary gehört der Boden den Häuptlingen, die ihn den gewöhnlichen
Leuten zur Bebauung überlassen und dafür von Zeit zu Zeit Lebensmittel erhalten, so-
wie den Hauptantheil von Fischereien und vom Schildkröten fang, wie er früher noch
ergiebig war. Solche Tributzahlungen eines Häuptlings an einen höher gestellten sind
Veranlassung zu Festivitäten und gehören nach Kubary mit zum politischen Leben.
»Der oberste Häuptling macht einmal im Jahre die Runde bei allen seinen Häuptlingen,
und diese thun wieder dasselbe bei ihren Untergebenen, wo sie überall gastlich und fest-
lich empfangen werden. Die Vorbereitungen und Theilnahme an diesen Festivitäten
füllen die Hauptzeit des Lebens der Eingeborenen aus.« Hierbei mag bemerkt sein,
dass dieser Charakterzug der Ponapesen vorzugsweise in Schmausereien Ausdruck
findet, wobei jedoch die Bewohner der verschiedenen Districte nicht in Verkehr treten,
deren Herrscher sich vielmehr möglichst zu vermeiden suchen. Wir selbst hatten am
besten Gelegenheit, dies bei dem Besuche zu beobachten, welchen der Idschibau von
Metalanim an Bord der »Franziska« machte, ein Ereigniss, das, nach Kubary, unerhört
und einzig in der Geschichte Ponap^s dastand, denn »seit 100 Jahren« hatte keiner der
beiden höchsten Rivalen nachbarliches Gebiet betreten. Nach ponapesischer Sitte muss
bei solcher Gelegenheit zu Ehren des hohen Gastes und seines Gefolges eine grosse
Esserei gegeben werden. In der That erschien in diesem Falle auch bald der Nanma-
reki von Jokoits mit seiner Canufiotte, um seinen CoUegen Idschibau einzuladen, der
aber vorher die Flucht ergriff, wie ich dies (»Hamburger Nachrichten«, 10. September
1880) ausführlich beschrieben habe (siehe auch: Hernsheim, »Südsee- Erinnerungen«,
S. 71). Eine solche Gasterei muss nämlich innerhalb einer gewissen Zeit, ich glaube
242 Dr. O. Finsch. [498]
einen Monat, in grösserem Massstabe erwidert werden, und dazu war der Idschibau
damals nicht in der Lage.
Ueber die Erbfolge habe ich nichts erfahren. Aber Kubary erwähnt einer eigen-
thüralichen Sitte (»Ottöck genannt). »Bei dem Tode des Oberhäuptlings oder dessen
nächsten Häuptling findet unter gewissen Umständen eine Beraubung des Verstorbenen
wie auch des ganzen Landes statt. Am Sterbetage haben die Eingeborenen das Recht,
Schweine, Hunde, Kawapflanzen oder alles Bewegliche zu nehmen. Kommt aber ein
entfernter Stamm mit seinen Häuptlingen, um zu weinen, so dürfen die Ankömmlinge
von dem ganzen Lande Alles, was sich bietet, nehmen, ein Brauch, der früher zwischen
Jokoits und Roankiti herrschte.« Das mag allerdings schon sehr lange her sein und
kann für das Leben der heutigen Bewohner Ponap^s gestrichen werden.
Verbote = Tabusitte herrscht auch auf Ponape und heisst hier »inäpwi« (Kubary).
2. Stellung der Frauen.
Das weibliche Geschlecht erfreut sich im Ganzen einer guten Behandlung, wenn
auch, wie überall, Fälle vorkommen, dass der Mann seine Frau, respective Plauen
prügelt, wie dies z. B. dem Nanmareki von Jokoits nachgesagt wurde, wenn er betrun-
ken war. Die Frauen beschäftigen sich hauptsächlich im Hause, namentlich mit
Nähen von Matten aus PawdawM5-Blattstreifen (Nr. 197), die einen kleinen Handels-
artikel bilden, haben aber auch, wie überall, am Plantagenbau (Reinigen von Gestrüpp
und Unkraut etc.) theilzunehmen. Nach der »Novara-Reise« tragen aber die Männer
die Naturproducte der Pflanzungen nach Hause, was sonst meist Frauenarbeit ist,
und besorgen sogar das Kochen. Letztere Angabe ist nur bedingt richtig, denn wie
überall in der Südsee sind auch hier beide Geschlechter in der Kochkunst gleich be-
wandert.
Unbeschränkt von Sittengesetzen können sich Mädchen ganz ihren Neigungen,
allerdings häufig zum Nutzen ihrer Eltern, hingeben, dagegen wird Frauen eheliche
Treue nachgerühmt und Ehebruch (nach Kubary) mit dem Tode bestraft, indess nur
ausnahmsweise.
Ueber besondere HeiratsgebräuChe, ausser den üblichen Schmausereien, habe ich
nichts erfahren; nach den Angaben in der »Novara-Reise« hat der Bräutigam dem Vater
seiner Auserwählten Geschenke zu machen, deren Annahme als Zusag;e gilt.
Die Ehe ist polygamisch, d. h. jeder kann so viel Frauen nehmen, als er zu ernähren
vermag, weshalb sich nur grosse Häuptlinge einen solchen Luxus erlauben, wie z. B.
der Nanmareki von Jokoits, dessen neun Frauen, gerade keine Schönheiten, ich selbst
kennen lernte. Im Allgemeinen herrscht daher wohl Monogamie. Die erste Frau, aus
Häuptlingsblut, gilt übrigens als Hauptfrau und deren Kinder als erbberechtigt. Nach
den Erkundigungen der »Novara« -Reisenden muss der Witwer beim Tode der Frau
deren Schwester heiraten, wie umgekehrt die Witwe ihren Schwager, was indess nur in
Häuptlingsfamilien gilt. Die Ehe ist leicht zu lösen, indem der Mann seine Frau einfach
ihren Angehörigen zurückschickt, aber Häuptlingsfrauen, die ihren Mann verlassen,
dürfen keine neue Ehe eingehen, wohl aber ihre Gunst irgend einem Anderen schenken.
Wie auf den Marshalls kann übrigens ein Mann von geringer Herkunft durch Heirat
mit einer Häuptlingstochter zu dieser Würde gelangen. Kinderliebe ist, wie bei allen
Südseevölkern, auch bei den iPonapesen sehr ausgeprägt und die Jugend uneinge-
schränkt in ihren Freiheiten.
[jgg] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 243
3. Vergnügungen.
Wie bereits im Vorhergehenden bemerkt, gehören nach Kubary Festlichkeiten
mit zu den Hauptbeschäftigungen der Ponapesen, die damit den Haupttheil ihres
Lebens verbringen, wenn dies gewiss auch nicht wörtlich zu nehmen ist. Im Gegensatz
zu den Marsh all- Inseln, wo sogenannte Tänze die Hauptsache sind, handelt es sich auf
dem an Lebensmitteln reichen Ponap6 in erster Linie um Gastereien, respective Schmau-
sereien, bei denen Hundebraten nicht fehlen darf. Gewöhnlich finden bei derartigen
Festivitäten auch Tanzaufführungen statt, die namentlich von jungen Leuten beiderlei
Geschlechts auch in Vollmondnächten als besondere Belustigung beliebt sind. Dieses
»Wandeln unterm Mond«, wie es nach Kubary auf Pelau genannt wird, dient selbst-
redend nebenbei zu allerlei Liebesaffairen, die nicht selten zu Heiraten führen. Nach
den »Novara«-Reisenden, die, wie es scheint, Augenzeugen waren, sind die ponapesi-
schen Tänze durchaus decent und bestehen hauptsächlich in Stampfen, mit den Füssen
und »graciösen« Bewegungen der Arme und des Oberkörpers, wobei mit den Händen
geklatscht wird. Bemerkenswerth ist, dass beide Geschlechter an den Tänzen theil-
nehmen, und zwar junge Burschen und Mädchen je in einer langen Reihe sich einander
gegenüberstehend (»Novara-Reise«, S. 419). Kubary gedenkt dieser Tänze ebenso-
wenig als
Musikinstrumente, unter denen die hölzerne Trommel deshalb ethnologisch von
besonderem Interesse ist, weil sie in ganz Mikronesien sonst nur noch auf den Marshall-
Inseln vorkommt und in der Form ganz mit der »Adscha« der letzteren (F'ig. 17, S. i32
[388]) übereinstimmt. In der That unterscheidet sich die hölzerne, an der oberen schmä-
leren Oeffnung mit Magenhaut von Haifisch bespannte Trommel, welche ich vom Nan-
mareki von Jokoits kaufte, von marshallanischen nur durch bedeutendere Grösse (Länge
1-36 M., Durchmesser unten 3i Cm.). Da ich nur dies eine Exemplar sah und Kubary
weder von Ponap^, noch sonst aus den Carolinen Trommeln erwähnt, so entstand
später Verdacht in mir, der Nanmareki könne mir eine zufällig von den Marshalls er-
langte Trommel untergeschoben haben. Die »Novara«-Reisenden beschreiben aber
ganz übereinstimmend ebenfalls Trommeln (»Kadschang«) von Ponape, die sie auch in
Benützung sahen. »Der Trommler sitzt mit über das Kreuz geschlagenen Beinen auf
dem Boden und begleitet die Trommelschläge mit eigenthümlichen Gesangsweisen.
Die Trommel wird mit den Fingern der rechten Hand geschlagen, während das Instru-
ment auf der linken Seite ruht« (S. 420). In demselben Werke wird bereits die Nasen-
flöte*) erwähnt, von welcher ich Exemplare durch Kubary erhielt. Ein solches Instru-
ment besteht aus einem circa 60 Cm. langen Stück Bamburohr (20 Mm. im Durchmesser),
das, mit symmetrischen Figuren in Querringen und Sternen bestehend, in Brandmalerei
verziert ist. Schalllöcher zum Fingern, welche in der »Novara-Reisec erwähnt werden,
fehlten, auch wird das Instrument nicht geblasen, indem man es >in das Nasenloch
steckt«, sondern man hält das eine Ende der Röhre an das eine Nasenloch, bläst hinein
und sucht durch Drücken und Zuhalten des anderen verschiedenartig modulirte Töne
hervorzubringen, die sich zu keiner eigentlichen Melodie gruppiren und überdies sehr
schwach sind. Aus diesem Grunde dient die Nasenflöte auch nicht zur Begleitung der
Tänze, respective Gesänge, sondern dazu nur die Trommel.
t) Dieses Instrument ist auch in Melanesien gebräuchlich (Neu-Guinea, 11, S. 122), wie früher
auf Tahiti (Gill: »Life in the Southern Islesc, S. 205, Fig. i) und Tonga (Kat. M. G., S. 195).
244 ^^- ^' ^^^^^' [500]
»
Muscheltrorapeten (aus Tritonium)^ früher das übliche Instrument zum Signal-
blasen, wurden zu meiner Zeit wenig mehr gebraucht.
Tanzgeräth und Schmuck. Von ersterem erhielt ich nur das folgende eigenthum-
liche Geräth :
Tanzpaddel (Taf. V [22], Fig. 12), ruderförmigcs, circa 58 — 84 Cm. langes, an
der Basis 17 — 18 Cm. breites flaches Blatt, mit circa 47 — 58 Cm. langem runden Stiele.
Das Blatt ist an beiden Seiten mit Schnitzerei verziert; die schwarz bemalten Dreiecke
sind erhaben, die hellen Zwischenräume mit vertieften Querrillen gearbeitet; als Ver-
zierung dienen kleine Quasten aus Hibiscus-Fasery die durch Löcher längs dem Rande
gesteckt und mit rother Wolle festgebunden sind. Jokoits.
Ich erhielt auch Exemplare mit am spitzen Ende zum Theil durchbrochener
Arbeit. Die vertieften Muster sind häufig mit Kalk weiss eingerieben. Zweck und
Handhabung dieses Geräthes, welche ich mir zeigen Hess, sind sehr eigenthümlich.
Es wird nämlich mit dem geschlossenen Daumen und Zeigefinger der Linken lose am
Stiele gehalten, mit der Rechten dagegen so ausserordentlich schnell gedreht, dass das
Blatt mit seinen Quasten wie ein sich schnell bewegendes Rad aussieht. Die Kunst be-
steht nun nicht allein darin, das Tanzpaddel möglichst rasch zu drehen, sondern auch
verschiedene abwechselnde Figuren hervorzubringen, die beiTheilnahme einer grösseren
Anzahl von Tänzern gewiss recht wirkungsvoll sein mögen.
Die Forscher der »Senjavin-Reise«, welche die Bewohner Ponap6s nur in ihren
Canus kennen lernten, berichten, mit welcher Lebhaftigkeit sie von denselben begrösst
wurden. Die Leute auf der Plattform schrieen unaufhörlich und tanzten dazu. Doch
bestand der Tanz hauptsächlich »in einer fortwährenden inneren Erregung und vor-
zugsweise waren Arme und Finger dabei betheiligte. Das erinnert lebhaft an die soge-
nannten Tänze auf den Marshall- Inseln (vgl. S. i33 [SSg]). Posteis hebt übrigens aus-
drücklich die staunenswerthe Fertigkeit hervor, mit welcher einige Tänzer die Ruder
zu drehen verstanden, die in diesem Falle also statt der ganz ähnlich geformten Tanz-
paddel benützt wurden.
Die im Kat. M. G. (S. 317, Taf. XXXI, Fig. 3) von »Mortlock« beschriebenen
»Tanzattribute« sind solche Tanzpaddel und unzweifelhaft von Ponap6, wie schon die
Verwendung von rother Wolle und europäischen Zeugstreifen genügend beweist. Ein
in Form und Muster sehr abweichendes Tanzpaddel bildet Edge-Partington (Taf. 17S,
Fig. i) angeblich von »Mortlock« ab, von derselben Localität ein anderes (Taf. 179^
Fig. 2), welches sich durch das doppelte Blatt (eines an jedem Ende) auszeichnet und
darin mit dem »Tanzschmuck« im Kat. M.G. (S. 146, Nr. 3509), angeblich von »Pelau«,
übereinstimmt. Aber Kubary notirt weder von letzterer Insel, noch Mortlock oder sonst
aus den Carolinen ein derartiges Geräth, das demnach für Ponape eigenthümlich zu
sein scheint (»vielleicht auf Pelau«, S. [277], zu streichen).
Interessant ist das Vorkommen von Tanzpaddels im fernen Osten Oceaniens, und
zwar der Osterinsel. Nach den Abbildungen von Thomson (1. c, PI. LI II) haben diese
Tanzpaddel ebenfalls an jedem Ende ein breites, in der Form aber wesentlich abwei-
chendes breites Blatt.
Analoge, in der Form aber sehr verschiedene Tanzpaddel oder Tanzkeulen kom-
men auch in Melanesien, und zwar auf den Salomons vor (vgl. Guppy, »Dance-Qub of
Treasury IsL«, PI. 74, Fig. 6 und Kat. M. G., S. 52, Nr. 3 182, Taf. VI, Fig. 3, angeblich
von »Neu-Irland«, aber jedenfalls Salomons; Buka). Auch auf Fidschi führen die
Männer bei gewissen Tänzen paddeiförmige Keulen in der Linken, die nichts Anderes
als Tanzgeräthe sind (Wilkes, III, S. 216).
fcoil Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sodsee. 245
TanZSChmuck. Ausser dem üblichen Bemalen mit gelber Farbe (Curcuma)
dienen die meisten unter modernem Schmuck erwähnten Gegenstände als Festschmuck,
als besonderer Tanzschmuck aber eine Art eigenthümlicher Handmanschetten aus
Palmblatt (s. »Senjavin-Reise«, PI. 24).
Spiele. Ich habe in dieser Richtung keine Erfahrungen sammeln können, aber
Kubary erwähnt in seiner Abhandlung über »die socialen Einrichtungen der Pelauer«
beiläufig einige Belustigungen von Ponape. Dazu gehört das »Alajap«, wo zwei Par-
teien Männer gegenseitig ihre Kräfte erproben, indem sie an einem langen Stocke oder
an den Händen eines starken Mannes ziehen. »Pator« heisst das Ringen zweier Män-
ner, das auch auf Pelau geübt wird, ebenso wie eine Art Ballspiel (»Taptap«). " Man
bedient sich dazu einer Wuiafrucht (Barringtonia speciosa) oder einer aufgeblasenen
Schweinsblase, die in die Luft geworfen und beständig mit Handschlägen in Bewegung
gehalten wird, damit sie nicht auf die Erde fällt. In ganz ähnlicher Weise bedienen sich
die Kinder an der Südostküste Neu-Guineas aufgeblasener Fischblasen (II, S. [124]).
Das nicht näher beschriebene »Urur« -Spiel von Mortlock ist nach Kubary durch Mis-
sionszöglinge auf Ponap^ eingeführt worden.
4. Fehden und Waffen.
Alle Berichterstatter schildern die Ponapesen als ein sehr friedfertiges Völkchen,
das nur selten und meist unblutige Kämpfe führte. Zur Zeit des Besuches der »Novara«
lebten zwei Stämme des Jokoits-Districtes bereits seit sechs Monaten in Fehde, ohne
dass nur Einer verwundet worden war. Und doch besass schon damals jeder Einge-
borene Feuerwaffen, denn die Zahl der Gewehre (»Kotschak«) wurde auf 1500 geschätzt.
Aber wie sehr richtig bemerkt wird, hatte der Besitz derselben die Kriege verringert
und unblutig gemacht, eine Erscheinung, die ich selbst auch anderwärts beobachtete.
Wie bereits erwähnt (S. 236 [492]) griffen die Ponapesen aber in neuester Zeit gegen
die Spanier zu den Waffen und scheinen sich dabei mit dem Muthe der Verzweiflung
ausserordentlich hartnäckig gewehrt zu haben. Kubary, der wohl selbst keinen Krieg
auf Ponape erlebte, sagt darüber nur: »Kriege, welche dann und wann um die Erhal-
tung des eroberten (!) Ansehens geführt wurden, waren mehr Geschrei als lebensgefähr-
liche Unternehmungen.« Als Hauptwaffe der früheren Zeit nannte mir Kubary nur
ziemlich roh gearbeitete Wurfspeere, sagt aber a. a. O. (»Ethnol. Beitr.« etc., I., S. 57,
Anm. 2): »Auf Ponap^, wo die alten Waffen beinahe ganz vergessen sind, besteht der
>0c« (Speer) aus einem circa 1*50 M. langen Schaft (aus Cocosholz), an dessen Spitze
ein einfacher Rochenstachel (Likanten kap) befestigt wird. Nur im Kriege wird er, in
Bündeln nachgetragen, als Wurfspeer gebraucht.« Damit stimmt die Abbildung im
Atlas der »Senjavin-Reise« (PL 3i, Fig. 5), wohl die einzige einer altponapesischen
Waffe überhaupt, überein. v. Kittlitz vermuthet, dass die »schwachen Wurfspiesse«
mehr zur Fischerei als für den Krieg bestimmt sind. Wohl nicht aus eigener An-
schauung ist die kurze Beschreibung von Ponape- Speeren in der »Novara -Reise«
(S. 414). Darnach bestand die Spitze dieser an 6 Fuss langen Speere (»Kot6u«) aus
»Fischknochen, Dornen (!) oder scharfgespitzten Muscheln (!)«. Wenn das Wörter-
verzeichniss desselben Reisewerkes auch »Katschin-Kot6u = Pfeil und Bogen« aufführt,
so haben sich diese Namen aus irgend einem Versehen eingeschlichen.
Die häufigste und beliebteste Waffe der früheren Zeit war die Schleuder, wovon
ich übrigens keine mehr zu Gesicht bekam, ebensowenig als irgend eine andere einge-
borene Waffe. Dagegen fand ich in den Ruinen Steine, wie den folgenden :
246 Dr. O. Finsch. [502]
Schleuderstein (Taf. II [19] , Fig. 18) aus Basalt, rundlich-eiförmig und an-
scheinend (wie die Schleudersteine von Ruk) nachgeschliffen. Ruinen von Nantauatsch.
Nach Postel's Angaben wurde die Schleuder um den Kopf geschlungen getragen,
wie dies noch heute auf Ruk geschieht. Aber die im Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 24)
dargestellten Kopfbänder sind sicher keine Schleudern , sondern nur Putz. LQtke*s
Notiz: »Die Männer trugen einen 4 — 5 Fuss langen Tapastreif, circa 2 Fuss breit, um
den Kopf, der auch als Schleuder dient« (Voyage II, S. 27) ist ebenfalls sehr unklar.
Einige Bemerkungen über die frühere Kriegsführung auf Ponap6 theilt die »No-
vara-Reise« (S. 414) mit, aus denen unter Anderem hervorgeht, dass bei Friedensschluss
grosse Festlichkeiten stattfanden. Die »künstlichen Hügel (20 Fuss breit, 8 Zoll hoch
und '/^ Meile lang)«, welche in demselben Werke (S. 421) aus der Umgebung von
Roankiti beschrieben werden, waren sicher nicht »zur Vertheidigung oder deshalb auf-
geworfen worden, um nach einem Gefecht als Begräbnissplatz zu dienen«, sondern
Bodenculturen. Dies wird aus den hier zugleich erwähnten »gelichteten Stellen, von
denen einige viele Acres Ausdehnung hatten«, vollends bestätigt.
5. Bestattung.
In Bezug auf diese erfuhr ich nur, dass die Leiche in Schlafmatten aus Pandanus-
blättern eingepackt und verschnürt begraben wird, wobei natürlich die üblichen Trauer-
klagen und Schmausereien nicht fehlen. Aehnlich wie auf Pelau werden dem Leichnam
die OefTnungen des Anus, der Urethra, respective Vagina mit Schwamm zugestopft
(Kubary). Nach den Angaben in der »Novara-Reise« wurde der in »Strohmatten« (!)
eingehüllte Körper im Hause einige Zeit bewahrt, während welcher die Angehörigen
»durch lautes Seufzen und Weinen bei Tag und durch Tänze bei Nacht« ihren Schmerz
ausdrückten und sich als Zeichen der Trauer das Kopfhaar abschnitten (S. 418). Das
gesetzlich erlaubte Mitnehmen aller beweglichen Güter und Habseligkeiten des Verstor-
benen, durch wen es immer sein mochte, war indess keine allgemein übliche Sitte, wie
hier gesagt wird, sondern fand (nach Kubary) früher nur beim Tode eines grossen
Häuptlings statt (s. vorne S. 242 [498]). Grabstätten habe ich nicht gesehen; bezüglich
der sogenannten »Königsgräber« gibt der Abschnitt »prähistorische Bauten« Auskunft.
6. Geister- und Aberglauben.
Wäre Kubary dazu gekommen, diese schwierigen Capitel zu bearbeiten, so wür-
den wir jedenfalls ein ganzes Buch über die »Religion« der Ponapesen besitzen. In Er-
manglung desselben müssen wir uns mit einzelnen verstreuten Notizen begnügen, die
fast ebenso unvollkommen und zum Theil bestreitbar sind als diejenigen über die
gleiche Materie auf Kuschai. Im Anschluss an die Beschreibung der prähistorischen
Bauten von Nanmatal (Journ. M. G., Heft VI, 1874, S. 129) berichtet Kubary über die
»heidnische Religion Ponap6s, wie sie damals allerdings nur noch an einem Platze in
Roankiti betrieben wurde«, und zwar von der geheimen Gesellschaft »Dziamorou«.
Sie bestand aus den Häuptlingen und mehr oder weniger Eingeweihten, die erst ein
Examen zu bestehen hatten und sich äusserlich durch langes Haar kennzeichneten, das
nie abgeschnitten, sondern nur abgesengt werden durfte. Die »Dziamorou«, welche
gleich den Freimaurern in verschiedene Grade zerfielen, versammelten sich jährlich ein-
mal in einem besonderen Hause auf einem »geheiligten« Platze, der mit einem Steinwall
umgeben war und von Uneingeweihten bei Todesstrafe nicht betreten werden durfte.
[5^^1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 247
Die »Dziamorou «-Brüder von Metalanien feierten ihr Jahresfest in den Steinwällen der
Insel Nangutra auf Nantauatsch. Hier war ein »Gotteshaus«, in welches nur die beiden
Zauberer des Königs eintreten durften, während die übrigen Brüder sich vor demselben
um einen Stein niederliessen, auf welchem man Kawa zerstampfte, wovon der erste
Becher dem »Gotte« geweiht war. Vorher hatte eine Weihe aller im letzten Jahre ge-
bauten Canus stattgefunden, wovon eines, nur für die »Gottheit« bestimmt, unbenutzt
im Hause des Königs aufgehangen wurde. Nach den »Kawa-Opfern« ging es »nach
der Insel Itel, wo der riesenhafte vergötterte Seeaal innerhalb einer 5 Fuss hohen und
4 Fuss dicken Mauer leben sollte. Auf einem Steinhügel wurde alsdann eine Schild-
kröte geopfert und deren Eingeweide auf einer gepflasterten Stelle in der Behausung
des Aales hingelegt«. Wir haben hier also einen ausgebildeten Cultus, dem Kubary
aber nicht beiwohnte, denn wie er selbst sagt, verräth kein »Dziamorou« die Geheim-
nisse, und es Hess sich nur so viel erfahren, dass bei diesen Festen viel gegessen und
Kawa getrunken wurde. Die religiöse Bedeutung der schon verschwundenen »Camo-
ron-Gesellschaft« , wie Kubary a. O. bemerkt, dürfte daher nicht allzuhoch anzu-
schlagen sein, denn in Wahrheit handelt es sich wohl nur um Festivitäten der Männer,
die deshalb heimlich stattfanden, um die Frauen fernzuhalten. Wie wir bereits wissen,
spielen ja überhaupt Festessen im Leben der Ponapesen eine hervorragende Rolle.
Auffallend ist es auch, dass Kubary mit die Hauptsache vergisst, nämlich den Namen
des Gottes oder der Gottheit, zu deren Verehrung die Feste mit »religiösen« Tänzen
gefeiert wurden. Bastian, der mit allen guten und bösen Göttern Bescheid weiss, nennt
die ponapesische Gottheit »Izopan« und gedenkt noch der »Todtenseelen Hani oder
Ani«. Mit letzterem Worte bezeichnen aber, nach Kubary, die Ponapesen alle ihre zahl-
reichen Geister, besonders aber einen Fisch als Verkörperung, was sehr an den » Anitsch-
glauben« der Marshallaner erinnert (s. S. iSg [395]). In der That scheinen die spiri-
tistischen Anschauungen der Ponapesen in der Grundidee mit denen der Marshallaner
übereinzustimmen und finden sich in ähnlichen Formen weit über Mikronesien und
der Südsee wieder, ohne dass deshalb von einer einheitlichen Religion die Rede sein
kann. Noch erwähnt Kubary a. O., dass der unter Jokoits gehörige Stamm »Tip en
way« »den Rochen als seine Schutzgottheit betrachtet und denselben grosse äussere
Verehrung erweist«. Mit völliger Ignorirung seiner vorstehenden Mittheilungen erklärt
Kubary schliesslich (Journ. M. G., Heft VIII, 1875, S. i3o), »dass der Ponapese die
Geister seiner tapferen Vorfahren anbetete und ihren Schutz erflehte«. Damit stimmen
die Erkundigungen der »Novara« -Reisenden überein, die ausserdem noch von »Götzen-
priestern« sprechen (S. 419), in denen sich deutlich die Weisssager der Marshallaner
(S. 139 [395]) wiederspiegeln. Hier auch die phantasievolle Vorstellung der Ponapesen
über ein zukünftiges Leben. Im Uebrigen erfuhren diese Forscher dasselbe wie ich,
nämlich dass die Bewohner Ponap^s keine Götzenbilder, noch Tempel und, wie ich
nach mündlicher Mittheilung von Kubary hinzufügen will, auch keine Priester, also
auch keine eigentliche Religion besitzen.
III. Bedürfnisse und Arbeiten.
(Materielles und wirthschaftliches Leben.)
/. Nahrung und Zubereitung.
Von gleicher Beschafl'enheit und Fruchtbarkeit des Bodens als Kuschai, sind die
Ernährungsverhältnisse ebenso günstige und wie dort bildet eine geregelte Plantagen-
Aonalen des k. k. naturbistorischcn Hofmuscums, Bd. VIII, Hctt 2, 1893. 18
248 ^'' O« Finsch. [504I
wirthschaft die Hauptbeschäftigung der Bewohner und liefert die vorherrschende Nah-
rung. Die CulturpflanZBIIy welche angebaut werden, sind dieselben, darunter, wie fast
überall in Mikronesien, treffliche Brotfrucht (»Mahi«: »Novara«; »Mayc: Kubar\') die
wichtigste. Aus ihr bereitet man jene Dauerwaare, welche wir schon von den Marshalls
(»Pirut, S. 143 [399]) und Kuschai kennen und die, in gleicher Weise in Gruben ver-
wahrt, sich sehr lange hält, wenn auch gerade nicht »mehrere Jahre« (»Novara-Reise«,
S. 407). Taro (Caladium esculentum) bildet nächst Brotfrucht die wichtigste Nähr-
pflanze; ausserdem die Banane (»Ut«: »Novara«; »Utsch«, »Karac«: Kubary), die nach
K, in 18 Varietäten cultivirt wird. Von Yams (Dioscorea) erwähnt Kubary zwei wild-
wachsende Arten (»Kap en eyr« und »Palay«), sowie die Bereitung von Arrowroot
(»Mokomok«), Süsse Kartoffeln und Zuckerrohr (»Katschin-tschu«: »Novara«; »inen
cep«: Kubary) werden ebenfalls angebaut, während die Cocospalrae (»Erring«: »No-
vara«; »Ni«: Kubary), wie auf Kuschai spärlicher vorkommend, nicht jene Wichtigkeit
für die Ernährung hat als auf den niedrigen Inseln. Dasselbe gilt in Bezug auf Pan-
danus, dessen Früchte wohl nur nebensächliche Bedeutung haben. Ananas und
Melonenbaum (Carica papaya)^ durch Weisse eingeführt, gedeihen vorzüglich, werden
aber von Eingeborenen wenig cultivirt, dagegen die so wichtige Gelb wurzpflanze (Eon).
Die Zubereitung der vegetabilischen Nährproducte geschieht in der üblichen Weise
mittelst Rösten und Backen in heisser Asche oder zwischen glühenden Steinen, da Töpfe
unbekannt sind oder doch nur beschränkt als europäische Tauschartikel im Haushalt von
Häuptlingen Eingang fanden. In gleicher Weise wird die untergeordnete Fleischkost
gargemacht (und zwar ohne Salz), welche hauptsächlich in Erzeugnissen des Meeres,
besonders Fischen (»Maam«) und Conchylien besteht. Bemerkt zu werden verdient,
dass die Fische in diesen Gewässern nicht giftig sind, und zwar auch solche Arten, deren
Genuss in den Marshalls die übelsten Folgen nach sich ziehen würde. Grössere Fische
röstet man in üblicher Weise, kleine werden roh gegessen wie die meisten übrigen
Meeresthiere, darunter auch Tintenfische (Octopus) und Holothurien (»Menika«). Das
nesselartige Brennen, welches manche dieser letzteren Arten beim Anfassen verursachen,
soll der Ponapese als angenehm prickelnden Zungenreiz empfinden. Unter den zahl-
reichen Arten Schalthieren sind die folgenden kleinen Bivalven (deren Bestimmung
ich Herrn Prof. v. Martens [Berlin] verdanke), die hauptsächlichsten Nährmuscheln und
werden roh gegessen: Cytherea (Caryatis) obliquata Hanley (»Littip«, schmeckt gut),
Perna vitrea Reeve (gut), Area (Anadara) uropygmelana Born, (nur jung gut), Modiola
australis Gray (schlecht), Lucina edentata L. (schlecht), Psammobia ( Psammoteüa)
ambigua Desh. (»Kodjo«, schlecht), Psammothaea elongata Lam., Circe gibbia Lam.
und Septifer bilocularis L. (schlecht). Da fast alle Arten im Schlamme von Brack- und
Salzwasser leben (nur Perna vitrea an Wurzeln von Mangrove), so konnte ich mich
mit dem Geschmacke dieser tropischen »Austern« nicht befreunden und ziehe unsere
gewöhnliche Miesmuschel (Mytulis edulis) selbst der noch am wohlschmeckendsten
»Littip« vor. Kubary gedenkt noch einer »der Anodonta verwandten« Bivalve (»Kopul«
genannt), die im Schlamme der Mangrovesümpfe lebt, und rühmt dieselbe als sehr
schmackhaft. Ausgezeichnet fand ich dagegen den ponapesischen Flusskrebs (Asta-
cus?)y der auch den Eingeborenen als Leckerbissen gilt. Alle diese culinarischen Ge-
nüsse lernten wir bei einem Dinner ä la native kennen, d^s uns von Kubary veranstaltet
wurde, und bei dem Fruchttauben und Brotfrucht natürlich nicht fehlten. Meeresschild-
kröten sind so selten geworden, dass sie nur gelegentlich auf den Tisch von Häupt-
lingen kommen, häufiger dagegen die sehr zahlreichen Fruchttauben (»Muli«, Carpo-
phaga oceanica)y welche seit Einführung von Feuerwaffen zuweilen von Eingeborenen
r^^Sl Ethnologische Erfahrungen und Belegstocke aus der SGdsee. 24Q
gejagt werden. Dasselbe gilt in Bezug auf die viel scheueren Wildhühner, von denen
wir noch nicht wissen ob sie der Insel eigenthümlich angehören oder nur verwilderte
Haushühner (»Malik«) sind. Ich untersuchte nur ein Paar, von denen der Hahn ziem-
lich mit Gallus ferrugineus (Bankiva) übereinstimmte, die Henne dagegen offenbar
durch Domestication entstandene Abweichungen zeigte (vgl. Proc. Zool. Soc. London,
1877, S. 780). Jedenfalls dürfen die Hühner von Ponape zu den Hausthieren gezählt
werden, als welche man sie nicht selten bei den Hütten der Eingeborenen sieht. Viel wich-
tiger im Leben der Ponapesen ist dagegen der Haushund, welchen die ersten Europäer
schon vorfanden und der, wie auf Tahiti, Hawaii und Neu-Seeland, schon von Jeher als
höchster Genuss den Festbraten lieferte. Nach der Beschreibung, welche Lütke (II, S. 3i
und Kittlitz, II, S. 77) vcTd dieser »von allen europäischen Hunden durchaus verschiedenen
Race« gibt (»stehende Ohren, Schwanz hängend. Weiss mit Schwarz gefleckt«) steht
dieselbe jedenfalls dem Papuahunde (S. 322 [108]) am nächsten, besonders auch des-
halb, »weil diese Hunde nicht bellen, sondern nur heulen«. Das Vorkommen einer ein-
geborenen Hunderace im Carolinen-Archipel ist äusserst interessant, da diese Thatsache
mehr als alles Andere die Einwanderung des Menschen (jedenfalls von Westen her) be-
weist. Ich sah keine eingeborenen Hunde von reiner Race mehr, sondern nur schlechte,
mit europäischen gemischte, meist kleine Köter von allerlei Farben, fand aber die Lieb-
haberei für dieses Hausthier noch so lebhaft als ehemals. Wie bei den Papuas Neu-
Guineas werden Hunde lediglich zu culinarischen Genüssen gezüchtet und bilden bei Fest-
lichkeiten das leckerste Gericht. Der Nanmareki wollte uns daher auch mit Hundebraten
ehren, freute sich aber offenbar, als wir dankend ablehnten. Die Methode, in welcher
die Frauen die Mästerei junger Hunde mit Brotfruchtteig gewaltsam, aber systematisch
betrieben (1. c, S. 325), war ebenso ekelhaft, als wie es das Schlachten und Zubereiten
sein soll. Der Festhund wird getödtet, indem man ihn an den Hinterbeinen fasst und
mit dem Kopfe an einen Stein schlägt, dann wird er am Feuer abgesengt, ausgenom-
men und in einer Grube, in Blätter eingehüllt, zwischen heissen Steinen geröstet.
Das durch Europäer seit Langem eingeführte Schwein (nach dem Englischen
»Piig«), das zum Theil sehr häufig und auch verwildert vorkommt, steht in der Gunst
der Eingeborenen weit hinter dem Hunde zurück, wird indess auch nicht verschmäht
und bildet den Haupttheil grosser Gastereien.
Rindvieh gedeiht vortrefflich auf Ponape, wurde aber nur in sehr beschränkter
Zahl auf der Missionsstation Ua, sowie von Kubary gehalten, der damals aber nur einen
ziemlich verwilderten Bullen besass.
Bezüglich der Kochkunst der Ponapesen habe ich keine Erfahrungen sammeln
können, wohl aber bemerkt, dass die Mahlzeiten keineswegs so regelmässig abgehalten
werden, wie dies, auch hinsichtlich der ganzen Tageseintheilung, die »Novara«-Reisen-
den (S. 417) schildern.
Das hier erwähnte häufige Baden geschieht weniger aus Reinlichkeit, sondern zur
Abkühlung; doch bemerkte ich, dass man nach Mahlzeiten den Mund etwas ausspülte
und die Finger benetzte.
Als übliche Getränke dienen, wie überall, Wasser und namentlich Cocosnuss-
milch; doch trinken, wie alle Eingeborenen, auch die Ponapesen im Ganzen wenig.
Reizmittel. Wie erwähnt, wurde die Kunst, aus Palmsaft den berauschenden
»sauren Toddy« zu bereiten, ja sogar Schnaps zu brennen, durch Weisse eingeführt (s.
vorne S. 238 [494]), aber solchen Luxus können sich nur grosse Häuptlinge erlauben.
So bekam ich echten »Palmschnaps«, einen greulichen Fusel, nur beim Nanmareki von
Jokoits zu kosten, der übrigens selbst den schlechten Hamburger »Gin« seinem eigenen
i8*
250 Dr. O. Finsch. [506]
Berauschungsinittel vorzog. Nach Kubary bereiten die Bewohner von Pelau und Yap
keinen sauren Toddy, wohl aber aus dem Blüthensaft der Cocospalme jenen Syrup,
den wir bereits auf den Gilbert-Inseln kennen lernten (vgl. S. 51 [3 19]). Besonders
wichtig wird dieser, übrigens in eisernen Töpfen eingekochte Syrup (»Aylaothc) auf
Pelau (s. Kubary: »Ethnol. Beitr.c, II, S. 172).
Kawa (>Djokau<) war damals noch der grösste Genuss, in welchem aber nur
Vornehme schwelgen konnten, da die Pflanze (Piper methysticum) nicht allzu häufig
isL Der 2 — 4 Fuss hohe grossblätterige Strauch wächst zum Theil wild auf den Bergen
der Insel, wird aber meist in der Nähe der Häuptlingshäuser besonders cultivirt. Nach
ponapesischer Sitte müssen angesehene Gäste mit Kawa geehrt werden, bei der Schäbig*
keit des Nanmareki bedurfte es aber erst einer besonderen Aufforderung, da es mir
darum zu thun war, die Bereitung kennen zu lernen. Dieselbe weicht nicht unwesent-
lich von der sonst in Oceanien üblichen ab, wo bekanntlich nur die Wurzel gekaut
wird, und zwar auf Samoa, Tonga (früher auch Hawaii) und Fidschi von jungen Mäd-
chen, auf den Neu-Hebriden und auf Neu-Guinea (Bongu, S. 66 [204]) von jungen
Burschen. Auf Ponape schleppte man ganze Kawasträucher herbei, schnitt den Stamm
nebst einigen Zweigen ab, um ihn als Schössling wieder einzupflanzen, und stampfte
dann die übrigbleibenden Zweige nebst Blättern und der circa faustdicken, innen
weissen schwammigen Wurzel, sammt der daranhängenden Erde, auf einer grossen
flachen Basaltplatte. Dies Geschäft besorgten zwei Männer, welche sich gewöhnlicher
Steine als Stampfer bedienten. Der schmierige, faserige Brei wurde hierauf in lange,
frisch abgeschälte Rindenstreifen von Hibiscus gelegt und unter Uebergiessen von Was-
ser in eine hölzerne Schale gleich einem Scheuerlappen ausgewrungen. Die schmutzig-
braune, übelaussehende, aber geruchlose Flüssigkeit wurde hierauf in Cocosschalen als
Trunk angeboten und schmeckte wie nach Gras und Seife, erregte daher anfänglich
(wenigstens bei mir) leichte Uebelkeit, aber später ein sanft prickelndes, angenehm er-
frischendes Gefühl im Gaumen. Die erste Schale wurde übrigens keineswegs, wie Ku-
bary sagt, »dem Gotte dargebracht«, sondern dem Nanmareki angeboten, und zwar in
der Weise, dass der bedienende Mann die Schale in der im Ellbogen auf die Rechte ge-
stützten Linken präsentirte, eine Haltung, die bei später gereichten Schalen unterblieb.
Wie üblich, gebührt dem höchststehenden Gaste die erste Schale, und deshalb Hess uns
der Nanmareki zuerst credenzen, später auch seinen Lieblingsfrauen, Töchtern und an-
deren Eingeborenen,' während sich die Kawabereiter mit dem Rest begnügten, d. h. auf
die bereits ausgewrungene Kawabreimasse wiederholt neues Wasser aufgössen, um auch
den letzten Rest auszupressen. Es herrschte also bei dieser Gelegenheit ungefähr genau
dasselbe Ceremoniell als bei den Festlichkeiten der Eingeborenen, bei welchen Kawa
nicht fehlen darf und den Hauptgenuss bildet. Häuptlinge von Bedeutung gestatten
sich denselben häufig, und zwar ohne die üblen Folgen, wie sie in der »Novara-Reise«
(S. 40g) aufgezählt werden. Kawa soll im Gegentheil sehr wohlthätig auf die Harn-
organe wirken und wird deshalb auch gern von Weissen (z. B. auf Samoa) getrunken,
wie ich unter den Producten Fidschis auf der Colonial- Ausstellung in London (1886)
den heilkräftigen »Jakona-Kawa-Schnaps« notirte.
Ueber die Wirkung der Kawa, die nur die Beine wackelig macht, aber den Kopf
völlig freilässt, also keinen alkoholischen Rausch erzeugt, habe ich mich schon in diesem
Werke geäussert (S. 66 [204]).
Wie auf Neu-Guinea ist auch auf Ponape die Sitte des Kawagenusses, wie schon
die eigenartige Bereitungsweise zeigt, eine durchaus spontane und kam, ausser auf Ku-
schai, sonst nirgends in den Carolinen vor. Kubary, der sich bemüht, die Herkunft der
[5^71 Ethnologische Erfahrungen und Belegstöcke aus der Südsee. 25 1
Pelauer auf Ponap6 zurückzuführen, möchte in dem Trinken von Syrupwasser (>Kar«.:
a. O.; »Blulokc: Kubary) der Ersteren einen Ersatz für die auf Pelau fehlende Kawa er-
blicken und darin wechselseitige Beziehungen herauswittern (s. Joest: »Tätowiren«,
S. 93). Warum nicht mit den Gilbert-Insulanern, bei denen Syrupwasser ebenfalls
Nationalgetränk war?
Tabak, und zwar der bereits mehrfach erwähnte amerikanische Stangentabak
(S- 102 [20]) ist auch auf Ponap6 das beliebteste Tauschmittel. Nach den Angaben der
>Novara« -Reisenden (S. 413) wurde damals Tabak nur gekaut, zu meiner Zeit war dies
bereits abgekommen und Rauchen allgemein Sitte. Man rauchte aus den über die ganze
Südsee verbreiteten Thonpfeifen oder Cigaretten, zu welchen, in der durch Trader ein-
geführten Samoamanier, getrocknetes Bananenblatt als Decke benutzt wurde.
2. Koch' lind Essgeräth.
Ueber die Methode des FeuerreibBns konnte ich mich nicht unterrichten, da die-
selbe wohl kaum mehr geübt wurde.
Ich erhielt aber:
Fächer (Nr. 117, i Stück) aus Pandanus-lSX^XXy zierlich geflochten; längs dem
Rande in der beliebten und für diese Insel charakteristischen Weise mit kleinen Bü-
scheln rother Wolle verziert. Jokoits.
Solche verzierte Fächer dienen mehr zum Staat, wenn im Allgemeinen dieses
Utensil auch hier vorzugsweise zum Anfachen des Feuers benützt wird.
In der Form stimmen die Fächer von Ponapc ganz mit solchen von Samoa (vgl.
Anthrop. Album M. G., Taf. 4, Fig. 391 und Taf. 5, 496) überein. Von letzterer Insel
erhielt ich auch Fächer, die nur zum Staate dienen, in durchbrochener Arbeit; zuweilen
ist das Flechtwerk an einen hölzernen Stiel befestigt. Einen ganz in Samoamanier
durchbrochen gearbeiteten Fächer besitzt die Sammlung (Nr. ii8) von Rotumah; in
der gewöhnlichen Form erhielt ich sie auch aus der Tockelau-Gruppe (Fakaafo).
Kuchengeräth eingeborener Arbeit war kaum mehr vorhanden. Ich beobachtete
nur wenige hölzerne, ovale Tröge, wie sie zur Bereitung von Taro- und Brotfruchtteig
benützt werden oder wurden. Nach Kubary ist »die ponapesische Holzindustrie sehr
arm und erzeugt nur eine Form hölzerner Gefässe, die im Allgemeinen , Kajak* heissen
(vgl. »Ethnol. Beitr.«, I, S. 55, Anm., Taf. X, Fig. 6). Sie wird bis i M. lang angefer-
tigt und dient zum Bereiten der ,Lili*-Speise. Sehr selten werden kleinere derartige
Gefässe zum gewöhnlichen Hausgebrauch verfertigt, dagegen öfter ganz kleine, in wel-
chem Wasser und Schwämme für den Gebrauch Seitens der Wöchnerinnen bewahrt
werden oder in welchen man das zum Einreiben der Haare bestimmte Oel mittelst
heisser Steine auskocht.« Stampfer, wie die von Kuschai (S. 206 [462]), sind mir auf
Ponap6 nicht vorgekommen. Als Teller benützt man, wie vielerwärts in der Südsee,
einfach Blätter.
Um die Faserhülle der Cocosnuss zu entfernen, bedient man sich eines an beiden
Enden zugespitzten soliden Knüppels, der mit dem einen Ende in die Erde gesteckt
wird, während man die mit beiden Händen festgehaltene Nuss kräftig auf das frei-
bleibende Ende schlägt, eine Methode, die auch anderwärts bekannt ist.
Ausser Cocosnussschalen benützte man auch Calebassen (Flaschenkürbis, »E-jug«),
zuweilen roth angestrichen und in ein Netzwerk von Strick eingeflochten, als Wasser-
gefässe; ebenso die bei Kuschai (S. 207 [463], Fig. 33) beschriebenen Taroblätter.
Uebrigens waren Glasflaschen bereits so häutig verbreitet, dass sie als Tauschmittel gar
252 Dr. O. Finsch. [508]
keinen Werth mehr hatten, und der »König« von Jokoits konnte bereits seinen eigen-
gebrannten »Palmschnaps« auf Flaschen ziehen. An leeren Blechkästen, Canistern,
Schnapskisten u. dgl. war ebenfalls kein Mangel und die Eingeborenen reichlich damit
versehen.
3. Fischerei und Geräth,
Davon bekam ich nichts weiter zu sehen als Fischnetze verschiedener Grösse, aus
Garn von Cocosfaser gestrickt, mit Senkern aus i4rc^-Muscheln und Schwimmern aus
hohlen Aststücken von Pandanus, ganz übereinstimmend mit denen von Kuschai. Wie
fast allenthalben beobachtete ich während der Ebbezeit auf dem Riff Weiber und Kinder
mit Auflesen von Seethieren beschäftigt, was schon die > Novara« -Reisenden (S. 403)
erwähnen, wobei besonders bemerkt wird, dass die W^eiber Säckchen umhängen hatten,
in welchen sie den Fang verwahrten. Kubary, der in seinen kurzen Berichten über
Ponape (vorne S. ig3 [449], Nr. 3 und 4) Fischerei unerwähnt lässt, berührt dieselbe
indess hie und da in seinen »Ethnol. Beitr.«, welche spärliche Notizen ich hier zusam-
menfasse. »Auf Ponap6, wo beide Geschlechter an der Fischerei theilnehraen, finden
wir vorwiegend die Netzfischerei entwickelt. Grosse aus Cocoszwirn gestrickte Netze
heissen ,ük* (wie auf Pelau), Handfischnetze (,Nack*, Taf. X, Fig. 10) entsprechen ganz
denen von Kuschai (Fig. 34, S. 208 [464]) und sind zuweilen ebenfalls aus den Fasern
einer Seegrasart (,011ot*) verfertigt.« Auch Fisch wehre sind, wie überall, bekannt.
»Auf Ponape werden solche Umzäunungen, ,Mai* genannt, nur zeitweilig erbaut. Die-
selben sind nur schwach, aus kleinen Steinen errichtet und haben den Zweck, nur für
einmal die Fische abzusperren, wonach sie wieder vernachlässigt und von der Fluth
auseinandergeworfen werden.« Schliesslich gedenkt Kubary des »Fischfanges mittelst
Gift« (»Upaup«), wozu man sich auf Ponape der Wurzeln einer Schlingpflanze
(»Peinup« genannt) bedient, derselben, die auf Pelau benützt wird (»Ethnol. Beitr.«, 11,
S. 151).
Hakenfischerei wird auf Ponapä ebenfalls, aber mit importirten eisernen Haken
betrieben, welche die von Eingeborenen verfertigten längst verdrängten. Kubary ge-
denkt der letzteren nicht, aber glücklicherweise wurden solche durch die Reisenden der
»Novara« gesichert, und ich kann hier eine Lücke ausfüllen, die sich kaum mehr er-
setzen lässt. Ich beschreibe die Exemplare des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in
Wien, das, wie es scheint, allein im Besitz zweifellos echter ponapesischer Fisch-
haken*) ist.
Fischhaken (Inv.-Nr. 3814)= »Katschin-mata« (»Novara«); stimmt in Form
und Bearbeitung ganz mit Nr. 152 von Mortlock (Taf. 20, Fig. 2) überein, aber das
Schaftslück (55 Mm. lang, i3 Mm. breit) läuft nach unten spitz zu und ist aus dem
Innenrande eines Schalenstückes von Cypraea mauritiana geschliffen, der Fanghaken
aus Schildpatt. Die Verbindung des Hakens mit dem Schaft ist ganz wie bei dem Mort-
lock-Fischhaken. Ein Köderbüschel fehlt, mag aber vorhanden gewesen sein. Die über
6 Meter lange dünne, an beiden Seiten abgeplattete Leine ist ein Muster feiner Flecht-
arbeit aus Cocosnussfaser.
Einen sehr abweichenden Typus bieten die folgenden Stücke:
Fischhaken (Inv.-Nr. 38i3, Taf. 111 [20], Fig. 11); flach, aus einem Stück (sehr
dunklen, fast schwarzen), Schildpatts geschnitzt.
») Der im Kat. M. G. (S. 294) verzeichnete »Schaft eines Angelhakens aus gelblichem Quarz-
gestein« ist nicht von Ponape, sondern »Banaba« (= Taf. 20, P'ig. 3).
[5^9] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 253
Desgleichen (Inv.-Nr. 38i2), ganz wie vorher, nur fehlt der Dornfortsatz des
hinteren unteren Randes.
Diese Form von Fischhaken (aber aus Perlmutter) kommt auch auf Nukuor vor.
In den Ruinen von Nantauatsch finden sich meist ziemlich verwitterte, daher
brüchige Stücke Perlmutter, die zweifellos Fragmente von Fischhaken sind, wie die fol-
gende Nummer:
Bruchstück eines Fischhakens (Nr. 478, i Stück, Taf. III [20], Fig. 4) aus
Perlmutter (Ruinen von Nantauatsch). Das Stück stellt den Basistheil eines Schaftes
dar; die Einkerbung des linken Randes diente wahrscheinlich zur Befestigung der Fang-
leine. Unter den von Kubary an das Museum GodefFroy (Kat., S. 285) gesandten Frag-
menten (im Ganzen nur vier Nummern) befindet sich auch ein solches mit durch-
bohrtem Loche zur Befestigung der Schnur. Die Conusringe, welche Kubary an der
gleichen Localität ausgrub und als »Ringe zu Fischnetzen« anspricht (Kat. M. G.,
S. 28g) dienten keinesfalls diesem Zwecke, sondern sind Schmuckstücke in Bearbeitung
(vgl. Taf. VII [24], Fig. 14).
4. Wohnstätten.
Siedelungen. Auch auf Ponape gibt es keine eigentlichen Dörfer, sondern die
Häuser liegen vereinzelt meist unter Cocospalmen, zum Theil, wie ich dies in Meta-
lanim sah, auf Hügeln von Basaltblöcken, die mit Vorsicht erklettert sein wollen. Dies
erinnerte mich an ähnliche Localitäten, wie ich sie später im Inneren von Port Moresby
auf Neu-Guinea kennen lernte.
Häuser. Wie Kuschai besitzt auch Ponap^ einen besonderen, ganz von jenem
dort abweichenden Baustyl. Das Haus (»Ihm«: »Novara«; »Naj«: Kubary) selbst, ein
längliches Viereck mit wagrechter Firste und senkrechten Giebeln, entspricht der ge-
wöhnlichen Hausform, erhält aber durch einen meist über mannshohen Unterbau aus
Basaltsteinen eine charakteristische Eigenthümlichkeit. Dieser zuweilen 8 — 10 Fuss
hohe, sehr regelmässige Steinbau wird manchmal mit Hilfe einer rohen Leiter erstiegen,
die aus einem mit Kerben versehenen Baumstamme besteht. Die zum Theil behauenen
Hauspfosten (»Ur«) ruhen auf theilweise recht starken Längsbalken, die durch Kerbe
mit Querbalken verbunden sind und zugleich die Träger für den Fussboden bilden.
Die Wände (»Tit«) bestehen wie in Kuschai aus zusammengebundenen Rohrstäben,
ebenso die Diele. An den Seiten und vorne dienen ein oder mehrere Oefifnungen zu-
gleich als Thüren und Fenster. Sie sind so schmal, dass man sich seitlich hinein-
zwängen und zugleich bücken muss, da die Hauswände weniger als Mannshöhe haben.
Diese OefTnungen können durch Rahmen aus Rohrstäben verschlossen werden. Wie
überall sind alle Theile des Hauses mit Stricken aus Cocosnussfaser zusammengebun-
den, ja damit im Innern auch' die meisten Pfosten, Träger und Querbalken in ver-
schwenderischer und zum Theil kunstvoller Weise umwickelt. Die bald braunen, bald
schwarzen Schnüre bilden zuweilen äusserst zierliche und geschmackvolle Muster, und
die Menge des verwendeten Materials ist geradezu erstaunlich. Die Giebelwände be-
stehen ebenfalls aus Rohrstäben und sind an der Basis, sowie im oberen Drittel mit
schmalen schrägen Regendächern versehen. Das Material dazu wie zum Dache selbst
ist nicht, wie sonst üblich, Pandanus-BleXXf sondern Blätter der »Otsch« -Palme, welche
die Elfenbeinnüsse liefert (also wohl Phytelephas macrocarpa). Die Befestigung der
Blätter an Stäbe und das Dachdecken selbst geschieht ganz so, wie ich es bei den Mar-
shall-Inseln (S. 151 [407]) beschrieben habe. Die Dimensionen der Häuser sind natür-
254 ^^' ^' ^^^^^^- fS'o]
lieh sehr verschieden; ein grosses mag 3o — 40 Fuss lang und bis zur Giebelspitze
15 — 20 Fuss hoch sein.
Als GemeindehäuSBr (»Natsch«) kann man die grossen Häuser betrachten, welche
zur Unterkunft der Canus dienen und die zum Theil recht ansehnliche Bauten sind.
Sie stimmen in Bauart und Material ganz mit den gewöhnlichen Häusern Uberein, sind
aber bedeutend grösser, an der dem Wasser zugekehrten Seite offen und ruhen nicht
auf einem soliden Fundament aus Steinen, sondern nur auf steinernen Mauern. Im
Innern läuft an jeder Seite eine erhöhte breite Estrade aus Rohrstäben, zuweilen mit
Zwischenwänden, die als Schlafstätten für unverheiratete Männer dienen. Auch finden
hier Besucher mit ihren Canus Unterkunft, wie sich die Männer meist in diesen Canu-
häusern aufhalten. Nach den Angaben der »Novara«-Reisenden (S. 405) werden diese
Canuhäuser gelegentlich auch zu Festlichkeiten benützt, wie als Werkschuppen beim
Bau von Canus. Die Abbildung der »Berathungshalle« (S. 406) ist ganz richtig, minder
charakteristisch die einer »Hütte« (S. 403). Brauchbare Darstellungen ponapesischer
Häuser gibt auch Hernsheim (>Südsee-Erinnerungen«, S. 66).
Durch einen steinernen, allerdings nicht so hohen Unterbau schliessen sich die
Häuser auf Yap (»Febay, Falyu und Tabenau«) den ponapesischen zunächst an, unter-
scheiden sich aber im Uebrigen durch ganz abweichenden Baustyl, der durch »zwei
parallele lange und vier schräge kurze Seiten« für diese Insel charakteristisch und eigen-
thümlich wird. Eine nicht sehr correcte Abbildung haben Tetens und Kubary (Journ.
M. G., II, Taf. III) gegeben, die durch Letzteren seitdem in einer erschöpfenden Dar-
stellung zum vollen Verständniss gelangte (»Ethnol. Beiträge zur Kenntniss des Caro-
linen-Archipel«, I. Heft 1889: »Der Hausbau der Yap-Insulaner«, S. 29 — 42, Taf. II—
VI). Darnach zu urtheilen sind die von Hernsheim abgebildeten Yap-Häuser (»Südsee-
Erinnerungen«, Taf. III) durchaus unrichtig dargestellt.
Kubary will übrigens (1. c, S. So, Note) auch im Hausbau die »Uebereinstimmung
der Culturbegriffe« zwischen Ponape und Yap erkennen, allein ganz abgesehen von der
totalen Verschiedenheit im Baustyl, fehlen die auf Yap charakteristischen Gemeinde-
häuser (»Febav«) auf Ponape ganz, wogegen die für letztere Insel eigenthümlichen
grossen Canuhäuser auf Yap nur in sehr unbedeutenden Baulichkeiten Ersatz finden
(vgl. Kubary, 1. c, S. 40, Taf. V, Fig. 6).
Die Feuerstelle in der Mitte des Hauses ist auf Ponape ganz wie auf Kuschai,
auch gibt es, wie dort, besondere Nebenhäuser, welche als Küche dienen. Aber (nach
Kubary) fehlen, wie auf Pelau, Menstruationshäuser, wie wnr dieselben von den Mar-
shalls kennen. Der Nanmareki von Jokoits hatte seine neun Frauen in einem beson-
deren Hause, einer Art Harem, untergebracht. Dasselbe unterschied sich äusserlich
nicht von gewöhnlichen Häusern, enthielt aber im Inneren aus Querstangen und Matten
besondere viereckige Abtheilungen, deren jede einer Frau als Privatraum angehörte.
Der Aufenthalt in diesen wenig reinlichen, unangenehm nach Curcuma und Eingebore-
nen riechenden Häusern ist übrigens nicht sehr behaglich und ebensowenig einladend
als die Umgebung der Häuser selbst, die von Schmutz und Unrath starrt.
Die Unmasse von Basaltgeröll, welches die Insel bedeckt, war jedenfalls die Ursache
zur Benützung dieses Materials Seitens der Eingeborenen, welche dadurch, wie ihre Nach-
barn auf Kuschai, aber ohne jede Verbindung mit ihnen, selbstständig zu Steinbauern
wurden. Charakteristische Reste dieser Sitte haben sich noch im Unterbau der Häuser
der heutigen Bewohner erhalten, die aber reines Kinderspiel sind gegenüber den prä-
historischen Bauten ihrer Vorfahren. Wie auf Kuschai finden sich diese Bauten nicht
auf dem Festlande selbst, sondern auf dem Aussenriff der sehr nahe gelegenen kleinen
[eil'] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SÜdsee. 255
Insel Tauatschy im südlichen Theile von Metalanim oder des Osthafens von Ponape,
nicht weit von Nanmatal, der Residenz des Idschibau oder sogenannten » Königs c. Die
Insel Tauatsch ist wenig grösser als die Insel Lälla auf Kuschai (circa i Seemeile =
6000 Fuss lang, vielleicht Va Seemeile breit), besteht aus Basalt, zum Theil in zusam-
mengewürfelten losen, abgerundeten Blöcken, die sich zu steilen Hügeln aufthürmen,
und ist von dichter Vegetation, darunter hohen Bäumen, aber wenig Cocospalmen, be-
deckt. Wie alle Inseln um Ponape liegt auch Tauatsch im Gürtel des Barrierriffs, und
auf diesem, unmittelbar an der Ostseite der Insel, sind die Steinbauten errichtet. Sie
wurden 1827 von James O'Connell, dem schiffbrüchigen Matrosen eines englischen
Walfisch fahrers, entdeckt, später von Cheyne, Gulick,*) Clark u. A. beschrieben. Da
das Material zum Theil aus prismatischem Basalt besteht, so wurden Unkundige (wie
Rojas) verleitet, dasselbe für bearbeitetes, aus civilisirten Ländern herbeigeschafftes zu
halten und die Bauten selbst als Festungswerke spanischer Piraten zu deuten. Ich er-
wähne dies nur, weil diese total irrigen Hypothesen, auch in der »Novara-Reise« (S. 420)
abgedruckt, ein- für allemal zu streichen sind. Die besten Aufnahmen der Ruinen
sind Kubary zu verdanken (Journ. M. G., Heft VI, 1874, mit 7 Abbildungen und einem
Plan der ganzen Ruinenstadt, Taf. 5), von deren Richtigkeit ich mich selbst überzeugen
konnte. Die Steinbauten auf Tauatsch stimmen im Allgemeinen mit denen auf Lälla
überein, sind aber bei Weitem grossartiger, ausgedehnter^) und unterscheiden sich
durch charakteristische Eigenthümlichkeiten. Wie auf Lälla das Terrain zum Theil
künstlich erhöht wurde, so auch auf Tauatsch, aber hier geschah dies in ganz anderer
Weise. Denn während auf Lälla Mauereinfriedigungen den Hauptcharakter der Bauten
bilden und künstliche Canäle mit Inseln mehr vereinzelt vorkommen, besteht Tauatsch
nur aus letzteren, zuweilen von Kolossal mauern begrenzt und eingefasst. Die Inseln,
mehr oder minder grosse Vierecke (von 60 — loo Fuss Länge und mehr) oder Paral-
lelogramme, bestehen gleichsam aus einem Rahmen von Basaltblöcken, meist in der
säulenförmigen Absonderung, der mit Basalt- und Koralltrümmern ausgefüllt (vgl. Ku-
bary, Fig. Nr. 2 : Durchschnitt) das Fundament oder die Plattform für die Häuser bil-
dete, welche einst hier standen. Auf Nangutra fand Kubary Spuren eines vom Sturme
umgewehten Hauses (1. c, Fig. 6) und auf zwei anderen dieser künstlichen Inseln (Dziu
und Udschientau) sah ich noch zum Theil bewohnte Häuser, welche den eigentlichen
Zweck dieser Bauten überzeugend erklärten. Da diese Fundamente oder Plattformen
meist sehr gut erhalten sind und ehemals wohl kaum wesentlich anders ausgesehen haben
dürften, so ist die Bezeichnung »Ruinen« nicht ganz zutreffend. Denn was fehlt ist eben
das Bauwerk von Häusern, Dächern u, dgl. in Holz, wie es früher vorhanden war. Der
ruinenbafte Eindruck wird hauptsächlich auch dadurch hervorgerufen, weil das Mauer-
werk überall von üppiger Vegetation bedeckt und versteckt nur theilweise sichtbar ist,
so dass es oft schwer hält, einen Ueberblick zu gewinnen. Nach Kubary besteht
Tauatsch aus 80 solchen Fundamentirungen oder künstlichen Inseln, die, 5 — 6 Fuss
über das Niveau des Korallritfs erhoben, mehr oder minder breite Wasserstrassen,
Canäle, einfassen. Diese Canäle sind zum Theil sehr regelmässig angelegt, wie der
') In »The Friend« (Honolulu, December 1852) mit Plan, den Dämon (>Morning Star Papersc,
Honolulu 1861, S. 70) reproducirt. Diese Skizze zeigt nur den Grundriss der Mauern von Tauatsch
im engeren Sinne und stimmt bis auf unwesentliche Grössendifferenzen sehr gut überein mit Kubary*s
Plan Fig. 3.
2) Nach Friederichsen's Berechnungen bedecken sie einen Flächenraum von: »500.000 engl.
Quadratyards = 417 Quadratmeter = 41 Hectaren«. Kubary's Plan ergibt nur eine Länge von 1600
Yards (1456 M. = circa »/2 Seemeile) und eine Breite von 600 Yards (= 540 M.).
258 ör. O. Fin8ch. [SH]
haupt i3 vorhanden, wovon fünf von ihm untersucht wurden. In einen etwas ab-
weichenden derartigen Bau, aber unterirdisch, ähnlich einem Kellergewölbe, konnte ich
nur hineinsehen, da er mit Wasser gefüllt war.
Der Umstand, dass sich in den Steinzellen ausser den erwähnten Gegenständen
auch Ueberreste von Menschenknochen fanden, legte die Annahme von Grabstätteo
oder Gräbern nahe. Und das hat jedenfalls bis zu einem gewissen Grade seine Richtig-
keit, wenn auch nicht in der ausgedehnten und specifischen Weise, wie Kubary an-
nimmt. Er erblickt» in den Steinzellen »ausschliesslich Königs- oder Häuptlingsgräber«,
hält die von Tauatsch für das Mausoleum, »in welchem die Könige von Metalanim be-
stattet wurden« und schliesst »aus dem Vorhandensein mehrerer Unterkiefer und Stirn-
theile in ein und derselben Gruft auf Familiengräber«. So entstand nach und nach die
Ansicht, als sei ganz Nan-Tauatsch eine für Cultus geweihte Stätte gewesen, und die
Riesenbauten, gleich den altegyptischen, nur Denkmäler zu Ehren verstorbener »Kö-
nige«. Mag dies auch für die erwähnten besonderen Steinzellen, wenigstens für einige
derselben, zum Theil richtig sein, so stehen die geringen Reste von Menschenknochen
doch mit dieser Annahme sehr in Widerspruch. In Wahrheit sind bis jetzt noch nie-
mals Skelettheile in der Weise zusammengefunden worden, wie dies sonst bei Gräbern')
der Fall ist, sondern nur einzelne Knochen oder Bruchtheile derselben, darunter als
hauptsächlichste »vier Schädeldecken«! Sie waren das Resultat der Nachgrabungen in
drei Steinzellen von Tauatsch und zwei anderen bis dahin unberührten, entsprechen
also wenig den Erwartungen, welche man an Ausgrabungen alter Gräber sonst zu
knüpfen pflegt. Die zweite Untersuchung Kubary's in der Hauptsteinzelle, dem soge-
nannten »Königsgrabe« von Tauatsch, bei welcher er dieselbe gründlich ausräumen
Hess, lieferte ausser Resten von Geräth und Schmucksachen nur »zahlreiche sehr kleine
Stückchen Menschenknochen« (Kat. M. G., S. 290). Diese Reste stehen in keinem Ver-
hältnisse zu der Menge sonstiger Fundobjecte, und der Umstand, dass unter den letzte-
ren viel unbearbeitetes Material ist, widerspricht der Annahme, als seien dieselben aus-
schliesslich Gaben, welche man den Todten mit ins Grab legte.
Die voreiligen Thesen Kubary's (vgl. S. 287 [493]), leider bereits in die Wissen-
schaft eingeführt und schwer wieder zu beseitigen, erweisen sich diesen thatsächlichen
Verhältnissen gegenüber als durchaus haltlos. Wie Lälla sind ohne Zweifel auch die
Inselfundamente von Nan-Tauatsch im Laufe von Jahrhunderten nach und nach ent-
standen, ebenso die Mauern, welche einst Wohnungen umfassten und vorwiegend zum
Schutze dienten, wie ich dies schon früher aussprach (vgl. die S. [488], Nr. 2 citirte Mit-
theilung, in welcher ich ausführlich auch über die Steinbauten berichtete). Wie Lälla
noch heute, so bildete Nan-Tauatsch jedenfalls in der Vorzeit den Hauptplatz, dessen
zahlreiche Bevölkerung, unter mächtigen Häuptlingen, wahrscheinlich ganz Ponape be-
herrschte. Dabei drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass möglicherweise
Kriegsgefangene an den Bauten mitarbeiten mussten. Jedenfalls stammen sie aus ver-
schiedenen Zeiten, von denen die gegenwärtigen Bewohner ebensowenig die geringste
Kunde besitzen als über die Bauten selbst. Unzweifelhaft sind die heutigen Bewohner
die unvermischten Nachkommen der einstigen Erbauer der Inselstadt, die abgeschlossen
von Verkehr mit der Aussenwelt ein eigenes kleines Reich bildete. Die hübsche Tra-
dition, nach welcher Idschikolkol, ein Fremdling von der nur 10 Seemeilen entfernten
I) So z. B. auf der Oster-Insel, von welcher Thomson sagt: »Hundreds of torabs, cairns, platt-
forms and catacombs were examined during our stay on the island, and in all cases the bodies were
lying in füll length.«
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
259
,j . — —
#
r. jc ÄÄ 1 -
\*\
Vndemay die »ursprüngliche Race« besiegte und Gründer der jetzigen
.'infach in das Gebiet der Mythe. Aber Kubary weiss auf seinem Plane
•n Punkt anzugeben, wo dieser mythische Eroberer landete!!
*"*riederichsen erwähnten »Steingräber« von dem kleinen Atoll Ngatik
circa 80 Seemeilen südwestlich von Ponap^, stehen in keinerlei Be-
n Riesenbauten auf Tauatsch. In Wahrheit handelt es sich nur um
'.war ein 5 Fuss hohes Fundament von 12 Fuss im Quadrat, auf dem
'ähr halb so grosses Viereck gebaut ist, mit einem grossen Korallstein
ch Doane würde das primitive Bauwerk Cultuszwecken gedient haben
^The Geographical Magazine«, i. August 1874, S. 2o3), ist aber viel-
nkmal.
ssant ist der Nachweis ähnlicher Grabdenkmäler (»Raun«) aus Korall-
kleinen Inseln Pik^n und Burat der St. David-Gruppe (Bunai) durch
. Beitr.«, I, S. iio, Taf. XV) und die sich ähnlich auf Yap wiederholen.
5. Hausrath.
nur wenige Stücke, da sich von Eingeborenen gearbeitete Geräth-
: des Einflusses von Händlern und des grösseren SchifTverkehrs in ge-
irhalten hatten als auf Kuschai.
ragendste Erzeugniss ponapesischer Industrie und charakteristisch für
besondere Art Matten, wie die folgende:
te (Nr. 197, I Stück) aus Pandanns-hl^lX, Jokoits.
/ie Anfertigung sehr eigenartig dadurch, dass diese Matten nicht ge-
1 genäht sind. Man bedient sich dazu jetzt europäischer Nadeln und
aus Hibiscus-FasQT mehrere Lagen schmaler (circa 25 Mm. breiter)
danus-Blait so übereinander, dass sich die Matte leicht aufrollen lässt.
rzierung sind rothe Wollfäden in kleinen Büscheln längs den Rändern,
en sind schmal, aber gewöhnlich so lang, dass das eine Ende zusam-
'ir praktischer Weise gleich als Kopfkissen') dient, jedenfalls bequemer
die hölzernen in Ost-Mikronesien. Die grösste dieser Matten, welche
6 M. in der Länge und circa 1-50 M. in der Breite; die gewöhnliche
M. Länge und 80 Cm. Breite; die kleinste war nur Sg Cm. breit. Die
ser Matten bildet die Hauptbeschäftigung der Ponapesinnen, und ich
reichen Frauen des Nanmareki von Jokoits dabei thätig, der mit solchen
Der Preis einer grossen Matte wie die obige, welche mir der hohe
betrug damals 8 Dollars (circa 3o Mark).
en, jedenfalls die bequemsten und praktischsten und deshalb die besten
ien die hauptsächlichste Ausstattung des Inneren der Häuser, deren
t auch noch zuweilen mit gewöhnlichen geflochtenen Matten belegt wird.
Esswaren u. dgl. werden aus dem Blatte der Cocosnusspalme, in ganz
wie in Ost-Mikronesien (vorne S. 153 [409]), verfertigt. Ich erhielt
i flache Körbe, ähnlich den »Kobäsch« von Kuschai (S. 214 [470]), aber
eflochten und mit Tragbändern. Ein solcher Korb, den ich von einer
r den unseren entsprechendes Kopfkissen, aus einem M'aitengeflecht bestehend, mit
aserstoff gefüllt, ist Kat. M. G., S. 428, von Pelau beschrieben, wird aber von Ku-
idustrie der Haushaltungsi^eräthschaften« (II, S. 197 u. f.) unerwähnt gelassen.
26o Dr- O. Fifißch, [516]
Frau des Nanraareki von Jokoits kaufte und in welchem die hohe Frau ihre Kostbar-
keiten an Glasperlen, Spiegeln nebst Tabak und Pfeife verwahrte, war 42 Cni. lang,
24 Cm. breit und 12 Cm. tief. Die Sammlung enthält einen solchen Korb unter Nr. 108.
Grössere hölzerne Deckelkasten oder Truhen aus Brotfruchtbaum, welche ich auf
Ponape einzeln beobachtete, waren vielleicht nicht hier gemacht, sondern wahrschein-
lich durch Schiffe von Mortlock herüber gelangt. Alle wohlhabenderen Eingeborenen
besassen übrigens bereits jene verschliessbaren Holzkasten, europäischen oder chinesi-
schen Ursprungs, wie sie in vielen Theilen der Südsee bereits ein beliebter Tausch-
artikel sind. Für Aermere lieferten die Handelsstationen genügend Ginkisten als nutz-
lichen Gebrauchsgegenstand.
6, Werkieuge.
Aexte. Nach Kubary benützten die Ponapesen noch vor kaum 50 Jahren selbst-
gefertigte Aexte mit 7V/(f<ic;2a- Klingen, aber es gelang ihm keine solche mehr zu er-
langen, und er musste sich mit den Resten aus prähistorischer Zeit begnügen. Auch ich
war so glücklich, in den Ruinen der sogenannten » Königsgräber c auf Nan-Tauatsch
zwei Fragmente von Axtklingen aus Tridacna zu finden, das eine 9 Cm., also sehr
breit, das andere nur 50 Mm. breit. Soweit sich nach diesen Bruchstücken urtheilen
lässt, stimmen sie in der Form ganz mit den 7r/^^Cfi^-Klingen von Kuschai überein,
aber wie die von Kubary gesammelten Fundobjecte zeigen (im Ganzen sieben Stück),
kommt auch die fast dreiseitige Form (wie von Nukuor, Fig. 57) vor. Eine wohlerhal-
tene Tr/rfacwa-Klinge aus den Ruinen (Kat. M. G., S. 284, Nr. 2749) ist 46 Cm. lang,
II Cm. breit und 7 Cm. dick, also beinahe ebenso gross als die grössten Exemplare
von Kuschai. Kubary fand in den Ruinen auch einen Meissel aus Cassis rufa (i3 Cm.
lang), wie ich einen solchen noch auf Kuschai erhielt. Mit Aexten, deren Klingen aus
Hobeleisen (»Silla«) bestand (wie Nr. 119 von den MarshalMnseln, S. 155 [4ii])> sah
Hochstetter 1858 Eingeborene an einem Canu zimmern (1. c, S. 285). Jetzt ist auch
dieses primitive Geräth meist verschwunden und durch importirte Aexte verdrängt.
Sonstige Werkzeuge erhielt ich nicht, doch mögen vielleicht noch solche existiren.
7. Textilarbeiten.
In Flechtarbeiten wird wenig geleistet, da sich die Hauptthätigkeit der Frauen auf
die Verfertigung der vorher unter Hausrath beschriebenen Schlafmatten concentrirt, die
zusammengenäht werden.
Seilerei betrifft nur die bekannten Stricke, hauptsächlich aus Cocosnussfaser, wie
sie (zum Theil schwarz gefärbt) besonders beim Hausbau nöthig sind, und welche auf
Ponap^ in vorzüglicher Güte angefertigt werden. Der Nanmareki schenkte mir eine
grosse, sehr geschickt aufgewundene Rolle Cocosgarn, für welche ihm zwei Flaschen
Schnaps kein genügendes Aequivalent schienen.
Die Webeicunst beschränkte sich auf die Anfertigung schmaler, buntgemusterter
Gürtel, die für Ponape eigenthümlich und ganz verschieden von den »Toi« der Ku-
schaier sind (vgl. im Verfolg »Leibschmuck«). Ich selbst lernte von der Weberei auf
Ponap^ nichts mehr kennen, da sie nach Kubary nur noch von wenigen Familien in
Roankiti betrieben wurde und seitdem vermuthlich ganz abgekommen sein dürfte.*)
I) Auf St. David (Bunai) lernte Kubary nur noch eine alte Frau kennen, die zu Weben ver-
stand, aber kein Geräth dazu mehr besass. Das Fabricat waren früher schmale Männergurtel, 9Dor<
genannt, ein Wort, welches sehr an das kuschaische »Toi« erinnert.
r^iyl Ethnologische Erfahrungen und BelegstOcke aus der Südsee. 26 1
Der »höchst eigenthümliche kleine WebestuhU, welchen v. Hochstetter (S. 288) er-
wähnt, sowie die- »Novara-Reise« (S. 407), ist natürlich kein solcher, sondern ein Kette-
bock und jedenfalls, wie die übrigen Geräthschaften, mit den auf Kuschai üblichen
(S. 218 [474]) identisch. Dies geht auch aus einer kurzen Notiz bei Kubary hervor, der
den »Webestuhl« von Sonsol (»Ethnol. Beitr.«, I, S. gS) schon wegen der geringen
Grösse dem von Ponap^ am nächsten stellt. Im Uebrigen hat Kubary über die Weberei
auf letzterer Insel bis jetzt nicht berichtet, und der Kat. M. G. verzeichnet (S. 294) nur
einen »Webeapparat«, der aber ein Kettebock ist, ohne denselben zu beschreiben.
TapabBreitung war früher bekannt, wird aber nicht mehr betrieben. Nach Mer-
tens benützte man den Bast des Brotfruchtbaumes, wie dies auf Pikiram (Greenwich-
Isl.) der Fall ist (vgl. Probe der Sammlung S. 92 [10]). Der Kat. M. G. verzeichnet
(S. 294) eigenthümliche »Klopfer zur Bearbeitung von Bast«, die von »Ponape« her-
stammen sollen.
Filetstricken wird auf Ponap6 ebenfalls verstanden; ich habe aber keine anderen
Arbeiten als Netze gesehen. Vielleicht gehören die in der »Novara-Reise« (S. 408) er-
wähnten »kleinen Säckchen« in diese Kategorie. Der Kat. M. G. verzeichnet nichts Der-
artiges von Ponape
8, Fahrzeuge.
Die Canus (»Wuar«, »Vara«: »Novara«) von Ponap6 stimmen am meisten mit
denen von Kuschai überein, bestehen wie diese aus einem ausgehöhlten Baumstamme,
sind daher sehr lang und schmal, unterscheiden sich aber in der Form des Schififsrumpfes
dadurch, dass die Enden nicht abgestutzt, sondern sanft abgeschrägt verlaufen, und den
ganz verschieden construirten Ausleger, der sich aber nicht beschreiben, sondern nur
abbilden lässt. Ausserdem führen Ponap^-Canus wohl ein Segel, aber (wenigstens
früher) keinen Mast (vgl. Lütke, II, S. 27 und die Abbild. »Senjavin-Reise«, PI. 24, und
Kittlitz: Denkwürd., II, S. 71). »Nur eine bewegliche Stange, die Einer in der Hand hält,
stützt das zwischen zwei winkelig gegeneinander befestigten Stangen ausgespannte Segel,
welches mit grosser Präcision dem Winde gemäss bald an diesem, bald an jenem Ende
des Fahrzeuges aufgestellt wird« (Kittlitz). Wenn ich in der ausführlichen Beschreibung
des Ponap6-Canus (Zeitschr. für Ethnol., 1880, S. 327) Lütke's Darstellung dieser eigen-
thümlichen und höchst primitiven Segeleinrichtung als eine »bedauerliche Unrichtig-
keit« bezeichnete, so war dies meinerseits ein Irrthum, denn ich vergass, dass die Pona-
pesen seit 1828 nach europäischem Vorbilde den Mast eingeführt hatten. Es ist dies
ganz besonders interessant, denn es beweist die Isolirtheit der Insulaner und ihre frühere
Abgeschlossenheit von allen fremden Verkehr. Hätte ein solcher nämlich von den west-
lichen Carolinen aus stattgefunden, so würde die Verbesserung eines Mastes jedenfalls
schon längst eingeführt worden sein, da alle diese Fahrzeuge einen solchen besitzen.
Die Abbildung eines Canu von Ponap^ in der »Novara-Reise« (S. 394) ist übrigens ver-
fehlt und bezüglich der Breite ebenso unrichtig als das in demselben Werke dargestellte
Saloroons-Canu (S. 433). Canus mit Mast gehörten zu meiner Zeit übrigens zu den
Ausnahmen und wurden höchstens von eingeborenen Lootsen benützt, die ins offene
Meer Schiffen entgegengingen, um sie in die Lagune zu führen. Das Segel hat die be-
kannte dreieckige Form und ist aus Matten oder Leinwand gefertigt, wie Hochstetter
schon 1858 beobachtete. Die Canu sind, wie auf Kuschai^ meist braunroth angestrichen,
wozu man (nach der »Novara-Reise«) den Farbstoff einer Pflanze (Bixa orellana) be-
nützt. Nach Kubary besteht diese Farbe aber aus rother Thonerde, mit Firniss aus der
>Ais«-Nuss gemischt.
262 Dr. O. Finsch. [518]
Gewöhnlich bediente man sich Paddel oder auf seichten Stellen des Riffs langer
Stangen zum Staken. Die Form der roth angestrichenen Paddel ist ganz dieselbe als
von Kuschai (S. [479]), nur das Blatt länger und spitzer. Die in der »Senjavin-Reise«
(PI. 3i, Fig. 4 und PL 24) abgebildete Form (mit rechtwinkelig abgesetzter Basis des
Blattes) erinnere ich mich nicht gesehen zu haben.
Auf der Lagune wird zuweilen ein grosses Bananenblatt an eine Stange befestigt
als primitives Segel benützt.
Grosse Canus von 40 Fuss Länge, welche 12 — 14 Personen tragen, gibt es wenige,
gewöhnlich sind sie kleiner und für 4 — 8 Menschen eingerichtet. Bei Gelegenheit des
Besuches des Idschibau von Metalanien in Jokoits hatte ich am besten Gelegenheit, dies
zu beobachten, denn der hohe Herr kam mit seiner ganzen Flotte, die an 50 Canus
zählte und an 3oo Eingeborene an Bord führte. Verzierungen irgendwelcher Art habe
ich bei Ponape-Canus nicht gesehen; aber nach Kubary sollen Schnitzereien, »wenn
auch in untergeordnetem Gradec, vorkommen. Wenn Kubary (in Joest: »Tätowirenc,
S. 94), auf die Aehnlichkeit der Canus von Ponap^ und Pelau hinweisend, die Herkunft
der Bewohner der letzteren Insel von der ersteren ableiten möchte, so ist diese Annahme
ebenso irrig wie die Aehnlichkeit der Fahrzeuge eine zufällige. Wie wir bereits (S. [274],
[480]) gesehen haben, wiederholt sich derselbe Typus in der Bauart allenthalben, und
so kommt der des Ponap^-Fahrzeuges auch in Melanesien und anderwärts vor. So im
»Vanakac der Südostküste Neu-Guineas (Chalmers: »Pioneeringc, Abbild. S. 196 und
320), in Astrolabe-Bai (Finsch: »Ethnol. Atlas«, Taf. IV, Fig. i) an der Nordküste von
Kaiser Wilhelms-Land (ibid., Taf. VII, Fig. 4: Dallmannhafen, und Fig. 5: Venushuk),
in Torresstrasse, in Neu-Irland (Hernsheim: »Südsee-Erinnerungen«, Abbild. S. 106),
Hochstetter vergleicht das Ponape-Canu mit dem der Nicobaren. Wesentliche Eigen-
thümlichkeiten basiren weniger auf dem eigentlichen Schiffskörper des Canu, sondern
in der Constrüction des Auslegergeschirrs. Und darin zeigen, nach der Abbildung Ku-
bary's (»Ethnol. Beitr.«, I, Taf. XIII und XIV) zu urtheilen, die Canus der westlichen
Inseln Sonsol (Sonsorol) und Bunai (St. David) jedenfalls mehr Aehnlichkeit mit der
Bauart auf Ponap6 als die von Pelau. ')
In der Sprache von Sonsol heisst das Canu »Wa«, was übrigens keineswegs ge-
nügt, um, wie Kubary meint, die carolinische Verwandtschaft anzudeuten (vgl. vorne
S. 159 [415], Anm.). Zum Typus der ausgehöhlten Baumstammeanus gehört auch das
»Wakha« von Nukuor, soweit sich darüber nach Kubary's Mittheilungen (Kat. M. G.,
S. 340) urtheilen lässt, der freilich mehr die Ceremonien beim Bau etc. als das Fahrzeug
selbst beschreibt. Das »Wakha« führt Mast und Segel, die aber selten benützt werden,
da die Nukuorer keine weiten Seereisen machen und sich meist nur Paddel bedienen.
Die Uebereinstimmung des Nukuor-Canus mit dem von Nukufetau der Ellice-Gruppe
ist immerhin bemerkenswerth.
Canuhäuser, oft von ansehnlicher Grösse, dienen zur Unterkunft der Fahrzeuge,
zugleich aber auch als eine Art Versammlungshaus, sowie als Schlafstätte der ledigen
Männer. Das grosse Gebäude links auf dem Bilde von Hernsheim (» Südsee -Erinnern n-
«) Kubary beschreibt (Joum. M. G., Heft IV, 1873, 9. 59) von hier drei durch die Grösse ver-
schiedene Canus, die übrigens sämmtlich nicht Hochseefahrzeuge sind und von denen das Taf. 3 ab-
gebildete »Kaep« jedenfalls eine Phantasiefigur ist, ohne Werth für ethnologische Vergleichung. Ein-
legearbeiten (in Perlmutter und Muschel) von Pelau-Canus bildet Edge-Pariingion ab (PI. 180). Reichere
Kunstarbeiten in dieser Technik zeichnen gewisse Canus der Salomons aus (vgl. Cooic: »The Western
Paciiicc, S. 145), wie diese Art Verzierung von Kotzebue auch von Ojalava oder Olajava (Upolu) der
Saraoa-Gruppe erwähnt wird (»Neue Reise« etc., S. 149)
I c I gl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 263
gen«, S. 66) stellt das Canuhaus des Idschibau von Metalanien dar und zeigt den be-
trächtlichen Grössenunterschied gegenüber gewöhnlichen Wohnhäusern. Es enthielt *
12 — 15 Fahrzeuge, die theils auf dem sanft geneigten schrägen Boden standen oder auf
besonderen Trägern zwischen Querbalken übereinander hängend untergebracht waren.
Von SeBVerkehr kann bei Ponap6 kaum die Rede sein, da nur gelegentlich Fahrten
nach dem benachbarten Andema (circa 10 Seemeilen) oder Pakin (18 Seemeilen) unter-
nommen werden. Kubary berichtet einen Fall von Verschlagenwerden auch für Pona-
pesen, die statt dem circa 60 Seemeilen entfernten Ngatik unfreiwillig 36o Seemeilen
weit nach Ruk gelangten.
g. Körperhülle und Put{.
A. Bekleidung.
Europäische Kleider waren zu meiner Zeit auf Ponap^ minder stark vertreten als
auf dem fast ganz christianisirten Kuschai, immerhin hatten aber eingeführte Zeuge die
Nationaltracht zum Theil schon beeinträchtigt. Diese Tracht besteht in dem Kaol,
d. h. einem fast bis auf die Knie reichenden, ringsum schliessenden Faserrock, der früher
von beiden Geschlechtern (vgl. PI. 24 und 3i der »Senjavin-Reise«), zu meiner Zeit
aber vorzugsweise von Männern getragen wurde, die dadurch, wie schon v. Hochstetter
treffend bemerkt, ein sehr weibisches Aussehen erhalten. Der Kaol ist übrigens ganz
verschieden von dem ähnlichen Bekleidungsstück der Männer aqf den Marshall-Inseln
(vorne S. 168 [424], Fig. 25) und stimmt am nächsten mit den F'aserröckchen überein,
wie sie auf den Gilbert-Inseln (S. 73 [341]) und vielerwärts in Melanesien (vgl. Neu-
Guinea), aber nur vom weiblichen Geschlecht getragen werden.
Wie in diesen Gebieten kennt man auch auf Ponap^ gewöhnliche und feinere
Sorten Kaol, die als Alltags-, respective Festtagstracht gelten können. Die gewöhn-
lichen Kaol sind grobfaserig, naturfarben und meist aus den gespaltenen Fiedern des
Cocosblattes (»Til«), oder aus Hibiscus-EsiSl (nach Kubary aus dem Baste einer Mal-
vaceenart) verfertigt (vgl. »Anthrop. Album M. G.«, Taf. 25, Fig. 392).
Bei festlichen Gelegenheiten wird aber über den gewöhnlichen Faserrock eine
feinere Sorte getragen, wie das folgende Stück:
Kaol (Nr. 240, i Stück) Faserrock für Männer aus den Blattfiedern junger Cocos-
palmen, sehr fein zerschliessen und mit Curcuma gelb gefärbt. Taillenweite 78 Cm.,
Länge 48 Cm. Jokoits.
Diese Art Staatskleider sind gewöhnlich am oberen Rande mit einer Franse aus
rothen Wollfäden verziert, zuweilen die Fasern sehr fein gefaltet in Pliss^ gelegt, was
sehr hübsch und eigenartig aussieht» Die Bindfaden zum Festbinden werden ebenfalls
gern mit rothen Wollfädcn umwickelt und enden in eine Quaste aus gleichem Material.
Andere sehr feine Staats-Kaol bestehen aus fein gespaltenen Fasern von Hibiscus-Ezst,
sind mit Abkochung von Mangrovenrinde lohfarben oder röthlich kirschbraun, zuweilen
auch mit Curcuma gelb gefärbt und wurden früher nur bei den Tänzen getragen. Ich
erhielt nur noch einen solchen Kaol, da diese Sorte schon damals nicht mehr gemacht
wurde. An der Bindequaste sind zuweilen als Verzierung Glasperlen oder Muschelscheib-
chen (aus den Ruinen ausgegrabene) befestigt.
Häufig wird über dem Faserrock noch eine Jacke (vgl. Finsch: Zeitschr. für Ethnol.,
Taf. XI) getragen oder ein Hemd, und in diesem Anzüge erschienen die grössten
Herrscher Ponap^s, wie der Idschibau von Metalanien und der Nanmareki von Jokoits
vor mir.
Anilalcii Jch k. k. ndturlltstorischen Hofmuseums, Bd. VIII» Heft 2, i8y3. I9
264 ^r. O. Finsch. [520]
Aehnlich wie die Frauen in Port Moresby zuweilen einen Faserrock als Mamille
um die Schultern tragen, sah ich dies auch bei Männern auf Ponap^, die bei feierlichen
Gelegenheiten solche gelbe Staats- Kaol umgeschlagen hatten. »Vor der Ankunft der
Weissen trugen die Ponap^anerinnen Zeug aus dem Baste eines Baumes« sagt Kubary,
also wohl eine Art Tapa, die ich indess nicht mehr zu sehen bekam. Auch der Faser-
rock (Kaol) war beim weiblichen Geschlecht bereits sehr aus der Mode gekommen und
dasselbe kleidete sich fast allgemein in europäische Stoffe. Nur vornehmere, besonders
aber eingeborene Frauen von Händlern (Tradern) trugen ein langes Kattunkleid (vgl.
Finsch, I. c, Taf. XI), im Uebrigen genügte ein sogenannter »Lavalava«, d. h. ein StGck
Zeug von der Grösse zweier Taschentücher, das um die Hüften geschlagen wird. Eine
solche moderne mit dem »Likut« (= Zeug) bekleidete Ponapesin ist bei Hernsheim
(»Südsee-Erinnerungen«, Taf. 12) abgebildet. Diese Lendentücher sind besonders in
Gelb beliebt oder werden noch besonders mit Curcuma gelb eingerieben.
, Als weitere Bekleidung trugen die Frauen früher eine Art Poncho (vgl. »Senjavin-
Reise«, PI. 24 und 3i), von dem ich aber kein Stück mehr erlangte. Nach v. Kittlitz
bestanden diese Mantillen aus demselben Material als die Faserröcke, also Cocosfasern,
und manche derselben waren »prächtig scharlachroth« gefärbt. Andere Mantillen, in
Form eines dreieckigen Tuches, waren aus gewebtem Stoff, demselben, aus welchem die
Gürtel bestehen, angefertigt (vgl. »Senjavin-R^ise«, PI. 3t). Aber dies ist jedenfalls un-
richtig, denn nach Lütke waren diese Mantillen aus Tapa gefertigt, »derselben, wie sie
auf Tahiti gemacht wird« (Voyage, II, S. 26), aber nach Mertens nicht aus Bast von
Droussonettia, sondern Brotfruchtbaum. Diese früheren Poncho werden jetzt allgemein
durch ein buntes, am liebsten gelbes Taschentuch (»Licinmar«) ersetzt, durch welches
ein in der Mitte eingeschnittenes Loch als Schlitz dient, um den Kopf durchzustecken
(vgl. Taf. 27 des »Anthrop. Album M. G.«). Sehr ähnliche Ponchos (»Likou«), aus
Pandanus geflochten, tragen die Frauen auf Sonsol, aber nicht auf Bunai (Kub., I, S.92,
Taf. XII, Fig. 2).
B. Putz und Zieraten.
Auch hierin ist auf Ponap^ bereits fast alle Originalität verloren gegangen und
von den früher gebräuchlichen Schmuckgegenständen, wenn überhaupt, nur noch
schlechte Nachbildungen übrig geblieben. Eingeführte Glasperlen und besonders die
so sehr beliebten Fäden rother Wolle, welche aus rothen Fries gezupft werden^ haben
ganz besonders zum Verfall der einheimischen Arbeiten beigetragen, denn namentlich
ist es rothe Wolle, die bei den meisten Putzsachen Verwendung findet. Die letzteren
bestehen hauptsächlich in Kopf binden, wenig Halsschmuck, eigenthümlichen Ohr-
stöpseln und Gürteln, die wir später unter »modernem Putz« kennen lernen werden.
Zunächst sei der
a) Prähistorischen Ueberbleibsel
gedacht, wie sie die Ruinen von Nanmatal lieferten, weil dieselben am besten die Iden-
tität der heutigen mit den früheren Bewohnern beweisen. Ausser einem kleinen
Spermwalzahn und einem Fragment aus Walfischknochen,*) verschiedenen Arbeiten
aus Conus, bestehen dieselben ganz besonders in zwei Arten von Spondylus-lAMSchA
(^Sp. flabellum und rubicundus Reeve). Wie die Letzteren beweisen, muss die Ver-
arbeitung solcher einstmals lebhaft betrieben worden sein und die Verwendung der-
selben zu Schmucksachen eine hervorragende Stelle eingenommen haben. Die nach-
») Kat. M. G., S. 285, Nr. 2767 und 2768.
rc2i1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 265
folgenden Stücke geben eine vollständige Darstellung dieses Materials nach Exemplaren,
die ich selbst in den Ruinen von Nantauatsch bei Nanmatal ausgrub.
Rohe Muschelschale (Nr. 473, i Stück), untere Hälfte, von Spondylus ßabei-
lum Reeve (nach v. Martens), 12 Cm. lang, 10 Cm. breit; völlig unbearbeitet, die
Längsrillen der Unterseite ziemlich gut erhalten, aber die Schale mit einem dünnen
kalkigen Ueberzuge, der sich leicht abkratzen lässt, so dass dann das Roth der Schale
sichtbar wird; dasselbe ist ziemlich blass, nimmt aber durch Anfeuchten eine lebhaftere
Farbe an, allerdings nie so lebhaft roth als an frischen Muscheln.
Halsschmuck (Nr. 473 a, i Stück, Taf. V [22], Fig. 9), obere Schale, ebenfalls
von Spondylus flabellum, 85 Mm. lang, 75 Mm. breit; die Oberfläche ist schmutzig-
röthlich und wird durch Befeuchten viel lebhafter röthlich. Das Stück ist auf der
Oberseite und an den Rändern abgeschliffen und oberseits mit zwei Löchern durch-
bohrt, zum Befestigen eines Bindfadens, da dasselbe jedenfalls in dieser Weise als Hals-
ornament*) diente.
Derartige Muschelschalen, circa '/j — iVa Fuss tief in der Bodenschicht, meist
losen Korallgrus, des Hauptgewölbes eingebettet, bildeten das häufigste Fundobject der
Ausgrabungen und machten sich bei ihrer Grösse am meisten bemerklich. Diese Schalen
sind noch sehr fest, also nicht eigentlich verwittert, aber mehr oder minder stark ver-
blasst, erhalten aber durch Anfeuchten eine verschieden starke röthliche Färbung wieder.
Die grösste Schale, welche ich erhielt, mass 15 Cm. in der Länge, 12 Cm. im Quer-
durchmesser. Die meisten Schalen gehören, nach gütiger Bestimmung von Prof.
V. Martens, zu Spondylus flabellum Reeve, aber es sind auch Schalen einer anderen
Art dabei, schmäler und mehr gewölbt (bis 135 Mm. lang und 95 Mm. breit), die der-
selbe Specialist als Spondylus rubicundus Reeve bestimmte. Die Mehrzahl der gefun-
denen Muscheln sind roh, darunter ein Exemplar mit beiden Schalen noch im Schloss
verbunden, eine ziemliche Anzahl aber in verschiedenen Stadien der Bearbeitung, d. h.
mehr oder minder abgeschliffen (wie z. B. Nr. 473 a) und zum Theil durchbohrt. Sehr
bemerkenswerth ist der Umstand, dass ich auch kleinere Bruchstücke (circa 50 Mm.
lang und 20 Mm. breit u. s. w.) fand, künstlich zerschlagen und offenbar Rohmaterial
zu Scheibchen.
Nach Kubary's Ansicht wären diese Muschelschalen den Verstorbenen aus Pietät
mit ins Grab gegeben und die Muschel selbst würde jetzt nicht mehr in den Gewässern
von Ponapd vorkommen. Beide Annahmen sind zweifellos falsch. Denn wie die Menge
der Fundstücke, namentlich von Rohmaterial, in verschiedenen Stadien der Bearbeitung
bis zu den fertigen Muschelscheibchen in allen Grössen beweist, haben wir es hier ledig-
lich mit Wohnstätten und den darin befindlichen prähistorischen Werkstätten zu thun
(vgl. S. 257 [513]). Sorgfältige Ausgrabungen, wie ich sie nicht anstellen konnte, wür-
den wahrscheinlich auch die Schleifsteine zu Tage fördern, welche einst zum Schleifen
der Muscheln dienten.
Die Muschelschalen (Spondylus flabellum) aus den Ruinen wurden von einem
Yap- Eingeborenen sogleich als dieselben erkannt, aus welchen man dort noch heute die
rothen Muschelscheibchen schleift. Diese Muschel ist aber ziemlich schwer zu erlangen,
da sie in ansehnlicher Tiefe festgewachsen lebt und die heutigen Bewohner Ponap^s
eben zu faul sind, um sich deswegen Mühe zu geben. Sie begnügen sich mit der
I) Solche grosse SpondylusScYizX^ny wie auch einzelne Cypraea aurora, bildeten nach Wilkes
auf Pidschi den kostbarsten Schmuck^ welcher sich in Häuptlingsfamilien vererbte. Der Kat. M. G.
(S. 152, Nr. 1156) verzeichnet von daher einen solchen Halsschmuck aus einer Spondylus-Schale.
19*
206 ^r, O. Finsch. [522]
Hinterlassenschaft ihrer Vorfahren aus den Ruinen, die ihnen noch heute auf leichte
Weise das Material zu verschiedenen Schmucksachen liefert.
Prähistorische Muschelscheibchen (Nr. 475, Taf. VIII [25], Fig. i3) aus Spon-
dylus geschliffen, von den heutigen Ponapesen »Pake« genannt (Kubary). Die abge-
bildete Reihe stellt alle Grössen vor, welche ich in den Ruinen fand, und von denen
die kleineren Nummern (9 — 13) am häufigsten waren. Sie sind besser erhalten als die
grossen, d. h. weniger verkalkt, aber alle, auch die grossen kalkweissen (Fig. 7) nehmen
durch Anfeuchten eine schwache röthliche Färbung an. Kubary*s Annahme (in Joest:
»Tätowiren«, S. 94), als seien die Muschelscheibchen der Vorzeit vollkommener und
besser geschliffen als die der gegenwärtigen Carolinier, entbehrt jedes sicheren Haltes.
Wie überall gibt es besser und weniger gut gearbeitete Scheib-
Fig. 51. chen, und solche liegen mir auch aus den Ruinen vor.
Ein sehr instructives Stück stellt die nebenstehende Fig. 51
dar, und zwar ein in der Bearbeitung begriffenes Plättchen. Das-
selbe ist circa 4 Mm. dick und auf beiden Seiten ziemlich glatt
geschlitfen, der obere Rand abgebrochen. Unter Zugrunde-
legung der Anfertigung der Scheiben aus Perlmutter (S. 83 [351],
Muschelscheibchen in Fig. 15) erklären sich an diesem Stücke auch die der Spondylus-
Bearbeitung. scheibchen sehr einfach. Man braucht sich nur die beiden oberen
Natüri. Grösse. Ecken (bei d) abgeschliffen zu denken und das Scheibchen ist bis
auf das Durchbohren des Loches fertig.
Ausser SpondylusSch^ihch^ny die einstmals wie noch heute auf Ruk u. s. w.
Jedenfalls als Geld dienten, fand ich auch noch eine Anzahl:
Spondylusplättchen ^Taf. VIII [25], Fig. 14), in verschiedener Grösse, durch-
bohrt, als Anhängsel für Halsbänder, wie wir dieselben von den Gilbert-Inseln (S. 82
[350]) u. s. w. kennen. Ein ganz ähnliches Stück aus der jüngeren Zeit Ponapes ist auf
Taf. VIII [25], Fig. 15, abgebildet. Kubary fand auch lanzettlich zugeschliffene schmale
5/?o«4r/M5-Stückchen, zwei- und dreifach durchbohrt, die als Schmuck gedient hatten.
Das in seiner Verwendung zu Schmuckgegenständen so weit verbreitete Material,
Scheiben oder Ringe aus den Spiren von Conus millepunctatus, sogenannte Conus-
Boden, sind auch von den alten Ponapesen zu gleichen Zwecken benützt worden, wie
das folgende Stück zeigt:
Halsschmuck (Taf. VII [24], Fig. 14), Ring aus Conus millepunctatus^ noch in
Bearbeitung begriffen.
Aus demselben Material fand Kubary Armringe, die ganz mit denen von Kuschai
(Nr. 36 1, S. 229 [485]) übereinstimmen, sowie Bruchstücke von solchen mit eingeschlif-
fenem Mustei', was sehr bemerkenswerth ist (vgl. Kat. M. G., S. 284, Nr. 3460 und 2760,
S. 285, Nr. 2761: >interessante Serie^von fünf Co/ii/5-Ringen, die Entwicklung des
Ringes während des Schliffes zeigend«).
Pdrlmutter, das in den Schmucksachen der Carolinen überhaupt wenig vor'
kommt, ist in den Ruinen allerdings auch von mir gefunden worden, aber immer nur
in kleinen Stücken, zweifellos Fragmente von Fischhaken (vgl. Taf. [20], Fig. 4), nie
in grösseren Stücken oder ganzen Schalen.
Die in den Ruinen gefundenen Schrauckgegenstände oder Fragmente von solchen
stimmen in Material, Bearbeitung und mit geringen Ausnahmen auch in der Form
durchaus mit denen überein, wie sie heute noch in den Central -Carolinen (z. B»
Ruk) gemacht werden. Vermuthlich verstanden die alten Ponapesen auch Cocosnuss-
schale und Schildpatt zu bearbeiten, wenn von diesen leichter vergänglichen Materialien
! C23| Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 207
auch nichts mehr in den Ruinen erhalten blieb. In jedem Falle beweisen die Fund-
stücke die Identität der früheren Bewohner der Ruinen mit der heutigen Bevölkerung
nicht blos Ponap^s, sondern der Carolinen überhaupt.
b) Moderner Putz.
Dass die Erbauer der jetzigen Ruinen viel fleissiger und geschickter als ihre heuti-
gen verkommenen Nachkommen waren, zeigen die Fundstücke am besten. Von den
früheren Arbeiten aus Muscheln werden höchstens noch leicht herzustellende Plättchen
aus Spondylus gearbeitet (wie Taf. [25], Fig. 15), während Perlen aus Cocosnuss fast
ganz durch Glasperlen verdrängt wurden.
Charakteristisch für modernen Schmuck von Ponape, der fast nur in Halsketten
und Kopfbinden besteht, sind daher Glasperlen (besonders weisse und schwarze) und
zum Theil nicht üble Stickereien in bunter (rother und blauer) Wolle, insbesondere
Verzierung mit rothen Wollfäden. Federputz scheint unbekannt und ist mir wenigstens
niemals vorgekommen, obwohl die im Gegensatz zu den Atollen viel reichere Ornis
(vgl. 233 [489] hübsches Material liefern würde.
a) Hautverzierung.
Wie Kuschai besitzt auch Ponape eine durchaus spontane Täto wirung
(»Intschin«, »ting« = zeichnen: »Novara«), die mit zu der reichsten und schönsten des
ganzen Carolinen-Archipels gehört. Das sehr zierliche geradlinige Muster bedeckt beim
weiblichen Geschlecht die Arme bis zur Mitte der Hand, die wie mit durchbrochen ge-
arbeiteten langen Tricothandschuhen bekleidet aussehen (Finsch, 1. c, Fig. 3 und 6;
Kubary: Journ. M. G., Heft VIII, 1875, S. i32, Fig. i und 2 und in Joest: »Tätowiren«,
S. 89), die Beine vom Knöchel bis zum halben Oberschenkel wie mit Strümpfen, von
hier wie mit einer Art Badehose bekleidet (Finsch, 1. c, Fig. 8 — 18; Kubary: Journ.,
S. 134, Fig. 6 und »Tätowirenc, S. 90), die ringsum die Hüften wie von einem breiten
Gürtel umspannt und vorne auf dem Schamhügel*) wie mit einem breiten Gürtelschloss
geschlossen ist (Finsch, 1. c, Fig. 7, a und b). Tätowirung der »Füsse« (»Novara-Reise«,
S. 410) kommt nicht vor. Männer sind auf Armen und Beinen wie die Frauen tätowirt
(Kubary: Journ., S. i33, Fig. 3 und 4; »Tätowiren«, S. 88), bei ihnen fällt aber der
Gürtel (wie ich ihn irrthümlich auch für Männer angab) weg. Diese Gürteltätowirung
mit dem kunstvollen Muster auf dem Venusberge ist daher für die Frauen von Ponape
ganz besonders charakteristiscn und findet sich in den ganzen Carolinen nicht mehr
wieder. Dagegen erinnert die Beintätowirung der Ponap^-Frauen am meisten an die
Kniehosentätowirung der Samoa-Männer (vgl. S. 14 [282]).
So strict wie Kubary 2) übrigens die Tätowirung auf Ponape angibt, wird dieselbe
nicht geübt, denn ich konnte während meines kurzen Aufenthaltes eine Reihe gegen-
theiliger Beobachtungen sammeln. Ich untersuchte, um die Tätowirung kennen zu
lernen, eine Anzahl Personen verschiedenen Alters und fand, wie überall, sehr erheb-
liche Verschiedenheiten in der mehr oder minderen Vollendung dieses Schmuckes, und
doch fiel mein Besuch nur sieben Jahre nach Kubary 's erstem Eintreffen (1873) auf der
Insel. Ein junges Mädchen hatte sich den ganzen Gürtel in einer Tour tätowiren lassen,
») Die Behaarung wird auf diesem Theile deswegen nicht constant ausgerissen, wie Kubary
meint; ich konnte mich wiederholt vom Gegentheil überzeugen.
2) »Frauen müssen tätowiren« — »Mädchen ohne Tätowirung würden ihres hauptsächlichsten
Schmuckes entbehren und zum Gegenstand des Spottes werden« — »kh glaube nicht, dass auf der
ganzen Insel Ponape ein einziges Individuum dieses Schmuckes entbehrt« — »Der hauptsächlichste
i^chmuck ist Tätowiren. Bei der Ausfuhrung werden aber keine religiösen Gebräuche vorgenommen«
fin Joest: -»Tätowiren'», S. 89).
268 Dr. O. Finsch. [324]
und die ganze Partie zeigte noch den Eiterschorf, welcher erst am dritten Tage abfällt.
Dieses Beispiel beweist, dass die geringere oder ausgedehntere Ausführung der Täto-
wirung ganz von dem Willen und der Widerstandsfähigkeit des Individuums abhängt,
wie dies allenthalben stattfindet. Von einer stricten Reihenfolge, wie sie Kubary für die
einzelnen Körpertheile nach dem fortschreitenden Alter für die Tätowirung auf Ponape
verzeichnet, kann also nicht die Rede sein. Nach Kubary bildet die Randbinde oberhalb
des Knöchelgelenks den Schluss der vollständigen Tätowirung einer Ponap^-Frau. Ich
sah dieses Zeichen aber bereits bei jungen Mädchen, die im Uebrigen noch sehr unvoll-
ständig tätowirt waren, wie dies auch aus Hernsheim's Abbildung (»Südsee- Erinnerun-
gen«, Taf. 12) ersichtlich ist. Nach Kubary wird die Tätowirung eines Armes nicht in
einem Tage fertig, aber auch die Zeit lässt sich nur beziehentlich angeben, da dieselbe
ja ganz von der Geschicklichkeit der Tätowirerin abhängt. So sah ich eine Frau, der
beide Beine in drei Tagen fix und fertig tätowirt worden waren. Diese Verzierung hatte
7 »Lavalava« (= 14 baumwollenen Taschentüchern) gekostet.
Wie meist überall dient Tätowirung hauptsächlich der Verschönerung der Frauen,
aber auf Samoa herrscht das umgekehrte Verhältniss, denn hier sind es gerade die Män-
ner, welche sich tätowiren. Auf Ponape gab es im Ganzen weit mehr massig oder un-
tätowirte Personen als tätowirte, Verhältnisse, die nach v. Miklucho-Maclay auf Pelau
und Yap genau dieselben sind. Uebrigens hatte der Gebrauch des Tätowirens schon
damals auf Ponap6 bedeutend nachgelassen und war sehr in der Abnahme begriffen.
Der regere Schiffsverkehr mit der Aussenwelt hatte bereits gewisse fremde Zeichen (vgl.
Fig. II — 13 meiner Abhandlung) schon damals eingeführt, die namentlich bei Männern
sehr beliebt waren, und jetzt dürften die Originaltätowirungen, immer mehr verdrängt,
vollends in Verfall gerathen sein.
Kubary erwähnt noch gewisser Schnittwunden auf Oberarm und Achsel bei beiden
Geschlechtern, deren Narben als Zeichen persönlichen Muthes somit im Sinne von Zier-
narben zu betrachten sind und »Kopatsch« (= Schmuck) heissen (in: Joest, »Täto-
wiren«, S. 91 Anm.).
Tätowirgeräth. Das auf Ponape gebräuchliche Instrument zum Tätowiren bildet
Kubary ab (Journ. M. G., Heft VIII, S. 185, Fig. 10) und beschreibt in ausführlicher
Weise die Operation, welche ähnlich wie anderwärts geschieht. Das Instrument ähnelt
dem (Fig. 61) abgebildeten der centralen Carolinen, der Kamm besteht aber nicht aus
einem Stück Schildpatt oder Knochen, sondern aus mehreren flach zusammengebun-
denen Dornen einer Citrus- An und heisst »Kalic« (Kalitsch). Aus demselben Material
war das Tätowirgeräth der alten Fidschianer verfertigt (Kat. M. G., S. 182). Als Schwärze
dient der Russ der verbrannten »Dziakan«- (Jakan-) Nüsse (Aleurites triloba), wovon
das k. k. naturhistorische Hofmuseum eine Probe durch die »Novara-Reise« besitzt.
Cheyne's Angabe, dass die Schwärze mit Oel angerieben wird, ist nach Kubary un-
richtig (in: Joest, »Tätowiren«, S. 8g).
In der Einleitung (S. [281] — [283]) habe ich bereits oceanischer Tätowirungen gedacht, um in
Kürze zu zeigen, dass sich dieselben überall in localen Variationen fast über das ganze ungeheure
Gebiet verbreiten. Mehr als bei irgend einem anderen Zweige der Ethnologie liegt es nahe, hinsicht-
lich der Tätowirung eine zoologische Parallele zu ziehen, wenigstens mit dem mir geläufigen Gebiete
der Ornithologie. Wie hier gewisse Genera über die ganze Südsee verbreitet sind und fast auf jeder
Inselgruppe oder Insel specifische Vertreter besitzen (wobei ich besonders an die Taubengatiung Pt'üi-
nopus erinnern möchte), so verhält es sich mit der Tätowirung generisch betrachtet. Ueberall Hoden
wir gewisse locale Verschiedenheiten in den Mustern und der Anordnung und Vertheilung derselben
auf verschiedene Körpertheile, die bei ihrer Constanz (abgesehen von absichtlichen Uebertragungen) für
den Zoologen jedenfalls Specieswerth erhalten würden. Dabei sei nochmals an die beachtenswerthe
[5 2 51 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SOdsee. 26q
Thatsache erinnert, dass, mit Ausnahme von Neu-Seeland und den Markesas, die Muster der Täto-
wirungen mit der Ornamentik der betreffenden Insulaner in keinem Zusammenhange stehen. Wie in
der Zoologie ein weitverbreitetes Genus auffallender Weise auf Inseln fehlt, wo man jedenfalls einen
Vertreter erwarten durfte, so verhält es sich auch bezüglich der Tätowirung, über die ich im Nach-
folgenden vergleichsweise weitere charakteristische Notizen einfüge.
Am nächsten verwandt mit der von Ponapd ist die:
TStowimng von Pelau. Frauen: Arme innen und aussen bis zur Hälfte des Oberarmes nebst
der Oberseite der Hand; Beine von der Ferse bis zum Gemäss, meist an Hinterseite und Seiten mit
sehr eigenthümlichem dichtstehenden Muster, das wie gestricktes Tricot kleidet; den Schamhügel be-
deckt ein dichtes blaues Feld, darüber zuweilen eine Reihe länglicher Vierecke wie Sterne. Männer
tätowiren nur die Hände, Unterarme und Beine; nach Kubary nur das linke (?) (Kubary i) in Joest:
»Tätowiren«, S. 76: Arme und Hände und S. 77, 78: Beine von Frauen; Miklucho-Maclay: Zeitschr.
für Ethnol., 1878, Taf. XI, Fig. 5: Schamberg). Hernsheim's Bild von Aba Thule (Aibatul) »Südsee-
Erinnerungen«, Taf. II) zeigt den Herrscher Pelaus nur auf der Oberseite der Hand und einem Theil
des Unterarmes in einer Weise tätowirt, als trüge er lange Fausthandschuhe, im Uebrigen ohne an-
dere Tätowirung. Nach v. Miklucho-Maclay sind auf Pelau bei Weitem nicht alle Männer tätowirt,
und die Tätowirung ist bedeutend geringer als auf Yap. Nach Kubary sind auf Pelau auch Brand-
male sehr beliebt, mit denen sich namentlich Mädchen die Arme verzieren.
Eine Vergleichung der Tätowirungen von Ponap^ und Pelau zeigt die totale Verschiedenheit
in den Mustern, sowie in der Anordnung derselben; Kubary*s Versuch (in Joest: »Tätowiren«, S. 93),
auf Grund der Tätowirung die Bevölkerung Pelaus von Ponapd herstammen zu lassen, fällt daher
ebensowenig glücklich aus als hinsichtlich der Canus (S. 262 [518]).
Tätowirung von Yap. Dieselbe zeigt gewisse Aehnlichkeit mit der von Pelau, aber auch so
charakteristische Eigenthümlichkeiten, dass sie volle Selbstständigkeit bewahrt.
Frauen: Oberseite der Hand nebst Fingern (selten Schamgegend, die angrenzenden Theile des
Oberschenkels nebst Gesäss); Männer: die Beine in derselben Ausdehnung wie auf Ponap^, aber in
ganz anderem Muster, für welches die abwechselnd dunklen und hellen Quersireifen auf der Hinter-
seite der Wade charakteristisch sind (vgl. Kubary in Joest: »Tätowiren«, S. 81: Bein eines Mannes; und
Journ. M. G., Heft VIII, S. 123, Fig. 5: ebenfalls Beine eines Mannes, aber etwas abweichend; hier auch
S. i34, Fig. 7: Mädchenhand aus einem yap'schen Sclavenstamme). Mit diesen Darstellungen Kubary's
stehen die in Heft II desselben Journals gegebenen Abbildungen (Taf. IV. Fig. i : »Tätowirung eines
Mannes von Yap«, Häuptlings von Rul, S. 15, und Taf. 5, Fig. 3: »Tätowirung der Hand einer
Frau« 2) durchaus im Widerspruch und sind als Anschauungsmaterial nicht nur werthlos, sondern
schädlich. Jedenfalls rühren diese Vorlagen wie die Textnotizen (S. 15) von Capitän Tetens her, dessen
Mittheilungen sich meist als höchst unzuverlässig erwiesen und in Bezug auf Yap zum Theil durch
v. Miklucho-Maclay widerlegt wurden (»Globus«, XXX, 1878, S. 41).
»Die andere auf Yap bestehende Tätowirung heisst ,eol^ (auf Pelau ,semoIuk') und ist diese
auch auf den Mackenzie-Inseln zu Hause«, sagt Kubary (S. 81) und meint damit thatsächlich die total
abweichende:
Tätowirung von Uluti (Mackenzie-Inseln), Sie bedeckt in eigenthümlichem sehr dichtem Muster,
vielleicht dem schönsten der ganzen Carolinen, fast den ganzen Rücken und Brust und zieht sich
über das Gesäss auf den oberen Theil der Schenkel. Wir kennen sie bis jetzt nur von Männern
(Kubary: Journ. M. G., VIII, S. i35, Fig 8, »Mogomug«: Vorderseite; und in Joest: »Tätowiren«,
S. 82, »Yap«: Rückenansicht). Nach v. Miklucho-Maclay ist die Tätowirung auf Yap und Uluti (Mog-
mog) gleich, da bei dem regen Verkehr beider Inseln sich Yapleute gern auf Uluti tätowiren lassen,
wie Eingeborene es ja lieben, von ihren Reisen derartige Erinnerungszeichen mit heimzubringen. So
sah ich wiederholt Marshallaner (beiderlei Geschlechts) mit Ponapd-Täiowirung geziert. Selbstredend
sind auch auf Uluti bei Weitem nicht alle Eingeborenen tätowirt, wie dies unter Anderem mit den
«) Von der hier gegebenen Darstellung weicht die Abbildung der Tätowirung eines Pelau-
Insulaners in Journ. M. G., Heft IV, 1873, Taf. 4, so total ab, dass ihr wohl kaum eine Vorlage Ku-
bary's zu Grunde liegt und dieselbe als Vergleichungsmaterial ohne Werth ist, da sie nur irreführt.
3) Diese Abbildung beruht auf einer Photographie Kubary's, ist also durchaus richtig, allein
die Tätowirung, welche bekanntlich in diesem Verfahren nicht erscheint, ist erst später eingezeichnet,
und z\«'ar ganz falsch: sie zeigt auf der Hand ein Phantasiemuster, ausserdem nur noch auf jedem
Oberarm drei Fischfiguren, in Uebereinstimmung mit dem ganz irrigen Text: »die Zeichnung an den
Armen stellt Fische vor, die reihenweise am Oberarme angebracht sind«.
270 ^r. O. Finsch. [526]
von mir gesehenen (auch Frauen) der Fall war. Der in der »Senjavin-Reise« (PI. 25) abgebildete
Mann von »Moguemog« ist auch untätowirt. Dagegen zeigt ein anderer der Gruppe Uluti (PI. 26)
auf dem Oberarme eine Reihe querstchender Fischliguren.
Tätowirung von Sonsol (Sonsorol), der westlichsten Carolinen- Insel, haben w^ir neuerdings
durch Kubary (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 89, Taf. XI) kennen gelernt, und zwar in höchst eigenthOmlichen
(bei beiden Geschlechtern verschiedenen) Patternen, die den bereits bekannten einen neucft Typus
hinzufügt, gleichsam eine neue Species, die sich nach Kubary identisch t) auch auf dem benachbarten
Merir findet, nicht aber auf den südlicheren St. Davids, wo Tätowirung überhaupt fehlt. Wenn Kubar)'
(1. c, S. 90) sagt, »die Tattuirung der Männer (von Sonsol) ist mit derjenigen der Mackenzie-Insein
beinahe identisch«, so ist dies unrichtig, wie ein Blick auf die Abbildungen (Taf. XI und Journ. M. 0.,
S. 13$, Fig. 8: »Mackcnzie-Insulaner«) Jeden belehren wird, der sich die Mühe dieser Vergleichungen
geben will. Abgesehen, dass die Patternc der Rückenseite der Männer von Sonsol etwas an die der
Männer im Atlas der »Senjavin-Reise«, PI. 28 (angeblich von Lukunor) erinnert, so hat das Schach-
brettmuster der Vorderseite kein Analogon in den Carolinen und findet höchstens in der Paumotu-
Gruppe (S. [283]) eine Parallele, während die Halstätowirung der Frauen von Sonsol (obwohl in ganz
abweichendem Muster) zunächst an die der Marshallanerinnen (S [428]) mahnt.
Der übrigen Carolinier-Täto wirungen soll, soweit darüber Nachrichten vorliegen, im Abschnitt 3
»Ruk und Mortlock« gedacht werden.
BemalBn mit gelber F*arbe aus der Wurzel von Curcuma (»Katschinjongc: »No-
vara«), welche Pflanze zu diesem Zwecke eigens angebaut wird, gehört auch auf Ponape
zu den von beiden Geschlechtern gleich beliebten Verschönerungsmitteln. Nach Ku-
bary wird die Wurzel »nicht pulverisirt, sondern in frischem Zustande zerrieben ver-
wandt«. Das k. k. naturhistorische Hofmuseum erhielt durch die ^Novara-Reise« eine
Probe Gelbwurz von Ponap^.
b) Haartracht.
Es ist sehr bemerkenswerth, dass, während sonst fast auf allen Carolinen ziem-
liche Sorgfalt auf das Haar verwendet und dasselbe meist von den Männern in einem
Knoten auf den Wirbel geschlagen wird, diese Sitte auf Ponape (wie auf den Gilbert-
Inseln) fehlt. Beide Geschlechter tragen des Haar ziemlich kurz oder lassen es doch
selten länger als bis auf die Schultern wachsen, ganz wie dies schon v. Kittlitz im Jahre
1828 sah. Nach Kubary zeichneten sich die Brüder der »Dziamorou-Gesellschaft« durch
langes Haar aus, das nur bei besonderen Gelegenheiten (Trauer) gekürzt wurde, und
zwar mittelst Absengens (!).
Die Männer sind meist bartlos, weil sie die Barthaare ausreissen, wozu man sich
»zweier Stückchen scharfrandigen Schildpatts« bediente (»Novara-Reise«, S. 416).
c) Kopfputz.
Eine Folge der im Vorhergehenden beschriebenen Manier, das Haar zu tragen, ist
die für Ponap6 charakteristische Eigenthümlichkeit des Fehlens von Putzkämmen oder
Kämmen überhaupt, die in dem losen, schlichten Haare ohnedies keinen Halt finden
würden. Statt dessen sind Kopf- Oder Stirnbinden ausserordentlich beliebt, und zwar
zunächst in der gewöhnlichsten Form von Blumenkränzen am häufigsten bei beiden
Geschlechtern. Schon Kittlitz erwähnt dieser zierlich geflochtenen Kränze aus vorherr-
schend gelben und rothen Blumen, ein Brauch, der auch bei der Mission Gnade fand,
und wir sahen bekehrte Eingeborene mit solchen sehr hübsch kleidenden Kränzen zur
Kirche kommen. Nach Kubary heissen solche Kränze »El« ^= Schnur oder Strang und
erhalten je nach der verwendeten Art von Blumen besondere Namen. Bei den Tribut-
zahlungen (in Lebensmitteln) an die Häuptlinge erscheinen die Betheiligten ebenfalls
mit Blumenkränzen geschmückt, die dann dem Häuptling übergeben werden (»Ethnol.
Beitr.t, I, S. 72, Anm.). Die Liebhaberei für Blumenkränze haben wir übrigens schon bei
») »Eihnogr. Beitr.«, I, S. 90, wogegen auf S. 101 gewisse Unterschiede erwähnt werden.
1^271 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsec. 271
den Gilbert- und Marschall-Insulanern kennen gelernt, und sie findet sich weit über
Polynesien (z. B. Tahiti, Rarotonga, Samoa, Hawaii etc.) verbreitet.
Für gewöhnlich genügen übrigens auf Ponap^ Blattstreifen (von Pandanus u. dgl.)
als Kopfbänder, um das Haar festzuhalten, die nach Posteis (vgl. »Senjavin-Reise«,
PI. 24 und 3i) damals aus Tapa bestanden und zugleich auch »als Schleudern« benützt
wurden.
Zu meiner Zeit wurden hauptsächlich Kopfbinden getragen, die aus einem Reif
oder Streif von dem Baste eines Baumes (»Maki«) bestanden, der mit Stickereien in
rothen und blauen Wollfäden, nicht selten mit einem Streif europäischen Zeuges be-
kleidet war, wie das folgende Stück:
Marmar (Nr. 419, i Stück), Kopf binde; ein 5 Cm. breiter Baststreif, mit buntem
Zeug überzogen und mit Fransen aus gezupftem rothen Wollzeug verziert. Jokoits.
Nach Kubary heissen alle diese Kopf- oder Stirnbinden »Marmar«, 'derselbe Name,
welcher auch für Halsbänder gilt und mit dem marshallanischen »Maremar« überein-
stimmt.
In Bezug auf Ausstattung, zu welcher ausser Wollfäden zuweilen auch Glasperlen
verwendet werden, herrscht grosse Verschiedenheit. Mit Vorliebe besteht der Rand-
besatz aus rother Wolle, wie hinterseits rothe und schwarze Zeugstreifen gleich Bän-
dern befestigt werden. Eine reiche Auswahl dieser zuweilen diademartigen Kopf-
binden, die als besonderer Schmuck bei Tanzfesten für beide Geschlechter dienen, sind
auf Taf. 26 und 27 (Anthrop. Album M. G.) dargestellt.
Eine sehr seltene Stirn binde aus rothen und weissen Muschelscheibchen und
Ringen aus Cocosnuss, wahrscheinlich ein Unicum, ist (Kat. M. G., S. 291, Nr. 845)
von Ponap^ beschrieben, deren Material (nach Kubary) aber »der Vergangenheit ent-
stammte.
Im Charakter ganz an moderne Arbeiten von Ponape anschliessend ist ein:
Tanzkopfputz (Nr. 268, i Stück) von Mokil (Duperrey-Insel, östlich von Po-
nap^). Derselbe besteht aus einem Reifen, in welchem in Bohrlöchern ringsum auf-
rechtstehende Stäbchen befestigt sind, die wie der Reifen selbst mit rothen und blauen
Zeugstreifen, Wolle und weissen Federspitzen verziert sind.
AuoenSChirme, aus frischen Cocosblattfiedern geflochten, die nicht als Schmuck,
sondern zum Schutz der Augen gegen die blendenden Sonnenstrahlen dienten, beschreibt
V. Kittlitz (Denkwürd., II, S. 71 und 72) von Ponap^, sowie solche in der »Novara-
Reise« erwähnt werden (S. 395). Aehnliche Augenschirme, in Form eines Mützen-
schildes aus einer Gras- oder Binsenart geflochten, erhielt ich von der Insel Simbo
(Eddystone) des Salomons-Archipels. Sie heissen hier »Torpac und werden fast von
jedem Manne im Canu getragen (vgl. Guppy: >Solomons-Isl.«, Taf. S. 102, Fig. 2 links).
d) Ohrputz. .
Die Sitte die Ohrlappen zu durchbohren, ist auch auf Ponap^ heimisch, und zwar
bei beiden Geschlechtern, aber die Ohren werden nicht in dem Masse ausgeweitet wie
auf Kuschai. Ausserdem werden auch in den Ohrrand Löcher gestochen. Als gewöhn-
licher Schmuck für das Ohr dienen Blumen und bunte Blätter, sowie Büschel aus
rothen Wollfäden. Ebensolche werden in die Löcher des durchbohrten Ohrrandes be-
festigt.
Von eigenthümlichem Ohrschmuck lernte ich nur die folgende Form kennen,
die, soweit meine Beobachtungen reichen, aber nur vom weiblichen Geschlechte
getragen wird.
272 Dr. O. Fjnsch. [^28]
Ohrstöpsel (Nr. 315, i Stück, Taf. VI [23], Fig. 6) aus dem Abschnitt einer ab-
normen Cocosnuss (Fig. 60) angefertigt. Jokoits.
Fig. 6 a zeigt den Umkreis (95 Mm.) an der Basis und zugleich wie weit der Ohr-
lappen sich ausdehnen muss. In der Höhlung des obigen Stückes, das ich von einer
Frau des »Königs« von Jokoits kaufte, steckt ein wohlriechendes Blattknäuel; bei einem
anderen diente ein rund geklopftes Stück Spiegelglas als Verschluss der Oeffnung. Am
häufigsten wird die auf Ponap^ so beliebte rothe Wolle als besondere Verzierung in die
Höhlung dieser Ohrstöpsel eingestopft, der äussere Rand derselben zuweilen auch mit
einer Reihe aufgereihter Glasperlen eingefasst. Im Kat. M. G. (S. 291, Nr. 841, 3156)
werden zwei solche Ohrstöpsel als aus »Holz gearbeitete erwähnt, die aber wohl auch
aus Cocosnuss bestehen, wie alle, die ich zu sehen bekam. Eine gute Abbildung dieses
Ohrschmuckes (aus Cocosnuss) gibt die »Senjavin-Reise« (PL 3i, Fig. 3). Der auf der-
selben Tafel (Fig. 2) abgebildete sehr eigenthümliche Ohrschmuck von Ponap6 (angeb-
lich »aus Fasern von Cocosblatt, eingehüllt in ein Gewebe von Bast der Aleurites tri-
loha*) ist mir nicht mehr vorgekommen, wie der im Kat. M. G. (S. 291, Nr. 3099)
beschriebene » Ohrschmuck c aus Nussplatten, weissen und rothen (Spondylus) Muschel-
plättchen, an rothgefärbten Bastfäden befestigt, ein Stück aus älterer Zeit betrifft.
e) Hals- und Brustschmuck.
Gegenwärtig werden dafür fast ausschliessend nur noch Glasperlen verwendet,
wie dies v. Hochstetter schon 1858 bemerkte, und zwar vorzugsweise schwarze und
weisse Emailperlen, die auf Ponap^ am meisten beliebt sind. Man verfertigt daraus
breitere Bänder in zum Theil hübschen schwarz und weissen Mustern. Charakte-
ristisch für diese modernen Halsketten ist die Verwendung von rother Wolle, mit
welcher gewöhnlich die Bindebänder umwickelt sind, die in eine kleine Quaste von
rother Wolle enden. Halsketten aus Blumen werden ebenfalls häufig getragen.
Von Schmuck aus der älteren Zeit, wovon jetzt kaum etwas mehr zu haben sein
dürfte, erhielt ich nur noch wenige Stücke.
Marmar (Nr. 462, i Stück, Fig. 52), Halskette aus circa 10 — 15 Mm. langen
Abschnitten von Stengeln einer dünnen (kaum 3 Mm.
Fig. 52. dicken), glänzend dunkelbraunen Grasart, »Motill« ge-
nannt, circa go Cm. lang, auf eine dünne Bastfaser ge-
^^^ ' ■ "^^^^^^i^^^^^i^is^^^ reiht. Jokoits.
Halskette aus Abschnitten von War früher (nach Kubary, von dem ich das Stück
Grasstengeln. erhielt) sehr beliebt und werthvoU; jetzt nicht mehr zu
haben.
Marmar (Taf. VIII [25], Fig. 15), Halskette, bestehend aus 14 Spondylus-W^-
eben (wie Fig. 15, aber von verschiedener Grösse) und g Abschnitten obiger Gras-
stengel, mit einigen Glasperlen zusammen auf eine Schnur gereiht.
Eine andere Halskette, welche ich erhielt, bestand aus sehr kleinen prähistori-
schen Muschelscheibchen (wie Fig. 11, Taf. [25]), kleinen schwarzen Scheibchen aus
Cocosnuss (die mir sonst nicht vorkamen) und Glasperlen, als Anhängsel war ein rothes
Plättchen aus Spondylus befestigt.
Eine Halskette, welche ich in Metalanim erhielt, 45 Cm. lang, zählte 145 prä-
historische SpondyluS'^c\i€\hc\\tn (wie Taf. [25], Fig. 11) aus den Ruinen, die durch
ein Flechtwerk von vier Reihen Faden verbunden waren.
Einen eigenthümlichen Halsschmuck trägt der auf Taf. 26, Fig. 417 des »Anthrop.
Album M. G.€ dargestellte Ponapese. Er besteht aus einem breiten Halsbande von
Glasperlen, an welchem >an einem Cocosfaserschnurgehänge abgeschliffene Stückchen
[S^qI Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SÜdsee. 278
von Perlmutterschalenc befestigt sind (S. 14). Die letzteren ähneln in der Form ganz
unserer Fig. 15 (Taf. 25) und dürften wohl ebenfalls aus Spondylus bestehen.
»Die Halsgehänge aus Muschelscheibchen u. dgl. kommen höchst vereinzelt vor,
und gelang es mir seinerzeit, dem Museum (Godeffroy) einige nebst Kopfspangen zu
schickenc, sagt Kubary (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 72, Anm.), allein der Katalog verzeichnet
(S. 291, Nr. 750) nur einen »Halsschmuck«. Er besteht aus einer »halbmondförmig
ausgeschnittenen Perlmutterschale an einem Cocosfaserschnurgehänge«, die sehr mit
den »Mairi« von Port Moresby (S. [97]) übereinstimmt und dessen Herkunft nicht
zweifelsfrei erscheint.
Die vorher erwähnten Gegenstände des Körperausputzes scheinen auf Ponap^
längst abgekommen, wie auch:
f) Armschmuck,
wovon ich keine Spur mehr sah. Und doch verfertigten die prähistorischen Vorfahren
schöne Muschelarmringe (aus Conus), wie sie auch auf Kuschai vorkamen und noch
heute auf Neu-Guinea (vgl. II, S. [100] und [161]) beliebt sind.
In Vergessenheit gerathen ist auch jener eigenthümliche Tanzschmuck, von dem
wir nur in der »Senjavin-Reise« dürftige Kunde erhielten. Als Ausputz beim Tanze
diente einmal eine besondere Art Halsschmuck aus langen Streifen (wahrscheinlich von
Cocos- oder Pandanus-Blati), wie ihn die weibliche Figur auf PL 24 (auf der Plattform
des hinteren Canus stehend) darstellt, sodann eine Art Handmanschetten (auf der-
selben Tafel bei der tanzenden weiblichen Figur des vorderen Canu angedeutet), die
V. Kittlitz genauer beschreibt. »Einige Leute, die sich mit mehr Entschiedenheit als die
anderen zum Tanzen hielten, trugen seltsame Manschetten von Palmblättern, die weit
über die Finger hinausragten und bei der Bewegung des Tanzes ein eigenthümliches
Geflüster hervorbrachten c (Denkwürd., II, S. 72).
Es erübrigt noch des
g) Leibschmuck
zu gedenken, von denen das moderne Ponap6 auch nichts weiter als armselige Nach-
bildungen aufzuweisen hat, die übrigens auch als specifischer Fest- und Tanzschmuck
dienen. Hierher gehören zunächst jene gewebten Schmuckgürtel oder Schärpen,
die ich bereits unter den fast untergegangenen Textilarbeiten erwähnte, und welche auf
Ponap6 »Tur« (»Tor« = weben: Kubary) heissen. Nach Mittheilungen, die ich auf
Ponapä einzog, welche sich aber als unrichtig erwiesen, hielt ich diese Gürtel, ähnlich
den »Toi« von Kuschai, für wirkliche Schambinden und führte sie in meinen »Bewoh-
nern Ponapäs« (S. 3o6) irrthümlich unter den Bekleidungsstücken auf. Solche gewebte
Gürtel werden aber nur über dem Graisschurz als Schärpe getragen, wie dies die Ab-
bildung eines Ponapesen auf Taf. 3i der »Senjavin -Reise« richtig zeigt. Ich erhielt über-
haupt nur einen derartigen Gürtel. Sie stimmen in der Länge (circa 1*68 M.) mit den
kuschaischen Toi überein, sind aber durchgehends schmäler (nur 10 — 12 Cm. breit)
und unterscheiden sich ausserdem von jenen durchaus in Farben wie Patterne. So fehlt
z. B. Gelb, das in jedem Kuschai-Gürtel vorkommt, in ponapesischen »Tur« constant,
und die Hauptfarben sind der helle Ton der ungebleichten Bananenfaser, ein hübsches
Roth (»wiuta«) und Schwarz (»tontol«). In den übrigens sehr mannigfachen, aber von
den kuschaischen stets verschiedenen Mustern kommen häufig Zickzacklinien und
rautenförmige Zeichen vor (vgl. »Senjavin-Reise«, PI. 3i, Fig. i; Edge-Partington,
Taf. 176, Fig. I und 2, letztere mit der Angabe »Strongs-Isl.«, aber richtig Ponap6).
Diese Schrägmuster sind wohl nicht eingewebt, sondern gestickt, wobei rothe Woll-
fäden bereits seit längerer Zeit häufige Verwendung gefunden zu haben scheinen. Der
274 ^*"- ^^' ^''"s»-'l^' rs3ol
Kat. M. G. (S. 291, Nr. 3366) verzeichnet als ^Frauengurt« nur einen solchen aus
Bananenfaser (aber nicht aus »Bast«) gewebten »Tur«; die übrigen (S. 292 und 293)
beschriebenen Gürtel sind alles moderne Nachbildungen. Sie bestehen meist, ähnlich
wie die Kopf binden, aus Stick- oder Näharbeiten von bunter Wolle (darunter auch
gelbe) auf einer Unterlage von Bast oder Tapa, selbst europäischen Zeugstreifen, mit
Fransen von bunter Wolle, sind häufig mit Glasperlen verziert, zum Theil sogar bemalt.
Die Photographie des Nanmareki von Jokoits (»Anthrop. Album M. G.«, Taf. 25,
Fig. 461) stellt diesen Herrscher mit einem solchen modernen Gürtel aus Bast und
Wollfäden geschmückt dar (ebenso Fig. 483 und 484, Taf. 26).
Wie es scheint, dürften diese Schmuckgürtel oder Schärpen früher noch mit be-
sondeien .Anhängseln verziert worden sein. Wenigstens zeigt der bei Edge-Partington
(Taf. 176, Fig. i) abgebildete Gürtel ein solches .Anhängsel in Form einer Platte aus
»Wallfischknochen« (wohl Spermwalzahn), aufweichen ziemlich roh eine Art Gesicht
eingravirt ist, was hier der Vollständigkeit wegen erwähnt sein mag.
Auch möchte ich hier noch auf einen sehr schönen Gürtel aus der guten alten
Zeit hinweisen, den Serrurier (»Ethnol. Feiten en verwantschappen in OceaniS, S. 4)
ausführlich beschreibt. Dieser Gürtel besteht aus einem gewebten Bande von schwarzem
HibiscuS'Bast (?), auf den reihenweise Muschelringe und Cocosscheibchen befestigt
sind, von ersteren nicht weniger als 2800 Stück. Wenn der gelehrte Verfasser indess
»Cocosringchen zu den gewöhnlichen Verzierungsmaterialien in Melanesien« rechnet,
so irrt er in dieser Annahme ebenso sehr, als aus dem Vorkommen derselben auf die
»unverkennbar melanesischen Elemente der Bevölkerung Ponapes« Schlüsse zu ziehen.
Ethnologische Schlussbetrachtung.
Wie die Kuschaier waren auch die Bewohner Ponapös ein für sich abgeschlos-
senes Völkchen, das, nicht eigentlich seefahrend, nur mit den stamm- und sprachver-
wandten Nachbarinseln (Pakin, Andema, Ngatik) in beschränktem Verkehr stand. In
Folge dieser Abgeschlossenheit hatte sich hier, wahrscheinlich seit den ältesten Zeiten,
unveränderte Originalität bis zum Erscheinen des weissen Mannes erhalten. Zur Zeit
meines Besuches waren darüber schon mehr als 50 Jahre verflossen, darunter die des
äusserst lebhaften Verkehres mit Walfängern und eine nahezu dreissigjährige Periode
missionarischer Beeinflussung. Trotz mancher Wandelungen fand sich doch mehr Origi-
nalität als zu erwarten stand, und trat schon in der äusseren Erscheinung der Eingebore-
nen, namentlich im Vergleich mit den völlig europäisirten Kuschaiern hervor. Unter den
mit den letzteren gemeinschaftlichen ethnologischen Zügen sind von Ponap^ hervorzu-
heben: Kawagenuss, die Aehnlichkeit der Kunstbuntweberei und der prähistorischen Stein-
bauten. Anklänge an die Marshall-Inseln zeigt Ponape in der sanduhrförmigen Holz-
trommel, welche auf den übrigen Carolinen (wie Mikronesien überhaupt) nicht mehr
vorkommt, in gewissen Uebereinstimmungen der Anschauungen über Geisterglauben
und der analogen Form der Faserröcke der Männer, die freilich von den »Ihn« der
Marshallaner specifisch durchaus verschieden sind. Unter den übrigen Bekleidungs-
stücken zeigt der Poncho centralcarolinische Anklänge, ebenso wie der Ausputz des
Körpers an Schmuck und Zieraten, soweit sich nach. den prähistorischen Resten urthei-
len lässt, ziemliche Aehnlichkeiten nachweist. Darnach muss die Anfertigung geschlif-
fener Muschelscheibchen aus Spondylus einst lebhaft betrieben und hoch entwickeil
gewesen sein. Aber den heutigen Bewohnern ist diese Kunst bereits verloren gegangen;
sie begnügen sich mit den Ueberbleibseln ihrer Vorfahren oder verfertigen unter Ver-
[cSil Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 275
Wendung eingeführten Materials Schmuckgegenstände, die einer neuen, aber durchaus
verschlechterten Geschmacksrichtung angehören. Charakterisch für dieselbe sind,
ausser Glasperlen, die (meist gestickten) Verzierungen in bunten, meist rothen Woll-
fäden oder blauen und rothen Zeugstreifchen. Diese Technik wird vorzugsweise zur
Ornanientirung von Kopfbinden und Gürteln (Tanzschmuck) angewendet, die als
moderner Schmuck Ponapes charakteristisch sind. Federputz und die sonst auf den
Carolinen beliebten Putzkämme fehlen, aber Bemalen mit Gelb gehört noch heute zum
Festschmucke. Obwohl ein ausgebildetes Titelwesen existirt, ist das Feudalsystem doch
minder scharf ausgeprägt als auf den Marshalls, ebenso die Königswürde nicht so exclu-
sive als auf Kuschai.
Wie letztere Insel bildet auch Ponape eine besondere ethnologische Subprovinz,')
die sich durch folgende specifische Eigenthümlichkeiten auszeichnet: eigene Sprache,
eigener Baustyl der Häuser (grosse Canuhäuser als Gemeindehäuser), eigene Construc-
tion der Canus (mit Segel, aber ohne Mast), eigenes sehr reiches Muster der Tätowirung
(für beide Geschlechter gleich, aber bei Frauen durch eine gürtelartige Binde um die
Hüften, mit schlossartigem Muster auf dem Venusberge ausgezeichnet). Erwähnens-
werth für Ponap6 sind ferner die von den Männern allgemein geübte partielle Selbst-
verstümmelung und der Genuss von Hundefleisch, und zwar von einer wenigstens
früher eigenthümlichen eingeborenen Race.
Mokil (Duperrey-Insel), eine kleine Laguneninsel (mit circa 75 Bewohnern), circa
80 Seemeilen östlich von Ponap^, scheint ethnologisch zur Subprovinz Ponap6 zu ge-
hören, ebenso Pingelap^) (Macaskill-Inseln), 60 Seemeilen südöstlich von Mokil mit
einer Bevölkerung die Cheyne zu 3oo, Wetmore (1886) auf 800 — 1000 Seelen veran-
schlagt. Aber leider wissen wir von den ethnologischen Verhältnissen dieser beiden
kleinen Inselgruppen äusserst wenig, so dass die Verwandtschaft vorläufig noch un-
bestimmt bleibt.
1) Wie Kuschai ist auch diese in Museen meist sehr mangelhaft repräsentirt. Das Museum
Godeflroy verzeichnete 3i moderne und 25 prähistorische Gegenstände. Von letzteren erhielt das
Berliner iMuseum durch mich 88, moderne Sachen 59 Nummern. Die »Novara «-Reisenden, welche
noch so recht aus dem Vollen hätten schöpfen können, brachten im Ganzen 8 Nummern für das
kaiserl. Museum mit.
3) Die im Kat. M. G. (S. 280) von dieser Localität verzeichneten Gegenstände (im Ganzen sechs)
stammen nicht von dieser Carolinen-Insel her, sondern meist von der gleichnamigen des Dschalut-
Atolls im Marshall-Archipel (die Halsschmucke), die zwei Gürtel dagegen von Mortlock.
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke
aus der Südsee.
Beschreibender Katalog einer Sammlung im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien.
Von
Dr. 0. Finsch
in Delmenhorst bei Bremen.
Dritte Abtheilung: Mikronesien (West-Oceanien).
(Schluss.)
3. Ruk und Mortlock.
Einleitung.
Geographischer Ueberblick. Wenn auf dem Kärtchen der Carolinen von Can-
tova (Chamisso 2, S. 152) in den Inseln Pis, Ruac, Etel, Uloul, Falaiu, Ulalu und Ho-
goleu die Rukgruppe einigermassen wieder zu erkennen ist, so gilt dies viel weniger
von der an derselben Stelle publicirten viel jüngeren Kartenskizze von Don Louis de
Torres. Sie zeigt die meisten der obigen Inseln, ausserdem aber ganz im Süden noch
eine zweite Insel >Rug« (Schoug, Tuch), sowie in der denkbar unrichtigsten Lage die
Gruppe Monteverde (= Nukuor) und wahrscheinlich mit letzterem identisch eine Insel
»Magorcy so dass einzelne Inseln also doppelt figuriren. Dies ist erklärlich, wenn man
weiss, dass diese Kärtchen meist nach Angaben Eingeborener zusammengestellt wurden,
die, wie ich bereits wiederholt erwähnte, nicht im Stande sind, ihre immer individuelle
Heimatskunde nach Lage und Entfernung nur annähernd richtig niederzulegen, so dass
die genannten Kärtchen eben als Beweis für die Unkenntniss der Eingeborenen hier
angeführt werden sollen. Einen weiteren Beleg für diese Ansicht bildet das Fehlen der
jetzt »Mortlock« benannten Inseln, da diese den carolinischen Seefahrern wohlbekannt
waren, wenn auch vielleicht nicht gerade den Berichterstattern Cantova's und Torres'.
Auch Kadu kannte Mortlock nicht und Ruk nur vom Hörensagen. Zu den grossen
Verdiensten' der französischen Weltumseglung mit der Corvette »La Coquille« unter
Duperrey gehört auch die Entdeckung der Ruk-Gruppe (24. Juni 1824), deren Auf-
nahme, durch Dumont d'Urville (mit der »Astrolabe« und »Zel^e«) später (i838) ver-
vollständigt, grundlegend wurde, unter Anderen auch für die britische »Admiralty
Chart« (Nr. 982, publicirt 1872). Nach Kubary's mündlichen Mittheilungen ist diese
letztere Karte aber zumTheil unrichtig. »Die hohen basaltischen Inseln sind nur theil-
weise angegeben und meist falsch benannt. Der Name ,Ruk*, ») eigentlich ,Tuk*, gilt für
I) Auf Mortlock bezeichnet »Ruk«: hohes Land, hohe Inseln; »fanu«: Land im Allgemeinen;
>fau«: Stein; »fau 2ol«: schwarzer Stein von den Ruk-Inseln gebracht; »fau allan«: Korallstein (Ku-
bary; »Mortlock«, S. 277).
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 21
296 E>r. O. Finsch. [5^4]
die ganze Gruppe und bezeichnet ,Fels, d. h. schwarzen Stein' im Gegensatz zu dem
hellen Korallbraun (,Fanu*) der übrigen Inseln. Die auf der Admiralitätskarte als Ruk
bezeichnete Insel heisst ^Fefan', da die Eingeborenen keine besondere Insel mit dem
Namen Ruk unterscheiden. Sopore ist die Hauptsiedelung im südlichen Theile von
Fefan. Die Insel ,Dublon* ist das ,Toloas* der Eingeborenen und besteht aus drei In-
seln, wie die westlichste und grösste Insel der ganzen Gruppe Toi oder Ton, die aber
,Faituk* heissen muss.« Andere, minder wichtige Verbesserungen übergehe ich hier
und verweise auf Kubary, ') der alle Inseln der Ruk-Gruppe beschreibt.
Ruk (richtiger Truk) ist die grösste Lagune des Carolinen- Archipels, circa 33 See-
meilen lang und an 40 breit. Auf dem nur schmalen Riffgürtel, der gute Passagen frei-
lässt, liegen eine grosse Anzahl (an 50) fast durchgehends unbewohnter Koralleninseln,
andere zerstreut in der Lagune. Was die letztere aber ganz besonders auszeichnet, sind
die hohen, nur von einem schmalen Saumriff begrenzten vulcanischen Inseln, deren
kahle, steile Kegel und Bergrücken bis circa 1000 Fuss ansteigen. Solche hohe, aus
Basalt gebildete Inseln zählt die Ruk-Lagune im Ganzen 17, die aber alle sehr be-
schränkten Umfang haben. Faituk ist blos circa 8 Seemeilen lang, aber kaum 3 breit,
an Areal also beträchtlich kleiner als Kuschai. Von den übrigen hohen Inseln verdienen
hier nur Uola (Moen der französischen Karte), Fefan (Ruk) und Toloas (Dublon) er-
wähnt zu werden, da die übrigen mehr oder minder unbedeutend sind. Die circa
40 Seemeilen südwestlich gelegenen kleinen Atolle Nema (Nama) und Losop (Lasap)
gehören als Dependenzen zur Ruk-Gruppe.
Ungefähr i3o Seemeilen südöstlich von Ruk liegt die Mortlock-Gruppe, von
Capitän James Mortlock, Führer des amerikanischen Schiffes »Young William«, zuerst
(29. November 1793) gesichtet, deren genaue Kartirung in erster Linie wiederum zu
den unsterblichen Verdiensten Lütke's gehört. Die Gruppe besteht aus drei Atollen:
Satöan, Lukumor und Etal, und wird auch von den Eingeborenen in Ermangelung eines
CoUectivnamens als Mortlock bezeichnet. Darüber belehrt uns Kubary, der aber a. 0.
»Namen kac für Mortlock-Inseln im Allgemeinen anführt. Das grösste Atoll, welches
die Satöan-Lagune umschliesst, ist circa 16 Seemeilen lang und circa halb so breit und
besteht aus etlichen 60 Inseln, von denen aber nur vier (Satöan, Tä, Kitu und Mof
(spr. Mosch) bewohnt sind. Lukunor, circa 6 Seemeilen zu Ost von Satöan, ist kaum
halb so gross als letzteres, und Etal, circa 3 Seemeilen zu Nord von Satöan, hat nur
eine kleine, kaum 2 Ya Seemeilen lange Lagune. Die beste Karte der Mortlock-Inseln
(»nach Lütke und J. Kubary«) ist übrigens die von L. Friederichsen (»Mitth. d. Geogr.
Gesellsch. in Hamburg«, 1878/79, Taf. II), obwohl für den Seefahrer die englische
Admiralitätskarte (Nr. 776) stets unentbehrlich bleibt.
Das kleine, circa 3o Seemeilen nordwestlich von Etal gelegene Atoll Namoluk ge-
hört ebenfalls zur Mortlock-Gruppe, und als südöstlicher Ausläufer (circa iio See-
meilen von Satöan) darf das kleine Atoll Nukuor (Monteverde) betrachtet werden.
') In: »Ein Beitrag zur Kenntniss der Ruk-lnseln, nach den Berichten von J. Kubary bearbeitet
von Dr. Rudolf Krause« in: »-Mitth. d. Geogr. Gesellsch. in Hamburg«, 1887—1888, Heft I, S. 53—63,
Taf. I, Karte (»Nach Recognoscirungen Sr. Maj. Kreuzer »Albatros«, Commandant Corvettencapitän
Plüddemann, 1885«). Diese Karte, nach der britischen Admiralitdtskarte Nr. 982 und »mit Benützung
eines Manuscripts von J. Kubary« bearbeitet, ist jedenfalls die beste und macht die von Friederichsen
(in derselben Zeitschrift: 1878— 1879, Taf. 11) hinfällig. Sie beruhte zum Theil auf Erkundigungen,
die Kubary auf Satöan von Eingeborenen über Ruk einzog, und daraus erklären sich die Abweichun-
gen in der Schreibweise verschiedener Inselnamen.
rc35] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 297
Zur Literatur. Da die Ergebnisse der ersten französischen Entdeckungsreisen
nur theilweise publicirt wurden, so haben wir die Kenntniss der Ruk-Gruppe in erster
Linie J. Kubary») zu verdanken, der, wie bereits erwähnt (S. 192 [4.48]), 14 Monate
auf Ruk, und zwar der kleinen Insel Eten im LagunenrifT von Toloas (Dublon) lebte.
Inwieweit er von hier aus die anderen Inseln der Gruppe aus eigener Anschauung
kennen lernte, weiss ich nicht, da meines Wissens bisher kein zusammenhängender
Reisebericht von ihm erschien. Dagegen besitzen wir aus Kubary's Feder eine förm-
liche Monographie über Mortlock (vgl. S. 193 [449], Nr. 5), obwohl Kubary hier nur
drei Monate, und zwar auf den südlichsten Inseln Tä, Uoytä und Aliar der Satoan-
Lagune zubrachte. Lukunor scheint Kubary nicht besucht zu haben, aber über dieses
Atoll liegen die werthvoUen Berichte Lütke's und v. Kittlitz' vor. Beachtenswerthe
Notizen über Ruk und Mortlock enthält auch die kleine Schrift: »Last Words and Work
of Rev. Robert W. Logan, A Missionary of the A. B. C. F. M. at Ruk, Mikronesia. To-
gether with Memorial Papers« (Oakland, California 1888), dessen Verfasser mehrere
Jahre in diesen Theilen Mikronesiens wirkte.
Ueber die Hall-Inseln hat Mertens die Erlebnisse William Floyd's, eines deser-
tirten englischen Matrosen, aufgezeichnet utid in den Schriften der Petersburger Akade-
mie, sowie in Lütke's Reisewerk (Tom. III, Paris i836) publicirt. Der Genannte lebte
I '/s Jahre auf Moriljö (Murilla) und Fananu und wurde im December 1828 von Capitän
Lütke von ersterer Insel mitgenommen. Leider waren mir diese Publicationen, deren
Einsicht schon der Vergleichung wegen gewiss wichtig gewesen wäre, nicht zugänglich.
Während meines Besuches auf Ponap^ konnte ich bei Kubary (der damals übri-
gens nicht mehr dem Museum Godeffroy angehörte) dessen central-carolinische Samm-
lungen eingehend studiren und erwarb einen beträchtlichen Theil derselben für das
Berliner Museum, um Kubary aus bedrängter Lage zu befreien. Ausser diesen Samm-
lungen erhielt ich (namentlich durch Güte von Herrn A. Capelle auf Dschalut) noch
andere von Ruk und Mortlock, und dieses Gesammtmaterial bildet die Grundlage der
nachfolgenden Arbeit. Sie gibt zum ersten Male ein systematisches Gesammtbild der
Ethnologie dieses Gebietes, unter gewissenhafter Bezugnahme auf Kubary's (zum Theil
auch mündliche) Mittheilungen. Ein Zusammentragen derselben war insofern eine
mühsame und zeitraubende Arbeit, als Notizen über Ruk und Mortlock sich in den
verschiedensten Arbeiten Kubary's, zum Theil unter Yap und Pelau, oder in leicht
übersehbaren Notizen verstreut finden. Bei diesem sorgsamen Nachsuchen und Ver-
gleichen ergeben sich nicht selten seltsame Widersprüche, welche, ganz abgesehen von
dem eigenartigen Styl (s. vorne S. [449] Note), ein klares Verständniss häufig recht er-
schweren. Unangenehm empfindet man auch gewisse Lücken, die zum Theil hätten
vermieden werden-können. So finden sich über manche Punkte, die von grösstem Inter-
esse sind (wobei ich blos an den W^urfstock und an die Hahnenkämpfe erinnern will),
nur kurze Andeutungen und man bedauert, vom besten Kenner nichts Näheres zu er-
fahren. W^ie auf der einen Seite zur Flüchtigkeit hinneigend, so fällt Kubary nicht
selten in das Extrem der weitschweifigsten Ausführlichkeit, Mängel, die neben den
eminenten Vorzügen (s. vorne S. [449]) nicht verschwiegen werden dürfen.
Flora und Fauna. Nach Kubary zeichnet sich die Ruk-Gruppe durch die fast
gänzliche Abwesenheit von Wäldern aus, trägt aber im Uebrigen >die Vegetation der
I) Vgl. die Bemerkungen in: Kat. M. G. (auf S. 351—397 verstreut), ganz besonders aber: »lieber
die Industrie und den Handel der Ruk-Insulaner« in: »Ethnogr. Beitr.«, Heft I (1889), S. 46 — 78,
Taf. Vlll— X.
2V
298 I^r. O. Finsch. [^36]
Koralleninseln, gemischt mit der kosmopolitisch-pacifischen Flora der anderen Inselnc
(Kat. M. G., S. 353). Dasselbe gilt ungefähr für Mortlock, dessen hervorragendere
Pflanzenformen von demselben Reisenden etwas eingehender aufgeführt werden (1. c,
S. 296, 297) und die eine grössere Anzahl von Arten als sonst auf Atollen nachweisen.
Sehr anziehend ist die Schilderung, welche v. Kittlitz von der Pflanzenwelt Lukunors
entwirft (Denkwürd., 2, S. 83, 90 und 91), deren Ueppigkeit ihn sehr überraschte. Auch
Doane nennt Lukunor die »Gemme« der Mortlocks und erwähnt die dichtere und
reichere Vegetation. Doch finden sich auch hier im Allgemeinen nur die bekannten,
weit verbreiteten Charakterpflanzen der Atolle, unter denen der Schraubenbaum in zwei
Arten (Pandanus odoratissimus und latifolius) wie immer besonders hervortritt und
nach -V. Kittlitz vorzugsweise den Bestand des Unterholzes bildet. Erwähn enswerth ist
eine wildwachsende, aber essbare Gurke (»Kunu« oder »Lipur« genannt) deshalb, weil
sie nach Kubary nur auf Ruk, aber nicht auf den anderen hohen Carolinen-Inseln vor-
kommt. Sasafras gehört ebenfalls zu den wildwachsenden Sträuchern, wie ich dies für
Ponape zu erwähnen vergass.
Faunistisch herrscht im Allgemeinen die grösste Uebereinstimmung mit Ponape
und den Carolinen überhaupt. Unter den Säugethieren ist eine Rattenart (»yez«), wie
auf allen Atollen, am häufigsten, ausserdem sind auf Ruk zwei Gattungen Flederthiere
(PteropuSy »Pueu«, und Emballonura) vertreten. Der Fiederhund von Ruk gehört
einer eigenen Art an (Pteropus insularis Hombr. et Jacqu.), mit der 'die Art von Satöan
und Lukunor (P^ pelagicus Kittl.) wahrscheinlich identisch ist. Die Vögel, durch Ku-
bary's Sammlungen am besten bekannt, zählen auf Ruk*) circa 3o Arten, unter denen
nur zwei Arten (Metabolus rugensis und Myiagra oceanica), schon durch die fran-
zösische Expedition entdeckt, der Gruppe eigenthümlich angehören. Die übrigen acht
Arten Landvögel finden sich auch auf Ponape (darunter Phlegoenas erythroptera und
Ptilopus ponapensis) und drei davon (Calornis pacißca, Calamoherpe syrinx, Carpo-
phaga oceanica) zugleich auf den Atollen Mortlock, Lukunor und Nukuor. Nach Ku-
bary ist auf Mortlock ein Wildhuhn, »Mallök« und »Malek«,^) »der alleinige Bewohner
des undurchdringlichen Dickichts im Innern der Insel« (Satoan) und sehr häufig. Die
Identificirung dieser Art mit dem Wildhuhn von Java (Gallus ferrugineus Gml., Ban-
kiva, Temm.) ist aber jedenfalls verfrüht und würde sich erst durch genaue Vergleichung
feststellen lassen. Einmal sagt Kubary a. O. selbst, dass das Wildhuhn auf Mortlock
von Ruk eingeführt sei, anderseits erwähnt schon Kittlitz von Lukunor, »dass die hier
lebenden Hühner mehr den Charakter von Hausthieren zeigen als auf Ualan«. Jeden-
falls sind diese Wildhühner nur verwilderte Haushühner.
Die Reptilien von Ruk sind, nach Kubary, dieselben Arten, welche auf Ponap^
vorkommen und jedenfalls mit denen der Mortlocks (von woher Kubary >Lygosoma
smaragdinum, Eumeces rufescens und zwei Gecko notirt) identisch. »An Conchyüen
bieten die Ruk-Inseln nichts Bemerkenswerthes,€ sagt Kubary, doch muss hier erwähnt
werden, dass sich Ruk durch einige besondere Arten Landconchylien (z. B. Tornatellina
gigas, Trochomorpha entomostoma etc.) und dadurch von ganz Mikronesien auszeich-
net. Beachtenswerthe Notizen über die Flora und Fauna von Mortlock und Ruk finden
1) Finsch: »A iist of thc Birds of the Island of Ruk in the CenU'al-CaroUnes« in: Proc. Z. S.
London 1880, pag. 574—577.
2) Aehnliche Verschiedenheiten in der Orthographie eingeborener Namen kommen bei Kubary
sehr häulig, zuweilen auf verschiedenen Seilen derselben Abhandlung, vor und deuten auf eine Un-
sicherheit hin, die oft recht störend wirkt.
[5373 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 299
sich übrigens im Kat. M. G. (S. 296 und 852, und über die Flora in »Beitr. z. Kenntn. d.
Ruk-Inselncy S. 54).
Areal und Bevölkerung. Nach den Berechnungen von Friederichsen (Anthrop.
Album d. M. G., S. 12 und i3) beträgt der Flächeninhalt von Ruk i3-2 Quadratkilo-
meter (= 2*4 deutsche geographische Quadratmeilen), von Mortlock nur 77 Quadrat-
kilometer (= 1*4 deutsche geographische Quadratmeilen). Die Zahl der Einwohner
der Ruk-Gruppe wird in demselben Werke zu 12.000, die der Mortlocks auf 3500 an-
gegeben, so dass darnach die letzteren mit circa 500 Bewohnern auf den Quadratkilo-
meter die bestbevölkertste Gruppe innerhalb der Carolinen, wie der Südsee überhaupt,
sein würden. Allein mit Ausnahme von Nukuor, wo Kubary 1877 im Ganzen 124 Ein-
wohner zählte, beruhen die Angaben der Bevölkerungsdichtigkeit nur auf Schätzungen
und sind infolge dessen sehr schwankend. Logan schätzt die Gesammtbevölkerung von
Ruk und Mortlock, einschliesslich der Hall-Gruppe, auf 18.000 — 20.000 Seelen, also
fast so hoch als die des gesammten Carolinen-Archipels. Gegenüber Gulick's Angabe
von 5000 Bewohnern besitzt die Ruk-Gruppe nach Kubary 12.000, allein nach seiner
Aufzählung der Bevölkerung der einzelnen Inseln ergibt sich nur eine Totalzahl von
10.688. Mit Ausnahme der nördlichsten Atollinsel Pis,*) mit einer ständigen Bevölke-
rung von circa 1000 Seelen, sind alle Koralleninseln unbewohnt, von den hohen da-
gegen nur zwei (Tadiu und Falabegets). Die kleine Insel Nema zählt nach dem neuesten
Jahresbericht der Mission (1891) 500 Bewohner (nach Doane nur 150 — 200), Losop
350 (500: Doane) und Namoluk 350 (3oo — 500: Doane). Derselbe Bericht verzeichnet
für dieMortlock-Gruppe 4450 Eingeborene, also 1000 mehr als Kubary, der die Satöan-
und Lukunor-Lagune je zu 1500 und Etal zu 500 schätzt. Die Gesammtbevölkerung
von Ruk und Mortlock würde nach den vorhergehenden, allerdings sehr schwanken-
den Daten also zwischen 14.000 und 16.000 betragen, was wahrscheinlich zu hoch ge-
griffen ist.
Wie dem auch sei, jedenfalls hat auch in diesem Theile Mikronesiens ein Rückgang
der Bevölkerung stattgefunden. Cheyne schildert 1844 das südliche Falipii-AtoU (Roya-
list) noch als »dicht bevölkert«, während Kubary etliche 3o Jahre später dasselbe aus-
gestorben fand. Derselbe Reisende sah auf Ruk »allerorts Spuren früherer Häuser und
Küchenabfälle« bis auf die Gipfel der Berge und zählte auf Nukuor etliche 80 Canus,
aber nur 124 Bewohner (64 Männer und 60 Frauen, die Kinder einbegriffen). Wie
anderwärts in der Südsee ist es schwer, für diese Abnahme der Bevölkerung eine ge-
nügende Erklärung zu finden. Kriege sind allerdings und von jeher an der Tagesord-
nung, aber sie waren nie blutige. Die häufige Nothlage infolge Nahrungsmangels, der
sich zuweilen nahe zur Hungersnoth steigert, mag theilweise mit die Schuld tragen, und
auf Grund solcher Zustände bezeichnet Logan Mortlock als übervölkert.
Die »Labortrade«, d. h. das sogenannte Werben von Eingeborenen als Arbeiter
ist übrigens auch an den Central-Carolinen nicht ohne Nachtheil vorübergegangen.
So führten australische Werbeschiffe, darunter der berüchtigte »Carl«, eine grosse An-
zahl Eingeborener von Mortlock weg. Doane klagt auch über ein deutsches Schiff, das
in den Siebzigerjahren 80 Eingeborene für Godeffroy's Plantagen auf Samoa recrutirte.
Sie erlagen aber nach Kubary, der diesen Fall auch erwähnt, beinahe sämmtlich, »da
jede physische Anstrengung den Mortlocker zu Grunde richtet«; und so mussten die
1) Nach früheren Angaben Kubary's (»Mortlock«, S. 296) wäre auch die nordwestliche Insel
des Ruk-RiffgQrtels Faleu (Fatalu) bewohnt, was sich seitdem als irrthumlich herausgestellt hat.
3oo Dr. O. Finsch. [538]
Central-Carolinen als Werbegebiet für Arbeiter aufgegeben werden. In gleicher Weise
erhebt Kubary neuerdings seine warnende Stimme in Betreff der Bewohner der west-
lichsten Insel Sonsol (im Ganzen circa 350), die ja bereit sind, ihre ärmliche Heimat
zu verlassen, aber als »Plantagenarbeiter ebensowenig taugen als die Mortlocker«.
Handel. Bei dem im Allgemeinen nur spärlichen Vorkommen der Cocospalme
und einer dementsprechenden Copraproduction ist sowohl auf Ruk als Mordock der
Handel nur sehr unbedeutend und voraussichtlich infolge der spanischen Occupation
vollends zurückgegangen. Bemerkenswerth ist es, dass schon vor Ankunft der Weissen
die Eingeborenen im Zwischenhandel über Guam Eisenwaaren erhielten (vgl. den Ab-
schnitt: »Fahrzeuge, Verkehr und Handel«), unter denen Cheyne grosse spanische
Messer und Hirschfänger nennt. Trepangfischer scheinen schon früher die Central-
Carolinen gelegentlich besucht zu haben, aber erst in den Siebzigerjahren liessen sich
einige wenige Händler (Trader) ständig auf Ruk und Mortlock nieder zur Ausbeute
von Copra. Infolge dessen hat sich schon Mitte der Achtziger jähre Geld, und zwar der
chilenische DoUar (= 67 amerikanische Cents) als Tauschmittel auch bei den Ein-
geborenen eingeführt.
Mission. In den Jahren 1873 und 1874 wurde durch die »Hawaiian Evangelical
Association« von Ponape aus das Bekehrungswerk auf den Central-Carolinen, zunächst
auf Satoan, in Angriff genommen und machte, wie fast überall, anfänglich erfreuliche
Fortschritte. Im Jahre 1878 gab es auf Mortlock bereits sieben Stationen mit 150
Christen, aber schon vier Jahre später trat der bekannte Rückschlag ein; 1886 waren
eine grosse Anzahl Bekehrter wieder abgefallen, und der Missionsbericht vom folgenden
Jahre bezeichnet besonders Satoan als das »schwarze Schaf« der Mortlocks. Aehnlich
gestalteten sich die Verhältnisse auf der Ruk-Gruppe, wo die Mission 187g zuerst auf
den kleinen Atollen Nema und Losop ponapesische Missionslehrer (Teacher) einsetzte,
die, wie auf Namoluk, bald erfreuliche Erfolge errangen. Auf den hohen Inseln wurde
1879 auf Uman (Uluan) die erste Missionsstation begründet, denen bald andere auf
Fefan, Toloas, Udot und Wela (Uola) folgten, so dass 1884 bereits zehn Kirchen mit
500 eingeborenen Mitgliedern vorhanden waren. In dieser Progression ist das Bekeh-
rungswerk leider nicht vorgeschritten, sondern auch auf Ruk gab es bald Abtrünnige,
ja es kam zu Fehden zwischen den »lamalam«, d. h. bekehrten und heidnischen Ein-
geborenen. Die strengen Verbote der Mission gegen »Taik«, d. h. das Bemalen mit
gelber Farbe und das Tragen langen Haares, hat die Eingeborenen ohne Zweifel sehr
abgeschreckt, da diese ureigenthümlichen Gebräuche jedenfalls fester wurzelten als die
neue Lehre mit ihren Hymnen und Bibelsprüchen. Nach der Missionsstatistik vom
Jahre 1886 gab es damals in den Central-Carolinen (Ruk, Mortlock und den kleinen
Nebeninseln) 15 Kirchen mit über 1000 Mitgliedern, i3 Schulen mit circa 1000 Schülern
und ebensoviel Sonntagsschulen mit circa iioo Besuchern. Die spanische Occupation
scheint der Mission jenes Gebietes bis jetzt nichts geschadet zu haben, denn die Be-
richte, welche ich bis zum Jahre 1892 verfolgen konnte, sprechen von stetiger Ent-
wicklung, Fortschritten, hoffnungsreicher Consolidirung u. s. w., aber auch von Wankel-
muth und Abfall Bekehrter. Da der Bericht für 1892 für beide Gruppen (inclusive
Losop, Nema und Namoluk) im Ganzen circa 1000 Kirchenmitglieder und 1150 Schüler
verzeichnet, unter 6 Katechisten und 17 Lehrern (Eingeborene von Hawaii und Po-
nape), so sind die Fortschritte der letzten fünf Jahre allerdings nicht sehr erhebliche
und der Wunsch auf Besserung ein gerechtfertigter. Aber wer weiss, ob die spanischen
Machthaber nicht auch hier über Kurz oder Lang dem ganzen protestantischen Mis-
sionswerk ein Ende bereiten?
[S^qI Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sudsee. 3oi
I. Eingeborene.
Aeusseres. Kubary erklärt die Bewohner der Ruk-Gruppe für »echte Carolinier«
und »fand keine Belege, dass hier zwei verschiedene Menschenracen vertreten« (Kat.
M. G., S. 3ss), wiis gewiss auch gar nicht zu erwarten war. An a. O. bemerkt derselbe
Beobachter: »Die Ruk-Inseln sind durch Repräsentanten beinahe der sämmtlichen die
Central-Carolinen bewohnenden Völker besiedelt« (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 77), so dass
darnach auch die Mortlocks in Betracht kommen würden. Aber die Bewohner der
letzteren stammen, nach anderen Angaben Kubary's, von Ruk her, und zwar werden
Kutua, der östlichste Theil der Insel Toloas, a. O. aber das Dorf Medschitiu auf der
Insel Uola als die »Urheimat« der Mortlocker bezeichnet, die Herkunft der Bewohner
des letzteren Dorfes aber wiederum auf Kuschai zurückgeführt, kühne, auf vage Tra-
ditionen wackelig aufgebaute Combinationen, die wissenschaftlich keine Bedeutung
beanspruchen können. Trotz dieses gemeinschaftlichen Stammbaumes und obwohl
Kubary a. O. »den die Mortlock-Inseln bewohnenden Menschen als eines der vollkom-
mensten Elemente der sogenannten mikronesischen, oder noch enger begrenzt, der
carolinischen Inselwelt« bezeichnet (»Mortlock«, S. 226), kommt er doch zu dem wider-
sprechenden Schluss, »dass die Mitte der Central-Carolinen von einem Menschenschlage
bewohnt ist, der aus einer Vermischung eines mehr malayischen und eines polynesischen
Elementes entstand«, den er von Nukuor ableitet, und will auf Mortlock zwei verschie-
dene anthropologische Typen (einen schlanken und einen »etwas weniger schlanken«)
herausgefunden haben (ib. S. 232). Dr. Krause weiss diese Unterschiede der beiden Ku-
bary'schen Mortlock-Typen auch gleich craniologisch festzulegen und findet, »dass bei
dem einen in der Vermischung mehr der papuanische, bei dem anderen mehr der
malayische Typus in den Vordergrund tritt« (Kat. M. G., S. 576). Dabei mag bemerkt
sein, dass es sich im Ganzen um Messungen von 16 Schädeln handelt, deren Resultate
sehr erheblich von Kubary 's Messungen (an lebenden Mortlockern) abweichen (»An-
throp. Album«, S. 14). Derjenige, welcher so viele sogenannte Mikronesier gesehen und
verglichen hat als ich, wenn darunter auch zufälliger Weise gerade keine Mortlocker
und Ruker, wird diesen zum Theil widersprechenden Annahmen wenig Werth beilegen.
Sie betreffen individuelle Abweichungen, wie sie sich überall, selbst innerhalb von
Familien finden, und die Schlussfolgerung, dass auch diese Central-Carolinier ebenso
sehr oder wenig typisch sind als alle übrigen Mikronesier, ist jedenfalls die richtigere.
Die »Racencharaktere«, welche Kubary für die Mortlocker (»Mortlock«, S. 226 — 285,
und Kat. M. G., S. 3oo) und Ruker (ib., S. 355) verzeichnet, passen auch auf alle übri-
gen Carolinier, so dass an deren Zusammengehörigkeit nicht im Mindesten zu zweifeln
ist. Ein Vergleich der Photographien Eingeborener von Ruk und Mortlock (» Anthrop.
Album M. G.«, Taf. 21 — 24) wird dies vollends beweisen, wie andererseits auch Sprache,
Sitten und ethnologische Eigenthümlichkeiten jene Identität bestätigen, welche schon
von den ersten Reisenden (Lütke, Kittlitz) anerkannt und von späteren (Doane, Logan,
Wetmore) bekräftigt wurde, Zeugnisse, die denen Kubary's gegenüber mindestens
gleichen Werth beanspruchen dürfen. Ich habe die verstreuten anthropologischen
Notizen Kubary's in Betreff der Bewohner der Central-Carolinen auch nur deshalb hier
zusammengetragen, um zu zeigen, wie häufig er von dem sicheren Boden der Empirie
ins Gebiet der Speculation abschweift.
Hautkrankheiten sind häufig, namentlich Ichthyosis; nach Kubary, der den Krank-
heiten der Mortlocker ein besonderes Capitel (l. c, S. 235) widmet, auch zwei Arten
3o2 Dr. O. Finsch. [54^]
Lupus und besonders Elephantiasis. Ausserdem besitzen die Mortlocker eine eigen-
thümliche »angeborene« Krankheit, die sich aber erst im Alter entwickelt und in Läh-
mung der Finger besteht.
Sprache. Trotz seines kurzen Aufenthaltes von nur drei Monaten war es Ku-
bary doch möglich, einen »Beitrag zur Kenntniss der Sprache der Mortlock-Inselnc zu
liefern (1. c, S. 273 — 283), der mit einem Vocabular von circa 400 Worten zu den wich-
tigsten bis jetzt erschienenen linguistischen Arbeiten dieses Reisenden gehört. In der
Vergleichung ist nur auf die Aehnlichkeit gewisser Wörter mit Samoanisch RQcksicht
genommen, deren geringe Zahl (etwa etliche 20) indess noch nicht von einer engeren
Verwandtschaft überzeugen kann. Wichtiger ist der von Doane und Logan überein-
stimmend geführte Nachweis, dass die Bewohner von Ruk, Mortlock, den Hall-Inseln
(Morileu, Namolipiafane und Ost-Faiu oder Lütke-Insel) mitNema, Losop undNamulok
ein und dieselbe Sprache sprechen. »Wir finden nicht die leichteste Verschiedenheit
im Dialekt, höchstens in der Accentuirung, sehr wenig in Worten c (Logan). Damit
dürfte die Zusammengehörigkeit dieser Inselbewohner jedenfalls am besten bewiesen
werden, die sich vielleicht auch auf Uleai und Fais erstreckt (vgl. vorne S. 186 [442]).
Charakter und Moral. Cheyne's unglückliche Erfahrungen auf Ruk, wo er (1844)
von den Eingeborenen anfangs freundlich aufgenommen, plötzlich von diesen mit
üebermacht (2000!? Mann stark) überfallen wurde, hat den Bewohnern der Central-
Carolinen das schlechte Zeugniss verschafft, welches ihnen in den meisten nautischen
Büchern (und Karten) mit dem Vermerk »hinterlistig« ertheilt wird. In Wahrheit
scheinen sie aber im Ganzen nicht so schlimm zu sein und werden von den meisten
Beobachtern als gutmüthige Menschen bezeichnet. Lütke erwähnt die Wissbegierde
der Lukunorer, vermisst aber das auf Kuschai herrschende kindliche Zutrauen und Gast-
freundschaft; ihr Grundsatz war: »wenig geben und viel nehmen«, wie dies fast aus-
nahmslos für Kanakas gilt. Kubary lobt »die grossen geistigen Anlagen« der Mortlocker,
die wohl aber nicht hervorragender als bei anderen Caroliniern sein dürften, tadelt aber
ihre »körperliche Trägheit« und hebt bei den Rukern »als besondere Charaktereigen-
schaften Trägheit und Gleichgiltigkeit gegen das eigene Wohlergehen« hervor. Nach
Wetmore sind die Ruker lebhafter und zugleich händelsüchtiger als die Mortlocker,
welche er als ehrlich bezeichnet, wie dies bereits Lütke von den Lukunorern sagt. In
der That sind Fehden, oft mit blutigem Ausgange, nichts Seltenes auf Ruk, aber auch
auf Mortlock kamen Kriege vor (Kubary).
Schon zu Lütke's Zeiten zeigten sich die Bewohner dieser Inseln bereits mit
Schiffen bekannt, wenig scheu, bemühten sich aber umsomehr, ihre Frauen zu ver-
bergen. Kittlitz glaubt »die merkwürdige Verborgenheit der Frauen auf Lukunor und
Uleai« auf zufällige Verhältnisse oder die Eifersucht der Männer zurückführen zu
müssen, da auf Fais keine Spur von Absonderung der Frauen zu bemerken war. Allein
als Kubary 1877 nach Satöan kam, liess sich in der ersten Zeit das weibliche Geschlecht
auch nicht blicken, und der Besuch an Bord von Schiffen war völlig ausgeschlossen.
Dennoch erwies sich die Tugend der Mädchen, die mit Ausnahme der Männer des
eigenen Stammes freien Umgang pflegten, nicht besser als anderwärts. Aber Kubary
lobt die eheliche Treue der Frauen. Sitte und Anstand wurden äusserlich mit pein-
licher Etiquette geführt; so durfte z. B. in Gegenwart von Frauen nicht einmal das
Wort Nabel, Bauch u. dgl. ausgesprochen werden.
Lütke nennt die Lukunorer unfläthig und schmutzig an ihrem Körper wie in den
Häusern, und Kubary bestätigt, dass es mit der Reinlichkeit auf Mortlock nicht weit
her ist. Waschungen werden nur selten vorgenommen, um die Kruste von gelber
fcAi] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3o3
Farbe und Oel, welche den Körper bedeckt^ gelegentlich zu entfernen ; Läuseessen ist
an der Tagesordnung.
Trunksucht wird von keinem Beobachter erwähnt und dürfte so unbekannt sein
als Syphilis und Geschlechtskrankheiten ') überhaupt.
IL Sitten und Gebräuche.
(Sociales und geistiges Leben.)
/. Sociale Zustände.
•
Stände und das auf Kuschai herrschende Feudalsystem fehlen in unserem Gebiete
ganz, wie schon Kittlitz und Lütke auf Lukunor wahrnahmen, dagegen tritt die strenge
Eintheilung in Stämme weit stärker hervor. Kubary schildert in seiner Monographie
in dem Abschnitt »Die politischen, staatlichen und socialen Einrichtungen der Mort-
locker« (1. c, S. 243 — 257) diese äusserst complicirten Verhältnisse so detaillirt, dass
dadurch ein klareres Verständniss sehr erschwert wird. Dennoch will ich es versuchen,
die Hauptmomente hier in Kürze zusammenzustellen.
Wie Ruk steht auch die Mortlock-Gruppe unter keinem einheitlichen Regiment,
sondern zerfällt in 7 selbstständige »Inselstaaten« (davon 4 auf Satöan, 2 auf Lukunor,
I auf Etal), die sich »in 16 sociale Staaten eintheilen, von denen jeder wieder seine eigene
innere Organisation hat und aus einer grösseren oder kleineren Anzahl von Gemeinden
mit je einem Dorfe besteht«. Es gibt also wie überall Dorfgemeinden (»Key« a. O.,
»Pey«: Kubary), deren Mitglieder übrigens verschiedenen Stämmen angehören, die je
unter einem Häuptlinge stehen. Letztere führen nach Kittlitz auf Lukunor den all-
gemeinen Titel »Tamol«, aber Kubary gibt dazu wieder eine Blumenlese von Namen,
die nicht gerade zur Klärung beiträgt, um so weniger, als häufig in derselben Abhand-
lung2) dasselbe Wort verschieden geschrieben wird. So heissen auf Mortlock niedere
Häuptlinge, die auch als »Aelteste« bezeichnet werden, »Somol« (spr. »Schomol«),
aber Kubary schreibt a. O. »Samon« und »Saman« und erklärt dies Wort gleichbedeu-
tend mit »Taman« =-- Vater und dem rukischen »Camon« (auch »Öaman« = Häupt-
ling und Vater) und dem »Tomal« (auch »Tomol« und »Tonul«) von Uleai, Uluti und
Yap. Es dürfte daher nicht unrichtig sein und sich der Einfachheit halber empfehlen,
das alte Wort »Tamol« für Häuptling beizubehalten, denn in die Feinheiten eingeborener
Standestitulaturen einzudringen wird doch ziemlich schwierig. Durch Kubary erfahren
wir allerdings, dass auf Mortlock die niederen Häuptlinge wieder unter einem »Key-
Somol« oder Oberhäuptlinge des Hauptdorfes oder Stammes stehen, aber zugleich
auch, dass die niederen Häuptlinge so ziemlich gleichberechtigt sind. Kittlitz* Scharf-
sinn hatte diese Verhältnisse schon auf Lukunor richtig erfasst und herausgefunden, dass
die Stellung der Häuptlinge eine bei Weitem mehr beschränkte ist als z. B. auf Kuschai.
>) In erschreckender Weise fand Kubary solche auf Sonsol verbreitet, jedenfalls durch Weisse
eingeführt. Fast die ganze Bevölkerung und beide Geschlechter (zusammen 350) war mit Gonorrhoea
behaftet. Letzteres Uebel ist auch auf Pelau häufig, aber die Eingeborenen besitzen hier eine Medicin
(deren Recept Kubary miltheilt), welche selbst die acutesten P'ormen in 3—6 Tagen unfehlbar
curirt (!). Diese ärztliche Praxis wird auf Pelau von Frauen ausgeübt (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 88 u. 89).
') So, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Ober die Bewohner von Sonsol (»Ethnol. Beitr.c,
1, S. 49f.), wo «Häuptling« bald: »Tormer«, »Tomuer« oder »ToumoU (von Vater = »Toma«) ge-
schrieben wird.
3o4 ^^' O. Finsch. [542]
»Der Titel ^Häuptling^ ist hier im Ganzen sehr häufig, es sind aber meist ältere Leute,
die ihn führen, die sowohl einen Gemeindevorsteher und politischen Chef, als einen
Commandanten zur See bezeichnen«, denn »bei diesem der Schiffahrt und dem Handel
ganz zugewendeten Volke fehlt die feudalistische Grundherrschaft der Oberhäupter und
Bauernabhängigkeit der Insassen, die wir auf Ualan (Kuschai) bemerkten«. »Jeder
Hausvater besitzt hier seine Fruchtbäume, doch scheint der eigentliche Grundbesitz
immer der ganzen Gemeinde zu gehören und von der Obrigkeit im Interesse derselben
verwaltet zu werden (Denkwürd., II, S. 82). Nach Kubary geschieht dies durch die
»Key-Somol« oder Oberhäuptlinge, welche die »unumschränkten« Verwalter der Lan-
dereien (»Key«, auch »Pey« und »Bey«) des Stammes (»Puipui«) sind. Oberhäuptling
und zugleich »das politische Haupt des Stammes ist der älteste Mann aus der ältesten
Familie des Stammes«, der zugleich auch bei besonderen Gelegenheiten, z. B. einem
Kriegsfalle, zur Führung mehrerer Stämme erwählt werden kann. »Theoretisch auf-
gefasst, gibt die Stamm Verfassung dem Häuptlinge die höchste Stelle innerhalb der
Grenzen der Verfassung (!) und unbeschränkte Macht über den Stamm«, die sich aber
nicht auf Todesurtheile, sondern höchstens auf körperliche Züchtigungen von Uebel-
thätern erstreckt. Die Regelung des auf Mortlock so ausgebildeten Tabuwesens
(»Puau-u«, a. O. »Puanu«: Kubary) liegt ebenfalls in der Machtbefugniss des Häupt-
lings, der darin aber nicht willkürlich handeln darf. Aeussere Abzeichen der Häupt-
lingswürde gibt es natürlich nicht, aber Häuptlingen werden gewisse Ehren erwiesen.
So ist es nicht schicklich, dass niedere Männer in Gegenwart des sitzenden Häuptlings
stehen, junge Leute haben sich schweigsam zu verhalten u. dgl. m.
Für den Unterhalt des Häuptlings und der Seinigen sind die Dorf-, resp. Stararaes-
genossen zu gewissen Naturallieferungen verpflichtet, die zu gewissen Zeiten entrichtet
werden, z. B. während der Zeit der Brot fruchtreife, bei grossen Fischfängen u. dgl.
Aber man leistet dem Häuptling keine Frohndienste wie z. B. auf Kuschai, und er bebaut
z. B. seine Tarofelder in derselben Weise als jeder Andere.
Da die Mortlocker die Geister ihrer Vorfahren verehren und die von Häuptlingen
als die höchsten gelten, so erlangt dadurch zugleich auch der functionirende Häuptling
grossen Einfluss bei den Stammesgenossen als Wahrsager, Geister- und Krankheits-
beschwörer (»Foreyanu«). Ueber die Erbfolge erwähnt Kubary nur, dass beim Tode
eines Häuptlings sein Bruder oder sonstige nächste männliche Verwandte Nachfolger
wird. Dass es übrigens auch persönliches Eigenthum gibt und dasselbe respectirt
wird, geht aus einer Notiz bei Doane hervor, nach welcher auf Satöan die verlassenen
Häuser von solchen Eingeborenen, welche von Werbeschiffen entführt waren, ver-
schlossen blieben und von Niemand betreten werden durften. Ueber die einschlägigen
Verhältnisse auf Ruk fehlt es an Nachweis.
Wie bereits erwähnt, bildet die Eintheilung in Stämme in unserem Gebiete, wie
den meisten Carolinen überhaupt, einen hervorragenden ethnologischen Zug. Nach
Kubary gab es damals auf der Mortlock-Gruppe sieben Stämme, unter die sich alles
bebaute Land vertheilte, ausserdem drei Stämme ohne Landbesitz, die keine Bedeutung
hatten. Denn die Existenz des Stammes ist so wandelbar als die der Familie, und Aus-
sterben kann für den einen, wie für die andere eintreten. Die Stamraesländereien
(»Bey«) bilden übrigens nicht immer zusammenhängende, in sich abgeschlossene Com-
plexe, sondern sind zum Theil auf verschiedene Inseln und Atolle vertheilt.
Unter den Stammesbräuchen ist zunächst die enge Zusammengehörigkeit seiner
Mitglieder, die sich als blutsverwandte Geschwister betrachten, hervorzuheben. So
dürfen Männer desselben Stammes nicht gegeneinander kämpfen, während andererseits
rc^,31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 305
wieder Brüder oder selbst Vater und Sohn gegeneinander stehen müssen, sofern sie
verschiedenen Stämmen angehören. In sonderbarem Widerspruch damit stehen die
eigenthümlichen Satzungen, welche die Stammesmitglieder nach den Geschlechtern,
also Männer und Frauen, Brüder und Schwestern auf das Strengste trennen, wenn sie
nicht mütterlicherseits von verschiedenen Stämmen abstammen. Denn die Mutter ist
es, welche die Stammeszugehörigkeit auf die Kinder vererbt, welche letztere im Ge-
burtsdorfe der ersteren landespflichtig werden. »Für den Vater«, sagt Kubary, »sind
die Kinder nicht zu seinem Stamme gehörende Fremde«, aber auch und damit nicht
ganz im Einklänge: »so lange der Vater lebt, sind die Kinder in seinem Stamme an-
gesehen, nach seinem Tode sind sie sammt der Mutter Fremdlinge«. Aus dieser stren-
gen Scheidung der männlichen von den weiblichen Gliedern des Stammes resultiren
eine Menge Gebräuche und Verbote, die mir, offen gestanden, nach Kubary's Darstel-
lung nicht ganz klar geworden sind. Dass Geschwister nicht unter einem Dach schlafen,
Frauen nicht das Männerhaus (»Fei») des eigenen Stammes betreten dürfen, was bei
Frauen aus anderen Stämmen nicht beanstandet wird, lässt sich begreifen. Weniger
verständlich sind dagegen die Vorschriften eingeborener Etiquette, nach welchen die
Frau in Gegenwart ihres Mannes ihren Bruder nicht berühren darf, oder gebückt an
ihm vorbeizugehen hat, wie andererseits Häuptlinge wiederum gebückt Frauen gegen-
übertreten müssen. Im Widerspruch mit der strengen Scheidung der Geschwister nach
dem Geschlecht, erwähnt Kubary aber auch »Lieblingsbrüder« von Schwestern, auf die
wir unter »Ehe« zurückkommen werden. Auf Ruk herrschen, soweit sich darüber nach
den spärlichen Nachrichten Kubary's urtheilen lässt, ganz gleiche Verhältnisse. Nur
gibt es entsprechend der zahlreicheren Bevölkerung ungleich mehr Stämme (»Eylang«),
nach Kubary nicht weniger als Sg, welche wiederum in 78 (!) von einander unabhän-
gige »Staaten« zerfallen (Kat. M. G., S. 355). Unter letzteren sind natürlich nur Dorf-
verbände zu verstehen. Drei Stammesnamen auf Ruk sind übrigens mit solchen von
Mortlock identisch und beweisen die enge Zusammengehörigkeit zwischen den Be-
wohnern beider Inselgruppen. Nach Logan herrscht viel Stammesfeindschaft, die zu
häufigen Fehden führt, und Kubary sagt, dass die Insassen eines an die Ufer von nicht
befreundeten Stämmen verschlagenen Canus sicheren Tod zu gewärtigen haben.
Verbote (Puanu) im Sinne des weit über Oceanien und Melanesien verbreiteten
»Tabu« fehlen auch in den Central-Carolinen nicht. Während eines nur viertägigen
Aufenthaltes auf Lukunor gewann Kittlitz bereits gewisse Einblicke in diese Verhält-
nisse, die er aber zum Theil falsch deutet, so z. B. die Absonderung des weiblichen Ge-
schlechts (vgl. Denkwürd., II, S. 100 — io3). Aber er erkannte bereits »den vernünftigen
Zweck, die Benutzung gewisser Baumarten (oder vielmehr deren Früchten!) für ge-
wisse Zeiten streng zu untersagen; sie dürfen dann nur durch Gemeindebeschluss oder
obrigkeitlichen Befehl in Gebrauch kommen«. Wie bereits im Vorhergehenden er-
wähnt, haben darüber die Häuptlinge zu entscheiden, wie dies allenthalben der Fall ist,
und diese sind es, welche »Puau-u« (=;=Tabu) verhängen, ein Wort, das Kubary a. O.
»Puanu« schreibt und welches nach ihm in gleichem Sinne auch auf Ruk gilt (auf
Nukuor dagegen »Tapu«). Die Aufrechterhaltung dieser Verbote wird äusserst streng
gehandhabt. So sind, gewöhnlich zur Zeit der Brotfruchternte (»le rak«), während drei
bis vier Monaten im Jahre, die Cocosnüsse »puanu« und dürfen nicht gepflückt werden,
damit ein genügender Vorrath an alten Nüssen zusammenkommt, die der Häuptling
verwahrt. In dieser »politisch-ökonomischen Fürsorge für den Stamm« kann der
Häuptling auch über die Brotfrucht »puanu« verfügen, ja zeitweilig sogar das Fischen
verbieten oder doch nur gewissen Personen gestatten. Es geschieht dies, um die Leute
3o6 ^^' O. Finsch. [5441
vom Betreten des Ufers und der benachbarten Cocoshaine abzuhalten, hat also, wie
überall, eine praktische Unterlage, um dem auf diesen Inseln häufig eintretenden Mangel
vorzubeugen. Darnach sind die Aussagen Floyd*s über ganz ähnliche Gebräuche auf
Moriljö (Murilla) der Hall-Gruppe zu berichtigen, nach denen unter Anderem Fisch-
zUge nur in gewissen Zeitabständen erlaubt sind (vgl. Kittlitz^ Denkwürd., 11, S. 102).
In dem nachfolgenden Abschnitt über Todtenbestattung soll des bei gewissen
Todesfällen stattfindenden sehr strengen Todten-Puanu gedacht werden.
2. Stellung der Frauen.
Wie bereits im Vorhergehenden erörtert wurde, spielen im Stammesleben der
Mortlocker die Frauen eine hervorragende Rolle. »Je mehr Frauen zu einem Stamme
gehören, desto mehr Heiraten und Nachkommenschaft, desto grösser demnach die
Wahrscheinlichkeit seines sicheren Bestehens. Hieraus resultirt die bevorzugte Stel-
lung der Frau, welche ihren Ausdruck darin findet, dass die älteste Frau des Stam-
mes als dessen sociales Haupt angesehen und mit besonderer Achtung behandelt wird.
So darf in Gegenwart eines Stammesverwandten von einer Frau seines Stammes nur
Gutes gesprochen werden, jede Anzüglichkeit wäre eine tödtliche Beleidigung.« Nach
den nicht immer ganz klaren Darstellungen Kubary*s hängt die Erhaltung des Stammes
in der Tbat einzig und allein von der Frau und deren hervorragenden Stellung in der
Familie ab, soweit von letzterer auf Mortlock nach unseren Anschauungen die Rede
sein kann. Ob diese Verhältnisse auf Ruk gleich sind, lässt sich nicht sagen, wohl aber
vermuthen.
Ehen werden auf Mortlock leicht geschlossen und beruhen häufig auf eigener
Wahl der Betheiligten, da höchstens die Einwilligung der Mutter und ihrer Sippe er-
forderlich ist, der Vater dagegen nichts dreinzureden hat. Er erhält jedoch meist vom
Bräutigam Geschenke, wie solche für den Häuptling des Stammes der Braut und ihre
Brüder unbedingt erforderlich sind. Besondere Heiratsceremonien finden nicht statt.
Wie schon erwähnt, betrachten sich die Glieder eines Stammes als blutsverwandte
Geschwister, und deshalb ist auch die Ehe zwischen Stammesgenossen vollkommen aus-
geschlossen, ja selbst eine aussereheliche geschlechtliche Verbindung würde schon als
Blutschande gelten und eventuell mit dem Tode bestraft werden. Männer können
daher intimen Umgang, resp. Heiraten nur mit der Frau aus einem anderen Stamme
schliessen, müssen gewöhnlich nach deren Wohnsitz ziehen und dort das ihr gehörige
Land bearbeiten. Besitzen sie ausserdem eigenes Land in ihrer Heimat, so haben sie
die Producte nach den Verwandten ihrer Frau zu bringen. Unter diesen ist der
Schwiegervater nur Nebenperson, dagegen haben die Schwäger und der Häuptling des
Stammes und Dorfes, zu welchem die Frau gehört, die grösste Bedeutung. Die Ehefrau
ist in der Familie ganz unabhängig und hat höchstens von der Tyrannei der Söhne zu
leiden, die ihr Uebergewicht auch den unverheirateten Schwestern fühlen lassen. Uebri-
gens leben Geschwister nur als ganz kleine Kinder*) unter sich und mit ihren Eltern
zusammen. Schon im Alter von 7 — 8 Jahren halten sich die Knaben zusammen oder
spielen nur mit nicht stammverwandten Mädchen. Später folgen sie dem Vater, schlafen
mit diesem im Männerhause, während die Schwestern bei der Mutter in den besonderen
>) Aehnliche Verhältnisse herrschen nach Cootc auf Fidschi und Opa (Neu-Hebriden). Hier
sind Bruder und Schwester streng 9tabu« und dürfen nicht einmal miteinander sprechen.
[5451 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 307
Hütten der Frauen bleiben, so dass die Familie nicht unter einem Dache vereint ist.
Wie bei den meisten Eingeborenen wachsen die Kinder auf wie sie wollen, stehen aber
mehr unter dem Einfluss der Mutter als dem des Vaters. Der letztere darf z. B. weder
der Mutter, noch der Tochter Vorwürfe machen, falls letztere auf unsittlichen Wegen
wandeln sollte. Bei Frauen ist das nicht zu befürchten, da diese in der Ehe sehr treu
sind. Wie es scheim, herrscht im Allgemeinen Monogamie, denn nur die kurze Stelle
bei Kubary: »die Sitte gab dem Manne mit seiner Frau auch alle ihre freien (wohl un-
verheirateten) Schwestern, von welcher Freiheit aber nur die Häuptlinge Gebrauch
machen«, lässt auf Polygamie >) bei Häuptlingen schliessen. Wie es scheint, werden
auch Kinder verlobt, wenigstens darf man dies aus dem folgenden Satze Kubary's
schliessen: »Sehr oft verheiraten die Häuptlinge ihre Kinder mit den Mitgliedern ihres
eigenen bey*s (Gemeinde), wodurch sie denselben eine reiche Mitgift und deren Nach-
kommenschaft eine Zugehörigkeit zu demselben Stamme sichern. Die beiden zu einem
Ehepaare bestimmten Kinder (die aber jedenfalls verschiedenen Stämmen angehören
müssen!) werden sich selbst überlassen, und sobald sie Neigung haben, sich zu ver-
einigen, erhalten sie eine separate Hütte im Dorfe, im entgegengesetzten Falle gehen
sie auseinander.« Ob sonst Ehescheidungen vorkommen, erwähnt Kubary nicht. Der
Erbschaftsverhältnisse wird nur mit den Worten: »Das Eigenthum des Vaters (an be-
weglichen Gegenständen) gehört seiner Frau und deren Kindern« gedacht. »Eine Art
Adoption zwischen Verwandten einerlei Stammes scheint vorzukommen.«
Trotzdem die Stammessatzungen ein enges Familienleben kaum aufkommen
lassen, »ist das Gefühl einer wirklichen Anhänglichkeit und Liebe den so künstlich grup-
pirten Mitgliedern nicht fremd. Die Frau liebt den Mann ihrer Wahl, die Eltern ihre
Kinder, die Schwester ihre Geschwister, ja sie hat gewöhnlich einen älteren Lieblings-
bruder und erfreut sich, so weit es die Stammesverfassung zulässt, seines vertrautesten
Umganges und seiner Gegenliebe,« äussert sich Kubary, was freilich mit der vorher
erwähnten strengen Trennung zwischen Brüdern und Schwestern wenig in Einklang
zu bringen ist. Auch die Notiz: »Das Sopun-Mädchen ist tugendhaft, so lange es mit
einem Sopun-Manne keinen Umgang hat,« klingt bedenklich und lässt schliessen, dass
geschlechtlicher Umgang zwischen Stammesmitgliedern vorkommt.
»Die Frauen unterliegen während der Menstruation keinen Vorschriften,« sagt
Kubary in seinen »Bewohnern der Mortlock-Inseln« (S. 262), beschreibt aber von Ruk
besondere Menstruationshäuser (s. weiter zurück »Frauenhäuser« im Abschnitt »Wohn-
stätten«), die auch auf Lukunor nachgewiesen sind. Es lässt sich also annehmen, dass
auch auf Satöan gleiche Verhältnisse herrschen werden. Im Uebrigen theilt Kubary
über das eheliche Leben nichts weiter mit, als »sehr früh tritt im Falle von Schwanger-
schaft die Trennung der beiden Ehehälften ein«, und die Worte: »Nähere Umstände
bei Geburten u. dgl. konnte ich nicht genau erfahren« sind Alles, was er über dieses
Capitel sagt.
Ob die Mortlocker von Ruk, ihrer »Urheimat«, wie Kubary annimmt, vielleicht
auch Frauen holen oder holten, darüber fehlt es an Nachrichten, wie Kubary bis jetzt
diejenigen über die Stellung der Frauen, Ehe etc. auf Ruk schuldig geblieben ist. Dass
aber auch hier Heiraten innerhalb des Stammes streng verpönt sind, erfahren wir durch
Logan.
») Das umgekehrte Verhftltniss scheint auf der westlichsten Carolinen-Insel Sonsol zu herrschen,
denn Kubary erwähnt: »Frauen können mit Brüdern Polyandrie üben« (»Ethnol. Beitr.«, 1, S. 93),
wohl das einzige derartige Vorkommen in den Carolinen Oberhaupt.
3o8 Dr. O. Finsch. [546]
Ein eigenartiges Geräth, das im Liebesleben der Ruker eine merkwürdige Rolle
spielt, erhielt ich durch Kubary, und zwar einen
Fenai*) (Taf.V [22], Fig. 10), Erkennungsstab; ein 1*45 M. langer, runder,
dünner Stab aus sehr hartem Holze, dessen circa iio Mm. langes Ende vierkantig ge-
arbeitet und mit sanften Einkerbungen versehen ist, wie dies aus der beigegebenen Ab-
bildung ersichtlich ist. •
Andere Stücke im Museum Godeffroy sind 1-62 — 2*20 M. lang, 9 — 15 Mm. dick,
der geschnitzte Endtheil ist 8 — 20 Cm. lang. Nach Kubary ist der Kopf dieser Stäbe
zuweilen auch mit Anhängseln (aus aufgereihten Cocosringen und Muschelscheibchen)
verziert. Der Katalog verzeichnet diese »ohne genauere Mittheilung von Kubary ein-
gesandten« Stäbe in leicht verzeihlicher Weise als »Wurfwaffen?< (S. 371, Nr. 3451 bis
3454), indess ist der Zweck ein ganz anderer und in der That kaum zu errathen. Wie
auf Mortlock stehen nämlich auch die Mädchen auf Ruk in durchaus freiem Verkehr
mit Männern, die nicht zu ihrem Stamme gehören, und jedes Mädchen pflegt mehrere
Liebhaber zu besitzen, denen sie ihre Gunst schenkt. Bei diesen nächtlichen Besuchen
bedient sich nun der Liebhaber eines solchen Fenai, indem er denselben an der Stelle
durch die dünne Wandung der Hütte steckt, wo er weiss, dass seine Geliebte ihre
Schlafmatte ausgebreitet hat. An der Zahl der Kerbe und der Form des Knopfes er-
kennt die letztere den Träger des Fenai, da jeder seine persönlichen Zeichen besitzt,
und folgt, je nach dem Grade ihrer Neigung, der zarten Aufforderung zu einem zärt-
lichen Stelldichein. Nach Kubary, dem ich obige Mittheilung mündlich verdanke, sind
die Fenai (auch als »Fänäy«, »Fälay« bezeichnet) nur auf Ruk in Gebrauch, allein er
hält es nicht für unwahrscheinlich, dass sie von »Emigranten aus den Ladronen« ein-
geführt wurden und möglicherweise auf die Abzeichen der geheimen Uritao-Gesellschaft
dieser Inseln zurückführen, eine Combination, die wenig Ueberzeugendes hat (vgl.
Kubary: »Die socialen Einrichtungen der Pelauer«, Anm. S. 96, 97). An dieser Stelle
erklärt Kubary auch den Zweck des Fälay-Stabes sehr bestimmt: »er dient den Männern
bei ihren Liebschaften mit den auswärts wohnenden Frauen als Erkennungszeichen»,
»der Fälay-Stab wird von den jungen Leuten bei deren Ausflügen in die Nachbarschaft
benutzt mit einer klaren Bestimmung als Erkennungszeichen zwischen den beiden Ge-
schlechtern«, wogegen er sich befremdenderweise später wieder zweifelnd und unsicher
in den Worten ausspricht: Diese Stöcke sollen bei dem nächtlichen Verkehr der jungen
Männer mit den auswärts wohnhaften Frauen als ein Erkennungszeichen dienen«
(»Ethnol. Beitr.«, I, S. 59). Wie erwähnt, hat nur Ruk diese eigenthümliche Sitte auf-
zuweisen, die dem Liebesleben eine gewisse Romantik verleiht, welche sonst bei Kanaken
zu den grössten Ausnahmen gehört. Logan erzählt einige Beispiele, w'elche beweisen^
dass Liebe auf Ruk ebensogut zu allerlei Thorheiten, ja zum Tode führen kann wie
bei uns. Trotz aller Gegenvorstellungen heiratete Pineas, ein eingeborner Lehrer, ein
Heidenmädchen, kaum älter als ein Kind, während umgekehrt die Vorsteherin der
Mädchenschule, eine nicht mehr ganz junge Ponapesin, mitSami, dem hoffnungsvollsten
Schulknaben im Alter von circa 17 Jahren, durchbrannte. Ein alter Häuptling von
Kuku auf Fefan verliebte sich in ein kaum mehr als 10 — 12 Jahre altes Mädchen der
Mission und offerirte Dem, der ihm das Mädchen verschaffen würde, eine Flinte. Da
das Mädchen bereits mit einem Missionsknaben verlobt war, so hielt man sie in der
Mission versteckt, aber die Liebe des Alten wusste alle Hindernisse zu überwinden.
>) Die zuerst angeführten eingebornen Namen sind so niedergeschrieben, wie sie mir von
Kubary vorgesagt wurden.
Tcj^yl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3og
Und als er die Geliebte endlich die Seine nannte und sie ihm nach kurzer Zeit durch
Jen Tod entrissen wurde, da vermochte er den Schmerz nicht zu ertragen und gab sich
aus Liebe freiwillig den Tod, einen Stoff, den ich Romanschreibern empfohlen halten
möchte.
3. Vergnügungen.
Tanz und Gesang bilden auch in den Central-Carolinen wesentliche Nummern
im Programme von Festlichkeiten. »Die alten heidnischen Tänze sind sehr beliebt beim
Volke und werden leider ohne und mit Erlaubniss der teachers (farbigen Missionslehrer)
noch ausgeführt,« klagt Logan (1886) über Ruk, indem er hinzufügt: »Gymnastische
Uebungen, die zu drei Viertel nichts Anderes als heidnische Tänze sind, nehmen be-
dauerlicherweise in den Missionsschulen mehr Zeit weg und beschäftigen die Gedanken
der Schüler viel lebhafter als wirkliches Studiren.« lieber diese so verabscheuten heid-
nischen Tänze, deren völlige Ausrottung fast noch mehr Schwierigkeiten bereitet als
die der verhassten gelben Farbe und langer Haare, geben, wie zu erwarten, die Mis-
sionsberichte keine näheren Mittheilungen. Aber durch Kubary erfahren wir wenigstens
Einiges (Kat. M. G., S. 369). Darnach finden auf Ruk allgemeine Festlichkeiten —
»Parik« — zur Zeit der Brotfruchtreife statt, an denen oft der ganze Stamm theilnimmt,
und werden (wie Kubary diesmal nur annimmt) von den Häuptlingen »auf Geheiss der
Geister (,Anu*)« angeordnet. Die männliche Bevölkerung eines Dorfes pflegt in dieser
Festeszeit unter Führung des Häuptlings den Nachbardörfern Besuche abzustatten, um
hier zu Ehren des Geistes des betreffenden Dorfes Tänze und Gesänge aufzuführen,
weshalb Kubary a. O. (»Die socialen Einrichtungen der Pelauer«, S. 96, Anm.) den
früher »Parik« genannten »Auanu«- Festlichkeiten eine »gesellschaftliche, politische und
religiöse Bedeutung« unterlegt. Der »Auanu«-Tanz, an welchem auch Frauen theil-
nehmen und »der eben nur eine Versinnlichung des geschlechtlichen Verkehrs genannt
werden muss, die sich in Bewegungen der Hüften und der Beine kundgibt«, scheint aller-
dings nicht sehr anständig zu sein und dürfte also mit Recht Anstoss erregen, obwohl nach
Kubary »bei dieser Gelegenheit keine unsittlichen Ausschweifungen dabei stattfinden«.
Ein anderer Tanz der Männer heisst »Epegek« und besteht nur in Bewegungen
der Arme und Beine, während beim »Gurgur« -Tanze die Männer »unter fortwährender
Veränderung der Körperstel-
lung mit besonderen Tanz- *^* ^ '
Stöcken aus Orangeholz an-
einanderschlagen«. Ich be- 1 «
schreibe hier einen solchen
»Gurgur«, Tanzstock
(Fig. 53) von Ruk; aus dem v, „atün. Grösse,
harten gelblichen Holz des Tanzstock (Ende).
Orangebaumes (»Gurgur«,')
a. O. auch »Gorgur«) sehr sauber gearbeitet, rund, an beiden Enden sanft ausgekehlt,
das Ende selbst kolbig verdickt (vgl. Fig. 53); Länge 175 M., Dicke 45 Mm. Ein
anderes Exemplar war etwas kürzer, 1-55 M.
Nach mündlichen Mittheilungen Kubary's werden die feinen Tanzstöcke aus
Orangeholz, wie der oben beschriebene, nur von Häuptlingen gebraucht und gelten als
«) An a. O. bezeichnet Kubary den »Gurgurc als eine * Citrus- Art*, die von Ruk importirt
wurde und unter demselben Namen auch auf Pelau vorkommt.
3lo Dr. O. Finsch. [548]
äusserst werthvoll. Geringere Leute bedienen sich gewöhnlicher Stöcke als Taktschlagel,
wie dies in ähnlicher Weise auf den Marshall-Inseln (s. vorne S. [Sgo]) und anderwärts
geschieht. Auch diese sogenannten Tänze auf Ruk haben mit denen der Marshall-Inseln
viel Aehnlichkeit. Wie mir Kubary mündlich mittheilte, stehen sich die Tänzer in zwei
Reihen gegenüber. Jeder hält einen solchen Tanzstock, und zwar mit beiden Händen
in der Mitte fest, um bald mit dem einen, bald mit dem anderen Ende desselben an den
Tanzstock seines Partners zu schlagen, wodurch rhythmische Klangbilder und durch
Drehen und Bewegen des Stockes wie Körpers abwechselnde Figuren gebildet werden.
In der Gleich mässigkeit der Bewegungen besteht die Kunst dieses Tanzes, der mit so-
genanntem Singen begleitet wird, wie dies allenthalben geschieht. Ueber die auf Mort-
lock herrschenden Festlichkeiten gibt Kubary nur einige kurze Notizen. »An schönen
Mondscheinabenden findet gewöhnlich ,Urur' statt, d. h. eine gesellschaftliche Versamm-
lung am Strande, an der sich die Jugend beiderlei Geschlechts unter Gesang (,Nor') und
Tanz (,Parik') oft ganze Nächte hindurch ergötzt; ein unschuldiges Vergnügen, das aber
trotzdem von der Mission verboten wurde.« Geisterverehrung scheint dabei keine Rolle
zu spielen, sonst würde Kubary dies gewiss nicht unerwähnt lassen. Auffallenderweise
gedenkt Kubary aber der vorher beschriebenen Taktschlägel mit keiner Silbe und be-
zeichnet die »Gurgur« vielmehr als »Nationalwaffe der Mortlocker« (1. c, S. 272), zu-
gleich aber auch als »einen Stab, der oft als unschuldige Stütze von alten Leuten ge-
tragen wirdc. Es lässt sich daraus schliessen, dass die Gurgur doppelte Zwecke erfüllen
und ausser zum Tanz auch als Waffe dienen, wie dies Kubary für Ruk nur andeutet
(»Ethnol. Beitr.«, I, S. 58, Taf. X, Fig. g). Ohne Zweifel werden auf Satoan die »Gur-
gur« (Kampfstöcke) auch als Taktschlägel benutzt, denn schon Kittlitz erwähnt (II,
S. 98) von Lukunor »zierlich geglättete Stäbe, deren man sich bei Tanzfesten bedient«,
und auf den Hall-Inseln werden ebenfalls solche »Gurgur-Tanzstöcke« gebraucht.
Bei den »Urur«-Festlichkeiten der Mortlocker scheinen übrigens auch nach den
kurzen Andeutungen Kubary*s Spiele vorzukommen, von denen er das eine mit dem
»Klayluul-Spiel« der Pelauer vergleicht. Das bereits erwähnte Ballspiel der Ponapesen
(S. 245 [501]) ist auch auf Ruk beliebt und heisst hier »Po«, während das »Tschereka«-
Spiel, wobei die Theilnehmer an einem langen Stocke ziehend ihre Kräfte messen, mit
dem ponapesischen »Alajap« übereinstimmt (vgl. Opus Nr. 7, S. 10 1 und 102, Anm.,
vorne S. [449]). Das bereits bei den Gilbert-Inseln (s. vorne S. [3o2]) beschriebene
Spiel, Miniaturcanus auf der Lagune segeln zu lassen, ist auch bei Knaben und jungen
Leuten auf Ruk sehr im Schwange und heisst hier »Nunu« (Kat. M. G., S. 374).
Eine sehr merkwürdige Notiz Kubary's über Mortlock, die in das Gebiet des
Sportes und der Belustigungen gehört, will ich hier nicht unerwähnt lassen: »Der
Hahnenkampf ist auch hier leider nicht unbekannt, und Knaben belustigen sich mit
diesem Schauspiel. Der Hahn gilt hier wie überall als Symbol des übermüthigen und
erbitterten Muthes, und die sich gegenseitig trotzenden und aufreizenden Kämpfer ahmen
den Schrei und den Flügelschlag des Hahnes nach« (Kat. M. G., S. 298). An und für
sich wenig klar, klingt diese Notiz umsomehr befremdend, als Kubary in seiner Mono-
graphie der Mortlocks weder das Halten von Hühnern, noch Hahnenkämpfe nur mit
einer Silbe erwähnt und letztere nicht einmal in der ausführlichen Darstellung der Be-
lustigungen und Spiele') der Pelauer anführt. Es dürfte sich also empfehlen, über den
I) Nicht hier, aber in einer Anmerkung (S. 122) erwähnt Kubary des Drachensteigens als eines
religiösen (!) Gebrauches. »Ganz vereinzelt steht das in Radschman übliche feierliche Drachenspiel,
welches zu Ehren der Gottheit mit grossen Festlichkeiten verbunden, in unregelmässigen Zeitabständen
I^aq] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3ll
Brauch der Hahnenkämpfe weitere bestätigende Nachrichten abzuwarten^ umsomehr,
da bis jetzt von keiner Carolineninsel dieses Sports gedacht wird.
Masken, nicht auf Mortlock beschränkt, wie vorne S. [227] und [446] bemerkt
wurde, sondern ganz gleich auch von Ruk bekannt, würden nach Kubary nicht Aus-
putz bei Festlichkeiten sein und sind deshalb einstweilen bei Ahnenfiguren (s. weiter
hinten) eingereiht worden. Ich halte aber bezüglich der Verwendung dieser Masken
trotzdem noch an der Ansicht fest, dass sie in ähnlicher Weise wie überall benuzt wer-
den, da über Mortlock noch mancherlei wichtige Aufschlüsse ausstehen.
Musikinstrumente übergeht Kubary von Mortlock ganz mit Stillschweigen, erwähnt
dagegen aber von Ruk der Nasen flöte (»Anin«) als des einzigen musikalischen Instru-
mentes (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 61), ohne Weiteres über dieselbe mitzutheilen, als dass
sie, da dünnes Bambu selten ist, meist aus den Luftwurzeln von Mangrove verfertigt
wird. Aus diesem Materiale bestehen die beiden Exemplare, welche ich von ihm
erstand. Es sind dünne glatte Holzröhren, ähnlich markleerem Hollunder, 33 — 84 Cm.
lang und 20—25 Mm. im Durchmesser. Die eine Flöte hat keine Schalllöcher, die
andere drei solche. Ein Exemplar von Ruk im Kat. M. G. (S. 374), als »Stossflötec
beschrieben, hat »in der Oeffnung des einen Endes eine runde Holzplatte befestigt, in
deren Mitte ein kleines Loch gebohrt ist«, wie dies auch Kubary beschreibt. Wie (vorne
S. 243 [499]) erwähnt, kommt die Nasenflöte *) auch auf Ponap6 (nach Kubary auch
auf Yap und Pelau) vor und ist das einzige Musikinstrument der Central-Carolinen. Wie
überall wird hier aber auch die Muscheltrompete (aus Tritonium tritonis) (Atlas:
»Senjavin-Reise«, PI. 3o, Fig. i3) gebraucht, die schon Kittlitz von Lukunor mit der
richtigen Bemerkung notirt, dass alle diese Insulaner auf ihren Seereisen dieses Instru-
ment mit sich zu führen pflegen. Aber die Bemerkungen Floyd's: »unter jeder das Meer
beschifienden Gesellschaft befindet sich ein bestimmter Trompeter, dem es obliegt, mit-
telst dieses Instrumentes den Regen zu beschwichtigen« (Kittlitz, II, S. 110), sind jeden-
falls missverstanden, denn den praktischen Nutzen der Muscheltrompete zum Blasen
von Signalen haben wir schon bei den Marshall-Inseln (vorne S. [389]) kennen gelernt.
4. Kriegsführung und Waffen,
a) Fehden.
Kriege kamen auf Mortlock zu Kubary's Zeiten nicht vor, sollen aber früher nichts
Ungewöhnliches gewesen sein, wofür schon die eingeborenen Waffen sprechen. >Der
unfreiwillige Tod eines Stammesgenossen muss früher oder später gerächt werden und
hatte vielfach Stammesfehden und Kriege zur Folge.« »Im Falle eines Krieges zwischen
zwei Stämmen stehen sich Vater und Sohn feindlich gegenüber.« »Wenn z. B. zwei
Staaten im Streite sind, welcher blos durch einen Krieg ausgeglichen werden kann, so
finden sich die Krieger beider Parteien auf dem Kampfplatze ein, und die Schlacht be-
ginnt. Curioserweise besteht diese aber nicht in einem blinden Drauflosschlagen, son-
dern man sucht sich seine Gegner aus, die nicht stammverwandt sein dürfen.« »Staaten
bekämpfen sich demnach nur innerhalb ihrer sich gegenseitig fremden Stämme. Wenn
eine Insel die Stämme a und b hat, eine andere aber auch von denselben bevölkert ist.
stattfindet. Die Bevölkerung begibt sich auf die ausserhalb der Stadt (!) befindlichen baumfreien Höhen
und lässt hier an einer langen Leine einen grossen Drachen in die Lüfte steigen, was im Zusammen-
hange mit den Dysporus-Culte steht, denn der Drache heisst auch Kadam« (»Die Religion der Pelauerc
in Bastian: »Allerlei aus Volks- und Menschenkunde«, S. 39).
I) Auch in Melanesien (•: S. [122] und Polynesien, wo Lord Pembroke noch 1870 auf Raietea
dieses Instrument in 'Gebrauch fand (»South Sea Bubbles«, S. iii).
Aonalen des k. k. natarhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 22
3 12 Dr. O. Finsch. [550]
dann wird a der einen Insel mit h der anderen, b der ersteren mit a der letzteren kämpfen
müssen.« Das ist ungefähr Alles, was Kubary über die Kriegsführung der Mortlocker
mittheilt. Dieselbe war jedenfalls im Ganzen recht unblutige wenn auch Kubary in seiner
überschwenglichen Weise meint, »dass die Mortlocker in ihren einstigen Kriegen nicht
hinter den tapfersten Bewohnern der Südsee zurückstanden«. Krieg heisst auf Mortlock
»Tou« (d. h. »kämpfen in der Nähe«) und »Maun« (d. h. »kämpfen in der Entfernung«:
Kubary). Erheblich verschieden ist nach den ausführlichen Schilderungen Kubary's die
Kriegsführung auf Ruk. Gelb, die Freudenfarbe, schmückt auch den Krieger, der in
vollem Feststaate, mit Gürtel, Federkamm u. s. w., erscheint, vorsorglich aber seine
Lendenbinde und Mantel um den Leib gürtet, die für Speere eine fast undurchdringliche
Wulst bilden. Schleudersteine eröffnen den Kampf schon aus weiter Ferne, während
lautes Geschrei die Krieger anfeuert, Schmähreden die Gegner herausfordern, wobei die
Weiber ihrer Verachtung durch unanständige Geberden, Entblössen der Scham u. s. w.
besonderen Ausdruck zu geben suchen. Sind beide Parteien näher aneinander gerückt,
so werden die Wurfspeere (Dscheretj) gebraucht, welche meist rasch zur Entscheidung
führen, denn der Fall einiger Leute genügt, um den Kampf zu beenden und die eine
oder andere Partei in dje Flucht zu schlagen, die sich entweder in Canus oder auf die
Berge in Sicherheit zu bringen sucht. Gewöhnlich erscheint der Feind in Canus, zu-
weilen mit einer ganzen Flotille, deren Landung aber so viel als möglich abgewehrt
wird. Gelingt dies nicht, so entspinnt sich gewöhnlich der Kampf auf dem Riff. Zu-
weilen errichtet man aber auch auf einem steil abfallenden Hügel eine Art Befestigung
aus mannshohen Stein wällen (»Onor«) und erwartet in dieser den Feind, welcher meist
vergeblich die Erstürmung versucht. Im Siegesfalle haben die Besiegten übrigens auf
keinerlei Schonung und Milde zu rechnen. Voll Hass und »angeborener Bosheit« wer-
den etwaige Gefangene erschlagen, Häuser niedergebrannt, Tarofelder und Fruchtbäume
zerstört.') »Die Folgen eines solchen Kriegsführens sind leider nur zu oft auf den Ruk-
Inseln zu finden, und der Mangel der Cocospalmen, wie überhaupt der beschränkte
Landbau wird dadurch erklärlich« (Kat. M. G., S. 372). Nach einer hier (S. 355) gege-
benen Notiz stellen die Ruk-Inseln »6000 Krieger«, was die Hälfte der ganzen Bevölke-
rung ausmachen würde, aber die genaue Aufzählung der Bewohner der einzelnen Inseln
und ihrer Krieger (in »Beitrag zur Kenntniss der Ruk-Inseln«) ergibt kaum 4000, und
das ist schon reichlich gerechnet. Dabei ist zu beachten, dass auch auf Ruk Weiber und
kaum erwachsene Burschen mit in den Kampf ziehen. In einem anderen Falle, den Ku-
bary hier mittheilt, wagten sich die Eingeborenen nur unter dem Schutze eines mit einem
Feuergewehre bewaffneten Weissen zum Angriff, wurden aber, da das Gewehr nicht los-
ging, geschlagen. An a. O. bemerkt /ierselbe Beobachter, dass sich die einzelnen Stämme
auf Ruk »im Principe als einander fremd, also feindlich betrachten; sie leben stets in
gegenseitigem Neid entweder in offenem Kriege oder in einem niemals sicheren Frieden«.
Feuerwaffen, sowie namentlich auch grosse Messer spielen übrigens in den Fehden
schon lange eine hervorragende Rolle, worüber Logan's Tagebuch sowohl von Mort-
lock, als namentlich von Ruk zahlreiche Beispiele aus seiner eigenen Erfahrung mit-
theilt, Fehden, die nicht immer unblutig verliefen. Darnach bewegt sich die Kriegs-
führung selbst in der üblichen gemeinen Taktik, welche bei allen Kanaken so ziemlich
als Regel gelten kann. Auch hier wird der offene Kampf möglichst vermieden, und
«) Ganz ähnliche Zeichen von verwüstender Kriegsfohrung fand Lord Pembroke noch 1870
auf Samoa in »verlassenen Tarofeldern, abgebrannten Hütten und verkohlten Stumpfen von Cocos-
palmen« (»South Sea Bubbles«, S. 220).
r^^l] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3l3
_ _ m M M I " -
maQ bemüht sich, die unvorbereiteten Gegner zu überfallen und ohne Rücksicht auf
Geschlecht und Alter zu morden. So wurden auf F6fan vier dort zum Besuche weilende
Rua-Männer (Hall-Inseln) erschlagen als Sühne für den Mord eines F^fan-Mannes auf
Rua, obwohl dieselben an diesem Morde ganz unbetheiligt waren und nichts davon
wussten. Und die F6fan-Mörder waren noch dazu »Mitglieder der Kirche«. In einem
Kriege zwischen Sopore und Kuku auf Fdfan fiel ein Knabe den Sopore-Männern in
die Hände und wurde ohne Gnade mit Messern niedergemetzelt.
Die Ursachen zu blutigem Streite sind oft sehr geringfügig. So erzählt Logan
einen Fall, wo man wegen eines Hundes zu den Waffen griff, ein anderer Kampf ent-
spann sich zwischen Fischerparteien benachbarter Dörfer. Die Einführung der Mission
führte ebenfalls zu Reibereien und Kriegen mit blutigem Ausgange. So kämpften 1887
auf Satöan (Mortlock) die Männer von Kitu und Tä gegeneinander, und die Taloas-
Leute auf Ruk hatten geschworen, alle »Lamalam's« (Christen) umzubringen, wobei
sie in einer Stärke von 100 Kriegern ins Feld zogen. Drei Gefangene wurden mitge-
nommen, um sie zu martern. »Denn es scheint, obgleich die Marter nicht häufig an
Gefangenen angewendet wird, dieselbe doch zuweilen stattzufinden,« lauten Logan*sWorte
über einen abscheulichen, bisher nicht beobachteten Gebrauch, der jedenfalls noch der
näheren Bestätigung bedürftig ist. Zum Schlüsse mag noch bemerkt sein, dass die Dar-
stellung der Kriegsführung auf den Carolinen, wie sie Bastian (Kubary, Opus Nr. 7,
S. 8, s. S. [449]) nach Dumont d'Urville (vermuthlich von Ruk) beschreibt, längst der
Vergangenheit angehört. Ob die »fest vorgeschriebenen Förmlichkeiten« überhaupt
jemals so streng beobachtet wurden, ist für den, der das Wesen Eingeborener kennt,
mindestens zweifelhaft.
b) Waffen.
Wie aus dem Vorhergehenden erhellt, sind eingeborene Waffen, verdrängt durch
Eisen, nahezu oder zum Theile ganz abgekommen, und es gelang Kubary 1879 nur
noch mit Mühe, alle hieher gehörigen Gegenstände zusammenzubekommen, deren
genaue Darstellung ich somit hier geben kann. Diese Waffen bestehen in Speeren,
Keulen (die am meisten manchen melanesischen ähneln) und gewissen Handwaffen,
unter denen die »Suk« genannte (Taf. 19, Fig. 10) eigenthümlich ist. Wie es scheint,
besassen die Central-Carolinen aber auch einen Wurf stock, den Kubary bedauerlicher-
weise ganz unbeschrieben lässt und dessen einstmalige Existenz nur aus einigen bei-
läufigen Notizen dieses Reisenden zu errathen ist, die ich deshalb wörtlich wiedergebe.
Derselbe bemerkt zu dem auf Ruk »Mezau« genannten Wurfspeere: »Der Speer wird
mit der Hand geworfen, indem das untere Ende auf der Spitze des Zeigefingers ruht
und mit den übrigen Fingern, etwas höher, gestützt wird« (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 58).
Dagegen heisst es in einer Fussnote: »Diese Speere, die im Ganzen genommen durch
Fremde leicht mit Pfeilen wegen der Kürze und der bedeutenden Wurfweite verwech-
selt werden können, entsprechen dem pelauischen ,Uloyok*-Speere *) und werden nur
I) Eben so verworren ist die Darstellung dieser Waffe: »Zu Zeiten, wo Feuergewehre noch
unbekannt, diente an deren Statt der ,AnIoyk'-Speer, der mit dem ,Katkonl', einen Wurfstock, dem
angreifenden Feinde sehr weit entgegengeworfen wurde« (»Ethnol. Beitr.c, II, S. 156). In demselben
Hefte führt aber Kubary ganz widersprechend den pelauischen Wurfstock unter dem Namen »Ahloyk«
auf, »mit dem die ,KoIogodok^ genannten Speere geworfen werden« (ib. S. 119). In der speciellen
Aufführung der Speere Pelaus fehlt der letztere aber ganz und ist wahrscheinlich identisch mit dem
»Holhodok«, auch als »Holohodok« notirten Speere, der ausserdem noch als »Holohetek« unter Fisch-
speeren (ib. S. 123) figurirt, eine Verwirrniss eingeborener Namen, die selbst Schmeltz ausser Stande
ist aufzuklären (Note 2 auf S. 119).
22*
3 14 Dr. O. Finsch. [552]
im Nothfalle mit der Hand, regelrecht aber mittelst des ,Katkonol' -Wurf-
stockes geworfen.«
Diese »Mezau« -Speere von Ruk (ib. S. 58) werden in der Monographie über
Mortiock (S. 273) als »Zoburiy« beschrieben. »Sie dienen zum Werfen (,Zuburiy*) in
die Ferne, gehen immer verloren und werden deshalb aus werthlosem Material ge-
macht; ihr Schaft ist leichtes Hibiscus-Holzy das der Werfer vor dem Wurf zu der ihm
genehmen Länge abbricht (?) ; der Kopf aus hartem Cocosholz, mit etlichen stumpfen
Widerhaken versehen, wird mit einem Bindfaden an den Schaft angebunden.« Eine
genauere und bessere Darstellung gibt der Kat. M. G., der (S. 3ig und 320, Nr. 378 bis
3oi3) 2g solche Wurfspeere von Mortiock verzeichnet und deren erhebliche Verschie-
denheiten in Anordnung und Form der Widerhaken beschreibt. Die Länge variirt von
i-go — 2-25 M., die des Spitzentheiles von 37 — 46 Cm., die Zahl der Widerhaken von
2 — 12 Gruppen. Bemerkenswerth ist, dass diese Wurfspeere nicht aus einem Stück
bestehen, sondern aus zwei Theilen, dem eigentlichen Schaft und dem Spitzentheil, ein
Typus, der in Melanesien häufig vorkommt, in Mikronesien sonst aber nur auf Pelau ')
vertreten zu sein scheint. Den »Wurfstock« übergeht Kubary auch bei Mortiock mit
Stillschweigen, und fast scheint es, als hätte er dieses interessante, auch in Melanesien
(s. Taf. 7, Fig. 5) sporadisch vertretene Kriegsgeräth überhaupt nicht zu Gesicht be-
kommen. Die leichten Speere (Ȋhnlich denen, wie sie auf Kuschai zum Harpuniren
grösserer Fische benutzt werden«), die einzigen, welche Lütke und Kittlitz auf Lukunor
beobachteten, gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Von dieser Art leichter Wurfspeere erhielt ich keine Exemplare von Kubary, da-
gegen folgende:
aa) Speere und Lanzen.
»Dscheretj« (»Cirej«: Kubary), die gewöhnlichste Sorte Wurfspeere von Ruk,
sind lange, dünne, glatte, an beiden Enden gleichmässig zugespitzte Stecken (2*60 — 3 M.
lang) aus Cocospalmholz, die also ganz mit den »Mari« von den Marshall-Inseln (vorne
S. [3g4]) übereinstimmen. Hierher gehört der einzige im Kat. M. G. von Ruk unter
dem Namen »Bonn« verzeichnete Speer (S. 371, Nr. 3450), der aber etwas abweichend
(das eine Ende »dick, aber flach, abgerundet und zugeschärft«) von Kubary s. n. » Amonu«
(S. 57) beschrieben wird als »eine mächtige Vertheidigungswaffe«, die er auf Mortiock
nicht beobachtete. Ganz übereinstimmend mit den »Dscheretj« von Ruk ist der »Silek«-
Speer von Mortiock (Kat. M. G., S. 320, Nr. 3014).
Sauberer und accurater gearbeitet sind die folgenden durch Widerhaken des
Spitzentheiles ausgezeichnete» Wurfspeere von Ruk.
»Dscheretj« (Taf. II [19], Fig. 2, Spitzentheil), Wurfspeer rund, aus Cocospalm-
holz, der 25 Cm. lange Spitzentheil vierkantig mit acht sägezahnartigen Widerhaken;
Länge 2-8 M. Ruk.
»Dscheretj« (Taf. II [19], Fig. 3, Spitzentheil), Wurfspeer, sehr accurat aus Palm-
holz gearbeitet, 290 M. lang; der 42 Mm. dicke Schaft auf der einen Längsseite flach,
auf der anderen rund (vgl. Querschnitt Fig. a), der 12 Cm. lange Spitzentheil mit wenig
vorstehenden, sehr kunstvoll eingeschnitzten Kerbzähnen. Ruk.
Zum Vergleich füge ich die Beschreibung eines in der Form sehr ähnlichen Speeres von den
Anchorites-Inseln ein:
«) Kubary's verwirrte Darstellung der bereits der Vergangenheit angehörenden » Kriegs wafien«
von hier (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 154 — 156) und die selbst die winzigen Abbildungen (Taf. XXII,
Fig. I — 6) nicht vollständig klarstellen, gibt darüber keine präcise Auskunft, die wir erst in einer
Fussnote von Schmellz (ib. S. 155) erhalten.
[5531 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3ie
Speer (Taf. II [19], Fig. 4, Spitzen theil), aus dem Holze der Cocospaltne, 2*68 M. lang, rund, nach
der Basis zu verdünnt; der 98 Cm. lange Spitzentheil vierkantig abgerundet, mit neun Reihen dicht
anliegender breiter, sehr scharfer Kerbz&hne, je eine Reihe von zwei mit einer solchen aus vier Reihen
abwechselnd. Anchorites.
Ausserordentlich sauber und accurat gearbeitetes und wegen der scharfen stumpf- bis spitz-
winkeligen Kerbzähhe eine sehr gefahrliche Waffe.
Der (S. 147 [65], Nr. 7o3) beschriebene Speer von derselben Localität ist länger (3 M.) und
zeigt in den Details der Spitze einige Verschiedenheiten, wie dieselben aber bei allen Arbeiten der
Eingeborenen vorkommen, denn auch bei Speeren u. dgl. finden sich kaum zwei völlig übereinstim-
mende Exemplare.
Ob derartige Speere mit Kerbzähnen, wie obige von Ruk, auch auf Mortlock vor-
kamen, lässt sich nur vermuthen, da Kubary's widersprechende Darstellung der nöthigen
Präcision ermangelt. Obwohl er (S. 273) den »Silek« -Speer als »einen einfachon, glatten,
an beiden Enden spitz zulaufenden Speer« beschreibt, heisst es auf derselben Seite:
> Die zweite Art Speere (silekiy) zum Werfen auf sehr kurze Distanz und nur für ein
sicheres Treffen bestimmt, werden aus solidem Material gefertigt, kostbar ausgeschmückt
und oft stark an der Spitze bewaffnet; der gefährlichste ist der »Mesenapuosz« (von
mesen = Gesicht und puos\ -— ^ Kalk), an dessen Vorderrande Rochenstacheln, Men-
schenknochensplitter oder Kiefer eines Hornhechtes (Belone) mittelst Bindfaden und
Kalkkitt befestigt sind.«
Diese sehr charakteristische Art langer Speere oder Lanzen, die nach Kubary nur
»zum Niederstechen der schon verwundeten Feinde benutzt werden«, gehören der Ver-
gangenheit an. Das Museum GodefFroy besass acht Stück von Mortlock (S. 32 1,
Taf. XXX, Fig. 8; auch Edge-Partington, PI. 17g, Fig. 3), die in der Bewehrung alle
verschieden sind (auch ohne Knäufe und nur mit einem ') oder zwei Rochenstacheln an
der Spitze).
Die gleiche Art Lanzen waren auch auf Ruk in Gebrauch (»MejenpuoC«: Kubary,
1. c, S. 57), woher ich von Kubary einige sehr interessante Stücke erwarb, wie das fol-
gende, mit der Bezeichnung:
Madschapotsch (Taf. II [19], Fig. 5, Spitzentheil), Lanze aus Holz der Cocos-
palme, sehr lang (290 M.), dünn (27 Mm. Durchmesser), rund, an beiden Seiten
schlank zugespitzt; der 50 Cm. lange Spitzentheil mit drei runden (bis 50 Mm. langen)
Knäufen aus einer weissen kalkartigen Kittmasse versehen, in welche je zwei (60 bis
80 Mm. lange) Rochenstacheln mittelst Bindfaden festgebunden und eingekittet sind;
die eigentliche Spitze besteht aus einem (90 Mm. langen) Rochenstachel, der ebenfalls
eingekittet ist. Ruk.
Die Länge dieser Speere variirt so sehr wie Länge (40 — 80 Cm.) und Bewehrung
des Spitzentheiles, der zuweilen nur einen Stachelknauf aufweist.
bb) Schlagwaffen.
Keulen werden von Mortlock in drei Arten: »Uakke«, »Laga zam zam« und
»Laga poeiya« (»Laga poenja«) als »Stich- und Schlagkeulen« (1. c, S. 272) erwähnt,
aber mit ähnlichen samoanischen verglichen, so dass man die letzteren kennen muss,
um zu einem Verständniss der ersteren zu gelangen. Wie auf Mortlock konnte Kubary
nur noch mit Mühe einige alte Stücke auf Ruk auftreiben, die ganz übereinstimmen,
nur »ist das ,Lagapoenja* in ,Ibopoenja' verändert«, die einzige wichtige (!) Notiz, welche
gemacht wird.
Auch ich erwarb von Kubary einige interessante alte Keulen, wie die folgenden
mit der Bezeichnung:
1) Solche gab es froher auch auf Pelau (vgl. Kubar>', II, S. 155, Taf. XXII, Fig. 5).
3l6 Dr. O. Finsch. [554]
^
»Lagaschamscha« (Taf. 11 [19]; Fig. 7), Keule aus Hartholz (Mangrove), flach,
i'6o M. lang, am oberen Ende 50 Mm. breit, circa 20 Mm. dick, mit kantigen Seiten-
rändern. Ruk.
»Lagaschamscha« (Taf. II [19], Fig. 8), Keule ebenfalls aus Hartholz, ähnlich
der vorhergehenden, aber das Blatt breiter, der Handgriff kürzer und mehr vierkantig
zugerundet; Länge 1*20 M., Breite des Blattes 80 M. Ruk.
Die unter dem Namen >Uakke« im Kat. M. G. (S. 3i8, Nr. 3oo6) von Mortlock
beschriebenen Keulen und die beiden von Ruk (S. 370, Nr. 3446 und 3447, Taf. XXIX,
Fig. 6) stimmen ganz mit den obigen überein. Etwas abweichend ist dagegen die
»Laga zam zam« (S. 3i8, Nr. 3oo8, Taf. XXIX, Fig. 5) und die »Laga poeiya« (S. Sig,
Nr. 3009). von Mortlock, indess wird es schwer halten, diese Subspecies auseinanderzu-
halten, und im Ganzen bilden sie nur eine Art. Höchst interessant dabei ist, dass sich
der Typus derselben fast gleich oder doch sehr ähnlich in Melanesien wiederfindet
(z. B. auf Neu-Guinea, vorne S. [117]'. Port Moresby und S. [215]: Finschhafen). Als
Material für die Keulen dient übrigens nicht ausschliessend Rhizophoren- (Mangrove-)
Holz, wie Kubary angibt, sondern auch das der Cocospalme und ein anderes gelbliches
Holz (Kat. M. G., 1. c).
Das im Kat. M. G. (S. 371, Nr. 3448) von Ruk beschriebene »alte Wehrstück«, ^)
sehr eigenthümlich, aber ohne Abbildung unverständlich, lässt Kubary leider unerwähnt.
»Gurgur« heissen auf Ruk wie Mortlock jene bereits unter Tanzgeräth beschrie-
benen Kampfstöcke, aus dem Holz des Orangenbaumes (Gurgur), welche Kubary als
die » Nation alwaffe und beliebteste Waffe der Mortlocker« bezeichnet. »Sie wird sowohl
im Kriege gebraucht, als auch um gewöhnliche Streitigkeiten zum Ausgleich zu bringen.
Sie wird in der Art des Bajonettfechtens gehandhabt, indem die sich gegenüberstehen-
den Gegner den Gurgur mit beiden Händen (die rechte Hand zu vorderst) halten und
die gegenseitigen Schläge und Stösse zu pariren suchen« (1. c, S. 273). Auf Ruk »tritt
der ,Gurgur* indess weniger als Waffe hervor. Seine ursprüngliche Bedeutung dürfte
wohl die von Tanzstöcken bei den ,Parik*-Tänzen gewesen sein«, woraus später »ein
Stützstock für den alltäglichen Gebrauch« entstand (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 58).
Eine sehr abweichende und eigenthümliche Waffe, schon wegen der Verwendung
von Rochenstacheln, ^) ist die folgende:
Suk (Taf. II [19], Fig. 10), Handwaffe aus Hartholz, circa 27 Cm. lang, rund, an
beiden Enden kegelförmig abgerundet, in der Mitte abgesetzt verdünnt, mit einer Hand-
habe (a) aus Cocosfaserschnur; das eine Ende mit drei Rochenstacheln bewehrt. Mort-
lock (Satöan).
Wie mir Kubary mittheilte, war diese mit dem spitzen wie stumpfen Ende im
Einzelkampfe benutzte Waffe, von der er überhaupt nur drei Exemplare erlangte, den
Mortlock-Inseln eigenthümlich. Aber Kubary notirt den »Suk« neuerdings auch unter
den Waffen von Ruk, wo er aber nur noch dem Namen nach bekannt ist (»Ethnol.
Beitr.«, I, S. 59). Ein etwas abweichender »Suk«, bei dem das untere Ende zweitheilig
ausläuft, ist von Mortlock im Kat. M. G. (S. 32i, Nr. 3oii, Taf. XXX, Fig. 6) schlecht
abgebildet. Wenn, nach einer Notiz bei Lütke zu urtheilen, der im Atlas der »Senjavin-
I) Von Pelau gedenkt Kubary nur einer sehr eigenthOmlichen »Schwertkeule« (»Ethnol. Beitr.«,
II, S. 156, Taf. XXII, Fig. 9). wovon er übrigens nur ein altes Erbstück erhielt, das in der Form mit
keiner mir bekannten übereinstimmt.
a) Eigenthümliche dolchartige Stichwaffen aus Bambu (S. 398, Nr. 184) und Rochenstachel (ib.
Nr. 189) sind im Kat. M. G. (S. 398) von Yap beschrieben, eine der letzteren von Edge-Partington
(Taf. 182, Fig. i) angeblich von »Pelauc abgebildet; aber Kubary gedenkt dieser Waffe nicht.
[55 5 1 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der SQdsee. 3 17
Reise« (PI. 29, Fig. 4) angeblich als »Instrument zum Tödten von Fischen« sehr gut
abgebildete Suk auch angeblich von Kuschai (s. vorne S. [465]) herstammt, so darf man
doch wohl richtiger Lukunor als Localität annehmen.
Von daher ist in demselben Atlas (PL 29, Fig. 5) ein sehr eigenthümliches »In-
strument pour d^couper le poisson« dargestellt, in Form einer kleinen Bügelsäge aus
Cocosstrick geflochten, weit genug zur Aufnahme der Hand und an der geraden Seite
mit (11) Haifischzähnen besetzt. Dasselbe gehört natürlich nicht zu den Fischerei-
geräthschaften, sondern ist ein Schlagreif zum Faustkampfe, der früher auch auf Ruk
vorkam (Kubary, 1. c, S. 59), und zwar in zwei Formen, die Kubary von Pelau be-
schreibt und abbildet (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 156). Hier besteht aber der Reif aus zu-
sammengebundenen Farnstengeln, die Bewehrung des einen Reifes (»Kareal«, Taf. XXII,
Fig. 8) aus Haifischzähnen (und zwar von Galeocerdo Rayneri, Taf. 19, Fig. 11 u. 12),
des anderen (Taf. XXII, Fig. 9) aus Schwanzstacheln eines Fisches der Gattung Naseus.
Sehr interessant ist, dass ganz ähnliche Schlagreifen mit Haifischzähnen, aber in
einen Bügel aus Holz eingesetzt, auch unter die altpolynesischen Waffen gehören.
Solche Stücke (mit Zähnen von Galeocerdo Rayneri bewehrt) besitzt das British Mu-
seum von Hawaii und das k. k. naturhistorische Hofmuseum in Wien, angeblich von
Tonga, ') noch von Cook's Reisen her und früher als »Instrument zum Sägen« bezeichnet.
Ein anderes sehr interessantes Stück in demselben Museum und gleicher Herkunft (aber
wah rscheinlich ebenfalls althawaiischen Ursprunges) ist ebenfalls eine sehr eigenthüm-
lich geformte Handwaffe. Sie besteht in einem halbkreisförmigen runden Holzstück,
an dessen beiden Enden je ein Haifischzahn (= Fig. 2, S. [3o6]) befestigt ist und war
früher als »Instrument zum Graviren« bezeichnet.
cc) Schleudern
sind die eigentliche Nationalwaffe der Central-Carolinier. Lütke erwähnt derselben
bereits als Hauptwaffe von Lukunor, welche die Männer um den Haarknoten des Hinter-
kopfes geschlungen stets bei sich tragen, und in derselben Weise sehen wir sie auf Ku-
bary'schen Photographien von Eingeborenen von Ruk (Anthrop. Album M. G.,Taf. 22,
Fig. 527). Reichlich mit Gelbwurz eingerieben, bildet die Schleuder zugleich eine Art
Kopfputz und wird unter dieser Rubrik auch von Kubary unter dem Namen »Aulol«
von Mortlock erwähnt (»Mortlock«, S. 269), unter den Waffen aber sonderbarerweise
völlig ignorirt. Auch unter den Waffen von Ruk (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 57 — 59) ist
die so wichtige Schleuder total vergessen und wird erst unter »Pflanzenfaserindustrie«
(ib., S. 65, s. n. »02ap«) nebenbei registrirt. Wir erfahren also nichts über Fertigkeit
in der Handhabung der Schleuder, und man darf billig zweifeln, ob Kubary dieselbe
jemals in der Weise in Praxis gesehen hat, wie er dies unter Kriegsführung (s. vorne
S. [550]) beschreibt. Beiläufig sollte auch die von Chamisso (2, S. 276) nach Kadu auf-
getischte Geschichte, dass die Ruker mit der Schleuder Vögel zu treffen verstehen, ein-
für allemal ins Reich der Fabel verwiesen werden.
Odschob (Nr. 83i, i Stück), Schleuder; sehr kunstvolle Flechtarbeit aus Bind-
faden von Cocosnussfaser; sie besteht aus zwei je aus 16 Bindfaden sauber geflochtenen
vierkantigen Schnüren, die sich in der Mitte zu einem circa 8 Cm. langen und 45 Mm.
breiten flachen Flechtwerk, dem Polster, vereinen, welches zur Aufnahme des Steines
dient. Die Schnüre sind ungleich lang (die eine 55 Cm., die andere 75 Cm. lang),
am Ende zweitheilig und diese Enden zusammengebunden, so dass eine circa 16 Cm.
lange Schleife entsteht, zur Aufnahme der rechten Hand des Schleuderers. Ruk.
1) Stammt aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Hawaii. Anm. d. Red.
3i8 Dr. O. Finsch. [556]
Diese Art Schleudern aus Cocosfaser werden nach Kubary nicht auf Ruk selbst
gefertigt, sondern auf der nahen Insel Losop (und a. O. auch auf Nema) und von hier
nach Ruk verhandelt. Ich erhielt solche für den Handel bestimmte Schleudern in Ori-
ginalverpackung, d. h. sorgfältig in Pandanus-ßlaLtt eingehüllt.
Die Schleudern von Mortlock (»Aulol«) sind ebenfalls von Cocosfaser geflochten
und stimmen ganz mit denen von Losop überein. (Hierher gehört: Kat. M. G., S. 322,
Nr. 225 u. 549: Mortlock; S. 371, Nr. 3382: Ruk; und Edge-Partington, Taf. 177, Fig. 4.)
Ganz verschieden in Flechtarbeit wie Material sind die auf Ruk selbst verfertigten
Schleudern, die aus feinen Fasern von Hibiscus-BsiSt äusserst sauber geflochten werden.
Sie unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass das Polster, auf welches der Stein
gelegt wird, nicht aus dichtem Flechtwerk besteht, sondern aus 7 — 10 dicht nebenein-
ander laufenden Schnüren gebildet wird. (Hieher gehört: Kat. M. G., S. 371, Nr. 3383
aus »Brotfruchtbaumfaser«.)
Küpen (Nr. 83i, 2 Stück), Schleudersteine (Taf. II [19], Fig. i6, 17) aus Basalt
(70 Mm. lang, 40 Mm. im Durchmesser, Gewicht 80 Gramm), spitz eiförmig, an beiden
Seiten etwas zugespitzt (Fig. 16); der andere, einer der grössten (80 Mm. lang, 55 Mm.
im Durchmesser) ist mehr rundlich (Fig. 17). Beide Steine sind, wie alle, die ich von
Ruk sah, anscheinend nicht blosse natürliche Rollsteine, wie z. B. die Schleudersteine
von Neu-Britannien (I, S. [23], Fig. 3), sondern zeigen eine gewisse Bearbeitung durch
Nachschleifen, wie dies namentlich an Fig. 15 sehr deutlich zu sehen ist, sind aber
keineswegs ganz geschliffen (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 74).
Als Behälter für die Schleudersteine dienen Netzbeutel aus Bindfaden von Cocos-
nussfaser (Kat. M. G., S. 371).
Nach einer sehr absonderlich klingenden Notiz Kubary's wurde die Schleuder »einst von den
Bewohnern der Kayangl-Gruppe benutzt, von den eigentlichen Pelauanern aber nicht angenommen«
(»Ethnol. Beitr.c, II, S. 156).
Meine Bemerkung, dass Schleudern in Polynesien zu fehlen scheinen (vorne S. [276]) ist übri-
gens unzutreffend. Das k. k. naturhistorische Hofmuseum in Wien besitzt zwei aus Cocosfaser ge-
flochtene Schleudern (noch von Cook*s Reisen herstammend) von Tahiti (Franz Heger in lit.)> und
eine genaue Nachsuche würde sie wahrscheinlich auch von anderen Localitäten nachweisen. So er-
wähnt Dr. Gräfle Schleudern von Niue (Savage Isl.), hat solche aber auf Samoa nicht gesehen (Kai
M. G., S. 477).
Zum Schlüsse mag beiläufig erwähnt sein, dass von dem ethnologisch zu Mortlock gehörenden
Atoll Nukuor keine Waffen bekannt sind, da die Eingeborenen »Krieg nicht kannten c (Kubary, Kat.
M. G., S. 332). Dieselben Verhältnisse gelten für die westlichste kleine Carolinen-Insel Sonsol (Kubary,
»Ethnol. Beitr.c, I, S. 94).
5. Bestattung.
Todte werden auf Mortlock im grössten Staate, reich mit Gelbwurz eingeschmiert
(was >Ouiy« heisst), wobei man die Nasenlöcher besonders mit Gelbwurz verstopft,
zur Schau ausgestellt und so lange als möglich über der Erde gehalten, während wel-
cher Zeit Alles Jammert und heult. Näheres über diese Todtenklagen, mit denen ver-
muthlich auch gewisse Gesänge und Tänze u. dgl. verbunden sind, theilt Kubary leider
nicht mit. Die sorgfältig in Matten eingehüllte Leiche wird dann begraben. Ueber dem
wenig tiefen Grabe (»Epay«), in welchem der Leichnam mit dem Kopfe nach Osten gerich-
tet liegt, wird Je nach den Mitteln der Familie ein verschieden grosses Grabhaus errich-
tet, um welches man einige Cocosnüsse niederlegt. Kittlitz beschreibt diese Grabhäussr
(»Imen-epay«) näher von Lukunor : »Es sind der Bauart nach verkleinerte Nachahmungen
der Häuser selbst: ein rechtwinkeliges Dach mit gerader Firste ruht auf sehr niedrigen
Stützpfeilern, die als Wände dienen; im Inneren des Gebäudes aber befindet sich ein
[rcyl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3 19
ganz ähnliches in abermals verkleinertem Massstabe, welches die eigentliche Grabstätte
zu sein scheint und gewöhnlich ganz verschlossen ist. Um die Wände des inneren Ge-
bäudes sahen wir fast immer Cocosnüsse und auch über denselben ganze Reihen Cocos-
flaschen (Cocosnussschalen) und einzelne Abschnitte dieser Schalen, die das Ansehen
von Lampen hatten« (Denkwürd., II, S. 104). Die Vermuthung, dass Grabstätten mit
Doppelhaus solche von Häuptlingen sind, dürfte seine Richtigkeit haben. Kubary er-
wähnt aber, dass auf Ruk die Leiche des vornehmen Mannes ins Meer^) geworfen wird,
während auf Mortlock nur die im Kriege Gefallenen auf diese Weise (»amofeu« ge-
nannt) bestattet werden, »damit sie sich mit dem tapferen Seegott ,Rassau* vereinigen«
(Kubary). Derselbe Reisende fand auf Ruk ein Menschenskelet, das an einen Fels ge-
lehnt war, ein anderes in einem Hause über dem Herde aufgehangen. Es gehörte einer
einst sehr hübschen Häuptlingsfrau, die von ihrem Manne so geliebt wurde, dass er
ihre Gebeine ausgraben Hess, um sie in dieser Weise zu verwahren. Auf Uleai sind die
Gräber, nach Lütke, ganz so wie auf Lukunor. Das Versenken von Todten ins Meer
ist nach Floyd auch auf den Hall-Inseln (Moriljö, Murilla) Sitte.
Trauer. Sehr einschneidend ist bei einem Todesfalle auf Mortlock die Trauer,
welche sich natürlich ganz nach dem Range und der Stellung des Verstorbenen richtet
und auch auf benachbarte und befreundete Stämme erstrecken kann. Stirbt z. B. der
Häuptling cies Stammes Sor, so muss der Stamm Sopun tiefe Trauer anlegen und an
die Verwandten des Verstorbenen Geschenke (Cocosnüsse) schicken. Ueber den Land-
besitz des Verblichenen wird zugleich ein Tabuverbot (Todten- oder Trauer-Puau-u
oder Puanu) verhängt, welches das Betreten des Landes so lange verbietet, bis der
Häuptling das Verbot aufhebt. Ein solches Trauer-Tabu kann sich kürzere oder län-
gere Zeit auf einen gewissen Theil des Stammlandes, ja auf eine ganze Insel erstrecken,
namentlich beim Tode eines Stammhäuptlings. »Der ganze Stamm ist dann von jedem
Verkehr abgeschlossen, indem die an den Grenzen aufgepflanzten Puau-u-Zeichen einem
jeden Fremdling das Uebertreten derselben bei Todesstrafe (! ?) verbieten. Nach dem
Tode des letzten Sopun-Häuptlings war ganz Tä über ein Jahr unter »Puau-u«, und
kein Canu von irgend einer der übrigen Inseln der Lagune durfte an seinem Ufer an-
legen.« Leider lässt Kubary unerwähnt, aus was die Tabuzeichen bestehen, ob es eine
besondere Trauerfarbe gibt u. dgl. m. Die besonderen Feste, welche v. Kittlitz von
Lukunor erwähnt (II, S. 100), welche zuweilen von beträchtlich langer Dauer sind,
»während welcher die wunderlichsten Beschränkungen stattfinden«, beziehen sich zum
Theil auf solche Trauer-Tabusitte.
6. Geister- und Aberglauben; Ahnenverehrung.
»Der Religionscultus (!) der heutigen Carolinier besteht in einer Verehrung der
verstorbenen Vorfahren. Die Religion ist demnach eine individuelle Religion,« sagt
Kubary in seinen Mittheilungen über die »Religion der Mortlocker« (I.e., S. 258). Aber
in Wahrheit gibt es hier ebensowenig einen Cultus als eine Religion, und die Verehrung
der Geister (»Anu«) ist in Wesen, Bedeutung und Anwendung nur eine Form des
»Anitschglaubens«, wie wir ihn bereits auf den Marshalls (S. iSg \}^S^ kennen lernten
und der am ausgebildetsten (in den »Kalit« oder »Kalitsch«) auf Pelau verbreitet ist.
I) Auf Ugi (Salomons) geschieht dies in umgekehrter Weise mit den Leichen geringer Leute
(nach mundlicher Mittheilung von A. Morton), wie dies auf den Marshall-Inseln (s. vorne S. [395]) <^er
Fall ist.
320 Dr. O. Finsch. [558]
Neben den geringeren Anu des Individuums und der Familie gibt es auch hohe und
höchste des Stammes und der Häuptlinge, welche alle auf Vorfahren zurückführen.
»Ausserdem aber bevölkert die Imagination der Insulaner die ganze sie umgebende
Natur mit Geistern und Gottheiten«, die zum Theil in Gestalt gewisser Bäume oder
Fische (darunter eine Caranx-Ari) an den rohen Fetischismus der Marshallaner erin-
nern. Bei der Legion dieser Geister ist es erklärlich, dass nur hervorragendere Persön-
lichkeiten (Häuptlinge) mehr in der Erinnerung fortleben und zum Theil durch Eigen-
namen unterschieden werden. Kubary führt einige Doppelnamen von Häuptlingen an,
wie solche zu Lebzeiten hiessen und wie man sie nach dem Tode als »Gottheit« um-
taufte. So wird der auf Lukunor erschlagene tapfere Sopun-Krieger »Rassau c von
seinen Stammesgenossen als »Anu-set«, d. h. Seegeist verehrt, und Liebende sollen
sogar »Inamak«, eine »weibliche Gottheit« besitzen. Da Häuptlingsgeistern erklärlicher
Weise grösserer Einfluss zugeschrieben wird, so wendet sich der geringe Mann in be-
sonderen Angelegenheiten an diese, was aber nur mit Erlaubniss des regierenden
Häuptlings geschehen kann und wofür diesem Geschenke gegeben werden müssen.
»Der Häuptling bildet aber nur den Vermittler zwischen den Sterblichen und seinen
göttlichen Ahnen«, denn die Auskunft der Geister kann nur durch den Mund des
»Au-na-ro-ar« oder Beschwörers geschehen, der a. O. auch als »Foreyanu«, Zauberer
(= »forey anu«, »einen Geist gut machen«) bezeichnet wird. Aus dem Wenigen, was
Kubary über diese Leute, welche übrigens keinen besonderen Stand bilden, mittheilt,
geht hervor, dass sie ganz den »Drikanan« der Marshallaner entsprechen. Wie diese,
sind es hauptsächlich Wahrsager und Zeichendeuter, welche die Dummen ausbeuten
und im Verein mit Häuptlingen besonders bei Krankheiten consultirt werden. Als
Mittel zum Wahrsagen*) bedient man sich eines Streifens Cocosblatt, in welches Knoten
geknüpft werden, wie dies vielerwärts ähnlich geschieht, ausserdem eines Zeichen-
systems, welches Kubary (1. c, S. 260) graphisch darstellt, ohne dadurch grössere Klar-
heit in der Erklärung des Textes zu erzielen. Beiläufig bezeichnet Kubary den Häuptling
»zugleich auch als Priester« (»Waetoa«) und sagt, »dass jede Gottheit ihren speciellen
Priester hat, durch welchen man mit ihr verkehren kann«, ohne Näheres über diese
Verhältnisse mitzutheilen, die somit vorläufig unverständlich bleiben. Betreffs Aber-
glaubens der Mortlocker sagt Kubary nur, »dass sie, wie alle Südsee-Insulaner, aber-
gläubisch und vor allen übernatürlichen Erscheinungen, Geistern u. s. w. sehr furchtsam
sind. In der Nacht würde kein Mortlocker sein Haus verlassen, und für jedes Geräusch
hat er eine Erklärung parat«. Aehnliche Vorurtheile finden sich bei den Gilbert-Insu-
lanern (S. [3 16]) und überall, so weit Menschen wohnen.
Nach den kurzen Mittheilungen Kubary's herrschen auf Ruk ganz gleiche Ver-
hältnisse, d. h. man verehrt die Geister (Anu) von Vorfahren. So wurde »Puer«, ein
angesehener Mann des Stammes Sopu, nach seinem (übrigens natürlichen) Tode als
ein Stammgeist unter dem Namen »Motomot« verehrt, während »UJ^ran« vom Stamme
Azau, der 1877 auf Toloas starb, schon nach zwei Jahren als Familiengeist »Räman«
bei seinen Verwandten in Ansehen stand.
Wie bereits erwähnt, werden, ähnlich wie auf den Marshalls, auch gewisse Thiere,
Bäume, Steine etc. als Sitz der Geister Verstorbener betrachtet. »In den Central-Caro-
linen,« sagt Kubary, »bis Uleai, mit Einschluss von Ruk, wird irgend ein Thier als
0 Weit ausgebildeter ist diese Kunst auf Pelau; Kubary theilt nicht weniger als 27 verschie-
dene Methoden mit und beschreibt auch Festlichkeiten mit Tänzen, die auf Geheiss der Götter ver-
anstaltet werden, um Krankheiten etc. zu beschwören (»Die Religion der Pelauerc, S. 40 — 44).
[559I Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 321
Schatten, Seele des Geistes (Anu') betrachtet.« Aber man begnügt sich nicht allein
damit, sondern geht noch weiter und verfertigt als sichtbare Repräsentanten des »Anu«
gewisse Holzbildnereien, wie das folgende Stück:
Ahnenfigur, Holzschnitzerei (Fig. 54), circa 90 Cm. lang; einen ziemlich roh aus
einem Stück Holz gezimmerten Vogel 2) darstellend. Am Kopfe sind plastisch drei
Fische ausgeschnitzt; der Rücken ist wannenartig vertieft ausgehöhlt, die kurzen Stum-
nielfOsse mit aus dem Ganzen gezimmert und nur die langen schmalen Flügel ein-
gesetzt. Der Vogel ist weiss angestrichen, mit rother netzartiger Querlinienzeichnung
auf Unterseite, Schwanz und Flügeln; die Fischfiguren sind schwarz bemalt.
Nach den Mittheilungen des Besitzers, eines Händlers (Traders) auf Dschalut, der
eben von Ruk zurückkehrte, hatte dieses Schnitzwerk als »Gott der Winde« auf Ruk
(Fefan) eine grosse Verehrung genossen und war in einem grossen Versammlungshause
aufgehangen gewesen. Niemand durfte das Heiligthum berühren, und die Eingeborenen
wollten es um keinen Preis verkaufen, entschlossen sich aber dazu, als der West monsun
nicht rechtzeitig einsetzte, denn gerade diesen Wind zu machen sollte die Schnitzerei
Fig. 54.
Ahnenfigur (Holzschnitzerei).
Ruk.
im Stande sein. Als dies nicht der Fall war, wurde sie voll Verachtung verkauft. Wie
mir der betreffende Händler erzählte, sind derartige Schnitzwerke in Vogelgestalt sehr
häufig und finden sich in kleineren Darstellungen fast in jedem Hause aufgehangen.
Durchaus übereinstimmende Holzschnitzereien in Vogelgestalt kommen auf Mortlock
und Uleai vor (Kat. M. G., S. 3oi u. 32 1). Wenn Kubary dieselben unerklärlicher
Weise in seiner ausführlichen Darstellung der Religion der Mortlocker mit Stillschwei-
gen übergeht, so gedenkt er ihrer wenigstens bei Beschreibung der Versammlungs-
häuser (»Ut«) auf Ruk. Sie heissen hier »Neren anu« und gelten »als Wohnungen oder
Altäre der Gottheiten, auf denen die diesen dargebrachten Opfer aufgehangen werden«.
1) Identisch damit ist »Hanno« oder »Hanulap« der Bewohner der Hall-Inseln (Moriljö und
Fananu), den wir nur nach den Erzählungen Floyd's (s. vorne S. 297 [535]) kennen, die jedenfalls
der Bestätigung sehr bedürftig sind und nicht ohne Weiteres in der Weise copirt werden sollten, wie
dies bisher geschah (vgl. Kittlitz, DenkwOrd., II, S. 105, und Bastian in: Kubary, »Die socialen Ein-
richtungen der Pelauer«, S. 26, Anm. 3).
2) Kubary deutet solche Gestalten als Fregattvögel (Tachypetes), allein der kurze Schwanz
widerspricht dem. Eher würde an Seeschwalben (Sterna) oder Tölpel (Sula) zu denken sein, allein
auch dies bleibt nur eine Vermuthung, da selbst eine generische Bestimmung überhaupt ausge-
schlossen ist.
322 Dr. O. Finsch. [560]
Ausser Vogelgestalten werden auch andere Motive zur Repräsentation des Geistes
»Anu« und zugleich von »Geisterwohnungen« benutzt. So hängt im Gemeindehause
in Sapulion auf Fefan eine Schnitzerei, zwei Brotfrüchte an einer Art Pfeil befestigt
darstellend, welche den Hauptgottheiten dreier Stämme geweiht ist und zugleich »ein
Symbol der Fruchtbarkeit« sein soll (Kubary, S. 51, Taf. IX, Fig. 5). Total abweichend
sind buntbemalte Schnitzereien in Form von einfachen und doppelten Canus, wie das
im Kat. M. G. (S. 356, Taf. XXXI, Fig. 6) als »Götze« beschriebene von der Insel Eten.
»Unter dem Namen ,Nerin anu* galt diese Nachbildung eines Doppelcanu*) (i*24 M.
lang, 20 Cm. hoch) als sichtbarer Gegenstand oder das Symbol des Landes der Geister
und hing, an Schnüren von Cocosfaser befestigt, derart an dem Dachbalken eines grossen
Hauses, dass es herabgelassen werden konnte. In dem mit einem Deckel verschliess-
baren, kästen artigen mittleren Theile wurden die dem Geiste dargebrachten Opfer
(Armbänder, Zeug etc.) niedergelegt« (1. c, S. 357). Neuerdings neigt Kubary zu der
Annahme, »dass dieses Schnitzwerk einen Hinweis dafür gibt, dass die Urahnen der
solche Göttersitze verehrenden Stämme auf Doppelcanus nach Ruk kamen«, und erin-
nert an ähnliche Verhältnisse in Pelau, wo gewisse männliche Gottheiten (»Angel«,
früher »Augel«) durch Modelle von Segelfahrzeugen dargestellt werden (I, S. 51, Note).
Nach Kubary ist übrigens die Bezeichnung des oben erwähnten Stückes von Ruk als
»Götze« unzutreffend. In der That dürfte es, wie alle hierher gehörigen bildlichen
Darstellungen, in die Kategorie der Ahnenflguren zählen, welche auch den weiteren
Beziehungen zu Ahnenverehrung und Ahnencultus weitesten Spielraum lässt. Als
Ahnenfiguren sind wahrscheinlich auch die »Götzen« von Nukuor zu betrachten, welche
in Gestalt roher Nachbildungen menschlicher Figuren oder formloser Basaltstücke hier
vorkommen (vgl. Kubary's ausführliche Darstellung in Kat. M. G., S. 322 — 334, Taf. XXX,
Fig. i) und sich ähnlich auf Pelau^) zu wiederholen scheinen. Die heiligen Steine auf
Nukuor sollen aus der »früheren Heimat« mitgebracht worden sein, was aber gewiss
>) Quer über die Mitte liegt eine Latte, auf der einige roh geschnitzte Vögel angebracht sind,
die fQr den besten Ornithologen unbestimmbar bleiben. Aber nach Kubary sind es »Strandläufer«,
die Latte »der Flügel eines Fregattvogels«!!
2) Kubary spricht sich darüber, wie meist, nicht deutlich aus. In »Der Kalit-Cultus auf Pelau«
(Journ. M. G., IV, 1873, S. 44—48) bleiben Idole überhaupt unerwähnt. Dagegen finden sich spärliche
Andeutungen in der erschöpfenden Abhandlung: »Die Religion der Pelauer« (vorne S. [449]). Ausser
gewissen Opferschreinen (S. 36, Taf. i u. 2; auch Hernsheim, Taf. 5) erhalten wir Ober gewisse als
Götter verehrte Steine (S. 37 u. $3, Taf. 3) sicheren Nachweis. Sie heissen »Kingelel«, und solche
werden auch in Form hölzerner Tabletts (Abbild. S. 37) zur Aufnahme von Opfergaben verfertigt.
Im Uebrigen weisen nur zwei Stellen (S. 14 u. 68) auf das Vorhandensein von »hölzernen und stei-
nernen Götzenbildern« hin, die aber leider unbeschrieben bleiben. Dagegen wird (S. 39) das Bild eines
»Augel« in Gestalt eines Dysporus (Tölpel) angeführt, das in einem Häuptlingshause hängt Und
a. O. heisst es in einer Legende über die Herkunft des »Audou«-Geldes, »dass das Bild des Vogels
,Okak' {Numenius •= Brachvogel, also nicht ,Strandlfiufer') noch heute in Hqlz geschnitzt in allen
grossen Häusern zu < sehen ist« (Journ., IV, S. 49). Es gibt also gewisse geschnitzte Idole, wie aus
folgenderstelle noch deutlicher hervorgeht: »Ein auf Pelau einziger Zug des ,Mulbekels* (eines Festes)
von Erray ist der Umstand, dass bei demselben sehr alte hölzerne Idole, die sonst in den Höhlen der
Koheals aufbewahrt werden, öffentlich ausgestellt werden. Auf der Spitze einer hohen Cocospaltne
wird ein Schrein errichtet und werden in demselben die männliche Holzfigur des Gottes und seiner
Gemahlin hineingestellt. Das Idol eines anderen Gottes und seiner Mutter kommen noch hinzu, die
jeden Abend heruntergeholt werden. Nach Beendigung des Festes werden die Götzen nach ihren
Höhlen gebracht.« Diese interessante Notiz (in: »Die socialen Einrichtungen der Pelauer«, 1885,
S. iio) wird in der »Religion« einfach todtgeschwiegen, und dies zeigt, wie mühsam es ist, sieb
Belege aus Kubary*s Schriften zusammenzusuchen. Zur Ehre der Gottheit Iftsst man auch bei einem
besonderen Feste Drachen (»aus Buuk-Blättern und Rohr bereitet«) steigen (s. vorne S. [548]| Note).
|^6l1 Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der SQdsee. 323
nicht för die Ellice-Gruppe sprechen würde (s. vorne S. [44 1])» die ja auch nur aus
Korallbildungen bestehen.
Masken (»Topanu«), die sonst in Mikronesien überhaupt fehlen, kommen sowohl
auf Ruk als Mortlock vor und sind deshalb von ganz besonderem Interesse. Der Kat.
M. G. verzeichnet (S. 3o2, Taf. XXIX, Fig. i) von letzterer Localität drei solche Masken.
Dieselben stellen flache^ aus Holz geschnitzte Gesichter dar und sind auf weissem
Grunde schwarz bemalt. In der Form erinnern sie an ähnliche Masken von Neu-Guinea
(Taf. [14], Fig. 5), namentlich durch eine wulstige Umrahmung des. Gesichtes, welche
Bart vorstellen soll, aber die Nase ist lang, schmal und flach; besonders charakteristisch
ist ein flaches Holzstück von elliptischer Form, das am oberen Rande befestigt ist. Die
Länge beträgt 66 — 73 Cm., die Breite des oberen Randes 36 — 42 Cm. »Benutzt wer-
den diese Masken bei Tänzen«, wird im Kat. M. G. gesagt, denn Kubary übergeht sie
in seiner Monographie über Mortlock überhaupt mit Stillschweigen. Dagegen erwähnt
er sie in der Industrie der Ruk-Insulaner mit den kurzen Worten: »Die mortlockischen
Topanu-Masken heissen hier ,Livoc*, sie werden aber nicht gebraucht« (1, S. 59). Dar-
nach wäre also auffallender Weise die übliche Benutzung als Scherz bei Festlichkeiten
ausgeschlossen, und »dass sie vom Henker gebraucht zu werden scheinen, um sein Amt
unerkannt verrichten zu können«, wie Wetmore vermuthet, ist unzweifelhaft irrig.
Vielleicht ebenso sehr, wenn ich diesen Masken einstweilen im Gebiet des Geisterlebens
einen Platz einräume, so gern ich auch an der sonst allgemein üblichen Gebrauchs-
weise festgehalten hätte. Dabei mag erinnert werden, dass gewisse Tänze auch mit
dem Geisterglauben, resp. Ahnencultus in Verband stehen (s. vorne S. Sog [547]), wie
Kubary leider nur andeutet.
Talismane gibt es in jedem Hause, und sie werden gleich von den Werkleuten
(s. weiter hinten unter Hausbau) angefertigt. Diese stehen in dem Ruf, schon die in
den Bäumen wohnenden Geister bannen zu können, um dadurch deren schädlichen
Einfluss abzuwenden, unterstützen dies aber auch durch sichtbare Zauberzeichen, die
sogenannten »Tegumeun«. Letztere sind sehr verschiedene harmlose Sächelchen
(Beutelchen mit Kräutern gefüllt, Schleifen aus Cocosblatt, gewisse Zweige, buntbemalte
Koralläste etc.), die an gewissen Balken des Hauses an einem Strick befestigt aufgehan-
gen werden (vgl. Kubary, I, S. 50, Taf. IX, Fig. 4, aus einem Zweige mit einer Bar-
ringtonia-Nuss bestehend). Auch die Häuser auf Mortlock werden mit solchen Talis-
manen versehen, die aber durch den Einfluss der Mission schon 1877 selten waren
(Kubary). Derselbe Brauch herrscht übrigens auf Yap, wo ganz ähnliche Talismane
(»Bonot«) nicht durch die Hausbauer, sondern durch fachmännische Zauberer gegen
Bezahlung hergestellt werden (Kubary oben 1. c, S. 3o).
III. Bedürfnisse und Arbeiten.
(Materielles und wirthschaftliches Leben.)
/. Nahrung und Zubereitung.
a) Pflanzenkost.
Wie schon aus den Andeutungen über die Flora erhellt, stehen die hohen Inseln
der Rukgruppe an Fruchtbarkeit erheblich hinter Kuschai und Ponap6 zurück, während
die niedrigen Inseln der Mortlockgruppe weit bessere Bodenbeschaffenheit als sonst
Atolle aufzuweisen haben. Auf Ruk gedeihen Brotfrucht und Cocospalmen allerdings
bis auf die Gipfel der kahlen, felsigen, steilen Berge, allein nur die sanften Abhänge der
324 ^^- ^- ^'^^*^^' [562]
letzteren bestehen aus Thonboden, der indess, wie auf Poaap6, stark mit basaltischem
Geröll und Trümmergestein bedeckt ist. Diese zuweilen an das Meer grenzenden, übri-
gens meist schmalen Abhänge und der Sandgürtel des Strandes »sind die einzigen
Stellen, wo der Eingeborene einige Cultur des Landes versuchen kann«. Man benutzt
aber auch die mit Mangrove gesäumten sumpfigen Striche, welche sich an den Grenzea
der Sandgürtel und der Abhänge infolge des von den Bergen herabströmenden Regens
bilden, da es auch auf Ruk keine Bäche gibt. Solche Sumpfniederungen werden mit
Laub und Erde ausgefüllt, und dadurch entstehen die Tarofelder, für welche Kubar}'
häufig das englische Wort »Taropatschen« anwendet. Die Producte dieser geregelten
Plantagenwirthschaft sind auf Ruk nach Kubary vorzugsweise: Gelbwurz, Landtaro^
(»Para«), etliche Musaarten und Zuckerrohr, in letzter Zeit auch Wassermelonen und
Kürbis, beide eingeführt. Dabei mag noch an Tabak erinnert werden, den Kuban-
a. O. erwähnt. Bemerkenswert ist, dass auf Ruk der Landbau allein von den Männern^)
besorgt wird.
Ganz ähnlich sind die Verhältnisse auf Mortlock, wo ebenfalls ein geregelter Plan-
tagenbau betrieben wird, wie sonst nur selten auf Atollen. Schon Kittlitz war auf
Lukunor durch diese Taroplantagen, besonders aber deren künstliche Bewässerung
überrascht, über die wir durch Kubary nichts erfahren. »Die Pflanze schien uns nicht
wesentlich verschieden von der kleinen Art der essbaren Caladien von Ualan (,KatakO
und gehört zu derjenigen Varietät, die einen besonders stark bewässerten Boden nöthig
hat. Daher sind auch hier die ziemlich ausgedehnten Anpflanzungen derselben, die
man in den nächsten Umgebungen der bewohnten Inselstrecke findet, künstlich unter
Wasser gesetzt, durch ein System von sinnreich angelegten kleinen Canälen, mittelst
welcher das Regenwasser im Innersten der Insel in eine förmliche Sumpflache vereinigt
wird« (Denkwürd., II, S. 96). Doane sah (1874) auf der Hauptinsel Lukunor zwei Taro-
plantagen, von denen jede in besondere Felder eingetheilt war, deren Einzäunung die
verschiedenen Besitzer bezeichnete.
Nach Kubary baut man auf Satöan und Mosch Taro (»Para«) in drei Arten, die
je in mehreren Varietäten unterschieden werden. >Oot« (auch »Otsch« und »No§«,
Notsch geschrieben) ist das in bewässerten Gruben cultivirte Arum esculentum, »Ket<
minder wichtig, »Pula«, das über mannshohe Arum macrorhi:[um, welches mit seinen
kolossalen Blättern trotz seiner harten, faserigen Knollen mit die wichtigste Cultur-
pflanze bildet. Bananen (»U§«, »Usz«, spr. »Utsch«) werden auf Mortlock ebenfalls
cultivirt.
Zur Bearbeitung des Bodens bedient man sich besonderer Ackergeräthschaften.
Auf Ruk genügt ein gewöhnlicher, etwas zugeschärfter Stock (»Ot« genannt), der
unter demselben Namen auch auf Mortlock vorkommt und im Kat. M. G. (S. 325) als
»Anget en pu^l« beschrieben wird: »halbrundes Stück Cocosholz, nach einem Ende hin
zugespitzt und nach dem anderen löffelstielartig abgeplattet; 172 — i'go M. lang; zum
Bohren von Löchern und zum Ausheben der Wurzeln«.
Eigenthümlich für Mortlock ist dagegen das folgende Ackergeräth:
» Aufel« (Nr. 33, i Stück), Tarohacke (Fig. 55), bestehend aus einem 32 — Z^ Cm.
langen runden Holzstiel, an welchen vorne ein rechtwinkelig abstehendes, circa 8 Cm.
I) Auf Pelau findet gerade das umgekehrte Verhältniss statt. Das »einzige beständige Nahrungs-
mittel« ist hier Taro (Coüocasia esculenta); Yams (Dioscorea) fehlt gänzlich; Brotfrucht und Bananen
kommen nur nebensächlich in Betracht (vgl. die ausführliche Schilderung von Kubary: »Der Landbau
der Pelauaner« (»Ethnol. Beitr.«» II, S. 156 — 166).
[S^^l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Södsee. 325
langes Querstück mittelst Schnur aus Cocosfaser befestigt ist^ an letzteres wiederum mit
demselben Material die eigentliche Klinge; letztere besteht aus dem Abschnitt vom
Knochenpanzer einer Schildkröte, derart zurechtgestutzt, dass der Rippenkiel die Mittel-
linie bildet; die untere Randkante ist etwas #
zugeschärft; Länge der Klinge 24 Cm., Breite ^ ^^S- 55-
8 Cm. ""
Ich erhielt nur zwei Exemplare dieses
interessanten Geräthes, das nach Kubary der
Vergangenheit angehört und nur auf Mortlock
vorkam. Aber das Museum Godefifroy (Kat.,
S. 325, Taf. XXX, Fig. 2) besass auch ein
Exemplar von der Insel Losop, und ich er-
hielt durch Kubary eine Klinge von Nukuor,
so dass das Geräth jedenfalls eine weitere Ver- ~ circa Vt natüri. Grösse.
breitung hatte. Die Grösse von neun Klingen Tarohacke.
im Museum Godeffroy ist zu i6 — 42 Cm. Mortlock.
Länge und 7 — 16 Cm. Breite angegeben.
Aeusserst wichtig für die Ernährung der Eingeborenen ist der Brotfruchtbaum
(»Mey« auf Mortlock), dessen Verschiedenheiten in Grösse und Gestalt der Blätter wie
Früchte schon Kittlitz von Lukunor bemerkt, und wovon die Eingeborenen auf Satöan
(nach Kubary) 18 verschiedene Varietäten durch Eigennamen unterscheiden, ja auf Ruk
»beinahe 60 (?) verschiedene Abarten« (Kat. M. G., S. 353, Note). Die Varietät mit ess-
baren Kernen, von der Grösse kleiner Maronen, die geröstet wie letztere schmecken,
kommt ebenfalls vor und ist sehr beliebt. Aus Brotfrucht bereitet man auch eine vieler-
wärts bekannte und weit verbreitete Dauerwaare (»Piru« der Marshall-lnsulaner, S.pgg]),
die sich aber nach Kubary »in den flachen Höhlen des Korallenbodens«, welche auf
Mortlock als Behälter dienen, nicht lange hält. Die Beobachtungen von Kittlitz auf
Lukunor widersprechen dem. Denn hier war im Februar der saure Brotfruchtteig mit
ein Hauptnahrungsmittel, und da die Brotfruchternte im Juni bis August stattfindet, so
versteht man jedenfalls die Conservirung eben so gut als auf fast allen Atollen. Brot-
frucht bildet nach Logan auf Ruk überhaupt die wichtigste Nahrung. Der Ausfall der
ßrotfruchternte, die in Folge von Stürmen und Dürre zuweilen sehr unbedeutend ist,
wird daher zur Lebensfrage für diese Inselbewohner und kann thatsächliche Hungers-
noth zur Folge haben. So verzeichnet die Schädelsammlung des Museum Godeffroy
mehrere Nummern mit dem Vermerk: »in Folge von Hungersnoth verstorbenes Indivi-
duum« von Ruk.
Bei den nicht immer sicheren Erträgen von Taro und Brotfrucht bildet daher
C0C08nU88, obwohl keineswegs im Ueberfluss vorhanden, ein wichtiges Nahrungs-
mittel, namentlich für Mortlock (hier »Nu«, die Palme, wie junge Nuss, »Zu«, die reife
Nuss), dessen Bewohner »neun Monate im Jahre nur auf Nuss angewiesen sind«
(Kubary). Sie kommt in »mehreren Varietäten vor, unter Anderem auch in einer ,Atol'
genannten, mit süsser essbarer AussenhüUe« (!?). Das Erklettern der Cocospalmen ge-
schieht in der bei Kuschai (S. [459]) beschriebenen, weit verbreiteten Manier.
Bananen. Die Spärlichkeit derselben auf Lukunor wird schon von Kittlitz erwähnt
und für Satöan von Kubary bestätigt. Häufiger scheint ihr Vorkommen auf Ruk, wo
nach Kubary auch Zuckerrohr gebaut wird. Leider gedenkt der Reisende mit keiner
Silbe der etwaigen Benutzung von Pandanus, dessen Früchte sonst für die Ernährung
der Atollbewohner so eminent wichtig sind.
326 Dr. O. Finsch. [364]
Andere wildwachsende Früchte kommen kaum in Betracht. Kubary erwähnt von
Ruk eine Gurke (s. vorne S. [536]) und von Mortlock »eine Arrowroot-Art, deren
Anbau nur als Aushilfe in Hungerszeiten betrieben wird, eine Eugenia, mit geniess-
baren Aepfeln, in spärlicher Anzahl (die Kittlitz schon von Lukunor anführt), eine Art
Orange mit kaum geniessbaren Früchten (auch auf Ruk ,Gorgur*), den ,Afush-BaumS
dessen aromatische Früchte roh und geröstet genossen werden, und als eingeführt den
Melonenbaum (Carica jpcLjpaya)^ der aber nicht besonders fortkommt«. Auf Ruk wur-
den, wie erwähnt, auch Kürbisse und Wassermelonen eingeführt. Ein anschauliches
Bild tropischer Plantagenwirthschaft auf Lukunor gibt Kittlitz auf PI. 33 der »Senjavin-
Reise« (mit Cocos, Banane, Brotfrucht und den mannshohen Taro blättern).
b) Fleischkost.
Hausthiere. Lütke fand bereits auf Lukunor Hunde und Katzen (»Gato«), die
nach Kubary auf Ruk schon in »Zeiten bekannt waren, wo noch keine Weissen die
Inseln besuchten«, aber jedenfalls bei dem Verkehr mit den Mariannen von dort her-
stammten. Kubary*s Annahme, »dass der Hund (,Konak') von Ruk eine diesen Inseln
eigenthümliche Rasse bildet (Kat. M. G., S. 353), ist irrthümlich und beruht auf mangel-
hafter zoologischer Kenntniss. Denn keine der ursprünglichen Hunderassen Einge-
borener besitzt ,lange, herabhängende Ohren* und vermag (wie Kubary a. O. anführt)
,laut zu bellen*«. Lütke bemerkt daher vom Mortlock-Hunde (»Kolak«) mit Recht:
»Diese grossen Hunde scheinen einer europäischen Rasse anzugehören.« Ob, wie auf
Ponape, ') Hunde gegessen werden, lässt Kubary unerwähnt, bestätigt aber Lütke*s Be-
merkung, dass man Hühner verschmäht. Dagegen gelten Fruchttauben (Carpophaga
Qceanica), schwarze Meerschwalben (Anous stolidus) und deren Eier als Leckerbissen,
wie die Eier von Schildkröten. Vermuthlich wird man auch das Fleisch der letzteren
nicht verschmähen.
Fanggeräthschaften für VögeP) lässt Kubary unerwähnt, was deshalb hier ange-
führt sein soll, weil eine im Kat. M. G. (S. 422, Nr. 746) angeblich von »Pelau« ver-
zeichnete »Yogelfalle« nach demselben Forscher »nicht von den Pelaus, sondern von
den Central-Carolinen herstammt« (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 121, Note), darnach also der-
artige Fangwerkzeuge hier bekannt sein müssten. Da die verwilderten Hühner aber
nicht gegessen werden, so erscheint dies mindestens recht zweifelhaft.
Fische (»ik« auf Mortlock) bilden keinen so hervorragenden Theil der Ernährung,
wie man gewöhnlich bei solchen Inselbewohnern voraussetzt, oder werden doch nur zu
gewissen Jahreszeiten häufiger gefangen. Wenigstens bemerkt Kubary ausdrücklich:
»als Zuspeise geniesst der Mortlocker selten einen Fisch«. Dies gilt wohl aber vorzugs-
weise von Satöan, in dessen fischreicher Lagune der Fischfang »durch die Tiefe des
Wassers und den gänzlichen Mangel an flachen Abfällen sehr erschwert wird«. Auf
Lukunor nährte sich die Bevölkerung aber im Monate Februar hauptsächlich von
Fischen (Kittlitz).
>) Hier besass man bereits vor Ankunft der Weissen eine eigene Art eingeborener Hunde
(s. vorne S. [505]), wie dies Dr. Gräffe auch für Rarotonga angibt.
3) Die einzigen geschickten Fallensteller unter den Caroliniern scheinen die Pelauer gewesen
zu sein. Kubary beschreibt mehrere Arten sinnreich erfundener Schlingen und Fallen zum Fange von
Tauben (Carpophaga oceanica)^ zahmen und wilden Hühnern und Purpurhühnern (»Wek«, Porphyrio
pelewensis, H. u. F.) in »Die Industrie der Pelauerc (»Ethnol. Beitr.«, S. 120, 121, Taf. XVI, Fig. 4 bis
IG), sowie ein Handnetz zum Fange fliegender Hunde (Pteropus Keraudreni, Q. u. G.) (ib. S. 120,
Fig. 3), fügt aber hinzu: »Schlingenstellen wurde indess nur selten geübt und ist seit Einführung
von Gewehren fast gänzlich erloschen.« Geschickt im Vogelfang mit Schlingen sind auch die Satno-
aner und Maoris.
[565] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 327
Dass im Uebrigen Krusten- und Schaalthiere keineswegs verschmäht werden,
bedarf nicht erst der Anführung. Kittlitz gedenkt auch einiger grossen Holothurien als
Nahrungsmittel und Kubary der Cocosnusskrabbe (Birgus latro).
c) Zubereitung.
Die Kochkunst') der Mortlocker steht nach Kubary auf keiner hohen Stufe und
wird in ähnlicher Weise als sonst auf Koralleninseln betrieben, d. h. man bäckt und
röstet zwischen glühenden Steinen, in der heissen Asche oder direct im Feuer. Wenn
Kubary das Wort »Backofen« (»Um«) für Mortlock anführt, so ist darunter nur das
allgemein übliche Rösten zwischen erhitzten Steinen zu verstehen. Fische werden direct
über dem Feuer geröstet oder auch roh verzehrt. Aus Eiern von Schildkröten oder
Seeschwalben bereitet man in einer Cocosschale Rührei. In den Schalen grosser Cassis-
Muscheln (Kat. M. G., S. 328, Nr. 3508) wird eine sehr beliebte Festspeise (aus Brot-
frucht und Cocosmilch) gekocht, die nach Kubary durchaus nicht schlecht schmeckt.
Sie heisst auf Mortlock (wie Nema und Losop) »Möen« und ist auffallenderweise auf
Ruk unbekannt. Hier wird die Brotfrucht hauptsächlich, wie anderwärts, zwischen
heissen Steinen gebacken, noch heiss geschält und dann zu einem Teige gestampft, der,
in Blätter eingewickelt, sich lange hält. Auf Mortlock »wird ausser der Brotfruchtzeit
wenig gekocht« und die Bereitung der Nahrung von den Frauen besorgt, während auf
Ruk dies Geschäft gerade den Männern zufällt (Kubary in Kat. M. G., S. 377).
d) Reizmittel.
Tabak ^) ist das einzige hieher gehörige Product, welches Tür unser Gebiet in Be-
tracht kommt, und wird auf Ruk, hier »Suba« genannt, in beschränkter Weise sogar
angebaut, obwohl diese Cultur den eigenen Bedarf nicht deckt. Durch Händler und
Schiffe eingeführter Stangentabak (vgl. S. [20]) ist daher auch in unserem Gebiete zum
Bedarfsartikel geworden, sehr zum Aerger der Mission, welche in ihren Berichten häufig
über diese »Unsitte« klagt. Wie meist in den Carolinen (auf Samoa und anderwärts)
wird Tabak in Form von Cigaretten geraucht, zu denen man als Decker ein Stück
trockenes und sehr dünnes Bananenblatt benutzt. Ob die Tabakspflanze nicht vielleicht
ursprünglich durch die früheren eingeborenen Tauschverbindungen mit den Ladronen
in unser Gebiet gelangte, soll hier nur nebenher vermuthungsweise gestreift werden.
Ich halte diese Annahme wenigstens für die richtigere, wenn sich die Frage auch nicht
mehr lösen lässt.
1) Dieselbe ist jedenfalls auf Pelau am höchsten entwickelt, wie uns Kubary in seiner er-
schöpfenden Abhandlung: »Die Nahrung der Pelauer und deren Bereitung« (in »Ethnol. Beitr.«, U,
S. 166 — 174) belehrt. Trotz nur weniger Producte ist die Aufzählung der verschiedenen daraus bereiteten
Speisen ganz erstaunlich; so z. B. werden allein aus Taro und dessen Blättern 14 verschiedene Ge-
richte bereitet. Bei Vergleichung ergeben sich übrigens einige Abweichungen mit der früheren Dar-
stellung (in >Journ. M. G.«, Heft IV, S. 61 und 62). So z. B. sagt Kubary hier, dass die Schildkröte
>nur den Reichen zugänglich sei«, erklärte sie aber später »als ein den Göttern geheiligtes Thier,
•ias nur in Krankheitsfällen als Opfer (S. 168) oder auf Gehciss eines Wahrsagers (S. 188) ver-
zehrt wird«.
2) Dieses Narcoticum wurde auf Pelau und Yap schon vor Ankunft Weisser cultivirt, wäre
aber nach Kubary ursprünglich von den Philippinen eingeführt, eine Annahme, die indess sehr an-
fechtbar bleibt. Jedenfalls hat sich Tabak und Tabakrauchen schon früh von hier aus nach Osten
verbreitet, und schon 1828 wurden die Senjavin-Reiscnden auf Fais und Uluti um Tabak angesprochen.
In diesen westlichen Gebieten hat sich eine besondere Industrie in fein geflochtenen Täschchen (aus
PandanuS'Bl^tt) entwickelt, die als Tabaksbehälter dienen. Die Sammlung besitzt ein solches Täsch-
chen (Nr. 705) von Yap, welches ganz mit der Abbildung im Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 14,
übereinstimmt, hier als von »Pelau« bezeichnet, nach Kubary aber sicher von Yap (»Ethnol. Beitr.^,
Annalen des k. k. Daturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 23
328 Dr. O. Finsch. [566]
2. Koch' und Essgeräth.
a) Feuerreiben. Die von der sonst üblichen abweichende Methode, mittelst zweier
Hölzer nicht durch Reiben, sondern Quirlen Feuer zu erzeugen, wie sie unter Anderem
auch in Australien und bei gewissen Indianerstämmen Californiens vorkommt, wird
schon von Chamisso ausführlich beschrieben (II, S. 323). Nach ihm wäre diese Art für
die Carolinen eigenthümlich, sie ist aber, wie wir bei Kuschai gesehen haben, nicht all-
gemein gütig. Ueber die Methode des Erzeugens von Feuer auf Mortlock macht Ku-
bary keine Mittheilung, erwähnt dagegen, dass auf Nukuor Feuer gerieben, aber auch
mittelst Bohren erzielt wird, welche letztere Methode »man erst von Yap- Eingeborenen
erlernte, die angetrieben waren« (Kat. M. G., S. 350). Noch befremdender klingt die
Angabe desselben Berichterstatters (ib. S. 378), dass auf Ruk die Methode, Feuer zu
erzeugen, von beiden Geschlechtern verschieden prakticirt wird: die Männer reiben
(»Oburuk«), die Frauen quirlen (»Liok«). Leider gibt Kubary keine Beschreibung der
Geräthschaften zum Feuerreiben. Es mag daher erwähnt sein, dass man sich zum
Bohren, resp. Quirlen eines Drillbohrers bedient, wie er anderwärts zum Bohren von
Löchern benützt wird (z. B. auf den Marshall- Inseln, s. vorne S. [411]), nur dass der
Feuerreiber eine stumpfe Spitze besitzt. Mein lieber Freund Prof. Giglioli in Florenz
besitzt einen solchen Drillbohrer zum Feuerreiben ohne nähere Fundortsangabe, bei
dem die runde Scheibe aus Schildkrötenknochen besteht, was auf Mortlock hindeutet.
Nach der ziemlich unklaren Beschreibung der »Hölzer zum Feuerreiben € mitteist
Bohren (Kat. M. G., S. 403) scheint auf Yap ein ähnliches Geräth bekannt zu sein. Von
Pelau werden auch (ib. S. 426) Büchsen aus Bambu »für die Aufbewahrung des beim
Feuermachen gebrauchten weichen Holzes« notirt und von Uleai eine »Zunderdose aus
Bambusrohr, weiches Holz enthaltend, welches als Zunder beim Feueranreiben ver-
wendet wird und den Funken gleich einem Feuerschwamm auffängt« (S. 389), eine
Methode, die wegen ihrer Eigenartigkeit hier angeführt sein mag.
b) Kochgeräth. Wie das Kochen selbst sind auch die hierher gehörigen Uten-
silien äusserst einfach. Kubary erwähnt, dass auf Mortlock in grossen Muscheln (Cassis
cornuta) und selbst in Cocosschalen (und zwar Rührei) gekocht wird, da Töpfe fehlen
und im ganzen Carolinen-Archipel nur auf Pelau und Yap gemacht wurden (s. Nach-
träge).
Schaber. Als solche gedenkt Kubary von Ruk nur die weit und breit benutzten
Schalen einer i4rca-Muschel, deren gezähnelter Rand sich trefflich dafür eignet und die
mit der Hand geführt werden. Es lässt sich aber annehmen, dass gelegentlich auch
andere Muscheln (Perlschalen, Venus) als Schaber, resp. Messer benutzt werden, ebenso
die rauhe Oberfläche gewisser Korallen als Reibeisen, wie dies unter Anderem auf
Nukuor^) bei der Bereitung von Gelbwurzpulver geschieht (Kat. M. G., S. 348). Wie
hier braucht man zu dieser Fabrication auch auf Ruk besondere Siebe (s. weiter zurück
»Bemalen«).
Als Brecher zum Abschälen der Faserhülle der Cocosnuss benutzt man, wie
vielerwärts, einen an beiden Seiten zugespitzten Stock aus Hartholz, wie dies schon
Lütke von Lukunor erwähnt. Das eine Ende des Stockes wird in die Erde gesteckt
II, S. 2H). Von Pelau auch ähnliche Täschchen (Kat. M. G., S. 428) und kolbenförmige CocosnQsse
als Tabaksbehälter von Uleai (ib. S. 389).
») Von hier verzeichnet der Kat. M. G. ein sehr eigenartiges schemeiförmiges Schabergeräth mit
vier Beinen und Schneide aus Perlschale (S. 347, Taf. XXXI, Fig. 5).
[5^71 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 32g
und dann die mit beiden Händen gefasste Cocosnuss kräftig auf die Spitze des Stockes
geschlagen, um so die Faserhülle zu sprengen und von der Nuss zu scheinen. Der Kat.
M. G. (S. 377) verzeichnet ein solches Geräth von Ruk; die Sammlung enthalt es von
Rotumah (Nr. 67). Eine ganz verschiedene Methode wird auf Pelau angewendet, indem
man die Nuss zwischen den Füssen festklemmt und dann mit einem kurzen Stöckchen
abschält (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 56).
Stampfer aus Stein stimmen in der Form ganz mit solchen von Kuschai überein,
sind aber auffallenderweise nicht aus Basalt, sondern einem sehr festen, indess körnigen,
hellen Korallfels geaibeitet. Der Fig. 56 abgebildete Stampfer von Ruk übertrifft in
sauberer Arbeit die ähnlichen Erzeugnisse von Kuschai und ist unten breiter, mit vor-
springendem Rande; Höhe 19 Cm., Breite unten i3 Cm. Diese Stampfer heissen nach
Kubary auf Ruk »Po« und dienen hauptsächlich zum Stampfen der gebackenen Brot-
frucht. Der Kat. M. G. (S. 377) verzeichnet zwei solche Stampfer aus Korallstein von
Ruk (»Höhe 15 Cm., Durchmesser unten 9 — 10 Cm.«), aber kein derartiges Geräth
von Mortlock oder einer anderen Carolineninsel. Aber Kubary
erwähnt von Pelau Stampfer aus Holz, Basalt und » Tridacna^y ^^ß- 5^.
von denen solche aus den beiden letzteren Materialien bereits
der Vergangenheit angehören und die in der Form von denen
von Kuschai (S. [462]) wie Ruk abweichen (vgl. > Ethnol. Beitr. «,
II, S. 208, Taf. XXVIII, Fig. 12 u. i3).
c) Essgeräth. Hölzerne flache Schüsseln von Lukunor
sind in drei verschiedenen Formen im Atlas der »Senjavin-
deise« (PI. 29, Fig. i3, 14 u. 15) abgebildet und von daher im
Kat. M. G. (S. 327) als »Sapey« beschrieben. Ich erwähne dies
deshalb, weil Kubary sowohl von Mortlock als Ruk keiner
Schüsseln gedenkt und von letzterer Gruppe besonders her-
vorhebt, dass man sich als Teller nur Blätter bedient, wie dies
übrigens nicht blos »polynesische«, sondern auch melanesische 1/^ natüri. Grösse.
Sitte ist. Dies ist in der That sehr merkwürdig, denn gerade Stampfer aus Korellfels,
die Ruker zeichnen sich hervorragend in der Anfertigung von l^^]^
Holzgefässen aus, die Kubary eingehend schildert (»Ethnol.
Beitr.«, I, S. 54 u. 55, Taf. X, Fig. i — 5). Es werden hier nicht weniger als neun ver-
schiedene Formen, meist trogförmige Holzgefässe, beschrieben, deren eingeborene
Namen nicht immer mit denen im Kat. M. G. (S. 375 — 377) verzeichneten überein-
stimmen. Ob sich überhaupt die geringfügigen Verschiedenheiten dieser ineinander
übergehenden Formen constant unterscheiden lassen, darf bezweifelt werden.')
Ein hervorragendes Stück ist das folgende:
Hölzerner Trog. Schüsseiförmiges, sehr grosses, fast rundes, tiefes Gefäss, unter-
seits kielförmig, aus einem Stammstück des »Tomanobaumes« gezimmert, mit halt-
>) Dasselbe gilt für die mannigfachen Erzeugnisse der am höchsten entwickelten Holzindustrie
von Pelau. Während Kubary in seiner früheren, allerdings mehr allgemein gehaltenen Arbeit über
Pelau (Journ. M. G., Heft IV, S. 60) nur vier Hauptformen aufführt, notirt er in seiner neuen Abhand-
lung über drei Dutzend verschiedener Formen (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 201 — 205, Taf. XXIV— XXVIII).
Aber er fügt im Einklang mit der obigen Bemerkung hinzu: »Die einzelnen Formen (manche nur in
zwei Exemplaren überhaupt bekannt) werden selbst von den Eingeborenen nicht immer deutlich unter-
schieden.« Trotz dieser Fülle ist übrigens ein früher als »Kongolungul« beschriebenes Gefäss ver-
gessen, und die Schreibweise der Namen weicht zum Theile ab, wie dies Kubary so häufig passirt
(vgl. auch Kat. M. G., S. 423).
23*
33o Dr- O. Finsch. [5^8]
barer rothbrauner Farbe angestrichen; Längsdurchmesser 98 Cm., Breitendurchmesser
92 Cm., Tiefe 47 Cm. Ruk.
Wegen des gekielten Bodens würde dieses Stück zu der grössten Form von Holz-
gefässen (»Namuetin« oder »Urou« genannt) gehören, welche bis i M. Länge erreichen.
Sie werden nur bei festlichen Gelegenheiten zum Ausstellen von Nahrung benutzt und
dann auf Böcke gesetzt, da sie sonst umfallen würden.
Nach Kubary sind fast alle grossen Gefasse aus »Rokit«-Holz (Calophyllum
inophyllum) gezimmert, kleinere aus Brotfruchtbaum und einigen anderen Hölzern.
Die grossen Gefasse werden innen und aussen mit rother Erde (>Lep€ auf Mortlock)
und einem Firniss aus »Ais<-Nuss angestrichen. Diesen Firniss beschreibt Kubary a. O.
von Ruk: »Aus der ,Andiwo*-Nuss (? Cinnamomum spec?) wird ein Fett gewonnen,
das zur Bereitung von Kitt und Firniss dient« (Kat. M. G., S. 353), und dieser Firniss
wird wahrscheinlich auch auf Mortlock gemacht, woher der Kat. M. G. (S. 328) einen
»Firnissbehälter aus Cocosnussschale« verzeichnet. Identisch ist vermuthlich auch der
»Laok«-Firniss von Pelau, der, mit Ocker vermischt, zum Anstrich von Holzgefässea
dient, eine Methode, die Kubary (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 201) näher beschreibt. Nach
Kubary bleiben kleinere Holzgefässe meist in der ursprünglichen Holzfarbe oder wer-
den schwarz bemalt. Der Kat. M. G. verzeichnet auch grosse Gefasse unangestrichen,
andere rothbraun und fast dunkelbraun mit schwarzem Rande. Nach Kubary dienen
alle die Holzgefässe dem inneren Verkehr der Stämme untereinander als Geldeswerth,
namentlich bei Friedensschliessungen. Sehr mannigfach ist auch die Industrie in
schüsseiförmigen bis trogförmigen Holzgefässen auf Nukuor (»Kameti«), wovon
Kubary verschiedene beschreibt, darunter eine Art bis 6 Fuss lange Tröge, die man
gewöhnlich zum Sammeln von Regenwasser benutzt (Kat. M. G., S. 349).. Hier auch
Schüsseln (S. 348), die in Ermanglung rother Farbe mit Gelbwurz eingerieben werden,
wie dies auf Poloat geschieht (ib. S. 38o). Auch auf Sonsol werden oder wurden Holz-
schüsseln angefertigt (Kubary, I, S. 97).
Wasser- und Trinkgefässe sind die allgemein üblichen Cocosschalen, die nach
Kubary auf Ruk zuweilen »schön abgeschliffen, aber nicht mit Zwirnstrickereien um-
geben werden«. Darnach würde die Angabe »Ruk« für Fig. 4 (PI. 174) bei Edge-Par-
tington falsch sein, welche eine solche Cocosnussschale im dichten Geflecht von Cocos-
nussfaserstrick mit Tragband darstellt, wie solche von Nukuor (Kat. M. G., S. 350)
beschrieben werden. Im Atlas der »Senjavin-Reise« ist eine eingestrickte Cocosnuss als
Wasserbehälter von Lukunor abgebildet (PI. 29, Fig. 18).
Sehr hübsche Trinkgefässe aus Cocosnuss und Holz (erstere zuweilen mit Deckel
aus Schildpatt oder »7>;^ac/ia-Schale«) beschreibt Kubary von Pelau (»Ethnol. Beitr.«,
II, S. 204, 205, Taf. XXVII u. XXVIII).
Löffel finde ich nirgends aus den Central-Carolinen erwähnt, sie kommen aber
im Westen vor. Kubary beschreibt solche und Schöpfkellen von Pelau*) aus Holz
(»Ethnol. Beitr.c, II, S. 206, Taf. XXVIII, Fig. 5 u. 6), darunter mit kunstvoller Schnitzerei
I) Ein für diese Gruppe eigenthümlicher ethnologischer Charakterzug ist die Schildpattindustrie
in allerlei kleinen Gefässen (»Toluk«), die sonst nirgends in der Südsee vorkommen und die Kubary
neuerdings eingehend behandelte. »Die Schildpattplatten werden in heissem Wasser erweicht, dann
in hölzerne Formen gepresst und bis zum Abkühlen eingekeilt« (»Ethnol. Beitr.c, II, S. 188 — 195»
Taf. XXIU; auch Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 2 u. 3; Kat. M. G., S. 427; Edge-Partington,
Taf. 182, Fig. 4 — 7). Die interessanten Formen zum Pressen sind leider nicht beschrieben und dürften
in Museen kaum vorhanden sein.
[369] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 33 1
des Stieles, welcher eine weibliche Figur darstellt. Hierher gehören wahrscheinlich auch
die Löffel, angeblich von »Nukuor« (Kat. M. G., S. 349).
Bei dem Mangel an Quellen oder fliessendem Wasser überhaupt muss man sich,
wie auf allen Atollen, mit Regenwasser begnügen, das sich in gewissen Tümpeln an-
sammelt, oder in besonderen Höhlungen an der Basis schiefgewachsener Cocosstämme
(vgl. »Senjavin-Reise«, PI. 32), die oft künstlich trogartig erweitert werden (wie in der
Abbild, bei Kittlitz, 2, S. 97). Uebrigens trinkt man wenig und meist Cocosmilch, da
Palmsaft nirgends Erwähnung findet.
Ein Wassergefass aus einer sehr hübsch in Cocosnussfaserschnur eingestrickten Cocosnuss
besitzt die Sammlung (Nr. 72) von der Insel Nia-ufu (zwischen Viti und Samoa). Die Cocosnüsse
von dieser Insel sind durch ihre bedeutende Grösse merkwürdig und in der That die grössten des
Pacific. Eine solche Nuss misst 17 Cm. im Durchmesser, 55 Cm. im Umfange und enthält 2 1/2 Liter.
Flüssigkeit. Diese Nüsse werden daher sowohl nach Viti als Samoa verhandelt, wo sie als Wasser-
gefasse sehr beliebt sind.
3. Fischerei und Geräth.
Nach Kubary wäre dieses Gewerbe auf Mortlock und Ruk schon in Verfall ge-
rathen, besonders auf Ruk, wo die Ausübung desselben hauptsächlich den Frauen über-
lassen ist (»Ethnol. Beitr.c, II, S. I23). Aber wir haben durch ihn andererseits auch
erfahren, dass die Fischerei örtlicher Verhältnisse halber besonders erschwert wird
(s. vorne S. 362 [564]), und dies ist vermuthlich der Hauptgrund des geringeren Be-
triebes. Bei den spärlichen Mittheilungen Kubary's bleiben die älteren Nachrichten von
Kittlitz und Lütke über Fischerei auf Lukunor noch immer werthvoU, umsomehr, da
einige interessante Geräthschaften trefflich abgebildet sind.
a) NdtzfischBrei. Lütke bemerkt von Lukunor ausdrücklich, dass man hier keine
grossen Netze*) kennt, und Kubary lässt solche von Satöan ebenfalls unerwähnt, ge-
denkt aber von Ruk »grosse Netze (,Uk*) aus Cocoszwirn, hauptsächlich für den Fang
von Schildkröten angewendet«, und a. O. »eigenthümlicher Netze zum Schildkröten-
fange während der Neraj-Zeit« (I, S. 74).
b) Hakenfischerei. Die kurze Ncftiz: »in früherer Zeit wurden auch Fischhaken
aus Schildpatt gefertigt« ist Alles, was Kubary darüber von Ruk bemerkt, und nicht
minder ärmlich sind die Nachrichten in Betreff Mortlocks: »die alten Fischhaken (yUä')
waren aus Schildpatt oder aus der harten Cocosschale gefertigt, sie sind heute sehr
selten« (»Mortlock«, S. 272). Aber wir kennen bereits aus der »Senjavin-Reise« (PI. 29,
Fig. 6) Fischhaken von Lukunor, und einen ganz übereinstimmenden erhielt ich durch
Kubary selbst von Satöan mit der Bemerkung, dass ganz gleiche auch auf Ruk vor-
kommen oder vorkamen.
Fischhaken (Nr. 152, i Stück), Taf. III [20], Fig. 2; aus einem Schaftstück (a)
von Perlmutter und Fanghaken (b) aus Schildpatt mit Köderbüschel (c) aus schwarzen
Federn; e Breite der Rückseite des Schaftes. Mortlock, Insel Satöan. Die über 3 M.
lange Fangleine, aus Hibiscus-FaseT gedreht, läuft an der Innenseite des Schaftes und
durch ein Bohrloch an der Basis desselben (Fig. 2d), An jeder Seite der Verbindungs-
stelle von Haken und Schaft ist unter die Bindfaden ein Knochen- oder Grätensplitter
I) Am ausgebildetsten ist Fischerei jedenfalls auf Pelau. Kubary beschreibt von hier eine ganze
Reihe (an zehn Arten) verschiedener »Langnetze«, zum Theile mit Senkern und Schwimmern, die
zum Fange verschiedener Arten Meeresthiere (von der Sardine bis zum Dugong) verwendet werden
(»Ethnol. Beitr.c, ü, S. 135—139, Taf. XVIII).
tr
332 Dr. O. Finsch. [57^3
eingeschoben, um den Haken fester anzufügen. Ganz übereinstimmende Fischhaken
verzeichnet der Kat. M. G. (S. 324, Nr. 572) ebenfalls von Mortlock (aber Schaft und
Fanghaken aus Perlmutter) und von Nukuor (S. 342, Nr. 732, u. S. 343, Nr. 847, Schaft
aus Perlmutter, Haken aus Schildpatt, und S. 342, Nr. 858, aus Trochus), Von letzterer
Insel erhielt ich einen durchaus gleichen Fischhaken, aber statt schwarzem mit weissem
Köderbüschel, was, wie mir Kubary versicherte, ein constanter Unterschied zwischen
den Fischhaken beider Localitäten sein soll, indess mit Unrecht. Denn einmal erhielt
ich von Kubary selbst Fischhaken von Satöan mit weissem Köderbüschel (aus Tapa),
und dann richtet sich die Farbe desselben ja ganz nach der zu fangenden Fischart. Zu
demselben Typus gehören die alten Fischhaken, von welchen Kubary die letzten Exem-
plare noch glücklich auf den westlichsten Carolineninseln Sonsol (»Ethnol. Beitr.«, I,
S. 96, Taf. XII, Fig. 11) und Bunai (St. David, ib. S. 108) retten konnte, wo jetzt, wie
fast überall, eingeführte oder selbstgefertigte Fischhaken aus Draht (ib. Taf. XII, Fig. 12)
gebraucht werden.
Der Typus von Fischhaken, die aus zwei Stücken, dem Schaft und eigentlichen
Fanghaken, bestehen, ist der häufigste und war mit mehr oder minder geringfügigen
Abweichungen in früheren Zeiten fast über die ganze Südsee verbreitet (Samoa, Tonga,
Tahiti, Markesas etc.). Er wurde hauptsächlich zum Fange von Boniten (Makrelen)
angewendet, wie ich dies von den Marshall-Inseln*) (vorne S. [402]) beschrieb. Alt-
hawaiische Fischhaken weichen von denen der letzteren Inseln (Taf. 20, Fig. i) nur
darin etwas ab, dass der Fanghaken sich nicht nach innen, sondern nach aussen biegt
(vgl. Choris: PI. XIV, Fig. 5, mit Köderbüschel aus weissen Federn). Zu derselben
Form gehören auch die ähnlichen alten Fischhaken von der Oster-Insel, wie Thomson
einen solchen abbildet (PI. LVIII, Fig. 2), der aus zwei zusammengebundenen Stück
Knochen (angeblich, aber nicht sehr wahrscheinlich, »von menschlichen Schenkel-
knochen«) besteht. Solche alte Fischhaken werden hier noch heute benutzt und eisernen
vorgezogen. Fischhaken »aus Knochen« von Oatafu und solche »aus Knochen, Hai-
fischzähnen und Muscheln« von Fakaafo der Ellice-Gruppe erwähnt Wilkes, leider ohne
nähere Beschreibung. Auch in Melanesien ist dieser Typus von Fischhaken weit ver-
breitet. Ich erhielt sehr hübsche Exemplare aus den Salomons (Simbo = Eddystone
Isl. und Savo), die ganz mit solchen von Mortlock übereinstimmen, nur zeigt der Fang-
haken eine eigenthümliche Biegung. Der Schaft, meist aus Perlmutter, ist zuweilen
kunstvoll in Form eines Fisches geschnitzt (vgl. Kat. M. G., Taf. XVII, Fig. 8, 9 u. 10,
ziemlich unkenntlich, und die interessanten Mittheilungen von Guppy: »The Solomon
Isl.«, S. 156). Nahe verwandt sind die Fischhaken aus Kaiser Wilhelms- Land (vorne
S. [190] und »Ethnol. Atlas«, Taf. IX, Fig. 3, 4 u. 5), die am meisten mit solchen von
Banaba (Taf. 20, Fig. 2) übereinstimmen.
Weit seltener ist der zweite Typus Fischhaken, ganz aus einem Stück (meist
Schildpatt) geschnitzt, wie ihn Fig. 1 1 unserer Taf. 20 in einem alten Stück von Ponape
(s. vorne S. 252 [508]) darstellt und der jetzt beinahe ganz der Vergangenheit angehört.
Das im Kat. M. G. (S. 325, Nr. 2997) beschriebene Exemplar von Mortlock,^) »das lange
als eine Art Talisman aufbewahrt wurde,« gehört diesem Typus an, ebenso »die alter-
thümlichen, stets noch hochgeschätzten und in Ehrfurcht und Aberglauben vererbten
0 Sehr mannigfach sind die Setz- und Senkangeln von Pelau, die aber fast ausschliesslich mit
eisernen Haken versehen werden, darunter auch eine Angelruthe, deren Stock in den Grund des
seichten Wassers gesteckt wird (vgl. Kubary, II, S. 124—132, Taf. XVI u. XVII).
3) Von hier wird auch eine » Fischangel c aus Schildpatt als Ausputz eines Handkammes (Kat
M. G., S. 307, Nr. 2970) verzeichnet.
Fcyil Eth.i logische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 333
Fischhaken aus Schildpatt« von Pelau*) (Kubary; »Ethnol. Beitr,«, II, S. 125, Taf. XVII,
Fig. 3 u. 4) und von Bunai (St. David), wo Kubary noch das letzte Exemplar erhielt
(ib. I, S. 108, Taf. XII, Fig. i5) und die hier »nur noch als Schmuck dienen«. Fisch-
leinen, aus HibiscuS'Fastr gedreht, werden auf Ruk nicht sehr gut gemacht und daher
meist eingeführt, sagt Kubary, der dabei bemerkt, dass geflochtene Schnüre in den Caro-
linen nur auf Nukuor verfertigt werden (I, S. 65). Nach demselben Beobachter ist die
in Kat. M. G. (S. 379) beschriebene geflochtene Fischleine nicht von Ruk.
Zu dem im Vorhergehenden zuletzt beschriebenen Typus von Fischhaken gehören auch die
aus Perlmutter von Nukuor, wie die folgenden Stücke:
Fischhaken (Nr. 153, i Stück, Taf. III [20], Fig. 5) {a^ Dicke), aus einem sehr dicken Stucke
vom Schlosstheile der Perlmuttermuschel (Meleagrina margaritifera) gearbeitet, sehr gross. Am Basis-
rande ist ein Kerbeinschnitt zur Befestigung der Fangleine.
Fischhaken (Nr. is3a, l Stück, Taf. III [20], Fig. 6) (0, Dicke), wie vorher, aber mit Fang-
leine, die mittelst Garn aus /ff Wscws- Faser befestigt ist (b).
Pischhaken (Nr. 1536, i Stück, Taf. III [20], Fig. 7) (ä, Dicke), wie vorher, aber kleiner und
aus dunklem Perlmutter. Am Basisrande sind zwei seichte Kerbeinschnitte zur Befestigung der Fang-
schnur.
Fischhaken (Nr. 153 c, i Stück, Taf. III [20], Fig. 8), wie vorher, aber sehr klein.
Die Art der Anfertigung dieser Fischhaken veranschaulichen die folgenden Nummern:
Fischhaken in Bearbeitung (Taf. III [20], Fig. 9a) zeigt die erste Stufe: ein Stück Perlmutter,
dessen unterer Rand gerade, der obere bogenförmig geschliffen ist; die punktirten Linien deuten an,
wie weit der Haken später ausgeschliflen wird.
Fischhaken in Bearbeitung (Taf. III [20], Fig. 96), wie vorher, aber weiter in der Bearbeitung
vorgeschritten, indem in der Mitte des Perlmutterstückes bereits ein Loch ausgebohrt ist, das dann
weiter zum Haken ausgearbeitet wird.
Solche Fischhaken sind im Kat. M. G. (S. 343, Nr. 644, 857) ebenfalls von Nukuor beschrieben
und (S. 344) von dieser Localität »mit der Angabe ,Carolineninseln' erhaltene, auch Bohrer (birn-
förmige, 8 Cm. lang, 5 Cm. dick) aus Tridacna gigas, welche bei der Anfertigung dieser Fischhaken
als Werkzeug dienen sollen (S. 344, Nr. 1405). Etwas abweichend ist die folgende Form, ebenfalls
aus Perlmutter.
Fischhaken (Taf. III [20], Fig. 10), aus einem dicken Stücke Perlmutter gearbeitet. Mukuor.
Das obige Exemplar ist eines der kleinsten, welches ich erhielt. Das grösste, genau ebenso
geformte misst 80 Mm. im Längsdurchmesser (35 Mm. im Lichten),' in der Höhe 55 Mm. (mit 3o Mm.
im Lichten); die Spitze ist von der Basis nur 10 Mm. entfernt. Bei dieser ausserordentlichen An-
näherung der Spitze des Hakens mit der Basis, wobei die erstere zuweilen hinter der letzteren zu-
rücksteht, ist es kaum zu begreifen, wie es einem Fische möglich wird, an einen solchen Haken zu
beissen. Aber Kubary gab mir die Versicherung, dass dies keine Schwierigkeiten habe, und man darf
annehmen, dass bei diesem eigenthümlichen Typus der ganze Haken vom Raubfisch verschluckt wird.
Es ist interessant, dass sich in der Form ganz übereinstimmende Fischhaken auch auf Penrhyn ünden
(vgl. Wilkes, IV, S. 286, Abbild.), sowie auf der Oster-Insel (Thomson, PI. LVIII, Fig. i, aus Knochen),
hier auch ähnliche, aber ganz aus Stein geschliffen und eine der kunstvollsten Steinarbeiten der Süd-
see überhaupt (ib. Fig. 3).
Im Kat. M. G. (S. 344, Nr. 885) sind von Nukuor (s. unten »Pelupelu« und »Kina«) noch sehr
kleine (18 Mm. lange) »Angelhakenc, ganz aus Schildpatt und »nur für ganz kleine Fischec, be-
schrieben. Die Befestigung dieser »vielenc kleinen Haken in drei Längsreihen auf ein Stück Bast von
Cocosfaser gibt der Vermuthung Raum, dass hier ein Schmuck gemeint ist.
Haifischhaken, die sonst aus den Carolinen nicht bekannt zu sein scheinen, verzeichnet der
Kat. M. G. ebenfalls ein Stück von Nukuor (S. 343), das, ganz aus Holz, sehr mit der bekannten Form
I) Dass die im Journ. M. G. (Heft IV, Taf. 4, Fig. 4a, 46) als angeblich von hier abgebildeten
»Fischhaken« keine solchen, sondern Schmuck sind, ist bereits (vorne S. [484]) klargestellt worden.
Kubary erklärte (I, S. 73, Note) diese Stücke »für Schmuck aus sonsorolschen und puloanaschen Fisch-
haken, zugleich aber auch (Fig. 6) ein Stück, das absolut nichts mit Fischhaken zu thun hat. Von
Pelau beschreibt Kubary (II, S. 191, Taf. XXIII, Fig. 15) Haken aus Schildpatt, die leicht mit Fisch-
haken verwechselt werden können, aber als Talisman an die Handkörbe der Männer befestigt werden.
334 ^^- ^- ^»"^^- [572]
von den Gilberts (Taf. 20, Fig. 14) übereinsiimmt. Nach Kubary werden auf Pclau Haifische in einer
Schlinge gefangen, an der als Köder ein fliegender Fisch befestigt wird (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 126).
c) Rifffischerei. Ob der Massenfang periodischer Wanderfische, wie wir ihn auf
den Marsh all-Inseln kennen lernten (S. [404]), auch in diesem Gebiete betrieben wird,
darüber konnte ich keinen Nachweis finden. Kubary spricht nicht davon und, wie be-
reits erwähnt (S. 564), sind die besonderen Verhältnisse der Wassertiefe der Satöan-
Lagune dieser Fangmethode nicht günstig. Dagegen wird aber, wie überall, zur Ebbe-
zeit auf dem RitT gefischt, und zwar meist von Frauen. Auf Ruk bedienen sich dieselben
eines Netzes (»Epiro«), das ganz mit dem von Kuschai beschriebenen (vorne S. [464],
Fig. 34) übereinstimmt und das Kubary von Ruk abbildet (»Ethnol. Beitr.«, II, S. i33,
Taf. XVII, Fig. 8, hier auch ein sehr ähnliches von Ponap^ und Pelau: Fig. 7, S. i32).
Diese Netze (circa i M. lang) sind sehr feinmaschig (5 — 7 Mm. zu 7 — 15 Mm.), aus
den Randfasern von Seegras (»Epiro« nach Kubary) gestrickt und gehören mit zu den
feinsten Filetarbeiten der Südsee. Dieses Handnetz oder Hamen wird »in den bei Ebbe
im Riff verbleibenden kleinen teichartigen Wassertümpeln vom Fischenden vor sich
hergeschoben« (Kat. M. G., S. 374) und liefert nur massige Erträge an kleinen Fischen.
Lütke gedenkt von Lukunor Fischhamen »in Form eines Quersackes« (II, S. 74), die
an einen rundem Reifen befestigt und mit einem kurzen Stiele versehen sind (»Sen-
javin-Reise«, PL 29, Fig. 8),*) sowie besonderer runder, langer, krugförmiger Körbe mir
einem Henkel (ib. Fig. 7, »Panier a pßcher«), die vielleicht eine Fischfalle darstellen.
Von Pikiram (Greenwich Isl.) erhielt ich ziemlich grobmaschige Fischnetze (circa 3 M. lang
und I M. hoch, die Maschen 3o Mm. zu 3o Mm.), die sich durch das besondere Material auszeichnen
und aus starkem weissen Garn, von der Dicke eines dünnen Bindfadens, sehr sauber gestrickt sind,
das mir als Bast des Brotfruchtbaumes bezeichnet wurde und sonst nirgends vorkam. Ein solches
auch im Kat. M. G. (S. 351) von der Insel »Kabeneylonc.
Fischspeere werden von Kubary 2) nicht erwähnt, wohl aber von Kittlitz und
Lütke von Lukunor, aber leider nicht beschrieben.
Ein eigenthümliches und gewiss sehr praktisches Schutzmittel bei der RifFfischerei
sind Riffschuhe aus Cocosfasergeflecht in Form grosser, plumper Gummischuhe mit
Bindebändern, welche Edge-Partington mit der Bemerkung: »Sandalen aus geflochtener
Faser, von Fischern getragen, um die Füsse während des Fischens auf dem Riff zu
schützen« von Mortlock abbildet (PI. 177, Fig. 5). Das Museum Umlauffin Hamburg
besitzt ganz gleiche Fischerschuhe mit der Localitätsangabe »Lord Howes-Gruppe«
(Njua).
d) Fischkörbe oder Reusen scheinen auf Mortlock die Fischnetze zu ersetzen.
»Einen durchaus nicht untergeordneten Gegenstand der hiesigen Industrie bilden die
Fischkörbe. Die mortlock'schen ,Uu* sind über 3 M. lange und über i'5 M. breite
Käfige aus Stäben von leichtem Hibiscus-HolZy mit einer kleinen, auf einem der schmalen
Enden befindlichen Eingangsöffnung, welche so eingerichtet ist, dass die Fische leicht
hineinkommen, aber durch die biegsamen Reisige in derselben nicht mehr nach Aussen
gelangen können. Das innere Gerüst besteht aus jungen Hibiscus-Stöcken, und dieses
wird umflochten entweder mit Strängen der Cocosnusswurzeln oder mit den Rippen
») Ganz übereinstimmend ist der »Schöpfer« von Pelau bei Kubary (»Ethnol. Beitr.c, 11, S. i35,
Taf. XVIII, Fig. 2), der hier eine ganze Reihe verschiedener Hamen und Handnetze (in neun bis zehn
Sorten) beschreibt und abbildet (ib. S. i32— 135, Taf. XVII u. XVIII).
2) Dagegen beschreibt er von Pelau solche mit einer Spitze mit Widerhaken aus Eisen, »die
zuweilen aus Bajonetten oder Schiffsbolzen geschmiedet werden« (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 124, Taf. XVI
Fig. 14), und solche mit einem Bündel hölzerner Spitzen (ib. Fig. 15), die ganz mit ähnlichen aus
Melanesien (z. B. vorne S. [26]) übereinstimmen.
rcy3] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 335
der seitlichen Blättchen der Cocosblätter« (Kubary, 1. c, S. 269). Aehnlich diesen von
Satöan, aber kleiner, sind die zierlichen Fischkörbe von Lukunor »flach, mit hochbucklig
gewrölbter Decke, aus den Zweigen der Volcmeria (von Lütke als 3^™^^^ bezeichnet),
2 — 3 Fuss lang, i Vj — 2 Fuss breit und 2 Fuss hoch« (Lütke, II, S. 73, und »Senjavin-
Reise«, PI. 29, Fig. 9).
Diese Fischkörbe werden mit Steinen beschwert, in Tiefen von 10 — 15 Klaftern
auf den Meeresgrund der Lagune versenkt. Für kleine Körbe dienen kleine Krebse oder
gesäuerte Brotfrucht als Köder, grosse bleiben ungeködert.
»Wir wussten uns anfänglich auf Lukunor gar nicht zu erklären, was wohl die
einzelnen in der Lagune herumfahrenden Piroguen bedeuten mochten, die wir von Zeit
zu Zeit still liegen sahen, während die Mannschaft sich bemühte, mit vor die Augen
gehaltenen Händen auf den Grund hinabzusehen. Das war eben die Arbeit des Auf-
suchens dieser ausgelegten Körbe« (Kittlitz: Denkwürd., II, S. 112). Dazu bedient man
sich eines eigenthümlichen Geräths, das aus einem runden Ballen in Cocosfaserschnur
eingeflochtener Steine besteht, durch den ein an jedem Ende mit einem Widerhaken
versehener Stock steckt (»Senjavin-Reise«, PL 29, Fig. 17). An einer Schnur lässt man
diesen Heber in die Tiefe und sucht mit dem Widerhaken den Fischkorb aufzufischen,
wie dies mit einem ganz ähnlichen Haken auf Pelau geschieht (Kubary, II, S. 146,
Taf. XX, Fig. 3). Auf Uleai besorgen Taucher das Heraufholen der versenkten Reusen
(Kittlitz). Hierbei mag noch beiläufig die Bemerkung des letzteren Beobachters einen
Platz finden: »dass die Eingeborenen gewöhnlich die soeben gefangenen Fische durch
einen Biss ins Genick tödten«. Das »Instrument zum Tödten von Fischen« (»Senjavin-
Reise«, PI. 29, Fig. 4) ist, wie erwähnt, eine Handwaffe (ebenso Fig. 5).
Fischkörbe') von Ruk lässt Kubary unerwähnt, sie mögen aber dennoch hier in
Gebrauch sein.
Fischwehre sind auf Ruk ebenfalls nicht unbekannt, obwohl »die Schmalheit der
Strandriffe keine günstigen Verhältnisse bietet. Die Eingeborenen tragen einen Haufen
Korallensteine zusammen und umstellen denselben mit ihren Handnetzen. Der Haufen
wird dann nach einiger Zeit auseinandergeworfen und die in den Zwischenräumen sich
findenden Fische mit den Netzen gefangen«, lautet die nicht eben sehr verständliche
Beschreibung Kubary's (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 149), der hinzufügt: »Dies dürfte die
einfachste der hieher gehörenden Arten des Fischfanges sein.« Nebenbei erwähnt Ku-
bary (1. c.) auch »geräumige Umzäunungen, in welchen sich die Fische während der
Ebbe fangen«, es bleibt aber unklar, ob sich diese Notiz auf Pelau oder Ruk bezieht.
4. Wohnstätten.
Siedelungen in Form geschlossener Dörfer, wie z. B. auf den Gilberts, fehlen un-
serem Gebiete, das sich in Bezug auf die Wohnungsverhältnisse zunächst den Marshall-
Inseln anschliesst. Wie dort liegen die Häuser weitläufig zwischen hohen Bäumen, von
Cocospalmen beschattet, verstreut (auf Mortlock) oder gern auf den Rücken der Hügel
(Ruk) und ähneln auch in der Bauart nahezu den dortigen Hütten (»Im« = auf Sonsol
undPonap6: »Ihm«, Hochstetter). Das auf Mortlock ebenfalls »Im« genannte gewöhn-
I) Dagegen beschreibt Kubary an 20 verschiedene Fischkörbe und Reusen von Pelau zum
Theile so minutiös, dass ein klareres Verständniss sehr beeinträchtigt wird (II, S. 140—148, Taf. XVIIl
bis XXI). Darunter sind übrigens keine, die mit den oben beschriebenen von Mortlock Obereinstimmen,
336 Dr. O. Finsch. [57^]
liehe Haus besteht im Wesentlichen nur aus einem schrägen, auf die Erde gesetzten
Dache aus Pandanus-Elatl^ das vorne und hinten offen ist (»Senjavin-Reise«, PI. Sa)
oder je nach Bedarf durch Matten aus Cocosblatt geschlossen werden kann und »nur
durch eine kleine viereckige Oeffnung zugänglich ist« (Kubary, 1. c, S. 240, Fig. Nr. 2).
Nach Kittlitz ist (auf Lukunor) das Innere zuvy^eilen durch Matten in kleine Cojen ge-
theilt, welche Frauen und deren Kindern als Schlafplatz dienen. Auch gedenkt derselbe
Reisende des Feuerherdes, »einer Vertiefung im Innern der Hütte«, der aber nach
Kubary nicht zum Kochen dient, sondern nur zur Erzeugung von Rauch, als Schutz-
mittel gegen die Mückenplage, und auf Ruk »Falan« heisst. Eine Vergleichung mit der
Beschreibung des gewöhnlichen ruk'schen Wohnhauses (»Im eta« oder >imeta«) zeigt
so unerhebliche Unterschiede, dass man die Häuser beider Gruppen getrost als identisch
bezeichnen darf. Das Dach der Häuser auf Ruk scheint nicht ganz bis auf die Erde zu
reichen, die Giebelseiten sind zuweilen offen, das Innere ist manchmal in seitliche Kam-
mern abgetheilt, im Uebrigen »ebenso dunkel und unwohnlich, wie dies bei den mort-
lock*schen Häusern der Fall ist« (Kubary, I, S. 52).
Wie auf den Gilbert-Inseln, den westlichen Carolinen (Yap, Pelau, Sonsol und
früher auf Bunai = St. David) und anderwärts, gibt es auch in den Central-Carolinen
besondere Gemeindehäuser, von denen jede Siedelung meist eines besitzt. Diese Häuser,
auf Mortlock »Fei« (nach einer späteren Schreibweise Kubary 's »Fal«) genannt, unter-
scheiden sich von den gewöhnlichen im Wesentlichen nur durch bedeutend grössere
Dimensionen, die sich übrigens ganz nach der Bevölkerung des betreffenden Ortes
richten und daher variiren. Kubary gibt die Masse eines »Fei« zu circa 12 M. Länge,
8 M. Breite und 6V2 M. Höhe an, also ziemlich dieselben als von Ruk. Das Dach des
»Fei« reicht häufig nicht ganz bis zum Erdboden herab, wodurch der Baustyl also fast
ganz mit dem des gewöhnlichen Hauses der Marshall-Insulaner übereinstimmt, aber
die »Fei« sind solider und stärker aus zum Theil behauenem Balkenwerk von Pandanus-
Stämmen erbaut. Das Dach ruht auf Längsbalken, die von niedrigen senkrechten
Pfählen als Stützen getragen werden (vgl. Kubary: »Mortlock«, S. 240, Fig. Nr. i). An
manchen Orten ist das Gemeindehaus nur ein offener Schuppen. »Das Innere bietet
nur Schutz gegen Regen und Wind, sonst ist es blos ein leerer Raum, dessen Boden
mit losen Cocosblättern bedeckt wird und der zum Schlafen dient« (Kubary, 1. c,
S. 240). Im Widerspruch mit dieser Beschreibung zeigt die citirte Abbildung eine be-
sondere Abtheilung im Innern, ähnlich einem Seitengemach. Ganz übereinstimmend
damit beschreibt v. Kittlitz bei den grossen Häusern auf Lukunor: »mehrere viereckige
Kammern mit Wänden aus Mattengeflecht und kleinen viereckigen, von Innen ver-
schliessbaren Eingängen, die als Schlaf kammern benutzt werden«. Dass im Innern
dieser grossen Häuser auf Lukunor (ganz wie auf Ruk) auch die Canus untergebracht
werden, zeigen die Abbildungen bei Kittlitz (II, S. 97) und der »SenjavinrReise« (PI. 32,
rechts hintere Figur). Ob dies auch auf Satöan geschieht, lässt Kubary unerwähnt.
Nach dem letzteren Reisenden ist das Gemeinde- oder grosse Haus von Ruk
(»Ut« genannt, früher als »Ret« bezeichnet) dadurch charakteristisch, dass es weit mehr
Verwandtschaft mit Ponapd als mit Mortlock zeigt. Wie aus der ausführlichen Be-
schreibung (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 47, Taf. VIII) erhellt, ist dies aber nur scheinbar, und
die charakteristischen Eigenthümlichkeiten, welche gerade den Baustyl Ponap6s aus-
zeichnen, nämlich steinerne Grundmauern oder Fundamente, fehlen auf Ruk gänzlich.
Der wesentlichste Unterschied des ruk'schen Gemeindehauses von dem mortlock'schen
besteht darin, dass das Dach des ersteren nicht bis fast zur Erde herabreicht, sondern
auf circa i M. hohen Pfählen ruht. Diese niedrigen Seiten werden meist offen gelassen
r575l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 337
^ ^ .
oder je nach Bedarf mit losen Wänden aus Cocosmatten geschlossen. Die Messungen
des grossen Gemeindehauses in Sapulion auf Fefan ergaben eine Länge von 15 M.,
eine Breite von 8 und eine Höhe von 4*5, also ein keineswegs sehr grosses Haus, das
nur wenig länger und. breiter, aber niedriger ist als ähnliche Gebäude auf Mortlock.
Die Bodenfläche des Innern zeigt einen breiten Mittelraum zur Unterbringung der Canus
und zwei schmälere Seitenflure (vgl. Kubary, Taf. VIII, Fig. i), die vorkommenden Falls
durch Cocosmatten in besondere Kammern abgetheilt werden können, wie wir dies
von Mortlock bereits kennen. Als Material zur Dachbedeckung dienen auf Ruk »Epi«-
Blätter (fPhjrtelephas).
Das oben erwähnte Gemeindehaus (in Sapulion) zeichnet sich übrigens durch
spärliche Ornamentik in einfacher Schnitzerei zweier, übrigens untergeordneter Balken,
(Kubary, Taf. IX, Fig. i) aus, sowie durch bunte Bemalung einiger Dachsparren*)
(4 von 90 im Ganzen), eine Ornamentik, die übrigens sonst auf Ruk zu den seltenen
Ausnahmen zu gehören scheint und sich ähnlich auf Kuschai (vorne S. [465]) flndet,
sowie auf Sonsol (Kubary, I, S. 85), in hervorragender Weise aber an den Gemeinde-
häusern (Bai) von Pelau.
Dass die Verbindung der Balken, wie überall, auch auf den Central- Carolinen mit-
telst Cocosstricken bewerkstelligt wird, bedarf wohl nicht der besonderen Erwähnung.
Nach einer flüchtigen Notiz Kubary's (I, S. 35) kann diese Binderei in zweifarbigen
Cocosstricken zugleich aber auch, wie anderwärts, als Ornamentirung bezeichnet wer-
den und heisst auf Ruk »Makan« (= Tätowiren, Zeichnen). Stricke aus Cocosfaser
zum Hausbau, von Kubary als »Cocoszwirn« mit dem ruk'schen Namen »P^uel«, auch
»Nun« bezeichnet, werden auf Ruk »infolge des geringen Bestandes an Cocospalmen«
meist eingeführt, und zwar in Form ovaler, 8 — 10 Pfund schwerer Ballen, »in deren
Mitte zuweilen, Betrugs halber, eine Cocosnuss gelegt wird« (Kubary, I, S. 65).
Die centralcarolinischen Gemeinde- oder Versammlungshäuser entsprechen übri-
gens ganz dem »Maneap« der Gilbert-Insulaner, sowie den sogenannten Junggesellen-
oder Tabuhäusern, wie sie allenthalben in Melanesien, hier aber viel grossartiger
vorkommen (vgl. S. [195]). Wie dies hier meist der Fall ist, sind auch auf den Cen-
tral-Carolinen diese Gebäude für das weibliche Geschlecht streng »puanu« (= tabu),
wenigstens für die eigenen Dorfbewohnerinnen. Dagegen dürfen Fremde mit ihren
Frauen darin übernachten (Kubary). Nach Letzterem ist das ruk'sche »Ut« : »das Ge-
meindehaus, die Amtswohnung des Häuptlings, das Absteigequartier für Fremde, das
Schlafhaus für ledige Männer und zugleich das Canuhaus«. Aehnlich äussert sich Doane
Ober das »Fei« auf Mortlock. »Es ist ein Hötel, eine Werkstatt, ein Ort zum Auf-
bewahren grosser Canus, ein Spielplatz für die Kinder, ein Local in welchem alle Ver-
sammlungen abgehalten werden.« Kubary bestätigt dies: »Alle Staatsgeschäfte werden
in diesem Hause abgemacht, alle Besuche hier empfangen; hauptsächlich dient es aber
als Schlafplatz für diejenigen männlichen Gemeindeglieder, welche noch nicht ver-
heiratet oder zeitweilig von ihren Frauen getrennt sind. Infolge der geringen Bevölke-
1) »Ethnol. Beitr.c, Taf. IX, Fig. 2. Auf rothem Grunde in Weiss, zum Theil auch Schwarz
verschiedene geometrische Zeichen, wie einige Figuren, darunter erkennbar solche von Fischen. Ku-
bary lässt seiner Phantasie wieder einmal die Zügel schiessen, wenn er in diesen primitiven Zeich-
nungen »Darstellungen des geschlechtlichen Verkehrs, ein Fischskelet, das ein den Geistern gewid-
metes Opfer vorstellt, und Himmelskörper, die sich vielleicht auf die früher blühende Sternkunde
beziehen dürfenc, erblicken will, denn kein nüchterner Beobachter wird dies herausfinden können.
Die (Kat. M. G., S. 375, Nr. 3407 — 10) beschriebenen »Dachbalkenc sind solche Dachsparren.
338 Dr. O. Finsch. [576]
rung, sowie auch der Sitte, dass die Männer auswärts verheiratet sind, ist die Zahl der
Schläfer im ,Fel* nur eine beschränkte.« Kleine nachlässig gebaute Hütten erwähnt
Kubary von Mortlock als Küchen oder Kochhäuser (»Mesoro«), nicht aber von Ruk;
hier aber besonderer Vorrathshäuser (»Falan«, auch für Feuerherd angegeben), aus
einem einfachen Dache auf vier Pfählen bestehend; untergeordnete Baulichkeiten, die
sich in ähnlicher Weise überall finden.
Entsprechend den >Dschukwen« auf den Marshall-Inseln (vorne S. [408]) gibt es
auch auf den Central-Carolinen besondere FrauenhäU86r, welche ganz besonders zum
Aufenthalt während der Menstruationszeit, aber auch sonst als Aufenthaltsort für Frauen
und Kinder dienen. Eine solche Hütte, ringsum von dichten Wandungen umgeben
und mit einer kleinen Einsatzthür wird schon von Kittlitz von Lukunor erwähnt und
abgebildet (II, S. 99). »Sie waren immer sorgfältig verschlossen, und unsere Begleiter
duldeten durchaus nicht, dass wir dabei stehen blieben oder gar aus Neugier durch die
Ritzen zu gucken versuchten,« äussert sich Kittlitz, der die wahre Bestimmung da-
mals nicht erkannte. Kubary gedenkt von Satöan nur kleiner Hütten, »in welchen die
Frauen für sich allein oder mit ihren Männern (die nicht zum Stamme gehören) sich
aufhalten«, beschreibt dagegen von Ruk das Menstruationshaus (»im en ud«, 1. c, S. 51
oder »im en uo« S. 52) als »irgend ein abgelegenes Haus oder sonst ein einfaches Dach
auf nothdürftig mittelst Cocosblättern bedeckten Seiten« (1. c, S. 52). Hierbei wird er-
wähnt, dass diese Häuser auf Yap sorgfältig eingerichtet') sind. Auf Sonsol und St.
Davids scheint es ähnliche Bräuche (und Häuser) zu geben, wenn sich dies aus der
komisch gefassten Notiz: »die Frauen müssen monatliche Reinigungen vornehmen«
(1. c, S. 93) auch nur vermuthen lässt.
Da nach Doane die Häuser auf Nema und Losop ganz so sind als auf Mortlock,
so ergibt sich ein den Central-Carolinen^) gemeinsam eigenthümlicher Typus des Bau-
styles, der wahrscheinlich auch für die Hall-Gruppe gilt. Wie bereits erwähnt, schliesst
sich derselbe zunächst dem marshallanischen an und findet sich (nach Kubary) ganz
ähnlich auch auf der westlichsten Insel Sonsol.
Eine Notiz von Lütke über gewisse Steinwälle auf Lukunor mag hier noch an-
gefügt werden, um nicht ganz in Vergessenheit zu gerathen. »Im Dickicht fanden wir
eine circa 2 Fuss hohe Mauer (,Sefaiu*) aus Korallsteinen, welche einen Kreis von
circa 7 Schritte im Durchmesser, mit einem Eingange, umgab. Dieser Kreis, ,Enem*
genannt, war im Innern mit Cocosblättern belegt und diente als Platz zum Ausruhen,
resp. Schlafen, wie es schien, aber nur für Häuptlinge« (»Reise«, II, S. 57).
Mit dem Bau der grossen Häuser beschäftigen sich nach Kubary »die eigens dafür
eingeübten Hausbauer« »Silelap« (auf Ruk ebenso auch »Sitelap« oder »Cennap« ge-
nannt), die indess nicht ganz unseren Zimmerleuten entsprechen, da sie auch Canus
bauen und hölzerne Gefässe verfertigen.
1) Ich erwähne dies deshalb, weil Kubary in seiner erschöpfenden Abhandlung »Der Hausbau
der Yap-Insulanerc (I, S. 29—42) diese besondere Art Häuser mit keiner Silbe berührt, obwohl
Miklucho-Maclay bereits darüber berichtete, unter Anderem auch, dass für die Freudenmädchen der
Clubhäuser der Männer besondere Menstruationshäuser dienen. Erst aus der Tafelerklärung (S. 45
zu VI, Flg. iF) ist ersichtlich, dass das von Kubary als »Fanc beschriebene »Schlaf haus für die
Hausfrau« (S. 40, Taf. V, Fig. 3) zugleich auch als Verbleib während der Regel benutzt wird.
2) Nach einer Notiz bei LQtke sind die Häuser auf Uleai viel besser gebaut als die von Luku-
nor. »Die Wände bestehen aus Planken von Brotfruchtbaum und sind rothbraun angestrichen«
(»Reise«, II, S. 145). Diese Bohlen oder Bretter werden aus den geschickt benutzten Ausläufern der
Brotfruchtbaumstämme verfertigt (Kittlitz, II, S. 155).
r^yy] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 339
5. Hausrath,
»Von Geräthschaften und wohnlicher Einrichtung ist kaum eine Spur vorhanden.
Die wenigen Geräthschaften oder Sachen der Eingeborenen sind überall dem Auge zu-
gänglich aufgehangen, entweder frei oder in kleine Körbe oder Bündel eingepackt, c
sagt Kubary in seiner Monographie über Mortlock, in welcher er der hieher gehörigen
Gegenstände kaum mehr als in ein paar Worten gedenkt.
Von Matten (»Kikei«) wird nur eine Art gefertigt, und zwar aus breiten Streifen
von Pandanus-^\m. geflochten (Kat. M. G., S. 329). Sie werden nur bei Nacht zum
Schlafen benutzt, denn »am Tage sitzen oder knieen vielmehr die Frauen auf blosser
Erdec. Aber Fremden werden solche Matten zum Sitzen angeboten, wie schon Kitt-
litz von Lukunor berichtet. Die Mattenindustrie*) ist auf Ruk »ebenso einfach und arm
an Formen als die mortlock'sche« und erzeugt nur zwei verschiedene Sorten, etwas
feinere (»Kiekeyc) als Sitz- und Schlafmatten und etwas gröbere (»Tanauc oder
»Tarau«), zum Einwickeln der Leichen verwendet und beide ausschliesslich aus Blättern
von Pandanus hergestellt (Kubary, I, S. 64). Solche Matten, sowie grobes Matten-
geflecht (aus Pandanus) zu Segeln (»Amara«) werden meist von den Nachbarinseln
bezogen und bilden einen wesentlichen Theil der Einfuhr (s. vorne S. [445]). Die im
Kat. M. G. (S. 379, Nr. 3516) unter Ruk aufgeführte Matte (aus Hibiscus?) ist nach
Kubary keinesfalls von dorther.
Körbe (»Sauefasz«, kleine >2ik< [Tschik] auf Mortlock) zum alltäglichen Ge-
brauch, Tragen von Lebensmitteln u. dgl., werden ebenfalls aus Pandanus-^\2Xi ge-
flochten (Kat. M. G., S. 328). Hierbei mag bemerkt sein, dass man, wie auf Kuschai,
Lasten gewöhnlich an einer Stange über die Schulter trägt.
Andere Körbe (»Meyarc) oder Taschen von Mortlock sind aus Cocosfaser ge-
flochten, am oberen Rande gewöhnlich über zwei Stöcke (Kat. M. G., S. 328, Nr. 2940)
und finden sich in gleicher Weise und aus gleichem Material auch auf Nukuor (1. c,
S. 351, Nr. 710) und Yap (1. c, S. 401). Kleinere Taschen oder Beutel, »welche zum
Bergen kleiner Werthgegenstände dienen«, ebenfalls Flechtarbeit aus Cocosfaser, heissen
»Potou« (auf Ruk >Polou«) und werden näher im Kat. M. G. von Mortlok (S. 328,
Nr. 2939, 2941) beschrieben. Hier auch Beutel aus Cocosfaserschnur von Nukuor
(S. 351, Nr. 649, 650 u. 848), die ähnlich wie die von Kuschai (vorne S. [470]) zu sein
scheinen. Auf Ruk »stimmen Taschen und Beutel, aus Cocoszwirn geflochten, voll-
ständig mit den mortlock'schen und nukuor'schen überein« (Kubary, I, S. 66).
Ein besonderes Stück des ruk'schen Haushaltes beschreibt Kubary unter den Er-
zeugnissen der Weberei, und zwar Schlafvorhänge, zum Schutze gegen Muskitos. Sie
bestehen in lose gewebten und grobfaserigen Zeugstreifen, unter welchen die bemittelten
Einwohner schlafen, und heissen »Tourom« oder »Tounom« (Kubary, I, S. 64).
Besonders charakteristisch für unser Gebiet sind Deckelkisteil oder Truhen, oft
sehr gross und schwer, meist aus Holz des Brotfruchtbaumes gezimmert, welche zum
Aufbewahren von allerlei Habseligkeiten, namentlich des werthvoUen »Taik« (Gelbwurz)
dienen, die sich aber nur im Hause der Wohlhabenden finden. Diese Kasten oder Truhen
I) Sehr ausgebildet ist dieselbe auf Pelau, wo sehr feine, zum Theil »mit Streifen schwarzen
//i6i5CMS- Bastes verzierte« (also wahrscheinlich gestickte) Matten geflochten werden. Ganz besonders
bemerkenswerth sind die feingeflochtenen Taschen und Täschchen (zu Tabak), die mit zu den feinsten
Flechtarbeiten der Südsee überhaupt gehören. Kubary (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 210 u. 211, Taf. XXVIII,
^h- 15—24) erwähnt 10 Hauptformen von Flechtmustern und etliche Varietäten, deren ezacte Unter-
scheidung aber wohl nur Eingeborenen möglich sein dürfte.
340 Dr. O. Finsch. [578]
haben meist eine länglich-viereckige, sargähnliche Form, sind an den Seiten sanft ge-
bogen, der Deckel ist nach beiden Seiten abgeschrägt, so dass eine kielartige Mittellinie
entsteht, und passt mittelst eines Falzes in den Basistheil. Beide Theile, Basis wie
Deckel, sind ungefähr gleich hoch; die Verbindungslinie beider Theile läuft auch durch
die in der Mitte jeder Schmalseite angeschnitzten Zapfen, welche als Handhabe dienen
und mittels einer Schnur zusammengebunden werden können. Ein klareres Bild als
jede Beschreibung gibt übrigens die treffliche Abbildung im Atlas der »Senjavin-Reise«
(PI. 29, Fig. 16) von Lukunor, woher bereits Kittlitz dieser Deckelkasten und ihrer sehr
verschiedenen Grösse gedenkt. Nach Kubary werden dieselben hauptsächlich von den
Eingeborenen der Insel Oneop der Lukunor-Lagune angefertigt und nach Satöan ver-
handelt. Zwei Exemplare im Museum GodefFroy (Kat., S. 827) messen: Lange des
Deckels 65 u. 74 Cm., Breite 26 u. 34, ganze Höhe 22 u. 28. Ganz übereinstimmend
sind die Deckelkasten von Ruk (»Aiapc, »Assap«) (Kat. M. G., S. 375, i Stück, und
Kubary, Ethnol. Beitr., I, S. 55, Taf. X, Fig. 7). Aehnliche Holzkisten scheinen die
»Kiwarc von Pelau, >die das Eigenthum der Familie bergen« (II, S. 198), die aber in
der ausführlichen Darstellung der »Hausstands-Geräthschaften« von Kubary mit keiner
Silbe erwähnt werden. Dagegen gedenkt er Holzkisten (»Wugga«) von Sonsol (l,
S. 97). Ein Analogon dieser soliden Holzkisten, welche mit zu den besten Holzarbeiten
Mikronesiens zählen und sonst auf den Carolinen nicht vorzukommen scheinen, sind
die allerdings sehr rohen Lattenkisten der Gilbert-Inseln (S. 64 [332}).
Nahe verwandt mit den Deckelkisten von Mortlock und Ruk sind die von Nukuor (»Te Na-
wesic); sie sind aber durchgehends kürzer und kleiner (Länge 34 — 42 Cm., Breite 20 — 28, Höbe
15 — 19 Cm.), »die Form ist mehr vierseitig und der Zapfen an den Enden sitzt am Deckel« (Kat. M. G.,
S. 347, und Kubary, I, S. 56, Taf. X, Fig. 8). Nach Kubary werden diese sehr verschieden grossen
Deckelkisten zum Verwahren von Gelbwurz, Fischereigeräthschaften und anderen Sachen benutzt und
»kommen in Polynesien nicht vor«. Aber derartige Holzgefässe sind von Tockelau bekannt, und die
äusserst kunstvoll geschnitzten »Waka« der alten Neu-Seel ander, Deckelkisten, i) welche hauptsächlich
zum Aufbewahren von Federschmuck (besonders »Huia«-Federn) dienten, gehören in diese Kategorie
eingeborener Holzarbeiten und mit zu dem Schönsten, was die Südsee in Schnitzereien erzeugte.
Ein sehr interessantes Stück ist das folgende von der kleinen Insel Satawal (Satahoual, Tucker
Isl., nicht »Satoan«, Kubary, I, S. 56, Note), circa 20 Seemeilen westlich von Ruk, welches ich von
Kubary für das Berliner Museum erwarb.
Deckelkasten (Taf. [22], Fig. i3), einen aus Holz geschnitzten Fisch, eine Bonite, darstellend,
von welchem die obere Hälfte die Rückenseite, die untere die Bauchseite ausmacht; die untere Hälfte
(Fig. i3<3) ist in einen Randfalz ausgeschnitzt, auf welchen der Deckel passt; das Loch im letzteren
dient dazu, um eine Schnur zum Zusammenbinden durchzuziehen. Die Länge des Kastens beträgt
47 Cm., die Höhe 17 Cm., die Breite über den Rücken 14 Cm.; die Lichtweite des inneren Raumes
28 Cm. in der Länge, 9 Cm. in der Breite. Insel Satawal.
Nach Kubary wurde dieser Kasten von einem Fischer benutzt zum Aufbewahren von Fischcrei-
utensilien (Fischhaken, Leinen etc.) und dürfte als Unicum zu betrachten sein. Wenigstens ist mir
ein ähnliches Stück nicht bekannt geworden. Weit kunstvoller ist das im British Museum beündlicbe
0 Vgl. Joest: »Tätowiren«, Taf. V, Fig. 6. Drei prachtvolle Stücke enthält meine Sammlung
von Gypsabgüssen, darunter die »Waka-pikikotuku«, früher im Besitz des »Ngatiraukawa-Stammes«,
welche ich in der Sammlung von Sir Walter Buller in Wellington abgiessen Hess. Vgl. Finsch: »Vcr-
zeichniss einer Sammlung von Gypsabgüssen von Maori-Antiquitäten aus Neu-Seeland«, (1884, S. 8,
Fig. 2047), welches 46 Nummern der interessantesten Maori-Kunstwerke aus öffentlichen und Privat-
sammlungen enthält, eine Sammlung, die trotz ihres geringen Preises (von M. 240) bisher keinerlei
Berücksichtigung Seitens der Wissenschaft fand. Im Jahre 1881 gab es in Neu-Seeland nur noch
sehr wenige eingeborene Holzschnitzer. Als solchen lernte ich Pataromu von Opotiki, Bay of Plenty,
kennen. Ein sehr hübsch geschnitzter Deckelkasten (circa 3o Cm. lang und 20 Cm. hoch), an wel-
chem er drei Monate arbeitete, kostete bei ihm aber 8 — 10 Guineas.
[579]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
341
€L
Unicum von Pelau, ein Deckelkasten, der eine Schildkröte darstellt und mit seiner reichen eingelegten
Arbeit in Perlmutter (zum Theii Vogelgestalten) wohl das kostbarste Erzeugniss carolinischer Kunst
repräsentirt. Freilich stammt dieses Stück (sehr gut abgebildet Edge-Partington, Taf. 181) aus l&ngst-
vergangener Zeit, denn es wurde 1783 vom Könige Abba Tule an Capitdn Wilson geschenkt.
Deckeigefasse mit eingelegter Arbeit in Perlmutter von Pelau sind Kat. M. G., S. 424 be-
schrieben.
6. Werkieuge.
Aexte. Bei dem lebhaften Tauschverkehr der Central-Carolinen hatten sich eiserne
Werkzeuge von Guam auch in unserem Gebiete schon vor Ankunft Weisser eingeführt
und die eingeborenen Geräthschaften zum Theil verdrängt. Lütke sah 1828 auf Lukunor
keine Stein- oder Muscheläxte mehr, die Eingeborenen hatten bereits eiserne und fragten
nur nach Eisen und Wetzsteinen. Aber Kittlitz beobachtete auf Lukunor noch Muschel-
äxte (vgl. die Figur eines Mannes auf S. 97), und im Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 29,
Fig. 3) ist eine solche von hier sehr kenntlich abgebildet.
Abgesehen von gewissen nicht erheblichen Abweichungen
in der Art der Umwicklung mit Schnur, zur Befestigung der
Trirfacna-Klinge, stimmt diese Axt ganz mit solchen von
Kuschai und anderen Carolinen überein. Wenn Doane von
Mortlock » Steinäxte c erwähnt, so sind damit natürlich solche
mit Muschelklinge gemeint. Kubary gedenkt von Satöan
nur gröberer Aexte (»Atenekiyc) aus Tridacna gigas,
Meisseläxte (»Sele«) aus Tridacna und solcher (»Si«) aus
Terebra maculata, wie sie auch auf Kuschai (S. [472])
und anderwärts in Gebrauch waren. Von Ruk sagt derselbe
Reisende nur: »Aus der Tridacna gigas, ,To* genannt,
wurden in alten Zeiten die C6le (a. O. auch ,Cilek*), Käek
(a. O. auch ,K6uh*) und Capadap genannten Aexte ver-
fertigt« (I, S. 74), von denen er aber anscheinend keine
mehr zu sehen bekam. Der Kat. M. G. verzeichnet von
Ruk (S. 370) nur eine Axtklinge aus Tridacna und zwei
solche von Satöan (S. 3 18), die mit solchen von Kuschai
und Nukuor übereinstimmen.
Schleifsteine (»yiu»), welche die Mortlocker von Ruk
holen, dienen zum Schärfen eiserner Geräthschaften.
Wie mir Kubary sagte, waren die früheren Aexte der Mortlocker und Ruker ganz so wie
solche von Nukuor, woher ich von diesen Reisenden das folgende Stück erwarb.
Tochi (Fig. 57), Axt mit Tridacna-KWngQ von Nukuor. Als Stiel (a) dient wie gewöhnlich ein
knieförmiges Aststück, dessen längerer dünner Schenkel 90 Cm. misst, der kürzere, viel dickere
(28 Cm. lang) ist an der Vorderseite zu einer concaven Nuth ausgearbeitet, in welche die Klinge (b)
mit der Basishälfte hineinpasst und hier dicht mit Cocosfaserbindfaden festgebunden ist. Die Klinge
hat eine Länge von 33 Cm., eine Dicke von 4 Cm. und ist im Durchschnitt (Fig. 57c) triangelförmig
nach der Spitze zu verjüngt, so dass die eigentliche Schnittfläche im Umriss einen spitzen Winkel
von nur 25 Mm. Durchmesser bildet.
Gleiche Aexte mit TVWacMd-Klingc (24 — 3o Cm. lang) sind im Kat. M. G. (S. 337, Nr. 909 und
S. 339, Nr. 652) s. n. »Tohi-ohuc beschrieben, mit der Bemerkung, dass sie ganz mit solchen von
Pelau übereinstimmen. Interessant ist es, dass auf Nukuor auch die Form von Aexten vorkommt,
welche sich dadurch wesentlich unterscheidet, dass die Tridacna-KYinge. in einem besonderen Holz-
futter steckt und drehbar ist (»Tohi uliulic, Kat. M. G., S. 338, Nr. 736), eine Eigenthümlichkeit, die
wir bereits in Melanesien kennen lernten (Neu-Guinea, Hood-Bai, S. [122], Fig. 36; Finschhafen,
S. [209] und >Ethnol. Atlas«, Taf. I, Fig. 4). Da die Grösse und Form einer Beilklinge ganz von dem
Fig 57. Fig. 58.
Muscheläxte von Nukuor.
Dr. O. Finsch.
[s8o]
vorhandenen Material (SlOcke aus dem Schloutheil von Tridacna gigas) abhängt, so ergeben sich
daraus allerlei Abweichungen, die leicbl zur Annahme von Localformen führen können, die aber
seilen conitante sind. Solche verschiedene Formen zeigen auch die mir vorliegenden Axildingen von
Nukuor, unter denen die Fig. 58 abgebildete am meisten abweicht. Sie ist sehr plump und scbwer,
an der Basis etwas dünner und zeigt eine stumpf abgesetzte, länglich-ovale SchneideÜäche {ähnlich
wie die in der >Senjavin-Reise<, PI, 2g, Fig. 3, von Lukunor abgebildete). Andere Triäacmi-Kiiagca
von Nukuor stimmen ganz mll der dritten Form von Kuschai (S. [470], Fig. 38) Qbercin, nur sind
die Seilen mehr abgerundet; andere zeigen die Unterseite sanft ausgehöhlt (Ltngc 12 Cm., Breite
SS Mm., Dicke 3o M,). Noch mehr abweichend ist eine Im Kat. M. G. (S. 338, Nr. tagt, Taf. XXIX,
Fig. 7) abgebildete TVii/acn j-Klingc von Nukuor >in Form eines Hackebeil'. Auf Yap kamen Axt-
klingen aus Tridacna sowohl in flacher (Kai. M. G., 5. 397: Lange 25 Cm., Breite iz Cm., wie die
flachen von Kuschai), aU fast vierkantiger Form (ib. S. 397, Nr. 456} vor. Aber die Schaltung dieser
Aexte ist verschieden, namentlich durch die Befestigung mit Schnur an den dicken knieffirmigen
Holzstiel (vgl. Journ. M. G., Heft II, S. jo, Taf. IV, Fig. i3 u. 14). Aehnlich geschäftete Aeite") mit
TViifdcna- Klinge besassen früher die Pelauer {Kat. M. G , S. 417, Nr. l3i3), aber sie waren keine
Waßen, wie hier gesagt wird, sondern lediglich Zimmcrgeräth. Fast jeder Mann pHegte eine solche
Axt auf der linken Schulter bei sich zu tragen {vgl.
Fig, S9- Anthrop. Album M, G., Taf. 20, Fig. 154, und Herns-
heim, Taf. u).
Wenn Kubary in BetreSf der Anfertigung von
Tritiacnii -Kl Ingen auf Nukuor sagt; *die grossen
TVitfiicnd -Schalen werden vermittelst des Bimsstein
l.Vint auf Mortlock) in kleine Stücke gelhelll und
dann in der gewünschten Form geschliffen« und
• dank dem Ueberfluss an angetriebenem Bimsstein
zeichnen sich die nukuor'schen Aexie durch eine
scharfe Schneide und vollkommenere Politur aus-
{Kat. M. O., S. 339), so gilt dies nur in Betreff der
letzleren. Denn wie von mir angestellte Versuche
lehnen, lässl sich mit Bimsstein wohl glätten und
poliren, aber keine TV/ifticnii-Schsle durchschnei Jen.
Auch in Melanesien kommen übrigens Tri-
tfacna- Klingen vor, die In der Form ganz mit sol-
chen von Nukuor übereinstimmen. So z. ß. eine
mir vorliegende von den Salomons (24 Cm, lang,
5 Cm, breit und ebenso dick), welche von der
nukuor'schen (Fig. 57) nur dadurch unbedeuiend
abweicht, dass die Unterseile ganz fiach und nicht
so stumpf, sondern mehr spitz zugeschliffen ist.
Kolossale Trtrfiicna-Klingen sah ich im British Museum von Banks-lnscl (Neue-Hebriden).
Zum Schlüsse mag hier noch einer Steinaxt gedacht werden, die Thomson (Taf, LVIl) von der
Osler-lnsel abbildet, weil dieselbe in der Form des Holzstieles und Befestigung der ahnlich geformten,
aber anscheinend mehr runden Klinge ganz mit dem vorne abgebildeten Exemplare von Nukuor
(Fig. 57) übereinstimmt. Das Nationalmuseum in Washington erhielt durch Thomson nicht weniger
als 25 Steinäxte von der Oster-Insel, welche hier »Toki« helssen, also ähnlich wie auf Nukuor.
Hohläxte mit einer Klinge, aus Terebra matulata geschliffen (Fig, 59), waren, wie auf Mort-
lock und anderwärts, auch auf Nukuor beliebt (.Tochi hakarongat) zum Aushöhlen von Canus und
Geßssen. Terebra-Xexte von Banks-lnsel sah ich im British Museum. Der Kai. M. G. (S. 117) ver-
zeichnet einen >Hohlmeissel aus Tridacna geschlitfem von Sikaynna der Stewarts -Gruppe, wo nach
Kleinschmidt nur noch zwei Exemplare exislirten (ib. S. 462). Auf den westlichsten Carolinen Soniol
und Bunai (St. David) haben eiserne Aeile die eingeborenen längst verdrängt.
') Eine ganz abweichende Art Aette, be! denen die Tridaena-Klm^zn einfach in ein Loch am
Ende des Holzstieles eingesetzt sind und die deshalb mit dem eigenartigen Typus von Humboldt-Bai
Obereinstimmen (vgl. Finsch: .Ethnol. Atlas., Taf. I, Fig. 5), werden im Kat. M. G, (S, 418, Nr. io6
und 107) von »Pelsu« beschrieben, stammen aber, wie Herr Schmeltz neuerdings berichtigend mit-
theille, TOti den Anchorites her.
[cSi] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 34$
Sonstige Werkzeuge erhielt ich weder von Ruk noch Mortlock. Kubary erwähnt
ganz beiläufig (I, S. 73) den Namen »Zirkelbohrer« von Ruk (solche auch von Pelau,
II, S. 184), die zum Bohren von Löchern in Schildpatt benutzt werden, und führt im
Vocabular von Mortlock »Me2e« für Bohrer an, ohne indess irgend eine Beschreibung
zu geben. Im Kat. M. G. (S. 327) sind Nadeln aus Holz und Menschenknochen, auf
Mortlock »Tefass« genannt, verzeichnet. Sie werden bei der Blätter bedachung der
Häuser benutzt, entsprechen also ganz den »Teju« der Gilbert-Inseln (vorne, S. [334]),
sind aber vor dem Ende mit einem Loche versehen.
7. Weberei und deren Erzeugnisse.
a) Webekunst. Auf keiner von allen Inseln der Carolinen, deren Bewohner zu
weben verstehen, *) florirt diese Kunst so sehr und wird so lebhaft betrieben als auf den
centralen Gruppen Ruk und Mortlock, deren Bewohner sich, und zwar in beiden Ge-
schlechtern, in gewebte Zeuge kleiden. Ausser für den eigenen Bedarf wird auch für
den Tauschhandel gearbeitet, an welchem Ruk in erster Linie betheiligt ist (vgl. vorne
S. [445]) und somit das eigentliche Centrum der Weberei in den Carolinen bildet.
Nach Kubary verstehen die Bewohner der kleinen Atolle Nema und Losop nicht zu
weben; ob dies auch für Namoluk gilt, bleibt leider unerwähnt.
Rohmaterial. Während auf den östlichen Carolinen nur die Faser der Banane als
Rohmaterial benutzt wird, lindet auf den Central-Carolinen auch die Faser aus Bast
von Hibiscus Verwendung und kommt für Mortlock allein in Betracht. Kubary be-
schreibt (1. c, S. 267) die Zubereitung der Hibiscus -Fastr auf Mortlock (»Gilifau« oder
»Gilifa«, auf Ruk »Silifa«) ganz in der Weise, wie dies anderwärts, z. B. auf den Mar-
shall-Inseln geschieht (s. vorne S. [41 3]), gedenkt aber dabei keiner besonderen Geräthe,
z. B. Klopfer (welche letztere beiläufig der Kat. M. G. [S. 344] von Nukuor in drei
eigenartigen Formen verzeichnet). Die Hibiscus-Fsiscrf obwohl biegsamer und weicher
als die sprödere Bananenfaser, lässt sich übrigens nicht in Faden drehen wie letztere,
weil sie nicht jene Dichtigkeit, sondern eine mehr poröse Beschaffenheit besitzt und
wird deshalb gespalten. Die einzelne Bastfaser ist deshalb stets gröber, breiter als dick
und von dem runden Garnfaden aus Bananenfaser ziemlich leicht zu unterscheiden.
Geräthschaften. Wie überall auf den Carolinen wird die Webeindustrie auch
auf Mortlock und Ruk ausschliesslich vom weiblichen Geschlecht betrieben. Dass die
I) Kubary will in ein paar aus Bananenfaser gewebten alten Bändern, die er auf Pelau erhielt,
Belege dafür erblicken, »dass eine primitive Webekunst in früherer Zeit auch hier existirte« (»Ethnol.
Beitr.«, I, S. 61, Note), was indess damit, wenigstens für mich, noch lange nicht bewiesen ist.
Auch sagt Kubary selbst (ib. S. 209), dass Weberei auf Pelau unbekannt sei, erwähnt dagegen (ib.
S. 95) die Namen dreier Webegeräthschaften von Yap, was zur Annahme veranlassen kann, als ver-
stünde man auch hier zu weben. Diejenigen, welche Kubary*s Arbeiten kennen, wissen aber bereits,
dass dies nicht der Fall ist und dass die Yaper ihre Zeugstoife zur Männerbekleidung von Uluti ein-
handeln (Joum. M. G., II, S. 15 und Kat. M. G., S. 382 und 393). Wenn somit an dem Fehlen von
Weberei auf Yap und Pelau kein Zweifel sein kann, so ist es um so interessanter, dass Kubary den
sicheren Nachweis auf den benachbarten westlichsten Inseln Sonsol und Bunai (St. David) liefern konnte
(»Ethnol. Beitr.«, I, S. 95). Auf letzterer Insel ist diese Kunst aber bereits untergegangen. Kubary traf
nur noch eine alte Frau, die zu weben verstanden hatte, und erhielt nur noch ein Geräth (das Schwert
»Kobab« = S. [477], Fig. 46), sowie den letzten »Dorc oder gewebten Männergürtel (»Ethnol. Beitr.c,
Heft I, S. 109). Wie es scheint, versteht man auch auf Pikiram zu weben (s. weiter zurück). Die im
Kat. M. G. (S. 15, Nr. 961 — 969) aufgeführten »gewebten Zeuge« aus Neu-Guinea sind, wie auch ver-
muthungsweise ausgesprochen wird, zweifellos eingeführte Stoffe.
Anoalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 24
344 ^'■- ^- F'»n«ch. [582]
Technik im Wesentlichen mit der auf Kuschai (vorne S. [472]) üblichen übereinstim-
men würde, liess sich von vorneherein annehmen. Die kurze Bemerkung Lütke's von
Lukunor: »der Kettebock ist fast genau so als auf Ualan« (Voy., 11, S. 72) gibt darüber
glücklicherweise volle Gewissheit und zugleich Nachweis des. wichtigsten Geräthes
zum Aufmachen der Kette. Sonderbarer Weise lässt Kubary dasselbe ganz unerwähnt,
spricht dagegen aber von einem »Webestuhl«,') auf Mortlock »Tor« genannt, ein
Wort, das (a. O.) »in den Central-Carolinen im Allgemeinen sämmtliche Webegerath-
schaften« bezeichnet. Diese Geräthschaften, welche indess keinen »Webestuhl« nach
unseren Begriffen darstellen, sind im Wesentlichen identisch mit denen, wie wir sie be-
reits bei Kuschai kennen lernten, nur entsprechend der bedeutenderen Breite der cen-
tral-carolinischen Zeugstoffe grösser. Auch sonst finden sich gewisse, indess mehr
nebensächliche Verschiedenheiten. So bedient man sich statt der auf Kuschai üblichen
Webebretter (vorne S. [477], Fig. 44) auf Ruk und Mortlock schmälerer, aber längerer
Latten oder Leisten (»Paap«), wie sie der Kat. M. G. (S. 326) als »Rahmenstücke eines
Webestuhles« beschreibt (»97 Cm. lang, 16 breit und 2 dick«). Diese Latten erfüllen
übrigens genau denselben Zweck, die Kette straff zu halten, was in derselben Weise wie
auf Kuschai mittelst eines Gürtels geschieht, den die Weberin um den Leib legt und
mit den Oesen in die Zapfen der Latten befestigt. Dieser Webegürtel, auf Mortlock
»Auoit« (auch »Auoy«) genannt, besteht aus einem Bande von Cocosfasergeflecht (Kat.
M. G., S. 326, Nr. 2923). Schiffchen (»Azap«) und Schwert (»Apynz« oder »Apin«)
sind ganz wie von Kuschai, nur entsprechend grösser (ersteres 28 Cm., letzteres 94 Cm.
lang) wie die übrigen Stücke (Leisten und Stäbchen), die aber aus angetriebenem
Bambu gefertigt werden. Der Kat. M. G. verzeichnet die Webegeräthschaften von Mort-
lock vollständig, ebenso die ganz ähnlichen von Ruk (S. 378), weiss aber »über die
Manipulation beim Gebrauch des Webestuhles« nichts mitzutheilen. Auch Kubary
bleibt darüber Auskunft schuldig und beschreibt nur die Webegeräthschaften von Ruk
(»Ethnol. Beitr.«, 1, S. 59 — 61), und zwar mit einer Ausführlichkeit, die anscheinend
nichts zu wünschen übrig lässt. Trotzdem bleiben selbst für Solche, welche mit caro-
linischer Weberei vertraut sind, Unklarheiten, wie dies ohne erläuternde Zeichnungen
kaum zu vermeiden war. Diese Unklarheiten beziehen sich auf folgende Stellen des
Textes (S. 60): »Um die Keltenfäden zu reguliren, sind dieselben, jeder für sich, einmal
um ein glattes Bamburohr gewunden, das auf Ruk ,Anan', auf Mortlock ,UUut^ heisst«
und weiter: »Dann kommt ein Rohr, auf den drei Gruppen resp. Toro, Nun und
Auzuru genannt, welches durch eine Anzahl dicht aneinander befindlicher Oesen die
Fäden der unteren Lage umfasst und sie dadurch über die oberen erheben kann, die
erforderliche Kreuzung der Längsfäden für das Durchschieben des Querfadens dadurch
zu Stande bringend«. Ohnehin nicht sehr deutlich in der Fassung, würden hier nur bild-
liche Darstellungen zum besseren Verständniss helfen können, aber immerhin scheint
es sich um zwei Vorrichtungen zu handeln, die in der mortlock'schen (und kuschai-
schen) Webemethode fehlen. Die übrigen Hauptgeräthe (Webebretter oder Latten:
Paap; Schiffchen: Asap; Lade: Opop, auch Aupoup; und Gürtel, ebenfalls aus Cocos-
faser geflochten) sind ganz so wie auf Mortlock (und Kuschai). Dasselbe gilt bezüglich
der Leisten und Stäbchen (aus Bambu), wovon die ruk'sche Webevorrichtung drei
I) Tetens beschreibt (Journ. M. G., Heft II, S. 16) einen solchen von Uluti (Mackenzie), »be-
stehend aus einem vierseitigen circa i M. langen Rahmen, der an einem Ende eine drehbare hölzerne
Walze tragt, Ober welche die Matte läuft und von den Weibern auf dem Schoosse gehalten wird«.
Aber diese Beschreibung ist wohl Phantasie und aus der Reihe des ethnologischen Vergleich ungsmaterials
zu streichen«
[cSSI Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 345
mehr besitzt. Kubary notirt wenigstens für Riik elf, für Mortlock nur acht besondere
Stücke, die tzum Webestuhl« gehören, vergisst aber darunter den Kettebock. Wie
überhaupt die Kette hergerichtet wird, darüber erfahren wir so wenig wie über den
eigentlichen Webeprocess selbst.
Hinsichtlich des Webens auf Nukuor, »so geschieht dies auf einem Webestuhle, ähnlich wie
man ihn auch auf den Mortlock- und Ruk-Inseln findet, obwohl der nukuor'sche in seiner Zusam-
mensetzung einen geringen Unterschied aufweist«, sagt Kubary in seiner ausführlichen Beschreibung
der Webegeräthschaften (Kat. M. G., S. 325), die übrigens kein klares Bild gibt, zumal da sich Wider-
sprüche finden. So wird die Zahl der einzelnen Stücke zu acht, an anderen Orten zu zehn und elf
angegeben, und darunter fehlt wiederum der Kettebock ganz. Die Nadel (Schiffchen) von Nukuor »ist
von ganz anderer Form«, bemerkt Kubary a. O. (»Ethnol. Beitr.«, T, S. 61), aber die im Kat. M. G.
(S. 345) beschriebenen Stücke weichen nur unerheblich ab, und ein Exemplar von Nukuor, das ich
von Kubary selbst erhielt, ist genau so wie solche von Kuschai, nur grösser (52 Cm. lang und 65 Mm.
breit). Dasselbe gilt hinsichtlich der Lade (über i M. lang) und der übrigen Geräthschaften, die also
im Wesentlichen dieselben sind als sonst. Kubary bestätigt dies selbst in den Worten: »auf den drei
Gruppen Ruk, Mortlock und Nukuor ist ein Webestuhl derselben Construction in Gebrauch« (»Ethnol.
Beitr.«, I, S. 59). Die Annahme, dass die Webekunst Nukuors von Mortlock herstammt, lässt. sich
ebenso wenig beweisen als widerlegen.
b) Erzeugnisse der Weberei sind, wie bereits erwähnt, Zeugstoffe zur Bekleidung,
deren Länge und Breite innerhalb der nachfolgenden vergleichenden Tabelle differirt:
Länge 1*90 — 2*20 M. Breite 47 — 67 Cm. Mortlock
» » » » » 47 — 55 » Ruk
» i'6o — 2*00 » » 60—65 * Nukuor^) (Kat. M. G.)
» i'So — 2'6o > » 40 — 60 » üleai
» i*20 — i-6o » » 35 — 45 » Uluti (Yap, Kat. M. G.)
Wie die »Toll« von Kuschai enden auch die Gewebe der Central-Carolinen an
den Schmalseiten in (6 — 28 Cm. lange) Fransen, die aus den Kettfäden gebildet werden.
Gröber als die Webereiproducte der östlichen Inseln, unterscheiden sich die centralcaro-
linischen Zeugstoffe, »OS« (Otsch) (auf Ruk auch »Mezei«) genannt, durch ansehnlich
grössere Dimensionen, namentlich in der Breite, und sind schon deshalb weit minder
kunst- und geschmackvoll, weil die bunten Farben fehlen. Ausser den natürlichen
Färbungstönen des verwendeten Materiales, also von dem blassen Fahl der gebleichten
Bananenfaser bis zu der lebhaft lohfarbenen Nuance der HibiscuS'FsLSQr, kommt eigent-
lich nur Schwarz^) in Betracht. Als Färbemittel dafür bedient man sich der schwarzen
Schlammerde (»Puel«) aus den Tarofeldern, die Ruk eigen zu sein scheint und welche
die Mortlocker von dort eigens mitbringen (Kubary, 1. c, S. 267 und Kat. M. G., S. 329),
ein Material, das übrigens auch in gleicher Weise zum Färben der Frauenschurze auf
Pelau verwendet wird (Kubary, II, S. 21 3). Ein blassgelblicher Ton gewisser Zeuge
scheint mit Lösung von Curcuma gefärbt, welcher letztere Stoff zur Verschönerung der
Zeuge mittelst Einreiben oder Auftragen in einer dicken Schicht viel verwendet wird.
Schon Lütke gedenkt dieser ganz bemalten, stark abfärbenden Zeuge von Lukunor als
Staatskleider, wie sie auch auf Ruk sehr beliebt sind. Zeuge mit gelb aufgetragenen
I) Kubary gibt die Länge der nukuor'schen Zeugstoffe sogar zu 279 M., deren Breite zu
93 Cm. (!) an.
3) Von Uluti (Mackenzie) erhielt ich auch Zeuge mit eingewebten, lebhaft rothen Streifen, die
aber bereits mit importirtem Anilin gefärbt sind. (Hierher gehört »Hüftgurt«, Kai. M. G., S. 38 1,
Nr. 57.) Im Vocabular von Mortlock verzeichnet Kubary folgende Farben: »posopos« = weiss, »lipar«
= roth und »sosoU = schwarz, blau und grün, was zeigt, dass man auch hier die letzteren Farben
nicht zu unterscheiden versteht.
24*
346 Dr. O. Finsch. [584]
breiten Streifen (wie Nr. 23o der Sammlung) werden nach Kubary nur auf Ruk ge-
machty aber auch nach Mortlock verhandelt. Männer benutzen nach Kubary stets ein-
farbige Zeuge, darunter auch ganz schwarze, wogegen Frauen nur gemusterte Zeuge
verwenden, eine Unterscheidung, welche sowohl für Ruk als Mortlock gilt. Wie er-
wähnt, wird auf letzterer Gruppe nur Hibiscus-Beisifsiser als Material verwendet, auf
Ruk aber auch die feinere Bananen faser und hier auch Halbzeuge aus abwechselnden
Streifen von beiden Materialien gewebt (vgl. Kat. M. G., S. 3o3, Nr. 2932). Wenn im
Allgemeinen die Zeuge von Ruk (wie Nukuor, Uleai und Uluti) schon des feineren
Materials wegen besser sind als die von Mortlock, so finden sich doch überall erhebliche
Unterschiede in der Qualität, die ja aus leicht begreiflichen Gründen nicht nur vom
Material allein, sondern auch von der individuellen Geschicklichkeit und Fertigkeit der
Weberin abhängt. In noch höherem Grade gilt dies hinsichtlich der Muster, die inner-
halb gewisser Typen fast so viele kleine Abweichungen zeigen, als dies von den »Toll«
von Kuschai bereits erwähnt wurde.
Unter Vorlage einer grossen Reihe Zeugstreifen von Mortlock demonstrirte mir
Kubary folgende Muster als typisch:
1. Long-long-Muster: mit 4 (circa 80 Mm.) breiten, schwarzen Längsstreifen;
die 4 hellen Zwischenstreifen nur 12—15 Mm. breit; übrigens zuweilen auch 5 breite
schwarze Längsstreifen und die schmäleren hellen Längsstreifen mit i — 2 schwarzen
Längslinien. Hierher gehört die Bekleidung des Mädchens im: Anthrop. Album M. G.,
Taf. 24, Nr. 271, Figur rechts).
2. Kaleman-lap-Muster (d. h. »grosser Kaleman«): 6 breite schwarze (circa
60 Mm. breite) und 6 schmälere (circa 22 Mm.) helle Längsstreifen.
3. »Kaleman-kis« (d.h. »kleiner Kaleman«): 9 (circa 45 Mm.) breite schwarze
und 8 schmale (circa 1 7 Mm. breite) helle Längsstreifen.
4. »Lidschob« (Li2op): 17 schmale (22 — 27 Mm. breite) schwarze und 16 helle
(17 Mm. breite) noch schmälere helle Streifen.
Ich muss gestehen, dass mich diese Mustereintheilung schon damals wenig be-
friedigte, denn eine exacte Unterscheidung schien kaum durchführbar. Sie wird vollends
zur Unmöglichkeit, wenn man den obigen vier Mustern noch die weiteren hinzufügt,
welche Kubary für Mortlock (1. c, S. 268) ausserdem kurz beschreibt, nämlich: »Pat-
pat« (aus schwarzen und weissen Längsstreifen), »Sook« (»auf schwarzem Grunde sind
viele schmale weisse Zackenstreifen vorhanden«) und »Monomaz« (ein sehr reiches
Muster von Ruk). Im Kat. M. G. (S. 3o3, Nr. 2929) wird von Mortlock noch ein weiteres
Muster als »Fi2an« (Fischan) bezeichnet, welchen Namen Kubary (a. O.) aber für eine
gewisse Art Mäntel (Ponchos) anwendet. Wenn die Feinheiten der specifischen Be-
nennungen und Unterscheidung wahrscheinlich für Eingeborene keine Schwierigkeiten
haben, so ist für unsere Augen im Grossen und Ganzen nur eine Eintheilung in breitere
und schmälere Längs- und Querstreifenmuster möglich. Die Details der Patterne sind
nun innerhalb dieser allgemeinen Muster so variirend und mannigfach, dass kaum zwei
Zeugstreifen genau das gleiche Muster aufzuweisen haben. Dies erklärt sich schon
daraus leicht, weil die carolinische Weberin ohne Vorlagen nur nach eigenem Gut-
dünken arbeitet, wie wir diese Verhältnisse bei Kuschai (S. [481]) bereits kennen
lernten. Eine genaue Vergleichung der Notizen über das reiche Material an Webc-
producten der Carolinen im Kat. M. G.') bestätigt die obige Annahme, die sich
I) Von Mortlock (S. 3o2-^3o6) allein 32 Stück, davon 16 gemusterte, von Ruk (S. 357—359)
17 gemusterte, von Uleai (S. 38 1 u. 382) 29 Stück.
[^85! Ethnologische Erfahrungen und Belegstocke aus der Südsee. ^aj
ausserdem auf Untersuchung einer ansehnlichen Reihe von gewebten Zeugen von Uleai
und Uluti begründet. Von ersterer Insel verglich ich etliche zwanzig Stück und fand an
jedem kleine Verschiedenheiten. Ausser geradlinigen Streifenmustern (zum Theil carrirt,
diese nach Kubary nur Ruk eigen) kommen, obwohl seltener und nur in beschränkter
Ausdehnung, auch rhombische und Zickzackiiguren vor, die indess nicht eingewebt,
sondern aufgenäht') (gestickt) sind, eine Technik, die wir schon von Kuschai kennen
(S. [476]). In dieser Manier ist die Randkante eines Zeugstreifens von Uleai (Nr. 229
unserer Sammlung) verziert, wie ich dies in sehr geschmackvoller Weise in Mustern von
Uluti beobachtete. Das Material der meist sehr sauber gearbeiteten Webereien von hier
ist Bananenfaser, welche vorherrschend auch auf Nukuor verwendet wird. Ueber die
Muster der hiesigen Zeuge macht Kubary keine Mittheilungen, und der Kat. M. G. ver-
zeichnet von hier (S. 335) nur grobe gewebte Zeuge aus bräunlicher Hibiscus-Fastr,
Da gewebte Zeuge einen Hauptartikel im Tauschverkehr der Eingeborenen bilden
und unter Umständen von Ruk bis nach Pelau gelangen können, so wird es selbst dem
besten Kenner nicht möglich sein, die Herkunft eines Stückes sicher zu bestimmen, und
es bedarf dafür verbürgter Angaben.
Auf Pikiram (Green wich Isl.), einem ziemlich isolirten Atoll, circa 240 Seemeilen südlich von
Mortlock, ist Weberei ebenfalls bekannt, was hier erwähnt sein mag, weil ich darüber sonst keine
Notiz fand. Durch Güte von Herrn Capelle auf Dschalut erhielt ich von hier grobe einfarbige Stoffe,
aus ungebleichtem lohfarbenen Hibiscus-BMt gewebt, sowie auch feinere aus gleichem Material. Einige
Zeuge zeigten schmale weisse L|ngsstreifen aus einem seidenähnlich glänzenden Material, wie es sonst
nirgends in den Carolinen vorkommt und welches als die gebleichte Bastfaser des Brotfruchtbaumes
bezeichnet wurde. Aus demselben Materiale versteht man auf Pikiram bekanntlich auch Tapa zu
bereiten (vgl. vorne S. [10] und Kat. M. G., S. 351).
S. Fahr\eugey Seeverkehr und Handel.
Das Canu von Ruk (»Va«) stimmt nach Kubary in Bauart und Form durchaus
mit dem centralcarolinischen überein und gehört zu jenem ausgezeichneten Typus')
von Hochseefahrzeugen, wie wir ihn bereits aus dem Marshall- Archipel (S. 159 [415])
kennen lernten. Die nach dem Zeugnisse Chamisso*s durchaus correcte Abbildung eines
grossen carolinischen Canus (wahrscheinlich von Uleai) bei Choris (PI. XVUl) stimmt
bis auf gewisse Einzelheiten so mit dem Marshall-Canu überein, dass eine wettere Be-
schreibung überflüssig ist. Erwähnt mag aber sein, dass die Plattform an der Ausleger-
seite sich schräg bis fast an die Bugenden erstreckt, und dass den hohen gebogenen
Schnäbeln die Verzierungen (Bellick) fehlen. Das Segel (Amara) ist aus grobem Matten-
geflecht von Pandanus-BXBll gefertigt, dreiseitig (lateinisch) und wird ganz so geführt
wie auf den Marshall-lnseln. »Segel, Segeltaue und Masttakelage« werden von Nema,
Losop, Poloat und »Tananu« (wohl Fananu des Etal- Atolls) nach Ruk eingeführt
(Kubary, I, S. 65). Auf der einen Seite der Plattform seetüchtiger Fahrzeuge ist eine
kleine Hütte errichtet, wie dies Kittlitz von Lukunor erwähnt. Abbildungen solcher
(»Senjavin-Reise«, PI. 85, und Kittlitz: Denkwürd., 11, S. 89) zeigen im Ausleger einige
Abweichungen, die aber als Localverschiedenheiten, wie sie überall vorkommen, neben-
sächlich sind. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber in der Construction des Schiffs-
körpers, und zwar darin, dass bei dem carolinischen Canu beide Seiten gleich, beim
1) Hierher gehören die Stucke des Kat M. G. von Mortlock (S. 3o3, Nr. 562; S. 3o4, Nr. 564,
2934, und S. 305, Nr. 293$), von Ruk (S. 358, Nr. 343o), von Uleai (S. 38 1, Nr. 60, 61) und Uluti (S. 390).
3) Zu diesen Canus mit KielstQck und Seitentheilen gehört auch das im Uebrigen sehr ab-
weichende Canu von Tahiti (Wilkes, II, S. 21, Abbild.).
348 Dr. O. Finsch. [586]
Marshall-Canu (vgl. Fig. 24, S. [417]) ungleich sind. Lütke macht in seiner ausführ-
lichen Beschreibung (»Voyage« etc., II, pag. 74 — 7g) besonders auf diese wichtige Con-
structionsverschiedenheit aufmerksam, erwähnt aber ausserdem die Uebereinstimmung
der Fahrzeuge von Lukunor, Ruk, Fais, Uleai und Uluti. Die Ungleichheit der Seiten
besassen aber die weit vollkommeneren Canus der Mariannen, die wir nur nach Anson
kennen, da es leider an einer vergleichenden Darstellung der Carolinen-Fahrzeuge fehlt
und bald dafür ohnehin zu spät sein dürfte. Nach Lütke weichen die Hochseefahrzeuge
von Ruk nur dadurch unbedeutend von dem mortlock'schen ab, dass das Segel tnit
einem Gaitau versehen ist, stimmen aber im Uebrigen auch ganz mit den Canus von
Lukunor, Uleai und Namonuito (HalMnseln) überein. Kubary, der das Hochseecanus
der Mortlocker (»Ua« oder »Ua serek«, Segelcanu) ausführlich beschreibt (1. c, S. 263
bis 266, leider ohne Abbildungen), bestätigt dies und bezeichnet auch die grossen Canus
von Yap (»Paupau«, früher auch »Tschukopinn« genannt) als gleichartig. »Der ,Melyuk*
(auf Mortlock ,Messuk') scheint das typische centralcarolinische Segelfahrzeug zu sein
und findet sich im ganzen Westen bis auf Yap. Die Construction des ruk*schen Segel-
fahrzeuges stimmt vollkommen mit dem mortlock'schen überein. Im Allgemeinen sind
die ruk'schen Fahrzeuge etwas grösser und stärker gebaut, w$is in dem grösseren Holz-
reichthum der Insel seinen Grund hat« (»Ethnol. Beitr.«, I, S. s3). Die hier gegebenen
Masse eines grossen Ruk-Canu stimmen fast ganz mit den eines solchen von den Mar-
shall-Inseln (vorne S. [417]) überein, nur ist die ansehnlich geringere Länge des Aus-
legerbalkens (265 M. gegen 4*34 M.) auffallend. Lütke verzeichnet für Lukunor-Canus
27 Fuss Länge, 2 V2 Fuss Breite und 4 Fuss Tiefe, doch gibt es grössere.
Eigenthümlich für die Canus der Central-Carolinen ist der Anstrich in haltbarer
Farbe, wie dies ähnlich auf Kuschai und Ponap^ geschieht. Dieser Anstrich ist aber
nicht einfarbig rothbraun wie auf letzteren Inseln, sondern nach Lütke werden die Canus
von Lukunor unten schwarz, oben gelb oder roth angestrichen, die von Ruk roth mit
schwarzen Streifen. Nicht ganz damit übereinstimmend sagt Kubary: »Die Segelfahr-
zeuge von Ruk sind ganz schwarz bemalt, mit Ausnahme eines schmalen, gegen die
Enden sich ausbuchtenden Raumes entlang des oberen Randes. Dies Muster wird durch
die Bewohner der niedrigen Inseln genau beibehalten, obwohl sie sich die rothe Farbe
von Ruk holen müssen, und findet sich auch bei dem yap'schen Paupau') wieder«
(»Ethnol. Beitr.«, I, S. 5 3). In welcher Farbe übrigens der obere Rand beim ruk'schen
Fahrzeug bemalt wird, ist aus dem Vorhergehenden nicht ersichtlich, und in der Be-
schreibung des Mortlock-Canu lässt Kubary den Anstrich überhaupt unerwähnt.
Ausser dem erwähnten Segelcanu besitzen die Central-Carolinen noch eine zweite
Art, das kein Segel führt, daher mittelst Paddeln bewegt wird und für den heimischen
Verkehr bestimmt ist. Dieser Typus, auf Mortlock »Liegak« (auch »Ua fatal« =Rudcr-
canu), auf Ruk »Va faten« genannt und von Kubary als »Kriegscanoe« bezeichnet,
findet sich übrigens auch auf anderen Carolinen und ist überhaupt weit verbreitet (vgl.
1) Damit im Widerspruch heisst es in der Beschreibung des Yap-Canus (Journ. M. G., Heft 11,
S. 19), »das ganze Holzwerk dieser Kähne ist von aussen und innen mitteist einer rothen Erde be-
malt« (!). Aber diese ganze Darstellung (welche unter Anderem die Breite zu »11/2 M.< = fast 5 Fuss
verzeichnet) ist eine so fehlerhafte, dass sie sammt der total verfehlten. Abbildung (Taf. III) als Ver-
gleich ungsmaterial nur irreführt und besser uncitirt bleibt. Dagegen darf auf die Abbildung eines
Yap-Canus bei Hernsheim verwiesen werden (»SQdsee-Erinnerungen«, Taf. 3). Da Yap wenig brauch-
bares Holz zu Canubau besitzt, so zimmern die Eingeborenen dieser Insel ihre grossen Canus auf
Pelau, erwähnenswerth deshalb, weil die Pelauer trotz besserer Lehrmuster und Vorbilder ihrem alten
primitiveren Modell treu geblieben sind. Nach Kadu kauften die Yaper damals gern Canus von Uleai,
wie nach LOtke die Bewohner Uleais die ihren ebenfalls von hier bezogen.
[cgyl Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 349
vorne S. [480]). Lütke und Kittlitz gedenken von Lukunor kleiner Canus mit Aus-
leger, die nur eine Person tragen, und ähnliche »Einspänner« sah ich unter Anderem
auf Normanby, der d'Entrecasteaux-Gruppe (vgl. Finsch: »Samoafahrten«, Abbild.,
S. 214). Die centralcarolinischen Paddelcanus (bis 10 M. lang: Kubary) tragen natürlich
eine ziemliche Anzahl Personen, welche sich Paddel (»Fatel«, Mortlock) bedienen, die
im Ganzen mit der üblichen Form (z. B. Fig. 48, S. [479]) übereinzustimmen scheinen,
obwohl dies aus Kubary*s Beschreibung (1. c, S. 62) nicht ganz sicher festzustellen ist.
Aber aus der Beschreibung (Kat. M. G., S. 374) ergibt sich, »dass die Spitze des Blattes
knopfartig verdickt ist«, was an die Paddel von Trobriand (vorne S. [173]) erinnert.
Die ganz schwarz bemalten Paddelcanus von Ruk zeichnen sich ausserdem durch eine
gewisse Bugverzierung aus, die auf Mortlock und den übrigen Carolinen fehlt und des-
halb besonders interessant ist. Sie besteht in einer bunt bemalten Holzschnitzerei, deren
oberer Theil zwei Seeschwalben darstellt (Kubary, I, S. s3, Taf. IX, Fig. 6), und die auf-
geklappt werden kann, was zugleich kriegerische Absichten andeutet. Gemeinschaftlich
für Ruk und Mortlock sind schmale (circa 1*16 — 1*20 M. lange), flache, säulenartige,
geschnitzte Stäbe, die senkrecht auf der Auslegerbrücke befestigt und zwischen denen
die Speere aufbewahrt werden oder wurden, Vorrichtungen, die sich übrigens ähnlich
an verschiedenen melanesischen Canus finden (vgl. vorne S. [192]). Die Stäbe von Ruk
sind ausser Schnitzerei auch mit Malerei (in Schwarz und Weiss) verziert (vgl. Kat.
M. G., S. 373, Nr. 3397 — 3403 [»Auslegerstützenc], Taf. XXXI, Fig. 2, und Kubary, I,
Taf. IX, Fig. 7), was bei den mortlock*schen nicht der Fall ist, die dagegen am oberen
Ende in Hähne ausgeschnitzt sind, »die hier, wie überall im Westen, als Symbol des
Krieges und der Tapferkeit gelten« (Kubary, S. 54), eine charakteristische Eigenthüm-
lichkeit, die Kubary unter Mortlock ganz zu bemerken vergisst.
Hinsichtlich der Seetüchtigkeit erklärte Lütke die Canus von Lukunor für ganz
brauchbare Fahrzeuge, führt aber bereits die übertriebenen Schilderungen früherer
Reisender über die Schnelligkeit auf das richtige Mass zurück. Kubary stellt dem Mort-
lock-Canu kein sehr günstiges Zeugniss in Betreff der Leistungsfähigkeit aus. »Beim
Kreuzen treiben diese Fahrzeuge ausserordentlich stark. Das bestsegelnde Canu läuft
kaum 4 Seemeilen in der Stunde,« eine Geschwindigkeit, die schon Chamisso für das
Carolinen-Canu »im günstigsten Falle« als äusserste Grenze bezeichnet. Logan's Er-
fahrungen auf wiederholten Canureisen bestätigen dies. Zu der Distanz von 10 See-
meilen von Losop nach Nema waren bei massigem Winde fünf Stunden erforderlich.
Und bei sehr bewegter See brauchte man einst von Etal nach Oniop der Lukunor-
Lagune, nur 9 Seemeilen, einen ganzen Tag.
Jede Canureise erfordert, wie überall, gründliche Vorbereitungen und Reparaturen,
namentlich Calfatern. Trotzdem leckt das Mortlock-Canu (nach Kubary) wie ein Sieb,
und zwei Mann müssen fortwährend schöpfen. Die Wasserschöpfer stimmen fast ganz
mit denen der Marshallaner überein (vgl. »Senjavin-Reise«, PI. 29, Fig. 11: Lukunor).
Seeverkehr und Handel. Wenn Kadu Canus von Ruk auf Uleai (450 Seemeilen
Entfernung) gesehen zu haben behauptet, so können dies höchstens verschlagene ge-
wesen sein, die als solche sogar unfreiwillig nach Guam gelangten, worüber verbürgte
Nachrichten vorliegen. Aber so wenig wir auch über die Fahrten der Ruker in früherer
Zeit wissen, so ist doch sicher, dass sie nicht an den Reisen nach Guam theilnahmen.
Trotz trefflicher Fahrzeuge scheinen sie nie berühmte Seeleute gewesen zu sein und
unternehmen, wenigstens jetzt, schon lange keine Seereisen mehr. Da Ruk den Central-
punkt für den Eintausch von Gelbwurz bildet und deshalb von den Nachbarn aufge-
sucht wird, so lässt sich annehmen, dass diese Verhältnisse von jeher dieselben waren.
350 I^r. O. FInsch. [588]
So sind es besonders die Bewohner der Hall-Inseln, welche mit Ruk in Verkehr stehen,
und zwar finden, wie überall, diese Fahrten zwischen gewissen Inseln statt. Nach Ku-
bary, dem wir darüber die meisten, nicht selten aber auch widersprechende Nachrichten
verdanken, reisen die Bewohner von Namun (Namunoito) der Hall-Gruppe (circa
100 Seemeilen weit) nur nach den nördlichsten Atollinseln des Ruk-Rififes Pis und
Faleu (Falalu). Seitdem haben wir aber durch denselben Reisenden erfahren, dass
letztere Insel überhaupt unbewohnt ist, und dass die Bewohner sämmtlicher Hall-Inseln
(also auch von Fananu, Rua und Murilla = Moriljö) nur die hohen Inseln Uola und
Tsis besuchen. Aber auf dieser Fahrt wird jedenfalls Pis berührt, wie die Bewohner
des letzteren Atolls wiederum für sich Zwischenhandel mit den hohen Inseln (Fefan,
Param, üdot und Faituk) betreiben. Von Westen her sind es hauptsächlich die Be-
wohner von Poloat (Ponouvat, Enderby), welche Ruk besuchen, ausserdem in be-
schränkter Weise auch die von Suk (Pulusuk) und der Gruppe Los Martires (Tamatam
und Ponnap oder OUap).
Wenn Kadu angibt, dass die Bewohner der Mortlock-Inseln sich ebenfalls an den
Fahrten nach den Mariannen (Guam) betheiligten, so ist dies jedenfalls unrichtig (vgl
vorne S. 187 [443]). Nach Kubary ist die Fahrt nach Ruk die einzige, welche von den
Mortlockern unternommen wird, und wir erhalten darüber einen interessanten ausführ-
lichen Bericht (1. c, S. 284). Darnach wurde die 140 Seemeilen weite Fahrt, ähnlich
wie wir dies von den Marshallanern (vorne S. [421]) kennen, nie direct ausgeführt. Man
lief zuerst die 3o Seemeilen entfernte Insel Namoluk an, dann Losop (65 Seemeilen)
und Nema (10 Seemeilen), das nur 85 Seemeilen westlich von Ruk liegt. Geht bei gün-
stigem Passat die Fahrt gut, so dauert die ganze Reise circa 36 Stunden (von Namoluk
nach Losop etwa 18). Aber häufig ist dies nicht der Fall, und Logan erzählt einen Fall,
wo ein Canu von Mosch, der nördlichsten Insel der Satöan-Lagune, zwei volle Wochen
bis nach Ruk brauchte und dort mehrere Monate auf günstigen Tradewind zur Rück-
reise warten musste. Verschlagen kommt dabei, wie überaU, vor, und Kubary führt
einen interessanten Fall aus dem Jahre 1877 an, wo ein Mortlock-Canu statt nach Ruk
nach Suk (150 Seemeilen westlich davon) gelangte. Kubary 's Nachrichten beruhen
natürlicherweise auf Erkundigungen, denn er selbst traf (1877) auf Mortlock nur einmal
eine kleine Canuflotte von Losop (95 Seemeilen nördlich). Nach späteren Angaben des-
selben Reisenden (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 76) sind es hauptsächlich die Bewohner dieses
Atolls und des benachbarten Nema, welche den Zwischenhandel sowohl mit Erzeug-
nissen von Ruk nach Mortlock als umgekehrt betreiben, und nach der hier gegebenen
Darstellung würden die Mortlocker überhaupt gar nicht bis Ruk kommen. Allein zwei
Seiten weiter zurück (S. 78) heisst es: »Die Mortlocker gehen nach der Insel Toloas,
ihrer Urheimat.« Dass dies wirklich der Fall war, wissen wir bestimmt durch Logan,
indess scheinen diese Fahrten seltener zu werden und dürften, wie anderwärts, nach
und nach ganz aufhören, wie dies in Bezug auf Nukuor bereits längst eintrat. Nach
Kubary hat die Tradition nur noch den Namen des Schiffsführers erhalten, unter dessen
Führung einstmals diese 1 10 Seemeilen weite Reise unternommen wurde, lieber Schiffs-
führung und Navigation der Mortlocker, die also gegenwärtig keineswegs mehr be-
rühmte Seefahrer sind, vgl. vorne (S. [444]).
Wenn ich in der Einleitung (S. [442]) anführte, dass die Ernährung das haupt-
sächlichste Motiv zum Seeverkehr der Bewohner der Central-Carolinen sei und nament-
lich die der niedrigen Inseln dazu zwinge, so ist dies nicht ganz zutreffend. Kittlitz
bemerkt schon sehr richtig, »dass auf Lukunor die Elemente des Reichthums nicht, wie
auf Kuschai, in den Erzeugnissen des Bodens, sondern in Industrie und Handel
regg] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 3^1
bestehen, und dass man solche Ausfuhrartikel auch jenseits des Meeres mit Vortheil um-
zusetzen versteht. Die Bewohner der niedrigen oder Koralleninsel finden ihren Absatz
auf den hohen Inseln« (2, S. 82, 83). Leider werden Localitäten nicht genannt, und so
kann man nur annehmen, dass mit den hohen Inseln (da Kuschai namentlich als aus-
geschlossen erklärt wird) die der Ruk-Gruppe gemeint sind, und dass die Lukunorer
damals tüchtige Seefahrer waren. Als Ausfuhrartikel nennt Kittlitz: »Mattengeflecht
aus PandanuS'Blattj Tauwerk und Bindfaden aus Cocosnussfaser, Geräthschaften aus
dem Holze des Brotfruchtbaumes, Waffen verschiedener Art aus Palmholz, darunter
Lanzen und Streitkolben,« worunter wahrscheinlich Keulen zu verstehen sind« Diese
allgemeinen Angaben stimmen also im Wesentlichen überein mit den Verhältnissen,
wie sie Kubary neuerdings über »den Handel der Ruk-Insulaner« (»Ethnol. Beitr.«, I,
S. 74 — 78) eingehend schildert. Darnach bildet »Taik« (Gelbwurzpulver) den Haupt-
artikel der Ausfuhr Ruks, ausserdem gewebte Matten aus Bananenfaser, gewisse fertige
Schmuckgegenstände, sowie in beschränkter Weise auch Tabak und, nach früheren
Mittheilungen, auch Schleifsteine. Dagegen werden von den vorher genannten Nachbar-
inseln eingeführt und eingetauscht: Stricke aus Cocosfaser, sowie Plschleinen, Matten
und Segel aus Pandanus-GeÜQchty Schildpatt und Gegenstände daraus (von den Hall-
Inseln; Segelmatten und Tauwerk aber auch von Nema, Losop und Poloat), lose Hibis-
cus-FasQT (von Suk), Stirnbinden, lose S/^on^^/i/^-Scheibchen und Halsbänder daraus,
»Kin« oder Frauengürtel (von Nema und Losop, aber von den Bewohnern dieser Inseln
auf Namoluk und Mortlock eingetauscht) und Eisenwaaren, namentlich grosse Machete-
Messer und Aexte. Die letzteren werden nur von den Bewohnern der Insel Poloat ein-
geführt, die den Handel mit Ruk (circa 135 Seemeilen in vier Tagen Fahrt) ganz an
sich rissen. »Dieselben haben durch früher erworbene Erfahrung in Seereisen und
durch den Vortheil der Waaren, besonders des Eisens von Seypan (Ladronen), unter
ihren Nachbarn den Handel mit Ruk beherrscht; die kleineren benachbarten Inselbevöl-
kerungen gaben die Fahrt nach Ruk auf und erwarben ihre Gelbwurz und Eisenwaaren
von dem ihnen näher gelegenen Poloat« (Kubary: Kat. M. G., S. 379). Wie die Poloater
nordöstlich über Ruk hinaus bis auf die Hall-Inseln reisen, so vertreiben sie ihre Waaren
(darunter auch auf Ruk eingehandeltes Gelbwurzpulver und Schmucksachen) westlich,*)
und so erklärt es sich, dass hier Gegenstände des Schmuckes vorkommen und benutzt
werden, die eigentlich in den Central- Carolinen verfertigt sind. Ueber eine der inter-
essantesten Fragen, ob die Poloater noch heutigen Tages nach »Ceipen« (Säypan)
segeln, gibt Kubary nur zweifelhafte Auskunft, erwähnt aber, »dass die Verhältnisse
des interinsularen Handels der Eingeborenen bedeutend zurückgegangen seien, ohne
wirklich aufgehört zu haben«. In früherer Zeit war dieser Handel ein blühender, und in
Faytuk (auf der Insel Toi), auf Ruk fanden sich zuweilen 40 — 59 Canus aus dem Westen
zusammen, die, mit westlichen Winden gekommen, auf östlichen Wind zur Rückreise
warten mussten (Kubary).
g. Körperhülle und Put\.
A. Bekleidung.
Europäische Kleidungsstücke haben sich bis jetzt nur noch wenig in unserem
Gebiete eingeführt. Zwar erwähnt Lütke bereits^ dass die Lukunorer (1828) Hemden
I) An a. O. sagt Kubary über die Bewohner von Yap: »Sie tauschen gern mit den Bewohnern
von Uleai und Mogomok (Uogoy) ihre ßaschenförmigen GelbwurzpulverbQndel gegen gewebte Zeuge,
Zwirn (Cocosstricke), Segel und Cocosschalenschmuck« (I, S. 2).
352 Dr. O. Finsch. [590]
lieber nahmen als die Kuschaier, aber die Missionäre klagen noch 60 Jahre später Ober
den geringen Sinn der Eingeborenen für decentere Tracht nach europäischem Vorbild.
Selbst die Missionszöglinge wollen sich nicht recht an unsere Regein gewöhnen und
ziehen z. B. Sonntagskleider gern in der Woche an. Es wird übel vermerkt, dass die
Eingeborenen auf Ruk 1886 weniger gern Kleider trugen als sonst, weshalb die Ober-
leitung nackte Säuglinge nicht mehr zur Taufe zuliess. Ich beziehe mich auf diese bei-
läufigen Bemerkungen deshalb hier, weil sie Zeugniss für die Zähigkeit der Eingeborenen
am Althergebrachten ablegen und damit zugleich erfreuliche Gewähr geben, dass sich
Originalität bis zu einem gewissen Grade noch heute erhalten haben dürfte. Hoffentlich
gilt dies auch für die interessanteste Industrie der Carolinen, die Webekunst, welche
mit Einführung europäischer Kleidung nur zu schnell ihr Ende erreichen wird.
Bekleidung der Männer zeigen die nachfolgenden beiden Nummern:
Aroar (Nr. 23 1, i Stück), Zeugstreif, 174 M. lang und 54 Cm. breit, aus natur-
farbener Bananenfaser gewebt. Ruk.
Aroar (Nr. 232, i Stück), wie vorher, i-68 M. lang, 50 Cm. breit und über und
über dicht und dick mit Gelbwurzpulver eingerieben. Ruk.
Solche ganz gelbgefärbte Schambinden (im Kat. M. G., S. 3o6, Nr. 2930, mit
»Mezei« bezeichnet) bilden das Festkleid der Männer, während die vorhergehende
Nummer (23 1) das Alltagskleid repräsentirt. Nach Kubary werden sowohl auf Ruk als
Mortlock (hier »Palpal« genannt) von Männern nur einfarbige Zeugstoffe getragen,
und zwar drei- bis vierfach zusammengefaltet, ganz in der Weise wie der Toll auf
Kuschai, (s. vorne S. [481] und Anthrop. Album M. G., Taf. 22: Ruk, und Taf. 24:
Mortlock).
Diese weit über die Südsee verbreitete Männerbekleidung, welche wir aus Tapa
wiederholt aus Melanesien (s. S. [224]) kennen lernten, findet sich auch in den übrigen
Carolinen, westlich bis Pelau/) Sonsol (Kubary, I, S. gi) und Bunai (St. David), wo
Kubary den letzten gewebten Schamgürtel erlangte. Auf Nukuor heissen diese Scham-
binden »Maro«, also ganz so wie in Polynesien, aber Kubary schreibt (a. O.) auch
»Malo«, ein Wort, das für dasselbe Bekleidungsstück weit über Melanesien verbreitet ist.
Knaben^) gehen bis etwa zum zehnten Lebensjahre ganz unbekleidet (Kubary).
»Die Kleidung der Frauen besteht hier in einem ziemlich engen Rocke, der über
den Hüften befestigt ist und bis zum Knie herabgeht, c berichtet Kittlitz (II, S. 99, mit
Abbild.) von Lukunor und hat damit das Richtige zugleich für die ganzen Central-
Carolinen getroffen. Denn diese meist in zierlichen Mustern gewebten Zeugstreifen,
welche in der ganzen Breite um den Leib geschlagen werden, kleiden in der That ganz
wie kurze Röckchen (vgl. Anthrop. Album M. G., Taf. 21, Fig. 509, Taf. 23, Fig. 508:
Ruk, und Taf. 24, Fig. 271 :^) Mortlock). Die Bezeichnungen »Frauengurt« (Kat. M. G.,
S. 3o3 u. 304) und »Hüftgurt« (ib. S. 38i u. 382) sind daher wenig zutreffend.
1) Hier nicht selbst gefertigt, sondern von Uluti eingeführt, wie dies auf Yap der Fall ist. Nach
Kubary gingen »in früherer Zeit die Männer nackt, welches auch heute noch im Norden der Fall ist.
Man verfertigt jedoch auch eine Art Zeug aus dem Brotfruchtbaume« (Journ. M. G., Heft IV. S. 60,
Taf. 4, Fig. I), womit jedenfalls Tapa gemeint ist. Die hier gegebene Abbildung eines Pelau-Insulaners
und die Art, wie derselbe die Schambinde trfigt, sind Phantasie und ohne Werth für die Wissenschaft.
3) Sehr eigenthümlich sind die aus Cocosblattstreifen verfertigten SchamschOrzchen der Knaben
auf Sonsol (Kubary, I, S. 91, Taf. XII, Fig. 1).
3) In dem begleitenden Texte (S. 14) sagt Kubary, dass diese Mädchenfigur >mit dem ,PalpalS
dem Frauengurte, bekleidet« sei (welche Bezeichnung auch im Kat. M. G., S. 3o3, Nr. 562, angewendet
wird), aber damit im Widerspruch heisst es a. O. : »Die Männer tragen den ,PalpaK«
[591] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 358
Adschek (ACek) (Nr. 23o, i Stück), Zeugstreif, 1*12 M. lang, 55 Cm. breit, grobes
Gewebe aus Faser von Hibiscus-East mit schwarzen Längsstreifen, ein breiter Mittel-
streif mit Gelbwurzpulver orange gefärbt. Ruk.
Solche mit gelben Streifen bemalte Zeuge werden nach Kubary nur auf Ruk ge-
macht, aber nach Mortlock ausgeführt und heissen hier »Monomaf« (Monomatsch).
Der allgemeine Name für ZeugstofTe zu Frauenbekleidung ist auf Ruk Adschek (auch
»Acet« geschrieben), auf Mortlock »Aroar«. Auf beiden Gruppen kleidet sich nach
Kubary das weibliche Geschlecht, und zwar von frühester Jugend an, nur in gemusterte
Stoffe, deren grosse Verschiedenheiten bereits erörtert wurden (s. vorne S. [584]).
Die vorstehend beschriebene Frauenbekleidung aus gewebten Zeugstreifen scheint auf die Ccntral-
Carolinen beschränkt und findet sich ausser Ruk und Mortlock (mit den Hall-Inseln, Nema, Losop
und Namoluk) nur noch auf Uleai. Von hier erhielt ich auch eine Art Schärpen, d. h. schmälere (24
bis 35 Cm. breite) gewebte Zeugstreifen, die von Mädchen über den LendentQchern getragen werden
(hierher gehört »Schurz«, Kat. M. G., S. 390, von Uluti). Nach Kittlitz bekleiden sich auf Uleai aber
nur Frauen mit LendentQchern, während »ledige Mädchen einen ringsum schliessenden Schurz von
frischem Laubwerk tragen, der allem Anscheine nach täglich erneuert werden muss« (Denkw., If,
S. 156). Dies würde also bereits einen Uebergang zu der Frauentracht auf den westlichen Inselgruppen
der Carolinen bilden, wie wir sie schon auf Yap finden. Hier tragen die Frauen lange Faserröcke, i)
die sehr nahe mit gewissen melanesischen übereinstimmen und wie diese zum Theile bunt (gelb,
kirschbraun, schwarz) gefärbt sind (vgl. Journ. M. G., Heft II, S. 16, Taf. 5, Fig. 3, und Taf. 7; An-
throp. Album, Taf. 20, Fig. 33, und Kat. M. G., S. 393 u. 394, aber nicht aus »Pisang«). Aehnlich,
aber ganz verschieden von diesen einfachen, ringsum schliessenden, bis über die Kniee reichenden
Röcken aus Blattstreifen sind die »Kariut« oder Weiberröcke von Pelau. Sie bestehen aus zwei
schweren Büscheln oder Bündeln» die aus mehreren Blätterlagen sorgfältig zusammengenäht und in
einen besonderen Gurt verflochten den Männerröcken der Marshallaner (vorne »Ihn«, S. [423]) zwar
analog, aber doch ganz verschieden sind (vgl. Anthrop. Album, Taf. 20,' Fig. 145, und Kat. M. G.,
S. 411 — 4i3). Ueber diese »Kariuth*s< hat Kubary neuerdings eine ebenso ausführliche als zum Theile
verwirrende») Darstellung gegeben, auf die ich hier verweise (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 212—215). Be-
merkenswerth und auffallend ist es, dass die Frauen auf Nukuor, welche doch sehr schöne Webe-
Stoffe erzeugen, ebenfalls »einen Schurz (,Titi') aus Cocosblättern tragen« (Kubary: Kat. M. G., S. 33$),
während auf den Pelau so nahe liegenden westlichsten Inseln Sonsol und Bunai (St. David) die Frauen-
tracht in einer sehr eigenthümlichen kleinen, aus Pandanus-blsitt geflochtenen Matte besteht, die für
die ganzen Carolinen einzig dasteht (vgl. Kubary, I, S. 91, Taf. XII, Fig. 4).
Wenn sich somit allein schon in der Bekleidung so erhebliche Verschiedenheiten, zum Theile
nach den Geschlechtern, ergeben, so wird dies aufs Neue beweisen, wie dringend selbst für ein so
beschränktes Gebiet als die Carolinen vor Generalisirung zu warnen ist.
1) Aus Versehen heisst es vorne (S. 11 [279], Z. 8 v. u.) »auf Yap von beiden Geschlechtern«.
Vgl. aber auch die Notiz über den »Lit« oder die Männerbekleidung auf Yap S. [424].
2) Anscheinend fast zu gründlich, ergeben sich bei genauer Durchsicht und Vergleichung, ver-
deckt durch eine Fülle eingeborener Namen, nicht selten- Widersprüche und Un Vollständigkeiten, die
ein klares Verständniss zuweilen beeinträchtigen, beim flüchtigen Lesen aber meist unbemerkt bleiben.
Dies zeigt sich z. B. in dem Abschnitt: »Die Pflanzenfaser- und Flechtindustrie« (1. c, S. 209 — 215).
Von 25 mit eingeborenen Namen aufgeführten »Pflanzen, deren Faser und Blätter zur Anwendung
kommen und den Bedarf an Bast zu Fasern, Blättern zum Flechten und Stengeln zum Binden be-
friedigen«, ist im weiteren Texte nur für acht die Verwendung ersichtlich. Ausserdem sind hier aber
sieben weitere Pflanzenstoffe aufgeführt, die im Hauptverzeichniss fehlen, darunter Cocosblatt (»KloUil«),
zwei Arten Pandanus (»Awan = Awang«, Kat. M, G., und »Bunau = Bungau«, Kat. M. G.) u. A. »Honor«
(= »Hangor«, Kat. M. G.) wird sowohl für eine Art Pandanus-^\2M, als für Bromelia notirt, »Grdikes«
(auch »Grdhykes«) als Binsenart, Blätter und Stengel derselben, »Ulalek« als Hibiscus und Mark des
Bananenstammes. Wenn zur ganzen Flechterei Blätter von zwei Arten Pandanus genügen, so setzen
sich aucli die Kariuts nur aus neun verschiedenen Pflanzenstoffen zusammen. Freilich verzeichnet
Kubary 20 in der Zusammensetzung verschiedene Sorten dieses Kleidungsstückes, deren Nomenclatur
aber nur einer Pelauerin verständlich sein dürfte.
i
3^4 Dr. O. Finscb. [59^]
Ponchoartige Mäntel sind ein wichtiges Stück der centralcarolinischen Tracht,
die nach Kubary aber nur für die Männer giltig ist. Dies kann sich jedoch nur auf Mort-
lock beziehen, denn Kubary's eigene Photographien zeigen Rukerinnen mit dem Poncho
bekleidet (Anthrop. Album, Taf. 23, Fig. 510, 511 u. 518), als welche, wie auf Ponape,
auch Taschentücher benützt werden (ib. Taf. 21, Fig. 516). Diese Ponchos bestehen
aus zwei der Länge nach aneinandergenähten Zeugstreifen (Schambinden der Männer),
in deren Mitte ein Schlitz offen gelassen ist zum Durchstecken des Kopfes. Sie heissen
auf Mortlock »Utsch« (>Usz€ = Banane, von Kubary auch tAoS« und »Aos2c ge-
schrieben und wohl identisch mit >OS«, Otsch = Zeug im Allgemeinen), auf Ruk
»Cerem« (Tscherem), mit welchem Namen mir Kubary übrigens auch die gewöhnlichen
Zeugstreifen bezeichnete. Die Länge der Ponchos ist sehr verschieden und reicht auf
Mortlock meist bis über die Kniee (»Senjavin-Reisec, PI. 32) oder selbst »bis auf die
Füsse« (Kittlitz). Auf Ruk werden ganz gleiche Mäntel getragen, aber auch von Män-
nern viel kürzere, die nur bis zum halben Bauche reichen (Anthrop. Album, Taf. 22,
Fig. 52g u. 530) und ganz wie die Mamillen der Frauen von Ponap^ kleiden (vgl. vorne
S. [520]).
Am häufigsten werden einfarbige naturfarbene Zeuge zu Mänteln verwendet, diese
aber gern mit Gelbwurzpulver eingerieben, so dass sie »bald mehr citronen-, bald mehr
orangegelb« aussehen, wie Kittlitz (II, S. 81) bereits von Lukunor erwähnt. Da hier
vorherrschend Zeuge von Hibiscus-F asor vorkommen, so scheint mir Kubary's Notiz,
dass nur Zeuge aus Bananenfaser mit Curcuma verschönert werden, mindestens zweifel-
haft. Uebrigehs gibt es auch Ponchos aus gemusterten Zeugen (vgl. Kat. M. G., S. 359,
Nr. 3494), und hierauf scheint der auf Mortlock »Fi2an« (Fischan) genannte Mantel
Bezug zu haben, über den sich Kubary (I. c, S. 268) allerdings nur sehr unklar aus-
drückt. Einfarbig schwarze, wahrscheinlich schon aus schwarzen Faden gewebte Mäntel
werden nach Kubary nur auf Ruk (hier übrigens von beiden Geschlechtern) getragen
und zuweilen in geschmackvoller Weise mit 5po«rf;^/tt5-Scheibchen verziert wie das
folgende Stück :
Manuton (Nr. 227, i Stück), ponchoartiger Ueberwurf für Männer, besteht
aus zwei mit der Längsseite aneinandergenähten Zeugstreifen aus schwarz gefärbter
Bananenfaser, die somit ein Stück von 1*14 M. Länge und 55 Cm. Breite bilden, in der
Mitte mit einem 3o Cm. langen Längsschlitz; die Ränder dieses Schlitzes sind mit rothen
SpondyluS'Schtihchtn verziert, aus diesem Material ausserdem vorne, von der Basis des
Schlitzes an, eine Längsreihe und mehrere Querriegel aufgenäht. Ruk.
Aehnliche Exemplare mit 5powrf;^/M5 -Verzierungen verzeichnet der Kat. M. G.
(S. 359) von Ruk, sowie einfache gelb gefärbte von daher (S. 36i) und von Mortlock
(S. 3o6). Ein besonders feines Stück^ von Kubary als »Mantel des Grosspriesters von
Sopore auf der Insel Fefan und als Unicumc bezeichnet (jetzt im Berliner Museum), ist
längs dem Schlitz mit drei Reihen SpondylusSchtibch^n verziert, vorne und hinten in
der Mittellinie vom Schlitze aus je mit einer 37 Cm. langen Reihe SpondylusSzhtih-
chen, die von sechs Querriegeln (je zu fünf Scheibchen) durchschnitten werden. Zu
diesem sehr kostbaren Mantel gehören über 800 SpondylusSchtihchtnj dazu noch
meist sehr grosse von 10 Mm. Durchmesser. Wenn sonst meist die Bekleidung mit dem
Schamgurt für Knaben als Zeichen der Volljährigkeit gilt, so ist dies nach Kubary auf
Ruk anders, denn hier erhalten sie erst den Mantel und später die Schambinde.
Mit Ausnahme von Ponap6 scheinen Ponchos in den Carolinen nur auf die cen-
tralen Gruppen Mortlock und Ruk (wahrscheinlich auch die Hall-Inseln) beschränkt
und werden nach Kubary schon auf Uleai nicht mehr getragen. Aber auf der westlichsten
reQ31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. 3c^
Carolineninsel Sonsol tragen die Frauen Ponchos aus feinem Mattengeflecht von Faas-
blättern, ganz ähnlich solchen von Ponap^ (Kubary, I, S. 92, Taf. XII, Fig. 3), die aber
auf dem benachbarten Bunai (St. Davids) fehlen (ib. S. 109).
Kopfbedeckung für Männer sind spitze, unten breite Hüte, in der Form ähnlich
den chinesischen, aus breiten Streifen Pandatius-BlaiXl zusammengeflochten, die aber
nicht auf Ruk vorzukommen scheinen. Ein solcher Hut von Satöan misst 32 Cm. in
der Höhe und 45 in der Breite. Ganz gleiche Hüte tragen die Männer auf Lukunor
(Kittlitz: Denkwrürd., II, S. 89, und »Senjavin-Reise«, PI. 35) und Nukuor, hier (nach
Kubary) aber nur »ausserhalb des Riffs und in der Nachte (?). Die Hüte aus gleichem
Materiale von Yap scheinen eine höhere Spitze zu haben und sind zuvsreilen mit Stück-
chen Schildpatt verziert (vgl. Journ. M. G., Heft II, Taf. 5, Fig. 2). Auch die Bewohner
von Sonsol pflegen am Rande ihrer, in der Form ganz mit den centralcarolinischen
übereinstimmenden, Hüte gern selbstgefertigte Fischhaken aus Draht zu befestigen
(Kubary, I, S. 91, Taf. XII, Fig. 2).
B. Putz und Zieraten.
Ausserordentlich mannigfach an verschiedenartigen Formen gehört der Schmuck
dieses Gebietes zu dem reichsten Mikronesiens, wie vielleicht der Südsee überhaupt.
Für Ruk und Mortlock kommen besonders in Betracht: Haarschmuck (aus Nadeln und
Schmuckbändern), Kämme (zum Theile mit Federschmuck), Kopfbinden, reicher,
massiger Ohrschmuck (sowie Ohrklötze), eine Fülle von Hals- und Brustschmuck, ver-
schiedenartige Armbänder (darunter Spangen von Schildpatt und Iroclius-Ringe) und
ganz besonders kunstvoll gearbeitete Leibgürtel. Von allen diesen Gegenständen des
Schmuckes sind aber im Ganzen nur sehr wenige Formen den Inseln eigenthümlich,
und wie weit Manches im Tausch nach Westen*) gelangt, ist bereits erwähnt worden
(vorne S. [589]).
a) Material.
Am häufigsten und in mannigfacher Weise wird Cocosnussschale verarbeitet, auf
Ruk auch Mangroverinde. Unter den Conchylien sind Scheibchen ans rothen Spondylus
(oder Chamo) am werthvoUsten und kommen in Verbindung mit Cocosnussscheibchen
hauptsächlich in Betracht, seltener dagegen weisse Muschelscheibchen. Im Kat. M. G.
werden auch Schmucksachen aus Melampus luteus und fasciatus aufgeführt, aber
Kubary fand diese Brackwassermuscheln nie verwendet. Armringe aus Trochus niloticus
sind selten, und die wenigen sonst gelegentlich verwendeten Conchylien werden wir
bei den Anhängseln von Ohr- und Brustschmuck kennen lernen. Schildpatt steht wegen
seiner Seltenheit überall hoch im Werth und heisst »wie alle daraus giefertigten Schmuck-
gegenständec »Puo2« oder »Pueö« (sprich Potsch). Federn, und zwar hauptsächlich
vom F*regattvogel (»Assaf«) und wilden oder verwilderten Haushühnern finden nur
zum Ausputz der Tanzkämme (Kubary, Kat. M. G., S. 298) gelegentliche Verwendung.
Bemerkenswerth für die Schmuckstücke der Central-Carolinen ist, dass keinerlei Zähne =)
I) Ganz abweichend und eigenartig ist das Wenige, was sich an Putz noch auf der westlichsten
Insel Sonsol erhalten hat. Der hauptsächlichste Schmuck sind hier Schnüre (»Maan«) in Form von
Halsbändern für beide Geschlechter oder als Gürtel für Mädchen. Diese Schnüre sind aus schmalen
Streifen von PandanusSlAit, meist über einem Strick von Cocosnuss geflochten (Kubary, I, S. 93,
Taf. XII, Fig. 6), zuweilen noch mit Haarschnüren umbunden (ib. Fig. 8), erinnern also am meisten
an gewisse Arbeiten der MarshalUInsulaner (vorne S. [424]).
3) Auf Yap haben dagegen Zähne vom Spermwal (»Medhop«) und Delphin (»Mosos«) einen
hohen Wcrth (Kubary, I, S. 3) und werden gelegentlich zur Verzierung von 5jPowrf>^/MS- Halsbändern
356 Dr. O. Finsch. [594]
als Material benutzt werden. Als bezeichnend kann dagegen der absichtliche oder un-
absichtliche Anstrich mit Gelbwurzpulver gelten, welcher mehr oder minder fast allen
centralcarolinischen Putzsachen anhaftet, schon in Folge des Tragens auf dem gelb-
bemalten Leibe.
Blumen und Blätter, als häufiger und gewöhnlichster Schmuck fast überall beliebt,
werden von Kittlitz für Lukunor, von Kubary für Mortlock aber nicht erwähnt. Da-
gegen sagt der Letztere: »Auf Ruk wird die Vorliebe für Blumenkränze vermisst. Die
wohlriechende Blüthe des ,Cour* ist nur spärlich vorhanden, und selten bemerkt man,
dass eine Art Krone aus derselben verfertigt wird. Gleichfalls sieht man zuweilen Ula-
artig aufgereihte Blüthen des auf Pelau ,Gemrert' genannten Baumes, der über die Brust
herabhängend als Halsband, jedoch nur von jungen Leuten und auch dann nur zufallig
getragen wird« (»Ethnol. Beitr.«, 1, S. 72, Note).
C0C08nu888Chale (»Tschäk«, C^k: Ruk, »Sak«: Mortlock) ist, wie erwähnt, das
häufigste Material zu Schmucksachen und deutet bei solchen vorzugsweise, wenn auch
nicht ausschliessend die centralcarolinische Herkunft an. So haben wir bereits in den
Gilbert-Inseln Scheibchen aus Cocosnuss (Taf. 24, Fig. i — 4^) kennen gelernt, die sehr
übereinstimmen mit gewissen Sorten von Ruk und Mortlock, aber die der letzteren
Inseln sind weit mannigfacher und bestehen nicht nur in flachen Scheibchen, sondern
auch in Perlen und Ringen von verschiedener Grösse, bis zur Weite eines Fingerringes.
Ueber die Anfertigung gibt Kubary (»Mortlock«, S. 270) folgende Notiz: »Als gewöhn-
lichstes Material für Halsbänder und Leibgürtel dient die Schale einer reifen Cocosnuss.
Dieselbe wird in kleine Stücke zerschlagen, so durchbohrt, aufgezogen und dann ge-
schliffen. Die so erhaltenen Perlen heissen ,sak^ und werden aus denselben die ver-
schiedensten Schmuckgegenstände zusammengesetzt. Das Durchbohren der ,Sak^ für
die Frauengürtel ist ebenfalls eine Specialität der Etalinsulaner; gewöhnliche ,Sak*-
Perlen verstehen auch die Einwohner von Tä und Satöan zu machen. Das Schleifen
derselben liegt den Frauen ob, während die Männer*) sie bohren und zu den verschie-
denen Schmuckgegenständen zusammenreihen.« An anderer Stelle wird hinzugefügt:
»Das Poliren der Ringe geschieht (auf Ruk) mittelst eines Seeschwammes im frischen
Zustande« (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 68, Note). Da die Schalendicke einer
normalen reifen Cocosnuss nur circa 3 Mm. beträgt, so ist es begreiflich, dass sich
aus solchen nur dünndre Scheibchen und Plättchen (wie Fig. 5, Taf. 24), kaum
aber Perlen (wie Fig. 6) herstellen lassen. Die grösseren Ringe sind daher aus einer
besonderen Art verkümmerter kernloser Cocosnüsse gearbeitet, welche im Wachsthum
zurückblieben und gemeinschaftlich mit normalen an einem Fruchtbündel wachsen.
Wie mir Kubary sagte, sind solche verkrüppelte Nüsse sehr häufig in den Central-
Carolinen und heissen auf Ruk »Lösil« (von Kubary auch »Lotil« und »Lolyl« ge-
schrieben).
benutzt (vgl. Journ. M. G., Heft II, Taf. IV, Fig. 5, Taf. 5, Fig. 2, und Taf. 6: stehende Figur, Kai.
M. G., S. 396, Nr. 463), die aber »nie als persönlicher Schmuck getragen werden, sondern nur zur
Vervollständigung des geschätztesten einheimischen Geldes, des Ghau*s (roher Muschelscheibcben),
dienenc (Kubary, ib. S. 72, Note). Im Uebrigen verzeichnet der Kat. M. G. nur noch einen Hals-
schmuck, in welchem »kleine Cachelotzähne« verwendet sind, und zwar angeblich (?) von Uleai
(S. 384, Nr. 123). »Walrosszähne«, welche Hernsheim für Yap anführt, sind »Spermwalzähnc« (vgl.
S. [443], Note),
I) Auch von Ruk bemerkt Kubary ausdrücklich, das« ScbgH|||Hf|Ml nur von Minnern ver-
fertigt werden (»Ethnol. Beitr.c, I, S. 46, Note).
rege] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 357
Die beigegebene Figur (Nr. 60 in »/j der natürl Grösse) überhebt mich einer
näheren Beschreibung, wobei nur bemerkt sein mag, dass Form und Grösse nicht un-
erheblich variiren. Aus Querschnitten solcher Cocosnüsse') werden nun die kleineren
und grossen Ringe (Fig. 12 a) gemacht, wie und
mit welchen Werkzeugen wird leider von Kubary
nicht gesagt. Nach Kubary werden Cocosscheib-
eben und Ringe besonders auf den »Koralleninseln«
(d. h. Mortlock) verfertigt, dagegen weniger auf
Ruk, wo man vorzugsweise ein anderes Material
verwendet, nämlich »2ia« (Tschia), d. h. die Rinde „ , ! 1 /-
' / \ Verkrüppelte Cocosnuss.
des gleichnamigen Baumes (emcr Mangroveart). ^^^^^.^, ^^ ^^^^^^^
»An den aufgetrockneten Stellen dieses Baumes
löst sich die Rinde in kleinen und dünnen Lagen ab, die zerstückelt und mittelst eines
Haifischzahnes gebohrt, dann aufgereiht, mit einer Koralle abgeschliffen und endlich
mit dem ,Milivi*-Schwamme polirt werden« (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 69). Wenn hinzu-
gefügt wird: »dies ist das ruk'sche Material für sämmtliche Schmuckgegenstände, die
sich dafür eignen, nämlich Ohrgehänge, Armbänder und Gürtel«, so ist dies bei Weitem
nicht in allen Fällen richtig. Die Vergleichung einer Reihe von Schmucksachen über-
zeugte mich, dass häufig an ein und demselben Gegenstande beide Materialien verwendet
sind. Eine prompte Unterscheidung von Cocosnuss- und Rindenscheibchen ist (obwohl
die letzteren nicht so hart sind) überdies nicht so leicht, zumal bei schon fertigen und
getragenen Schmucksachen. Aus diesem Grunde wird es sich empfehlen, im Nach-
folgenden auf »2ia«-Scheibchen nicht weiter einzugehen, sondern diese Rindenscheib-
chen collectiv unter »Tschäck« (Sak), d.h. Schmuckmaterial aus Cocosnuss, zu belassen,
wovon Taf. VII [24] die hauptsächlichsten Typen darstellt, zwischen denen übrigens
vermittelnde Uebergangsformen vorkommen.
Typus a\ Scheibchen oder Plättchen (Fig. 5) der kleinsten Sorte, circa
4 Mm. im Durchmesser, von denen circa 35 aufgereihte Stücke 3 Cm. messen, so dass
ein einzelnes Scheibchen kaum i Mm. dick ist. Nur diese Sorte bezieht sich eventueJl
auch auf 2ia-Scheibchen (aus Rinde).
Typus b', Perlen (Fig. 6), circa 5 Mm. im Durchmesser und circa 3 Mm. dick;
der Aussenrand meist polirt, abgerundet, zuweilen kantig abgesetzt.
Typus c\ Kleine Ringe (Fig. 7 — 11) von 5 — 13 Mm. Durchmesser und circa
3 — 5 Mm. Breite (a). Die Bohrlöcher (2 — 8 Mm.) sind weiter als bei den Perlen, was
namentlich bei den grösseren Nummern (9 — 11) hervortritt; meist aussen polirt.
Typus d\ Grössere Ringe (Fig. 12) von 18 — 25 Mm. Durchmesser, 2— 4 Mm.
Schalendicke und 5 — 8 Mm. Breite; am Aussenrande meist hübsch polirt und, wie fast
alle diese Ringe, von schwarzer Farbe. Indess kommen auch Ringe und Perlen von
hellerer oder dunklerer rothbrauner Färbung vor (Fig. i3 und Taf. 25, Fig. 19), die
nach Kubary von nicht ganz reifen Nüssen herstammen.
Alle die vorhergehend beschriebenen Ringe und Perlen werden aufgereiht, am
häufigsten aber mittelst feinem Faden aufgeflochten. Verschieden davon ist:
Typus e\ Durchschnittene Ringe (Fig. 7.0a), Ringe (wie Fig. 9— 11 und
grösser) sind durchgeschnitten, so dass sie ineinandergehakt zu Ketten verbunden wer-
den können.
I) Im Journ. M. C, Heft 11, S. 17, wird dieses Material irrthümlich als »Frucht der Areca- oder
Bungftp^' Inuss) bezeichnet.
358 Dr. O. Finsch. [356]
Die Industrie von Schmuckmaterial aus Cocosnussschale wird allerdings auf den
centralen Inselgruppen Ruk und Mortlock am schwunghaftesten und in den verschie-
densten Formen betrieben, ist aber auch auf anderen Carolinen inseln bekannt, z. B.
Pelau, wo Scheibchen aus Cocosnuss »Kalius« heissen.
Spondylusschale, »Föurup«*) auf Ruk, »Feylan« (oder »Feylam«) auf Mortlock,
bildet das werthvollste Schmuckmaterial. Die specilische Bestimmung der Muschel fehlt
zur Zeit noch, und die Annahme, dass es ein Spondylus sei, ist keineswegs ganz sicher,
denn jedenfalls wird, wie auf den Marshall- Inseln (s. S. [426]), auch Chatna pacifica
verarbeitet, und zwar zu
Assang (Nr. 476, 2 Stück), Muschelscheibchen (Taf. VIII [25], Fig. 2 — 5), in den
gebräuchlichsten Grössen von Ruk. Diese Scheibchen sind meist sehr sauber geschliffen
und wechseln in der Grösse von circa 5 — 10 Mm., in der Dicke von kaum 2 — 4 Mm.
Die Dicke ist übrigens unabhängig von der Grösse, manche kleine Scheibchen sind ver-
hältnissmässig sehr dick, während grosse zuweilen sehr dünn sind. Scheibchen von der
Grösse gewisser prähistorischen von Ponap6 (z. B. Fig. 7, Taf. 25) sind mir aus den
Central-Carolinen nicht vorgekommen, aber an der Identität der antiken und modernen
Scheibchen kann gar kein Zweifel sein. Durchaus übereinstimmend sind auch die » Aaht<-
Scheibchen von den Marshall-Inseln (Fig. i a) und solche von der Ostspitze Neu-Guineas.
Das hier (Fig. 6) vergleichungshalber abgebildete Stück von Normanby-Insel der
d*£ntrecasteaux- Gruppe zeichnet sich durch weit dunklere, fast purpurrothe Färbung
aus, die namentlich an ganzen Ketten sehr distinct hervortritt. Wahrscheinlich sind diese
Scheibchen aus einer besonderen SpondylusSpecics verfertigt. Doch mag bemerkt sein,
dass die Färbung sehr variirt und manche Scheibchen von Neu-Guinea sehr blass, ja
zuweilen ganz so licht orangeroth als mikronesische sind.
lieber die Anfertigung dieser »Assong«- Scheibchen sagt Kubary (der auch
»Asson« schreibt) nur: »Die Spondylus-Schiile (,Feylam*) wird zu kleinen runden, in
der Mitte durchbohrten Scheibchen geschlififen und dieselben auf Fäden gezogen« (Mort-
lock, S. 270). Nicht minder unbefriedigend und zum Theil widersprechend sind die
Mittheilungen bezüglich der Verbreitung. In den »Ethnol. Beitr.« (I, S. 70) heisst es
nämlich, »dass Asson auf den Central-Carolinen von Uleai bis Mortlock (mit Ausnahme
von Nukuor^) und Pikiram) zur Herstellung von Schmuckstücken noch heute an-
gewendet und verfertigt« werden, aber auch »dass der Sitz dieser Industrie auf den
Mortlock-Inseln die Etal-Lagune, auf Ruk die Insel Udot« sind. Nach einer Note (auf
S. 71) beschränkt sich die Anfertigung der Muschelscheibchen sogar nur auf die beiden
genannten Inseln, welche die benachbarten Gruppen damit versorgen, doch würden
auch die Bewohner von Namoluk die,Fabrication betreiben (S. 76). Kubary weiss
nicht, ob die Bewohner der westlichen Inseln, z. B. Uleai, Spondylus 'Sch&ibchcn zu
verfertigen verstehen. Wir erfahren aber zugleich auch, dass die Eingeborenen der
Insel Poloat 5/70W((;^/w5- Scheibchen von Ruk nach Uleai verhandeln, von wo aus dieser
beliebte Schmuck zuweilen nach Yap und selbst Pelau gelangt, auf letzterer Insel aber
1) An a. O. schreibt Kubary, wie fast stets schwankend in der Orthographie eingeborener Namen,
»Fouruk« und bezeichnet damit »lose Asso-Scheibchen«, also nicht blos das Rohmaterial. Die fertigen
Halsbänder heissen auch »Asson«.
2) Trotzdem wird in einer Note auf S. 72 gesagt: »Den Nukuorern sind die Spondylus-
Schmuckgegenstftnde auch nicht fremd« etc. Aber die, welche der Kat. M. G. (S. 336) von hier ver-
zeichnet, sind zweifellos marsh allanischen Ursprunges (vgl. vorne S. [436]) und die nähere Verwandt-
schaft derselben mit Schmuck von Ponapd, welche Kubary herausfinden möchte, eine durchaus
verfehlte Annahme.
[5971 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3eQ
>nie als Schmuck gebraucht wird«. Von Uleai verzeichnet übrigens der Kat. M. G.
(S. 390) das Bruchstück einer Spondylus-SchalQ^ »aus welcher die rothen Muschel-
platten verfertigt werden«. Darnach wäre also kein Zweifel, allein die Localitätsangaben
in diesem Werke sind nicht immer zuverlässig. Ich erhielt übrigens Spondylus-Schcib-
chen auch von der Insel Faraulap (nordöstlich von Uleai), wahrscheinlich auch im
Tauschverkehr nach hier verschlagen.
Weisse Muschelscheibchen, aus einer noch unbekannten Muschel geschliffen,
kommen als Schmuckmaterial hauptsächlich in Gürteln (Taf. 25, Fig. 23 u. 24) vor,
sowie zu Halsketten aufgereiht. Nach einer flüchtigen Notiz bei Kubary scheinen diese
Muschelscheibchen oder Perlen nur auf Etal der MortlockGruppe verfertigt und von
hier nach Ruk verhandelt zu werden (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 70). Aber auch von den
rothen Spondylus-Schtibchen sagt Kubary: »Assong ist Specialität der Insulaner von
Etal« (»Mortlock«, S. 270).
Glasperlen (»Asöpol« auf Mortlock) waren im Schmuck der Central-Carolinen
nur untergeordnet von Bedeutung, dürften aber seither vielleicht mehr in Aufnahme
gekommen sein.
(Zu 5/707t^^/2i5-Scheibchen der westlichen Carolinen.) Wenn Kubary »geneigte ist,
die in den Ruinen auf Ponap^ gefundenen .S^on^/115-Scheibchen für identisch mit den noch heute
auf den Central-Carolinen verfertigten zu halten, so kann darüber Oberhaupt kein Zweifel herrschen
(vgl. vorne S. [522]). Weniger klar ist dies in Bezug auf die rothen Muschelscheibchen von Yap und
Pelau, über die sich Kubary nicht mit der nöthigen Präcision und zum Theil widersprechend äussert.
Dass die »Gau«, wie diese Scheibchen auf Yap heissen, nicht aus »der rothen Muschelsubstanz
der Schalenöffnung von Cassidea rufa* (Journ. M. G., II, iSyS, S. 17) bestehen, ist bereits im Kat.
xM. G. (S. 395, Nr. 465) klargestellt worden. Dennoch sagt Kubary (»Ethnol. Beitr.«, I, 1889, S. 71): »Die
yap^schenj rothen Muschelstücke sind entweder aus der Schale der Cassis rufa geschliffen, oder sie
stammen von den östlichen oder westlichen Inseln her« (?), ausserdem aber auch (ib. S. 3): »Als das
grösste Werthstück unter dem Geld der Yaper gilt der ,GauS in dem ich nur die Muschelscheibchen
der alten Chamorros und die ursprüngliche Form des centralcarolinischen Asson sehen kann. Dieser
,(jau' besteht aus 5/707t^/u5-Scheibchen von circa 3 Mm. Dicke und i Cm. Diameter, die in der
Mitte durchbohrt und auf Strange gezogen, mittelst Schleifen sehr roh abgerundet sind. Dieses Geld
ist nicht hier entstanden (?) und stammt aus dem Osten oder Norden (?) ; es wird als das älteste Geld
betrachtet, ist unveräusserbar und wird durch die Häuptlinge der grossen Länder (?) verwahrt; es
erscheint nur in äusserster Kriegsgefahr und ist seine Wirkung dann entscheidend« (!). Auch Miklucho-
Maday bemerkt, dass das »Gau-Geld« nur für Häuptlinge bestimmt ist. Darnach dürfte eine frühere
Angabe Kubary *s, »dass Halsbänder aus rothen Muschelscheiben von allen Männern vielfach getragen
werden«, wohl irrig sein. Aber nach anderen Nachrichten Kubary's kaufen die »schmucksüchtigen
Einwohner von Yap, die nach Pelau kommen, um Arragonitgeld zu hauen, die Khaus (Gürtel aus
rothen Muschelscheibchen) sehr eifrig auf, um sie als höchst schätzbare Halsbänder zu tragen« (»Ethnol.
Beitr.«, II, S. 187) und handeln dieses Material »vorzüglich von den östlichen Nachbarn über Uleai
und Mackenzie-Inseln ein«, denn »seit Urzeiten im Verkehr mit den östlichen Nachbarn, zeigen die
Yaper ebenfalls eine gewisse Vorliebe für Halsbänder« (ib. S. 72, Note). Darnach scheinen noch heute
aus eingetauschten Muschelscheibchen Halsbänder verfertigt und getragen zu werden. Solche moderne
Halsbänder bestehen aus ein- und zweireihigen Schnüren aufgereihter Nuss- und SpondyluS'ScYitib-
chen, die in gewissen Zwischenräumen durch eine grössere weisse Muschelscheibe laufen. Typen
solcher Halsbänder sind Kat. M. G., S. 414, Nr. i37 u. 140, und Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 8
(und wahrscheinlich auch Fig. 10) dargestellt, aber irrthümlich mit »Pelau« bezeichnet. Ganz ab-
weichend davon scheinen die »vordem gern auf eigene Weise zubereiteten Halsbänder« aus wohl
selbst geschliffenen rothen Muschelscheibchen, »dem geschätztesten einheimischen Gelde ,Ghau',« die
gern mit Sperm walz ahnen besonders verziert wurden. Ein solches Halsband stellt Fig. 5, Taf. IV in
Heft II des Journ. M. G. dar (ebenso Kat. M. G., S. 396, Nr. 463). Solche Halsbänder wurden aber
»niemals als persönlicher Schmuck getragen« (Kubary, ib. S. 72, Note).
Aus einem ganz anderen Muschelmaterial waren die kostbaren Frauengürtel (»Kau«) von Pelau
verfertigt. Sie sind nicht aus der Schale einer Spondvlus-Art geschliffen, sondern »aus der ,Bliniey'
genannten Muschel, die, in tieferem Wasser, nur an der Küste von Arakolon zu finden und deren
Aonaleu des k. k. naturhibtorischeu HotmuNCums, bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 25
36o ör O. Finsch. [598]
Schlosstheil im vorgerückten Alter lebhaft roth gefärbt ist«. Kubary machte extra wegen dieser
Muschel einen Ausflug nach dem Norden und erlangte zwei Exemplare dieser Muschel. »Sie waren
noch jung, circa 29 Cm. lang (alt bis 50) und vom Schlosse nur der äussere Theil gefärbt. Die mir
sonst von keiner Insel der Carolinen bekannte Muschel gehört zu den Tridacnae und nähert sich be-
sonders dem Genus Hippopus«^ (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 186). Leider bleibt damit die so wünschens-
werthe Artbestimmung durchaus unklar. Auch über die Verfertigung selbst erhalten wir nur unbe-
friedigende Auskunft. »Ein jedes Stück (Scheibchen) muss einzeln aus dem rothgefarbten Schlosstheilc
einer Muschel ausgebrochen, dann ohne Werkzeuge (?) geschliffen und in der Mitte durchbohrt werden.
Zu einem Khau oder Frauengürtel gehören über 150 — 200 fein polirte Stücke« (Journ. M. G., Heft IV,
S. 60). Und »ein gewöhnlicher Doppelgurt (eines ,Khau' oder Frauengürtel) zählt circa 850 einzelne
Stocke, die mit der Hand geschliffen und einzeln mit Feuerstein, einer einheimischen Art Chaicedon.
gebohrt werden müssen; zur Vollendung eines einzigen Gurtes werden manchmal Jahre gebraucht.
Gewöhnlich liefert eine Muschel nur zwei grosse Stücke, und das ganze Werk erfordert bis 100 Paar
Schalen. Betreffs Bearbeitung der Bliniey-Schale mag bemerkt werden, dass der Arbeiter von dem
Schlosse das Band mittelst eines Messers, unter Anwendung glühender Kohle, ablöste und den ge-
färbten Theil der Schale abschlug, um das Stück auf dem gewöhnlichen basaltischen Gesteine so
lange zu schleifen, bis die gewünschte Gestalt erreicht wurde. Das Poliren war ihm unbekannt, und
um solches zu bezwecken, wurden die geschliffenen Stücke während langer Zeit in strudelnde Stellen
der Bäche gelegt und hier infolge fortgesetzter Berührung glattgerieben« (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 186,
187). Das Letztere klingt mindestens recht unwahrscheinlich, und überhaupt scheint Kubary die Be-
arbeitung gar nicht gesehen zu haben, denn er sagt (ib.): »heute ist diese nur in Kolekl einstmals
betriebene Industrie nicht nur ausgestorben, aber auch die Sitte, den Khau zu tragen, ist- vernach-
lässigt«, indem die Pelauer ihre Khaus an die Yaper verkaufen. Sehr richtig fügt Kubary hinzu, dass
»wie bei den meisten Inselvölkern die Berührung mit der Civilisation keinen Fortschritt im Cultur-
zustande hervorbringt. So haben z. B. Kolekl- Leute ihre Industrie (des Muschelscheibchen-Schleifens)
gänzlich aufgegeben, obwohl der Handel ihnen gute Schleifsteine und eiserne Geräthschaften in Menge
liefert, mit welchen sie ihre einstmals sehr mühselige Arbeit heute ganz leicht erledigen könnten« (ib.
S. 187). Auf den westlichsten Carolinen-Inseln Sonsol und Bunai (St. David) beobachtete Kubary keine
5/yon^/ii5-Scheibchen (auch keine solchen aus Cocosnuss), die somit für den ganzen Archipel bald
der Vergangenheit angehören werden.
b) Hautverzierungen.
Bemalen, ausschliessead mit gelber Farbe (Curciima), ist zwar nicht eine specifisch
carolinische Sitte (vgl. S. [284] u. [445]), wird aber nirgends so leidenschaftlich betrieben
als gerade hier und spielt im Leben der diesen Archipel bewohnenden Stämme eine
hervorragende Rolle. Da mit wenigen Ausnahmen die niedrigen Coralleninseln*) keine
Gelbwurz erzeugen, so beschränkt sich diese Cultur vorherrschend auf die hohen Inseln.
In unserem Gebiete ist die Ruk-Gruppe das Hauptcentrum, infolge dessen das Producl
selbst das wichtigste und begehrteste Tauschmittel im Verkehr mit den Nachbarinseln
bildet, dessen Bedeutung bereits (vorne S. [589]) genügend hervorgehoben wurde.
Ueber den Anbau der Gelbwurzpflanze (»Eon«) und die Bereitung des daraus
gewonnenen Pulvers, des berühmten »Taik« (»Teyk«: Kubary), macht Kubary ausführ-
liche, aber nicht zusammenhängende Mittheilungen (»Ethnol. Beitr.«, Heft I). Beach-
tenswerth ist zunächst, dass Beides durch die Männer^) geschieht, und dass dabei keinerlei
»religiöse Vorsicht« wie auf Pelau (II, S. 164) und Nukuor erwähnt wird. Der Anbau
1) Auf Atollen wird nur auf Nukuor und Sonsol Gelbwurz angebaut (hier »Hoklu« genannt);
Bunai (St. David) producirt keine, aber das Pulver ist sehr begehrt. Dabei mag erinnert sein, dass
man auf Kuschai überhaupt keine Gelbwurz kannte (vorne S. [483]).
3) Dies ist insoferne interessant, als auf Pelau [und Nukuor gerade Frauen für Gelbwurz zu
sorgen haben. Anbau der PBanze (»Kosol«) und Bereitung des Pulvers (»Reng«) auf Pelau, nur zum
eigenen Bedarf, beschreibt Kubary (»Ethnol. Beitr.«, 11, S. 164) und ausführlicher von Nukuor (Kat.
M. G., S. 348). Hier geschieht die Bereitung des »Lena« genannten Pulvers »unter Beachtung ver-
schiedener althergebrachter Vorschriften, in besonderen öffentlichen Gebäuden«, wobei eine Priesterin
den Gottheiten Opfer bringt (!).
r599l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 36 1
der Pflanze wird sehr sorgfältig betrieben und liefert im Jahre eine Ernte. Die Be-
reitung des Pulvers geschieht fast ganz so wie auf Pelau (II, S. 164 u. 208) und Nukuor.
Wie dort zerreibt man die abgewaschenen und abgekratzten Knollen auf einer Koralle
mit rauher Oberfläche und lässt die Masse Qber Nacht in grossen Holzgefässen (s. vorne
S. [577]) wässern. »Der dann erlangte Bodensatz wird in Formen gepackt, getrocknet,
mit loser Musa-Fastr umgeben und ist, in Hibiscus-Basl eingebunden, fertig für den
Handel« (Kubary, 1, S. 75). Dabei vergisst Kubary, wie so häufig, etwas, nämlich die
Siebe, *) welche zur Bereitung des Gelbwurzpulvers weiter vorne (S. 56) von ihm von
Ruk erwähnt werden. Freilich hat er diese Siebe selbst nicht gesehen (S. 57, Note), er-
klärt aber dennoch die im Kat. M. G. (S. 379) als von »Ruk« beschriebenen für solche
von Nukuor.
Nach derjForm der getrockneten Taikklumpen wird der Artikel verschieden be-
nannt. Am häufigsten ist die folgende Sorte in zuckerhutförmiger Gestalt, welche nach
Kubary »das eigentliche ruk*sche Kleingeld« bildet.
Tschäk (»C^k«, Nr. 625, i Stück); gelbe Farbe (Taik), aus pulverisirter Curcuma-
Wurzel bereitet, welche als harte Masse das länglich-spitze, zuckerhutförmige Ende
(circa 12 Cm. lang und 50 Mm. Diameter) einer Cocosnussschale (»Tschäk« genannt)
ausfüllt. Ruk.
Solche Klumpen, auch ohne die Cocosschale in Blätter gepackt, sind der gang-
barste Handelsartikel, von denen Kubary einige Werthe im Austausch mit anderen ein-
geborenen Waaren mittheilt (S. 76 u. 77), aber an anderer Stelle erfahren wir, dass auf
Pelau eine solche Cocosnussschale voll Gelbwurzpulver circa 2 Dollars kostet. Andere
Verpackungsarten und Formen in halbdurchschnittenen Cocosschalen und circa zwei
Pfund enthaltend, heissen auf Ruk »Per«, in Bambusröhren geformte walzenförmige
Stücke j>Puauu«. Auf Nukuor wird Gelbwurzpulver, um dies beiläufig zu erwähnen,
gewöhnlich in Bananenblätter eingehüllt, auf Pelau auch in Flaschenform getrocknet
(Kat. M. G., S. 429, Nr. 3462: 7 Kilo schwer).
Gelbwurzpulver ist auf Ruk wie Mortlock (das seinen Bedarf von dort bezieht)
nicht allein die Festfarbe für Lebende (wie Todte s. vorne S. [556]), sondern dient nach
Kubary auch praktischen Zwecken. »Ausser der stimulirenden Wirkung auf den oder
vermittelst des Geruchsinnes, durch seinen stark aromatischen Duft (NB. für Europäer
übrigens ein widerwärtiger), ist das Pulver ein linderndes Mittel gegen Jucken der Haut
(infolge Fliegen- oder Muskitostichen, Schmutz oder Taroschlamm), erweckt deshalb
ein Gefühl des Behagens und wird infolge dieser lindernden Eigenschaften auch bei ver-
schiedenen Geschwüren und Z.w/?w5-Krankheiten benutzt« (1. c, S. 74 u. 75, Note), ob
mit Erfolg lässt Kubary freilich unerwähnt. Wenn Kubary an a. O. anführt, dass durch
das Einschmieren des Körpers mit Oel und Gelbwurz eine Kruste entsteht, die »oft
wochenlang nicht abgewaschen wird«, so kann eine solche immerhin gegen Muskito-
stiche sich schützend erweisen. Kubary hält daher nicht »Schmucksucht« für das leitende
Motiv bei Benutzung des Pulvers seitens der Eingeborenen, sondern die »ausserordent-
lich wohlthätige Wirkung auf das Wohlbefinden«, worüber er aus eigener Erfahrung
sprechen kann. »Ein einmaliges Einreiben mit dem Pulver, das nach einigen Stunden
wieder abgewaschen wurde, wandte alle üblen Folgen von Muskitostichen ab.« Aber
dieses Abwaschen ist nicht so leicht, wie ich aus eigener Erfahrung hinzufügen kann,
da der Farbestoff von Curcuma sehr fest haftet.
i) Von Pelau sind solche abgebildet: »Ethnol. Beitr.«, II, Taf. XXVIII, Kig. 14.
25^
362 Dr. O. Finsch. [6oo]
Wie es auch immer mit den heilkräftigen Eigenschaften sein mag, ohne Zweifel
wird das Gelbwurzpulver in erster Linie als Körperschmuck angewendet, den sich die
Meisten nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten gönnen können und der unter
Anderem auch auf Sonsol (wo nach Kubary Muskitos fehlen) »der werth vollste Gegen-
stand des Schmuckes ist« (I, S. gS). Auf Mortlock, wo »Taik« viel theurer ist als auf
Ruk, wird daher auch viel sparsamer damit umgegangen. Auf Lukunor reiben sich die
Männer nur das Gesicht ganz oder theilweise damit ein, »eine Schminke der seltsamsten
Art'< (Kittlitz, 2, S. 81), ja Häuptlinge färben meist nur die Handfläche gelb (Lütkel
Nach dem letzteren Berichterstatter gebrauchen auf Uleai die Männer gar kein Gelb-
wurzpulver, aber »Frauen desto mehr« (»Voyage«, II, S. 145).
Bei der innigen, Jahrhunderte alten Liebe der Eingeborenen zu Taik ist der
»Kampf« der Mission gegen letzteres jedenfalls ungleich schwieriger als der gegen
»langes Haar und Tabakrauchen«, worüber die Missionsberichte oft bittere (ob be-
rechtigte?) Klagen führen. Bequemen sich die Eingeborenen auch ziemlich leicht, sich
scheeren zu lassen, und fröhnen sie nur verstohlen dem Laster des Rauchens, so sind
sie doch umsomehr obstinat, »um Jesu willen die abscheuliche ,Taik-Sitte* aufzugeben«,
ur\d es wird wohl noch lange dauern, ehe die Mission vollständig gesiegt hat. Ob die
Eingeborenen dann bessere Christen sein werden steht freilich dahin.
Tätowirung ist mir von Ruk und Mortlock nicht aus eigener Anschauung bekannt
geworden; ich kann daher nur auf die Nachrichten Anderer zurückgreifen. Nach Doane
ist die Tätowirung von Ruk und Satöan (sowie der kleinen Inseln Nema, Losop und
Namoluk) ganz gleich und sehr einfach (»Arme von der Schuller bis zum Ellbogen,
gelegentlich ein gebogenes Querband über die Brust«). Kubary bestätigt dies und gibt
zugleich eine ausführliche Darstellung der Tätowiriing von Satöan mit den zum besseren
Verständniss unentbehrlichen Abbildungen (L c, S. 287, Fig. a, b\ S. 238, Fig. r, und
S. 239, Fig. d\ »Frauen von Mortlock«; fast übereinstimmend in »Tatowiren« S. 85:
»Frauen der Mortlock- und Ruk-Inseln«; ib. S. 84: »Männer der Mortlock- und Ruk-
Inseln«; ziemlich abweichend: Journ. M. G., Heft VIII, S. 135, Fig. 9: Mortlock). Nach
Kubarv »brachten die Mortlocker die Sitte des Tätowirens einst von Ruk mit, ver-
nachlässigten sie aber, und habe ich keinen vollständig tätowirten Eingeborenen
gesehen; viele Eingeborene sind gar nicht tätowirt«, wie dies beiläufig meist der Fall
ist. Ausserdem erfahren wir noch, dass die Frauen sehr selten tätowirt sind und dass
sich Mortlocker zuweilen auf Ruk tatowiren lassen. Wenn Kubary (1. c, S. 238)
sagt: »Die ruk'sche Tätowirung (,Makan*0 = Zeichnen) der Brust und des Bauches
haben die Mortlock-Männer nicht«, so steht dies mit späteren Angaben im Wider-
spruch.
Wie erwähnt, ist die Tätowirung von Ruk und Mortlock im Ganzen keine reiche
und beschränkt sich auf Oberarm, Oberschenkel, Bauchmitte, den unteren Theil des
Rückens (hier zuweilen bei Frauen bis auf das Gesäss herab); Männer haben ausserdem
zuweilen ein Querband über Brust und Schultern; im Uebrigen sind beide Geschlechter
gleich tätowirt, nur die Patterne verschieden. Sie setzen sich übrigens aus geraden
Längs- und Querlinien zusammen. Es verdient bemerkt zu werden, dass die Frauen
von Ruk und Mortlock den Mons veneris nicht tatowiren. Im Gegensatze damit be-
merkt Lütke von Lukunor, »es wurde uns gesagt, dass sich die Frauen sehr geschmack-
voll tatowiren an den Theilen, die vom Toll (Schamschurz) bedeckt werden« (»Voyage«,
II, S. 69), was aber auch auf einem Missverständniss beruhen kann.
») Kubary: »Kthnol. Beitr.«, I, S. S$, spater (ib. S. 66) dasselbe Wort für »Kamm«.
[6oil Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsec. 363
Der Typus der Tätowirung von Ruk und Mortlock steht in seinen charakteristi-
schen Eigenthümlichkeiten ganz isolirt und hat vollends keine Beziehungen zu den auf
den Marshalls und Gilberts herrschenden Typen, aus denen Kubary (1. c, S. 96) gern
eine Verwandtschaft und Abstammung herleiten möchte. Tätowiren wird auch auf
diesen centralcarolinischen Inseln »blos als Schmuck betrachtet ohne irgend welchen
religiösen Sinn« (Kubary).
Da Kubary Lukunor nicht besuchte und seine Mittheilungen über Mortlock sich
nur auf das Atoll Satoan beziehen, so sind wir bezüglich der Tätowirung VOR Lukunor
nur auf die älteren Nachrichten von Kittlitz und Lütke angewiesen. Obwohl dieselben im
Ganzen recht spärlich sind, so ergeben sich bei genauer Vergleichung (namentlich der Ab-
bildungen) unerwartetervveise doch so erhebliche Abweichungen, dass man die Tätowi-
rung von Lukunor nicht mit der des benachbarten Satöan zusammenwerfen darf und vor-
läufig als besonderen Typus betrachten muss. Dies geschieht selbstverständlich unter der
Voraussetzung der unbedenklichsten Zuverlässigkeit, wie sie ja bei diesen Reisenden kaum
zu bezweifeln ist. »Auch hier (Lukunor) sahen wir eine der dortigen (Kuschai) ähnliche
Tätuirung, freilich in mehr abwechselnden Mustern und bei einzelnen Personen auch auf
einen Theil der Brust ausgedehnt; das Gesicht wird stets damit verschont,« ist Alles, was
Kittlitz (II, S. 81) über die Hautzeichnung auf Lukunor sagt. Und etwas ausführlicher
fügt Lütke hinzu: »Beine und Brust sind mit langen geraden Linien bedeckt, welche
ersteren das Ansehen von Strümpfen geben« (»Voyage«, II, S. 68). Diese letztere Eigen-
thümlichkeit ist auf den Männerfiguren der Taf. 32 des Atlas der »Senjavin-Reise« an-
gedeutet, welche die Beine vom Knie bis zu den Knöcheln, ausserdem aber auch die
Unterarme mit Längsreihen schmaler Querstriche bedeckt zeigen. Dies würde als cha-
rakteristisch und typisch zd betrachten sein, denn die Tätowirung von Satoan und Ruk
lässt gerade das Unterbein (vom Knie bis zum Knöchel) frei von Tätowirung. Auf
Taf. 25 desselben Reisewerkes sind zwei Brustbilder Eingeborener von Lukunor ab-
gebildet, welche die eigenthümliche Tätowirung der Brust (Querband von Schulter zu
Schulter, sowie einen oberseits in vier gabelförmige Zinken auslaufenden Längsstreif
auf jeder Brustseite) illustriren, ausserdem auch Längsstreifen auf dem Oberarme zeigen,
wie sie auf Mortlock (Satoan) und Ruk üblich sind.
Alle diese charakteristischen Muster gibt Postel's treffliche Darstellung zweier Caro-
linier in ganzer Figur (PI. 28) vereint wieder, deren Heimat leider weder im begleitenden
Texte, noch dem Reisewerke sicher festzustellen ist, die aber (auch nach dem Ausputz
zu urtheilen) wahrscheinlich ebenfalls von Lukunor herstammen. Der von vorne ge-
sehene Mann zeigt auf der Brust bis über den Nabel herab vier breite Streifen, die ober-
seits in vier schmale Zinken auslaufen (ganz übereinstimmend mit PI. 25), ausserdem
noch einen breiten gebogenen Streif auf dem Oberschenkel, der sich vom Gesäss aus
herumzieht. Sehr eigenthümlich ist die Tätowirung des Rückens, welche von der
Schulter an bis auf das Gesäss sechs von der Rückgratslinie ausgehende, nach rechts,
resp. links gebogene breite Streifen zeigt, die etwas an die »Eol« -Tätowirung von Uluti
(Joest: Tätowiren, S. 82) erinnern. Ausserdem ist die obere Rückenhälfte mit mehreren
dichtstehenden Querstreifen bedeckt, die eine Art Kragen bilden. Die besonders reiche
Tätowirung dieser beiden Männer, die von Posteis nach dem Leben gezeichnet wurden,
also keine Phantasie sein kann, gehört ohne Zweifel zu den seltensten Ausnahmen und
darf umsoweniger als typisch gelten, als allem Anscheine nach gewisse eigenartige
Muster auf anderen Inseln erworben wurden, wie dies bei Seefahrern zuweilen der Fall
war. Denn nur so lassen sich die eigenthümlichen Muster auf Brust und namentlich
Rücken erklären, die in dieser Weise sonst nirgends vorkommen. Dass sich Lukunorer
364
Dr. O. Finsch.
[602]
Fig. 61.
r
o
l/l/fMifi
Fig. 62.
Seefahrer aus der Fremde gewisse Tätowirungen mitbrachten, erfahren wir auf das
Bestimmteste durch Lütke selbst. Er erwähnt z. B. einen Häuptling mit Namen Peseng,
der auf dem linken Schenkel eine Anzahl Fische tätowirt hatte, Andere mit gewissen
Zeichen auf den Händen u. s. w., Alles Erinnerungszeichen an gemachte Reisen, von
denen jedes eine Insel bedeuten sollte (>Voyage«, II, S. 69). Da
Kadu auf seinem Oberarme Tatowirung in Form eines Arm-
bandes, oben und unten von einer Reihe senkrecht stehender
Fische begrenzt, zeigte (vgl. Choris, PL XVII), so wäre die An-
nahme denkbar, dass die Zeichen in Fischgestalt der erwähnten
Lukunorer Seefahrer ursprünglich von Uleai herstammten. Selbst-
redend gab es auch auf Lukunor Viele ohne Tatowirung, wie
dies z. B. vier auf PL 27 der »Senjavin-Reise« dargestellte Häupt-
linge zeigen.
Tätowirgeräth, von Lukunor, ist im Atlas der »Senjavin-
Reise«, PL 3o, abgebildet (Fig. 12a der Kamm und Fig. 12b der
Hammer oder Klopfer zum Einschlagen). Auf Mortlock (Satöan
besteht der Kamm nicht aus Schildpatt, sondern Knochen (von
Pteropus (?) oder Tachypetes : Kub.), stimmt aber im Uebrigen
ganz überein mit der folgenden Nummer:
Te-au (Nr. 573, i Stück, Fig. 61 — 63), Tätowirinstru-
ment von Nukuor.
Dasselbe besteht aus einem runden Stiele (a) aus Holz, der
an der Basis etwas dicker und hier abgeplattet ist, damit sich das
Instrument leicht mit Daumen und Zeigefinger der Linken halten
lässt. An diesem Stiele ist mittelst feinem Faden ein längliches
flaches Stück Schildpatt, der Kamm (Fig. 62), befestigt, dessen
Endrand in i3 sehr feine Zähne ausgezackt ist, welche mittelst
eines Klopfers (»Te-tatau«) in die Haut eingeschlagen werden.
Die Breite und Anzahl der Zähne dieses Kammes ist verschieden
wie die Befestigung. Das Exemplar der Sammlung (Nr. 573,
Fig. 63) hat nur sieben Zähne (drei sind abgebrochen) und ist
durch zwei kleine Löcher mittelst Faden festgebunden.
Das Tätowirinstrument von Pelau (abgeb. Joest: »Täto-
wiren«, S. 7g) stimmt fast ganz mit dem von Nukuor überein,
nur ist der Kamm (aus Vogelknochen: Dysporus) kürzer und
zeigt weniger Zähne. Das alttahitische Tätowirgeräth (abgeb. wie
oben S. 68) ist ebenfalls sehr ähnlich, dagegen der Klopfer sehr
abweichend. Wie verschieden übrigens der Kamm eines solchen
Geräths an ein und derselben Localität sein kann, zeigen die Ab-
bildungen alttahitischer Täto wirkämme bei Gill (»Life in the
Southern Isles«, PL-S. 204, Fig. 71. Durchaus abweichend war
das Tätowirinstrument der alten Hawaiier, eine gerade dreizinkige
Gabel aus Bein mit Stöckchen als Klopfer (Choris, PL XI, Fig. 7 u. 8).
Eine vergleichende Darstellung der Tatowirung im Carolinen-Archipel fehlt zur Zeit noch, denn
Kubary's Abhandlung; »Das Tätowiren in Mikronesien, speciell auf den Carolinen« (s. S. [449]) ent-
spricht nicht einmal dem letzteren Zusätze. Sie macht uns nur mit der Tatowirung von Pelau, Yap.
Ruk, Mortlock, Nukuor und Ponape bekannt und lässt daher eine Menge Lücken, die sich nur schwer
ausfüllen lassen werden, weil auch in den Carolinen Tatowirung rasch dem vrtlligen Erlöschen ent-
gegeneilt oder zum Theil bereits untergegangen ist.
'E^
Kig 63.
'/, natürl. Grösse.
Tätowirgeräth.
Nukuor.
r6o31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Sodsee. 35c
TStowirung von Nukuor. Kubary behauptete früher, i) dass auf diesem, Atoll Tätowirung
unbekannt sei, beschreibt dieselbe aber später selbst. Freilich ist sie kaum der Rede werth, denn
»bei den Mftnnern hat nur der weltliche Häuptling eine Linie über Brust und Rucken gezogen, und
die Frauen tätowiren nur ein dreieckiges Zeichen auf den Schamberg« (abgeb.: »Tätowirenc, S. 86,
und Kat. M. G., S. 336). Es mag hier noch erwähnt sein, dass auf Fidschi nur die Frauen und eben-
falls nur an diesen Tlieilen tätowiren. Die Tätowirung der Ellice-Bewohner, von woher nach Kubary
die Nukuorer herstammen sollen, ist ganz verschieden (vgl. S. [282]), was sehr gegen die Annahme
dieser Herkunft spricht. Die Bemerkung Kubary's, der ja Nukuor nur sehr flüchtig kennen lernte, »dass
alle von nicht tätowirten Frauen geborenen Kinder getödtet werden«, scheint mir bei aller Achtung
vor dem Berichterstatter doch sehr zweifelhaft und weiterer Bestätigung dringend bedürftig. Dabei
verdient es Beachtung, dass die ganze weibliche Bevölkerung der Insel (inclusive Kinder) nur 60
Köpfe stark ist.
lieber andere Inseln der Carolinen liegen betreffs Tätowirung nur einige wenige, sehr kurze
Notizen vor, die keinerlei Schlussfolgerungen und Beziehungen erlauben. So fehlt es z. B. an Nach-
weis über die Tätowirung der in Sprache und Sitten mit Ruk zusammengehörigen Bewohner der
Hall-Gruppe.
Uleai. Die wenigen Eingeborenen, welche ich von diesem Atoll sah, waren nicht tätowirt, aber
nach Tetens sind »die meisten Männer über den ganzen Körper geschmackvoll tätowirt«. Nach Kubary
>be(lecken sich die Männer gern mit der ,Eo1-Tätowirung', die sie sich bei ihren Besuchen auf Uluti
machen lassen.« Derselbe Berichterstatter beschreibt aber auch eine eigene Tätowirung von Uleai,
»die sich nur auf das Unterbein erstreckt. Das Muster besteht in aus aneinandergereihten, die Vorder-
seite und die beiden Seiten des Unterschenkels bedeckenden Längsstreifen. Die inneren und äusseren
Seiten des Oberschenkels sind mit dichtgestellten Strichen und Pfeilspitzen bedeckt« (»Tätowiren«,
S. 83). Nach Lütke wäre die Tätowirung auf Uleai ganz so wie auf Uluti (vgL S. [525]). Auf die Fisch-
tätowirung Kadu's, eines geborenen Uleaiers, ist bereits (S. [602]) hingewiesen worden.
Swede-Inseln (Lamotrek oder Namurek, Eiato und Namoliur). »Die Leute zeichneten sich
durch besonders elegante, den ganzen Körper mit Ausnahme des Gesichts bedeckende Tätowirung
aus« (Kittlitz: Denkwürd., 2, S. 148), und: »Die Tätowirung ist regelmässiger, hübscher und viel
mehr symmetrisch« (Lütke: »Voyage«, II, S. 127).
Pais (Tromelin). Der im Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 25) abgebildete Mann ist untätowirt;
aber Lütke bemerkt, »dass die Tätowirung absolut gleich mit den bisher in den Carolinen gesehenen
sei«, was freilich sehr unzureichend erscheint.
Pikiram (Greenwich Isl.) besitzt keine Tätowirung (Kubary in: Journ. M. G., Heft VIII, S. i32, Anm.).
c) Haartracht und Putz.
Männer binden das lange Haar meist am Hinterkopfe in einen dichten chignon-
artigen Knoten zusammen, Frauen pflegen das gescheitelte Haar am Hinterkopfe nach
innen in einen Knoten zu schlagen, der nach links absteht und sehr hübsch kleidet (vgl.
Anthrop. Album, Taf. 21 — 23: Ruk, und Taf. 24: Mortlock; hier auch Fig. 273 ein
bekehrtes Mädchen mit langem, nach europäischer Weise ausgekämmtem Haare). Die
im Atlas der »Senjavin-Reise« abgebildeten Männer von Lukunor (PL 27) zeigen ganz
ähnliche Haartouren, wie aber Lütke bemerkt, tragen manche das Haar auch aufgezaust
»in Form einer enormen Frisur, wie die Eingeborenen Neu-Guineas« (PL 26, obere
Figur links). Andere lassen das Haar auf dem Hinterkopfe in Form eines grossen
Büschels stehen (ganz wie auf Uleai) oder frisiren auf dem Oberkopfe ein dreifach über-
einandergeroUtes Toupe (»Senjavin-Reise«, PL 25, obere Figuren). Zum Aufbinden
0 Im Journ. M. G., Heft VIII, S. 132: »sowie auf den Anchorites und Hermites«, was aber nur
für die ersteren richtig ist. Hautverzierung von Hermites-Insulanern (beiderlei Geschlechts) hatte ich
selbst Gelegenheit zu sehen und zu zeichnen. Sie stellt einen eigenen Typus dar, der sich auch in
der Technik auszeichnet, die zum Theile in Einschneiden (mit Messer) und Tätowirung besteht. In
ähnlicher Technik (mit Brandmalen), aber ganz verschiedenem Muster ist die Tätowirung auf Ninigo
(VEchequier-Gruppe), die, ebenfalls eigenthümlich, sich zunächst melanesischen Typen anschliesst.
366 C*r. O Finsch. [604]
des Haares bedient man sich einer dünnen, aus Menschenhaar geflochtenen Schnur
(Maker: Ruk und Mortlock; Kat. M. G., S. Sog, Nr. 2942), die nach späteren Mit-
theilungen Kubary's (I, S. 66) auf Ruk nur von den Frauen benutzt wird. Die > männ-
lichen Haarbinden heissen ,Negasaka' und sind ganz den mortlock*schen gleich, obwohl
hier zuweilen aus Musa-Faser bereitet« (ib.). Kubary gedenkt dieser mortlock'schen
»Haargürtel«, die hauptsächlich »von jungen Männern, die etwas auf ihr Ansehen
geben wollen, getragen werden«, unter dem Namen »Uasin« (I.e., S. 23i), bezeichnet
sie aber wenige Zeilen später (u. S. 269) als »Lakasaka«. Hierher gehört das folgende
Stück:
Lakasaka (Nr. 418, i Stück), Haarbinde für Männer; dieselbe besteht aus einem
Flechtwerk aus Cocosfaser (85 Cm. lang), auf dessen convexe wulstige Aussenseite
Pflanzenfaser (Banane oder Cocos) in der Weise dicht aufgeflochten und abgeschoren
ist, dass sie im Aussehen an Plüsch oder eine kurzgeschorene Bürste erinnert; an Jeder
Seite ist ein Band zum Festbinden angeflochten und das Ganze mit Curcuma lebhaft
gelb gefärbt. Ruk. Der Kat. M. G. verzeichnet solche Haarbinden von Mortlock (S. 3o8,
Nr. 685 u. 686) und Ruk (S. 363, Nr. 3io3), die nach Kubary nur auf diese beiden
Gruppen beschränkt sind und schon auf Uleai nicht vorkommen.
Wie dieser Haarschmuck ausschliessend von Männern getragen wird, so besitzen
die Frauen ebenfalls eine besondere Art:
»Limam« (oder »Lima«), Kopfbinde, bestehend aus einem 45 Cm. langen und
35 Mm. breiten Gürtel aus feinem Bindfaden von Cocosfaser über eine Unterlage von
zusammengelegten Bananenblättern geflochten, daher eine flache Wulst bildend; auf
die etwas abgerundete Oberseite sind Querreihen schwarzer Cocosperlen (wie Fig. 6,
ff
Taf. 24) aufgeflochten (im Ganzen 137 Reihen), deren mittelste aus circa 15 Perlen
bestehen, die sich seitlich bis auf zwei verringern, die äusserste und die mittelste Perle
jeder Querreihe besteht aus einer weissen Muschelperle, so dass dadurch ein weisser
Mittelstreif und jederseits ein weisser Randstreif gebildet wird; als weiterer Schmuck ist
ungefähr jeder sechsten Querreihe von Cocosperlen eine Querreihe grösserer Spondylus-
Scheibchen eingeschaltet, deren mittelste aus zehn Scheibchen bestehen, während sie
seitlich bis auf zwei herabgehen; im Ganzen zählt die Binde 20 solcher Querriegel von
Spondylus (und 106 solcher Scheibchen); die Binde endet jederseits in circa 15 Cm.
lange Schnüre zum Festbinden, die an der Basis mit Nuss- und SpondyluS'Sch^ihchQn
verziert sind. Die aus Bindfaden bestehende Unterseite ist mit Curcuma gelb einge-
rieben. Ruk.
Das oben beschriebene Stück ist ein besonders reiches; andere sind viel einfacher,
die Verzierung überhaupt so verschieden, dass kaum zwei Stücke völlig gleich sind
(vgl. Anthrop. Album, Taf. 24, Fig. 271, und Kat., S. 309, Nr. 2962 von Mortlock,
und ib. S. 302, Nr. 3 100 u. 3ioi von Ruk; etwas abweichend ib. S. 363, Nr. 129, und
Album, Taf. 21, Fig. 523 u. 516, aus grösseren Muschelscheibchen [zweireihig] be-
stehend).
Diese sehr geschmackvollen Kopfbinden sind F'estschmuck und werden von
jungen Frauen und Mädchen nur bei den Tanzautführungen getragen, entsprechen
daher ähnlichen Schmuckstücken von Ponapc (vorne S. [526], Aber Kubarv's An
nähme, »dass dieser Schmuck einem Muster, welches von Ponapc stammt, nachgebildet
sei«, entbehrt durchaus der Begründung. Nach Kubary werden diese »Kopfspangen«
nur auf Mortlock und Namoluk fabricirt und nach Ruk verhandelt. Sie stehen so hoch
im Werthe als ein Päk-Gürtel oder zwei Halsbänder aus Spondylus (Assang). Von Ruk
[6os:
Ethnologische Erfahrungen und Bclegslückc
367
aus gelangen solche Kopfbinden im Tausch auch nach Uleai und werden hier gern
noch mit Schildpattplaiten verziert (vgl. Kat. M. G., S. 383, Nr. 125).
Die hier (S. Sog, Nr. 574) notirte Stirnbinde aus Melampui luteus ist beztighch
ilcr Herkunft "Mortlock« keineswegs zweifellos.
Dass Männer die Schleuder nicht selten um den Zopf gewunden bei sich führen,
wurde bereits unter Waffen (S. [555]) erwähnt.
Häufig wird auf Mortloclt, und zwar von beiden Geschlechtern ein Bündel aro-
matischer Kräuter im Haare getragen, >theils des Wohlgcruchs wegen, theüs als Mittel
gegen Läuse* (Kubary), das aber für letztere wenig hilft. Zur Milderung des Juckens
und weil Fingernägel in dem dichten Haarwusi nichts ausrichten, bedient man sich
daher mit Vorhebe einer Haarnadel. Dieselbe besteht meist aus einem gewöhnlichen
runden, zugespitzten Stöckchen, ist zuweilen aber auch feiner, wie das folgende Stück;
Tu (Nr, 298, I Stück), Haarnadel für Männer (Fig. 64), bestehend aus einem
14 Cm, langen, runden, zugespitzten Stöckchen (a) aus Citroncnholz, welches an der
Basis einen flachen runden Knopf (b) von 40 Mm. Durchmesser
trügt, der aus den Spiren eines Conus geschliffen ist. Ruk. ^8* ^'
Diese Haarnadel wird von unten schief nach vorne und b
()t'(;n durch das Chignon gesteckt, in der Weise, dass der Knopf
Linterscits das Haar mit festhält (vgl. Anthrop. Album, Taf. 32,
Fig. 507). Als Ausputz der Haarnadel dient häufig ein
Schmucltband (Nr. 298«, i Stück, Fig. 64c) für die
Haarnadel, circa 60 Cm. lang und 3o Mm. breit, aus dicht-
stehenden runden, meist schwarzen Perlen von Cocosnuss schale
sehr künstlich in der Weise aufgeflochten wie Fig. i3 (Taf. 24V "
Das Band endet jedcrseits in zwei, resp. drei circa 7 Cm. lange
Schnüre einreihiger Cocosperlen, mit einigen rothen Spondylus-
Scheibchen abwechselnd, und diese fünf Schnüre sind an der
Basis des Knopfes der Haarnadel festgebunden. Ruk.
Das Band wird über den Kopf gezogen, so dass es von der
Basis des Chignons ausgehend eigentlich eine Art Halsband bildet,
ganz übereinstimmend mit den im Nachfolgenden zu beschrei-
benden »Täte- Halsbändern». Wie bei diesen herrscht erhebliche
Variation in Grösse der verwendeten Cocosperlen, denen zu-
weilen in beschränkter Zahl weisse Muschelsch eibeben und ein-
zelne Glasperlen eingeschaltet sind, sowie in Breite und Länge
der Bänder. Die Haarnadeln sind zuweilen gabelförmig, und
werden auch einreihige Schnüre
schwarzer Cocosperlen daran
befestigt, zuweilen so lang, dass sie bis auf die Brust herabhängen
(wie Fig. 527 u. 528, Taf. 22 des Anthrop. Album von Ruk
zeigen). Auf Mortlock heissen die ganz gleichen Haarnadeln
^Tik<, der gaiue Schmuck mit dem Bande zusammen >Ferek e
ist diese Art Haarputz auf Ruk und Morllock beschränkt und die Angabe >Nukuor<
iKat. M. ü., S. 335, Nr. 2077) falsch. Wenn im Uebrigen Kubary in diesem Kataloge
Exemplare von Ruk vermisst, so hat er übersehen, dass dieselben mit Ausnahme von
Nr. 559 (S. 3o81 irrthümlich als =Hals- oder Brustschniuck- verzeichnet sind. (Hierher
gehören S. 3i2, Nr. 554, S'. 314, Nr. 2974 — 2976 von Morllock und S. 36o, Nr. Siog,
S. 365, Nr. 3104, 3i20, 3i2i und S. 366, Nr. 3i23 von Ruk.j Die im Journ. M, G.,
: Haarnadeln
statt der breiten Schmuckbände
weisser Muschelscheibchen od<
Nach Kubarv
368 Dr. O. Finsch. [606]
Heft IV, Taf. 4,') Fig. 9, abgebildete Haarnadel ist nicht von »Pelau«, da diese Art
Schmuck hier gänzlich fehlt.
Kämme, auf Ruk im Allgemeinen »Makan«, auf Mortlock »Taf« genannt, sind ein
unentbehrlicher Putzartikel, aber nur für Männer, und dienen, wie sonst in der Südsee,
weniger zum Auskämmen, als mehr zum Aufzausen des Haares.
Der gewöhnlichste Typus von Kämmen (wie S. [92], Fig. 12), welcher aus einer
grösseren oder geringeren Anzahl zusammengebundener Stäbchen (meist Rippen von
den Fiedern des Blattes der Cocospalme) besteht und sich fast über die ganze Südsee
verbreitet findet, ist nach Kubary auf Ruk seltener. Die Stäbchen (10 — 36 Cm. lang^
sind häufig in zierlicher Flechtarbeit aus Faden (zuweilen Haar) zusammengebunden
und die Spitze des Kammes nicht selten in mannigfacher Weise mit Spondylus- und
Cocosscheibchen, Hahnen- und Fregattvogel federn ausgeputzt (vgl. das reiche Material
im Kat. M. G., S. 3o8, Nr. 2972: Mortlock; Nr. 2973: Oneop; S. 36i u. 362, Nr. 3095
bis 3097: Ruk; S. 383; Nr. 165, 3093 u. 3094: Uleai; S. 394 u. 395, Nr. 167, 277 u.
723: Yap, und S. 413, Nr. 530 u. 195: Pelau).*) Ein sehr reich verziertes Exemplar
dieses Typus von Kämmen ist im Atlas der »Senjavin-Reise« (wohl von Lukunor) ab-
gebildet (PI. 3o, Fig. 10). Nach Kubary gehören Kämme mit »zu den Hauptgegenständen
der mortlock'schen Toilette, bilden aber keinen ausgeprägten Industriezweig, sondern
werden von Jedermann gemacht«. Ich verglich Exemplare von Ruk, Mortlock und
Uleai, die ganz übereinstimmen.
Wie diese Art Kämme vorzugsweise als Festschmuck dienen, so ganz besonders
der zweite Typus von Kämmen, die aus einem Stück verfertigt sind und mit zu den
kunstvollsten Schnitzarbeiten der Central-Carolinen gehören. Die Sammlung enthält
ein schönes Stück in der folgenden Nummer:
Makan (Nr. 297, i Stück), Putzkamm (Taf. VI [23], Fig. 5 u. 5a), aus einem
Stück Holz (Citronenholz) geschnitzt, mit kunstvoll eingravirtem Muster, das Spitzen-
ende (Fig. 5 a) in neun engstehende Zinken ausgearbeitet. Der Endtheil zwischen b und
c ist 115 Mm. lang, so dass die ganze Länge 32 Cm. beträgt. Beide Seiten des Kammes
sind genau in gleichem Muster ziemlich seicht gravirt, in der Mitte des dünnen Theiles
des Stielendes ist eine viereckige, circa 5 Mm. hohe Erhabenheit ausgearbeitet, das
1) Diese Tafel, »Arbeiten der Palau-lnsulaner« darstellend, ist leider nur geeignet, um Ver-
wirrung anzurichten, und hat selbst durch Kubary widersprechende Deutung erfahren (vgl. »Mort-
lock«, S. 271, Note; »Ethnol. Beitr.c, I, S. 73, Note; II, S. 175, Note, und Schmeltz: Kat. M. G., S. 3io,
Note). Nachdem Kubary zuerst die Figuren Nr. 5 — 10, 12 und i3 als der »mortlock'schen Industrie
angehörend« bezeichnete, erklärte er später, dass sämmtliche 18 abgebildete Gegenstände »mit Aus-
nahme von Fig. II (Frauengürtel) Erzeugnisse der östlichen Carolinen: Ruk, Mortlock und Uleai«
seien. Dies ist aber nur zum Theile richtig, denn mit Ausnahme von Fig. 14 (Täschchen von Yap)
Uind Fig. 17 (Dose, die nach Kubary nicht von Pelau herstammt) sind Fig. 2 und 3 (Schildpattschale
und Löffel), Fig. ii (Frauengürtel), Fig. 16 (Handkorb) und Fig. 18 (Bambusrohr zu Betelkalk) un-
zweifelhaft pelau'sche Arbeiten.
2) Im Westen auf Yap und Pelau ist vorherrschend dieser Typus von Kämmen gebräuchlich,
von denen Kubary (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 195, Taf. XXIII, Fig. 3o, und Taf. XXIV, Fig. i u. 2) allein
drei verschiedene Formen von Pelau anführt. Eigenthümlich für dieselben scheint, dass die Stäbchen
durch Nieten verbunden sind, was aber schon bei den Kämmen von Yap nicht der Fall ist (vgl.
Edge-Partington, Taf. 177, Fig. 6, und die ungenügenden Abbildungen in: Journ. M. G., Heft II, Taf. IV,
Fig. 4). Interessant ist, dass auf Bunai (St. David) die Frauen Kämme aus zusammengebundenen
Stäbchen tragen, während die der Männer »aus einem Stück Bambu geschnitzt sind« (Kubary, I,
S. iio), also ganz an gewisse melanesische erinnern (vgl. z. B. S. [23i]). Von Sonsol erwähnt Kubary
keine Kämme, die, wie auf Kuschai und Ponape, auch auf Nukuor zu fehlen scheinen.
[6o7]
Ethnologische Erfahrungen und Belegs tu iike aus der SQdsee.
369
Fig. 65.
Ganze ein Muster feiner und gefälliger Schnitzarbeit. Als Zeichen des Festschmtickes
ist der Kamm mit der Lieblingsfarbe Gelb eingerieben. Ruk.
Diese Art Kämme sind nach Kubary auf Ruit am häufigsten, werden aber nur als
Kestschmucli bei Tänzen benutzt und dann in gleicher Weise als die vorhergehenden,
aber meist viel reicher, mit allerlei Zieraten besonders ausgeputzt (vgl. Kat. M. G.,
S. 307, Nr. 2963 u. 2965 [7 Stück]: Mortlock; S. 3o8, Nr. 2971: Nema, und S. 362,
Nr. 3og8, 3140 u. 3041: Ruk). Kubary unterscheidet von Mortiock »taf reuoy* (auch
• Renoy« geschrieben) mit flachem und »taf sopot« mit rundem, ausgehöhlten Griff und
ist geneigt, sie für locale Formen') zu halten, allein es finden sich so viele Uebergange,
dass sich nicht einmal Kämme von Ruk und Mortiock, geschweige zwei bestimmte
Formen von letzterer Localität sicher unterscheiden lassen. Ein sehr schöner nur drei-
zinkiger Kamm ist im Atlas der >Senjavin-Reise< (PI, 3o, Fig, 9) von Lukunor abge-
bildet, die Art, sie zu tragen, zeigt Fig. 497 des Anthrop. Album (Taf. 21).
Lütke und Kictlicz gedenken schon des reichen
Ausputzes der Kämme von Lukunor, darunter Federn
vom Hahne und Tropikvogel, aber am beliebtesten
sind solche vom Fregattvogel (Assaf), wie die folgen-
den Stücke:
Federschmuck i^Nr. 298^, i Stück), bestehend
aus einer Primärschwinge (45 Cm. lang) des Fregatt-
vogels, die in ein Loch am Stielende des Kammes
(^Taf. a3, Fig. 5) eingesteckt wird. Ruk.
Solche Federn werden einzeln oder zu mehreren
benutzt, zuweilen aber auch ein weit feinerer Putz ver-
wendet.
Abezeu (Nr. 3oo, i Stück), Federschmuck (Fig. 65) a
Z'a) des Fregattvogels (Tachypetes aqitila), die, sehr zierlich mit Faden auf einem
Stöckchen befestigt, grosse Aehntichkeit mit einem Merkurflügel haben. Ruk.
Die erste und letzte Feder dieses Schmuckes wird zuweilen mit aufgereihten
.'>/irtM</;^/Hs-Scheibchen (b) verziert, oder mit einem Stück weissen Dunenfells (c) von
Tölpel (Sula), Fregattvogel oder Seeschwalbe. Mit solchem Federschmuck verzierte
Tanzkämme (darunter auch solche aus zusammengebundenen Stäbchen, wie z. B. Kat.
M. G., Nr. 2972, S. 3o8), die schief nach vorne ins Chignon gesteckt werden, kleiden
sehr phantastisch (vgl. Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 500 u. 501: Ruk). In Ermang-
lung von wirklichen Federn verwendet man auch Imitationen von Merkurflügeln, aus
Holz geschnitzt und schwarz und weiss bemalt (Kat. M. G., S. 3o8, Nr. 2973). Nach
Kubary käme diese .^rt Putz nur auf der Insel Oneop des Lukunor-AtoUs vor, wo sie
'Ura< heisst, aber in seiner späteren .^rbeit über Ruk (1, S. 55) verzeichneter > Abelen «-
und "Ura«-Kämme auch von hier, »bei Parik-Tänzen und die ersteren auch im Kriege
getragen«.
FeJerschmuck.
s den Tertiärschwingen
>) vEthni.l. Beitr.i, I, S. 66, mit der Bemerkung; »Vi;l, den .RoBy-Kamm bei den 1*elnu-
Kämmeni; aber an der betreffenden Stelle <ib. 5. 194) ist nur iei Name >Rofli> genannl. Der hier
• Didhuaeki genannte Kamm vun Pelau Ist el-enfalls aus einem Stück Holi geschnitzt; und Irülicr
verfertigte man auch solche aus Schildpatt (ib, S. 192, Taf. XXIII, V\s.. 16), Die Im Texte .als mylhische
Tariik und menschliche Figuren« bezeichneten Schnitzereien dieses Kammes bleiben auf der Ab-
bildung durchaus unkenntlich. Kiimnic. auii einem StQck Schildpatt gearbeitet, erhielt ich auch nn der
Osispitie Neu-Guineas |s. S. I159II.
370 ^^ O Finsch. [608)
Eigenthümlich für Nukuur ist ein dinJemartigcr Kopfschmuck aus CucosgeHecht und mit einer
Art Harz beklebt, der nach vorne in eine blattförmige hohe Spitze aus Stäbchen, mit Bast überzogen,
ausläuft und ziemlich flüchtig, aber immerhin kenntlich im Kat. M. G. (S. 335, Nr. 2076, Taf. XXXI,
Fig. 4) abgebildet ist. Nach Kubary wird dieser sonderbare Kopfschmuck »nur von Priestern und Götzen
getragene und heisst »Tidi«. Aehnlich scheint ein Kopfschmuck, angeblich von derselben Localität,
mit einem Aufsatz von durchbrochener bemalter Holzschnitzerei (ib. S. 33$, Nr. 157), ein »hölzerner
bemalter Kopfschmuck, wahrscheinlich von Uleaic (ib. S. 383, Nr. 660), sowie eine »Kopfbedeckung«
von Pelau (ib. S. 417, Nr. 148), »mit weissen Federn bekleidet«; sämmtlich wahrscheinlich Tanz-
schmuck betreffend.
d) Ohrputz.
»Einzelne Ohrringe gibt es auf Mortlock nicht, sondern nur zusammengesetzte
Ohrgehänge«, sagt Kubary, und diese Worte gelten auch für Ruk. In der That sind die
aus den bekannten Perlen und Ringen aus Cocosnuss (»Tschäk« oder »Sak«, Taf. 24,
Fig. 6 — 13) hergestellten grösseren und kleineren Ohrgehänge sehr charakteristisch für
den Schmuck beider Inselgruppen und scheinen eigenthümlich für dieselben. Wenig-
stens weicht der im Kat. M. G. (S. 386 u. 387) von Uleai beschriebene Ohrschmuck
erheblich ab, schon durch die Verwendung von weissen Muschelscheibchen. Noch mehr
verschieden und eigenartig ist der Ohrschmuck von Pelau aus Schildpatt iiT Form von
länglichen Plättchen mit Oesen oder sogar in Charnier beweglichen Einhakestücken, für
beide Geschlechter verschieden (vgl. Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 192, Taf. XXIII,
Fig. 18— 22, und Kat. M. G., S. 414, Nr. 896, »vielleicht Nasenschmuck«). Aehnlich ist
nach Kubary der Ohrschmuck von Yap, ebenfalls aus Schildpatt (womit das im Kat.
M. G., S. 397, von daher verzeichnete Stück aus Spondylus allerdings wenig überein-
stimmt und wohl nicht von hier sein dürfte). Auf Sonsol kennt man keinen anderen
Ohrputz als Blumen. %
aa) Ohrputz aus Cocosnussringen.
Nach Lütke und Kittlitz waren auf Lukunor frische Blumen und Blätter der ge-
wöhnliche Schmuck für die Ohrläppchen bei beiden Geschlechtern. Aber Kittlitz er-
wähnt auch (II, S. 98): »Ohrgehänge von zierlich geschnitzten und verschiedenartig
gefärbten Holzstückchen« und meint damit natürlich diesen häufigsten Typus aus Cocos
(und Rindenscheibchen), dessen hauptsächlichste, übrigens sehr variirende Formen in
der Sammlung schön vertreten sind. Ohrschmuck dieser Art wird von beiden Ge-
schlechtern getragen und weitet bei seinem Umfange und Schwere (bis 200 Gr.) die
Ohrläppchen unnatürlich aus. Zuweilen wird die Ohrmuschel so tief herabgezerrt, dass
sie vertical vom Ohre absteht und selbst die Ohröffnung zudeckt. Aeltere Leute, frei
von weltlicher Eitelkeit, pflegen selten Ohrschmuck zu tragen und paradiren daher nur
noch mit der oft 3 — 4 Zoll langen Hauschlinge (Kubary: Anthrop. Atlas, S. i3, und
»Mortlock«, S. 234). Kubary's Skizzen von Mortlockerinnen (S. 238 u. 239) mit solchem
Ohrschmuck sind bezüglich des letzteren kaum des Citirens werth, dagegen geben
Taf. 21 — 24 des Anthrop. Album gute Vorstellungen von der Mannigfaltigkeit derartigen
Schmuckes und wie er kleidet.
Nikom (Nr. 3 16, i Stück), Ohrgehänge aus schwarzen Ringen von aussen
polirter Cocosnuss. Dasselbe besteht aus zwei Bündeln von je vier doppelten Schnüren
solcher Ringe (meist von der Grösse wie Fig. 9 u. 10, Taf. [24], aber auch viel kleineren).
Da jede Schnur circa 15 Cm. lang ist und aus mehr als 100 Ringen besteht, so zählt
der ganze Ohrschmuck über 800 solcher Ringe. Die beiden Schnürbündel sind durch
ein circa 65 Mm. langes und circa 35 Mm. breites Plechtwerk aus Cocosperlen (wie
Fig. i3) von verschiedener Grösse verbunden. In das Ende jeder Doppelschnur ist in
einem Ringe aus aufgereihten kleinen Cocosperlen eine Scheibe aus Conus (wie Fig. 20)
[609] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3yi
eingehangeiiy an zwei Schnüren je ein Muschelring von der Grösse eines breiten Finger-
ringes, wahrscheinh'ch aus Vermetus, Ruk.
Nikom (Ht. 3i7, i Stück), Ohrgehänge wie vorher, aber aus sieben Doppel-
reihen von Schnüren aus kleinen Cocosringen bestehend. Ruk.
Ein zu diesem Typus gehöriges Stück ist im Kat. M. G. (S. 36o, Taf. XXX, Fig. ^^
sehr mangelhaft dargestellt. Nach Kubary wäre diese Form als typisch für Ruk zu be-
trachten, allein ich erhielt ganz übereinstimmende Stücke auch von Mortlock, wohin
solche ja ohnehin im Tauschverkehre gelangen. Ueberdies zeigt jedes Exemplar eines
derartigen Schmuckes Verschiedenheiten in Zahl und Grösse der Ringe, so dass kaum
zwei vollständig gleich sind. Zu diesem Typus gehören die Exemplare des Kat. M. G.,
Nr. 3147— 3151 (S. 363) von Ruk und Nema (S. 295). Wie erheblich die Verschieden-
heiten sein können, zeigt das folgende Stück:
Nikom (Nr. 3i8, i Stück), Ohrgehänge (Taf. VIII [25], Fig. 19), besteht aus
zwei Bündeln von je 16 circa 12 Cm. langen Schnüren aufgereihter Cocosperkn (wie
Fig. 6, Taf. 24), die durch ein circa 40 Mm. langes und fast ebenso breites Band aus
Cocosperlen (ähnlich Fig. i3, Taf. 24) verbunden sind; an den Enden der Schnüre ist
je ein SpondyluS'?ich^\hc\itn angeknüpft. Die meisten der Cocosperlen sind schwarz
und polirt, einige aber auch von rothbrauner Färbung (vgl. Fig. 19). Ruk.
Etwas abweichend ist folgende Kettenform:
Tschäk (Nr. 3i9, i Stück), Ohrgehänge (Taf. VII [24], Fig. 20). Besteht aus
vier (18—20 Cm. langen) Ketten von Cocosnussringen, die ineinander eingehakt sind
und sich in einem grösseren Ringe (von 18 Mm. Lichtweile) vereinigen; an dreien
dieser Kettchen sind runde, in der Mitte mit einem runden Loche versehene Scheibchen
aus Perlmutter (3o— 35 Mm. Durchmesser) in grösseren Cocosringen eingehangen,
ausserdem zwei runde Conusscheibchen (wie dies Fig. 20 zeigt). An einer der letzteren
ist eine kleine blaue Glasperle angebunden, was deshalb Erwähnung verdient, weil
Glasperlen im Ganzen bei diesen Schmuckgegenständen ausserordentlich selten vor-
kommen. Ruk.
Zu dieser Form, die nach Kubary hauptsächlich auf Nema und Losop gemacht
wird, gehören die Exemplare des Kat. M. G., Nr. 2978 — 2980 (S. 309), von Mortlock
und Nr. 3152 —3155 (S. 363) von Ruk. Für gewöhnlich genügen übrigens Schnüre auf-
gereihter Cocosnussringe (Kat. M. G., S. 309, Nr. 681 — 683 u. 860), die wie das Mate-
rial im Allgemeinen auf Mortlock »Sak«, auf Ruk »Tschäk« (C^k) heissen.
Sehr mannigfach sind die Anhängsel aus bearbeiteten Muschel- und Schildpatt-
stückchen, die als besonderer Ausputz für Ohrputz gern verwendet werden, wie in
gleicher Weise auch zu allerlei Brustschmuck. Am häufigsten sind grössere und kleinere
Scheibchen und Ringe aus Conus (wie Taf. 24, Fig. 20) und desgleichen aus Schildpatt
(^Potsch«). Letztere heissen auf Mortlock und Ruk »Lonier« (Lonyer) und werden
namentlich auch als Brustschmuck für Kinder verwendet (Kat. M. G., S. 3i5, Nr. 2957).
Als solchen benutzt man auch gern pyramidenförmige, oben abgestutzte Stückchen
Schildpatt (Kat. M. G., S. 3is, Nr. 2958, und Anthrop. Album, Taf. 23, Fig. 508), ähn-
lich aber verschieden von solchen aus den Marshall-Inseln (Taf. 25, Fig. 20c), welche
»Liginier« (Liginyer) heissen. Schildpattringe, zuweilen zu Ketten vereinigt, verzeichnet
der Kat. M. G. (S. 3 10, Nr. 2984 — 2987) unter dem Namen »Lele-le-salingau« von
Mortlock, Kubary von Ruk als » Schild pattkettchen ,Lelelesselan'€ (I, S. 67) und (ib. S. 74)
als »kleine Spangen als Anhängsel für Ohrgehänge Lele leselan (d. h. ,lokum en sali-
nan')<, eine Blumenlese eingeborener Namen, die wohl nur für Kanaka verständlich ist.
Beliebt als Anhängsel sind auch Scheibchen und Stückchen Perlmutter, Vermetus-RohT^n
372 t^r. O- Finsch. [610]
und Scheibchen und Ringe aus Nautilus und Trochus (Polydonta). Kubary verzeichnet
ausserdem »Scheiben aus Elfenbeinnuss«^ auf Ruk »Ropunc genannt, die im Kat. M. G.
(S. 3 10, Nr. 2981 u. 2982) als aus »Cocos« angefertigt und mit »Ropungc von Mortlock
erwähnt werden. Hier auch (S. 36o, Nr. 3 106) »grössere hölzerne Ringe mit gezacktem
Aussenrande« als Anhängsel von Ohrschmuck von Ruk, sowie Conus pulicarius^ wie
gelegentlich auch Hosenknöpfe, Blech- und Messingstückchen und Ringe daraus ver-
wendet werden.
bb) Ohrputz in Form von Holzklötzchen,
rund oder vierkantig, bildet einen besonderen Typus, der seltener als der vorhergehende
ist, nur auf Ruk und Mortlock vorkommt und an die ähnlichen Ohrstöpsel der Frauen
aus Cocosnuss (Taf. 23, Fig. 6) von Ponap6 erinnert. Solche Ohrpflöcke werden nur
von Männern, und zwar nur bei Tanzfestlichkeiten getragen.
Irapar (Nr. 3 14, i Stück), Ohrklötzchen aus einem runden, 45 Mm. langen
Stück sehr leichten Holzes, ziemlich roh gearbeitet, seitlich sanft ausgekehlt und mit
Curcuma gelb gefärbt; Diameter der Oberseite 40 Mm., der Unterseite 50 Mm. Satöan.
Ein ähnliches Stück von Mortlock ist im Kat. M. G. (S. 3 10, Nr. 2996) beschrieben.
Zuweilen sind solche Ohrpflöcke auch viel sauberer gearbeitet und auf weissem Grunde
mit zierlichem schwarzen Schachbrettmuster bemalt (vgl. »Senjavin-Reise«, PI. 28 u.
3o, Fig. 1 1, von Lukunor). Solche runde Ohrklötzchen heissen auf Ruk »Cäpun a müt«
(Kubary). Eine analoge Form Ohrzierat sind kurze Abschnitte von Bambu, zum Theile
mit hübscher Gravirung verziert, wie ich sie in Freshwater-Bai an der Südostküste Neu-
Guineas beobachtete (s. vorne S. [96]).
Sobodscha (S6bo2a) (Nr. 3i3, i Stück), Ohrklötzchen (Taf. VI [23), Fig. j\
Aus gleichem Material als das vorhergehende Stück, aber viereckig, unten breit (50 Mm.),
oben schmäler (3o Mm.), also in Form einer abgestumpften Pyramide, mit eingravirtem
zierlichen Muster in Schachbrettpatterne, die erhabenen Felder schwarz gefärbt, der
Grund weiss; in jede der vier Ecken ist ein feines Loch gebohrt und hier ein Spondylus-
Scheibchen als Zierat befestigt. Satoan.
Ein ähnliches Stück ist ziemlich flüchtig im Kat. M. G., Taf. XXX, Fig. 7, abge-
bildet und hier (S. 3 10, Nr. 2988 - 2995 u. 3 161, 3 162) solche von Mortlock und Ruk
beschrieben, auf letzterer Gruppe nach Kubary »Cäpota« genannt.
Analoge Formen dieser Ohrklötzchen finden sich in Polynesien und Melanesien,
aber aus anderem Materiale. Auf den Markesas wurden früher 50 — 55 Mm. hohe Ab-
schnitte von Menschenknochen benutzt, die in verzerrte menschliche Figuren (soge-
nannte »Götzen«) ausgeschnitzt sind, welche in bizarren Formen an die ähnlichen der
Maoris erinnern. Aehnliche Stücke von Markesas,. menschliche Figuren (»Götzenbildern)
darstellend, verzeichnet der Kat. M. G. (S. 244, Nr. 2288) und (Nr. 2293), angeblich aus
» Tridacna<i.
e) Hals- und Brustschmuck.
Auf Ruk wie auf Mortlock ist hieher gehöriger Ausputz in sehr mannigfachen
Formen und zum Theile recht kunstvoller Bearbeitung bei beiden Geschlechtern ausser-
ordentlich beliebt und reicher vertreten, als dies sonst in Mikronesien der Fall zu sein
pflegt. Die vollkommene Uebereinstimmung des Schmuckes von Lukunor und Ruk
wird schon von Lütke hervorgehoben und durch Kubary bestätigt, durch den wir zu-
gleich zuerst die verschiedenartigen Formen dieses Schmuckes kennen lernten.
Unter der Collectivbezeichnung »Mar« (= Halsband) lässt sich aller hiehergehö-
riger Schmuck in Form von Schnüren und Ketten in folgende fünf Haupttypen classi-
ficiren*:
[611] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 3y3
aa) »Mar«, einfache oder doppelte Schnüre aufgereihter Nuss- oder Muschel-
scheibchen, entweder je für sich oder zusammen verarbeitet.
bb) »Assang«, mit viel rothen SpondyluS'ScYitihchQn oder ganz aus solchen
(gleich Taf. 25, Fig. 18); am werth vollsten.
cc) »Marensak«, einfache Schnüre aufgereihter Ringe aus Cocosnuss (gleich
Taf. 24, Fig. 7 — 11); am gewöhnlichsten und häufigsten.
dd) »Täte« (Mortlock), »Tiditep« (Ruk), aus Cocosperlen (Taf. 24, Fig. 6) zu-
sammengeflochtene Bänder (wie Taf. 24, Fig. i3), zuweilen breiter und kragenförmig;
seltener.
ee) »Tschäkpalap« (Ruk), »Sakpalap« (Mortlock), beide Namen gleichbedeutend
mit »grosse Cocosringe«, aus grossen Ringen (wie Taf. 24, Fig. 12), die aus Quer-
schnitten der verkrüppelten Cocosnüsse »Losil« (S. [595], Fig. 60) verfertigt sind und
im Aussehen an eine Schlange erinnern.
Eine exacte Unterscheidung der vorhergehend genannten Sorten lässt sich übrigens
bei den erheblichen Verschiedenheiten der einzelnen Stücke, Je nach Geschmack und
Liebhaberei des Verfertigers, nicht immer durchführen, wie djes für die meisten Kunst-
arbeiten Eingeborener gilt.
Ausser auf Ruk und Mortlock sind sämmtliche Typen auch weiter westlich bis
Uleai nachgewiesen; der »Assang« -Typus scheint auch auf Yap vorzukommen. Be-
merkenswerth ist das Fehlen hiehergehörigen Schmuckes auf Nukuor und Pelau, wo
nach Kubary nur Frauen alte und moderne Glasperlen tragen (II, S. 174). Die im Kat.
M. G. (S. 414) von Pelau verzeichneten Stücke stammen also keineswegs von hier.
Typus aa: Mar. Halskette aus kleinen Cocosscheibchen auf eine Schnur ge-
reiht; Uleai. Hierher gehören Nr. 676 und 678 (S. 385) des Kat. M. G. von Uleai. Aehn-
liche Halsketten aus grösseren Cocosscheibchen erhielt ich von der Insel Faraulap (nord-
östlich von Uleai). Andere derartige Halsketten bestehen aus einfachen Schnüren
aufgereihter weisser Muschelscheibchen (gleich Taf. 25, Fig. 24 ^), wie der Mann von
Mortlock (Anthrop. Album, Taf. 24, Fig. 279) mit einer solchen geschmückt ist. Andere
ein- oder zweireihige Halsketten sind aus beiden Materialien (weissen Muschelscheibchen
und schwarzen Nussscheibchen) zusammengesetzt, stimmen also ganz mit dem »Teka-
roro« der Gilbert- Inseln (Taf. 24, Fig. i — 4) überein, aber die Scheibchen sind im All-
gemeinen kleiner und nicht so abwechselnd, sondern mehr in Gruppen aufgereiht.
Immerhin dürfte eine zweifellose Bestimmung der Localität nicht immer leicht, viel-
leicht unmöglich sein. Zu dieser Art Halsketten gehören die Exemplare des Kat. M. G.
(S. 3io, Nr. 555, S. 3i3, Nr. 2947) von Mortlock (und Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 509:
Ruk). Zuweilen sind auch einzeln rothe SpondylusSchtihcYitTi mit verwendet, wie in
Nr. 552 (S. 3 10) des Kat. M. G. von Mortlock. Sehr übereinstimmend damit ist eine
Halskette von Lukunor, zweireihig, abwechselnd aus je zwei weissen Muschel- und zwei
schwarzen Nussscheibchen, die in gewissen Abständen durch grössere Spondylus-^ichtib-
chen laufen (Atlas der »Senjavin-Reise«, PI. 3o,') Fig. 3).
Sehr abweichend ist das folgende Stück:
Mar, Halskette, bestehend aus zwei 34 Cm. langen und 25 Mm. breiten Streifen,
die sich aus zehn Längsreihen kunstvoll aufgeflochtener Perlen aus schwarzer Cocos-
I) Auf derselben Tafel, Fig. 4, ist eine sehr eigenthümliche Halskette, wahrscheinlich von
Lukunor abgebildet. Sie besteht aus circa 20 Mm. langen Röhren (abwechselnd mit je zwei Paar
Muschel- und Nussscheibchen), ein Material, das bei dem Mangel einer Beschreibung nicht festzu-
stellen ist.
374 ^^' ^ f»"sch. [612]
nuss und weisser Muschel (abwechselnd: 5 schwarze, i weisse, 3 schwarze und i weisse
Reihe) zusammensetzen, der untere Rand wird von einer Reihe (aus 70 Stück) Span-
^Ww.v-Scheibchen gebildet; vorne und hinten ist eine Schild pattscheibe (von je 10 Cm.
Durchmesser) als Anhängsel befestigt. Ruk.
Ich erwarb dieses Stück von Kubary, der es wegen der kunstvollen Arbeit als ein
besonders seltenes und werth volles »Mar« bezeichnete. In der Technik stimmt es ganz
mit den Frauengürteln (Taf. 25, Fig. 24) überein, ist aber schon wegen der geringen
Länge und den Schild pattanhangseln leicht als Halsschmuck zu erkennen und reprä-
sentirt daher einen Typus, den Kubary leider gänzlich unerwähnt lässt. Ein sehr ähn-
liches Stück ist im Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 3o, Fig. 2) abgebildet.
Typus bb: Assang. Mit diesem Namen (auch »Mar-Asson«) werden auf beiden
Gruppen Halsbänder aus Sponäj^lus-Schcibchtn bezeichnet, entweder dicht aneinander
gereiht wie die gleichen Halsbänder (»Maremar«) von den Marshall-Inseln (Taf. 25,
Fig. i), oder durch eingeschaltete Cocosperlen getrennt. Nach Kubary bilden zwei
Schnüre von der Länge des Halsumfanges ein vollständiges Halsband, das als sehr kost-
bar gilt. Eine solche Doppelschnur aufgereihter Spondylus-Schtibchcn war 36 Cm.
lang und zählte 160 Scheibchen. Von Ruk unter dem Namen »Assongc von Kubary
erhalten.
Assang (Nr. 472, i Stück), Halskette (Taf. VIII [25], Fig. 18) aus abwechselnd
einem Scheibchen aus rother Spondylus-Muschel und zwei bis drei schwarzen Cocos-
nussperlen, circa 45 Cm. lang. Die Halskette zählt im Ganzen 45 Spondylus-Schtib-
chen, von denen zwei vorne die Mitte bilden, an die als Anhängsel eine runde Scheibe
(von circa 25 Mm. Durchmesser) aus Schildpatt befestigt ist. Ruk.
Hinsichtlich der Anordnung des Materiales, das ausser Cocosnussperlen auch aus
dünnen Scheibchen von Cocosnuss oder Rinde (wie Taf. 24, Fig. 5 a) und weissen
Muschelperlen (wie Taf. 25, Fig. 2^b) besteht, herrscht grosse Verschiedenheit bei den
einzelnen Schmuckstücken dieser Art.
Ein anderes Stück war dreireihig aus dünnen Cocosscheibchen, abwechselnd mit
zwei grossen 5)?on^/M5-Perlen ; eine Conusscheibe diente als Anhängsel. Ruk.
Eine sehr kunstvoll gearbeitete Halskette (von circa 3o Cm. Länge und circa 15 Mm.
breit) besteht aus sehr feinen Cocosscheibchen, in der Mitte mit einer Längsreihe weisser
Muschelperlen und drei Querreihen von je vier grossen rothen 5pow(f;^/M5-Scheibchen,
stammt von Ruk und war von Kubary mit »Assong« bezeichnet.
Aehnlich ist eine Halskette aus drei Reihen kleiner Cocosscheibchen, die in sechs
Zwischenräumen je durch ein grosses Spow^r^"^- Scheibchen gezogen sind; ich erhielt
das Stück von der Insel Faraulap. Eine schöne Reihe zum v> Assang« -Typus gehöriger
Halsbänder verzeichnet der Kat. M. G. (von Mortlock: S. 3ii, Nr. 2943, 2944, S. 3x2,
Nr. 557; von Ruk: S. 364, Nr. 3125, 3 126, S. 365, Nr. 3127 u. 3495; von Uleai: S. 386,
Nr. 3ii4, 3115, und von Yap: S. 395, Nr. 465, abgeb.: Journ. M. G., Heft II, Taf. IV,
Fig. 7, u. Taf. 5, Fig. i).
Typus cc: Marensak oder »Mar en sak« auf Mortlock und Ruk (Kubary) reprä-
sentirt die gewöhnlichste Sorte Halsschmuck, wie die folgende Nummer:
Marensak (Nr. 471, i Stück), Halskette (Taf. VII [24], Fig. 7—") »"s kleinen
und grösseren Ringen aus Cocosnuss, schwarz, am Aussenrande polirt, 2 M. 60 Cm.
lang. Ruk.
Das Ringmaterial ist ganz dasselbe als bei dem Ohrgehänge Nr. 3i6 (S. [6o8j).
Derartige lange Ketten werden (nach Kubary) meist von Mädchen kreuzweise über
Brust und Rücken getragen, kürzere Enden von 50 — 100 Cm. Länge einfach und
rGiSl Ethnologische Erfahrungen und BelegstQcke aus der Sudsee. 375
doppelt allgemein als Halsketten von beiden Geschlechtern, und gern mit allerlei An-
hängseln (s. vorne S. [609]) verziert. Zu diesem häufigsten Typus von Halsketten ge-
hören die Exemplare des Kat. M. G. von Mortlock (S. 3ii, Nr. 694, 2945, 695, 693,
696, S. 3i2y Nr. 692), von Ruk (S. 364, Nr. 3 122) und Uleai (S. 385, Nr. 677).
Typus dd'. Täte. Identisch mit dem Schmuckband (S. [605]) Nr. 298a und sehr
geschätzt als Schmuck.
Tiditeb (Nr. 299, i Stück), Halsband (Taf. VII [24J, Fig. i3; Theil desselben);
Band aus sechs Reihen kunstvoll aufgeflochtener Perlen aus Cocosnussschale, meist
schwarz und wie polirt, untermischt mit rothbraun gefärbten (auf der Abbildung weiss
angegeben); das circa 60 Cm. lange und 3 Cm. breite Band endet jederseits in eine circa
45 Mm. lange einreihige Kette aus abwechselnd schwarzen Cocosperlen und rothen
Spondylus-^iQhtihchtn'y ausserdem ist an der Vereinigung beider Schnüre an zwei
Ringen aus Cocösnuss eine runde Cönusscheibe (27 Mm. Durchmesser) als Anhängsel
befestigt. Ruk.
Andere derartige Halsbänder zählten zwölf Reihen Cocosperlen und waren 60 Mm.
breit. Solche breite Bänder bilden dann einen zierlichen Kragen. und kleiden sehr ge-
schmackvoll (vgl. Anthropol. Album, Taf. 271: Mädchen von Mortlock, Figur links
und mittlere). Der Kat. M. G. verzeichnet eine grosse Reihe hiehergehöriger Stücke,
deren Vergleichung nachweist, dass nicht zwei vollständig gleich sind (von Mortlock:
S. 3ii, Nr. 2946, S. 3i2, Nr. 553, 556, 558, und kragenförmig von Mortlock: S. 3i2,
Nr. 2948; von Ruk: S. 364, Nr. 3119, 3129; von Poloat: S. 379, Nr. 1296, und Uleai:
S. 385, Nr. 124). Eine analoge Form sind die zierlich aus feinem Bindfaden geknüpften
Halskragen an der Südostküste Neu-Guineas (s. vorne S. [98]).
Von sehr ausgesprochenem Charakter und minder variirend als die vorher-
gehenden Typen ist der Typus e€\ Tschäkpalap (Sakpalap).
Tschäkpalap (Nr. 469 u. 470, 2 Stück), Halsketten (Taf. VII [24], Fig. 12),
bestehend aus schwarzen polirten Ringen aus Querschnitten einer besonderen Art Cocös-
nuss, eine 54 Cm. lange dichtstehende Ringkette bildend, die im Aussehen an eine
Schlange erinnert. Der mittelste Ring (Fig. I2<i, der schwarze Ring) ist am weitesten,
der äusserste jederseits (Fig. 12 ^, der helle Ring) etwas enger und alle Ringe von der
Mitte nach den Seiten so gleichmässig abnehmend, als wären sie aus einem Stück ge-
drechselt und dann durchgeschnitten. Die ganze Kette besteht aus 105 solchen Ringen
(wie sie Fig. 12 c, von vorne gesehen, darstellt), die an der Rückseite mittelst sehr feinem,
gelb gefärbtem Zwirn (aus Hibiscus-F aser) ausserordentlich kunstvoll und sauber auf
eine dickere Schnur aus Cocosfaser aufgeflochten sind, die an der Innenseite der Ringe,
also von diesen verdeckt, sich durchzieht, wie dies Fig. 12 d veranschaulicht. Auf die
circa 6 Cm. langen Enden der Schnur, welche zum Festbinden dient, sind abwechselnd
schwarze Cocosperlen und rothe 5/?owrf;^/tt5-Scheibchen aufgereiht. Ruk.
Eines der interessantesten Schmuckstücke des Eingeborenenfleisses, das in sauberer
Arbeit und Ausführung jedem Europäer Ehre machen würde. Die Abbildung im Atlas
von Edge-Partington (Taf. 172, Fig. 7) gibt eine sehr mangelhafte Vorstellung dieser
kunstvollen Arbeit. Von dieser bei beiden Geschlechtern sehr beliebten Art Halsketten
(vgl. Anthrop. Album, Taf. 21 — 23) untersuchte ich zahlreiche Exemplare von Ruk und
Mortlock, darunter solche, welche ich von Kubary unter dem Namen »Tschäkc (Cek)
erhielt, mit derselben Bezeichnung aber auch Ohrschmuck, wie Nr. 319 (S. [609]). Die
längste dieser Ketten war 72 Cm. lang und bestand aus 150 Cocosringen; übrigens
zeigte fast jede kleine Abweichungen, namentlich in Bezug auf die Verzierung der
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofrauseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 26
376 Dr. O. Finsch. [614]
Bindebänder mit 5/?on^/z/5-Scheibchen (vgl. Kat. M. G. von Mortlock: S. 3ii, Nr. 691^
714, und von Ruk: S.36o, Nr. 3iq7 u. 3io8, S. 364, Nr. 3ii2 [> Ohrschmuck <] u. 3ii3).
Eine im Atlas der »Senjavin-Reise« (PI. 30, Fig. i) abgebildete hiehergehörige Halskette
(aus >grains de boisc) weicht insoferne etwas ab, als die Cocosringe an zwei aussen-
laufenden Bindfaden befestigt sind, wie dies bei den gleichen Halsketten von Uleai ähn-
lich der Fall zu sein scheint (Kat. M. G., S. 384, Nr. 118, 1 19, i3o, und S. 385, Nr. 680).
Sehr deutlich zeigt dies die Abbildung einer solchen Kette im Journ. M. G. (Heft II,
Taf. IVy Fig. 8 u. 8^), an welcher die Cocosringe an eine ausserhalb laufende Schnur
festgebunden sind^ wie ich dies an Exemplaren von Ruk und Mortlock nicht beob-
achtete. Die Angabe »Yap« (auch Kat. M. G., S. 395, Nr. 462) dieses Stückes, das eine
grosse Schildpattscheibe als Anhängsel trägt, bleibt zunächst noch äusserst zweifelhaft.
Nach Kubary würde auch die im Journ. M. G. (Heft IV, Taf. 4, Fig. 12) ziemlich un-
deutlich abgebildete Halskette keineswegs von »Pelauc herstammen, sondern eine
centralcarolinische »Sakpalap-Kette« darstellen.
Ein höchst eigenartiger Halsschmuck aus Schildpatt, angeblich von »Pelauc (Kat. M. G., S. 414,
Nr. 219), mag deshalb hier erwähnt sein, weil Kubary denselben als von »Mortlock« herstammend
deutete. Dies ist aber unrichtig, denn neuerdings erklärte Kubary das Stock für einen »Schmuck aus
Fischhaken« von Sonsol oder Poloat. Ein Vergleich der Abbildung eines Fischhakens von Sonsol
(»Ethnol. Beitr.«, Taf. XII, Fig. 7) mit dem fraglichen Stücke (Journ. M. G./ Heft IV, Taf. 4, Fig, 6)
wird Jeden überzeugen, dass davon Oberhaupt nicht die Rede sein kann. Das betreffende Stück hat
mit Fischhaken nichts zu thun und ist jedenfalls ein Schmuck, aber ein so eigenartiger, dass er als
Unicum betrachtet werden muss, dessen Herkunft vorläufig noch durchaus fraglich bleibt.
Die bereits (S. [609]) unter den Anhängseln für Ohrschmuck erwähnten Gegen-
stände sind auch für Halsketten sehr beliebt, einige derselben aber auch als Brustschmuck
besonders zu betrachten. Am werth vollsten darunter ist der Typus^: Potsch.
Putsch (»Puoz«) (Nr. 515^1, i Stück), Brustschmuck aus Schildpatt (=Puo2,
PueC), bestehend aus einer flachen runden Scheibe von 115 Mm. Durchmesser, in der
Mitte mit einem 46 Mm. weiten offenen Kreisausschnitt. Ein Bohrloch am Rande dient
zum Einknüpfen einer Schnur zum Umhängen um den Hals. Ruk.
Die grösste derartige Schildpattscheibe, welche ich erhielt, hatte einen Durch-
messer von 150 Mm., sie finden sich aber in den verschiedensten Grössen, wie schon
eine Vergleichung der Exemplare im Kat. M. G. zeigt (von Mortlock: S. 3i3, Nr. 2950,
2949, S. 314, Nr. 2951, 2952; von Ruk: S. 365, Nr. 3io3, S. 366, Nr. 3124, und von
Uleai: S. 386, Nr. 3 117). Diese Scheiben*) werden von beiden Geschlechtern getragen
(s. Anthrop. Album, Taf. 24, Fig. 271), zuweilen doppelt, d. h. derart, dass eine Scheibe
auf der Brust, die andere auf dem Rücken hängt (hierher geliört Nr. 2953 im Kat. M. G.,
S. 314, von Mortlock). Von hier auch ein Stück »als Armschmuck eingegangene (S. 815,
Nr. 568), was für Mortlock jedenfalls unzutreffend, aber für »Sonsolc richtig sein würde.
Denn wie uns Kubary belehrt, tragen die Frauen. hier in der That solche Schildpatt-
scheiben (»Masirip^uc) als Armbänder (»Ethnol. Beitr.c, I, S. 93, Taf. XII, Fig. 9).
Der im Kat. M. G. (S. 413, Nr. i3o7 u. i3o8) erwähnte » Stirnschmuck c aus runden
Schild pattscheiben gehört vielleicht ebenfalls hierher, stammt aber nach Kubary keines-
falls von »Pelau«, das derartigen Schmuck nicht kennt. Identisch ist dagegen der »O^o-
gammur« von Yap (Kat. M. G., S. 395, Nr. 462). Sollte der grosse Brustring, angeblich
aus »Perlmutterc (»Senjavin-Reisec, PI. 3o, Fig. 6), schliesslich nicht auch ein solcher
Potsch sein? (vgl. vorne S. [285 J).
1) Gleichen Schmuck trugen die alten Marianner (nach Serrurier, der dafQr: Freycinet, »Atlas
historique«, PI. 79, Fig. 15, 16 u. 24 citirt).
[51 ei Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 3^^
Das runde Loch in der Mitte dieser Schildpattscheiben wird nach Kubary »mit-
telst eines Zirkelbohrers') und Haifischzahnes c ausgeschnitten.
Ein weiteres beliebtes Anhängsel für Halsketten sind die >Losil«-Cocosnüsse
(vorne S. [595 j, Fig. 60; vgl. auch Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 497, und Taf. 22,
Fig. 527). Hierher gehören »Brustschmuck« (Kat. M. G., S. 314, Nr. 2954 — 2956: Mort-
lock). Sehr eigenartig scheint das Anhängsel einer Halskette von Uleai, »eine beiderseits
abgeplattete, unregelmässig geformte Kugel aus Muschelschale« (Kat. M. G., S. 384,
Nr. 120). Unter die Halsketten gehört auch ein »Instrument zum Ausreissen der Bart-
haare« (Kat. M. G., S. 389, Nr. 128, von »Uleai«), bestehend aus einer Schnur aufge-
reihter Cocossch ei beben, an welche zwei »Klappen von Lioconcha hieroglyphica be-
festigt sind, mit deren Schneiderändern die Barthaare entfernt werden« und die ja
gelegentlich diesem Zwecke dienen mögen.
f) Armputz
ist im Ganzen nicht häufig, aber dadurch eigenthümlich, dass die hierher gehörigen
Stücke nicht, wie sonst meist üblich, auf dem Oberarme, sondern ums Handgelenk
getragen werden, und zwar mit Ausnahme der Schildpattarmspangen von beiden Ge-
schlechtern.
Riripöun (Nr. 376, i Stück), Armband, nach dem Typus der Leibgürtel (Taf. 25,
Fig. 23) gearbeitet. Besteht aus 15 Strängen dicht aufgereihter, sehr dünner runder
Cocosnuss- oder Rindenplättchen (wie Taf. 24, Fig. 5), je 14 Cm. lang, deren Fäden
an jeder Seite durch einen circa 6 Cm. langen hölzernen Querriegel gezogen und hier
jederseits in zwei stärkere Bindebänder zusammengeflochten sind. In der Mitte ist eine
Querreihe aus 20 aufgereihten rothen Spondylus-?icht\hQYitTi eingeflochten, wie auch
an den Längssträngen einzelne solcher. Die Hälfte einer Längsreihe zählt etliche
70 Cocosnuss- oder Rindenplättchen, das ganze Armband somit über 2000. Ruk.
Ein ähnliches Stück von Ruk ist im Kat. M. G. (S. 36o, Nr. 3 no, Taf. XXX, Fig. 4)
sehr ungenügend dargestellt; ausserdem gehören hierher von Ruk (S. 366, Nr. 2961 bis
3176 u. 3365) und von Mortlock (S. 3i5, Nr. 674 — 2960).
Einen abweichenden Typus, der ganz dem »Täte« der Halsbänder entspricht,
repräsentirt das folgende Stück:
Roron (Nr. 377, i Stück), Armband, bestehend aus einem i3o Mm. langen und
45 Mm. breiten Bande, das aus neun dichtstehenden Reihen von Cocosnussperlen ge-
flochten ist (ganz in derselben Weise als die Halsbänder Taf. 24, Fig. i3). Jederseits
am Rande sind 12, resp. 14 rothe SpondylusSchtihchtn eingeflochten, auf der Ober-
seite fünf längliche Vierecke aus weissen (und einzelnen blauen und rothen) Glasperlen.
Zur Befestigung sind aus den Fäden, auf welche die Cocosperlen aufgeflochten sind,
jederseits zwei circa 10 Cm. lange Schnüre geflochten, mittelst deren das Armband um
das Handgelenk festgebunden wird. Ruk.
Nach Kubary werden solche Armbänder nur von Männern als Festschmuck ge-
tragen (vgl. Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 497 u. 514). Aber auf derselben Tafel (von
Kubary selbst photographirt) ist auch eine Frau (Fig. 516) mit einem solchen Armbande
I) In seiner Abhandlung: »Die Schildpattindustrie der Pelauaner« (»Ethnol. Beitr.«, 11, S. 188
bis 196), in welcher Kubary über die Technik der Bearbeitung des Schildpatts allerlei Mittheilungen
macht, gedenkt er auch eines »Zirkelbohrers« zum Ausschneiden der runden Löcher (S. 185), be-
schreibt aber auch (S. 193) eine andere Methode: »Runde Schnitte werden durch Bohren vieler Locher
dicht beieinander und darauf folgendes Aussägen mittelst einer aus Bambuhaut gedrehten Schnur aus-
geführt.« Ich erwähne dies, weil auf Ruk und Mortlock vermuthlich eine ähnliche Technik prakti-
cirt wird.
26*
378 Dr O. Finsch. [616]
geschmückt dargestellt, so dass die Armbänder jedenfalls von beiden Geschlechtern
benutzt werden, wie dies Kubary später selbst zugibt. Nach früheren Angaben dieses
Reisenden heissen derartige Armbänder auf Ruk wie Mortlock »Roron« und finden sich
nur in diesen Theilen der Central- Carolinen. Ein ganz aus Glasperlen geflochtenes Arm-
band, angeblich von »Pelau« (S. 415, Nr. 1734), dürfte auch aus diesem Gebiete her-
stammen.
Ganz abweichend ist die folgende Form:
Nukumb (Nr. 411, i Stück), Armspange aus einem 40 Mm. breiten rund-
gebogenen Stück Schildpatt (von 54 Mm. Längsdurchmesser), in welches sfeben ver-
tiefte Rillen eingekratzt sind. Ruk.
Solche Armspangen werden nur von Frauen ums Handgelenk getragen und
kleiden sehr hübsch (Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 523: Ruk, und Taf. 24, Fig. 271:
Mortlock). Nukumb (auf Mortlock »Lokumc genannt) bilden nach Kubary einen be-
gehrten Artikel des Zwischenhandels und sind als eine Art Geld zu betrachten. Hin-
sichtlich der Anfertigung erfahren wir durch denselben Reisenden, dass die Rillen schon
in das flache Stück Schildpatt eingeritzt werden, welches dann, in heissem Wasser er-
weicht, über einen runden Gegenstand gebogen wird (»Ethnol. Beitr.c, I, S. 73). Manche
Stücke haben übrigens eine glatte Oberfläche, im Uebrigen sind die Rillen sehr ver-
schieden an Zahl und Tiefe. Eine gute Abbildung eines Nukumb gibt der Atlas der
»Senjavin-Reisec (PL 3o, Fig. 7), sowie Edge-Partington (PI. 175). Hierauch (Fig. 4) ein
Exemplar des British-Museum, bei dem die Rillen ganz durchgeschnitten sind, so dass
es also eine Spirale bildet. Die Localitätsangabe dieses Stückes »Oualanc (Kuschai) ist
jedenfalls irrthümlich, denn nach Kubary finden sich diese Armspangen in den Carolinen
nur auf Ruk und Mortlock (Kat. M. G., S. 315, Nr. 569, und S. 367, Nr. 3159), kamen
aber früher auch auf Pelau') vor. Die Localitätsangabe »Palauc der Exemplare des Kat.
M. G. (S. 415, Nr. 721, und S. 416, Nr. 147) kann also zutreffen, unrichtig ist aber
jedenfalls die Bezeichnung »Beinspangenc (Nr. 147 und Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4,
Fig. 5 a und 5^), denn dafür sind diese Spangen schon ohnehin viel zu eng (diegrösste,
welche ich mass, hatte nur 80 Mm. Diameter).
Ein »Nukumbc- Armband führt Serrurier (»Ethnol. feiten« etc. in: »Tijdsch. van
het Aardrijksk. Genootsch«, 1885, S. 15) von >Neu-Britannien« an. Aber auf der Gazelle-
Halbinsel, wo Capitän Rohlfs sammelte, kommt solcher Schmuck nicht vor. Dagegen
erhielt ich mit carolinischen sehr übereinstimmende Armspangen an der Nordwestküste
Neu-Britanniens (vorne S. [38]), glatt, mit schwach eingekratzten Rillen und gravirt.
Viel reicher und durch kunstvolle Gravirungen ausgezeichnet sind sehr breite Arm-
spangen, mehr Manchetten zu vergleichen, von Kaiser Wilhelms- Land (vorne S. [246]).
Armringe aus Trochus niloticus, soweit über die Südsee, namentlich Melanesien
verbreitet (vgl. vorne S. [17]), scheinen auch in unserem Gebiete vorzukommen. Wenig-
stens zeigt die Photographie eines jungen Mannes von Ruk (Anthrop. Album, Taf. 21,
Fig. 515) solche Spangen ums Handgelenk, und im Texte (S. i3) wird ausdrücklich
gesagt: »Armringe aus Trochus niloticus^. Dies ist aber auch Alles, was ich hinsicht-
lich dieses Schmuckes finden kann, den Kubary sonst, weder von Ruk noch Mortlock,
auch nicht mit einer Silbe erwähnt.
I) >In alten Zeiten trugen junge Frauen breite, ganz den ruk*8chen und mortIock*schen »Lokum«
ähnliche Armspangen. Diese, ,Delim61ok' genannt, sind schon ausser Gebrauch gekomtnen, und fand
ich dieselben vor zehn Jahren schon nicht mehr. Heute werden sie nicht mehr verfertigt« (Kubary:
»Ethnol. Beitr.«, II, S. igS).
[617] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 370
7rocAu5- Armringe im Kat. M. G. (S. 415, Nr. 146), von »Pelau« verzeichnet (und vorne
S. [286])| fehlen nach Kubary hier durchaus, sind dagegen aber auf Yap bei beiden Geschlechtern
beliebt und heissen hier »Jokejuk« (Kat. M. G., S. 415, Nr. 466 u. 161 0, Journ. M. G., Heft II, Taf. IV,
Fig. 11). Hier auch solche aus Querschnitten von Cocosnuss, >Lie« oder »LIe< genannt (ib. Fig. 10
und Kat. M. G., S. 396, Nr. 467), die auch in den Neu-Hebriden vorkommen (ib. S. 123, Nr. 2671).
EigenthOmlicher Handschmuck von Yap ist der »Ajur«, beim Tanze getragen; er besteht aus einer
Muschelschale von Nautilus pompilius, mit einer seitlichen GefTnung zum Durchstecken der Hand
(Kat. M. G., S. 396, Nr. 469, und Journ., II, Taf. IV, Fig. 3), und kommt sonst nirgends vor. Dasselbe
gilt für den »Jatau« oder »iatau«, ein eigenartiger Handschmuck der Männer von Yap, aus Conus
millepunctatus, ganz abweichend von den Ringen aus gleichem Material von Kuschai (Taf. 23, Fig. l)
und in Form einer Handmanchette gearbeitet (Journ. M. G., II, S. 16, Taf. IV, Fig. i u. 2, und Taf. 6<
Kat. M. G., S. 396, Nr. 468). »Die Operation, wodurch die Hand durch die enge GefTnung dieses
Schmuckes durchgezwängt wird, soll mühsam und schmerzhaft sein, und bleibt derselbe zeitlebens
über dem Handgelenk seines Besitzers. Dieser Schmuck gilt nach Kubary als Orden und Standes-
abzeichen.« Diese Notizen lässt Kubary in späteren Arbeiten unberührt und sagt dagegen: »Das Arm-
band bleibt, wenn gross, im Hause aufbewahrt.« Man darf daraus schliessen, dass der »Jatau« eben-
sowenig eine Ordensdecoration ist als der »Klilt« von Pelau, jenes eigenthOmliche Armband aus dem
ersten Halswirbel des Dugong, i) das Kubary zuerst als »Rupak-Orden« einführte (Anthrop. Album,
S. 12, Taf. 20, Fig. 141 u. 148; Kat. M. G., S. 406). Nach seiner späteren erschöpfenden Abhandlung
über den »Klilt« ist derselbe keineswegs ein Orden, sondern »einfach ein sehr theures Armband«
(im Werthe von 155—375 Dollars), das aber an einigen Plätzen »den Göttern geweiht« ist (»Ethnol.
Beitr.«, II, S. 175— 184, Taf. XXII, Fig. io-~i3). Eine gute Abbildung auch bei Edge-Pariington
(PI. 182, Fig. 8). Darnach ist die Notiz (vorne S. [286]) zu berichtigen. »Derrwar« heisst eine Pelau
eigenthümliche Art Armschmuck für Frauen aus runden Schildpattscheiben (ganz wie die »Potsch«
der Centrai-Carolinen vorne S. 614 [286]), die zusammen einen Cylinder bilden, der bei 64 einzelnen
Platten 170 Cm. in der Länge misst und zwei Pfund wiegt. Die Oeffnung zum Durchstecken der
Hand ist 60 — 70 Mm. weit, also immerhin ziemlich eng. Früher wurde dieses sehr theure Armband
(im Werthe von 70 — 80 Dollars) von reichen Frauen bei besonderen festlichen Gelegenheiten getragen,
was gegenwärtig aber nur höchst selten geschieht (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 184, Taf. XXII,
Fig. 14, und Kat. M. G., S. 415, Nr. 890 u. 1298). Aus der hier gegebenen kurzen Uebersicht ergibt
sich die interessante Thatsache, dass die westlichen Carolinen einen auflallenden Reichthum an Arm-
schmuck aufzuweisen haben, und zwar Pelau drei, Yap sogar vier verschiedene Typen, unter denen
drei Oberhaupt sonst nirgends mehr in der Südsee vertreten sind.
g) Leibschmuck.
Zu den kunstvollsten und zugleich geschmackvollsten Erzeugnissen carolinischer
Industrie gehören jene mühsam aus Cocosnuss- oder Rinden- und Muschelscheibchen
zusammengereihten Gürtel, die für Ruk, Mortlock (und Uleai) eigenthümlich zCi sein
scheinen. Da auch die beste Beschreibung nur eine sehr unvollkommene Vorstellung
gibt, so kann nur eine gute Abbildung, und zwar eine farbige, den Zweck erfüllen. Bei
dem Umfange des Gegenstandes liess sich in natürlicher Grösse selbstredend nur ein
Theil eines solchen Gürtels darsteilen, allein diese Detaildarstellung genügt, um ein
klares Bild zu geben, und wird zum besseren Verständniss willkommen sein.
Pak (Nr. 552, i Stück), Gürtel (Taf. VIII [25], Fig. 23, den mittelsten der drei
Querriegel darstellend). Derselbe besteht aus 22 Reihen Schnüren runder Scheibchen
aus Mangroverinde (Tschia) oder Cocosnuss und kleinen weissen Muschelscheibchen
oder Perlen (a) und grösseren rothen SpondylusSchtxhchtTi (b), die jederseits durch
ein Querholz (c) begrenzt werden. Die Länge der Schnürereihen jederseits von diesem
Mitteltheile beträgt 33 Cm., die ganze Länge des Gürtels (ohne die 3o Cm. langen
Bindeschnüre) 72 Cm. Die Schnüre, aus einer Bastfaser, auf welche die Scheibchen
I) Wesentlich verschieden sind ähnliche Armspangen aus dem zweiten Halswirbel (Epistropheus)
des Dugong von Timorlaut und Imitationen solcher aus Holz von der Insel Daai der Babber-Gruppe
(s. Scrnirier: »Ethnol. feiten en verwantschappen in Oceanie«, S. 2, Fig. 2, 3, 4), die aber noch keines-
wegs die Herkunft der Pelauaner von diesen Inseln des malayischen Archipels beweisen (s. S [286])
38o Dr. O. Finsch. [6l8]
aufgereiht sind, laufen durch sehr sauber gebohrte Löcher der hölzernen Qucrriegel (c),
von denen die Mitte jeder Seitenhälfte noch einen gleichen wie den abgebildeten mittel-
sten aufweist, während ein einfacher Holzquerriegel jederseits den Schluss bildet. Hinter
den letzteren Querriegein sind die Schnüre in ähnlicher Weise als bei Fig. 24 d zu-
sammengeflochten, um jederseits in zwei circa 3o Cm. lange geflochtene [Schnüre zu
enden, welche zum Festbinden des Gürtels vorne auf der Bauchmitte dienen. Das
Hauptmaterial des Gürtels besteht aus den kleinen Rinden- oder Cocosscheibchen
(Taf. 24, Fig. 5), von denen über 15.000 zu einem solchen Gürtel gehören. Wie stets
bei dieser Art Schmucksachen laufen übrigens auch einige Cocosperlen (Fig. 6) unter.
Die weissen Muschelscheibchen (a) sind zu zweien oder dreien nur in der Mitte und an
jeder Seite der drei Querriegel aufgereiht, hier auch die sehr verschieden grossen rothen
5/7ond^/w5-Scheibchen (b). Sie bilden innerhalb der drei Querriegel drei bis vier Quer-
reihen und den oberen und unteren Rand derselben, sowie jederseits von den hölzernen
Querriegein (c) noch eine grössere oder geringere Anzahl aufgereiht sind. Im Ganzen
zählt dieser Gürtel 160 5j7o;i^/u^-Scheibchen. Bemerkenswerth ist, dass innerhalb
des einen Querriegels eine durchsichtige rothe Glasperle eingeschaltet ist, die schon
sehr alt sein muss, da sie, früher eckig, sich fast rund abgenutzt hat. Die hölzernen
Querriegel und die Schnüre zum Festbinden sind mit Curcuma gelb gefärbt, Ruk.
Pak (Nr. 551, i Stück), Gürtel, wie der vorhergehende, aber minder breit und
schön und ohne weisse Muschelscheibchen. Ruk.
Ausser den dünnen Scheibchen aus Rinde oder Cocosnuss, die zuweilen gemein-
schaftlich verwendet sind, werden manchmal auch Cocosperlen (Taf. 24, Fig. 6) als
Hauptmaterial zu diesen Gürteln benutzt, die überhaupt sehr variiren und von denen
jeder einzelne Verschiedenheiten zeigt, sowohl in Länge als Breite, wie Anzahl der ver-
wendeten 5/70«(f^/M5-Scheibchen. Statt zweier Bindebänder, welche die Regel bilden,
findet sich zuweilen nur eines (wie bei Taf. 25, Fig. 24 rf). Die Länge der von mir ge-
messenen Gürtel variirte von 63 — 75 Cm., die Anzahl der Schnürereihen von i3 — 3i
(== 75 — 170 Mm. Breite). Ein sehr grosser Gürtel zählt, um dies beiläufig zu bemerken,
über 27.000 Scheibch^n oder Plättchen aus Cocosnuss oder Rinde.
Der Kat. M. G. verzeichnet solche »Gürtel für Männer« von Ruk (S. 36o, Nr. 3iii;
S. 367^ Nr. 1820, 3165 — 3172, 9 Stück; S. 368, Nr. 1820), ausserdem solche, die ohne
Verwendung von rothen und weissen Muschelperlen ganz aus Cocosperlen bestehen
(S. 3 16, Nr. 550 u. 3364: Mortlock, und Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 7, irrthüm-
lich von »Pelau«). Sehr flüchtig bei Edge-Partington von Ruk abgebildet (PL 173,
Fig. 6). Nach Kubary werden diese Gürtel nur von Männern getragen, eine Angabe,
der seine eigenen Photographien hoher Persönlichkeiten beiderlei Geschlechts aus
Häuptlingsfamilien widersprechen (Anthrop. Album, Taf. 21, Fig. 497 u. 514: Männer,
und Taf. 23, Fig. 512: Frau von Ruk, und Taf. 24, Fig. 271 : Mädchen von Mortlock).
Die grössere Breite der Gürtel von Ruk (Kubary, I, S. 70) ist ebenfalls kein constantes
Kennzeichen, da diese Schmuckstücke Gegenstand des Tauschhandels sind. So werden
nach Kubary Rindenscheibchen (Tschia) von Ruk über Losop und Nema nach Etal
ausgeführt, hier zu Gürteln verarbeitet und als solche wieder nach Ruk zurückverhandelt.
Ausschliessend Frauenschmuck sind eine besondere Art Gürtel, die im Wesent-
lichen eine kleinere Form der vorhergehenden Sorte (Päk) darstellen. Sie unterscheiden
sich hauptsächlich dadurch, dass sie sauberer gearbeitet und schmäler sind (sechs bis
acht Stränge breit) und fast nur aus kleinen schwarzen und weissen Perlen bestehen.
Kin (Nr. 550, i Stück), Frauengürtel (Taf. VIII [25], Fig. 24), 58 Cm. lang,
aus sieben Schnüren aufgereihter schwarzer Perlen aus Cocosnussschale (a) und gleich
[619] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 38 1
grossen weissen aus Muschel (b)^ die durch zehn fein durchbohrte hölzerne Querriegel
(c) laufen und sich hinter den endständigen jederseits zu einem Flechtwerk (d) ver-
einigen, das in eine 3o Cm. lange geflochtene Schnur ausläuft, welche zum Festbinden
des Gürtels dient. Auf den durch zwei Querriegel gebildeten Feldern an jedem Ende
(Fig. 24) sind die weissen und schwarzen Perlen wie auf der Abbildung vertheilt, auf
den übrigen drei Mittelfeldern sind die drei mittelsten Schnüre weiss, die beiden Rand-
schnüre aus abwechselnd schwarzen und weissen Perlen gebildet. Die vier je circa
80 Mm. langen Zwischenräume zwischen den schmäleren, durch hölzerne Querriegel
begrenzten Mittelfeldern bestehen aus schwarzen Perlen, nur die mittelste Perlenreihe
aus abwechselnd weissen und schwarzen. Die schwarzen Cocosperlen sind etwas
schmäler als die auf Fig. 19 (Taf. 25), seitlich nicht gerundet, sondern abgestutzt und
nicht polirt. Die weissen Muschelperlen sind identisch mit den in Fig. 23 verwendeten. Ruk.
Wie bei den breiten Gürteln (Nr. 552, S. [617]) kommen auch bei diesen schmalen
Frauengürteln allerlei Verschiedenheiten vor, und man findet keine zwei völlig über-
einstimmenden Exemplare. Breite und Anzahl der Schnürreihen wechselt wie die An-
zahl und Anordnung der hölzernen Querriegel. Manche Gürtel zeigen als seltene Aus-
nahme zum Theile auch rothe 5poyi^/i/^-Scheibchen mit verwendet (wie Kat. M. G.,
S. 368, Nr. 3164).
Eine gute Abbildung eines solchen Frauengürtels gibt der Atlas der »Senjavin-
Reisec (PI. 3o, Fig. 5) von Lukunor, sowie die Photographie eines jungen Mädchens
von Ruk (Anthrop. Album, Taf. 23, Fig. 508), welche zugleich zeigt, dass auch diese
Gürtel vorne auf dem Bauche zusammengebunden werden. Kubary erwähnt die Frauen-
gürtel von Mortlock unter dem Namen »Kinne, »Kin« oder »Kinsakc, mit der kurzen
Bemerkung, dass sie zu den kostbarsten Schmuckstücken gehören, die bereits ausser-
ordentlich selten geworden sind und hauptsächlich auf dem Atoll Etal angefertigt wer-
den. Der Kat. M. G. verzeichnet nur wenige solcher Frauengürtel von Mortlock (S. 315,
Nr. 551, und S. 3i6, Nr. 2998) und von Ruk (S. 368, Nr. 3i63), sowie zwei Exemplare
(S. 280, Nr. 580 u. 161 6) mit der irrthümlichen Angabe »Pingelap«.
Die im Uebrigen fast ganz übereinstimmenden Gürtel von Uleai, *) aus schwarzen
und weissen Scheibchen oder Perlen und hier ebenfalls nur von Frauen getragen, kenn-
zeichnen sich dadurch, dass die Querriegel nicht aus Holz, sondern Schildpatt gefertigt
sind (vgl. Kat. M. G., S. 387, Nr. 127 u. 470).
Aehnliche Gürtel aus Schnüren aufgereihter Muschel- und Cocosscheibchen, zuweilen mit Glas-
perlen, kamen früher auf den Herzog York -Inseln vor (wie Kat. M. G., S. 28, Nr. 1615, undSerrurier:
»Ethnol. feiten« etc., S. 15). Sie unterscheiden sich aber leicht von carolinischen durch das Fehlen
von Spondylus, da die Muschelscheibchen aus ganz anderem Materiale bestehen, sogenanntem
»Miokogeldc (ähnlich >Kokopon€, S. [46]).
Sehr eigenartig in Material (vgl. vorne S. [597]) wie Bearbeitung sind die »Kau« oder Frauen-
gürtel von Pelau, die meist aus einer Doppelschnur rother Muschelscheibchen und Plättchen bestehen,
die in der Weise aufgereiht sind, dass der mittlere Theil aus runden Scheibchen besteht, die an beiden
Enden nach und nach in viereckige bis länglich viereckige (bis 45 Mm. lange) Stücke übergehen (vgl.
Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 186, Taf. XXII, Fig. 15, und Kat. M. G., S. 415, Nr. 522, 684). Diese
Gürtel werden längst nicht mehr verfertigt und bald überhaupt nicht mehr zu haben sein (s. vorne
S. [598]), denn nach Kubary (der für einen solchen 100 Mark bezahlte) sind auf ganz Pelau keine zehn
>Khau-Gürtel« mehr vorhanden (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 187).
Sehr verschieden von der vorhergehenden Art Frauengürtel (Kau) ist eine geringere Sorte,
»Kalius« (auch »Kaliusz« und »Kaliyus« geschrieben) genannt, die nur aus zwei Reihen aufgereihter
Cocosscheibchen (»Kalius«) besteht, früher zuweilen mit einigen weissen Muschelscheibchen abwech-
selnd (vgl. Kubary: »Ethnol. Beitr «, II, S. 187, Taf. XXII, Fig. 16; Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. ii,
1) Ein Gürtel (Kat. M. G., S. 388, Nr. 673) aus Natica lactea stammt wohl kaum von Uleai.
382 Dr. O. Finsch. [620]
und Kau M. G., S. 416, Nr. 141, 523). Solche Gürtel werden auf Pelau meist von jüngeren Frauen
zum Festhalten der Blätterschürze getragen, während sich ältere mit einem einfachen Gurt aus
Dugong- (»Thogul«) oder Rindshaut (»Karabon« von Karabau = Büffel) begnügen (Kubary, oben
Taf. XXII, Fig. 17).
Ethnologische Schlussbetrachtung,
Wie bereits in der Einleitung (vorne S. [447]) gesagt wurde, bilden Ruk und
Mortlock eine ethnologische Subprovinz, deren weitere Grenzen zu bestimmen wegen
Mangel an Material vorläufig unterbleiben muss. Auf Grund der sprachlichen lieber-
einstimmung liegt aber die Annahme nahe, dass die Hall-Gruppe sich dieser Subprovinz
auf das Engste anschliessen wird, wie andererseits Uleai und Nukuor wahrscheinlich
dazu gehören. Die von den letzteren Inseln vorliegenden Sammlungen zeigen wenig-
stens vorherrschend ein so ruk-mortlock'sches Gepräge, dass sie vorläufig immerhin als
Ausläufer betrachtet werden können. So ist auf Uleai wie Nukuor die Webekunst be-
kannt, die nukuor'schen Holzarbeiten schliessen sich ganz den ruk'schen an u. s. w.
Aber freilich sind noch mancherlei Lücken auszufüllen. So wissen wir z. B. über die
Schmuckgegenstände Nukuors nichts, während die von Uleai bis auf gewisse Abwei-
chungen ganz mit Ruk-Mortlock übereinstimmen. Was die letzteren beiden Inseln an-
belangt, so bilden dieselben sprachlich wie ethnologisch ein unzertrennbares Ganzes,
wie diese Arbeit zur Genüge gezeigt haben wird. In der That findet sich Alles, was Ruk
producirt, auch auf Mortlock, und wenn der Erkennungsstab (»Fenai«) bisher nur auf
ersterer Gruppe nachgewiesen wurde, so liegt es vielleicht nur an ungenügender Beob-
achtung. Zu den hervorragenden ethnologischen Zügen unseres Gebietes gehört die
strenge Stammeseintheilung, die auch auf das Familienleben einschneidend wirkt. Ein
besonderer Tanzstock (»Gurgur«) scheint zugleich als Waffe benutzt zu werden, unter
denen der »Ssukc und die besondere Bewehrung von Speeren eigenthümlich sind. Wie
sich unter den letzteren melanesische Anklänge finden, so auch in gewissen Beerdigungs-
gebräuchen (Grabhäuser und dem strengen Trauer -Tabu). Der Geisterglauben zeigt
die grösste Uebereinstimmung mit dem der Marshallaner, aber er versteigt sich zur An-
fertigung gewisser Bildwerke (namentlich Gestalten von Vögeln), die zwar ganz ab-
weichend in der Form, doch im Sinne der Ahnenfiguren Melanesiens aufzufassen sind
und zu denen vermuthlich auch Masken gehören. Eigenthümlich für Mortlock ist eine
Feldhacke aus Schildkrötenknochen, die einzig in ihrer Art dasteht, aber wahrscheinlich
auch auf Nukuor vorkommt. Die bemerkenswerthe Thatsache, dass auch auf allen hohen
basaltischen Inseln der Carolinen nur Aexte mit Muschelklingen') vorkamen (vgl. auch
vorne S. 7 [275] u. S. 215 [471], verdient hier nochmals besonders hervorgehoben zu
werden. Die Holzindustrie beider Gruppen, obwohl minder entwickelt als auf dem
westlichen Pelau, liefert in der Form von Schüsseln und Trögen immerhin bemerkens-
werthe Arbeiten, unter denen zum Theile ansehnlich grosse Deckelkisten oder Truhen
auch auf Nukuor (und Tokelau) vorkommen. Die Fischerei enthält nichts Besonderes
und ist im Ganzen wenig entwickelt. Haus- und Canubau stimmen sehr mit den gleichen
Erzeugnissen der Marshall-Insulaner überein, zeigen aber gewisse Eigenthümlichkeiten,
so in besonderen Gemeindehäusern und in der Bauart der Canus darin, dass beide
Seiten derselben gleich sind. Die Weberei, mit denselben Geräthschaften als auf Kuschai
1) Auf den meisten Inseln Polynesiens war es gerade umgekehrt, und man benutzte das ein-
heimische Steinmaterial. So z. B. auf dem vulcanischen Rarotonga, wo Lord Pembroke 1870 noch
»several old stone axe heads (very like Danish celts)«, wahrscheinlich die letzten, erhielt (»South Sea
Bubbles«, S. 195).
[5211 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 383
betrieben, liefert doch ganz andere Stoffe, welche ganz ähnlich auch auf Uleai und Uluti
fabricirt werden und, wie hier, die Bekleidung für beide Geschlechter liefern. Lange
Mäntel oder Ponchos kommen ähnlich auf Ponape und Sonsol vor, eine besondere Art
Hüte auch auf Nukuor, Yap und weiter westlich. Unter den mancherlei Schmuckgegen-
ständen ist die häufige Verwendung von »Tschäk« oder >Sak<, d. h. Scheibchen, Perlen
und Ringen aus Cocosschale, besonders bezeichnend für die Central-Carolinen und
damit in Verbindupg die von rothen Spondylus- und weissen Muschelscheibchen. Zähne
werden nicht verwendet, nicht selten dagegen Conusboden und Scheibchen aus Perl-
mutter, häufig aber Schildpatt, besonders in Form von mitunter sehr grossen Scheiben.
Hervorzuheben ist, dass sich das weibliche Geschlecht ebenso sehr schmückt als das
männliche, wie dies fast für ganz Mikronesien gilt, während in Melanesien das umge-
kehrte Verhältniss charakteristisch wird.
Die Tätowirung ist eigenthümlich und für beide Gruppen dieselbe; Ziernarben
fehlen. Das Haar wird in der bekannten, fast über alle Carolinen verbreiteten Frisur
als Chignon aufgebunden und mit Kämmen verziert, unter denen eine besondere Art
Tanzputzkämme nur Festschmuck für Männer sind. Zuweilen werden diese Kämme
durch besonderen eigenthümlichen Federputz aus den hinteren Schwingen des Fregatt-
vogels verziert, ein Schmuck, der für unser Gebiet eigenthümlich und charakteristisch
ist, wie besondere Haarnadeln mit Schmuckbändern. Kopf- oder Stirnbinden sind in
zwei für beide Geschlechter verschiedenen originellen Formen vorhanden, ebenso Ohr-
putz. Von letzterem werden dicke Bommeleien aus Cocosperlen bündelweise von
beiden Geschlechtern im Ohr getragen, besonders eigenthümlich grosse, zum Theile
hübsch verzierte hölzerne Ohrpflöcke als Schmuck nur für Männer. Unter dem mannig-
fachen Hals- und Brustschmuck, stets aus »Tschäkc (Cocosnuss)^zuweilen in Verbindung
mit 5po;i4^/2/5-Scheibchen, sind aus Cocosperlen geflochtene kragenartige Bänder be-
sonders hübsch und finden sich, wie aller hierher gehöriger Schmuck, westlich bis
Uleai. Armschmuck zeichnet sich, wie in ganz Mikronesien, dadurch aus, dass er nicht
auf dem Oberarm, sondern auf dem Unterarm getragen wird. Neben Spangen aus
Schildpatt, die sonst nur in Melanesien (z. B. in Neu-Britannien) vorkommen, sind Arm-
bänder aus Cocosperlen oder Scheibchen geflochten sehr charakteristisch und eigen-
thümlich. Gewisse Armbänder sind in derselben Technik aus Schnüren aufgereihter
Cocos- und Muschelscheibchen gearbeitet als die Leibgürtel, *) welche mit zu den kunst-
vollsten Arbeiten unseres Gebietes und der Carolinen überhaupt gehören.
I) Aehnliche Gürtel, aber nur aus Muschelscheibchen, kommen in der Herzog York-Gruppe vor.
384 ^^ ^ Finsch. [622]
Nachträge und Berichtigungen.
Während in der Zoologie die Kenntniss der geographischen Verbreitung schon
längst die ihr gebührende Stellung fand, hat man in der Ethnologie die Wichtigkeit
dieser Disciplin erst später einzusehen gelernt und sich bemüht, in dieser Richtung zu-
verlässiges Material zusammenzutragen. Leider ist es für gar manche Gebiete, deren
Bewohner durch die Tünche sogenannter Civilisation ihre Originalität einbüssten, be-
reits zu spät und die Mahnung, Versäumtes nachzuholen, um so dringlicher. Wenn ich
daher im Nachfolgenden, ausser den für die eigene Arbeit erforderlichen Correcturen
und Nachträgen und solchen zu engverwandten Werken, noch andere Notizen einfüge,
so haben dieselben durchgehends Beziehungen zu unseren Gebieten des westlichen
Pacific und sind für die ethno-geographische Verbreitung von Bedeutung. Sie werden
in manchen zuverlässigen Daten den interessanten Nachweis liefern, wie unabhängig
von einander gewisse Gebräuche, Geräthe u. s. w. selbst an entfernten Localitäten vor-
kommen, während oft ganz naheliegende ganz verschiedene Verhältnisse bieten. Solche
zuverlässige Daten, die ich freilich sehr beschränken musste, werden »das Problem des
Völkergedankens in der Rückführung auf die geographischen Provinzenc, nach Bastian
die wichtigste Aufgabe unserer Zeit, der Lösung näher bringen helfen. Und in der That
ist die Kenntniss dieser geographischen Centren (Provinzen und Subprovinzen) von
der allergrössten Wichtigkeit für eine Biologie des Menschen. In dieser Ueberzeugung
habe ich mich bemüht, die für unser Gebiet bestehenden Centren (Subprovinzen) fest-
zulegen und zu charakterisiren, Versuche, die, auf Thatsachen basirend, jedenfalls den
einzuschlagenden Weg zeigen und zu einer Klarstellung der Ethnologie verschiedener
Stämme der Südsee und ihrer Beziehungen untereinander beitragen dürften.
(Zu: »Annalenc, Bd. III, Heft 2, 1888, S. 83 [i] bis S. 160 [78].)
Seite 83 [i]. Zu:
Erste Abtheilung: Bismarck- Archipel.
S. 88 [6]. Zu: I. Neu-Britannien.
a) Blanche-Bai
S. 8g [7]. Das "Wort »Loto« oder »Lotuc ist jedenfalls nicht vom englischen
»Lordc abzuleiten, sondern ein Fidschiwort, das »Botschaft« bedeutet und wohl durch
Fidschimissionslehrer Verbreitung fand. In Samoasprache hat das Wort »Lotoc eine
mehrfache Bedeutung (unter Anderem »Herz = Seele«), wie »Lotu« (unter Anderem
»sich vom Heidenthum abwenden«) (vgl. Pratt: »A grammar and dictionary of the
Samoan-language« [London 1878], S. 23o u. 23 1).
S. 89 [7]. Zu Eingeborene. Die Charakteristica, welche Dr. Benda (»Zeitschr. f.
Ethnol.«, 1880, S. 112) gibt, enthält eine Menge Unrichtigkeiten (»Körperbau schwäch-
lich, Haar in Büscheln stehend, Bart spärlich, Augen graubraun, Weiber abschreckend
[6231 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 385
hässlichy sehr unreinlich, Charakter tückisch, Tauschartikel Spirituosenc) die zu einem
falschen Urtheil verleiten.
S. 90 [8]. »Männer und Frauen halten ihre Mahlzeiten getrennt« (Parkinson in
lit.),") aber es gibt auch Ausnahmen, wie ich wiederholt beobachtete.
S. 90 [8]. »Den Titel ,Kjap' (Captain) brauchen Eingeborene nicht unter sich,
sondern mir im Umgang mit Weissen« (P. in lit.j.
S. 90 [8]. Zu Cannibalismus. Die Geschichten, welche Powell (S. 85) erzählt,
dass ein Mann seine eigene Frau todtschlug, kochte und zu einem Festmahle berei-
tete, sowie die andere, nach welcher der Mörder die Witwe eines Erschlagenen heira-
tete, dessen Körper als Hochzeitbraten verwendet wurde, gehören in das Gebiet der
Münchhausiaden, die, erst in die Literatur übertragen, sich schwer wieder ausrotten
lasse n<
S. 91 [9]. Zu Ethnologische Charakterzüge. Dieselben sind für dieses Gebiet
von Neu-Britannien und Neu-Irland (S. 126 [44]) nur sehr im Allgemeinen angedeutet
und würden einer genaueren Darstellung bedürfen, die ich mir aber auch hier versagen
muss. Dennoch will ich erwähnen, dass beide Inseln, oder vielmehr die bis jetzt be-
kannten sehr beschränkten Gebiete derselben, ethnologisch nicht gemeinschaftlich be-
handelt werden können, sondern zwei ganz verschiedene Centren im Sinne von Sub-
provinzen bilden. Dabei mag nur auf die totalen Verschiedenheiten in Haus- und
Canubau, Muschelgeld, Bestattungsweise, Kunstfleiss u. s. w. hingewiesen sein. Soweit
ich nach den im Ganzen spärlichen Wahrnehmungen urtheilen kann, beginnt mit der
Willaumez-Halbinsel westlich ein anderes ethnologisches Gebiet, das sich zunächst Neu-
Guinea anschliesst und eine Einwanderung von dorther vermuthen lässt. Interessant
und beachtenswerth ist dabei das Vorkommen der zwei Arten Muschelgeld des Bis-
marck-Archipels (Nassa == Diwara von Blanche-Bai und Muschelscheibchen wie in
Neu-Irland) im Kaiser Wilhelmland (Finschhafen, Huongolf etc.). Mit der Verbreitung
ethnologischer Gegenstände verhält es sich übrigens ganz analog wie mit der der Thier-
arten. Wie hier gewisse Genera theils in derselben, theils in verschiedenen Arten über
fast alle Inseln der Südsee verbreitet sind, während andere Gattungen und Arten nur
auf gewisse, oft sehr kleine Inseln beschränkt bleiben, so finden sich gewisse Sitten,
Gebräuche und Erzeugnisse des Menschen, in ganz ähnlicher Weise vertheilt, oft erst
an den entferntesten Localitäten wieder. Die Inseln des Bismarck-Archipels würden
ganz besonders zu einer solchen ethno-zoologischen Parallele reizen. Nur einige wenige
Thatsachen aus ornithologischem Gebiete mögen hier kurz erwähnt sein, wie das Vor-
kommen theils vicarirender, theils eigenthümlicher Arten auf jeder Insel, selbst der
kleinen Herzog York-Gruppe. So besitzt Neu-Britannien eine Art Casuar und Kakatu
(Diwara, Steinkeulen etc.), Neu-Irland keine solchen, dagegen Dicranostreptus (Kule-
paganeg) u. a. Vielleicht wird es mir einmal möglich, diese Gedanken weiter und in
einer die ganze Südsee umfassenden Parallele auszuführen, die gewiss viel interessante
Gesichtspunkte auch für die Ethnologie ergeben würde.
S* 9^ [9]* ^u Sprache. »Die Zersplitterung der Sprachen in Blanche-Bai ist nicht
so gross; von Port Weber östlich bis Blanche-Bai und bis Gap Gazelle, sowie land-
einwärts bis zum Berge Unakokor (Varzin) herrscht nur eine Hauptsprache, und
Eingeborene aus den verschiedensten Theilen dieses Gebietes unterhalten sich ohne
Anstoss« (P. in lit.). Die Mittheilungen über die verschiedenen Dialekte der Gazelle-
1) Wir verdanken diese mit P. gezeichneten Notizen der Güte von Herrn Parkinson in Ralum.
D. R.
386 Dr. O. Finsch. [624]
Halbinsel verdankte ich Herrn Littleton, jenem Engländer, der als Erster ganz allein und
unbewaffnet bis zum Berge Unakokor vorgedrungen war. Ich selbst beobachtete wieder-
holty dass Matupileute Eingeborene von der Küste (z. B. Ratawul, Beretni u. s. w.) nicht
oder mindestens nicht gut verstanden. Und Parkinson sagt selbst: »dass der Kabakada-
Dialekt durch die Mission in einigen anderen Districten eingeführt sei und mit der Zeit
wohl allgemein Eingang finden wird. Im Innern des Landes fand ich viele verschiedene
Dialekte.c (»Im Bismarck- Archipel«, S. 146), und »auf Neu-Irland und Neu-Britan-
nien hat nicht nur jede Insel, sondern jeder District und jeder Küstenstrich ein anderes
Idiom« (ib. S. 28).
S. 92 [10]. Zu Nacktheit. Dieselbe ist nicht blos für diesen Theil Neu-Britan-
niens charakteristisch, sondern kommt sporadisch auch in Neu-Guinea (vgl. S. [223]) und
anderwärts vor. So herrscht nach Coote*) auf der Insel Ulaua (Salomons) völlige Nackt-
heit bei beiden Geschlechtern, ebenso auf Maewo (Aurora-Insel) der Neu-Hebriden.
Mit Ausnahme der Häuptlinge gingen früher auch die Männer auf Pelau ausnahmslos
völlig nackt (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 209, Note).
S. 92 [10]. Zu »A brewo«. Das dem Hauptworte vorgesetzte »A« ist, wie ich
schon vermuthete, nur der Artikel; aber zu meiner Zeit war man darüber noch nicht
sicher.
S. 92 [10]. Zu Tapa. »Djapo« wurde mir von Kubary als das samoanische Wort
für Tapa angegeben, muss aber richtig »Siapo« heissen. Interessant ist, dass nach Wilkes
die Kunst, Tapa zu bereiten, erst durch die Mission von Tonga nach Samoa eingeführt
wurde (II, S. 135). Auf Fidschi versteht man ebenfalls aus dem Bast von Broussonetia
sehr schöne Tapa zu machen und das Bedrucken derselben in bunten Mustern; aber
Tapa darf von Frauen nicht getragen werden (Wilkes, III, S. 338). Schöne Proben von
Tapa und Druckmatrizen daher im Museum Godeffroy (Kat., S. 139, 140 u. 143).
S. 93 [11]. Zu Tapa mit hübschen Mustern. Ich erhielt solche Stücke Tapa
von 90 — iio Cm. Länge und 3o — 48 Cm. Breite. Hierher gehören »Zeug oder Stoff«
(Kat. M. G., S. 28, Nr. 1147, Taf. XI, Fig. i) und »Gürtel« (ib. Nr. 1480,* Taf. XI,
Fig. 2), angeblich auch von »Neu-Irland und Neu-Hannover«.
S. 93 [11]. Zu Material von »Schmuck und Zieraten«. Eine sehr grosse Röhre
von Dentalium elephantinum L. (80 Mm. lang mit 10 Mm. weiter Oeffnung), die ich
auf Matupi erhielt, diente als Behälter für drei sehr sonderbare kleine Gegenstände, mir
unbekannt, aber jedenfalls thierischen Ursprunges. Sie sind kolbenförmig, flachgedrückt,
an der Basis stielartig verjüngt, emailglänzend, auf weisslichem Grunde rosa, am
unteren Rande bläulich angehaucht, der Stiel grünlich und messen 9 — 11 Mm. in der
Länge, 7—9 Mm. in der Breite. Prof. E. v. Martens hatte die Güte, diese kleinen Gegen-
stände, welche in der Dentalium-Kohrt sorgfältig durch einen Stöpsel von Pflanzen-
faser verwahrt waren, zu bestimmen, und schreibt mir: »Die drei kleinen Dinger sind
Fingerstücke der Fangfüsse von Gonodactylus chiragrüy eines Krebses aus der Familie
der Squilliden. Sie sind schon in Rumph (,D*amboinsche Rariteitkamer* [1705]) als
,zwaantje^ (= Schwänchen) beschrieben und abgebildet (pag. 5, 6, Taf. 3, Fig. G).«
Ueber Benutzung und Zweck ist mir nichts bekannt geworden, da ich die Gegenstände
erst nach meiner Rückkehr vorfand. Als Schmuck habe ich diese Krebsfinger nie be-
nutzt gesehen und vermuthe nur, dass sie vielleicht als eine Art Talisman dienten.
I) »The Western Pacific, being a description of the groups of Islands to the North and East
of the Australian continent. By Walter Coote, F. R. G. S.« London, Saropson Low (i883).
[5251 Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 387
S. 93 [11]. Zu »rothe Art Schilf (Kanda)c ist »nicht Schilf, sondern Rottan-
palmec (P. in lit.).
S. g3 [11]. Zu Zähne. Im Kat. M. G. (S. 41, Nr. 1718 u. 1164) werden zwei
Schmuckstücke aus »Cachelotzähnenc mit ? von Neu-Britannien notirt, von denen das
letztere unzweifelhaft von den »Gilberts«, das erstere (»aus elf grossen Cachelotzähnen,
deren oberer Theil mit Tapa umwunden ist«) aber ebenso Wenig von hier als »Neu-
Britannien« herstammt; vielleicht Fidschi?
S. 93 [11]. Zu Casuarfedern. Nach Parkinson bilden solche einen begehrten
Handelsartikel, der mir aber in Blanche-Bai nie vorkam. Auch im Kat. M. G. (S. 3o,
Nr. 3238) wird nur ein hierhergehöriges Stück verzeichnet: »Haarschmuck (?) Casuar-
federn an Rohrstäbchen«.
S. 94 [12]. Zu Muschelgeld (»Diwara«). Prof. v. Martens schreibt mir (den
20. Juli 1891) über die Species: »Die var. camelus von Nassa callosa A. Ad. ist meines
Wissens von mir noch nicht im Druck veröffentlicht; sie unterscheidet sich von der
typischen Form dieser Art durch den starken Höcker auf dem Rücken der letzten Win-
dung, welche ganz an den von N. thersites erinnert.« Nach gütiger Untersuchung des-
selben Specialisten gehört auch das Muschelgeld von Willaumez, Hansabucht und
Kaiser Wilhelms-Land (aber nicht von der Südostküste Neu-Guineas) zu dieser Species.
Auf Neu-Irland und weiter ostwärts ist mir Diwara niemals vorgekommen. Das im
Kat. M. G. (S. 74, Nr. 1896) verzeichnete »Geld« ist echtes Diwara.
S. 94 [12]. Zu »Tambu aloloi«: »heisst einfach yTambu-Rmg*^ oder ,aufgerollter
Tambu'. Sind solche Ringe sehr gross und ungeöffnet von einer Generation zur an-
deren gegangen, so führen sie manchmal den Namen eines verstorbenen Häuptlings«
(P. in lit.).
S. 95 [i3]. Zu Muschelgeld (»Pellä«), Wird von der Herzog York-Gruppe unter
dem Namen »Miokogeld« nach dem Festlande von Neu-Britannien über ganz Blanche-
Bai bis zur Nordküste verhandelt und, nach Kleinschmidt (vgl. Schmelz in: »Zeitschr.
f. EthnoL«, 1881, S. 187), auf den Herzog York-Inseln selbst, und zwar nur von Frauen
verfertigt. Leider erfahren wir nicht in welcher Weise und aus welcher Art Conchyl.
Das Muschelgeld im Kat. M. G. (S. 74, Nr. 1287 f. [mit Ausnahme des lilafarbenen] u.
Nr. 2o3i) ist solches Miokogeld (ebenso: »Halsschmuck«, S. 39, Nr. 2o3i, 1938, und
S. 40, Nr. 1916). Unter dem Namen »A Pellä« erhielt ich auch auf Matupi Schnüre
aufgereihter weisser Muschel- und schwarzer Nussscheibchen, die, auf Cocosfaserschnur
gereiht, ganz mit dem Tekaroro der Gilberts-Inseln (Taf. 24, Fig. 3) übereinstimmen,
nur sind die Cocosscheibchen dicker (vgl. auch Kat. M. G., S. 74, Nr. 1463). Ob diese
Scheibchen hier gemacht werden, konnte ich nicht erfahren, möchte dies aber bezwei-
feln, und ein zufälliges Einschleppen durch Schiffsverkehr (über die Marshalls) scheint
mir nicht ausgeschlossen. Nach Parkinson gelten in Blanche-Bai bis Port Weber hinauf
vier Schnüre »Pellä «-Muschelgeld (circa 3o Cm. lang) einen Faden (d. h. eine Klafter-
länge) Diwara. Ganz ähnliches Muschelgeld aus hellfarbigen Muschelplättchen (wie das
»Kokonon« von Neu-Irland, Taf. i, Fig. 4 u. 5) erhielt ich von den Salomons, und zwar
von Savo, wo es »Lago« heisst. Wie mir Alexander Morton erzählte, der wiederholt
die Salomons besuchte, ist das Dorf Makira auf San Christoval der Hauptplatz der
Fabrication dieses Muschelgeldes, die übrigens nur von einigen wenigen Männern be-
trieben wird. Unter dem Namen »Makirageld« ist dasselbe weit und breit berühmt und
steht wegen seiner vorzüglichen Bearbeitung auch auf anderen Inseln in hohem Werthe.
Das Muschelgeld von Malayta, auch bei Guppy (S. 134) erwähnt, ist nicht so gut. Coote
gibt einige interessante Notizen über den Werth des Muschelgeldes auf Ysabel. Es
388 Dr. O. Finsch. [626]
werden hier zwei Sorten, weisse und rothe,') Muschelscheibchen ^von der Grösse eines
Hemdknopfesc (also circa 7 — 10 Mm. im Durchmesser) verfertigt, die, auf Schnüre
gereiht, von der Länge eines Fadens (also 6 engl. Fuss, was reichlich viel scheint) im
Tauschverkehr als Geld dienen. Das rothe Muschelgeld ist zehnmal so viel werth als
weisses, also i Schnur weisses = 10 Cocosnüssen oder i Stück Stangentabak; i Schnur
rothes =10 Schnüren weisses = 100 Cocosnüssen = i Hundezahn = 5 Delphin-
Zähnen; für 10 Schnüre rothes oder 100 Schnüre weisses Muschelgeld kann man eine
Frau oder ein Schwein kaufen. Auf den Neu-Hebriden werden ganz ähnliche Muschel-
scheibchen verfertigt (»Durchmesser 5 — 7 Mm., von bläulicher Farbe it Kat. M. G.,
S. i36, Aurora-Insel) und bilden die übliche Scheidemünze. Wenn daher Eckardt in
seiner Compilation über diese Inseln (S. 29) sagt: »als Zahlungsmittel dient Cypraea
monetatf so hat dies auf diese Muschelplättchen Bezug. Wilkes erwähnt von Fidschi
»strings of Cypraea monetär, was noch der näheren Bestätigung bedarf (III, S. 354).
Beiläufig mag noch bemerkt sein, dass ohne sicheren Nachweis Niemand im Stande ist,
die Herkunft dieser weit verbreiteten, einander so ähnlichen Muschelplättchen oder
Scheibchen zu bestimmen.
S. 95 [i3]. Zu »Kanoare«, falsches Muschelgeld (Taf. i, Fig. 2); das Conchyl
ist nicht Nassa vibeXy sondern N, globosa Hombr. und Jacqu. (v. Martens in lit.).
S. 96 [14]. Zu Farben. »Schwarz heisst an der Küste ,marut, korokorony, likutau^;
roth ,meme<; gelb ,lailaiS grün ,limut*€ (P. in lit.).
S. 96 [14]. Zu »A Kotto«. »Kotto« heisst das Instrument (Glasscherben, Zahn
oder sonstiger scharfer Gegenstand), womit die Einschnitte gemacht werden; die Narben
selbst heissen »Buliranc, gewöhnliche Narben »Manua« (P. in lit.).
S. 96 [14]. Zu Tätowirung. Wenn Dr. Benda sagt: »Tattuirung meist nur auf
Brust und Rücken und in breiten Hauteinkerbungen bestehend», so ist dies nur be-
ziehentlich richtig.
S. 97 [15]. Zu Haarputz (»Kalagic). Die als »Brustschmuck« aufgeführten Stücke
im Kat. M. G. (S. 43, Nr. 1177 — 1452, und S. 46, Nr. 1977) sind derartige Zieraten,
die bei Männern, im Kopfhaar befestigt, als Schmuck dienen, häufig in der Weise, dass
sie über die Stirne herabhängen.
S. 97 [15]. Zu Federschmuck: »Lakur und Kangal«; hierher gehören »Haar-
schmuck« (Kat. M. G., S. 3o, Nr. 2421, 2424, und S. 3i, Nr. 2410).
S. 97 [15]. Zu Stirnschmuck. Die reiche Serie von »Stirnbändern« im Kat. M. G.
S. 33, Nr. 1623; S. 34, Nr. 1842, Taf. X, Fig. 8; Nr. 1985; S. 35, Nr. 1981, 2422, 3192,
1982 [Gürtel], 1522, und S. 36, Nr. 1175, 1900 u. 2423) sind zum Theile wohl auch
»Halsbänder« (wie z. B. ganz bestimmt Nr. 1900), aber nicht von Neu-Irland (S. 33,
Nr. 1890); sie werden nur bei festlichen Gelegenheiten, namentlich den feierlichen
Tänzen (»Malankene«) getragen.
S. 97 [15]. Zu Stimbinde »Awub«. Hierher gehört »Kopfschmuck« (Kat. M. G.,
S. 33, Nr. 32i3: Duke of York). Solche Schnüre mit aufgebundenen Dunenfedern
werden häufig, zuweilen viele Meter lang, zur Ausschmückung der Grabhäuser (vgl.
Finsch: »Gartenlaube«, 1882, Nr. 42), der Erinnerungszäune (»A bogil«) (S. [18]) und
bei der Einweihung von Canus verwendet.
I) Damit sind wohl die häufigen röthlichen Muschelscheibchen, ähnlich dem »Miokogeldc ge-
meint und nicht eigentlich »rothe« Muschelscheibchen aus Spondylus, wie ich solche nur im British
Museum angeblich von den Salomons sah.
[627] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 389
S. 97 [15]. Zu Ohrschmuck. Das im Kat. M. G. (S. 87, Nr. 886, Taf. XI, Fig. 5)
beschriebene Stück ist jedenfalls nicht aus Neu-Britannien, sondern Neu-Irland.
S. 97 [15]. Zu »Bilibagu«, Nasenstift aus Casuarsch^vinge; hierher gehören
9 Nasenschmuck« aus hohlen Stäbchen vegetabilischen (?) Ursprungs im Kat. M. G.
(S. 38, Nr. 1851, 1852 u. 2835), wie von Herrn Schmeltz schon berichtigt wurde.
S. 97 [15]. Zu Nasenstift aus DeQtalium (Taf. i, Fig. 19): 9die Species ist D.
elephantinum L.« (v. Martens in lit.).
S. 97 [15]. Zu Nasenzier für die Nasenflügel (»Aibuta«); hierher gehören »Nasen-
schmuck« (Kat. M. G., S. 38, Nr. 1987 — 1988).
S. 98 [i6j. Zu Halskragen der Männer (»Midi«). Hierher gehören »Hals-
schmuck« (Kat. M. G., S. 41, Nr. 875 u. 1521, Taf. X, Fig. 2, aus Diwara); die Angabe
»Neu-Irland« (für 1521) ist falsch.
S. 98 [16]. Zu Muschelklingeln (»Wuaweo«). Die »Muschelklappern, Muschel-
glocken« (Kat. M. G., S. 67, Nr. 1165) und »Nussklapper« (ib. Nr. 1621) sind keine
Musikinstrumente, sondern Schmuck, der einzeln im Haar oder zu mehreren an einem
Halsstrickchen oder dem Halskragen (»Midi«, S. 16, Nr. 441) befestigt wird und von
hier über den Rücken herabhängt. Ein solcher Nackenschmuck ist auch der »Kopf-
schmuck« (Kat. M. G., S. 33, Nr. 2406) aus Farnkraut etc.
S. 98 [16]. Zu Halsband (»Gurgurua«). Dieser Name ist in der Sprache von
Makada und wurde mir von King Dick aufgegeben. »An der Küste heissen solche Hals-
bänder ,Rangrarig^« Frauen dürfen »Ngut«-Zähne in kleinen Bündeln als Halsschmuck
tragen, bis so viel zusammengebracht ist, um für den Mann ein Halsband anzufertigen
(P. in lit.).
S. 99 [17]. Zu Armringe aus Trochus (»Lalei«). Wie meine Sammlung zeigt,
erhielt ich auf Matupi solche Armringe noch in allen Stadien der Bearbeitung. Seitdem
mag diese Fabrication aufgehört haben, denn nach Parkinson werden solche Trochus-
Ringe jetzt nur auf Neu-Irland gemacht. Ich erhielt aber auch sehr schöne von Neu-
Hannover, unter Anderem eine Reihe von 27 Stücken, die zusammen auf einem Ober-
arme getragen wurden; der unterste weiteste Reif misst 85 Mm. im Breitendurchmesser,
der oberste engste 72 Mm., und alle passen so aufeinander, als wären sie aus einem
Stück geschnitten, das eine Röhre von 10 Cm. Höhe bildet, jeder einzelne Ring ist also
weniger als 4 Mm. dick. Trochusarmringe gehören* mit zu dem weitverbreitetsten
Schmuck der Südsee: Salomons, Santa Cruz-Gruppe (Coote), Neu-Hebriden, Fidschi,
Samoa; im Leidener Museum auch von der Westküste Neu-Guineas und von Timor.
Zu Wilkes' Zeiten (1841) waren diese Armringe auf Fidschi kostbarer Putz, der unter
Anderem vom Könige und der Königin von Rewa getragen wurde (III, pag. 127).
S. 99 [17]. Zu Armringe aus Tridacna. Die Anfertigung derselben beschreibt
Guppy (S. i32) von Simbo, wobei man aber bereits ein Stück Bandeisen als Werkzeug
benutzt. Ueber den Werth derselben gibt Coote einige interessante Notizen von Ysabel«
Solche Ringe, hier »Bakiha« genannt, die übrigens auch als Brustschmuck getragen
werden, repräsentiren das werthvollste Eingeborenen geld. Ein solcher Ring ist =
loo Hundezähnen = loo Schnüren rother Muschelscheibchen = 500 Delphinzähnen
= 1000 Schnüren weisser Muschelscheibchen = 10.000 Cocosnüssen oder == 40 Pfund
Stangentabak (s. S. [20]); letzterer kostet in Sydney ohne Steuer circa 43 Mark, mit
Steuer 143 Mark oder nach dem Händlerpreise in manchen Gebieten der Südsee
320 Mark. Für einen »Bakiha« kann man »eine Frau von guter Qualität, einen jungen
Burschen oder — ein sehr gutes Schwein kaufen« — auf Ysabel! — Preise, die sich
inzwischen auch geändert haben dürften. Ich erhielt schöne Tridacna-Rin^t von Simbo
SgO Dr O. Finsch. [628]
(hier »Porta« genannt) und Savo; von hier und Malayta im Museum Godeffroy (S. 92,
Nr. 2687 u. 2688, Taf. XVI, Fig. 3). Durch Schiffsverkehr gelangen solche Ringe zu-
weilen auch nach dem Bismarck- Archipel (Kai. M. G., S. 44, Nr. 1457 — 2001: >Neu-
Britannien, Neu-Irland, Duke of York«), wo sie aber nicht gemacht werden. Aus
Tridacna geschlififene Armringe erwähnt Serrurier auch von der Sir Hardy-Insel und
den östlichen Batakerländern. Ich erhielt sehr schöne Exemplare in Kaiser Wilfaelms-
Land (vgl. S. [241]), wo sie als Brustschmuck getragen werden.
S. 99 [17]. Zu Armringe aus Schildpatt (»Papal«). Hierher gehören Kat. M. G.,
S. 44, Nr. 1459 u. 1407.
S. 99 [17]. Zu Leibschmuck. Eine solche Leibschnur aus »Pellä«-Muschelscheib-
chen ist der »Gürtel« von Duke of York »aus acht Schnüren, die in gewissen Abständen
durch quere Holzplättchen laufen« (Kat. M. G., S. 28, Nr. 1615). Hier auch ein anderer
»Gürtel« aus zwei Reihen Diwara (ib. S. 29, Nr. 1614) von derselben Localität, wie sie
ähnlich auch in Blanche-Bai vorkommen. Gewöhnlich genügt eine Reihe Diwara als
Leibschnur, die sowohl von Frauen als Männern getragen wird. Leibschnüre auf Muschel-
scheibchen (»Lago«) kommen auch in den Salomons vor; ich erhielt solche von Savo,
wo sie »Butu« heissen. Gürtel aus Schnüren aufgereihter Muschelscheibchen, die durch
hölzerne Querriegel laufen, sind mir in Blanche-Bai nicht vorgekommen, auch keine
geflochtenen Gürtel (wie Kat. M. G., S. 29, Nr. 3190), der jedenfalls nicht aus Neu-
Britannien herstammt.
S. 100 [18]. Zu Häuser. Eine passable Darstellung des für Blanche-Bai charak-
teristischen Baustyles gibt die Abbildung bei Powell (S. 58). Ganz irrthümlich ist da-
gegen das Bild »Eingeborenendorf« in Parkinson (»Der Bismarck-Archipel«, S. 37), ein
schon in Hager's Compilation (»Kaiser Wilhelms-Land«, S. ii3) verwendetes Glicht,
zu dem vermuthlich das Bild eines Dorfes der »Admiralitäts-Inseln« (Spry : »Expedition
des Challenger«, S. 244) als Vorlage diente. Die »Hütte der Eingeborenen« (Parkinson,
S. 63) ist aus Hernsheim copirt und betrifft nicht Neu-Britannien, sondern »Neu-Irland«.
Von der so gut als unbekannten Südküste erwähnt v. Schleinitz (»Nachrichten aus
Kaiser Wilhelms-Land«, 1888, S. 37) »mehrere Meter hohe Pallisadenzäune um die
Häuser« als eine Art Vertheidigung, die bisher nur aus den Gilberts bekannt war.
S. 100 [18]. Zu ».A Galib«. Hieher gehören »Früchte von Cycas<\ Kat. M. G.,
S. 46, Nr. 1907; S. 68, Nr. 2430, und S. 69, Nr. 2431.
S. 100 [i8]. Zu Nahrung. »,Mau' ist nur eine besondere Art Banane; der gene-
rische Name für Banane ist ,Wuddu*. Hühner werden sowohl von Männern als Frauen
gegessen; Schlangen werden an vielen Orten, z. B. in Port Weber, am Berge ünakokor
u. s. w. mit Vorliebe gegessen« (P. in lit.). Zu meiner Zeit assen die Eingeborenen auf
Matupi keine Hühner, schon weil sie dieselben lieber an Weisse verkauften. Schlangen
erhielt ich viel von den Küstenleuten, ich erfuhr aber nie, dass sie solche essen, und
mein Matupi-Bursche war sehr erstaunt, dies in Neu-Guinea zu sehen. Die Sitte ist also
jedenfalls local verbreitet.
S. loi [19]. Zu Schwein. Wie auf der folgenden Seite ([20]) erwähnt, gibt es
viele Männer, für die Schweinefleisch koscher ist und die sich daher auch nicht beim
Schweineschlachten betheiligen. In der That habe ich dies Geschäft stets nur von
Weibern besorgen sehen, und zwar in sehr eigenthümlicher Weise, die genau zu be-
schreiben mich hier zu weit führen würde. Erwähnt mag nur sein, dass das Schwein
nicht erschlagen oder erstochen, sondern erstickt wird, und dass man sich damals bei
der ganzen sehr sauberen Schlachterei nur Bambumesser bediente.
[629] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 391
S. loi [19]. Zu Messer. Auch auf Fidschi (wie anderwärts) werden schmale
scharfkantige Leisten von Bambu als Messer benutzt und schneiden vortrefiFlich (Wilkes,
III, S. 347). ^Messer aus Schildpatt« (Kat. M. G., S. 74, Nr. i53i) sind KalklöfTel, die
jedenfalls zufällig nach Neu-Britannien gelangten. So bekam ich hier wiederholt hölzerne
KalklöfTely welche die Eingeborenen, unbekannt mit dem Gebrauch, für »Messer« hielten
und die durch Schiffsverkehr von Woodlark I. über die Laughland-Inseln nach Matupi
in die Hände Eingeborener gekommen waren.
S. loi [19]. Zu Schaber und Brecher. Ein Schaber aus »Beinknochen von
Casuar« ist im Kat. M. G. (S. 74, Nr. 1909, Taf. XII, Fig. 4) dargestellt, sowie ein an-
derer aus Perlmutter mit gezähneltem Rande (S. 78, Nr. 1408) und ein sehr inter-
essantes Stück aus Tridacna, an einem oben zugespitzten Holzstiele befestigt (S. 73,
Nr. 1908, Taf. XII, Fig. 3).
S. 102 [20]. Zu Feuerreiber, »heisst an der Küste ,Tautau*« (P. in lit.).
S. 102 [20]. Zu Gewerbskunde. Die im Kat. M. G. verzeichneten iiletgestrickten
Beutel von Neu-Britannien (»Tasche«, S. 76, Nr. 874, 1601 u. 2842) stammen von Neu-
Guinea oder den Salomons-Inseln her, von letzteren ganz sicher das Taf. XII, Fig. i, abge-
bildete Stück, wie die Verzierung der Fransen mit S^wWe-Nussschalen (S. [66], Nr. 481)
deutlich beweist. Ganz ähnliche erhielt ich von Savo.
S. 102 [20]. Zu Korb aus Rottan (»ASm«). Hierher gehört Kat. M. G., S. 75,
Nr. 2075.
S. 102 [20]. Zu Körben. Eine besondere Art Körbe (»Rat a malira«), die weniger
der Arbeit als des eigenthümlichen Zweckes wegen, der in das Liebesleben hineinspielt,
bemerkenswerth sind, will ich hier aus meinen Manuscripten noch nachtragen. Es sind
dies kleine flache Körbchen, die mit Federn (meist Dunenfedern von Hühnern), Farnen
und bunten Blättern verziert sind und an einer langen Schnur auf dem Rücken getragen
werden. Ein solches Körbchen, mit welchem mein Freund Balleram-Matupi, wohl eine
ganze Woche lang, in den benachbarten Dörfern umherzog, enthielt zwei kleine Düten
aus Blättern mit pulverisirtem Kalk und einem anderen wohlriechenden Pulver, das
eigentliche »Malira«, welches als eine Art Zaubermittel ausgegeben wurde. Von diesem
Pulver nimmt nun der Mann etwas zwischen Zeigefinger und Daumen und bläst es,
unbemerkt von Zeugen, gegen das Mädchen, welches er liebt, die ihm dann eine nächt-
liche Zusammenkunft bewilligen soll. Wenigstens behauptete Balleram, übrigens ein
verheirateter Mann, mit seiner »Malira« vier Eroberungen gemacht zu haben. Hierher
gehört »Körbchen aus Cocosnussschale, bei Brautwerbungen benutzt« (Kat. M. G., S. 75,
Nr. 2846).
S. 102 [20]. Zu Genussmittel. Es ist auffallend, dass (nach Wilkes) die Bewohner
von Fidschi Betel nicht kennen, was zu den seltenen Ausnahmen in Melanesien gehört.
Nach einer Notiz im »Intern. Archiv f. Ethnol.« soll seitdem Betelgenuss in Fidschi
(wahrscheinlich durch Arbeiter von den Salomons-Inseln) eingeführt sein.
S. io3 [21]. Zum Aufbewahren des Betelkalks. Mit Schnitzwerk und Brand-
malerei verzierte Bambu- »Dosen für Betelkalk« (Kat. M. G., S. 76, Nr. 1552 u. 1855,
Taf. XII, Fig. 7) sind nicht in »Neu-Britannien« gemacht, sondern stammen aus den
Salomöns-Ins., woher ich von Savo und Simbo eine ganze Anzahl sehr verschiedenartig
und hübsch verzierter Büchsen durch farbige Arbeiter von dort erhielt (vgl. »Poke«,
S. [66]).
S. io3 [21]. Zu Steinäxte. Der Kat. M. G. (S. 46) verzeichnet 46 »Steinbeil-
klingen« (bis 22 Cm. lang) und neun »Steinmeissel«, die beiläufig identisch mit den
ersteren sind, aber nur zwei montirte Aexte (S. 441)9 die in der Befestigung der Klinge
Annalen des k. k. naturhistorischea Hofmuseums, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, 1893. 27
392 I>r. O. FinBch. [63o]
doch etwas von der von Neu-Hannover abgebildeten (Taf. 2, Fig. 3) abzuweichen
scheinen, wenn darüber auch Beschreibung wie die sehr mittelmässige Abbildung
(Taf. Xlly Fig. 2) nicht klare Einsicht ermöglichen. Sehr interessant ist ein »Hohlmeissel
aus grünlichem Gestein« (S. 47, Taf. XII, Fig. 5).
S. io3 [21]. Zu »Arium lua«: »heisst eine Steinklinge aus der alten Zeit, yRiam'
eine Steinklinge« (P. in lit.).
S. io3 [21]. Zu Werkzeuge. Der Kat. M. G. (S. 74, Nr. 191 1) verzeichnet von
Neu-Britannien »Obsidian, ein grösseres Stück und Splitter desselben, die letzteren
werden unter Anderem zur Anfertigung von Schnitzarbeiten benutzt«. Das Vorkommen
dieser glasartigen Lava im Bismarck- Archipel ist bis jetzt noch nicht mit Sicherheit
nachgewiesen und die Vermuthung, dass die betreffenden Stücke (wie Anderes) durch
Schiffsverkehr von den Admiralitäts-Inseln hierher gelangten, vorläufig noch berechtigt.
S. io3 [21]. Zu Bohrer (»Ago«). Es mag noch bemerkt sein, dass mit Terehra-
und Mitra-lAuschtln auch die Löcher in die Muscheln gebohrt werden, welche als
Schmuck dienen (z. B. die Klingeln aus Oliva, S. [16]).
S. io3 [21]. Zu Waffen. Die sonderbaren Waffen, in Form eines Schwertes und
Hackmessers, wie sie Powell (S. 109) von »Spacious-Bay« abbildet, sind wohl nur
Phantasiegebilde und bedürfen dringend weiterer Bestätigung.
S. io3 [21]. Zu Kampfweise. Es ist interessant, dass sich der so weit über Neu-
Guinea verbreitete Kampfschmuck auch im Bismarck- Archipel, und zwar nach Klein-
schmidt nur auf der Herzog York-Gruppe, in einer sehr eigenthümlichen, aber primi-
tiven Form findet. Dieser Schmuck oder besser Geräth ist Imitation eines künstlichen
Kinnbartes aus Pflanzenfaser und besteht aus zwei Bündeln, die durch ein Querholz
verbunden sind. Mit letzterem wird der Schmuck während des Angriffes im Munde des
Kämpfenden gehalten, der dadurch, wie dies überall der Fall ist (vgl. z. B. S. [99]),
seinem Gegner Schrecken einzuflössen versucht. Hierher gehört der »Tanzschmuck«
im Kat. M. G. (S. 69, Nr. 1845: Schmeltz: >Zeitschr, f. Ethnol.«, Bd. XIII, 1881, S. 187).
S. 104 [22]. Zu Speere. Eine sonderbare Art Bewehrung von Speeren ist die mit
dem Nagel von der Zehe des Casuar (Casuarius Bennetti)^ welche Powell von Spacious-
Bai beschreibt und über deren äusserst gefährliche Wirkung er (wenn auch nicht aus
Augenschein) gleich zu erzählen weiss. Hierher gehören nach Berichtigung von Schmeltz
die im Kat. M. G. (S. 53, Nr. 2338, 2881 u. 2882) aufgeführten Speere, hier irrigerweise
als »mit Spitze vom Unterschnabel eines Nashornvogels bewehrt« beschrieben.
S. 104 [22]. Zu Speer (»Akut«), Hierher gehört Kat. M. G., Taf. VI, Fig. 6.
S. 104 [22]. Zu Speer (»Lauka«), Hierher gehört Kat. M. G., Taf. VI, Fig. 5.
S. 104 [22]. Zu Staatsspeer (»Pulepän«). Hierher gehört Kat. M. G., Taf. VI,
Fig. I.
S. 105 [23]. Zu Schleudersteine. Die Körbchen, in welchen dieselben getragen
werden, sind zuweilen besonders ausgeputzt. Ich erhielt einen solchen aus Cocosblatt
geflochten, der am Rande und Henkel mit Federn (von Kakatu und Schmucktauben
[Ptilopus\) hübsch verziert war. Das Gewicht der Schleudersteine schwankt zwischen
50—100 Gramm.
S. 106 [24]. Zu Keule (>Pakul«). Hierher gehört Kat. M. G., Taf. IV, Fig. 7, und
»Repräsentations Waffe mit Federschmuck«, Taf. VI, Fig. 4.
S. 106 [24]. Zu Keulen. Eine für Neu-Britannien charakteristische Form Keulen
ist im Kat. M. G. (S. 72, Nr. 2073, Taf. V, Fig. 5) als »Tanzschmuck« abgebildet, sowie
in der Compilation Eckhardt's irrthümlich von den »Neu-Hebriden« (Taf. V, Fig. 8).
Eine ähnliche Form Keulen sind nicht an beiden Enden, sondern nur an einem in einen
[63 1] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. SoS
verdickten spitzen Kegel ausgeschnitzt, am anderen Ende in eine kolbenförmige kugelige
Verdickung und heissen »Talum« (Kat. M. G., Taf. IV, Fig. 5). Derartige Waffen aus
leichtem Holz (wie das oben citirte Stück Nr. 2073 im Museum GodefFroy) werden
nicht selten für den Tauschhandel mit Fremden verfertigt. Die kurzen Handkeulen
(»much ressembling a policeman's stafT«), welche Powell (S. 228) von dem fraglichen
Cap Hoskins abbildet, sind weiterer Bestätigung bedürftig.
S. 106 [24]. Zu Keule mit Steinknauf (9Palau«). Kenntlich abgebildet: Kat.
M. G., Taf. IV, Fig. 2, und Powell (S. 160, zweite Figur von links); die in demselben
Werke (S. 161) abgebildeten Keulen sind nicht von »Blanche-Bai«, sondern Neu-Guinea
(s. S. [118]), mit Axtstielen von Neu-Britannien, also Phantasien.
S. 106 [24]. Zu Streitaxt (» Aibane«). Hierher gehören die »Beilec im Kat. M. G.
(S. 47, Nr. 1967, »angeblich Salomo-Inseln«, und Nr. 2851 — 2858, irrthümlich »Neu-
Irlandc, Taf. VIII, Fig. 5) und Imitationen (ib. Nr. 1642, 1522, 1523 u. 2850, Taf. VIII,
Fig. 4: »Neu-Irland«), bei denen Stiel und Klinge aus einem Stück Holz geschnitzt
sind. Ich erhielt solche Imitationen auch aus Neu-Irland ; sie wurden in der ersten Zeit
scherzweise von Eingeborenen nach europäischem Muster angefertigt, zum Theile von
Solchen, die damals noch keine eiserne Axt erschwingen konnten. Wie bereits erwähnt,
sind diese der Neuzeit entstammten und beinahe wieder untergegangenen Streitäxte kein
Werkzeug im Sinne unserer Aexte, sondern lediglich Waffen. Nach Parkinson heissen
sie »Boreu« = Schwein, »weil man sie zum Schlachten der Schweine benutzte. Dies war
wenigstens früher entschieden nicht der Fall (s. oben S. [628] [»Schweineschlachten«]).
Auf den Salomons befestigte man in der ersten Zeit auch eiserne Beilklingen an einen
selbstgefertigten langen Stiel und benutzte sie als Waffe, die auf Malayta »Mattiana«,
d. h. »sein Tod«, hiess (Coote: »Western Pacific«, S. 144).
S. 107 [25J. Zu NichtVorkommen von Schilden. Powell will Schilde (»really
very cleverly ornamented«) in Spacious-Bay erhalten haben, die indess noch sehr frag-
lich bleiben und, nach der Abbildung (S. iio) zu urtheilen, von Milne-Bai herstammen
(vgl. Taf. 16, Fig. 3).
S. 107 [25]. Zu Fischnetze. Eine eigenthümliche Art »Senknetz« ist im Kat.
M. G. (S. 65, Nr. 2403) aufgeführt und Taf. XII, Fig. 6, nicht gerade sehr deutlich ab-
gebildet. Ein anderes »Netz«, jederseits an einem Stock befestigt (S. 66, Nr. 1600), ist
nicht, wie vermuthet wird, »Stellnetz für den Fang kleinerer Säugethiere oder Vögel«,
das Neu-Britannien nicht kennt, sondern ein Netz zum Fischfange.
S. 107 [25]. Zu Fischkörbe (»Wup«), »werden eben unter der Oberfläche des
Wassers schwimmend verankert« (P. in lit), je nach den Verhältnissen aber auch in
tiefem Wasser, »oft mit 400 Meter Rottanleine« (Weisser). Gute Abbildung bei Powell
(S. 176).
S. 107 [25]. Zu Fischfalle (»Aumut«). Kenntlich, aber nicht genau abgebildet
bei Powell (S. 177); wird an einem Schwimmer mit Leine versenkt.
S. 108 [26]. Zu Fischhaken. Die »Fischangel« (Kat. M. G., S. 66, Nr. 1858) ist
von den Salomons-Inseln.
S. 108 [26]. Zu Canus. Die Auslegerträger des grossen Dugdug-Canus auf Mioko
waren mit mehreren rohen Darstellungen von Thiergestalten, namentlich Vögeln ver-
ziert, die aber nichts mit den feinen Schnitzereien zu thun haben, wie sie der Kat. M. G.
(S. 62 — 65) irrthümlich als »Boots Verzierungen« registrirt. Erwähnt mag sein, dass die
Canus von Blanche-Bai in der Form, namentlich wegen der hohen aufwärts gebogenen
Schnäbel, am meisten mit Canus in gewissen Gebieten der Salomons übereinstimmen
(vgl. Guppy, S. 63, von San Christoval). Aber letztere haben keinen Ausleger und sind
27*
394 ^^' ^' Punsch. [632]
zum Theil in äusserst kunstvoll eingelegter Arbeit aus Perlmutter und anderen Muschel-
stücken ornamentirt (vgl. Abbild, bei Coote, S. 145, von Ysabel).
S. 109 [27]. Zu Ruder. Hier verdienen noch die besonderen, reich mit Schnitz-
werk und Malerei verzierten Staatsruder erwähnt zu werden, wie sie der Kat. M. G.
(Taf. VI, Fig. 2 u, 2 0) abbildet. Ich sah solche wiederholt auf Matupi bei Begräbniss-
feierlichkeiten zur Ausschmückung des Baldachins, unter welchem die Leiche zur Parade
ausgestellt ist, benutzt (vgl. Finsch: »Gartenlaube«, 1882, S. 697, durch Versehen des
Zeichners ganz falsch ornamentirt). Aber diese Ruder sind nicht einheimische Arbeit,
sondern durch Schiffe von den Salomons eingeführt (wie Kat. M. G., S. 62, richtig be-
merkt wird). Ich erhielt solche Ruder von Sir Hardy-Island, sie mögen aber in Wahrheit
auf Buka gemacht werden, woher Farrell welche mitbrachte.
S. 109 [27]. Zu Abnahme der Canus. Nach Parkinson hat die Verfertigung von
Canus in letzter Zeit zugenommen.
S. 109 [27]. Zu Rohrflöten. Sehr weit verbreitetes Instrument; nach Wilkes
früher auch auf Samoa in Gebrauch (II, S. 134), sowie auf Fidschi (III, S. 190), hier nur
von Frauen zur Begleitung der Gesänge gespielt.
S. HO [28]. Zu Panflöten. Ganz ähnliche erhielt ich auch aus den Salomons
(Abbildung bei Guppy, Taf. S. 63); mit das am weitesten über die Südsee verbreitete
Musikinstrument: Neu-Caledonien (Serrurier), Fidschi (Wilkes), Tahiti (Serrurier),
Samoa (Wilkes); auch auf Timor (Serrurier) und Borneo (Whitehead).
S. HO [28]. Zu Maultrommel (»Hangapc). Dasselbe Instrument erhielt ich auch
von den Salomons, übereinstimmend mit Kat. M. G., Taf. XVII, Fig. 3. Die Basis ist
hier nicht abgerundet (wie auf Taf. 3, Fig. i, von Matupi), sondern rechtwinkelig abge-
stutzt, aber ich erhielt ganz ebensolche auch von Matupi, so dass keinerlei Unterschied
besteht. Nord-Borneo besitzt ähnliche Maultrommeln (Whitehead).
S. 110 [28]. Zu Blaskugeln (>Awuwu«). Hierher gehört »nussartige Frucht«
(Kat. M. G., S. 45, Nr. 3241) und ein ähnliches Instrument aus einer Calebasse von
Espiritu Santo, Neu-Hebriden (ib. S. i35, Nr. 2504, Taf. XXII, Fig. 5).
S. HO [28]. Zu Schlaginstrumente. Aehnliche Formen kamen früher auf Samoa
vor, woher Wilkes (II, S. 134) ein Stück Holz erwähnt, das mit zwei Stöcken geschlagen
wurde.
S. HO [28]. Zu »Angramut«. »Richtiger ,Ngramut^ heissen die Trommeln aus
einem ausgehöhlten Stück Baumstamm (Taf. 3, Fig. 8), die Schlaghölzer dagegen ,Tio-
buk'« (P. in lit.). Auf Matupi führten beide Schlaginstrumente den ersteren Namen.
S. III [29J. Zu Holztrommel (»Kudu«). Eine so reich mit Schnitzwerk verzierte
Trommel, wie sie Powell (S. 70) abbildet, ist mir nie vorgekommen und scheint wohl
mehr Phantasie zu sein.
S. 1 1 1 [29]. Zu Grosse Holztrommel (Taf. 3, Fig. 8). Ganz ähnlich auch auf
Fidschi (Wilkes, III, S. 3oo, Abbild., und Schlägel, S. 3 16). In ganz ähnlicher Form
auch in Westafrika.
S. ii3 [3i]. Zu Tanzstäbchen der Frauen (»Aiwun und Ainabe«). Hierher
gehören Kat. M. G., S. 3o, Nr. 2829, 2017 u. 1996, die aber nicht »Haarschmuck« sind.
S. ii3 [3i]. Zu Tanzbretter (»Mapinakulau«). Hierhergehören »Schnitzwerke,
bei Processionen in den Händen getragen« (Kat. M. G., S. 26, über 50 Stück, und S. 27);
auch solche aus mit Tapa überspannten und bemalten Rahmen (brauchbare Abbil-
dungen auf Taf. VII, alle verschieden).
S. ii3 [3i]. Zu Tanzbrett Nr. 611 von Mioko. Hierher gehört wahrscheinlich
»Tanzattribut« (Kat. M. G., S. 27, Nr. 3202, aber nicht von »Neu-Irland«).
[633] Ethnologische Erfahrungen und Belegstucke aus der Südsee. 3qc
S. ii3 [3i]. Zu Schädelmaske (»Lor«). Diese Masken ersetzen in diesem Ge-
biete Neu-Britanniens die sonst üblichen und weitverbreiteten Ahnenfiguren aus Holz
und sind nicht, wie meist angenommen wird, Zeichen höherer Barbarei, sondern pietäts-
voller Todtenverehrung, wie ich dies zuerst auf Grund eigener Beobachtungen nach-
wies. Wie die Tanzmasken Neu-Irlands zeigen auch diese Schädelmasken Verschieden-
heiten, so dass nicht zwei ganz gleich sind (vgl. Kat. M. G., S. 19, 20 u. 434, Taf. III,
Fig. 3 u. 4; hier auch eine solche ganz aus Kittmasse: S. 435, Nr. 3518). Virchow gibt
eine minutiöse Beschreibung von Schädelmasken (^Zeitschr. f. Ethnol.«, Bd. XIII,
Taf. XVII, farbig), bei denen Haupt- und Barthaar durch Pflanzenfaser imitirt sind. In
die Kategorie dieser Art Todtenverehrung, die sich in vielen Gebieten Neu-Guineas nur
auf den Unterkiefer beschränkt (vgl. S. [253]), gehören auch präparirte und zum Theil
sehr kunstvoll verzierte ganze Schädel. Einen solchen besitzt das British-Museum von
Mallicolo, Neu-Hebriden. Einen anderen Schädel mit sehr schöner eingelegter Arbeit
in Perlmutter von Rubiana (Salomons) sah ich im Trocadero-Museum in Paris. Hier
auch Schädel von Dajakern und Negritos mit äusserst geschmackvollem Muster in ein-
gravirter Technik. Besonders interessant ist ein »Korwar«, d. h. eine jener rohgeschnitz-
ten Menschenfiguren von der Nordküste Neu-Guineas (Doreh), die gewöhnlich als
Götzen gelten, bei der aber als Kopf ein wirklicher Menschenschädel aufgesetzt ist.
Man sieht daraus, dass die Sitte der Schädelverehrung an den entferntesten Localitäten
vorkommt.
S. ii3 [3i]. Zu Todtenverehrung. Die ausführlichste Beschreibung einer grossen
Begräbnissfeierlichkeit auf Matupi gab ich in der »Gartenlaube« mit einer nach der
Natur gezeichneten, vom Künstler leider hie und da verzeichneten Abbildung (vgl.
S. 91 [9], Anm. Nr. 4).
S. 114 [32]. Zu Schädeln. Nach Parkinson sind solche jetzt »überall leicht und
für eine Kleinigkeit zu haben; für eine Stange Tabak gräbt der Vater den Schädel des
verstorbenen Sohnes oder der eigenen Frau aus und umgekehrt«. Die Verhältnisse
haben sich also seitdem sehr geändert, wahrscheinlich aber nicht in Betreff der Schädel
von Häuptlingsangehörigen.
• S. 115 [33]. Zu »Dugdug«. Der eigentliche Zweck dieser Gesellschaft und der
von ihr von Zeit zu Zeit veranstalteten grossen Feste, wie ich diese Verhältnisse nur
kurz mittheilen konnte, hat durch Parkinson's ausführliche Darstellung (»Im Bismarck-
Archipel«, S. 129 — 134, mit Abbildungen) vollständige Bestätigung gefunden und auch
diese Festlichkeit ihres »religiösen« Nimbus beraubt. Die zum Theile irrigen Annahmen
Hübner's sind darnach zu berichtigen (Kat. M. G., S. 17 u. 434; hier auch Beschreibung
von Dugdug-Hüten »an Stelle von Masken, bei einer religiösen Ceremonie getragen«,
S. 16, Nr. 1884—1887, und S. 18 u. 19, mit Abbildung des maskirten Dugdug-Mannes
[übrigens kein »Religionsmann«], Taf. III, Fig. i, mit »Dugdug-Knüppel« [»Ceremonial-
zeichen«, S. 19, Nr. 2800, Taf. III, Fig. laj). Eine brauchbare Abbildung eines Dugdug-
Läufers auch bei Powell (S. 61). Aehnlich dem Dugdug sind die Spassmacher (Clowns)
auf Fidschi (Wilkes, III, p. 188) und gewisse Festlichkeiten auf den Neu-Hebriden, bei
welcher Gelegenheit auch ähnliche, aber in Material u. s. w. ganz eigenartige Hüte ge-
tragen werden (Eckardt: »Neu-Hebriden«, S. 27, Anm., Taf. IV, Fig. i).
S. 116 [34]. Zu Talisman. Unter einigen anderen hierher gehörigen Stücken,
welche ich auf Matupi erhielt, mag eine rohe Holzschnitzerei erwähnt sein, die eine Art
Januskopf darstellte und auch als Talisman für Diebe ausgegeben wurde. Eine andere
rohe Schnitzerei stellte einen kleinen Fisch (»Malau«) dar, an einer Schnur befestigt,
396 Dr. O. Finsch. [634]
um daran geschwenkt werden zu können. Der Verkäufer that sehr geheimnissvoU mit
diesem Stücke, dessen Bedeutung und Zweck andere angesehene Eingeborene übrigens
nicht zu erklären wussten. Ein Talisman für Diebe ist vermuthlich auch »Tanzschrauck«
(Kat. M. G., S. 70, Nr. 1179, Taf. X, Fig. 2), und ^Kopfschmuck« (S. 32, Nr. 2405) ge-
hört wahrscheinlich auch in die Kategorie der Talismane. Solche für Diebe bildet Par-
kinson ab (»Kinakinan«, S. i36).
S. 117 [35]. Zu Spiele. Ich will hier noch aus meinen Manuscripten ein paar
originelle Kinderspiele nachtragen, welche ich auf Matupi kennen lernte. >Beo
porapora«, Vogelspiel; dasselbe besteht aus einem etwas über meterlangen Bindfaden,
der durch eine elastische Ruthe straff gehalten wird, das Ganze bildet also eine Art
kleinen Bogen; der Bindfaden ist durch eine P'ederpose gezogen und an letztere ein roh
aus Holz geschnitzter Vogel (»Beoc) befestigt. Indem der Bogen senkrecht gehalten
wird, tanzt der Vogel durch seine Schwere langsam an dem Bindfaden herab, ein Spiel
für kleine Kinder, welches sich in ähnlicher Weise auch bei uns findet. Dasselbe gilt
für das folgende: ^Wuwurc, Aufspiessvogel; derselbe ist in sehr primitiver Weise her-
gestellt: als Rumpf dient ein länglicher, meist roth bemalter Samenkern, dem als
Schwanz einige Federn, als Schnabel ein scharf zugespitztes Stück Holz eingesetzt sind;
dieser Vogel ist an dem Ende eines circa 60 Cm. langen Bindfadens befestigt, das an-
dere Ende des letzteren an einem circa 1*5 M. langen Rohrstabe; an letzterem ist
wiederum ein circa 3o Cm. langes Querholz aus weichem Bananenstamm befestigt. Die
Kunst besteht nun darin, dass der Spielende den Rohrstab in der Hand haltend so zu
schwenken versteht, dass der Schnabel des Vogels das Querholz trifft und sich in das-
selbe einspiesst. Dieses Spiel erinnert sehr an ein ähnliches bei uns, bei welchem ein
hölzerner Specht mit eisernem Schnabel an einer Schnur geschwungen wird, um eine
Scheibe und möglichst das Schwarze desselben zu treffen. Es mag aber bemerkt sein,
dass der »Wuwur« nicht vom Specht abgeleitet ist, da diese Vögel in Neu-Britannien
(wie Melanesien) überhaupt fehlen.
S. 117 [35]. Zu: b) Willaufne{.
S. 117 [35 J. Zu Nasenkeile aus Tridacna. Ganz ähnliche in den Salomons
(Kat. M. G., S. 89, Nr. 2681).
S. 118 [36]. Zu Stimbinde, Nr. 426; die Muschel ist nicht Nassa caiiospira,
sondern N. callosa var. camelus.
S. 119 [37]. Zu Armband, Taf. i, Fig. 21. Hierher gehören die Armbänder im
Kat. M. G., S. 45, Nr. 2399, die sicher nicht von Blanche-Bai herstammen.
S. 119 [37]. Zu: c) French'Insebi.
S. 119 [37]. Zu Kampfschmuck. Hierher gehört wahrscheinlich der »Brust-
schmuck« (Kat. M. G., S. 44, Nr. 870, Taf. XI, Fig. 6) aus Bastgeflecht mit zwei Ovula^
der sicher nicht von Blanche-Bai herstammt. Die Anhängsel dieses Stückes aus Nuss-
schale und Hundezähnen (gleich Taf. 6, Fig. 16) weisen am meisten auf Neu-Guinea hin.
S. 119 [37]. Zu Ornamentirte Cocosschale. Von dieser zuweilen durch Godef-
froy'sche Werbeschiffe berührten Localität stammen vermuthlich die ohne Localitäts-
angabe im Kat. M. G. (S. 76, Nr. 1895 u. 1932, Taf. X, Fig. 5 u. 7) beschriebenen, reich
mit eingravirtem Muster verzierten »Dosen« aus Cocosnuss.
[635] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. 307
S. 121 [39]. Zu: e) Hansabucht.
S. 122 [40]. Zu Muschelgeld. Nach gütiger Untersuchung von Prof. v. Martens
ist die Art nicht Nassa callospira^ sondern N. caliosa var. camelus.
S. 123 [41]. Zu: 2. Neu-Irland.
S. 126 [44]. Zu: a) Nordende.
S. 126 [44]. Zu Bekleidung. Ein Mädchen im Evacostüm ist richtig bei Herns-
heim abgebildet^ hier auch eine Frau mit Kappe aus Pandanus-BXdXX (»Südsee- Erinne-
rungen«, S. 104).
S. 126 [44J. Zu Lendenschurz der Weiber. Das Material besteht aus ziemlich
dicken, wahrscheinlich aus Bananenfaser gedrehten Bindfaden und ist schon dadurch
von den ähnlichen Weiberröckchen in Neu-Guinea aus Faser von Sagopalmblatt unter-
schieden. Hierher gehört »Schurz aus gelber und rother Pflanzenfaser« (Kat. M. G., S. 28
u. 440), die Festschmuck für junge Mädchen sind.
S. 127 [45]. Zu Schweinezähne. Zirkelrunde Eberhauer als kostbarer Brust-
schmuck scheinen auch in Neu-Irland vorzukommen. Ein angeblich von hier stammen-
des Exemplar (s. S. [242]) sah ich bei Capitän Dallmann; immerhin ist möglicherweise
eine Verwechslung vorgekommen. Im British-Museum Exemplare von den Neu-Hebri-
den und Salomons (7 Stück). Der Kat. M. G. (S. 115, Nr. 2600) verzeichnet von hier
nur einen »Schädel von Porcus babyrussa) nach Kleinschmidt die Art und Weise
zeigend, wie die Eckzähne zum Zwecke der Verwendung von Halsschmuck künstlich
deformirt werden«. Dass es sich hierbei lediglich um einen Schweineschädel handelt,
erwähnte ich bereits (S. [66j), wie ich auch die Art des abnormalen Wachsthums dieser
Eberhauer beschrieb (s. S. [81], Anm. 10), wobei künstliche Deformation gänzlich aus-
geschlossen ist. Nach Coote ist ein Dorf auf Santa Maria (Banks-Gruppe) berühmt
wegen seiner Schweinezucht behufs Erzeugung zirkelrunder Eberh^uer, die von hier
aus als kostbarer Tauschartikel über die Inseln der Gruppe und Neu-Hebriden Ver-
breitung finden.
S. 127 [45]. Zu Muschelgeld (»Kokonon«). Hierher gehören »Halsschmuck«
(Kat. M. G., S. 39, Nr. 2047) und »Geld« (S. 74, Nr. 1287). Die Muschelscheibchen der
gewöhnlichen und zweiten Sorte bieten nicht immer so exacte -Grössenunterschiede, als
wie dieselben auf den Abbildungen (Taf. III [i], Fig. 3 u. 4) dargestellt sind, sondern
lassen sich einzeln kaum unterscheiden. Auch von der werthvoUsten Sorte Kokonon,
aus röthlicher Muschel, kommen zuweilen so kleine Scheibchen als bei den zwei an-
deren vor. Die gewöhnlichste Sorte »Kokonon luluai« erhält erst durch die schwarzen
Cocosperlen ihren specifischen Charakter. Kokonon findet sich zuweilen in Arbeiten
von Neu-Britannien verarbeitet, stammt aber dann im Tausch von Neu-Irland her. Ich
erhielt übrigens aus Kaiser Wilhelms-Land (Finsch-Hafen) sehr feine Muschelscheibchen
oder Perlen (kleiner als S. 84 [222], Taf. XIV [6J, Fig. 4), so klein als neuirländische
Kokonon zweiter Sorte, die von letzteren kaum, in einzelnen Perlen gar nicht zu unter-
scheiden sind.
S. 129 [47]. Zu Ohrschmuck. Das im Kat. M. G. (S. 36, Nr. 1553) mit ? als von
»Neu-Irland« beschriebene Stück ist zweifellos aus den Salomons; Arbeiter von Simbo
und Savo sah ich häufig solche Stückchen Bambu im Ohr tragen und photographirte
398 Dr. O. Finsch. [636]
einen solchen mit diesem Ohrschmuck. Hierher Kat. M. G., S. 88, Nr. 2618 »Ohr-
schmuck« von Malayta.
S. 129 [47]. Zu Halsschnur, Nr. 485, Taf. i, Fig. 7. Hierher gehört »Hals-
schmuck« (Kat. M. G., S. 39, Nr. igiS) mit der irrigen Angabe »Neu-Britannien«.
S. i3o [48]. Zu Häuser. Eine genaue Abbildung eines Hauses mit gerader Firste
von der Insel Nusa gibt Hernsheim (»Südsee-Erinnerungen«, Taf. 6), die unglücklicher-
weise auch in Parkinson's Buch für Neu-Britannien eingefügt wurde.
S. i3i [49]. Zu Holzschnitzereien. Die sogenannten »Tempelverzierungen«,
d. h. jene phantasievollen Schnitzwerke, welche zur Ausschmückung der Versammlungs-
häuser der Männer (Tabuhäuser) dienen, sind zum Theil Ahnenfiguren, wie die
»Kulap« (S. 135 [53], Taf. 5, Fig. 1 — 3). SchuUe, der Neu-Irland besser als irgend
Jemand kannte, erzählte mir, dass sich die Männer gewöhnlich scherzend von diesen
Figuren trennten, während die Weiber häufig beim Wegtragen der Figuren laraentirten.
Der Kat. M. G. verzeichnet (S. 62 — 65) eine Menge hierher gehörigen Schnitzarbeiten,
zum Theil mit der irrigen Angabe »Neu-Britannien« und als ^ Bootverzierungen«, ebenso
»Schnitzereien« (S. 438 und 439), einige Stücke von Neu-Hannover herstammend.
»Schnitzwerk, beim Tanze in der Hand getragen« (S. 27, Nr. 32o3), ist ebenfalls aus
einem Tabuhause, der Zapfen dient zum Einsetzen. Einige interessante Stücke sind ab-
gebildet (Taf. V, Fig. 3, »Katze darstellend«, aber wohl richtiger Cuscus; Taf. VIII, Fig. 3
nicht »Neu-Britannien«; Taf. IX, Fig. i,*) 2 und 3; Taf. XII, Fig. 8 und Taf. XXXI,
Fig. i). Eine sehr hübsche Schnitzerei (ähnlich Taf. 4, Fig. i) ist im »Führer durch das
Museum Godeffroy« (S. 48) dargestellt, wird aber nicht »während der gelegentlich reli-
giösen Ceremonien ausgeführten Processionen in den Händen getragen«. Ein sehr inter-
essantes Stück, das zu kühnen Deutungen Veranlassung gab, bildet Hernsheim farbig ab
(»Südsee-Erinnerungen«, Taf. i3, »Götze«). Auch die oben citirte Schnitzerei (Kat.
M. G., Taf. IX, Fig. i), den geöffneten Rachen eines Thieres (wohl Fisch), aus dem eine
menschliche Figur hervorragt, darstellend, hat allerlei Deutung unter Hinweis auf den
»Walfisch-Jonas« der Bibel veranlasst. Dabei mag an ähnliche Motive von Schnitze-
reien erinnert werden, die Coote (S. i36) von den Salomons beschreibt. In dem Dorfe
Wango auf S. Christoval sah dieser Reisende: »die Ruinen eines Canuhauses, das einst
ein prächtiges Gebäude gewesen sein musste. Die Pfeiler, welche noch standen, waren
Schnitzwerke, welche Haifische darstellten, die Menschen verschlangen. Jede dieser
Schnitzereien zeigte eine verschiedene Auffassung; bei der einen wurde der Mann mit
dem Kopfe voran verschlungen, bei einer anderen an den Beinen gefasst, bei der dritten
in sitzender Stellung u.'s. w.«, in der That Kunstarbeiten sogenannter »Wilden«, die
einem Museum zur Zierde gereicht haben würden, jetzt aber kaum mehr zu haben sein
dürften.
S. 134 [52]. Zu Giebelverzierungen. Hierher gehören »Bootverzierungen« Kat.
M. G. (S. 65, Nr. 1517 — 1518), eine sehr geschmackvolle »Relief-Schnitzerei« (Herns-
heim: »Südsee-Erinnerungen«, PI. i3, farbig), und eine bei Weitem schönere und
schwungvollere (Intern. Archiv für EthnoL, 1888, S. 195, Abbild.) wohl mit das Vollen-
detste dieser Art.
S. i36 [54]. Zu Steinäxte. Ich erhielt keine mehr, sondern nur solche, die statt
der Steinklinge mit einem Stück Flacheisen (Bandeisen) montirt waren. Nach Wilkes
I ») Auch Herr Schmeltz ist jetzt eher geneigt, diese Figur nicht langer als »Bootverzierung«
anzusehen (Intern. Archiv für Ethnol., 1888» S. 63), was sich schon deshalb empfiehlt, weil Schmuck
der Canus in Ncu-Irland wie Neu-Britannien kaum in Betracht kommt oder eigentlich fehlt
[637] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 399
hatten solche Aexte schon 1841 auf Fidschi die eingeborenen fast ganz verdrängt (III,
S. 347).
S. i38 [56]. Zu Speerwerfen. Die Hantirung des Wurfspeeres wurde in ähn-
licher Weise auch auf den Gesellschafts-Inseln betrieben, wie Lord Pembroke noch
1870 beobachtete. Aber die geworfene Distanz betrug »nur 10 — 15 Yards«, und die
Speere dienten nicht im Kriege, sondern zum Fisch harpuniren (»South Sea Bubbles«,')
S. 95: Huaheine).
S. i38 [56]. Zu runde Kampf knüttel. Hierher gehört Kat. M. G., Taf. IV, Fig. 6.
S. i38 [56]. Zu Keule, Nr. 769. Hierher gehört Kat. M. G., Taf. IV, Fig. 4.
S. 139 [57]. Zu Fischhaken. Serrurier beschreibt einen solchen ganz aus Schild-
patt geschnitzt (»Ethnol. feiten« etc., S. 16).
S. 139 [57]. Zu Canus. Eine brauchbare Abbildung gibt Hernsheim (»Südsee-
Erinnerungen«, S. 106); aus derselben ist ersichtlich, dass keinerlei Verzierung in
Schnitzereien o. dgl. angebracht werden. Die im Kat. M. G. als »Bootverzierungen«
aufgeführten Schnitzwerke sind daher, wie bemerkt, keine solchen.
S. 140 [58]. Zu Reib-Musikinstrument(»Kulepaganeg«). Merkwürdigerweise
fehlt dieses sonderbare Reibinstrument im Kat. M. G., aber der »Führer durch das
Museum Godeffroy« (Hamburg, L. Fried erichsen & Co., 1882) verzeichnet ein solches
»Musikinstrument« (S. 45) mit guter Abbildung. Dieselbe zeigt an den Seiten ein
hübsch eingravirtes Muster, ein anderes Exemplar im Leidener Museum auf dem ersten
Fortsatze eingravirte Linien, die anscheinend ein Auge darstellen und deshalb dem von
der verkehrten Seite dargestellten Instrument das Aussehen eines Thieres geben. Ser-
rurier, wie häufig leicht zu Hypothesen geneigt, will eine »Schildkröte« erkennen und
die Erfindung davon ableiten, dass man zufällig über das Bauchschild einer Schildkröte
strich, eine Erklärung, die jedenfalls sehr frei ist und jedes sicheren Grundes entbehrt
(vgl. »Ethnologische feiten« etc., S.. 19, mit Holzschnitt). Die Grösse dieser Instru-
mente ist sehr verschieden, das kleinste, welches ich erhielt, war nur 16 Cm. lang.
S. 140 [58]. Zu Tanzgeräth. Hierher gehören Kat. M. G., S. 72 (Nr. 1520 und
2061 »Bucerosköpfe«; Nr. 1509, Taf. II, Fig. 2 »Tanzschmuck, Neu-Hannover«;
Nr. 1714, Taf. V, Fig. 4, desgleichen, irrthümlich »Neu-Britannien«) und S. 73 (Nr. 1505,
Taf. VIII, Fig. 6, irrthümlich »Neu-Britannien«).
S. 141 [59]. Zu Tanzmasken. Dass, wie erwähnt, nicht zwei dieser phantasti-
schen Machwerke gleich sind, lehrt ein Vergleich des reichen Materials im Museum
Godeffroy, welches etliche 40 Stück (darunter 6 von Neu-Hannover) besass. (Vgl.
S. 20 — 25, 435 und 487; Taf. II, Fig. i und la; Taf. V, Fig. i; Taf. XXXIII, Fig. i — 3
und Taf. XXXIV, Fig. i.) Sehr interessant ist die phantastische »Kopfbedeckung« (S. 32,
Nr. 2074, Taf. V, Fig. 2). die jedenfalls auch bei Maskeraden verwendet wird. »Tanz-
schmuck« (S. 70, Nr. 1899 und S. 71, Nr. 2836) sind Ohren zu Masken, ersteres Stück
aber nicht aus »Neu-Britannien«, sondern wie alle hierher gehörigen Arbeiten von Neu-
Irland (beziehungsweise Neu-Hannover). Gute farbige Abbildungen von Tanzmasken
von Neu-Irland geben Hernsheim (»Südsee-Erinnerungen«, Taf. i3) und Serrurier
(»Ethnol. feiten« etc.). Die Annahme des Letzteren, dass diese Masken wegen unzu-
reichender Weite nicht aufgesetzt werden können, sondern oberhalb des Kopfes getragen
werden müssen, ist, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, unrichtig (vgl. auch »Nach-
richten aus Kaiser Wilhelms-Land«, Heft II, 1890, gute Photographien Eingeborener
i) »South Sea Bubblcs. By the Earl and the Doctor.« Tauchnitz* edition, vol. 1426, 1874. Der
Verfasser dieses interessanten Büchleins, das viele bemerkenswerthe Notizen enthält, ist Lord Pembroke.
400 Dr. O. Finsch. [638]
mit Masken). Einen sehr abweichenden Typus bilden die Masken von den Neu-Hebri-
den (Kat. M. G., Taf. XXII, Fig. 4).
S. 143 [61]. Zu Lreichenverbrennung. DieseBestattungsweiseist nicht auf Neu-
Irland beschränkt, sondern wird auch auf den Salomons (Inseln der Bougainville-Strasse)
bei Leichen von Häuptlingen und deren Anverwandten angewendet, worüber Guppy
berichtet (»Salomon-Islands«, S. 51), sowie auf den Hermites (Kat. M. G., S. 458).
S. 143 [61]. Zu Spiele. Das Abheben (Cat's cradle) erwähnt Coote von Nitendi
(St. Cruz-Gruppe) und Gill auch unter den Belustigungen auf Mangaia, Hervey-Gruppe;
hier auch Tauspringen und Stelzenlaufen (»Life in Southern Isles«, S. 65).
S. 143 [61]. Zu: b) Südwestküste.
S. 143 [61]. Zu Muschelgeld, Taf. i, Fig. 6. Hierher gehört das Kat. M. G.
(S. 74, Nr. 1462, »lilac) Geld, mit der irrthümlichen. Angabe »Neu-Britannienc. Eine
andere Art Geld sind Cuscus-zähtiQ (von Phalangista orientalis, S. [11], Taf. i, Fig. 16),
die von dieser Küste als beliebter Tauschartikel nach der Herzog York-Gruppe bis
Blanche-Bai verhandelt werden. »Ohrschmuck« (Kat. M. G., S. 37, Nr. 1469) ist ein
Bündel dieser Zähne, wie sie in den Handel kommen.
S. 144 [62]. ZuKalkfiguren^^Nr. 647, Taf. 5, Fig. 4. Abbildungen solcher Kalk-
figuren im Kat. M. G. (S. 487, Taf. XXXIV, Fig. 2 und 3) und ganz ähnliche aus Holz:
»Götzen« (S. 16, Nr. 1653, Taf. VIII, Fig. 2; Nr. 1920 und 1921, Taf. VIII, Fig. i) von
derselben Localität an der Süd Westküste als Imitation der Figuren aus Kalk. Meine
Annahme, dass diese Figuren nur »Ahnenbilder« sind, wird von Weissen bestätigt. Die
grösste dieser Kalkfiguren, welche ich erhielt, hatte eine Höhe von 1-12 M.
S. 145 [63]. Zu: 3. Admiralitäts-Inseln.
S. 145 [63]. Zu Beklei4ung. Aeusserst elegante Schürzen aus kunstvollem Flecht-
werk werden von jungen Mädchen getragen (s. die schöne Photographie in Heft I, 1890,
der »Nachrichten aus Kaiser Wilhelms-Land«).
S. 145 [63]. Zu Waffen von Obsidian. Bisher sind mir solche nur von den
Admiralitäts-Inseln bekannt geworden. Das Material wurde früher auch auf der Oster-
insel zu Speerspitzen verwandt, von denen Thomson (Taf. LVI und LVII) eine ganze
Reihe abbildet, die in der Form wesentlich von denen der Admiralitäts-Inseln abweichen
und sich besonders durch die stielartig verschmälerte Basis auszeichnen.
S. 146 [64]. Zu Schmuck. Sehr hübsche Kämme erhielt ich von S. Georg (Low-
Island), ähnlich solchen aus den Salomons (z. B. Kat. M. G., Taf. XVI, Fig. i), darunter
einen aus Holz geschnitzten, der dadurch sehr eigenthümlich abweicht, dass beide Enden
in Zinken ausgeschnitzt sind. Von dieser Localität auch sehr eigenthümliche Gürtel; sie
bestehen aus zahlreichen (12 — 16) schmalen Streifen, anscheinend aus gespaltenem Rot-
tan, die durch mehrere (6 — 8) Querstreifen verbunden sind; das Ganze schwarz gefärbt.
S. 147 [65]. Zu:
4. Salomons-Inseln, richtigfer Salomo-I.
S. 148 [66]. Zu Stimschmuck, Nr. 420. Hierher gehören 9 Brustschmuck« Kat.
M. G. (S. 42, Nr. 1534 — 2834, Taf. X, Fig. 4) angeblich von »Neu-Irland, Neu-Britan-
nien und Neu-Hannover« (S. 43, Nr. 3 186), die aber sämmtlich von den Salomons her-
[539] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sfldsee. 40 1
Stammen (wie »Stirnschmuck«, S. 88, Nr. 2886, Nr. XVI, Fig. 4 von Guadalcanar).
Sonderbarer Weise erwähnt Guppy dieses charakteristischen Schmuckes nicht, aber
Coote gedenkt desselben von Malayta und bildet ein wundervolles Stück ab (S. i32).
Ich erhielt Exemplare von Sir Hardy-Insel und Bougainville. Ganz ähnlicher Schmuck
wird auf den Admiralitäts-Inseln gefertigt, hier ist aber die Tridacna-Schtibe nicht mit
aufgelegter Schildpattarbeit verziert, sondern mit eingravirten sehr hübschen Mustern,
die durch Einreiben mit Schwarz schön hervortreten.
S. 148 [66]. Zu Schmuck. Coote bildet ein paar sehr schöne Stücke ab: Ohr-
schmuck, bestehend aus einem Knopfe aus schwarzem Holz mit eingelegter Perlmutter-
arbeit (wie Kat. M. G., Taf. XVII, Fig. 5), an welchen eine Bommel aus Schnüren auf-
gereihter Muschelscheibchen befestigt ist, die je in einen Menschenzahn enden, von
Florida (S. 149) und einen sehr schönen Gürtel von Malayta (S. 129); derselbe besteht
in einem ziemlich breiten Gurt aus »native bead-work« (womit Muschelscheibchen ge-
meint sind), an dessen unterem Rande Schnüre von Muschelscheibchen, je in einen
Menschenzahn endend, gleichsam als Franse befestigt sind.
S. 149 [67]. Zu Waffen. Geflochtene Schilde mit ausgezeichneter Mosaikarbeit
in eingelegten Muscheln im British-Museum.
S. 149 [67]. Zu Bogen und Pfeil. Diese Waffen kommen nach Wilkes auch auf
Fidschi vor, die Bogen werden aus »old pendant root of Mangrove« verfertigt.
(Zu: »Annalen«, Bd. III, Heft 4, 1888, S. 293 [79] — 364 [150].)
S. 293 [79]. Zu:
Zweite Abtheilung: Neu-Guinea.
I. Englisch-Neu-Guinea.
a) Südostküste.
S. 3o2 [88]. Zu Geld: Hundezähne. Ueber den Werth derselben auf den Salo-
mons gibt Coote einige interessante Vergleichungen von Isabel. Ein Hundeeckzahn ist
= loo Cocosnüssen, = 50 Delphinzähnen, = einer Schnur rother Muschelscheibchen,
= 10 Schnüren weisser Muschelscheibchen oder = 10 Stück Stangentabak, also je nach
der Localität 40 Pf. bis M. 3. 20. Für 100 Hundezähne kann man eine Frau oder einen
Burschen kaufen.
S. 3o2 [88]. Zu Federn. Dieselben bilden auch einen Tauschartikel im Sinne von
Geld bei uns, der namentlich von den Bergstämmen an die Küstenbewohner verhandelt
wird. Auch in anderen Gebieten der Südsee, sowohl Polynesiens als Melanesiens,
waren Federn hochgeschätzt und Geld. Ein solches Federgeld sah Coote auf der Insel
Nufiluli, St. Cruz- Gruppe (S. 96). Dasselbe bestand aus circa 2 Zoll breiten Streifen von
Bastzeug, die dicht mit rothen Federn benäht waren. Solche Streifen, die übrigens als
Leibschmuck dienten, wurden in Form grosser Knäuel aufbewahrt. Hierbei will ich
einer anderen höchst merkwürdigen und aberranten Art Geld gedenken, das derselbe
Reisende auf Maewo (Aurora-Insel), Neu-Hebriden, sah und beschreibt. Es besteht aus
Matten, die in einer besonderen Hütte continuirlich im Rauche hängen, so dass der
Russ in Stalaktitenform herabhängt. Mit Recht fügt der weitgereiste Autor hinzu: »von
allen Formen Geld, welche ich bisher sah, ist dieses jedenfalls das absonderlichste, weil
^.02 C>r. O. Finsch. [640]
es nicht mitgeführt und selbst beim Wechsel der Besitzer nicht weggenommen werden
kann. (»The Western-Pacific, S. 65, mit Abbildung eines »money house«, in welchem
Matten räuchern.)
S. 3o2 [88]. Zu Muschelgeld (»Tautau«), Taf. 6, Fig. 6 u. 7. »Ist keine Cassi-
dula oder Cypraea, sondern ,Nassa callospira^ A. Ad. Sehr nahe mit A^ callosa A. Ad.
verwandt und vielleicht nur eine Varietät derselben. Cassidula ist sicher nicht darunter.«
(Prof. V. Martens in lit.)
S. 3o6 [92]. Zu Turbanartige Kopfbedeckung der Koiäri. In ganz ähnlicher
Weise wird auf Fidschi Tapa in Form eines sehr grossen Turbans um den Kopf ge-
tragen (vgl. Wiikes, vol. III).
S. 3ii [97]. Zu Mairi, Halsschmuck, Nr. 514^. Die Muschelschalen sind: »echte
Perlmuscheln, Avicula margaritifera^ (v. Martens in lit.).
S. 3 12 [98]. Zu Schmuck aus Perlschale (»Mairi«). Ganz gleiche, grosse, halb-
mondförmige Perlmutterschalen sind auch auf den Salomons werthvoller Brustschmuck
(vgl. Guppy, S. i3i und Taf. zu S. 102, Fig. 2, »men from Ugi«). Grosse Perlschalen
mit kunstvoll eingelegter Arbeit in Schildpatt und Spermwalzahn von Fidschi gehören
zu den bewundernswerthesten Arbeiten des Kunstfleisses der Südsee (vgl. Wiikes, III,
S. 57 und Kat. M. G., S. 151, Taf. XXIII, Fig. i), ganz besonders aber jene herrlichen
Schmuckstücke aus Perlschale mit aufgelegter durchbrochener Schnitzerei in Schild-
patt, wie ich sie im British Museum von Markesas bewunderte.
S. 314 [100]. Zu Conus-Armbänder (»Toia«). Kommen auch auf Neu-Cale-
donien vor und nach Serrurier auch auf Ceram und (sehr schmal) auf Borneo.
S. 323 [109]. Zu Stampfer aus Stein (»Muninga«). Solche mit Querrillen wer-
den zum Schlagen bei der Tapabereitung (S. 87) benutzt. Ich erhielt einen solchen
Schlägel^ aus einem circa 18 Cm. langen Rollstein, der mit schwachen Längs- und
Querrillen versehen war. Gut abgebildet: Intern. Archiv für Ethnol., 1888.
S. 324 [iio]. Zu Töpferei. Interessant ist es, dass, nach Wiikes, die hochent-
wickelte Töpferei auf Fidschi ganz in derselben Technik betrieben wird wie Seitens
der Motufrauen. Als Gerathschaften dienen, wie bei diesen, ein Schlägel und Stein
(Wiikes, III, S. 348, Abbild.), aber es ist wohl nur ein Versehen der Beobachtung, wenn
Wiikes meint, die Töpfe würden nicht aus einem Stück Lehm getrieben, sondern aus
mehreren zusammengesetzt; auch dienen die Töpfe mit engem Halse gewiss nicht zum
Kochen, sondern als Wasserbehälter. Beim Wasserholen tragen die Fidschifrauen die
Töpfe nicht auf dem Kopfe oder in einem Netzbeutel auf dem Rücken, sondern auf einer
Art Hucke auf dem Rücken, die sehr eigenthümlich ist (Wiikes, III, S. 224, Abbild.). Er-
wähnt mag noch sein, dass Menschenfleisch in Töpfen gekocht wurde, die Wiikes abbildet.
S. 327 [ii3]. Zu Tabakpfeife (»Baubau«). Dass die sonderbaren »Blasrohre«
von der Westküste Neu-Guineas, aus denen Rauch und Asche, sogar »Kugeln aus
Leim (!), Sand und Asche« geschossen werden, nichts Anderes sind als dieses unschul-
dige Rauchgeräth, haben Joest's kritische Untersuchungen endlich evident nachgewiesen
(s. dessen hochinteressante Abhandlung: »Waffe, Signalrohr oder Tabakpfeife« in:
»Intern. Archiv für Ethnol.«, i888, S. 176, mit Abbild. S. 181 und 182). Der Baubau
scheint auch in Kaiser Wilhelms-Land vorzukommen (s. weiter hinten).
S. 33i [117]. Zu Vergiften der Pfeile. Eckhardt theilt in seiner Compilation
die Bereitung des Pfeilgiftes auf den Neu-Hebriden (»aus dem Safte einer Schling-
pflanze, Derris uliginosa, und acht Tage alten Leichen«) mit. »Der Archipel der Neu-
Hebriden« in: »Verhandl. des Vereins für naturwiss. Unterhaltung in Hamburg«, 1877,
Bd. IV, 1878, S. 18). Dennoch bedürfen, nach den von mir angestellten Versuchen,
[541] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^oS
diese Angaben dringend der Bestätigung. Wenn ich erwähnte , dass Commodore
Goodenough infolge eines Pfeilschusses an Tetanus starb, so kann zur weiteren Be-
stätigung dienen, dass Lieutenant Hawker bei derselben Affaire einen Pfeil durch den
Arm erhielt, ohne dass sich auch nur. Spuren von Vergiftung bemerkbar machten.
Schmeltz bemerkt (»Intern. Archiv f. Ethnol.c, 1888, S. 65) von den Salomons, »die
Anwendung vergifteter Pfeile geschieht nach Guppy nur auf der Insel Savo«. Aber
dieser gewissenhafte Forscher sagt (S. 73) wörtlich: »Vergiftete Speere und Pfeile
werden selten von den Eingeborenen der Salomons gebraucht. Wir beobachteten keine
auf den von uns besuchten Inseln. Es wird jedoch gesagt, dass die Eingeborenen von
Savo ihre Speere und Pfeile vergiften sollen, indem sie dieselben in einem verwesenden
Leichnam einige Tage stecken lassen.« Also das weitverbreitete alte Märchen, aber
keineswegs positive Bestätigung, die deshalb noch abzuwarten bleibt. Die genaue Kennt-
niss von Leichengift seitens der Eingeborenen darf überhaupt bezweifelt werden und
reimt sich schlecht mit den Beobachtungen Wilkes' zusammen, der auf Fidschi bereits
stark verwestes, fast grünes Menschenfleisch sah, das dennoch als Delicatesse von den
Eingeborenen verzehrt wurde.
S. 33i [117]* Zu Bogenmanchette (»Aukorro«). Diese Art Schutz wird keines-
wegs von allen Bogenschützen benutzt. Sehr originell sind Spiralen aus einer Art Liane
in 10 — 15 Windungen, die demselben Zwecke dienen; ich erhielt solche von Sir Hardy-
Insel und Buka; von Bougainville im Museum Godeffroy (S. 93, Nr. 2822: »Arm-
schmuck«).
S. 332 [118]. Zu Steinwaffen mit durchbrochenem Steinknauf. Ein pracht-
volles Stück, in def Form eines vierarmigen Morgensternes, stimmt ganz mit der Ab-
bildung (Taf. 12, Fig. 7) überein, ist aber viel grösser; Länge 26 Cm., die der kürzeren
Querarme i3 Cm. (vgl. Finsch: »Verzeichniss einer Sammlung Gypsabgüsse«, S. 8,
Fig. 2049; hier noch zwei andere Gypsabgüsse hervorragend schöner Steinknäufe von
der Südostküste Neu-Guineas). Das schönste Stück sah ich in der Colonial Exhibition
in London; es bestand aus einem kolossal grossen Morgenstern mit vier gleich langen,
vierkantig zugeschliffenen, sehr spitzen Armen, an deren Basis je noch zwei kleine
Spitzen als Ornament ausgearbeitet waren, die kunstvollste Steinarbeit aus Neu-Guinea,
welche mir vorkam. Die bei Powell (S. 161) abgebildeten Steinkeulen, angeblich aus
»Neu-Britannien«, sind von dieser Küste Neu-Guineas und wahrscheinlich aus Versehen
des Zeichners an Axtstielen aus Neu-Britannien (wie Taf. 4, Fig. 10) befestigt. Es inter-
essirte mich ganz besonders, im Trocadero-Museum in Paris altperuanische Keulen zu
sehen mit sternförmigem Knauf, sowohl aus Stein als aus Bronze, und solche mit Stein
aus Ecuador, die in der Form ausserordendich Steinkeulen von Neu-Guinea ähneln
(z. B. Taf. 12, Fig. 7). Dies zeigt, dass Stein- und Bronzezeit nirgends so streng be-
grenzte Perioden bildete, als gewöhnlich angenommen wird.
S. 333 [119]. Zu Schild, Nr. 834, Taf. 16, Fig. 6. Ein derartig übersponnener
Schild von Hula, den ich in der Colonialausstellung in London sah, war ausserdem mit
Malerei verziert.
S. 334 [120J. Zu Dugongfang. Ich erwähnte bereits, dass die strengen »Helega«-
oder Taburegeln schon mit der Anfertigung des Dugongnetzes (»Varo«) ihren Anfang
nehmen. Der Anführer, welcher den Dugongfang leitet, ist gewöhnlich auch der Ver-
fertiger des Netzes, wie es z. ß. Vaburi (=^ Dunkelheit), ein ältlicher Motu von Anuapata,
war, dem ich diese Mittheilungen verdanke. Das Stricken des Netzes aus Hibiscus-
Faser geschieht in einem besonderen Hause, welches nicht vor Beendigung der Arbeit
vom Meister verlassen werden darf. Derselbe zeichnet sich äusserlich durch kurz-
404 ^^' ^- F««ch. [642]
geschorenes Kopfhaar aus und durch den schwarzen Anstrich seines Körpers mit dem
Russe eines Harzes (»Tomäna«, S. [i23]), mit welchem auch die Matte eingerieben ist,
auf welcher er schläft. Da kein Verkehr mit Frauen,') auch nicht mit seiner eigenen
stattfinden darf, so wird dem Netzstricker das Essen von Männern gebracht, die auch
die Reste wieder wegtragen. Hauptsache dabei ist, dass der tabuirte Mann keine Speisen
mit den Fingern anfasst, sondern nur mit Löffel oder Gabel (S. [109]) zum Munde führt.
Auch soll derselbe so wenig als möglich essen, ist dagegen unbeschränkt im Genuss von
Betel und Tabak. Laut zu sprechen ist dem Netzstrickmeister ebenfalls streng verboten,
Pönitenzen, von denen seine Gehilfen Qbrigens vollständig befreit sind. Ist das Netz
endlich fertig, was mehrere Wochen Zeit erfordert, und die Männer bereit, auf den
Dugongfang in See zu gehen, so wird über alle Dorfbewohner ein strenges Verbot
(»Helegac) verhängt. Aller Lärm ist streng verboten, selbst Frauen und Kinder dürfen
nicht laut sprechen und müssen sich ausserhalb des Dorfes im Walde oder in den Plan-
tagen aufhalten. Erst Abends kehren sie zum Schlafen in die Häuser heim, müssen
sich aber, so lange die Dugongfänger nicht zurück sind, tagsüber wieder zurückziehen.
Noch strenger sind die Taburegeln für die Jäger selbst, vor Allem ihren Anführer, der
weder baden, schlafen und, was eine besonders harte Aufgabe für einen redseligen
Motu ist, auch nicht sprechen darf. Er gibt seine Befehle durch Zeichen und deutet
z. B. durch Klopfen auf den Bauch an, wenn er zu essen wünscht. Ausserdem gibt es
noch andere, mit Aberglauben zusammenhängende Regeln, die streng beachtet w^erden
müssen. So darf z. B. das Canu, auf welchem sich die Fänger befinden, mit keinem
anderen in Berührung kommen, und sollte gar ein anderes Fahrzeug den Bug des Fang-
eanus kreuzen, so würde dies jede Hoffnung auf Erfolg sofort vereiteln. Es gibt also
eine Menge Ausreden, um die missglückte Jagd auf Verletzungen des Tabu seitens der
Jäger oder gar im heimischen Dorfe zurückzuführen. Ist aber ein Dugong oder als Er-
satz desselben auch nur eine Schildkröte gefangen, so hört mit einem Schlage der Tabu*
bann auf. Der Anführer tanzt vor Freuden und stimmt den Gesang zum Lobe des
>Balau« oder des guten Geistes des »Ruic (Dugong) an, den die Motu ja für einen ver-
zauberten Menschen halten. Die hübsche Legende wird von Chalmers wie der ganze
Dugongfang der Motu unerwähnt gelassen. Auf die interessante Thatsache, dass kaum
200 Seemeilen westlich von Port Moresby der Dugongfang in ganz anderer Weise, und
zwar mittelst Harpunen betrieben wird, habe ich schon hingewiesen (s. S. [82]) und
eine Beschreibung dieser Art Jagd gegeben (»Hamburger Nachrichten«, Nr. 289, vom
8. October 1882). Ausführlich darüber berichten Gill: >Life in the Southern Isles«
(1876), pag. 298 (mit Abbildung von Thier und Harpune), pag. 197 (Abbildung »Du-
gong fishing«) und pag. 323 (Abbildung »Dugong giving god«), sowie Haddon (»Journ.
of the Anthrop. Instit.«, 1890, pag. 350, PI. VIII, Fig. i). Dugongfang mit Netzen wird
auch an der Ostspitze Neu-Guineas betrieben (s. S. [156]) und nach Kubary auf den
Pelau-Inseln der Carolinen (»Ethnogr. Beitr.c etc., II, S. 139).
S. 335 [121]. Zu Canus. Gute Abbildungen kleiner Canus gibt Chalmers (»Pio-
neering«, S. 234 u. 32o), von »Lakatoi in füll sail« (S. 48). Die Benennung ist aus
»Laka oder Vakac = Canu und Toi = Toru = 3 gebildet, weil ein solches Fahrzeug
aus mindestens drei zusammengebundenen Canus besteht, die übrigens kein Ausleger-
geschirr führen. Interessant ist es, dass sich die ganz gleiche Form des Segels auf der
St. Cruz-Gruppe (Insel Nufiluli) wiederfindet, aber die Canus von hier sind von vorzüg-
I) Aehnliche, aber noch strengere Tabu Vorschriften für Fischer gelten auf Pelau
Ton Kubary erschöpfend beschrieben (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 127 — 132).
und werden
[643] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. aqc
lieber Bauart, mit einer breiten Plattform auf jeder Seite, auf welche zuweilen (äbnlicb
wie bei den Marshall-Canus) eine Hütte gebaut ist (vgl. Coote: >The Western Pacific«,
Abbild. S. 96).
S. 336 [122]. Zu Maskeraden. Die eigenthümlichen Maskenanzüge aus Tapa etc.
von Freshwater-ßai haben viel Aebnlichkeit mit den beim Dugdug ([S. 33]) verwendeten
und werden wie diese nach Beendigung der Festlichkeiten meist vernichtet oder zum
Theile in den Versammlungsbäusern verwahrt, wie dies in ähnlicher Weise mit dem
Tanzschmuck in Neu-Irland (S. 59) geschieht.
S. 336 [122]. Zu Bestattung. Aehnliche Gebräuche herrschen auf Ugi (Salo-
mons). Während man hier die Leichen von geringen Leuten ins Meer wirft, werden
die von Vornehmen auf einem besonderen, in Bäumen errichteten Gerüste niedergelegt,
bis das Fleisch von den Knochen abgefault ist, und letztere dann meist in der Hütte
begraben oder wenigstens der Schädel in besonderen hölzernen Trögen im > Tabu-
hause c aufbewahrt. Ein solcher hölzerner Trog, in Form eines an 6 Fuss langen Hais,
dessen Rücken in eine viereckige Vertiefung ausgearbeitet und mit einem Deckel ver-
schliessbar war, enthielt die Gebeine eines circa sechs Jahre alten Knaben, Lieblingssohn
des Häuptlings von Ugi (mündliche Mittheilung von Alexander Morton).
S. 337 [i23]. Zu Talismane (»Kawabu«). Einen ganz mitTaf. 15, Fig. 6, über-
einstimmenden Stein bildet Thomson von der Oster-Insel als »fishgodc ab (PI. LI,
Fig. 4). Für Jäger gelten auch runde Steinchen, wie sie sich nicht selten im Magen der
Krontaube finden, als glückbringende Talismane, die sorgfältig im Tragbeutel verwahrt
werden. Aehnlicher Jägeraberglauben herrscht hie und da auch noch bei uns, z. B. das
Verwahren von Schrotkörnern, die aus Wild geschnitten sind und die, wenn wieder
geladen, sicheres Treffen bewirken sollen.
S. 342 [128]. Taf. XIV [6], Fig. 3: Muschelgeld (Finsch-Hafen) ist nicht aus
:>Ca$$idula*, sondern Nassa callosa var. cameluSy ebenso die bei den Schmuckstücken
Fig. 10, II, i3, 15 u. 17 verwendeten kleinen Muscheln.
S. 342 [128]. Taf. XIV [6], Fig. 4: Muschelgeld von Huon-Golf besteht wohl
nicht aus »Muschelsplittern«, sondern aus einem kleinen Conus, da manche Scheibchen
noch die Färbung zeigen.
S. 342 [128]. Taf. XIV [6], Fig. 6: Muschelgeld (Port Moresby) ist nicht aus
>Cassidula^, sondern ^Nassa callospira^ (auct. v. Martens). Diese Art verzeichnet der
Kat. M. G. auch von »Tongatabu«.
S. 346 [i32]. Taf. XVI [8], Fig. 2 u. 3: Brustschmuck; die verwendeten Mu-
scheln sind Nassa callosa.
S. 348 [134]. Taf. XVII [9], Fig. 2, 3 u. 4: gilt dasselbe wie vorhergehend be-
merkt.
(Zu: »Annalen«, Bd. VI, Heft i, 1891, S. i3 [151] bis S. i3o [268]).
S. i3 [251]. Zu:
b) Ostspit\e mit den d'Entrecasteaux-Inseln.
S. 18 [156]. Zu Gräber. Eigenthümlich ist die Bestattungsweise in Ssuau (Südcap).
Kleine Hütten dienen hier als Grabstätte für die Glieder einer Familie. Die Leiche wird
in sitzender Stellung, mit über die Kniee gefalteten Händen derart begraben, dass der
Kopf so weit über der Erde hervorragt, um mit einem Topf bedeckt werden zu können.
Es geschieht dies, um nach vollendeter Verwesung den Schädel aufheben zu können,
4o6 * Dr. O. Finsch. [Ö44I
der dann, in einen Korb gelegt, im Rauche der Hütte als theures Andenken bewahrt
wird (Chalmers und Gill: »Work and adventure in New Guineac, 1885, S. 333). Wir
haben also hier einen neuen Beweis für die weitverbreitete pietätsvolle Sitte, Schädel
aufzubewahren, die so häufig sehr irrthümlich als Zeichen von Cannibalismus und
Kriegstrophäen gedeutet werden. Sehr richtig fügt Chalmers hinzu: »Es ist leicht zu
verstehen, wie diese Liebe für Verstorbene in Anbetung übergeht Diese fast universale
Form von Götzendienst ist von Rom aus en gros in der Gestalt von Reliquien- und
Heiligenanbetung ins Christenthura übertragen worden. c In der Gegend von Argyle-
Bai, etwas westlich von Südcap, herrschen ganz andere Bestattungsgebräuche, die mit
den weiter vorne erwähnten von Ugi übereinstimmen, indem auch hier die Leiche über
der Erde verwest und dann die Knochen gesammelt und in einer besonderen Hütte
begraben werden.
S. 20 [158]. Zu Kopfschmuck. Eine eigenthümliche Art Kopfschmuck von Ost-
cap sah ich in der Colon ialausstellung in London. Er bestand aus einem länglichovalen,
mit Schnitzerei und Bemalung verzierten hölzernen Kragen, der vermuthlich wie eine
Hutkrempe getragen wird, da das Loch zum Durchstecken des Kopfes zu klein schien.
Erinnert sehr an die »Midi« von Neu-Britannien (S. [16]).
S. 20 [158]. Zu Tätowirung. Das von mir hervorgehobene äusserst sporadische
Vorkommen von Tätowiren in Melanesien findet in den Neu-Hebriden weitere Be-
stätigung, wo nach Eckart diese Hautverzierung nur auf der Insel Vanua lava, aber
sonst auf keiner anderen Insel der Gruppe in Anwendung kommt. »Die Frauen täto-
wiren äusserst schön und regelmässig den ganzen Körper.« Nach Coote ist dies aber
ebenfalls auf Opa (Lepers Isl.) der Fall, also nicht auf Vanua lava beschränkt. Auf
Fidschi werden nur die vom Schamschurze bedeckten Theile (also der Venusberg) täto-
wirt (Wilkes, III, S. 355). Auf Ysabel (Salomons) haben junge Mädchen zuweilen das
Gesicht (aber nur dieses) sehr delicat in Honigwabenpatterne tätowirt, da aber kein
Farbstoff gebraucht wird, so ist diese Tätowirung nur bei ganz genauer Betrachtung
sichtbar (Coote, S. 148).
S. 22 [160]. Zu »V^aiatutta«. Diese aus einer weissen Muschel geschlififenen
Scheibchen (Taf. 6, Fig. i^) sind aus Tridacna geschliffen und die zierlichsten aus
diesem Material. Die kleinsten messen 6 Mm. im Durchmesser, die grössten bis 15 Mm.
In Milne-Bai erhielt ich ähnliche weissliche Muschelscheibchen (von 8 — 10 Mm. Durch-
messer), die aber, wie die Spiren deutlich erkennen lassen, aus dem Kopfe einer Conus-
Art geschliffen sind. Auf diese Sorte bezieht sich der Vergleich mit ähnlichen Muschel-
scheibchen aus den Gilberts.
S. 24 [162]. Zu Häuser. Das erbärmliche Bild eines Hauses von Teste-Insel bei
Powell (S. 9) ist nur dazu geeignet, eine ganz falsche Vorstellung zu erwecken.
S. 24 [162]. Zu Baumhäuser. Kommen auch in den Salomons vor. Coote be-
schreibt ein solches von Ysabel, das in einem 70 — 80 Fuss hohen (!) Baume sehr accurat
erbaut war (26 Fuss lang, 18 Fuss breit); im Innern befanden sich Haufen von Steinen
als Vertheidigungsmittel, da auch diese Baumhäuser als Festung dienen. Die Leiter,
welche zu dem Hause führt, weicht von denen in Neu-Guinea dadurch ab, dass sie aus
einem einfachen Rottangtau besteht, in welches Querhölzer eingeknüpft sind (»The
Western Pacific«, Abbild., S. 143; vgl. damit die guten Abbildungen von Baumhäusern
an der Südostküste Neu-Guineas bei Chalmers: »Pioneering« etc., S. 256 u. 288).
S. 25 [i63]. Zu Obsidian. Es ist bemerkenswerth, dass trotz des Vorkommens
von Obsidian in den d'Entrecasteaux dieses Material nicht zur Bewehrung von Waffen
benutzt wird.
[645] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. aqj
S. 27 [165]. Zu Kalkcalebassen. Ein sehr feines Stück in der Colonialausstellung
in London von Ostcap war ringsum mit einer Schnur aufgereihter Spondylus-Scheib-
chen verziert, mit daran befestigten Ov2//j-Muscheln.
S. 27 [165]. Zu »Mörser« zum Stampfen der Betelnuss. Aehnliche Geräthe aus
Holz finden sich auch auf Pelau und werden von Kubary in alten und noch jetzt ge-
bräuchlichen Formen beschrieben (>EthnoI. ßeitr.«, 11, S. 206, Taf. XXVIII, Fig. 7 u. 8).
S. 28 [166]. Zu Steinaxtklingen (»Gune«) von Teste-Insel. Die grösste, welche
ich erhielt, mass 32 Cm. in der Länge und 156 Mm. in der Breite; Gewicht 2^/3 Kilo.
S. 3o [168]. Zu Kurze Handkeulen (»Bossim<). Kleinere derartige Stücke
waren in der Colonialausstellung in London als »Kalklöffel« bezeichnet.
S. So [168]. Zu Schilde. Hierher gehört die ziemlich rohe Skizze bei Powell
(S. 17, Figur links), für welche er eine eigene Bezeichnung (»Canuschilde«) erfand.
»Sie werden auf den Ausleger gehangen, um während des Gefechtes als Schutzwehr zu
dienen.« Obwohl Powell dies in Possession- Bai (China-Strasse), wo >3oo< (!) Canus
beisammen waren, selbst gesehen haben will, so wird man gut thun, diese Behauptung
vorläufig mit Reserve aufzunehmen. Kein anderer Beobachter weiss von dieser Art
Benutzung der Schilde zu berichten, auch nicht Hunstein, der doch um Ostcap und
Milne-Bai so gut wie zu Hause war. Der andere von Powell abgebildete Schild (S. 17)
ist übrigens nicht von Ostcap, sondern ein typischer Hood-Bai-Schild (Taf. i6, Fig. 6).
Einen ganz runden Schild von Milne-Bai sah ich in der Colonialausstellung in London;
er stimmte in der Form also ganz mit solchen von Bilibili Uberein, war aber nicht mit
Schnitzerei, sondern sehr eigenthümlicher Malerei in geschmackvollem (schwarz, weiss
und rothem) Muster verziert.
S. 3i [169]. Zu Canu. Das »China Straits-Canoe«, wie es Powell (S* 23) abbildet,
ist bis auf die Form des Segels reine Phantasie. Man vergleiche die correcte Abbildung
bei Chalmers (»Pioneering« etc., S. 202).
S. 32 [170]. Zu Fahrzeuge (»Catamarans«). Es ist interessant, dass ganz ähn-
liche Flösse aus Baumstämmen (circa 4 M. lang und i M. breit), mit Rottang zusammen-
gebunden, bei den Eingeborenen am Gogolflusse in Astrolabe-Bai, welche keine Canus
besitzen, gebraucht werden (Dr. Lauterbach).
S. 33 [171]? Masken waren mir nicht vorgekommen, aber in der Colonialaus-
stellung in London sah ich eine aus Holz geschnitzte Maske, angeblich aus der Gegend
von Ostcap, die sehr eigenthümlich war. Dabei mag bemerkt sein, dass die von Powell
abgebildete Maske von Schildpatt (S. 16) keinesfalls aus der Gegend von »Mount
Thompson« (Oslspitze Neu-Guineas) herstammt, sondern von Torresstrasse (vgl. S. [82]).
S. 33 [171]. Zu Kinderspiele. Schaukeln auf einem Tau ist auch auf Mangaia
(Hervey-Gruppe) beliebt (Gill: »Life in the Southern Isles«, S. 65).
S. 37 [175]. Zu:
2. Kaiser Wilhelms-Land oder Deutsch-Neu-Guinea.
S. 42 [180]. Zu Pelau-Geld. Seiner ersten Arbeit über diese alten Glasperlen
und Glasflüsse (in Journ. M. G., Heft IV, 1873, S. 49—53, Taf. 2) hat Kubary neuer-
dings eine weitere gelehrte Abhandlung: »lieber das einheimische Geld auf der Insel
Yap und den Pelau-Inseln« (in »Ethnogr. Beitr.«, Heft I, 1889, S. 6 — 28, Taf. 1) folgen
lassen. Sie enthält eine fast erschöpfende Classificirung und Specificirung des > Audouth«
(oder »Audou«), wie der Collectivname für diese Art Geld lautet, das Kubary besser
kennt als die meisten Eingeborenen, unter denen »es nur wenige gibt, die aus eigener
Annalcn des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd. Vlil, Heft 3 a. 4, 1893. 28
4o8 Dr. O. Finsch. [646]
Anschauung auch nur den sechsten Theil der sämmtlichen Geldsorten kennen«. Die
einschlägigen Verhältnisse über Seltenheit und Werth der zahlreichen Sorten, wie
Coursschwankungen, Wechsel- und Darlehensgeschäfte u. s. w. mit diesem unentbehr-
lichen Tauschmittel werden ebenfalls eingehend geschildert, wenn auch hier noch Man-
ches unklar bleibt, wie hinsichtlich des Materials selbst. Die früher ausgesprochene
irrige Ansicht, dass das letztere aus >in der Erde gefundenen ausgebrannten Erden,
natürlichen Emaillen und Glas« besteht, verbessert Kubary diesmal, indem er wirkliche
Glas- oder Porzellanperlen annimmt, aber er spricht auch von Achat, Jaspis und ver-
schiedenen Mineralien in Cementmasse u. s. w. Alle diese wichtigen Fragen lassen sich
natürlich nicht von einem Laien wie Kubary und auf Pelau, sondern nur mit Hilfe
eines ausreichenden Vergleichungsmateriales von einem hyalurgisch gebildeten Fach-
manne lösen und damit zugleicli auch die weit wichtigere Frage betreffs des Ursprunges
und der Herkunft. Aber Kubary ist jedenfalls auf dem richtigen Wege, wenn er die
letztere, allerdings mit dem Umwege über Yap (»wo dergleichen Glasperlen gelegent-
lich beim Graben gefunden werden«), von Asien herleitet und einen neuen Beweis der
malayischen Beziehungen erblickt. Die heimischen Imitationen, welche Kubary in der
ersten Abhandlung mit den Worten beschreibt: »sie (die Eingeborenen) stampfen das
Flaschenglas und schmelzen es theilweise und verfertigen daraus ,Koldojoks', die sogar
im Verkehre gelten«, werden auffallend erweise mit Stillschweigen übergangen und nur
der »Kaldoyoks oder Gläser« gedacht. Bei genauer Vergleichung der beiden Abhand-
lungen ergeben sich auch sonst mancherlei Abweichungen in Bezug auf Namen, Werth-
angaben (in Dollars) und Auslassungen. So bleibt das kostbarste UniCum »Moriur« im
Werthe von »5ooo Thalern« (Taf. 2, Fig. 2) unerwähnt, wie manches andere in der
ersten Arbeit genannte Stück. Unter den 3i beschriebenen und mit den heimischen
Namen aufgeführten »Kalebukubs«, jener Classe alter Mosaikglasperlen, welche das
»politische Rupakgeld« umfassen, das aber nur wenige Häuptlinge besitzen, fehlt der
»Obogul a Kalebukub«, d.h. »Vater der Kalebukubs« (abgebildet Taf. 2, Fig. 4). Ich
erwähne dies deshalb, weil ich der Güte von Kubary eine sehr ähnliche dunkelgrüne
und weisse Emailglasperle verdanke, welche mit demselben eingeborenen Namen,
aber mit »Grossvater des Kalebukub« übersetzt, bezeichnet ist. Sie stimmt sehr mit der
»Gargaroy« -Perle (S. 16, Taf. I, Fig. 3i) überein und ist ein sehr seltenes, werth volles
Stück, das auf 80 Dollars geschätzt wird. »Man kann dafür (natürlich nur auf Pelau)
2000 Acres Land kaufen, zehn gewöhnliche Menschenkinder oder mindestens zwei
Könige umbringen u. s. w.,« schrieb mir Kubary, der das Stück 1872 bei Gelegenheit
eines Schutz- und Trutzbündnisses vom Könige von Artingal erhielt und das früher
zum Schatze des »Iraklais von Molekoiok« gehörte. Von Kubary bei pelauischen Fest-
lichkeiten als Ohrschmuck getragen, ziert der »Grossvater des Kalebukub« jetzt als liebe
Erinnerung an den weissen Carolinier meine Uhrkette. Kalebukubs sind übrigens nicht
auf Pelau beschränkt, sondern auch bei anderen Eingeborenen bekannt und hochge-
schätzt, so im malayischen Archipel (vgl. die Noten von Schmeltz in: »Ethnogr. Beitr.«,
I, S. 14 und Whitehead-ßorneo) und in Afrika. Das British Museum besitzt eine in-
structive Sammlung der modernen Emailglasperlen-Sorten, welche für den westafrikani-
schen Handel fabricirt werden, unter denen gewisse Sorten in Muster wie Grösse fast ganz
mit gewissen »Kalebukubs« übereinstimmen. Die gleiche Bemerkung macht Schmeltz
von prähistorischen Emailperlen aus deutschen Hünengräbern (Kat. M. G., S. 485).
S. 43 [181]. Zu Astrolabe-Bai. Dem interessanten Berichte von Dr. Lauterbach,
der mit noch einem weissen Begleiter und 40 Eingeborenen den Gogol, den grössten
Fluss in Astrolabe-Bai, zuerst erforschte und (in der Luftlinie gemessen) circa 50 Kilo-
[^4?] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. ^OQ
meter ins Innere vordrang, entnehme ich das Wichtigste der im Ganzen sehr spärlichen
ethnologischen Notizen (in »Nachrichten über Kaiser Wilhelms- Land« etc, Heft I, 1891,
S. 3i — 62). Die Eingeborenen waren ganz gleich mit denen der Küste, sprachen aber
im Innern andere Sprachen. Schon in Jeri, einem Dorfe kaum 12 Kilometer von der
Küste, besass man kein Eisen. Das Flussgebiet war gut bevölkert, die Leute überall
freundlich und im Ganzen wenig scheu. Obwohl sie noch keinen Weissen gesehen
hatten, kamen sie doch meist überall furchtlos heran, zum Theile sogar mit ihren
Weibern, oft in grossen Schaaren, und brachten Lebensmittel (Yams, Taro, Bananen,
auch die Cocospalme kommt hier noch vor). Tabak wurde auch gebaut und zum Theile
in Form von Cigarren aus frisch abgepflückten Blättern geraucht, aber »meist bediente
man sich hierzu der in Neu- Guinea allgemein üblichen Pfeife aus Bambus«, also ver-
muthlich des an der Südostküste gebräuchlichen »Baubau« (s. S. [ii3]). Die Bauart
der Häuser war ganz wie in Astrolabe-Bai, die Pflanzungen eingezäunt und mit Vorliebe
an den steilsten Abhängen angelegt. Canus wurden nicht gesehen, dagegen bediente
man sich einer Art Floss aus Baumstämmen (ähnlich der »Catamarans« an der Ost-
spitze, vgl. S. [170]), was sehr merkwürdig ist, da auch die Bewohner des Augusta-
flusses Canus (ohne Ausleger) besitzen. Schmuck wurde wenig bemerkt, aber viele
Schweine- und Hundezähne, letztere schienen Geld zu sein. Ueber Bekleidung finde ich
keine andere Notiz, als dass ein alter Mann, um seine Glatze zu bedecken, ein Cuscus-
fell um den Kopf gebunden hatte, wie dies auch anderwärts vorkommt. An Waffen
besessen die Eingeborenen: Bogen und Pfeile (darunter äusserst kunstvoll geschnitzte
Schmuckpfeile), Speere, »Speerkeulen« (»an einem etwa 8 Fuss langen Speer ist ein
fusslanges armdickes Stück einer äusserst harten und schweren grasähnlichen Pflanze
befestigt«), die zu Hieb und Stoss dienen sollen, aber Abzeichen angesehener Leute zu
sein schienen, und kleine runde Schilde, die unter dem Arme getragen wurden; in den
Häusern sah man grosse runde, schwere Schilde wie die von Bilibili. Töpfe schienen
von letzterer Insel herzustammen und mögen im Tausche von einem Dorfe zum an-
deren ihren Weg bis ins Innere finden, ganz wie dies z. B. an der Südostküste (vgl.
S. [iio]) der Fall ist, wo Töpfe von Port Moresby bis zu den Bergstämmen der Astrolabe-
und Owen Stanley- Gebirge verhandelt werden.
S. 45 [i83]. Zu Albinismus. HoUrung beobachtete einen Fall bei Hatzfeldthafen:
»ein schwächliches, Bedauern erregendes Kind, das von seinem Vater auf dem Rücken
getragen wurde«. Wie selten im Ganzen Albinismus vorkommt, ergibt sich aus Wilkes,
dem doch Derartiges kaum entging. Er beobachtete in Melanesien einen Albino auf
Fidschi (III, S. 214), in Polynesien, und zwar auf Nukufetau, der Ellice-Gruppe, zwei
(V, S. 40); die Erkundigung ergab, dass Eltern und Geschwister normal dunkelfarbig
waren. In Mikronesien habe ich keinen Albinismus beobachtet.
S. 46 [184]. Zu Sprach Verschiedenheit. Wie gross dieselbe ist, erhellt aus einer
Notiz von Dr. Hollrung, wonach sich von Alexishafen bis Cap Croissilles, einem Ge-
biete von kaum 20 Seemeilen Ausdehnung, sechs verschiedene Sprachen finden.
S. 48 [186]. Zu Verkehr und Heimatskunde der Eingeborenen. Als einen
weitgereisten Mann bezeichnet Dr. Hollrung mit Recht den Häuptling Kajuwei bei
Juno-Huk, der aus eigener Anschauung Karkar (Dampier-Insel), Bagabag (Rich-Insel)
und Bilibili kannte, von Korendu (in Port Constantin), aber nicht von Bongu, dem
grössten Dorfe hier, gehört hatte.
S. 50 [188]. Zu Culturgewächse. In der Gegend von Cap Croissilles werden
Taro, Jams, Bananen, Zuckerrohr und Tabak gebaut und (wie bei Ostcap und meist
überall) in Berggegenden die steilsten Abhänge zur Anlegung von Plantagen ausgewählt.
28*
4IO Dr. O. Finsch. [648]
Am oberen Laufe des Augastaflusses bilden Yams und Sago die Hauptnahrung, nur
selten wurde Taro, Zuckerrohr und Bananen culcivirt, ebenso die Cocospalme. Der
Nachweis des letzteren tief im Innern des Landes ist von höchstem Interesse und gibt
einen neuen Beweis für die Wichtigkeit dieses Edelbaumes in Bezug auf die Ausbreitung
des Menschen. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass die Bevölkerung von der
Küste stromaufwärts vordrang, wie dies an allen grösseren Flüssen Neu-Guineas der
Fall zu sein scheint. Dasselbe gilt in Betreff der Betelpalme, die als Culturbaum tief im
Innern des Augustaflusses vorkommt, und der Hausthiere (Hund, Schwein und Hühner).
S. 51 [189]. Zu Jagd. »Da die Wii-kung des Bogens nur auf kurze Entfernung
genügend sicher ist, so pflegen die Eingeborenen in der Nähe des Schweinewechsels
oder der Erdhaufen, welche das Jalegallus-hhihn für seine Eier aufwirft, eine kleine
.enge Hütte mit einem kaum handgrossen Umschau- und Schussloch zu errichten, um
von hier aus ihr Wild sicherer zu erlegen« (HoUrung in: »Nachrichten über Kaiser
Wilhelms-Land«, 1888, S. 23o).
S. 56 [194]. Zu Pfahlhäuser am Augustafluss. Die späteren Expeditionen auf
diesem grössten Strome, den Capitän Dallmann und ich nur entdecken, aber nicht be-
fahren konnten, haben meine erste Beobachtung bestätigt. Dallmann, der am 4. bis
6. April 1886 mit der Dampf barkasse vordrang, fand ziemlich schlechte Pfablhäuser,
die auf hohen Pfählen »in circa zwei Faden tiefem Wasser standen«. Am oberen Laufe
des Augustaflusses werden sehr grosse, äusserst solide Häuser beschrieben, die aber
nicht im Wasser, sondern in einer Längsreihe am Ufer errichtet sind. Sie stehen über
dem Erdboden erhaben auf dicken Pfosten aus Baumstämmen; manche davon haben
einen thurmartigen, 3 — 4 M. hohen Aufbau an jedem Giebelende, der an ähnliche Bau-
lichkeiten in Hood-Bai (Fig. 29, S. [io3]) erinnert. Das grösste Dorf Malu mit circa
1000 Einwohnern, welches von der wissenschaftlichen Expedition übrigens nur einmal
besucht wurde, besass sechs grosse offene Hütten, identisch mit den üblichen Gemeinde-
häusern, in welchen unter Anderem Signaltrommeln aufbewahrt wurden.
S. 57 [195]. Zu Gemeindehäuser. Ein gewöhnliches »Junggesellenhaus in der
Astrolabe-Bai« ist gut abgebildet in »Nachrichten über Kaiser Wilhelms-Land«, 1891,
Heft I.
S. 58 [196]. Zu Kopfstützen. Aus Holz geschnitzte Kopfunterlagen kommen
auch in Neu-Caledonien und den Neu-Hebriden vor. Von letzterer Localität abgebildet
bei Eckardt, Taf. IV, Fig. 8, welches Stück aber nach Schmeltz, der das Vorkommen
auf den Neu-Hebriden bezweifelt, von »Fidschi« herstammen würde. In der St. Cruz-
Gruppe beobachtete Coote »headrests«, die wegen des gewichtigen Ohrschmuckes
nöthig sind, da letzterer ein Ruhen ohne Kopfunterlage unmöglich machen würde. Die
Abbildung eines Ohrschmuckes von Nitendi, aus 3o Schildpattringen bestehend, illu-
strirt dies (»The Western Pacific«, S. 114).
S. 59 [197]. Zu Kopfstütze, Nr. 100, Taf. 10, Fig. 3, 4. Aehnliche Kopfstützen
aus Bambu mit vier Beinen kommen auf Fidschi vor (Wilkes, III, S. 345); hier auch
solche aus Holz geschnitzt.
S. 61 [199]. Zu Töpfe. Werden sehr schön auch auf den Admiralitäts-Inseln ge-
fertigt. Ich erhielt einen solchen, kugelförmig (Umfang 1*2 M., Höhe 37 Cm.), mit
ziemlich enger Oeffnung (i3 Cm. im Durchmesser), der in der Form ganz mit den
Wassertöpfen von Port Moresby übereinstimmt (»Hodu«, Nr. 86, S. [iio]).
S. 62 [200]. Zu Töpferei. Die Bewohner am oberen Laufe des Augustaflusses,
tief im Innern, verstehen diese Kunst ebenfalls; auch bei Cap Croissilles sah Dr. HoU-
rung Töpfe, die möglicherweise aber von Bilibili herstammen.
[649] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. ah
S. 63 [201]. Zu Tabak. Dr. Lauterbach fand im Innern des Gogolflusses in Astro-
labe-Bai ebenfalls Tabakculturen, ein neuer Beweis, dass diese Pflanze ursprünglich
für Neu-Guinea ist. Auf den Bergen bei Cap Croissilles wird auch Tabak gebaut. Auch
auf Fidschi wurde diese Culturpflanze schon vor Ankunft der Weissen angebaut und
geraucht (Wilkes, 111).
S. 64 [202]. Zu Rauchgeräth (»Baubau«). Ein ähnliches Rauchgeräth wie an
der Südostküste (S. [ii3]) scheint auch in diesem Gebiete Neu-Guineas vorzukommen,
denn die Notiz Dr. Lauterbach's vom Innern des Gogolflusses in Astrolabe-Bai : »meist
bedient man sich zum Rauchen der in Neu-Guinea allgemein üblichen Pfeife aus Bam-
bus« dürfte sich doch nur auf den »Baubau« beziehen.
S. 66 [204]. Zu Kawa. Auf Fidschi war Avatrinken sehr beliebt, aber nur für
Häuptlinge erschwinglich und eine Art Vorrecht derselben; die Wurzel wird (wie auf
Samoa u, s. w.) von jungen Mädchen gekaut (Wilkes), auf den Neu-Hebriden dagegen,
übereinstimmend mit Neu-Guinea, von Knaben. Die Kawawurzel heisst auf Fidschi
»Yangona«; auf der.Colonialausstellung in London war »Yangona«-Schnaps« vertreten.
S. 70 [208], Note I. Zu Gesteinsarten von Axtklingen. Durch gütige Mit-
theilung von Herrn Prof. Arzruni in Aachen (vom 5. Mai iSgS) erfahre ich, dass in der
That die genaue Bestimmung der Proben von Steinaxtklingen noch nicht erfolgt ist,
doch sagt er: »Ich halte nicht alle für Nephrit; manche scheinen dichte Diabase (Apha-
nite) zu sein,« was immerhin hier mitgetheilt sein mag. Darnach scheint also Nephrit
wirklich vertreten zu sein.
S. 72 [210]. Zu »Sonstige Werkzeuge«. Nach Wilkes (111, S. 347) wurden auf
Fidschi auch »Rattenzähne« als Werkzeug für feine Gravirungen benutzt, was wahr-
scheinlich auch anderwärts geschieht, aber leicht übersehen werden kann.
S. 72 [210]. Zu Waffen und Wehr. Vom Innern des Augustaflusses werden
Bogen, Pfeile, Speere und grosse schöne Schilde als übliche Waffen verzeichnet.
S. 76 [214]. Zu Pfeile. Es verdient noch besonders hervorgehoben zu werden,
dass viele dieser besonders fein verzierten Pfeile »Schmuckpfeile« sind, bei deren An-
fertigung Laune und individuelle Begabung eine grosse Rolle spielen; für gewöhnlich
braucht man schmucklose Pfeile, da die vielen und oft recht gefährlich aussehenden
Widerhaken doch zum Theile nichts Anderes als Ornamentirung sind.
S. 80 [218]. Zu Schmuckmaterial. Wie erwähnt, scheinen Perlen oder Scheib-
chen aus Cocosnussschale kaum verarbeitet zu werden, die nirgends in Melanesien zu
den »gewöhnlichen Verzierungsmitteln« gehören, wie Serrurier irrthümlich annimmt.
S. 81 [219]. Zu Hundezähne. Waren bei den alten Hawaiiern äusserst geschätzt
und werthvoll. Beim Hulatanze, der noch heute im Geheimen stattfindet, trugen Tänzer
und Tänzerinnen breite, sehr schwere Bänder um das Fussgelenk (vgl. Choris, PI. XII),
mit denen durch Aneinanderschlagen ein rasselndes Geräusch hervorgebracht wurde.
Ich besitze einen solchen Schmuck, der aus mehr als 600 Hundeeckzähnen besteht, und
der nach den von Coote berechneten Salomons-Preisen, wie sie Anfang der Achtziger-
jahre üblich waren, einen Werth von 60.000 Cocosnüssen oder, in Copra übertragen,
von 1200 — 1800 Mark haben würde.
S. 84 [222]. Zu »Ssanem«, Muschelgeld, Taf. XIV [6], Fig. 3: nach neueren
Bestimmungen von Prof. v. Martens ist die Art nicht Nassa callospira, sondern iV. cal-
losa var. camelus und identisch mit dem zu »Diwara« verarbeiteten Conchyl Neu-
Britanniens.
S. 85 [223]. Zu Körperausputz und Bekleidung. Die Berichte über die Expedi-
tionen auf dem Augustaflusse enthalten darüber sehr wenig. Am oberen Laufe gehen
• ii
412 ^^- O. Finsch. [650]
Männer häufig ganz nackt, Frauen tragen den bekannten, weitverbreiteten Faserschurz;
das Haar wird bald lang, bald kurz getragen, letzteres meist von Frauen; Männer hatten
häufig bis auf die Schultern reichende gedrehte Haarsträhne (»Gatessic, wie in Bongu
u. s. w.); keine Haarkörbchen. Alle Beobachter erwähnen, dass äusserst wenig Schmuck
vorkam: »geflochtene Armringe, Halsketten, dann und wann ein halbmondförmiges
Halsschild«. Bemalen in Roth, Schwarz (Trauer), Ockergelb und Grau war dagegen
sehr beliebt, meist wurde jedoch nur das Gesicht (ockergelb oder grau) bemalt. Eine
gute Abbildung Eingeborener vom Augustaflusse geben die »Nachrichten aus Kaiser
Wilhelms-Land« (Heft I, 1892). Der Mann trägt eine Art verzierter Mütze, welche wohl
aber aus seinem eigenen Kopfhaar gebildet wird; Nase nicht, Ohr etwas durchbohrt;
um den Hals ein engschliessendes Band (keinen Brustschmuck); am linken Oberarm
einige schmale Ringe (wohl geflochtene); um den Leib ein Band, vorne mit herab-
hängendem breiten Schamschurz (wohl Tapa). Die Frau ist mit dem üblichen Faser-
schurz bekleidet, der aus zwei Bündeln besteht, das vordere bis zu den Knieen, das
hintere weiter herabhängend; am linken Oberarm ein tief einschneidendes Band; sehr
eigenartig ist die Kopfbedeckung, welche im Aussehen an einen Schleier erinnert, der
bis zur Hälfte des Rückens herabreicht, gemustert und unten in Fransen ausgezaust ist
(und vermuthlich aus Tapa besteht). Ein gutes Bild eines Eingeborenen von Finsch-
hafen, mit schmaler Tapaschambinde, Tapamütze, Halsstrick, Tragbeutel und Axt über
die linke Schulter, und zwar meines Freundes, des grossen Häuptlings Makiri, geben die
»Nachrichten über Kaiser Wilhelms-Land« (Heft II, 1889).
S. 94 [282]. Zu Haarkämme. Einen sehr eigenthümlichen Schmuck dieser Art,
reich mit Federn verziert, bildet Wilkes von Fidschi ab (III, S. 335).
S. 97 [235]. Zu Stimbinde, Taf. XIV [6], Fig. 11. Nach dem von Coote für die
Salomons angegebenen Preise der Hundezähne würde dieses Stück, beiläufig bemerkt,
einen Werth von 7600 Cocosnüssen haben, welche eine Tonne Copra (im Preise von
200 — 3oo Mark) liefern. Auf den Salomons haben Halsbänder aus Hundezähnen nicht
selten einen Werth von ^. 20 (= 400 Mark).
S. 99 [237]. Zu Nasenzier aus Eberhauern. Dieselbe kommt viel weiter östlich
vor, als ich annahm. Dr. HoUrung notirt diese Art Schmuck bei den Eingeborenen von
Karkar (Dampier-Insel), die denselben (oder die Schweine selbst) vom Festlande ein-
tauschen.
S. 99 [237]. Zu Zierat in Nasenspitze. Auf der Insel Ulaua (Salomons, zwischen
S. Christoval und Malayta) sah Coote junge Mädchen, welche in der Nasenspitze einen
Zierat aus Perlmutter, einen lang gebogenen Vogelhals mit Kopf darstellend, trugen.
(»The Western Pacific«, S. 121 mit Abbild.)
S. io3 [241]. Zu Halskette, Nr. 504. Die Helix-An »gehört zur Untergattung
Papuina und ist vielleicht neu«, (v. Martens in lit.)
S. io3 [241]. Zu Halsring aus Eberhauern, Nr. 525. Auf den Salomons sind
zwei Eberhauer als Armschmuck beliebt (Guppy).
S. 107 [245]. Zu Armringe aus Trochus. Im Leidener Museum auch von der
Westküste Neu-Guineas, um so merkwürdiger daher das Fehlen an der Südostküste (s.
S. [100]).
S. ii3 [251]. Zu Cannibalismus. Die wissenschaftlichen Expeditionen der Neu-
Guinea-Compagnie, welche wochenlang in dem Gebiete zwischen Juno-Insel und Cap
Croissilles verweilten, haben von Cannibalismus nichts erfahren und wahrgenommen;
Maclay war also jedenfalls falsch berichtet worden, wie dies Eingeborene so gern zu
thun pflegen.
r55l] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. j.l3
S. ii3 [251]. Zu Beschneidung. Wird nach Hollrungin Finschhafen, aber nicht
am Augustaflusse geübt.
S. 116 [254]. Zu Grosse Signaltrommeln. Vom oberen Laufe des Augusta-
Busses werden solche beschrieben, die an jedem Ende in eine schnabelförmige Verlän-
gerung ausgehen und hier mit hübscher Schnitzerei (Köpfe von Crocodil, Vögeln etc.)
verziert sind. Sie stimmen also am meisten mit den Trommeln überein, wie ich sie in
Dallmannhafen sah (vgl. »Samoafahrten«, S. 3o8).
S. 117 [255]. Zu Masken. Sehr eigenthümliche Masken kommen am Augusta-
flusse vor, in Form eines Vogelkopfes mit ziemlich langem Schnabel, oben mit Thier-
figur, anscheinend einen Vogel darstellend (vgl. Photographie in »Nachrichten über
Kaiser Wilhelms-Land«, Heft I, 1892). Zunächst mit denen von Dallmannhafen ver-
wandt. Sehr eigenthümlich scheinen nach der kurzen Notiz von HoUrung »die einem
Helmvisir ähnelnden, aus Kaurimuschelgeflecht bestehenden Masken« bei Hatzfeldthafen,
wo man den thurmartigen Aufbau nicht kennt (»Nachrichten über Kaiser Wilhelms-
Land«, 1888, S. 23 1); hier auch Allerlei über TanzaufTührungen.
S. 117 [255]. Zu Ahnenfiguren. Die rohen Holzschnitzereien menschlicher
Figuren, sogenannte »Götzen« (Kat. M. G., S. 120), von den Neu-Hebriden gehören
ebenfalls in die Kategorie der »Ahnenfiguren«. Nach Eckardt (Taf. V, Fig. 2) sind diese
Figuren, »die das Gedächtniss berühmter Vorfahren ehren«, zuweilen ausgehöhlt und
dienen zugleich als Trommel. Coote beschreibt von St. Maria (Banks-Gruppe) grosse,
aus Palmholz roh geschnitzte Menscheniiguren »als Andenken verstorbener Häupt-
linge«.
S. 127 [265]. 91 — gS: Nassa (callospira) ist N. callosa var. camelus,
S. 127 [265]. 94: Nassa oder Cassidula ist N. callospira.
S. 127 [265]. 95: Nassa vibex ist N, globosa H. u. Jaqu.
S. 128 [266]. 152: Cassidula ist Nassa callospira.
S. 128 [266]. 159: Dentalium ist Z). elephantinum.
(Zu »Annalen«, Bd. VIII, Heft i, 1893, S. i [269]— 106 [374].)
S. I [269]. Zu:
Dritte Abtheilung: Mikronesien (West-Oceanien).
S. 2 [270]. Zu: Einleitung.
S. 3 [271]. Zu Schädelbildung. Nach der flüchtigen Messung von i3 Köpfen
lebender Sonsol-Männer kommt Kubary zu dem Schlüsse, »dass diese Insulaner, als ent-
schieden dolichocephal, sich von den mehr mesocephalen Einwohnern Pelaus') und
Yaps entfernen und den extra-dolichocephalen Centrale aroliniern oder sogar den Pona-
peanern nähern« (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 87). So gelehrt diese Auslassung auch
klingt, so hat sie doch keinen besonderen Werth, und man sieht, wie leicht es ist, aus
etlichen Schädelmessungen anscheinend wichtige Schlüsse zu combiniren. Wenn Ku-
bary (1. c.) von den Sonsolern noch sagt: »Eine typische Gesichtsform zu fixiren ist
hier ebenso unmöglich wie auf den benachbarten Inseln der Centralcarolinen«, so ist
dies jedenfalls richtig, nicht aber die Schlussfolgerung, »dass die Sonsoler Mischlinge
I) Der einzige Pelauer Schädel im Kat. M. G. (S. 665) ist als »brachycephal« bestimmt.
^14 Dr. O. Finsch. [652]
^
wie die übrigen Carolinier seien c^ denn ähnliche Verhältnisse finden sich in der ganzen
Südsee, und nirgends tritt ein »reiner Racentypus« constant auf.
S. 6 [274]. Zu Betelessen. Wie erwähnt, ist dieser Brauch in Mikronesien auf
die westlichen Carolinen- Inseln beschränkt und deutet zunächst auf Melanesien hin, kann
aber auch ebenso gut spontan entstanden sein. Die letztere Annahme scheint sogar die
richtigere, denn bei einer genaueren Vergleichung ergeben sich sehr erhebliche Verschie-
denheiten, sowohl in der Art, Betel zu essen, als in den benutzten Utensilien. >Der
Kalk wird auf das PfefTerblatt (nicht »Arecablatt«) und die Betelnuss gestreut und so
mit diesem gekaut (gegessen)« (Kat. M. G., S. 425: Pelau), also ähnlich wie dies in
Neu-Britannien und Neu-Irland geschieht (vorne S. [21] und [54]). Es fehlen also die
für den grössten Theil von Melanesien so unentbehrlichen und charakteristischen so-
genannten »KalklöflFel«, von denen die Sammlung schöne Typen aufweist (vgl. Taf. [i i j).
Ferner werden im grössten Theil Melanesiens zum Aufbewahren des Betelkalkes Kale-
bassen verwendet (vorne S. [112], [165] und [202]), mit Ausnahme gewisser Gebiete
der Salomons, wo auch Büchsen aus Bambu benutzt werden (vorne S. [66], Guppy:
S. 95, Kat. M. G., S. II 3, 114). In ähnlicher Weise geschieht dies auch auf den west-
lichen Carolinen, aber diese Bambukalkbehälter sind wesentlich verschieden, schon
dadurch, dass sie ein Loch besitzen, zum Ausschütten des Kalkes. Diese zuweilen
I — 2 M. langen Bamburohre zu Betelkalk, auf Pelau »Haus» genannt (wie der Kalk
selbst), werden von Kubary ausführlich beschrieben (»Ethnol. Beitr.«, 11, S. 198,
Taf. XXIII, Fig.. 24 — 29; auch: Journ. M. G., Heft IV, Taf. 4, Fig. 18). Ebenso hier die
kunstvoll aus Schildpattringen verfertigten Pfropfen (»Tanet«) zum Verschliessen des
Bamburohres, die eine charakteristische Eigenthümlichkeit Pelaus bilden (Kubary, 1. c,
S. 189, Taf. XXIII, Fig. 2—4; Kat. M. G., S. 426, Nr. 690; Journ. M. G., Heft IV,
Taf. 4, Fig. I : Pelauaner mit einer Art Spazierstock *) in der Rechten, der aber ein Kalk-
behälter ist).
S. 7 [275]. Zu Hausrath und Kochgeräth. Eine erschöpfende Darstellung der
hieher gehörigen, zum Theil aber schon der Vergangenheit angehörenden Gegenstände
Pelaus gibt Kubary in dem Abschnitt »Industrie der Hausstands-Geräthschaftenc
(»Ethnol. Beitr.«, II, S. 197 — 208, Taf. XXIV — XXVIII), die manche interessante, in-
dess wenig eigenartige Formen nachweist. Unter den letzteren sind besonders bemer-
kenswerth »Anrichteschüsseln auf Füssen« (Taf. XXVI, Fig. 11 — 13), »Anrichtetisch«
(Taf. XXVllI, Fig. i), Speisekammern aus Bambustäben (ib. Fig. 10) und Hängevor-
richtung (ib. Fig. 1 1), ähnlich unseren Kleiderhaken.
S. 8 [276]. Zu Waffen und Wehr. Herr Heger hatte die Güte, mich auf die
Unrichtigkeit der folgenden Passage aufmerksam zu machen: »Ganz abweichend sind
die zum Theil hübsch geschnitzten Keulen von Tonga, die sehr den neuseeländischen
ähneln«, da die Maoris keine Keulen besassen, die mit den tonganischen verglichen
werden könnten. Am häufigsten verbreitet waren die »Meri«, kurze Handkeulen meist
aus Hol^, Walfischknochen, Stein oder Grünstein, wovon meine Sammlung von Gyps-
abgüssen von Maori-Antiquitäten aus Neu-Seeland (Bremen i883) eine schöne Reihe
von zwölf der hervorragendsten Exemplare aus den bedeutendsten Sammlungen Neu-
seelands enthält. »Tewatewa« waren eine eigenthümliche Art hölzerner Keulen, ein
«) Der im Kat. M. G. (S. 388, Nr. 3507) beschriebene Stock (vielleicht »Hoheitszeichen«) von Uieai
ist nach Kubary ein solches Bamburohr zu Kalk von Pelau, das ein Eingeborener zum Spass ganz
mit Schildpattringen (193 Stück) bekleidete. Obwohl Kubary bei der Anfertigung dieses Phantasie-
stückes zugegen war, behauptet Schmeliz (1. c, S. 190, Note), dass sich Kubary irre.
r5c3l Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^.I^
Stab, der oben in einen fahnenartigen Ansatz endete. »Huata« oder »Hani«, lange
Stäbe, die oben in einen zungenförmigen, mit Schnitzerei verzierten Knauf endeten
(Joest: »Tätowiren«, Taf. V, Fig. 5*), dienten wohl mehr als Hoheitszeichen, mögen
aber auch beim Kampfe benutzt worden sein. Alle diese eigenthümlichen Waffen sind
fast so gut als vollständig verschwunden. Bei Gelegenheit der grossen Maori -Versamm-
lung aus dem sogenannten Kingscountry in Hamilton (im Juli 1881) waren fast alle
Krieger mit Gewehren bewaffnet, und ich sah nur noch 3 Grünstein- und 6 Knochen-
Meris in Händen Eingeborener. Huatas waren kaum in einem halben Dutzend ver-
treten, aber viele trugen gewöhnliche lange Knüppel als moderne Keulen.
S. 10 [278]. Zu Eingelegte Arbeiten in Muschelstücken auf Pelau gibt Kubary
einige beachtenswerthe Notizen, auch hinsichtlich der Anfertigung. (»Ethnol. Beitr.«, II,
S. 201 und 206, »Nrodhokc, Taf. XXVII, Fig. i und 2.)
S. II [279]. Zu Töpferei, lieber dieses Gewerbe auf Pelau haben wir erst neuer-
dings durch Kubary (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 199 und 200) erwünschte, aber nicht be-
friedigende Kunde erhalten. Der Betrieb war »seit undenklichen Zeiten« auf einige
wenige Plätze^) der Insel Baobelthaob beschränkt und lag, wie überall, ausschliessend
in Händen der Frauen. Die Technik scheint fast ganz mit der (vorne S. [164]) von mir
von Teste-Insel beschriebenen übereinzustimmen, wenn darüber auch Zweifel bleiben,
da ausser dem »Protok« (?) auch noch ein »steinerner ,Beob* zum Pressen oder Klopfen«
erwähnt wird. Wenn Töpferei (wie vorne S. [446] erwähnt) auch zunächst auf Mela-
nesien hinweist, so scheinen die Erzeugnisse der pelau'schen Keramik doch keineswegs
»aus der melanesischen Vorzeit« herzustammen, indem sie erheblich von den sonstigen
melanesischen abweichen. Leider gibt Kubary keine Abbildung der »kreisrunden ,Go-
lisal*-Töpfe«, wie sie früher, oft in bedeutender Grösse, verfertigt wurden, und die
wahrscheinlich den melanesischen kugelförmigen Töpfen (vgl. Finsch: »Eihnol. Atlas«,
Taf. IV) am nächsten standen. Der von Kubary (Taf. XXIV, Fig. 12) abgebildete »alte«
Topf (jetzt durch von Manilla eingeführte [Fig. 11] beinahe gänzlich verdrängt) weicht
schon durch seine plane Bodenfläche total von melanesischen ab. Auch fehlen in Mela-
nesien Schüsseln (S. 200, Fig. 9 und 10) fast ganz, Lampen (ib. Fig. i3 — 15) dagegen
überhaupt, weshalb letztere also für Pelau eine besondere charakteristische Eigenihüm-
lichkeit erlangen. Von Manilla eingeführte eiserne wie irdene Töpfe (»Apagay«) stellen
übrigens den gänzlichen Verfall der Töpferei Pelaus leider in baldige Aussicht. Auf
Yap, dem zweiten Centrum carolinischer Topffabrication, dürften ähnliche Verhältnisse
herrschen. »Die Thongefässe werden aus freier Hand geformt und gebrannt, sind ziem-
lich flach, kunstlos und ohne Verzierung« ist Alles was Kubary über diese Materie sagt
(Journ. M. G., Heft II, S. 19, Taf. IV, Fig. 12). Das hier abgebildete schüsseiförmige
Gefäss stimmt ganz mit solchen von Pelau (Kubary, Taf. XXIV, Fig. 10) überein. Der
Kat. M. G. verzeichnet (S. 401, Nr. 426) nur zwei solche »Schüsseln« von Yap und von
• Pelau drei Thongefässe (S. 425, darunter einen »Thonkrug«!).
1) Die hier (S. 28 und 121} ausgesprochenen Sätze, »dass die Muster der Tätowirung immer
den Ornamenten entsprechen, mit denen die betrefTenden Leute auch die Gegenstände ihres täglichen
Gebrauches, ihre Waffen, Geräthe u. s. w. verzieren« und »diese durchgehende Uebereinstimmung in
den Schmuckmustern kann man bei allen tätowirendcn Völkern der Erde beobachtenc sind in Betreff
der SQdsee nur für Neu-Seeland und die Markesas giltig, im Uebrigen aber nicht zutreffend.
3) Die Namen derselben sind sehr abweichend geschrieben von denen auf der grossen Karte
der »Palau-Inseln« (Journ. M. G., Heft IV, Taf. I), wie überhaupt die mannigfach wechselnde Schreib-
weise der Eingeborenennamen bei Kubary die Benutzung seiner Arbeiten recht erschwert.
41 6 t)r. O. Finsch. [654]
S. 12 [280]. Zu >F6« oder Steingeld auf Yap. Nach Kubary, der übrigens auch
den vorstehenden Namen anwendet, heisst dasselbe auf Yap »Palan« und ist infolge des
regeren SchifTsverkehres häufiger und auch billiger geworden. Capitän Okeefe hat das
Geschäft mit diesem Gelde insoferne in Händen, als er die Ueberfahrt besorgt, so dass
die Eingeborenen ihre beschwerlichen und gefährlichen Canureisen ganz aufgegeben
haben. Kubary fuhr 1882 mit einem Schuner von Yap nach Pelau, der 62 Eingeborene
der ersteren Insel als Passagiere an Bord hatte, und fand hier (auf Koryor) 400 Yaper
mit Steingeldbrechen beschäftigt. Leider vergisst Kubary die Hauptsache mitzutheilen,
nämlich welcher Werkzeuge sich die Eingeborenen dabei bedienen, denn Stücke von
2 — 3 Faden (18 Fuss Durchmesser) zu bearbeiten, ist am Ende selbst für unsere Stein-
brecher immerhin eine schwierige Arbeit (vgl. Kubary: »Ethnol. ßeitr.«, I, S. 3).
S. i3 [281]. Zu Menschenhaar. Wird auch auf Sonsol (westlichste Carolinen) zu
Schnüren (>Eunisun«) geflochten, die »als Hals-, Leib-, Arm- und Fuss- oder Knöchel-
bänder dienen« (Kubary, »Ethnol. Beitr.«, I, S. 92).
S. 18 [286J. Kubary bestätigt, dass der hier citirte Brustschmuck (Kat. M. G.,
S. 414, Nr. 1627) aus einer Tridacna-PhtiQ keinesfalls von Pelau herstammt.
S. 19 [287]. Zu: I. Gilbert- ArchipeL
S. 20 [288] Note und (50 [3 18]). Zu Banaba (Ocean IsL). In der von mir hier
citirten Abhandlung habe ich auf Grund der Zählungen von Capitän Breckwoldt die
Bevölkerung der Insel 1880 im Ganzen auf 35 Köpfe angegeben, infolge Auswande-
rung wegen Hungersnoth. Die Missionsberichte verzeichnen aber für 1888 wieder 3oo,
für 1891 sogar 400 Einwohner, so dass eine wesentliche Zunahme, wahrscheinlich durch
Importation, stattgefunden hat.
S. 22 [290]. Zu Bevölkerung der Gilbert-Inseln. Die neuesten Missionsberichte
(von 1892) verzeichnen für den Gilbert-Archipel circa 20.000 Bewohner; für Tapiteuea
sind 4000 angegeben, gegen 1878 ein Minus von 538 Eingeborenen.
S. 24 [292]. Zu Mission. Die »Hawaiian Evangelical Association« hat seit 1885
auch auf Banaba (Ocean IsL), seit 1887 auf Nauru (Nawodo, Onawero, Pleasant Isl.)
Stationen mit eingeborenen Lehrern, die bis 1892 auf ersterer Insel 87 Kirchenmitglieder
und 25 Schüler, auf letzterer 350 Schüler zählten. Im Uebrigen verzeichnen die »Annual
Reports« dieser Gesellschaft, welche ich bis 1892 einsah, nicht stetiges Fortschreiten, son-
dern ein Schwanken in der Statistik der Kirchenbesucher und sogenannten Schüler, die
zum Theil identisch sind, wie dies allenthalben der Fall ist. So haben die Schulen zeit-
weilig kaum Besucher, es wird über Trunkenheit und »heathinism« geklagt, sowie über
die Proselytenmacherei der katholischen Missionäre. Der letzte Jahresbericht für 1891
weist für den Gilbert-Archipel mit Banaba und Nawodo (mit einer Gesammtbevölkerung
von 24.000 Seelen) 2100 Kirchenbesucher und 1350 Schüler nach, unter 16 eingebore- .
nen, meist hawaiischen Katechisten. Sehr beachtenswerth und zutreffend sind die Be-
obachtungen und Betrachtungen über das Missionswerk in der Südsee im Allgemeinen
von Lord Pembroke (»South Sea Bubbles«, S. 168, 2o3 und »Chapter X Missionaries«
pag. 277 — 3 18), deren Richtigkeit^ich nach eigenen Erfahrungen bestätigen kann.
S. 34 [3o2]. Zu »Drachensteigen«. Dieses Spiel war früher (noch in den
Dreissigerjahren) bei den Maoris auf Neuseeland ausserordentlich beliebt. Die Drachen
ähnelten in der Form den japanischen Papierdrachen und wurden aus Tapa von ßrous-
sonetia papyrifera (die man eigens cultivirte) verfertigt, eine andere Art aus Schilf-
blättern. Selbst Häuptlinge belustigten sich oft stundenlang mit Drachensteigen, wobei
[655] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee. aij
eigene Weisen gesungen wurden. (Colenso in: Trans, et Proceed. of the New Zealand
Institute«, 1891, S. 465.)
S. 34 [3o2]. Zu Sport, lieber Zähmen des Fregattvogels auf Nui oder Eeg-Island
(Netherland Isl.) der Ellice-Gruppe findet sich eine interessante Notiz im Kat. M. G.,
IV (1869), S. XIIl: >die Eingeborenen zähmen einzelne Seevögel, so z. B. Tachypetes
aquila, die vor den Hütten der Insulaner auf Stangen sitzen und aufs Meer fliegen, um
ihre Nahrung zu suchen, stets aber wieder auf die Insel und ihre Stangen zurückkehren.«
Wie es scheint eine Art Sport, der aber interessanten Nachweis über die Zähmbarkeit
eines Meeresvogels gibt, die nicht einmal auf Nawodo erreicht wird. Leider erfahren
wir nichts über die Fangmeihode selbst.
S. 37 [305] Anm. I. Zu Nawodo. In den hawaiischen Missionsberichten wird die
Insel auch unter den Namen »Nanaro« (= Nauru) und » Anawaro« {— Onawero) aufgeführt,
die Bevölkerungszahl 1888 mit 1500, 1891, jedenfalls viel zu hoch, mit 3500 Seelen.
S. 50 [3 18]. Zu Palmsaft. Die Bewohner der westlichsten Carolineninsel Sonsol,
die früher wohl Arrowroot (Tacca pinnitifida)^ aber keinen Taro bauten, nähren sich
hauptsächlich von Palmsaft (»Kasi«), verstehen aber keinen berauschenden sauren Toddy
zu bereiten, was dafür spricht, dass diese Kunst auf den Gilberts erst durch Weisse ein-
geführt wurde (vgl. S. 26 [294]).
S. 51 [319]. Zu Palmsyrup. Auf Pelau wird der Palmsaft in eisernen Töpfen zu
Syrup eingekocht, der »Aylaoth« heisst. Mit Wasser verdünnt, liefert er das »Blulok«
(früher von Kubary »Alling«) genannte Getränk, welches ganz der »Karave« der Gil-
bert-Insulaner entspricht und im Leben der Pelauer eine noch bedeutendere Rolle spielt
als bei den Gilberts (vgl. Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 172). »Aus dem Umstände,
dass das pelausche Kar- (Syrup-) Trinken dem ponapschen ,Joko*- (Kawa-) Trinken
entsprechen dürfte, könnte man annehmen, dass Joko-Trinker nach Pelau gelangten
und, den Piper methysticum nicht anfindend, ihr Nationalgetränk durch Palmsyrup er-
setzten«, lautet die kühne und phantastische Hypothese, in welcher sich Kubary wieder
einmal bemüht, die Bewohner Pelaus direct von Ponap6 herkommen zu lassen (in Joest:
»Tätowiren«, S. 93).
S. 52 [32o]. Zu »Mongin trinken«. Ein ähnliches berauschendes Getränk bereiten
die Bewohner der Gesellschafts-Inseln aus wilden Orangen, in welchen von beiden Ge-
schlechtern wochenlange Trinkgelage abgehalten werden, die häufig mit Mord und
Todtschlag enden (»South Sea Bubbles«, S. 104: Raietea; leider ohne Beschreibung der
Fabrication). Nach derselben Quelle (S. 204) erfanden auch die Samoaner »Orange
rum«, als Ersatz für die durch die Missionäre verbotene Kawa.
S. 53 [32 1]. Zu Vogelleim. Nach Kubary wird der Vogelfang mittelst Leim-
ruthen von Knaben auf Pelau betrieben und als Vogelleim der an der Luft verdickte
Saft des Brotfruchtbaumes benutzt (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 122). Auch die Maoris ver-
wendeten Vogelleim.
S. 53 [32i]. Zu Fischerei. Ich erhielt auf den Gilberts einige Male sogenannte
Scheeren oder Raubfüsse eines Krebses der Gattung Squilla, deren Verwendung un-
aufgelöst blieb, die aber vielleicht in ähnlicher Weise zum Fange dieser Krebse dienen
als wie auf Pelau (vgl. Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 152, Taf. XXI, Fig. 9.)
S. 59 [327]. Zu »Aila«, Schöpfkellen. Durchaus übereinstimmende, die eben-
falls zum Abschäumen beim Syrupkochen verwendet werden, beschreibt Kubary von
Pelau (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 206, Taf. XXVIII, Fig. 5).
S. 62 [33o]. Ovula- Muscheln als Ausputz der Häuser werden in ähnlicher
Weise auch auf Yap verwendet (vgl. Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 33 u. 38, und die
i|
4i8 Dr- O- Finsch. [656]
von Schmeltz gemachte Anmerkung über die weite Verbreitung dieser Muscbelart zu
Verzierungen in der Südsee und dem malayischen Archipel).
S. 64 [332]. Zu > Kopfunterlage«. Auf Samoa benutzt man solche von Bambu:
»South Sea Bubbles«, S. 218 (und Kat. M. G., S. 218, Nr. i283, »Nackenkissen«).
S, 64 [332] Anm. Zu »Fliegenwedel«. Nach Lord Pembroke sind dieselben
keineswegs »Hoheitszeichen«, sondern werden von Jedermann zur Abwehr der so lästi-
gen Musquitos benutzt und gehören zum charakteristischen Ausputz der Bewohner, wie
Regenschirme bei uns (»South Sea Bubbles«, S. 219).
S. 73 [341]. Zu Matten für Schwangere von Nawodo. Interessant ist der
Nachweis eines ähnlichen Brauches auf Pelau. »Schwangere Frauen tragen auf dem
Nabel kleine viereckige Matten mit kleinen Perlmutterschalen belegt, die, auch als Opfer-
matten gewissen Gottheiten gewidmet, bei Krankheiten in den Bäumen oder sonst wo
aufgehangen werden« (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, II, S. 211).
S. 74 [342]. Zu Mützen (Gilberts). Ganz verschieden sind die aus Pandanus-Ehti
geflochtenen Mützen (Kapiwau) der Bewohner der westlichsten Carolineninsel Sonsol,
mit denen uns Kubary neuerdings bekannt machte (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 91, Taf. XII,
F>g- 5>
S. 75 [343]. Zu Tekaroro. Scheibchen aus Cocosnussschale. Die ganz kleinen
(von circa 3 Mm. Durchmesser) sind möglicherweise aus Mangroverinde gearbeitet, wie
die »Tschia«-Scheibchen der Central- Carolinen (vgL vorne S. [595] und »Pellä«-Scheib-
chen, S. [625]). Dagegen hat mich eine wiederholte genaue Untersuchung überzeugt,
dass die angeblich aus »Holz derCocospalme« bestehenden Scheibchen (auch S. 88 [356],
Z. 3 V. o. als solche erwähnt) nicht aus diesem Material bestehen, sondern dass es sich
auch hier um Cocosnussschale handelt. Die betreffenden Scheibchen, deren Beschrei-
bung ich hier nachhole, sind so gross als Fig. 4, Taf. 25, also etwas grösser als die
Taf. 24, Fig. I by von Maraki abgebildeten, dabei durchgehends dicker (i \'a bis fast
4 Mm.) und sehr regelmässig gearbeitet, auch in Bezug auf das sehr enge Bohrloch.
Das Aufreihen auf die anscheinend weit dickere Cocosfaserschnur ist schwierig und er-
fordert viel Geduld und Zeit. Die Scheibchen haben vorherrschend eine dunkle Fär-
bung, es gibt aber auch hellgraulich oder bräunlich gefärbte, so dass aufgereiht die
dunklen Scheibchen hie und da von helleren unterbrochen werden. Solche »Tekaroro«-
Schnüre sind beliebt als Halsketten und Gürtel für Frauen und ein billigerer Ersatz der
mit weissen Muschelscheibchen gemischten Schnüre. Ich erhielt solche einfache Teka-
roro-Schnüre auf Tarowa, Apaiang und Maiana.
S. 81 [349]. Zu Halsketten aus Tekaroro-Schnüren. Hierher gehören Kat.
M. G. (S. 256, Nr. 792, 510, 511 und 793) und Schnüre aus weissen Muschelscheibchen
(N. 790 und 791).
S. 82 [350]. Zu »Touba«, Halsketten aus Muschelscheiben. Hierher gehören
Kat. M. G. (S. 257, Nr. 1723 und 3i83) und aus Platten von Conus lividus (Nr. 787).
S. 86 [354]. Zu Halsschmuck aus Spermwalzahn, Taf. [23], Fig. 4. Solcher
Schmuck war auch auf Samoa hochgeschätzt und wird von Lord Pembroke im Aus-
putz einer »Ehren Jungfrau« sehr charakteristisch beschrieben: »sie trug Diamanten,
d. h. die gleichwerthigen Repräsentanten von Diamanten in diesem Theile der Welt —
ein Halsband von Spermwalzähnen, so dünn geschliffen, dass sie aussahen als wie die
Klauen eines gigantischen Tigers — ein Halsband von fast unschätzbarem Werthe«
(»South Sea Bubbles«, S. 227).
S. 87 [355]. Zu Armschmuck aus Tekaroro-Schnüren. Hierher gehört Kat. M. G.
(S. 257, Nr. 798), zugleich aux:h als Tanzschmuck (S. 258, Nr. 799 und 1 181 : Nukunau).
[557] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. axq
(Zu Heft 2, 1893, 5.1 19 [375]— 275 [531]).
S. 119 [375]. Zu: IL Marshall- Archipel.
S. 123 [379]. Zu Bevölkerung (Marshall-Inseln). Im letzten Jahresberichte der
hawaiischen Missionsgesellschaft wird die Gesammtzahl der Eingeborenen (übrigens
nicht nach Zählung, sondern nur nach Schätzung) auf 11.496 angegeben, davon unter
Anderem Arno mit 2800, Ebon mit 1200, Dschalut mit 1200, Madschuru mit 2500.
S. 124 [38o]. Zu Mission (Marshall-Inseln). Der Jahresbericht von 1888 bezeich-
net »die Kirche als anscheinend gestärkt und in gesunder Entwicklung ihrer Mitglieder« ;
von letzteren werden 640 angeführt, ausserdem 435 Schüler, unter 5 eingeborenen
Pastoren und 12 Lehrern (Marsh allaner) auf 10 Stationen (bei einer Gesammtbevölke-
rung von über 1 1 .000). Seit diesem Jahre enthalten die Berichte keine weiteren Daten
über die Marshall-Mission, die, unter eingeborenen Lehrern sich selbst überlassen, sicher-
lich keine Fortschritte machte. Zeitungsnachrichten (vom April 1893) zufolge hat der
deutsche Reichscommissär die Lehrer der hawaiischen Mission ganz ausgewiesen.
Deutsche Sendboten, darunter auch katholische, werden das Werk also fortsetzen und
so ziemlich wieder von vorne anzufangen haben.
S. 125 [38i], Anm. i. Zu Marshall-Inseln. In derselben Sprache erschien:
»Jeograpi Buk in Katak kin Lol«, Ebon, Mission Press, 1877 (87 S. in 4°), eine Geo-
graphie, mit Karten und zum Theil höchst possirlichen Bildern.
S. i35 [391]. Zu Tänze. Auch Lord Pembroke deutet an, dass die TanzaufTüh-
rungen der Mädchen auf Samoa zum Theil nicht sehr decent sind (vgl. auch S. 9 [277])
und beschreibt den eigenthümlichen »Taubentanz« (»South Sea Bubbles«, S. 235).
S. 147 [403]. Fischhaken (Nr. 151) zum Fange fliegender Fische in ähnlicher
Form, aber aus Schildpatt, beschreibt Kubary von Pelau (»Ethnol. Beitr.«, II, S. 126,
Taf. XVII, Fig. 2).
S. 148 [404]. Zu Fischfang. Das Einkreisen von Fischschwärmen beschreibt
Lord Pembroke in fast gleicher Weise von den Gesellschafts- Inseln (»South Sea
Bubbles«, S. 59: Eimeo und S. 106: Raietea) und Kubary von Pelau. Hier bedient
man sich ebenfalls langer Stricke, an denen Cocosblatter befestigt sind, die »Rul« heissen
und welche Kubary als die »einfachste Form der Langnetze« bezeichnet (»Ethnol.
Beitr.«, II, S. 135), obwohl von einem Netze hierbei Überhaupt nicht die Rede sein kann.
S. 149 [405]. Zu Feuerreiben. Ganz in derselben Weise sah Lord Pembroke
noch 1870 auf den Gesellschafts-Inseln (Huaheine) mit zwei Stücken Holz Feuer reiben
(»South Sea Bubbles«, S. 83) wie dies auch auf Samoa geschah. Dr. Gräffe erzählt eine
hübsche Sage, wie die Samoaner zu der Kunst des Feuerreibens gelangten (in: »Mittheil,
der Geogr. Gesellschaft in Hamburg«, 1887 — 1888, Heft, I, S. 69).
S. 153 [409]. Zu Kopfkissen. Auch auf Yap wird der unterste Längsbalken des
Hauses als gemeinschaftliche Kopfunterlage benutzt (Kubary: »Ethnol. Beitr.«, I, S. 34).
S. 158 [414]. Zu Taudrehen. »Eine sehr einfache, aber praktische Vorrichtung
(,Purgetagun* genannt) zum Drehen von Fischleinen« aus Hibiscus-Bast erwähnt Ku-
bary von Sonsol (»Ethnol. Beitr.«, I, S. 96), dessen Handhabung aber trotz der Abbil-
dung (Taf. XII, Fig. 10) nicht ganz klar ist. '^ Ganz gleiche Geräthe kommen nach
Schmeltz vielerorts im malayischen Archipel vor. Kubary gedenkt von Sonsol auch
sehr schöner Taue für Fahrzeuge (1. c, S. 97) und bezeichnet die Bewohner von Pelau
und Nukuor als die besten Tauedreher des Carolinen-Archipels (1. c, I., S. 65).
420 Dr. O. Finsch. [658]
S. 176 [432]. Zu Kopfbinde zu Columbella versicolor. Das einzige im Kat.
M. G. (S. 255, Nr. 583) verzeichnete Schmuckstück aus dem Marshall-Archipel, eine
»Stirnbinde«, gehört hierher.
S. 176 [432]. Zu Tropikvogelfedem. Die zwei mittelsten rothen Schwanzfedern
von Phaeton rubricauda waren auch bei den alten Hawaiiern und auf anderen poly-
nesischen Inseln (z. B. Tahiti, Mangaia etc.) als Schmuckmaterial hochgeschätzt. Die
Eingeborenen der Gesellschafts-lnseln verschafften sich dasselbe von dem Tubai-Atoll,
wo Tropikvögel in grosser Anzahl nisten, in sehr einfacher Weise, indem sie den brü-
tenden Vögeln die Federn auszogen. »They sat and croaked, and pecked, and bit, but
never attempted to fly away. AU you had to do was to take the birds up, pull the long
red feathers out of their Sterns and set them adrift again,« sagt Lord Pembroke (»South
Sea Bubbles«, S. 151), der diesen interessanten Brüteplatz 1870 besuchte. Ich erwähne
diese Notiz deshalb, weil auf den Marshall-Inseln früher höchst wahrscheinlich ganz
gleiche Verhältnisse herrschten. Der einzige Brüteplatz für Tropikvögel scheint hier das
unbewohnte Atoll Bigar zu sein, wohin die Eingeborenen alljährlich Fahrten unter-
nehmen, um Seevögel und Schildkröten zu holen. Dabei wurden auch Federn von
Tropikvögeln jedenfalls in derselben Weise als auf Tubai gesammelt, denn die Einge-
borenen besassen ja überhaupt kein anderes Mittel, um diese sonst so scheuen Meeres-
vögel zu erlangen.
S. 178 [434]. Zu »Wondinemit«. Unter dem Namen »Reva-reva« auch in Poly-
nesien ein beliebtes und weit verbreitetes Schmuckmaterial (vgl. »South Sea Bubbles«,
S. 11: Tahiti, und S. 1 1 1 : Raietea).
S. 181 [437]. Zu »Ethnologische Schlussbetrachtung«. Unter den Charak-
teristica, welche Dr. Benda (»Zeitschr. f. Ethnol.«, 1880, S. iii) für die Eingeborenen
der Marsh all- Ins ein notirt, sind folgende Stellen durchaus unrichtig: »Augen blaubraun,
Extremitäten kunstvoll tatuirt, carrirte Muster, Arm- und Beinspangen (!) aus Muscheln
gearbeitet (!), Keulen (!), kunstvoll gewölbte, luftige, reinlich aussehende Hütten, Nah-
rung: Jams und Taro, « und nur zu sehr geeignet, das im Uebrigen zutreffende Bild der
hiesigen Eingeborenen grundlos zu entstellen.
S. 182 [438]. Zu: III. Carolinen.
»
S. 190 [446]. Zu »Textilarbeiten der Maorisc. Der Anfertigung von Matten
aus Flachsfaser hatte ich in Neu-Seeland noch selbst Gelegenheit zuzusehen. Die Be-
reitung der Phormiuni'FasQr geschieht in ganz ähnlicher Weise als die der Banane auf
Kuschai (s. vorne S. [473]) durch Maceriren, Klopfen und Schaben mit einer Muschel.
Die präparirte Faser wird dann (wie auf Kuschai) auf dem entblössten Oberschenkel
mit der flachen Hand zu Faden gedreht. Zur Anfertigung der Matten bediente man
sich keiner Werkzeuge, sondern nur der Finger, und zwar mit ausserordentlicher Ge-
schicklichkeit in einer Technik, die am meisten an Knüpfen erinnerte. Nach Versiche-
rung der Eingeborenen verstehen nur noch alte Frauen Matten zu verfertigen, und diese
Kunst ist der gegenwärtigen Generation bereits gänzlich verloren gegangen. Ich selbst
sah auf Neu-Seeland daher keine eigentliche Weberei, die aber möglicherweiscf früher
bekannt gewesen sein mag. Wenigstens wird sie von Colenso, dessen Erinnerungen bis
zum Jahre i838 zurückreichen, erwähnt (»Trans, et Proceed. of the New Zealand Insti-
tute«, 1892, S. 463), der dabei aber allerdings weder den Webeprocess, noch die Geräth-
schaften beschreibt, also auch keinen Webe- oder Kettenstuhl.
r659] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SOdsee. 421
S. 190 [446], Anm. 2. »Bogen und Pfeil« von Pelau beschreibt Kubary aus-
führlich in »Ethnographische Beiträge zur Kenntniss des Carolinen- Archipels«, IL Heft:
»Die Industrie der Pelau-Insulaner«, 1. Theil (1892), S. 118, Taf. XVI, Fig. i u. 2. Aber
diese nur zur Jagd auf Tauben (Carpophaga oceanica) benutzte Waffe ist so selten,
dass Kubary zwei Jahre auf Korror lebte, ehe er eine solche zu sehen bekam, und »auf
der nördlichen Insel sind nur wenige Familien im Besitze eines Bogens«. Das von
»Manila-Leuten eingeführte« Blaserohr ist im oben citirten Werke dargestellt (S. 122,
Taf. XVI, Fig. II u. 12). Zu den eigenthümlichen Waffen der Carolinen gehörte auch
(auf Ruk und Pelau) eine Art Wurfstock zum Schleudern der Speere, den Kubary leider
nur erwähnt, aber nicht beschreibt (vgl. S. 3i3 [551]). Das Vorkommen von Pfeil und
Bogen auf Pelau wird bereits von Jacquinot erwähnt, wie Schmeltz anführt (Kat. M. G«,
S. 421), von derhselben zugleich aber eine Stelle aus Lesson citirt (ib. S. 486), wonach
dieser Forscher sagt: »Wir fanden in den Carolinen weder Bogen noch Pfeile.«
S. 193 [449]. Zu: /. Kuschai.
S. 196 [452]. Zu Bevölkerung und Mission. Die letzten Jahresberichte der
hawaiischen Mission geben sehr schwankende Zahlen:
Bevölkerung Schüler Kirchenmitglieder
1888 .... 350 50 117
1889 .... 350 — —
1890 .... 80 3o 20
1891 .... 125 45 95
Ausser der »Training-school«, Schule zur Ausbildung von eingeborenen Missions-
lehrern für die Marshall-Insulaner, sind auch die für die Bewohner der Gilberts und
Ponape nach Kuschai verlegt worden.
S. 201 [457]. Zu den von Kittlitz erwähnten »heiligen Stäben«, deren Klarstellung
für immer unmöglich ist, findet sich ein Analogon auf Rarotonga. Lord Pembroke erhielt
hier (1870) »An ancient sacred staff (the owner having retired from the pagan business
and entered the ministry) Unique alas!«, denn auch dieses für die Wissenschaft so un-
schätzbare Stück ging beim Schiffbruch des »Albatross« leider verloren (»South Sea
Bubbles«, S. 195).
S. 202 [458]. Zu Nahrung. Auch hier herrscht nicht immer Ueberfluss, sondern
zuweilen kann Mangel, ja sogar Hungersnoth eintreten, wie nach dem ungeheuren
Orkan am 2. und 3. März 1891, der schreckliche Verheerungen anrichtete und fast alle
Häuser und Plantagen verwüstete.
S. 204 [460]. Zu Kawatrinken. Das Ceremoniell, welches früher auf Samoa be-
obachtet wurde, und die Wirkung dieses Trankes beschreibt Lord Pembroke ausführ-
lich (»South Sea Bubbles«, S. 204 u. 224 — 23 1). Wie überall wurde der höchsten Per-
sönlichkeit zuerst credenzt und wie auf Fidschi hatte ein besonderer Mundschenk ge-
wisse Trinksprüche auszubringen, die Lütke auf Kuschai irrthümlich als Gebete deutete.
S. 222 [478]. Zu Sternkunde. Eine ganz ähnliche Parallele bietet die westlichste
Carolinen-Insel Sonsol, deren Bewohner zwar seefähige Canus besitzen, aber keine See-
reisen unternehmen, obwohl sie eine bedeutende Anzahl Gestirne kennen, von denen
Kubary 17 mit eingeborenen Namen aufführt (»Ethnogr. Beitr.«, I, S. 94). Im Wider-
spruch zu den obigen Notizen bezeichnet Kubary (1. c, S. 97) die Sonsoler »als sehr
geschickte Seefahrer« und »ihre Fahrzeuge genügen für die Reise nach Bur (Pulu Ana)
422 nr. O. Finsch. [66o]
und Megiek (Merir)€, was freilich nicht viel bedeuten würde, da es sich nur um Distanzen
von kaum 60 Seemeilen handelt.
S. 226 [482]. Zu »Fai€ oder Perlmutterschalen.. Dieselben spielen auch auf
Yap unter dem Namen >Sar< (Maclay; »Yarc Kubary) eine bedeutende Rolle und
dienen, am Rande durchbohrt und auf Schnüre gezogen, im Kleinverkehre als gang-
bares Tauschmiitel, hiauptsächlich als »Geld der Frauen € (Kubary). Da Perlschalen auf
Yap selten sind, so wurden, wie schon v. Miklucho-Maclay mittheilte, seit vielen Jahren
solche durch weisse Händler von Singapore eingeführt (vgl. auch Kubary". »Ethnogr.
Beitr.«, I, S. 6). Ueber die Verwendung von Perlschalen auf Pelau vgl. Kubary, 1. c, II,
S. 195, ig6, Taf. XXIV, wobei bemerkt sein mag, dass der Fig. 7 abgebildete Löffel
sicher nicht aus »/1vicm/ö< -Schale geschnitten ist.
S. 228 [484]. Zu »Ga«, Halsschmuck aus Schildpatt. In diese' Kategorie eigen-
artigen Schmuckes gehört auch der Halsschmuck von Merir (Kubary: »Ethnogr. Beilr.c,
I, S. loi, Taf. XII, Fig. 14).
[66i]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
423
Inhaltsverzeichniss.
Dritte Abtheilung: Mikronesien (West-Oceanien).
Seite
Vorwort [269] 1
Einleitung [270] 2
Anthropologischer Ueberblick . . [270] 2
Mikronesien als Gebiet .... [272] 4
Ethnologischer Ueberblick . . . [272] 4
Allgemeine ZOge [272] 4
Subprovinzen [273] 5
Sitten und Gebräuche [273] 5
Cannibalismus ........ [273] 5
Ernährung [273] 5
Hausthiere [273] 5
Nahrung und Reizn^ittel .... [274] 6
Fischerei [274] 6
Fahrzeuge [274] 6
Häuser [274] 6
Hausrath und Kochgeräth . . . [275] 7
Feuer [275] 7
Werkzeuge und Geräth .... [275] 7
Waffen und Wehr [276] 8
Musik und Tanzgeräth .... [276] 8
Ornanientik und Schnitzerei. . . [277] 9
Idole [278] IG
Religion [278] 10
Gewerb fleiss [278] 10
Mattenöechterei [278] 10
Weberei und Tapabereitung . . [279] 11
Töpferei [279] 1 1
Bekleidung [279] 1 1
Putz und Zieraten [280] 12
Hautverzierung [281] i3
Tätowiren [281] i3
in Melanesien [281] i3
» Polynesien [282] 14
» Ellice [282] 14
> Tockelau [282] 14
» Samoa [282] 14
» Niue [282] 14
» Rarotonga [282] 14
» Paumotu [282] 14
^ Hawaii [283] 15
> Rapanui [283] 15
» Njua [283] 15
» Sikajana [283] 15
» Markesas [283] 15
» Neu-Seeland [283] 15
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Bd.
Ziernarben ....
Bemalen
Haartracht und Kopfputz
Ohrputz
Nasenschmuck ....
Hals- und Brustschmuck
Armschmuck ....
Leibschmuck ....
Beinschmuck ....
Trauerschmuck . . .
Seite
[284] 16
[284]
[284]
[285]
[285]
[285]
[286]
[286]
[287]
[287]
x6
16
17
17
17
18
18
19
19
I. Gilbert-Archipel.
Einleitung
Entdecker
iuT Literatur
Geographischer Ueberblick . . .
Flora
Fauna
Areal und Bevölkerung ....
^Labortradec
Handel
Mission
Schutzherrschaft
L Eingeborene
Aeusseres
Sprache
Herkunft
Charakter und Moral
II. Sitten und Gebräuche (Sociales
und geistiges Leben) ....
I. Sociale Zustände . . . .
Häuptlinge
Stände
Namen tausch . . . .
Bruderschaft ....
BegrOssung
Tausch mittel ....
Verbot (Tabu) ....
2. Stellung der Frauen
Arbeitstheilung . . .
Behandlung
Mädchen
Ehe
Schwangerschaft . . .
Geburt
VIII, Heft 3 u. 4, 1893.
[287] 19
[287] 19
[287] 19
[287] 19
[288] 20
[288] 20
[289] 21
[290] 22
[290] 22
[291] 23
[291] 23
[292] 24
[292] 24
[292] 24
[293] 25
[293] 25
[293] 25
[296] 28
[296] 28
[296] 28
[297] 29
[297] 29
[297] 29
[297] 29
[297] 29
[297] 29
[298] 3o
[298] 3o
[298] 3o
[298] 3o
[298] 3o
[299] 3i
[299] 3i
29
424
Dr O. Finsch.
[662]
Seite
Seite
3. Vergnügungen [299
Gesang [3oo
Tänze [3oo
Tanzschmuck [3oi
Spiele [3o2
Sport [3o2
(Vogelfang: Nawodo) .... [3o2
4. Fehden und Krieg .... [3o3
Glaubenskriege [304
5. Waffen und Wehr .... [3o5
Haifischzähne . ' [30$
a, Speere und Lanzen . . . [306
b, Handwaffen [309
c, Schlagstein [3 11
rf. Wehr (Rüstung) . . . . [3 11
e. Kriegsbauten [3i3
Wachthäuser [3i3
6. Bestattung undSchädelver-
ehrung [3i3
Gräber [314
Schädelverwahren (Ahnencultus) [315
7. Geister- und Aberglauben [3i5
Gottheiten? [3 16
Weissager [3i6
Steinfetische [3 16
Krankheitbesprechen . . . . [3 17
III. Bedürfnisse und Arbeiten (Mate-
riellesund wirthschaftliches Leben) [3 i 7
1. Ernährung und Kost . . . [3i7
a. Pflanzenkost [3 18
Pandanus [3i8
Cocosnuss [3i9
Palmsaft [319
Palmsyrup [319
Palmschnaps [320
Tabak [320
Brotfrucht [320
Taro [320
b. Fleischkost [32 1
2. Fischerei und Gcräth. . . [32i
Netzfischerei [32 1
Hakenfischerei [322
(Haifischhaken, Ellice} . . . [322
(Fischhaken, Banaba) . . . [323
Rififfischerei [323
Sonstige Fischereigeräthe . . . [324
Schalthiere [325
3. Zubereitung und Geräth [325
Rösten [325
Rohessen [325
Haifischconserve [325
Küchengeräth [326
Feuerreiben [326
Siebe [326
Schaber [326
Stampfer [326
3i
32
32
33
34
34
34
35
36
37
37
38
41
43
43
45
45
45
46
47
47
48
48
48
49
49
49
50
50
51
51
51
52
52
52
52
53
53
54
54
54
55
55
56
57
57
57
57
57
58
58
58
58
58
Essgeräthe
Schüsseln, Näpfe
LöflFel, Schöpfer
Wassergefässe
Lampen
4. Wohnstätten
Siede lungen
Häuser
Bauart
Pfahlhäuser
Gemeindehäuser
Wasserbauten
5. Hausrath
Schlafmatten
Handbesen
(Fliegenwedel, Samoa) . . . .
Kopfimterlagen
Körbe
Frauenkörbchen
6. Werkzeug
Aexte
Hammer
Raspeln
Pfriemen
7. Mattenflechten und Geräth
Seilerei
8. Fahrzeuge und Verkehr. .
Bauart
Vergleichung
Paddel
Seeverkehr
Verschlagen
9. Körperhülle und Putz . .
A. Bekleidung
Für Männer
» Frauen
Kopfbedeckung
B. Putz und Zieraten ....
a. Material
Muschelschnüre (Tekaroro)
b. Hautverzierung
Brandmale
Tätowirung
Tätowirgeräth
c. Frisuren und Haarputz . .
d. Kopfputz
e. Ohrputz
/. Hals- und Brustschmuck
Haarschnüre
Halskragen
Halsketten
» aus Spondylus .
» » Delphin-
» » Spermwal- .
» » Menschen-
zähnen
327
:327
[327
:328
|328
328]
■328;
[328]
■328J
329]
[330]
;33r
[33 1
[33 1'
[332]
[332]
[332]
332]
[333]
333]
333]
334]
334]
■334]
[334]
:335[
:335i
335
337]
[338]
339]
339]
340]
340]
1340]
'341:
342]
"342:
342]
[343'
^344]
^344]
:345:
:347]
:347]
348]
348]
348]
348]
^349]
;349]
350J
[352]
353]
59
59
59
60
60
60
60
60
60
61
62
63
63
63
64
64
64
64
65
65
65
66
66
66
66
67
67
67
69
70
71
71
72
72
72
73
74
74
74
7S
76
76
77
79
79
80
80
80
80
81
81
82
84
85
[355] 87
[663]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der SQdsee.
425
Seite
(Schnitzerei, Fidschi) . . [354
g. Armschmuck [355
h. Leibschmuck [355
t. Beinschmuck [356
Ethnologische Schluss-
betrachtung [356
n. Marshall- Archipel. [375
Einleitung [375
Entdecker [375
Zur Literatur [376
Geographischer Ueberblick . . . [377
Flora [377
Fauna [378
Areal und Bevölkerung .... [379
Handel [38o
Mission [38o
Schutzherrschaft [38 1
I. Eingeborene [38 1
Aeusseres [38i
Sprache [38i
Herkunft [382
Charakter und Moral [382
II. Sitten und Gebräuche (Sociales
und geistiges Leben) .... [384
1. Sociale Zustände .... [384
Feudalsystem (Stände) . . . [384
Erbfolge [384
Macht der Häuptlinge. . . . [385
Namentausch ....... [385
Begrössung [385
Tauschmittel [386
Verbot [386
2. Stellung der Frauen . . . [386
Häuptlingsfrauen [386
Ehen [386
Geburt [387
Kein Kindermord [387
3. Vergnügungen [387
Trommel [387
Tactschlägel [388
Gesang und Tanz [389
Tanzschmuck [391
4. Fehden und Krieg . . . [391
Kriegsführung [391
> moderne . . . [392
Schanzenbau [392
S.Waffen [393
Alte Waffen [393
Wurfspeere [394
Schleuder [394
6. Bestattung [394
Gebräuche [394
Gräber [395
7. Geister- und Aberglauben [395
Keine Religion [395
Weissager [395
86
87
87
88
88
19
19
19
20
21
21
22
23
24
24
25
25
25
25
26
26
28
28
28
28
29
29
29
3o
3o
3o
3o
3o
3i
3i
3i
3i
32
33
35
35
35
36
36
37
37
38
38
38
38
39
39
39
39
Seite
Geister
Opferplätze
Heilkunde
III. Bedürfnisse und Arbeiten (Ma-
terielles und wirthschaftliches
Leben)
1. Ernährung und Kost . .
a. Pflanzenkost
Pandanus
Brotfrucht
Arrowroot
Tabak
b. Fleischkost
2. Fischerei und Geräth . .
Netzfischerei
Hakenfischerei
Fischhaken
RifFfischerei
Reusen
3. Zubereitung und Geräth .
Rösten
Giftige Fische
Essenzeit
Küchengeräth
Feuerreiben
Fächer
Schaber
Stampfer
Essgeräth
Muschelschüsseln ....
Holzschüsseln
Wassergefässe
4. Wohnst&tten
Häuser .•
Dachdecken
Frauenhütte
Wassertümpel
5. Hausrath
Kopfunterlage
Schlafmatten
Körbe
6.Werkzeug ...*....
Aexte
Hammer
Bohrer
Pfriemen
7. Flechterei und Seilerei
Material
Mang (Pandanus) ....
Adaat-Bast
Lao-Bast
Färbemittel
(Farbensinn, Anm.)
Arm^- Faser
Geräthschaften
Seilerei und Stricke ....
29^
[395] 1
[39
[396] 1
[40
[397] 1
[41
[397] ^
[41
[397] 1
[41
[397] 1
[41
[398] 1
42
[399] ^
[43
[399] 1
143
[400]
t44
[400] 1
[44
[401] 1
145
[402]
146
[402]
[46
[402]
146
[403] )
147
[404]
.48
[404]
148
[404] ^
[48
[404]
148
[405] 1
149
[405] 1
[49
[405]
149
[406]
150
[406] ]
150
[406] 1
[50
[406] ]
[50
[406]
150
[407] J
151
[407] 1
'51
[407] 1
151
[407] 1
[51
[408] 1
152
[408] ]
[52
[408] ]
152
[408] ]
152
[409] 1
[53
[409] ]
153
[409] ]
[53
[410] 1
'54
[410] ]
154
[411] ]
155
[411] 1
'55
[412] ]
156
[412] 1
[56
[412] 1
156
[412] 1
[56
[412] ]
156
[412] ]
.56
[4i3] 1
157
[4i3] ]
157
[4i3] 1
'57
[414]
158
[414] 1
'58
428
Dr. O. Finsch.
[666]
Mauern
»Königsgräberc
Ausgrabung
Zweck der Bauten ....
(Steinbau auf Ngatik) . . .
5. Hausrath
Schlafmatten
Körbe
6. Werkzeug
. Aexte
7. Texttlarbeiten
Flechtarbeiten
Seilerei
Webekunst
Filetstricken
8. Fahrzeuge
Segel
Vergleich ung . . . T . . .
(Nukuor-Canu)
Canuhäuser
Seeverkehr
9. KörperhQIle und Putz . .
A. Bekleidung
Faserrock
Tapa
Poncho
B. Putz und Zieraten ....
a. Prähistorische Ueberbleibsel
Spondylus
Conus
Perlmutter
b. Moderner Putz ....
a. Hautverzierung . . .
Tätowirung
Schnittwunden ....
Tätowirgeräth ....
[Tätowirung von Pelau] .
[ » - Yap] .
[ ^ . Uluti] .
[ » » Sonsol] .
Bemalen
b. Haartracht
c. Kopfputz
( » von Mokil)
Augenschirm ....
d. Ohrputz
e. Hals- und Brustschmuck
/. Armschmuck . . . .
g. Leibschmuck ....
Ethnologische Schluss-
betrachtung
3. Ruk und Mortlock .
Einleitung
Geographischer Ueberblick . . .
Ruk-Gruppe
Seite
[512]
256
[514]
258
[514]
258
[514]
258
[515]
259
[515]
259
[515]
259
[515]
259
[516]
260
[516]
260
[516]
260
[516]
260
[516]
260
[516]
260
[5 '7]
261
[517]
261
[517]
261
[518]
262
[518]
262
[518]
262
[519]
263
[519]
263
[519]
263
[519]
263
[520]
264
[520]
264
[520]
264
[520]
264
[520]
264
[522]
266
[522]
266
[523]
267
[523]
267
[523]
267
[524]
268
[524]
268
[525]
269
[525]
269
[525]
269
[526]
270
[526]
270
[526]
270
[526]
270
[527]
271
[527]
271
[527]
271
[528]
272
[529]
273
[529]
273
[530]
274
•
[533]
295
[533]
295
[533]
295
[534]
296
Seite
Mortiock-Gruppe [534] 296
Zur Literatur [535] 297
Flora und Fauna • [535] 297
Areal und Bevölkerung .... [537] 299
»Labortradec [537] 299
Handel [538] 3oo
Mission [538] 3oo
l. Eingeborene [539] 3oi
Aeusseres [539] 3oi
Hautkrankheiten [539] 3oi
Sprache [540] 302
Charakter und Moral [54^] 3o2
n. Sitten und Gebräuche (Sociales
und geistiges Leben) .... [541] 3o3
1. Sociale Zustände .... [541] 3o3
Stände [541] 3o3
Häuptlinge [54'] 3o3
Stämme auf Mortlock .... [542] 3o4
» » Ruk [543] 305
Verbot (Tabu) [543] 3os
2. Stellung der Frauen. . . [544] 3o6
Wichtigkeit derselben .... [544] 3o6
Ehe [544] 3o6
Familienleben [545] 3o7
Liebesleben [546] 3o8
Erkennungsstab [54^] 3o8
3. Vergnügungen [547] 3o9
Tanz und Gesang [547] 3o9
Tanzgeräth [547] 3o9
Spiele ......... [548] 3 10
Hahnenkämpfe [S48] 3 10
Masken * . . [549] 3ii
Musikinstrumente [549] 3ii
4. Kriegsführungund Waffen [549] 3ii
ö. Fehden [549] 3ii
6. Waffen [551] 3i3
Wurfstock [551] 3i3
aa. Speere (Lanzen) . . . . [552] 3 14
» (Anchorites) . . . [553] 3i 5
bb. Schlagwaffen [553] 3 15
Keulen [553] 31$
Kampfstöcke [554] 3i6
Handwaffen [554] 3 16
Schlagreif [555] 3 17
cc. Schleudern [555] 3i7
Schleudersteine [556] 3 18
5. Bestattung [556] 3i8
Grabhäuser [556] 3 18
Trauer [557] 3 19
6. Geister- und Aberglauben;
Ahnenverehrung . . . [557] 3i9
Anuglauben [557] 3 19
Ahnen Verehrung [558] 320
Wahrsager [558] 320
Aberglauben [558] 320
Geisterglauben [558] 320
[667]
Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Sodsee.
429
Ahnenfiguren
Masken
Talismane
III. Bedürfnisse und Arbeiten (Ma-
terielles und wirthschaftliches
Leben)
1. Nahrung und Zubereitung
a. Pflanzenkost
Plantagenwirthschaft . . .
Taro
Ackergerätbschaften . . .
Brotfrucht
Cocosnuss
Bananen
Zuckerrohr
Wilde Früchte
b. Fleischkost
Hausthiere
Fanggeräthschaften . . .
Fische
c. Zubereitung
d. Reizmittel
Tabak
2. Koch- und Essgeräth . .
a. Feuerreiben
b. Kochgerath
Schaber
Brecher
Stampfer
c. Essgeräth
Schüsseln und Tröge . . .
Firniss
Wasser- und Trinkgefässe .
Löffel
(Cocosnuss, Niaufau) . . .
3. Fischerei und Gerftth . .
a. Netzfischerei
6. Hakenfischerei
Fischhaken
( » Nukuor) . . .
c. Rifffischerei
Fischhamen
Fischspeere
Rififechuhe
d. Fischkörbe
Fischwehre
4. Wohnstätten
Siedelungen
Häuser
Gemeindehaus
Frauenhäuser
Steinwälle
5. Hausrath
Matten
Körbe
Taschen und Beutel ....
Seite
559] 321
561] 323
561] 323
561] 323
561] 323
561] 323
562] 324
562] 324
562] 324
563] 325
563] 325
563] 325
563] 325
564] 326
564] 326
564] 326
564] 326
564] 326
565] 327
565] 327
565] 327
566] 328
566] 328
566] 328
566] 328
566] 328
567] 329
567] 329
567] 329
568] 33o
568] 33o
568] 33o
569] 33 I
569] 33 I
569] 33 1
569] 33 I
569] 33 I
571] 333
572] 334
572] 334
572] 334
572] 334
572] 334
573] 335
573] 335
573] 335
574] 336
574] 336
576] 338
576] 338
577] 339
577] 339
577] 339
577] 339
Schlafvorhänge
Deckelkasten (Truhen) . . .
( ^ von Nukuor) . .
( » . > Satawal) . .
6. Werkzeug
Aexte
( » von Nukuor) . . . .
Hohläxte
Sonstige Werkzeuge ....
7. Weberei und deren Er-
zeugnisse
a. Webekunst
Rohmaterial
Geräthschaften
(Weberei auf Nukuor) . . .
b. Erzeugnisse der Weberei. .
Dimensionen
Färbung
Muster . . .
Zeuge von Uleai
» » Uluü
^ » Nukuor. . . .
[ ^ » Pikiram] . . .
8. Fahrzeuge,Seeverkehr und
Handel
Bauart
Hochsee-Canu
Paddel-Canu
Seetüchtigkeit
Seeverkehr und Handel . . .
9. Körperhülle und Putz . .
A. Bekleidung
Bekleidung der Männer . .
Kleidung der Frauen . . .
[In den westlichen Carolinen]
Ponchoartige Mäntel . . .
Kopfbedeckung
B. Putz und Zieraten ....
a. Material
Schildpatt
Federn
Blumen und Blätter . .
Cocosnussschale ....
Rindenscheibchen . . .
SpondyluS'Sc^iXt . . .
Weisse Muschelscheibchen
Glasperlen
(Spondylus der westlichen
Carolinen)
b. Hautverzierungen ....
Bemalen
Gelbwurz
Anbau derselben
Bereitung
Tätowirung von Ruk und
Satöan
Tätowirung von Lukunor
Seite
:577] 339
:577] 339
[578] 340
;578] 340
i79] 341
;579] 341
379] 341
580] 342
■581] 343
;58i] 343
■581] 343
■581] 343
581] 343
^583] 345
:sm 345
;583] 345
:583] 345
384] 346
[585] 347
^585] 347
:585] 347
[585] 347
:585] 347
:585] 347
586] 348
:586] 348
;587] 349
387] 349
589] 351
:589] 351
390] 352
590] 352
:59i] 353
392] 354
■593] 355
:593] 355
;593] 355
393] 355
:593] 355
i94] 356
594] 356
L595] 357
396] 358
397] 359
397] 359
397] 359
;598] 360
598] 36o
398] 36o
598] 36o
599] 36 I
[600] 362
[601] 363
43o
Dr. O. Finftch.
[668]
Seite
Tätowirgeräth
(Tätowirung von Nukuor)
> » Uleai) . .
» » Swede-Ins.).
» » Fais) . . .
» » Pikiraro)
» » Hermites
Anm.) .
c. Haartracht und Putz . . .
Frisuren
Haarschnüre
Haarbinden für Männer . .
Kopf binden fOr Frauen . .
Haarnadeln
Schmuckbänder
Kämme
Putzkämme
Federschmuck
(Kopfschmuck von Nukuor) .
d. Ohrputz
aa, aus Cocosringen . . .
Ohrgehänge
Anhängsel
[602
[6o3
[6o3
[603
[6o3
[603
[6o3
[6o3
[6o3
[604
[604
[604
[605
[605
[606
[606
[607
[608
[608
[608
[608
[609
364
365
365
365
365
365
365
365
365
366
366
366
367
367
368
368
369
370
370
370
370
371
Seite
bb, Ohrklötzchen . .
e, Hals- und Brustschmuck
aa. Typus : Mar . .
bb. Typus: Assang .
cc.
dd.
ee.
Marensak
Täte
Tschäkpalap
Potsch .
/. Armputz ....
aus Cocosperlen . .
> Schildpatt . .
» Trochus . . .
(von Yap und Pelau)
g. Leibschmuck . . .
Gürtel
Frauengürtel . . .
( » von Pelau)
Ethnologische Schluss
betrachtung
[610
[610
[611
[611
[612
[611
[612
[611
[6i3
[611
[6i3
[614
[615
[615
[616
[616
[617
[617
[617
[618
[619
372
372
373
373
374
373
374
373
375
373
375
376
377
377
378
378
379
379
379
38o
38i
[620] 382
Nachträge und Berichtigungen.
Seite
Zu Erste Abthellung: Bismarck-
Archipcl . . . [622] 384
Zu I. Neu-Britannten .... [622] 384
a. Blanche-Bai [622] 384
b. Willaumez [634] 396
c. French-Inseln [^^4] 396
e. Hansabucht [6^5] 397
2. Neu-Irland [635] 397
a. Nordende [635] 397
b. SüdwestkQste [638] 400
3. Admiralitäts-Inseln . . [638] 400
4. Salomons-Inseln . . . . [638] 400
Seite
Zu Zweite AbtheÜung: Neu-
Guinea . . . [639] 401
Zu 1. Englisch-Neu-Guinea . . [639] 40i
Zu a. Südostküste [^^9] 4^'
» b. Ostspitze [^43] 405
Zu II. Kaiser Wilhelms-Land . [645] 407
Zu Dritte Abtheilung: Mikronesien
(West-Oceanien) . [651] 4 13
Zu Einleitung [^SO 4^3
» I.Gilbert-Archipel . . . [654] 416
» II. Marshall- » ... [657] 419
» III. Carolinen [658] 420
» Kuschai 1^59] 421
[669] Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^.3i
Verzeichniss der Textfiguren.
Seite
I. Gilbert- Archipel [287] 19
Fig. I. (Vi) Vogelbola (für Fregattvogel), Nawodo [3o3] 3$
# 2. (Vi) Haifisehzahn zu Waffen, Tonga-Inseln [3o6] 38
3. (^/j) Stichwaffe aus Walknochen, Tarowa [3 10] 42
4- (*/ö) Fischhamen für Frauen, Tarowa [324] 56
5. (*/io) Aalschlinge, Tarowa [324] 56
6. (^/J Stampfer aus Holz, Tarowa [326] 58
7. (Vfi) » » » • [327] 59
8. (Ve) Spatel . » * [327] 59
9. (Vö) » » Walknochen, Tarowa [327] 59
IG. (Vs) Kopfunterlage aus Holz, Maraki [332] 64
11. — Theil eines Canu, um die Construction aus Brettern zu zeigen, Tarowa . . [336] 68
12. — Paddel, Apaiang [338] 70
i3. — Mädchenkappe aus Pandanus-Gcdecht, Maraki [342] 74
14. — Brandnarben [^45] 77
^5- (^/s) Perlschale für Halsschmuck in Bearbeitung, Tarowa ". . [351] 83
16. (Va) Durchschnittener Sperra walzahn als Halsschmuck, Tarowa [353] 85
IL Marshall- Archipel [375] 119
17 — Trommel zum Tactschlagen, Dschalut [388] i32
18. — Schaber aus Cassis, Dschalut [406] 150
19,1)— Axtstiel, Dschalut [410] 1 54
20. (Vio) Axtklinge aus Tridacna, Dschalut [410] 154
21. (^/J Pfriemen zum Dachdecken aus Unterkiefer von Delphin, Dschalut . . . . [412] 156
22. — Scheibe zum Taudrehen, Dschalut [414] 158
23. — Canu, Seitenansicht, Dschalut [416] 160
24. — » von vorne gesehen, Dschalut [417] '61
25. — Bekleidung für Männer, bestehend aus a, Gürtel (Kangr) und h. Faserrock (Ihn),
Dschalut [424] 168
26. Abnorm ausgedehnter Ohrlappen, unausgespannt, eines Mannes von Milli [433] 177
26a. — Ohrlappen in gewöhnlicher Ausdehnung, durch einen Blattstreif ausgespannt,
Dschalut [433] 177
III. Carolinen [438] 182
I. Kuschal [449] 193
27. (V«) Schaber aus Muschel (Cypraea mauritiana) [461] 205
28. — Brotfruchtspalter [461] 205
29. (Vs) Stampfer aus Holz [462] 206
30. — Kopfende eines solchen [462] 206
3i. — Desgleichen [462] 206
32. (Vs) Stampfer aus Stein (Basalt) • [462] 206
33. — Taroblatt als Wasserbehälter [463] 207
34. — Fischhamen [464] 208
1) Für die Benutzung der Glicht zu den Textfiguren 19, 20, 23, 24, 39 und 59 ist die Re-
daction dem Vorstande der »Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte«
zu besonderem Danke verpflichtet.
Seite
[469]
2l3
[470]
214
[470]
214
[470]
214
[471]
215
[474]
218
[475]
219
[476]
220
[476]
220
[477]
221
[477]
221
[477]
221
[478]
222
[479]
223
[482]
226
[483]
227
432 Dr. O. Finsch. [670]
Fig. 35. (7io) Scheibenhaken aus Holr
» 36. — Aztklinge aus Tridacna geschliffen, a, von unten, b. von der Seite, c. Durch-
schnitt
37. — Desgleichen, wie vorher
38. — > flache, breite Form
39. (Vio) Axt, mit TVi^^icita- Klinge montirt
Weberei-Ger äthschaften.
40. (^/g) Kettebock zum Aufmachen der Kette
41. (V,) Pflock dazu .
42. (7«) Hammer zum Einschlagen der Pflöcke
43. (Yi) Schneidemuschel (Psammotaea radiata) zum Abschneiden der Knoteneaden
der Kettfäden
44. (Ve) Webebrett
45- (^/a) Griffelnadel zum Ordnen der Fäden
46. (Vö) Webelade (Schwert)
47. (Vs) Webeschiffchen
48. — Ruder (Paddel)
49- (Va) »Faic, Perlmuttergeld
50. — Tätowirung (Innenseite des Armes)
2. Ponap6 [487] 23i
S^- (Vi) Prähistorisches .^OR^^/us-Scheibchen in Bearbeitung, Ruinen von Nantauatsch [522] 266
52. (^li) Halskette aus Abschnitten von Grasstengeln [328] 272
3. Ruk und Mortlock [534] 296
53. (*/s) »Gurgurc, Tanzstock (Endtheil desselben), Ruk [547] 3o9
54. — Holzschnitzerei (Ahnenflgur), einen Vogel darstellend, Ruk [559] 32 1
55(c.*/T)Tarohacke aus Schildkrötknochen, Mortlock [$63] 325
5^- (V«) Stampfer aus Corallstein geschliffen, Ruk [567] 329
57- — Axt mit Tridacna -KVm^t, Nukuor; a. Holzstiel, b. Klinge, c. Durchschnitt
derselben [579] 341
58. — Axtklinge aus Tridacna, Nukuor [579] 341
59. — Axt, mit TVre^ra- Klinge montirt, Nukuor [580] 342
60. — Längliche schmale Cocosnuss, Material zu Schmuck [595] 357
61. (Vi) Tätowirgeräth, Nukuor [602] 364
62. (Vi) Kamm desselben aus Schildpatt [602] 364
63. (Vi) Desgleichen, anderes Exemplar, daher [602] 364
64. (^/a) Haarnadel für Männer, Ruk; a. Stiel aus Holz, ^. Knopf aus Coitus-Boden,
c. SchnQre aus Cocosperlen [60$] 367
65. — Federschmuck fOr Tanzkamm der Männer, Ruk; tf. Federn vom Fregattvogel,
b. SpondyluS'Schtihchtny c. weisses Dunenfell [607] 369
[671] Ethnologische Erfahrungen und BelegstOcke aus der Südsee. j.33
Systematisches Verzeichniss
sämmtlicher Abbildungen der dritten Abtheilung
Mikronesien (West-Oceanien).
Seite Tafel Tafel Figur
Vergnügungen (Musik und Tanz).
1. Trommel zum Tactschlagen, Marshalls [388] — — 17
2. Tactschlägel, Marshalls [388] [22] V 11
3. Tanzpaddel, Ponap^ [500] [22] V 12
4. Tanzstock, Ruk [547] — — $3
5. Erkennungsstab, Ruk [546] [22] V 10
6. Vogelbola (für Fregattvogelfang), Nawodo [3o3] — — i
Wafifen und Wehr.
7. Speer aus Holz (Spitzentheil), Gilberts [3o6] [19] II 6
8. Desgleichen ^ Marshalls [394] [19] 11 i
9. » » Ruk [552] [19] U 2
IG. Lanze mit Rochenstacheln (Spitzentheil), Ruk [SS^] ['9] ^^ ^
11. Speer aus Holz (Spitzentheil), Anchorites [55^] [19] ^ 4
12. » mit Rochenstacheln, Ruk [553] [19] II 5
Haifischzähne, Material für Waffen.
i3. Von Galeocerdo Rayneri, Innenseite, Gilberts [3o5] [19] II 11
14. » » ^ Aussenseite, > \}^S\ ['9] ^ 12
15. » Carcharias lamia, Gilberts [3o5] [19] II i3
16. » spec? Gilberts [3o5] [19] II 14
17. » » Tonga [3o6] — — 2
Waffen mit Haifischzähne'n.
18. Schwerer Kriegsspeer (mittlerer Theil), Gilberts [^07] [18] I i
19. » » (Spitzentheil), » [3o7J [18] I 2
20. » » (Querschnitt), » [3o7] [18] I 3
21. » » (Schmalseite), » [3o7] [18] 1 4
22. Handwaffe (Basistheil), Nawodo [3o9] [18] I 5
23. . (Spitzentheil), » [3o9] [18] I 6
24. Kratzwaffe für Frauen, Gilberts [309] [18] I 7
25. > ^ . Nawodo [3o9] [18] I 8
26. Handwaffe mit Rochenstachel, Mortlock [554] [19] II 10
27. Stiletartige Waffe aus Walknochen, Gilberts [3 10] — — 3
28. Keule, vierkantig, Gilberts [3ii] [19] II 9
29. » flach, lang, Ruk [554] [19] H 7
30. ^ 3 » [554] [19] n 8
3i. Schlagstein aus Tridacna, Gilberts [3ii] [19] II 15
32. Schleuderstcin (prähistorisch), Ponap6 [502] [19] II 18
33. » aus Basalt, Ruk [556] [19] II 16
34. » » » > [556] [19] n 17
Geisterglauben.
35. Ahnenfigur (Holzschnitzerei), Ruk [559] — -- 54
Landbau.
36. Tarohacke aus Knochen, Mortlock [5^3] — — 55
Fischereigeräth.
37. Haifischhaken, Gilberts . [322] [20] III 14
38. ^ Spitze desselben, Gilberts [322] [20] III 14^
39. » Ellice [322] [29] III 15
434 ^f- O- Finsch. [672]
Seite
40. Fiscbhaken aus Kalkspath, Banaba [323]
41. Fischhaken aus Perlmutter, Marshalls [4<^2]
42. ^ > Cocosschale, >- [4o3]
43. » » Walknochen, » [4o3]
44. > (Fragment, prähistorisch), Ponapd [509]
45. » aus Schildpatt, Ponap^ . [508]
46. » » Perlmutter, Mortlock [569]
47. » » > Nukuor [571]
48. » » » » [571]
49. » » » » [571]
50. » » » » [570
51. » > » in Bearbeitung, Nukuor [57^]
52. » » » » » » [571]
53. » » » » » » [571]
54. Fischhamen für Frauen, Gilberts [324]
55- * Kuschai [464]
56. Aalschlinge, Gilberts [324]
Küchengeräth.
57. Schaber aus Muschel (Cassis), Marshalls [406]
58. » » » (Cypraea), Kuschai [461]
59. Brotfruchtschläger, Kuschai [461]
60. Stampfer aus Holz, Gilberts [326]
61. » » » » [327]
62. » » » Kuschai [462]
63. » » » Kopfende, Kuschai [462]
64. » » » > » [462]
65. > » Basalt, Kuschai [462]
66. » » Koralle, Ruk [567]
67. Spatel aus Holz, Gilberts [327]
68. » » Bein, » [327]
69. Wasserbehälter (Taroblatt), Kuschai [463]
Hausrath.
70. Kopfunterlage, Gilberts * [332]
71. Scheibenhaken', Kuschai [469]
72. Kasten, geschnitzt, Satawal [57^]
73. » Bodenhälfte, » [578]
Werkzeuge.
Muscheläxte.
74. Axtstiel, Marshalls [410]
75. Klinge aus Triäacna, Marshalls [410]
76. » » » Kuschai [47o]
77. » » » von der Seite, Kuschai [47^]
78. » » » Durchschnitt, » [47o]
79. » » » von unten, » [47^]
80. » » » von der Seite, » [470]
81. > » » Durchschnitt, » [47©]
82. » » » flach » [470]
83. > » J/iYrtf, Kuschai [470
84. Axt mit Tridacna-Klmgtf Kuschai [470
85. Klinge aus Tridacna^ Nukuor [579]
86. Axt mit TVirfocwa-Klinge, Nukuor [579]
87. » » Terebra- » » [580]
88. Pfriemen zum Dachdecken, Marshalls [412]
Mattenflechten.
89. Randmuster einer Bekleidungsmatte (farbig), Marshalls [4^5]
90. Desgleichen (farbig), Marshalls [4^5]
T.fel
Tafel
Figur
[20]
III
3
[20]
III
I
[20]
m
12
[20]
III
i3
[20]
in
4
[20]
m
11
[20]
III
2
[20]
m
5
[20]
III
6
[20]
lU
7
[20]
III
8
[20]
m
9a
[20]
III
9b
[20]
m
IG
—
4
—
34
— —
— ^
5
—
18
—
27
28
6
^_,^
7
29
3o
• 3i
—
32
——
^^^m
56
8
9
33
__
.^_
IG
3S
[22]
V
i3
[22]
V
i3a
—^
^__
19
—
20
—
36a
36*
-^
36c
—
37a
Zjb
—
Z7C
—
38
[22]
V
14
—
—
39
—
58
—
57
59
—
21
[21]
IV
3
[2O
IV
4
[5^31 Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. ^35
Seite Tafel Tafel Figur
SeilereL
91. Scheibe zum Taudrehen, Marshalls [4M] — — 22
Weberei.
92. Muster einer Schambinde (farbig), Kuschai [480] [21] IV i
93. . » » » ^ » [480] [21] IV 2.
Geräthschaften.
94. Kettenbock, Kuschai [474] — — 40
95. Pflock zu einem solchen, Kuschai [475] — — 4'
96. Hammer zum Ein§chlagen desselben, Kuschai [47^] — — 4^
97. Schneidemuschel [47^] ~ — 4^
98. Webebrett [477] — — 44
99. Griffelnadel [477] — — 45
100. Webelade (Schwert) . . . : [477] — — 46
101. Schiffchen [478] — — 47
Fahrzeuge (Canus)
102. Theil eines Canu, Gilberts [336] — — 11
io3. Canu, Seitenansicht, Marshalls [4 '6] — — ^^
104. » von vorne, » [4^7] — — 24
105. Paddel, Gilberts [338] — — 12
106. » Kuschai [479] — — 4^
Bekleidung.
107. Mädchenkappe, Gilberts [34^] — — '3
108. Männerbekleidung, Marshall [4^4] — — 25
109. » Gürtel, Marshalls [424] — — 2$a
110. » Faserrock, ^ [424] — — 256
Puts und Zieraten.
Material.
111. Menschen Zähne, Gilberts [355] [22] V 4
112. Delphinzähne, » [^52] [22] V 5«-—«
ii3. » . [352] [22] V 6
114. Spermwalzahn, » [^5^] [22] V 7
115. » » [353] [22] V 8
116. » » [353] — — 16
5^ondy/M5-MuscheI und Scheibchen.
117. Bearbeitet (farbig), Gilberts [349] [25] VIII 17
118. Muschel, prähistorisch, Ponap^ [521] [22] V 9
119. Plättchen, » bearbeitet (farbig), Ponape \ . [522] [25] VIII 14
120. Scheibchen, » in Bearbeitung, » [522] — — 51
121. » » (a. V. d. Seite, farbig), Ponap^ [522] [25] VIII 7
122. » » » »
123. ^ » » »
124. » » ^ »
125. > > » ^
126. » » » »
127. * » » »
128. » (farbig), Marshalls [426] [25] VIII Ja
1 29. » (a. V. d. Seite, farbig), Ruk . [596] [25] VIII 2
i3o. > » > . [596] [25] VIII 3
i3i. > . . * [596] [25] VIII 4
»32. » » * » [596] [25] VIII 5
i33. » » » Normanby [596] [25] VIII 6
134. Plättchen (farbig), Ponapd [522] [25] VIII 15
13$. Weisse Muschelscheibchen, Gilberts [343] [24] VII la
i36. > > ' Banaba [343] [24] VII 2a
137. > > > [343] [24] VU 3fl
i38. . > ^ [343] [24] VII 4a
139. ConuS'Ring (prähistorisch), Ponape [522] [24] VII 14
[522] [25] vin 8
[522] [25] VIII 9
[522] [25] VIII IG
[522] [25] VIII II
[522] [25] VIII 12
[522] [25] VIII i3
436 Dr. O. FiDsch. [674]
Seite
140. Con 115-Scheibe, Gilberts [^5^]
141. » » [350]
142. » » [350]
143. » » [351]
f44. Perlschale (in Bearbeitung), Gilberts [35i]
145. » » »Geldc, Kuschai . . . . [482]
Cocosnussschale.
146. Scheibchen, Gilberts [343]
147. » Banaba 1343]
148. > > [343]
149. » » [343]
150. » Ruk , [595]
151. Perlen, » [595]
152. Losil-Cocosnuss, Material zu Ringen, Ruk [S9S]
153. Cocosnussring, Ruk [59S]
154. > » [595]
155. » > [595]
156. » » [595]
157. > » [595]
158. » » .• • • • [595]
159. Grasstengel, Ponap^ [5^8]
Hautverzierung.
160. Brandnarben, Gilberts • . . . [343]
161. Tätowirung, Kuschai [4^3]
162. Tätowirinstrument, Nukuor [602]
i63. Kamm dazu » [602]
164. » » » [602]
Kopfputz.
165. Haarnadel, Ruk [605]
166. Haarnadelband, Ruk [605]
167. Tanzkamm » [606]
168. » Spitzentheil, Ruk [606]
169. Federschmuck dazu, » [607]
170. Kopfbinde aus Muscheln, Marshalls. [43^]
171. » von unten, » [43^]
172. » aus Muscheln^ » [432]
173. » von unten, » [432]
Ohrputz.
174. Abnorm ausgedehnter Ohrlappen, Marshalls [433]
175. Ohrlappen in gewöhnlicher Ausdehnung, Marshalls [433]
176. Ohrstöpsel aus Cocos, Ponap^ [528]
177. Umfang desselben, » [528]
178. Ohrpflock aus Holz, Ruk [610]
179. Ohrgehänge (farbig), » [609]
180. » » [609]
Hals- und Brustschmuck.
181. Halskette aus Menschenzähnen, Gilberts [3S5]
182. » » Sperm walzahn, » [3S4]
i83. » > Spondylus (farbig), Marshalls [435]
184. » » » » » [436]
185. » » » » » [436]
186. » > » » Ruk [612]
187. Schnur aus Muschelscheiben, Gilberts [349]
188. » » » Banaba [349]
189. » » » » [349]
190. » » » » [349]
Tafel
Tafel
Figur
[24]
VII
16
[24]
VII
»7
[24]
VII
18
[24]
VII
19
15
—
——
49
[24]
VII
ib
[24]
VII
26
[24]
VII
Ib
[24]
VII
4*
[24]
Vll
5^
[24]
vu
6a
—
60
[24]
VII
7
[M]
Vll
8
[24]
VII
9
[24]
VII
lO
[24]
VII
II
[24]
VII
12
-^
52
—
14
—
50
—
61
—
62
—
63
._
64
[24]
VII
i3
[23]
VI
5
[23]
VI
5^
—
65
[22]
V
I
[22]
V
\a
[22]
V
3
[22]
V
ia
__
^_
26
—
26a
[23]
VI
6
[23]
VI
ta
[23]
VI
7
[25]
. VIII
19
[24]
VII
20
[22]
V
4
[23]
VI
4
[25]
VIII
I
[25]
VllI
20
[25]
VIII
21
[25]
VIII
18
[24]
VII
1
[24]
Vll
3
[24]
VII
3
[24]
VII
4
r57e'] Ethnologische Erfahrungen und Belegstöcke aus der SQdsee. 437
Seite Tafel Tafel Figur
191. Schnur aus Co« M5-Scheiben, Gilberts [350] [24] VII 15
192. Halskette aus Natica, Banaba , [849] [22] V 3
193. » » PBanzen (farbig), Marshalls [434] [25] VUI 22
194. » » Grasstengeln, Ponapd [528] — — • 52
195. » » Cocosringen, Ruk [612] [24] VII 7—11
196. Halsband > » » , [6i3] [24] VII i3
197. Halskette » » » [61 3] [24] VII 12c
198. » » » » [6i3] [24] VII \2d
Anhängsel an Hals- und Brustschmuck.
199. Spermwahlzahn, Gilberts PS^] — — 16
200. ^» » [353] [22] V 7
201. » . • • •. t^S^] [22] V 8
202. » -Schnitzerei (farbig), Marshalls ........ [436] [25] VIII 21a
203. Schildpatt, geschnitzt (farbig), Marschalls [436] [25] VIII 20c
204. » » Kuschai [484] [23] IV 2
205. » . . [485] [23] IV 3
206. Cbnus-Scheibe, Gilberts [350] [24] VII 16
207. » » [350] [24] VII 17
208. > Banaba [350] [24] VII 18
209. > » [351] [24] VII 19
210. CoMti5-Ring (prähistorisch), Ponap^ [522] [24] VII 14
211. 5;^on4r't/5-Schale (prähistorisch), Ponap^ [521] [22] V 9
212. » Plättchen > (farbig), Ponap^ [522] [25] VIII 14
2x3. » bearbeitet (farbig), Gilberts [350] [25] VHI 16
214. ». » » » [349] [25] VIII 17
215. » Plättchen » Ponap^ [523] [25] VIII 15
Armschmuck.
216. Armring aus Muschel (Trochus), Kuschai [485] [23] VI i
Leibschmuck.
217. Muschelschnüre, Gilberts [^5^] [24] VII i
218. » Banaba [356] [24] VII 2
219. » » [356] [24] VII 3
220. . » [356] [24] VII 4
221. Gürtel (Mittelquerriegel, farbig), Ruk [617] [25] VIII 23
222. Frauengürtel (farbig), Ruk [618] [25] VUI 24
Druckfehler.
Seite 17 [285]. Zeile 23 von oben lies: (XVI, Fig. 6) statt: [XXIV, Fig. 6].
. 17 [285],
. 24
. » » (XVI, Fig. 5) » [XXIV, Fig. 5].
» 40 [3o8],
» 14
> unten » 090 statt: 09.
» i38 [394],
8
» [389] » [388],
» 167 [423],
» I
. [412] » [472].
» 224 [480].
» 19
» » »12 »II.
» 379 [617],
» 25
» oben > S. [614], Nr. 515a stau: S. 614 [268]
V .v^
e
Oü
?e
* -
\J^ i. W W ..."