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Full text of "Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee : beschreibender Katalog einer Sammlung im K.K. Naturhistorischen Hofmuseum in Wien"

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ETHNOLOGISCHE 


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ERFAHRUNGEN  UND  BELEGSTUCKE 


AUS  DER 


S  U  D  S  E  E. 


BESCHREIBENDER  KATALOG 


EINER    SAMMLUNG  IM  K.  K.  NATURHISTORISCHEN  HOFMUSEUM  IN  WIEN, 


VON 


D»-  O.  FINSCH,        ^ 

IN   DELMENHORST   BEI   BREMEN. 


MIT  EINEM  VORWORT  VON   FRANZ   HEGER. 


MIT  26  TAFELN  (DAVON  6  IN  FARBENDRUCK)  UND  108  ABBILDUNGEN  IM  TEXTE. 


AUS  DEN  „ANNALEN  DES  K.  K.  NATURHISTORISCHEN  HOFMUSEUMS  IN  WIEN", 
BAND  III— VIII,   JAHRGANG  l888— 189^,   SEPARAT  ABGEDRUCKT. 


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WIEN,  1893. 


ALFRED    HOLDER, 

K.  UND  K.  HOF-  UND  ÜNIVERSITÄTS-BUCHHANDLER. 


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THE  NEW  voRK 

PUBUC  LIBRARY 
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Druck  von  AOOLF  HOI.ZHAUSEN  in  Wien. 

K.  UND  K.  HOF-  UND  UN1VF.RJ»ITXtJ»- BUCHDRUCKER. 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der  Südsee. 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.   0.  Finsch 

in  Bremen. 

Mit  einem  Vorwort  von  Franz  Heger. 


Erste  Abtheilung:    Bismarck-Archipel. 

Mit  fünf  Tafeln,  davon  zwei  in  Farbendruck  (Nr.  III — ^I). 


Vorwort. 


Oammeln  ist  heutzutage  eine  Modesache.  Dieselbe  hat  aber  einen  tieferen  Sinn 
als  die  meisten  anderen  unter  dieses  Schlagwort  fallenden  Thätigkeiten  des  Menschen. 
Selbst  viele  Privatsammler  gehen  bei  der  Anlage  ihrer  Sammlungen  heute  von  gewissen 
Gesichtspunkten  aus  und  nähern  sich  vielfach  in  ihren  Bestrebungen  jener  grossartigen 
Thätigkeity  welche  die  Museen  der  Jetztzeit  allerort  entfalten.  Dieses  Vertiefen  der 
Sammelthätigkeit  hängt  innig  zusammen  mit  dem  ausserordentlichen  Fortschritt  der 
\vissenschaftlichen  Forschung,  namentlich  jenem  der  inductiven  Naturwissenschaften, 
Die  jüngste  derselben,  die  Ethnologie,  ist  erst  von  dem  Zeitpunkte  an  zur  Wissenschaft 
geworden,  seitdem  man  auf  sie  die  strenge,  nüchterne  Methode  der  anderen  beschrei- 
benden Naturwissenschaften  angewendet  hat.  Die  ethnographischen  Sammlungen  bil- 
deten bis  vor  gar  nicht  langer  Zeit  den  letzten  Rest  der  alten  Curiositätencabinete,  aus 
welchen  sich  die  anderen  Naturwissenschaften  schon  längst  zu  selbstständigen,  lebens- 
fähigen Individuen  herausgebildet  haben. 
;ä  Das  energische  Satr^meln  ethnographischer  Gegenstände  ist  heute  dringend  geboten 

1^  durch  das  ganz  ausserordetitii'ch*  rasche  Verschwinden  der  primitiven  Culturen  der  so- 
'  genannten  Naturvölker.  Wie'der  $cl*riee  vor  der  Sonne,  so  schmelzen  diese  dahin,  ohne 
^  auch  nur  bemerkenswerthe,  Spiir.cn, ihres .paöeins  zu  hinterlassen,  während  die  vorge- 
^  schichtlichen  Bewohner  EuropasL-  Ux)d  «cdnes  «Pheiles  von  Amerika  sorgsam  die  Zeugen 
^  ihrer  Cultur  dem  sicheren  Boden  der  Mutter  Erde  anheimgaben.  Was  würden  unsere 
^  Prähistoriker  dafür  geben,  könnten  sie  sich  nur  einen  kurzen  Tag  in  die  vorgeschicht- 
-t  liehe  Zeit  versetzen  und  das  Thun  und  Treiben  der  damaligen  Menschen  belauschen! 
«   Der  Ethnograph  kann  dies  heute  noch  in  vielen  Fällen  thatsächlich  thun;  und  doch 

Anoalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  2,  i888.  7 


i! 


84  Dr.  O.  Finsch.  [2] 

geschieht  dies  noch  immer  viel  zu  selten.  Die  Worte  verwehen  bei  den  schriftlosen 
Völkern  gleich  Blättern  vor  dem  Winde  und  mit  ihnen  auch  die  Gedanken';  die  Sprachen 
sterben  aus,  Sitte*  und  Brauch  vergehen  und  es  bleibt  von  manchem  Volke  nichts  übrig 
als  das  todte  Object  in  unseren  Museen,  das  nur  zu  oft  dann  dem  denkenden  Geiste  wie 
ein  grosses  Fragezeichen  entgegenstarrt.  So  ist  unendlich  viel  schon  verloren  gegangen 
von  den  Naturvölkern,  welche  nicht  die  schöne  Sitte  unserer  Altvordern  haben  und 
hatten,  ihre  Todten  in  sorgsamer  Weise  mit  den  ihnen  im  Leben  theuer  gewesenen 
Gegenständen  zu  bestatten. 

Eines  der  Gebiete,  in  welchem  dieser  Zerstörungsprocess  mit  ungeahnter  Vehe- 
menz sich  gleichsam  vor  uns  abspielt  und  wo  das  Auge  des  Ethnologen  fast  nur  noch 
wüste  Trümmerhaufen,  Steine  ohne  Inschriften,  ohne  geschichtliche  Daten  und  An- 
haltspunkte erblickt,  ist  die  ausgedehnte  Inselwelt  der  Südsee.  Seit  den  Reisen  von  Cook 
ist  kaum  mehr  als  ein  Jahrhundert  verstrichen;  in  dieser  kurzen  Zeitspanne  hat  die 
destructive  Thätigkeit  des  weissen  Menschen  hier  eine  That  vollbracht,  für  welche  wir 
ein  Analogon  nur  in  dem  Schalten  der  Conquistadoren  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Amerika 
finden.  In  den  letzten  Jahrzehnten  wurde  hier  das  Rettungswerk  in  Bezug  auf  ethno- 
graphische Sammlungen  in  grossem  Massstabe  betrieben;  leider  beschränkte  sich  das- 
selbe meist  nur  auf  die  Objecte,  die  wir  heute  in  den  grossen  Museen  finden,  die  uns 
aber  so  viele  Fragen  schuldig  bleiben.  Wenige  der  zahlreichen  Südseereisenden  haben 
ihre  Aufgabe  ernster  erfasst;  den  letzteren  verdankt  unsere  Wissenschaft  aber  auch  die 
schönsten  Blüthen  an  dem  noch  so  jungen  Baume  der  Ethnographie. 

Die  von  dem  weissen  Menschen  bis  vor  Kurzem  noch  am  wenigsten  berührten 
Südsee-Inseln  sind  jene  im  Westen  des  Pacific,  welche  sich  von  der  grossen  Insel  Neu- 
Guinea  —  diese  eingerechnet  —  im  grossen  Bogen  parallel  der  Nordostküste  Australiens 
hinziehen.  Aber  auch  hier  ist  seit  einem  Dutzend  Jahren  die  Axt  angelegt  worden  an 
der  Ursprünglichkeit  der  Lebensweise  des  Aboriginers  derselben,  und  seit  dieser  kurzen 
Zeit  sind  schon  grosse  Waldstrecken  dieser  Axt  zum  Opfer  gefallen.  Im  Nordosten  von 
diesen  Inseln  sind  —  verstreuten  Perlen  gleich  —  zahllose  kleine  Eilande  quer  über 
einen  grossen  Theil  des  Pacific  vertheilt  —  die  Inselwelt  Micronesiens.  Traurig  wendet 
sich  der  Blick  des  Ethnographen  ihnen  zu;  sie  sind  für  denselben  heute  so  gut  wie  ver- 
loren. Um  letzte  spärliche  Reste  aufzusammeln,  zog  vor  weniger  als  einem  Decennium 
ein  bewährter  Reisender  und  Naturforscher  dahin  aus  —  Dr.  Otto  Finsch.  Mit  Unter- 
stützung der  Humboldt-Stiftung  für  Naturforschung  und  Reisen  zu  Berlin  und  eigene 
Mittel  daransetzend,  unternahm  er  fast  vierjährige  Reisen  in  Gebieten,  in  welchen  es 
damals  ganz  besonders  schwierig  war,  ohne  ein  eigenes  Fahrzeug  von  Insel  zu  Insel  zu 
wandern  und  das  nur  gelegentlich  von  Kriegsschiffen  besucht  wurde.  Von  der  ethnogra- 
phischen Trümmerstätte  Micronesien  sehen  wir  den  Reisenden  nach  den  verheissungs- 
voUen  melanesischen  Inseln  aufbrechen,  die,  damals  noch  herrenlos,  jetzt  zum  Theile 
Deutschland  gehören.  Hier,  in  einer  damals  in  noch  vollster  Ursprünglichkeit  befindlichen 
ethnographischen  Provinz,  liess  Fins^^*.<Jdi:fV  M^Jlte.»öpder.  Ein  ausgezeichnetes 
Beobachtungstalent,  zu  dem  sich  die  *Cjewa;i4,thqiit^.(n  'deV^ülirung  des  Stiftes  gesellt, 
und  die  seltene  Gabe,  sich  rasch  mit  den  Ein»ä)otAlDh  fcl»f  guten,  ja  vertraulichen  Fuss 
Stellen  zu  können,  setzten  ihn  in  den  St^ijd^ •tiftfete»  Blicke*  in  das  Leben  dieser  Natur- 
menschen zu  thun,  als  dies  vielen  andenpnr*ftwii<i3i5H  r^Pt^erswo  möglich  war.  Das 
strenge  geübte  Auge  des  Naturforschers,  welches  die  Dinge  so  ansieht,  wie  sie  sich  ihm 
präsentiren,  und  sich  von  allen  oft  gefährlichen  Combinationen  und  geistreichen  Deu- 
tungen fernehält,  kam  ihm  dabei  vortrefflich  zu  statten.  So  kehrte  er  zurück,  reich  be- 
laden mit  Schätzen.    Lange  sollte  sein  Aufenthalt  in  Europa  nicht  währen;  in  bcson- 


[3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  85 

derer  Mission  entsendete  man  ihn  in  den  nächsten  Jahren  wieder  dahin,  um  die  Besitz- 
ergreifung  eines  Theiles  dieser  Inseln  für  Deutschland  vorzubereiten.  Diesmal  waren 
CS  namentlich  seine  für  die  Entdeckungsgeschichte  Neu-Guineas  für  immer  denkwür- 
digen  Fahrten  mit  dem  Dampfer  »Samoa«,  welche  er  längs  der  Nordostküste  dieser 
Insel  ausführte.  Es  war  eine  Entdeckungsfahrt  im  wahren  Sinne  des  Wortes  und  nicht 
nur  für  den  Geographen,  sondern  auch  —  und  vorzugsweise  —  für  den  Ethnographen. 
Die  Sammlungen,  die  F  in  seh  von  dieser  Fahrt  heimbrachte^  sind  fast  ausnahmslos  ganz 
neu,  von  bis  dahin  unbekannten  Stämmen  und  Völkern  der  Papua-Insel.  Der  grösste 
Theil  der  Schätze  von  beiden  Reisen  fiel  dem  neuen  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin ') 
anheim,  der  Rest  lag  lange  Zeit  in  Wien,  in  unserem  neuen  Museum,  ohne  die  Möglich- 
keit zu  finden,  denselben  zu  erwerben.  Da,  zur  letzten  Stunde,  als  schon  der  grössere 
Theil  dieses  Restes  —  der  freilich  zusammen  über  2800  Objecte  zählte  —  nach  Italien 
gewandert  war,  fand  sich  ein  Mann,  der  aus  reinstem  Patriotismus  und  aus  edler  Hin- 
gabe für  unsere  Wissenschaft  ein  namhaftes  Opfer  brachte,  um  einen  Theil  dieser  Samm- 
lungen für  Wien  zu  erhalten.  Adolf  Bachofen  von  Echt  ist  der  Name  des  wackeren 
Mannes,  der  sich  dadurch  ein  bleibendes  Denkmal  in  dem  neuen  Prachtgebäude  des 
naturhistorischen  Hofmuseums  gesetzt  hat.  Um  seiner  schönen  That  aber  die  Krone 
aufzusetzen,  ging  er  mit  kaum  genug  zu  lobender  Bereitwilligkeit,  welche  sein  Ver- 
standniss  für  unsere  Wissenschaft  so  recht  anschaulich  macht,  auf  die  Idee  ein,  die 
durch  ihn  erworbene  Sammlung  auch  der  wissenschaftlichen  Welt  zugänglich  zu  machen, 
und  widmete  eine  bedeutende  Summe  für  die  Herstellung  guter  Abbildungen.  Nun  war 
alles  beisammen,  bis  auf  einen  sehr  wichtigen  Punkt:  das  erklärende  Wort.  Zu  meiner 
Freude  folgte  Herr  Dr.  Finsch  mit  grosser  Bereitwilligkeit  voll  und  ganz  meiner  Auf- 
forderung und  übernahm  die  Bearbeitung,  welche  durch  Benützung  sorgfältig  geführter 
Tagebücher  und  Aufzeichnungen  an  Ort  und  Stelle  besonderen  Werth  erhält.  Den 
beiden  Männern,  dem  Mäcen  wie  den  Forscher,  sei  hier  aus  vollem  Herzen  der  beste 
Dank  gesagt,  den  die  wissenschaftliche  Welt  in  allen  Zungen  gewiss  noch  oft  auf  das 
Nachhaltigste  wiederholen  wird. 

Zum  Schluss  noch  ein  Wort  über  die  Tafeln.  Dieselben  sind  weniger  dazu  be- 
stimmt, alle  Objecte  der  an  ,  1 000  Nummern  zählenden  Sammlung  zur  Anschauung  zu 
bringen,  als  vielmehr  die  charakteristischen  Stücke,  sowie  jene,  welche  rasch  ihrem  Unter- 
gange  entgegengehen  oder  heute  schon  untergegangen  sind,  darzustellen.  Dabei  werden 
verschiedene  Skizzen  des  Reisenden  den  Gebrauch  gewisser  Geräthschaften  veranschau- 
lichen und  so  zum  besseren  Verständniss  beitragen.  Es  ist  uns  schliesslich  noch  eine 
angenehme  Pflicht,  Frau  Elisabeth  Finsch  an  dieser  Stelle  herzlichen  Dank  aus- 
zusprechen für  die  freundliche  Sorge,  mit  der  sie  gewissenhaft  und  sicher  in  der  Füh- 
rung des  Stiftes  die  Ausführung  eines  Theiles  der  Tafeln  zu  übernehmen  die  Güte  hatte. 

Wien,  im  Februar  1888.  F.  H. 


1)  Vergl.  >Ueber  die  ethnologischen  Sammlungen  aus  der  Südsee  von  Dr.  O.  Finsch,  welche  in 
den  Besitz  des  königl.  Museums  für  Völkerkunde  zu  Berlin  gelangten«  (in:  Original-Mittheilungen  aus  der 
ethnologischen  Abtheilung  der  königl.  Museen  zu  Berlin,  herausgegeben  von  der  Verwaltung,  1.  Jahrgang, 
1886,  Heft  213,  Seite  57—70).  Gibt  »ethnologische  Erläuterungen«  zu  den  Sammlungen  der  Reisen  in 
den  Jahren  1879 — 1882,  denen  das  Berliner  Museum  1665  Nummern  verdankt,  während  es  von  den  Reisen 
101884—1885  2128  Stück,  zusammen  also  durch  Dr.  Finsch  an  4000  Nummern  erhielt.  Vergl.  auch 
»Katik)g  der  ethnologischen  Sammlung  der  Neu-Guinea-Compagnie,  ausgestellt  im  königl.  Museum  für 
Völkerkunde«  (I  und  II,  Berlin,  1886). 


7* 


86  Dr.  O.  Finsch.  [4] 


Einleitung. 

Durch  die  Erfahrungen  in  Sibirien  belehrt,  wandte  ich  während  meiner  späteren 
Südseereisen  der  Ethnologie  ganz  besonderes  Interesse  und  Thätigkeit  zu.  Wie  dort 
fand  ich  auch  hier  bestätigt,  dass  die  Eigenart  sogenannter  Naturvölker  in  Berührung 
mit  sogenannter  Civilisation  rasch  verschwindet,  Vielerwärts  ist  dies  bereits  geschehen. 
Das  Häuflein  Menschen  der  Steinzeit  schmilzt  immer  mehr  zusammen;  gewisse  Stämme 
sind  bereits  untergegangen  und  von  ihnen  oft  weniger  übrig  geblieben  als  von  unseren 
pfahlbauenden  Vorfahren.  Wer  das  karge  Vermächtniss  der  Tasmanier  im  Museum  zu 
Hobart  betrachten  konnte,  wird  sich  davon  am  besten  überzeugt  haben.  Anderen 
Menschenstämmen  steht  über  kurz  oder  lang  ein  ähnliches  Schicksal  bevor,  wenn  auch 
nicht,  wie  bei  jenen,  völliges  Aussterben,  so  doch  der  Untergang  ihrer  Originalität. 
Während  sich  gewisse  Sitten  und  Gebräuche  länger  zu  halten  pflegen,  verschwindet  das, 
was  der  unberührte  Naturmensch  verfertigt,  gewöhnlich  zuerst  und  am  schnellsten. 

Glücklicherweise  besitzen  die  Museen  von  derartigen  Erzeugnissen  der  Intelligenz 
Eingeborener  gar  Manches.  Aber  die  Ethnologie  ist  eine  junge  Wissenschaft.  Die  An- 
stalten zur  Pflege  derselben,  die  Museen,  haben  erst  in  letzter  Zeit  angefangen,  ihre  Auf- 
gabe zu  begreifen,  und  sich  hie  und  da  aus  Raritäten-  und  Curiositätenkammern  zu 
wissenschaftlichen  Sammlungen  der  Völkerkunde  emporgeschwungen.  Das  Bestreben, 
möglichst  viel,  namentlich  sogenannte  Schaustücke  zusammenzubringen,  hat  dabei 
vielfach  mehr  geschadet  als  genützt,  denn  nicht  die  Quantität,  sondern  die  Qualität  ist 
für  den  Werth  einer  wissenschaftlichen  Sammlung  entscheidend.  Dabei  kommt  es  vor 
Allem  auf  Zuverlässigkeit  der  Localitätsangaben  an,  und  in  dieser  Hinsicht  ist  gar  Vieles 
in  den  Museen  bedenklich,  namentlich  ältere  Stücke  aus  jener  Zeit,  wo  man  es  mit  der 
Geographie  nicht  so  genau  nahm  und  sich  mit  Bezeichnungen  wie  »Südsee«  u.  dergl, 
begnügte.  Das  ist  jetzt  anders  geworden.  Wir  wissen,  dass  nicht  allein  bei  ganz  ver- 
wandten Stämmen  erhebliche  Verschiedenheiten  der  Sitten  und  Gebräuche  vorkommen, 
sondern  auch,  dass  gewisse  ethnologische  Eigenthümlichkeiten  sehr  localisirt  auftreten, 
ähnlich  wie  dies  in  der  Fauna  mit  gewissen  Thierspecies  der  Fall  ist.  Wenn  sich  bezüg- 
lich der  Letzteren  Irrthümer  häufig  noch  berichtigen  lassen,  ist  dies  bei  ethnologischen 
Belegstücken  nicht  immer  möglich.  Die  wissenschaftliche  Benützung  solcher  Stücke 
hat  daher  nicht  selten  zu  Irrthümern  geführt,  die  in  Wort  und  Bild  in  wissenschaftliche 
Werke  übertragen  wurden  und  unbewusst  der  Völkerkunde  mehr  schadeten  als  nützten. 
Für  das  ungeheure  Inselreich  der  Südsee,  in  welchem  fast  jede  Insel,  die  grösseren 
selbst  localisirt,  Verschiedenheit  bietet,  sind  daher  zuverlässige  Localitätsangaben  ganz 
besonders  erforderlich.  Solche  waren  aber  nicht  immer  möglich,  da  viele  Sammlungen 
erst  durch  verschiedene  Hände  gingen,  ehe  sie  auf  dem  Wege  des  Curiositätenhandels 
in  Museen  gelangten. 

Wenn  ein  Pfeil,  Speer,  oder  welcher  Gegenstand  es  immer  sein  mag,  ohne  die 
richtige  Herkunft  schon  ziemlich  werthlos  wird,  so  gilt  dies  nicht  minder  für  solche 
Sachen,  deren  Benützung  und  Zweck  unbekannt  sind.  Denn  gerade  durch  den  Nach- 
weis der  Letzteren  erhalten  ja  Sammlungen  erst  den  wissenschaftlichen  Werth,  der  sie 
als  Material  zur  Völkerkunde  geschickt  macht  und  selbst  dem  unscheinbarsten  Gegen- 
stande Bedeutung  verschafft. 

Sammeln  ist  überhaupt  nicht  so  leicht,  als  es  scheint,  zumal  unter  Naturvölkern,  die 
noch  nicht  für  den  Handel  arbeiten  und  keine  Bazare  besitzen.  Die  aus  den  Museen  mit- 
gebrachten Erwartungen  erfüllen  sich  nur  theilweise.    Vieles,  was  daheim  schränkcwcis 


[5]      *  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  87 

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vertreten  war,  bekommt  man  an  Ort  und  Stelle  kaum  zu  Gesicht,  weil  es  vielleicht  in 
einem  engbegrenzten  Bezirke  oder  gar  nicht  mehr  gemacht  wird.  Mit  Ausnahme  ge- 
wisser in  Menge  vorhandener  Sachen  ist  die  Erlangung  gar  mancher  mit  Schwierig- 
keitenverbunden, nicht  selten  vom  guten  Glück  oder  Zufall  abhängig.  Wer  hätte  gedacht, 
dass  der  nackte  »Wilde«  gewisse  Dinge  überhaupt  nicht  hergeben  würde,  wo  man  er- 
wartet hatte,  mit  einem  Stück  Bandeisen,  einer  Handvoll  Glasperlen  jedes  zu  erlangen. 
Aber  mit  dem  ethnologischen  Sammeln  verhält  es  sich  gerade  wie  mit  dem  zoologischen. 
Manche  Vogelspecies  ist  überall  in  Masse  vertreten,  ihre  Habhaftwerdung  verhältnissmässig 
leicht,  andere  sind  auf  gewisse  Localitäten  beschränkt,  die  der  Reisende  nicht  zu  erreichen 
vermag,  einzelne  überhaupt  von  so  seltenem  Vorkommen,  dass  sie  nur  der  Zufall  ver- 
schafft. Die  Gelehrten  der  Museen  scheinen  dies  oft  zu  vergessen  und  nur  zu  leicht 
geneigt,  dem  Reisenden  die  Schuld  zu  geben,  wenn  er  das  Eine  oder  Andere  nicht  mit- 
brachte. 

Noch  grössere  Mühe  als  das  Sammeln  der  Gegenstände  selbst  bereitet  in  vielen 
Fällen  die  Erkundigung  über  die  Anwendung  und  Benützung  derselben.  Dabei  bietet 
besonders  in  Melanesien  die  grosse  Sprach  Verschiedenheit  ernste  Schwierigkeiten,  und 
Miss  Verständnisse  sind  nur  zu  leicht  möglich.  Oefters  wird  man  absichtlich  durch  Ein- 
geborene, nicht  selten  durch  ansässige  Weisse  irregeleitet,  die  in  der  Regel  von  den 
Eingeborenen,  unter  denen  sie  leben,  am  wenigsten  wissen.  Mit  einem  Worte,  die 
Aufgabe  ist  ebenso  mühsam  als  zeitraubend  und  nur  durch  Studium  der  Eingeborenen 
erreichbar.  Bei  den  Letzteren  hat  mich  die  Gabe,  guten  Verkehr  anzubahnen  und  zu 
erhalten,  nicht  wenig  unterstützt.  Ich  bemühte  mich,  als  Freund  betrachtet  zu  werden, 
dem  gegenüber  sich  die  Eingeborenen  ohne  Rückhalt  und  Scheu  bewegen  und  betragen 
konnten.  Dennoch  hält  es  schwer,  ihr  Wesen,  Thun  und  Treiben  so  kennen  zu  lernen, 
wie  man  gern  möchte,  und  trotz  aller  Bemühungen  bleibt  noch  Manches  unklar,  ja 
selbst  ununtersucht.  Auch  mir  ist  es  so  ergangen.  Immerhin  brachte  ich  an  Beleg- 
stücken und  Notizen  ein  Material  zusammen,  wie  es  in  gegenseitiger  Ergänzung  nicht 
häufig  vorliegt  und  welches  für  eine  wissenschaftliche  Bearbeitung  besonders  geschickt 
schien.  Aber  nur  wenigen  Glücklichen  ist  eine  solche  vergönnt!  Die  meisten  Reisenden 
erreichen  dieses  Ziel  ihrer  Wünsche,  den  Lohn  vieler  Zeit  und  Arbeit,  Mühen  und 
Sorgen  nicht.  Gewöhnlich  wandern  die  Sammlungen  als  der  begehrtere  Theil  in  die 
Museen,  die  Aufzeichnungen  bleiben  dem  »Sammler«  übrig,  eine  Zersplitterung,  die 
den  Nutzen  solcher  Reisen  sehr  beeinträchtigt  und  für  die  Wissenschaft  am  meisten  zu 
bedauern  ist.  Der  spätere  Bearbeiter  kann  mit  den  mageren  Notizen  des  Verzeichnisses 
nicht  viel  anfangen,  und  Fehler,  die  der  Sammler  selbst  vermieden  haben  würde,  sind 
unausbleiblich  und  nur  zu  leicht  erklärlich. 

Auch  ich  hatte  mir  die  systematische  Bearbeitung  meines  ethnologischen  Südsee- 
materiales  (von  1879 — 1882)  als  erste  Aufgabe  gestellt,  aber  verschiedene  Verhältnisse 
verhinderten  dieselbe.  Und  das  war  diesmal  gut.  Denn  inzwischen  hatte  ich  eine  zweite 
Südseereise  (1884  und  i885)  zu  unternehmen,  die  mich  mit  zum  Th eile  ganz  neuen 
Gebieten  bekannt  machte  und  meine  Erfahrungen  bereichern  half. 

Wenn  in  der  vorliegenden  Arbeit  ein  Theil  derselben  zur  Publication  gelangt,  so 
ist  dies  in  erster  Linie  dem  Leiter  der  ethnologischen  Abtheilung  des  k.  k.  Hofmuseums 
in  Wien,  meinem  verehrten  Freunde  Franz  Heger  zu  verdanken,  der  in  seinem  Eifer 
für  die  Wissenschaft  auch  für  eine  würdige  illustrative  Ausstattung  zu  sorgen  wusste. 
Dadurch  war  das  Hauptbedenken,  welches  mich  bisher  von  einer  Bearbeitung  zurück- 
hielt, beseitigt,  denn  Abbildungen  sind  für  eine  solche  durchaus  erforderlich.  Die  bei- 
gegebenen werden  charakteristische  Typen  der  Steinperiode  bringen,  Proben  der  oft 


88  Dr.  O.  Finsch.  [6] 

staunenswerthen  Ornamentik  Eingeborener,  die  mit  keinen  anderen  Werkzeugen  als 
von  Stein,  Muschel  oder  Knochen  arbeiteten,  aber  auch  solche  unscheinbare  Gegea- 
stände,  die  im  Verkehr  mit  der  Civilisation  immer  mehr  abkommen  und  zum  Theile 
als  untergegangen  zu  betrachten  sind.  Wie  wir  uns  mit  den  Abbildungen  zu  beschränken 
hatten,  so  war  dies  auch  bezüglich  des  Textes  nothwendig.  Ich  habe  deshalb  manche 
mir  bekannte  Sitten  und  Gebräuche  unerwähnt  lassen  müssen,  mich  aber  bemüht,  ein 
möglichst  übersichtliches  ethnologisches  Bild  derjenigen  Stämme  zu  geben,  die  ich 
mehr  oder  minder  eingehend  kennen  lernte.  Wie  weit  das  Letztere  möglich  war,  dar- 
über wird  der  Text  Auskunft  geben,  der  sich  freilich  öfters  nur  auf  kürzere  Notizen 
beschränkt.  Aber  auch  diese  werden  von  Interesse  sein  und  dazu  beitragen,  die  »Er- 
fahrungen und  Belegstücke  aus  der  Südsee«  zu  vermehren  und  ihnen,  als  eine  Förde- 
rung der  Völkerkunde  überhaupt,  freundliche  Aufnahme  und  Willkommen  zu  sichern. 

Bremen,  im  Februar  1888.  Otto  Finsch. 


I.  Bismarck -Archipel 

umfasst  die  drei  Hauptinseln:  Neu -Britannien,  Neu -Irland  und  Neu -Hannover  und 
erstreckt  sich  nordwestlich  über  die  Admiralitäts- Inseln  bis  zu  den  Anchorites  (Ana- 
choreten). 

Für  die  vorliegende  Arbeit  habe  ich  die  wenigen  aus  den  Salomons  herrührenden 
Stücke  der  Sammlung  mit  angeschlossen.  Einige  dieser  Inseln  sind  ja  inzwischen  dem 
deutschen  Schutzgebiete  einverleibt. 

I.    Neu -Britannien, 

seit  Erklärung  als  deutsches  Schutzgebiet  in  »Neu -Pommern«  umgetauft;  die  grösste 
Insel  des  Bismarck -Archipels,  von  über  3  2.000  Quadratkilometer  Flächeninhalt  unter 
4 — 6®  s.  Br.  Die  Insel  ist  langgestreckt,  aber  schmal,  dabei  bergig  bis  gebirgig,  meist 
dicht  bewaldet,  von  durchgehends  vulcanischer  Formation  mit  zum  Theile  thätigen 
Kratern.  Sie  ist  noch  heute  grösstentheils  unbekannt  und  wurde  zuerst  1884  mit  dem 
Dampfer  »Samoa«  fast  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  umfahren*). 
Der  bekannteste  Theil  der  Insel  ist  das  Gebiet  von 

a.   Blanche -Bai, 

und  zwar  besonders  die  knieförmige  Halbinsel,  welche  den  nördlichsten  Theil  der 
Gazelle-Halbinsel  bildet  und  das  südöstlich  etwa  bis  Gap  Gazelle,  nordwestlich  nicht 
über  Weberhafen  hinausreicht.  Aus  diesem  Gebiete  stammen  fast  alle  in  unseren  Museen 
mit  »Neu-Britannien«  bezeichneten  ethnologischen  Sammlungen.  Dabei  kommt  fast  nur 
die  Küste  in  Betracht,  denn  erst  vor  ein  paar  Jahren  gelangten  Europäer  im  Innern 
bis  zum  Berge  Beautemps-Beaupres  (Unakokor  der  Eingeborenen),  eine  Entfernung 
von  kaum  20  Kilometer  in  der  Luftlinie.  Der  Engländer  Littleton  war  übrigens  schon 
1880  bis  zu  diesem  Berge  vorgedrungen  und  sagte  mir,  dass  er  bei  den  Eingeborenen 
Vanokokoro  heisse. 

Blanche-Bai,  schon  in  den  fünfziger  Jahren  von  Walfisch fahrern  besucht,  wurde 
erst  1872  von  Capitän  Simpson  mit  dem  englischen  Kriegsschiff  »Blanche«  aufge- 
nommen.   Mitte  der  siebziger  Jahre  Hessen  sich  einige  wenige  Europäer  ständig  nieder, 

1)  Seitdem  durch  Herrn  von  Schleinitz  genauer  aufgenommen. 


[-1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gq 

und  zwar  auf  Matupi  oder  Henderson  -  Insel,  welche  mit  Mioko  in  der  nahen  Herzog 
Vork-Gruppe  das  Hauptcentrum  des  Handels  des  westlichen  Pacific  bildet,  der  nahezu 
ausschliessend  in  dem  Export  von  Copra*)  besteht.  Im  Ganzen  gibt  es  an  der  Küste 
von  Blanche-Bai  etwa  zwanzig  Stationen,  die  aber  meist  nur  von  einem  Weissen  (7Va- 
der)  besetzt  sind,  der  gegen  Tauschwaaren  Cocosnüsse,  respective  Copra,  von  den  Ein- 
geborenen aufkauft.  Diese  übrigens  sehr  wechselnden  Traderstationen  sind  meist  sehr 
primitive  Häuser,  grösstentheils  vom  Material  des  Landes  (Rohr,  Bambus  etc.)  errichtet 
und  wechseln  ebensosehr  als  die  Besitzer.  An  der  Nordküste  der  Blanche-Bai-Halbinsel 
haben  sich  nur  ein  paar  Traderstationen  halten  können;  die  weiter  westlich  in  Weber- 
hafen müssen  häufig  für  längere  Zeit  wegen  feindseligen  Betragens  der  Eingeborenen  ver- 
lassen werden.  Fast  gleichzeitig  mit  dem  Handel  hat  auch  die  Mission,  und  zwar  die  der 
Wesleyaner  von  Sydney,  inNeu-BritannienFuss  gefasst,  aber  bisher  keine  nennenswerthen 
Erfolge  zu  verzeichnen;  die  Gesammtzahl  der  Getauften  beträgt  2 1 5.  Sie  werden,  wie  die 
Mission  und  die  christliche  Lehre  überhaupt  Loto  genannt,  ein  weit  über  die  Südsee  ver- 
breitetes Wort,  das  wahrscheinlich  vom  englischen  »Lord«  herstammt.  Die  Haupt - 
Missionsstation  ist  in  Port  Hunter  auf  der  Herzog- York-Insel,  ausserdem  je  ein  weisser 
Missionär  in  Kabakadai  an  der  Nordküste  und  einer  in  Blanche-Bai;  die  übrigen  Missionäre 
sind  farbige  Lehrer  (teachers),  meist  Samoaner  und  Vitianer.  Es  gibt  27  Kirchen,  d.  h. 
meist  Hütten  aus  Bambus  mit  Grasdächern,  die  aber  nicht  alle  ständig  von  einem  Missionär 
versehen  werden.  Seit  einigen  Jahren  hat  sich  auch  die  katholische  Mission  in  Nodup  an  der 
Nordseite  der  Blanche-Bai-Halbinsel  niedergelassen.  Hier  wurde  am  18.  Februar  1876 
die  erste  protestantische  Kirche  auf  Neu-Britannien  errichtet,  der  Platz  später  aber  auf- 
gegeben. Die  Heimatskunde  der  Eingeborenen  selbst  reicht  über  das  im  Eingang  mar- 
kirte  Gebiet  nicht  hinaus.  Daran  ist  hauptsächlich  mit  die  grosse  Verschiedenheit  der 
Sprachen  schuld,  der  Mangel  grosser  seetüchtiger  Canus  für  weitere  K.üstenreisen,  sowie 
die  stete  Feindschaft  zwischen  Nachbarstämmen.  Der  Verkehr  ist  also  ein  sehr  be- 
schränkter, aber  durch  regelmässige  Wochenmärkte  der  befreundeten  Dörfer  vermittelt, 
wie  die  Eingeborenen  überhaupt  ausgesprochenen  Sinn  für  Handel  und  Schacher  be- 
sitzen. Littleton,  der  weiter  auf  der  Blanche-Bai-Halbinsel  herumgekommen  war  als 
irgend  ein  anderer  Weisser  bisher,  gab  mir  19  verschiedene  Districte  an.  Ein  besonders 
landeskundiger  Eingeborener  von  Matupi  wusste  dagegen  nur  1 2  Districte  oder  Land- 
schaften zu  bezeichnen,  als  den  äussersten  Birara  an  Cap  Gazelle.  Darüber  hinaus  war 
kein  Matupite  gekommen,  wie  sie  auch  selten  über  die  Berge  an  die  Nordküste  gehen, 
weil  sie  mit  den  dortigen  Bewohnern  meist  in  Fehde  leben.  Einen  CoUectivnamen  für 
die  ganze  Insel  gibt  es  nicht,  die  Bezeichnung  »Birara«  ist  also  ganz  willkürlich. 

A.  Eingeborene. 

Wie  alle  Neu-Britannier  sind  die  Eingeborenen  von  Blanche-Bai  echte  Papuas-) 
oder  Melanesier  und  als  solche  hinsichtlich  ihrer  Lebensweise  vorzügliche  Ackerbauer, 

')  Vergl.  Finsch:  »Ueber  Naturproducte  der  westlichen  Südsee,  besonders  der  deutschen  Schutz- 
gebiete« (Berlin,  1887,  Deutscher  Colonial verein). 

2)  Ausführlich  behandelt  in:  Finsch,  »Anthropologische  Ergebnisse  einer  Reise  in  der  Südsec 
und  dem  raalayischen  Archipel«  etc.  (Berlin,  Asher  &  Co.,  1884),  Seite  52—58.  —  Vergl.  auch:  Finsch, 
»Die  Rassenfrage  in  Oceanien«  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  1882,  Seite  163 — 166). 

Ich  will  hierbei  bemerken,  dass  die  gewöhnliche  Hautfarbung,  welche  ich  mit  »dunkel«  bezeichne, 
«ch  zwischen  Nr.  28  und  29  der  Brocca'schen  Tafel  bewegt,  dass  aber  bei  allen  Papuas  auch  dunklere 
Hauiförbung  (wie  Nr.  27,  35  und  42),  häufiger  aber,  zuweilen  familienweise,  zuweilen  individuell,  eine 
'hellcrec  Färbung  (zwischen  Nr.  29  und  30  bis  31)  vorkommt. 


QO  Dr.  O.  Finsch.  [8] 

die  vorherrschend  von  den  Erträgen  ihrer  Pflanzungen  leben,  die  Küstenbewohner,  wie 
überall,  ausserdem  vom  Fischfange.  Dagegen  kommt  Jagd  kaum  in  Betracht.  Unter 
ihren  moralischen  Eigenschaften  verdient  besonders  der  strenge  eheliche  Verkehr  und 
die  Keuschheit  des  weiblichen  Geschlechts  hervorgehoben  zu  werden.  Ich  habe  nie  eine 
unkeusche  Geberde  gesehen.  Ehebruch  kommt  übrigens  vor  und  kann  unter  Umständen 
dem  Manne  oder  der  Frau  das  Leben  kosten.  Ich  selbst  sah  eine  Frau,  die  bei  einem 
solchen  Falle  Speerstiche  erhalten  hatte.  Gewöhnlich  wird  die  Sache  aber  mit  Diwara 
ausgeglichen.  Kinderliebe  und  Familiensinn  sind  stark  entwickelt,  nicht  minder  pietäts- 
volle Verehrung  der  Todten  beiderlei  Geschlechts,  die  sich  in  Begräbnissen  und  anderen 
besonderen  Festlichkeiten  bekundet  und  zuweilen  zu  einem  förmlichen  Todtencultus 
steigert.  Diebstahl  kommt  im  Ganzen  wenig  vor;  Trunksucht  und  Syphilis  sind  unbe- 
kannt. Selbstverständlich  herrscht  Vielweiberei,  aber  sehr  beschränkt  und  nur  bei  den 
Reichen,  da  eine  Frau  viel  Diwara  kostet.  Die  Frauen  werden  besser  behandelt,  als  es 
sonst  meist  in  Melanesien  der  Fall  ist,  und  dürfen  z.  B.  mit  am  Essen  theilnehmen, 
wenn  auch  im  Uebrigen  eine  grössere  Arbeitslast  auf  ihnen  ruht.  Aber  es  herrscht 
Arbeitstheilung  und  jedem  Geschlecht  fallen  besondere  Verrichtungen  anheim.  Häupt- 
linge gibt  es  sehr  viele  und  jeder  Mann,  der  viel  Diwara  (Muschelgeld)  besitzt,  nennt 
sich  Kjap  (vom  englischen  Captain),  doch  ist  ihre  Macht  meist  eine  sehr  geringe.  Reli- 
gion fehlt.  Dagegen  herrscht,  wie  überall  in  der  Welt,  Aberglaube  und  Geisterfurcht, 
die  in  Blanche-Bai  besonders  in  der  vor  dem  Toberan  gipfelt. 

Heiter  und  fröhlichen  Temperaments,  sind  die  Eingeborenen  auch  gutmüthig  und 
ebenso  gute  Menschen  als  wir.  Der  Hon.  Littleton,  ein  Engländer  aus  hoher  Familie 
und  der  merkwürdigste  Südseebummler,  den  ich  je  kennen  lernte,  machte  ganz  allein 
und  unbewaffnet  weite  Touren  ins  Innere,  bis  zum  Berge  Vanokokoro,  im  District 
Viviren,  und  an  der  am  meisten  verschrieenen  Nordküste,  ohne  dass  ihm  je  ein  Leid 
geschah.  Dabei  war  er,  entblösst  von  allen  Mitteln,  meist  auf  die  Gastfreundschaft  der 
Eingeborenen  angewiesen.  Wenn  ihn  die  Letzteren  schliesslich  dennoch  erschlugen,  so 
hatte  das  eben  seine  besonderen  Gründe  und  war  seine  eigene  Schuld.  Ratulivei,  ein 
samoanischer  Teacher,  unternahm  ebenfalls  ganz  allein  Inlandsreisen  und  der  Rev. 
Brown  wagte  sich  mit  seiner  Nussschale  von  Dampf barcasse  in  Küstengebiete,  wo  er 
oft  von  hunderten  Eingeborenen  umringt  war,  die  nie  einen  Weissen  gesehen  hatten 
und  ihn  mit  Leichtigkeit  tödten  konnten.  Diese  friedlichen  VerhäJtnisse  haben  freilich 
längst  aufgehört  und  Mord  und  Todtschlag  zwischen  Eingeborenen  und  Weissen  sind 
nichts  Seltenes  mehr.  Während  meines  Aufenthaltes  wurden  in  meiner  Nachbarschaft 
allein  fünf  Weisse  erschlagen,  aber  waren  selbst  Schuld  an  diesem  Schicksale.  Wenn  man 
weiss,  dass  Fälle  vorkamen,  wo  ein  Europäer  auf  Anstiften  eines  Andern  von  dafür 
bezahlten  Eingeborenen  ermordet  wurde,  so  kann  man  sich  nur  wundern,  dass  Morde 
nicht  häufiger  passirten,  und  wird  daraus  ersehen,  dass  die  Moral  der  Eingeborenen  durch 
die  erste  Berührung  mit  der  Civilisation  nicht  gerade  glänzende  Vorbilder  erhielt.  Der 
Vergeltungskrieg,  welchen  die  Mission  zur  Bestrafung  für  die  Ermordung  von  vier 
farbigen  Lehrern  1878  in  Scene  setzte  und  der  einer  Menge  Eingeborenen  das  Leben 
kostete,  hat  nicht  wenig  zu  dem  feindseligen  Wesen  beigetragen  und  die  Ausschrei- 
tungen der  Werbeschiffe  in  den  letzten  Jahren  den  Verkehr  mit  den  Eingeborenen 
immer  mehr  erschwert.  Dabei  sind  die  Segnungen  der  Civilisation  und  Mission  ohne 
bemerkbar  günstigen  Einfluss  geblieben  und  CannibaliSIflUS  noch  heute  an  der  Tages- 
ordnung. Ich  selbst  wohnte  am  7.  März  1881  auf  Matupi,  wo  die  Mission  schon  seit 
sechs  Jahren  bestand,  einer  Menschenschlächterei  bei  (vergl.  die  Seite  91  unter  Nr.  5 
citirte   Publication)   und  gehöre  wohl   zu   den  Wenigen,   welche  darüber  aus  eigener 


U{]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Södsee.  n  i 

Anschauung  erzählen  können.  Die  Eingeborenen  sprechen  Weissen  gegenüber  nicht 
gern  von  dieser  abscheulichen  Sitte,  die  ihnen  übrigens,  von  Generation  zu  Generation 
überkommen  und  durch  Usus  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen,  gar  keinen  Abscheu 
erweckt.  Es  ging  deshalb  bei  diesem  »Cannibalenfeste«  durchaus  friedlich  und  ohne 
alle  Aufregung  her,  als  handle  es  sich  nur  um  Schweinschlachten.  Die  Frauen  durften 
nicht  zusehen,  wie  sie  auch  nicht  mitessen  dürfen;  auch  fand  die  Schlächterei  ausserhalb 
des  Dorfes  statt.  Weisse  sind  nachweislich  noch  nie  gegessen  worden,  sondern  nur  Ein- 
geborene, gewöhnlich  die  im  Kriege  erschlagenen  Feinde,  wobei  übrigens  auch  Frauen 
nicht  verschont  werden.  Besondere  Gebräuche  oder  Geräthe  (z.  B.  Gabeln,  wie  früher 
in  Fidschi)  kommen  nicht  in  Anwendung;  auch  gibt  es  keinen  besonderen  Namen  für 
Menschenfresserei.  Eigentliche  Menschenjagden  kommen  in  Neu-Britannien  nicht  vor, 
sondern  es  handelt  sich  meist  nur  um  Blutrache.  Ist  z.  B.  ein  Matupite  irgendwo  an 
der  Küste  erschlagen  und  verzehrt  worden,  so  sucht  man  das  in  derselben  Weise  zu 
vergelten,  wobei  die  Rache  häufig  Unschuldige  trifft.  Diwara  (Muschelgeld)  ist  hierbei 
gewöhnlich  die  mächtigste  Triebfeder,  das  Aufessen  selbst  mehr  nebensächlich. 

Ethnologische  Charakterzüge  für  die  Bewohner  von  Blanche-Bai  sind:  vollkom- 
mene Nacktheit  in  beiden  Geschlechtern,  Mangel  an  Pfahlbauten,  Bogen  und  Pfeil,*) 
geringe  Entwicklung  von  Schnitzarbeiten,  lebhafter  decorativer  Sinn,  Musikliebe,  An- 
fertigung durchbohrter  Steinwaffen  (Keulen),  Todtenverehrung  und  Dugdug. 

Blanche-Bai  war  auch  für  mich  das  Hauptfeld  meiner  Forschungen.  2)  Ich  lebte 
hier,  1880  und  1881,  acht  Monate  und  brachte  grosse,  namentlich  ethnologische  Samm- 
lungen zusammen.  Schon  damals  war  die  Steinzeit  sehr  stark  im  Untergange  begriffen 
und  bei  meinem  zweiten  Besuche  (1884— 1 885)  fast  völlig  erloschen,  gewisse  Gegen- 
stände gar  nicht  mehr  zu  haben.  So  schnell  geht  bei  Naturvölkern  die  Originalität 
durch  den  Einfluss  von  Weissen  verloren,  eine  Erscheinung  die  sich  überall  wiederholt, 
und  welche  die  gleichsam  vom  Untergange  geretteten  Belegstücke  der  Völkerkunde 
um  so  werthvoller  macht. 

Die  im  Nachfolgenden  citirten  Wörter  gehören  der  vocalreichen  und  wohlklin- 
genden Matupi- Sprache  an,  die  für  eine  melanesische  besonders  reich  zu  sein  scheint. 
So  war  ich  erstaunt,  dass  die  Eingeborenen  nicht  allein  fast  für  die  meisten  Vögelarten 
•circa  140)  Eigennamen  besassen,  sondern  auch  viele  Fische,  Schmetterlinge,  ja  Spinnen 
mit  solchen  bezeichneten.  Sie  sind  jedenfalls  sehr  gute  Naturbeobachter.  Uebrigens  ist, 
wie  überall  in  Melanesien,  die  Zersplitterung  der  Sprachen  ausserordentlich  gross.  So 
werden  selbst  in  Blanche-Bai  mehrere  Sprachen  oder  Dialekte  gesprochen. 


*)  Hölzerne  Schilde  kommen  nach  Powell  in  Spacious-Bai  vor  (»Wanderings  in  a  wild  countryc, 
Seite  HO). 

2)  Aus  den  Ergebnissen  derselben  publicirte  ich  bisher : 

1.  »Briefe  aus  Matupi  in  Neu-Britannien«  in:  Zeitschrift  für  Ethnologie,  1880,  Seite  402 — 404. 

2.  »Aus  dem  Pacific.  IX.  Neu-Britannien«  in:  Hamburger  Nachrichten,  Nr.  153,  30.  Juni;  Nr.  154, 
I.Juli;  Nr.  155,  2.  Juli;  Nr.  156,  4.  Juli  1881. 

3.  »Brief  aus  Neu-Britannien«  in:  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin,  Band  XVI 
11882),  Seite  293—306. 

4.  »Bilder  aus  dem  Stillen  Ocean.  2.  Land  und  Leute  in  Neu-Britannien«  in:  Gartenlaube,  1882, 
Nr.  42,  mit  Bild;  »Leichenfeier  in  Neu-Britannien«,  Seite  697. 

5.  »Menschenfresser  in  Neu-Britannien«  in:  Leipziger  Illustrirtc  Zeitung,  Nr.  2107,  17.  November 
1883,  mit  Bild. 

6.  »Ueber  die  ethnologischen  Sammlungen  aus  der  Südsee.  von  Dr.  O.  Fi n seh,  welche  in  Besitz 
vics  kÖnigL  Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin  gelangten,«  in:  Original -Mittheilungen  aus  der  eihno- 
I'jgischcn  Abtheilung  der  königl.  Museen  zu  Berlin,  I.  Jahrgang,  1886  (Heft  2  und  3),  Seite  57—70. 


Q2  Dr.  O.  Finsch.  [lo] 

B.   Körper  an  sputi  und  Bekleidung 

sind  bei  einem  Menschenstamme,  der,  wie  die  Bewohner  von  Blanche-Bai,  und  zwar  in 
beiden  Geschlechtern,  völlig  nackt  einhergeht,  identisch,  denn  der  Erstere  ersetzt  eben 
die  Letztere,  und  von  Bekleidung  in  unserem  Sinne  kann  daher  keine  Rede  sein.  Ein 
Halsstrickchen,  Armband  und  ein  paar  Schnüre  Glasperlen  um  den  Leib  sind  der  ge- 
wohnliche  Ausputz.  Trotz  der  völligen  Nacktheit  sind  die  Eingeborenen  äusserst  decente 
und  keusche  Menschen,  deren  Moralität  als  Beispiel  dienen  und  beweisen  könnte,  dass 
Nacktheit  und  Schamhaftigkeit  sehr  wohl  nebeneinander  bestehen.  Von  Kindesbeinen 
an  ihre  Blosse  gewöhnt,  sind  sie  sich  derselben  zwar  bewusst,  aber  ihre  Schamhaftig- 
keit fühlt  sich  dabei  so  wenig  verletzt  als  bei  bekleideten  Menschen.  Sicher  ist,  dass  die 
Nacktheit  die  Sinnlichkeit  eher  dämpft  als  reizt  und  die  letztere  daher  bei  diesen  Menschen 
sich  viel  weniger  regt  als  gewöhnlich  angenommen  wird. 

Die  engere  Bekanntschaft  mit  der  Civilisation  hat  in  der  Bekleidungs frage  wenig 
geändert.  Ich  sah  die  Eingeborenen  i885  noch  in  demselben  Zustande  der  Nacktheit 
als  drei  Jahre  vorher,  obwohl  viel  Kattun  unter  die  Leute  gekommen  ist.  Sie  betteln 
auch  nach  Zeug  und  Kleidungsstücken,  meist  aber  nur  um  solches  zu  besitzen,  da  ihnen 
das  Tragen  bald  unbequem  wird.  Nur  bei  den  Stationen  sieht  man  zuweilen  bekleidete 
Kanaker,  häufiger  dagegen  solche  in  Lavalava,  d.  h.  einem  Stück  Zeug  von  der  Grösse 
zweier  Taschentücher,  um  die  Lenden  geschlagen;  Lavalavas  sind  daher  ein  gefragter 
Tauschartikel. 

Die  für  dieses  Gebiet  charakteristische  Nacktheit  entspringt  selbstredend  dem  Usus 
und  der  Bedürfnisslosigkeit,  aber  nicht  etwa  dem  Mangel  an  geeignetem  Material,  das 
sich  für  Bekleidungszwecke  hier  ebenso  als  anderwärts  findet.  So  tragen  die  Weiber 
auf  dem  nahen  Mioko  meist  aus  Palmblatt  geflochtene  Schürzchen,  die  man  hin  und 
wieder  auch  auf  Matupi  sieht.  Bei  Regenwetter  pflegen  die  Eingeborenen  Matten 
(Aiding)  über  den  Kopf  zu  halten,  die  auch  als  Unterlage  beim  Schlafen  benützt  werden. 
Kranke  sieht  man  zuweilen  ein  grosses  Stück  Tapa  als  Hülle  gebrauchen,  Körper- 
bedeckung also  nur  dann,  wenn  sich  das  Bedürfniss  darnach  einstellt. 

Die  Fertigkeit,  Tapa,  d.  h.  aus  Baumbast  mittelst  Klopfen  einen  zeugähnlichen 
Stoff  zu  bereiten,  ist  auch  in  Blanche-Bai  wie  in  Melanesien  überhaupt  nicht  unbekannt, 
also  keineswegs  Polynesien  allein  eigenthümlich.  In  Polynesien  benützt  man  den  feinen 
Bast  der  Broussonetia  papyrifera,  in  Blanche-Bai  ein  weit  gröberes  Material,  wahr- 
scheinlich vom  Brotfruchtbaume,  wie  die  folgende  Nummer: 

A  brewo  oder  A  mal ')  (Nr.  2  56,  i  Probe),  Tapa,  von  einem  Baumast  geklopft, 
daher  in  Form  einer  langen  Röhre. 

Solche  Stücke  werden  hauptsächlich  gebraucht,  um  Säuglinge  darin  zu  tragen. 

Ich  füge  hier  zur  Vergleichung  Proben  oceanischer  Tapa  bei,  wovon  die  Sammlung 
einige  charakteristische  Stücke  aufweist,  darunter  solche  mit  aufgedrucktem  Muster: 

Tapa  (Nr.  255,  i  Probe)  aus  dem  Baste  des  Brotfruchtbaumes  von  Pikiram 
(Greenwich-Island),  Carolinen. 

Tapa  aus  dem  Baste  von  Broussonetia  von  Samoa:  Nr.  253  (i  Probe)  sehr 
fein  geschlagen,  gebleicht,  weiss  (heisst  Djapo)\  Nr.  254  (i  Probe)  mit  Anfängen  von 
Mustern  bedruckt  und  Nr.  259,  260  (2  Proben)  in  bunten  Mustern  bedruckt,  wie  Nr.  261 
(i  Probe)  von  der  Insel  Rotumah  und  Nr.  262  (i  Probe)  von  der  Insel  Fotuna. 


»)  Parkinson  (»Im  Bismarck -Archipel«,  Seite  122)  spricht  irrthümlich  von   »Weben«   dieses 
Stoffes,  aber  Weberei  ist  in  ganz  Melanesien  unbekannt. 


[i  i]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  q3 

Wie  z.  B.  in  Hawaii  Tapa  bereits  gänzlich  abgekommen  ist,  so  wird  dies  auch 
bald  im  übrigen  Polynesien  der  Fall  sein  und  damit  eine  eigenthümliche  Eingeborenen- 
industrie vollends  aussterben.  Die  polynesischen  Tapamuster  wurden  bekanntlich  mit- 
telst eigens  dafür  aus  Holz  angefertigter  Matrizen  aufgedruckt;  in  Neu -Britannien  er- 
reicht man  denselben  Zweck  durch  Bemalen,  wie  die  folgenden  Nummern  zeigen: 

A  mal  (Nr.  263,  264,  2  Proben),  Tapa  mit  hübschen  Mustern  bemalt;  Beining. 

Diese  feinere  Art  Tapa  wird  nur  in  den  Beining-  und  Kabaira-Districten  der  Nord- 
küste angefertigt,  hier  aber  auch  nicht  als  Bekleidung,  sondern  nur  bei  Festlichkeiten 
benutzt.  Man  stellt  dann  aus  grossen  Stücken  Tapa  eine  Art  Poncho  her,  indem  man 
einen  Schlitz  hineinschneidet  oder  ein  paar  Löcher  für  die  Arme,  und  in  dieser  Weise 
bedecken  sich  die  Tänzer  damit. 

Die  oft  sehr  geschmackvollen  Muster  in  Roth,  Schwarz  und  Weiss  repräsentiren 
eine  höchst  originelle  Ornamentik,  welche  gegenüber  der  sonstigen  Armuth  an  solcher, 
besondere  Aufmerksamkeit  verdienen. 

Schmuck  und  Zieraten  sind  im  Ganzen  minder  reich  und  mannigfaltig  als  ander- 
wärts, enthalten  aber  immerhin  einiges  Originelle. 

Als  Material  werden  in  erster  Linie  frische,  buntfarbige  Blätter  benützt,  meist 
von  eigens  dafür  cultivirten  Crotons  und  Draceen,  feinfiedrige  Farrenkräuter  (Abunum)y 
ferner  eine  rothe  Art  Schilf  (Akanda,  wie  Nr.  417)  und  die  Samenkerne  von  Coix 
lacryma  {Piuwe)^  Taf.  III  (i),  Fig.  8,  9,  merkwürdiger  Weise  aber  nicht  die  schön 
rothen  Abrusbohnen  (Andiwole),  obwohl  dieselben  überall  wild  wachsen. 

Aus  dem  Thierreich  kommen  hauptsächlich  folgende  Conchylien:  Nassa,  Trochus 
niloticus,  Oliva,  Dentalium  zur  Verwendung,  aber  merkwürdiger  Weise  keine  grossen 
Kegelschnecken  (Conus)  und  kaum  nennenswerth  Perlmutter  oder  Schildpatt  (A  paia- 
pun),  Schildkröten  (A  maiai)  sind  übrigens  sehr  selten  in  Blanche-Bai,  ebenso  Perl- 
schalen. Auch  Tridacna  gigas  wird  hicht  verarbeitet,  und  schon  darin  bekundet  sich  die 
geringere  Entwicklung  künstlerischer  Intelligenz  der  hiesigen  Eingeborenen. 

Zähne  werden  nur  wenig  zu  Zierat  benützt,  solche  von  Menschen  und  Schweinen 
gar  nicht;  Eckzähne  vom  Hunde,  die  sonst  so  beliebt  sind,  nur  untergeordnet,  weil 
Hunde  nur  in  geringer  Zahl  gehalten  werden.  Dagegen  bilden  die  kleinen  Eckzähne, 
'^ngut  genannt  (Taf.  III  [i],  Fig.  16),  ein  äusserst  werthvolles,  für  dieses  Gebiet  charak- 
teristisches Schmuckmaterial.  Diese  Zähne  stammen  von  einem  kleinen,  kaum  katzen- 
grossen  Beutelthier,')  Phalangista  (Cuscus)  orientalis,  welches  bei  seiner  nächtlichen 
Lebensweise  sehr  schwer  zu  erlangen  ist;  ich  erhielt  in  acht  Monaten  nur  zwei  Exem- 
plare. Die  Matupileute  nennen  es  Angirau,  bekommen  es  aber  kaum  zu  sehen  und 
erhalten  die  Zähne  meist  von  der  Nordostküste,  wo  das  Thier  Arum  heisst.  Die  dor- 
tigen Kanaker  wissen,  um  den  Werth  zu  erhöhen,  manchferlei  Fabelhaftes  von  dem 
Arum  zu  erzählen,  der  Menschen  angreifen  soll  u.  s.  w.,  so  dass  die  Matupiten  dasselbe 
fürchten.  Eine  Menge  Angut  soll  übrigens  über  Mioko  von  Neu-Island  eingetauscht 
werden  und  hier  dieses  Beutelthier  häufiger  sein. 

Federn  kommen  im  Ganzen  wenig  in  Betracht.  Das  Feinste,  was  aus  solchen 
gemacht  wird,  sind  die  geschmackvollen  Verzierungen  der  Staatsspeere,  wie  an  Nr.  724, 
und  Federkronen  zum  Ausputz  von  Paradeleichen  Vornehmer.  Auffallend  ist,  dass 
vom  Casuar  nicht  die  eigentlichen  Federn,  sondern  nur  die  fahnenlosen,  hornartigen 
Schäfte  der  Primärschwingen  (vergl.  Nr.  3o2)  zu  Nasenstiften  benützt  werden. 


>)  In  der  unter  Nr.  6  (Seite  91)  citirten  Abhandlung  von   mir  irrthümlich  als  »Delphinzähne« 
'Seite  60)  bezeichnet. 


Q4  Dr.  O.  Finsch.  [12] 

Diese  ohnehin  nicht  zahlreichen  Materialien  zu  Schmuck  und  Zieraten  sind  übrigens 
mehr  oder  minder,  zum  Theil  ganz,  durch  Ambit  (vom  englischen  bead)y  d.  h.  euro- 
päische Glasperlen  verdrängt  worden,  die  in  Menge  eingeführt  sind  und  überall  als 
Tauschmittel  gelten.  Die  gangbarsten  Sorten  sind  kleine  vsreisse  (A  kukurua)^  blaue 
(A  balemdrum)  und  rothe  (Afilja)  Emailperlen,  darunter  die  letzteren  am  werthvollsten. 

Ehe  ich  auf  die  verschiedenen  Schmuckgegenstände  näher  eingehe,  will  ich  hier 
einer  kleinen  Muschel  gedenken,  die,  obwohl  sie  mit  zu  den  Materialien  für  Zierat  zählt, 
doch  vorzugsweise  den  Verkehr  vermittelt  und  im  Sinne  unseres  Geldes  betrachtet  wer- 
den muss.  Es  ist  dies  eine  kleine  Meeresschnecke  (Nassa  callosa  var.  camelus  Martens), 
aus  welcher  das  berühmte  Diwara  (Nr.  628,  i  Probe  aufgereiht)  oder  Muschelgeld  ver- 
fertigt wird,  das  für  Blanche-Bai  und  darüber  hinaus  eine  besondere  charakteristische 
Bedeutung  erlangt  und  mit  dem  Leben  jedes  Einzelnen  so  innig  zusammenhängt  als 
Geld  mit  dem  unseren.  Taf.  III  (i),  Fig.  i  gibt  eine  Darstellung  desselben:  a  die  natür- 
liche Muschel  von  der  Seite,  b  von  unten,  c  verarbeitet,  d.  h.  mit  eingeschlagenem 
Mantel,  wodurch  ein  Loch  entsteht  zum  Aufreihen  auf  dünn  gespaltenes  Rohr  oder 
Rottan  (A  kadai)^  wie  dies  d  zeigt.  So  aufgereiht  wird  das  Diwara  in  der  Form  kleinerer 
und  grösserer  Ringe  aufbewahrt,  die  den  eigentlichen  Reichthum  ausmachen.  Häupt- 
linge sammeln  Ringe  von  der  Grösse  eines  Wagenrades  an,  die  sauber  in  gespaltenes 
Rohr  eingesponnen  sind  und  Tambu  aloloi  (alolei  =  Häuptling)  heissen.  Solche  wer- 
den bei  feierlichen  Gelegenheiten,  namentlich  Begräbnissen,  zur  Parade  ausgestellt,  und 
ich  zählte  zuweilen  20  dieser  enormen  Ringe,  manche  so  schwer,  dass  zwei  Männer 
zum  Tragen  erforderlich  waren. 

Diwara,  für  welches  übrigens  zwei  Stücke  die  Einzahl  sind,  wird  praktischer  Weise 
gemessen,  da  das  Zählen  zu  lange  dauern  würde.  Die  Neu-Britannier  haben  übrigens 
Zahlwörter  von  i  bis  100,  bedienen  sich  aber  am  meisten  der  Fünfzahl  nach  Fingern 
und  Zehen.  Ein  Stück  Diwara  von  der  Spitze  des  Zeigefingers  bis  zum  Ellbogen  heisst 
A  turoaie,  von  der  Fingerspitze  bis  zur  Schulter  A  wiloai,  von  Fingerspitze  zu  Finger- 
spitze, also  die  Klafterung  eines  Mannes,  A  pokorno.  Letztere  kommt  bei  grösseren 
Zahlungen  in  Betracht  und  wird  in  Matupi  meist  Param  genannt,  wie  das  Diwara  selbst, 
ein  corrumpirtes  Wort  aus  dem  englischen /<:i/Äom  (=  Faden  =  Klafter).  Da  auf  einen 
Faden  circa  480  einzelne  Diwara  gehen,  so  erhellt  daraus,  wie  viele  Tausende  zu  einem 
Tambu  aloloi  gehören.  Es  gibt  unter  den  nackten  Wilden  in  Blanche-Bai  also  auch 
Millionäre,  und  Jeder  bemüht  sich  ein  solcher  zu  werden,  denn  wie  bei  uns  verschafft 
Reichthum  Ansehen  und  eine  gewisse  Macht.  Diwara  ist  aber  viel  mächtiger  als  Geld 
bei  uns.  Mit  Diwara  kann  man  in  Blanche-Bai  alles  erreichen;  Ehebruch,  Blutschuld, 
Mord  sühnen;  Fehden  werden  meist  mit  Diwara  geschlichtet  und  darin  die  Kriegscon- 
tribution  der  unterlegenen  Partei  bezahlt.  Auch  die  Kriegsschiffe  strafen,  wie  dies  von  jeher 
der  Fall  war,  in  Diwara  und  damit  etwaige  renitente  Eingeborene  am  empfindlichsten. 
So  sah  ich  beim  Rev.  Brown  einen  colossalen  Tambu  aloloi,  der  als  Kriegsbusse  für  die 
vier  erschlagenen  Fidschi -Tcacher  bezahlt  worden  war.  Für  Mord  eines  gewöhnlichen 
Mannes  wurden  gewöhnlich  5o  Faden  (also  circa  100  Mark)  bezahlt;  für  ein  Schwein  1 881 
6 — 9  Faden  (=  12  —  18  Mark).  Ohne  Diwara  kann  Niemand  eine  Frau  erlangen.  Aeltere 
Knaben  sparen  daher  bereits  eifrig  für  die  Zukünftige,  deren  Preis  je  nach  dem  Range 
der  Eltern  5o — 100  Faden  und  mehr  beträgt.  Weissen  gegenüber  sind  Eingeborene 
übrigens  sehr  zurückhaltend  mit  Diwara  und  geben  es  nicht  immer  im  Tausch  weg. 
Ein  Faden  wird  mit  20  Stück  Tabak  im  Werthe  von  2  Mark  bezahlt,  doch  variirt,  je 
nach  der  Nachfrage,  der  Preis  nicht  unbedeutend.  Diwara  ist  also  wie  Effecten  bei  uns 
Coursschwankungen  unterworfen  und,  was  noch   mehr  überrascht,  Gegenstand  des 


ffV»  Elhnologischc  Errahrungcn  und  Belegstücke  aus  der  SOdeee.  g5 

Wuchers.  Die  braven  «Wilden«  verstehen  sich  nämlich  bereits  darauf  Diwara  gegen 
ZinseD  auszuleihen,  was  die  Bedeutung  desselben  am  besten  illustrirt.  Der  Werlh  des 
Diwara  hat  übrigens  durch  die  eingeführten  Tauschwaren  keinerlei  Einbusse  erlitten. 

Da  die  Nassa  callosa  in  Blanche  -  Bai  lebt,  wo  ich  sie  selbst  erhielt,  liegt  die  Frage 
nahe,  warum  sich  nicht  jeder  nach  Belieben  Diwara  verfertigt?  Das  hat  aber  seine  grossen 
Schwierigkeit ea.  Die  Muschel  lebt,  bewacht  von  der  Furcht  vor  Haifischen,  in  ansehn- 
lichen Tiefen  im  Schlamm,  ist  also  kaum  für  gewöhnliche  Taucher  zu  erlangen;  ich  habe 
nur  wenige  Male  in  geringeren  Quantitäten  Diwara  machen  sehen.  Die  Hauptmasse  des 
Diwara  stammt  jedenfalls,  wie  die  Kanaker  selbst  behaupten,  aus  alter,  längst  vergangener 
Zeil  her,  wo  diese  Leute  noch  intelligenter  und  fleissiger  waren  als  jetzt.  Bei  der  Dauer- 
haftigkeit des  Materials  ist  Diwara  weniger  vergänglich  als  gewisse  Münzen,  aber  es 
bleibt  immerhin  schwer  zu  erklären,  woher  der  Abgang  ersetzt  wird.  Denn  beträcht- 
liche Quantitäten  werden  Todten  mit  ins  Grab  gegeben  und  sind,  wie  ich  aus  Erfahrung 
weiss,  beim  späteren  Ausgraben  der  Gebeine,  behufs  Erlangung  des  Schädels,  als  Münze 
werthlos.  Diwara  wird  übrigens  hauptsächlich  an  der  Nordküstc  gemacht,  wo  die  Ver- 
hältnisse wahrscheinlich  günstiger  und  die  Eingeborenen  noch  Aeissiger  sind.  In 
Blanche-Bai  hat  durch  Einführung  von  Tauschwaren,  namentlich  Glasperlen,  die  Be- 
nützung von  Diwara  zu  Zieraten  bedeutend  nachgelassen  und  für  manche  Stücke  (z.  B. 
Halskragen,  Seite  98,  Nr.  441)  ganz  aufgehört. 

Eine  andere  Art  Muschelgeld,  A  pellä,  aus  kleinen  runden  Muschelplättchen  (ahn- 
lichTaf.  111  [1],  Fig.  4,  von  Neu-Irland)  wird  von  der  Herzog  York-Gruppe  einge- 
Uuscht,  spielt  aber  als  Geld  nur  eine  untergeordnete  Rolle.  Als  solches  dienen  dagegen 
die  Armringe  aus  Trockus  nilottcus  (Lalei,  Nr.  37 1 ,  von  Neu-  Irland). 

Kinder  verfertigen  eine  besondere  Art  Muschelgeld : 

A  kanoare  (Nr.  63i,  i  Probe),  falsches  Diwara  (Taf.  111  [1],  Fig.  2)  aus  Nassa 
vibex  (a  von  der  Seite,  b  von  unten).  In  die  Muscheln  wird  ebenfalls  ein  Loch  ge- 
schlagen, um  sie  in  derselben  Weise  auf  gespaltenen  Rottan  zu  reihen  und  zu  Ringen 
lu  winden  als  Diwara.  Kanoare  dient  aber  nur  zum  Spielen  der  Kinder  unterein- 
ander und  zeigt  bereits  die  Bestrebungen  der  Erwachsenen. 

Doch  kehren  wir  wieder  zu  den  eigentlichen  Ausschmückungen  des  Körpers 
nirück,  unter  denen  Bemalen  obenan  steht  und  zumal  bei  Festlichkeiten  gar  nicht  ent- 
behrt werden  kann.   Zu  den  allenthalben  bei  Naturvölkern  _- 

Flg.  I. 
bekannten  und  benutzten  Farben:  Schwarz,  Weiss  und  Roth 
kommt  hier  noch  Gelb  und  durch  Importation  Blau. 

Die  Art  der  Bemalung  hat  übrigens  ihre  gewissen 
Regeln,  und  meine  neuen  Muster  fanden  z.  B.  keinen  An- 
klang.  Die  mit  am  häufigsten  benutzte  Farbe  ist  Weiss: 

Akabang  (Nr.  623  a,  1  Probe),  so  der  aus  Corallen 
gebrannte  und  pulvcrisirte  Kalk,  wie  er  zum  Betel  gegessen 
wird.  Gewöhnlich  dient  er,  und  zwar  bei  beiden  Ge- 
schlechtern, zum  Einschmieren  des  Kopfhaares,  womit 
schon  beim  Säugling  begonnen  wird.  Die  Männer  bemalen 
äch  auch  das  sorgf^tig  frisirte  Schamhaar  mit  Kalk,  weisse  Eingeborner  von  Blanche-Bai 
Striche  ins  Gesicht  und  mit  Vorliebe  einen  breiten  Längs-  """  N^enschmuck  aus  Glas- 
«rdf  Ober  Brust  und  Bauch.  P"'*"  """  ^-i^htsbemalung. 

Die  nebenstehende  Abbildung  (Fig.  1)  soll  die  Bemalung  eines  jungen  Mannes 
wenigstens  andeuten.  Um  die  Augen,  quer  über  die  Stirn  und  ums  Gesicht  weiss;  über 
liie  Nase  und  quer  über  die  Wangen  blaue  Striche;  um  den  Mund  roth. 


q6  Dr.  O.  Finsch.  [14] 

Schwarz,  A  korrkorr  (=  Trauer)  wird  meist  aus  gebrannten  Cocosnussschalen 
oder  den  Galibnüssen  (Seite  loo,  Nr.  883)  bereitet,  aber  man  benutzt  auch  mineralische 
Stoffe  (wahrscheinlich  Mangan  oder  Eisen).  Wie  überall  in  Melanesien  ist  Schwarz  die 
Trauer  färbe,  mit  der  je  nach  ^er  Wichtigkeit  des  Trauerfalles  das  Gesicht  oder  der 
ganze  Körper  angestrichen  wird.  Frauen  gehen  beim  Tode  eines  grossen  Häuptlings 
oft  wochenlang  in  »Schwarz«.  Besonderen  Trauerschmuck,  wie  z.  B.  in  Neu-Guinea, 
gibt  es  nicht. 

Mit  Schwarz  eingeriebenes  Haar  ist  bei  beiden  Geschlechtern  beliebt  und  nicht 
Zeichen  der  Trauer.  Die  Männer  malen  häufig  die  eine  Seite  schwarz,  die  andere  roth, 
oder  vier  farbige  Felder,  was  sehr  hübsch  kleidet.  Schwarze  Striche  im  Gesicht  dienen 
ebenfalls  als  Zier,  nicht  als  Trauerzeichen. 

Roth,  A  tarr,  ist  die  eigentliche  Fest-  und  Freudenfarbe  und  kommt  sowohl  im 
Gesicht  als  am  Körper  in  Anwendung,  und  weil  am  theuersten,  vorzugsweise  bei 
Männern.  Bei  grossen  Festlichkeiten  sind  sie  zuweilen  am  ganzen  Körper  roth  ange- 
strichen, aber  nicht  wenn  sie  in  den  Kampf  gehen,  denn  es  gibt  keine  Kriegsfarbe.  Roth 
wird,  wie  überall,  mittelst  Glühen  aus  eisenhaltiger  Erde  bereitet,  die  eben  A  tarr 
heisst.  Für  Farbe  hat  man  kein  Wort,  und  das  dafür  angewendete  A  penn  ist  dem 
englischen  paint  (=  Farbe)  entlehnt. 

Gelb,  A  mier,  heisst  eine  Pflanze,  deren  ausgepresste  Blätter  einen  Saft  liefern, 
welcher  schön,  aber  schnell  vergänglich  gelb  färbt  und  nur  für  das  Haar,  namentlich  bei 
Frauen,  verwendet  wird. 

Blau,  Ballemdrum,  ist  eingeführtes  Waschblau  und  wird  zum  Färben  des  Kopf- 
haares, sowie  für  Striche  im  Gesicht  angewendet.  Ballemärum^  wie  auch  blaue  Glas- 
perlen heissen,  ist  übrigens  ebensowenig  der  Name  für  Blau  als  Farbe,  wie  Alimut  für 
Grün;  aber  es  gelang  mir  nicht,  die  Stoffe,  auf  welche  diese  Bezeichnungen  zurück- 
zuführen sind,  ausfindig  zu  machen.  Bemerkt  mag  übrigens  sein,  dass  der  Farbensinn 
der  hiesigen  wie  der  meisten  Eingeborenen  Blau  und  Grün  nicht  immer  unterscheidet. 

Tätowirung,  A  kotto,  welche  sich  übrigens  auf  der  dunklen  Haut  sehr  wohl 
abhebt,  wird,  obwohl  sie  bekannt  ist,  nicht  geübt.  Nur  in  seltenen  Fällen  sieht  man  auf 
Stirn  oder  Wangen  von  Mädchen  ein  Paar  punktirte  Striche,  die  in  der  üblichen  Weise 
eingeschlagen  wurden,  aber  als  Körperschmuck  nicht  in  Betracht  kommen.  Beliebter 
sind  dagegen  als  solcher  Ziernarben,  A  kotto,  die  mittelst  scharfer  Instrumente  ein- 
gerissen werden  und  bei  Wiederholung  der  schmerzhaften  Operation  heller  gefärbte 
erhabene  Male  bilden.  Sie  gruppiren  sich  zuweilen  zu  Figuren,  meist  in  der  Form  eines 
Rades,  und  werden  von  Männern  auf  der  Brust,  von  Mädchen  auf  dem  Hintertheil, 
zuweilen  in  anderem  Muster  auf  dem  Oberschenkel  eingeschnitten.  Solche  Mädchen 
gelten  als  besonders  schön.  Dennoch  ist  diese  Körperzier  sehr  wenig  verbreitet,  wahr- 
scheinlich infolge  der  Schmerzhaftigkeit  und  namentlich  Langwierigkeit.  Gut  ausge- 
führtes A  kotto  muss  mehrmals  wiederholt  werden  und  erfordert  schon  der  Heilung 
wegen  mehrere  Monate  Zeit. 

Ich  gehe  nun  zum  Ausputz  und  den  Zieraten  der  einzelnen  Körpertheile  über. 

Haarschmuck  besteht,  wie  wir  im  Vorhergehenden  gesehen  haben,  besonders  in 
Färben  des  Kopfhaares,  das  schon  von  frühester  Jugend,  ja  fast  von  der  Geburt  an,  mit 
Kalk  behandelt  sich  zu  Zotteln  klumpt  und  eine  blonde  Färbung  erhält.  Im  Uebrigen 
wird  auf  das  Kopfhaar  keine  Pflege  verwendet.  Man  kennt  z.  B.  keine  Kämme  zum 
Aufzausen  desselben,  weshalb  auch  bei  den  hiesigen  Eingeborenen  die  weitabstehende 
Haarwolke  (englisch  mop)  fehlt,  welche  mit  Unrecht  als  charakteristisch  für  das  Papua- 
haar gilt,  weil  sie  nur  infolge  von  Dressur  entsteht.  Grosse  Sorgfalt  verwenden  die  Männer 


[15]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  qy 

auf  das  Barth  aar.  Es  wird  bis  auf  einen  schmalen  Streif  rings  um  das  Gesicht  ausge- 
rissen und  dieser  Streif  weiss,  an  der  Basis  roth  bemalt.  Dasselbe  gilt  in  Bezug  auf  die 
Schamhaare,  welche  bis  auf  zwei  schmale  Längsstreifen  von  der  Penisbasis  an  ausgerissen 
werden.  Frauen  sind  in  dieser  Richtung,  wie  überhaupt,  minder  eitel  als  die  Männer 
und  entfernen  hier  nur  ausnahmsweise  die  Behaarung.  Rasiren  des  Kopfhaares  kommt 
bei  beiden  Geschlechtern  vor,  meist  um  sich  von  den  lästigen  Parasiten,  Aut,  zu  befreien. 

Als  gewöhnlichster  Kopfputz  für  beide  Geschlechter  dienen  bunte  Blätter  oder 
Büschel  Farrenkraut.  Sehr  häufig  findet  man  auch  ein  Endchen  Diwara  im  Haar  ange- 
bunden, um  Kleingeld  bei  der  Hand  zu  haben.  Männer  pflegen  auch  0/iVa-Muscheln 
(Nr.  482,  Seite  98),  einzelne  Hundezähne  und  durchbrochen  gearbeitete,  runde  oder 
ovale  Scheiben  und  Ringe  aus  Nautilus-Muschel,  seltener  Perlmutter,  Kalagi  genannt, 
an  die  Haarzotteln  zu  befestigen,  Weiber  kleine  Bündel  Schweinsborsten. 

Federnschmuck  wird  nur  von  Männern  getragen,  und  zwar  in  den  folgenden 
beiden  Formen : 

Lakur  (Nr.  333,  i  Stück),  runder  Büschel  aus  zerschlissenen  Federn  des  Muar 
'Cacatua  ophthalmica)  und  Hahnenfedern^  A  kakdruk. 

Desgleichen  (Nr.  334,  <  Stück)  aus  zerschlissenen  Cacatufedern  und  einem  langen 
schmalen  Büschel  aus  Hahnenfedern. 

A  kangal  (Nr.  335,  i  Stück),  aus  Hahnenfedern,  an  der  Basis  aus  Schwingen  federn 
von  Papageien  (Trichoglossus  oder  Lorius  und  einigen  gelben  vom  Cacatu). 

Beide  Arten  Kopfputz  werden  im  Haar  festgesteckt  und  vorzugsweise  bei  Fest- 
lichkeiten getragen.  Der  Paradeleiche  von  Häuptlingen  pflegt  man  ein  kronenartiges, 
mit  weissen  Cacatu-  und  Hahnenfedern  besetztes  Gestell  auf  den  Kopf  zu  setzen. 

Stirnschmuck  kommt  nur  bei  Festlichkeiten  in  Gebrauch,  und  zwar  bei  Männern. 
Am  häufigsten  werden  Awub,  eigenthümliche  Wülste  aus  Flaumfedern  des  Haushuhns 
um  die  Stirn  getragen.  Seltener  sind  Stirnbinden  aus  einem  2 — 3  Cm.  breiten  Streif 
Akanda,  das  wie  rothes  Leder  aussieht,  aber  aus  einer  Art  Schilf  oder  dergleichen  be- 
steht (vergleiche  Nr.  417  von  Willaumez).  Diese  Streifen  sind  häufig  mit  etwas  Diwara, 
Angut,  gelben  Cacatufedern,  einigen  Kalagi  (siehe  oben)  und  dünnen  Muschelplättchen 
verziert.   Leichen  Vornehmer  werden  mit  solchen  Stirnbinden  geschmückt. 

Ohrecbmuck  beschränkt  sich  meist  auf  Schnüre  von  Glasperlen,  Martalinga,  die 
namentlich  bei  den  Weibern  Mode  sind,  hie  und  da  mit  ein  paar  Angut  oder  einem 
Hundezahn  und  bietet  nichts  Eigenthümliches. 

Dagegen  findet  sich  origineller  Nasenschmuck,  der  nicht  nur  in  dem  durchbohrten 
Scptum,  sondern  auch  in  den  durchbohrten  Nasenflügeln  getragen  wird.  Männer  be- 
dienen sich  des : 

Bilibagu  (Nr.  3o2,  i  Stück),  Nasenstift  aus  der  ersten  Schwinge  des  Murrup 
fCasuarius  Bennetti),  in  der  Nasenscheidewand,  und  des: 

Aurnäta  (Nr.  3oi,  6  Stück),  Z)ew/j/iMm-Muscheln  (Taf.  111  [i],  Fig.  19),  als  Ver- 
zierung in  die  mit  2 — 3  Löchern  durchbohrten  Nasenflügel.  Längere  Exemplare  dieser 
Muschel  (9 — 10  Cm.  lang)  werden  zuweilen  auch  im  Septum  getragen. 

Aibuta  heisst  ein  Nasenzierat  von  3 — 4  Angut,  die  an  einem  kurzen  Stiele  in  die 
Löcher  der  Nasenflügel  gesteckt  wurden,  aber  wie  der  übrige  eigenthümliche  Nasen- 
schmuck durch  Glasperlen  fast  ganz  verdrängt  ist. 

Am  beliebtesten,  und  zwar  für  beide  Geschlechter  sind  jetzt  Zündhölzchen  mit 
einigen  aufgereihten  Glasperlen,  die  in  die  Löcher  der  Nasenflügel  gesteckt  werden,  oder: 

Ambit(Nr.  3o3,  i  Stück),  Ringe  von  aufgefädelten  Glasperlen  (meist  weissen)  durch 
Nasenflügel  und  Septum,  wie  dies  die  Abbildung  eines  Mannes  Fig.  i  (Seite  96)  zeigt. 


gS  Dr.  O.  Finsch.  [  i  6] 

Halsschmuck.  Unentbehrlich  für  Mann  wie  Frau,  Jung  wie  Alt  ist  ein  Halsstrick- 
chen  aus  einem  gewöhnlichen  Bindfaden,  an  welchem  die  jungen  Leute  ihre  Maul- 
trommel tragen  und  die  auch  zur  Befestigung  von  Schmuck  dient.  Als  solchen  verwendet 
man  gewöhnlich  frische  Blätter,  besonders  die  Abunum  genannten  hübschen  Farren- 
kräuter,  welche,  auch  als  dichte  Halskränze,  im  Festschmuck  beider  Geschlechter  nicht 
fehlen  dürfen. 

A  baul  heisst  ein  Halsband  aus  dreifach  aufgereihten  getrockneten  Knospen  (wohl 
von  Mangrove),  das  aber  nur  gelegentlich  getragen  wird. 

Blumen  und  Federn  finden  als  Halsschmuck  keine  Verwendung,  was  namentlich 
im  Hinblick  auf  die  sonst  so  beliebten  Casuarfedern  besondere  Erwähnung  verdient. 

Für  dieses  Gebiet  eigenthümlich  ist  dagegen  der: 

A  midi  (Nr.  441,  i  Stück),  Halskragen  der  Männer,  welcher  gleichsam  als  Zier 
des  waffenfähigen  Mannes  dient,  übrigens  jetzt  auch  von  Knaben  getragen  wird.  Er 
besteht  in  einem  tellerartigen  oblongen  Geflecht  aus  gespaltenem  Rottan,  mit  einer  Oeff- 
nung,  so  gross  um  den  Kopf  durchzuzwängen,  das,  oben  mit  Glasperlen  besetzt,  unter- 
seits  mit  Kalk  geweisst  ist  und  nur  von  den  Männern  verfertigt  und  getragen  wird.  Von 
der  Fülle  des  Haares  gehalten,  kann  der  A  midi  auch  auf  dem  Kopfe  getragen  werden 
und  kleidet  dann  ähnlich  einer  breiten  losen  Hutkrempe  sehr  originell.  Früher  wurden 
diese  A  midi  mit  Diwara  besetzt,  die  mit  zum  kostbarsten  Schmuck  zählten,  jetzt  aber 
gar  nicht  mehr  zu  haben  sind.  An  dem  hinteren,  nur  2 — 3  Cm.  breiten  Rande  des 
A  midi,  der  mit  rothem  Schilf  oder  Zeug  umwunden  ist,  wird  gewöhnlich  ein  Anhängsel 
befestigt  aus  Schnüren  von  Glasperlen,  Samenkernen  von  Coix,  etwas  Diwara,  einigen 
Hundezähnen  und  ganz  besonders: 

Wuäweo  (A  tobo)  (Nr.  482,  4  Stück),  Klingeln  aus  Oliva  porphyrea.  Die  Spitze 
ist  abgeschlagen  und  abgeschliffen  und  bildet  einen  Querschnitt  wie  die  kleine  Oliva 
carneola  (Taf.  III  [i],  7  a),  nur  dass  derselbe  grösser  ist  und  i — 2  Cm.  misst.  Die 
Manier,  wie  die  Löcher  zum  Befestigen  an  Bindfaden  verfertigt  werden,  verdient  er- 
wähnt zu  werden.  Sie  bestehen  nämlich  nicht  in  eigentlichen  Bohrlöchern,  sondern 
werden  durch  einen  Querschnitt  hergestellt.  Zu  mehreren  zusammengebunden  geben 
diese  Muscheln  durch  die  Bewegung  beim  Gehen  einen  hellen  Ton,  der  häufig  dadurch 
erhöht  wird,  dass  man  einen  Hundezahn,  eine  Dentalium-lAa^chA  oder  Stückchen 
Coralle  als  Klöpfel  befestigt.  Solche  Wudweo  werden  auch  am  Halsstrickchen  oder  im 
Haar  befestigt,  da  die  Kanaker  das  Geklingel  und  Geklapper  besonders  lieben. 

Den  kostbarsten  Schmuck  bilden: 

Angut  (Nr.  479),  Beutelthierzähne,  Seite  g3  (Taf.  III  [1],  Fig.  16),  welche  früher 
bündelweise  an  Schnüren  befestigt  um  den  Hals  getragen  wurden,  jetzt  aber  in  anderer 
Weise  verarbeitet  werden.  Wie  das  Stück  der  Sammlung  (aus  circa  100  bestehend) 
zeigt,  flicht  man  die  Zähne  reihenweise  zusammen  und  benutzt  sie  als  Einsätze  von 
Halsbändern  aus  Glasperlen.  Dieselben  sind  circa  4  Cm.  breit  und  schliessen  den  Hals 
so  fest  wie  eine  Militärhalsbinde.  Sie  werden  noch  mit  allerlei  Anhängseln  (Schnüre 
Diwara,  Glasperlen,  Hundezähnen,  Knöpfen  u.  s.  w.)  verziert. 

Solche  Halsbinden  (A  gurgurüa)  bilden  den  Staatsschmuck  von  Häuptlingen  bei 
grossen  Festlichkeiten  und  sind  nur  in  den  seltensten  Fällen  erhältlich.  Es  gelang  mir 
nur  durch  gute  Bekanntschaft  mit  »King  Dick«  von  Makada,  ein  solches  zu  erstehen,  für 
welches  ich  in  Tauschwaaren  etliche  3o  Mark  bezahlte  und  das  sich  jetzt  im  Berliner 
Museum  befindet. 

Der  Werth  dieses  Materials  findet  in  der  grossen  Seltenheit  des  betreffenden  Thieres 
volle  Rechtfertigung.  Angut  bilden  den  werth  vollsten  Tauschartikel,  gleich  Goldeswerth. 


[i^]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gn 

BrustSChmuck  kommt  kaum  in  Betracht.  Vor  Allem  verdient  das  Fehlen  von 
Kampf-Brustschmuck  der  Männer,  wie  wir  ihn  im  Verfolg  kennen  lernen  werden, 
hcnorgehoben  zu  werden,  für  welchen  allerdings  die  Halskragen  (A  midi,  Nr.  441)  im 
gewissen  Sinne  als  Ersatz  gelten  können. 

Piuwe,  d.  h.  die  aufgereihten  Samenkerne  von  Coix  lacryma  (Taf.  III  [1],  Fig.  8) 
oder  Querschnitte  derselben  (ibid.  Fig.  9)  bildeten  früher  zu  Schnüren  aufgereiht  den 
Staat  der  Weiber,  sind  aber  jetzt  durch  Glasperlen  fast  oder  ganz  verdrängt  worden. 
Letztere  wxrden,  je  nach  der  Wohlhabenheit,  in  vielreihigen  Schnüren  um  Hals  und 
Brust,  auf  letzterer  oft  kreuzweise  getragen  und  machen  jetzt  den  vorherrschenden  und 
gewöhnlichen  Schmuck  aus. 

Armschmuck  bietet  nichts  Eigcnthümliches.  Schmale,  circa  i — 2  Cm.  breite  Bän> 
der  aus  Pflanzenfaser,  A  kinlim  genannt,  oder  ein  gewöhnliches  Strickchen,  sehr  fest 
um  den  linken  Oberarm  geflochten,  sind  ebenso  unentbehrlich  als  die  erwähnten  Hals- 
strickchen.  Sie  dienen  praktischen  Zwecken,  um  unter  diesem  Band  die  Pfeife,  ein  Stück 
Tabak  oder  Diwara  einzuklemmen,  bei  Festlichkeiten  bunte  Blätter.  Feine  Armbänder 
von  Flechtwerk  kommen  nicht  vor  oder  sind  eingetauscht. 

Dagegen  werden  aus  Trochus  niloticus: 

Lalei  (Nr.  370,  i  Stück),  werthvolle  Armringe  verfertigt,  die  mit  zu  den  müh- 
samsten und  kunstvollsten  Arbeiten  zählen. 

Die  beiden  folgenden  Nummern:  Nr.  368  und  369  (2  Stück)  zeigen  solche  L^/e; 
in  den  Anfängen  der  Bearbeitung.  Sie  besteht  im  Wesentlichen  darin,  dass  durch  vor- 
sichtiges Klopfen  der  Spitzentheil  der  Muschel  nach  und  nach  abgeschlagen  wird,  bis 
nur  der  Basisrand  übrig  bleibt,  der  dann  auf  einem  Steine  mit  Wasser  zu  einem  dünnen 
Reif  geschliffen  wird,  wie  ihn  die  Nummern  366  (von  Forestier-Insel)  und  371  und  372 
(Von  Neu-Irland)  zeigen.  Schon  1881  waren  die  zierlicheren  und  feineren  Laieis  von 
Ncu-lrland  sehr  beliebt  und  wurden  vielfach  von  dort  eingetauscht;  seitdem  wird  die 
Kunst  der  Anfertigung  wohl  vollends  verloren  gegangen  sein.  Laieis  werden  mehr  von 
Frauen  als  Männern,  oft  zu  20  bis  3o,  um  den  Oberarm  getragen,  meist  so  fest,  dass 
sie  sich  kaum  mehr  abstreifen  lassen,  und  bildeten  früher  eins  der  werthvoUsten  Tausch- 
raittcl,  das  z.  B.  beim  Ankauf  einer  Frau  unerlässlich  war. 

Aus  7Wrfacn£i-Muschel  geschliffene  Armringe  (A  kagale),  welche  als  seltene  Aus- 
nahme von  einem  Häuptlinge  getragen  werden,  sind  nicht  eigenes  Fabrikat,  sondern 
meist  von  den  Salomons  eingetauscht  und  gelten  als  sehr  kostbar.  Gegenwärtig  werden 
Imitationen  aus  Emailglas  auf  den  Markt  gebracht  und  haben  sich  zum  Theile  Eingang 
verschafft.    Eine  besondere  Art: 

A  papal  (Nr.  397,  i  Stück),  schmaler,  flacher  Armring  aus  Schildpatt  (District 
Luen),  wird  nur  an  der  Nordküste  der  Gazelle-Halbinsel  gefertigt  und  ist  wenig  verbreitet. 

Leibschmuck  ist  kaum  nennenswerth,  denn  das  Strickchen,  welches  fast  jeder 
Kanaker  um  die  Hüften  trägt,  dient  wie  die  Hals-  und  Armstrickchen  praktischen 
Zwecken.  Früher  galten  ein  paar  Schnüre  der  feinen  Muschelscheibchen  (A  pellä) 
«Seite  95)  als  beliebter  Hüftenschmuck,  werden  aber  jetzt  vor»  beiden  Geschlechtern 
durch  Glasperlenschnüre  ersetzt. 

Beinschmuck  kommt  nicht  vor.  Nur  den  zur  Parade  ausgestellten  Leichen  Vor- 
nehmer pflegte  man  das  Fesselgelenk  mit  Diwara  zu  umwickeln,  ebenso  zuweilen  das 
Handgelenk.  Hin  und  wieder  sieht  man  jetzt  an  diesem  Theile  Schnüre  von  Glasperlen 
tragen,  sowie  Fingerringe  von  solchen.  Letztere  sind  auch  in  Metall  eingeführt  worden 
und  bilden  einen  Tauschartikel,  den  die  Eingeborenen  anfangs  durch  Querschnitte  von 
weggeworfenen  Metall-Patronenhülsen  zu  ersetzen  wussten. 

AnoaJen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseuras,  Bd.  UI,  Heft  2,  1888.  8 


6:U054 


lOO  Dr.O.  Finsch.  [,8] 

C  Häuser  und  Siedelungen. 

Wie  erwähnt,  stehen  die  Häuser  (A  pal)  nicht  auf  Pfählen,  sondern  auf  der  Erde 
und  sind  mehr  als  Hütten  zu  bezeichnen,  Jedoch  von  eigenthümlicher  oblonger  Form, 
meist  mit  einer  Spitze  an  jedem  Ende  der  Dachfirste.  Das  Material  zu  den  Häusern  ist 
Ried  oder  Gras,  sowie  grobe  Matten  aus  Cocospalmblatt.  Die  Siedelungen  bestehen  ge- 
wöhnlich aus  mehreren  Häusern,  die  mit  einen  gemeinschaftlichen  hohen  Zaune,  A  liplip, 
aus  Bambu  umgeben  sind,  was  für  dieses  Gebiet  charakteristisch  wird.  Diese  Zäune 
besitzen  eigenthümlich  construirte  Eingänge,  A  motiolaulo.  Die  Dörfer  sind  nicht  gross; 
so  zählten  die  drei  Dörfer  der  Insel  Matupi,  des  bedeutendsten  BevÖlkerungscentrunis 
von  Blanche-Bai,  im  Jahre  1881  600 — 700  Bewohner. 

Grosse  Versammlungshäuser  wie  in  Neu-Guinea  gibt  es  nicht,  wohl  aber  Schuppen 
für  unverheiratete  Männer.  Ebenso  fehlen  Schnitzereien  als  Verzierung  an  den  Häusern, 
die  indess  bei  gewissen  feierlichen  Gelegenheiten  in  anderer  Weise  geschmückt  werden. 
Dabei  finden  ausgeblasene  Eierschalen  häufig  Verwendung,  und  zwar  wie  die  folgende 
Nummer: 

Klau  (Nr.  20,  i  Stück),  Ei  des  Angiok  (Megapodius  eremita). 

Dieses  Scharrhuhn  ist  sehr  häufig,  macht  aber  keine  Bruthaufen  wie  die  ver- 
wandten Arten  Neu -Guineas  (Megapodius  Duperreyi)  und  Australiens  (Megapodius 
tiimulus)y  sondern  gräbt  Höhlen  oder  legt  die  Eier  einzeln  in  ein,  im  schwarzen  Lava- 
sande gescharrtes  Loch,  wo  sie  von  der  Sonne  gezeitigt  werden.  Das  eben  ausge- 
schlüpfte Junge  ist  bereits  befiedert  und  »flugfähig«! 

Aus  solchen  Angiokeiern  werden  im  Verein  mit  Federwülsten,  Awiib  genannt, 
aus  den  weissen  Flaumfedern  vom  Haushuhn  und  bunten  Croton-  und  Draceenblättern 
artige  Guirlanden  verfertigt,  welche  in  der  Decoration  von  Festplätzen  eine  so  hervor- 
ragende Rolle  spielen  und  hauptsächlich  bei  Begräbnissen  zur  Geltung  kommen,  wie 
ich  in  der  unter  Nr.  4  citirten  Abhandlung  (Seite  91)  ausführlich  beschrieb. 

A  bogil  heissen  die  in  Verbindung  mit  Begräbnissen,  aber  auch  freudigen  Ereig- 
nissen errichteten  eigenthümlichen  Erinnerungszeichen,  welche  für  dieses  Gebiet  cha- 
rakteristisch sind.  Sie  bestehen  aus  einem  hohen,  oft  3o  Schritt  und  mehr  langen  Zaune 
aus  gespaltenem  Bambu,  der  mit  bunten  Blättern,  rothbemalten  Cocosnüssen  und  Ba- 
nanenstengeln, Angiokeiern,  Galibnüssen,  Unterkiefern  von  Schweinen  und  zuweilen 
mit  Imitationen  von  Diwararingen  geschmackvoll  ausstaffirt  ist  und  imW^esentlichen  zur 
Erinnerung  an  die  gehaltene  Schmauserei  dient.  In  sinniger  Weise  werden  bei  solchen 
Gelegenheiten  auch  Bäumchen  gepflanzt. 

Auch  die  folgenden: 

A  Galib  (Nr.  883,  i  Probe),  Nüsse  (Früchte  einer  Canarium -Art  aus  der  F'amilie 
Burseraceae)  werden  zur  Ausschmückung  verwendet.  Man  verziert  sie  dann  besonders, 
indem  in  die  noch  weiche  Schale  ein  Muster  gravirt  und  dasselbe  mit  Kalk  eingerieben 
wird,  so  dass  es  von  dem  dunklen  Grunde  scharf  hervortritt.  Galibnüsse,  die  eine  sehr 
harte  Schale  und  einen  angenehm  mandelartig  schmeckenden  Kern  haben,  kommen 
aber  auch  bei  Festen  zum  Essen  körbeweise  zur  Vertheilung,  namentlich  wird  die  Jugend 
damit  regalirt. 

Ackerbau  ist,  wie  erwähnt,  die  Hauptbeschäftigung  der  Eingeborenen  und  liefert 
die  vorherrschenden  Nahrungsmittel:  Yams  (Aup),  Taro  (A  pa),  Bananen  (A  mau), 
süsse  Kartoffel  und  Zuckerrohr  (A  tub).  Die  Cocospalme  (Alema)  wird  ebenfalls  culti- 
virt  und  jeder  Baum  hat  seinen  Besitzer.  Brotfrucht  (A  kapiake)  spielt  im  Haushalt  der 
Eingeborenen  keine  grosse  Rolle;  Sago  ist  ihnen  unbekannt.  Bei  den  Cultivationen  sind 


[iq]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  lOI 

beide  Geschlechter  thätig,  d9ch  fällt  auf  die  Frauen  der  grössere  Antheil.  Besondere 
Geräthschaften,  ausser  zugespitzten  Stöcken,  kommen  bei  der  Bearbeitung  des  Bodens 
nicht  in  Betracht. 

VonThieren  werden  nur  Schweine,  Ambereu,  und  Hunde,  A  pap,  in  beschränkter 
Anzahl  gehalten,  ebenso  Hühner,  A  kakarük,  welche  die  Eingeborenen  aber  nicht  essen. 
Durch  Importation  europäischer  Schweine  sind  diese  Thiere  auf  Matupi  sehr  zahlreich, 
aber  dennoch,  wie  Hühner,  nicht  immer  erhältlich.  An  wilden  Thieren  sieht  man  zu- 
weilen Cacatus,  Muar,  und  Edelpapageien  (Eclectus polychlorus)^  A  kalanger,  gezähmt 
bti  den  Häusern.  —  Jagd  und  Fischerei  wird  im  Verfolg  gedacht  werden. 

D.  Geräthschaften  und  Werk{euge. 

Wie  von  Hausrath  kaum  die  Rede  sein  kann,  so  verhält  es  sich  auch  nahezu  mit 
dem  Kochgeräth.  Die  Bewohner  von  Blanche-Bai  sind  unbekannt  (nicht  wegen  Mangel 
des  Materials)  mit  der  Töpferei,  besitzen  auch  keinerlei  Holzge fasse,*)  Löffel,  Messer 
und  Gabel. 

Als  Schaber  für  Cocosnuss  oder  Taro  bedient  man  sich  beliebiger  Muscheln,  ohne 
weitere  Bearbeitung,  als  Brecher  Knqchenstücke  oder  Holzpflöcke,  als  Messer  scharf- 
kantige Bambuleisten,  mit  denen  sich  selbst  Fleisch  trefflich  schneiden  lässt.  Ich 
habe  damit  noch  1881  Weiber  äusserst  geschickt  und  in  eigenthümlicher,  sehr  prak- 
tischer Methode  Schweine  ausschlachten  sehen,  so  sauber,  wie  es  bei  uns  nicht  besser 
i^eschchen  kann.  Als  Schüssel  und  Teller  dienen  Blätter  meist  von  Bananen  (A  mapinai) 
oder  Brotfruchtbaum  (A  kapiake),  oder  flache  Körbchen  aus  Cocospalmblatt,  die  sich 
schnell  anfertigen  lassen  und  bei  jeder  Mahlzeit  erneuert  werden.  Bei  Festen  werden 
die  Speisen  (z.  B.  gekochte  Bananen  und  Fische)  oft  in  grossen  runden  Körben  aus 
einem  mit  Banane nblätlern  ausgekleideten  Gestell  von  Rottan  (To  parapa)  aufgetragen, 
so  appetitlich  und  hübsch  mit  bunten  Blättern  geschmückt,  dass  sie  eine  Tafel  bei  uns 
zieren  würden.  Jeder  Theilnehmer  hat  sich  inzwischen  ein  Blatt  oder  Körbchen  zurecht 
gemacht  und  empfängt  darauf  seinen  Antheil. 

Als  Wassergefässe  dienen  Cocosschalen  oder  Bambu,  denn  zum  Kochen  ist  ja  hier 
kein  Wasser  erforderlich.  Zwar  werden  alle  Speisen  zubereitet  genossen,  aber  das  geht 
auch  ohne  Töpfe,  und  die  bekannte  Redensart:  »es  wird  überall  mit  Wasser  gekocht« 
findet  auf  Neu-Britannien  und  viele  andere  Südseegebiete  keine  Anwendung.  So  lässt 
sich  z.  B.  in  einer  Düte  von  Bananenblatt  trefflich  Rührei  (von  Megapodius-EiQTn) 
bereiten;  ein  in  ein  Bananenblatt  eingeschlagener  und  auf  heissen  Steinen  gerösteter 
Kisch  wird  sehr  schmackhaft,  und  das  in  einer  Grube  zwischen  Blättern  und  heissen 
Meinen  gar  gewordene  Schweinefleisch  ist  nicht  zu  verachten.  Dies,  oder  einfach  heisse 
Asche  oder  Rösten  über  glühenden  Kohlen,  sind  die  einfachen,  aber  sehr  praktischen 
Kochmethoden  der  hiesigen  Eingeborenen,  die  in  erster  Linie  die  Frauen  beschäftigen. 

Als  das  unentbehrlichste  Geräth  hierbei  dient  ein  langes,  vorne  gespaltenes  Stück 
Bambu,  eine  Art  grosser  Pincette,  mit  welcher  die  glühenden  Steine  und  die  heissen 
Speisen  hantirt  werden  und  mit  der  die  Weiber  sehr  geschickt  umzugehen  verstehen. 

Gegessen  wird,  ausser  den  genannten  Vegetabilien ,  welche  die  Hauptnahrung 
liefern,  eigentlich  Alles,  was  kreucht  und  fleucht.  Meeresthiere,  wie  Muscheln,  Dinten- 
^sche,  sind  ebenso  beliebt  als  grosse  Käferlarven  oder  Warneidechsen  (Monitor); 
Schlangen  werden  nicht  gegessen. 


»)  Das  im  Katalog  des  Museum  Godetfroy  (Seite  76)  erwähnte  ist  sicher  nicht  aus  Neu-Britannien. 

8* 


I02  Dr.  O.  Finsch.  [^ö] 

Merkwürdigerweise  sind  gewisse  Thiere  koscher,  aber  nur  für  die  Männer,  jedoch 
nicht  für  alle;  und  zwar  Schweine,  Kängurus  {Aukin)  und  für  manche  auch  Haifisch 
(A  mong)  und  Menschenfleisch.  Solche  Männer  werden  als  »Marewot«  bezeichnet, 
wozu  aber  auch  schon  Knaben  gehören  können.  Frauen  sind  nicht  »Marewot«  und 
ihnen  fällt  bei  den  Festlichkeiten  das  Schweinefleisch  meist  allein  zu. 

Salz  ist,  wie  wohl  in  der  ganzen  Südsee,  unbekannt. 

Die  Sammlung  enthält  zwei  der  wichtigsten  Haushaltungsgeräthe,  die  einzigen, 
welche  ich  überhaupt  kennen  lernte. 

A  kua  (Nr.  5o,  i  Stück),  Feuerreiber  (Taf.  IV  [2],  Fig.  9  und  10). 

Dieses  Instrument  ist,  wenigstens  auf  Matupi,  nicht  mehr  im  Gebrauch  und  durch 
schwedische  Zündhölzer,  die  ein  beliebterTauschartikel  sind,  vollständig  verdrängt  worden. 

Das  Feuerreiben  geschieht  auf  folgende  Weise : 

Mit  dem  kurzen,  zugespitzten,  16  Cm.  langen  Holzstifte  (Fig.  10)  wird  unter 
kräftigem  Aufdrücken  in  der  Rille  des  grösseren,  25  Cm.  langen  Holzstückes  (Fig.  9) 
nicht  allzuschnell  hin-  und  hergerieben.  Es  entsteht  dadurch  ein  feiner,  schwarzer 
Mulm,  der  schon  nach  20 — 40  Secunden  zu  rauchen  anfängt.  Unter  wiederholtem  Ab- 
setzen fängt  dieser  Mulm  in  circa  3 — 4  Minuten  an  zu  glimmen,  in  geschickter  Hand  in 
kaum  I  Minute.  Der  glimmende  Zunder  wird  in  trockene  Blätter  geschüttet  und  diese 
mittelst  Schwenken  in  Brand  gesetzt.  Ich  habe,  mit  der  Uhr  in  der  Hand,  beobachtet, 
dass  ein  Mann  in  25  Secunden  auf  diese  Weise  Feuer  erzeugte,  mich  aber  vergeblich 
bemüht,  es  ihm  nachzumachen. 

A  mamarau  (Nr.  5i,  i  Stück),  Stampfer  aus  Stein,  ohne  besondere  Bearbeitung. 
Dient  zum  Zerstampfen  von  Taro,  Fruchtkernen  (z.  B.  von  der  Brotfrucht);  gewöhn- 
lich werden  Steine,  wie  sie  sich  gerade  finden,  verwendet. 

Gewerbskunde  ist  wenig  entwickelt.  —  Mattenflechten  beschränkt  sich  nur  auf 
grobes  Flechtwerk  (Aiding)  aus  Cocospalmblatt  zum  Hausbau  oder  als  Unterlage  zum 
Schlafen.  Strickarbeiten  kommen  nur  für  Netze  (vergl.  Nr.  i65)  zur  Verwendung,  aber 
nicht  zu  Beuteln,  wie  sie  sonst  allenthalben  in  Melanesien  üblich  sind. 

Korbflechterei.  Die  F'rauen  bedienen  sich  flacher,  viereckiger  Körbe  (A  rat)  an 
einem  Bande  über  den  Vorderkopf  getragen,  so  dass  der  Korb  auf  dem  oberen  Theile 
des  Rückens  ruht.  In  dieser  Weise  tragen  sie  auch,  meist  von  den  Plantagen  heim- 
kehrend, Lasten. 

Eine  besondere  Art  feiner  Körbe,  zum  Aufbewahren  von  allerlei  Kleinigkeiten, 
werden  dagegen  an  der  Nordküste  verfertigt  und  sind  das  Beste  in  diesem  Genre,  wie 
die  folgende  Probe  zeigt: 

Aem  (Nr.  114,  i  Stück),  feiner  Korb  aus  gespaltenem  Rottan;  District  Beining. 

Bei  dem  Mangel  von  Netzbcuteln  ist  für  die  Männer  unentbehrlich: 

A  Lokopit  (Nr.  107,  i  Stück),  Armkorb  aus  Cocosblatt,  um  darin  die  nothwcn- 
digsten  Kleinigkeiten,  vor  Allem  Betelnüsse,  Kalk,  etwas  Muschelgcld  (Diwara),  Bind- 
faden oder  dergleichen  zu  verwahren.  Der  Träger  steckt  den  Arm  durch  das  Loch,  so 
dass  der  Korb  fast  bis  zur  Schulter  kommt. 

Dies  führt  zu  den  Genussmitteln,  unter  denen  nur  Tabak  und  Betelnuss  bekannt, 
aber  für  beide  Geschlechter  und  von  frühester  Jugend  an  fast  unentbehrlich  sind.  Der 
Tabak  (Tobacco)  ist  wahrscheinlich  erst  durch  Europäer  eingeführt  worden,  und  zwar 
wird  ausschliessend  amerikanischer  Stangen tabak  {Twist,  Nr.  642^)  begehrt.  Er  steht 
als  Tauschmittel  im  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  obenan  und  ist  gleich  Münze  zu 
betrachten.  Früher  (1881)  war  ein  Stück  Tabak  der  Taglohn,  jetzt  verlangen  die  Ein- 
geborenen schon  werthvoUere  Dinge,  wie  Kattun,  Messer  u.  dgl.  Ein  besonderes  Rauch- 


r2|l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  lo3 

geräth  kennt  man  nicht  und  europäische  Thonpfeifen  sind  überall  eingeführt  und  ein 
gangbares  Tauschmittel. 

Betel  (A  buoi)y  d.  h.  die  Frucht  der  Betelpalme,  Areca  (A  potnur),  wird  in  der 
üblichen  Weise  mit  pulverisirtem  Kalk  und  den  Blättern  (Ai-ertulum)  oder  Blüthen 
iAi-er)  eines  Pfefferstrauches  gegessen.  Betelnüsse  wie  Kalk  bilden  ebenfalls  Tausch- 
artikel, von  denen  der  letztere  in  folgender  Originalverpackung: 

A  gaga  (Nr.  892),  i  Säckchen  aus  Blättern  mit  aus  Corallen  gebranntem  Kalk 
{Akabang)j  unter  den  Eingeborenen  in  den  Handel  kommt.  Ein  solches  Säckchen  mit 
Kalk  wird  mit  6  Stück  Diwara  bezahlt. 

Zum  Aufbewahren  des  Kalkes  bedient  man  sich  nur: 

A  waun  (Nr.  893,  i  Stück),  viereckiges  Täschchen  aus  Pandanusblatt. 

Kalebassen')  und  Spatel  (sogenannte  Kalklöffel),  die  in  Neu -Guinea  häufig  zu 
Kunstgegenständen  werden,  sind  unbekannt;  zum  Aufbrechen  der  Bctelnuss  benutzt 
man  gewöhnliche  Knochen-  oder  Muschelstücke. 

Werkzeuge.  Mit  dem  Untergange  der  Steinzeit  ist  auch  das  hervorragendste  Geräth 
desselben,  die  Steinaxt,  verschwunden  und  sowohl  in  Matupi,  wie  an  der  Küste  durch 
eiserne  verdrängt  worden.  Schon  1880  konnte  ich  keine  vollständige  mit  Stiel  versehene 
Steinaxt  mehr  erhalten  und  gebe  deshalb  die  Abbildung  einer: 

Steinaxt  von  Neu-Hannover  (Taf.  IV  [2],  Fig.  3),  im  Besitz  des  k.  k.  natur- 
historischen Hofmuseums  in  Wien,  welche  mit  solchen  aus  Neu -Britannien  ganz  über- 
einstimmt. Zu  dem  Holzstiel,  Aruge  (a),  wird  ein  passendes  rechtwinkliges  Aststück 
gewählt  und  an  diesem  mittelst  eines  Geflechtes  aus  gespaltenem  Rottan  (b)  die  Stein- 
klinge (c)  festgebunden.   Letztere  zeigen  die  folgende  Nummer: 

Arium  lua,  Airam  (Nr.  12,  4 Stück),  Steinklingen,  (Taf.  IV  [2],  Fig.  i  und  2  Längs- 
durchschnitt), und  zwar  in  der  gewöhnlichen  Grösse.  Das  Material  ist  ein  harter  schwärz- 
licher Diabas  und  grüner  Quarzit,  von  dem  man  passende  Rollsteine  auswählte  und 
diese  zurecht  schliff.  Grössere  Steinaxtklingen  als  1 2  Cm.  lang  und  8  Cm.  breit  habe  ich 
nicht  gesehen,  solche  aus  Muschel  (wie  Nr.  120,  Taf.  IV  [2],  Fig.  4,  von  der  Nordwest- 
küste) niemals;  1884  waren  überhaupt  keine  mehr  zu  haben. 

An  sonstigen  Werkzeugen  wurden  früher  nur  spitze  Muscheln,  Terebra  oder 
\fitra,  Ago  genannt,  zum  Bohren  und  Steine  oder  Holzstücke  zum  Hämmern  benutzt. 
Raspeln  aus  Rochenhaut,  die  sonst  überall  vorkommen,  sah  ich  nicht. 

WafTen.  Die  landesüblichen  Waffen:  Wurfspeer,  Schleuder  und  Keulen,  sind  durch 
Feuergewehre  bereits  ziemlich  verdrängt  worden  und  auf  Matupi  wenig  mehr  in  Ge- 
brauch. Im  Jahre  1881  gab  es  nur  vereinzelte  Musketen  (A  Market)  und  der  Besitz 
einer  solchen  war  der  höchste  Wunsch  jedes  Kanaker.  Drei  Jahre  später  verlangte  man, 
hauptsächlich  infolge  des  verderblichen  Verkehrs  mit  Arbeiterwerbeschiffen  (Labour- 
tradern)j  bereits  Hinterlader  (Snider  Rifles)^  und  mit  solchen  traten  die  Eingeborenen 
wiederholt  den  bewaffneten  Mannschaften  von  strafenden  Kriegsschiffen  gegenüber. 
Feuerwaffen  sind  inzwischen  im  deutschen  Schutzgebiet  verboten  worden,  haben  aber, 
was  ausdrücklich  hervorgehoben  zu  werden  verdient,  die  Fehden  der  Eingeborenen 
untereinander  unblutiger  gemacht.  Die  Neu-Britannier  sind  weder  Jäger  noch  grosse 
Krieger  und  ihre  Kampfweise  sucht  das  offene  Gefecht  zu  vermeiden,  so  lange  es  angeht. 
Dagegen  liebt  man  hinterlistige  Ueberfälle,  wobei  wehrlose  Weiber  nicht  geschont 
werden.  Im  Ganzen  verlaufen  alle  diese  Fechtereien,  bei  denen  viel  Geschrei  die  Haupt- 


')  Die  im  Katalog  des  Museums  Godeffroy  (Seite  75)  erwähnten  stammen  wahrscheinlich  von  den 
Admiralitäts- Inseln,  von  wo  solche  nicht  selten  durch  Handelsschiffe  miti^ebracht  werden. 


I04  Dr.  O.  Finsch.  [22] 

rolle  spielt,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  weiss,  ziemlich  unblutig.  Es  handelt  sich 
gewöhnlich  um  ein  oder  ein  paar  Opfer,  die,  wo  es  angeht,  mitgeschleppt  und  daheim 
verzehrt  werden.  Mit  Diwara  schliesst  man  Frieden,  löst  für  solches  die  Körper  er- 
schlagener Freunde  ein,  um  sie  zu  begraben,  oder  bezahlt  damit  Schmerzengeld  an  Ver- 
wundete, wovon  ich  selbst  Zeuge  war.  Blutrache  und  Weiberraub  sind  die  gewöhnlichen 
Ursachen  zum  Kriege.  Unter  den  Waffen  nehmen  Wurfspeere  die  erste  Stelle  ein,  und 
schon  die  Jugend  übt  sich  im  Gebrauche  derselben,  zunächst  als  Spiel  und  mit  dünnen 
Rohrstäben.  Die  Speere  sind  ausnahmslos  aus  hartem  Holz,  meist  Palmholz,  gefertigt, 
lang  und  schwer  und  zeichnen  sich  durch  den  Mangel  von  Zahnkerben  und  Widerhaken 
an  der  Spitze  aus.  Vor  der  letzteren  ist  der  Speer  gewöhnlich  etwas  verdickt  und  verläuft 
dann  in  die  glatte,  schlanke  Spitze.  Das  Fussende  des  Speeres  ist  häufig  verdickt  und 
wie  ein  Arm-  oder  Schenkelknochen  ausgearbeitet,  auch  mit  wirklichen  von  Casuar 
oder  Mensch  verziert,  was  im  Verein  mit  Umwicklung  von  rothgefärbtem  Schilf  und 
Muschelgeld  (Diwara)  für  die  Speere  Neu-Britanniens  charakteristisch  ist.  Schnitzerei 
fehlt  an  denselben;  dagegen  werden  sie  häufig  roth  und  weiss  bemalt.  Die  Tragweite 
von  Wurfspeeren  werden  wir  in  der  F'olge  bei  Neu -Irland  kennen  lernen. 

Die  Sammlung  enthält  die  vorzüglichsten  Typen  von  Sp6er6n  in  den  folgenden 
Stücken: 

Aluraket  (Nr.  730,  i  Stück),  Wurfspeer,  262  Gm.  lang,  rund,  glatt;  die  gewöhn- 
lichste im  Kampfe  gebrauchte  Sorte. 

A  pupungo  (Nr.  725,  726,  727,  3  Stück),  240 — 292  Cm.  lang;  wie  vorher,  aber 
an  der  Basis  mit  einem  Federbüschel  verziert,  meist  aus  rothen  und  gelben  Flügel- 
federn von  Papageien  (Trichoglossus  Massenae  und  subplacens)  und  weissen  Hahnen- 
federn, die  vorzugsweise  beliebt  sind. 

Eine  andere  Art  Speere,  bei  denen  sich  die  Federverzierung  an  5o  Cm.  und  weiter 
erstreckt,  heissen  Vivivawoan. 

Akut  (Nr.  729,  I  Stück),  schwerer  Speer,  252  Cm.  lang,  an  der  Basis  in  einen 
Knochen  ausgeschnitzt,  der  weiss  bemalt  ist. 

Lauka  (Nr.  728,  i  Stück),  schwerer  Speer,  209  Cm.  lang,  mit  einem  wirklichen 
Knochen  vom  Menschen  (Oberarm)  an  der  Basis. 

Am  häufigsten  werden  die  Schenkelknochen  des  Morrup  (Casuarius  Bennetti) 
benützt,  aber  auch  solche  von  Menschen,  die  aber  nicht  von  erschlagenen  Feinden, 
sondern  Anverwandten  herrühren,  deren  Gebeine,  des  Schädels  halber,  nach  circa 
Jahresfrist  ausgegraben  werden.  Solche  Speere  mit  Menschenknochen  heissen  Aur 
(=  Knochen). 

Burunga  werden  schwere  Speere  mit  knaufartiger  Verdickung  vor  der  Spitze  und 
verdicktem  abgesetzten  Basistheile  genannt; 

Lemtina  solche,  bei  denen  die  Basis  in  einer  knopfartigen  Verdickung  endet. 

Eine  besondere  Art  Speer  ist  der: 

A  Pulepän  (Nr.  724,  i  Stück),  Staatsspeer,  244  Cm.  lang,  an  der  Basis  mit  65  Cm. 
langem,  runden,  reichen  Federknauf,  über  Bambus  geflochten,  zu  unterst  zwei  rothe 
Ringe  (von  Lorius  hypoenochrous),  die  einen  grünen  Ring  (von  Geoffroyus  oder  Pti- 
lopus)  einfassen,  dann  folgt  ein  konisches,  langes  weisses  Stück  (von  Haushühnern  und 
Cacatua  ophthalmica),  das  oberseits  von  einem  schwarzen  Rande  (wohl  Haushuhn  oder 
Eudynamis)  begrenzt  wird,  an  den  sich  ein  gelber  Ring  aus  Cacatuhaubenfedern  an- 
schliesst;  das  äusserste,  dicke,  an  3o  Cm.  lange  Ende  besteht  aus  rothen,  gelben  und 
schwarzen  Federn  (Flügelfedern  von  Trichoglossus  Massenae  und  Trichoglossus  sub- 
placeus). 


m 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegsiäckc  aus  der  Südsec. 


loS 


Si-hkuder  von  Blnnche-Bai, 
NLU-BriMnnien,  (<  i) 


Schlcudcrstein 
Blanche-Bai,   Nou- 
Briiannien.  pl3) 


Diese  Speere  dienen  nicht  zum  Kampfe,  sondern  nur  bei  feierlichen  Gelegenheiten, 
namentlich  Begräbnissen  von  Häuptlingen.  Man  gibt  dann  der  in  sitzender  Stellung 
zur  Parade  ausgestellten  Leiche  gewöhnlich  einen  solchen  Speer  in  die  Hand  {vergl, 
die  unter  Nr.  4  citirte  Abhandlung,  Seite  91). 

Eine  sehr  gebräuchliche  und  weit  gefährlichere  Angriffswaffe  als  der  Wurfspeer 

ist  die  Schleuder. 

Awaije  (Nr.  832,  1  Stück),  Schleuder  (Fig.  2).  Sie  besteht  aus  einem  dichten, 
festen  Polster  aus  Baumblatt  oder  Bast,  an  deren  Enden  zwei  dünne,  feste  Schnüre 
von  je  r2oM. Länge  befestigt 
sind,  von  denen  die  eine  in 
eine  Schlinge,  die  zweite  in 
einen  Knoten  endet. 

Dazu  gehört  der: 

Ali1ia(von  likai  —  wer- 
kn)  (Nr.  833'),  Schleuder- 
stein (Fig.  3).  Man  benutzt  als 
solche  gewöhnliche  imWasser 
rundgeschliffene  Rollsteine. 
Die  grössten  haben  5'  «  Cm. 
Durchmesser. 

Schleudersteine  werden 
beim  Kampfe  in  Körbchen 
getragen,  und  wie  die  Speere, 
von  den  Knaben  den  Männern 
?.ugeschleppt. 

Die  Hantirung  der 
Schleuder  zeigt  Fig.  4.  Der 
Schieuderer  streckt  zunächst 
die  Schnüre  rückwärts  über  den  Nacken  klafternd  aus,  damit  jede  Hälfte  genau  dieselbe 
Länge  hat.  Dann  hält  er  mit  der  wagrecht  ausgestreckten  Linken  zwischen  Daumen 
und  Zeigefinger,  die  Schleuder  mit  dem  Steine  und  spannt  die  Schnüre  mit  der  Rechten 
an,  wobei  die  Schnur  mit  dem  Knoten  zwischen  den  Daumen  und  Zeigeünger  gehalten, 
während  die  mit  dem  Schlingenende  um  den  Mittelfinger  geschlungen  wird.  Plötzlich, 
die  linke  Hand  loslassend,  schwingt  der  Schleuderer  den  Stein  mit  dem  Polster  hori- 
zontal über  seinem  Kopfe  und  entsendet  dann  mit  scharfem  Rucke  das  Geschoss.  Es 
lliegt  mit  Geräusch  und  so  grosser  Vehemenz,  dass  es  Einem  Arm  oder  Bein  zer- 
schmettern, ja  einen  Mann  niederzustrecken  vermag. 

Die  Bewohner  von  Blanche -Bai  wissen  die  Schleuder  vorzüglich  zu  handhaben, 
aber  es  war  nur  Zufall,  wenn  Powell')  einen  Vogel  auf  100  Schritt  treffen  sah.  Aller- 
dings fliegt  ein  Schleudcrstein  wohl  i5o  Schritt  weit,  aber  er  weicht  dann  gewöhnlich 
ab,  und  schon  deshalb  ist  es  nicht  räthlich  Zuschauer  bei  einem  Kampfe  der  Einge- 
hirenen  zu  spielen,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  weiss.  Einer  der  besten  Schleuder- 
'icrfer  von  Matupi  war  der  Häuptling  Totem,  den  ich  zwölfmal  hintereinander  auf 
<:irca  3o  Schritt  (nach  Schätzung)  einen  Palmstamm  treffen  sah.  In  der  Hand  eines 
solchen  Meisters  wird  die  Schleuder  in  der  That  zu  einer  gefährlichen  Waffe. 


lo6  Dr.  O.  Finsch.  [24] 

Schleudern  kommen  übrigens  immer  mehr  ausser  Gebrauch,  ebenso  Keulen,  die 
früher  zu  den  gewöhnlichsten  Waffen  gehörten  und  von  denen  mehrere  Arten  unter- 
schieden werden.    Eine  der  feinsten  Sorten  repräsentirt  die  folgende: 

Pakul  (Nr.  766,  i  Stück),  Keule  aus  hartem  Holz,  i  -4  M.  lang,  an  beiden  Enden 
flach  und  ruderartig  (i3  Cm.)  verbreitert. 

Diese  Art  Keulen  werden  zuweilen  in  der  Mitte  mit  gespaltenem  Rohr  übersponnen. 

Die  gewöhnlichsten  Arten  sind:  PalaububUy  ein  flaches,  oben  4 — 5,  am  unteren 
Ende  6  —  7  Cm.  breites  Stück  Hartholz,  wie  eine  Latte,  und  der  Dirimbirika,  ein  runder, 
häufig  an  dem  einen  Ende  spitz  zulaufender  Kampfstock  von  1 73  M.  Lunge  und  4—6  Cni. 
Durchmesser.  Alle  diese  Holzkeulen  und  Knüppel  sind  ohne  Schnitzerei  und  werden 
höchstens  mit  Flechtwerk,  Schnüren  mit  Diwara  und  gelegentlich  Blättern  und  Cacatu- 
federn  verziert. 

Sehr  eigenthümlich  sind  dagegen: 

Palau  (Nr.  763,  764,  765,  3  Stück,  Taf.  IV  [2],  Fig.  5,  6),  einfache,  runde,  nach 
unten  spitz  zulaufende  Stöcke  von  Hartholz,  die  mit  einem  durchbohrten  runden  Stein- 
ring bewehrt  sind  und  somit  eine  wuchtige  Schlagwaffe  abgeben,  Fig.  5  zeigt  den  Stein- 
knauf von  der  Seite  mit  a  dem  Bohrloch,  ferner  den  Stock,  der  oben  7  cm,  vorragt  und 
stumpf  abgeschnitten  ist,  unten  1*20  M.  lang  in  eine  stumpfe  Spitze  ausläuft;  Fig.  6  zeigt 
die  Hälfte  eines  Steinknaufcs  von  oben:  a  das  Bohrloch,  dasselbe  rundum  einfassend 
eine  Verzierung  aus  Diwara,  auf  einen  schwarzen  Kitt  aufgeklebt. 

Diese  Palau  gehören  schon  wegen  ihres  isolirtcn  Vorkommens  mit  zu  den  inter- 
essantesten Erzeugnissen  der  melancsischen  Steinzeit,  denn  sie  finden  sich  meines  Wissens 
in  ähnlicher  Weise  nur  noch  an  der  Südostküste  von  Neu -Guinea  wieder.  Die  von 
Powell  (1.  c.  S.  161)  abgebildeten  Steinkculen  stammen  jedenfalls  von  dort  und  nicht 
von  Blanche -Bai  her. 

Die  an  derselben  Stelle  beschriebene  F'abrikationsweise  der  Steinringe  mittelst 
Tropfen  von  Wasser  auf  den  glühend  gemachten  Stein  ist  mit  grosser  Vorsicht  aufzu- 
nehmen. Wahrscheinlich  werden  oder  wurden  die  Bohrlöcher,  in  ähnlicher  Weise  wie 
dies  in  Neu-Guinea  geschieht,  mit  anderen  Steinen  ausgepickt  und  geschliffen,  aber  ein 
zuverlässiger  Beobachter  hat  wohl  nie  Gelegenheit  gehabt,  dies  zu  sehen.  Diese  Palau 
werden  verschwunden  sein,  ehe  man  über  die  Anfertigung  noch  genau  unterrichtet  ist, 
denn  sie  sind  jetzt  schon  so  selten,  dass  ich  i885  keine  mehr  erlangte. 

Ebenfalls  im  Untergang  begriften  ist  eine  andere,  für  Blanche -Bai  eigenthümliche 
Art  Waffe,  die  Streitaxt,  Aibane,  welche  erst  nach  Einführung  eisener  Aexte  erfunden 
wurde  und  sich  aus  der  flachendigen  Holzkeule  (wie  z.  B.  Nr.  766,  oben)  entwickelte. 
Schon  aus  diesem  Grunde  beansprucht  sie  besonderes  Interesse.  Man  befestigte  eine  der 
gewöhnlichen  Beilklingen,  wie  sie  unter  dem  Namen  »Fan-tail  hatchct«  in  den  Handel 
kommen  und  35—40  Pf.  kosten,  an  eine  besondere  Art  Stiele: 

Arram  (Nr.  775,  776,  128  Cm.  lang,  2  Stück),  wovon  Taf.  VI  (4),  Fig.  10  eine 
Darstellung  des  breiten,  mit  etwas  Schnitzerei  und  Malerei  verzierten  Endes  (von  Nr.  775) 
gibt.  Blau  findet  hierbei  häufig  Anwendung,  ist  aber  von  Europäern  erhandeltes 
Waschblau.  Als  weitere  Verzierung  des  Stielknaufes  dienen  Schnüre  mit  Diwara, 
Glasperlen  und  zuweilen  Schweinsborsten.  Gewisse  Kerben  in  diesen  Axtstielen  be- 
zeichnen häufig  die  Zahl  der  Kämpfe,  welche  sie  mitmachen  halfen,  aber  nicht  immer 
die  Erschlagenen. 

1881  gehörte  Aibane  noch  mit  zu  den  Hauptwatfen  in  Matupi  und  jeder  Mann 
von  Ansehen  trug  eine  solche  bei  sich,  1884  sah  ich  kaum  eine  mehr,  sie  waren  aus  der 
Mode,  fast  jeder  Kanaker  besass  eine  Muskete,  die  Häuptlinge  Snider-Rifles. 


[25]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  107 

Wie  erwähnt  kommen  in  Blanche -Bai  Bogen  und  Pfeile  nicht  vor,  und  ich  will 
noch  hinzufügen,  dass  auch  Schilde  und  Knochendolche  fehlen. 

Jagd.  Wie  in  ganz  Melanesien  der  Mangel  an  Wild  keine  Jägerstämme  ermög- 
lichte, so  die  Thierarmuth  Neu-Britanniens,  welches  im  Ganzen  nur  circa  26  Arten 
Saugethierc  (darunter  17  Arten  Flugthiere)  besitzt,  im  Besonderen.  Wildschweine  und 
eine  kleine  Art  Känguru  [Macropus  lugens  Sei.),  Aiikin,  sind  die  einzigen  grösseren 
Säugethiere,  die  aber  nicht  zur  Jagd  reizen,  da  sie  von  den  Eingeborenen  nicht  gegessen 
werden.  Schlingen-  und  Fallenstellen  ist  unbekannt,  und  man  begnügt  sich  mit  der  gele- 
gentlichen Erbeutung  fliegender  Hunde  (Pteropus)y  AnganaUy  des  Among  (Beuteldachs, 
Perameles  doreyanus),  des  Angirau  (Arum,  Phalangista  orientaUs)y  sowie  der  übrigen 
kleinen  Säuger.  Casuare  (Murriip)  werden  nicht  gejagt.  Seit  Einführung  von  Schiess- 
gewehren haben  sich  einzelne  Kanaker  auf  die  Jagd  von  verwilderten  Schweinen  ver- 
legt, um  solche  an  Schiffe  zu  verkaufen. 

Kommt  somit  Jagd  kaum  in  Betracht,  so  spielt  eine  um  so  wichtigere  Rolle  im 
Leben  der  Eingeborenen  die  Fischerei,  welche  mit  zu  den  hauptsächlichsten  Beschäf- 
tigungen zählt  und  einen  nicht  unbedeutenden  Theil  der  Nahrung  liefert.  Man  bedient 
sich  dazu  vorzugsweise  der  Netze  und  Uschkörbe. 

Als  Material  zu  den  Netzen  wird: 

Amakum  (Nr.  142,  i  Probe),  die  Faser  einer  Schlingpflanze  verarbeitet,  welche 
getrocknet  und  dünn  gespalten,  mit  der  angefeuchteten  Hand  auf  dem  Schenkel  zu 
Bindfaden  (Akuare)  von  verschiedener  Dicke  und  Güte  gedreht  wird,  eine  Arbeit, 
die  beide  Geschlechter  verstehen,  die  aber  vorherrschend  dem  weiblichen  überlassen 
bleibt.  Dagegen  werden  die  Netze  selbst  nur  von  Männern  gestrickt,  und  zwar  bedient 
man  sich  dazu  als  Filetnadeln  dreier  dünner  Stäbchen  (Avinajare)  aus  den  Rippen  der 
Blattfaser  des  Blattes  der  Cocospalme,  auf  welche  der  Faden  gewickelt  wird. 

Die  Netze  sind  natürlich  von  sehr  verschiedener  Grösse,  oft  so  kolossal,  dass  die 
Männer  eines  ganzen  Dorfes  gemeinschaftlich  an  denselben  arbeiten.  Mit  grosser  Mühe 
kaufte  ich  ein  solches  von  circa  600  Fuss  Länge,  denn  es  war  Gemeindeeigenthum  und 
wurde  nur  weggegeben,  weil  es  anfing  schadhaft  zu  werden.  Mit  solchen  Netzen  wird, 
wie  bei  den  russischen  Artells,  gemeinschaftlich  gefischt  und  der  Fang  getheilt.  Die  oft 
in  ungeheuren  Schwärmen  in  Blanche-Bai  vorkommenden  Makrelen  bilden  das  Haupt- 
object  des  Fischfanges,  der  nur  im  stillen  W^asser  von  Baien  und  Buchten  betrieben 
wird.   Kleine  Netze,  höchst  sinnreich  in  ein  Blatt  eingewickelt,  wie  das  folgende 

Aubene  (Nr.  i65,  i  Stück),  Fischnetz  in  Originalverpackung,  sind  ein  Tausch- 
artikel der  Eingeborenen  unter  sich. 

Die  Fischnetze  haben  übrigens  Stücke  leichten  Holzes  als  Schwimmer,  Diwai 
(=  Holz),  angebundene  Steine,  Awat  (=  Stein),  dienen  als  Senker. 

Die  gebräuchlichsten  Fischkörbe  {A  wup  genannt),  meist  von  bedeutender  Grösse, 
oft  über  3  M.  lang,  in  Form  wie  grosse,  walzenförmige  Ballons,  werden  sehr  geschickt 
aus  gespaltenem  Bambu  und  Rottan  gefertigt.  Sie  werden  an  zwei 'schweren  Steinen 
verankert,  und  mit  einem  Stück  Baumstamm  oder  Bündeln  dicker  Bambu  als  Buoje 
Aumbar)  versehen,  Abends  ausgelegt  und  am  frühen  Morgen  aufgeholt.  Sie  liegen 
oft  ein  paar  englische  Meilen  von  der  Küste  in  beträchtlich  tiefem  Wasser  und  sind 
häufig  durch  an  der  Buoje  befestigte  Stangen  markirt.  Als  Tau  (Kwola)  dient  ein 
Rottan. 

Aumut  heisst  eine  sinnreiche  Fischfalle  in  Form  eines  konischen  Körbchens 
aus  einem  Schlinggewächs  mit  rückwärts  gekrümmten,  sehr  scharfen  Dornen.  Am 
Boden  dieses  mit  Schwimmer  und  Senker  versehenen  Fischereigeräths  wird  ein  kleiner 


lo8  Dr.  O.  Finsch.  [^61 

Fisch  als  Köder  befestigt.    Indem  nun  ein  Raubfisch  mit  dem  Kopf  in  den  Korb  fährt, 
um  die  Beute  zu  erlangen,  bleibt  er  mit  den  Kiemen  an  den  Dornen  hängen. 

A  h'iihr,  Fischspeere,  aus  einem  2  —  3  M.  langen  Bambu  mit  einem  Kranz  von 
5 — 7  eng  zusammengebundenen  spitzen  Holzstacheln,  sind  sehr  gebräuchlich.  Der 
Speer  wird  deshalb  aus  Bambus  gefertigt,  damit  er  nicht  untersinken  kann. 

A  bia  heisst  auf  den  Herzog  York-Inseln  ein  besonderes  Fischgeräth,  eine  Hai- 
rassel,*)  die  mir  sonst  noch  auf  Trobriand  und  Teste-Insel  vorkam.  Es  ist  dies  ein  Reifen 
von  Bambu,  an  welchen  querdurchgeschnittene  Cocosschalen  aufgereiht  sind,  welche 
beim  Bewegen  ein  klapperndes  Geräusch  hervorbringen  und  dadurch  den  Hai  anlocken. 
In  Blanche-Bai  scheint  diese  Rassel  schon  deshalb  nicht  üblich,  weil  für  die  Marewot 
auch  Haifischfleisch  koscher  ist;  sie  heisst  hier  wie  der  Hai  Among. 

Fischhaken  sind  im  Ganzen  wenig  im  Gebrauch  und  bereits  stark  durch  eiserne 
verdrängt,  aber  sehr  eigenthümlich,  wie  die  folgende  Nummer  zeigt: 

Aibo  (Nr.  154,  i  Stück),  Fischhaken  (Taf.  IV  [2],  Fig.  11);  sehr  spitzer  Haken 
aus  dem  Rückenstachel  (Ageo)  eines  Fisches,  der  durch  feinen  Bindfaden  befestigt  ist, 
welcher  gleich  in  die  Fischleinc  ausläuft. 

Fischhaken  aus  Schildpatt  und  Perlschale,  wie  sie  Powell  (1.  c,  Seite  178)  abbildet, 
sind  mir  niemals  vorgekommen.  Der  im  Katalog  des  Museums  Godetfroy  (Seite  66) 
angeführte  Angelhaken  aus  Perlmutter  ist  von  den  Salomons. 

Zum  Betriebe  der  Fischerei  sind  CanuS  erforderlich,  welche  mit  zum  Reichthum, 
namentlich  der  Häuptlinge,  gehören.  Sie  bestehen  aus  einem  ausgehöhlten  Baumstamme 
und  erhalten  durch  den  hohen  schnabelförmigen  Aufsatz  an  beiden  Enden  eine  für 
Blanche-Bai  und  die  Herzog  York-Gruppe  eigenthümliche  Form,  welche  die  folgende 
Nummer 

Avange  (Nr.  178,  1  Stück),  Modell  eines  Canu,  veranschaulicht.  Obwohl  von 
Eingeborenen  angefertigt,  ist  es  nicht  correct,  z.  B.  im  Verhältniss  zur  Höhe  zu  kurz 
und  sollte  statt  mit  zwei  Querstöcken,  an  welchen  der  Auslegerbalken  (Hamen)  be- 
festigt ist,  mit  sechs  versehen  sein.  Die  weissangemalten  Aestchen  dienen  nur  als  Ver- 
zierung, die  hauptsächlich  in  Bemalung  besteht  und  bei  welcher  kein  Schnitzwerk-) 
Anwendung  findet.  Nur  selten  (z.  B.  beim  Dugdug-Canu)  sind  an  den  senkrechten 
Aesten  und  Stäben  des  Auslegergestells  sehr  rohe  bildliche  Darstellungen  von  Vögeln, 
häufig  dagegen  Federschmuck  angebracht,  meist  aus  weissen  Flaumfedern  vom  Haus- 
huhn (Auipub),  Das  Canu  selbst  wird  weiss,  zuweilen  mit  etwas  bunter  Verzierung 
bemalt.  Das  oft  copirte  Bild  bei  Powell  (1.  c,  Seite  168),  jedenfalls  nach  einem  solchen 
Modell  entworfen,  gibt  eine  sehr  unrichtige  Vorstellung.  Die  Dimensionen  eines  sehr 
grossen  von  mir  gemessenen  Canus  waren  folgende:  Länge  10 '/o  M.,  Breite  in  der 
Mitte  54  Cm.,  Tiefe  67  Cm.  Der  Auslegerbalken  (Balancier),  welcher  das  Umschlagen 
übrigens  keineswegs  verhindert,  wie  meist  irrthümlich  angenommen  wird,  wurde  von 
14  Querstangen  gehalten.  Kleine  Canus  (A  natineik)  sind  so  schmal,  dass  man  nicht 
beide  Füsse  nebeneinander,  sondern  voreinander  hineinsetzen  muss.  Im  Ganzen  gehören 
die  Canus  von  Blanche-Bai  zu  den  minder  kunstvollen.  Aus  sehr  leichtem  Holz  gebaut 
und  lotterig  zusammengebunden,  sind  sie  leicht  vergänglich.   Nach  dem  Gebrauch  hält 


1)  Die  besondere  Art,  welche  Powell  (1.  c,  Seile  274)  abbildet,  und  die  von  ihm  hier  beschriebene 
Methode,  Haifische  zu  fangen,  habe  ich  niemals  gesehen  oder  davon  gehört;  die  Eingeborenen  von  Blanche- 
Bai  fürchten  sich  vielzuschr  vor  dem  Hai,  um  sich  auf  so  gewagte  Experimente  einzulassen,  und  fangen 
den  Hai  an  Haken. 

2)  Die  Localitätsangabe  >Neu-Bntannien«  für  die  im  Katalog  des  Museums  Godeflfroy  (Seite  64) 
beschriebenen  »Boots Verzierungen«  sind  jedenfalls  irrthümlich. 


[2^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsec.  109 

man  sie  daher  an  Land  und  bedeckt  sie  sorgfältig  mit  Matten,  weil  das  Holz  in  der 
Sonnengluth  leicht  platzt.  Segel  besitzen  diese  Canus  nicht  und  werden  nur  mit 
Schlechten  Rudern  (Paddeln),  die  sich  durch  keinerlei  Schnitzerei  oder  dergleichen  aus- 
zeichnen, fortbewegt.  Sie  eignen  sich  daher  nur  zu  kürzeren  Fahrten  längs  der  Küste, 
Jic  sich  höchstens  bis  Mioko,  eine  Entfernung  von  1 7  Seemeilen,  erstrecken. 

Die  Fertigstellung  eines  Canus  gibt  Gelegenheit  zu  einer  Festlichkeit  der  Männer, 
wobei  viel  Geschenke  (namentlich  Diwara)  vertheilt  werden  und  der  ich  noch  1 88 1  auf 
Malupi  beiwohnte.  Die  Canus  wurden  damals  bereits  mit  eisernen  Werkzeugen  gear- 
beitet und  werden  jetzt  wahrscheinlich  kaum  mehr  gemacht. 

E.  Musiky  Tani  und  Todtenverehrimg, 

Musik,  soweit  von  solcher  bei  einem  Naturvolke  überhaupt  die  Rede  sein  kann, 
steht  bei  den  Bewohnern  von  Blanche- Bai  auf  einer  besonders  hohen  Stufe  der  Ent- 
\Nicklung  und  wird  für  dieselben  ethnologisch  charakteristisch.  Neben  Lärminstru- 
menien  zum  Taktschlagen  gibt  es  solche,  auf  denen  wirkliche  Melodien  hervorgebracht 
werden,  deren  Wiedergabe  in  Noten  aber,  trotz  der  anscheinenden  Einfachheit  derselben, 
sehr  schwierig  ist.  Auch  in  der  Musik  konnte  ich  bei  meinem  letzten  Besuch  (i885) 
den  erheblichen  Verfall  an  Originalität  beobachten.  Von  den  circa  i3  verschiedenen 
Instrumenten,  welche  ich  1881  noch  sammelte,  waren  nur  noch  einzelne  im  Gebrauch 
und  bereits  durch  eiserne  Maultrommeln,  Blechpfeifen  und  Mundharmonikas  verdrängt. 
Die  nachfolgenden  Nummern  der  Sammlung  enthalten  die  hervorragendsten  Instrumente 
aus  der  guten  alten  Zeit. 

Blasinstrumente.  Am  weitesten  und  wohl  über  die  ganze  Südsee  verbreitet 
ist  die : 

A  taburu,  Tawur  (Nr.  597,  i  Stück),  Muscheltrompete  aus  einem  grossen  Tritons- 
horn  (Triton  tritonis),  in  deren  obere  Mündung  ein  Loch  geschlagen  ist,  in  welches  ge- 
blasen wird.  Sie  gibt  einen  weithin  hörbaren,  dem  Hirschruf  ähnlichen  Ton  und  dient 
nicht  als  Kampfruf,  wie  dies  meist  angenommen  wird,  sondern  bei  besonderen  Gelegen- 
heiten. So  verkündet  man  den  Tod  eines  Häuptlings,  die  Ankunft  von  Canus  u.  s.  w. 
mit  der  Muscheltrompete,  die  nicht  als  Musikinstrument  dient.  Auch  beim  Austreiben 
von  Krankheiten  wird  sie  zum  Lärmmachen  benützt. 

Ein  wirkliches  Musikinstrument  ist  dagegen  die  Rohrflöte,  A  kauf\  der  stete  Be- 
gleiter der  Männer,  auf  welchen  sie  zwar  einfache,  aber  ganz  artige  Weisen  hervorzu- 
bringen wissen,  die  namentlich  Abends  sehr  angenehm  tönen.  Die  Rohrflöte  besteht 
aus  einem,  selten  zwei  dünnen  Bambu  (=  A  kaur)  von  etlichen  20  bis  etlichen  60  Cm. 
Unge.  Am  oberen  Rande  (Taf.  V  [3],  Fig.  5)  ist  gewöhnlich  eine  rundliche  Kerbe  ein- 
geschnitten, in  welcher  der  Spieler  die  Unterlippe  ansetzt,  am  unteren  Ende  meist  ein 
bis  zwei  Schalllöcher  zum  Fingern.  Die  Rohrflöten  werden  öfters  mit  hübschen  ein- 
gebrannten oder  eingeritzten  Mustern  verziert,  die  mit  zu  den  besten  Kunstleistungen  der 
hiesigen  Eingeborenen  gehören.  Die  Haupttypen  enthält  die  Sammlung  in  folgenden 
Stucken: 

A  kaur  (Nr.  58o,  1  Stück),  Rohrflöte  (Taf.  V  [3],  Fig.  5),  48  Cm.  lang,  mit  fein 
eingravirtem  Muster  (ohne  Löcher  zum  Fingern). 

A  kaur  (Nr.  582,  i  Stück),  Rohrflöte  aus  zwei  Röhren. 

»        (>58i,i      »),         »         glatt  mit  zwei  Löchern. 

>  (  >    583,  I      »    ),         »         mit  zierlichem  eingebrannten  Muster. 

>  (  >    584,  I      »    ),         »         glatt,  sehr  dünn. 


I  lO  Dr. O.  Finsch.  [28] 

Panflöten,  wie  eiserne  Maultrommeln  und  Mundharmonika  ebenfalls  A  kaur 
genannt,  sind  bei  den  Männern  weniger  gebräuchlich,  übrigens  ganz  so  wie  solche  von 
Neu-Irland  (Taf.  V  [3],  Fig.  4). 

Sehr  verbreitet  ist  dagegen  die 

Hangap  (Nr.  585,  i  Stück),  Maultrommel,  ein  sehr  sinnreich  erfundenes  Instru- 
ment. Es  besteht  (vergl.  Taf.  V  [3],  Fig.  i,  2,  3)  aus  einem  circa  20  Cm.  langen,  flachen 
Stück  Bambu,  das  nach  unten  spitz  zuläuft,  hier  zusammengebunden  ist  und  in  der 
Mitte  durch  zwei  feine  Längsschnitte  in  eine  Zunge  gespalten  wird.  Seitlich  derselben 
ist  häufig  ein  feines  Muster,  wie  Fig.  2,  eingravirt;  durch  das  Loch  am  breiten  Ende 
ist  ein  Bindfaden  befestigt;  hier  werden  häufig  als  Schmuck  Federbüschel  (meist  zer- 
schlissene Federn  von  Centropus  und  Eudynamis)^  Blätter  und  aufgereihte  Samenkerne 
(von  Coix  lacrymd)  angebracht.  Die  Methode  des  Spielens  erläutert  Fig.  3.  Der  Spieler 
drückt  mit  den  Fingerspitzen  der  Linken  das  spitze  Ende  des  Instruments  sanft  an  die 
etwas  geöffneten  Zähne  und  zupft,  indem  er  Luft  ein-  und  ausathmet,  mit  der  Rechten 
an  dem  Bindfaden,  wodurch  die  Zunge  ähnlich  wie  bei  unseren  Maultrommeln  vibrirt 
und  brummende  und  summende  Töne,  aber  keine  eigentliche  Musik  hervorbringt. 

Diese  Art  Maultrommeln  war  früher  sehr  häufig  und  namentlich  bei  jungen 
Leuten  beliebt,  welche  man  beständig  eine  solche,  am  Halsstrickchen  im  Nacken  befestigt, 
bei  sich  tragen  sah.    1884  war  es  damit  vorbei,  ebenso  mit  dem  folgenden  Instrument: 

A  wuwu  (=  Wind,  Luft)  (Nr.  591,  2  Stück),  Blasekugel  (Taf.V  [3],  Fig.  7).  Die- 
selbe besteht  aus  einer  innen  hohlen,  kugelförmigen  Fruchtschale,  in  der  Grösse  einer 
grossen  Aprikose,  in  welche  vier  runde  Löcher  eingeschnitten  sind.  In  das  grössere 
Mittelloch  wird  mit  den  zugespitzten  Lippen  geblasen,  auf  den  drei  kleineren  Löchern 
gefingert,  wodurch  einige  Töne,  aber  keine  eigentliche  Melodie  entsteht. 

Das  A  wuwu  wurde  nur  vom  weiblichen  Geschlecht  gespielt,  besonders  auf  dem 
Wege  nach  den  Plantagen. 

Schlaginstrumente,  die  keine  eigentliche  Melodie  hervorbringen,  sondern  meist 
zum  lärmenden  Taktschlagen  dienen,  waren  früher  (1880)  mannigfach  vertreten,  werden 
aber  gegenwärtig  durch  Blechgefässe  ersetzt,  welche  sich  (von  der  Sardinenbüchse  bis 
zum  Blechkasten  für  Petroleum  oder  Biscuit)  überall  bei  den  Stationen  der  Weissen 
finden  und  den  Zweck  mühelos  effectvoller  erfüllen.  Früher  gebräuchlich  waren: 

Belalialia  (Nr.  590,  i  Stück),  Nautilusmuschel,  die  wie: 

A  tidirr  (Nr.  589,  i  Stück),  flaches  Stückchen  Bambu,  mit  einem  kurzen  Stöckchen 
geschlagen,  einen  hellen  Klang  geben.  Letztere  wurden  bei  den  Gesängen  der  Weiber, 
Angära,  zum  Taktschlagen  benutzt,  die  sich  dazu  auch  über  einen  Meter  langer  Stücke 
Bambu,  Abua,  bedienten,  mit  welchen  auf  den  Boden  gestampft  wurde. 

Ein  in  seiner  Art  sehr  vervollkommnetes  und  für  Blanche -Bai  eigenthümliches 
Schlaginstrument  repräsentiren  die  folgenden  Nummern: 

Angramut  (Nr.  595,  596,  2  Paar),  Schlaghölzer  (nebst  zwei  Paar  Schlägeln). 

Sie  bestehen  aus  zwei  yb  Cm.  bis  i  M.  langen  und  circa  i5  Cm.  breiten,  flachen, 
seitlich  sanft  abgerundeten  Stücken  Hartholz,  die  an  den  Enden  im  Feuer  gehärtet  und 
ungleich  lang  sind,  weshalb  sie  verschieden  tönen. 

Der  Angramutspieler  (Fig.  5)  macht  zunächst  ein  Loch  in  den  Sand,  über  welches 
er  sich  mit  ausgespreizten  Beinen  setzt,  wodurch  in  sinnreicher  Weise  Resonanz  ent- 
steht; er  legt  dann  die  beiden  Schlaghölzer  quer  über  seine  Schenkel  und  bearbeitet  sie 
mit  zwei  kurzen,  runden  hölzernen  Schlägeln.  Das  Angramut  klingt  wie  unsere  Holz- 
instrumente, und  geschickte  Spieler  wissen  grosse  Abwechslung  in  diese  nicht  übel 
tönende  Trommelei  zu  bringen. 


[■9l 


Ethnologische  Erfahrunsen  und  Belefiatücke  aus  der  SQdeee. 


Auf  der  oberen  Seite  des  Angramut  ist  eine  flache  Vertiefung  ausgehöhlt,  welche 
Aleane  {=  Vulva)  heisst,  weshalb  das  Instrument  für  Weiber  labu  ist  und  von  solchen 
par  nicht  gesehen  werden  darf.  Es  wird  meist  erst  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  gespielt, 
und  die  Männer  suchen  damit  ihren  Schönen  zu  gefallen.  Die  Exemplare,  welche  ich 
taufte,  wurden  mir  stets  sorgfältig  in  Blatter  eingehüllt  oder  am  Abend  gebracht.  Auch 
diese  Art  Schlaghölzer  werden  bald  gUnzlich  abkommen. 

Mit  Eidechsenhaut  von  Monitor  (A  palei)  überspannte  Holztrommcln  (A  kudu) 
In  der  weit  verbreiteten  sanduhrförmigen  Form,  wie  wir  sie  in  Neu-Guinea  kennen 
lernen  werden,  waren  früher  üblich  und  wurden  von  beiden  Geschlechtern  zur  Be- 
gleitung der  sogenannten  Tänze,  Malänkene,  mit  der  Hand  geschlagen.  Sie  sind  meist 
glatt  oder  nur  mit  sehr  un-  p. 

bedeutender  Schnitzerei  ver- 
ziert, die  keinerlei  künstle- 
rische Bedeutung  hat. 

Sehr  selten  sind  grosse, 
schwere  Holztrommeln,  eben- 
falls Angramut  genannt,  wo- 
vonTaf.V{3),  Fig.8  und  8a 
Abbildungen  geben.  Solche 
Holztrommeln  sind  nur  im 
Besitze  von  Häuptlingen  und 
bestehen  aus  einem  an  i  M. 
langen  und 40-5o Cm. hohen, 
länglichrunden  Stammstuck, 
seillich  mit  rohen  Handhaben, 
und  werden  gewöhnlich  roth 
oder  weiss  bemalt.  Oben  ist 
ein  Schlitz  und  hier  das  Instru- 
ment ausgehöhlt.  Es  wird  mit 
einem  ^^un,  einem  circa  i  M. 
langen  Bambu  geschlagen,  und 

Zwarinder  Weise,  dass  der  Schläger,  neben  dem  Instrument  knieend,  den  Stock  durch  die 
linke  Hand  gleiten  und  auf  die  etwas  unterhalb  des  Schlitzes  befindliche  Stelle  nieder- 
fallen lässt.  Dieses  Instrument  ist  tabu  und  schon  bei  der  Anfertigung  herrschen  ge- 
wisse Gebräuche.  So  wird  z.  B.  jedes  Spänchcn  sorgfältig  aufgehoben  und  verbrannt; 
Jie  Verfertiger  dürfen  ihre  Weiber  nicht  besuchen  u.  s.  w.  Das  Instrument  dient  überall 
nj  Signalen  der  verschiedensten  Art,  ruft  die  Männer  zu  Festlichkeiten  oder  zum  Kampf, 
verkündet  Todesfälle,  dient  hauptsächlich  zu  Todtenklagen  und  ist  in  der  Stille  der 
Nacht  sehr  weit  hörbar.  An  der  Seite  ist  zuweilen  eine  Erhöhung  mit  einem  Schlitz, 
Fig.  8a,  geschlitzt,  welche  ebenfalls  Aleane  (—  Vulva)  heisst.  Derartige  Signaltrom- 
meln finden  sich  weit  über  Neu-Guinea,  ja  ganz  Melanesien  verbreitet. 

Saiteninstrumente  kommen  bei  den  Völkern  der  Südsee  wohl  überhaupt  kaum 
vor.  Wenigstens  lernte  ich  nur  eines')  kennen,  welches  nur  von  den  Weibern  von 
Blanche- Bai  gespielt  wurde  und  für  dieses  Gebiet  eigenthünilich  ist,  wie  die  folgende 
Nummer  zeigt; 


Angramutschläger  v 


n  Blancbe-Bai,  Neu-Britanr 


')  Sehr  ähnlich  scheint  das 
^tiber  von  Treaaury-lsland, 


n  Guppy  (iThe  Solomon-Ulands<  Seile  14z)  « 


Dr.  O.  Finsch. 


[3o] 


Pangolo  (Nr.  576,  1  Stück),  Saiieninstrument  {Fig.  6).    Dasselbe  besteht: 

a)  aus  einem  circa  60^ — 70  Cm.  langen,  im  Feuer  gehärteten,  etwas  gekrümmten 
Stock,  der 

b)  mit  zwei  Saiten  aus  Bindfaden  bespannt  ist,  von  denen  die  eine 

c)  durch  eine  Schlinge   mit  dem  Stock   verbunden  ist  und  dadurch  loser  und 
straffer  gespannt  werden  kann. 


Die  Spielerin  setzt  den  Bogen  mit  e 
umen  der  Linken  die  eine  Saite  und  spielt  i 


Fiif.  G. 


1  Ende  an  die  Lippen,  spannt  mit  dem 

nittclst  einen  kurzen  dünnen  Stäbchens 

mit  der  Rechten  auf  den  Saiten,  die 

nur  einen  sehr  leisen  Ton,  ahnlich  einer 

kleinen  Kindergeige,  hervorbringen. 

Dieses  eigenthümliche  Instrument 
war  1881  noch  sehr  üblich,  als  ich 
aber  drei  Jahre  später  darnach  fragte, 
erhielt  ich  zur  Antwort:  »Pangolo  die; 
yewsharpe  make  him  kill!>  (Pangolo 
ist  lodl,  die  Maultrommel  [eiserne] 
tödtete  es!). 

Das  von  Powell  (I.  c.  Seite  73) 
abgebildete  sonderbare  Saiteninstru- 
ment von  Blanche-Bai  ist  mir  niemals 
vorgekommen. 

Sehr  vergnügungssüchtig  und  hei- 
teren Temperaments  lieben  die  Ein- 
geborenen neben  der  Musik  auch  Ge- 
sang und  Tanz,  zu  deren  Begleitung, 
wie  wir  gesehen  haben,  besondere 
Instrumente  unumgänglich  nothwen- 
dig  sind.  Noch  weniger  als  die  Musik  ist  aber  der  Tanz  als  solcher  in  unserem  Sinne 
aufzufassen.  Denn  es  handelt  sich  hiebei  nicht  blos  um  Hüpfen  und  Springen,  sondern 
um  regelmässige  Bewegungen,  die  mehr  turnerischen  Freiübungen  ähneln  und  wobei 
sowohl  Beine  als  Arme,  wie  der  Körper  inThätigkeit  kommen.  Bald  werden  die  Füsse 
ein  paar  Schritte  vorwärts-,  bald  zurückgesetzt,  die  Arme  erhoben  oder  gesenkt,  der 
Körper  vorgebeugt,  eine  Kniebeuge  gemacht,  in  dieser  gehüpft  u.  s.  w.  Da  gewöhnlich 
eine  grosse  Anzahl  von  Theilnehmern  diese  Bewegungen  und  gleichzeitig  ausführen,  so 
nehmen  sie  sich  sehr  hübsch  aus  und  werden  durch  verschiedene  Schwenkungen  und 
üruppirungcn  noch  wirkungsvoller.  Diese  sogenannten  Tänze  dienen  fröhlichen  wie 
ernsten  Festlichkeiten  und  werden  nur  von  einem  Geschlecht  ausgeführt,  während  das 
andere  von  Weitem  zusteht. 

In  besonders  feierlicher  Weise  finden  solche  .Aufführungen  zum  Andenken  Ver- 
storbener statt,  können  daher  leicht  als  eine  Art  Todtencultus  aufgelasst  werden,  bei 
dem  CS  sich  aber  hauptsächlich  um  Diwara  und  Schmauscrcten  handelt. 

Die  Theilnehmer,  bald  Männer,  bald  Frauen,  und  zwar  jung  wie  alt,  erscheinen 
dabei  im  höchsten  Festschmuck,  d.  h.  grotesk  bemalt  (Seite  yS)  und  mit  Büscheln  von 
bunten  Draceen-  und  Crolonblättern  und  feinen  Farrenwedeln  geschmückt.  Ein  Blätter- 
büschel wird  vorn,  das  andere  hintersetts  mit  einem  Strick  um  den  Leib  gebunden; 
diese,  übrigens  nur  sehr  primitive,  Verhüllung  der  Schamtheile  kommt  also  nur  als  Putz 


n  Blnuche-BBi,  Neu-Brit 


''3il  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  I  i  3 

zum  Ausdruck.    Im  Nacken  oder  um  den  Hals  werden  ebenfalls  Blätterbüschel  oder 
Kränze  befestigt,  während  die  Weiber  auch  das  Haar  mit  Blättern  schmücken. 

Bei  diesen  Aufführungen  wird  eine  monotone  Weise  gesungen  und  wie  bei  allen 
Gesangen  mit  taktschlagenden  Instrumenten  begleitet,  wobei  die  sanduhrförmigen 
Trommeln,  A  kudu  (Seite  1 1 1),  besonders  in  Thätigkeit  kommen.  Um  den  Rhythmus 
in  Takt  wie  Bewegung  zu  erhöhen  halten  die  Tanzenden  gewisse,  eigenthümliche 
Tanzgeräthe  in  den  Händen,  mit  welchen  die  Bewegungen  begleitet  werden  und  wo- 
von die  Sammlung  die  gebräuchlichsten  Stücke  enthält. 

Aiwun  a  xnumür  (Nr.  607,  i  Stück),  Tanzstäbchen,  circa  3o  Cm.  lang,  mit  einem 
Büschel  von  Schwanzfedern  des  Mumür  (Trichoglossiis  subplaceus)  geschmückt. 

Ainabe  (Nr.  608,  i  Stück),  desgleichen,  aus  einer  Anzahl  zusammengebundener, 
gelbgefärbter  Grashalme  oder  gespaltener  Rohrstäbchen,  die  mit  Mumurfedern,  weissen 
Huhnerdunen  und  schwarz. und  weiss  bemalten  Klümpchen  Kalk  verziert  sind. 

Beide  Arten  werden  hauptsächlich  von  Frauen  benützt,  aber  auch  von  Männern, 
wie  überhaupt  in  Ermangelung  von  derartigen  Tanzstäbchen  grüne  Zweige  aushelfen 
müssen. 

Alemin  heissen  sehr  primitive  Tanzstöckchen,  die  aus  einem  kurzen  Stück  Holz 
bestehen,  in  welches  einige  schwarze  Striche  eingebrannt  sind. 

Den  Männern  allein  kommt  die  kunstvollste  Sorte  zu,  welche  die  folgenden  Num- 
mern repräsentiren : 

Mapinakulau  (Nr.  609  und  610,  2  Stück),  Tanzbretter  (Taf.  VII  [5],  Fig.  8, 
Nr.  610).  Flache,  dünne,  paddeiförmige,  circa  i  M.  lange  Bretter,  durchbrochen  ge- 
schnitzt, bemalt  und  am  Stiel  häufig  mit  feinfiederigen  Farrenkrautbüscheln  geziert. 

Diese  Art  Tanzbretter  sind  für  die  Frauen  tabu  und  dürfen  von  ihnen  nicht  ge- 
sehen werden.  Sie  kommen  übrigens  mehr  und  mehr  ab  und  damit  geht  das  Beste 
unter  dem  Wenigen  was  die  hiesigen  Eingeborenen  in  Schnitzereien  leisten,  vollends 
verloren. 

In  der  Herzog  York-Gruppe  bedient  man  sich  ganz  anderer  Tanzgeräthe,  wovon 
Jie  folgende  Nummer  eine  Probe  gibt. 

Tanzbrett  (Nr.  611,1  Stück)  von  Mioko. 

Dasselbe  besteht  aus  einem  circa  i  M.  langen,  schmalen,  dünnen,  an  beiden  Enden 
'^nft  aufwärtsgebogenen  Brett  mit  bunter  Bemalung,  das  an  der  Rückseite  einen  Griff 
besitzt,  an  welchem  es  von  dem  Tanzenden  mit  den  Zähnen  festgehalten  wird. 

Die  folgende  Nummer  betrifft  das  seltenste  Tanzgeräth: 

Alor  (-  Schädel)  (Nr.  620,  i  Stück),  Schädelmaske  (Taf.  VII  [5],  Fig.  7). 

Sie  ist  aus  der  vorderen  Hälfte  eines  menschlichen  Schädels  verfertigt,  an  welchen 
die  Fleischtheile  durch  eine  aufgeklebte  Masse  ersetzt  sind.  Das  auf  diese  Weise  her- 
gestellte Gesicht  wird  in  der  üblichen  Weise  des  Festschmuckes  bemalt  und  häufig  mit 
naturlichem  Kopf-  und  Barthaar  besetzt.  An  der  Rückseite  ist  ein  Querholz  angebracht, 
mit  welchem  der  Tanzende  die  Maske  mit  den  Zähnen  vor  sein  Gesicht  hält. 

Diese  Art  Masken  wurden  früher  aus  den  Schädeln  Angehöriger  angefertigt  und 

dienen  der  Todtenverehrung. 

Die  Schädel  der  in  und  vor  den  Hütten  oder  in  eigens  dazu  errichteten  Grab- 
häusern, A  pal  a  imat  (Haus  des  Todten  oder  Todes),  bestatteten  Todten,  sowohl 
Mannern  als  Frauen,  sofern  sie  zu  den  Reichen  gehörten,  werden  nämlich  circa  nach 
Jahresfrist  oder  früher  oder  später  wieder  ausgegraben,  und  dies  gibt  Gelegenheit  zu 
einem  grossen  Feste,  das  oft  länger  dauert  und  feierlicher  begangen  wird  als  das  Be- 
gräbniss  ( A  punangia)  selbst.  Wie  bei  letzterem  die  aufs  höchste  geschmückten  Leichen, 


I  lA  Dr.  O.  Finsch.  [^^l 

sowohl  von  Männern  als  Frauen,  selbst  Kindern,  zur  Parade  (Dimaria)  ausgestellt 
wurden,  so  geschieht  es  jetzt  mit  den  festlich,  d.  h.  roth  bemalten  Schädeln,  wovon  ich 
1881  auf  Maiupi  noch  Zeuge  war.  Diese  Feste  werden  von  den  Angehörigen  des  Ver- 
storbenen gegeben,  wohl  weniger  aus  innerem  Drange,  sondern  hauptsächlich  um  den 
Reichthum  zu  zeigen.  Denn  es  wird  selbstredend  viel  Diwara  vertheilt,  es  finden,  wie 
nach  dem  Begräbniss  grosse  Schmausereien  (A  paluka)  und  von  Männern  wie  Frauen 
gesonderte  Tanzaufführungen  (Agu  und  Orokiva)  statt,  die  aber  wie  bei  fröhlichen 
Gelegenheiten  unter  dem  Collectivnamen  Maldnkene  zusammenzufassen  sind.  Klage- 
geheul (A  tinangi)y  wie  bei  Begräbnissen,  kommt  dabei  nicht  vor,  aber  man  errichtet 
die  (Seite  100)  beschriebenen  Gedächtnisszäune  (A  bogil). 

Die  Sitte  Todtenschädel  aufzubewahren  ist  bekanntlich  weitverbreitet  und  wird 
gewöhnlich  auf  Cannibalismus  oder  Menschenjägerei,  zur  Erbeutung  von  Schädeln  als 
Trophäen  (Koppensnellen),  zurückgeführt.  Beides  kommt  für  die  Eingeborehen  Neu- 
Britanniens  nicht  in  Betracht,  denn  die  im  Kriege  erschlagenen  Feinde  werden  eben 
verzehrt,  und  da  das  Gehirn  als  der  feinste  Leckerbissen  gilt,  geht  der  Schädel  verloren. 
Beim  Rösten  zwischen  heissen  Steinen  springen  die  Näthe,  und  die  abgenagten  Knochen 
werden  sorgfältig  weggeworfen,  wie  ich  selbst  beobachten  konnte.  Ich  sah  auch  einen 
Erschlagenen,  der  deshalb  nicht  gegessen  wurde  weil  er  mit  einer  Hautkrankheit  behaftet 
war,  an  einem  Steine  ins  Meer  versenken,  ohne  dass  man  den  Kopf  als  Trophäe  zurück- 
behielt. Und  in  gleicher  Weise  wurde  mit  erschlagenen  Weissen  verfahren.  Die  Schädel, 
welche  man  daher  in  Hütten  von  Cannibalen  durch  reinen  Zufall  sieht,  da  sie  gewöhn- 
lich sorgfältig  verhüllt  aufbewahrt  werden,  sind  meist  nicht  solche  von  Erschlagenen, 
wie  Reisende  gewöhnlich  wähnen,  sondern  solche  Angehöriger,  nicht  Zeichen  der 
Menschenfresserei,  sondern  werden  zum  Andenken  verwahrt.  Es  hält  daher  meist  sehr 
schwer  Schädel  von  Eingeborenen  zu  kaufen,  da  Anerbietungen  in  dieser  Richtung 
gewöhnlich  zurückgewiesen  werden.  Freilich  ist  ein  hoher  Preis  für  die  Eingeborenen 
sehr  verlockend,  aber  Keiner  will  aus  Furcht  vor  den  Anderen  der  Erste  sein,  nicht, 
dass  er  deshalb  ein  Leid  zu  erwarten  hätte,  aber  es  genirt  ihn.  Hat  aber  erst  Einer  den 
Anfang  gemacht  Schädel  seiner  Angehörigen,  die  ja  ohnehin  nicht  von  Generationen 
aufbewahrt  werden,  zu  verkaufen,  dann  findet  er  schnell  Nachfolger.  So  habe  ich  wäh- 
rend meines  achtmonatlichen  Aufenthaltes  nicht  weniger  als  167  Schädel  kaufen  und 
an  Geheimrath  Virchow  nach  Berlin  schicken  können.  Alle  diese  Schädel  wurden  mir 
sorgfältig  in  Blätter  eingepackt,  im  Geheimen  gebracht  und  eben  so  sorgfältig  von  mir 
versteckt,  denn  nur  durch  Verschwiegenheit  konnte  ich  das  Vertrauen  der  Eingeborenen 
gewinnen  und  erhalten.  Unter  allen  diesen  Schädeln  war  kein  einziger,  der  Spuren 
eines  gewaltsamen  Todes  oder  Cannibalismus  zeigte;  die  meisten  waren  sichtlich  frisch 
ausgegraben  und  beim  Reinigen  fanden  sich  nicht  selten  ein  paar  Diwara  in  der  Nasen- 
höhle. Die  Zähne  fehlten  sehr  häufig  ganz  oder  theilweise,  weil  sie  ausgefallen  waren, 
aber  sie  werden  nicht  etwa  zu  Halsketten  oder  dergleichen  verwendet.  Bei  fast  allen 
Schädeln  wurde  der  Unterkiefer,  bei  einzelnen  auch  dazugehörige  Knochen  (Becken, 
Schulterblätter,  Schenkel-  und  Armbeine)  gebracht  und  der  Name  des  oder  der  Ver- 
storbenen angegeben.  Sie  gehörten  eben  nahen  Verwandten,  und  zwar  geringerer  Leute 
an,  deren  Gebeine  überhaupt  begraben  bleiben,  weil  keine  Mittel  für  grosse  Festlich- 
keiten vorhanden  sind.  Es  werden  also  nur  Schädel  von  Wohlhabenden  wieder  aus- 
gegraben, zum  Andenken  aufbewahrt  und  solche  nur  in  seltenen  Fällen  verkauft. 

Wie  gut  den  Eingeborenen  alle  solche  Andenken  bekannt  sind,  wird  der  folgende 
Fall  zeigen.  Dem  Häuptlinge  Tau  ro pale  war  ein  Schädel  gestohlen  und,  wie  er  richtig 
vermuthete,  an  mich  verkauft  worden.    Er  bat  mich  deshalb  meine  Schädelsammlung 


[33]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  I  j  5 

ansehen  zu  dürfen,  und  griff  sogleich  den  richtigen  heraus,  den  seiner  verstorbenen  Frau 
Jetangi,  für  welchen  er  mir  freiwillig  einen  Faden  Diwara  gab.  Gegen  Rückerstattung 
der  Begräbnisskosten  in  Diwara  würde  er  mir  ohne  Bedenken  den  Schädel  gelassen 
haben.  Man  wird  aus  den  angeführten  Beobachtungen  den  Schluss  ziehen,  dass  von 
eigentlichem  Todtencultus  bei  den  Neu-Britanniern  nicht  die  Rede  sein  kann,  und  dass 
Jas  Aufbewahren  von  Schädeln  jeder  religiösen  Anschauung  .entbehrt. 

Schädelmasken  sah  ich  1881  nicht  mehr  in  Gebrauch,  sie  waren  vielleicht  schon 
abgekommen  und  schon  damals  äusserst  rar;  1884  konnte  ich  überhaupt  keine  mehr 
erlangen.  Aber  die  Intelligenz  der  Eingeborenen  hatte  sich  bereits  zu  plumpen  Falsi- 
Bcaten  »us  Holz  aufgeschwungen,  welche  früher  ganz  unbekannt  waren,  jetzt  aber  bei 
der  gesteigerten  Nachfrage  nach  Curiositäten  gute  Abnahme  fanden  und  lediglich  zum 
Handel  dienten. 

In  die  Kategorie  der  eigentlichen  Maskenfeste  mit  Mummenschanz  gehört  der 
Dugdug,  wobei  eigenthümliche  Masken  und  Anzüge  aus  Blättern  für  einzelne  Theil- 
nehmer  zur  Anwendung  kommen  und  den  Glanzpunkt  des  Festes  bilden,  das  in  erster 
Linie  den  Zweck  hat  von  der  leichtgläubigen  Menge  Diwara  einzuheimsen  und  Schmau- 
sereien zu  halten.  Deshalb  ist  der  Dugdug  in  geheimnissvolles  Dunkel  gehüllt,  und  nur 
solche,  welche  sich  in  den  Dugdug  eingekauft  haben  (wozu  ich  auch  gehörte),  dürfen 
an  demselben  theilnehmen,  können  aber  noch  Knaben  sein.  Die  Hauptsache  bleibt 
immer  Einkaufen  mit  Diwara,  und  schon  aus  diesem  Grunde  können  nicht  alle  Männer 
dem  Dugdug  angehören.  Das  weibliche  Geschlecht  ist,  wie  bei  allen  Festlichkeiten  der 
papuanischen  Männerwelt,  ausgeschlossen  und  wird,  damit  jene  ungestörter  sind,  unter 
dem  Zauber  eines  Tabu  in  Furcht  gehalten.  Das  für  den  Dugdug  bestimmte  Land,  wo 
die  Festlichkeiten  stattfinden,  liegt  abseits  von  den  Dörfern  und  darf  von  Keinem,  der 
nicht  zum  Bunde  gehört,  betreten  werden.  Die  unter  Tabu  stehenden  Dugdugplätze 
ersetzen  in  gewissem  Sinne  die  Versammlungshäuser  der  Männer,  wie  wir  sie  sonst  in 
Melanesien  finden.  Die  Grenzen  des  Dugduglandes  sind  zuweilen  durch  Merkzeichen 
an  Bäumen,  roh  gemalte  Gesichter  oder  dergl.  bezeichnet. 

Wie  beim  Dugdug  hat  das  Tabu  auch  sonst  nichts  mit  Religion  zu  thun,  sondern 
dient  hauptsächlich  praktischen  Zwecken.  So  ist  das  Tabu  auf  Cocospalmen  (Aiwiri 
genannt)  eine  sehr  nützliche  Einrichtung,  um  den  Ertrag  der  Palmen  durch  eine  Schon- 
zeit zu  erhöhen.  Auch  die  Mission  zog  Vortheil  aus  dieser  Sitte  und  stellte  die  Kirchen 
als  unverletzlich  unter  den  Tabu  der  Eingeborenen,  wusste  also  den  »heidnischen«  Ge- 
brauch zum  Besten  der  Kirche  klugerweise  auszunützen.  Dass  der  Eingeborene  eine 
«Kirche«,  die  meist  nicht  besser  ist  als  ein  grosses  Eingeborenenhaus,  nicht  für  »heilig« 
hält,  ist  wohl  selbstverständlich. 

Religion.  Falls  man  nicht  die  beschriebenen  Todtenfeste  als  Religion  betrachten 
will,  kann  von  solcher  überhaupt  bei  den  hiesigen  Eingeborenen  nicht  die  Rede  sein. 
Sie  besitzen  weder  Götzen  noch  Tempel  oder  Priester,  fürchten  sich  aber  vor  Geistern, 
die  unter  dem  gemeinschaftlichen  Namen  Toheran  *)  sehr  verschieden  und  zum  Theile 
Verstorbene,  ja  selbst  Sternschnuppen  (Tulungane)  sein  können. 

Wie  noch  so  häufig  in  Europa  fürchtet  man  das  Wiederkommen  Verstorbener 
(Tobtran),  Aber  es  gibt  keine  eigentlichen  Geisterbeschwörer,  wohl  aber  Regenmacher, 
Leute,  welche  Krankheiten  beschwören,  also  eine  Art  Zauberer,  die  von  Leichtgläubigen 


I)  Die  von  Parkinson  (»Im  Bismarck-Archipel«,  Seite  136)  abgebildeten  Figuren  aus  Holz,  War- 
rabat  genannt,  haben  ebenfalls  auf  Toberane  Bezug  und  sind  keine  Idole. 

Anoalen  des  k.  k.  naturhistorischeo  Hofrouseums,  Bd.  III,  Heft  2,  1888.  9 


I  i6  Dr.  O.  Finsch.  [^4] 

■*-  I 

profitiren,  wie  Kartenlegerinnen  bei  uns.    Mit  dem  Aberglauben  der  Neu-Britannier  ist 
es  daher  im  Ganzen  nicht  schlimmer  als  anderwärts. 

Die  Eingeborenen  haben  übrigens  für  alle  Naturerscheinungen,  z.  B.  den  zuneh- 
menden wie  abnehmenden  Mond,  Namen,  wenn  sie  auch  keine  Erklärung  derselben 
geben  können;  aber  auch  bei  uns  gibt  es  noch  Viele,  die  nicht  wissen,  wodurch  eine 
Mondesfinsterniss  entsteht.  Beim  Neumond  (Angai)  wird  oft  ein  Brüllen  (Freuden- 
geschrei) erhoben,  weil  er  als  glückbringend  gilt,  wie  bei  uns  ja  die  Sitte  herrscht,  beim 
ersten  Anblick  des  Neumondes  ein  Geldstück  zu  berühren.  Die  Eingeborenen  knüpfen 
übrigens  keinen  Aberglauben  an  Naturerscheinungen,  fürchten  sich  aber,  wie  wir,  vor 
dem  Blitz,  Malamalapang  (der  nach  ihnen  von  Donner,  A  kurung,  gemacht  wird)  und 
vor  Erdbeben  (Anguria),  weil  sie  Schaden  anrichten  können.  Von  Sternen  (A  tongulj 
unterscheiden  sie  nur  die  Venus  (gewengewen  kawdwur). 

In  Verbindung  mit  Besprechen  von  Krankheiten  und  Derartigem  kommen  gewisse 
TalismanB  in  Anwendung,  von  denen  die  folgende  Nummer  den  gebräuchlichsten 
repräsentirt. 

Auf  (auch  Kinakinan;  Nr.  666,  i  Stück),  Talisman  für  Diebe  (Taf.  VII  [5],  Fig.  9). 

In  Form  und  Grösse  ganz  einem  grossen  Vorlegeschloss  ähnelnd,  aus  Rinde  oder 
dergleichen  geschnitzt  oder  zusammengekittet  und  roth,  zuweilen  mit  einem  mensch- 
lichen Gesicht  bemalt.  Die  Form  des  Schlosses  ist,  da  man  solche  natürlich  nicht  kannte, 
nur  eine  zufällige  und  nicht  etwa  Symbol  der  Verschwiegenheit,  wie  wir  zu  einer  solchen 
Deutung  geneigt  sein  würden. 

Der  Dieb  oder  überhaupt  solche,  die  etwas  im  Stillen,  dabei  aber  stets  im  Dunkel 
der  Nacht,  ausüben  wollen,  halten  den  Talisman  an  dem  Bügel  mit  den  Zähnen  fest 
und  glauben  sich  dadurch  zwar  nicht  unsichtbar,  aber  doch  gesicherter  vor  dem  Ent- 
decktwerden, kurzum  an  einen  guten  Einfluss  des  Talisman.  Auch  bei  uns  wird  ja  noch 
an  einen  solchen  geglaubt. 

Heilkunde  ist  natürlich  sehr  gering  entwickelt  und  wird  äusserlich  ausgeübt. 
Das  Hauptmittel  bleibt  für  alle  Fälle  Blutlassen,  durch  kleine  Einschnitte,  früher  mit 
Stein-,  jetzt  mit  Glassplittern,  an  der  kranken  Stelle,  A  koito  genannt,  die  dann  mit 
Kalk  eingerieben  wird.  Hat  Jemand  z.  B.  Kopfschmerzen,  so  werden  an  der  Stirnc 
Einschnitte  gemacht,  die  hier  Dilaworria,  am  übrigen  Körper  Dite  heissen.  Fast  an 
jedem  Kanaker  kann  man  solche  A  /fo//o- Narben  sehen,  die  aber  nicht  mit  den  absicht- 
lich gemachten  Ziernarben  (Seite  96)  zu  verwechseln  sind.  Bei  Epidemien  macht  man 
A  Wupagäle,  d.  h.  versucht  durch  gemeinschaftliches  Lärmmachen  den  bösen  Geist, 
die  Krankheit,  zu  vertreiben,  was  ich  öfters  auf  Matupi  gesehen  habe.  —  Als  sichtbares 
Zeichen  von  gewissen  Krankheitsbesprechungen  wird  ein  circa  i  M.  langer  Bindfaden 
mit  einigen  Diwara  am  Haar  befestigt,  dies  heisst  Averkumha. 

Innerliche  Heilmittel  sind  mir  nicht  bekannt  geworden,  von  äusserlichen  nur  das 
folgende : 

A  Tonn  (Nr.  882,  i  Probe),  Rinde  eines  Baumes,  welche  pulverisirt  auf  offene 
Wunden  gestreut  wird  und  bei  der  tonischen  Eigenschaft  derselben  unter  Umständen 
nützlich  sein  kann,  obwohl  ich  niemals  eine  nennenswerthe  Wirkung  beobachtete. 

Wunden  werden  wenig  beachtet,  nur  wenn  sie  schlimm  sind,  mit  Bananenblatt 
verbunden,  wie  dies  auch  bei  Knochenbrüchen  geschieht.  Man  legt  dann  wohl  auch 
Schienen  an,  und  wenn  es  sich  nur  um  einen  gewöhnlichen  Knochenbruch  handelt, 
kommen  die  meisten  durch,  gewöhnlich  bleibt  aber  das  Glied  schief.  Im  Ganzen  sind 
Knochenbrüche  selten  und  rühren  meist  von  Schleudersteinen  her.  In  ganz  Matupi  gab 
es  nur  einen  Lahmen,  der  von  einer  Cocospalme  gefallen  war  und  den  Fuss  gebrochen 


[33]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  Südsee.  ny 

hatte,  der  infolge  der  unzulänglichen  Verbandmethode  erklärlicher  Weise  schief  ange- 
heilt war. 

Die  chirurgischen  Operationen,  wie  sie  Powell  (1.  c.  Seite  i65')  beschreibt,  hat  er 
wohl  selbst  nie  beobachtet.  Aber  freilich  er  sah  auch  »einen  Mann  mit  neuen  künst- 
lichen Zähnen  von  Perlmutter«  (!  ?). 

Auf  eine  Beschreibung  der  Beschwörungs-  und  Besprechungsmethoden  näher  ein- 
zugehen, würde  zu  weit  führen  und  muss  einer  anderen  Gelegenheit  vorbehalten  bleiben. 

Dasselbe  gilt  für  die  Spiele,  von  denen  es  mehrere  gibt,  die  sich  indess  für  Samm- 
lungen nicht  eignen,  da  meist  keine  Geräthe  dazu  nöthig  sind.    Das  folgende  heisst: 

Tongala-up  (Nr.  627,  i  Stück),  Luftkreisel,  als  Spiel  der  Kinder,  zuweilen  auch 
Frauen. 

An  einem  circa  meterlangen  dünnen  Bambu  ist  an  einem  langen  Bindfaden  ein 
kurzes,  flaches,  zugespitztes,  blattförmiges  Stück  Bambu  befestigt.  Dasselbe  bringt  durch 
schnelles  Schwenken  des  Stockes  ein  lebhaftes  Sausen  von  überraschender  Wirkung 
hervor. 

b,  Willaumez, 

die  grösste  InseP)  an  der  Nordküste  ist  gebirgig  und  bis  auf  die  Spitzen  der  Berge  (dar- 
unter ein  ansehnlich  hoher  Kegel,  jedenfalls  erloschener  Krater)  dicht  bewaldet.  Wir 
fanden  längs  der  Nordküste,  die  nur  selten  freiere  Uferstreifen  zeigt,  blos  wehige  kleine 
Niederlassungen  und  hatten  nur  einmal  Gelegenheit  mit  Eingeborenen  zu  verkehren. 
Sie  kamen  unter  fortwährendem,  nicht  unübel  klingendem  Singen  in  Canus  ab,  wahr- 
scheinlich um  sich  Muth  zu  machen,  und  waren  sehr  scheu.  Wahrscheinlich  hatten  sie 
noch  nicht  oft  mit  Schiffen  verkehrt,  denn  sie  machten  sich  nichts  aus  Beilen  und  kannten 
Tabak  gar  nicht.  Sie  glichen  ganz  Bewohnern  von  Blanche-Bai,  gingen  wie  diese  total 
nackt  und  schienen  meist  beschnitten.  Von  Weitem  sahen  sie  sehr  hell  aus,  wie  sich  aber 
beim  Näherkommen  zeigte,  infolge  Anstriches  von  rother  und  gelber  Ockerfarbe.  Manche 
waren  ganz  roth  bemalt,  wie  auch  ihr  Haar,  das  sonst  keine  besondere  Pflege  verrieth. 
Die  Männer  hatten  meist  kurzgeschnittene  Barte ;  einzelne  waren  durch  Ziernarben 
(A  kotto)  ausgezeichnet;  Tätowirung  fehlte. 

An  Waffen  besassen  sie  nur  gewöhnliche  Speere  mit  wirklichen  und  imitirten 
Knochen  am  Ende,  ganz  wie  die  von  Blanche-Bai  (Nr.  729,  730,  Seite  104),  und  Diwara 
schien  hier  eine  ebenso  grosse  Rolle  zu  spielen  als  dort.  Im  Uebrigen  war  das,  was  sie 
an  sich  trugen  und  besassen,  meist  von  den  in  Blanche-Bai  gebräuchlichen  Sachen  ver- 
schieden und  zeigte  die  grösste  Uebereinstimmung  mit  Neu-Guinea.  So  sah  ich  schöne 
aus  Tridacna  geschliffene  Nasenkeile  (ganz  wie  solche  von  Port  Mores by),  Brustschmuck 
aus  abnorm  gebogenen  Eberhauern  (der  aber  nicht  verkauft  wurde),  Brust- Kampf- 
schmuck^)  aus  zwei  Oi^u/a-Muscheln,  Kalebassen  zu  Kalk,  Mattensäcke,  flletgestricktc 


t)  »In  the  case  of  a  broken  leg  or  arm  the  Besh  is  cut  open  to  the  bone  (mit  einem  Stück  Obsi- 
dian,  Glas  oder  Haifischzahn! !),  which  is  drawn  into  position  and  a  picce  of  bamboo  inserted  next  to  the 
bone  to  keep  it  in  its  place,  and  the  wound  is  then  bound  up«.  Das  >Stuck  Bambu«  eitert  dann  ganz  rein- 
lich wieder  aus  wird  hinzugefügt!  Nicht  wahr,  wunderbar!  wer's  glaubt! 

3)  Nach  den  neuesten  Untersuchungen  des  Herrn  von  Schleinitz  keine  Insel,  sondern  Halbinsel! 
(vergl.  Nachricht,  der  N.  G.  Comp.  1888,  Seite  34). 

3)  Ueber  »Kampf-Brustschmuck«  vergl.:  Finsch,  Original-Mitihellungen  aus  der  ethnologischen 
Abthciiung  des  königlichen  Museums  zu  Berlin  (I.  Jahrg.,  1886,  Heft  2  und  3,  Seite  102,  103,  Taf.  I  und  II). 

Dieser  für  Neu-Guinea  eigenthümliche  »Kampfschmuck«,  für  gewöhnlich  an  einem  Band  oder 
Strick  um  den  Hals  getragen,  wird  beim  Kampfe  vom  Krieger  im  Munde,  d.  h.  mit  den  Zähnen  fest- 
gehalten, um  dadurch  dem  Gegner  fürchterlicher  zu  erscheinen. 

9* 


Il8  Dr.O.  Finsch.  [36] 

fein  verzierte  Tragbeutel,  fein  geflochtene,  mit  Diwara  verzierte  Armbänder,  Haar- 
schmuck aus  Casuarfedern,  Ohrringe  aus  Schildpatt,  aber  auch  einige  eigenthümliche 
Machwerke,  die  wir  im  Folgenden  kennen  lernen.  Einige  Männer  hatten  das  Fessel- 
gelenk bis  fast  zur  halben  Wade  herauf  dicht  mit,  oft  rothgefärbtem,  Rottan  umwunden. 
Die  Canus,  übrigens  von  gewöhnlicher  Bauart  und  ohne  Schnitzwerk  und  sonstige 
Verzierungen,  glichen  am  meisten  denen  von  Neu -Guinea  und  waren  sehr  verschie- 
den von  solchen  in  Blanche-Bai. 

«..       .       ,  Schmuck. 

Stirnschmuck. 

Stirn  binde  (Nr.  417,  i  Stück),  aus  einem  Bande  rothgefärbten  Schilfes,  ganz  wie 
solches  in  Blanche-Bai  (Seite  97)  verwendet  wird;  waren  am  häufigsten. 

Stimbinde  (Nr.  426,  i  Stück),  aus  Muschelgeld,  ganz  wie  das  Diwara  von 
^Blanche-Bai,  das  auch  hier  jedenfalls  als  Münze  dient.  Nach  den  Bestimmungen  von 
Professor  von  Martens  ist  die  Muschel  aber  eine  andere  Species:  Nassa  callospira. 

Stimbinde  (Nr.  427,  i  Stück;  Taf.  III  [i],  Fig.  17),  eigenthümlich,  besteht 
aus  zwei  Reihen  flach  geschliffener,  sehr  kunstvoll  zusammengebundener  Diwara  und 
wird  in  längeren  Stücken  auch  zu  Leibschnüren  benutzt. 

Hals-  und  Brustschmuck. 

Halsschmuck  (Nr.  493,  i  Stück),  Taf.  III  [i],  Fig.  10.  Lange  Schnur  aufgereihter 
halbdurchschnittener  Samenkerne  von  Coix  lacryma  und  Abschnitten  eines  dunklen 
Pflanzenstengels.  Diese  Halsketten  waren  am  häufigsten  und  sind  durch  das  Verwenden 
der  Pflanzenstengel  eigenthümlich. 

Halsschmuck  (Nr.  5 12,  i  Stück),  aus  einem  Doppelbüschel  schmaler,  langer 
Blätter  oder  Pflanzenstoff  bestehend,  das  an  den  Halsstrick  befestigt,  über  den  Nacken 
herabhängt. 

Halsschmuck  (Nr.  492,  i  Stück),  sehr  fein  und  eigenthümlich;  sechs  Reihen  fein 
geflochtener  Schnüre  zum  Theile  dicht  mit  Muscheln  (Diwara)  besetzt;  als  Anhängsel  vier 
Schnüre  halbdurchschnittener  Coix"-Samen  (Taf.  III  [i],  Fig.  9)  mit  Cypraea  moneta. 

Hals-  und  Brustschmuck  (Nr.  491,  i  Stück;  Taf.  III  [i],  Fig.  9,  i3,  i5,  16),  sehr 
fein  und  eigenthümlich.  An  drei  sehr  fein  geflochtenen,  schmalen  (5  Cm.  breiten) 
Bändchen  und  zwei  Schnüren  aufgereihter  durchschnittener  Samenkerne  von  Coix 
lacryma f  mit  einigen  Beutelthierzähnen  (Fig.  16)  sind  als  Anhängsel  acht  12  Cm.  lange 
Schnüre  von  Querschnitten  von  Coijr- Samen  (Fig.  9)  befestigt,  von  denen  vier  in  zier- 
liche Breloques  aus  einer  längsdurchschnittenen  Fruchtschale  mit  zwei  Hundezähnen 
(Fig.  i5)  enden  (ganz  wie  solche  in  Neu-Guinea  gemacht  werden).  An  der  Verbindungs- 
stelle der  Halsschnüre  und  des  Anhängsels  sind  zwei  Scheiben,  von  der  Spitze  eines 
Conus  geschliffen  (Fig.  1 3),  befestigt. 

Hals-  und  Brustschmuck  (Nr.  490,  i  Stück;  Taf.  III  [i],  Fig.  18),  sehr  fein  und 
eigenthümlich.  An  einer  Doppelreihe  von  je  fünf  dünnen  feinen  Bindfaden  hängt 
ein  halbmondförmiger  Schild  von  Perlmutter  (Fig.  18);  am  Ende  vereinigen  sich  die 
Bindfaden  zu  einer  9  Cm.  langen  Wulst,  auf  die  drei  Längsreihen  von  Diwara  aufge- 
flochten sind;  als  Anhängsel  für  den  Nacken  sind  zwei  Büschel  getrockneter  Blätter, 
ein  Ferkelschwanz  und  ein  feiner,  circa  9  Cm.  langer  Kamm  aus  zehn  dünnen,  an  der 
Basishälfte  fein  zusammengeflochtenen  Stäbchen  befestigt. 

Armschmuck. 

Armband  (Nr.  382,  i  Stück),  dünner  Reif  aus  gespaltenem  Rottan. 
Armbänder  (Nr.  383,  2  Stück),  aus  gleichem  Material,  roth  gefärbt,  aber  breiter 
und  in  eigen thümlicher  Weise  halbrund  geflochten. 


[37]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  1 1  g 

Armband  (Nr.  384,  i  Stück),  eigenthümlich  (Taf.  III  [i],  Fig.  21).  Fein 
geflochtenes  Band  (Umfang  26  Cm.)  aus  buntgefärbter  Pflanzenfaser  (gelb,  schwarz 
und  roth),  wohl  von  einer  Schlingpflanze,  und  oben  und  unten  mit  einem  Rande  von 
Diwara  besetzt. 

Armband  (Nr.  398,  i  Stück),  aus  Schildpatt  (ganz  wie  Nr.  397,  Seite  99). 

Geräthschaften. 

Perlmutterschale  (Nr.  32,  1  Stück),  als  Instrument  zum  Schneiden  und  Schaben 
und  überall  gebräuchlich. 

Schaber  (Nr.  46  a,  i  Stück),  aus  Perlmutter  (Taf.  IV  [2],  Fig.  7  und  8,  Seitenansicht), 
sauber  gearbeitet  (oben  durchbohrt);  zum  Schaben  hauptsächlich  von  Cocosnuss. 

Fasermaterial  (Nr.  141,1  Probe),  zu  Bindfaden;  ganz  dasselbe,  wie  es  sonst  in 
Neu -Britannien  und  Neu -Guinea  verwendet  wird. 

Musik. 

Panflöte  (Nr.  578,  i  Stück),  ganz  wie  von  Neu -Irland  (Nr.  577). 

Rohrflöte  (Nr.  579,  i  Stück;  Taf.  V  [3],  Fig.  6,  von  oben),  aus  zehn  Röhren,  die 
mit  fein  gespaltenem  Rohr  zusammengebunden  sind;  das  längste  Rohr  ist  58  Cm.,  das 
kürzeste  26  Cm.  lang. 

Kommt  ganz  ähnlich  in  den  Salomons  vor. 

c.  French-Inseln, 

eine  Gruppe  kleiner,  bergiger,  vulcanischer  Inseln  westlich  von  Willaumez,  die  ziem- 
lich bevölkert  zu  sein  scheint.  Ich  lernte  nur  Eingeborene  von  Forestier- Insel  kennen, 
die  aber  in  Folge  des  Besuches  eines  Arbeiterwerbeschiffes  (Lahoiirtrader)  so  scheu 
und  vorsichtig  waren,  dass  sich  nur  mit  Mühe  Einiges  erlangen  Hess. 

Die  Leute  glichen  ganz  Neu-Britanniern  von  Blanche-Bai  und  gingen  wie  diese 
total  nackt  (ohne  Tätowirung);  es  gab  viele  von  lichterer  Hautfärbung.  Ihre  Canus 
waren  von  gewöhnlicher  Bauart,  ohne  allen  Schmuck,  und  sind  für  weitere  See- 
fahrten jedenfalls  nicht  geeignet.  In  dem  einen,  übrigens  ganz  überladenen  Canu 
Sassen  i5  Mann,  die,  wie  die  übrigen,  vor  Furcht  zitterten  und  sich  nicht  längsseits 
des  Dampfers  wagten.  Sie  kannten  keinen  Tabak  und  brachten  einige  Cocosnüsse, 
.V/tt  genannt,  ein  polynesisches  Wort,  das  aber  auch  an  der  Nordküste  von  Neu-Guinea, 
wenn  auch  nicht  überall,  angewendet  wird. 

Von  Waffen  sah  ich  nur  Speere,  ganz  wie  solche  mit  imitirten  Knochen  am  Fusse 
von  Blanche-Bai.  Die  Leute  hatten  meist  gewöhnliche  Kalebassen  zu  Kalk,  ich  bemerkte 
aber  keine  filetgestrickten  Beutel. 

Wie  die  Canus  und  Kalebassen,  zeigten  auch  die  Schmucksachen  neuguineisches 
Gepräge  und  sind  meist  mit  solchen  identisch.  So  der  eigenthümliche  Kampfschmuck 
aus  zwei  Ovi/Zü- Muscheln  und  die  Armbänder  (Taf.  III  [i],  Fig.  20),  welche  für  die 
Ostköste  Neu -Guineas  ganz  besonders  charakteristisch  werden.  Die  meisten  trugen 
übrigens  gewöhnliche,  geflochtene  schwarze  Armbänder.  Im  Uebrigen  notirte  ich: 
Haarkämme,  aber  keinen  Federschmuck,  als  Ohrschmuck  grüne  Blätter,  Nasenkeile 
von  Rohr,  gespaltene  Rottanstreifen  um  Hand-  und  Fesselgelenk,  einzeln  aus  Tridacna 
geschliffene  Scheiben  als  Brustschmuck,  Halsketten  aus  Diwara  und  eine  mit  feiner 
Gravirung  ornamentirte  Cocosschale.  Ein  Mann  besass  eine  Axt,  an  welcher  ein  Stück 
Flacheisen  als  Klinge  befestigt  war,  verkaufte  dieselbe  aber  nicht. 


I20  Dr.O.  Finsch.  [38] 

Die  folgenden  Stücke  sind  von  Forestier-Insel: 

Armbänder  (Nr.  366,  3  Stück)  aus  Trochus  niloticiis  geschliffen.  Wie  die  Laieis 
von  Blanche-Bai  und  Neu-Irland  (Nr.  371),  aber  nicht  so  zierlich,  daher  ganz  mit  solchen 
von  der  Nordküste  Neu-Guineas  übereinstimmend. 

Armband  (Nr.  393,  i  Stück),  Taf.  III  (i),  Fig.  20,  sehr  fein  und  in  der  für  Neu- 
Guinea  charakteristischen  Form  mit  zwei  blattförmigen  Schneppen.  Umfang  27  V2  Gm. ; 
a  feines  Flechtwerk  aus  gespaltenem  rothgefärbten  Rohr  oder  Rottan,  b  noch  feineres 
aus  Pflanzenfasern,  c  Randverzierung  aus  Diwara  (Nassa  callospira)^  in  der  Mitte  sechs 
solcher  Reihen. 

d.  Cap  Raoul, 

an  der  Nordwestküste,  schien  eine  ziemlich  bevölkerte  Gegend.  Etwas  östlich  vom  Cap 
sehen  wir  zuerst  drei  grössere  Dörfer,  deren  Bewohner  sich  in  ihren  Canus  durch  die 
Brandung  arbeiteten  und  längsseit,  aber  nicht  an  Bord  kamen,  da  die  meisten  vor  Furcht 
zitterten.  Diese  Eingeborenen  waren  echte  Papuas,  gingen,  bis  auf  einzelne,  die  einen 
schmalen,  schlechten  Schamschurz  aus  Tapa  trugen,  total  nackt  und  waren  alle  be- 
schnitten. Die  meisten  Männer  hatten  Voll-  und  Schnurrbarte,  das  Haar  ohne  Frisur, 
nur  mit  rother  Farbe  eingeschmiert,  daher  zuweilen  verfilzte  Zotteln.  Keine  Tätowirung, 
aber  Einzelne  mit  rothen  Strichen  über  Nase  und  Backen.  Die  Canus  waren  zum  Thcil 
ansehnlich  gross,  bis  3o  Fuss  lang;  ein  solches  trug  19  Mann,  wovon  allein  12  auf  der 
Plattform  hockten.  Im  Uebrigen  zeichneten  sich  nur  ein  paar  Canus  durch  eingebrannte 
rohe  Verzierungen  aus,  wie  auch  die  eigenthümlichen  Ruder.  Diese  Leute  besassen 
keine  Wasserschöpfer  und  schöpften  mit  den  Händen  aus.  Ich  sah  keinerlei  Waffen, 
noch  Diwara  oder  filetgestrickte  Beutel;  die  Leute  trugen  ihre  Habseligkeiten  in  Matten- 
säcken. Sie  kannten  keinen  Tabak,  nahmen  aber  Glasperlen,  rothes  Zeug,  vor  Allem 
aber  Flacheisen  (Gari). 

Der  Ausputz  dieser  Eingeborenen  zeigt  die  grösste  Uebereinstimmung  mit  Neu- 
Guinea;  namentlich  der  charakteristische  Kampf-Brustschmuck  (Taf.  III  [i],  23)  und  die 
Armbänder  (Taf.  III  [i],  20),  darunter  solche  aus  gebogenem  Schildpatt  (Taf.  III  [i],  22). 

An  sonstigen  Gegenständen  beobachtete  ich:  Kopfputz  aus  Casuar-  und  Cacatu- 
federn  (keine  Kämme  und  Nasenpflöcke),  breite  Schild pattohrringe  (doch  hatten  die 
meisten  die  Ohren  undurchbohrt);  gewöhnliche  schwarze  und  rothe  Grasarmbänder; 
Brustschmuck  aus  Tridacna  geschliffen;  Stirnschmuck  aus  Cymbium  (keinen  Schmuck 
aus  Schweine-  oder  Hundezähnen,  keine  Diwaraschnüre);  Kalkkalebassen,  darunter 
solche  mit  einem  Mundstück  von  einer  Co^zw^-Muschel,  am  Halse  mit  schöner  Ver- 
zierung von  aufgeklebten  Mi^^a- Muscheln  und  rothen  Abriis-hohnQn  (ganz  wie  sie  in 
Neu-Guinea,  z.  B.  Finschhafen,  vorkommen).  Ein  Mann  trug  einen  Reif  von  Rottan 
um  das  Handgelenk,  was  vermuthen  lässt,  dass  diese  Eingeborenen  vielleicht  Bogen 
besitzen.    Es  wurden  keine  Fischhaken  angeboten. 

Schmuck. 

Armband  (Nr.  385,  1  Stück),  aus  einer  Art  Gras  oder  Liane  geflochten;  gewöhn- 
liche Form,  wie  sie  überall  vorkommt  (z.  B.  von  Port  Moresby,  Nr.  378). 

Armband  (Nr.  399,  i  Stück),  aus  Schildpatt  (ganz  wie  Nr.  397  von  Luen  und 
Nr.  398  von  Willaumez). 

Armband  (Nr.  400,  i  Stück),  breiter  Reif  von  Schildpatt,  mit  eingekratzten  Rillen 
(ganz  ähnlich  von  Ruk,  Nr.  411). 


r3q]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  1 2 1 

Annband  (Nr.  401,  i  Stück),  von  Schildpatt  (Taf.  III  [i],  Fig.  22),  mit  eingra- 
vlrter  Zeichnung,  Umfang  22^3  Cm. 

Derartige  Armbänder  sind  an  der  Ostküste  von  Neu-Guinea  sehr  häufig  und  die 
Sammlung  enthält  mehrere  Exemplare  daher.  Die  vorhergehenden  beiden  Stücke  zeigen 
am  besten,  wie  verschieden  die  Ornamentirung  an  derselben  Localität  sein  kann. 

Sehr  feiner  Kampf-Brustschmuck  (Nr.  529,  i  Stück;  Taf.  III  [1],  Fig.  23,  rechte 
Hälfte)  in  der  für  die  Nordostküste  Neu-Guineas  eigenthümlichen  und  charakteristischen 
Form.  Das  Stück  besteht  aus  zwei  0]/2//a-Muscheln  (a)j  die  durch  einen  mit  gespaltenem 
Rottan  umwickelten  Riegel  (b)  verbunden  sind,  an  dem  ein  blattförmiger  Anhang  be- 
festigt ist,  aus  feinem  Flechtwerk,  mit  Randbesatz  von  Diwara  (c),  in  der  Mitte  drei 
Längsreihen/ —  Ganz  ähnlich  ist  ein  solcher  Schmuck  von  Huon  Golf  (Nr.  53o). 

Geräthschaften, 

Perlschale  (Afargarita  margaritifera)  (Nr.  3i,  i  Stück),  als  Schneid-  und  Schab- 
Instrument. 

Muscheln  bilden  überall  das  gewöhnlichste  Instrument  zum  Schneiden,  und  zwar 
hauptsächlich  bivalve  Flussmuscheln.  Mit  einer  Schale  von  Cyrene  papua  sah  ich  einen 
hiesigen  Eingeborenen  sein  Grasarmband  abschneiden,  wobei  er  ein  Stück  Holz  unterlegte. 

Schaber  (Nr.  46  b,  i  Stück)  für  Cocosnuss,  aus  Perlschale  gearbeitet. 

Axt  (Nr.  120,  I  Stück;  Taf.  IV  [2],  Fig.  4),  a  Holzstiel,  b  Futter,  aus  zwei  Holz- 
stücken, in  welche  die  Klinge  c,  aus  Tridacna-lAuszhtl  geschliffen,  eingeklemmt  und  mit 
Bindfaden  d  festgebunden  ist;  e  Verbindung  des  Holzstieles  mit  dem  Futter  durch  fein 
gespaltenen  Rottan. 

Ich  sah  nur  so  kleine  Aexte  mit  Muschelklingen;  die  meisten  waren  viel  roher  und 
bestanden  nur  in  einem  Stück  ffipj70/7W5-Muschel,  das  ganz  in  der  Weise  mit  dem  Stiele 
verbunden  war  wie  Sie  Steinaxt  von  Neu-Hannover  (Taf.  IV  [2],  Fig.  3).  Ganz  gleiche 
Aexte  mit  Muschelklinge  werden  wir  in  Neu-Guinea  kennen  lernen  (Nr.  121)  von  Hatz- 
feldthafen. 

e,  Hansabucht 

nannte  ich  eine  Bucht  an  der  Südwestküste  von  Neu-Britannien,  welche  zwischen  dem 
Südcap  und  Roebuk-Point  der  Karten  liegt  und  mit  dem  Dampfer  »Sanioa«  entdeckt 
wurde.  Die  Gegend  schien  mehr  als  sonst  bevölkert,  obwohl  die  Häuser  meist  nur  zu 
3  bis  4,  selten  so  viel  als  i  o  beieinander  standen,  und  es  kamen  eine  Menge  Canus  mit 
Eingeborenen  ab,  die  sich  aber  erst  nach  vielen  Bemühungen  längsseit  wagten.  Die 
Canus  waren  sehr  roh,  aus  einem  Baumstamm  mit  rohem  Auslegergeschirr  und  trugen 
bis  16  Mann;  auch  diese  Canus  sind  nur  für  Localverkehr  geeignet. 

Die  Leute  selbst  waren  echte  Papuas  und  alle  mit  einem  schlechten  Mal  aus  zum 
Theile  buntbemalter  Tapa  bekleidet,  welcher  die  Geschlechtstheile  suspensoriumartig 
einhüllte.  Die  meisten  trugen  das  Haar  in  der  üblichen  Weise  am  Hinterkopfe  rasirt, 
andere  in  besonderen  Scheerfrisuren  oder  im  Nacken  durch  Schmutz  verfilzte  Zottel- 
siränge,  ganz  wie  die  Gatessi  in  Astrolabe-Bai.  Ich  sah  verschiedene  Männer  mit  Voll- 
bart, aber  die  meisten  hatten  das  Gesichtshaar  ausgerissen.  Die  oft  auffallend  zurück- 
ziehende Stirn  und  der  lange  Kopf  gaben  diesen  Eingeborenen  ein  eigenthümliches 
Aussehen,  schienen  aber  eine  Folge  künstlicher  Deformation.  Bei  einigen  Männern 
bemerkte  ich  Tätowirung,  nur  2 — 3  Längslinien  aus  Querstrichelchen  über  die  Stirn 
und  Querlinien  über  die  Wangen.  Um  den  Kopf  trugen  manche  eine  Binde  von  einer 
Art  Heede,  wie  ich  sie  sonst  nur  noch  bei  Festungshuk  in  Neu-Guinea  sah. 


122 


Dr.  O.  Finsch. 


[40] 


Sie  brachten  einige  Cocosnüsse,  Taro,  Hunde,  getrocknete  Tabakblätter,  Betel- 
nüsse, kannten  aber  keinen  Tradetabak  und  nahmen  wie  überall  am  liebsten  Bandeisen. 

Sie  führten  keinerlei  Waffen,  aber  sonst  mancherlei  mit  sich.  Ich  notirte :  Kopf- 
putz aus  Cacatu-  und  weissen  Hahnenfedern  (keine  Casuarfedern  und  Kämme);  im 
Septum  ein  Stückchen  Rohr;  gewöhnliche  geflochtene  Grasarmbänder;  grobe  Trochus- 
Armbänder  (wie  die  Lalei,  Seite  99,  aber  gröber),  kleine  filetgestrickte  Brustbeutel, 
schöne  grosse  Fischnetze  mit  Senkern  von  i4rca-Muschel  (keine  Fischhaken);  Panflöten 
aus  6 — 7  Röhren  (ganz  wie  sonst  z.  B.  von  Neu-Irland);  Scheiben  von  Co«M5-Muschel 
zu  Hals-  und  Brustschmuck;  ich  beobachtete  keine  breiten  gravirten  Armringe  (wie 
Nr.  401,  Seite  121)  von  Schildpatt,  keinerlei  Stein-  oder  Muschel  Werkzeuge,  nur  die 
gewöhnlichen  Brecher  aus  Knochen,  welche  im  Armband  getragen  wurden.  Die  meisten 
Gegenstände  stimmen  also  mit  solchen  aus  Neu-Guinea  überein,  darunter  besonders 
die  charakteristischen  Armbänder  (Taf.  III  [i],  Fig.  20)  und  Brust-Kampfschmuck  (ganz 
wie  von  Gap  Raoul).  Diwara  schien  hier  eine  grosse  Rolle  zu  spielen,  ebenso  Schweine- 
zähne (ich  bemerkte  keine  Hundezähne),  die  wir  mit  anderem  eigenthümlichen  Schmuck 
in  den  folgenden  Stücken  kennen  lernen. 

Schmuck. 

Schnur-Muschelgeld  (Nr.  629,  i  Stück). 

Stimmt  ganz  mit  dem  Diwara  von  Blanche-Bai  (Taf.  III  [i],  Fig.  i)  überein  und 
schien  in  derselben  Weise  als  Geld  zu  dienen,  da  es  fadenweise  verkauft,  sowie  zu  Hals- 
ketten wie  sonst  verwendet  wurde.  Das  Material  ist  ebenfalls  eine  Nassa,  aber  nach  Dr. 
Reinhardt  Nassa  callospiray  übrigens  in  derselben  Weise  als  in  Blanche-Bai  bereitet 
und  aufgereiht. 

Ohrringe  (Nr.  32i,  2  Stücke;  Taf.  III  [1],  Fig.  12),  eigenthümlich. 
Sie  bestehen  in  einem  flachen  Ringe  aus  Schildpatt  (a)y  auf  dessen  Rande  mittelst 
Pflanzenfaser  Diwaramuscheln  (b)  befestigt  sind.    Sie  werden  durch  den  Schlitz  (c)  in 

den  durchbohrten  Ohr- 
^*S"  '^'  läppen    gezwängt    und 

oft  in  so  grosser  Anzahl 
getragen,  dass  das  Ohr 
tief  herabhängt. 

Armband  (Nr.  896, 
I  Stück)  von  Schildpatt 
(ganz  wie  Nr.  399,  Seite 
1 20),  von  Cap  Raoul. 

Halskette  (Nr.  496, 
I  Stück;  Taf.  III  [i], 
Fig.  1 1 ),  aus  a  Diwara 
und  b  Abschnitten  der 
Primärschwingen  des 
Casuar  (vermuthlich 
Casuarius  Bennctti). 
Sehr  werthvoll  und  in  ähnlicher  Weise  an  der  Südostspitze  Neu-Guineas  in  Ge- 
brauch (wie  Nr.  487  von  Milne-Bai). 

Kampf-Brustschmuck  (Nr.  528,  i  Stück)  (Fig.  7),  eigenthümlich.  Besteht  aus 
zwei  abnorm  gewachsenen  zirkelrundcn  Ebcrhaucrn,  die  mit  sieben  Reihen  Diwara  ver- 
bunden sind  und  an  einem  84  Cm.  langen,  eigenthümlich  aus  Pflanzenfaser  geflochtenen 


Feiner  Kampf-Brustschmuck  aus  abnorm  gekrümmten  Eberhauern, 

von  Hansabucht,  Neu-Britannien.    • 


[ii]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  123 

Tragbande  hängen;  ausserdem  hier  noch  eine  35  Cm.  lange  Schnur  aufgereihten 
Diwaras.  Derartigen  Schmuck  habe  ich  nur  hier  angetroffen.  Er  erhält  durch  die  Ver- 
wendung der  zirkelrunden  Eberzähne,  deren  Erzeugung^)  die  Eingeborenen  also  ver- 
stehen müssen,  eine  besondere  Bedeutung  und  hohen  Werth. 


2.  Neu-Irland, 

neuerdings  >Neu-Mecklenburg« ')  genannt,  eine  bedeutend  kleinere  Insel  als  Neu-Britan- 
nien  (Flächeninhalt  1 1.690  Quadratkilometer),  aber  von  gleicher  Formation:  vulcanisch, 
bergig  bis  gebirgig,  dicht  bewaldet,  im  Nordwesten  niedriger;  Form  ähnlich  Neu-Britan- 
nien,  langgestreckt  aber  schmäler.  Der  Rev.  George  Brown  gelangte  von  dem  Küsten- 
dorfe  Kalil  an  der  Westküste,  in  der  Nähe  von  Rossel-Bai,  gegenüber  den  Herzog  York- 
Inseln,  ohne  Mühe  an  die  Ostküste.  Nachdem  das  sehr  steile,  ca.  25oo  Fuss  hohe  Küsten- 
gebirge erklettert  worden  war,  kam  man  auf  hübsches  Tafelland,  das  sich  allmälig  bis 
zur  Ostküste  abflachte.  Die  Breite  der  Insel,  welche  nirgends  mehr  als  20  Seemeilen 
überschreitet,  beträgt  hier  gar  nur  wenige  englische  Meilen;  an  einem  anderen  nicht 
weit  von  Kalil  gelegenen  Platze,  Koromud  oder  Kurumul  genannt,  nach  dem  Rev. 
Brown  kaum  eine  halbe  englische  Meile.  —  Ausser  der  eben  erwähnten  Landreise 
Brown's  ist  wohl  noch  keine  andere  gemacht  worden  und  Neu-Irland  ebenso  oder 
noch  mehr  unbekannt  als  Neu-Britannien.  In  früheren  Zeiten  pflegten  Walfischfahrer 
an  der  Südspitze  (im  Port  Carteret)  vorzusprechen,  um  Wasser  und  Holz  einzunehmen, 
weshalb  die  Eingeborenen  hier  etwas  Englisch  radbrechen.  Im  Jahre  1 876  errichtete  die 
Wesleyanische  Mission  eine  Station  in  Kalil,  später  noch  ein  paar  in  der  Nähe,  die  sich 
aber  ebensowenig  entwickelten  als  der  Handel,  welcher  hier  nur  die  unbedeutende  Station 
Kurass^)  zum  Ankauf  von  Copra  besitzt.  Einen  weit  bedeutenderen  Aufschwung  nahm 
dagegen,  in  Folge  des  Reichthums  an  Cocospalmen,  der  Handel  an  der  äussersten  Nord- 
westecke der  Insel.  Unter  der  energischen  Leitung  von  Friedrich  Schulle  errichtete 
das  Hamburger  Haus  Hernsheim  &  Co.  hier  1 879  und  1 880  von  Nusa  bis  Lagunebange, 
einem  Küstenstriche  von  circa  25  Seemeilen  Länge  (in  der  Luftlinie),  an  ein  Dutzend 
Stationen,  die  aber  mit  mancherlei  Schicksalen  zu  kämpfen  hatten  und  von  denen  i883 
nur  noch  zwei  bestanden.  Uebergriffe  seitens  der  Trader  (Aufkäufer),  namentlich  aber 
der  Werbeschiffe  (Labourtrader)  haben  hier  viel  Unheil  angerichtet  und  zum  Theile 
bJutige  Conflicte  mit  den  Eingeborenen  herbeigeführt.  So  wurde  i883  die  schon  1879 
errichtete  Hauptstation  auf  Nusa  niedergebrannt,  im  folgenden  Jahre  durch  Friedrich 
Schulle  aber  wieder  aufgenommen  und  ist  seitdem  das  Centrum  des  Handels  für  Neu- 
Irland  geblieben.  Ausserdem  gibt  es  an  der  Küste  vielleicht  noch  zwei  oder  drei  andere 
Stationen,  die  übrigens  sehr  wechseln.  Was  unsere  Museen  besitzen  ist  in  erster  Linie 
diesen  Handelsniederlassungen  zu  verdanken,  und  die  meisten  mit  »Neu-Irland«  bezeich- 
neten ethnologischen  Gegenstände  stammen  entweder  von  der  Nordwestecke  oder  dem 
erwähnten  kleinen  District  an  der  Südwestküste.  Beide  Gebiete  besitzen  aber  gewisse 
höchst  charakteristische  Eigenthümlichkeiten,  die  sich  z.  B.  in  den  sogenannten  Götzen- 

«)  Vcrgl.  F  in  seh:  ^  Abnorme  Eberhauer,  Pretiosen  im  Schmuck  der  Südseevölker«  in  Miuhei- 
lungcn  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  XVII  (1887),  Taf.  VI. 

2)  Die  Benennung  »Tombara«  ist  den  Eingeborenen,  die  für  die  Gesammtinsel  überhaupt  keinen 
Namen  haben,  unbekannt. 

3)  Dieses  Dorf  liegt  in  der  Gegend  von  Rosscl-Bai,  ist  aber,  wie  die  vorhergenannten  Plätze,  auf 
keiner  Karte  verzeichnet. 


1 24  ^^*  ^'  Finsch.  [42] 

bildern  aus  Holz  im  Nordwesten  und  solchen  meist  aus  Kalk  im  Südwesten  so  frappant 
markiren,  dass  es  zweckmässig  erscheint,  diese  Gebiete  gesondert  zu  behandeln.  Einge- 
hendere ethnologische  Studien  sind  in  Neu-Irland  noch  nicht  gemacht  worden.  Es  gibt 
daher  hier  noch  einige  sogenannte  Räthsel  von  besonderem  Interesse  zu  lösen,  die  aber 
wie  so  manches  anfangs  wunderbar  Scheinende  durch  vorurtheilsfreie  Beobachter  sehr 
leichte  Erklärung  finden  werden.  Eile  scheint  hierbei  mehr  als  anderwärts  geboten, 
denn  bald  wird  es  zu  spät  sein.  Nicht  allein,  dass  die  Werbeschiffe  eine  grosse  Anzahl 
Eingeborener  als  Arbeiter  weggeführt,  ja  gewisse  Gebiete  fast  entvölkert  haben,  so 
sind  durch  den  zersetzenden  Einfluss  der  Civilisation  die  Eingeborenen  nicht  mehr  die- 
selben geblieben.  Im  Jahre  1880  noch  über  Glasscherben,  Stückchen  Bandeisen  und 
ähnliche  Kleinigkeiten  erfreut,  sind  sie  jetzt  mit  gewöhnlichen  Beilen  nicht  mehr  zu- 
frieden und  verlangen  bereits  nach  Feuerwaffen.  Der  reichliche  Besitz  von  eisernen 
Werkzeugen  hat,  wie  überall,  auch  hier  die  Eingeborenen  fauler  gemacht  und  ihre 
Arbeiten  sind  statt  besser,  schlechter  geworden.  Dies  zeigt  sich  namentlich  an  den 
Schnitzereien,  die  durch  theilweise  Wiedergabe  europäischer  Erzeugnisse  (Hüte  u.  dergl.) 
bereits  an  Originalität  verloren  haben  und  zum  Theile  nur  noch  für  den  Handel  gemacht 
werden,  da  der  gesteigerte  Schiffsverkehr  ja  immer  Abnahme  sichert. 

Ich  selbst  habe  Neu-Irland,  sowohl  im  äussersten  Süden  als  Norden,  fünfmal  be- 
sucht, aber  immer  nur  auf  zu  kurze  Zeit,  um  eingehendere  Studien  machen  zu  können. 
Die  Bevölkerung,  wenigstens  an  der  ganzen  Westküste,  welche  ich  wiederholt  von  Gap 
St.  George  bis  zur  Steffenstrasse  und  Nusa  befuhr,  schien  überall  äusserst  spärlich  und 
schon  aus  dem  Mangel  grösserer  Bestände  von  Cocospalmen,  sowie  der  ausserordent- 
lichen Steilheit  der  Gebirge,  die  im  Südwesten  meist  bis  ins  Meer  herabsteigen,  erklärlich. 

A.  Eingeborene. 

Dieselben  sind  echte  Papuas  (vergl.  Anthropologische  Ergebnisse  Seite  58)  und, 
abgerechnet  die  bekannten  Nuancirungen,  wie  sie  sich  allenthalben  in  Melanesien  finden, 
sowohl  im  Süden  als  Norden  durchaus  als  Rasse  gleich.  Die  Isolirtheit  der  Wohnsitze 
hat,  wie  überall,  eine  grosse  Verschiedenheit  der  Sprachen  hervorgebracht  und  der  Ver- 
kehr der  verschiedenen  Stämme  ist  bei  dem  Mangel  grosser  Segelcanus  ein  sehr  be- 
schränkter und  meist  nicht  friedlicher.  Nur  die  Bewohner  der  Herzog  York- Inseln 
kommen  zuweilen  an  die  gegenüberliegende  Küste,  entweder  um  zu  fechten  oder 
Muschelgeld  einzutauschen.  Auch  die  Neu-Britannier  am  Nordrande  der  Mutter  sollen 
Neu-Irland,  das  sie  »Lau-uru^  nennen,  zuweilen  besuchen.  Die  Matupiten  lernten  das 
kaum  20  Seemeilen  entfernte  Neu-Irland  erst  durch  Handelsschiffe  kennen  und  nennen 
die  Eingeborenen  ^ Kaputt ^  ein  Wort,  das  sie  so  häufig  von  ihnen  hörten,  denn  es  be- 
zeichnet Band-  oder  Flacheisen. 

Die  Neu-Irländer  sind  sehr  fröhliche,  aufgeweckte  Menschen,  die  im  Verkehre  mit 
Weissen  einen  sehr  guten  Eindruck  machen,  und  längst  nicht  so  schlimm  als  ihr  Ruf. 
Der  Rev.  Brown  besuchte  unbewaffnet  Plätze,  die  vorher  nie  von  Weissen  betreten 
worden  waren,  und  obwohl  sich  oft  ein  paar  Hundert  Bewaffnete  um  ihn  sammelten, 
wurde  er  doch  stets  gut  behandelt  und  ihm  kein  Haar  gekrümmt.  Der  längere  Verkehr 
mit  Weissen  ändert  solche  Verhältnisse  gar  bald.  Dies  gilt  namentlich  auch  in  Bezug 
auf  die  Keuschheit  der  Frauen,  die  in  Neu-Irland  an  manchen  Plätzen  schon  sehr 
gelitten  haben  soll;  aber  die  Frauen  scheinen  überhaupt  in  Neu-Irland  minder  streng 
als  in  Neu -Britannien  gehalten  zu  werden. 

Wie  dort  leben  die  Eingeborenen  in  kleinen  Gemeinden,  von  denen  nur  die  be- 
nachbarteren zusammenhalten,  und  nähren  sich  in  erster  Linie  nur  von  dem  Ertrage 


r^3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  125 

ihrer  sorgfältig  angelegten  Plantagen.  Aber  es  gibt  Häuptlinge  von  bedeutendem  An- 
sehen und  grösserer  Macht  als  in  Neu-Britannien^  schon  deshalb,  weil  die  Neu-Irländer 
viel  kriegerischer  sind  als  die  Neu-Britannier  und  für  ihre  stetigen  Fehden  Anführer 
bedürfen.  Romilly,  der  i883  in  Kapsu  einem  grossartigen  Kampfe  beiwohnte,  schätzt 
die  Anzahl  der  dort  versammelten  Menge  auf  i5oo,  die  der  Gegenpartei  auf  looo 
Krieger.  Das  ist  seitdem  anders  geworden;  denn  Werbeschiffe  haben  einen  grossen 
Thcil  der  besten  Männer  (über  2000  allein  aus  dem  Gebiete  von  Nusa)  weggeführt, 
\\m  denen  nur  die  wenigsten  zurückkehrten. 

Eng  mit  dem  Kriege  verbunden  ist  der  CannibalismuSy  welcher  in  Neu -Irland 
noch  heute  in  voller  Blüthe  steht.  Ich  sah  von  Nusa  1 5  Canus  abgehen,  um  ein  benach- 
bartes Küstendorf  zu  überfallen,  lediglich  um  Menschen  zum  Essen  zu  erbeuten,  woraus 
^ar  kein  Hehl  gemacht  wurde.  An  den  Festivitäten  nimmt  Alles,  Alt  wie  Jung,  Männer 
wie  Frauen  theil,  da  Menschenfleisch  als  besonderer  Leckerbissen  gilt  und  dem  von 
Schweinen  vorgezogen  wird.  Der  Mangel  an  animalischer  Nahrung  ist  keineswegs  die 
Ursache  dafür,  denn  im  Wesentlichen  leben  alle  Südseestämme  nur  von  Pflanzenkost, 
und  es  gibt  weite  Gebiete,  wo  Menschenfresserei  unbekannt  ist.  Auch  da  wo  sie  herrscht 
bildet  sie  keinen  Antheil  an  der  Ernährung  der  Menge,  sondern  nur  eine  Festzugabe, 
von  der  jeder  Theilnehmer  eben  nur  sehr  wenig  erhält.  Die  einzige  und  zugleich  beste 
Beschreibung  der  schauerlichen  Sitte  gibt  Romilly,*)  ausser  Friedrich  Schulle  wohl 
der  einzige  Europäer,  der  einem  grossartigen  Cannibalenfeste  in  Neu-Irland  beiwohnte. 
Kr  bestätigt  meine  Beobachtung,  dass  die  Schädel  nicht  als  Trophäen  bewahrt,  sondern 
dem  Schmause  mit  geopfert  werden,  da  das  Gehirn  als  das  Feinste  gilt.  Die  »Oefen«, 
welche  Romilly  erwähnt,  sind  keine  solchen  in  unserem  Sinne,  sondern  nur  die  Auf- 
häufung von  Steinen,  wie  sie  auch  sonst  zum  Kochen  benutzt  werden.  Ich  selbst  sah 
in  Neu-Irland  auf  dem  Festlande,  Nusa  gegenüber,  nur  einmal  einen  Schädel  an  einem 
Baume  hängen,  der  einer  Frau  angehört  hatte,  die  verzehrt  worden  war.  Mit  freund- 
lichem Lächeln  bestätigten  niedliche  Mädchen,  auf  Befragen,  ohne  Scheu,  dass  sie  an 
dem  Mahle  theilgenommen.  Der  Rev.  Brown  sah  in  einem  Versammlungshause  an 
der  Ostküste  35  menschliche  Unterkiefer  neben  solchen  von  Schweinen,  als  Erinnerung 
an  die  abgehaltenen  Schmausereien,  aufgehangen,  und  in  einem  anderen  Dorfe  an  dem 
Stamme  einer  Cocospalme  76  Kerbe  eingehauen,  von  denen  jede  ein  erschlagenes  oder 
aufgezehrtes  Opfer  bezeichnete.  Wie  mir  Schulle  erzählte  war  Cannibalismus,  nament- 
lich in  früheren  Jahren,  etwas  Gewöhnliches  in  Nusa.  Nicht  selten  wurden  Gefangene 
umgebracht,  die  man  an  Händen  und  Füssen  gefesselt,  oft  stundenlang  im  Canu  mitge- 
schleppt hatte,  und  zuweilen  wurden  diese  unglücklichen  Opfer  noch  gequält.  So  sah 
Schulle  einem  Gefangenen  die  Hände  abhacken,  ehe  man  ihn  tödtete,  weil  der  Mann 
ein  gefährlicher  Dieb  gewesen  war.  Auch  Weiber  sähen  solchen  Brutalitäten  nicht  nur 
glcichgiltig  zu,  sondern  betheiligten  sich  zuweilen  dabei.  Dennoch  ist  Grausamkeit 
nicht  ein  vorherrschender  Zug  im  Charakter  der  Neu-Irländer,  sondern  nur  Einzelner, 
und  man  wird  diese  sogenannten  »Wilden«  milder  beurtheilen,  wenn  man  an  die 
scheusslichen  Martern  der  Folter  bei  uns  zurückdenkt.  Es  gibt  auch  in  Neu-Irland 
humane  Sitten  und  Menschen.  So  können  sich  Gefangene  nicht  selten  freikaufen,  und 
ich  erlebte  einen  Fall,  wo  ein  Nusamann  an  der  Küste  von  den  Männern  übel  zugerichtet, 


')  >The  Western  Pacific  and  New  Guinea«  (London  1887),  hier  Cap.  III  »Cannibalism  in  New 
'■rcland^  eines  der  interessantesten  des  ausgezeichneten  Buches,  bei  dem  Jeder  nur  die  Kürze  beklagen 
'Ttni,  mit  der  der  Verfasser,  einer  der  bestan  Kenner  des  Pacitic.  über  manche  hochwichtige  Beobach- 
"mcn  hin  wegeilt. 


durch  deren  energische  Weiber  gerettet  wurde,  die  den  schwer  Verwundeten  nach  Nusa 
brachten. 

Die  ethnologischen  Eigenthümlichkeiten  der  Neu-Irländer  stimmen  in  manchem 
mit  denen  der  Neu-Britannier  (Seite  91)  überein.  Doch  kennt  man  keine  durchbohrten 
SteinwafTen,  Diwara  und  Dugdug,  dagegen  Versammlungs-  oder  sogenannte  Tabuhäuser 
und  Kokonon  (Muschelgeld).  Vor  Allem  verdienen  aber  die  hohe  Entwicklung  von 
kunstvollen  Holzschnitzereien  und  Leichenverbrennung  als  besondere  ethnologische 
Charakterzüge  genannt  zu  werden. 

Die  vorstehenden  Bemerkungen  beziehen  sich  auf  das 

a.  Nordende, 

das  ritfreiche  Inselgebiet  von  der  Steffenstrasse  bis  zur  Insel  Nusa  und  der  entsprechen- 
den Küste  des  Festlandes;  die  Sammlungen  stammen  zumThcile  weiter  östlich  aus  den 
Küstendörfern  bis  Kapsu  hin  her.  Neu-Hannover  scheint,  nach  dem  was  ich  von 
dort  zu  sehen  bekam,  ethnologisch  aufs  innigste  mit  diesem  Gebiete  übereinzustimmen. 

Ä  Körperausputi. 

Bekleidung  fehlt  bei  den  Männern  ganz,  wie  in  Neu-Britannien.  Während  dort 
aber  auch  die  Frauen  nicht  mehr  bedeckt  sind  als  Eva  im  Paradiese,  gleichen  die  Neu- 
Irländerinnen  der  Menschenmutter  nach  dem  Sündenfall.  Sie  befestigen  nämlich  in 
einem  Leibstricke  vorder-  und  hinterseits  ein  Büschel  frischer  Blätter.  Selbst  ganz  kleine 
Mädchen  vom  vierten  oder  fünften  Jahre  an  gehen  nie  völlig  nackend,  sondern  tragen 
ein  HibicuS'BX^XXy  wie  Eva  das  Feigenblatt,  das  die  schlanken  braunen  Bronzegestalten 
sehr  gut  kleidet  und  an  die  Antike  mahnt. 

Besonders  fein  ist  der: 

Mauropi  (Nr.  245,  i  Stück),  eigenthümliche  Bekleidung  einer  Frau,  bestehend 
in  einem  Büschel  rothgefärbter  Pflanzenfaser,  das  mittelst  eines  Leibstrickes  festgebun- 
den wird.  —  Nusa.  —  Ein  solcher  Mauropi  wie  dieser  wird  nur  bei  besonderen  fest- 
lichen Gelegenheiten  getragen  und  bildet  den  Ausputz  heiratslustiger  Mädchen.  Zu- 
weilen sind  wohlriechende  Kräuter  mit  eingebunden. 

Ich  sah  aus  Neu-Irland  auch  Schamschürzen  der  Weiber  aus  circa  3o  Cm.  langen, 
fein  gedrehten  Stricken  aus  Pflanzenfaser,  wahrscheinlich  von  Banane. 

Verheiratete  Frauen  zeichnet  eine  Neu-Irland  eigenthümliche  Kopfbedeckung 
aus,  die : 

Karua  (Nr.  246,  i  Stück),  Kappe,  aus  Pandanus-^l^XX  genäht,  in  Form  einer  phry- 
gischen  Mütze  und  recht  kleidsam.  —  Nusa. 

Diese  Kappen  werden  besonders  auf  Szelambiu  (Mausoleum-Insel)  angefertigt  und 
von  hier  aus  verhandelt. 

Ganz  übereinstimmend  mit  Neu-Britannien  ist  die 

Tapa  (Nr.  25 1,  i  Probe),  grober,  aus  geschlagenem  Baumbast  hergestellter  Stoff. 
—  Festland  gegenüber  Nusa. 

Wie  das  Material  ist  auch  die  Benutzung  eine  gleiche,  indem  diese  Tapa  nur  zum 
Tragen  der  Säuglinge  Anwendung  findet.  In  einem  langen,  auf  der  Brust  zusammen- 
geknoteten, Stück  wird  das  Kind  in  der  Weise  auf  dem  Rücken  getragen,  dass  Arme, 
Beine  und  Kopf  freibleiben.  Trotz  dieser  anscheinend  unbequemen  Lage  sind  die 
Kinderchen  sehr  zufrieden  und  schlafen  in  derselben,  so  schön  als  unsere  im  weichsten 
Steckkissen. 


[i5l  Ethnologische  Ertahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Sudsee.  127 

Eigenthümlich  ist  eine  besondere  Art  Matten,  die  mit  zur  Bekleidung  gerechnet 
werden  können: 

Karua  (Nr.  247,  i  Stück),  Regenmantel,  aus  zwei,  je  an  einer  Längs-  und  Schmal- 
seite zusammengenähten  Matten  aus  Pandanus-Blalt  bestehend;  zum  Schutz  gegen  Sonne 
wie  Regen,  namentlich  bei  Canufahrten.  —  Festland  gegenüber  Nusa. 

Diese  Matten  sind  zuweilen  an  der  oberen  Kante  mit  durchbrochener  Näharbeit 
in  hübschen  Mustern  kunstvoll  verziert,  wie  solche  auch  an  der  Hinterseite  der  Kappen 
in  Anwendung  kommen.  Die  Kenntniss  gewisser,  wenn  auch  primitiver  Näharbeiten 
verdient  ethnologisch  besondere  Beachtung,  da  solche  in  Melanesien  sehr  isolirt  vor- 
kommen. 

Schmuck  und  Zieraten  werden  im  Wesentlichen  aus  dem  gleichen  Material  als 
in  Neu-Britannien  hergestellt  und  frischer  Blätterschmuck  nimmt  wie  dort  die  erste 
Stelle  ein.  Rothgefärbten  Schilf  habe  ich  nicht  gesehen,  ebenso  keine  Schweinezähne; 
Hundezahne  nur  sehr  beschränkt,  Menschenzähne  gar  nicht.  Sie  finden  bei  Cannibalcn- 
stämmen  überhaupt  keine  Verwendung,  wie  so  häußg  irrthümlich  geglaubt  wird.  Die 
Seile  93  erwähnten  Beutelthierzähne  (Angut)  sind  mir  nicht  vorgekommen  und  stam- 
men von  der  Südwestküste.  Eigenthümlich  sind  die  kleinen,  aus  Muschel  gefertigten 
Plättchen  oder  Perlen,  Kokonon  genannt.  Im  Ganzen  ist  Schmuck  spärlicher  als  in 
Neu-Britannien,  aber  meist  viel  kunstvoller  gearbeitet;  übrigens  wie  dort  bereits  durch 
Glasperlen  ziemlich  verdrängt,  die  jetzt  einen  wesentlichen  Theil  des  Schmuckes 
ausmachen. 

Unentwerthet  durch  Glasperlen  und  andere  europäische  Erzeugnisse  ist  aber  das 
Kokonon  oder  Muschelgeld  der  Eingeborenen  geblieben,  welches  noch  heute  bei  den 
Eingeborenen  eine  ebenso  bedeutende  Rolle  spielt  als  das  Diwara  (Seite  94)  in  Neu- 
Britannien.  Von  der  Steffenstrasse  bis  nach  Langunebange,  wahrscheinlich  auch  längs 
dem  grössten  Theile  der  Westküste,  ist  Kokonon  das  gangbarste  Tauschmittel,  welches 
Jen  eigentlichen  Reichthum  bildet,  tnit  dem  man  in  Neu-Irland  Alles  erreichen  kann. 
Während  sich  Diwara  in  Neu-Irland  keinen  Eingang  verschaffte,  ist,  wie  wir  gesehen 
haben,  Kokonon  in  Neu-Britannien  beliebt  und  wird  oder  wurde  wegen  seiner  Feinheit 
gern  zu  Schmuckgegenständen  verwendet.  In  der  That  sind  die  sauber  und  accurat 
geschliffenen  kleinen  Muschelplättchen,  mit  einem  so  kleinen  Loche,  dass  zum  Auffädeln 
eine  feine  Nähnadel  gehört,  wohl  die  zierlichsten  dieses  in  der  Südsee  weitverbreiteten 
Genres.  Leiden  wissen  wir  trotz  der  Häufigkeit  über  die  Anfertigung  dieses  Muschel- 
geldes nichts  und  kennen  nicht  einmal  das  Material  genau. 

Da  es  sich  um  kleine  Perlen  handelt,  von  denen  48 — 5o  Stück  der  feinsten  Sorte 
erst  3  Cm.  messen,  und  von  denen  jedes  Stück  wahrscheinlich  besonders  geschliffen  und 
gebohrt  wird,  so  muss  man  den  Fleiss  und  die  Geduld  der  Eingeborenen,  die  sich 
gerade  in  der  Verfertigung  so  winziger  Objecte  zeigen,  wahrhaft  bewundern. 

Es  gibt  drei  Sorten  Muschelgeld: 

Kokonon  luluai  (Nr.  635,  i  Schnur;  Taf.  III  [i],  Fig.  3),  Muschelgeld  gewöhn- 
lichster Sorte,  aus  rundlichen,  hirsekorngrossen,  schwarzen  Perlen  aus  Cocosnussschale  *) 
und  abwechselnd  weissen  Perlen,  von  circa  3  Mm.  Durchmesser,  aus  Muschel  geschliffen, 
bestehend.  —  Nusa. 

Diese  Sorte  dient  im  gewöhnlichen  Verkehr  und  wird  meist  zum  Friedenstiften 
benutzt.  Die  Eingeborenen  pflegen  Schnüre  dieses  Muschelgeldes,  am  Kopfhaare  ange- 


>)  Nicht  zweifellos  sicher,  aber  jedenfalls  pflanzlichi  da  diese  Perlen  langsam  im  Feuer  verkohlen. 


1 28  Dr.  O.  Finsch.  [^,6] 

bunden,  bei  sich  zu  führen,  um  kleine  Einkäufe  zu  bestreiten  oder  eventuell  sich  bei 
einem  Ueberfalle  freizukaufen. 

Kokonon  (Nr.  634,  i  Schnur;  Taf.  III  [i],  Fig.  4;  zur  rechten  Seite  ein  Stück  im 
Durchmesser),  Muschelgeld  zweiter  Sorte,  besteht  aus  hellfarbigen,  elfenbeinweissen 
Muschelscheibchen  von  kaum  3  Mm.  Durchmesser.  —  Nusa. 

Diese  Sorte  ist  werthvoUer  als  die  vorhergehende,  wird  hauptsächlich  zum  Kaufen 
von  Frauen  benutzt  und  gilt  vorzugsweise  im  Nusa-Archipel  westlich  bis  zur  Mauso- 
leum-Insel (Szelambiu). 

Kokonon  (Nr.  633,  i  Schnur;  Taf.  III  [i],  Fig.  5;  zur  rechten  Seite  ein  Stück  im 
Durchmesser),  Muschelgeld  feinster  Sorte,  besteht  aus  dünnen,  rundlichen,  sehr  feinen 
röthlichen  Muschelscheibchen  von  kaum  4  Mm.  Durchmesser.  —  Nusa, 

Diese  Sorte  ist  die  werthvollste,  und  zwar  um  so  mehr,  je  mehr  röthliche  mit 
weissen  Streifen  abwechseln;  sie  wird  besonders  zum  Kauf  von  Frauen,  Canus  u.  s.  w. 
benützt  und  gilt  an  der  ganzen  Nordwestküste. 

Diese  drei  Sorten  Kokonon,  besonders  aber  die  gewöhnlichste,  werden  zu  allerlei 
Schmuck  verwendet,  wie  wir  in  der  Folge  sehen  werden. 

Als  Körperzier  ist  Bemalen  sehr  üblich  und  geschieht  in  ähnlicher  Weise  und  mit 
demselben  Farbenmaterial  als  in  Neu-Britannien  (vergl.  Seite  gS  und  Fig.  i  auf  Seite  95, 
Gesicht).  Ausser  Schwarz,  Weiss  und  Roth  kennt  man  noch  Ockergelb,  das  aber  zum 
Bemalen  von  Schnitzereien  verwendet  wird,  wie  eingeführtes  Waschblau.  —  Bei  den 
Frauen  beobachtete  ich  häufig  künstlich  gefärbte  Zähne  (vergl.  weiter  zurück:  Betel). 

TätOWirung  ist  unbekannt,  dagegen  sind  Ziernarben  nicht  selten,  besonders  bei 
Frauen.  Sie  werden  aber  nicht  durch  Einschnitte,  wie  in  Neu-Britannien,  sondern  durch 
Brennen  oder  besser  Auflegen  glühender  Kohlenstückchen  hervorgebracht.  Sie  bilden 
auf  Oberarm,  Brust  und  Rücken  rundliche  Male,  die  sich  aber  nur  selten  zu  rohen 
Mustern  gruppiren  und  weit  hinter  dem  feinen  Akotto  in  Neu-Britannien  (Seite  96) 
zurückstehen. 

Besonderen  Haarschmuck  habe  ich  nicht  kennen  gelernt,  auch  nicht  die  Seite  97 
erwähnten  Kalagi  gesehen,  höchstens  Blätter  oder  Schnüre  Kokonon  im  und  am  Haar 
befestigt.  Schmuckstücke  sind  auch  insofern  überflüssiger,  weil  bei  den  Männern  häufig 
wirkliche  Haarfrisuren  die  Stelle  versehen.  Gewöhnlich  wird  das  Haar  ziemlich  kurz 
gehalten,  am  Hinterkopf  und  bis  zum  oberen  Ohrrande  abgeschoren  und  bildet  einen 
dichten  wolligen  Pelz,  gleich  einer  Pelzkappe.  An  der  Südspitze  sah  ich  aber  auch  ver- 
filzte Haarzotteln,  ganz  wie  in  Neu-Britannien,  aber  wie  hier  niemals  aufgezauste  Haar- 
wolken (Mop)y  da  die  Neu-Britannier  wie  Neu-Irländer  ja  überhaupt  auch  keine  Kämme 
besitzen.  Bemalen  des  Kopfhaares  mit  Kalk  und  rother  Farbe  ist  in  Neu-Irland  die 
gewöhnlichste  Verzierung  und  kommt  ganz  besonders  bei  der  eigenthümlichen  Frisur 
der  Männer  zur  Geltung.  Dieselbe  besteht  gewöhnlich  darin,  dass  das  ganze  Haar  bis 
auf  einen  Mittellängsstreif  von  der  Stirn  bis  zum  Hinterkopfe  abgeschoren  wird,  so  dass 
hier  eine  hohe  Haarwulst  gleich  einem  Raupenhelm  entsteht.  Dieser  Helm  erscheint 
dann  in  der  natürlichen  Farbe  löwengelb,  die  Seiten  dunkel,  da  das  Haar  durch  den 
unausgesetzten  Gebrauch  mit  Kalk,  vom  Säuglingsalter  an,  eine  blonde  Farbe  erhält 
und  nur  an  der  Basis  dunkel  bleibt.  Nicht  selten  wird  die  eine  geschorene  Kopfseite 
weiss,  die  andere  schwarz  oder  roth  bemalt,  ganz  wie  dies  die  der  Wirklichkeit  nach- 
gebildeten Tanzmasken  zeigen. 

Auf  das  Barthaar  wird  viel  weniger  Sorgfalt  als  in  Neu-Britannien  verwendet. 
Gewöhnlich  wird  es  ausgerissen  oder  nur  ein  Rand  rings  um  dajs  Gesicht  stehen  gelassen 
und  dieser  zuweilen  so  dicht  mit  Kalk  eingeschmiert,  dass  kleine  Klümpchen  und  Zacken 


[  1-*]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  1 20 

entstehen.  Häufig  sieht  man  übrigens  auch  Vollbarte.  Hinsichtlich  des  Schamhaares 
herrscht  keine  Mode  wie  in  Neu -Britannien ;  beide  Geschlechter  lassen  es  meist  wachsen 
oder  reissen  es  zuweilen  aus. 

KopfiBChmuck  aus  Federn  sah  ich  nicht,  und  dieser  Mangel  ist  schon  dadurch  er- 
klärlich, weil  in  Neu-Irland  keine  Kakatus  vorkommen.  Haushühner  erinnere  ich  mich 
nicht  gesehen  zu  haben.  Auch  Stimschmuck  ist  mir  nicht  vorgekommen,  ebensowenig 
besonderer  OhrSChmuck.  Gewöhnlich  wird,  und  zwar  bei  beiden  Geschlechtern,  nur 
der  eine  Ohrlappen,  seltener  beide,  durchbohrt  oder  dreieckig  ausgeschnitten  und  dann 
durch  einen  schmalen  Ring  aus  einem  Streifen  von  grünem  Pandanus-Blsin  ausgespannt,, 
oft  so  bedeutend,  dass  das  Ohrläppchen  nur  einen  schmalen  Hautrand  bildet.  Diese 
Mode  findet  sich  in  Neu-Britannien -nicht  und  erinnert  am  meisten  an  die  Marshalls- 
inseln. Die  früher  gebräuchlichen  Ohrbommeln  aus  Scheibchen  von  Cocosnussschale 
oder  Muschelgeld  sind  durch  Glasperlen  fast  ganz  verdrängt  worden. 

Nasenschmuck  habe  ich  nicht  gesehen  und  finde  in  meinen  Notizen  nur  bemerkt, 
dass  die  Eingeborenen  in  Likelike  an  der  Südspitze  die  Nasenflügel,  aber  nicht  das 
Septum  durchbohrt  hatten. 

Halsschmuck.  Für  gewöhnlich  genügt  ein  Strickchen,  an  dem  Blätter,  Schnüre, 
Muschelgeld  oder  Glasperlen  befestigt  sind,  oder  die  auch  in  Neu-Britannien  beliebten 

Klingeln  aus  0//va-Muscheln  (Nr.  484,  i  Stück),  die  oben  abgeschliffen  und  zum 
Tbeile  mit  einem  Klöpfel  aus  Hundezahn  versehen  sind,  welche  beim  Gehen  tönen. 
Festland  gegenüber  Nusa.  —  Halsschnüre  aus  Coix  lacryma-Seimcn  sind  durch  Glas- 
perlen schon  sehr  verdrängt  worden,  dagegen  jetzt  noch  sehr  beliebt  Schnüre  von 
Muschelgeld  oder  wie  die  folgende  Nummer: 

Halsschnur  (Nr.  485,  i  Stück,  Taf.  III  [i],  Fig.  7),  aus  einer  Reihe  Muschelgeld 
der  gewöhnlichen  Sorte  (Nr.  635),  mit  eilf  kleinen  durchbohrten,  an  der  Spitze  abge- 
schliffenen Muscheln  (a)  der  Oliva  carneola.  —  Nusa. 

Eigenthümlich  ist  die  folgende: 

Halsschnur  (Nr.  483,  i  Stück),  sehr  dünner,  zierlich  mit  schwarzgefärbter  Pflanzen- 
faser übersponnener  Bindfaden,  welcher  beim  ersten  Anblick  ganz  an  die  Haarschnüre 
der  Gilberts-Insel  erinnert;  sehr  selten.  —  Nusa. 

Halskragen  (Seite  98)  und  die  eigenthümlichen  kostbaren  Halsbänder  (Seite  98) 
kommen  in  Neu-Irland  nicht  vor. 

Brustschmuck  beschränkt  sich  fast  nur  auf  Glasperlen,  und  es  gibt,  wie  in  Blanche- 
Bai,  keinen  Kampf-Brustschmuck. 

Das  einzige,  was  ich  an  Brustschmuck  kennen  lernte,  ist  das  folgende  Stück,  zu- 
gleich eine  der  zierlichsten  Arbeiten  des  Kunstfleisses  überhaupt: 

Brustschmuck  (Nr.  486,  i  Stück,  Taf.  III  [i],  Fig.  14),  eigenthümlich,  sehr 
selten.  Besteht  aus  einem  herzförmigen  Mittelstück,  anscheinend  der  Oberkiefer  einer 
Schildkröte,  das  von  einem  inneren  Rande  aus  schwarzen  Cocosperlen  und  einem  äusseren 
aus  Muschelperlen  (Muschelgeld,  Fig.  5)  eingefasst  ist.  Diese  Randverzierung  aus  Perlen 
ist  in  geschickter  Weise  zwischen  dünnen  Pflanzenstengeln  mittelst  feinen  Fadens  be- 
festigt. —  Kapsu. 

Als  Mittelstück  wird  am  häufigsten  die  halbmondförmige  Längshälfte  einer  harten 
Fruchthülse  benützt,  als  Tragband  Schnüre  Muschelgeld,  als  Anhängsel  Klingeln  aus 
Oliva  carneoia  (Fig.  7),  grösserer  O/rVa-Muscheln  mit  Klöpfeln  von  Hundezähnen. 

Arm8Ghmuck.  Für  gewöhnlich  genügt  ein  Strickchen  um  den  Oberarm  oder  aus 
Gras  (vielleicht  einer  Liane)  geflochtene  schmale  Bänder,  meist  schwarz,  seltener  mit 
gelbem  Muster«  wie  der  Leibgurt  Nr.  553. 


1 3o  Dr.  O.  Finsch.  [48] 

Dünne,  sehr  zierlich  gearbeitete  Ringe  aus  Querschnitten  von  Trochus  niloticus^ 
ganz  wie  die  Laieis  (Seite  99)  in  Neu-Britannien,  aber  feiner,  sind  ebenfalls  beliebt,  wie 
die  folgenden  Nummern: 

Armringe  aus  Trochus  (Nr.  371,  6  Stück),  8  Cm.  Durchmesser  und 

»  »  »       (Nr.  372,  4  Stück),  6  Cm.  Durchmesser;  Festland  gegen- 

über Nusa. 

Schnüre  Glasperlen  um  das  Handgelenk  werden  jetzt  häufig  getragen,  eben  solche 
als  Leibschmuck,  der  sonst  wenig  angewendet  wird  und  früher  meist  in  Schnuren 
Muschelgeld  oder  den  eigenthümlichen  dünnen  Schnüren  (Nr.  483)  bestand. 

Sehr  selten  ist: 

Leibgurt  (Nr.  553,  i  Stück)  aus  einem  schwarzen,  gelb  gemusterten  Bande  (3  Cm. 
breit  und  64  Cm.  lang),  fein  aus  Gras  oder  Liane  geflochten  und  dasselbe  Material  als 
zu  den  Armbändern. 

Beinschmuck  ist  nicht  in  Gebrauch. 

C  Häuser  und  Siedelungen, 

Wie  in  Neu-Britannien  fehlen  Pfahlbauten  und  die  Häuser  stehen  meist  auf  der 
Erde,  sind  aber  in  der  Bauart  ganz  verschieden  von  denen  in  Blanche-Bai  und  noch 
unansehnlicher.  Am  häufigsten  sah  ich  ziemlich  roh  aus  Ried  oder  Gras  gebaute  Hütten, 
die  eigentlich  in  einem  bis  zum  Erdboden  herabreichenden  sanftgebogenen  Dache  be- 
stehen und  nur  in  der  etwas  zurückstehenden  Giebelfront  einen  niedrigen  Thüreingang 
besitzen.  Häuser  mit  Seitenwänden  und  schrägem  gradfirstigen  Dache  sind  ebenfalls 
häufig,  übrigens  ebenso  lotterig  gebaut  als  die  Hütten.  Die  Häuser  haben  im  Innern 
zuweilen  Abtheilungen,  mitunter  ein  kleines  Gemach  für  die  Weiber,  enthalten  aber  im 
Uebrigen  sehr  wenig.  In  Blättern  eingepackte  Bündel  mit  den  wenigen  Habseligkeiten 
oder  Speeren,  einige  Matten  aus  Cocospalmblatt  als  Unterlage  beim  Sitzen  und  Schlafen 
und  die  Feuerstelle  aus  etlichen  Steinen  sind  ungefähr  Alles. 

Die  Siedlungen  bestehen  meist  aus  wenigen  Hütten,  die  gewöhnlich  von  einem 
freien,  sauber  gehaltenen  Platze  umgeben  sind,  der  mit  buntblättrigen  Crotons  bepflanzt, 
oft  von  solchen  oder  nur  durch  eine  Schnur  eingezäunt  ist.  Solche  freie  Plätze  finden 
sich  auch  häufig  abseits,  weit  von  den  Dörfern  und  dienen  für  die  Festlichkeiten.  Sie 
sind  zuweilen  in  geschmackvoller  Weise  mit  oft  bäumchengrossen  Blattpflanzen  be- 
pflanzt, so  dass  das  Material  für  den  hauptsächlichsten  Schmuck  gleich  bei  der  Hand  ist. 

Nach  weitverbreiteter  melanesischer  Sitte  gibt  es  auch  in  Neu -Irland  Versamill- 
lungs-  oder  Clubhäuser  der  Männer,  die  wie  überall  für  die  Frauen  streng  tabu  sind, 
wie  Alles  was  sie  enthalten.  Romilly  beschreibt  dasjenige  in  Kapsu  leider  zu  ober- 
flächlich. In  einer  Ecke  des  freien  Platzes  »was  a  very  complicated  labyrinth,  which 
surrounded  a  house  containing  some  most  grotesque  carvings«.  Das  Versammlungs- 
haus, welches  ich  auf  Kapaterong  kennen  lernte,  unterschied  sich  von  den  übrigen  Hütten 
durch  nichts  als  bedeutendere  Grösse  und  einige  Schnitzereien  (Nr.  689—693)  an  bei- 
den Seiten  der  Thür.  Im  Inneren  befanden  sich  nur  Schlafstätten,  denn  dieses  Haus 
diente  —  wie  die  Junggesellenhäuser  in  Neu-Guinea  —  als  Schlafhaus  für  die  unver- 
heirateten jungen  Männer  und  fremde  Freunde,  die  hier  empfangen  werden.  Schnitze- 
reien fehlten  in  demselben  und  waren  vermuthlich  schon  verkauft  worden.  Neben  dem 
Hause  stand  auf  Pfählen  ein  gerüstartiges,  vorn  offenes,  überdachtes  Vorrathshäuschen, 
in  dem  Schnitzereien  und  Lebensmittel  geborgen  waren,  unter  denselben  eine  grosse 
Holztrommel  (wie  Taf.  V  [3],  Fig.  8).   Dieses  Qubhaus  stand  ganz  frei,  und  ich  sah 


r^ql  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  1 3 1 

Weiber  nur  in  gebückter  Stellung,  selbst  kriechend  in  einiger  Entfernung  passiren.  Die 
Vermuthung  Hegt  daher  nahe,  dass  die  labyrtnthartigen  Umzäunungen,  wie  sie  Romilly 
in  Kapsu  erwähnt,  wohl  hauptsächlich  den  Zweck  haben,  diese  Häuser  den  Augen  der 
Frauen  zu  entziehen;  vielleicht  dienen  die  überdeckten  Gänge  auch  bei  den  Masken- 
festen  gewissen  Zwecken. 

Wie  diese  Männer-  oder  Tabuhäuser  gewöhnlich  als  Tempel  gedeutet  werden,  so 
die  inneren  und  äusseren  Verzierungen  an  Holzschnitzarbeiten  als  Götzen.  Beides  ist 
unrichtig,  denn  diese  Schnitzereien  sind  eben  nichts  Anderes  als  Verzierungen,  wie  wir 
sie  anderwärts  in  anderer  Weise  wiederfinden,  wofür  ich  eine  Menge  Beispiele  aus 
meinen  eigenen  Erfahrungen  anführen  könnte. 

Diese  Holzschnitzereien  sind  ethnologisch  für  Neu -Irland  charakteristisch,  aber 
nur  für  das  hier  behandelte  beschränkte  Gebiet,  denn  wie  weit  sie  östlich ')  vorkommen, 
wissen  wir  nicht,  wohl  aber  ihr  Fehlen  im  Südwesten.  Sie  stehen  durch  die  schwung- 
volle Ornamentik  und  groteske  Zusammenstellung  wohl  unter  allen  Holzschnitzereien 
Melanesiens  einzig  da  und  repräsentiren  mit  die  bedeutendsten  Leistungen  in  diesem 
Genre.  Das  ist  zum  grossen Theile  mit  auf  Rechnung  des  Materials  zu  bringen,  ein  weiches 
Holz,  welches  sich  viel  leichter  schneidet  als  z.  B.  Linde  oder  Weide  und  dessen  Bearbei- 
tung selbst  Muschel-  und  Steinwerkzeugen  nicht  entfernt  die  Schwierigkeiten  bereitet, 
wie  gewöhnlich  angenommen  wird.  Mit  scharfen  Muschelstücken,  Steinsplittern,  Bambu 
und  Rochenhaut  lässt  sich  da  ohne  sonderliche  Anstrengung  viel  erreichen,  denn  das 
Holz  ist  häufig  so  weich,  dass  man  mit  einem  harten  Gegenstande  Furchen  ziehen  kann. 
Ein  solches  Material  ermöglichte  daher  auch  die  schwungvoll  durchbrochen  gearbeiteten 
grösseren  Schnitzereien,  die  aber  begreiflicherweise  sehr  zerbrechlich  sind,  wie  das  Ma- 
terial selbst  bald  dem  Verderben,  namentlich  durch  Wurmfrass,  unterliegt.  Aus  diesem 
Grunde  verwahrte  man  in  Kapaterong  die  Schnitzereien  auf  dem  hohen  Gerüst,  um  sie 
so  besser  gegen  die  weissen  Ameisen  zu  schützen.  Gewiss  ist,  dass  solche  Bildwerke 
auch  in  den  Tabuhäusern  nicht  lange  vorhalten  und  stets  durch  neue  ersetzt  werden 
müssen. 

Schon  darin  liegt  ein  Grund  zu  der  grossen  Verschiedenheit  der  Stücke,  sowie 
der  Hinweis,  dass  dieselben  nur  bei  gewissen  feierlichen  Gelegenheiten,  Festen  der 
Manner,  als  Decoration  des  Tabuhauses  dienen,  aber  keine  religiöse  Unterlage  haben. 
Freilich  ist  der  Culturmensch  stets  geneigt,  alles,  was  er  an  absonderlichem  Schnitzwerk 
bei  sogenannten  »Wilden«  sieht,  namentlich  also  figürliche  Darstellungen,  ohne  Weiteres 
för  Fetisch-  und  Götzensymbole  zu  halten,  und  die  Missionäre  sind  in  der  Verbreitung 
dieser  Ansicht  stets  vorangegangen.  Da  wird  jedes  Fratzengesicht  auf  einem  Kalk- 
spatel für  eine  heidnische  Gottheit  erklärt  und  in  jeder  Figur  ein  »mächtiger  Götze« 
erblickt.  >Venn  ich  in  Neu-Guinea  sicher  zu  der  Ueberzeugung  gelangte,  dass  die 
mancherlei  oft  sehr  grossen  und  plumpen  menschlichen  Figuren  auf  Ahnen  zu  beziehen 
sind,  so  scheint  mir  dies  in  Bezug  auf  die  gleiche  Kategorie  von  Bildwerken  in  Neu- 
Irland  nicht  so  gewiss.  Aber  Götzen,  denen  man  eine  gewisse  Verehrung  zollt,  opfert 
u.  dergl.,  sind  auch  diese  Figuren,  im  Allgemeinen  »Kulap«  genannt,  nicht;  eher 
dürften  sie  mit  Geisterglauben,  ähnlich  dem  Toberan  in  Neu-Britannien  (Seite  1 15),  im 
Zusammenhange  stehen.  Doch  genug  davon !  Das  Richtige  wird  doch  erst  durch  ruhige, 
nüchterne  Beobachter  ergründet  werden  können,  die  bis  jetzt  noch  fehlen  und  vielleicht 
überhaupt  zu  spät  kommen,  denn  die  neue  Aera  des  Eisens  wird  diesen  Kunstwerken 
der  Steinzeit  bald  ein  Ende  machen. 


1)  Nach  Romilly  werden  die  götzenähnlichen  Figuren  auf  der  Vischer-Insel  gefertigt. 
Aaukn  des  k.  k.  naturhistorischeo  Hofmuseums,  Bd.  lU,  Heft  2,  1888.  10 


l32  Dr.O.  Finsch.  [5o] 

Die  Holzschnitzereien  zerfallen  im  wesentlichen  in  zwei  Kategorien:  i.  in  Bretter 
oder  Leisten  mit  Relief-  oder  durchbrochener,  seltener  eingravirter  Arbeit  oder  nur  be- 
malt; 2.  in  figürliche  Darstellungen  von  Menschen,  sowohl  Männern  als  Frauen,  in  Ver- 
bindung mit  gewissen  Thiergestalten  und  Ornamenten,  beide  Kategorien  mit  oft  sehr 
zierlicher  Bemalung  in  Schwarz,  Roth  und  Weiss  und  beide  demselben  Hauptzwecke 
dienend:  Ausschmückung  des  Tabuhauses  von  innen  wie  aussen. 

Die  nur  mit  Wasser  angeriebenen  Farben  sind  leicht  verwischbar,  übrigens  die- 
selben Stoffe  als  in  Neu-Britannien  (Seite  9 5,  96).  Als  Pinsel  werden  Federn  benutzt, 
als  Farbenäpfe  Cocosnussschalen« 

Die  menschlichen  Figuren  sind,  wie  überall,  Nachbildungen  Eingeborener,  mit 
oft  recht  gelungenen  Köpfen,  an  denen  die  hiesige  charakteristische  Haarfrisur  durch 
eingeklebte  Pflanzenstengel,  Fasern  o.  dergl.  gut  imitirt  ist  und  die  durch  die  Verwen- 
dung der  Deckel  (operculum)  von  Turbo  petholatus  als  Augen  einen  besonderen  Aus- 
druck erhalten.  Die  eigenthümliche  Färbung  dieser  Turbo-Decktl  ähnelt  gar  sehr  einem 
Glasauge  und  die  ingeniöse  Verwendung  derselben  wird  für  Neu-Irland  charakteristisch. 
Die  Gesichter  sind  daher,  bis  auf  die  sehr  beliebten  monströsen  Ohren,  meist  viel 
proportionirter,  als  dies  bei  ähnlichen  Figuren,  z.  B.  in  Neu-Guinea  der  Fall  ist,  die 
übrigen  Körperformen  wie  überall  verfehlt  und  verzerrt.  Brüste  und  Geschlechtstheile 
kommen  meist  zur  Darstellung,  indess  ohne  Unanständigkeiten,  sind  auch  zuweilen 
bedeckt,  z.  B.  bei  der  weiblichen  Figur  (Taf.  VII  [5],  Fig.  3). 

Unter  den  Thiergestalten  kommen  fast  nur  Vögel  und  Fische  vor.  Säugethiere, 
an  denen  Neu-Irland  ohnehin  sehr  arm  ist,  finden  sich  höchst  selten  wiedergegeben,  in 
rohen  Nachbildungen  des  Cuscus,  zuweilen  auch  des  Delphin.  Schlangenbilder  sind 
ebenfalls  selten.  Das  Krokodil,  welches  in  Neu-Guinea  ein  oft  benutztes  Vorbild  liefert, 
erinnere  ich  mich  nicht  in  Neu-Irland  als  solches  verwendet  gesehen  zu  haben,  ebenso 
nicht  die  grossen  Warneidechsen  (Monitor)^  wahrscheinlich  weil  beide  sehr  selten  sind. 
Die  Vögel  werden  meist  fliegend  dargestellt,  und  von  Species  lassen  sich  fast  nur  Hahn 
und  Nashornvogel  erkennen,  von  denen  der  letztere  die  Hauptfigur  bildet.  Dies  ist  schon 
deshalb  leicht  erklärlich,  weil  der  Nashornvogel  (Buceros  ruficollis)  überhaupt  den 
grössten  Vogel  Neu -Irlands  (das  z.  B.  keinen  Casuar  und  Cacatu  besitzt)  repräsentirt 
und  durch  seine  Stimmlaute,  das  auffallende  Rauschen  beim  Fliegen  und  seine  Lebens- 
weise ohnehin  die  hervorragendste  Stellung  in  der  Fauna  einnimmt  —  Ich  sah  eine 
Schnitzerei,  einen  Nashornvogel,  welcher  ein  Nest  plündert,  darstellend,  also  ein  ganz 
aus  dem  Leben  gegriffenes  Motiv.  Sehr  beliebt  ist  eine  Bastard -Vogelgestalt  von  einem 
Hahn  mit  Bi/cero5- Schnabel. 

Von  Fischen  lassen  sich  auch  nur  wenige  durch  auffallende  Formen  charak- 
teristische Arten  (Diodon,  Acanthurus,  Scomber  und  wie  erwähnt  Delphine,  Phocaena) 
erkennen;  Haifische  sind  mir  nicht  erinnerlich,  aus  anderen Thierclassen  nur  der  Scorpion 
(Taf.  VII  [5],  Fig.  5^).  Sehr  häufig  reihen  sich  in  den  Schnitzereien  abwechselnd  Fisch 
und  Vogel  aneinander,  oder  ein  Fisch  hält  einen  Vogel  im  Maul.  Nicht  minder  häufig 
sind  verschiedene  Thiere  unter  sich  oder  mit  Menschenfiguren  in  phantastischer  Ver- 
bindung, wie  die  folgenden  Schnitzereien  zeigen:  i.  (klein):  ein  Fischkopf  hält  den  Kopf 
eines  Nashornvogels  am  Halse  in  den  Zähnen;  2.  (klein):  eine  Fruchttaube  (Carpo- 
phaga)  hält  einen  Fisch  in  den  Klauen,  um  ihn  mit  einer  Betelnuss  zu  füttern;  3.  (gross, 
an  5  Fuss  hoch):  menschliche  Figur  bis  zum  Bauch  (ohne  Geschlechtstheile),  hier  in 
Blattwerk  ausgehend,  hält  einen  Vogel  in  den  Händen  (Dicranostreptus  megarhynchus)^ 
der  mit  der  Schnabelspitze  das  Kinn  berührt  und  von  einer  Schlange  am  Schwanz  fest- 
gehalten wird;  4.  (gross,  circa  5  Fuss  hoch):  menschliche  Figur,  vom  Rumpfan  in  einen 


[5 1 1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  I  3  3 

Delphin  (Phocaena)  übergehend  und  hier  korkzieh  er  artig  von  einer  Schlange  umwun- 
den, deren  Kopf  das  Kinn  berührt;  5.  (klein):  eine  weibliche  Figur,  in  hochschwan- 
gerem Zustande,  steht  mit  den  Füssen  auf  den  geöffneten  Schwingen  eines  Vogels,  der 
mit  dem  geöfiheten  Schnabel  anscheinend  den  Accoucheur  spielt. 

Diese  Beispiele  Hessen  sich  bis  ins  Unendliche  ausdehnen  und  die  Beschreibung 
oeuiriändischer  Schnitzereien  würde  ein  Buch  füllen,  denn  nicht  zwei  sind  vollständig 
gleich.  Gerade  in  dieser  Verschiedenheit,  wie  der  meist  phantastischen  und  grotesken 
Darstellung,  liegt  aber  die  Charakteristik  derselben,  die  sich  auch  in  der  übrigen  Orna- 
mentik und  namentlich  der  eigenthümlichen  Bemalung  ausspricht.  Mit  Ausnahme  ge- 
wisser blumen-  und  blattähnlicher  Motive  herrscht  auch  hier  eine  phantastische  Zusam- 
menstellung der  Ornamentik,  in  der  jedoch  meist  gebogene  Linien  mit  Zacken  vor- 
kommen, aber  auch  die  Kreuzform  vertreten  ist.  Dass  diese  wilde  Ornamentik  beredtes 
Zeugniss  für  die  gleichartige  Phantasie  der  Verfertiger  bekundet,  unterliegt  keinem  Zweifel 
und  findet  in  den  nicht  minder  grotesken  Masken  weitere  Bestätigung.  Ein  tieferer  Ge- 
danke, wie  ihn  der  Culturmensch  so  gern  herauslesen  möchte,  liegt  aber  diesen  Bild- 
nereien  nicht  zu  Grunde.  Die  grosse  Verschiedenheit  derselben,  innerhalb  des  oben  an- 
gedeuteten Rahmens  des  Ideenkreises  der  Eingeborenen,  ist  in  der  Individualität  der 
Verfertiger  und  Zufälligkeiten  aller  Art  leicht  erklärlich.  Würde  zehn  Personen  bei  uns, 
unabhängig  voneinander,  die  Aufgabe  zufallen,  einen  Mann  oder  eine  Frau  in  Verbin- 
dung mit  gewissen  Thieren  darzustellen,  so  würden  diese  Darstellungen  auch  alle  ver- 
schieden werden.  Wie  viel  nicht  mehr  bei  Naturmenschen,  die  keinerlei  Hilfsmittel  und 
nur  die  primitivsten  Werkzeuge  besitzen,  wo  Jeder  nach  der  mehr  oder  minder  ent- 
wickelten Phantasie  nur  nach  seinem  Augenmass  arbeitet.  Schon  daraus  müssen  sich 
eine  Menge  Abweichungen  der  Symmetrie  ergeben,  wie  im  Verfolg  der  Arbeit  selbst. 
Da  hat  vielleicht  Einer  einen  Taun  (Mann)  angefangen,  die  Arbeit  aber  nicht  vollenden 
können  oder  ist  inzwischen  zu  einer  anderen  Idee  gekommen  und  schnitzt  nun  einen 
Fisch  daran,  vielleicht  weil  dies  leichter  war  oder  das  Stück  Holz  gerade  besser  passte. 

Die  Eingeborenen  arbeiten  ja  nicht  wie  Culturmenschen  unausgesetzt  an  einem 
Stöcke,  bis  es  fertig  ist,  sondern  je  nach  Lust  und  Zeit,  nicht  nach  einer  Vorlage,  sondern 
nur  nach  Phantasie  und  Laune.  Derselbe  Mann,  welcher  soeben  die  schwungvollste 
Schnitzerei  vollendete,  ist  nicht  im  Stande,  sie  nur  in  rohen  Umrissen  auf  dem  Papiere 
wiederzugeben.  Diese  Naturkünstler  suchen  ja  nicht  in  ihren  Bildnereien  tiefere  Ideen 
mit  symbolischer  Bedeutung  zum  Ausdruck  zu  bringen,  sondern  ihre  Grundgedanken 
gehen  über  einen  Mann  (taun)^  eine  Frau  (paptni),  Vogel  (manu)  oder  Fisch  (aigent) 
nicht  hinaus,  das  Uebrige  entwickelt  sich  dann  bei  der  Arbeit,  je  nach  Laune  und  zu- 
fälligen Eingebungen,  von  selbst.  Häufig  mag  es  vorkommen,  dass  ein  Stück,  von  dem 
Einen  angefangen,  von  dem  Andern  vollendet  oder  bemalt  wird,  oder  dass  Zwei  gemein- 
schaftlich an  einem  Stücke  arbeiten  und  bei  dem  Mangel  von  Modellen  oder  Vorlagen 
schon  dadurch  verschiedene  Ideen  zum  Ausdruck  bringen.  Eine  Beschränkung  des 
Geschmacks  auf  gewisse  stets  wiederholte  Motive,  wie  z.  B.  an  der  Nordostküste  Neu- 
Guineas,  fällt  in  Neu-Irland  eben  weg,  denn  hier  ist  gerade  die  individuelle  Auffassung 
charakteristisch  und  bildet  den  Hauptzug  dieser  Art  von  Kunstleistungen.  Wie  schon 
erwähnt,  gibt  die  Mannigfaltigkeit  und  Variation  der  Masken  die  beste  Erklärung  auch 
für  die  gleichen  Principien  bei  den  Schnitzereien.  Wie  sich  Jedermann  bemüht,  bei  den 
Festen  in  einem  möglichst  originellen  Aufputze  zu  erscheinen,  und  wie  man  sich  hier  in 
Phantasterei  und  Groteske  überbietet,  so  geschieht  es  auch  bei  den  Bildwerken.  Jeder 
sucht  hier  innerhalb  des  Ideenkreises  etwas  Neues,  Nochnichtdagewesenes,  Mögliches 
oder  Unmögliches  zu  schaffen,  was  bei  den  Anderen  Aufsehen,  Bewunderung  erregt  und 

10* 


l34  Dr.  O,  Finsch.  [52] 

natürlich  in  sehr  verschiedener  Weise  gelingt.  Denn  wie  bei  uns  gibt  es  ja  auch  unter 
diesen  Wilden  kleine  und  grosse  Künstler,  und  Jeder  versucht  sein  Bestes  in  seiner  Weise. 
Da  wird  man  sich  also  über  die  grosse  Verschiedenheit  der  Leistungen  nicht  zu  wun- 
dern brauchen,  ebensowenig  über  das  Hineinziehen  neuer,  durch  die  Bekanntschaft  mit 
dem  weissen  Manne  entstandener  Motive.  So  habe  ich  in  Form  wie  Färbung  trefflich 
gelungene  Nachbildungen  europäischer  Aexte  gesehen,  die  für  den  Eingeborenen  ja 
keinerlei  Zweck  hatten  und  lediglich  dem  Nachahmungstriebe  entsprangen.  Der  Mann 
besass  noch  keine  eiserne  Axt  und  wollte  wenigstens  mit  einer  Imitation  paradiren  und 
bei  seinen  Freunden  Bewunderung  erregen. 

Die  Berührung  mit  Weissen  ist  auch  für  diese  Schnitzereien  nicht  ohne  Einfluss 
geblieben,  natürlicher  Weise  nur  zur  Verschlechterung.  So  werden  statt  der  schönen 
yiwr^o-Augen  nicht  selten  Augen  aus  Flaschenscherben  benützt,  man  verwendet  auf- 
fallende farbige  Etiquetten  von  Conservebüchsen  und  sucht  europäische  Motive,  Hüte 
und  Gesichter  von  Weissen,  bei  den  Schnitzereien  anzubringen.  Originalität  geht  daher 
ihrem  Untergange  entgegen,  um  so  rascher,  je  mehr  der  Verkehr  mit  Weissen  zu- 
nimmt. Bereits  haben  die  Eingeborenen  angefangen  Schnitzereien  für  den  Handel  an- 
zufertigen, und  dass  dieselben  viel  nachlässiger  und  flüchtiger  ausfallen,  ist  selbstver- 
ständlich, wie  überall  wo  der  Naturmensch  seine  primitiven  Geräthe  weglegt  und  mit 
eisernen  arbeitet. 

Die  nachfolgenden  sehr  instructiven  Stücke  der  Sammlung  werden  durch  die  bei- 
gegebenen  Abbildungen  am  besten  veranschaulicht  und  zeigen  vor  Allem  auch  den 
eigenthümlichen  Charakter  der  Bemalung,  welche  für  diese  Bildwerke  so  charakteristisch 
ist  und  zum  besseren  Verständniss  derselben  wesentlich  beitragen  wird. 

Giebelverzierungen,  die  übrigens  nur  an  Tabuhäusern,  nicht  an  gewöhnlichen 
Wohnhäusern  vorkommen,  bestehen  meist  aus  flachen,  schmalen  Brettern  oder  Leisten, 
die  an  der  Frontseite  neben  der  Thür  reihenweise  angebunden  werden.  Wie  verschieden 
dieselben  an  ein  und  demselben  Hause  sein  können,  werden  die  nachfolgenden  fünf 
Stücke  vom  Tabuhause  auf  der  Insel  Kapaterong  am  besten  beweisen,  zugleich  aber 
auch  meine  vorhergehenden  Erörterungen  belegen,  dass  diesen  Verschiedenheiten  indi- 
viduelle Auffassung  und  Ausführung  zu  Grunde  liegt. 

Giebelleiste  (Nr.  691,  1  Stück;  Taf.  VII  [5],  Fig.  5,  5a  und  5b).  Schmale  Leiste 
(9*5 — 11 '5  Cm.  breit  und  164  cm.  lang)  mit  drei  erhaben  geschnitzten  Larven  oder 
Gesichtern  in  Profil  (Fig.  5  a  mit  Turbo -Äugt  und  Kreuz  auf  Wange)  und  einem 
Scorpion  (Fig.  5  b). 

Giebelleiste  (Nr.  690,  i  Stück;  Taf.  VI  [4],  Fig.  2  und  2  a).  Schmale  (i  3— 1 5'5  Cm. 
breite  und  1 24  Cm.  lange)  Leiste,  durchbrochen  gearbeitet,  mit  Darstellung  von  Vögeln 
und  zwei  Gesichtern;  in  der  Mitte  eine  durchbrochene  Schnitzerei  als  Aufsatz,  Fig.  2  a, 
angebunden. 

Giebelleisten  (Nr.  689,  692,  2  Stück),  ähnlich  der  vorhergehenden,  ebenfalls 
durchbrochen  gearbeitet,  aber  verschieden  in  Schnitzerei  und  Bemalung. 

Giebelleiste  (Nr.  693,  i  Stück),  schmale,  i5  Cm.  breite,  85  Cm.  lange  Leiste,  mit 
eingravirtem  Muster  und  bunter  Bemalung. 

Das  folgende  Stück  stammt  vom  Festlande  gegenüber  Nusa  und  stand  wohl  nicht 
vor,  sondern  in  einem  Tabuhause,  da  es  unten  einen  Zapfen  zum  Einsetzen  in  ein  ent- 
sprechendes Loch  einer  Bodenleiste  besitzt.  Es  zeichnet  sich  auch  dadurch  aus,  dass 
beide  Seiten  in  Schnitzwerk  ausgeführt  sind. 

Grosse  Hausverzierung  (Nr.  688,  i  Stück;  Taf.  VI  [4],  Fig.  i).  Flaches,  oben 
abgerundetes  Brett  (107  Cm.  lang  und  40  Cm.  breit)  mit  reicher  phantastischer,  durch- 


[33]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  1 33 

brochener  Schnitzerei,  wie  Blattwerk  und  Vogelschnäbel,  mit  Twr^o -Augen  verziert; 
sehr  kunstvoll  und  dabei  eine  treffliche  Darstellung  der  verworrenen  Phantasie  und 
Ideen  neuirländischer  Eingeborenenkunst. 

Holzschnitzerei  (Nr.  694,  i  Stück;  Taf.  VI  [4],  Fig.  3),  Haushahn  mit  Buceros- 
ähnlichem  Schnabel,  in  ganzer  Figur,  die  seitlich  abstehenden  Schwanzfedern  plastisch 
ausgearbeitet.  —  Nusa.  Ich  kaufte  das  Stück  von  einem  Eingeborenen,  der  es  nur  aus 
Liebhaberei,  ohne  einen  bestimmten  Zweck  geschnitzt  hatte. 

Die  folgenden  Stücke  betreffen  sogenannte  Kulap  oder  menschliche  Figuren,  die 
im  Innern  der  Tabuhäuser  aufgestellt  und  nach  der  gewöhnlichen  Auffassung  meist  als 
Götzenbilder  gedeutet  werden.  Sie  stammen  aus  dem  Dorfe  Kapsu,  dessen  Bewohner 
sieb  besonders  durch  Schnitzereiarbeiten  auszeichnen,  und  werden  die  grosse  Ver- 
schiedenheit zeigen,  welche  auch  in  dieser  Richtung  herrscht.  Romilly  sah  in  dem 
Tabuhause  von  Kapsu  ausser  »some  six  or  seven  hideous  painted  figures,  between 
three  and  four  feet  high,  innumerable  small  carvings  of  birds  and  fishes«  und  einige 
der  grotesken  Helmmasken,  was  am  besten  beweist,  dass  alle  diese  Machwerke  den 
Festen  der  Männer  dienen. 

Unsere  Bildertafel  erspart  eine  weitere  Beschreibung. 

Kulap  (Nr.  643,  1  Stück;  Taf.  VII  [5],  Fig.  i),  männliche  Figur  (222  Cm.  hoch), 
aus  einem  Stück  geschnitzt,  mit  schwungvollen  Verzierungen  in  durchbrochener  Arbeit; 
Bart  aus  Pflanzenfaser  angeklebt;  die  Bemalung  noch  unvollendet.  Eines  der  längsten 
und  grössten  Stücke,  welche  ich  sah. 

Kulap  (Nr.  644,  i  Stück;  Taf.  VII  [5],  Fig.  2),  weibliche  Figur  (107  Cm.  hoch); 
die  Arme  sind  mit  angeschnitzten  Zapfen  in  Löcher  des  Rumpfes  eingekittet;  das  Haar 
aus  Pflanzenstengeln  hergestellt;  zwischen  den  Beinen  ein  Fisch. 

Kulap  (Nr.  645,  1  Stück;  Taf.  VII  [5],  Fig.  3),  weibliche  Figur  (68  Cm.  hoch), 
mit  Kappe  und  Schamschurz,  in  hübschem  Schachbrettmuster. 

Kulap  (Nr.  646,  i  Stück),  männliche  Figur  (38  Cm.  hoch),  ziemlich  rohe  Dar- 
stellung eines  Anfängers  oder  minder  begabten  Künstlers. 

Wie  in  Neu-Britannien  bildet  Ackerbau  die  Hauptbeschäftigung  und  Nahrungs- 
quelle der  Bewohner.  Vorzugsweise  wird  Taro  (aopai)  angebaut  und  Bananen  (aun), 
weniger  Yams  (akaü)  und  süsse  Kartoffeln  (akau),  Cocosnüsse  (alemass)  und  Arro- 
wroot  liefern  ebenfalls  einen  beträchtlichen  Theil  der  Nahrung.  Eine  nicht  sonderlich 
gute  Art  Brotfrucht  und  deren  Kerne  werden  vielfach  benutzt,  nicht  minder  die  kasta- 
nicngrosse,  doppelkernige  Nuss  eines  Baumes,  Savai  genannt  (Nr.  885).  Zuckerrohr 
erinnere  ich  mich  nicht  gesehen  zu  haben;  es  mag  aber  vorkommen. 

Hunde  und  Schweine  werden  in  beschränkter  Zahl  gehalten  und  sind  die  einzigen 
Hausthiere. 

D.   Geräthschaften  und  Werkzeuge. 

Im  wesentlichen  gilt  auch  hier  das  bei  Neu -Britannien  Gesagte  (Seite  loi)  und 
Hausrath  ist  ebenso  unbedeutend  und  kaum  der  Rede  werth  als  Kochgeräth,  da 
auch  hier  Töpfe')  und  Holzgefässe  fehlen.  Die  Methode  des  Feuerreibens  habe  ich 
nicht  kennen  gelernt.  Das  Kochen  geschieht  in  derselben  Weise  wie  Seite  101  be- 
schrieben; auch  kennt  man  kein  Salz. 

Zum  Schneiden  und  Schaben  dienen: 


>)  Romilly  (I.  c,  Seite  54)  erwähnt  »large  pots«  von  Kapsu;  es  dürfte  hier  wohl  aber  ein  Irrthum 
2u  Grunde  liegen. 


l36  Dr.O.  Finsch.  [5^] 

Muschelschalen  (Nr.  25,  2  Stück,  von  Cyrene  eximia  Dunker)  —  Kapaterong 
—  wie  man  dazu  am  liebsten  bivalve  Süsswassermuscheln  (z.  B.  auch  Batissa)  benutzt. 
Fleisch  wird  mit  Bambu  geschnitten,  und  Romilly  sah  (1.  c,  Seite  i23)  in  Kapsu  noch 
i883  Menschen  damit  schnell  und  geschickt  ausschlachten.  Auf  Nusa  sah  ich  höchst 
einfache  Schaber  für  Cocosnuss  (7a  genannt)  aus  einer  Muschel  (Area  granosa),  an 
einem  Stückchen  Brett  befestigt. 

Gewerbelcunde  ist  so  wenig  als  in  Neu-Britannien  entwickelt.  Von  Matten  bereitet 
man  nur  die  gewöhnlichen  aus  Cocospalmblatt.  Zum  Tragen  bedient  man  sich  Körbe 
aus  gleichem  Material;  Frauen  tragen  die  Lasten  auf  dem  Kopfe  oder  in  Körben  an 
einer  Stange  auf  der  Schulter.  Filetgestrickte  Beutel  sind  mir  nicht  vorgekommen;  die 
Eingeborenen  führen  ihre  wenigen  Habseligkeiten  in  länglichen  Taschen,  kunstlos  aus 
Pandanus-hlBil  geflochten,  mit  sich. 

Genussmiitel.  Vor  Ankunft  der  Europäer  kannten  die  Eingeborenen  nur  Betel, 
der  in  derselben  Weise  wie  in  Neu -Britannien  (Seite  io3)  gegessen  wird  und  ebenso 
allgemein  beliebt  ist.  Trotz  Betelessen  zeichnen  sich  die  Neu-lrländer  meist  durch  schöne 
weisse  Zähne  aus,  weil  sie  dieselben  nach  dem  Genüsse  mit  Sand  abreiben.  Bei  den 
Frauen  gelten  dagegen  durch  Betel  gefärbte  Zähne  als  Schönheit,  und  zwar  in  der 
Weise,  dass  die  zwei  mittelsten  Vorderzähne  ganz  schwarz,  der  nächste  jederseits 
braun,  die  übrigen  weiss  gehalten  werden. 

Zum  Aufbewahren  des  pulverisirten  Kalks  bedient  man  sich  meist: 

Täschchen  (Nr.  894,  i  Stück),  länglich,  fein  geflochten  und  mit  Pandanus-BldHa 
ausgelegt.  —  Nusa.  —  Ich  sah  auch  Cocosnussschalen,  zum  Theile  mit  eingravirter 
Zeichnung,  als  Kalkbehälter. 

Romilly  machte  mich  auf  das  Erdeessen  in  diesem  Theile  Neu-Irlands  auf- 
merksam, aber  ich  habe  mich  an  Ort  und  Stelle  vergebens  darnach  erkundigt;  auch 
Friedrich  Schulle  wusste  nichts  darüber.  Vermuthlich  hat  sich  Romilly  in  Bezug 
auf  den  Stoff  geirrt  und  einen  andern  für  Erde  angesehen. 

Tabak  ist  erst  seit  1879  durch  Europäer  eingeführt  worden.  Ich  konnte  selbst 
noch  beobachten,  wie  die  Eingeborenen  aus  purer  Nachahmungssucht,  trotz  der  üblen 
Folgen,  sich  an  das  neue  Genussmittel  zu  gewöhnen  versuchten,  das  sich  jetzt  bereits 
in  der  bekannten  Form  (Seite  102)  als  gangbarer  Tauschartikel  Bahn  gebrochen  hat. 
Ein  solcher  sind  auch  Tabakspfeifen  aus  Thon  geworden,  da  die  Eingeborenen  nur  aus 
solchen  rauchen. 

Werkzeuge.  Mit  Steinäxten  ist  es  in  diesem  Theile  von  Neu-Irland  ziemlich 
vorbei,  da  die  Eingeborenen  zur  Genüge  mit  Bandeisen  und  nach  und  nach  mit  Beilen 
und  Aexten  versehen  sind.  Ein  Stück  Flacheisen,  an  einem  Stiele  in  der  Weise  wie  auf 
Taf.  IV  (2),  Fig.  3  befestigt,  wird  gewöhnlich  von  Eingeborenen  den  Aexten  vorge- 
zogen, im  Anfange  stets.  Dennoch  sah  ich  i855  auf  der  Insel  Nusalik  den  Häuptling 
Metango,  der  viele  Aexte  besass  und  eine  solche  neben  sich  liegen  hatte,  mit  dem 
alten  Geräth  an  einem  Canu  zimmern.  Er  bediente  sich  dazu  einer  kleinen  Axt  in  der 
Form  wie  Taf.  IV  (2),  Fig.  3,  aber  mit  einer  Klinge  aus  Af/Yra-Muschel,  die  wie  bei 
Fig.  4,  Taf.  IV  (2)  mit  dem  Stiele  verbunden  war.  Sie  eignet  sich  wegen  der  halbkreis- 
förmigen Schneide,  die  einem  Hohlmeissel  entspricht,  zum  Aushöhlen  (wobei  kein  Feuer 
benützt  wird)  viel  besser  als  unsere  Beile,  und  solche  Aexte  stehen  höher  im  Werthe  als 
eiserne.  Deshalb  waren  alle  lockenden  Anerbietungen,  mir  diese  Axt  zu  verkaufen,  er- 
folglos.  Ich  musste  mich  daher  mit 

Spähnen  (Nr.  20)  begnügen,  welche  zeigen  werden,  dass  eine  Muschelaxt  gar  kein 
so  elendes  Geräth  ist,  wie  meist  geglaubt  wird.   Die  Aussenseite  des  25  Fuss  langen 


[53]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  1  37 

Canu  war  mit  einem  eisernen  Beile  gezimmert  worden,  das  Aushöhlen  geschah  nur  mit 
der  Muschelaxt.  Ein  solches  Canu  wird  von  einem  Manne  in  drei  Monaten  hergestellt, 
der  aber  bei  Weitem  nicht  die  ganze  Zeit  daran'  arbeitet,  sondern,  ganz  nach  Kanaker- 
manier,  wenn  es  ihm  passt. 

WafTen.  Bogen  und  Pfeil  fehlen  wie  in  Neu -Britannien  in  ganz  Neu -Irland, 
ebenso  Schilde.')  Die  Schleuder  scheint  ebenfalls  nicht  in  Gebrauch;  ich  erinnere  mich 
wenigstens  nicht,  solche  gesehen  zu  haben,  auch  nicht  mit  Knochen  verzierte  Speere, 
die  aber  nach  Romilly  aus  solchen  verzehrter  Feinde  gemacht,  aber  nur  zur  Aus- 
schmQckung  von  Tabuhäusern  verwendet  werden. 

Speere  sind  in  diesem  Theil  Neu-Irlands  die  HauptwafFe,  und  zwar  ohne  alle 
Widerhaken  oder  Einkerbungen  in  folgenden  beiden  Hauptformen:  glatte  Wurfspeere 
wie  die  folgenden  Nummern: 

Wurfspeere  (Nr.  742,  743,  2  Stück),  der  geringsten  Sorte,  dünne,  circa  196  Cm. 
lange,  von  der  Rinde  entblösste,  zugespitzte  und  hier  im  Feuer  gehärtete  Stecken,  Nusa; 
oder  glatte 

Wurfepeere  (Taf.  VII  [5],  Fig.  6)  aus  Holz  und  Bambu,  von  denen  die  8  Stück 
der  Sammlung  (Nr.  784 — 741)  eine  hübsche  Serie  in  allen  Grössen  (von  180 — 249  Cm. 
Länge)  repräsentiren.  Die  schwachen  Speere  (Nr.  789 — 741)  werden  von  der  Jugend 
gebraucht,  die  auch  schon  am  Kampfe  theilnimmt. 

Diese  Axt  Speere  zählen  zu  den  vollendetsten  Waffen  der  Südsee  und  zeichnen 
sich  durch  besondere  accurate  Arbeit  aus,  die  wohl  einer  Beschreibung  werth  ist. 

Der  Spitzentheil  eines  solchen  Speeres  von  üblicher  Grösse  besteht  aus  einem  i  '60  M. 
langen  Stück  harten  Holzes,  wohl  von  der  Cocospalme,  das  noch  besonders  im  Feuer 
gehärtet  ist.  Dasselbe  ist  rund  und  circa  70  Cm.  vor  der  ganz  allmälig  zulaufenden 
schlanken  Spitze  am  dicksten  (2  Cm.  Durchmesser).  Weiter  gegen  den  Bambutheil, 
oberhalb  der  eigentlichen  Mitte  des  ganzen  Speeres,  ist  gewöhnlich  eine  etwas  abge- 
flachte Stelle  und  hier  eine  spitzwinkelige  Nute  eingeschnitten  (wie  an  Nr.  784 — 738). 
Die  Basis  des  Holztheiles  steckt  3o  Cm.  tief  in  dem  i*3oM.  langen  Endtheil  aus  Bambu, 
der  hier  ganz  dünn  ausgearbeitet  und  auf  eine  Länge  von  20  Cm.  mit  einer  2  Mm.  breiten 
und  56o  Cm.  langen  Pflanzenfaser,  wohl  Liane  oder  Rottan,  so  fest  und  sauber  umwickelt 
ist,  dass  dadurch  keine  Erhöhung  entsteht;  Holz-  und  Bambutheil  verfliessen  daher  in- 
einander und  bilden  einen  Speer,  wie  er  als  Wurfwaffe  nicht  vollkommener  sein,  und 
den  kein  Europäer  accurater  und  besser  machen  kann.  Zu  der  Haltbarkeit  kommt  das 
geringe  Gewicht,  denn  ein  Speer,  wie  der  obige  von  2*60  M.  Gesammtlänge,  wiegt  nur 
35o  Gramm,  wovon  auf  den  an  der  Basis  3  Cm.  Diameter  messenden  Bambutheil  circa 
100  Gramm  kommen.  Der  letztere  ist  gewöhnlich  mit  Kalk  geweisst,  um  das  Auffinden 
zu  erleichtern,  sehr  häufig  aber  noch  ausserdem  mit  schwarzen  Mustern  verziert.  Diese 
Muster  bewegen  sich  meist  (wie  Fig.  6,  Taf.  VII  [5]  von  Nr.  734  zeigt)  in  zierlichen, 
ausserordentlich  feinen  Ovallinien  mit  dazwischen  liegenden  grösseren  schwarzen  Fel- 
dern und  werden  dadurch  charakteristisch.  Diese  Muster  ähneln  am  meisten  solchen  auf 
den  runden  Kalkkalebassen  in  den  d'Entrecasteaux- Inseln.  Obwohl  alle  Speere  nach 
derselben  Hauptpaterne  verziert  sind,  zeigt  doch  jeder  kleine  Verschiedenheiten  des 
Musters  und  kaum  zwei  sind  vollkommen  gleich.  Das  rührt  jedenfalls  mit  von  der 
Herstellungsmanier  her,  die  leider  noch  nicht  bekannt  ist.  Gewöhnlich  wird  ange- 
nommen, dass  diese  Muster  eingebrannt  werden,  allein  das  scheint  mir  nicht  der  Fall, 
und  ich  glaube,  dass  sie  aufgemalt  sind.    Leider  hatte  ich  bei  meinem  Besuche  auf 


I)  Romilly  erwähnt  solche  (L  c,  Seite  47)  von  Kapsu. 


,38  Dr.  O.  Finsch.  [56] 

Szelambiu  Wichtigeres  zu  thun  und  konnte  mich  an  Ort  und  Stelle  nicht  informiren. 
Denn  gerade  diese  Insel  (Mausoleum-Insel  von  d'Entrecasteaux)  ist  ein  Hauptplatz  für 
Anfertigung  dieser  Speere,  welche  von  hier  aus  im  Handel  weite  Verbreitung  längs  der 
Nordwest-  und  Nordostküste  finden,  sowie  nach  Neu-Hannover.  Im  Süden  Neu-Irlands 
scheinen  sie  nicht  vorzukommen. 

Trotz  ihres  unscheinbaren  Ansehens  sind  diese  Speere  weit  gefährlicher  als  die 
mit  Wiederhaken  versehenen,  die  den  Laien  am  meisten  erschrecken.    Vermöge  ihrer 
Leichtigkeit  ermöglichen  sie  eine  viel  grössere  Sicherheit  im  Treffen  als  die  meisten  der- 
artigen Wurfgeschosse,  und  es  kann  daher  nicht  verwundern,  wenn  die  Neu-Irländer 
mit  zu  den  besten  Speerwerfern  gehören.   Jedenfalls  sind  es  die  besten,  welche  ich 
kennen  lernte.   Da  auch  die  Waffenleistungen  Eingeborener  so  häufig  übertrieben  ge- 
schildert werden,  will  ich  hier  die  Resultate  der  von  mir  veranstalteten  Preis-  und  Wett- 
Speerwerfen  geben.    Das  Werfen  geschieht  mit  wenigen  Schritten  Anlauf  und  anschei- 
nend ohne  alle  Anstrengung.   Der  Werfer  wiegt  den  Speer  erst  in  der  Hand,  wobei 
derselbe,  wenn  schadhaft,  namentlich  an  der  Verbindung  mit  dem  Bambu,  zuweilen 
bricht.   Dann  wird  der  Basistheil  des  Bambu  mit  den  Zähnen  zerbissen,  so  dass  sich  die 
Splitter  beim  Wurf  gleich  einem  Rädchen  drehen,  was  möglicher  Weise  Kraft  und 
Schnelligkeit  erhöht.  Die  meisten  warfen  mit  der  Rechten,  einige  mit  der  Linken.  Von 
14  kräftigen  jungen  Kerlen,  notorischen  Raufbolden,  die  schon  manchen  »fight«  mit- 
gemacht hatten,  warfen  mehrere  143,  nur  Einer  200  Fuss  (Rheinl.)  weit,*)  trafen  aber 
kein  Ziel.  Erst  auf  46  Fuss  (nicht  Schritt!)  Entfernung  trafen  von  34  Speeren  20  einen 
Palmstamm,  davon  einmal  fünf  hintereinander.  Cocosnüsse,  d.  h.  ein  Bündel  derselben, 
in  38  Fuss  Höhe,  wurden  von  den  meisten  getroffen  oder  doch  nur  sehr  nahe  vorbei- 
geschossen.  Da  der  Stamm  einer  Cocospalme  weniger  als  eine  Mannsbreite  beträgt,  so 
ergibt  sich  hieraus,  dass  die  neuirländischen  Speerwerfer  nicht  zu  verachten  sind.    Die 
Speere  drangen  meist  so  tief  in  das  harte  Palmholz^  dass  sie  mit  Leichtigkeit  einen 
nackten  Menschen  durchbohren  mögen.  Widerhaken  können  dabei  wenig  mehr  thun 
und  sind  meist  nichts  als  Ornament.    Die  steten  Fehden  halten  die  Neu-Irländer  übri- 
gens in  guter  Uebung.  Sehr  häufig  schicken  die  jungen  Leute  eines  Dorfes  eine  Heraus- 
forderung nach  einem  anderen.    Der  Kampf  wird  meist  am  Strande  ausgefochten  und 
die  Sieger  nehmen  die  etwa  dabei  Getödteten  mit,  um  sie  aufzuessen.  Die  Eingeborenen 
halten  von  diesen  Speeren  Unmassen  auf  Lager.  Beim  Gefecht  werden  sie  bündelweise 
von  Knaben  und  Weibern  den  Kriegern  nachgetragen.    Im  Ganzen  sind  aber  auch  hier 
die  Fehden  nicht  besonders  blutig  und  gegenseitiges  Ausschelten  und  wüstes  Gebrüll 
die  Hauptsache.    Die  beste  Schilderung  einer  förmlichen  Schlacht  bei  Kapsu  gibt  Ro- 
milly  (1.  c,  Seite  48);  obwohl  nach  seiner  Schätzung  nahezu  25oo  Mann  gegeneinander 
kämpften,  eroberte  die  siegende  Partei  doch  nur  sechs  Todte!    Freilich  wird  es  eine 
Menge  Verwundeter  gegeben  haben. 

Da  die  meisten  Kämpfe  mit  Wurfspeeren  ausgefochten  werden  und  es  nur  selten 
zum  Handgemenge  kommt,  sind  Keulen  weniger  gebräuchlich;  solche  mit  durch- 
bohrtem Steinknauf  fehlen  ganz.  Auch  im  Uebrigen  unterscheiden  sich  die  Keulen  von 
Neu-Irland  von  den  neubritannischen  theils  durch  vorherrschend  pritschenförmige  Form, 
wie  durch  eingravirte  Verzierungen.  Letztere  kommen  an  den  runden  Knüppeln,  wie 
Nr.  770  und  ähnlich  dem  Birimbirika  (Seite  106)  vor  und  werden  gewöhnlich  mit  Kalk 
eingerieben.    Charakteristisch  ist  die  Form  der  beiden  folgenden  Stücke: 


I)  Mein  Matupiknabe  (circa  16  Jahre  alt),  warf  160,  einmal  200  Fuss  weit;  Eingeborene  der  Cap 
York-Halbinsel  mit  dem  Wurfstock  (WumeraJ  170 — 190,  nur  Einer  270  Fuss  weit. 


[3^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  iSq 

Keule  (Nr.  768,  i  Stück)  aus  Hartholz  (io3  Cm.  lang),  flach,  an  beiden  Seiten 
pritschenförmig  verbreitert;  Nordküste,  und 

Keule  (Nr.  769,  i  Stück)  aus  Hartholz  (circa  120  Cm.  lang),  an  der  Basis  schmal 
abgerundet,  am  Ende  pritschenförmig  verbreitert.  —  Nordküste. 

Die  geringe  Benützung  der  Keulen  ist  wohl  Ursache,  dass  mit  Einführung  eiserner 
Beile  in  Neu-lrland  nicht  eine  ähnliche  Streitaxt  wie  die  Aibane  (Seite  106)  von  Neu- 
Britannien  erfunden  wurde. 

Jagd  kommt  bei  der  armen  Fauna  Neu-Irlands  vollends  nicht  in  Betracht.  Kän- 
gunis  fehlen;  doch  gibt  es  wilde  Schweine,  die  vielleicht  auch  gejagt  werden. 

Fischerei  wird  anscheinend  minder  lebhaft  als  in  Neu-Britannien  betrieben.  So 
fehlen  z.  B.  die  kolossalen  Fischkörbe  (A  wup,  Seite  107)  bestimmt.  Merkwürdiger 
Weise  sind  mir  keine  Fischhaken  vorgekommen,  die  es  höchst  wahrscheinlich  gibt. 
Ich  beobachtete  nur 

Fischnetze  (Nr.  i65,  i  Stück),  sehr  feinmaschig  und  fein  filetgestrickt.  —  Nusa. 

Das  Material  ist  ein  anderes  als  das  Seite  107  erwähnte  Amakum  Neu-Britanniens 
und  Bananenfaser.  Ich  sah  auch  grosse,  an  5o  Fuss  lange  Netze,  mit  Senkern  aus 
Muscheln  {Area  oder  Hippopus)  oder  Corallsteinen  und  triangelförmig  geschnittenen 
Holzschwimmern,  wodurch  sie  sich  von  den  neubritannischen  unterscheiden. 

CanuS  werden  in  vortrefflicher  Weise  angefertigt,  eigenthümlich  in  Form  wie  Aus- 
legergeschirr. Sie  bestehen  nur  aus  einem  ausgehöhlten,  langen,  schmalen  und  nie- 
drigen Baumstamme,  sind  am  oberen  Rande  gerade,  an  beiden  verschmälerten  Enden 
mit  etwas,  meist  durchbrochener  Schnitzerei  in  Form  eines  Henkels  verziert,  sonst  glatt 
und  fuhren  keine  Segel.  Auf  dem  Auslegergerüst  sind  zwei  Heck  angebracht,  zum  Auf- 
bewahren der  Speere,  da  die  Canus  häufig  zu  kriegerischen  Expeditionen  benützt  wer- 
den. Nusaleute  pflegen  übrigens  selten  weiter  als  bis  zur  Insel  Szelambiu  oder  dem 
Köstenplatze  Butbut  zu  gehen.  Die  Eingeborenen  sind  sehr  geschickt  in  der  Hand- 
habung dieser  Canus,  die  sie  mit  Paddeln  von  gewöhnlicher  Form  sehr  schnell  fort- 
zubewegen wissen.  Bei  vier  Meilen  Fahrt  pflegten  uns  Canus  auf  weite  Strecken  zu 
begleiten.  Ein  Canu  (Tambul)  von  7-30  M.  Länge,  wie  ich  es  dem  Berliner  Museum 
complet  mitbrachte,  trägt  vier  Mann.  Es  gibt  aber  auch  kleine  für  nur  einen  Mann  und 
grosse,  an  5o  und  mehr  Fuss  lange,  die  Kati  heissen  und  16  — 18  Mann  tragen.  Ro- 
milly  erwähnt  (1.  c,  Seite  52)  grosse  Kriegscanu,  die  3o — 5o  Krieger  führen  und  von 
anderer  Bauart  zu  sein  scheinen,  denn  er  beschreibt  die  Querhölzer  so  breit,  dass  zwei 
Mann  nebeneinander  sitzen  können,  wogegen  in  einem  gewöhnlichen  Canu  nur  ein 
Mann  Platz  findet  und  dabei  noch  einen  Fuss  vor  den  anderen  setzen  muss.  Romilly 
gedenkt  auch  der  feinen  Schnitzarbeiten  an  den  Querhölzern  und  Seiten  dieser  Canus, 
aber  keiner  besonderen  figürlichen  Aufsätze.  Die  im  Katalog  des  Museums  Godeffroy 
iSeite  62 — 65)  als  »Boot Verzierungen«  aufgeführten  Stücke  sind  gewiss  keine  solchen, 
sondern  Schnitzereien  aus  den  Tabuhäusern. 

E.  Musik,   Tan^  und  Todtenverehrung. 

Musik  scheint  in  Neu-lrland  hauptsächlich  in  Gesang  zu  gipfeln.  Wenigstens  sind 
<lie  Weisen,  wenn  auch  immerhin  einfach,  melodiöser  als  in  Neu-Britannien  und  Ge- 
sangssinn überhaupt  entwickelter.  Jedenfalls  besitzen  diese  Eingeborenen  ein  treffliches 
musikalisches  Gehör.  So  dirigirte  ich  einmal  einen  Gesangsverein  in  Matupi,  bei  dem 
wir  als  Chor  nur  Neu-Irländer  brauchen  konnten,  die  in  kurzer  Zeit  den  Refrain  gewisser 


140  Dr.  O.  Finsch.  [58] 

deutscher  Lieder  (z.  B.  »Als  die  Römer  frech  gewordene)  sehr  gut  lernten  und  richtig 
einzufallen  wussten. 

Mit  Musikinstrumenten  scheint  es  dagegen  —  was  vielleicht  kein  Schaden  ist  — 
schlechter  bestellt  als  in  Neu-Britannien.  So  glaube  ich,  dass  die  gewöhnliche  Rohrflöte 
(A  kauKf  Seite  109)  ganz  fehlt;  sie  ist  mir  wenigstens  nie  vorgekommen.  Ebenso  nicht 
die  eigenthümlichen  Schlaghölzer  (A  tidirr,  Seite  1 10  und  Angramut,  Seite  in).  Da- 
gegen gibt  es,  wie  überall,  Trompeten  aus  7>f/on5- Muscheln,  die,  wie  wir  durch  Ro- 
milly  erfahren,  auch  zum  Kampfe  ertönen.  Trommeln  scheinen  sehr  beschränkt  und 
sind  sehr  primitiv  aus  einem  Bambu  (circa  80  Cm.  lang  und  circa  1 1  Cm.  Diameter) 
raitAfo«j7or-Haut  überspannt  hergestellt.  Grosse  Holztrommeln  (wieTaf.  V  [3],  Fig.  8) 
kommen  in  derselben  Form  wie  in  Neu-Britannien  vor  und  werden  zu  denselben 
Zwecken,  hauptsächlich  zum  Signalgeben  benützt.  Sie  sind  Eigenthum  des  Versamm- 
lungshauses, werden  schon  unter  besonderen  Tabu  gebrauchen  (z.  B.  innerhalb  eines  mit 
Matten  verdeckten  Raumes)  angefertigt  und  sind  unverkäuflich.  Nur  durch  Zufall  (Ab- 
brennen des  Hauses)  erhielt  ich  das  schöne  Stück,  welches  sich  jetzt  im  Berliner  Mu- 
seum befindet.  Diese  Trommeln  sind  ohne  Schnitzerei  und  nur  mit  Roth  und  Weiss 
bemalt.  —  Unter  allen  Musikinstrumenten  scheint  am  häufigsten  die: 

Panflöte  (Nr.  577,  i  Stück),  Taf.  V  (3),  Fig.  4,  aus  14  Rohrstengeln,  von  abneh- 
mender Grösse.  —  Nusa. 

Dieses  schon  im  Alterthume  bekannte  Instrument,  welches  noch  heute  bei  rumä- 
nischen Zigeunercapellen  eine  hervorragende  Stelle  einnimmt,  zeigt  am  besten  wie  an 
ganz  verschiedenen  Orten  der  Welt,  unabhängig  von  einander,  dieselbe  Erfindung  ge- 
macht werden  kann. 

Identisch  mit  dem  gleichen  Instrument  in  Neu-Britannien  ist  die 

Maultrommel  (Nr.  586,  1  Stück),  Taf.  V  (3),  Fig.  i,  2,  3  (vergl.  Seite  iio); 
Nusa,  und 

Maultrommel  (Nr.  587,  i  Stück)  mit  fein  eingravirten  Schachbrettmustern  und 
oben  rechtwinkelig  abgeschnitten.  —  Kapsu. 

Ein  wohl  in  der  ganzen  Welt  einzig  dastehendes  Streichinstrument  ist  das 

Kulepaganeg  (Nr.  594,  i  Stück),  Taf.  V  (3),  Fig.  9.  —  Kapsu. 

Dasselbe  besteht  aus  einem  40  Cm.  langen,  14  Cm.  breiten  Stück  weichen  Holzes, 
an  den  Seiten  sanft  bauchig,  mit  drei  durchgehenden  Oeffnungen,  von  denen  die  erste, 
grösste,  an  beiden  Innenseiten,  die  beiden  anderen  nur  an  der  Hinterseite  sanft  concav 
ausgehöhlt  sind,  um  in  ingeniöser  Weise  die  Resonanz  zu  erhöhen.  Das  Instrument 
wird  auf  der  10  Cm.  breiten  Oberfläche  mit  der  angefeuchteten  Hand  gestrichen  und 
gibt  drei  nicht  eben  melodische  quitschende  Töne  (in  i,  3,  6). 

Tanz  habe  ich  nicht  genügend  kennen  gelernt  und  muss  mich  auf  die  vorliegen- 
den Stücke  der  Sammlung  beschränken,  die  nur  bei  grossen  Festen  der  Männer  in  An- 
wendung kommen.  Diese  Tanzgeräthe  sind  von  den  in  Neu-Britannien  gebräuch- 
lichen (Seite  II 3)  ganz  verschieden;  Masken  aus  Menschenschädeln  (Seite  11 3)  fehlen 
durchaus. 

Am  häufigsten  ist  ein  Ornament  in  Form  eines : 

Buceros-Kopf  (Nr.  614,  i  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  9,  aus  Holz  geschnitzt,  mit 
bunter  Bemalung  (das  Blau  Waschblau)  und  Augen  von  T^r^o-Deckel.  —  Nusa. 

Weit  seltener,  schon  wegen  der  schwierigen  Erlangung  des  ausserordentlich 
scheuen  Vogels: 

Buceros-Kopf  (Nr.  6i5,  i  Stück),  natürlicher  im  Rauch  getrockneter  Kopf  und 
Hals  eines  Nashornvogels  (Buceros  ruficolis),  —  Festland  gegenüber  Nusa. 


r5n1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  Iz^l 

Ich  habe  auch  Buceros-Köpfe  aus  Holz  geschnitzt  mit  aufgeklebten  Federn  gesehen 
und  andere  zum  Theile  combinirte  Thiergestalten  (z.  B.  einen  Fisch,  der  einen  Vogel 
im  Rachen  hält  u.  s.  w.),  mit  einen  Wort,  es  herrscht  auch  in  dieser  Richtung  eine  Ver- 
schiedenheit grotesker  Zusammenstellung,  wie  sie  für  alle  Schnitzereien  Neu -Irlands 
so  charakteristisch  ist.  Alle  derartigen  Tanzornamente  sind  an  der  Basis  hinterseits  mit 
einem  Zapfen  (Fig.  9)  oder  einem  Hänge  versehen,  an  welchen  sie  mit  den  Zähnen 
des  Tanzenden  festgehalten  werden  können,  und  kommen  in  dieser  Weise  zur  Be- 
nützung. Die  zahllosen  Schnitzereien  von  Vögeln  und  Fischen,  welche  Romilly  im 
Tabuhause  von  Kapsu  sah,  sind  alles  solche  Tanzornamente,  welche  hier  aufbewahrt 
werden.  Wer  bei  den  Festen  nicht  im  Stande  ist  in  einer  Maske  zu  erscheinen,  muss 
sich  eben  mit  diesem  geringeren  Ausputze  begnügen.  Wenn  unter  denselben  der  Nas- 
hornvogel so  häufig  vertreten  ist,  so  habe  ich  die  Gründe  dafür  schon  Seite  i32  ange- 
deutet. Es  erscheint  aber  auch  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieser  merkwürdige  Vogel 
neileicht  überhaupt  bei  manchen  sogenannten  Tänzen  als  Motiv  dient,  wie  dies  z.  B.  in 
Sibirien  in  Bezug  auf  andere  Thiere  (Bär,  Elen,  Kranich)  der  Fall  ist;  ich  sah  hier  sogar 
von  Russen  den  »Birkhahntanz«  aufführen. 

Die  beiden  folgenden  Stücke  dienen  nicht  in  der  Weise  wie  Nr.  614  und  61 5  als 
Tanzornamente,  sondern  sind  Verzierungen  (Ohren)  zu  Tanzmasken,  aber  als  fein  aus- 
geführte Schnitzereien  bemerkenswerth. 

Flaches  Brett  (Nr.  612,  i  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  7  (68  Cm.  lang,  1 5  Cm.  breit), 
durchbrochen  gearbeitet,  am  Rande  mit  Hahnenfedern  verziert;  Nusa,  und  • 

Flaches  Brett  (Nr.  6 1 3,  i  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  8,  ähnlich  dem  vorigen,  aber 
ganz  verschieden;  unter  den  Farben  kommt  das  im  Ganzen  seltene  Ockergelb  vor.  Nusa. 

Besonders  charakteristisch  für  diesen  Theil  Neu -Irlands  sind  die  Talowa  oder 
Tanzmasicen,  welche  fröhlichen  Festen  der  Männer,  dem  eigentlichen  Mummenschanz 
dienen  und  in  Form  wie  phantastischer  Ausstattung  zu  den  originellsten  und  vollkom- 
mensten der  ganzen  Südsee  gehören. 

Die  Grundform  dieser  Masken  und  am  häufigsten  vertreten  ist  der  Kopf  des  Ein- 
geborenen. Das  Gesicht  bildet  eine  aus  weichem  Holz  geschnitzte  Larve,  ähnlich  den 
unseren,  mit  Nase,  Augen-  und  Mundöffnung,  die  in  zierlicher  Weise  roth,  schwarz 
und  weiss  bemalt  ist;  gewöhnlich  sind  noch  Ti/r^o-Deckel  als  Augen  eingesetzt.  Die 
Gesichtsmaske  ist  meist  gegenüber  der  übrigen  Kopfmasse  zu  klein,  die  gewöhnlich 
aus  einem  Gestell  von  gespaltenem  Bambu,  mit  allerlei  Stoffen  überzogen,  besteht.  Diese 
Hauptform  der  Masken  erinnert  an  einen  kleinen  Kopf  mit  einem  mächtigen  Helme, 
dem  aber  nicht  etwa  europäische  Motive  in  den  beliebten  ersten  Spaniern,  sondern  die 
(Seite  1 28)  erwähnten  eigenthümlichen  Haarfrisuren  als  Modell  dienten.  Die  geschorenen 
Kopfseiten  werden  in  entsprechender  Weise  imitirt,  ebenso  der  raupenhelmartige  Kamm, 
und  zwar  durch  gelbe  Bananenfaser,  welche  die  natürliche  Haarfärbung  am  besten  wie- 
dergibt. Gute  Typen  dieser  häufig  vertretenen  Art  sind  die  folgenden  beiden  Stücke: 

Talowa  (Nr.  616,  i  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  4  und  4a,  Nusa,  welche  durch  die 
Abbildungen  am  besten  erläutert  wird  und  die  Verschiedenheiten  beider  Seiten  zeigt, 
von  denen  die  eine  fein  bemalt  ist,  während  die  andere  mit  dem  weissen  Mark  einer 
Binse  besetzt  erscheint.    Ebenso  die  folgende: 

Talowa  (Nr.  6 1 8,  i  Stück)  mit  Kamm  aus  gelbgefärbter  Bananenfaser,  die  eine 
Seite  ist  bemalt,  während  die  andere  in  origineUer  Weise  durch  kurze  Pflanzenstengel 
imitirtes  Haar  zeigt.  —  Kapsu. 

Schon  von  derartigen  Masken  gibt  es  kaum  zwei  ganz  gleiche  Stücke  und  Be- 
malung wie  groteske  Ausstaffirung  sind  ausserordentlich  verschieden.    Für  die  letztere 


142 


Dr.  O.  Finsch. 


[60] 


werden  mancherlei  Stoffe  geschickt  und  zuweilen  in  der  originellsten  Weise  benutzt 
und  fast  stets  ist  die  Arbeit  eine  saubere  und  zeigt  von  grossem  Fleiss.  Da  werden  Barte 
aus  CocoS'  oder  Bananenfaser,  Flechten  und  anderen  Pflanzenstoffen  angesetzt,  mehr 
oder  minder  phantastische  Ohren  aus  Holz  oder  pflanzlichem  Material,  fühlhörnerartige 
Ansätze,  buntgefärbte  Troddeln  und  Fransen,  Wimpern  aus  Fischzähnen,  die  Kopf- 
seiten mit  schwarzen  Bindfaden  bezogen,  bemalt,  mit  Kalk  beschmiert,  mit  Federn 
beklebt,  Pflanzenstengel  oder  Binsenmark  eingesetzt  (aus  letzteren  zuweilen  auch  der 
Kamm),  aber  stets  sind  beide  Seiten  verschieden,  zuweilen  versteigt  man  sich  zu  Hör- 
nern und  besonderen  häufig  durchbrochen  gearbeiteten  Aufsätzen.  Ausputz  von  Federn 
kommt  übrigens  kaum  in  Betracht,  weil  Vögel  überhaupt  selten  und  für  die  Einge- 
borenen zu  schwierig  erlangbar  sind. 

Sehr  abweichende  Formen  zeigen  die  folgenden  beiden  Stücke: 

Talowa  (Nr.  617,  1  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  5,  mit  durchbrochen  gearbeitetem 
Nasenaufsatz,  langen  bemalten  Ohren;  Bart  und  das  vorspringende  Kopfgestell  aus 
schwarzer  Pflanzenfaser;  Kapsu,  —  und 

Talowa  (Nr.  619,  i  Stück),  Taf.  VI  (4),  Fig.  6,  mit  Seitenflügeln  in  durch- 
brochener Schnitzarbeit  und  Troddeln  aus  Bananenfaser;  das  Kopfgestell  ist  aus  Bambu, 
innen  mit  Tapa  ausgekleidet  und  an  der  einen  Seite  das  Etiquett  einer  Conserven- 
büchse  aufgeklebt,  welches  damals  (1881)  bei  den  Eingeborenen  als  neu  Bewunderung 
erregte.  —  Festland  gegenüber  Nusa. 

Wie  die  Maske  Nr.  617  einen  kleinen  Nasenaufsatz  zeigt,  so  gibt  es  auch  solche 
mit  sehr  grossen,  meist  Vögel  und  Fische  darstellend,  darunter  nicht  selten  den  Buceros, 
Die  Masken  geben  auch  häufig  einen  Tänzer  wieder,  der  ein  Tanzornament  (wie  z.  B. 
Nr.  614,  Seite  140)  im  Munde  hält.  So  will  ich  nur  eine  Maske  erwähnen,  bei  der'die 
Gesichtslarve  einen  grossen,  aus  Holz  geschnitzten  Fisch  (Histiophorus)  im  Munde  hielt, 
eine  andere  mit  einem  circa  i  M.  hohen  Nashornvogel.  Ich  sah  auch  aus  Zeug  (Tapa) 
gefertigte  Masken  mit  Malerei  (darunter  als  nicht  seltene  Figur  das  Malteserkreuz),  solche 
aus  Tapa  mit  Nasenaufsätzen,  wie  aus  Holz  und  Tapa  und  sogar  solche,  an  denen  die 
75  Cm.  langen  phantastischen  Ohren  mittelst  Bindfaden  bewegt  werden  konnten.  Noch 
mehr  wie  bei  den  Schnitzereien  liessen  sich  daher  mit  der  Beschreibung  neuirländischer 
Tanzmasken  Bücher  füllen,  denn  gerade  in  diesem  Genre  scheint  die  wilde  Phantasie 
der  Eingeborenen  unerschöpflich,  und  zwar  aus  leicht  begreiflichen  Gründen,  die  sich 
aus  dem  Zwecke  dieser  Masken  ganz  von  selbst  erklären.  Bei  den  Festen  der  Männer, 
welche  nicht  wie  die  »Teufelsmasken  mit  Hörnern  und  Ohren«  vielleicht  deuten  lassen, 
zu  Ehren  von  Götzen,  sondern  zur  Verherrlichung  grosser  Schmausereien  veranstaltet 
werden,  spielen  Maskeraden  eine  wichtige  Rolle.  Wie  bei  den  unseren  kommt  es  haupt- 
sächlich darauf  an  unerkannt  zu  bleiben,  nebenbei  durch  die  Maske  zu  brilliren,  und 
Jeder  bemüht  sich  daher  in  der  Stille  dies  Ziel  zu  erreichen,  um  die  Anderen  durch  mög- 
lichst groteske,  womöglich  neue,  Darstellungen  zu  überbieten.  Da  sich  diese  Hauptfeste 
ungefähr  nur  alle  Jahre  wiederholen  und  eine  grosse  Menge  der  leicht  vergänglichen 
Masken  inzwischen  durch  Wurmfrass  u.  s.  w.  unbrauchbar  geworden  sind,  so  rajiiss 
schon  deshalb  Neues  geschaffen  werden.  Man  bessert  die  alten,  in  den  Tabuhäusern  ver- 
wahrten^  Masken  aus  oder  macht  ganz  neue,  zu  denen  sich  inzwischen  bisher  nicht  dage- 
wesene Motive  gefunden  haben  oder  in  der,  ganz  den  Festfreuden  zugewandten,  ohne- 
hin reichen  Phantasie  der  Eingeborenen  erdacht  wurden.  Das  ist  die  einfache  Erklärung 
dieser  Masken,  die  übrigens  auch  zum  Festputze  bei  Leichenverbrennungen  in  Be- 
nützung kommen.  Wie  so  manches  Andere  werden  sie  vielleicht  verschwunden  sein, 
ehe  noch  eine  gute  Beschreibung  der  betreffenden  Festlichkeiten,  die  bis  jetzt  noch  fehlt, 


[(^i]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SQdsee.  1^3 

vorliegt.  Freilich  die  Feste,  die  bleiben  gewiss  noch  lange,  wenn  auch  keine  Masken  mehr 
gemacht  werden.  Aber  sie  werden  ohne  dieselben  auch  viel  an  Originalität  verlieren, 
denn  meist  bleibt  nichts  übrig  als  eine  Esserei  mit  Getrampel  und  Lärm.  Ich  kenne  das 
aus  Erfahrung  von  Torresstrasse.  Dort  wurden  vor  kaum  12 — 15  Jahren  für  Festlich- 
keiten und  Tänze  höchst  originelle  und  kunstvolle  Masken  aus  Schildpatt  gefertigt,  die 
häufig  Fische  und  Vögel  darstellten.  Ich  kam  aber  i883  schon  zu  spät,  da  gab  es  keine 
Masken  aus  Schildpatt  mehr.  Tänze  fanden  freilich  noch  statt,  aber  man  machte  dazu 
rohe  Masken  aus  den  dünnen  Blechgefässen,  wie  sie  bei  allen  Stationen  von  Weissen 
umherliegen.  Das  ersparte  viel  Arbeit,  sowie  das  mühevolle  Fangen  der  Schildkröten, 
deren  Schale  sich  überdies  jetzt  viel  besser  in  Schnaps  verwerthen  Hess. 

Todtenverehrung  findet  In  ganz  anderer  Weise  als  in  Neu-Britannien  und  zwar 
durch  Leichenverbrennung  der  Verstorbenen  statt,  eine  Sitte,  die  meines  Wissens 
in  ganz  Melanesien,  vielleicht  der  Südsee  überhaupt,  nur  in  diesem  Gebiete  vorkommt. 
Dabei  finden  je  nach  dem  Range  grosse  Feierlichkeiten  statt,  die  Leiche  wird  roth  be- 
malt und  reich  mit  Glasperlen  geschmückt,  die  Asche  grosser  Häuptlinge  (Taman) 
gesammelt.  Ich  verdanke  diese  Nachrichten  Friedrich  Schulle,  dem  besten  Kenner 
dieses  Theiles  von  Neu-Irland,  der  verschiedenen  Leichenverbrennungen  beiwohnte  und 
mir  versicherte,  dass  alle  Leichen  verbrannt  werden.  Durch  ihn  erfuhr  ich  auch,  dass 
bei  diesen  Festlichkeiten,  die  ich  hier  nicht  näher  beschreiben  will,  den  Tanzmasken 
eine  Rolle  zufällt. 

Spi6l6.  Es  war  mir  interessant  das  bekannte  Abheben  eines  zwischen  den  Fingern 
ausgespannten  Fadens,  welches  bei  uns  vielerwärts  bei  Mädchen  beliebt  ist,  auch  in 
Neu-Irland  zu  finden.  Ziemlich  grosse  Burschen  beschäftigten  sich  damit,  wussten  sehr 
hübsche  Figuren  abzuheben  und  sangen  eine  nicht  unüble  Melodie  dabei. 

b.  Südwestküste. 

Dieses  Gebiet  ist  noch  viel  weniger  bekannt  als  das  der  Nordspitze  und  der  Rev. 
Brown  wohl  der  Einzige,  welcher  gewisse  Küstenpunkte  in  der  Gegend  von  Rössel- 
Bai,  sowie  von  hier  aus  die  Ostküste  besuchte.  Ich  selbst  habe  zwar  eine  Anzahl  Ein- 
geborener an  der  Südspitze  gesehen,  die  sich  anthropologisch  in  nichts  von  der  übrigen 
Bevölkerung  unterschieden,  aber  an  Land  selbst  keine  Beobachtungen  machen  können. 
Zwar  besitzen  unsere  Museen  gerade  aus  dem  Küstengebiete,  den  Herzog  York-Inseln 
gegenüber,  eine  Menge  Gegenstände,  aber  von  eingehender  ethnologischer  Kenntniss 
kann  keine  Rede  sein.  Eine  gründlichere  Untersuchung  wird  sehr  interessante  Resul- 
tate liefern,  denn  schon  aus  dem  Wenigen,  was  bis  jetzt  aus  diesem  Gebiete  und  über 
seine  Bewohner  vorliegt,  ergeben  sich  bedeutende  Verschiedenheiten,  und  es  lassen  sich 
bereits  bestimmte  ethnologische  Charakterzüge  erkennen. 

Die  wenigen  Stücke  der  Sammlung  liefern  dafür  schon  Belege. 

Muscbelgeld  (Nr.  6J6,  i  Probe),  Taf.  III  (i),  Fig.  6  (rechts  im  Durchmesser  ge- 
zeichnet), aus  violettbräunlichen,  auf  der  entgegengesetzten  Seite  weissen,  sehr  dünnen 
Muschelscheiben  und  mit  grösserem  Bohrloch;  eigenthümlich.  Ausser  dieser  Art  gibt 
es  an  der  Südwestküste  auch  feinere  Sorten,  ähnlich  dem  Kokonon  (Taf.  I,  Fig.  4). 

Waffen. 

Wurfspeer  (Nr.  ySi,  i  Stück),  225  Cm.  lang,  aus  hartem  Holz  mit  glatter  Spitze, 
<ias  etwas  verdickte  Fussende  mit  Querrillen,  wie  gedrechselt.  —  Kurass. 

Wurfepeer  (Nr.  ySS,  i  Stück),  2*33  M.  lang,  ähnlich  dem  vorigen,  mit  Querrillen 
um  Fussende  und  roth,-weiss  und  schwarz  bemalt.  —  Kurass. 


144  ^^'  ^'  ^^^^^'  [^^] 

Wurfspeer  (Nr.  782,  i  Stück),  178  Cm.  lang;  vor  der  Spitze  sanft  verdickt,  am 
Fussende  eine  vierkantige  Erhöhung,  hinter  derselben  jederseits  verdünnt.  —  Kurass. 

Keule  (Nr.  767,  i  Stück)  aus  schwerem  Holz,  141  Cm.  lang,  rund,  an  beiden 
Enden  mit  kegelförmig  verdickter,  scharf  abgesetzter  Spitze.  —  Kurass. 

Keule  (Nr.  770,  i  Stück),  runder,  114  Cm.  langer  Knüppel  mit  eingravirtem, 
vsreiss  eingeriebenem  Muster.  —  Kurass. 

Keule  (Nr.  771,  i  Stück),  i'3o  M.  lang,  jederseits  abgeflacht  mit  stumpf  gerun- 
deten Kanten.  —  Kurass. 

Von  diesem  Platze,  sowie  aus  der  Nachbarschaft,  gelangen  namentlich  Waffen 
nach  der  Herzog  York-Gruppe  und  von  hier  nach  Blanche-Bai,  was  eine  Menge  irrthüm- 
licher  Localitätsangaben  zur  Folge  hat,  die  um  so  mehr  zu  bedauern  sind,  als  jedes 
Gebiet  gewisse  Eigenthümlichkeiten  besitzt. 

Zu  denen  der  Südwestküste  gehören  vor  Allem  die  folgenden  beiden  Nummern, 

sogenannte  Götzenbilder: 

Figur  eines  Mannes  (Nr.  647,  i  Stück),  Taf.  VII  (5),  Fig.  4,  und 

Figur  einer  Frau  (Nr.  648,  i  Stück),  je  53  Cm.  hoch,  aus  weissem  Kalk  geschnitzt 
(nicht  gebrannt)  und  bemalt,  sehr  schwer  und  leicht  zerbrechlich.  —  Kurass. 

Von  diesen  Figuren  habe  ich  sehr  viele  gesehen,  die  alle  mehr  oder  minder  mit 
der  Abbildung  übereinstimmen  und  in  sehr  roher  Weise  nackte  Männer  und  Frauen 
repräsentiren,  mit  glattem  Gesicht,  meist  auf  der  Brust  gefalteten  Händen  und  abstehen- 
den affenartigen  Ohren.  Zuweilen  ist  eine  helmartige  Frisur  angedeutet  oder  eine  Kopf- 
bedeckung, die  einer  bis  auf  die  Schulter  reichenden  Weiberkappe  entspricht.  An  son- 
stigem Körperputz  ist  zuweilen  eine  Leibschnur  oder  ein  Armband,  auch  Trochus-King 
kenntlich.  Die  Geschlechtstheile  sind  stets  unbedeckt,  meist  übertrieben,  der  Penis  nie- 
mals erotisch  dargestellt.  Die  Bemalung  ist  sehr  einfach  und  besteht  meist  in  Linien  oder 
Punkten,  meist  in  Roth  und  Gelb,  neuerdings  auch  in  (eingetauschtem)  Blau.  Diese 
Figuren  werden  in  sehr  verschiedener  Grösse  angefertigt;  die  grösste,  welche  ich  sah, 
hatte  i'5o  Cm.  Höhe,  die  meisten  sind  bedeutend  kleiner.  Es  kommen  an  dieser  Küste 
auch  roh  aus  Holz  geschnitzte  Figuren  vor,  die  in  den  Formen  ganz  denen  aus  Kalk 
gleichen,  sich  also  mit  den  phantastischen  Figuren  an  der  Nordspitze  gar  nicht  ver- 
gleichen lassen.  Die  Kalkfiguren  werden  hauptsächlich  von  dem  Küstenplatze  Kurass 
angebracht,  aber  nicht  hier,  sondern  weiter  im  Innern  gemacht,  in  dem  Dorfe  Punam. 
So  sagten  mir  wenigstens  die  eingeborenen  Missionslehrer,  die  mit  »Götzen«  öfters  nach 
Mioko  kommen,  um  sie  zu  verkaufen. 

Was  Powell  (1.  c,  Seite  248)  über  diese  Kalkfiguren  sagt,  beruht  jedenfalls  nur 
auf  Hörensagen,  und  die  Abbildung  (Titelbild)  einer  »Morturary  Chapel«  mit  solchen 
Figuren  ist  reine  Erfindung.  Der  einzige  weisse  Mann,  welcher  diese  Kalkfiguren  an 
Ort  und  Stelle  zu  sehen  bekam,  ist  wohl  der  Rev.  Brown.  Der  Häuptling  des  Küsten- 
dorfes KalU  führte  ihn  in  eine  nahe  dem  Dorfe  gelegene  Umzäunung,  welche  einen 
oblongen,  sehr  rein  gehaltenen,  circa  einen  Viertelacre  grossen  Platz  umschloss,  an 
dessen  Ende  ein  grosses  Haus  stand.  Dieses  Haus  enthielt  zwei  grosse  Kalkfiguren, 
ein  Mann  und  eine  viel  kleinere  Frau;  der  Mann  war  mit  einer  grossen  konischen  Kopf- 
bedeckung und  einer  Halskrause  dargestellt,  beide  Figuren,  sowie  die  Hauspfosten  be- 
malt. Brown  konnte  den  Zweck  dieser  Figuren  nicht  erfahren,  deutete  dieselben  aber 
keineswegs  als  Götzenbilder,  wie  dies  Missionäre  sonst  meist  zu  thun  pflegen.  Jeden- 
falls dienen  Haus  wie  Platz,  die  für  die  Frauen  streng  tabu  waren,  den  Festen  der 
Männer  und  die  Figuren  sind  vielleicht  Ahnen,  wie  solche  in  Neu-Guinea  häufig  dar- 
gestellt werden. 


[03]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  I  a^ 

Crosse  Versammlungshäliser  traf  Brown  auch  an  der  Ostküste  und  bezeichnet  sie 
ausdrücklich  als  Häuser,  in  welchen  die  unverheirateten  Männer  und  Fremde  schlafen; 
sie  entsprechen  also  ganz  den  tabuirten  Junggesellenhäusern,  wie  sie  überall  in  Melanesien 
vorkommen.  Ein  solches  Haus,  welches  Brown  in  Ratama,  circa  7  englische  Meilen  im 
Innern  der  Ostküste,  besuchte  war  an  40  Fuss  lang  und  1 2  Fuss  hoch  und  stand  auf  drei 
Pfeilern.  Die  Wände  bestanden  aus  dichtem  Ried,  im  Innern  waren  Bänke  zum  Schlafen, 
ausserdem  eine  Menge  Unterkiefer  von  Schweinen  und  Menschen,  auch  andere  mensch- 
liche Körpertheile  (z.  B.  eine  im  Rauch  getrocknete  Hand)  aufgehangen,  als  Erinnerung 
an  gehaltene  Festmahle.   Schnitzereien  oder  Kalkfiguren  werden  nicht  erwähnt. 

Sehr  merkwürdig  ist  das  Jungfrauenhaus,  welches  Brown  an  demselben  Platze 
kennen  lernte.  Es  war  25  Fuss  lang,  ähnlich  dem  Junggesellenhause  und  stand  in  einer 
Umzäunung  von  Bambu,  über  dessen  Thor  als  Tabuzeichen  ein  Bündel  Gras  hing. 
Der  Häuptling  selbst  wagte  nicht  das  Haus  zu  betreten  und  Hess  eine  alte  Frau  holen, 
die  allein  die  Thüren  (aus  Cocosmatten)  öffnen  darf  und  dies  nur  mit  Widerstreben 
und  auf  Befehl  des  Häuptlings  that.  Im  Innern  des  Hauses  waren  drei  kegelförmige 
Abtheilungen,  circa  7 — 8  Fuss  hoch  und  1 2  Fuss  im  Umfange,  in  welchen  ein  Mensch 
sich  kaum  ausstrecken  und  nur  gebückt  sitzen  konnte.  In  diesen  dunklen  Käfigen  wird 
je  ein  Mädchen  oft  noch  im  Kindesalter  für  lange  Zeit  eingesperrt,  die  Eingeborenen 
sagten  4 — 5  Jahre!  was  aber  wohl  auf  einem  Irrthum  beruhen  mag.  Die  Mädchen 
werden  täglich  nur  einmal  auf  kurze  Zeit  herausgelassen,  dürfen  aber  mit  den  Füssen 
den  Boden  nicht  betreten  und  man  breitet  deshalb  Cocosmatten  aus.  Das  Haus  enthielt 
nichts,  die  Käfige  nur  Bamburohre  mit  Wasser  zum  Trinken.  An  der  Westküste  soll 
dieselbe  Sitte  herrschen,  welche  keinen  andern  Zweck  hat,  als  die  Mädchen  gut  zu  ver- 
heiraten, wobei  ein  grosses  Fest  gegeben  wird  (Brown).  Und  diese  Erklärung  trifft 
jedenfalls  das  Richtige,  da  solche  Mädchen,  die  natürlich  zu  den  Ausnahmen  gehören, 
einen  hohen  Kaufpreis  erzielen  und  wahrscheinlich  nur  für  Häuptlinge  bestimmt  sind. 
Dieser  sonderbare  Gebrauch  findet  sich  in  der  ganzen  Südsee  nur  hier,  steht  aber  wohl 
nicht  vereinzelt  da.  Ich  erinnere  mich,  etwas  Aehnliches  gelesen  zu  haben,  muss  aber 
für  diesmal  das  Nachsuchen  Anderen  überlassen. 


3.  Admiralitäts- Inseln. 

Diese  von  mir  nicht  besuchte  Gruppe  besteht  aus  einer  grösseren  Insel  (Taui)  und 
zahlreichen,  meist  rifireichen  kleineren  Inseln,  die  zwischen  i«>  5o'  und  3°  s.  Br.  liegen 
und  dem  deutschen  Schutzgebiete  mit  einverleibt  wurden. 

Die  im  Ganzen  spärliche  Bevölkerung  gehört  der  Papuarasse  an,  unterscheidet 
ach  aber  ethnologisch,  trotz  der  unbedeutenden  Entfernung  von  dem  benachbarten 
Neu-Hannover  im  Osten  ( 1 20  Seemeilen)  und  dem  Festlande  Neu-Guineas  im  Süd- 
westen (i5o  Seemeilen),  durch  einige  hervorragende  Eigenthümlichkeiten. 

Die  Bewehrung  der  Speere  mit  Spitzen  aus  Obsidian  steht  darunter  obenan  und 
wohl  überhaupt  in  der  ganzen  Südsee,  trotz  des  Vorkommens  dieser  Lava  anderwärts, 
isolirt  da.  Aus  diesem  durch  Klopfen  leicht  zu  bearbeitenden  Material  werden  auch 
Dolche  angefertigt,  die  wie  die  Speerspitzen  durch  die  messerscharfen  Bruchflächen 
besonders  gefährliche  Waffen  liefern. 

Sehr  merkwürdig  und  einzig  dastehend  ist  die  Schambekleidung  der  Männer, 
welche  nur  in  einer  Eiermuschel  (Ovula  ovum)  besteht,  in  deren  etwas  erweiterte,  kaum 
i5  Mm.  breite,  Oeffnung  der  Penis  gesteckt  wird.  Diese  Schambedeckung  findet  in  den 


1 46  Dr.  O.  Finsch.  [64] 

Kalebassen  von  Humboldt-Bai  und  Nachbarschaft  ein  Analogon.  Einen  hervorragenden 
ethnologischen  Zug  dieser  Inselgruppe  bilden  auch  die  kunstvollen  Schnitzarbeiten  in 
Holz,  welche  neben  menschlichen,  verschiedene  Thierfiguren  (darunter  auch  das  Kro- 
kodil) darstellen  und  am  vollkommensten  in,  zumTheile  sonderbar  geformten,  Schüsseln 
und  Schalen,  oft  von  bedeutender  Grösse,  repräsentirt  werden.  Diese  Schüsseln  erinnern, 
wie  so  manches  Andere,  an  ähnliche  Erzeugnisse  der  Salomon$-Inseln,  darunter  nament- 
lich auch  die  eigenthümlichen  Brust-  und  Stirnschmucke  aus  einer  rundgeschliffenen 
Tridacna-Platte  mir  aufgelegter  durchbrochener  Schildpattarbeit.  Mit  Ausschluss  der 
ziemlich  rohen  Steinäxte,  die  in  Form  wie  Befestigung  am  meisten  denen  des  Bismarck- 
Archipels  ähneln,  zeigen  die  übrigen  Erzeugnisse,  namentlich  auch  die  mannigfachen 
Schmuck-  und  Ziergegenstände  neuguineisches  Gepräge,  nicht  zu  vergessen  die  sorg- 
fältig gearbeiteten  und  gebrannten  Töpfe,  welche  ganz  mit  denen  von  Neu- Guinea  über- 
einstimmen. Dasselbe  gilt  in  Bezug  auf  die  grossen,  trefflichen,  mit  Ausleger,  Plattform, 
Segeln  und  vorzüglicher  Schnitzarbeit  versehenen  Canus. 

Neben  den  Salomons-  gehören  die  Admiralitäts- Inseln  mit  zu  den  am  wenigst 
bekannten  Gruppen  und  empfehlen  sich  einer  gründlichen  wissenschaftlichen  Unter- 
suchung ganz  besonders,  Sie  sind  bisher  im  Ganzen  nur  sehr  wenig  besucht  worden, 
aber  einzelne  unternehmende  Tripangfischer,  welche  längere  Zeit  unter  den  Einge- 
borenen lebten,  haben  bewiesen,  dass  sich  mit  Letzteren  wohl  auskommen  lässt. 

Die  folgenden  Stücke  stammen  von  der  westlichsten  Insel  der  Gruppe  Jesus  Maria, 
welche  gelegentlich  von  Neu -Britannien  aus  von  kleinen  Handelsfahrzeugen  besucht 
wird.    Stationen  für  Handel  und  Mission  gibt  es  noch  nicht. 

Schmuck. 

Schambekleidung  (Nr.  902  a,  i  Stück)  eines  Mannes  aus  einer  Eiermuschel. 
Dieselben  sind  zuweilen  mit  eingravirtem  Muster  verziert. 

Brustschmuck  (Nr.  480,  i  Stück),  bestehend  aus  einer  glattgeschliffenen,  fast 
polirten  Perlmutterschale  (Avicula  sp.)  von  i5  Cm.  Diameter. 

Geräthschaften. 

SchöpflöfTel  (Nr.  59,  i  Stück)  aus  Cocosnuss  mit  senkrecht  befestigtem,  roh  ge- 
schnitztem (circa  22  Cm.  langem)  Holzstiele. 

Holzschüssel  (Nr.  83,  i  Stück),  rund,  flach  (33  Cm.  Durchmesser),  mit  Rand- 
verzierung, auf  der  Unterseite  mit  vier  sehr  kurzen  Füssen. 

Flaschenförmige  Kalebasse  (Nr.  897,  i  Stück),  26  Cm.  lang,  mit  eingebranntem 
zierlichen  Muster;  für  pulverisirten  Kalk  zum  Betelgenuss. 

Diese  Art  Kalkbüchsen  sind  auf  den  Hermites  ein  sehr  beliebter  Tauschartikel, 
dessen  sich  Handelsschiffe  bedienen. 

Kalkspatel  (Nr.  910,  911  und  920,  3  Stück)  zum  ßetelgenuss;  rundliche,  circa 
3o  Cm.  lange  Holzstöckchen  mit  etwas  verbreiterter  Spitze.  Die  mit  den  Lippen  ange- 
feuchtete Spitze  wird  in  die  Kalebasse  gesteckt,  so  dass  der  pulverisirte  Kalk  daran 
hängen  bleibt,  und  so  zum  Munde  geführt. 

Waffen. 

Wurfspeer  (Nr.  744,  i  Stück)  aus  Rohr,  circa  175  M.  lang,  mit  breiter,  langer 
Obsidianspitze,  die  in  einen  mit  eingravirter  und  bemalter  Ornamentirung  verzierten 
Knauf  eingekittet  ist. 

Wurfspeere  (Nr.  745,  746,  747,  748,  4  Stück)  aus  Rohr  mit  Obsidianspitze. 


[65]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  iaj 

Ich  fQge  hier  drei  Stücke  an  von  den 

Hermit-  und  Anachoreten-Inseln. 

Kalkspatel  (Nr.  921,  i  StQck)  aus  Holz,  mit  48  Cm.  langem  runden  Stiel,  dessen 
um  5  Cm.  verbreitertes,  1 5  Cm.  breites  Ende  in  kunstvoller  Weise  mit  durchbrochener 
Schnitzarbeit  in  geschmackvollem  Muster  verziert  ist.  —  Hermites. 

Mit  das  Schönste  von  Schnitzarbeiten  der  Södsee  überhaupt. 

TauTverk  (Nr.  iSg,  i  Probe),  feinste  Seilerarbeit  des  Pacific.  —  Anachoreten. 

Wurfspeer  (Nr.  703,  i  Stück)  aus  Palmholz,  circa  3  M.  lang,  rund,  das  circa  i  M. 
lange  Ende  vierkantig,  mit  10  scharfen,  spitzwinklig  eingeschnittenen  Kerben,  vor  der 
circa  25  Cm.  langen  runden,  sehr  schlank  zulaufenden  Spitze.  Um  die  letztere  vor  dem 
Abbrechen  zu  schützen,  pflegen  die  Eingeborenen  eine  runde  Frucht  auf  die  Spitze  zu 
stecken.  —  Anachoreten. 

Die  Form  dieser  Speere  ist  sehr  abweichend  von  denen  in  Neu-Guinea  und  ähnelt 
am  meisten  der  in  Ruck  und  früher  auf  den  Marshalls  gebräuchlichen. 


4.  Salomons-Inseln, 

sieben  grössere  und  eine  Menge  kleinerer  Inseln,  alle  gebirgig,  vulcanisch,  dicht  be- 
waldet und  sehr  fruchtbar,  mit  zusammen  44.000  Quadratkilometer  Flächeninhalt  und 
angeblich  175.000  Bewohnern.  Die  noi'dwestlichen  Inseln :  Ysabel,  Choiseul  und  Bougain- 
ville  sind  seit  1 3.  December  1 886  dem  deutschen  Schutzgebiete  einverleibt,  die  übrigen 
England  zugefaUen,  doch  befinden  sich  bis  jetzt  nur  im  letzteren  Gebiete  einige  wenige 
Handels-  und  Missionsstationen,  namentlich  auf  Ugi. 

Die  Eingeborenen  gehören  zu  den  dunkelsten  der  Südsee  und  ähneln  am  meisten 
echten  Negern;  doch  kommen  auch  hellere  Farbennuancirungen  (vergl.  Finsch,  An- 
thropologische Ergebnisse,  Seite  60)  und  einzeln  schlichtes  Haar  vor,  welches  ich  z.  B. 
bei  Boukaleuten,  sonst  den  schwärzesten  von  allen,  beobachtete. 

Schon  bei  dem  ersten  Auftreten  der  Spanier  unter  Mendana  übel  behandelt,  hatten 
die  Eingeborenen  keinen  Grund  sich  des  weissen  Mannes  zu  freuen,  und  diese  Verhält- 
nisse sind  in  diesem  Jahrhundert  durch  das  ruchlose  Treiben  der  Arbeiterschiffe  nicht 
gebessert  worden.  Man  darf  sich  daher  über  die  häufigen  Massacres  gerade  in  den 
Salomons  nicht  verwundern,  und  der  Verkehr  mit  ihnen  erfordert  daher  besondere  Vor- 
sicht. Noch  jetzt  werden  in  den  meisten  Fällen  die  »freiwilligen«  Arbeiter  einfach  durch 
Kauf  von  den  Häuptlingen  erworben,  wobei  bislang  Feuerwaffen  den  hauptsächlichsten 
Kaufpreis  bildeten.  Diese  Arbeiterverdingung  hat  mit  ihren  zersetzenden  Folgen,  wor- 
unter die  der  verheerenden  Syphilis  obenan  stehen,  die  Bevölkerung  sehr  vermindert 
und  ist  hauptsächlich  die  Ursache  der  üblen  und  hinterlistigen  Gesinnungen  der  Ein- 
geborenen gegenüber  Weissen. 

Der  zwei  Jahrhunderte  lang  vermisste  und  erst  nach  und  nach  wiederentdeckte 
Archipel  der  Salomons-Inseln  zählt  noch  heute  zu  den  unbekanntesten  *)  Gebieten  der 
Sudsee.  Er  ist  einer  gründlichen  wissenschaftlichen  Durchforschung  am  meisten  be- 
dürftig und  verdient  dieselbe  umsomehr,  als  gerade  die  Salomons  eine  eigene  ethno- 

')  Eine  wesentliche  Lücke  ist  seit  Kurzem  durch  Guppy's  treffliches  Werk:  »The  Solomon- 
Ulanda  and  their  Natives«  (London  1887)  ausgefüllt  worden.  Vergl.  Finsch,  Deutsche  Colonialzeitung 
iS^,  Seite  16. 

ADoalea  des  k.  k.  naturhistorischei)  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  2,  1888.  1 1 


148  Dr.  O.  Fin«ch.  [66] 

logische  Provinz  bilden^  die,  reich  an  Eigenthümlichkeiten,  eine  besonders  lohnende 
Ausbeute  verspricht.  Sehr  viele  Erzeugnisse  des  Eingeborenenfleisses  zeichnen  sich 
durch  besonders  accurate  Arbeit  und  einen  bedeutenden  Kunstsinn  der  Ornamentirung 
aus,  welcher  dieselben  zu  den  vollendetsten  der  Südsee  erhebt.  Als  besondere  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Salomons  muss  vor  Allem  die  reizende  und  geschmackvolle  Ver- 
zierung der  Waffen  mit  kunstvollem  farbigen  Flechtwerk  erwähnt  werden,  wie  die 
rafünirt  erdachte  Bewehrung  der  Lanzen  und  Pfeile  mit  Widerhaken  (übrigens  früher 
ähnlich  auf  gewissen  Carolinen-Inseln),  wodurch  ihre  Wirkung  eine  wahrhaft  scheuss- 
liche  wird.  Dabei  mag  aber  bemerkt  sein,  dass  Pfeil-  und  Speerspitzen  nicht  vergiftet 
werden.  Die  kunstvoll  geflochtenen  Schilde  stehen  einzig  da.  Auch  die  Schmucksachen 
sind  geschmackvoller  und  von  besserer  Arbeit  als  im  Bismarck-Archipel.  So  zeichnen 
sich  auch  die  schönen  aus  Tridacna-Muschel  geschliffenen  Armringe  aus,  Brust-  und 
Stirnscheiben  aus  gleichem  Material,  mit  aufgelegter  durchbrochener  Schildpattschnitzerei 
(wie  Nr.  420);  abnorm  gewachsene  Eberhauer  sind  der  kostbarste  Schmuck.  Sie  stammen 
aber  vom  Schwein  und  nicht  dem  Babyrussa  (Porcus  babyrussa),  wie  im  Katalog  des 
Museum  GodefTroy  gesagt  wird,  denn  bekanntlich  fehlt  die  letzte  Gattung  in  der  Süd- 
see überhaupt  und  ist  der  Fauna  von  Celebes  eigen.  Ein  weiterer  charakteristischer  Zug 
der  ethnologischen  Erzeugnisse  ist  die  eingelegte  Arbeit,  hauptsächlich  in  Perlmutter, 
welche  bei  verschiedenen  Holzschnitzereien  in  wahrhaft  geschmackvoller  Weise  die 
höchste  Vollendung  dieses  Genres  bei  den  Naturvölkern  der  Südsee  erreicht.  Die  mit 
Perlmutter  eingelegten  Canus  bilden  das  Schönste  dieser  Art.  Von  Perlmutter  sind  auch 
die  Fischhaken,  die  in  der  Form  ganz  den  polynesischen  gleichen,  was  beachtenswerth 
ist.  —  Cannibalismus  wird  noch  heute  auf  allen  Salomons-Inseln  wie  vor  Jahrhun- 
derten geübt. 

Ich  selbst  konnte  nur  die  herrlichen  Küsten  einiger  der  Salomons-Inseln  sehen, 
aber  nicht  betreten;  doch  sind  die  nachfolgenden  Stücke  von  durchaus  sicherer  Her- 
kunft. Trotz  der  geringen  Zahl  derselben  beweisen  sie,  wie  z.  B.  die  Pfeile  von  Malayta 
und  Sir  Charles  Hardy  -  Inseln,  die  ethnologische  Uebereinstimmung  ihrer  Bewohner, 
mit  denen  auch  die  der  kleinen  Inseln  St.  Jones  und  Green  identisch  sind.  Bogen  und 
Pfeile  voh  diesen  Inseln  bilden  einen  hervorragenden  Tauschartikel  an  vorbeipassirende 
Schiffe  und  sind  deshalb  in  Sammlungen  nicht  selten. 

Schmuck. 

Sessele  (Nr.  481,  i  Stück),  Halskette  aus  längsdurchschnittenen  braunen  Frucht- 
hülsen, wie  dieselben  auch  in  Neu-Guinea  benutzt  werden.  —  Insel  Savo.. 

Stirnschmuck  (Nr.  420,  i  Stück),  bestehend  aus  einer  flachen,  runden,  aus  Tri- 
dacna  geschliffenen  Scheibe  mit  aufgelegter,  durchbrochener  Schildpattarbeit.  —  Insel 
Bougainville. 

Diese  Art  Schmuck  gehört  mit  zu  den  vorzüglichsten  Kunstleistungen  der  Südsee- 
völker und  findet  sich  meines  Wissens  ganz  in  derselben  Weise  nur  noch  auf  den  Ad- 
miralitäts-Inseln  und  ähnlich  an  der  Süd  Westküste  Neu-Guineas  wieder  (vergl.  Nr.  423). 

Durch  angeworbene  Arbeiter  gelangen  solche  Stücke  nach  den  Inseln  des  Bismarck- 
Archipels  und  sind  daher  zuweilen  irrthümlich  mit  >Neu-Britannien«  oder  »Neu-Irland« 
bezeichnet. 

Geräthschaften. 

Poke  (Nr.  897,  i  Stück),  Büchse  aus  Bambu  mit  sauber  eingravirter  schwarzer 
Zeichnung;  dient  zum  Aufbewahren  des  pulverisirten  Kalks  für  Betelgenuss.  —  Insel  Savo. 

Paraka  (Nr.  686,  i  Stück),  feingestrickter  kleiner  Netzbeutel  als  Behälter  für  Betel- 
nüsse und  andere  Kleinigkeiten,  welche  die  Männer  stets  bei  sich  führen.  —  Insel  Savo. 


[67]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  l  aq 

WalTen. 

Potul  (Nr.  706,  I  Stück),  Wurflanze,  326  Cm.  lang,  mit  hübsch  verzierter  Spitze 
und  Widerhaken  aus  Fischknochen.  —  Insel  Bouka. 

Potul  (Nr.  707,  1  Stück),  Wurflanze,  277  Cm.  lang,  ohne  Widerhaken;  die  Spitze 
hübsch  mit  gelbem  Stroh  umflochten.  —  Bouka. 

Bogen  (Nr.  814,  i  Stück),  207  Cm.  lang,  mit  Sehne  aus  Pflanzenfaser  gedreht.  — 
Sir  Charles  Hardy-Island. 

Diese  Bogen  gehören  mit  zu  den  am  saubersten  gearbeiteten  der  Südsee. 

Von  der  gleichen  Localität  sind  die  drei  folgenden  Pfeile: 

Nr.  81  5,  I  Stück,  von  Rohr  (i3i  Cm.  lang),  mit  glatter  weisser  Holzspitze,  daher; 

Nr.  816  und  817,  je  i  Stück,  gleiche  Länge. 

Die  drei  folgenden  Pfeile  stammen  von  der  Insel  Malayta: 

Nr.  8 1 8,  I  Stück,  glatt  (142  Cm.  lang),  ganz  wie  die  vorhergehenden  von  Sir  Hardy. 

Nr.  819,  I  Stück  (iSg  Cm.  lang),  mit  zierlich  bunt  (roth  und  gelb)  umflochtener, 
glatter  Holzspitze  und 

Nr.  820,  I  Stück  (144  Cm.  lang),  wie  vorher,  aber  mit  neun  Längsreihen  dicht- 
anliegender scharfer  Widerhaken  aus  Knochen. 

Uebereinstimmend  damit  ist: 

Pfeil  (Nr.  821,  1  Stück),  iSg  Cm.  lang,  von  der  Insel  Rubiana. 

Die  folgenden  Pfeile: 

Nr.  822,  823,  824  (3  Stück),  »Iliuc  genannt,  i36 — 142  Cm.  lang,  mit  glatter 
Spitze,  und 

Nr.  825,  826,  827  (3  Stück),  »Warrau«  genannt,  i35 — 144  Cm.  lang,  mit  Wider- 
haken, sind  von  der  Insel  Bouka. 


n* 


i5o 


Dr.  O.  Finsch. 


[68] 


Inhaltsverzeichniss. 


Seite 


Vorwort  von  Franz  Heger [i]    83 

Einleitung [4]    86 


I.  Bismarck-Archipel. 


I.  Neu-Britannien 

a.  Blanche-Bai  .    . 

A.  Eingeborene 

Cannibalismus 

B.  Körperausputz     und     Beklei' 

düng 

Bekleidung 

Tapa 

Schmuck  und  Zieraten 

Diwara 

Bemalen 

Tätowirung 

Haarschmuck 

Stirnschmuck 

Ohrschmuck 

Nasenschmuck 

Halsschmuck 

Brustschmuck 

Armschmuck 

Leibschmuck 

Beinschmuck 

C.  Häuser  und  Siedelungen   .    . 
Ackerbau 

D.  Geräthschaften       und     Werk 

zeuge     

Haushaltungsgeräthe 

Gewerbskunde 

Korbflechterei 

Genussmittel 

Werkzeuge 

Waffen 

Jagd 

Fischerei 

Canus    

E.  Musik,  Tanz    und   Todtenver 

ehrung.        

Musik 

Tanz 

Todtenverehrung 

Dugdug    


Seite 
[6]     88 

[61     88 

[7]     89 
[8]     90 


IG] 
IG] 
IG] 

«'] 
12] 

'3] 

H] 

14] 

'5] 

15] 

'51 
16] 

17] 
»7] 
'7] 
17] 


92 

92 
92 

93 

94 

95 
96 

96 

97 

97 

97 
98 

99 
99 
99 
99 


18]  100 
18]  lOG 

19]  IGI 
20]  102 

20]  1G2 
20]  IG2 
20]  102 
21]  103 
21]  IG3 

25]  107 

25]  "07 
26]  108 

27]  109 
27]  109 
30]  112 

31]  "3 
33]  115 


Religion  . 
Heilkunde 
Spiele    .    . 


b.  WiDaumes 


Schmuck  .  .  . 
Geräthschaften 
Musik    .    .    .    . 


c.  French-Inseln 
d.  Cap  Raoul   . 

Schmuck 

Geräthschaften 


e.  Hanaabucht 


Schmuck 


2.  Neu-Irland 


A.  Eingeborene 
Cannibalismus . 


a.  Nordende .... 


•       • 


B.  Körperausputz  ...... 

Bekleidung 

Schmuck  und  Zieraten  .  .  . 
Kokonon-Muschelgeld  .  .  . 
Uebriger  Schmuck 

C.  Häuser  und  Siedelungen 

Versammlungshäuser 

Holzschnitzereien 

D.  Geräthschaften      und     Werk- 

zeuge      

Werkzeuge 

Waffen 

Canus    

E.Musik,  Tanz    und   Todtenver- 

. ehrung 

Musik    .    .' 

Tanz 

Tanzmasken 

Todtenverehrung 


Seite 
[33] 
[34] 
[35] 

[35] 

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[48] 
[48] 
[49] 

[53] 
[54] 
[55] 
[57] 

[57] 
[57] 
[58] 

[59] 
[61] 


«5 
16 

17 

17 
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19 

19 

20 

20 
21 

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24 
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26 

26 
26 

27 
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29 
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35 
36 
37 
39 

39 

39 
40 

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43 


[ö9] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstöcke  aus  der  Südsee. 


i5i 


Seite 

'b.  SUdwestkOste.    .    .  [6i]  143 

Waffen [61]  143 

Götzenbttder  (sogenannte) [62]  144 

Versammlungshäuser [63]  145 

3.  Admiralitäts-Inseln  [63]  145 

Schmuck [64]  146 

Wtffen [64]  146 


Seite 
Hermit-  und  Anachoreten- 

Inseln    ....     [65]  147 

4.  Salomons-Inseln  .     [65]  147 

Schmuck [66]  148 

Geräthschaften [66]  148 

Waffen [67]  149 


Verzeichniss  der  Textillustrationen  nebst  Erklärungen. 


Seite 


Fig.  I.   —    Eingeborner  von  Blanche-Bai  mit  Nasenschmuck  aus  Glasperlen  und  Gesichts- 
bemalung 

2.  (Vs)  Schleuder  von  Blanche-Bai 

3.  {y^  Schleuderstein  von  Blanche-Bai 

4.  —    Hantining  der  Schleuder 

5.  —    Angramutschläger  von  Blanche-Bai 

6.  —    Pangolospielerin  von  Blanche-Bai 

7.  (7})  Feiner  Kampf-Brustschmuck  aus  abnorm  gekrümmten  Eberhauern  von  Hansa- 
bucht, Neu-Britannien 


in] 

95 

[23] 

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[23] 

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[23] 

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[29] 

III 

[30] 

112 

[40]      122 


1 5  2  l^r.  O«  Finsch.   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  [70! 


Erklärung  zu  Tafel  III  (i). 


Bismarck  -  Archipel.    Schmuck. 

Fig.   I.  (V,)  Muschelgeld  (Diwara),  Neu -Britannien,  Blanche -Bai 

2.  (7,)  Falsches  Muschelgeld,  daher 

3.  (Vi)  Muschelgeld  (Kokonon),  gewöhnliche  Sorte,  Neu- 
Irland,  Nusa 

4.  (V,)  Desgl.,  zweite  Sorte,  daher 

5.  (Vi)  Desgl.,  feinste  Sorte,  daher 

6.  (Vi)  Muschelgeld,  Neu-Irland,  Südwestküste 

7.  (Vi)  Halskette  aus  Oliva,  Neu-Irland,  Nusa 

8.  (Vi)  Halskette  aus  Coix  lacryma,  Neu-Britannien,  Blanche- 
Bai 

9.  (Vi)  Desgl.,  aus  Querschnitten  von  Coix,  Neu-Britannien, 
Willaumez 

10.  (Vi)  Desgl.,  aus  Coix  und  Pflanzenstengeln,  daher  .     .     . 

1 1 .  (Vi)  Halskette  aus  Diwara  und  Casuarschwingen,  Neu- 
Britannien,  Hansabucht 

12.  (Vi)  Ohrring  aus  Schildpatt,  daher 

i3.  (Vi)  Scheibe  zu  Schmuck  aus  Conus,  Willaumez    .     .     . 

14.  (Vi)  Brustschmuck,  Neu-Irland,  Nusa 

i5.  (Vi)  Reisszahn  vom  Hunde  zu  Schmuck,  Willaumez  .     . 

16.  (Vi)  Zahn  vom  Beutelthier  zu  Schmuck,  daher  (»Angut« 
von  Blanche-Bai) 

17.  (Vi)  Stirnbinde,  Neu-Britannien,  Willaumez 

18.  (V2)  Brustschmuck  aus  Perlmutter,  daher 

19.  (Vi)  Nasenstift  von  Dentalium, Neu-Britannien, Blanche-Bai 

20.  ('/a)  Feines,  geflochtenes  Armband  (linke  Hälfte),  Neu- 
Britannien,  Forestier-Insel 

21.  (V3)  Feines,  geflochtenes  Armband,  Willaumez  .     .     .     . 

22.  (V3)  Armband  aus  Schildpatt,  Neu-Britannien,  Cap  Raoul 

23.  (V2)  Feiner  Brust-Kampfschmuck,  daher 


Nr.  628, 

Seite  94 

»  63i, 

»   95 

»  635, 

.   127 

»  634, 

>   128 

»  633, 

>   128 

.  636, 

.   143 

»  485, 

»     129 

»   492,     1 

>     118 

»   493,     > 

>     118 

»   489,     l 

»   122 

>  321,    J 

>     122 

»  491,  ) 

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»  486,  ^ 

>      129 

»  491,  l 

>      118 

»  49^  ' 

>      118 

*   427^  ' 

>      118 

»  490,   1 

>     118 

»  3oi,   j 

>       97 

»  393,   1 

►   120 

»  384,   . 

>     119 

»  401,   > 

>     121 

»  529,   > 

>     121 

99 


Finsch.    Ethnologische  Erfahrungeo,  Taf.  1. 


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Ajtnalea  des  k.  k.  naturhisi.  Hofmuseums,  Band  III,  i 


THE  NEW  YORK 

PUBLIC  LIBRARY 


MTOK,  L£NOX  AN« 


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[^  I  ]  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  1 5  3 


Tafel  IV  (2). 


Bismarck  -Archipel.  G  eräthschaften. 


THENEW  YOKK 

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MTOK,  L£hoX  Ata« 


[713  ^-  ^-  Füuch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  1 5  3 


Tafel  IV  (2). 


Bismarck  -Archipel.  Geräthschaften. 


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THE  NEW  YORK 

PUBLIC  LIBRARY 


M7QK,  LENOX  AftC 


[ji]  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  1 53 


Tafel  IV  (2). 


.  Bismarck -Archipel.  Geräthschaften. 


i54 


Dr.  O.  Finsch.   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee. 


[72] 


Erklärung  zu  Tafel  IV  (2). 


Bismarck  -  Archipel.    Geräthschaften. 

Fig.   I.  (Vi)  Steinbeilklinge,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai    .     .     . 

2.  (Vi)  Dieselbe,  Seitenansicht 

3.  ('/j)  Steinaxt  mit  Holzstiel,  Neu-Hannover 

4.  (V2)  Axt  mit  Muschelklinge,  Neu-Britannien,  Cap  Raoul  . 

5.  (V2)  Steinknauf  einer  Keule,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

6.  (V2)  Derselbe,  halber  Durchschnitt 

7.  (2/3)  Schaber  aus  Perimutter,  Willaumez 

8.  (73)  Derselbe,  Querschnitt 

9.  (Vi)  Feuerreiber,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai    .... 

10.  (Vi)  Reibholz  dazu 

11.  (Vi)  Fischhaken,  daher 


Nr.     12,  Seite  io3 


»    12,    1 

►   io3 

—      3 

►   io3 

»  1 20,    s 

>     121 

.  763,  . 

►   106 

»  763,  ' 

>   106 

»  46a,  1 

►  119 

.  46a,  > 

.   119 

»  5o,   > 

>   102 

.   5o,   > 

>   102 

.  154,   1 

>   108 

Finsch.   Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  2. 


Anndcn  des  k.  k.  naturhiiL  Hofmuseums,  BEuid  Ili,  i8SS. 


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[^3]  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfldsee.  1 5  5 


Tafel  V  (3). 


Bismarck -Archipel.  Musik. 


i56 


Dr.  O.  Finscb.   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


[74] 


Erklärung  zu  Tafel  V  (3). 


Bismarck  -  Archipel.    Musik. 

Fig.  I.  (V2)  Maultrommel  aus  Bambu,  Neu-Irland,  Nusa     .     .     . 

>  2.   (7i)  Eingravirtes  Muster  derselben 

»3.     —    Ansatz  der  Maultrommel 

»     4.   (%)  Panflöte  aus  Rohr,  daher 

»     5.   ('/,)  Rohrflöte,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

»     6.   (2/3)  Rohrflöte,  Querschnitt,  Willaumez 

*     7.  (V'4)  Blasekugel  der  Weiber,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

»8.     —    Grosse  Signaltrommel,  daher 

»     8  a.  —    Verzierung  einer  solchen,  daher 

>  9.  (Vs)  Streichinstrument  aus  Holz,  Neu-Irland,  Kapsu     .     . 


Nr. 

586, 

Seite 

140 

» 

586, 

» 

140 

» 

I  10 

» 

577» 

» 

140 

» 

5  80, 

» 

109 

» 

579. 

> 

119 

» 

591, 

» 

I  10 

> 

I  I  I 

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I  I  1 

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594. 

» 

140 

nnsch.    Ethaologische  Erfahrungen,  Taf.  3. 


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Annalcn  des  k.  k.  naturhist.  Hofmuseuma,  Bund  III,  i88S. 


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r75]  I^x**  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfiahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  l  Sj 


Tafel  VI  (4). 


Bismarck -Archipel.  Schnitzereien. 


A  analen  des    k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  2,  1888.  12 


i58 


Dr.  O.  Finsch.   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[76] 


Erklärung  zu  Tafel  VI  (4). 


Bismarck  -  Archipel.    Schnitzereien. 

Fig.  I.   (Vö)  Feine  Holzschnitzerei  aus  einem  Tabuhause,  Neu- 
Irlandy  bei  Nusa 


Nr.  688 


2. 

2  a. 

3. 

4- 
4  a. 

5. 

6. 

7- 
8. 

9- 
10. 


(Vö)  Giebelleiste,  daher,  Insel  Kapaterong  , 

(V3)  Aufsatz  derselben 

(Ve)  Geschnitzter  Hahn,  daher,  Nusa     .     . 

(Vö)  Tanzmaske,  daher,  Nusa 

(Vö)  Dieselbe,  andere  Seite 

(Ve)  Tanzmaske,  daher,  Kapsu     .     .     .     . 

(Ye)  Desgl.,  daher,  bei  Nusa 

(Ve)  Holzschnitzerei  zu  Maske,  Nusa     .     . 

(Yö)  Desgl.,  Nusa 

(V'e)  Tanzgeräth  (Buceroskopf),  Nusa    .     . 

(Ve)  Axtstiel,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 


690, 

> 

>   1  mf*^ 

i34 

690, 

» 

i35 

694, 

» 

i35 

616, 

> 

141 

616, 

» 

141 

617, 

» 

142 

619, 

» 

142 

612, 

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141 

6i3, 

> 

141 

614, 

» 

140 

775, 

» 

106 

finsch:  Ethnologische  Erfahrunaen  (Taf.  '1- ) 


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Annal.  des  k.k.  Naturhisl.  Hofmtiseu 


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[77]  ^^'  ^*  ^^''^^^*   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  i  5q 


Tafel  VII  (5). 


Bismarck -Archipel.  Schnitzereien. 


12' 


i6o 


Dr.  O.  Finsch.   Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[78] 


Erklärung  zu  Tafel  VII  (5). 


Bismarck  -  Archipel.    Schnitzereien. 

Fig.  I.   (Vö)  Kulap,  grosse  männliche  Figur,  Neu-Irland,  Kapsu    . 

2.  (Vö)  Desgl.,  weibliche  Figur,  daher 

3.  (Vö)  Desgl.,  weibliche  Figur,  daher 

4.  ('/e)  Desgl.,  männliche  Figur,  daher,  Südwestküste  .     .     . 

S*   (Vö)  Giebelleiste,  Neu-Irland,  Kapaterong 

5a.(V3)  Kopf  von  derselben 

5b.(V3)  Scorpion  von  derselben 

6.   (V3)  Muster  von  einem  Speer,  daher,  Nusa 

7«   (Ve)  Schädelmaske,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai     .     .     . 

8.  (Ve)  Tanzbrett,  daher 

9.  (Ve)  Talisman  für  Diebe,  daher 


Nr.  643,  Se 

ite  i35 

»  644,      1 

>     i35 

>  645,      . 

>     i3S 

»  647,      . 

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»  691,      . 
.  691,      . 

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»  691,      1 

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»  734,      . 

►     «3» 

>  620,      > 

►     1.3! 

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>  610,      I 

.     n3| 

>  666,      > 

>    ii6i 

Fuisch:  Ethnologische  Erfahnmgeii  (Taf.  5.) 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der  Südsee. 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseum  inWien. 

Von 

Dr.  0.  Finsch 

in  Bremen. 

Zweite   Abtheilung:    Neu-Guinea, 

Mit  zwölf  Tafeln  (Nr.  XIV— XXV)  und  36  Abbildungen  im  Texte. 


Neu-Guinea,  neben  Borneo  und  Madagascar  die  grösste  Insel  der  Welt,  mit  einem 
Flächenraume  von  über  785.000  Quadratkilometer  (mehr  als  14.000  deutsche  geogra- 
phische Quadratmeilen),  ungefähr  so  gross  als  Spanien  und  Italien  zusammen,  zählt 
noch  immer  zu  den  unbekanntesten  Gebieten  des  Erdrundes.  Schon  seit  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  bis  zum  141.  Meridian  von  Holland  beansprucht,  ist  die  etwas  grössere 
östliche  Hälfte  im  Jahre  1 884  zwischen  England  und  Deutschland  getheilt  worden, 

I.    Englisch  -  Neu  -  Guinea 

umfasst  das  Festland  östlich  vom  141.  Meridian,  nördlich  bis  zum  8.  Grade  südlicher 
Breite  (Mitrafels),  die  Inseln  vor  der  Ostspitze  nebst  dem  Louisiade-Archipel,  die  d'En- 
trecasteaux-Gruppe,  mit  Einschluss  von  Trobriand  und  Woodlark,  als  östlichste  Grenz- 
inseln. Bei  einem  Flächeninhalt  von  233.o38  Quadratkilometer,  also  nur  wenig  kleiner 
als  Gross-Britannien,  ist  dieses  ungeheure  Gebiet  ethnologisch  nur  sehr  lückenhaft  be- 
kannt und  das  Material  noch  zu  gering,  um  ein  ethnologisches  Gesammtbild  zu  ent- 
werfen. Aber  schon  jetzt  lassen  sich  gewisse  ethnologische  Provinzen  unterscheiden, 
Jie  bei  eingehenderer  Kenntniss  ohne  Zweifel  eine  engere  Begrenzung  nothwendig 
machen  werden.    Als  eine  solche  ethnologische  Provinz  betrachte  ich  zunächst  die 

a.  Südostküste, 

und  zwar  das  Gebiet  von  Torresstrasse  (142.  Grad)  bis  Keppel-Bai  (148.  Grad).  Obwohl 
geographisch  längs  der  Küste  gut  erforscht  und  kartirt,  ist  unsere  Kenntniss  des  Innern 
immer  noch  sehr  beschränkt  und  lückenhaft.  Denn  nur  auf  den  grossen  Wasserstrassen 
des  Flyflusses  und  der  benachbarten  Ströme  sind  Expeditionen  mehrere  hundert  Meilen 
"englisch)  vorgedrungen,  während  die  zu  Land  erreichten  Distanzen,  in  der  Luftlinie 
gemessen,  kaum  mehr  als  40  Meilen  (englisch)  überschreiten.  Der  Grund  dieser  geringen 
Erfolge  liegt,  wie  überall  in  N2U-Guinea,  nicht  an  der  Wildheit  und  Feindseligkeit  der 
Eingeborenen,  sondern  an  der  ungenügenden  Ausrüstung  der  bisherigen  Expeditionen,  in 

Annalen  des  k.  k.  naturhistoriKchen  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  4,  1888.  22 


2Q4  Dr.  O.  Finsch.  [^o] 

erster  Linie  an  dem  Mangel  von  Trägern.  Die  Eingeborenen  kennen  ihre  Heimat  ja 
nur  auf  gewisse,  sehr  beschränkte  Gebiete,  und  nur  zu  Wasser  werden  zwischen  gewissen 
Küstenpunkten  regelmässige  Handelsreisen  unternommen.  Die  grosse  Sprachverschie- 
denheit, welche  auch  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  herrscht,  hat  nicht  wenig  zur  Isolirt- 
heit  der  einzelnen  Stämme  beigetragen  und  erschwert  bei  dem  Mangel  an  Dolmetschern 
selbstverständlich  den  Verkehr  nicht  wenig.  Die  häufig  in  Fehde  lebenden  Eingeborenen 
fürchten  sich  meist  über  die  Grenzen  ihres  Gebietes  oder  das  der  befreundeten  Dörfer 
hinauszugehen,  kurzum  es  zeigen  sich  Schwierigkeiten  aller  Art,  wie  ich  aus  eigener 
Erfahrung  kennen  lernte.  Das  Haupthinderniss  bleibt  aber  vor  Allem  der  Mangel  an 
Trägern.  Die  Eingeborenen  sind  Überhaupt  wenig  dafür  geeignet,  und  nur  mit  Hilfe 
importirter  geschulter  Träger  werden  daher  Inlandexpeditionen  Aussicht  auf  Erfolg 
haben.  Vergessen  wir  auch  nicht,  dass  Neu-Guinea  ein  sehr  spärlich  bevölkertes  Land 
ist,  ohne  natürliche  Hilfsquellen  zur  Ernährung  einer  grösseren  Anzahl  Reisender,  und 
dass  in  Folge  dessen  ausreichend  für  Proviant  gesorgt  werden  muss.  Lastthiere  würden 
sich  übrigens  allenthalben  genügend  ernähren  lassen  und  namentlich  Esel  oder  Maul- 
thiere  ganz  besonders  zu  empfehlen  sein.  Wie  bei  allen  Reiseunternehmungen  spielt 
auch  für  Neu-Guinea  die  Geldfrage  die  Hauptrolle,  und  derjenige,  welcher  die  Verhält- 
nisse kennt,  wird  sich  nicht  wundern,  dass  selbst  geschulte  und  gut  ausgerüstete  Pio- 
niere, wie  James  Chalmers,  verhältnissmässig  nur  auf  unbedeutende  Entfernungen  vor- 
zudringen im  Stande  waren. 

Die  Spärlichkeit  exportwerther  Naturproducte  hat  den  Handel  von  diesem  Ge- 
biete bisher  ferngehalten,  und  erst  in  den  letzten  Jahren  ist  mit  der  Ausfuhr  von  Cedern- 
holz  und  etwas  Kopra  begonnen  worden,  wofür  übrigens  nur  sehr  beschränkte  Districte 
massige  Erträge  liefern.  Dagegen  haben  die  kleinen  Fahrzeuge  der  Tripangfischer') 
schon  seit  Jahrzehnten  innerhalb  des  Barrier-Riffs  die  Küsten  besucht,  aber  in  den 
meisten  Fällen  den  friedlichen  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  nur  erschwert,  nicht 
selten  Ausschreitungen  zur  Folge  gehabt.  Plantagenwirthschaft  wird  in  diesem  Theile 
Neu-Guineas  nicht  betrieben  oder  ist  noch  nicht  über  gewisse  erste  Versuche  hinaus- 
gekommen; weisse  Ansiedler  fehlen  noch. 

Die  Erschliessung  des  Gebietes  für  die  Civilisation  ist  daher  in  erster  Linie  der 
Londoner  Missionsgesellschaft  zu  verdanken,  die  ohne  die  Gegenströmung  des  Handels, 
wie  sie  sich  in  anderen  Gegenden  meist  nachtheilig  bemerkbar  macht,  noch  bis  heute  das 
Feld  allein  behaupten  konnte  und  den  grössten  Einfluss  besitzt.  Die  Mission  begann  im 
Jahre  1871  Stationen  zu  errichten  und  mit  farbigen  Lehrern  (Teachers)  zu  besetzen. 
Es  sind  dies  Eingeborene  aus  Ost-Polynesien  (Hervey-Gruppe  u.  s.  w.)  oder  von  den 
Loyalitäts-Inseln,  und  diesen  braunen  und  schwarzen  Sendboten  hat  die  Mission  und 
Civilisation  das  Meiste  zu  verdanken.  Sie  waren  die  eigentlichen  Pioniere,  welche  sich 
zuerst  unter  den  sogenannten  »Wilden«  niederliessen  und  fast  ausnahmslos  dauernd 
freundliche  Beziehungen  anzuknüpfen  verstanden.  Englische  Missionsvorsteher  resi- 
diren  nur  auf  Erub  (Darnley- Island)  in  der  Ost-Torresstrasse,  sowie  in  Port  Moresbv, 
das,  zugleich  Sitz  der  Regierung,  als  eigentliche  Hauptstadt  von  Englisch-Neu-Guinea 
zu  betrachten  ist.  Im  Ganzen  besitzt  die  Mission  etwa  zwanzig  Stationen,  die,  mit 
Ausnahme  einiger  wenigen  in  der  Gegend  des  Flyflusses,  sich  zwischen  Hall-Sund  und 
Keppel-Bai  vertheilen.  Die  Stationen  im  Innern  mussten  in  Folge  der  spärlichen  Be- 
völkerung, die  überdies  häufig  mit  ihren  Wohnplätzen  wechselt,  aufgegeben  werden, 


I)  Ucber  Tripang  und  andere  Naturproducte  vcrgl.  meine  Abhandlung:  »Ueber  Naturproducte  der 
westlichen  Südsee«  (Berlin,  Deutscher  Colonialverein,  1887,  Seite  16). 


1*8 1]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  20 5 

obwohl  die  Mission  überall  die  freundlichste  Aufnahme  fand.  Zur  Eröffnung  und  Fort- 
setzung einer  dauernden  Freundschaft  mit  den  Bewohnern  des  Inlandes  haben  die  wie- 
derholten Reisen  der  Naturaliensammler  Goldie,  Hunstein  und  deren  Gefährten  nicht 
wenig  beigetragen.  Sie  drangen  zuerst  in  manche  vorher  unbesuchte  Gegenden  in  der 
Richtung  des  Owen-Stanley,  sowie  des  Astrolabe-Gebirges  vor  und  eröffneten  überall 
friedlichen  und  freundlichen  Verkehr,  was  hier  in  dankenswerther  Anerkennung  erwähnt 
sein  mag. 

Wenn  wir  ethnologisch  vom  äussersten  Westen,  also  der  Südküste,  westlich  von 
Torresstrasse  bis  zum  141.  Grad,  kaum  etwas  wissen,  so  ist  auch  unsere  Kenntniss  der 
weiter  östlich  gelegenen  Gebiete  um  den  Papuagolf  noch  eine  sehr  massige  und  be- 
schränkt sich  zumeist  auf  die  Sammlungen,  welche  durch  Expeditionen  auf  dem  Fly 
und  seinen  Nachbarströmen  gemacht  wurden,  die  grösstentheils  in  Australien  blieben. 

Mit  Freshwater-Bai  erweitert  sich  unsere  ethnologische  Bekanntschaft  nach  Osten 
und  erreicht  ihren  Höhepunkt  in  Port  Moresby,  das  in  Sammlungen  daher  meist  als 
Localität  für  die  Südostküste  figurirt.  Als  Centrum  des  Tauschhandels  der  Einge- 
borenen, wie  des  Fremdenverkehrs  überhaupt,  werden  aus  verschiedenen  Gegenden, 
selbst  von  der  Ostspitze  Neu-Guineas,  Gegenstände  nach  Port  Moresby  gebracht,  aber 
nur  noch  Weniges  hier  selbst  verfertigt.  Unter  dem  jahrelangen  Einfluss  der  Mission 
ist  daher  bereits  viel  Originalität  verschwunden,  wenn  auch  anerkennend  erwähnt  wer- 
den muss,  dass  die  Londoner  Gesellschaft  viel  toleranter  gegenüber  Sitten  und  Gewohn- 
heiten der  Eingeborenen  ist  als  z.  B.  die  amerikanische  Mission  in  Mikronesien. 

Durch  einen  mehr  als  fünfmonatlichen  Aufenthalt  (1882)  lernte  ich  die  Verhält- 
nisse genauer  kennen,  indem  ich  die  Küste  von  Hall-Sund  bis  Keppel-Bai  besuchte  und 
eine  Zeitlang  meine  Hütte  unter  den  Koiäri  des  Innern  am  Laioki-  und  Goldieflusse 
aufschlug,  um  so  umfassend  als  möglich  Sammlungen  und  Beobachtungen')  zu  machen. 
Wenn  in  diesem  Gebiete  auch  eine  Anzahl  verschiedener  Stämme  in  Betracht  kommen, 
deren  jeder  gewisse  Eigenthümlichkeiten  besitzt,  so  lassen  sich  doch  schon  jetzt  einige 
ethnologische  Charakterzüge  aufstellen.    Als  solche  sind  zu  betrachten:  Tätowirung, 


1)  Aus  dem  reichen  Material  meiner  schriftlichen  Aufzeichnungen  publicirte  ich  bisher  das 
Folgende : 

1.  »Reise  nach  Neu -Guinea«  in:  Zeitschrift  für  Ethnologie  (Anthropologische  Gesellschaft  in 
Berlin),  1882,  Seite  309 — 313  (mit  Skizze:  Papuamädchen). 

2.  »Topferei  in  Neu-Guinea«,  ibid.,  Seite  574 — 576. 

3.  >ljeber  weisse  Papuas«,  ibid.,  1883,  Seite  205 — 208. 

4.  »Aus  dem  Pacific.  Xlll.  Neu-Guinea«  in:  Hamburger  Nachrichten,  1882,  Nr.  241  (11.  Octobcr), 
Nr.  242  (12.  October),  Nr.  243  (13.  October),  Nr.  244  (14.  October)  und  245  (15.  October). 

5.  »Waffen  aus  der  Südsee«  in:  Schorer's  Familienblatt,  1883,  Nr.  17  (April),  Seile  268,  269 
mit  Illustration). 

6.  »Ein  Besuch  in  einem  Papuadorfe  auf  Neu-Guinea«  in:  Gartenlaube,  1885  (Nr.  3),  mit  Bild. 

7.  »Ueber  Bekleidung,  Schmuck  und  Tätowirung  der  Papuas  der  Südostküste  von  Neu-Guinea« 
»r:  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  1885  (Band  XV),  23  Seiten  mit  39  Ab- 
^^lduni;en. 

8.  Dasselbe  in  französischer  üebersetzung  in:  Revue  d*£thnographie  (Paris),  1886,  Seite  49 — 116. 

9.  »Hausbau,  Häuser  und  Siedelungen  an  der  Südostküste  von  Neu-Guinea«  in:  Mittheilungen 
k'er  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  1887  (Band  XVII),  15  Seiten  mit  16  Abbildungen. 

10.  »Abnorme  Eberhauer,  Pretiosen  im  Schmuck  der  Südseevölker«  in  derselben  Zeitschrift, 
iJih;  (Band  XVIl),  7  Seiten  mit  einer  Tafel  (VI)  in  Buntdruck. 

11.  »Bemerkungen  über  eine  Tanzmaske  von  Südost-Neu-Guinea«  in:  Zeitschrift  für  Ethnologie 
Berlin),  1887,  Seite  423—425  (mit  Skizze). 

I?.  »Tätowirung  und  Ziernarben  in  Melanesien,  besonders  im  Osten  Neu-Guineas«  in:  Joe  st, 
Titowiren  etc.,  1887  (Berlin,  A.  Asher  &  Co.),  Seite  36—42,  Tafel  II. 

22* 


2q6  J^r.  O.  Finsch.  [^-1 

Pfahlbauten,  Baumhäuser,  Töpferei,  durchbohrte  Steinwaffen,  ein  besonderes  Rauch- 
geräth  (Baubau).  Kunstvollere  Holzschnitzereien,  wie  Schnitzarbeiten  überhaupt,  sind 
wenig  entwickelt,  am  geringsten  bei  den  Motu.  Im  Vergleich  mit  Neu-Britannien  ist 
die  geringere  oder  doch  minder  prunkhaft  hervortretende  Todtenverehrung  bemerkens- 
werth.  Wie  weit  diese  ethnologischen  Eigenthümlichkeiten,  die  ohnehin  schon  selten 
an  einer  Localität  vereint  vorkommen,  sich  östlich  von  Keppel-Bai  verbreiten,  vermag 
ich  nicht  mit  Bestimmtheit  anzugeben.  Wie  es  scheint,  fangen  aber  schon  mit  Cloudy- 
Bai  die  ethnologischen  Verhältnisse  an  sich  zu  verändern.  Aber  der  ganze  Küstenstrich 
ostwärts  von  Keppel-Bai  bis  Südcap  (Stacy-Island)  ist  ethnologisch  noch  sehr  unge- 
nügend und  weniger  bekannt  als  der  Westen. 

Das  letztere  Gebiet,  von  den  Inseln  der  Torresstrasse  bis  zum  Flyfluss,  zeichnet 
sich  durch  einige  ethnologische  Charakterformen  aus,  unter  denen  ich  nur  die  beson- 
dere Bauart  der  Canus  (mit  jederseits  einem  Ausleger),  Bogen  aus  Bambu,  Harpunen 
zum  Fange  des  Dugong  (Halicore),  die  besondere  P'o/m  der  Trommeln,  Mumificirung 
der  Verstorbenen  und  künstliche  Deformation  des  Schädels  anführen  will.  Vieles  ist 
auch  hier  bereits  im  Untergange  begriffen  oder  ganz  verschwunden,  namentlich  auf  den 
Inseln  der  Torresstrasse,  die  im  Ganzen  noch  etwa  5oo  Bewohner  zählen.  Die  phanta- 
stischen Masken  aus  Schildpatt,  Fische  und  andere  Thiere  darstellend,  oft  von  bedeu- 
tender Grösse,  welche  diesem  Gebiete  früher  eigenthümlich  waren,  erhielt  ich  zur  Zeit 
meines  Aufenthaltes  (1881  und  1882)  nicht  mehr.  Durch  den  regen  Verkehr  der  Perl- 
fischer waren  die  Eingeborenen  bereits  in  jenem  Stadium  der  Civilisation,  welche  fast 
alle  Originalität  vernichtet,  und  verfertigten  zu  ihren  Festlichkeiten  rohe  Masken  aus 
Blech,  das  sich  in  Form  weggeworfener  Gefässe  ja  bei  jeder  Station  reichlich  findet. 

A.  Eingeborene. 

Bezüglich  der  äusseren  Erscheinung  verweise  ich  auf  die  ausführlichen  Mitthei- 
lungen in  meinen  »Anthropologischen  Ergebnissen« ')  etc.,  Seite  38 — 52.  Darnach  sind 
die  Bewohner  dieser  Küsten,  wie  des  Inlandes  echte  Papuas  und  gehören  zu  derselben 
Rasse  als  die  Eingeborenen  Neu-Guineas  überhaupt.  Hautfärbung  und  Haar  variiren 
ausserordentlich  und  mehr  als  sonst  in  Melanesien.  So  ist  schwachgekräuseltes,  flockiges, 
lockiges,  welliges,  selbst  ganz  schlichtes  Haar  (vergl.  Fig.  i)^)  nicht  selten,  hinsicht- 
lich der  Färbung  bei  Kindern  natürlich  blondes  Haar  häufig.  Die  helle  Hautfärbung 
(Nr.  29 — 3o,  selbst  3i),  welche  sich  vereinzelt  fast  allerwärts  in  Neu-Guinea,  wie  Mela- 
nesien überhaupt,  findet,  ist  an  der  Südostküste  viel  häufiger  verbreitet  als  sonst,  tritt 
dabei  aber  sehr  localisirt  auf.    So  wird  in  manchen  Küstendörfern  die  grosse  Anzahl 


1)  Unter  denselben  nimmt  die  auf  meinen  Reisen  zusammengebrachte  Sammlung  von  Gesichts- 
masken jedenfalls  die  hervorragendste  Stelle  ein.  Sie  zählt  im  Ganzen  164  Individuen,  die,  alle  nach  dem 
Leben  abgegossen  und  coloriri,  ohne  Zweifel  die  beste  Darstellung  dieser  Völker  geben.  Die  schöne  Serie 
von  85  Melanesiern  (darunter  24  Bewohner  Neu-Guineas  und  35  Neu-Britannier),  zeigen  mit  einem  Blicke 
die  erheblichen  Abweichungen  in  Physiognomie  wie  Hautfärbung,  welche  sich  nur  schwer  beschreiben 
lassen,  und  ist  ganz  besonders  geeignet,  die  Kenntniss  dieser  Menschenrasse  zu  fördern.  Obwohl  ich  es 
mir  angelegen  sein  Hess,  dieses  als  Lehrmittel  der  Anthropologie  wichtige  Material  allgemein  zugänglich 
zu  machen,  indem  selbst  kleine  Sammlungen  (durch  Gebrüder  Castan  in  Berlin,  Panopticum)  bezogen 
werden  können,  so  hat  dasselbe  bis  jetzt  seitens  der  Museen  und  Lehranstalten  nur  geringe  Theilnahme 
gefunden. 

2)  Dieselbe  stellt,  in  eben  nicht  sehr  getreuer  Wiedergabe,  meine  Skizze  von  Kabadi,  eines  Motu- 
mädchens  von  Port  Moresby  (nicht  von  Hula,  wie  Seite  16  unrichtig  angegeben  ist)  dar.  Sie  hatte  schlichtes 
Haar  und  war  sehr  hell  (circa  Nr.  30),  ihre  typisch  dunkel  (Nr.  29)  gefärbten  Eltern  dagegen  typisches 
Papuahaar  (vergl.  Anthropologische  Ergebnisse,  Seite  46). 


[SS] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegsiäckc  iub  ilcr  Süds 


297 


hcllgeiarbter  Individuen  auffallend  und  hat  zu  der  Annahme  der  Vermischung  mit  ein- 
gavanderten  malayischen  oder  polynesischen  Völkerslämmen  verleitet,  eine  Ansicht,  die 
schon  der  gründliche  Papuakenner  Miklucho-Maclay  als  irrthOmlich  zurückweist,  worin 
kh  mich  ihm  nur  anschliessen  kann.  Nach 
meinen  Untersuchungen  sind  auch  die  spär- 
lichen Reste  der  Bewohner  der  Inseln  der 
Torresstrasse  echte  Papuas  und  zeigen  kei- 
nerlei Vermischung  mit  den  Eingeborenen 
Jes  australischen  Festlandes,  die  einer  sehr 
Jisrincten  Rasse  angehören,  welche  von  den 
Papuast  mehr  abweicht  als  letztere  von 
Negern.  Mit  Ausnahme  gewisser  Districte 
ist  die  Bevölkerung  an  der  Südostküste  im 
Ganzen  eine  spärliche  und  wird  es  im  Bin- 
nenlande  noch  mehr.  Wie  überall  in  Mela- 
nesien herrscht  grosse  Sprach  Verschieden- 
heit, welche  eine  Zersplitterung  in  viele 
Ut-ine  Stämme,  von  denen  allein  an  dieser 
Küste  etliche  zwanzig  zu  unterscheiden  sind, 
herbeiführte,  die  alle  eines  engeren  Zusam-     t' ."'  "  .  - 

mcnhanges  entbehren.  Port  Moresby  ist  das 

f  IC-  ,        II  I  Molumädchen  mit  schlichlcm  Haar. '1 

Lentnim  des  btammes  der  Motu,  der  von 

Redscar-Bai  östlich  bis  Kapakapa  siedelt  und  circa  2000  Köpfe  zählt.  Mit  den  Motu 
zusammen  leben  die  Koitapu,  welche  eine  ganz  andere  Sprache  sprechen.  Sie  be- 
wohnten früher  das  Binnenland,  bis  sie  von  einem  andern  Stamme,  dem  der  Koiäri, 
nach  der  Küste  vertrieben  wurden.  Im  Gegensatz  zu  den  Motu,  welche,  ausser  Land- 
bau, hauptsächlich  Fischfang  betreiben,  scheuen  die  Koitapu  die  See  und  sind  mit  Vor- 
liebe Jager.  Es  ist  dadurch  ein  gegenseitiger  Tauschverkehr  entstanden,  der  sich  nicht 
Nos  auf  Producte  des  Landes,  sondern  auch  auf  gewisse  Erzeugnisse  erstreckt  und  sich 
allenthalben  längs  dieser  KUste  findet.  Aber  überall  bleibt  Ackerbau  die  vorherrschende 
Beschäftigung,  und  die  Erträge  desselben  liefern  die  Hauptnahrungsmittel.  Aermere 
Districte,  wie  z.  B.  der  von  Port  Moresby,  sind  auf  Zufuhr  von  anderwärts  angewiesen, 
und  die  Motu  unternehmen  daher  als  geschickte  Canuschiffer  weite  Handelsreisen.  Das 
Haupttauschmittel  seitens  der  Motu  sind  ausser  Toias  (Armringe  von  Conusmuschel) 
und  Mairis  (Brustschilde  von  Perlmutter)  Töpfe  (Uro),  für  welche  Port  Moresby  an 
der  ganzen  Südostküste  das  Centrum  der  Fabrikation  und  des  Handels  bildet.  Schon 
aus  diesem  Grunde  wird  Port  Moresby  regelmässig  von  Handelsflotten,  namentlich  aus 
Jem  Westen  (Freshwater-Bai)  besucht,  welche  Sago  (Rabia)  einführen,  sowie  von 
Bergbewohnern  des  Innern,  die  hier  ausser  Töpfen  auch  Schildpatt  und  Muscheln  zu 
Sthmuck  eintauschen.  Port  Moresby  bietet  daher  bei  längerem  Aufenthalt  gute  Ge- 
legenheit, auch  andere  Stämme  kennen  zu  lernen. 

Mit  geringen  Ausnahmen  ist  auch  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  die  Machtstellung 
der  Häuptlinge')  eine  sehr  unbedeutende  und  tritt  nur  bei  Fehden,  grösseren  Jagden, 

I)  Die  Clichfs  für  die  Textügurcn  dieser  Ablhcilung  sind  von  der  Wiener  Anthropologischen  Ge- 
■cllscluft  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  worden. 

')  Ein  solcher  Häuptling  von  bedHutendem  Einfluss  ist  z.  B.  Goapäna  von  Maupa,  den  ich  (citirte 
\t-hanJlung  Nr.  6)  und  Anthropologische  Ergebnisse  (Seite  49}  beschrieb  und  dessen  Gesichtsmaske  ich 
ii;ibrichle  (Sammlung  Nr.  17t)). 


298  Dr.  O.  Finsch.  [84] 

Handelsreisen  und  Festen  stärker  hervor.  Wenn  auch  die  Keuschheit  der  Mädchen  nicht 
so  streng  zu  sein  scheint  als  in  Neu-Britannien,  so  ist  die  Ehe  um  so  reiner,  das  Fami- 
lienleben sehr  entwickelt  und,  wie  bei  allen  diesen  sogenannten  Wilden,  ganz  besonders 
die  Kinderliebe.  Im  Allgemeinen  herrscht  Monogamie.  Nur  Reiche  sind  im  Stande, 
mehrere  Frauen  zu  nehmen,  da  diese  einen  hohen  Brautpreis  erfordern,  in  welchem 
Toias,  Mairis,  Halsketten  von  Hundezähnen  (Totoma)  und  Muschelschnüre  (Tautauj 
die  hervorragendsten  Gegenstände  sind.  Im  Westen  (Freshwater-ßai)  ist  kein  Braut- 
preis üblich. 

Die  Stellung  der  Frauen  ist  bei  Weitem  keine  so  niedrige  und  bedauernswerthe, 
als  meist  angenommen  wird.  Sie  erfreuen  sich  im  Allgemeinen  guter  Behandlung  und 
nehmen  zuweilen  sogar  an  den  Berathungen  der  Männer  theil,  wie  ich  im  Streit  mit 
Keulen  bewaffnete  Mädchen  in  der  ersten  Reihe  der  Kämpfenden  thätig  sah.  Im  Nara- 
District  bei  Port  Moresby  herrscht  sogar  Koloka  als  Königin. 

Die  Motu  und  andere  Küstenstämme,  welche  länger  im  Verkehr  mit  Weissen 
stehen,  sind  vom  Hange  zum  Stehlen  nicht  freizusprechen,  aber  die  Bewohner  des 
Innern  scheinen  denselben  nicht  zu  kennen.  Wenigstens  ist  mir  hier  nie  das  Geringste 
entwendet  worden,  obwohl  eine  Menge  sehr  verführerischer  Sachen  oft  gänzlich  unbe- 
wacht in  meinem  Lager  umherstanden.  Trunksucht  und  Syphilis  sind,  auch  in  diesem 
Theile  Neu-Guineas,  glücklicherweise  noch  unbekannt.  Mord  kommt  im  Ganzen  selten 
vor,  ebenso  Ehebruch,  der  meist  mit  Verstössen  der  Frau  bestraft  wird.  Anerkennend 
zu  erwähnen  ist  die  strenge  Schamhaftigkeit,  welche  gerade  bei  sogenannten  Natur- 
völkern streng  geübt  wird  und  bekanntlich  durch  geringe  Bekleidung  oder  völlige 
Nacktheit  keine  Einbusse  erleidet.  Massacres  sind  erst  in  Folge  der  Ausschreitungen 
Weisser  verübt  worden,  unter  denen  namentlich  Tripangfischer  durch  schlechte  Be- 
handlung und  Uebervortheilung  der  Eingeborenen  ihr  Schicksal  selbst  provocirten.  In 
den  17  Jahren,  dass  die  Mission  an  diesen  Küsten  siedelt,  hat  dieselbe  nur  den  Mord 
zweier  eingeborenen  Lehrer  auf  Bampton-Insel,  nahe  der  Mündung  des  Flyflusses,  und 
zwölf  zur  Mission  gehöriger  Farbiger  in  Kalau,  in  Hood-Bai  (März  1 881)  zu  beklagen, 
wobei  besondere  Verhältnisse  die  Schuld  trugen.  Dasselbe  gilt  bezüglich  der  Ermor- 
dung von  Dr.  James  und  Thorngreen  bei  Jule  Island,  dessen  Bewohner  durch  den  Auf- 
enthalt von  d'Albertis  eben  keine  freundschaftlichen  Erinnerungen  und  Gefühle  für 
Weisse  bewahrt  haben  mochten.  Alles  in  Allem  dürfen  die  Eingeborenen,  namentlich 
die  Bergbewohner  weiter  im  Innern,  als  friedliche  Menschen  bezeichnet  werden,  und 
die  gefürchteten  Bewohner  von  Cloudy-Bai,  welche  allgemein  als  notorische  Räuber 
gelten,  sind  wahrscheinlich  auch  nicht  so  schlimm  als  ihr  Ruf. 

Cannibalismus  kommt,  wenigstens  soweit  es  die  Motu  und  die  Stämme  von  Hall- 
Sund  bis  Keppel-Bai,  sowie  die  des  Innern  betrifft,  ganz  bestimmt  nicht  vor  und  war 
niemals  Sitte.  Die  Eingeborenen  im  Eläma-District  von  Freshwater-Bai  und  weiter 
westlich  sollen  Cannibalen  sein,  und  nach  dem,  was  C halmers')  berichtet,  ist  wohl 
kaum  daran  zu  zweifeln,  wenn  er  auch  selbst  niemals  Augenzeuge  war. 

B.   Körperausputi  und  Bekleidung. 

Mit  Ausnahme  der  Districte  des  Papuagolfes,  westlich  von  Madatchie-Point,  wo 
wenigstens  die  Männer  völlig  nackt  gehen,  pflegen  alle  Bewohner  der  Südostküste  die 
Geschlechtstheile  zu  verhüllen,  wenn  dies  auch  bei  den  Männern  meist  sehr  ungenügend 


>)  »Pioneering  in  New-Guinea«  (London,  1887),  Seite  59. 


[8S) 


EthnologiKhc  Erfahrungen  und  Belegslücke  ai 


geschieht  und  nach  unseren  Begriffen  nicht  als  Beklelduns  bezeichnet  werden  kann. 
Für  gewöhnlich  genügt  ein  Stück  Strick,  Bast  oder  Liane  tl^der  Weise  um  den  Leib 
gebunden,  dass  ein  Ende  zwischen  den  Schenkeln  durchgezogen  und  hinterseits  fest- 
geknüpft wird  (Fig.  2),  Die  Hoden  bleiben  dadurch  meist  mehr  oder  minder  sicht- 
tur,  ebenso  der  mit  der  Vorhaut  in  den  Lcibstrick  eingeklemmte  Penis.  Diese  noth- 
Jiirfiige   Bekleidung,    Tikini    (Tiki    oder 

Tserikini)  genannt,  gilt  bei  Papuas  ebenso  ^'8-  -■ 

Jeccnt  als  die  unsere;  mit  dem  Tikini 
erscheinen  sie  selbst  in  der  Kirche,  und 
kl  zufalligem  Herabfallen  des  Leibstrickes 
wird  sich  jeder  für  so  nackt  halten  als 
ivir  ohne  Beinkleider.  Die  Ansichten  über 
Schamhaftigkeit  sind  eben  sehr  verschie- 
Jen.  So  pflegen  die  Motu  von  ihren  nackt- 
gehenden Kassegenossen  im  Westen  als 
von  macklen  Wilden«  zu  sprechen. 

Feine  Tikini  bestehen  aus  langen 
Sirciten  geschlagenen  Baumbastes  oder 
Tapa,  die  zuweilen  in  ziemlich  rohen  Mu- 
siern  orange  und  schwarz  bemalt  sind,  wie 
Jic  folgenden  Nummern  der  Sammlung: 

Tilrini'),  Tiki  oder  Tserikini  (Nr. 
25o  und  23 1,  2  Stück),  Schambinden  aus 
grober  Tapa  (2  M.  lang,  5,  resp.  6  Cm. 
breit)  von  Port  Moresby  und  tCapakapa, 
einem  Motudorf  etwas  Östlich  von  Port 
Moresby.  Derartige  feine  Tikinis  werden 
nur  bei  festlichen  Gelegenheiten,  nament- 
lich von  jungen  Stutzern  getragen  und  sind 
besonders  in  der  Gegend  zwischen  Port 
Moresbv  und  Keppel-Bai  in  der  Mode,  Als 
besonders  fashionabel  gilt  es,  den  Tikini 
so  eng  als  möglich  zusammenzuschnüren, 
so  dass  das  Bauchfleisch  zu  beiden  Seiten 
weit  über  die  Einschnürung  hervorquillt 
'vergl.  Fig.  3).  Männer  von  i",  M.  Kör- 
perhöhe erhalten  dadurch  eine  Taille  von 
nur  58  Cm-  Umfang,  und  selbst  ein  Hüne 
vvieGoapäna  (Seite  297)  hatte  bei  rSi  M. 
Körperhöhe  nur  85  Cm.  ßauchumfang. 
Dieses  enge  Zusammenschnüren  und  Weg- 
pressen der  Geschlechtstheile  hat  häufig  gesundheitsschädliche  Folgen.  Orchitis  und 
Phimose  sind,  selbst  bei  Kindern,  nicht  selten.  Knaben,  welche  bis  zum  achten  oder 
zehnten  Jahre  meist  völlig  nackt  gehen,  pflegen  erst  mit  dem  dreizehnten  oder  vier- 
zehnten Jahre  den  Tikini  permanent  zu  tragen  und  treten  dann  unter  die  JUnglinge  ein. 


n  vollem  Staate. 


')  Die  Eingeborenennsmcn  sin<t,  wo  ca  nicht  nndeis  bcmerkl  ist,  die  <ter  Moiusprache,  in  welcher, 
a  fati  allen  melancsischen  Sprachen,  r  und  l  gleich  sind. 


3oo 


[86] 


Knaben,  weiche  zum  ersten  Male  den  Tikini  tragen,  werden  bei  dieser  Gelegenheit,  die 
gleichsam  eine  feierliche  ist,  besonders  fein  ausgeputzt,  wie  der  junge  Bursche  auf  der 
Abbildung  (Fig.  3). 

Westlich  von  Hall-Sund  in  Maiva  und  Molumotu  tragen  die  Männer  einen 
breiteren   Schamgurt,   der   die   Geschlechtsthcile   vollständig   verhüllt.    Häutig  hängt 

hintcrseits  ein  langes  Ende  schwanz- 
■"'S"  3-  J^if!-  4.  artig  herab,  was  auch  hier  die  Mythe 

von  »geschwänzten Menschen'  erfin- 
den liess. 

Schon  von  früher  Jugend  an, 
in  dem  Alter,  wenn  ein  Kind  laufen 
kann,  trägt  das  weibliche  Geschlecht 
um  die  Lenden  sogenannte  Gras- 
röcke oder  Schürzchen,  die  auch  in 
unserem  Sinne  als  Bekleidung  gelten 
dürfen.  Es  ist  dies  der  Lami  {oder 
Rami),  ein  von  den  Hüften  bis  fast 
zu  den  Knieen  reichender  Rock,  der 
rings  um  den  Leib  schliesst  oder 
doch  nur  an  der  rechten  Hüfte  einen 
Theil  der  Schenkel  freilässt  (Fig.  4). 
Das  Material  zu  diesen  Lamis  sind 
Blattfasern,  und  zwar  breitere  von 
der  Cocospalme  oder  sehr  schmale 
von  der  Sagopalme,  von  denen  er- 
stere  die  Alltags-,  letztere  die  Feier- 
tracht bilden.  Weiter  östlich,  nament- 
lich von  Hood-bis  Keppel-Bai,  wirii 
ein  anderes  Matertal  zu  Alltags-Lamis 
verwendet,  Kapa  genannt;  das  sind 
die  circa  1  M.  langen  und  i5  Cm, 
breiten  Blätter  einer  hohen,  krautar- 
tigen, aloeartig  aussehenden  Pflanze. 
Diese  Blätter  werden  getrocknet  und 
in  2 — 3  Cm.  breite  Streifen  gespalten, 
die  wie  breite,  blassgelbe  Bänder  aus- 
sehen. Diese  Art  Lamis  zeigt  die  fol- 
gende Nummer: 
T2ilikä-u(Hood-Bai-Sprache},  Nr.  334, 1  Stück,Weiberrock  von  Hula  InHood-Bai. 
Feinere  Lamis  werden  aus  Imudi,  d.  h,  der  Blattfaser  der  Sagopalme,  gefertigt, 
die  man  mittelst  eines  scharfkantigen  MuschelstUckes  (meist  Pinna)  in  sehr  dünne,  kaum 
[  -  3  Mm.  breite  Fasern  spaltet.  Sie  sind  entweder  Naturfarben,  wie  die  folgende  Nummer 
Lami  (Nr.  335,  1  Stück),  Weiberrock  von  Port  Moresby,  oder  buntgefärbt  wie:  , 
Lami  (Nr.  336,  i  Stück),  sehr  feinfaseriger  Weiberrock,  mit  gelben,  kirschbraunen 
und  schwarzen  Querstreifen  von  Port  Moresby. 

Da  die  Sagopalme  im  Gebiet  von  Port  Moresby  nicht  vorkommt,  so  bilden  Imudi 
wie  fertige  Lamis  einen  Tauschartikel  der  Weiber  untereinander,  Sie  erhalten  dieselben 
meist  von  Manumanu  in  Redscar-Bai,  sowie  weiter  westlich^  wo  schmalfascrige  Lamis 


'>->]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3oi 

^ch^  häufig  sind,  dagegen  breitblättrige  aus  dem  Osten  von  Hood-Bai.  Von  hier  wird 
noch  eine  besondere  Sorte  bezogen,  Räwa  genannt,  die  namentlich  in  Hood-Bai  heimisch 
ist.  Diese  Räwa  bestehen  aus  Blattfasern  dreier  verschiedener  Pflanzen.  Die  Unterlage 
bilden  die  6  -  9  Cm.  breiten  Blattstreifen  (wohl  von  Pandanus),  Räwa  genannt,  in  Natur- 
larbe,  über  welche  feingespaltene  Fasern  der  Sagopalme,  schön  roth  gefärbt,  daher 
Ramikaka  {kaka  =  roth),  zuweilen  noch  gelbe  Fasern  geknüpft  sind.  Als  Garnirung 
werden  Streifen  von  Kapa,  gleich  blassgelben  Bändern,  hinzugefügt,  mit  denen  der  obere 
Rand  des  Lami  meist  in  doppelter  Reihe  besetzt  ist.  Diese  buntgefärbten,  garnirten 
Staatslamis  werden  vorzugsweise  von  der  heiratsfähigen  Jugend  getragen  und  kleiden 
in  der  That  sehe  artig.  Ueberhaupt  wissen  die  Papuafrauen,  und  namentlich  Mädchen, 
im  Lami  eine  gewisse  Koketterie  zu  entfalten.  So  entsteht  durch  Uebereinandertragen 
von  zwei  bis  drei  dieser  Kleidungsstücke  eine  reiche  Fülle,  welche  beim  Gehen  nament- 
lich die  hintere  Partie,  unterstützt  durch  ein  künstliches  Wackeln,  in  lebhaftes  Hin-  und 
Herschwenken  bringt,  was  als  schön  gilt.  Auf  Reisen  pflegen  Frauen  stets  feine  Lamis 
mitzuführen  und  legen  dieselben  an,  d.  h.  binden  sie  über  den  alten,  wenn  sie  sich  ihrem 
Bestimmungsorte  nähern,  um  hier  in  voller  Toilette  zu  erscheinen. 

Im  District  von  Freshwater-Bai  und  weiter  westlich  kleidet  sich  das  weibliche 
Geschlecht  nicht  so  decent  und  begnügt  sich  mit  der 

Nare  (Motumotu,  Nr.  287,  1  Stück),  Doppelschürzchen  aus  fein  gespaltener,  bunt- 
i;clärbter  Blattfaser  der  Sagopalme  von  Motumotu.  Das  längere  Schürzchen  wird  vorne, 
Jas  kürzere  hinten  getragen. 

Tapabereitung  (vergl.  I,  Seite  92)  ist  bekannt;  das  Material  wahrscheinlich  eben- 
falls die  Rinde  einer  Broussonetia,  welche  einen  ziemlich  groben  Stoff: 

Dabua  (Nr.  257,  i  Stück  als  Probe)  liefert,  der  übrigens  nur  untergeordnet  als 
Bedeckung  benutzt  wird.  Bei  kühlem,  regnerischem  Wetter,  in  der  Morgenfrische,  oder 
wenn  sie  sich  krank  fühlen,  pflegen  die  Papuas  ein  grosses  Stück  Tapa  togaartig  um 
den  Körper  zu  schlag'en.  Auch  Frauen  hüllen  sich  zuweilen  in  Tapa,  bedienen  sich 
aber  bei  Regenwetter  meistens  eines  Lami,  der  nach  Art  einer  Mamille  um  die  Schultern 
ji'.schlagen  wird.  Die  Motu  von  Port  Moresby  verstehen  keine  Tapa  zu  bereiten,  son- 
dern beziehen  sie  aus  dem  Westen,  wo  sie,  namentlich  im  Maiva-  und  Eläma-District, 
hautiger  verfertigt  wird  und  bei  den  Motumotu  *Putu*  heisst.  Feine  und  mit  Malerei 
verzierte  Tapa  (wie  z.  B.  Nr.  263  und  264  von  Neu-Britannien,  I,  Seite  g3)  ist  mir  in 
Ncu-Guinea  nicht  vorgekommen. 

Europäische  Kleidung  kommt,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  im  Grossen  und 
Ganzen  noch  nicht  für  die  Eingeborenen  in  Betracht,  die  derartige  Kleidungsstücke 
nur  als  Staat,  aber  nicht  als  Bedürfniss  betrachten.  Die  Missionszöglinge  tragen  meist 
einen  >Lavalava<  (Lendentuch),  sogenannte  Aelteste  der  Kirche  hemdartige  Gewänder, 
namentlich  Sonntags,  der  an  den  Missionsstationen  die  wunderlichsten  Trachten  ent- 
Nvickelt,  besonders  in  Port  Moresby.  Papuafrauen  mit  Grasrock,  Kattunjäckchen  und 
blumengarnirten  Strohhüten  sind  dort  nichts  Seltenes  und  sehen  ebenso  possirlich  aus 
als  solche  in  Kleidern  mit  Volants  und  Schleppe. 

Schmuck  und  Zieraten  sind,  auch  hinsichtlich  des  Materials,  mannigfacher  als 
im  ßismarck-Archipel  und  dabei  zum  Theile  in  kunstvollerer  Bearbeitung  vertreten. 
Perlmutter  und  Schildpatt  finden  häufiger  Anwendung,  ebenso  7>/^<Jcw^-Muschel  (zu 
Nasenkeilen  Nr.  304).  Von  anderen  Conchylien  werden  hauptsächlich  benutzt:  eine 
Art  kleine  Cypraea  oder  Cassidula  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  6),  Conus,  Oliva  (carneola), 
Cymbium  und  Spondylus. 


3o2  Dr.  O.  Finsch.  [gg] 

Zähne  vom  Känguru,  Hund  und  Schwein  (letztere  zum  Theile  bearbeitet)  sind 
sehr  geschätzt,  zum  Theile  Kostbarkeiten  von  höchstem  Werthe,  wie  z.  B.  abnorm 
gewachsene,  fast  zirkelrunde  Eberhauer  (vergl.  Seite  295,  Abhandlung  10,')  Menschen- 
zähne finden  keine  Benutzung;  merkwürdigerweise  auch  nicht  die  des  Dugong  (Hau- 
core),  die  als  Jägertrophäen  für  Eingeborene  doch  geschätzt  sein  sollten,  wie  z.  B.  Eck- 
zähne des  Hirsches  bei  unseren  Nimrods.  Cw^cw^-Zähne  (Angut,  I,  Seite  93,  Taf.  III  [  i], 
Fig.  1 6)  bleiben  trotz  des  häufigenVorkommens  dieser  Beutelthiere  (Phalangisia  [^Cuscus] 
maculata  und  orientalis)  unbenutzt. 

Dagegen  ist  Federschmuck  sehr  mannigfach  und  wird  in  verschiedenen,  zum  Theile 
kunstreichen  Arbeiten  (vergl,  Taf.  XXII  [14],  Fig.  i)  hergestellt,  die  durchaus  von  den 
wenigen  im  Bismarck-Archipel(I,  Seite  97)  üblichen  abweichen.  Am  häufigsten  verwendet 
man  Federn  vom  Casuar,  Paradiesvogel  (Paradisea  Raggiana)  und  gewisser  Papageien. 
Von  letzteren  werden  besonders  Kakatus  (Cacatua  Triton)  und  Edelpapageien  (Eclec- 
tus  polychlorus)  hauptsächlich  der  Federn  wegen  gehalten,  die  man  ihnen  von  Zeit  zu 
Zeit  ausrupft,  wobei  Kakatus  ihre  Hauben-,  Edelpapageien  ihre  Schwanzfedern  hergeben 
müssen.  Hahnenfedern  wie  Blätterschmuck  findet  minder  häufige* Anwendung  als  im 
Bismarck- Archipel  (I,  Seite  97  und  98).  Meist  wird  ein  Büschel  wohlriechender  Kräuter 
oder  buntfarbiger  Crotonblätter  im  Armband  getragen,  und  zwar  von  beiden  Geschlech- 
tern, von  'denen  das  weibliche  in  manchen  Gegenden  noch  mit  besonderer  Vorliebe 
das  Haar  mit  eingesteckten  rothen  Hibiscus-^hivatn  ziert. 

An  Samenkernen  benutzt  man,  wie  im  Bismarck-Archipel,  keine  rothen  Ahrus- 
Bohnen,  sondern  nur  die  von  Coix  lacrymae  (Taf.  III,  Fig.  8),  eine  besondere  Art  glän- 
zend schwarzer  Fruchtkerne,  Gudduguddu  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  i  c),  und  verfertigt  aus 
Cocosnussschale  oder  runde  flache  Rinde-Plättchen  oder  Perlen. 

Eine  besondere  Art  Schmuck  sind  feine  Flecht-  oder  Knüpfarbeiten  aus  dünnen 
Bindfaden,  die  wie  gewebt  aussehen  und  für  gewisse  Gebiete  dieser  Küste  charakte- 
ristisch werden. 

Wie  die  meisten  Zieraten  und  Schmuckgegenstände  als  Tauschmittel  Verwendung 
finden,  so  ganz  besonders  einige,  welche  das  hiesige  Gdid  repräsentiren ,  wenn  auch 
nicht  in  so  ausgebreiteter  Weise  wie  Diwara  (1,  Seite  94)  oder  Kokonon  (Seite  127)  im 
Bismarck-Archipel.  Dem  Diwara  entspricht  am  meisten  das  Tautau  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  6), 
ebenfalls  eine  kleine  Muschel,  deren  wissenschaftlicher  Name  noch  nicht  festgestellt  ist, 
die  aber  keiner  Nassa,  sondern  einer  Art  Cassidula  oder  Cypraea  angehört  und  fast  über 
ganz  Neu-Guinea  Verbreitung  findet.  Durch  Abschlagen  des  Rückenstückes  entstehen 
zwei  Löcher  (Taf.  VI,  Fig.  3  ^),  durch  welche  die  Muscheln  aufgeflochten  werden  und 
sich  dadurch  leicht  von  dem  einlöcherigen  Diwara  (Taf.  III  [i],  Fig.  i  c)  unterscheiden. 

Bedeutend  werthvoUer  und  gleich  grossem  Silbergeld  sind  Hundezähne  zu  be- 
trachten, und  zwar  wie  stets  nur  die  Eckzähne  (Taf.  III  [i],  Fig.  1 5),  wovon  jeder  Hund 
bekanntlich  nur  vier  besitzt.  Sie  spielen  im  Kaufpreis  der  Frau  eine  wichtige  Rolle,  wie 
Toias  (Taf.  XV  [7],  Fig.  i),  d.  h.  Armringe  aus  dem  Querschnitt  eines  Conus  miliepunc- 
tatus  und  Mairis,  d.  h.  halbmondförmig  geschliffene  Stücke  Perlmutterschale,  die  das 
werthvoUste  Tauschobject  repräsentiren.  Flache  runde  Muschelplättchen  (ähnlich  Taf.  III 
[  I  ],  Fig.  4  und  6)  kommen  in  diesem  Gebiet  nur  vereinzelt  vor,  ebenso  solche  von  rothem 
Spondylus  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  i  a\  die  von  der  Ostküste  eingeführt,  aber  nicht  selbst 
verfertigt  werden. 


I)  Hier  ist  auch  (Seite  7)  die  richtige  Erklärung  über  die  Entstehung  dieser  abnormalen  Z.ihn- 
bildung  gegeben,  die  in  meiner  früheren  Abhandlung  (Seite  295,  Nr.  7,  Seite  11)  unrichtig  war. 


['9l 


Ethnologische  Erführungen  und  BclepMQcke 


Obwohl  Glasperlen,  'Akäii'H*,  und  zwar  kleine 
roihe,  im  Verkehr  mit  Weissen  eine  hervorragende 
Rolle  spielen  und  sehr  begehrt  sind,  so  sieht  man 
solche  doch  im  Ganzen  wenig  verwendet,  am  mei- 
sten noch  zu  Ohrbonimeln.  Der  reiche  Ausputz 
des  weiblichen  Geschlechts  mit  zahlreichen  Schnü- 
ren Glasperlen  um  Hals,  Brust  und  Hüfte,  wie  er 
In  N'eu-Britannien  üblich  ist  (Seite  99  und  Fig.  6, 
Seite  112)  fällt  hier  fast  ganz  weg.  Wie  überall  in 
Melanesien,  schmückt  sich  das  weibliche  Geschlecht 
viel  weniger  als  das  männliche,  mit  Ausnahme  der 

Tätowjning. 

Sic  ist  hauptsächlich  bei  den  Motu,  hier  Rä- 
waräwa  {=  zeichnen,  schreiben)  genannt,  üblich 
und  wird  lediglich  im  Sinne  der  Verschönerung  als 
Körperzier  angewendet,  mit  der  sich  selbst  das 
Auge  des  Fremden  bald  befreundet.  Die  hiesige 
Tätowirung  zeichnet  sich  durch  den  schrift artigen 
Charakter  der  Zeichen  aus,  die  wie  Buchstaben 
Ji  J^  "V  "^  /[.  aussehen.  Doch  herrscht 
;;rosse  Verschiedenheit,  und  das  Andreaskreuz  im 


Junklcn  Felde  1 


,  sowie  das  Malteserkreuz 


«f« 


Zierden  häufig  angewendet.  Gewöhnlich  wird  schon 
im  Kindesalter  mit  Tätowiren  begonnen,  meist  im 
Gesicht  (vcrgl.  Fig.  6),  auf  dem  Bauche  oder  den 
Armen  und  damit  je  nach  Laune  oder  Gelegenheit 
fortgefahren.  Bestimmte  Satzungen  und  Vorschriften 
Ijibt  es  nicht,  und  die  Tätowirung  ist  weder  an  ein 
gewisses  Alter,  noch  Zeit  oder  Zeichen  gebunden, 
mit  Ausnahme  des  Gato.  So  heisst  der  doppelte, 
lal^arIige  Bruststreif  {Fig.  5),  welcher  für  die  Moto- 
frauen  charakteristisch  wird  und  eigentlich  die  Ver- 
heiratete kennzeichnet.  Deshalb  wird  der  innere 
Streif  Naiuna  (Kind),  der  äussere  Sinana  (Mutter) 
genannt.  Aber  meist  lassen  sich  verlobte  Mädchen 
schon  den  Gato  tätowiren,  den  sie  dann  behalten 
müssen,  wenn  auch  die  Verlobung  zurückgeht,  wie 
dies  vorzukommen  pflegt  (und  z.  B.  bei  Iru,  Seite  3oo, 
Kig.  4,  der  Fall  war).  Da  die  Tätowirung  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  meist  von  anderen  Personen 
ausgeführt  wird,  so  entsteht  daraus  die  grosse  Ver- 
schiedenheit in  der  Zeichnung  und  der  Mangel  an 
Symmetrie,  welche  sich  namentlich  in  der  Motu-Täto- 
wirung  finden. 

Die  beigegebenen  Abbildungen  von  Gbohila  (Fif 
werden  dies  am  besten  zeigen. 


•tbohila*.  Motu  fr  au  von  Anuapatn. 


5  und  7,  Vorder-  und  Rückseite) 


3o4 


Dr.  O.  Finsch. 


[90] 


Die  Procedur  des  Tätowirens  ist  im  Ganzen  eine  sehr  einfache.   Mittelst  eines 

zündholzstarken  Hölzchens  wird  die  Zeichnung  mit  schwarzer  Farbe,  Lamanu,  aus 

Russ  von   gebrannten  Cocosnussscha- 

V\^.  7.  len  auf  die  Haut  gezeichnet  und  dann 

mit  einer 

Gihni  (Nr.  374,   [  Stück).  Nadel 
eingeschlagen,  die  aus  einem  rechtwink- 

Fig.  8. 


'rsiowlrnadel. 

lig  abgeschnittenen  Dorn  eines  Strau- 
ches besteht  (Fig.  8).  Zum  Einschlagen 
bedient  man  sich  eines 

Iboki  (Nr.  5/5,  [  Stück),  Klopler 
aus  Hartholz  (2 1  Cm.  lang),  der  an  dem 
etwas  verdickten  Ende  mit  Bast  um- 
wickelt ist,  um  den  Schlag  zu  mildern. 
Durch  sanftes  Klopfen  dringt  die  Spitze 
des  Dornes  durch  die  Oberhaut  und  er- 
zeugt eine  prickelnde,  keineswegs  sehr 
schmerzhafte  Empfindung,  wie  auch 
der  Heilprocess  meist  ein  sehr  rascher 
ist  und  ohne  Entzündung  vorübergeht. 
Kochseiiu  von  .Hbohila«.  Der  «Gato«  wird  gewöhnlich  in  einer 

Sitzung  von  2  bis  3  Stunden  tätowirt. 
Fast  jede  Motofrau  versieht  zu  tätowiren,  ohne  ein  Gewerbe  daraus  zu  machen.  Doch 
gibt  es  Künstlerinnen,  die  sich  eines  besonderen  Rufes  erfreuen,  höher  bezahlen  lassen 
und  zuweilen  besondere  Zeichen,  gleichsam  ihre  eigene  Marke,  mit  in  ,\nwendung 
bringen.  Die  Frauen  der  Koitapu  tätowiren  sich  ganz  in  denselben  Mustern  als  die 
Motu.  Bei  den  Koiäri  im  Innern,  wie  westlich  von  Redscar-Bai,  ist  TStowirung  kaum 
mehr  Sitte  und  wird  nur  von  Einzelnen  in  wenigen  Strichen  angewendet,  wie  auch 
Motufrauen  in  sehr  verschiedenem  Grade  tätowirt  sind.  Aber  die  Weiber  der  Motu- 
motu,  welche  mit  der  Sagoflotte  aus  Freshwater-Bai  nach  Port  Moresby  kommen,  lieben 
es,  gleichsam  zur  Erinnerung  an  die  grosse  Reise,  sich  hier  tätowiren  zu  lassen.  Im 
District  von  Hood-Bai  ist  Tütowirung  noch  sehr  im  Schwange  und,  bis  auf  gering- 
fügige Abweichungen,  dieselbe  als  bei  den  Motu  (vergl.  Fig.  4).  Mit  Keppel-Bai  scheint 
das  Tätowiren  an  der  Südostküste  die  östlichste  Grenze  zu  erreichen,  und  wir  finden 
sie  dann  erst  auf  Dinner-Insel  wieder.  Die  Tütowirung  in  Keppel-Bai  weicht  (wie  die 
Skizze  einer  jungen  Frau  von  Maupa,  Fig.  9,  zeigt)  durchaus  von  der  bei  den  Motu 
üblichen  ab  und  unterscheidet  sich  von  dieser  vor  Allem  durch  den  Mangel  des  Gato, 
das  Vorkommen  von  Bogenhnien  und  die  symmetrische  Vertheilung  des  Musters.  Im 
Ganzen  wird  Tütowirung  in  Keppel-Bai  wenig  geübt,  und  man  sieht  nur  vereinzelt 


[»0 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  Südsee. 


3o5 


Fig.  9. 


reich  damit  verzierte  Frauen,  die  dann  gewöhnlich  Häuptlingsfamiiien  angehören.  So 
isi  die  Figur  q  dargesleUte  Frau  eine  Schwester  des  ^grossen  Häuptlings  Goapäna« 
Seite  397).  Bei  Männern  ist  Tatowirung  sehr  selten,  kommt  aber  einzeln  längs  der 
;;anzen  SOdostkUste  vor.  Bei  den  Motu  lassen  sich 
junge  Leute  zuweilen  das  Gesicht,  mit  Ausschluss 
Jes  Kinns,  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Frauen  und 
als  Verschönerung  tätowiren.  Tätowirung  auf  an- 
deren Körpertheilen,  namentlich  der  Brust,  gilt 
meist  als  sichtbares  Zeichen  verrichteter  Helden- 
ihaten  des  Betreffenden,  kennzeichnet  also  den 
siegreichen  Krieger.  Derselbe  braucht  übrigens 
nur  an  einem  Kainpfe  theilgenommcn  und  nicht 
lelbst  einen  Feind  erschlagen  zu  haben,  ja  gewisse 
Zeichen  vererben  sich  von  Vater  auf  Sohn.  Die 
Muster  der  Tätowirung  bei  Männern  sind  meist 
iihr  einfache  (vergl,  Fig.  10)  und  werden  vorzugs- 
weise auf  Brust,  Schulter  und  Schenkel,  seltener 
auf  den  Armen  angebracht.  Der  grosse  Häuptling 
Goapäna  von  Maupa  hatte  auf  jeder  Schulter  ein 
Zeichen  (Fig.  1 1  a),  eines  auf  dem  linken  Arme, 
zwei  auf  der  Vorderseite  des  Oberschenkels  (Fig. 
i\b\  und  auf  dem  Gesäss. 

Eine  ausführliche,  durch  24  Abbildungen 
illustrirte  Darstellung  der  Tätowirung  an  dieser 
KQsie  gibt  die  Abhandlung 

Fig.  na 
iVJ 


uipn,  Kcppcl-Boi. 


V 


Fig.  1 


Seile  295  (Nr.  7). 

Ziernarben  erinnere 
ich  mich  nicht  gesehen  zu 
haben ;  sie  mögen  aber  trotz- 
dem vorkommen. 

Bemalen  wird  nicht  in 
dem  Masse  als  Verschöne- 
rn g  des  Körpers  angewen- 
det wie  im  Bismarck- Archi- 
pel, aber  die  Farben  (Seite 
ii5i  sind  dieselben,  nämlich 
Schwarz  (knrrema),  Weiss 
kurrokurro)  und  Roth  (ka- 
iij).  Dabei  bezeichnen  diese 
\\  örter  die  Farben  und  sind 
nicht,  wie  in  Neu-Britannien, 
identisch  mit  dem  Material. 
So  hcisst  z.  B.  der  zum  Be- 
malen benützte  rothe  mineralische  Stoff  fPairat, 
Zum  Seh warzbc malen  verwendet  man  gern: 

Lagoa  {Nr.  624,  i  Stück),  ein  Mineral  (Eisenerz  oder  Mangan),  das  aus  dem 
Innern  von  Redscar-Bai  im  Tausch  an  die  Küste  gelangt,  wie  Nadiumu,  ebenfalls  ein 
■Mineral,  das  dem  gleichen  Zwecke  dient.   Man  reibt  diese  Stoffe  auf  einem  Stein  und 


'.7/ 


Tätowirung  v 


TätoM'irte  Brust  c 


,  gegenüber  kaka,  iin  Farbensinne. 


3o6 


Dr.  O.  Finsch. 


M 


malt  sich  mit  dem  Pulver  einen  Langsstrich  über  Stirn  und  Nase  und  je  einen  Quer- 
strich unter  das  Auge.  Roth  und  Weiss  werden  vorzugsweise  bei  festlichen  Gelegen- 
heiten und  von  den  Männern  benützt,  die  zuweilen  den  ganzen  Oberkörper  roth  bemalen. 
Schwarzmalen  des  Gesichtes,  oft  des  ganzen  Körpers,  mit  Russ,  Lamanu,  aus  ge- 
brannter Cocosnussschale  und  Cocosöl  gilt  an  dieser  ganzen  Küste,  wie  im  Innern,  als 
Zeichen  der  Trauer,  der  beim  Tode  eines  Häuptlings  das  weibliche  Geschlecht  oft 
wochenlang  Ausdruck  geben  muss.  In  gewissen  Gebieten,  z.  B.  in  Hood-  und  Keppel- 
Bai,  herrscht  eine  besondere  Trauertracht,  in  Kopfbinden,  Gürteln  und  Ohrbommeln 
(meist  aus  Samen  von  Coix  lacrimae)  bestehend,  die  sehr  eigenthUmlich  kleidet  (vergl. 
Seite  agS,  Abhandlungen  Nr.  7,  Seite  i3  und  14). 

Kopfschmuck.  Das  Kopfhaar  erfreut  sich  bei  fast  allen  Stämmen  dieser  Küste  be- 
sonderer Sorgfalt  und  Pflege,  soweit  es  die  Jugend  beider  Geschlechter  betrifft.  Es  wird 
mit  einem  mehrzinkigen  hölzernen  Instrument,  einem  sogenannten  Kamm,  sorgfältig 
aufgezaust  und  bildet  in  Folge  dessen,  bei  der  spiraligen  Kräuselung,  \s'elche  für  das  mela- 
nesische  Haar  eigen thünilich  ist,  eine  umfangreiche  künstliche  Wolke  (Mop)  (Seite  3o3, 
Fig.  (j),  welche  je  nach  Bedürfniss  chignonartig  aufgebunden  wird.  Schlichthaarri^c 
Personen  (wie  z.  B.  Seite  297,  Fig.  i ),  oder  solche  mit  lockigem  Haar 
vermögen  diese  so  sehr  beliebte  Haartour  nicht  zu  erzielen,  die  über- 
haupt nur  Männer  und  Mädchen  ziert.  Bei  den  Motu  tragen  ver- 
heiratete Frauen  kurzes  Haar  (Seite  3o3,  Fig.  5)  oder  rasieren  den 
Kopf  (mit  Obsidianspliltern,  jetzt  mit  Glasscherben)  völlig.  Im  Westen 
(Freshwater-Bai)  sah  ich  sowohl  bei  Männern  als  Frauen  höchst 
groteske  eigenthümliche  Frisuren  und  Haartrachten,  darunter  den 
einem  bairischen  Raupcnhelm  ähnlichen  Haarwulsi,  wie  wir  ihn  bei 
den  Neu-lrländern  (1,  Seite  128)  kennen  lernten.  Die  Männer  des 
Innern,  besonders  die  Koiäri,  hüllen  das  Kopfhaar  in  ein  Stück  feiner, 
ungefärbter  Tapa  turbanartig  ein,  was  für  diese  Stämme  charakteri- 
stisch wird.  Die  Koiäri  lieben  es  auch,  Stückchen  Muschel,  nament- 
Plg_  ,j_  lieh  rothe  Spondylus,  im  Haar  zu  befestigen,  meist  in 
der  Weise,  dass  durch  ein  Loch  in  dem  Muschelstück 
ein  Haarbüschel  gezogen  wird.  Diese  Sitte  stammt  von 
der  Küste,  woher  die  Koiäri  auch  die  Muscheln  im  Tausch 
(meist  gegen  Paradiesvögel)  erhalten,  und  ist  namentlich 
in  Hood-Bai  heimisch.  Klingeln  aus  Muscheln,  wie  in 
Neu-Britannien  (1,  Seite  98)  habe  ich  an  dieser  KüsIl* 
nicht  bemerkt.  Aber  die  Koiäri  pflegen  Nussschalcn  im 
Nackenhaar  zu  befestigen,  die  beim  Gehen  ebenfalls  ein 
klapperndes  Geräusch  hervorbringen. 

Die  Instrumente  zum  Aufzausen  des  Haares  be- 
stehen meist  aus  mehreren  zusammengebundenen  Stäb- 
chen und  haben  die  beistehende  Form  (Fig.  12,  i3|. 
Als  Kopfzierde  werden  sie  nur  von  Männern,  vorzugsweise  jungen  Leuten,  getragen, 
und  zwar  ins  Stirnhaar  gesteckt,  so  dass  der  lange  Stiel  wagrecht  vorragt.  Letzterer 
ist  seilen  mit  geringer  Schnitzerei,  dagegen  häufig  mit  aufrechtstehendem  oder  herab- 
hängendem Federschmuck  verziert.  In  der  Regel  genügen  zwei  Schwanzfedern  der 
weissen  Fruchttaube  (Carpophaga  spilorrboa),  bei  den  Motu  'Pone"  genannt,  ein  paar 
gelbe  Haubenfedern  des  Cacatu  (Cacatua  Triton),  oder  rothe  und  blaue  Papageifedern 
(von  Ecleclus);  zuweilen  befestigt  man  nur  einen  herabhängenden  Streif,  plisseartig 


o3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  307 


i;efaltetes  Pandanusblatt  oder  europäischen  Zeuglappen,  der  vor  dem  Gesicht  hin-  und 
herflatlert.  Junge  Leute,  die  nur  mit  dem  Tikini  (Seite  299)  nothdürftig  bekleidet  in  die 
Kirche  kommen,  dürfen  in  derselben  keinen  Kamm  tragen,  wahrscheinlich,  weil  die 
Mission  denselben  identisch  mit  Kopfbekleidung  betrachtet.  Kämme  sind  über  das 
ganze  Gebiet,  sowohl  an  der  Küste,  wie  im  Innern  verbreitet  und  bilden  einen  wesent- 
lichen Schmuck,  sowie  nothwendiges  Geräth  des  Mannes,  der  mit  Aufzausen  seines 
Haares  oft  Stunden  verbringt. 

Iduarri  (Nr.  282,  i  Stück),  dreizinkiger  Kamm,  in  Bambu  eingesponnen,  am 
Ende  mit  Federschmuck  (rothen  und  blauen  von  Eclectus  poly chlor us),  Port  Moresby. 

Iduarri  (Nr.  283,  i  Stück),  fünfzinkiger  Kamm,  fein  in  Bindfaden  eingesponnen. 
Port  Moresby. 

Iduarri  (Nr.  284  0,  i  Stück),  fünfzinkiger  Kamm,  sehr  lang  (40  Cm.),  aus  einem 
Siuck  geschnitten,  der  Stiel  mit  eingeschnittenen  Randverzierungen,  an  der  Spitze  Feder- 
schmuck (rothe  Federn  von  -Ec/ec/w^ -Weibchen),  von  Kaire,  etwas  östlich  von  Port 
Moresbv. 

Als  Schrauckhalter  für  Federn  benützt  man  auch  Knochenstücke,  Jabi  vom  Schwein, 
Ms:atu  vom  Casuar  und 

Kobi  (Nr.  284,  i  Stück),  gespaltener,  zweizinkiger  Känguruknochen.  Port  Mo- 
resby. Die  Federn  werden  in  die  Oeffnung,  der  Knochen  ins  Haar  gesteckt.  Ebenfalls 
nur  Männerschmuck. 

Bemalen  des  Kopfhaares  ist  ebenfalls  üblich,  aber  seltener  als  im  Bismarck-Archipel, 
ebenso  die  Benützung  bunter  Blätter  (meist  von  Crotons)  als  Haarschmuck,  die  meist 
nur  von  jungen  Leuten  beiderlei  Geschlechts  getragen  werden. 

Sehr  mannigfach  ist  der  Ausputz  des  Kopfhaares  mit  Federschmuck,  wofür  die 
Ornis  des  Landes  ja  reicheres  Material  liefert  als  im  Bismarck-Archipel.  *)  Aller  derartiger 
Schmuck  wird  nur  vom  männlichen  Geschlecht  und  meist  bei  besonderen  festlichen 
Gelegenheiten  getragen,  so  dass  er  i/n  Alltagsleben  nur  eine  untergeordnete  Rolle  spielt 
und  wenig  hervortritt.    Ein  sehr  beliebter  Kopfputz  ist  der 

Turubu  (Nr.  337,  338,  339,  340,  4  Stück),  Binde  aus  dicht  aneinandergebundenen 
Federn  des  Casuar  (Kokok).  Port  Moresby. 

Diese  Binden  sind  sowohl  in  Port  Moresby  (wo  die  Federn  aus  dem  Innern  ein- 

:;etauscht  werden),  als  an  der  ganzen  Küste  beliebt  und  werden  in  der  Weise  auf  dem 

Norderkopfe  befestigt,  dass  der  Federstreif,  entweder  aufrechtstehend,  eine  Art  Sonne, 

'>^er  herabhängend,  eine  Art  Schirm  bildet,  was  mehr  phantastisch  als  schön  kleidet. 

Vergl.  Abbildung  2,  Seite  299.) 

Ganz  in  derselben  Weise  dient  der: 

Lokohu  (Nr.  341,  i  Stück),  Binde  aus  den  langen  rothen  Brustseitenfedern  des 
Männlichen  Paradiesvogels  (Paradisea  Raggiana),  Port  Moresby. 

l^ie  Federn  oder  vielmehr  die  schlecht  präparirten  Bälge  bilden  einen  lebhaften 

auschhandel  aus  dem  Innern  nach  der  Küste,  da  im  Litorale  von  Port  Moresby  keine 

aradiesvögel  vorkommen.    Kapakapa,  Tupuzele  wie  Manumanu  sind  Hauptplätze  für 

aradiesvogelfedern ,  deren  Bewohner  sie  von   denen  des  Innern   eintauschen,   meist 

?cgen  Muscheln. 

')  Wenn  in  der  auf  Seite  295  unter  Nr.  7  angeführten  Abhandlung  (Seile  9)  der  Federschmuck 
^cr ,  cu-Britanmcr  als  schöner  bezeichnet  wird,  so  beruht  diese  Bemerkung  auf  einem  Verschen,  denn 
gtradc  das  Gcgcntheil  sollte  gesagt  werden. 


3o8  Dr.  O.  Finsch.  [94] 

Uhbi  (Nr.  343,  i  Stück),  Stirnbinde  (3o  Cm.  lang)  aus  Papageienfedern  (Taf.  XXII 
[14],  Fig.  i),  Schwanzfedern  einer  Trichoglossus- Arty  die  mit  Trichoglossus  subplacens 
verwandt  ist;  a  die  obere  Rüche  besteht  aus  ßrustfedern  derselben  Art.  Port  Moresby. 
Die  Federn  sind  mühsam  an  Bindfaden  und  vier  Reihen  Federn  übereinander  befestigt. 

Diese  Art  Stirnbinden  werden  nicht  mehr  in  Port  Moresby  gemacht,  sondern  aus 
dem  Westen  (Maiva,  Kabadi)  eingetauscht  und  zählen  zu  den  kunstvollsten  Feder- 
arbeiten in  diesem  Gebiete,  wie  in  Melanesien  überhaupt. 

Prachtvolle  Stirnbinden  aus  Federn  des  seltenen  Xanthomelus  aureus  sah  ich  aus 
dem  Kabadi-District. 

Totoro  heisst  ein  kronenartiges  Diadem  aus  gelben  Haubenfedern  des  Kakatu,  das 
bei  besondern  Gelegenheiten  von  Motuburschen  getragen  wird  (yergl.  Seite  3oo,  Fig.  3). 

Die  Männer  des  Innern  bedienen  sich  zuweilen  einer  Kopfbinde,  wie  die  folgende 
Nummer: 

Vaura(Nr.  344,  i  Stück),  Binde  aus  Cuscus-FtW.  (Vaura  =  Cuscus,  eine  ArtBeutel- 
thier),  Lalokifluss  im  Innern  von  Port  Moresby  (Stamm  der  Koiäri),  sowie  das: 

Mumüria(Nr.  35i,  i  Stück),  Schmuck  für  Männer  aus  schmalen  Streifchen  Cuscus- 
Fell,  die  am  Ende  mit  Trichoglossus-Fcdtm  verziert  sind.  Wird  mit  einem  Bindfaden 
ans  Haar  befestigt,  so  dass  der  Schmuck  auf  den  Rücken  herabfällt  (Seite  3oo,  Fig.  3)- 
Lalokifluss. 

Ausführliches  über  Kopfschmuck,  darunter  verschiedene  Arten  aus  Federn  findet 
sich  in  meiner  Seite  295  citirten  Abhandlung  (Nr.  7,  Seite  8  und  9). 

Auf  das  Engste  mit  dem  Haar-  und  Kopfschmuck  ist  der  sehr  mannigfaltige  Stirn- 
schmuck  verbunden,  welcher  ebenfalls  nur  von  Männern  und  vorherrschend  bei  fest- 
lichen Gelegenheiten  getragen  wird.  Die  Sammlung  enthält  alle  hieher  gehörigen  typi- 
schen Stücke,  mit  Ausnahme  der  Stirnbinde  aus  Eckzähnen  des  Hundes,  die  im  Port 
Moresby-District  so  hoch  gehalten  wurden,  dass  ich  keine  erlangen  konnte.  Diese  Binden 
stimmen  übrigens  ganz  mit  der  Taf.  XIV  [6],  Fig.  1 1  und  1 2  dargestellten  von  der  Nord- 
küste überein,  nur  dass  die  Zähne  etwas  abweichend  befestigt  sind. 

Am  häufigsten  und  verbreitetsten  ist  folgende  Sorte: 

Tautau  (Nr.  424,  i  Stück),  Stirnbinde  aus  kleinen  Muscheln  (Tautau,  Seite  3o2, 
Taf.  XIV  [6],  Fig.  6, 7),  an  jeder  Seite  eine  Bommel  aus  rothen  Glasperlen  mit  schwarzen 
Fruchtkernen  (Gudduguddu).  Port  Moresby.  Wird  mit  Vorliebe  von  jungen  Burschen 
getragen,  wie  die  folgende  Nummer: 

W^aake  (Nr.  425,  i  Stück),  Stirnband  (2  Cm.  breit,  3o  Cm.  lang),  sehr  feine  Knüpf- 
arbeit aus  Bindfaden,  mit  Muster,  ganz  wie  gewebt  aussehend.  Port  Moresby.  Diese  Art 
Bänder,  darunter  auch  viel  breitere  und  sehr  kunstvolle,  werden  nicht  von  den  Motu, 
sondern  im  Westen  (Freshwater-Bai)  verfertigt  und  von  dort  eingetauscht.  Man  be- 
schmiert diese  Bänder  gewöhnlich  mit  rother  Farbe. 

Für  den  Port  Moresby-District  und  bei  den  Koiäri  des  Innern  sind  die  folgenden 
beiden  Sorten  beliebt  und  werden  gegeneinander  ausgetauscht: 

Pariri  (Nr.  421,  i  Stück),  Stirnbinde  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  8)  aus  kleinen  Muscheln 
(Oliva  carneola),  deren  Spitze  abgeschliffen  und  die  auf  eine  Schnur  (a)  festgebunden 
sind.    Port  Moresbv. 

Totoma  (Nr.  422,  i  Stück),  Stirnbinde  (Taf.  XIV  [6],  Fig.  9)  aus  Vorderzähnen  des 
Känguru  ( Macropus  crassipes),  Nr.  422,  eine  Probe  solcher  Zähne  als  Material.  Dieselben 
sind  durchbohrt,  durch  feines  Flechtwerk  aus  Bindfaden  (a)  verbunden  und  auf  einen 
dickeren  Strick  (b)  geflochten.  Eine  3i  Cm.  lange  Schnur  zählt  85  Zähne.  Port  Moresby. 


[qJ]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3og 

Beliebt  als  Stirnschmuck,  namentlich  bei  den  Motu,  sind  kleinere  weisse  Cypraea- 
oder  Oi'u/d- Muscheln,  wie  das  folgende  Stück: 

Lokoru  (Nr.  527,  1  Stück),  Stirnrauschel  von  Port  Moresby,  Als  besonders  fein 
gdien  solche  Muscheln,  die  (wie  Fig.  14)  mit  einem  punktirten  Muster  verziert  und 
Jessen  Vertiefungen  mit  schwarzer  Farbe  eingerieben  sind.  Solche  Muscheln  werden, 
gewöhnlich  mit  einigen  Schnüren  rother  Glas- 
fwlcn  verziert,  an  einem  Strickchen  auf  der 
Siirne  festgebunden.  In  Hood-Bai,  nameni- 
Hch  Hula,  sind  Stirnbinden  aus  rundlichen, 
unbearbeiteten  rothen  Spondylus  -  Stücken 
beliebt. 

Im  Westen  ( Fr esh water  -  Bai)  verfertigt   I 
man  kunstvolleren  Stirnschmuck,  der  für 
dieses  Gebiet  eigenthümlich  ist  und  an  ähn- 
lichen, aber  viel  schöneren  in  den  Salomons 
1  I.Seile  148,  Nr.  430)  erinnert.  Es  ist  dies  der: 

Korrokorro  (Nr.  423,  1  Stück),  Stirnschmuck  (Fig.  i5)  aus  einer  runden  Scheibe 
von  Conus  mit  aufgelegter  durchbrochener  Arbeit  von  Schildpatt.  Kerama  in  Fresh- 
wacer-Bai,  bei  den  Motumotu  Hawä  genannt.  Ich  sah  derartige  Muschelscheiben  (von 
Tniacna)  von  8  Cm.  Durchmesser,  die  aber  als  kostbarer  Schmuck  nicht  verkäuflich 
waren.  Sowohl  im  Westen,  wie  östlich  bis  Hood-Bai  wird  zuweilen  auch  tHoborro", 
J,  h.  der  Oberschnabel  des  Nashornvogels  (Ruceros  rußcollis)  als  phantastischer  Stirn- 
oder Kopfputz,  namentlich  von  jungen  Leuten  bei  festlichen  Tänzen  benützt. 

Nasenschmuck.  Die  Sitte,  die  Nasenscheidewand  zu  durchbohren  und  in  der  Oefl'- 
nung  irgend  einen,  meist  rundlichen  Gegenstand  als  Zierat  zu  tragen,  ist  über  ganz  Neu- 
Guinea  und  hier  mehr  als  anderwärts  in  Melanesien  verbreitet.  Das  Septum  wird  schon 
in  froher  Jugend  mit  einem  spitzen  Hölzchen  durchstochen  und  zunächst  ein  sehr  dünnes 
Stückchen  Holz  von  Zündholzdicke  darin  getragen,  breit  genug,  um  die  Nüstern  aus- 
zudehnen; allmäJig  werden  dickere  Gegenstände  hineingesteckt.  Nasenschmuck  ist  vor- 
zugsweise bei  den  Männern  in  Gebrauch;  in  gewissen  Gebieten,  z.  B.  Kabadi  im  Innern 
*on  Redscar-Bai,  auch  bei  den  Frauen,  welche  dicke  Nasenkeile  aus  Tridacna  tragen, 
die  jederseits  fast  bis  zum  Ende  der  Backen  retchen. 
Der  häufigste  Nasenschmuck  der  Motu  sind: 

Daikuku  (Nr.  3o4,  4  Stück)  PBöcke  oder  Stifte,  5—7  Cm.  lang,  circa  von  Blei- 
«iftstärke,  aus  Tridacna  geschliffen;  Port  Moresby. 

Käma  (Nr.  3o5,  i  Stück),  Material  zu  Nasenkeilcn:  Muschelstücke  vom  Schloss- 
theil  der  Tridacna  gigas;  Port  Moresby. 

Für  gewöhnlich  werden  diese  werthvoUeren  Nasenpflöcke  durch  einfache  runde, 
kurze  Siückchen  Holz  oder  Rohr  ersetzt,  namenlhch  bei  den  Stämmen  des  Innern,  den 
Koiäri.  Im  Westen,  im  Gebiet  von  Freshwater-Bai,  erreichen  diese  Holzpflöcke, 
-Omera.  genannt,  oft  eine  ansehnliche  Dicke  (i3— 16  Mm.)  und  dehnen  in  Folge 
essen  das  Septum  gewaltig  aus.  Ich  glaube  hier  auch  dicke  Nasenkeile,  aus  Quarz  ge- 
«hliffen.gtsehen  zu  haben. 

Mokoro  heissen  andere,  weit  werthvollere  Arten  Nasenkeile  aus  rric/acHü-Muschel 

«r  Kippen  von  Schweinen  oder  Känguruhs  geschliffen.    Erstere  sind  bis  20  Cm.  lang 

'S  12  Mm.  dick,  rund,  an  beiden  Enden  zugespitzt  (Fig.  16)  und  der  wenhvollste 

■Mcnachmuck  dieses  Gebietes  überhaupt.   Mokoros  aus  Knochen  sind  dünner,  ge- 

(■'■ß- 17)  und  weit  minder  werthvoll.    Beide  Arten  werden  vor  der  Spitze  an 

I  'ulip  Jr,  i  1,  „jiuf historischen  Hofmuscums,  ÜJ.  IM,  Hclt  4,  iSSS.  13 


3io 


Dr.  O.  Finsch. 


[96] 


Nasenkeil. 


Nasenstift. 


zwei  bis  drei  Stellen  etwas  eingekerbt  und  hier  mit  einem  feinen  Ringe  aus  Menschen- 
haar umflochten.  Mokoros  werden  hauptsächlich  in  Hood-Bai  verfertigt  und  finden  von 

hier  aus  den  Weg 
^^ß*  ^^'  weiter  nach  Osten 

bis  in  den  Aroma- 
District  und  west- 
lich bisRedscar-Bai. 

Ohrschmuck  fin- 
det in  dem  ganzen 
Gebiete  häufige  Ver- 
wendung. Gewöhn- 
lichwerden die  Ohr- 
läppchen, und  zwar 
nur  massig  durch- 
löchert, um  die  OefFnung  mit  buntfarbigen  Blättern  oder  gewissen  wohlriechenden 
trockenen  Kräutern  zu  schmücken.  Diese  Art  Schmuck  ist  der  häufigste,  und  zwar 
bei  beiden  Geschlechtern.  Indess  traf  ich  auch  Männer  sowohl  als  Frauen,  welche  jeden 
Ohrputz  verschmähten,  aus  Furcht  vor  der  Operation. 

Nicht  selten  wird  der  Ohrrand  durchbohrt,  oft  mit  sechs  Löchern,  in  die  dann 
Schnüre  rother  Glasperlen,  am  Ende  mit  einem  schwarzen,  glänzenden  Gudduguddti- 
Fruchtkern(vergl.Taf.  XIV  [6],  Fig.  i  c)  verziert,  befestigt  werden.  Diese  Ohrbommeln  sind 
vorzugsweise  bei  den  Motu  Sitte,  sowohl  bei  jungen  Burschen  als  Mädchen,  und  heissen 
Gewa  (Akäwa  =  Glasperlen).  Schwänzchen  von  Ferkeln,  mit  etwas  rothen  Glasperlen 
und  den  genannten  schwarzen  Fruchtkernen  verziert,  sind  bei  den  Motu  ebenfalls  beliebt 
und  dienen  als  Tauschmittel  gegen  Betelnüsse  nach  dem  Westen.  Im  Hood-Bai-District 
gibt  es  eine  andere  Art  sehr  zierlicher  Ohrbommeln  aus  kleinen,  dünnen,  runden,  ab- 
wechselnd schwarzen  und  weissen  Muschelscheibchen,  am  Ende  mit  einem  Stückchen 
rother  Spofidj^lus-Muschel  verziert,  die  ebenfalls  im  Ohrrand  befestigt  werden.  Rothe 
Spondj^lus -Stückchen  sind  auch  bei  den  Koiäri  des  Innern  beliebt. 

Im  Westen  (Hall-Sund  bis  Freshwater-Bai)  ist  der  Ohrlappen  bei  beiden  Geschlech- 
tern oft  ausserordentlich  weit  ausgedehnt  und  wird,  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den 
Gilberts-Insulanern,  durch  einen  Streifen  Pandanus-Elsiit  oder  gespaltenen  Rohres  kreis- 
förmig ausgespannt.  Die  Weiber  befestigen  zuweilen  auch  wxite  Ringe  aus  Rohr  im 
Ohrlappen,  die  Männer  den  Abschnitt  eines  Bambu,  häufig  mit  eingravirtem  Muster 
verziert,  welcher  zugleich  als  Tabaksbehälter  dient. 

Zu  den  werthvollsten  Ohrzieraten,  die  an  der  Südküste  im  Ganzen  nicht  viel  be- 
deuten und  weit  hinter  denen  der  Nordostküste  zurückstehen,  gehören  die  folgenden 
Nummern  der  Sammlung: 

Kokokoko  (Nr.  32o,  i  Stück),  Ohrring,  aus  der  hornartigen,  bartlosen  ersten 
Schwinge  des  Casuar  (Kokok)  gebogen.    Port  Moresby. 

Diese  Sorte  ist  hier  wenig  üblich  und  wird  meist  aus  dem  Westen  (Freshwater- 
Bai)  eingetauscht,  wo  sie  im  Eläma-District  häufig  ist  und  »  Oririo.  heisst. 

Geborre  (Nr.  322,  4  Stück),  Ohrschmuck,  aus  Schildpatt  geschnitzt  (wie  Fig.  18). 

Keräma,  eine  andere  beliebte  Form,  zeigt  Fig.  19.  Diese  aus  Schildpatt  (Geborre) 
gefertigten  Plättchen  werden  durch  einen  aufbiegbaren  Spalt  der  Oeffnung  auf  den  Rand 
des  Ohrlappens  gereiht,  und  zwar  meist  in  grosser  Anzahl  (5o— 60),  so  dass  ihr 
Gewicht  den  Ohrlappen  weit  herabzieht.    Noch  mehr  ist  dies  der  Fall  mit  runden 


[«-] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  SQdsee. 


Scheiben  von  Schildpatt,  deren  Rand  mit  Muschelscheibchen  verziert  ist  und  die  des- 
halb sehr  dem  Ohrschmucke  von  der  SüdkÜste  Neu-Briianniens(l,  Seite  122,  Taf.  111  [i], 
Fig.  1 2)  gleichen.  Auch  diese  Art  Ohrschmuck  gehört 
ilem  Westen  (District  von  Freshwater-Bai)  an. 

Ein  für  die  Motu  (wie  auch  für  die  Koiäri)  eigen- 
Ihümlicher,  übrigens  nicht  häufiger  Ohrschmuck  ist  der 

Togo  (Nr.  323,  2  Stück),  Ohrring  (Taf.  XVII  [9], 
Fig.  8),  aus  einer  spiralig  gewundenen  Pflanze  beste- 
hend, Port  Moresby.  In  diesem  Gebiete  (und  bis  Hood- 
Bai|  werden  zuweilen  auch  Ohrgehiinge  von  Schnüren 
halbdurchschnittener,  aufgereihter  Coijr-Samen,  'Iwo- 
wei  genannt,  getragen,  die  für  beide  Geschlechter  zum 
Trauerschmuck  gehören. 

Brust-  und  HaiSSChmUCk.  Eigentlicher  Halsschmuck,  wie  z.  B.  die  steifen  Hals- 
bänder aus  Cu.tc  US -Zähnen  (Seite  98,  Taf.  111,  Fig.  16}  und  die  breiten  Halskragen  aus 
hiwara  (Seite  98)  in  Neu -Britannien,  kommt  in  diesem  Thcile  Neu-Guineas  nicht  vor, 
und  das  womit  der  Hals  geschmückt  wird,  ziert  in  den  meisten  Fallen  auch  die  Brust, 
(Qr  welche  indess  einige  Stücke  specieli  dienen. 

Engschliessende  gewöhnliche  Halsstrickchen,  wie  sie  fast  jeder  Neu-Britannier 
trägt,  sind  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  nicht  übhch,  wie  Hals-  und  Brustschmuck 
überhaupt  höchstens  von  Stutzern  und  heiratslustigen  Mädchen  alltäglich  benutzt  wird. 
F.ine  der  gewöhnlichsten  Arten  heisst: 

Uhbo  (Nr.  495,  1  Stück),  Halskette,  i  M.  25  Cm.  lang,  aus  einer  Doppclreihe 
kleiner,  rundlicher,  nicht  sehr  regelmässiger  Rindenplättchen  bestehend,  die  auf  eine 
Schnur  gereiht  sind.   Port  Moresby. 

Wird  hier  vorzugsweise  vom  weiblichen  Geschlecht  getragen.  Für  Kinder  ver- 
wendet man  gern: 

Mairi  (Nr.  514^»,  i  Stück),  Halsschmuck  aus  fünf  kleinen,  an  eine  Schnur  be- 
festigten Muschelschalen.   Port  Moresby. 

Diese  Muscheln,  wahrscheinlich  einer  Bivalve  angehörend,  erhalten  durch  Ab- 
schleifen der  Oberfläche  einen  perlmutterähnlichen  Glanz,  daher  Mairi  =  Perlmutter. 

Sehr  beliebt  bei  beiden  Geschlechtern  sind: 

Boo  (Boho,  Nr,  5i3,  4  Stück),  Scheiben  aus  Conus  geschliffen.   Port  Moresby. 

Sie  werden  in  der  Weise  wie  die  Stirnmuscheln  (Seite  Sog),  mit  eingravirtem, 
schwarz  eingelassenem  Punktmuster  (Fig.  20)  verziert  und  einzeln  oder  in  beliebiger 
.\nzahl  als  Halsband  oder  Brustschmuck  (zuweilen  auch  auf  der  Stirn) 
getragen  und  dienen  als  Tauschartikcl  für  die  Bewohner  des  Innern. 
Weit  werthvoller  als  Tauschmittel  sind  dagegen,  wie  bereits  (Seite  3o2) 
envShm,  Schnüre  aufgereihter  Muscheln: 

Tautau  (Nr.  494,  i  Stück),  Halskette,  1  M.  3o  Cm.  lang  (Taf.  XIV 
i.'']'  f^'g-  6,  7).  Port  Moresby. 

Die  Länge  dieser  Muschelschnüre  bestimmt  ihren  Werth.  Sie  wer- 
den vorzugsweise  von  jungen  Leuten  beiderlei  Geschlechts  getragen  und 
eng  um  den  Hals  geschlungen  (vergl.  Seite  297,  Fig.  i  und  Seite  3oo, 
Fig.  3).   Diese  An  Schmuck  ist  fiauptsächlich  in  Hood-Bai  und  bei  den  Motu  behebt. 

Tautau  bildet  zugleich  ein  beliebtes  Tauschmittel  nach  dem  Westen,  wo  für  eine 
Uafterlange  Schnur  ein  ansehnliches  Gefäss  mit  Sago  als  Gegenwerth  gilt.  Aus  dem 
Westen  kommen  dagegen  feingeflochtene  Schnüre,  wie  die  folgende  Nummer: 


Halsschmuck. 


3 1 2  J^r.  O.  Finsch.  [98] 

Halsschnur  (Nr.  496,  i  Stück),  iio  Cm.  lang,  8  Mm.  breit,  roth  angestrichen. 
Eläma  in  Freshwater-Bai. 

In  diesem  Gebiet  werden,  in  der  Knüpfmanier  wie  die  Stirnbinden  (»Waake<, 
Seite  3o8),  breite  Halskragen  aus  feinem  Bindfaden  verfertigt,  die  oft  sehr  kunstvoll 
und  für  den  Westen  charakteristisch  sind.  Solche  Halskragen,  sowie  breite  Bänder, 
kreuzweise  über  die  Brust  befestigt,  werden  sowohl  von  Männern  als  Frauen  getragen, 
von  ersteren  zuweilen  auch  Halskragen  von  Casuarfedern,  die  sehr  gut  kleiden.  Ein 
anderer,  diesem  Gebiet  eigenthümlicher  Brustschmuck  heisst  »Biobio^  und  besteht  in 
einer  (circa  10  Cm.  langen)  Steincocosnuss,  die  mit  eingravirtem  Muster  verziert  ist, 
das,  mit  Kalk  eingeschmiert,  weiss  hervortritt.  In  gleicher  Weise  werden  auch  grössere 
»Korrokorro^  (Seite  309,  Fig.  i5)  auf  der  Brust  getragen.  Längs  der  ganzen  Südost- 
küste gilt  als  werthvoUster  Brustschmuck  für  beide  Geschlechter  eine  halbmondförmig 
geschliffene  Perlmutterschale: 

Mairi  (Nr.  5i^a,  i  Stück),  klein,  7  Cm.  Durchmesser,  Port  Moresby,  deren 
Werth  sich  nach  der  Grösse  richtet  und  mit  dieser  unverhältnissmässig  steigt.  Grosse 
Perlmutterschalen  von  2p  bis  24  Cm.  Durchmesser  sind  daher  das  werth  vollste  Tausch - 
object,  und  der  Streit  über  eine  solche  kostete  Dr.  James  (Seite  298)  das  Leben. 

Mairis  zählen  mit  unter  die  hervorragendsten  Tauschmittel  zwischen  dem  Osten 
und  Westen,  wofür  in  letzterem  besonders  Sago  eingehandelt  wird.  Leute,  die  keine 
echten  Mairis  erschwingen  können,  tragen  imitirte  aus  Nautilus- Muschel,  Sie  sind 
namentlich  im  Hood-Bai-District  Mode;  hier  auch  Halsketten  und  Brustschmuck  aus 
roh  bearbeiteten  Scheiben  und  Platten  rother  Spondylus-Muscheln. 

Der  kostbarste  Brustschmuck  für  die  Südostküste,  wie  Neu-Guinea  überhaupt,  ist 
ein  abnorm  gewachsener,  zirkelrunder  Eberhauer,  *Doa^  (Seite  295,  Abhandlung  Nr.  10 
wie  Nr.  5 1 6  von  der  Nordküste).  Solche  Eberhauer  werden  von  Hand  zu  Hand  aus  dem 
Osten  eingetauscht  und  gelangen  nur  äusserst  selten  bis  Hood-Bai  und  weiter  westlich. 
Ich  sah  nur  zwei  solcher  Eberhauer,  und  zwar  bei  Goapäna  und  dem  ersten  Häuptling 
von  Keräpuno,  die  diesen  Schmuck  als  eine  Art  Hoheitszeichen  zu  betrachten  schienen. 

Zieraten  aus  Eberzähnen  sind  im  Ganzen  selten.  Zuweilen  sieht  man  die  fol- 
gende Form: 

Doa  (Nr.  524,  i  Stück),  Brustschmuck  aus  zwei  aneinandergebundenen  Eberhauern 
(Fig.  21).   Port  Moresby. 

Die  Motu  erhandeln  diesen  Schmuck  gelegentlich  aus  dem  Westen,  wo  er,  nament- 
lich im  District  von  Freshwater-Bai,  häufiger  ist  und  auch  in  der  Form  wie  Fig.  22 

vorkommt.  Im  Innern  von  Redscar- 
^.  ,-        ^.  .,^      Bai  wird  auch  Brustschmuck  aus 

Flg.  21.  /^  Flg.  22.  \\ 

einer  Doppelreihe  längsgespaltener 
»Eberzähne«  verfertigt,  der  inter- 
essante Analogien  mit  ähnlichen 
Formen  an  der  Nordostküste  bietet 
und  wahrscheinlich  mit  in  die  be- 
sondere Kategorie  des  Brust-Kampf 
schmuckes  gehört,  wie  die  folgende 
Nummer: 

Brustschmuck.  Musikaka  {kaka  =  roth),  Taf. 

XVI  [8],  Fig.  I,  \U  n.  Gr.),  Kampf- 
schmuck  aus  dem  Innern  von  Port  Moresby.  a  Platte  aus  Schildpatt,  mit  ^,  Randbesatz 
von  dünnen  Längsschnitten  von  Eberhauern,  die  mittelst  gebohrter  Löcher  festgebunden 


[()()]  Elhnnlogische  Erfahrungen  und  Belej^Blücke  aun  der  Südsec.  3  I  3 

sind,  der  Raum  zwischen  den  Eberzähnen  ist  mit  rothen  und  blauen  Abrus-Bohnen  ver- 
liert, die  in  einer  Art  Kitt  aus  Harz  festgeklebt  sind,  in  der  Mitte  zwei  Ringe  aus  Quer- 
schnitten von  Co/tuj-Muschel  geschliffen;  der  untere  Rand  c  ist  mit  einem  Doppelstreif 
von  Bast  von  der  Biattbasis  der  Sagopalme  geschmitckt  und  dient  dazu,  allerlei  kleine 
Zieraten:  Federn,  au/gereihte  CoiAr-Samen  u.  dergl.  zu  befestigen.  Oben,  in  der  Mitte, 
d,  ist  eine  breite  Oese  aus  Bindfaden,  welche  dazu  dient,  den  Schmuck  mit  den  Zahnen 
festhalten  zu  können,  was  beim  Kampfe  geschieht,  um  den  Gegner  herauszufordern 
und  fOrchterlicher  zu  erscheinen.  Neben  der  Oese  ist  ein  Strick  befestigt,  an  welchem 
der  Musikaka  gewöhnlich  auf  dem  Rücken  getragen  wird. 

Diese  Art  Kampfschmuck,  Attribut  des  waffenfähigen  Mannes,  ist  für  ein  be- 
st:hränktes  Gebiet  an  der  Südostküste,  zwischen  Redscar-  und  Hood-Bai  cigenthümlich 
und  durch  seine  Form  charakteristisch.   In 

Port  Moresby  sind  Musikaka  nicht  mehr  in  '^'S-  '3- 

Gebrauch  und  überhaupt  sehr  in  der  Ab- 
nahme begriffen;  ich  sah  bereits  Nachbil- 
dungen dieses  Schmuckes  aus  Blech,  mit 
Atrus-Bohnen  beklebt.  Musikaka  werden 
haupisächlich  von  den  Koiari,  den  Bergbe- 
wohnern des  Innern  von  Port  Moresby,  in 
Jer  Richtung  des  Owen-Stanley  und  des 
Astrolabe  -  Gebirges  verfertigt,  welche  von 
den  Küstenstämmen  Schildpatt  und  Zicr- 
muscheln  eintauschen.  In  der  Form  stets 
gleich,  zeigen  die  Musikaka  grosse  Versehie-  Brusi- Kampfschmuck. 

denheit  im  Ausputz,  so  z.  B.  das  Fig.  23  ab- 
gebildete Stück  in  der  Mitte  einen  Ring  von  Conus,  jederseits  davon  eine  Scheibe  von 
Perlmutter  (die  dunkle  Punktirung  bezeichnet  blaue  Bohnen,  die  hellen  Querstreifen 
rotber  Bohnen  von  Abrus  praecatortus). 

In  die  Kategorie  des  Kampfschmucks  gehört  der  >Gadiwa*,  bestehend  aus  der 
Längshalfte  eines  circa  23  Cm.  langen  Stückes  Bambu,  mit  eingebranntem  Muster 
verziert,  in  der  Mitte  mit  Federschmuck,  klappernden  Nussschalen  (Taräko)  u.  dergl. 
Auch  dieses  Geräth  wird  mit  den  Zähnen  gehalten,  um  die  wilden  Grimassen  des  Krie- 
gers zu  erhöhen,  und  ist,  wie  der  Musikaka,  ein  Fabrikat  der  Koiäri  des  Inlandes. 

Ein  besonderer  Brustschmuck  der  Stämme  im  Westen  (Fresh water-Bai)  ist  der 
'Kiiiut,  d.  h.  der  schalenförmige  Abschnitt  einer  CymÄ i'mwi- Muschel,  in  dessen  Mitte 
meist  eine  durchbrochene  Arbeit  aus  Schildpatt  oder  Cocosnussschale,  eine  Vogelklaue 
u-  dergl.  angebracht  ist,  und  die  ganz  einem  ähnlichen  Kampfschmuck  entspricht,  den 
wir  an  der  NordostkUste  (Nr.  536)  kennen  lernen  werden. 

Armschmuck.  Wie  bei  allen  Melanesiern,  sind  auch  bei  den  Bewohnern  dieser 
Küste  Armbänder  ein  unumgänglich  nothwendiges  StUck  des  Ausputzes,  das  wie  der 
Tikini  (Seite  299)  und  LamI  (Seite  3oo)  in  gewissem  Sinne  zur  Bekleidung  gerechnet 
werden  darf.    Die  Sammlung  enthält  eine  schöne  Reihe  dieser: 

Gaama  (Nr.  378,  i3  Stück),  Armbänder,  aus  Pflanzenfasern  geflochten  (Port 
Moresby),  von  der  schmälsten  (5  Mm.  breiten)  bis  zur  breitesten  (6  Cm.  breiten)  Sorte. 
Diese  Armbänder  werden  meist  schwarz  gefärbt,  bei  den  Motu  mit  Vorliebe  mit  rother 
Erde  angestrichen;  zuweilen  ist  ein  artiges  Muster  in  Gelb  eingeflochlen.  Derartige 
Armbänder  sind  an  der  ganzen  SüdostkÜste,  sowie  im  Innern  verbreitet  und  werden 
einzeln  oder  zu  mehreren  an  einem,  oft  an  beiden  Armen,  und  zwar  dem  Oberarm,  von 


3 1 4  ^^'  ^'  Finsch.  [  I  oo] 

beiden  Geschlechtern  und  in  jedem  Alter  getragen  oder  vielmehr  gleich  um  den  Arm 
geflochten,  daher  oft  so  fest,  dass  sie  tief  ins  Fleisch  einschneiden.  Sie  dienen  auch 
praktischen  Zwecken,  um  Stückchen  Tabak,  Betelnussbrecher  und  andere  kleine  Dinge 
hineinzustecken.  Am  häufigsten  geschieht  dies  aber  mit  farbigen  Blättern  (von  Crotons)^ 
wohlriechenden  frischen,  wie  getrockneten  Kräutern  und  Pflanzen,  die  als  Schmuck 
dienen  und  namentlich  von  der  Jugend  benützt  werden.  Die  Motu-Burschen  und  Mäd- 
chen befestigen  auch  gern  schmale,  oft  künstlich,  plissdartig  gefaltete  Streifen  von 
PandanuS'hloXX.  (ähnlich  Nr,  412)  im  und  am  Armband,  die  gleich  Bändern  im  Winde 
flattern. 

Die  Koiäri  und  andere  Stämme  des  Innern  begnügen  sich  meist  mit  gewöhnlicheren 
Armbändern  der  folgenden  Sorte: 

Ohro  (Nr.  379,  i  Stück),  schmales  Armband,  aus  gespaltenem  Rotang  geflochten. 
Kaire. 

Die  werth vollsten  Armbänder  werden  aus  einer  grossen  Kegelschnecke: 

Toia  (Conus  millepunctatus^  Nr.  365,  i  Stück),  verfertigt,  eine  Arbeit,  die  ich 
in  Port  Moresby  noch  selbst  verrichten  sah.  Durch  Abschleifen  der  Basis  und  Spitze 
auf  einem  Stein  wird  ein  anfangs  roher  Ring  hergestellt  und  dann  vollends  zurecht- 
geschliffen.  Man  bedient  sich  dabei,  unter  Anwendung  von  Sand  und  Wasser,  eines 
primitiven,  aber  ganz  praktischen  Apparates,  der  im  Wesentlichen  aus  dem  Aststück 
einer  grobkörnigen  Koralle  besteht.   Die  folgende  Nummer  zeigt  die  fertige  Arbeit: 

Toia  (Nr.  364,  i  Stück),  Muschelring.  Port  Moresby. 

Der  Werth  der  Toias  richtet  sich  nicht  nur  nach  der  Grösse,  sondern  auch  nach 
dem  besonderen  Ausputz.  Gewöhnlich  sind  als  solcher  einige  schwarze  Fruchtkerne 
und  rothe  Glasperlen  angebracht,  oder  statt  der  letzteren  rothe  5po«rf;^/w5-Plättchen, 
wie  dies  besonders  im  Osten  üblich  ist  (vergl.  Taf.  XV  [7],  Fig.  i).  Hier  verfertigt  man 
auch  einen  andern  sehr  zierlichen  Armbandschmuck: 

Riuriu  (Nr.  414,  1  Stück),  Kettchen  aus  kleinen  SpondjrlusSchc\bchtn  (5  Mm. 
Durchmesser),  am  Ende  mit  drei  kleinen  Muschelplättchen  und  schmalen  Pandanus- 
Bändern  verziert.  Port  Moresby.  Wie  die  Motu  derartigen  Spondyliis-Schrnyiok  aus 
dem  Osten  einhandeln,  um  ihre  Toias  auszuputzen,  so  vertauschen  sie  die  letzteren  an- 
dererseits nach  dem  Westen.  Die  Sagoflotte,  welche  alljährlich  aus  Freshwater-Bai  nach 
Port  Moresby  kommt,  nimmt  als  Gegengabe  hauptsächlich  Toias  mit  nach  Haus.  Zur 
Zeit  meines  Aufenthaltes  wurden  für  eine  gute  Toia  3oo  bis  35o  Pfund  Sago  bezahlt. 
Da  grosse  Co«M5-Muscheln  selten  sind  und  um  Port  Moresby  nicht  in  genügender  An- 
zahl gefunden  werden,  so  beziehen  die  Motu  einen  guten  Theil  Toias  aus  Hood-Bai, 
wo  sie  ebenfalls  angefertigt  werden  und  »  Uhli<s^  heissen. 

Armringe  aus  7rocÄw5-Muscheln  (wie  die  T>Laleis€  in  Neu-Britannien,  I,  Seite  99) 
sind  mir  an  dieser  Küste  nicht  vorgekommen. 

Fingerschmuck,  der  bei  Melanesiern  kaum  in  Betracht  kommt,  ist  in  diesem  Ge- 
biete zuweilen  vertreten,  und  zwar  in  Form  von  Fingerringen  aus  dem  Querschnitt  von 
einem  Känguru-  oder  Cw^cw^-Schwanz,  die  ich  namentlich  bei  Weibern  aus  Freshwater- 
Bai  sah. 

Leibschmuck.  Die  mannigfachen  Arten  von  Gürteln,  Schnüren  u.  s.  w.,  welche 
wir  an  der  Nordostküste  als  Schmuck  kennen  lernen  werden,  kommen  an  dieser  Küste 
fast  ganz  in  Wegfall.  Nur  die  Koiäri  pflegen  zuweilen  schmale,  aus  Rotang  geflochtene 
Leibbinden  zu  tragen.  Dagegen  sind  im  Westen  (Freshwater-Bai)  8 — 16  Cm.  breite 
Gürtel  (Fig.  24)  aus  einer  Art  fester  Baumrinde  üblich,  die  sich  in  ähnlicher  Weise  auch 
an  der  Nordostküste  wiederfinden.    Die  gewöhnliche  Sorte  zeigt  die  folgende  Nummer: 


[,0.] 


Elhnologische  Erfahrungen 


Gaawa  (Nr.  568,  i  Stück),  Leibganel.  Port  Moresby. 

Diese  Gürtel  werden  aus  dem  Westen  c 
voller  Weise  mit  eingravirtem  Muster  verziert 
iFig.  35),  wie: 

Gaawa  (Nr.  569,  1  Stück),  Leibgürtel 
von  Keräma  in  Fresh water- Bai. 

Das  mit  rother  und  weisser  Farbe  ein- 
fieriebene  und  dadurch  vortheilhaft  hervor- 
tretende Muster  ist  nur  mit  Stein  Werkzeugen 
hergestellt  und  repräsentirt  einen  der  besten 
Typen  des  Kunstfleisses  jener  Periode.  Diese 
Lcibgürtel  schnüren  den  Bauch  noch  mehr 
ein  als  die  Tikini  (Seite  3oo)  und  sind  ohne 
Zweifel  noch  gesundheitsschädhcher  als  diese. 

Fig.  2S. 


igetauscht  und  hier  zuweilen  in  kunst- 
Fif!.  24. 


LeibgOrtel. 

Beinschmuck  ist  im  Ganzen  nicht  häufig  und  beschränkt  sich  meist  auf  ein  Strick- 
chen, Liane,  Blattstreif  von  Pandanus  oder  ein  Stück  gespaltenen  Rotang,  das  unter 
dem  Knie  festgebunden  wird,  wie  zuweilen  noch  ein  zweites,  aus  gleichen  Materialen, 
um  das  Fesselgclenk.  Im  Westen  wird  das  letztere  manchmal  bis  zur  halben  Wade 
herauf  mit  feinem  Flechtwcrk  eingestrickt.  Hier  sind  auch  breitere  Kniebänder,  fein 
aus  Bindfaden  in  der  Weise  geknüpft,  wie  die  Stirnbänder  (Waake,  Seite  3o8)  üblich, 
die  zuweilen  von  Motus  erhandelt  werden,  wie  das  folgende  Stück: 

Ropo  (Nr.  543,  2  Stück),  fein  geknüpftes  Knieband  (i5  Mm.  breit),  mit  rother 
Farbe  bemalt.  Port  Moresby. 

Eine  besondere  Art  hcisst: 

Ruburubu  (Nr.  340  a,  1  Stück),  Kniebinde  aus  Halsfcdern  vom  Casuar,  Port 
Moresby, 

Wird  zuweilen  auch  ums  Fesselgelenk  getragen  und  ist  ebenfalls  ein  Schmuck, 
der  sich  mehr  im  Westen  findet  und  nur  gelegentlich  von  Motu  benützt  wird. 

C.    Häuser  und  Stedehmgen.') 

Im  Gegensatz  zum  Bismarck-Archipel  (I,  Seite  100)  ist  für  Neu-Guinea  Pfahlbau- 
siyl  ethnologisch  charakteristisch  und  wird  es  auch  für  diese  Küste,  deren  Häuser  aus- 
nahmslos auf  Pfählen  stehen.    Der  Hausbau,  wie  die  Anlage  der  Dörfer  führt  daher  in 


I)  Eine  Busführllche  Darstellung  findet  skh  in  der  Seite  395  citirten  Abhandlung  (Nr.  9),  der  auch 
ic  hier  eingefagten  Clichds  entlehnt  sind,  deren  Wiedergabe  leider  Manches  zu  wOnschen  Übrig  lässt,  die 
bcr  immerhin  eine  bessere  Vorstellung  nls  die  blosse  Beschreibung  geben. 


3i6 


Hr.  O,  Finsch. 


[102] 


unsere  eigene  prähistorische  Zeit  zurück,  die  man  an  diesen  modernen  Pfahlbauten,  so- 
wohl auf  dem  Lande,  wie  im  Wasser  erst  richtig  verstehen  lernt.  Der  Eindruck,  welchen 
Pfahlbauten  machen,  ist  gewöhnlich  kein  sehr  vortheilhafter  und  entspricht  unseren 
Vorstellungen  im  Ganzen  wenig.  Nur  bei  Pfahlhüusern  auf  dem  Lande  handelt  es  sich 
zuweilen  um  »Pfähle«  in  unserem  Sinne,  d.  h,  solide,  etwas  behauene  Stammstiickc. 
In  der  Regel  sind  die  Pfähle  aber  nichts  als  unbehauene,  häutig  schiefe  und  krumme 
Stämmchen,  die,  namentlich  bei  den  im  Wasser  erbauten  Häusern,  meist  zu  dOnn  -er- 
scheinen. Wie  verschieden  aber  auch  diese  meist  primitiven  Bauten  sein  mögen,  stets 

sind  Fleiss  und  Kunstfertigkeit 
^'S-  ^^'  zu  bewundern,  mit  welchen  der 

Mensch  der  Steinzeitsich  Woh- 
nungen schafft,  die  immerhin 
denNamen>Häuser<  verdienen. 
Die  stattlichsten  Häuser  fin- 
den sich  in  Hood-  und  Keppel- 
Bai,  In  dem  Aroma-District  der 
letzteren  ist  Maupa  das  grösste 
Dorf,  vielleicht  das  grösste  an 
dieser  ganzen  Küste,  denn  es 
zählt  an  aSo  Häuser  mit  einer 
Bevölkerung  von  1200— i5oo 
Seelen.  Als  ich  die  niedrige  Dü- 
nenkette überschritt,  welchedas 
Dorf  vom  Strande  aus  verdeckt, 
war  ich  erstaunt,  fast  eine  kleine 
Stadt  vor  mir  zu  sehen.  Denn 
_  ^^^^  einen  solchen  Eindruck  machte 

fe!!!!^']^*^^^  "nBjlijiJ— '    '  ~^         _^    '■      dieser  dichte  und  geregelt  an- 

m:*ti^ittrT.  ■  *ifc«Mi»i>..— L; ... ._. I      gelegte  Complex  von  Häusern, 

deren  hohe,  spitze  Giebel  und 
Grasdächer  (Fig.  26)  an  gewisse 
kleinere,  alte  Landstädtchen  daheim  erinnerten.    Um  das  Bild  vollständig  zu  machen, 
fehlte  nur  ein  alter,  wettergebräunter  Kirchthurm.    Die  Häuser  stehen  mit  der  Giebel- 
front einander  zugekehrt,  zum  Theil  dicht  aneinander  und  bilden  neun  mehr  oder  min- 
„.  der  gerade  Längsstrassen,')  die  durch  eine  Menge 

Quergassen  und  Gässchen  verbunden  sind,  in  denen 
die  Reinlichkeit  nichts  zu  wünschen  lässt.  Die  Häuser 
in  Maupa  stehen  auf  soliden  Pfosten  aus  etwas  be- 
hauenen  Baumstämmen  und  haben  Seitenwändc  von 
Mattcngeflecht,  das  sich  versetzen  lässt. Wie  die  Diele 
besteht  die  Decke  aus  dicken  Planken,  die  zuweilen 
in  bis  8  Cm.  hohen  Kerbzähnen  (Fig.  27)  ausge- 
zimmert sind,  eine  Leistung  filr  Steinäxte,  die  besondere  Anerkennung  verdient.  Von 
der  Diele  führt  eine  schmale  Leiter  auf  den  Bodenraum  oder  Söller,  der  als  Schlaf- 
stelle oder  zum  Aufbewahren  von  Provisionen,  Waffen  u.  dgl.  dient.  In  der  Mitte  der 
Hausdiele  befindet  sich  in  üblicher  Weise  die  Feuerstelle,  mit  einer  Horde  darüber  zum 


Haus  in  Maupa. 


Dcckenvcrzicru  ng. 


1)  Vergl.  i 


.r  Nr.  6  (Seite  295)  citirten  Aufeaiz  n 


n  sehr  anschaulichen  Bilde. 


>'] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belefjstüi 


3,7 


üicbd Schilder  in  Maupa. 


aufbewahren  von  Lebensmitteln.  An  der  einen  Lüngsscite  des  Hauses  läuft  eine  Stel- 
le, auf  der  weiteres  Hausgeräth:  hölzerne  Schüsseln,  Töpfe,  Pandanusblatt  als  Mate- 
rial zu  Manen,  Lebens- 
mittel in  Bananen blätter 
ijingepackt ,  geräucherte 
Kiinguru  sc  hinken  u.  s.  w. 
ihren  Platz  linden.  Die 
vorderen  Pfeiler,  welche 
die  Träger  der  Decke 
bilden,  sind  häufig  tnit 
Schädeln  von  wilden 
Schweinen  verziert,  und  hier  hängen,  sorgfältig  in  Tapa  oder  Cocosblattbust  eingehüllt, 
die  Schilde,  vielleicht  noch  eine  Trommel  oder  dergleichen.  Im  Hause  Goapänas  war 
hier  dessen  mit  einem  cirkelrun- 

dun  Eberhauer  gezierte  Staats-  *'  "^' 

kaic  aufgehangen,  gewiss  ein 
;;uies  Zeugnis s  für  die  Ehrlichkeit 
Act  Bewohner  oder  des  Respec- 
tts  derselben  gegenüber  ihrem 
Hüuptlinge.  Ein  eigenthUnilicher 
Schmuck  der  Häuser  in  Maupa 
lind  die  Verzierungen  der  Giebel- 
sciue  (Fig.  28},  die  zum  Theil 
anWappcnschilder  erinnern  oder 
Jii  die  Pferdeköpfe  an  den  nie- 
Jersächsischen  Bauernhäusern. 
Diese  Gicbelschilder,  Übrigens 
weder  mit  Schnitzerei  noch  Ma- 
lerei versehen,  haben,  nach  mei- 
nen Erkundigungen,  nichts  mit 
Hausmarken  zu  thun,  sondern 
gehören  zu  jenen  Verzierungen, 
»ie  sie  so  häutig  der  Laune  der 
Papuas  entspringen.  Besondere 
durch  Grösse  und  eigene  Bauart 
-lus^e zeichnete  Häuser  gibt  es  in 
Maupa  nicht,  wohl  aber  in  Kcrä- 
funo,  einem  der  grössten  Dörfer 
in  Hood-Bai.  Die  beigegebene 
Stizze(l-"ig.  29)  zeigt  ein  solches 
Haus,  das  sich  durch  einen  an 
10  M.  hohen,  thurmspitzenarti- 
üen  Aufbau  der  Giebelfront  aus- 
zeichnet. Ein  anderes  Haus  war 


it  Thurmspiize  in|^ Kerlpur 


mii  zwei  Thurmspitzen  versehen  und  zeigte  auf  der  Dachfirste  rohe  Puppen  aus  Blatt- 
iJsern,  einen  Mann  und  eine  Frau  darstellend.  Die  Eckpfosten  des  Hauses  sind  solide, 
l>£haücne  Pfähle,  von  denen  einzelne  löS  M,  Umfang  messen  und  bereits  mit  etwas  ein- 
gravirtcr  und  erhabener  Schnitzerei  (Fig.  3o)  verziert.    Auch  die  Enden  der  Träger- 


Dr.  O.  Finsch. 


[■04] 


balken  des  Daches  zelgcQ  solche,  und  zwar  rohe  Darstellungen  von  Crocodtlköpfen. 
Die  Dörfer  der  Koiäri,  welche  ich  im  Innern  von  Port  Moresby  kennen  lernte,  sind 
sehr  klein  und  ärmlich,  wie  die  Häuser  selbst.  Selten  zählt  ein  Dorf  mehr  als  10  bis 
i5  Häuser  und  solche  mit  20  werden  schon  als  grosse  gerechnet.  Die  Eingeborenen 
dieses  Stammes  lieben  es,  sich  auf  zerklüfteten  Felsenbergen  anzusiedeln,  die  eine  natür- 
liche Festung  bilden  und  zuweilen  fast  uneinnehmbar  sind.  Die  Häuser  kleben  hier 
zuweilen  wie  Schwalbennester  an  den  Felsen.  Bei  der  Unebenheil  des  Terrains  sind 
die  Stangen  und  Pfähle,  auf  denen  sie  stehen,  von  sehr  ungleicher  Höhe.  Das  Dach,  aus 
einem  langen,  schilfartigen  Grase,  hängt  tief  an  den  Seiten  herab,  die  wie  die  Hinter- 
und  Vorderseite  aus  gespaltenem  Bambus  oder  Stäben  bestehen. 
8*  ^°'  Von  demselben  Material  ist  die  schwache,  mit  einiger  Vorsicht 

zu  betretende  Diele.  Vor  der  Thür  ist  über  die  ganze  Breite  des 
Hauses  ein  mehr  oder  minder  breiter  Sitz  angebracht,  unterhalb 
desselben  eine  niedrige  Plattform  aus  Brettern   oder  Stangen. 

l-'iS.  3'- 


Holzschnitzerei  ei 
Hauses  in  Keräpuna 


Zuweilen  gehl  mitten  durch  das  Haus  der  Stamm  des  Baumes, 
auf  dessen  Wipfel  das  >Kohoro'i  oder  Baumhaus  gebaut  ist.  So 
heissen  bei  den  Koiäri  und  Koitapu  jene  besondere  Art  kleiner 
Hauser  mit  Vorplatz  und  Diele,  welche  mit  wunderbarer  Ge- 
schicklichkeit im  Gezweige  oder  den  Wipfeln  grosser  Bäume, 
oft  in  5o  Fuss  Höhe  und  mehr,  errichtet  werden.  Sie  dienen 
als  Ausguck  und  Feste,  in  welche  sich  bei  einem  feindlichen  Ueberfalle  die  Bewohner 
des  Dorfes  zurückziehen.  Diese  Kohoros  werden  mittelst  einer  rohen  Leiter  aus  Lianen 
und  Querhölzern  bestiegen,  was  nicht  immer  leicht  ist.  Ini  Innern  enthalten  sie  Ver- 
thcidigungsmaterial,  mächtige  Bündel  Speere  und  grosse  Haufen  Steine,  mit  denen  die 
Angreifer  empfangen  vverden,  aber  auch  eine  Feuerstelle  und  mit  Wasser  gefüllte  Töpfe. 
Eine  besondere  Art  Pfahlbauten  sind  die  im  Wasser  errichteten,  wie  sie  nament- 
lich bei  den  Motu  und  verwandten  Stämmen  vorkommen,  für  welche  diese  Art  Baustyl 
charakteristisch  wird,  wie  für  diese  Küste  überhaupt.  Die  Pfahldörfer  in  Port  Moresby 
säumen  in  einer  langen  Häuserreihe  das  Ufer  in  der  Weise,  dass  sie  bei  Ebbe  auf  dem 
Trockenen,  bei  Fluth  im  Wasser  stehen.    Da  die  letzlere  allen  Schmutz  mit  wegspült, 


:io>] 


Ethnologische  Erfahrungun  und  Belegstücke  ai 


3iq 


Sil  empfiehlt  sich  diese  Art  Baustyt  schon  aus  Reinlichkeits-  und  Gesundheitsrücksichten. 
W'k  die  rohe  Skizze  eines  Hauses  in  Anuapata  (Fig.  3 1)  zeigt,  gehören  die  Pfahihäuser 
dir  Motu  mit  zu  den  primitivsten  Bauten,  und  der  Besitz  eiserner  Werkzeuge,  deren 
sich  gerade  die  Bewohner  von  Port  Moresby  am  längsten  erfreuen,  hat  darin  keinerlei 
Verbesserungen  herbeigeführt. 

Wie  bei  allen  Häusern  der  Steinperiode  sind  Sparrenwerk,  Dach,  überhaupt  alle 
Thiile  des  Hauses  mineist  gespaltenem  Bambu,  Rotang,  Bast  oder  Lianen  verbunden 
■jnJ  befestigt,  wodurch  übrigens  grosse  Haltbarkeit  erzielt  wird.  Fast  alle  PfShIe,  auf 
Jenen  das  Haus  ungefähr  2 — 3  M.  hoch  steht,  sind  ungleich,  zuweilen  krumm  und  auf- 
loliend  dünn,  da  sie  selten  mehr  als  Armdicke  erreichen.  Die  vier  Eckpfahle,  welche 
Hs  unter  das  Dach  reichen,  sind 

sicis  dicker    als   die   übrigen,  Fig.  32. 

nekbe  meist  nur  bis  zur  Diele 
reichen  und  in  ein  Gabelende 
auslaufen,  in  dem  die  Längs- 
irä^er  ruhen. 

Das  Haus  wird  der  Länge 
itjch  von  vier,  in  der  Breite 
lon  drei  Reihen  Pfählen')  ge- 
ira^cn,  die  Diele  von  acht  Quer- 
■ungen;  Balcon  und  Plattform 
n:Iien  ebenfalls  auf  Querstan- 
S^n,  die  auf  Pfählen  stehen. 

Etwas  abweichend  sind 
lit  Pfahldörfer  Tu  pusele,  Kaire 
Kaile  I,  Kapakapa  und  Hula  in 
Hon(l-Bai,die20o — 3oo  Schritt 
Mim  Ufer  auf  CorallrifT  errich- 
m  sind  und  auch  bei  Ebbe  nur 
mit  Canus  erreicht  werden  kön- 
nen. Die  Abbildung  (Fig.  32) 
'■■^'ip.  die  Bauart  eines  solchen 
Plahlhauses,   das    aus   Missver-  Vorderfront  eines  Hauses  in  Kaire. 

'TJndniss  des  Zeichners  leider 

jufs  Trockene  und  auf  viel  zu  kräftige,  dicke  Pfähle  gesetzt  worden  ist.  Die  Häuser  dieser 
permanenten  Wasserdßrfer  besitzen  eine  sehr  breite  Plattform,  da  dieselbe  ja  als  Haupt- 
juienchaltsort  der  Bewohner  dient.  Sie  besteht  aus  Brenern  oder  Stangen,  und  hier  sieht 
man  auch  Schweine  und  die  nie  fehlenden  Hunde;  letztere  sind  im  Erklettern  der 
Leitern  sehr  geschickt.  Die  Häuser  stehen  zuweilen  so  nahe  aneinander,  dass  man  von 
Met  Plattform  auf  die  andere  treten  kann;  meist  sind  sie  aber  etwas  von  einander  ent- 
icrnt  und  dann  durch  sehr  primitive,  leiterähnliche  Stege,  oft  nur  einen  unbehauenen 
Baumstamm  verbunden.  Diese  halsbrecherischen  Stege,  für  Europäer  kaum  prakticabel, 
machen  den  Eingeborenen  keine  Schwierigkeiten.  Nicht  selten  sieht  man  schwangere 
^Wibcr  mit  einem  grossen  Topfe  oder  dergleichen  auf  dem  Kopfe,  ein  Kind  auf  dem 
"ücken,  von  einem  Hause  zum  andern  balanciren.  Kleine  Kinder,  die  noch  nicht  laufen 


||  Die  Abbildung  Fig.  31  steht  damit  im  Widerspruch;  aber  der  Zeichne 
angegeben,  aus  Versehen  aber  die  vielen  kleine 


320 


Dr.  O.  Finsch. 
f  .  


[  I  o( 


können,  spielen  sorglos  am  Rande  der  Plattform,  ohne  dass  sich  die  Mütter  im  Mindeste 
ängstigen,  wie  dies  bei  uns  der  Fall  sein  würde.  Ich  habe  auch  nie  gehört,  dass  ei 
Kind  ins  Wasser  gefallen  und  ertrunken  wäre,  da  sie  ja  ohnehin  sehr  früh  schwifnme 
lernen  und  mit  demWasser  bald  vertraut  werden.  Nicht  selten  sieht  man  Eingeborne  ein 
Schüssel  voll  Essen  auf  einem  Brette  schwimmend  an  ihren  Bestimmungsort  dirigircr 
Wie  die  Skizze  Fig.  33  zeigt,  hat  sich  auch  die  Mission  mit  Schule  und  Kirche  i 
diesen  Pfahldörfern  eingerichtet.  Das  grösste  derselben,  Hula  in  Hood-Bai,  zählt  an  lo 
Häuser,  deren  Bewohner  sich  hauptsächlich  mit  Fischfang  beschäftigen,  aber  auch  Plan 
tagen  auf  dem  Festlande  besitzen.  Hier  liegen  auch  die  eigenthümlichen  galgenartigei 
Gerüste  mit  erhöhter  Plattform,  *Dubu*  genannt,  welche  das  Centrum  der  Festlich 
keiten  bilden.  Fig.  34  gibt  die  Darstellung  eines  solchen  Dubus  in  Tupuselö,  ')  da 
wegen  der  Schnitzerei  der  Pfahlenden  für  die  Baukunst  der  Papuas  dieser  Küste  aJs  be 
sonderes  Kunstwerk  gelten   muss.   Die  Plattform  des  Dubu  dient  als  Ehrenplatz   fü 

Häuptlinge  und  andere  hervorra 


Fig.  33. 


0 


w  w  w  w  W  W  w 

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QOOö 


Plan  des  Pfahldorfes  Kaire. 


gende  Männer,  sowie  für  die  Le 
bensmittel,  welche  selbstredenc 
bei  den  Festen  eiije  Hauptrolle 
spielen.  An  den  Querstangen  der 
Dubus  werden  auch  die  sorg- 
fältig geputzten  und  verzierten 
Schädel  erschlagener  Feinde  als 
Trophäen  aufgehangen,  wovon 
ich  an  dem  in  Maupa  allein 
neunzehn  zählte.  —  Dubus  in 
der  abgebildeten  Form  scheinen 
hauptsächlich  von  Keppel-Bai 
bis  Port  Moresby  üblich,  kom- 
men aber  in  letzterer  Localität 
selbst  nicht  mehr  vor. 

Die  Mission  hat  die  »heid- 
nischen Feste«  ohnehin  sehr  bc.- 
schränkt,  und  die  wenigen  festlichen  Belustigungen  werden  auf  dem  breiten  Sandufer 
vor  den  Dörfern  abgehalten.    Die  Dubus  versehen  in  diesem  Theile  der  Küste  die  Ver- 
sammlungs-  oder  Tabuhäuser  der  Männer,  wie  sie  im  Westen  (Maiva,  Eläma  und  weiter 
westlich)  vorkommen  und  überall  in  Neu -Guinea,  wie  Melanesien  überhaupt,  in  Ge- 
brauch sind.    Chalmers^)  beschreibt  einige  dieser  Häuser  von  ungewöhnlicher  Länge 
(bis  200  Fuss)  und  erklärt  sie  für  »Heidentempel«,  weil  sich  zuweilen  Holzschnitzereien 
von  menschlichen  Figuren,  Crocodilen  u.  s.  w.  darin  vorfinden.  Aber  was  er  im  Uebrigen 
von  diesen  Dubus  sagt,   beweist  deutlich,  dass  sie  Versammlungshäuser  der  Männer 
sind,  in  welchen  diese  zum  Theil  schlafen,  ihre  Feste  feiern  und  Fremde  empfangen, 
ganz  wie  ich  dies  an  der  Nordostküste  Neu-Guineas  fand.    Das  isolirte  grössere  Haus 
in  Deräni  (Deleni),  welches  ich  (Abhandlung  Nr.  9,  Seite  4)  beschrieb,  gehört  eben- 
falls zu  diesen  Tabuhäusern. 

Ackerbau  bildet  auch  für  die  Bewohner  dieser  Küste  die  Hauptquelle  des  Unter- 
haltes und  der  Ernährung  und  bezieht  sich  auf  dieselben  Producte  als  im  Bismarck- 

1)  Chalmers  (»Pioneering  in  New  Guinea«,  Seite  VIll)   bildet  ein   anderes   der  vier  Dubus  in 
Tupusel^  ab  mit  der  Bezeichnung  »heathen  temple«. 

2)  »Pioneering  in  New  Guinea«,  Seile  3,  40,  50,  52,  59,  66  und  180. 


['•7] 


Eihnologilche  Erfahrunfien  und  BelegstQcke  aus  der  Südsee. 


331 


Archipel  (I,  Seite  loo).   Doch  kommen  mehr  als  dort  Fischerei  und  Jagd  ftlr  gewisse 
Gebiete  zur  Geltung. 

Die  Urbarmachung  und  Bearbeitung  des  Bodens  geschieht  ohne  besondere  Werk- 
zi'uge.  Die  Männer  besorgen  die  grobe  Arbeit,  das  Fällen  und  Roden  der  Bäume  (zum 
Thcilc  mit  Hilfe  von  Feuer),  wobei  die  grossen  Stämme  liegen  bleiben,  bis  sie  verwittern, 
während  die  Weiber  das  Land  vollends  klären  und  den  Boden  umgraben.  Dies  ge- 
scliiehi  in  sehr  primitiver  Weise  mittelst  eines  zugespitzten  Stockes,  der  das  Erdreich 
nur  sehr  oberflächlich  auflockert.  Die  Pflanzungen  erfordern  viel  Mühe  und  Arbeit, 
nnrunter  das  Einzäunen  derselben  nicht  die  geringste  ist,  um  sie  gegen  die  VerwtU 

Fig.  34. 


siungen  der  Wildschweine  (und  Kängurus)  zu  schützen.  Der  Aufbau  der  Zäune  ge- 
schieht vorzugsweise  durch  die  Münner,  während  die  Frauen  das  Ausjäten  des  Unkrautes 
^:sorgcn.  Sache  der  Männer  ist  es  dagegen  wiederum,  Stangen  für  die  rankenden  Jams- 
prianzen  und  Pfähle  für  die  Bananen  zu  schaffen,  .\uch  müssen  die  jungen  Fruchtbündel 
■ier  Bananen,  wie  später  die  reifenden  Früchte  derselben,  gegen  die  Verheerungen  der 
Ugel  (namentlich  Papageien)  und  fliegenden  Hunde  geschützt  werden,  die  sonst  grossen 
Schaden  anrichten.  Es  werden  daher  in  den  Plantagen  besondere^ Hünen  und  kleine 
Häuser  errichtet,  in  welchen  die  Familien  während  der  Erntezeit  wohnen.  Um  Ueber- 
ijUen  feindlicher  Nachbarn  zu  begegnen,  ziehen  die  Münner  stets  bewaffnet  nach  den 
l'lantagen,  die  fast  ausnahmslos  weitab  von  den  Dörfern  liegen. 


322  Dr.  O.  Finsch.  [lo8] 

Steile  Abhänge  sind  bevorzugte  Localitäten  zur  Anlage  von  Pflanzungen,  nament- 
lich bei  den  Bergbewohnern  des  Innern. 

Ausser  Brotfrucht  und  Sago  (Rabia),  welcher  für  einige  Gebiete  Neu-Guineas, 
namentlich  die  Küsten  von  Freshwater-Bai  von  Bedeutung  und  selbst  ausgeführt  wird, 
kommen  nur  wenige  wildwachsende  Früchte,  meist  nussartige,  aber  alle  nur  unter- 
geordnet als  Nahrungsmittel  in  Betracht.  Wie  in  ganz  Melanesien,  werden  alle  Speisen, 
sowohl  vegetabilische  als  animalische,  nur  in  gekochtem  Zustande  genossen. 

Die  obige  Skizzirung  des  Ackerbaues  ist  in  den  Grundzügen  für  ganz  Melanesien 
massgebend.  Doch  finden  sich  locale  Abweichungen.  So  sind  z,  B,  die  Bewohner  von 
Port  Moresby,  wegen  der  Armuth  des  Bodens,  auf  Zufuhren  von  auswärts  angewiesen 
und  müssen  sich  in  Zeit  von  Mangel  mit  Surrogaten  von  wenig  Nährstoff,  z.  B.  den 
nur  durch  Maceration  geniessbaren ,  pflaumengrossen  Früchten  von  Cycas  und  Man- 
grove,  grünen  Stämmen  der  Banane  u.  s.  w.  nähren. 

Hausthiere  in  unserem  Sinne  gibt  es  nicht.  Die  einzigen  Thiere  welche  gezähmt 
gehalten  werden,  sind  Wildschweine  (wovon  Neu-Guinea  zwei  eigenthümliche  Arten: 
Sus  papuensis  und  Siis  niger  Finsch,  Proc.  Zool.  Soc,  London,  1886,  pag.  217,  besitzt) 
und  Hunde,  letztere  eine  eigenthümliche  kleine,  dingoartige  Rasse,  welche  nicht  bellt, 
sondern  nur  heult.  Beide  Arten  Thiere  werden  mit  grosser  Liebe,  hauptsächlich  von 
den  Weibern  aufgezogen,  die  sie  nicht  selten  an  ihren  Brüsten  im  Verein  mit  Kindern 
säugen.  Nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  kommen  Schweine  und  Hunde  auf  die  Tafel; 
Fleischnahrung  bildet  also  im  Leben  der  Papuas  nur  die  Ausnahme.  Kleinere  Säuge- 
thiere,  wie  Cuscus,  Beuteldachse  (Perameles),  fliegender  Hund  (Pteropus),  werden 
gerne  gegessen,  nicht  minder  Crocodile  und  grosse  Schlangen.  Läuse  und  Flöhe  sind, 
wie  in  der  ganzen  Südsee,  eine  beliebte  Leckerei.  Haushühner  sieht  man  nicht  selten, 
aber  stets  vereinzelt  um  die  Häuser  der  Eingeborenen.  Sie  sind  halbverwildert,  zeitigen 
ihre  Jungen  im  Busch  und  werden  hauptsächlich  der  Federn  wegen  gehalten,  da  Hahnen- 
federn, namentlich  weisse,  als  Kopfputz  der  Männer  allen  anderen  vorgezogen  werden. 
Zu  gleichem  Zweck,  nämlich  der  F'edern  wegen,  hält  man  gewisse  Papageienarten  ge- 
zähmt, vorzüglich  Kakatus  (Cacatua  Triton)  und  Edelpapageien  (Eclectus  polychlorus), 
denen  man  die  Federn  ausrupft;  vor  Allem  sind  die  gelben  Haubenfedern  des  Kakatu 
beliebt. 

D,    Geräthschaften  und  Werkzeuge. 

Hausrath  in  Form  von  Kisten,  Kasten  und  Derartigem  fehlt,  und  die  wenigen 
Habseligkeiten  (vergl.  Seite  3 17)  werden  in  Blätter  oder  Bast  (Tapa)  eingehüllt,  oder 
auf  besonderen  Stellagen  und  Horden  im  Innern  der  Hütte  oder  auf  dem  Vorplatze  auf- 
gehangen.   Ein  eigenthümliches  Geräth  im  Haushalte  der  Motu  ist  der 

Ikini  (Nr.  1 87,  i  Stück),  Wiegenhalter.  Port  Moresby.  Derselbe  besteht  aus  einer 
Scheibe  von  Cocosnussschale,  an  welcher  ein  Strick  zum  Aufhängen  befestigt  ist.  An 
diese  Cocosnussscheibe  wird  nun  das  Tragband  eines  weitmaschigen  Tragbeutels  (z.  B. 
ähnlich  Nr.  186)  aufgehangen,  welcher  als  Wiege  dient.  Das  Kind  liegt  in  derselben 
gekrümmt,  mit  eingezogenen  Beinen,  und  wird  in  solchen  Beuteln  auch  von  der  Mutter 
auf  der  Wanderung  mitgeschleppt. 

Kopfunterlagen,  aus  Holz  geschnitzt,  sogenannte  Kopfkissen  (wie  Taf.  XVIII  [10], 
Fig.  I  —  3),  kommen  an  diesem  Theil  der  Küste  nicht  vor,  aber  im  Westen  (Fresh- 
water-Bai). 

Nicht  so  ärmlich  als  in  Bezug  auf  Hausrath  ist  es  mit  KochgeräthSChafien  be- 
stellt, und  darin  überragen  die  Bewohner  dieser  Küste,  wie  Neu-Guineas  überhaupt,  die 


j'ioq]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  323 

des  Bismarc k- Archipel  bei  Weitem.  Während  man  dort  ohne  Wasser  kocht,  bedient  man 
sich  in  Neu-Guinea  überall  Töpfe,  deren  Fabrikation  dem  Papua  Neu-Guineas  allein 
schon  eine  höhere  Stufe  der  Gesittung  anweist. 

Die  Art  der  Nahrungsmittel  haben  wir  bei  Ackerbau  (Seite  3 20),  Jagd  und  Fischerei 
■  Seite  333)  kennen  gelernt  und  daraus  ersehen,  dass  auch  die  Bewohner  dieses  Theiles 
Neu-Guineas  vorzugsweise  Vegetarianer  sind.  Das  Kochen  wird  von  beiden  Geschlech- 
tern verstanden  und  besorgt  und  kein  Salz  dabei  gebraucht.  Letzteres  ist  aber  bei  den 
Bewohnern  des  Innern  (Koiäri)  sehr  beliebt  und  gilt  bei  denselben  als  besondere  Leckerei, 
die  man  sich  jedoch  nur  selten  verschaffen  kann.  Salz  bildet  daher  für  jene  Gebiete  ein 
willkommenes  Tauschmittel. 

Mit  Ausnahme  der  wenigen  Missionsstationen,  wo  sich  bereits  Zündhölzer  Eingang 
verschafft  haben,  ist  Feuerreiben  noch  gang  und  gäbe. 

Die  Methode,  Feuer  zu  reiben,  wie  ich  sie  bei  den  Koiäri  im  Innern  von  Port 
Moresby  sah,  ist  ganz  verschieden  von  der  in  Neu- Britannien  (I,  Seite  102).  Das  Haupt- 
instrument, Newäta  genannt,  ist  ein  kurzes,  von  der  Rinde  entblösstes  Aststück,  an  einem 
tnde  längsgespalten  und  mittelst  eines  eingeklemmten  Steinchens  klaffend  gehalten. 
Der  Eingeborene  nimmt  eine  Handvoll  trockenes  Gras,  reibt  es,  ballt  es  zusammen  und 
legt  es  unter  das  Holzstück,  auf  welches  er  mit  den  Füssen  tritt,  um  es  festzuhalten. 
Mit  einem  langen  Streifen  gespaltenen  Bambus,  Ana  genannt,  das  durch  den  klaffenden 
Spalt  gesteckt  wird,  fängt  er  nun  an,  mittelst  Hin-  und  Herziehen  zu  reiben,  wodurch 
häutig  schon  in  3o  Secunden  das  Gras  in  Brand  geräth.  Den  Ana  trägt  jeder  Eingeborene 
bei  sich,  Holz  findet  sich  überall,  da  jedes  trockene  Stück  genügt. 

Weitere  unentbehrliche  Requisiten,  welche  sich  in  dem  Tragbeutel  jedes  Mannes 
tinden,  sind  die  folgenden  Stücke: 

Pako  (Nr.  922,  923,  2  Stück),  meisselartiges  Instrument  aus  Knochen  (meist  vom 
Schwein),  das  zum  Schaben  und  Aufbrechen  dient.   Port  Moresby. 

Bedi  (Nr.  62,  63,  64,  3  Stück),  Löffel  mit  Stiel  aus  Cocosnussschale.  Port  Moresby. 

Diese  Löffel  sind  zuweilen  mit  hübschen,  eingravirten 'Mustern,  die  mit  Kalk  ein- 
uerieben  werden,  verziert  und  zählen  mit  zu  den  besten  Kunstleistungen  der  Motu. 

Eigentliche  Gabeln  fehlen,  doch  werden  nicht  selten  die  (Seite  307)  erwähnten 
Kobi  als  solche  benützt,  sowie  auch  Pfriemen  aus  Känguruknochen  (Dinika,  Nr.  42). 

Zum  Schneiden  von  Fleisch  und  festerer  Speisen  bedient  man  sich  scharfkantiger 
Bambuleisten  oder  Muschelschalen.  Als  Stampfer  werden  passende  Steine,  Muninga, 
benutzt,  die  zuweilen  etwas  bearbeitet  sind,  ausnahmsweise  sogar  Querrillen  zeigen. 

Wie  überall  in  der  Südsee,  gebraucht  man  als  Behälter  für  Trinkwasser: 

Bio  (Nr.  70,  I  Stück),  eine  Cocosnussschale.   Port  Moresby. 

Diese  Art  Gefässe  sind  im  Port  Moresby-District  zuweilen  mit  einfachen  Rand- 
vcrzicrungen  versehen;  in  anderen  Küstengegenden,  z.  B.  Aroma  sah  ich  ausserordent- 
lich kunstvoll  in  Reliefarbeit  verzierte  Cocosschalen. 

Die  Bergbewohner  im  Innern  von  Port  Moresby  bedienen  sich,  da  die  Cocos- 
palme  hier  nicht  mehr  vorkommt,  langer  Bamburohre  als  Wasserbehälter,  aus  denen 
zugleich  auch  getrunken  wird,  was  für  den  Unkundigen  allerdings  mit  Schwierigkeiten 
verknüpft  ist. 

Ein  weiterer  Fortschritt  im  Haushalt  der  Papuas  dieser  Küsten  wird  durch  Holz- 
schüsseln bekundet,  von  welchen  die  folgende  Nummer  eine  Probe  gibt: 

Dihu  (Hood-Bai-Sprache,  Nr.  79,  i  Stück),  länglich-ovale  Holzschüssel  (36  Cm. 
lang)  mit  etwas  Randverzierung.  Hula  in  Hood-Bai.  Eigenthümlich  in  der  Form.  Diese 
Art  HolzsohQsseln  werden  nicht  in  Port  Moresby,  sondern  in  Hood-Bai  (namentlich 


324  Dr.  O.  Finsch.  [uo] 

Hula  und  Keräpuno)  und  weiter  östlich  gefertigt,  wo  sie  die  Stelle  der  aus  Thon  ge- 
brannten vertreten  und  zugleich  einen  Handelsartikel  bilden. 

In  der  Gewerbskunde  bildet  Töpferei  für  gewisse  beschränkte  Gebiete  einen  be- 
deutenden Fabrikationszweig  und  eines  der  wichtigsten  Tauschmittel  für  den  Handel 
und  den  Verkehr  der  Stämme  untereinander.  An  der  Südostküste  Neu-Guineas  wird 
Töpferei  nur  von  Hall-Sund,  und  zwar  dem  Dorfe  Deräni  (Deläni)  gegenüber,  Jule- 
Insel  (Laval),  bis  etwa  nach  Keppel-Bai  östlich  betrieben,  aber  nirgends  so  lebhaft  als 
in  Port  Moresby,  welches  den  Centralpunkt  für  die  Töpferei  dieser  Küste  bildet. 

Dabei  mag  bemerkt  sein,  dass  dieses  Gewerbe  ausschliessend  vom  weiblichen  Ge- 
schlecht betrieben  wird,  das  dadurch  einen  wesentlichen  Antheil  am  Wohlstande  nimmt. 

Die  Sammlung  gibt  eine  schone  Darstellung  dieses  Gewerbszweiges,  vom  Material 
bis  zum  fertigen  Fabrikat. 

Das  Material  ist  sorgfältig  gereinigter  und  zubereiteter  Lehm,  *Raro€y  von  welchem 
folgende  Sorten  unterschieden  werden: 

Rare  koroto  (Nr.  92,  i  Probe),  hellfarbiger  Lehm,  welcher  das  Hauptmaterial  bildet; 

Rare  duba  (Nr.  gS,  i  Probe),  dunkelfarbiger  Lehm; 

Rare  kaka  (kaka  =  roth,  Nr.  94,  i  Probe),  rother  Lehm. 

Der  mit  Wasser  geschlemmte  und  sorgfältig  geknetete  Lehm  wird  mit 

Rario  (Nr.  91,  i  Probe),  feinem  Sand,  gemengt  und  damit  zur  Verarbeitung 
fertig.  Die  Töpferei  ist  eine  wegen  ihrer  Einfachheit  höchst  interessante,  da  bei  der- 
selben nur  zwei  Instrumente  angewendet  werden :  ein  flacher,  runder  Stein,  Nadi^  von 
circa  6  Cm.  Durchmesser,  und 

Japatu  (Nr.  96,  i  Stück),  hölzerner,  flacher,  peitsahenförmiger  Schlägel,  circa 
25  Cm.  lang,  am  Ende  10  Cm.  breit. 

Die  Frau  macht  eine  Kugel  aus  Lehm,  die  sie  mit  den  Fingern  ausweitet  und 
dann  vollends  mittelst  Stein  und  Schlägel  zu  einem  Topfe  formt.  Indem  sie  mit  der 
linken  Hand  den  Stein  an  die  Innenseite  hält,  treibt  sie  mit  dem  Schlägel  in  der  Rechten 
die  Lehmmasse  in  der  gewünschten  Form  aus;  die  Arbeit  ist  also  gewissermassen  eine 
getriebene.  Die  Geschicklichkeit  und  das  scharfe  Augenmass  verdienen  hierbei  ganz 
besonders  Bewunderung,  wie  die  Erzeugnisse  der  Töpferei  in  der  That  eine  beachtens- 
werthe  Culturstufe  bekunden.  Ich  habe  öfters  die  Oeffnung  fertiger  Töpfe  mit  dem 
Cirkel  nachgemessen  und  die  tadelloseste  Kreisform  gefunden.  Bei  dem  sehr  oberfläch- 
lichen Brennprocess  verwerfen  sich  die  Töpfe  leicht.  Das  Brennen  geschieht,  indem  um 
die  fertigen,  im  Schatten  getrockneten  Töpfe,  vielleicht  4— 6  Stück,  leicht  brennbares 
Feuerungsmaterial  (trockene  Blätter,  Rinde,  kleine  Aeste  u.  dgl.)  angehäuft  und  dieses 
angezündet  wird.  Die  Töpfe  werden  während  des  Brennens,  das  circa  1 5  Minuten  er- 
fordert, mit  einer  langen  Pincette  aus  Bambu  gewendet,  damit  alle  Seiten  möglichst  in 
Gluth  kommen,  dann  aus  dem  Feuer  genommen  und  noch  glühend  mit  Arara,  d.  h. 
einem  Absud  von  Mangroverinde  in  Seewasser,  bespritzt  und  bestrichen.  Sie  werden 
hierauf  nochmals  auf  kürzere  Zeit  (10  Minuten)  einem  heftigen,  hellen  Feuer  ausgesetzt 
und  sind  dann  fertig. 

Die  folgenden  Nummern  repräsentiren  Proben  der  Töpferkunst  von  Port  Moresby: 

Hodu  (Nr.  86,  i  Stück),  Wassertopf; 

Kaiwa  (Nr.  87,  i  Stück),  Kochtopf; 

Oburo  (Nr.  88,  i  Stück),  Napf; 

Nao  (Nr.  89,  i  Stück),  Schüssel. 

Die  zwei  vorzüglichsten  Topfsorten,  welche  namentlich  auch  für  den  Tausch- 
handel fabricirt  werden,  sind  erstens  Hodu,  Wassertöpfe,  fast  kugelförmig,  mit  enger 


[t  1 1]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  325 

OefTnung,  nur  so  weit,  um  die  Hand  der  Töpferin  einzulassen  (wie  Nr.  86),  besser 
gebrannt,  3o — 40  Cm.  Durchmesser,  und  zweitens  Uro,  Kochtöpfe,  mit  weiter  Oeffnung 
(18 — 23  Cm.  weit);  sie  gleichen  ganz  Nr.  87  (Kaiwa  oder  Kaike),  nur  sind  sie  meist 
grösser  und  ohne  den  breiten  Rand.  Bei  der  Benützung  werden  den  Töpfen  Steine 
untergelegt,  um  sie  vor  dem  Umfallen  zu  sichern. 

Schüsseln  und  Näpfe  (wie  Nr.  88  und  89)  sind  im  Ganzen  wenig  im  Gebrauch, 
ebenso  jene  ungeheuren  Gefässe  in  L^ro-Form,  Tohä  genannt,  welche  zum  Aufbe- 
wahren von  Sago,  Arrowroot  u.  s.  w.  benutzt  und  wegen  ihrer  Zerbrechlichkeit  meist 
in  Rohr  eingeflochten  werden.   Ich  mass  einen  solchen  Tohä  von  1-41  M.  Umfang. 

Geschickte  Töpferinnen  erringen  sich  ein  Renomm^,  das  weithin  bekannt  ist  und 
ihren  Fabrikaten  besondere  Nachfrage  verschafft.  Es  ist  daher  bei  den  Weibern  in  Port 
Moresby  Brauch,  ihre  Töpfe  mit  einem  besonderen  Zeichen,  Igeri  genannt,  zu  versehen, 
Zeichen,  die  wir  meist  als  Anfänge  von  Ornamentik  ansprechen,  die  aber  in  der  That 
Handels-  oder  Schut*zmarken  bedeuten. 

In  der  Nr.  2  citirten  Abhandlung  (Seite  295)  habe  ich  eine  ausführliche  Beschrei- 
bung der  Töpferei  in  Port  Moresby  gegeben. 

Flechtarbeit  ist  bei  den  Bewohnern  dieser  Küste  nur  sehr  schwach  entwickelt 
und  beschränkt  sich  auf  gröberes  Mattenwerk  aus  Cocos-  oder  Pandanus-Blatty  welches 
zu  Segeln  oder  Schlafmatten  benutzt  wird.  Eine  Probe  solcher  Flechtarbeit  gibt  die 
folgende  Nummer : 

Gähda  (Nr.  1 1 3,  i  Stück),  flaches  viereckiges  Täschchen.  Port  Moresby.  Dient 
zum  Aufbewahren  kleiner  Geräthschaften  des  täglichen  Gebrauchs  (Schneidemuscheln, 
Knochenmeissel,  Betelnüsse  etc.)  und  wird  von  den  Männern  im  Tragbeutel  mitgeführt. 

Ein  nicht  selten  benutztes  Naturproduct  ist : 

Nudu  (Nr.  265,  I  Probe),  bastartiges  Gewebe,  welches  an  der  Basis  des  Blattes 
der  Cocospalme  wächst.  Keräpuno,  Hood-Bai. 

Aus  diesem  Material  werden  namentlich  im  Maiva-District  von  Freshwater-Bai 
und  in  Hood-Bai  Beutel  und  Säcke  genäht;  auch  wird  dasselbe  zum  Einhüllen  besserer 
Gegenstände,  wie  Schilde  u.  dgl.,  verwendet,  und  die  Motumotu  verfertigen  die  kolos- 
salen Segel  ihrer  Canus  aus  diesem  Stoffe. 

Gegenüber  der  geringen  Entwicklung  von  Flechtarbeiten  stehen  Strickarbeiten 
in  Filetmanier  in  hoher  Blüthe,  und  die  Erzeugnisse  dieser  Handfertigkeit  ersetzen  die 
Körbe,  wie  sie  z.  B.  in  Neu-Britannien  (I,  Seite  102)  allgemein  gebraucht  werden. 

Die  Weiber  der  Motu  und  anderer  Stämme  an  der  Südwestküste,  welche  allein 
das  Tragen  von  Lasten  besorgen^  an  welches  sie  schon  von  frühester  Jugend  gewöhnt 
werden,  bedienen  sich  dazu  Tragbeutel  oder  Säcke  (Kiapa)  von  oft  bedeutender  Grösse. 
Sie  schleppen  darin  die  Erzeugnisse  der  Plantagen,  Feuerholz,  Wasser  in  Töpfen  (Hodu), 
Kinder,  ganz  in  der  Weise,  wie  dies  in  Neu-Britannien  geschieht  (I,  Seite  102).  Wie 
bedeutend  der  Einfluss  dieses  beschwerlichen  Geschäftes  unbeschadet  der  Gesundheit 
sein  kann,  zeigt  der  Abguss  einer  alten  Motufrau  meiner  Sammlung  von  Völkertypen 
iNr.  164),  an  deren  Vorderkopf  man  deutlich  den  Eindruck  des  Tragbandes  fühlen  kann. 

Die  Männer  bedienen  sich  meist  kleinerer  Tragbeutel  (671,  Seite  326)  welche  auf 
der  Schulter  getragen  werden,  indem  der  eine  Arm  durch  das  Tragband  gesteckt  wird. 

Besondere  Verzierungen  und  Schmuck  der  Tragbeutel  sind  mir  an  dieser  Küste 
Neu-Guineas  nicht  vorgekommen. 

Das  Material  zu  den  Strickarbeiten  ist : 

Aaaalen  des  L  k.  oaturhistorischen  Hofmuseumsi  Bd.  III,  Heft  4,  1HK8.  24 


320  Dr.  O.  Finsch.  [112" 

Lakv^a  (Nr.  140,  i  Probe),  d.  h.  die  durch  Klopfen  zubereitete  Faser  einer  auf 
der  Erde  rankenden,  grossblättrigen  Schlingpflanze,  derselben,  welche  überall  in  Neu- 
Guinea  und  dem  Bismarck-Archipel  (vergl.  I,  Seite  107)  als  Hauptmaterial  benutzt  wird. 

Aus  diesem  Material  bereitet  man : 

Lakwa  (Nr.  145,  i  Probe),  Bindfaden,  indem  die  fein  gespaltene  Faser,  mit 
Speichel  angefeuchtet,  auf  dem  Schenkel  gedreht  wird,  ganz  in  ähnlicher  Weise,  als  wie 
dies  die  Samojeden  und  Ostiaken  mit  Renthiersehne  auf  der  Backe  thun. 

Sowohl  Männer  als  Weiber  sind  geschickt  in  der  Anfertigung  des  Bindfadens,  wie 
Strickarbeiten,  zu  denen  man  sich  einer  Art  Filetnadel,  Diwdy  ähnlich  der  unseren  be- 
dient, sowie  des: 

Geborre  (Nr.  162,  2  Stück),  Maschenmass.  Port  Moresby.  Dieses  Geräth  besteht 
aus  schmalen,  flachen  Stücken  Schildpatt  (Geborre)  von  verschiedener  Grösse  (6  bis 
1 1  Cm.  lang,  25  Mm.  bis  4  Cm.  breit),  welche  die  Weite  der  Maschen  bestimmen. 

Die  folgenden  Nummern  zeigen  das  fertige  Fabrikat  in  den  beiden  gebräuch- 
lichsten Formen: 

Kiapa  (Nr.  672,  i  Stück),  Tragbeutel  der  Frauen  (49  Cm.  breit,  29  Cm.  hoch) 
in  hübschem  Grecmuster.  Port  Moresby. 

Waiina  (Nr.  671,  i  Stück),  Tragbeutel  der  Männer;  wie  vorher,  aber  kleiner, 
buntgemustert.  Port  Moresby. 

Genussmittel  sind  dieselben  als  im  Bismarck-Archipel  (I,  Seite  102)  und  auch 
hier  ist  Betel,  die  Frucht  einer  Arecapalme,  das  beliebteste,  und  zwar  für  beide  Ge- 
schlechter. Diese  schöne  Palme  zeitigt  grosse,  traubenförmige  Bündel  einer  grünlichen 
oder  gelben  Frucht  von  der  Grösse  einer  Mirabelle,  welche  in  einer  faserigen  Hülle 
einen  muscatnussgrossen  Kern,  die  eigentliche  Betelnuss,  enthält.  Zum  Aufbrechen  der 
äusseren  Hülle  bedient  man  sich  eines  kurzen  Knochenmeissels(Pj/co,  Seite  323),  welchen 
jeder  Mann  in  seinem  Tragbeutel  mit  sich  führt.  Die  Betelnuss  hat  einen  säuerlichen 
Geschmack,  wirkt  zusammenziehend  auf  das  Zahnfleisch  und  wird  mit  pulverisirtem, 
aus  Corallen  gebranntem  Kalk  (Ahu)  und  Blättern  oder  Früchten  einer  rankenden 
Pfefferpflanze  zusammen  gegessen.  Betel  wirkt  erfrischend,  aber  in  keiner  Weise  be- 
täubend oder  berauschend.  Betel  färbt  Lippen,  Zunge  und  Zähne,  sowie  den  Speichel 
roth,  bei  längerem  Gebrauch,  ohne  Reinigung,  die  Zähne  braun  bis  schwarz.  In  Port 
Moresby  wo  die  Betelpalme  nur  in  beschränkter  Zahl  wächst,  sind  Betelnüsse  ein  be- 
liebter Tauschartikel,  der  namentlich  mit  der  Sagoflotte  aus  dem  Westen  (Motumotu) 
angebracht  wird.  Betel  gilt  hier,  wie  überall,  auch  als  Friedens-  und  Freundschafts- 
zeichen. 

Zum  Betelgenuss  bedarf  man  in  Neu-Guinea  gewisser  Requisiten,  nämlich  eines 
Behälters  zum  Aufbewahren  des  Kalkes  und  sogenannter  Kalklöffel.  Letztere  haben 
keine  Aehnlichkeit  mit  Löffeln,  sondern  sind  vielmehr  lange,  spateiförmige  Instrumente 
aus  Holz  oder  Bein,  deren  meist  etwas  abgeflachte  Spitze,  im  Munde  angefeuchtet,  in 
den  Kalk  gesteckt  und  dann  abgeleckt  wird.  Beide  Arten  Geräthschaften  werden  in 
gewissen  Gebieten  Neu-Guineas  reich  verziert,  und  wir  werden  kunstvoll  geschnitzte 
Kalkspatel  von  der  Ostspitze  kennen  lernen.  Von  hier  aus  gelangen  solche  Spatel  zu- 
weilen bis  Port  Moresby,  wo  sie  sehr  gesucht  sind,  da  die  Motu  wenig  Kunstfleiss  be- 
sitzen und  sich  mit  geringeren  Erzeugnissen  begnügen,  wie  sie  die  Sammlung  in  den 
folgenden  Nummern  zeigt : 

Ahu  (Nr.  8g8,  i  Stück),  Kalkcalebasse  aus  Flaschenkürbis.  Port  Moresby.  (Taf.XIX 
[11],  Fig.  2);  das  dunkle  Muster  ist  eingebrannt.   Als  Spatel  dient  ein  19  Cm.  langes, 


fi  i31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  327 

dünnes,  rundes  Stöckchen  von  Palmholz  mit  einigen  roh  eingeschnittenen  Absätzen  am 
Basistheile. 

Eni  (Nr.  917,  i  Stück),  Kalkspatel,  aus  einem  19  Cm.  langen  schmalen  Stück 
Knochen.  Port  Moresby. 

Eni  (Nr.  918),  wie  vorher,  21  Cm.  lang,  am  Ende  etwas  geschnitzt.  Port  Moresby. 

Nächst  dem  Betel  bildet  Tabak  (Kuku)  bei  Männern  wie  Frauen,  Alt  und  Jung 
ein  fast  unentbehrliches  Genussmittel.  Die  Tabakspflanze  ist  ohne  Zweifel  auch  an  dieser 
Küste  Neu-Guineas  eigenthUmlich,  und  ihre  Cultur  wurde  längst  vor  Ankunft  der  Euro- 
paer in  der  Weise  betrieben,  wie  ich  dies  noch  bei  den  Koiäri  im  Innern  und  ander- 
wärts an  der  Küste  sah.  An  den  Missionsstationen  hat  sich  bereits  amerikanischer 
Stangentabak  (I,  Seite  102)  eingeführt  und  ist  im  Verkehr  das  beliebteste  Tauschmittel 
geworden,  ja  hat  an  manchen  Orten,  wie  z.  B.  Port  Moresby,  den  eingebornen  Tabak 
gänzlich  verdrängt.  Dagegen  haben  sich  europäische  Tabakspfeifen  keinen  Eingang 
verschafit,  sondern  man  bedient  sich  allgemein  des : 

Baubau  (Nr.  980,  i  Stück),  Rauchgeräth,  bestehend  aus  einer  1*4  M.  langen 
Röhre  aus  Bambu,  an  der  einen  Seite  offen,  an  der  anderen  vor  dem  Ende  mit  einem 
kleinen  Loche;  mit  eingebranntem  und  eingravirtem  Muster.  Maiva-District. 

Dieses  eigenthümliche  Rauchgeräth  ist  an  der  ganzen  Südostküste  Neu-Guineas, 
von  Torres-Strasse  bis  Ost-Cap,  gebräuchlich  und  für  dieses  Gebiet  charakteristisch. 
Der  Gebrauch  ist  folgender :  Der  in  eine  kleine  Düte  aus  Baumblatt  gestopfte,  grob  zer- 
pflückte Tabak  wird  in  die  kleine  Oeffnung  des  Baubau  eingesetzt  und  nun  mit  dem 
Munde  am  breiten,  offenen  Ende  gesogen,  bis  die  Röhre  voll  Rauch  ist.  Dann  nimmt 
man  das  Dütchen  heraus,  hält  die  Endöffnungen  zu  und  saugt  aus  dem  kleinen  Loche 
den  Rauch  ein.  Jeder  nimmt  ein  paar  Züge  und  gibt  den  Baubau  seinem  Nachbar, 
worauf  das  Vollsaugen  der  Röhre  aufs  Neue  beginnt.  Diese  Rauchmethode  hat  eine 
ausserordentlich  starke  Wirkung,  wird  trotzdem  aber  schon  von  Kindern  leidenschaftlich 
geübt.  Die  schönsten  Baubau  kommen  aus  Fr esh water- Bai  und  sii\d  durch  ihre  reichen 
Verzierungen  in  zierlichen  eingebrannten  oder  eingeritzten  Mustern  oft  beachtenswerthe 
Producte  papuanischen  Kunstfleisses. 

Werkzeuge.  Mit  Ausnahme  von  Port  Moresby,  wo  Steinäxte  bereits  gänzlich  ab- 
gekommen und  durch  eiserne  verdrängt  wurden,  hat  die  Steinaxt  in  diesem  Theile 
Neu-Guineas  noch  ihr  altes  Recht  behalten,  ja  wird  an  gewissen  Plätzen  theilweise  noch 
gebraucht,  wo  man  bereits  eiserne  Werkzeuge  reichlich  besitzt. 

Die  Steinklingen  stimmen  mit  solchen  aus  Neu-Britannien  (Taf.  2,  Fig.  1,2)  überein, 
wie  die  der  folgenden  Reihe : 

Ira  {IIa,  Nr.  9,  8  Stück),  Steinklingen  in  verschiedenen  Grössen  (9 — 13  Cm. 
lang  und  4*  3 — 10  Cm.  breit)  von  Port  Moresby. 

Ira  (Nr.  11,  3  Stück)  noch  unfertige  Steinklingen,  um  Material  und  Bearbeitung 
zu  zeigen.  Port  Moresby. 

Eine  schmälere  (bis  circa  3  Cm.  breite)  Sorte  Steinklingen,  die  übrigens  ganz  so 
wie  die  grossen  geschaftet  wird,  heisst : 

Godi  (Nr.  1 1,  3  Stück),  Steinmeissel  (Taf.  XX  [12],  Fig.  3).  Port  Moresby. 

Mit  diesen  kleinen  Steinäxten  werden  feinere  Arbeiten  ausgeführt.  Aber  Ira  und 
CoJf  gehen  so  ineinander  über,  dass  die  Eingeborenen  häufig  selbst  beide  Formen  nicht 
zu  unterscheiden  wissen. 

Fertige  Steinäxte  zeigen  die  folgenden  Nummern  : 

Ira  (Nr.  iSa,  i33,  2  Stück),  Steinäxte  gewöhnlicher  Sorte,  von  Redscar-Bai  (etwas 
westlich  von  Port  Moresby).  Schon  diese  gewöhnlichen  Aexte  zeichnen  sich  gegenüber 

24* 


328 


Dr.  O.  Fin»ch. 


["4] 


den  in  Neu-Britannien  gebräuchlichen  (Taf.  IV  [2],  Fig.  3)  durch  sorgfältigere  Schäftung 
aus,  die  zuweilen  zu  einer  sehr  kunsrvollen  wird,  wie  in  der  folgenden  Nummer : 

Ira  (Nr.  i3i,  1  Stück),  Steinaxt  schwerster  Sorte  mit  Holzstiel,  von  Kapakapa  bei 
Round-head,  nahe  Port  Moresby.  Der  hölzerne  Stiel  (a)  (vergl.  Fig.  35),  Harara,  ist 
aus  einem  passenden  knieTörmigen  AststUck  hergestellt  und  an  dieses  die  Steinklinge 
(b)  mittelst  eines  feinen  GeHechtes  (Ijxha)  von  gespaltenem  Rotang  (c)  befestigt.  \\"k 
bei  den  meisten  Steinäxten  steht  die  Schürfe  der  Klinge  quer  zum  Stiel,  also  ganz  wie 

bei  den  Aexten  der  SchilTs- 
zimmerleute.  Es  gibt  Stein- 
äxte in  den  verschiedensten 
Grössen  und  Dicken,  darunter 
so  schwere,  dass  sie  mit  bei- 
den Händen  geführt  werden 
müssen. 

Eine  besondere  Art  Stein- 
axt heisst  in  Hood-Bai: 

Lachela{Nr.i3o,i  Stück). 
Steinaxt  mit  drehbarer  Klinge 
von  Keräpuno  in  Hood-Bai. 
Diese  Art  Steinäxte  finden 
sich  nur  in  dem  genannten 
Districte  und  üorfe,  das  sich  vorzugsweise  mit  Canubau  beschäftigt.  Ich  selbst  sah  hier 
noch  1882  Eingeborene  mit  diesen  Steinäxten  zimmern,  obwohl  sie  gute  amerikanische 
eiserne  Aexte  neben  sich  liegen  hatten.  Die  in  einem  besonderen  EinsatzstUck  {vergl. 
Fig.  36,  b)  befestigte  Steinklinge  (e)  ist  nämlich  drehbar  und  kann  in  verschiedener 

Richtung     verstellt     werden, 
^'^■^^-  was   namenüich    beim    Aus- 

höhlen der  Canu  sich  als  sehr 
praktisch  erweist. 

Die  charakteristische  Eigen - 
thümlichkeit  dieser  Art  Stein- 
äxte flndet  sich  an  gewissen 
Localitäten  der  Nordostküste 
wieder  (vergl.  Nr.  124  von 
Finschhafen),  was  von  hohem 
Interesse  ist. 

Die  Keräpunoleute  besitzen 
auch  Steinäxte  der  gewöhn- 
lichen Form  (wie  Nr.  i32), 
welche  hier  ^Kanapi'  hcissen.  Die  Arbeit  mit  Steinäxten  geht  viel  flotter,  als  man 
glauben  sollte.  Aexte  mit  halbcirkelförmigcn  Klingen  von  Terebra  und  Mitra  (vergl.  '< 
Seite  ]36)  habe  ich  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  nicht  gesehen,  wie  Überhaupt  keine 
Muschelklingen. 

Dagegen  Bndet  sich  ein  anderes  eigenthUmlichcs  Werkzeug  : 

Ibudu  (Nr.  35,  1  Stück),  Drillbohrer  mit  Feuerstein  spitze.  Port  Moresby.  Wird 
mittelst  des  Querholzes  in  eine  quirlende  Bewegung  gesetzt  und  zum  Bohren  kleiner 
Löcher  benutzt.    Für  gewöhnlich  bedient  man  sich  zum  Bohren  auch  spitzer  Muschel- 


Luc  heia.  Steinaxt  V 


[i  i3l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  32Q 

stucke,  wie  z.  B.  der  Arme  von  Pteroceras-MuschdUy  doch  kommt  Bohren  im  Ganzen 
wenig  in  Anwendung. 

Ein  weit  verbreitetes  Werkzeug  ist  die : 

Iri  (Nr.  38,  i  Stück),  Raspel,  aus  einem  Stückchen  Bambu  mit  Rochenhaut  über- 
zogen. Port  Moresby.  Mit  solchen  Raspeln,  die  in  Port  Moresby  übrigens  mehr  und 
mehr  abkommen  und  durch  Glasscherben  Ersatz  finden,  werden  die  feineren,  mit  Stein- 
und  Muschelsplittern  angefertigten  Arbeiten,  namentlich  Schnitzereien  und  Gravirungen 
geglättet. 

Dinika  (Nr.  42,  4  Stück),  Pfriemen  aus  Känguruknochen.  Port  Moresby.  Dienen 
bei  Flechtarbeiten  zum  Löcherstechen  und  werden  auch  als  Gabel  benutzt,  um  festere 
Speisen  (Fleisch)  aus  dem  Topfe  zu  holen. 

WafTen  und  Wehr.  Feuerwaffen  sind  bis  jetzt  an  dieser  Küste,  wie  in  Neu-Guinea 
überhaupt,  nicht  in  Gebrauch  bei  den  Eingeborenen,  die,  im  Gegensatz  zu  den  Neu- 
Briianniern  von  Blanche-Bai,  sich  noch  vor  Gewehren  und  deren  Knalle  fürchten.  Der 
Grund  für  diese  erfreulichen  Verhältnisse  liegt  darin,  das  ausser  gelegentlichen  Tripang- 
Hschern  keine  Händler  an  dieser  Küste  dauernd  Fuss  fassten,  sondern  nur  die  Mission. 
Und  diese  hat  natürlich  Alles  gethan,  um  den  Verkauf  von  Waffen  zu  verhindern,  wie 
sie  selbst  niemals  mit  solchen  den  Eingeborenen  strafend  gegenübertrat.  Im  Vergleich 
mit  dem  blutigen  Vergeltungskriege  der  Wesleyanischen  Mission  in  Neu -Britannien 
(1880)  verdient  diese  echt  christliche  Handlungsweise  der  Londoner  Gesellschaft  ehren- 
volle Anerkennung. 

Die  gebräuchlichste  und  allgemein  verbreitete  Waffe  ist,  wie  fast  überall,  der  Wurf- 
speer, wozu  in  gewissen  Gebieten  noch  Bogen  und  Pfeil  kommen.  Schleuder  und  Stein 
\  I,  Seite  I  o5)  sind  mir  in  diesem  Gebiet,  wie  in  Neu-Guinea  überhaupt  nicht  vorgekommen. 

a,  Geschosse: 

I-o  (Nr.  716,  I  Stück),  Wurfspeer  von  Palmholz  (255  Cm.  lang),  glatt,  am  Fuss- 
ende  sehr  schmal,  gewöhnliche  Form.   Port  Moresby. 

I-o  (Nr.  717,  1  Stück),  desgl.,  mit  fünf  Kerbsägezähnen  an  der  Spitzenkante;  daher 

I-o  (Nr.  7 1 8,  I  Stück),  desgl.,  mit  acht  Kerbzähnen.   Port  Moresby. 

I-o  (Nr.  719,  I  Stück),  desgl.  (267  Cm.  lang),  mit  zahlreicheren,  ganz  verschie- 
vlcnen  Zahnkerben  an  der  einen  Seite  des  kantigen  Spitzentheiles,  vor  der  Spitze  ein 
Ring  aus  Merischenhaar.   Port  Moresby. 

I-o  (Nr.  720,  I  Stück),  desgl.  (267  Cm.  lang),  mit  neun  Doppelreihen  Kerbzähnen 
an  jeder  Kante  des  an  einer  Seite  abgeflachten  Spitzentheiles.    Kaire. 

I-o  (Nr.  721,  722,  2  Stück),  schwere  Wurfspeere  (253  und  257  Cm.  lang),  mit 
Jrei,  respective  fünf  Kerbzähnen  an  der  einen  Kante  der  Spitze.    Kaire. 

I-o  (Nr.  723,  I  Stück),  sehr  schwerer  und  langer  Wurfspeer  (3o6  Cm.  lang),  mit 
Kerbzähnen  wie  vorher.    Kaire. 

Die  vorliegende  Reihe  repräsentirt  die  hauptsächlichsten  Formen  dieser  Waffe, 
wie  sie  nicht  nur  bei  den  Motu,  sondern  überhaupt  an  dieser  Küste  gebräuchlich  ist. 
Die  Verzierung  des  Spitzentheils  mit  Säge-  und  Kerbzähnen  (nicht  eigentlichen  Wider- 
haken) ist  sehr  verschieden  und  dient  mehr  der  Ausschmückung  als  praktischen  Zwecken. 
Charakteristisch  für  diese  Verzierung  scheint,  dass  der  seitlich  etwas  abgeflachte,  daher 
euvas  kantige  Spitzentheil  meist  nur  an  der  einen  Kante  mit  Säge-  oder  Kerbzähnen 
versehen  ist.  Zuweilen  ist  eine  Seite  der  Spitze  abgeflacht  (wie  Nr.  720),  der  Spitzen- 
iheil  erscheint  daher  etwas  dreikantig.  Diese  Speere  werden  mit  dem  Arm  geworfen 
und  bilden  für  die  Motu,  wie  die  meisten  Bewohner  des  Innern  wie  der  Küste,  die 


33o  Dr.  O.  Finsch.  ['  '6] 

gebräuchlichste  und  fast  einzige  Waffe.   Sie  dient  vorzugsweise  beim  Kampf,  aber  auch 
bei  der  Jagd  auf  Känguru  und  Wildschweine. 

Bogen  und  Pfeil  sind  keine  allgemein  üblichen  Waffen  und  wie  überall  in  Mela- 
nesien auf  gewisse,  oft  engbegrenzte  Gebiete  beschränkt.  An  der  Südostküste  findet 
sich  diese  Art  Geschosse  nur  im  Westen,  von  Maiva  an  längs  den  Küsten  von  Fresh- 
water-Bai  und  des  Papua-Golfes,  woher  sie  von  den  Motu  eingetauscht  wird,  die  mit 
dieser  Waffe  nur  schlecht  umzugehen  verstehen.  Die  Bewohner  des  Innern,  wie  die 
Stämme  östlich  von  Port  Moresby,  sind  unbekannt  mit  Pfeil  und  Bogen. 

Päwa  (Nr.  789,  i  Stück),  Bogen  (188  Cm.  lang)  aus  dem  Holz  der  ßetelpalme 
(Boatau)  mit  Sehne  (Maura)  aus  einem  circa  i  Cm.  breiten  Streifen  aus  gespaltenem 
Rotang.  Eläma-District;  hier  »i4/?o<  genannt,  bei  den  Maiva  »//owmc  Die  kürzesten 
Bogen,  welche  ich  mass,  hatten  r6o  M.  Länge,  die  längsten  massen  über  2*3o  M. 

Diba  (Nr.  790 — 795,  6  Stück),  Pfeile  aus  Rohr,  das  Spitzendrittel  aus  Hartholz 
mit  verschiedenartigen,  meist  seichten  Einkerbungen.  Eläma;  bei  den  Maiva  »P^Ari«, 
bei  den  Motumotu  i^ Parität  genannt. 

Die  Bewohner  von  Freshwater-Bai,  namentlich  die  Motumotu,  sind  sehr  geschickte 
Bogenschützen  und  bedienen  sich  dieser  W^affe  meist  beim  Kampfe.  Die  Länge  der 
Pfeile  variirt  von  circa  i  —  i^j  M->  wovon  circa  ein  Drittel  auf  den  hölzernen  Spitzen- 
theil kommt.  Die  Pfeile  sind  gewöhnlich  glatt,  ohne  besonderen  Schmuck.  Häufig  ist 
die  Spitze  schwarz  oder  roth  bemalt,  zuweilen  mit  eingravirten  einfachen  Mustern  ver- 
ziert. Pfeile  mit  tief  eingeschnittenen  Kerbzähnen,  oft  nur  an  einer  Kante,  die  also 
eigentliche  Widerhaken  bilden,  sind  im  Ganzen  selten,  die  Pfeile  daher  weit  minder 
gefährlich  als  die  der  Salomons-Inseln  (vergl.  I,  Seite  149)  und  in  gewissen  Gebieten 
der  Nordküste  Neu-Guineas  (vergl.  Nr.  821). 

Eine  besondere  Art  Pfeil  zeigt  die  folgende  Nummer: 

Matanika-Diba  (Nr.  796,  i  Stück),  Pfeil  (i5i  Cm.  lang)  von  dünnem  Rohr,  mit 
27  Cm.  langer  und  circa  3  Cm.  breiter,  lanzettförmiger,  sehr  scharfrandiger  Spitze  aus 
Bambu.  Eläma.  ^KairU  der  Motumotu. 

Diese  Art  Pfeile,  welche  sich  überall  in  Neu-Guinea  wiederfindet,  soll  hauptsäch- 
lich zur  Jagd  von  Känguru  benützt  werden.  Der  rothe  Farbanstrich  dient  hauptsäch- 
lich dazu,  das  Auffinden  der  verschossenen  Pfeile  zu  erleichtern.  Auch  diese  Art  Pfeile 
gelangt  häufig  durch  Tausch  aus  dem  Westen  nach  Port  Moresby. 

Im  äussersten  Westen  an  den  Mündungen  des  Fly  und  anderer  Flüsse  werden 
die  Bogen  nicht  aus  Holz,  sondern  aus  Bambu  verfertigt;  die  Sehne  ebenfalls  aus  ge- 
spaltenem Rotang.  Solche  Bogen  finden  ihren  Weg  durch  Tausch  bis  auf  die  Inseln 
der  Torresstrasse.  Die  Pfeile  zu  diesen  Bogen  weichen  in  nichts  ab,  wie  die  folgende 
Nummer  zeigt: 

Pfeil  (Nr.  797,  I  Stück)  aus  Rohr  mit  glatter  Spitze  aus  gehärtetem  Holz.  Insel 
Saibai. 

Diese  Pfeile  gewinnen  dadurch  ein  besonderes  Interesse,  dass  sie  vergiftet  sein 
sollen,  aber  weder  in  diesem  Gebiet,  wie  in  ganz  Melanesien  überhaupt  konnte  bisher 
Pfoilgift  oder  überhaupt  Vergiften  der  Pfeile  auf  zuverlässiger  wissenschaftlicher 
Grundlage  nachgewiesen  werden.  Das  Vergiften  soll  in  der  Weise  geschehen,  dass  man 
die  Pfeilspitzen  in  einen  verwesenden  Leichnam  steckt;  das  Gift  selbst  wäre  also 
Leichengift.  So  wird  von  verschiedenen  Seiten,  z.  B.  dem  Missionär  Mac  Farlane, 
behauptet,  aber  Niemand  hat  das  Vergiften  selbst  gesehen.  Die  Eingeborenen  von  Saibai 
erzählten  mir  die  gleiche  Geschichte  und  warnten  mich  sehr  vor  den  gefährlichen 
Spitzen  dieser  Pfeile,  die  sie  selbst  mit  Scheu  betrachteten.    Die  Saibaileute  stehen  im 


f]  i-r1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  33 1 

Tauschverkehr  mit  den  Eingeboreaen  der  Küste,  besonders  denen  an  der  Mündung 
des  Katauflusses,  von  denen  sie  auch  Pfeil  und  Bogen  erhalten.  Die  Männer  des  Mavvat- 
stammes  am  Katau  tauschen  diese  Waffen  aber  wiederum  von  den  Bewohnern  weiter 
im  Innern  ein,  und  diese  sollen  es  nun  sein,  welche  das  Vergiften  der  Pfeile  besorgen, 
Jas  bei  genauer  Nachfrage  keiner  der  Saibaimänner  mit  eigenen  Augen  gesehen  hatte. 

Bekanntlich  wird  das  Vergiften  der  Pfeile  für  die  Neu-Hebriden  allgemein  als 
zweifellos  angenommen,  und  der  betrauernswerthe  Fall  von  Commodore  Goodenough 
als  Beweis  angeführt.  Sicher  ist,  dass  der  Genannte  in  Folge  eines  Pfeilschusses  an 
Tetanus  starb,  aber  es  wurde  nicht  ausgemacht,  ob  dieser  Pfeil  vergiftet  war.  Ich  erhielt 
in  Mioko  von  einem  direct  aus  den  Neu-Hebriden  kommenden  Schiffe  Pfeile,  deren 
Spitze  mit  irgend  einem  Stoffe,  im  Aussehen  wie  getrocknetes  Blut,  beschmiert  war  und 
der,  wie  mir  versichert  wurde,  tödtliches  Gift  sein  sollte.  Experimente  mit  diesem  Gifte 
ergaben  das  Gegentheil.  Der  Giftstoff  wurde  sorgfältig  abgekratzt  und  Hühnern  ein- 
l^eiinpft,  welche  keinerlei  Symptome  zeigten  und  sich  nach  der  Operation  ebenso  wohl 
befanden  als  vor  derselben. 

Ganz  ebenso  erwies  sich  ein  anderes  Gift  einer  Pflanze,  ^Tuha^  genannt,  vor  dem 
man  mich  in  Port  Moresby  Seitens  der  weissen  Missionäre  warnte.  Nach  deren  Aus- 
sagen sollten  die  Eingeborenen  die  Bereitung  dieses  Giftes  in  raffinirter  Weise,  um 
schnell  oder  langsam  zu  tödten,  verstehen  und  sogar  eingeborene  Lehrer  (Teacher) 
damit  vergiftet  haben.  Ich  liess  das  Gift  von  den  Eingeborenen  unter  meiner  Aufsicht 
bereiten  und  experimentirte  damit  an  Hunden,  bei  denen  es  keine  andere  Wirkung  als 
Erbrechen  hervorbrachte. 

Ein  nothwendiges  Requisit  (\ts  Bogenschützen  ist  das  folgende: 

Aukorro  (Nr.  38o,   i  Stück),  breite  Handmanschette,  aus  gespaltenem  Rotang 

j;criochten.  Maiva.  Wird  am  Fesselgelenk  der  linken  Hand  getragen  zum  Schutz  gegen 

den  Rückschlag  der  scharfen  Bogensehne. 

b.  Schlag-  und  Hauwaffen.  (Keulen). 

Karevira  (Nr.  754,  i  Stück),  schwere,  i85  Cm.  lange,  flache  Keule  aus  Palmholz. 
Port  Moresby 

Diese  Art  lattenförmiger,  schwerer  Keulen,  bis  über  2  M.  lang,  sind  besonders  bei 
den  Motu  gebräuchlich. 

Karevtra  (Nr.  752,  i  Stück),  1 32  Cm.  lange,  flache  Holzkeule,  unten  verbreitert,  mit 
rundlichem  Stiel  und  etwas  eingravirtem  Muster  verziert.   Kaire. 

Diese  Art  Keulen,  bei  den  Motumotu  »Poht:[i<i  genannt,  repräsentiren  die  ge- 
wöhnlichste Form,  welche  sich  überall  ähnlich  wiederfindet.  Die  eingravirten  Ver- 
zierungen sind  selten  reich  und  bewegen  sich  meist  in  sehr  einfachen  Mustern. 

Zu  den  hervorragendsten  Waffen  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  gehören  die  mit 
durchbohrtem  Steinknauf  bewehrten  Keulen,  welche  nur  in  den  Palau  (I,  Seite  106, 
Taf.  2,  Fig.  5,  6)  im  Gebiete  von  Blanche-Bai  in  Neu-Britannien  in  ähnlicher  Weise  sich 
wiederholen.  Diese  in  der  Form  verschiedenen  und  eigenthümlichen  Steinkeulen,  die 
Ott  sehr  kunstvoll  ausgearbeitet  und  bis  12  Cm.  lang  durchbohrt  sind,  finden  sich  haupt- 
sachlich im  Westen  (Freshwater-Bai).  Sie  sollen  hier  von  den  Küstenbewohnern  selbst 
angefertigt  werden,  da  diese  keinen  Verkehr  mit  denen  des  Innern  haben.  In  Port 
Moresby  und  der  Nachbarschaft  macht  man  keine  Steinkeulen,  sondern  tauscht  sie  von 
den  Bergbewohnern  des  Innern,  in  der  Richtung  des  Owen-Stanley  und  des  Astrolabe- 
Gebirges,  hauptsächlich  dem  Stamme  der  Koiäri,  ein.  Ausser  den  im  Nachfolgenden 
t>€schriebenen  Formen  gibt  es  noch  solche  in  Triangelform  und  in  Gestalt  von  fünf- 


332  Dr.  O.  Finsch.  [x,8] 

bis  achtarmigen  Sternen,  die  zuweilen  mit  bewundernswerther  Accuratesse  gearbeitet 
und  wohl  das  Schönste  von  Steingeräthen  der  Steinzeit  sind. 

Das  Bohrloch  dieser  Keulen  wird  sicher  nicht  mittelst  Tropfen  von  Wasser  auf 
den  glühend  gemachten  Stein  (vergl.  I,  Seite  io6),  sondern  durch  Klopfen,  und  zwar 
in  der  Weise  hergestellt,  dass  man,  nachdem  die  äussere  Form  im  Rohen  hergestellt  ist, 
an  beiden  Seiten  beginnt.  Man  bedient  sich  dazu  eines  Steines,  der  härter  ist  als  der 
Stein,  aus  welchem  die  Keule  gemacht  wird.  Wie  Fig.  8,  a,  Taf.  XX  [12]  zeigt,  ist  das 
Bohrloch  oben  weiter  und  verjüngt  sich  konisch  nach  der  Mitte  zu.  Die  innere  Fläche 
dt^  Bohrloches  wird  dann  mittelst  Schleifen  geglättet,  durch  letzteres  auch  die  äussere 
Form  hergestellt,  eine  Arbeit,  die  ungeheure  Geduld  und  viel  Zeit  erfordert. 

Die  Verbreitung  dieser  bewundernswerthen  Waffen,  die  in  Port  Moresby  nicht 
mehr  vorkommen  und  bald  ganz  verschwunden  sein  werden,  scheint  sich  östlich  kaum 
weiter  als  Keppel-Bai  zu  erstrecken.  Anderwärts  habe  ich  Steinkeulen  nirgends  in  Neu- 
Guinea  angetroffen. 

Gahi  (Nr.  757,  i  Stück),  Steinkeule  (Taf.  XX  [12],  Fig.  6)  vom  Astrolabe-Gebirge. 
Ein  circa  70  Cm.  langer  Stock,  an  dem  eine  flache,  runde,  scharfkantige  Steinscheibc 
(?  Basalt)  von  14  Cm.  Durchmesser  und  16  Mm.  Dicke  (Fig.  6,  a)  befestigt  ist.  Gewicht 
55o  Gramm.  Diese  Form  ist,  weil  am  leichtesten  anzufertigen,  die  häufigste.  Gewöhn- 
lich beträgt  der  Durchmesser  10  Cm.,  die  grösste  von  mir  gemessene  hatte  i8  Cm. 
Diameter. 

Gahi  (Nr.  758,  i  Stück),  Steiniteule  (Taf.  XX  [12],  Fig.  7),  Inneres  von  Port 
Moresby,  mit  5  Cm.  tief  durchbohrtem  Stein  (?  Basalt)  in  Form  eines  vierarmigen 
Morgensternes.  Gewicht  460  Gramm.  Der  Stock  ist  am  oberen  Ende  mit  Federbüschel 
(gelbe  Kakatuhauben federn  und  rothe  f'c/ecfw^-Schwanzfedern)  verziert,  wie  dies  häufig 
geschieht.  Diese  Form  ist  weit  seltener  als  die  vorhergehende  und  findet  sich  bei  den 
Bergvölkern  im  Innern  von  Port  Moresby. 

Gahi  (Nr.  759,  i  Stück),  Steinkeule  (Taf.  XX  [12],  Fig.  8)  von  Keräma  in  Fresh- 
water-Bai,  in  der  für  dieses  Gebiet  charakteristischen  Form  des  Steinknaufs,  der  zehn 
vierreihig  übereinanderstehende,  gerundete  Buckel  zählt  und  dadurch  in  der  Gestalt  an 
gewisse  Seeigel  erinnert  (Gewicht  600  Gramm).  Das  Bohrloch  hat  eine  Tiefe  von  circa 
7  Cm.  und  ist  (Fig.  8,  a)  in  der  Mitte  verengt.  Das  Material  ist  anscheinend  ein  grober 
Basalt. 

Gahi  (Nr.  756,  i  Stück),  Steinkeule  (Taf.  XX  [12],  Fig.  9)  vom  Astrolabe-Gebirge, 
mit  kugelförmigem,  glatten  Steinknauf,  der  bei  einem  Querdurchmesser  von  8'/2  Cm. 
in  der  Längsachse  circa  7  Cm.  (Fig.  9  bis  a)  durchbohrt  ist  (Gewicht  65o  Gramm).  An 
der  einen  Seite  ist,  wahrscheinlich  in  Folge  von  Aufschlagen  auf  einen  Stein,  ein  Stück 
ausgesprungen,  welches  unebene  Bruchfläche  zeigt.  Das  Material  ist  von  den  vorigen 
verschieden  und  ein  gemengtes  Gestein,  das  an  Granit  erinnert  und  der  näheren  Unter- 
suchung werth  scheint.  Der  Stock,  an  welchen  dieser  Knauf  gesteckt  ist,  hat  eine  Länge 
von  circa  i'25  Cm.  Diese  Form,  welche  am  meisten  mit  den  Palau  von  Neu-Britan- 
nien  (1,  Seite  106)  übereinstimmt,  ist  äusserst  selten,  und  es  sind  mir  nur  wenige  Stücke 
vorgekommen.  Die  Sammlungen  in  der  Colonial-Exhibition  in  London  (1886)  ent- 
hielten nur  ein  derartiges  Stück. 

c,  Stichhandwaffen  sind  mir  an  dieser  Küste  nur  aus  dem  Gebiete  von  Fresh- 
water-Bai  bekannt,  und  zwar  Dolche  aus  Kasuarknochen,  bei  den  Motumotu  *Haurai< 
genannt.  Sie  stimmen  ganz  mit  solchen  von  der  Nordküste  (vergl.  Nr.  787  vom  Sechs- 
strohfluss)  überein,  sind  aber  glatt,  ohne  eingravirte  Muster. 


Tiiq]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  333 

l  Wehr  (Schilde). 

Käs  (Nr.  834,  i  Stück),  Schild  aus  Holz  (Taf.  XXIV  [i6],  Fig.  6),  mit  feingespal- 
tenem Rotang  überflochten  und  reichem  Federnschmuck  (hauptsächlich  aus  rothen 
Federn  des  Weibchens  von  Eclectus  polychlorus),  Keräpuno  in  Hood-Bai;  hier  i^Geh* 
genannt. 

Diese  schon  in  der  Form  eigenthümlichen  Schilde  sind  nur  von  Hood-  bis  Keppel- 
Bai  verbreitet  und  für  dieses  Gebiet  charakteristisch.  Die  feine  Umstrickung  mit  Rotang- 
gertecht  dient  hauptsächlich  zur  grösseren  Haltbarkeit,  da  das  weiche  Holz  sonst  sehr 
leicht  durch  einen  kräftigen  Speer  zerschmettert  wird. 

Eine  andere  Form  zeigt  die  folgende  Nummer: 

Käs  (Nr.  835,  i  Stück)  (Schild,  Taf.  XXIV  [i6],  Fig.  4),  ganz  aus  Holz,  mit 
reichem,  vertieft  gearbeitetem  Muster,  das  mit  weisser,  schwarzer  und  rother  Farbe 
;iusgeschmiert  ist.    Kerräma  in  Freshwater-Bai ;  hier  »Lana*  genannt. 

Diese  Art  Schilde  sind  für  den  Westen  (Maiva-  und  Eläma-Districte)  eigenthümlich 
und  namentlich  durch  die  sehr  verschiedene,  äusserst  schwungvolle,  vertiefte  Schnitz- 
arbeit ausgezeichnet,  welche  mit  zu  den  besten  mit  Stein-  und  Muschelwerkzeugen  ver- 
tcrtigten  Kunstarbeiten  zählt.  Der  rechtwinklige  Ausschnitt  am  oberen  Rande  wird 
für  die  Form  dieser  Schilde  charakteristisch  und  ist  für  den  linken  Arm  freigelassen, 
Ja  der  Schild  an  dem  an  der  Rückseite  befestigten  Bande  (Fig.  4  a)  über  die  linke 
Schulter  getragen  wird. 

e.  Besondere  Waffen. 

Ein  sehr  eigenthümliches  und  in  seiner  Art  einzig  dastehendes  Kriegsgeräth 
ist  der: 

Kora  (Nr.  828,  829,  2  Stück),  Menschenfänger,  bestehend  aus  einem  langen  Stock, 
der  in  eine  Spitze  ausläuft  und  in  einen  weiten  Ring  aus  Bambu  gebogen  endet  (vergl. 
viic  gute  Abbildung,  Fig.  4,  in  der  unter  Nr.  5  citirten  Abhandlung,  Seite  295).  Hula, 
Hood-Bai. 

Dieses  merkwürdige  Geräth  ist  nur  im  Hood- Bai -District  und  dessen  Nachbar- 
schaft üblich  und  dafür  eigenthümlich,  soll  sich  aber  auch  im  Westen  (Fresh water-Bai) 
finden,  wo  es  bei  den  Motumotu  *Ssäwape<^  heisst.  Der  Kora  wird  dem  fliehenden 
Feinde  über  den  Kopf  geworfen,  der  durch  den  Stachel  zum  Stillstehen  gebracht,  viel- 
leicht getödtet  wird.  Aber  kein  Weisser  hat  wohl  je  dieses  Geräth  wirklich  in  Anwen- 
dung gesehen,  und  Bilder  wie  die  aufregende  Scene  bei  Chalmers  (»Work  and  adven- 
lures  in  New  Guinea«,  Titelbild)  sind  eben  nichts  als  Darstellungen  irgend  eines  Zeich- 
ners, der  »Life  in  New  Guinea«  nur  nach  seiner  Phantasie  kennt.  *) 

Jagd  kommt  nur  untergeordnet  und  für  gewisse  Zeiten  in  Betracht  und  wird 
Hauptsächlich  von  den  Bergbewohnern  des  Innern,  den  Koiäri  betrieben;  eigentliche 
Jägerstämme  fehlen.  Pfeil  und  Bogen  werden  zur  Jagd  kaum  benutzt,  noch  eher  der 
Speer  zur  Erlegung  von  Wildschweinen  (Boroma)  und  Kängurus  (Makani)y  welche 
nebst  Casuaren  (Gockgock)  die  hervorragendsten  jagdbaren  Thiere  bilden.  Zur  Zeit, 
wenn  das  dürre  Gras  angezündet  wird,  finden  systematische  Jagden,  Treibjagden,  statt, 
bei  denen  man  sich  grosser  Stellnetze,  »  Waro<y  bedient,  in  welche  das  Wild  getrieben 
und  hier  mit  Speeren  und  Keulen  getödtet  wird.  Es  kommt  hierbei  noch  ein  beson- 
deres Jagdgeräth  in  Anwendung: 

*)  Die  sonderbaren  Schamschürzen  dieser  Krieger  beweisen  dies  allein  schon. 


334  Dr.  O.  Kinsch,  [l2o] 

Ora  (Nr.  83o,  i  Stück),  Schweinefänger,  bestehend  in  einem  länglichrunden  Reif 
aus  Barabu,  der  mit  einem  Netz  aus  dicken  Stricken  überzogen  ist,  ähnlich  einem  grossen 
Fänger  beim  Federballspiel.    Keräpuno  in  Hood-Bai. 

Dieses  Geräth  wird  dem  im  Stellnetz  gefangenen  oder  mit  Speeren  verwundeten 
Wildschwein  über  den  Kopf  geworfen,  damit  es  sich  im  Netz  verwickelt  und  somit  am 
Beissen  verhindert  ist.  Man  benützt  es  auch  zum  Fange  der  gezähmten  Schweine,  indem 
man  eine  solche  Ora  über  dasselbe  wirft,  wodurch  es  sich  in  dem  Netzwerk  verwickelt 
und  so  zum  Fall  kommt.  Im  Gebiet  von  Port  Morc'sby  sind  die  Koitapu  eifrige  Jäger 
und  geschickt  im  Aufspüren  kleinen  Wildes,  wie  Beuteldachse  (Perameles)^  Cuscus 
(Phalangista)y  des  »Migu«  (Echidna  Lawesi)  u.  A.,  die  als  grosse  Leckerbissen  gelten. 
Die  Motu  bekümmern  sich  weniger  um  die  Jagd  der  genannten  Thiere,  da  sie  ohnehin 
reichlich  Schweine  züchten,  betreiben  dagegen  dtn  ¥ds\g  des  »Ruioder  Lui«  (Halicore 
australis),  eines  grossen  Meeressäugethieres,  mit  Vorliebe.  Sie  stellen  dazu  kolossale 
Netze  aus  dickem  Tauwerk  im  Meere  auf,  die  schon  unter  Beobachtung  gewisser  Tabu- 
formen gestrickt  werden,  wie  später  solche  beim  Fange  selbst  herrschen. 

Fallenstellen  ist  unbekannt,  aber  die  Bewohner  des  Innern  wissen  Paradiesvögel') 
(Paradisea  Raggiana)  in  Schlingen  zu  berücken.  Während  der  Fortpflanzungszeit 
pflegen  sich  nämlich  die  männlichen  Paradiesvögel  auf  gewisse  Bäume  zu  versammeln 
und  auf  besonderen  kahlen  Aesten  derselben  ihre  Balztänze  aufzuführen.  Auf  diese 
Aeste  legen  dann  die  Eingeborenen  Schlingen,  in  welche  sich  die  Vögel  mit  den 
Füssen  fangen. 

Fischerei  wird  überall  von  den  Küstenstämmen  lebhaft  betrieben,  und  zwar  vor- 
zugsweise mit  Netzen,  wie  die  folgenden: 

Räke  (Nr.  166,  167,  2  Stück),  Fischnetze  kleinerer  Sorte,  mit  Schwimmern  (Uhto) 
aus  leichtem  Holz  oder  Baummark  und  Senkern  (Kiri)  von  durchbohrten  Muscheln 
(meist  Area),    Port  Moresby. 

Das  Stricken  der  Netze  geschieht  in  derselben  Weise  als  bei  uns  und  ist  aus- 
schliessend  Arbeit  der  Männer,  die  dabei,  wo  es  sich  um  besonders  grosse  Netze,  wie 
z.  B.  zum  Fange  des  Dugong  handelt,  unter  gewissem  Tabu  stehen,  unter  Anderem 
während  der  Zeit  nicht  sprechen  dürfen. 

In  einigen  Gegenden,  wie  z.  B.  in  Hood-  und  Keppel-Bai,  hat  sich  die  Fischerei 
zu  einem  Gewerbe  ausgebildet,  das  von  gewissen  Dörfern  ausschliessend  betrieben 
wird,  welche  die  Nachbardörfer  täglich  mit  frischen  wie  geräucherten  Fischen  versorgen. 

Als  eine  Art  Gewerkzeichen  oder  zur  Erinnerung  an  einen  besonders  reichen 
Fischfang  findet  man  zuweilen  an  den  Häusern  getrocknete  Schwänze  grosser  Fische 
als  Zierat  aufgehängt,  wie: 

Dahudahu  (Nr.  174,  1  Stück),  Makrclenschwanz.  Port  Moresby. 

Ein  besonderes  Fischereigeräth  ist  der 

Uhto  (Nr.  173,  I  Stück),  Holzschwimmer  mit  Schlinge.  Port  Moresby. 

An  einem  circa  i  M.  langen  Stock  aus  leichtem  Holz  ist  eine  3 — 4  M.  lange 
Schnur  befestigt,  welche  in  eine  nicht  zusammenziehbare  Doppelschleife  endet  und  mit 
einem  Senker  aus  Muschel  beschwert  ist.  In  jeder  Schlinge  wird  ein  kleiner  lebender 
Fisch  als  Köder  angebracht.    Indem  nun  ein  grosser  Fisch  nach  dem  kleinen  schnappt. 


»)  Nach  Ch  ahn  er  8  (»Work  and  adventure  in  New  Guinea«,  Seite  246)  werden  von  den  Einge- 
borenen des  Binnenlandes  Paradiesvögel  auch  mit  Pfeilen  geschossen.  Aber  diese  Notiz  scheint  schon 
deshalb  mehr  als  zweifelhaft,  weil  die  Binnenländer  ja  gar  nicht  Pfeil  und  Bogen  besitzen.  Das  beige- 
gebene Bild  einer  solchen  Jagdscene  ist  wohl  nichts  Anderes  als  eine  freie  Bearbeitung  desselben  Sujets  in 
der  Reise  von  Wallace  (Titelbild  zu  Band  2),  der  diese  Jagd  (Seite  364)  aber  von  den  Aru-Inscln  beschreibt. 


[121]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  335 

Weibt  er  mit  den  Kiemen  in  der  Schleife  hängen  und  wird  so  zur  Beute.  Ein  Canu 
führt  etwa  zehn  solcher  Uhto  mit  sich,  die  sorgfältig  beaufsichtigt  werden  müssen,  weil 
der  gefangene  Fisch  mit  dem  Uhto  oft  weit  weggeht. 

Fischkörbe  und  Fischhaken  habe  ich  an  dieser  Küste  nicht  gesehen,  sie  kommen 
aber  im  Westen  vor.    Eiserne  Angelhaken  sind  daher  ein  sehr  beliebter  Tauschartikel. 

Tintenfische,  Krebse  und  eine  Menge  von  Schalthieren,  die  meist  zur  Ebbe  auf 
dem  Riff  gesucht  werden,  darunter  hauptsächlich  Nerita,  Natica,  kleine  Conus,  sowie 
Bivalven,  sind  sehr  beliebt  und  bilden  einen  nicht  unwesentlichen  Theil  der  Nahrung. 
Aale  werden  nicht  gegessen. 

CanitS.  Schiffahrt  ist  bei  den  Motu,  wie  an  der  ganzen  Küste  lebhaft  im  Betriebe, 
beschränkt  sich  aber  meist  auf  Küsten  fahrten  innerhalb  des  Barrieriffs.  Man  baut 
zweierlei  Canus,  kleinere:  Vanaka  und  grosse:  Lakatoi.  Letztere  sind  oft  an  5o  Fuss 
und  mehr  lang,  führen  ein  bis  zwei  mächtige  Segel  (aus  Nudu,  Nr.  265,  Seite  325)  in 
c-it^cnthümlicher  Form,  die  an  eine  Hummerscheere  erinnert,  und  mit  ihnen  werden  die 
regelmässigen  Handelsfahrten  (mehr  als  1 00  Seemeilen  weit)  unternommen.  Die  grossen 
Baumstämme  zu  den  Lakatois,  die  zum  Theile  mit  Hilfe  von  Feuer  ausgehöhlt  werden, 
•commen  aus  Freshwater-Bai,  da  es  in  und  um  Port  Moresby  keine  so  grossen  Bäume 
gibt.  Auch  die  Vanaka  führen  Segel  (aus  Mattengeflecht).  Da  sich  die  Canufahrten 
meist  innerhalb  des  Barrieriffs  halten,  so  werden  die  Canus  vorzugsweise  durch  Staken 
mittelst  langer  Stangen  fortbewegt.  Ruder  (Hodä)  sind  daher  wenig  in  Gebrauch,  von 
Jer  gewöhnlichen  paddeiförmigen  Form  und,  wie  die  Canus,  ohne  nennenswerthe 
Verzierung  in  Schnitzarbeit.  Für  die  grossen  Canus  dient  ein  besonders  grosses,  am 
Ende  breites  (nicht  spitzes)  Paddel  als  Ruder,  als  Anker  grosse,  in  Rotang  eingebun- 
dene Steine,  wie  Rotang  als  Tauwerk  benutzt  wird. 

Im  äussersten  Westen,  am  Kataufluss  und  Saibai  werden  sehr  schöne  grosse 
Canus  verfertigt,  die  im  Tausch  bis  auf  die  Inseln  von  Torresstrasse  gelangen  (vergl. 
Seite  296). 

E.    Musik  und  Tan\. 

Musik.  Die  Papuas  dieser  Küste,  wie  überhaupt  in  Neu -Guinea,  sind  minder 
musikalisch  als  die  Neu-Britannier  und  besitzen  deshalb  auch  weniger  Musik-  oder 
besser  Spectakelinstrumente. 

Wie  überall  in  Melanesien  ist  die  Trommel  eines  der  gebräuchlichsten,  in  der 
bekannten  Form  (vergl.  XXI  [i3],  Fig.  i)  wie  die  folgenden  zwei  Stücke: 

Gapa  (Nr.  6o5,  i  Stück),  Trommel  von  Port  Moresby,  aus  einer  53  Cm.  langen, 
ausgehöhlten  Holzröhre  (i3  Cm.  Durchmesser),  mit  flachkantigen  Längsstreifen,  die 
undeutlich  quergemustert  sind;  Henkel  und  Fuss  mit  etwas  Schnitzerei;  an  der  untern 
Hälfte  mit  zwei  erhabenen  Längsleisten,  durch  welche  einige  Löcher  gebohrt  sind.  Sie 
dienen  dazu,  um  SpondylusSz)\Q\hchtr\y  Fransen  von  Pflanzenfaser  und  dergleichen 
Zierat  zu  befestigen,  sowie  halbdurchschnittene  Fruchtschalen ;  letztere  haben  den  Zweck, 
um  durch  ihr  Geklapper  den  Lärm  zu  verstärken.  Wie  stets  ist  nur  eine  Seite,  und  zwar 
mit  Eidechsenhaut  (Monitor)  bespannt. 

Gapa  (Nr.  604,  i  Stück),  Trommel  von  Port  Moresby,  wie  vorher,  aber  glatt,  wie 
dies  meist  der  Fall  ist. 

Diese  Art  Trommeln  werden  in  Port  Moresby  selbst  nicht  mehr  gemacht  und 
gebraucht,  da  die  Mission  den  Eingeborenen  das  Tanzen  verboten  hat.  Sie  werden  aber 
sonst  allenthalben  an  der  Küste  wie  im  Innern  benutzt,  hauptsächlich  zur  Begleitung 


336  Dr.  O.  Finsch.  [122] 

des  einförmigen  Gesanges  bei  den  Tänzen,  »Mauäru*,  die  hauptsächlich  von  den  Männern 
aufgeführt  werden.  Die  Trommel  wird  mit  der  einen  Hand  am  Henkel  gehalten  und 
mit  den  vier  Fingern  der  andern  Hand  geschlagen,  wobei  die  Tänzer  oft  in  den  wil- 
desten Sätzen  umherspringen.  Bei  Kriegszügen,  Krankheit,  Ankunft  von  Canus,  Fremden 
u.  s.  w.  ertönt  die  Gapa  ebenfalls,  ist  also  zum  Theile  auch  Signalinstrument.  Die  grossen, 
schweren  Signaltrommeln,  wie  sie  sonst  in  Neu-Guinea  und  dem  Bismarck- Archipel 
(Taf.  III,  Fig.  8,  Seite  111)  üblich  sind,  habe  ich  an  dieser  Küste  nicht  gesehen.  Für 
gewöhnlich  sind  die  Tanztrommcln  in  diesem  Theile  der  Südostküste  wenig  durch 
Schnitzwerk  verziert,  was  weiter  im  Westen  (Fresh water-Bai)  schon  häufiger  Anwendung 
findet.  Hier  zeichnen  sich  die  Trommeln,  wie  dies  ausnahmsweise  auch  bei  denen  der 
Motu  vorkommt,  durch  zwei  tiefe  Ausschnitte  an  der  untern  Hälfte  aus,  die  noch  weiter 
westlich,  in  Saibai,  den  Rachen  eines  Thierkopfes  darstellen  (vergl.  die  citirte  Abhandlung 
Nr.  5,  Fig.  7)  und  die  auch  sonst  mit  mancherlei  Schnitzerei  wie  Ausputz  von  Casuar- 
federn  verziert  sind.  Diese  Trommeln  werden  am  Kataufluss  gemacht  und  finden,  wie 
so  manches  Andere  (z.  B.  die  schönen  Canus),  ihren  Weg  über  die  ganze  Torresstrasse, 
wo  ich  sie  noch  auf  Prince  of  Wales-Island  (Morilug)  sah. 

Da  die  Anfertigung  von  Holztrommeln,  schon  des  Aushöhlens  wegen,  viele  Mühe 
macht,  dieses  Instrument  daher  im  Ganzen  selten  ist,  so  bedienen  sich  Aermere  eines 
Substituts: 

Ssadä  (Nr.  593,  i  Stück),  Schlaginstrument  von  Port  Moresby,  bestehend  aus 
einem  circa  i  M.  langen  Bambu,  in  das  an  einem  Ende  durch  zwei  Einschnitte  eine 
Zunge  geschnitzt  ist,  aufweiche  mit  einem  Stöckchen  geklopft  wird,  wodurch  ein  heller 
Klang  entsteht. 

Ich  fand  dieses  Instrument  auch  an  der  Nordostküste  bei  Gap  de  la  Torre. 

Kibi  (Nr.  598,  i  Stück),  Muscheltrompete  aus  Tritonium.  Port  Moresby.  Wird  ganz 
in  derselben  Weise  gebraucht  wie  in  Neu-Britannien  (vergl.  1,  Seite  1 09)  und  anderwärts. 

Ausser  den  oben  angeführten  Instrumenten  beobachtete  ich  nur  noch  :  KikOj  Maul- 
trommel von  Bambu,  ganz  wie  von  Neu-Britannien  (Nr.  585,  Seite  1 10),  aber  kleiner,  und 
Iriliku,  eine  Art  Flöte  aus  dünnem  Rohr  mit  zwei  Löchern  (ähnlich  Nr.  584,  Seite  109), 
die  meist  mit  der  Nase  geblasen  wird  und  einen  sehr  schwachen  Ton  gibt.  Beide  In- 
strumente sind  aber  überhaupt  selten.  Panflöten  (wie  Taf.  III,  Fig.  4)  scheinen  ganz  zu 
fehlen,  wenigstens  erlangte  ich  keine,  sie  sollen  aber,  und  zwar  an  der  ganzen  Küste 
von  Fly-Fluss  bis  Südcap  vorkommen, 

Tanz.  Wie  erwähnt,  ist  in  Port  Moresby  und  anderen  Missionsplätzen  dieses  Ver- 
gnügen unterdrückt  worden,  spielt  aber  sonst  eine  ebenso  wichtige  Rolle  im  Leben 
dieser  Stämme,  als  in  Melanesien  überhaupt.  Besondere Tanzgeräthe  sind  mir  nicht  vor- 
gekommen, aber  im  Westen  im  Gebiete  von  Freshwater-Bai  werden  Feste  ausser  durch 
Tanz  auch  durch  Maskeraden  gefeiert,  wobei  höchst  groteske,  zuweilen  enorm  grosse 
Masken  in  Anwendung  kommen  (vergl.  Seite  295  die  unter  Nr.  1 1  citirte  Abhandlung). 
Diese  Masken  sind  nicht  aus  Holz  verfertigt,  sondern  bestehen  aus  hohen,  mit  Tapa 
bekleideten  Gestellen,  die  bunt  bemalt  und  mit  Federn  und  Pflanzenfaser  verziert  sind. 
Nach  Beendigung  der  Feste  werden  die  Masken  meist  verbrannt,  zuweilen  aber  auch 
in  den  Tabuhäusern  aufbewahrt.  Ch almers  zählte  in  dem  Tabuhause  in  Meka  nicht 
weniger  als  80  Masken. 

Die  feierlichen  Tänze  zur  Verehrung  Verstorbener,  wie  dieselben  in  Neu- 
Britannien  Sitte  sind  (I,  Seite  1 1 3),  kommen  bei  den  Bewohnern  dieser  Küste  nicht 
vor.  Die  Todten  werden  meist  vor  oder  in  den  Hütten  begraben,  in  gewissen  Districten 
auf  Gerüsten  in  ekelhafter  Weise  der  Verwesung  anheimgegeben,  zuweilen  später  die 


ri231  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  337 

Knochen  an  den  Hütten  oder  Bäumen  aufgehangen.  Die  Angehörigen  Verstorbener, 
zuweilen  das  ganze  Dorf,  ehren  das  Andenken  durch  gewisse  Zeichen  der  Trauer,  die 
oft  in  eigen thümlichem  Ausputz  bestehen  (vergl.  Seite  3o6). 

Religion  fehlt  bei  den  Motu,  die  wie  die  Neu-ßritannier  den  Toberan  (I,  Seite  1 1 5), 
einen  andern  bösen  Geist  »Wattewatte«  fürchten,  der  besonders  in  der  Nacht  sein 
Wesen  treibt,  sowie  ausserdem  an  aller  Art  Aberglauben  kein  Mangel  ist.  Die  Koitapu, 
welche  unter  den  Motu  siedeln,  stehen  besonders  im  Rufe,  Zauberer  und  Geister- 
beschwörer zu  sein,  und  werden  deshalb  mit  Scheu  betrachtet,  nicht  selten  beschenkt, 
um  böse  Einflüsse  des  Wattewatte  abzulenken. 

Im  Westen,  in  Freshwater-Bai,  stellt  man  in  den  Tabuhäusern  wie  an  den  Hütten 
aus  Holz  geschnitzte  menschliche  Figuren  auf,  die  nach  C halmers  Götzen  sind  und 
den  grossen  Geist  Semese  repräsentiren,  vielleicht  aber,  wie  an  der  Nordostküste,  mit 
Ahnencultus  in  Verband  stehen. 

Tabu  ist  in  verschiedenen  Formen  und  für  verschiedene  Lebensverhältnisse  ver- 
breitet und  findet  sich,  wie  überall  in  Melanesien,  auch  bei  den  Bewohnern  dieser  Küste. 
Grosser  Beliebtheit  erfreuen  sich  auch 

Talismane,  als  welche  gewisse  Naturproducte  gelten,  denen  für  gewisse  Zwecke 
besondere  segenbringende  Kräfte  zugeschrieben  werden,  Gebräuche,  die  ja  auch  bei  den 
gebildetsten  Völkern  noch  heute  nicht  ganz  verschwunden  sind. 

Die  Motu  verwenden  mit  Vorliebe  natürliche  Steine,  meist-  gewöhnliche,  vom 
Wasser  abgeschliffene  Rollsteine  mit  ziemlich  glatter  Oberfläche,  wie: 

Ka^vabu  (Nr.  660,  i  Stück),  Talisman  aus  einem  1 1  Cm.  langen  und  5  Cm. 
breiten,  abgeflachten,  an  beiden  Enden  zugerundeten  Rollsteine.  Port  Moresby. 

Bevorzugt  sind  solche  Steine,  welche  sich  durch  Eindrücke  oder  irgend  eine  andere 
Besonderheit  auszeichnen,  wie: 

Kawabu  (Nr.  661,  i  Stück),  Talisman  (Taf.  XXIIl  [i5],  Fig.  6),  Rollstein  mit 
einer  natürlichen  Längsrille.    Port  Moresby. 

Diese  Kawabu  gelten  als  segenspendende  Talismane  für  die  Pflanzungen  und 
werden  beim  Stecken  des  Jams  und  anderen  Feldfrüchten  mit  eingegraben,  ganz  in 
der  Weise  wie  die  Maoris  früher  ähnliche  Steine  beim  Pflanzen  der  Kumara  (süssen 
Kartoffeln)  benutzten. 

Diese  Talismane  haben  insofern  Werth  für  die  Motu,  da  sie  aus  Basalt  bestehen, 
der  bei  Port  Moresby  nicht  vorkommt,  und  die  daher  aus  dem  Westen  bezogen  werden 
müssen.   Eine  andere  Art  Talisman  heisst: 

Kopikopi  (Nr.  664,  i  Stück)  von  Port  Moresby  und  besteht  aus  einem  Stückchen 
Rinde  (Massoi)y  das  an  einem  Strickchen  um  den  Hals  befestigt  getragen  und  als  heil- 
iiräfiig  betrachtet  wird,  wie  die  Papuas  verschiedene  andere  Dinge  als  Talismane  mit 
sich  führen.  So  unter  Anderem  eine  wohlriechende  Wurzel,  Tohni  genannt,  ein  Harz, 
Tomäna,  das  für  die  unter  Tabu  stehenden  Verfertiger  der  grossen  Dugongnetze  be- 
deutsam wird,  u.  a.  m.  Die  runden,  wie  abgeschliffenen  Kiesel,  welche  sich  zuweilen 
im  Magen  der  Kronentaube  (Goura)  finden,  werden,  wie  andere  besondere  Steinchen, 
Casuarklauen  u.  dgl.,  gern  von  Jägern  verwahrt  und  als  glückbringend  in  ihren  Trag- 
bcuteln  oder  besonders  eingestrickt  am  Halse  oder  Oberarm  befestigt  getragen. 

Heilldinde  besteht,  aber  auf  einer  so  niedrigen  Stufe,  dass  sie  nur  mit  Unrecht 
diesen  Namen  verdient.  Da  nach  Annahme  der  Motu  Krankheiten  von  bösen  Geistern 
verursacht  werden,  so  sucht  man  dieselben  durch  Lärmschlagen  (mit  Trommeln, 
Seite  335)  zu  verscheuchen,  ganz  ähnlich  wie  dies  bei  den  Neu-Britanniern  geschieht. 
^Vie  bei  den  Letzteren,  besteht  die  Hauptheilmethode  in  Blutlassen^  indem  man  mit 


338  Dr.  O.  Finsch.  C«^-4l 

einem  scharfen  Steine  Einschnitte  an  der  schmerzhaften  Stelle  macht.  Die  Motu  t>e- 
dienen  sich  dazu  noch  eines  besonderen  Instrumentes,  das,  als  das  einzige  mir  bekannte 
auf  dem  Gebiet  der  Heilkunde  Neu-Guineas  und  der  Südsee  überhaupt,  Erwähnung 
verdient.  Dasselbe  heisst  Ibassi  und  besteht  in  einem  Miniaturbogen  von  circa  y  Zoll 
Länge,  mit  einem  daran  befestigten  Pfeil  von  entsprechender  Grösse.  Der  letztere  trä^ 
eine  äusserst  scharfe,  feine  Spitze,  die  jetzt  gewöhnlich  aus  einem  Glassplitter  lierge- 
stellt  wird.  Indem  man  nun  den  kleinen  Bogen  anspannt  und  den  Pfeil  abschoellt, 
dringt  der  letztere  in  die  Haut,  so  dass  Blut  fliesst. 

Spiele  verschiedener  Art  erfreuen,  wie  bei  uns,  namentlich  die  Jugend.  Tau- 
springen  ist  bei  den  Mädchen  beliebt,  während  sich  die  Knaben  gern  mit  kleinen  Canus 
vergnügen,  die  sie,  mit  Segeln  versehen,  treiben  lassen,  ein  Spiel,  an  dem  sich  oicht 
selten  Erwachsene  betheiligen.  Windmühlen,  die,  in  der  Hand  gehalten,  sich  beim 
schnellen  Laufen  drehen  und  aus  zusammengebogenen  Blattstreifen  verfertigt  werden, 
sind  gebräuchlich.  Ein  sehr  beliebtes  Spiel  von  Knaben  und  Mädchen  ist  Ballschla^cn 
{Poht:{i)y  wozu  man  sich  aufgeblasener  Fischblasen  als  Bälle  bedient. 


1125] 


Ethnologische  Krfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


339 


Inhaltsverzeichniss 

für  die  II.  Abtheilung,  Abschnitt  I  a.') 


IL  Neu -Guinea. 


Seile 

I.  Hln^lisch-Neu-Guinea  [79]  293 
a.  SüdostkUste   .    .   .     [79]  293 

.V.Eingeborene [82]  296 

CannlbaUsmus [84]  298 

B.  Korperausputz  und  Beklei- 
dung         [84]  298 

Bekleidung [85]  299 

Schmuck  und  Zieraten [87]  301 

Geld [88|  302 

Täto^'irung [89]  303 

Ziernarben [91]  305 

Bemalen [91]  305 

Kopfschmuck [92]  306 

Stirnschmuck [94]  308 

Nasenschmuck [95]  309 

Ohrschmuck [96]  310 

Brust- und  Halsschmuck [97]  311 

Brust-Kampfschmuck [98]  312 

Armschmuck [99]  313 

Fingerschmuck [100]  314 

Leibschmuck ['oo]  314 

Beinschmuck [loi]  315 

C  Häuser  und  Siedelungen    .   .    .  [loi]  315 

Ackerbau [106]  320 

Hausthicre [108]  322 

D.  Geräthschaften  und  Werk- 
zeuge    .  [108]  322 

Hausrath [108]  322 


Kochgcräthschaftcn 

Feuerreiber 

Töpferei 

Flechtarbeit 

Strickarbeiten 

Genussmittel 

Tabak  

Werkzeuge 

Waffen  und  Wehr 

a.  Geschosse 

Speere  

Pfeile 

Pfeilgift 

b.  Schlag-  u.  Hauwatfen  (Keulen) 

c.  StichhandwafTen 

d.  Wehr  (Schilde) 

e.  Besondere  Waffen 

Jagd 

Fischerei 

Canus  

E.  MusikundTanz 

Musik 

Tanz 

Religion 

Tabu 

Talismane 

Heilkunde 

Spiele 


Seile 

108]  322 

109]  323 
iio]  324 

I"]  325 
inj  325 

112]  326 
113]  327 
113]  327 
115]  329 
115]  329 

115]  329 
116]  330 

116]  330 

117]  331 
118]  332 
119]  333 
119]  333 

119]  333 
120]  334 

121]  335 

121]  335 

121]  335 

122]  336 

123]  337 
123]  337 
123]  337 
123]  337 
124]  338 


«)  Leider  war  es  dem  Autor  nicht  möglich,  den  Rest  der  11.  Abtheilung,  Neu-Guinea  betreffend,  bis  zum 
Schlüsse  der  Redaction  dieses  Heftes  der  Annalen  auszuarbeiten,  so  dass  dieser  in  dem  nächsten  Jahrgange  nach- 
jc/iw-fert  werden  wird,  in  welchem  auch  mit  der  III.  Abtheilung  der  Schluss  der  ganzen  Arbeit  erscheinen  soll. 

Die  Redaction. 


340 


Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee. 


t.26] 


Verzeichniss  der  Textillustrationen  nebst  Erklärungen. 


'g 

.   I.  — 

2.    — 

3.    - 

4.    — 

5-  — 

6.  — 

7.  -^ 

8.   - 

9-  — 

10.  — 

1 1  a,  b. 

12.  (V5) 

13.  (Vi) 

14.  (Vi) 

15.(72) 

16.  (Vj) 

17.  (V2) 

18.  (Vy) 

19.  (Vj) 

20.  (V2) 

31.  (V2) 

22.  (»/,) 

23.  (V4) 

24.  m 

25.  (Vb) 

26.   — 

27. 

28.   — 

29.   — 

30.   — 

31.   - 

32.   — 

33-   - 

34-  — 

35-  - 

» 

36.  - 

Seite 

Motumädchen  mit  schlichtem  Haar  .    .        [83 

Motuhäuptling  in  vollem  Staate [85 

Motuknabe  von  Anuapata  in  vollem  Staate [86 

»Iru«,  Frau  von  Hula,  Hood-Bai [86 

»Ebohila«,  Motufrau  von  Anuapata [89 

Gcsichtstätowirung  eines  Mädchens  von  Hula      [89 

Rückseite  von  »Ebohilac [90 

Tätowirnadel [90 

Junge  Frau  von  Maupa,  Keppel-Bai       [91 

Tätowirte  Brust  eines  Mannes [91 

Täiowirung  von  Goapäna [91 

Haarkamm  aus  Holz [92 

Haarkamm  aus  Holz [92 

Stirnschmuck  aus  Muschel [95 

Stirnschmuck  aus  Muschel [95 

Nasenkeil  aus  Triäacna [96 

Nasenstift  aus  Knochen [96 

Ohrschmuck  aus  Schildpatt [97 

Ohrschmuck  aus  Schildpatt [97 

Halsschmuck  aus  Muschel [97 

Brustschmuck  aus  Eberhauern [98 

Brustschmuck  aus  Eberhauern ...        [98 

Brust-Kampfschmuck [99 

Leibgürtel  aus  Rinde 

Leibgürtel  aus  Rinde,  aufgerollt 

Haus  in  Maupa 

Deckenverzierung        

Giebelschilder  in  Maupa 

Haus  mit  Thurmspitze  in  Keräpuno 

Holzschnitzerei  eines  Hauses  in  Keräpuno ... 

Pfahlhaus  in  Anuapata 

Vorderfront  eines  Hauses  in  Kaire 

Plan  des  Pfahldorfes  Kaire 

Dubu  in  Tupusele 

Ira,  Motu-Steinaxt 

Lachela,  Steinaxt  von  Keräpuno    ... 


lOI 

101 
102 
102 
103 

103 
104 
104 

106 
107 
114 
114 


207 
299 
300 
300 
303 
303 
304 
304 
305 
305 

305 

306 

306 

300 

309 

310 
310 

311 
3H 

311 
312 
312 
3'3 
3»5 

315 
316 

316 

317 

318 

31« 
319 
320 

321 

32S 
328 


[127]  t)r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  341 


Tafel  XIV  (6). 


Neu-Guinea.     Schmuck. 


Anoalen  des  k.  k.  naturhistori&chcn  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  4,  1888.  25 


342 


Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


[128] 


Erklärung  zu  Tafel  XIV  (6). 


Neu -Guinea.   Schmuck. 


Fig.  I. 


2. 

3. 

4- 

5. 

6. 

7- 
8. 


» 


»  10. 

»  I  I. 

»  12. 

»  i3. 

»  14. 

»  i5. 

>  16. 

»  17. 


(Vi)  Halskette  aus  Muschelscheiben:  a  rothe  von  Spondylus,  b  weisse, 

c  schwarze  Samenkerne;  Teste-Insel Nr.  488 

(Vi)  Halskette  aus  Abschnitten  von  Casuarschwingen  (a)  und  Spon- 

rf^/tt5-Scheibchen  (b)^  von  Milne-Bai »   487 

(Vi)  Muschelgeld  aus  Cii55fVffi/a?  Finschhafen »    63o 

(Vi)  Muschelgeld  aus  Muschelsplittern  geschliffen,  Huongolf    ...  >   638 

(Vi)  Leibgürtel  aus  Septaria-lAvLSQYitlf  Astrolabe-Bai »555 

(Vi)  Muschelgeld  aus  Cassidula,  Port  Moresby »   632 

(^i)  Desgl.  von  unten,  um  die  Art  des  Aufflechtens  zu  zeigen  ...  »   632 

( y,)  Stirnbinde  aus  Muscheln  (Oliva  carneola)^  Port  Moresby  »   42 1 

(Vi)  Desgl.  aus  Känguruzähnen,  Port  Moresby »   422 

(Vi)  Desgl.  aus  Cassidula,  Venushuk  .     .     .     • »433 

(Vi)  Desgl.  aus  Hundezähnen  und  Cassidula,  Venushuk      ....  »556 

(Vi)  Dieselbe  von  der  Rückseite,  um  die  Flechtarbeit  zu  zeigen    .     .  »556 

(Vi)  Leibgurt  aus  Cassidula  und  Cocosnussperlen,  Angriffshafen  .     .  >    56o 

(Vi)  Leibschnur  aus  Muscheln  (Cypraea  moneta),  Insel  Guap      .     .  »    558 

(Vi)  Binde  aus  Conus-King^n  und  Cassidula,  Hansemannküste    .     .  »357 

(Vi)  Schmuck  aus  Fruchtschale  und  Hundezähnen,  Finschhafen   .     .  »    5oq 

(Vi)  Theil  eines  reich  verzierten  Backenbartes,  Krauel-Bai  »    276 


Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  6. 


Vi-      a. 


AnnBlen  des  k.  k.  naturhist.  Hofmuieum»,  Bnnd  III,  1888. 


THE  NEW  YORK 

PUBLIC  LlBtN  AK Y 


ABT  OK,  LfcNoX  ANO 


[ '  ^9l  ^^'  ^'  ^^^^^^*  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  348 


Tafel  XV  (7). 


Neu -Guinea.     Schmuck  (und  Wurfstock). 


•  k  • 


> 


iS' 


r 

3^4  I)r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  [i  3ol 


Erklärung  zu  Tafel  XV  (7). 


Neu -Guinea.    Schmuck  (und  Würfstock). 

Fig.   I.  ('/i)  Armring  aus  Cofff/5-Muschel,  Weihnachtsbucht,  Normanby  .     .     Nr.  362- 

»      2.  (7,)  Nasenschmuck  aus  Perlmutter,  Venushuk »    3 1 1 

9      3.  (7,)  Eingravirtes  Muster  eines  Armbandes  von  Schildpatt,  Astrolabe- 

Bai »    4o3 

»     4.  (7,)  Haarkamm  aus  Holz  mit  Flechtwerk  und  Zierrat,  Hammacher- 

fluss »291 

»      5.  (74)  Wurfstock  aus  Bambus  mit  Schnitzerei,  Venushuk »    753 


\ 


Pinsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  7. 


Annalen  dei  k.  k.  nacurhUt.  Hoftnuscums,  Band  III,  1888. 


[  I  3  I J  r>r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  346 


Tafel  XVI  (8). 


Neu-Guinea.     Schmuck. 


Unsch; tllmolugisclie  Krfahnmgen  (Tuf. s) 


AnnaI.desk.k.Naturhist.Horniuseums  Band  DT  1888. 


346  I^r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstöcke  aus  der  Südsee.  [l^^l 


* 


Erklärung  zu  Tafel  XVI  (8). 


Neu  -  Guinea.    Schmuck. 

Fig.   I.  (V3)  »Musikaka«,    Kampfschmucky   Südostküste,   Inneres  von   Port 

Moresby Nr.  541 

»     2.  (V'3)  Brust-Kampfschmuck  (rechte  Hälfte),  Nordostküste,  Sechstroh- 

fluss .        »    540 

>      3.  (V,)  Brustschmuck,  Angriffshafen >    526 


iiä 


Finsch: Elimologisclie Erlahrungen  (Taf. s) 


Annal.de5k.k.Narurhist.Hofniu8eunis  BandlD 


[  I  331  I)r*  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  347 


Tafel  XVII  (9). 


Neu-Guinea.     Schmuck. 


3j.8  ^r.  O.  Finsch.  Kthnologtsche  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  f  i  Sa] 


Erklärung  zu  Tafel  XVII  (9). 


Neu  -  Guinea.    S  chmuck. 

Fig.   I.  Q/2)  Brust-Kampfschmuck  aus  Eberhauern  und  Muscheln,  Insel  Guap  Nr.  537 

»      2.  (^2)  Desgl.  von  Grager,  Friedrich  Wilhelmshafen »533 

»      3.  (72)  Kinnbart  mit  reicher  Verzierung,  Dallmannhafen >    274 

»     4.  (7a)  Binde  zu  einem  Haarkörbchen,  Flechtwerk  mit  Muscheln  und 

Schildpatt,  Krauel-Bai »    356 

>      5.  (Vi)  Eingravirtes  Muster  von  einem  Armring  aus  Trochus,  Friedrich 

Wilhelmshafen »    374 

»      6.  (Vi)  Desgl.  daher >    374a 

»     7.  (7,)  Muster  einer  Ohrspange  von  Schildpatt,  Insel  Guap  .     .     .     .  »327a 

»      8.  (y,)  Ohrring  aus  Pflanzenstengel,  Port  Moresby »323 


Piasch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  9. 


Aonalen  des  k.  k.  naturhist.  Hofmuscuins,  Band  III,  iSSS. 


THENEW  YOÜ 

PUBLIC  LIBR  ÄST 


ri351  I^r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SQdsee.  34g 


Tafel  XVIIl  (ib). 


Neu-Guiriea.     Geräth. 


\  •     •  y 


Aaoalcn  des  k.  k.  iiaturhistorisclicn  Hofmu&eums,  Bd.  III,  Hctt  4,  1SS6.  26 


35o-  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  [1^36] 


Erklärung  zu  Tafel  XVIII  (lo). 


Neu  -  Guinea.    Geräth. 

Fig.   I.  (Va)  Kopfruhgestell,  durchbrochene  Holzschnitzerei,  Finschhafen      .  Nr.  loi 

»      ia.(V3)  Eingravirtes  Ornament  der  Rückseite  desselben >    loi 

»      2.  (Va)  Kopfruhgestell,  Finschhafen >    102 

»      3.  (y^)  Kopfruhbänkchen  aus  Holz  mit  Schnitzerei    und   Beinen    aus 

Bambus  Insel  Guap »100 

»     4.  (»/a)  Geschnitzter  Spitzentheil  desselben »100 

»      5.  (2/3)  Schamkalebasse  für  Männer,  Sechsstrohfluss »    900 

»      5a.  ('/i)  Weite  der  Oeffnung  derselben »    900 

»      5b.(7i)  Eingebrannte  Verzierung  (Eidechse) »    900 


Finsch.     Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  10. 


Taf.  XVIII.  \ 


Annalcn  des  k.  k.  nttturhist.  Hofmuscum«,  Band  III,  1888. 


T^l^^^a^^ 


r*  -7]  ^^'  ^'  ^'"5^^*  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  35  I 


Tafel  XIX  (ii). 


Neu-Guine.a.     Betelgeräth. 


<     t 


26* 


352 


Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[.38] 


Erklärung  zu  Tafel  XIX  (ii). 


Fig. 

I. 

(V3) 

» 

2. 

CA) 

» 

3. 

CA) 

» 

4- 

CA) 

» 

5. 

CA) 

» 

5  a. 

CA) 

T> 

6. 

(V3) 

» 

7- 

(73) 

> 

7a. 

CA) 

Neu  -  Guinea.    Betelgeräth. 

Kalebasse  zu  Kalk  mit  Flechtarbeit,  Finschhafen      .   ' .     .     .     .  Nr.  899 

Desgl.  mit  eingebrannter  Verzierung,  Porj  Moresby      ....  >    898 

Kalkspatel  aus  Ebenholz  mit  eingravirtem  Muster,  Milne-Bai     .  >    903 

Desgl.,  Insel  Goulvain,  d'Entrecasteaux »912 

Desgl.,  Hihiaura,  bei  Bentley-Bai »    904 

Das  Ende  der  flachen  Spitze >    904 

Der  Handgriff  desselben  Stückes  von  oben »    904 

Kalkspatel  aus  Ebenholz  mit  eingravirtem  Muster,  Milne-Bai      .  »    905 

Das  Ende  der  flachen  Spitze »    905 


Piosch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  11, 


Aonalen  de«  k.  k.  naturhisi.  Hormuseums,  Band  III,  1888. 


r  I  3q1  Dr.  0.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  353 


Tafel  XX  (12). 


Neu-Guinea.     Steingeräth. 


^4 


354 


Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[140] 


Erklärung  zu  Tafel  XX  (12). 


Fig. 


» 
» 


» 
» 


I.  ( 

;v8) 

b.( 

:■/■) 

2.  1 

:■/.) 

3.  ( 

:v.) 

a.i 

:■/.) 

4-  ( 

:'/5) 

5.  ( 

:■/.) 

6.  ( 

:'A) 

a.i 

['/.) 

7-  ( 

:%) 

8.  ( 

:%) 

a.i 

[Va) 

9-  ( 

:v3) 

a.| 

:■/.) 

Neu  -  Guinea.    Steingeräth. 

Staats-Steinaxt,  Weihnachtsbucht,  Norman by-Insel Nr.  127 

Dicke  der  Steinklinge »127 

Steinaxt,  Bonga  in  Astrolabe-Bai »122 

Steinmeisselklinge,  Port  Moresby »       11 

Schärfe  von  der  Seite  gesehen >       11 

Sagoklopfer  mit  rundem  Stein,  Sechsstrohfluss »       55 

Der  Stein  desselben  von  der  Unterseite »       55 

Scheibenförmige  Steinkeule,  Astrolabe-Gebirge,  Südostküste       .  »    757 

Dicke  derselben »    757 

Morgensternähnliche  Steinkeule,  Inneres  von  Port  Moresby  .     .  »758 

Steinkeule  in  Seeigelform,  Kerräma  in  Fresh water-Bai       .     .     .  »759 

Das  Bohrloch  derselben *7^9 

Kugelförmige  Steinkeule,  Astrolabe-Gebirge,  Südostküste      .     .  »756 

Länge  des  Bohrloches  derselben >    756 


Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  12. 


AnnaleD  des  k.  k.  naiurhist.  Hofinuseums,  Band  III,  i8S8. 


^_      _  —  I 


[1413  ^^'  ^'  f^*"sch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  355 


Tafel  XXI  (13). 


Neu  -  Guinea.     Kunstschnitzereien. 


356  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  ("14^1 


Erklärung  zu  Tafel  XXI  (13). 


Neu-Guinea.    Kunstschnitzereien. 

Fig.  I.  (VJ  Hölzerne  Trommel  mit  Eidechsenhaut  überspannt,  Huongolf  .  Nr.  601 
»      2.  (72)  Canuverzierung,  aus  Holz  geschnitzt  (eine  Hälfte),   Insel  Fer- 

gusson,  d'Entrecasteaux ^o     1 82 

»      3.  (7i)  Muster  eines  Armbandes  von  Schildpatt  (obere  Hälfte),  Finsch- 

hafen »    4^4 

»      4.  ('/,)  Muster  eines  Ohrringes  von  Schildpatt,  Friedrich  Wilhelmshafen  »     326 


Annalen  des  k.  k.  naturhisl.  Hofmuteums,  Band  lil,   1888. 


Tl. 


Fi 431  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  357 


Tafel  XXII  (4). 


Neu- Guinea.    Verschiedene  Kunstarbeiten. 


Jts 


Anoaleo  des  k.  k.  naturhistorischeo  Hofmuseums,  Bd.  III,  Heft  4,  1888.  27 


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♦"insrh:  Ellinulogisflie  Ert';iliiimyeit  (T\i/-/ 


Annal.desk.k.Nalurtiisf.  Hofmuseums  Band  Hl  1888. 


[l4^]  ^r*  ^*  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  350 


1 


Tafel  XXIII  (15). 


Neu-Guinea.     Talismane. 


27» 


36o  ^r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  [14^1 


Erklärung  zu  Tafel  XXIII  (15). 


Neu  -  Guinea.    Talismane. 

Fig.   I .  (y,)  Talisman  oder  sogenannter  Götze,  Figur  eines  Mannes  aus  Holz 

geschnitzt  mit  Haarkörbchen,  Insel  Guap Nr.  652 

2.  ('/,)  Desgl.,  Insel  Guap >  656 

3.  (72)  Desgl.,  Dallmannhafen >  65i 

»      4.  (73)  Desgl.   aus    einer    Art   ziemlich    festen   Kalkthones    geschnitzt, 

Bonga  in  Astrolabe-Bai,  en  profile >  659 

*      5.  (^3)  Dieselbe  Figur  en  face >  659 

»      6.  (ca.y,)  Kawabu,  Stein  als  Talisman,  Port  Moresby >  661 


» 


» 


Pinsch.    Ethaologische  Erfahrungen,  Taf.  lÖ. 


Annalen  des  k.  k.  naiurhisi.  Hofmuseuma,  Band  III,  i8SS. 


\ 


\ 


['4/]  ^^*  ^'  ^^'^^^^*  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Sudsee.  36 1 


Tafel  XXIV  (i6). 


Neu-Guinea.     Schilde  und  Kürass. 


362 


Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[148] 


Erklärung  zu  Tafel  XXIV  (16). 


Fig. 


» 
» 

» 
» 


» 
» 


!•    1 

:v8) 

2.    1 

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2a.  1 

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3.  ( 

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3a.  1 

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43.1 

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5.  ( 

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5a.( 

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6.  ( 

:v8) 

6a.  1 

.V8) 

7-  ( 

:'/8) 

7a.  ( 

:'u) 

Neu-Guinea.    Schilde  und  Kürass. 

Schüd,  Finschhafen Nr.  838 

Schild,  Friedrich  Wilhelmsbafen »839 

Griff  auf  der  Rückseite  des  vorigen >    839 

Schild  von  Milne-Bai »    839 

Griff  auf  der  Rückseite  des  vorigen >    839 

Schild  von  Freshwater-Bai »835 

Griff  auf  der  Rückseite  des  vorigen »835 

Schild  von  Trobriand »841 

Griff  auf  der  Rückseite  des  vorigen »841 

Schild  von  Hood-Bai »834 

Griff  auf  der  Rückseite  des  vorigen       »834 

Kürass  von  Angriffshafen »    844 

Detail  des  Rohrgeflechtes  beim  vorigen  Stück »    844 


Pinsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  16. 


mlen  des  k.  k.  nalurhisi 


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[149}  I^r.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  363 


Tafel  XXV  (17). 


Neu-Guinea.     Schilde. 


364  Dr.  O.  Finsch.  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  [l^^l 


Erklärung  zu  Tafel  XXV  (17). 


Neu  -  Guinea.    Schilde. 

Fig.   I.  (Vs)  Schild  von  Angriffshafen Nr.  840 

»     2.  (Vs)  Schild  von  Teste-Insel »    836 

»     2di.{^l^  Detail  der  geschnitzten  Verzierung  beim  vorigen  Schilde  ...  »    836 


Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  17. 


TH ,- r  K'A'' YO?  '.  • 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der  Südsee, 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.  0.  Finsch 

in  Delmenhorst  bei  Bremen. 

Zweite   Abtheilung:   Neu-Guinea. 

I.  Englisch-Neu-Guinea. 

(Fortsetzung  und  Schluss  von  Bd.  III,  1888,  S.  364  [150].) 


b)  Ostspitze  mit  den  d'Entrecasteaux- Inseln. 

Einleitung. 

Das  Gebiet  umfasst  die  Ostspitze  des  Festlandes,  östlich  vom  Südcap  (Stacy 
Island),  mit  den  vorgelagerten  Inseln  östlich  der  Chinastrasse  und  der  Gruppe  d'Entre- 
casteaux,  lässt  sich  aber  jetzt  noch  nicht  ethnologisch  in  seinen  Grenzen  genau  fest- 
stellen. Muthmasslich  erstrecken  sich  dieselben  westlich  bis  Orangerie-Bai,  nordwestlich 
bis  Gap  Vogel  und  östlich  bis  auf  die  Louisiade-Gruppe  mit  Woodlark-Insel. 

Ich  selbst  lernte  innerhalb  dieses  Gebietes  nur  einige  Punkte  von  Normanby-  und 
Fergusson-Insel  der  d'Entrecasteaux,  Dinner-  und  Teste-Insel,  Milne-Bai  und  die  Fest- 
landsküste  vom  Ostcap  bis  zum  deutschen  Gebiete  (Mitrafels)  kennen.  *) 


I)  Meine  bisherigen  PubÜcationen  aus  diesem  Gebiete  sind  die  folgenden: 

1.  »Aus  den  Berichten  des  Dr.  Finsch  über  die  im  Auftrage  der  Compagnie  nach  Neu-Guinea 
ausgefQhxtcn  Reisen«  in:  Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms-Land  und  den  Bismarck-Archipel  (heraus- 
gegeben  von  der  Neu-Guinea-Compagnie  in  Berlin)  1885,  Heft  III,  S.  7 — 10  und  Heft  IV,  S.  3  und  4. 

2.  »Catolog  der  ethnologischen  Sammlung  der  Neu-Guinea-Compagnie,  ausgestellt  im  königl. 
Museum  für  Völkerkunde  (Berlin  1886),«  I,  S.  28—39  und  II,  S.  39 — 42. 

3.  »Die  ethnologische  Ausstellung  der  Neu-Guinea-Compagnie  im  königl.  Museum  für  Völker- 
kunde« in:  Originalmittheilungen  aus  der  ethnologischen  Abtheilung  der  königl.  Museen  zu  Berlin, 
Jahrg.  I,    1886,  S.  99— io3. 

4.  »Uebcr  Canus  in  den  d'Entrecasteaux  und  der  Südostspitze  Neu-Guineas«  in:  Verhandl.  der 
Berliner  anthropolog.  Gesellsch.,  15.  Januar  1887,  S.  29. 

5.  »Entdeckungsfahrten  des  deutschen  Dampfers  Samoa«  in:  Gartenlaube  Nr.  21,  23.  Mai  1886 
«III,  d'Entrecasteaux,  Ostcap  bis  Mitrafels,  mit  5  Abbild.);  Nr.  18,  1 3.  April  1887  (IV,  Milne-Bai  und 
Morcsby-Archipel,  mit  4  Abbild.). 

6.  »Tätowining  und  Ziernarben  in  Melanesien,  besonders  im  Osten  Neu-Guineas<  in:  Wilhelm 
Joest,  Täto'wiren,  Narbenzeichnen  und  Körperbemalen  (Berlin,  A.  Asher  &  Co.,  1887,  S.  36 — 42,  Taf.  II, 
S.  116. 


14  Dr.  O.  Finsch.  [152] 

In  letzterem  Küstenstriche  kam  ich  nur  wenig  mit  Eingeborenen  in  Berührung; 
schon  westlich  von  Chads-Bai  wohnen  sie  hauptsächlich  hoch  in  den  Gebirgen,  während 
die  Küste  nur  eine  höchst  spärliche  Bevölkerung  aufweist.  Dasselbe  gilt  von  den  d'Entre- 
casteaux  und  von  dem  grössten  Theil  der  Südostküste  zwischen  Keppel-Bai  und  China- 
strasse, die  (nach  Chalmers)  von  Aroma  bis  CloudyrBai  und  von  Table-  bis  Amazons- 
Bai  gänzlich  unbewohnt  ist.  Wie  schon  aus  diesen  Andeutungen  erhellt,  ist  die  ethno- 
logische Kenntniss  dieses  Gebietes  eine  sehr  unvollständige  und  beschränkt  sich  auf 
einige  Punkte  der  d'Entrecasteaux,  in  Milne-Bai  und  wenige  andere  mehr.  Aber  was 
ich  an  Erzeugnissen  des  Eingeborenenfleisses  aus  diesem  Gebiete  kenne,  berechtigt  zu 
der  Annahme,  dass  dasselbe  eine  eigene  ethnologische  Provinz  bildet.  Davon 
konnte  ich  mich  schon  1882  in  Port  Moresby  am  besten  überzeugen  bei  Ansicht  der 
reichen  Sammlungen,  welche  Goldie  von  einer  Reise  aus  diesem  östlichen  Gebiete 
heimbrachte,  die  aber  leider  in  alle  Winde  verstreut  wurden,  ehe  sie  zu  wissenschaft- 
licher Bearbeitung  gelangten.  Ich  bekam  damals  mehr  Gegenstände  aus  diesem  Gebiete 
(namentlich  den  d'Entrecasteaux)  zu  sehen  als  später  bei  meinen  eigenen  Besuchen  in 
demselben  oder  in  irgend  einem  Museum.  Charakteristische  Eigenthümlichkeiten  dieser 
ethnographischen  Provinz  sind:  kunstvolle  Holzschnitzereien  (vgl.  z.  B.  Taf.  XXI,  Fig.  2) 
in  eigenthümlichen,  zuweilen  an  den  Maoristyl  erinnernden  Mustern,  die  häufige  Verwen- 
dung von  Menschenhaar  und  feingearbeiteten  Scheibchen  aus  rother  Spondylus-Muschel 
zu  Schmuck  und  Zieraten;  besondere  Form  (kugelrunde)  der  Calebassen  zu  Betelkalk 
mit  eigenartigen  kunstvollen  Mustern;  grosse  Mannigfaltigkeit  in  Kalkspateln;  eigen- 
thümliche  Bekleidungsmatten  der  Männer,  aus  Pandanusblatt  genäht;  besondere  Form 
der  Steinäxte  (Taf.  XX,  Fig.  i);  die  in  Form  wie  Technik  eigenartige  Töpferei;  der 
Mangel  von  Bogen  und  Pfeilen,  sowie  Steinkeulen;  Catamarans  oder  flossartige  Fahr- 
zeuge, daneben  aber  auch  vorzüglicher  seetüchtiger  Segelcanus,  die  in  Bauart  wie  Orna- 
mentirung  mit  zu  den  vollkommensten  in  ganz  Neu-Guinea  gehören,  ja  vielleicht 
die  besten  sind. 

Diese  Canus  vermitteln  den  Verkehr  zwischen  den  Bewohnern  dieses  Gebietes, 
bald  zu  friedlichem  Tausch,  bald  zu  räuberischen  Ueberfällen.  Ein  Hauptcentrum  des 
Handels  ist  die  kleine  Insel  Chas  oder  Vaare  (Teste),  die  südöstlichste  des  Moresby- 
Archipels,  und  zwar  wegen  ihrer  Töpferei,  deren  Erzeugnisse  weithin  bis  Südcap  und 
die  d'Entrecasteaux  verführt  werden.  Mit  der  letzteren  Gruppe,  Duau  genannt,  nament- 
lich Kulala  oder  Normanby-Insel,  scheint  ein  besonders  lebhafter  Tauschverkehr  stattzu- 
finden. Die  Teste-Insulaner  beziehen  von  dort,  wie  aus  Milne-Bai,  hauptsächlich  Sago  und 
früher  Steinäxte  (zum  Theil  unfertige  Klingen),  Waffen,  Holzschüsseln,  Schmucksachen, 
die  sie  wiederum  auf  die  Inseln  vor  und  bis  Milne-Bai  verhandelten.  Auch  mit  der 
Woodlark-Insel,  wo  besonders  schöne  Steinäxte,  Waffen,  Holzschüsseln  etc.  ange- 
fertigt werden,  scheinen  Handelsbeziehungen  zu  bestehen,  denn  man  sprach  auf  Teste 
viel  von  Mulua  (Murua),  worunter  diese  Insel  gemeint  ist.  Die  Woodlark-Insulaner 
besuchen  wiederum  mit  ihren  ausgezeichneten  seetüchtigen  Canus  die  nahegelegene 
Laughlan-Gruppe,  so  dass  Erzeugnisse  von  Woodlark  eine  weite. Verbreitung  finden. 

Aus  diesen  Andeutungen  ergibt  sich  zur  Genüge,  dass  es  eines  längeren  Aufent- 
haltes bedürfen  würde,  um  diese  so  interessanten  Verhältnisse  der  Beziehungen  der 


7.  »Samoafahrten.  Reisen  im  Kaiser  Wilhelms-Land  und  Englisch-Neu-Guinea  etc.«  (Leipzig, 
Ferd.  Hirt  &  Sohn,  1888),  sechstes  Capitcl,  S.  194 — 287.     Iliezu  wissenschaftlicher  Theil: 

»8.  Ethnologischer  Atlas.  Typen  aus  der  Steinzeit  Neu-Guineas«  (Leipzig,  Ferd.  Hirt  &  Sohn, 
1888),  24  Tafeln  mit  Text  in  deutscher,  englischer  und  französischer  Sprache;  enthält  eine  Menge  für 
dies  Gebiet  charakteristische^  Typen. 


[icjl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  iq 

verschiedenen  Inselbewohner  untereinander  nur  annähernd  klarzustellen.  In  vielen 
Fällen  würde  dies  überhaupt  nicht  mehr  möglich  sein,  da  in  manchen  Gebieten  durch 
den  Verkehr  mit  Weissen  bereits  alle  Originalität  verschwunden  oder  im  Verschwinden 
beariffen  ist.  So  namentlich  an  den  von  der  Mission  besetzten  Plätzen  wie  Dinner-Insel 
Saraarai),  Teste-Insel  (Chas)  und  drei  bis  vier  anderen  Plätzen  in  Milne-Bai  und  Süd- 
cap.  Trepangfischer,  Kriegsschiffe,  vor  Allem  aber  Arbeiterwerbeschifle  (Labourtrader) 
haben  Vieles  weggeführt,  so  dass  an  solchen  Plätzen  kaum  noch  etwas  zu  erlangen  ist, 
wenn  auch  immerhin  noch  eine  Menge  anderer  Localitäten  übrig  bleiben,  die  ohne 
Zweifel  reiche  Ausbeute  liefern  werden.  So  besonders  die  d*Entrecasteaux,  Louisiade 
und  vor  Allem  Woodlark-Insel,  die  noch  von  keinem  wissenschaftlichen  Sammler  be- 
sucht worden  zu  sein  scheint. 

An  den  von  mir  besuchten  Plätzen  war  ethnologisch  wenig  mehr  zu  holen  und 
ich  konnte,  wie  z.  B.  auf  Teste-  und  Dinner-Insel,  die  ganz  unter  Commando  einge- 
borener Missionslehrer  stehen,  nur  noch  letzte  Reste  sammeln.  Die  Stücke  gewinnen 
dadurch  ein  erhöhtes  Interesse,  die  beifolgenden  Notizen,  trotz  bedauernswerth er  Lücken, 
vielleicht  ebenfalls.  Denn  aus  einem  Gebiete,  über  das  wir  bisher  nur  durch  Capt. 
Moresby')  magere  Kunde  erhielten,  muss  am  Ende  eine  zusammenhängende  und  aus- 
führlichere Mittheilung  doppelt  willkommen  sein. 

Die  Localitäten,  an  denen  gesammelt  wurde,  soweit  sie  die  nachfolgende  Abhand- 
lung betreffen,  lasse  ich  in  alphabetischer  Reihe  folgen  (sie  sind  meist  auf  dem  Ueber- 
sichtskärtchen  der  »Samoafahrten«  —  S.  9  —  eingetragen): 

Aroani,  eine  kleine  Insel  der  Killerton- Gruppe  am  Eingange  von  Milne-Bai; 
früher  unbewohnt,  jetzt  Sitz  einer  Station  der  Londoner  Missionsgesellschaft,  die  hier 
einen  farbigen  Lehrer  (teacher),  ausserdem  nur  noch  eine  Station  in  Milne-Bai  hält. 

Bentley-Bai  (von  Moresby  benannt)  liegt  circa  15  Seemeilen  westlich  von  Ost- 
cap  und  ist  ziemlich  bevölkert.  Die  Eingeborenen  sind  in  Sitten  und  Gewohnheiten  ganz 
übereinstimmend  mit  denen  von  Milne-Bai,  wohin  Verkehr  zu  Land  besteht.  Da  die 
Bewohner  von  Bentley-Bai  keine  grossen  Canus  besitzen,  so  können  sie  keine  grossen 
Seereisen  machen,  werden  aber  von  den  Handelscanus  der  d'Entrecasteaux-Gruppe 
besucht. 

Blumenthal;  so  wurde  eine  1885  von  mir  errichtete  Handelsstation  benannt,  die 
in  der  Hihiaurabuchtung,  etwas  östlich  von  Bentley-Bai,  liegt.  Die  Bewohner  stehen  in 
Verkehr  mit  denen  der  letzteren  und  Milne-Bai. 

Fergusson;  von  dieser  grössten  Insel  der  d'Entrecasteaux-Gruppe  kommt  hier 
ein  Dorf  in  Betracht,  dessen  Namen  ich  nicht  erfuhr  und  welches  am  östlichen  Ausgange 
von  Dawsonstrasse  liegt. 

Goulvain  (Ulebubu  der  Eingeborenen),  eine  kleine  vulcanische,  ziemlich  bevöl- 
kerte Insel  am  Ostende  von  Dawsonstrasse,  d'Entrecasteaux. 

Higibä,  ein  Dorf  an  der  Nordküste  von  Milne-Bai. 

Mcinlay  (von  Moresby),  Maivara  der  Eingeborenen  von  Dinner-Insel;  eine 
kleine  Insel  in  Chinastrasse. 


I)  >Neu-Guinea  and  Polynesia.  Discoverics  and  Surveys  iA  New  Guinea  and  d*Entrecasteaux 
Islandsc  (London  1876).  Ihm  verdanken  wir  die  geographische  Aufnahme  dieses  ganzen  Küstengebietes 
und  der  d'Entrecasteaux-lnseln,  die  vorher  durch  d'Entrecasteaux  (1793)  nur  sehr  unvollkommen  und 
unrichtig  dlrgestellt  waren.  So  erwies  sich  die  bisher  als  Ostcap  angenommene  Spitze  Neu-Guineas  als 
eine  Insel  (Stacy  Island),  und  Moresby  blieb  es  vorbehalten,  das  eigentliche  Ostcap  mit  Chinastra.sse  zu 
entdecken  und  die  schwierigen  Verhältnisse  des  Moresby- Archipels  und  der  d'Kntrecasteaux-lnseln  klar- 
zulegen. 


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i6  Dr.  O.  Finsch.  [l54] 

Samärai  (Dinner-Insel  von  Moresby),  eine  kleine  Insel  in  Chinastrasse  zwischen 
Säriba  (Hayter-Insel)  und  Rogia  (Heath-Insel),  die  früher  unbewohnt  war.  Seither  Sitz 
einer  Missionsstation  (Londoner  Gesellschaft)  unter  Führung  eines  farbigen  Lehrers 
(teacher),  mit  circa  50  christianisirten  Eingeborenen  (meist  von  Rogia).  Die  Insel  wird 
häufig  von  Bewohnern  der  Nachbarinseln  wie  des  Festlandes  besucht. 

Teste-Insel  (Chas,  Uare  oder  Vaaro  der  Eingeborenen)  die  südlichste  des  Moresby- 
Archipels.  Die  circa  3oo  Eingeborenen  der  kleinen,  fruchtbaren  Insel  sind  dem  Namen 
nach  Christen  und  leben  unter  Aufsicht  eines  farbigen  Lehrers  (teacher)  der  Londoner 
Missionsgesellschaft. 

Weihnachtsbucht,  eine  Nebenbucht  der  tiefeinschneidenden  Nordbucht  der  Insel 
Normanby,  d'Entrecasteaux,  in  welcher  die  »Samoa«  Weihnacht  1884  ankerte. 

A.  Eingeborene. 

Was  die  Bewohner  dieses  Gebietes  anthropologisch,  als  Race,  anbetrifft,  so 
sind  sie  ausnahmslos  echte  Papuas  oder  Melanesier,  und  das,  was  ich  von  den 
Bewohnern  der  Südostküste  (II,  S.  296,  297)  sagte,  gilt  auch  für  diese.  Wie  bei  allen 
Papuas  finden  sich  in  Hautfärbung  wie  Haarbildung  erhebliche  Schwankungen  und  eine 
oft  sehr  auffallende  individuelle  Verschiedenheit,  namentlich  auch  hinsichtlich  der 
Kopf-  und  Gesichtsbildung')  (Physiognomie).  Im  Allgemeinen  sind  die  Bewohner 
dieses  grossen  Gebietes  minder  kräftig  gebaute,  mehr  schwächliche  Menschen,  deren 
Hautfärbung  sich  in  den  Farbentönen  der  Broca'schen  Tafel  Nr.  28 — 3o,  meist  zwischen 
29  und  3o,  bewegt  und  für  welche  die  von  mir  gegebene  farbige  Abbildung  einer  Frau 
von  Rogia  (Heath-Island)  in  Chinastrasse  (in  Joes t:  Tätowiren,  Taf.  II)  als  Norm  gelten 
darf.  Aber  allenthalben  finden  sich,  oft  ziemlich  zahlreich,  heller  gefärbte  Individuen; 
in  Chads-Bai  sah  ich  einen  Mann  fast  so  hellgefärbt  als  ein  sonnverbrannter  Europäer. 
Eigentliche  Albinos  sind  mir  in  diesem  Gebiete  nicht  vorgekommen.  Dagegen  fand  ich 
nur  innerhalb  dieses  Gebietes,  als  seltene  Ausnahme,  Individuen  (im  Ganzen  drei,  und 
zwar  in  Normanby  und  in  Milne-Bai)  mit  natürlich  rothem  Haar,  das,  was  man  bei  uns 
einen  »Rothkopf«  nennt,  wie  mir  solche  sonst  nirgends  in  Melanesien  begegnet  sind. 
Kinder  haben  häufig  blondes  Haar,  ganz  wie  dies  an  der  Südostküste  der  Fall  ist. 
Wenn  auch  das  typische,  spiralig  gekräuselte  Papuahaar  vorherrscht,  so  sind  doch 
Lockenköpfe  ziemlich  häufig  und  ebenso  traf  ich  allenthalben,  wenn  auch  immer  ver- 
einzelt, Individuen  mit  durchaus  schlichtem  Haar.  Meine  auch  aus  diesem  Gebiete  mit 
heimgebrachte  ansehnliche  Sammlung  von  Haarproben  2)  gibt  ausreichende  Belegstücke 
und  hinreichendes  Beweismaterial  für  Solche,  welche  noch  immer  an  der  Existenz 


1)  In  dieser  Beziehung  verhalten  sich  Farbige  gerade  so  als  Weisse,  wofür  meine  Sammlung  von 
Gesichtsmasken,  nach  Lebenden  abgegossen  (vgl.  I,  S.  296,  Anm.  i),  die  besten  Belegstücke  liefert.  Das- 
selbe dürfte  auch  bezüglich  der  Schädel  gelten,  soweit  sich  nach  blosser  Betrachtung  derselben  urtheilen 
lässt,  namentlich  bei  Vorlage  eines  Materials,  wie  ich  es  aus  der  Südsee  heimsandte,  denn  es  zählt  nicht 
weniger  als  336  Schädel,  davon  allein  167  (die  meisten  mit  genauen  Geschlechtsangaben)  aus  Blanche-Bai 
in  Neu-Britannien.  Mit  Ausnahme  einer  sehr  geringen  Anzahl  ruht  dieses  reiche  Material  noch  heute  zum 
grössten  Theil  unbenutzt  und  unbeal-beitet  in  Berlin,  denn  meines  Wissens  sind  von  Geheimrath  Vircho  w 
nur  folgende  Publicationcn  gemacht  worden:  »Schädel-  und  Tibienformen  von  Südsee-Insulanern«  (Ver- 
handl.  der  Berl.  Anthropol.  Gesellsch.,  1880,  S.  112)  und  »Ueber  mikroncsische  Schädel«  (Sitzungsber. 
der  königl.  Akademie  der  Wissensch.,  Berlin,  3.  December  1881,  S.  Iii3). 

2)  Das  reiche  von  meinen  Reisen  mitgebrachte  Material,  232  Nummern  zählend,  liegt  nun,  nach 
acht  Jahren,  noch  immer  unbenutzt  in  Berlin  und  würde  doch  höchst  wahrscheinlich  manche  interessante 
Aufschlüsse  liefern,  da  wohl  keine  ähnlich  umfassende  Sammlung  bisher  aus  der  Südsee  vorliegen  dürfte. 


[icc]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ly 

schlichthaariger  Papuas  zweifeln  sollten.  Dass  die  Bewohner  der  Inseln  mit  denen  des 
Festlandes  anthropologisch  durchaus  übereinstimmen,  mag  hier  noch  besonders  hervor- 
gehoben sein. 

Sprachlich  herrscht,  wie  überall  in  Melanesien,  grosse  Verschiedenheit.  Doch  war 
es  mir  auffallend,  in  der  Ostcapsprache  eine  Menge  mit  Motu  identischer  Wörter  wieder- 
zufinden. Nach  Chalmers,  unbestritten  mit  dem  besten  Sprachkenner  dieses  Theiles 
von  Neu-Guinea,  ist  die  Ostcapsprache  identisch  mit  dem  Districte  Daui  oder  Dauni, 
der  sich  von  Orangerie-Bai  bis  zur  Chinastrasse  erstreckt. 

CannibalismUS  scheint,  mit  Ausnahme  der  wenigen  Missionsplätze,  so  ziemlich  in 
dem  ganzen  Gebiete  geübt  zu  werden,  wenn  auch  darüber  nur  ein  paar  positive  Nach- 
weise vorliegen.  So  sah  Hunstein,  an  dessen  Zuverlässigkeit  nicht  zu  zweifeln  ist, 
auf  Basilisk-Insel  (Urapotta)  frisch  gekochte,  in  Blätter  eingepackte  Menschenschädel 
und  Chalmers')  wurde  auf  Stacy-Island  ebenfalls  Fleisch  von  erschlagenen  Feinden 
angeboten.  Die  so  liebenswürdigen  Bewohner  von  Teste-Insel  machten  kein  Hehl 
daraus,  dass  sie  »früher«  (vielleicht  vor  kaum  zehn  Jahren)  ebenfalls  notorische  Men- 
schenfresser waren,  und  auf  Goulvain  (in  Dawsonstrasse)  Hessen  mich  gewisse  Anzeichen 
schliessen,  dass  auch  hier  diese  barbarische  Angewohnheit  noch  im  Schwünge  ist.  Alle 
Schädel,  welche  ich  hier  wie  auf  Fergusson  erhielt  (zusammen  20),  haben  nämlich  das 
Hinterhaupt  zertrümmert,  was  mit  ziemlicher  Sicherheit  hindeutet,  dass  sie  von  Er- 
schlagenen herrühren,  die  verzehrt  wurden.  Manche  Schädel  sind  zum  Theil  bemalt, 
mit  einem  Loch  versehen  oder  in  Lianen  derart  eingestrickt,  dass  sie  aufgehangen 
werden  können,  um  als  Trophäen  zu  dienen,  wie  das  folgende  Stück: 

Buruburu^)  (Nr.  667,  i  Stück),  Menschenschädel  von  Ulebubu  (Insel  Goulvain), 
d'Entrecasteaux. 

Auf  Fergusson  sah  ich  an  einem  Hause  ein  menschliches  Becken  aufgehangen, 
was  ebenfalls  für  Cannibalismus  zu  sprechen  scheint,  wenn  ich  solche  Anzeichen  auch 
noch  keineswegs  als  positive  Beweise  betrachte,  wie  das  meist  zu  geschehen  pflegt. 
Findet  da  ein  Reisender  bei  oder  in  einem  Hause  irgend  ein  paar  Gebeine  oder  Schädel, 
soheisst  es  gleich:  hier  wohnen  Menschenfresser!  Das  braucht  nun  aber  thatsächlich 
noch  lange  nicht  der  Fall  zu  sein,  denn  diese  Ueberreste  können  ebensowohl  von  er- 
schlagenen Feinden  herrühren,  die  nicht  verzehrt  wurden,  als  gar  von  Anverwandten. 
I  So  wissen  wir  von  den  Koiäri,  den  Bergbewohnern  der  Südostküste,  dass  sie  die  Leichen 
der  Verstorbenen  auf  Gerüste  legen,  bis  das  Fleisch  abgefault  ist,  und  dann  die  Knochen 
sammeln  und  in  ihren  Hütten  aufhängen. 

Charles  Lyne  (»New  Guinea«,  London  1885),  der  viel  von  Cannibalismus  und 
Cannibalenfesten  (S.  167,  187  und  198)  schreibt,  aber  ebensowenig  davon  als  Augen- 
zeuge zu  sehen  bekam  als  Romilly  in  seinem  neuesten  interessanten  Buche, ■^)  erwähnt 
^S.  168)  von  Stacy-Island  besonderer  Steinflure  vor  den  Häusern,  welche  dazu  dienen 
sollen,  um  die  Körper  der  Erschlagenen,  die  verzehrt  werden,  hier  niederzulegen 
und  zu  zertheilen.  Ich  erwähne  dies,  weil  ich  in  Bentley-Bai  vor  den  Häusern  flache 
Steinplatten,  ähnlich  wie  Schiefer  platten,  sah,  die  mir  sonst  nicht  vorgekommen  waren, 

»)  »Work  and  Ad  venture  in  New  Guinea  1877—1885«  (London  1885),  S.  62,  übrigens  die  einzige 
Stelle  in  Chalmers*  Büchern,  wo  ein  positiver  Beweis  beigebracht  wird,  da  sich  die  anderen  auf  Canni- 
balismus bezüglichen  Stellen  (»Cannibalism  of  Stacy  Island«,  S.  48  und  »Cannibal  feast«,  S.  61)  nur  in  An- 
nahmen bewegen. 

3)  Die  Eingeborenennamen  sind  stets  die  der  betreffenden  Locaütäten  und  so,  wie  ich  sie  aus- 
sprechen hörte,  geschrieben. 
I  3)  »From  my  Verandah  in  New  Guinea«  (London  1890). 

!  Annaiea  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  i,  1891.  2 

I 


l8  Dr.  O.  Finsch.  [156] 

auf  denen  aber  die  Männer  gemüthlich  Ruhe  zu  halten  pflegten.    Immerhin  mögen  sie 
auch  dem  oben  angedeuteten  Zwecke  dienen. 

Wenn  auch  somit  über  den  thatsächlichen  Cannibalismus  in  diesem  Gebiete  (nach 
Chalmers  östlich  von  Baxterhafen  =  Farm-Bai)  kein  Zweifel  sein  kann,  so  fällt  ebenso 
gewiss  ein  Theil  der  auf  Cannibalismus  gedeuteten  Anzeichen  in  ein  ganz  anderes,  ge- 
rade entgegengesetztes  Gebiet,  das  der  Todtenverehrung. 

Wie  in  Neu-Britannien  (I,  S.  114)  herrscht  nämlich  die  Sitte,  die  Schädel  Verstor- 
bener nach  gewisser  Zeit  auszugraben,  aber  nur  den  Unterkiefer  als  theures  Andenken 
zu  verwahren,  ganz  in  derselben  Weise,  wie  dies  durch  Maclay  aus  Astrolabe-Bai 
zweifellos  nachgewiesen  ist. 

Ein  solches  Stück  liefert  die  nächste  Nummer: 

Gaiagaia  (Nr.  33i  j,  i  Stück),  Armband  aus  einem  menschlichen  Unterkiefer; 
Teste- Insel. 

Diese  Armbänder  sind  sehr  werthvoll  und  nur  durch  Zufall  zu  erlangen.  Sie  wer- 
den in  verschiedener  Weise  mit  Streifen  von  Pandanus-Blatt  und  einer  besonderen  An 
Klappernuss  (Rapita)  verziert.  Derartige  Armbänder  finden  sich  auch  auf  den  d'Entre- 
casteaux.  Hier  sah  ich  von  Normanbv  auch  eine  Kalkkalebasse,  die  mit  drei  mensch- 
liehen  Unterkiefern  verziert  war. 

Ob  dieselben  ebenfalls  von  verstorbenen  Anverwandten  herrührten,  wage  ich  nicht 
zu  behaupten.  Ebenso  enthalte  ich  mich  eines  bestimmten  Urtheiles  über  jene  mensch- 
lichen Halswirbel,  welche  man  zuweilen,  übrigens  sehr  selten,  als  Zierrath  am  Zopfe 
von  Männern  angebunden  findet  und  die  gewöhnlich  als  Cannibalentrophäen  gedeutet 
werden.  Solche  Zöpfe,  mit  einem  Atlasknochen  vom  Menschen  verziert,  erhielt  ich  in 
Bentley-Bai  und  auf  Dinner-Insel,  hier  »/?ow^rowa«  genannt.  Häufiger  als  Wirbelknochen 
vom  Menschen  fand  ich  solche  vom  Schwein  und  Dugong  (//^i/icore — »Lmw/«  auf  Din- 
ner-Insel), sowie  auch  seltene  Fischgebisse  als  Breloques  an  den  Haarzöpfen  befestigt. 
Es  sind  offenbar  Erinnerungszeichen  guter  Jagden,  respective  Mahlzeiten,  während  die 
Halswirbel  vom  Menschen,  nach  meiner  Ansicht,  wie  die  Armbänder  aus  Unterkinn- 
laden, ebenfalls  von  Angehörigen  herrühren.  Die  Pietät  gegen  Verstorbene  ist  gerade 
in  diesem  Gebiete  sehr  entwickelt  und  zeigt  sich  oft  in  rührender  Weise.  So  sah  ich 
eine  Frau  auf  Teste-Insel  ein  besonderes  Souvenir  —  '»Sapisapi<:i  genannt  —  auf  der 
linken  Brust  tragen.  Es  war  ein  an  einem  Bindfaden  befestigtes  kleines  Polster  aus 
Menschenhaar,  zierlich  mit  Spondylus-Schcibchen  garnirt.  Die  Haare  waren  die  der 
verstorbenen  Schwester  der  Trägerin,  die  dies  theure  Andenken  um  keinen  Preis  ver- 
kaufte. Die  Schädel,  welche  ich  mit  grosser  Mühe  auf  Dinner-  und  Teste-Insel  erhielt 
(im  Ganzen  11  und  wohl  die  letzten),  wurden  von  den  verkaufenden  Eingeborenen 
zwar  als  die  von  erschlagenen  und  verzehrten  Feinden  bezeichnet,  aber  dies  war  sicher 
blos  Prahlerei  und  sie  gehörten  ruhig  entschlafenen  Stammesgenossen,  vielleicht 
Anverwandten  an.  Alle  Schädel  zeigten  keinerlei  Verletzung,  nur  auf  der  Schädel- 
mitte ein  sauber  gebohrtes  rundes  Loch,  um  einen  Strick  zum]  Aufhängen  darin  zu 
befestigen. 

Gräber  habe  ich  überall  (Normanby,  Teste- Insel,  Bentley-Bai)  in  pietätvoller 
Weise  gehalten  gesehen;  meist  in  Form  einer  Umzäunung,  in  die  hübsche  Blattpflanzen 
gepflanzt  worden  waren,  oder  in  Form  eines  Miniaturhauses  wie  auf  Teste  (vgl. 
»Samoafahrten«,  Abbild.,  S.  280).  In  Weihnachtsbucht  sah  ich  auch  in  den  Gabel- 
zweigen zweier  blühender  Bäume,  etwa  4  Fuss  über  dem  Erdboden,  eine  Röhre  aus 
den  ßlattscheiden  der  Sagopalme,  welche  sechs  Schädel  enthielt,  die  aber  nicht  verkault 


[icyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ig 

wurden.  Dies  gibt  einen  Beleg  zu  dem,  was  vorher  gesagt  wurde,  nämlich,  dass  die 
Todten  erst  begraben,  später  aber  die  Schädel  wieder  ausgegraben  und  besonders  ver- 
wahrt werden,  nachdem  man  die  Unterkiefer  in  anderer  Weise  verwendet  hat. 


B.  Körperausputi  und  Bekleidung. 

In  der  Bekleidung  herrscht  in  diesem  Gebiet  viel  grössere  Decenz  als  an  der  Süd- 
ostküste, die  namentlich  beim  männlichen  Geschlecht  vortheilhaft  hervortritt.  Dasselbe 
bedient  sich  meist  eigenthümlicher  Matten,  wie  die  folgende: 

Gigi  (Nr.  244,  i  Stück),  Bekleidungsmatte  der  Männer,  aus  zusammengenähten 
Streifen  von  Pandanus-l&ldXl  in  eigenthümlicher  Weise  gemustert;  Normanby- Insel 
(Weihnachtsbucht). 

Diese  Art  Matten  sind  in  dem  ganzen  Gebiet,  bis  Teste-  und  Dinner-Insel  (hier 
yDam^y  in  Bentley-Bai  »/lÄrö«,  in  Milne-Bai  ^Barutta<i  genannt)  gebräuchlich  und  für 
dasselbe  charakteristisch.  Das  hübsche  Muster  wird  in  dem  frischen  Blatte  durch  Ein- 
drücken hervorgebracht  und  ähnelt  Moire.  Diese  Matten  kleiden  sehr  hübsch  und 
machen  von  Weitem  ganz  den  Eindruck  kurzer  Badehosen.  Für  gewöhnlich  genügt 
ein  Streif  von  PandanusSidXij  auch  wohl  (namentlich  in  Bentley-  und  Chads-Bai) 
Schnüre  und  Stricke  bis  dicke  Wülste  von  Menschenhaar  um  den  Leib,  durch  welchen 
zwischen  den  Beinen  ein  breites  Stück  Pandanus-h\M,  gezogen  wird  (vgl.  Finsch, 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVI,  6,  Chads-Bai).  >Tapa<i  ist  mir  in  diesem  Gebiete  nicht  vorge- 
kommen, dürfte  aber  gefertigt  werden. 

Die  Frauen  bekleiden  sich  wie  an  der  Südostküste  (II,  S.  3oo)  mit  einem  Faser- 
schurz oder  Röckchen,  dem 

Nogi  (Nr.  289,  I  Stück),  feiner  Lendenschurz,  grau  und  gelb  längsgestreift,  sehr 
schwer  und  dicht  (64  Cm.  breit,  49  Cm.  lang)  aus  fein  gespaltenen  Blattfasern  der  Sago- 
palme; Higibä,  Milne-Bai. 

Nogi  (Nr.  243,  I  Stück),  Lendenschurz  aus  gleichem  Material,  sehr  fein,  vorherr- 
schend roth  mit  einigen  gelben  Streifen  (76  Crii.  breit,  50  Cm.  lang);  Insel  Maivara 
(Mc  Inlay-Insel),  in  Chinastrasse. 

Die  obigen  Stücke  repräsentiren  besonders  feine  Lendenschurze,  besser  Röckchen 
zu  nennen,  da  sie  rings  um  die  Hüften  reichen.  Sie  werden  nur  bei  feierlichen  Gelegen- 
heiten und  meist  von  heiratslustigen  Mädchen  oder  jungen  Frauen  getragen.  Sehr  nied- 
liche und  kokett  kleidende  »Nog^/«,  in  Volants,  findet  man  auf  Teste-Insel  (vgl.  Finsch, 
Ethnol.  Atlas,  T.  XVI,  8);  auf  Normanby  eigenthümlich  grau  und  naturfarben  gestreifte, 
die  von  hier  wohl  im  Tausch  nach  Teste-Insel  gelangen,  wo  ich  dieselbe  Art  sah,  da 
auf  Teste  keine  Sagopalmen  vorkommen. 

Für  gewöhnlich  werden  auch  in  diesem  Gebiet  schwere  ungefärbte  schmal-  und 
breitblätterige  Lendenschurze  aus  Blattfasern  der  Cocospalme  getragen  (vgl.  S.  3oo). 

Schmuck  und  Zierrathen.  Die  häufige  Verwendung  von  rothen  Spow4r^z/5-Scheib- 
j  chen  erinnert  lebhaft  an  das  gleiche  Material,  welches  im  Putz  der  Mikronesier  (haupt- 
_  sächlich  Karolinier)  eine  so  hervorragende  Rolle  spielt  und  wird  für  dieses  Gebiet  be- 
'  sonders  charakteristisch,  denn  an  der  ganzen  übrigen  Nordostküste  sind  Spondylus- 
Scheibchen  unbekannt.  Auch  Menschenhaar,  nicht  in  den  fein  geflochtenen  Schnüren, 
wie  z.  B.  in  den  Gilberts  (vgl.  Nr.  546),  sondern  in  groben  Strickchen  und  Wülsten, 
I         <ier  natürlichen  Beschaffenheit  des  Papuahaares  entsprechend,  wird  häufig  zu  Schmuck 


I 


2' 


20  ör.  O.  Finsch.  [158] 

»  verarbeitet  und  ethnologisch  von  Bedeutung.  Auffallend  war  mir  der  Mangel  von 
Hundezähnen  und  der  an  der  Südostküste  (bis  Hood-Bai)  so  gebräuchlichen  Muschel- 
schnüre (Tautau,  Taf.  XIV,  Fig.  6). 

Wie  fast  überall  dienen  die  aufgereihten  Muschelscheibchen*)  oder  Plättchen  zu- 
gleich als  Tauschmittel  im  Sinne  von  Geld.  Ausser  rothen  Muschelscheibchen  von 
Spondylus  (Taf.  XIV,  Fig.  i  a)  sind  auch  solche  aus  einer  weissen  Muschel  geschliffen 
(Taf.  XIV,  Fig.  i^)  beliebt.  Als  werthvoUere  Tauschmünzen  gelten  Armringe  aus 
CowM5-Muschel  (Taf.  XV,  Fig.  i)  und  aus  Muschel  geschliffene  Nasenkeile,  von  denen 
die  aus  einer  Hippopus-Art  am  werthvoUsten  sind  (Taf.  XXII,  Fig.  2).  Die  sonst  über- 
all beliebten  Samenkerne  von  Coix  lachryma  sind  mir  in  diesem  Gebiete  nicht  vorge- 
kommen, dagegen  werden  häufig  die  schwarzen  Fruchtkerne  ^Gudduguddu€  (Taf.  XIV, 
Fig.  I  c)  verwendet,  sehr  beschränkt  auch  die  von  Abrus  precatorius, 

TätOWirung.  Bemerkenswerth  und  von  ungewöhnlichem  Interesse  ist,  dass  wir 
inmitten  dieses  Gebietes  einen  kleinen  Bezirk,  gleichsam  eine  Oase,  finden,  in  welchem 
Tätowirung  der  Frauen,  und  zwar  in  sehr  eigenthümlicher  Paterne  als  Körperzier  be- 
liebt ist.  Das  eigenartige  Muster  zeigt  die  farbige  Abbildung  einer  Frau  von  Rogia 
(Heath-Island)  in  Joe  st  (Tätowirung  etc.,  Taf.  II)  und  Finsch  (Samoafahrten,  S.  278) 
Diese  Tätowirungsoase  beschränkt  sich  nur  auf  die  Inseln  östlich  der  Chinastrasse  von 
Dinner-  bis  Teste-Insel,  deren  Bewohner  übrigens  echte  Papuas  und  genau  derselben 
Menschenrace  angehören  als  die  des  Festlandes.  Auf  letzteren,  sowie  den  d*Entre- 
casteaux  ist  Tätowirung  unbekannt,  soll  aber  wiederum  auf  Südcap  (St acy- Island)  geübt 
werden.  Krieger  pflegen  sich  zuweilen  als  Erinnerung  an  erfolgreiche  Kämpfe  gewisse 
Zeichen  auf  der  Brust  einzuritzen,  ganz  ähnlich  wie  solche  an  der  Südwestküste  vor- 
kommen (vgl.  II,  S.  305,  Fig.  10  und  11).  Ich  sah  solche  Zeichen  einige  Male  bei  Män- 
nern in  Bentley-  wie  Milne-Bai.    Ziernarben  sind  mir  nicht  vorgekommen. 

Bemalen  dts  Körpers  ist  (ausser  bei  Trauer)  im  Ganzen  selten.  Auf  Normanby 
und  in  Bentley-Bai  begnügte  man  sich  mit  einigen  schwarzen  Strichen  im  Gesicht; 
Kindern  hatte  man  Kreuze  auf  die  Stirn  gemalt;  zuweilen  lief  rings  um  den  Mund  ein 
schwarzer  Strich,  oder  die  eine  Wange  war  roth,  die  andere  schwarz  bemalt. 

Schwarzmalen  des  Gesichtes,  wie  des  ganzen  Körpers,  gilt  auch  hier  als  vorherr- 
schende Form  der  Trauer.  Doch  gibt  es,  wie  an  der  Südostküste,  auch  in  diesem  Ge- 
biete Trauerschmuck,  der  in  einigen  sehr  eigenthümlichen  Formen  auftritt,  die  beson- 
dere Beachtung  verdienen  und  zu  denen  auch  das  vorher  (S.  18)  erwähnte  tSapisapi^ 
zu  gehören  scheint.  Am  häufigsten  wird  eine  Art  Brustlatz  aus  kunstvoll  aneinander 
geknüpfter  Bindfaden  (in  Bentley-Bai  y>Nerawandi*  genannt),  und  zwar  von  beiden 
Geschlechtern  getragen.  In  Bentley-Bai  waren  für  beide  Geschlechter  breite,  aus  Gras 
geflochtene  Bänder,  die  kreuzweis  über  Brust  und  Rücken  laufen,  Zeichen  der  Trauer. 
Häuptlingsfrauen,  und  nur  diese  allein,  durften  sich  hier  noch  eines  besonderen  Trauer- 
schmuckes,  T^Diadiro<  genannt,  bedienen.  Derselbe  besteht  in  einem  Reifen,  so  gross 
als  von  einem  kleinen  Fass,  an  dem  weisse  Eiermuscheln  (Ovula)  befestigt  sind  und 
der  über  die  Schulter  getragen  wird.  Beiläufig  mag  bemerkt  sein,  dass  derartige  Gegen- 
stände nur  durch  Zufall  erworben  werden  können. 

Kopfschmuck.  Das  Haar  wird  von  jungen  Leuten,  in  derselben  Weise  aufgeputzt, 
in  einer  mächtigen  Wolke  getragen,  als  an  der  Südküste,  Bentley-Bai  (vgl.  Finsch, 

0  Mein  bereits  (I,  S.  127)  ausgesprochenes  Bedauern,  dass  über  die  Anfertigung  der  so  verschie- 
denen Arten  Muschelscheibchen  nichts  Sicheres  bekannt  ist,  muss  ich  hier  wiederholen.  Möglicherweise 
geht  diese  Kunstfertigkeit  mit  dem  Steinzeitalter  verloren,  ohne  dass  wir  über  dieselbe  genaue  Kunde 
besitzen. 


[159]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  21 

»Samoafahrtency  S^  235).  Ausserdem  bilden  bei  beiden  Geschlechtern  künstlich  verfilzte, 
durch  Einschmieren  mit  Russ  und  anderen  Stoffen  unentwirrbare  Stränge  oder  Strähne 
eine  beliebte  Haartour  (vgl.  Finsch,  »Samoafahrten«,  S.  283,  Teste-Insel),  ähnlich  den 
y  Gatessi*,  wie  wir  sie  in  Astrolabe-Bai  wiederfinden  werden.  Diese  Haarstränge  zieren 
hauptsächlich  den  Nacken  der  Männer,  welche  hier  auch  nicht  selten  einen  an  6  Zoll 
langen,  dicht  verfilzten  Haarzopf  stehen  lassen,  an  welchen  Muscheln  (Cypracaea  oder 
Ovula)y  Halswirbel  (vom  Menschen,  Schwein  oder  Dugong),  zuweilen  seltene  Fisch- 
gebisse als  Zierrath  befestigt  werden.  Aehnliche  Haarzöpfe,  mit  besonderem  Ausputz, 
werden  wir  im  Westen  von  Kaiser  Wilhelms-Land  kennen  lernen. 

Ueberhaupt  ist  Haarputz  im  Allgemeinen  selten,  auch  die  sogenannten  »Kämme« 
'^^auf  Dinner-Insel  »S^wari«,  in  Bentley-Bai  ^Dine<,  in  Milne-Bai  ^Diäwe*  genannt), 
welche  bekanntlich  nicht  zum  Kämmen,  sondern  mehr  zum  Aufzausen  des  Haares  der 
Männer  dienen  und  nur  von  diesen  getragen  werden.  In  der  Form  ähneln  die  Haar- 
kämrae  dieses  Gebietes  denen  der  Südostküste  (II,  S.  3o6),  wie  die  folgende  Nummer 
zeigt: 

Haarkamm  (Nr.  296,  i  Stück),  bestehend  aus  acht  dünnen,  39  Cm.  langen,  runden 
Bambusstäbchen,  die  an  der  Basis  20  Cm.  lang  verdünnt  und  mit  zierlichem  Flechtwerk 
aus  Bindfaden  verbunden  sind;  in  der  Mitte  mit  fünf  aufgeklebten  Abrus-Bohntn, 
schwarzen  Fruchtkernen  (Gudduguddu  auf  Dinner-Insel)  und  einer  grossen  blauen 
Glasperle  verziert;  Insel  Normanby  (Weihnachtsbucht). 

Die  Kämme  sind  seltener  mit  Federn,  sondern  mehr  mit  frischen  Blättern  oder 
dem  für  dieses  Gebiet  eigenthümlichen  Schmuck  aus  Spondylus-Schcibchen  verziert. 
Einen  sehr  schönen  langen,  sechszinkigen  Kamm,  aus  einem  Stück  Schildpatt  gearbeitet, 
mit  geschmackvoller  Gravirung,  sah  ich  auf  Teste-Insel. 

Haarputz  aus  Federn  scheint  ebenfalls  selten  zu  sein. 

Kopfputz  (Nr.  342, 1  Stück),  von  Seitenfedern  des  Paradiesvogels  (^Hiain,  Paradi- 
sea  Raggiana) ;  Bentley-Bai. 

Federn  vom  Casuar  werden  ebenfalls  verwendet,  ebenso  Federnschmuck  vom 
Cacadu,  der  in  Bentley-Bai  ^Tegora*  heisst. 

Kopfzier  (Nr.  350,  i  Stück)  aus  einem  über  ein  Stöckchen  gezogenen  Schwanz- 
fell eines  Flugbeutlers  (Belideus  ariel);  Bentley-Bai. 

Einen  eigenthümlichen  Kopfschmuck  der  Männer,  angeblich  aus  Milne-Bai  her- 
slammend, sah  ich  in  der  Colonial-Exhibition  1886  in  London.  Dieser  Kopfschmuck 
bestand  in  einer  Art  Hutkrempe  aus  Holz,  mit  Schnitzerei  und  bunter  Bemalung  und 
erinnerte  lebhaft  an  die  Perlkragen  in  Neu-Britannien  (I,  S.  98,  Nr.  441). 

Nasenschmuck,  und  zwar  nur  durchs  Septum,  ist  bei  beiden  Geschlechtern  Sitte. 
Am  häufigsten  sind  kurze  runde  Keile  bis  zur  Dicke  eines  Bleistiftes  aus  Holz,  Rohr 
oder  Coralle;  in  Bentley-Bai  sah  ich  dünne,  feine  Rottanringe  durchs  Septum  gezogen; 
in  Normanby  und  auf  Dinner-Insel  auch  einige  aufgereihte  Spondj^lus-Schtibch^n. 

Der  werthvoUste  Nasenschmuck  dieses  Gebietes  und  charakteristisch  für  das- 
selbe ist: 

Nasenkeil  (Nr.  3o6,  i  Stück)  aus  dem  Schlosstheile  der  Hippopus-Muschel  (II, 
S.  358  [144],  Taf.  XXII  [14J,  Fig.  2)  geschliffen;  Normanby  (Weihnachtsbucht). 

Diese  Nasenkeile,  in  Milne-Bai  T^Hiddo^^y  auf  Dinner-Insel  T^Panaiate*  genannt, 
ähneln  denen  aus  Tridaena  (II,  S.  96)  von  Port  Moresby,  zeichnen  sich  aber  durch  die 
gelbe  bis  orange  Färbung  aus.  Sie  sind  besonders  beim  weiblichen  Geschlecht  beliebt, 
und  ich  sah  auf  Teste-Insel  ein  kaum  zehnjähriges  Mädchen,  welches  bereits  einen 
solchen  Keil  von  Bleistiftstärke  in  der  Nase  trug.   Solche  Nasenkeile  dienen  als  Tausch- 


22  Dr.  O.  Finsch.  [l^o] 

mittel  und  sind  sehr  schwer  zu  erlangen.  Ich  beobachtete  diese  Art  Nasenschmuck  nur 
in  den  d'Entrecasteaux  und  am  Ostende  Neu-Guineas  (Milne-  und  Bentley-Bai). 

Ohrschmuck.  Auf  dem  Festlande  dient  ein  Streif  aufgerolltes  Panda nus-Elatty  in 
Bentley-Bai  T^Tanigata<  genannt,  als  häufigste  Ohrzier.  Es  weitet  den  Ohrlappen  sehr 
aus  und  wird,  wenigstens  in  Bentley-Bai,  nur  von  Männern  getragen.  Auf  den  Inseln 
und  in  den  d'Entrecasteaux  sind  rothe  Spondylus-Schtibchtriy  zuweilen  an  Schildpatt- 
ringen befestigt,  sowie  zahlreiche  runde,  flache  Ringe  aus  Schildpatt  als  feiner  Ohr- 
schmuck bei  beiden  Geschlechtern  beliebt,  aber  im  Ganzen  selten. 

Hals-  und  Brustschmuck.  Halsstrickchen  (in  Bentley-Bai  *Maura^)  sind  ein  ge- 
wöhnlicher Schmuck,  dagegen  habe  ich  keinen  von  kleinen  Muscheln  (Cassidula)  oder 
von  Zähnen  gesehen  und  besonders  solchen  von  Hundezähnen  vermisst,  da  diese 
Thiere  sowohl  in  den  d'Entrecasteaux  als  auf  dem  Festlande  in  ziemlicher  Anzahl  ge- 
halten werden. 

Die  Sammlung  enthält  indess  einige  hervorragende  und  besonders  werthvolle 
Stücke. 

Waiatutta  (Nr.  687,  i  Stück,  Halskette  aus  runden  geschliffenen  und  durchbohr- 
ten Scheibchen  (Taf.  XIV,  [6],  Fig.  i  b)  einer  weissen  Muschel,  an  jedem  Ende  mit  einem 
schwarzen  Fruchtkern  (Gudduguddn  auf  Dinner-Insel).   Chas  (Teste-Insel). 

Sehr  beliebter  und  weitverbreiteter  Schmuck,  aber  seltener  als  die  folgende  Num- 
mer.   Ganz  ähnliche  weisse  Muschelscheibchen  finden  sich  in  den  Gilberts-Inseln  wieder. 

Samakupa  (Nr.  488,  i  Stück),  Halskette  (II,  S.  342  [128],  Taf.  XIV,  [6],  Fig.  i), 
29  Cm.  lang,  aus  Scheibchen  von  rother  Spondj^lus-Muschel  (a),  am  Ende  ein  paar 
weisse  Muschelscheiben  (b)  und  ein  schwarzer  Fruchtkern  (c).  Daher. 

Sehr  werthvoll.  Ich  sah  solche  Halsketten  auch  auf  Normanby,  konnte  sie  aber 
nicht  erwerben.  Ganz  ähnlicher  Schmuck  findet  sich  in  den  Marshall- Inseln,  aber  in 
hellerer  Färbung  und  wahrscheinlich  von  einer  andern  Species  der  Gattung  Spondylus 
herrührend. 

Halskette  (Nr.  487,  i  Stück)  (II,  S.  342  [122],  Taf.  XIV,  [6],  Fig.  2)  aus  Ab- 
schnitten (a)  von  ersten  Schwingen  des  Casuar  und  rothen  5/?o/i4^/z/5-Scheibchen  (b) ; 
Aroani,  Killerton- Inseln,  Milne-Bai. 

Diese  sehr  zierlichen  und  eigenthümlichen,  oft  mehr  als  2  Meter  langen  Halsketten, 
auf  Teste-Insel  ^Dibi<  genannt,  werden  vom  Festlande  eingetauscht,  wo  allein  Casuare 
vorkommen,  und  sind  deshalb  sehr  werthvoll.  Sehr  ähnliche  Halsketten  finden  sich  im 
Westen  von  Neu-Britannien  (I,  S.  122,  Taf.  III,  Fig.  11). 

Dona  (Nr.  516,  i  Stück),  kostbarer  Brustschmuck,  bestehend  aus  einem  circa 
40  Cm.  langen  Bande  aus  Bastgeflecht,  an  welchem  80  oblonge  (22  Mm.  lange)  Spon- 
4;^/w5- Plättchen  (Bakiau)  angeflochten  sind;  als  Anhängsel  dient  ein  abnormal  ge- 
krümmter Eberhauer  (Dona),  fast  kreisrund  und  65  Mm.  im  Lichten  messend.  Von 
Dinner-Insel  (Samarai),  aber  nach  dort  von  den  d'Entrecasteaux  eingetauscht. 

lieber  die  Entstehungsweise  der  abnormen  Krümmung  solcher  Eberhauer  und 
ihren  hohen  Werth  als  Südseepretiosen  vgl.  die  Abhandl.  Nr.  10  (II,  S.  295). 

Bei  der  grossen  Seltenheit  werden  derartige  Eberhauer  auch  imitirt,  wie  das  fol- 
gende Stück: 

Dona  (Nr.  517,  i  Stück);  Brustschmuck,  bestehend  aus  einem  Bande,  auf  welches 
86  viereckige  5/70w4;^/M5-Scheibchen  aufgeflochten  sind;  in  der  Mitte  ist  ein  künstlich  aus 
Tridacna  geschliffener  nicht  ganz  kreisrunder  Eberhauer  (6  Cm.  im  Lichten)  befestigt, 
der  mit  sechs  Scheiben  aus  Conws-Scheiben,  vier  Schnüren  rother  Glasperlen,  die  je  in 
einem  schwarzen  Fruchtkern  (wie  Taf.  XIV,   ic)  enden,  verziert  ist;  an  der  Rück- 


[161]  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  Südsee.  23 

I  Nacken-)  Seite  ist  eine  Ovw/^ -Muschel  (Dunari)  befestigt.  Von  Dinner-Insel  (Samarai), 
aber  vom  Festlande  herstammend. 

Brustkampfschmuck  (II,  S.  3i2)  dürfte  diesem  Gebiete  ebenfalls  nicht  fehlen.  So 
sah  ich  in  Milne-Bai  Kreisabschnitte  grosser  C^m^/wm-Muscheln,  T^Doru^  genannt,  die 
vielleicht  in  ähnlicher  Weise  dienen,  als  wie  dies  im  Westen  von  Kaiser  Wilhelms-Land 
der  Fall  ist. 

Armschmuck.  Armbänder  aus  feinem,  meist  schwarzgefärbtem  Flechtwerk  (Gras 
oder  Pflanzenfaser,  ganz  wie  Nr.  378,  II,  S.  3 12)  von  Port  Moresby  und  anderwärts, 
sind  auch  in  diesem  Gebiete,  sowohl  auf  dem  Festlande  als  den  Inseln  am  häufigsten 
und  werden  von  beiden  Geschlechtern  getragen.  Auf  Normanby  trägt  man  sehr  breite 
Armbänder,  fast  so  breit  als  der  halbe  Oberarm.  In  Bentley-Bai  sah  ich  sehr  schön  aus 
Pflanzenfaser  geflochtene  mit  schwarz  und  gelben  Muster,  die  aber  nicht  verkauft 
wurden.  Sie  heissen  hier  >Ohama*  und  ^Mi!imi!i<c.  Ziemlich  grobe  Armringe  aus 
Trochus  niloticus,  ^Kakati«^  genannt  (ganz  wie  Nr.  367  von  der  Nordküste),  sind  hier 
ebenfalls  vertreten,  wie  auch  in  Milne-Bai.  Ein  besonderer,  aber  seltener  Armschmuck 
besteht  aus  mehreren  aneinandergebundenen  Orw/a-Muscheln  (Dunara)  und  heisst  in 
Bentley-Bai  *Bunidoga<;  derartiger  Schmuck  wird,  wie  auf  Normanby,  auch  unterm 
Knie  befestigt,  als  Knieband  von  Männern  getragen. 

Einen  werthvoUen  Armschmuck,  den  wir  als  eine  Art  Geld  unter  dem  Namen 
■  7b;ii€  schon  von  Port  Moresby  kennen  (II,  S.  314),  repräsentirt  die  folgende  Nummer: 

Armring  (Nr.  362,  i  Stück),  aus  Muschel  (II,  S.  344  [i3o],  Taf.  XV,  [7],  Fig.  i), 
ein  4  Cm.  breiter  Querschnitt  vom  Spitzenende  eines  Conus  millepunctatus  (750  Mm. 
Durchmesser  im  Lichten),  mit  Verzierung  von  (a)  halbdurchschnittenen  schwarzen, 
glänzenden  Fruchtkernen  und  (b)  weissen  Muschelscheibchen  (wie  Taf.  XIV,  Fig.  i^); 
Normanby,  Weihnachtsbucht. 

Armring  (Nr.  363,  i  Stück),  wie  vorher;  Chas  (Teste-Insel). 

Diese  Art  Armringe,  auf  Dinner-Insel  T>Massuoru<L  genannt,  werden  hauptsäch- 
lich auf  den  d'Entrecasteaux-Inseln  angefertigt  wie  auch  in  Milne-Bai  und  finden  im 
Tausch  ihren  Weg  auf  die  Inseln  und  längs  der  Küste  weit  nach  Westen. 

Bakibakiri  (Nr.  386,  i  Stück),  sehr  grosses  Armband  (7  Cm.  breit),  aus  gespal- 
tenen, schwarzgefärbten  Rottang  geflochten  (10  Cm.  Diameter);  Bentley-Bai. 

Diese  schon  durch  ihre  ungewöhnliche  Grösse  alle  anderen  Armbänder  über- 
tretfende  Sorte  scheint  für  die  Ostspitze  charakteristisch.  Ich  sah  sie  nur  in  Milne-Bai 
und  nördlich  bis  Chads-Bai,  sowie  auf  Normanby,  aber  nicht  auf  den  übrigen  Inseln. 
Die  Hohlkehle  der  Innenseite  wird  mit  wohlriechenden  Kräutern  und  Pflanzen  ausge- 
stopft und  dient  zum  Aufbewahren  von  Kleinigkeiten. 

Nach  einer  Notiz  bei  Moresby  wäre  diese  Art  Armbänder  als  Trauerschmuck  zu 
betrachten,  von  welchen  die  Eingeborenen  nichts  verkauften.  Aber  ich  selbst  hatte  keine 
Schwierigkeiten,  solche  Armbänder  zu  erlangen,  und  bemerkte  nichts,  was  auf  Trauer- 
schmuck  hindeutete.  Der  sonderbaren  Armbänder  aus  einem  menschlichen  Unterkiefer 
habe  ich  bereits  im  Vorhergehenden  (S.  18)  als  charakteristisch  für  dieses  Gebiet  gedacht. 

Wie  bei  den  Motu  (II,  S.  100)  ist  für  junge  Leute  beiderlei  Geschlechts  noch  be- 
sonderer Armbandschmuck  beliebt,  wie  die  folgenden  zwei  Nummern  zeigen. 

Päropöru  (Nr.  412,  i  Stück),  Armbandschmuck  aus  einem  84  Cm.  langen,  spitz 
zulaufenden  Streif  von  Pandanus-BXzXX  genäht,  an  der  Basis  bemalt  und  am  Ende  mit 
einem  45  Cm.  langen  Büschel  feiner  Pflanzenfaser  verziert;  Bentley-Bai. 

Armbandschmuck  (Nr.  4i3,  i  Stück),  aus  gleichem  Material,  aber  pliss^artig  in 
Falten  gelegt;  Weihnachtsbucht,  Normanby. 


24  Dr.  O.  Finsch.  [162] 

Der  (Nr.  414,  II,  S.  314)  von  Port  Moresby  erwähnte  Schmuck  für  die  Conus- 
armringe  aus  kleinen  Spondylus-Scheihchtn  wird  in  diesem  Gebiete  ebenfalls  getragen 
und  meist  hier  verfertigt.  Als  Armbandputz  ist  auch  ein  Büschel  Casuarfedern  geschätzt, 
ausserdem  allerlei  buntfarbige  Blätter,  namentlich  von  Crotofi,  die  allgemein  üblich  sind. 
In  Bentley-Bai  wurde  häufig  ein  Badeschwamm  im  Armband  getragen,  wie  dies  auch  in 
Normanby  vorkam. 

Leibschnure  aus  ineinander  verfilzten  zottigen  Haarstricken  bilden  einen  charak- 
teristischen Schmuck  der  Männer.  Sie  sind  besonders  in  Bentley-Bai  Mode,  wo  sie 
^Apara<i  heissen,  kommen  aber  auch  in  Milne-Bai,  auf  den  d'Entrecasteaux  und  den 
Inseln  (Dinner  und  Teste)  vor.  Häufig  erhalten  diese  Leibwülste  einen  besonderen 
Schmuck  in  einer  an  der  Hüftseite  herabhängenden  Troddel,  ebenfalls  aus  Menschen- 
haar, an  der  drei  bis  vier  Ovula-Muscheln  befestigt  sind  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas, 
Taf.  XVI,  Fig.  6,  Chads-Bai),  ^Turituri^c  heissen  auf  Dinner- Insel  fein  geflochtene 
schwarze  und  gelbe  Schnüre  aus  Pflanzenfaser,  häufig  mit  SpondylusSchtibchtn  ver- 
ziert, die,  auch  von  Frauen,  als  Leib-  und  Brustschmuck  benützt  werden  und  mir  sonst 
nirgends  vorkamen. 

C  Häuser  und  Siedelungen. 

Ich  will  nur  erwähnen,  dass  auch  in  diesem  Gebiete  Pfahlbauten  allgemein  üblich 
sind,  die  aber  stets  auf  dem  Lande,  niemals  im  Wasser  errichtet  w^erden.  Die  Häuser 
selbst  sind  wesentlich  von  denen  der  Südostküste  (II,  S.  3i6 — Big)  verschieden  und 
repräsentiren  nach  den  Localitäten  mehrere  sehr  abweichende  Baustv'le,  von  denen  die 
hauptsächlichsten  in  meinem  Reisewerk  (»Samoafahrten«)  dargestellt  sind  (S.  217, 
Weihnachtsbucht  auf  Normanby;  S.  227  Fergusson;  S.  287  Bentley-Bai;  S.  250  Hihi- 
aura;  S.  280  Teste-Insel).  Die  Baukunst  ist  im  Allgemeinen  gut,  an  manchen  Orten 
hervorragend  entwickelt.  Schnitzerei  habe  ich  nur  an  Häusern  auf  Teste-Insel  gefun- 
den, auf  Fergusson  Bemalung  der  Giebelfront. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  Schuppen  zur  Aufbewahrung  der  grossen 
Canus,  von  denen  jedes  Dorf  meist  nur  einen  besitzt.  Diese  Canusschuppen  (vgl. 
»Samoafahrten«,  S.  224,  Goulvain)  scheinen  in  gewissem  Sinne  als  Versammlungs-, 
respective  Tabuhäuser  der  Männer,  welche  in  diesem  Gebiete  fehlen,  zu  dienen.  Hier 
werden  die  grossen  Trommeln  und  Kampfschilde  aufbewahrt  und  die  Eingeborenen 
lieben  es  nicht,  dass  Fremde  diese  Canusschuppen  betreten.  Baumhäuser  kommen  in 
diesem  TheUe  Neu-Guineas  ebenfalls  vor  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  272,  Milne-Bai).  In 
Bentley-Bai  wie  auf  Teste-Insel  heisst  Haus  Numa,  identisch  mit  dem  Ruma  oder  Luma 
der  Motusprache. 

Ackerbau.  Was  darüber  von  der  Südostküste  (II,  S.  3 20)  gesagt  wurde,  gilt  in  er- 
höhtem Masse  auch  von  diesem  Gebiete.  Selten  wird  man  in  Neu-Guinea  so  schöne 
und  ausgedehnte  Flächen  cultivirten  Landes  trefl'en  als  gerade  in  diesem  Theile.  Ganz 
besonders  überraschen  die  Inseln  von  Ostcap  mit  zahlreichen  bepflanzten  Hängen,  die 
sich  schon  von  Weitem,  je  nach  der  Jahreszeit,  als  braune  oder  grüne,  regelmässige 
Felder  abheben.  Weit  ausgedehnter  sind  diese  »Culturflecken«  in  den  d'Entrecasteaux, 
wo  sie  dem  Landschaftsbilde  einen  heimatlichen  Charakter  verleihen,  mit  dem  freilich 
die  anscheinend  äusserst  spärliche  Bevölkerung  wenig  im  Einklänge  steht.  In  Goode- 
nough-Bai  Hessen  sich  mit  dem  Fernrohr  noch  in  Höhen  von  4000 — 5000  Fuss  wohl- 
gepflegte Plantagen  der  Eingeborenen  erkennen,  wie  meist  mit  Vorliebe  an  den  steilsten 
Stellen  angelegt.  Der  Grund,  weshalb  gerade  solche  beschwerliche  Localitäten  bevor- 
zugt werden,  ist  mir  nie  recht  klar  geworden,  mag  aber  hauptsächlich  mit  darin  zu 


[153]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  25 

suchen  sein,  dass  an  solchen  Stellen  die  heftigen  Niederschläge  tropischer  Regenschauer 
schneller  abfliessen,  in  derartigen  Plantagen  auch  die  Ueberfällc  feindlicher  Nachbarn 
bedeutend  erschwert  werden. 

Wie  alle  Melanesier  sind  auch  die  Bewohner  dieses  Gebietes  vorherrschende 
Vegetarianer,  die  den  Haupttheil  ihrer  Ernährung  aus  dem  Anbau  von  Culturgewächsen 
(ganz  besonders  Yams,  Taro,  Bananen  und  Zuckerrohr)  gewinnen. 

Die  Hausthiere  sind  dieselben  als  an  der  Südostküste  (II,  S.  322)  und  das  in  jenem 
Abschnitt  Gesagte  gilt  auch  für  dieses  Gebiet.  Beiläufig  mag  hier  erwähnt  sein,  dais  ich 
1885  zuerst  europäische  Hausthiere,  und  zwar  Rindvieh  und  Schafe  in  diesem  Theile 
Neu-Guineas  (bei  Bentley-Bai)  einführte,  von  denen  die  letzteren  bald  eingingen,  die 
eriteren  sich  aber  verwildert  noch  heute  erhalten  und  vermehrt  haben  dürften. 

2).  Geräthschaften  und  Werkzeuge. 

Ueber  die  Art  des  FeuerreibenS  habe  ich  mich  nicht  unterrichten  können.  Uebri- 
gens  sind  an  mehreren  Plätzen  bereits  Streichhölzer  als  Tauschartikel  eingeführt. 

Unter  den  kleineren  Geräthschaften  des  täglichen  Gebrauches  finden  wir  auch  hier 
als  Schab-  und  Schneidinstrument  Stückchen  Knochen  oder  Muschelschalen  vertreten, 
wie  die  folgenden  beiden  Nummern: 

Perlmutterschalen  (Nr.  28  und  29,  2  Stück),  Bentley-  und  Chads-Bai  (circa 
10  Seemeilen  westlich  von  Bentley-Bai).  Die  Perlmuscheln  dieses  Gebietes  gehören  zu 
der  im  Handel  als  »schwarzrandige«  bezeichneten  Sorte  (Meleagris  margaritifera) , 
die  zum  Theil  recht  brauchbares  (bis  500  Gramm  schweres)  Perlmutter  liefern.  Am 
häufigsten  ist  dasselbe  in  Chinastrasse  und  auf  den  Riffen  um  die  Inseln,  indess  wirth- 
schaftüch  doch  nicht  von  Bedeutung. 

Obsidian  (Nr.  21,  i  Stück);  Fergusson-Insel,  d'Entrecasteaux.  Splitter  dieser 
glasartigen  Lava  wurden  früher  mit  Vorliebe  zum  Rasiren  benützt,  sind  aber  jetzt  meist 
durch  Glasscherben  verdrängt  worden.  Das  Material  stammt  vermuthlich  von  Goode- 
nough-Insel,  wo  es  noch  jetzt  thätige  Vulcane  gibt,  und  wird  zum  Theil  jetzt  noch  weit 
verhandelt;  so  sah  ich  auf  Teste-Insel  noch  Obsidianstücke. 

Ein  sehr  eigenthümliches  Instrument  zeigen  die  folgenden  Nummern: 

Käginiss  (Nr.  47,  48,  2  Stück),  Spatel  aus  Muschel  (Pinna  nigra)  mit  kugel- 
törmigen  Handgriff  aus  einer  Kittmasse  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  VI,  Fig.  5); 
Chas  (Teste-Insel). 

Dieses,  in  Material  wie  Fassung,  sehr  eigenthümliche  Instrument  habe  ich  nur  hier 
angetroffen.  Es  dient  dazu,  Farbe  in  die  vertieften  Schnitzereien,  hauptsächlich  der 
Canusverzierungen,  zu  schmieren,  vielleicht  auch  zum  Dichten  (Kalfatern)  der  Canus 
selbst. 

Als  Trinkgefässe  bedient  man  sich,  wie  fast  überall,  mit  Vorliebe  der  Cocosnuss- 
schalen,  die  auch  zu  Löffeln  verarbeitet  werden. 

Knake  (Nr.  65  und  66,  2  Stück),  Cocosuussschalen  als  Löffel,  respective  Trink- 
schale benutzt;  Station  Blumenthal  bei  Bentley-Bai. 

Löffel  (Nr.  61,  i  Stück)  aus  Cocosnussschale  (sehr  gross,  18  Cm.  Diameter),  mit 
feiner  Gravirung.    Insel  Normanby  (Weihnachtsbucht), 

Laro  (Nr.  60,  i  Stück),  Löffel  aus  Muschel  (Perlmutter).   Chas  (Teste-Insel). 

Gaiba  (Gaiwa)  (Nr.  84,  i  Stück),  flache  runde  Holzschüssel  (43  Cm.  Durch- 
messer) mit  hübscher  Randverzierung  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  III,  Fig.  3). 
Chas  (Teste-Insel).   Auch  in  Bentley-Bai  Gaiba  genannt. 


26  Dr.  O.  Finsch.  [164] 

Diese  Schüsseln  werden  hier  nicht  gefertigt,  sondern  kommen  von  ^Tekateka^ 
(wohl  =  Tekatua  oder  Butchard-Insel  der  Engeneer-Gruppe).  Diese  Art  Schüsseln,  in 
der  Form  denen  der  Admiralitäts-Inseln  gleichend,  stehen  den  letzteren  an  kunstvoller 
Verzierung  (mit  eigenthümlichen  Mustern)  nicht  nach  und  gehören  mit  zu  den  besten 
derartigen  Erzeugnissen  der  Südsee  überhaupt.  Ich  mass  eine  solche  Schüssel  von 
84  Cm.  Durchmesser.  Sie  sind  kaum  mehr  zu  haben,  ebenso  wie  die  kolossalen,  ruder- 
förmigen,  an  6  Fuss  und  mehr  langen  Rührlöffel,  auf  Teste  Kolopale  genannt,  deren 
Stiel  ^weilen  mit  sehr  kunstvoller  durchbrochener  Schnitzerei,  in  Maori-Motiven,  ver- 
ziert ist.  Sie  kommen  wohl  von  Normanby,  wo  Rührlöffel  (zu  Sago  und  Arrowroot)  in 
sonderbaren  Formen  zu  den  ethnologischen  Eigenthümlichkeiten  gehören. 

Töpferei.  Wie  bereits  erwähnt,  bildet  Chas  (Teste-Insel)  das  Haupt-  und,  wie  es 
scheint,  einzige  Centrum  der  Töpferei,  die  hier  in  Technik  wie  Form  der  Fabrikate 
durchaus  verschieden  von  der  in  Port  Moresby  (II,  S.  324)  betrieben  wird.  Das  Mate- 
rial liefert  ein  trefflicher  Wackenthon,  der  durch  Verwitterung  des  reichlich  mit  Schörl 
gemengten  Basalts,  aus  welchem  die  Insel  besteht,  entstanden  ist.  Wie  überall  liegt  die 
Topffabrikation  ausschliessend  in  den  Händen  der  Frauen,  die  frühzeitig  sich  schon 
darin  üben  und  zuweilen  eine  staunenswerthe  Geschicklichkeit  erreichen.  Die  Methode 
ist  noch  viel  einfacher  als  die  in  Port  Moresby  (II,  S.  324)  übliche  und  erfordert  eigent- 
lich gar  keine  Geräthschaften.  Die  Töpferin  rollt  mit  der  flachen  Hand  runde,  wurstför- 
mige,  circa  6  Zoll  lange  Wülste  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  8)  und  baut  dieselben  spira- 
lig,*) wie  das  Gewinde  einer  Schnecke  auf.  Zum  Glattstreichen  bedient  man  sich  einer 
kleinen 

Muschel  (Nr.  97)",  wohl  7<?///;m-Species. 

Die  Töpfe,  Ureii'a  oder  Gurewa  (in  Bentley-Bai  Nau)  genannt,  erhalten  daher 
nicht  die  eigentliche  melanesische  Topfform,  sondern  sind  oben  offen  und  ähneln  mehr 
einem  tiefen  Napfe  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  6).  Am  Rande  wird  mit- 
telst dem 

Kulikulikoto  (Nr.  97  a,  2  Stück),  flaches  Stückchen  Bambus  mit  verschieden  ge- 
formten, gabelförmigen  Zinken  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  9)  eine  Ver- 
zierung, meist  in  rechtwinkeligen  Mustern  (z.  ß.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV, 
Fig.  10)  eingravirt,  die  wie  bei  den  Töpfen  von  Port  Moresby  lediglich  als  Handels- 
marke dient.  Das  Brennen  geschieht  in  einer  etwas  abweichenden  Weise  (vgl.  Finsch, 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  7). 

Teste-Insel  versorgt  das  ganze  Gebiet  bis  Südcap  und  die  d'Entrecasteaux,  ver- 
muthlich  auch  die  Louisiade,  mit  Töpfen,  die  allenthalben  gesucht  sind  und  ein  beliebtes 
Tauschmittel  bilden.  Teste-Töpfe  sah  ich  in  Bentley-Bai,  auf  Normanby  und  Fergusson. 

Flecht-  und  Strickarbeiten  sind  wenig  entwickelt.  Ausser  zu  Segeln  und  groben 
Fussbodenmatten  sah  ich  kein  anderes  Mattengeflecht.  Das  Material  zu  diesen  Flecht- 
arbeiten besteht,  wie  meist,  aus  gespaltenem  Pandanus-hl^xx,,  Filetgestrickte  Beutel,  in 
Bentley-Bai  Goba  (Gobe)  genannt,  kommen  selten  und  nur  als  kleine  Brustbeutel  der 
Männer  vor.  Die  Weiber  benützen  keine  solchen  gestrickten  Beutel,  sondern  tragen  die 
Lasten  in  grossen,  roh  aus  Palmblatt  verfertigten  Körben  meist  in  der  Weise  wie  in 
Port  Moresby  (d.  h.  an  einem  Bande,  das  auf  dem  Vorderkopf  ruht)  oder  auf  dem 
Kopfe,  wie  in  Normanby.  Statt  filetgestrickter  Beutel  benützen  die  Männer  meist  fein 
geflochtene  Körbchen,  wie  die  folgende  Nummer  (aber  grössere). 

I)  In  ganz  gleicher  Weise  werden  auf  den  Andamancn  Töpfe  gemacht,  dagegen  in  Doreh  (an  der 
Nordküste  von  Neu-Guinea)  in  derselben  Weise  als  in  Port  Moresby,  Auf  den  Salomons  sind  beide  Me- 
thoden der  Technik  bei  Verfertigung  eines  Topfes  vereinigt. 


[165]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  27 

Körbchen  (Nr.  895,  i  Stück),  aus  Pflanzenfaser  (wohl  Pandanus)  geflochten, 
6  Cm.  lang,  in  eigenthümlicher  Form,  wie  ein  Hauskäppchen,  oben  mit  1 1  Cm.,  unten 
mit  44  Cm.  langen  Fasern  troddelartig  verziert.    Normanby-Insel  (Weihnachtsbucht). 

Ich  erhielt  diese  Beutel  auch  auf  Teste-Insel  und  ganz  gleiche  Von  Savo  (Salo- 
mons),  wo  sie  ^Tondo*  heissen  und  von  jedem  Manne  am  Oberarm  getragen  werden. 

Statt  grosser  filetgestrickter  Tragbeutel  bedienen  sich  die  Männer  einer  besonde- 
ren Art  Tragkörbe,  die  für  dieses  Gebiet  charakteristisch  werden.  Sie  sind  rund,  höher 
aJs  breit,  sehr  sauber  aus  Pflanzenfaser  (einer  Art  Gras)  geflochten,  enthalten  zwei  bis 
drei  Einsätze  und  werden  an  einem  breiten,  hübsch  geflochtenen  Band  über  die  Schulter 
'getragen.  Sie  Verden  überall  auf  dem  Festlande,  sowie  in  den  d'Entrecasteaux  gemacht 
und  nach  den  Inseln  verhandelt.  Auf  Dinner- Insel  (Samara!)  heissen  diese  Tragkörbe 
^Kirakiranf  in  Bentley-Bai  »Au-utu*. 

Als  Material  zu  Stricken  und  Bindfaden,  sowie  daraus  gefertigten  Strickarbeiten 
in  Filet  wird  in  diesem  Gebiete  die  zubereitete  Faser  der  Luftwurzeln  des  Pandanus 
benutzt.  Sie  gibt  einen  ausgezeichneten,  äusserst  haltbaren  Faden  von  einer  Länge  bis 
2  Meter  und  würde  werthvoU  für  Ausfuhr  sein,  wenn  sich  dieses  treffliche  Fasermaterial 
in  genügender  Menge  beschaffen  Hesse. 

Reizmittel.  Unter  den  Reizmitteln  steht  auch  hier  Betel  obenan.  Die  dafür  be- 
nutzten Geräthe  und  Gefässc  bilden  in  Form,  wie  der  reichen  Verzierung  einen  charak- 
teristischen ethnologischen  Zug  dieses  Gebietes.  Die  Calebassen  zu  Kalk,  in  Bentley- 
Bai  Ragum  ([Mgum)y  auf  Teste-  und  Dinner-Insel  Haligiu  genannt,  zeichnen  sich 
^lurch  Kugelform,  besonders  schwungvolle,  schnörkelförmige,  kunstreich  eingebrannte 
Muster  und  fein  umsponnene  Stöpsel  aus.  Calebassen  sah  ich  auch  in  Milne-Bai  und 
auf  Trobriand.  Sie  werden  an  allen  diesen  Localitäten  nicht  selbst  gefertigt,  sondern 
auf  den  d'Entrecasteaux  und  hauptsächlich  auf  Woodlark-Inseln  (Murua)  und  sind 
überall  ein  beliebtes  Tauschmittel.  Zum  Aufbewahren  von  Betelnüssen  bedient  man 
sich  auch  kleiner  fein  geflochtener  Körbchen  oder  Säckchen  wie  Nr.  895. 

Ein  sehr  eigenthümliches  Geräth  für  Betelgenuss  sind  kleine,  zum  Theil  sehr  fein 
mit  Schnitzerei  verzierte  Mörser  aus  hartem  Holz,  die  zum  Zerstampfen  der  Betelnuss 
ilienen  für  alte  Leute,  die  keine  ordentlichen  Zähne  mehr  besitzen.  Ich  sah  sie  von  den 
d'Entrecasteaux  unter  Goldie's  Sammlungen,  erhielt  aber  selbst  keine  mehr. 

Zu  den  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten  dieser  ethnologischen  Provinz  ge- 
hören die  Kalkspatel  oder  sogenannten  Kalklöffel,  in  welchen  hier  ein  förmlicher  Luxus 
herrscht.  Diese  Kalkspatel,  meist  aus  Hartholz  (zuweilen  Ebenholz)  verfertigt,  ähneln 
gewöhnlich  in  der  Form  einem  Falzbeine,  zeigen  aber  grosse  Mannigfaltigkeit  sowohl 
in  der  Form  als  Verzierung,  wobei  unter  letzteren  beachtenswerthe  kunstvoll  eingravirte 
Muster  obenan  stehen,  wie  schon  die  nachfolgende  Reihe  zeigt.  Die  schönsten  Kalk- 
spatel sollen  von  Woodlark-Insel  kommen.  Sie  bilden  einen  beliebten  Tauschartikel 
und  finden  als  solcher  weite  Verbreitung;  einzelne  aus  dem  Osten  stammende  Kalklöffel 
sah  ich  in  Port  Moresby  und  erhielt  solche  von  den  Laughlands. 

Gähm  (Nr.  goS,  i  Stück),  Kalkspatel  (II,  S.  352  [i38],  Taf.  XIX  [i  i],  Fig.  3)  von 
Milne-Bai;  aus  hartem  schweren  Holz  (wohl  Ebenholz),  in  eigenthümlicher  Form, 
3  Cm.  dick,  an  beiden  Seiten  flach  mit  tief  eingravirtem,  schwungvollen  Muster  (auf 
iler  entgegengesetzten  Seite  mit'ganz  gleichem).    Die  zugerundete  flache  Spitze  wie  in 


Fi 


g- 


7a. 


Gähm  (Nr.  905,  i  Stück),  Kalkspatel  (II,  S.  352  [i38],  Taf.  XIX,  [11],  Fig.  7  und 
7^)  von  Milne-Bai,  in  der  am  häufigsten  vorkommenden  falzbeinartigen  Form,  aus 
hartem  Holz  (wohl  Ebenholz).  Das  25  Mm.  dicke  Stielende  ist  mit  einem  4  Mm.  breiten 


28  Dr.  O.  Finsch.  [i66] 

und  8  Cm.  langen  Längsspalt  durchstochen  gearbeitet;  die  beiden  Seiten  sind  mit  ein* 
gravirtem  Muster  verziert,  und  zwar  auf  jeder  Seite  verschieden.  Das  vertiefte  Muster 
wird  mit  Kalk  eingeschmiert  und  tritt  daher  (wie  auf  der  Abbildung)  weiss  hervor. 
Das  auf  der  Zeichnung  fehlende  MittelstUck  zwischen  b  und  c  hat  eine  Länge  von 
12  Cm. 

Das  erhabene  Muster  des  Griffes  dieser  Kalkspatel  dient  auch  dazu,  um  mit  Kalk 
bepudert,  als  weisse  Verzierung  auf  die  Backe  gedruckt  zu  werden. 

Aehnliche  Formen  und  Muster  von  Kalkspateln  kommen  in  den  d'Entrecasteaux 
vor  (vgl.  Finsch,  Ethriol.  Atlas,  Taf.  V,  Fig.  2,  3  von  Normanby). 

Kalkspatel  (Nr.  912,  i  Stück),  von  Ulebubu  (Insel  Goulvain,  d^Entrecasteaux- 
Gruppe),  II,  S.  352  [i38],  Taf.  XIX  [11],  Fig.  4);  eigenthümliche  Form,  43  Cm.  lang, 
aus  Hartholz  (Ebenholz?)  mit  eingravirtem  Muster;  der  Stiel  a  (vom  Ende  der  Zeich- 
nung noch  1672  Cm.  lang)  ist  circa  150  Mm.  dick  und  in  vier  Hohlkehlen  ausgearbeitet. 
Das  auf  der  Zeichnung  zwischen  b  und  c  fehlende  Mittelstück  hat  eine  Länge  von  6  Cm. 

Boaboa  (Nr.  904,  i  Stück),  Kalkspatel  (11,  S.  352  [i38],  Taf.  XIX  [11],  Fig.  5, 
5^  und  6)  aus  Hahhoiz,  in  eigenthümlicher  gekrümmter  Form,  der  Stiel  Schnitzarbeit, 
einem  grotesken  Thierkopfe  ähnelnd  (letzterer  in  Fig.  6  von  oben  gesehen);  Fig.  5a  das 
spateiförmige  Ende.    Hihiaura  in  Bentley-Bai. 

Kenä  (Nr.  906,  i  Stück),  Kalkspatel  aus  hartem  Holz  geschnitzt;  der  Griff  eine 
fratzenhafte  menschliche  Figur')  (abgeb.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  V,  Fig.  4)  darstel- 
lend. Chas  (Teste-Insel).  Auch  auf  Dinner-Insel  werden  hübsche  Kalkspatel  aus  Holz 
geschnitzt  und  heissen  hier  ^Genai<, 

Kalkspatel  (Nr.  908,  i  Stück);  Insel  Normanby  (Weihnachtsbucht). 

Kalkspatel  (Nr.  909,  i  Stück),  bestehend  aus  einem  kurzen  Stiele  von  Ebenholz 
mit  reichem  Schmuck  aus  zwei  Ketten  von  runden  SpondylusSchoübQhtn  mit  Perlschal- 
stückchen, einer  Schnur  blauer  Glasperlen  und  einer  eigenthümlichen  sehr  seltenen 
Muschel  (ähnlich  einer  grossen  Patella)  verziert.    Insel  Normanby  (Weihnachtsbucht). 

Tabak  wird  im  ganzen  Gebiet  gezogen  und  geraucht.  Sehr  begehrt  ist  der  be- 
kannte amerikanische  Stangentabak  (Twist)^  als  Tauschmittel,  wie  sich  an  einigen 
Plätzen  auch  Thonpfeifen  eingeführt  haben;  ja  auf  Teste-Insel  verlangte  man  bereits 
Holzpfeifen  mit  Beschlag. 

Der  y>Baubau^  (II,  S.  327,  Nr.  93o),  das  sonderbare  Rauchgeräth  der  Motu,  findet 
sich  auch  auf  Teste-  und  Dinner-Insel,  hier  »AT/ri*«  genannt,  aber  nicht  auf  dem  Fest- 
lande oder  den  d*Entrecasteaux.  Die  Art  des  Rauchens  zeigt  das  Bild  S.  268  in  Finsch* 
»Samoafahrten«. 

Werkzeuge.  Zu  den  charakteristischen  Formen  der  Ostspitze  Neu-Guiheas  als 
ethnologische  Provinz  gehören  auch  die  Steinäxte,  und  zwar  hauptsächlich  durch  die 
besondere  Schäftung  und  namentlich  den  Einsatz  der  Steinklinge  mit  dem  Stiel.  Im 
Allgemeinen  sind  die  Steinklingen  flacher,  breiter  und  sauberer  gearbeitet,  w^ie  die  fol- 
genden Nummern  zeigen : 

Gune  (Nr.  i3,  1  Stück),  Steinaxtklinge,  sehr  gross  (28  Cm.  lang,  14  Cm.  breit). 
Chas  (Teste-Insel). 

Ich  erlangte  hier  nur  noch  wenige,  zum  Theil  unfertige  Klingen  zu  Steinäxten,  da 
diese  längst  durch  eiserne  verdrängt  sind.     Das  Material  besteht  in  einem  sehr  fein- 

I)  Wenn  schon  derartig  unschuldige  Schnitzereien,  die  mit  Religion  absolut  nichts  zu  thun  haben, 
von  Missionären  als  Götzenbilder  bezeichnet  werden  (vgl,  Chalmers&Gill,  »Work  and  adventure  in 
New  Guinea«,  S.  329),  so  erhellt  daraus  am  besten,  welchen  Werth  diese  Deutungen  ethnologisch  haben, 
und  mahnt  bei  wissenschaftlicher  Verwerthung  derartiger  Citate  zu  ernstester  Vorsicht. 


[167]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  29 

körnigen,  dunkelgrünen  bis  schwärzlichen  Schiefer  (?),  der  muscheligen  Bruch  zeigt  und 
häufig  Nephrit  ähnelt.   Das  Material  wurde  von  den  d'Entrecasteaux-Inseln  eingetauscht. 

Kila  (Kira)f  (Nr.  14,  i  Stück),  Steinaxtklinge,  wie  vorher,  etwas  kleiner  (22  Cm. 
lang,  12  Cm.  breit).   Dorf  Higibä,  Milne-Bai. 

Kila  (Nr.  15,  i  Stück),  Steinaxtklinge,  klein,  aber  sehr  sauber  gearbeitet.  Milne-Bai. 

Diese  Steinklingen  sind  im  Gegensatz  zu  den  meisten  sonst  üblichen  Steinbeilen 
(Vgl.  II,  S.  328,  Fig.  35)  nicht  wie  bei  diesen  quer  mit  dem  Stiele,  sondern  in  gleicher 
Flucht  mit  demselben  eingefügt,  also  ganz  wie  bei  unseren  eisernen  Aexten  und  Beilen, 
wie  dies  die  folgenden  Nummern  zeigen: 

Kiraxn  (Kilam),  (Nr.  129,  i  Stück),  Steinaxt  mit  Holzstiel;  Milne-Bai. 

Kiram  (Nr.  128,  i  Stück),  Steinaxt  (eigene  Form),  der  Stiel  mit  etwas  Schnitzwerk 
verziert.  Milne-Bai. 

Die  Holzstiele  der  Steinäxte  dieses  Gebietes,  das  sich  bis  Bentley-Bai  und  Südcap 
iSsuau),  über  die  d'Entrecasteaux  bis  Woodlark-lnsel  und  die  Louisiade  erstreckt,  sind 
breit  und  flach,  aus  einem  Stück  Holz  (ohne  besonderes  Futter)  gearbeitet  und  waren 
früher  häufig  durch  feines,  oft  durchbrochenes  Schnitzwerk  verziert,  das  jetzt  wohl  kaum 
mehr  gemacht  wird.  Ich  sah  nur  noch  wenige  Holzstiele  mit  Schnitzerei  (wie  z.  B. 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  8,  von  Normanby,  einen  Vogel  darstellend).  In  Weihnachtsbucht 
Normanby-Insel)  wie  Bentley-Bai  gab  es  fast  nur  ganz  roh  gearbeitete  Holzstiele,  die 
mit  eisernen  Klingen  aus  eingetauschtem  Bandeisen  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  8) 
versehen  und  so  häufig  waren,  dass  fast  jeder  grössere  Knabe  eine  solche  Axt  besass. 

Eine  besondere,  nur  bei  feierlichen  Gelegenheiten  als  Staats-  oder  Ceremonien- 
zeichen  benützte  Steinaxt  repräsentirt  das  folgende  seltene  Stück: 

Ira  (Iram  oder  Ilam)  (Nr.  127,  i  Stück),  Steinaxt  (II,  S.  354  [140],  Taf.  XX  [12], 
Fig.  i)  von  Weihnachtsbucht,  Normanby-Insel.  Die  29  Cm.  lange,  1472  Cm.  breite, 
21  Mm.  (Fig.  la)  dicke,  an  i  Va  Kilo  schwere  Klinge  ist  sehr  sauber  gearbeitet  und  be- 
steht aus  einem  dunklen,  heller  gestreiften  Schiefer  von  serpentinähnlichem  Aussehen. 
Diese  Klinge  steckt  bis  a  (Fig.  i)  in  dem  eigenthümlichen,  aus  einem  Stück  gefertigten 
Holzschafte  aus  Hartholz,  der  82  Cm.  lang,  flach  (nur  25  Mm.  dick)  und  dicht  mit  fein 
gespaltenem  Rottang  umwickelt  ist.  Der  Handgriff  ist  rundlich  und  endet  in  eine  runde 
querstehende  Platte  von  15  Cm.  Durchmesser,  mit  zwei  halbkreisförmigen,  vertikal  ge-  . 
stellten,  aus  einem  Stück  gearbeiteten,  dünnen,  flachen  Ansätzen,  die  mit  einer  Reihe 
Löcher  durchbohrt  sind.  Diese  Löcher  dienten  dazu,  um  allerlei  Zierat  (Kettchen  von 
Spondylus  etc.)  zu  befestigen;  der  Holzstiel  selbst  war  mit  rother  Farbe  bemalt.  Diese 
Art  kolossaler  Steinäxte,  welche  früher  bis  Südcap  vorkamen,  sind  wohl  jetzt  kaum 
mehr  zu  haben  und  werden  bald  ebenso  selten  sein  als  die  eigenthümlichen  Ceremonien- 
äxte  von  Mangaia.  Ich  sah  ein  Exemplar,  das  von  Teste-Insel  herstanlmte,  aber  hieher 
durch  Tausch  von  den  d'Entrecasteaux  gelangt  war. 

Waffen  und  Wehr.  Bogen  und  Pfeile,  sowie  Keulen  mit  Steinknauf  scheinen  dem 
Gebiete  zu  fehlen.  Ebenso  kamen  mir  keine  Schleudern  vor;  ich  sah  aber  solche  (ganz 
sowie  die  von  Neu-Britannien,  aber  gröber)  bei  Goldie,  der  sie  aus  den  d'Entrecasteaux 
mitgebracht  hatte.  Auch  an  den  Schilden  von  Bentley-  und  Milne-Bai  lassen  sich  deut- 
lich Spmen  von  Schleudersteinen  erkennen. 

Wurfspeer  (Nr.  712,  i  Stück),  aus  Palmholz,  glatt,  dünn,  circa  2*65  M.  lang,  an 
beiden  Enden  schlank.  Maivara  (Mc  Inlay- Insel),  Chinastrasse. 

Womari  (Nr.  713,  i  Stück),  Wurfspeer,  glatt,  dünn,  mit  verdickt  abgesetzter 
Basis  (Fuss).   Chas  (Teste-Insel). 


3o  Dr.  O.  Finsch.  [i68] 

Womari  (Nr.  714,  i  Stück),  desgleichen,  schwerer,  an  der  Spitze  mit  fünf  Säge- 
kerbzähnen (ganz  wie  Nr.  717,  II,  S.  329  von  Port  Moresby).    Samarai  (Dinner- Insel). 

Da  die  Bewohner  der  beiden  letztgenannten  Inseln  christianisirt  sind  und  keine 
Kriege  mehr  führen,  so  bedürfen  sie  keiner  Waffen  mehr.  Die  wenigen  Stücke,  welche 
ich  erhielt,  sind  jedenfalls  vom  Festlande  eingetauscht,  da  sich  auf  den  Inseln  selbst 
schon  kein  passendes  Holz  findet. 

Gita  (Nr.  715,  i  Stück),  Wurfspeer,  dünn,  schlank  (ganz  wie  Nr.  713).  Normanby- 
Insel  (Weihnachtsbucht). 

Wurfspeere  bilden  auch  für  dieses  Gebiet  die  Hauptwaffe.  Auf  den  d'Entre- 
casteaux  sind  sie  zuweilen  sehr  schwer  (aus  Ebenholz),  7 — 8  Fuss  lang  und  mit  kunstvoll 
eingravirtem  Muster  verziert,  das  für  diese  Inselgruppe  charakteristisch  wird.  Die  Speere 
sind  vorherrschend  glatt  und  zeichnen  sich  durch  Schlankheit  aus.  Doch  gibt  es  solche 
mit  verschiedenartigen  Kerbzähnen  an  einer,  zuweilen  an  beiden  Seiten.  Dagegen  kom- 
men sehr  kunstvoll  geschnitzte  Spitzen  an  Speeren  vom  Festlande  vor  (vgl.  Fig.  5  in 
der  unter  Nr.  5  citirten  Abhandlung,  II,  S.  295). 

Handkeule  (Nr.  760,  i  Stück),  flach,  aus  hartem  Holz,  eigenthümliche  Form,  am 
Rande  mit  Sägezahnkerben.    Insel  Fergusson,  d'Entrecasteaux. 

Handkeule  (Nr.  761,  i  Stück),  gewöhnliche  Form  mit  fein  eingravirtem  Muster. 
Insel  Fergusson,  d'Entrecasteaux. 

Diese  Art  Keulen,  in  der  charakteristischen  Form  eines  kurzen  breiten  Schwertes 
(Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI,  Fig.  4,  Normanby),  werden  hauptsächlich  in  den 
d'Entrecasteaux  und  auf  Trobriand  (hier  häufig  aus  Ebenholz,  daher  sehr  schwer)  ge- 
macht und  nach  den  Inseln  verhandelt,  wo  sie  auf  Dinner-  und  Teste-Insel  Keräpa 
(Kelepa)  heissen.  Das  tief  eingravirte  und  mit  weissem  Kalk  eingeschmierte  Muster 
(vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI,  Fig.  5)  ist  oft  äusserst  schwungvoll  und  wie  alle 
ähnlichen  derartigen  Holzschnitzereien  für  dieses  Gebiet  charakteristisch.  Auf  Normanby 
fand  ich  den  Griff  zuweilen  mit  drei  bis  vier  Ovw/a-Muscheln  an  Haarsträngen  verziert. 
Die  gleichen  Handkeulen  und  Speere  (bis  1 5  Fuss  lang)  aus  Ebenholz  kommen  nach 
Romilly  auch  in  der  Louisiade  vor. 

Bossim  (Nr.  786,  i  Stück),  kurze,  flache  Handkeule  aus  Knochen  (Unterkiefer  des 
Potwal,  Physeter),   Chas  (Teste-Insel).    Abgebildet  in  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI, 

Fig.  6. 

Eine  in  Form  wie  Material  sehr  merkwürdige  und  höchst  seltene  Waffe,  von  der 
ich  nur  wenige,  offenbar  sehr  alte  Stücke  sah,  die,  wie  man  mir  sagte,  von  Ssuau  (Süd- 
cap)  herstammen  sollen.  Die  Form  zeigt  eine  auffallende  Uebereinstimmung  mit  den 
Meri  der  Maori.  Die  Randlöcher  dienen  zur  Befestigung  von  Zierat,  besonders  von 
Spondylus-VldMchtn, 

Jessi,  Schild  (Nr.  836,  i  Stück),  aus  schwerem  Holz  (II,  S.  364  [150],  Taf.  XXV 
[17],  Fig.  2),  rechteckig,  etwas  concav,  mit  feiner  Schnitzarbeit  in  Relief  (Fig.  ia). 
Chas  (Teste-Insel).  Diese  schönen  Schilde  sind  nicht  mehr  zu  haben;  sie  wurden  früher 
vom  Festlande  eingetauscht  oder  doch  das  Holz  zu  denselben  und  vielleicht  auf  der 
Insel  selbst  geschnitzt. 

Schild  (Nr.  837,  i  Stück),  aus  Holz,  andere  Form  (II,  S.  362  [148],  Taf.  XXIV 
[16],  Fig.  3),  länglich-oval,  aussen  mit  feiner  Schnitzarbeit  und  ßemalung,  innen  mit 
einer  in  eigenthümlicher  Weise  befestigten  Handhabe  (Fig.  3  a)  aus  Holzstücken  mit 
Strickwerk  verbunden.    Higibä  in  Milne-Bai. 

Beide  Arten  Schilde  repräsentiren  eigenthümliche,  für  die  Ostspitze  des  Festlandes 
charakteristische  Formen,   von  denen  die  erstere  (Nr.  836)  aber  viel  seltener  und  in 


[  1 69]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  3 1 

Bezug  auf  die  Schnitzerei  bei  Weitem  werthvoller  ist  Ich  beobachtete  Schilde  nur  in 
Milne-  bis  Bentley-Bai,  hier  Ragena  genannt,  und  in  Chads-Bai,  von  wo  sie  früher  ihren 
Weg  nach  den  Inseln  fanden.  Es  ist  ethnologisch  von  Bedeutung,  dass  auf  den  d'Entre- 
casteaux  Schilde  unbekannt  zu  sein  scheinen,  dagegen  wieder  auf  Trobriand  vorkom- 
men, und  zwar  in  eigenthümlicher  Form,  die  wir  im  Nachfolgenden  kennen  lernen 
werden. 

Jagd  spielt  auch  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  eine  untergeordnete  Rolle  und 
wird  nur  gelegentlich  betrieben.  Am  häufigsten  werden  Casuare  und  Wildschweine  bei 
i^rossen  Treibjagden  in  Stellnetzen  gefangen.  Zur  Erinnerung  an  erfolgreiche  Jagden 
dient  das  folgende  Stück: 

Poni  {=  Schwein)  (Nr.  688,  i  Stück),  Unterkiefer  eines  Schweines.   Bentley-Bai. 

Die  Sitte  Schädel  oder  Unter  kinnlad  en  von  Schweinen  als  Jagdtrophäen  oder  zur 
Erinnerung  an  grosse  Schmausereien  in  den  Häusern  aufzuhängen,  ist  weit  über  Mela- 
nesien verbreitet.  Ich  erhielt  auf  Dinner-Insel  auch  den  Schädel  (Uwonnu)  einer  kolos- 
salen Schildkröte  (Potoro).  Auf  Rogia  (Heath-Island)  sollen  übrigens  Wildschweine 
(Boroke  oder  Buruka)  vorkommen;  wohl  vom  Festlande  eingeführt  und  verwildert. 
Ob  die  Bewohner  des  Moresby-Archipels  sich  auch  mit  dem  Fange  des  Dugong,  Hali- 
core,  beschäftigen,  konnte  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen.  Jedenfalls  ist  ihnen  das 
Thier  bekannt,  das  auf  Dinner-Insel  »Luni«  heisst,  also  sehr  ähnlich  dem  '»Ltii  oder 
Rui€  der  Motusprache.  In  Bentley-Bai  erhielt  ich  Kalkspatel,  die  aus  einer  Dugong- 
rippe  bestanden. 

Fischerei  wird  überall,  vorzugsweise  mit  Netzen  (in  Bentley-Bai  Akita)  betrieben, 
die  namentlich  auf  Normanby  schön  verfertigt  werden  (ganz  wie  Nr.  i68  von  Tro- 
briand). Die  hölzernen  Schwimmer  der  Netze  sind  oft  mit  Schnitzwerk  verziert  (vgl. 
Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  2).  In  Hihiaura  erhielt  ich  ziemlich  schmackhaft 
geräucherte  kleine  Fische,  ähnlich  Sprotten.  Das  Material  zu  Bindfaden  (wie  Stricken) 
besteht,  wie  erwähnt,  vorzugsweise  in  der  präparirten  Faser  der  Luftwurzel  des  Pan- 
danus  (ganz  wie  Nr.  143  von  Finschhafen)  und  heilst  auf  't'este-Insel  Ino, 

Wuba  heisst  eine  originelle  und  sinnreich  erfundene  Fischfalle  mit  Senkstein 
'^Veku)  und  ausgespanntem  Netz  (Gube)j  welches  zusammenklappt,  wenn  ein  Fisch 
den  Köder  berührt  (abgebildet  in  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  i).  Ich  sah  diese 
Fallen  auf  Dinner-  und  Teste-Insel,  sowie  in  Bentley-Bai,  hier  Mahaba  genanpt.  Auf 
Dinner-Insel  beobachtete  ich  auch  die  eigenthümlichen,  aus  Cocosnussschalen  gefertig- 
ten Fischrasseln,  Waduwadu  genannt,  welche  dazu  dienen  sollen,  Haifische  anzulocken 
und  die  auch  auf  Normanby,  Trobriand  und  in  Ncu-Britannien  vorkommen  (I,  S.  108). 
Fischhaken  und  Fischkörbe  sah  ich  nicht;  doch  mag  es  welche  geben.  Fischspeere, 
in  der  bekannten  Form,  werden  überall  benützt;  auf  Normanby  sah  ich  solche  mit 
tigenthümlicher  Doppelspitze. 

Scllifffahrt  steht,  wie  bereits  erw^ähnt,  auf  einer  hohen  Stufe  der  Entwicklung. 
Die  grossen,  bis  60  Fuss  langen  seetüchtigen  Segelcanus  gehören  nicht  allein  in  ihrer 
Leistungsfähigkeit,  sondern  auch  in  der  Technik  zu  den  vollkommensten  Fahrzeugen 
von  Naturvölkern.  In  der  Bauart  erheben  sie  sich  vor  Allem  dadurch  über  das  ge- 
wöhnliche Canu,  dass  ein  grosser  ausgehöhlter  Baumstamm  mehr  als  Kiel  dient,  dem, 
mittelst  Kniehölzer  (Rippen),  hohe  Borde  aus  Brettern  aufgelascht  sind  (vgl.  Finsch, 
Lthnol.  Atlas,  Taf.  VI,  Fig.  3,  Querschnitt  eines  Canu  von  Fergusson),  so  dass  die  Bau- 
art dieser  Fahrzeuge  sehr  an  die  unserer  Kähne  erinnert.  Charakteristisch  für  die  Canus 
ist  der  ungeheuer  dicke  Auslegerbalken  (Finsch,  1.  c,  Taf.  VI,  Fig.  4  von  Teste)  und 


32  Dr.O.  Finsch.  [170] 

die  schmale  Plattform^  die  aber  so  lang  als  das  Canu  ist.  Diese  Canu  führen  ein  grosses 
Segel  (vgl.  Finsch,  L  c,  Taf.  VIII,  Fig.  8  und  9)  von  eigenthümlicher  fast  ovaler  Form 
aus  groben  Mattengeflecht  von  Pandanus-FeiStr,  Die  grossen  Canus,  um  Ostcap  Wem, 
in  Milne-Bai  Wage  genannt,  sind  Gemeindeeigenthum  oder  gehören  den  Häuptlingen 
und  jedes  Dorf  besitzt,  wenn  überhaupt,  nur  eins  oder  ein  paar.  Sie  werden  in  beson- 
deren auf  dem  Lande  errichteten  grossen  Schuppen  untergebracht,  um  sie  vor  der 
Sonne  zu  schützen  (vgl.  Finsch,  »Samoafahrten«,  S.  224,  Goulvain). 

Die  folgende  Nummer  veranschaulicht  ein  in  allen  Theilen  correctes 

Modell  (Nr.  179,  i  Stück)  eines  grossen  Segelcanu  von  der  Insel  Ulebubu  (Goul- 
vain) d'Entrecasteaux. 

Diese  grossen  Fahrzeuge  werden  hauptsächlich  in  den  d'Entrecasteaux  und  in 
Milne-Bai  (Wagawaga  in  Discovery-Bay)  gefertigt  und  finden  ihren  Weg  im  Tausch- 
handel über  die  Inseln.  Bentley-Bai  besass  kein  solches  Canu,  dagegen  aber  Hihiaura- 
Buchtung.  Auf  Chas  (Teste-Insel)  sah  ich  zwar  an  solchen  Canus  arbeiten,  allein  zum 
vollständigen  Bau  fehlt  es  schon  an  dem  nöthigen  Baumaterial.  Wie  mir  gesagt  wurde, 
werden  diese  Canus  von  Mulua,  womit  Woodlark-Insel  gemeint  ist,  bezogen.  Beiläufig 
bemerkt,  besitzt  man  in  der  Louisiade  nur  schlechte  kleine  Canus,  die  zu  weiteren  See- 
reisen ungeschickt  sind. 

In  der  Weihnachtsbucht  auf  Normanby  gab  es  nur  kleine,  circa  3  M.  lange  Canus 
(vgl.  Finsch,  »Samoafahrten«,  S.  214),  übrigens  in  der  Form  und  Bauart  ganz  wie  die 
grossen,  welche  nur  einen  Erwachsenen  zu  tragen  vermögen.  Ebensolche  kleine  Canus 
sah  ich  auf  Fergusson.  In  Chinastrasse  und  auf  Samarai  (Dinner-Island)  benutzte  man 
auch  grosse  ausgehöhlte  Baumstämme,  ohne  Ausleger,  »Gebo*  genannt,  und  kleine 
Canus  mit  Auslegergeschirr,  Kokea,  die  mit  Rudern  von  der  gewöhnlichen  Form, 
Uosse  genannt,  fortbewegt  werden. 

Neben  grossen,  in  jeder  Weise  vortrefflichen  Fahrzeugen  zeichnet  sich  dieses  Ge- 
biet auch  durch  höchst  primitive,  sogenannte  CatamaranSy  aus.  Sie  bestehen  nur  aus 
drei  bis  vier  behauenen,  circa  10 — 12  Fuss  langen  und  je  einen  Fuss  breiten  aneinander- 
gebundenen  Baumstämmen,  bilden  also  eine  Art  Floss  und  tragen  ein  bis  zwei  Personen 
(vgl.  Finsch,  »Samoafahrten«,  S.  2Z2).  Die  Eingeborenen  wissen  diese  so  leicht  zum 
Umschlagen  geneigten  Fahrzeuge  äusserst  geschickt  zu  führen  und  üben  z.  B.  mit  solchen 
Netzfischerei  aus. 

Die  grossen  Canus  sind  meist  reich,  namentlich  mit  Schnitzwerk,  an  den  Schnä- 
beln, Seitenborden  der  Plattform,  ja  selbst  am  Mast  verziert.  So  sah  ich  von  den 
d'Entrecasteaux  einen  Kloben,  durch  welchen  das  Seil  für  das  Segel  geht,  in  Gestalt 
einer  menschlichen  Figur  aus  Holz  geschnitzt.  Die  oft  sehr  schwungvollen  Muster  der 
vertieft  gearbeiteten  Schnitzereien  werden  mit  rother  und  weisser  Farbe  ausgeschmiert, 
wozu  man  sich  eines  besonderen  Instrumentes  (vgl.  Nr.  47,  S.  25)  bedient. 

Die  folgenden  Nummern  geben  Proben  dieser  Schnitzarbeiten: 

Canuverzierung  (Nr.  182,  i  Stück),  (II,  S.  356  [142],  Taf.  XXI  [i3],  Fig.  2, 
Hälfte),  sehr  kunstvolle  Holzschnitzerei  aus  einem  56  Cm.  langen  und  17  Cm.  breiten, 
am  Ende  abgerundeten  Brett  bestehend,  dessen  zwei  Hälften  in  der  Mitte  (a)  handgrifl- 
artig  verbunden  sind.  Die  tief  eingravirte,  zum  Theil  durchbrochen  gearbeitete 
Schnitzerei  (bei  b  einen  Vogel  darstellend)  gehört  mit  zu  den  schwungvollsten  Typen 
der  für  dieses  Gebiet  eigenthümlichen  und  charakteristischen  Ornamentik.  Beide  Seiten 
sind  in  übereinstimmendem  Muster  geschnitzt;  die  vertieften  Stellen  werden  mit  rother 
und  weisser  Farbe  ausgeschmiert.  Fergusson-Insel,  d'Entrecasteaux. 


[lyi]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  33 

Canu Verzierung  (Nr.  i83,  i  Stück),  ein  77  Cm.  langes  und  i3  Cm.  breites  Brett, 
Seitenbord  der  Plattform,  mit  schwungvollem  Muster  in  Relief,  roth  und  schwarz  bemalt, 
die  Vertiefungen  mit  weisser  Farbe  (Kalk)  eingeschmiert.    Fergusson. 

Canu  Verzierung  (Nr.  184,  i  Stück),  einen  aus  Holz  ziemlich  roh  geschnitzten 
Vogel  (Manu)  darstellend.  Blumenthal  in  Hihiaurabucht. 

Weitere  Canuverzierungen  bildete  ich  in  meinem  ethnologischen  Atlas  der 
>Sanioafahrten€  ab  (Taf.  VII,  Fig.  6  von  Trobriand  und  Fig.  7  und  8  von  Fergusson- 
losel). 

E.  Musik. 

Unter  den  Musikinstrumenten  findet  sich  nichts  Eigenthümliches.  Am  weitesten 
ist  die  Holztrommel  und  wohl  über  das  ganze  Gebiet  verbreitet.  In  Bentley-Bai  wie 
auf  Normanby  (hier  mit  feiner  Schnitzerei)  hatten  diese  Trommeln  die  gewöhnliche 
sanduhrförmige  Form,  während  die  Trommeln  von  Teste-Insel  etwas  abweichen,  indem 
sie,  wie  die  Trommeln  von  Südcap,  eine  gerade  Röhre  aus  Holz  bilden.  Sie  zeichnen 
sich  durch  besondere  Schnitzerei,  sowie  reichen  Putz  von  Pandanus-El^XtstTtUtn  aus. 
In  Bentley-Bai  sah  ich  Panflöten  in  der  bekannten  Form  (I,  Taf.  V,  Fig.  4)  und  kleine 
Nasenflölen  aus  Rohr,  hier  Pikoräre  genannt,  eben  solche  auch  auf  Normanby,  aber 
alle  diese  Instrumente  waren  selten  und  die  einzigen,  welche  ich  ausser  der  Muschel- 
rrompete  beobachtete.  Auf  Normanby  wird  statt  Tritonium  auch  Cassis  cornuta  zu 
Trompeten  verwendet. 

Kinderspiele.  In  Bentley-Bai  waren  dicke  Stricke  an  Baumästen  befestigt  und 
dienten  ganz  in  derselben  Weise  wie  bei  uns  als  Schaukeln,  mit  denen  sich  Alt  und 
Jung  belustigte.  Das  auch  bei  uns  bekannte  Spiel  der  Kinder,  gegenseitig  einen  auf  die 
ausgespreizten  Finger  beider  Hände  gespannten  Faden  abzuheben,  um  dabei  stets  neue 
Figuren  zu  erzielen,  wurde  in  Bentley-Bai  eifrig  geübt  (wie  ich  dies  auch  im  Bismarck- 
Archipel  beobachtete  (vgl.  I,  S.  143). 

Idole,  Talismane  u.  dgl.  sind  mir  nicht  vorgekommen,  werden  aber  jedenfalls  vor- 
handen sein,  wie  ich  auch  in  Bezug  auf  Religion  nichts  in  Erfahrung  brachte.  Aber  die 
TabüSitte  herrscht  auch  hier. 

c.  Trobriand, 

eine  noch  sehr  wenig  bekannte,  niedrige,  kleine  Insel,  circa  50  Seemeilen  nördlich  von 
Fergusson  und  circa  go  Seemeilen  nordwestlich  von  Woodlark-Insel,  mit  deren  Bewoh- 
nern ich  nur  vom  Dampfer  aus  verkehren  konnte.  Sie  sind  hell  und  haben  meist  schwar- 
zes, schlichtes  Haar,  so  dass  sie  darnach  zur  Race  der  Oceanier  (Polynesier)  zu  zählen 
sein  würden.  Allein  es  findet  sich  entschieden  melanesische  Beimischung  und  einzelne 
Individuen  mit  echtem  Papuahaar,  zuweilen  im  Nacken  in  Gestalt  verfilzter  Strähne,  wie 
sie  in  Neu-Guinea  Mode  sind,  wusste  ich  nicht  von  Melanesiern  zu  unterscheiden.  Auch 
bezüglich  der  Ethnologie  herrscht  melanesisches  Gepräge  vor  und  die  grösste  lieber- 
einstimmung  mit  den  d'Entrecasteaux  und  Woodlark-Insel,  *)  Die  Bewohner  der  letz- 
teren Inseln  besuchen  mit  ihren  seetüchtigen  Fahrzeugen  Trobriand,  wo  ich  nur  kleinere, 
nicht  zu  weiten  Seereisen  geeignete  Canus  (ohne  Segel)  sah,  die  sich  übrigens  durch 

I)  Die  Bewohner  dieser  Insel  besitzen  treffliche  seetüchtige  Canus,  mit  denen  sie  weitere  Reisen 
unternehmen,  unter  Anderem  auch  die  Laughland-Inseln  besuchen.  Wenn  z.  B.  Goldie  von  den  letzteren 
Inseln  besonders  schöne  Canus  erwähnt,  so  waren  es  eben  solche  von  Woodlark(Mulua),  da  die  Laughland- 
losulaner  nur  kleinere  Fahrzeuge  besitzen. 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  1,  1891.  3 


34  Dr.  O.  Finsch.  [l?^] 

besondere  Bauart  auszeichnen  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  VII,  Fig.  6).  Jedenfalls 
besteht  ein  Tauschverkehr  mit  den  Nachbarinseln.  So  sah  ich  schöne  kugelförmige 
Kalkkalebassen,  ganz  so  wie  sie  auf  den  d'Entrecasteaux  gemacht  werden,  und  die 
gleichen  Speere  und  schwertförmigen  Handkeulen  (wie  Nr.  761,  S.  3o)  wie  von  dorther, 
mit  Gravirung  in  gleichem  Muster  verziert.  Derartige  Waffen  waren  zuweilen  aus  Eben- 
holz, das  (nach  Romilly)  übrigens  in  grosser  Menge  auf  Trobriand  wachsen  soll.  Die 
eigenthümlichen  Bekleidungsmatten  (Nr.  244,  S.  19)  fand  ich  auch  auf  Trobriand.  Ge- 
wöhnlich trugen  die  Männer  aber  nur  einen  Strick  um  den  Leib,  an  welchem,  zwischen 
den  Beinen  durchgezogen,  ein  Blattstreif  von  Pandanus  befestigt  war.  Haarschmuck 
und  5/?o;i^'/w5-Scheibchen  beobachtete  ich  nicht;  im  Ganzen  nur  wenig  Körperzierat 
(Tätowirung  nur  höchst  unbedeutend);  von  Federschmuck  nur  einzelne  Cacadufedern, 
von  Cacatua  Triton,  der  Art  Neu-Guineas.  Gewöhnliche  Halsstrickchen  und  schwarze 
Grasarmbänder  waren  am  häufigsten,  seltener  Armringe  aus  Trochus,  wie  Ovula- 
Muscheln  als  Armschmuck.  Eine  Halskette  aus  einer  besonderen,  mir  neuen,  weissen 
Muschel  sah  ich  nur  hier.  Durch  das  Septum  der  Nase  wurden  meist  kleine  Schildpatt- 
reifen getragen;  der  Ohrlappen  war  undurchbohrt;  Haarkämme  fehlten.  Steinäxte 
kamen  mir  nicht  zu  Gesicht,  sondern  die  Eingeborenen  hatten  nur  einige  schlechte 
Aexte  mit  Stemmeisen  als  Klinge,  ganz  in  der  gewöhnlichen  Weise  befestigt,  also  sehr 
abweichend  von  denen  der  d'Entrecasteaux.  Die  Eingeborenen  begehrten  übrigens  nur 
Hobel-  oder  Bandeisen,  Toke,  das  sie  fertigen  eisernen  Beilen  vorzogen,  und  verschmäh- 
ten merkwürdiger  Weise  Tabak,  da  sie  offenbar  nicht  zu  rauchen  scheinen,  was  zu  den 
seltenen  Ausnahmen  bei  den  Südseevölkern  gehören  würde.  Obwohl  kleinere  Handels- 
schiffe Trobriand  zuweilen  anlaufen,  um  Yams  einzuhandeln,  der  in  vortrefflicher  Quali- 
tät (ich  kaufte  bis  17  Pfund  schwere  Knollen)  und  reichlich  zu  gewissen  Zeiten  zu  haben 
ist,  so  verstanden  die  Eingeborenen  nur  wenige  englische  Wörter  und  mit  tomahawk 
(Beil),  knife  (Messer)  und  beads  (Glasperlen)  war  ihr  fremder  Sprachschatz  ungefähr 
erschöpft.  Arbeiterwerbeschiffe  scheinen  hier  also  noch  nicht  gehaust  zu  haben,  wie 
Händler  (Trader)  schon  deshalb  der  Insel  fernblieben,  weil  die  Insel  gar  keine  Cocos- 
palmen  aufweist.  Die  Betelpalme  ischeint  ebenfalls  zu  fehlen  und  deshalb  schon  ist  Ver- 
kehr mit  den  Nachbarinseln  nothwendig,  ebenso  im  Hinblick  auf  Steinwerkzeuge,  da 
die  Insel  offenbar  nur  aus  Corallformation  besteht.  Holzarbeiten,  zum  Theil  mit  kunst- 
voller Schnitzerei,  scheinen  auf  Trobriand  sehr  heimisch  zu  sein,  darunter  Holzschüsseln , 
Wasserschöpfer  (in  derselben  Form  als  in  Finschhafen)  und  eigenthümliche  kleine  (nur 
28  Cm.  lange)  Holztrommeln  (in  der  Form  ganz  wie  von  Chas,  Teste-Insel). 

Fischfang  wird  stark  betrieben.  Ausser  sehr  schön  gearbeiteten  Netzen  (vgl. 
Nr.  168)  erhielt  ich  kolossale  hölzerne  Haifischhaken  (vgl.  Finsch,  Ethnol.  Atlas, 
Taf.  IX,  Fig.  9),  ähnlich  solchen  von  den  Gilberts- Inseln  und  der  Ellice-Gruppe,  sowie 
Haifischrasseln,  sah  aber  keine  kleinen  Fischhaken,  wie  solche  aus  Eisen  überhaupt  ver- 
schmäht wurden.  Die  Insel  schien  wenigstens  an  der  Westseite  ziemlich  gut  bevölkert, 
aber  ich  vermochte  von  den  Eingeborenen  keinen  Namen  für  dieselbe  zu  erfahren. 
Kebole  oder  Kaibol,  wie  die  Eingeborenen  sprachen,  dürfte  wohl  nur  ihr  Heimatsdorf 
bezeichnen.  Die  Insel  soll  nach  Meinicke  Kirvirai  heissen,  wie  mir  Goldie  sagte 
Jaraby  was  jedenfalls  richtig  sein  wird.  Ueber  meinen  Besuch  von  Trobriand  vgl. 
Finsch,  »Samoafahrten«  Englisch-Neu-Guinea,  I,  Trobriand,  S.  205 — 210. 

Die  wenigen  Stücke,  welche  ich  sammeln  konnte,  enthalten  einige  charakteristische: 

Perlmutterschale  (Nr.  3o,  i  Stück),  als  Schneide-  und  Schabinstrument. 

Holzschüssel  (Nr.  85,  i  Stück),  flach,  rund,  Sg  Cm.  Durchmesser. 

Kalkspatel  (Nr.  907,  i  Stück),  flach  falzbeinartig  aus  Schildpatt. 


[173] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  SQdsee. 


35 


Tauwerk  (Nr.  iSy,  eine  Probe),  aus  einer  Art  Bast. 

Fischnetz  (Nr.  168,  i  Stück),  sehr  fein  gestrickt,  mit  hölzernen  Schwimmern  und 
Senkern  aus  Muschel  (Area). 

Ruder  (Nr.  177,  i  Stück),  in  sehr  eigertthümlicher  Form,  die  ich  nur  hier  antraf. 

Schild  (Nr.  841,  i  Stück),  aus  leichtem  Holz  (II,  S.  362  [148],  Taf.  XXIV  [i6], 
Fig.  5),  in  sehr  eigenthümlicher,  für  diese  Insel  charakteristischer  Form.  Der  Griff  (5  a) 
auf  der  Rückseite  ist  aus  Rottang  und  für  unsere  Hände  zu  eng. 

Diese  Schilde  sind  zuweilen  auf  weissem  Grunde  mit  rother  und  schwarzer,  sehr 
feiner  Malerei  in  eigenthümlichen  Mustern  verziert  (vgl.  Fi n seh,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XII, 
Fig.  2)  verziert,  derartige  Schilde  aber  kaum  mehr  zu  haben.  Nach  den  Schilden  zu 
urtheilen,  müssen  die  Insulaner  ziemlich  kriegerisch  sein,  denn  ich  fand  in  einem 
Schilde  sechs,  in  einem  anderen  sogar  elf  abgebrochene  Speerspitzen.  Pfeil  und  Bogen 
sind  unbekannt. 


Inhaltsverzeichniss. 


Zweite  Abtheilung:  Neu-Guinea. 
I.  Englisch -Neu -Guinea. 


Seite 


b.  Ostspitze  und  d'Entrecasteaux- 

Inseln 

Einleitung 

Gebiet 

Ethnologische  EigenthQmlichkeitcn 

Sammel-Localitäten 

A.  Eingeborene 

Racenstellung 

Cannibalismus 

Todtenverehrung 

Gräber 

B    Körperausputz    und    Beklei- 
dung   

Bekleidung  

Matten 

Frauenröcke  ' 

Schmuck  und  Zieraten      .     .     .     . 

Geld 

Tätowirung 

Trauerschrouck 

Kopfschmuck 

Nasenschxnuck 

Ohrschmuck 

Hals-  und  Brustschmuck  .     .     .     . 

Armschmuck 

Leibschmuck 

('..  Häuser  und  Siedelungen     .     . 

Ackerbau 

Hausthiere 


[I5I1 

i3 

[151] 

i3 

[151] 

i3 

[152] 

14 

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16 

[154] 

16 

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18 

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19 

[157] 

19 

[157] 

IQ 

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19 

II57] 

19 

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20 

[158] 

20 

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22 

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[162] 

24 

[162] 

24 

li63] 

25 

Seite 
D.  Geräthschaften     und     Werk- 
zeuge   ['63]  25 

Feuerreiben ['^3]  25 

Schneideinstrumente [^^3]  25 

Löffel [i63]  2S 

Schüsseln [i63]  25 

Töpferei [164]  26 

Flecht-  und  Strickarbeilen     .     .     .  [164]  26 

Reizmittel [165]  27 

Kalkspatel [165]  27 

Werkzeuge .  [166]  28 

Steinäxte [166]  28 

Waffen  und  Wehr [167329 

Speere L'^7l  29 

Keulen [168]  3o 

Schilde [168]  3o 

Jagd [169]  3i 

Fischerei [^69]  3i 

Schifffahrt ['69!  3 1 

Canus [169]  3i 

Catamarans [170]  32 

Canu  Verzierungen [17^1  ^2 

K.  Musik [171]  33 

Instrumente' L^7M  33 

Spiele [171J  33 

Talismane [171]  33 

c.  Trobriand I171I  33 


36 


Dr.  O.  Finsch    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


[174] 


Abbildungen. 


Die  zu  diesen  Abschnitten  gehörigen  sind  die  folgenden  und  erschienen  im  Band  III 

der  »Annalen«  1888. 


Taf. 


» 
» 


» 


XIV    [6].  Fig.  I.    Halskette  aus  Muschelscheibchen,  Teste-Insel 

»        »  »  2.           »          »    Abschnitten  von  Casuarschwingen,  Milne-Bai 

^^    [7]>  *     '  •   Armring  aus  Conus,  Normanby 

XIX  [II],  »     3.   Kalkspatel,  Milne-Bai 

»       »  »     4.            »          Goulvain 

»       »  »     S«  ^*        *          Hihiaura 

»       »  »     7.            »          Milne-Bai 

XX  [12],  »     I.   Steinaxt,  Normanby 

XXI  [i3],  »     2.   Canuverzierung,  Fergusson 

XXII  [14],  »     2.   Nasenkeil,  Normanby 

XXIV  [16],  »     5.  Schild,  Trobriand 

»        »  »     3.         »      Milne-Bai 

XXV  [17],  »2.         »      Teste-Insel 


Seite 

[160] 

22 

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21 

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35 

[1683 

3o 

[168] 

3o 

Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der  Südsee. 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhisiorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.   0.  Finsch 

in  Delmenhorst  bei  Bremen. 

Zweite  Abtheilung:   Neu-Guinea. 
IL  Kaiser  Wilhelms- Land. 


Einleitung. 
Kaiser  Wilhelms-Land  oder  Deutsch-Neu-Guinea 

umfasst  die  Nordküste  von  der  Grenze  des  niederländischen  Antheiles,  dem  141.  Grade 
östl.  L.  (von  Greenwich),  bis  zu  dem  Punkte  in  der  Nähe  von  Mitre  Rock,  wo  der 
S.Grad  sQdl.  Br.  die  Küste  schneidet.  Das  Areal  beträgt  (nach  Friedrichsen),  ohne 
die  vorgelagerten,  meist  vulcanischen  Inseln,  179.250  Quadratkilometer  (=  3255  deutsche 
geographische  Quadratmeilen),  nach  dem  Gothaer  Hofkalender  181.650  Quadratkilo- 
meter (wohl  mit  den  Inseln),  ist  also  grösser  als  die  Hälfte  des  Königreichs  Preussen. 

Diese  ausgedehnte  Küste  gehörte  bislang  mit  zu  den  unbekanntesten  Theilen  der 
ganzen  Insel.   Nur  von  Wenigen  erschaut,  war  sie  blos  an  ein  paar  Punkten  überhaupt 
besucht  worden,  nachweislich  zuerst  von  Willem  Schonten  und  Jacob  le  Maire. 
Diese  berühmten  Seefahrer  entdeckten  am  6.  Juli  161 6  die  noch  heute  brennende  Insel 
»Vulcanus«,  Hansa-  (Vulcan-)  Insel  und  mussten  ein  paar  Tage  später,  durch  Mangel 
an  Wasser  und  Nahrungsmitteln  gezwungen,  an  die  Küste  laufen,  wo  sie  zwei  Tage 
(9.  und  10.  Juli)  mit  ihrem  Schiffe  »de  Eendracht«  (die  Eintracht)  ankerten  und  fried- 
lichen Verkehr  mit  den  Eingeborenen  unterhielten.    Das  war  in  einer  Bucht,  die  später 
»Cornelis  Kniers-Bai«  benannt  wurde,  welche  sich  aber  nicht  mehr  mit  Sicherheit  fest- 
stellen lässt.     Nach  meinen  Untersuchungen  muss  sie  circa  50  Meilen  West  von  Cap 
de  la  Torre  liegen.    Abel  Tasman  hat  (1643)  einen  Theil  dieser  Küste  ebenfalls  ge- 
sehen, denn  von  ihm  wird  die  kleine  Aris-Insel  nahe  bei  Hansa -Vulcan  erwähnt,  so- 
wie die  Auswässerung  grosser  Flüsse  in  der  Nähe.   Tasman  scheint  aber  ebensowenig 
gelandet  zu  haben  als  Dampier  (1700),  von  dem  das  nicht  mehr  sicher  auszumachende 
»Cape  King  William«  in  der  Nähe  von  Festungshuk  herrührt.   Dampier  segelte  nörd- 
lich von  den  Inseln  Wagwag  (Rich-Insel)  und  Karkar  (Isle  Brülante,  später  nach  Dam- 
pier benannt),  damals  ein  noch  thätiger  Vulcan,  und  ausserhalb  der  Le  Maire-  (Schonten-) 
Inseln  westwärts.     D'Entrecasteaux'  Recognoscirungen  der  Küste  (1793)  beziehen 
sich  hauptsächlich  auf  das  Südostende  Neu-Guineas  und  streifen  unser  Gebiet  nur  in 
Huongolf. 


38  Dr.  O.  Finsch.  [l?^] 

Die  erste  Küstenaufnahme  geschah  erst  viel  später,  und  zwar  1827  durch  Dumont 
d'Urville  mit  der  französischen  Corvette  »Astrolabe«  (der  umgetauften  ^Coquille«). 
Von  dieser  für  diesen  Theil  der  Küste  Neu-Guineas  ersten  bedeutungsvollen  Reise 
rühren  die  französischen  Benennungen  her,  welche  wir  auf  den  Karten  von  Astrolabe- 
bis  Humboldt-Bai  eingetragen  finden.  An  Astrolabe-Bai  vorübersegelnd,  hielt  das  Schiff 
von  Cap  Croissilles  längs  der  Küste  westwärts,  bis  das  trübgefärbte  Wasser  der  >Anse 
aux  eaux  trouble«  bei  Venus  Point  nöthigte,  ostwärts  der  Le  Maire-  (Schouten-)  Inseln 
abzuhalten,  in  einer  Entfernung,  wo  wenig  mehr  von  der  Küste  zu  sehen  ist.  Daraus 
erklären  sich  auch  leicht  mancherlei  Versehen,  namentlich  dieses  Theiles  der  Küsten- 
aufnahme. So  fanden  wir,  um  nur  ein  paar  Beispiele  anzuführen,  die  auf  den  bisherigen 
Karten  sehr  markant  bezeichneten  Punkte  »Passir  Point«*)  und  das  12  Meilen  lange 
»Karan  Riff«  überhaupt  nicht.  Die  Astrolabe-Expedition  hatte  an  dieser  ganzen  Küste 
niemals  gelandet  und  auch  Humboldt-Bai,  mit  ihrem  leicht  kenntlichen  Eingänge,  war 
nur  von  ihr  gesichtet  und  benannt  worden.  Die  Reise  des  englischen  Kriegsschiffes  9Sul- 
phur«  unter  Sir  Edward  Belcher  (1840)  machte  uns  mit  Victoria-Bai  an  der  West- 
seite von  Kairu  (D'Urville-Insel)  bekannt,  scheint  aber  die  Küste  selbst  nirgends  berührt 
zu  haben.  Die  Holländer  der  neuen  Zeit  sind  auf  unserem  Gebiete  nicht  thätig  gewesen 
und  besuchten  erst  1858,  mehr  als  3o  Jahre  nach  der  Entdeckung,  die  östlichste  Grenze 
ihres  Besitzthumes  in  Neu-Guinea,  Humboldt-Bai,  mit  dem  Regierungsdampfer  »Etna«. 
Aber  1871  sehen  wir  das  russische  Kriegsschiff  >Vitias«,  als  das  erste  überhaupt,  in 
Astrolabe-Bai,  um  den  ersten  Weissen,  Nicolaus  v.  Miklucho-Maclay,  an  dieser 
Küste  zu  dauerndem  Aufenthalt  zu  installiren.  Im  folgenden  Jahre  wurde  der  Forscher 
durch  die  Corvette  »Isumrud«  wieder  abgeholt  und  1883^)  traf  derselbe  abermals  mit 
einem  russischen  Kriegsschiffe,  der  Corvette  »Skobeleff«,  zu  kurzem  Besuche  hier  ein. 
Von  dem  Aufenthalte  der  russischen  Kriegsschiffe  rühren  einige  Aufnahmen  in  Astro- 
labe-Bai her,  sowie  die  Auffindung  eines  Hafens,  Port  Alexis,  am  Westende  des  Archi- 
pels der  zufriedenen  Menschen.  Weit  wichtiger  für  unser  Gebiet  wurde  die  Reise  des 
Capitän  Moresby  (1874)  mit  dem  englischen  Kriegsschiffe  »Basilisk«,  der  wir  die,  wenn 
auch  flüchtige,  Aufnahme  von  Huongolf  zu  verdanken  haben.  Von  hier  ging  der  Dam- 
pfer ausserhalb  der  Le  Maire-  (Schonten-)  Inseln  westwärts,  ohne  die  Küste  zu  berühren. 

Dies  war  der  Stand  der  geographischen  Kenntniss,  als  ich  im  Jahre  1884  im  Auf- 
trage der  Neu-Guinea-Compagnie  in  Berlin  mit  dem  Dampfer  >Samoa«  unter  Führung 
von  Capitän  Dalimann  nach  jenem  Theile  Neu-Guineas  aufbrach.  Die  »Samoa«( 
stand  vor  grossen  Aufgaben,  die,  soweit  es  die  Verhältnisse  gestatteten,  nach  besten 
Kräften  zu  lösen  versucht  wurden.  Sie  befuhr  die  ganze  Küste ^)  vom  Mitrafels  bis 
Humboldt-Bai  und  konnte  dabei  die  gefahrlose  Schiffbarkeit  des  vorher  unbekannten 
Theiles  zwischen  Broken  Water-  und  Humboldt-Bai,  einer  Strecke  von  255  Seemeilen, 


0  Dieser  Punkt  ist  auf  der  englischen  Admiralitätskartc  (Nr.  2764)  als  eine  circa  zwei  Seemeilen 
lange  Spitze  eingezeichnet,  wie  sie  an  der  ganzen  Küste  nicht  vorkommt.  Von  den  »extensive  lagoon- 
reefs«,  welche  Powell  von  dieser  angeblichen  Localität  erwähnt,  haben  wir  nichts  gesehen,  im  Gegen- 
theil  die  ganze  Küste  rifffrei  gefunden. 

2)  Maclay  lebte  aber  zwischen  dem  noch  circa  17  Monate  (vom  28.  Juni  1876  bis  10.  Novem- 
ber 1877)  in  Astrolabe-Bai. 

3)  Nach  seinem  Vortrage  »Visits  to  the  Eastern  and  North  eastern  Coasts  of  New  Guinea c  in  der 
geographischen  Gesellschaft  zu  London  (Proceed.,  vol.  V,  Nr.  9,  September  i883,  S.  505—514)  hat  Wil- 
fred  Powell,  anscheinend  im  Jahre  1879,  die  ganze  Küste  (von  Chinastrasse  bis  Cap  Durville)  bereits 
befahren.  Der  sehr  allgemein  gehaltene  kurze  Bericht,  ohne  alle  und  jede  Daten,  der  nicht  einmal  den 
Namen  des  Fahrzeuges  nennt,  enthält  nichts,  was  der  »Samoa«  Prioritätsrechte  nehmen  könnte,  dagegen 
verschiedene  sehr  irrige  Angaben,  die  zu  ernstesten  Bedenken  berechtigen. 


[l^yl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3  g 

nachweisen.  Ihr  blieb  es  vorbehalten,  den  grossen  Fluss, ')  dessen  meilenweit  hin  das  Meer 
trübende  Aus  Wässerungen  schon  T  asm  an  aufgefallen  waren,  aufzufinden,  sowie  eine 
Reihe  brauchbarer  Häfen  und  schliesslich,  in  stets  friedlichem  Verkehr  mit  den  Einge- 
borenen, das  ganze  ausgedehnte  Schutzgebiet  »Kaiser  Wilhelms- Land«  für  Deutschland 
zu  sichern.  Es  darf  dabei  nicht  vergessen  werden,  dass  die  »Samoa«  nur  ein  kleiner 
Dampfer  von  1 1 1  Tons  reg.  mit  35  Pferdekraft  war,  der  weder  Dampfbarkasse  noch 
Kanonen  besass  und  im  Ganzen  nur  i3  Mann  an  Bord  führte. 

Im  Auftrage  der  Neu-Guinea-Compagnie  sind  seitdem  eine  Reihe  eingehender 
geographischer  Aufnahmen  gemacht  worden,  um  die  sich  in  erster  Linie  der  frühere 
Landeshauptmann  Baron  v.  Schleinitz  grosse  Verdienste  erworben  hat.  Denn  haupt- 
sächlich verdanken  wir  ihm  die  Aufnahme  von  Huongolf  und  der  Küste  bis  zum  Kaiserin 
AugustaflusSy  wobei  eine  Menge  Buchten,  Häfen  und  Flüsse  entdeckt  wurden.  Weiter 
westlich  vom  Augusta  wurde  bisher  nur  von  der  »Samoa«  vorgedrungen.  Grössere  In- 
landsreisen sind,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  in  Kaiser  Wilhelms-Land  bisher  noch  nicht 
gemacht  worden.  Hugo  Zöller  und  seine  Begleiter  kamen,  von  Constantinhafen  aus, 
meist  dem  Laufe  des  Kabenauflusses  folgend,  etwa  100  Kilometer  weit  ins  Finisterre- 
Gcbiet  und  erreichten  hier  eine  Höhe  von  233o  Meter;  die  Entfernung  vom  Meere  in 
vier  Luftlinie  beträgt  aber  nur  circa  3o  Kilometer.  Die  grosse  wissenschaftliche  Expe- 
dition unter  Dr.  Schrader,  welche  die  Hauptaufgabe  hatte,  ins  Innere,  »womöglich  bis 
zu  den  Grenzen  des  englischen  Gebietes  vorzudringen  und  das  gesammte  Gebiet  all- 
mälig  aufzuschliessen«,  hat  die  Aufgabe  in  diesem  Sinne  nicht  entfernt  zu  lösen  ver- 
mocht, wie  das  im  Voraus  zu  erwarten  war.  Sie  machte  nur  kleinere  Excursionen  in 
der  Umgegend  von  Finsch-  und  Constantinhafen,  sowie  bei  Bagili  nördlich  von  Alexis- 
hafen und  gelangte  allerdings  auch  tief  ins  Innere,  aber  per  Dampfer  auf  dem  Kaiserin 
Augustafluss.  Hier  bezog  die  Expedition  (unter  142*^7'  östl.  L.  und  4®  18'  südL  Br.)  ein 
Lager,  wo  sie  circa  2  Ya  Monate  verweilte,  aber  wegen  Feindseligkeiten  mit  den  Einge- 
borenen bald  den  Verkehr  mit  den  letzteren  ganz  abbrechen  musste. 

Was  nun  die  ethnologische  Kenntnisse)  anbelangt,  so  lagen  ausser  einigen  dürf- 
tigen Notizen  von  Belebe r,  Moresby  und  Romilly  (der  1881  mit  dem  englischen 
Kriegsschooner  »Beagle«  Astrolabe-Bai  besuchte),  nur  die  Arbeiten  Miklucho- 
Maclay's  vor.  Sie  sind  in  nicht  leicht  zu  erlangenden  Zeitschriften  publicirt,  schwer 
zugänglich,  somit  ziemlich  unbekannt  geblieben  und  beziehen  sich  fast  nur  auf  Bemer- 
kungen über  die  Eingeborenen  der  Umgebung  von  Constantinhafen  während  seines 
ersten  fünfzehnmonatlichen  Aufenthaltes.  Und  doch  war  M  aclay  mehr  als  irgend  Jemand 
dazu  berufen,  über  Land  und  Leute  einer  Küste  zu  berichten,  die  seinen  Namen  trägt, 
unter  und  mit  deren  Bewohnern  er  in  dreimaligem  Aufenthalte  zusammen  32  Monace 
lebte,  ihrer  Sprachen  und  Sitten  vollkommen  mächtig,  und  die  er  besser  kannte  und 
kennen  lernte  als  irgend  ein  weisser  Mann  vor  oder  nach  ihm.  Seinen  Namen  hörte  ich 
von  Cap  Teliata  bis  Karkar  überall,  wo  wir  mit  Eingeborenen  zusammentrafen,  als  den 
eines  Freundes  nennen,  und  wo  man  uns  einen  Melonenbaum  (Carica),  einen  Kürbis, 
eine  Wassermelone  (Arbuse)  zeigte,  gleich  hiess  es  »Maday«,  denn  er  hatte  diese 

I)  Kaiserin  Augusta  von  mir  benannt  und  nicht  nur  der  grösste  schiffbare  Fluss  im  deutschen 
Schutzgebiete,  sondern  nächst  dem  Flyflusse  der  grösste  von  ganz  Neu-Guinea  überhaupt.  Ucber  die 
Hefahrung  dieses  Stromes  (38o  englische  Meilen  weit  mit  Dampfer)  geben  die  »Nachrichten  aus  Kaiser 
\\Ühelms-I.and«  ausführliche  Berichte. 

3)  Die  »Nachrichten  aus  Kaiser  Wilhelms-Land «  bringen  im  Ganzen  sehr  wenig  über  Ethno- 
logie, immerhin  aber  manche  bemerkcnswerthe  Notizen,  auf  die  ich,  soweit  sie  Neues  bringen,  Bezug 
nehmen  werde. 


40  Dr.  O.  Finsch.  [178] 

Früchte  eingeführt.  Ist  es  auch  wenig,  was  der  Forscher,  *)  der  lediglich  zum  Studium 
der  Eingeborenen  hieher  kam,  hinterlassen  hat,  zwei  Abhandlungen  von  im  Ganzen 
56  gedruckten  Octavseiten,  so  wiegt  dieses  Wenige  doch  schwerer  als  mancher  dicke 
Band  und  gehört  zum  Besten  was  über  Papuas  überhaupt  geschrieben  wurde.  Ich  darf 
mir  dieses  Urtheil  erlauben,  denn  ich  konnte  an  Ort  und  Stelle  Maclay*s  Berichte 
prüfen  und  mich  von  ihrer  Gründlichkeit  überzeugen,  Berichte,  deren  Vollständigkeit 
überhaupt  nur  durch  einen  so  langen  Aufenthalt  und  innigen  Verkehr  mit  den  Einge- 
borenen möglich  war. 

Als  Leiter  einer  Expedition,  deren  Hauptaufgabe  in  Landerwerb  lag  und  die  nichts 
mit  ethnologischer  Forschung  zu  thun  hatte,  konnte  ich  der  letzteren  nur  meine  freie 
Zeit  widmen  und  habe  dieselbe,  im  alten  Eifer  für  diese  am  meisten  bedürftige  Wissen- 
schaft, nach  besten  Kräften,  oft  unter  recht  schwierigen  Verhältnisen  auszunutzen  ver- 
sucht. Als  sichtbares  Resultat  brachte  ich  eine  reichhaltige  Sammlung  3)  mit,  deren 
Haupttheil,  2128  Stück,  (wie  der  aller  meiner  Sammlungen),  dem  königl.  Museum  für 
Völkerkunde  in  Berlin  durch  Kauf  von  der  Neu-Guinea-Compagnie  zuging. 

Wenn  es  mir  leider  nicht  vergönnt  war,  meine  nach  Berlin  gelangten  Sammlungen 
(in  ihrer  Gesammtheit  4000  Stück  aus  der  Südsee  überhaupt)  zu  bearbeiten,  so  freut  es 
mich,  wenigstens  hier  einen  Theil  meiner  Erfahrungen  und  Beobachtungen  aus  Kaiser 
Wilhelms-Land ^)  mittheilen  zu  können.   Sie  betreffen  neue,  für  Ethnologie  besonders 

I)  Ausführlich  über  denselben,  seine  Reisen,  Arbeiten  und  Schriften  in  Finsch,  »Nicola us  v. 
Miklucho-Maclay,  Reisen  und  Wirken«  in  »Deutsche  geographische  Blätter«  (Bremen),  1888,  S.  270 — 309. 

3)  Miklucho-Maclay,  der  während  seines  ersten  Aufenthaltes  in  Astrolabe-Bai  grundsätzlich 
nicht  sammelte,  hat  in  dieser  Richtung  im  Ganzen  nur  wenig  geleistet,  trotz  denkbar  günstigster  \'er- 
hältnisse.  Der  1886  in  Petersburg  erschienene  Katalog  seiner  Südsee-Sammlungen  verzeichnet  nur  198 
Nummern. 

3)  Meine  bisherigen  Publicationen  aus  diesem  Gebiet,  über  welche  ich  wiederholt  zu  referircn 
haben  werde,  sind  die  folgenden: 

1.  »Aus  den  Berichten  des  Dr.  Finsch  über  die  im  Auftrage  der  Compagnie  nach  Ncu-Guinca 
ausgeführten  Reisen«  in:  Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms-Land  und  den  Bismarck-Archipel.  Heraus- 
gegeben von  der  Neu-Guinea-Compagnie  in  Berlin,  Jahrg.  I  (1885),  Heft  i  (Juni),  S.  3 — 9,  Heft  3  (Sep- 
tember), S.  2 — 10,  Heft  4  (October),  S.  3 — 19.  Mit  Uebersichtskarte  von  Kaiser  Wilhelms-Land  (Astro- 
labe-  bis  Humboldt-Bai)  von  Dr.  O.Fi  n  seh. 

Der  letzte  Bericht  nebst  Karte  auch  abgedruckt  in:  »Deutsche  geographische  Blätter«  (Bremen), 
1885,  S.  354—372. 

2.  Katalog  der  ethnologischen  Sammlung  der  Neu-Guinea-Compagnie,  ausgestellt  im  königl. 
Museum  für  Völkerkunde  (Berlin  1886),  I,  S.  7—27;  II,  S.  7—38. 

3.  »Die  ethnologische  Ausstellung  der  Neu-Guinea-Compagnie  im  königl.  Museum  für  Völker- 
kunde« in:  »Original-Mitthcilungen  aus  der  ethnologischen  Abtheilung  des  königl.  Museums  zu  Berlin«. 
Herausgegeben  von  der  Verwaltung.  Jahrg.  i  (1886),  Heft  2/3,  S.  92 — löi. 

4.  Daselbst:  »Brustkampfschmuck,  S.  102,  io3,  Taf.  II,  III. 

5.  »Entdeckungsfahrten  des  deutschen  Dampfers  Samoa«  in:  »Gartenlaube«,  I.  Astrolabe-Bai  bis 
Fcstungscap  (Nr.  5,  I.Februar  1886,  S.  83 — 86  und  in,  112,  mit  3  Abbild,  und  i  Karte);  IL  Vom 
Mitrafels  bis  Finschhafen  (Nr.  ii,  14.  März  1886,  S.  192 — 195,  mit  6  Abbild.);  V.  Längs  der  vorher 
unbekannten  Nordostküste  (Nr.  28,  1887,  S.  460 — 462,  mit  4  Abbild,  und  i  Karte)  und  VI.  Schluss 
(Nr.  33,  14.  August  1887,  S.  541 — 543,  mit  6  Abbild.). 

6.  Katalog  der  Ausstellung  für  vergleichende  Völkerkunde  der  westlichen  Südsee,  besonders  der 
deutschen  Schutzgebiete.    Mit  Erläuterungen  von  Dr.  O.  Finsch  (Bremen  1887,  26  S.,  8"). 

7.  »Unsere  Südsee-Erwerbungen:  Kaiser  Wilhelms-Land«  in:  »Ueber  Land  und  Meer«,  Deutsche 
illustrirte  Zeitung,  Nr.  19,  12.  Februar  1888,  S.  415 — 418  (mit  5  Abbild.). 

8.  »Bemerkungen  über  die  Wasserverhältnisse  in  Neu-Guinea  und  dem  Bismarck-Archipel«  in: 
»Revue  coloniale  internationale«  (Amsterdam  1887),  ^*  47 — 49* 

9.  »Samoafahrten.  Reisen  in  Kaiser  Wilhclms-Land  und  Englisch-Neu-Guinea  in  den  Jahren  1884 
und  1885«  (Leipzig,  Ferd.  Hirt  &  Sohn,  1888),  Cap.  2,  3,  4,  5  und  7. 


rxnni  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^.I 

interessante  Gebiete  und  bilden  unter  Bezugnahme  des  Sammlungsmaterials  immerbin 
eine  Grundlage,  die  trotz  zahlreicher  Lücken  schon  jetzt  gewisse  allgemeine  Schlüsse 
erlaubt.  Wenn  ich  in  der  nachfolgenden  Arbeit  öfters  auf  meine  j^Samoafahrten«  und 
den  »Ethnologischen  Atlas«  derselben  verweise,  so  wird  dies  das  bessere  Verständniss 
nur  erleichtern  und  dürfte  willkommen  sein. 

Bezüglich  des  ethnologischen  Charakters  von  Kaiser  Wilhelms-Land,  so  ist 
im  Vergleich  mit  dem  der  Ostspitze  als  ein  Hauptzug  derselben  das  Fehlen  jeglichen 
Schmuckes  aus  rothen  Muschelplättchen  (Spondylus)y  sowie  Armbändern  aus  Conus- 
muscheln  (Taf.  XV,  Fig.  i)  zu  betrachten.  Als  weitere  charakteristische  Eigenthümlich- 
keiten  dieses  Gebietes  können  gelten:  häufige  Verwendung  von  Hundezähnen,  Eber- 
hauern, kleinen  Muscheln  (Nassa)^  Schildpatt,  Samen  von  Coix  und  Abriis  als  Mate- 
rialien zu  Gegenständen  des  Schmuckes,  grössere  Mannigfaltigkeit  in  Bearbeitung  und 
Eigenart  derselben  (Arbeiten  aus  gelbgefärbter  Pflanzenfaser,  Brustkampfschmuck,  fein 
gravirte  Schildpatt-  und  Tz-ocÄi/^-Muschelarmbänder),  sehr  feine  Strick-  und  Knüpf- 
arbeiten, besondere  Arten  Haar-  und  Bartputz,  sorgfältigere  Bekleidung  der  Männer, 
höhere  Entwicklung  in  Holzschnitzarbeiten  (Kopfruhebänke,  kleine  und  grosse  so- 
genannte Götzen,  Masken,  Verzierungen  an  Canus  und  Häusern,  besondere  Art  Waffen 
(Wurfstock,  Kürass),  zum  Theil  hoch  entwickelte  Geschicklichkeit  in  Haus-  und  Canu- 
bau  (besondere  Versammlungshäuser  der  Männer). 

Soweit  sich  nach  dem  bis  jetzt  vorliegenden  Materiale  urtheilen  lässt,  darf  man 
das  Gesammtgebiet  von  Kaiser  Wilhelms-Land  ethnologisch  in  drei  Sectionen  scheiden, 
deren  zahlreiche  Stämme  durch  gewisse  ethnologische  Eigenthümlichkeiten  ihre  Zu- 
sammengehörigkeit bekunden,  die  aber  weit  minder  scharf  ausgeprägte  ethnologische 
Provinzen  bilden,  als  dies  z.  B.  mit  der  Südostküste  und  Ostspitze  Neu-Guineas  der 
Fall  ist. 

Diese  drei  ethnologischen  Sectionen  umfassen  die  folgenden  Gebiete: 

1.  Mitrafels  bis  Gap  Croissilles  und  Karkar,  nebst  den  übrigen  Inseln  (Long,  Rook), 
die  French-Inseln,  sowie  das  ganze  westliche  Neu-Britannien  (I,  S.  117,  120  und  121) 
mit  Ausschluss  der  Gazelle-Halbinsel.  Charakteristisch  für  dieses  östliche  Gebiet  sind: 
besondere  Form  und  Verzierung  gewisser  Armbänder  (Taf.  III,  Fig.  20,  21)  und  Brust- 
schmuck (Taf.  III,  Fig.  23);  Haarkämme  von  Bambu;  häufige  Verwendung  von  Hunde- 
zahnen ;  eigenthümliche  Flechtarbeiten  aus  gelbgefärbter  Pflanzenfaser  (Taf.  XX II,  Fig.  3) ; 
besondere  eigenthümliche  Kopfbedeckung (Tapa-  und  Haarmützen);  viel  Holzschnitzerei 
(Kopfruhebänke,  Taf.  XVIII,  Fig.  i,  2);  besondere  Art  Schilde  (Taf.  XXIV,  Fig.  i,  2); 
wenig  Nasenzier;  breite  zum  Theil  sehr  kunstvoll  gravirte  Armbänder  aus  Schildpatt. 

2.  Von  Gap  Croissilles  bis  vor  Dalimannhafen,  mit  den  Le  Maire-  (Schouten-)  Inseln. 
Ausgezeichnet  durch:  Haar  und  Bartputz  (Haarkörbchen,  dichte  wagrecht  stehende 
Zöpfe,  verzierte  Backen-  und  Kinnbärte,  Taf.  XIV,  Fig.  17  und  Taf.  XVII,  Fig.  3);  be- 
sondere Art  Haarkämme  (Taf.  XV,  Fig.  4);  kunstvoll  geknüpfte  Brustbeutel,  Verwen- 
dung von  C^m^/wm-Muscheln  (auch  zu  Brust-  [Kampf-]  Schmuck);  eigenen  Nasen- 
schmuck (Taf.  XV,  Fig.  2);  häufige  Durchbohrung  des  Ohrrandes;  Wurfstock  (Taf.  XV, 

Pig-  5)- 

3.  Von  Dallmannhafen  bis  zur  Humboldt-Bai:  Haarkörbchen  und  Bartschmuck 

selten;  Verwendung  von  rothen  >lfcrM5-Bohnen  zu  Schmucksachen;  besonderer  Brust- 
kampfschmuck (Taf.  XVI,  Fig.  2),   sowie    Haarkämme;   eigenthümliche  Kopfruhe- 

10.  Hiezu  wissenschaftlicher  Theil:  »Ethnologischer  Atlas«,  Typen  aus  der  Steinzeit  Neu-Guineas 
in  154  Abbildungen  auf  24  lithographirten  Tafeln  gezeichnet  von  O.  und  E.  Ein  seh  (56  S.,  4",  in 
Deutsch,  Englisch  und  Französisch),  Leipzig,  Ferd.  Hirt  &  Sohn,  1888, 


42  Dr.  O.  Finsch.  [i8o] 

gesteile  (Taf.  XVIII,  Fig.  3);  sonderbare  Holzmasken  (Taf.  XXII,  Fig.  5)  und  sogenannte 
Götzen  (Taf.  XXIII);  Schamkalebassen  (Taf.  XVIII,  Fig.  5);  schön  verzierte  Bogen  und 
Pfeile;  besondere  Art  Schilde  (Taf.  XXV,  Fig.  i)  und  Kürasse  (Taf.  XXIV,  Fig.  7). 

Nach  Allem  zu  urtheilen,  stehen  die  Bewohner  von  Kaiser  Wilhelms- Land  höher 
als  die  der  Südostküste  und  auf  einer  Stufe  der  Entwicklung,  die  sich  nicht  allein  durch 
bemerkenswerthen  Fleiss  auszeichnet,  sondern  auch  in  künstlerischer  Begabung  und 
Ausführung  verschiedener  Arbeiten  als  eine  hohe  bezeichnet  werden  muss. 

Zur  Zeit  meiner  Anwesenheit  lebte  die  Bevölkerung  von  Kaiser  Wilhelms-Land 
noch  völlig  unberührt  von  Cultur,  und  ich  hatte  das  seltene  Glück,  mit  Menschen  des 
unverfälschten  Steinzeitalters  verkehren  zu  können.  Alle  meine  Sammlungen  haben 
daher  den  besonderen  Werth,  aus  dieser  Periode  herzurühren.  Ausser  einigen  russi- 
schen Wörtern  in  Constantinhafen  habe  ich  nirgends  an  der  ganzen  Küste  irgend  ein 
Wort  einer  europäischen  Sprache  erwähnen  hören,  auch  nicht  in  Humboldt-Bai,  wo 
Powell  »Englisch«  gehört  haben  will.  Die  Eingeborenen  hier  verstanden  oder  sprachen 
nicht  einmal  eine  Silbe  Holländisch,  wie  meine  Versuche  lehrten,  und  europäischer 
Tabak,  den  sie  nach  Powell  sehr  gern  nahmen,  schien  ihnen  unbekannt.  Aber  die 
Eingeborenen  in  Constantinhafen  verlangten  gleich  nach  solchem,  denn  sie  kannten 
Stangentabak  noch  von  Maclay  her  sehr  wohl.  Im  Uebrigen  war  hier  von  europäi- 
schen Sachen  wenig  mehr  zu  bemerken  als  einige  russische  Uniformenknöpfe,  alte 
Blechkasten,  Fässchen  und  ein  paar  Hobeleisen.  Glasperlen  sah  ich  einzeln  in  Hum- 
boldt-Bai, sowie  je  einmal  in  Huongolf  und  Angriffshafen.  In  den  Tragbeuteln,  welche 
die  Eingeborenen  in  der  Eile  nicht  selten  mit  dem  Inhalt  verkauft  hatten,  fand  ich  später 
bei  näherer  Untersuchung,  in  einem  solchen  von  Dallmannhafen,  acht  rothe  Glasperlen, 
sorgfältig  in  Blätter  eingepackt.  Ein  anderer  Tragbeutel  von  Venushuk  enthielt  ein 
Stückchen  Bandeisen,  2  Cm.  breit  und  7  Cm.  lang.  Dasselbe  war  jedenfalls  sehr  alt, 
total  von  Rost  zerfressen  und  zu  nichts  mehr  brauchbar,  zeigt  aber,  wie  sorgfältig  die 
Eingeborenen  jedes,  auch  das  kleinste  fremde  Stück  aufbewahren.  Wie  die  paar  Glas- 
perlen in  Huongolf  (die  ein  Mann  in  der  Nase  trug),  so  mochte  auch  dies  Stückchen 
Eisen  vielleicht  noch  von  Maclay  herrühren  und  durch  viele  Hände  im  Tausch  hierher 
gelangt  sein.  Auf  Guap  sah  ich  ein  paar  Stücke  Eisen  (anscheinend  alte  Meissel 
o.  dgl.).  Sie  waren  nach  Eingeborenenweise  an  Axtstielen  als  Klingen  befestigt  und  rühr- 
ten wahrscheinlich  noch  von  Belcher's  Besuch  auf  Kairu  (d'Urville-Insel)  her;  ich 
konnte  sie  aber  nicht  erlangen.  Im  Allgemeinen  kannten  die  Eingeborenen  Eisen  nicht, 
und  ich  musste  ihnen  häufig  erst  die  Benutzung  von  Beilen  und  Messern  pantomimisch 
andeuten.  Am  Sechstrohfluss  erhielt  ich  ein  paar  Bruchstücke  grosser,  sehr  schöner 
Mosaikemail-Glasperlen,  altvenetianischen  Ursprunges,  die  jedenfalls  noch  aus  den 
Zeiten  der  ersten  spanischen  oder  portugiesischen  Seefahrer  herstammen  und  beweisen, 
dass  dieser  Theil  Neu-Guineas  schon  vor  drei  Jahrhunderten  den  Europäern  bekannt 
war.  Diese  alten  Glasperlen  gehören  in  die  Kategorie  der  Kalebukubs  oder  des  so- 
genannten Palaugeldes,  d.[h.  jener  Emailglasperlen,  die  auf  Palau  noch  heute  einen  hohen 
Werth  haben  und  denen  dort  eine  mythische  Herkunft  zugeschrieben  wird.  Kubary') 
hat  diese  Kalebukubs  zuerst  als  »natürliche  Emaillen«  erklärt,  ein  grober  Irrthum,  der 
aber  häufig  gedankenlos  nachgeschrieben  wurde. 


>)  »Joiirn.  d.  Mus.  Godcffroy«,  Heft  IV,  S.  49,  Tat".  II.  Diese  Kalebukubs  sind  auf  Palau  in  be- 
schränkter Zahl  verbreitet  und  jedes  einzelne  Stück  bekannt.  Kubary  bcsass  eine  ziemliche  Anzahl 
(16  Stück),  die  ich  seinerzeit  bei  ihm  sah,  darunter  waren  auch  gewöhnliche  unbearbeitete  Stücke 
Glasfluss,  aber  in  Betreff'  der  europäischen  Herkunft  konnte  kein  Zweifel  sein,  denn  diese  Eingeborenen 
haben  niemals  hyalurgische  Kenntniss  besessen. 


[igi]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  j.3 

Was  die  Eingeborenen  Weissen  anzubieten  vermögen^  ist  ausser  ihren  Geräth- 
Schäften  etc.  gewöhnlich]  äusserst  wenig  und  beschränkt  sich  meist  auf  ein  paar  Cocos- 
nüsse,  Betelnüsse,  vielleicht  ein  paar  Taro  oder  Yams.  An  ein  paar  Orten  im  Westen 
wurden  uns  auch  geräucherte  Fische,  in  sonderbarer  Zubereitung,  offerirt. 

Europäischer  Tand  (Glasperlen  etc.)  und  namentlich  eiserne  Geräthe,  als  haupt- 
sächlichstes Zahlungsmittel  im  Verkehr  mit  Eingeborenen,  werden  jetzt  jedenfalls  in 
Kaiser  Wilhelms-Land  eine  weitere  Verbreitung  gefunden  und  damit  die  Originalität 
der  Eingeborenen  sehr  benachtheiligt  haben.  Denn  überall,  wo  der  weisse  Mann  Eisen 
hinbringt,  verschwinden  die  Erzeugnisse  des  Eingeborenenfleisses  sehr  schnell  oder 
verschlechtern  sich,  so  dass  schliesslich  kaum  etwas  übrig  bleibt.  Freilich  ist  bis  jetzt 
von  Colonisation  in  Kaiser  Wilhelms-Land  noch  nicht  entfernt  die  Rede  gewesen.  Im 
Ganzen  mögen  an  40  Weisse  in  Kaiser  Wilhelms-Land  leben,  alle  Beamte  der  Neu- 
Guinea-Compagnie ,  welche  als  Herrin  des  Landes  seit  1885  zwischen  Finsch-  und 
Hatzfddthafen  fünf  Stationen  zu  Versuchen  von  Culturen  gründete  (Finschhafen,  nahe 
dabei  Butaueng,  Constantinhafen,  Stephanort  [Bogadschil  und  Hatzfeldthafen).  Auch 
die  Mission  besitzt  einige  wenige  Stationen,  hat  aber,  wie  dies  nicht  anders  zu  erwarten, 
bis  jet2t  noch  keine  Erfolge  zu  verzeichnen.  Westlich  von  Hatzfeldthafen  sind  noch 
keinerlei  Stationen  errichtet  worden. 

Zum  Schluss  dürften  Erläuterungen  derjenigen  Localitäten,  welche  für  die  gesam- 
melten Gegenstände  dieser  Abhandlung  in  Betracht  kommen,  nicht  unwillkommen  sein, 
die  ich  in  alphabetischer  Reihe  folgen  lasse.  Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  diese  Loca- 
litäten auf  der  Uebersichtskarte  der  tSamoafahrten«  (S.  9)  und  dem  Kärtchen  S.  290 
eingetragen. 

Angrifibhafen,  »anse  de  l'attaque«,  von  d'Urville  am  11.  August  1827  mit  der 
Corvette  »Astrolabe«  gesichtet,  aber  zuerst  mit  der  »Samoa«  (15.  Mai  1885)  besucht. 

Astrolabe-Bai  (Karte  »Samoafahrten«,  S.  3o),  von  Dumont  d*Urville  1827  ge- 
sichtet, aber  zuerst  (1871)  von  dem  bekannten  russischen  Reisenden  N.  v.  Miklucho- 
Maday  besucht,  der  hier  wiederholt  und  auf  längere  Zeit  lebte.  Die  meisten  der  ge- 
sammelten Gegenstände  stammen  aus  der  Umgegend  von  Constantinhafen  (Dorf  Bongu) 
und  dem  Dorfe  Bogadschi,  etwas  weiter  westlich,  wo  die  Neu^Guinea-Compagnie  seit 
ein  paar  Jahren  die  Versuchsstation  »Stephanort«  gründete. 

Bilibili,  eine  kleine,  sehr  gut  bevölkerte  und  reiche  Insel  im  Norden  der  Astro- 
labe-Bai. 

Caprivifluss,  westlich  von  Cap  de  la  Torre,  in  der  ausgedehnten,  zuerst  mit  der 
»Samoa«  besuchten  und  benannten  »Krauel-Bucht«. 

Dallmannhafen,  unter  3**  28'  südl.  Br.,  149** 32'  östl.  L.,  am  i.  Mai  1885  mit'der 
Samoa«  entdeckt;  die  meisten  Gegenstände  stammen  aus  Dörfern,  die  an  der  »Gauss- 
bucht«,  östlich  von  Dallmannhafen  liegen. 

Finschhafen  (Karte  in  »Samoafahrten«,  S.  i63),  etwas  nördlich  von  Cap  Cretin, 
am  23.  November  1884  von  mir  entdeckt  und  gegenwärtig  Cenlralpunkt  für  Kaiser 
Wilhelms-Land. 

Friedrich  VS^ilhelmshafen  (Karte  »Samoafahrten«,  S.  93),  am  19.  October  1884 
mit  der  »Samoa«  entdeckt;  nördlich  von  Astrolabe-Bai  in  dem  von  Miklucho- 
Maclay  gesichteten  »Archipel  der  3o  Inseln  oder  der  zufriedenen  Menschen«,  dem 
•Archipelago  of  useless  idle  men«  von  Romilly.  Hier  auch  die  Inseln  Bilia  (Eickstedt) 
und  Tiar  (Aly  I.). 

Gourdon,  Cap  (von  d'Urville  benannt),  westlich  von  Karkar  (Dampier-Insel, 
>Isle  Brülante«  von  Dampier). 


44  Dr.  O.  Finsch.  [182] 

Gräger,  Insel  (Fischel-Insel  der  deutschen  Admiralitätskarten),  begrenzt  im  Nor- 
den die  Dallmann-Einfahrt  zum  vorhergehenden  Hafen. 

Guap,  Insel,  etwas  westlich  von  Dallmannhafen,  eine  kleine,  aber  sehr  stark  be- 
völkerte Insel,  nahe  bei  Kairu  (d*Urville  Insel)  und  östlich  von  Aarsau  (P4ris-Insel  von 
d'Urville). 

Hammacherfluss,  circa  10  Seemeilen  westlich  von  Cap  de  la  Torre. 

Hatzfeldthafen,  unter  4**  24'  südl.  Br.,  145**  9'  östl.  L.,  westlich  von  Cap  Gourdon, 
am  23.  Mai  1885  mit  der  »Samoa«  entdeckt. 

Huon-Golf  (vgl.  Kärtchen  »Samoafahrten«,  S.  143),  1793  von  d'Entrecasteaux 
gesichtet  und  nach  Huon  Kermadec  benannt.  Die  gesammelten  Gegenstände  stammen 
von  Parsihuk  (Parsee-Point  von  Moresby)  und  etwas  westlich  davon. 

Massilia,  an  der  Finschküste,  circa  50  Seemeilen  westlich  von  Berlinhafen  und 
27  Seemeilen  östlich  von  Angriffshafen. 

Potsdamhafen,  erste  Bucbtung  östlich  von  Laing-Insel,  am  21.  Mai  1885  von  der 
»Samoac  gesichtet,  aber  nicht  untersucht  und  erst  später  von  v.  Schleinitz  besucht 
und  benannt. 

Sechstrohfluss,  wenige  Seemeilen  östlich  von  der  Grenze  des  holländischen  An- 
theiles  von  Neu-Guinea  (dem  141.  Meridian)  und  circa  7  Seemeilen  östlich  vom  Eingange 
zur  Humboldt-Bai,  am  16.  Mai  1885  mit  der  tSamoa«  entdeckt  und  von  mir  nach  dem 
ersten  Officier  des  Dampfers  benannt.  Ethnologisch  herrscht  die  vollständigste  Ueber- 
einstimmung  mit  Humboldt-Bai,  welche  von  der  >Samoa«  ebenfalls  besucht  wurde. 

Tagai,  eine  grosse  Siedelung  an  der  FinschkUste,  circa  3  Seemeilen  westlich  vom 
Albrechtilusse  und  circa  15  Seemeilen  östlich  von  Berlinhafen. 

Venushuk  (von  d'Urville  benannt),  in  Broken  Water  Bay  (»Anse  aux  eaux 
trouble«  von  d'Urville),  westlich  der  grossen  Hansa-  (Vulcan-)  Insel;  nicht  weit  davon 
wurde  mit  der  »Samoa«  die  Mündung  des  grossen  Prinz  Wilhelmflusses  gesichtet. 

Die  Eingeborenennamen  sind  so  niedergeschrieben,  wie  ich  sie  an  Ort  und  Stelle 
aussprechen  hörte,  doch  dürften  aus  mancherlei  Gründen  Irrthümer  in  der  richtigen 
Bezeichnung  keineswegs  ausgeschlossen  sein,  was  ich  hier  besonders  bemerken  möchte. 


A.  Anthropologie. 

RaCB.  Wie  die  Bewohner  von  ganz  Neu-Guinea  gehören  auch  die  von  Kaiser 
Wilhelms-Land  zur  Race  der  Papuas  oder  Melanesier  und  stimmen  anthropologisch 
gane  mit  den  Eingeborenen  der  Südostküste  und  Ostspitze  (vgl.  II,  S.  296  und  vorne 
S.  16)  überein.  Maclay  kam  zu  denselben  Resultaten  zwischen  den  Bewohnern  der 
Westküste  (Kowiay)  und  der  entgegengesetzten  südlicheren  Maclayküste  im  Osten. 
Meine  Bemerkungen  basiren,  wie  ich  wohl  kaum  zu  bemerken  brauche,  aufzahlreichen 
an  Ort  und  Stelle  gesammelten  Aufzeichnungen,  von  denen  ich  hier  nur  eine  kurze  Zu- 
sammenstellung des  Wissenswerthesten  geben  kann.  Ausser  an  den  in  dieser  Abhand- 
lung besprochenen  18  Localitäten  bin  ich  noch  an  anderen  mit  Eingeborenen  zusammen- 
getroffen, so  dass  ich  im  Allgemeinen  von  den  Bewohnern  der  ganzen  Küste  von 
Mitrafels  bis  Humboldt-Bai  sprechen  darf.  Bergbewohner  sah  ich  nur  wenige  aus  den 
dem  Constantinhafen  angrenzenden  niedriggelegenen  Bergdörfern  und  fand  hier  eben- 
solche Menschen  als  die  Küstenleute,  ganz  wie  dies  an  der  von  mir  besuchten  Südost- 
küste der  Fall  war  und  wie  A.  B.  Meyer  dies  für  die  Küstenbewohner  der  Geelvinks-Bai 
und  des  Arfakgebirges  schon  früher  darlegte. 


[i83]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  ac 

Statur.  Wie  alle  übrigen  Papuas  sind  auch  die  von  Kaiser  Wilhelms-Land  im 
Allgemeinen  gut  entwickelte,  nicht  allzu  kräftige  Menschen  von  Mittelgrösse.  Der 
höchste  von  mir  gemessene  Mann  hatte  1700  M.  Höhe;  gewöhnliche  Grösse  1*500 — 
i'6oo  M.    Frauen  sind,  wie  fast  stets,  ansehnlich  kleiner. 

Physiognomie.  Sie  ist,  wie  bei  allen  Melanesiern,  sehr  verschieden,  aber  im  Ganzen 
weniger  negroid  als  bei  Neu-Irländern  und  Salomons-Insulanern.  Im  Allgemeinen 
herrscht  der  Motutypus  von  der  Südostküste  vor,  aber  man  findet  häufig  echte  Juden- 
gesichter und  Individuen,  die  so  gut  proportionirte  Verhältnisse  in  Mund-  und  Nasen- 
bildung zeigen,  dass  sie,  mit  Ausnahme  der  Hautfärbung,  sich  kaum  von  Europäern 
unterscheiden.  Ein  aligemein  giltiger  Typus  für  Papuas  lässt  sich  eben  nicht  angeben. 
Wenn  Wallace  z.  B.  die  grosse  Nase  der  Papuas  als  besonders  charakteristisch  hervor- 
hebt, so  mag  dies  vielleicht  für  die  Bewohner  von  Doreh  zutreffen,  aber  als  Charakter 
für  die  Race  jedenfalls  nicht.  Ich  habe  wenigstens  in  ganz  Melanesien  niemals  beson- 
ders grosse,  wohl  breite  und  platte  Nasen  gesehen.  Beim  weiblichen  Geschlecht  kommt 
der  negerähnliche  Typus  mehr  zur  Geltung  als  bei  Männern.  Unter  Kindern  sind,  wie 
bei  allen  Melanesiern,  hübsche  Gesichter  gar  nicht  selten. 

Hautfärbung.  Im  Allgemeinen  herrscht  ein  Dunkelbraun,  ähnlich  wie  Nr.  29  der 
Broca*schen  Farbentabelle  oder  zwischen  Nr.  28  und  29  vor,  neigt  aber  häufig  zu  einem 
Farbentone  wie  zwischen  Nr.  29  und  3o  und  selbst  zu  noch  helleren  Nuancen,  wenn 
auch  die  helle  Farbenvarietät  im  Ganzen  nicht  so  häufig  als  an  der  Südostküste  vorzu- 
kommen scheint.  Dunklere  Individuen  (wie  Nr.  28  und  43)  finden  sich  ebenfalls.  Es 
zeigt  sich  also  auch  hier  wieder,  was  ich  schon  wiederholt  betonte,  dass  die  Hautfärbung 
kein  bestimmtes  Kennzeichen  zur  Charakterisirung  für  Papuas,  wie  anderen  farbigen 
Völkern,  <)  bietet.  Es  finden  sich  innerhalb  ein  und  derselben  Dorfgemeinschaft  hellere 
und  dunklere  Individuen,  wenn  auch  für  die  Mehrzahl  häufig  eine  gewisse  Färbung  mass- 
gebend ist.  So  erscheinen  die  Bewohner  des  einen  Dorfes  zuweilen  heller  (wie  zwischen 
Nr.  29  und  3o),  die  eines  anderen  dunkler  (wie  zwischen  Nr.  28  und  29),  ohne  deswegen 
verschiedene  Stämme  zu  bilden.  Dass  diese  Nuancirungen  der  Hautfärbung  lediglich 
individuelle  sind,  wird  am  besten  dadurch  bewiesen,  dass  man  bei  dunklen  Eltern  hellere 
und  dunklere  Kinder  beobachten  kann.  Albinismus  habe  ich  nur  einmal  beobachten 
können,  und  zwar  an  einem  Manne  in  Krauelbucht.  Seine  Hautfärbung  entsprach 
Nr.  25,  die  Gesichtsfarbe  Nr.  23;  die  Augen  waren  grünlichgrau,  etwas  blöde  und  licht- 
empfindlich. Hierbei  will  ich  bemerken,  dass  ich  in  Bongu  einen  dunkelfarbigen  Mann 
(Haut  Nr.  29)  mit  graublauen  Augen  (gleich  Nr.  14  bei  Broca)  beobachtete,  der  ein- 
zige Fall  dieser  Art,  der  mir  überhaupt  bei  Melanesiern  vorgekommen  ist.  Die  Augen 
sind  sonst  stets  dunkelbraun  bis  schwarz. 

Hautkranicheiten,  welche  die  Hautfärbung  so  sehr  beeinflussen,  sind  sehr  häufig 
und  weit  verbreitet,  Schuppenkrankheit  (Ichthyosis)  und  Ringwurm  (Psoriasis)  finden 
sich  überall.  Letzterer  ist  (wie  wir  durch  Maclay  wissen)  erblich,  belästigt  aber  die 
davon  Befallenen  anscheinend  ebensowenig  als  Elephantiasis,  die  im  Ganzen  selten  ist. 


I)  Ganz  ähnlich  verhalten  sich  die  sogenannten  Weissen.  Auch  hier  finden  sich  innerhalb  der 
»weissen«  Hautfärbung  Nuancirungen  vom  blendendweissen  bis  brünetten  Teint,  die  fast  ebenso  erheblich 
sind  als  diejenigen  bei  Farbigen.  Aber  es  ist  stets  sehr  schwierig,  diese  verschiedenen  Farbentöne  sicher 
zu  bezeichnen  und  Bezugnahme  auf  irgend  eine  FarbentabcUe,  selbst  einer  so  unvollkommenen  als  der 
von  Broca,  unbedingt  nothwendig.  Wenn  z.  B.  Hauptmann  D reger  von  den  Eingeborenen  von  Huon- 
golf  sagt:  »die  Hautfarbe  ist  hellroth,  an  gebrannten  Ocker  erinnernd«,  so  ist  dies  jedenfalls  eine  sehr 
schlecht  gewählte  Bezeichnung.  Ich  notirte  für  die  Eingeborenen  hier:  Nr.  28  und  29,  mehr  zu  29 
hinneigend. 


46  Dr.  O.  Finsch.  [^^4] 

Pockennarben  habe  ich  von  Constantinhafen  bis  Humboldt-Bai  an  verschiedenen  Localis 
täten  beobachtet,  bei  Personen  die  in  den  vierziger  Jahren  stehen  mochten,  aber  in  Bongu 
auch  bei  einem  Mädchen  von  circa  16  Jahren.  Nach  Maclay's  Erkundigungen  haben 
die  Pocken  etwa  im  Jahre  1860  in  Bongu  grassirt  und  viele  Eingeborene  weggerafft, 
aber  nach  dem  obigen  Mädchen  zu  urtheilen,  muss  die  Krankheit  auch  noch  später  auf- 
getreten sein.  Sie  war  damals  von  Nordwesten  gekommen,  was  mit  meinen  Beobach- 
tungen übereinstimmt.   Syphilis  war  glücklicherweise  noch  unbekannt. 

Haar.  Dasselbe  ist  echt  melanesisch,  d.  h.  kräuslig,  wird  aber  schon  von  frühester 
Jugend  an  in  der  verschiedensten  Weise  künstlich  behandelt  (siehe  weiter  hinten),  dass 
man  von  natürlichem,  durch  die  Kunst  unberührten  Haare  kaum  sprechen  kann.  Aber 
auch  an  dieser  Küste  traf  ich,  wenn  auch  seltener,  Individuen  mit  schlichtem  Haare, 
das  nicht  durch  Auskämmen,  sondern  von  Natur  diese  Beschaffenheit  besass.  Langes 
Papuahaar,  von  denen  das  einzelne  eine  korkzieherartig  gewundene  Spirale  darstellt, 
wird  nämlich  durch  Gebrauch  des  Kämmens  schwach  gewellt,  fast  schlicht.  Ich  habe 
dies  bei  christianisirten  Papuamädchen  der  Missionsstationen,  welche  ihr  Haar  nach 
unserer  Weise  behandeln,  häufig  beobachten  können.  Nach  den  Untersuchungen  von 
Miklucho-Maclay  »unterscheidet  sich  das  Papuahaar  von  jedem  anderen  gelockten 
Haare  (auch  eines  Europäers)  nur  durch  seine  enge  Ringelung.  Mikroskopisch  zeigen 
die  Papuahaare  (bei  Männern)  ungefähr  die  Stärke  eines  mitteldicken  europäischen 
Haares.«  Die  Färbung  des  Haares  ist  meist  dunkel  bis  fast  schwarz,  wird  aber  durch 
Behandlung  mit  Kalk  und  Asche,  namentlich  bei  Kindern  häufig  bedeutend  heller,  bis 
löwengelb.  Graues  und  weisses  Haar  ist  so  schon  deshalb  seltener  zu  beobachten,  weil 
es  meist  mit  Farbe  bedeckt  wird. 

Augenbrauen  wie  Bartwuchs  sind  voll  und  reichlich  entwickelt,  werden  aber  durch 
Kunst  sehr  beeinflusst  (siehe  weiter  hinten). 

Sprachverschiedenheit,  wie  sie  überall  in  Melanesien  herrscht,  findet  sich  auch 
an  der  Küste  von  Kaiser  Wilhelms-Land;  auf  unserer  Fahrt  längs  derselben  hörten  wir 
manchmal  an  einem  Tage  mehrere  ganz  verschieden  klingende  Sprachen.  Nach  Maclay 
werden  in  Astrolabe-Bai  mehrere  Sprachen  gesprochen,  wie  sich  dies  schon  bei  Ver- 
gleichung  verschiedener  Wörter')  von  Bongu,  Bogadschi  und  den  Archipel  der  zufrie- 
denen Menschen  zeigt.  Polynesische  Anklänge  (z.  B.  in  den  Wörtern:  Mm  =  Cocos- 
nuss,  Manu  =  Vogel  u.  a.  m.)  sind  ebenfalls  vorhanden  und  werden  mitunter  als 
Beweis  für  die  polynesische  Herkunft  der  Papuas  gedeutet.  Warum  nicht  in  umge- 
kehrter Weise?  Denn  jedenfalls  wird  das  Uebereinstimmen  gewisser  Wörter  ungemein 
überschätzt.  Weit  bedeutungsvollere  Winke  für  die  Herkunft  der  Papuas  geben  das 
Halten  einer  Art  Haushund  und  des  Haushuhnes,  das  überall  in  Neu-Guinea,  selbst  tief 
im  Innern  des  Augustaflusses,  beobachtet  wurde.  Für  beide  Arten  Hausthiere  bietet  die 
Fauna  aber  keine  Form,  von  der  sich  nur  im  Entferntesten  eine  Abstammung  herleiten 
liesse.  Die  Annahme,  dass  die  Papuas  aus  Ländern  einwanderten,  wo  diese  Hausthiere 
heimisch  waren,  hat  daher  Berechtigung. 


»)  So  heisst  z.  B.  Yams  in  Bongu  Aijan,  auf  Grager  Dabei;  Banane:  Moga  (Bongu),  Fud  (Grager); 
Cocosnuss:  Munki  (Bongu),  Nin  (Grager);  Bogen:  Aral  (Bongu),  Fl  (Grager);  Betel:  Pinang  (Bongu), 
Jeb  (Grager).  Maclay  beherrschte  mit  ungefähr  400  Wörtern  die  Bongusprache  fast  vollständig  und 
nimmt  an,  dass  diese  Sprache  im  Ganzen  etwa  1000  Worte  besitzt. 


[185]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  An 

B.  Ethnologie. 
I.  Bevölkerung. 

L  Erster  Verkehr  mit  Eingeborenen. 

Bei  meinen  Erfahrungen  im  Umgange  mit  sogenannten  »Wilden«  habe  ich  über- 
all im  besten  Einvernehmen  mit  ihnen  verkehrt,  auch  in  Angriffshafen,  das  deshalb  von 
d'Urville  diesen  Namen  erhielt,  weil  ein  Pfeil  nach  dem  Schiffe  abgeschossen  wurde.  Das 
Betragen  von  Eingeborenen,  die  nie  Weisse  gesehen,  ist  übrigens  sehr  verschieden:  an 
dem  einen  Orte  wird  man  freundlich,  ja  zutraulich  aufgenommen,  an  einem  anderen,  viel- 
leicht ganz  nahe  gelegenen,  mit  Misstrauen  betrachtet,  oder  die  Eingeborenen  ergreifen 
selbst  die  Flucht.  Es  mag  hierbei  bemerkt  sein,  dass  vor  meinen  Reisen  die  Küsten  von 
Kaiser  Wilhelms-Land  noch  niemals  von  den  unheilvollen  Arbeiterwerbeschiffen  (La- 
bourtradern)  heimgesucht  waren,  die  stets  solche  Eindrücke  hinterlassen,  dass  die  Ein- 
geborenen meist  ausreissen,  sobald  sie  einen  Weissen  sehen.  Im  Allgemeinen  betrugen 
sich  die  Eingeborenen ')  überaJl  sehr  anständig  und  ruhig,  und  wir  erhielten  sogar  Be- 
weise von  Gastfreundschaft.  Neu  waren  mir  gewisse  Friedenszeichen,  welche  uns  von 
Broken  Water  Bai  westwärts  verschiedene  Male  überreicht  wurden.  Sie  bestehen  in 
Blattstreifen,  in  welche  Knoten  geknüpft  werden,  wie  das  folgende  Stück: 

Friedenszeichen  (Nr.  669,  i  Stück)  vom  Caprivifluss  in  Krauelbucht.  Dasselbe 
besteht  in  einem  Streifen  den  ein  alter  Mann  von  der  Seitenfahne  eines  Cocosblattes 
abriss  und  mir  in  feierlicher  Weise  überreichte,  nachdem  er  mehrere  Knoten  hinein- 
geknüpft hatte.  Zuweilen  wurden  auch  zwei  längere  Streifen  Cocosblatt  benutzt,  wovon 
die  Eingeborenen  den  einen  behielten  und  an  den  Mast  ihres  Canus  anbanden.  Winken 
mit  grünen  Zweigen,  sowie  Anbieten  von  Betelnüssen  sind  auch  hier  Zeichen  freund- 
schaftlicher Gesinnungen.  In  Humboldt-Bai  wurde  uns  Wasser  und  gekochte,  noch 
warme  Yams  angeboten. 

Am  lärmendsten  und  aufdringlichsten  zeigten  sich  die  Bewohner  von  Humboldt- 
Bai  und  wir  hatten  alle  Mühe,  uns  ihrer  Diebsgelüste  zu  erwehren.  Die  kleine  »Samoa« 
mit  ihren  i3  Mann  Besatzung  war  hier  von  etlichen  70  Canus  mit  zusammen  an  600 
bis  700  Eingeborenen,  die  alle  ganze  Bündel  Waffen  mit  sich  führten,  umlagert,  denen 
das  kleine  Fahrzeug  durchaus  nicht  imponirte.  Sie  kannten  bisher  nur  grosse  Kriegs- 
schiffe, 2)  wo  man  ihnen  so  viele  Freiheiten  erlaubt  hatte,  selbst  Stehlen.  Dass  sie  Pfeil 
und  Bogen  auf  uns  anlegten,  nahmen  wir  ihnen  nicht  übel,  denn  es  war  nicht  so  schlimm 
gemeint. 

2,  Dichtigkeit  der  Bevölkerung. 

Wie  ganz  Neu-Guinea,  ist  auch  Kaiser  Wilhelms-Land  im  Allgemeinen  sehr 
schwach  bevölkert,  wie  dies  die  Beschaffenheit  des  Landes  wie  seiner  Bewohner  be- 

I)  Das  Betragen  der  Eingeborenen  haben  wir  niemals  so  gcfundeni  wie  es  Powell  schildert, 
wonach  die  Eingeborenen  sich  einem  Schiffe  schreiend,  singend  und  mit  kampflustigen  Geberden  nähern, 
>ils  wenn  sie  sagen  wollten:  »wir  sind  zum  Kampfe  bereit«.  Im  Gegentheil  zeigten  sich  die  Einge- 
borenen stets  furchtsam  bis  misstrauisch  und  hatten  in  den  meisten  Fällen  ihre  Waffen  verborgen,  die 
geringste  Bewegung  auf  dem  Schiffe  brachte  sie  häufig  zur  Flucht. 

3)  Es  waren  die  folgenden:  1858  (23.  Juni  bis  S.Juli)  hoUänd.  »Etna«;  1871  (8.  bis  ii.October) 
bolländ.  »Dasoon«;  1874  (23.  Mai)  engl.  »Basilisk«;  1875  (2^-  ^^^  24*  Februar)  engl.  »Challenger«; 
1875  (iS*  bis  21.  December)  hoUänd.  »Soerabaja«;  1881  (29.  und  3o.  März)  hoUänd.  »Batavia«;  i883 
(5.  und  6.  September)  hoUänd.  >Sing-Tjin'.  Die  »Samoa«  war  (1885)  das  erste  Handelsschiff  und  das 
erste  unter  deutscher  Flagge,   welches  die  Humboldt-Bai  besuchte. 


48  Dr.  O.  Finsch.  [l86] 

dingt.')  Das  erstere  ist  vorherrschend  gebirgig,  die  letzteren  sind  sogenannte  Natur- 
menschen, die  noch  heute  im  Stadium  der  Steinzeit  unserer  Vorfahren  leben.  Der 
Naturmensch  hat  aber  überall  einen  schweren  Stand  im  Kampfe  ums  Dasein,  und  seine 
Vermehrung  wird  in  mancher  Richtung  erschwert.  Dazu  gehört  in  Neu-Guinea,  trotz 
allerdings  beschränkter  und  gemässigter  Polygamie,  der  geringe  Kindersegen,  das  zeitige 
Verblühen  der  Frauen  und  die  im  Allgemeinen  beschränkte  Lebensdauer.  Der  Natur- 
mensch besitzt  auch  wenig  Widerstandskraft  und  selbst  geringfügigere  Krankheiten 
raffen  Viele  dahin,  wie  ich  dies  in  Neu-Britannien  erlebte. 

Wenn  auch  der  grösste  Theil  der  Küste  unbewohnt  erscheint,  so  kann  dies  doch 
sehr  erheblich  täuschen,  denn  gewöhnlich  liegen  die  Siedlungen  hinter  dem  dichten 
Urwaldsgürtel  des  Strandes  versteckt,  und  so  erschien  z.  B.  Astrolabe-Bai  völlig  unbe- 
wohnt. Im  Allgemeinen  sieht  man  längs  der  Küste  dampfend  sehr  wenig  von  Dörfern. 
Am  dichtesten  fanden  wir  Siedelungen  von  Hatzfeldthafen  bis  zur  Hansa-  (Vulcan)- 
Insel  und  dann  wieder  an  einigen  Küstenstrichen  zwischen  Dallman-  und  Berlinhafen. 
Kleinere,  nahe  der  Küste  gelegene  Inseln,  wie  Bilibili,  Guap  Sanssouci  besitzen  wegen 
ihrer  geschützten  Lage  ebenfalls  eine  verhältnissmässig  zahlreichere  Bevölkerung.  Bis 
jetzt  liegeh  nur  von  ein  paar  Districten  Schätzungen  vor,  und  zwar  Astrolabe-  und 
Humboldt-Bai,  die  aber  sehr  verschieden  lauten.  Nach  v.  Miklucho-Maclay  (1871) 
beträgt  die  Bevölkerung  des  Astrolabe-Golf  3500  — 4000,  nach  Dr.  Schneider  (1887) 
nur  1400.  Für  Humboldt-Bai  gibt  die  »Etnareise«  (1858)  5000  Bewohner  an,  eine  Zahl, 
die  Beccari  (1875)  auf  3ooo  herabsetzt  und  die  nach  meiner  Schätzung  (1885)  schon 
mit  1500  reichlich  hoch  angeschlagen  ist.  Diese  erheblichen  Schwankungen  beruhen 
nicht  auf  Abnahme  der  Bevölkerung,  sondern  mehr  auf  Verschiedenheit  der  Schätzung. 
Immerhin  kann  auch  Verminderung  der  Siedelungen,  respective  der  Bevölkerung  statt- 
finden. So  haben  nach  Maclay  Erdbeben  an  der  Maclayküste  die  Bevölkerung  erheb- 
lich geschädigt.  Wir  selbst  fanden  hier  eine  Anzahl  verlassener  Dörfer  und  von  den 
grossen  Siedelungen,  die  Moresby  noch  1874  von  Hercules-Bai  erwähnt,  keine  Spur 
mehr.  Die  Gebirge  sind,  wie  sich  dies  leicht  erklären  lässt,  spärlicher  bevölkert  als  die 
Küsten.  Maclay  bemerkt  dies  schon  für  die  Port  Constantin  begrenzenden  Berge  und 
die  Expedition  nach  dem  Finisterre-Gebirge  fand  dasselbe  fast  unbewohnt.  Für  das 
Innere,  über  welches  nur  die  Berichte  vom  Augustafluss  vorliegen,  gestalten  sich  die 
Verhältnisse  kaum  günstiger.  Denn  wenn  auch  tief  im  Inneren  einige  ansehnliche 
Siedelungen  angetroffen  wurden,  so  verzeichnet  die  Karte  doch  für  den  ganzen,  38o 
engl.  Meilen  langen  Stromlauf  nur  26  Siedelungscentren. 

Jedenfalls  gibt  es  in  Kaiser  Wilhelms-Land  keine  grossen  Reiche.  Die  Eingebore- 
nen leben  nur  in  kleineren  Stämmen  zusammen,  die  meist  über  einige  benachbarte 
Dörfer  nicht  hinausgehen  und  mit  weiter  entfernteren  häufig  in  Fehde  stehen.  Die 
Häuptlinge  scheinen,  wie  meist,  nirgends  grossen  Einfluss  zu  besitzen.  Sclaverei^)  ist 
mir,  wie  überhaupt  in  Melanesien,  nirgends  vorgekommen.  Der  Tauschhandel  vermit- 
telt auch  an  dieser  Küste  den  friedlichen  Verkehr  der  Eingeborenen,  und  es  gibt,  wie 
überall,  gewisse  Centralpunkte.  Ein  solcher  ist  z.  B.  die  kleine  Insel  Bilibili  mit  ihrer 
hervorragenden  Töpferei.  Wie  die  Bilibiliten  einerseits  weite  Handelsreisen  zum  Ver- 
triebe ihrer  Fabrikate  bis  Karkar  und  CapTeliata  unternehmen,  so  werden  sie  anderer- 


I)  Der  Gothaer  Hofkalender  kennt  die  Einwohnerzahl  ganz  genau  und  gibt  sie  rund  auf  »circa 
109.00OC  an!  Nun  das  wird  dann  wohl  richtig  sein,  wenn  auch  selbstredend  Solche,  die  das  Land 
cinigcrmassen  an  ein  paar  Stellen  kennen,  kaum  eine  Schätzung  wagen  würden. 

a)  Powell  lässt  gleich  die  prächtigen  Culturen  auf  dem  Terrassenlande  von  »Sclaven«  be- 
arbeiten. 


[187]  Fthnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  40 

seits  auch  von  den  Bewohnern  jener  Gegenden  besucht,  Verhältnisse,  die  sich  in  ganz 
ähnlicher  Weise  an  der  Südostküste  und  Ostspitze  wiederfinden.  In  Finschhafen  ver- 
kehren Canus  von  der  Rook-Insel.  Im  Ganzen  ist  die  Heimatskunde  der  Eingeborenen 
eine  sehr  beschränkte  und  erstreckt  sich  nur  längs  den  Küsten  per  Segelcanu  bis  auf 
höchstens  100  Seemeilen,  geht  aber  nach  dem  Inlande  meist  nicht  über  die  benachbarten 
Dörfer  hinaus. 

3.  Siedellingen. 

So  grosse  Dörfer  wie  z.  B.  Maupa  an  der  Südostküste  habe  ich  in  Kaiser  Wilhelms- 
Land  nicht  gesehen.  Aber  nach  den  Berichtea  der  Expeditionen  auf  dem  Kaiserin 
Augustafluss  gibt  es  hier  im  Innern  einige  ansehnliche  Dörfer.  So  wird  Malu  auf  1000 
Einwohner  geschätzt.  Gewöhnlich  sind  die  Dörfer  meist  klein,  bestehen  aus  10  bis  20 
Hütten,  die  in  einzelne  Gruppen,  oft  versteckt  von  einander  vertheilt  sind  und  zählen 
40  bis  80  Bewohner.  Solche  mit  3o  Häusern,  wie  z.  B.  Bongu,  und  100—150  Einwoh- 
nern dürfen  schon  als  gross  gelten.  In  dem  berühmten  Pfahldorfe  Tobadi  in  Humboldt- 
Bai  zählte  ich  32  Häuser  (Beccari  gibt  40  an,  die  »Etna<-Expedition  90!)  und  schätzte 
die  Bevölkerung  auf  250.  Bei  Weitem  kleiner  und  unansehnlicher  sind  nach  den  über- 
einstimmenden Berichten  die  Gebirgsdörfer,  die  oft  nur  aus  4  bis  6  Hütten  bestehen, 
und  wo  ein  Dutzend  solcher  schon  eine  ansehnliche  Siedelung  ausmachen. 


m  

II.  Lebensunterhalt  und  Bedürfnisse. 

/.  Landbau  und  Hausthiere. 

Landbau  liefert  die  vorherrschende,  fast  kann  man  sagen  ausschliessende  Nahrung 
der  Eingeborenen,  denn  auch  in  diesen  Tropengegenden  wächst  dem  Menschen  nichts 
in  den  Mund  und  er  kann  nicht  ernten,  ohne  gesäet  zu  haben.  Und  da  muss  man  wieder 
den  ungeheuren  Fleiss  dieser  meist  als  »faul«  gescholtenen  »Wilden«  bewundern.  Das 
Ausroden  und  Urbarmachen  eines  Stückes  Urwald  ist  in  der  That  eine  gewaltige  Arbeil 
und  lässt  sich  nicht  blos  mit  Niederbrennen  bewältigen.  Unzählige,  oft  ziemlich  dicke 
Bäume  müssen  gefällt  werden,  und  man  begreift  kaum,  wie  dies  mit  Steinäxten  mög- 
lich ist. 

Als  Spaten  dienen  an  2  M.  lange  zugespitzte  Stöcke  (Udscha  in  Constantinhafen) 
mit  denen  die  Männer  das  Erdreich  aufbrechen,  während  die  Weiber  mit  einer  Art 
hölzerner  Schaufel  (Udscha- Sab)  die  Schollen  zerkleinern  und  zum  Schluss  die  Kinder 
mit  den  Händen  die  Erde  vollends  zerreiben,  Steine  auslesen  etc.  Zum  Schutz  gegen 
die  Verwüstungen  der  Wildschweine  muss  die  Plantage  noch  mit  einem  hohen  Zaune 
eingefriedigt  werden,  was  ebenfalls  ein  schweres  Stück  Arbeit  ist.  Diese  Einzäunungen 
werden  in  verschiedener  Weise  gemacht.  In  Constantinhafen  benutzt  man  Schösse  des 
wilden  Zuckerrohres  (Iura),  die  schnell  ausschlagen  und  eine  dichte  Hecke  bilden. 
Alle  diese  Arbeiten  werden  gemeinschaftlich  verrichtet  und  jede  Familie  erhält  dann  in 
der  Plantage  ein  gewisses  Stück  Land  zur  Bearbeitung.  Die  Plantagen  liegen  meist  ab- 
seits von  den  Dörfern  mitten  im  Urwalde,  oder  mit  Vorliebe  an  steilen  Berghängen. 
Blosse ville-Insel  ein  circa  1200  Fuss  hoher,  mitten  aus  dem  Meere  aufsteigender,  jetzt 
todter  Vulcankegel,  zeigte  an  den  ganz  ausserordentlich  schroff  abfallenden  Abhängen 
ausgedehnte  Plantagen,  am  Kraterrande  ein  hübsches  Dorf  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  365);  kaum  begreiflich,  wie  da  Menschen  hinaufgelangen  konnten. 

Annaten  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  i,  1891.  4 


50  Dr.  O.  Finsch.  [  1 88] 

Künstliche  Bewässerung,  wie  sie  Powell')  vom  Terrassenlande  beschreibt,  ist  mir 
weder  hier  noch  anderswo  in  Neu-Guinea  vorgekommen;  auch  die,  welche  nach  mir 
das  Terrassenland  besuchten,  bemerkten  davon  nichts. 

Culturgewächse.  Die  Hauptculturpflanzen  der  Eingeborenen  von  Kaiser  Wil- 
helms-Land, wie  aller  Papuas,  sind  Taro  (Bau,  Constantinhafen),  Yams  (Ajan)  und 
Banane  (Moga)  in  verschiedenen  Abarten,  ausserdem  süsse  Kartoffeln,  Zuckerrohr  (Den)y 
eine  Art  kleiner  Bohne  (Mogary  Flagellaria  indica)  und  ganz  besonders  die  Cocos- 
palme  (^Munki  in  Constantinhafen),  welche  in  ganz  Kaiser  Wilhelms-Land  überall  be- 
schränkt*) und  nur  cultivirt  vorkommt.  Sago  (Born)  wird  bei  dem  localisirten  Auf- 
treten dieser  Palme  nur  in  gewissen  Districten  von  hervorragender  Bedeutung  und  in 
solchen,  wie  dies  an  der  Südostküste  der  Fall  ist,  Mittel  zum  Tauschhandel.  Brotfrucht 
(Artocapus  incisa,  »Boli^,  Constantinhafen)  spielt  im  Haushalt  der  Papuas  dieser  Küste 
keine  grosse  Rolle,  wie  dies  für  einige  andere  wildwachsende-^)  Früchte  und  Nüsse 
(z.  B.  die  einer  Canarium-Arl  —  ^ Kengar <i  in  Constantinhafen  —  vgl.  »>1  galib^^  I, 
S.  loo)  gilt.  Wurzeln  von  Ingwer  und  Curcume  habe  ich  Öfters  bei  den  Eingeborenen 
beobachtet,  aber  nicht  von  ihnen  essen  sehen,  doch  mag  es  geschehen;  jedenfalls  aber 
nicht  in  der  Form  als  Zuthat  beim  Essen  wie  unsere  Gewürze.  Tabak  und  andere  Reiz- 
mittel werden  später  erwähnt  werden.  Wie  die  wilden  Früchte  in  verschiedenen  Mona- 
ten des  Jahres  reifen,  so  auch  die  cultivirten,  deren  Anbau  daher  abwechselt  und  deren 
Pflege  dieselbe  Sorgfalt  erheischt,  als  wie  dies  (II,  S.  32i)  bereits  mitgetheilt  wurde.  Die 
von  Maclay  zuerst  in  Constantinhafen  eingeführten  Früchte:  Kürbis  und  Wasser- 
melonen {^»Arbusen<^)j  Mais  (^Kukurus«^\  die  unter  ihrem  russischen  Namen  bei  den 
Eingeborenen  bekannt  sind,  haben  im  Ganzen  wenig  Beifall  gefunden,  aber  eine  zum 
Theil  ziemlich  w^eite  Verbreitung.  Ganz  besonders  gilt  dies  für  den  Melonenbaum 
(Carica  papqya).  Einen  Maiskolben  (als  Haarputz  benutzt)  erhielt  ich  einmal  bei 
Venushuk. 

Hausthiere,  in  gewissem  Sinne,  sind  Hund  (Ssa  in  Constantinhafen)  und 
Schwein,*)  Ersterer  eine  kleine  dingoartige  Race,  mit  spitzen  Ohren  (Abbild.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  53)  und  stark  gekrümmtem  Schweif,  die  in  allen  möglichen  Farben  (auch 
weiss,  weiss  und  schwarz  gefleckt)  vorkommt;  letztere  Abkömmlinge  der  beiden  Neu- 
Guinea  eigenthümlichen  Arten  (Sus papuensis  und  S.  ;i/g^er  Finsch,  vgl.  Abbild.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  52).  Hühner (7t//M  in  Constantinhafen)  finden  sich  überall,  aber  nicht  zahl- 
reich und  werden  eigentlich  nur  der  Federn  wegen  gehalten;  nach  v.  Maclay  aber  auch 
deshalb,  weil  die  Papuas  den  Hahnenschrei  als  Verkünder  des  Morgens  lieben.  Der  Federn 
halber  werden  auch  gewisse  Papageien  gehalten,  die  man  jung  aus  dem  Nest  nimmt 
und  aufzieht.     Im  Ganzen  habe  ich  aber  nur  wenige  Male  Eclectus  polychlorus  und 

>)  »They  use  also  a  System  of  Irrigation,  by  means  of  pipes  madc  of  bamboo  joined  together 
with  gum,  obtaining  the  water  from  the  numerous  streams  that  flow  from  the  montains  above.« 

2)  So  namentlich  auch  an  der  ganzen  Küste  westlich  von  Berlinhafen.  Aber  Powell  beschreibt 
sie:  »with  plenty  of  coco-nut-palm  grovds  and  wild  ,nutmeggs*  (!)«. 

3)  Nach  Dr.  Hollrung:  Früchte  von  drei  Jambosa-Xncn,  Pandatius,  Tabernaemontana,  zweier 
Bassia,  Citrus^  Owenia,  Averhoa  Blimbi,  Eugenia,  Mango,  Beeren  von  Rubus  mollucanus,  Samen  von 
Nelumbium  speciosum,  Fruchtkapseln  von  Nymphaea.  Am  Augusta  wird  auch  eine  Meldenart  fAma- 
rantha  BUtum)  in  den  Plantagen  als  Gemüse  cultivirt. 

4)  Beachtenswerth  ist  die  merkwürdige  Achnüchkeit  des  Wortes  für  Schwein  in  verschiedenen 
Papuasprachen,  die  auf  einen  gemeinsamen  Ursprung  schliessen  lässt  und  wobei  bemerkt  werden  muss, 
dass  r  und  /  meist  gleich  sind.  Schwein  heisst:  Boroma  (in  Motu,  Port  Moresby),  Bovoke  oder  Buruka 
(Dinner-Insel),  Poru  (Bentley-Bai,  Chads-Bai),  Poro  (Humboldt-Bai),  Bor  (Friedrich  Wilhclms-Hafen, 
Caprivi,  Tagai),  Bol  (Bilia),  Bo  (Finschhafen),  Bulbul  (Bongu),  Ämborro  oder  Amberreu  (Blanche-Bai), 
Boa  (Salomons,  Bogainville). 


[iggl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ci 

Cacatna  Triton  gezähmt  bei  den  Hütten  gesehen.  Aber  es  war  mir  dabei  interessant, 
z.  B.  am  Capriviflusse  ganz  dieselbe  ingeniöse  Weise  der  Befestigung  mittelst  einer 
Cocosschale  zu  beobachten,  als  wie  in  Kerräpuna  an  der  Südostküste.  Im  Uebrigen 
gilt  das  von  dort  Gesagte  (II,  S.  322)  auch  für  diese  Küste. 

Erwähnt  mag  noch  sein,  dass  v.  Miklucho-Maclay  i883  an  Bord  des  russischen 
Kriegsschiffes  zuerst  Rindvieh,  und  zwar  der  grossen  Zeburasse '  von  Java,  nach  Bongu 
(hier  nach  dem  Russischen  »/Ma«  genannt)  einführte,  wovon  ich  einen  Bullen  und 
eine  Kuh  1884  noch  sah.  Die  zu  gleicher  Zeit  mitgebrachten  Ziegen  waren  eingegangen 
und  der  humanistische  Zweck  überhaupt  nicht  erfüllt  worden.  Die  Rinder  waren  für 
die  Eingeborenen,  wie  sich  erwarten  liess,  kein  Segen,  sondern  eine  Last  geworden,  in- 
dem sie  ihre  Plantagen  gegen  die  Verwüstungen  derselben  kaum  zu  schützen  vermoch- 
ten. Jetzt  sind  ausser  Rindern  auch  Pferde  in  beschränkter  Zahl  eingeführt  worden  und 
gedeihen  gut,  wie  dies  schon  längst  von  dtn  in  Port  Moresby  eingeführten  Pferden  nach- 
gewiesen war.  An  der  Ostspilze  Neu-Guineas  wurden  Rinder  und  Schafe  zuerst  durch 
mich  eingeführt  (s.  vorne  S.  24). 

2.  Jagd  und  Fischerei, 

Jagd.  Bei  der  bekannten  Armuth  Neu-Guineas  an  Säugethieren  kommt  Jagd  nur 
untergeordnet  in  Betracht  und  erklärt  das  Fehlen  eigentlicher  Jägerstämme  von  selbst. 
Die  Fauna,  ganz  mit  der  Australiens  übereinstimmend,  besitzt  von\'iegend  Beutelthiere 
fMarsupialia)^  eine  ziemliche  Anzahl  Flederthiere  (darunter  grosse  fruchtfressende 
fliegende  Hunde),  wenige  kleine  Nager  (leider  auch  verheerende  Mäuse),  kein  einziges 
Raubthier,  von  grösseren  Säugern  nur  zwei  Arten  Wildschweine  *)  (s.  vorn  S.  50).  Es 
sind  dies  alles  Thiere  von  vorwiegend  nächtlicher  Lebensweise,  so  dass  man  von  ihnen 
mit  Ausnahme  fliegender  Hunde,  deren  Kreischen  häufig  die  Stille  der  Nacht  unter- 
bricht, und  den  Spuren  der  Verwüstungen  der  Wildschweine  kaum  etwas  sieht  und 
hört.  Kängurus  sind  mir  niemals  vorgekommen,  aber  ich  habe  den  Namen  des  Thieres 
in  Astrolabe-Bai  nennen  hören.  Merkwürdiger  Weise  erwähnt  v.  Maday  das  Känguru 
selbst  nicht,  sondern  beiläufig  nur  Knochen  desselben.  Dennoch  wird  die  eine  oder 
andere  Art  Känguru  auch  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  fehlen  und  diese  Thiere  sind 
bisher  wohl  nur  übersehen  worden,  da  manche  derselben,  wie  ich  aus  Erfahrung  weiss, 
im  Dickicht  des  Urwaldes  eine  sehr  versteckte  Lebensweise  führen,  z.  B.  Dorcopsis  lue- 
tuosus,  das  ich  im  Inneren  von  Port  Moresby  jagte. 

lieber  die  Jagdweise  der  Eingeborenen  habe  ich  keine  Beobachtungen  machen 
können.  Aber  Maclay  erwähnt  Treibjagden,  die  im  Juli  und  August  stattfinden,  und 
bei  denen  in  systematischer  Weise  das  dürre  Gras  angezündet  wird,  also  ganz  so,  wie 
liies  an  der  Südostküste  geschieht.  Die  durch  das  Feuer  aus  ihren  Schlupfwinkeln  auf- 
gejagten Thiere,  meist  kleine  Beutler,*)  aber  auch  »viele  Wildschweine«,  werden  mit 


I)  Wenn  Dr.  Hollrung  meint,  dass  diese  sowie  das  Wallabi  in  Kaiser  Wilhelms-Land  »dem 
Aussterben  nahe  sind,«  so  ist  dies  eine  ebenso  unbegründete  Annahme  als  die  der  muthmasslichen 
Ausrottung  von  grossen  Thieren  (»wie  Tiger,  Leopard,  Elephant,  Rhinoceros,  Affe,  Hirsch«)  durch  die 
•nichts  schonenden  Eingeborenen«.  Ganz  abgesehen,  dass  dafür  die  Letzteren  viel  zu  wenig  zahlreich 
und  schlecht  bewaffnet  sind,  so  ist  die  Säugethierfauna  von  Neu-Guinea  doch  so  gut  bekannt,  dass  man 
<>uch  in  Kaiser  Wilhelms-Land  keine  der  genannten  Thierarten  (die  alle  der  indo-malayischen  Fauna 
angehören)  erwarten  durfte. 

3)  Hauptsächlich  eine  Art  Bandikut  oder  sogenannter  Bcuteldachs  {Brachymeles  Garagassi, 
Madav),  in  Astrolabe-Bai  »Abana^^  genannt. 

4* 


52  Dr.  O.  Finsch.  [100] 

Speeren  und  Knitteln  getödtet.  In  Finschhafen  sah  ich  auch  grosse  Netze,  *Uh^^) 
genannt,  zu  Treibjagden  auf  Wildschweine,  ganz  wie  solche  an  der  SUdostküste  ge- 
braucht werden;  ebensolche  in  Humboldt-Bai.  In  den  »Nachrichten  aus  Kaiser  Wil- 
helms-Land« werden  auch  Fallgruben  für  Wildschweine  erwähnt.  Im  Fallenstellen 
besitzen  die  Papuas  wenig  oder  kaum  Kenntniss,  wie  bei  ihnen  Pfeil  und  Bogen  zum 
Jagen  nur  von  untergeordneter  Bedeutung  sind.  Das  Hauptjagdgeräth  bleibt  der  Wurf- 
speer. Nach  der  Häufigkeit  von  Casuarfedern  zu  urtheilen,  müssen  Casuare  an  der 
ganzen  Küste  vorkommen.  Vermuthlich  werden  sie  auch  hier,  wie  im  Südosten,  in 
grossen  Stellnetzen  bei  Treibjagden  gefangen.  Crocodile  (in  Finschhafen  *0a*  ge- 
nannt), im  Ganzen  nicht  häufig,  scheinen  nur  selten  erlegt  zu  werden;  ich  sah  an  der 
ganzen  Küste  nur  drei  Schädel  und  doch  verwahrt  man  solche  so  gern  als  Erinnerungs- 
zeichen in  den  Gemeindehäusern. 

Fischerei  wird  überall  betrieben  und  nimmt  einen  nicht  unwesentlichen  Antheil 
an  der  Ernährung,  namentlich  der  Küsten bewohner.  Sehr  geschickt  angelegte  Fisch- 
wehre, welche  durch  Rickelwerk  kleinere  Buchten  abschlössen,  habe  ich  in  Finsch- 
hafen und  dem  Archipel  der  zufriedenen  Menschen  gesehen,  und  wie  von  den  Berg- 
bewohnern berichtet  wird,  betreiben  diese  in  gleicher  Weise  Fischfang  in  Flüssen  und 
Bächen.  Fischnetze,  oft  sehr  gross  und  accurat  gearbeitet,  mit  Holzschwimmern  und 
Senkern  von  Muschel  (meist  Area),  in  Finschhafen  »  Uassang<i  genannt,  habe  ich  an 
der  ganzen  Küste  beobachtet.  Ebenso  die  bekannten  Fischspeere  (I,  S.  108),  in  Con- 
stantinhafen  »Jur*  genannt,  aus  einem  an  3  M.  langen  Bambu  mit  vier  bis  neun  kranz- 
förmig geordneten  Holzspitzen.  Sie  werden  mit  der  Hand  geworfen,  die  ganz  ähn- 
lichen, aber  viel  kleineren  Fischpfeile  (vgl.  Nr.  81 3)  mit  dem  Bogen  geschossen. 
Nach  V.  Maclay  werden  die  Fischspeere  zu  nächtlichen  Fischereien  bei  Fackelschein 
benutzt.  Fischkörbe,  aber  bedeutend  kleiner  und  anders  construirt  als  in  Neu-Britan- 
nien  (I,  S.  107,  »^4  wup^)  sah  ich  in  Finschhafen  (hier  ^Nemo<i^  genannt)  und  in  Astro- 
labe-Bai  (*Nenir€  in  Bongu);  ebenso  Fischhamen,  im  Uebrigen  kein  anderes  Fang- 
geräth.    Am  häufigsten  sind  Fischhaken,  wie  die  folgenden  Stücke: 

Fischhaken  (Nr.  155,  4  Stück)  aus  einem  6  bis  g  Cm.  langen,  runden,  aus 
Tridacna  geschliffenen  Stiel,  an  dem  mittelst  feinem  Bindfaden  ein  flacher,  an  der 
Basis  breiter  Haken  aus  Schildpatt  sehr  kunstreich  befestigt  ist.  Finschhafen,  hier  ^/«^« 
genannt,  der  Stiel  aus  Tridacna  »Ping<,  der  Haken  aus  Schildpatt  »Sai<t.  In  Friedrich 
Wilhelms-Hafen  heisst  Fischhaken  »Aule*, 

Desgleichen  (Nr.  156,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  der  Haken  aus  Knochen 
gearbeitet.   Daher. 

Diese  Fischhaken  stimmen  in  ihrer  eigenthümlichen  Form  am  meisten  mit  denen 
von  Banaba  (Ocean  Isl.,  Nr.  147)  überein  und  sind  häufig  wahre  Muster  accurater 
Arbeit  und  zuweilen  mit  Schnitzerei  in  durchbrochener  Arbeit.  Der  bis  16  Cm.  lange 
Stiel  ist  meist  aus  lyidacna-Muschd  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  3,  4),  seltener  aus  Hip- 
popus (ibid.  Fig.  5),  zuweilen,  wie  der  Haken,  aus  Knochen.  2)  Häufig  ist  der  ganze 
Haken  aus  einem  Stück  Schildpatt  verfertigt  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  7, 8),  oder  noch 
häufiger  ein  solcher  an  ein  längliches  bearbeitetes  Muschelstück  festgebunden  (wie  Ethnol. 
Atlas,  Fig.  6).  Perlmutter  habe  ich  nie  verwendet  gefunden.  Die  meist  ziemlich  dünne, 
aber  aus  sehr  haltbarer  Faser  (wohl  von  Pandanus)  verfertigte  Fischleine  (in  Finsch- 

1)  Dasselbe  Wort  bedeutet  in  Bongusprache  :^Penis€, 

2)  Da  diese  Knochenstückc  zuweilen  eine  Dicke  von  14  Mm.  im  Durchmesser  haben,  so  können 
sie  wohl  nur  von  Walthicren  herrühren,  da  unter  den  T-andthiercn  keines  mit  so  dicken  Knochen 
vorkommt. 


[iQl]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  c3 

hafen  »Game)  ist  nicht  mittelst  eines  Loches,  sondern  in  einer  sehr  seichten  Einkerbung 
oder  Rille  an  der  Basis  des  Stieles  festgebunden.  Obwohl  die  Befestigung  anscheinend 
keine  sichere  ist,  so  wird  die  Praktik  der  Eingeborenen  auch  hier  das  Richtige  getroffen 
haben.  Die  Grösse  dieser  Fischhaken  ist  sehr  verschieden.  Ein  kleines  geflochtenes 
flaches  Täschchen  von  lo  Cm.  Länge  und  5  Cm.  Breite,  welches  ich  in  Finschhafen 
kaufte,  enthielt  acht  Fischhaken,  darunter  den  kleinsten  von  nur  28  Mm.  Länge,  aus 
einem  Stück  Schildpatt  gearbeitet,  welchen  ich  sah. 

Diese  Fischhaken  dienen  nicht  zum  Angeln,  das  der  Papua  nicht  kennt,  sondern 
werden  in  der  Weise  wie  die  Haken  beim  Makrelenfange  angewendet,  d.  h.  an  einer 
Leine  einem  schnellsegelnden  Canu  nachgezogen.  Der  weisse  glänzende  Tridacna- 
Stift  dient  dabei  als  Köder,  auch  mag  solcher  in  anderer  Form  (Blattstreifen  o.  dgl.) 
befestigt  werden.  Fischhaken,  stets  in  den  gleichen  Formen  wie  oben  beschrieben, 
habe  ich  von  Huongolf  bis  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  sehr  häufig  erhalten,  weiter 
westlich  keine  mehr,  obwohl  solche  auch  hier  vorhanden  sein  werden.  Wie  innig  die 
Küstenbewohner  mit  Fischerei  verbunden  sind,  zeigt  die  häufige  Darstellung  von 
Fischen  in  rohen  Malereien  an  den  Canus,  wie  in  oft  recht  gelungenen  Holzschnitze- 
reien, die  in  dem  figürlichen  Schmuck  der  Gemeindehäuser  hauptsächlich  vertreten  sind 
ivgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  74  und  S.  358). 

3.   Schifffahrt 

Die  Eingeborenen  der  Küsten  von  Kaiser  Wilhelms-Land  stehen  auf  einer  hohen 
Stufe  der  Entwicklung  im  Canubau,  und  ihre  Erzeugnisse  in  dieser  Richtung  gehören 
mit  zu  den  bewundernswerthesten  des  Steinzeitalters.  Die  grossen,  zuweilen  zwei- 
mastigen  Segelcanus,  wie  ich  sie  z.  B.  auf  Long-Insel  und  in  Finschhafen  sah,  sind  in 
trefflicher  Ausführung  und  Segeltüchtigkeit  den  Fahrzeugen  an  der  Ostspitze  kaum 
nachstehend.  Grosse  doppelmastige  Canus  in  Finschhafen  (hier  » Uang^  genannt), 
haben  eine  Länge  von  50  Fuss;  aber  der  Baumstamm,  welcher  den  Kiel  bildet,  ist  nur 
2'  2  Fuss  breit;  die  Höhe  des  Mastes  hJamo<)  mag  20  Fuss  betragen.  Da  sich  der- 
artige Gegenstände')  mit  einem  kleinen  Schiffe  wie  die  »Samoa«  nicht  mitbringen 
lassen,  so  musste  ich  mich  mit  Aufzeichnungen  begnügen,  aus  denen  ich  hier  nur  einen 
kurzen  Ueberblick  geben  kann.  Bezugnahme  auf  meinen  Ethnologischen  Atlas  wird 
zum  besseren  Verständniss  beitragen,  da  blosse  Beschreibungen  durchaus  unzureichend 
bleiben. 

Wie  die  meisten  Canus  bestehen  auch  die  an  diesen  Küsten  im  Wesentlichen  aus 
einem  ausgehöhlten  Baumstamme,  wohl  meist  vom  Brotfruchtbaume,  mit  Ausleger  an 
einer  Seite  und  einer  Plattform  in  der  Mitte,  wie  dies  der  Grundriss  (Ethnol.  Atlas, 
Taf.  VI,  Fig.  i)  von  Bongu  zeigt.  Auf  den  Baumstamm  ist  seitlich  ein  Brett  (selten 
zwei)  aufgebunden  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  VI,  Fig.  2),  an  jedem  Ende  ein  schmäleres, 
das  zuweilen  geschnitzt,  selbst  durchbrochen  gearbeitet  ist.  Ein  derartiges  Brett,  wie  es 
z.  B.  der  Ethnologische  Atlas  (Taf.  VI,  Fig.  7)  von  Bongu  darstellt,  und  das  in  der  F'orm 
wie  ausgesägt  aussieht,  ist  ohne  Säge,  allein  mit  Steinaxt  gefertigt,  eine  mühevolle 
Arbeit  und  gibt  einen  Begriff,  was  erst  die  Herstellung  eines  ganzen  Canu  bedeutet. 
Dieser  Typus  von  Canus  findet  sich  von  Huongolf  bis  nach  Karkar.  Die  Enden  des 
Canu  sind  zuweilen  hübsch  geschnitzt  (in  Finschhafen  meist  mit  einem  menschlichen 
Gesicht  oder  einer  Schlange  in  Haut-reliet),  die  Seitenborde  mit  eingravirten  oder  be- 

I)  Aus  Ncu-Irland  brachte  ich  ein  Canu  mit  allem  Zubehör  von  7*3o  M.  Länge  mit,  und  ein 
anderes  seetüchtiges  Canu  erhielt  das  Berliner  Museum  früher  durch  mich  von  den  Marshalls-Inseln. 


^4  Dr.  O.  Finsch.  [igal 

malten  Mustern  verziert  (wie  Taf.  VII,  Fig.  9  von  Huongolf).  Kleine  Canus  tragen  2  bis 
3  Erwachsene  und  werden  mit  Rudern  fortbewegt,  grössere  ein  Dutzend  und  mehr  und 
fuhren  einen  bis  zwei  Masten,  die  dann  divergirend  schief  nach  vorn  und  hinten  ge- 
richtet sind.  Der  Mast  ist  meist  ohne  besondere  Verzierung  und  das  viereckige  fast 
quadratische  Segel  (vgl.  Taf.  VIII,  Fig.  6  von  Huongolf)  ist  aus  groben  Mattengeflecht 
aus  PandanuS'BleiXl  gefertigt  oder  mit  dem  eigenthümlichen  zeugartigen  Bast  von  der 
Basis  des  Cocospalmblattes  zusammengenäht.  Grosse  Canus  tragen  auf  der  Plattform 
einen  kastenartigen  Aufbau,  aus  Stäben,  wie  ein  Käfig,  auf  diesem  zuweilen  noch  eine 
zweite  Plattform,  wie  auf  Bilibili  (vgl.  »Samoafahrtenc,  S.  84).  Ich  zählte  hier  14  grosse 
Canus  am  Strande.  Sie  zeichnen  sich  durch  einen  gebogenen  Schnabelansatz  an  beiden 
Spitzen  aus,  an  dem  Faserbüschel  als  Schmuck  befestigt  sind,  wie  solche  an  den  Segel- 
stangen. Die  lange  vorragende  Spitze  des  Canu  ist,  wie  die  des  Mastes,  mit  Vorliebe  mit 
rothbemalten  Nautilus-Muschda  verziert,  hier  zuweilen  auch  eine  Holzschnitzerei,  einen 
Vogel  o.  dgl.  darstellend,  angebracht.  Sehr  reichen  Ausputz  zeigten  die  Canus  von 
Long-Insel  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  VI,  Fig.  6,  Taf.  VIII,  Fig.  i  und  2). 

Einen  abweichenden  Typus  in  Bauart  wie  Ausputz  zeigen  die  Canus  westlich  von 
Karkar.  Sie  zeichnen  sich  durch  hübsche  Schnitzereien  der  beiden  verschmälerten  End- 
theile  aus,  die  meist  einen  Menschen-  oder  Crocodilkopf  darstellen  (wie  Ethnol.  Atlas, 
Taf.  VII,  Fig.  4  von  Dallmannhafen  und  Taf.  VII,  Fig.  5  von  Venushuk)  oder  ein  ganzes 
Crocodil  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  292).  Diese  Figuren  sind  nicht  aufgesetzt, 
sondern  aus  dem  Ganzen  des  Canuendes  gezimmert  und  werden  für  dieses  Gebiet 
charakteristisch.  Das  viereckige  Segel  ist  aus  Mattengeflecht  (Taf.  VIII,  Fig.  5  von  Ham- 
macherfluss)  oder  Bast  von  der  Basis  des  Blattes  der  Cocospalme,  die  Mastverzierungen 
oft  sehr  originell,  meist  Faserbüschel  und  Figuren  aus  Tapa  o.  dgl.  gefertigt,  z.  B.  in 
Form  eines  Kreuzes  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  VIII,  Fig.  3  von  Venushuk)  oder  eine  Vogel- 
gestalt aus  Federn  (Taf.  VIII,  Fig.  4,  Fregattvogel,  daher).  Am  Caprivifluss  waren  am 
Mast  lange  aus  Gras  geflochtene  Ketten  befestigt.  Auf  der  breiten  Plattform  grosser 
Canus,  die  bis  16  Mann  tragen,  ist  an  Jeder  Seite  ein  hoher,  schmaler,  käfigartiger 
Kasten,  meist  mit  Waffen  gefüllt.  Von  Caprivifluss  bis  Guap  westlich  ist  die  Plattform 
auf  Stützen  tischartig  erhöht,  so  dass  sich  diese  Canus  schon  von  Weitem  als  besondere 
auszeichnen  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  VIII,  Fig.  10,  von  Guap,  hier  mit  Ruderern,  auf 
dem  Aufbau  der  Häuptling  mit  dem  mit  Casuarfederbüschel  verzierten  Staatsspeer  und 
Taf.  VIII,  Fig.  7,  mit  gesetztem  Segel  vom  Hammacherfluss).  Wie  Bilibili  für  Astrolabe, 
so  scheint  Guap  für  dieses  westliche  Gebiet  ein  Centrum  der  Schifffahrt;  ich  zählte  am 
Strande  der  Insel  nicht  weniger  als  3j  Canus. 

Westlich  von  Guap  ist  ein  senkrecht  stehender  Schnabel,  der  an  die  Gondeln 
Venedigs  erinnert,  charakteristisch  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  T.  VI,  Fig.  2a  und  Taf.  VII,  Fig.  3 
von  Tagai),  wenigstens  für  die  grossen  Canus,  die  oft  20  Mann  fassen,  wovon  allein  14 
auf  der  Plattform  Platz  finden.  Die  Mastspitze  ist  zuweilen  mit  einem  grossen  Büschel 
Casuarfedern  verziert,  das  viereckige  Segel  aus  Cocosblattbast.  Weiter  westlich  in 
Massilia  habe  ich  diesen  Schnabelaufsatz  nicht  beobachtet,  aber  die  Seiten  des  Canu 
zeichneten  sich  durch  reiche  Figurenverzierung  aus  (Taf.  VII,  Fig.  i,  mit  Fischen,  ein- 
gebrannt). In  ähnlicher  Weise  waren  auch  die  Canus  in  Angriffshafen  (Taf.  VII,  Fig.  2) 
ornamentirt,  ausserdem  aber  noch  durch  besondere  kunstvolle  Schnitzereien,  die  an 
jedem  Ende  angebunden  werden,  ausgezeichnet,  wie  die  folgende  Nummer: 

Canuschnabel  (Nr.  185,  i  Stück)  —  II,  S.  358,  Taf.  XXII  (14),  Fig.  4  —  aus  einem 
Stück  zum  Theil  durchbrochen  geschnitzt,  groteske  Fische  darstellend,  die  Spitze  einen 
Vogelkopf;  die  meisten  Partien  der  Abbildung  sind  vertieft  gearbeitet. 


[igS]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsce.  cc 

Diese  Schnitzereien  werden  mit  der  Basis  (a)  in  die  Spitze  der  Canu  eingesetzt 
und  festgebunden.  Manche  Canus  tragen  an  beiden  Enden  solche  geschnitzte  Schnäbel. 
Obwohl  gleich  in  der  Form,  sind  derartige  Schnitzereien  doch  in  der  Anordnung  der 
figürlichen  Darstellung  sehr  verschieden  und  linden  sich  in  derselben  Weise  auch  am 
Sechstrohfluss  und  in  Humboldt-Bai,  selbstredend  nicht  an  jedem  Canu.  Auch  die  Platt- 
form ist  zuweilen  mit  kunstvollen,  buntbemalten  Schnitzereien,  plastische  Darstellungen 
von  Fischen  und  Vögeln,  verziert,  die  Mastspitze  nicht  selten  mit  einem  Casuarfeder- 
buschel.  Das  viereckige  Segel  >)  besteht  gewöhnlich  aus  Mattengeflecht  von  Pandanus- 
Blatt.   Grosse  Canus  tragen  8  bis  lo  Menschen. 

Canus  ohne  Auslegergeschirr,  d.  h.  nur  aus  einem  Baumstamme  bestehend,  sind 
mir  nur  in  Dallmannhafen  vorgekommen.  Nach  den  Berichten  vom  Augusta  ist  dies 
aber  dort  die  einzige  Form;  auch  werden  reiche  Verzierungen  derselben  in  Holzschnitz- 
arbeit erwähnt.  Sehr  primitive  Wasserkutschen  sah  ich  in  Massilia,  wo  junge  Burschen 
auf  mehreren  zusammengebundenen  Blattstielen  von  Palmen  knieend  herausgerudert 
kamen  (vgl.  Bild  »Samoafahrten«,  S.  323).  Am  Sechstroh  genügten  Baumwurzeln  an 
ein  paar  Stücken  Bambu  festgebunden  (»Samoafahrten«,  S.  344). 

Das  Tauwerk  besteht  zuweilen  aus 

Strick  (Nr.  i38,  i  Probe),  von  Finschhafen  (hier  -»Lepa*  genannt),  von  der  Dicke 
eines  kleinen  Fingers,  zweidrähtig,  sehr  accurat  gedreht,  aus  einer  Art  Bast  (wohl  von 
Hihiscus  tiliaceus).  Meist  aus  gespaltenem  Rottang  aus  Lianen  verfertigt.  Als  Anker- 
tau wird  ebenfalls  ein  langer  Rottang  benutzt,  als  Anker  krumme  Wurzel-  oder  Ast- 
stücke mit  einem  grossen  Steine  oder  mehreren  kleineren,  die  mit  Rottang  eingefloch- 
ten sind. 

Da  Canus  stets  undicht  sind  und  fortwährenden  SchÖpfens  bedürfen,  so  sind 
besondere  Geräthe  erforderlich.  Zuweilen  bedient  man  sich  nur  der  Hände,  einer 
7r//ow-Muschel  oder  eines  Stielabschnittes  der  Nipapalme  (Hatzfeldthafen,  Tagai).  Im 
Osten,  von  Huongolf  bis  Astrolabe,  beobachtete  ich  meist  aus  Holz  geschnitzte  Schöpfer, 
in  sehr  praktischer  Form,  zuweilen  mit  hübschem  Schnitzwerk. 

Als  Feuerstätte,  schon  wegen  des  Rauchens  unentbehrlich,  dient  gewöhnlich  ein 
mit  Sand  gefüllter  Topfscherben  oder  ein  Stück  Blattbast  der  Sagopalme  mit  einer  Lage 
Sand  oder  CorallgeröU. 

Zum  Rudern  werden  2  bis  3  M.  lange  Padel  benutzt,  in  der  allgemein  üblichen 
Form  mit  rundem  langen  Griff  und  lang-lanzettförmigem  Blatt,  wie  ich  dieselbe  an  der 
ganzen  Küste  beobachtete.  Die  Ruder,  oft  aus  hartem  Holz  und  mit  reicher  Schnitz- 
arbeit am  Griff,  seltener  auf  dem  Blatte  verziert,  sind  die  besten  welche  ich  in  Neu- 
Guinea  sah,  wie  die  folgenden  Nummern  zeigen: 

Ruder  (Nr.  175,  i  Stück),  mit  Schnitzwerk.  Huongolf. 

Desgleichen  (Nr.  176,  i  Stück),  mit  feiner  Schnitzarbeit.  Finschhafen,  hier  » Oo^  ^) 
genannt. 

Zum  Steuern  dient  meist  ein  gewöhnliches  Ruder,  grosse  Canus  führen  zuweilen 
ein  grösseres  und  schwereres  in  der  gleichen  Form,  aber  am  Ende  abgestutzt  (wie 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  8  von  Bongu),  das  in  einer  Schlinge  von  Strick  befestigt  ist. 


1)  Die  mcrkwürüige  Form  der  Segel  »ähnlich  den  Flügeln  eines  Hicgcnden  Fisches«,  wie  sie 
Powell  aus  dem  westlichen  Gebiete  zwischen  Passier  Point  und  Humboldt-Bai,  ohne  Angabe  einer  be- 
stimmten Localität  beschreibt,  habe  ich  weder  hier  noch  sonst  in  Neu-Guinea  beobachtet  und  doch  stets 
Canus  meine  besondere  Aufmerksamkeit  zugewandt. 

2)  In  Bongusprachc  heisst  dies  Wort  »  Vulva  <^, 


c6  Dr.  O.  Finsch.  [^94] 

Nicht  alle  Küstenbewohner  von  Kaiser  Wilhelms-Land  besitzen  übrigens  Canus, 
sondern  zuweilen  fehlen  dieselben  in  einzelnen  Strichen  ganz,  einmal  weil  die  Bewoh- 
ner den  Bau  nicht  verstehen,  oder  weil  sich  das  Landen  der  Brandung  wegen  von  selbst 
verbietet.  Zu  den  besten  Canus  gehören  die  von  der  Insel  Bilibili,  mit  denen  die  Ein- 
geborenen Handelsreisen  bis  an  loo  Seemeilen  unternehmen.  Auch  Canus  von  Rock- 
Insel  besuchen  Finschhafen  und  umgekehrt.  Aber  die  Eingeborenen  sind  keine  eigent- 
lichen Seefahrer,  gehen  nie  aus  Sicht  des  Landes  und  nur  dann  aus,  wenn  Wind  und 
Wetter  günstig  scheinen.  Und  im  Allgemeinen  ist  es  ja  an  diesen  Küsten  ruhig,  für 
Segelschiffe  oft  zu  ruhig. 

4.  Häuser  und  Hausrath. 

Häuser.  Obwohl  ich  eingehendere  Studien  nur  in  beschränktem  Masse  machen 
konnte,  so  zeigen  dieselben  doch,  dass  jedes  Gebiet  einen  besonderen  Baustyl  besitzt, 
wie  eine  Vergleichung  typischer  Häuser  in  den  »Samoafahrten«  (Bongu  S.  46,  Tiar 
S.  loi,  Finschhafen  S.  176,  Dallmannhafen  S.  3o8,  Humboldt-Bai  S.  352)  am  besten 
lehrt.  Diese  Häuser  weichen  von  denen  der  Südostküste  (II,  S.  3 16 — 319)  meist  erheb- 
lich ab  und  sind  im  Ganzen  besser  gebaut,  ja  zum  Theil  sehr  stattliche  Bauwerke  (wie 
z.  B.  auf  Bilibili  und  Dallmannhafen).  Für  Astrolabe-Bai  werden  gewisse  tischartige 
Gerüste  aus  gespaltenem  Bambu  charakteristisch,  die  sich  fast  vor  jedem  Hause  befin- 
den (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  46).  Sie  heissen  in  Constantinhafen  ^Barla^  und  dienen 
nur  zum  Aufenthalt  der  Männer,  die  hier  unbelästigt  von  Schweinen,  Hunden  und 
Kindern  essen  oder  schlafen.  Ich  beobachtete  solche  Sitzgestelle  auch  in  Finschhafen. 
An  verschiedenen  Theilen  der  Küste  (z.  B.  Hercules-Bai,  am  Caprivifluss)  beobachteten 
wir  nur  sehr  primitive  Hütten,  die  nichts  mehr  als  ein  auf  den  Erdboden  gesetztes  Dach 
schienen,  ganz  wie  dies  aus  dem  Finisterre-Gebirge  berichtet  wird.  Im  Allgemeinen  sind 
aber  die  Häuser  mehr  oder  minder  über  der  Erde  erhoben,  auf  Pfählen  errichtet.  Eigent- 
liche Pfahlhäuser  wie  in  Port  Moresby  (II,  S.  3 18,  Fig.  3i)  habe  ich  nur  wenige  Male 
an  der  Küste  des  Terrassenlandes  (Singor,  Village-Insel)  gesehen,  die  aber  auf  dem 
kahlen  Corallfels  und  nicht  im  Fluthgebiet  des  Meeres  erbaut  waren.  Die  wenigen 
Häuser,  welche  ich  an  der  Mündung  des  Augustaflusses  sah,  schienen  ebenfalls  Pfahl- 
bauten und,  soweit  sich  erkennen  Hess,  ebenso  die  Siedelungen  in  der  Lagune  an  der 
Mündung  des  gleichnamigen  Flusses,  westlich  von  Berlinhafen.  Hier  schienen  grössere 
Dörfer,  dicht  Haus  an  Haus,  vollständig  im  Wasser  erbaut,  ganz  wie  dies  in  Humboldt- 
Bai  der  Fall  ist.  Aber  hier  zeigen  wenigstens  einige  Häuser  einen  sehr  eigenthümlichen 
Baustyl)  wie  ich  ihn  sonst  nirgends  beobachtete  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  352).  Der- 
artige grosse  Häuser  wurden  von  je  vier  Familien  bewohnt  (vgl.  Grundriss,  Ethnol. 
Atlas,  Taf.  II,  Fig.  2).  Baumhäuser,  d.  h.  in  dem  Gezweige  von  hohen  Bäumen  errich- 
tete Hütten  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  272),  die  als  Warten  und  Vesten  dienen,  kommen 
hauptsächlich  in  den  Bergdörfern  ebenfalls  vor.  Häuser  in  »Bienenkorbform«,  wie  sie 
Powell  vom  Terrassenlande*)  beschreibt,  habe  ich  weder  hier  noch  irgendwo  anders 
in  Neu-Guinea  gesehen.  Schnitzwerk  an  Häusern  ist  mir  kaum  vorgekommen,  wohl 
aber  Malerei  an  den  Brettern  der  Seitenwände,  die  aber  in  solchen  Fällen  meist  von 


')  »This  curious  formation  of  country  leads  in  this  way  terrace  by  terracc  up  to  thc  immediate 
base  of  the  Finisterre  Mountains  (i3.ooo  fcet)«,  so  beschreibt  Powell  das  merkwürdige  Tcrrasscnland, 
aber  so  im  Widerspruch  mit  der  Wirklichkeit,  dass  man  fast  glauben  möchte,  er  könne  nicht  aus 
eigener  Anschauung  sprechen.  Denn  die  Terrassen  reichen  nur  im  Küstengebirge  vielleicht  ein  paar 
Tausend  Fuss  hoch,  haben  aber  mit  dem  Finisterrc-üebirge  gar  nichts  zu  thun. 


[ige]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  cy 

allen  Canus  herrühren.    Solche  Bretter  in  Finschhafen  massen  an  20  Fuss.   Den  Grund- 
riss  eines  Hauses  hier  gibt  der  EthnoL  Atlas,  Taf.  II,  Fig.  3. 

Eine  besondere  Art  Bauten  sind  die  Gemeindehäuser,  welche  wegen  ihrer  Grösse 
und  des  Schmuckes  an  Schnitzwerk,  häufig  menschliche  Figuren  darstellend,  von  Un- 
eingeweihten für  Tempel,  die  Bilder  für  »Götzen«  gehalten  werden.  Diese  Häuser,  in 
Coostantinhafen  *Buambramra€  genannt,  scheinen  in  ganz  Kaiser  Wilhelms-Land  vor- 
zukommen und  sind  im  Vergleich  mit  der  Südostküste  eine  ethnologische  Eigenthüm- 
lichkeit  dieses  Gebietes.  Manche  derselben  zeichnen  sich  durch  bedeutende  Grösse  aus  und 
zahlen  zu  den  grossartigsten  Bauwerken  der  Steinzeit.  So  z.  B.  das  Dschelum  auf  Bili- 
bili  (Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  74),  mit  einer  an  25  Fuss  hohen  Mittelsäule,  die,  aus 
einem  Stück  geschnitzt,  plastisch,  sechs  übereinanderstehende  Papuafiguren  (vier  männ- 
liche und  zwei  weibliche)  zeigt.  Diese  Säule  (»Samoafahrten«,  S.  73),  *Aimaka<  genannt 
iwas  offenbar  mit  >/l/«  :=^  Festlichkeit  der  Männer,  in  Verbindung  steht),  wird  noch 
übertroffen  durch  zwei  circa  4  Fuss  hohe  Männerfiguren,  die  aus  dicken  Balken  (Längs- 
träger des  Gebäudes)  in  der  Weise  ausgehauen  sind,  dass  sie,  wie  das  Glied  einer 
Kette,  an  diesen  hängen.  Wahrhaft  bewundernswerth  ist  das  Gemeindehaus  im  Dorfc 
Tobadi,  in  Humboldt-Bai,  die  grösste  Pfahlbaute  im  Wasser,  welcher  mir  vorkam,  mit 
reichem  Schmuck  an  Schnitzwerk,  Friese  mit  menschlichen  Figuren  und  plastische  Thier- 
gestalten  darstellend  (abgebildet  in  »Samoafahrten«,  S.  358). ')  Dasselbe  war  keineswegs 
ein  »Tempel«,  wie  das  merkwürdige  Gebäude  in  der  »Etnareise«  bezeichnet  wird,  son- 
dern nichts  Anderes  als  das  Versammlungshaus  der  Männer,  in  welchen  die  unverheira- 
teten schlafen,  Fremde  beherbergt  und  Feste  gefeiert  werden.  Alle  diese  Gemeinde- 
häuser sind,  wie  das  Meiste  von  ihrem  Inhalt  für  das  weibliche  Geschlecht  streng  tabu 
und  dürfen  von  diesen  nicht  betreten  werden.  Das  Gemeindehaus  in  Tobadi  (vgl. 
Grundriss  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  II,  Fig.  i)  enthielt  nichts  als  Feuerstätten,  Kopfstützen, 
einige  Töpfe  mit  Wasser,  grosse  Trommeln  und  Flöten.  Die  sorgfältig  aus  gespaltenem 
Holz  der  Betelpalme  hergestellte  Diele  diente  zum  Schlafen.  An  den  Wänden  waren 
Schädel  von  Schweinen,  wohl  ein  paar  Hundert  befestigt,  als  Erinnerungszeichen  der 
hier  abgehaltenen  Schmausereien,  wie  dies  stets  geschieht.  In  Astrolabe  pflegt  man  nur 
die  Unterkiefer  der  verzehrten  Schweine  aufzuhängen,  ausserdem  auch  Anderes:  Köpfe 
grosser  Fische,  Schildkröten,  Körbe  mit  Ueberbleibsel  von  Essen  u.  dgl.  Auch  die 
Schnitzereien  von  Thieren,  welche  ausser-  oder  innerhalb  der  Versammlungshäuser  an- 
gebracht sind,  dienen  jedenfalls  nur  als  Erinnerungszeichen  besonders  grosser  Festlich- 
keiten, wobei  die  betreffenden  Thiere  (meist  Fische,  seltener  Eidechsen,  Schildkröten 
oder  Vögel)  eine  Hauptrolle  spielten,  und  haben  nichts  mit  religiösen  Anschauungen  zu 
thun.  Derartige  Figuren  finden  sich  fast  an  allen  Gemeindehäusern  und  oft  so  natur- 
getreu dargestellt,  dass  manchmal  die  Gattungen  zu  erkennen  sind.  So  liessen  sich  unter 
den  Fischen  Makrele,  Hemiramphus,  Chaetodon  und  Pagrus  unterscheiden,  wenigstens 
der  Form  nach,  denn  die  Bemalung  ist  meist  sehr  grell  in  Roth  und  Weiss;  bemerkens- 
werlher  Weise  auch  Grün  unter  den  Farben  vertreten.  In  Friedrich  Wilhelms-Hafen 
erhielt  ich  auch  Fischfiguren,  von  denen  ein  grosser  Fisch  (eine  1-45  M.  lange  Makrele) 
einen  kleinen  im  Maule  hält;  sowie  die  Darstellung  eines  Fisches,  der  in  einen  Menschen- 
kopf beisst.  Neben  dem  Gemeindehause  auf  Tiar  waren  an  langen  Bambu  befestigt  eine 
ganze  Reihe  derartiger  Fischschnitzereien  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  io3),  oft  von 
bedeutender  Grösse  (i*8o  M.  lang)  aufgestellt.  Andere  befanden  sich  im  Innern  (Ethnol. 
Atlas,  Taf.  XV,  Fig.  3),  hier  auch  die  Figur  eines  Delphin  (Phocaena)  und  anscheinend 

0  Ein  Vergleich  dieser  nach  der  Natur  gezeichneten  Abbildung  mit  der  im  Reisewerk  der  *Etna- 
tipedition  (T.  FF.)  publicirten  wird  die  unbegreifliche  Unrichtigkeit  der  letzteren  zeigen. 


58  Dr.  O.  Finsch.  [196] 

eines  Hundes  oder  vielmehr  Hündin  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XV,  Fig.  2).  Bemerkt  mag 
noch  sein,  dass  ich  nie  eine  Darstellung  von  Schweinen  sah,  aber  für  die  Erinnerung  an 
solche  dienen  ja  die  Schädel  zur  Genüge.  Die  Gemeindehäuser  in  Astrolabe,  welche 
nicht  gedielt  sind,  enthalten  als  nie  fehlendes  Geräth  eine  erhöhte  Plattform  zum  Schlafen, 
grosse  und  kleine  Trommeln,  zuweilen  Waffen  (namentlich  grosse  Schilde).  In  Bongu 
waren  noch  einige  heilige  Andenken  an  den  *Kaarem  Tamo*^  den  »Mann  aus  dem 
Monde«,  wie  Maclay  bei  den  Eingeborenen  allgemein  genannt  wurde,  aufbewahrt:  ein 
altes  Fässchen  und  ein  verrostetes  Petroleum- Blechgefäss.  Gewiss  ein  schöner  Beweis 
der  Pietät  der  Eingeborenen,  von  der  ich  mich  selbst  überzeugen  konnte.  So  war  die 
deutsche  Flagge,  welche  ich  den  Häuptlingen  des  Dorfes  auf  der  Insel  Bilia  geschenkt 
hatte,  sorgfältig  eingepackt  im  ^Sirit*  verwahrt  worden. 

Auch  als  Werkstätten  dienen  die  Gemeindehäuser,  denn  es  gibt  Gegenstände, 
z.  B.  die  grossen  Trommeln ,  welche  Frauen  nicht  einmal  in  der  Bearbeitung  sehen 
dürfen.  So  wurde  im  Gemeindehause  von  Tobadi  gerade  an  einem  grossen  Balken 
geschnitzt.  Eine  besondere  Art  Versammlungshaus  sah  ich  in  Dallmannhafen  (Abbild. 
»Samoafahrten«,  S.  3o8).  Das  grosse  Haus  in  dem  Dorfe  Ssuam  in  Finschhafen 
(»Samoafahrten«,  S.  173  und  174)  schien  ebenfalls  das  Versammlungshaus  zu  sein  und 
die  mit  einer  nach  unseren  Begriffen  höchst  mangelhaften  Leiter  zugängliche  obere 
Etage  als  Schlafstätte  der  unverheirateten  Männer  zu  dienen. 

Hausrath  ist  für  Menschen,  welche  den  grössten  Theil  des  Tages  ausserhalb  ihrer 
Hütten  zubringen,  kaum  nöthig.  Das  Innere  einer  solchen  (vgl.  Grundriss  Etnol.  Atlas, 
Taf.  II,  Fig.  3)  enthält  daher  ausser  einer  Feuerstelle,  die  auch  nicht  immer  benutzt 
wird,  hauptsächlich  Lagerstätten,  erhöhte  breite  Bänke  aus  gespaltenem  Bambu,  in 
Constantinhafen  ^Barlat  genannt,  aufweichen  die  Männer  schlafen.  Ausserdem  sind 
meist  noch  Töpfe,  Schüsseln,  Waffen  und  Fischnetze  in  der  Hütte  untergebracht.  Son- 
stige Habseligkeiten  (wie  Schmuckgegenstände,  Federn  etc.)  und  Esswaaren  werden  in 
Körben  und  Bündeln  in  Tapa  oder  Blätter  sorglich  eingepackt  an  den  Dachsparren  der 
Hütte  aufgehangen  oder  in  besonderen  Horden,  die  kaum  in  einer  Hütte  fehlen.  Zum 
Schutze  gegen  die  Verheerungen  der  Mäuse  werden  diese  Horden  mit  einem  über- 
stehenden Dache  aus  Bambu  versehen  oder  mit  einer  runden  Scheibe  aus  der  Blattbasis 
der  Sagopalme.  Zum  Aufhängen  benutzt  man  an  Stricken  befestigte  Haken,  meist  aus 
einem  gebogenen  Aste  hergestellt,  zuweilen  aber  auch  wahre  Kunstwerke  der  Holz- 
schnitzkunst, wie  ich  solche  in  Finschhafen  erhielt  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  III,  Fig.  2). 
Derartige  Erzeugnisse  des  Papuafleisses  verdienen  umsomehr  Beachtung,  als  sie,  stets 
im  Dunkel  der  Hütte  hängend,  eigentlich  nie  zur  Ansicht  und  Geltung  gelangen  und 
somit  den  hervorragend  entwickelten  Kunstsinn  der  Papua  bekunden. 

Nahezu  gleich  verhält  es  sich  mit  den  sogenannten  Kopfkissen,  Ruhebänkchen 
oder  Stützen,  welche  als  Unterlage  des  Kopfes  beim  Schlafen  dienen.  Sie  werden  nur 
von  Männern  benutzt  und  scheinen  nicht  überall  üblich.  In  Bilibili  sah  ich  sehr  ein- 
fache Kopfstützen,  die  nur  aus  einem  Aststück  mit  vier  Zweigabschnitten  als  Beine  be- 
standen, aber  in  Huongolf  und  Finschhafen  erhielt  ich  sehr  kunstvoll  geschnitzte,  wie  die 
folgenden  Nummern: 

Palim  (Nr.  102,  i  Stück),  Kopfstütze  (II,  S.  350,  Taf.  XVIII  [10],  Fig.  2);  fein 
durchbrochen  gearbeitete  Schnitzerei  aus  einem  Stück  Hartholz;  die  untere  Hälfte  jeder- 
seils  zeigt  die  Figur  eines  Papua  in  der  charakteristischen  verkrüppelten  Gestalt;  die 
vertieft  gearbeiteten  Linien  sind  mit  Kalk  eingerieben.  Breite  der  sanft  eingebogenen 
glatten  Oberfläche  65  Mm.    Von  Finschhafen  (Dorf  Ssuam). 


I'igy]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  eq 

Desgleichen  (Nr.  loi,  i  Stück,  II,  S.  350,  Taf.  XVIII  [10],  Fig.  i),  kunstreiche 
durchbrochen  gearbeitete  Schnitzerei  aus  einem  Stück  Hartholz  (Cocospalme),  in  be- 
sonderer eigenthümlicher,  seltener  Form;  jederseits  in  der  Mitte  eine  carrikirte  Papua- 
hgur;  der  untere  Theil  (7  Cm.  breit)  stellt  ein  auf  vier  Füssen  stehendes  Oval  dar,  das 
auf  der  einen  Seite  (Abbildung)  circa  4  Cm.  concav  ausgearbeitet,  auf  der  entgegen- 
gesetzten bauchig  ist,  hier  mit  einem  sternförmigen  Ornament  (Fig.  la);  Breite  oben 
70  Mm.  Von  Finschhafen. 

Ein  anderes  sehr  interessantes  Stück  von  derselben  Localität  (einen  auf  dem 
Bauche  liegenden  Papua  darstellend)  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  III,  Fig.  i,  abgebildet. 

Weiter  westlich  kommt  eine  besondere  Form  von  Kopfstützen,  eine  Art  Bänkchen 
vor,  welche  das  folgende  Stück  repräsentirt: 

Kopfstütze  (Nr.  100,  i  Stück,  II,  S.  350,  Taf.  XVIII  [10],  Fig.  3,  4).  Dieselbe  be- 
steht aus  einem  flachen  (70  Mm.  breiten)  Brettchen  aus  Hartholz  (Cocospalme),  das  auf 
vier  (15  Cm.  hohen)  Beinen  ruht,  von  denen  jedes  Paar  aus  einem  gebogenen  Stück 
Bambu  besteht;  die  beiden  jederseits  über  die  Beine  vorragenden  i3  Cm.  langen  Enden 
des  Brettchens  sind  in  Papuagesichter,  mit  durchbohrter  Nase  und  durchbrochenem 
Bart  geschnitzt  Fig.  4  (a  das  Bambubeinstück).  Insel  Guap.  Derartige  Kopfstützen 
erhielt  ich  auch  in  Dalimannhafen  und  beobachtete  solche  in  Humboldt-Bai.  Die  Schnitze- 
reien sind  wie  bei  allen  diesen  Stücken  sehr  verschieden;  statt  des  Papuagesichtes  war 
zuweilen  ein  Crocodilkopf  dargestellt.  — *  Matten  zum  Daran fschlafen  sind  mir  nicht 
vorgekommen;  es  mag  aber  solche  geben. 


5.  EsS'  und  Kochgeräth. 

* 

Obwohl  Papuas  keine  Küchen  besitzen,  sondern  auf  besonderen  Feuerstätten  in 
den  Hütten  oder  häufiger  im  Freien  kochen,  so  besitzen  sie  doch  eine  Menge  hierher 
gehöriger  Gegenstände,  die  an  dieser  Küste  mannigfacher  und  kunstvoller  sind  als  an 
der  Südostküste.  Obenan  stehen  Holzschüsseln,  die  mit  zum  Reichthum  eines  Haus- 
haltes  zählen  und  überall  ein  beliebtes  Tauschmittel  sind. 

Tabir  (Nr.  80,  i  Stück),  Holzschüssel;  gewöhnliche  Sorte,  länglich-oval,  an  jeder 
Seite  etwas  zugespitzt,  42  Cm.  lang,  20  Cm.  breit,  künstlich  geschwärzt,  mit  drei  Rand- 
rillen.  Constantinhafen,  Bongu. 

Desgleichen  (Nr.  81,  i  Stück),  wie  vorher,  42  Cm.  lang,  22  Cm.  breit,  etwas 
tiefer.   Daher. 

Dschu  (Nr.  82,  i  Stück);  sehr  feine  Holzschüssel,  66  Cm.  lang  und  28  breit,  läng- 
lich-oval, mit  einem  Mineralstoff  (ähnlich  Graphit  oder  Eisen)  geschwärzt,  matt  glän- 
zend, an  jeder  Seite  eine  hübsche  Schnitzerei,  mit  weiss  und  rother  Farbe  eingerieben. 
Finschhafen. 

Hier  wie  im  Archipel  der  zufriedenen  Menschen  waren  derartige  Schüsseln  sehr 
häufig  und  ich  erhielt  wahre  Prachtstücke  mit  äusserst  kunstvoller  Schnitzerei  (vgl. 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  III,  Fig.  3),  bis  80  Cm.  lang  und  29  Cm.  breit.  Auch  in  Huongolf  sah 
ich  schöne  Schüsseln  in  gleicher  Form.  Die  Holzschüsseln  in  Constantinhafen  waren 
weniger  kunstvoll  gearbeitet;  hier  erhielt  ich  aber  auch  runde  Holzschüsseln  und 
hölzerne  Näpfe  in  Form  unserer  Töpfe.  Im  Westen  (Insel  Guap)  bekam  ich  ähnliche, 
tiefe,  aber  ovale  Näpfe  und  runde,  flache  Schüsseln,  zum  Theil  mit  Schnitzerei  (darunter 
eine  einen  fliegenden  Hund  darstellend). 


6o  ör.  O.  Finsch.  [  i  gg] 

Nur  die  Männer  und  deren  Gäste  essen  aus  solchen  Holzschüsseln  und  meist  nur 
bei  Festlichkeiten.  Für  gewöhnlich  wird  aus  Cocosschalen  oder  von  Blättern  gegessen, 
die  als  Teller  dienen. 

Besondere  Küchengeräthe,  und  zwar  »Ssaku*,  eine  Art  schaufelförmiger  Rühr- 
löffely  darunter  solche  mit  kunstvoller  Schnitzarbeit  (auch  die  bekannte  Papuafigur  dar- 
stellend), erhielt  ich  in  Finschhafen.  Hier  auch  hölzerne  Mörser,  *Porrom€  genannt, 
deren  Zweck  mir  nicht  ganz  klar  wurde.  Zum  Zerstampfen  von  Betelnuss  (vsrie  S.  27 
erwähnt)  schienen  sie  zu  gross. 

Die  Essgeräthe,  welche  Jeder  in  dem  Brustbeutel  bei  sich  trägt,  sind  überall  die- 
selben^ wie  wir  solche  bereits  kennen  lernten.  Zum  Schneiden,  respective  Schaben  von 
Früchten,  z.  B.  Cocosnuss,  die  nur  in  geschabtem  Zustande  genossen  wird,  bedient  man 
sich  häufig  kleiner  Perlmutterschalen  oder  daraus  gefertigter,  am  unteren  Ende  meist 
mit  Kerbzähnen  versehener  Schaber  (vgl.  I,  Taf.  IV,  Fig.  7)  wie  die  folgenden  Nummern: 

Schaber  (Nr.  46c,  i  Stück),  aus  Perlschale.  Festungshuk. 

Desgleichen  (Nr.  46 rf,  i  Stück),  aus  Nautilus.  Finschhafen,  hier  »Kiki*  genannt. 
Abgebildet:  Ethnol.  Atlas,  Taf.  V,  Fig.  8. 

In  Westen  sind  mir  derartige  Perlschalen  oder  Schaber  daraus,  in  Constantinhafen 
»  Karur*  genannt,  nicht  vorgekommen.  Statt  derselben  scheinen  hier  zu  gleichem  Zwecke 
gewisse  zweischalige  Brackwassermuscheln  benutzt  zu  werden: 

Batissa  violacea  (Nr.  23,  3  Siück)  von  Venushuk. 

Batissa  angulata  (Nr.  24,  3  Stück)  von  AngrifTshafen. 

Diese  sehr  scharfrandigen  Muscheln  dienen  auch  als 'Schneidinstrumente  und 
fanden  sich  in  dem  Brustbeutel  jedes  Mannes  vor.  In  Neu-Britannien  sah  ich  mit  einer 
Schale  von  Cyrene  papua  ein  Armband  abschneiden.  In  Humboldt-Bai  wurden  Schulter- 
blattknochen (wohl  vom  Schwein)  als  Schaber  benutzt. 

Ebenso  wichtig  als  die  vorhergehenden  Instrumente  ist  ein  anderes,  meist  sehr 
unscheinbares,  wie  die  folgenden  Nummern. 

Brecher  (Nr.  924,  i  Stück)  aus  einem  vorne  flach  und  meisselartig  abgeschliffenen 
Knochen  (wohl  vom  Schwein).  Constantinhafen,  Bongu  (hier  *Schiliupa<ii  genannt,  in 
Bogadschi  *Sorrop<i,  auf  Grager  ^Schilup*), 

Desgleichen  (Nr.  295,  i  Stück),  wie  vorher.  Finschhafen  (hier  »Kamata^^  ge- 
nannt). 

Desgleichen  (Nr.  926,  i  Stück),  aus  einem  längsdurchschlitfenen  Schweine- 
knochen, 17  Cm.  lang,  mit  fein  eingravirtem  Muster;  die  Basis  (der  Gelenkskopf)  mit 
zwei  schmalen  Ringen  aus  gespaltenem  Rottang  umflochten,  an  denen  drei  Schmuck- 
büschel von  einigen  Seitenfedern  des  Paradiesvogels  und  einige  rothe  Papageifedern  be- 
festigt sind.    Angriffshafen. 

Dieses  ausnahmslos  aus  Knochen  (vom  Casuar  oder  Schwein)  verfertigte  Instru- 
ment (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  V,  Fig.  7)  fehlt  bei  keinem  Papua  und  wird  gewöhnlich 
im  ArmbaAd  eingesteckt  getragen.  Die  Benützung  ist  eine  sehr  verschiedene,  theils  zum 
Aufbrechen  (z.  B.  von  Betelnüssen),  theils  als  Messer  zum  Schaben.  Zum  Aufbrechen 
der  Hülle  der  Cocosnuss  bedient  man  sich  grober  zugespitzter  Hölzer.  Auch  die 
Knochendolche  (siehe  Waffen)  werden  wahrscheinlich  nicht  blos  als  Waffe  benutzt, 
sondern  wohl  mehr  als  Instrument  zum  Spalten  und  Aufbrechen  von  PVüchten. 

Löffel  (in  Constantinhafen  *Kai*)  sind  ähnlich  denen  an  der  Südostküste  (II, 
S.  323)  meist  aus  Cocosnussschale,  seltener  aus  einem  Stück  Muschel  (Nautilus)  ver- 
fertigt; doch  sah  ich  keine  mit  Verzierungen.  Bambumesser,  aus  einem  scharfkantigen 
Stück  Bambu,  die  ausserordentlich  scharf  schneiden,  werden  nicht  beim  Essen  benutzt. 


[igg]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  6l 

sondern  hauptsächlich  beim  Ausschlachten  und  Zertheilen  von  Fleisch.  Gabeln 
sind  mir  nicht  vorgekommen,  aber  Maclay  erwähnt  solche  aus  einem  circa  20  Cm. 
langen  zugespitzten  Stöckchen  bestehend,  oder  man  bedient  sich  einfach  der  mehr- 
zinkigen  Kopfkratzer,  sogenannten  Kämme  (wie  Nr.  287).  Als  Trinkgefässe  werden,  wie 
überall,  Cocosnussschalen  benutzt,  als  Wassergefässe  lange  Bamburohre,  wie  ich  sie  in 
Constantinhafen  sah,  oder  eine  besondere  Art  Töpfe,  ähnlich  denen  an  der  Südostküste 
(II,  S.  324,  Nr.  86  *Hodu*),  Zu  Stampfern  oder  Klopfern  (z.  B.  zum  Aufklopfen  der 
ausserordentlich  harten  Canariumnüsse)  benützt  man  passende  Steine,  doch  sah  ich  keine 
bearbeiteten  wie  an  der  Südostküste  (S.  323).  Ein  sehr  eigenthümliches  Geräth  zeigt 
die  folgende  Nummer: 

Sagoklopfer  (Nr.  55,  i  Stück  —  II,  S.  354,  Taf.  XX  [12],  Fig.  4,  5).  Der  rund 
bearbeitete,  60  Cm.  lange  Holzstiel  (a)  ist  am  Ende  mit  einem  Loche  durchbohrt,  in 
welchem  das  36  Cm.  lange,  in  zwei  Hälften  gespaltene  Futter  (b)  steckt,  das  durch 
Ringe  von  feinem  Flechtwerk  aus  gespaltenem  Rottang  (c)  die  Steinklinge  (d)  festhält. 
Letztere  ist  circa  1 1  Cm.  lang,  rund,  an  der  Basis  etwas  konisch  verschmälert,  an  der 
Spitze  rechtwinkelig  abgeschnitten  und  ausgehöhlt  (Fig.  5).  Um  dem  Spalten  des  Stieles 
vorzubeugen,  sind  jederseits  vom  Bohrloch  Ringe  aus  Rottang  (e)  fest  umgeflochten.  Um 
dem  Geräth  grössere  Festigkeit  zu  verleihen,  ist  von  der  Basis  des  Steines  bis  zur  Mitte 
des  Stieles  ein  Band  aus  Bast  befestigt.    Vom  Sechstrohfluss. 

Steinklinge  (Nr.  56,  i  Stück)  zu  einem  solchen  Klopfer.   Daher. 

Ich  erhielt  dieses  Geräth  nur  am  Sechstroh,  es  findet  sich  aber  auch  in  Humboldt- 
Bai  und  mag  im  Westen  noch  weiter  verbreitet  sein.  Beim  ersten  Anblick  erinnert 
dieses  Geräth  sehr  an  die  in-  jenen  Gegenden  üblichen  Steinäxte  (vgl.  Nr.  126)  und 
wird  in  der  »Etnareise«  (Taf.  YY,  Fig.  3)  in  der  That  als  eine  solche  abgebildet.  Aber 
man  braucht  nur  die  runde  Fläche  des  Steines  zu  betrachten,  um  einzusehen,  dass 
das  Geräth  unmöglich  ein  Schneidinstrument  sein  kann.  Ausser  zur  Bereitung  von 
Sago  dient  es  wahrscheinlich  noch  zu  anderen  Zwecken  des  Haushaltes,  vielleicht  zum 
Klopfen  von  Arrowroot  u.  dgl.  Das  Material  zu  den  Steinen  dieser  Klopfer  ist  ein  von 
dem  der  Steinäxte  ganz  verschiedenes,  hartes,  feinkörniges  Gestein.  Die  Stiele  dieser 
Klopfer  sind  zuweilen  mit  Schnitzwerk  verziert. 

Als  Kochgeräth  dienen  einzig  und  allein  aus  Thon  verfertigte  und  gebrannte 
Töpfe,  in  deren  Herstellung  die  Eingeborenen  dieser  JCüste  eine  beachtenswerthe  Ge- 
schicklichkeit entwickeln.   Die  Sammking  gibt  ein  Belegstück  dafür: 

Topf  (Nr.  90,  I  Stück)  von  Bilibili,  und 

Thon  (Nr.  95,  i  Probe)  von  der  Insel  Bilia  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Ich  habe  an  der  ganzen  Küste  von  Kaiser  Wilhelms-Land,  überall,  wo  ich  mit 
Eingeborenen  zusammentraf,  das  Vorhandensein  von  Töpfen  beobachtet,  wenn  auch 
zuweilen  nur  in  Gestalt  von  Scherben,  die,  mit  Sand  gefüllt,  als  Feuerstätte  auf  den 
Canus  dienten.  Wie  an  der  Südostküste  sind  die  Töpfe  auch  an  dieser  Küste  unterseits 
halbkugelförmig,  also  rund,  und  wie  dort  scheinen  fast  überall  zwei  Hauptformen,  eine 
mit  weiter  Oeffnung:  Kochtöpfe,  und  eine  andere  mit  enger  Oeffnung:  Wassertöpfe  vor- 
zukommen. Die  Töpfe  von  Huongolf  und  Finschhafen  (hier  »/lw«  genannt)  sind  ähn- 
iich  denen  von  Teste-Insel,  tief  napfförmig,  oben  weit  und  gerade  abgeschnitten  (vgl. 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  5).  Die  Töpfe  in  Astrolabe-Bai  (^*\Vab*  in  Constantin- 
hafen, Bogadschi  und  Grager)  ähneln  denen  von  Port  Moresby,  d.  h.  sind  kugelförmig 
oben  verschmälert  (ähnlich  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  3).  Auf  Bilibili  gibt  es  solche 
mit  weiter  (Jo)  und  enger  Oeffnung  (Bodi) ;  zuweilen  haben  die  weiten  Töpfe  einen 
schief  nach  oben  stehenden  schmalen  Rand;  auch  sah  ich  hier  sehr  kunstvolle  mit 


62  Dr.  C).  Finsch.  [200] 

Buckeln  wie  sonst  nirgends.  Die  Töpfe  am  Caprivifluss  stimmten  in  der  Form  ganz  mit 
solchen  von  Astrolabe  überein,  sehr  ähnlich  waren  die  von  Dallmannhafen  (Ethnol. 
Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  3,  4),  Angriffshafen  (enge  mit  16  Mm.  Durchmesser  der  Oeffnung, 
weite  mit  240  Mm.)  und  vom  Sechstrohfluss  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  i,  2).  In 
Humboldt-Bai  fand  ich  dieselbe  Form  von  Töpfen,  auch  sehr  grosse  (mit  63  Cm.  Durch- 
messer der  Oeffnung)  zum  Aufbewahren  von  Lebensmitteln,  ähnlich  den  »7b/ia«  von 
der  Südostküste  (II,  S.  325).  Manche  Töpfe  zeichneten  sich  durch  rohe  Bemalung, 
Figuren  von  Vögeln  und  Fischen  in  schwarzer,  weisser  und  rother  Farbe  aus,  eine  Ver- 
zierungsweise, die  ich  sonst  nirgends  beobachtete.  Dagegen  sah  ich  an  den  meisten 
Töpfen  von  Huongolf  und  Astrolabe  gewisse  einfache  Randmuster,  die  vielleicht  in  ähn- 
licher Weise  als  Handelsmarke  dienen,  wie  dies  an  der  Südostküste  und  Ostspitze  der 
Fall  ist.  Die  einfachen  Randmuster,  eigentlich  nur  gewisse  Eindrücke,  der  Töpfe  auf 
Bilibili  waren  alle  verschieden.  Töpfe  in  Finschhafen  zeigten  am  oberen  Rande  zu- 
weilen erhabene,  reihenweise  angeordnete  Knötchen  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  5). 

Wie  in  ganz  Neu-Guinea  wird  Töpfemachen  nicht  überall  verstanden,  z.  B.  nach 
V.  Maclay  nicht  in  den  Bergdörfern  des  Astrolabegolfes,  die  ihre  Töpfe  daher  von  den 
Küstenbewohnern  eintauschen  müssen,  Verhältnisse,  wie  ich  sie  in  gleicher  Weise  an 
der  Südostküste  kennen  lernte.  Es  gibt  daher  auch  in  Kaiser  Wilhelms-Land  gewisse 
Centren  der  Töpferei,  die  dadurch  auch  zugleich  für  den  Tauschverkehr  der  Eingebore- 
nen von  grosser  Bedeutung  werden.  In  Finschhafen  sah  ich  nichts  von  Töpferei  und 
vermuthe,  dass  die  Bewohner  ihre  Töpfe  von  wo  anders  her  beziehen,  aber  die  Insel 
Bilibili  ist  ein  bedeutendes  Centrum  der  Töpferei  und  deren  Fabrikat  wird  weit  an  der 
Maclayküste  bis  Cap  Teliata  verhandelt.  Leider  konnte  ich  mich  an  Ort  und  Stelle 
wegen  Zeitmangels  nicht  so  genau  unterrichten  und  kann  daher  über  die  Technik  nicht 
positiv  sprechen.  Sie  scheint  aber  die  gleiche  zu  sein  als  in  Port  Moresby  (II,  S.  324), 
d.  h.  die  Töpfe  werden  mit  einem  hölzernen  Klopfer  aus  einem  Klumpen  Lehm  ge- 
trieben (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  82).  Ich  sah  eine  Menge  unterer,  napfartiger 
Topfhälften.  Es  ist  daher  möglich,  dass  die  Fertigstellung  der  oberen  Hälfte  in  anderer 
Weise  geschieht,  durch  spiralig  gewundenen  Aufbau  von  gerollten  Thonwülsten 
(Ethnol.  Atlas,  Taf.  IV,  Fig.  8),  eine  Technik,  die  aus  den  Salomons  bekannt  ist.  Zum 
Schluss  mag  noch  erwähnt  sein,  dass  das  Töpfereigewerbe  lediglich  in  Händen  des 
weiblichen  Geschlechtes  liegt,  die  sich  schon  in  früher  Jugend  darin  üben. 

Feuerreiben.  Die  Methode  dafür  habe  ich  nicht  in  Erfahrung  gebracht;  sie  wird 
aber  von  v.  Maclay  genau  mitgetheilt  und  ist  ganz  so,  wie  ich  sie  bei  den  Koiäri  im 
Inneren  von  Port  Moresby  sah  und  beschrieb  (II,  S.  323).  Nach  Maclay  dauert  aber 
4as  Verfahren  viel  länger,  als  wie  ich  dies  beobachtete,  und  es  erfordert  zuweilen  eine 
halbe  Stunde  Arbeit,  ehe  der  Zweck  erreicht  wird.  Bemerkenswerth  ist  auch  die  Mit- 
theilung von  V.  Maclay,  dass  zu  seiner  Zeit  die  Küstenbewohner  von  Constantinhafen 
überhaupt  kein  Feuer  zu  machen  verstanden,  sondern  es  (wohl  der  Bequemlichkeit 
halber)  aus  den  nahegelegenen  Bergdörfern  holen  mussten,  wenn  es  etwa  einmal  fehlte. 
Dies  dürfte  aber  nur  höchst  selten  vorkommen,  denn  in  Papuahütten  und  -Dörfern 
pflegt  das  Feuer  nie  auszugehen.  Auch  im  Canu  wie  auf  dem.  Marsche  nach  den  Plan- 
tagen werden  stets  glimmende  Holzstücke  mitgeführt. 

6.  Kochen,  Nahrung  und  Reiimittei 

Die  Kochkunst  der  Eingeborenen  dieser  Küste  eingehender  zu  behandeln,  würde 
mich  zu  weit  führen.     Ich  will  nur  erwähnen,  dass  sie  in  ähnlicher  Weise  betrieben 


[201]  Kthnologischc  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  53 

wird  als  an  der  Südostküste  (II,  S.  323).  Mit  Ausnahme  weniger  wildwachsender 
Früchte  wird  alle  Nahrung  in  gekochtem  Zustande  genossen.  Das  Kochen  geschieht 
vorzugsweise  in  Töpfen,  aber  man  versteht  auch  in  heisser  Asche  zu  rösten,  z.  B.  Stücke 
Fleisch  oder  Fische,  die  dazu  in  ein  Stück  Bananenblatt  sauber  eingeschlagen  werden. 
Der  Küchenzettel  der  Papuas  ist  keineswegs  so  einförmig,  als  man  gewöhnlich  bei  so- 
genannten »Wilden»  annimmt,  und  enthält,  ganz  wie  bei  uns,  besondere  Festgerichte. 
Die  Zubereitung  der  Nahrungsmittel  ist  keine  unreinliche.  Salz  ist  unbekannt, 
Gewürze  werden  nicht  verwendet.  Kochen  wird  von  beiden  Geschlechtern  verstanden 
und  betrieben  und  selbst  kleine  Knaben  sind  darin  bereits  geübt.  Männer  und  Frauen 
(mit  den  Kindern)  essen  gesondert,  wie  die  Männer  bei  ihren  besonderen  Festlichkeiten 
fdie  V.  Maclay  trefflich  beschreibt)  für  sich  kochen. 

Nahrungsmittel.  Wie  alle  Papuas  sind  auch  die  Bewohner  dieser  Küste  Vegeta- 
rianer,  die  sich  vom  Ertrage  ihrer  Plantagen  ernähren,  deren  Erzeugnisse  wir  im  Nach- 
folgenden kennen  lernen  werden.  Fleischnahrung  kommt  kaum  in  Betracht,  und  zwar 
hauptsächlich  das  von  Schweinen  und  Hunden.  Beide  Hausthiere  werden  aber  nur  bei 
Festen  und  nur  von  den  Männern  gegessen.  Auch  hohen  Gästen  zu  Ehren  wird  zuweilen 
ein  Schwein  geschlachtet.  Die  praktische  Manier  des  Festbindens  von  Schweinen  mit- 
telst Lianen  behufs  lebenden  Transportes  zeigt  die  Abbildung  in  den  »Samoafahrten« 
(S.  327 ;  die  auf  S.  53  ist  aus  Versehen  des  Zeichners  nicht  ganz  richtig).  Dabei  mag 
bemerkt  sein,  dass  die  sogenannten  zahmen  Schweine  der  Papuas  sich  meist  sehr  störrisch 
geberden.  Crocodile,  grosse  Eidechsen  (Monitor)  und  Schlangen  sind  ebenfalls  beliebt, 
wie  Casuare  und  die  verschiedenen  Arten  Beutelthiere,  unter  denen  namentlich  die 
fetten  Beuteldachse  (Perameles)  als  Leckerbissen  gelten.  Aber  alle  derartigen  Thiere 
kommen  nur  selten  auf  den  Tisch  des  Papua,  häufiger  Fische,  die  man  auch  zu  räuchern 
versteht.  Eigenthümlich  geräucherte  Fische  erhielt  ich  in  Dallmannhafen,  Massilia  und 
Angriffshafen.  Die  von  Massilia  waren  ringförmig  gebogen,  so  dass  die  Schwanzspitze 
den  Mund  berührte,  an  zwei  Stöcken  derart  übereinander  befestigt,  dass  die  Fische  von 
Weitem  einer  Rolle  Kautabak  ähnelten.  Schalthiere  und  Krebse  werden  von  den 
Küstenbewohnern  ebenfalls  gern  gegessen.  Von  Venushuk  an  westlich  schienen  nament- 
lich zweischalige  Brackwassermuscheln  (Batissa  violacea  Lam.,  angulata  Reinh.  und 
Finschii  Reinh.)  beliebt,  in  Dallmann-  und  Angriffshafen  kleine  Neritina  (Petitiiy  Reclu\ 
und  rhytidophora.  Tapp.  Canefn)^  die  gekocht  gegessen  werden.  Am  Caprivifluss 
zeigten  mir  die  Eingeborenen  grosse,  schmutzigbraune  Holothurien,  die  anscheinend 
auch  zum  Essen  dienten. 

Reizmittel  besitzen  die  Papuas  mehrmals  wir  und  ausser  Tabak  und  Betel,  die  von 
beiden  Geschlechtern  leidenschaftlich  begehrt  sind,  kommt  an  der  Küste  von  Kaiser 
Wilhelms-Land  noch  Kawa  hinzu. 

Tabak.  Dass  die  Tabakspflanze  Neu-Guinea  eigenthümlich  ist  und  war,  haben  die 
Expeditionen  auf  dem  Augustaflusse  wiederum  auf  das  Unwiderleglichste  nachgewiesen. 
Denn  hier  wurden  tief  im  Inneren  überall  Tabaksculturen  der  Eingeborenen  gefunden, 
so  dass  sich  nicht  wohl  annehmen  lässt,  diese  Culturpflanze  sei  durch  Einführung  hieher 
gelangt.  Viel  wahrscheinlicher  dürfte  die  Annahme  sein,  dass  die  Papuas  bei  ihrer  Ein- 
wanderung einst,  wie  Hund  und  Haushuhn,  auch  Tabak  mitbrachten,  vielleicht  auch  die 
Beteipalme. 

Tabak  (in  Constantinhafen  und  auf  Grager  *Kas<t  genannt)  in  Blätterform,  un- 
fermentirt,  zuweilen  in  hübsch  aufgemachten  Bündeln,  habe  ich  an  der  ganzen  Küste 
gesehen   und  von  vielen  Localitäten  (Huongolf,   Finschhafen,   Bongu,  Long -Insel, 


64  r)r.  O.  Finsch.  [202] 

Karkar,  Dallmanhhafen,  Tagai,  Massilia  und  AngrifTshafen)  mitgebracht.  Die  Sammlung 
enthält: 

Tabakprobe  (Nr.  927)  von  Long-Insel  und 

Desgleichen  (Nr.  928)  von  Tagai. 

Ein  besonderes  Rauchgeräth  wie  an  der  Südostküste  (II,  S.  327,  Nr.  gSo,  ^Baubau^ ) 
kennt  man  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht,  sondern  raucht  die  zusammengerollten  oder 
etwas  zerpflückten  Blätter  in  Form  einer  Cigarette  von  der  Dicke  gewöhnlicher  Cigarren 
bei  uns.    Als  Decker  nimmt  man  ein  grünes 

Baumblatt  (Nr.  929),  von  Astrolabe-Bai,  in  welches  der  Tabak  ziemlich  lose  ein- 
gewickelt wird.  Als  Decker  (in  F'inschhafen  *Kaupo«^  genannt)  werden  gewöhnlich  die 
Blätter  von  Hibiscus  tiliaceus  verwendet.  Selbstverständlich  brennen  diese  Art  Ciga- 
retten  sehr  schlecht.  Aber  der  Papua  ist  kein  anhaltender  Raucher,  sondern  nimmt  nur 
wenige,  aber  heftige  Züge  und  die  Cigarre  wandert  wie  der  *  Baubau  <  von  Mund  zu 
Mund.    Frauen  und  Kinder  rauchen  mit  derselben  Leidenschaft  als  an  der  Südostküste. 

Tabakblätter  führen  die  Männer  gewöhnlich  in  ihren  Brustbeuteln  immer  bei  sich, 
verwahren  dieselben  aber  auch  öfters  in  besonderen  Behältern,  wie  die  folgende  Nummer: 

Tabakbehälter  (Nr.  93 1,  i  Stück)  aus  einer  Büchse  von  Bambu  vom  Sechstroh- 
fluss.  Derartige  Tabakbüchsen  aus  Bambu  (in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  >Aduk<  ge- 
nannt), zuweilen  mit  hübsch  eingravirten  oder  eingebrannten  Mustern  verziert,  habe 
ich  allenthalben  an  der  Küste  beobachtet  (Finschhafen,  Festungshuk,  Astrolabe-Bai, 
Venushuk,  Angriffshafen).  An  letzterem  Orte  erhielt  ich  auch  eine  Cocosnussschale 
mit  kunstvoll  eingravirtem  Muster,  die  als  Tabakbehälter  diente. 

Betel.  Das  im  Vorhergehenden  (II,  S.  326)  Gesagte  *)  gilt  auch  für  Kaiser  Wilhelms- 
Land.  Auch  hier  habe  ich  die  Betelpalme  nie  wildwachsend  gesehen  und  sie  scheint, 
wie  überall  in  Neu-Guinea,  ein  Culturgewächs,  das  die  Papuas  vermuthlich  mitbrachten. 
Betelpalmen  kommen  im  Allgemeinen  nur  spärlich  vor  und  deren  Nüsse  (»Pinangoi  in 
Constantinhafen,  »7^6«  auf  Grager,  »ßw«  in  Finschhafen)  bilden  daher  ein  beliebtes 
Tauschmittel,  z.  B.  aus  den  Bergdörfern,  wo  diese  Palme  häufiger  ist,  nach  den  Küsten- 
dörfern von  Astrolabe-Bai.    Die  Sammlung  enthält  Alles,  was  zum  Betelgenuss  gehört. 

Betelnüsse  (Nr.  889,  2  Stück,  und  Nr.  890,  2  Stück)  von  Finschhafen. 

Kalk  (Nr.  888,  i  Probe)  aus  gebrannter  und  pulverisirter  Coralle  (von  Finsch- 
hafen) wie  derselbe  zum  Betel  gegessen  wird,  ebenso  das  zweite  Ingredienz: 

Betelpfeffer  (Nr.  891,    i  Probe)  von  Finschhafen  (heisst   in    Constantinhafen 

Ferner  die  zum  Betelgenuss  nothwendigen  Requisiten,  die  wie  überall  diesel- 
ben sind. 

Kalkbehälter  (Nr.  899,  i  Stück  —  II,  S.  352,  Taf.  XIX  [11],  Fig.  i)  aus  einem 
gestreckten  Flaschenkürbis  (Calebasse),  3o  Cm.  lang,  mit  reicher  Verzierung,  das  Mund- 
stück besteht  aus  einem  Conusringe  und  ist  unterhalb  (a)  mit  Nassa  verziert,  die  auf 
einem  schwarzen  Kitt  aufgeklebt  sind;  der  untere  Theil  des  Halses  ist  mit  einem  fein- 
geflochtenen Ringe  (b)  umgeben,  an  den  sich  ein  langzipfeliges  feines  Geflecht  (c)  aus 
feinem  Bindfaden  anschliesst.    Finschhafen,  hier  *Nob  oder  Ngob*  genannt. 


>)  Guppy  fühlte  sich  nach  dem  Genuss  einer  Betelnuss  wie  betrunken,  sein  Puls  stieg  von  62 
auf  92  Schläge  in  der  Minute  und  seine  Augen  wurden  verschleiert;  er  schreibt  daher  dem  Genüsse 
von  Betelnuss  eine  berauschende  Wirkung  zu.  Ich  selbst  habe  nie  eine  ganze  Betelnuss  gekostet,  aber 
von  kleineren  Stücken  nie  die  geringste  Wirkung  verspürt.  Vnv  die  Eingeborenen  ist  sie  keinesfalls 
ein  Berauschungsmittel,  denn  Betel  wird  selbst  von  Kindern  leidenschaftlich  verzehrt,  ohne  dass  sich 
irgendwelche  schädlichen  Symptome  zeigen.  f 


[2o3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  65 

Flaschenkürbis  wird  zur  Herstellung  dieser  Kalkbehäller  eigens  in  Neu-Guinea 
gezogen,  oft  in  eigenthümlichen  Formen,  mit  ausserordentlich  langem  dünnen  Halse, 
wie  ich  solche  beim  Festungscap  erhielt.  Diese  Art  Kalkbehälter  scheint  im  Osten,  von 
Huongolf  bis  Friedrich  Wilhelms-Hafen  (hier  »ATaz/«  genannt)  die  vorherrschende  Form, 
ebenso  wie  für  dieses  Gebiet  die  Verzierungsweise  meist  die  gleiche  und  ähnlich  wie  bei 
dem  beschriebenen  Stücke  ist.  Dieselbe  besteht  meist  in  Na55a-Muscheln,  die  um  die 
OefTnung  geklebt  sind,  und  in  einem  Mundstück  aus  einem  Conusring.  In  Huongolf 
waren  zuweilen  auch  Abrus-Bohnen  aufgeklebt,  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  seltene 
Fischgebisse,  in  Finschhafen  und  Huongolf  sogar  schlechte  unedle  Perlen  (vgl.  Ethnol. 
Atlas,  Taf.  V,  Fig.  i).  Kalkkalebassen  mit  eingravirter  oder  eingebrannter  Zeichnung 
habe  ich  nur  einige  Male  (so  bei  Festungshuk)  gesehen,  sowie  in  Massilia.  Hier  wie  im 
ganzen  Westen,  von  Venushuk  an,  beobachtete  ich  keine  mit  Nassa  verzierten  Kalk- 
kalebassen. Dieselben  waren  meist  glatt  und  auch  in  der  Form  etwas  abweichend,  von 
Venushuk  bisTagai  mehr  birnförmig,  von  Massilia  bis  Humboldt-Bai  mehr  langgestreckt, 
cylindrisch.  Hier  auch  solche  mit  schönen  eingebrannten  Mustern.  Als  Besonderheit 
mag  noch  erwähnt  sein,  dass  ich  bei  Venushuk  Kalkkalebassen  mit  angeflochtenen  Hand- 
haben und  Oesen  erhielt,  die,  an  einem  Stricke  befestigt,  umgehangen  getragen  wurden. 
Die  westliche  Form  zeigen  die  folgenden  Nummern: 

Kalkbehälter  (Nr.  900 — 902,  3  Stück)  aus  Kalebasse  von  Angriffshafen. 

In  Kalkspateln,  sogenannten  Kalklöffeln,  d.  h.  Instrumenten,  die  dazu  dienen,  den 
Kalk  aus  dem  Behälter  zu  stippen,  wird  in  diesem  Gebiete  wenig  Luxus  getrieben.  Ge- 
wöhnlich genügen  mehr  oder  minder  langgestreckte,  dünne  Stückchen  Holz  oder 
Knochen  (meist  von  Casuar),  wie  ich  solche  an  der  ganzen  Küste  beobachtete,  ähnlich 
den  folgenden  Stücken: 

Kalkspatel  (Nr.  919,  i  Stück),  aus  einem  3i  Cm.  langen  Knochen  (Casuar). 
Sechstrohfluss. 

Kalkspatel  (Nr.  9i3|  i  Stück),  aus  Holz,  32  Cm.  lang,  rund,  bearbeitet  (mit  Ril- 
len, wie  gedrechselt),  mit  rothgefärbtem  Stroh  umwunden.  Huongolf. 

Wenige  Male  erhielt  ich  reich  verzierte  Kalkspatel;  in  Bogadschi  aus  Holz  mit 
kunstvoller  Schnitzarbeit  in  geometrischen  Figuren,  in  Huongolf  aus  Casuarknochen 
mit  eingraviriem  Muster  und  gelber  Schnur  (Ssemu)  Umflochten,  in  Guap  aus  Casuar- 
knochen mit  reicher  Verzierung  aus  Flechtwerk  und  Nassa^  am  Caprivi  aus  Schweine- 
knochen mit  Schweinezähnen  und  von  Holz  mit  Schnitzerei  und  reicher  Verzierung 
von  Nassa,  feingeflochtenem  Kettchen  und  einer  Klingel  aus  Oliva-MuscheL 

Eine  besondere  Art  spateiförmiges  Instrument,  über  dessen  Benutzung  ich  nicht 
ganz  klar  wurde,  repräsentiren  die  folgenden  Nummern: 

Spatel  (Nr.  914,  i  Stück),  aus  Bambu,  3o  Cm.  lang,  3  Cm.  breit,  flach,  an  beiden 
Seiten  zugespitzt,  mit  eingravirtem  Muster.   Insel  Grager. 

Desgleichen  (Nr.  915,  Stück),  wie  vorher,  aber  nur  18  Cm.  lang,  17  Mm.  breit. 
Daher. 

Desgleichen  (Nr.  916,  i  Stück),  wie  vorher,  35  Cm.  lang,  ohne  Gravirung.  Daher. 

Ich  erhielt  diese  eigenthümlichen  Instrumente  (abgebildet  Ethnol.  Atlas,  Taf.  V, 
^*ß-  5>  6)  nur  in  Friedrich  Wilhelms- Hafen,  wo  sie  ^Tonde<  genannt  wurden,  und 
glaubte  sie  als  Brecher  für  Betelnüsse  ansprechen  zu  müssen.  Es  scheint  mir  aber  rich- 
tiger, sie  unter  die  Kalkspatel  zu  stellen,  wenn  ich  darüber  auch  keine  positive  Gewiss- 
heil erhielt.  Auf  Bilia  waren  diese  Spatel,  sorglich  in  Tapa  gehüllt,  im  Versammlungs- 
haus verwahrt;  die  Eingeborenen  schienen  sie  mit  einer  tabu-anigtn  Scheu  zu  betrachten 
und  erlaubten  kaum  das  Anfassen.     Vermuthlich  dienen  diese  Spatel  bei  den  Festen 

Annalen  des  k.  k.  natorhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  1,  1891.  5 


66  I^r.  O.  Finsch.  [204] 

der  Männer,  die  zum  Theil  im  Versammlungshaus  stattfinden,  zum  Bemalen  und  sind 
deshalb  tabu. 

Kawa,  ein  Pfefferstrauch  (Piper  methysticum),  aus  dessen  Wurzeln  (auch  Blättern 
und  Zweigen)  in  verschiedenen  Inseln  Polynesiens  und  Micronesiens  eine  Art  be- 
rauschendes Getränk  bereitet  wird,  das  aber  nur  die  Beine  wackelig  macht  und  den 
Kopf  frei  lässt,  wächst  auch  in  Kaiser  Wilhelms- Land  und  dient  als  Genussmittel. 
V.  Miclucho-Maclay  berichtet  über  das  »AT^w-Trinken«  in  Constantinhafen  und  über 
die  dabei  herrschenden  Gebräuche  ausführlich.  Die  Wurzel  wird,  wie  in  Polynesien, 
(aber  von  Knaben)  gekaut  und  in  ähnlicher  Weise  wie  dort  bereitet.  Keu  kommt  nur 
bei  grossen  Festlichkeiten  als  besonderer  Hochgenuss  des  Nachtisches  zur  Geltung  und 
darf  nur  von  älteren  Männern  getrunken  werden.  Ich  selbst  konnte  über  Kawatrinken 
keine  Beobachtungen  machen,  dazu  gehört  eben  ein  längeres  Zusammenleben  mit  den 
Eingeborenen,  wie  es  eben  Maclay  möglich  war.  Da  die  Kawapflanze  überall  in  Kaiser 
Wilhelms-Land  wild  wächst,  so  lässt  sich  annehmen,  dass  Kawatrinken  auch  weiter 
verbreitet  und  nicht  blos  auf  die  Umgebung  von  Port  Constantin  beschränkt  sein  wird. 
Wie  mir  ein  Missionslehrer  (teacher)  versicherte,  wird  Kawa  auch  von  den  Eingebore- 
nen an  der  Südküste  am  Maikassarflusse  getrunken.  Eine  Probe  der  echten  Kawawurzel 
enthält  die  Sammlung  (Nr.  932)  von  der  Insel  Niuafu. 

7.  Körbe  und  Beutel. 

Wie  nirgends  in  Neu-Guinea  steht  Mattenflechten  auch  hier  auf  keiner  hohen 
Stufe  und  derartige  Arbeiten  finden,  ausser  zu  Segeln,  kaum  Verwendung.  Mehr  Ge- 
schick und  Fertigkeit  zeigen  die  Flechtarbeiten  in  Körben  und  Mattenbeuteln.  Gewöhn- 
liche, rasch  aus  dem  grünen  Blatt  der  Cocospalme  geflochtene  Körbe  dienen  auch  hier, 
wie  überall,  zu  mancherlei  Haushaltszwecken,  zum  Aufbewahren  von  Lebensmitteln 
u.  dgl.  Sie  sind  in  der  Regel  flach  und  länglich  mit  einem  Henkel  zum  Aufhängen  oder 
Tragen.  Zuweilen  werden  sie  auch  als  Handkörbe  benutzt  und  sind  dann  nicht  selten 
hübsch  verziert.  So  sah  ich  derartige  Körbe  in  Angriffshafen  und  am  Sechstroh,  an 
denen  bemalte  Tapastreifen  befestigt  waren,  an  einem  ein  sehr  kunstvoller  Schmuck  mit 
i4^rM5-Bohnen  beklebt  (wie  Taf.  XVI,  Fig.  3).  Am  Sechstroh  erhielt  ich  sehr  zierliche 
kleine  Körbchen  in  Hutform,  sehr  dicht  aus  dünn  gespaltenem  Rottang  geflochten,  die 
in  Technik  und  Material  ganz  mit  solchen  von  Neu-Britannien  (vgl.  I,  S.  102,  Nr.  114, 
»i4^m«)  übereinstimmten.  Grosse  runde,  sehr  weitmaschig  aus  Rottang  geflochtene 
Körbe  sah  ich  in  Humboldt-Bai.  Runde  Tragkörbe  mit  Deckel  und  Einsätzen,  wie  an 
der  Ostspitze  (S.  27)  sind  mir  nicht  vorgekommen.  Von  Venushuk  bis  zum  Caprivi  er- 
hielt ich  wiederholt  sehr  eigenthümliche,  längliche,  flache  Tragkörbe.  Sie  sind  aus 
einer  Art  Binsen  sehr  fein  und  dicht  in  bunten  Mustern  geflochten.  Diese  Muster  stellen 
quadratische  Felder  dar,  aus  buntgefärbter  F'aser  der  Sagopalme,  die  gleich  eingeflochten 
sind  und  durch  Kurzscheeren  ein  plüschähnliches  Aussehen  erhalten.  Ausserdem  haben 
manche  dieser  Körbe  Verzierungen  in  aufgenähten  oder  aufgeflochtenen  Na55a-Muscheln. 
Ein  solcher  Korb  ist  in  »Samoafahrten«,  S.  317,  dargestellt,  aber  aus  Versehen  des 
Künstlers  einem  Manne  von  Guap  in  die  Hand  gegeben.  Derartige  feine  Körbe  sind 
mir  im  Osten  von  Kaiser  Wilhclms-Land  nicht  vorgekommen,  hier  wohl  aber  (von 
Huongolf  bis  Astrolabe)  länglich-viereckige  aus  Blattfaser  (wohl  Cocos,  vielleicht  auch 
Pandanus)  geflochtene,  flache  Beutel,  die  zuweilen  bunt  bemalt  waren  (wie  von 
Festungshuk).  Alle  diese  feinen  Tragkörbe  und  Beutel  sind  nur  für  die  Männer;  die 
Frauen  müssen  sich  auch  in  dieser  Richtung  mit  Geringerem  begnügen.    Sie  bedienen 


[205!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  57 

sich  filetgestrickter  Säcke  —  Nangeli-Gun  =  Frauensäcke  in  Bongusprache  —  ganz  in 
derselben  Weise  und  zu  denselben  Zwecken,  als  wie  dies  an*  der  Südostküste  (vgl.  11, 
S.  325)  geschieht.  Dasselbe  gUt  auch  für  die  Beutel  der  Männer,  in  deren  Anfertigung 
die  letzteren  eine  geradezu  erstaunliche  Fertigkeit,  fast  kann  man  sagen  Kunst,  ent- 
wickeln und  in  denen  ein  förmlicher  Luxus  getrieben  wird..  Ausser  Filetstricken,  ganz 
wie  an  der  Südostküste  (II,  S.  826),  verstehen  die  Papuas  von  Kaiser  Wilhelms-Land 
noch  eine  andere  Strick-  oder  Knüpfmethode.  Die  in  derselben  hergestellten  meist 
kleineren  Beutel  sind  so  dicht  als  Strümpfe  gearbeitet,  aber  nach  dem  Urtheile  von  in 
Handarbeiten  erfahrenen  Damen  ist  es  keine  eigentliche  Strickarbeit.  Ich  selbst  konnte 
betreffs  der  Technik  keinen  Aufschluss  erlangen. 

Bei  dem  Mangel  an  Kleidertaschen  gehört  daher  ein  Täschchen  zum  unumgäng- 
lich nothwendigen  Ausputz  fast  eines  jeden  Papuas.  Es  wird  an  einem  Strickchen  um 
den  Hals  getragen  und  enthält  die  nothwendigsten  Sachen,  wie  Tabak,  Betelnüsse,  viel- 
leicht etwas  Muschelgeld  u.  dgl. 

Brustsäckchen  (Nr.  510,  i  Stück),  ein  sehr  fein  in  Filet  gestricktes  Säckchen, 
18  Cm.  lang,  aber  sehr  schmal,  das  dicht  mit  Hundezähnen  besetzt  ist  (längs  der  Aussen- 
kante  35  Stück,  im  Uebrigen  noch  41  Stück).  Die  Hundezähne  sind  gleich  mit  einge- 
flochten, daher  eine  sehr  kunstvolle  Arbeit.    Huongolf,  Parsihuk. 

Dieses  Stück  ist  sehr  werthvoll,  da  allein  die  Zähne  von  19  Hunden  dabei  ver- 
arbeitet sind,  und  darf  ebensowohl  als  feiner  Brustschmuck  gelten.  Ein  ähnliches  Stück 
ist  in  den  »Samoafahrtenc  (S.  179)  von  Finschhafen  abgebildet.  In  Astrolabe  ist  eine 
andere  Sorte  gebräuchlich,  wie  die  folgende  Nummer: 

Brusttäschchen  (Nr.  676,  i  Stück),  klein,  10  Cm.  breit,  6  Cm.  lang,  sehr  eng- 
geknüpft, auf  der  Vorderseite  mit  einem  Muster  von  dicht  stehenden,  halbdurchschnit- 
tenen Coixkernen  eingeflochten,  Anhängseln  von  Bindfaden  und  zwei  kleinen  Schweine- 
zähnen. Von  Bogadschi,  hier  »GumbutU€  genannt,  in  Constantinhafen  >Jambi<iy  in 
Finschhafen  *Abimbi€. 

Ausser  diesen  kleinen  Täschchen  oder  Säckchen,  die  ich  an  der  ganzen  Küste  be- 
obachtete, bedarf  der  Papua  noch  eines  grösseren  Sackes  oder  Beutels,  der  über  der 
linken  Schulter  getragen  wird.  Derselbe  enthält  gar  Vielerlei,  was  der  Eingeborene  stets 
bei  der  Hand  haben  muss,  wie  der  nachfolgende  Inhalt  solcher  Beutel  zeigt,  wie  ich  ihn 
selbst  auskramte.  Ein  Beutel  von  Venushuk  enthielt:  einen  sehr  feinen  Nasenschmuck 
(wie  Taf.  XV,  Fig.  2),  eine  Zierat  aus  Hundezähnen  und  Nassa,  Geld  (grosses:  auf- 
gereihte Hundezähne,  und  kleines:  aufgereihte  Nassa)^  einen  Pfriemen  aus  Knochen 
zum  Löcherstechen,  eine  Raspel  aus  Rochenhaut,  einen  geflochtenen  Ring  zu  einer 
Steinaxt,  ein  Stück  grauer  Erde  zum  Bemalen,  Pfefferblüthen  zu  Betel,  Tabak  und  Deck- 
blätter zu  Cigaretten,  einen  kleinen  Stein  (Talisman),  sorgfältig  eingewickelt. 

Ein  anderer  Beutel  von  Dallmannhafen  enthielt:  einen  Löffel  aus  Cocosnussschale, 
einen  Schaber  aus  Perlmuschel,  eine  Muschelschale  (Bivalve)  zum  Schneiden,  einen  ge- 
flochtenen Ring  zu  einem  Speer,  Betelnüsse,  Tabak  und  Deckblätter. 

Der  benutzte  Bindfaden  ist  übrigens  aus  sehr  haltbarem  Material,  musterhaft  ge- 
arbeitet, wie  die  eigentliche  Filetstrickerei  selbst.  Gewöhnlich  sind  die  Tragbeutel  bunt 
längs-  oder  quergestreift,  oder  in  Grecmuster  (wie  Ethnol.  Atlas,  Taf.  X,  Fig.  2  von 
Finschhafen),  also  ganz  übereinstimmend  mit  solchen  von  der  Südostküste,  aber  die 
Muster  von  Kaiser  Wilhelms-Land  sind  schöner  und  farbenreicher.  Ausser  der  hellen 
Naturfarbe  des  Garns  und  den  allgemein  üblichen  Farben,  düsteres  Blau  und  Kirsch- 
braun, kommen  hier  noch  dunkles  Grün,  zuweilen  fast  Schwarzgrün,  Braun,  Gelb 

5* 


68  Dr.  ().  Finsch.  [206] 

und  eine  Art  Mennige  hinzu,  manche  Beutel  sind  in  vierfarbigem  Muster  gestrickt.  Die 
gewöhnliche  Sorte,  wie  die  folgenden  Nummern,  beobachtete  ich  längs  der  ganzen  Küste. 

Tragbeutel  (Nr.  186,  i  StQck),  gross,  weitmaschig,  mit  einzelnen  düsterblaucn 
und  kirschbraunen  Querstreifen.  Finschhafen,  hier  T^Abelung^  genannt,  in  Constantin- 
hafen  -»Gun*. 

Desgleichen  (Nr.  673,  i  Stück),  gross,  69  Cm.  breit,  42  Cm.  lang,  bunt  ge- 
mustert in  Kirschbraun,  Blau  und  Naturfarben;  das  breite  geflochtene  Tragband  mit 
schlangenförmigem  Muster  aus  zwei  Reihen  Nassa  und  Agraffen  von  Hundezähnen 
verziert.    Finschhafen. 

Desgleichen  (Nr.  675,  i  Stück),  25  Cm.  breit,  19  Cm.  lang,  in  abwechselnd  natur- 
farbenen  und  kirschbraunen  Querstreifen.    Huongolf. 

Im  Osten  (von  Huongolf  bis  zum  Terrassenland)  bilden  Hundezähne  den  werth- 
voUsten  Ausputz,  wie  das  folgende  Stück: 

Tragbeutel  (Nr.  674,  i  Stück),  reich  mit  Hundezähnen  decorirt,  die  gleich  mit 
eingeflochten  sind.    Finschhafen. 

Häufiger  werden  aber  Coixsamen  und  Nd55^-Muscheln  zur  Verzierung  verwendet 
und  damit  hübsche  Muster  hergestellt  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  X,  Fig.  3,  von  Huongolf 
in  Grecmuster,  mit  Nassa  und  Hundezähnen).  Aehnlich  sind  die  folgenden  Nummern, 
bei  welchen  halbdurchschnittene  Coixsamen  verwendet  sind. 

Tragbeutel  (Nr.  677,  i  Stück),  20  Cm.  breit,  9  Cm.  lang,  mit  halbdurchschnit- 
tenen Coixsamen  in  Schachbrettmuster  eingeflochten.    Insel  Guap. 

Desgleichen  (Nr.  678,  i  Stück),  gross,  53  Cm.  breit,  52  Cm.  lang,  kirschbraun 
und  schwarzgrün  quergestreift,  mit  Querstreifen  von  halbdurchschnittenen  Coix  und 
langen  Troddeln  aus  Bindfaden,  die  mit  eingeflochten  sind;  als  Zierat  eine  Muschel- 
schale (Placuna)  angebunden.    Guap. 

Derartige  Beutel  (dargestellt  Ethnol.  Atlas,  Taf.  X,  Fig.  4)  beobachtete  ich  von 
Venushuk  bis  Guap;  als  besondere  Verzierung  sind  Platten  aus  Cymbium  sehr  beliebt. 
Eine  andere  Art  Beutel,  die  nicht  auf  der  Schulter,  sondern  auf  der  Brust  getragen 
werden,  zeichnen  sich  durch  verschiedene  Technik  der  Strickarbeit,  reichen  und  eigen- 
thümlichen  Schmuck  und  abweichende  Form  aus,  wie  die  folgenden  Nummern: 

Brustbeutel  (Nr.  679,  i  Stück),  sehr  feine  Knüpfarbeit  aus  naturfarbigem  Bind- 
faden, 34  Cm.  breit,  20  Cm.  lang,  auf  der  Vorderseite  mit  dichtstehenden  Reihen  kleiner 
A^fl.?5^-Muscheln,  die  mit  eingeknüpft  sind,  und  geschmackvoller  Garnirung  aus  drei  ge- 
flochtenen, mit  Nassa  bordirten  Anhängseln,  wie  Schleifen,  die  in  der  Mitte  roth  oder 
schwarz  bemalt  sind;  sehr  fein  geflochtenes  Tragband  mit  vier  Conusringen.  Vom 
Caprivifluss. 

Desgleichen  (Nr.  681,  i  Stück),  34  Cm.  breit,  i3  Cm.  lang,  wie  vorher,  aber  die 
schleifenartigen  Anhängsel  einfacher.    Potsdamhafen. 

Desgleichen  (Nr.  680,  i  Stück),  27  Ctm.  breit,  i3  Cm.  hoch,  wie  vorher,  eben- 
falls mit  drei  schleifenartigen  Anhängseln,  die  mit  Nassa  bordirt  sind,  aber  quer  über 
die  Mitte  des  Beutels  ein  breiter  brauner  Streif  ohne  eingeflochtene  Nassa.    Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  682,  i  Stück),  18  Cm.  breit,  17  Cm.  lang,  mit  dichten  Reihen 
von  Nassa  auf  der  Vorderseite,  ähnlich  Nr.  679,  aber  mit  viel  reicherem  Ausputz;  an 
den  schleifenartigen  Anhängseln,  von  denen  drei  die  Mittellinie  zieren,  sind  längliche 
qder  rundliche  Scheiben  von  Q^wi^n/m-Muscheln  (bis  6  Cm.  im  Durchmesser),  ausser- 
dem solche  am  unteren  Rande  angebunden,  am  oberen  Rande  zwei  weisse  Cypraeen 
und  zwei  Ovula;  eine  der  Muschelplatten  trägt  auf  der  Innenseite  eine  durchbrochene 


[207]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südscc.  6g 

Schildpattarbeit  aufgelegt;  das  Tragband  ist  an  der  Basis  mit  aufgeflochtenen  Conus- 
scheiben  und  Nassa  verziert  (wie  Taf.  XIV,  Fig.  15).   Von  Potsdamhafen. 

Diese  Art  Tragbeutel  gehören  zu  den  schönsten  und  kunstvollsten  der  ganzen 
Küste.  Sie  sind  ausserordentlich  dicht  gestrickt  oder  geknüpft,  wie  die  schleifenartigen 
oder  rundlichen  Anhängsel,  welche  für  diese  Art  Tragbeutel  charakteristisch  werden. 
Diese  Anhängsel  haben  einen  Randbesatz  von  Nassa  und  die  Oberseite  des  Beutels, 
dessen  unterer  Rand  breiter  als  der  obere  ist,  zeigt  zuweilen  Na^jfa-Muscheln  so  dicht 
eingeflochten,  dass  sich  dieselben  dachziegelartig  decken.  Mein  Ethnol.  Atlas,  Taf.  X, 
Fig.  I,  gibt  eine  gute  Darstellung  eines  solchen  hochfeinen  Brustbeutels  (von  Potsdam- 
hafen) mit  reicher  Verzierung  von  Hundezähnen,  Cymbium-Schcibcn,  feingeflochtenen 
Graskettchen  und  schwarzen  Fruchtkernen.  Ausser  derartigem  Ausputz  fand  ich  zu- 
weilen noch  andere,  zum  Theil  Gebrauchsgegenstände  an  den  Tragbeuteln  angebunden, 
wie:  Bambumesser,  Kalkkalebasse,  Muschelklingel  (aus  Oliva  mit  Klöpfel  aus  einem 
Stuckchen  Coralle),  Nasenschmuck  aus  Perlmutter  (wie  Taf.  XV,  Fig.  2)  und  Bart- 
schmuck aus  Eberhauern  (Taf.  XVII,  Fig.  3^).  Man  ersieht  hieraus,  dass  der  »nackte 
Wilde«  keineswegs  der  bedürfnisslose  Mensch  ist,  wie  man  ihn  sich  gewöhnlich  vor- 
stellt, sondern  allerlei  Nützliches  und  Unnützes  mit  sich  trägt,  wie  wir  dies  auch  thun. 

Derartige  in  Form  und  Verzierung  charakteristische  Brustbeutel  (wie  die  vorher- 
gehenden Nummern)  habe  ich  nur  von  Hatzfeldthafen  bis  Guap  beobachtet,  weiter  west- 
lich die  gewöhnlichen,  aber  in  anderer  Weise  verziert,  wie  die  folgenden  Nummern: 

Brustbeutel  (Nr.  684,  i  Stück),  3o  Cm.  breit,  16  Cm.  lang,  filetgestrickt  (wie 
Nr.  673  von  Finschhafen),  in  naturfarbenen,  blauen  und  kirschbraunen,  schmalen  Quer- 
streifen, der  untere  Rand  mit  zwölf  i3  Cm.  langen  Troddeln  aus  zerschlissenem  Faser- 
stüfl*.  Von  Tagai. 

Desgleichen  (Nr.  683,  i  Stück),  23  Cm.  breit,  17  Cm.  lang,  bunt  gemustert,  in 
Naturfarben,  Kirschbraun  und  Schwarzgrün,  mit  Fadentroddeln  und  Behang  von  neun 
Cj'mbiuni'Pl'dnen  (eine  95  Mm.  lang  und  60  Mm.  breit)  und  einem  schönen  aus  7r/- 
dacna  geschliffenen  Ringe  (55  Mm.  im  Durchmesser,  35  Mm.  im  Lichten).  Von  Massilia. 

Ganz  ähnliche  Tragbeutel  erhielt  ich  in  Angriffshafen  und  am  Sechstroh.  F'ür 
dieses  westliche  Gebiet  werden  die  Fadentroddeln  charakteristisch.  Zuweilen  sind  am 
Ende  der  Troddeln  kleine  Rollen  eines  stark  nach  Moschus  riechenden  Blattes  ein- 
geknüpft; in  Angriffshafen  auch  einzelne  Federn  aus  den  Seitenbüscheln  des  Paradies- 
vogels; hier  auch  Schnüre  von  Nassa  mit  Hundezähnen  als  Bommeln.  Auch  Conusringe 
sind  als  Anhängsel  beliebt. 

<?.  Werkgeräth. 

A6Xt6.  Das  wichtigste,  man  kann  sagen  fast  einzige  Geräth  des  Stcinzeitalters  war 
und  ist  die  Steinaxt,*)  jenes  unscheinbare  Werkzeug,  von  welchem  aus  prähistorischer 
Zeit  uns  meist  nur  die  Klingen  erhalten  blieben.  Sic  bestehen  fast  ausnahmslos  aus 
mehr  oder  minder  bearbeiteten  Steinen,  die  sich  in  der  Form  ziemlich  ähneln  und  denen 
nicht  im  Entferntesten  anzusehen  ist,  was  damit  geleistet  werden  kann.  Einen  besseren 
Begriff  als  lose  Steinklingen  geben  fertig  geschäftete  Aexte.  Sie  zeigen  die  staunenswerthe 
Erfindungsgabe,  mit  welcher  sich  der  Naturmensch,  von  der  Civilisation  so  gern,  aber 
mit  Unrecht,  als  »Wilder«  bezeichnet,  überall  ein  mehr  oder  minder  treffliches,  zuweilen 

')  Dieselbe  ist  keineswegs  eine  Waffe,  wofür  sie  häufig  gehalten  wird.  So  konnte  ich  es  z.  B. 
^Ibsi  leider  nicht  mehr  verbessern,  dass  der  Künstler  dem  Hilde  von  einer  meiner  Skizzen,  einen 
*^rieger  von  Massilia  darstellend  (»Gartenlaube«  Nr.  33  vom  14.  August  1887),  irrthflmlich  eine  Steinaxt 
■n  kampfbereiter  Haltung  in  die  Hände  gab. 


70  Dr.  O.  Finsch.  [208] 

in  seinerEigenart  als  vollkommen  zu  bezeichnendes  Werkzeug  herzustellen  wusste.  Zum 
volleren  Verständniss  des  Werthes  der  Steinaxt  gelangt  man  aber  erst  bei  sorgsamer 
Vergleichung  derjenigen  Gegenstände,  wrelche  allein  mittelst  Steinäxten  verfertigt  wurden. 
Die  Sammlung  enthält  deren  ein  reiches  Material  der  verschiedenartigsten  Gegenstände, 
zum  Theil  wrahrer  Kunstleistungen,  aber  es  sind  doch  Alles  nur  kleinere  Sachen,  da 
sich  die  grossen  eben  nicht  anders  als  bildlich  mitbringen  lassen.  Ich  meine  damit  jene 
zum  Theil  oft  kolossalen  Schnitzereien,  wie  sie  noch  besprochen  werden  sollen,  und 
die  oft  gewaltigen  Bauwerke  in  Form  von  Häusern  und  Fahrzeugen.  Sie  alle,  alle  ent- 
standen nur  mit  Hilfe  von  Steinäxten,  deren  Bedeutung  als  Werkgeräth  man  erst  an 
Ort  und  Stelle,  bei  den  »Wilden«  selbst,  in  ihrem  vollen  Umfange  würdigen  und  be- 
wundern lernt.  Welch  eine  Arbeit  ist  es  nicht  allein  schon  mit  der  Steinaxt  einen  Baum 
von  65  Cm.  Stammstärke  im  Durchmesser  zu  fällen  und  zu  behauen!  Aber  freilich 
wird  die  Steinaxt  nur  in  der  Hand  des  Eingeborenen  zu  dem,  was  sie  sein  soll,  denn  der 
Mann  der  Civilisation  würde  mit  einer  solchen  wohl  kaum  Etwas  zu  schaffen  vermögen. 
Der  Papua  dagegen  versteht  mit  der  kaum  5  Cm.  breiten  Schärfe  seiner  Steinaxt  sowohl 
Bäume  von  fast  einem  halben  Meter  Durchmesser  zu  fällen,  wie  mit  demselben  Instru- 
ment selbst  feinere  Holzbildnereien  zu  verfertigen. 

Schon  die  Steinaxtklinge  an  und  für  sich  ist  in  ihrer  Herstellung  eine  bewunderns- 
werthe  Leistung.  Nicht  allein  dass  das  passende  Gesteinsmaterial')  nicht  überall  zu 
finden  und  daher  meist  selten  ist,  so  muss  durch  Schlagen  doch  erst  die  Form  hergestellt 
und  dann  die  Schärfe,  zuweilen  die  ganze  Klinge  noch  geschliffen  werden,  die  oft  in 
einer  politurartigen  Glätte  erscheint.  Jedenfalls  eine  sehr  mühsame  und  langwierige 
Arbeit.  Muschelstücke  von  Tridacna  gigas,  seltener  Hippopus  werden  ebenfalls  mit 
Vorliebe  zu  Axtklingen  verarbeitet  und  steinernen  vorgezogen,  da  sie  weniger  spröde 
sind  und  nicht  so  leicht  abspringen;  sie  kommen  aber  im  Ganzen  nur  sehr  selten  vor. 
Halbrunde  Axtklingen  aus  Mitra  oder  Terebra  habe  ich  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht 
gesehen,  doch  mag  es  solche  geben.  Steinbeilklingen  von  besonderer  Grösse,  wie 
z.  B.  die  28  Cm.  langen  von  Teste-Insel  (S.  28),  sind  mir  nicht  vorgekommen;  die 
grössten  dürften  g  Cm.  Breite  der  Schärfe  nicht  überschreiten. 

Axtklinge  (Nr.  5,  i  Stück),  aus  Muschel  (Hippopus),  7-8  Cm.  lang,  3*2  Cm.  breit. 
Von  Hatzfeldthafen. 

Desgleichen  (Nr.  16,  i  Stück),  aus  Stein,  grössere  Sorte,  19-5  Cm.  lang,  8  Cm. 
breit.    Finschhafen. 

Desgleichen  (Nr.  18,  i  Stück),  aus  einem  nephritähnlichen  Steine,  6  Cm.  lang, 
4  Cm.  breit.    Massilia. 

Desgleichen  (Nr.  17,  i  Stück),  aus  einem  nephritähnlichen  Steine,  ziemlich  gross, 
12  Cm.  lang,  6  Cm.  breit,  und  eine  kleinere  (Nr.  17^,  i  Stück).    Vom  Sechstrohfluss. 

Axtklinge  (Nr.  19,  i  Stück),  aus  nephritähnlichem  Steine,  in  dem  25  Cm.  langen 
runden  Einsatzstück  aus  Holz  befestigt.    Sechstrohfluss. 

Wie  sich  die  Steinaxtklingen  mehr  oder  weniger  alle  gleichen,  so  auch  die  fer- 
tigen Aexte  selbst,  namentlich  im  Hinblick  auf  den  Stiel,  der  fast  allemal  aus  einem 


«)  Dasselbe  ist  stets  ein  sehr  feinkörniges,  hartes  Gestein,  ähnlich  Diorit  (kein  Basalt  oder  Kiesel), 
das  zuweilen  an  Nephrit  erinnert.  Eine  unzweifelhafte  Nephritklinge  erhielt  ich  in  Massilia,  aber  auch 
alle  anderen  Steinklingen  von  hier  bis  zum  Sechstroh  schienen  Nephrit  zu  sein.  Leider  scheint  Prof. 
Arzruni,  der  von  diesen  wie  anderen  Localitäten  Proben  zur  mikroskopischen  Untersuchung  erhielt, 
mit  den  Bestimmungen  noch  nicht  fertig  geworden  zu  sein.  Die  Steinklingen  von  Bongu  erklärte  Prof. 
Roth  für  Dioritporphyr;  ich  erhielt  hier  aber  auch  noch  solche  aus  einem  anderen  hellen  Gestein, 
ähnlich  Jadeit. 


[209]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  yi 

knieförmigen  Holzstück  verfertigt  ist,  und  auf  die  Stellung  der  Klingenschärfe  zum  Stiel, 
die  in  den  meisten  Fällen  wie  bei  dem  Texel  der  Schiffszimmerleute,  d.  h.  quer  zum 
Stiele  stehty  nicht  in  gleicher  Flucht  wie  bei  den  meisten  Beilen. 

Steinaxt  (Nr.  122,  i23,  2  Stück  —  II,  S.  354,  Taf.  XX  [12],  Fig.  2)  mit  dem  knie- 
förmig  aus  dem  Abschnitt  eines  Astes  und  Stammstückes  gefertigten,  circa  3o  Cm. 
langen  Holzstiele  (a)y  an  dessen  abgeflachter  Vorderseite  (dem  kürzeren  circa  18  Cm. 
langen  Schenkel  aus  dem  Stammstücke)  in  einem  Futter  (b)  aus  zwei  circa  22  Cm. 
langen  Stücken  Holz  (oder  Bambu)  die  Steinklinge  (a)  festgeklemmt  und  mittelst 
zweier  Ringe  aus  gespaltenem  Rottang  befestigt  und  mit  gleichem  Material  (d)  fest  um- 
wickelt ist.  Die  Steinklinge  selbst  besteht  aus  einem  grünlichschwarzen  Dioritporphyr, 
ist  95  Mm.  lang,  60  Mm.  breit  und  22  Mm.  dick.  Von  Constantinhafen,  Dorf  Bongu; 
hier  wie  ich  glaube  >Angam*  genannt. 

Die  Befestigung  der  Steinklinge  mit  dem  Holzstiele  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  I, 
Fig.  3,  sehr  deutlich  dargestellt,  hier  auch  eine  Steinklinge  der  gewöhnlichen  Grösse 
(Fig.  I  von  oben,  2  von  der  Seite).  Diese  Form  repräsentirt  die  gewöhnliche,  wie  sie 
am  häufigsten  vorkommt  und  die  z.  B.  fast  ganz  mit  der  Steinaxt  von  Cap  Raoul  (Taf.  IV, 
Hg.  4)')  übereinstimmt.  Ganz  ähnlich,  vielleicht  in  etwas  anderer  Weise  mit  Rottang 
befestigt,  waren  die  Steinäxte  welche  ich  in  Friedrich  Wilhelms- Hafen  (hier  »/Ar«  ge- 
nannt), Finschhafen  und  Huongolf  (hier  »AT/«  genannt)  erhielt.  Die  Steinklingen  von 
letzterer  Localität  waren  geschlagen  (chipped). 

In  Finschhafen  erhielt  ich  noch  eine  andere  Art 

Steinaxt  (Nr.  124,  i  Stück),  mit  62*5  Cm.  langem  Holzstiel;  die  Steinklinge 
steckt  in  einem  besonderen  rundlichen,  24*5  Cm.  langen  Holzfutter  und  ist  mittelst 
eines  breiten  Bandes  aus  Flechtwerk  von  fein  gespaltenem  Rottang  mit  dem  rechtwinke- 
ligen Ende  des  Holzstieles  befestigt,  also  drehbar  und  stimmt  diese  Art  Axt  daher  ganz 
mit  der  »Lachela^  (II,  S.  328,  Fig.  36)  von  der  Südostküste  überein.  Finschhafen,  hier 
»Ki  oder  KJs<  genannt. 

Eine  derartige  Steinaxt  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  4,  abgebildet.  Verschie- 
den in  der  Art  der  Befestigung  ist  die  folgende  Nummer: 

Axt  (Nr.  121,  I  Stück)  mit  Muschelklinge  (von  einem  Schalenstücke  von  Hippo- 
pus)y  die  in  sehr  einfacher  Weise  mittelst  gespaltenem  Rottang  am  Ende  des  recht- 
winkeligen Abschnittes  des  Holzstieles  befestigt  ist.    Hatzfeldthafen. 

Die  Form  und  Befestigung  dieser  Aexte,  von  denen  ich  auch  welche  mit  hübscher 
Schnitzarbeit  des  Stieles  erhielt  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  1,  Fig.  6),  stimmt  ganz  mit 
solchen  von  Neu-Hannover  (I,  S.  io3,  Taf.  IV,  Fig.  3)  überein,  nur  dass  letztere  roher 
gearbeitet  sind. 

Eine  abweichende  Form  Steinäxte  erhielt  ich  am  Caprivifluss  und  später  auf  Guap, 
wie  die  folgende  Nummer : 

Steinaxt  (Nr.  125,  i  Stück),  der  65  Cm.  lange,  dicke  Holzstiel  ist  an  seiner  vor- 
deren, rechtwinkelig  abgesetzten  Fläche  mit  dem  seitlich  abgeflachten,  28  Cm.  langen, 
unten  verbreiterten  Holzfutter  mittelst  fein  gespaltenem  Rottang  dicht  umflochten;  in 
dem  Futter  steckt  die  1 1  Cm.  vorragende  und  8  Cm.  breite  Steinklinge,  die  durch  drei 
aus  gespaltenem  Rottang  geflochtene  Bänder  befestigt  ist.    Insel  Guap. 

Ein  klares  Bild  dieser  Art  Steinäxte  gibt  der  Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  7.  Die 
Stellung  der  Klinge  weicht  von  der  sonst  üblichen  dadurch  erheblich  ab,  dass  dieselbe 
mit  ihrer  Schneide  in  gleicher  Flucht  mit  dem  Stiele  steht,  also  ganz  wie  bei  unseren 

«)  I,  S.  121  aus  Versehen  mit  der  Axt  von  Hatzfeldthafen  verglichen:  es  sollte  »Astrolabc-Bai« 
Geissen. 


7  2  Dr.  O.  Finsch.  [210] 

Beilen  und  der  Steinaxt  von  Normanby  (Taf.  XX,  Flg.  i).  Indess  ist  diese  Eigenart 
nicht  constant  für  Guap,  denn  ich  erhielt  auch  Steinäxte  in  der  üblichen  Querstellung 
der  Klinge,  wie  bei  unseren  SchifTszimmeraxten.  Manche  Holzstiele  von  Guap  zeigten 
schönes  Schnitzwerk  (unter  Anderem  ein  Papuagesicht  darstellend).  Ich  erhielt  hier 
auch  Aexte  mit  Tridacna'KlingQn.  Obwohl  die  Einstrick-  oder  Flechtarbeit  aus  Rot- 
tang zuweilen  sehr  geschickt  gemacht  ist,  so  habe  ich  doch  in  dieser  Richtung  nie  so 
kunstvolle  Arbeit  als  an  der  Südostküste  gesehen  (vgl.  II,  S.  3o8,  Fig.  35). 

Sehr  abweichend  sind  die  Steinäxte  vom  Angriffshafen  bis  Humboldt-Bai,  indem 
hier  das  sonst  übliche  knieförmige  Holzstück  als  Stiel  fehlt. 

Steinaxt  (Nr.  126,  i  Stück),  mit  Holzstiel  vom  Sechstrohfluss.  Der  hölzerne  Stiel 
und  das  durch  ein  Bohrloch  desselben  rechtwinkelig  eingesetzte  Futter  stimmen  ganz 
mit  dem  (S.  61,  T.  XX,  Fig.  4)  beschriebenen  Sagoklopfer  überein,  nur  dass  statt  des 
runden  Steines  eine  richtige  Steinklinge  (aus  nephritähnlichem  Gestein)  befestigt  ist. 
Genau  abgebildet  Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  5. 

Sonstige  Werkzeuge  kommen  eigentlich  kaum  in  Betracht.  Sägen  kennt  das  Stein- 
zeitalter Neu-Guineas  nicht.  Als  Hammer  braucht  man  passende  Steine.  Bohrer  wie 
die  von  der  Südostküste  (II,  S.  328,  Nr.  35  ^Ibudu€)  sind  mir  in  Kaiser  Wilhelms-Land 
nicht  vorgekommen,  wohl  aber  Raspeln  aus  Rochenhaut  (ganz  wie  II,  S.  329,  Nr.  38) 
und  Feilen  aus  einem  rundlichen  Stück  fein  granulirter  Coralle,  sowie  Pfriemen  und 
Nadeln  aus  Knochen.  Filetnadeln  dürften  keinesfalls  fehlen.  Wie  Maclay  berichtet, 
werden  all  die  feineren  Schnitzereien  und  Gravirungen  nur  mit  Hilfe  von  scharfkantigen 
Stein-  oder  Muschelstücken  verfertigt,  die  nicht  eigentlich  bearbeitet  sind,  keine  be- 
stimmte Form  haben  und  deshalb  nicht  im  Sinne  unserer  Werkzeuge  gelten.  In  Hum- 
boldt-Bai wurde  die  feinere  Ausarbeitung  von  Holzfiguren  mit  -ßa/zwa- Schalen  ge- 
macht. Wie  wenig  wird  von  derartigen  interessanten  Werkzeugen  der  Steinzeit  noch 
übrig  sein,  wenn  diese  verschwunden  ist.  So  konnte  ich  1880  in  Blanche-Bai  keine  voll- 
ständige Steinaxt  mehr  erhalten  und  in  Finschhafen  und  anderen  Niederlassungen 
Weisser  in  Kaiser  Wilhelms-Land  wird  es  bald  ebenso  sein.  Obsidian  habe  ich  in 
Kaiser  Wilhelms-Land  niemals  gesehen.  Ich  bemerke  dies  deshalb,  weil  Powell  den 
mannigfachen  Gebrauch  dieser  Lava  bei  den  Eingeborenen  des  Terrassenlandes  aus- 
drücklich hervorhebt.')  Soweit  ich  das  letztere  kennen  lernte,  besteht  es  aus  gehobenen 
Corallenformationen.  Auch  würde  sich  die  glasartige  Lava  wegen  zu  grosser  Sprödig- 
keit  wenig  zu  Holzschnitzereien  eignen. 

9.  Waffen  und  Wehr. 

Wenn  meine  Beobachtungen  insofern  unvollständig  bleiben  mussten,  als  ich  nicht 
an  allen  Orten  Waffen  zu  sehen  bekam,  so  bestätigen  sie  doch  die  früher  gemachten 
Erfahrungen,  dass  der  Wurfspeer  überall  die  Hauptwaffe  und  entschieden  die  gefähr- 
lichste des  Papua  bildet.  Interessant  für  Kaiser  Wilhelms-Land  ist  der  Nachweis  einer 
Art  Wurfstock,  ein  Geräth,  wie  es  bisher  nicht  bekannt  war,  und  einer  eigenthümlichen 
Form  von  Kürassen. 

a,  Geschosse. 

Schleudern  habe  ich  nirgends  beobachtet.  Auch  v.  Maclay  erwähnt  sie  nicht, 
wohl  aber  »Wurfsteine«,  die  im  Kriege  gebraucht  werden.  In  der  Regel  besitzen  alle 
Papuas  eine  grosse  Geschicklichkeit  im  Steinwerfen. 

>)  »The  Nativcs  use  obsidian  for  a  grcat  numbcr  of  purposcs,  such  as  for  shaving  thcir  heads 
and  faccs,  carving  wood  etc.« 


[211]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  7  3 

Speere,  die  mit  der  Hand  geworfen  werden^  sind  gewöhnlich  aus  Holz,  meist  von 
Palmen,  am  liebsten  von  der  Betelpalme,  rund,  2 — 3  M.  lang,  an  beiden  Enden  zu- 
gespitzt, glatt,  ohne  Widerhaken  und  Verzierungen,  wie  die  folgende  Nummer: 

Wurfspeer  (Nr.  708,  i  Stück)  aus  Astrolabe-Bai. 

Derartige  gewöhnliche  Speere  (in  Constantinhafen  ^Schatka€y  in  Bogadschi 
^Gdlguhy  auf  Grager  ^Embeb^  genannt),  finden  sich  an  der  ganzen  Küste.  Ziemlich 
roh  waren  die  circa  3  M.  langen  Speere  Von  Long-Insel  gearbeitet,  die  in  Finschhafen 
und  Bongu  kaum  besser,  aber  in  Bogadschi  und  dem  Archipel  der  zufriedenen  Men- 
schen erhielt  ich  schon  sehr  fein  verzierte  Speere.  Sie  sind  hier  gewöhnlich  über  3  M. 
lang,  an  beiden  Enden  zugespitzt  und  am  Fussende  mit  eingeschnittenen  Rillen,  wie 
gedrechselt.  Aehnliche  glatte  Speere  aus  Palmholz,  2*60 —3  M.  lang,  zum  Theil  mit 
eingravirten  Mustern  und  vor  der  Spitze  mit  einem  Büschel  Casuarfedern  verziert,  be- 
obachtete ich  von  Potsdamhafen  bis  Guap.  Auf  letzterer  Insel  schienen  derartig  deco- 
rirte  Speere  Auszeichnung  für  Häuptlinge  zu  sein. 

Zuweilen  sind  die  Speere  sehr  lang  und  reich  verziert  wie  das  folgende  Stück: 

Speer  (Nr.  711,  i  Stück),  über  3  M.  lang,  aus  hartem  Holz,  die  60  Cm.  lange, 
etwas  abgeplattete  Spitze  an  beiden  Kanten  mit  rückwärts  gestellten  Sägezähnen,  an  der 
ßasis  der  letzteren  eine  Schnitzerei  (ein  Papuagesicht  darstellend)  und  mit  Ringen  aus 
Menschenhaar  und  aufgeflochtenen  Nassa  verziert.  Vom  Hammacherfluss  (abgebildet 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI,  Fig.  i). 

Derartige  Speere  erhielt  ich  auch  in  Hatzfeldthafen,  hier  auch  noch  eine  andere 
Sorte: 

Speer  (Nr.  710,  i  Stück),  3-40  M.  lang,  aus  Bambu,  die  circa  i  M.  lange,  etwas 
breite  Spitze  aus  hartem  Holz  (wohl  Palme),  glatt,  ohne  Kerbzähne.    Hatzfeldthafen. 

Ausser  dem  gewölinlichen  Haupttypus  glatter  Wurfspeere  aus  Holz  ist  noch  ein 
zweiter  zu  unterscheiden,  nämlich  Speere  aus  Holz  mit  einer  breiten  lanzettförmigen 
Spitze  aus  Bambu,  wie  die  folgende  Nummer: 

Speer  (Nr.  70g,  i  Stück),  aus  Palmholz,  vor  der  breiten  lanzettförmigen  Bambu- 
spitze  mit  feinem,  rothgefärbten  gespaltenen  Rottang  umflochten  und  mit  eingravirtem 
Muster.   Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Diese  Art  Speere,  in  Constantinhafen  T>Serwaru*  genannt,  sind  aus  hartem,  meist 
Palmholz,  gefertigt,  von  a'/o  bis  über  3  M.  lang,  wovon  3o — 65  Cm.  auf  die  circa 
6  Cm.  breite  Bambuspitze  kommen.  Die  letztere  ist  häufig  roth,  zuweilen  roth  und 
grün  bemalt,  vor  derselben  mit  roth  und  gelb  gefärbtem  gespaltenen  Rottang  umflochten 
und  nicht  selten  mit  Federn  (von  Hahn,  Cacadu  und  Casuar)  verziert.  Derartige  Speere 
erhielt  ich  in  Astrolabe-Bai  und  Friedrich  Wilhelms-Hafen;  auf  Grager  auch  solche,  die 
circa  25  Cm.  unterhalb  der  Spitzenbasis  zierliches  Flechtwerk  zeigten,  mit  Schnüren 
aufgereihter  Coixsamen,  an  denen  Cacadufedern  befestigt  waren.  In  Hatzfeldthafen 
dienten  Streifen  von  Cuscusfcll  und  Federn  als  Verzierung;  im  Uebrigen  stimmten  die 
Speere  mit  denen  von  Friedrich  Wilhelmshafen  (Nr.  709)  überein,  die  Bambuspitze 
zeigte  aber  zuweilen  eingravirtes  Muster.  Die  Verzierung  der  Speere  von  Venushuk  be- 
stand in  Schnitzerei  (Papuagesicht)  und  Schnüren  aus  Menschenhaaren  und  Nassa, 
ganz  in  der  Weise  wie  an  dem  Speere  Nr.  711  vom  Hammacherfluss.  Zuweilen  ist  die 
Bambuspitze  durchbrochen  gearbeitet. 

Ich  beobachtete  diesen  Typus  Wurfspeere  mit  Bambuspitze  westlich  bis  Guap; 
sie  mögen  aber  auch  noch  weiter  verbreitet  sein.  An  der  Südostküste  scheinen  sie  zu 
fehlen.  Im  Gebrauch  ist  diese  Art  Speere  weit  gefährlicher,  da  die  Bambuspitze  sehr 
scharf  ist  und  häufig  in  der  Wunde  abbricht. 


»JA  Dr.  O.  Finsch.  [212] 

Speer-  und  Pfeilspitzen  aus  Obsidian  habe  ich  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nie  be- 
obachtet, aber  Powell  glaubt  solche  in  Broken- Water-Bai  gesehen  zu  haben,  allerdings 
in  200 — 3oo  Schritt  Entfernung,  wo  sich  selbstredend  nichts  mehr  mit  Sicherheit  fest- 
stellen lässt.  Die  Eingeborenen  zeigten  sich  nämlich  hier  ganz  ausserordentlich  scheu; 
wir  beobachteten  gerade  das  Gegentheil. 

Wurfstock  (Nr.  753,  i  Stück  —  II,  S.  344,  Taf.  XV  [7],  Fig.  5),  besteht  aus  einem 
84  Cm.  langen  Stück  Bambu,  das  an  der  Basishälfte  längsgespalten  ist,  um  bei  a  den 
Speer  einsetzen  zu  können;  b  durchbrochen  geschnitzter  hölzerner  Handgriff,  durch 
feines  Flechtwerk  (c)  mit  dem  Stock  verbunden;  d  geflochtener  Ring,  um  das  leichte 
Spalten  des  Bambu  zu  verhindern.   Von  Venushuk. 

Ich  erhielt  diese  eigenartige  Hilfswaffe  nur  hier  und  am  Hammacherfluss;  sie  mag 
aber  auch  weiter  verbreitet  sein. 

Als  Speere,  die  mit  dem  Wurfstock  geschleudert  werden,  betrachte  ich  die  fol- 
genden, obwohl  ich  mir  darüber  nicht  volle  Gewissheit  verschaffen  konnte.  Sie  sind 
von  Rohr,  i '60— 2*40  M.  lang,  wovon  auf  die  Spitze  40 — 80  Cm.  kommen.  Sie  ist  aus 
hartem  oder  in  Feuer  gehärtetem  Holz,  seitlich  etwas  abgeflacht,  zum  Theil  glatt  oder 
mit  Kerbzähnen  an  einer  oder  beiden  Kanten,  wie  die  folgenden  Nummern: 

Wurfspeer  (Nr.  749,  i  Stück),  glatt,  aus  Rohr  mit  Holzspitze.    Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  751,  i  Stück),  wie  vorher.    Hammacherfluss. 

Desgleichen  (Nr.  752,  i  Stück),  wie  vorher,  die  Basis  der  abgeflachten  Holzspitze 
knaufartig  erweitert.    Hammacherfluss. 

Desgleichen  (Nr.  750,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  die  nach  der  Basis  zu  verbrei- 
terte Holzspitze  mittelst  gespaltenem  Rottang  befestigt  und  am  Spitzendrittel  an  beiden 
Seiten  mit  Kerbsägezähnen.  Venushuk. 

Ein  solcher  Wurfspeer  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI,  Fig.  2,  abgebildet.  Am 
Hammacherfluss  erhielt  ich  auch  derartige  Wurfspeere  (270  M.  lang,  davon  die  Holz- 
spitze 80  Cm.),  die  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  in  der  Mitte  der  Spitze  ein  Wirbel- 
knochen vom  Casuar')  festgesteckt  ist,  vielleicht  als  Erinnerungszeichen  an  glückliche 
Jagden.  Auf  Guap  erlangte  ich  Speere  von  Rohr  mit  feingeschnitzten  Widerhaken  und 
Kerbzähnen  an  den  Seiten  der  Holzspitze,  die  ebenfalls  für  den  Wurfstock  dienen 
mögen.  Eine  andere  Art  Wurfspeere  von  Guap  sind  (2-80  M.  lang)  aus  hartem  Holz 
mit  glatter  Spitze  und  zeichnen  sich  durch  einen  fest  angeflochtenen  Dornfortsatz  in 
der  Mitte  des  Speeres  aus,  der  vielleicht  zum  Einsetzen  in  den  Wurfstock  dienen  mag. 
Den  letzteren  selbst  bekam  ich  hier  nicht  zu  Gesicht,  wohl  aber  Bogen.  Indess  ist  die 
Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  vielleicht  beide  Arten  Geschosse  hier  vorkommen. 

Mit  Ausnahme  des  Gebietes  von  Venushuk  bis  zum  Caprivifluss  habe  ich  fast  an 
allen  Küstenplätzen  Bogen  und  Pfeile  beobachtet,  am  zahlreichsten  und  schönsten  im 
Westen  von  Tagai  bis  Humboldt- Bai. 

Die  Bogen  sind  ausnahmslos  aus  hartem  Holz  (wohl  aus  ßetelpalme),  170  bis 
i'8o  M.  lang,  mit  Sehne  aus  einem  Streif  gespaltenen  Rottang  und  stimmen  ganz  mit 
denen  der  Südostküste  (II,  S.  33o,  Nr.  789,  T>Päipa<t)  überein,  wie  das  folgende  Stück: 

Bogen  (Nr.  809,  i  Stück)  von  Astrolabe-Bai. 

Diese  Art  einfacher  Bogen  ohne  alle  Verzierung  beobachtete  ich  von  Finschhafen 
bis  Dampier-Insel  (Karkar).  Sie  heissen  in  Constantinhafen  ^AraUj  in  Bogadschi  ^Ma- 
nembu<^f  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  >F/«,  in  Finschhafen  »7'a/am«.  Die  Bogen  von 
Guap  zeichnen  sich  durch  kunstvolle  Knotung  der  Sehnenenden  aus  und  werden  weiter 

J)  Die  in  den  »Nachrichten  aus  Kaiser  Wilhelms-Land«  erwähnten  Speere  vom  Augustaflusse 
vmit  menschlichen  Wirbclknochcn«  sind  wohl  nur  diese. 


[21 3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  yc 

westlich  noch  schöner  und  reicher  verziert,  ganz  besonders  in  Tagai.  Die  Bogenfläche 
zeigt  hier  Felder  mit  hübschem  eingravirten  Muster,  sowie  breite,  zierlich  aus  gespalte- 
nem Bambu  aufgeflochtene  Ringe,  die  dem  Bogen  zugleich  mehr  Festigkeit  verleihen, 
ausserdem  eine  besondere  Verzierung.  Sie  besteht  aus  einem  feingeflochtenen  Bind- 
faden, halb  so  lang  als  der  Bogen,  an  welchen  einzelne  schön  rothe  Federn  eines 
Papagei  (Dasyptilus  Pesqueti)  befestigt  sind.  Auf  der  Mitte  des  Bogens  ist  zuweilen 
ein  Papageienkopf  (von  Eclectus  oder  Lori)  befestigt;  die  Verpackung  besteht  in  sorg- 
fältigen Blatthüllen.    Die  folgenden  Nummern  zeigen  solche  Bogen: 

Bogen  (Nr.  804,  i  Stück)  von  Tagai,  und 

Desgleichen  (Nr.  8o3,  i  Stück)  von  Massilia.  Hier  wie  in  Angriffshafen  sind  die 
Bogen  kaum  verschieden.  Auch  die  am  Sechstroh  und  in  Humboldt-Bai  sind  ganz  ähn- 
lich, nur  fehlt  ihnen  Schnitzerei  und  statt  Federn  sind  Schnüre  aufgereihter  Coixsamen 
als  Ausputz  befestigt. 

Bogen  (Nr.  798,  i  Stück)  vom  Sechstrohfluss. 

Pfeile.  Dieselben  sind  ausnahmlos  aus  dünnem  Rohr,  1*25 — 150  M.  lang,  wo- 
von auf  den  Spitzentheil  25 — 60  Cm.  kommen,  und  zerfallen  in  Bezug  auf  den  letzteren, 
wie  die  Wurfspeere,  in  zwei  Hauptformen:  i.  Pfeile  mit  Spitze  aus  hartem  oder  im 
Feuer  gehärtetem  Holz,  und  2.  solche  mit  breiter  lanzettförmiger  Spitze  aus  Bambu. 
Hiezu  kommt  noch  eine  dritte  Sorte: 

Fischpfeil  (Nr.  8i3,  i  Stück)  von  Astrolabe-Bai.  Sie  sind  ebenfalls  von  Rohr^ 
haben  aber  wie  die  Fischspeere  (I,  S.  108)  eine  mehrzinkige  Spitze  aus  dünnen,  scharf 
zugespitzten  Holzstäbchen.    Sie  heisscn  in  Constantinhafen  >Saran<i, 

Die  gewöhnliche  Sorte  Pfeile  mit  glatter  runder  Holzspitze  zeigen  die  folgenden 
Nummern: 

Pfeile  (Nr.  811  und  812,  2  Stück)  von  Astrolabe-Bai. 

Sie  sind  1*25 — 1-55  M.  lang,  wovon  auf  die  Holzspitze  40 — 55  Mm.  kommen, 
und  heissen  in  Finschhafen  ^Subürre<  oder  »5o6«,  in  Constantinhafen  y^Aral-ge*,  in 
Friedrich  Wilhelms-Hafen  t^Tikc,  Zuweilen,  aber  nur  sehr  selten,  ist  die  Spitze  aus 
Knochen  (wohl  von  einem  Vogel)  gefertigt.  Am  Sechstroh  sah  ich  auch  Pfeile,  in  deren 
Holzende  als  eigentliche  Spitze  ein  Knochen  eingesetzt  war,  und  solche  mit  Knochen- 
spitze und  hölzernem  Widerhaken  in  derselben.  Pfeile  mit  den  gefährlichen  rückwärts 
gerichteten  Widerhaken  aus  Knochen,  wie  in  den  Salomons  (I,  S.  149),  sind  mir  in 
Neu-Guinea  nicht  vorgekommen. 

Von  der  gewöhnlichen  Sorte  Pfeile  erhielt  ich  in  Astrolabe  auch  solche,  deren 
Spitze  aus  einer  besonderen,  an  der  Basis  knaufartig  verdickten  Art  Holz  bestand.  Im 
Westen  zeichnen  sich  die  Pfeile  durch  eigenthümliche  Bemalung  aus,  wie  die  folgende 
Nummer: 

Pfeil  (Nr.  805,  i  Stück),  von  Tagai. 

Ganz  ähnliche  Pfeile  beobachtete  ich  in  Massilia,  die  vom  Sechstroh  zeichneten 
sich  durch  die  schwarz  bemalte  Spitze  aus. 

Die  zweite  Hauptform  Pfeile  zeigen  die  folgenden  Nummern: 

Pfeil  (Nr.  810,  i  Stück),  von  Rohr,  mit  lanzettförmiger  scharfkantiger  Spitze  aus 
Bambu.    Astrolabe-Bai. 

Diese  Art  Pfeile  (in  Constantinhafen  »Palom<i,  in  Bogadschi  i>Kolle^  genannt), 
welche  ganz  mit  denen  an  der  Südostküste  (II,  S.  33o,  Nr.  796)  übereinstimmen,  sind 
weit  gefährlicher  als  die  mit  einfacher  Holzspitze.  Ich  fand  diese  Art  Pfeile  an  der 
ganzen  Küste.    Eigenthümlich  ist  die  folgende  Nummer: 


yß  Dr.  O.  Finsch.  [214] 

Pfeil  (Nr.  808,  i  Stück),  aus  Rohr  mit  ßambuspitze,  auf  dem  Blatt  der  letzteren 
erhabene  Muster  aus  einer  Art  Wachs  oder  Kitt  aufgeklebt.   Tagai. 

Diese  Wachsmuster  dienen  wohl  mehr  zur  Verzierung,  denn  am  Sechstrohfluss 
erhielt  ich  Pfeile  mit  Bambuspitze,  die  auf  der  Innenseite  des  Blattes  erhaben  eingravirte 
hübsche  Muster  zeigten. 

Wie  die  Pfeile  aus  Kaiser  Wilhelms-Land  im  Allgemeinen  die  von  der  Südost- 
küste an  sauberer  Arbeit  und  Ausführung  überragen,  so  auch  in  Betreff  der  Schnitze- 
reien der  Spitze  in  Kerbzähnen  und  Widerhaken.  Wenn  die  letzteren  auch  zweifellos 
den  Zweck  haben,  eine  gefährlichere  Wunde  beizubringen,  so  sind  derartige  Schnitze- 
reien doch  auch  zum  guten  Theile  im  Sinne  von  Verzierungen  aufzufassen.  Dabei 
kommt  es,  wie  bei  allen  Arbeiten,  hauptsächlich  auf  die  Geschicklichkeit  und  den  Ge- 
schmack des  Individuums  an,  und  daraus  resultiren  die  verschiedenartigsten  Formen, 
welche  nicht  durch  Beschreibung,  sondern  nur  durch  Abbildungen  zu  veranschaulichen 
sind.  So  erhielt  ich  am  Sechstrohfluss  allein  16  in  Ausschmückung  und  Form  des 
Spitzentheiles  verschiedene  Pfeile.  Wenn  sich  daher  die  Pfeile  des  einen  oder  anderen 
Gebietes  durch  gewisse,  oft  unbedeutende  Eigenthümlichkeiten  auszeichnen,  so  lassen 
sich  für  die  letzteren  doch  schwer  sichere  Charaktere  aufstellen,  und  ohne  die  genaue 
Localitätsangabe  bleibt  die  Bestimmung  doch  in  den  meisten  F'ällen  durchaus  zweifel- 
haft. Im  Allgemeinen  machte  ich  die  Wahrnehmung,  dass  im  Osten  von  Kaiser 
Wilhelms-Land  die  Pfeile  minder  kunstvoll  mit  Schnitzereien  der  Spitze  verziert  werden 
als  im  Westen.  In  Finschhafen  und  Astrolabe-Bai  sind  Pfeile  mit  Kerbzähnen  und 
Widerhaken  im  Ganzen  selten,  aber  von  Guap  an  westlich  derartige  sehr  häufig.  Sehr 
kunstvoll  sind  die  folgenden  Nummern: 

Pfeil  (Nr.  806,  i  Stück),  aus  Rohr,  mit  fein  geschnitzter  Holzspitze,  die  an  der 
Verbindung  mit  dem  Schaft  knaufartig  umwickelt  und  hier  elegant  mit  Coixsamen  und 
bunten  Federn  beklebt  ist.  Von  Tagai. 

Desgleichen  (Nr.  807,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  die  Spitze  besteht  nicht  aus 
Holz,  sondern  aus  einem  schmalen  Stück  Bambu,  das  mit  kunstvoll  durchbrochen  ge- 
arbeiteten Widerhaken  versehen  ist.    Tagai. 

Derartige  durchbrochen  gearbeitete  Pfeilspitzen  aus  Bambu  erhielt  ich  auch  in 
Wanua  und  am  Sechstrohfluss,  sie  sind  aber  selten  und  die  Spitze,  wie  gewöhnlich, 
meist  aus  Holz.  Die  Sägezähne  und  Widerhaken  sind  zuweilen  äusserst  kunstvoll  ge- 
schnitzt, aber  ausserordentlich  verschieden.  Dagegen  wird  die  knaufartige  Verdickung 
an  der  Spitzenbasis  und  die  besondere  Verzierung  der  letzteren  mit  aufgeklebten  Coix- 
samen und  Federn  für  die  Pfeile  von  Guap  und  Tagai  charakteristisch,  wenn  sich  diese 
Verzierung  auch  keineswegs  an  allen  Pfeilen  von  diesen  Localitäten  findet.  Am  Sech- 
stroh beobachtete  ich  keine  derartigen  Verzierungen,  aber  die  Pfeile  von  hier  zeichneten 
sich  durch  mehrere  (meist  fünf)  schwarz  gemalte  Ringe  auf  dem  Rohre  aus,  sowie  dass 
der  erste  Absatz  des  Rohres  unterhalb  der  Spitze  meist  mit  hübschen  eingebrannten 
Mustern  verziert  ist.  Die  Pfeile  haben  eine  Länge  von  1*45 — i*8o  M.,  wovon  40 — 46  Cm. 
auf  die  Holzspitze  kommen.  Die  Schnitzarbeit  der  letzteren  in  Kerbzähnen  und  Wider- 
haken ist  zuweilen  äusserst  geschickt  und  kunstvoll,  aber,  wie  bereits  erwähnt,  ausser- 
ordentlich verschieden.   Die  folgenden  Nummern  der  Sammlung  geben  schöne  Proben: 

Pfeile  (Nr.  799 — 802,  4  Stück)  vom  Sechstrohfluss. 

Wie  erwähnt,  sind  Pfeile,  mehr  zum  Kriege  als  zur  Jagd  benutzt,  weit  weniger 
gefährlich  als  Wurfspeere,  weil  sie  sehr  leicht  sind,  unruhig  fliegen  und  ihre  Trefffähig- 
keit, zwischen  3o — 50  Schritt,  eine  beschränkte  ist.    Und  soweit  reicht  auch  ein  kräftig 


r2ic"|  Kthnologischc  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  77 

geworfener  Speer.    Dass  der  letztere  häufiger  in  Anwendung  kommt,  zeigen  auch  die 
Wundnarben,  welche  man  nicht  selten  am  Körper  von  Eingeborenen  sieht. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  erwähnt,  dass  auch  den  Papuas  dieser  Küste  das  Vergiften 
von  Pfeil-  und  Speerspitzen  unbekannt  ist  (vgl.  auch  11,  S.  33i). 

b.  Schlag-  und  Stichwaffen. 

Keulen  scheinen  weniger  in  Gebrauch  als  an  der  Südostküste,  und  solche  mit  Stein- 
knauf (II,  S.  332)  sind  mir  nicht  vorgekommen.  Aber  Capt.  Rasch  versicherte  mir, 
solche  gesehen  zu  haben,  und  Dr.  HoUrung  bemerkt:  »Die  Steinkeule  ist  jetzt  schon 
sehr  selten  geworden.« 

Ausser  runden  Kampfknütteln  (ähnlich  dem  *Birimbirika<iy  I,  S.  106,  von  Neu- 
Britannien),  die  ich  in  Finsch-  und  Constantinhafen  beobachtete,  sah  ich  nur  eine  Art 
Keulen,  wie  die  folgende: 

Keule  (Nr.  762,  i  Stück),  aus  einem  flachen  Stück  Hartholz  (wohl  Palme)  in 
schwertähnlicher  Form,  mit  einfacher  Gravirung  und  roth  bemalt.  Finschhafen,  hier 
*Ssing€  genannt. 

Diese  Art  Keulen,  i*io — 1*20  M.  lang,  stimmen  in  der  Form  ganz  mit  der  ge- 
wöhnlichen Sorte  von  der  Südostküste  (II,  S.  33 1,  Nr.  752,  *Karewa*)  überein. 

Steinäxte  sind,  wie  bereits  (S.  69)  erwähnt,  keine  Waffen  und  werden  nie  als 
solche  gebraucht,  wenn  auch  Powell  kampflustige  Eingeborene  T>tomahawks€  schwin- 
gen lässt. 

Eine  andere  Waffe,  oder  beziehentliche  Wafife,  da  sie  auch  friedlichen  Zwecken 
(S.  60)  dient,  repräsentiren  die  folgenden  Nummern: 

Dolch  (Nr.  787,  I  Stück),  3o  Cm.  lang,  aus  Casuarknochen,  an  der  Basis  mit  ein- 
gravirtem  Muster.   Sechstrohfluss. 

Desgleichen  (Nr.  788,  i  Stück).   Daher. 

Diese  Dolche  werden  meist  aus  der  Tibia,  seltener  aus  dem  Tarsometatarsus  des 
Casuar  hergestellt^  in  der  Weise,  dass  die  eine  Hälfte  der  Länge  nach  flach  und  am 
Ende  spitz  zugeschlifTen  wird,  und  liefern  in  dieser  Form  eine  für  den  Einzelkampf 
nackter  Menschen  recht  gefährliche  Waffe.  Sie  wird,  oft  zu  zweien,  im  Armband  des 
rechten  Armes  getragen  (Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  334).  Die  eingravirten  Muster 
gehören  in  künstlerischer  Ausführung  und  Zeichnung  mit  zu  den  besten  Leistungen  der 
Papuakunst  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XI,  Fig.  7,  mit  durchbrochen  geschnitzter  Arbeit). 
Die  Muster  sind  übrigens  sehr  verschieden,  meist  arabeskenartig,  zuweilen  aber  auch 
Darstellungen  von  Thieren  (Crocodil  und  Frosch),  wie  ich  solche  am  Sechstroh  erhielt. 
Die  Oberfläche  ist  zuweilen  durch  langes  Tragen  so  glatt  wie  polirt.  Auf  den  Rand- 
kanten der  Innenseite  finden  sich  zuweilen  Querstriche  eingekratzt,  die  wohl  Erinne- 
rungszeichen, nicht  gerade  der  erlegten  Feinde,  sondern  mitgemachter  Kämpfe  sein 
mögen.  Als  weitere  Verzierung  werden  an  den  Dolchen  zuweilen  Streifen  von  Cuscus- 
fell  befestigt.  Knochendolche  sind  mir  erst  von  Hatzfcldthafen  an  westlich  häufiger 
vorgekommen^  namentlich  in  AngrifTshafcn  bis  Humboldt-Bai. 

c.  Wehr. 

Schilde  scheinen  an  der  ganzen  Küste  von  Kaiser  Wilhelms-Land  in  Gebrauch 
und  im  Ganzen  häufiger  zu  sein  als  an  der  Südostküste.  Ich  erhielt  solche  nur  an  drei 
Localitäten,  die  verschiedene  Typen  darstellen  und  alle  in  der  Sammlung  repräsen- 
tirt  sind. 


78  '     Dr.  O.  Finsch.  [21 6] 

Schild  (Nr.  838,  i  Stück  —  II,  S.  362,  Taf.  XXIV  [16],  Fig.  i)  aus  einem  concav 
gebogenen  Stück  Holz,  mit  doppelter  Handhabe  für  Arm  und  Hand  aus  Rottang. 
Finschhafen. 

Diese  Schilde,  in  Finschhafen  »Lazi/a«  genannt,  repräsentiren  die  eigenthümlichste 
Form,  welche  ich  inNeu-Guinea  kennen  lernte.  Sie  sind  i*6o — 180  M.  lang  und  40  Cm. 
breit,  so  dass  sie  einen  Mann  ziemlich  decken,  dabei  nicht  zu  schwer.  Zuweilen  zeigen 
diese  Schilde  originelle  Muster  in  bunter  Bemalung,  darunter  auch  menschliche  Figuren 
(vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  178).  In  Adolfshafen  sah  ich  sehr  ähnliche  Schilde, 
lang,  schmal,  an  einer  Seite  abgerundet,  an  der  anderen  gerade,  mit  Schwarz  und  Weiss 
bemalt. 

Schild  (Nr.  839,  i  Stück  —  II,  S.  362,  Taf.  XXIV  [16],  Fig.  2)  aus  hartem  Holz, 
rund,  mit  erhaben  geschnitztem  Muster  und  bunt  bemalt.  Auf  der  Rückseite  des  Schil- 
des sind  aus  dem  Ganzen  gearbeitet  zwei  Buckel  mit  Bohrloch,  durch  welches  ein  Strick 
gezogen  wird,  der  als  Handhabe  dient  (Fig.  2a).  Friedrich  Wilhelms-Hafen,  Insel 
Grager,  hier  *Gubir€  genannt,  auf  Bilibili  »Dimu<i. 

Diese  Schilde,  aus  den  Wurzelstreben  hoher  Bäume  gezimmert,  sind  eine  be- 
deutende Leistung  für  Steinäxte,  da  sie  einen  Durchmesser  von  80—92  Cm.  haben. 
Doch  sah  ich  auch  kleinere  Schilde  von  nur  40  Cm.  Durchmesser,  die,  in  einen  Netz- 
beutel eingestrickt,  an  diesem  getragen  wurden.  Besonders  mühevoll  ist  die  erhabene 
Ornamentik,  die  in  der  Regel  in  der  Mitte  ein  Kreuz,  aber  doch  an  jedem  Stücke  Ver- 
schiedenheiten zeigt  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XII,  Fig.  i).  Zur  Bemalung  ist  Roth,  Weiss 
und  Schwarz  verwendet.  Diese  Schilde  sind  für  den  Archipel  der  zufriedenen  Menschen 
und  die  Insel  Bilibili  eigenthümlich,  finden  sich  nach  v.  Maclay  aber  auch  auf  Jambom. 
Wegen  ihrer  Schwere,  bis  10  Kilo,  eignen  sie  sich  weniger  um  im  Kampfe  mitgeführt 
zu  werden,  sondern  mehr  gegen  Angriffe  des  Dorfes,  weshalb  sie  auch  meist  in  den 
Gemeindehäusern  aufbewahrt  werden. 

Vom  Kaiserin  Augustaflusse  werden  auch  »grosse  Schilde«  erwähnt. 

Schild  (Nr.  840,  i  Stück  —  II,  S.  364,  Taf.  XXV  [17],  Fig.  i),  aus  hartem  Holz, 
oblong,  mit  kunstvoller,  erhaben  gearbeiteter  Schnitzerei,  Spiralen  und  zwei  mensch- 
liche Figuren  darstellend.  Als  Handhabe  ist  ein  Bast-  oder  Tapastreif  durch  zwei  Löcher 
in  der  Mitte  des  Schildes  befestigt.   AngrifTshafen. 

Diese  Schilde  stimmen  in  der  Form  mit  denen  von  der  Südspitze  überein  (Taf.  XXV, 
Fig.  2),  zeichnen  sich  aber  durch  eine  Art  Handgriff  am  oberen  Rande  aus.  Sie  sind 
i'io  M.  lang  und  48  Cm.  breit,  schwer,  und  die  erhabene  Schnitzarbeit,  die  an  jedem 
Schilde  verschieden  ist,  gehört  mit  zu  dem  Besten,  was  die  Steinzeit  leistet. 

Einen  besonderen  Schutz  des  Kriegers  zeigt  die  folgende  Nummer : 

Kürass  (Nr.  844,  i  Stück  —  II,  S.  362,  Taf.  XXIV  [16],  Fig.  7),  feine  Korbfiecht- 
arbeit  aus  gespaltenem  schwarzgefärbten  Rottang.  Fig.  7  a  Detail  des  Rohrgefiechtes. 
Angriffshafen. 

Ich  beobachtete  diese  eigenthümlichen  Panzer  nur  an  dieser  Localität,  vielleicht 
finden  sie  sich  auch  anderwärts.  Die  Taillenweite  des  unteren  Randes,  77 — 83  Cm.,  ist 
reichlich  eng,  wenigstens  durchschnittlich  für  Europäer  nicht  ausreichend,  und  doch 
mass  ich  in  Angriffshafen  Männer  von  170  M.  Höhe.  Die  Panzer  müssen  nämlich  über 
die  Hüften  gezogen  werden,  derart,  dass  die  höhere  hintere  Seite  den  Nacken  deckt,  und 
werden  mit  zwei  Bändern  Über  die  Schulter  befestigt.  Abbildung  von  Kriegern  von 
Angriffshafen  mit  Panzer  und  Schild  geben  die  »Samoafahrten«  (S.  337);  doch  hat  der 
Künstler  die  Befestigungsweise  aus  Versehen  vergessen. 


[217]  Kthnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^g 

jo.  Rohmaterial  und  Verwendung. 

Wie  alle  Naturvölker  besitzen  auch  die  Eingeborenen  dieser  Küste  eine  gute 
Kenntniss  der  Naturerzeugnisse  und  unterscheiden  eine  grosse  Anzahl  derselben,  selbst 
Blumen  und  Schmetterlinge,  durch  Eigennamen.  Bewundernswerth  ist  es,  wie  sie  aus 
der  Fülle  von  Material  gerade  die  für  besondere  Zwecke  geeigneten  Rohstoffe  herauszu- 
finden und  in  entsprechender  Weise  zu  bearbeiten  wissen.  Für  die  Ethnologie  ist  dies 
ein  leider  noch  sehr  dunkles  Capitel,  zu  dessen  Verständniss  noch  gar  sehr  Vieles  ge- 
ihan  werden  muss,  ehe  wir  tiefer  in  die  Industrie  der  Steinzeit  blicken  können.  Bis  jetzt 
sind  wir  in  den  meisten  Fällen  noch  nicht  über  die  generelle  Bestimmung  der  ver- 
arbeiteten Materialien,  als  Holz,  Steine,  Knochen,  Pflanzenstoffe  u.  dgl.  hinausgekommen, 
und  wissen  nur  selten,  von  welchen  Species  diese  Materialien  herrühren,  von  der  Art 
der  Bearbeitung  aber  fast  so  gut  als  nichts.  Nur  ein  längerer  Aufenthalt  und  enger 
steter  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  wird  in  dieser  Richtung  erwünschte  Aufklärung 
geben  können.  Der  meine  war  zu  kurz,  und  so  muss  ich  mich  auf  wenige  Beobachtun- 
gen und  hauptsächlich  darauf  beschränken,  Anregung  zu  geben,  damit  die  vielen  noch 
vorhandenen  Lücken  ausgefüllt  werden. 

a.  Aus  dem  Pflanzenreiche.  Ganz  abgesehen  von  Nahrungszwecken  stehen  die 
Producte  desselben  jedenfalls  für  die  Lebensbedürfnisse  der  Eingeborenen  obenan  und 
liefern  die  meisten  Materialien  für  Nutzgegenstände.  Aber  ethnologisch  wissen  wir 
kaum  mehr  darüber  als  vielleicht,  dass  Bogen  aus  Holz  der  Betelpalme,  dieser  oder  jener 
Gegenstand  aus  Holz  der  Cocospalme  oder  aus  Rottang  verfertigt  ist.  Und  doch  be- 
nutzt der  Eingeborene  allein  schon  an  Hölzern  für  verschiedene  Zwecke  sehr  verschie- 
dene Bäume,  je  nach  ihrer  Brauchbarkeit,  Leichtigkeit  der  Bearbeitung  u.  s.  w.  Schon 
beim  Bau  eines  Hauses  oder  Canus  kommen  eine  ganze  Reihe  Rohproducte  zur  Ver- 
wendung, ebenso  für  Waffen,  Haushaltungszwecke  u.  s.  w.  Ganz  besonders  hervor- 
zuheben ist  dabei  die  ungemein  vielseitige  Anwendung  von  Bambu,  das  sowohl  beim 
Bau  von  Häusern,  als  zu  den  feinsten  Kunstgegenständen  benutzt  wird.  Nebenbei  mag 
bemerkt  sein,  dass  Bamburohr  keineswegs  überall  wächst.  Nächst  dieser  gewaltigen 
Grasart  findet  wohl  die  Cocospalme  die  mannigfachste  Verwendung,  vom  Stamm  bis 
zur  Fieder  des  Blattes.  Dasselbe  gilt  annähernd  für  den  Schraubenbaum  (Pandanus)y 
dessen  Blätter  zu  sehr  verschiedenen  Zwecken  verwendet  werden  und  der  auch  in  der 
folgenden  Nummer  wichtig  wird. 

Faserinaterial  (Nr.  143,  i  Probe),  aus  der  Luftwurzel  von  Pandanus  bereitet. 
Finschhafen. 

Dieses  vorzügliche  Material,  das  eine  äusserst  haltbare,  bis  i  '/2  ^^«  lange  Faser 
liefert,  wird  an  der  Küste  zur  Verfertigung  von  Bindfaden  und  Stricken  benutzt.  In 
gleicher  Weise  findet  auch  der  Bast  eines  Hihiscus  (nach  Hollrung//.  tiliaceus)  Verwen- 
dung, wie  sonst  zum  Binden  und  Befestigen,  z.  B.  beim  Hausbau.  Ob  der  an  der  Südost- 
kuste  gebräuchliche  Faserstoff  (II,  S.  326,  Nr.  140,  ^Lakwa^)  auch  in  Kaiser  Wilhelms- 
Land  verwendet  wird,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Vermuthlich  werden  aber  noch  andere 
Faserstoffe  benutzt,  da  Bindfaden  und  Bindematerial  bei  Menschen,  die  noch  keine  Nägel 
kennen,  eine  wichtige  Rolle  spielen.  Erwähnung  verdient,  dass  der  Nutzwerth  der  Faser 
der  Banane  den  Papuas  auch  an  dieser  Küste  unbekannt  ist.  Aus  Baumbast  wird  durch 
Wässern  und  Klopfen  ein  zeugartiger  Stoff,  Tapa,  bereitet,  der  zur  Bekleidung  und 
vielen  anderen  Zwecken  dient.  Nach  Dr.  Hollrung  liefert  eine  Ficus-An  das  Roh- 
material, wahrscheinlich  aber  noch  andere  Bäume.  Für  die  Bekleidung  des  weiblichen 
Geschlechtes  sorgen  Cocos-  und  Sagopalme,  aus  deren  fein  gespaltener  Blattfaser  zier- 


8o  Dr.  O.  Finsch.  [218] 

liehe,  meist  buntgefärbte  Röcke  und  Schürzchen  verfertigt  werden.  Die  Blattfaser  der 
Sagopalme  dient  aber  auch  noch  zu  mancherlei  Putzzwecken.  Im  Uebrigen  ist  die  wissen- 
schaftliche Bestimmung*)  der  zu  Zieraten  verwendeten  pflanzlichen  Stoffe  eine  äusserst 
mangelhafte,  schon  deshalb,  weil  diese  Stoffe  sich  in  der  Verarbeitung,  dazu  häufig  ge- 
färbt, nicht  mehr  bestimmen  lassen.  So  wissen  wir  z.  B.  noch  nicht,  welche  Pflanzen 
das  Material  zu  den  allgemein  gebräuchlichen  sogenannten  » Grasarmbändern c  (II, 
S.  3i3,  Nr.  378  ^Gaarna^)  liefern.  Nach  Guppy  wird  in  den  Salomons  ein  Farn  der 
Gattung  Gleichenia  dafür  benutzt.  Wie  zu  so  viel  Anderem  scheint  aber  auch  für 
Kunstflechtarbeiten  das  Blatt  von  PandanuSy  welc|ies  sich  in  ausserordentlich  schmale 
Streifen  spalten  lässt,  das  hauptsächlichste  Material  zu  sein.  Jedenfalls  ist  es  aber  schon 
für  den  Laien  ersichtlich,  dass  im  Ganzen  nur  wenige  Pflanzen  in  Betracht  kommen, 
denn  fast  überall  finden  sich  dieselben  Rohstoffe  wieder.  Das  in  Neu-Britannien  viel  zu 
Stirnbinden  u.  dgl.  benutzte  Material,  ähnlich  rothgefärbten  Schilfstreifen  {*Akanda<iy 
I,  S.  97  und  118)  erinnere  ich  mich  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  gesehen  zu  haben, 
doch  mag  es  vorkommen.  Dagegen  sind  fein  oder  gröber  gespaltene,  meist  roth  ge- 
färbte Streifen  eines  Rohres,  im  Archipel  der  zufriedenen  Menschen,  wie  die  daraus  ge- 
fertigten Armbänder,  Leibgurte,  Kniebinden  etc.,  *ArU  genannt,  sehr  verbreitet,  wie 
spanisches  Rohr  (Rottang)  überall  und  in  der  mannigfachsten  Weise  verwendet  wird. 
Ein  besonderes  Fasermaterial  wird  zu  Armbändern,  Gürteln  u.  dgl.  ebenfalls  häufig  ver- 
arbeitet. Es  besteht  aus  harten,  etwas  brüchigen,  glänzend  schwarz  gefärbten,  runden 
Fasern  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  8)  und  rührt  wahrscheinlich  von  einer  Liane 
her.  Sehr  eigenthümlich  und  von  hervorragender  Schönheit  sind  zierlich  geflochtene 
Schnüre  (Taf.  XXII,  Fig.  3),  in  Finschhafen  T^Ssemu^  genannt,  die  hochgelb  gefärbt  wie 
Goldbrocat  aussehen  und  im.  östlichen  Theile  (Huongolf  bis  Astrolabe)  häufig  zu 
hübschen  Schmucksachen  verwendet  werden. 

Von  Samen,  Fruchthülsen  oder  Fruchtkernen  finden  die  von  Coix  Lachryma  (in 
Finschhafen  T^Kapukin<L  genannt)  ganz  (Taf.  III,  Fig.  8)  oder  halbdurchschnitten  (Taf.  III, 
Fig.  9)  längs  der  ganzen  Küste  die  häufigste  Verwendung,  sowohl  zur  Verzierung  von 
allerlei  Schmuck,  als  auch  in  gewissen  Gebieten  namentlich  von  Tragbeuteln  (Ethnol. 
Atlas,  Taf.  X,  Fig.  4).  Die  schönen  rothen  kleinen  Bohnen  von  Abrus  precatorius 
(Taf.  XVI),  eines  weit  verbreiteten,  längs  der  ganzen  Küste  vorkommenden  Strauches, 
finden  nur  im  äussersten  Westen  häufigere  Verwendung,  und  zwar  stets  mittelst  Auf- 
kittens.  Hier  auch  eine  ganz  gleiche  Bohne,  die  aber  statt  roth  schön  stahlblau  ge- 
färbt ist  (Taf.  XVI) ;  eine  gleich  grosse,  sehr  ähnlich  geformte  gelbe  Bohne  erhielt  ich 
einmal  am  Sechstroh.  Hier  benutzt  man  auch  die  schön  kirschbraunroth  gefärbten 
linsenförmigen  und  linsengrossen  Samen  von  Adenanthera  paponina  (Ethnol.  Atlas, 
Taf.  XXIV,  Fig.  6  a),  einer  Mimose.  Im  Westen  werden  ausserdem  auch  kleine  runde 
schwarze  Samenkerne  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  ya)  verwendet,  die  wie  schwarze 
Perlen  aussehen,  sowie  eine  grössere  Art  schwarzer  Perlen  (Taf.  XIV,  Fig.  i3a).  Sie 
scheinen  künstlich  gearbeitet  zu  sein  und  stimmen  fast  ganz  mit  den  Perlen  aus  Cocos- 
nussschale  überein,  welche  in  den  Carolinen  so  häufig  zu  allerlei  Schmuck  verwendet 
werden.  Die  sonderbaren  Pflanzentheile,  wie  Abschnitte  von  Stengeln  (Taf.  III,  Fig.  10) 
sind  mir  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  vorgekommen,  wohl  aber  jene  längsdurch- 
schnittenen  halbirten  Fruchtschalen  wie  Taf.  XIV,  Fig.  16^,  die  auch  in  Neu-Irland  (I, 
S.  129)  und  in  den  Salomons  (vgl.  »Sessele<iy  I,  S.  148,  Nr.  481)  verwendet  werden. 

J)  Die  >Nachrichtcn  aus  Kaiser  Wilhclms-Land*  und  Schumann  und  Hollrung:  »Die  Flora 
von  Kaiser  Wiihelms-Land«  (Berlin  1889)  geben  in  dieser  Richtung,  ausser  über  einige  Nährpflanzen 
der  Eingeborenen,  nur  sehr  wenig  Aufklärung. 


[219]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  81 

Die  im  Südosten  gebräuchlichen  kleinen,  glänzend  schwarzen  Fruchtkerne,  Gudduguddu 
(Taf.  XIV,  Fig.  I  c  und  Taf.  XV,  Fig.  i  a\  sind  mir  in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  vor- 
gekommen. Statt  derselben  wird  häufig  ein  weinbeerengrosser,  glänzend  schwarzer 
Kern  (Taf.  XIV,  Fig.  lyd  und  Taf.  XV,  Fig.  40)  verwendet,  der  wie  eine  gedrechselte 
Kugel  aussieht.  Am  Sechstroh  erhielt  ich  noch  eine  ähnliche  grössere  Art  schwärz- 
lichen Fruchtkernes  oder  Nuss  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  2  b),  mehr  als  kirschen- 
gross,  zuweilen  mit  Gravirung,  den  ich  sonst  nirgends  beobachtete. 

Gedenken  wir  zum  Schluss  noch  des  Blätterschmuckes,  der  für  beide  Geschlechter 
zum  gewöhnlichen,  fast  täglichen  Ausputz  gehört,  in  erhöhtem  Masse  bei  feierlichen 
Gelegenheiten.  Einzelne  Blätter  oder  Büschel  werden  ins  Haar  gesteckt,  sowie  in  die 
Armbänder,  auch  am  Halsstrickchen  befestigt  und  die  Pflanzen  deshalb  eigens  in  be- 
sonderen Gärtchen  bei  den  Hütten  oder  in  den  Plantagen  cultivirt.  Nach  Maclay 
werden  zu  Blätterschmuck  besonders  Gewächse  aus  der  Familie  der  Euphorbiaceen  ver- 
wendet, nach  Hollrung  hauptsächlich  das  wohlriechende  Ocymum  sanctum  und  eine 
Evodia.^)  Für  Armbänder  ist  auch  die  nach  Anis  riechende  Clausena  anisata  geschätzt. 
Die  Lieblingsblumen  sind  Celosium  und  die  hochrothen  von  Hibiscus  rosa  sinensis, 
welche  letztere  meist  im  Haare  getragen  werden. 

b.  Aus  dem  Thierreiche.  Zu  Gegenständen  des  nützlichen  Gebrauches  (z.  B. 
S.  60  Brecher,  S.  77  Dolche)  finden  eigentlich  nur  Knochen  Verwendung,  und  zwar  fast 
nur  solche  vom  Schwein,  Hund  und  Casuar.  Wenigstens  lassen  sich  diese  Thierarten 
zum  Theil  annähernd  richtig  bestimmen,  während  dies  für  kleinere  Gegenstände  aus 
Knochen,  wie  Pfriemen,  Nadeln  u.  dgl.,  nicht  möglich  ist.  Knochen,  anscheinend  von 
(wahrscheinlich  gestrandeten)  Walthieren  (vgl.  S.  52)  kommen  vor.  Am  häufigsten 
werden  jedoch  Zähne,  und  zwar  ausschliessend  die  vom  Hunde  und  Schweine,  zu  Gegen- 
ständen des  Schmuckes  verwendet  und  zum  Theil  bearbeitet.  Im  östlichen  Theile  von 
Kaiser  Wilhelms-Land  sind  es  hauptsächlich  Hundezähne,  ^)  und  zwar  die  Eckzähne 
(Taf.  III,  Flg.  15  und  Taf.  XIV,  Fig.  s^y  ^^^7  ii)>  welche  zur  Verzierung  von  allen 
möglichen  Schmuckgegenständen,  auch  Tragbeuteln  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  X,  Fig.  3) 
verwendet  werden.  Schneidezähne  vom  Hund  habe  ich  nur  einmal  benutzt  gesehen. 
Schweinezähne,  d.  h.  fast  nur  die  Hauer  von  Wildschweinen  (s.  vorne  S.  50)  oder  deren 
gezähmten  Abkömmlingen,  die  im  Werthe  viel  höher  als  Hundezähne  stehen,  scheinen 
besonders  im  Westen  häufig.  Durch  Kunst  hervorgebrachte,  fast  cirkelrund  gebogene 
Eberhauer  (I,  S.  122,  Fig.  7  und  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI,  Fig.  2)  sind  auch  in  Kaiser 
Wilhelms-Land  die  höchsten  Werthstücke  und  bilden  den  kostbarsten  Brustschmuck. 
Der  Länge  nach  gespaltene  und  dünn  geschliffene  Eberhauer  werden  zu  Nasen-  und 
Bartschmuck  (Taf.  XVII,  Fig.  i  und  3e)  verarbeitet,  Stücke  von  solchen  zu  Brustschilden 
(Taf.  XVI,  Fig.  ib  und  2  a).  Zähne  von  Kängurus  (Taf.  XIV,  Fig.  9^)  sind  mir  nicht 
vorgekommen,  solche  von  anderen  Beutelthieren  (Phalangista)  nur  einmal,  obwohl 
Cuscus  sehr  häufig  sind.  Crocodilzähne  sah  ich  nur  einmal  in  einem  Brustschmuck  am 
Sechstroh  verwendet.  Menschenzähne  fand  ich  nie  benutzt,  wohl  aber  in  gewissen  Ge- 
bieten Menschenhaar  in  Form  von  grobgeflochtenen  Schnüren. 

Felle  von  Säugethieren,  aber  ungegerbt,  da  die  Papuas  nicht  zu  gerben  verstehen, 
finden  zu  allerlei  Kopfschmuck  und  anderem  Putz  vielfach  Verwendung.     Nach  den 

1)  Nach  Guppy  werden  in  den  Salomons  besonders  folgende  Schmuckpflanzen  cultivirt:  MoschO' 
ioma  polystachum,  Ocymum  sanctum  und  Evodia  hortensis, 

2)  Wie  überall  in  Melanesien  noch  heute,  so  fanden  Hundezähne  in  gleicher  Weise  in  unserer 
prähistorischen  Zeit  Vcn\'endung  (vgl.  unter  Anderen  Nchring:  Verhandl.  der  Berliner  anthropologi- 
schen Gesellschaft,  Sitzung  vom  16.  Januar  1886,  S.  39,  Fig.  3). 

Annalen  des  k.  k.  naturliistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  1,  1S91.  6 


82  Dr.  O.  Finsch.  [220] 

Rudimenten  lassen  sich  die  verwendeten  Species  nicht  immer  sicher  bestimmen.  Cus- 
cus  maculatus  (in  Constantinhafen  *Mab^  genannt)  scheint  am  häufigsten  zu  sein, 
ausserdem  aber  auch  noch  andere  Species  benutzt  zu  werden.  Am  Sechstroh  erhielt  ich 
das  Fell  eines  sehr  merkwürdigen  Beutelthieres,  das  einer  neuen  Art  angehören  dürfte. 
Zum  Bespannen  der  Handtrommeln  dient  allgemein  die  Haut  grosser  Eidechsen  (Moni- 
tor), Rochenhaut  wird  zu  Raspeln  und  Feilen  benutzt,  dazu  auch  passende  Corall- 
stücke.  Hier  mag  auch  noch  der  häufigen  Verwendung  von  Schildpatt  gedacht  sein, 
äusserst  wichtig  für  Fischhaken,  und  der  zum  Theil  äusserst  kunstvollen  Arbeiten, 
namentlich  Armbändern  (Taf.  XV,  Fig.  3  und  Taf.  XXI,  Fig.  3)  aus  diesem  nicht  leicht 
zu  bearbeitenden  Material. 

Bezüglich  des  Schmuckes  aus  Federn  verhält  es  sich  wie  mit  dem  aus  Muscheln, 
nämlich  trotz  des  grossen  Artenreichthums  der  Vogelwelt  Neu-Guineas  werden  auch 
in  Kaiser  Wilhelms-Land  nur  wenige  Arten  Vögel  benutzt.     Die  häufigste  Verwen- 
dung finden  Federn  von  Casuaren  {^MuU  in  Finschhafen,  >7i/ar«  auf  Grager)  und 
gewisser  weit  verbreiteter  Papageienarten.    Unter  den  letzteren  werden  ganz  besonders 
benutzt:    die   grünen    und    rothen   Federn   von  Eclectus   {»Kabrai^   und    *Kabrai 
guang^  in  Bongu),  von  Lorius  erythrothorax  (^Läng*  in  Bongu),  Trichoglossus  (wohl 
Massenae  und  subplacenSy  einer  Charmoynd)  und  namentlich  die  gelben  Hauben- 
federn vom  Cacadu  (Cacatua  Triton^  i^Regi«^  in  Bongu).     Weiter  im  Westen  sind 
die  rothen  Federn  von  Dasyptilus  Pesqueti  häufig,  die  ich  übrigens  auch  in  Finsch- 
hafen erhielt.    Paradiesvögel  (Paradisea  Finschi)  wurden  mir  zuerst  auf  Grager  (hier 
>/)o€  genannt)  angeboten,  später  ziemlich  häufig  im  Westen  (Tagai).    Haubenfedern 
der  Kronentaube  (Goura^  in  Bongu  *Gori«i)  sind  überall  geschätzt,  aber  selten,  im 
Uebrigen  Federn  der  so  artenreich  in  Neu-Guinea  vertretenen  Ordnung  der  Tauben 
(*ßuna€  in  Bongu)  wenig  benutzt.     Am  beliebtesten  und  längs  der  ganzen  Küste 
verbreitet  sind  Hahnenfedern,  und  zwar  ganz  besonders  weisse  Schwanzfedern.  Haus- 
hühner finden  sich  zwar  an  der  ganzen  Küste,  aber  nur  in  beschränkter  Zahl  und  werden 
fast  nur  der  Federn  wegen  gehalten.   Federn  anderer  Vögel  habe  ich  kaum  verwendet 
gefunden;  nur  ein  paar  Mal  die  mittelsten  Schwanzfedern  einer  Tanyipteray  einmal 
die  Haubenfedern  von  Microglossus.     Dagegen  werden  die  fahnenlosen  hornartigen 
Schwingen  vom  Casuar  hin  und  wieder  benutzt,  z.  B.  Abschnitte  derselben  zu  Hals- 
ketten (Taf.  III,  Fig.  1 1  und  Taf.  XIV,  Fig.  2^),  sowie  am  Sechstroh  auch  Vogelknochen, 
wohl  von  Buceros  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  7.0).    Erwähnen  wir  zum  Schlüsse 
noch  der  gelegentlichen  Verwendung  von  Fischgebissen  und  Fischwirbeln  (Taf.  XIV, 
Fig-  5^)  und  Theilen  von  Krebsbeinen  und  Krebsscheeren  (Taf.  XVI,  Fig.  3  a). 

Weit  wichtiger  als  Knochen,  Zähne  und  Federn  sind  im  Leben  der  Papuas  Con- 
chylien,  weniger  zu  nützlichen  Gegenständen  als  zu  solchen  des  Schmuckes  und  Ver- 
zierung des  letzteren.  Wie  bereits  angedeutet,  muss  hervorgehoben  werden,  dass  trotz 
des  ungeheuren  Reichthums  an  «Arten  nur  einige  wenige  Meeresmuscheln  in  Betracht 
kommen,  und  zwar  fast  ausnahmslos  überall  dieselben  Species  in  derselben  Bearbeitung 
und  Benutzung. 

Zu  Geräthschaften  finden  am  häufigsten  Perlmutterschalen  (Margarita  marga- 
ritifera,  seltener  Avicula)  als  Schaber  Verwendung  und  Verarbeitung  (I,  Taf.  IV,  Fig.  7), 
zuweilen  auch  Nautilus,  Demnächst  als  Instrumente  zum  Schneiden  einige  Arten  bivalve 
Brackwassermuscheln  der  Gattung  Batissa  (B,  violacea  Lam.,  B.  Finschii  und  angu- 
lata  Reinh.),  seltener  eine  Cyrene  {papua  Less.).  Zu  Netzsenkern  werden  fast  nur 
Muscheln  verwendet  und  wie  überall  meist  Arca-Anen  (besonders  A.  granosa  L.  und 
holosericea  Reeve).  Tritonshörner  (Triton  tritonis)  dienen  allgemein,  wie  in  der  ganzen 


[22  il  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  83 

r 

Südsee,  auch  hier  als  ßlasinstrument,  zum  Sigoalgeben,  werden  auch  zuweilen  als 
Schöpfer  für  Canus  benutzt.  Sehr  wichtig  ist  die  Riesenmuschel  (Tridacna  gigas)^ 
deren  Schlosstheile  das  Material  zu  Axtklingen  liefert,  die  seltener  und  höher  geschätzt 
als  solche  aus  Stein  sind.  Zu  gleichem  Zwecke  finden  zuweilen  auch  Stücke  von  Hippo- 
pus  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  I,  Fig.  6^)  Verwendung.  Aus  Tridacna  (seltener  Hippopus) 
werden  auch  Stiele  zu  Angelhaken  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  i  a)  geschliffen. 

Sehr  mannigfach  ist  die  Verwendung  von  Conchylien  zu  Schmuckgegenständen, 
hier  aber  in  Folge  Bearbeitung  die  wissenschaftliche  Bestimmung  der  Arten  so  ausser- 
ordentlich erschwert,  dass  sich  in  den  meisten  Fällen  nur  die  Gattungen  feststellen 
lassen.  Wie  bereits  erwähnt,  wird  Spondylus  in  ganz  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  be- 
nutzt, von  künstlich  geschliffenen  Muschelplättchen  nur  eine  Art  (siehe  Nr.  638). 

Die  weiteste  Verbreitung  und  Verwendung  findet  eine  kleine  Cypraeen  ähn- 
liche Muschel  (Taf.  XIV,  Fig.  3  und  lo,  die  dem  Aussehen  nach  identisch  mit  dem 
>Tautau€  (Taf.  XIV,  Fig.  6)  von  der  Südostküste  scheint,  aber  nach  den  Untersuchun- 
gen von  Reinhardt*)  einer  Nassa-An  angehört.  Von  Huongolf  bis  Humboldt-Bai 
wird  man  diese  kleine  zierliche  Muschel  kaum  an  einem  Schmuckgegenstande  vermissen. 
Schnüre  dieser  Muschel  heissen  in  Finschhafen  »Ssanemt;  aber  auch  für  viele  mit  die- 
sem Material  verzierte  Gegenstände  wurde  mir  dieser  Name  angegeben,  der  vielleicht 
eben  nur  für  die  Muscheln  gelten  sollte. 

Nächst  dieser  Nassa  dienen  Theile  gewisser  Kegelschnecken  (Conus)  allenthalben 
als  beliebter  Ausputz  für  Gegenstände  des  Schmuckes.  Aus  den  Spüren  derselben,  so- 
genannte Conus-Boden,  werden  zuweilen  sehr  kunstvolle  Ringe  und  Scheiben  geschliffen 
(vgl.  Taf.  III,  Fig.  i3  und  Taf.  XIV,  Fig.  ^a  kleine;  Taf.  XIV,  Fig.  15a  und  Taf.  XVI, 
Fig.  I  grössere;  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI,  Fig.  5  gross).  Cypraea  moneta,  die  im  Leben 
afrikanischer  Völker  als  *Kauri€  eine  so  grosse  Rolle  spielt  bleibt  trotz  ihrer  Häufigkeit 
fast  unbenutzt  und  ich  habe  sie  nur  wenige  Male  verwendet  gesehen  (vgl.  Taf.  XIV, 
Fig.  14  und  Taf.  XVII,  Fig.  i).  Mehr  beliebt  sind  dagegen  eine  oder  ein  paar  andere 
Arten  Cypraea  zu  Brustschmuck  (Taf.  XVII,  Fig.  2),  sowie  Opula-Antn  (namentlich  O. 
Ovum,  Taf.  XVII,  Fig.  i).  Ausserordentlich  werthgeschätzt  in  gewissen  Gebieten  sind 
schalenförmige  Kreisabschnitte  von  Cymbium-  (Meloä-)  Arten  (Taf.  XVII,  Fig.  i  uüd 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIII,  Fig.  i)  zu  Brustschmuck,  die  hier  solche  aus  grossen  Perl- 
mutterschalen (Apicula)  an  der  Südostküste  (vgl.  II,  S.  3i2,  Nr.  514a  »Mairi^,  ähnlich 
I,  Taf.  III,  Fig.  18)  zu  vertreten  scheinen.  Kleinere  Scheiben  und  Platten  von  Cymhium 
dienen  hauptsächlich  zu  Behang  von  Tragbeuteln  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  X,  Fig.  i  c).  Zu 
letzterem  Zwecke  wird  zuweilen  auch  eine  Placuna -Art  benutzt.  Kleinere  ovale 
Muschelplatten  (wie  Taf.  XIV,  Fig.  17  c)  scheinen  ebenfalls  aus  Cymbium  geschliffen. 

Im  ganzen  Gebiet  verbreitet,  wenn  auch  im  Ganzen  nicht  häufig,  sind  (ähnlich  den 
^Laleiü  von  Neu-Britannien,  I,  S.  99,  Nr.  370)  Armringe  aus  dem  Basisquerschnitt  von 
Trochus  niloticus  geschliffen  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVIII,  Fig.  5),  zuweilen  mit  kunst- 
voller Gravirung.  Sie  gehören  mit  zu  den  hervorragendsten  Arbeiten  der  Papuakunst, 
wie  des  Steinzeitalters  überhaupt  und  werden  vielleicht  nur  übertroffen  durch  jene  be- 
wundernswerthen  Schleifarbeiten  aus  dem  Schlosstheile  der  Riesenmuschel,  Tridacna 
gigas,  unter  denen  Brust-  und  Armringe  obenan  stehen  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI, 
Fig.  3).  Ein  mir  vorliegender  Ring  von  10  Mm.  Dicke  und  85  Mm.  Durchmesser  im 
Lichten  ist  so  sauber  und  accurat  geschliffen,  dass  seine  Herstellung  europäischer  Kunst 

1)  »Eine  kleine  Nassa- Art  aus  der  Gruppe  Arcularia  Link  (vielleicht  N.  callospira  A.  Ad.),  di^ 
deshalb  schwierig  zu  bestimmen  ist,  weil  der  Haupttheil  des  Gehäuses  sammt  der  ganzen  Spira  ab- 
geschliffen ist.€  (Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  naturf.  Freunde,  Berlin,  20.  April  1880,  S.  57.) 

6* 


gA  Dr.  O.  Finsch.  [222] 

Ehre  machen  würde.  Aus  Tridacna  werden  auch  schöne  Nasenkeile  (EthnoL  Atlas, 
Taf.  XX,  Fig.  3  und  7)  geschliffen,  zu  Nasenschmuck  auch  Perlmutter  (Taf.  XV,  Pig-  2) 
und  Nautilus  verwendet.  Letztere  Muschel  (und  zwar  Nautilus  pompilius)  diente  auf 
Bilibili  auch  zum  Ausputz  der  Canus.  In  Astrolabe-Bai  sind  Leibschnüre  aus  Septaria, 
wohl  arenaria  (Taf.  XIV,  Fig.  5)  hochgeschätzt.  Des  Weiteren  kommen  andere 
Muschelarten  kaum  oder  doch  nur  ausnahmsweise  in  Betracht.  So  habe  ich  Cypraea 
lynx  und  Oliva  (zu  Klingeln)  nur  einzeln  benutzt  gesehen,  ebenso  Patella;  von  L.and- 
Schnecken  nur  einmal  eine  Helix-An  (vgl.  Nr.  504  der  Sammlung)  und  Nanina  aulica 
Pfr.  Deckel  von  Turbo  (pentolarius)y  als  Augen  für  Masken  in  Neu-Irland  so  häufig 
benutzt  (vgl.  I,  Taf.  Vi),  fand  ich  zu  gleichem  Zweck  einmal  auf  Guap  verwendet. 

c.  Aus  dem  Mineralreiche.  Hinsichtlich  der  Unkenntniss  der  verwendeten  Ge- 
steinsarten vergleiche  im  Vorhergehenden  »Aexte«  (S.  70). 

d.  Tauschmittei.  Wenn  alle  hier  aufgezählten  Materialien  und  die  daraus  gefer- 
tigten Gegenstände  mehr  oder  minder  als  Tauschmittel  im  Verkehr  der  Eingeborenen 
zu  betrachten  sind,  so  dürften  doch  ganz  besonders  einige  wenige  im  engeren  Sinne  als 
überall  gangbare  Münze,  im  Sinne  von  Geld  bei  uns,  gelten.  Konnte  ich  mir  auch  nicht 
völlige  Gewissheit  darüber  verschaffen,  so  glaube  ich  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  die 
folgenden  Nummern  auch  für  dieses  Gebiet  als  Eingeborenengeld  anführe.  Als  häufigste 
Sorte,  gleich  unseren  Scheidemünzen,  findet  längs  der  ganzen  Küste  am  meisten  Ver- 
wendung: 

Ssanem  (Nr.  63o,  i  Probe  —  II,  S.  842,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  3),  Muschelgeld  aus 
einer  Nassa,  a  aufgereihte  Muscheln,  b  Muschel  von  der  Unterseite,  c  desgleichen  von 
der  Oberseite.  Finschhafen.  In  Astrolabe-Bai  (Bogadschi)  heissen  solche  Muschelschnüre 
9  Darramt. 

Die  Vergleichung  mit  dem  »  Tautaut ^  dem  Muschelgeld  der  Südostküste  (Taf.  XIV, 
Fig.  6),  lässt  kaum  einen  Unterschied  erkennen.  Aber  das  Tautau  soll  einer  Cassidula 
angehören,  während  i> Ssanem t^  nach  der  Bestimmung  von  v.  Martens,  unzweifelhaft 
eine  Nassa  und  ziemlich  sicher  N,  callospira  ist.  Leider  habe  ich  die  unverletzte 
Muschel  nicht  erlangen  können,  wie  mir  dies  bei  dem  Diwara  (Taf.  III,  Fig.  i)  von 
Blanche-Bai  möglich*  war,  das  von  v.  Martens  als  Nassa  callosa  var.  camelus  (Taf.  III, 
Fig.  la)  festgestellt  wurde.  Die  Bearbeitung  von  Ssanem  ist  ganz  ähnlich  wie  bei 
Diwaray  d.  h.  der  Mantel  wird  abgeschlagen,  aber  die  Bruchfläche  abgeschliffen,  daher 
die  Stücke  dünner  sind.  Auch  zeigt  Diwara  nur  eine  Oeffnung,  Ssanem  dagegen  zwei 
(vgl.  Taf.  III,  Fig.  IC  und  Taf.  XIV,  Fig.  Sc).  Eine  zweite,  bei  Weitem  werth vollere 
Sorte  ist : 

Muschelgeld  (Nr.  638,  i  Probe  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  4),  kleine,  dünne, 
runde,  aus  einer  hellfarbigen,  fast  weisslichen  Muschel  geschliffene  Scheibchen  von  circa 
4—5  Mm.  Durchmesser  (Fig.  40).   Huongolf. 

Diese  einzige  Art  künstlich  geschliffener  Muschelscheibchen,  welche  mir  in  Kaiser 
Wilhelms-Land  vorkam,  fand  ich  nur  von  Huongolf  bis  zum  Festungscap,  sie  mag  aber 
auch  weiter  verbreitet  sein.  Im  Ganzen  waren  diese  Art  Muschelscheibchen  sowohl  zu 
Schmucksachen  verarbeitet,  als  auf  Schnüre  gereiht,  sehr  selten  und  wurden  von  den 
Eingeborenen  besonders  hochgehalten.  In  Finschhafen  heissen  Schnüre  dieses  Muschel- 
geldes ^ Ssanem ty  also  ganz  wie  die  aus  Nassa]  doch  ist  eine  irrige  Auffassung  meiner- 
seits nicht  ausgeschlossen. 

Nach  V.  Martens  sind  diese  Scheibchen  höchst  wahrscheinlich  aus  einem  kleinen 
Conus  (wohl  musicus)  gearbeitet,  nach  meinem  Vermuthen  vielleicht  aus  Muschel- 
splittern, wie  sich  solche  am  Strande  finden.    Genau  so  grosse,  man  kann  sagen  fast 


[223]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  85 

identische  Muschelsch eibchen  kommen  auf  Bonaba  (Ocean-Island)  vor,  ganz  ähnliche  in 
Ncu-Irland  (I,  S.  28,  Taf.  III,  Fig.  4). 

Als  dritte  und  werthvollste  Sorte  Geld  dürften,  wie  für  die  Südostküste,  auch  hier 
Hundezähne  zu  betrachten  sein. 

Hundezähne  (Nr.  500 ä,  i  Probe),  durchbohrt,  49  Stück,  die  auf  eine  35  Cm. 
lange  Schnur  gereiht  sind.   Huongolf. 

Schnüre  aufgereihter  Hundezähne  heissen  in  Astrolabe-Bai  (Bogadschi)  *  Bongala  ^ 
und  sind  häufig  von  Huongolf  bis  Astrolabe-Bai.  Hier,  sowie  von  Astrolabe  westlich  bis 
zum  Hammacherfluss  werden  Hundezähne  auch  ausserordentlich  häufig  zur  Verzierung 
von  allerlei  Gegenständen  des  Putzes  verwendet.  Weiter  westlich  fiel  mir  der  Mangel 
von  Hundezähnen  auf,  die  ich  zuerst  in  beschränkter  Zahl  wieder  in  Angriffshafen  be- 
obachtete. 

Das  werthvollste  Tauschmittel  sind,  wie  erwähnt,  abnorm  gekrümmte,  fast  cirkel- 
runde  Eberhauer. 

//.  Körperaiisput\. 

Wie  bei  allen  Papuas  schmückt  sich  das  männliche  Geschlecht  bei  Weitem  mehr 
als  das  weibliche;  alle  im  Nachfolgenden  beschriebenen  Gegenstände  sind  daher  fast 
ausnahmslos  für  Männer  bestimmt. 

A.  Bekleidung. 

Unter  Bekleidung  haben  wir  auch  hier  nur  die  zuweilen  nothdürftige  Bedeckung 
der  Schamtheile  zu  verstehen,  wofür  im  Allgemeinen  für  Männer  ein  Tapazeugstreif, 
für  Frauen  ein  Faserschurz  genügt.  Völlig  unbekleidet  sah  ich  nur  Männer  in  Adolph- 
hafen und  Humboldt-Bai  (hier  als  Regel)  und  nach  den  Berichten  von  Dr.  Schrader 
gehen  auch  die  Männer  im  Inneren,  am  Augustaflusse,  meist  nackt. 

Dasselbe  gilt  im  Allgemeinen  auch  für  die  männliche  Jugend  bis  circa  zum  10. 
oder  12.  Jahre,  aber  ich  habe  öfters  (z.  B.  in  Finschhafen)  noch  kleine  Knaben  bereits 
mit  der  üblichen  Schambinde  bekleidet  gesehen. 

Tapa,  d.  h.  Zeug  aus  geschlagenem  Baumbast  (vgl.  I,  S.  92),  wird  an  der  ganzen 
Küste  verfertigt,  und  zwar  in  verschiedenen  Sorten.  Gewöhnlich  ist  die  Tapa  ziemlich 
grob  und  von  bräunlicher  Naturfarbe.  Grössere  Stücke  solcher  Tapa  pflegen  die  kälte- 
empfindlichen Papuas  auch  als  eine  Art  Tücher  zu  benutzen,  in  welche  sie  bei  kühler 
Temperatur,  namentlich  in  der  Morgenfrische,  ihren  Oberkörper  einhüllen.  Tapa- 
streifen  zu  Schambinden  werden  häufig  gefärbt,  meist  mit  rother  Farbe  eingerieben, 
wie  das  folgende  Stück. 

Tapa  (Nr.  258,  i  Stück),  mit  feinen  cannelirten,  eingedrückten  Querstreifen.  Insel 
Grager. 

Solche  Schambinden  färben  ab  und  verlieren  ihr  schönes  Aussehen  sehr  bald. 
Andere  in  waschechter,  meist  rother  Farbe,')  zuweilen  in  recht  hübschen  Mustern  be- 
malt, halten  sich  länger,  aber  im  Allgemeinen  machen  diese  Schambinden  doch  einen 
sehr  armseligen  und  lumpigen  Eindruck. 

Für  gewöhnlich  genügt  ein  Stück  ordinärer  Tapa,  das  an  einem  Baststrick  befestigt 
ist  und  zwischen  den  Beinen  durchgezogen,  die  Geschlechtstheile  Suspensorium  artig 
verhüllt  (wie  Taf.  XVI,  Fig.  4  und  5  meines  Ethnol.  Atlas  von  Huongolf).  Hier  wie  in 
Finschhafen  und  auf  Long-Insel  ist  aber  häufig  nur  der  Penis  in  den  Tapastreif  ein- 

I)  Das  Färbemittel  ist  die  Abkochung  von  Mangroverinde  und  ein  sehr  haltbarer  Färbestoff, 


86  Dr.  O.  Finsch.  [224] 

gewickelt,  so  dass  das  Scrotum  sichtbar  bleibt.  In  Astrolabe-Bai  und  weiter  westlich 
werden  breite  und  lange  Streifen  Tapa  oft  zweimal  um  den  Leib  geschlungen,  so  dass 
vorn  ein  Ende  schürzenartig  herabhängt.  Diese  meist  bunt  (roth)  gefärbten  Lenden- 
binden (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIV,  Fig.  i  Bilia,  und  Fig.  2  Venushuk,  und  »Samoa- 
fahrten«  S.  55)  kleiden  sehr  decent  und  hübsch. 

Die  folgende  Nummer  repräsentirt  einen  feinen 

Mal  (Bonguspr)  (Nr.  248,  i  Stück),  Leibbinde  aus  Tapa.  Das  Tapastück  ist 
5*6  M.  lang  und  bildet  eine  oben  32  Cm.,  unten  10  Cm.  breite  Röhre,  die  in  ihrer 
ganzen  Länge  von  dem  betreffenden  Baume  abgezogen  wurde.  Das  breite  Ende  ist  in 
gefälligem  Grecmuster  waschecht  roth  bemalt  und  der  Länge  nach  mit  14  rothen 
Streifen,   Von  Bogadschi  (Astrolabe-Bai). 

Sehr  schöne  Tapa  in  gefälligen  Mustern  sah  ich  unter  Anderem  auch  auf  Guap. 

Junge  Leute,  die  putzsüchtiger  als  die  alten  sind,  tragen  häufig  unter  der  Leibbinde 
von  Tapa  noch  einen  10 — 16  Cm.  breiten  Gürtel  aus  feinem  Geflecht,  meist  roth  ge- 
färbt, der  gleich  um  den  Leib  geflochten  ist  und  diesen  unnatürlich  einschnürt  (vgl.  II, 
S.  3oo,  Fig.  3),  was  auch  hier  als  fashionabel  gilt.  Die  Taillenweite  eines  jungen,  circa 
27  Jahre  alten  Mannes  von  Grager  betrug  in  Folge  dieses  Einschnürens  nur  65  Cm., 
bei  einem  anderen  gar  nur  60  Cm.  Die  Gürtel  mussten,  wie  immer  in  solchen  Fällen, 
abgeschnitten  werden.  Diese  Art  Leibgürtel  sind  hauptsächlich  im  Archipel  der  zu- 
friedenen Menschen  und  weiter  westlich  Mode  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVI,  Fig.  3 
von  Hatzfeldthafen).  Sie  werden  in  Astrolabe  wie  gewisse  Armbänder  >i4ri€  genannt, 
wohl  nach  dem  Material.  Um  dem  Grasgürtel  mehr  Festigkeit  zu  geben,  dient  häufig 
ein  breiter  Rindenstreif  als  Unterlage  oder  wird  gleich  unter  der  Tapaleibbinde  getragen 
wie  das  folgende  Stück: 

Leibgurt  (Nr.  570,  i  Stück),  aus  Rinde.  Massilia. 

Ich  beobachtete  solche  Rindengürtel  von  Astrolabe  bis  Angriffshafen.  Sie  werden 
vorzugsweise  von  jungen  Leuten  getragen  und  sind  zuweilen  kunstlos  roth  und  schwarz 
bemalt.  Fein  gravirte  Gürtel  wie  an  der  Südostküste  (II,  S.  315,  Fig.  24  und  25)  sah 
ich  nicht. 

Ein  besonders  feines  Stück  ist  die  folgende  Nummer: 

Schamschurz  (Nr.  249,  i  Stück),  von  Venushuk.  Ein  3*6  M.  langes,  oben 
22  Cm.,  unten  1 1  Cm.  breites  naturfarbenes  Stück  Tapa,  mit  reicher  Verzierung  aus 
Flechtwerk,  Na^^a-Muscheln  und  Menschenhaar.  An  dem  breiten  Ende  ist  eine  49  Cm. 
breite  Kante  aus  feinem  Bindfaden  geknüpft,  in  deren  Mitte  ein  Querstreifen  aus  roth- 
gefärbtem gespaltenen  Rottang,  jederseits  mit  einer  Schnur  aus  Menschenhaar  und  einer 
Reihe  Nassa  bordirt.  Der  untere  Rand  der  Kante  endet  in  neun  Bögen,  die  mit  Nassa 
besetzt  sind  und  an  denen  ebensoviel  48  Cm.  lange  Streifen  befestigt  sind,  welche  am 
Ende  länglich-runde  Scheiben  tragen ;  Alles  ist  reich  mit  Muscheln  (Nassa)y  Menschen- 
haar, schwarzen  runden  Fruchtkernen  und  Abschnitten  von  Cacadufedem  verziert. 

Diese  Art  Binden,  welche  ich  nur  bei  Venushuk  beobachtete,  gürten  den  Leib, 
während  die  reich  verzierte  Kante  vorne  schürzenartig  herabfällt  (vgl.  »Samoafahrten« 
Abbild.,  S.  292),  was  sehr  originell  und  geschmackvoll  kleidet. 

Eine  höchst  originelle  Schambekleidung  der  Männer  findet  sich  zuerst  in  Angriffs- 
hafen und  von  da  weiter  westlich,  wie  die  folgenden  Nummern. 

Schamkalebasse  (Nr.  900,  i  Stück  —  II,  S.  350,  Taf.  XVIII  [10],  Fig.  5),  aus 
einem  getrockneten  Flaschenkürbis  (Calebasse),  von  bauchiger  Form,  21  Cm.  Umfang, 
mit  hübschem  eingebrannten  Muster  verziert;  die  Oeffnung  (in  welche  der  in  die  Vor- 


[225I  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegistücke  aus  der  SQdsee.  gy 

haut  zurückgezogene  Penis  gesteckt  wird)  sehr  eng,  nur  20  Mm.  Durchmesser  (Fig.  5^). 
Vom  Sechstrohfluss. 

Desgleichen  (Nr.  901,  i  Stück),  längliche  Form,  11  Cm.  lang;  von  Angriffshafen, 
mit  eingebrannter  Zeichnung,  OefTnung  3o  Mm.  weit. 

Desgleichen  (Nr.  902,  i  Stück)  daher,  länglich  16  Cm.  lang  und  circa  5  Cm. 
im  Durchmesser;  mit  eingebrannter  Zeichnung,  darunter  sehr  erkennbar  die  einer 
Eidechse  (Taf.  XVIII,  Fig.  5^),  Oeffnung  37  Mm.  weit.  In  der  Kalebasse  befinden  sich 
noch  Blätter,  die  zum  Schutze  des  Penis  oder  zur  Verstärkung  desselben  dienen,  damit 
beim  Gehen  die  Schamkalebasse  nicht  abfällt. 

Die  Schamkalebassen  bilden  die  häufigste,  aber  nicht  ausschliessende  Bekleidung 
der  Männer  von  AngrifTshafen  und  weiter  westlich,  denn  manche  bedienen  sich  statt 
derselben  des  üblichen  Tapastreifs.  Die  Mehrzahl  der  Männer  in  Humboldt-Bai,  wo  ich 
diese  Penisbekleidung  ebenfalls  beobachtete,  ging  übrigens  völlig  nackt  einher.  Die  Art, 
wie  diese  Kalebassen  getragen  werden,  zeigt  Taf.  XVI,  Fig.  7  in  meinem  Ethnol.  Atlas. 

Das  weibliche  Geschlecht  ist  schon  von  frühester  Jugend  an  mit  einem  Faser^ 
schürzchen  bekleidet  und  nur  in  Humboldt-Bai  sah  ich,  das  erste  Mal  seit  Neu-Britan- 
nien,  junge  mannbare  Mädchen  vollständig  nackt.  Die  Frauen  hier  schlagen  ein 
breites,  meist  gemustertes  Stück  Tapa  sarongartig  um  die  Hüften  (Abbild.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  354),  aber  auch  in  Humboldt-Bai  bemerkt  man  Faserschurze,  wie  dies  für 
die  ganze  übrige  Küste  gUt.  Diese  Schürzchen  oder  Röcke  stimmen  ganz  mit  den  Lami 
(11,  S.  3oo)  an  der  SüdostkÜste  überein  und  sind  wie  diese  für  gewöhnlich  aus  gröberer 
Blattfaser  (von  Cocospalme)  verfertigt,  die  besseren  Sorten  aus  der  feingespaltenen  Blatt- 
faser der  Sagopalme  und  wie  dort  bunt  *)  (schwarz  und  kirschbraunroth  oder  schwarz, 
roth  und  gelb)  gestreift.  Diese  Faserschurze  der  Frauen,  in  Bongu  auch  y>MaU  ge- 
nannt, reichen  meist  bis  zum  und  über  das  Knie  und  rings  um  den  ganzen  Leib. 
Mädchen  pflegen  aber  meist  nur  ein  Doppelschürzchen  zu  tragen  wie  die  folgenden 
Nummern: 

Schürzchen  (Nr.  241,  i  Stück),  aus  Blatt  fasern  der  Sagopalme,  mit  rothen  und 
naturfarbenen  Längsstreifen;  am  oberen  Rande  mit  zierlicher  Bogenkante  aus  Bindfaden. 
Das  längere  Schürzchen,  welches  über  das  Gesäss  herabhängt,  ist  39  Cm.  lang  und 
19  Mm.  breit,  das  vordere  nur  3i  Cm.  lang.   Finschhafen. 

Desgleichen  (Nr.  242,  i  Stück)  schwarz  und  roth,  zweitheilig;  das  vordere 
Schürzchen  ist  28  Cm.,  das  hintere  45  Cm.  lang.   Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Diese  Schürzchen  bestehen  zuweilen  aus  drei  volantartig  übereinander  gelegten 
Faserbüscheln  (wie  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  108)  und  werden  an  manchen  Orten 
auch  von  Frauen  getragen,  z.  B.  in  Dallmannhafen  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVI,  Fig.  9). 
Sehr  schöne  mit  Muscheln  (Nassa)  und  Federn  verzierte  Faserröcke  erhielt  ich  in 
Broken  Water-Bai.  Auf  Bilibili  scheint  die  Verfertigung  von  Weiberröcken  lebhaft  be- 
trieben zu  werden  und  sie  gehören  mit  zu  den  Tausch artikeln,  welche  die  Männer  auf 
ihren  Handelsreisen  mitnehmen. 

Besondere  Bekleidung  der  Frauen  beobachtete  ich  einige  Male  in  Finschhafen  und 
Huongolf.  Dieselbe  bestand  in  einem  ausserordentlich  grossen,  sackartigen  Ueberwurf  aus 
feiner  Filetarbeit  (bis  1-5  M.  lang  und  1*25  M.  breit),  welchen  die  Frauen  über  den  Kopf 
tnigen  und  sich  darin  einhüllten.  Solche  Ueber würfe  heissen  in  Finschhafen  T^Audun*, 
ytxt  die  kleinen  filetgestrickten  Weiberkappen.     In  Finschhafen  pflegten  Frauen  statt 


1)  Die  Färbemittel  fQr  Schwarz  und  Roth  sind  Abkochungen  von  Mangroverinde,  für  Gelb  höchst 
wahnchcinlich  Curcum^. 


88  Dr.  O.  Finsch.  [226] 

des  Faserschürzchens  einzeln  auch  filetgestrickte  Beutel  vorder-  und  hinterseits  in  den 
Leibstrick  zu  befestigen. 

B.  Schmuck  und  Zieraten. 
a.  Hautverzierung. 

Tätowirung.  Während  wir  dieselbe  in  reicher  Ausbildung  im  Südosten  (11, 
S.  3oo — 305),  sowie  an  der  Ostspitze  kennen  lernten,  fehlt  sie  an  dieser  ganzen  Küste 
durchaus.  Ich  war  daher  überrascht,  zuerst  wieder  in  Humboldt-Bai  tätowirte  Frauen 
zu  sehen,  und  zwar  in  neuen  charakteristischen  Mustern  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  362).  Am  Sechstrohfluss  hatte  ein  Mann  auf  der  Stirne  vier  undeutliche  Ringe  täto- 
wirt,  der  einzige  Fall,  welcher  mir  vorkam.  Dagegen  waren  Ziernarben  auf  Achseln 
und  Brust,  meist  in  sehr  erhabenen  Schnörkeln,  zuweilen  förmliche  Figuren  bildend 
(vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  334),  nicht  selten  bei  Männern  westlich  von  Astrolabe- 
Bai,  ganz  besonders  von  Angriffs-  bis  Humboldthafen.  Hier  bemerkte  ich  auch  häufig 
bei  Frauen  stark  hervortretende  Ziernarben,  die,  wie  in  Neu-Britannien  (I,  S.  96)  als 
Schönheit  gelten. 

In  Astrolabe-Bai  (Bongu)  beobachtete  ich  bei  beiden  Geschlechtern  auf  Schultern 
und  Armen  kleine  Brandwunden,  reihenweise  angeordnet,  ganz  wie  dies  in  den  Gilberts- 
Inseln  Sitte  ist. 

Bemalen  des  Körpers  ist  an  der  ganzen  Küste  üblich,  es  würde  mich  aber  hier  zu 
weit  führen,  in  Details  zu  gehen.  Rothe  Farbe  spielt  auch  hier  die  Hauptrolle;  schwarz 
scheint,  wie  überall,  Zeichen  der  Trauer  zu  sein.  Zu  den  allgemein  üblichen  Farben 
Roth,  Schwarz,  Weiss,  die  aus  denselben  Stoffen  bereitet  werden  wie  überall  (z.  B.  Neu- 
Britannien,  I,  S.  95,  96),  kommt  in  gewissen  Gebieten  von  Kaiser  Wilhelms-Land  noch 
Gelb  und  Grau.  Erstere  Farbe  ist  eine  gelbe  Ockererde,  die  ich  zuerst  in  Dalimannhafen 
verwendet  sah  und  die  ganz  besonders  im  Inneren  des  Augustaflusses  benutzt  wird. 

Das  folgende  Stück: 

Graue  Erde  (Nr.  933,  i  Probe),  flacher,  runder  Fladen  von  20  Cm.  Durchmesser, 
in  der  Mitte  ein  Loch,  um  ein  Band  zum  Tragen  hineinzuknüpfen.  Vom  Sechstrohfluss. 
Dient,  wie  ich  seither  belehrt  worden  bin,  ebenfalls  zum  Bemalen  und  ist  nicht,  wie  ich 
irrthümlich  annahm,  »essbare  Erde«  (Kat.  II,  S.  11  und  35;  Kat.  der  Austeil.  Bremen, 
S.  9;  »Samoafahrten«,  S.  295  und  346).  Ich  erhielt  diese  Erde  zuerst  bei  Venushuk,  sie 
wurde  aber  nach  Westen  häufiger  und  namentlich  am  Sechstrohfluss  zum  Kauf  ange- 
boten. Die  Eingeborenen  schienen  anzudeuten,  dass  sie  diese  Erde  essen,  und  mir  schien 
dies  glaublich,  weil  sie  kleine  Proben  davon  genossen.  Auch  sah  ich  hier  keine  graue 
Bemalung  des  Körpers,  Wohl  war  mir  dieselbe  aber  vorher  bei  Tagai  aufgefallen,  wo 
einzelne  Männer  breite,  grau  gemalte  Streifen  über  Brust  und  Rücken  zeigten  (vgl. 
»Samoafahrten«,  S.  325,  Abbild.);  aber  hier  erhielt  ich  zufälligerweise  nicht  das  Fär- 
bungsmaterial selbst. 

Wenn  Bemalen  in  der  Toilettenkunst  der  Papuas  obenan  steht,  so  besitzen  die 
der  Küste  von  Kaiser  Wilhelms-Land  noch  besondere  Toilettenmittel.  Dazu  gehört 
eine  Art  Zahnpulver,  anscheinend  eine  mergelartige  graue  Erde  in  Pulverform.  Sie 
heisst  in  Finschhafen  »Gasu€  und  wird  zuweilen  in  hölzernen  Büchschen  (aus  einem 
markleeren  Stückchen  Zweig)  oder  solchen  aus  Bambu,  Da  genannt,  aufbewahrt.  Durch 
das  Abreiben  der  Zähne  mit  diesem  Pulver  werden  dieselben,  trotz  des  Betelgenusses, 
weiss  erhalten. 


[227]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  So 

Ausserdem  erhielt  ich  ein  wohlriechendes  Harz  (z.  B.  in  Friedrich  Wilhelms- 
Hafen),  das  die  Männer  häufig  in  Form  kleiner  Kugeln  in  ihren  Brustbeuteln  mit  sich 
führen.  Nach  Hollrung  wird  das  Harz  mit  dem  wohlriechenden  Ocymum  sanctum 
zusammengeknetet. 

b,  Frisuren  und  Haarschmuck. 

Wenn  wir  zunächst  das  Haar  selbst  betrachten,  so  unterliegt  dasselbe  bei  Papuas 
in  noch  höherem  Masse  künstlicher  Behandlung  als  bei  uns.  Schon  von  der  zartesten 
Jugend  an  wird  es  mit  Farbe,  Russ,  Erde  u.  dgl.  eingerieben,  rasirt,  aufgezaust,  zu  be- 
sonderen Frisuren  gruppirt,  wie  wir  dieselben  zum  Theil  schon  im  Vorhergehenden 
(II,  S.  3o6)  kennen  lernten.  Bei  der  Fülle  von  Material,  welches  ich  über  Haar,  dessen 
Behandlung  und  Ausschmückung  in  Kaiser  Wilhelms-Land  sammelte,  muss  ich  mich 
hier  auf  allgemeine  Bemerkungen  beschränken.  Da  mag  zunächst  erwähnt  werden, 
dass  Männer  viel  grössere  Sorgfalt  auf  das  Haar  verwenden  als  Frauen,  und  ferner  dass 
die  verschiedene  Behandlung  des  Haares  vom  Lebensalter  sehr  beeinflusst  wird,  wie 
schliesslich  vom  Individuum  selbst.  Denn  auch  unter  den  Papuas  gibt  es  Personen  mit 
schwachem  Haarwuchs,  der  sich  selbst  bis  zur  Glatze  steigert,  obwohl  solche  im  Ganzen 
sehr  selten  sind.  Kinder  beiderlei  Geschlechts  tragen  meist  kurzes  Haar  oder  haben 
häufig  den  ganzen  Kopf  rasirt,  was  schon  aus  praktischen  Gründen  geschieht,  da  das 
Einschmieren  mit  feuchter  Asche  zur  Ausrottung  der  Läuse  nicht  ausreicht.  Angesichts 
des  sauber  rasirten  Kopfhaares,  wie  es  nicht  blos  bei  Kindern,  sondern  auch  Frauen 
vorkommt,  muss  man  staunen,  wie  diese  Procedur  ohne  eiserne  Werkzeuge  möglich 
ist.  Aber  die  scharfe  Kante  einer  Steinbeilklinge  oder  eines  Stückchen  Bambu  schneidet 
gar  nicht  so  schlecht,  und  mit  solchen  »Messern«  wird  die  Haarfülle  abgeschnitten,  wie 
ich  selbst  beobachten  konnte.  Zum  Rasiren  werden  (wie  Maclay  lehrt)  gewisse  scharf- 
randige  Gräser  benutzt,  das  Barthaar  meist  durch  Ausreissen  entfernt,  wie  ich  dies  in 
Neu-Britannien  oft  sehen  konnte. 

Junge  Leute  pflegen  das  Haar  meist  an  der  Basis  des  Hinterkopfes  abzurasiren 
und  lassen  es  im  Uebrigen  länger  wachsen,  so  dass  es  in  seiner  Gesammtheit  den  Kopf 
ähnlich  wie  eine  kurze  dichte  Pelzkappe  bedeckt  (vgl.  II,  S.  3oo,  Fig.  4,  und  Abbild. 
»Samoafahrten«,  S.  323,  Bursche  von  Tagai,  und  S.  284,  Mädchen  von  Teste-Insel). 
Diese  Art  Haartracht  ist  am*  häufigsten  und  von  mir  längs  der  ganzen  Küste  beobachtet 
worden,  ebenso  jene,  welche  bei  etwas  längerem  Haare  diese  zu  Zotteln  verfilzt.  In 
Folge  der  spiraligen  Structur  ist  das  Papuahaar  ohnehin  sehr  geneigt,  sich  zu  Klümp- 
chen  zu  verschlingen,  und  Einreibungen  von  Erde,  Farbe,  geschabter  Cocosnuss  (nicht 
Oel)  etc.  thun  ein  Uebriges,  um  Zotteln  zu  bilden,  wie  sie  namentlich  auch  für  das  weib- 
liche Geschlecht  zur  Regel  werden  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  40,  Weiber  von  Bongu). 
Junge  Mädchen  und  Frauen,  die  mehr  Sorgfalt  anwenden,  pflegen  häufig  das  Haar  in 
dünnen,  bleistiftdicken,  zusammengedrehten  Strähnen  zu  tragen,  die  vorne  bis  auf  die 
Augen,  hinten  bis  in  den  Nacken  herabhängen,  mit  rother  Farbe  eingerieben  werden 
und  sehr  artig  kleiden  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  108,  Mädchen  von  Grager,  und 
S.  362,  Frau  von  Humboldt-Bai).  Afop,  d.  h.  jene  durch  Aufzausen  künstlich  herge- 
stellten Haarwolken,  wie  sie  namentlich  bei  den  Motumädchen  an  der  Südostküste  (vgl. 
II,  S.  3o3,  Fig.  6)  so  beliebt  sind,  habe  ich  in  Kaiser  Wilhelms-Land  beim  weiblichen 
Geschlecht  nicht  gesehen,  wohl  aber  bei  jungen  Burschen,  die  am  putzsüchtigsten  sind. 
I^iese  Haarwolken  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  333,  Massilia)  sind  übrigens,  dick 
"™it  rother  oder  schwarzer  Farbe  eingeschmiert  oder  bepudert,  blos  Festschmuck  und 


go  Dr.  O.  Finsctu  [2281 

gelten  nicht  für  alltags.  Haarwolken  kommen  hauptsächlich  in  Astrolabe-Bai  und 
Friedrich  Wilhelms-Hafen  vor.  Hier  bedienen  sich  die  jungen  Leute  (Malassi  in 
Bongu)  noch  einer  besonderen  Art  zierlicher  Bändchen ,  die  ich  sonst  nirgends  an- 
getroffen habe^.wie  die  folgenden  Nummern. 

Dedal  (Nr.  278 — 280,  3  Stück),  Haarbänder  von  Grager,  circa  10 — 15  Mm.  breit 
und  circa  25 — 3o  Cm.  lang,  aus  sehr  dünner  Pflanzenfaser  {PandanuS'BlBXt})y  äusserst 
zierlich,  durchbrochen  geflochten  und  mit  Kalk  weiss  bemalt,  so  dass  sie  wie  fein  ge- 
häkelt aussehen  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVII,  Fig.  7,  8)  und  sehr  geschmackvoll  kleiden. 
Jede  Seite  des  Bandes  endet  in  eine  hölzerne  Nadel  zum  Feststecken,  und  das  Band 
dient  dazu,  das  Haar  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  87)  niederzuhalten.  Zu  diesem 
Zwecke  werden  auch  kunstlose,  circa  3  Mm.  breite  Reifen  aus  gespaltenem  Rottang  be- 
nutzt. Von  Massilia  westlich  ist  mir  bei  jungen  Leuten  zuweilen  eine  besondere  Haar- 
frisur aufgefallen:  der  Kopf  war  bis  auf  einen  Mittellängsstreif  rasirt,  wie  dies  in  Neu- 
Irland  (I,  S.  128)  so  häuflg  geschieht. 

Erwachsene  Männer  (Tamo  in  Bongu)  tragen  keinen  Mop,  dagegen  eine  andere 
Art  Haartracht,  die  in  Constantinhafen  »Gatessi*  heisst  und  für  einen  grossen  Theil 
dieser  Küste  charakteristisch  wird.  Die  Haare  am  Hinterkopfe  lässt  man  nämlich 
wachsen,  so  dass  sie  im  Vereine  mit  eingeriebener  Erde  u.  s.  w.  lange  gedrehte  Strähne 
bilden,  die  oft  bis  tief  in  den  Nacken  herabhängen  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  283)  und 
zuweilen  so  lang  sind,  dass  sie  vorne  über  die  Schulter  gelegt  werden  können.  Gatessi 
sind  der  Stolz  der  Männer,  werden  aber  bei  Weitem  nicht  von  allen  getragen.  Sie  sind 
in  Astrolabe-Bai  am  häufigsten;  ich  beobachtete  sie  aber  auch  in  Huongolf  und  ver- 
einzelt bis  Dallmannhafen. 

In  Huongolf  sah  ich  ein  paar  Mal  Männer,  welche  das  ganze  Kopfhaar  in  dünne 
Stränge  gedreht  hatten,  die  längs  der  Scheitelmitte  abgetheilt,  an  jeder  Seite  tief  herab- 
hängen, wie  die  folgende  Probe: 

Längste  Haarsträhne  (Nr.  271)  eines  Mannes  von  Parsihuk.  Dieselbe  hat  18  engl. 
Zoll  Länge  und  reichte. bis  über  die  Brustwarze  hinaus  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  157).  Der  Träger  schien  ein  hoher  Herr  zu  sein  und  schnitt  mir  Proben  dieses  Haares, 
wie  ich  sonst  nie  wieder  in  Neu-Guinea  zu  sehen  bekam,  mit  einem  Steinbeile  ab.  Als 
Gegensatz  zu  dieser  künstlichen  Haarbildung  kann  die  folgende  Nummer  dienen. 

Nackenhaar  (Nr.  270)  eines  Mannes  von  Tagai.  Dasselbe  bildet  eine  dicke, 
dichte,  filzartige  Masse,  die  über  den  ausrasirten  Hinterkopf  tief  in  den  Nacken  herab- 
reichte (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  325). 

Ich  sah  derartig  abnormes  Haar  nur  von  Tagai  bis  Angriflshafen,  und  zwar  sehr 
vereinzelt,  so  dass  dasselbe  möglicher  Weise  als  Auszeichnung  besonders  hoher  Häupt- 
linge gelten  mag. 

Wie  im  Osten  Gatessi,  so  werden  im  Westen  (von  Hatzfeldthafen  bis  Tagai) 
Zöpfe  charakteristisch.  Ich  meine  damit  nicht  Zöpfe,  wie  sie  in  der  darnach  benannten 
Zeit  Mode  waren,  sondern  eine  Vereinigung  des  gesammten  Haares  des  Hinterkopfes. 
Dasselbe  bildet  dann  eine  dichte,  bis  0*24  M.  lange  Masse,  die  wagrecht  absteht,  mit 
Blattstreifen  o.  dgl.  umbunden  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  299)  oder  in  beson- 
deren Haarkörbchen  getragen  wird,  wie  die  folgenden  Nummern : 

Haarkörbchen  (Nr.  352,  i  Stück),  ein  24  Cm.  langer,  an  der  Basis  9  Cm.,  am 
Ende  6  Cm.  Durchmesser  haltender,  daher  etwas  konischer  Cylinder  von  feinster  Korb- 
flechtarbeit, über  Bambusstäbe,  mit  reichem  Muster  von  Nassa  besetzt;  an  der  Basis  eine 
2  Cm.  breite  Binde  aus  rothem  Geflecht,  mit  Nassa  bordirt,  und  einem  Conusring;  am 
Ende  eine  breite  Binde  aus  fuchsrothem  Cuscusfell;  ausserdem  vier  Anhängsel  aus 


[229]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gi 

schwarzen  Fruchtkernen  und  feinen  Kettchen,  am  Ende  der  letzteren  ist  je  eine  abge- 
schnittene Feder  (wohl  von  Eudynamis)  angebunden.  Vom  Caprivifluss  in  Krauel-Bai. 
Diese  Anhängsel  sind  oft  sehr  zierlich  wie  das  folgende  Stück: 
Schmuck  für  Haarkörbchen  (Nr.  5x5,  i  Stück),  bestehend  aus  einem  45  Cm. 
langen,  sehr  fein  aus  Pflanzenfaser  (Art  Gras)  geflochtenen  Kettchen,  an  welches  einige 
}^a$sa  und  ein  runder  schwarzer  Fruchtkern  befestigt  sind  (ähnlich  wie  die  Kettchen 
an  dem  Haarkörbchen  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVIII,  Fig.  i  d).  Vom  Hammacherfluss. 
Diese  Art  Kettchen  werden  häufig  auch  zum  Ausputz  von  C^m^/um-Brustschmuck 
(siehe  weiter  zurück  Nr.  586)  benutzt. 

Haarkörbchen  (Nr.  353,  i  Stück),  ähnlich  dem  ersten,  feine  Flechtarbeit  mit 
Endborte  von  Cuscusfell.  Von  Potsdamhafen. 

Desgleichen  (Nr.  354,  i  Stück),  nur  11  Cm.  lang,  gröberes,  rothgefärbtes  Ge- 
flecht, an  der  Basis  mit  Strick  von  Menschenhaar,  Nassa  und  vier  Conusringen  verziert. 
Von  Venushuk. 

Die  Haarkörbchen  werden  mit  den  vorragenden  Enden  des  Gestelles  oder  beson- 
deren Nadeln  aus  Bein  im  Haar  festgesteckt,  das  die  Männer,  welche  Haarkörbchen 
tragen,  meist  von  der  Stirn  bis  zur  Scheitelmitte  abrasiren.  Moresby  gedenkt  der 
Haarkörbchen  zuerst  kurz  von  Lesson-Insel.  Ich  fand  sie  von  Venushuk  bis  zum  Caprivi- 
fluss am  häufigsten,  aber  keineswegs  von  allen  Männern  getragen.  Sie  dürften  daher 
ebenfalls  Auszeichnung  für  Reichere,  vielleicht  Häuptlinge  sein.  Ein  reich  verziertes 
Haarkörbchen  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVIII,  Fig.  i,  abgebildet,  die  Art,  wie  sie  ge- 
tragen werden,  in  den  »Samoafahrten«,  S.  292  von  Venushuk,  S.  3o2  vom  Caprivi.  Sehr 
beliebt  als  Schmuck  der  Haarkörbchen  sind  lange  Streifen  Cuscusfell  (wie  sie  der  Mann 
der  letzteren  Abbildung  zeigt),  Wülste  von  Casuarfedern,  wie  ich  sie  einzeln  bei  Tagai 
sah,  sowie  besondere,  oft  äusserst  kunstvolle  Binden,  wie  die  folgenden  Nummern : 

Schmuckbinde  für  ein  Haarkörbchen  (Nr.  357,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV 
[6],  Fig.  15,  Theil  derselben),  25  Cm.  langes,  sehr  feines  Flechtwerk  von  Bindfaden  mit 
Ringen  von  Conus  (a)^  die  jederseits  (b)  von  einer  Reihe  Nassa  bordirt  sind;  in  der 
Mitte  ist  ein  6  Cm.  langer  Stiel  aus  rothem  Flechtwerk  (rothen  Lederstreifchen  ähnelnd) 
befestigt  mit  zwei  grösseren  Conu^-Ringen,  als  Halter  einer  29  Cm.  langen  Feder  (wohl 
vom  Hahn).  Vom  Hammacherfluss  an  der  Hansemannküste. 

Desgleichen  (Nr.  355,  i  Stück),  aus  fünf  Reihen  aufgeflochtener  Nassa,  in  der 
Mitte  ein  Aufsatz  aus  sechs  Hundezähnen,  die  jederseits  mit  Nassa,  Schnur  aus  Men- 
schenhaar und  rothgefärbten  gespaltenen  Rottang  bordirt  sind.  Daher. 

Desgleichen  (Nr.  356,  i  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  4),  40  Mm. 
breiter  Streif  aus  Bindfaden  in  kunstreicher  Knüpfmanier  hergestellt,  in  welchen  zwei 
Reihen  Nassa  und  eine  Längsreihe  kleiner  Conu^-Ringe  eingeflochten  sind  und  der  (a) 
in  20  Cm.  lange  Bindebänder  endet.  Die  Mitte  ziert  eine  dünne  Schildpattplatte  mit 
Gravirung  und  durchbrochener  Arbeit,  die  an  der  Basis  mit  einer  Reihe  Nassa  und 
einer  Schnur  aus  Menschenhaar  (b)  eingefasst  ist.  Vom  Caprivifluss  in  Krauel-Bai. 

Eine  den  Haarkörbchen  ähnliche  Kopfzier  bildet  die  folgende  Nummer: 

Haarcylinder  (Nr.  358,  i  Stück)  von  Dalimannhafen;  eine  3i  Cm.  lange  Röhre 
von  17  Cm.  Durchmesser,  aus  gebleichtem  Pandanus-BlaXty  sehr  sauber  verfertigt  (ge- 
näht), die  mit  langen  beinernen  Nadeln  im  Haar  festgesteckt  wird  und  sehr  auffallend 
kleidet  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrtenc,  S.  3b6  und  S17), 

Ich  sah  diese  merkwürdigen  Röhren  nur  in  Dallmannstrasse,  namentlich  auf 
Muschu  (Insel  Gresspien).     Die  sonderbare  Kopftracht  der  Eingeborenen  des  nahe- 


g2  Dr.  O.  Finsch.  [23ol 

gelegenen  Kairu  (d*Urville-Insel),  welcher  Bei  eher  gedenkt,  bezieht  sich  wahrscheinlich 
auf  diese  Röhren,  aber  die  Länge  ist  mit  i8  Zoll  entschieden  übertrieben  angegeben. 

Eine  andere  Art  Kopfcylinder,  aus  einer  Röhre  von  Baumrinde  bestehend,  bemalt 
und  reich  mit  Nassa  und  Hundezähnen  yerziert,  erhielt  ich  einmal  in  Finschhafen. 
Derartige  Cylinder  ohne  Verzierung  dienen  auch  als  Unterbau  flir  die  Tapamützen. 

Wenn  die  vorhergehenden  Stücke  nur  scheinbare  Kopfbedeckungen  repräsen- 
tiren,  so  kommen  doch  auch  wirkliche  vor.  Von  Huongolf  bis  zur  Küste  des  Terrassen- 
landes (Cap  Teliata)  pflegen  die  Männer  nämlich  den  Kopf  mit  Stücken  Tapa  (meist 
I  '5  M.  lang  und  50  Cm.  breit)  zu  umwickeln.  Zuweilen  entsteht  dadurch  eine  förmliche 
Mütze,  wie  das  folgende  Stück : 

Tapamütze  (Nr.  359,  i  Stück)  eines  Mannes  von  Huongolf. 

Die  Tapa  (Obo  in  Finschhafen)  ist  meist  roth')  oder  roth  und  weiss  gefärbt,  sehr 
fein  und  wird  zuweilen  in  Form  einer  hohen,  oft  spitzen  (vgl,  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  155)  Mütze  getragen,  welche  Moresby  mit  der  bei  den  Parsen  üblichen  vergleicht 
und  deshalb  den  Namen  ^Parsee- Point*  creirte.  Die  Bergvölker  des  Inneren  von  Port 
Moresby  pflegen  das  Haar  auch  mit  Tapastreifen,  aber  turbanartig,  zu  umhüllen  (II, 
S.  3o6).  In  Finschhafen  sah  ich  auch  hohe,  oben  runde  Tapamützen  (Obo),  die  über 
ein  Gestell  aufgebaut  waren  (Abbild.  »Samoafahrten«,  S,  179),  sowie  solche  von  Men- 
schenhaar, über  ein  Holzgestell  befestigt  (Parung  genannt),  genau  in  der  Form  von 
Derwischkappen.  Derartige  Kopfbedeckungen  scheinen  Auszeichnung  der  Häuptlinge 
(Abumtau)  zu  sein,  denn  sie  sind  im  Ganzen  selten.  Beiläufig  mag  noch  bemerkt  sein, 
dass  ich  bei  Iris-Point  einen  Mann  sah,  der  sein  Haar  in  einem  filetgestrickten  Netzbeutel 
trug,  ähnlich  wie  dies  die  Weiber  in  Finschhafen  zuweilen  thun.  Solche  filetgestrickte 
Weiberkappen  heissen  hier  *Audun*.  Bei  Festungshuk  (wie  an  der  Südwestküste  von 
Neu-Britannien,  Hansabucht)  trugen  Männer  zuweilen  eine  Binde  um  den  Kopf,  die 
aus  einem  Faserstoff  (ähnlich  Hede)  zu  bestehen  schien. 

Im  Sinne  von  Kopfbedeckung  sind  auch  gewisse  Felle  zu  betrachten,  wie  die  fol- 
gende Nummer: 

Kopfbedeckung  (Nr.  3 60,  i  Stück)  eines  Mannes,  bestehend  aus  dem  Fell  eines 
Cw5CM5-Beutelthieres  (Phalangista)  von  Venushuk. 

Derartige  Felle  werden  vorzugsweise  von  solchen  Personen  benutzt,  die  ihren 
spärlichen  Haarwuchs  damit  verdecken  und  verbergen  wollen,  man  sieht  sie  deshalb 
nicht  häufig.  Ich  beobachtete  sie  einzeln  vom  Herculesflusse  bis  Dallmannhafen.  In 
Hatzfeldthafen  erhielt  ich  sehr  schöne  Kopfbedeckungen  aus  dem  Fell  eines  weissen 
Cuscus,  Der  Kopf  fehlte,  aber  Klauen  und  der  lange  Schwanz  waren  erhalten,  an  den 
Krallen  Schnüre  von  Coixsamen  als  Zier  befestigt.  Am  Hammacherflusse  sah  ich  reich 
mit  Federn  (Hahn,  gelbe  Cacaduhaubenfedern  und  Papagei,  Eclectus)  verzierte  Cuscus- 
feUe.  Derartige  Cuscusfelle  werden  zuweilen  auch  als  Schmuck  über  den  Haarkörbchen 
getragen. 

Bart.  Wie  bei  den  Papuas  im  Allgemeinen,  so  ist  auch  bei  den  Bewohnern  dieser 
Küste  Bartwuchs  nicht  besonders  beliebt,  wenn  auch  immerhin  mehr  als  anderwärts, 
z.  B.  an  der  Südostküste,  was  ich  in  meiner  Abhandlung  (II,  S.  3o6)  zu  bemerken  ver- 
gass.  Jüngere  Leute  entfernen  fast  ausnahmslos  das  Barthaar  durch  Rasiren  oder  Aus- 
reissen  und  erst  Männer  in  vorgerückten  Jahren  lassen  den  Bart  wachsen,  beschneiden 
ihn  aber.    Am  häufigsten  sieht  man  Kinn-  und  Backenbärte  (wie  die  Abbild.  »Samoa- 


»)  Nach  Dr.  Hollrung  wird  dies  Roth  in  einer  Abkochung  der  Rinde  von  Bruguiera  gymno- 
rhi\a  und  Rhi^ophora  hergestellt. 


[231]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  q3 

fahrtency  S.  135,  179,  3o6  und  325),  seltener  solche  im  Vereine  mit  Schnurbärten; 
letztere  allein  sind  mir  nie  vorgekommen. 

In  gewissen  Strichen  von  Kaiser  Wilhelms-Land  (von  Hatzfeldthafen  bis  Guap) 
wird  aber  der  Bart  besonders  gepflegt  und  zuweilen  in  auffallender  Weise  verziert,  wo- 
von die  Sammlung  in  den  folgenden  Nummern  sehr  charakteristische  Belegstücke  auf- 
weist. 

Backenbart  (Nr.  275,  i  Probe),  an  den  Spitzen  mit  angeklebten  Thonklümpchen 
verziert.  Von  Hatzfeldthafen.  • 

Obwohl  im  Ganzen  genommen  selten  genug,  sieht  man  diese  einfachste  Art,  den 
Bart  zu  verzieren,  noch  am  häufigsten.   Weit  seltener  ist  die  folgende  Form: 

Backenbart  (Nr.  276,  i  Stück)  eines  Häuptlings  vom  Caprivifluss  (Krauel-Bai) 
(II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  17)  mit  reichem  Ausputz:  a  in  die  Haare  eingeflochtenes 
Flechtwerk  von  Bindfaden,  in  welches  (b)  eine  Reihe  Nassa  geflochten  sind,  als  An- 
hängsel sieben  Reihen,  bestehend  je  aus  einem  Muschelplättchen  (c)y  einer  runden 
schwarzen  Fruchtschale  (d),  die  ober-  und  unterseits  (e)  mit  Na^^ö- Muscheln  garnirt  ist 
und  in  ein  fein  geflochtenes  Kettchen  (f)  endet. 

Ich  sah  so  reichen  Bartausputz  nur  wenige  Male  und  gehe  wohl  nicht  fehl,  wenn 
ich  die  Träger  solcher  Barte  als  Leute  von  hohem  Range  betrachte.  Zuweilen  dienen 
ausser  Muschelstückchen  auch  Hundezähne  als  Bartanhängsel  (Abbild,  von  Eingebore- 
nen mit  verzierten  Barten  in  »Samoafahrten«,  S.  299,  von  der  Hansemannküste  und 
S.  3x7  von  Guap).  Wie  Kinnbärte  mit  zu  den  seltensten  Bart  formen  gehören,  so  ganz 
besonders  verzierte,  wie  die  folgende  Nummer: 

Kinnbart  (Nr.  274,  i  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  3)  aus  röthlich-blon- 
dem,  zum  Theil  dunkel  gemischtem  Haar,  eine  37  Cm.  lange  spitze  Röhre  bildend,  die 
reich  verziert  ist:  a  Schnüre  von  JVa55a-Muscheln,  b  von  rothgefärbtem  Rottang;  der 
untere  Theil  des  Bartes,  c,  ist  sorgfältig  mit  gespaltenem  Rottang  eingeflochten;  d  kleine 
Con2/5-Scheiben;  zwei  längsgespaltene  dünngeschliffene  Eberhauer  (e)  sind  am  Ende 
eingeknotet.  Dieses  Unicum  eines  Kinnbartes  gehörte  Wulim,  einem  alten  Häuptlinge 
des  Dorfes  Rabun  in  Dalimannhafen,  der  mir  denselben  schenkte.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  bei  der  enormen  Länge  dieser  Bart  nicht  nur  aus  dem  eigenen  Haar  besteht,  son- 
dern dass  fremdes  mit  eingebunden  ist,  was  aber  erst  durch  Auflösen  des  Bartes  festzu- 
stellen wäre.    Ein  werthvoUes  Stück  ist  die  folgende  Nummer : 

Bartzierat  (Nr.  277,  i  Stück),  bestehend  aus  zwei  der  Länge  nach  gespaltenen 
und  dünngeschliffenen  Eberhauern.  Dallmannhafen.  Diese  Eberhauer  (welche  auch  als 
Nasenzierat  dienen)  werden  am  Ende  des  Bartes  befestigt,  wie  Taf.  XVII,  Fig.  3  (vgL 
auch  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  292  von  Venushuk,  und  S.  3o2  vom  Caprivifluss). 

Die  beim  Papua  meist  gut  und  reichlich  entwickelten  Augenbrauen  werden,  um 
dies  noch  zu  bemerken,  auch  von  den  Bewohnern  dieser  Küste,  namentlich  der  Jugend, 
entfernt,  d.  h.  abrasirt  oder  ausgerissen. 

Käinni6  sind  auch  in  diesem  Gebiete  sehr  beliebt.  Sie  werden  nur  von  Männern 
und  nicht,  im  Sinne  unserer  Kämme,  alltäglich  gebraucht,  sondern  dienen  mehr  als 
Schmuck  bei  festlichen  Gelegenheiten,  namentlich  für  die  Jugend.  Die  hier  gebräuch- 
lichen Formen  weichen  nicht  unerheblich  von  den  an  der  Südostküste  ab. 

Am  eigenthümlichsten  ist  derjenige  Typus  von  Kämmen,  wie  ich  denselben  von 
Huongolf  bis  zur  Dampier-Insel  (Karkar)  verbreitet  fand  und  der  für  dieses  Gebiet 
charaktenstisch  zu  sein  scheint.  Diese  Kämme  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVII,  Fig.  i) 
ähneln  mehr  den  von  unseren  Frauen  gebrauchten  Einsteckkämmen,  sind  wie  diese 


g^  Dr.  O.  Finsch.  [232] 

vielzinkig  und  aus  einem  Stück  Bambu  gearbeitet.     Sie  sind  oft  sehr  kunstreich  mit 
durchbrochener  Arbeit  und  zierlicher  Gravirung,  wie  das  folgende  Stück: 

Supoa  (Nr.  290,  i  Stück),  Haarkamm  aus  Finschhafen,  sehr  fein  mit  sieben  Zinken, 
am  Endrande  durchbrochen  und  fein  gravirt;  als  besonderer  Schmuck  ist  ein  aufrecht- 
stehender Busch  Casuarfedern  (»Mu/c  genannt)  an  diesem  Kamme  befestigt. 

Haarkamm  (Nr.  286,  i  Stück),  von  Friedrich  Wühelms-Hafen  (Insel  Bilia);  wie 
vorher,  23  Cm.  lang  und  9  Cm.  breit,  mit  14  Zinken,  der  7  Cm.  breite  Endrand  durch- 
brochen gearbeitet,  mit  Gravirung  und  roth  bemalt. 

Desgleichen  (Nr.  288,  i  Stück),  daher  (Insel  Grager);  wie  vorher,  zwölfzinkig, 
mit  Casuarfederbüschel  verziert. 

Desgleichen  (Nr.  289,  i  Stück),  daher,  wie  vorher;  zwölfzinkig,  mit  rothgefärb- 
tem Farrenbüschel  und  einer  weissen  Hahnenfeder  verziert. 

Desgleichen  (Nr.  285,  i  Stück),  daher,  wie  vorher;  achtzinkig,  mit  Pflanzen- 
büschel geschmückt. 

Kämme  dieser  Art,  in  Bongu  *Gatiassem€y  auf  Bilibili  >Kodeng€  genannt,  wer- 
den, wie  die  vorhergehenden  Nummern  zeigen,  gewöhnlich  noch  besonders  verziert, 
wie  sie  überhaupt  zum  Festschmuck  gehören.  Junge  Leute  pflegen  den  Kamm  meist 
mit  Blättern  und  einer  Feder  zu  zieren  (wie  Nr.  289),  Männer  mit  Federn,  besonders 
vom  Casuar  (wie  Nr.  290)  oder  rothen  Papageien  (Eclectus).  Die  Kämme  werden  von 
vorne  oder  von  hinten  ins  Haar  gesteckt,  zuweilen  auch  seitlich  hinter  den  Ohren  (wie 
der  junge  Mann  von  Grager,  »Samoafahrten«,  S.  87). 

In  Astrolabe-Bai,  ganz  besonders  aber  Friedrich  Wilhelms-Hafen,  bedienen  sich 
junge  Leute  noch  einer  anderen  Art  Kämme  als  Haarputz  wie: 

Haarkamm  (Nr.  287,  i  Stück),  Insel  Grager  (hier  »5fi<  genannt)«  besteht  aus 
vier  Stäbchen,  deren  zusammengebundenes  Ende  einen  circa  70  Mm.  langen  Stiel  bildet, 
der  abwechselnd  mit  je  zwei  rothen,  gelben  und  schwarzen  Streifen  aus  gefärbter 
Pflanzenfaser  (einer  Art  Stroh)  umwickelt,  am  Ende  mit  einer  Nassa  verziert  ist. 

Eine  andere  Form  von  Kämmen  ähnelt  mehr  den  an  der  Südostküste  gebräuch- 
lichen (II,  S.  3o6,  Fig.  12)  und  besteht  im  Wesentlichen  aus  mehreren,  am  Ende  zu- 
sammengebundenen langen  Stäbchen,  meist  von  Holz,  die  aber  in  ganz  anderer  Weise 
mit  eigenthümlichem  Schmuck  verziert  sind,  wie  in  der  folgenden  Nummer: 

Haarkamm  (Nr.  291,  i  Stück  —  II,  S.  344,  Taf.  XV  [7],  Fig.  4,7,  n.  Gr.),  be- 
steht aus  vier  hölzernen  runden  Stäbchen,  die  mit  Bindfaden  verbunden,  am  Stielende 
mit  rothgefärbtem  feingespaltenen  Rottang  umflochten  sind,  an  dieses  Geflecht  ist  (a) 
ein  Knopf  aus  einer  runden  schwarzen  Nuss  befestigt,  (b)  mit  einer  Reihe  Nassa- 
muscbeln  bordirt  und  an  welchen  (c)  ein  feingeflochtenes  Kettchen  befestigt  ist.  Vom 
Hammacherfluss. 

Ich  fand  derartige  Kämme  von  Hatzfeldthafen  westlich  bis  Dalimannhafen,  indess 
stets  sehr  vereinzelt,  da  in  diesem  Gebiete  die  Haare  viel  in  dichte  Zöpfe  zusammen- 
gebunden in  Haarkörbchen  (S.  90  vorher)  getragen  werden.  Kämme  also  weniger  zur 
Geltung  kommen.  Einen  hierher  gehörigep  Kamm  mit  besonders  reichen  Schmuck  von 
Zieraten  (Kettchen  mit  Nassa,  schwarzen  Fruchtkernen,  Federn)  habe  ich  im  EthnoL 
Atlas,  Taf.  XVII,  Fig.  2,  abgebildet. 

Von  Dallmannhafen  westlich  bis  Humboldt-Bai  tritt  eine  dritte  Art  Kämme  auf, 
wie  immer  lediglich  als  Kopfputz  der  Männer  dienend,  die  ebenfalls  aus  zusammen- 
gebundenen langen  Stäbchen  besteht,  wie  die  folgende  Nummer: 

Haarkamm  (Nr.  295,  i  Stück),  von  MassUia,  besteht  aus  sieben  dünnen,  runden, 
26  Cm.  langen  Stäbchen  von  hartem  schwarzen  Holz  (wohl  Ebenholz),  die  zusammen- 


[233]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  nc 

gebunden  sind,  am  Ende  ist  eine  Betelnuss  befestigt;  als  Ausputz  dienen  wohlriechende 
Blätter  und  eine  i8  Cm.  lange  Brustflosse  eines  Fisches  (wohl  Bonite  =  Scomber), 

Desgleichen  (Nr.  292,  i  Stück)  von  AngrifTshafen;  wie  vorher,  aus  sieben  Stäb- 
chen bestehend,  die  fein  miteinander  verflochten  sind,  besonders  hübsch  vor  den  Zinken; 
am  Ende  ist  eine  Art  Betelnuss  befestigt. 

Desgleichen  (Nr.  293,  i  Stück),  daher;  wie  vorher,  siebenzinkig,  am  Ende  eine 
Betelnuss  und  ein  Haarbüschel  (runder  Ball)  aus  Cuscusfell. 

Desgleichen  (Nr.  294,  i  Stück),  daher,  bestehend  aus  acht  dünnen,  runden, 
42  Cm.  langen  Stäbchen  aus  Hartholz,  die  in  der  Mitte,  8  Cm.  lang,  durch  äusserst 
feines  abwechselnd  schwarz  und  hell  gemustertes  Flechtwerk  aus  Zwirn  verbunden  sind; 
an  der  Spitze  eine  Betelnuss,  ausserdem  als  Anhängsel  vor  derselben  zahlreiche  bis 
40  Cm.  lange  Fäden,  an  deren  Basis  halbdurchschnittene  Coixsamen  und  blaue  Abrus- 
Bohnen  aufgereiht  sind,  die  sehr  elegant,  wie  Schmelzperlen  aussehen,  sowie  einzelne 
Paradiesvogelfedern. 

Charakteristisch  für  diese  Art  Kämme,  die  ich  hauptsächlich  in  Angriffshafen  fand, 
ist  die  feine  Flechtarbeit,  welche  die  Stäbchen  verbindet,  und  das  Anhängsel  am  Ende, 
das  zum  Theil  aus  einer  kunstreich  gearbeiteten  Bommel  von  Nassa,  kleinen  schwarzen 
Samenkernen,  Coixsamen,  nicht  selten  Hundezähnen  besteht  (vgl.  Ethnol.  Atlas, 
Taf.  XVII,  Fig.  3).  In  den  Troddeln  solcher  Kämme  von  Angriffshafen  fand  ich  ein 
paar  Mal  grössere  blaue  und  weisse  Emailperlen  eingeflochten,  die  einzigen  europäischen 
Erzeugnisse,  welche  mir  hier  vorkamen.  Ein  Kamm  von  Angriffshafen  war  mit  einer 
bunt  bemalten  Holzschnitzerei,  ein  Säugethier  darstellend,  an  der  Spitze  verziert,  so- 
wie mit  einem  feingeflochtenen  Graskettchen;  als  Behang  auch  einige  Stückchen 
Massoirinde. 

Bei  Tagai  fand  ich  eine  Art  Kämme  aus  einem  langen,  schmalen,  dünnen  Stück 
Holz  verfertigt,  mit  Federschmuck  (Haubenfedern  der  Krontaube,  Goura)  am  Ende, 
die  über  die  Stirn  vorragend  im  Haare  stecken  (vgl.  Bild  »Samoafahrtenc,  S.  325),  also 
ganz  gleich  wie  die  Haarkämme  an  der  Südostküste  getragen  werden. 

Kopfputz  aus  Federn,  nur  von  Männern  getragen,  werden  wir,  in  der  schönen 
Reihe  dieser  Sammlung,  zum  Theil  in  sehr  schönen  Stücken  und  neuen  Formen  kennen 
lernen. 

Federkopfputz  (Nr.  349  i,  i  Stück),  aus  weissen  Hahnenfedern,  die  an  einem  mit 
buntem  Stroh  umflochtenen  Stöckchen  befestigt  sind,  wie  der  Stiel  des  Haarkammes 
(S.  94,  Nr.  287).   Vom  Friedrich  Wilhelmshafen,  Insel  Grager  (hier  ^Kalun<  genannt). 

Desgleichen  (Nr.  345,  b  Stück),  von  Tagai,  grosses  Büschel  aus  weissen  zer- 
schlissenen Flügelfedern  vom  Cacadu,  mit  einzelnen  Haubenfedern  des  schwarzen 
Cacadu  (Microglossus)^  das  lange  schmale  Spitzenende  aus  rothen  Papageifedern  (von 
Dasyptilus  Pesqueti)  und  einigen  gelben  Cacaduhaubenfedern. 

Desgleichen  (Nr.  349,  i  Stück),  daher;  besteht  aus  zwei  weissen  Flügelfedern 
vom  Cacadu,  mit  einigen  gelben  Haubenfedern  desselben  Vogels  und  rothen  Papagei- 
Schwanzfedern  (vom  weiblichen  Eclectus)  mit  zwei  langen  Mittelschwanzfedern  eines 
Eisvogels  (Tanysiptera)y  die  an  einem  mit  roth-  und  schwarzgefärbter  Pflanzenfaser 
(Art  Gras)  umwundenen  Stiel  befestigt  sind. 

Desgleichen  (Nr.  346,  i  Stück),  daher;  60  Cm.  lang,  rund,  cylindrisch,  aus  rothen 
Papageifedern  (Dasyptilus)y  mit  einzelnen  weissen  Hahnenfedern,  an  der  Spitze  ist 
eine  lange  weisse  Hahnenschwanzfeder,  an  diese  eine  grüne  Schwanzfeder  von  Papagei 
(männlichen  Eclectus)  befestigt. 


g6  J^r.  O.  Finsch.  [2341 

Desgleichen  (Nr.  347,  i  Stück),  daher;  ein  langes,  schmales  Stück  Bambu,  auf 
welches  abwechselnd  rothe  (Dasyptilus)  und  weisse  Cacadufedern  aufgebunden  sind, 
in  der  Mitte  und  am  Ende  gelbe  Cacaduhaubenfedern. 

Desgleichen  (Nr.  348,  i  Stück),  daher;  ein  kürzeres  schmales  Stück  Bambu,  auf 
welches  rothe  Papageifedern  (von  Dasyptilus)  gebunden  sind;  am  Ende  eine  gelbe 
Cacaduhaubenfeder. 

Desgleichen  (Nr.  349 fr,  i  Stück),  daher;  wie  vorher,  aber  am  Ende  eine  weisse 
Feder. 

Desgleichen  (Nr.  349 a,  i  Stück),  daher;  wie  vorher,  aber  aus  grünen  Papagei- 
federn (von  jFc/ec/w^- Weibchen);  am  Ende  eine  weisse  Cacadufeder. 

In  Finschhafen  erhielt  ich  auch  schöne  Federbüschel  aus  Casuar-  und  Dasyptilus- 
Federn,  »TamboU  genannt. 

Federschmuck  wird  eigentlich  nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  getragen,  von 
Jungen  Leuten  meist  nur  eine  oder  wenige  Federn  (meist  weisse  Hahnenfedern),  von 
Männern  gewöhnlich  complicirterer  Federputz,  wie  die  vorhergehenden  Stücke.  Am 
beliebtesten  für  Männer  sind  Kopfbinden  aus  Casuarfedern,  die  indess  meist  von  den 
an  der  Südostküste  üblichen  (vgl.  II,  S.  307)  dadurch  abweichen,  dass  sie  aus  dicht  zu- 
sammengebundenen, häufig  geschorenen  Federn  bestehen,  also  zum  Theil  bürstenartige 
Wülste  bilden.  Ich  sah  derartigen  Federkopfschmuck  am  häufigsten  im  Westen  von 
Venushuk  bis  zum  Sechstrohfluss.  Kopf  binden  aus  den  Federbüschen  von  den  Brust- 
seiten des  männlichen  Paradiesvogels,  wie  die  ^Lokohu*  an  der  Südostküste  (II,  S.  307), 
habe  ich  in  diesem  Theile  Neu-Guineas  nicht  bemerkt,  wohl  aber  die  ganzen  Seiten- 
büschel im  Haar  tragen  sehen  (wie  der  Mann  von  Tagai,  »Samoafahrten«,  S.  325).  Von 
den  zahlreichen  Paradiesvogelarten  Neu-Guineas  sah  ich  nur  eine  Art  mit  gelben  Seiten- 
büscheln, Paradisea  Finschii,  benutzt.  Ich  erhielt  sie  zuerst  in  Friedrich  Wilhelm- 
Hafen  (hier  ^Don,  genannt),  später  in  ziemlicher  Menge  im  Westen,  wie  das  folgende 
Stück: 

Paradiesvogel  (Nr.  349c,  i  Stück),  von  den  Eingeborenen  präparirter  Balg  (mit 
Kopf  und  Füssen).  Von  Tagai. 

Kunstvolle,  farbenprächtige  Kopfbinden  aus  Papageischwanzfedern  (meist  von 
Trichoglossus  und  Lori),  die  ganz  mit  denen  an  der  Südostküste  (Taf.  XXII,  Fig.  i) 
übereinstimmen,  erhielt  ich  in  Finschhafen.  Sie  heissen  hier  ^Mo-o^y  mögen  aber  auch 
anderwärts  vorkommen.  Zum  Aufbewahren  von  Federschmuck  bedient  man  sich 
Bamburöhren  (zuweilen  75  Cm.  lang)  oder  weiss  dieselben  sehr  geschickt  in  Blätterhüllen 
einzuschlagen. 

Am  Hammacherfluss  erlangte  ich  einen  originellen  Haarschmuck,  aus  dem  Kopfe 
eines  grünen  Papagei  (Eclectus  polychlorus)  mit  einem  Ringe  von  Nassa  bordirt.  Ein 
anderer  merkwürdiger  Haarputz  stammt  von  Angriffshafen.  Er  besteht  in  einem  90  Mm. 
langen  Kegel  aus  einer  Art  Pflanzenmark,  auf  den  Längsreihen  von  Nassa  befestigt 
sind,  die  Zwischenräume  sind  mit  rothen  und  blauen  i4^rM5-Bohnen  beklebt,  als  weitere 
Verzierung  dienen  einzelne  Federn  von  Brustbüscheln  des  Paradiesvogels.  Das  Ganze 
ist  an  einem  Stöckchen  befestigt  zum  Einstecken  ins  Haar. 

c.  Stimschmuck, 

lediglich  als  Festschmuck  der  Männer,  ist  viel  formreicher  als  an  der  Südostküste,  aber 
wie  dort  bilden  Schnüre  aufgereihter  Nassa-Muschelny  die  ganz  dem  *Tautau*  (II, 


[235]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  g^ 

S.  3o8,  Taf.  XlVy  Fig.  6)  entsprechen,  das  häufigste  Material,  wie  die  folgenden  Num- 
mern: 

Schnur  (Nr.  433,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  10),  circa  50  Cm.  lang, 
aus  einer  Doppelreihe  Nassa^  die  auf  Bast,  ähnlich  dem  der  Linde  (und  wohl  von  Hibis- 
cus)  aufgeflochten  sind.  Von  Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  437,  i  Stück),  ähnlich  der  vorhergehenden,  aus  einer  Doppel- 
reihe  aufgeflochtener  Nassa.  Von  Angriffshafen. 

Nicht  selten  werden  aus  Nassa  und  Hundezähnen  Schmuckgegenstände  verfertigt, 
wie  die  folgenden  Nummern: 

Stimbinde  (Nr.  432,  i  Stück),  bestehend  aus  26  durchbohrten  Hundezähnen,  die 
auf  eine  Schnur  von  Bindfaden  aus  braunem  Bast  sehr  fein  aufgeflochten  und  oberseits 
von  einer  Reihe  Nassa  bordirt  sind.  Von  Venushuk. 

Stimbinde  (Nr.  556,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  1 1  von  oben,  und 
Fig.  12  von  unten,  um  die  Flechtarbeit  zu  zeigen),  bestehend  aus  76  Hundeeckzähnen, 
die  sehr  kunstreich  (Fig.  12  a)  mit  dünner  Schnur  aufgeflochten  und  oberseits  mit  einer 
Reihe  Nassa  bordirt  sind,  Länge  69  Cm.  Von  Venushuk.  Sehr  werthvoll,  da  für  das 
Zähnematerial  allein  19  Hunde  erforderlich  waren;  auch  als  Leibschnur  verwendet. 

Eigenthümliche  Formen,  wie  ich  solche  an  der  Südostküste  nicht  antraf,  zeigen 
die  folgenden  Nummern: 

Stimbinde  (Nr.  438,  i  Stück),  bestehend  aus  einer  Reihe  Nassay  an  ^yelche  unter- 
seits  eine  Reihe  kleiner  Ringe  aus  Conus  befestigt  sind.   Massilia. 

Stimbinde  (Nr.  439,  i  Stück),  zwei  43  Cm.  lange  zusammengeflochtene  Stricke 
aus  Bindfaden,  dick  mit  rother  Farbe  beschmiert,  in  welche  neun  sehr  grosse  Conus- 
Ringe  (bis  5  Cm.  Durchmesser,  3  Cm.  im  Lichten)  eingeflochten  sind.  Von  Massilia. 

Während  wir  an  der  Südostküste  nur  schmälere,  künstlich  geknüpfte  Bänder  als 
Stirnschmuck  angewendet  finden,  wie  die  Waake  (II,  S.  3o8),  begegnen  wir  hier  zum 
Theil  ausserordentlich  kunstvoll  geknüpften  Stirnbändern,  mit  reicher  Verzierung  von 
Muscheln  und  Hundezähnen,  wie  die  folgenden  Stücke: 

Stirn  binde  (Nr.  435,  i  Stück),  eine  Reihe  Ringe  von  Conus-Eodtn,  jederseits  mit 
einer  Reihe  Nassa  bordirt,  auf  ein  Band  geflochten,  das  in  der  Mitte  einen  Aufsatz  von 
Flechtwerk  aus  rothgefärbtem  Stroh,  mit  Menschenhaar  und  Nassa  trägt.  Vom  Ham- 
roacherflusse.   Die  gleiche  Arbeit  als  die  Binde  (S.  91,  Taf.  XIV,  Fig.  15). 

Stimbinde  (Nr.  429,  i  Stück),  von  Finschhafen;  3o  Cm.  lang  und  3  Cm.  breit, 
äusserst  feine  Knüpfarbeit  aus  feinem  Bindfaden,  in  eigenthümlicher  Manier  so  dicht 
geflochten,  als  wäre  das  Band  gewebt,  zum  Theil  roth  bemalt,  mit  dichtem  Randbesatz 
von  Nassa;  in  der  Mitte  und  an  jedem  Ende  ist  das  Band  ober-  wie  unterseits  aus- 
gebogt  verbreitert  und  hier  je  mit  einer  mit  Nassa  bordirten  Agraffe  aus  Hundezähnen 
verziert. 

Stimbinde  (Nr.  434,  i  Stück),  ein  46  Cm.  langer,  circa  2  Cm.  breiter  Streif,  aus 
drei  sehr  fein  übersponnenen  Schnüren,  mit  Randbesatz  von  Nassa ^  in  der  Mitte  eine 
Agraffe  aus  fünf  Hundezähnen,  mit  Nassa  bordirt  und  jederseits  mit  einem  Conus-Kinge 
verziert;  die  untere  Seite  der  Agraffe  tritt  schneppenartig  vor  und  trägt  ein  Anhängsel 
aus  feinem  Flechtwerk  mit  Nassa  und  feinem  Kettchen,  an  das  eine  schwarze  Frucht 
befestigt  ist.  Von  Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  436,  i  Stück),  daher,  bestehend  aus  einem  26  Cm.  langen  und 
3  Cm.  breiten  Streif,  aus  feinem,  rothgefärbten  Strohgeflecht,  an  einer  Seite  mit  Nassa 
^rdirt,  an  den  beiden  Enden  je  mit  zwei  grossen  Ringen  aus  Conus. 

Anaaleo  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VI,  Heft  i,  1891.  7 


gS  Dr.  O.  Finsch.  [236] 

Derartige  kunstvolle  Stirnbinden  aus  Flechiwerk,  mit  sehr  mannigfachen  Ver- 
zierungen aus  Muscheln  und  Hundezähnen  (zuweilen  auch  dünngeschliffenen  Eber- 
hauern) sind  mir  besonders  westlich  von  Venushuk  bis  Dallmannhafen  vorgekommen; 
in  diesem  Gebiete  werden  auch  häufig  Schnüre  aus  Menschenhaar  geflochten  über  die 
Stirne  und  den  meist  abrasirten  Vorderkopf  getragen.  Weiter  westlich  von  Dallmann- 
hafen bis  zum  Sechstrohfluss  sind  Streifen  aus  Fell  (von  Cuscus)  als  Stirnschmuck  nicht 
selten. 

Im  östlichen  Theile  von  Kaiser  Wilhelms-Land  wird  häufig  ein  Material,  das  ich 
schon  (S.  80)  erwähnte,  benutzt,  wie  die  folgende  Nummer: 

Ssemu  (Nr.  431,  i  Probe),  Schnur,  circa  4 — 5  Mm.  breit,  etwas  abgeplattet,  aus 
lebhaft  hochgelb  gefärbter  Pflanzenfaser,  in  sehr  schmalen,  kaum  2  Mm.  breiten  Streifen, 
wie  Stroh,  über  zwei  Schnüre  aus  anderem  Fasermaterial  (wahrscheinlich  aus  der  Luft- 
wurzel von  Pandanus)  geflochten.    Finschhafen. 

Dieses  Ssemu  (vgl.  Taf.  XXII,  Fig.  3)  wird  zu  allerlei  Schmuck  (Armbändern, 
Leibgürteln  etc.)  verarbeitet  und  ist  von  Huongolf  bis  Long-Insel  und  Astrolabe  ver- 
breitet, weiter  westlich  mir  aber  nicht  mehr  vorgekommen. 

Stirnbinde  (Nr.  430,  i  Stück),  aus  Flechtwerk  von  sieben  Reihen  Ssemu,  mit 
zwei  Querriegeln,  von  je  einer  Doppelreihe  Nassa  besetzt.  Von  Finschhafen. 

Derartige  Stirnbinden  sind  zuweilen  äusserst  kunst-  und  geschmackvoll  mit  Nassa 
und  Hundezähnen  besetzt.    Ich  erhielt  solche  namentlich  in  Finschhafen  und  Huongolf. 

Eine  besonders  eigenthümliche  Form  repräsentirt  das  folgende  Stück : 

Stirnbinde  (Nr.  440,  i  Stück),  41  Cm.  langer,  in  der  Mitte  65  Mm.  breiter  Streif, 
aus  sechs  Reihen  sehr  grosser  (10 — 12  Mm.  langer)  Coixsamen  (Taf.  III,  Fig.  8),  die  sehr 
kunstreich  auf  Bindfaden  gezogen  sind  und  sich  seitlich  bis  auf  eine  Reihe  verschmälern. 
Von  Angriffshafen. 

Hier  erhielt  ich  auch  eine  andere  Art  Kopf  binde,  wie  sie  mir  in  ähnlicher  Weise 
sonst  nicht  vorkam.  Sie  bestand  aus  einem  breiteren  Streif  von  Flechtwerk  mit  Nassa 
besetzt,  die  Zwischenräume  waren  mit  rothen  Abrus-Bohnen  auf  einer  Art  Kitt  oder 
Wachs  beklebt. 

d.  Nasenschmuck. 

Die  Mode  des  Durchbohrens  der  Nasenscheidewand  (Septum)  herrscht  auch  an 
dieser  Küste,  aber  nicht  alle  Männer  huldigen  ihr  und  für  das  weibliche  Geschlecht 
kommt  sie  kaum  in  Betracht.  Gewöhnlich  wird  ein  dünnes,  circa  4 — 6  Mm.  dickes, 
rundes  Stückchen  Holz,  Rohr,  Knochen,  Abschnitte  von  Casuarschwingen  oder  ein 
aus  Muschel  oder  Coralle  geschliffener  Stift  durch  die  Oeffnung  getragen,  wie  ich  dies 
längs  der  ganzen  Küste  unseres  Gebietes  beobachtete.  In  Finschhafen  heissen  solche 
Nasenkeile  aus  Knochen  »^o«,  aus  Tridacna  *Ping€,  aus  Casuarschwinge  »Temtem*.  In 
Huongolf  und  Tagai  sah  ich  einige  Male  dünne  Schildpattringe  (oft  an  ein  Dutzend)  im 
Septum  befestigt,  in  Huongolf  auch  Ringe  aus  aufgereihter  Nassa  (Abbild.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  155)  und  ein  Mann  trug  einen  Ring  aus  Conus-Boden  (12  Mm.  breit, 
50  Mm.  Durchmesser,  20  Mm.  im  Lichten)  in  der  Nase.  Ein  anderer  hatte  zwei  Ringe 
aufgereihter,  grüner  und  krystallweisser  kleiner  Glasperlen  durchs  Septum  gezogen,  der 
(wie  oben,  S.  42,  bemerkt)  einzige  Fall  des  Vorkommens  eines  europäischen  Erzeug- 
nisses in  Huongolf.  In  Friedrich  Wilhelms-  und  Finschhafen  tragen  junge  Leute  zu- 
weilen zwei  Hundezähne  in  der  Nase  (Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  87). 

Im  Osten  unseres  Gebietes  ist  Nasenschmuck  im  Allgemeinen  wenig  üblich  und 
in  Finschhafen  konnten  8-10  Cm.  lange  Knochenstifte  schon  als  etwas  Besonderes 


[237]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gg 

angesehen  werden.  Aber  im  äussersten  Westen,  von  Massilia  bis  Humboldt-Bai,  waren 
dicke  Nasenkeile  nicht  selten,  meist  wie  die  folgenden  Nummern: 

Nasenkeil  (Nr.  307,  2  Stück),  Abschnitt  eines  Stück  Rohr.  Massilia. 

Desgleichen  (Nr.  3o8,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  mit  eingebrannter  Verzierung 
an  jedem  Ende.   AngrifTshafen. 

Ein  derartiges  Stück  ist  in  meinem  Ethnol.  Atlas  (Taf.  XX,  Fig.  4)  abgebildet;  hier 
auch  einer  jener  kunstvoll  aus  Tridacna-Muschtl  geschliffenen  Keile  (Fig.  3),  welche 
zuweilen  die  monströse  Grösse  von  über  10  Cm.  Länge  bei  20  Mm.  Durchmesser  und 
ein  Gewicht  von  70  Gr.  erreichen.  Die  Art,  wie  solche  Nasenkeile  das  Gesicht  ver- 
unzieren, zeigen  Fig.  i  und  2  des  Ethnol.  Atlas  (Taf.  XX).  Nicht  minder  entstellend 
wirkt  im  Gebrauch  die  folgende  Nummer: 

Nasenzierat  (Nr.  3 12,  i  Stück),  von  Angriffshafen;  aus  zwei  längsdurchschnit- 
tenen, dünngeschliffenen  Eberhauern,  die  an  der  Basis  zusammengebunden  sind  und 
durch  das  Septum  getragen  werden  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XX,  Fig.  8  und  Abbild. 
»Samoafahrten«,  S.  333).  Diese  eigenthümliche  Form,  auch  als  Bartschmuck  benutzt 
(vgl.  S.  93,  Nr.  274  und  Taf.  XVII,  Fig.  3  c),  beobachtete  ich  nur  im  Westen,  von  Massilia 
bis  Humboldt-Bai.  Hier  auch  imitirte,  kunstvoll  aus  Tridacna-Muschd  geschliffene 
Eberhauer  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XX,  Fig.  7).  Von  Hatzfeldthafen  bis  Guap  (einzeln 
auch  im  Archipel  der  zufriedenen  Menschen)  war,  ausser  dünnen  Nasenstiften,  eine 
andere  Form  dieser  Art  Schmuck  ziemlich  häufig,  wie  die  folgenden  Nummern: 

Nasenzierat  (Nr.  3 11,  2  Stück  —  II,  S.  344,  Taf.  XV  [7],  Fig.  2),  schnalenförmig 
aus  Perlmutter  gearbeitet.  Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  3 10,  i  Stück),  vom  Hammacherfluss;  ähnlich  dem  vorhergehen- 
den (übereinstimmend  mit  Taf.  XX,  Fig.  5  des  Ethnol.  Atlas). 

Desgleichen  (Nr.  309,  2  Stück),  von  Tagai;  ähnlich  den  vorhergehenden,  aber  an 
einer  Seite  in  eine  lange  Spitze  ausgehend  (wie  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XX,  Fig.  6). 

Diese  Art  Nasenschmuck,  aus  Perlmutter  oder  Nautilus-MuschQl  gefertigt,  gehört 
schon  wegen  der  Härte  des  Materials  mit  zu  den  hervorragenden  Arbeiten  des  Kunst- 
fleisses  der  Papua.  Gewöhnlich  werden  mehrere  (2 — 5)  Stück  übereinander  gelegt, 
durch  das  Septum  getragen,  in  der  Weise,  dass  die  Enden  nach  vorn  kommen. 

In  dem  zuletztgenannten  Gebiete  wird  ausser  dem  Septum  auch  häufig  ein  Nasen- 
flügel durchbohrt  und  ähnlich  wie  in  Neu-Britannien  (I,  S.  97)  ein  dünnes  Hölzchen, 
eine  Feder,  ein  grünes  Blatt  oder  ein  Pflanzenstengel  in  das  nur  enge  Loch  gesteckt 
(siebe  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  299).  Dass  es  auch  möglich  ist,  die  Nasenspitze  zu 
decoriren,  habe  ich  nur  einmal  beobachtet,  und  zwar  bei  einem  kleinen  Knaben  in 
Wanua,  der  ein  streichholzdickes  kurzes  Hölzchen  longitudinal  in  einem  Loche  der 
Nasenspitze  trug. 

e.  Ohrschmuck. 

Derartiger  Putz  ist  auch  an  dieser  Küste  sehr  beliebt  und  mannigfach.  Gewöhn- 
lich wird  das  Läppchen  des  einen  Ohres  durchbohrt,  seltener  von  beiden  Ohren,  aber 
CS  gibt  auch  Viele,  welche  diese  Mode  überhaupt  nicht  mitmachen.  Als  Ohrschmuck 
dienen  in  Ermangelung  von  etwas  Besserem  Blumen,  bunte  Blätter,  Blattrollen,  häufig 
ein  oder  mehrere  Co^j/s-Ringe,  Hundezähne  oder  aufgereihte  Nassa,  zuweilen  Zierat  aus 
allen  drei  Materialien.  Derartiger  Schmuck  ist  besonders  im  Osten  (Huongolf  bis  Hatz- 
feldthafen) gebräuchlich,  einzeln  aber  auch  im  Westen  (Albrechtfluss).  In  Huongolf 
und  Finschhafen  sah  ich  nicht  selten  flache,  rundliche  Platten  aus  Schildpatt  (wie 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVII,  Fig.  5  und  6),  die  in  grosser  Zahl  (oft  60  und  mehr)  in  einem 

7* 


lOO  Dr.  O.  Finsch.  [^38] 

Ohre  aufgereiht,  das  Läppchen  sehr  ausdehnen  und  herabziehen.  In  diesem  Theile  sind 
daher  weit  ausgedehnte  Ohrläppchen  häufiger  als  anderwärts.  Ein  Mann  in  Huongolf 
hatte  einen  tief  herabhängenden  Ohrzipfel,  an  dem  die  eine  Hälfte  abgeschnitten  war 
(siehe  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  155).  In  Finschhafen  und  an  der  Küste  des  Terrassen- 
landes werden  zuweilen  Büschel  eines  Faserstoffes,  ähnlich  Hede,  im  Ohre  befestigt. 
Weiter  im  Westen,  von  Hatzfeldthafen  bis  Tagai,  durchbohrt  man  minder  häufig  das 
Läppchen  als  den  Rand  des  Ohres,  nicht  selten  mit  fünf  bis  sechs  Löchern,  in  denen 
aufgereihte  Coixsamen,  dünne  Schildpattreife,  Federn,  Büschel  Cuscusfell  oder  frische 
grüne  Blattstiele  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrtenc,  S.  299)  befestigt  werden.  Sehr  originell 
sind  runde  Bälle  aus  Cuscusfell,  die  mir  im  äussersten  Westen,  von  Massilia  bis  zum 
Sechstrohfluss,  auffielen.  Ohrringe  aus  einer  gebogenen  Casuarschwinge  (ganz  wie  II, 
S.  3io,  Nr.  320,  von  Port  Moresby)  sah  ich  am  Hammacherfluss. 

Am  häufigsten  von  allen  ist  jedoch  Ohrschmuck  aus  Schildpatt  in  Form  von 
Spangen  und  Reifen,  wovon  die  Sammlung  ein  hübsches  Sortiment  in  den  nachfolgen- 
den Stücken  aufweist. 

Ohrspange  (Nr.  326,  i  Stück  —  II,  S.  356,  Taf.  XXI  [i3],  Fig.  4);  ein  50  Cm. 
breiter  Reif  (45  Mm.  Diameter),  aus  einem  Stück  Schildpatt  gebogen,  mit  hübscher 
Gravirung  und  rother  Farbe  bemalt.  Friedrich  Wilhelms-Hafen,  Insel  Grager,  hier 
T^Damala*  genannt  (in  Finschhafen  ^Saiassa*). 

Desgleichen  (Nr.  326  a,  i  Stück),  wie  vorher  (40  Mm.  Diameter),  mit  eingravir- 
tem  Muster.   Daher. 

Diese  Ohrspangen  enden  jederseits  in  eine  accoladeförmig  abgesetzte  Spitze  (w^ie 
dies  Fig.  4,  Taf.  XVII  meines  Ethnol.  Atlas  zeigt),  denn  nur  dadurch  wird  es  möglich, 
diese  breiten  Ringe  in  das  Loch  des  Ohrläppchens  einzuschieben  (vgl.  Abbild.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  87).  Derartige  breite  Schild pattspangen,  zuweilen  mit  hübsch  eingravirten 
Mustern  oder  besonderen  Anhängseln  (Hundezähnen,  Co/i U5-Ringen,  Coixsamen, 
Nassa)  verziert,  sind  besonders  im  Osten  (Huongolf  bis  Friedrich  Wilhelms-Hafen)  ge- 
bräuchlich, kommen  aber  einzeln  auch  westlich  bis  Guap  vor,  wie  das  folgende  Stück: 

Ohrspange  (Nr.  327,  i  Stück),  wie  die  vorhergehenden,  45  Mm.  breit,  90  Mm. 
Durchmesser,  ohne  Gravirung.  Insel  Guap. 

Desgleichen  (Nr.  327^1,  i  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  7),  wie  vorher, 
aber  nur  20  Mm.  breit  (80  Mm.  Durchmesser),  an  beiden  Enden  allmälig  spitzzulaufend 
(nicht  rechtwinkelig  abgesetzt),  mit  Gravirung  in  eingekratzten  feinen  Strichelchen. 
Insel  Guap. 

Desgleichen  (Nr.  328,  i  Stück),  wie  vorher,  schmal  (20  Mm.)  und  ohne  Gravi- 
rung.   Caprivifiuss  in  Krauel-Bai. 

Desgleichen  (Nr.  324,  i  Stück),  wie  vorher,  20  Mm.  breit,  aber  nur  40  Mm.  im 
Durchmesser.  Von  Huongolf,  Parsihuk. 

Desgleichen  (Nr.  325,  i  Stück),  ganz  wie  vorher,  aber  mit  eingravirtem,  ein- 
fachem Muster.  Daher. 

Westlich  von  Guap  sind  mir  breite  Schild pattohrspangen  nicht  mehr  vorgekom- 
men, dagegen  werden  für  dieses  Gebiet  schmale,  4  -  5  Mm.  breite  Reife,  von  20 — 70  Mm. 
Durchmesser,  sehr  charakteristisch,  glatt  oder  mit  langen  Büscheln  von  Bindfaden  und 
Coixsamen  verziert,  wie  die  folgenden  Nummern: 

Ohrreif  (Nr.  33 1,  2  Stück),  schmale,  enge  Ringe  aus  Schildpatt.  Massilia. 

Desgleichen  (Nr.  332,  i  Stück),  wie  vorher,  4  Mm.  breit,  40  Mm.  Diameter,  als 
Anhängsel  ein  24  Cm.  langes,  fein  aus  Pflanzenfaser  geflochtenes  Kettchen  (wie  auf 
Taf.  XV,  Fig.  4  c).   Daher. 


[230]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  loi 

Desgleichen  (Nr.  33o,  2  Stück),  wie  vorher.  Von  Angriffshafen. 

Desgleichen  (Nr.  329,  i  Stück);  5  Mm.  breit,  65  Mm.  Durchmesser,  mit  einer 
Troddel  aus  i3  Cm.  langen  Fäden,  an  deren  Basis  Coixsamen  eingeknüpft  sind.  Daher. 

Diese  Art  Schildpattreifen  werden  sowohl  im  Ohrrande  als  Ohrläppchen  getragen, 
oft  in  grosser  Anzahl,  dehnen  aber  bei  ihrer  geringen  Schwere  das  Ohr  nicht  weit  aus. 
Man  pflegt  diese  schmalen  Ringe  ineinander  zu  hängen,  und  die  Weiber  in  Humboldt- 
Bai  waren  mit  solchem  Ohrschmuck  überladen  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  362). 
Dies  gehört  insofern  zu  den  Ausnahmen,  als  das  weibliche  Geschlecht  sonst,  gegenüber 
dem  männlichen,  auch  in  Bezug  auf  Ohrzierat  sehr  ärmlicTh  bedacht  ist.  Gewöhnlich  ge- 
nügen einige  Hundezähne  oder  Ringe  aus  Conus  für  sie,  wie  ich  dies  bei  den  Frauen  in 
Bongu  und  Dallmannhafen  sah,  die  ausserdem  im  oberen  Ohrrand  einige  derartige 
Schmuckgegenstände  trugen. 

/.  Hals-  und  Brustschmuck. 

Schmuck  dieser  Art  spielt  im  Ausputz  der  Eingeborenen  dieser  Küsten  eine  her- 
vorragende Rolle,  besonders  bei  Festlichkeiten  und  vorzugsweise  für  das  männliche 
Geschlecht.  Wie  überall  genügt  für  gewöhnlich  ein  einfaches  Halsstrickchen,  an  welches 
vorne  ein  Paar  Coww^-Ringe  oder  Hundezähne,  hinterseits,  im  Nacken  herabhängend, 
mit  Vorliebe  grüne  oder  bunte  Blätter  befestigt  werden  (siehe  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  3o6),  ein  Ausputz,  mit  dem  die  Frauen  im  Allgemeinen  Vorlieb  nehmen  müssen.  In 
Finschhafen  trägt  man  als  Zier  des  Halsstrickchens  gern  ein  Büschel  bunt  gefärbter  Faser 
—  Ssegum  —  (wohl  vom  Blatt  der  Sagopalme),  das  im  Nacken  herabhängt;  besonders 
bei  jungen  Leuten  beliebt. 

Charakteristisch  für  den  Osten  ist  die  folgende  Form: 

Halsstrickchen  (Nr.  507,  508,  2  Stück),  bestehend  aus  acht  dünnen  Bindfaden, 
die  vorne  derart  in  einen  Knoten  geschlagen  sind,  dass  das  Ende  über  die  Brust  herab- 
hängt.  Finschhafen. 

Desgleichen  (Nr.  508,  i  Stück),  acht  dünne,  sehr  fein  geflochtene  Schnüre  (50  Cm. 
lang),  blau  und  kirschbraun  gefärbt,  die  hinterseits  mit  rothem  Geflecht,  vorderseits  mit 
gelber  Schnur  (Ssemu)  zusammengebunden  sind.    Finschhafen. 

Die  hübsche  Färbung  verliert  sich  schnell  im  Gebrauche  und  Halsstrickchen  wer- 
den bald  derart  schmutzig  und  unansehnlich,  dass  sie  sich  für  Sammlungen  kaum  mehr 
eignen.  Und  dennoch  sind  derartige  unscheinbare  Dinge  manchmal  sehr  schwer  zu  er- 
langen, wie  das  folgende  Stück : 

Halsstrick  (Nr.  506,  i  Stück),  ein  circa  fingerdicker  Strick,  dessen  Enden  vorne 
in  zwei  Knoten  geschlagen  sind.  Finschhafen.  Wurde  von  einem  anscheinend  hervor- 
ragenden Manne  getragen,  der  sich  diesen  Schmuck  nur  sehr  ungern  und  gegen  gute 
Bezahlung  abschneiden  Hess.  Auch  auf  Bilia  schienen  derartige  Stricke  Auszeichnung 
der  Häuptlinge  zu  sein.  Halsschnüre  aus  Bindfaden,  von  Huongolf  bis  Long-Insel,  ohne 
jede  weitere  Verzierung,  bilden  den  fast  nie  mangelnden  Ausputz  des  Mannes.  Zuweilen 
wird  derartiges  Strickwerk  kreuzweis  über  Brust  und  Rücken  getragen,  ich  konnte 
aber  keine  Auskunft  erlangen,  ob  dies  vielleicht  ein  Zeichen  der  Trauer  ist,  in  ähnlicher 
Weise  wie  an  der  Ostspitze  (vorne  S.  20). 

Besonderer  TrauerSChmuck  ist  mir  nicht  bekannt  geworden,  wird  aber  jedenfalls 
vorhanden  sein. 

Brustbänder  aus  Flechtwerk,  ähnlich  den  an  der  Südostküste  üblichen  (II,  S.  3i2> 
Nr.  496)  habe  ich  nur  im  Westen  gesehen,  wie: 


I02  Dr.  O.  Finsch.  [240] 

Brustband  (Nr.  562,  i  Stück),  ein  15  Mm.  breites  und  74  Cm.  langes,  äusserst 
fein  aus  Pflanzenfaser  geflochtenes  oder  geknüpftes  Band  (wie  gewebt  aussehend),  auf 
das  schiefe  Querreihen  von  Spitzenabschnitten  von  Coixsamen  gleich  eingeflochten  sind. 
Angriifshafen. 

Derartige  Bänder  werden  kreuzweise,  auch  von  Knaben,  über  die  Brust  getragen, 
zuweilen  auch  um  Leib  und  Stirn.  Ich  erhielt  solche  auch  weiter  westlich  am  Albrechts- 
flusse bei  Wanua. 

Halsschnüre  von  aufgereihten  Samenkernen  sind  ebenfalls  vertreten,  hauptsäch- 
lich im  Westen.  Am  häufigsten  sind  solche  von  Coix  Lachryma,  ganz  wie  wir  sie  aus 
Neu-Britannien  kennen  (1,  S.  99  und  118,  Taf.  III,  Fig.  8).  Ich  beobachtete  derartige 
Schnüre  einzeln  von  Huongolf  bis  zum  Sechstroh.  Zuweilen  werden  Co/2U5-Ringe 
daran  befestigt,  wie  ich  dies  bei  Mädchen  auf  Grager  sah.  Hieher  gehört  auch  das  fol- 
gende Stück: 

Halskette  (Nr.  500,  i  Stück),  So  Cm.  lang,  aus  halbdurchschnitten  aufgereihten 
Coixsamen,  mit  acht  Hundezähnen.  Von  Huongolf. 

Im  Westen  werden  kleine,  runde,  schwärzliche  Samenkörner  (vgl.  Ethnol.  Atlas, 
Taf.  XXIV,  Fig.  3  a),  die  vielleicht  auch  künstlich  hergestellt  sind,  zu  Halsschmuck  ver- 
wendet, wie  die  folgende  Nummer: 

Halskette  (Nr.  501,  i  Stück),  von  Tagai. 

Halskette  (Nr.  498,  i  Stück),  lange  Schnur  mit  abwechselnd  mehreren  schwarzen 
Samenkörnern  und  je  einem  Coixsamen  aufgereiht.  Von  Massilia.  Abgebildet  Ethnol. 
Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  7. 

Desgleichen  (Nr.  499,  i  Stück),  49  Cm.  lang,  aus  zwei  verschlungenen  Schnüren 
schwarzer  Muschelperlen  (die  wie  schwarze  Perlen  aussehen)  und  zwei  Ringen  aus  Conus- 
Boden  eingeflochten.    Massilia.   Abgebildet  Ethnol.  Adas,  Taf.  XXIV,  Fig.  3. 

Schnüre  aus  gleichem  Material  und  cingeflochtenen  Nassa  erhielt  ich  am  Sech- 
stroh.  Hier  auch  eine  andere  elegante  Form : 

Halskette  (Nr.  508,  i  Stück),  1*5  M.  lang,  aus  aufgereihten  Samenkernen  von 
Adenanthera  pavonina.    Sechstrohfluss. 

Desgleichen  (Nr.  502,  i  Stück),  wie  vorher,  1-5  M.  lang,  aber  je  ein  Adenan- 
/Äera- Samenkern  wechselt  mit  zwei  bis  drei  halbdurchschnittenen  Coixsamen  ab.  Sech- 
strohfluss. Abgebildet  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  6. 

Die  so  schönen,  glänzend  rothen  Samen  von  Abrus  precatorius  habe  ich  nirgends 
aufgereiht  zu  Ketten  verwendet  gesehen.  Dagegen  am  Sechstroh  originelle  Halsketten 
aus  aufgereihten  Abschnitten  langer  Krebsbeine,  abwechselnd  mit  einzelnen  Nassa. 

An  Muschelmaterial  flndet  Nassa,  wie  fast  überall,  häufige  Verwendung.  Schnüre 
von  solchen  Muscheln  sah  ich  in  Finschhafen,  Constantinhafen  und  Venushuk  (hier 
ganz  wie  die  Stirnbinden  Taf.  XIV,  Fig.  10).  Hierher  gehört  auch  die  folgende 
Nummer: 

Halsschnur  (Nr.  497,  i  Stück),  eine  1-4  M.  lange,  gedrehte  Schnur,  in  die  einzelne 
Nassa  eingeflochten  sind.  Vom  Hammacherfluss. 

Halsketten  aus  Nassa  mit  CowM5-Ringen  (ganz  wie  die  Stirnbinde  Nr.  438,  S.  97) 
erhielt  ich  in  Dallmannhafen,  solche  aus  Nassa  und  Hundezähnen  an  verschiedenen 
Orten  zwischen  Finschhafen  und  Venushuk.  Dünne  Schnüre  aus  geschliffenen  Muschel- 
scheibthen  (wie  Taf.  XIV,  Fig.  4)  sah  ich  in  Huongolf  tragen,  hier  auch  Ketten  aus  auf- 
gereihten Hundezähnen  (vgl.  vorne  S.  97,  Nr.  556),  die  sehr  werth voll  sind  und  mir  ein- 
zeln auch  in  Finsch-  und  Friedrich  Wilhelms-Hafen  vorkamen. 


[241]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  io3 

Ein  eigenthümlicher  Halsschmuck  ist  der  folgende: 

Halskette  (Nr.  504,  i  Stück),  Strickchen,  an  dem  15  Landschnecken  (Helix  spec?) 
aufgereiht  sind.  Sechstrohfluss.  Ich  sah  sonst  nirgends  Landschnecken  zu  Schmuck  ver- 
wendet. 

Zur  Verzierung  von  Halsstrickchen,  wie  zu  vielem  anderen  Schmuck  dienen  auch 

Ringe  aus  Conus  (Nr.  514,  4  Stück)  geschliffen.  Von  Angriffshafen. 

Derartiger  Schmuck  (in  Finschhafen  »Kekumt  genannt),  findet  sich  längs  der 
ganzen  Küste;  ich  habe  hier  aber  niemals  die  punktirten  Muster  gesehen,  wie  solche  für 
die  Südostküste  charakteristisch  sind  (vgl.  II,  S.  3ii,  Fig.  20).  Weit  verbreitet,  aber 
überall  selten,  sind  flache  aus  dem  Schlosstheile  von  Tridacna  gigas  geschliffene  Ringe, 
die  mit  zu  den  bewundernswerthesten  Arbeiten  des  Steinalters  zählen.  Sie  dienen  zu- 
weilen, in  Imitation  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI,  Fig.  3)  als  Ersatz  der  cirkelrunden 
Eberhauer  und  kommen  im  Werth  diesen  am  nächsten.  Sie  werden  meist  einzeln  am 
Halse  oder  auf  der  Brust  getragen.  Auf  Grager  sah  ich  aber  einmal  einen  Brustschmuck 
aus  zwei  künstlich  aus  Tridacna  geschliffenen,  sehr  gut  nachgeahmten  Eberhauern, 
Sual  genannt,  der  jedoch  nicht  verkauft  wurde. 

Halsschmuck  (Nr.  522,  i  Stück),  ein  20  Mm.  breiter  Tridacna-Kin^^  5  Cm.  im 
Liebten,  der  an  einem  grobgeflochtenen  Bande  (aus  Pflanzenfaser,  ähnlich  Stroh)  be- 
festigt ist;  das  letztere  mit  Nassa  bordirt.  Von  Venushuk  (ganz  gleiche  Technik  wie 
das  Armband  Nr.  395). 

Brustring  (Nr.  519,  i  Stück),  aus  Tridacna  geschliffen,  18  Mm.  breit,  8  Cm.  im 
Lichten  (als  Imitation  eines  cirkelrunden  Eberhauers).   Von  Dallmannhafen. 

Desgleichen  (Nr.  520,  i  Stück),  wie  vorher,  20  Mm.  breit,  7  Cm.  im  Lichten. 
Vom  Caprivi. 

Desgleichen  (Nr.  521,  i  Stück),  wie  vorher,  schmäler,  6  Cm.  im  Lichten.  Von 
Tagai. 

Sehr  geschätzt  als  Brustornament  sind  Eberhauer  (in  Finschhafen  »y^^o«,  in  Con- 
stantinhafen  ^Bul-Ra*  genannt),  einzeln  oder  zu  zweien  an  einem  Stricke  um  den  Hals 
befestigt,  wie  die  folgende  Nummer: 

Bnistschmuck  (Nr.  523,  i  Stück)  aus  zwei  grossen  Eberhauern,  die  an  der  Basis 
durchbohrt  und  mit  Bindfaden  zusammengebunden  sind  (ganz  wie  II,  S.  3i2,  Fig.  21 
von  der  Südostküste).    Friedrich  Wilhelms-Hafen,  Insel  Grager. 

Ganz  ähnlichen  Schmuck  beobachtete  ich  auf  Willaumez,  in  Finschhafen  und  in 
Astrolabe-Bai.  Hier  erhielt  ich  in  Bogadschi  ein  Brustornament  aus  zwei  Eberhauern, 
die  auf  eine  Scheibe  aus  Cymbium  befestigt  waren. 

Halsring  (Nr.  525,  i  Stück),  aus  zwei  kolossalen  Eberhauern  (längs  dem  Aussen- 
rand  der  Krümmung  gemessen  23o  Mm.),  die  an  der  Basis  zusammengebunden  sind; 
sie  messen  9  Cm.  im  Diameter,  schliessen  also  eng  um  den  Hals  und  werden  hinter^its 
festgebunden.  Vom  Sechstrohfluss;  nur  hier  und  in  Humboldt-Bai  beobachtet.  Ein 
ähnliches  Stück  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI,  Fig.  i  abgebildet;  es  misst  12  Cm.  im 
Lichten. 

Der  kostbare  Brustschmuck,  wie  ihn  die  Sammlung  von  der  Ostspitze  (S.  22, 
Nr.  516)  bereits  besitzt,  ist  aus  diesem  Gebiet  durch  ein  noch  schöneres  Stück  vertreten: 

Brustschmuck  (Nr.  516^,  i  Stück),  aus  einem  abnorm  gekrümmten,  fast  cirkel- 
runden Eberhauer;  derselbe  misst  fast  70  Mm.  im  Lichten,  längs  der  Krümmung  des 
Aussenrandes  250  Mm.;  Basis  und  Spitze  stehen  40  Mm.  entfernt  von  einander;  an  einer 
Schnur  aus  grobem  Bastgeflecht  befestigt.   Friedrich  Wilhelms-Hafen. 


I04  ^^-  ^'  PJnsch.  [242] 

Derartige  Eberhauer  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXI,  Fig.  2)  gelten  auch  an  dieser  Küste 
als  die  grösste  Kostbarkeit  und  ich  habe  sie  nur  an  wenigen  Plätzen  (tlnschhafea, 
Astrolabe,  Venushuk,  Hammacherfluss)  zu  sehen,  noch  weniger  zu  kaufen  vermocht, 
schon  deshalb,  weil  die  Eingeborenen  solchen  Schmuck  ängstlich  zu  verbergen  pflegen. 
Der  grösste  derartige  Eberhauer  den  ich  sah,  stammte,  um  dies  beiläufig  zu  bemerken, 
von  Neu-Irland.  Er  war  fast  kreisrund,  die  Spitze  reichte  weiter  als  die  Basis  und  war 
von  dieser  nur  20  Mm.  entfernt,  die  Länge  war  längs  der  Aussenkante  der  Krümmung 
gemessen  335  Mm.,  die  Weite  im  Lichten  80  Mm. 

Bei  der  grossen  Seltenheit  verfertigen  die  Eingeborenen  auch  Falsificate,  wie  das 
folgende : 

Brustschmuck  (Nr.  518,  i  Stück),  aus  einem  cirkelrunden  Eberhauer,  dessen 
Spitzentheil  aber  angesetzt  ist,  welcher  Fehler  durch  feines  Flechtwerk  aus  rothgefärb- 
tem  Stroh  verdeckt  wird.   Vom  Hammacherfluss. 

Einen  eigenthümlichen  Brustschmuck  sah  ich  in  Huongolf ;  er  bestand  in  einem 
länglichen  Flechtwerk,  in  das  jederseits  drei  Eberhauer  befestigt  waren  und  das  unter- 
seits  in  ein  längliches  filetgestricktes,  reich  mit  Hundezähnen  garnirtes  Säckchen  endete. 
Das  Ganze  erinnerte  in  der  Form  an  einen  Krebs. 

In  Huongolf  und  Finschhafen  werden  Hundezähne  häufig  und  zuweilen  in  origi- 
nellen Formen  zu  Schmuck  verarbeitet,  wie  z.  B.  das  folgende  Stück: 

Brustschmuck  (Nr.  511,  i  Stück),  Rosette  von  12  Cm.  Durchmesser  aus  feinem 
Flechtwerk,  auf  welche  etliche  70  durchbohrte  Hundezähne,  in  vier  concentrischen  Rin- 
gen gruppirt,  aufgeflochten  sind.    Von  Parsihuk  in  Huongolf. 

Derartige  Rosetten  erhielt  ich  auch  in  Finschhafen.  Sie  heissen  hier  >Aiumata^y 
sind  sehr  selten  und  kostbar,  wie  gewisser  Brustschmuck  aus  Flechtwerk  in  Triangel- 
form, mit  Hundezähnen  besetzt  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  87),  in  Astrolabe-Bai. 

Ich  erwähne  hier  noch  eine  andere  Art  Brustschmuck,  der  aus  mehreren  stern- 
förmig zusammengebundenen  OvM/a-Muscheln  bestand.  Ich  sah  solchen  Schmuck  ein- 
mal am  Herculesfluss  und  sonst  überhaupt  nicht  diese  Muschel  in  ähnlicher  Weise  ver- 
wendet. 

Im  Westen,  wo  Hundezähne  selten  verwendet  werden,  ist  in  anderer  Weise  für 
Brustzierat  gesorgt,  wie  das  folgende  Stück  zeigt: 

Brustschmuck  (Nr.  526,  i  Stück  —  II,  S.  346,  Taf.  XVI  [8],  Fig.  3),  eigenthüm- 
liche  Form,  besteht  aus  einem  länglich-ovalen  Stück  Mark  eines  Baumes,  mit  einem 
Randbesatze  (a)  von  eigenthümlichen  Krebscheeren,  von  denen  vier  Stück  auch  den 
Mittelstreif  bilden;  diese  Krebsscheerstreifen  sind  mit  einer  Reihe  Nassa  (b)  bordirt  und 
der  Zwischenraum  jeder  Hälfte  mit  aufgekitteten  rothen  und  blauen  Ahrus-^ohntn  ver- 
ziert; am  unteren  Ende  (c)  sind  zwei,  an  der  Basis  mit  rothen  Papageifedern  beklebte 
Büschel  von  Seitenfedern  vom  Paradiesvogel  (Paradisea  Finschii)  befestigt,  ausserdem 
zwei  Hundezähne.   Von  Angriffshafen. 

Derartige  Schmuckstücke,  von  welchen  ich  nur  wenige  Exemplare  zu  sehen  be- 
kam, waren  einzelne  Male  auch  an  den  eigenthümlichen  Handkörbchen  der  Männer  an- 
gebunden, wahrscheinlich  nur  zufällig  und  nicht  als  eigentlicher  Ausputz  der  Körbe. 
In  AngrifTshafen  beobachtete  ich  noch  eine  andere  eigenthümliche  Art  von  Halsschmuck. 
Derselbe  bestand  aus  einem  breiten  halbmondförmigen  Streifen  Flechtwerk,  der  mit 
bunten  Streifen  bemalt  und  unterseits  mit  Troddeln  aus  Bindfaden  und  Coixsamen  be- 
setzt war.  Derartige  Halskragen  haben  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  an  der  Südostküste 
gebräuchlichen  fein  geknüpften  (II,  S.  3i2)  aus  Fresh water-Bai. 


[243]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  105 

Von  Brust -KampfBCbmuck,  der  an  der  Südostküste  in  einer  charakteristischen 
Form  (vgl.  Taf.  XVI,  Fig.  i)  vorkommt,  besitzt  Kaiser  Wilhelms-Land  an  vier  verschie- 
dene Typen,  die  in  der  Sammlung  schön  vertreten  sind.  Es  mag  hierbei  bemerkt  sein, 
dass  derartiger  Schmuck  nicht  ausschliesslich  beim  Kampf  gebraucht  wird,  um,  mit  den 
Zahnen  festgehalten,  den  Gegner  herauszufordern,  sondern  überhaupt  als  werthvoller 
Ausputz  der  Männer  zu  betrachten  ist.  Er  bildet  gleichsam  das  Attribut  des  waffen- 
fähigen Kriegers,  mit  dem  sich  derselbe  auch  bei  festlichen  Gelegenheiten  zeigt. 

Die  am  weitesten  verbreitete  Form  dieses  Brustschmuckes  besteht  aus  zwei 
Muscheln  (meist  Ovula,  seltener  Cypraea),  die  durch  einen  Querriegel  verbunden  sind, 
der  entweder  nur  mit  Strickwerk  oder  gelbgefärbten  Schnüren  (Ssemu)  umwunden  ist, 
oder  an  den  ein  herz*  oder  blattförmiges  feines  Flechtwerk  aus  dünnem  Bindfaden  be- 
festigt  ist,  mit  mehr  oder  minder  reichem  Randbesatz  von  iVa^^^-Muscheln.  In  der 
S.  40  (Anmerkung)  unter  Nr.  4  verzeichneten  Abhandlung  und  im  Ethnol.  Atlas  der 
»Samoafahrten«  (Taf.  XXII)  habe  ich  eine  reiche  Auswahl  dieses  Brustschmuckes  ab- 
gebildet (von  Neu-Britannien:  Willaumez,  Cap  Raoul,  Hansabucht,  French-Inseln, 
Long-Insel,  Huongolf,  Finschhafen,  Festungshuk  und  Astrolabe-Bai)  und  lasse  hier 
(Taf.  XVII,  Fig.  2)  eine  weitere  bildliche  Darstellung  folgen,  um  diese  so  charakte- 
ristische Form  zu  veranschaulichen.  Ich  fand  sie  von  Huongolf  westlich  bis  Dampier- 
Insel  (Karkar),  sowie  an  den  im  Westen  von  Neu-Britannien  besuchten  Localitäten  bis 
auf  die  French-Inseln. 

Ohne  blattförmigen  Ansatz,  also  nur  einfache  Riegel  mit  jederseits  einer  Muschel 
(wie  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXII,  Fig.  5)  sind  die  folgenden  Stücke : 

Brustschmuck  (Nr.  582,  i  Stück),  ein  19  Cm.  langer,  mit  gelben  Schnüren 
(Ssemu)  umwickelter  Riegel,  jederseits  eine  Ovula.  Long-Insel. 

Desgleichen  (Nr.  531,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  der  mit  Rohrgeflecht  umwickelte 
Riegel  nur  1 1  Cm.  lang  und  jederseits  eine  kleine  Cypraea.    Finschhafen. 

Desgleichen  (Nr.  584,  i  Stück),  wie  vorher,  mit  rothgefärbtem  Rottang  um- 
wickelt, jederseits  eine  Cypraea.    Friedrich  VVilhelms-Hafen,  Insel  Grager. 

Mit  blattförmigem  Mittelstück  aus  Flechtwerk  versehen  sind  die  folgenden  Stücke: 

Brustschmuck  (Nr.  533,  i  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  2).  Die  triangel- 
förmige  Schneppe  aus  feinem  Flechtwerk  ist  buntbemalt  und  reich  mit  Nassa  bordirt, 
jederseits  eine  Cypr,aea.  Bei  a  ist  eine  geflochtene  Oese  zum  Festhalten  mit  den  Zähnen, 
h  das  aus  dicken  Bindfaden  geflochtene  Tragband.  Von  Friedrich  Wilhelms-Hafen, 
Insel  Grager,  hier  ^Darr^  genannt. 

Desgleichen  (Nr.  530,  i  Stück),  der  i3  Cm.  breite  Riegel  ist  mit  gelber  Schnur 
(Ssemu)  umwickelt,  jederseits  eine  kleine  Cypraea;  an  den  Riegel  ist  ein  dreiblätteriger 
Ansatz  aus  feinem  Flechtwerk  befestigt,  mit  Randbesatz  und  Rippen  von  Nassa^  die 
Mittelrippe  aus  einer  Doppelreihe  von  Nassa  ist  an  der  Basis  jederseits  mit  einem  Conus- 
Ringe  verziert.    Finschhafen,  hier  »Ssanim*  genannt. 

Westlich  von  Dampier-Insel  (Karkar)  ist  mir  diese  Art  Brustschmuck  nicht  mehr 
vorgekommen,  dagegen  tritt  hier  eine  andere  sehr  charakteristische  Form  auf,  die  sich 
westlich  bis  Dallmannhafen  zu  verbreiten  scheint,  wie  das  folgende  Stück: 

Brustschmuck  (Nr.  536,  i  Stück),  besteht  aus  einer  flachen  länglichen  Schale 
(lö'/a  Cm.  lang  und  lo  Cm.  breit),  Abschnitt  von  einer  Cyrnhium-  (Meloe-)  Muschel,  mit 
feingefiochtenem  Tragstrick  aus  einer  Art  Bast,  der  auf  der  Mitte  der  Muschel  in  einen 
dicken  Knoten  endet,  der  mit  Schnüren  aus  Menschenhaar,  Nii55ii-Muschel  und  Flecht- 
werk umwunden  ist.   An  diesen  Knoten  schliesst  sich  ein  4  Cm.  langes  rundes  Flecht- 


Io6  Dr.  O.  Finsch.  [244] 

werk  aus  rothgefärbtem,  gespaltenen  Rohr  an,  mit  einem  Ringe  aus  Nassa,  an  dem  ein 
24  Cm.  langer  Streif  von  fuchsrothem  Cuscusfell  befestigt  ist.    Vom  Hammacherfluss. 

Abbildungen  dieser  Art  Brustschmuck^  der  ebenfalls  im  Sinne  von  Kampfschmuck, 
mindestens  als  Auszeichnung  des  Kriegers  dienen  dürfte,  geben  die  »Samoafahrten9 
(S.  299)  und  Ethnol.  Atlas  (Taf.  XXIII,  Fig.  i)  und  zeigen  den  reichen  und  mannig- 
fachen Ausputz.  Derselbe  besteht  aus  Co/2t/5-Ringen,  schwarzen  Fruchtkernen,  fein- 
geflochtenen Graskettchen,  immer  aber  und  der  Hauptsache  nach  in  kunstvollen  Schnüren 
mit  Besatz  von  Nassa  und  Menschenhaar.  Aehnlicher  Brustschmuck  aus  Cymbium 
findet  sich  auch  an  der  Südwestküste  (vgl.  '^Koio^  II,  S.  3i3)  und  Ostspitze  (Milne-Bai, 
S.  23).  In  Astrolabe-Bai  sah  ich  auch  einige  Male  Brustschmuck  aus  kleineren  Cymbium- 
Abschnitten  mit  Schildpattverzierung;  in  Bogadschi  »Koambim€  genannt 

Eine  dritte  Form  dieser  Art  Brustschmuck  zeigt  die  folgende  Nummer: 

Brustschmuck  (Nr.  537,  i  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  i).  Derselbe 
besteht  aus  einem  16  Cm.  breiten  Querholz  (a)y  an  welchem  jederseits  eine  Eiermuschel 
(Ovula  Ovum)  befestigt  ist,  sowie  vier  schmale  Streifen  Bambu  (bj^  die  ein  Gestell 
bilden,  welches  spitz  nach  unten  läuft  und  in  der  Mitte  durch  Flechtwerk  aus  grobem 
Bindfaden  verbunden  ist,  das  jederseits  von  einer  Reihe  von  acht  Muscheln  (Cypraea 
moneta)  begrenzt  wird;  letztere  wiederum  seitlich  durch  eine  Reihe  von  i3,  respective 
12  der  Länge  nach  gespaltenen  und  flach  geschliffenen  Eberhauern;  am  unteren  Ende 
ist  ein  schalenförmiger  Abschnitt  einer  Q/'w^/Mm-Muschel  (12  Cm.  Längsdurchmesser) 
befestigt.    Von  der  Insel  Guap. 

Diese  höchst  eigenthümliche  Form  bildet  einen  Uebergang  von  den  östlichen 
Formen  aus  Flechtwerk  und  Muscheln  (Nr.  530 — 534)  und  C^mfr/nm -Abschnitten 
(Nr.  536)  zu  der  westlichen  aus  Eberhauern  (Taf.  XVI,  Fig.  2).  Ich  erhielt  diese  Art 
Brustschmuck  nur  auf  der  Insel  Guap,  und  zwar  in  ein  paar  Exemplaren  und  habe  ihn 
sonst  nirgends  zu  sehen  bekommen. 

Von  Guap  an  westlich  tritt  eine  neue  charakteristische  Form  auf,  wie  die  folgen- 
den Nummern: 

Brustschmuck  (Nr.  540,  i  Stück  —  II,  S.  346,  Taf.  XVI  [8],  Fig.  2),  rechte  Hälfte. 
Als  Unterlage  dient  ein  herzförmiges  Gestell,  3o  Cm.  lang  und  23  Cm.  breit,  aus  kunst- 
vollem Flechtwerk  von  feingespaltenem  Rottang.  In  diesem  Gestell  ist  von  oben  jeder- 
seits eine  Reihe  von  neun  der  Länge  nach  gespaltenen,  gewaltigen  Eberhauern  (aj,  die 
sich  nach  unten  zu  verkürzen  und  so  einen  spitzwinkeligen  Keil  bilden,  durch  gebohrte 
Löcher  festgebunden.  Der  Mittelstreif  und  die  beiden  blattförmigen  Seitenfelder  sind 
von  einer  Doppelreihe  Nassa  bordirt  und  die  dadurch  gebildeten  drei  Felder  mit  rothen 
AbruS'hohn^Tiy  auf  einer  Art  Harz,  ausgekittet,  die  Seitenfelder  in  der  Mitte  noch  mit 
blauen  Bohnen;  die  untere  Hälfte  des  Mittelstreifes  (b)  zwischen  den  beiden  Seiten- 
feldern ist  mit  grünen  Papagei  federn  (von  Eclectus  polychlorus)  beklebt;  an  jeder  Seite 
sind  zahlreiche  Bindfaden,  gleich  Troddeln,  angebunden,  sowie  ein  Vogelknochen  (c), 
wohl  von  BuceroSy  das  Ganze  wird  an  einem  festen  Strick  um  den  Hals  getragen.  Vom 
Sechstrohfluss. 

Desgleichen  (Nr.  539,  i  Stück),  ähnlich  dem  vorhergehenden,  mehr  schildförmig, 
23  Cm.  lang,  22  Cm.  breit,  jederseits  neun  Stücke  von  Eberhauern  und  die  Verzierung 
von  Nassa  und  ^^rw5-Bohnen  in  ganz  verschiedenen  Mustern.  Von  Angriffshafen. 

Desgleichen  (Nr.  538,  i  Stück),  21  Cm.  lang,  23  Cm.  breit,  jederseits  sieben 
Stücke  von  Eberhauern;  die  Form  des  Schildes  und  der  mit  yl^rw^-Bohnen  beklebten 
und  mit  Nassa  bordirten  Felder  sehr  abweichend  von  den  beiden  vorhergehenden 
Stücken.   Von  Angriffshafen. 


[245]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  '  107 

Diese  Art  ebenso  kunst-  als  geschmackvollen  Brustschmuckes  kam  mir  zuerst  auf 
Guap  zu  Gesicht,  wurde  aber  erst  weiter  westlich  häufiger,  besonders  in  AngrifFshafen 
und  am  Sechstroh  bis  Humboldt-Bai.  Er  kleidet  sehr  originell  und  elegant  (vgl.  Abbild. 
»Samoafahrten«,  S.  333).  In  der  Ornamentirung  herrscht  eine  grosse  Abwechslung,  und 
ich  habe  trotz  der  grossen  Zahl  nicht  zwei  völlig  übereinstimmende  Exemplare  gesehen, 
was,  wie  bei  allen  Kunstarbeiten  von  Naturvölkern,  sich  in  der  individuellen  Begabung 
der  Künstler  leicht  erklärt.  Die  Troddeln  an  den  Seiten  dieser  Brustschilde  dienen 
nicht  nur  zur  Verzierung,  sondern  zum  Anbinden  von  allerlei  Kleinigkeiten  (Vogel- 
knochen,  Stückchen  Massoirinde,  Ingwerwurzel,  kleinen  sogenannten  Holzgötzen  etc.), 
die  wahrscheinlich  als  glückbringende  Amulete  oder  Talismane  oder  Erinnerungs- 
zeichen für  den  Besitzer  von  hohem  Werthe  sind.  An  dem  einen  Brustschilde  vom 
Sechstroh  fand  ich  einen  verräucherten  menschlichen  Humerus  befestigt,  vermuthlich 
ein  Erinnerungszeichen,  aber  ohne  cannibalische  Tendenz.  Die  (S.  42)  erwähnten  alt- 
venetianischen  Glasperlen  oder  besser  Hälften  derselben,  welche  ich  am  Sechstroh  er- 
hielt, waren  zwischen  den  i4^ru5-Bohnen  solcher  Brustschilde  aufgeklebt.  Wie  sich 
später  ergab,  gehörten  die  beiden  von  verschiedenen  Brustschildern  abgenommenen 
Hälften  zusammen  und  bildeten  eine  Perle,  die  einzige  derart,  welche  ich  überhaupt 
erhielt. 

Am  Sechstroh  beobachtete  ich  noch  eine  andere,  bisher  nicht  gesehene  Art  Brust- 
schmuck  aus  einem  ovalen  Schilde  von  Bast,  mit  rothen  und  blauen  Abrus  beklebt  und 
rings  mit  Zähnen  (wohl  vom  Schwein)  eingefasst.  Ein  anderer  schildförmiger  Brust- 
schmuck  war  mit  kleinen  gelben  Fruchtkernen  beklebt,  der  Rand  (mit  Ausnahme  des 
oberen)  mit  Crocodilzähnen  besetzt,  der  einzige  mir  vorgekommene  Fall  von  Verwen- 
dung dieses  Materials. 

g.  Armschmuck. 

Die  gewöhnlichen  aus  Pflanzenfaser  (Art  Gras)  geflochtenen  Armbänder,  die  in 
der  Sammlung  von  der  Südostküste  (vgl.  Gaarna  II,  S.  3i3)  so  reichlich  vertreten  sind, 
bilden  auch  an  der  ganzen  Küste  von  Kaiser  Wilhelms-Land  den  unumgänglich  noth- 
wendigen  Ausputz  für  beide  Geschlechter,  und  was  ich  dort  (I.  c.)  bereits  darüber  sagte, 
gilt  auch  für  hier.  Schmale,  aus  gespaltenem  Rottang  geflochtene  Armreife  (wie  Nr.  379, 
II,  S.  3i4  von  Kaire  und  Nr.  382,  I,  S.  118  von  Neu-Britannien)  habe  ich  auch  an  dieser 
Küste  (Finsch-  und  Hatzfeldthafen)  beobachtet,  dagegen  niemals  Armringe  aus  Conus- 
Muschel  (vgl.  Taf.  XV,  Fig.  i)  gesehen,  wohl  aber  sehr  kunstvoll  aus  Tridacna- 
Muschel  geschliffene  (auf  Guap  und  Tagai),  ähnlich  solchen  von  den  Salomons-Inseln 
(I,  S.  148). 

Armringe  aus  Basisquerschnitten  von  Trochus  niloticuSy  ähnlich  den  *Lalei€  des 
Bismarck-Archipels  (I,  S.  99,  Nr.  370)  finden  sich  ebenfalls  an  dieser  Küste.  Grob  ge- 
arbeitete, schwere,  wie  von  den  French-Inseln  (I,  S.  120)  sind  im  Westen  (von  Massilia 
bis  Humboldt-Bai)  nicht  selten,  wie  die  folgende  Nummer: 

Armring  (Nr.  367,  i  Stück),  12  Mm.  dick,  9  Cm.  Durchmesser,  von  Massilia.  Sie 
werden  oft  zu  mehreren  (6 — 8  Stück)  am  linken  Oberarm  getragen  und  dienen  unter 
Anderem  zum  Festhalten  des  Knochendolches  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  334). 

Im  Westen  (von  Huongolf  bis  Friedrich  Wilhelms-Hafen)  sind  diese  Armringe 
{*Bi€  in  Finschhafen)  durchgehends  zierlicher,  wie  die  folgenden: 

Armring  (Nr.  373,  i  Stück)  von  Friedrich  Wilhelms  Hafen  und 

Desgleichen  (Nr.  375,  2  Stück)  von  Finschhafen,  zuweilen  mit  eingravirtem  Rand- 
niuster  wie 


Io8  *  Dr.  O.  Finsch. 


[246] 


Armring  (Nr.  374  und  374^,  2  Stück  —  II,  S.  348,  Taf.  XVII  [9],  Fig.  5  und  6), 
aus  IrochuSf  circa  8  Mm.  dick  und  60,  respective  70  Mm.  Weite  im  Lichten.  Friedrich 
Wilhelms-Hafen,  hier  »ß/o«  genannt. 

Von  derartigen  Armringen  sind  oft  an  ein  Dutzend  mit  rothgefärbtem  Rottang 
zusammengebunden  und  bilden  einen  Schmuck  des  Oberarmes.  Die  kleinen  Ringe 
(wie  mit  6  Cm.  Weite)  sind  wohl  für  Kinder.  Die  Randmuster  sind  nicht  blos  ein- 
gravirt,  sondern  zuweilen  erhaben  herausgearbeitet  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIX,  Fig.  4, 
hier  das  Weisse  erhaben).  Im  Hinblick  auf  die  bedeutende  Härte  des  Materials  ist  es 
kaum  zu  begreifen,  wie  eine  so  kunstreiche  Bearbeitung  ohne  eiserne  Werkzeuge  über- 
haupt möglich  ist,  und  derartige  Stücke  stehen  unter  den  mancherlei  bewundernswerthen 
Arbeiten  des  Kunstfleisses  der  Steinzeit  jedenfalls  obenan.  Kaum  minderwerthig  als 
Kunstleistungen  müssen  jene  breiten  Ringe  aus  gebogenem  Schildpatt  betrachtet  wer- 
den, die  wir  zuerst  im  Westen  von  Neu-Britannien  (I,  S.  121,  Taf.  III,  Fig.  22)  kennen 
lernten.  Nach  sachverständigem  Urtheil  erfordert  es  bei  unseren  Hilfsmitteln  schon 
einen  geschickten  Arbeiter,  um  aus  einem  Stück  Schildpatt  eine  regelmässig  runde  Man- 
schette zu  biegen.  Wenn  daher  bei  »nackten  Wilden«  schon  diese  Technik  volle  An- 
erkennung verdient,  so  müssen  wir  ihre  künstlerischen  Leistungen  der  Ornamentirung 
vollends  bewundern.  Die  zum  Theil  sehr  tief  eingravirten,  ja  zuweilen  durchbrochen 
gearbeiteten  Muster  stellen  sich  in  regelmässiger  schwungvoller  Zeichnung  nicht  selten 
europäischen  ebenbürtig  zur  Seite.  Es  braucht  wohl  nicht  erst  bemerkt  zu  werden,  dass 
nicht  jeder  Papua  Schildpatt  zu  bearbeiten  versteht  und  Meisterschaft  darin  besitzt,  son- 
dern dass  es  wie  bei  uns  nur  gewisse  Künstler  gibt.  Deshalb  sind  die  Kunstleistungen 
auch  sehr  verschieden,  wie  dies  durch  die  nachfolgende  Reihe  am  besten  illustrirt  wird. 

Armband  (Nr.  409,  i  Stück),  ein  5  Cm.  breiter  Ring  aus  Schildpatt,  6  Cm.  Durch- 
messer, mit  sechs  eingravirten  Längsrinnen.  Parsihuk  in  Huongolf.  Einfachste  Form 
(ganz  wie  von  Neu-Britannien,  I,  S.  120,  Nr.  400  und  von  Ruk,  Carolinen). 

Desgleichen  (Nr.  408,  i  Stück),  daher;  7  Cm.  breit,  8  Cm.  Durchmesser,  mit 
Muster  in  eigenthümlicher  Strichelung  eingravirt. 

Desgleichen  (Nr.  407,  i  Stück),  daher;  7  Cm.  breit,  mit  eingravirtem  Muster. 

Desgleichen  (Nr.  406,  i  Stück),  von  Finschhafen;  nur  3  Cm.  breit,  mit  schöner 
Gravirung. 

Desgleichen  (Nr.  404,  i  Stück  —  II,  S.  356,  Taf.  XXI  [i3],  Fig.  3),  12  Cm.  lang 
und  750  Mm.  Durchmesser;  das  eingravirte  Muster  besteht  aus  geraden  Linien  und  be- 
deckt gleichmässig  das  ganze  Armband.  Daher. 

Desgleichen  (Nr.  402,  i  Stück),  mit  Gravirung.  Von  Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Desgleichen  (Nr.  403,  i  Stück  —  II,  S.  344,  Taf.  XV  [7],  Fig.  3),  i3  Cm.  breit, 
8  Cm.  Durchmesser,  mit  tief  eingravirtem  schwungvollen  Muster  in  Bogenlinien.  Das- 
selbe ist  mit  Kalk  weiss  eingerieben  und  tritt  daher  im  Gegensatz  zur  Abbildung  weiss 
(statt  wie  auf  dieser  schwarz)  hervor.    Von  Bilibili  in  Astrolabe-Bai. 

Desgleichen  (Nr.  405,  i  Stück),  10  Cm.  lang,  8  Cm.  Durchmesser,  aus  dickem 
Schildpatt  sehr  gleichmässig  rund  gebogen,  mit  sehr  schwungvollem  gravirten  Muster, 
das  sich  geschmackvoll  um  acht  durchbrochen  gearbeitete  Felder  gruppirt;  besonders 
feines  Stück.   Von  der  Insel  Grager  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Desgleichen  (Nr.  410,  i  Stück),  7  Cm.  breit,  mit  eigenthümlichem  eingravirten 
Muster  (Schnörkel  und  W- förmige  Figuren),  das  mit  einem  röthlich  gefärbten  Kalk 
eingerieben  ist.    Vom  Caprivifluss  in  Krauel-Bai. 

Breite  Schildpattarmbänder,  in  Finschhafen  ^Simassim^,  in  Astrolabe  »5i/ar«  ge- 
nannt, fand  ich  im  Osten  von  Huongolf  bis  Friedrich  Wilhelms-Hafen  am  häufigsten, 


[2171  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  lOg 

aber  noch  so  weit  westlich  als  Guap.  In  Bezug  auf  die  Muster  herrscht  grosse  Ver- 
schiedenheit, und  ich  habe  trotz  der  grossen  Anzahl  kaum  zwei  völlig  gleiche  gesehen. 
Sehr  hübsche  Muster  sind  in  meinem  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIX,  Fig.  i,  2,  3,  abgebildet. 

Die  Schildpattarmbänder  werden  zuweilen  noch  mit  besonderem  Schmuck  in  Form 
von  Anhängseln  verziert,  wie  das  folgende  Stück : 

Armbandschmuck  (Nr.  509,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  16),  be- 
stehend aus  (a)  sechs  circa  10  Cm.  langen  Schnüren  Muschelgeld,  an  welche  je  die 
Längshälfte  einer  Fruchtschale  (b)  und  zwei  Hundezähne  (c)  befestigt  sind.  Von  Finsch- 
hafen.  Derartiger  Schmuck  wird  auch  zur  Verzierung  anderer  Gegenstände  benutzt, 
z.  B.  als  Anhängsel  an  Leibgürtel. 

Aus  Gras  oder  Pflanzenfaser  geflochtene  Armbänder,  in  Bongu  »Sagiu^  genannt, 
reich  mit  Muscheln  ornamentirt,  sind  sehr  mannigfach  und  deren  Hauptformen  auch  in 
der  Sammlung  vertreten.  Im  Osten,  von  Huongolf  bis  Friedrich  Wilhelms-Hafen,  ist 
jene  Form  vorherrschend,  welche  wir  schon  von  den  French- Inseln  (Taf.  III,  Fig.  20) 
kennen  und  für  welche  zwei  blattförmige  Ansätze  charakteristisch  sind,  wie  die  folgende 
Nummer: 

Armband  (Nr.  391,  i  Stück),  aus  Flechtwerk,  mit  Randbesatz  von  Nassa.  Finsch- 
hafen,  hier  »Ssanim*  genannt  (in  Bogadschi  »Dschula*^  auf  Grager  »i4n«).  Sehr  ähn- 
lich wie  Fig.  4,  Taf.  XVIII,  des  Ethnol.  Atlas. 

Ein  besonders  feines  und  kunstvolles  Stück  in  diesem  Genre  repräsentirt  die  fol- 
gende Nummer: 

Armband  (Nr.  392,  i  Stück),  10  Cm.  breites  Band  aus  rothgefärbtem  Strohgeflecht, 
mit  zwei  blattförmigen  Schneppen  und  reicher  Verzierung  von  Nassa,  Cow«5-Ringen 
und  Hundezähnen  in  geschmackvoller  symmetrischer  Anordnung.  Insel  Grager,  Friedrich 
Wilhelms-Hafen.  Ein  ähnliches  reichverziertes  und  kostbares  Armband  von  dieser  Loca- 
lität  ist  Ethnol.  Atlas,'  Taf.  XVIII,  Fig.  3,  abgebildet. 

Aus  den  (S.  80)  beschriebenen  gelben  Schnüren,  Ssetnu  genannt,  werden  in  Huon- 
golf und  Finschhafen  auch  hübsche  Armbänder  geflochten,  die  sehr  elegant  aussehen, 
wie  das  folgende  Stück: 

Armband  (Nr.  389,  i  Stück),  aus  Ssemu,  4  Cm.  breit,  20  Cm*  Umfang;  am 
unteren  Rande  mit  einem  bogenförmigen  Ansätze.  Finschhafen.  Die  Art  und  Weise, 
wie  solche  Armbänder  am  Oberarm  getragen  werden,  zeigt  die  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  179. 

Im  Westen  treten  andere  Formen  geflochtener  Armbänder  auf,  wie  die  folgenden: 

Armband  (Nr.  394,  i  Stück),  25  Mm.  breites  Band  (28  Cm.  Umfang)  aus  roth- 
gefärbtem Strohgeflecht,  beiderseits  mit  Nassa  bordirt,  in  der  Mitte  ein  bogiger  Ansatz 
aus  feinem  Bindfadenflechtwerk,  der  dreireihig  mit  Nassa  bordirt  ist  und  in  eine  mit 
gleichem  Material  besetzte  Rosette  endet.    Hatzfeldthafen. 

Armband  (Nr.  395,  i  Stück),  schmales  Band  von  rothem  Strohgeflecht,  mit  einem 
grossen,  schönen  Ringe  aus  7ri(/ac;ia-Muschel  geschliffen,  lose  eingeflochten.  Venushuk. 

Armband  (Nr.  390,  i  Stück),  ein  circa  35  Mm.  breites,  ziemlich  grobgeflochtenes 
Band  aus  schwarzer  Pflanzenfaser  (siehe  Liane  vorne  S.  80)  mit  zahlreichen  bis  3o  Cm. 
langen  Fäden  aus  demselben  Material,  die  zu  Strähnen  verflochten  sind,  an  deren  Enden 
Coww5-Ringc  befestigt.   Finschhafen. 

Aehnliche  Stücke  aus  gleichem  Material  erhielt  ich  auch  in  Huongolf  und  Hum- 
boldt-Bai. 

Armband  (Nr.  387,  i  Stück),  schmales,  nur  i  Cm.  breites  Band  (27  Cm.  Umfang) 
aus  gleichem  Material  als  vorher,  mit  einer  Reihe  Nassa  aufgenäht.  Von  Angriffshafen. 


HO  Dr.  O.  Finsch.  [248] 

Armband  (Nr.  388^  i  Stück),  daher;  7  Cm.  breites,  feingeflochtenes  Band,  dicht 
mit  Nassa  besetzt  und  einige  i4^ru5-Bohnen  aufgeklebt. 

Eine  besondere  Art  Armband,  die  ich  einige  Male  am  Sechstrohfluss  beobachtete, 
mag  hier  zum  Schluss  noch  erwähnt  sein.  Diese  Armbänder  bestanden  aus  einem 
spiralig  gewundenen  Ring,  anscheinend  aus  einer  elastischen  Liane. 

Ausser  bunten  Blättern  und  wohlriechenden  Pflanzen,  die  bei  festlichen  Gelegen- 
heiten in  die  Armbänder  eingesteckt  werden,  gibt  es  auch  noch  besonderen  Armband- 
schmuck. In  Finschhafen  werden  eigenthümliche,  roth  und  gelb  gefärbte  Büschel  einer 
Pflanzenfaser,  Ssegum  genannt,  wohl  vom  Blatt  der  Sagopalme,  benutzt,  weiter  im 
Westen,  von  Hatzfeldthafen  bis  Guap,  tritt  eine  andere  Art  auf,  wie  die  folgenden 
Nummern : 

Armbandschmuck  (Nr.  416,  i  Stück),  bestehend  aus  einem  84  Cm.  langen,  run- 
den, über  Pflanzenfaser  befestigten  Streif  von  weiss  und  goldbraunem  Beutelthierfell 
(Cuscus)\  an  der  Basis  fein  umflochten  und  mit  Menschenhaar  und  Nassa  besetzt. 
Venushuk. 

Desgleichen  (Nr.  415,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  kürzer,  aus  rothem  Cuscusfell, 
unverziert.   Insel  Guap. 

Um  das  Handgelenk  werden,  ähnlich  wie  um  das  Fesselgelenk,  zuweilen  Bänder, 
meist  von  grober  Pflanzenfaser,  manchmal  feiner  und  roth  gefärbt,  umflochten,  wie  ich 
dies  von  Finsch-  bis  Hatzfeldthafen  notirte.  An  letzterem  Platze,  sowie  am  Caprivi  er- 
hielt ich  auch  Manschetten  aus  groben  Flechtwerk  von  gespaltenem  Rottang,  zuweilen 
mit  reicher  Verzierung  von  Nassa,  Conus-Scheibcn  und  Menschenhaar,  ähnlich  den 
>Aukoro€  von  der  Südostküste  (II,  S.  33 1,  Nr.  38o).  Ob  dieselben,  wie  dort,  zum 
Schutz  gegen  den  Rückschlag  der  Bogensehne  dienen,  vermochte  ich  nicht  auszumachen. 
Am  Sechstroh  hatten  die  Männer  zuweilen,  vielleicht  zu  demselben  Zwecke,  ein  Strick- 
chen um  das  Handgelenk  gebunden,  an  welchen  zwei  Co^iu^-Ringe  befestigt  waren. 

h.  Leibschmuck. 

Wir  haben  (S.  86)  bereits  unter  Bekleidung  gewisse  Arten  von  geflochtenen  und 
Rindengürteln  kennen  gelernt,  die  nur  in  Verbindung  mit  den  Tapaschambinden  als 
zur  Bekleidung  gehörig  betrachtet  werden  können,  eigentlich  aber  zum  Ausputz  ge- 
hören. Lediglich  als  solcher  sind  die  nachfolgenden  Stücke  aufzufassen,  welche  die  vor- 
züglichsten Formen  von  Leibschmuck  in  Kaiser  Wilhelms-Land  repräsentiren,  darunter 
sehr  kunstvolle  und  originelle  Arbeiten.  Im  Allgemeinen  ist  derartiger  Körperausputz 
selten,  wird  hauptsächlich  bei  festlichen  Gelegenheiten  und  fast  nur  von  Männern  ge- 
tragen, denn  nur  in  Humboldt-Bai  sah  ich  eine  gewisse  Art  Leibschnüre  (Nr.  564)  auch 
bei  Frauen. 

Leibgürtel  (Nr.  554,  i  Stück  —  II,  S.  358,  Taf.  XXII  [14],  Fig.  3),  17  M.  lang, 
geschmackvoll  verschlungene  Flechtarbeit  aus  55emi/-Schnüren  (S.  80).    Finschhafen. 

Ich  erhielt  hier  auch  sehr  reich  mit  Nassa  und  Hundezähnen  verzierte  Leibgürtel 
aus  diesem  Material,  darunter  einen  mit  Bommeln  aus  Fruchtschalen  und  Hunde- 
zähnen (wie  Taf.  XIV,  Fig.  16),  auch  ganz  einfache  (wie  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV, 
Fig.  s).  Ausserdem  sind  mir  Gürtel  aus  gleichem  Material  nur  noch  in  Huongolf  vor- 
gekommen . 

In  Astrolabe-Bai  erhielt  ich  eine  andere  sehr  eigenthümliche  Form,  die  ich  sonst 
nirgends  antraf. 


I 

[249]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  1 1 1 

Gogu  (Nr.  555,  I  Stück),  Leibschnur  (IL  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  5)  aus  Ab- 
schnitten der  natürlichen  Röhren  einer  Septaria-Muschely  abwechselnd  mit  einzelnen 
Fischwirbcln  (a)  und  Hundezähnen  (b),   Bogadschi. 

Diese  Art  Schmuck,  welche  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  »Popok*  heisst,  gilt  als 
äusserst  werthvoU  und  wird  höher  geschätzt  als  Hundezähne. 

In  Brocken  Water-Bai  (Venushuk)  sah  ich  Schnüre  von  Nassa  (ganz  wie  Fig.  10, 
Taf.  XIV)  um  den  Leib  gebunden,  auch  Leibgürtel  von  Hundezähnen  und  Nassa,  wie 
Taf.  XIV,  Fig.  II,  aber  auch  kunstvollere  Arbeiten  aus  diesen  Materialien,  im  Ganzen 
aber  wenig  derartigen  Schmuck. 

Weiter  nach  W^esten  wird  solcher  häufiger  und  formenreicher.  Ein  besonders 
kunstvolles  Stück  repräsentirt  die  folgende  Nummer : 

Leibgürtel  (Nr.  557,  i  Stück),  ein  3  Cm.  breiter  und  52  Cm.  langer  Streif  aus 
rothgefärbten  Rottangstreifen  geflochten,  an  beiden  Seiten  mit  einer  Reihe  Nassa  bor- 
dirt,  in  der  Mitte  des  Gürtels  ist  eine  Schneppe  aus  feinem  Bindfadenflechtwerk  an- 
gebracht, mit  einer  Agraffe  aus  neun  Hundezähnen  und  jederseits  einem  Conu^-Ringe, 
die  Spitze  der  Schneppe  endet  in  einem  Querriegel  von  gleichem  Flechtwerk  mit  Nassa 
bordirt  und  in  ein  Kettchen  mit  einem  schwarzen  Fruchtkerne  (wie  Taf.  XIV,  Fig.  17^); 
an  jeder  Seite  des  Gürtels  ist  eine  Doppelschneppe,  kleiner  als  die  der  Mitte,  aber  in 
gleicher  Weise  verziert,  angebracht;  der  Gürtel  endet  jederseits  in  einen  äusserst  ge- 
schickt geflochtenen  Strick.  Vom  Caprivifluss  in  Krauel-Bai. 
Sehr  einfach  ist  die  folgende  Nummer: 

Leibschnur  (Nr.  588,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  14),  eine  46  Cm. 
lange,  aus  sehr  gut  gedrehten  Bindfaden  gefertigte  Schnur,  an  welcher  eine  dicht  stehende 
Reihe  Cypraea  moneta  angeflochten  ist,  sowie  einzelne  Cowws-Ringe  (a).  Der  Mantel 
der  Muscheln  ist  abgeschlagen  und  abgeschliffen.  Von  der  Insel  Guap.  Ich  fand  diese 
eigenthümliche  Form,  die  schon  wegen  der  Benutzung  von  Cypraea  moneta  von  Inter- 
esse ist,  nur  hier,  wie  sonst  überhaupt  in  Neu-Guinea  keine  Cypraea  moneta  zu  Schmuck- 
zwecken benutzt. 

Eigenartig  sind  die  folgenden  Nummern : 

Leibgürtel  (Nr.  560,  i  Stück  —  II,  S.  342,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  15),  ein  circa  meter- 
langer und  25  Mm.  breiter  Baststreif,  auf  den  vier  Längsreihen  iV^^^a-Muscheln  genäht 
sind;  mit  drei  Querriegeln  aus  schwarzen  runden  Perlen  (a)  von  Cocosnussschale,  in 
der  Mitte  eine  Reihe  Cassidula  (b).    Von  Angriffshafen. 

Leibgürtel  (Nr.  561,  i  Stück),  ein  3  Cm.  breiter  und  56  Cm.  langer  Streif  aus 
schwarzer  Pflanzenfaser,  wohl  Liane  geflochten,  mit  zum  Theil  lang  abstehenden  Fasern 
und  Besatz  von  Nassa  in  symmetrischen  Mustern;  der  Gürtel  endet  jederseits  in  eine 
Oese  aus  Rottang  und  wird  mit  dünnen  Baststreifen  festgebunden.  Angriffshafen. 

Hier  erhielt  ich  auch  kunstvolle,  über  gespaltenen  Rottang  mit  Cont/5-Ringen  ver- 
zierte Leibgürtel  (wie  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  8)  und  sehr  zierliche,  wie  die  fol- 
gende Nummer: 

Leibschnur  (Nr.  559,  i  Stück),  aus  aufgereihten  Coixsamen  mit  abwechselnd 
vier  kleinen  schwarzen  Perlen  aus  Rinde  (wohl  Cocosnussschale).  AngrifTshafen.  Ab- 
gebUdet  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  7. 

Von  AngrifTshafen  bis  Humboldt-Bai  kommt  ein  eigenthümliches  Material  vielfach 
zur  Verwendung,  wie  die  folgende  Nummer: 

Pflanzenfaser  (Nr.  566,  i  Probe),  äusserst  fein  gespalten  und  hübsch  kirschbraun- 
roth  gefärbt;  wahrscheinlich  Blattfaser  der  Sagopalme  und  dasselbe  Material,  aus  dem 
die  Weiberschürzchen  (S.  87)  hergestellt  werden.    Sechstrohfluss. 


112  Dr.  O.  Finsch.  C^So] 

Leibschnur  (Nr.  563,  i  Stück),  daher;  bestehend  aus  15  sehr  dünnen  Schnüren, 
so  fein  wie  Haarschnüre  und  aus  obigem  Material  geflochten. 

Desgleichen  (Nr.  564,  i  Stück),  daher;  wie  vorher,  aber  mit  einzelnen  Coixsamen 
eingeflochten.  Derartige  Schnüre  sah  ich  in  Humboldt-Bai  auch  Frauen  über  den  Tapa- 
schürz  tragen. 

Ein  sehr  originelles  Stück  ist  das  folgende: 

Leibgürtel  (Nr.  565,  i  Stück),  45  Cm.  lange  Doppelreihe  aus  je  40  sehr  fein- 
geflochtenen dünnen  Schnüren  aus  obigem  Material;  in  der  Mitte  und  an  jeder  Seite  sind 
zahlreiche  dünne,  bis  3o  Cm.  lange  Bindfaden  aus  naturfarbenem  Garn  angebunden,  an 
deren  Basis  zum  Theil  halbdurchschnittene  Coixsamen  aufgereiht,  während  am  Ende 
zahlreiche  dünne  Ringe  aus  Napfmuscheln  (Patella)  eingeknüpft  sind;  am  Gürtel  selbst 
sind  ausserdem  Büschel  einzelner  Seitenfedern  des  Paradiesvogels  angebunden.  Von 
Angriffshafen. 

Leibschmuck  (Nr.  567,  i  Stück),  auf  eine  Schnur  gereihte  Abschnitte  von  Vogel- 
knochen (wohl  von  Buceros)\  in  der  Mitte  vier  grosse,  runde,  dunkle  Fruchtkerne,  zum 
Theil  mit  Gravirung  und  einige  schmale  Querschnitte  von  Knochen  (wohl  vom  Schwein). 
Sechstrohfluss. 

Diese  eigenthümliche  Form  (abgebildet  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XXIV,  Fig.  2)  fand  ich 
nur  hier;  statt  Vogelknochen  waren  häufiger  Abschnitte  der  langen  Glieder  von  Krebs- 
beinen verwendet.  Eine  andere  Art  Leibschnüre  von  dieser  Localität  bestand  in  auf- 
gereihten Samenkernen  von  Adenanthera  und  Coix  (vgl.  Ethnol.  Adas,  Taf.  XXIV, 
Fig.  6). 

/.  Beinschmuck. 

Aehnliche  Bänder  aus  feinem  Flechtwerk  von  Gras  oder  Faser,  wie  um  den  Ober- 
arm, werden  nicht  selten  unter  dem  Knie  getragen,  d.  h.  fest  umgeflochten,  wie  ich 
dies  von  Huongolf  bis  Venushuk  beobachtete.  Diese  Kniebänder,  in  Constantinhafen 
^  Samba  Sagiu*  genannt,  sind  häufig  roth  gefärbt  und  zuweilen  mit  ein  paar  Conus- 
Ringen  verziert,  wie  bei  jungen  Mädchen  auf  Grager  (vgl.  Abbild.  »Samoafahrten«, 
S.  108).  In  Finschhafen  sah  ich  auch  schmale  Ringe  aus  gespaltenem  Rottang  unterm 
Knie  umgeflochten,  aber  auch  sehr  feinen  Schmuck,  wie  die  folgende  Nummer: 

Knieschmuck  (Nr.  542,  i  Stück),  ein  16  Cm.  langer  und  24  Cm.  breiter  zwei- 
theiliger Streif  aus  feinem  Flechtwerk  von  gespaltenem,  mit  rothgefärbtem  Stroh  über- 
sponnenem  Rottang,  unterseits  mit  zwei  je  55  Mm.  langen  bogenförmigen  Ansätzen,  die 
durchbrochen  gearbeitet  sind;  die  oberen  Hälften  mit  kunstvollem  Besatz  von  Nassa 
in  Form  einer  Spirale;  an  den  seitlichen  Enden  sind  zwei  Bänder  zum  Festbinden. 

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Finschhafen. 

Sehr  kunstvolle  Arbeit.  Festschmuck  der  Männer,  nur  hier  von  mir  beobachtet. 
Ein  ähnliches  sehr  schönes  Stück  ist  in  meinem  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XVIII,  Fig.  2,  ab- 
gebildet. 

Schmuck  ums  Fesselgelenk  ist  mir  nur  wenige  Male  vorgekommen.  So  trugen 
einzelne  Männer  in  Finschhafen  grobgeflochtene  Ringe  aus  gespaltenem  Rottang  um 
die  Fessel  und  in  Grager  und  Hatzfeldthafen  war  zuweilen  das  Bein  vom  Knöchel  bis 
fast  zur  halben  Wade  mit  rothen  Flechtwerk  eingestrickt,  ganz  wie  ich  dies  auf  Wil- 
laumez  beobachtete  (I,  S.  118). 


[251]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  Il3 


III.  Sitten  und  Gebräuche. 

Bei  der  Kürze  meines  Aufenthaltes  konnte  ich  in  dieser  Richtung  nur  in  sehr  be- 
schränkter Weise  Notizen  sammeln.  Aber  wir  haben  darüber,  soweit  es  die  Eingeborenen 
von  Astrolabe-3ai  betrifft,  durch  v.  Miklucho-Maclay  ausführliche  und  ausgezeich- 
nete Nachrichten,  die  im  Grossen  und  Ganzen  dieselben  Verhältnisse  zeigen,  als  wie  ich 
dieselben  an  der  Südostküste  fand.  So  in  Betreffs  der  Moral,  die  namentlich  in  Bezug 
auf  das  eheliche  Leben  eine  sehr  strenge  ist,  wie  fast  bei  allen  Stämmen  papuanischer 
Race,  so  lange  dieselben  noch  unberührt  blieben.  Der  Verkehr  mit  Weissen  ändert 
diese  Verhältnisse  indessen  häufig  sehr  bald.  So  boten  mir  1884  in  Neu-Irland  Männer 
bereits  ihre  Frauen  an,  wobei  ich  bemerken  will,  dass  derartige  Offerten  noch  keines- 
wegs als  Zeichen  der  herrschenden  Unsittlichkeit  gelten  dürfen.  In  den  meisten  Fällen 
sucht  der  Eingeborene  ein  Stück  Tabak  als  Vorausbezahlung  zu  erlangen,  und  das  ist 
Alles.  In  Kaiser  Wilhelms-Land  zeigten  sich  die  Frauen  durchgehends  scheu,  und  es 
hielt  häufig  schwer,  sie  überhaupt  zu  sehen.  Nach  v.  Maclay  herrscht  übrigens  an  der 
Maclayküste  Monogamie. 

Cannibali8inU8  ist  bis  jetzt  nicht  aus  Kaiser  Wilhelms-Land  nachgewiesen.  Maclay 
erwähnt  an  einer  Stelle  »Der  Menschenfresser  Erempi«  ein  Gebiet,  das  er  selbst  nicht, 
sondern  nur  vom  Hörensagen  kannte.  Dasselbe  liegt  zwischen  Juno-Insel  und  Cap 
Croissilles  und  wurde  von  der  wissenschaftlichen  Expedition  derNeu-Guinea-Compagnie 
vielfach  durchstreift.  Sie  hielt  sich  hier  fünf  Wochen  auf,  aber  in  den' Berichten  wird 
nichts  von  dieser  Unsitte  erwähnt,  dagegen  an  ein  paar  anderen  Stellen  in  den  »Nach- 
richten aus  Kaiser  Wilhelms-Land«.  So  sah  Herr  v.  Schleinitz  an  den  Häusern  am 
Prinz  Wilhelmfluss  Menschenschädel  in  Bündeln  aufgehangen  und  glaubt  deshalb,  auf 
Cannibalismus  schliessen  zu  dürfen.  Hauptmann  Dreger  bemerkt  von  den  Eingebore- 
nen in  Huongolf :  »dass  die  Erschlagenen  gegessen  werden,  daraus  wurde  kein  Hehl  ge- 
macht«. Aber  dies  genügt  nach  meiner  Ansicht  noch  nicht,  um  daraufhin  Cannibalis- 
mus als  zweifellos  bestehend  anzunehmen. 

Namengebung  und  Heirat8gebräUChe.  Darüber  berichtet  v.  Maclay.  Es  besteht 
auch  eine  Art  Pathenschaft  und  v.  Maclay  wurde  öfters  gebeten,  Neugeborenen  seinen 
Namen  zu  geben.  Ein  circa  16  Jahre  altes  Mädchen,  das  von  ihm  benannt  war,  bekamen 
wir  in  Bongu  zu  sehen.  Spätere  Besucher  haben  dasselbe  gedankenlos  als  Maclay 's 
Frau  oder  Kind  bezeichnet;  es  war  aber  nur  sein  Pathenkind. 

B68Chneidling  wird  zuerst  von  V.  Maclay  aus  Astrolabe-Bai  erwähnt  und  ist  von 
mir  auch  nur  hier  beobachtet  worden,  ausserdem  noch  im  Westen  von  Neu-Britannien 
(I,  S.  120).  Nach  V.  Maclay  ist  diese  Sitte  übrigens  nicht  in  allen  Dörfern  von  Astro- 
labe  üblich.  Die  Operation  wird,  wie  bei  den  alten  Juden,  mittelst  eines  scharfen  Steines 
verrichtet,  und  zwar  im  x3.  bis  X4.  Jahre.  Sie  hat  übrigens  mit  Pubertät  nichts  zu  thun, 
denn  ich  sah  in  Bongu  beschnittene  Knaben,  die  kaum  älter  als  6  bis  7  Jahre  sein 
mochten. 

Be8tattung.  Die  Pietät  gegenüber  Verstorbener  bekundet  sich  schon  in  den 
Gräbern,  wie  ich  solche  in  Astrolabe-Bai,  Friedrich  Wilhelms-  und  Finschhafen  beob- 
achtete. Man  findet  im  Ganzen  wenig  Grabstätten,  weil  die  Verstorbenen  häufig  in  der 
Hütte  begraben  werden,  wie  Maclay  berichtet,  also  ganz  ähnlich,  wie  ich  dies  in  Neu- 
ßritannien  wahrnahm.  Die  Gräber  in  Bongu,  auf  Tiar  und  Bilia  bestehen  meist  aus 
einem  Plankenzaun,  in  welchen  bunte  Blattpflanzen,  zuweilen  Betelpalmen  gepflanzt 
werden.  In  Finschhafen  bezeichnet  ein  viereckiger  flacher  Holzrahmen,  der  mit  weissem 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuscums,  Ud.  VI,  Heft  i,  1891.  S 


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Dr.  O.  Finsch. 


[252] 


Sande  ausgeschüttet  ist  (Abbild.  »Samoafahrten«,  S.  176),  die  Grabstätte,  oder  es  ist, 
ähnlich  wie  auf  Teste-Insel,  ein  kleines  Häuschen  errichtet  (»Samoafahrten«,  S.  173) 
und  um  dasselbe  eine  Einfriedung  von  Corallstücken  oder  Cocosnüssen  gelegt.  Die 
Gebräuche  beim  Begräbnisse  selbst  beschreibt  v.  Maclay  ausführlich.  Dr.  HoUrung 
kannte  diese  wichtigen  Nachrichten  gewiss  nicht,  wenn  er  unter  Anderem  sagt,*)  »dass 
man  noch  nicht  einmal  weiss,  ob  die  Todten  begraben,  verbrannt  oder  gar  verspeist  (!) 
werden.« 

Andere  Bestattungsgebräuche  der  Bergbewohner  werden  in  den  Berichten  der 
Expedition  nach  dem  Finisterregebirge  mitgetheilt,  die  ich  hier  nicht  übergehen  will. 
Der  Ort  der  Mittheilungen  ist  das  Bergdorf  Kadda,  das  circa  3o  Kilometer  von  Con- 
stantinhafen  in  einer  Höhe  von  36o  Meter  (etwas  über  1000  Fuss),  also  keineswegs 
sehr  hoch  liegt.  Hugo  Zoll  er,  der  Chef  der  »Neu-Guinea- Expedition  der  Kölnischen 
Zeitung«,  schreibt  in  diesem  Blatte  (Nr.  53  vom  22.  Februar  1889)  über  den  Besuch  in 
Kadda  unter  Anderem  das  Folgende:  »Es  war  ein  grosses  und  volkreiches  Dorf  (!),  das 
wir,  begrüsst  von  den  Angesehenen  und  Wohlhabenden  (!),  betraten.  Wir  wurden  ge- 
beten, nicht  hier,  sondern  in  einem  etwa  eine  Viertelstunde  weiter  gelegenen  Dorfe,  das 
ebenfalls  Kadda  heissen  sollte,  unser  Lager  aufzuschlagen.  Die  Hütten  glichen  auf  ein 
Haar  der  in  Dschongu  zuerst  gesehenen  Schablone  des  hochdachigen  Berghauses.  Wohl 
aber  fiel  uns  das  am  Ende  des  Dorfes  gelegene,  mit  Gesichtsmasken  (!),  Schädeln  (!), 
Thierknochen  und  ähnlichem  Plunder  phantastisch  aufgeputzte  Haus  des  Zauberers  (!), 
sowie  eine  andere  grössere  Hütte  auf,  von  der  man  erzählte,  dass  sie  der  Zauberer  bei 
der  Vorführung* seiner  Kunststücke  benütze  (!).  Des  Weiteren  fand  sich  bei  Besichtigung 
der  rauchgeschwärzten  Hütten,  dass  an  deren  Decken  zahlreiche  (!),  meist  schon  nicht 
mehr  übelriechende  Leichen  herunterbaumelten  (!),  so  dass  wir  die  Nacht  in  einem 
wahren  und  wirklichen  Todtendorfe  verbracht  hatten.« 

Es  ist  ein  Glück  für  die  Wissenschaft,  dass  sich  bei  der  Expedition  noch  andere, 
nüchterne  Beobachter  befanden,  deren  Berichte  die  feuilletonistische  Ausschmückung 
auf  das  richtige  Mass  zurückführen.  Die  Herren  Dr.  Hellwig  und  Winter  schreiben 
(»Nachrichten  aus  Kaiser  Wilhelms-Land«,  1889,  Heft  I,  S.  7)  über  den  Besuch  in  Kadda 
wie  folgt:  »Das  Dorf  wurde,  nachdem  der  steile  Abhang  erklommen  war,  nach  ungefähr 
40  Minuten  erreicht  und  nach  weiteren  10  Minuten  ein  zweites  zu  demselben  gehöriges 
Dorf.  Beide  sind  äusserst  armselig  und  bestehen  nur  aus  wenigen  Hütten,  von  denen 
der  grösste  Theil,  besonders  in  dem  letzten  Dorfe,  in  welchem  übernachtet  wurde,  sich 
in  sehr  baufälligem  Zustande  befand.  Die  Einwohner  waren  nur  mit  Mühe  zu  bewegen, 
im  Dorfe  zu  bleiben  (am  anderen  Morgen  übrigens  sämmtlich  verschwunden).  Bei 
näherer  Untersuchung  der  Hütten  fand  sich,  dass  vielleicht  nur  zwei  bis  drei  bewohnt 
sein  konnten.  In  jeder  von  ihnen  waren  ein  bis  zwei  Todte  aufgestellt;  dieselben  be- 
fanden sich  in  sitzender  Stellung,  die  Knie  hochgezogen  und  an  den  Leib  gedrückt,  in 
Matten  eingehüllt.« 

Es  handelt  sich  also  hier  um  eine  Art  Mumificirung,  wie  sie  in  ähnlicher  Weise 
früher  auf  den  Inseln  der  Torresstrasse  üblich  war.  Der  Unterschied  mit  den  an  der 
Küste  herrschenden  Gebräuchen  besteht  nur  darin,  dass  die  in  Bündel  gepackten  Leichen, 
wie  es  scheint,  nicht  begraben  werden,  sondern  in  den  Hütten  verbleiben. 

Todtenverehrung  bekundet  sich  nicht  allein  in  Bestattungsgebräuchen,  sondern 
auch  im  Verwahren  von  Andenken  an  die  Verstorbenen.  In  ähnlicher  Weise,  wie  ich 
dies  in  Neu-Britannien  beobachtete  (I,  S.  ii3),  werden  nach  v.  Maclay  in  Astrolabe- 


')  In:  »Nachrichten  aus  Kaiser  Wilhclms-Land«,   1888,  Heft  IV,  S.  227. 


[253] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


"5 


Bai  nach  Verlauf  von  circa  einem  Jahre  die  Ueberreste  wieder  ausgegraben  und  davon 
die  Unterkinnlade  als  theures  Andenken  verwahrt.  Nicht  selten  wird  aus  dem  Unter- 
kiefer ein  Armband  verfertigt,  wie  wir  diese  Sitte  bereits  (S.  i8)  von  der  Ostspitze 
kennen  lernten.  Deshalb  hielt  es  so  schwer,  Schädel  zu  erlangen.  Maclay  erhielt  in 
15  Monaten  nur  10,  davon  nur  2  mit  Unterkiefer.  Ich  selbst  habe  nur  einmal  an  einem 
Hause  in  Bongu  ein  paar  Menschenschädel  bemerkt,  sonst  nie  in  einem  in  ganz  Kaiser 
Wilhelms-Land.  Aber  ich  sah  zwei  menschliche  Unterkiefer,*)  die  künstlich  an  Stäbchen 
befestigt  waren  und  jedenfalls  sehr  lange  im  Rauch  der  Hütte  aufbewahrt  gewesen  sein 
mussten,  denn  sie  waren  ganz  geschwärzt.  Dieses  Erinnerungszeichen,  welches  aus 
Bongu  herstammte,  bestätigt  also  vollkommen  die  Nachrichten  Maclay's,  wenn  dieselben 
überhaupt  der  Bestätigung  bedürften. 

Musik.  Die  ausführlichen  Nachrichten  v.  Maclay's  zeigen  ungefähr  dieselben 
Verhältnisse  als  anderwärts,  nämlich  dass  es  sich  auch  bei  den  Eingeborenen  dieser 
Küste  in  erster  Linie  weniger  um  Musik,  als  um  Lärmmachen  handelt.  Was  die  Instru- 
mente selbst  anbelangt,  so  sind  es,  mit  Ausnahme  einer  Art  Rassel,  dieselben,  welche 
wir  bereits  aus  Neu-Britannie^  und  von  der  Südostküste  kennen  lernten.  Die  meisten 
Instrumente  konnte  ich  selbst  sammeln.  Obenan  stehen  Trommeln  in  der  bekannten 
Sanduhrform,  aus  einem  Stück  Hartholz  gearbeitet  und  die  eine  OefTnung  mit  Eidechsen- 
haut (Monitor)  überspannt.  Die  Sammlung  enthält  davon  hervorragende  Stücke  in  den 
folgenden  Nummern: 

Trommel  (Nr.  601,  i  Stück  —  II,  S.  356,  Taf.  XXI  [i3],  Fig.  i),  62  Cm.  lang, 
15  Cm.  Durchmesser,  mit  kunstvoller  erhabener  Schnitzerei,  davon  der  aus  einem 
Stück  gearbeitete  Henkel,  eine  Eidechse  (Monitor)  darstellend;  die  Schnörkellinien  auf 
der  oberen  Hälfte  sind  eingravirt.  Die  Oberseite  ist  mit  Monitorhaut  bespannt.  Von 
Parsihuk  in  Huongolf. 

Desgleichen  (Nr.  600,  i  Stück);  sehr  gross,  70  Cm.  lang,  19  Cm.  Durchmesser, 
mit  feiner  Schnitzarbeit;  der  durchbrochen  geschnitzte  Henkel  endet  jederseits  in  eine 
Eidechse.   Von  Huongolf. 

Desgleichen  (Nr.  602,  i  Stück),  64  Cm.  lang,  17  Cm.  Durchmesser,  ausserordent- 
lich feines  Stück,  mit  kunstvoller  Schnitzerei:  zwei  Medaillons  in  Reliefarbeit,  Gesichter 
darstellend.   Von  Finschhafen,  hier  >Ong^  genannt,  am  Festungshuk  >Onge€, 

Die  interessante  Schnitzarbeit  dieser  Trommel  ist  im  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIII,  Fig.  4, 
abgebildet,  sowie  (Fig.  3)  das  folgende  Stück: 

Trommel  (Nr.  6o3,  i  Stück),  55  Cm.  lang,  10  Cm.  Durchmesser,  mit  kunstvoll 
durchbrochen  gearbeitetem  Henkel  und  eingravirtem  Muster.  Insel  Grager,  hier  »Dubuagn 
genannt,  in  Constantinhafen  >Okam<. 

Die  eigenthümliche  Schnitzarbeit  des  Henkels  wird  für  die  Trommeln  von  Fried- 
rich Wilhelms-Hafen  charakteristisch  (vgl.  auch  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIII,  Fig.  2).  Wenn 
man  bedenkt,  welche  Mühe  es  machen  muss,  ohne  eisernes  Geräth  ein  70  Cm.  langes 
Stück  harten  Holzes  allein  nur  auszuhöhlen,  so  wird  man,  ganz  abgesehen  von  der  oft 
sehr  kunstreichen  und  geschmackvollen  Schnitzarbeit,  diese  Trommeln  mit  unter  die 
besonders  hervorragenden  und  bewundernswerthen  Leistungen  der  Papuakunst  rechnen 
müssen.  Auch  das  ideale  Streben  des  Menschen  der  Steinzeit  v^erdient  dabei  volle 
Würdigung. 


»)  Ein  ganz  ähnliches  Stück  ist  »Museum  GodeflVoy,  Taf.  XIV,  Fig.  4«  von  den  Hcrmites  abge- 
t*iUet,  aber  keinesfalls  ein  Erinnerungszeichen  an  »einen  erschlagenen  Feind«,  sondern  an  einen  lieben 
f"'rcund  oder  Anven^'andtcn,  wie  dies  schon  die  Haarlocken  beweisen. 


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Diese  Art  Trommeln  habe  ich  an  der  ganzen  Küste  bis  Humboldt-Bai  beobachtet. 
Gewöhnlich  sind  sie  ohne  bemerkenswerthe  Verzierung  in  Schnitzarbeit.  Sie  dienen 
zur  Begleitung  beim  Tanzen  und  werden  von  dem  Tanzenden  selbst  bearbeitet,  der  sie 
mit  der  Linken  am  Henkel  hält  und  mit  den  Fingern  der  Rechten  den  Tact  schlägt. 
Trommeln  dieser  Art  dürfen  von  den  Frauen  gesehen  werden,  während  die  grossen 
trogähnlichen  Signaltrommeln  (vgl.  I,  S.  iii,  Taf.  V,  Fig.  8)  streng  tabu  sind,  ja  deren 
Klang  schon  genügt,  Weiber  und  Kinder  zu  verjagen.  Diese  Art  Trommeln,  in  Con- 
stantinhafen  yBarum^  genannt,  beobachtete  ich  ebenfalls  an  der  ganzen  Küste  von 
Kaiser  Wilhelms-Land,  und  zwar  meist  in  den  Gemeindehäusern.  Sie  sind  oft,  wie 
z.  B.  in  Humboldt-Bai,  von  colossaler  Grösse,  nicht  selten  hübsch  mit  Schnitzarbeit  ver- 
ziert und  werden  mit  einem  Knüppel  geschlagen.  Im  Ethnol.  Atlas  (Taf.  XIII,  Fig.  i) 
habe  ich  die  grosse  Trommel  (Do)  im  Gemeindehause  (Dasem)  auf  der  Insel  Tiar  in 
Friedrich  Wilhelms-Hafen  abgebildet. 

Ein  dem  >Awuwu^  von  Neu-Britannien  (I,  S.  ixo,  Taf.  V,  Fig.  7)  sehr  ähnliches 
Instrument  zeigt  die  folgende  Nummer: 

Blasekugel  (Nr.  592,  i  Stück),  eine  sehr  kleine,  kugelrunde  Steincocosnuss,  mit 
einem  Loche  zum  Hineinblasen  und  Löchern  zum  Fingern.  Constantinhafen,  Dorf 
Bongu,  hier  >Munki-ai€  genannt.  Gehört  nach  v.  Maclay  zu  den  Lärminstrumenten, 
deren  Anblick  für  die  Frauen  tabu  ist,  während  die  Blasekugeln  in  Neu-Britannien  ge- 
rade nur  vom  weiblichen  Geschlecht  benutzt  werden. 

Ausser  den  angeführten  Instrumenten  beobachtete  ich  nur  noch  Rohrflöten  (in 
Constantinhafen  *Thtmbin^  genannt),  ähnlich  denen  von  Neu-Britannien  (I,  Taf.  V, 
Fig.  5),  aber  ohne  Verzierung,  wovon  ich  eine  aus  dem  Gemeindehause  in  Tobadi  im 
Ethnol.  Atlas  (Taf.  XIII,  Fig.  5)  abbildete,  ein  Schlaginstrument  aus  Bambu  am  Ham- 
macherfluss,  ganz  wie  das  von  Port  Moresby  (II,  S.  336,  Nr.  593  -»Ssadä^)  und  ein 
anderes  Bambuinstrument  auf  der  Insel  Grager.  Dasselbe,  hier  »Gadu€  genannt,  besteht 
aus  einer  einfachen  46  Cm.  langen  Bamburöhre,  in  welche  Sprünge  gemacht  sind,  um 
den  Ton  zu  verstärken.  Ganz  ähnlich  ist  das  von  v.  Maclay  aus  Bongu  beschriebene 
^Ai'Kabrainy  eine  Bamburöhre,  die  ebenfalls  nur  zum  Lärmmachen  dient.  Nach 
V.  Maclay  werden  lange  Bamburöhre  auch  zum  Taktstampfen  benutzt,  ganz  wie  ich 
dies  in  Neu-Britannien  beobachtete,  aber  aus  Versehen  (I.  S.  109)  anzuführen  vergass. 
Panflöten  (I,  Taf.  V,  Fig.  4)  und  Maultrommeln  aus  Bambu  (Taf.V,  Fig.  i)  sind  mir 
in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  vorgekommen,  aber  ich  beobachtete  die  bekannten  Signal- 
trompeten aus  Tritonmuschel. 

Festlichkeiten.  Ich  konnte  mich  mit  den  Eingeborenen  von  Constantinhafen  be- 
reits  so  gut  verständigen,  dass  sie  uns  auf  mein  Ersuchen,  einen  >A/m/i«,  Tanz,  zum 
Besten  gaben.  Die  Vorstellung  bot  für  mich  durchaus  nichts  Neues,  denn  sie  bestand 
nur  in  dem  üblichen  Lärmniachen,  wilden  Springen  und  Trampeln,  wie  dies  überall 
bei  derartigen  Papuaaufführungen  der  Fall  ist.  Aber  die  Leute  hatten  keine  Vorberei- 
tungen treffen  können  und  improvisirte  Festlichkeiten  Eingeborener  sind  aUemal  ein 
mehr  oder  minder  kläglicher  Abklatsch  der  wirklichen.  Die  letzteren  beschreibt 
v.  Maclay  am  besten,  der  einmal  drei  Tage  und  zwei  Nächte  lang  ununterbrochen  Zu- 
schauer dabei  war.  Die  Feste  der  Männer  heissen  in  Constantinhafen  »/4/«,  wie  Alles,  was 
damit  verbunden  ist,  und  werden  meist  auf  einem  freien  Platze,  »-47«,  im  Urwalde  ab- 
gehalten. Eine  grossartige  Schmauserei,  wobei  Schweine  geschlachtet  werden  und  eine 
Kawabowle  den  Schluss  bildet,  ist  der  Kernpunkt  des  ganzen  »i4/«,  und  schon  aus 
diesem  Grunde  das  letztere  und  Alles,  was  damit  verbunden  ist,  für  Frauen  urtd  Kinder 


[255] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


117 


Streng  tabu.^)  Die  letzteren  dürfen  aber  beim  ^SeUmun^  zusehen,  eine  Festlichkeit  der 
Männer,  die  im  Dorfe  abgehalten  wird.  Die  Verhältnisse  sind  also  ziemlich  ähnlich  als 
wie  in  Neu-Britannien. 

Masken.  Mit  den  Ais  der  Männer  sind  zuweilen  auch  grosse  Maskeraden  verbun- 
den und  V.  Maclay  zeigte  mir  unter  seinen  Skizzen  die  phantastischen,  thurmartigen 
Aufbaue,  meist  aus  Federn,  bunten  Blättern  u.  dgl.,  welche  die  Männer  dann  auf  dem 
Kopfe  tragen.  Die  gleiche  Art  Masken  beschreibt  Dr.  Hollrung  von  Finschhafen.  Sie 
finden  sich  in  ähnlicher  Weise  an  der  SUdostküste  (II,  S.  336)  wieder  und  im  >Dugdug<t 
Neu-Britanniens  (I,  S.  1 1 5).  Eine  sehr  eigenthUmliche  Art  Masken  erhielt  ich  im  Westen 
von  Kaiser  Wilhelms-Land : 

Maske  (Nr.  621,  i  Stück  —  II,  S.  358,  Taf.  XXII  [14],  Fig.  5)  in  Form  einer  aus 
Hartholz  geschnitzten  Larve,  auf  der  Rückseite  40  Cm.  in  der  Länge  und  20  Cm.  breit, 
ein  Gesicht  mit  langer  spitzer  Nase  darstellend,  auf  rothem  Grunde  mit  weissen  und 
ockergelben  symmetrischen  Linien  bemalt,  Augen,  Mund  und  Nasenlöcher  sind  durch- 
bohrt gearbeitet,  in  den  letzteren  ein  Blattstreifen  von  Cocospalme  festgebunden,  am 
Kinn  ein  Bart  aus  Menschenhaar.   Dallmannhafen. 

Desgleichen  (Nr.  622,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  kleiner,  18  Cm.  in  der  Länge, 
7  Cm.  breit,  roth,  schwarz  und  weiss,  und  mit  gelben  Punkten  bemalt;  rings  um  das 
Gesicht  ist  eine  Wulst  von  Blattfaser  als  Imitation  des  Bartes  befestigt.   Dallmannhafen. 

Ich  erhielt  diese  Masken  in  Dallmannhafen  und  auf  der  Insel  Guap,  darunter  bis 
50  Cm.  lange  und  mit  langer,  spitzer,  vogelschnabelartiger  Nase  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIV, 
Fig.  2),  auf  Guap  aber  auch  eine  solche  mit  gekrümmter  Judennase.  Diese  Masken  sind 
sehr  verschiedenartig  bemalt  und  verziert.  So  an  den  Nasenlöchern  mit  Nassa  und 
Faserstreifen  oder  Blattbüscheln  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIV,  Fig.  i)  oder  imitirten  Nasen- 
schmuck in  Nasenkeilen  und  Schmuck  aus  Perlmutter  (wie  Taf.  XV,  Fig.  2).  Einer 
Maske  von  Guap  waren  Augen  aus  Deckeln  von  Turbo  (pentolarius)  eingesetzt. 

Von  derartigen  Masken  gibt  es  auch  Nachbildungen  en  miniature,  wie  die  folgende 
Nummer: 

Maske  (Nr.  660,  i  Stück),  ein  Gesicht  darstellend,  aus  Holz  geschnitzt,  circa 
140  Mm.  lang.   Dallmannhafen. 

Diese  kleinen  Masken  (vgl.  Ethnol.  Atlas,  Taf.  XIV,  Fig.  3  und  4)  fand  ich  zu- 
weilen an  den  Brustbeuteln  der  Männer  als  Schmuck  befestigt.  Es  sind  vermuthlich 
Erinnerungszeichen  an  grosse  Masken  feste,  Talismane  o.  dgl. 

In  einer  Hütte  in  Bongu,  in  welche  die  Frauen  nicht  Eintritt  hatten,  entdeckte  ich 
eine  verstaubte  und  verkommene  Holzschnitzerei,  welche  als  »Aidogan^  bezeichnet 
wurde.  Es  war  ein  ziemlich  langes  Stück  Balken,  in  welchen  mehrere  Figuren,  über- 
einanderstehend,  geschnitzt  waren,  ganz  ähnlich  dem  ^Aimaka^  von  Bilibili  (S.  57), 
aber  viel  kleiner.  Ich  konnte  keinen  Aufschluss  über  die  Bedeutung  dieser  Schnitzerei 
erhalten,  finde  denselben  aber  bei  v.  Maclay.  Nach  diesem  Beobachter  spielen  näm- 
lich diese  ^AidogarKn  bei  den  Maskenaufzügen  des  »/l/-mww«,  der  Festlichkeit  der 
Männer,  welche  oft  mehrere  Tage  dauert,  eine  grosse  Rolle  und  sind  natürlich  für  die 
Frauen  ebenfalls  tabu, 

Ahnenfiguren  und  Talismane.  Wie  die  Gemeindehäuser  (S.  57)  keine  Tempel, 
so  sind  die  mannigfachen  Holzsculpturen,  meist  in  der  Form  menschlicher  Figuren, 

»)  Dies  scheint  jedoch  nicht  überall  der  Fall  zu  sein.  So  wird  in  den  »Nachrichten  aus  Kaiser 
^Vilhelms-Land«  (1889,  S.  37)  ein  grosses  Fest  in  der  Umgegend  von  Finschhafen  beschrieben,  bei  dem 
gerade  die  Frauen,  besonders  die  jungen  Mädchen,  eine  Hauptrolle  spielten.  In  ähnlicher  Weise  sind 
niir  Feste  von  der  SüdostkQste  (Keräpuno  in  Hood-Bai)  bekannt. 


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Dr.  O.  Finsch. 


[256] 


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jedenfalls  keine  Idole,  wenn  sie  auch  mehr  oder  minder  mit  dem  geistigen  Leben  der 
Papuas  zusammenhängen  mögen  und  werden.  Selbst  der  beste  Kenner  der  Papuas, 
V.  Maclay,  vermochte  kein  klares  Verständniss  über  den  Zweck  und  die  Bedeutung 
dieser  Bildwerke  zu  erlangen,  die  in  Astrolabe-Bai,  ^Telum  oder  Tselum*  genannt, 
sehr  häufig  sind  und  alle  durch  Eigennamen  unterschieden  werden.  Ich  selbst  lernte 
verhältnissmässig  nur  wenige  Telums  kennen,  darunter  den  merkwürdigen  überlebens- 
grossen  >Telum  MuU  in  Bongu  (abgebildet  »Samoafahrtenc,  S.  49),  eine  Riesenleistung 
in  Bildhauerarbeit  der  Steinzeit.  Die  Figur  stellt  einen  Mann,  und  zwar  nach  dem  hier 
üblichen  Brauch,  beschnitten  dar,  mit  unverhältnissmässig  grossen  Genitalien.  Dies 
findet  sich  übrigens  bei  den  meisten  Telums  nicht  selten  in  der  Weise,  dass  die  Spitze 
des  errecten  Penis  sich  mit  der  lang  ausgestreckten  Zunge  vereint.  Aber  nur  die  Dar- 
stellung der  letzteren  wird  für  die  Telums  von  Astrolabe-Bai  charakteristisch  (vgl. 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  XV,  Fig.  i).  Jedoch  nicht  als  ausnahmslose  Regel.  Manche  Telums 
sind  nämlich  ohne  Zunge,  wie  dies  im  Westen  stets  der  Fall  ist.  Im  Uebrigen  ist  der 
Penis  zuweilen  sehr  klein  dargestellt,  oder  die  Geschlechtstheile  bleiben  überhaupt  un- 
kenntlich. Auch  weibliche  Holzfiguren,  ebenfalls  Telum  genannt,  kommen  vor,  wenn 
auch  seltener  als  männliche;  ich  erhielt  unter  Anderem  eine  solche,  fast  i  Va  M«  hoch, 
auf  Bilibili.  Die  Telums  sind  übrigens  meist  bemalt,  und  zwar  in  Roth,  Schwarz  und 
Weiss.  Am  interessantesten  und  kunstvollsten  sind  die  Kolossalfiguren  in  dem  Dorfe 
Ssuam  in  Finschhafen  (abgebildet  »Samoafahrten«,  S.  176),  schon  deshalb,  weil  sie  aus 
noch  mit  den  Wurzeln  in  der  Erde  stehenden  Bäumen  ausgehauen  wurden,  der  einzige 
derartige  Fall,  welcher  mir  vorkam.  Jede  Figur  stellt  einen  Mann  in  vollem  Staate  (mit 
Tapamütze,  Ohrschmuck  etc.)  dar,  aber  ganz  ohne  Geschlechtstheile  (vgl.  ^Samoa- 
fahrten«,  S.  175),  auf  der  Rückseite  (daselbst  S.  176)  mit  einem  Crocodil  in  ganzer 
Figur.  Die  Bildwerke  wurden  ^Abumtau  Gabiang<c^)  genannt;  vermuthlich  zur  Erin- 
nerung an  einen  berühmten  Vorfahren  dieses  Namens,  da  das  Wort  ^  Abumtau^  Häupt- 
ling bedeutet.  Nach  meiner  Ansicht  stehen  nämlich  alle  diese  grossen  Telums  mit 
Ahnen  und  Verehrung  derselben  in  engstem  geistigen  Verbände.  Sie  sind  wahrschein- 
lich Denkmäler  der  Geschichte  der  verschiedenen  Papuastämme  und  ihre  richtige  Er- 
klärung würde  vielleicht  Licht  über  die  Herkunft  derselben  geben  können.  Hoch- 
bedeutsam in  dieser  Richtung  ist  ein  Telum,  den  Maclay  beschreibt:  eine  menschliche 
Figur,  welche  eine  mit  verschiedenen  Zeichen  bedeckte  Tafel  in  den  Händen  hält, 
welche,  wie  sich  bei  näherer  Erkundigung  ergab,  einen  alten  Telum  darstellte.  Höchst 
wahrscheinlich  werden  gewisse  Telums  besonders  und  im  Sinne  von  etwas  Heiligem  (?) 
verehrt,  aber  Jedenfalls  nicht  als  Götzenbilder  unter  den  Begriffen,  die  wir  in  unserer 
Vorstellung  daran  knüpfen. 

Mit  Ausnahme  von  Humboldt-Bai,  wo  ich  im  Vorplatze  des  Gemeindehauses  zwei 
kleine,  anscheinend  aus  Cycaspalme  roh  geschnitzte  Figuren  (Ethnol.  Atlas,  Taf.  XV, 
Fig.  8)  sah,  habe  ich  Telums  nie  in  diesen  Häusern  beobachtet.  Sie  werden  meist  in 
oder  bei  den  Hütten  aufgestellt,  oder  die  ganz  grossen  in  besonderen  kleinen  Hütten, 
wie  dies  bei  dem  »  Telum  MuU  in  Bongu  der  Fall  war. 

Wenn  die  grossen  Telums  Ahnenfiguren  darstellen  oder  mit  solchen  in  Beziehung 
stehen,  so  wird  man  die  viel  häufigeren  mittelgrossen  und  kleinen  vielleicht  als  Nach- 
bildungen derselben  im  Sinne  von  Talismanen  zu  betrachten  haben.  Wenigstens  scheint 
mir  dies  vorläufig  die  einzig  richtige  Deutung,  denn  dass  alle  diese  kleinen  Figürchen 


I)  Diese  Figur,  wie  die  des   »Telum  Mul«   hatte  ich   in  genauen  Nachbildungen  in  natürlicher 
Grösse  in  der  Handelsausstellung  in  Bremen  (1890)  ausgestellt,  wo  sie  allgemeine  Aufmerksamkeit  fanden. 


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[257] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  Südsee. 


119 


keine  Götzenbilder  sind,  darüber  kann  kein  Zweifel  herrschen.  Die  Sammlung  enthält 
im  Nachfolgenden  eine  hübsche  Reihe  hierher  gehöriger  Belegstücke. 

Telum  (Nr.  659,  i  Stück  —  II,  S.  36o,  Taf.  XXIII  [15],  Fig.  4  und  5),  ein  x8  Cm. 
langes  und  circa  672  Cm.  breites,  jederseits  flaches,  geschnitztes  Stück  Kalkthon  mit 
dem  Gesicht  eines  Mannes  (Fig.  4  en  profile,  Fig.  5  en  face),  Stirnbinde  (diese  roth  be- 
malt) und  Bart  deutlich  erkennbar;  Nase  nicht  durchbohrt.  Constantinhafen,  Dorf  Bongu. 

Kleine  aus  Holz  geschnitzte  Telums  erhielt  ich  in  Astrolabe-Bai  nicht,  dagegen 
sehr  viele  in  Dalimannhafen  und  auf  der  Insel  Guap. 

Talisman  (Nr.  651,  i  Stück  —  II,  S.  36o,  Taf.  XXIII  [15],  Fig.  3),  Holzfigur, 
circa  3o  Cm.  lang,  aus  weichem  Holz  geschnitzt,  mit  rother  Farbe  bemalt,  sehr  roh, 
einen  Mann  darstellend;  Ohren  und  Nase  durchbohrt,  Füsse  und  Hände  ohne  Andeu- 
tungen von  Zehen  und  Fingern;  auf  dem  Kopfe  ein  nicht  näher  zu  bestimmendes  Thier, 
am  wahrscheinlichsten  einen  Cuscus  (Phalangista)  darstellend,  am  Hinterkopf  eine 
lange  Zopfwulst.  Dallmannhafen. 

Derartige  roh  aus  weichem  Holz  geschnitzte  Figuren  erhielt  ich  auch  auf  Guap 
und  Päris-Insel  (Aarsau).  Zwei  sehr  schlanke  Figuren,  90  Cm.  lang,  mit  gelben  Längs- 
streifen, waren  mit  der  Figur  einer  schwarz  und  weiss  bemalten  Eidechse  und  einer 
nicht  zu  enträthselnden  Thiergestalt  zusammen  in  eine  Hülle  aus  Bast  der  Sagopalme 
gepackt.  Ein  Palmblatt  enthielt  drei  ähnliche  Figuren.  Eine  Figur  von  Aarsau  stellte 
einen  auf  dem  Kopfe  stehenden  Mann,  hinterseits  ein  Crocodil  dar  (ähnlich  dem  Gabiang 
von  Finschhafen,  S.  118). 

Talisman  (Nr.  652,  i  Stück  —  II,  S.  36o,  Taf.  XXIII  [15],  Fig.  i),  Holzfigur, 
19  Cm.  lang,  einen  Mann  darstellend,  aus  weichem  Holz  geschnitzt,  roth  angestrichen. 
Zeigt  das  eigenthümliche  Haarkörbchen  mit  Binden:  a  von  natürlichen  Muscheln 
(Nassa)j  b  von  feingeflochtenem  gespaltenen  Rottang,  c  von  Menschenhaar;  am  Ende 
mit  einem  Büschel  Casuarfedern,  hinterseits  einige  dünne  Bindfaden  als  Zierat.  Die 
Hände  zeigen  nur  vier  Finger;  die  Nase  ist  durchbohrt.  An  der  Basis  endet  die  Figur 
in  einen  Stiel  zum  Einstecken.    Guap. 

Desgleichen  (Nr.  653,  i  Stück),  19  Cm.  lang,  ähnlich  dem  vorhergehenden,  aber 
eine  Frau  mit  hohem  Kopfaufsatz  darstellend.    Guap. 

Desgleichen  (Nr.  654,  x  Stück),  männliche  Figur  mit  hohem  Haarkörbchen,  an 
der  Basis  in  einen  langen  Stiel  endend,  daher  im  Ganzen  27  Cm.  lang.  Guap. 

Das  zugespitzte  Ende,  welches  solche  Figuren  zuweilen  haben  (vgl.  auch  Ethnol. 
Atlas,  Taf.  XV,  Fig.  7)  dient  dazu,  um  sie  irgendwo  einstecken  zu  können;  vielleicht 
auch  in  die  Erde,  da  diese  Art  Figuren  (ähnlich  den  >Kawabu<c  von  der  Südostküste 
II,  S.  337)  vermuthlich  dem  Gedeihen  der  Pflanzungen  glückbringende  Talismane  sind. 
Den  meisten  Figuren  fehlt  übrigens  ein  solcher  Stiel,  wie  den  folgenden : 

Talisman  (Nr.  656,  i  Stück  —  II,  S.  36o,  Taf.  XXIII  [15],  Fig.  2),  Holzfigur, 
125  Mm.  lang,  aus  weichem  Holz  geschnitzt,  mit  rother  Farbe  bemalt,  einen  Mann  dar- 
siellend,  der  eine  Maske  trägt;  auf  dem  Kopfe  ein  roh  geschnitztes  Thier  (wohl  Frosch?), 
Nase  durchbohrt,  Nasen-  und  Penisspitze  verbunden  und  mit  feinem  Flechtwerk  um- 
strickt; um  den  Hals  ein  Strickchen  aus  Pflanzenfaser,  die  rechte  Hand  mit  vier,  die 
linke  mit  drei  undeutlich  angedeuteten  Fingern.  Von  Guap. 

Eine  ähnliche  Holzfigur  mit  Maske,  aber  die  Hände  ans  Kinn  legend,  ist  in  meinem 
Ethnol.  Atlas  (Taf.  XV,  Fig.  6)  abgebildet,  eine  andere  mit  hohem  Haarkörbchen  da- 
selbst (Fig.  5),  sowie  eine  dritte  mit  fast  flachem  Kopfe  (Fig.  4). 

Talismane  (Nr.  655),  drei  circa  14  Cm.  lange  Figuren  zusammengebunden,  da- 
von nur  die  eine  als  männliche  erkennbar.    Guap. 


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Dr.  O.  Finsch. 


[258] 


Diese  Holzfiguren  werden  gewöhnlich  von  den  Männern  in  ihren  Tragbeuteln 
mitgeführty  andere  kleinere  an  denselben  als  Zierat  angebunden,  wie  die  folgenden: 

Talismane  (Nr.  657  und  658,  2  Stück),  7  Cm.  lang.  Von  Guap. 

Auch  an  den  Brustschilden  (Taf.  XVI,  Fig.  2)  fand  ich  zuweilen  solche  Holz- 
figuren befestigt. 

Die  vorstehend  beschriebene  Reihe  zeigt  schon,  dass  fast  jede  dieser  Holzfiguren 
Verschiedenheiten  bietet.  In  der  That  habe  ich  unter  zahlreichen  von  mir  untersuchten 
Stücken  nicht  zwei  gleiche  gefunden,  wie  dies  stets  bei  Arbeiten  der  Papuakunst  vor- 
kommt. Charakteristisch  für  die  Holzfiguren  aus  dieser  Gegend  ist  besonders  die  häufige 
Nachahmung  von  Haarkörbchen  oder  diesen  entsprechender  Haarfrisur,  sowie  die 
Wiedergabe  der  eigenthümlichen  Masken. 

An  und  in  den  Beuteln  findet  sich  nicht  selten  eine  andere  Art: 

Talisman  (Nr.  663,  i  Stück),  ein  14  Cm.  langes  Stück  Rinde,  wohl  Massoi. ') 
Von  Guap. 

Derartige  Rindenstückchen,  sowie  Stückchen  Ingwerwurzel,  Curcume,  wohl- 
riechendes Harz  (vgl.  S.  89)  scheinen  beim  Papua  sehr  hochgeschätzt  zu  sein,  vielleicht 
auch  als  Medicin  benutzt  zu  werden.  Jedenfalls  findet  man  derartige  Sächelchen,  zum 
Theil  hübsch  eingestrickt,  allenthalben  mit  unter  den  Raritäten  der  Eingeborenen,  nicht 
selten  auch  kleine  Steine  u.  dgl.  als  Talismane,  ganz  wie  ich  diese  Verhältnisse  an  der 
Südostküste  kennen  lernte  und  beschrieb  (II,  S.  337). 


>)  Nach   Dr.  Vorderman  in  Batavia  stammt  die  echte  Massoirinde  von  Sassafras  goesianum 
und  nicht  von  Cinnamomum  Kiamis, 


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[259] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


Inhaltsverzeichniss. 


121 


Zweite  Abtheilung:  Neu-Guinea. 
II.  Kaiser  Wilhelms-Land. 


Seite 

Einleitung [i75]  ^7 

Geographische  Lage   und  Umfang  [175]  Sy 

Bisherige  geographische  Kenntniss  [175]  37 

Samoafahrten [176]  38 

Bisherige   ethnologische  Kenntniss  [177]  39 

Ethnologische  Charakterzüge    .    .  [179]  41 

»  Sectionen  ....  [179]  41 

l'nberührtes  Steinzeitalter     .     .     .  [180]  42 

Sammellocalitäten [181]  43 

A.  .Anthropologie. 

Racc [182]  44 

Statur [i83]  45 

Physiognomie [i^3]  45 

Hautfarbung [i83]  45 

Hautkrankheiten [i83]  45 

Haar [184]  46 

Sprachverschiedenheit [184]  46 

Herkunft  der  Papuas [184]  46 

B.  Ethnologie. 

I.Bevölkerung    .    .    .     .  [185]  47 

1.  Erster   Verkehr    mit    Einge- 

borenen   [185]  47 

Friedenszeichen [185]  47 

2.  Dichtigkeit   der  Bevölkerung  [185]  47 

3.  Siedelungen [^87]  49 

U.  Lebensunterhalt    und    Bedürf- 
nisse    [187]  49 

I*  Landbau  und  Hausthiere  .    .  [187]  49 

Landbau    [187]  49 

Urbarmachen [^87]  49 

Ackergeräth [187]  49 

Plantagen [187]  49 

Culturgewächse [188]  50 

Eingeführte  Pflanzen [188]  50 

Hausthiere [188]  50 

Eingeführte [189]  51 

2.  Jagd  und  Fischerei     ....  (189]  $1 

Jag^i [189]  51 

Wild [189]  51 

Jagdmethoden [189]  51 

Fischerei [J9o]  52 

Fanggeräth [190]  5- 

Fischhaken [190]  5^ 


3.  Schifffahrt 

Canu 

Verschiedene  Bauart 

Tauwerk 

Ruder 

4.  Häuser  und  Hausrath     .     .     . 
nauser  .......... 

Verschiedenheit  im  Baust)'le     .    . 

Gemeindehäuser 

Schnitzwerk  derselben      .... 
Hausrath 

Inneres  einer  Hütte    .... 

Haken 

Kopfstützen 

5.  Ess-  und  Kochgeräthe    .     .    . 

Schüsseln 

Rührlöffel . 

Mörser 

Essgeräthe 

Schaber    

Schneidemuscheln  .    .    .     .    ^ 

Knochenbrecher 

Löffel 

Bambumesser 

Trinkgefasse 

Stampfer 

Sagoklopfer 

Kochgeräthe 

Töpfe 

Töpferei 

Feuerreiben 

6.  Kochen,  Nahrung  und  Reiz- 

mittel      

Kochkunst 

Nahrungsmittel 

Animalische  Kost 

Conserven 

Reizmittel 

Tabak  

Betel 

Kalkbehälter 

Kalkspatel 

Kawa 

7.  Körbe  und  Beutel 

MattenÜ  echten 

Körbe 


Seite 
191]  53 
191]  53 
191]  53 
»93]  55 
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199]  61 

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199]  61 

200]  62 

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200]  62 
200]  62 
201]  63 
201]  63 
201]  63 
201]  63 
201]  63 
202]  64 
202]  64 
203]  65 
204]  66 
204]  66 
204]  66 
204]  66 


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122 


Dr.  O.  Finsch. 


Seite 

Filetstricken [205]  67 

Brustsäckchen [205]  67 

Inhalt  derselben [205]  67 

Tragbeutel [206]  68 

Feine  Brustbeutel [206]  68 

Aeusserer  Schmuck  derselben  .    .  [207]  69 

8.  Werkgeräth [207]  69 

Aexte [207]  69 

Leistungsfähigkeit  derselben      .  [208]  70 

Steinklingen [208]  70 

Muschelklingen [208]  70 

Aexte  mit  Stiel [209]  71 

Sonstige  Werkzeuge [210]  72 

9.  Waffen  und  Wehr      ....  [210]  72 

a.  Geschosse [210]  72 

Schleudern [210]  72 

Speere [211]  73 

Wurfstock [212]  74 

Wurfspeere [212]  47 

Bogen [212]  74 

Pfeile [2i3]  75 

Kein  Vergiften [215]  77 

b.  Schlag-  und  Stichwaffen  .     .     .  [215]  77 

Keulen [215]  77 

Dolch [215]  77 

c.  Wehr [215]  77 

Schilde [215]  yy 

Kürass [216]  78 

10.  Rohmaterial    und    Verwen- 

düng [217]  79 

Unkenntniss  darüber [217]  79 

a.  Aus  dem  Pflanzenreich     .     .     .  [217]  79 

Bambu [217]  79 

Cocospalme [217]  79 

Fasermaterial [217]  79 

Tapa [217]  79 

Für  Putzzwecke [218]  80 

Samen  und  Fruchtschalen   .     .  [218]  80 

Blätter  und  Blumen    .     .     .     .  [219]  81 

b.  Aus  dem  Thierreiche  .     .     .     .  [219]  81 

Knochen [219]  81 

Zähne [219]  81 

Felle [219]  81 

Schildpatt [220]  82 

Federn [220]  82 

Conchylien [220]  82 

Perlmutter [220]  82 

Tridacna     .     ,    \     .     .     .  [221]  83 

Nassa [221]  83 

Cymbium [221]  83 

Trochus [221]  83 

c.  Aus  dem  Mineralreiche     .     .     .  [222]  84 

d.  Tauschmittel [222]  84 

Muschelgeld [222]  84 

Hundezähne [223]  85 


[260] 


Seite 

II.  Körperausputz [223] 

A.  Bekleidung [223] 

Tapa [223] 

Schamkalebassen [224] 

Weiberschürzchen  und  Röcke  [225] 

B.  Schmuck  und  Zieraten  .     .     .  [226] 

a.  Hautverzierung     ....  [226] 

Tätowirung [226] 

Ziernarben [226] 

Brandwunden [226] 

Bemalen [226] 

Toilettemittel [226] 

b.  Frisuren  und  Haarschmuck  [227] 

Haar [227] 

Rasiren [227] 

Frisuren [227] 

Haarbinden [228] 

Gatessi [228] 

Abnorme  Haare  ....  [228] 

Zöpfe [228] 

Haarkörbchen      ....  [228] 

Schmuckbänder  dafür  .     .  [229] 

Haarcylinder [229] 

Tapamützen [23o] 

Barte  und  Bartschmuck    .  [23o] 

Kämme [23i] 

Kopfputz  aus  Federn   .     .  [233] 

c.  Stirnschmuck [234] 

Stirnbinden [23$] 

ä.  Nasenschmuck      ....  [236] 

Nasenkeile [236] 

Eberhauer [237] 

Aus  Perlmutter   .     .  [237] 

e.  Ohrschmuck [237] 

Materialien  dazu  ....  [237] 

Ohrspangen [238] 

Ohrreifen [238] 

/.  Hals-  und  Brustschmuck  [239] 

Halsstrickchen     .     .     .     .  [239] 

Brustband [240] 

Halsketten [240] 

Muschelringe [241] 

Eberhauer [241] 

Brustschmuck [241] 

Brust-Kampfschmuck   .     .  [243J 

g.  Armschmuck [245] 

Grasarmbänder    ....  [245] 

Muschelringe [245] 

Schildpattarmbänder     .     .  [246] 

Armbandschmuck     .     .     .  [247] 

•     Geflochtene  Armbänder     .  [247] 

Schmuck  aus  Fell    .     .     .  [248] 

Handgelenkschmuck     .     .  [248] 

h.  Leibschmuck [248] 

Leibschnüre  und  Gürtel    .  [248] 

Fasergürtel [249] 

Vogelknochcn [250] 


85 

85 

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[!6,] 


Elhnolc^ische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


Seile 

i,  Betnschmuck [250]  1 1 

Kniebinden [^5'']  ' ' 

Fesselbinden [^S^]  1 1 

Itl.  Sitten  und  Qebriuche  .     .  [251]  11 

Moral [151]  11 

Cannibalismus [lS'3  " 

Namengcbung  u.  Hciralsgcbräuchc  [351]  1 1 

Beschneidung [^Si]  ■' 

Bestattung [251]  11 

Gräber [251]  11 


Seite 

Mumien [251]  114 

Todten  Verehrung [151]   114 

Musili [25^]  ilj 

Trommeln [353]  115 

Sonstige  Instrumente     .     .     .  [154]  iit 

Festlichkeiten [254]  nt 

Tant [254]   iit 

Masken [255]  l'/ 

Ahnenfiguren [155]  n; 

Tclum [256]  Mi 

Talismane [257]  119 


Abbildungen, 


j  diesem  Abschnitt  der 


Vnnaieni  gehörigen  sind  die  folgenden  und  erschienen  bereits 
I  Band  Hl  der  »Annalcn«  188S. 


XVI  [8], 

XVII  [9], 


Muschelgcld  aus  Nassa,  Finschhafen L^^^]  ^4 

Huongolf [22a]  84 

I^ibschnur  aus  Septaria,  Asirolabe-Bai    .     ■ [249]  m 

Stirnbinde  aus  Nassa,  Venushuk [sJs]  9" 

II.     Desgleichen  aus  Hundezähnen  und  Nassa,  Venushuk    ....  [^^Sl  97 

Leibgüncl  aus  Nassa  und  Cocosperlen,  AngriSshafen [^49]  ■■' 

Leibschnur  aus  Cypraea  moneta,  Insel  Guap [^49)  '" 

Schmuckbinde  aus  Conusringen  und  Nassa,  llammacherfluss.     .     ,  [219]  9: 

Armbandschmuck   aus  Fruchtschale  und  Hundezähnen,   Finschhafen  [247]  lOq 

Theil  eines  reich  veriierien  Backenbanes,  Caprivifluss [:3iJ  gi 

Nasenschmuclt  aus  Perlmutter,  Venushuk [^^7i  99 

Eingravirtes  Muster  eines  Armbandes  von  Schildpatt,  BÜibili  .    .    .  [246]  loB 

Haarkamm  mit  Flechtucrk  und  Zierat,  Hamm  ach  erfluss     ....  [232]  94 

WurfsEOCk  aus  Bambu  mit  Schnitzern,  Venushuk [212]  74 

Brust-Kampfschmuck,  SechstrohDuss (244]  106 

Brustschmuck,  Angriffshafen [^4^1  "^4 

Brust-Kampfschmuck  aus  Eberhauern  und  Muscheln,  Insel  Guap     .  [244}  106 

Desgleichen,  von  der  Insel  Grager [243]  I05 

Kinnbart  mit  reicher  Verzierung,  DaUmannhaFcn [--^'l  9^ 

Schmuckbinde  lu  einem  Haarkörbchen,  Caprivißuss [229]  91 

6.     Eingravirte   Muster  von  Armringen  aus  Trothus,   Friedrich  Wil- 
helms-Hafen      [246]  lOB 

Muster  einer  Ohrspange  aus  Schildpatt,  Insel  Guap [238]  loo 

Kopfstütze,  durchbrochene  Holzschnltzerd,  Finschhafen ['97]  S9 

Desgleichen,  Finschhafen [196]  58 

4.  Desgleichen,  Insel  Guap [197]  59 

Schamkalebasse  für  Männer,  Scchstrohfluss [224]  86 

Kalkkalebasse,  Finschhafen [202]  64 

Steinaxt,  Astrolabe-Bai [209]  71 

5.  Sagoklopfer,  Scchstrohfluss ['99l  ÖJ 

Hölzerne  Trommel,  Huongolf [^S^]  "5 

Muster  eines  Armbandes  aus  Schildpatt,  Finschhafen [-4^]  ^°^ 


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124 


Dr.  O.  Finsch. 


[262] 


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Taf. 

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Seite 

XXI  [i3],  Fig.  4.    Muster  eines  Ohrringes  aus  Schildpatt,  Grager {238]  100 

XXII  [14],  »     3.    Leibgürtel  aus  Pflanzenfaser,  Finschhafen [^4^]  ii^ 

»        »  »4*    Canuschnabel,  AngrifFshafen [192]    54 

>  »  »5*    Maske,  Dalimannhafen [255]  117 

XXIII  [15],  »     I.    Talisman,  Insel  Guap [257]  119 

»        »  »2.            »            »         »         [257]  119 

»         »  »     3.            »             Dallmannhafen 1^57]  119 

>  »  »    4,  5-    Telum,  Bongu [257]  129 

XXIV  [16],  »     u    Schild,  Finschhafen [216]    78 

»        »  »     2.         »      Friedrich  Wilhelms-Hafen [216]    78 

»        >  »7*    Kürass,  Angriffshafen [216]    78 

XXV  [i7l,  »     I.    SchUd,              »           [216]    78 


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Mir 


[263] 


Ethnologische  Erflhrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


125 


Verzeichniss  sämmtlicher  Abbildungen 

der  ersten  und  zweiten  Abtheilung: 

Bistnarck-Archtpel  und  Neu-Guinea 

in  systematischer  Reihenfolge. 


I. 

2. 
3. 


6. 

7. 

8. 

9. 
10. 

II. 

12. 


i3. 
»4. 

»5. 
16. 

»7. 
18. 

»9. 

20. 
21. 
22. 

23. 

24. 

25- 

26. 

27. 
28. 

29. 

3o. 
3i. 


Seite  Tafel  Figur 

Fischerei. 

Fischhaken  aus  Knochen,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [26]  IV  11 

SchiffTabrt. 

Canuverzierung,  feine  Holzschnitzerei,  Fergusson,  d*Entrecasteaux  .     .    .  [170]  XXI  2 

Desgleichen  (farbig),  Neu-Guinea,  Angriffshafen [192]  XXU  4 

Häueer. 

Plan  des  Pfahldorfes  Kaire  bei  Port  Moresby   {a,  b  Mission,  d  Leitersteg 

zu  den  Häusern  etc.) [106]  —  33 

Pfahlhaus  im  Wasser,  Kaire,  bei  Port  Moresby [JOS]  —  32 

»          »          »       Port  Moresby [J04]  —  3i 

Haus  in  Maupa,  Keppel-Bai .    .    , [102]  —  26 

>      mit  Thurmspitze,  Kerapuno,  Hood-Bai [jo^]  —  29 

Holzsculptur  an  einem  Hause,  Kerapuno [104]  —  ^o 

Geschnitzter  Deckenbalken,  Maupa [102]  —  27 

Giebelschilder  an  Häusern,  Maupa [io3]  —  28 

»Dubu«,  Plattform  fQr  Festlichkeiten,  mit  Schnitzerei,  Tupusel^  bei  Port 

Moresby [^o?]  —  ^4 

Verzierungen   von    HSusem   in    Neu -Irland,   kunstvolle  Holzschnitz- 
arbeiten (farbig). 
Grosse  Holzschnitzerei,  durchbrochen  gearbeitet,  aus  einem  Tabuhause 

bei  Nusa [52]  VI  i 

Giebelleiste    mit    durchbrochener    Schnitzarbeit,    Gesichter    und    Vögel, 

Kapaterong [52]  »  2 

Durchbrochen  gearbeiteter  Aufsatz  derselben [52]  »  2  a 

Giebelleiste  in  Relief,  daher [52]  VII  5 

Relief  geschnitztes  Gesicht  von  derselben [52]  »  5  a 

»      geschnitzter  Scorpion  von  derselben [52]  »  5^ 

Geschnitzter  Hahn,  Nusa [53]  VI  3 

Hausrath. 

Kopfstütze,  durchbrochene  Holzschnitzerei,  Finschhafen [}97]  XVIII  i 

Desgleichen             »                        »                       »             [196]  *  2 

>           andere  Form,  Guap [i97]  *  3,  ^i 

EsS'  oftd  Kocbgeräthe. 

Feuerreiber,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [20]  IV  9,  10 

Schaber  aus  Perlmutter,  Neu-Britannien,  Willaumez [37]  >  7,  8 

Sagoklopfer  mit  Steinklinge,  Sechstrohfluss [199]  XX  4,  ; 

Kalkbehälter  aus  Kalebasse,  Port  Moresby I112]  XIX  2 

Desgleichen,  mit  feiner  Flechterei,  Finschhafen [202]  »  i 

Kalkspate!  mit  feiner  Schnitzerei,  Milne-Bai [i^S]  *  3 

Desgleichen  »»              »                  »           [i^S]  *  7 

»           >        »              »          Hihiaura [166]  »  5»  6   . 

»           >        »              >           Goulvain .     .  [166J  >  4 


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36 

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Seite  Tafel       Figur 

Stein-  und  Mttscbelixte. 

32.  Staats-Steinaxt  mit  Stiel,  Normanby [i^?]  ^^ 

33.  Steinaxt  mit  Stiel,  Astrolabe-Bai [209]  » 

34.  >           »        »      »Ira«,  Port  Moresby ['HJ  — 

35.  »          »     drehbarer  Klinge,  Hood-Bai ['^4]  — 

36.  »          »     Stiel,  Neu-Hannover [21]  IV 

37.  Axt  mit  Muschelklinge,  Neu-Britannien,  Cap  Raoul [39]  » 

38.  Steinaxtklinge,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [21]  » 

39.  »             kleine,  Port  Moresby [ii3]  XX 

Waffen  und  Wehr. 

40.  Eingravirtes  Muster  eines  Speeres,  Neu-Irland  (farbig) [5I)]  VII 

41.  Wurfstock  von  Bambu,  Venushuk [212]  XV 

42.  Schleuder,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [23]  — 

43.  Schleuderstein,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [23]  — 

44.  Hantirung  der  Schleuder,  Neu-Britannien,  Blanchc-Bai [23]  — 

45.  Axtstiel  mit  Schnitzerei  (farbig),  Neu-Britannien,  Blanche-Bai     ....  [24]  VI 

Durchbohrte  SteinknXufe  zu  Keulen: 

46.  Runder  Knauf,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [24]  IV 

47.  Kugelförmiger,  Astrolabe-Gebirge [118]  XX 

48.  Seeigelförmiger,  Freshwater-Bai [ii^l  * 

49.  Morgenstemförmiger,  Port  Moresby ["8]  > 

50.  Scheibenförmiger,  Astrolabe-Gebirge l^i^]  * 

Schilde  aus  Holx: 

51.  Langer,  schmaler,  concav,  Finschhafen [216]  XXIV 

52.  Länglich-ovaler,  Trobriand [^7^]  » 

53.  Eingebuchtet,  übersponnen  und  mit  Federschmuck,  Hood-Bai    ....  [119]  » 

54.  Länglich-oval  mit  Schnitzerei,  Milne-Bai l^^^]  * 

55.  Oblong,  mit  feiner  Schnitzerei,  Freshwater-Bai [119]  » 

56.  »         »        »              »           Teste-Insel [168]  XXV 

57.  »          »        »               »          AngrifFshafen [216]  » 

58.  Rund,        »        »               »           Insel  Grager [216]  XXIV 

59.  Kürass,  Flechtarbeit,  AngrifTshafcn [216]  » 

Materialien  zu  Scbnnoli  und  Zieraten. 

Aus  Pflanzenstoffen: 

60.  Samen  von  Coix  Lachryma [218]  HI 

61.  >         »        »             »          Querschnitte [17]  » 

62.  »         >     Abrus  precatorius  (farbig) [218]  XVI 

63.  »         »         »      (blau)                          [218]  » 

64.  Schwarzer  Fruchtkern  (Gudduguddu) [219]  XIV 

f^S'                   »                  »              [219]  XV 

66.  Grosser  schwarzer  Fruchtkern [219]  XIV 

67.  Fruchthülse,  halb  durchschnitten  (Sessele) [218]  » 

68.  Schwarze  runde  Samen  (wie  bearbeitet) [218]  » 

69.  Pflanzenstengel [36]  III 

70.  Gelbe  Schnüre  (Ssemu),  farbig [236]  XXII 

71.  Kettchen  aus  Pflanzenfaser [23i]    XIV 

72.  Desgleichen [232]  XV 

ZShne  u.  dgL 

73.  Reisszähne  vom  Hunde [219]  IH 

74»            Desgleichen [219]  XIV 

75.  Desgleichen [219]  XIV 

76.  Desgleichen [219]  > 

77.  Eberhauer,  abnorm  gekrümmt [40]  — 

78.  »          flachgeschliffene [219]  XVI 

79.  »                       »             [219]  XVII 

80.  »                       >             [219]  » 


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[26s] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


127 


Seite 

Eberhauer,  flachgeschliffene [219] 

Känguruzähne [94] 

Beutelthierzähne  (Cuscus  Orientalis) [ii,  36] 

Abschnitte  von  Casuarschwingen [220] 

»            »                  >                 [220] 

Fischwirbel [220] 

Krcbsscheeren [220] 

Conchylien.  , 

Nassa  callosa  var.  camelus,  Diwara [12] 

»          »       bearbeitet [12] 

>  »       aufgereiht [12] 

»      (callospira) [221] 

»              »            [221] 

»              »             ;     .     .     .     .  [221] 

>  oder  Cassidula,  *  Tautau*. [88] 

»     vibex,  falsches  Muschelgeld [i3] 

Perlschale [98] 

Cymbium [221] 

Ovula [221] 

>        [221] 

Cypraea  moneta [221] 

»             »           [221] 

Oliva  carneola [47] 

>  »           [94] 

Septaria [222] 

Dentalium [15] 

Muscbelsoheibcben  (Geld). 

Aus  Spondylus [158] 

»     weisser  Muschel [^5^] 

Kokonon,  Muschelgeld,  gewöhnliches,  Neu-Irland.     .     .  • [45J 

»                  »            zweite  Sorte,            »        [46] 

»                  »            feinste      »                >         [46] 

Muschelgeld,  Neu-Irland [61] 

»            Huongolf [222] 

Plättchen  aus  Muschql  (Cymbium?) [221] 

Ringe  und  Scheiben  aus  Conus [221] 

Desgleichen [221] 

» [221] 

»              [221] 

Bekleidung. 

Mann  mit  Schambinde,  Port  Moresby [85] 

Knabe   »              »               »           »       [86] 

Frau  in  Faserschürzchen,  Hood-Bai [86] 

Peniskalebasse  mit  eingebranntem  Muster,  Sechstrohfluss [224] 

Muster  einer  solchen,  Sechstrohfluss [225] 

Körperauspntz. 

Boi-vagi,   Häuptling   von  Port  Moresby,    in  vollem   Staate  [85] 

mit:    Kopfschmuck  aus  Paradiesvogel,  *Lokohu€ [93] 

Nasenkeil,  *Mokoro^ [95] 

Armbändern [97] 

Kampf  brustschmuck,  »Musikaka* [99] 

Stcinkeulc,  »Ga/ii« [118] 

^^^           Lohia,  ein  Motuknabe  von  Port  Moresby,  in  vollem  Staate  [86] 

mit:    Stirnbinde  von  Cacaduhaubenfedern,  *Totoro€ [94] 

Darunter  Schnüre  von  Nassa,  *Tautau€ [94] 

Eine  dritte  Schnur  von  Nassa  über  den  Augen — 


81. 
82. 
83. 
84. 
85. 
86. 
87. 

88. 
89. 
90. 

91. 
92. 

94. 

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96. 

97. 

98. 

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100. 

101. 

102. 

io3. 

104. 

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107. 
108. 
109. 

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120. 

121. 
122. 

123. 


Tafel 

Figur 

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128 


Dr.  O.  Finsch. 


[266] 


Seite     Tafel     Figur 


Gesicht  roth  und  blau  bemalt — 

Nasenkeil,  »3/o/roroc [95) 

Brust  mit  Schnüren  von  Hundezähnen — 

Hals  mit  Schnüren  von  Nassa,  ^Tautau^ [97] 

Nackenschmuck  vom  CuscusfeU,  »Mumuria* [94] 

Grasarmband  mit  Blättern,  >  Gaarna* [99] 

Enggeschnürte  Schambinde,  »TfArinfc [85] 

Tfitowlren  und  Bemalen. 

125.  Tätowimadel,  Port  Moresby [90] 

126.  Tätowirtes  Gesicht  eines  Mädchens,  Port  Moresby [83] 

127.  Desgleichen,  Hula [89] 

128.  Reich  tätowirte  Motufrau,  Vorderseite [89] 

129.  Dieselbe,  Rückenseite [90] 

i3o.            Reich  tätowirte  Frau,  Hula,  Hood-Bai [86] 

i3i.            Desgleichen,  Maupa,  Keppel-Bai [91] 

i32.            Tätowirung  der  Brust,  Mann,  Freshwater-Bai [91] 

i33.                    9             »    Schulter  von  Goapäna,  Häuptling  von  Maupa      .     .     .  [91] 

134.  »           des  Oberschenkels,  von  demselben [91] 

135.  Gesichtshiemalung  eines  Neu-Britanniers [i3] 

Haar  und  Kopfputz. 

1 36.  Mädchen  mit  aufgezaustem  -Kopfhaare  (Wolke),  Hula,  Hood-Bai .     .     .  [89] 

137.  Gewöhnliche  Frisur,  Hula,  Hood-Bai [86] 

i38.            Schlichthaariges  Motumädchen,  Port  Moresby              [83] 

139.  Kurzgeschorene  Motufrau,  Port  Moresby [89] 

140.  »                     »             »           9         [90] 

141.  Bartfrisur  eines  Neu-Britanniers [29] 

142.  Reich  verzierter  Backenbart,  Caprivifluss [^31] 

143.  Desgleichen,  Kinnbart,  Dallmannhafen [23 1] 

144.  Schmuckbinde   um    Zopf   oder    Haarkurbchen    aus    Conusringen    und 

Nassa,  Hammacherfluss [229] 

145.  Desgleichen,  wie  vorher,  mit  Aufsatz  von  Schildpatt,  Caprivifluss     .     .  [229] 

146.  Kamm  aus  Holzstäbchen,  Port  Moresby [92] 

147.  Desgleichen  mit  Federschmuck,  Port  Moresby [92] 

148.  9             9     feinem  Flechtwerk,  Hammacherfluss [2 3 2] 

Stirnechmuck.  , 

149.  Gravirte  Muschel  (Cypraea),  Port  Moresby  . (95] 

150.  Muschelscheibe  mit  durchbrochener  Schildpattscheibe,  Freshwater-Bai   .  [95] 

151.  Aus  Papageifedern  (farbig),  Port  Moresby [94] 

152.  Binde  aus  Cassidula,  9Tautau*,  Port  Moresby [94] 

153.  »        >     Nassa,  Venushuk [23$] 

154.  »        »          >       Neu-Britannien,  Willaumez [36] 

155.  9        »     Oliva  carneola,  Port  Moresby [94) 

156.  »        »     Känguruzähnen,      »           »            [94] 

157«                *        >     Hundezähnen  und  Nassa,  Venushuk [^35] 

Naeeneohmuck. 

158.            Glasperlcnschnüre,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai [15] 

159-            Dentalium,  für  Nasenflügel,  Blanche-Bai [15] 

160.  Nasenstift  aus  TVi^acw^, '  Port  Moresby [96] 

161.  >           »     Knochen,       »           »           [96] 

162.  »           »     Muschel  (farbig),  Normanby    . [*59] 

163.  Aus  Perlmutter,  Venushuk [237] 

Ohrschmuok. 

164.  Flacher  Ring    von  Schildpatt,    mit  Rand   von  Nassa,  Neu-Britannien, 

Hansabucht [40] 

165.  Ring  aus  Pflanzenfaser,  Port  Moresby [97] 

166.  Ohrbommeln  aus  Schildpatt,  Port  Moresby [97] 


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18 

[267] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 


Ohrbommeln  aus  SchildpaR,  Freshwaier-Bai 

EingravirM«  Muster  einer  Ohripange  aus  Schildpatt,  Guap 

Desgleichen,  Friedrich  Wilhelms- Hafen 

i  BryitsohMiiok. 
Halskette  aus  Coixsamen,  Neu-Briunnicn,  Blanchc-Bai 

<     Querachnitten  von  solchen,  WiUaumez 

'     PflanzcnEtengein  und  Coit,  WilUumei 

■  aus  Abschnitten   von   Casuarschwingen   und  Nassa,   Neu- 

Briiannien,  Hansabuchi 

Casuarschwingen  und  Spondyl us-Scheibchen,  Miine-Bai 
Naisa  (TautauJ.  Port  Moreaby 

>  Vcnushuk      

■  Ä/iondyiKS-Schei beben,  Teste-Insel 

Muschelgeid,  Huongolf 

>  erste  Sorte,  Neu-Iriand 

>  dritte     »  •  

>  SQdwestkOsie  von  Neu-[rland 

>  und  Olha  carneola,  Neu-Irland 

Schmuck  an  Halskette -aus  Conusscheibe  mit  Gravirung,  Port  Moreaby. 
Brustschmuck,   herzförmiges  Schild   aus   Knochen   mit   Rsndbesatz   von 

Muschelgeld,  Neu-Irland 

Schild  BUS  Perlmutter,  Neu- Britannien,  WiUaumez      .     . 
aus  zwei  Eberhauern,  Port  Moresby 

>  vier  •  Freshwater-Bai 

r    .lirus-Bohnen  und  KrebsEcheeren  (farbig),  Angrißahafen 

Ksmpf-Brustschmuck  aus  zwei  abnorm  runden  Eberhauern  und  Nassa, 
Neu -Britannien,  Hansa-Bucht 

•  aus  FlechtwerK,  mit  Nassa  und  Ovula,  Neu-Britan- 

■  wie  vorher,  Grager 

•  aus  Schildpatt,  mit  aufgeklebten  Abrus-ßohnta  und 
Schweinezähnen,  •Musikaka'  (farbig),  Port  Moresby 

»  »Musikaka^,  anderes  Stock,  Port  Moresby    .     .     . 

>  aus  Eberhauem  und  zwei   Ovula,  Guap  .... 

>  Schild  mit  .4irus-BohnBn  und  Eberhauem  (farbig) 
Seehstrohfluss 


Seile 

Tafel 

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XV 

Armband,  feines  Flectatwerk  mit  Nassa,  Neu -Britannien,  WiUaumez 
t  andere  Form,  Forreatier- Insel 

>  aus  Conus,  reich  verziert,  Normanby 

>  aus  Schildpatt  mit  Gravirung,  Neu -Britannien,  Raoul     . 
Eingravirles  Muster  eines  Schildpattarmbandes,  Ascrolabe-Bai    .     . 

Desgleichen,  Finschhafen [246]     XXI 

Ejngravirte  Muster  von   Armringen   aus   Trockus,   Friedrich   Wühelma- 

Hafen [246]     XVII 

Schmuck  an  ein  Schild pstiarmband  aus  Fruchischale  und  HundeiUinen, 

Finschhafen [247]     XIV 


16 


l  Cypraea  moneta,  Guap [249I  • 

■  Srpfun'a- Muschel,  Asirolabe-Bai [249]  > 

Nassa,  Vcnushuk 1^491  * 

"t-              >         *       >        Neu-Biiiannien,  WiUaumez (36]  Dl 

09,            COrtel  aus  Nassa  und  Cocosperlen,  Angriffshafen [249I  ^^ 

lo-           Brdter  Gun  aus  Rinde,  Frc«hwater-Bai ('°']  — 

M,            Eingravirtes  Muster  desselben [i^'l  — 

■I-            QQrtel  aus  gelben  SchnOren  (farbig),  Finschhafen [24S]  XXII    3 

Asaalin  dci  k.  k.  oalnrlilitoritcheD  HofmoKunit,  Bd.  VI,  Hcfl  1,  iS|i.  9 


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Dr.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfldsee. 


[268] 


Musik  und  Tanz. 

21 3.  Rohrflöte  mit  Muster,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

214.  Desgleichen  aus  10  Röhren,  Neu-Britannien,  WiUaumez 

215.  Panflöte,  Neu-Irland 

216.  Maultrommel  aus  Bambu,  Neu-Irland 

217.  Eingravirtes  Muster  derselben 

218.  Hantirung  der  Maultrommel 

219.  Blasekugel  der  Frauen,  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

220.  Grosse  Signaltrommel,  »  »  

221.  Handtrommel  mit  Schnitzerei,  Huongolf 

222.  Holzinstrument,  mit  der  Hand  zu  streichen,  Neu-Irland 

223.  Mann,  Schlaghölzer  schlagend,  Neu-Britannien 

224.  Frau,  das  Pangolo  spielend,  >  

225.  Tanzbrett,  durchbrochen  gearbeitet  (farbig),  Neu-Britannien 

226.  Tanzgerath  (Buceros-Kopf),  farbig,  Neu-Irland 

Masken. 

227.  Fein  geschnitzte  Tanzmaske,  einen  phantastischen  Papuakopf  darstellend 

(farbig),  Neu-Irland,  Nusa 

228.  Dieselbe,  von  der  anderen  Seite  (farbig) 

229.  Desgleichen,  mit  Ohren  und  Nasenaufsatz,  durchbrochene  Arbeit  (farbig), 

Kapsu,  Neu-Irland 

230.  Desgleichen,  mit  Flügeln,  durchbrochen  gearbeitet  (farbig),  Nusa      .     .     . 

23 1.  Ohr  zu  einer  Tanzmaske,  durchbrochen  (farbig),  Nusa 

232.  Desgleichen,  verschieden  (farbig),  Nusa 

233.  Maske,  ein  Gesicht  darstellend,  bemalt,  mit  Bart  (farbig),  Dallmannhafen 

234.  Schädelmaske  (farbig),  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 

Sogenannte  Idole  und  Talismane. 

235.  Männliche  Figur,  kunstvolle  phantastische  Holzschnitzerei  in  durchbrochener 

Arbeit  (farbig),  Neu-Irland,  Kapsu 

236.  Desgleichen,  weibliche  Figur  mit  Ohren  und  Fisch  (farbig),  daher   .     .     . 

237.  »  >  »       »     Kappe  (farbig),  daher 

238.  Männliche  Figur  aus  Kalk  (farbig),  Südwestküste  Neu-Irlands 

239.  Holzflgur,  Mann  mit  einem  Thier  auf  dem  Kopfe,  Dallmannhafen  .     .     . 

240.  Desgleichen,  mit  Haarkörbchen,  Guap 

241.  »  »    Maske,  Guap 

242.  Telum,  Figur  aus  Thon,  Bongu 

243.  Dieselbe  en  face,  Bongu 

244.  Kawabu,  Stein  als  Talisman,  Port  Moresby 

245.  Talisman  fQr  Diebe  (farbig),  Neu-Britannien,  Blanche-Bai 


Seite 

Tifel   Figur 

[27] 

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[37] 

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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 
aus  der  Südsee. 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.k.  naturhistorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.  O.  Finsch 

in  Delmenhorst  bei  Bremen. 

Dritte   Abtheilung:   Mikronesien    {West-Oceanien). 

Mit  8  Tafeln  (Nr.  [-VIIl  [18-15])  "'"'  ^S  Abbildungen  im  Texie. 


Vorwort. 


Wenn  ich  im  Drange  zwingender  Verhältnisse  zu  meinem  grössten  Leidwesen 
zwischen  dem  Anfange  und  der  Fortsetzung  dieses  Werkes')  einen  ungebührlich  langen 
Zeilraum  von  fast  drei  Jahren  vorübergehen  lassen  musste,  so  gereicht  es  mir  einiger- 
massen  zum  Trost,  den  Schluss  prompter  folgen  lassen  zu  können.  Von  Anfang  an  in 
der  Art  der  Bearbeitung  den  Rahmen  eines  beschreibenden  Kataloges  in  der  üblichen 
Auffassung  weit  überschreitend,  gestaltete  sich  gerade  die  letzte  Abtheilung  »Mikro- 
nesien* zum  schwierigsten  Theile  des  ganzen  Werkes.  Denn  mehr  als  anderwärts  hat 
der  regere  Verkehr  mit  der  Aussenwclt  gerade  hier  jene  Originalität  verwischt  und  zum 
Theil  fast  zum  Erlöschen  gebracht,  über  welche  wir  durch  wenige  der  ersten  Besucher 
meist  nur  unzureichende  Kunde  erhielten.  Es  war  daher  mitunter  nothwendig,  auf 
diese  ersten  Berichte  zurückzugreifen,  nicht  um  sie  wie  bisher  kritiklos  nachzuschreiben, 
sondern  sorgsam  zu  prüfen,  zu  berichtigen,  auf  zweifelhafte  Punkte  hinzuweisen,  die 
dringender  Revision  bedürfen,  so  weit  dies  überhaupt  noch  möglich  ist.  In  kritischer 
Vergleichung  damaliger  Schilderungen  mit  eigenen  Erfahrungen  und  diese  ergänzend 
war  es  erst  möglich,  ein  objectives  Bild  des  Völkerlebens  jener  Gebiete  zu  skizziren,  wie 
es  unter  stetem  Rückblick  auf  vergangene  Verhältnisse  sich  der  Neuzeit  mehr  anpasse. 
Wenn  mir  bedauerlicherweise  einige  ältere  Reiseberichte  nicht  zugänglich  waren,  so 
habe  ich  dagegen,  unter  Ausschluss  aller  compilatorischen  Arbeiten,  auf  Originalmit- 
theilungen  aus  anderen  Gebieten  der  Südsee  im  Interesse  vergleichender  Ethnologie 
Bezug  genommen.  Ganz  besondere  Aufmerksamkeit  verdiente  der  beschreibende  Kata- 
log des  Museum  Godeffroy,')  der  gerade  für  Mikronesien  äusserst  wichtigen  Nachweis 


■)  In  lAnnalen  des  k.  k,  nalurhislor Ischen  Hofmuseums,  Wien  (Airred  HOlder)«.  Bd.  III,  1S8S; 
Etsle  Abiheilung:  ßismarck-Archipel,  S.  83— 160  [1-78],  Taf.  III— Vll  (Taf.  1-5).  Zwei«  Ab- 
iheilung;  Neu-Guinea.  i.  Englisch-Neu-Üuinea,  aj  .Südosttüate,  S.  293  — 36*  [79—150],  Taf.  XIV— 
XXV  (Taf.  6—17).  Bd.  VI,  1S91:  b)  Ostapitie  mit  den  d'Enlrecasieaux-lnsGln.  II.  Kaiser  Wilhelms- 
Land.  S.  i3-i3o  [151—268].  Taf.  XIV— XXV  (Taf.  6  —  17). 

1)  »Die  ethnographisch- anthropologische  Abiheilung  des  Museum  GodefTroy   in  Hamburg.    Ein 
Beilrag  lur  Kunde  der  Südseevülker  von  J.  D.  E.  Schmehi  und  Dr.  med.  R.  Krause.    Mit  46  Tafeln 
"nd  einer  Karle.«  (Hamburg,  L.  friedrichaen  4  Co.,  1881.)     AbgekÜ«ies  Citat:  >Kai.  M.  G.« 
Annaltn  d«  V.  k.  naturhiston^lieii  Hofmusciuns,  Bd.  Vin.  Heft  1,  i8i)3.  1 


Dr.  O.  Finsch.  [270] 


liefert,  aber,  vorwurfsfrei  für  die  Verfasser,  doch  mancher  Berichtigung,  namentlich  be- 
züglich der  Localitätsangaben,  bedarf.  Wie  die  nachfolgende  Arbeit  zu  dem  genannten 
Werke  gleichsam  als  Commentar  dienen  kann,  so  zu  einem  anderen  für  Mikronesien 
wichtigen,')  dessen  Einsicht  ich  der  Güte  meines  Freundes  Franz  Heger  verdanke, 
und  das,  wie  ich  von  diesem  erfahre,  im  Buchhandel  nicht  zu  haben  ist.  Bei  vollstän- 
diger Würdigung  der  hervorragenden  Verdienste  des  erfahrensten  Mikronesien-Reisen- 
den  Johann  S.  Kubary,  Hessen  sich  Hinweise  auf  gewisse  Schwächen  seiner  Arbeiten 
nicht  vermeiden.  Neben  empfindlichen  Lücken  und  Widersprüchen  erschwert  zuweilen 
die  in  peinlichste  Details  ausgesponnene  Darstellung  das  klarere  Verständniss.  Ueber 
das  Wirken  und  die  Werke  des  Reisenden  gibt  eine  kurze  biographische  Skizze  Aus- 
kunft, die  wohl  für  die  Meisten  neu  und  vielleicht  willkommen  sein  dürfte. 

In  den  »Nachträgen  und  Berichtigungen«  ist,  soweit  mir  dies  möglich  war,  eigener 
Mängel  und  Irrthümer  gedacht  worden. 

Zum  Schluss  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  den  Herren  Hofrath  Ritter 
V.  Hauer,  Intendant  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  und  Franz  Heger,  Leiter 
der  anthropologisch-ethnographischen  Abtheilung,  meinen  besten  Dank  auszusprechen 
für  die  Bewilligung  weiterer  Tafeln,  in  deren  naturgetreuen  Ausführung  meine  liebe 
Frau  mit  künstlerisch  begabter  Hand  sich  wiederum  als  verständnissvolle  Mitarbeiterin 
bewährte. 

Wenn  durch  diese  illustrativen  Beigaben  der  eigentliche  Zweck  des  Werkes,  ein 
nützliches  Nachschlagebuch  für  die  systematische  Völkerkunde  der  behandelten  Gebiete 
der  Südsee  darzubieten,  dem  Ziele  nähergerückt  werden  konnte,  so  darf  ich  dies  als 
befriedigenden  Lohn  für  eine  ebenso  anstrengende  als  zeitraubende  Arbeit  betrachten, 
welche  allein  für  die  Ethnologie  Mikronesiens  weit  über  ein  Jahr  kostete,  und  unter  den 
mancherlei  Opfern  wissenschaftlicher  Bestrebungen  jedenfalls  mein  schwerstes  war. 

Delmenhorst  bei  Bremen,  im  December  1892. 

Otto  Finsch. 


Einleitung. 
Anthropologischer  Ueber  blick. 

Das  ausgedehnte  Inselreich  der  Südsee  (des  grossen  oder  stillen  Oceans)  wird, 
abgesehen  vom  Festlande  Australien,  nur  von  zwei  Menschenracen  bewohnt:  Ocea- 
niern  (hellfarbig,  vorherrschend  schlichthaarig)  und  Melanesiern  oder  Papuas 
(dunkelfarbig,  mit  vorherrschend  kräusligem  Haar),  wie  ich  dies  bereits  auf  Grund 
eigener  Wahrnehmungen 2)  darstellte.  Weitere  Reisen  in  jenen  Gebieten  haben  seit- 
dem diese  Erfahrungen  nur  bestätigt  und  neues  Beweismaterial  geliefert.  Wenn  es  bei 
den  sehr  erheblichen  individuellen  Schwankungen  zuweilen  schon  schwer  hielt,  obige 
beide  Racen  zu  unterscheiden,  so  ist  eine  Trennung  der  Oceanier  in  weitere  zwei  Racen 


0  »An  Atlas  of  the  weapons,  tools,  Ornaments,  articles  of  dress  etc.  of  the  Natives  of  the 
Pacific  Islands  Drawn  and  described  from  Examples  in  public  and  private  collections  in  England  by 
James  Edge  Partington.  1890,  PI.  167—188.«  Die  in  einem  ziemlich  miitelmässigen  Ueberdruck- 
verfahren  hergestellten,  zum  Theil  recht  skizzenhaften  Abbildungen  enthalten  immerhin  viel  Inter- 
essantes und  werden  Ethnologen  nutzlich  sein.  Der  manchmal  recht  unleserlich  geschriebene  Text 
gibt  übrigens  nicht  mehr  als  zum  Theil  etwas  ausführlichere  Etiquetten. 

2)  Finsch:  »Anthropologische  Ergebnisse  einer  Reise  in  der  Südsee  und  dem  malayischcn 
Archipel  in  den  Jahren  1879—1882.«  (Mit  26  physiognomischen  Aufnahmen  etc.,  Berlin   1884.) 


[270 


Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  Südsee. 


vollends  nicht  durchführbar.  Man  wird  daher  wohl  thun,  die  sogenannten  Mikro- 
nesier  als  eigene  Race  ein-  für  allemal  aufzugeben,  denn  in  der  That  sind  alle  hellfar- 
bigen Eingeborenen  der  Südsee  anthropologisch  nicht  mehr  verschieden  als  z.  B.  die 
Völker  Europas  untereinander. 

Auch  die  craniologische  Forschung >)  hat  bisher  zu  einer  Sonderstellung  von 
»Mikronesiern«  kein  Beweismaterial  geliefert.  Virchow  ist  geneigt,  die  Philippinen  als 
»den  Schlüssel  zur  Lösung  der  mikronesischen  Frage«  und  deren  einstige  Bewohner 
als  eine  »prämalayische«  Race  zu  betrachten.  Die  Untersuchung  der  in  Grabeshöhlen 
gefundenen  sehr  alten  Schädel  zeigte  nicht  die  mindeste  Anknüpfung  an  solche  der 
Negritos,  die  bekanntlich  nichts  als  ein  Zweig  der  melanesischen  Race  sind,  dagegen 
auffallender  Weise  die  grösste  Uebereinstimmung  mit  althawaiischen  Schädeln.  »Mit 
.Ausnahme  von  Neuseeland  scheint  in  der  ganzen  Inselwelt  der  Südsee  keine  zweite  Art 
von  Menschen  vorhanden  zu  sein,  welche  den  Höhlenmenschen  der  Philippinen  so  nahe 
kämen  wie  eben  die  Kanaken,  sagt  Virchow,  erwähnt  unter  Anderem  aber  auch  eine 
gewisse  Annäherung  dieser  Kanakenschädel  von  Hawaii  zu  den  melanesischen  Formen. 
Dagegen  bestreitet  der  berühmte  Forscher  Krause's  Annahme,  dass  in  den  Schädeln 
der  Gilbert-Insulaner  der  papuanische  Typus  fortbestehe.  Dabei  wird  a.  O.')  mit  Recht 
hervorgehoben,  »dass  Herr  Krause  seine  allgemeinen  Sätze  viel  zu  früh  aufgestellt 
habe.  Damit  schädigt  man  nur  die  kaum  flügge  Anthropologie.  Es  wird  sonst  noch  lange 
dauern,  bis  die  neue  Disciplin  sich  ihren  Rang  in  der  Wissenschaft  erkämpft  und  sie 
die  officieUe  Vertretung  erlangt,  welche  ihr  gebührt  (!).«  Der  Schädel  eines  Marshal- 
lanen  erinnert  Virchow  mehr  an  Melanesier  als  an  Negritos,  während  Krause  nähere 
Beziehungen  zu  Caroliniern  herausfindet.  In  Bezug  auf  die  letzteren  sind  die  Ansichten 
der  beiden  Forscher  ebenfalls  erheblich  abweichend  und  beweisen,  dass  die  Craniologie 
noch  recht  weit  entfernt  ist,  zur  Lösung  der  Racenfrage  sichere  und  zweifellose  Kenn- 
zeichen festzustellen.  Wenn  dies  bei  Benützung  eines  wenig  zahlreichen  Materials  viel- 
leicht noch  eher  aussichtsvoll  erschien,  so  dürfte  die  Untersuchung  grösserer  Reihen 
vollends  die  Unmöglichkeit  erweisen.  Mir  hat  sich  diese  Ueberzeugung  schon  bei  Ver- 
gleichung  der  lebenden  Menschen  jener  Gebiete  aufgedrängt,  und  daher  gibt  es  für  mich 
überhaupt  keine  »mikronesische  Frage  c. 

In  der  That,  wenn  es  kaum  möglich  ist,  nach  den  am  meisten  in  die  Augen  fallen- 
den äusseren  Kennzeichen  (Hautfärbung,  Haarbildung  etc.)  die  verschiedenen  Menschen- 
racen  in  ihren  ausserordentlich  erheblichen  Abweichungen  diagnostisch  sicherzustellen, 
so  dürfte  dies  auf  Grund  eines  einzigen  Charakters,  der  Schädelbildung,  vollends  zu  den 
Unmöglichkeiten  gehören.  Von  dieser  Wahrheit,  die  v.  Miklucho-Maclay  nach 
jahrelangem  Studium  freiwillig  eingestand,  längst  durchdrungen,  gereicht  es  mir  zur  be- 
sonderen Genugthuung,  dass  selbst  Geheimrath  Virchow  auf  dem  Boden  strengster 
Objectivität  sein  Urtheil  über  den  Werth  der  Craniologie  sehr  modificirt  und  auf  das 
richtige  Mass  zurückgeführt  hat.  Auf  dem  23.  deutschen  Anthropologencongress  zu 
Ulm  im  August  d.  J.  (1892)  hob  dieser  grösste  Forscher  über  Menschenschädel  unter 
Anderem  hervor:  »dass  die  Racenfrage  durch  die  Betrachtung  des  Schädels  allein  nicht 


1)  Vgl.  Virchow:  »Schädel-  und  Tibiaformen  von  SQdseeinsulanern«,  Verhandl.  Berliner  An- 
throp.  Gesellsch.,  1880,  S.  112;  Finsch:  »Bericht  über  die  Insel  Oahu«,  ib.  1879,  S.  28 — 33,  und 
Virchow:  »lieber  mikronesische  Schädel c,  Sitzungsber.  der  königl.  Akademie  der  Wissensch.  Berlin 
vom  8.  December  1881.  An  Oceanierschädeln  sandte  ich  im  Ganzen  71  von  unzweifelhafter  Herkunft 
an  Prof.  R.  Virchow  ein,  und  zwar  28  Hawaiier  (aus  alten  Gräbern  von  Oahu),  7  Maoris,  8  Morioris 
(Chathaminseln),  8  Gilbert-Insulaner  und  20  von  der  Ruk-Gruppe. 

2)  Verhandl.  der  Berliner  Anthrop.  Gesellsch.,   1882,  S.  162. 


Dr.  O.  Finsch.  [272] 


entschieden  werden  könne,  da  man  heute  eben  schon  von  der  langgeübten  Gewohnheit 
zurückgekommen  sei,  Raceneintheilungen  nach  SchädelbeschafTenheiten  zu  machen. 
Diese  Versuche  haben  sich  stets  und  allenthalben  als  nutzlos  erwiesen.  Mehr  Beachtung 
verdienen  die  Farbe  der  Haut,  deren  Unterschiede  kennzeichnend  seien c.  Ist  diese 
letztere  Annahme  nun  auch  keineswegs  in  allen  Fällen  zutreffend,  so  unterliegt  es  doch 
keinem  Zweifel,  dass  die  Hautfärbung  (im  Verein  mit  Haarbildung)  wichtigere  Momente 
ergibt  als  die  Schädelform.  Auf  dieser  Grundlage  müssen  daher  die  hellfarbigen  Be- 
wohner der  Südsee  als  die  nächsten  Verwandten  der  malayischen  Race  betrachtet  werden, 
und  zwar  der  heutigen  Malayen.  Denn  die  »prämalayische«  oder  »promalayische«  Race, 
welche  nach  der  Ansicht  einiger  Gelehrten  zuerst  die  Südsee  bevölkert  haben  soll,  ken- 
nen wir  nicht,  und  sie  wird  für  immer  ein  Phantom  bleiben. 

Für  diese  Verwandtschaft  bietet  aber  ganz  besonders  auch  die  Ethnologie  wich- 
tige Anhaltspunkte,  die  zugleich  deutlich  für  eine  Abstammung,  respective  Herkunft  aus 
Westen  sprechen.  So  vor  Allem  aus  zoogeographischen  Gründen  das  Vorkommen  des 
Haushuhnes  und  Hundes  (wenigstens  auf  Ponape),  sowie  der  Genuss  von  Betel  (auf 
Pelau  und  Yap),  während  dagegen  Kawa  auf  Osten  hinweist.  Von  hervorragender  Be- 
deutung für  die  Herkunft  aus  Westen ')  ist  ganz  besonders  auch  die  Webekunst  der 
Carolinier.  Interessante  Momente  würde  vielleicht  auch  eine  gründliche  Studie  über 
die  Cocospalme  liefern,  die  überall  nur  durch  Cultur  vorhanden,  vermuthlich  ebenfalls 
aus  dem  Westen  mitgebracht  wurde,  wenigstens  in  unser  Gebiet.  Wenn  es  sich  em- 
pfiehlt, für  dasselbe  die  Bezeichnung  Mikronesien  beizubehalten,  so  ist  dies  allein  aus 
geographischen  Gründen  zu  rechtfertigen,  zur  Unterscheidung  von  Polynesien  oder  der 
grösseren  östlichen  Hälfte  Oceaniens. 

Mikronesien  als  geographisches  Gebiet  umfasst  nur  den  nordwestlichen  Theil, 
und  zwar  die  Archipele  der  Gilberts,  Marshalls,  Carolinen  und  Mariannen,  innerhalb 
der  Grenzen,  wie  sie  Gerland's  Karte  darstellt  (in  Petermann:  »Geographische  Mit- 
theilungen«, 1872,  Taf.  8,  und  »Anthrop.  der  Naturvölker«,  6.  Theil).  Sie  verzeichnet 
bereits  sehr  richtig  Njua^)  (Ontong-Java)  als  eine  oceanische  Enclave  inmitten  melane- 
sischen  Gebietes,  und  hieher  gehört  auch  die  Stewartsinsel  (Sikayana),  die  Laughland- 
inseln,  sowie  Yarab  (Trobriand).  Letztere  Insel  zeigt  indess  melanesische  Beimischung 
(II,  S.  33  [171]),  wie  dies  zum  Theil  für  die  Bewohner  der  kleinen  Inselgruppen  Lub 
^Hermites),  Kaniet  (Anchorites)  und  Ninigo  (Echequier)  gilt,  die  indess,  wenigstens  an- 
thropologisch, zu  Mikronesien  gehören. 

Wenn  auf  der  Karte  zum  Katalog  des  Museum  Godeffroy  die  Bevölkerung  von 
Ostmelanesien  als  durch  »polynesische  Einwanderung«  gemischt  markirt  wird,  so  ist 
dies  nur  für  gewisse  Theile  Fidschis  richtig;  im  Uebrigen  sind  die  Bewohner  (von 
Fidschi  bis  auf  die  Salomons  und  bis  zur  Ostspitze  Neu-Guineas)  reine  Melanesier  oder 
Papuas. 

Ethnologischer  Ueberblick. 

Allgemeine  Züge.  Bei  den  gleichartigen  Verhältnissen,  wie  sie  die  Südsee  in  Be- 
zug auf  Klima  und  Lebensbedingungen  bietet,  ist  es  erklärlich,  dass  auch  die  Bewohner 
in  ihren  Lebensverhältnissen  und  Erzeugnissen  grosse  Uebereinstimmung  zeigen,  zumal 


»)  Nach  Sittig  wurde  auch  die  Osterinsel  von  Westen  aus  bevölkert,  und  zwar  von  Rapa 
(Opara)  aus,  wo  sich  ähnliche  Steinbilder  finden;  die  Galiapagos  waren  unbewohnt. 

2)  Finsch:  »Bemerkung  über  einige  Eingeborene  des  Atoll  Ontong-Java  (Njua)«  in  »Zeitschr. 
für  Fthnol.«,  1881,  S.  iio  (mit  9  Textbildern,  meist  Tätowirung)  und  »Hamburger  Nachrichten«, 
Nr.  153,  3o.  Juni  1881. 


[273] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


da  ihre  Entwicklung  ausnahmslos  auf  der  ersten  primitiven  Stufe  der  Steinzeit  steht, 
oder  vielmehr  stand.  Denn  diese  Epoche  ist  für  die  meisten  Gebiete  der  Südsee  vorbei. 
Eisen  hat  sich,  mit  wenigen  Ausnahmen,  überall  eingeführt  und  namentlich  auch  in 
unserem  Gebiete  zum  Verfalle  der  Originalität  beigetragen,  die  theil weise  bereits  ver- 
schwunden war,  ehe  die  Wissenschaft  genügendes  Material  sammeln  konnte.  Wenn 
die  Trennung  der  Südseevölker  in  zwei  Racen  noch  durchführbar  ist,  so  bieten  sich 
ethnologisch  dafür  keine  durchgreifenden  Momente. 

Die  Ethnologie  Oceaniens  ist  vielmehr  einem  Mosaikbilde  zu  vergleichen,  das  sich 
aus  vielen  Steinen  von  gleicher  Beschaffenheit  zusammensetzt,  von  denen  indess  jeder 
neben  gewissen  sich  stets  wiederholenden  Zeichen  auch  eigenthümliche  besitzt,  die  öfters 
in  etwas  veränderter  Form  an  entfernteren  Steilen  des  Gesammtbildes  vorkommen. 
Durchaus  unabhängig  von  den  künstlichen,  aber  zweckmässigen  Grenzen  der  geo- 
graphischen Eintheilung  in  Polynesien,  Mikronesien  und  Melanesien  haben  diese  Ge- 
biete im  Sinne  von  ethnologischen  Provinzen  keinen  Werth,  und  deshalb  gibt  es  auch 
keine  speciiische  Ethnologie  Mikronesiens.  Denn  auch  diese  zerfällt,  wie  wir  dies 
bereits  bei  Melanesien  gesehen  haben,  in  verschiedene  Gebiete  oder  Subprovinzen, 
deren  sieben  zu  unterscheiden  sind:  Gilberts,  Marshalls,  Kuschai,  Ponape,  Central- 
Carolinen,  Yap  und  Pelau;  die  Mariannen  bilden  jedenfalls  ein  weiteres  Gebiet,  von  dem 
wir  jedoch  nur  sehr  wenig  wissen  und  das  deshalb  hier  nicht  in  Betracht  kommen  kann. 
Jede  dieser  Subprovinzen  besitzt  gewisse  charakteristische  ethnologische  Eigen- 
thümlichkeiten,  die  sich  indess  gleich  oder  ganz  ähnlich,  theils  in  Polynesien,  theils  in 
Melanesien,  oder  in  beiden  zugleich,  wiederfinden.  Ohne  Bezugnahme  und  Vergleichun- 
gen  mit  diesen  letzteren  sehr  verwandten  Gebieten  und  den  noch  näher  stehenden 
eigenen  lassen  sich  daher  die  ethnologischen  Verhältnisse  Mikronesiens  nicht  klarlegen, 
die  unter  sich  kaum  allgemein  giltige  Charakterzüge  aufweisen. 

Sitten  und  Gebräuche  zu  erörtern  würde  hier  zu  weit  führen.  Ich  möchte  nur 
hervorheben,  dass  Cannibalismus  fehlt  und  fehlte,  denn  die  für  die  Gilberts,  Pelau  und 
Yap  angegebenen  Einzelfälle  sind  sehr  zweifelhaft  und  nicht  entfernt  zu  einer  Ver- 
allgemeinerung genügend.  Dagegen  herrschte  diese  vorwiegend  melanesische  Unsitte 
auch  sporadisch  in  Polynesien,  überall  in  Gebieten,  die  besonders  reich  an  Lebens- 
mitteln sind.  Es  ist  daher  ganz  irrig,  wenn  Nahrungsmangel  als  Ursache  des  Ent- 
stehens dieser  barbarischen  Sitte  angegeben  wird,  wie  z.  B.  Dr.  Gräffe  (Journ.  Mus. 
God.  I,  S.  3i)  dies  sehr  unzutreffend  mit  Hinweis  auf  Fidschi  und  Neu-Seeland  zu  be- 
gründen versucht.  Denn  verhielte  sich  das  so,  dann  würden  die  Mikronesier,  zum 
Theil  mit  die  schlecht  ernährtesten  Bewohner  der  Südsee,  jedenfalls  Cannibalen  und 
am  ersten  zu  entschuldigen  sein.  Mertens  erblickt  schon  in  dem  allerdings  nicht  appetit- 
lichen, indess  unschuldigen  Läuseessen,  übrigens  eine  fast  kosmopolitische  Sitte,  die 
erste  Stufe  zum  Cannibalismus. 

Ernährung.  Dieselbe  ist  über  die  ganze  Südsee  vorwiegend  vegetabilisch,  kärglich 
und  auf  wenige  Producte  beschränkt  bei  den  Bewohnern  der  Atolle  (von  den  Carolinen 
bis  auf  Paumotu),  reicher  und  mannigfacher  für  die  Bewohner  der  hohen  Inseln,  die, 
wie  die  Melanesier  zum  Theil,  treffliche  Ackerbauer  sind.  P'leischnahrung  kommt, 
ausser  Fischen  und  Seethieren,  kaum  in  Betracht. 

Hausthiere.  Nur  Ponap^  besass  Hunde  und  isst  solche  noch  heute,  wie  dies  in 
vielen  Gebieten  Melanesiens  und  ehemals  in  Polynesien  (Tahiti,  Hawaii)  geschah.  Das 
Schwein  fehlt  Mikronesien  ganz,  fand  sich  aber,  wie  noch  jetzt  in  Melanesien  (hier  zum 
Theile  wild),  in  gewissen  polynesischen  Gebieten  (z.  B.  Samoa  und  Hawaii),  als  Haus- 
thier  vor,  was  auch  für  diese  Östlichen  Inseln  deutlich  auf  Einwanderung  von  Westen 


kS 


Dr.  O.  Finsch.  [^741 


spricht,  ein  sehr  bedeutsamer  Hinweis,  der  bis  jetzt  aber  wenig  Beachtung  gefunden  zu 
haben  scheint. 

Nahrung  und  Reizmittel.  Die  Zubereitung  der  Speisen  geschieht  überall  in  dersel- 
ben oder  doch  in  sehr  ähnlicher  Weise,  und  zwar  ohne  Salz,  das  nur  die  alten  Hawaiier 
bereiteten,  die  sogar  Einsalzen  verstanden.  Unter  den  Reizmitteln  findet  sich  der  für 
Malayasien  und  Melanesien  typische  Betel  (der  aber  auf  Fidschi  unbekannt  ist)  auch  in 
den  westlichen  Carolinen  (Pelau,  Yap,  Uluti,  Uleai),  hier  auch,  wie  in  vielen  Gebieten 
Melanesiens,  Tabak,  der  dem  übrigen  Oceanien  fehlte.  Kawa,  vorwiegend  polynesisch 
(aber  auf  Fidschi,  den  Neuen  Hebriden,  Salomons,  vereinzelt  in  Neu-Guinea  beliebt), 
wird  auch  in  Mikronesien  (aber  nur  Kuschai  und  Ponape)  getrunken. 

Fisclierei  wird  überall  in  derselben  Weise,  mit  denselben  Hilfsmitteln  und  Ge- 
räthen  betrieben,  die  sich  nur  in  Form  und  zum  Theil  im  Material  unterscheiden.  Ver- 
einzelte, auf  gewisse  Localitäten  beschränkte  eigenthümliche  Fanggeräthe  (wie  z.  B.  die 
Aalschlinge  der  Gilberts)  sind  nur  nebensächlich  von  Bedeutung  und  sinnreicher  auch 
in  Melanesien  vertreten  (z.  B.  in  Neu-Britannien  »Aumut«,  I,  S.  [25]  und  Neu-Guinea 
»Uhto«,  II,  S.  [120]  und  >Wuba€,  II,  S.  [169]).  Eigentliche  Fischerstämme  fehlen.  Jagd 
verbietet  sich  bei  dem  Mangel  von  W^ild  von  selbst  und  wird  nur  in  den  westlichen  Ca- 
rolinen (Pelau)  auf  den  Dugong  (Halicore)  betrieben,  wie  in  Torresstrasse  und  an  der 
Südostküste  Neu-Guineas  (II,  S.  [120]). 

Falirzeuge.  Die  Südsee  hat  in  diesen  wichtigen  Verkehrsmitteln  einen  so  grossen 
Reichthum  aufzuweisen,  dass  sich  darüber  allein  ein  ganzes  Buch  schreiben  Hesse.  Bis 
jetzt  fehlte  es  leider  an  eingehenden  vergleichenden  Studien,  die  jedenfalls  auch  für 
die  Herkunft  und  Abstammung  der  Bewohner  wichtige  Aufschlüsse  geben  würden.  Im 
Ganzen  handelt  es  sich  um  einige  wenige  Grundtypen,  die  mit  mehr  oder  minder  er- 
heblichen Modificationen  und  Abweichungen  über  die  ganze  Südsee  (und  weiter)  ver- 
breitet sind  und  sich  an  den  entferntesten  Localitäten  wiederholen.  Charakteristisch 
scheint  namentlich  die  Form  des  Segels,  welches,  wenigstens  in  den  von  mir  besuchten 
Theilen  Melanesiens,  niemals  die  dreieckige  oder  lateinische  Form  zeigt,  wie  sie  in  ganz 
Mikronesien  und  fast  der  ganzen  Südsee  (sowie  darüber  hinaus)  allein  vorkommt.  Nicht 
unwesentlich  weicht  davon  die  Form  des  Segels  der  Canus  von  Tonga  und  der  identi- 
schen von  Fidschi  ab,  die  sich  merkwürdiger  Weise  am  ähnlichsten  im  Papuagolfe  der 
Südostküste  Neu-Guineas  wiederfindet  (II,  S.  [121]).  Auch  die  Fahrzeuge  Mikronesiens 
haben  in  der  Bauart  mehrere  charakteristische  Formen  aufzuweisen,  darunter  solche, 
die,  wie  die  der  Marshalls  und  Carolinen,  in  Bezug  auf  Construction  und  Seetüchtigkeit 
mit  zu  den  besten  Hochseefahrzeugen  der  Südsee  gehören.  Doppelcanus,  wie  in  ge- 
wissen Gebieten  Polynesiens  (Hawaii,  Paumotu,  Tonga;  nicht  auf  Samoa)  und  Mela- 
nesiens (Fidschi),  fehlen  in  Mikronesien.  Dagegen  kommen  Canus  ohne  Segel  vor 
(auf  Kuschai  nur  solche),  wie  auch  anderwärts  in  der  Südsee.  So  kennen  Neu-Irland 
und  die  Salomons  keine  Segel ;  ja  letztere  besitzen  sogar  eine  Art  Canus  ohne  Ausleger. 
Bemerkenswerth  für  die  Fahrzeuge  Mikronesiens  ist  der  fast  gänzliche  Mangel  oder 
doch  sehr  geringe  Schmuck.  Der  von  Edge-Partington  (PI.  174,  Fig.  5)  abgebildete 
geschnitzte  »stafT  fixed  to  the  prow  of  a  Canoe«  ist  sicher  nicht  mikronesischer 
Herkunft. 

Häuser.  Hinsichtlich  der  Wohnstätten  herrscht  überall  locale  Verschiedenheit,  die 
namentlich  in  Mikronesien  scharf  ausgeprägt  hervortritt.  Auch  hier  gibt  es  (auf  den  Gil- 
berts, auf  Yap  und  Pelau)  jene  grossen  Versammlungshäuser,  wie  sie  hauptsächlich  aus 
Melanesien  bekannt  sind,  sich  aber  auch  unter  gleichem  Verbot  für  Frauen  überall  in 
Polynesien  finden.    Die  »Marai«  der  alten  Hawaiier  mit  ihren  sogenannten   »Götzen- 


[275] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


bildern«,*)  wie  die  »Runangac  der  Maoris  mit  ähnlichem  reichen  Bilderschmuck  ent- 
sprechen ganz  den  raelancsischen  »Tabuhäusern«  auf  den  Salomons,  Neu-Guinea  u.  s.w., 
deren  phantastische  Holzschnitzereien  als  Ahnenfiguren  jedenfalls  am  richtigsten  erklärt 
werden  (II,  S.  [255]).  Die  »Maneap«  der  Gilberts  ähneln  am  meisten  den  »Fale  tele«  auf 
Samoa  und  stehen  in  Mikronesien  sehr  isolirt.  Eigentliche  Pfahlhäuser  fehlen  Mikro- 
nesien  wie  Polynesien,  gehören  aber  auch  in  Melanesien  zu  den  Ausnahmen;  dagegen 
sind  die  pfahlständigen  Wachthäuser  der  Gilberts  ein  Analogon  für  die  luftigen  Baum- 
häuser der  Melanesien  Bemerkenswerth,  aber  nicht  eigenthümlich  sind  die  Kolossal- 
steinbauten auf  Kuschai  und  Ponap^,  die  aber  der  Vergangenheit  angehören. 

Hausrath  und  Kochgeräth  zeigen,  wie  bei  allen  Naturvölkern,  grosse  Ueberein- 
stimmung  und  wenig  Eigenthümliches.  Kleine  Schüsselchen  und  flache  Gefässe  aus 
Schildpatt  scheinen  eine  Specialität  Pelaus  zu  sein,  wie  gewisse  Deckelkisten  und  Kästen 
aus  Holz  für  die  Central-Carolinen  (Nukuor,  Lukunor  etc.);  letztere  werden  indess  ähn- 
lich auch  in  Polynesien  angefertigt,  und  zwar  auf  Tockelau.  Hier  auch  eigenthümliche, 
aus  Holz  geschnitzte  Sessel,  die  sonst  wohl  nur  auf  Hawaii  vorkamen.  Das  British 
Museum  besitzt  daher  einen  solchen  in  Form  eines  auf  allen  Vieren  stehenden  Menschen, 
aus  einem  Stück  geschnitzt,  von  derselben  Localität  prachtvolle  Kawabowlen  (zum  Theil 
mit  Schnitzerei).  Letztere  sah  ich  sehr  schön  auch  von  Fidschi  in  der  Colonialaus- 
stellung  in  London.  Einiger  besonders  kunstvoll  verzierter  Holzgefässe  von  Pelau  soll 
unter  »Ornamentik«  gedacht  werden.  Im  Uebrigen  hat  Mikronesien  nicht  viel  auf- 
zuweisen, besonders  gegenüber  Melanesien,  das  in  dem  Genre  durch  Schnitzerei  ver- 
zierter Holzgeräthe  einen  grossen  Reichthum  besitzt  (so  z.  B.  gewisse  Gebiete  Neu- 
Guineas  in  Schüsseln,  Haken,  Rührlöffeln  etc.).  Bemerkenswerth  sind  für  Kuschai  Stam- 
pfer aus  Stein  (Basalt),  für  Ruk  ganz  gleichgeformte  aus  Korallstein  (Fig.  32,  33),  die  in 
ganz  anderer  Form  auch  in  Polynesien  (Hawaii,  Tahiti),  primitiver  in  Melanesien  vor- 
kommen. 

Feuer  wird  auch  in  Mikronesien  local  nach  den  beiden  üblichen  Methoden:  Reiben 
und  Quirlen,  erzeugt,  sehr  abweichend  dagegen  bei  den  Koiäri  im  Innern  von  Port 
Moresby  (II,  S.  [109]).  Erwähnenswerth  hierbei  ist  die  von  Hudson  gemachte  Beobach- 
tung, dass  die  Bewohner  Fakaafos  der  Tockelaugruppe  kein  Feuer  zu  kennen  scheinen 
(Wilkes  V,  S.  17),  weil  sie  ganz  einzig  dasteht  und  daher  der  Bestätigung  bedarf. 

Werkzeuge  und  Geräth.  Die  wenigen  hierher  gehörigen  Gegenstände  sind,  wie 
nicht  anders  zu  erwarten,  im  Wesentlichen  dieselben;  eigenthümlich  ist,  und  zwar  nur 
für  Mortlock,  eine  Hacke  zur  Feldarbeit  aus  Schildkrötenknochen  (Fig.  55).  Dagegen 
findet  sich  der  marshallanische  Drillbohrer  genau  in  derselben  Construction  auf  Neu- 
Guinea  (Port  Moresby)  und  auf  der  Tockelaugruppe  (Fakaafo)  wieder.  Das  unentbehr- 
lichste Geräth  der  Steinzeit,  die  Axt,  fehlt  nirgends  und  hat  auf  allen  Atollen,  wegen 
Mangel  an  anderem  Material,  eine  Muschelklinge  (meist  aus  Tridacna,  seltener  Terebra 
und  Mitra)j  wie  solche  auch  sonst  überall  sehr  geschätzt  sind.  Es  ist  aber  bemerkens- 
werth, dass  auch  die  hohen  Inseln  Mikronesiens,  trotz  trefflichem  Steinmaterial  (Basalt), 
fast  ausnahmslos  nur  Muschelklingen  ^)  gebrauchen,  die  mit  zu  den  schwersten  und 
plumpsten  gehören.  Die  Schäftung  zeigt,  abgesehen  von  gewissen  localen  Verschieden- 
heiten, ganz  denselben  Grundtypus,  als  in  Melanesien  wie  Oceanien  überhaupt.   Cere- 


»)  Vgl.  Choris,  PI.  V  und  Kotzebue  II,  S.  20. 

2)  Unter  den  zahlreichen  Aexten  und  Axtklingen  aus  Mikronesien  verzeichnet  der  Katalog  des 
Museum  Godeffroy  nur  eine  Steinklinge,  und  zwar  von  Pelau  (S.  420,  Nr.  589).  Die  Bemerkung 
(^.417)1  dass  Aexte  auch  als  »Watfec  benützt  werden,  ist  nicht  richtig;  sie  sind  ausnahmslos  nur 
Werkzeuge. 


♦'■ 


8  Dr.  O.  Finsch.  [276] 

monienäxte,  wie  in  einigen  Gebieten  Polynesiens  (z.  B.  Mangaia),  fehlen  Mikronesien; 
dagegen  findet  sich  eine  analoge  Form  in  Neu-Guinea  (II,  S.  [167]). 

Waffen  und  Wehr  bieten  nur  in  den  eigenartigen  Rüstungen  und  Helmen  der 
Gilbert- Insulaner  ein  charakteristisches  Gepräge,  das  aber  insofern  nur  beziehentlich 
Eigenthümlichkeit  beanspruchen  kann,  weil  Kürasse  oder  Harnische,  allerdings  ver- 
schieden in  Form  und  Material,  auch  auf  Neu-Guinea  vorkommen  (II,  S.  [216]),  sowie 
auf  Borneo  und  Timor.  Auch  die  mit  Haifischzähnen  besetzten  Waffen')  der  Gilbert- 
Insulaner  sind  zwar  vorwiegend  und  sehr  mannigfach,  aber  nicht  ausschliessend  hier 
vertreten.  Eigenthümlich  scheint  dagegen  für  ein  beschränktes  Gebiet  der  Carolinen 
(Mortlock)  eine  besondere  Waffe  mit  Rochenstacheln  (Taf.  II  [19],  Fig.  10),  die  sich  in 
anderer  Form  auf  Yap  findet  und  dem  Knochendolch  der  Melanesier  (II,  S.  [215])  ent- 
spricht. Ein  Schlagring  von  Mortlock  (»Senjavin-Reise«,  PI.  29,  Fig.  5)  ähnelt  ganz 
einer  althawaiischen  Waffe,  wie  Hawaii  auch  die  eigenartige  Kratzwaffe  mit  Haifisch- 
zähnen der  Gilbertweiber  besass.  Die  am  weitesten  verbreitete  Waffe,  der  Speer,  bietet 
in  Mikronesien  im  Ganzen  weit  weniger  Verschiedenheit,  als  in  Polynesien,  wo  kunst- 
reich geschnitzte  Spitzen  mit  den  formreichen  Melanesiens  wetteifern  und  zum  Theil 
an  Material  und  Bearbeitung  die  Localität  erkennen  lassen.  Manche  mikronesische 
Speere  (wie  z.  B.  auf  Ruk)  erinnern  in  der  Bewehrung  mit  Rochenstacheln  an  die  Salo- 
mons.  Keulen  sind  im  Ganzen  selten  in  Mikronesien  und  bieten  wenig  Auffallendes. 
Bemerkenswerth  ist  aber  die  Aehnlichkeit  in  der  Form  der  flachen  Holzkeulen  der 
Central-Carolinen  mit  Jener  in  West-Melanesien,  die  sehr  abweichen  von  den  charakte- 
ristischen Formen  Fidschis  und  Samoas.  Ganz  abweichend  sind  die  zum  Theil  hübsch 
geschnitzten  Keulen  von  Tonga,  wie  die  neuseeländischen  eigenartige  Waffen.  Auch  die 
Kampfstöcke  (zugleich  Tanzstöcke)  von  Ruk  und  Mortlock  ähneln  solchen  im  Bismarck- 
Archipel,  dagegen  scheinen  mit  Steinknauf  bewehrte  Keulen  nur  in  beschränkten  Ge- 
bieten Melanesiens  vorzukommen,  ebenso  Schilde.^)  Einen  solchen  besitzt  das  British 
Museum  mit  der  Angabe  »Tahiti«.  Bogen  und  Pfeil  fehlen  Mikronesien  durchaus, 
werden  dagegen  auffallender  Weise  von  Wilkes  für  Samoa  erwähnt  (11,  S.  151).  Die 
Schleuder,  welche  mit  zu  den  gebräuchlichsten  Waffen  Mikronesiens  zählt  und  mit  Aus- 
nahme der  Gilberts  fast  auf  allen  Inseln  vorkommt,  ist  auch  in  Melanesien  vertreten, 
wie  früher  in  Polynesien  (z.  B.  Tahiti).  Eigenthümlich  für  die  Gilberts  ist  eine  besondere 
Art  Schlagstein  (Taf.  II  [19],  Fig.  15)  und  die  Bola  zum  Fange  des  Fregattvogels  (Fig.  i) 
auf  Nawodo.  Wenn  Chamisso  unter  den  Waffen  von  Yap  nach  Hörensagen  ein  »Wurf- 
brett« erwähnt,  so  scheint  dasselbe  keine  Bestätigung  gefunden  zu  haben.  Aber  nach 
Schmeltz  würde  auf  Pelau  eine  Art  Speere  vorkommen,  die  mittelst  eines  »Wurfholzes« 
geworfen  werden,  die  Kubary  aber  selbst  nirgends  erwähnt. 

Musik-  und  Tanzgeräthe.  Ein  charakteristischer  Zug  der  Ethnologie  Mikronesiens 
ist  das  spärliche  und  sehr  localisirte  Vorkommen  von  sogenannten  Musikinstrumenten, 
an  denen  namentlich  Melanesien  so  reich  ist.  Die  Trommel  fehlt  hier  fast  nirgends,  ist 
aber  in  Mikronesien  nur  auf  die  Marshalls  (Fig.  17)  und  Ponape  beschränkt,  und  zwar 
in  einer  etwas  abweichenden  Form,  die  übrigens  durchaus  melanesisches  Gepräge  trägt. 
Mit  Haut  bespannte  Trommeln  finden  sich  aber  auch,  mit  localen  Abweichungen,  in  Poly- 
nesien (Tockelau,  Tonga,  Samoa,  Hawaii,  Markesas).  Hier  auch  Jene  trogförmige  Art  (auf 
Tockelau  und  Tonga),  die  ganz  mit  der  von  Fidschi  übereinstimmt  und  sich  in  ähnlichen 


»)  Ein   Analogon  bieten    gewisse    australische  Speere    neueren   Ursprunges,    deren   Spitzentheil 
beiderseits  mit  eingekitteten  Glassplittern  zahnartig  bewehrt  ist. 

2)  Die  Schilde  der  hawaiischen  Tänzer,  wie  sie  Choris  PI.  XII  abbildet,  sind  nur  Tanzschmuck. 


r277]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


Formen  weit  über  Melanesien  verbreitet  (Neu-Guinea,  Salomons,  Bismarck-Archipel, 
Taf.  V  [3],  Fig.  8).  Taktschlägel  (Taf.  V  [22],  Fig.  11)  und  Tanzstöcke  (Fig.  53),  wie 
auf  den  Marshalls  und  Central-Carolinen,  sind  in  verschiedener  Weise  auch  in  Polyne- 
sien und  Melanesien  vertreten. 

Von  den  zahlreichen  Blasinstrumenten  der  Südsee  ist  die  allgemein  verbreitete 
Signaltrompete  (aus  Tritonium)  in  ganz  Mikronesien  bekannt,  im  Uebrigen  aber  nur 
die  Nasenflöte  auf  den  Carolinen  (Ponap6  und  Ruk).  Dasselbe  Instrument  findet  sich 
übrigens  auch  in  Melanesien  (Neu-Guinea)  und  Polynesien  (Tahiti  und  Tonga),  in  beiden 
Gebieten  auch  Rohr-  und  Panflöten  (letztere  z.  B.  im  Bismarck-Archipel,  den  Salomons 
und  auf  Samoa). 

Die  sogenannten  Tänze  und  Gesänge,  eigentlich  pantomimisch-gymnastische  Auf- 
führungen, zeigen  zwar  auf  allen  Inselgruppen  Mikronesiens  zum  Theil  charakteristische 
Eigenthümlichkeiten;  allein  sie  gehören  sämmtlich  zu  derselben  Gattung,  die  sich  in 
zahlreichen  Species  und  Subspecies  über  die  ganze  Südsee  verbreitet,  vom  »Hulac  der 
Hawaiier,  »Haka«  der  Maoris  bis  zur  »Malankene«  in  Neu-Britannien  und  dem  »Munt 
an  der  Küste  vom  Kaiser  Wilhelmsland  (Astrolabe-Bai).  An  Tanzgeräthen  besitzt  nur 
Ponapö  eine  besondere  Art  Tanzpaddel  (Taf.  V  [22],  Fig.  12),  das  vielleicht  auch  auf 
Pelau  vorkommt,  aber  nicht  eigenthümlich  mikronesisch  ist,  da  eine  ähnliche  Form  auf 
der  Osterinsel  vorkam.  Weit  reicher  und  mannigfaltiger  sind  hierhergehörige  Geräth- 
schaften  in  Melanesien  vertreten  (I,  S.  [3i]),  und  auch  Polynesien  scheint  darin  manches 
Eigenthümliche  besessen  zu  haben  (z.  B.  Hawaii  geschmackvolle  Tanzschilde  aus  Fe- 
dern). Besonderen  Tanzschmuck  gibt  es  in  Mikronesien  nicht;  derselbe  ist  vielmehr, 
wie  fast  überall,  mit  den  sonst  bei  Festlichkeiten  gebrauchten  Schmuckgegenständen 
identisch.  Der  von  Edge-Partington  (PI.  175,  Fig.  i)  abgebildete  eigenthümliche  Stab 
ist  jedenfalls  nicht  mikronesischen  Ursprungs,  sondern  wahrscheinlich  ein  melanesisches 
Tanzgeräth.  Als  letztere  dürften  auch  die  Ceremonienstäbe  für  Frauen  von  den  Mar- 
kesas  zu  betrachten  sein  (Kat.  M.  G.,  S.  245).  Bemerkenswerth  ist,  dass  nach  der  Ab- 
bildung von  Wilkes  (II,  S.  134)  die  Tänzer  auf  Samoa  bis  auf  ein  kleines  Faserschürz- 
chen  vorne  ganz  unbekleidet  sind.  Auf  Hawaii  war  Tapa,  namentlich  von  den  Frauen 
graziös  um  die  Hüften  geschlungen,  mit  der  hauptsächlichste  Tanzschmuck  (Choris, 
PL  XII  und  XVI). 

Ganz  besonders  charakteristisch  ist  aber  das  Fehlen  von  Masken,  die  nur  von 
Mortlock  (Kat.  M.  G.,  PI.  XXIX,  Fig.  i)  bekannt  zu  sein  scheinen,  und  zwar  in  einer 
Form,  die  ganz  an  Fidschi  erinnert  (Wilkes  III,  S.  188).  Polynesien  scheint  ebenfalls 
keine  Masken  zu  besitzen,  die  dagegen  sehr  abwechselnd  und  in  zum  Theil  äusserst 
phantastischen  und  grotesken  Formen  (namentlich  auf  Neu-Irland)  für  Melanesien  cha- 
rakteristisch sind.  Sie  zählen  zum  Theil  zu  den  hervorragendsten  Kunsterzeugnissen 
in  Schnitzerei  und  Verzierung,  darunter  namentlich  auch  in  der  Bemalung  (I,  S.  [59]). 
In  einigen  beschränkten  Gebieten  Melanesiens  werden  bei  gewissen  Festlichkeiten  förm- 
liche Maskenanzüge  benützt,  wie  an  der  Südostküste  (Fresh water- Bai)  und  Nordostküste 
(Astrolabe-Bai)  von  Neu-Guinea.  Hierher  gehören  unter  Anderem  auch  der  »Dugdug« 
Neu-Britanniens  und  die  »Clowns«  von  Fidschi  (Wilkes  III,  S.  188).*) 

Ornamentik  und  Schnitzereien  stehen  in  Mikronesien  auf  einer  sehr  wenig  ent- 
wickelten Stufe  im  Vergleiche  mit  dem  übrigen  Oceanien,  wo  zum  Theil  selbst  Gegen- 
stände des  täglichen  Gebrauches  originell  verziert  sind.  Ich  will  hierbei  nur  an  die  Kopf- 
stützen, Calebassen  und  Kalkspatel  in  gewissen  Theilen  Neu-Guineas  (Taf.  XVIII  [10]  und 


0  Auch  auf  Neu-Caledonien  kommen  derartige  Maskenanzüge  vor.  Anm.  d.  Red. 


lO  Dr.  O.  Finsch.  F^?^] 

XIX  [ii]),  an  die  unübertrefflich  schön  geschnitzten  Kästen  der  Maoris,  Ceremonienäxte 
und  Axtstiele  der  Herveygruppe  (Mangaia),  sowie  gewisse  Geräthe  der  Markesas  erin- 
nern (Joest,  »Tätowiren«,  Taf.  V  und  XII).  Geschnitzte  Canu Verzierungen  fehlen  in 
Mikronesien  ganz.  Sie  finden  sich  mannigfach  in  Melanesien  vertreten  und  erreichten 
in  Neu-Seeland  ihre  höchste  künstlerische  Vollendung.  Dabei  mag  noch  der  trefflich 
geschnitzten  Ceremonienpaddel  der  Herveyinseln  gedacht  sein,  ein  Genre,  in  dem  Mela- 
nesien manches  Beachtenswerthe,  Mikronesien  gar  nichts  leistet. 

Bemerkenswerth  sind  gewisse  Kunsterzeugnisse  in  eingelegter  Arbeit  aus  Perl- 
mutter und  Muscheln  altpelauscher  Holzgefässe  (Edge-Partington,  PI.  i8i  und  182), 
eine  seltene  Technik,  die  Übrigens  auch  auf  Samoa  und  den  Salomons  bekannt  ist. 
Das  British  Museum  besitzt  von  da  wunderbar  schöne  Stücke,  so  unter  Anderem  einen 
enorm  grossen,  mit  Conusscheiben  eingelegten  Holznapf  von  Guadalcanar  und  einen 
geflochtenen  Schild  mit  Mosaikarbeit  in  aufgelegten  zierlichen  Muschelscheibchen,  der 
alles  Aehnliche  übertrifft.') 

Idole,  welche  mit  Ahnenfiguren  zu  den  hervorragendsten  Schnitzarbeiten  gehören 
(z.  B.  auf  Neu-Irland  I,  S.  [53]  und  Neu-Seeland),  besitzt  Mikronesien  nur  auf  den  Cen- 
tral-Carolinen  (Ruk  und  Mortlock)  in  roh  geschnitzten  Vogelgestalten  (Fig.  54)  und 
menschlichen  Figuren  auf  Pelau  (nach  Kubary)  und  Nukuor.  Letztere  (wie  Kat.  M.  G., 
Taf.  XXX,  Fig.  i)  erinnern  an  ähnliche  primitive  polynesische  Schnitzarbeiten  (Oster- 
insel,  Hawaii,  Tahiti,  Markesas)  und  in  gewissen  engbegrenzten  Localitäten  Melanesiens 
(z.  B.  Neu-Guinea,  Taf.  XXIII  [15]),  und  würden  nach  Wilkes  auch  auf  den  Gilberts 
(Tapiteuea)  vorgekommen  sein. 

ReliQion  gibt  es  eigentlich  nicht,  wohl  aber  Geisterglauben  und  als  Folge  desselben 
allerlei  Aberglauben  unter  der  Aegide  von  Wahrsagern,  Sehern,  Zeichendeutern,  mit 
Besprechen  von  Krankheiten  etc.  Diese  Leute  bilden  indess  keine  bestimmte  Kaste  und 
zeigen  mancherlei  Anklänge  an  das  Schamanenthum  Asiens.  Ausser  bestimmteren, 
mehr  allgemeinen,  aber  localisirten  Geistern  gibt  es  viele  persönliche,  unter  denen  die 
Verstorbener  eine  wichtige  Rolle  spielen,  indess  ohne  wirklichen  Ahnencultus.  In  ge- 
wissem Zusammenhange  damit  steht  die  Verehrung  besonderer  Thiere,  namentlich  ge- 
wisser Fische  (die  deshalb  nicht  gegessen  werden),  wie  lebloser  Gegenstände  (gewisser 
Steine,  Bäume),  denen  hie  und  da,  wie  auch  den  unsichtbaren  Geistern,  geringe  Opfer 
gebracht  werden,  so  dass  Alles  in  Allem  die  religiösen  Anschauungen  der  Mikronesier 
auf  einen  rohen  Fetischismus  hinauslaufen. 

GewerbfleiSS.  Unter  den  Handfertigkeiten  der  Oceanier  steht  Mattenflechterei 
obenan  und  ist  auf  den  Marshalls  wie  Gilberts  ebenso  hoch  entwickelt,  als  in  gewissen 
Gebieten  Polynesiens,  dabei  in  Muster  wie  Technik  der  Verzierung  zum  Theil  wesent- 
lich verschieden,  aber  nicht  eigenartig.  Kunstreich  geflochtene  Körbchen,  die  eine  Spe- 
cialität  der  Gilberts  scheinen,  finden  sich  ganz  ähnlich  auch  auf  Fidschi;  analoge  Arbeiten 
an  der  Ostspitze  Neu-Guineas  (Einsatzkörbe,  II,  S.  [165]),  sowie  aus  gespaltenem  Bambus 
in  Neu-Britannien  (I,  S.  [20])  und  localisirt  in  Neu-Guinea  (II,  S.  [204])  und  Fidschi.  Be- 
merkenswerth sind  auch  ausserordentlich  fein  geflochtene  Täschchen  auf  den  westlichen 
Carolinen  (Yap  und  Pelau). 

Flechtarbeiten  sind  im  Uebrigen  in  Melanesien,  mit  Ausnahme  von  Fidschi,  wo 
man  schöne  Schlafmatten  aus  Pandanus  fertigt,  wenig  vertreten.     Dagegen  wird  hier 


1)  Ein    ähnliches  Prachtstück   von   den   Salomon-Inseln   befindet  sich   in   der  ethnographischen 
Sammlung  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums  in  Wien,  Coli,  der  Novara-Expedition,  Inv.-Nr.  3859. 

Anm.  d.  Red. 


fiyo]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  1 1 

Filetstrickerei  (in  F'orm  von  Taschen,  Beuteln  etc.)  für  gewisse  Gebiete  (besonders 
Neu-Guineas)  charakteristisch,  eine  Fertigkeit,  die  im  übrigen  Oceanien  wenig,  in  Mikro- 
nesien  nur  in  primitiver  Weise  auf  einigen  Inseln  der  Carolinen  (Kuschai,  Mortlock) 
geübt  wird.  Die  verwendeten  Materialien  sind  im  Wesentlichen  überall  dieselben,  be- 
merkenswerth  aber,  dass  nur  gewisse  Gebiete  Melanesiens  den  vortrefflichen  Faserstoff 
aus  der  Luftwurzel  von  Pandanus  kennen  (II,  S.  [217]),  da  doch  gerade  die  Mikronesier 
so  hervorragend  auf  diesen  Baum  angewiesen  sind. 

Interessante  Zweige  oceanischer  Industrie  und  von  hervorragender  Bedeutung 
sind  Weberei  und  Tapabereitung,  wovon  wenigstens  die  erstere  in  Melanesien  über- 
haupt fehlt.  Mit  Ausnahme  der  Anfertigung  gewisser  Zeugstoffe  auf  Neu-Seeland  ist 
Weberei  (übrigens  ohne  Hilfe  eines  Webstuhls)  eine  charakteristische  Eigenthümlich- 
keit  Mikronesiens,  und  zwar  der  Carolinen  allein.  Die  meisten  Insulaner  hier  verstehen 
aus  Hibiscus-  oder  Bananenfaser  Zeuge  zu  weben,  die  auf  Kuschai  sogar  mehrfarbig 
sind,  so  dass  hier  auch  einö  Färberei  auftritt,  die  in  der  Südsee  einzig  dastehen  dürfte. 
Die  Webekunst,  übrigens  durchaus  spontan  und  nicht  etwa  durch  spanische  Missionäre 
eingeführt,  bietet  ebenfalls  einen  bedeutungsvollen  Wink  für  eine  Abstammung  aus 
Westen  her,  namentlich  im  Hinblick  auf  die  Benützung  von  Bananenfaser  als  Material. 
Die  >Maro<  der  Männer  von  Njua,  welche  ich  sah,  hatten  freilich  das  Aussehen  von 
gewebtem  Zeuge,  waren  wohl  aber  nur  aus  Tapa  (Finsch,  1.  c,  S.  iii).  Für  Einwan- 
derung aus  W^esten  (Malayasien)  spricht  auch  die  Kunst  des  Buntdruckes,  mit  welcher 
die  Polynesier  ihre  Tapa  verzieren,  wozu  besondere,  aus  Holz  geschnitzte  Matrizen  be- 
nützt werden.  Bemerkenswerth  ist,  dass  Tapabereitung  auf  Samoa  erst  durch  Missio- 
näre von  Tonga  eingeführt  wurde  (Wilkes).  Im  Uebrigen  ist  Tapabereitung,  indess 
beschränkt  und  localisirt,  auch  in  Mikronesien  (Pikiram,  Pelau,  Ponape)  bekannt,  da- 
gegen in  Melanesien  weit  verbreitet,  auf  Neu-Britannien  sogar  mit  bunter  origineller 
Bemalung  (I,  S.  [11]). 

Töpferei,  ein  vorwiegend  melanesisches,  aber  sporadisch  verbreitetes  Gewerbe, 
war  nur  in  den  westlichen  Carolinen  (Yap  und  Pelau),  aber  auch  auf  den  Mariannen 
bekannt,  scheint  aber  im  übrigen  Oceanien  ebenfalls  zu  fehlen.  Im  Gegensatze  zu  d^n 
ziemlich  übereinstimmenden  Formen  der  Töpfe  Melanesiens,  die  übrigens  in  zwei  ganz 
verschiedenen  Methoden  verfertigt  werden  (s.  II,  S.  [iio]  und  [164]),  zeichnen  sich  die 
verschiedenartigen  Trinkgefässe  Fidschis  durch  besondere  Kunst  und  bizarre  Formen 
aus,  die  an  gewisse  keramische  Arbeiten  Amerikas  mahnen. 

Bekleidung.  Mikronesien  bietet  in  dieser  Richtung  verhältnissmässig  mehr  Ver- 
schiedenheit, als  sonst  in  Oceanien.  Gewebte  Stoffe  nehmen  wenigstens  in  den  Caro- 
linen eine  hervorragende  Stelle  ein  und  ersetzen  hier  die  Tapa  gewisser  Gebiete  Poly- 
nesiens. Beide  Stoffe  liefern  Material  zu  dem  hauptsächlichsten  Bekleidungsstück  der 
Männer,  einer  Art  Lenden-,  respective  Schambinde,  wie  sie  aus  gewebtem  Zeuge  vor- 
herrschend auf  den  Carolinen  benutzt  wird  und  als  »Maro«  über  Polynesien,  als  »Mal« 
über  Melanesien  (hier  meist  aus  Tapa)  weit  verbreitet  ist.  Die  Faserröcke  aus  Bast,  auf 
den  Marshalls  nur  von  Männern,  auf  Yap  von  beiden  Geschlechtern  getragen,  finden 
sich  ähnlich  auch  in  gewissen  Localitäten  Polynesiens  (z.  B.  Tockelau  und  EUice,  nur 
für  Frauen).  Dasselbe  gilt  für  die  zierlicheren  Röckchen  aus  Blattfaser  (meist  Cocos) 
auf  Ponap6  (für  Männer)  und  auf  den  Gilberts  (für  Frauen),  welche  auch  in  Melanesien 
die  Hauptbekleidung  des  weiblichen  Geschlechts  bilden,  besonders  auf  Neu-Guinea  (hier 
aus  Sagopalme  und  zum  Theil  bunt  gefärbt).  Für  die  Central-Carolinen  sind  poncho- 
artige Ueberwürfe  charakteristisch,  finden  sich  ähnlich  aber  auch  in  gewissen  melane- 
sischen  Gebieten.   Völlige  Nacktheit,  die  ich  als  Regel  nur  auf  Neu-Britannien  (hier  für 


12  Dr.  O.  Finsch  [280] 

beide  Geschlechter)  und  Humboldt-Bai  (Neu-Guinea)  beobachtete,  herrschte  früher  auch 
auf  den  Gilberts  und  auf  Pelau,  sowie  auf  Samoa  (auf  Tutuila,  und  zwar  für  beide  Ge- 
schlechter; s.  Kotzebue). 

Kopfbedeckung  in  Form  eigenthümlicher  Hüte,  die  sehr  an  malayische  Typen 
erinnern,  findet  sich  nur  auf  den  Carolinen  (Lukunor,  Mortlock,  Nukuor,  Yap);  gewisse 
Kappen  oder  Mützen,  für  beide  Geschlechter  verschieden,  auf  den  Gilberts,  darunter  be- 
sonders eigenthümliche,  geflochtene  Helme. 

Putz  und  Zieraten  sind  in  Mikronesien  weit  minder  mannigfach  und  reich  ver- 
treten als  in  Melanesien,  aber  fast  ausnahmslos  auf  dieselben  Materialien  angewiesen, 
wie  sie  mehr  oder  minder  allenthalben  in  der  Südsee  und  von  Menschen  verwendet 
werden,  die  keine  Metalle  kennen.  Obenan  stehen  gewisse  Conchylien,  von  denen  ein- 
zelne Arten,  in  ähnlicher  Weise  wie  in  der  Geologie,  als  »Leitmuscheln«  betrachtet  wer- 
den können.  Bezeichnend  für  Mikronesien  wie  Oceanien  Überhaupt  ist  ganz  besonders 
das  Fehlen  jener  kleinen  Nassa-Arten,  die  in  Melanesien  so  häufig  verwendet  werden 
und  vielerwärts  zugleich  als  Geld  eine  hervorragende  Rolle  spielen,  wie  z.  B.  das  »Di- 
wara«  Neu-Britanniens  (I,  S.  [12]).  Eine  gleichwerthige  »Leitmuschel«  besitzt  Mikrone- 
sien nicht,  wohl  aber  sind  hier  andere  Muscheln  in  mehr  oder  minder  vollkommener  Be- 
arbeitung von  Wichtigkeit.  So  vor  Allem  Scheibchen  aus  rother  Spondylus  oder  Chama, 
namentlich  auf  den  Marshalis  und  Carolinen  (Taf.VIII  [25]),  aber  nicht  eigenthüm- 
lich,  da  sie  ganz  gleich  auch  auf  Neu-Guinea,  aber  nur  an  der  Ostspitze  (II,  S.  [157]), 
sowie  auf  den  Salomons  vorkommen,  in  Polynesien  dagegen  sehr  selten  und  nur  von 
Hawaii  bekannt  zu  sein  scheinen.  Wenig  bearbeitete  oder  fast  rohe  Spondylus-Muschclny 
schon  von  den  vorgeschichtlichen  Bewohnern  Ponapes  (Taf.V[22])  benutzt,  sind  auf  den 
Gilberts  sehr  beliebt  und  zählen  auf  Fidschi  zu  den  werthvollsten  Erbstücken  (hier  auch 
als  bemerkenswerthe  Ausnahme  die  »Orange  Cowry«,  Cypraea  aurora).  Nicht  minder 
wichtig  sind  geschliffene  Scheibchen  aus  weissen  Muscheln,  die  auf  Schnüre  gereiht,  auch 
in  Melanesien  weit  verbreitet  sind  und  zum  Theil  Geld  bedeuten  (II,  S.  [160]  und  [222]). 
Sie  werden  in  Mikronesien  besonders  für  die  Gilberts  charakteristisch  und  bilden  hier, 
im  Verein  mit  schwarzen  Scheibchen  aus  Cocosschale,  die  beliebten  »Tekaroro-Schnürc« 
(Taf.VII  [24]),  die  übrigens  spärlich  auch  in  Melanesien  (Neu-Britannien,  Neue  Hebriden), 
sowie  auf  den  Marshalls  und  Carolinen  vorkommen.  Für  die  letzteren,  jedoch  nur  für 
Yap,  ist  das  berühmte  »Fe«  merkwürdig,  d.  h.  jene  durchbohrten  Scheiben  aus  dichtem 
Kalkstein  (von  Pelau)  von  Thaler-  bis  Mühlsteingrösse,  welche  die  Kolossalforni  der 
verschiedenen  Arten  Muschelscheibchen  in  der  Benützung  als  »Geld«  darstellen.  In 
ähnlicher  Weise  dienen  grosse  Ringe  aus  Kalkstein  auf  den  Neuen  Hebriden.  Tridacna, 
in  melanesischem  Schmuck  häufig  zu  kunstvollen  Stücken  verarbeitet,  wird  in  Mikro- 
nesien nicht  verwendet. 

Unter  den  Materialien  zu  Schmuck  fehlen,  wie  die  Thiere,  selbstredend  auch  die 
Zähne  von  Schweinen  und  Hunden,  die  namentlich  in  Melanesien  sehr  mannigfach  ver- 
wendet werden,  aber  auch  in  gewissen  Gebieten  Polynesiens  (wie  z.  B.  auf  Hawaii)  den 
werthvollsten  Schmuck  bildeten. 

Spermwalzähne,  einzeln  auch  auf  den  Carolinen  benützt,  sind  vorzugsweise  für  die 
Gilberts  (Taf.  V  [22])  charakteristisch,  noch  mehr  aber  auf  Fidschi  geschätzt,  wo  man 
daraus  auch  kunstvolle  Schmuckstücke  schnitzt,  die  in  ganz  verschiedenen  Formen 
auch  auf  den  Marshalls  (Taf.VIII  [25])  und  auf  Hawaii  vorkommen.  Interessant  ist,  dass 
Spermwalzähne  auch  auf  Borneo  zu  Schmuck  verwendet  werden.  Delphinzähne,  in 
Schnüren  zu  Hals-  und  Brustschmuck  aufgereiht,  sind  in  Mikronesien  ebenfalls  auf  den 
Gilberts  (Taf.  V  [22])  am  häufigsten,  aber  auch  in  gewissen  Gebieten  Polynesiens  werth- 


[281]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  Südsee.  l3 

voller  Schmuck,  besonders  auf  den  Markesas.  Dasselbe  gilt  auf  den  Gilberts  (wie  Salo- 
mons  und  Fidschi)  auch  für  Menschenzähne  (Taf.  V  [22]),  die  im  Uebrigen  nur  unter- 
geordnet und  vereinzelt  Verwendung  finden. 

Menschenhaar  ist  ein  für  die  Gilberts  charakteristisches  Material,  das  übrigens 
auch  in  Melanesien  und  Polynesien')  benutzt  wird. 

An  Federputz  ist  Mikronesien  sehr  arm  und  hat  ausser  dem  Putz  der  Tanz- 
kämme auf  Ruk  (Fig.  65)  wenig  Bemerkenswerthes  aufzuweisen.  Fregattvogelfedern 
und  die  weit  werthvolleren  Schwanzfedern  des  Tropikvogels,  früher  auf  den  Marshalis 
beliebt,  werden  auch  in  Polynesien  hie  und  da  verwendet,  so  z.  B.  in  den  sogenannten 
Federhüten  auf  Mangaia,  Markesas  und  Paumotu.  Noch  reicheren  Federputz  besass  die 
Osterinsel  und  Neuseeland,  aber  Alles  wurde  von  Hawaii  überstrahlt,  mit  seinen  kost- 
baren Mänteln  aus  Drepanis-  und  Mohofedern.  Aber  hier  wurden  auch  Hahnenfedern 
verwendet,  die  fast  über  ganz  Melanesien  mit  am  beliebtesten  sind,  auffallender  Weise 
in  Mikronesien  aber  nur  wenig  benutzt  werden,  obwohl  die  Marshalls,  noch  häufiger 
die  Carolinen,  halbzahme  und  verwilderte  Haushühner  besitzen.  Wie  gewisse  Muscheln 
bilden  übrigens  auch  die  Federn  gewisser  Vogelarten  Merkmale,  um  die  Herkunft  zu 
erkennen,  wenn  dies  auch  häufig  durch  die  theilweise  Bearbeitung  der  Federn  (durch 
Zerspalten,  Zerschleissen  etc.)  selbst  dem  Fachmanne  schwer  fällt.  So  deuten  Federn 
vom  Fregatt-  und  Tropikvogel  mit  Sicherheit  auf  Oceanien  hin,  für  Melanesien  sind 
(mit  Ausnahme  gewisser  Arten)  Papageifedern  nicht  immer  massgebend,  dagegen 
Cacadufedern  specifisch. 

Schildpatt  findet  fast  nur  auf  den  Carolinen  eine  häufigere  Verwendung,  aber 
Scheiben  daraus  waren  das  Geld  der  alten  Mariannen- Insulaner.  Blätter  und  Blumen, 
zum  Theil  in  Form  artiger  Kränze,  sind,  wie  über  die  ganze  Südsee,  so  auch  in  Mikro- 
nesien der  häufigste  Schmuck.  Dagegen  werden  Samenkerne  oder  Bohnen,  so  häufig 
im  melanesischen  Schmuck  (namentlich  von  Coix  lacryma  und  Abrus  precatorius),  in 
Mikronesien  nicht  benutzt,  wie  auch  in  Polynesien  nur  Co/Jc-Samen,  und  zwar  auf 
Samoa  Verwendung  fand.  Eigenthümlich  für  Ponape  sind  Abschnitte  der  Stengel  einer 
gewissen  Grasart  (Fig.  52),  charakteristisch  dagegen  für  die  Carolinen  die  häufige  Ver- 
wendung von  Cocosnussschale,  ein  Material,  das  wir  bei  Ruk  genau  kennen  lernen 
werden. 

Hautverzierungen.  Darunter  steht  Tätowiren,  bereits  stark  in  Abnahme  be- 
griffen, zum  Theil  völlig  verschwunden  (wie  z.  B.  auf  Kuschai),  obenan  und  bildet  einen 
hervorragenden  Charakterzug  der  Ethnographie  Mikronesiens.  Die  mikronesischen 
Tätowirungen  gehören  zum  Theil  mit  zu  den  schönsten  *)  der  Südsee  und  bilden  wei- 
tere Glieder  in  der  formenreichen  Reihe  oceanischer  Hautzeichnungen,  die  in  Melane- 
sien am  schwächsten  und  nur  sehr  sporadisch  vertreten  ist.  An  der  ganzen  Küste  von 
Englisch-  undDeutsch-Neu-Guinea  fand  ich  nur  drei  Tätowirungscentren  (Port  Moresby: 
II,  S.  [89];  Ostcap:  S.  [158]  und  Humboldt-Bai:  S.  [226]).  Tätowiren  findet  sich  ein- 
zeln auch  auf  den  Salomons,  wird  von  den  Frauen  auf  Vanua-Lava  (Neue  Hebriden) 
als  hervorragend  gerühmt,  die  den  ganzen  Körper  damit  bedecken,  während  die  Fidschia- 
nerinnen nur  die  Schamtheile  tätowiren  (Wilkes). 


I)  Namentlich  auf  Savage-Island  und  den  Markesas.  Anm.  d.  Red. 

3)  Aber  alle  SQdseetätowirung  ist,  mit  Ausnahme  der  Markesas,  nur  stümperhaft  gegenüber  der 
Vollkommenheit,  in  welcher  diese  Hautverzierung,  wahrhaft  zur  Kunst  entwickelt,  noch  heute  in 
Japan  ausgeübt  wird  (Rosse:  »Cruise  of  the  St.  Corwin«,  1881,  S.  34,  und  Joest:  »Tätowiren«, 
Taf.  X  und  XI). 


14  Dr.  O,  Finsch.  [282] 

Im  Vergleich  mit  Melanesien  ist  Tätowiren  in  Oceanien  viel  häufiger,  weiter  ver- 
breitet, und  wird  vorherrschend  vom  männlichen  Geschlecht  angewendet,  während  in 
Melanesien  gerade  das  umgekehrte  Verhältniss  stattfindet.  Aber  so  wenig,  als  sich  ocea- 
nische  Tätowirung  von  melanesischer  durch  bestimmte  Charaktere  unterscheiden  lässt, 
so  ist  dies  noch  weniger  zwischen  mikronesischer  und  polynesischer  möglich.  Einheit- 
liche Normen  zu  einer  systematischen  Classificirung  der  Tätowirungen  gibt  es  auch  für 
Oceanien  nicht,  denn  jede  Inselgruppe  besitzt  eigenartige  Muster.  Die  verschiedenen 
Bewohner  der  Südsee  würden  sich  also  nach  der  Tätowirung  leicht  erkennen  lassen, 
wenn  diese  Sitte  individuell  so  allgemein  verbreitet  wäre,  wie  meist  angenommen  wird. 
Aber  es  muss  hier  besonders  hervorgehoben  werden,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist  und 
dass  tätowirte  Personen  gegenüber  den  nicht  tätowirten  überall  die  wesentlich  geringere 
Minderzahl  bilden.  Soweit  die  immer  noch  lückenhafte  Kenntniss  reicht,  werden  wir  im 
speciellen  Theile  an  zehn  verschiedene  mikronesische  Tätowirungscentren,  davon  allein 
circa  acht  auf  den  Carolinen  kennenlernen.  Interessant  und  beachtenswerth  ist,  dass,  wenig- 
stens für  dieses  Gebiet,  Tätowirung-  und  Sprachverschiedenheit  eine  gewisse  Ueberein- 
stimmung  zeigen,  die  sich  indess  nicht  in  gleicherweise  in  Polynesien  zu  finden  scheint. 

lieber  diesen  östlichen  Theil  Oceaniens  ist  das  Füllhorn  der  Hautverzierungen 
noch  reicher  ausgeschüttet,  als  über  den  westlichen.  Soweit  Beobachtungen  vorliegen, 
besitzt  nicht  nur  jede  Inselgruppe  eine  charakteristische  Hautzeichnung,  sondern  sie 
unterscheidet  zuweilen  sogar  die  Bewohner  nahegelegener  Inseln,  wie  einige  Beispiele 
zeigen  werden.  Auf  Funafuti  der  Ellice-Gruppe  werden  die  Arme,  sowie  der  untere 
Theil  des  Rumpfes  nebst  dem  oberen  Theile  der  Schenkel  ringsum  tätowirt  (Wilkes, 
V,  S.  39,  Abbild.),  auf  Nukufetau  derselben  Gruppe  zuweilen  auch  der  Rücken  und 
die  Beine  bis  zum  Knie  herab;  hier  auch  bei  Frauen  in  gleichem  Muster.  Ganz  ab- 
weichend und  eigenartig  ist  die  Tätowirung  auf  Oatafu  der  Tockelau-  oder  Union- 
gruppe: Zwei  Linienstreifen  laufen  vom  Ohr  über  Backen  und  Nase;  die  Arme  zeigen 
fischartige  Zeichen,  die  Brust  Figuren,  die  man  als  Schildkröten  deuten  kann;  die  Hüften 
concentrische  Ringe.  Mit  Ausnahme  der  schildkrötenartigen  Figuren  auf  der  Brust  ist 
die  Tätowirung  auf  dem  benachbarten  Fakaafo  (Bowditsch  Isl.)  ganz  verschieden  und 
namentlich  durch  die  pfeilförmigen  Zeichen  im  Gesicht  eigenartig  (Wilkes,  V,  S.  12). 
Die  Tätowirung  der  Bewohner  beider  Inselgruppen  ist  trotz  der  sprachlichen  Verwandt- 
schaft wiederum  total  abweichend  von  der  auf  Samoa,  welche  die  Männer  sehr  eigen- 
artig, wie  mit  einer  Kniehose  bekleidet  (Wilkes,  II,  S.  141,  Abbild.),  während  die 
Frauen  nur  gewisse  Zeichen,  meist  auf  den  Oberschenkeln,  seltener  auf  den  Händen 
einritzen.  Dieselben  erinnern  an  mikronesische  Muster,  weichen  aber  wiederum  durch 
besondere  Figuren  in  der  Kniekehle  schon  dadurch  ab,  weil  dieser  Körpertheil  in  Mi- 
kronesien  nie  tätowirt  wird.  Die  von  mir  gesehene  und  gezeichnete  Tätowirung  von 
Samoanerinnen  zeigt  zwar  einen  ganz  ähnlichen  Charakter,  wie  die  Abbildungen  (Kat. 
M.  G.,  S.  480),  aber  wesentlich  verschiedene  Figuren. 

Einen  selbstständigen  Typus  bildet  auch  die  von  mir  gesehene  Tätowirung  auf 
Niue  (Savage  Isl.),  zwischen  den  Tonga-  und  Hervey-Inseln.  Die  Männer  bedecken 
hier  den  Hinterhals,  von  Ohr  zu  Ohr,  mit  ein  oder  zwei  Reihen  oblonger  Zeichen. 
Sehr  abweichend  ist  die  Tätowirung  auf  Rarotonga  (Hervey- Gruppe),  wie  sie  die 
Abbildung  von  Gill  (»Life  in  the  Southern  Isles«,  S.  iio)  leider  nur  sehr  undeutlich 
darstellt.  Gleiche  Verhältnisse  von  erheblicher  Verschiedenheit  in  der  Tätowirung  auf 
nahegelegenen  Inseln  lehren  Wilkes'  Mittheilungen  aus  der  Paumotu-Gruppe. 

Auf  Anaa  oder  Chaine  Island  werden  Gesäss  und  Oberschenkeln  mit  besonders 
eigenartigen  rosettenförmigen  Zeichen,  das  Kreuz  mit  Querbinden  tätowirt  (Wilkes,  1, 


[283]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsec.  ic 

S.  326,  Abbild.),  auf  Raraka  Brust  und  Oberarm  in  Schachbrettmuster  (I,  S.  329,  Ab- 
bild.), auf  Aratika  (Carlshoff)  aber  nur  die  linke  Körperseite  in  Schachbrettmuster, 
dagegen  die  Schulter  mit  Querbinden  (I,  S.  333,  Abbild.).  Von  Otooha  derselben 
Gruppe  lässt  Wilkes  Tätowirung  unerwähnt  und  ihr  Fehlen  ist  auf  Tongarewa 
(Penrhyn)  bestimmt  nachgewiesen,  wo  man  Ziernarben  macht.  Eine  ähnliche  Haut- 
zeichnung als  die  von  Aratika  scheinen  die  alten  Hawaiier  besessen  zu  haben,  näm- 
lich ebenfalls  eine  Art  Schachbrettmuster  auf  der  linken  Körperseite,  aber  auf  dem 
Oberarm  Querstreifen  und  auf  der  linken  Gesicht-  und  Halsseite  Längslinien  (Choris, 
PI.  XII,  mittlere  Figur,  die  aber  ganz  abweicht  von  der  auf  PI.  XIX  abgebildeten  Täto- 
wirung eines  Häuptlings).  Frauen  scheinen  sich  auf  Hawaii  überhaupt  nicht  tätowirt 
zu  haben  (Choris,  PL  XVI).  Sehr  eigenthümlich  ist  die  Tätowirung  auf  Rapanui 
I  Osterinsel).  Hier  verzieren  die  Frauen  namentlich  die  Beine  und  einen  breiten  Gürtel, 
der  sich  gebogen  bis  zur  Mitte  des  Rückens  hinaufzieht;  besonders  eigenartig  sind 
Zeichen  menschlicher  Köpfe  mit  Kopfbedeckung  unterhalb  der  Brüste,  wie  sie  sonst 
nirgends  vorkommen  (vgl.  Thomson:  »Te  Pito  de  Henuac  in  Report  of  the  National 
Museum,  Washington  1888 — 1889,  S.  466,  Fig.  4a,  4^,  mit  welchen  Abbildungen  die 
wahrscheinlich  sehr  unrichtigen  von  Choris,  PI.  XI,  wenig  übereinstimmen;  hier  die 
Frau  untätowirt,  der  Mann  auch  mit  Längsstreifen  im  Gesicht). 

Sehr  eigenartig  und  von  allen  mir  bekannten  abweichend  ist  die  Tätowirung  auf 
Njua  (Ontong-Java),  in  welcher  als  seltene  Ausnahme  auch  Thierfiguren  (Fische)  und 
Zeichen  im  Gesicht  vorkommen  (Finsch:  »Zeitschr.  für  Ethnol.«,  1881,  S.  no,  mit 
Abbild.). 

Nach  den  kurzen  Notizen  in  der  »Novara-Reise«  (II)  besitzen  auch  die  Bewohner 
lies  kleinen,  circa  270  Seemeilen  südöstlich  von  Njua  gelegenen  Atolls  Sikayana 
(Stewart-Inseln)  eine  ganz  eigene  Tätowirung.  Männer:  »Fast  alle  am  Oberarm  vom 
Ellbogen  bis  zur  Achsel  tätowirt«  (S.  435)  —  »die  meisten  Männer  waren  an  Armen 
und  Beinen  tätowirt«  (S.  443);  Frauen:  »Auf  den  Unterschenkeln  und  im  Gesicht  waren 
sie  tätowirt,  in  letzterem  indess  nur  mit  einigen  Querstrichen«  (S.  445). 

Einzig  und  unübertroffen  ist  die  Tätowirung  der  Markesa s,  die  in  überaus 
reichen,  phantasievollen  und  dabei  durchaus  symmetrischen  Mustern  den  ganzen  Körper 
(inci.  Gesicht,  Händen  und  Füssen)  bedeckt  und  mit  zu  der  schönsten  gehört,  welche 
nicht  nur  in  der  Südsee,  sondern  überhaupt  vorkommt.  Ganz  abweichend  schon  durch 
die  Technik  vertiefter  Linien,  sind  die  Muster  der  Maori-Tätowirung*)  Neu-Seelands, 
welche  ebenfalls  das  Gesicht  in  eigenthümlichen  Spiralen  bedeckt,  aber  nur  bei  Män- 
nern, denn  Frauen  tätowirten  nur  einige  Linien  um  die  Lippen  (wie  die  Markesas-Frauen) 
und  auf  das  Kinn  (vgl.  Joest:  »Tätowiren«,  Taf.  IV,  V  und  VI).  Zu  meiner  Zeit  (1881) 
war  Tätowiren  auf  Neu-Seeland  schon  fast  ganz  abgekommen  und  nur  noch  alte  Leute 
damit  verziert.  Bemerkenswerth  für  die  Tätowirung  sowohl  der  Markesas-Insulaner 
als  der  Maori  ist,  dass  die  gleichen  Muster  auch  in  der  Ornamentik  der  Schnitzereien 
(nicht  Webereien)  vorkommen,  was  sonst  in  der  Südsee  nicht  der  Fall  ist. 

Mit  Ausnahme  der  Marshall-Inseln,  wo  gewisse  Zeichen  für  die  Häuptlingswürde 
bestehen,  ist  die  Tätowirung  in  Mikronesien,  wie  Oceanien  überhaupt,  unabhängig  von 


I)  Dieselbe  wird  daher  auch  durch  Gypsabguss  wiedergegeben,  wie  die  Gesichtsmaske  (Nr.  128 
meiner  Sammlung)  des  von  mir  abgegossenen  Ngapaki-Puni,  Häuptling  des  Ngatiawa-Stammes,  zeigt. 
Auch  die  Photographie  lässt  Maori-Tätowirung  deutlich  erscheinen,  nicht  aber  andere  Tätowirung, 
^^ic  sie  sonst  in  der  Südsec  vorkommt.  Da  Beschreibungen  wenig  nützen,  so  können  nur  genaue 
/'cichnungen  helfen,  was  sehr  mühsam  und  zeitraubend  ist,  wie  ich  aus  Erfahrung  weiss,  da  ich 
Jcm  Tätowiren  besonderes  Interesse  zuwandte. 


l6  Dr.  O.  Finsch.  [284] 

Rang,  Alter,  Geschlecht  und  Religion  und  dient  in  erster  Linie  dem  Zwecke  der  Kör- 
perverschönerung. 

Ziernarben,  die  in  Melanesien,  *)  namentlich  zur  Verschönerung  des  weiblichen 
Geschlechts  weiter  verbreitet  sind  als  Tätowirung,  finden  sich  in  Mikronesien  nicht  oder 
doch  nur  sehr  untergeordnet  auf  Ponape.  Dagegen  ist  die  vorwiegend  melanesische 
Sitte  der  Brandmale  (Fig.  14),  besonders  beim  weiblichen  Geschlechte,  auch  in  einigen 
Gebieten  Mikronesiens  (den  Gilberts,  nach  Kubary  auch  auf  Pelau)  sehr  beliebt  und 
häufiger  als  Tätowiren,  ebenso  auf  Samoa  (Wilkes). 

Bemalen,  eine  fast  in  ganz  Melanesien  beliebte  Sitte,  findet  sich  nur  auf  den  Caro- 
linen, und  zwar  ist  Gelb  (Curcuma)  die  einzige  angewendete  Farbe  und  eine  Körper- 
verzierung, mit  der  auch  der  Todte  geehrt  wird.  Bemalen  mit  Gelb  wird  übrigens  auch 
auf  Fidschi  und  Samoa  von  Frauen  als  Verschönerungsmittel  angewendet.  Sehr  charak- 
teristisch ist  auch,  dass  das  in  Melanesien  weit  verbreitete  Bemalen  mit  Schwarz,  als 
Zeichen  von  Trauer,  in  Mikronesien  nicht  vorkommt. 

Haartracht  und  Kopfputz.  Charakteristisch  für  Mikronesien  ist  das  in  einen 
Knoten  geschlungene  Haar  der  Männer,  eine  Mode,  die  nur  auf  den  Gilberts,  Pelau  und 
Yap  fehlt,  sich  aber  auch  auf  Njua  findet.  Im  übrigen  Oceanien  scheinen  derartige 
Zöpfe  nicht  vorzukommen,  dagegen  ist  Melanesien  sehr  reich  an  mannigfachen,  oft  phan- 
tastischen Frisuren,  sowie  besonderem,  zum  Theil  sehr  originellem  Haarschmuck.  Hier- 
her gehören  fein  geflochtene  Körbchen  (in  gewissen  Theilen  Neu-Guineas,  II,  S.  [228]) 
und  ganz  besonders  sogenannte  Kämme  (II,  S.  [23 1]),  die  schon  in  dem  verschiedenen 
Haarwuchs  besseren  Halt  finden  und  mit  auf  diesen  zurückzuführen  sind.  Oceanien  ist 
darin  ärmer,  besonders  aber  Mikronesien,  das  nur  auf  den  Carolinen  charakteristische, 
zum  Theil  eigenthümliche  Stücke  besitzt.  So  die  Haarnadeln  (Fig.  64)  und  Tanzkämrae 
der  Central-Carolinen  (Taf.  VI  [23],  Fig.  5),  zum  Theil  mit  eigenartigem  Federschmuck 
(Fig.  65),  der  im  Uebrigen  in  Mikronesien  fast  fehlt.  Künstliche  Haarperrücken,  in 
Mikronesien  nur  auf  den  Gilberts  bekannt,  sind  auf  Fidschi  nicht  selten.  Die  reiche  Fülle 
verschiedenartigen,  zum  Theil  sehr  kunstvollen  Schmuckes  in  Form  von  Stirn-  und 
Kopf  binden,  wie  wir  sie  in  Melanesien  (zum  Theil  aus  bunten  Federn,  Taf.  XXII  [14]) 
kennen  lernten,  ist  in  Mikronesien  sehr  schwach  vertreten.  Kränze  aus  Blättern  oder 
Blumen  sind  am  häufigsten;  die  Marshalls  besitzen  im  Ganzen  recht  einfache  Schnüre 
aus  Muscheln  (Taf.  V  [22]),  Ponap^  gewisse  eigenthümliche,  übrigens  sehr  modern  ange- 
hauchte Kopf  binden;  eigenthümlich  sind  dagegen  zum  Theil  recht  kunstvolle  Kopf- 
binden für  Ruk  und  Mortlock.  Polynesien  scheint  ebenfalls  nur  arm  an  hierher  gehörigem 
Schmuck;  darunter  bemerkenswerth  hübsche  Federkronen  (zum  Theil  aus  Hahnen- 
federn) von  den  Markesas  und  der  Oster-Insel,  eigenthümlicher  Kopf-  und  Stirnschmuck 
von  Samoa,  und  besonders  die  kostbaren  Federhelme  der  alten  Hawaiier,  die  mit  zum 
schönsten  und  eigenartigsten  Putz  der  Südsee  gehören.  Bartschmuck,  charakteristisch 
für  gewisse  Localitäten  Melanesiens  (Neu-Guinea,  Taf.  XIV  [6]  und  XVII  [9]),  fehlt  in 
Mikronesien  wie  in  Oceanien  überhaupt,  nicht  etwa  in  Folge  des  kärglichen  Bartwuchses, 
der  im  Gegentheil  häufig  so  stark  als  bei  Europäern  entwickelt  ist. 


>)  Ich  beobachtete  zum  Theil  kunstreiche  Ziernarben  auf  Neu-Britannien  (I,  S.  14)  an  der  Nord- 
ostküste Neu-Guineas  (II,  S.  [226]),  sowie  bei  Eingeborenen  der  Torres-Inseln,  Espiritu  Santo  (Neue 
Hebriden),  den  Salomon-Inseln  (Simbo),  überall  selten  und  häufiger  bei  Frauen  als  bei  Männern  (hier 
zuweilen  im  Gesicht)  am  häufigsten  in  Australien  (Queensland).  Von  den  Salomons  erwähnt  sie  auch 
Guppy  (»Salomon  Isl.«,  S.  i36),  hier  zuweilen  auch  eine  schwache  Tätowirung,  die  aber  ohne  be- 
sondere Instrumente,  wie  in  Oceanien,  gemacht  wird,  was  bemerkenswerth  ist. 


[285!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  ly 

Ohrputz.  Alle  Mikronesier  durchbohren  die  Ohrläppchen,  deren  monströse  Aus- 
dehnung (wie  z.  B.  auf  den  Marshalls,  Fig.  26)  zuweilen  an  und  für  sich  schon  als  Zier 
gelten  darf.  Durchbohren  des  Ohrrandes  war  nur  auf  den  Marshalls  als  seltene  Ausnahme 
üblich,  findet  sich  aber  auf  N)ua.  Im  Uebrigen  sind  Blumen  und  Blätter,  wie  überall, 
der  häufigste  Schmuck,  und  nur  einzelne  Inseln  haben  besondere  Formen  aufzuweisen. 
So  für  die  Marshalls  (früher)  weite  Rollen  aus  Schildpatt,  für  die  Central-Carolinen  aus 
Holz  geschnitzte,  zum  Theil  gravirte  Klötzchen  und  Pflöcke,  für  Ponap^  eigene  Stöpsel 
aus  Cocosnuss  (Taf.  VI  [23]).  Ganz  besonders  charakteristisch  für  die  Central-Carolinen 
sind  eigenthümliche,  massige  Bommeln  aus  Cocosnussperlen  und  Ringen,  welche  an  Ori- 
ginalität allen  übrigen  Ohrschmuck  Oceaniens  und  Polynesiens  übertreffen.  In  letzterem 
Gebiet  zeichnen  sich  namentlich  die  Markesas  durch  eigenartigen  Ohrputz  (aus  Schild- 
patt, Tridacna,  Menschenknochen,  zum  Theil  geschnitzt)  aus  (Kat.  M.  G.,  S.  244). 

Nasenschmuck,  sehr  charakteristisch  und  fast  ausschliessend  für  Melanesien  spe- 
cifisch,  kommt  in  Mikronesien  eigentlich  nicht  vor.  Allerdings  wird  auf  Pelau  wie  Yap 
der  Nasenknorpel  durchbohrt  (wie  dies  früher  auf  Kuschai  vereinzelt  vorkam),  aber 
nur  ein  kleiner  Holzstift  eingesteckt  (v.  Miklucho-Maclay).  Der  im  Katalog  M.  G. 
(S.  414,  Nr.  896)  von  Pelau  beschriebene  Ohrschmuck,  »vielleicht  Nasenschmuck«  aus 
Schildpatt  bleibt  bezüglich  seiner  Benutzung  noch  unklar.  Dagegen  hatten  die  Männer 
der  mikronesischen  Insel  Njua  (Ontong-Java,  Lord  Howe),  welche  ich  sah,  die  Nasen- 
flügel mit  einem  Schlitz  durchbohrt  und  trugen  darin  sehr  eigenthümlich  geformten 
Schmuck  aus  Schildpatt  geschnitzt  (Edge-Partington,  PL  175,  Fig.  2.  Kat.  M.  G.,  S.  115 
»wahrscheinlich  Andeutung  irgend  eines  Götzen«  (!?)  und  S.  116,  einen  Fisch  darstellend 
[Taf.  XXIV,  Fig.  6],  Der  S.  89  und  90  beschriebene  Nasenschmuck  von  den  Salomons 
[Taf.  XXIV,  Fig.  5]  ist  wohl  nur  zum  Theil  solcher).  Auf  Sikayana  (Stewarts-Insel) 
wird  weder  Ohr-  noch  Nasenschmuck  getragen  (»Novara-Reise«,  II,  S.  443). 

Hals-  und  Brustschmuck  ist*  in  Mikronesien,  gegenüber  Melanesien,  ebenfalls  nur 
sehr  spärlich  vertreten;  so  fehlt  z.  B.  der  für  jenes  Gebiet  so  charakteristische  und  formen- 
reiche Kampfschmuck  (Taf.  XVI  [8]  und  XVII  [9])  ganz.  Tekaroro-  und  Haarschnüre 
(letztere  auch  von  den  alten  Hawaiiern  benutzt)  sind  für  die  Gilberts  charakteristisch, 
hier  auch  Schmuck  aus  Spermwal-  und  Delphinzähnen  (Taf.  V  [22]),  der  übrigens  zum 
Theil  auch  in  Melanesien  (Fidschi),  sowie  in  Polynesien  (Markesas)  vorkommt.  Hals- 
ketten aus  Menschenzähnen  (Taf.  V  [22])  sind  auf  den  Gilberts  (wie  auf  Fidschi  und  den 
Salomons)  werthvoll.  Scheiben  aus  Conus  (Taf.  VII  [24]),  so  häufig  im  melanesischen 
Schmuck,  finden  fast  nur  auf  den  Gilberts,  sowie  auf  den  Carolinen  Verwendung,  auf 
den  letzteren  nur  als  Anhängsel,  ein  Schmuck,  der  auch  in  den  Ruinenfunden  auf  Ponap6 
nachgewiesen  wurde.  Spondylus-  oder  CÄ^m^-Scheibchen  sind  hauptsächlich  für  die 
Marshalls  und  Carolinen  charakteristisch  und  zum  Theil  eigenthümlicher  Halsschmuck 
(Taf.  VIII  [25]).  Dasselbe  gilt  für  gewissen  Schmuck  aus  Scheibchen,  Perlen  und  Rin- 
gen aus  Cocosnussschale,  welcher  besonders  auf  den  Central-Carolinen  häufig  und  zum 
Theil  eigenthümlich  ist,  z.  B.  die  schönen  Halsketten  aus  Cocosringen  (Taf.  VII  [24]). 
Gewisser  Halsschmuck  aus  Schildpatt  (Taf.  VI  [23],  Fig.  12)  gehört  Kuschai  eigenthüm- 
lich an.  Im  Uebrigen  wird  dieses  Material  nur  nebensächlich  meist  zu  Anhängseln  ver- 
arbeitet, unter  denen  die  grossen  flachen  Ringe  oder  Scheiben  von  Ruk  und  Mortlock 
besonders  bemerkenswerth  sind.  Gleichen  Zwecken  dienen  mehr  oder  minder  bearbei- 
tete Stückchen  Perlmutter  (sowie  weniger  anderer  Conchylien),  ein  Material,  das  für 
Mikronesien  nebensächliche  Bedeutung  hat.  Eine  durch  ihre  Grösse  (115  Mm.  Durch- 
messer, 73  Mm.  Lichtweite)  auffallende  Scheibe  aus  »nacre  de  perl«  ist  im  Atlas  der 
>Senjavin- Reise«  (PL  3o,  Fig.  6)  abgebildet  und  das  einzige  mir  bekannte,  bemerkens- 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  i,  1893.  2 


l8  Dr.  O.  Finsch.  [286] 

werthe  Stück  aus  den  Carolinen.  Dagegen  wird  Perlmutter  in  Melanesien  wichtig  (z.  B. 
Neu-Guinea,  II,  S.  [97],  Admiralitäts-Inseln,  Salomons,  Fidschi)  wie  in  Polynesien  (Ta- 
hiti, Markesas,  hier  mit  bewundernswerther,  durchbrochener,  aufgelegter  Schnitzarbeit 
aus  Schildpatt:  British  Museum)  und  liefert  die  werth vollsten  Schmuckstücke.  Typisch 
melanesisch  sind  auch  kunstvoll  aus  Tridacna  geschliffene,  zum  Theil  sehr  grosse  Ringe, 
die  in  verschiedenen  Gebieten  Neu-Guineas  (II,  S.  [241]),  wie  den  Salomons  (hier  auch 
in  Form  flacher  Scheiben,  zum  Theil  mit  durchbrochener  Schildpattarbeit  verziert)  sehr 
werthvoUe  Ornamente  für  Hals  und  Brust  (wie  Stirn)  bilden,  die  in  Mikronesien  ganz 
zu  fehlen  scheinen.  Der  Katalog  des  Museum  Godeffroy  verzeichnet  (S.  414,  Nr.  1627) 
nur  von  Pelau  eine  »kreisrunde,  dünne,  in  der  Mitte  durchbohrte  Platte  aus  Muschel 
(Tridacna)  von  4  Cm.  Durchmesser«,  wie  es  scheint  ein  Unicum,  bei  dem  aber  auch 
eine  irrthümliche  Localitätsangabe  untergelaufen  sein  kann. 

Armschmuck.  Charakteristisch  für  Mikronesien  ist  das  Fehlen  geflochtener,  so- 
genannter »Grasarmbänder«,  die  in  Melanesien,  am  Oberarm  befestigt,  fast  nirgends 
fehlen  und  zum  Theil  hervorragende  Kunstarbeiten  sind,  wie  auf  Neu-Britannien  und 
Neu-Guinea  (Taf.  I  und  S.  [247]).  Im  Ganzen  ist  Armschmuck,  meist  um  das  Hand- 
gelenk getragen,  nicht  häufig  in  Mikronesien  (wie  Polynesien),  bietet  aber  einzelne 
eigenthümliche  Formen.  So  vor  Allem  breitere,  aus  Cocosperlen  oder  Scheibchen  auf- 
gereihte, mit  5po/jdy/tt5-Scheibchen  verzierte  Armbänder  auf  den  Central-Carolinen 
(besonders  Ruk  und  Mortlock),  Materialien,  die  in  gleicher  Technik  dort  auch  zu  Leib- 
gürteln  verarbeitet  werden.  Eigenthümliche  Handmanschetten  aus  Conus  millepunc- 
tatus  und  Nautilus  pompilius  werden  nur  auf  Yap  und  Pelau  getragen,  auf  letzterer 
Insel  auch  Armringe  aus  Dugongwirbel  nur  als  eine  Art  Orden  von  Häuptlingen. 
Armringe  aus  demselben  seltenen  Material  wurden  nach  Virchow  neben  Knochen- 
resten in  alten  Gräbern  auf  Luzon  gefunden,  und  das  Leidener  Museum  besitzt  gleiche 
Schmuckstücke  aus  dem  Epistropheus  von  Dugong,  von  Timorlaut,  von  Damma  und 
Daai  der  Babbergruppe,  zum  Theil  in  Nachbildungen  aus  Holz.  Serrurier  ist  des- 
halb geneigt,  die  Bewohner  Pelaus  von  Timorlaut  herstammen  zu  lassen,  eine  An- 
nahme, die  indess  sehr  bestreitbar  ist.  Interessant  ist  das  gleichzeitige  Vorkommen 
breiter  Armspangen  aus  gebogenem  Schildpatt  auf  Ruk  und  Mortlock,  sowie  auf  Neu- 
Britannien  und  Kaiser  Wilhelmsland,  hier  meist  mit  kunstvollen  Gravirungen  und  zum 
Theil  sogar  durchbrochener  Arbeit  (Taf.  III  [i]  und  XV  [7],  sowie  S.  [246]).  Breite  Arm- 
spangen, aus  Conus  millepunctatus  geschliffen,  bisher  nur  von  der  Südostküste  und 
Ostspitze  Neu-Guineas  bekannt  (Taf.  XV  [7],  S.  [loo]),  waren  früher  auch  auf  Kuschai 
und  den  Marshalls)  werthvoUer  Schmuck  und  sind  in  den  Ruinen  auf  Ponape  nach- 
gewiesen. Der  weitverbreitete  Typus  von  schmalen  Armringen  aus  Trochus  niloticus 
(nicht  an  der  Südostküste  Neu-Guineas,  aber  an  der  ganzen  Nordostküste,  hier  zuweilen 
schön  gravirt  [Taf.  XVI  [9],  Fig.  5  und  6],  im  Bismarck-Archipel,  den  Salomons  und 
Fidschi)  findet  sich  auch  in  Polynesien  (Samoa)  und  in  Mikronesien  (Ruk,  Pelau  und 
Yap).  Eigenthümlich  für  letztere  Insel  scheinen  schmale  Reifen  aus  Querschnitten  von 
Cocosnuss,  die  an  die  ähnlichen  aus  Schildpatt  auf  Neu-Britannien  erinnern  (I,  S.  [17]). 

Leibschmuck,  so  mannigfach  und  zum  Theil  kunstvoll  in  Melanesien,  namentlich 
auf  Neu-Guinea  (II,  S.  [loi]  und  [248])  bietet  auch  in  Mikronesien  bemerkens werthe  und 
zum  Theil  eigenthümliche  Formen.  Tekaroro-Muschelschnüre  sind  für  die  Gilberts 
charakteristisch,  ebenso  Haarschnüre,  die  gröber  auch  auf  Neu-Guinea  (II,  S.  [162])  und 
anderwärts  vorkommen.  Eigenthümliche,  kunstvoll  geflochtene  Schnüre  (Irik)  besitzen 
die  Marshalls;  hier  auch  Gürtel  (Kangr)  aus  Pandanus-^XdXX.,  die  früher  mit  zu  den 
Kunstarbeiten  gehörten.     Fein  in  bunten  Mustern  gewebte  Schärpen  zeichnen  Ponape 


[2871  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  ig 

aus,  finden  jetzt  aber  in  roheren  Arbeiten,  aus  farbiger  Wolle  gestickt,  Ersatz.  Besonders 
charakteristisch  und  eigenthümlich  sind  aber  die  kunstvollen  Gürtel  aus  Cocos-  und 
Muschelscheibchen  (Taf.  VIII  [2  3])  der  Central-Carolinen  (Ruk  und  Mortlock),  ähnlich 
die  von  Uleai,  während  Pelau  eine  ganz  andere  Art  Muschelschnüre  (in  denen  auch 
SpondyluS'Schtibchtn  verarbeitet  sind)  besitzt. 

Beinschmuck  kommt  nicht  vor,  denn  die  Bandstreifen,  welche  die  Gilbert-Insu- 
laner zuweilen  um  das  Fesselgelenk  tragen,  sind  nicht  als  Schmuck  zu  betrachten,  son- 
dern dienen  mehr  zum  Schutze.  Aus  demselben  Grunde  wird  in  verschiedenen  Ge- 
bieten Melanesiens  das  Fussgelenk  förmlich  umsponnen,  aber  hier  gibt  es  auch  eigent- 
lichen Fuss-  und  namentlich  Knieschmuck  (II,  S.  [250]).  Das  von  Edge-Partington 
(PI.  174,  Fig.  3)  ohne  nähere  Localitätsangabe  aus  Mikronesien  abgebildete  »Legorna- 
ment of  brown  seeds«  besteht  aus  »Sesselesch aalen«  (I,  S.  [66]  und  II,  S.  [218])  und 
stammt  von  den  Salomons.  Wahrscheinlich  ist  es  ein  Tanzornament,  analog  den  kost- 
baren Fesselbinden  aus  Hundezähnen  der  privilegirten  Tänzer  des  alten  Hawaii. 

Besonderer  TrauBrschlllUCk,  den  Melanesien  in  einigen  besonderen  Formen  auf- 
zuweisen hat  (II,  S.  [158]),  fehlt  in  Mikronesien.  Das  British  Museum  besitzt  aber  ein 
hierher  gehöriges  Stück  von  Tahiti,  bestehend  in  einem  grossen  Stück  Tapa  mit  auf- 
genähten Cocosscheiben. 


I.  Gilbert-Archipel. 

Einleitung. 

Entdecker.  Die  Denkwürdigkeiten  der  Entdeckungsgeschichte  dieser  östlichsten 
Provinz  Mikronesiens  haben  keine  hervorragenden  Episoden  zu  verzeichnen.  Wie 
Commodore  Byron  1765  durch  Zufall  die  erste  Insel  des  Archipels  (Nukunau)  ent- 
deckte, so  seine  Nachfolger  Marshall  und  Gilbert,  Commandeure  der  englischen  Kriegs- 
schitfe  »Scarborough«  und  »Charlotte«  1788  auf  der  Reise  von  Port  Jackson  (Sydney) 
nach  China  sechs  weitere  (Arenuka,  Kuria,  Apamama,  Tarowa,  Maraki  und  Apaiang), 
bis  Capitän  Clerk  1827  die  Reihe  dieser  zufälligen  Entdeckungen  mit  der  Insel  Peru 
schloss.  Durch  diese  Reisen  war  freilich  kaum  mehr  als  die  Existenz  der  Inseln  nach- 
gewiesen, deren  kartographische  Aufnahme  erst  später  wissenschaftlichen  Forschungs- 
expeditionen zu  danken  ist.  So  zunächst  der  französischen  mit  der  Corvette  »La  Co- 
quille«  unter  Capitän  Duperrey  1824,  welche  über  sechs  Inseln  (Arorai,  Tapiteuea, 
Nanutsch,  Arenuka,  Maiana  und  Tarowa)  genauere  Kunde  gab  und  ganz  besonders  der 
amerikanischen  »United  States  Exploring  Expedition«,  die,  wie  für  so  manche  andere 
Gebiete  der  Südsee,  auch  für  diesen  Theil  Ostmikronesiens  Hervorragendes  leistete. 
Capitän  Hudson  besuchte  mit  dem  »Peacock«  1841  nicht  allein  die  vorhergenannten 
sechs  Inseln,  sondern  auch  vier  weitere  (Kuria,  Apamama,  Apaiang  und  Makin),  so  dass 
sein  Name  mit  der  Aufnahme  des  von  ihm  »Kingsmill«  benannten  Archipels  für  immer 
ehrenvoll  verbunden  bleibt.  Selbstredend  ist  trotz  dieser  grundlegenden  Arbeiten  die 
geographische  Kenntniss  des  Gilbert- Archipels  bei  Weitem  nicht  abgeschlossen,  und  wer 
denselben  besucht,  wird  sich  von  der  Unzulänglichkeit  der  vorhandenen  Karten  über- 
zeugen können. 

Zur  Literatur.  »Narrative  of  the  United  States  Exploring  Expedition.  During 
the  years  i838— 1842.  By  Charles  Wilkes,  U.  S.  N.«,  5  vol.  (London),  1845.  Im 
V.  Bande  (S.  45 — 75)  beschreibt  Capitän  Hudson  den  Verlauf  der  Reise,  Horatio  Haie 


2* 


20  I>r.  O.  Finsch.  [288] 

(Chpt.  III,  S.  80 — 104)  »Manners  and  Customs  of  the  Kingsmill-Islanders«,  eine  Arbeit, 
die  noch  immer  Hauptquelle  geblieben  ist.  Sie  basirt  auf  den  Aussagen  zweier  deser- 
tirter  Walschiffmatrosen,  die  vom  »Peacockc  mitgenommen  wurden,  von  denen  John 
Kirby  vier  Jahre  auf  Kuria,  John  Wood  sogar  sieben  Jahre  auf  Makin  gelebt  hatte, 
damals  (1841)  die  ersten  und  fast  einzigen  Weissen.  Entsprechend  dem  geringen  Bil- 
dungsgrade der  Betreffenden,  die  trotz  ihres  Sprachverständnisses  doch  Vieles  missdeute- 
ten und  irrig  auffassten,  sind  die  nur  nach  der  Erinnerung  gegebenen  Mittheilungen 
nicht  immer  zuverlässig,  besonders  in  Bezug  auf  das  geistige  Leben  der  Eingeborenen. 
Die  amerikanische  Expedition  selbst  konnte  nur  flüchtige  Beobachtungen  sammeln,  da 
im  Ganzen  blos  auf  vier  Inseln  kurze  Besuche  stattfanden,  die  auf  Tapiteuea  zu  blutigen 
Conflicten  führten.  Dennoch  enthalten  die  Berichte  der  Expedition  eine  Menge  inter- 
essante Mittheilungen,  die  namentlich  durch  ihre  Objectivität  werthvoU  sind. 

Im  Jahre  1879  ^^^  ^^  ^^^  vergönnt,  einen  Theil  der  nördlichen  Inseln  des  Archi- 
pels, und  zwar  die  Inseln:  Butaritari,  Maraki,  Apaiang  und  Tarowa  zu  besuchen  und 
mit  den  Eingeborenen  derselben  zu  verkehren.  Ich  war  aber  ausserdem  während  meines 
längeren  Aufenthaltes  auf  Dschalut  fast  täglich  mit  Eingeborenen  von  verschiedenen 
Inseln  der  Gruppe  zusammen  und  hatte  somit  hinreichend  Gelegenheit,  mancherlei  Er- 
fahrungen zu  sammeln,  denen  die  nachfolgenden  Mittheilungen  zu  Grunde  liegen. 

Ueber  die  Gilbertinseln  publicirte  ich  bisher  nur  drei  längere  Artikel:  »Aus  dem 
Pacific  III,  Gilbertsinseln  (Kingsmill)«,  in  »Hamburger  Nachrichtenc,  Nr.  i3i,  i32,  i33 
und  156  (3.,  4.,  5.  Juni  und  2.  Juli  1880),  kurze  Notizen  in  »Verhandl.  der  Gesellsch.  für 
Erdk.  zu  Berlin«,  1882,  Nr.  10,  S.  5  und  6. 

Geographischer  Ueberblick.  Der  Gilbert- Archipel  >)  besteht  aus  16  Inseln  oder 
Inselgruppen,  die  sich  ungefähr  von  3**  S.  bis  3°  N.  und  zwischen  173 — 177**  östl.  L. 
über  eine  Meeresfläche  von  circa  420  Seemeilen  Länge  und  240  Seemeilen  Breite  ver- 
theilen.  Sämmtliche  Inseln  sind  niedrige  Korallbildungen,  aber  nur  zehn  Atolle  oder 
Ringinseln  mit  massig  ausgedehnten  Lagunen,  von  letzteren  jedoch  nur  vier  Schiffen 
zugänglich.  Als  isolirte  Ausläufer  gehören  zum  Gilbert-Archipel  die  Inseln  Banaba 
(Ocean  Isl.)  und  Nawodo')  (Onavera,  Pleasant  Isl.),  merkwürdig  durch  die  gehobene 
Korallformation. 

Unter  den  physikalischen  Eigenthümlichkeiten  des  Archipels  verdienen  die  zu- 
weilen orkanartig  heftigen  Stürme  erwähnt  zu  werden,  obwohl  andererseits  die  Inseln 
innerhalb  der  »Doldrums«  liegen,  d.  h.  jenes  Gürtels  von  Windstillen  mit  abwechseln- 
den unregelmässigen  Winden,  die  der  Schifffahrt  zuweilen  ärgerlichen  Aufenthalt  ver- 
ursachen. Oft  sehr  lange  anhaltende  Dürren  wirken  auf  die  ohnehin  arme  Vegetation 
äusserst  nachtheilig  uncj  schädigen  namentlich  die  Erträge  der  Cocospalme.  Die  letzte- 
ren sahen  zur  Zeit  meines  Besuches  auf  weite  Strecken  hin  vergilbt,  krankhaft  und  wie 
abgestorben  aus,  denn  nach  den  Aussagen  weisser  Händler  sollte  es  seit  18  Monaten 
nicht  geregnet  haben. 

Flora.  Die  Atolle  gehören  mit  zu  den  ärmlichsten  Gebieten  nicht  nur  der  Südsee^ 
sondern  der  Erde  überhaupt.   Durchaus  Korall bildungen,  in  der  Hauptsache  aus  dich- 


»)  Findlay's  »Directory  for  the  navigation  of  the  Norlh-Pacific- Ocean«  etc.  (London  1870)  ist 
immer  noch  das  beste  Handbuch;  die  übersichtlichste  Karte  ist  die  von  L.  Friederichsen  in  »Ver- 
träge und  Uebereinkunft  des  deutschen  Reiches   mit   den  Samoainseln«  etc.  (Hamburg  1879)1  Taf.  V. 

a)  Ausführliche  Nachrichten  über  diese  damals  noch  wenig  bekannte  Insel,  welche  ich  1880 
besuchte,  publicirte  ich:  »Aus  dem  Pacific  VI,  Nawodo  (Pleasant  Isl.)«  in  »Hamburger  Nachrichten« 
Nr,  286  vom  i.  December  1880,  vgl.  auch  Finsch,  »Zeitschr.  der  Gesellsch.  für  Frdkunde«,  Berlin 
(1882),  S.  293  und  294. 


[289!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  21 

tem,  kalksteinartigen  Korallfels,  Trümroergestein,  Geröll  oder  Sand  aus  Korallen  be- 
stehend, hat  sich  nur  strichweise  eine  etwas  dickere  Humusschichte  bilden  können,  die 
aber  im  günstigsten  Falle  kaum  mehr  als  einen  Fuss  beträgt.  Nur  die  Sonne  der  Tropen 
vermochte  auf  diesem  armseligen  Boden  eine  Pflanzenwelt  zu  erzeugen,  die  anscheinend 
in  üppiger  Fülle,  doch  nur  aus  wenigen  Arten  besteht,  welche  sich  den  physikalischen 
und  geologischen  Verhältnissen  besonders  anpassen.  Die  Cocospalme,  der  bescheidenste, 
aber  zugleich  nutzbarste  Baum  der  Welt,  der  nur  Seeluft  bedürftig,  gleichsam  auf  nack- 
tem Korallgestein  gedeiht,  fällt  am  meisten  ins  Auge.  Sie  gruppirt  sich  aber  nur  in  ge- 
wissen Strecken  zu  dichteren,  fast  waldartigen  Hainen,  die  häufig  mit  Schraubenbaum 
(Pandanus^)  durchsetzt  sind;  letzterer  bildet  den  eigentlichen  Haupttheil  des  Baum- 
bestandes. Unterholz  fehlt  fast  ganz,  wie  Buschwerk  überhaupt  nur  spärlich  vertreten 
ist.  Mangrove  (Eisenholz)  erhebt  sich  selten  zu  ansehnlicher  Höhe,  sondern  bildet 
meist  dichtes  Gebüsch.  Auffallend  war  mir  ein  hoher  Baum  wegen  seiner  dunkel- 
grünen lorbeerartigen  Blätter  und  reichen  Blüthen,  die  in  der  Form  an  Apfelblüthe 
erinnern,  der  aber  nirgends  in  grösseren  Beständen  vorkam.  Ich  fand  ihn  nur  auf 
Butaritari,  der  reichsten  Insel  überhaupt.  Rieh  verzeichnet  von  Makin  grosse  »Pisonias* 
und  *Tournefortias<.  Ganz  besonders  charakteristisch  für  die  Gilbertinseln  sind  ausge- 
dehntere Sandstrecken  mit  äusserst  spärlichem  Graswuchs.  Blumen  sieht  man  kaum;  auch 
das  auf  den  Marshall  bemerkenswerthe  lilienartige  Gewächs  ist  viel  seltener,  als  dort.') 
Fauna.  Mit  der  Armuth  der  Flora  steht  die  der  Fauna  in  vollem  Einklänge.  Es 
gab  nur  ein  Landsäugethier:  eine  Rattenart.  Aber  die  Gilbertsee  war  noch  bis  in  die 
Sechzigerjahre  dieses  Jahrhunderts  ergiebiger  Grund  für  den  Fang  des  Spermwales  oder 
Cachelot  (Physeter  macrocephalus).  Ich  bekam  keinen  mehr  zu  sehen,  sondern  be- 
gegnete nur  einigemal  sogenannten  Schulen  von  zwei  oder  drei  Arten  Delphinen,  dar- 
unter einer  grösseren,  an  15  Fuss  langen  Art  Orca.  An  Vögeln^)  beobachtete  ich,  ein- 
schliesslich pelagischer  Arten,  nur  ig  Species  im  Ganzen,  darunter  nur  einen  Landvogel, 
einen  weit  über  die  Südsee  verbreiteten  Kukuk  (Urodynamis  taitiensis)  als  zufälligen 
Wandergast.  Der  weit  über  die  Südsee  verbreitete,  bald  schieferfarbene,  bald  weisse 
Reiher  (Ardea  Sacra)  brütet  auch  auf  den  Gilberts.  Von  Reptilien  sammelte  ich  nur 
zwei  Arten  kleiner,  hübscher  Eidechsen  (Mabouia  cyanura  und  Ablepharus  poecilo- 
pleurus),  sowie  zwei  Gecko  (Gehyra  oceanica  und  Platydactylus  lugubris).  Frösche 
und  Schlangen  fehlen;  Meeresschildkröten  sind  jetzt  selten.  Vom  Reichthum  des  Meeres 
sieht  man  überhaupt  wenig  genug,  da  Fische  nur  gelegentlich  und  im  Ganzen  nur  sehr 
spärlich  zu  haben  sind.  Unter  den  Krustenthieren  machen  sich  besonders  zwei  Krabben- 
arten bemerklich,  deren  selbstgegrabene  Schlupflöcher  den  Uferrand  der  Lagunen  zu 
Tausenden  durchsetzen.  Im  Uebrigen  erhielt  ich  nicht  viel;  auffallend  war  die  Selten- 
heit der  sonst  so  häufigen  Einsiedlerkrabben.  In  der  sehr  armen  Insectenwelt  sind  Li- 
bellen (vielleicht  4 — 6  Arten)  am  häufigsten,  dann  zwei  hübsche  Tagfalter  {Hypolim- 
nas  Bolina  L.  und  Junonia  vellida  F.),  von  denen  ich  dem  ersteren  bis  Ponap^, 
Neu-Guinea  und  Australien  überall  begegnete.    Ausserdem  sammelte  ich  nur  noch  drei 


I)  Kenntlich  abgebildet  in:  Hernsheim,  »Sprache  der  Marshallinselnc,  S.  51. 

3)  Leider  ist  mein  Sudseeherbar,  welches  über  looo  Nummern  (darunter  über  200  aus  dem 
Gilbert- Archipel)  enthielt,  durch  den  bekannten  Botaniker  Dr.  F.  Kurtz  (damals  in  Berlin),  dem  ich 
CS  zur  wissenschaftlichen  Bearbeitung  anvertraute,  verschleppt  und  verzettelt  worden. 

3)  Finsch:  »Ornithological  letters  from  the  Pacific  IV.  The  Gilberts-Islands«,  in  »The  Ibis«  1880, 
^•429  und  »Vögel  der  Südsee«,  Wien  1884,  S.  50.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  die  Atolle 
*icr  Carolinen  Standvögel  besitzen,  darunter  einen  trefflichen  Sänger  (Calamoherpe  syrinx).  Eine  ver- 
wandte Art  (C,  Rehsei)  entdeckte  ich  auf  der  gehobenen  Koralleninsel  Nawodo  (s.  Ibis    i883,  S.  142). 


22  ^^'  ^-  Kinsch.  [^QOl 

andere  Lepidopteren  (Sesia  mylas,  Sphinx  erotus  und  Utetheria  pulchella)^  sechs  Arten 
Käfer, »)  fünf  Arten  Spinnen  (drei  Arten  neu)  und  eine  Heuschreckenart  (Locusta). 

Areal  und  Bevölkerung.  Mit  der  Armuth  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  steht  die 
ungewöhnlich  starke  Bevölkerung  in  seltsamem  Widerspruche,  denn  noch  heute  ist  der 
Gilbert-Archipel  das  am  stärksten  bevölkerte  Gebiet  Mikronesiens,  ja  der  Inselwelt 
Oceaniens  überhaupt.  So  abweichend  die  Angaben  in  Bezug  auf  den  Flächeninhalt  des 
Archipels  auch  lauten  (150  Square  miles:  Findlay  =  7  deutsche  geographische  Quadrat- 
meilen; 661  Quadratkilometer  =  12  deutsche  geographische  Quadratmeilen:  Wagner 
und  Behm  1878),  jedenfalls  handelt  es  sich  um  ein  sehr  beschränktes  Gebiet,  von  dem 
ein  beträchtlicher  Theil  überhaupt  unbewohnbar  und  uncultivirbar  ist  und  bleiben  wird. 
Auf  diesem  Fleckchen  Erde,  oder  vielmehr  spärlich  mit  Humus  bedecktem  Korallen- 
grund lebten,  nach  den  ersten,  gewiss  sehr  übertriebenen  Angaben  Kirby^s,  im  An- 
fange der  Vierziger) ahre  50.000—60.000  Eingeborene.  Zählungen  haben  natürlich 
nicht  stattgefunden,  ausser  1878  auf  Tapiteuea  durch  die  Mission,  welche  auf  dieser 
am  stärksten  bevölkerten  Insel  statt  angeblich  10.000—15.000  nur  4538  Bewohner 
nachwies.  Nach  meinen  Erkundigungen  in  1879  betrug  die  Gesammtzahl  circa  33.ooo; 
aber  der  Rev.  Doane  schätzte  in  demselben  Jahre  die  gesammte  Bevölkerung  auf  nur 
25.000  und  dürfte  damit  das  Richtigere  getroffen  haben.  Immerhin  ergibt  dies  circa 
40  Seelen  auf  den  Quadratkilometer,  also  fast  soviel  als  die  Hälfte  der  Bevölkerungs- 
ziffern Deutschlands,  für  die  Verhältnisse  der  Südsee  eine  unerreichte  Höhe. 

»Labortrade«,  d.  h.  das  sogenannte  Anwerben  »freier«  Arbeiter,  dieser  Fluch  der 
Südsee,  hat  auch  die  Gilberts  heimgesucht  und  mehr  als  die  stetigen  Kriege  zur  Ent- 
völkerung beigetragen.  Denn  dieser  Arbeiterhandel')  führte  die  kräftigsten  Leute  weg, 
von  denen  sehr  viele  nicht  zurückkehrten  und  diese,  mit  den  Segnungen  der  Civilisation 
auf  Fidschi,  Samoa  u.  s.  w.,  namentlich  auch  mit  Schnaps,  bekannt,  taugten  gewöhnlich 
nicht  mehr  viel.  Wie  schon  Palm  er  sehr  richtig  bemerkt,  sind  die  anscheinend  kräf- 
tigen Gilbert-Insulaner  infolge  schlechter  Ernährung  und  Ungewohntheit  überhaupt  für 
Plantagen  arbeit  durchaus  ungeeignet.  Schon  in  den  Sechziger  jahren  wurden  die  Plan- 
tagen auf  Fidschi  mit  Arbeitern  von  hier,  den  sogenannten  »Line-Islanders«,  versorgt, 
und  der  Menschenhandel  stand  damals  in  voller  Blüthe.  Später  recrutirten  Werbeschilie 
sogenannte  »Auswanderer«  für  Tahiti,  Hawaii  und  namentlich  Samoa.  Während  meines 
kurzen  Aufenthaltes  auf  Butaritari  wurden  (von  circa  2000  Eingeborenen)  allein  3oo 
weggeführt,  und  allenthalben  konnte  man  die  böse  Nachwirkung  der  »Labortrade«  an 
entvölkerten  Dörfern  u.  s.  w.  sehen.  Da  ich  die  Reise  im  Gilbert- Archipel  an  Bord  eines 
solchen  Werbeschiffes ^)  mitmachte,  darf  ich  einigermassen  aus  Erfahrung  sprechen.  Er- 
wähnt mag  noch  sein,  dass  in  beschränktem  Masse  auch  eine  freiwillige  Bewegung  der 


1)  Von  meinen  reichen,  an  das  königl.  zoolog.  Museum  in  Berlin  gesandten  Sammlungen  sind 
nur  die  Käfer  und  Spinnenthiere  von  Hawaii,  den  Marshall  und  Gilbertinseln  eingehender  bestimmt 
und  beschrieben  worden.  Von  43  Arten  Käfern  erwiesen  sich  18,  von  37  Arten  Spinnen  17  aU  neu. 
Vgl.  Kar  seh,  Berliner  entomol.  Zeitschr.,  Bd.  XXV,  1880,  S.  1  —  16,  Taf.  I. 

2)  Ueber  dieses  schändliche  Gewerbe,  welches  so  viel  Unheil  anrichtete,  gibt  das  interessante 
Buch  von  Capitän  Palmer  9Kidnapping  in  the  South-Seas«  (London  187 1)  zum  Theil  haarsträu- 
bende F^acten. 

3)  Die  deutsche  Brigantine  »Nicolaus«,  157  Tons,  von  der  Hawaiischen  Regierung  gechartert, 
recrutirte  173  Eingeborene  (Totalzahl  190  Personen  an  Bord)  und  entging  später  auf  der  Reise  nach 
Honolulu  (mit  193  Eingeborenen)  nur  mit  knapper  Noth  einem  tragischen  Schicksale,  um  notorische 
Berühmtheit  zu  erlangen.  Dabei  war  der  »Nicolaus«  noch  viel  besser  ausgerüstet,  als  es  sonst  ge- 
wöhnlich bei  »Labortradern«  der  Fall  ist,  wo  zuweilen  ein  kleiner,  73  Fuss  langer  Schoner  (von  48 
Tons)  100  »Auswanderer«  an  Bord  führte. 


[201]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  23 

Bevölkerung  stattfand.  So  lebten  auf  Butaritari,  das  als  das  Paradies  der  Gilberts  gilt, 
an  250  Eingeborene  von  Apaiang,  die  aber  mit  einem  europäischen  Schiff  herüberge- 
bracht waren. 

Neuesten  Zeitungsnachrichten  zufolge  haben  in  den  letzten  Jahren  beträchtliche 
Werbungen  auf  den  Gilberts  für  Nicaragua  stattgefunden,  was  jedenfalls  zur  weiteren 
Entvölkerung  beigetragen  hat. 

Handel.  Wie  in  anderen  Gebieten  der  Südsee  ist  die  Erschliessung  des  Handels 
Walfängern  zu  verdanken,  die  schon  in  den  Zwanzigerjahren  den  Archipel  besuchten, 
der  damals  zu  den  ergiebigen  Fanggründen  gehörte,  aber  längst  erschöpft  ist.  Deser- 
teure von  solchen  Schiffen,  welche  bei  den  Eingeborenen  freundliche  Aufnahme  fanden, 
die  häufig  schlecht  vergolten  wurde,  waren  die  ersten  Pioniere  einer  meist  recht  zweifel- 
haften Civilisation  und  nicht  eben  würdige  Vertreter  derselben.  Im  Jahre  1841  be- 
glückten bereits  sieben  solche  bedenkliche  Abenteurer  die  Eingeborenen,  unter  denen 
einzelne  selbst  zu  Häuptlingen  avancirten,  um  als  solche  eben  keinen  heilsamen  Einfluss 
auszuüben.  Einen  Vertreter  dieser  aussterbenden  Spccies  weisser  Kanakas  lernte  ich 
noch  in  dem  Veteranen  Guzman  kennen,  der  seit  37  Jahren  meist  auf  Tapiteuea  lebte 
und  seine  Muttersprache,  Französisch,  fast  vergessen  hatte.  Im  Anfang  der  Vierziger- 
jahre begründete  Capitän  Rand  all,  ein  Engländer,  die  erste  ständige  Station  auf  Makin 
zum  Ankauf  von  Cocosnussöl,  aus  dem  sich  später  der  grössere  Betrieb  mit  Copra  ent- 
wickelte. Denn  nur  diese,  d.  h.  der  geschnittene  und  getrocknete  Kern  der  Cocosnuss, 
bildet  für  die  Gilberts,  wie  für  die  meisten  Inseln  der  Südsee,  das  einzige  Ausfuhrsproduct. 
Der  Ertrag  desselben  ist  infolge  von  Dürren  und  Stürmen  ausserordentlich  schwankend 
und  beträgt  in  günstigen  Jahren  2000 — 3ooo  Tonnen  im  Werthe  von  400.000 — 600.000 
Mark.  Zur  Zeit  meines  Besuches  verliessen  übrigens  die  meisten  Trader  (weisse  Händ- 
ler) den  Archipel,  weil  die  letzten  zwei  Jahre  nur  Missernten  ergeben  hatten.  Der 
grösste  Coprahändler  war  damals  der  König  von  Apamama,  der  mit  einem  neuseeländi- 
schen Hause  in  Verbindung  stand,  demnächst  die  chinesische  Firma  La  Sing  in  Sydney. 
Deutschland  hatte  nur  massigen  Antheil  an  dem  Handel  in  den  Gilberts,  denn  seine 
Schiffe  holten  damals  nur  Arbeiter  und  waren  deswegen  wenig  beliebt.  Schildpatt  und 
Perlmutter  sind  ohne  jede  Bedeutung,  Trepangfischerei  erwies  sich  ebenfalls  als  erfolg- 
los, wie  der  Handel  ausserdem  durch  die  Gefährlichkeit  der  Navigation  wesentlich  er- 
schwert wird;  fast  jede  Insel  hat  ein  oder  mehrere  Wracks  aufzuweisen. 

Die  Einfuhr  ist  bei  der  Bedürfnisslosigkeit  der  Bewohner  natürlich  nicht  erheblich 
und  bestand  damals  hauptsächlich  in  Schnaps  (meist  Hamburger  Gin),  Waffen  und 
amerikanischem  Stangentabak  (Twist  I,  S.  [20]);  letzterer  bildete  zugleich  die  übliche 
Scheidemünze. 

Mission.  Das  Bekehrungswerk  hat  seine  Begründung  in  Ostmikronesien  haupt- 
sächlich einem  Walfänger,  Capitän  Handy,  zu  verdanken.  Er  kannte  die  Gilbert-  und 
Marshallinseln  seit  17  Jahren  und  liess  sich  bereit  finden,  die  ersten  Sendboten  der 
»Hawaiian  Evangelical  Association«  1855  von  Honolulu  aus  auf  einer  Fahrt  durch  die 
Inseln  mitzunehmen.  Diese  Gesellschaft,  ein  Zweig  der  Amerikanischen  evangelischen 
Missionsgesellschaft  in  Boston,  besass  damals  noch  nicht  ihr  eigenes  Schiff,  den  Schoner 
»Morning  Star«,  mit  dem  1857  die  erste  Station  auf  Apaiang  (unter  Rev.  Bingham) 
gegründet  wurde.  Im  Jahre  1878  war  die  Mission  mit  20  meist  hawaiischen  Lehrern 
auf  neun  Inseln  gefestigt  und  mochte  an  1500  Kirchenbesucher  zählen,  davon  allein 
800 — goo  auf  Tapiteuea.  Während  meines  Besuches  hatte  bereits  ein  bedenklicher 
Rückschlag  staltgefunden,  und  eine  grosse  Anzahl  Bekehrter,  darunter  sogenannte  »Kö- 
nige«, vorher  »Diakonen«,  waren  abgefallen.    So  der  König  von  Butaritari,  wo  die 


24  ^r.  O.  Finsch.  [292] 

Kirche  statt  früher  211  nur  noch  10  regelmässige  Besucher  aufzuweisen  hatte.  Auch 
der  mächtige  König  von  Apamama  zeigte  sich  im  Anfang  der  Mission  geneigt  und  nahe 
daran,  Christ  zu  werden.  Im  Jahre  1878  erliess  er  drakonische  Gesetze  gegen  Störung  der 
Sonntagsruhe,  aber  kaum  zehn  Jahre  später  (1887)  untersagte  er  den  Sonntagsgottesdienst, 
und  die  meisten  Christen  fielen  ab.  So  ist  das  Missionswerk,  schwankend  wie  immer 
in  seinen  Erfolgen,  mehr  rück-  als  vorgeschritten  und  hat  nach  mehr  als  dreissigjähriger 
angestrengter  Arbeit  im  Ganzen  nur  wenig  erreicht.  Einen  grossen  Theil  der  Schuld 
tragen  daran  freilich  die  vielen  Kriege  zwischen  der  christlichen  und  heidnischen  Partei 
(vgl.  den  nachfolgenden  Abschnitt  »Fehden  und  Krieg«),  zu  denen  in  neuester  Zeit, 
wenigstens  auf  Tapiteuea,  noch  ernste  Misshelligkeiten  zwischen  Katholiken  und  Pro- 
testanten nicht  gerade  erspriesslich  wirkten. 

Die  besten  Erfolge  scheint  die  Londoner  Missionsgesellschaft  bei  den  Bewohnern 
der  südlichen  Inseln  (Tamana,  Onoatoa,  Nukunau,  Arorai  und  Peru)  gehabt  zu  haben 
die  durch  die  »Labortrade«  am  ärgsten  heimgesucht,  entmuthigt  und  eingeschüchtert, 
durch  die  Mission,  wenigstens  nach  aussen  hin,  einigen  Schutz  fanden.  Seit  1870  mit 
farbigen  Lehrern  von  Samoa  thätig,  galten  diese  Inseln  schon  zehn  Jahre  später  als  völlig 
bekehrt. 

In  diesem  Gebiete  ist  es  daher  mit  den  früheren  Gebräuchen  der  Eingeborenen 
und  ihren  ethnologischen  Eigenthümlichkeiten  so  ziemlich  vorbei. 

Schutzherrschaft.  Durch  Uebereinkunft  zwischen  Grossbritannien  und  Deutsch- 
land (vom  10..  April  1886)  gehört  der  Archipel  in  die  Interessensphäre  des  ersteren 
Reiches,  wogegen  Nawodo  (1888)  in  deutschen  Besitz  überging.  Nach  Zeitungsnach- 
richten von  diesem  Jahre  (1892)  hat  das  englische  Kriegsschiff  »Royalist«  erst  neuer- 
dings auf  den  Gilberts  die  Flagge  gehisst. 

I.  Eingeborene. 

Aeusseres.  In  physischer  Entwicklung  nehmen  die  Gilbert-Insulaner  unter  den 
Mikronesiern  entschieden  die  erste  Stelle  ein  und  gehören  überhaupt  mit  zu  den  schön- 
sten Völkern  der  Südsee.  Beide  Geschlechter  haben  mehr  als  anderwärts  stattliche  Er- 
scheinungen aufzuweisen,  namentlich  unter  den  jungen  Mädchen,  die  mit  Recht  als  die 
hübschesten  der  Südsee  gelten.  Alte  Frauen  sind  dagegen,  wie  stets  bei  wenig  oder 
kaum  bekleideten  Menschen,  hässlich,  ja  bisweilen  geradezu  abschreckend.  Die  geringere 
Verbreitung  von  Hautkrankheiten,  unter  denen  Ringwurm  (Psoriasis)  seltener  als  sonst 
vorkommt,  erhöht  den  vortheilhaften  Eindruck.  Elephantiasis  erinnere  ich  mich  nicht 
gesehen  zu  haben;  aber  Hudson  verzeichnet  diese  Krankheit. 

Wenn  die  Gilbert-Insulaner  in  dem  amerikanischen  Reisewerke  (V,  S.  45)  als  eine 
den  Malayen  sehr  nahestehende  Race,  die  Bewohner  von  Makin  dagegen  als  eine  davon 
ganz  verschiedene  bezeichnet  werden,  so  ist  das  letztere  jedenfalls  nicht  richtig,  und  das 
bessere  Aussehen  der  Makiner  lediglich  auf  die  weit  günstigeren  Ernährungsverhältnisse 
zurückzuführen.  Der  abgebildete  Makininsulaner  mit  langen  Locken  (S.  83)  kann  nicht 
als  typisch  gelten,  wohl  aber  der  junge  Häuptling  von  Tapiteuea  (S.  78).  Dass  die  Gil- 
bert-Insulaner unter  sich  nicht  verschieden  sind  und  zu  derselben  Race  als  alle  übrigen 
Oceanier  (Hawaiier,  Samoaner,  Marshalls  u.  s.  w.)  gehören,  wird  meine  Sammlung  von 
22  nach  dem  Leben  abgegossenen  Gesichtsmasken  (darunter  drei  Eingeborene  von 
Makin)  am  besten  zeigen.  Im  Uebrigen  verweise  ich  auf  meine  ausführlichen  ethno- 
logischen Mittheilungen  (Zeitschr.  für  Ethnol.  1884,  S.  4—11).  Hier  auch  (Taf.  I) 
Typen  von  Gilbertphysiognomien  nach  photographischen  Aufnahmen  von  mir. 


[203]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


25 


Spracho.  Dieselbe  ist  eine  eigenthümliche  und  einheitliche,  welche  auf  allen  Inseln 
des  Archipels  verstanden  wird,  ebenso  wie  auf  ßanaba  (Ocean  Isl.),  dagegen  nicht  auf 
Nawodo  (Pleasant  IsL),  welches  eine  besondere  Sprache  oder  Dialekt  besitzt.  Davon, 
sowie  von  der  totalen  Verschiedenheit  mit  Marshallanisch,  konnte  ich  mich  selbst  über- 
zeugen. Bemerkenswerth  und  interessant  ist,  dass  auf  Nui  (Eeg  oder  Netherland  Isl.) 
der  Ellicegruppe  eine  mit  Gilbert  ganz  ähnliche  oder  übereinstimmende  Sprache  ge- 
sprochen wird,  während  die  Eingeborenen  der  übrigen  Inseln  dieser  Gruppe  (z.  B.  Funa- 
futi  und  Nukufetau)  Samoanisch  sprechen,  das  so  ziemlich  auch  in  der  Tockelau-  oder 
Uniongruppe  verstanden  wird.  Da  zwischen  den  Bewohnern  der  Gilberts  und  Ellice 
kein  Verkehr  besteht,  die  überhaupt  keine  Seefahrer  sind,  so  darf  man  annehmen,  dass 
Nui  einst  durch  Verschlagene  von  den  Gilberts  besiedelt  wurde. 

Wie  die  meisten  Südsee-Eingeborenen,  können  auch  die  Gilbert-Insulaner  kein  / 
aussprechen,  das  bei  ihnen  wie  r  klingt,  wie  c  gleich  unserem  t^  v  wie  fau\  die  Aus- 
sprache von/ wird  ihnen  ebenfalls  schwer,  von  x  unmöglich. 

Herkunft.  Ich  enthalte  mich  darüber  jedes  Urtheils,  da  dies  nur  in  das  Gebiet  der 
Muthmassungen  führen  würde,  muss  aber  hier  eine  irrige  Auffassung  Haie 's  berichti- 
gen. Nach  Wo  od 's  Mittheilungen  glauben  die  Eingeborenen  nämlich,  dass  ihre  Vor- 
fahren von  »Baneba«  und  »Amoi«,  einer  anderen  Insel  im  Süden,  herkamen.  Abgesehen 
von  der  Legende,  dass  die  Amoileute  nach  wenigen  Generationen  von  den  Banebaleuten 
erschlagen  wurden,  lässt  sich  dagegen  nichts  einwenden,  denn  »Baneba«  ist  eben  die 
stammverwandte  Insel  Banaba  (Ocean  Isl.)  und  »Amoi«  identisch  mit  Arorai.  Aber 
Haie  deutet  durchaus  irrthümlich  die  erster^  Insel  mit  Ponap^  der  Carolinen,  die  letz- 
tere mit  »Samoa«  und  daraus  entstand  die  »verbürgte«  Annahme,  als  seien  die  Gilberts 
(Makin)  durch  Verschlagene  aus  den  Carolinen  bevölkert  worden,  eine  Ansicht,  die 
ohne  weitere  Kritik  selbst  in  der  neuesten  Literatur  Vertreter  findet  (z.  B.  Sittig  in 
Petermann's  Mittheil.  1890,  S.  164). 

Charakter  und  Moral.  Die  Gilbertinsulaner  sind  von  lebhaftem  Temperament, 
ziemlich  laut,  lärmend,  leicht  aufgeregt,  aber  fröhlich  und  lebenslustig  und  unterscheiden 
sich  dadurch  sehr  von  ihren  durch  Feudalwesen  unterdrückten  Nachbarn,  den  Marshalla- 
nern.  Nach  der  Aufnahme,  welche  die  ersten  verlaufenen  Weissen  bei  ihnen  fanden, 
scheinen  sie  gutmüthiger  Natur  gewesen  zu  sein.  Selbst  Kirby  rühmt  die  Gastfreund- 
schaft und  Freigiebigkeit  der  Gilbert-Insulaner,  bezeichnet  sie  aber  auch  als  unehrlich, 
diebisch,  hinterlistig  und  grausam.  Freilich  waren  diese  ersten  Ankömmlinge  arme  Teufel, 
welche  die  Habsucht  nicht  reizen  konnten;  aber  diese  friedlichen  Verhältnisse  änderten 
sich  bald,  als  mehr  Schiffe  verkehrten.  Wie  überall,  fanden  Ausschreitungen  statt,  welche 
die  Eingeborenen  häufig  an  Unschuldigen  zu  vergelten  suchten,  und  bald  kamen  die 
Gilbertinsulaner  in  jenen  schlechten  Ruf,  den  sie  noch  heute,  und  zum  Theil  mit  Recht, 
verdient  haben.  Immerhin  sind  sie,  trotz  kriegerischer  und  kampflustiger  Anlagen,  nie  so 
notorisch  geworden  als  andere  Südseeinsulaner,  und  Massacres  an  Weissen  in  grösserem 
Massstabe  scheinen  nicht  vorgekommen  zu  sein,  wenn  auch  verschiedentlich  Versuche 
dazu  gemacht  wurden.  Wie  überall,  ist  das  Betragen  der  Eingeborenen  je  nach  den 
Verhältnissen  ein  sehr  verschiedenes,  und  anscheinende  Freundlichkeit  schlägt  häufig  in 
das  Gegentheil  um,  sobald  sich  die  Eingeborenen  überlegen  glauben.  In  diesem  Wahne 
und  noch  wenig  bekannt  mit  der  Wirkung  von  Feuerwaffen,  traten  die  Bewohner  des 
Dorfes  Utiroa  auf  Tapiteuea  (1841),  nachdem  sie  einen  Seemann  zurückbehalten  und 
wahrscheinlich  ermordet  hatten,  selbst  der  Strafexpedition  des  amerikanischen  Kriegs- 
schiffes entgegen.  Freilich  hatten  die  Eingeborenen  schon  damals  mit  Weissen  üble 
Erfahrungen  gemacht,  und  Capitän  Hudson  citirt  bereits  den  Fall  mit  dem  englischen 


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26  Dr.  O.  Finsch.  [294] 

Walschiffe  »Offlay«,  dessen  Capitän  (Leasonby)  auf  Peru  sechs  Mädchen  gestohlen 
hatte.  Viel  ärger  als  Walfisch fahrer,  die  schon  wegen  Furcht  vor  Desertion  den  Inseln 
möglichst  fern  blieben,  hausten  aber  später  die  gewerbsmässigen  Menschenfänger  der 
Werbeschiffe, ')  und  man  muss  sich  wundern,  dass  in  Folge  solcher  Aufreizungen  und 
Brutalitäten  nicht  mehr  Weisse  erschlagen  wurden.  Das  Einzige,  was  die  Eingeborenen 
im  Verkehr  mit  den  Letzteren  profitirt  hatten,  war,  wie  Capitän  Hudson  sehr  richtig  be- 
merkt, »Tabak  und  Syphilis«,  wozu  später  das  noch  viel  grössere  Uebel  »Schnapse  hin- 
zukam. Es  ist  sehr  bemerkenswerth,  dass  die  Gilbert-Insulaner  bis  zum  Jahre  1841  noch 
kein  berauschendes  Getränk  kannten,  und  man  darf  als  gewiss  annehmen,  dass  der  be- 
rauschende »saure  Toddy«  (Palmsaft)  ebenfalls  erst  durch  Weisse  eingeführt  wurde. 
Zu  Hudson's  Zeit  tranken  die  Eingeborenen  bei  ihren  Festen  nur  harmlose  Karawe 
(Palmsaftsyrup  mit  Wasser),  als  Bingham  1857  nach  den  Inseln  kam  bereits  sauren 
Toddy,  und  zu  meiner  Zeit  war  Schnaps  (Gin)  das  hauptsächlichste  Tauschmittel,  mit 
dem  sich  ungefähr  Alles  erreichen  Hess.  Ein  weisser  Händler  auf  Butaritari,  der  in  der 
Betrunkenheit  aus  Versehen  eine  Frau  erschossen  hatte,  sollte  die  geringe  Busse  von 
fünf  Flaschen  Gin  (ä  einen  Dollar)  bezahlen,  verweigerte  aber  auch  diese.  Um  sich 
Schnaps  zu  verschaffen,  verkauften  die  Eingeborenen  ihre  Gewehre  an  die  weissen 
Händler  zurück  (ein  Gewehr  von  fünf  Dollar  für  eine  Flasche  Schnaps),  und  wer  gar 
nichts  mehr  besass,  machte  »Mongin«  (sauren  Toddy),  der  übrigens  auch  von  Weissen 
keineswegs  verschmäht  wurde.  Dass  es  bei  diesen  Saufgelagen,  wie  ich  sie  selbst  mit 
ansah,  nicht  friedlich  herging,  lässt  sich  begreifen.  Gewöhnlich  arteten  sie  in  eine 
solenne  Schlägerei  aus,  an  der  sich  auch  die  Weiber  betheiligten,  und  nicht  selten  gab 
es  Mord  und  Todtschlag,  die  zu  blutigen  Fehden  führten.  Wenn  Hudson  die  Einge- 
borenen als  eine  dreiste,  unverschämte  Bande  schildert,  ohne  Gesetz  und  Respect  vor 
Alter  und  Würde,  so  waren  sie  zu  meiner  Zeit  in  Folge  des  Schnapses,  der  bereits  ein 
Nationalübel  bildete,  womöglich  noch  schlimmer  geworden.  Dennoch  haben  mein 
Reisegefährte  (Herr  Rehse  aus  Berlin)  und  ich,  nur  mit  einer  Vogelflinte  versehen, 
überall  die  Inseln  durchstreift,  ohne  ernstlich  belästigt  worden  zu  sein,  gingen  aber  frei- 
lich heiteren  Trinkgesellschaften  möglichst  aus  dem  Wege.  Und  das  war  auf  Inseln, 
wo  die  Mission  damals  gar  keine  Macht  hatte,  ebensowenig  als  sogenannte  Häuptlinge. 
Wenn  schon  zu  Hudson's  Zeiten  Eingeborene  hauptsächlich  an  das  Schiff  kamen, 
um  Mädchen  anzubieten,  »was  nicht  sehr  zum  Lobe  der  Walfischfahrer  spricht,«  wie 
Hudson  richtig  bemerkt,  so  hatte  sich  die  Moral  der  Insulaner  inzwischen  nicht  ge- 
bessert; aber  sie  war  auch  nicht  schlechter  als  in  anderen  Gebieten  Mikronesiens,  z.  B. 
den  Marshalls.  Verheiratete  Frauen  sind  übrigens  treu,  und  Ehebruch  kommt  selten  vor, 
wie  mir  von  Weissen,  die  mit  Gilbertfrauen  lebten,  versichert  wurde.  Freilich  fällt  ihnen 
die  Trennung  meist  ebensowenig  schwer  als  Frau  Kirby,  die  sich  mit  dem  Geschenk 
eines  Matrosenmessers  tröstete,  denn  seitdem  sind  Ehen  mit  Weissen  etwas  Gewöhn- 
liches geworden.  Aber  wie  die  meisten  Eingeborenen  besitzen  die  Gilbert-Insulaner  wenig 
Gemüth,  wenn  sie  auch  weder  gefühl-  noch  schamlos  sind.  Was  ihnen  aber  gegenüber 
anderen  Eingeborenen  sehr  mangelt,  ist  Schicklichkeit.  Nirgends  habe  ich  natürliche 
Bedürfnisse  von  beiden  Geschlechtern  so  ungenirt  verrichten  sehen  als  von  den  Gilbert- 
Insulanern.  Auch  in  der  Kirche  herrschte  weit  weniger  Aufmerksamkeit  und  Respect  als 


»)  So  stahl  im  Jahre  1869  ein  Vili-Labortrader  auf  Peru  nicht  weniger  als  280  Eingeborene, 
die  im  Drange  der  Selbstbefreiung  den  Capitän  und  einen  Theil  der  Mannschaft  erschlugen  und  ans 
Land  zu  schwimmen  versuchten,  das  aber  nur  3o  in  halbtodtem  Zustande  erreichten.  Solche  Tragödien 
werden  dann  in  der  Colonialpresse  als  »Massacrcs«  und  Schlächterei  Seitens  der  »Savage-murdcrers« 
bezeichnet  (vgl.  Palmer,  »Kidnapping«,  S.  102). 


[295] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegsttücke  aus  der  Südsee. 


27 


anderwärts.  Durch  die  Freiheit  der  socialen  Verhältnisse  an  ein  ungebundenes  Leben 
gewöhnt,  kommt  das  lebhafte  Temperament  bei  den  Gilbert-Insulanern  häufig  sehr 
heftig  zum  Ausdruck.  Eifersucht  führt  unter  den  Weibern  nicht  selten  zu  Balgereien, 
die  in  Kämpfe  ausarten,  und  ich  sah  selbst  eine  Frau,  die  in  einer  solchen  Rauferei  fast 
die  Nasenspitze  eingebüsst  hatte.  Dass  die  Männer  in  der  Erregung  noch  ärgere  Aus- 
schreitungen begehen,  lässt  sich  denken,  und  es  mag  wahr  sein,  dass  in  der  Wuth  des 
Kampfes  Verstümmelungen  von  erschlagenen  Feinden  vorkommen,  wie  mir  versichert 
wurde.  In  solchen  Einzelfällen  ist  vielleicht  sogar  Menschenfleisch  verzehrt  worden,  wie 
Kirby  behauptet,  aber  deswegen  darf  man  nicht  das  ganze  Volk  der  Gilberts  als  Canni- 
balen  brandmarken.  Kirby,  den  die  Kurianer,  die  ein  grosses  Feuer  angezündet  hatten, 
zunächst  auszogen,  glaubte,  dass  man  ihn  braten  wolle;  statt  dessen  wurde  er  aber 
freundlich  aufgenommen  und  den  »Wilden«  durch  Heirat  verbunden.  Mir  selbst  sind 
eine  Menge  Schauergeschichten')  erzählt  worden;  aber  nie  konnte  ich  einen  Augen- 
zeugen ausfindig  machen,  und  selbst  der  hawaiische  Missionär  auf  Tarowa  hatte  nur 
sagen  hören,  dass  nach  der  grossen  Eingeborenenschlacht  im  vorhergehenden  Jahre  von 
34  Gefallenen  einer  verzehrt  worden  sei.  Wenn  übrigens  versucht  wird,  Mangel  an 
Fleischnahrung  als  Leitmotiv  für  Cannibalismus  darzustellen,  so  müssten  dieser  Theorie 
zu  Folge  die  Gilbert-Insulaner  jedenfalls  am  ersten  auf  diese  barbarische  Sitte  verfallen 
sein,  namentlich  wenn  sie,  wie  Kirby  meint,  wirklich  davon  schon  zu  kosten  ange- 
fangen hatten.  Wäre  dies  der  Fall  gewesen,  dann  würde  Cannibalismus  wohl  auch  hier 
bleibend  eingeführt  worden  sein.  Aber  dieser  scheussliche  Brauch  ist  eben  unabhängig 
von  den  übrigen  Ernährungsverhältnissen.  Bekanntlich  waren  die  in  Ueberfluss  schwel- 
genden Fidschianer  noch  in  den  Fünfziger  jähren  die  berüchtigsten  Menschenfresser  der 
ganzen  Südsee. 

Bemerkenswerlhe  gute  Eigenschaften  habe  ich  auch  bei  den  Gilbert-Insulanern 
nicht  kennen  gelernt,  und  nur  ein  Verlassener  wie  Kirby  hatte  Ursache,  von  Gastfreund- 
schaft und  Freigebigkeit  zu  sprechen.  Zu  meiner  Zeit  fand  sich  davon  keine  Spur  mehr, 
selbst  ein  »König«  liess  sich  die  anscheinend  geschenkten  paar  Cocosnüsse  bezahlen, 
nahm  aber  seinerseits  gern  Geschenke  an.  Im  Ganzen  waren  die  Gilbert- Insulaner  da- 
mals nicht  schlechter  als  andere  Eingeborene,  und  wenn  auch  zuweilen  etwas  dreist 
und  lärmend,  liess  sich  doch  mit  ihnen  verkehren,  so  lange  sie  nüchtern  waren.  Dass 
ihr  Intellect  gut  entwickelt  ist  und  sie  in  Bezug  auf  geistige  Auffassung  höher  stehen  als 
z.  B.  die  Marshallaner,  davon  konnte  ich  mich  öfters  überzeugen.  Zur  Zeit  des  Walfisch- 
fanges waren  Gilbert-Insulaner  als  Matrosen  auf  solchefl  Schiffen  beliebt  und  erwiesen 
sich  als  recht  brauchbare  Seeleute.  Ich  selbst  lernte  verschiedene  Gilbertleute  kennen, 
die  an  Bord  von  Schiffen  weite  Reisen  gemacht  hatten  und  so  gut  zu  erzählen  wussten, 
als  seinerzeit  der  berühmte  »Kadu«.  Dass  die  Gilbert-Insulaner  als  Arbeiter  nicht  viel 
taugen,  habe  ich  bereits  im  Vorhergehenden  (S.  [290])  erwähnt.  Im  Arbeiterdepot  auf 
Dschalut  fanden  verschiedene  turbulente  Scenen  statt,  und  ich  selbst  schlug  einst  einem 
jungen  Gilbertburschen  das  Messer  aus  der  Hand,  mit  dem  er  einem  weissen  Aufseher 
zu  Leibe  gehen  wollte.  Aber  diese  Herren  taugten  auch  nicht  viel  und  waren  eben 
keine  glänzenden  Vorbilder  für  Eingeborene,  weder  in  Moral,  noch  Aufführung. 


>)  Ich  wil!  davon  nur  eine  erwähnen,  die  kurz  vor  meinem  Besuche  auf  Maraki  passirt  sein 
soll.  Einige-  Eingeborene,  welche  einen  andern  erschlagen  hatten,  kochten  von  dessem  Fleisch  und 
brachten  davon  der  Mutter  des  Ermordeten,  indem  sie  versicherten,  es  sei  von  einem  neuen  delicaten 
Kischc,  weshalb  die  Frau  das  Geschenk  auch  ohne  Zögern  verzehrte  und  trefflich  fand.  —  Was  sich 
Chamisso  auf  Radak  von  den  »Repith-Urur«  (=  Gilberts)  erzählen  liess,  gehört  in  dieselbe  Kate- 
gorie der  Fabeln,  die,  einmal  in  die  Literatur  aufgenommen,  nur  schwer  wieder  auszurotten  sind. 


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28  r>r.  O.  Finsch.  [296] 

Wenn  sich  nach  Kirby's  Berichten  die  Gilbert-Insulaner  täglich  dreimal  waschen, 
so  wird  man  darnach  auf  grosse  Reinlichkeit  schliessen  müssen.  Allein  damit  wird  es 
nicht  sehr  strict  genommen,  denn  Waschen  in  unserem  Sinne  ist  auch  auf  den  Gilberts 
unbekannt,  aber  ich  wunderte  mich  schon,  wenn  ich  sah,  dass  sich  Manche  nach  der 
Mahlzeit  etwas  Wasser  über  die  Finger  gössen  und  den  Mund  ausspülten,  weniger  über 
das  Läuseessen.  Diese  Angewohnheit  ist  ja  in  der  ganzen  Südsee  verbreitet,  aber  wohl 
nirgends  dermassen  im  Schwange  als  gerade  bei  den  Gilbert-Insulanern.  Hier  werden 
diese  sonst  meist  lästigen  Parasiten*)  des  Kopfhaares  förmlich  gezüchtet,  und  ich  sah 
oft  besonders  grosse  Exemplare  durch  Austausch  von  einem  Kopfe  auf  den  anderen 
wandern.  Dass  sich  Liebende,  oder  Eltern  den  Kindern,  gegenseitig  solche  fette  Lecker- 
bissen zuwandten,  kam  häufig  vor;  aber  das  hatte  ich  schon  in  Sibirien  bei  Ostiaken  und 
Samojeden  gesehen. 

IL  Sitten  und  Gebräuche. 

(Sociales  und  geistiges  Leben.) 

/.  Sociale  Zustände, 

Die  Verhältnisse,  wie  sie  Hudson  1841  auf  Tapiteuea  fand,  wo  Krieg,  Unordnung 
und  eine  Art  Faustrecht  herrschte,  welches  dem  Verwegensten  und  Stärksten  den 
grössten  Anhang  verschaffte,  waren  auf  den  von  mir  besuchten  Inseln  noch  genau  die- 
selben und  werden  auf  den  Gilberts  mehr  oder  minder  wohl  immer  so  gewesen  sein. 
Auf  Maraki  und  Apaiang  gab  es  zwar  Häuptlinge  (»TuaSa«  oder  >Nea«),  aber  sie  be- 
sassen  keine  Macht  und  kein  grosses  Ansehen.  Dem  sogenannten  »Könige«  von  Buta- 
ritari  ging  es  nicht  viel  besser,  und  doch  hatte  sein  Vorgänger  gewaltige  Bauten  auf- 
führen lassen,  nur  um  sein  Volk  zu  beschäftigen.  Der  einst  mächtige  Herrscher  von 
Tarowa,  der  vor  20  Jahren  einen  Dieb  noch  mit  eigener  Hand  erschlug,  war  ein  Jahr 
zuvor  im  Religionskriege  gefallen  und  hatte  noch  keinen  Nachfolger  gefunden,  obwohl 
sonst  die  Häuptlingswürde  erblich  ist.  Der  einzige  unumschränkte  Gebieter  war  damals 
Binoka  von  Apamama,  zugleich  auch  über  Kuria  und  Arenuka,  ein  absoluter  König  und 
Tyrann,  wie  es  deren  wenige  in  der  Südsee  gegeben  haben  dürfte.  Dieses  dynastische 
kleine  Königreich  war  von  einem  Vorfahren  Binoka's,  einem  gewaltigen  Eroberer,  ge- 
gründet worden  und  bestand  schon  184 1  in  der  zweiten  Generation.  Hier  herrschten  da- 
her auch  die  am  meisten  geregelten  Zustände.  Schnaps  und  Toddy  waren  streng  verboten, 
aber  kluger  Weise  erlaubte  Binoka  weder  Werbeschiffe  noch  Trader  und  entfernte  auch 
die  Mission,  als  dieselbe  ihm  anfing,  unbequem  zu  werden.  »Diebstahl  und  Ehebruch« 
wurden  mit  dem  Tode  bestraft;  »die  Könige  halten  Gericht«  u.  s.  w.  heisst  es  in  Be- 
richten über  die  Gilberts,  aber  nur  Häuptlinge  wie  Binoka  durften  sich  solche  Gewalt^) 
anmassen.  Auf  den  übrigen  Inseln  herrschten  mehr  republikanische  Zustände.  Streitig- 
keiten wurden  im  Maneap  verhandelt  und  von  der  Majorität  entschieden,  wobei  Häupt- 
linge nicht  immer  den  Ausschlag  zu  geben,  ja  oft  so  wenig  Einfluss  hatten,  als  Alter. 


»)  Die  von  mir  an  das  Berliner  Museum  eingesendeten  Exemplare  dieser  Pediculus-An  sind 
ununtersucht  geblieben,  dürften  aber  einer  besonderen,  durch  dunkle  Fftrbung  ausgezeichneten  Spccies 
angehören. 

2)  Wie  sehr  Binoka  gefürchtet  war,  mag  folgende  Episode  lehren.  Ich  traf  auf  Milli  (Marshalls) 
sieben  Eingeborene  von  Apamama,  die  über  den  König  respectwidrig  gesprochen  hatten,  deshalb  ent- 
flohen und  hieher  verschlagen  waren.  Die  angebotene  Passage  nach  ihrer  Heimat  wurde  dankend  ab- 
gelehnt, denn  hier  hätte  sie  doch  nur  Todesstrafe  getroffen. 


[297] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  Südsee. 


29 


Hudson  war  auf  Tapiteuea  Zeuge,  dass  die  dem  bejahrten  Häuptlinge  gegebenen  Ge- 
schenke diesem  sofort  von  Anderen  entrissen  wurden. 

Dass  Häuptlinge  weder  durch  Tätowirung,  noch  sonst  wie,  am  allerwenigsten  aber 
durch  hellere  Färbung  sich  vom  gewöhnlichen  Manne  (»Tiarmid«)  auszeichnen,  mag 
nur  deshalb  erwähnt  werden,  um  irrthümlich  verbreitete  Ansichten  zu  berichtigen. 
Hoheitszeichen  habe  ich  nirgends  beobachtet,  noch  finde  ich  solche  erwähnt,  ausser  im 
Katalog  des  Museum  Godeffroy  (S.  261,  Taf.  XXIX,  Fig.  2,  vermuthlich  eine  Waffe). 

Stände.  Nach  Kirby  gab  es  auf  Kuria  drei  Stände:  Häuptlinge  (Nea),  Landbe- 
sitzer (Katoka)  und  Sclaven  (Kawa);  aber  diese  Verhältnisse  sind  nicht  für  den  ganzen 
Archipel  giltig.  Wie  wir  im  Vorhergehenden  gesehen  haben,  bedeutet  schon  die  Macht 
der  Häuptlinge  nicht  viel,  und  Wood  berichtete  von  Makin,  dass  es  dort  nur  Hohe  und 
Niedere  gebe.  Denselben  Eindruck  habe  ich  auf  allen  von  mir  besuchten  Inseln  ge- 
wonnen. Jedes  Familienhaupt  besass  Eigenthum  in  Land  und  Cocospalmen,  bald  mehr 
bald  weniger,  Verhältnisse,  die  durch  die  »Labortrade«  viel  Störungen  erlitten  und  Ur- 
sache zu  manchen  Streitigkeiten  und  Fehden  wurden.  So  vertheilten  die  hawaiischen 
Missionäre  nach  dem  grossen  Siege  der  christlichen  Partei  auf  Tapiteuea  die  Ländereien 
der  geschlagenen  Heiden  und  behielten  das  Beste  für  sich.  In  ähnlicher  Weise  mag  es 
bei  den  Kriegen  der  Eingeborenen  hergehen,  die  bei  ihrer  Häufigkeit  geregelte  Zustände 
kaum  aufkommen  lassen.  Sclaven  (»Tebai«),  die  nach  Kirby  erbliches  Eigenthum  waren, 
gab  es  zu  meiner  Zeit  nicht  mehr,  sonst  würden  die  Häuptlinge  unseren  Werbern 
(Recruiters)  gewiss  welche  verkauft  haben.  Wahrscheinlich  bildeten  Sclaven  auch  nie 
einen  bestimmten  Stand,  sondern  waren  wohl  Kriegsgefangene  von  anderen  Inseln,  oder 
Verschlagene.  Letztere  wurden  auch  gern  von  weissen  Händlern  als  unbezahlte  Arbeiter 
behalten,  wie  dies  unter  Anderem  auf  Nawodo  mit  angetriebenen  Maianaleuten  passirte. 

NamensaustauSCh,  von  Hudson  noch  als  häufig  erwähnt,  war  zur  Zeit  meines 
Besuches  kaum  mehr  Sitte.  Aber  es  gab  eine  gewisse  Bruderschaft,  wenn  auch  nicht 
durch  Bluttrinken  besiegelt,  und  fast  jeder  Mann  hatte  seinen  »Jibüm«  (Bruder),  der 
zuweilen  auch  ein  Weisser  war.  Diese  Bruderschaft  geht  aber  nicht  so  weit,  um  dem 
Bruder  als  Gast  die  Frau  für  die  Nacht  zu  überlassen,  wie  z.  B.  auf  den  Marshalls. 

Die  BsgrÜSSUng  nahestehender  Personen  ist  Berühren  der  Nasen,  das  sogenannte 
Nasenreiben.  Frauen  umarmen  sich  und  berühren  sich  mit  den  Gesichtern,  aber 
ohne  Kuss. 

Tauschmittel  (Geld).  Nach  Kirby's  wenig  glaubwürdiger  Angabe  herrschte  da- 
mals (auf  Kuria)  Gütergemeinschaft  und  mit  Ausnahme  von  Sclaven  konnte  Jeder  vom 
Anderen  nehmen,  was  er  wollte,  selbst  Häuser  und  Canus.  Aber  an  einer  anderen 
Stelle  nennt  Kirby  den  Preis,  der  für  ein  Canu  zu  zahlen  war  und  in  Lebensmitteln  be- 
stand. Ausserdem  gab  es  aber  gewiss  auch  noch  andere  Tauschmittel,  und  hierzu  ge- 
hörten jedenfalls  Tekaroro-Muschelschnüre  (Taf.  VII  [24],  Fig.  i — 4),  sowie  Sperm- 
walzähne (Textfig.  16).  Letztere  waren  noch  in  den  Fünfzigerjahren  auf  Fidschi  das 
werthvollste  Tauschmittel  und  wurden  auch  an  die  Bergbewohner  verhandelt.  Für 
einen  grossen  Spermwalzahn  konnte  man  ein  Mädchen  als  Frau  erwerben,  einen  Mord 
sühnen  oder  für  ein  Paar  ein  grosses  Canu  bauen  lassen.  Spermwale  waren  damals 
freilich  noch  häufig  im  Fidschimeere,  und  noch  1840  war  das  Erscheinen  einzelner  dieser 
Thiere  im  Hafen  von  Levuka  nichts  Aussergewöhnliches.  Selbstredend  verstanden  auch 
die  Fidschianer  nicht,  die  Walthiere  zu  jagen,  und  begnügten  sich  mit  zufällig  gestran- 
deten Exemplaren. 

Verbot,  d.  h.  Tabusitte,  die  so  oft  irrthümlich  als  »heilig«  gedeutet  wird,  ist  auch 
auf  den  Gilberts  üblich  und  hat  meist  Nützlichkeitszwecke.    So  verbietet  ein  um  eine 


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Dr.  O.  Finsch. 


[298] 


Cocospalme  gebundenes  Palmblatt  das  Abnehmen  der  Nüsse  während  einer  gewissen 
Periode,  um  die  Bäume  zu  schonen.  Aber  zu  Zeiten  des  Mangels,  wie  während  meines 
Besuches,  wurde  und  konnte  dieses  Tabu  nicht  gehalten  werden.  Bei  gewissen  Ge- 
legenheiten wird  auch  das  Versammlungshaus  für  die  Weiber  »tabu«  erklärt,  wahr- 
scheinlich weil  die  Männer  allein  und  ungestörter  kneipen  wollen.  Das  Tabu  kann  sich 
auch  auf  andere  Dinge,  z.  B.  gewisse  Speisen  erstrecken,  je  nachdem  es  der  Rath  der 
Männer  für  gut  befindet,  wobei  der  Glaube  an  schädlichen  Einfluss  von  Geistern  oder 
Besprechungen  zuweilen  mit  die  Veranlassung  sind. 


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2.  Stellung  der  Frauen. 

Wie  überall  herrscht  Arbeitstheilung,  wobei  schwere  Arbeiten  von  Männern  ver- 
richtet werden.  Diese  bauen  Häuser,  Canus,  besorgen  die  Tarofelder  und  schleppen  (nach 
Kirby)  sogar  die  Früchte  nach  Haus,  was  sonst  überall  Sache  der  Frauen  ist.  Letztere 
sind  meist  häuslich  beschäftigt,  vor  Allem  mit  Flechten  der  kunstvollen  Matten,  gehen 
aber  auch  aufs  Rilf  fischen  und  ziehen  nicht  selten  mit  den  Männern  zum  Kampfe.  Der 
Verkehr  zwischen  beiden  Geschlechtern  ist  daher  auf  den  Gilberts  viel  minder  beschränkt, 
als  sonst  gewöhnlich,  die  Stellung  der  Frauen  keineswegs  eine  untergeordnete,  ihre  Be- 
handlung im  Allgemeinen  eine  sehr  gute.  Sie  dürfen  an  den  Festlichkeiten  im  Ver- 
sammlungshause (Maneap)  theilnehmen,  und  die  Todtenklagen,  welche  ich  beim  Ab- 
leben einer  Frau  hörte,  unterschieden  sich  in  nichts  von  jenen  beim  Tode  eines  Mannes. 

Mädchen  geniessen  volle  Freiheit,  und  wenn  auch  auf  den  Gilberts  Keuschheit  nicht 
als  Tugend  gilt,  so  wurde  mir  doch  versichert,  dass  es  Mädchen  geben  soll,  die  bis  zu 
ihrer  Verheiratung  .Tungfrauen  blieben.  Gewöhnlich  haben  aber  Mädchen  mehrere  An- 
beter, und  es  war  eine  beliebte  Praxis  unserer  Werbeagenten,  Mädchen  zu  engagiren, 
von  denen  einige  als  Lockvögel  dienten,  weil  dann  junge  Männer  von  selbst  nachfolgten. 

Nach  einem  anscheinend  zuverlässigen  Gewährsmanne  von  mir  ist  die  erste 
Menstruation  Anlass  zu  einer  besonderen  Festlichkeit.  Das  betreffende  Mädchen  wird 
lange  Zeit  (mehrere  Monate?)  unter  einem  Mosquitozelt  gehalten  und  an  dem  festlichen 
Tage  besonders  geschmückt  (vgl.  Textfig.  i3)  im  Versammlungshause  präsentirt.  Die 
Festfeier  selbst  besteht  in  den  üblichen  Tänzen  und  Gesang,  verbunden  mit  Trink- 
gelagen; Abschliessung  des  weiblichen  Geschlechts  in  besondere  Häuser  während  der 
Periode  findet  nicht  statt. 

Ueber  besondere  Heiratsgebräuche  habe  ich  nichts  in  Erfahrung  gebracht,  als  dass 
den  Eltern  der  Braut  Geschenke  gegeben  werden;  aber  Kirby  (1.  c.,V,  S.  loi)  beschreibt 
dieselben  ausführlich.  Dass  aber  eine  besondere  Vermählungsceremonie  unter  Assistenz 
eines  »Priesters«  stattfindet,  ist  stark  zu  bezweifeln,  aber  mit  den  Festlichkeiten  mag  es 
seine  Richtigkeit  haben.  Wood  weiss  von  Ceremonien  bei  Verheiratungen  auch  nichts 
zu  berichten,  sagt  aber,  dass  Kinder  häufig  noch  sehr  jung  von  ihren  Eltern  verlobt 
werden,  was  an  ähnliche  Gepflogenheit  auf  Neu-Britannien  erinnert.  Uebrigens  finden 
ja  Heiraten  zwischen  den  Bewohnern  verschiedener  Inseln  statt;  auf  Butaritari  lernte 
ich  Frauen  kennen,  die  von  Apaiang  herstammten;  noch  häufiger  sind  Ehen  zwischen 
den  Bewohnern  von  Tarowa  und  Apaiang. 

Die  Ehen  sind  strenger  als  anderwärts,  und  Gilbertfrauen  stehen  wegen  ehelicher 
Treue  in  besonders  gutem  Rufe.  Weisse  Händler  nehmen  deshalb  gern  Gilbertfrauen 
und  lassen  sich  zuweilen  von  einem  farbigen  Missionär  förmlich  trauen,  wenn  die  Ehe 
wegen  Weggang  des  Gemahls  oft  auch  nur  eine  kurze  ist.  Ich  lernte  aber  dauernde 
Verhältnisse  kennen,  die  so  glücklich  als  möglich  waren  und  wo,  wie  häufig  bei  uns, 


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[299] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


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die  farbige  Frau  das  Regiment  führte.  Ueberhaupt  sind  die  Gilbertfrauen  sehr  selbst- 
ständig,  dabei  eifersüchtig,  Temperamentfehler,  die  ja  auch  bei  uns  nicht  selten  das 
gute  Einvernehmen  trüben.  Wenn  Männer  auf  den  Gilberts  ihre  Frauen  schlagen,  so 
dürfen  sie  sich  auf  Gegenwehr  gefasst  machen  und  ich  sah  einen  Mann  mit  einer  Biss- 
wunde, die  er  der  Eifersucht  seiner  Frau  verdankte. 

Polygamie  gehört  zu  den  seltenen  Ausnahmen,  und  ich  habe  sie  nur  bei  soge- 
nannten »Königen«  beobachtet,  denn  selbst  Häuptlinge  besassen  nur  eine  Frau.  Da- 
gegen sah  ich  weisse  Händler,  die  mit  ihren  vier  Frauen  ungeniert  an  Bord  kamen. 
Der  König  von  Butaritari  hielt  eine  grosse  Anzahl  Weiber,  und  Binoka  von  Apamama 
soll  sogar  19,  nach  Anderen  etliche  40  besitzen,  die  in  einem  besonderen  Harem  ge- 
halten werden,  dem  sich  kein  Mann  nähern  darf.  Im  Jahre  1881  halb  und  halb  bekehrt, 
begnügte  er  sich  eine  Zeitlang  mit  zwei  Frauen,  nahm  aber  später,  der  Mission  über- 
drüssig, seinen  Harem  wieder  auf.  Uebrigens  gilt  nur  die  erste  Frau  aus  Häuptlingsblut 
als  eigentliche,  deren  Kinder  erbberechtigt  sind.  Nach  Kirby  dürfen  Sclaven  gar  nicht, 
an  anderer  Stelle  nur  mit  Bewilligung  des  Häuptlings  heiraten.  Noch  unwahrschein- 
licher klingt  Wood's  Angabe,  dass  Mädchen,  die  nicht  gleich  nach  der  Geburt  verlobt 
wurden,  überhaupt  ledig  bleiben  müssen.  Dies  widerspricht  denn  doch  den  Anschau- 
ungen der  Eingeborenen  zu  sehr,  die  heiraten,  wenn  sie  können,  d.  h.  die  Mittel  dazu 
besitzen.    Aus  Mangel  an  letzteren  bleiben  höchstens  Männer  ledig. 

Eigenthümliche  Ceremonien  beobachtete  ich  bei  der  ersten  Schwangerschaft  einer 
jungen  Frau,  etwa  im  dritten  Monate.  Der  Mond  spielte  dabei  eine  Rolle,  wie  auch 
gewisse  Besprechungen  mit  Opfern  von  Stückchen  Cocosnuss,  die  weggeworfen  wur- 
den, stattfanden.  Bei  dieser  Gelegenheit  beschenken  sich  die  Gatten,  aber  der  ganze 
Vorgang  war  verschieden  von  der  Beschreibung  Kirby's  (V,  S.  loi),  nach  welcher  im 
achten  Monat  der  Schwangerschaft  die  Verwandten  des  jungen  Paares  Geschenke  aus- 
tauschen, dem  letzteren  aber  nichts  übrig  lassen. 

lieber  Feierlichkeiten  bei  Geburt  und  Namengebung  habe  ich  nichts  erfahren,  aber 
Kirby  beschreibt  dieselben  (V,  S.  102),  wobei  der  unvermeidliche  »Priester«  figurirt. 
Nach  demselben  Berichterstatter  wird  Kindesmord  nicht  geübt,  wohl  aber  Aborticidium, 
wenn  bereits  zwei  Kinder  vorhanden  sind.  Alte  Weiber  besorgen  die  Sache  in  roher 
Weise  durch  Malträtiren  des  Unterleibes,  was  aber  selten  üble  Folgen  hat.  Ledige 
Mädchen  sollen  sich  in  gleicher  Weise  im  Schwangerschaftsfalle  die  Frucht  abtreiben 
lassen.  Wood  bestreitet  dies  für  Makin,  und  jedenfalls  bedürfen  diese  Berichte  der 
zweifellosen  Bestätigung.  Uneheliche  Geburten  sind  ja  bei  allen  Kanaka  nicht  unehren- 
haft und  schädigen  weder  den  Ruf  von  Mutter  noch  Kind. 

Säuglinge  werden  in  einem  Stücke  Matte  auf  dem  Arme  getragen,  etwas  grössere 
Kinder  auf  dem  Rücken  oder  auf  der  Hüfte  der  Mutter,  gleichsam  auf  dem  Rande  des 
Faserschurzes  reitend. 

Wie  alle  Eingeborenen  sind  auch  die  Gilbert-Insulaner  sehr  kinderliebend,  und 
Eltern  lassen  sich  von  ihren  Sprösslingen  Alles  gefallen.  Ich  war  wiederholt  Zeuge, 
dass  kleine  Kinder,  die  schon  recht  heftig  werden  können,  ihrer  Mutter  im  Zorne  ins 
Haar  fielen,  ohne  dass  diese  sie  strafte. 

3.  Vergnügungen. 

Mit  dem  lebhaften  Temperament  steht  der  Hang  zu  Lustbarkeiten  in  vollem  Ein- 
klänge, bei  denen  es  allerdings  häufig  etwas  laut  und  lärmend  zugeht.  Musik  verschönert 
diese  Lustbarkeit  und  Feste  nicht,  denn  das  Fehlen  von  Musik-Instrumenten  gehört  mit 


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zu  den  charakteristischen  ethnologischen  Merkmalen.  Nur  die  Muscheltrompete  aus 
Tritonium  tritonis  (auch  aus  Cassis  cornuta^  Kat.  M.  G.,  S.  273)  ist  bekannt,  aber  kein 
Musikinstrument,  sondern  dient  nur  zum  Signalblasen.  Ihr  Ton  hält  die  Canus  zusam- 
men, ruft  zum  Kriege,  zu  Versammlungen  und  Festlichkeiten  im  Maneap,  wie  auch  der 
hawaiische  Missionär  auf  Tarowa  mit  diesem  heidnischen  Instrumente  die  Gläubigen 
zum  Gottesdienste  aufforderte,  freilich  häufig  mit  wenig  Erfolg. 

Gosang  oder  Singen  (»A£nene«)  ist  in  Ermanglung  von  Instrumenten  auf  den  Gil- 
berts mehr  und  besser  ausgebildet,  als  ich  dies  sonst  in  der  Südsee  antraf.  Dies  fiel  mir 
zunächst  auf,  als  ich  beobachtete,  dass  Männer  und  Knaben,  wenn  sie  Früh  und  Abends 
auf  die  Cocospalmen  kletterten,  um  die  mit  Palmsaft  (Toddy)  gefüllten  Cocosnuss- 
schalen  herabzuholen,  stets  dabei  in  nicht  übler  Weise  zu  singen  pflegten. 

Gesang  bildet  auch  die  hauptsächlichste  Begleitung  zu  den  sogenannten  Tänzen, 
die,  wie  der  erstere,  ebenso  originell  als  wirkungsvoll,  zu  den  besten  Leistungen  der 
Südsee  gehören. 

Charakteristische  EigenthUmlichkeiten  dieser  gymnastischen  Vorstellungen  sind, 
dass  beide  Geschlechter  gemeinschaftlich  theilnehmen,  dass  die  Gesänge,  unter  Leitung 
eines  Vorsängers,  viel  abwechselnder  als  sonst,  theilweise  sogar  melodiös  sind,  und  dass 
die  Begleitung  nur  in  Händeklappen  und  Schlagen  mit  Taktstöcken  besteht,  der  sich 
beide  Geschlechter  bedienen.  Das  widerliche  Rollen  und  Verdrehen  der  Augen,  welches 
auf  den  Marshalls  eine  Hauptrolle  spielt,  kommt  auf  den  Gilberts  nicht  vor. 

Als  Taktschlägel ^)  habe  ich  nur  gewöhnliche  Stöcke  benutzen  sehen;  sie  sind  circa 
60  Cm.  lang  und  an  beiden  Seiten  etwas  zugespitzt,  um  einen  helleren  Klang  zu  er- 
zielen.   Meist  genügt  dazu  ein  Stück  Palmblattrippe. 

Die  TänZ6  (»Ruia«)  verdienen  diese  Bezeichnung  mehr,  als  dies  sonst  der  Fall  ist, 
und  stehen,  abgesehen  vom  Lärme,  vielleicht  auf  derselben  Stufe  als  die  »Horac  der 
Bulgaren.  Die  vorwiegend  gymnastischen  Aufführungen  finden  sowohl  im  Sitzen  als 
im  Stehen  und  Gehen  statt,  immer  in  der  Weise,  dass  die  Darsteller  Gruppen  bilden 
von  mindestens  vier,  oder  sich  in  zwei  Reihen  gegenüber  stehen  oder  sitzen.  In  letzterem 
Falle  handelt  es  sich  nur  um  Bewegungen  der  Arme,  respective  Finger,  hauptsächlich 
aber  um  Klappen  mit  den  Händen,  das  bei  allen  diesen  Vorstellungen  in  hervorragender, 
äusserst  geschickter,  ja  fast  möchte  man  sagen  kunstvoller  Weise  zum  Ausdrucke  ge- 
langt. Die  Theilnehmer  schlagen  mit  der  flachen  Hand  in  grosser  Präcision  theils  gegen- 
einander, theils  auf  die  eigene  Brust  oder  Schenkel,  dass  es  taktmässig  schallt,  und  ent- 
wickeln dabei  Abwechslungen,  der  die  Feder  des  Beobachters  nicht  zu  folgen  vermag. 
Nicht  minder  wechselvoll,  aber  bei  Weitem  graziöser  und  imposanter  sind  die  gymna- 
stischen Vorstellungen,  bei  welchen  die  Theilnehmer  sich  bald  reihenweise,  bald  in 
Gruppen  gegenüber  stehen  oder  in  verschiedenartigen  Wandelgängen  hübsche  Figuren 
und  Gruppirungen  bilden,  die  an  gewisse  turnerische  Uebungen  bei  uns  erinnern, 
namentlich  da,  wo,  wie  bei  den  Freiübungen,^)  gleichmässige  Bewegungen  der  Arme  aus- 
geführt werden.  Auch  die  Beine  sind  nicht  unthätig  und  führen  mancherlei,  zum  Theil 


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»)  Im  Kat.  Mus.  God.,  S.  261,  ist  ein  Tanzstab,  mit  Natica  Gamhiae  besetzt,  von  den  Gil- 
berts erwähnt,  der  wohl  aber  von  der  Ellice-Gruppe  herstammen  durfte.  Hieher  gehört  vermuthlich 
auch  der  mit  Muscheln  (Natica)  besetzte  Stab,  den  Kdge-Partington  (Taf.  175,  Fig.  8)  von  Ellice 
abbildet. 

3)  Die  »Menari«  oder  Tänze  der  Malayen,  wie  sie  von  Joest  trefflich  beschrieben  werden,  haben 
so  viel  Uebereinstimmendes,  dass  man  auf  malayische  Herkunft  der  Gilbert-Insulaner  schliessen  dürfte; 
aber  im  Menari  kommen  auch  die  Hock-  und  Springtouren  vor,  wie  sie  für  Neu-Britannien  (I,  S.  [3o]) 
so  charakteristisch  sind. 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


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graziöse  Touren  aus.  So  berühren  sich  zuweilen  die  Zehenspitzen  der  Gegenüberstehen- 
den, oder  die  Beine  werden  so  hoch  nach  rückwärts  geworfen,  dass  die  Fusssohle  das 
Gesäss  berührt.  Klappen  mit  den  Händen  oder  Aneinanderschlagen  der  meist  mit 
beiden  Händen  gehaltenen  Tanzstöcke,  in  sehr  abwechselnder  Weise,  gibt  den  Takt  zu 
den  Bewegungen  wie  zum  Gesänge.  Letzterer,  meist  von  einem  Vorsänger  intonirt, 
besteht  in  verschiedenen  Strophen,  zum  Theile  Solovorträgen,  die,  gedämpft  anfangend, 
zuweilen  melodisch  wie  ein  Kirchenlied  ertönen,  sich  nach  und  nach  immer  lauter  und 
heftiger  steigern,  bis  sie  in  gellendem  Schreien  enden,  was  allerdings  ziemlich  wild 
klingt.  Der  Text  besingt  übrigens  keine  besonderen  Episoden,  sondern  ist  nur  improvi- 
satorisch über  gleichgiltige  Dinge.  Nach  Kirby,  der  übrigens  eine  sehr  mangelhafte  Be- 
schreibung gibt  (V,  S.  loo),  betheiligen  sich  oft  ein  paar  hundert  Personen  bei  diesen 
Aufführungen,  die  aber  keineswegs  Kuria  eigenthümlich  sind.  Ich  sah  sie  von  Einge- 
borenen von  Makin,  Tarowa,  Maraki,  Apaiang  und  Maiana  gemeinschaftlich  ausführen, 
wobei  sich  Männer,  Frauen  und  Kinder  mit  gleichem  Eifer  betheiligten. 

Nach  Kirby  (V,  S.  99)  finden  jeden  Monat  zur  Zeit  des  Vollmondes  solche  Fest- 
lichkeiten statt,  zu  denen  sich  die  Bewohner  ganzer  Dörfer  oft  gegenseitig  einladen  und 
beiderseits  Lebensmittel  liefern.  Dann  beginnen  die  Gäste  zuerst  zu  tanzen,  die  Gast- 
geber folgen  dann  nach  und  so  abwechselnd  beide  Parteien,  wobei  jede  die  andere  zu 
übertreffen  bestrebt  ist.  Gegen  Mitternacht  ziehen  sich  die  Dorfbewohner  in  ihre  Häuser 
zurück,  während  die  Gäste  im  Maneap  schlafen.  Solche  Feste  dauern  oft  mehrere  Tage, 
wobei  viel  gegessen  und  getrunken  wird,  damals  nur  die  unschuldige  Karave.  Zu  meiner 
Zeit  war  man  damit  nicht  mehr  zufrieden,  sondern  verzapfte  sauren  Toddy,  der  die 
Köpfe  bald  erhitzte,  so  dass  blutige  Raufereien  häufig  den  Schluss  bildeten,  wie  dies  bei 
Festlichkeiten  in  civilisirten  Ländern  auch  zu  geschehen  pflegt.  Ich  sah  Trupps  von 
Eingeborenen  zu  solchen  Festen  marschiren,  welche  grosse  Mengen  sauren  Toddy  in 
Cocosschalen  schleppten;  dabei  figurirten  auch  Bewaffnete,  unter  Anderen  Mädchen, 
die  geladene  Pistolen  unter  dem  Arme  trugen.  Ich  war  aber  auch  Zeuge,  dass  ältere,  be- 
sonnenere Männer  vor  dem  Zuvielgenusse  von  Toddy  abriethen.  Nach  Wood  wurde 
(1840)  auf  Butaritari  jährlich  ein  grosses  Fest  gefeiert  zum  Andenken  an  Teouki,  dem 
berühmtesten  Häuptlinge  der  Insel  und  Grossvater  des  damaligen  Königs. 

Tanzschmuck.  Der  ganze  Ausputz  der  mit  Cocosöl  eingeriebenen  Tänzer  war  ein 
sehr  einfacher  und  bestand  in  frischen  Blumen  und  Blättern.  Fast  alle  Theilnehmer 
hatten  frische  Blätter  ins  Ohr  gesteckt  und  Blumenkränze  um  den  Hals  wie  auf  dem 
Kopfe,  oder  einzelne  Blumen  im  Haare.  Andere  trugen  Streifen  von  frischem  Pandanus- 
Blatt  kreuzweise  über  die  Brust,  solche  als  Binden  um  das  Kopfhaar,  oder  grosse  Hals- 
kragen von  Blattfiedern  der  Cocospalme,  zuweilen  auch  Schärpen  aus  diesem  Materiale 
quer  über  die  Brust.  Im  Uebrigen  waren  die  Männer,  wie  gewöhnlich,  mit  Matten,  die 
Frauen  mit  dem  Faserröckchen  bekleidet,  dem  manche  noch  ein  zweites  aus  frischen, 
grünen  Cocosblättern  hinzugefügt  hatten.  Zum  besonderen  Fest-,  also  auch  Tanz- 
schmuck gehören  aber  auch  fein  geflochtene  Mädchenkappen  (Textfig.  i3),  Kopf  binden 
und  eine  Art  Kragen  aus  Mattengeflecht,  sowie  alle  unter  Putz  aufgeführten  Gegenstände, 
namentlich  Schnüre  von  Muschelscheibchen  (Taf.Vll  [24],  Fig.  1),  Zähnen  u.  s.  w.  Solche 
Schnüre  werden  nach  Kirby  von  Männern  und  Frauen  um  Hals  und  Leib,  sowie  um 
das  Fesselgelenk  getragen,  Spermwalzähne  quer  über  den  Rücken  nur  von  Männern. 
Letztere  sollen  auch  Augenbrauen  und  Bart  mit  Kohle  schwarz,  die  Backen  mit  feinem 
Korallsand  weiss  bemalen  (V,  S.  99).  Das  geölte  Haar  wird  mit  einem  Stöckchen  auf- 
gebauscht, so  dass  es  eine  weitabstehende,  papuaähnliche  Wolke  bildet;  Kahlköpfige 
bedienen  sich  einer  Perrücke. 

Aonalen  des  k.  k.  naturhistoriscfaen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  i,  1893.  3 


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Dr.  O.  Finsch. 


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Spisis  sind  sehr  beliebt,  und  namentlich  die  Jugend  vertreibt  sich  die  Zeit  mit  der- 
artigen harmlosen  Belustigungen  und  benimmt  sich  dabei  sehr  anständig.  Prügeleien, 
wie  man  sie  doch  bei  solchen  fröhlichen  »Wilden«  meist  voraussetzt,  habe  ich  nie 
gesehen;  auch  bettelten  die  Kinder  um  Tabak  nicht  mehr  als  anderwärts  und  >varen 
dabei  weniger  zudringlich.  Am  beliebtesten  ist  Ballspiel  nach  Art  des  Fangballes  bei 
uns.  Man  bedient  sich  dazu  eines:  « 

Dscham  (Nr.  626,  i  Stück),  Ball,  würfelförmig,  aus  Panda nus-Elatt  geflochten, 
Tarowa. 

Ein  anderes  Kinderspiel  ist  eine  Windmühle,  ganz  in  derselben  Weise,  wie  sie  die 
Kinder  aus  Papier  bei  uns  anfertigen.  Hier  werden  vier  Streifen  Palmblatt  zusammen- 
gefaltet und  an  ein  Stöckchen  aus  der  Rippe  einer  Blattfeder  der  Cocospalme  befestigt. 

Mit  grosser  Begeisterung  wird  von  Kindern  die  Anfertigung  von  Miniaturcanus') 
betrieben,  die  sie  sehr  primitiv,  aber  sinnreich  aus  dem  Marke  eines  Baumes  zu  machen 
wissen  und  mit  einem  kleinen  Mattensegel  versehen.  Solche  Canus  lässt  man  dann  bei 
günstigem  Winde  auf  der  Lagune  laufen,  ein  Spiel,  an  dem  sich  nicht  selten  Erwachsene 
betheiligen. 

Kirby  erwähnt  die  letztere  Vergnügung  ebenfalls  (V,  S.  100),  ausserdem  »Fussballc 
und  »Drachensteigen«.  Die  Drachen  sollen  aus  gespaltenem  Pan^j/izis-Blatt  gemacht  und 
sehr  »hübsch  geformt«  sein,  bedürfen  aber  noch  dringend  der  Bestätigung  durch  andere 
zuverlässige  Beobachter.  Wahrscheinlich  liegt  hier  eine  Verwechslung  mit  Südpolynesien 
zu  Grunde,  wo  GiU  von  der  Herveygruppe  Drachen  »aus  Tapa«  und  das  Spiel  mit 
solchen  beschreibt  (»Life  in  the  Southern  Isles«,  S.  64).   Auch  auf  Pelau  (Kubary). 

Ein  eigenes  Gesellschaftsspiel  mit  kleinen  Korallstückchen  sah  ich  öfters  von 
Frauen  eifrig  betreiben,  vermochte  aber  nicht  die  Regeln  desselben  zu  ergründen.  Durch 
den  Verkehr  mit  Weissen,  namentlich  auf  den  Werbeschiffen,  hatte  sich  aber  bereits  die 
»Civilisation«  auch  in  ihren  Spielen  Eingang  verschafft.  Sowohl  Dame,  als  auch  Karten 
sah  ich  öfters  von  beiden  Geschlechtern  mit  Leidenschaft  spielen,  wobei  manche  ihren 
ganzen  Tabakvorrath  verloren.  Das  Damenbrett  wurde  roh  in  den  Sand  gezeichnet; 
dunkle  und  helle  Korallstückchen  vertraten  die  Stelle  der  Steine. 

Sport.  Nach  Kirby  würde  Schwimmen  auf  der  höchsten  Brandungswelle,  wobei 
man  sich,  wie  auf  Hawaii  (und  den  Herveyinseln),  eines  Brettes  bedient,  zu  den  Haupt- 
belustigungen der  Gilbert-Insulaner  gehören,  was  ja  möglich  ist.  Aber  wenn  derselbe 
Berichterstatter  sagt,  dass  die  Gilbert-Insulaner  Hahnenkämpfe  sehr  lieben  (V,  S.  67),  so 
könnte  dies  höchstens  für  Kuria  gelten,  wenn  mir  auch  diese  Angabe  überhaupt  sehr 
zweifelhaft  scheint,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  kaum  Hühner  gehalten  werden. 

Ich  füge  hier  einen  eigenthümlichen  Brauch  ein,  den  ich  auf  Nawodo  beobachtete. 
Hier  wird  nämlich  der  Steinwälzer  (Strepsilas  interpres)y  der  auf  seinen  Wanderzügen 
alle  Inseln  der  Südsee  besucht,  in  besonderen  glockenförmigen  Käfigen  gehalten,  um  die 
Männchen  (im  Frühjahre)  kämpfen  zu  lassen.  Auf  dieser  Insel  lernte  ich  noch  einen 
anderen  eigenthümlichen  Sport  kennen,  den  Fang  von  Fregattvögeln  (Tackypetes 
aquila)y  der  zur  Zeit  meines  Besuches  (Juli),  wohl  zugleich  auch  die  Zugzeit  dieses  im- 
posanten Fliegers  des  Meeres,  mit  grossem  Eifer  betrieben  wurde.  Man  bediente  sich 
dazu  eines  besonderen  Geräthes,  einer  Art: 

Bola  oder  Schleuder  (Textfig.  i),  bestehend  aus  einen  konischen  Gewicht,  aus 
Tridacna  gigas  geschliffen,  welches  an  der  zugespitzten  Basis  durchbohrt  ist,  um  die 


I)  Das  im  Kat.  Mus.  God.,  S.  269,  Nr.  2604,  beschriebene  »Canoe- Modelle   gehört   in  die  Reihe 
der  Spielzeuge  und  ist  einem  europäischen  Boote  nachgebildet,  da  Canus  keinen  »Klüverbaum«  haben. 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfidsee. 


Fig.  I. 


sehr  lange  Fangleine  zu  befestigen.  Letztere,  70 — 80  Fuss  lang,  ist  sehr  fein  aus  Cocos- 
faser  gedreht  und  endet  in  einen  40  Mm.  breiten  Fingerring,  der,  aus  Schaftenden  von 
1  achjrpeteS'F edcrriy  mit  Faden  aus  Cocosfaser  umsponnen  ist  und  vom 
Vogelfänger  am  Daumen  oder  kleinen  Finger  der  Rechten  befestigt  wird. 
Das  obige  Exemplar  war  aus  Eisen  geschliffen,  andere  aus  dem  festen 
Kalkgesteine  (Arragonit),  identisch  mit  dem  gleichen  von  Banaba,  aus 
welchem  hier  Stiele  zu  Fischhaken  (wie  Nr.  148)  verfertigt  werden. 

Zum  Fange  der  Fregattvögel  waren  nahe  am  Ufer  besondere  lauben- 
artige Gerüste  gebaut,  und  auf  diesen  sassen  zahme  Fregattvögel,  um  die 
Wildlinge  anzulocken,  während  der  Vogelfänger  sich  unter  der  Laube 
verborgen  hielt.  Wenn  sich  nun  ein  wilder  Fregattvogel  in  weiten 
Kreisen  allmälig  zu  seinem  zahmen  Genossen  herabsenkte,  niedrig  genug, 
um  von  der  Bola  erreicht  werden  zu  können,  warf  der  Vogelfänger  blitz- 
schnell das  Geschoss  senkrecht  in  die  Höhe,  die  Bola  wickelte  sich  um 
den  Vogel  und  brachte  denselben  unverletzt  zur  Erde.  Nur  Häuptlinge 
betrieben  diesen  eigenthümlichen  Sport  und  hielten  dafür  besonders  ge- 
schickte Vogelfänger.  Es  handelte  sich  darum,  eine  möglichst  grosse  An- 
zahl Fregattvögel  zu  fangen,  wahrscheinlich  wegen  der  späteren  Be- 
nutzung der  Federn  (vergleiche  Finsch:  »Hamburger  Nachrichtenc,  ^  ' 
Nr.  286,  I.  December  1881  und  »Ibis«,  1881,  S.  247).  Natüri.  Grosse. 


4.  Fehden  und  Krieg. 

Unter  den  Völkern  Mikronesiens  sind  die  Gilbert-Insulaner  jedenfalls  am  streit-  und 
kampflustigsten,  eine  Folge  der  unverhältnissmässig  zahlreichen  Bevölkerung  der  frühe- 
ren Zeit.  Kriege  zwischen  Dörfern  und  Districten  einer  Insel,  wie  zwischen  Nachbar- 
inseln waren  von  jeher  an  der  Tagesordnung  und  haben  im  Leben  dieser  Eingeborenen 
stets  eine  bedeutsame  Rolle  gespielt;  Kriegführen  gehörte  gleichsam  mit  zu  den  Be- 
schäftigungen der  Männer.  Es  ist  daher  nur  leeres  Geschwätze,  wenn  Wood  behauptet 
(V,  S.  93),  auf  Makin  habe  damals  (1840)  seit  »loo  Jahren«  Frieden  geherrscht  und 
Waffen  habe  man  überhaupt  nicht  besessen.  Denn  derselbe  Berichterstatter  sagt,  sich 
selbst  widersprechend,  dass  die  von  den  Tarowaern  verjagten  Apaianger  (1500  Köpfe 
stark)  auf  Makin  freundliche  Aufnahme  fanden,  aber  hier  eine  Verschwörung  anzettelten 
und  in  Folge  dessen  sämmtlich  von  den  Makinern  erschlagen  wurden.  Man  sieht,  wie 
wenig  zuverlässig  diese  ersten,  unfreiwilligen  Autoritäten  sind,  deren  Aussagen  häufig 
der  Bestätigung  bedürfen.  Aber  es  ist  gewiss  richtig,  dass  die  Gilbert-Insulaner  früher 
mit  ganzen  Canufiotten  Ueberfälle  auf  Nachbarinseln  ausführten,  ja  sogar  einzeln  Er- 
oberungen machten.  Wie  wir  gesehen  haben,  wurden  Kuria  und  Arenuka  unter  die 
Botmässigkeit  Apamamas  gebracht ;  ja  Binoka,  der  Herrscher  dieses  Reiches,  versuchte 
in  den  Achtzigerjahren  sogar  Maiana  zu  unterjochen,  woran  ihn  nur  ein  englisches 
Kriegsschiff  hinderte.  Gewöhnlich  handelt  es  sich  aber  bei  diesen  Kämpfen  weder  um 
Politik,  noch  Eroberungen,  sondern  die  Ursachen  sind  häufig  sehr  geringfügige,  wie 
Eifersucht,  Liebeshändel,  Untreue  u.  dgl.  In  der  Regel  fordern  sich  einzelne  Raufbolde 
mit  ihrem  Anhange  heraus,  ohne  dass  es  zum  Kampfe  kommt,  wie  dies  im  Kat.  M.  G., 
S.  268,  sehr  amüsant  geschildert  wird;  zuweilen  entstehen  aber  auch  langwierige,  blutige 
Fehden,  die  für  die  Eingeborenenverhältnisse  noch  am  ersten  als  »Krieg«  bezeichnet 
werden  dürfen.   Dabei  haben  die  Gilbert-Insulaner  bisweilen  sogar  einen  Muth  gezeigt, 


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wie  solcher  selten  bei  Eingeborenen  der  SUdsee  vorkommt.  Die  Bewohner  ütiroas 
traten  der  amerikanischen  Strafexpedition  mit  einem  Heere  von  circa  600  Kriegern,  in 
drei  Treffen  getheilt,  entgegen,  Hessen  sich  durch  einzelne  Schüsse,  darunter  von  Rake- 
ten, nicht  schrecken,  und  erst  als  eine  allgemeine  Salve  die  vernichtende  Wirkung  der 
Feuerwaffen  zeigte,  ergriffen  sie  die  Flucht.  Das  in  Brand  gesteckte  Dorf  Utiroa  (3oo  Häuser 
mit  einem  grossen  Maneap)  wurde  gleich  von  den  Bewohnern  des  Nachbardorfes  Eta 
geplündert,  die  sich  über  die  Niederlage  ihrer  Feinde  freuten,  und  diese  Episode  gibt  ein 
anschauliches  Bild  der  Gilbert-Kriegsführung.  Bei  den  Kämpfen  nimmt  übrigens  das 
weibliche  Geschlecht  nicht  selten  lebhaften  Antheil;  so  fand  der  Missionär  Bingham  unter 
den  Gefallenen  auf  dem  Schlachtfelde  von  Apaiang  (1858)  die  Leichen  von  sechs  Frauen. 

Es  ist  eine  für  die  Civüisation  und  christliche  Gesittung  beschämende  Thatsache, 
dass  der  Eintritt  dieser  Aera  die  Kriege  der  Eingeborenen  nicht  vermindert,  sondern 
vermehrt  hat.  Und  daran  ist  das  Missionswerk,  selbstverständlich  durchaus  unbeab- 
sichtigt, zu  nicht  geringem  Theile  mit  Schuld  gewesen.  Allenthalben  wo  sich  die  Mission 
auf  den  Gilberts  festigte,  entwickelten  sich  politische  Zerwürfnisse  zwischen  christlichen 
und  nicht  übergetretenen  Königen,  es  bildeten  sich  Parteien,  von  denen  jede  die  Ober- 
hand zu  geysrinnen  strebte,  bis  man  zu  den  Waffen  griff.  Nicht  selten  arteten  diese 
Streitigkeiten  in  Kriege  aus,  die  als  Religionskriege  bezeichnet  werden  können,  wenn 
auch  auf  beiden  Seiten  andere  Interessen  mitsprachen.  Kaum  drei  Monate  nach  der 
ersten  Niederlassung  der  Mission  auf  Apaiang  (im  Februar  1858)  griffen  Eingeborene 
von  Tarowa  die  christliche  Partei  an,  welche  zwar  siegte,  aber  den  ersten  getauften 
»König«  verlor.  Aehnliche  Vorkommnisse  ereigneten  sich  fast  auf  allen  Inseln  und 
hatten  zum  Theile  das  zeitweise  Aufgeben  der  Mission  zur  Folge.  Nach  zwanzigjähriger 
Thätigkeit  entbrannte  (1878)  auf  Tarowa,  wo  die  Mission  fest  begründet  zu  sein  schien, 
Krieg  zwischen  Christen  und  »Heiden«,  es  kam  zum  Kampfe,  in  welchem  34  fielen, 
darunter  der  christliche  König  »David«  Tekurapia.  Auf  Onoatoa  siegte  dagegen  wieder 
die  christliche  Partei.  Am  schlimmsten  ist  es  auf  Tapiteuea  zugegangen,  welches  schon 
1878  eine  christliche  Gemeinde  von  800 — 900  Seelen  besass.  Hier  schien,  nach  dem 
blutigen  Kriege  von  1879,  der  Friede  für  immer  gesichert;  hatten  doch  die  Einge- 
borenen ihre  Waffen  (3oo  Speere,  Lanzen  etc.,  viele  Kürasse,  79  Musketen)  freiwillig 
der  Mission  zum  Verbrennen  eingeliefert.  Aber  schon  im  folgenden  Jahre  entstand  aufs 
Neue  Krieg,  und  am  15.  August  wurde  wohl  die  grösste  Schlacht  geschlagen,  welche 
die  Geschichte  der  Gilberts  kennt,  ein  grossartiger  Sieg  der  Christen  über  die  Heiden, 
wobei  über  3oo  (nach  Anderen  viel  mehr)  der  Letzteren,  darunter  eine  Menge  Frauen, 
fielen.  In  diesem  Kriege  und  an  seinen  Ursachen  haben  die  hawaiischen  Missionäre  (die 
Pastoren  Kapu  und  Nalimu)  eine  sehr  zweifelhafte  Rolle  gespielt;  sie  sollen  nicht  nur 
dem  Kampfe  ruhig  zugesehen,  sondern  zu  demselben  ermuthigt  und  schliesslich  grosse 
Strecken  Land  der  Besiegten  für  sich  behalten  haben.  Diese  schweren,  gegen  diese 
farbigen  Missionsprediger  erhobenen  Anklagen  hat  die  Oberleitung  in  Honolulu  leider 
nicht  zu  entkräften  vermocht,  zum  Theile  sogar  zugestehen  müssen.  Die  Ruhe  war 
übrigens  bis  1887  auf  dieser  Insel  nicht  hergestellt,  und  auch  auf  anderen  kam  es  hin 
und  wieder  zu  blutiger  Fehde.  Aber  in  allen  diesen  Kämpfen  ist  kein  einziger  der  christ- 
lichen, meist  farbigen  Missionäre  zum  Märtyrer  geworden,  was  zum  Lobe  der  Einge- 
borenen besonderer  Erwähnung  verdient. 

Auch  zur  Zeit  meines  Besuches  herrschten  auf  allen  Inseln  Kriegszustände,  aber 
ich  habe  davon  nicht  mehr  gesehen,  als  hie  und  da  bewaffnete  Banden,  zum  Theil  in 
recht  possierlichem  Aufzuge.  Jetzt  dürften  englische  Kriegsschiffe,  wirksamer  als  die 
Mission,  wohl  bessere  Ruhe  und  Ordnung  geschafft  haben. 


[3o5] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


37 


5.  Waffen  und  Wehr. 

Moderne  Waffe n,  schon  durch  die  ersten  Händler >)  eingeführt,  waren  damals 
bereits  ziemlich  verbreitet  und  mindestens  grosse  Messer  in  der  Hand  jedes  Eingebore- 
nen. Letztere  spielten  im  Streit  eine  grössere  Rolle  und  wären  im  Ganzen  gefährlicher 
als  Feuerwaffen!  mit  denen  die  Eingeborenen  zucn  Theil  nur  Lärm  machten,  um  sich 
zu  schrecken.  Vor  den  Maneaps  oder  Häusern  der  Häuptlinge  lagen  nicht  selten  Böller 
als  nutzloses  Vertheidigungsmittel,  aber  Musketen  und  Reiterpistolen  bildeten  Haupt- 
artikel des  Tauschhandels.  Besonders  beliebt  wairen  Bajonnets,  die,  an  einem  langen 
Stocke  befestigt,  am  meisten  den  einheimischen  Waffen  entsprachen. 

Eingeborene  Waffen  waren  daher  zum  Theil  äusserst  selten  und  sind  seitdem, 
wie  ich  später  durch  einen  auf  den  Gilberts  ansässigen  Händler  erfuhr,  so  gut  als  voll- 
ständig verschwunden.  Eine  Ausnahme  machen  diejenigen  Waffen,  welche  noch  auf 
einigen  südlichen  christianisirten  Inseln  eigens  für  den  Tauschhandel  mehr  als  Spielereien 
gefertigt  werden. 

Die  Hauptwaffen  der  Gilbert-Insulaner  bestehen  in  Speeren,  kurzen  Keulen  und 
verschiedenen  kleineren  Handwaffen.  Eine  weitere  ethnologische  Eigenthümlichkeit 
sind  Rüstungen  in  Form  von  Helm,  Kürass  und  Hosen,  die  zuweilen  den  ganzen  Körper 
decken  und  aus  sehr  kunstvollem  Flechtwerk  aus  Cocosnussfaser  bestehen. 

Ganz  besonders  charakteristisch  für  die  Waffen  der  Gilbertinseln  ist  die  häufige  Ver- 
wendung von  Haifischzähnen  (»Tetaba«  der  Eingeborenen)  als  Material  zur  Beweh- 
rung. Sie  finden  sich  äusserst  selten  an  alten  Marshallspeeren,  sonst  nur  bei  kleineren  Hand- 
waffen der  alten  Hawaiier  und  in  der  Ellicegruppe  (Funafuti).  Der  auf  den  Gilberts  so 
lebhaft  betriebene  Haifischfang  mag  zu  der  Benutzung  dieses  Materials  geführt  haben.  Es 
werden  hauptsächlich  die  Zähne  von  drei  Arten  Haifischen  verwendet,  deren  wissenschaft- 
liche Bestimmung  ich  zum  Theile  der  Güte  von  Herrn  Dr.  Hilgendorf  (Berlin)  verdanke. 

Am  häufigsten  verarbeitet  werden  Zähne  von  Galeocerdo  Rayneri,  Mac  Donald 
et  Barron  (Taf.  II  [19]).  Fig.  11,  ein  sehr  grosser  Zahn  der  rechten  Seite  der  Unter- 
kinnlade von  der  Innenseite,  mit  einem  Loch  durchbohrt  {a  Dicke);  Fig.  12,  ein  sehr 
grosser  Zahn  von  der  linken  Seite  des  Unterkiefers  von  der  Aussenseite,  mit  zwei  Bohr- 
löchern {a  Dicke). 

Ein  vor  mir  liegender  Unterkiefer  dieser  Haifischart  von  Nukunau  zählt  fünf  auf- 
einander liegende  und  sich  deckende  Zahnreihen  von  je  16 — 20  Zähnen,  von  denen  die 
seitlichen  jederseits,  sowie  eine  Mittelreihe  an  der  Verbindung  der  beiden  knorpel- 
artigen Unterkieferhälften  sehr  klein,  übrigens  in  der  Form  gleich  sind,  im  Ganzen  also 
circa  ipo  Zähne,  so  dass  dieselben  zur  Bewehrung  einer  grossen  Lanze  (wie  z.  B.  Nr.  701) 
nicht  ausreichen  würden.  Diese  Art  scheint  weit  verbreitet  zu  sein,  denn  ich  fand  Zähne 
derselben  bei  alten  Waffen  von  Hawaii  und  Tonga  benutzt. 

Zahn  von  Carcharias  lamia,  Risso,  var.')  (Taf.  II  [19]),  Fig.  iZ{a  Dicke),  Rand- 
saum mit  äusserst  feinen,  dichtstehenden  Sägezähnchen.  Wird  meist  zu  kleineren, 
namentlich  zu  Handwaffen  verwendet.  Eine  dritte  Sorte  ist: 

Zahn  (Taf.  II  [19],  Fig.  14)  einer  noch  unbestimmten  Haifischart,  sehr  klein,  mit 
äusserst  feinen,  sägeartigen  Randzähnen. 

I)  Die  circa  1500  Eingeborenen  auf  Nawodo  lieferten  bei  der  deutschen  Besitzergreifung  dem 
Kanonenboote  »Eberc  nicht  weniger  als  750  moderne  Gewehre  ab,  die  sie  meist  von  deutschen 
Händlern  gekauft  hatten. 

3)  »Die  Färbung  etwas  abweichend  und  die  Brustflosse  nicht  ganz  so  schlank  als  bei  Typus 
»Hilgendorfc  in  litt,  nach  von  mir  eingesandten  Exemplaren  aus  den  Marshalls. 


38 


Dr.  O.  Finsch. 


[3o6] 


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4 

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Fig.  2. 


Haifisch- 
zahn. 

Tonga. 


Diese  Art  findet  hauptsächlich  auf  den  südlichen  Inseln  der  Gruppe  Verwendung. 
Ich  sah  derartige  Zähne  auch  an  althawaiischen  Waffen. 

Zur  Ergänzung  sei  hier  der  sehr  eigenthüralichen  Zähne  einer  anderen, 
nicht  bestimmten  Haifischart  gedacht^  die  ich  zwar  nicht  an  Waffen  von  den 
Gilberts,  aber  bei  solchen  von  Tonga')  (im  Hofmuseum)  benützt  fand.  Die 
beigegebene  Skizze  (Textfig.  2)  zeigt  nur  den  Umriss,  ohne  Detail  der  Rand- 
bezähnelung. 

Die  grossen  Haifischzähne ,  welche  noch   heute  bei  den  Maoris  als 
Ohrbommel  beliebt  sind,  gehören,  wie  ich  hier  anfügen  will,  zu  Carcharias 
Rondelettiy  einer  Art,  die  auch  im  Mittelmeere  vorkommt. 
Weitere  Materialien  zur  Bewehrung  von  Speeren  sind : 
Rochenstacheln  (Nr.  783)  und 
Rochenhaut  (Nr.  784),  erstere  für  die  Spitze,  letztere  als  Umhüllung  der  Parir- 
stange  (vgl.  Taf.  I  [18],  Fig.  4)  verwendet. 

Nicht  alle  Waffen  der  Gilbertinseln  sind  mit  Haifischzähnen  besetzt,  sondern  es 
gibt  auch  glatte  Speere,  die  sich  aber  in  Museen  selten  finden,  weil  Reisende  gewöhn- 
lich nur  die  interessanteren,  mit  Haifischzähnen  besetzten  Waffen  mitbrachten. 
a)  Speere  (Lanzen). 
aa)  Ohne  Haifischzähne. 

Die  gewöhnlichste  Waffe  der  Gilbert-Insulaner  ist  oder  war  ein  glatter  Speer 
—  auf  Tarowa  »Tetaboa«  oder  »Tetabu«  genannt  —  rund,  an  beiden  Enden  zuge- 
spitzt, aus  Cocospalmholz ;  2*80 — 3*36  M.  lang,  also  ganz  ähnlich,  aber  schwerer  als 
die  gleichartige  Waffe  der  Marshallaner.  Sehr  häufig  ist  in  der  Mitte  eine  Schlinge  aus 
Schnur  von  Cocosnussfaser  angebunden,  als  Handhabe,  da  diese  Speere  wahrschein- 
lich geworfen  werden.    Sehr  verschieden  ist  der: 

Tetara  (Taf.  II  [19],  Fig.  6,  Spitzentheil),  Wurfspeer  aus  Cocospalmholz,  circa 
2  M.  lang,  der  Schaft  etwas  vierkantig,  der  circa  79  Cm.  lange  Spitzentheil  an  beiden 
Seiten  mit  eilf  eingeschnitzten  Widerhaken,  von  denen  die  zehn  ersten  mit  der  Spitze 
nach  abwärts,  die  letzten  drei  mit  der  Spitze  nach  aufwärts  gehen.  Ich  erhielt  von 
diesen  sehr  eigenartigen  Wurfspeeren  nur  noch  ein  Stück,  und  zwar  auf  Tarowa. 

Hudson  erwähnt  unter  den  Waffen  von  Tapiteuea  auch  Speere,  deren  Spitze  mit 
5 — 6  Rochenstacheln  bewehrt  war.  Hierher  gehören  die  von  »Tockelau«  und  »Ellice« 
verzeichneten  Wurfspeere  (Kat.  M.  G.,  S.  222),  früher  mit  der  Angabe  »Kingsmill«. 
Nach  Hudson  sind  die  Speere  der  Ellicegruppe  einfache  zugespitzte  Stöcke  von  Palm- 
holz, und  auf  Tockelau  fehlt  diese  Waffe  ganz.  Dagegen  waren  die  Speere  der  Samoaner 
mit  Rochenstacheln  bewehrt,  wie  solche  auch  früher  auf  den  Marshalls  vorkamen.  Glatte 
oder  mit  geschnitzter  Spitze  versehene  Speere  besassen  die  Hawaiier  noch  1841  (ab- 
gebildet bei  Choris,  PI.  XI,  Fig.  11,  12  und  i3),  wie  sie  die  einzige  Waffe  auf  Tonga- 
rewa (Penrhyn)  waren  (Choris,  PI.  XI,  Fig.  3  und  4);  die  Form  der  geschnitzten  Spitzen 
der  hier  abgebildeten  Speere  ist  sehr  verschieden  von  den  von  mir  dargestellten  von  den 
Gilberts  und  Marshalls  (Taf.  II  [19],  Fig.  i  und  6). 
bb)  Mit  Haifischzähnen. 

Die  Wirkung  derartiger  Waffen  wird  meist  sehr  übertrieben  geschildert  und  ist 
im  Ganzen  weit  weniger  gefährlich,  als  ihr  Aussehen.  Mit  einer  haifischzahnbesetzten 
Handwaffe  in  Form  eines  kurzen  Schwertes  lässt  sich  nicht  in  »ein  paar  Minuten  der 


I)  Die  angeführten  Waffen,  aus  der  Cook*schen  Sammlung  herrührend,  stammen   wahrschein- 
lich nicht  von  Tonga,  sondern  von  Hawaii.  Anm.  d.  Red. 


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[3o7] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee. 


39 


Kopf  eines  Menschen  absäbeln«,  wie  ein  Berichterstatter  versichert  (Gill,  »Life  in  the 
Southern-Isles«,  S.  Boy).  Aber  immerhin  können  hässliche  Wunden  entstehen,  die 
freilich  meist  Fleischwunden  sind  und  daher  im  Ganzen  wohl  leicht  heilen.  Ich  beob* 
achtete,  namentlich  auf  Brust  und  Rücken,  bei  einer  ziemlichen  Anzahl  Eingeborenen 
Wundnarben,  die  sich  durch  das  zackig-zerrissene  Aussehen  der  Ränder  bemerkbar 
machten.  Ein  Mann  von  Onoatoa  trug  besonders  auffällige  Zeichen  der  Tapferkeit  an 
seinem  Körper:  auf  der  linken  Schulter  eine  15  Cm.  lange,  blattähnlich  aussehende 
Wundnarbe,  auf  der  rechten  Rückenseite  eine  20  Cm.  lange,  auf  der  linken  Bauchseite 
eine  12  Cm.  lange,  ausserdem  sechs  grössere  Wundnarben  auf  dem  rechten  Arm,  vier 
Ratsche  am  Kinn  und  viele  andere  kleinere  Kratzer.  Gewiss  ein  Beweis,  dass  Gilbert- 
krieger nicht  immer  gewappnet  in  den  Kampf  ziehen. 

Unter  den  mit  Haifischzähnen  besetzten  Waffen  nehmen  ausserordentlich  schwere 
und  lange  Speere  oder  Lanzen  die  erste  Stelle  ein.  Ich  beschreibe  ein  altes  Stück  von 
Maraki: 

Donu  (Taf.  I  [18]),  Kriegsspeer  aus  Holz  der  Cocospalme  mit  Haifischzähnen: 
Fig.  I,  mittlerer  Theil,  grösste  Breite;  Fig.  2,  äusserster,  schmälster  Spitzentheil;  Fig.  3, 
Querschnitt,  a  Basis  des  Zahnes,  der  b  durch  Bindfaden,  welche  durch  Bohrlöcher,  c, 
gezogen  sind,  befestigt  ist;  Fig.  4,  mittlerer  Theil  von  der  Schmalseite  gesehen,  a  Parir- 
Stange,  b  Umhüllung  mit  stachliger  Rochenhaut. 

Die  Länge  des  Speeres  beträgt  4*38  M.,  wovon  der  runde,  dicke,  an  der  Basis 
stumpf  zugespitzte  Basistheil  2'3o  M.  misst,  bei  4  Cm.  Durchmesser;  der  2*80  M.  lange 
Spitzentheil  (an  der  Spitze  nur  16  Mm.  Durchmesser)  ist  an  jeder  Seite  zu  einer 
sanften  Hohlkehle  ausgearbeitet  (vgl.  Fig.  3),  so  dass  eine  an  der  Basis  10,  an  der  Spitze 
2  Mm.  hohe  und  14  Mm.  breite  erhabene  Kante  entsteht,  in  welche  in  vertieft  aus- 
gearbeiteten Löchern  die  Haifischzähne  (an  der  einen  Seite  58,  an  der  anderen  59)  mit 
der  Basis  eingelassen  und  mittelst  Bindfaden  sehr  sauber  festgebunden  sind.  Der  letztere 
besteht  aus  Faser  von  Hibiscus-Eeist  mit  eingedrehtem  Menschenhaar.  Die  Zähne,  sämmt- 
lich  von  einem  Gebiss  von  Galeocerdo  Rayneri,  nehmen  von  unten  nach  oben  an 
Grösse  ab,  und  zwar  so,  dass  die  grössten  in  der  Mitte  des  Basistheiles  mit  der  Spitze 
nach  unten  (vgl.  Fig.  i  a),  die  kleinsten  am  Ende  mit  der  Spitze  nach  oben  gerichtet 
stehen  (vgl.  Fig.  2  a).  Einige  der  Zähne  sind  doppelt  durchbohrt  (vgl.  Fig.  i  und  2  a). 
Die  eigentliche  Spitze  des  Speeres  besteht  aus  vier  (14  Cm.  langen)  Rückenstacheln 
eines  Rochen  (je  an  der  Basis  8  Mm.  breit  und  an  jeder  Seite  mit  56  äusserst  feinen 
rückwärtsgebogenen  Sägezähnen),  die  mit  feinem  Bindfaden  aus  Hibiscus-Faser  und 
Menschenhaar  festgebunden  sind.  Als  Schmuck  dienen  einige  Streifen  Pandanus-Blaxtf 
die  gleich  Bändern  flattern,  sowie  unterhalb  der  Spitze  zwei  Büschel  Menschenhaar 
(10  Cm.  lang),  wohl  als  Erinnerungszeichen  an  einen  Kampf  o.  dgl.  Da,  wo  die  Hai- 
fischzähne anfangen,  circa  2*20  M.  von  der  Basis,  ist  eine  etwas  gekrümmte  (20  Cm. 
lange)  Parirstange  aus  Hartholz  festgebunden,  die  mit  einem  18  Cm.  langen  Stück  von 
der  körnigen,  aber  mit  sehr  spitzen  Stacheln  besetzten  Haut  einer  Rochenart  bekleidet  ist. 

Wenn  schon  die  mustergiltige  Bearbeitung  der  Stange  aus  hartem  Holz  volle 
Anerkennung  verdient,  so  nicht  minder  die  sehr  accuraten,  enggebohrten  Löcher,  wo- 
von dieser  Speer  allein  117  durch  Holz  und  ebensoviel  durch  die  viel  härteren  Zähne 
erforderte,  gewiss  eine  ebenso  mühsame  als  schwierige  Arbeit,  von  der  man  nicht  be- 
greift, wie  und  mit  welchen  Werkzeugen  sie  die  Eingeborenen  bewältigen  konnten. 

Donu  (Nr.  701,  i  Stück),  wie  vorher;  circa  4-16  M.  lang.  Tarowa. 

Ich  erhielt  eine  sehr  massige  Anzahl  dieser  Speere  auf  Butaritari,  Tarowa,  Maraki 
und  Maiana,  sah  aber  keinen  mehr  machen,  da  es  damals  damit  so  ziemlich  vorbei  war. 


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40 


Dr.  O.  Finsch. 


[3o8] 


Der  längste  Speer  mass  fast  5  M.  und  war  beinahe  bis  zur  Hälfte  mit  Haifischzäbnen 
besetzt,  ein  Ueberfluss,  der  nur  dadurch  einigermassen  Erklärung  findet,  weil  die  Waffe, 
wenn  auch  zum  Stich  geeignet,  doch  vorzugsweise  hauend  gehandhabt  wird.  Die 
Parirstange  (übrigens  zuweilen  fehlend)  dient  zur  Abwehr,  respective  zum  Auffangen 
der  feindlichen  Waffe. 

Die  mit  Haifischzähnen  besetzten  Waffen  der  südlichen  Gilberts  unterscheiden  sich 
meist  durch  die  ganz  abweichende  Befestigung  der  Zähne.  Dieselben  sind  an  der  Basis 
zwischen  zwei  dünne  Holzstäbchen,  Rippen  von  den  Blattfiedern  des  Blattes  der  Cocos- 
palme,  festgeklemmt  und  mittelst  feinen  Bindfadens  festgebunden,  der  rings  um  das 
Holz  und  durch  das  Bohrloch  des  Zahnes  läuft,  also  nicht  durch  Bohrlöcher  im  Holz 
(vgl.  Taf.  171  von  Edge-Partington).  Die  in  dieser  Weise  verarbeiteten  Zähne  sind  meist 
die  kleineren  von  Carcharias  lamia  und  der  noch  kleineren  Art  (Taf.  II  [19],  Fig.  14). 

Speere  von  der  Länge  der  >Donu«  werden  auch  auf  den  südlichen  Inseln  ge- 
fertigt (Hudson  erwähnt  20  Fuss  lange  von  Tapiteuea);  gewöhnlich  handelt  es  sich 
aber  um  viel  leichtere  Waffen,  die  in  Form  und  Ausführung  des  Besatzes  mit  Haifisch- 
Zähnen  grosse  Verschiedenheiten  aufweisen. 

Ein  3*20  M.  langer  Speer  von  Tapiteuea  ist  am  Spitzentheile  60  Cm.  lang  mit 
vier  Reihen  Zähnen  besetzt. 

Ein  anderer  Speer,  ganz  wie  vorher  und  von  der  gleichen  Localität,  ist  in  zier- 
lichem Schachbrettmuster  aus  hellen  Pa/i^^nw^-Blattstreifen  und  schwarzem  Menschen- 
haar umflochten. 

Kleinere  Speere  (i*6o— 1*68  M.  lang),  vierkantig,  mit  vier  Reihen  feiner  Haifisch- 
zähne besetzt,  erhielt  ich  ausser  von  Tapiteuea  auch  von  Arorai. 

Ein  anderer  Speer  (1*44  M.  lang)  von  Banaba  (Ocean  Isl.)  ist  mit  zwei  Reihen 
Haifischzähnen  besetzt,  die  sich  spiralig  um  den  runden  Stock  winden;  eine  sehr  kunst- 
volle Arbeit. 

Eine  andere  Art  Speere  zeichnen  sich  durch  Querhölzer  oder  Seitenäste  aus  (vgl. 
Abbild.  Wilkes,  vol.  V,  S.  75),  die  ebenfalls  mit  Haifischzähnen  besetzt  sind,  wie  das 
folgende  Stück: 

Teraidai  (Nr.  702,  i  Stück),  dreigegabelte  Waffe,  längs  des  Hauptstammes,  wie  an 
ilen  beiden  Seitenästen  mit  Haifischzähnen  besetzt.  Tapiteuea. 

Ein  anderes  Stück  von  derselben  Localität,  2  M.  lang,  trägt  in  der  Mitte  ein  halb- 
mondförmig gebogenes  Querholz  (jederseits  circa  3o  Cm.  lang),  das,  wie  der  mittlere 
l^tirmie  Spitzentheil,  an  jeder  Seite  mit  einer  Reihe  Haifischzähnen  besetzt  ist.  Andere 
J^mrtige  Stücke  (0*9 — i*i  M.  lang)  zeigten  vier  Reihen  Zähne  und  gerade  (nicht  ge- 
lu)gene)  Seitenäste  mit  ein  oder  zwei  Reihen  Zähnen.    Sie  heissen  auf  Tapiteuea  »Te 

Eine  ganze  Reihe  derartiger  Waffen  (darunter  solche  mit  2—3  zahnbesetzten 
ScIlonUsten)  von  den  südlichen  Inseln  bildet  Edge-Partington  (Taf.  171)  ab. 

Bei  allen  diesen  Waffen  bestehen  die  Bindfaden,  mit  welchen  die  Zähne  fest- 
^rhuiiilen  sind,  zum  Theile  oder  ganz  aus  Menschenhaar,  und  häufig  sind  als  Verzierung 
UMiihcrc  Umwickelungen  aus  Haarschnüren,  sowie  an  der  Spitze  Blattstreifen  von  Pan- 
tiiimt.i  oder  Haarbüschel  angebracht.  Ein  grosser  Theil  dieser  Waffen,  ausgezeichnet 
dllich  weiches  (eingeführtes)  Holz,  zierliche  Arbeit  und  neues  Aussehen  des  Nicht- 
m*l»iiuichc8,  werden  oder  wurden  eigens  lediglich  für  den  Tauschhandel  mit  Weissen 
MM^('lci(lf;t  und  nicht  von  den  Eingeborenen  gebraucht.  Wenigstens  war  dies  damals 
(li}|  lall,  und  solche  Phantasiewaffen,  zum  Theil  Miniaturnachbildungen  grosser  Speere, 
wnrdon  boNondcrs  auf  den  christlichen  Inseln  Arorai  und  Peru  gemacht. 


[Sog] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


41 


b)  HandwaflTen  (säbel-  und  messerartige). 

aa)  Mit  Haifischzähnen. 

Die  folgenden  altgebrauchten  Stücke  können  als  Typen  dieser  Art  Waffen  gelten. 

Tetaba;  Handwaffe  mit  säbelartig  gekrümmtem  Blatt  aus  Hartholz,  58  Cm.  lang, 
55  Mm.  breit;  längs  der  Mittellinie  mit  erhabenem  Kiel,  an  der  Basis  mit  rundlichem 
Handgriff;  die  Schneide  der  einen  Seite  mit  zehn,  der  anderen  mit  eilf  Zähnen  von 
Galeocerdo  Rayneri  besetzt,  die  ganz  in  der  Weise  einzeln  durch  Bohrlöcher  im  Holz 
festgebunden  sind,  wie  bei  den  grossen  Speeren  (Taf.  I  [18],  Fig.  i).  Peru. 

Ein  anderes  Stück  mit  gekrümmtem  Blatt  von  derselben  Localität  ist  nur  87  Cm. 
lang  (davon  der  Handgriff  10  Cm.)  und  mit  Zähnen  von  Carcharias  lamia  besetzt. 

Solche  säbelartige  Haifischzahnwaffen  sind  abgebildet:  Choris,  Taf.  II,  Fig.  i  und 
GiU,  »Life  in  the  Southern-Isles«,  S.  807. 

Wie  sich  viele  der  im  Vorhergehenden  erwähnten  Waffen  dadurch  unterscheiden, 
dass  sie  bis  auf  einen  kurzen  Handgriff  an  der  Basis  dicht  mit  Zähnen  besetzt  sind,  so 
werden  andere  noch  mehr  zu  kurzen  schwert-  oder  messerförmigen,  sägeartigen  Hand- 
waffen, wie  das  folgende  Stück: 

Hand^vaffe  (Taf.  I  [18])  von  Nawodo:  Fig.  5  Basistheil,  der  flachgerundete 
Handgriff  hinter  a  12  Cm.  lang;  Fig.  6  Spitzentheil,  die  Länge  des  Mitteltheiles  zwi- 
schen a  und  b  (Fig.  5)  beträgt  23  Cm.,  die  ganze  Länge  51  Cm.;  die  Zähne  (von  Car- 
charias lamia\  ig  an  der  einen,  20  an  der  anderen  Seite,  sind  mit  der  Basis  in  eine 
Nute  eingelassen  und  durch  sehr  fein  gedrehten  Bindfaden  aus  Cocosfaser  und  Menschen- 
haar festgebunden. 

Ein  sehr  ähnliches  Stück  ist 

Handwaffe  (Nr.  778,  i  Stück),  kurz,  messerförmig,  jederseits  mit  Haifischzähnen 
besetzt. 

Aehnlich  sind  die  Handwaffen,  welche  Hudson  (V,  S.  Sg)  von  der  Ellicegruppe 
(Funafuti)  als  »Messer«  erwähnt.  Sie  bestehen  aus  einem  circa  fusslangen  Stück  Holz, 
an  beiden  Seiten  mit  kleinen  Haifischzähnen  besetzt,  die  aber  nicht  blos  mit  Bindfaden 
befestigt,  sondern  auch  in  eine  Art  Kitt  eingeklebt  sind. 

Diese  Art  kleiner  Handwaffen  gehen  allmälig  über  in  die  Kratzinstrumente, 
wie  sie  nur  von  Frauen  gebraucht  werden. 

Tcbutj  (Nr.  780,  I  Stück,  Taf.  I  [18],  Fig.  7),  Frauenwaffe,  ein  an  beiden  Enden 
zugespitztes  Stück  Holz  von  der  Cocospalme,  in  welches  eine  Nute  eingearbeitet  ist,  in 
welcher  ein  Haifischzahn  (von  Galeocerdo  Rayneri)  sauber  eingelassen  und  mittelst 
zweier  Bohrlöcher  (eines  durch  den  Zahn,  das  andere  durch  das  Holz)  mit  Bindfaden 
festgebunden  ist;  eine  feingeflochtene  doppelte  Schnur  aus  Cocosfaser  (a),  welche  eine 
Schlinge  von  6  Cm.  Länge  bildet,  dient  als  Handhabe.  Tarowa. 

Tebutj  (Nr.  779,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  mit  zwei  Haifischzähnen  (von  der- 
selben Species)  bewehrt,  die  mit  einem  Loche  durchbohrt  und  mit  vierfachem  Bindfaden 
direct  um  den  hölzernen  (16  Cm.  langen)  Stiel  festgebunden  sind;  der  letztere  ist  ziem- 
lich roh  gearbeitet  (aus  Mangrove)  und  die  Schlinge  ein  gewöhnlicher  Cocosstrick. 
Tarowa. 

Die  Zahl  der  Haifischzähne  wechselt  von  einem  bis  zu  mehreren  Stücken  und 
(iarnach  auch  die  Länge  (bis  32  Cm.).  Ich  erhielt  auch  Exemplare,  deren  Stiel  nicht 
aus  Holz,  sondern  aus  Walfischknochen  gearbeitet  war. 

Ein  sehr  feines  Stück  aus  der  alten  Zeit  ist  das  folgende: 

Frauenwaffe  (Nr.  781,  i  Stück,  Taf.  I  [18],  Fig.  8),  ein  am  Ende  sanft  ge- 
bogener, längs  der  Mittellinie  flach  gekielter  (26  Cm.  langer  und  3  Cm.  dicker)  Holz- 


^ 


42 


Dr.  O.  Finsch. 


[3io] 


1 
f 


i 


ii 


griff,  mit  einem  Haifischzahn  (von  Galeocerdo  Rayneri)  bewehrt  und  in  zierlichem, 
hellen  und  schwarzen  Schachbrettmuster  überflochten.  Nawodo  (Pleasant  Isl.). 

Der  Haifischzahn  ist  mit  dem  Holz  durch  je  zwei  Bohrlöcher  mittelst  Binde- 
material befestigt.  Das  letztere  besteht  nicht  aus  Pflanzenstoff,  sondern  scheint  anima- 
lisch (ähnlich  gespaltenem  Fischbein?)  zu  sein;  das  durch  die  aussenständigen  Bohrlöcher 
gezogene  Material  ist  mit  Menschenhaar  umsponnen.  Das  helle  Muster  der  Flechtarbeit 
des  Handgriffs  besteht  aus  gespaltener  Pandanus-ElM.idiStVy  das  schwarze  in  der  vor- 
deren Hälfte  aus  schwarzgefärbtem  Hibiscus-Basiy  in  der  hinteren  Hälfte  aus  Menschen- 
haar. Die  23  Cm.  lange  Schleife,  welche  als  Handhabe  dient,  ist  aus  obigen  Pflanzen- 
materialien gedreht. 

Ganz  ähnlich  sind  althawaiische  Handwaffen  im  British  Museum  und  eine  solche 
im  kais.  Museum  in  Wien  (noch  von  Cook's  Reisen  her).  Letztere  besteht  aus  einem 
rechtwinkelig  gebogenen,  gleichschenkligen  Holzstück,  dessen  dünneres,  abgerundetes 
Ende  den  Handgriff  bildet,  während  in  das  verbreiterte  entgegengesetzte  Ende  ein  Hai- 
fischzahn (von  Galeocerdo  Rayneri)  eingesetzt  ist. 

Weiber  pflegen  häufig  solche  Handwaffen  unter  dem  Faserschurz  verborgen  bei 
sich  zu  führen,  um  sich  bei  Ueberfällen  damit  zu  vertheidigen,  benützen  dieselben  aber 


Fig.  3. 


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1 


Vi  natürl.  Grösse. 
Stichwaffe  aus  Walknochen. 

auch  nicht  selten  bei  Streitigkeiten  untereinander,  um  sich  gegenseitig  zu  zerkratzen. 
Die  kleineren  Kratzer  (wie  Nr.  780)  werden  mit  den  ersten  zwei  Fingern  der  Linken 
geführt,  da  ja  die  Schlinge  zu  klein  ist,  um  die  ganze  Hand  aufzunehmen.  Das  spitze 
Ende  dient  ausserdem  zum  Stossen,  wie  bei  den  meisten  dieser  zahnbesetzten  W^affen, 
welche  hauptsächlich  zum  Kratzen  bestimmt  sind. 

Eine  eigenthümliche  Stichwaffe  ist  im  Kat.  M.  G.  (Taf.  XXVIII,  Fig.  3)  von  den 
Gilberts  abgebildet.  Sie  besteht  aus  einem  Griff  aus  Knochen  (wohl  Walfisch),  an 
welchen  sechs  (bis  17  Cm.  lange)  Rochenstacheln  mit  Cocosschnur  angebunden  sind. 

bb)  Ohne  Haifischzähne  (Stilet,  Keulen). 

Ein  Stück  aus  der  alten  Zeit  ist  das  folgende : 

Te  karabino  (Nr.  785,  i  Stück,  Textfig.  3),  stiletartige  Handwaffe  aus  Walfisch- 
knochen, 26  Cm.  lang,  in  der  Mitte  20  Mm.  breit  und  15  Mm.  dick,  sehr  unbedeutend 
gebogen,  an  beiden  Enden  zugespitzt,  in  der  Mitte  mit  einem  runden,  sehr  sauber  ge- 
bohrten Loch,  durch  welches  eine  Cocosschnur  als  Handhabe  befestigt  ist.  Tarowa. 

Keulen  sind  niemals  mit  Haifischzähnen  besetzt,  sondern  von  sehr  einfacher 
Form  (vgl.  auch  Kat.  M.  G.,  Taf.  XXVI,  Fig.  9),  wie  die  nachfolgend  beschriebene, 
und  waren  damals  die  häufigst  zu  erlangende  Waffe.  Diese  Keulen  stimmen  übrigens 
in  der  Form  ganz  mit  den  althawaiischen  überein,  wie  ich  sie  im  British  Museum  sah, 
fehlen  aber  auf  den  Marshall-  und  EUice-Inseln. 


I 


[3 II] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegscOcke  aus  der  Sudsee. 


Te  batschirau  (Nr.  772 — 774,  3  Stück).  Keulen  (Taf.  II  [ig],  Fig.  9),  vier- 
kantige, am  Ende  zugespitzte,  an  der  Basis  in  einen  runden  Handgriff  gearbeitete, 
schwere  Knüppel  aus  Holz  der  Cocospalme;  63 — 81  Cm.  lang;  vor  dem  Handgriff  ist 
ein  Loch  durchgebohrt  und  hier  eine  Schlinge  aus  feingeflochtener  Cocosfaserschnur 
durchgezogen,  welche  um  die  Hand  befestigt  wird.  Butaritari.  Auch  auf  Makin,  Maraki, 
Tarowa  und  Apaiang  erhalten. 

Eine  in  der  Form  ganz  übereinstimmende  Keule  (79  Cm.  lang),  aber  nicht  aus 
Holz,  sondern  aus  Walfischknochen  (Unterkiefer  vom  Spermwal)  gearbeitet,  erhielt  ich 
auf  Maraki.  Andere  Keulen  (bis  1*18  M.  lang)  weichen  dadurch  etwas  ab,  dass  beide 
Enden  zugespitzt  sind.  Nach  Hudson  dienen  diese  Keulen  auch  zum  Abwehren  der 
Speere.  Rohe  Holzkeulen  finden  sich  auch  auf  der  Ellicegruppe  (Funafuti)  und  auf 
Otooha  (Paumotu). 

c)  Schlagstein  (?  Schleuder). 

Im  Steinwerfen  mit  der  Hand  besitzen  auch  die  Gilbert-Insulaner,  wie  alle  diese 
Völker,  grosse  Geschicklichkeit,  und  namentlich  sollen  sich  damit  die  Weiber  beim 
Kampfe  betheiligen.  Eigentliche  Schleudern  finde  ich  aber  nirgends  erwähnt,  erhielt 
auch  selbst  keine,  wohl  aber  die  nächstfolgende  eigenartige  Waffe: 

Tedau  (oder  Tekadau)  (Nr.  833,  i  Stück),  Schlag-  oder  Schleuderstein  (Taf.  II 
[19],  Fig.  15),  eiförmig  aus  Tridacna  geschliffen  (Gewicht  125  Gr.),  an  der  Basis  mit 
einem  Bohrloch  versehen,  in  welches  eine  18  Cm.  lange  Schnur  aus  Cocosnussfaser 
geknüpft  ist,  welche  in  eine  Schlinge  endet,  weit  genug,  um  die  Hand  durchzustecken. 
Tarowa. 

Wahrscheinlich  diente  diese  Waffe  nach  Art  unserer  Todschläger  im  Hand- 
geraenge zum  Schlagen,  wurde  vielleicht  aber  auch  geworfen.  Als  Bola  zum  Vogel- 
fange (vgl.  Textfig.  I,  S.  35)  sind  diese  Steine  zu  schwer.  Ich  erhielt  nur  noch  sehr 
wenige  Exemplare,  darunter  ein  länglichspitzes,  aus  einem  Stück  Messing  (wahrschein- 
lich Gewicht  oder  dergleichen)  geschliffen,  ebenfalls  durchbohrt  und  mit  einer  Schnur 
zur  Handhabung. 

d)  Wehr. 

In  Ermangelung  geeigneten  Holzes  zu  Schilden, ')  hauptsächlich  aber  in  Rücksicht 
auf  die  eigenthümlichen  Waffen,  kamen  die  Gilbertinsulaner  wohl  auf  den  Einfall,  aus 
Cocosnussfaser  Rüstungen  zu  verfertigen,  die  in  ihrer  Eigenart  mit  zu  den  ethnologi- 
schen Charakterzügen  dieser  Inselgruppe  gehören.  Wenn  Kirby  meinte,  diese  Rüstun- 
gen seien  (1840)  vor  nicht  langer  Zeit  eingeführt  worden,  so  liegt  dafür  gar  kein  Be- 
weis vor.  Im  Gegentheil  zeigt  das  gleichzeitige  Vorkommen  dieser  Wehrstücke  auf 
Nawodo  und  Banaba  die  ethnologische  Zusammengehörigkeit  dieser  Inseln  mit  den 
übrigen  Gubens.  Diese  Rüstungen  sind  äusserst  kunstvoll  und  mühsam  gearbeitet,  in- 
dem circa  10  —  15  Mm.  breite  und  dicke  Wülste  aus  Cocosfaser  mit  feinem  Bindfaden 
aus  demselben  Material  dicht  umstrickt  und  reihenweise  so  zusammengeflochten  wer- 
den, dass  sie  ein  anscheinend  nur  aus  Bindfaden  bestehendes,  ausserordentlich  dichtes 
Gewebe  darstellen,  welches  für  die  eingeborenen  Waffen  fast  vollständig  Schutz  ge- 
währt. Ich  sah  freilich  einen  Harnisch,  der  durchbohrt  war,  aber  wohl  von  einem 
Bajonnetstich. 


I)  Ich  kenne  nur  einen  Schild  von  den  Gilberts  im  British  Museum;  derselbe  besteht  aus  einer 
sehr  grossen  Knochenplatte,  jedenfalls  aus  dem  Schulterblatt  des  Spermwales  gearbeitet,  aus  welchem 
Material  ich  Flechtbretter  erhielt;  vielleicht  ist  es  ein  solches. 


SM 


Dr.  O.  Flnich. 


[31.] 


Zur  Rüstung  gehört  zunSchst  der 

Te  paiingani  (Nr.  S43,  i  Stück),  Helen;  halbkugelfSrmige  Kappe  aus  emem 
spiralig  aufgewundenen  Wulsl  oder  Strick  aus  Cocosfaser  (in  20  Windungeu),  dicht 
mit  Bindfaden  eingestrickt.  Tarowa. 

Zuweilen  sind  solche  Kappen  noch  mit  OhrenkUppeo  verseheu  und  sammen 
dann  in  der  Form  ausserordentlich  mit  gewissen  Formen  eiserner  Helme  des  Mittel- 
alters Qberein  und  mit  solchen,  wie  sie  heute  noch  im  Kaukasus')  vorkommen. 

Ein  solcher  vor  mir  liegender  Cocosfaserhelm  misst  10  Cm.  im  Durchmesser,  die 
Höhe  der  halbkugel  förmigen  Kappe  12  Cm.,  die  Ohrenklappen  sind  12  Cm.  lang,  an 
der  Basis  15,  am  unteren  Rande  10  Cm.  breit,  die  Dicke  beträgt  15  Mm.  Ein  solcher 
Helm  deckt  den  ganzen  Kopf  bis  über  die  Augen  und  kann  manchen  Schlag  und  Stoss 
aushallen.  Das  Exemplar  zeigt  auch  verschiedene  Ratsche  durch  Halfischzähne  hervor- 
gebracht, die  aber  wenig  tief  eindrangen. 

Beliebt  als  Kopfbedeckung  des  Kriegers  ist  auch  die  aufgeblasene  und  getrocknete 
Haut  eines  Stacheltisches  (D'ioJnn),  die  wie  eine  Kappe,  zuweilen  mit  Ohrenklappen 
ausgeschnitten  ist.  Ich  erhielt  solche  von  Tapiteuea,  hier  >Te  dautsch«  genannt,  wo  sie 
zu  Hudsoa*s  Zeil  fast  von  jedem  Krieger  getragen  wurden  (Abbild.  Wilkes  V,  S.  75). 
Helme  verschiedener  Form  bildet  Edge- Parti  ngton  (Taf.  170)  ab,  worunter  der 
rechts  unten  dargestellte  in  seiner  Flechtarbeit  mit  den  oben  beschriebenen  Obereinstim  ml. 
Das  Hauptstück  der  RQstung  bildet  der 

Te  dange  (Nr.  842,  i  Stück),  Kürass  oder  Harnisch  mit  Kopfschutz.  Material 
und  Flechtarbeit  ganz  wie  bei  dem  vorherbeschriebenen  Helm.  Maraki. 

Ein  solcher  Kürass  von  derselben  LocaÜtät  besteht  aus  zwei  Theilen,  wovon  der 
eine  die  Brust,  der  andere  den  Rücken  deckt  und  die,  in  einer  Breite  von  ri  Cm.  über 
die  Achseln  verbunden,  aus  einem  Stück  geflochten  sind,  wie  der  aufrechtstehende 
Schutz  für  den  Hinterkopf  nur  eine  Fortsetzimg  des  Rückentheiles  bildet.  Der  letztere 
zählt  40  Reihen  mit  Bindfaden  dicht  zusammengefiochtener  Wülste  oder  Stricke  aus 
Cocosnussfaser,  das  Kopfschuizstück  20.  Die  Masse  sind  folgende:  Höhe  vorne  52  Cm., 
hinten  72,  davou  der  Kopfschutz  21,  letzterer  an  der  Basis  25,  am  oberen  Rande  36Cm. 
breit;  Breite  des  Bruststückes  über  der  Brust  38,  am  unteren  Rande  70  Cm.;  Breite  des 
Rückenstückes  über  den  Schultern  45,  am  unteren  Rande  74  Cm.;  Brust-  und  Rücken- 
stück messen  längs  des  inneren  Randes  34  Cm^  lassen  also  12  Cm.  hohe  und  17  Cm. 
breite  Armlöcher  frei;  die  Oetfnung  für  den  Kopf  misst  21  Cm.  im  Längs-,  19  im  Quer- 
durchmesser, ist  also  ziemlich  eng;  es  erfordert  einige  Gewalt,  um  einen  europäischen 
Mannskopf  durchzuzwängen.  In  der  Mitte  des  Brusttheiles  sind  zwei  circa  meterlange, 
dicke,  fein  aus  Cocosfaser  geiiL>chtene  Schnüre  befestigt,  welche  dazu  dienen,  die  mit 
den  Seilenwänden  übereinandergelegten  beiden  Theüe  des  Kürass  festzubinden. 

Da  dieser  Kürass,  der  noch  nicht  zu  den  schwersten  gehört,  bereits  4  Kilo  800  Gr. 
»"legt,  der  Helm  700  Gr.,  so  ergibt  dies  immerhin  das  anständige  Gewicht  von  zusam- 
mco  II  Pfund,  was  lur  einen  Tropenkrieger  gewiss  recht  reichlich  ist. 

Die  Kürasse  sind  übrigens,  auch  in  der  Flechtarbeit,  sehr  verschieden,  zuweilen 
ohne  Kopfschutz,  oder  der  lemere  ist  ansehnlich  höher  und  dann  häuiig  durch  Stützen 
zum  Geradehalten  mit  dem  Achselstück  verbunden. 

Sehr  eigenthönüich  sind  die  enorm  grossen  und  schweren  Kürasse  von  Nawodo, 
bei  denen  der  Kopfschua  rund  herumllult  und  so  einen  trichterförmigen  Aufsatz  ober- 
halb der  Schulten»  bildet,  welcher  bei  einer  Höhe  von  40 — 50  Cm.  und  einem  Durch- 


it  Bd  Jen  (IbevMires. 


[3i3] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


45 


roesser  bis  zu  60  Cm.  den  ganzen  Kopf  einschliesst  und  denselben  weit  überragt.  Ein 
Schlitz  an  der  Vorderseite  dieses  Aufsatzes  dient  als  Ausguck.  Der  ganze  Kürass  erhält 
dadurch  eine  becherartige  Form.  Ich  erhielt  nur  noch  ein  solches  Stück,  das  mit  reichem 
Muster  aus  eingeflochtenem  Menschenhaar  verziert  war,  wie  dies  häufig  bei  Kürassen 
der  Fall  ist.  (Vgl.  auch  Kat.  M.  G.,  Taf.  XXVIII,  Fig.  2.)  Die  gleiche  Form  der  Kürasse 
soll  übrigens  auch  auf  Tapiteuea  vorkommen,  aber  Hudson  erwähnt  sie  nicht,  sondern 
nur  die  gewöhnliche  Form  (Abbild.  Wilkes,  V,  S.  75). 

Zur  Rüstung  eines  Gilbertkriegers  gehören  auch  KriegshOSen.  Dieselben  sind 
nach  unten  zu  ziemlich  eng,  aber  lang  und  bis  aufs  Fussblatt  fallend,  aus  grobmaschigem, 
netzartigen  Flechtwerk  aus  Cocosfaser  geflochten,  reichen  oberseits  meist  bis  auf  die 
Brust  und  werden  durch  Bänder  über  die  Achseln  festgehalten.  Häufig  ist  mit  sol- 
chen Hosen  ein  fein  geflochtener  Brust-  und  Rückenlatz  verbunden  (vgl.  Kat.  M.  G., 
Taf.  XXVIII,  Fig.  6).   Ich  erhielt  solche  Kriegshosen  auch  auf  Nawodo. 

Aus  grobmaschigem  Cocosfasergeflecht  verfertigt  man  auch  Jacken  und  Aermel, 
die  mit  Bändern  auf  Brust  und  Rücken  festgebunden  werden.  Die  Figur  eines  solchen 
Kriegsmannes  in  voller  Rüstung  bei  Edge-Partington  (Taf.  170)  ist  jedenfalls  besser  als 
die  bei  Wilkes  (V,  S.  48)  von  Tapiteuea-Kriegern,  von  denen  der  links  abgebildete 
Mann  wie  in  Tricot  gekleidet  aussieht. 

e)  Kriegsbauten. 

Die  Kriegsführung  der  Gilbert-Insulaner  kennt  auch  gewisse  Befestigungen,  die 
zar  besseren  Vertheidigung  dienen.  Ich  beobachtete  auf  den  nördlichen  Inseln  hie  und 
da  um  grössere  Häuser  mauerartige  Wälle,  aus  Korallsteinen  erbaut,  solche  auch  auf 
Nawodo.  Das  Haus  eines  alten  Häuptlings  hier  war  auf  drei  Seiten  mit  Schanzen  um- 
geben und  circa  3  Fuss  dicken  und  4 — 5  Fuss  hohen  Mauern  aus  Flechtwerk  von 
Zweigen  mit  Korallgestein  ausgefüllt,  die  gegen  Flintenkugeln  sicherten;  die  vordere 
offene  Seite  der  Fortification  war  mit  einem  Böller  armirt.  Hudson  fand  das  Dorf  Utiroa 
auf  Tapiteuea  von  einem  Pallisadenzaune  aus  8 — 10  Fuss  hohen  Pfählen  umgeben; 
innerhalb  dieser  Pallisaden  waren  je  10  oder  12  Häuser  wiederum  besonders  eingezäunt, 
so  dass  das  Ganze  für  Eingeborene  immerhin  eine  bedeutende  Festung  ausmachte. 

WachthäUSer,  wie  sie  Hudson  von  der  letzteren  Insel  erwähnt,  sah  ich  auch  auf 
Maraki,  Apaiang  u.  s.  w.  Es  sind  kleine  Hütten,  auf  2 — 2  '/a  M.  hohen  Pfählen  und 
mittelst  einer  rohen  Leiter  zugänglich,  die  aus  einem  mit  Kerben  versehenen  Pandanus- 
Stamm  besteht.  Solche  Pfahlhäuser  finden  sich  einzeln,  meist  ziemlich  entfernt  vom 
Dorfe,  auf  dem  Riffe  der  Lagune  und  sind  auf  einer  kleinen  Erhöhung  von  Korallsteinen 
errichtet,  zum  Schutz  gegen  die  Fluth.  Diese  sonderbaren  Bauten  wurden  als  »Mücken- 
häuser« bezeichnet,  in  welchen  man  unbelästigt  von  Mosquitos  (»Maninerac)  nächtigt 
und  die  namentlich  von  Fischern  benutzt  werden,  welche  zeitig  Reusen  und  Fisch- 
wehre revidiren.  Das  mag  in  Friedenszeiten  wohl  seine  Richtigkeit  haben,  aber  der 
eigentliche  Zweck  dieser  Pfahlbauten  ist  ein  kriegerischer,  denn  bei  Unruhen  sind  hier 
Vorposten  stationirt,  die  durch  Rauchsäulen  das  Herannahen  des  Feindes  anzeigen  oder 
die  Dorfbewohner  allarmiren. 

Aehnlich  sind  die  »Mückenhäuser«  auf  Rotumah  (Edge-Partington,  Taf.  168),  die 
wahrscheinlich  gleichen  Zwecken  dienten. 


ö.  Bestattung  und  Schädelperehrung. 

Die  Bestattungsweise  der  Gilbert- Insulaner  zeigt  melanesische  Anklänge  und  w^iwin 
durch  eigenthümliche,  indess  zum  Theil  äusserst  widerliche  Gebräuche  sehr  von  der 


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Dr.  O.  Finsch. 


[3 14] 


sonst  in  Mikronesien  üblichen  ab.  Der  Leichnam  wird  gewaschen  (!?)  und  geölt  auf  einer 
Matte  im  Maneap  zur  Parade  ausgestellt,  wobei  feierliche  Tänze  mit  Gesängen  zum 
Lobe  des  Verstorbenen  stattfinden.  Dies  dauert  oft  acht  Tage  und  länger,  so  dass  be- 
reits starke  Verwesung  eingetreten  ist,  ehe  man  die  Leiche,  in  Matten  eingenäht,  meist 
im  Hause  eines  nahen  Verwandten  mit  dem  Gesicht  gegen  Osten  begräbt.  Zuweilen 
wird  aber  auch  das  Leichenbündel  auf  dem  Boden  des  Hauses  verwahrt,  bis  alles  Fleisch 
abgefault  ist,  und  dann  der  Schädel,  nachdem  man  ihn  sorgfältig  gereinigt  und  geölt 
hat,  aufgehoben.  Mit  diesen  Angaben  Kirby*s  von  Kuria  stimmen  die  von  Bingham 
über  diese  Gebräuche  auf  Apaiang  fast  ganz  überein.  Dort  schläft  die  Witwe  nicht 
selten  wochenlang  neben  der  Leiche  ihres  verstorbenen  Gatten  unter  derselben  Matte, 
und  Leidtragende  sollen  sich  mit  dem  Schaume  vom  Munde  des  Verstorbenen  das  Ge- 
sicht beschmieren  etc.  Aehnliches  geschieht  in  gewissen  Districten  an  der  Südostkuste 
Neu-Guineas  (z.  B.  Hood-Bai),  wo  der  Leichnam  im  Wohnhause  liegen  bleibt,  bis  er 
ganz  zersetzt  ist. 

Wood*s  Angaben  über  die  Gebräuche  auf  Makin,  wonach  der  auf  eine  grosse 
Schüssel  aus  Schildkrötenschalen  gelegte  Leichnam  von  zwei  bis  vier  Personen  abwech- 
selnd während  einer  Periode  von  vier  Monaten  bis  zwei  Jahren  (!!)  auf  den  Knieen  ge- 
halten wird  (Wilkes,  V,  S.  io3),  und  zwar  nicht  blos  die  Leichen  von  Häuptlingen, 
sondern  auch  solche  von  Sclaven,  gehören  einfach  ins  Gebiet  der  Fabel. 

Ich  selbst  habe  Gilbert -Eingeborene  wenige  Stunden  nach  dem  Ableben  begraben 
sehen,  wobei  der  nur  in  eine  Matte  gewickelte  Leichnam  ohne  weitere  Ceremonien  in 
das  Grab  gelegt  wurde.  Das  letztere  ist  nicht  deshalb  so  wenig  tief,  weil  man  den  Aber- 
glauben hat,  dass  sonst  bald  ein  weiterer  Todesfall  folgen  würde,  sondern  weil  es  bei 
dem  Korallboden  jener  Inseln  überhaupt  schwer  fällt,  einigermassen  tief  zu  graben. 
Ein  Häuptling  von  Maiana,  der  in  Folge  des  Genusses  giftiger  Fische  auf  Dschalut  starb, 
war  wie  verschwunden ;  man  habe  ihn  in  der  Stille  beerdigt,  hiess  es.  Als  ich  aber  einige 
Tage  später  in  die  Hütte  der  Leute  kam,  veranlasste  mich  ein  sehr  starker  Geruch  zu 
Nachforschungen.  Da  fand  ich  die  Leiche  in  einer  kaum  fusstiefen  Grube  liegen,  mit 
einer  Matte  zugedeckt,  um  welche  die  W^eiber  hockten,  und  Alles  schlief  und  ass  in  dem- 
selben Räume,  in  welchem  auch  gekocht  wurde.  Ohne  Einschreiten  würde  der  Leich- 
nam, welcher  bereits  ziemlich  in  Verwesung  übergegangen  war,  wohl  noch  lange  nicht 
entfernt  worden  sein. 

Die  Gräber,  welche  ich  auf  den  Gilberts  sah,  waren  sehr  nahe  bei  den  Häusern  und 
kennzeichneten  sich  als  eine  sorgsam  mit  weissen  Korallsteinen  bestreute  Stelle  des 
Erdbodens,  ohne  Erhöhung.  Zuweilen  waren  Grabstellen  mit  flachen  Korallplatten 
bedeckt  und  ein  paar  Cocospalmen  dabei  angepflanzt.  Solche  Plätze  sind  irrthümlich 
als  »Aufenthalt  der  Götterc  gedeutet  worden. 

Zum  Andenken  an  den  Verstorbenen  werden  übrigens,  wie  erwähnt,  pantomimi- 
sche Tänze  abgehalten,  wobei,  wie  ich  nach  eigener  Beobachtung  hinzufügen  will,  viel 
Schnaps  getrunken  wird.  Bemalen  des  Körpers  mit  Schwarz  als  Trauerfarbe  wie  in 
Melanesien,  oder  irgend  welchen  Trauerschmuck  habe  ich  nicht  beobachtet. 

Die  Sitte,  den  Schädel  verstorbener  Anverwandten  aufzubewahren,  erinnert  an  den 
ähnlichen  Gebrauch  in  Melanesien  (Salomons,  Neu-Britannien,  Neu-Guinea)  und  war 
früher  auch  auf  Samoa  üblich,  wo  man  den  Schädel  später  ausgrub  und  als  Andenken 
behielt,  sowie  auf  der  Oster-Insel.  Die  amerikanische  Expedition  sammelte  hier  Schädel 
mit  eingravirten  Schriftzeichen.  Bingham  sah  auf  Apaiang  Witwen  den  Schädel  ihres 
verstorbenen  Gatten  mit  sich  umhertragen,  selbst  bei  Besuchen  in  benachbarten  Dörfern. 


IL. 


[3i5] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsce. 


47 


Ich  selbst  konnte  den  Schädel  des  vorher  erwähnten  Häuptlings  um  keinen  Preis»)  er- 
stehen; er  wanderte  mit  der  Witwe  in  die  Heimat. 

Diese  Schädelverehrung  bildet  eine  Art  Ahnencultus,  wie  er  besonders  in  Mela- 
nesien stark  entwickelt  ist,  in  Mikronesien  aber  in  dieser  Weise  sonst  nicht  vorkommt. 
Nach  Kirby  werden  die  Schädel  der  Vorfahren  als  eine  Art  »Hausgötterc  betrachtet,  die 
man  bei  wichtigen  Angelegenheiten  hervorholt,  einölt,  mit  Kränzen  schmückt  und  ihnen 
Speise  vorsetzt.  Capitän  Breckwoldt  sah  auf  Banaba  in  einem  Maneap  Schädel  aufge- 
hangen (mündliche  Mittheilung),  und  ich  selbst  entdeckte  solche  durch  Zufall  in  einem 
besonderen  Hause  auf  Nawodo.  Dasselbe  war  jedenfalls,  wie  allerlei  Geräth  bewies,  be- 
wohnt; aber  im  hinteren  Theile  befand  sich  eine  eigenthümlich  aufgeputzte  Abtheilung. 
Hier  war  aus  Stäben  eine  Art  Zaun  gebildet,  mit  drei  Reihen  circa  i  Va  Fuss  hoher, 
kreuzförmiger  Stöcke,  an  denen  lange  Streifen  Pandanus-BlüXl  gleich  Bändern  flatter- 
ten; an  den  Querhölzern  der  Stöcke  hingen  ausserdem  etliche  mit  Cocosnussöl  gefüllte 
Flaschen,  die  wohl  als  Opfergaben  gedeutet  werden  konnten.  Denn  vor  diesen  geputz- 
ten Kreuzstöcken  lag  in  einer  Hamburger  Ginkiste  ein  Todtenschädel,  jedenfalls  der 
würdigste  Schrein  für  einen  notorischen  Trinker,  wie  es  alle  Bewohner  der  vergnüg- 
lichen Insel  damals  waren.  Jim  Mitchel,  ein  weisser  Händler,  erklärte  denn  auch  den 
Schädel  als  den  des  Vaters  seiner  Hauptfrau,  eines  gewaltigen  Häuptlings,'  dem  sein 
Sohn  Agua  ardente  Nachfolger  werden  sollte.  Solche  Schädel  sind  daher  keineswegs 
»Trophäen«  (Kat.  M.  G.,  S.  650)  erschlagener  Feinde,  sondern  Andenken  verstorbener 
Anverwandten,  wie  in  Melanesien,  wo  man  aus  solchen  Schädeln  sogar  Masken  und 
Armbänder  (I,  S.  [3i]  und  II,  S.  [156])  anfertigt.  Vermuthlich  gehören  die  Halsketten 
aus  Menschenzähnen  ebenfaUs  in  die  Kategorie  der  Andenken  an  Verstorbene,  wenn 
auch  Kirby  behauptet,  dass  im  Kampfe  Gefallenen  zuerst  die  Zähne  ausgeschlagen  wer- 
den. Abgesehen  davon,  dass  dies  mit  den  Werkzeugen  dieser  Eingeborenen  nicht  so 
leicht  geht,  verdient  auch  bemerkt  zu  werden,  dass  diese  Halsketten  fast  stets  nur  aus 
Vorder-  und  Eckzähnen  bestehen,  welche  leicht  ausfallen.  Die  festsitzenden  Backen- 
zähne finden  sich  nur  einzeln  und  sehr  selten  verwendet  (wie  z.  B.  in  der  Halskette 
Nr.  449  der  Sammlung). 

Ahnenfiguren,  in  Melanesien  so  häufig,  scheinen  auch  auf  den  Gilberts  vorzukom- 
men. Ich  sah  im  British  Museum  eine  roh  aus  Holz  geschnitzte  menschliche  Figur, 
einen  sogenannten  »Götzen«.  Dieselbe  ähnelt  sehr  althawaiischen  Schnitzereien,  ist 
aber  durch  Markirung  von  Tätowirung  sehr  merkwürdig  und  mit  »Gilbert-Inseln«  be- 
zeichnet. Mir  selbst  ist  niemals  eine  derartige  Figur  vorgekommen ;  aber  Hudson  er- 
hielt auf  Tapiteuea  »carved  Images«,  die  aUe  für  Tabak  hergegeben  wurden  (V,  S.  4g), 
beschreibt  dieselben  aber  leider  nicht.  Derselbe  erhielt  auch  einmal  auf  Fidschi  eine 
kleine  Holzfigur,  einen  Menschen  darstellend,  die  aber  nicht  verehrt  wurde  (IIl,  S.  152). 

7.  Geister-  und  Aberglauben. 

Ueber  die  im  Leben  von  Naturvölkern  am  schwierigsten  zu  erkundenden  Fragen, 
die  des  geistigen  Lebens  und  der  religiösen  Anschauungen,  haben  wir  bisher  hauptsäch- 
lich nur  durch  Kirby  und  Wood  Auskunft  erhalten.     Dieselben  lebten  ja  allerdings 


1)  Ebenso  ging  es  Rev.  Dämon,  als  er  sich  auf  Tarawa  die  grösste  Muhe  gab,  Schädel  zu 
erlangen:  »We  visited  a  very  Golgatha,  where  the  skuUs  (wohl  etwas  übertrieben!)  lay  upon  the 
ground  thick  as  leaves  in  the  valey  of  Vallombrosa,  but  the  king  would  not  allow  us  to  take  one 
away.c  (Morning  Star  papers,  Honolulu  1861,  S.  49.) 


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[3 16] 


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lange  genug  als  weisse  Kanaka  unter  den  Gilbert-Insulanern ;  indess  sind  sie  doch  nicht 
als  Forscher  zu  betrachten  und  schon  hinsichtlich  ihrer  Bildung  gewiss  nicht  in  dem 
Masse  competent,  als  dies  wünschenswerth  sein  würde. 

Nach  Kirby  heisst  die  hauptsächlichste  Gottheit  »Wanigain«  oder  »Tabu-eriki  < 
welche  von  der  Mehrzahl  des  Volkes  in  Form  besonderer  Steine  verehrt  wird,  wie  in 
ähnlicher  Weise  »Itivinic  und  »Itituapea«,  beides  weibliche  Gottheiten.  Andere  ver- 
ehren gewisse  Vögel,  Fische  oder  die  Geister  ihrer  Vorfahren,  letztere  die  Makiner  nur 
allein,  die,  nach  Wood,  keine  Götter  kennen.  Zum  Andenken  berühmter  Häuptlinge 
werden  nicht  allein  Feste  gefeiert  (S.  33),  sondern  auch  grosse  Steine  errichtet,  die  mit 
Cocosblättern  geschmückt  und  bei  denen  Cocosnüsse  niedergelegt  werden.  Auf  Kuria 
sind  solche  Steine  zum  Theil  in  besonderen  Häusern  (»Ba-ni-motac  oder  »Bota-ni-antic) 
untergebracht,  die  sich  von  gewöhnlichen  nur  dadurch  unterscheiden,  dass  das  Dach 
auf  Korallblöcken  ruht  und  im  Innern  der  Bodenraum  fehlt.  Solche  Häuser  erwähnt 
Hudson  auch  unter  dem  Namen  »Teo-tabu«  von  Tapiteuea.  Die  circa  3  7a  Fuss  hohen 
Steine  oder  Pfeiler  aus  Korallsteinen  haben  in  der  Mitte  eine  Aushöhlung,  an  welche 
der  »Iboyac  oder  »Boyac,  Priester,  sein  Ohr  legt,  um  die  Eingebung  des  Gottes  zu 
empfangen  und  darnach  zu  weissagen.  Nach  Wood  gibt  es  auf  Makin  keine  Priester, 
wohl  aber  Personen,  welche  vorgeben,  mit  den  Geistern  zu  verkehren,  und  ebenfalls 
weissagen,  sowie  Zeichen  deuten.  Kirby  erzählt  auch  von  dem  »Kainakakic  oder 
Elysium  der  Kurianer,  das  auf  der  Insel  »Tavairac  (Maiana)  liegen  soll,  wo  die  Seelen 
herrlich  und  in  Freuden  leben,  das  aber  nur  die  von  »Tätowirten«  erreichen  können 
und  somit  n  ur  einer  sehr  geringen  Minderzahl  zugänglich  sein  würde.  Abgesehen  von 
diesem  Unsterblichkeitsglauben,  der  sehr  der  näheren  Bestätigung  bedarf,  reducirt  sich 
die  sogenannte  Religion  der  Gilbert-Insulaner  zu  einer  Art  Fetischismus,  in  welchen  die 
Ahnen  eine  hervorragende  Rolle  spielen,  wie  dies  schon  aus  der  Schädelverehrung  her- 
vorgeht. Die  sogenannten  »Priester«  sind  nichts  Anderes  als  jene  Art  Weissager,  wie  sie 
sich  bei  so  vielen  Naturvölkern  (z.  B.  in  Asien  als  Schamanen)  finden  und  entsprechen 
den  »Drikanan«  der  Marsh  allaner. 

Die  Weissager  bedienen  sich  auch  gewisser  Dinge  als  Orakel-  und  betrachten 
mancherlei  Zeichen  als  Omen  für  den  günstigen  oder  ungünstigen  Ausgang  eines  Unter- 
nehmens, einer  Krankheit  o.  dgl.,  wie  sie  auch  letztere  besprechen,  oder  durch  Zauberei 
Jemanden  damit  behaften,  ja  tödten  können.  Alles  Vorgänge,  die  ähnlich  sich  überall 
wiederfinden.  Nach  Wood  gelten  auf  Makin  Sternschnuppen  als  Anzeichen  des  Todes 
eines  Familiengliedes,  und  ich  selbst  war  Zeuge,  dass  Vogelflug  gedeutet  wurde,  nur 
wusste  man  nicht  recht,  welches  Ereigniss  eintreten  werde,  vermuthete  aber  die  Geburt 
eines  Kindes.  Auch  Windmacher  gab  es.  Eine  Frau  versprach  gegen  Bezahlung  einiger 
Stücke  Tabak  »guten  Wind«  zu  machen;  als  derselbe  ausblieb  und  ich  den  Tabak 
scherzweise  wieder  zurückforderte,  wurde  sie  (und  ich)  von  den  Eingeborenen  ausgelacht. 
Von  der  Geisterfurcht  der  Gilbert-Insulaner  habe  ich  oft  Proben  erlebt.  Schon  der 
klagende  Ruf  des  »Tscheggun«  (Goldregenpfeifers,  Charadrius  fulvus)^  der  bei  den 
nächtlichen  Wanderzügen  vom  Riff  herübertönte,  erschreckte  zuweilen  so,  dass  die 
Eingeborenen  die  Hütte  nicht  verliessen.  Ganz  besonders  fürchteten  sie  aber  »Tebe- 
rainimen«,  einen  anscheinend  bösen  Geist,  ganz  wie  die  Neu-Britannier  den  »Toberan« 
und  die  Koiäri  den  »Wattewatte«  (I,  S.  [33]  und  II,  S.  [i23]). 

Sogenannte  Steinfetische  oder  »Opferplätze«  habe  ich  häufig  auf  allen  von  mir 
besuchten  Inseln  gesehen,  aber  immer  als  Gräber  von  hervorragenden  Häuptlingen 
oder  sonstige  Erinnerungszeichen  angesehen,  was  ja  Wood's  Angaben  deckt.  Gewöhn- 
lich bestanden  diese  Denkmäler  in  Korallsteinen,  kreisförmig  hingelegt  oder  aufgerichtet, 


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1317] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee. 


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mit  Cocosblättern  oder  Nüssen  dabei,  wie  ein  solches  in  Wilkes'  Reisewerk  (V,  S.  iio) 
abgebildet  ist.  Zuweilen  war  ein  Stock  in  die  Erde  gesteckt,  mit  einem  an  zwei  Stricken 
befestigten  Querholz,  das  an  jedem  Ende  mit  einem  Büschel  Federn  (vom  Fregattvogel) 
oder  PandanuS'RlaitstTcifen  geschmückt  war  und  >Teman«  (=  Vogel)  hiess.  Der  Platz 
um  diesen  Stock  war  meist  geebnet,  zuweilen  mit  weissem  Korallgrus  bestreut  und 
einigen  Cocospalmen  bepflanzt.  Ein  besonders  merkwürdiges  und  eigenartiges  Denk- 
mal fand  ich  auf  Tarowa.  In  der  Mitte  eines  grösseren,  rings  mit  Cocospalmen  bestan- 
denen, sorgfältig  geebneten  und  mit  Korallschutt  bedeckten  runden  Platzes  war  eine 
kreisförmige  Einfriedigung  aus  Platten  von  Korall fels  errichtet,  dessen  Centrum  der 
Schädel  eines  gestrandeten  Walthieres  bildete.  Er  stand  aufrecht,  mit  dem  Vordertheil 
eingegraben,  so  dass  nur  das  Hinterhaupt  hervorragte,  und  gehörte  einer  grösseren  Art 
Delphin,  wahrscheinlich  Orcüy  an  (die  Breite  über  die  Jochbeine  mass  i'3o  M.).  Um  die- 
sen Schädel  lagen  unregelmässig  einige  Korallplatten,  und  es  waren  einige  Cocospalmen 
angepflanzt.  Vermuthlich  galt  dies  Memento  der  glücklichen  Erbeutung  des  betreffenden 
Thieres,  dessen  Strandung  gewiss  ein  besonderes  Ereigniss  in  dem  einförmigen  Leben 
dieser  Menschen  gebildet  hatte.  Die  Cocosnüsse,  welche  an  solchen  Stellen  niedergelegt 
werden,  und  mit  denen  übrigens  keinerlei  »Tabu«  verbunden  ist,  dienen  gewiss  als 
Opfer,  sollen  aber  häufig  nächtlicher  Weile  von  den  Weissagern  entfremdet  werden. 

Aehnliche  Denkmäler,  in  Form  mit  Matten  bekleideter  Säulen,  finden  sich  in  der 
Tockelaugruppe  und  werden  von  Hudson  als  »Götzen«  beschrieben  und  abgebildet  (V, 
S.  14).  Monsignore  Elloy  gedenkt  »eines  grossen  Korallstückes,  in  Form  eines  Mark- 
steines, umgeben  von  Matten  und  Cocosnüssen«,  von  Fakaafo. 

In  die  Kategorie  der  Besprechungen  fällt  auch  ein  Theil  der  Heilkunde  der  Gilbert- 
Insulaner.  Ein  weisser  Händler  trug  einen  Streifen  Palmblatt,  in  besonderen  Zauber- 
knoten geknüpft,  um  den  Hals,  als  sichtbares  Zeichen  einer  Heilmethode  durch  Be- 
sprechen, die  seine  Schwiegermutter  geübt  hatte,  wie  Knüpfen  von  Knoten  in  einen 
ßlattstreif  überhaupt  mit  Krankheiten  Besprechen  zu  thun  hat.  Ich  sah  eine  Wahr- 
sagerin bei  einem  kranken  Kinde  thätig.  Sie  legte  vier  Steinchen  in  verschiedenen 
Figuren  um  das  Lager  des  Kindes,  um  darnach  den  Ausgang  der  Krankheit  vorauszu- 
sagen, ähnlich  wie  das  Abreissen  der  Blüthenblätter  einer  Blume  bei  uns  als  Omen  ge- 
deutet wird.  Ein  anderer  weisser  Händler  war  von  einem  Eingeborenen  glänzend  von 
Rheumatismus  in  der  Schulter  curirt  worden.  Der  »Doctor«  hatte  erst  den  »Knoten« 
als  eigentlichen  Sitz  des  Uebels  aufgesucht,  gefunden  und  dann  mittelst  Streichen  und 
Drucken  das  Leiden  entfernt,  also  eine  Art  Massage  angewendet,  die  ja  ganz  gut  ge- 
wesen sein  kann.  Brennen,  d.  h.  Auflegen  kleiner  Stückchen  glimmender  Cocosnuss- 
schale,  wird  ebenfalls  als  Heilmethode  angewendet. 


III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten. 

(Materielles  und  wirthschaftliches  Leben.) 

/.  Ernährung  und  Kost. 

Entsprechend  der  Armuth  von  Flora  und  Fauna  (S.  20  [288]  f.)  kann  auch  die  Er- 
nährung der  Bewohner  der  Korallinseln  nur  eine  bescheidene  sein.  Die  Natur  bietet 
Mos  sehr  wenige  geniessbare  Producte  und  auch  diese  zuweilen  nur  äusserst  spärlich, 
so  dass  die  Gilbert-Insulaner  in  der  That  mit  zu  den  bedürfnisslosesten  Erdenbewoh- 
nern gehören.  Trotz  der  mageren  Kost  sind  indess  die  Gilbert-Insulaner  jedenfalls  die 
am  besten  aussehenden,  grössten  und  anscheinend  stärksten  von  allen  Mikronesiern, 

Anoalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  Vllf,  Heft  i,  1893.  4 


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Dr.  O.  Finsch. 


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die  unter  guten  Ernährungsverhältnissen  ebenso  zu  Corpulenz  hinneigen  wie  die  Poly- 
nesier,  z.  B.  Hawaiier.  Ich  sah  solche  Personen  auf  Butaritari,  und  Tekere,  der  König 
von  Makin,  war,  wie  sein  College  aufApamama,  so  dick,  dass  er  der  Stärke  der  Strick- 
leiter nicht  traute  und  deshalb  nicht  an  Bord  kam.  Der  jeweilige  Grad  der  Ernährung 
übt  ja  überhaupt  auf  das  Aussehen  nicht  blos  der  Eingeborenen,  sondern  überhaupt 
einen  gewaltigen  Einfluss  aus,  und  so  ist  es  erklärlich,  dass  Haie  die  gut  genährten 
Makiner  für  eine  besondere  Race  hielt.  Auf  den  Gilberts  lernte  ich  auch  so  recht  ken- 
nen, mit  wie  unglaublich  Wenigem  der  Mensch  in  jenen  Himmelsstrichen  auszukommen 
vermag;  allerdings  sind  das  Menschen,  die  nicht  anstrengend  arbeiten.  Zur  Zeit  meines 
Besuches  war  ein  grosser  Theil  der  Bewohner  von  Maraki  auf  nichts  Anderes  als  Pan- 
danuSy  unreife  Cocosnüsse,  Palmsaft  und  kleine  Fische  angewiesen.  Eine  Handvoll  der 
Letzteren,  nebst  einer  Cocosnussschale  voll  Palmsaft,  Früh  und  Abends,  genügte  zur 
Ernährung  eines  Erwachsenen.  Von  den  grünen,  unreifen  Nüssen,  die  noch  keinen 
Kern  enthielten,  wurde  die  dreikantige  Spitze  abgeschlagen,  in  vier  Stücke  gerissen  und 
verzehrt.  Obwohl  der  Mangel  schon  lange  Zeit,  über  ein  Jahr  und  vielleicht  mehr,  an- 
hielt, war  das  Aussehen  dieser  Leute  doch  noch  ein  ziemlich  erträgliches. 

Freilich  gab  es  damals  auch  klägliche  Gestalten,  aber  sie  waren  nichts  im  Vergleiche 
mit  den  Bildern  menschlichen  Elends,  wie  ich  sie  auf  Tarowa  kennen  lernte,  und  gar 
erst  den  Hungert^-pen  von  Banaba!  Hier  verliessen  die  wenigen  Eingeborenen  in  Folge 
factischer  Hungersnoth  ihre  arme  Insel,  Jammergestalten  aus  Haut  und  Knochen,  wie 
sie  entsetzlicher  nicht  gedacht  werden  können  (Finsch,  Anthrop.  Ergebn.,  1884,  S.  11). 
Aber  eine  mir  vorliegende  Photographie  nahezu  verhungerter  Indier  während  der  grossen 
Hungersnoth  in  Bengalen  zeigt  freilich  noch  bei  Weitem  erbarmungswürdigere  Wesen 
und  die  Wirkung  des  Hungers  in  der  traurigsten  und  abschreckendsten  Form. 

So  regelmässig,  als  Kirby  das  Leben  der  Gilbert-Insulaner  schildert  (Wilkes,  V, 
S.  89),  gestaltet  es  sich  bei  aller  Einförmigkeit  nirgends  bei  Eingeborenen,  auch  nicht 
bezüglich  der  Mahlzeiten.  Die  Letzteren  richten  sich  eben  nach  dem  Vorhandensein 
von  Lebensmitteln,  und  diese  sind,  namentlich  auf  den  Gilberts,  nicht  immer  nach 
Wunsch  vorräthig. 

a)  Pflanzenkost. 

Die  Gilbert-Insulaner  sind  wie  alle  Mikronesier  und  Bewohner  der  Südsee  über- 
haupt vorherrschend  Vegetarianer.  Ihre  Ernährung  basirt  in  erster  Linie  auf  dem 
Schraubenbaum  (Pandanus),  »Tittu«,  der  auf  diesen  Inseln  besonders  üppig  gedeiht 
und  in  mehreren  Arten  wild  vorkommt.  Dieses  palmähnliche,  baumartige  Kolbenrohr 
zeitigt  kolossale,  runde,  in  der  Form  etwas  an  Ananas  erinnernde  Früchte,*)  die  an 
20  Pfund  und  mehr  wiegen.  Jede  Frucht  setzt  sich  aus  einer  grossen  Anzahl  konischer, 
circa  8  Cm.  langer,  faseriger  Kerne  zusammen,  die  eine  gelbe,  süsse  Flüssigkeit  enthal- 
ten. Diese  Kerne  werden  gewöhnlich  ausgesaugt.  Die  holzige  Faser  Hndet  sich  daher 
in  den  Auswurfstoffen  der  Gilbert- Insulaner  in  ansehnlicher  Menge.  Der  Saft  wird  aber 
auch  ausgepresst,  respective  ausgeschabt  und  zu  besonderen  Conserven  verarbeitet.  Die 
beste  Sorte  heisst  >Teduai<.  Der  an  der  Sonne  zu  einer  zähen  Masse  getrocknete  Saft 
wird  in  dünne  Fladen  ausgewalzt  und  diese  dann  in  Rollen  von  circa  i3  Cm.  Diameter 
aufgerollt.  Die  Rollen  werden  zuerst  in  den  gewebeartii:en  Stotf  von  der  Basis  des 
Cocospalmblattes  eingeschlagen,  dann  in  /\2«J.>i«m.n- Blatt  eingeschnürt,  und  diese  Con- 
serve  hält  sich  sehr  lange,  wie  man  mir  versicherte,  iahrolang. 


»'»  Correct  abj:c'r;  Jet:  O.orU,  >Vo}Js:e  pit:ore5q«.:e«  etc.,  Tl.  VI  unJ  X,  uni  Hernshe'm:  >Mjr- 
shdii-Srrache«.  S,  %>. 


[3 19] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee. 


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Zu  Zeiten  des  Mangels,  wie  während  meines  Besuches,  wo  auch  die  Pandanus- 
Frucht  sparsam  war,  bereitet  man  dagegen  eine  andere  Conserve,  »Kabubuc  genannt. 
Sie  besteht,  wie  die  vorhergehende,  ebenfalls  aus  Pandanus-Ssihy  aber  mit  zerstampfter 
und  zerriebener  Rinde*)  dieses  Baumes  vermischt.  Diese  Masse  wird  in  Wasser  oder 
Syrupwasser  aufgeweicht  und  bildete  damals  mit  einen  Haupttheil  der  Nahrung. 

Dies  ist  alles,  was  ich  über  die  Bereitung  dieser  Conserven  erfuhr  und  zum  Theile 
selbst  beobachtete.  Kirby,  der  drei  Jahre  lang  ja  von  den  Eingeborenen  ernährt  wurde, 
berichtet  über  dieses  Capitel  sehr  ausführlich  und  jedenfalls  mit  besserer  Sachkenntniss 
(Wilkes,  V,  S.  g6,  97).  Was  mir  als  Pandanus-Rinde  bezeichnet  wurde,  ist  vielleicht 
nur  der  steinhart  getrocknete  Saft  (Teduai),  auf  Kuria  »Kabul«  genannt,  und  die  eigent- 
liche Dauerwaare  der  Gilberts.  Kirby's  Mittheilungen  lehren  übrigens,  wie  vielerlei  Con- 
serven die  Eingeborenen  aus  wenigen  Nahrungsstoffen  herzustellen  verstehen  und  wie 
abwechslungsreich  ihre  Kochkunst  ist. 

Die  Cocospalme  (»Tinni«),  wie  überall  ein  Culturbaum  und  für  die  Ernährung 
auch  auf  den  Gilberts  überaus  wichtig,  rangirt  in  wirth schaftlicher  Bedeutung  doch  hinter 
dem  Pandanus,  Die  Cocosnuss  (»Tibbin«)  wird  meist  geschabt  und  in  dieser  Weise  auch 
mit  PandanuS'Cowstiwtn^  ja  mit  Haifischfleisch,  auf  kaltem  Wege  zu  besonderen  Spei- 
sen, respective  Conserven  verarbeitet.  Einen  wesentlichen  Theil  der  Ernährung,  nament- 
lich in  Zeiten  des  Mangels,  bildet  »Takaru«  oder  Palmsaft,  auf  Kuria  »Caraca«  genannt 
(Kirby).  Sehr  zum  Nachtheile  des  Baumes  wird  der  Blüthenkolben  desselben  ange- 
schnitten und  der  ausfliessende  Saft  in  angebundenen  Cocosnussschalen  aufgefangen 
(ausführlich  beschrieben  bei  Wilkes,  V,  S.  98).  Früh  und  Abends  erklettern  Männer  und 
Knaben,  meist  singend,  die  Palmen,  um  die  gefüllten  Schalen  herunterzuholen,  respec- 
tive neue  aufzuhängen,  denn  nach  Kirby  liefert  eine  Palme  täglich  2 — 6  Pinten. 

Das  Erklettern')  der  an  50 — 60  Fuss  hohen  Palmstämme  geschieht  mit  Hilfe 
kleiner,  in  die  Rinde  eingehauener  Kerben,  die  nur  so  gross  sind,  um  die  grosse  Zehe 
einsetzen  zu  können,  sehr  schnell  und  geschickt.  Wie  ertappte  Cocosnussdiebe  bewie- 
sen, hindert  das  Dunkel  der  Nacht  keineswegs  an  der  Ausübung  dieser  Kletterkunst. 

Palmsaft  ist  jein  sehr  angenehmes,  süssliches  Getränk,  aus  dem  sich  ein  trefflicher 
Syrup  herstellen  lässt,  den  aber  nur  die  Besitzer  vieler  Cocospalmen  bereiten  können, 
da  sehr  viel  Saft  erforderlich  ist.  Ich  sah  auf  Butaritari  die  königlichen  Frauen  mit  der 
Fabrication  von  »Kamoimoic  beschäftigt.  Eine  länglich-viereckige,  seichte  Vertiefung 
im  Korallboden  war  mit  glimmenden  Kohlen  aus  Cocosnussschale  aufgefüllt,  auf  denen 
wohl  ein  paar  hundert  halbdurchschnittene  Cocosschalen  als  Gefässe  zum  Einkochen 
dienten.  Die  Frauen  hatten  darauf  zu  achten,  dass  diese  Gefässe  nicht  anbrannten  und 
ihr  Inhalt  nicht  überkochte.  Mit  Kellen  aus  Cocosnussschale  (»Aila«,  Nr.  57  und  58) 
schöpften  sie  den  Schaum  ab  und  gössen  neuen  Palmsaft  auf,  bis  eine  dickflüssige, 
braune  Masse  entstand,  wovon  bereits  ein  Vorrath  von  50  Flaschen  (Ginflaschen)  be- 
reitet war.  Dieser  Syrup  ist  ganz  ausgezeichnet  und  hält  sich  jahrelang;  Proben,  welche 
ich  mitbrachte,  schmecken  nach  i3  Jahren  noch  vorzüglich;  nur  ist  der  früher  helle  Saft 
ganz  dunkel,  fast  schwarz  geworden.  Dieser  Syrup,  mit  Wasser  vermischt,  gleich  dem 


')  Nicht  aus  »Blatternc,  wie  im  Kat.  Mus.  God.,  S.  275,  gesagt  wird.  Hier  auch  (S.  276)  eine 
genauere  Beschreibung  der  Bereitung  von  »Teduaic  unter  dem  Namen  >Kabuboc,  welche  von  der 
Darstellung  Kirby's  nicht  unwesentlich  abweicht. 

2)  In  Neu-Britannien  und  Neu-Guinea  hatte  man  eine  andere  Methode;  man  band  die  Füsse  in 
geringem  Abstände  mit  einer  Liane  zusammen  und  erkletterte  die  Palme,  indem  der  Körper  bald  mit 
ilen  Armen,  bald  mit  den  angestemmten  Füssen  gehoben  wurde,  eine  Manier,  die  nach  Bingham  aber 
auch  auf  den  Gilberts  prakticirt  wird  (vgl.  tStory  of  the  Morning  Star«,  Boston  1866,  Abbild,  zu  S.  50). 

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»Ailingc  Pelaus,  bildete  früher  unter  dem  Namen  >Karave«  das  Hauptgetränk  bei  Fest- 
lichkeiten, wurde  in  grossen  Trögen  servirt  und  aus  Cocosschalen  (oder  nach  Kirbv  in 
»Schalen  aus  Menschenschädeln«)  getrunken.  Vor  40  Jahren  war  dies  noch  der  Fall, 
seitdem  haben  sich  die  Gilbert-Insulaner  an  »Mongin«  gewöhnt,  d.  h.  Palmsaft,  der  nach 
wenigen  Stunden  in  Gährung  übergeht  und  in  zwei  bis  drei  Tagen  ein  säuerliches  Ge- 
tränk liefert,  den  berüchtigten  »sauren  Toddyc.  Er  wirkt  berauschender  als  Schnaps, 
und  sein  Genuss  trägt,  nächst  dem  von  Gin,  mit  die  Hauptschuld  an  der  Verkommen- 
heit und  Demoralisation,  die  damals  auf  den  Gilberts  bei  Eingeborenen  und  den  meisten 
Weissen  herrschte.  Die  Bewohner  der  Markesas- Inseln  gehen  in  Folge  von  Toddy- 
trinken  auch  dem  Untergange  entgegen. 

Tabak  ist  nächst  Schnaps  das  beliebteste  Reizmittel  der  Gilbert-Insulaner  und 
wurde  zuerst  durch  die  Walfischfänger  eingeführt.  Zu  Hudson*s  Zeiten  (1841)  kannte 
man  auf  Tarowa  noch  keinen  Tabak,  aber  auf  den  übrigen  Inseln  bildete  er  das  belieb- 
teste und  begehrteste  Tauschmittel.  Tabak  wurde  damals  aber  nicht  geraucht,  sondern 
in  der  widerlichsten  Weise  gekaut  und  verschlungen.  Jetzt  raucht  man  allgemein  in 
Thonpfeifen  jenen  amerikanischen  Stangenkautabak  (Twist),  der  für  die  ganze  Südsee 
die  gangbarste  Scheidemünze  bildet  (vgl.  S.  [20]  und  [11 3]).  Vom  Kinde  bis  zum  Greise 
sind  alle  Gilbert-Insulaner  leidenschaftliche  Raucher,  und  die  Mission  verlangt  mit  ihrem 
stricten  Rauchverbote  entschieden  zu  viel  von  den  neuen  Christen.  Der  alte  gute 
Haina,  ein  hawaiischer  Missionär  auf  Tarowa,  zweifelte  ernstlich  an  meinem  Christen- 
thume,  als  er  mich  die  Pfeife  anzünden  sah. 

Brotfrucht,  oder  die  unter  dem  Namen  Jackfrucht  bekannte  Abart  derselben, 
kommt  nur  auf  den  nördlichen  Inseln,  aber  so  spärlich  vor,  dass  sie  als  Volksnahrung 
wenig  bedeutet.  Brotfrucht  wird  zwischen  heissen  Steinen  geröstet,  aber  nicht,  wie  sonst 
üblich,  eine  Dauerconserve  (wie  z.  B.  Pieru  der  Marshallaner)  daraus  bereitet. 

Um  so  wichtiger  war  aber  früher  der  Anbau  von  »Poipoi«,  einer  Taroart  (Arum 
cordifolium),  des  einzigen  Culturgewächses,  das  die  Gilbert- Insulaner  kennen.  Diese 
Pflanze,  mit  gewaltigen,  mehrere  Fuss  langen  Blättern,  gedeiht  nur  im  Wasser.  Es  wurden 
zu  diesem  Zwecke  in  dem  Korallgerölle  mühsam  grosse,  viereckige  Gruben  (an  8  Fuss 
tief,  20 — 3o  breit  und  50 — 60  lang)  ausgegraben  und  mit  einer  Schichte  Erde  bedeckt, 
die  oft  weit  in  Körben  herbeigeschleppt  werden  musste.  In  diese  Erdschichte  grub  man 
je  für  eine  Pflanze  bestimmte  Löcher,  die  sich  wie  ein  das  Gesammtfeld  einfassender 
tieferer  Graben  von  unten  mit  Wasser  füllten.  Die  ausgegrabenen  Koralltrümmer,  wie 
ich  sie  auf  allen  von  mir  besuchten  Inseln  sah,  bildeten  10 — 12  Fuss  hohe  Geröllhaufen, 
die  sich,  zuweilen  in  mehreren  Reihen  hintereinander,  kilometerweit  hin  erstreckten  und 
für  diese  Inseln  als  Hügelreihen  gelten  durften.  Hudson  gedenkt  dieser  Taroculturen 
bereits  von  Tapiteuea  und  erwähnt,  dass  Bimsstein  als  »Dünger«  benutzt  wurde,  den  die 
Weiber  am  Aussenriflf  sammelten.  Ich  habe  auf  mehreren  Inseln,  namentlich  Maraki,  viel 
angetriebenen  Bimsstein  gesehen.  Wenn  ich  mich  (II,  S.  [187])  über  den  Fleiss  der  Papuas 
von  Neu-Guinea  in  Urbarmachung  und  Cultur  ihrer  Plantagen  bewundernd  aussprach, 
so  verdienen  die  Arbeiten  der  Gilbert- Insulaner  entschieden  ein  noch  höheres  Lob.  Sie 
geben  Zeugniss  von  einem  Fleiss,  wie  er  jetzt  leider  nicht  mehr  existirt,  denn  die  meisten 
Taropflanzungen,  welche  ich  sah,  waren  verlassen  und  verkommen.  Aber  an  diesem 
Verfalle  waren  nicht  allein  die  stetigen  Kriege  der  Eingeborenen  schuld  mit  ihren  Folge- 
wirkungen, Aufhören  von  autoritativer  Gewalt,  sondern  hauptsächlich  auch  die  »Labor- 
trade«, welche  diesen  Inseln  einen  grossen  Theil  der  besten  Arbeitskräfte  entführt  hatte. 

Die  verschiedenen  Zubereitungsweisen  der  gerösteten  Tarowurzel  beschreibt  Kirby 
ausführlich  (Wilkes,  V,  S.  97),  woraus  hervorgeht,  dass  die  Gilbert-Insulaner  unter  An- 


[321] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee. 


derem  auch  einen  dem  »Poi«  der  Hawaiier  ähnlichen  Kleister  machten,  der  aber  nicht 
mit  den  Fingern,  sondern  Spateln  aus  Bein  (wenn  auch  nicht  gerade  menschlichen  Rip- 
pen) gegessen  wurde  (vergleiche  Textfig.  8  und  g). 

b)  Fleischkost. 

Hausthiere  fehlen  und  können  wegen  Mangel  an  hinreichender  Nahrung  über- 
haupt nur  in  beschränkter  Zahl  gehalten  werden.  Freilich  sah  ich  auf  Butaritari  auch 
ein  paar  Kühe,  die  dem  Könige  gehörten,  aber  auch  die  Ballen  gepressten  Heues,  die 
zur  Fütterung  von  San  Francisco  angebracht  waren.  Der  hohe  Herr,  der  Schnaps  ent- 
schieden der  Milch  vorzog,  wird  daher  die  kostspielige  Liebhaberei  wohl  bald  aufgegeben 
haben.  Sonst  wurden  nur  bei  Missions-  und  Händlerstationen  einige  Schweine  gehalten, 
um  gelegentlich  davon  an  Schiffe  zu  verkaufen.  Bei  den  Eingeborenen  sah  ich  dagegen 
nur,  und  dabei  selten  genug,  Hunde  (»Manc  oder  »Tekamia«  =  Thier),  schlechte  Köter 
europäischer  Abkunft.  Sie  sollen  nur  bei  Hungersnoth  gegessen  werden,  aber  die  Zu- 
bereitung »Lebendigbraten«,  wie  mir  ein  Händler  versicherte,  ist  natürlich  nur  eine 
jener  Unwahrheiten,  wie  sie  solche  Leute  so  gern  fremden  Besuchern  aufbinden.  Kirby 
erzählt,  dass  von  einem  Schiffe  während  seines  Aufenthaltes  auf  Kuria  Schweine,  Ziegen 
und  türkische  Enten,  ausgesetzt,  aber  aus  Aberglauben  von  den  Eingeborenen  getödtet 
wurden,  die  selbst  keine  Hühner  essen.  Hudson  erwähnt  von  Tapiteuea  einen  Hund, 
zwei  oder  drei  Katzen  und  etliche  Hühner.  Ich  selbst  habe  letztere  nicht  bei  Eingebore- 
nen halten  sehen,  wohl  aber  in  halbwildem  Zustande  bei  den  Hütten  auf  Nawodo  beob- 
achtet, dessen  Bewohner  übrigens  ebensowenig  Hühner  als  Schweine  essen.  Die  äusserst 
interessante  Frage,  ob  die  Gilbert-Insulaner  schon  vor  der  Ankunft  Weisser  Haus- 
bOhner  besassen,  bleibt  leider  eine  ungelöste. 

Das  einzige  einheimische  Säugethier,  die  Ratte  (»Tekimurra«  =  Dieb)  wird  selbst 
in  Zeit  der  Noth  nicht  gegessen.  Auf  Maraki  beobachtete  ich  eine  besondere  Art  Vogel- 
fang. Männer,  mit  langen  Stangen  bewaffnet,  deren  Spitze  mit  einer  klebrigen  Masse, 
einer  Art  Vogelleim,  bestrichen  war,  zogen  damit  junge  schwarze  Meerschwalben  (Anous 
stoUdus)  aus  den  auf  Pandanus-BäumQn  stehenden  Nestern,  um  sie  zu  verzehren. 

2.  Fischerei  und  Geräth. 

Der  Fischreichthuro  wird  in  Hinblick  auf  die  grosse  Anzahl  von  Arten  meist 
überschätzt  und  liefert  nur  zu  gewissen  Zeiten  grössere  Mengen.  So  fingen  zwölf  Ein- 
geborene, die  mit  europäischen  Senkangeln  in  der  Lagune  von  Maraki  fischten,  in  der  Zeit 
von  vier  Stunden  kaum  ein  Dutzend  massig  grosser  Fische.  Immerhin  liefert  die 
Meeresfauna  den  Bewohnern  der  Gilberts  einen  nicht  unbeträchtlichen  Theil  der  Er- 
nährung und  die  einzige  animalische  Kost.  Dabei  kommen  indess  nicht  lediglich  Fische 
(Tika)  in  Betracht,  sondern  eine  grosse  Menge  anderer  Meeresthiere,  besonders  Con- 
chylien,  weniger  Crustaceen.  Octopoden  habe  ich  ebenfalls  essen  sehen,  aber  niemals 
Holothurien,  was  Kirby  behauptet;  dies  mag  aber  vorkommen. 

NBtzflscherei  wird  im  Ganzen  wenig  und  nicht  im  Sinne  von  Hochseefischerei, 
sondern  auf  den  Lagunen  betrieben,  wie  ich  dies  öfters  sah.  Zuweilen  waren  an  ein 
I^utzend  kleiner  Canus  beisammen,  je  mit  zwei  bis  drei  Fischern  bemannt,  die  aber 
meist  mit  europäischen  eisernen  Fischhaken  fischten.  Man  bedient  sich  aber  auch 
grosser,  grobmaschiger  Netze,  Tekara-un  (an  loo  und  mehr  Fuss  lang,  7  Fuss  hoch), 
aus  Bindfaden  von  Cocosnussfaser  gestrickt,  mit  Senkern  von  Muscheln  und  hölzernen 
Schwimmern,  aus  circa  16  Cm.  langen  Holzröhren  von  hohlen  Pa/irfjww^-Zweigen. 
Solche  grosse  Netze  waren  damals  schon  sehr  selten  und  schienen  (wie  z.  B.  in  Neu- 


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Britannien,  I^  S.  [25])  Gemeindeeigenchum.  Wenigstens  besass  Tapiang,  das  grösste 
Dorf  auf  Tarowa,  nur  ein  grosses  Netz,  das  natürlich  nicht  verkauft  wurde.  Ich  erhielt 
daher  nur  noch  Reste  wie  das  folgende  Stück: 

Tekara-un  (Nr.  170,  i  Stück),  Senkerleine  eines  grossen  Fischnetzes;  ein 
fingerdicker  Strick  aus  Cocosfaser  mit  Senkern  aus  Muschel  (Area  granosa)^  »Teüini- 
buunc;  auf  32  Cm.  Stricklänge  kommen  sechs  Muscheln.   Tarowa. 

In  der  Hakenfischerei  steht  der  Hai  fisch  fang  obenan  und  bildet  eine  Speciali- 
tät  der  Gilbert-Insulaner,*)  welche  das  Fleisch  dieser  Thiere  ganz  besonders  lieben  und 
es  zum  Theil  zu  einer  Conserve  zu  verarbeiten  wissen.  Es  handelt  sich  dabei  aber 
selten  um  jene  Meeresungeheuer,  wie  man  sich  dieselben  meist  vorstellt,  denn  der 
grösste  Hai,  welchen  ich  fangen  sah,  mass  kaum  über  2  V^a  M.  Von  den  verschiedenen 
Methoden  des  Haifischfanges,  wie  ihn  Parkinson  (Kat.  M.  G.,  S.  270)  beschreibt,  lernte 
ich  nur  den  mit  Haken  kennen,  der  aber  nicht  vom  Canu,  sondern  vom  Lande  aus  be- 
trieben wurde.  Und  zwar  wählte  man  dafür  mit  Vorliebe  die  Oeffnungen  des  Rififs  (Pas- 
sage), zur  Ebbezeit,  als  die  ergiebigsten  Fangplätze.  Ich  habe  an  einem  solchen  in  weni- 
gen Stunden  sieben  Haifische  fangen  sehen.  Man  bediente  sich  damals  meist  schon 
eiserner  Haken,  aber  auch  noch  hölzerner,  wie  das  folgende  Stück: 

Tingia  (Nr.  158,  i  Stück),  Haifischhaken  (Taf.  III  [20],  Fig.  14),  Insel  Tarowa. 
Besteht  aus  einem  natürlich  gewachsenen,  spitzwinkelig  gebogenen  Aststück  aus  Hart- 
holz (wohl  Mangrove)  gearbeitet,  mit  einem  rechtwinkelig  nach  innen  abstehenden 
Hakentheil  (Fig.  14a)  ebenfalls  aus  Holz,  der  mittelst  Schnur  aus  Cocosfaser  festgebun- 
den ist.  An  der  Aussenkante  des  Basistheiles  sind  zwei  knotenförmige  Erhabenheiten 
ausgearbeitet  und  hier  mit  Schnur  aus  Cocosfaser,  der  circa  fingerdicke,  rundgeflochtene 
Fangstrick  aus  gleichem  Material  befestigt.  Dieser  Strick  hat  eine  Lange  von  circa 
50  Cm.  und  endet  in  eine  starke  Oese,  zur  Befestigung  einer  zweiten,  eigentlichen 
Fangleine. 

Ich  erhielt  nur  wenige  solcher  Haifischhaken,  die  damals  schon  sehr  selten  waren. 
Die  Grösse  ist  sehr  verschieden,  ebenso  die  Krümmung  des  Endtheiles,  welches  den 
Haken  bildet,  da  diese  ja  von  der  Krümmung  der  betreffenden  Aststücke  abhängt,  die 
in  der  gewünschten  Form  nicht  so  leicht  zu  finden  sind.  Zuweilen  sind  diese  Haifisch- 
haken fast  stumpfwinkelig  gebogen  und  bestehen  aus  einem  einzigen  Aststück  ohne  an- 
gesetzten Spitzentheil.  Ziemlich  ähnlich  in  der  Form  sind  die  zum  Theil  kolossal 
grossen  hölzernen  Haifischhaken  von  der  Insel  Yarab  oder  Trobriand  (II,  S.  [172]  und 
Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  9). 

Sehr  ähnlich  ist  die  folgende  Nummer,  welche  ich  des  Vergleiches  halber  hier  einfüge. 

Haifischhaken  (Nr.  157,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  15)  von  der  Insel  Nukufetau,  Eliice-  oder 
Lagunengruppe,  südlich  von  den  Gilberts.  Ein  mit  dem  Hakenende  stumpfwinkelig  gebogenes  Ast- 
stück; das  Hakenende  innen  und  aussen  abgeplattet,  die  Spitze  stumpf  abgestutzt.  Die  Fangschnur 
besteht  aus  sieben  dünnen  Stricken  aus  Cocosnussfaser,  die  an  der  Hakenbasis  ziemlich  kunstlos  be- 
festigt sind.  Hudson  gedenkt  grosser  hölzerner  Haifischhaken  auch  von  Funafuti  derselben  Gruppe 
und  bildet  einen  solchen  von  Tongarewa  (Penrhyn)  ab  (IV,  S.  286).  Derselbe  ähnelt  in  der  Form  ganz 
den  enorm  grossen,  in  Bogen  gekrümmten  Haifischhaken,  wie  sie  das  British  Museum  von  Hawaii 
besitzt,  und  die  zuweilen  eine  Spitze  aus  Bein  (Spermwalzahn)  haben.  Aehnlich  abgebildet  bei  Choris, 
PI.  XIV,  Fig.  4. 


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I)  Dieselben  stehen  übrigens  in  dieser  Specialität  weit  hinter  den  Bewohnern  der  Hervey* 
Gruppe  zurück,  die,  wohl  die  besten  Fischer  der  Südsee  überhaupt,  den  Haifang  mit  unübertrefflicher 
Kühnheit  und  Waghalsigkeit  betreiben,  indem  sie  dem  in  submarinen  Höhlungen  schlafenden  Hai 
tauchend  eine  Schlinge  an  der  Schwanzflosse  befestigen  und  denselben  dann  heraufziehen.  Siehe  »Shark- 
catching  at  Aitutaki«  (Giil,  tLife  in  the  Southern  Isles«,  S.  3o3),  eine  spannende  Darstellung,  die,  wie 
mir  Rev.  Chalmers  versicherte,  der  lange  auf  dieser  Insel  lebte,  durchaus  auf  Wahrheit  beruht. 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee. 


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Kleinere  Fischhaken,  die  Hudson  von  Kuria  leider  nur  erwähnt,  erhielt  ich  auf  den 
Gilberts  nicht  mehr,  da  die  selbstgefertigten  wohl  bereits  total  durch  importirte  eiserne 
verdrängt  waren.  Als  Köder  bediente  man  sich  der  Krabben,  denen  man  die  Beine  ab- 
riss,  sowie  des  Thieres  von  Cypraea  moneta.  Die  Fischer  führten  deshalb  auf  der  Platt- 
form der  Canus  zwei  Steine  mit,  um  damit  die  Mundschale  zu  zerschlagen. 

Fliegende  Fische  werden  nach  Kirby  am  Tage  mit  Haken  gefangen,  die  am  Stern 
der  Canus  befestigt  sind.  Nachts  bei  Fackelschein  mit  Hamen,  in  welche  die  Fische 
hineinfliegen. 

Eine  sehr  eigenthümliche  Art  Fischhaken,  die  noch  unbeschrieben  sein  dürfte,  er- 
hielt ich  von  Banaba  (Ocean  Isl.). 

Fischhaken  (Nr.  147,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  3)  aus  einem  Schafte  (a)  von 
Kalkspath,  mit  Fanghaken  (b)  aus  Knochen,  der  mittelst  dünnen  Fadens  (Garn)  fest- 
gebunden ist.  Banaba. 

Schaft  (Nr.  148,  i  Stück)  zu  einem  solchen  Fischhaken,  aus  Kalkspath  geschliffen. 
Ebendaher. 

Sehr  eigenthümlich  in  der  Form  wie  im  Material,  besonders  deshalb,  weil  sie  sich 
bezüglich  der  ersteren  am  nächsten  dem  Typus  von  Kaiser  Wilhelmsland  (II,  S.  [190], 
Ethnol.  Atlas,  Taf.  IX,  Fig.  3 — 5)  anschliessen.  Wie  dort,  besteht  der  Schaft  aus  einem 
(6—10  Cm.  langen)  sehr  sauber  geschliffenem,  fast  runden  Stück,  aber  nicht  aus  Mu- 
schel (Tridacna),  sondern  einem  kalkspath  artigen  Mineral,  wohl  Arragonit.  Dasselbe 
ähnelt  in  der  fahlbräunlichen  Färbung  auf  den  ersten  Blick  Feuerstein,  ist  aber  stärker 
durchscheinend  und  gibt  beim  Anschlagen  einen  hellen  Klang.  Einzelne  Stücke  zeigen 
dunkle  Querbinden  und  erinnern  im  Aussehen  an  gewisse  Bandachate.  Mit  Säuren  be- 
handelt, braust  das  Mineral  stark  auf.  Diese  Schäfte  oder  rundlichen  Stiele  sind  an  der 
Basis  sanft  zugespitzt  und  hier  mit  einem  feinen  Loch  durchbohrt,  zum  Anbinden  der 
Fangleine.  An  der  Innenseite  des  Endtheiles  ist  eine  Längsrille  ausgeschliffen,  in  welche 
der  Fanghaken  eingesetzt  und  mittelst  feinen  Garns  befestigt  wird.  Dies  geschieht  ohne 
Anwendung  von  Bohrlöchern;  dagegen  ist  am  Ende  des  Stieles  eine  Rille  eingeschliffen, 
welche  dem  Bindfaden  Halt  verleiht.  Der  sehr  sauber  gearbeitete  Fanghaken  (20 — 35  Mm. 
lang)  besteht  aus  Knochen,  mit  ziemlicher  Sicherheit  Spermwalzahn.  Manche  dieser  Fisch- 
haken sind  am  Ende  mit  dem  üblichen  Köderbüschel  (50 — 65  Mm.  lang)  aus  rohem  Bast 
von  Hihiscus  versehen.  Die  Fangleine  ist  sehr  fein  aus  Hibiscus-Bast  geflochten  und 
zuweilen  über  20  Fuss  lang. 

Diese  Fischhaken  sind  nicht  mehr  zu  haben  und  dürften  wohl  nur  in  wenigen 
Museen  vertreten  sein.  Hierher  gehört  zweifelsohne  das  im  Kat.  M.  G.  (S.  294)  mit 
»Schaft  eines  Angelhaken  aus  gelblichem  Quarzgestein«  beschriebene  Stück,  das  irr- 
thürolich  mit  »Ponap^«  statt  »Banaba«  bezeichnet  ist.  Das  Material  dürfte  übrigens 
auch  auf  Nawodo  vorkommen,  wo  ich  daraus  geschliffene  Bolas  zum  Vogelfange 
erhielt. 

RiffRschBrei,  nach  verschiedenen  Methoden,  wird  bei  Ebbezeit,  wie  auf  allen  Atol- 
len, auch  auf  den  Gilberts  am  häufigsten  betrieben  und  liefert  weitaus  den  grössten  Theil 
des  täglichen  Bedarfes  an  Meeresthieren.  Wenn  zur  Zeit  der  Ebbe  das  Aussenriff,  oft 
aufweite  Strecken  hin,  trocken  läuft,  bleiben  noch  immer  kleinere  und  grössere  Wasser- 
tümpel übrig,  in  welchen  eine  Menge  Thiere  zurückgehalten  werden.  Meist  sind  es 
recht  kleine  Fischchen,  darunter  besonders  die  munteren  Arten  der  Gattung  Galaxias, 
welche  von  einer  Fluth  zur  anderen  auf  dem  Trockenen  leben  können.  Zu  allen  Ebbe- 
zeiten, bei  Nacht  nicht  selten  bei  Fackelschein,  sieht  man  daher  die  Eingeborenen  auf 
dem  Riff  beschäftigt,  wobei  sich  Frauen  und  Kinder  lebhaft  mit  betheiligen. 


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Dr.  O.  Finseh. 


[324] 


FiB-4- 


l^iß-  S- 


Fackflln  werden  aus  trockenen  Piindaiius-EYättein  ohne  weitere  Zuthat  hergestellt, 
geben  einen  sehr  hellen  Schein,  brennen  aber  nicht  länger  als  5 — 6  Minuten. 

Frauen  bedienen  sich  bei  dcrRifftischcreides 
Tekao  (Nr.  161,  i6a,  2  Stück,  Textfig.  4'), 
Iclciner  t'ischhamen;  bestehend  aus  einem 
Icurzen  Stiel,  an  dem  ein  Reif  aus  den  feinen 
Rippen  der  Blattfiedern  der  Cocospalme  festge- 
bunden ist,  die  vordere  Hälfte  des  Reifes  trägt 
einen  15 — 18  Cm.  langen  Netzbeutel,  aus  feinen 
Cocos  faserbind  faden  sehr  feinmaschig  gestrickt. 
Tarowa. 

Im  seichten  Wasser  stehend,  wird  der  Hamen 

mit  der  einen  Hand  hinter  den  Füssen  auf  den 

Grund  gehalten ;  mit  der  andern  Hand  werden  die 

Fischchen  hineingejagt. 

Männer  bedienen  sich  grösserer  Fischhamen  (»Teriena*  genannt), 

mit  rundem  Netzreif  (circa  32  Cm.  im  Durchmesser)  an  einem  60 — 70  Cm. 

langen  Stiel  befestigt. 

Ein  besonderes  Fisch ereigeräth,  das  mir  nur  auf  den  Gilberts  vor- 
kam und  ebenfalls  nur  bei  Ebbe  auf  dem  Riff  benutzt  wird,  ist  die: 

Te  kainekabobo  (Nr.  172,  1  Stück,  Textfig.  5),  Aalschlinge,  ein 
circa  60 — 80  Cm.  langer  Stock,  mit  einem  etwas  längeren  Strick  aus 
Cocosfaser,  der  am  Ende  des  Stockes  durch  eine  Schnurhülse  (a)  mit 
diesem  in  der  Weise  verbunden  ist,  dass  sich  die  Endschlinge  (b)  auf- 
und  zuziehen  lässt.   Tarowa. 

Die  Fangmethode  ist  eine  sehr  einfache,  indem  man  dem  Aal  die 
Schlinge  über  den  Kopf  und  diese  dann  fest  zuzieht.  Der  Fänger  entgeht 
dadurch  den  oft  gefährlichen  Bissen  grosser  .^ale  und  kann  sich  mit  einer 
solchen  Schlinge  auch  leichter  der  Tintenfische  (Octopus)  bemächtigen, 
deren  Tentakeln  sonst  schwer  zu  lösen  sind. 

Grosse  im  Meer  verankerte  Fischkörbe  (wie  in  Neu -Britannien,  I, 
S.  [25])  habe  ich  auf  den  Gilbert-Inseln  nicht  gesehen,  sondern  nur: 
To-ü  (Nr.  171,  1  Stück)  Reuse.   Tarowa. 

Dieselben  sind  aus  gespaltenen  Panda nus-Si'ähea  und  Rippen  aus 
Palm  blattfiedern  mit  Bindfaden   verflochten  und   ähneln  in  der  Form 
einem  länglichen  Vogelkäfige.    Die  Länge  beträgt  circa  70—80  Cm.,  die 
Breite  circa  50,  die  Höhe  circa  32  Cm.,  die  vier  Seitenwände  und  der 
Boden  sind  gerade,  die  Oberseite  etwas  gewölbt.     Sehr  ausführlich  be- 
schrieben (Kat.  M.  G.,  S.  270),  aber  irrthümlich  als  aus  Bambusrohr,  das 
auf  den  Gilberts  fehlt.   Diese  Reusen  werden  mit  Steinen  beschwert  auf 
\^ '     dem  Riff  aufgestellt,  häufiger  sind  hier  aber  eigene  Fischwshre  einge- 
Aalschlingc.       richtet.     Aus  K'orallstUcken  baut  man  schmale,  sich  windende  Gänge, 
Tarowa,  welche  bei  Ebbezeit  trocken  laufen,  und  in  denen  Fische  zurückbleiben, 

'  Grü"«""' '      '^'^   d^nn    mit   den  oben   erwähnten    kleinen   Hamen    herausgefangen 
werden. 
Auf  Butaritari  sah  ich   ein  Fischwehr  in  grossartigem   Massstabe,  eine  lange, 
mehrere  Fuss  hohe  Mauer,  die  der  noch  mächtige  vorige  König,  der  seine  Unterthanen 
absichtlich  beschäftigte,  auf  dem  Riff  der  Lagune  halte  bauen  lassen.     Solche  Fisch- 


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[325] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


57 


wehre  dienen  zum  Massenfang  periodischer  Wanderfische  (meist  Makrelen),  wie  er 
allenthalben  in  der  Südsee  betrieben  wird.  So  sah  Hudson  auf  Tapiteuea  Männer  und 
Frauen  eifrig  damit  beschäftigt,  eine  Schaar  Fische  in  ein  solches  Wehr  einzutreiben,  wo- 
bei sie  sich  Pandanus-Blätter  in  ähnlicher  Weise  bedienten,  wie  ich  dies  bei  den  Mar- 
shalls beschreiben  werde,  und  gedenkt  derselben  Methode  auch  von  Raraka  (Paumotu), 
Samoa  und  Fidschi. 

Auf  Kuria  sind  zwei  geschlossene  Lagunen  mit  Fischen  besetzt  und  dienen  als 
Fischteiche  der  Häuptlinge,  wie  ich  dies  auf  Nawodo  sah,  wo  die  Eingeborenen  in  den 
Teich  im  Innern  der  Insel  eine  sehr  schmackhafte  Fischart,  Chanos  salmoneus,  einge- 
setzt hatten. 

Schalthiere  bilden  einen  wesentlichen  Theil  der  Ernährung.  Das  Riff  liefert 
davon,  wenn  die  Fischerei,  wie  so  häufig,  spärlich  ausfällt,  immer  noch  so  viel,  um  satt 
werden  zu  können.  Nach  den  Schalenresten  zu  urtheilen,  die  oft  in  grossen  Haufen  bei 
den  Häusern  liegen,  kommen  indess  im  Ganzen  nur  wenige  Arten  als  NährmuSCheln 
in  Betracht.  Die  von  mir  gesammelten,  welche  Herr  Prof.  v.  Martens  (Berlin)  zu  be- 
stimmen die  Güte  hatte,  sind  die  folgenden:  Cardium  fragum  L.  (»Tenigawiwi«)  am 
häufigsten,  Lucina  punctata  L.  (»Tebu-unc),  Spondylus  ducalis  Chem.  (»Teoigoinadj«), 
Area  (Anadara)  uropygmelana  Berg.,  Tridacna  mutica  Lam.  und  Tr,  elongata  Lam.; 
die  Riesenmuschel  (Tridacna  gigas)  soll  ebenfalls  gegessen,  und  wie  man  mir  sagte, 
jung  in  passenden  Localitäten  ausgesetzt  werden. 

3.  Zubereitung  und  Geräth. 

Die  Kochkunst  liegt  nicht  lediglich  in  den  Händen  der  Frauen,  sondern  wird,  wie 
bei  allen  Eingeborenen,  je  nach  Bedürfniss,  auch  von  den  Männern  ausgeübt.  Da  sich 
in  Cocos-  und  Muschelschalen  nur  in  beschränkter  Weise  kochen  lässt,  so  kommt  auch 
bei  den  Gilbert-Insulanern  nur  Rösten  oder  Garmachen  in  heisser  Asche  oder  zwischen 
heissen  Steinen  in  Betracht.  Der  sogenannte  Ofen  besteht,  wie  meist,  aus  einer  mit 
Korallsteinen  ausgesetzten  Grube,  in  welcher  fast  stets  glimmende  Asche  und  Kohlen  er- 
halten werden.  In  dieser  werden  Taro,  Brotfrucht,  Krustenthiere  und  auch  Fische  ge- 
röstet. Letztere  legt  man  ungeschuppt  und  häufig  unausgenommen  auf  glühende  Kohlen 
oder  zwischen  heisse  Steine,  so  dass  sie  gewöhnlich  anbrennen.  Eine  besondere  Koch- 
raethode  beschreibt  Wood  von  Makin  (Wilkes,  V,  S.  98). 

Häufig  werden  auch  grössere  Fische  roh  verzehrt,  und  zwar  in  sehr  unappetit- 
licher Weise,  indem  man  mit  den  Zähnen  und  Fingernägeln  die  Schuppen  abreisst  und 
dann  grosse  Stücke  abbeisst.  Den  kleinen,  kaum  mehr  als  5  Cm.  langen  Fischchen,  wie 
sie  die  Rifffischerei  meist  liefert,  drückt  man  den  Darminhalt  durch  den  After  heraus 
und  verschlingt  sie  dann  mit  grossem  Behagen.  Tintenfische  werden  an  einen  Stein 
oder  dergleichen  geschlagen,  dann  die  Tentakeln  abgeschnitten  und  roh  gegessen.  Wie 
überall,  versteht  man  Fische  zu  räuchern,  die  sich  aber  ohne  Salz  nicht  lange  halten. 
Bei  roichem  Fange  von  Haifischen  bereitet  man  aus  dem  Fleisch  eine  haltbare  Con- 
serve  in  folgender  Weise.  Das  Fleisch  wird  in  Stücke  zertheilt  auf  dem  Feuer  geröstet, 
vollends  in  der  Sonne  getrocknet,  dann  zerrieben  und  mit  geschabter  Cocosnuss  ver- 
arbeitet. 

Unter  den  Fischen  der  Gilbert-Meere  scheinen  übrigens  weit  weniger  giftige  zu 
sein,  als  in  jenen  der  Marshall-Inseln.  Von  den  Gilbert-Eingeborenen  im  Arbeiterdepot 
auf  Dschalut  erkrankten  verschiedene,  mehrere  starben,  am  Genuss  von  Fischen,  die  in 
ihrer  Heimat  als  unschädlich  gelten  und  ohne  Bedenken  gegessen  wurden;  darunter  war 


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58 


Dr.  O.  Finsch. 


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eine  ihrer  beliebtesten  Haifischarten  (wohl  Carcharias  lamia).    Auch  Kirby  und  Wood 
gedenken  keiner  giftigen  Fische. 

Salz  ist  unbekannt  und  findet  nicht  etwa,  wie  so  oft  irrthümlich  gesagt  wird,  in 
Seewasser  Ersatz,  denn  auf  den  Gilberts  wird  eben,  wie  noch  anderwärts,  ohne  Wasser 
gekocht. 

Küchengeräth,  oder  richtiger  Geräthschaften,  welche  bei  der  Zubereitung  von 
Speisen  benutzt  werden,  wie  aus  dem  Vorhergehenden  erhellt,  braucht  man  nur  wenige. 
Feuerreiben  (»Tiai«  ==  Feuer)  habe  ich  nicht  mehr  gesehen,  da  die  Eingeborenen 
bereits  Streichhölzer  eintauschten,  besonders  aber  Stahl  und  Feuerstein.  Als  Zunder  be- 
nutzten sie  die  angekohlte  Hülle  von  Cocosnuss.  Nach  Dämon  und  Bingham  rieben  die 
Gilbert-Insulaner  ganz  in  der  Weise  Feuer,  wie  die  alten  Hawaiier,  eine  Methode,  die 
ich  unter  Marshallinseln  beschreiben  werde. 

Ein  eigenthümliches  Küchengeräth  ist  das  folgende: 

Tekamaredei  (Nr.  68,  i  Stück).  Sieb,  bestehend  aus  einem  runden  Holzreif, 
circa  20  Cm.  im  Durchmesser,  der  mit  einem  sehr  feinmaschigen  Netzwerke  aus  Cocos- 
faserbind faden  überspannt  ist.  Tarowa. 

Dient  zum  Durchsieben  bei  der  Bereitung  von  Pa/iJa/?«5-Conserven  (S.  51),  so- 
wie geschabter  Cocosnuss  und  Tarowurzel. 

Ein  besonders  primitives  Geräth  zum  Schaben  heisst  »Tedueiroa«,  bestehend  aus 
einem  flachen,  dreibeinigen  Gestelle,  aus  einer  dreigabligen  PanJa/ii/5- Wurzel  verfertigt, 
auf  welches  ein  flaches  Schalenstück  der  Riesenmiesmuschel  (Pinna  nigra)  festgebun- 
den ist.  Maraki. 

Man  reibt  auf  denselben  Cocosnuss  für  grösseren  Bedarf,  benutzte  aber  Jetzt  meist 
alte  Meissel  oder  Hobeleisen  als  Schaber.  Für  gewöhnlich  genügt  jedoch  ein  Stückchen 
geschärfte  Cocosnussschale  oder  eine  passende  Bivalve,  wie: 

Tekadidi  (Nr.  26,  i  Stück).  Schaber  aus  einer  Schale  von 
Tellina  eleganSj  Gray  (auct.  von  Martens),  Butaritari. 

Derartige  Muscheln  wurden  auch  vor  Einführung  eiserner 
Messer,  die  jetzt  ungefähr  jeder  Eingeborene  besitzt,  als  Messer  be- 
nutzt, ganz  wie  dies  in  Melanesien  geschieht  (vgl.  S.  [19],  [54]»  [i63], 
[198]).  Aber  ich  sah  auf  den  Gilberts  keine  derartigen  Instrumente 
aus  Perlschale  (Taf.  IV  [2],  Fig.  7),  da  diese  selten  ist,  oder  die  in 
Melanesien  so  verbreiteten  meisselartigen  Brecher  aus  Knochen 
(Finsch,  Ethnol.  Atlas,  Taf.  V,  Fig.  7). 

Zum  Abschälen  der  Hülle  der  Cocosnuss,  die  namentlich  an 
jungen  Nüssen  sehr  fest  sitzt,  habe  ich  weder  hier,  noch  anderwärts 
in  Mikronesien  ein  besonderes  Geräth  gesehen.  Irgend  ein  zuge- 
spitztes Stück  Holz,  mit  dem  man  die  Hülle  abstösst,  genügt  dem 
Zwecke  vollständig.  Der  Kopf  der  Nuss  wird  dann  mit  einem  Steine 
(Koralle)  geschickt  abgeschlagen,  eine  Hantirung,  in  der  alle  Ein- 
geborenen selbstredend  sehr  bewandert  sind. 

Als  Reibeisen  verwendet  man,  wie  so  häufig  auch  anderwärts, 
flache  Stücke  Korallen,  deren  rauhe  Oberfläche  sich  trefflich  für 
diesen  Zweck  eignet. 
Stampfer  waren  damals  noch  ein  wichtiges  Geräth,  meist  in  der  Form  wie  das 
folgende  Stück. 

Tiggi  (Nr.  54,  i  Stück,  Textfig.  6),  Stampfer,  flaschenförmig,  rund,  aus  einem 
Stücke  Eisenholz  roh  bearbeitet.    Tarowa.     Die  Grösse  der  erhaltenen  Stücke  variirt 


Fig.  6. 


Stampfer  aus  Holz, 

Tarowa. 

*/4  nalürl.  Grösse. 


[327] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


59 


Fig.  7- 


Stampfer  aus  Holz. 

Tarowa. 
*/j  natürl.  Grösse. 


von  i8 — 34  Cm.  in  der  Höhe,  der  Durchmesser  der  unteren  Fläche  8  — 18  Cm.;  andere 
sind  viel  schmäler  und  dünner.  Feiner  bearbeitet  sind  die  Stampfer  wie  Textfig.  7,  eben- 
falls aus  schwerem  Eisenholz  (Mangrove).   Tarowa,  Maraki. 

Die  Stampfer  dienen  sowohl  zum  Zerstampfen  von  Taro,  Jack- 
frucht,  Pandanus  oder  dessen  Rinde,  als  auch  zu  anderen  Zwecken 
(Klopfen  von  Cocosnussfaser  u.  dgl). 

Essgeräth  ist  sehr  primitiv.  Als  Schüsseln  werden  nicht  selten 
grosse  Schalen  von  Tridacna  gigas  benutzt,  in  denen  ich  auch  Palm- 
syrup  aufbewahren  sah,  sowie: 

Tekadadj  (Nr.  74,  i  Stück).  Schale  der  Riesenmiesmuschel  (Pinna 
nigra),  Tarowa.  Grosse  Exemplare  (bis  42  Cm.  lang  und  26  Cm. 
breit)  dienen  als  Schüsseln,  kleinere  als  Teller  (»Raurau«);  als  letztere 
genügen  auch  grosse  Blätter,  z.  B.  vom  Brotfruchtbaume. 

Von  Holzgefässen,  wie  das  folgende,  erhielt  ich  nur  wenige  Stücke. 

Tekumedj  (Nr.  77,   i  Stück).    Napf,  trogförmig,  länglich,  an 
den  Schmalseiten  abgerundet  und  hier  in  der  Mitte  des  oberen  Randes  mit  einem  kurzen 
Vorsprunge  zum  Anfassen,  36  Cm.  lang,  9  Cm.  breit.  Tarowa. 

Das  grösste  derartige  Gefäss,  eine  Art  Trog,  war  an  den  beiden  Schmalseiten  recht- 
winkelig abgestuzt,  63  Cm.  lang,  nur  21  breit  und  18  Cm.  hoch;  von  Maraki. 

Das  Material  zu  diesen  meist  sehr  roh  und  ohne  alle  Verzierung  gearbeiteten  Ge- 
fässen  ist  vorzugsweise  Holz  vom  Brotfruchtbaume,  zuweilen  auch  von  der  Cocospalme. 
Sie  werden  als  Wassergefässe  oder  bei  der  Zubereitung  von  Teig  aus  gestampftem  Taro 
verwendet,  besonders  aber  als  Bowle  für  »Karave«  (Syrupwasser)  oder  »Mongin«  (sauren 
Toddy). 

Zum  Einschlürfen  dieses  beliebten  Getränkes  bedient  man  sich  zuweilen  auch 
eines  besonderen  Saugrohres.  Dasselbe  besteht  aus  einer  17  Cm.  langen  Röhre  aus 
einem  dünnen,  innen  marklosen  Zweigstücke  von  Pandanus  und  ist  am  unteren  Ende 
mit  einem  Siebe  (aus  dem  Bast  von  der  Basis  des  Cocospalmblattes)  versehen.  Das  für 
den  Palmsafttrinker  so  nöthige  Utensil  wird  häufig  im  Ohrlappen  befestigt  getragen. 

LÖlTel  (»Tiria«)  aus  Cocosnuss,  wie  in  Mela- 
nesien (S.  [109],  [i63]  und  [198]),  sind  mir  auf  den 
Gilberts  nicht  vorgekommen,  wohl  aber  andere,  sehr 
primitive  Geräthe,  die  zum  Essen  von  Taropappe 
dienen. 

Te  kanumoi  (Textfig.  8).  Flaches,  spateiför- 
miges Holz  (circa  21  Cm.  lang).  Tarowa.  Hier  auch 
ein  Stück  in  anderer  Form  (Fig.  9),  circa  18  Cm. 
lang,  aus  Walfischknochen.  Ein  anderes  löffelartiges 
Geräth,  von  derselben  Localität,  war  ebenfalls  aus 
Walfischknochen,  in  der  Form  ähnlich  wie  Fig.  8, 
aber  schmäler  und  29  Cm.  lang.  Nach  Kirby  bedient 
man  sich  als  Löffel  »menschlicher  Rippen«,  wobei 
wohl  aber  eine  Verwechslung  mit  Rippen  von  Wal- 
thieren vorliegt. 

Ein  anderes  Geräth  dient  zum  Schöpfen: 

Aila  (Nr.  57,  58,  2  Stück).  Schöpfkellen,  bestehend  aus  der  Hälfte  einer  Cocos- 
nussschale,  die  vvagrecht  an  einen  20 — 3o  Cm.  langen  Holzstiel  mittelst  Bindfaden  be- 
festigt ist.  Tarowa. 


Fig.  8. 


Spatel  aus  Holz, 
Tarowa. 
Vi  natürl.  Grösse. 

Fig.  9. 


Spatel  aus  Bein. 

Tarowa. 
V«  natürl.  Grösse. 


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Dr.  O.  Finsch. 


[328] 


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Man  gebraucht  diese  Schöpfkellen  nicht  beim  Essen^  sondern  zum  Wasserschöpfen 
oder  besonders  bei  der  Syrupkocherei  aus  Palmsaft  (S.  51). 

In  ähnlicher  Form,  aber  mit  senkrecht  stehendem  Holzstiele,  bereits  von  den 
Admiralitätsinseln  (S.  [64])  aufgeführt;  sonst  sind  mir  diese  Art  Schöpflöffel  aber  nicht 
in  Melanesien  vorgekommen. 

Als  Behälter  für  Flüssigkeiten,  von  denen  auf  den  Gilberts  weniger  Wasser  als 
Palmsaft,  respective  Cocosnussmilch  in  Betracht  kommt,  dient  auch  hier  die  weitver- 
breitete Schale  der  Cocosnuss. 

Te  tjimpa  (Nr.  71,  i  Stück).  Cocosnussschale  als  Wassergefäss.  Tarowa. 

Ein  Bindfaden,  am  oberen  Ende  durch  zwei  Löcher  befestigt,  dient  als  Henkel 
zum  Aufhängen,  da  in  solchen  Cocosnussschalen  besonders  der  ausfliessende  Saft  der 
angebohrten  Palme  aufgefangen  wird.  Auch  nimmt  man  sie,  mit  Wasser  gefüllt,  auf 
Seereisen  mit. 

Cocosnussschalen  mit  irgend  einer  Bearbeitung  habe  ich  nie  auf  den  Gilberts  ge- 
sehen; gewöhnlich  sind  sie  vom  langen  Gebrauche  und  Hängen  im  Rauche  fast  schwarz. 
Halbdurchschnittene  Cocosschalen  werden,  ausser  als  Trinkgefässe,  auch  als  Lampen 
(»Tetaura«)  benutzt,  in  welchen  man  Cocosnussöl  brennt;  ich  habe  solche  nur  in  den 
Maneap  gesehen.  Nach  Kirby  tranken  die  Kurianer  auch  aus  Schalen  aus  menschlichen 
Schädeln,  was  vielleicht  als  seltener  Ausnahmsfall  vorgekommen  sein  mag. 

4.  Wohnstätten. 

Siedelungen.  Die  Gilbertinseln  sind  das  einzige  Gebiet  Mikronesiens,  in  welchem 
sich  die  menschlichen  Wohnstätten  zu  wirklichen  Dörfern  (»Tekawa«)  gruppiren,  wie 
ich  dies  sonst  nur  in  Melanesien  sah  (vgl.  II,  S.  [102]  und  [194]).  Das  grösste  Dorf  auf 
Butaritari  zählte  etliche  40  Häuser,  gewöhnlich  sind  die  Dörfer  aber  kleiner  und  be- 
stehen aus  10 — 20  Häusern;  zuweilen  nur  aus  drei.  Nach  Hudson  bestand  Utiroa,  das 
grösste  Dorf  der  Insel  Tapiteuea,  aus  circa  3oo  Häusern  und  hatte  an  1200 — 1500  Ein- 
wohner. Die  Siedelungen,  stets  am  Innenrande  der  Lagune  errichtet,  so  dass  sie  von  der 
See  aus  selten  sichtbar  werden,  stehen  ausserordentlich  dicht  beisammen  und  liegen  oft 
kaum  mehr  als  eine  Viertelstunde  von  einander  entfernt.    An  der  Lagune  von  Maraki 
reiht  sich  Dorf  an  Dorf,  die  meisten  mit  einem  Gemeindehause,  das  schon  von  Weitem 
durch  besondere  Grösse  auffällt.     Das  gibt  sehr  hübsche  Bilder,  die  an  die  Heimat 
mahnen;  denn  die  grauen  Blätterdächer  sehen  aus,  als  wären  sie  von  Schindeln,  und  in 
der  That  fehlt  dem  Gemeindehause  nur  ein  Thurm,  um  die  Täuschung  zu  vervollstän- 
digen.    Die  Dörfer  sind  im  Ganzen  viel  regelmässiger  angelegt  als  sonst,  und  das  Ge- 
meindehaus bildet  häufig  den  Mittelpunkt,  um  den  sich  die  übrigen  Häuser  in  Reihen 
gruppiren,  wie  in  kleinen  Städten  bei  uns  um  das  Rathhaus.     Dabei  herrscht  auch 
grössere  Reinlichkeit,  wie  gewöhnlich;  der  Platz  um  das  Gemeindehaus  und  andere 
Häuser  ist  häufig  hübsch  geebnet  und  mit  weissem  Korallgerölle  bestreut.     Längs  der 
Wasserseite  mancher  Dörfer  fand  ich  eine  Mauer  aus  Korallsteinen  errichtet,  als  Schutz- 
wehr gegen  feindliche  Ueberfälle. 

Häuser  (»Tebata«)  sind  in  einem  für  alle  Inseln  des  Archipels  giltigen  eigen- 
thümlichen  Style  und  dabei  viel  sorgfältiger  gebaut,  als  sonst.  Zuweilen  stehen  die 
Häuser  hart  am  Rande  der  Lagune  auf  einem  Unterbaue  aus  Korallsteinen,  der  sie  vor 
Ueberfluthen  bei  Hochwasser  schützt.  Als  Material  dient  vorzugsweise  PandanuSy  dessen 
Blätter  auch  die  Dachbedeckung  liefern,  doch  wird  auch  Cocospalme  verwendet.  Die 
von  Edge-Partington  (Taf.  169)  abgebildeten  Gilbert-Häuser  (aber  auf  Samoa  von  ein- 


[329] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee. 


6l 


geführten  Arbeitern  aus  den  Gilberts  gebaut)  geben  ein  total  falsches  Bild.  Die  Häuser 
auf  den  Gilberts  sind  nämlich  keine  Pfahlbauten,  sondern  eigentlich  nur  grosse,  auf 
niedrigen  Pfählen  ruhende  Dächer  aus  Pa«iaww5- Blatt,  die  in  der  Bauart  am  meisten 
mit  den  Häusern  auf  Oatafu  der  Tockelau-Gruppe  (Wilkes,  V,  S.  i)  übereinstimmen. 

Aehnlich,  aber  schlechter,  scheinen  auch  die  Häuser  auf  Nukufetau  der  Ellice- 
Gruppe  (Edge-Partington,  PL  i68).  Da  eine  klare  Vorstellung  nur  durch  Abbildungen 
möglich  ist,  so  muss  ich  mich  auf  eine  kurze  Beschreibung  beschränken.  Die  Länge  eines 
grossen  Gilberthauses  beträgt  7 — 9  M.,  die  Breite  circa  6 — 7  M.,  die  Höhe  bis  zum  Dach- 
firste vielleicht  4  M.  Die  Firste  des  Daches  (Terau)  läuft  geradlinig  und  ist  mit  Matten 
bedeckt;  die  Giebel  fallen  in  der  oberen  Hälfte  fast  gerade,  in  der  unteren  schräg  vor- 
springend ab,  zuweilen  auch  ganz  senkrecht.  Die  Träger  dieses  grossen  Daches  sind 
nicht  eigentlich  Pfähle,  sondern  meist  PandanusStammstückey  mit  drei  bis  vier  Wurzel- 
enden, die  gleichsam  als  P'uss  dienen,  da  sich  bei  dem  steinigen  Korallgrund  Pfähle 
schlecht  einrammen  lassen.  Die  Seiten  des  Gebäudes  sind  offen,  können  aber  je  nach 
Bedürfniss  mit  gewöhnlichen  Matten  aus  Cocosblatt  verhängt  werden.  Da  die  Träger 
des  Daches  meist  weniger  als  einen  Meter  hoch  sind,  so  muss  man  sich  sehr  bücken, 
wenn  man  eintreten  will.  Im  Innern  der  Hütte  läuft  etwa  in  i  '/^  M.  Höhe  ringsum 
eine  meterbreite  Plattform  oder  erhöhter  Flur,  auf  Querbalken  von  PandanuSj  aus  ge- 
spaltenen Stäben  von  gleichem  Material  errichtet.  Dieser  erhöhte  Flur,  welcher  zum 
Schlafen  oder  für  allerlei  Geräth  dient,  nimmt  zuweilen  nur  die  eine  Hälfte  des  Hauses 
ein,  oder  fehlt  wohl  auch  ganz.  Ueber  dieser  ersten  Plattform  ist  in  circa  i  M.  Höhe 
häufig  eine  zweite  errichtet,  eine  Art  Bodenraum,  aus  sperrig  gelegten  PandanusStähtny 
der  zum  Aufbewahren  von  allerlei  Habseligkeiten  und  Materialien  (Matten,  Palmrippen, 
alten  Cocosnüssen  u.  s.  w.)  benutzt  wird.  Das  sind  die  zwei  Stockwerke  (!),  wie  sie 
von  Gilbert-Häusern  beschrieben  werden.  Das  Sparrenwerk  besteht  grossentheils  aus 
gespaltenen  Palmblattrippen  oder  Pandanus  und  ist  wie  das  ganze  Gebäude  mit  Stricken 
aus  Cocosfaser  zusammengebunden.  Der  Fussboden,  häufig  auch  die  Umgebung  des 
Hauses,  werden  mit  Korallgrus  bestreut,  zuweilen  auch  um  das  Haus  Platten  von 
Korallfels,  auf  die  hohe  Kante  gesetzt,  aufgestellt.  Eine  Feuerstelle  enthalten  diese 
Häuser  nicht,  wie  sie  auch  keinerlei  Verzierung  aufzuweisen  haben.  Zuweilen  wird 
in  besonderen  kleinen  Schuppen  gekocht,  oder  die  Feuerstelle  liegt  immer  abseits  des 
Hauses  im  Freien. 

Die  Bauart  der  Häuser  auf  Nawodo  stimmt  ganz  mit  der  auf  den  Gilberts  überein, 
ebenso  die  auf  Banaba,  die  aber  aus  Mangel  an  Pandanus  mit  Cocospalm blättern  ge- 
deckt sind  (mündliche  Mittheilung  von  Capitän  Breckwoldt). 

Es  gibt  auf  den  Gilberts  auch  besondere  auf  Pfählen  stehende  kleine  Nebenhäuser 
zum  Aufbewahren  von  Vorräthen  (Pö/?rfaw«5-Conserven  in  Rollen,  geräucherte  Fische 
etc.),  die  gelegentlich  auch  zum  Schlafen  dienen  mögen. 

Der  König  von  Butaritari  wohnte  übrigens  in  einem  von  San  Francisco  impor- 
tirten  sehr  hübschen  Bretterhause  mit  Wellblechdach  und  war  besser  eingerichtet  als 
die  meisten  weissen  Händler.  Er  besass  sogar  eine  eigene  Flagge,  ein  Geschenk  der 
amerikanischen  Firma,  mit  der  er  in  Verbindung  stand.  Bei  Weitem  opulenter  soll  sein 
College  auf  Apamama  eingerichtet  sein. 

Ziergewächse,  wie  sie  einzeln  auf  den  Marshalls  bei  den  Häusern  gezogen  werden, 
ganz  besonders  aber  in  Melanesien  die  Siedelungen  verschönern,  habe  ich  auf  den  Gil- 
berts nicht  gesehen.  Charakteristisch  für  die  letzteren  sind  dagegen  trockene  Sträucher, 
an  deren  Aesten  Cocosschalen  (mit  Wasser  und  Toddy)  aufgehangen  werden  und  die 
fct  bei  keinem  Hause  fehlen. 


62  I>r.  O.  Finsch.  [33o] 

Jedes  Dorf  besitzt  auch  einen  sogenannten  Brunnen,  d.  h.  eine  Grube,  zuweilen 
mit  Korallplatten  ausgesetzt,  in  welcher  sich  Grund-  oder  Regenwasser  sammelt,  das 
aber  meist  schlecht  schmeckt.  Hudson  sah  auf  Tapiteuea  eine  15  Fuss  tiefe  Wasser- 
grube, für  die  Kräfte  der  Eingeborenen  immerhin  ein  bedeutendes  Werk. 

Gemeindehäuser  (oder  Versammlungshäuser),  »Maneap«,  wie  sie  fast  die  meisten 
Dörfer  besitzen,  gehören  ebenfalls  zu  den  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten  der 
Gilbert-Inseln  und  mit  zu  den  bemerkenswerthesten  Bauwerken  Mikronesiens  über- 
haupt. Das  Maneap  stimmt  in  der  Form  und  Bauart  übrigens  ganz  mit  einem  Hause 
überein,  nur  fehlt  die  innere  Einrichtung  von  Plattformen  oder  erhöhten  Fluren,  und 
die  Dimensionen  sind  oft  gewaltige.  Das  grosse  Maneap  in  dem  Dorfe  Okianga  auf 
Butaritari,  welches  ich  mass,  war  iio  Fuss  lang,  65  Fuss  breit  und  52  Fuss  hoch,  das 
im  Dorfe  Butaritari  selbst  sogar  250  Fuss  lang  und  114  Fuss  breit.  Von  letzterem  sah 
ich  nur  noch  die  Trümmer;  der  cyklonartige  Sturm  im  Jahre  1876  hatte  es  umgeweht. 
Kein  Wunder,  denn  auch  diese  gewaltigen  Bauten  verbindet  kein  Nagel,  keine  einge- 
falzten Balken,  sondern  nur  Strickwerk  aus  Cocosfaser,  und  die  Grundpfeiler  und  Träger 
des  gewaltigen  Daches  sind  nicht  eingerammt.  Das  Dach  ruht  seitlich  auf  1*44  M. 
hohen,  circa  i  M.  breiten  und  circa  20  Cm.  dicken  Platten  von  Korallfels,  von  welchen 
das  Maneap  in  Okianga  an  der  Längsseite  neun,  an  der  Schmalseite  fünf  zählte.  Diese 
Platten  bestehen  aus  einer  Art  Conglomerat  und  finden  sich  lose  auf  dem  Aussenriff, 
so  dass  sie  oft  ziemliche  Strecken  weit  transportirt  werden  müssen.  Zwischen  diesen 
Trägern  aus  Korallfels  sind  noch  andere  aus  Balken,  zum  Theil  in  einen  Fuss  aus 
Korallfels  eingesetzt,  angebracht,  meist  natürlich  gekrümmte  Palmstämme,  welche  das 
etwas  gewölbte  Dach  seitlich  stützen,  und,  wie  alles  Balkenwerk,  meist  unbehauen.  In 
der  Mitte  ruht  das  Dach  auf  Palmstämmen  als  Pfeiler.  Das  Maneap  von  Okianga  be- 
stand aus  drei  Reihen  von  Je  fünf  Pfeilern  oder  Säulen,  die  den  kunstvollen  Dachstuhl 
trugen.  Seitenstreben  halten  die  Säulen  untereinander  und  sind  mit  den  Hauptträgern 
des  Daches  verbunden.  Das  letztere  besteht,  wie  immer,  aus  Panda nus-Elatt  und  ist 
auf  der  Firste  mit  Cocospalmblättern  belegt,  die  wegen  ihrer  Schwere  besseren  Schutz 
gegen  den  Wind  gewähren. 

Der  Fussboden  des  Maneap  besteht  aus  weissem  Korallgrus;  auch  werden  Matten 
zum  Sitzen  ausgebreitet.  Als  Schmuck  sah  ich  nur  Palmwedel  und  Eiermuscheln  (Ovula 
ovum)y  die  Hudson  auch  von  Tapiteuea  erwähnt.  Die  Pfeiler  des  grossen  Maneap 
waren  hier  schwarz,  die  desjenigen  auf  Tarowa  roth  angestrichen;  letztere  Farbe  war 
aber  importirt.  Treffliche  Abbildungen  des  Maneap  auf  Tapiteuea,  ganz  übereinstim- 
mend mit  denen,  wie  ich  sie  auf  den  nördlichen  Inseln  sah,  gibt  Wilkes  (V,  S.  52  von 
aussen  und  S.  56  von  innen). 

Wenn  man  die  ungeheure  Mühe  bedenkt,  welche  allein  das  Herbeischleppen  des 
Materials,  darunter  der  gewaltigen  Korallplatten  verursachte,  so  wird  man  den  Vorwurf 
der  Faulheit,  welcher  diesen  Eingeborenen  so  leicht  gemacht  wird,  gewiss  zurück- 
nehmen. Ganz  abgesehen  von  dem  Fleiss  und  der  hohen  Entwicklung  einer  primitiven 
Baukunst,  wird  man  vor  Allem  auch  den  Gemeinsinn  und  die  Ausdauer  dieser  »Wil- 
den« bewundern  müssen.  Freilich  sind  diese  Riesenbauten  zum  Theil  wohl  mit  unter 
dem  Druck  der  Häuptlingsmacht  entstanden,  wie  sie  früher  an  manchen  Orten  herrschte. 
An  dem  Maneap  von  Okianga  wurde  vier,  an  dem  eingestürzten  Riesenmaneap,  dem 
grössten  des  ganzen  Archipels,  sogar  sechs  Jahre  gebaut,  und  man  ging  damit  um,  es 
wieder  aufzubauen,  da  ja  die  Korallpfeiler  noch  standen.  Wie  verschwindend  sind 
gegenüber  diesen  heidnischen  Leistungen  die  Kirchenbauten  der  christlichen  Einge- 
borenengemeinden, meist  nicht  mehr  als  ein  grosser  Schuppen  oder  Stall.    Die  Kirche 


[33i] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


63 


auf  Butaritari  war  40  Fuss  lang  und  20  breit  und  die  einzige  aus  Brettern  gebaute  im 
ganzen  Archipel.  An  dem  neuen  Kirchlein  aus  Korallstein  baute  man  schon  drei  Jahre, 
und  ich  fürchte,  es  wird  nie  fertig  geworden  sein. 

Die  Maneap  haben  nichts  mit  religiösen  Zwecken  zu  thun,  wofür  sie  die  Mission 
so  gern  benutzt  hätte,  sondern  dienen  nur  öffentlichen  Angelegenheiten,  Lustbarkeiten, 
zum  Empfange  und  als  Schlafstätte  von  Besuchern  und  Junggesellen.  Mit  dem  Tritons- 
horn  werden  die  Männer  zu  den  Versammlungen  über  Gemeindeangelegenheiten  ins 
Maneap  gerufen,  wo  jeder  seinen  bestimmten  Platz  einnimmt.  Auch  unsere  »Einwan- 
derungsagenten« begaben  sich  stets  zuerst  ins  Maneap,  um  »freie«  Arbeiter  anzuwerben, 
und  es  entwickelten  sich  dann  Scenen,  wie  sie  der  Stahlstich  in  Wilkes'  Reise  (V,  S.  56) 
sehr  anschaulich  darstellt.  Weit  lebhafter  geht  es  bei  den  Festen  zu,  welche  im  Maneap 
zuweilen  mehrere  Hundert  Personen  beiderlei  Geschlechts  zu  Tanz,  Gesang  und  Trink- 
gelagen vereinen. 

In  grösseren  Dörfern  lernte  ich  übrigens  eigene  Versammlungshäuser  für  Frauen 
kennen,  bedeutend  kleiner  als  die  Maneap,  aber  grösser  als  Wohnhäuser,  in  welchem 
das  weibliche  Geschlecht  und  Kinder,  meist  mit  Mattenflechten,  beschäftigt  war. 

Nawodo  besitzt  keine  Maneap;  wohl  aber  kommen  solche,  indess  meist  kleiner, 
auf  Banaba  vor  (Capitän  Breckwoldt).  Sehr  ähnlich  den  Maneap  der  Gilberts,  aber 
durch  oblonge  Form  verschieden,  sind  die  >Tui-tokelau«  der  Union-  oder  Tockelau- 
Gruppe,  wie  ein  solches  Wilkes  (V,  S.  14)  von  Fakaafo  abbildet,  die  aber  mehr  reli- 
giösen Zwecken  zu  dienen  scheinen.  In  Mikronesien  entsprechen  nur  hinsichtlich  ihres 
Zweckes  die  »Bai«  der  Pelauer  und  »Fei«  auf  Mortlock  den  Maneap,  unterscheiden 
sich  aber  durch  ganz  abweichenden  Baustyl.  Dasselbe  gilt  für  die  grossen  Versamm- 
lungshäuser (Fale-tele«)  auf  Samoa,  die  »Runanga«  der  Maoris  und  die  verschiedenen 
Arten  Junggesellen-  oder  Tabuhäuser  in  Melanesien  (II,  S.  [195]). 

Ich  will  hier  noch  besondere  Wasserbauten  erwähnen,  die  ich  auf  Butaritari  sah 
und  welche  den  früher  herrschenden  Fleiss  bezeugen.  Es  waren  nämlich  hier  an  einigen 
Stellen  von  einer  Insel  zur  anderen  oft  beträchtlich  lange  Dämme  aus  Korallsteinen  und 
Geröll  aufgeschüttet,  so  dass  man  auf  denselben  selbst  bei  Hochwasser  trockenen  Fusses 
von  einer  Insel  des  Atoll  zur  anderen  kommen  konnte. 

5.  Hausrath 

ist  nur  gering  und  darunter  trefflich  geflochtene  Matten  (»Teki«  oder  »Tedjiet«)  zum 
Schlafen,  respective  zum  Zudecken,  das  nothwendigste  Requisit. 

Teka-unida  (Nr.  194,  195,  2  Stück),  Schlafmatte,  feine  Flechtarbeit  aus  sehr 
schmalen  Streifen  von  Pandanus-hl^aXl.  Tarowa. 

Die  Matte  Nr.  194  ist  noch  nicht  vollendet  und  äusserst  instructiv,  um  die  müh- 
same und  geschickte  Arbeit  zu  zeigen.  Solche  Matten  sind  von  sehr  verschiedener 
Grösse,  zuweilen  enorm  gross  (7  M.  lang  und  5  M.  breit)  und  ebenso  verschieden  in 
Güte  und  Feinheit  der  Arbeit,  erreichen  aber  nicht  den  Grad  der  Vollkommenheit  ge- 
wisser polynesischer  Erzeugnisse.  Unter  den  letzteren  stehen  die  oft  riesig  grossen 
Schlafmatten  (aus  Pandanus)  von  Rotumah  obenan,  welche  in  Sidney  mit  20 — 3o  Mark 
bezahlt  werden.  Aus  gebleichten  helleren  und  ungebleichten  dunkleren  Blattstreifen 
werden  auch  auf  den  Gilberts  solche  Matten  zuweilen  in  carrirtem  feinen  Schachbrett- 
muster verfertigt.  Die  Basis  der  Blattstreifen  bleibt  häufig  als  Rand  stehen  und  bildet 
eine  mehr  oder  minder  gefranste  Kante. 


64  ^r.  O.  Finsch.  [332] 

Nach  Weisser  soll  jede  Insel  ein  eigenes  Muster  besitzen,  aber  ich  möchte  dies  be- 
zweifeln. Einmal  sind  die  Muster  überhaupt  einfach  und  im  Ganzen  selten,  und  dann 
habe  ich  von  derselben  Frau  verschiedene  Muster  flechten  sehen.  Es  wird  daher  wohl 
kaum  möglich  sein,  an  dem  Muster  zu  erkennen,  ob  eine  Matte  auf  Tarowa  oder 
Apainang  u.  s.  w.  verfertigt  wurde. 

Zum  Aufbewahren  von  Matten  sah  Hudson  grosse  aus  Latten  von  Pandanus- 
Holz  gefertigte  Deckelkisten,  die  den  einzigen  Hausrath  im  Maneap  auf  Tapiteuea  aus- 
machten (vgl.  Wilkes'  Abbild.,  V,  S.  156). 

»Teka-maireri«,  Matten  zum  Bedecken  beim  Schlafen,  sind  meist  schmäler  (circa 
2  M.  lang  und  bis  5  M.  breit)  und  werden  häufig  von  mehreren  Schläfern  gleichzeitig 
benutzt. 

Selbstredend  werden  die  Matten  nicht  blos  in,  sondern  auch  ausserhalb  der  Häuser 
und  nicht  blos  zum  Daraufschlafen,  sondern  auch  zum  Daraufsitzen  benutzt.  Sie  sind 
daher  namentlich  in  den  Versammlungshäusern  (»Maneap«)  unentbehrlich,  denn  auf 
solchen  Matten  sitzend,  werden  die  Rathsversammlungen  abgehalten. 

Zum  Abfegen  derselben  bedient  man  sich: 

Tedaubar^,  Tauberi  (Nr.  115,  i  Stück),  Handbesen,  circa  50  Cm.  lang,  aus 
den  feinen  Reisern,  welche  die  Rippen  (»Tenuk«)  der  Fiedern  des  Blattes  der  Cocos- 
palme  liefern,  zusammengebunden.    Tarowa. 

Derartige  Besen  waren  übrigens  selten  und  wurden  nur  von  einzelnen,  anschei- 
nend angesehenen  Männern  unter  dem  Arme  getragen,  die  sorgfältig  den  Platz  fegten, 
auf  den  sie  sich  setzen  wollten,  wurden  aber  auch  als  Fliegenwedel')  benutzt.  Zu  dem- 
selben Zwecke  erwähnt  Hudson  auch  Fächer  von  Tapiteuea. 

Als  Kopfkissen,  die  übrigens  keine 
FJg-  10.  Nothwendigkeit  sind,  genügt  gewöhnlich 

ein  runder  Stamm  vom  Pandanus-^dMmy 
wie  er  sich  in  den  meisten  Häusern,  auch 
in  den  Maneap  findet,  aber  ich  erhielt  auch 

besondere  Kopf unterlagen  (wie  Fig.  10) 

aus  Brotfruchtbaumholz  geschnitzt.  Das 
Stück  ist  flach,  sattelförmig  ausgehöhlt, 
circa  45  Cm.  lang,  24  Cm.  breit,  mit  einer 
runden  Handhabe  an  jeder  Seite,  hinten 
12  Cm.,  vorne  nur  2  Cm.  hoch.  Maraki. 
Zum  Verwahren  von  Esswaaren  oder 
'der  wenigen  Habseligkeiten  werden  Körbe  benutzt.  Dieselben  sind  sehr  verschieden, 
wie  die  folgenden  Nummern  zeigen. 

Tubeine  (Nr.  106,  i  Stück),  grosser  Korb  aus  Cocospalmblatt  geflochten.  Tarowa. 

Die  Anfertigung  derselben  ist  eine  sehr  einfache  und  macht  wenig  Mühe.     Man 

spaltet  ein  Palmblatt  in  der  Weise,  dass  ein  schmälerer  oder  breiterer  Rand  der  Mittel- 


Kopfunterlage. 

Maraki. 
V«  natürl.  Grösse. 


I)  Sehr  verschieden  sind  die  Fliegenwedel  von  Samoa.  die  in  der  Form  ganz  mit  den 
Fliegenwedeln  aus  Pferdehaar  übereinstimmen,  wie  sie  bei  uns  im  Stall  gebraucht  werden.  Sie  be- 
stehen aus  einem  circa  34  Cm.  langen  runden  Stock,  an  dessem  Ende  ein  dichtes  BQschel  Pflanzen^ 
fasern  geflochten  ist.  Dieselben  erreichen  eine  Länge  von  36  Cm.  (sind  also  für  Cocosnusspalme  zu 
lang)  und  an  der  Basis  bündelweise  (zu  20 — 3o  einzelnen  Fasern)  sehr  kunstvoll  zusammengeflochten. 
Im  Kat.  M.  G.,  S.  210,  als  »Hoheitszeichen  des  Häuptlings  oder  Redners«  und  im  Anthrop.  Album 
(Taf.  6y  Fig.  238)  in  der  Hand  eines  Mädchens,  aber  von  Tonga,  abgebildet.  Diese  Wedel  werden  in 
Samoa  zum  Abwehren  der  Fliegen  und  Fächeln  auch  gern  von  hier  ansässigen  Weissen  benutzt. 


[333] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee. 


6s 


rippe  mit  den  daran  festgewachsenen  Fiedern  erhalten  bleibt,  und  flicht  die  letzteren 
kreuzweise  ineinander,  häufig  so,  dass  in  der  Mitte  oder  seitlich  ein  Henkel  angeflochten 
wird.  Diese  Körbe  haben  meist  eine  länglich  -  viereckige  Form  oder  sind  unten  ab- 
gerundet, überhaupt  sehr  verschieden,  ebenso  in  der  Grösse,  letztere  oft  bedeutend.  Sie 
dienen  den  verschiedensten  Zwecken  (zum  Tragen  von  Cocosnüssen,  Fischen  etc.)  und 
halten  nicht  lange.  Lasten  werden  übrigens,  um  dies  noch  zu  bemerken,  an  einer  Stange 
auf  der  Schulter  zweier  Personen  getragen. 

Filetgestrickte  Beutel,  wie  sie  in  Melanesien  jedem  Manne  unentbehrlich  sind  (vgl. 
II,  S.  [112]  und  [206])  kennen  die  Gilbert-Insulaner  nicht;  doch  erhielt  ich  von  Banaba 
ein  kleines,  aus  Cocosgarn  grobmaschig  gestricktes  Säckchen  oder  Täschchen  —  9  Cm. 
lang  (Nr.  685  der  Sammlung).  Bei  den  geringen  Habseligkeiten  tragen  die  Männer  auch 
nur  selten  ein  Handkörbchen  mit  sich,  da  für  die  noth wendigsten  Requisiten,  ein  Stück 
Tabak  und  die  Pfeife,  ja  die  durchbohrten  Ohrläppchen  zum  Unterbringen  genügen. 

Neben  den  groben  Flechtarbeiten  aus  Palmblatt  verstehen  die  Frauen  ausser- 
ordentlich feine  Deckelkörbchen  zu  flechten,  wozu  das  feinere  Material  des  Pandanus- 
Blattes  benutzt  wird,  und  die  mit  zu  den  charakteristischen  Erzeugnissen  der  Ethnogra- 
phie der  Gilberts  zählen. 

Taping  (Nr.  iio — 112,  3  Stück),  Handkörbchen  mit  Deckel  für  Frauen;  feine 
Flechtarbeit  aus  sehr  schmalen  Streifchen  von  Pandanus-^l^XX,   Tarowa. 

Diese  Körbchen  gehören  mit  zu  den  besten  Flechtarbeiten  überhaupt  und  sind  oft 
sehr  kunstvoll.  Mannigfach  wie  die  äussere  Form  (viereckig,  rund,  viereckig-hoch, 
länglich-rund  oder  viereckig,  dabei  flach,  oder  unten  viereckig  und  oben  rund)  ist  die 
innere  Einrichtung  in  besondere  Fächer  und  Täschchen,  wodurch  diese  Körbchen  sich 
besonders  auszeichnen  und  eine  für  die  Gilbert-Inslen  charakteristische  Eigenthümlich- 
keit  erhalten.  Diese  meist  mit  runden  oder  viereckigen  Deckeln  versehenen  Körb- 
chen sind  den  Necessaires  unserer  Damen  zu  vergleichen  und  dienen  den  Schönen  der 
Gilbert-Inseln  zu  denselben  Zwecken,  um  allerlei  nützliche  und  überflüssige  Kleinig- 
keiten aufzubewahren.  Schnüre  aus  Cocosfaser,  in  die  häufig,  wie  auch  in  die  Körb- 
chen selbst,  das  für  die  Gilbert- Inseln  charakteristische  Menschenhaar  eingeflochten  ist, 
verschliessen  den  Deckel  und  sind  zugleich  Tragbänder.  Solche  Körbchen  werden  auf 
allen  Inseln  der  Gruppe  verfertigt;  ich  erhielt  welche  von  Butaritari  bis  Tapiteuea,  so- 
wie von  Nawodo  (Pleasant-Isl.),  aber  auch  in  diesem  Genre  verfertigt  man  verschiedene 
Formen  auf  ein  und  derselben  Insel. 

Ganz  übereinstimmende  Formen  zeigen  die  Deckelkörbchen,  wie  sie  Wilkes  (III, 
S.  202)  von  Fidschi  abbildet;  die  Vignette  (V,  S.  75)  zeigt  auch  ein  solches  von  Tapi- 
teuea. 

6.  Werkzeug. 

Aexte.  Zu  Hudson*s  Zeiten  (1841)  waren  kleine  Stückchen  Bandeisen  noch  sehr 
begehrt,  vierzig  Jahre  später  besass  fast  jeder  Eingeborene  bereits  eiserne  Geräthschaften, 
und  ich  konnte  von  den  eigenthümlichen  Aexten  der  Eingeborenen  —  »Tidagagaro« 
grosse,  »Waidebubu«  kleine  —  auch  nicht  ein  Fragment  mehr  erlangen.  Wood  und 
Kirby  gedenken  des  wichtigsten  Geräthes  der  Steinzeit  mit  keinem  Worte;  aber  der  letz- 
tere behauptet,  dass  in  Treibholzstämmen  Steine  (Basalt)  antreiben,  welche  von  den 
Eingeborenen  »zu  verschiedenen  Zwecken«  benutzt  werden  (Wilkes,  V,  S.  105). 
Wenn  die  dicksten  dieser  Stämme  bis  zwei  Fuss  im  Durchmesser  angegeben  werden,  so 
ist  wohl  nicht  gut  möglich,  dass  nach  einer  Reise  von  Neu-Seeland  (über  2000  See- 
meilen), woher  die  Stämme  kommen  sollen,  noch  Steine  von  8 — 10  Zoll  Durchmesser 

Aanalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  1,  1893.  5 


66  Dr.  O.  Finsch.  [334] 

zwischen  den  Wurzeln  erhalten  bleiben.  Es  könnte  sich  in  einzelnen  günstigen  Fällen 
höchstens  um  sehr  kleine  Steine  handeln,  die  auf  diese  Weise  in  den  Besitz  der  Atoll- 
bewohner gelangen.  Ich  habe  auf  meinen  Reisen  viel  Treibholzstämme  gesehen  und 
untersucht,  aber  sie  waren  immer  von  den  Wellen  so  stark  mitgenommen,  dass  sie  wie 
bearbeitet  aussahen  und  nur  die  grössten  Wurzelständer  zum  Theil  noch  erhalten  waren. 
Das  British  Museum  besitzt  allerdings  Aexte  mit  Basaltklingen,  in  der  Form  fast  ganz 
mit  solchen  von  Tahiti  und  der  Hervey-Gruppe  übereinstimmend,  die  mit  »Kingsmillt 
bezeichnet  sind,  aber  diese  Angabe  ist  jedenfalls  unrichtig.  Im  British  Museum  sah  ich 
dagegen  Axtklingen  aus  Tridacna  von  den  »Gilberts«,  und  das  wird  wohl  correct  sein. 
Aexte  mit  7rfJ<ic/ia-Klingen  bekam  ich  auch  von  Nanumea  (EUice-Gruppe);  Wilkes 
erwähnt  solche  von  Otooha  (Paumotu).  Sonstige  Werkzeuge  aus  der  früheren  Zeit  er- 
hielt ich  nur  wenige;  sie  waren  wohl  auch  nie  mannigfaltig. 

Als  Hammer  benutzt  man  kurze,  runde  Knüppel  von  Eisenholz  fMangrove)^  ohne 
besondere  Bearbeitung;  zum  Bohren  spitze  Muschelstücke  (Pterocerasj^  wie  auf  den 
Marshalls.    Ich  erhielt  nur  ein  hierher  gehöriges  Stück: 

Bohrer  ^Nr.  34,  i  Stück")  aus  einem  Stück  Schildkrötenknochen  (Tarowa  1,  schon 
deshalb  sehen,  weil  Schildkröten  auf  den  Gilberts  nicht  häufig  vorkommen.  Drillbohrer, 
wie  die  der  Marshall-Inseln,  habe  ich  auf  den  Gilberts  nicht  gesehen,  doch  mögen  solche 
bekannt  sein. 

Raspeln«  in  der  weitverbreiteten  Form,  wie  wir  dieselbe  bereits  aus  Melanesien 
(11,  S.  [115]*  kennen,  Hnden  sich  auch  auf  den  Gilberts. 

Temino  ^^Nr.  36  und  37,  2  Stück^,  Raspeln,  bestehend  aus  einem  schmalen 
flachen  Stück  Holz,  das  mit  Rochenhaut  überzogen  ist.  Tarowa. 

Solche  Raspeln  sind  bis  32  Cm.  lang  und  5  Cm.  breit;  übrigens  sehr  verschieden 
in  Grösse.  Die  bis  i-3o  M.  lange  dünne  Schwanzflosse  eines  Stachelrochen,  wie  sie 
f  Kai.  M.  G.,  S.  273,  Nr.  1681»  als  >Raspelnc  aufgeführt  werden,  sind  keine  solchen;  da- 
seien sah  ich  die  rauhschali^e  Teilt  na  rusrosa  L.  als  solche  benutzen. 

Ein  zum  Dachdecken  unentbehrliches  Geräih  ist: 

Tcju  iNr.  43,  I  Stück",  Pfriemen  aus  Knochen  iwohl  vom  Menschen\  29  Cm. 
lan^.  Tarowa. 

Dient  zum  Durchstechen  der  PanJanus-Bllncr^  um  diese  auf  ein  dünnes  Stäbchen 
zu  reihen.  Andere  derartige  Instrumente  inur  iS  Cm.  lan^'  bestanden  aus  anderem 
MateriaL  anscheinend  Rückenslachel  eines  Fisches.  Einen  circa  14.  Cm.  langen  Pfriemen, 
wahrscheinlich  aus  Menschenknochen,  erhielt  ich  von  Banaba. 

7.  MjiieTißechten  iriJ  Geriith, 

Die  einziiTe  Industrie,  soweit  von  einer  solchen  überhjur*t  die  Rede  sein  kann,  be- 
steht  in  der  Anrer::cun4:  ^osser  Matten  S.  63  33 1  ,  Nr.  ic-t  ,  ein  Gewerbe,  das  ledi^rlich 
vv^ra  weiblichen  Geschlecht  betrieben  wird  und  auf  einer  h.^hen  Sr^re  der  Enrwncklung 
steht.  Sv^Iche  Matten  bilden  den  haurtsacrlichsten  Tauschart:  vel  im  Verkehre  mit  Schilfen. 

Das  ■aterial  3U  diesen  Flechtarbeiten  ist  ausschliesslich  P^^zJ^nus-Bl^tt  .,>Tebar- 
ni\aia*  ,  und  zwar  :ur  feinere  Arbeiten  'ur.«:e  Bllitter. 

Tcira  Nr.  ico,  i  Sruck  ,  Probe  zubereiteten  r^ti-T:»c. Blattes:  ein  Streif  in 
natürlicher  Lan^e    bis  i*^o  M.  lar^:'.    Tarowa, 

»*  ^  ^ 

Die  uro.stiniliche  ur.d  ro.ühevolle  Zuberciturjt  wird  vor.  Kirby  Wildes,  V,  S.  94' 
ausführlich  Seschrieben,  und  ich  werde  in  dciv.  A^sch:":tte  >Mir^':alI-in^>eIn<  davon  zu 
st^rechen  hären.    Hi.r  sei  nur  noch  erwähnt,  vta>s  vi.e  v»  .ocrt-Io.sdaner  nicht  zu  rarben 


J 


[335] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee. 


67 


verstehen.  Die  Muster,  welche  zuweilen  in  Matten  vorkommen,  entstehen  durch  die 
Verschiedenheit  des  verwendeten  Materials  (braun  von  alten  Blättern,  gebleichte  von 
jungen  Blättern).  Die  schwarzen  Muster  kleinerer  Flechtarbeiten  sind  aus  Menschenhaar 
entweder  eingeilochten  oder  aufgenäht  (gestickt). 

Geräthschaften  gibt  es  sehr  wenige,  da  bei  der  Flechterei  nur  zwei  Geräthe  nöthig 
sind,  von  denen  das  folgende  kaum  diesen  Namen  verdient : 

Teburre  (Nr.  191,  192,  2  Stück),  Schneidemuschel  (Pinna  vexillum  Born),  deren 
dünne  scharfe  Schale  (oder  Längssplitter  derselben)  zum  Spalten  des  Pan^a/iu^-Blattes 
benutzt  wird.  Tarowa. 

Zum  Flechten  selbst  gehört  ein: 

Te  baba  (Nr.  188,  i  Stück),  Flechtbrett  (Tarowa),  welches  dazu  dient,  die 
beiden  Reihen  von  schmalgespaltenen  Pandanus-^ilvtiitn  auseinander  zu  halten. 

Solche  Flechtbretter,  meist  aus  Holz  des  Brotfruchtbaumes  gearbeitet,  sind  flach, 
länglich-viereckig  oder  länglich-oval,  sanft  gebogen,  64  Cm.  bis  i  M.  lang  und  meist 
nicht  über  32  Cm.  breit  und  25 — 50  Mm.  dick.  Auf  der  einen  Seite  eines  solchen 
Flechtbrettes  war  die  Figur  eines  Schiffes  (Schuners)  eingeschnitten,  was  als  einziger 
moderner  Kunstversuch  in  Schnitzerei  oder  Gravirung  hier  erwähnt  sein  mag.  Ein  an- 
deres Flechtbrett  von  Tarowa  (92  Cm.  lang  und  32  Cm.  breit)  bestand  aus  Walfisch- 
knochen, und  zwar  dem  dünnen  und  flachen  Basistheil  des  Unterkiefers  vom  Spermwal 
(Pliyseter),  stammte  also  jedenfalls  noch  aus  sehr  alter  Zeit  her. 

Seilerei  ist  vorzugsweise  Männerarbeit.  Als  Material  zu  Stricken  und  Bindfaden 
wird  benutzt: 

Tekarai  (Nr.  134,  eine  Probe),  Bast  von  Hibiscus  (Tarowa)  oder  noch  häufiger 
(Tebanu)  die  Faserhülle  der  Cocosnuss,  aus  welcher  zumeist  die  Stricke  zum  Hausbau, 
sowie  die  Fischnetze  verfertigt  werden.  Die  Fabrication  von  hübschen  dichten  und 
dicken  Fussmatten  aus  Cocosfaser,  die  ganz  wie  solche  bei  uns  gearbeitet  sind,  ist  durch 
Seeleute  auf  einigen  Inseln,  namentlich  Nawodo,  eingeführt  worden.  Solche  Fussmatten 
sind  ebenfalls  Gegenstand  des  bescheidenen  Tauschhandels. 


(?.  Fahrzeuge  und  Verkehr, 

Die  Fahrzeuge  der  Gilbert- Insulaner  bilden  einen  eigenen  Typus,  wie  ich  ihn 
sonst  nirgends  in  der  Südsee  angetroffen  habe.  In  Bezug  auf  Construction  und  mühe- 
volle Arbeit  nehmen  diese  Fahrzeuge  mit  den  ersten  Platz  ein  und  liefern,  neben  Haus- 
bau und  Tarocultur,  einen  weiteren  Beweis  von  dem  ungeheuren  Fleiss  und  der  Aus- 
dauer, wie  sie  früher  herrschten.  Schon  der  Mangel  an  passendem  Bauholz  vermehrt  die 
Schwierigkeiten,  denn  da  der  Brotfruchtbaum  nur  äusserst  spärlich  vorkommt  und  Fan- 
danus  gänzlich  untauglich  zum  Schiffbau  ist,  musste  man  zu  dem  sehr  harten  Holze  der 
Cocospalme  greifen.  Aber  der  schlanke  Stamm  dieses  Baumes  liefert  keine  grossen 
Kielstücke,  wie  sie  sonst  die  Basis  und  mit  einen  Haupttheil  der  Canus  bilden,  sondern 
man  rauss  ihn  in  Bretter  spalten,  von  denen  nach  Hudson  ein  Stamm  nicht  mehr  als 
zwei  liefert.  Wie  diese  Bretter  verfertigt  wurden,  habe  ich  nicht  in  Erfahrung  gebracht, 
aber  da  man  keine  Sägen,  sondern  nur  Muscheläxte  hatte,  so  lässt  sich  begreifen,  wie  enorm 
die  Mühe  und  Arbeit  der  Verfertigung  eines  solchen  Canu  früher  gewesen  sein  muss. 
Sehr  gern  werden  Bretter  von  gestrandeten  Schiffen,  die  auf  den  Gilberts  jedenfalls  häufi- 
ger sind  als  Treibholz,  verwendet,  aber  ich  habe  solch  fremdes  Material  doch  im  Ganzen 
selten  gesehen  und  nur  als  geringe  Zugabe  des  einheimischen.  Zur  Befestigung  der  Bretter 
sind  Rippen  erforderlich,  wodurch  sich  die  Fahrzeuge  der  Gilbert-Insulaner  allein  schon 

5* 


68 


Dr.  O.  Finsch. 


[336] 


wesentlich  von  den  sonst  in  Mikronesien  gebräuchlichen  unterscheiden  und  eine  hoch- 
stehende Technik  bekunden.  Diese  Rippen  bestehen  aus  natürlichen,  in  einem  spitzen 
Winkel  gebogenen  Aststück  (wohl  von  Eisenholz)  und  ruhen  auf  einer  dünnen  Latte 
als  Kielstück,  mit  der  sie  unten  verbunden  sind,  wie  oben  mittelst  Querhölzern.  Auf 
diese  Weise  entsteht  das  Gerippe,  welches  nun  mit  Brettern  verschiedener  Grösse  be- 
kleidet wird.  Zum  Dichten  der  Fugen  dienen  Streifen  von  Pandanus-Elatl,  zwischen 
die  Nähte  eingelegt.  Diese  Bretter  sind  meist  aus  Palmholz,  70  Cm.  bis  i  M.  lang, 
circa  3o  Cm.  breit  und  circa  15  Mm.  dick.  Die  dem  Ausleger  entgegengesetzte  Seite 
ist  mehr  oder  minder  flach,  die  andere  mehr  bauchig  gebaut,  aber  diese  Ungleichheit 
der  beiden  Seitenflächen  tritt  nicht  so  auffällig  hervor  als  bei  den  Marshall-Canus,  die 
überdies  total  verschieden  sind,  unter  Anderem  einen  viel  schwereren,  ganz  abweichend 
construirten  Ausleger  haben.  Die  Befestigung  der  Bretter,  wie  sämmtlicher  Bestand- 
theile  des  Fahrzeuges,  geschieht  nur  mittelst  Stricken,  die  durch  Bohrlöcher  gezogen 

Fig.  II. 


Theil  eines  Canu. 
Tarowa. 


und  festgebunden  werden.  Die  beigegebene  Textfigur  11  wird  dies  veranschaulichen 
und  zugleich  eine  Idee  von  der  ungeheuren  Menge  von  Bohrlöchern  geben,  die  erfor- 
derlich sind. 

Das  Canu  trägt  in  der  Mitte  ein  Auslegergeschirr  aus  drei  langen  Querstangen  mit 
einem  parallel  mit  dem  Schißskörper  laufenden  langen  Auslegerbalken,  der  an  jedem 
Ende  stumpf  zugespitzt,  unterseits  kielförmig  gezimmert  ist.  Die  Querstangen,  welche 
an  der  anderen  Seite  nicht  über  den  Schiffsrumpf  vorragen,  sind  an  zwei-  oder  drei- 
gabelige  senkrechte  Aststücke,  letztere  wiederum  mit  Strick  an  den  Auslegerbalken  fest- 
gebunden. An  der  Basis  der  Querstangen  ist  aus  Brettern  häufig  eine  Plattform  errich- 
tet, oder  eine  solche  aus  Leisten  hergestellt,  die  über  die  ganze  Länge  der  Canus  laufen 
und  so  eine  Art  Seitendeck  über  das  ganze  Fahrzeug  bilden.  Der  Mast  (»Aniang«),  zu- 
weilen wegen  Mangel  an  passendem  Holz  aus  zwei  bis  drei  Stücken  zusammengebunden, 
wird  in  der  Mitte  des  Canu  in  eine  Nabe  eingesetzt.  Eine  zweite  Nabe  ist  am  Ende 
desselben  angebracht  und  dient  zum  Einsetzen  eines  Baumes  (Raae)  für  das  Segel,  das 
ausserdem  noch  durch  einen  zweiten  Baum  ausgespannt  wird.    Das  Segel  (»Tia«)  ist 


[337] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


69 


ein  sogenanntes  lateinisches,  also  dreiseitig  und  besteht  aus  grobem  Mattengeflecht  von 
PandanuS'BlaXi.  Das  Tau  zum  Hissen  des  Segels  läuft  durch  ein  Loch  unterhalb  der 
Mastspitze.  Am  hinteren  Ende  des  Canu  ragt  ein  gabeliges  Aststück  wagrecht  vor, 
das  zum  Einlegen  des  Ruders  dient.  Das  letztere  ist  ein  Riemen  von  2*10  M.  Länge,  mit 
flachem,  1*24  M.  langem  und  10  Cm.  breitem  Blatt. 

Das  Manövriren  mit  dem  Segel  geschieht  übrigens  ganz  in  der  Weise  wie  überall 
und  wie  ich  es  bei  den  Marschall-Inseln  beschreiben  werde. 

Diese  grossen  seetüchtigen  Canus  (9Baurua«)  gehören  mit  zu  den  besten  Erzeug- 
nissen der  Schiffsbaukunst*)  Oceaniens  und  übertreffen  in  zierlicher  Bauart  selbst  die 
berühmten  Fahrzeuge  der  Marshallaner.  Nach  Wood  gibt  es  auf  Makin  an  60  Fuss 
lange  Canus;  die  grössten,  welche  ich  sah,  waren  nur  wenig  mehr  als  halb  so  lang  und 
ich  lasse  hier  die  Masse  eines  ziemlich  grossen  von  Tarowa  folgen: 

M.  M. 

Ganze  Länge 7. — 

Breite 0*565 

»      innen  (Lichtweite)  .     .     .     0-54 

Höhe  aussen 075 

>     innen 0*64 

Länge  der  Querhölzer  des  Aus- 

legergerüsts 3*o6 

Dieselben  stehen  an  der  Basis  von 

einander  entfernt     ....     070 


098 


3'io 


Entfernung  derselben  am  Ende,  wo 
sie  mit  dem  Ausleger  verbunden 

sind 

Länge  des  Auslegerbalkens  (Balan- 
ciers  I    •*«■..... 

Breite  desselben 0*15 

Dicke         >  014 

Länge  der  Plattform 2-10 

Breite  derselben 0*67 

Höhe  des  Mastes 4*50 

Solche  grosse  Canus,  die  an  3o  Personen  und  mehr  tragen  und  lediglich  Kriegs- 
zwecken dienten,  gibt  es  im  Ganzen  wenige,  Hudson  verbrannte  in  Utiroa  auf  Tapi- 
teuea  etwa  ein  Dutzend,  und  doch  besass  dieses  stark  bevölkerte  Dorf  (circa  1200  bis 
1500  Einwohner)  damals  (1841)  an  i3o  Fahrzeuge,  einige  für  10 — 15,  die  meisten  für 
4—5  Personen  tragfähig.   Diese  letzteren  sind  die  gewöhnlichen: 

»Toa<  oder  Fischerfahrzeuge,  wie  sie  meist  auf  der  Lagune  und  in  der  Regel  von 
drei  Personen  benutzt  werden.  Sie  führen  Mast  und  Segel,  sind  ganz  so  gebaut  wie  die 
grossen  Canus,  nur  ist  der  Ausleger  etwas  hinter  der  Mitte  eingesetzt. 

Der  Typus  des  vorher  beschriebenen  Canus  ist  auf  allen  Inseln  des  Archipels  der- 
selbe, ebenso  auf  Nawodo  (hier  aber  ohne  Segel)  und  weicht  sehr  von  dem  der  Nach- 
bargruppen ab.  Die  grossen  Canus  der  Marshall-Inseln  stimmen,  wie  erwähnt,  fast  ganz 
mit  dem  central-carolinischen  überein.  Das  Fahrzeug  der  Ellice-Gruppe,  wie  es  Hudson 
von  Funafuti  beschreibt  (Wilkes,  V,  S.  38),  besteht  nur  aus  einem  ausgehöhlten  Baum- 
stamm mit  aufgelaschten  Seitenborden  und  Ausleger.  Die  Canus  hier  führen  kein  Segel, 
wohl  aber  die  von  Nukufetau  derselben  Gruppe. 

Ganz  solche  Canus  fand  ich  auf  Njua  oder  dem  Atoll  Ontong-Java  (Finsch: 
Zeitschr.  f.  EthnoL,  1881,  S.  114),  hier  ohne  Segel,  und  ebenso  beschrieb  mir  Capitän 
Breckwoldt  die  Canus  von  Banaba,  die  zwar  ein  kleines  Mattensegel  führen,  aber  nicht 
seetüchtig  sind.  Das  Canu  von  Tikei  (Romanzoff-Insel)  der  Paumotu-Gruppe  besteht 
ebenfalls  aus  einem  Baumstamme  mit  Ausleger  (Choris,  PI.  XI,  Fig.  i). 


I)  Bei  den  damals  herrschenden  Wirren  gelang  es  mir,  auf  Maraki  ein  schönes  Canu  mit  allem 
Zubehör  zu  erwerben,  das  ich  für  das  Berliner  Museum  bestimmt  hatte.  Leider  konnte  ich  nicht 
verhindern,  dass  dasselbe  in  der  Nacht  heimlich  zu  Feuerholz  zerhackt  wurde,  aus  Mangel  an  Platz, 
^^ie  es  hiess,  was  ja  bei  der  thatsächlichen  Ueberfüllung  des  Werbeschififes  (s.  S.  22  [290],  Anm.)  ge- 
wisse Berechtigung  hatte.    Ein  Canumodell  von  Peru  ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  269)  verzeichnet. 


70 


Dr.  O.  Finsch. 


[338] 


Aus  einzelnen  Brettstücken  zusammengebundene  Canus  finden  sich  übrigens  nicht 
blos  auf  den  Gilberts,  sondern,  wenn  auch  stets  in  abweichender  Form,  noch  auf  an- 
deren Inseln.  So  auf  Meschid  der  Marshall-Gruppe,  auf  Tongareva  (Penrhyn),  nach 
Wilkes  (IV,  S.  279)  die  grössten  Canus  von  allen  niedrigen  Inseln,  aber  ohne  Segel  (ab- 
gebildet: Choris,  PI.  XI);  auf  Samoa  (Wilkes,  II,  S.  143,  Abbild.),  auf  Fakaafo  der 
Tockelau-Gruppe,  die  in  Bauart  ganz  mit  samoanischen  übereinstimmen  (Wilkes,  V, 
S.  II,  Abbild.);  ebenso  sind  die  Doppelcanus')  von  Ootafu  derselben  Gruppe  aus  ein- 
zelnen Breitstücken  zusammengebunden.  Dieselbe  Technik  wird  von  den  Canus  der 
Oster-Insel  beschrieben,  deren  eigenthümliche  Bauart  wir  bildlich  nur  durch  Choris 
kennen  (PI.  X,  Fig.  2  ohne  Ausleger,  Fig.  i  mit  doppeltem  Ausleger,  einen  an  jeder 
Seite,  was  mir  sonst  in  der  ganzen  Südsee  nur  in  der  Torresstrasse  vorkam). 

Nach  Wood  bildeten  Zimmerleute  damals  eine  hochansehnliche  Zunft  und  standen 
meist  im  Dienst  der  Häuptlinge.  Ein  Canu  für  6 — 10  Personen  erforderte  eine  Bauzeit 
von  5 — 6  Monaten  und  wurde  in  »Teduai«,  d.  h.  Pandanus-Conservc  in  Rollen 
(S.  51  [319])  bezahlt. 

Die  Ausrüstung  der  Canus  besteht  in  sehr  Wenigem,  darunter  als  unumgänglich 
noth wendiges  Geräth  der: 

Wasserschöpfer  (Nr.  181,  i  Stück),  schmal  und  lang,  mit  Handhabe 
Fig.  12.       (42  Cm.  lang,  372  Cm.  breit)  aus  Pandanus-Holz.  Tarowa. 

Bei  den  vielen  Näthen,  die  trotz  der  zwischengelegten  Blattstreifen 
stets  undicht  bleiben,  dringt  natürlich  viel  Wasser  ein,  so  dass  fortwähren- 
des Ausschöpfen  erforderlich  wird.  Ausser  Wasserschöpfern  enthält  das 
Canu  meist  weiter  nichts  als  Wasservorrath  in  einigen  Cocosnussschalen, 
ein  paar  Steine  zum*  Zerschlagen  der  Ködermuscheln  (für  Fischer),  einige 
Körbe  zum  Aufbewahren  der  Fische  oder  Lebensmittel  und  als  moderne 
Zugabe  eine  (europäische)  Holzkiste  mit  Sand  zum  Auf  bewahren  von  Zunder. 
Die  Paddel,  welche  häufig  zum  Fortbewegen  dieser  kleinen  Canus  be- 
nutzt werden,  zeichnen  sich  durch  eigenthümliche  Form  aus.  Sie  sind  nicht, 
wie  sonst  meist  üblich,  aus  einem  Stück,  sondern  das  länglich-ovale  Blatt 
(zu  Hudson's  Zeit  zuweilen  aus  einer  Schildkrötenschale,  jetzt  häufig  aus 
dem  Deckel  einer  Ginkiste),  ist  an  einen  Stock  festgebunden,  wie  Textfig.  12 
und  Figur  bei  Wilkes^)  (V,  S.  49).  Hier  zugleich  eine  bis  auf  Einzelheiten 
des  Auslegers  correcte  Skizze  eines  gewöhnlichen  Canus  von  Tapiteuea, 
welche  die  vollständige  Uebereinstimmung  in  Form  und  Bauart  mit  den 
Fahrzeugen  der  nördlichen  Inseln  zeigt. 
Paddel.  Verzierungen  fehlen  den  Canus  der  Gilbertinsulaner;  zuweilen  sind 

Apaiang.     einige  Eiermuscheln  (Ovula  ovum)  am  Bug,  oder  bei  grösseren  Fahrzeugen 
in  Längsreihen  an  den  Bordseiten  angebracht,  wie  die  gleiche  Muschel  zu 
dem  gleichen  Zwecke  auch  anderwärts  benutzt  wird.    So  z,  B.  auf  Yap  (Journ.  M.  G., 
Heft  2,  S.  19,  Taf.  III),  Fidschi  und  auf  den  Salomons. 


J)  Diese  eigenthümlichen  Canus,  bei  denen  das  eine  kürzere  Canu  nur  als  Ersatz  des  sonst 
üblichen  Auslegers  zu  betrachten  ist,  finden  sich  auf  verschiedenen  Inseln  (Anaa  oder  Chaine-Isl.  der 
Paumotu-Gruppe:  Wilkes,  I,  S.  327,  Abbild.;  Tonga:  ibid.,  III,  S.  i,  Abbild.;  Hawaii:  Choris,  PI.  XIII) 
sind  aber  keineswegs  specifisch  polynesisch.  So  besass  Samoa  keine  Doppelcanus,  dagegen  das  mela- 
nesische  Fidschi  fast  nur  solche  (Wilkes,  III,  S.  54,  Abbild.),  wovon  ich  schöne  Modelle  auf  der  Colonial- 
Ausstellung  in  London  sah. 

2)  Das  auf  der  Vignette  S.  75  abgebildete  Paddel  ist  nicht  von  den  Gilberts,  sondern  von  der 
Hervey-Gruppe  (Mangaia). 


[33g1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  ^I 

Grosse  Canus  werden  in  besonderen  niedrigen,  mit  Pandanus-Elatt  gedeckten 
Schuppen  untergebracht,  deren  Dach  in  der  Mitte  der  einen  Seite  weit  vorspringt,  um 
auch  den  Ausleger  gegen  den  schädlichen  Einfiuss  der  Sonne  zu  schützen.  Der  grösseren 
Schwere  dieser  Canu  wegen  erfordert  es  besonderer  Vorkehrungen,  um  sie  zu  Wasser  zu 
bringen.  Es  werden  zu  diesem  Zwecke  Matten  und  darauf  in  gewissen  Abständen 
Abschnitte  von  Palmrippen  gelegt,  auf  denen  man  das  Canu  ins  Wasser  der  Lagune 
schiebt. 

Der  Seeverkehr  der  Gilbert-Insulaner  untereinander  ist  nicht  erheblich,  da  eigent- 
liche Handelsreisen  nicht  unternommen  werden,  und  beschränkt  sich  mehr  auf  die  Nach- 
barinseln, die  ja  alle  ziemlich  nahe  bei  einander  liegen.  So  beträgt  die  Entfernung 
zwischen  Butaritari  und  Maraki,  deren  Bewohner  sich  zuweilen  besuchen,  nur  70  See- 
meilen. Häufig  ist  aber  die  Veranlassung  dieses  Verkehrs  keine  friedliche,  wie  Apaiang 
und  Tarowa  (10  Meilen  Distanz)  meist  in  Fehde  leben.  Die  Bewohner  der  südlichen 
Inseln  haben  keine  Verbindung  mit  den  nördlichen  oder  umgekehrt,  kennen  aber  ihre 
Inseln  zum  Theil,  so  z.  B.  die  Bewohner  Arenukas  Tapiteuea.  Ueber  den  Archipel 
hinaus  besteht  kein  Verkehr  mit  Nachbargruppen,  obwohl  die  Entfernung  von  Onoatoa 
und  Nanumea  der  Ellice-Gruppe  nur  25  Seemeilen  beträgt.  Die  Gilbert-Insulaner  sind 
keine  Seefahrer  und  haben  weite  Reisen  immer  nur  unfreiwillig  gemacht,  und  zwar  in 
Folge  Verschlagens.  Solche  Vorkommnisse  mögen  häufig  genug  passiren,  werden 
aber  nur  in  Einzelfällen  bekannt.  Ohne  nautische  Kenntnisse  und  Hilfsmittel  sind  die 
durch  heftige  Böen  und  Strömungen  abgetriebenen  Canus  ganz  den  letzteren  preis- 
gegeben und  hatten  dann  nur  dem  Glück  ihre  Rettung  zu  verdanken.  Schon  Chamisso 
Hess  sich  von  den  verschlagenen  »Repith-urur« ')  auf  Ratak  erzählen,  wo  sie  meist  er- 
schlagen wurden,  und  mir  selbst  kamen  verschiedene  Fälle  zur  Kenntniss.  So  wurden 
eine  Anzahl  Männer  und  Frauen  von  Maiana,  die  nach  dem  benachbarten,  nur  25  See- 
meilen entfernten  Tarowa  segeln  wollten,  nach  Nawodo  (Pleasant-Isl.),  36o  Seemeilen, 
verschlagen.  Drei  Canus  mit  Eingeborenen  von  Arenuka  flohen  aus  Furcht  vor  dem 
Könige  nach  Banaba  (220  Seemeilen),  das  auch  glücklich  erreicht  wurde.  Da  bei  dem 
herrschenden  Mangel  nur  die  Insassen  eines  Canus  aufgenommen  werden  konnten,  be- 
schlossen die  übrigen  die  Rückreise  nach  den  Gilberts.  Das  eine  Canu  wurde  aber 
(450  Seemeilen)  nach  Milli  in  der  Marshall gruppe,  das  andere  nach  Madjuru  (480  See- 
meilen) verschlagen,  die  Insassen  des  letzten  Canus  hier  erschlagen.  Die  sieben  auf  Milli 
Geretteten  sah  ich  hier  selbst;  sie  behaupteten,  drei  Monate  ohne  Lebensmittel  auf  der 
See  umhergetrieben  zu  sein,  aber  diese  Angabe  bleibt  durchaus  unglaubwürdig,  da  die 
Eingeborenen  keine  Zeit  kennen.  Der  merkwürdigste  Fall  von  Verschlagenwerden  ist 
der  von  vier  Frauen,  die  1879  auf  der  Reise  von  Maiana  nach  Tarowa  abtrieben  und 
von  dem  französischen  Schiffe  »Dauphin«  840  Seemeilen  weit  von  den  Gilberts  in  halb- 
todtem  Zustande  aufgefischt  wurden,  während  die  vier  oder  fünf  Männer  den  Strapazen 
erlegen  waren.  Sittig  erwähnt  in  seiner  Zusammenstellung  (s.  S.  25  [293])  unter  Anderem 
das  Verschlagen  eines  Mannes  von  Maraki  (Gilberts)  nach  Ponape  (über  900  Seemeilen) 
im  Jahre  1837.  Dass  Europäer  zuweilen  von  ähnlichen  Schicksalen  betroffen  werden, 
ist  selbstverständlich.  Ein  hierher  gehöriger  interessanter  Fall  gelangte  durch  das 
deutsche  Kriegsschiff  »Alexandrine«  zur  Kenntniss.    Im  Jahre  1890  wollte  ein  Boot  mit 


I)  »Reise  um  die  Welt«  (2,  S.  289)  Bezeichnung  der  Marshallaner  für  die  Bewohner,  nicht  eine 
gewisse  Gruppe  der  Gilbert-Inseln;  eigentlich:  »Dripitc  von  »Dri«  (=  Knochen,  Mensch)  und  »Pitc 
(=  Makin,  Pit-Insel),  also  soviel  als  Leute  von  Pit,  und  »urur«  =  tödten,  womit  der  gewöhnliche 
Ausgang  des  Schicksals  dieser  Verschlagenen  deutlich  genug  bezeichnet  wurde. 


i 


72  ör.  O.  Finsch.  [3 40] 

drei  Weissen  und  elf  Eingeborenen  (darunter  vier  Mädchen)  von  Nawodo  (Pleasant- 
Isl.)  aus  ein  vor  der  Insel  kreuzendes  Schiff  besuchen,  vertrieb  dabei  aber  nach  Westen, 
und  zwar  nach  Tatan  (Gardener-Isl.),  an  der  Nordküste  von  Neu-Irland,  an  900  See- 
meilen weit.  Obwohl  das  Boot  mit  Hartbrol  und  Reis  versehen  war,  starben  die  Weissen 
doch  während  der  dreimonatlichen  Irrfahrt  an  Entkräftung,  die  Männer  wurden  bei  der 
Landung  auf  Tatan  erschlagen,  die  Mädchen  später  durch  das  Kriegsschiff  gerettet. 

p.  Körperhülle  und  Put{. 

A.  Bekleidung. 

Der  Einfluss  der  Civilisation  hat  in  dieser  Richtung  nicht  viel  gewirkt.  Euro- 
päische Kleider  waren  noch  wenig  beliebt,  und  selbst  bei  Kirchenbesuchern  in  sehr  ge- 
ringem Grade  eingeführt.  Nur  Diakone,  seltener  Könige,  pflegten  Padjamas  und  Hosen, 
sowie  einen  Hut  zu  tragen,  wie  eingeborene  Lehrer-  oder  Händlerfrauen  Kattunkleider. 
Es  herrschte  also  noch  so  ziemlich  vollständige  Ursprünglichkeit,  und  ich  sah  öfters  Män- 
ner völlig  nackt,  wie  dies  zu  Hudson's  Zeit  (1841)  noch  die  Regel  war.  Nach  Kotzebue 
gingen  übrigens  1824  noch  die  Bewohner  von  »Maouna«  (Tutuila)  der  Samoagruppe, 
und  zwar  in  beiden  Geschlechtern,  vollkommen  nackt;  Tapabekleidung  ist  dort  erst 
später  durch  die  Mission  von  Tonga  aus  eingeführt  worden.  Allerdings  kommt  auf  den 
Gilberts  auch  vollständige  Bekleidung  vor,  wie  sonst  wohl  kaum  nirgends,  sie  betrifft 
aber  nur  den  Krieger  in  voller  Rüstung,  eine  Erscheinung  vergangener  Zeiten. 

Kinder  gehen  nackt;  Mädchen  bis  vielleicht  zum  vierten  oder  sechsten,  Knaben 
bis  zu  12  oder  14  Jahren.  Im  Uebrigen  ist  auch  die  Bekleidung  Erwachsener  höchst 
einfach,  wie  der  ganze  Ausputz.  Männer  binden  ein  Stück  Mattengeflecht  um  die 
Hüften,  Frauen  ein  Faserröckchen.  Rechnet  man  hiezu  noch  ein  paar  Blätter  ins  Ohr, 
eine  Schnur  Glasperlen  um  den  Hals,  einen  Blattstreif  ums  Fussgelenk  hinzu,  so  hat 
man  Gilbert- Eingeborene  vor  sich,  wie  sie  damals  waren.  Alle  Inseln  zeigen  darin 
völlige  Uebereinstimmung,  ebenso  Nawodo  und  Banaba.  Sehr  abweichend  ist  dagegen 
die  Bekleidung  auf  der  benachbarten  EUice-Gruppe, ')  wo  die  Männer  eine  Art  Maro 
(Lendenbinde)  mit  ein  bis  zwei  Mattenstreifen  darüber  tragen  (vgl.  Wilkes,  V,  S.  39, 
Abbild.),  die  Frauen  eine  bis  auf  die  Knie  reichende  Matte.  In  der  Tockelau-  oder 
Union-Gruppe  sind  die  Männer  nur  mit  einem  Maro  aus  Mattengeflecht  umgürtet,  aber 
die  Weiber  tragen  sehr  schwere  Röcke  aus  Blattstreifen  (ähnlich  wie  auf  Yap,  Journ. 
M,  G.,  Heft  II,  Taf.  7);  in  solchen  bildet  Edge-Partington  (PI.  168)  aber  auch  Weiber 
von  Nukufetau  der  Ellice-Gruppe  ab. 

Tekabajanuga  (»Kapenuga«)  (Nr.  206,  i  Stück),  Bekleidungsmatte  für  Männer, 
ein  circa  i-6o  M.  langes  und  circa  60  Cm.  breites  Stück  feinen  Mattengeflechts  aus  Pan- 
danus,  das  mittelst  eines  Strikes  um  die  Hüften  festgebunden  wird  (vgl.  Finsch  in  Joest: 
»Tätowiren«,  Taf.  III).    Butaritari. 

Diese  Matten,  sehr  verschieden  in  Grösse  und  Feinheit  der  Flechtarbeit,  bilden  das 
einzige  Bekleidungsstück  der  Männer.  Zuweilen  sind  diese  Matten  so  lang,  dass  sie  von 
der  Mitte  der  Brust  bis  zu  den  Knieen  reichen.  Ich  sah  übrigens  auch  öfters  Männer 
mit  einem  Weiberfaserrock  bekleidet.  Zur  Befestigung  um  den  Leib  wurden  früher 
gern  Stricke  aus  Menschenhaar  benutzt. 


I)  Hierher  gehört  der   im   Kat.  M.  G.  (S.  253,   Nr.  46)   angeblich   von   den   Gilberts  stammende 
Schamschurz. 


[340 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SOdsee. 


73 


Bei  Weitem  feiner  sind  übrigens  die  Bekleidungsmatten,  wie  sie  früher  auf  Samoa  gemacht 
wurden  und  wovon  die  Sammlung  (Nr.  198)  noch  ein  Stück  aus  der  guten  alten  Zeit  besitzt.  Sie  sind 
ebenfalls  aus  Pandanus-Bl^ttf  aber  aus  äusserst  schmalen  Streifen  geflochten  und  daher,  zum  Theil 
auch  durch  den  langen  Gebrauch,  so  schmieg-  und  biegsam  wie  Zeug.  In  derartige  Matten  pflegte  man 
zuweilen  als  besondere  Verzierung  einen  Randsaum  von  rothen  Papageienfedern  (von  CoriphUus  frin- 
gillaceus)  einzuflechten,  wie  dies  ebenso  auf  Uea  (Wallis-Insel)  Mode  war.  Die  Bekleidungsmatten  von 
hier  kommen  in  feiner  Arbeit  und  Weiche  den  altsamoanischen  am  nächsten,  werden  jetzt  aber  mit 
Kanten  und  Mustern  aus  rother  und  blauer  Wolle  verziert.  Aeusserst  feine  Flechtarbeiten  sind  auch 
die  eigenthOmlichen  sogenannten  »Brautmatten«,  wie  sie  früher  auf  Samoa  gefertigt  wurden,  davon 
manche  mit  faseriger  Oberseite,  die  dadurch  das  Aussehen  eines  grobhaarigen  Vliesses  erhalt  (vgl. 
Kai.  M.  G.,  S.  208,  Nr.  972).  , 

Poncho,  aus  einem  Stück  Mattengeflecht  mit  einem  Schlitz  zum  Durchstecken  des 
Kopfes,  werden  zuweilen  von  Männern  getragen.  Von  solchen  als  besonderer  Ausputz, 
namentlich  beim  Tanz,  eine  Art: 

Schärpe,  aus  einem  breiten  Streif  Mattengeflecht,  zuweilen  hübsch  gemustert,  an 
dem  die  Enden  der  Blattstreifen  häufig  stehen  bleiben  und  am  oberen  Rande  eine  Art 
Fransenkante  bilden.  Solche  Schärpen  werden  über  die  Schulter  und  quer  über  die 
Brust  getragen,  meist  von  jungen  Stutzern,  wie  dies  die  Abbildung  eines  jungen  Häupt- 
lings bei  Wilkes  zeigt  (V,  S.  78). 

Die  einfache  Bekleidung  der  Frauen  ist  das: 

Tiridi  (Teridin)  (Nr.  233,  i  Stück),  Röckchen  aus  fein  gespaltener  Blattfaser  der 
Cocospalme,  auf  eine  Schnur  geflochten;  Taillenweite  58  Cm.,  die  Fasern  25  Cm.  lang. 
Butaritari. 

Diese  rings  um  die  Hüften  reichenden  Faserröckchen  kleiden  sehr  hübsch  und 
stimmen  am  meisten  mit  dem  noch  kürzeren  »Titi«  überein,  noch  1841  der  einzigen 
Bekleidung  heidnischer  Samoanerinnen.  Der  »Liku«  der  Frauen  Fidschis  (Wilkes,  II, 
S.  355,  Abbild.)  ist  ebenfalls  sehr  ähnlich,  ebenso  die  Faserröcke  auf  Neu-Guinea  (II, 
S.  [86]  und  [225]),  letztere  aber  schon  wegen  der  lebhaften  Farben  weit  schöner.  Auf 
den  Gilberts  pflegen  nur  heiratslustige  Mädchen  zuweilen  dunkel-,  fast  schwarzgrün  ge- 
färbte »Tiridi«  zu  tragen,  wozu  man  den  Saft  einer  Pflanze,  sowie  Syrup  benutzt,  eine 
Methode,  die  Kirby  (Wilkes,  V,  S.  95)  ausführlich  beschreibt.  Die  Faserröckchen  erhalten 
dadurch  einen  nach  dortigen  Begriffen  angenehmen  Geruch,  den  aber  Hudson  schon 
sehr  treffend  als  wie  nach  Tabak  und  Syrup  bezeichnet.  Die  Tiridi  kleiner  Mädchen 
von  5—10  Jahren  sind  sehr  schmal  (circa  8 — 10  Cm.  lang),  wie  auf  der  Abbildung  bei 
Wilson  (V,  S.  51),  die  übrigens  der  Wirklichkeit  wenig  entspricht.  Trotz  der  Kürze 
kleiden  diese  Faserröckchen,  die  so  geschickt  getragen  werden,  dass  sie  auch  beim 
Niedersetzen  keine  Blosse  geben,  durchaus  decent. 

Die  Anfertigung  der  Tiridi  geschieht  in  folgender  Weise:  die  Frau  schlingt  sich 
zwei  Schnüre  aus  Cocosfaser  um  den  Leib,  deren  zu  einer  Schlinge  vereinigte  Enden 
sie  mit  der  grossen  Zehe  festhält.  In  diese  zwei  Stricke,  deren  Enden  als  Bindebänder 
dienen,  flicht  sie  nun  breitere  (circa  20  Mm.)  Streifen  aus  den  Fiedern  des  Blattes  der 
Cocospalme,  die  dann,  wenn  dieselben  trocken  sind,  mit  einem  scharfen  Muschelsplitter 
(aus  Pinna,  S.  67  [335],  Nr.  igi)  in  äusserst  schmale  Fasern  gespalten  werden. 

Bei  festlichen  Gelegenheiten  pflegen  Frauen  und  Mädchen  zuweilen  über  den  Gras- 
schurz noch  ein  Stück  feines  Mattengeflecht  zu  tragen,  das  auf  Maiana  »Franigai«  heisst. 

Eine  besondere  Art  kleiner  viereckiger  Matten,  circa  28  Cm.  lang  und  ebenso 
breit,  aus  Faser  von  Pandanus-BleiXlf  mit  einfachem  schwarzen  Muster  (aus  Hibiscus- 
Bast)  erhielt  ich  auf  Nawodo.  Wie  mir  versichert  wurde,  werden  diese  Art  Matten  nur 
von  Frauen  während  der  Schwangerschaft  über  dem  Grasschürzchen  getragen. 


74 


Dr.  O.  Rnsch. 


[342] 


Kopfbedeckung  ist  häufiger  als  sonst.  Auf  den  südlichen  Inseln  (Tapiteuea)  tragen 
Männer  dreieckige  Kappen  oder  Motzen  aus  feinem  Flechtwerk  von  Pandanus-Elaxiy 
die  auch  auf  Apaiang  vorkommen  und  hier  »Tebarac  heissen.  Häufig  ist  hier  dagegen: 

Teboani  (Nr.  267,  i  Stück),  Mütze,  dreispitzig,  aus  Cocospalmblatt  roh  gefloch- 
ten.  Tarowa. 

Solche  kunstlose,  im  Gebrauchsfalle  schnell  gefertigte  Mützen  (abgebildet  bei 
Wilkes,  V,  S.  46,  von  Tapiteuea)  werden  besonders  von  Fischern  im  Canu  getragen, 
da  das  frische  Palmblatt  kühlt.    Ich  sah  auch  aus  Segeltuch  genähte  Kappen. 

Hüte  nach  europäischem  Muster,  in  Form  unserer  Strohhüte,  habe  ich  nur  auf 
Nawodo  gesehen,  wo  die  Fertigkeit  der  Anfertigung  solcher  durch  den  Schiffsverkehr 
mit  den  Marshalls  eingeführt  war. 

Wilkes  erwähnt  Mützen  aus  Mattengeflecht  auch  von  Tockelau  (Oatafu).  Sehr 
merkwürdig  sind  auch  die  aus  Pandanus-Eloxt  in  hübschen  Mustern  geflochtenen 
Kappen  der  alten  Hawaiier,  wie  sie  Choris  (PI.  XIV,  Fig.  i  und  2)  abbildet.  Sie  ähneln 
in  der  Form  am  meisten  den  Kriegskappen  der  Gilbert-Insulaner,  haben  aber  sehr 
originelle  Verzierungen. 

Das  weibliche  Geschlecht  bedient  sich  zuweilen  eines  Stückes  feinen  Matten- 
geflechts als  Schutz  gegen  die  Sonne.  Eine  solche  Matte,  circa  1*90  M.  lang  und  3o  Cm. 
breit,  wird  gewöhnlich  bei  festlichen  Gelegenheiten  über  den  Kopf  gehalten  und  heisst 
auf  Tarowa  »Teraranga«. 

Als  besonderen  Festschmuck  junger  Mädchen  erhielt  ich  einige  interessante  Stücke 
kunstreicher  Flechtarbeiten  aus  Pandanus: 

Terabaidoa  (Fig.  i3),  kleines  spitzes  Käppchen,  das  auf 
dem  Hinterkopfe  getragen  wird.   Die  schwarzen  Querlinien  sind 
zierlich  aufgenähtes  Menschenhaar.  Von  Maiana  und  Nukunau. 
Man  sagte  mir,  dass  derartige  Käppchen  nur  bei  den  Festen, 
welche  bei  Gelegenheit  der  ersten  Menstruation  stattfinden,  von 
dem  betreffenden  Mädchen  getragen  werden.     Hierher  gehört 
auch  die  aus  Bast  (?)  geflochtene  Mütze  von  »Ebon«  (Kat.  M.  G., 
S.  255,  Nr.  3353),  die,  wie  schon  die  Verwendung  von  Menschen- 
haar beweist,  sicher  aus  den  Gilberts  herstammt. 
Diese  Käppchen  erinnern  an  die  »Karua«  der  Frauen  von  Neu-Irland  (vgl.  I, 
S.  [44]  und  Hernsheim:  »Südsee- Erinnerungen«,  Abbild.  S.  104),  die  aber  aus  Panda- 
nus-BlsXl  genäht  sind. 

B.  Putz  und  Zieraten, 

Die  hieher  gehörigen  Arbeiten,  obwohl  zum  Theil  recht  kunstreich,  bieten  im 
Ganzen  wenig  Auffallendes  und  beschränken  sich  meist  auf  Ausputz  für  Hals  und  Brust. 

a)  Material. 

Dasselbe  ist  verschiedenartiger  als  sonst  und  wird  durch  die  häufige  Verwendung 
von  Menschenhaar,  gewissen  Conchylien,  die  indess  kaum  eine  eigenthümliche  Art 
aufweisen,  namentlich  aber  Zähnen  charakteristisch.  Hervorzuheben  wäre  das  Fehlen 
von  Schildpatt  und  Federputz,  Beides  erklärlich  durch  die  Seltenheit  des  Vorkommens 
der  betreffenden  Thiere. 

Unter  den  Zähnen  nehmen  die  des  Spermwal  oder  Cachelot  (Physeter  macroce- 
phalus)  den  hervorragendsten  Platz  ein,  ausserdem  werden  Zähne  von  ein  paar  kleinen 
Delphinarten  (Phocaena)  benutzt  und  schliesslich  Menschenzähne,  die  gerade  für  die 
Gilberts  besonders  charakteristisch  sind. 


Fig.  i3. 


Mädchenkappe. 
Maraki. 


[343]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  yc 

Wie  überall  ist  die  Zahl  der  benutzten  Conchylienarten  gering.  Dieselben  beschrän- 
ken sich  fast  nur  auf  kleine  weisse  Scheibchen,  aus  einer  noch  unbekannten  Species 
(wohl  Conus)  geschliffen,  runde  Scheiben  aus  den  Spiren  von  Conus  (meist  millepunc- 
tatus\  sogenannte  Conz/5-Böden,  oder  aus  Perlschale  und  auf  rothe  Spondylus-  oder 
Chama-MuschtV ')  Charakteristisch  für  die  Benutzung  der  letzteren  ist,  dass  auf  den  Gil- 
berts nur  ziemlich  roh  oder  in  Form  von  Plättchen  bearbeitete  Stücke  (wie  Taf.  VIII  [25], 
Fig.  15, 16  und  17),  aber  keine  durchbohrten  runden  Scheibchen  (wie  Taf.  [25],  Fig.  i — 5) 
vorkommen,  die  sich  erst  auf  den  Marshalls  und  von  da  weiter  westlich  finden.  Spondylus 
wird  auch  auf  Banaba  verarbeitet,  aber  ich  notirte  das  Fehlen  auf  Nawodo  (Pleasant-Isl.). 

Ausser  Blättern  und  Blumen,  welche  am  häufigsten  Verwendung  finden,  wird  an 
Materialien  aus  dem  Pflanzenreich  nur  die  Schale  der  Cocosnuss,  wie  das  Holz  dieser 
Palme,  benutzt  und  daraus  kleine  runde  Scheibchen  oder  Perlen  verfertigt.  Die  klein- 
sten Cocosperlen  (und  zwar  von  Tarowa),  sind  nicht  grösser  als  gewöhnliche  Stick- 
perlen, circa  3  Mm.  im  Durchmesser  und  noch  kleiner  als  die  kleinsten  Cocosnussperlen 
von  Ruk  (Taf.  [24],  Fig.  6).  Sie  stimmen  in  der  Grösse  fast  ganz  mit  den  schwarzen 
Perlen  des  Muschelgeldes  von  Neu-Irland  (»Kokonon«,  I,  S.  [45],  Taf.  i,  Fig.  3)  über- 
ein, sind  aber  im  Ganzen  sehr  selten.  Am  häufigsten  werden  jene  Grössen  von  Scheib- 
chen von  Cocosnussschale  benutzt,  wie  sie  Fig.  i — 46  unserer  Taf.  [24]  darstellen,  und 
die  sich  im  Allgemeinen  dadurch  von  anderen  Cocosscheibchen  auszeichnen,  dass  sie 
so  ausserordentlich  dünn  sind.  Wenn  diese  Cocosscheibchen  auch  zuweilen  für  sich 
allein  aufgereiht  zu  Schmuck  Verwendung  finden,  so  werden  sie  doch  meist  in  Verbin- 
dung mit  den  weissen  Muschelscheibchen  verarbeitet  und  bilden  dann  die  »Tekaroro- 
Schnüre«,  wie  sie  Fig.  i — 4,  Taf.  [24]  darstellen. 

Dies  »Tekaroro«  (vielleicht  nur  die  aufgereihten  Muschelscheibchen)  bildete  früher 
ein  Tauschmittel,  im  Sinne  von  Geld,  dessen  Werth  sich  begreifen  lässt,  wenn  man 
weiss,  dass  9 — 21  Muschel-  und  ebensoviel  Cocosnussscheibchen  erst  3  Cm.  messen,  so 
dass  zu  einer  i  M.  langen  Schnur  an  600—1400  Scheibchen  gehören.  Bei  der  mühe- 
vollen Arbeit,  jedes  Scheibchen  einzeln  zu  durchbohren  und  zu  schleifen,  wird  man 
dem  früheren  Fleisse  der  Eingeborenen  gewiss  volle  Anerkennung  zollen  müssen.  Zur 
Zeit  meines  Besuches  war  dieser  Fleiss  bereits  entschwunden;  man  hielt  Tekaroro  aller- 
dings sehr  hoch  und  schätzte  es  vielleicht  höher  als  ehedem,  aber  begnügte  sich  meist 
mit  den  mühelos  zu  erlangenden  Glasperlen  (»Teneremurra«).  Von  den  letzteren  sind 
besonders,  als  Imitation  des  Tekaroro,  schwarze  und  weisse  Emailperlen  beliebt,  und 
ich  sah  »Könige«,  die  einen  solchen  Halsschmuck  nicht  verschmähten.  Statt  dieser 
Glasperlen,  wie  sie  jetzt  Mode  sind,  verwendete  man  früher  Tekaroro,  wovon  abwech- 
selnd weisse  und  schwarze  Scheibchen  zwischen  anderem  Schmuckmaterial  (Zähne  vom 
Sperrawal,  Mensch,  Delphin  u.  s.  w.)  aufgereiht  wurden. 

lieber  die  Anfertigung  des  Tekaroro  sagt  Kirby  nur,  »dass  alte  Männer,  die  sonst 
nichts  mehr  thun  können,«  die  Muschelscheibchen  schleifen.  Ich  selbst  konnte  mir 
leider  keinen  Aufschluss  mehr  verschaffen  und  erlangte  selbst  nicht  einmal  das  Roh- 
material der  Muschel.  Nach  einer  Notiz  (Kat.  M.  G.,  S.  256)  wäre  dieselbe  ^  Conus 
sponsalisty  aber  nach  anderer  Angabe^)  ^Coronaxis  nanus  Brod.«. 


1)  Nach  der  hellrothen  Färbung  mancher  Muschelstucke,  die  ganz  mit  solchen  von  den  Marshalls 
übereinstimmt,  dürfte  auch  Chama  pacifica  Brod.  in  Betracht  kommen  (vgl.  das  Ober  Muschelscheib- 
chen Gesagte  bei  Marshall-Inseln). 

2)  Journ.  d.  M.  G.,  Heft  II  (1873),  S.  17.  Tetens  und  Kubary:  Yap:  »Eine  fernere  Halszierde,  die 
nian  besonders  auf  den  Ellice-  (?)  und  Gilbert- Inseln  antrifft  und  vielleicht  von  dort  einführt,  besteht  aus 
schwarzen  und  weissen  Scheibchen.   Die  weissen  sind  aus  einer  kleinen  Kegelschnccke,  Coronaxis  nanus 


76  Dr.  O.  Finsch.  [344] 

Die  Vollkommenheit  der  Bearbeitung  der  Muschelschei beben  ist  übrigens,  wie 
immer,  verschieden;  besonders  kunstvoll  solche,  bei  denen  der  Aussenrand  jedes 
Muschelscheibchens  geschliffen  und  polirt  ist  (wie  Fig.  2 — 4,  Taf.  [24]  von  Banaba). 

Was  die  Verbreitung  des  Tekaroro  ausserhalb  der  Gilberts  anbelangt,  so  findet 
sich  das  gleiche  Material,  aus  abwechselnd  weissen  Muschel-  und  schwarzen  Cocosnuss- 
scheibchen,  auch  anderwärts  (z.  B.  auf  Vate,  Neue-Hebriden),  aber  meist  nur  neben  an- 
deren in  beschränkter  Menge  verarbeitet,  wie  z.  B.  auf  den  Marshalls.  Ich  erhielt  hier 
zwar  eine  lange  Gürtelschnur  aus  Tekaroro  von  Maloelab,  darf  aber  nicht  mit  Sicher- 
heit behaupten,  dass  dieselbe  hier  gearbeitet  wurde.  Beachtenswerth  sind  auch  die  mit 
Tekaroro  fast  identischen  »Pellä-Schnürec  von  Neu-Britannien  (s.  Nachträge).  An  unbe- 
arbeiteten, blos  durchbohrten  Muscheln  erhielt  ich  nur  eine  Halskette  von  Natica  lurida, 
und  zwar  von  Banaba.  Aber  der  Kat.  M.  G.  (S.  255  und  256)  verzeichnet  mit  der  An- 
gabe »Gilberts«  Schmuckstücke  aus  Natica  pes  elephantis,  N.  mamilla,  N.  Gambiae, 
Ruma  melanostoma  und  Cypraea  monetär  die  aber  wohl  von  der  Ellice-Gruppe  her- 
stammen. Hudson  erwähnt  von  den  Gilberts  ausser  Tekaroro  nur  Ovw/a-Muscheln 
als  gelegentlichen  Tanzschmuck;  von  der  Ellice-Gruppe:  Muschel-  und  Perlmutterhals- 
bänder; von  Tockelau:  Halsbänder  und  Ohrringe  aus  Muscheln  und  Knochen;  »Teka- 
roro« ist  in  beiden  Gruppen  unbekannt. 

b)  Hautverzierung. 

Ich  habe  auf  allen  meinen  Reisen  diesem  Gebrauche  besondere  Aufmerksamkeit 
zugewendet,  wo  ich  konnte  Erkundigungen  eingezogen  und  mit  Feder  und  Stift  Auf- 
zeichnungen gemacht,  da  ich  weiss,  wie  wenig  man  sich  blos  auf  das  Gedächtniss  ver- 
lassen kann  und  darf.  Auf  Grund  dieser  sorgfältigen  Beobachtungen,')  deren  Einzel- 
heiten hier  übergangen  werden  müssen,  ergeben  sich  folgende  Thatsachen,  wie  ich 
dieselben  schon  wiederholt  mittheilte.  (»Anthrop.  Ergebnisse  etc.«,  S.  6  und  in  Joest: 
»Tätowiren«,  S.  37  und  117.) 

Brandmale,  durch  Auflegen  eines  mehr  oder  minder  grossen  Stückchens  glimmen- 
der Kohle  (meist  Cocosschale)  hervorgebracht,  sind  am  häufigsten.  Diese  Wundmale 
haben  eine  rundliche,  übrigens  sehr  unregelmässige  Form  und  Grösse,  sind  mehr  oder 
minder  erhaben  und  markiren  sich  durch  lebhaftere  helle  Färbung,  schrumpfen  aber  in 
höherem  Alter  ziemlich  ein.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  es  nur  wenige  Gilbert-Insulaner 
gibt,  an  deren  Körper  sich  nicht  wenigstens  einige  solcher  Brandmale  finden,  obwohl 
ich  auch  solche  Personen  kennen  lernte.  Das  erklärt  sich  dadurch,  weil  Brennen  auch  als 
Heilmethode  angewendet  wird.  Zum  Theile  sind  diese  Brandmale,  wie  auf  Samoa, 
auch  Erinnerungszeichen  beim  Ableben  eines  Verwandten,  und  deshalb  im  Ganzen 
häufiger  beim  weiblichen  Geschlecht  als  beim  männlichen  vertreten.  Schliesslich  werden 
Brandmale  eingebrannt,  um  den  persönlichen  Muth  zu  zeigen,  und  ich  sah  junge  Mädchen  -) 


Brod  gearbeitet,  indem  der  ganze  untere  Theil  weggeschlifTen  und  nur  das  obere  breite  Ende,  ein 
gekerbtes  Scheibchen,  mit  einer  runden  regelmässigen  Oeffnung  in  der  Mitte  übrig  bleibt.  Die  schwar- 
zen Scheibchen  sind  aus  Cocosnussschale.«  Die  beigegebenen  Abbildungen  (Taf.  IV,  Fig.  6),  nament- 
lich die  in  natürlicher  Grösse  (Fig.  6  a)  stimmen  so  vollständig  mit  Tekaroro  von  den  Gilberts  überein, 
dass  eine  Verwechslung  zu  Grunde  liegt, 

')  Dieselben  erstrecken  sich  nicht  blos  auf  eine  3otägige  Reise  in  der  Gruppe,  wie  der  Ver- 
fasser des  Kataloges  des  Museum  Godeffroy  (S.  261)  annimmt,  sondern  ich  lebte  auf  Dschalut  (damals 
das  Hauptdepot  der  »Labortrade«)  fast  ein  Jahr  lang  in  unmittelbarer  Nähe  von  Gilbertleuten  (oft 
ein  paar  Hundert)  und  hatte  somit  reichlich  Gelegenheit  zu  Beobachtungen. 

a)  Kubary  berichtet  in  ganz  ähnlicher  Weise  von  Pelau:  »dass  sich  die  Müdchen  untereinander 
mit  glimmenden  Cocosblättern  eine  Reihe  runder  Narben  den  Arm  entlang  einbrennen.  Nicht  selten 
geschieht  dies  im  Zusammenhang  mit  den  ersten  Liebschaften.« 


[34.5!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  n»i 

zum  Spass  sich  selbst  Brandmale  beibringen.  Sie  zieren  hauptsächlich  die  Arme, 
und  zwar  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  den  linken  Arm.  Nur  ausnahmsweise  haben,  be- 
sonders Frauen,  einige  grössere  Brandwunden  (bis  40  Mm.  im  Durchmesser)  auf  Schul- 
tern, Brust  und  selbst  auf  den  Brüsten.  Nicht  selten  finden  sich  Brandmale  in  grösserer 
Anzahl  (bis  3o  und  mehr)  meist  auf  dem  Ober-  oder  Unterarme  (oder  auf  beiden)  einge- 
brannt, so  dass  sie  eine  mehr  oder  minder  regelmässige  Längsreihe  bilden,  die  dann  als 
Ziernarben  betrachtet  werden  können.  Die  beigegebene  Skizze  (Fig.  14) 
gibt  eine  ungefähre  Idee  solcher  Zierbrandnarben  von  Arrau-Tiduan,  einem  ^^^'  ^^' 
Häuptlinge  der  Insel  Maiana.    Der  rechte  Arm  dieses  im  besten  Alter  /^ 

stehenden  Mannes  war  von  der  Mitte  des  Oberarmes  bis  zum  Pulse  herab  ^*^ 

mit  solchen  Brandmalen  geziert,  der  linke  Arm  hatte  nur  einige  aufzu- 
weisen.    Im  Uebrigen  zeigte  dieser  Häuptling  auf  jedem  Arme  zwei  Längs-  (    )  ^ 

linien  tätowirt  und   konnte  somit  als  Typus  der  Hautverzierung  eines  \J 

Gilbert- Insulaners  gelten.  ^ 

In  ähnlicher  Weise  beobachtete  ich  Brandmale,  besonders  beim  weib- 
lichen Geschlecht  und  am  meisten  auf  Armen  und  Brust,  in  Astrolabe-Bai  ^ 
(Neu-Guinea),  Neu-Irland,  bei  Eingeborenen  von  den  Salomons  und  Aoba  *-^ 
(Neue-Hebriden),  aber  auch  bei  Mädchen  von  Fakaafo  (Union-Gruppe).  C) 
Auf  den  Admiralitätsinseln  ist  diese  Hautverzierung  auch  häufig,  die  Sitte      U  Q 
also  vorherrschend,  aber  nicht  ausschliessend  über  Melanesien  verbreitet.         q 

TätOWirung.  »Bekanntlich  hat  sich  hier  die  Tätowirung  noch  in  Brandnarben, 
einem  hohen  Grade  der  Vollkommenheit  erhalten,  und  die  Männer  be- 
decken noch  heute  den  ganzen  Körper,  und  zwar  auch  die  Extremitäten,  damit.«  Mit 
diesen  Worten  bezeichnet  Kubary*)  die  Tätowirung  der  Gilbert-Insulaner  und  sucht 
zugleich  einen  Zusammenhang  derselben  mit  jener  der  Bewohner  der  niedrigen  centralen 
Carolinen-Inseln  nachzuweisen.  Diese  Folgerung  ist  ebenso  unzutreffend  als  die  Dar- 
stellung der  Gilbert-Tätowirung  unrichtig,  aber  verzeihlich,  da  Kubary  diese  Inseln  nicht 
aus  eigener  Anschauung  kannte.  Hudson,  der  der  Tätowirung  besondere  Aufmerksam- 
keit schenkt,  erwähnt  dieselbe  von  den  Gilberts  nur  von  Makin  und  Tapiteuea,  dabei 
als  im  Ganzen  selten,  also  zu  einer  Zeit  (1841),  wo  die  Eingeborenen  noch  fast  un- 
berührt in  voller  Originalität  lebten.  Auf  Grund  eingehender  und  sorgfältiger  Unter- 
suchung von  vielen  hundert  Gilbert-Insulanern  kann  ich  diese  Angaben  nur  bestätigen. 
In  Wahrheit  ist  die  Mehrzahl  der  Bewohner  überhaupt  nicht  tätowirt;  unter  hundert 
Eingeborenen  beiderlei  Geschlechtes  kaum  zwanzig,  und  von  diesen  haben  die  wenig- 
sten mehr  als  zwei  bis  drei  Parallellinien  längs  den  Armen,  seltener  ein  paar  Längs- 
oder Querstriche  auf  den  Beinen  aufzuweisen.  Nur  wenige  Male  beobachtete  ich  auch 
punktirte  Linien,  und  zwar  in  einer  Längsreihe  am  linken  Arme  einer  Frau,  deren 
rechter  Arm  das  gewöhnliche  Zeichen,  zwei  Parallellinien,  zeigte. 

Die  spontane  Tätowirung  der  Gilbert-Insulaner  repräsentirt  einen  eigenthümlichen 
Typus,  der  in  der  Zeichnung  durch  vorwiegend  gerade  Linien  charakteristisch  wird. 
Das  Muster  besteht  im  Wesentlichen  aus  parallellaufenden  Längslinien,  die  dicht  mit 
querJaufenden  Zickzacklinien  oder  schiefen  Querstrichen  ausgefüllt  sind.  Diese  Quer- 
strichelung  steht  zuweilen  so  dicht,  dass  sie  ineinander  verfliesst  und  dann  schlagblaue 
Streifen  und  Felder  bildet,  wie  dies  durch  Einschrumpfen  der  Haut  bei  alten  Leuten 

1)  »Das  Tätowiren  in  Mikronesien,  speciell  auf  den  Carolinen«  in:  Joest,  »Tätowiren«  etc. 
(Berlin  1887,  S.  74—98,  mit  zahlreichen  Abbildungen),  eine  Abhandlung,  die  den  Gegenstand  keines- 
wegs so  übersichtlich  schildert,  als  zu  wünschen  wäre,  da  ja  der  Verfasser  auch  nur  gewisse  Theile 
des  Gebietes  kennen  lernte. 


78  Dr.  O.  Finsch.  [346] 

meist  von  selbst  eintritt.  Der  Rücken  solcher  Personen  sieht  dann  aus  wie  mit  einem 
blauen  Lappen  bedeckt.  Dieses  für  die  Gilbert-Insulaner  eigenthümliche  Muster  bedeckt 
meist  den  Rücken  von  der  Schultermitte  bis  auf  die  Hüften  herab,  zieht  sich  an  den 
Seiten  zuweilen  bis  unter  die  Arme  und  lässt  meist  einen  Streif  längs  des  Rückgrates 
frei.  Als  seltene  Ausnahme  beobachtete  ich  diese  Tätowirung  auch  auf  der  Brust.  Ganz 
gleiche,  aber  etwas  nach  innen  gebogene  Streifen  zieren  häufig  die  obere  Hälfte  des 
Oberschenkels,  wo  sie  sich  zuweilen  bis  fast  zum  Knie  herabziehen.  Das  Unterbein 
unterhalb  des  Knies  bis  oberhalb  des  Knöchels  ist  in  ähnlicher  Weise  mit  Längsstreifen 
tätowirt,  meist  so,  dass  die  Wade  hinterseits  freibleibt,  aber  es  zeigen  sich  hier  mancher- 
lei Verschiedenheiten.  Zuweilen  ist  jede  Seite  dts  Unterbeines  mit  zwei  grösseren  Längs- 
feldern versehen,  die  wie  Beinschienen  kleiden.  Häufiger  läuft  rings  unterm  Knie  ein 
Band,  das  an  ein  Strumpfband  erinnert,  während  oberhalb  des  Knöchels  mehrere  Quer- 
streifen eingeritzt  sind,  so  dass  das  Unterbein  ein  Aussehen  erhält,  als  wäre  es  mit 
einem  Strumpfe  bekleidet.  Als  seltene  Ausnahme  beobachtete  ich  (bei  Männern  wie 
Frauen)  zwei  Längsstreifen  an  der  Hinterseite  des  Beines  bis  zur  Achilles  herab,  häufi- 
ger aber  nur  bei  Frauen,  einfache  Querstriche  auf  der  Hand,  sowie  auf  den  Fingern. 
Individuen,  die  auf  Rücken,  Schenkeln  und  Unterbein  in  den  oben  beschriebenen 
Mustern  tätowirt  sind,  kommen  höchst  selten  vor.  Ich  sah  alte  Männer,  die  nur  die 
eine  Rückenhälfte,  und  alte  Weiber,  die  nur  das  eine  Schienbein  tätowirt  hatten.  Kin- 
der zeigten  fast  ausnahmslos  keine  Tätowirung,  und  selbst  junge  heiratsfähige  Mäd- 
chen waren  selten  mit  mehr  als  den  bekannten  Längsstreifen  auf  den  Armen  geziert. 
Tätowirung  ist  also  nicht,  wie  in  gewissen  Gebieten  Neu-Guineas  (vgl.  I,  S.  [91]),  ein 
Verschönerungsmittel  des  weiblichen  Geschlechtes,  um  leichter  einen  Mann  zu  er- 
langen. 

Der  von  mir  in  Joest's  vortrefflichem  Werke  (Taf.  III)  abgebildete  Mann  von 
Banaba  (Ocean-Isl.)  darf  insofern  nicht  als  Muster  für  Gilbert-Tätowirung  gelten,  weil 
er  überhaupt  der  einzige  war,  bei  dem  ich,  mit  Ausnahme  von  Gesicht,  Händen  und 
Füssen,  eine  vollständige  Tätowirung  beobachtete.  Durch  die  Dichtigkeit  des  Zickzack- 
musters erscheint  der  sonst  auch  für  Bonaba  giltige  Typus  der  Gilbert-Tätowirung  so 
verändert,  dass  der  Mann  einen  eigenen  darzustellen  scheint.  Dasselbe  gilt  für  den  bei 
Wilkes  (V,  S.  73)  abgebildeten  Mann  von  Makin,  der  wegen  seiner  fast  den  ganzen 
Körper  bedeckenden  Tätowirung  ebenfalls  zu  den  Ausnahmen  gehört. 

Die  Tätowirung  der  Gilbert-Insulaner  kennt  keine  besonderen  Zeichen  als  Rang- 
unterschiede wie  die  der  Marshallaner,  ebensowenig  hat  sie  religiöse  Beziehungen,  wie 
sie  von  Kirby  angedeutet  werden.  Wenn  nach  dessen  Mittheilungen  der  Unsterblich- 
keitsglaube der  Gilbert-Insulaner  nur  Tätowirten  den  Eintritt  ins  bessere  Jenseits  erlaubt, 
so  würde  dasselbe  den  meisten  verschlossen  bleiben,  selbst  grossen  Häuptlingen.  Von 
letzteren  lernte  ich  so  manchen  Untätowirten  kennen,  wie  ich  auch  niemals  bemerkte, 
dass  Tätowirte  irgend  einen  grösseren  EinHuss  besassen,  als  Untätowirte. 

Ceremonien  irgendwelcher  Art  kommen  bei  Tätowirung  nicht  vor,  und  Wood 
erwähnt  nur,  dass  es  damals  auf  Makin  professionelle  Tätowirer  gab,  die  sich  gut  be- 
zahlen Hessen,  wie  dies  überall  der  Fall  ist.  Nach  meinen  Erfahrungen  verstanden 
übrigens  die  meisten  Frauen  zu  tätowiren. 

Die  Tätowirung  ist  übrigens  auf  den  Gilberts  bei  beiden  Geschlechtern  gleich, 
wird  aber  nach  Wood  mehr  von  Männern,  als  von  Frauen  angewendet;  mir  schien  dies 
umgekehrt  der  Fall  zu  sein. 

Auf  Nawodo  sah  ich  keine  tätowirten  Männer  mehr  und  nur  bei  einigen  wenigen 
Frauen  ein  paar  Längsstriche  auf  den  Schenkeln;  auch  Brandmale  waren  hier  selten. 


r34.7l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  yg 

Wie  von  den  nördlichen  Nachbarn,  den  Marshallanern,  weicht  die  Tätowirung  der  Gil- 
bert-Insulaner auch  von  ihren  südlichen  in  der  EUice-Gruppe  durchaus  ab. 

Tätowirgeräth.  Das  Instrument  zum  Tätowriren,  wie  es  Wood  und  Parkinson 
(Kat.  M.  G.,  S.  260)  beschreiben,  aus  einem  gezähnelten  Knochen,  ähnlich  dem  der 
Marshallaner,  habe  ich  nicht  mehr  erhalten,  dagegen  ein  anderes  sehr  abweichendes, 
welches  »Tommaggi«  heisst.  Es  besteht  aus  einem  am  Ende  mit  einem  feinen,  äusserst 
spitzen  Stachel  von  Pandanus-BlaXt  bewehrten  Stäbchen,  erinnert  also  am  meisten  an 
die  Tätowirnadel  von  Port  Moresby  (I,  S.  [90],  Fig.  8).  Ein  längliches  Stückchen  Holz, 
ohne  besondere  Form,  dient  als  Klopfer  zum  Einschlagen  dieser  Nadel  und  heisst  >Ta- 
gaiberra«.  Das  Tätowiren  selbst  ist  infolge  der  einspitzigen  Nadel  ziemlich  langweilig, 
aber  die  Frauen,  in  deren  Händen  das  Tätowiren  liegt,  wissen  das  Instrument  sehr  ge- 
schickt und  schnell  zu  handhaben,  und  der  sehr  scharfe  und  spitze  Stachel  dringt  leicht 
durch  die  Oberhaut.  Als  Farbe  —  »Tebareg«  —  gebraucht  man  Russ,  aus  Hülle  der 
Cocosnuss  gebrannt,  der  in  dem  Abschnitt  einer  Cocosschale  angerührt  wird.  Wie 
immer,  trägt  man  die  Zeichnung  mit  einem  dünnen  Hölzchen  auf  und  schlägt  dann  die 
Nadel  ein.  Da  ich  an  mir  selbst  Tätowirversuche  machen  liess,  darf  ich  versichern,  dass 
der  Schmerz  nicht  erheblich  ist.  Die  vollständige  Tätowirung  kostet  beiläufig  einen 
Monat  Zeit,  w^ird  aber  wohl  selten  hintereinander  ausgeführt. 

Bemalen  ist  bei  den  Gilbert-Insulanern  nicht  Sitte,  da  sie  überhaupt  keine  Farb- 
stoffe noch  Färben  kennen.  Aber  das  Einreiben  des  Körpers  und  Haupthaares  mit 
Oel  (Cocosnussöl)  ist  beliebt.   Als  Behälter  benützte  man: 

Teadinibua  (Nr.  73,  i  Stück),  kleine  (verkrüppelte)  Cocosnuss  (wie  Fig.  60),  als 
Behälter  für  Haaröl  (Cocosnussöl)  benutzt.  Die  OefTnung  wird  mit  einem  Stöpsel  aus 
PandanuS'Blailt  verschlossen.  Tarowa. 

Ein  Stück,  das  der  Vergangenheit  angehört,  da  Glasflaschen  aller  Art  unter  den 
Eingeborenen  nichts  Seltenes  mehr  sind.  Derartige  Cocosnüsse  werden  auf  den  Mort- 
lock-Inseln  als  Behälter  für  Firniss  benützt  (Kat.  M.  G.,  S.  328,  Nr.  83 1). 

c)  Frisuren  und  Haarputz. 

Auf  das  vorherrschend  schlichte,  indess  nicht  selten  auch  wellige  und  feinlockige 
Haar  —  »Terenettu«  —  verwenden  die  Gilbert-Insulaner  keine  Sorgfalt,  ebensowenig 
die  Männer  auf  den  meist  gut  entwickelten  Bartwuchs.  Gewöhnlich  wird  das  Kopfhaar 
im  Nacken  und  vorn  auf  der  Stirn  so  abgeschnitten,')  dass  es  eine  sogenannte  Polka- 
frisur bildet  (vgl.  Finsch,  »Anthrop.  Ergebnisse«,  Taf.  I),  nicht  selten  lassen  aber  Mäd- 
chen das  Haar  länger  wachsen,  so  dass  es  wild  um  die  Schultern  flattert.  Kindern  wird, 
der  vielen  Läuse  wegen,  der  Kopf  häufig  geschoren  oder  doch  kurz  im  Haar  gehalten; 
zuweilen  lässt  man  eine  Scalplocke  auf  dem  Wirbel  stehen. 

Kämme  gibt  es  nicht,  aber  man  bedient  sich  häufig  eines  3o — 40  Cm.  langen, 
runden,  an  beiden  Enden  zugespitzten  Stäbchens  —  auf  Tarowa  »Zero«  genannt  — 
theils  um  die  Läuse  in  ihrer  Arbeit  zu  stören,  theils  zum  Aufzausen.  Durch  letzteres 
entsteht,  namentlich  bei  Lockenköpfen,  zuweilen  eine  weitabstehende  Haarwolke,  ganz 
wie  bei  Papuas  (vgl.  II,  S.  [89],  Fig.  6). 

Männer  mit  Glatze,  die  übrigens  nur  selten  vorkommt,  pflegen  ausnahmsweise, 
aber  nur  bei  den  Festen  im  Versammlungshause  (Maneap),  eine  selbstgefertigte  Per- 


I)  Die  Scheeren  aus  Haifischzähnen,  wie  sie  Gill  (»Life  in  the  Southern  Isles«,  S.  3o7)  be- 
schreibt, mit  denen  Haarschneiden  allerdings  sehr  schmerzhaft  sein  muss,  dürften  wohl  nirgends  exi- 
>Hirt  haben,  wie  Scheeren  Oberhaupt  unbekannt  waren  und  auch  als  Tauschartikel  wenig  beliebt  sind. 
£iQe  geschärfte  Muschel  genügt  ja  zum  Haarabsäbeln  sehr  gut. 


8o  Dr.  O  Finsch.  [3^8] 

rücke')  zu  tragen.  Dieselbe  besteht  nur  aus  einem  korbartigen  Geflecht  aus  dünnen 
Reifen,  an  welches  büschelweise  Haare  angebunden  sind.  Ich  erhielt  nur  eine  solche 
PerrOcke,  und  zwar  auf  Butaritari. 

d)  Kopfputz 

ist  mir,  ausser  Kränzen  aus  bescheidenen  Blumen  und  feinen  Blättern,  die  nament- 
lich bei  jungen  Mädchen  beliebt  sind,  nicht  vorgekommen.  Das  Museum  Godeffroy 
(Katalog,  S.  255,  Nr.  795  und  796,  Taf.  XXVIII,  Fig.  i)  verzeichnet  aber  zwei  »Kopf- 
schmucke« aus  Muscheln  (Natica  gambiae)  von  den  Gilbert-Inseln,  indess  ohne  Angabe 
des  Sammlers,  so  dass  die  Richtigkeit  der  Herkunft  nicht  über  alle  Zweifel  erhaben  ist. 
Ich  selbst  erhielt  nur  ein  hierhergehöriges  Stück,  eine  Art  Kopfbinde,  aus  einem  40 
bis  50  Mm.  breiten  Streifen  feinsten  Geflechtes  aus  Pandanus-E\^ll  bestehend,  reich 
mit  Menschenhaar  gestickt.  Von  Nukunau  und  hier  »Tentoa-u«  genannt.  Solcher 
Kopfputz  wird,  wie  die  Käppchen,  nur  beim  Menstruationsfeste  von  jungen  Mädchen 
getragen. 

e)  Ohrputz 

ist  häufig,  beschränkt  sich  aber  nur  auf  Blätter  und  Blumen.  Beide  Geschlechter  pflegen 
meist  beide,  zuweilen  nur  ein  Ohrläppchen  zu  durchbohren  und  in  die  Löcher 
frische  grüne  Blätter  oder  Blumen  zu  stecken  (vgl.  Finsch,  »Anthrop.  Ergebnisse«, 
Taf.  I,  Fig.  I  und  2,  mit  Blüthenkolben  von  Pandanus  im  Ohr).  Am  häufigsten  ist  ein 
Ohrputz  —  auf  Tarowa  »Tekaburi«  genannt  —  der  einfach  aus  einer  Rolle  von  einem 
schmalen  Streifen  frischen  Pandanus-hlzXXts  besteht  und  gern  mit  Blüthenduft  von 
Pandanus  parfümirt  wird.  Diese  Blattrolle  dehnt  das  Ohr  übrigens  nicht  übermässig 
aus.  Ohrläppchen,  die  »bis  auf  die  Schultern  hinabhängen«,  wie  sie  Parkinson  (Kat. 
M.  G.,  S.  254)  beschreibt,  kommen  auf  den  Gilberts  nicht  vor,  und  es  liegt  hier  eine 
Verwechslung  mit  den  Marshalls  zu  Grunde.  Schnüre  aufgereihter  Glasperlen  hatten 
sich  damals  bereits  als  Ohrschmuck  zuweilen  Eingang  verschafft.  Ich  beobachtete 
übrigens  auch  Personen,  und  zwar  nicht  blos  Kinder,  welche  die  Ohren  gar  nicht  durch- 
bohrt hatten. 

In  der  benachbarten  Ellice-Gruppe  werden  kleine  Ringe  aus  Schildpatt  in  den 
Ohren  getragen,  eine  Zierart,  die  auf  den  Gilberts  unbekannt  ist. 

f)  Hals-  und  Brustschmuck 

hatte  damals  bereits  viel  an  Originalität  verloren  und  Stücke  aus  der  guten  alten  Zeit 
waren  kaum  mehr  zu  haben.  Am  häufigsten  wird,  und  zwar  von  beiden  Geschlech- 
tern, ein  Strickchen  um  den  Hals  getragen,  oder  ein  Streifen  frischen  Pa;i^^nK5- Blattes. 
Die  Halsstrickchen  sind  meist  fein  aus  Menschenhaar  geflochtene  Schnüre,  wie  die  fol- 
gende : 

Tedanadu  (Nr.  546,  i  Stück),  Halsschnur,  sehr  zierlich,  aus  sieben  dünnen 
Schnürchen  von  Menschenhaar.  Banaba. 

Solche  Schnüre  werden  ein-  oder  mehrreihig  um  den  Hals  getragen,  sowie  mit 
Vorliebe  auch  um  den  Leib.  Zuweilen  sind  Haarschnüre  über  Cocosfaserschnüre  ge- 
flochten, so  dass  sie  eine  dicke  W^ulst  um  den  Hals  bilden.  Solche  Haarwulste,  mit 
»Fingernägeln«  verziert,  erwähnt  Wilkes  als  einzigen  Schmuck  der  Bewohner  Tonga- 
rewas (Penrhyn).  Halsschmuck  aus  Schnüren  von  Menschenhaar  war  auch  bei  den 
alten  Hawaiiern  sehr  beliebt,  und  das  British  Museum  besitzt  solchen  von  den 
Salomons. 


I)  Sehr  interessante  Perrücken  mit  zum  Theile  gefärbten  Haaren  sind  im  Kat.  M.  G.  (S.  145) 
aus  dem  Inneren  von  Viti-Levu  beschrieben  und  bei  Wilkes  (III,  S.  364)  abgebildet. 


[S^g]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gl 

Häufig  werden  Blumenkränze  als  Halsschmuck  verwendet,  ganz  besonders  eine 
weisse  BlÜthe,  die  Über  eine  Cocosfaserschnur  geflochten  wird.  Solche  Kränze  heissen 
auf  Maiana  »Dowanu-u«  und  sind  bei  Männern  wie  Frauen  beliebt,  müssen  aber  immer 
frisch  angefertigt  werden,  da  sie  sehr  bald  verwelken.  Blumen  besitzen  die  Inseln  übri- 
gens äusserst  wenige  und  meist  unscheinbare  Arten. 

Ein  kunstvolleres  Stück  ist  das  folgende : 

Äebirak  (Nr.  448,  i  Stück),  Halskette,  43  Cm.  lang,  aus  10—15  Mm.  langen, 
dichtstehenden  Pflanzenstengeln  (wahrscheinlich  einer  Art  Farnkraut),  auf  eine  dünne 
Schnur  aus  Cocosnussfaser  geflochten.  Maraki. 

Das  frische  Pflanzen material  ist  grün  und  kleidet  sehr  hübsch,  vertrocknet  aber  bald 
und  wird  dann  schwarzbraun.  Häufig  sind  diese  Art  Halsbänder  auf  dünne  Schnüre 
aus  Menschenhaar  geflochten,  zuweilen  parfümirt,  und  bei  beiden  Geschlechtern  beliebt, 
müssen  aber  bei  ihrer  Vergänglichkeit  öfters  durch  neue  ersetzt  werden. 

Auf  Nawodo  beobachtete  ich  auch  breitere  Halsbänder  aus  weiss-  und  schwarz- 
gefärbtem  Hibiscus-Basl. 

Bei  derselben  festlichen  Gelegenheit,  bei  welcher  die  Mädchen  die  zierlichen  Käpp- 
chen  (siehe  S.  74  [342],  Textfig.  i3)  aufsetzen,  werden  sie  auch  mit  einem  besonderen 
Halsschmuck  bekleidet,  der  »Terabaraba«  heisst.  Er  besteht  aus  einem  sehr  kunstvoll 
geflochtenen,  25 — 80  Mm.  breiten  Streifen  aus  feinstem  Pandanus-Blalt,  häufig  artig 
mit  Menschenhaar  gestickt,  der  gleich  einem  Kragen  um  den  Hals  getragen  wird.  Ich 
erhielt  solche  Kragen  von  Maiana  und  Nukunau. 

Von  Halsketten  aus  unbearbeiteten  Muscheln  erhielt  ich  nur  das  folgende  Stück: 

Halskette  (Nr.  461,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  3),  bestehend  aus  einer  circa 
50  Cm.  langen  dünnen  Schnur,  aus  Hibiscus-F  Siscr  gedreht,  aufweiche  lose  i3  Stück 
einer  schmutzigweissen  Muschel  {Natica  lurida  Phil.,  nach  v.  Martens)  gereiht  sind. 
Banaba. 

Statt  der  Tekaroroschnüre  (siehe  S.  75  [343],  die  übrigens  mit  den  nachfolgend  ver- 
zeichneten Leibgürteln  identisch  sind),  welche  früher  als  werthvoUe  Halsketten  *)  von 
beiden  Geschlechtern  geschätzt  waren,  bedient  man  sich  jetzt  allgemein  Schnüre  auf- 
gereihter Glasperlen.  Gleichsam  als  Nachklänge  an  die  Vergangenheiten  werden  an 
solche  Schnüre  Anhängsel  aus  einem  Stückchen  SpondyluSy  Scheiben  aus  Conus  oder 
Perlscbale,  oder  Zähne  befestigt. 

Die  Sammlung  enthielt  eine  schöne  Reihe  solch  modernen  Schmuckes,  spwie 
einige  gute  alte  Stücke. 

Tentabo  (Nr.  452,  i  Stück,  Taf.  VIII  [25],  Fig.  17),  eine  circa  50  Cm.  lange 
Schnur  aufgefädelter  Glasperlen  (meist  blaue,  sowie  rothe  und  einzelne  rosa  und  weisse), 
an  welches  ein  längliches  Stück  roh  bearbeiteter  rother  Muschel  (Spondylus  odtr  Chama) 
als  Anhängsel  befestigt  ist.  Tarowa. 

Tebaia  (Nr.  454,  i  Stück),  Schnur  rother  Glasperlen  mit  einem  Anhängsel  aus 
Spondylus,  ähnlich  dem  vorhergehenden,  aber  von  hellerer  Färbung  (ähnlich  Taf.  [25], 
Fig.  I  a).   Maiana. 

Derartige  Anhängsel  aus  Spondylus  sind  weitaus  am  beliebtesten  und  im  Ganzen 
sehr  wenig  bearbeitet,  zuweilen  nur  etwas  zugerundet  und  von  sehr  verschiedener 


<)  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  einige  interessante  Tekaroro-Halsschmucke  von  ehenials  (S.  256, 
^^'  7^9«  788  und  182 1),  wie  ich  keine  mehr  erhielt,  dagegen  auch  Halsschnüre  aus  Glasperlen  mit 
•S^n(f)^/us- Anhängsel  von  Fidschi  (S.  150,  Nr.  1008  und  S.  152,  Nr.  1156),  die  durchaus  mit  modernen 
von  den  Gilberts  übereinstimmen. 

Aonaleo  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIU,  Heft  i,  1893.  6 


i 

n 


li 


82  Dr.  O.  Finsch.  [350] 


i  Grösse.  Das  grösste  Exemplar,  welches  ich  erhielt,  war  90  Mm.  lang  und  40  Mm.  breit 


4 


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• 


-1 

1 


und  galt  als  besonders  werthvoll.    Gewöhnlich  begnügt  man  sich  mit  Stücken  von 
40  Mm.  Länge  und  20  Mm.  Breite,  ähnlich  den  folgenden  Nummern: 

Halsband-Anhängsel  (Nr.  459,  i  Stück),  aus  einem  Stück  Spondylus,  Maraki. 

Das  Exemplar  gehört  zu  den  am  besten  bearbeiteten  Stücken,  welche  mir  auf  den 
Gilberts  vorkamen,  und  stellt  ein  Triangel  vor  von  27  Mm.  Länge,  dessen  gerader 
unterer  Schenkel  23  Mm.  misst.  Aehnlich  geformte  Stücke  erhielt  ich  auch  von  Ba- 
naba.  Spondylus  gehörte  nach  Wilkes  auch  zum  werthvoUsten  Schmuck  auf  Fidschi. 
Am  häufigsten  auf  den  Gilberts  sind  5/?ow4^/M5-Plättchen,  die  in  Form  wie  Grösse 
ganz  mit  den  (Taf.  [25],  Fig.  15)  von  Ponap^  abgebildeten  übereinstimmen  und  den 
prähistorischen,  welche  ich  dort  in  den  Ruinen  (Taf.  [25],  Fig.  14)  ausgrub.  Eine  ge- 
wöhnliche Form  ist  auch  die  folgende: 

Halsband- Anhängsel  (Nr.  459  a,  i  Stück,  Taf.  VIII  [25],  Fig.  16),  aus  einem 
rohbearbeiteten  Stückchen  Spondylus-MM^chtl.  Tarowa. 

S/?ow^/w5-Stückchen  werden,  weil  am  werthvoUsten,  meist  von  Männern  benützt, 
indess  auch  von  Frauen,  die  ihre  Halsschnüre  aus  Haar  gern  mit  einem  solchen 
verzieren. 

In  früherer  Zeit  wurden  aus  SpondylusSliläuchtn  ganze  Halsketten  hergestellt. 
Einen  solchen  mir  aus  dem  British  Museum  bekannten  Halsschmuck  bildet  Edge- 
Partington  (Taf.  173,  Fig.  4)  ab;  er  besteht  aus  42  etwas  bearbeiteten  Stücken  (in  der 
Form  Taf.  [25],  Fig.  17  ähnelnd),  die  von  der  Mitte  nach  den  Seiten  an  Grösse  ab- 
nehmen. 

Die  auch  in  Melanesien  (vgl.  II,  S.  [221])  so  häufig  zu  Schmuck  verwendeten  run- 
den Scheiben  und  Ringe,  aus  den  Spiren  gewisser  Kegelschnecken  (Conus)  geschliffen, 
sogenannte  Co;tu5-Böden,  sind  auch  auf  den  Gilberts  sehr  beliebt.  Früher  wurden  dar- 
aus ganze  Halsketten  gefertigt,  wie  die  folgende: 

To-uba  (Toba)  (Nr,  460,  i  Stück,  Taf.  VII  [24],  Fig.  15  und  16),  Halskette  aus 
27  sehr  sauber  geschliffenen  flachen  runden  Scheiben  aus  Conus  (millepunctatus),  die 
mittelst  sehr  feinem  Bindfaden  aus  Cocosfaser  kunstvoll  auf  eine  Schnur  geflochten 
sind,  und  zwar  so  eng  aneinander,  dass  sich  die  Scheiben  decken.  Maraki. 

Die  Kette  ist  18  Cm.  lang  und  stellt  nur  die  eine  Hälfte  dar;  in  der  Mitte  sind  die 
grössten  Scheiben  (Fig.  15),  welche  nach  den  Seiten  zu  aUmälig  an  Grösse  abnehmen, 
so  dass  die  äusserste  (Fig.  16)  die  kleinste  ist.  Eine  andere  vollständige  Kette  (3o  Cm. 
lang\  ebenfalls  von  Maraki,  besteht  aus  70  kleineren  Coraus-Scheiben  (millepunctatus) , 
die  mittelsten  so  gross  als  Fig.  16,  die  seitlichen  \\\t  Fig.  17  (Taf.  [24]).  Aehnliche  Hals- 
ketten bildet  Edge-Partington  (Taf.  174,  Fig.  i  und  2)  ab. 

Ich  erhielt  nur  noch  wenige  Stücke  dieses  werth vollen  Schmuckes,  der  bald  der 
Vergangenheit  angehören  dürfte,  denn  selbst  einzelne  Corau^-Scheiben  waren  schon 
ziemlich  selten,  wenigstens  so  grosse  Exemplare  als  das  folgende: 

Halsbandschmuck  (Taf.  VII  [24],  Fig.  i8\  aus  einem  kolossal  grossen  Conus 
( millepunctatus }  von  85  .Mm.  Durchmesser,  ausserordentlich  sauber  geschliffen.  Baoaba. 

Aehnlich  grosse  Exemplare  erhielt  ich  auf  Tarowa;  sie  waren  aber  in  der  Mitte 
durchbohrt  und  bildeten  einen  25  Mm,  breiten  flachen  Ring,  mit  einer  Oefinung  von 
35  Mm.  Lichtweite  in  der  Mitte.  Die  grösste  Co «M.'f-Scheibe  mit  fast  100  Mm.  Durch- 
messer erhielt  ich  auf  Nawodo. 

Gewöhnlich  sind  kleinere  Scheiben,  wie  das  folgende  Stück: 

Halsbandschmuck  ^^Taf.  VII  [24],  Fig.  171,  aus  einer  Scheibe  von  Conus, 
Banaba. 


i 


i 


[3 eil  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  83 

Solche  Conu^-Scheiben  werden  an  einer  Schnur  befestigt  um  den  Hals  getragen, 
häufig  aber  an  Schnüren  aus  Glasperlen,  wie  die  folgende  Nummer: 

Halskette  (Nr.  450,  i  Stück,  Taf.  VII  [24],  Fig.  19),  aus  einer  Doppelreihe  jeder- 
seits  16  Cm.  langer  Schnüre  aufgereihter  Glasperlen  (3 — 6  blaue  je  mir  einer  rothen 
abwechselnd),  die  jederseits  in  einen  12  Cm.  langen  Bindfaden,  aus  Hibiscus-Fastr  ge- 
dreht, enden.  In  der  Mine  als  Anhängsel  eine  sauber  geschliffene,  in  der  Mitte  durch- 
brochene Scheibe  —  »To-uba«  —  aus  Conus  millepunctatus.  Tarowa. 

Nächst  Scheiben  aus  ConuSy  sehr  selten  aus  Ovula  ovum,  sind  solche  aus  Perl- 
mutter') (Beio)  geschliffen  als  Halsbandschmuck  sehr  beliebt,  deren  primitive  Anferti- 
gung durch  die  folgenden  Nummern  illustrirt  wird. 

Perlmutterschale  (Nr.  458,  i  Stück,  Fig.  15),  Fig.  15. 

und  zwar  Meleagrina  margaritifera,  im  ersten  Sta- 
dium der  Bearbeitung.  Tarowa. 

lieber  die  in  der  Länge  14  Cm.,  in  der  Quere 
1 2  Cm.  messende,  also  für  die  Gilbert-Inseln  schon 
ziemlich  grosse  Schale,  ist  auf  der  Rückseite  quer  über 
^  ie  Mitte  eine  Rille  (a  a)  eingeschliffen. 

Dies  geschieht  mit  der  abgenützten  Schneide 
s  i  nes  jener  (5 — 6  Zoll  langen)  Schlachtermesser,  wie 
sie  allgemein  in  der  Südsee  als  Tauschartikel  gebraucht 
^v- erden.  Ist  die  Rille  ziemlich  tief  eingeschnitten, 
gleichsam  gesägt,  was  viel  Zeit  erfordert,  so  wird  die 
Schale  abgeschlagen,  wobei  sie  nicht  selten  in  meh- 
i^^re  Stücke  zerspringt.  Geht  die  Sache  glatt  ab,  so  Perlmutterschale  in  Bearbeitung, 
rird  von  dem  unteren  Stück  jederseits  der  obere  Tarowa. 

and  schräg  abgeschnitten  (wie  Fig.  15  ^  oder  c).   Es  v,  „atüri.  Grösse, 

entsteht  dadurch  ein  Stück  ähnlich  dem  folgenden: 

Halsbandschmuck  (Nr.  457,  i  Stück,  Fig.  15  ^)  aus  Perlschale,  im  zweiten  Sta- 
d  ium  der  Bearbeitung.  Tarowa. 

Indem  nun  von  einem  solchen  Stück  wiederum  die  seitlichen  Ecken  abgeschnitten 
>3i^erden,  nähert  sich  dasselbe  mehr  der  runden  Form,  die  es  schliesslich  durch  Abschlei- 
fen vollends  erhält.   Dies  geschieht  auf  einem  harten  Korallenstück  unter  Anwendung 
^von  Wasser  und  Sand.    In  derselben  Manier  werden  die  mehr  oder  minder  runden 
Scheiben  dann  oft  sehr  dünn  geschliffen  und  schliesslich  das  Loch  eingebohrt,  wozu 
man  sich  einfach  der  Spitze  des  Messers  als  Bohrer  bedient.    Ich  habe  der  Bearbeitung 
solcher  Muschelscheiben  oft  zugesehen,  wobei  die  Weiber  meist  mehr  Fleiss  entwickel- 
ten als  die  Männer.  Die  ungeheure  Mühe  und  Zeit,  welche  die  Herstellung  eines  solchen 
Schmuckstückes,  wie  z.  B.  das  folgende,  erfordert,  wird  man  erst  nach  der  obigen  Dar- 
stellung zu  würdigen  verstehen. 

Tebalja  (Nr.  456,  i  Stück),  kreisrunde  Scheibe  (circa  60  Mm.  Diameter)  aus 
Perlmutter  (Aussenseite  dunkel),  als  Anhängsel  für  ein  Halsband,  Tarowa. , 

Zuweilen  werden  auch  Anhängsel  aus  Perlmutter  in  der  Form  eines  länglichen 
Viereckes  verwendet;  ich  erhielt  solche  unter  Anderem  von  Banaba. 


')  Die  Halskette  (S.  386,  Nr.  3ii8  des  Kat.  M.  G.)  von  »Uleaic  trägt  so  ganz  den  typischen 
ilbcrtcharakter,  dass  sie  jedenfalls  hierher  gehören  dürfte,  ebenso  die  kreisrunde  Scheibe  aus  Perl- 
■^»^e  (S.  414,  Nr.  1626)  mit  der  Angabe  .Carolinen*. 

6^ 


84  ^^'  O  Finsch.  [352] 

Tebalja  (Nr.  455,  i  Stück),  Halskette  aus  schwarzen  und  einzelnen  weissen  Glas- 
perlen mit  Anhängsel  aus  einer  sehr  dünn  geschliffenen,  ziemlich  runden  Scheibe  aus 
hellfarbigem  Perlmutter  (so  gross  als  Fig.  19,  Taf.  [24]).  Tarowa. 

Prachtvoll  geschnitzte,  kolossal  grosse  Perlmutterschalen,  das  Schönste,  was  ich 
in  diesem  Genre  sah,  beitzt  das  British  Museum  von  den  Markesas,  und  ebenso  von 
Tahiti  schönen  Schmuck  aus  Perlschalen. 

Tebalja  (Nr.  454,  i  Stück),  ähnlich  dem  vorhergehenden  Stücke,  mit  hellfarbiger 
(gelblicher)  Perlmutterscheibe  (fast  so  gross  als  Nr.  456),  die  mit  zwei  Rundlöchern 
durchbohrt  und  an  einer  32  Cm.  langen  Doppelschnur  aus  schwarzen  Glasperlen  be- 
festigt ist,  in  welcher  in  regelmässigen  Abständen  jederseits  fünf  sehr  zierliche  Delphin- 
zahne  (Taf.  V  [22],  Fig.  6)  eingeflochten  sind.  Tarowa. 

Die  Delphinzähne  sind  von  einer  nicht  bestimmten,  mit  Delphinus  delphis  verwand- 
ten Art  und  kommen  sehr  selten  vor.  Ich  erhielt  auf  Tarowa  auch  Halsketten,  aus  klei- 
nen Cocosnussscheibchen  und  abwechselnd  einzelnen  solcher  Delphinzähnen  bestehend. 

Häufiger  waren  Zähne  einer  anderen  Delphinart  (Phocaena),  die  früher  zu  ganzen 
Ketten  verflochten  wurden,  wie  das  folgende  Stück: 

Tebuangi  (Nr.  446,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  5  a  bis  e)f  Halskette;  eine  60  Cm. 
lange,  sehr  fein  geflochtene  Schnur  aus  Cocosfaser,  auf  welche,  40  Cm.  lang,  eine  Dop- 
pelreihe Delphinzähne  sehr  dicht  durch  Bohrlöcher  aufgereiht  sind.  Butaritari. 

Die  Kette  besteht  aus  mehr  als  200  Zähnen,  wovon  die  grössten  (Fig.  5  a  und  b) 
in  der  Mitte,  die  kleinsten  (Fig.  5  d  und  e)  an  der  Seite  stehen.  Sie  gehören  sämmtlich 
ein  und  derselben  Species  (Phocaena)  an,  die  sich  aber  nach  den  Zähnen  allein  wissen- 
schaftlich nicht  bestimmen  lässt.  Ein  ähnliches  Stück  ist  bei  Edge-Partington  (Taf.  172, 
Fig.  12)  von  der  Insel  Arorai  abgebildet. 

Diese  Art  Halsbänder,  früher  auch  in  langen  (60 — 80  Cm.)  Schnüren  als  Leibgürtel 
oder  kreuzweise  über  die  Brust  getragen,  sind  sehr  werthvoU  und  kommen  nicht  mehr 
vor.  Im  Kat.  M.  G.  (S.  244)  ist  Stirnschmuck  aus  Delphinzähnen  von  den  Markesas 
verzeichnet,  welcher  dort  40 — 80  Dollars  kostete.  Auf  den  Gilberts  ist  man  jetzt  froh, 
so  viele  Delphinzähne  zu  haben,  um  sie  einzeln  Halsbändern  aus  Glasperlen  einfügen 
zu  können  (ähnlich  Nr.  454). 

Halskette  (Nr.  451,  i  Stück),  eine  Schnur  Glasperlen  (schwarze  und  blaue,  ab- 
wechselnd mit  rothen),  in  der  Mitte  ein  der  Länge  nach  durchbohrter,  schwach  geboge- 
ner, stumpfgespitzter  Zahn  eines  Fischsäugethieres  (60  Mm.  lang,  15  Mm.  an  der  Basis 
breit),  das  sich  wissenschaftlich  nicht  bestimmen  lässt;  vielleicht  von  einem  jungen 
Spermwal.  Tarowa. 

Als  Anhängsel  zu  einem  Halsband  erhielt  ich  auf  Tarowa  auch  eine  runde  Kno- 
chenplatte, wahrscheinlich  aus  dem  Wirbel  eines  Walthieres  gearbeitet.  Edge-Parting- 
ton bildet  (Taf.  172)  aus  dem  British  Museum  einige  mir  bekannte  Halsbänder  von  den 
Gilbert- Insulanern  ab,  die  noch  aus  der  guten  alten  Zeit  herstammen  und  deshalb  hier 
angeführt  werden  mögen,  weil  ich  keine  solchen  Stücke  mehr  erhielt.  Fig.  Nr.  i  besteht 
aus  einer  Tekaroroschnur  (vgl.  S.  75  [348]),  mit  einem  Zahn  als  Anhängsel,  vermuthlich 
von  Spermwal.  Als  Localität  ist  »Byrons  Isl.  Mulgrave  Group«  angegeben,  aber  nur  die 
erstere  giltig,  also  »Nukunau«  der  Gilbertinseln,  da  »Mulgrave «-Insel  bekanntlich  iden- 
tisch mit  Milli  der  Marshallinseln  ist.  Fig.  Nr.  2  ist  ganz  wie  das  vorhergehende  Stück, 
als  Anhängsel  dienen  aber  zwei  kleinere  Zähne  irgend  einer  Delphinart.  Fig.  Nr.  4  be- 
steht aus  einer  schwarz  und  weissen  Schnur  (wie  Nr.  i),  mit  zwei  Delphinzähnen  (an- 
scheinend gleich  Taf.  [22],  Fig.  5  <i),  in  der  Mitte  ein  ziemlich  roh  bearbeitetes  Stück 
5/70«^i7M5-Muschel  (ähnlich  Taf.  [25],  Fig.  16),  rechts  sind  zwei  andere  undeterminirbare 


[353] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sodsee. 


8s 


Halsschmuck  (Spermwalzahn). 

Tarowa. 

Va  natürl.  Grösse. 


Zähne  (anscheinend  menschliche)  eingeflochten.  Jedenfalls  von  den  Gilberts  und  nicht 
»Lord  Mulgrave  Group«  (=  Milli).  Ein  altes  Gilbertstück  ist  auch  Nr.  943  (Kat.  M.  G., 
S.  385)  angeblich  von  »Uleai«. 

Weit  werthvoller  als  die  im  Vorhergehenden  besprochenen  Schmuckstücke  waren 
solche  aus  den  Zähnen  des  Spermwales»)  oder  Cachelot  (Physeter  macrocephalus) ,  die 
in  allen  Grössen^  sowohl  einzeln  als  zu  mehreren,  unbearbeitet  und  bearbeitet,  als  hoch- 
geschätzter Zierat  für  Halsbänder  beliebt  waren.  Es  gelang  mir,  noch  einige  hierher 
gehörige  Stücke  zu  retten, 

die  jetzt  wohl  kaum  mehr  Fig.  16. 

zu  haben  sein  dürften. 

Tebuangi  (oder 
Tebuonge)  (Nr.  443,  i 
Stuck,  Fig.  16),  längs- 
durchschnittener Sperm- 
walzahn von  kolossaler 
Grösse;  18  Cm.  lang, 
65  Mm.  breit  und  circa 
20  Mm.  dick;  an  der  Ba- 
sis zwei  Löcher  zum  Be- 
festigen einer  Schnur  aus 
Cocosfaser.  Tarowa. 

Das  graue,  matte 
Aussehen  dieses  Zahnes 

zeigt,  dass  er  lange  der  Witterung  ausgesetzt  war  und,  wie  alle  diese  Zähne,  von  einem 
gestrandeten  Thiere  herstammt. 

Tebuangi  (Nr.  442,  i  Stück),  grosser  (16  Cm.  langer)  Spermwalzahn,  nicht 
stumpf,  sondern  mit  zugespitztem  Ende.  Tarowa. 

Solche  Zähne  sind  oft  von  kolossaler  Grösse.  Ein  vor  mir  liegender  misst  24  Cm. 
in  der  Krümmung  gemessen,  18  Cm.  im  Umfange  und  wiegt  750  Gramm.  An  der 
Rundbasis  ist  ein  sehr  kleines  Loch  gebohrt,  durch  welches  nur  ein  sehr  dünner  Bind- 
faden befestigt  werden  konnte. 

Tebuangi  (Nr.  445,  i  Stück),  Halskette  aus  fünf  (circa  12  Cm.  langen)  an  einer 
Schnur  befestigten  Spermwalzahn en,  davon  einer  der  Länge  nach  durchgeschnitten. 
Tarowa. 

Ich  erhielt  eine  Halskette,  die  aus  24  solchen  Zähnen  bestand. 

Tebuangi  (Nr.  444,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  7,  a  Dicke),  Spermwalzahn,  längs 
durchgeschnitten,  als  Schmuck  für  Halsband.  Tarowa. 

Die  Abbildung  zeigt  die  Innenseite,  die  Mittelleiste,  dass  das  Durchschneiden  des 
Zahnes  von  beiden  Seiten  aus  geschah;  das  obere  Bohrloch  rechts  ist  noch  nicht  voll- 
endet und  geht  nicht  ganz  durch. 

Tebuangi  (Nr.  444^,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  8,  a  Dicke),  wie  vorher,  aber  der 
Zahn  schmal.  Tarowa. 

Auch  an  diesem  Stücke  lässt  sich  deutlich  erkennen,  dass  beim  Durchschneiden 
an  jeder  Seite  angefangen  wurde.   Das  Stück  ist  mit  drei  Löchern  durchbohrt. 

<)  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  derartigen  Schmuck  (S.  257)  von  den  Gilberts,  sowie  von  Fidschi 
(S.  181)  und  von  den  Markesas  (S.  244).  Der  »Halsschmuck«  (S.  41,  Nr.  1164)  von  »?Neu-Britannien< 
ist  sicher  von  den  Gilberts.  Wilkes  bildet  (III,  S.  237)  eine  Fidschifrau  ab,  die  einen  Spermwalzahn 
um  den  Hals  trägt 


86  Dr.  O.  Finsch.  [354.] 

Die  verschiedenen  Hals-  oder  Brustschmucke  aus  Spermwalzahn,  welche  ich  er- 
hielt, waren  an  gewöhnliche  aus  Cocosnussfaser  gedrehte  Schnüre  befestigt,  weil  diese 
Art  Schmuck  bereits  aus  der  Mode  war.  Früher  wurden  aber  auch  Tekaroroscheibchen 
(aus  Muschel  und  Cocosnussschale ')  zwischen  die  einzelnen  Zähne  gereiht,  wie  dies 
jetzt  mit  Glasperlen  und  Delphinzähnen  geschieht. 

Wenn  die  vorhergehenden  Stücke  keine  andere  Bearbeitung  als  Durchschneiden 
zeigen,  so  wurden  doch  aus  Spermwalzahn  auch  kunstvolle  Arbeiten  verfertigt,  wie  das 
folgende  kostbare  Stück  aus  der  guten  alten  Zeit: 

Halsschmuck  (Taf.  VI  [23],  Fig.  4,  a  Breite  an  der  Basis  der  Vorderseite),  aus 
dünngeschliffenen,  sanft  gebogenen,  in  eine  Spitze  auslaufenden  Zinken,  Abschnitten 
von  Spermwalzahn  (Cachelot),  die  in  der  Form  an  lange  Krallen  erinnern.  Der 
Schmuck  besteht  aus  27  solchen  Zinken,  von  denen  die  längsten  (140  Mm.)  die  Mitte, 
die  kürzesten  (85  Mm.  lang)  die  seitlichen  bilden,  und  die  mittelst  eines  runden  Bohr- 
loches auf  eine  Schnur  von  Cocosnussfaser  gereiht  sind.  Arorai. 

Die  gelbliche  Färbung,  ähnlich  der  von  altem  Elfenbein,  bezeugt  das  hohe  Alter 
dieses  Stückes,  das  wahrscheinlich  Generationen  von  Häuptlingen  als  kostbares  Erbstück 
diente.  Bei  der  bedeutenden  Härte  des  Materials  und  der  Unvollkommenheit  der  Werk- 
zeuge muss  die  Bearbeitung  in  der  That  ganz  ungeheure  Schwierigkeiten  gemacht  und 
eine  nicht  mindere  Geduld  erfordert  haben.  Man  begreift  kaum,  wie  es  den  Eingebore- 
nen möglich  war,  aus  den  kolossalen  Zähnen,  wie  sie  zur  Anfertigung  derartiger  Zinken 
nöthig  waren,  dünne  Streifen  zu  schneiden,  respective  zu  schleifen. 

Ganz  gleicher  Schmuck  von  Fidschi  wird  von  Wilkes  erwähnt  und  im  Kat.  M.  G. 
verzeichnet  (S.  149,  Nr.  io33,  ii32  und  S.  150,  Nr.  2225,  Inneres  von  Viti-Levu); 
ausserdem  abgebildet  (Anthrop.  Atlas  M.  G.,  Taf.  1 1,  Fig.  533),  Fidschianer  und  (Taf.  i3, 
Fig.  202)  ein  Mann  von  Tanna  mit  solchem  Halsschmuck.  Dass  das  Material  nicht  aus 
»Zähnen  des  Hirschebers«  (Porcus  babirusa)  besteht,  habe  ich  bereits  früher  angegeben 
(Mitth.  Anthrop.  Gesellsch.  Wien,  XVII,  1887). 

Halsschmuck  aus  Spermwalzahn  geschnitzt  war  auch  bei  den  alten  Hawaiiern  äusserst  kost- 
bar und  wurden  hier  in  sehr  eigenthümlicher  und  charakteristischer  Form  an  Schnüren  aus  MenscheD- 
haar  (vgl.  Choris,  PI.  XVII)  getragen.  Andere  Formen  werden  wir  im  Schmuck  der  Marshallaner 
kennen  lernen.  Am  kunstvollsten  und  mannigfachsten  waren  aber  jedenfalls  Arbeiten  aus  diesem 
Material  auf  Fidschi.  Ausser  den  krallenförmigen  Zinken  wurden  hier  auch  Brustschmucke,  aus  ge- 
schliffenen Spermwalzahnplatten  zusammengesetzt,  gefertigt,  wie  ich  sie  im  British  Museum  sah  und 
wie  sie  ähnlich  der  Kat.  M.  G.  (S.  150,  Nr.  1045,  2459 — 2462  und  S.  151)  verzeichnet. 

Das  Schönste  und  Kostbarste  in  diesem  Genre  sah  ich  aber  seinerzeit  in  der  Privatsammlung 
des  früheren  Gouverneurs  der  Fidschiinseln,  Sir  Arthur  Gordon,  damals  Gouverneur  von  Neusee- 
land in  Wellington.  Es  waren  dies  ganz  aus  Spermwalzahn  geschnitzte  Figuren.  Die  eine,  ziemlich 
roh  und  unproportionirt  eine  menschliche  Figur  (ohne  Sexus)  darstellend,  war  circa  i3  Cm.  lang  und 
hatte  mit  neun  anderen  gleichen  oder  ähnlichen  Figuren  als  Halsband  gedient.  Die  andere  Schnitzerei, 
circa  10  Cm.  lang,  stellte  zwei  weibliche  Figuren  mit  kolossalen  Brüsten  dar,  die,  mit  dem  Hintertheil 
aneinandergelehnt,  auf  einer  runden,  unten  ausgezackten  Scheibe  standen ;  die  Köpfe  waren  durch 
eine  ausgeschnitzte  Oese  verbunden,  mit  einem  Loche  zum  Aufhängen,  Alles  aus  einem  Stück  ge- 
schnitzt. Denn  auch  dieses  Unicum  war  nach  der  Versicherung  Sir  Arthurs,  des  gewiegten  Kenners 
fidschianischer  Ethnologie,  kein  Götze,  sondern  ein  Halsschmuck.  Darnach  lässt  sich  annehmen,  dass 
die  aus  »Walzahnc  geschnitzten  »Götzen«  von  Fidschi  (Kat.  M.  G.,  S.  i38)  einst  demselben  Zwecke 
dienten. 


»)  Dieser  Umstand  lässt  stark  vermuthen,  dass  die  (Kat.  M.  G.,  S.  884,  Nr.  121 — 123)  beschrie- 
benen Halsketten  von  »Uleaic  von  den  Gilberts  herstammen,  wofür  auch  der  in  Nr.  121  mitver- 
wendete menschliche  Schneidezahn  besonders  spricht.  Die  Halsschmucke  (S.  221,  Nr.  604  und  605) 
von  der  »Ellice-Gruppe«  gehören  jedenfalls  auch  hierher,  wie  Nr.  464  (S.  395)  und  Journ.  M.  G.,  Heft  II, 
Taf.  4,  Fig.  6  und  da  mit  der  Angabe  »Yap«  und  Nr.  i39  (S.  414)  »Palau«. 


[3551  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gy 

In  hohem  Werthe  standen  auch  Menschenzähne  als  Material  zu  Halsketten: 

Te-ui  (Nr.  447,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  4),  Halskette  aus  Menschenzähnen, 
die  an  der  Wurzel  durchbohrt  und  auf  eine  feine  Schnur  aus  Cocosfaser  geflochten  sind. 
Butaritari. 

Die  40  Cm.  lange  Kette  besteht  aus  108  Zähnen,  von  vorzüglicher  Beschaffenheit 
und  von  Individuen  verschiedenen  Alters,  meist  Eckzähnen  (60  Stück)  und  Schneide- 
zähnen (48  Stück),  darunter  einige  von  besonderer  Grösse  (vgl.  z.  B.  den  mittelsten  der 
Abbildung,  welcher  der  grösste  ist). 

Derartige  Halsketten')  gehören  der  Vergangenheit  an,  und  ich  erlangte  nur  ein 
paar  Exemplare.  Häufiger  vsraren  Halsbänder  aus  Glasperlen  mit  einzelnen  Menschen- 
zähnen, wie  das  folgende  Stück: 

Halskette  (Nr.  44g,  i  Stück),  aus  einer  Reihe  blauer  Glasperlen,  dazwischen  in 
regelmässigen  Abständen  acht  Backenzähne.  Tarowa. 

Ich  erhielt  auch  Halsketten  aus  Glasperlen  mit  abwechselnd  einzelnen  Menschen- 
zähnen und  Delphinzähnen  (Taf.  [22],  Fig.  5)  eingeflochten. 

Eine  sehr  eigenthümliche  Art  Halskelten  beobachtete  ich  auf  Nawodo.  Sie  be- 
stehen aus  3o — 40  halbkugelförmigen  Perlen,  von  denen  die  grössten  (mit  circa  lo  bis 
12  Mm.  Diameter)  die  Mitte  bilden,  um  nach  beiden  Seiten  an  Grösse  abzunehmen;  sie 
sind  durchbohrt  und  auf  eine  Schnur  gereiht.  Diese  Perlen  sind  auf  der  Schnittfläche 
weiss  wie  Muschel,  im  Uebrigen  gelblich-bräunlich  bis  schwärzlich  marmorirt,  hie  und 
da  mit  unebener  Oberfläche.  Das  Material  war  nicht  auszumachen;  nach  Angabe  der 
Eingeborenen  soll  es  eine  Muschel  sein,  wofür  allerdings  die  bedeutende  Schwere 
spricht.  Ich  sah  übrigens  nur  ein  paar  solcher  Ketten  im  Besitze  von  Häuptlingen,  die 
sie  aber  nicht  verkauften  und  selbst  den  Verlockungen  von  fünf  Flaschen  Gin  wider- 
standen, wofür  man  sonst  auf  Nawodo  ungefähr  Alles  haben  konnte. 

g)  Armschmuck 

wird  nur  bei  besonderen  feierlichen  Gelegenheiten  getragen,  und  zwar  hauptsächlich  in 
Form  der  Tekaroroschnüre,  die  ums  Handgelenk  gewunden  werden.  Zuweilen  sind 
solche  Schnüre  aus  weissen  und  schwarzen  Scheibchen  zu  einem  Armbande  von  10  bis 
12  Cm.  Breite  zusammengeflochten,  wie  dies  die  Figur  (Nr.  7,  Taf.  177)  Edge-Parting- 
ton's  zeigt,  der  die  Bemerkung  hinzufügt:  »ähnelt  sehr  Salomons-Insel- Arbeit«.  Das 
Exemplar  stammt  aber  ohne  Zweifel  von  den  Gilberts,  wo  ich  selbst  derartige  Stücke 
auf  Tarowa  und  Maiana  erhielt.  Solche  Armbänder  werden  bei  Tanzfesten  von  Frauen 
um  den  Oberarm  getragen.  Hier  zuweilen  auch  bei  der  gleichen  Gelegenheit  ein  paar 
Ovula  ovum-Muscheln  befestigt.  Hiezu  vgl.  Tanzschmuck  (S.  33  [3oi]).  Schmale 
Streifen  frischen  Pandanus-BlsLites  werden  häufig  von  beiden  Geschlechtern  um  das 
Handgelenk  gebunden,  sind  aber  kaum  als  Schmuck  zu  betrachten. 

h)  Leibschmuck. 

Beide  Geschlechter,  besonders  aber  die  Frauen,  pflegen  mit  Vorliebe  oberhalb  des 
Grasschurzes  eine  Schnur  um  die  Hüften  zu  tragen,  die  gewöhnlich  aus  Menschenhaar 
geflochten  ist,  ganz  wie  die  Halsschnur  (Nr.  546,  S.  80  [348])  und  wie  diese  »Tedanadu« 
heisst.  Zuweilen  bestehen  solche  Leibgürtel  nur  aus  10 — 18  einzelnen  Haarschnüren 
von  I  M.  und  mehr  Länge. 


0  Die  im  Kat.  M.  G.  (S.  42,  Nr.  1662  und  2094)  beschriebenen  and  (Taf.  X,  Fig.  l)  schlecht  ab- 
gebildeten Halsketten  aus  Menschenzähnen  stammen  jedenfalls  nicht  aus  Neu -Britannien,  sondern  von 
<ien  Giibertinseln.  Im  British  Museum  sah  ich  solche  Ketten  mit  den  Localitätsangaben  Tonga  und 
Salornons;  Wilkes  gedenkt  ihrer  von  Fidschi. 


i 


88  Dr.  O.  Finsch.  [356] 

Wie  ZU  Halsketten  sind  auch  als  Gürtel  lange  Schnüre  aufgereihter  runder  Scheib- 
chen aus  Cocosnussschale  (wie  Fig.  i  b,  Taf.  [24])  beliebt.  Ich  erhielt  davon  auch  solche, 
die  wegen  ihrer  Dicke  nicht  aus  diesem  Material,  sondern  aus  Scheibchen  von  Cocos- 
palmholz  zu  bestehen  scheinen. 

Besonders  geschätzt  sind  aber  solche  Gürtel  wie  die  folgenden  Nummern: 

Tekaroro  (Nr.  549,  i  Stück,  Leibschnur  VII  [24],  Fig.  i)  aus  a  runden  weissen 
Scheibchen,  aus  einer  Muschel  geschliffen,  und  b  schwarzen  Scheibchen  aus  Cocosnuss- 
schale, die  abwechselnd  (ein  weisses  und  ein  schwarzes)  auf  eine  Schnur  aus  Cocosnuss- 
faser  gereiht  sind.  Maraki.  Die  Schnur  hat  eine  Länge  von  170  M.,  reicht  also  doppelt 
um  den  Leib  und  zählt  über  iioo  Scheibchen.  Die  Scheibchen  sind  unegal  in  Breite 
und  Dicke,  zum  Theil  am  Rande  nicht  abgeschliffen,  so  dass  dann  der  fein  gekerbte 
Rand  der  Unterseite  der  Muschel  an  der  einen  Kante  bemerkbar  ist,  wie  dies  auch  die 
Abbildung  zeigt.  Die  Cocosnussscheibchen  sind  meist  nur  am  Aussenrande  schwarz 
und  wie  polirt  in  Folge  des  langen  Tragens  und  Einreiben  mit  Oel. 

Leibschnur  (Nr.  548,  i  Stück,  Taf.  VII  [24],  Fig.  2),  wie  vorher  a  aus  weissen 
Muschelscheibchen  und  b  aus  dunklen  Cocosscheibchen,  1 70  M.  lang.  Banaba.  Weit 
feiner  als  das  vorhergehende  Stück;  die  Muschelscheibchen  sind  sorgfältiger  geschliffen 
und  aussen  polirt,  die  Cocosscheibchen  so  dünn,  dass  sie  sich  auf  der  Abbildung  nur 
durch  einen  Strich  markiren  lassen. 

Leibschnur  (Taf.  VII  [24],  Fig.  3,  a  Muschel,  b  Cocosnuss),  wie  vorher  aber 
noch  kleinere,  ausserordentlich  accurat  bearbeitete  Scheibchen.  Banaba. 

Leibschnur  (Nr.  547,  i  Stück,  Taf.  VII  [24],  Fig.  4),  wie  vorher,  a  weisse  Muschel- 
scheibchen, b  dunkle  von  Cocosnussschale;  Länge  1*43  M.  Banaba.  Dies  ist  die  feinste 
Sorte,  bei  der  21  Muschelscheibchen  und  ebenso  viele  von  Cocosnuss  erst  3  Cm. 
messen.  Die  Scheibchen  sind  meisterhaft  gearbeitet,  die  von  Cocosnuss  ausserordent- 
lich dünn,  wie  Papier. 

Wenn  die  vorhergehenden  Nummern  von  Banaba  überhaupt  nicht  mehr  zu  haben 
sind,  so  werden  Tekaroroschnüre  wie  Nr.  549  auch  bald  der  Vergangenheit  angehören. 
Schon  damals  begnügte  man  sich  gern  mit  einer  Schnur  aus  abwechselnd  weissen  und 
schwarzen  Emailperlen,  als  Ersatz  der  theuren  Muschelschnüre.  Letztere  wurden  meist 
von  Frauen  getragen  und  gewöhnlich  in  einer  Länge  von  go  Cm.,  eben  weit  genug,  um 
einen  Arm  durchzustecken  und  dann  den  geschlossenen  Ring  über  die  Brust  zu  zwängen. 

Bedeutend  werthvoller  als  Muschelschnüre  waren  Leibgürtel  aus  Delphinzähnen 
(wie  Nr.  446,  S.  [352])  und  Menschenzähnen  (wie  Nr.  447,  S.  [355]).  Ein  Gürtel  aus  klei- 
nen weissen  Muscheln,  wie  ihn  Edge-Partington  (Taf.  171,  Fig.  i)  von  »Kingsmill«  ab- 
bildet, ist  mir  hier  nicht  vorgekommen.  Derselbe  dürfte  wohl  von  anderer  Herkunft  sein. 

i)  Beinschmuck 

kommt  kaum  in  Betracht,  denn  der  schmale  Blattstreif  (aus  Pandanus  oder  Cocosnuss), 
der  nicht  selten  ums  Fesselgelenk  befestigt  wird,  ist  nicht  als  solcher  zu  rechnen.  Aber 
bei  Tänzen  sollen  Frauen  Tekaroro-Muschelschnüre  oder  ein  paar  0}^u/a -Muscheln  ums 
Fussgelenk  tragen. 

Ethnologische  Schlussbetrachtung. 

Der  Gilbert-Archipel  mit  Banaba  und  Nawodo  bildet  innerhalb  der  Ethnologie 
Oceaniens  eine  besondere  Subprovinz,  <)die  sich  durch  verschiedene  Eigenthümlichkeiten 

«)  Dieselbe  ist  in  Museen  im  Ganzen  nur  schwach  vertreten.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  circa 
140  Nummern  von  hier ;  das  Berliner  Museum  für  Völl&erl&unde  erhielt  durch  meine  Reisen  260  Stück 
aus  dieser  Subprovinz. 


[357] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


89 


auszeichnet.  Hierher  gehören:  eigene  Sprache,  eigene  pantomimische  Tänze  (an  denen 
beide  Geschlechter  theilnehmen),  eigene  Tätowirung,  eigener  Baustyl  der  Häuser  (die 
sich  zu  grossen  Dörfern  gruppiren),  darunter  kolossale  Versammlungshäuser  (Maneap), 
die  mit  zu  den  grössten  Bauwerken  der  Südsee  überhaupt  zählen,  eigene  Bauart  der 
Canus,  mit  die  besten,  grössten  und  kunstvollsten  der  Südsee,  und  ganz  besonders  die 
durch  Verwendung  von  Haiiischzähnen  eigenthümlichen  Waffen  (darunter  auch  beson- 
dere glatte  Holzkeulen  und  bearbeitete  Schlagsteine  aus  Muschel),  sowie  vollständige 
Rüstungen,  wie  sie  derartig  nirgends  mehr  in  der  Südsee  vorkommen.  Unter  den 
Fischereigeräthschaften  scheint  nur  eine  Aalschlinge  (Fig.  5,  S.  56  [324])  eigenthümlich 
zu  sein.  Die  sonst  in  Mikronesien  üblichen  Stämme  und  Stände  fehlen,  wie  überhaupt 
mit  den  Nachbarinseln  kaum  irgendwelche  ethnologische  Beziehungen  vorhanden  sind, 
was  besonders  in  Bezug  auf  die  nur  25  Seemeilen  südlich  gelegene  Ellice-Gruppe  auf- 
fallend erscheint.  Mit  Haifischzähnen  bewehrte  KratzwafTen  sind  ähnlich  auf  Hawaii 
vertreten;  die  Hauptindustrie  Mattenflechterei,  wie  überall  in  Händen  der  Frauen,  findet 
sich  in  gleicher  Vollkommenheit  auch  in  anderen  Gebieten  Oceaniens  (z.  B.  Samoa, 
Rotumah  u.  s.  w.).  In  der  Bekleidung  fehlt  die  sonst  übliche  Lendenbinde  (Maro)  der 
Männer,  die  Faserröckchen  der  Frauen  ähneln  am  meisten  denen  der  Männer  auf 
Ponape,  finden  sich  aber  fast  gleich  auch  vielerwärts  in  Melanesien,  sowie  ähnlich  auf 
Fidschi,  Samoa  und  Tockelau.  Mehr  eigenthümlich  sind  die  aus  Blättern  geflochtenen 
Mützen  der  Männer,  während  die  Perrücken  derselben  sich  fast  nur  auf  Fidschi  wieder- 
finden. Mit  den  letzteren  Inseln  haben  die  Gilberts  auch  in  gewissen  Schmucksachen 
am  meisten  Beziehungen,  so  in  der  Werthschätzung  von  Spermwal-  und  Menschen- 
zahnen, wie  in  der  Frauenhandarbeit  der  zierlich  geflochtenen  Deckelkörbchen  beide 
Inselgruppen  wiederum  die  grösste  Uebereinstimmung  zeigen.  Die  Tekaroro-Schnüre, 
aus  Muschelschalen-  und  Cocosnussscheibchen,  sind  zwar  sehr  charakteristisch,  aber 
doch  nicht  ganz  eigenthümlich  für  die  Gilberts,  die  sich  gegenüber  den  Marshalls  durch 
das  Fehlen  von  Scheibchen  aus  Spondylus-Muschtl  auszeichnen.  Dagegen  sind,  wie 
auf  Ponap6  und  Fidschi,  roh  bearbeitete  Spondylus-Siilckchtn  als  Schmuck  beliebt.  In 
letzterem  ist  das  Fehlen  von  Armbändern  und  Gegenständen  aus  Schildpatt  bemerkens- 
werth.  Die  häufige  Verwendung  von  Menschenhaar  erinnert  am  meisten  an  Melanesien, 
war  aber  auch  in  Hawaii  in  ähnlicher  Weise  beliebt  und  kommt  unter  Anderem  auf 
Penrhyn  vor.  Die  auf  den  Gilberts  so  hoch  entwickelte  Verehrung  der  Schädel  von 
Anverwandten  ist  ebenfalls  ein  vorwiegend  melanesischer  Brauch,  der  sich  aber  auch 
auf  Samoa  und  der  Oster-Insel  findet.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  so  beliebten 
Brandwunden,  die  am  meisten  auf  Melanesien  hinweisen,  aber  auch  auf  Samoa  und 
Pelau  beliebt  sind.  Alles  in  Allem  zeigen  die  Gilberts  mehr  Anklänge  und  Beziehungen 
zu  Melanesien,  als  zu  Polynesien  und  am  wenigsten  mit  Mikronesien. 


i 


[359]  ^^'  ^'  ^insch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee. 


91 


Tafel  I  (18). 


Mikronesien.  Waffen  mit  Haifischzähnen. 


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92  Dr.  O.  Finscfa.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  [36ol 


Erklärung  zu  Tafel  I  (i8). 


Mikronesien.  Waffen  mit  Haifischzähnen. 

Fig.  I.   (Vj)  Mitderer  Theil  eines  schweren  Kriegsspeeres 
(grösste  Breite),  mit  Zähnen  von  Galeocerdo  Rayneri 

besetzt;  Maraki,  Gilbert- Archipel Seite 

»     2.    ( Y^)  Desgl.,  äusserster  Spitzentheil  desselben  Stückes  > 

*  ^'   (Vi)  Desgl.,  Querschnitt  desselben  Stückes;  a)  Hai- 

fischzahn; b)  Bindfaden,  mit  welchem  dasselbe  durch 

Bohrlöcher  c)  befestigt  ist > 

*  4.   (V4)  Desgl.,  mittlerer  Theil,  von  der  Schmalseite 

gesehen,  mit  Parirstange  (a)  und  Bewehrung  {b)  von 

Rochenhaut > 

*  5.   (Vi)    Basistheil  einer  Handwaffe   mit   Zähnen  von 

Carcharias  lamia  bewehrt,  von  der  Unterseite;  Na- 

wodo  (Pleasant  Isl.) > 

>  6.   (7i)  Spitzentheil  desselben  Stückes;  Zähne  von  der 

Oberseite > 

>  7.    (7i)  Kratzwaffe  der  Frauen  mit  Zahn  von  Ga/eocer^o 

Rayneri',  Tarowa,  Gilbert-Archipel Nr.  780,      > 

»     8.   (V2)  Desgl.,  mit  kunstvoller  Umflechtung,  Zahn  von 

derselben  Species;  Nawodo »781,      > 


307 


Sog 


39 


41 


PtDsch.   Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  18. 


Annalen  des  k.  k.  naturhist.  HofmuMums,  Band  VIII,  1S93, 


94 


Dr.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfidsee. 


[362] 


Erklärung  zu  Tafel  II  (19). 


Mikronesien.  Waffen. 


Fig.   I.  Spitzentheil  eines  Speeres;  Marshall- Archipel  . 

2.  Desgl.;  Ruk,  Carolinen 

3.  (ca.  7J  Desgl.;  Ruky  Carolinen 

3  a.  Desgl.,  Durchschnitt  desselben 

4.  Desgl.;  Anchorites 

5.  Spitzentheil  einer  Lanze,  mit  (a)  Rochenstacheln 
bewehrt;  Ruk 

6.  Desgl.,  aus  Palmholz;  Tarowa,  Gilberts.     .     . 

7.  Flache  Keule  (a  Handgriff);  Ruk 

8.  Desgl.  (a  Handgriff);  Ruk 

9.  (Vg)  Vierkantige  Handkeule;  Butaritari,  Gilberts 
IG.   (7s)  Handwaffe,  mit  (a)  Rochenstacheln;  Mortlock- 

Insel,  Carolinen 

1 1.  (7i)  Haifischzahn  zu  Waffen  (Galeocerdo  Rayneri)^ 
Innenseite,  mit  einem  Loch  durchbohrt  {a  Dicke); 
Gilbert-Archipel 

12.  (Vj)  Desgl.,  von  derselben  Species,  Aussenseite,  mit 
zwei  Löchern  durchbohrt  {a  Dicke);  daher     .     .     . 

i3.   (Vi)  Desgl.  (Carcharias  lamia)  (a  Dicke);  daher  . 

14.  (7i)  Desgl.  (spec.  ?);  daher,  Tapiteuea       .... 

15.  (^/i)  Schlagstein,  aus  Tridacna  geschliffen;  Tarowa, 
Gilberts 

16.  (7s)  Schleuderstein,  aus  Basalt  geschliffen;  Ruk, 
Carolinen 

17.  (Vs)  Desgl.;  Ruk,  Carolinen 

18.  (7s)  Desgl.;  Ruinen  auf  Ponap6 


Seite  [3o6]  38 


Nr.  772,      »      [3 11]  43 


7>  [305]      37 


»    833,      »      [3 11]  43 


»    83ia, 


Finscii.   Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  19. 
11         I  5  1  2  i\    3 


AnuRlen  des  k.  k.  naturbUl.  Hofmuscums,  Band  VIII,   1893. 


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THE  NEW 

PUBLIC  L1BKÄK\ 


[3631  ^r*  O*  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


95 


Tafel  111  (20). 


Mikronesien.  Fischhaken. 


7* 


q5  Dr.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  [364] 


Erklärung  zu  Tafel  III  (20). 


Mikronesien.  Pischhaken. 

Fig.  I.   (7i)  Schaft  (a)  aus  Perlmutter,  Fanghaken  (b)  aus 

Knochen  und  Köderbüschel  (c);  Marshall- Archipel     Nr.  150, 

»      2.    (Vi)  Schaft  (a)  aus  Perlmutter,  Fanghaken  (b)  aus 

Schildpatt;  Insel  Satoan,  Mortlock-Gruppe     ...      »     152, 

»      3.   (Yi)  Schaft  (a)  aus  Kalkspath,  Fanghaken  (b)  aus 

Knochen;  Banaba  (Ocean-Isl.) »147,  Seite  [323]   55 

*  4.   (Vi)    Prähistorisches    Fragment    aus    Perlmutter; 

Ruinen  von  Nanmatal,  Ponap6,  Carolinen     ...»    478, 

*  5.   (Vi)  Fischhaken  aus  Perlmutter;  Nukuor,  Carolinen       »     153, 

»      6.    (Vi)  Desgl.;  Nukuor,  Carolinen >  153a, 

»      7.   (Vi)  Desgl. ;  Nukuor,  Carolinen »  i53b, 

*  8.   (Vi)  Desgl.;  Nukuor,  Carolinen »  is3  c, 

»  9  a,  b.   (Vi)  Desgl.,  in  Bearbeitung;  Nukuor,  Carolinen 

>  10.   (Vi)  Desgl.,  aus  Perlmutter;  Nukuor,  Carolinen 

>  II.    (Vi)  Desgl.,  aus  Schildpatt;  Ponap6,  Carolinen  .     .         (38i3) 
»    12.    (Vi)  DesgL,  aus  Cocosschale,  zum  Fange  fliegender 

Fische;  Dschalut  (Jaluit);  Marshall- Archipel  .     .     .       »     151, 

>  i3.    (ca.  Vs)  Desgl.,  aus  Walfischknochen;  daher  .     .     . 
»    14.    (ca.  VJ  Haihaken    aus    Holz;    Tarowa,    Gilbert - 

Archipel »     158,      >      [322]  54 

»    14  a.  Spitze  des  Fanghakens  desselben      ...       »     158,      »      [  »  ]    ' 

>  15.    (VJ  Haifischhaken   aus   Holz;  Nukufetau,  Ellice- 

Gruppe  »     158,      >      [  *  ]    * 

NB.  Die  unter  Fig.  11, 12  und  i3  abgebildeten  StUcke  gehören  der  Vergangenheit  an. 


Pinsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  20. 


Annalen  des  k.  k.  naturhist.  HoCmuaeuins,  Band  VIII,  1893, 


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A8TOF.,  Lf  NOX  AN© 


[365]  ^^'  ^-  I^insch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  gy 


Tafel  IV  (21). 


Mikronesien.  Web-  und  Flechtarbeiten. 


gg  Dr.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfldsee.  [3661 


Erklärung  zu  Tafel  IV  (21). 


Mikronesien.  Web-  und  Flechtarbeiten. 

Fig.  I.  (7j)  Theil  einer  gewebten  Lendenbinde  »Toll«,  Vs 
der  Breite  der  einen  Endkante;  a)  Fransen  aus  den 
zusammengeknüpften  losen  Kettfäden ;  Kuschai  .     .     Nr.  226, 

>  2.   (Vi)  Desgl.,    Y3  der   Breite    der   entgegengesetzten 

Endkante  von  demselben  Stück »        » 

•     3.   (Yg)  Theil   eines   Randmusters   einer   geflochtenen 

Frauenmatte  (ganze  Breite);  Marshall-Inseln    .     .     . 

Der  helle  Grund  ist  das  eigentliche  Flechtwerk 

aus  Pandanus  -  Blatt ;    das  Muster   in  Braun   und 

Schwarz  besteht  aus //;^;5C2/5-Bast  und  ist  aufgenäht. 

>  4.   (Yi)  Desgl.  anderes  Muster;  daher >     199, 

Wie  vorher;  a)  zeigt  die  Art  und  Weise,  wie 
der  braune  Streif  aus  Hibiscus-BaiSt  mittelst  feinen 
Bindfadens  (»Oerr«)  aufgenäht  ist. 


Finsrh.    Etluiologisrlve  RrtiluijntVn ,  Taf  21 


:» i .  / 


* 


[367]  Dr.  O.  Finscb.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  qq 


Tafel  V  (22). 


Mikronesien.  Schmuck  und  Verschiedenes. 


lOO  ^r.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  [368] 


Erklärung  zu  Tafel  V  (22). 


Mikronesien.  Schmuck  und  Verschiedenes. 

Fig.   I.    (^/i)  Kopf  binde  aus  Muscheln  (Columbella  versi- 

color);  Marshall- Archipel Nr.  428, 

»      I  a.   (7i)  Unterseite  derselben,  um  die  Flechtarbeit  zu 

zeigen »       > 

»      2.    (Yi)    Kopf  binde   aus   Muscheln  (Natica    candidis- 

simaj'f  daher »     464, 

»      2  a.    (7j)  Unterseite  derselben,  um  die  Flechtarbeit  zu 

zeigen »        » 

*  3.    (Vi)  Halskette  aus  Muscheln  (^Nia^/c^ /wr/iaj;  Banaba      >    461,  Seite  [349 

*  4.    (Vi)  Desgl.,  aus  Menschenzähnen  ;Butaritari,  Gilberts       »     447,      »     [355 
»      5.    (Vi)  Delphinzähne,  Material  zu  Schmuck;  daher     .       »    446,      »     [352 
»      5  a — e.  (^/i)    Verschiedene  Grössen  (a  grösster,  e  klein- 
ster Zahn) »       »         *[* 

*  6.    (Vi)  Delphinzahn  (andere  Art);  Tarowa,  Gilberts   .       »454,      *     [  » 
»      7.    (Vi)  Halsschmuck, längsdurchschnittener  Sperm wal- 
zahn (a  Dicke),  daher »     444,      >     [353 

*  8.    (Vi)  Desgl.  {a  Dicke),  daher »        »         *[* 

*  9-    (^2)  Prähistorischer  Halsschmuck;    bearbeitete  Mu- 

schelschale (Spondj^Iusflabellum);  Ponape    ...       »     473  a, 

»    10.    (Vi)   Erkennungsstab  (Endlheil  desselben);  Ruk 

»    II.    (V2)  Taktschlägel  für  Frauen;  Marshall- Archipel     .       »     588, 

»    12.    (ca.  V5)  Tanzpaddel  für  Männer,  geschnitzt;  Ponape 

y>  i3.  (ca.  Vg)  Geschnitzter  Kasten  (in  Form  eines  Fisches); 
Insel  Satawal,  Carolinen 

»    i3a.    Bodenhälfte  desselben 

»  14.  (Vi)  Klinge  zu  einem  Beitel  oder  Hohlbeil  aus  Mu- 
schel (Mitra)\  Kuschai,  Carolinen »         6, 


81 

87 
84 


85 


Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf. 


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Annalen  des  k.  k.  naturhUi.  Hofmuseums,  Band  VIII,   1S93. 


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[369]  ^^'  ^'  I*'insch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  loi 


Tafel  VI  (23). 


Mikronesien.  Schmuck. 


I02  I^r.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  [3701 


Erklärung  zu  Tafel  VI  (23). 


Mikronesien.  Schmuck. 

Fig.  I.    (7i)  Armring  aus  Muschel  (aus  Querschnitt  von  7>o- 

chus});  Kuschai,  Carolinen Nr.  36i, 

»     2.    (7i)    Halsschmuck  aus  Schildpatt   für  Männer;  {a 

Dicke)  daher »     640, 

»     3.    (7i)  Desgl.  für  Frauen  [a  Dicke);  daher    ....       »     641, 
»     4.    {^,\)  Desgl.y  aus  Spermwalzahn  geschliffen  {a  Breite 

der  Vorderseite);  Arorai,  Gilbert- Archipel  ....  Seite  [354]    86 

»     5.    (7j)  Putzkamm,  aus  Holz  geschnitzt,  mit  eingravir- 

tem  Muster;  Ruk,  Carolinen >     297, 

*     5  a.    (Yj)  Endtheil  desselben,  um  die  Zinken  zu  zeigen       »       » 
>     6.    (Vi)  Ohrstöpsel  aus  Cocosnussschale;  Ponape    .     .       »     3 15, 

»     6  a.    (7i)  Umkreis  desselben  an  der  Basis »       » 

»     7.    (7i)  Ohrpflock  aus  Holz  mit  eingravirtem  Muster 

(a  Sponäylus-SchQibchQn),  Mortlock-Insel      ...       »     3i3, 


Pinsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf. 


Anniikn  des  k.  k.  naturhisl.  Hofmuscums,  Band  VIII,  1S93. 


[37 1]  ^^'  O-  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsec.  io3 


Tafel  VII  (24). 


Mikronesien,  Schmuck. 


Annalen  des  k.  k.  naturhistorischeo  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  i,  1893.  8 


I04  ^^'  ^-  I''insch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  [372] 


Erklärung  zu  Tafel  VII  (24). 


Mikronesien.  Schmuck. 

Fig.   I.    (Vi)  Schnur  aus  aufgereihten  Scheibchen: 
»      I  a.   (7i)  weissen  aus  Muschel  und 
»      ib.    (7i)  schwarzen  aus  Cocosnussschale;  Maraki,  Gil- 
berts   Nr.  549,  Seite  [356]  88 

»      2.    (7i)  Desgl.  (a  und  b  wie  vorher);  Banaba      ...»    548,      >      [  *  ]    * 

3.  (Vi)  Desgl.    »  >  >  >  ... 

4.  (Vi)  Desgl.    »  »  ^  »  ...»    547,      »      [  »  ]    » 
»      5.   (Vi)  Desgl.,  aus  Scheibchen  von  Cocosnuss;   Ruk, 

Carolinen 

»      5a.    (Vi)  Ein  Scheibchen  von  oben;  Ruk,  Carolinen    . 

»      6.   (Vi)  Desgl.  aus  Perlen  von  Cocosnuss;  daher     .     . 

»      6a.    (Vi)  Eine  Perle  von  oben;  daher 

»      7 — II.  (Vi)  Ringe  aus  Cocosnuss,  Material  zu  Schmuck 

(a  Breite) ;  daher »     471, 

»    12  a.    (Vi)  Desgl.,  mittelster  Ring  einer  Halskette;  daher      »    469, 

»    12  b.    (Vi)  Desgl.,  Endring  jederseits  derselben   Kette; 

daher »       » 

»  12 c.  (V^)  Mittelste  Ringe  derselben  Kette,  Vorder- 
ansicht; daher »       » 

»  12  d.  (Vi)  Desgl.,  dieselben  Ringe  von  der  Rückseite, 
um  die  feine  Flechtarbeit  zu  zeigen,  in  der  die 
Kette  zusammengeflochten  ist;  daher »       » 

»    i3.    (Vi)  Theil  eines  Halsbandes    aus    aufgeflochtenen 

Cocosperlen;  daher »     299, 

»  14.  (Vi)  Prähistorischer  Halsschmuck,  Ring,  aus  Conus 
geschliffen;  Ruinen  auf  Ponapö 

*  15.    (Vi)  Theil  einer  Halskette  aus  Conusscheiben;Maraki       »    460,      »      [350]   ^^ 
»    16.    (Vi)  Conusscheibe,  kleinste  seitliche  derselben  Kette       »       »         *      [  *  ]    * 
»    17.   (Vi)  Desgl.,  sehr  klein,  Halsbandschmuck;  Banaba 
»    18.   (Vi)  Desgl.,  sehr  gross,  Halsbandschmuck;  daher    . 

*  19.  (Vi)  Desgl.,  mittlere  Grösse,  Halsbandschmuck; 
Tarowa »     450,      »      [351]   83 

»    20.    (Vi)  Desgl.,  an  Kette  (a)  aus  Cocosringen,  Theil 

eines  Ohrgehänges;  Ruk »319. 


Hnscb.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf.  ' 


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Annaten  des  lt.  k.  nalurhist.  Hofmuseums,  Band  VIII,  TSyJ, 


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[SyS]  I^r.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  105 


Tafel  VIll  (25). 


Mikronesien.  Schmuck. 


Io6  Dr.  O.  Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  [374] 


Erklärung  zu  Tafel  VIII  (25). 


Mikronesien.  Schmuck. 

Fig.  I.   (Vi)  Halskette  aus  S]po«((^/M5-Scheibchen;  Marshalls  Nr.  465, 

»      I  a.   (7i)  Scheibchen  derselben  von  oben       ....  »       » 
»      2—5.   (7i)  5]pon(f;^/M5-Scheibchen  zu  Schmuck;  Ruk, 

Carolinen »    476, 

*  5  a.   (7i)  Dieselben,  Seitenansicht;  daher »       » 

*  6.   (7i)  Desgl.    (a    Seitenansicht);    Normanby  -  Insel, 

d'Entrecasteaux,  Neu- Guinea 

»      7— 13.   (7i)    Prähistorische     Spondylus - Schtibchen  \ 

Ruinen  von  Ponap6 »    475, 

»    i3a.   (7i)  Dieselben,  Seitenansicht »       » 

»    14.    (7i)  Prähistorisches  5]pow((^/w5-Plättchen ;  daher     . 

*  15.    (Vi)  Modernes  5]pow4?^/M5-Plättchen ;  Ponap6     .     . 

»    16.   (7i)  5/7on<(;^/w5-Anhängsel  für  Halsband;  Tarowa       »    459a,  Seite  [350]  82 

»    17.    (7i)  Desgl.;  daher »    452,       »      [349]  81 

»    18.   (Vi)  Halskette     aus     S^o^i^T^^-' -  Scheibchen     und 

schwarzen  Cocosperlen ;  Ruk »    472, 

»    19.   (7i)  Theil  eines  Ohrgehänges  aus  Cocosperlen  und 

5j?ow((;/'/M5-Scheibchen ;  daher »     3i8, 

»  20.  (7i)  Halskette  aus  (a)  SpondyluSj  mit  Anhängsel 
aus  (Jb)  schwarzen  und  weissen  Muschelscheibchen, 
(c)  Schildpattplättchen,  {d)  Schnur;  Marshall- Inseln      »    466, 

»  21.  (7i)  Desgl.,  wie  vorher,  aber  (^)  Glasperlen  und  An- 
hängsel   »    467, 

»    21  c.   (7i)  Schnitzerei  aus  Spermwalzahn,  {df)  Schnur; 

daher »       » 

»  22.  (7i)  Halsband  aus  frischen  Blättern  {a)j  in  ein  fein- 
geflochtenes Band  (Jb)  geflochten;  daher     ....       »    463, 

>  23.  (7i)  Leibgurt,  mittelster  Querriegel  desselben; 
a)  Schnüre  aus  Scheibchen  von  Cocosnuss  und 
weissen  Muschelperlen;  b)  SpondylusSchtWyzhtnj 
c)  Querhölzer;  Ruk »    552, 

»  24.  (Vi)  Frauengürtel,  Seitentheil  desselben  aus:  a) 
schwarzen  Cocos-,  b)  weissen  Muschelperlen,  c) 
hölzerne  Querriegel,  d)  Flechtwerk  mit  Binde- 
schnur; daher »     550. 


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Finsch.    Ethnologische  Erfahrungen,  Taf  2.5. 


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Annalen  des  k.  k  naturtyst.  Hotmusouras  Band  VIK,  1833. 


THE  NEW  YORK 

PUBLIC  LIBRARY 


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Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der 


Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.  0.  Finsch 

in  Delmenhorst  bei  Bremen. 

Dritte   Abtheilung:   Mikronesien    (West-Oceanien). 

(Fortsetzung.) 


II.  Marshall-Archipel. 

Einleitung. 

Entdecker.  Unzweifelhaft  waren  spanische  Seefahrer  die  Ersten,  welche  diesen 
Archipel  oder  vielmehr  gewisse,  nicht  mit  völliger  Sicherheit  auszumachende  Inseln 
desselben  (1525  und  1655)  sichteten.  Mehr  als  hundert  Jahre  später  (1767)  gab  der 
Engländer  Wallis  bessere  Kunde  von  zwei  Atollen  (Rongerik  und  Rongelab),  während 
die  Zufallserfolge  der  Reise  von  Marshall  und  Gilbert  (1788)  den  grössten  Theil  der 
Inseln  der  östlichen  Ratakkette  (Milli,  Madschuru,  Arno,  Aur,  Maloelab,  Erikub,Wotsche, 
Likib,  Jemo)  entdeckten.  Capitän  Bond  mit  dem  Schiffe  »Royal  Admiral«  konnte  1792 
vier  Inseln  (Namo,  Ailinglablab,  Nanrierik,  Eniwetok)  hinzufügen,  das  englische  Schiff 
»Oceanc  1804  drei  weitere  (Kwajalein,  Udschae  und  Lae)  und  Patterson  1809  das  Atoll 
Dschalut  (Jaluit,  Bonham).  Gebührt  somit  den  Engländern  das  Verdienst  der  Ent- 
deckungen, so  sind  es  Russen,  denen  wir  die  genauere  kartographische  Aufnahme  ver- 
danken, unter  welchen  O.  v.  Kotzebue  sich  unbestritten  die  grössten  Verdienste  erwarb. 
Er  entdeckte  181 6  und  1817  (mit  dem  »Rurik«)  die  vier  nördlichen  Atolle  von  Ratak 
(Utirik,  Taka,  Meschid  und  Ailuk),  legte  diese  ganze  Kette  fest  (mit  Ausnahme  der  drei 
südlichsten  Inseln)  und  vervollständigte  1824  seine  Aufnahmen  durch  vier  nördliche 
Inseln  der  Ralikkette.  Die  französische  Expedition  unter  Duperrey  kartirte  1824  Theile 
der  Lagune  von  Milli  und  Dschalut,  der  russische  Flottencapitän  Chramtschenko  1829 
und  i832  weitere  Atolle  von  Ralik,  und  Capitän  Schantz  von  derselben  Flotte  be- 
schloss  1835  die  Reihe  der  Entdeckungen  mit  der  Insel  Wotto  (Schantz).  Seitdem  ist 
Mancherlei  zur  besseren  geographischen  Kenntniss  des  Archipels,  namentlich  durch 
Deutsche,*)  geschehen,  aber  immer  bleiben  noch  Lücken  auszufüllen,  die  übrigens  bei 


1)  So  unter  Anderen  Capitän  Jakob  Witt  »Die  Marshall-Gruppe«  in  »Ann.  d.  Hydrogr.«,  iSSi, 
Heft  X,  S.  525 — 535,  mit  Karte,  welche  die  beste  sein  dürfte.  Der  Verfasser  führte  während  meines 
Aufenthaltes  den  kleinen  Handelsschuner  »Jaluit«  (15  Tons)  der  Firma  Capelle  und  hatte  somit  mehr 
aU  Andere  Gelegenheit,  verschiedene  Inseln  des  Archipels  zu  besuchen.  Hoffentlich  sind  die  Angaben 
zuverlässiger,  als  es  sonst  mit  mündlichen  Mittheilungen  des  Genannten  der  Fall  zu  sein  pflegte. 
Annalen  des  k.  k.  naturhi&torischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3,  189J.  10 


I20  Dr.  O.  Finsch.  [376] 

dem  geringen'  Interesse,  welches  die  meisten  Inseln  bieten,  keine  schmerzlich  empfun- 
denen sind. 

Zur  Literatur.  Otto  v.  Kotzebue:  »Entdeckungsreise  in  die  Südsee  und  nach 
der  Beringsstrasse«  etc.  (1815 — i8i8  auf  dem  Schiffe  »Rurik«,  3  Bde,  Weimar  1821) 
und  »Neue  Reise  um  die  Weite  (i823 — 1826  auf  dem  Schiffe  »Predpriatic«,  2  Bde, 
Weimar  i83o);  Louis  Choris:  »Voyage  pittoresque  autour  du  monde«  etc.  (Paris  1822); 
Adalbert  v.  Chamisso:  »Reise  um  die  Weite  (2  Bde,  Leipzig  i836). 

Die  in  den  obigen  Werken  niedergelegten  Ergebnisse  der  denkwürdigen  Reisen 
unter  russischer  Flagge,  vorzugsweise  die  mit  dem  »Rurikc,  bildeten  bisher  die  oft  be- 
nutzte Hauptquelle  der  Kunde  über  den  Marshall-Archipel  und  seiner  Bewohner,  oder 
vielmehr  einer  beschränkten  Anzahl  von  Inseln.  Denn  Chamisso,  der  Naturforscher  des 
»Rurik«,  verkehrte  181 6  und  1817  im  Ganzen  nur  3g  Tage  mit  Eingeborenen  von  vier 
nördlichen  Atollen  der  Ratakkette  (Eilu  =  Ailuk,  Otdia  =  Wotsche,  Kaben  =  Maloelab 
und  Aur),  dazu  meist  vom  Schiffe  aus,  so  dass  bei  dem  Mangel  aller  Sprachkenntnisse 
seine  eigenen  Beobachtungen  nur  lückenhafte  bleiben  konnten.  Aber  auf  Aur  nahm  man 
Kadu,  einen  verschlagenen  Carolinier,  auf,  der  vier  Jahre  hier  gelebt  hatte,  und  erhielt  von 
diesem  Eingeborenen  mancherlei  Nachrichten.  Chamisso  hat  dieselben  zum  Theil  mit 
seinen  eigenen  verschmolzen  (im  3.  Bande  von  Kotzebue's  Reise,  S.  106 — 121,  wörtlich 
abgedruckt  im  2.  Bande  seines  Werkes  S.  202 — 239,  sowie  Bd.  I,  S.  235  —  290  und  S.  859 
bis  369)  publicirt.  Dies  ist  insofern  zu  bedauern,  als  Kadu  bei  aller  Intelligenz  doch 
nur  ein  Kanaka  war,  den  Chamisso's  begeisterte  Philantropie  zum  unverdienten  Range 
einer  Autorität  verhalf.  Wie  Chamisso's  Objectivität  aus  Liebe  zu  den  Eingeborenen 
öfters  getrübt  wird,  so  sind  die  Aussagen  Kadus  noch  mehr  der  Kritik  bedürftig,  was  im 
Nachfolgenden  betreffenden  Falls  geschehen  soll.  Kotzebue's  eigene  Mittheilungen  (im 
2.  Bande  seines  Werkes  S.  39  —  96  und  117 — 123),  die  schon  manche  Fehler  der  Ein- 
geborenen aufdecken,  sind  im  Ganzen  aphoristisch,  namentlich  betreffs  seiner  zweiten 
Reise  (Bd.  I,  S.  i63 — 189),  welche  ihn  nur  wenige  Tage  auf  das  schon  bekannte 
Wotsche  (Otdia)  führte.  Choris  hat  nur  in  19  lithographirten  Tafeln,  die  zum  Theil 
sehr  viel  zu  wünschen  lassen,  ein  für  die  Ethnologie  immerhin  in  vieler  Hinsicht 
brauchbares  Material  gestiftet. 

Diese  ersten  zum  Theil  sehr  überschwänglichen  Schilderungen  werden  durch  neuere 
objective  Beobachter  auf  das  richtige  Mass  zurückgeführt.  So  verdanken  wir  Kubary, 
der  1871  mehrere  Monate  auf  Ebon  zubrachte,  eine  treffliche  Skizze  der  Bewohner 
dieses  Atolls  (»Die  Ebongruppe  im  Marshall-Archipel«  in  »Journ.  d.  M.  G.<,  Heft  I, 
1873,  S.  33 — 39,  Taf.  6),  besonders  aber  Franz  Hernsheim  über  Dschalut  (Jaluit)  (III, 
»Einiges  über  Land  und  Leute  auf  Jaluit«  in  »Beitrag  zur  Sprache  der  Marshall-Inseln«, 
Leipzig  1880,  S.  33 — loi,  mit  3o  zum  Theil  brauchbaren  Abbildungen,  und  »Jaluit«  in 
»Südsee-Erinnerungen«,  Berlin  i883,  S.  75 — 93,  mit  i3  Bildern,  meist  Wiedergaben 
der  vorhergehenden). 

Bei  dem  geringen  Schiffsverkehre  gelang  es  mir  nur  drei  Atolle  (Dschalut,  Arno 
und  Milli)  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen.  Auf  die  ethnologisch  bei  Weitem 
interessantesten,  wenig  oder  kaum  besuchten  nördlichen  Inseln  musste  ich  verzichten, 
denn  dazu  hätte  es  eines,  wenn  auch  nur  kleinen,  aber  eigenen  Fahrzeuges  bedurft,  wo- 
für mir  leider  die  Mittel  fehlten.  Auf  Dschalut,  als  dem  Haupthandelsplatze,  hatte  ich 
übrigens  während  eines  fast  einjährigen  Aufenthaltes  in  den  Jahren  1879  und  1880 
immerhin  Gelegenheit,  Eingeborene  von  verschiedenen  Inseln  kennen  zu  lernen  und 
Erkundigungen  über  dieselben  einzuziehen. 


[^771  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  I2I 

Meine  Publicationen  über  die  Marshall-Inseln  sind  die  folgenden: 

1.  »Reise  nach  den  Marshall-Inseln«,  kurzer  Bericht  in:  Sitzungsber.  der  Anthrop.  Ge- 

sellsch.,  Berlin,  20.  December  1879,  S.  16. 

2.  >Aus  dem  Pacific.  II.  Marshall-Inseln«  in:  Hamburger  Nachrichten  Nr.  I23  und  124 

(25.  und  26.  Mai  1880). 

3.  »Bilder  aus  dem  Stillen  Ocean.  I.  Kriegsführung  auf  den  Marshall-Inseln«  in:  »Gar- 

tenlaube« Nr,  42,  1881,  S.  700 — 703.  Mit  Abbild.  (Marshall-Insulaner  im  Kriege). 

4.  >  Verhandl.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde«,  1882,  Nr.  10,  S.  4  und  5  (kurzer  Reisebericht). 

5.  »  Deutschlands  Colonialbestrebungen.  Die  Marshall-Inseln«  in:  »Gartenlaube«,  Nr.  2, 

i886,  S.  37,  38  (mit  3  Abbild.). 

6.  »Canoes  und  Canoebau  auf  den  Marshall-Inseln«  in:  Verhandl.  d.  Berliner  anthrop. 

Gesellsch.  (Sitzung  vom  15.  Januar  1887,  S.  22 — 29,  mit  8  Textbildern). 
7    »Aus  unseren  neuesten  Schutzgebieten.    Canubau  und  Canufahrten  der  Marshall- 
Insulaner«  in:  Westermann,  lUustrirte  deutsche  Monatshefte,  Bd.  LXII,  1887, 
S.  492  —  504  (mit  16  Textbildern). 

Geographischer  Ueberblick, 

Die  circa  3o  Inseln  des  Archipels  (unter  circa  4—15°  n.  Br.  und  circa  161 — 172° 
ö.  L.)  bilden  zwei  grosse  Längsreihen  oder  Ketten,  eine  östliche:  Ratak  (mit  15  Inseln) 
und  eine  westliche:  Ralik  (mit  16  Inseln).  Sie  sind  von  gleicher  Formation  und  Be- 
schaffenheit als  die  der  Gilberts,  aber  von  deutlicher  ausgesprochenem  Atoll- Charakter 
als  die  letzteren,  mit  zum  Theil  sehr  ausgedehnten  Lagunen,  von  denen  nur  acht  für 
kleinere  Schiffe  zugängliche  Passagen  besitzen.  Die  physikalischen  und  klimatischen 
Verhältnisse  sind  sehr  ähnlich,  insofern  aber  auf  den  Marshalls  günstiger,  als  diese 
weniger  von  Dürre  zu  leiden  haben,  obwohl  auch  solche  auf  gewissen  Inseln  vor- 
kommt. Orkane  scheinen  ebenfalls  seltener  zu  sein,  dagegen  sind  die  im  October 
und  November  häufigen  heftigen  Böen  für  die  Schifffahrt  störend,  zuweilen  gefährlich. 
Frisches  Wasser  fehlt  auf  sämmtlichen  Inseln  und  wird  durch  aufgefangenes  Regen- 
wasser ersetzt,  aber  Holz  ist  viel  reichlicher  als  auf  den  Gilberts  vorhanden. 

Flora.  Dieselbe  ist  im  Wesentlichen  gleich  mit  der  im  Gilbert- Archipel,  aber  trotz 
fast  noch  ärmlicherer  Bodenbeschaffenheit  doch  anscheinend  etwas  reicher  in  Folge  der 
günstigeren  Regenverhältnisse.  Selbst  dem  Laien  erscheint  der  Baumwuchs  üppiger 
und  besser  entwickelt,  wenigstens  an  gewissen  Stellen  mancher  Inseln.  So  fallen  z.  B. 
die  mächtigen  »Galgal«- Bäume  der  Insel  Dagelab  des  Arno- Atolls,  welche  mit  ihren 
dichtbelaubten  Wipfeln  die  Kronen  der  Kokospalmen  noch  überragen,  schon  von 
Weitem  auf.  Chamisso  gedenkt  schon  dieser  »erstaunlich  hohen«  Bäume  von  Aur. 
Den  Haupttheil  des  Baumvvuchses  bildet  Pandanus,  obwohl  die  Cocospalme,  wie  stets, 
am  meisten  hervortritt.  Charakteristisch  für  die  Flora  sind  zwei  Schlingpflanzen,  die 
eine  auf  dürren  Sandstrecken  des  Strandes  üppig  wuchernd  (wahrscheinlich  Trium- 
phetta  procumbens),  die  andere  an  Pandanus  windenartig  in  die  Höhe  rankend,  mit 
rosarotben  Blüthen,  ähnlich  denen  unserer  Bohnen,  und  ein  lilienartiges  Gewächs.') 
Das  letztere,  eine  meterhohe  Staude,  erinnert  in  der  Form  der  breiten  Blätter  an  Agave 
und  hat  eine  zarte,  stark  duftende  Blüthe,  mit  der  sich  die  Eingeborenen  gern  schmücken, 
und  dürfte  ein  Cridum  sein.  Auffallend  auch  für  den  Laien  ist  ein  dickblätteriger,  un- 
gefiederter Farn,  der  parasitisch  in  Bäumen  wuchert  und  auf  allen  von  mir  besuchten 


1)  Abgebildet:  Hernsheim:  »Marshall-Inseln«,  S.  67  und  68. 


lo* 


122  Dr.  O.  Finsch.  [378] 

Inseln  beobachtet  wurde;  wahrscheinlich  Asplenium  nidum,  Chamisso  sammelte  auf 
Ratak  52  Species  wildwachsender  Pflanzen,  ich  auf  Ralik  60,  die  leider  (vgl.  S.  21  [289]) 
für  die  Wissenschaft  verloren  gingen. 

Fauna.  Die  Eingeborenen-Ratte  scheint  durch  die  mit  Schiffen  eingeführten 
Ratten  {Mus  rattus  und  Af.  decumanuSy  davon  die  erstere  am  häufigsten)  ziemlich  ver- 
drängt; sie  war  das  einzige  Landsäugethier  vor  Ankunft  der  Weissen.  Von  Meeres- 
säugethieren  beobachtete  ich  nur  zwei  bis  drei  Arten  Delphine,  welche  zuweilen  auch 
die  Lagune  besuchen.  Vögel')  konnte  ich  im  Ganzen  20  Arten  nachweisen,  darunter 
den  Wanderkukuk  (Urodynamis  taitiensis)^  »Urik«  der  Eingeborenen,  und  eine 
Fruchttaube  (Carpophaga  oceanica).  Letztere,  die  »Mulle«  der  Eingeborenen,  der  ein- 
zige Land-  und  Standvogel,  kam  nur  auf  drei  Inseln  vor  und  ist  so  ziemlich  ausgerottet. 
Chamisso  erwähnt  schon  diese  Taube  als  »Columba  australis<. 

Von  Reptilien  sammelte  ich  fünf  Arten  Eidechsen  (darunter  die  weitverbreitete 
Mabouia  cyanura)  und  zwei  Arten  Gecko  (dieselben  als  auf  den  Gilberts).  Charakte- 
ristisch für  die  Thierwelt  der  Marshall-Inseln  sind  besonders  zwei  Arten  grösserer 
Eidechsen,  der  »Gudildil«^)  der  Eingeborenen,  und  eine  mit  Lygosoma  smaragdina 
verwandte  Art  oder  Varietät,  die  man  beide  häufig  an  Baumstämmen,  namentlich  der 
Cocospalme,  bemerkt,  welche  sie  äusserst  behend  erklettern.  Der  Reichthum  an  Fischen 
ist  ziemlich  beträchtlich,  aber  ich  erhielt  trotz  allen  Eifers  kaum  mehr  als  150  Arten. 
Unter  den  Krebsthieren  fällt  die  ungeheure  Menge  von  Einsiedlerkrabben  (Pagurus) 
auf,  die  mit  ihren  Muschelgehäusen  (meist  Turbo)  selbst  die  Sträucher  beleben.  Die 
Cocoskrabbe  (Birgus  latro)  ist  sehr  selten.  Im  Ganzen  sandte  ich  etliche  60  Arten 
Crustaceen  (in  500  Exemplaren)  an  das  Berliner  Museum,  die  aber  nicht  bestimmt 
wurden.  Die  Insectenwelt^)  enthält  nur  in  einem  hübschen  Tagfalter  (Hypolimnas 
Bolina  L.  =  Apatura  Rarik  Eschsch.  in  Kotzebue's  Reise,  III,  S.  208,  PI.  V,  Fig.  10) 
und  dessen  zahlreichen  Varietäten  auffällige  Erscheinungen,  da  Junonia  vellida  äusserst 
selten  ist.  Gelegentlich  sieht  man  eine  schöne  grosse  Libelle  (/Ig^r 20/2  sp.?),  häufig  die 
kleine  Pantolaea  flavescens.  Interessant  ist  das  Vorkommen  von  Landconchylien,  wo- 
von ich  sieben  äusserst  kleine  und  versteckt  lebende,  übrigens  weit  verbreitete  Arten 
(Truncatella  pacifica,  Stenogyra  juncea,  Pupina  complanata,  Helicopsis  samoensis, 
Omphalotropis  laevis,  Assiminea  nitida  und  A.  societatis)  sammelte.  Unter  den  zahl- 
reichen niederen  Meeresthieren  kommt  die  herrlich  dunkel  rosenrothe  Koralle  (Stylaster 
sanguineus)  nur  in  der  Lagune  von  Ailinglablab  vor.  Hier  auch  nur  allein  und  äusserst 
selten  die  »Orange  Cowry«  (Cypraea  aurantia). 


1)  Finsch:  »Ornitholog.  letters  from  the  Pacific.  III.  Marshall-Islands«  in:  »The  Ibis c,  1880,  S.  329, 
und  Finsch:  »Vögel  der  Südseec,  Wien  1884,  S.  50.  Die  häufigsten  Strandvögel  sind  dieselben  als 
auf  den  Gilberts,  nämlich:  Charadrius  fulvus,  Actitis  incanus,  Strepsilas  interpres  und  Aräea  sacra^ 
letzterer  allein  Brut-  und  Standvogel.  Als  seltene  Wandergäste  erhielt  ich:  Numenius  femoraliSf  Ca- 
lidris  arenaria  und  einmal  sogar  unsere  Pfeifente  (Anas  penelope). 

2)  Diese  Art,  sowie  zwei  Species  Mabouia  dürften  noch  heute  neu  für  die  Wissenschaft  sein, 
da  der  grösste  Theil  meines  so  reichen  Materials  an  Wirbelthieren  noch  heute  unbeschrieben  im  Ber- 
liner Museum  steht.  Bedauerlich  ist  dies  z.  B.  auch  in  Bezug  auf  die  von  mir  mitgebrachte  grosse 
Serie  von  Ratten,  denn  die  Eingeborenen-Ratte  ist  nie  zur  wissenschaftlichen  Untersuchung  gelangt, 
und  auch  ihre  Bestimmung  wäre  für  die  Frage  der  Herkunft  der  Eingeborenen  nicht  ohne  Interesse 
gewesen. 

3)  Ich  sammelte  14  Arten  Lepidopteren  (darunter  ütetheria  pulchella,  Sphinx  erotus,  das 
Uebrige  Motten  und  Spanner),  16  Arten  Coleopteren  (davon  3  neu),  2  Arten  Orthopteren,  4—6  Arten 
Neuropteren,  5  Arten  Dipteren,  2  Hemipteren,  7  Arten  Spinnen  (darunter  2  neue). 


[Sygl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  123 

Areal  und  Bevölkerung.  Der  Flächeninhalt  sämmtlicher  Inseln  des  Archipels 
wird  zu  circa  400  Quadratkilometer  =  7-28  deutsche  geographische  Quadratmeilen 
(gegen  35*5  deutsche  geographische  Quadratmeilen  früherer  Berechnungen)  angegeben. 
Aber  dieses  feste  Land  vertheilt  sich  in  unzählbaren  kleinen  Inselchen  über  eine  unge- 
heure Meeresfläche  von  circa  660  Seemeilen  (=  180  deutsche  Meilen)  Länge  und  circa 
780  Seemeilen  (=  190  deutsche  Meilen)  Breite.  Die  eigenthümliche  Bildung  der  Atolle, 
Gürtel  von  Riff-  und  Inselstreifen,  welche  mehr  oder  minder  eine  stillere  Wasserfläche, 
die  Lagune,  umschliessen,  vermag  nur  eine  Seekarte  zu  veranschaulichen.  Ein  Theil 
des  Riffs  und  der  Inseln  werden  bei  Hochwasser  überfluthet,  nur  die  wenigsten  sind 
überhaupt  bewohnbar  und  der  Verkehr  ihrer  Bewohner  durch  die  beträchtliche  Aus- 
dehnung der  Lagune  erschwert.  Die  Lagune  des  Atoll  Dschalut  (Bonham)  ist  27  See- 
meilen lang  und  setzt  sich  aus  58  (nach  Witt  nur  45)  Inselchen  mit  90  Quadratkilometer 
Areal  zusammen,  von  denen  nur  6  bewohnt  sind.  Die  grösste  derselben,  Dschabwor, 
bildet  einen  an  8  Seemeilen  (=  2  deutsche  Meilen)  langen,  aber  kaum  einige  hundert 
Schritt  breiten,  grossentheils  unfruchtbaren  Inselstreif.  Die  grösste  Lagune  des  Archipels, 
Kwajalein,  hat  eine  Länge  von  57  Seemeilen  (circa  16  deutsche  Meilen);  ihr  Riffgürtel 
zählt  81  Inselchen,  von  denen  die  grösste  nur  4  Seemeilen  lang  und  kaum  i  Seemeile 
breit  ist. 

Die  vorstehenden  kurzen  Notizen  werden  zur  Genüge  zeigen,  dass  ein  so  zer- 
splittertes und  dabei  ärmliches  Inselgebiet  nicht  stark  bevölkert  sein  kann,  wie  dies 
schon  zu  Chamisso's  Zeiten  der  Fall  war,  der  z.  B.  Meschid  und  Wotsche  (Otdia)  zu 
je  100  Eingeborenen  veranschlagt. 

Die  späteren  Schätzungen  der  Gesammtbevölkerung  mit  10.000  Bewohnern  sind 
zu  hoch  gegriffen  und  beruhen  auf  zum  Theil  ganz  irrigen  Angaben.  So  verzeichnet 
der  Missionär  Gulik  für  Jemo  200  Eingeborene,  für  Udschilong  gar  1000.  Aber  Witt 
fand  die  erstere  Insel  ganz  unbewohnt,  auf  der  letzteren  nur  6  Eingeborene.  Das 
grösste  Atoll  Kwajalein  zählt  nur  eine  Bevölkerung  von  220  Seelen,  und  nach  Witt 
würde  Madschuru  mit  1500  das  am  stärksten  bevölkerte  Atoll  sein.  Kuhn  gibt  (1882) 
für  Arno  sogar  3ooo  Einwohner  an,  aber  diese  Angaben  sind  bei  Weitem  überschätzt. 
Zuweilen  kommen  auf  einer  Insel  durch  zufällige  Anwesenheit  einer  Canuflotte  viel 
mehr  Eingeborene  als  für  gewöhnlich  zusammen.  Eine  wirkliche  Volkszählung  hat 
nur  auf  Dschalut  stattgefunden,  und  zwar  durch  Hernsheim  1878,  die  1006  Bewohner 
(darunter  335  Männer)  ergab.  Die  Eingeborenen,  selbst  die  » Könige c,  kennen  selbst- 
verständlich, ebensowenig  als  ihr  Alter,  die  Bevölkerungszahl  ihrer  Insel;  »König  Kai- 
bukec  von  Milli  hatte  keine  Ahnung,  aus  wie  viel  Inseln  sich  sein  »Atoll -Königreich« 
zusammensetze  und  rieth  mir,  selbst  eine  Zählung  vorzunehmen. 

Die  Gesammtbevölkerung  des  Marshall- Archipels  mit  sechs  überhaupt  unbewohn- 
ten Atollen  (Erikub,  Jemo,  Taka,  Bigar,  Ailinginae,  Elmore)  beträgt  zwischen  7000  und 
8000(4000  auf  Ratak,  circa  36oo  für  Ralik),  was  circa  20  Seelen  für  den  Quadratkilometer 
ergibt.  Dabei  ist  zu  erinnern,  dass  die  Eingeborenen-Bevölkerung  auch  hier  wie  überall 
zurückgeht,  woran  aber  hier  der  Arbeiterhandel  (»Labortrade«)  keine  Schuld  hat,  der 
dem  dünnbevölkerten  Gebiete  überhaupt  fernblieb.  Die  Eingeborenen  fangen  eben 
an  auszusterben,  sobald  sie  in  engeren  Verkehr  mit  Weissen  treten,  eine  Erscheinung, 
die  sich  überall  in  der  Südsee  wiederholt,  aber  schwer  zu  erklären  ist.  Eine  Vermeh- 
rung in  Folge  der  meist  wilden  Ehen  zwischen  Weissen  mit  eingeborenen  Frauen  findet 
nicht  statt,  denn  diese  Ehen  sind  selten  productiv.  Auch  andere  Ursachen  tragen  zur 
Verminderung  der  Bevölkerung  bei.  So  waren  die  Atolle  Rongelap  und  Rongerik 
früher  von  80,  respective  120  Eingeborenen  bewohnt;  Witt  fand  aber  Ende  der  Acht- 


124  Dr.  O.  Finsch.  [38o] 

zigerjabre  nur  lo,  respective  i8  Bewohner,  jedoch  verlassene  Hütten  für  hundert.  Die 
meisten  Eingeborenen  waren  nämlich  bei  einer  gemeinschaftlichen  Canufahrt  nach 
Süden  verschlagen  worden  und  umgekommen. 

Wie  alle  Kanaker  sind  auch  die  Marshallaner  keine  langlebige  Race.  Die  Frauen 
verblühen  rasch,  und  die  Männer  treten  schnell  ins  Greisenalter.  Da  die  Eingeborenen 
ihr  Alter  selbstredend  nicht  kennen,  lassen  sich  keine  sicheren  Zahlen  angeben.  Wenn 
daher  z.  B.  Chamisso  einen  »80  Jähret  alten  munteren  Greis  erwähnt,  Kotzebue  sogar 
einen  »hundertjährigen«,  so  sind  diese  Schätzungen  ohne  Zweifel  irrthümlich,  denn  ge- 
rade Eingeborene  altern  viel  früher  und  rascher  als  Europäer. 

Handel.  Das  Marshallmeer  war  dem  Walfischfange  nicht  günstig,  und  deshalb 
verkehrten  Fangschiffe  hier  selten.  Aber  der  Führer  eines  solchen,  Capitän  Handy,  er- 
öffnete in  den  Fünfzigerjahren  zuerst  Handel  mit  den  Eingeborenen  Ebons,  und  1857 
Hess  sich  die  hawaiische  evangelische  Mission  hier  nieder.  Die  erste  ständige  Handels- 
station wurde  1860  von  der  deutschen  Firma  Stapenhorst  und  HofFschläger  in  Hono- 
lulu errichtet.  Sie  setzte  Adolf  Capelle  (1864)  auf  Ebon  ein  zum  Ankauf  von  Cocos- 
nussöl,  der  später  auf  Dschalut  eine  eigene  Firma  gründete  und  den  Eingeborenen 
zuerst  Copra  machen  lehrte.  Gegen  Ende  der  Siebziger  jähre  (1877)  errichteten  Herns- 
heim  &  Co.  (Hamburg)  auf  derselben  Insel  eine  Factorei,  aus  der  1889  die  »Jaluit-Ge- 
sellschaft«  (mit  Sitz  in  Hamburg)  hervorging.  Der  Handel  der  Marshall-Inseln  ist  also 
vorwiegend  in  deutschen  Händen,  das  einzige  Ausfuhrsproduct  Copra,  *)  das  übrigens 
nur  eine  geringe  Anzahl  Inseln  producirt,  auf  denen  deshalb  kleinere  Stationen  für 
Tauschhandel  bestehen  (Dschalut,  Ebon,  Namurik,  Madschuru,  Milli,  Arno,  Ailing- 
lablab).  Um  der  Erschöpfung  der  Palmen,  die  etwa  50  Jahre  lang  tragfähig  sind,  vor- 
zubeugen, ist  mit  der  Anlage  von  Cocosplantagen  begonnen  worden,  da  die  Eingebore- 
nen in  dieser  Richtung  kaum  für  sich  selbst  Vorsorge  trafen.  A.  Capelle  war  wiederum 
der  Erste,  der  darin  vorging:  er  kaufte  1877  die  Insel  Likib  und  miethete  bald  darauf 
Udschilong;  auch  auf  Arno  soll  mit  Anpflanzungen  begonnen  sein.  Stürme  haben 
übrigens  auch  auf  den  Marshalls  wiederholt  grosse  Verheerungen  in  den  Cocospalmen- 
beständen  angerichtet.  So  ein  Orkan  im  Herbste  1874  ^^^  Ailinglablab,  von  dessen 
üblen  Folgen  sich  diese  Insel  sieben  Jahre  später  noch  nicht  erholt  hatte.  Aus  derselben 
Ursache  wurde  Kili  von  den  wenigen  Bewohnern  verlassen.  Die  Einfuhr  nach  den 
Marshalls  bestand  früher  besonders  in  Tabak  (amerikanischem  Twist),  Waffen,  Spiri- 
tuosen, Baumwollenzeug,  später  kamen  Lebensmittel  (Reis  und  SchifTszwieback)  hinzu. 
Bei  der  geringen  Bevölkerung  und  der  Bedürfnisslosigkeit  derselben  wird  die  Einfuhr 
übrigens  immer  eine  beschränkte  bleiben. 

Mission.  Durch  Capitän  Handy  bei  dem  damals  gewaltigen  Häuptlinge  Kaibuke 
aufs  Beste  eingeführt,  begann  die  Mission  1857  ihre  Thätigkeit,  und  zwar  auf  Ebon  mit 
so  gutem  Erfolge,  dass  1865  bereits  125,  1878  sogar  400  Eingeborene  bekehrt  waren. 
Im  Ganzen  besass  die  Mission  auf  sieben  Inseln  (Ebon,  Namerik,  Dschalut,  Madschuru, 
Milli,  Arno  und  Maloelab)  Stationen,  6  Kirchen,  i3  Lehrer  und  an  800  Bekehrte.  Aber 
auch  hier  machte  sich  bald  ein  Rückschlag  geltend,  von  dem  ich  mich  selbst  überzeugen 
konnte.  Auf  Dschalut  kamen  1879  bei  Gelegenheit  der  Anwesenheit  des  Missionsschiffes 
nur  20  Männer  und  14  Mädchen,  sonst  kaum  die  Hälfte  davon  zur  Kirche,  auf  Arno 
gab  es  nur  10  Christen  und  auf  allen  Marshall-Inseln  zusammen  36o  Kirchenbesucher. 


I)  Die  Gesammtausfuhr  schwankt  je  nach  der  Ernte  zwischen  1500 — 2000  Tonnen  (im  Werihe 
von  3oo.ooo — 500.000  M.).  Ueber  die  wirthschaftliche  Bedeutung  der  Cocospalme  und  Copra  vgl. 
Finsch:  »lieber  Naturproducte  der  westlichen  Südsee«  (Deutsche  Colonialzeitung,  1887,  S.  2— 11). 


[381 1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  12  c 

Seitdem  ist  das  Missionswerk  wohl  nicht  vorgeschritten  und  die  Erfolge,  nach  35  Jahren, 
wie  auf  den  Gilberts  nur  unbedeutend.  Auf  Grund  der  spärlichen  Bevölkerung  haben 
glücklicherweise  keine  Kriege  stattgefunden,  vielmehr  erlangte  die  Mission,  namentlich 
auf  Ebon,  ziemliche  Herrschaft,  die  zu  wiederholten  Zerwürfnissen  mit  den  weissen 
Händlern  führte.  So  musste  1885  das  deutsche  Kanonenboot  »Nautilus«  auf  Ebon  ein- 
schreiten und  der  Mission  eine  Busse  von  500  Doli.  (=  2000  M.)  auferlegen.  Dabei 
war  Ebon  am  weitesten  in  der  Bildung  voraus,  denn  hier  konnte  fast  Jeder  lesen, 
schreiben  und  rechnen,*)  wie  man  es  so  nennt;  trotz  dieser  Bildung  war  die  Intelligenz 
aber  auf  keine  höhere  Stufe  gestiegen,  wofür  ich  nur  ein  Beispiel  anführen  will.  Ein 
christlicher  Ebonite  liess  sich  in  dem  Kaufladen  auf  Dschabwor  einen  Dollar  wechseln, 
diesen  in  zwei  halbe,  einen  halben  in  zwei  Quarter,  einen  Quarter  in  zwei  Realen  und 
kaufte  sich  dann  für  einen  Real  ein  Fläschchen  Haaröl! 

Dass  an  den  Missionsplätzen  fast  alle  ethnologische  Originalität  verloren  gegangen 
ist,  brauche  ich  wohl  nicht  erst  zu  erwähnen.  Schon  äusserlich  kennzeichnen  sich  die 
»Lovers  of  Jesus«  oder  »Dri-anitsch«  (=  Geistermenschen)  durch  das  kurzgescho- 
rene Haar. 

Dem  Vernehmen  nach  wollte  eine  deutsche  rheinische  Missionsgesellschaft  das 
Bekehrungswerk  auf  den  Marhalls  fortsetzen  oder  hat  bereits  damit  angefangen. 

Schutzherrschaft.  Das  deutsche  Reich  schloss  bereits  im  Jahre  1878  mit  dem 
Häuptlinge  Kabua  (Lebon)  von  Jaluit  einen  Vertrag  für  Ralik  ab  und  übernahm  1886 
(6.  April)  die  Schutzherrschaft  über  die  ganze  Marshall-Gruppe,  einschliesslich  der 
etwas  isolirteren  nordwestlichen  Inseln  Eniwetok  (Brown  Isl.)  und  Udschilong  (Provi- 
dence  Isl).  Dadurch  ist  der  Einfuhr  von  Schnaps  und  Waffen  hoffentlich  Schranken 
gesetzt. 

I.  Eingeborene. 

Aeusseres.  Die  Marshallaner  stehen  in  körperlicher  Bildung  entschieden  den 
Gilbert-Insulanern  nach,  sind  im  Allgemeinen  kleiner,')  namentlich  das  weibliche  Ge- 
schlecht, und  von  schwächlicherem  Aussehen,  im  Uebrigen  von  der  oceanischen  Race 
nicht  zu  trennen  (vgl.  Finsch:  »Anthropol.  Ergebnisse«  etc.,  1884,  S.  i3 — 16).  Auf 
Taf.  II  dieser  Abhandlung  sind  zum  Vergleiche  typische  Frauen  von  den  Marshalls  und 
von  Samoa,  nach  meinen  photographischen  Aufnahmen,  abgebildet.  Ausserdem  brachte 
ich  II  Gesichtsmasken^)  (darunter  die  des  ehemaligen  »Königs«  Kabua)  von  Marshal- 
lanern,  nach  Lebenden  abgegossen,  mit,  so  dass  auch  in  dieser  Richtung  reiches  Mate- 
rial vorliegt.  Unter  den  fast  durchgehends  wenig  brauchbaren  Völkertypen  Choris'  ist 
der  auf  PL  I  abgebildete  Rataker  noch  am  gelungensten  und  verdient  citirt  zu  werden; 
die  übrigen  taugen  nichts.  Wie  Chamisso  dazu  kam,  die  »grössere  Reinheit«  der  Haut 
dieser  Eingeborenen  hervorzuheben,  ist  nicht  recht  erklärlich,  denn  gerade  hier  sind 
Schuppenkrankheit  (Ichthyosis)  und  Ringwurm  (Psoriasis,  »Gogo«)  stark  verbreitet. 
Ebenso  unbegreiflich  ist,  wenn  Kotzebue  die  Hautfärbung  als  »schwarz«  bezeichnet. 

Sprache.  Ueber  alle  Inseln  der  Marshall-Gruppe,  einschliesslich  Eniwetok  und 
Udschilong,  wird  ein  und  dieselbe  Sprache  gesprochen,  die  diesem  Archipel  eigenthüm- 


»)  Die  Mission  gab  in  Ebonsprache  auch  eine  Arithmetik  heraus:  »Buk  in  Bwinbwin«,  Mission 
Press,  Ebon   1876,   156  S.,  kl.  8'\ 

2)  Kotzebue  gibt  die  Höhe  eines  Ratakers  zu  7  Fuss  (=  2-24  M.)  an,  der  allerdings  ein  Riese 
gewesen  sein  muss;  der  längste  von  mir  gemessene  Gilbert-Mann,  auch  eine  Ausnahme,  mass  179  M. 

3)  Kubary  hatte  früher  bereits  drei  Marshallaner   abgegossen,  die  der  Handelskatalog  des  Mu- 
seum Godeffroy  (V,  1874)  verzeichnet. 


126  Dr.  O.  Finsch.  [382] 

lieh  und  durchaus  verschieden  von  der  Gilbertsprache  ist,  wie  von  den  carolinischen. 
Ueber  die  Sprache  von  Radak  hat  zuerst  Chamisso  (II,  S.  95 — iii)  ein  Verzeichniss 
von  circa  3oo  Wörtern  gegeben,  die  allerdings  zum  Theil  total  verschieden  sind  von 
denen  welche  Kubary  (1.  c,  S.  Sg — 47  circa  400)  und  Hernsheim  (1.  c,  S.  i — 32;  circa 
700  Wörter)  für  Ralik  verzeichnen. 

Sind  nun  auch  nach  Hernsheim,  jedenfalls  dem  besten  Kenner  der  MarshaU- 
spräche,  die  Dialekte  von  Ralik  und  Ratak  so  verschieden,  »dass  sich  selbst  Eingeborene 
wechselseitig  anfangs  häufig  nur  schwer  verstehen,  so  geht  dieser  Unterschied  keines- 
wegs über  den  gewöhnlichen  Umfang  der  Dialekte  hinaus,  c  Die  grosse  Anzahl  ab- 
weichender Worte  bei  Chamisso  (nur  etwa  40  stimmen  mit  Hernsheim  überein)  rühren 
aber  nicht  allein  von  irrigen  Auffassungen  her,  die  ja  für  den,  der  eine  derartige 
Sprache  zuerst  nach  dem  Gehör  niederschreibt,  unvermeidlich  sind,  sondern  nach 
Hernsheim's  gewiegtem  Urtheil  trägt  hauptsächlich  Kadu  die  Schuld,  wie  an  so  manchen 
Irrthümern,  die  auf  seine  Autorität  durch  Chamisso  in  die  Literatur  übertragen  wurden. 
Ganz  abgesehen,  dass  Chamisso  seinen  eingeborenen  Freund  und  Sprachmeister  wohl 
nicht  immer  richtig  verstand,  so  hat  Kadu  andererseits  jedenfalls  da,  wo  ihm  gerade  das 
richtige  Ralik- Wort  nicht  einfiel,  irgend  ein  Wort  aus  seinem  heimatlichen  carolinischen 
Wortschatz  angegeben,  das  Vocabulär  Chamisso's  ist  deshalb  mit  grosser  Vorsicht  aufzu- 
nehmen. Mit  der  Aussprache  unserer  Buchstaben  verhält  es  sich  auf  den  Marshalls  wie 
auf  den  Gilberts  (S.  25  [293]). 

Herkunft.  Darüber  wissen  die  Eingeborenen,  soweit  meine  Erkundigungen 
reichen,  absolut  nichts. 

Charakter  und  Moral.  Chamisso  hat  von  den  Marshallanern  ein  so  überschwäng- 
liches,  reizendes  Bild  entworfen,  dass  die  späteren  Beschreibungen  wie  reine  Verleum- 
dungen erscheinen.  Er  nennt  sie  »lebhaft,  wissbegierig,  geistreich,  tapfer,  treu,  gastfrei, 
schamhaft,  ohne  Falsch  und  Lügec,  rühmt  »die  Unschuld  und  Zierlichkeit  der  Sitten, 
die  zarte  Schamhaftigkeit,  den  sittigen  Anstand,  die  ausnehmende  Reinlichkeit c  und 
findet  »überall  ein  Bild  des  Friedens  und  der  fortschreitenden  Cultur«.  Wären  die  Mar- 
shallaner  wirklich  jemals  solche  Mustermenschen  gewesen,  so  müssten  Civilisation  und 
Christenthum  erröthend  ihre  Ohnmacht,  sogenannte  »Wilde«  erziehen  und  bessern  zu 
können,  eingestehen.  Aber  Chamisso's  dichterische  Begeisterung  und  Freude,  endlich 
einmal  unverfälschte  und  unverderbte  Naturmenschen  gefunden  zu  haben,  beeinflusste 
eine  objective  Beurtheilung  seiner  neuen  Freunde,  die  schon  damals  alle  Fehler  und  die 
wenigen  Tugenden  der  Kanaka  besassen.  Sie  stahlen  bereits,  hielten  nicht  immer  Wort 
und  führten  Kriege,  wie  selbst  Chamisso  zugestehen  muss.  Aber  durch  seinen  Reise- 
begleiter Choris  erfahren  wir  ausserdem,  dass  sie  auch  Talent  zu  Taschendieberei 
zeigten,  und  dass  es  mit  der  vielgerühmten  Tugend  des  weiblichen  Geschlechts  schon 
damals  nicht  weit  her  war.  »Schamhaftigkeit  und  Keuschheit  sind  den  Anschauungen 
dieser  Insulaner  fremd;  ohne  etwas  Unehrenhaftes  zu  finden,  bietet  der  Mann  seine 
Frau  einem  Anderen,  der  Vater  seine  Tochter  dem  Fremden  an«  und  »die  Frauen 
waren  sehr  bescheiden,  aber  ein  Stückchen  Eisen  genügte,  um  die  Tugend  dieser  Wil- 
denschönheiten zu  Fall  zu  bringen«  sagt  Choris  jedenfalls  auf  Grund  von  Erfahrungen. 
Auch  Kotzebue  erzählt  von  dieser  ersten  Reise  einen  Vorfall,  wo  ein  Matrose  den  Ver- 
lockungen einer  braunen  Schönen  nicht  zu  widerstehen  vermochte,  hebt  trotzdem  aber 
die  »Sittsamkeit  der  Frauen«  hervor.  Chamisso  bezeichnet  merkwürdiger  Weise  sogar 
das  Ueberlassen  der  Ehefrau  Seitens  des  Hausherrn  an  den  Gast  als  »reine,  unverderbte 
Sitte«.  Für  die  Beurtheilung  der  Sittlichkeitsfrage  gibt  überdies  die  Sprache  gewichtiges 
Zeugniss.   Sie  besitzt  für  obscöne  Handlungen,  deren  verschiedene  Stadien  und  Details, 


pSSl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  127 

sehr  bestimmte  Bezeichnungen,  die,  von  Allen  gekannt,  ohne  Zweifel  schon  zu  Cha- 
misso's  Zeiten  existirten,  ebenso  wie  der  mehr  als  lascive  Tanz  »Rrumm«.  Das  Wort 
»Dschirung«  =  Jungfrau  hatte  jedenfalls  schon  damals  dieselbe  Bedeutung,  aber  nicht 
in  unserer  Auffassung  von  »Unberührtsein«,  denn  häufig  findet  schon  vor  geschlecht- 
licher Reife  Verkehr  zwischen  beiden  Geschlechtern  statt.  Es  wird  daher  Zeit,  mit 
den  in  alle  Lehrbücher  übertragenen  Mittheilungen  Chamisso's  in  dieser  Richtung  zu 
brechen.  Sie  waren  schon  für  die  damalige  Zeit  nicht  immer  zutreffende,  wenn  auch 
der  spätere  Verkehr  mit  Weissen  die  bereits  vorhandenen  Untugenden  leider  nicht 
besserte,  sondern  eher  vermehrte,  wie  z.  B.  in  Betreff  der  Prostitution. 

Meine  Schilderung  vom  Jahre  1880:  >faul,  unwissend,  sinnlich,  indolent,  zur  Lüge 
und  zum  Diebstahl  geneigt,  ohne  Gefühl  für  Dankbarkeit,  Gastfreundschaft  und  Ehre 
in  unserem  Sinne,  ohne  Energie,  theilnahmslos,  wenig  lebhaft,  dabei  aber  freundlich, 
gutmüthig,  nicht  roh  oder  gefühllos,  im  Ganzen  friedfertig,  im  Kriege  ohne  Muth  und 
Tapferkeit«  dürfte  daher  noch  heute  zutreffend  sein,  natürlich  nur  in  gewissem  Grade 
fär  gewisse  Individuen.  Denn  auch  auf  den  Marshalls  habe  ich  sehr  nette  Eingeborene 
kennen  gelernt,  und  im  Ganzen  lässt  sich  mit  ihnen  besser  als  mit  den  lebhaften  und 
leicht  aufgeregten  Gilbert-Insulanern  verkehren.  Gegenüber  den  letzteren  ist  das  ruhige, 
schweigsame,  gedrückte  Wesen  der  Marshallaner  auffallend,  aber  erklärlich  durch  die 
Unterwürfigkeit  dem  Geburtsadel  gegenüber.  So  beobachtete  ich  oft  die  Stille,  welche 
bei  Ankunft  fremder  Canus  herrschte :  schweigend  hockt  die  Bevölkerung  am  Strande, 
schweigend  werden  die  angekommenen  Freunde  begrüsst.  Selbst  die  unvermuthete 
Zurückkunft  der  seit  Monaten  verschlagenen  und  längst  verloren  geglaubten  Vertriebe- 
nen mit  dem  Schuner  »Lotus«  rief  keine  besondere  Aufregung  hervor,  ein  gellender 
Schrei  der  Weiber  war  Alles,  dann  folgte  lautloses  Umarmen,  und  erst  Abends  bei  den 
sogenannten  Tänzen  ging  es  lebhaft  her.  Trunksucht  war  verhältnissmässig  wenig  ver- 
breitet, denn  nur  Häuptlinge,  als  die  einzige  besitzende  Classe,  konnten  diesem  Uebel, 
das  die  Mission  nicht  auszurotten  vermochte,  huldigen,  und  thaten  dies  sehr  gern.  Zur 
Arbeit  im  Ganzen  wenig  geeignet,  leisten  doch  Marshallaner  auf  kleinen  Schiffen  inner- 
halb ihrer  heimischen  Gewässer  als  Matrosen  gute  Dienste  und  erweisen  sich  als  brauch- 
bare Menschen,  was  Erwähnung  verdient. 

Gegenüber  verbürgten  Thatsachen,  dass  in  den  meisten  Fällen  Verschlagene  von 
anderen  Inselgruppen  (Gilberts,  Carolinen)  todtgeschlagen  wurden,  darf  die  Fried- 
fertigkeit der  Marshallaner  nicht  zu  sehr  herausgestrichen  werden.  Später  zog  man  es 
vor,  Verschlagene  am  Leben  und  als  eine  Art  Sclaven  arbeiten  zu  lassen,  wie  ich  solche 
(von  den  Gilberts)  auf  Milli  sah. 

In  den  Vierziger-  und  Fünfzigerjahren  erlangten  die  Marshallaner  sogar  durch 
eine  Reihe  sicher  nachgewiesener  Ueberfälle  auf  Schiffe  notorische  Berühmtheit,  beson- 
ders die  Eboner  unter  dem  gefürchteten  Kaibuke.  Noch  im  Jahre  1869  wurde  auf 
Rongelab  die  Mannschaft  des  deutschen  Schuners  »Franz«  erschlagen,  das  Schiff  ge- 
plündert und  verbrannt,  ein  Drama,  bei  welchem  der  spätere  König  von  Dschalut  »Ka- 
bua«  stark  mitbetheiligt  gewesen  sein  soll.  Wenn  auch  vermuthlich  Uebergriffe  und 
Rohheiten  Seitens  der  Fremden  zuerst  die  Rache  der  Eingeborenen  herausforderten,  so 
hat  die  Habsucht  der  Häuptlinge  jedenfalls  später  eine  nicht  untergeordnete  Rolle  dabei 
gespielt.  Selbst  das  Schicksal  Kadu's  bleibt  unaufgeklärt  und  die  Vermuthung,  dass  er 
wegen  seines  »Eisenreichthums«  von  den  Freunden  erschlagen  wurde,  berechtigt. 

RdinlichlCBit,  von  Chamisso  besonders  hervorgehoben,  ist  thatsächlich  sehr  wenig 
vorhanden.  Von  Waschen  kann  kaum  die  Rede  sein,  denn  das  Sitzen  im  Wasser,  der 
Lagune  oder  in  den  Tümpeln,  denselben,  welche  Trinkwasser  liefern,  dient  mehr  zur 


128  Dr.  O.  Finsch.  [384] 

Abkühlung.  Badeschwämme,  die  in  der  Lagune  von  Ailinglablab  in  ziemlich  guter 
Qualität  vorkommen,  blieben  unbenutzt.  Aber  an  Missionsplätzen  haben  sich  zum 
Theil  Kämme  eingeführt,  die  Kopfparasiten  aber  nicht  ausgerottet.  Das  gegenseitige 
Absuchen  der  Läuse  (Kid)  und  Verzehren  derselben  war  damals  noch  gang  und  gäbe. 


IL  Sitten  und  Gebräuche. 

(Sociales  und  geistiges  Leben.) 

/.  Sociale  Zustände. 

Sehr   bezeichnend   für   dieselben   ist  das   mittelalterliche   Feudalsystem   mit  be- 
stimmten, ziemlich  scharf  begrenzten  Ständen : 

1.  Kajur  oder  Armidsch  (=  Mann),  besitzlos  und  nur  mit  Land  (d.  h.  Cocos- 
palmen)  belehnt. 

2.  Leotakatak,  mit  eigenem  Besitz. 

3.  Burak,  meist  Söhne  und  Brüder  des  Häuptlings,  zuweilen  sehr  reich  und  ein- 
flussreich. 

4.  Irodsch,  Häuptling,  muss  wenigstens  mütterlicherseits  von  Irodschblut  abstam- 
men, wenn  sein  Vater  auch  nur  Burak  war.  Denn  der  Rang  erbt  nach  der  Mutter,  nicht 
nach  dem  Vater,  entsprechend  der  marshallanischen  Anschauung,  dass  man  von  einem 
Kinde  stets  die  Mutter  kennt,  aber  nicht  immer  weiss,  wer  der  Vater  war.  Heiratet  z.  B. 
ein  Irodsch  aus  dem  Burakstande,  so  werden  die  Kinder  nur  Burak,  während  umgekehrt 
im  Heiratsfalle  eines  Burak  mit  einer  Irodschfrau  die  Kinder  dem  letzteren  Stande  an- 
gehören. Kabua  alias  Lebon  (Laban),  der  damalige  »Irodsch-lablab«  oder  »grosse« 
Häuptling  von  Dschalut  und  Ebon,  nur  ein  Leotakatak  von  dem  nördlichen  Atoll  Ron- 
gelab,  wurde  Irodsch,  als  er  Limokoa,  die  Witwe  des  grossen  Kaibuke  von  Ebon,  hei- 
ratete. Da  diese  Ehe  kinderlos  blieb,  die  anderen  Kinder  Kabua's  von  anderen  Frauen 
aber  nur  dem  Burakstande  angehörten,  so  war  Kabua's  Stiefsohn  Lemoro  (alias  Latablin, 
zuletzt  »Nelu«),  damals  ein  Jüngling  von  circa  20  Jahren,  der  zukünftige  Irodsch-lablab, 
für  den  Kabua  als  Vormund  waltete.  Andere,  viel  ältere  Kinder  Kaibuke's,  wie  z.  B. 
Lageri  auf  Dschalut,  waren  dem  Stande  der  Mutter  entsprechend  nur  Leotakatak,  da- 
gegen Lidauria,  die  Tochter  Kaibuke's  mit  Limokoa,  einer  Irodschtochter,  die  höchste 
Person  überhaupt.  Im  Falle  ihrer  Verheiratung  mit  einem  Irodsch  würde  dieser  An- 
recht auf  die  Würde  des  Irodsch-lablab  erlangt  haben,  die  gewöhnlich  nicht  auf  den 
Sohn,  sondern  den  jüngeren  Bruder  übergeht.  Man  ersieht  hieraus,  dass  die  Verhält- 
nisse der  Erbfolge  ziemlich  verwickelt  sind,  aber  sie  werden  oft  durch  Gewalt  geregelt, 
indem  man  den  einen  Gegner  aus  dem  Wege  schafft.  Der  Vorwand  wird  dann  in 
Hochverrath  gesucht  und  gefunden,  wobei  natürlich  die  Hilfe  der  übrigen  Irodsche  er- 
forderlich ist,  die  unter  sich  den  Irodsch-lablab  erwählen.  Die  Macht  eines  solchen  war 
früher  sehr  bedeutend,  er  befehligte  auf  Seereisen  wie  im  Kriege  und  entschied  über 
Leben  und  Tod.  Das  Todesurtheil  wurde  nach  Hernsheim  durch  Speeren  oder  Steini- 
gen vollzogen,  nach  Kubary  ertränkte  man  Frauen.  Welche  Vergehen  die  Todesstrafe 
nach  sich  zogen,  ist  nicht  recht  klar,  da  Mord  z.  B.  kein  Grund  dafür  war.  Bestimmte 
Gesetze  gab  es  eben  nicht,  und  die  Justiz  und  deren  Ausführung  hing  ganz  von  der 
Willkür  der  Irodsche  und  deren  jeweiligen  Machtstellung  ab.  So  war  kurz  vor  meiner 
Ankunft  auf  Namurik  ein  Ehebrecher  erschlagen  worden,  obwohl  diese  Sünde  sonst 
sehr  häufig  begangen  wurde  und  ungestraft  blieb.     Aber  die  christliche  Partei  wollte 


[385!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  I2q 

ein  biblisches  Urtheil  vollziehen,  und  der  Mann  sollte  eigentlich  gesteinigt  werden.  Als 
dem  > Könige«  von  Arno  in  Folge  einer  Krankheit  das  Kopfhaar  ausging,  mussten  alle 
Männer  seinem  Beispiele  folgen  und  sich  scheeren.  Ein  Ebon-Häuptling,  der  auf 
Dschalut  einem  betrunkenen  weissen  Schiffsführer  einen  goldenen  Ring  gestohlen  hatte, 
wurde  zur  Lieferung  von  Holz  verurtheilt.  Wäre  es  ein  Kajur  gewesen,  so  hätte  er 
wahrscheinlich  die  Ohren  lassen  müssen,  denn  Abschneiden  der  Ohren  oder  vielmehr 
der  künstlich  verlängerten  Lappen  scheint  eine  beliebte  Strafe  gewesen  zu  sein.  Sie 
wurde  noch  1878  auf  Dschalut  an  einem  Eingeborenen  vollstreckt,  der  einen  Weissen 
blutig  geschlagen  hatte  und  eigentlich  aufgehangen  werden  sollte.  Aber  als  ein  »beach- 
comber«  (bummelnder  weisser  Händler)  dem  »König«  Kabua  ohne  allen  Grund  ein 
blaues  Auge  schlug,  erkannten  die  Weissen  nur  auf  Verbannung. 

Auf  Arno  lernte  ich  übrigens  einen  weissen  Händler  kennen,  dem  in  verdächtiger 
Weise  der  rechte  Ohrlappen  fehlte,  erfuhr  aber  den  Grund  nicht.  Wie  Kabua  seinerzeit 
noch  Ohren  abschnitt,  tödtete  der  gefürchtete  Kaibuke  (der  Ende  der  Siebzigerjahre 
starb)  auf  Ebon  mit  eigener  Hand;  ja  sein  Neffe,  ebenfalls  Irodsch,  speerte  zwei  seiner 
Frauen.  Von  der  äusserlichen  Unterwürfigkeit,  wie  sie  z.  B.  Kaibuke  gegenüber 
herrschte,  dem  sich  seine  Unterthanen  nur  in  demüthiger  Haltung  nahen  durften,  war 
bei  Kabua  nicht  mehr  die  Rede.  Der  »Oberhäuptling  und  Herr  von  Ralik«,  wie  er  im 
deutschen  Vertrage  euphonistisch  genannt  wird,  genoss  wenig  Autorität  und  hatte  höch- 
stens auf  Ebon,  auf  den  übrigen  Inseln  kaum  Einfluss.  Auf  Dschalut  bestand  zwar 
noch  die  alte  Feudalwirthschaft,  aber  auch  hier  gelang  es  Kabua  nicht  immer,  die 
nöthige  Anzahl  Arbeiter  für  die  Weissen  zu  stellen.  £s  war  viel,  als  er  beim  Baue  eines 
Steindammes  aus  Korallstücken  3o  Männer,  40  Frauen  und  20  Kinder  für  circa  eine 
Woche  zusammenbrachte,  für  die  er  täglich  einen  »Bum«  (d.  h.  ein  Tabatidregewehr, 
damals  dort  im  Werthe  von  40  Mark)  erhielt.  Bald  musste  aber  pro  Kopf  täglich  ein 
Schiffszwieback  beigelegt  werden,  weil  Kabua  sonst  die  Leute  nicht  ernähren  konnte. 
Uebrigens  gehörte  Kabua  die  meiste  Copra,  soweit  dieselbe  nicht  heimlich  verkauft 
wurde,  bei  grossen  Fischfängen  erhielt  er  den  Löwenantheil,  er  vermiethete  seine  Kajur 
auf  Schiffe  und  zog  deren  Lohn  ein,  kurzum  machte  es  ziemlich  ebenso  wie  sein  Col- 
lege auf  Aur  zu  Chamisso's  Zeit,  der  nach  Weggang  des  »Rurik«  alles  vertheilte  Eisen 
einforderte.  Wegen  ein  paar  Stückchen  Eisen  gab  sich  Kabua  freilich  keine  Mühe,  aber 
unisomehr  war  er  dahinter,  den  Verdienst  der  Mädchen  in  blanken  Dollars  einzuheim- 
sen, denn  diese  »sittsamen,  keuschen,  bekehrten«  Mädchen  waren  oft  sehr  begehrt,  und 
er  schlug  zuweilen  mehr  aus  ihnen  heraus,  als  aus  seinen  Matrosen.  Der  »König«  hielt 
es  daher  nicht  unter  seiner  Würde,  nächtlicherweile  die  Hütten  zu  revidiren,  ob  die 
Eine  oder  Andere  vielleicht  fehle,  und  beanspruchte  in  einem  solchen  Falle  den  üblichen, 
je  nach  dem  Range  der  Schiffsleute  von  i — 3  Dollar  variirenden  Obulus  für  sich. 

Aeusserlich  kennzeichnet  sich  der  Häuptlingsrang  durch  einige  auf  die  Backen 
tätowirte  Längsstriche;  nach  Chamisso  damals  durch  einen  Bandstreif  von  Pandanus- 
Blatt  um  den  Hals. 

Nani6ntaU8Ch  findet  noch,  aber  nur  zwischen  Eingeborenen  statt;  Weisse  geben 
sich  nicht  mehr  damit  ab. 

BegrÜSSUng  ist  jetzt  fast  allgemein  das  durch  die  Mission  eingeführte  Handgeben. 
Die  Begrüssungsformel  »jokwejuk«  entspricht  ungefähr  unserem  »ich  liebe  Dich«. 
Freunde  pflegen  sich  beim  Wiedersehen  zu  umarmen  und  mit  der  Nase  zu  berühren, 
was  »medschenmä«  heisst,  aber  nicht  blos,  wie  Chamisso  sagt,  unter  Ehegatten  üblich 
ist.  Nach  Hernsheim  gibt  es  noch  eine  andere  Liebkosung  oder  Ausdruck  der  Zärtlich- 
keit durch  Berühren  mit  der  Zunge  (nicht  unser  Küssen),  »lagomedschi«  genannt« 


i3o  Dr.  O,  Finicb.  [386] 

Tauschmltt«)  (Geld).  Vermuthlkh  waren  Sponäylus-Schclbchen  (»Aahtt)  früher 
das  eigentliche  Eingeborenengeld.  Im  Uebrigen  wurden  hauptsächlich  Nahrungs- 
mittel, Matten  und  andere  Erzeugnisse  vertauscht,  wie  dies  zum  Theil  jetzc  noch  statt- 
findet. Schon  in  den  Siebziger  jähren  bezogen  die  christlichen  Eboniten  alle  Matten, 
Faserröcke,  Fischhaken,  Leinen  etc.  von  den  betriebsameren  Bewohnern  der  nördlichen 
Inseln.  Auf  Dschalut  war  es  zu  meiner  Zeit  noch  ähnlich,  aber  hier  bereits  wie  auf 
anderen  Inseln  mit  Handelsstationen  Silbermünze,  und  zwar  der  chilenische  Dollar  (zu 
circa  3-6o  Mark)  eingeführt.  Der  Taglohn  betrug  25  Cents  (=  circa  1  Mark)  pro  Tag, 
aber  die  durch  die  Mission  mehr  gebildeten  Eboniten  waren  in  dringenden  Fällen,  z.  B. 
Löschen  und  Laden  eines  Schilfes,  mit  einem  DoUar  pro  Tag  kaum  zufrieden. 

Verbot  (emö  =  tabu)  besteht  für  gewisse  Fälle  und  wird  von  den  Häuptlingen 
angeordnet.  Zur  Zeit  meines  Besuches  auf  Arno  war  z.  B.  keine  Cocosnuss  zu  haben. 
Als  Tabuzeichen  wird  ein  Cocosblatt  der  ganzen  Länge  nach,  mit  den  Enden  derBlati- 
fiedern  zusammen  geknotet,  um  den  Stamm  geflochten,  ganz  in  der  Weise,  wie  es  fast 
überall,  auch  in  Melanesien  geschieht,  was  allein  schon  das  Erklettern  sehr  erschwert 

2.  Stellung  der  Frauen. 

Bei  Besprechung  der  Stände  ist  bereits  der  durch  Geburt  bedingten  hervorragen- 
den Stellung  der  Häuptlingsfrauen  gedacht  worden,  deren  Wort  unter  Umständen  auch 
ftir  die  Beschlüsse  der  Männer  nicht  ohne  Einfluss  ist.  Schon  Chamisso  erwähnt  eioer 
Häuptlingsfrau  auf  Maloelab,  die  in  besonders  hohem  Ansehen  stand  und  auch  Kotze- 
bue  gedenkt  dieser  'Königin*.  Niedere  Männer  sollen  mit  einer  Irodschfrau  eigentlich 
nicht  sprechen,  und  früher  mussten  alle  Männer  der  zwei  obersten  Qassen  die  Insel  ver- 
lassen, wenn  der  Irod  seh -lablab  diese  verlicss.  Da  die  Reisen  mit  Canus  und  meist  zu 
mehreren  geschehen,  so  folgten  ja  ohnehin  die  meisten  Manner  dem  Häuptlinge.  .Aber 
auch  die  Frauen  nehmen  an  Seefahrten  wie  am  Kriege  theiL  Die  Behandlung  der 
Frauen  ist  im  Ganzen  eine  gute,  wenn  sie  auch  der  Willkür  des  Mannes  ausgesetzt  sind. 
Dass  Mädchen  durchaus  freien  Verkehr  mit  Männern  pflegen  und  damit  häufig  schon 
vor  erlangter  Pubertät  anfangen,  ist  schon  im  Vorhergehenden  erwähnt  worden.  Des- 
halb finden  auch  bei  der  ersten  Menstruation  keine  besonderen  Feste  statt,  aber  wäh- 
rend der  Periode  haben  Frauen  und  Mädchen  in  einer  etwas  abgesonderten,  eigens  dazu 
erbauten  Hütte  (»Dschukwen«)  zu  wohnen,  wie  dies  nach  Kubary  auch  auf  Yap  Sitte  ist. 

Besondere  Heiratsgebräuche  gibt  es  nicht,  als  dass  den  Eltern  der  Braut  Geschenke 
gemacht  werden;  auch  war  früher  für  den  niederen  Stand  die  Einwilligung  der  Irodsche 
nothwendig.  Die  Ehen,  für  die  Kajur  laut  Satzung  monogamisch,  sind  ziemlich  lax  und 
ziemlich  nahe  Blutsverwandtschaft  kein  Hinderniss,  denn  beim  Tode  eines  Irodsch  muss 
der  Bruder  die  hinterlassenen  Witwen  heiraten.  Ehebruch  ist  von  beiden  Seiten  nicht 
selten,  war  aber  nur,  wenn  mit  einer  Häuptlings  frau  begangen,  todeswürdig,  ein  Fall, 
der  aber  wohl  nur  seilen  vorkam.  Aber  der  Irodsch  hatte  seine  Frau  dem  ebenbürtigen 
Gaste  während  dessen  Anwesenheil  zu  überlassen  und  konnte  dem  Kajur  die  Frau  weg- 
nehmen; der  letztere  durfte  aber  keim;  ßesi-hicdene  Frau  lier  höheren  Stände  heiraten 
oder  überhaupt  Umgang  mit  ihr  pfli.'i;tn.  Ehescheidung  ist  häufig; 
die  Frau  nicht,  so  schickt  er  sie  liinfach  ihren  Angehörigen 
geborenen  verheiratete  Händler  pflegten  es  ebenso  zu 
einen  farbigen  Missionär  eingesi?[;;net  und  schriftlich  b 
Manne  mehrere  Kinder  schenkten,  durften  1 
Manne  essen,  wie  Kotzebue  seh'  m  die  gemcinschi 


[387]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  l3l 

erwähnt.     Meist  halten  sich  aber  die  Weiber  gesondert  und  hocken  z.  B.  bei  Ankunft 
von  Canus  in  Gruppen  für  sich  beisammen  am  Strande. 

Die  früheren  Gebräuche  bei  Geburten  waren  damals  schon  stark  in  der  Abnahme 
begriffen.  Die  Entbindung  fand  früher  in  einer  besonderen  Hütte  unter  Hilfe  alter 
Frauen  statt;  zum  Abschneiden  des  Nabelstranges  bediente  man  sich  einer  scharfen 
Muschel.  Gleich  nach  der  Geburt  wurde  das  Kind  in  dem  natürlich  lauen  Regenwasser 
gewaschen,  dann  mit  Cocosöl  eingerieben  und  auf  eine  feine  Matte  gebettet;  die  Ver- 
wandtschaft und  Freundschaft  kam,  um  das  Neugeborene  anzusehen.  Zugleich  zündete 
man  in  der  Hütte  ein  Feuer  an,  das  drei  Wochen  lang,  die  Zeit,  welche  die  Wöchnerin 
zu  verweilen  hatte,  unterhalten  wurde.  Dieses  Feuer  sollte  die  bösen  Geister  fernhalten 
und  wurde  von  einem  Drikanan,  Zeichendeuter  oder  Weissager,  unter  Hersagen  von 
Segenssprüchen  langsam  mit  Wasser  ausgelöscht.  Die  Mutter  durfte  während  der  drei 
Wochen,  mit  Ausnahme  gewisser  Fische,  Alles  essen,  aber  während  eines  Monats 
keinen  Umgang  mit  dem  Manne  pflegen.  Wenn  nach  Ablauf  der  drei  Wochen  die 
Mutter  mit  dem  Kinde  nach  ihrem  Hause  heimkehrte,  fand  grosser  Tanz  statt,  zuweilen 
an  mehreren  Tagen,  respective  Abenden.  Mit  der  Namensgebung  war  keinerlei  Fest- 
lichkeit, kein  Pathenwesen  verbunden.  Die  Eltern  gaben  den  Namen,  wie  es  ihnen  ge- 
rade einfiel,  mit  Vorliebe  den  einer  hervorragenden  Person.  So  nannte  Launa,  ein 
Irodsch  von  Kwajelein,  seinen  Sohn  Ledschebuggi,  nach  einem  alten  bekannten  Manne, 
ohne  dass  letzterer  davon  Mittheilung  erhielt.  Kinder  werden  wie  bei  allen  Eingebore- 
nen lange  Zeit,  oft  bis  ins  dritte  oder  vierte  Jahr  gesäugt,  *)  ausserdem  mit  Cocosmilch, 
Palmsaft,  später  Arrowrootmehl  aufgezogen.  Uneheliche  Kinder  und  deren  Mütter  trifft 
selbstredend  nicht  der  geringste  Tadel,  da  solche  Fälle  ja  keine  seltenen  sind.  Ohnehin 
kein  fruchtbares  Geschlecht,  sterben  ausserdem  eine  Menge  Kinder  während  der  Zahn- 
periode, wie  überhaupt  in  den  ersten  Lebensjahren,  so  dass  das  Gesetz,  welches  einer 
Mutter  nicht  mehr  als  drei  Kinder  erlaubt,  um  Ueberbevölkerung  vorzubeugen,  wenn 
überhaupt  jemals  existirend,  sehr  unnöthig  gewesen  sein  würde.  Der  Kindesmord,  wie 
ihn  Chamisso,  nur  auf  Kadu's  Zeugniss,  in  alle  Lehrbücher  einführte,  darf  daher  mit 
aller  Bestimmtheit  bestritten  und  die  Ehre  der  Marshallaner  muss  in  dieser  Richtung 
wieder  hergestellt  werden.  Kabua  war  beim  Tode  seines  kleinen  Sohnes  wie  geknickt 
und  weinte  tagelang;  dasselbe  Gefühl  und  Kinderliebe  findet  sich  aber  bei  dem  gering- 
sten Kajur.  Selbstredend  wachsen  Kinder  ohne  jede  Erziehung  auf  und  haben  ihren 
freien  Willen,  betragen  sich  aber  sehr  gut. 

3,  Vergnügungen. 

So  bedürftig  und  schweigsam  die  Marshallaner  für  gewöhnlich  auch  sind,  um  so 
lebendiger  und  beweglicher  werden  sie,  sobald  es  sich  um  Lustbarkeiten,  Feste  (»goje- 
goi«)  handelt.  Weniger  lärmend  als  auf  den  Gilberts,  zeichnen  sich  diese  Feste  auch 
dadurch  vortheilhaft  aus,  dass  sie  ohne  Trunkenheit,  Zank  und  Schlägerei  durchaus 
friedlich  verlaufen.  Aber  Musik  wird  natürlich  gemacht,  wenigstens  Lärm  geschlagen, 
und  dazu  bedient  man  sich  hauptsächlich  der: 

Adscha  (Nr.  599,  i  Stück,  Fig.  17),  Trommel;  66  Cm.  lang,  aus  einem  Stück 
leichten  Holzes  vom  »Gningc-Baum  gefertigt,  in  Form  einer  sanduhrähnlichen  hohlen 
l^öhre,  das  obere  schmälere  Ende  (19  Cm.  Diameter)  mit  der  Kehlhaut  (nach  Anderen 


^\  fV  *imisso   nach   Kadu  wieder  einmal  das  Wort   9TaII<   der  Uteaisprache 

.her  »Milch«:  Dren  in  ningening  =  Kinderwasser. 


l32 


Dr.  O.  Finsch 


[3881 


Fig.  17. 


Trommel. 
Dschalut. 


Magenhaut)  einer  Haiart  »Berro«  bespannt.  Dschalut.  (Vgl.  Abbild.  Choris:  PI.  U, 
Fig.  6;  Hernsheim:  »Beitrag  etc.«,  S.  95,  und  »Südsee-Erinnerungen«,  S.  86;  Finsch: 
Westermann's  Monatshefte,  1887,  S.  498,  Fig.  3.) 

Die  Trommel  der  Marshall-Inseln  (und  von  Ponape)  bildet 
einen  eigenen  Typus  und  unterscheidet  sich  von  der  melanesl- 
sehen  (vgl.  Taf.  [i3],  Fig.  i)  sehr  erheblich  durch  die  Ungleichheit 
der  beiden  Enden,  von  denen  das  untere  breiter  ist,  und  dadurch, 
dass  sie  keinen  Henkel  hat.  Obwohl  stets  ganz  glatt  und  ohne 
jede  Verzierung  in  Schnitzerei,  durch  welche  sich  die  melanesi- 
schen  Trommeln  oft  als  wahre  Kunstwerke  auszeichnen,  gehören 
die  Trommeln  der  Marshalls  doch  mit  zu  den  hervorragendsten 
Erzeugnissen  des  Eingeborenenfleisses.  Das  isolirte  Vorkommen 
dieses  Schlaginstrumentes  gerade  in  diesem  centralsten  Theile 
Mikronesiens  (sowie  nur  noch  auf  Ponape)  ist  ethnologisch  ein 
ganz  besonders  interessantes  und  zeigt  die  spontane  Entstehung 
gewisser  Geräthe  und  Gebräuche  an  den  entferntesten  Localitäten. 
Die  marshallanische  Trommel  schliesst  sich  in  der  Form  zunächst 
der  melanesischen  (Neu-Guinea  etc.)  an,  aber  gleiche  Lärminstru- 
mente sind  auch  weit  über  Polynesien  verbreitet.  So  verzeichnet 
Wilkes  von  Fakaafo  der  Tockelau-Gruppe  ausser  einer  trogförmi- 
gen  Trommel,  die  sich  zunächst  der  ähnlichen  auf  Fidschi  und 
Tonga  und  weiter  den  grossen  in  Melanesien  (Taf.  [3],  Fig.  8)  an- 
schliesst,  eine  kleinere.  Dieselbe  besteht  aus  einer  ausgehöhlten, 
mit  Haifischhaut  überzogenen  Holzröhre  und  wird  nicht  mit  den 
Händen,  sondern  zwei  hölzernen  Schlägeln  geschlagen.  Sehr  ähnlich  waren  die  Trom- 
meln der  alten  Samoaner  und  Hawaiier,  die  Wilkes  noch  1841  in  Gebrauch  sah.  Die 
Hawaiier  benutzten  eine  kleine  Trommel  aus  einer  Cocosnussschale,  mit  Haifischhaut 
überzogen,  die  mit  einem  hölzernen  Schlägel  geschlagen  wurde  (Choris:  PL  XI,  Fig.  4 
und  5  und  PI.  XII).  Ausser  zum  Taktschlagen  dienen  Trommeln  auch  anderen  Zwecken. 
So  erwähnt  Kotzebue,  dass  die  Bewohner  von  Otdia  bei  der  Ankunft  der  Corvette  die 
Trommeln  rührten,  »auf  diese  Art  die  Götter  um  Hilfe  anriefen«  und  »dass  diese  reli- 
giöse (!)  Handlung  die  ganze  Nacht  dauerte«.  Selbstredend  handelte  es  sich  nur  um 
Allarmiren  und  um  sich  gegenseitig  Muth  zu  machen. 
Ausschliessend  von  Frauen  benutzt  wird  der: 

Dimuggemuk  (Nr.  588,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  11),  Taktschlägel,  19  Cm. 
lang;  kegelförmiges,  rundes  (wie  gedrechseltes)  Stück  Hartholz  (Mangrove,  »Kinet«). 
Dschalut. 

Ich  erhielt  nur  noch  wenige  solcher  alten  Stücke,  darunter  eines,  in  welches  einige 
Vertiefungen  mit  Blei  ausgeschlagen  waren,  um  das  Gewicht  zu  erhöhen.  Diese  Takt- 
schlägel werden  bei  gewissen  Gesangsvorstellungen  der  Mädchen  und  Frauen  benutzt, 
um  durch  gegenseitiges  Anschlagen  der  Hölzer  helle  Töne  hervorzubringen,  welche  zur 
rhythmischen  Begleitung  dienen.  Aehnliche  Taktschlägel  ausBambu  finden  sich  auf  Neu- 
Britannien  (I,  S.  [28]);  die  hawaiischen  Frauen  bedienten  sich  kurzer  Stöckchen.  In  der- 
selben Weise  wurden  früher  von  den  Männern  runde,  circa  i  M.  lange  Tanzstöcke 
aus  Eisenholz  (Mangrove)  benutzt,  die  aber  damals  bereits,  wie  die  Taktschlägel  der 
Frauen,  durch  gewöhnliche  unbearbeitete  Knüppel  und  Holzstücke  ersetzt  waren. 

Ein  anderes  sehr  eigenthümliches  Schlaginstrument  der  alten  Hawaiier,  aus  einem 
in  der  Mitte  ausgeschnittenen  Stück  Bambu  (Choris:  PI.  XI,  Fig.  9  und  10)  erinnert  an 


[3801  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Sodsee.  l33 

ähnliche  Geräthe  zum  Taktschlagen  in  Melanesien  (Neu-Guinea  II,  S.  [122]  und  [254]) 
und  auf  Sarooa  (Wilkes  II,  S.  134).  Wie  diese  primitiven  Instrumente  in  Polynesien 
bereits  der  Vergangenheit  angehören,  so  wird  dies  auch  bald  auf  den  Marshalls  der  Fall 
sein.  Zu  meiner  Zeit  (1879)  waren  Trommeln  auf  Dschalut  noch  ziemlich  vertreten, 
und  ihre  dumpfen  Töne,  die  an  entferntes  Dreschen  erinnern,  konnte  man  oft  hören. 
Die  Trommel  diente  damals  nur  zum  Taktschlagen  bei  Begleitung  der  Gesänge  zu  den 
pantomimischen  und  gymnastischen  Vorstellungen,  den  sogenannten  Tänzen,  und  wird 
nur  vom  weiblichen  Geschlecht  bedient.  Die  auf  der  Erde  sitzende  Trommlerin  legt  das 
Instrument  mit  dem  vorderen  Ende  auf  ihren  Schoss  und  bearbeitet  das  Fell  mit  den 
Fingern  beider  Hände  (vgl.  Choris:  PI.  XVI  und  XIX).  Auf  Seereisen  werden  Trom- 
meln ebenfalls  mitgenommen  und  bei  Abfahrt  wie  Ankunft  von  den  Weibern  darauf 
Lärm  geschlagen. 

»Dschilil«,  die  bekannte  Muscheltrompete  aus  Tritonium  tritonis,  war  damals  noch 
in  Gebrauch,  wie  immer  nur  zum  Signalblasen.  Dafür  ist  sie  bei  Seereisen  unentbehr- 
lich, um  die  Canus  während  der  Nacht  zusammenzuhalten.  Jeremia,  der  farbige  Mis- 
sionär auf  Dschalut,  blies  freilich  oft  ziemlich  erfolglos  nach  seinen  Bekehrten,  obwohl 
der  Ton,  ähnlich  dem  Brunfthirsche,  sehr  weit  hörbar  ist.  Abbildungen  der  Muschel- 
trompete: Choris,  PL  II,  Fig.  5  (ungenau);  Finsch,  Westermann's  Monatshefte,  1887, 
S.  449,  Fig.  4. 

Gesang  und  Tanz,  nach  der  alten  Weise,  hatten  sich,  trotz  des  Dagegeneiferns  der 
Mission,  noch  damals  in  voller  BlUthe  erhalten  und  wurden  bei  jeder  passenden  Ge- 
legenheit ausgeübt,  besonders  bei  der  Ankunft  von  Canus.  Selbstredend  handelt  es  sich 
nicht  um  Tanz  in  unserem  Sinne,  sondern  um  Vorstellungen,  die  Chamisso  sehr  pas- 
send mit  »sitzende  Liedertänze«  bezeichnet.  In  der  Hauptsache  sind  es  Bewegungen 
der  Arme,  Verdrehen  der  Augen,  seltener  Trippeln  der  Beine,  wobei  gesungen,  respec- 
live  geschrieen  und  mit  Trommeln,  Stöcken  und  Händen  Takt  geschlagen  wird.  Beide 
Geschlechter  haben  ihre  eigenen  Vorstellungen,  die  indess  insofern  gemeinschaftlich 
sind,  als  die  Frauen  stets  das  Singen  und  Lärmmachen  besorgen,  also  gleichsam  die 
Kapelle  bilden.  »E-üb«  wird  nur  von  Weibern  vorgetragen.  Sie  sitzen  dabei  in  zwei 
Reihen  einander  gegenüber,  zwischen  sich  eine  Schlafmatte  ausgebreitet,  und  halten  in 
jeder  Hand  einen  der  vorher  erwähnten  Taktschlägel  (»Dimuggemuk«),  Ein  Anfangs 
leiser,  dann  immer  lauter  und  rascher  tönender  Gesang  wird  durch  entsprechendes  An- 
schlagen der  Hölzer  gegeneinander,  wie  auf  die  Matte  begleitet  und  endet  mit  einem 
gellenden  Schrei.  Die  Bewegungen  und  das  Klappern  mit  den  Hölzern  ist  sehr  wechsel- 
voll, nicht  minder  die  Verdrehungen  des  Kopfes  und  namentlich  der  Augen,  welche 
manche  der  Vortragenden  am  Schlüsse  jeder  Vorstellung  in  der  unnatürlichsten  Weise 
zu  verdrehen  wissen.  Bei  diesem  »E-üb«  sah  ich  übrigens  kleine,  kaum  sechs  Jahre  alte 
Mädchen  mitwirken,  die  ihre  Sache  so  gut  als  Erwachsene  machten.  Aehnliche  Vor- 
stellungen beschreibt  Wilkes  von  Samoa,  wobei  die  Mädchen  ebenfalls  mit  Stöckchen 
auf  einer  Matte  und  mit  Händeklatschen  den  Takt  schlugen. 

Sehr  beliebt  sind  die  Gesangsvorstellungen  (>Elulu«  =  Gesang),  welche  meist 
Häuptlinge  zum  Besten  geben  und  bei  denen  Kabua  selbst  häufig  mitwirkte.  Die  Vor- 
tragenden, selten  mehr  als  drei,  sind  glänzend  mit  Cocosöl  eingerieben  und  besonders 
geschmückt  mit  Kopfbinden  aus  Muscheln  (Taf.  [22],  Fig.  i  und  2),  Blumenkränzen, 
Halsbändern  und  Federschmuck  an  Armen  und  Daumen,  zuweilen  im  Haar  (vgL  die 
unter  Schmuck  beschriebenen  Gegenstände).  Auf  ausgebreiteten  Matten  sitzend  und 
mit  einer  Matte  so  bedeckt,  dass  der  ganze  Körper  frei  bleibt,  besteht  die  ganze  Kunst 
in  eigenartigen,  wie  durch  einen  Krampf  hervorgebrachten  Verdrehungen  des  Ober- 


i34  Dr.  O.  Finsch.  [3go] 

körpers  und  ganz  besonders  der  Arme  und  Augen,  wobei  leise  eine  eintönige  Strophe 
gesungen  wird.  Diese  Verzerrungen,  Verdrehungen  und  Zuckungen  müssen  sehr  an- 
strengend sein,  denn  die  Darsteller  gerathen  gewaltig  in  Schweiss,  den  ihnen  sorgsame 
Frauenhände  am  Ende  jeder  Tour  abwischen.  Die  im  Halbkreise  um  die  Vortragenden 
sitzende  weibliche  Einwohnerschaft  begleitet  die  Vorstellung  mit  Gesang,  zu  welchem 
Frauen  mit  Trommeln,  die  übrigen  mit  Händeklatschen  den  Takt  schlagen.  Der  Ge- 
sang beginnt  wie  immer  leise  und  langsam  und  endet  in  immer  schnellerem  Tempo  in 
einem  gellenden,  grässlichen  Schrei.  Die  in  der  »Gartenlaube«  (1886,  S.  37)  nach 
meinen  Skizzen  entworfene  Abbildung  einer  solchen  Vorstellung  ist  durch  künstlerische 
Freiheiten  in  den  Details  vielfach  verfehlt,  gibt  aber  immerhin  eine  gute  Vorstellung. 
Eine  durchaus  exacte  Vorlage  übergab  ich  seinerzeit  dem  k.  k.  naturhistorischen  Hof- 
museum, die  zu  einem  Wandgemälde,  die  MarshaU-lnsulaner  darstellend,  dienen  sollte. 

»Gjörräng«  heisst  eine  Aufführung  der  Männer,  die,  bei  Weitem  am  wirkungs- 
vollsten, auch  für  europäische  Augen  ungemein  interessant  und  anziehend  wirkt,  aber 
schon  damals  kaum  mehr  stattfand.  Die  Theilnehmer  stehen  sich  dabei  in  zwei  Reihen 
oder  gruppenweise  gegenüber  und  schlagen  mit  längeren  Stöcken  den  Takt  zum  Ge- 
sänge, der  ausserdem  von  der  Weiberkapelle  mit  Trommelschlag  und  Händeklatschen 
begleitet  wird.  Der  »Gjörräng«  ist  reich  an  wechselvollen  Touren;  bald  schlängeln  sich 
die  Theilnehmer  wie  bei  unserer  Polonaise,  oder  gerathen  wie  in  wildem  Kampfe  durch- 
einander, oder  einzelne  produciren  sich  im  Solo,  wobei  jeder  durch  zitternde  Bewegun- 
gen des  Oberkörpers  und  der  Arme,  die  bis  in  die  Fingerspitzen  zu  vibriren  scheinen, 
nicht  minder  durch  krampfhaftes  Augenverdrehen  und  Trippeln  der  Beine  zu  excel- 
liren  sucht.  Dabei  wird  von  den  Theilnehmern  bald  gedämpft,  bald  schrill  und  miss- 
tönend gesungen,  und  der  Chor  der  Männer  wechselt  zuweilen  mit  dem  der  Weiber  ab. 

Die  Theilnehmer  des  »Gjörräng«  kleiden  sich  übrigens,  soweit  als  möglich,  in 
den  feinsten  Kriegsstaat,  denn  die  ganze  Vorstellung  ist  in  der  That  Imitation  eines 
Kampfes.  Ein  eigentlicher  Kriegstanz  ist  es  nicht,  denn  bei  Gelegenheit  der  Kriegs- 
unruhen auf  Dschalut  wurde  der  »Gjörräng«  nicht  aufgeführt,  wie  an  demselben  nicht 
blos  Männer,  sondern  auch  kleine,  kaum  zwölfjährige  Knaben  theilnahmen.  Diese  Vor- 
stellung ist  übrigens  sehr  anstrengend  und  die  Theilnehmer  am  Schlüsse  derselben  wie 
in  Schweiss  gebadet. 

Kotzebue  beschreibt  (»Neue  Reise«,  S.  178)  solche  Tanzaufführungen,  die  im 
Wesentlichen  mit  den  heutigen  übereinstimmen;  nur  wurde  die  Muscheltrompete  dabei 
geblasen,  weil  die  Aufführung  eben  eine  »Schlacht«  darstellen  sollte.  Wenn  Kotzebue 
in  einer  anderen  Vorstellung  (S.  182),  bei  welcher  Mädchen  mitwirkten,  eine  »Ver- 
mählungsceremonie«  zu  erkennen  glaubte,  so  ist  dies  eine  phantasievolle  Deutung,  die 
mit  der  Wirklichkeit  nicht  übereinstimmt.  Solche  Schmachtscenen  kennen  die  Ein- 
geborenen nicht;  dagegen  entspricht  ihren  sinnlichen  Anschauungen  eine  lascive  Vor- 
stellung der  Mädchen  (»Rrumm«  genannt),  welche  aus  Rücksicht  auf  die  Mission 
damals  nur  unter  besonders  günstigen  Verhältnissen  zu  sehen  war  und  bisher  unbe- 
schrieben blieb.  Die  ausführenden  Mädchen  trugen  als  einzige  Bekleidung  eine  Matte, 
von  der  ein  Zipfel  zwischen  den  Beinen  durchgezogen,  mit  einem  Strick  um  die  Hüften 
befestigt  war,  Hessen  aber  im  Laufe  der  Vorstellung  auch  diese  Hülle  fallen  und  erschie- 
nen dann  völlig  nackt.  Die  sowohl  sitzend  als  stehend,  einzeln  oder  zu  Mehreren 
vorgeführte  Production  bestand,  ausser  dem  bekannten  Augenverdrehen  unter  Beglei- 
tung von  Gesang  und  Händeklatschen  durch  eine  Damenkapelle,  hauptsächlich  in  einer 
vibrirenden  Bewegung  der  unteren  Bauchpartie,  Wackeln  mit  dem  Gesäss,  also  einer 
Imitation  des  Coitus,  wobei   auch  die  Bewegung  des  Mannes  zur  Darstellung  kam. 


r3Qil  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegsfQcke  aus  der  SQdsee.  l3^ 

Ohne  Zweifel  wurden  diese  Vorstellungen  schon  von  Chamisso*s  »züchtigen,  keuschen, 
sittigen  Jungfrauen«  aufgeführt,  und  damals  blieb  es  wohl  nicht  blos  bei  der  Pantomime. 
Aehnliche  ziemlich  unanständige  »Tänze«  beschreibt  Wilkes  von  Samoa  (II,  S.  i34). 

Wie  die  Gesänge  (»Elulu«)  nicht  musikalisch,  so  sind  die  Worte  zu  denselben 
nicht  poetisch,  sondern  behandeln  in  ermüdender  Wiederholung  gewisse  Strophen  die 
gewöhnlichsten  Vorkommnisse.  Kotzebue  und  Chamisso ')  geben  bereits  Proben  davon, 
und  ich  kann  ein  paar  weitere  hinzufügen.  Ein  Gesang,  den  ich  auf  Arno  hörte,  bezog 
sich  nur  auf  Cocosnüsse.  »Copra  wird  gemacht«  sangen  die  Männer,  »bringen  in 
Coprahaus«  die  Weiber  u.  s.  w.  Eine  andere  Weise  handelte  nur  vom  Tabak:  »Gib  uns 
Tabak  —  wir  verlangen  sehr  —  wo  ist  er  geblieben  —  der  so  weit  —  der  Tabak,  Tabak« 
u.  s.  w.  Den  nichtssagenden  Text  solcher  Gesänge  theilt  auch  Hernsheim  mit  (»Mar- 
shall-Spracbe«,  S.  32  und  »Südsee-Erinnerungen«,  S.  86). 

Besondere  Häuser  zum  Abhalten  von  Tanzvorstellungen  gibt  es  auf  den  Marshalls 
nicht,  aber  auf  Arno  sah  ich  vor  dem  Hause  des  Königs  einen  sorgsam  geebneten  und 
mit  weissem  Korallsand  bestreuten  Tanzplatz.  Die  Vorstellungen  fangen  manchmal 
schon  früh  an  und  dauern  fast  den  ganzen  Tag,  finden  aber  der  Hitze  wegen  vorzugs- 
weise gegen  Abend  oder  noch  lieber  bei  Mondenschein  statt,  dauern  aber  nicht  Nächte 
lang,  sondern  enden,  wie  ich  oft  notirte,  meist  gegen  Mitternacht.  Für  die  ausserordent- 
liche körperliche  Anstrengung  ist  .dies  auch  hinreichend. 

Tanzschmuck  ist  im  Vorhergehenden  (S.  [BSg])  erwähnt  und  im  Nachfolgenden 
unter  »Schmuck«  eingehend  beschrieben. 

Spiele  sind  mir  nicht  bekannt  geworden. 

4.  Fehden  und  Krieg. 

Obwohl  nicht  sehr  kriegerisch,  haben  die  Marshallaner  doch  von  jeher  Streit 
untereinander  gehabt  und  in  Folge  dessen  Kriege  geführt,  die  nicht  selten  Eroberungen 
galten.  Schon  Chamisso  musste  mit  innigem  Bedauern  diese  Thatsache  zugeben.  Denn 
Lamari,  der  Irodsch-lablab  über  Aur,  Maloelab  und  Wotsche,  wollte  seine  Feinde  von 
Madschuru,  Arno  und  Milli  unter  Latete  angreifen  und  war  bereits  so  schlau,  sich  von 
dem  mächtigen  Fremden  mit  dem  Kriegsschiffe  Hilfe  zu  erbitten.  Capitän  von  Kotze- 
bue gab  ihm  denn  auch  etliche  Lanzen  und  Enterhaken,  wofür  er  als  Gegengabe  sechs 
Rollen  präservirten  Pandanus  erhielt.  Die  neuen  Waffen  hatten  dann  auch  den  Krieg 
in  sechs  Tagen  beendet,  von  mehreren  Hundert  waren  aber  nur  fünf  gefallen.  Als 
von  Kotzebue  1824  zum  zweiten  Male  die  Marshalls  besuchte,  fand  er  Wotsche  wie- 
derum im  Kriegsaufruhr,  veranlasst  durch  Streitigkeiten  von  Häuptlingen,  denen  dann 
ja  die  niederen  Stände  Heerfolge  leisten  mussten.  Chamisso  hatte  übrigens  nicht  Ge- 
legenheit Kämpfen  beizuwohnen,  und  seine  einzige  Quelle  ist,  wie  so  häufig,  Kadu. 
Darnach  ergibt  sich,  dass  schon  damals  die  Frauen  mit  in  den  Streit  zogen,  trommelten, 
Steine  warfen,  die  Kämpfenden  zu  trennen  versuchten,  dass  aber  die  Schlachten  im 
Ganzen  wenig  blutige  waren.  Allerdings  sollten  in  einem  früheren  Kriege  20  Krieger 
gefallen  sein,  aber  die  neuliche  Schlacht  auf  Tabual  (Atoll  Aur)  hane  nur  vieren  das 
Leben  gekostet.  Damals  scheinen  auch  zwischen  Ratak  und  Ralik  Kriege  stattgefunden 
zu  haben,  denn  ein  alter  Mann  des  Ailuk- Atoll  zeigte  eine  Wundnarbe,  die  er  auf  Ralik 
erhalten  haben  wollte.    Ich  selbst  erinnere  mich  kaum,  Marshallaner  mit  Wundmalen 


')  Die  in  Band  II,  S.  112  mitgetheilten  »Lieder  von  Radak«  sind  dichterische  Uebertragungen, 
die  der  Wirklichkeit  nicht  entsprechen. 

Annalen  de»  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseiims,  Bd.  VIIT,  Heft  2,  1893.  II 


l36  '  Dr.  O.  Finsch.  [3 92] 

gesehen  zu  haben,  machte  aber  den  grossen  Krieg  auf  Dschalut  mit,  den  ich  a.  a.  O. ') 
ausführlicher  beschrieben  habe,  so  dass  ich  aus  Erfahrung  mitsprechen  darf.  Dabei  gab 
es  nun  zwar  keine  blutigen,  aber  um  so  lächerlichere  Scenen,  und  von  Tapferkeit  und 
Heldenthaten  konnte  überhaupt  keine  Rede  sein.  Die  Ursache  des  Krieges  war  ein 
unbedeutendes  Stück  Land  auf  Dschabwor,  das  der  Irodsch-lablab  Kabua  diesmal  nicht 
einem  Weissen,  sondern  einem  schwarzen  Wirthe  »black  Tom«  verkauft  hatte  und  das 
sein  Bruder  Loiak  beanspruchte.  Darauf  zog  sich  der  letztere,  auch  ein  Irodsch,  mit 
seinen  Leuten  auf  eine  andere  Insel  des  Dschalut-AtoU  zurück,  und  Kabua  rüstete,  um 
dem  Angriff  tapfer  standzuhalten.  Da  erschien  er,  wie  seine  Mannen  denn  allesammt, 
im  Nationalcostüm,  es  wurde  viel  getrommelt,  gemimt,  Augen  verdreht  und  alle  alten 
Waffen,  Speere,  Walspaten  etc.  hervorgesucht.  Endlich  nahte  die  feindliche  Flotte, 
20  Canus  stark,  Kabua  musterte  sein  Heer,  Alles  in  Allem  85  Krieger,  Greise,  Krüppel 
und  Knaben  inbegriffen,  und  zog  dem  Feinde,  mit  Spencer-Riffle  und  Lanze  bewaffnet, 
muthig  entgegen;  die  tapferen  Weiber  mit.  Sie  trugen  in  Körbchen  Lebensmittel, 
Cocosnüsse,  aber  auch  Steine  und  »pain-killer«,  eine  amerikanische  Universalmedicin, 
die  sich  bei  den  Eingeborenen  bereits  eingeführt  hatte.  Loiak  landete  mit  seinen  Trup- 
pen, etwa  150  Köpfe  stark,  die  Weiber  inbegriffen,  aber  Kabua  durfte  ihn  nach  Kriegs- 
gebrauch noch  nicht  angreifen,  da  sein  eigentliches  Gebiet  noch  nicht  verletzt  war.  In 
bewund ernswerth er  Eile  errichtete  man  aber  eine  Schanze,  4 — 5  Fuss  hoch  und  ebenso 
breit,  aus  Korallsteinen,  über  die  ganze  Breite  der  Insel,  an  dieser  Stelle  allerdings  nur 
ein  paar  hundert  Schritt,  denn  dieses  Verschanzen  scheint  ein  eigen thümlicher  Zug  in 
der  Kriegsführung  der  Marshallaner  zu  sein.  Trotz  Wachposten  durften  Soldaten  des 
Feindes  ruhig  passiren,  um  ihre  Weiber  zu  besuchen  und  bei  dem  weissen  Händler 
Pulver  und  Blei  zu  kaufen.  Abends  beim  Schein  der  Feuer,  wenn  die  Weiber  mit  Trom- 
meln und  Gesang  einen  Höllenlärm  machten,  wurde  aber  viel  und  scharf  geschossen, 
blindlings  in  das  Dunkel  der  Nacht  hinein,  um  den  Feind  zu  schrecken  und  den  eigenen 
Muth  zu  stärken.  Aber  bei  aller  der  Schiesserei  gab  es  keinen  Verwundeten,  und  als 
beide  Theile  erschöpft  waren,  keine  Patronen  (ä  20  Pf.)  mehr  auf  Credit  erhielten, 
nichts  mehr  zu  leben  hatten,  da  wurde,  allerdings  erst  nach  Monaten,  Friede  geschlossen. 
Kabua  trat  seine  Domäne  wieder  an,  fand  auf  den  Inseln,  wo  Loiak  gehaust  hatte,  zwar 
die  Cocospalmen  noch  vor,  aber  keine  Nüsse,  denn  diese  hatte  sein  Gegner  bereits  in 
Form  von  Copra  an  die  weissen  Händler  verkauft.  Nach  Chamisso  wurden  schon  da- 
mals die  Palmen  aller  Früchte  beraubt  (nach  Kotzebue  sogar  die  Palmen  vernichtet?) 
und  überdies  die  etwaigen  männlichen  Gefangenen  erschlagen,  aber  »der  Sieger  nahm 
den  Namen  seines  erschlagenen  Feindes«  an  —  sofern  er  ihn  wusste. 

Jedenfalls  waren  vor  Einführung  von  Feuerwaffen  die  Kriege  blutiger.  Dies  be- 
weist das  Nachspiel,  welches  der  eben  geschilderte  Krieg  später  auf  den  zwei  nördlichsten 
Inseln  der  Ralikkette,  Rongerik  und  Rongelap,  fand,  die  Kabua,  respective  Loiak  ge- 
hörten. Kaum  hatten  die  Eingeborenen  dieser  Inseln  von  dem  Kriege  auf  Dschalut  Kunde 
erhalten,  als  sie  übereinander  herfielen  und  ohne  Feuerwaffen  Kämpfe  führten,  wobei 
mehrere  gefallen  sein  sollen. 

Auf  Arno  sah  ich  auch  gewaltige  Schanzbauten  in  der  Nähe  des  Königshauses,  denn 
eben  war  erst  ein  zweijähriger  Krieg  beendet,  in  welchem  auch  viel  Pulver  verschos- 
sen, aber  nur  drei  Leute  verwundet  wurden,  obwohl  beide  Parteien  oft  an  900  Krieger, 
inclusive  Frauen  und  Kinder,  ins  Feld  stellten. 

Seekriege,  d.  h.  mit  Canuflotten,  wurden  nicht  geführt. 


I)  »Gartenlaube«,  1881,  S.  700—703. 


[SqS]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  137 

Streit  unter  Eingeborenen  der  gewöhnlichen  Classen  findet  im  Ganzen  selten, 
höchstens  in  der  Betrunkenheit  statt  und  verläuft  meist  ohne  blutige  Köpfe.  Die  Rauf- 
bolde werden  gewöhnlich  von  ihren  Weibern  oder  Angehörigen  festgehalten,  bis  sie 
sich  in  gegenseitigen  Schmähungen  ausgeschrieen  haben.  Es  geht  also  bei  Weitem 
friedlicher  zu  als  auf  den  Gilberts. 

5.  Waffen. 

Wie  wir  eben  gesehen  haben,  waren  die  Eingeborenen  bereits  reichlich  mit  Feuer- 
gewehren versorgt,  und  die  Dschaluter  standen  damals  (1879)  ^"^  Uebergangsstadium 
von  den  gewöhnlichen  Percussionsge wehren  (»Bu«  genannt)  zu  Hinterladern,  wovon 
die  187 1  den  Mobilgarden  abgenommenen  Tabati^regewehre  damals  zuerst  eingeführt 
wurden.  Erst  während  der  Kriegsunruhen  kamen  die  alten  eingeborenen  Waffen  zum 
Vorschein,  die  sich  übrigens  auf  den  nördlichen  Inseln  noch  allgemein  erhalten  hatten 
und,  soweit  ich  mich  unterrichten  konnte,  nur  in  Wurfspeeren  und  Schleuder  bestan- 
den. Chamisso  erwähnt  noch  von  Ratak  einen  »an  beiden  Enden  zugespitzten  Stab 
(»Gilibilip«  '),  der,  im  Bogen  geschleudert,  wie  der  Durchmesser  eines  rollenden  Rades, 
sich  in  der  Luft  schwingt  und  mit  dem  Ende,  womit  er  vorne  fällt,  sich  einbohrt«. 
Diese  Kampfwurfstöcke  habe  ich  nicht  mehr  gesehen,  vermuthe  aber,  dass  sie  mit  den 
Tanzstöcken  (S.  [388])  identisch  sind,  wie  solche  ja  auf  den  Carolinen  (Ruk)  auch  gleich- 
zeitig als  Waffe  und  Tanzgeräth  dienen. 

Charakteristisch  für  die  Waffen  des  Marshall-Archipel  ist  die  äusserst  seltene  Ver- 
wendung von  Haifischzähnen  als  Material  zur  Bewehrung.  Chamisso  erhielt  auf  Meschit 
>ein  kurzes,  zweischneidig  mit  Haifischzähnen  besetztes  Schwert«  (Choris,  PL  II,  Fig.  i), 
bemerkt  aber  ausdrücklich,  dass  er  nur  dies  eine  sah.  Wahrscheinlich  stammte  es  von 
einem  verschlagenen  »Repith-Urur«  (Gilbert,  s.  S.  [339]  Anm.)  her,  die  ja  auf  den  Mar- 
shalls meist  erschlagen  wurden.  Haifischzahnschwerter  sind  also  unter  die  gebräuch- 
lichen Waffen  der  Marshallaner  nicht  aufzunehmen,  dagegen  wohl  aber  mit  Haifisch- 
zähnen besetzte  Speere,  die  aber  nach  den  Abbildungen  bei  Choris  sehr  erheblich  von 
den  gleichartigen  Waffen  der  Gilbert-Insulaner  abweichen.  Die  Spitze  des  einen  Speeres 
(PI.  II,  Fig.  3)  ist  nämlich  mit  sehr  wenigen  Haifischzähnen  (im  Ganzen  6)  bewehrt,  zeigt 
ausserdem  aber  auch  ins  Holz  eingeschnitzte  Widerhaken;  der  andere  Speer  (Fig.  4)  hat 
eine  Doppelspitze,  die  jederseits  mit  10 — 12  Haifischzähnen  besetzt  ist.  Ich  möchte 
daher  bezweifeln,  dass  der  über  3  M.  lange,  ganz  in  der  Gilbertweise  mit  Haifischzähnen 
bewehrte  Speer,  welchen  ich  auf  Dschalut  unter  dem  Namen  »Rairat«  oder  »Raddirat« 
erhielt,  wirklich  auf  den  Marshalls  gemacht  wurde.  Dieselben  Zweifel  gelten  in  Bezug 
auf  die  Echtheit  des  mit  Haifischzähnen  besetzten  Speeres,  den  Hernsheim  in  der  Hand 
von  Kubu  (»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  9)  abbildet.  Dieser  Speer  ist  allerdings  nach 
Marshallmanier  in  zierlichem  Muster  mit  Pandanus-Gt^tohl  umsponnen,  allein  diese 
Verzierung  ist  wohl  erst  später  auf  Dschalut  gemacht  worden.  Wie  ich  unter  den 
Waffen  der  Eingeborenen  noch  Walspaten  aus  der  Zeit  des  Walfischfanges  sah,  so 
mochten  sich  auch  Waffen  der  Gilbert-Insulaner  erhalten  haben,  die  gar  nicht  so  selten 
auf  die  Marshalls  verschlagen  wurden.  Vermuthlich  existiren  auf  Ratak  noch  heute 
Exemplare  jener  Waffe,  die  durch  Kotzebue  zuerst  eingeführt  wurde,  nämlich  eiserne 
Beile,  deren  Klingen  die  Eingeborenen  auf  lange  Stöcke  steckten  und  als  Streitäxte  be- 
nutzten. Dies  erinnert  an  die  ähnlich  entstandene  moderne  Waffe  in  Neu-Britannien 
(I,  S.  [24],  Taf.  4,  Fig.  10). 


I)  Das  Wort  findet  sich,  wie  so  viele,  nicht  bei  Hernsheim,  dagegen  »Gilikelik«  =  Dorn. 


II* 


l38  Dr.  O.  Finsch.  [394] 

Häufiger  als  mit  Haifischzähnen  besetzte  Speere  waren  jedenfalls  solche  mit 
Rochenstachel  (Choris^  PI.  VIII,  mit  drei  Stacheln),  wie  sie  ähnlich  auch  auf  den  Gil- 
berts und  auf  Samoa  vorkamen.  Von  Otooha  (Paumotu)  erwähnt  Wilkes  Speere  (ein- 
fache, 6 — 7  Fuss  lange  Stöcke),  an  der  Spitze  mit  dem  Unterkiefer  eines  Delphins  be- 
wehrt (I,  S.  322,  Abbild.). 

Ich  erhielt  auf  den  Marshalls  keine  Speere  mit  Rochenstacheln,  sondern  nur  ge- 
wöhnliche, d.  h.  schlanke,  an  beiden  Seiten  zugespitzte,  2  bis  fast  3  M.  lange  Stöcke  aus 
Holz  der  Cocospalme,  wie  die  folgende  Nummer: 

Mari  (Nr.  705,  i  Stück)  Wurfspeer  aus  Palmholz.  Dschalut. 

Eine  feinere  Sorte  ist: 

Mari  (Nr.  704,  i  Stück),  wie  vorher,  aber  der  Speer  bis  auf  ein  jederseits  circa 
50  Cm.  langes  Ende  dicht  mit  hellem  Pandanus-Blatt  und  schwarzgefärbtem  Hibiscus- 
Bast  in  zierlichem  Schachbrettmuster  umsponnen,  die  einzige  Verzierung,  welche  mir 
bei  Marshallspeeren  vorkam. 

Eine  andere  Sorte: 

Bobug  (Taf.  II  [ig],  Fig.  i,  Spitzentheil),  Wurfspeer,  2*25  M.  lang,  rund,  aus 
Eisenholz  (Mangrove),  mit  einer  in  sieben  abgesetzten  Kerben  geschnitzten  Spitze,  ge- 
hört der  Vergangenheil  an,  und  ich  erhielt  davon  nur  noch  ein  Stück. 

Sehr  abweichend  sind  die  Widerhaken  an  der  Spitze  des  von  Choris  (PI.  H,  Fig.  2) 
abgebildeten  Marshallspeeres. 

Die  Schleuder  (»Buat«),  wie  sie  damals  wahrscheinlich  noch  auf  den  nördlichen 
Inseln,  auf  Dschalut  aber  bereits  nicht  mehr  gebraucht  wurde^  ist  eigenthümlich  und 
wesentlich  von  der  der  Carolinen  verschieden.  Das  Polster,  auf  welches  der  Stein  gelegt 
wird,  besteht  aus  einem  viereckigen  Stückchen  Mattengeflecht  aus  P^n^a^iu^-Blattfaser, 
an  welches  zwei  Stricke  befestigt  sind.  Die  Proben,  welche  mir  im  Steinwerfen  mit  der 
Schleuder  vorgeführt  wurden,  bekundeten  keine  grosse  Fertigkeit,  wie  dies  schon  Cha- 
raisso  erwähnt.  Dagegen  verstand  man  sehr  geschickt  mit  der  Hand  Steine  (KoraU- 
trümmer)  zu  werfen  und  prakticirte  dies  früher  auch  im  Kriege. 

6.  Bestattung. 

Die  widerlichen  Gebräuche  der  Gilbert-Insulaner  in  der  Behandlung  Verstorbener 
finden  auf  den  Marshalls  nicht  statt,  ebensowenig  eine  Verehrung  der  Schädel  durch 
Aufbewahren  derselben,  wodurch  sich  die  Bewohner  beider  Archipele,  auch  in  die.ser 
Beziehung  wesentlich  unterscheiden.  Die  frühere  Bestattungsweise  hatte  durch  den 
christlichen  Einfluss  an  den  Missionsplätzen  zum  Theil  schon  Einbusse  erlitten,  aber  ich 
erhielt  noch  eingehende  Kunde  durch  Kabua  und  einem  Häuptling  des  Atoll  Kwajalein. 
Beim  Tode  eines  Häuptlings  oder  Angesehenen  erhob  sich  zunächst  ein  grosses  Geklage, 
hauptsächlich  seitens  der  Weiber,  dann  fanden  einen  ganzen  Tag  und  eine  Nacht,  oft 
zwei  Tage  lang  Gesang-  und  Tanzaufführungen  statt.  Es  waren  dies  aber  keine  beson- 
deren, sondern  dieselben  wie  sie  im  Vorhergehenden  (S.  [388]),  namentlich  unter  »Eluluc 
beschrieben  sind.  In  den  Gesängen  feierten  weise  Männer  (Drikanan)  das  Leben  und 
die  Thaten  des  Verstorbenen,  der  übrigens  nicht  in  Parade  ausgestellt  war.  Inzwischen 
hatten  Männer  (sechs  Männer!)  das  circa  3  Fuss  tiefe  Grab  (»Uliej«:  Kubary;  »Lüp«: 
Hernsheim)  gegraben,  bei  dem  harten  Grund  und  Boden  ein  mühsames  Stück  Arbeit. 
Die  Leiche  wird  (aber  nicht  in  »sitzender  Stellung«,  wie  Chamisso  sagt)  in  dicke  Schlaf- 
matten (Nr.  196)  eingeschnürt  und  so  ins  Grab  gelegt,  dass  der  mit  zwei  Matten  beson- 
ders bedeckte  Kopf  nach  Sonnenuntergang  liegt,  mit  dem  Antlitz  sich  also  nach  Osten 


[Sgc]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  l3g 

wendet.  Als  Gaben  erhält  der  Todte  einen  Bastrock  (Ihn),  zwei  Matten  und  sonstigen 
Schmuck,  jetzt  häufig  auch  eine  wollene  Decke,  mit  ins  Grab.  Die  nächsten  Anver- 
wandten, besonders  der  Bruder  des  Verstorbenen  werden  bei  der  Gelegenheit  von  Allen 
beschenkt.  Das  Grab  wird  von  den  (sechs)  Männern  mit  Sand  gefüllt,  ein  flacher  Hügel 
aus  Koralltrümmern  aufgeschüttet,  mit  einer  Einfassung  von  auf  die  hohe  Kante  ge- 
stellten Korallplatten.  Zuweilen  verwendet  man  auch  kurze  Stöckchen  als  Einfriedung 
und  steckt  am  Kopfende  des  Grabes  ein  altes  Ruder  in  die  Erde,  manchmal  ein  zweites 
am  Fussende,  wie  ich  dies  beim  Grabe  des  Königs  auf  Arno  sah.  Die  (sechs)  Todten- 
gräber  mussten  drei  Wochen  lang  am  Grabe  Wache  und  ein  Feuer  unterhalten,  ver- 
muthlich  um  böse  Geister  zu  verscheuchen,  und  wurden  während  der  Zeit  verpflegt. 
Vornehme  Frauen  wurden  ganz  in  derselben  Weise  wie  Männer  bestattet,  aber  mit 
Wenigbemittelten  der  niederen  Stände  machte  man,  wie  überall,  nicht  viel  Umstände, 
und  begrub  sie  entweder  in  weniger  tiefen  Gräbern  oder  übergab  sie  (nach  Hernsheim) 
in  eine  Matte  gebunden,  dem  Meere.  Nach  Chamisso  bezeichnete  »ein  eingepflanzter 
Stab  mit  ringförmigen  Einschnitten  das  Grab  der  Kinder,  die  nicht  leben  durften«,  also 
ein  Kindergrab,  wie  ich  es  aber  nicht  zu  sehen  bekam.  Der  nur  nominell  bekehrte 
Kabua  kaufte  für  sein  gestorbenes,  circa  zwei  Jahre  altes  Söhnchen  eine  lackirte  chine- 
sische Kiste  mit  Schloss  als  Sarg,  in  welchem  die  kleine  Leiche  mit  reichen  Geschenken 
von  BaumwollenstofF  u.  s.  w.  noch  lange  über  der  Erde  stehen  blieb. 

Die  Gräber  sind  übrigens,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  nicht  in  und  bei  den 
Häusern,  wie  auf  den  Gilberts,  sondern  abseits,  meist  an  versteckteren  Plätzen  unter 
Cocospalmen  angelegt,  was  mit  der  Geisterfurcht  zusammenhängt.  Auch  werden  keine 
Cocospalmen  bei  Gräbern  gepflanzt,  wie  dies  sonst,  z.  B.  in  Melanesien  (II,  S.  [252]) 
Brauch  ist. 

7.  Geister-  und  Aberglaube. 

Durch  die  Mission  ist  zwar  gar  Manches  im  inneren  Geistesleben  der  Eingebore- 
nen verändert  worden,  aber  selbst  sogenannte  Christen  —  »Dri-anitsch«  (»Dri«  = 
Knochen,  Mensch;  »anitsch«  ^=  Geist,  Seele)  hielten  noch  am  alten  Geisterglauben  fest, 
und  das  wird  wohl  noch  lange  so  bleiben.  Werden  doch  auf  Hawaii  noch  heutigen 
Tages  im  Stillen  altheidnische  Gebräuche  gepflegt,  und  selbst  bei  uns  haben  sich  An- 
klänge daran  zum  Theil  in  etwas  veränderter  Weise  erhalten. 

Die  Marshallaner  haben  keine  Religion,  keine  Priester,  wohl  aber  existirt  ein  ziem- 
lich roher  Fetischismus,  und  es  gibt  Drikanan  (»Dri«  =  Knochen,  Mensch  und  »kanan« 
=  weissagen),  also  Weissager,  die  aber  keine  bestimmte  Zunft  bilden,  indess  früher 
beim  Volk  sehr  einflussreich  gewesen  zu  sein  scheinen.  Das  Wort  »Jageach«,  wie  es 
Chamisso  für  »Gott«  auf  Ratak  übersetzt,  ist  wenigstens  auf  Ralik  unbekannt.  Auch 
kann  nicht  von  der  »Verehrung  eines  unsichtbaren  Gottes  im  Himmel«  die  Rede  sein, 
sondern  nur  von  Geistern  (»Anitsch«),  und  deren  gab  und  gibt  es  eine  ganze  Menge, 
höhere  und  niedere,  ja  jeder  wird  nach  seinem  Tode  »Anitsch«.  Damit  ist  aber  nicht 
ein  Glauben  an  ewiges  Leben,  Jenseits,  nach  christlicher  Auffassung  gedacht,  sondern 
ein  gewisses  Geisterleben  im  Verbände  mit  der  bestehenden  Welt,  im  engbegrenzten 
geistigen  Horizont  des  Marsh  allaners.  Es  gibt  Menschen,  welche  die  Geister,  namentlich 
bei  Nacht,  hören,  ja  dieselben  sehen  und  ganz  wie  unsere  Spiritisten  mit  ihnen  sprechen 
können;  aber  das  sind  deswegen  nicht  immer  »Drikanan«.  Bei  Gelegenheit  des  Krieges 
auf  Dschalut  consultirte  Kabua  seinen  »Anitsch«,  der  ihm  den  Sieg  versicherte.  Es 
gibt  auch  böse  Geister,  Gespenster  (»Dschiteb«),  weshalb  die  Gräber  gewisser  Verstor- 
bener vermieden  werden  und  Geisterfurcht  herrscht.     Ein  Theil  der  geringfügigen 


I40  Dr.  O.  Finsch.  [396] 

Opfergaben y  meist  Stückchen  Cocosnuss,  wird  daher  aus  Furcht  gebracht,  wie  die 
(S.  [387])  erwähnten  Feuer  aus  diesem  Grunde  angezündet  werden.  Götzenbilder  irgend- 
welcher Art  gibt  es  nicht,  aber  man  betrachtet  gewisse  Stellen,  Steine,  Bäume,  selbst 
Fische  als  den  Sitz  des  Anitsch,  ohne  dieselben  besonders  zu  verehren  oder  gar  mit 
dem  Begriff  unseres  »heilig«  zu  betrachten.  Nicht  einmal  »tabu«  ist  mit  solchen  Stellen 
verbunden,  denn  schon  Chamisso  erwähnt,  dass  ein  mit  vier  Balken  eingefasster  Platz 
um  ein  solche  »heilige  Cocospalme«,  vermuthlich  eine  Grabstätte,  unbehindert  betreten 
werden  durfte.  Kabua  zeigte  mir  die  Stelle,  wo  früher  ein  alter  Baumstumpf  stand,  der 
als  grosser  Anitsch  galt.  Hernsheim  liess  ihn  unbewusst  weghauen,  aber  die  Eingebore- 
nen waren  deswegen  nicht  im  Mindesten  beleidigt.  Auf  Ebon  gibt  es  einen  anderen 
Stumpf  eines  alten  »Bingebing« -Baumes,  der  aber  noch  etwas  grünt,  »Dscholobang« 
genannt,  welcher  ebenfalls  Sitz  eines  Anitsch  ist;  die  Leute  pflegen  kleine  Steine  dort 
niederzulegen.  Auf  dem  Atoll  Namo  ist  der  grosse  Stein  »Luadonmul«,  nach  Kabua 
ein  wirklicher  Stein  und  kein  Korallfels,  nur  für  Irodsche;  doch  blieb  es  unausgemacht, 
ob  Sitz  nur  für  die  Anitsche  der  Häuptlinge,  oder  ob  blos  für  die  letzteren  zugänglich, 
denn  es  ist  schwer,  über  Derartiges  von  Eingeborenen  klare  Auskunft  zu  erlangen.  Sie 
sind  schwerer  von  Begriffen  als  Ostiaken  oder  Samojeden.  Auch  auf  Dschabwor  des 
Dschalut- Atoll  gibt  es  Steine  »Ladschibundao«,  die  als  Sitz  von  Geistern  gelten;  es  war 
aber  nicht  auszumachen,  ob  diese  Anitsch  nicht  blos  als  Aufenthalt  Verstorbener,  also 
von  Seelen  gelten.  Auch  Anitsch  in  Gestalt  von  Fischen  sind  bekannt,  sie  zeigen  sich 
aber  nur  sehr  selten,  oft  erst  nach  Jahren.  Wer  den  grossen  Fisch-Anitsch  zuerst  sieht, 
ruft  » Ladschi bunda-6«  und  Alle  eilen  in  Canus  so  schnell  als  möglich  zur  Stelle.  Nach 
diesem  Fische  und  der  Anzahl  kleiner,  die  mit  ihm  schwimmen  (also  wohl  eine  Art 
Hai),  wird  geweissagt,  wie  dies  aber  geschieht  und  zu  welchem  Zweck,  davon  wusste 
Kabua  nichts. 

Opferplätze  waren  aber  solche  Anitsch-Bäume,  Steine  u.  dgl.  nicht,  doch  werden 
n  anderer  Weise  bei  gewissen  Gelegenheiten  bescheidene  Opfer  gebracht.  So  gilt  ein 
gewisser  Platz  im  Hause,  meist  hinter  dem  Kopfende  des  Lagers,  als  »Anitsch-Stelle«, 
nach  der  man  eigentlich  nicht  blicken  darf  und  wohin  man  beim  Beginn  der  Mahlzeit 
rückwärts  einen  Bissen  wirft.  Den  begleitenden  Spruch  »Giedin  Anis  mne  jeo«  hat 
Chamisso  wohl  nur  nach  dem  Gehör  geschrieben,  er  muss  nach  Hernsheim  »Kidschin 
(der  Bissen)  Anitsch  (für  den  Geist)  idschu«  lauten.  Bei  dem  »idschu«  (»hier«)  wird  da- 
bei mit  dem  Bissen  nach  der  Stelle  gedeutet,  wo  Anitsch  helfen  soll.  Hat  jemand  z.  B. 
Kopfschmerz,  so  hält  er  mit  der  Linken  erst  den  Bissen  an  die  schmerzende  Stelle  und 
wirft  ihn  dann  hinter  sich;  bei  Regenmangel  deutet  man  mit  dem  Bissen  nach  den  Wol- 
ken. Die  Weissager  (Drikanan)  spielen  bei  solchen  wichtigen  Gelegenheiten  selbstver- 
ständlich eine  bedeutende  Rolle,  wie  alle  solche  Leute,  die  ja  auch  bei  uns  noch  nicht 
ganz  verschwunden  sind.  Der  »Drikanan«  ist  kein  Wind-  und  Regenmacher,  er  weis- 
sagt nur  den  angeblichen  Ausgang  wichtiger  Ereignisse  und  Vorgänge,  wie  Krieg  und 
Friedenschliessen,  Canufahrten,  Dürre  oder  Regen,  Krankheiten  u.  dgl.  Zuweilen  zog  er 
sich  deshalb  wohl  ein  paar  Tage  fastend  in  seine  Hütte  zurück  (denn  Tempel  gibt  es 
nicht)  und  liess  sich  schliesslich  in  Cocosnüssen  und  Lebensmitteln  gut  bezahlen,  wäh- 
rend der  Anitsch  leer  ausging.  Denn  »feierliche  Opfer,  bei  denen  man  dem  Gotte  Früchte 
weihte«,  wie  dies  Chamisso  nach  Kadu  berichtet,  fanden  nicht  statt.  Die  Geschichte 
von  dem  »blinden  Gotte«  auf  Bigar  hat  ebenfalls  keine  andere  Autorität  als  die  Kadu*s 
und  ist  mit  Vorsicht  aufzunehmen. 

Kabua  erzählte  auch  von  einem  grossen  Feste  oder  vielmehr  Esserei,  die  früher 
alljährlich  im  Juli  auf  Dschabwor  stattfand,  wie  es  scheint  in  Verbindung  mit  dem 


[^97]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  I^I 

Anitschglauben,  aber  das  Warum  und  Wie  blieb  unklar.  Seitdem  ist  dieses  Fest  nach 
dem  christlichen  Ebon  verlegt  worden,  und  dahin  begeben  sich  dann  die  Männer  auch 
vom  Atoll  Dschalut. 

Heilkunde  als  solche  existirt  natürlich  nicht,  aber  es  gibt  Aerzte  (»Driuno«,  von 
»Dric  =  Knochen,  Mensch  und  »uno«  Farbe,  Medicin),  die  aber  nicht  mehr  verstehen 
als  Blutlassen,  mittelst  Hauteinschnitten,  ausserdem  warmes  Wasser  (»Dren-buil)  inner* 
lieh  verordnen,  wie  bei  Wunden  Umschläge  von  frischen  Blättern.  Massage  wird  in 
ähnlicher  Weise  wie  auf  den  Gilberts  (S.  [3 17])  prakticirt,  häufig  von  alten  Weibern,  die 
wie  bei  uns  noch  auch  hier  kurpfuschen.  Ich  sah  aber  auch  eine  Zahnoperation,  die  aller- 
dings in  recht  primitiver  Weise  vor  sich  ging.  Ein  hohler  Zahn  sollte  entfernt  werden. 
Der  Patient  legte  sich  flach  auf  die  Erde,  nahm  eine  Nuss  zwischen  die  Zähne,  um  den 
Mund  offen  zu  halten,  und  liess  sich  nun  mit  einem  Holzstifte  und  Klopfer  in  etwa 
20  Schlägen  ohne  Zeichen  des  Schmerzes  die  kranken  Wurzeln  herausmeisseln.  Eigent- 
liches Besprechen  von  Kränkelten  scheint  man  nicht  zu  kennen,  die  »Drikanan«  weis- 
sagen nur  den  muthmasslichen  Ausgang  und  bedienen  sich  dabei  zuweilen  eines 
Orakels.  Streifen  von  Pandanus-Blan  werden  zusammengefaltet  und  je  nach  der  Länge 
des  letzten  Stückes  der  Verlauf  der  Krankheit  gedeutet.  Ist  z.  B.  das  letzte  Blattstück 
von  gleicher  Länge  mit  den  vorhergehenden  Umbiegungen,  so  gilt  dies  als  günstiges 
Omen. 

Im  Hause  des  kurz  vorher  verstorbenen  Königs  auf  Arno  waren  als  Memento  ein 
getrockneter  fliegender  Fisch,  ein  paar  Streifen  Pandanus-Blsittj  in  welche  etwas  ein- 
gewickelt war,  und  eine  Flasche  aufgehangen,  wahrscheinlich  im  Zusammenhange  mit 
»Anitschglauben«.  Die  Flasche  hatte  Medicin  enthalten  von  einem  weissen  Händler 
und  »Doctor  med.«,  seines  Zeichens  Barbier,  den  ein  Schiff  von  S.  Francisco  mitbrachte, 
um  den  König  zu  heilen.  Handelte  es  sich  doch  um  eine  Schiffsladung  Copra  als 
Honorar  für  glücklichen  Erfolg,  welche  die  Firma  wie  der  »Doctor«  indess  nicht  ein- 
heimsen konnten.  Chamisso  erwähnt  übrigens  auch  bereits  ähnlicher  Andenken  (ge- 
dörrte Fischköpfe,  unreife  Cocosnüsse,  Streifen  Pandanus-BlBit)^  die  in  Häusern  von 
Häuptlingen  aufgehangen  waren. 

Wie  alle  Kanaken,  denen  irgend  etwas  .fehlt,  gleichviel  was  es  sein  mag,  bedienen 
sich  auch  die  Marshallaner  beim  geringsten  Unwohlsein  eines  Stockes  zum  Gehen. 

Krankheiten  sind  übrigens  im  Ganzen  selten,  nach  Hernsheim  wird  eine  Art  In- 
fluenza zuweilen  verhängnissvoll.  Syphilis  ist  schon  lange  durch  den  Schiffsverkehr 
eingeführt,  bisher  ohne  verheerenden  Einfluss. 


III.  Bedürfnisse  und  Arbeit. 

(Materielles  und  wirthschaftliches  Leben.) 

/.  Ernährung  und  Kost. 

a)  Pflanzenkost. 

Von  ebenso  ärmlicher  Bodenbeschaffenheit  als  die  Inseln  des  Gilbert-Archipels, 
sind  die  Verhältnisse  der  Nahrung  und  Ernährung  auch  auf  den  Marshalls  fast  genau 
dieselben  und  fast  ebenso  kümmerliche.  Wenn  auch  nicht  gerade  Hungersnoth,  so 
herrscht  doch  zuweilen  Mangel,  wie  z.  B.  zur  Zeit  meines  Besuches  auf  Arno.  Ein 
Sturm  hatte  die  Brotfruchternte  grossentheils  und  dadurch  eine  Hilfsquelle  vernichtet, 
die  sich  nur  schwer  ersetzen  liess.  Die  Cocosnüsse  waren  noch  nicht  reif,  die  Bevölke- 
rung daher  auf  Pandanus  angewiesen  und  auch  dieser  nur  knapp  vorhanden.    Solche 


142  Dr.  O.  Finsch.  [398] 

kärgliche  Perioden  sind  von  jeher  vorgekommen  und  mit  die  Ursache  des  Canuver- 
kehrs  der  Inseln  untereinander,  deren  Bewohner  auf  den  gegenseitigen  Austausch  zum 
Theil  angewiesen  sind. 

Mit  der  neuen  Aera  der  Copraausfuhr  im  Grossen,  womit  den  Eingeborenen  ein 
wesentlicher  Theil  ihrer  bisherigen  Nahrung  entzogen  wurde,  musste  daher  durch  Im- 
port Ersatz  geschafft  werden,  wie  dies  schon  lange  auf  Dschalut  und  Ebon  der  Fall  ist. 
Hier  haben  sich  die  Eingeborenen  bereits  an  fremde  Nährstoffe  gewöhnt,  unter  denen 
Reis  und  Schiffszwieback  (Biscuit)  obenanstehen. 

Die  natürlichen  Hilfsquellen  sind  übrigens  dieselben  als  auf  den  Gilberts  und  be- 
schränken sich  wie  dort  auf  einige  wenige  Producte,  doch  kommt  Brotfrucht  etwas  häufiger 
vor.    Aber  »Bob«,  die  Frucht  des  Schraubenbaumes  (Pandanus  odoratissimus)j  liefert 
den  Haupttheil  der  Ernährung.    Die  Eingeborenen  unterscheiden  nach  den  Früchten 
neun  verschiedene  (nach  Chamisso  20!)  Arten  oder  Varietäten,  die  nicht  cultivirt  wer- 
den, sondern  wild  wachsen  und  Allgemeingut  sind.   Für  gewöhnlich  werden  die  einzel- 
nen Fruchtkerne  ausgesaugt,  aber  zur  eigentlichen  Erntezeit  eine  Conserve  bereitet, 
ähnlich  dem  »Teduai«  (S.  51  [3 ig])  der  Gilberts.    Die  Bevölkerung  des  ganzen  Dorfes 
betheiligt  sich  an  dieser  wichtigen  Arbeit,  und  es  herrscht  freudige  Betriebsamkeit,  w^ie 
in  der  Ernte  bei  uns.    Aber  irgend  eine  Feier  oder  ein  Fest  zum  Danke  der  »Götter« 
findet  nicht  statt,  auch  keine  Tanzereien.    Die  Bereitung  dieser  Conserve  »Dschenäguwe 
in  Bob«  ist  folgende:  Es  wird  eine  grosse  Grube  (circa  10  Fuss  lang,  4 — 5  Fuss  tief  und 
ebenso  breit)  gegraben,  mit  Korallplatten  ausgelegt  und  in  der  Grube  ein  lebhaftes 
Feuer  unterhalten,   welches   die  Steine    backofenartig  erhitzt.     Inzwischen    sind    die 
schweren  Bobfrüchte  gesammelt  und  in  die  einzelnen  Fruchtkerne  (abgeb.  Choris, 
PI.  VI)  getheilt  worden,  mit  denen  man  die  erhitzte  Grube  ausfüllt,  abwechselnd  eine 
Schicht  Fruchtkerne  auf  eine  Lage  Blätter.    Ist  die  Grube  nahezu  voll,  so  bedeckt  man 
sie  mit  einer  Blätterschicht,  schüttet  dann  heissen  Sand  und  heisse  Korallsteine  darauf 
und  lässt  die  ganze  Masse  an  zwei  Tage  zur  Abkühlung  stehen.     Die  Hitze  hat  den 
hochgelben,  zähen  Zuckersaft  erweicht,  der  nun  mittelst  Schaben  und  Reiben  vollends 
gewonnen  wird.    Mädchen  und  Kinder  tragen  die  Fruchtkerne  körbeweis  den  Männern 
zu,  welche,  vor  einem  Holzgestell  knieend,  mit  Messern  oder  auf  rauhen  Korallsteinen 
schaben  und  reiben,  wobei  Alles  monotone  Weisen  singt.   Der  Saft  wird  nun  auf  Holz- 
gestellen an  der  Sonne  in  Form  flacher  Kuchen  getrocknet  und  dann  in  lange  runde 
Rollen  gepresst,  die  in  Pandanus-Eltitler  eingepackt  und  sorgfältig  in  Cocosstricke  ein- 
geschnürt werden,  wie  dies  die  folgende  Nummer  zeigt: 

Dschenäguwe  (Nr.  98,  i  Stück)  Modell  einer  Rolle  mit  Conserve,  wie  sie  in 
den  Handel  kommt.  (Abbild.  Finsch  in:  Westermann's  Monatshefte,  1887,  S.  498, 
Fig.  2.) 

Diese  Dschenäguwe-Rollen  haben  gewöhnlich  eine  Länge  von  einem  Meter,  bei 
16  Cm.  Durchmesser  und  wiegen,  wenn  ich  nicht  irre,  20 — 3o  Pfund.  Das  Pfund 
kostete  damals  circa  20  Pfennige;  aber  das  Product  wurde,  wie  schon  zu  Chaniisso*s 
Zeit,  der  es  »Mogan«  (?)  nennt,  als  sehr  werthvoll  betrachtet,  und  die  Eingeborenen 
hatten  selbst  nicht  genug.  Die  braune,  schneidbare  Masse  schmeckt  sehr  angenehm 
süss,  wie  Feigen,  mit  einem  Beigeschmack  von  Datteln,  und  hält  sich,  wie  man  sagt, 
selbst  ein  paar  Jahre  lang.  Bob-Conserve  bildet  daher  keine  tägliche  Nahrung,  sondern 
dient  hauptsächlich  als  Proviant  bei  Seereisen;  auch  beschenken  sich  Häuptlinge  gegen- 
seitig damit. 

In  Zeiten  von  Mangel  wird  der  Bob-Conserve  auch  geraspelte  Rinde  von  Panda- 
nus zugesetzt  und  so  eine  Dauerwaare  bereitet,  welche  »Tikaka«  heisst,  und  mit  Wasser 


[Sog]  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstOcke  aus  der  SOdsee.  I43 

ZU  einem  Teig  geknetet,  in  flachen  Kuchen  geröstet  wird.    Dies  ist  die  »Speise  aus  ge- 
faultem  und  pulverisirtem  Cocosholz«,  welche  Kotzebue  und  Chamisso  erwähnen. 

Die  Cocospalme  (Ni)  wird  angebaut,  doch  geschah  damals  wenig  in  dieser  Cultur. 
Nach  Chamisso  sollen  nach  den  Nüssen  10  (!)  verschiedene  Arten  oder  Varietäten  unter- 
schieden werden,  aber  mir  ist  nur  eine  Art  vorgekommen,  ausser  den  merkwürdigen 
kleinen  Nüssen  von  Udschae,  hier  »Bir«  genannt,  deren  Kern  (Berungar)  nicht  ver- 
härtet, wovon  aber  auch  nur  eine  kleine  Anzahl  Bäume  dort  wachsen.  Takaru,  Palm- 
saft (nicht  »Pandanus-S^(t€y  wie  Kotzebue  meint)  verstehen  die  Marshallaner  auch  ab- 
zuzapfen, aber  das  geschieht  wohl  nur  selten,  und  von  Bereitung  von  Syrup  daraus  oder 
dem  berüchtigten,  berauschenden  sauren  Toddy  habe  ich  nichts  erfahren.  Die  Mar- 
shallaner konnten  damals  genügend  Schnaps  (Hamburger  Gin)  kaufen  und  besassen 
früher,  wie  die  Gilbert-Insulaner,  kein  Berauschungsmittel. 

>Mä<  (Brotfrucht  oder  Jackfrucht,  kenntlich  abgebildet:  Choris,  PI.  VII)  kommt 
nach  Chamisso  in  zwei  Arten  (Arctocarpus  incisca  und  integrifolta)  vor,  aber  überall 
recht  spärlich  und  im  Ganzen  nur  auf  elf  Inseln.  Früchte  mit  Kernen  (Kwelle),  die  ge- 
röstet wie  Maronen  schmecken,  sind  selten.  Ueberhaupt  ist  die  Qualität  der  hiesigen 
Brotfrucht  gering;  sie  schmeckt  in  der  gewöhnlichen  Zubereitung,  d.  h.  in  der  heissen 
Asche  geröstet,  ähnlich  wie  Kartoffeln.  Aus  Brotfrucht  wird  aber  auch  eine  Dauer- 
nahrung bereitet,  die  mehr  Volksnahrung  ist  als  die  obige  aus  Pandanus.  Man  schält 
die  reife  Brotfrucht,  schneidet  sie  in  Stücke,  lässt  sie  ein  paar  Tage  in  Salzwasser  wäs- 
sern, stampft  sie  dann  und  verwahrt  die  säuerliche  Masse,  mit  Brotfruchtbaumblättern 
(Bulik)  zugedeckt,  an  einem  schattigen  Orte.  Die  weiche  Masse  wird  dann  durch- 
geknetet, nach  Verlauf  einer  Woche  zum  zweiten  Male  und  ist  dann  als  die  unter  dem 
Namen  »Piru«  bekannte  und  beliebte,  für  unseren  Geschmack  aber  fast  ungeniessbare 
Nahrung  fertig.  Man  verwahrt  dieselbe  in  einer  mit  Korallsteinen  und  Blättern  aus- 
gelegten Grube  oder  in  Körben  aus  Palmblatt,  aus  welchen  der  tägliche  Bedarf  geholt 
wird,  oder  verpackt  sie  in  derselben  Weise  wie  Bob  in  grosse,  schwere,  eingeschnürte 
Rollen,  »Dschenäguwe  in  Mä«  genannt,  die  sich  mehrere  (5 — 6)  Monate  halten  sollen. 
Für  einige  wenige  Inseln,  wie  z.  B.  Udschae,  ist  Piru  ein  Ausfuhrartikel. 

>Mogemog«  heisst  ein  aus  den  Knollen  einer  Taro-  oder  Arum-Art  gewonnenes 
Mehl,  welches  von  jeher  von  den  nördlichen  Inseln  nach  den  südlichen  vertauscht  wurde. 
Es  wird  mit  Wasser  zusammen  gerührt  in  Cocosschalen  zu  einem  Brei  gekocht  oder 
mit  geschabter  Cocosnuss  und  bildet  eine  Lieblingsspeise.  Nach  Chamisso  wird  Moge- 
mog  aus  Tacca  pinnattfida  hergestellt;  ausserdem  aber  auch  drei  Arten  Pfeilwurz 
(Arum  esculentum,  sagittifolium  und  macrorhi:^on)  cultivirt.  Diese  liefern  wohl  das 
bei  den  Eingeborenen  »Iradsch«  genannte  Arrowroot.  Nach  meinen  Erkundigungen 
erzeugen  nur  acht  Inseln  (Madschuru,  Bikini,  Kwajalein,  Udschae,  Namerik,  Ailinglablab, 
Aur  und  Maloelab)  massige  Quantitäten  Arrowroot.  Aur  führt  circa  1000  Pfund  jähr- 
lich aus;  das  Pfund  kostete  damals  circa  4  Pfennige,  ein  Handel,  bei  dem  sich  auch 
Weisse  betheiligten.    In  grossem  Massstabe  ist  Taro  auch  früher  nicht  angebaut  worden. 

Noch  interessanter  als  die  Herkunft  dieser  Knollengewächse  würde  es  sein,  siche- 
ren Nachweis  darüber  zu  erhalten,  woher  die  Eingeborenen  die  Banane  (Käberang)  be- 
kamen, da  dies  zugleich  einen  Hinweis  auf  die  eigene  Herkunft  geben  könnte.  Cha- 
misso sah  auf  Kaben  (Atoll  Maloelab)  einen  Bananenbaum,  anscheinend  frisch  gepflanzt, 
auf  Aur  einige  Bäume  mit  Früchten.  Seitdem  pflanzt  man  auf  Madschuru,  Namerik  und 
Eben  Bananen,  überall  in  bescheidener  Zahl  und  auf  diesen  Inseln,  wie  es  scheint,  erst 
durch  Weisse  eingeführt.  Dasselbe  gilt  für  den  Melonenbaum  (Carica  papajra)^  »Ki- 
napu«  der  Eingeborenen  (Hernsheim  »Momeapple«   Fig.:   S.  55  Baum,  59  Frucht, 


144 


Dr.  O.  Finsch. 


[400] 


61  Blatt,  63  und  65  Blüthe),  der  bei  bescheideneren  Ansprüchen  besser  gedeiht  als  die 
Banane.  Aber  auch  diese  Frucht  ist  fQr  die  Ernährung  der  Eingeborenen  ohne  jeden 
Werth  geblieben,  wie  Alles,  was  der  philantropische  Eifer  Chamisso's  seinerzeit  in  dieser 
Richtung  mit  unendlicher  Geduld  und  Ausdauer  anstrebte.  Ueberall,  wo  Chamisso  lan- 
dete, legte  er  Gärten  an  und  steckte  Samen  nützlicher  Tropengewächse  von  den  hawaii- 
schen Inseln,  in  deren  Cultur  sein  Freund  Kadu  die  Eingeborenen  unterwies.  Alle 
diese  Mühen  waren  vergebens;  die  ungeheuren  Mengen  Kerne  von  Melonen,  Wasser- 
melonen u.  s.  w.  hatten  nicht  eine  Frucht  gezeitigt.  Als  v.  Kotzebue  sieben  Jahre  später 
die  Inseln  wieder  besuchte,  fand  er  nur  auf  Wotsche  noch  den  von  ihm  eingeführten 
Yams  cultivirt,  aber  seitdem  ist  diese  Nutzpflanze  wieder  verschwunden.  Die  Reben 
des  Weinstockes  rankten  bis  in  die  Wipfel  der  Bäume,  aber  sie  waren  abgestorben.  Die 
geringe  Regenmenge,  der  allgemeine  Wassermangel  und  das  Fehlen  von  Humus  machen 
eben  jede  Cultur  von  Nutzgewächsen  unmöglich.  Freilich  gediehen  bei  Hernsheim*s 
Station  auf  Dschabwor  Melonen,  Gurken,  Radieschen  und  zum  Theil  Bohnen  gut,  aber 
auf  einer  dichten  Schicht  trefflichen  Bodens,  der  von  Ponape  und  Kuschai  mitgebracht 
war,  und  unter  der  Pflege  eines  chinesischen  Gärtners,  der  genug  mit  Giessen  zu  thun 
hatte.  Uebrigens  haben  diese  tropischen  Melonen  wenig  Aroma  und  Zierblumen  (wie 
Nelken  und  Rosen)  keinen  Duft.  Ohne  viele  Mühe  gedeihen  an  günstigen  Stellen  To- 
maten, spanischer  Pfeffer  und  unter  besonderer  Pflege  auch  Feigen  und  eine  Art  Orange 
(Dodonaea  viscora),  letztere  z.  B.  sehr  beschränkt  auf  Ebon. 

Tabak  ist  das  einzige  erst  durch  Weisse  eingeführte  Reizmittel,  das  den  Ein- 
geborenen bald  unentbehrlich  wurde.  Trotz  des  strengen  Verbotes  der  Mission  raucht 
Kind  wie  Greis,  und  zwar  in  Thonpfeifen,  auch  Cigaretten  in  einer  Hülle  von  Bananen- 
blatt. Stangentabak  ist  aber  nicht  in  der  Weise  Scheidemünze  als  auf  den  Gilberts 
(S.  52  [32o]),  da  jeder  in  Geld  bezahlt  sein  will. 

h)  Fleischkost. 

Die  menschenfreundliche  Mission  Chamisso's  beschenkte  die  Inseln  zuerst  mit 
Hausthieren:  Schweine,  Ziegen,  Hunde,')  Katzen,  denn  nur  auf  einigen  Inseln 
(Wotsche,  Maloelab)  fand  man  das  Haushuhn  bereits  verwildert  vor.  Nur  auf  Udirik 
wurden  Hühner  zuweilen  gegessen;  sonst  hielt  man  hie  und  da  bei  den  Hütten  einen 
Hahn  (Kaku)  sorgsam  angebunden,  nach  Chamisso  nur  der  Federn  wegen.  Jetzt  ist 
das  Eingeborenen- Huhn  schon  dermassen  mit  anderen  eingeführten  vermischt,  dass 
sich  die  ursprüngliche  Race  nicht  mehr  erkennen  lässt;  und  doch  wäre  dies  interessant 
gewesen,  weil  gerade  das  Huhn  für  die  Herkunft  der  Eingeborenen  vielleicht  Winke  hätte 
geben  können.  Jedenfalls  ist  es  mitgebracht  worden,  und  zwar  aus  dem  Westen.  Zahme 
Reiher  (Ardea  sacra)  sah  ich,  wie  zu  Chamisso*s  Zeiten,  gelegentlich  bei  den  Hütten. 
Gegenwärtig  werden  auf  einigen  wenigen  Inseln  Hühner  gehalten,  auf  Milli  und  Ebon 
sogar  Enten  (»Rak«,  »Jejakc),  und  zwar  Bisamenten  (Cairinia  moschata).  Aber  die 
Eingeborenen  essen  dieselben  ebensowenig  als  Eier  (»Lip  in  lolo«  =  Hühnereier,  »Lip 
in  Jejak«  =  Enteneier)  und  verkaufen  das  Geflügel  lieber  an  Fremde,  wie  dies  die 
weissen  Händler  thun.    Auf  Rongerik  und  Lae  sollen  viel  Hühner  zu  haben  sein. 

Mit  den  durch  den  »Rurikc  eingeführten  Hausthieren  ging  es  übrigens  wie  mit 
den  Culturgewächsen :  auf  Wotsche  hatten  sich  nur  verwilderte  Katzen  (Keru-Kidscherik 
=  Rattenthier)  erhalten,  zur  Verminderung  der  Ratten  aber  nicht  geholfen.  Alle  übrigen 
Thiere  waren  eingegangen,  wie  dies  bei  dem  Mangel  an  Frischwasser  nicht  anders  sein 


I)  Chamisso  irrt  übrigens,  wenn  er  meint,  dass  der  Name  des  Hundes  auf  Ratak  bekannt  ge- 
wesen sei.  tGiru«  oder  richtiger  >Keruc  bedeutet  nur  >Thier«. 


[ioi]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  i^^ 

kann.  Hernsbeim  liess  auf  einer  sehr  versprechenden  Insel  der  Dschalut-Atolls  eben- 
falls Ziegen  aussetzen;  wir  fanden  nach  kurzer  Zeit  nur  noch  die  Skelete.  Gegenwärtig 
werden  daher  nur  Schweine  (Keru  =  Thier  oder  Bik  =  dem  englischen  Pig)  in  be- 
schränkter Zahl  an  einigen  Handels-  und  Missionsstationen  gehalten,  für  SchifTsbedarf. 
Denn  die  Eingeborenen  geben  nichts  um  Fleisch  und  essen  lieber  Cocosnüsse,  das  ein- 
zige Futter  für  Schweine,  welches  die  Inseln  bieten.  Auf  Namurik,  wo  die  Banane  zahl- 
reicher angebaut  wird,  gab  man  deshalb  die  Schweinezucht  auf.  Schafe  lassen  sich 
nicht  halten,  da  das  einheimische  schlechte  Schlinggras  durchaus  ungenügend  zur  Er- 
nährung ist. 

Die  Ratte  (»Kidscherik«),  eine  wissenschaftlich  nicht  untersuchte  Art,  die  ich  unter 
Anderem  auf  der  unbewohnten  Insel  Dagelab  auf  Bäumen  beobachtete,  wo  sie  Vögeln 
(Anous  stolidus)  und  deren  Eiern  nachstellte,  wird  nicht  gegessen.  Chamisso  berichtet 
von  Wotsche  und  Udirik  das  Gegentheil.  Hier  sollen  die  Frauen  Ratten  essen,  aber  er 
sah  dies  nicht  selbst.  Auch  die  eigenthümliche  Art  des  Rattenfanges  (nach  Kadu),  mit- 
telst Feuergruben,  ist  mindestens  sehr  zweifelhaft  und  der  weiteren  Bestätigung  bedürftig. 

Nach  Chamisso  unternahmen  die  Rataker  früher  Reisen  nach  dem  unbewohnten 
Bigar,  um  hier  während  einer  gewissen  Periode  Vögel  und  Schildkröten  zu  fangen, 
deren  Fleisch  an  der  Sonne  zu  trocknen  und  als  Vorrath  mit  heimzunehmen.  Das 
dQrfte  jetzt  wohl  aufgehört  haben,  denn  Schildkröten  (»Wun«)  sind  bereits  so  selten, 
dass  sie  gar  nicht  als  Nahrung  in  Betracht  kommen.  Hinsichtlich  der  Vögel  kann  es 
sich  nur  um  wenige  oceanische  Arten  (Anous  stolidus,  Sula/usca,  vielleicht  Tachy- 
petes)  gehandelt  haben,  die  vermuthlich  hier  Brutplätze  haben,  so  dass  die  Eingeborenen 
Junge  in  grösserer  Anzahl  erlangen  konnten.  Ich  erhielt  auf  Dschalut  einige  Male 
lebende  Vögel  (»Gäguk«  Numenius  uropygialis;  »Giri«  Actitis  incanus;  »Ana«  Ardea 
Sacra,  weiss;  »Kabad«  Ardea  sacra,  schieferfarben;  »Käar-lab«  Sterna  Bergii; 
>Käar«  Sterna  melanaachen;  »Dscheggar«  Anous  melanogenys\  die  offenbar  in  Schlin- 
gen gefangen  waren,  aber  als  Nahrung  keine  Bedeutung  hatten.  Knaben  verstanden  in 
Schlingen  an  einem  Stöckchen  sehr  geschickt  Eidechsen  zu  fangen,  lediglich  aber  nur 
um  mir  ihre  Beute  zu  verkaufen,  denn  gegessen  wurden  dieselben  nicht. 

2.  Fischerei  und  Geräth. 

Die  Marshallaner  scheinen  nie  eifrige  und  geschickte  Fischer  gewesen  zu  sein, 
denn  Kotzebue  bemerkt  schon  von  ihnen:  »Es  ist  auffallend,  dass  sie  den  Fischfang  so 
ganz  vernachlässigen«.  Zu  meiner  Zeit  war  es  noch  ganz  ebenso  und  von  eigentlicher 
Fischerei  nicht  die  Rede.  Die  wenigen  Bewohner  der  nördlichen  Inseln  des  Atolls 
brachten  zuweilen  massige  Quantitäten  Fische  zum  Verkauf,  aber  die  Eingeborenen  von 
Dschabwor,  der  Hauptinsel  des  Dschalut-Atolls,  freuten  sich,  wenn  sie  für  eigenen  Be- 
darf einige  Fische  erlangen  konnten,  die  ihnen  nur  bei  gewissen  Gelegenheiten  massen- 
haft zur  Beute  fielen.  Dynamitpatronen  waren  sehr  begehrt,  und  ich  habe  mit  einer 
solchen  Hunderte  von  Dules  argenteus  und  einer  Mulloides-An  tödten  sehen,  was 
freilich  nicht  in  zu  tiefem  Wasser  geschehen  darf,  denn  den  anscheinend  unverletzten 
Fischen  ist  die  Schwimmblase  zersprengt,  so  dass  sie  sinken  und  deshalb  tauchend  heraus- 
gefischt werden  müssen.  Die  Eingeborenen  betheiligen  sich  daher  gern  bei  diesem  meist 
von  Weissen  betriebenen  Fischfange,  wobei  sie  nicht  leer  auszugehen  pflegen,  da  sie 
einen  guten  Theil  der  Beute  unterschlagen. 

Chamisso  irrt  übrigens,  wenn  er  die  Lagune  arm  an  Fischen  nennt,  oder  es  liegt 
hier  nur  eine  zufällige  Beobachtung  zu  Grunde.  Gewöhnlich  sieht  man  viel  Fisch e|  vqq 


146  I^r.  O.  Finsch.  [402] 

Bord  eines  ankernden  Schiffes  zuweilen  erstaunliche  Mengen,  die  ein  farbenprächtiges 
Schauspiel  gewähren.  Aber  diese  herrlichen  Fische  beissen  nicht  gut  und  sind,  wie  wir 
im  Nachfolgenden  sehen  werden,  zum  Theil  sehr  giftig,  eine  nicht  eben  angenehme 
Eigenthtimlichkeit  der  Fische  gerade  des  Marshallmeeres. 

Netzfischerei  und  Fischnetze  habe  ich  weder  auf  Dschalut,  noch  sonst  auf  den 
Marshalls  gesehen,  ebensowenig  Hai  fisch  fang,  da  diese  Fische,  wenn  ich  nicht  irre, 
überhaupt  verschmäht  werden.  Chamisso  verzeichnet  in  seinem  Vocabular  das  Wort 
»Kabuilc  für  Fischnetz,  Hernsheim  »Ok«. 

Hakenfischerei  wurde  wenig  mehr  und  dann  meist  mit  eisernen  Haken  betrieben, 
und  zwar  in  der  Weise  wie  beim  Makrelen  fange,  d.  h.  man  lasst  den  Haken  hinter  einem 
schnellsegelnden  Canu  laufen,  so  dass  er  bald  etwas  unter  Wasser  geht  oder  lustig  auf 
den  Wellen  hüpft.  Lebender  Köder  wird  nicht  benutzt,  denn  einmal  lockt  der  Silber- 
glanz des  Perlmutterhakens  die  Fische  an,  oder  man  befestigt  ein  Stück  weisses  Zeug, 
helles  Panda nus-Blati  oder  Büschel  Hibiscus-Easi  am  Haken  als  Köder,  der  je  nach  der 
Fischart  verschieden  ist.  Zum  Fange  grosser  Makrelen*)  wird  ein  Streif  frischen  Pan- 
da n US -Blsittts  in  der  Weise  angebunden,  dass  jederseits  ein  (circa  16  Cm.  langes)  Ende 
flügelartig  absteht.  Diese  Enden  sollen  die  Flügel  eines  fliegenden  Fisches  (Exocoetus) 
imitiren,  welcher  von  jenen  Makrelen  mit  Vorliebe  gejagt  wird. 

Angelflscherei  in  unserem  Sinne  ist,  wie  überall  in  der  Südsee,  unbekannt  und 
erst  mit  der  Einführung  europäischer  Angelhaken  in  Mode  gekommen. 

Fischhaken  nach  der  alten  Weise  wurden  damals  auf  Dschalut  nicht  mehr  ge- 
macht, man  bezog  sie  von  dem  benachbarten  Namurik  und  Madschuru  oder  den  nörd- 
lichen Inseln,  wo  sie  seitdem  wohl  auch  sehr  abgenommen  haben  dürften. 

Gät  (Nr.  14g,  I  Stück),  Schaft  zu  einem  Fischhaken  in  Bearbeitung.  Dschalut. 
Aus  dem  Schlosstheil  der  Perlmuttermuschel  (Meleagrina  margaritifera)  gearbeitet, 
circa  115  Mm.  lang  und  in  der  Form  mit  dem  folgenden  Stück  übereinstimmend,  aber 
ohne  Bohrloch.  Dagegen  ist  an  dem  einen  Ende  jederseits  ein  Randvorsprung  aus- 
gearbeitet, wohl  zur  Befestigung  der  Fangleine.  Die  Randkerben  am  entgegengesetzten 
Ende,  welche  zur  Befestigung  des  Hakens  mittelst  Bindfaden  dienen  (vgl.  Edge-Par- 
tington,  Taf.  177,  Fig.  10),  fehlen  an  diesem  Stücke  noch.  Derartige  Schaftstücke,  meist, 
aber  nicht  ausschliessend,  von  Perlmutter,  bilden  den  Haupttheil  eines  Fischhakens,  wie 
ihn  das  folgende  Stück  zeigt: 

Gät  (Nr.  150,  I  Stück),  Fischhaken  (Taf.  III  [20],  Fig.  i)  aus  Perlmutter  (a)  mit 
Fanghaken  aus  Knochen  (b)  und  Köderbüschel  (c),   Dschalut. 

Das  Perlmutterschaftstück  hat  auf  der  flachen  Rückseite  eine  Breite  von  22  Mm, 
(Fig.  I  d)  und  ist  an  der  Basis  durchbohrt,  um  die  Fangleine  zu  befestigen.  Der  sehr 
sauber  aus  Spermwalzahn  (Cachelot)  gearbeitete  Fanghaken  (b)  ist  gegen  die  Basis  zu  mit 
einem  Bohrloch  versehen,  durch  welches  der  feine  Bindfaden  (Art  Zwirn)  gezogen  ist, 
welcher  den  Fanghaken  mit  dem  Schaft  verbindet  und  der  durch  zwei  Randkerben  des 
Schaftes  grössere  Festigkeit  erhält.  Das  Faserbüschel  (c)  am  Ende  besteht  aus  20  Mm. 
breiten  und  50  Mm.  langen  Streifen  hellen  ///^/5cm5- Bastes  und  dient  als  Köder. 

Der  aus  Spermwalzahn  gearbeitete  Fanghaken  dieses  Stückes  deutet  auf  das  hohe 
Alter  desselben  hin.  Gewöhnlich  ist  der  Fanghaken  aus  Perlmutter,  zuweilen  mit  einem 


»)  Es  sind  dies  die  Bonitc  {Thynus  pelamys  L.),  bis  3  Fuss  lang,  und  Albacore  <77ix/i ms  gerino 
Lacep.),  die  bis  6  Fuss  lang  werden  soll,  welche  am  häutigsten  am  Haken  gefangen  werden  und  auch 
uns,  wenn  auch  nicht  allzu  hdufig,  zur  Beute  wurden.  Ein  80  Cm.  langes  Exemplar  der  letzteren  Art 
wog  9  Kilo. 


[^o31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  iaj 

Widerhaken  an  der  Innenseite  (wie  Edge-Partington,  Taf.  177,  Fig.  9),  aber  auch  aus 
Schildpatt  (Kat.  M.  G.  S.  270,  Nr.  856).  Ganz  aus  Schildpatt  gearbeitete  Fischhaken, 
wie  sie  hier  (Nr.  855)  erwähnt  werden  (»mit  Angabe:  Mulgrave-Insel  eingegangen«),  sind 
mir  auf  den  Marshalls  nicht  vorgekommen.  Chamisso  erwähnt  »sehr  kleine  Fisch- 
angeln« von  Ratak,  ohne  sie  zu  beschreiben,  was  bedauert  werden  muss.  Zu  meiner 
Zeit  pflegte  man  übrigens  mit  Vorliebe  starke  eiserne  Angelhaken  an  den  Perlmutter- 
schaft zu  befestigen,  um  sich  dadurch  viel  Mühe  und  Arbeit  zu  ersparen.  Die  im  Kat. 
M.  G.  (S.  66,  Nr.  1467)  beschriebene  »Fischangel«  von  »Neu-Britannien«  gehört  jeden- 
falls hierher  und  war  wohl  durch  Tausch  von  den  Marshalls  nach  dort  gelangt. 

Besonders  eigenthümliche  Formen  von  Fischhaken  aus  der  alten  Zeit  sind  die 
folgenden: 

Gät,  Fischhaken  (Taf.  III  [20],  Fig.  i3)  aus  Walfischknochen  (wohl  Unterkiefer 
vom  Spermwal).  Dschalut.  Ich  erhielt  nur  das  eine  Exemplar  für  das  Berliner  Museum. 

Fischhaken  (Nr.  151,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  12)  zum  Fange  fliegender  Fische 
aus  Cocosnussschale.  Dschalut.  Eine  höchst  originelle  und  wie  es  scheint  den  Mar- 
shalls eigenthümliche  Form  von  Fischhaken,  deren  Bekanntschaft  und  Anfertigung  ich 
einem  alten  Eingeborenen  verdankte.  Diese  Haken  wurden  in  der  Mitte  an  einem 
langen  Bindfaden  befestigt  und  in  grösserer  Anzahl  derart  an  das  schnellsegelnde  Canu 
befestigt,  dass  sie  auf  den  Wellen  hüpfend  demselben  folgten,  um  fliegende  Fische 
(>Dschodscho<)  zum  Beissen  zu  veranlassen.  Ob  man  sich  dabei  eines  besonderen 
Köders  bediente,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden,  da  diese  Art  Fischerei ')  nicht  mehr 
betrieben  wurde.  Fischhaken  aus  Cocosnussschale  erwähnt  Kubary  von  den  Mortlocks, 
aber  ohne  jede  Beschreibung. 

RifTRscherei,  und  zwar  vorzugsweise  auf  dem  Innenriff  der  Lagune,  lieferte  die 
meisten  kleinen  Erträge  des  täglichen  Bedarfs,  hauptsächlich  in  Schalthieren,  wurde 
aber  nicht  mit  Hamen  wie  auf  den  Gilberts  (S.  56  [324])  betrieben.  Häufig  beobachtete 
ich  dagegen  Fischspeeren,  eine  Beschäftigung,  die  so  recht  dem  trägen  Charakter  der 
Eingeborenen  entspricht,  indem  sie  wenig  Mühe,  aber  viel  Zeit  erfordert.  Das  Geräth 
besteht  in  einem  Stocke,  an  welchem  ein  spitzgefeilter  Draht  als  Spitze  befestigt  ist, 
mag  früher  wohl  aber  besser  construirt  gewesen  sein  (vgl.  I,  S.  [26]).  Diese  Fischerei- 
methode lieferte  gewöhnlich  herzlich  wenig,  um  so  ertragreicher  waren  dagegen  die 
Resultate  des  Massenfanges  bei  Gelegenheit  des  periodischen  Erscheinens  gewisser 
Fischarten.  Es  sind  dies  eine  kleine  (circa  6 — 7  Cm.  lange)  Häringsart  (Clupea)^  ähn- 
lich der  Sardine,  eine  andere  Clupea-Arty  so  gross  oder  grösser  als  unser  Häring  und 
ganz  besonders  eine  circa  60  Cm.  lange  Makrelenart  (wahrscheinlich  Thynus  thunnina 
Cuv.),3)  die  jede  für  sich  zu  gewissen  Zeiten  in  die  Lagunen  kommen,  um  zu  laichen. 
Sie  schwimmen  dann  in  ungeheurer  Menge  in  so  dichten  Schaaren  fast  an  der  Ober- 
fläche des  Wassers,  dass  sie  wie  ein  dunkler  Fleck  aussehen,  der  von  kräuselnden  Wel- 
len bewegt  wird.  Zuweilen  erhält  dieser  Fleck  plötzliches  Leben,  wenn  die  ganze  Masse 


I)  Hernsheim  beschreibt  (»Beitrag  zur  Sprache  der  Marshall-Inseln«,  S.  45)  dieselbe  mit  fol- 
genden kurzen  Worten:  »Zum  Fange  des  fliegenden  Fisches  wird  in  dunklen  Nächten  eine  grosse 
Fackel  auf  einem  schnell  segelnden  Canoe  abgebrannt.  Die  Fische  fliegen  nach  dem  bellen  Schein  und 
fallen  entweder,  gegen  das  Segel  stossend,  in  das  Canoe  oder  werden  mit  einem  eigens  geformten 
langstieligen  kleinen  Netze  sehr  geschickt  aufgefangen.«  Chamisso  sagt  vom  Fange  fliegender  Fische 
nur:  »Die  Rataker  stellen  ihnen  Nachts  bei  Feuerschein  nach.« 

>)  Wahrscheinlich  ist  dies  der  »yellow-tail«  (Gelbschwanz),  dessen  Fang  Hernsheim  in  dhn- 
Hcher  Weise  (1.  c,  S.  46)  beschreibt,  aber  nicht  der  »yellow-tail«  der  englischen  Seefahrer.  Letztere 
An  ist  Coryyhaena  equisetis  L.,  die  Dorade  und  der  »Delphin«  der  Schifler. 


148 


Dr.  O.  Finsch. 


[404] 


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wie  mit  einem  Schlage  hoch  aus  dem  Wasser  schnellt.  Ich  habe  nicht  erfahren,  ob  die 
Eingeborenen  die  Laichzeit  dieser  Fische  kennen,  aber  beobachtet,  dass  zu  gewissen 
Zeiten  aus  dem  Wipfel  einer  Cocospalme  Ausguck  auf  die  Lagune  gehalten  wird.  Zeigt 
sich  ein  Schwärm  Fische,  so  ruft  ein  gewaltiges  Freudengeschrei  alle  Dorfbewohner 
zusammen.  Nicht  selten  werden  in  aller  Eile  ein  paar  Canus  zu  Wasser  gebracht,  die 
sich  bemühen,  die  Fischschaar  nach  dem  Ufer  zu  dirigiren.  Ein  zwischen  beiden  Fahr- 
zeugen ausgespannter,  auf  dem  Wasser  schwimmender  Strick  leistet  diese  Treiber- 
dienste und  jagt  den  Fischschwarm  allmälig  in  das  seichtere  Wasser  des  Riffs,  wo  es 
zunächst  gilt,  die  Beute  am  Entweichen  zu  hindern.  Vermuthlich  bediente  man  sich 
dafür  früher  Netze,  jetzt  geschieht  dies  in  primitiverer  Weise.  Zunächst  genügt  ein 
langes  Tau,  das  von  einer  Anzahl  Männer  im  weiten  Bogen  gehalten  wird,  die  durch 
Schlagen  aufs  Wasser  die  Fische  zurückschrecken,  bis  genügend  Palmblätter  herbei- 
geschleppt sind,  um  den  immer  enger  gezogenen  Halbkreis  vollends  zu  schliessen.  In- 
zwischen ist  mit  der  Ebbe  das  Riff  ziemlich  abgelaufen,  und  nun  beginnt  der  allgemeine 
Fang  und  Schlächterei,  wobei  sich  unter  ungeheurem  Geschrei  und  Lärmen  Alles,  vom 
Kinde  bis  zum  Greise,  Männlein  wie  Weiblein  betheiligt.  Statt  in  Hamen  werden  die 
Fische  in  schnell  gefertigten  ilachen  Körben,  Matten,  Taschen,  von  Vielen  auch  nur  mit 
der  Hand  gefangen,  gespeert,  kurzum  Jeder  sucht  so  viel  einzuheimsen  als  möglich,  um 
sich  einmal  an  Fischen  recht  satt  essen  zu  können.  Solche  Gelegenheiten,  wo  Tausende 
kleiner  Sardinen  oder  Hunderte  grosser  Makrelen  auf  einmal  gefangen  werden,  sind 
aber  selten  und  daher  ein  besonderer  Festtag  der  Insulaner. 

Der  oben  beschriebene  Massen  fang  findet  sich  übrigens  in  ähnlicher  Weise  allent- 
halben in  der  Südsee  wieder,  und  an  manchen  Orten  werden  die  Fische  hinter  eigens 
gebaute  Dämme  getrieben  und  hier  bis  zur  Ebbezeit  zurückgehalten.  Die  Samoaner 
suchten  einen  in  dichter  Masse  schwimmenden  Schwärm  Zugfische  mit  Canus  zu  um- 
zingeln und  mit  einem  grossen  Senknetze  zu  fangen. 

Die  Reusen,  welche  man  damals  in  beschränkter  Weise  zum  Fischfange  benutzte, 
sind  ganz  verschieden  von  den  auf  den  Gilberts  (S.  56  [324])  gebräuchlichen  und  ähneln 
in  der  Form  einer  langen  Röhre,  aus  Stäben  mit  Bast  zusammengebunden,  mehr  unse- 
ren Aalkörben.  Sie  scheinen  wegen  der  engen  inneren  Oeffnung  auch  hauptsächlich  für 
Aale  bestimmt,  wie  ich  solche,  zum  Theil  kolossal  grosse,  darin  fangen  sah. 

Fischwehre,  d.  h.  Dämme  aus  Korallsteinen,  welche  Fische  bei  sinkender  Ebbe 
zurückhalten,  sind  mir  auf  den  Marshalls  nur  sehr  vereinzelt  vorgekommen. 


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3.  Zubereitung  und  Geräth. 

Rosten  ersetzt,  wie  auf  den  Gilberts,  unser  Kochen  und  heisst  »Umum«  (von 
»Um«  =  grosses  Feuer),  wenn  auf  Feuer  erhitzten  Steinen,  oder  »Kwanjen«,  wenn  auf 
glimmenden  Kohlen,  meist  Hüllen  oder  Schalen  der  Cocosnuss.  Beide  Methoden  wer- 
den, ausser  bei  Brotfrucht,  eigentlich  nur  bei  Fischen  (lek)  angewendet  und  bei  Krusten- 
thieren,  'die  übrigens  selten  sind,  denn  ich  erhielt  nur  wenige  Male  Exemplare  einer 
grossen  Languste.  Kleinere  Fische,  z.  B.  die  oben  erwähnten  Sardinen,  werden  meist 
roh  gegessen,  ebenso  Schalthiere,  die  übrigens  weniger  Volksnahrung  sind  als  auf  den 
Gilberts.  Grössere  Fische  legt  man,  ungeschuppt  und  meist  unausgenommen,  in  ein 
Blatt  gehüllt  auf  heisse  Steine  oder  direct  in  die  Asche  und  verzehrt  sie  halbgar  oder 
zum  Theil  angebrannt.  Ich  habe  aber  auch  gesehen,  dass  grössere  Fische  aufgeschnitten 
wurden,  doch  nahm  man  nur  die  Eingeweide  heraus  und  liess  Rogen  wie  Leber  darin. 
Ich  glaubte  die  häufigen  Fälle  von  Vergiftungen  nach  Genuss  von  Fischen  auf 


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diese  primitive  Zubereitung  zurückführen  zu  müssen,  denn  wir  kennen  bei  uns  ja  auch 
gewisse  Fische  (z.  B.  die  Barbe),  deren  Rogen  bei  manchen  Personen  Vergiftungs- 
erscheinungen hervorbringt.  Meine  Tagebücher  verzeichnen  von  den  Marshalls  aber  so 
viele  Fälle  von  Vergiftungen  an  Fischen,  unter  so  verschiedenen  Umständen,  dass  nicht 
die  Zubereitung  allein  die  Schuld  tragen  kann.  Da  vorkommenden  Falls  von  dem  be- 
treffenden giftigen  Fische  sich  nur  noch  Reste  finden,  so  ist  meist  kaum  die  Gattung  zu 
bestimmen.  Und  diese  war  so  verschieden  wie  die  Zubereitungsweise.  Ich  habe  Leute 
an  Genuss  von  gerösteten  Aalen,  der  oben  (S.  147  [403])  erwähnten  trefflichen  Makrele 
erkranken  sehen,  wie  an  gedörrtem  Haifischfleisch  (S.  57  [325])  Chaetodon  u.  A.  Die 
Krankheitserscheinungen  waren  nicht  nach  der  Fischgattung,  sondern  individuell  sehr  ver- 
schieden. Von  Personen,  welche  von  demselben  Fische  und  ungefähr  gleich  viel  gegessen 
hatten,  empfanden  manche  nur  geringes  Unbehagen,  andere  erkrankten  bedenklich,  ein- 
zelne starben,  zuweilen  erst  nach  mehreren  Tagen.  Das  Schlimmste  ist,  dass  die  Ein- 
geborenen häufig  selbst  keine  Kenntniss  haben,  ob  ein  Fisch  giftig  ist  oder  nicht;  der 
Eine  sagt:  Er  ist  gut;  der  Andere:  Man  soll  ihn  jedenfalls  wegwerfen.  Ein  solcher 
Streit  entstand  einst  wegen  eines  grossen,  eben  frisch  gefangenen  Serranus  (ich  glaube 
hexagonathus)  zwischen  zwei  Häuptlingen,  schliesslich  mochte  ihn  Niemand  versuchen ; 
ich  auch  nicht  und  der  schöne  Fisch  wurde  weggeworfen.  Und  das  war  gewiss  sehr 
gut,  denn  Capitän  Witt,  der  sonst  gern  übertreibt,  sagt  von  den  Fischen  des  Marshall- 
meeres nicht  mit  Unrecht:  »Dreiviertel  sind  giftig!«  An  den  Handelsstationen  hält  man 
gewöhnlich  ein  Brechmittel  bereit,  da  Fälle  von  Vergiftung  an  Fischen,  wie  erwähnt, 
sehr  häufig  vorkommen.  Unschädlich  sind,  ausser  den  oben  (S.  147  [403])  erwähnten 
Arten,  besonders  Theutis  rostrata^  Naseus  Vlamingii,  N.  lituratus,  Acanthurus  hepa- 
ticus,  Mulloides,  Dules,  Mesoprion  und  einige  andere  Arten,  davon  die  ersten  vier  Spe- 
cies  sogar  nach  unserem  Geschmack  recht  gut,  aber  die  Zahl  der  unschädlichen  Arten  ist 
im  Ganzen  sehr  gering  und  das  Tropenmeer  auch  in  dieser  Richtung  ein  recht  armes. 

Erwähnt  mag  noch  sein,  dass  die  Eingeborenen  bei  grossen  Fischfängen  (S.  148 
[404])  auch  das  Räuchern  verstehen;  die  Waare  hält  sich  aber  nicht  lange,  denn  Sftlz 
kennt  man  nicht. 

Hinsichtlich  des  EsS6ns  wäre  noch  zu  bemerken,  dass  die  Marshallaner,  wie  fast 
alle  Eingeborenen,  keine  regelmässigen  Mahlzeiten  innehalten.  »Es  liegt  ganz  beim 
Essbaren,«  meinte  ein  alter  Häuptling,  womit  er  sagen  wollte:  »Es  wird  gegessen,  wenn 
etwas  da  ist!«  Ueberfluss  herrscht  freilich  nie;  sollte  er  durch  irgend  eine  günstige  Ge- 
legenheit gerade  einmal  vorhanden  sein,  dann  isst  jeder  so  viel  er  kann.  Vorräthe 
bleiben  daher  nicht  lange  erhalten,  die  Folge  davon  sind  knappe  Zeiten  für  das  Gros 
der  Bevölkerung. 

KQchengeräth  ist  auch  hier  kaum  nöthig,  und  das  Wenige  aus  früherer  Zeit  war 
fast  verschwunden.  Aber  eiserne  Töpfe  und  Kessel  hatten  sich  bereits,  wenigstens  auf 
Dschalut,  eingeführt,  denn  man  fing  ja  schon  an  Reis  zu  kochen.  Uebrigens  liegen 
meist  bei  allen  Händlerstationen  so  viel  leere  Blechgefässe  und  Flaschen  umher,  dass 
sich  die  Eingeborenen  mühe-  und  kostenlos  mit  allerlei  nutzbaren  Gefässen  und  Ge- 
schirr versehen  können. 

Feuerreiben  verstand  man  zu  meiner  Zeit  noch  auf  Dschalut,  und  ich  konnte  die 
dazu  nöthigen  Hölzer  (Jetgitschek,  von  »Jet«  =  Reiben  und  »gitschek«  =  Feuer)  noch 
erlangen.  Sie  bestehen  aus  einem  Stück  weichen  Holzes,  von  einem  hohen  Strauch, 
»Wud«  genannt,  das  mit  einer  Längsrille  versehen  ist,  auf  welchem  gerieben  wird,  und 
einem  kürzeren  zugespitzten  Stück  Holz  (»Dscholog«),  mit  dem  gerieben  wird.  Die 
Methode  des  Feuererzeugens  ist  ganz  wie  die  in  Neu- Britannien  gebräuchliche  (I,  S.  [20], 


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Dr,  O.  Finsch. 


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Taf.  IV  [2],  Fig.  9  und  10)  und  wie  auf  den  Salomons  (Guppy:  »Solomonsc,  S.  65). 
Bei  schnellem  Hin-  und  Herreiben  in  der  Rille  bildet  sich  ein  feiner  Mulm,  der  bald  an- 
fängt zu  glimmen  und  mittelst  Anblasen  zu  Feuer  angefacht  wird,  wozu  circa  fünf  bis 
sechs  Minuten  erforderlich  sind.  Schon  damals  verstanden  jüngere  Leute  nicht  mehr 
die  Kunst,  Feuer  zu  reiben,  da  Streichhölzer,  namentlich  schwedische,  bereits  einen 
begehrten  Tauschartikel  bildeten. 

Ein  Hilfsgeräth  zum  Feueranmachen  ist  der: 

Drell  (Nr.  116,  i  Stück),  Fächer,  aus  Pandanus-Elatt  geflochten.    Dschalut. 

Diese  Fächer  werden  auch  aus  Cocospalmblatt,  und  zwar  dem  Spitzentheil  des- 
selben, ziemlich  roh  geflochten  (wie  Choris:  PI.  II,  Fig.  7).  Bei  anderen  bildet  die  Basis 
der  Fiedern  oder  ein  Theil  der  Blattrippe  den  Stiel.  Die  Form  ist  dann  blattförmig, 
unten  breit,  nach  der  Spitze  sanft  gerundet  zugespitzt  (ganz  wie  die  Abbildung  bei 
Guppy:  »Solomons«,  S.  63,  Treasury-Isl.).  Manche  Fächer  von  den  Marshalls  sind  sehr 
zierliche  Flechtarbeiten  aus  Pandanus  mit  schwarzgemusterter  Randkante  (vgl.  Kat. 
M.  G.,  S.  274,  Ebon)  und  dienen  mehr  zum  Staate.  Der  hauptsächliche  Zweck  der 
hiesigen  Fächer  besteht  aber  darin,  glimmende  Kohlen  anzufachen. 

Schaber.  Chamisso  erwähnt  solche  als  »aus  Perlmutter  geschnitzte  Messer <: 
(»Bogebok«),  wie  wir  sie  bereits  aus  Melanesien  (II,  S.  [198])  kennen.  Aber  die  ohne- 
hin sehr  seltene  Perlschale  wurde  nicht  mehr  verwendet,  dafür  erhielt  man  ja  eventuell 
Eisen.    Auch  leistet  ein  Stück  Cocosnussschale  gute  Dienste. 

Ein  sehr  interessantes  Schab- 


Fig.  18. 


Schaber  aus  Cassis, 
Dschalut. 


geräth  (Fig.  18)  heisst  »Dschibug- 
gebug«  (=  Fass)  und  ist  aus  Cassis 
cornuta^)  (»Wuegang«)  verfertigt. 
Die  Basis  der  Muschel  wird  abge- 
schliffen, so  dass  dieselbe  eine  Schale 
bildet,  welche  mittelst  Bindfaden  auf 
einem  flachen  Dreibein,  aus  einem 
gabeligen  Wurzelstück  von  Panda- 
nus, befestigt  wird.  Ich  erhielt  auf 
Dschalut  noch  zwei  solche  Stücke, 
die  hier  schon  der  Vergangenheit  an- 
gehörten, aber  auf  den  nördlichen 
Inseln  noch  in  Gebrauch  sein  mögen.  Gut  abgebildet  als  »SpeisebercitungsschüsseU 
in:  Internat.  Archiv  für  Ethnographie,  Bd.  I,  1888,  S.  67,  und  hier  als  das  »einzige 
Hausgeräth«  bezeichnet. 

Stampfer  für  Brotfrucht  lernte  ich  nicht  mehr  kennen.  Man  benutzte  einfach 
passliche  Stücke  Korallen,  wie  sie  sich  im  Trümmergestein  des  Strandes  ohne  Mühe 
finden  lassen. 

Essgeräth.  Löffel  sind  mir  nicht  vorgekommen.  Aber  Kotzebue  erwähnt  höl- 
zerne, die  durch  Kadu,  nach  seiner  Bekanntschaft  mit  Europäern,  eingeführt  waren,  in- 
zwischen wohl  aber  wieder  abgekommen  sind.  Zum  Essen  genügen  eben  die  Finger, 
als  Teller  Blätter  (meist  vom  Brotfruchtbaum)  oder  flache  Körbchen  aus  Cocosblatt, 
auf  denen  auch  SpeiseA  servirt  werden,  wie  dies  schon  zu  Kotzebue's  Zeit  der  Fall  war. 
Schalen  von  Tridacna  gigas  und  Riesenmiesmuschel  (Pinna  nigra),  »DoU  (=  Berg) 


»)  Nach  Kubary  werden  auf  Mortlock  grosse  Schalen  dieser  Muschel  als  Kochgeschirr  benutzt 
(Kat.  M.  G.,  S.  328  und  377). 


'407]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  I^I 

genannt,  werden  auch  auf  den  Marshalls  als  Schüsseln,  kleinere  Exemplare  der  letzteren 
als  Teller  benutzt.  Die  grösste  dieser  Pin/i^-Schalen,  welche  ich  erhielt,  mass  50  Cm. 
in  der  Länge,  29  Cm.  in  der  Breite.  Früher  verfertigte  man  auch  aus  Brotfruchtbaum 
hölzerne  Essgefässe,  die  weit  sorgfältiger  als  die  der  Gilbert- Inseln  gearbeitet  sind,  von 
Chamisso  aber  nicht  erwähnt  werden. 

Eine  solche  Holzschüssel,  welche  ich  auf  Milli  erhielt,  und  für  die  man  bei- 
läufig bemerkt  6  Mark!  forderte,  ähnelt  in  der  flachen  kahnförmigen,  an  beiden  Enden 
spitzen  Form,  am  meisten  ähnlichen  Gefässen  von  den  Carolinen  (wie  »Senjavin-Reise«, 
PL  29,  Fig.  12),  ist  aber  schmäler,  80  Cm.  lang  und  nur  24  Cm.  breit. 

Als  Trinkgefäss  wird,  wie  üblich,  eine  halbdurchschnittene  Cocosnussschale 
(>Lat<)  benutzt. 

Als  WassergefäSSe  sah  ich  auf  Milli  ziemlich  grosse,  aber  roh  aus  Brotfrucht- 
baum gezimmerte  Tröge  zum  Auffangen  von  Regenwasser,  sonst  nur  die  übliche: 

Midjirong  (Nr.  69,  i  Stück),  Cocosnussschale  (»Boka«)  als  Wasserbehälter.  Jaluit. 

Solche  Cocosnussschalen  sind  meist  mit  einem  Bindfaden  zum  Tragen  oder  Auf- 
hängen versehen,  oder  weitmaschig  in  ein  Netz  von  Cocosschnur  eingestrickt  (wie 
»Senjavin-Reise«,  PI.  29,  Fig.  18)  und  die  Oeffnung  mit  einem  Stöpsel  aus  aufgerolltem 
Pandanus-ElsLtt  verschlossen.  Ich  erhielt  auch  vier  solche  Cocosnuss-Wassergefässe,  die 
in  einem  länglichen  Korb  aus  Geflecht  von  Cocosfaser  als  Behälter  standen,  ganz  wie 
Choris  (PI.  II,  Fig.  8)  einen  solchen  Korb  mit  sechs  Cocosgefässen  darstellt.  Von  ver- 
zierten Cocosnüssen  bekam  ich  nur  eine  einzige,  mit  ziemlich  unbedeutender  Gravirung, 
die  wohl  noch  aus  früherer  Zeit  herstammte. 

Ausser  frischen  noch  grünen  Nüssen  bilden  mit  Wasser  gefüllte  Pocosnuss- 
schalen  den  Trinkvorrath  für  Canus  auf  Seereisen  und  werden  in  grosser  Menge  mit- 
genommen. 

4.  Wohnstätten. 

Die  Baukunst  der  Marshallaner  unterscheidet  sich  durchaus  von  der  der  Gilbert- 
Insulaner  und  steht  auf  einer  bedeutend  niedrigeren  Stufe;  auch  gibt  es  keine  besonderen 
grossen  Gemeindehäuser  und  keine  zusammenhängenden  grösseren  Siedelungen.  Die 
stets  am  Innenrande  der  Lagune,  meist  unter  Cocospalmen  gebauten  Wohnstätten  liegen 
sehr  zerstreut  und  verdienen  nicht  die  Bezeichnung  Dorf.  Dasselbe  gilt  für  die  lieder- 
lich und  sehr  kunstlos  gebauten  Häuser,  eigentlich  nur  niedrige  Schuppen,  die  höchstens 
den  Namen  Hütte  verdienen.  Ein  solches  Haus  (>Im<)  besteht  im  Wesentlichen  aus 
einem  auf  circa  3—4  Fuss  hohen  Pfählen  ruhenden,  an  den  Giebelseiten  sanft  abge- 
schrägten Dache,  etwa  25 — 3o  Fuss  lang,  10 — 12  Fuss  breit  und  10  Fuss  hoch.  Die 
Seiten  sind  meist  offen  oder  haben  an  drei  Seiten  Wände  (»Dudal«)  aus  Mattengeflecht 
von  Palmblatt;  aus  gleichem  Material  sind  an  beiden  Längsseiten  drei  bis  vier  Abthei- 
iungen  errichtet,  welche  als  Lagerstätten  (Babu)  dienen.  Das  Material  zu  den  Häusern 
sind  meist  unbehauene  Stämme  von  Pandanus,  mittelst  Strick  aus  Cocosnussfaser  zu- 
sammengebunden, zum  Dach,  »Duling«,*)  trockene  Pa/irf^/zw^- Blätter.  Die  4 — 7  Fuss 
langen  Blätter  werden  an  der  8  — 10  Cm.  breiten  Basis  40  Cm.  lang  umgeschlagen  und, 
so  dass  ein  Blatt  das  andere  deckt,  über  circa  4  Fuss  lange  Stäbe  aus  gespaltenen  Pan- 
danus  oder  Hibiscus  befestigt.  Es  geschieht  dies  mittelst  der  dünnen,  runden,  circa 
80  Cm.  langen,  sehr  haltbaren  Reiser,  welche  die  Rippe  der  einzelnen  Blattfiedern  des 
Blattes  der  Cocospalme  liefern.     Ein  Knochenpfriemen  (Fig.  21)  dient  zum  Durch- 


I)  Nach  Hernsheim;  nach  Kubary  »Katak«.  Letzteres  Wort  heissi  aber  nach  Hernsheim  >lehren«. 
Anaalen  des  k.  k.  natarhistorisctien  Hofmuseums,  Bd.  VIU,  Heft  2,  1893.  12 


152  £>r.  O.  Finsch.  [408] 

Stechen  der  Blätter,  unterhalb  des  Längsstabes,  so  dass  der  umgeschlagene  Endtheil 
jedes  Blattes,  wie  die  letzteren  unter  sich  mit  den  Rippenstäbchen  verbunden,  circa 
4  Fuss  lange  Blätterlagen  bilden,  zu  welchen  je  circa  20  Blätter  erforderlich  sind.  Die 
Anfertigung  dieser  Blätterlagen  ist  hauptsächlich  Frauenarbeit,  das  Dachdecken  selbst 
besorgen  die  Männer.  Mit  Ausnahme  des  Rüstbalkens  und  der  Giebelbalken,  besteht 
das  ganze  Sparrenwerk  aus  ziemlich  dünnen  Stecken  und  Stäben,  die  mit  Stricken  zu- 
sammengebunden werden.  Beim  Eindecken  wird,  wie  überall,  unten  angefangen  und 
die  erste  Blätterlage  mit  Strick  festgebunden,  circa  10  Cm.  darüber  folgt  die  zweite  und 
so  eine  nach  der  anderen.  Die  Dachdecker  stehen  innen,  um  die  einzelnen  Blätteriagen 
festzubinden,  die  ihnen  von  aussen  zugereicht  werden.  Erhebt  sich  das  Dach  höher,  als 
ein  Mann  greifen  kann,  so  dient  ein  an  zwei  Stricken  befestigter  Balken  als  Gerüst,  und 
man  reicht  die  Blätterlagen  an  langen  Stöcken  hinauf.  Die  Firste  des  Daches  wird  mit 
groben  Matten  aus  Palmblatt  oder  letzteren  bedeckt,  um  den  Regen  besser  abzuhalten, 
gegen  den  diese  Dächer  überhaupt  guten  Schutz  gewähren,  denn  sie  dienen  ja  eigent- 
lich nur  als  Unterschlupf  bei  schlechtem  Wetter  und  für  die  Nacht.  Die  von  Choris 
(PL  XIV  und  XIX)  abgebildeten  Hütten  entsprechen  der  Wirklichkeit,  weniger  die  Dar- 
stellungen des  Inneren  (Choris,  PI.  XVI,  und  in  Kotzebue's  Reise),  welche  viel  zu  ge- 
räumig sind.  Sie  zeigen  aber  einen  durchgehenden  Bodenraum,  ähnlich  wie  auf  den 
Gilberts,  den  ich  nicht  mehr  beobachtete.  Es  gab  im  Inneren  der  Hütte  nur  Stellagen 
aus  Balken,  welche  zum  Aufbewahren  der  wenigen  Habseligkeiten  dienten.  Die  Diele 
der  Hütte  ist  meist  mit  feinem  weissen  Korallgeröll  bedeckt,  als  Feuerstelle  dient  eine 
mit  Korallsteinen  ausgelegte  Grube.  Dieselbe  liegt  zuweilen  am  vorderen  offenen  Ein- 
gange  der  Hütte,  meist  aber  etwas  abseits,  häufig  mit  einem  Dache  überdeckt  und 
heisst  dann  »Bellak«,  soviel  als  Kochhaus.  Eine  besondere  Art  kleiner  elender  Hütten 
(»Dschukwen«)  als  Aufenthalt  der  PVauen  und  Mädchen  während  ihrer  Periode  er- 
wähnte ich  bereits  (S.  i3o  [386]).  Unverheirathete  junge  Männer  pflegen  in  einer  beson- 
deren Hütte  gemeinschaftlich  zu  nächtigen,  ebenso  sperrte  Kabua  die  Mädchen  zusam- 
men ein,  damit  sie  ihm  nicht  in  der  Nacht  wegschleichen  und  somit  eigenen  Verdienst 
machen  konnten. 

Die  elenden  Hütten  und  deren  schmutzige  Umgebung,  voll  verfaulender  Cocos- 
hülsen,  Blätter  etc.,  wie  sie  Kubary  von  dem  christlichen  Ebon  beschreibt,  finden  sich 
genau  in  derselben  liederlichen  Manier  auch  auf  Dschabwor.  Aber  auf  anderen  heidni* 
sehen  Inseln  des  Dschalut-AtoUs,  wie  auf  Milli  und  Arno,  sah  es  bei  Weitem  reinlicher 
und  besser  aus;  hier  war  die  Umgebung  der  Hütten  planirt  und  meist  mit  weissem 
Korallgrus  bestreut. 

König  Kabua  besass  auf  Dschabwor  übrigens  ein  Bretterhaus  und  sogar  einige 
Möbel  (Tisch  und  Stühle). 

In  der  Nähe  der  Hütten  findet  sich  gewöhnlich  ein  Wassertümpel,  meist  ein 
künstlich  gegrabenes  Loch,  in  welchem  sich  Regenwasser  (»Dren  in  wut«)  sammelt 
oder  bei  Fluth  Wasser  von  unten  eindringt.  Es  ist  meist  recht  schlecht,  aber  das  einzige 
Trinkwasser  für  die  Eingeborenen.  Zuweilen  sind  diese  Wassertümpel  mit  Korall- 
steinen ausgemauert,  an  Plätzen,  wo  Schweine  gehallen  werden,  wohl  auch  mit  einer 
Art  Zaun  eingefriedigt,  damit  die  Thiere  nicht  so  leicht  hineinfallen  und  ertrinken 
können. 

5.  Hausrath. 

Dem  ärmlichen  Aeusseren  der  Hütte  entspricht  das  Innere,  denn  von  eigentlichem 
Hausrath  kann  kaum  die  Rede  sein.     Auf  Querstangen  oder  an  solchen  aufgehangen 


[409I  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  X53 

finden  sich  Körbe  mit  Brotfrucht  (»Piru«),  PandanuSy  Material  zu  Flechtarbeiten,  Flecht- 
bretter, Hutformen,  Cocosnüsse  zu  Wasser  etc.,  hie  und  da  eine  alte  Harpune  oder 
lange  Stöcke.  Letztere  erwiesen  sich  als  Speere  (S.  i38  [394],  dienten  aber  im  Frieden 
dazu,  um  die  Rattennester  im  Blätterdache  zu  zerstören.  Leere  Blechgefässe  und 
Flaschen  gab  es  in  jeder  Hütte,  bei  Reicheren  meist  ein  oder  die  andere  verschliessbare 
Holzkiste  (»Dibedib«),  als  Zeichen  der  vorgeschrittenen  Civilisation. 

Die  Abtheilungen  zum  Schlafen  sind  meist  mit  trockenen  Pan^anz/5-Blättern  be- 
deckt, welche  als  Bett  (»Babuc  =  liegen)  dienen,  während  zwei  dünne  Pandanus- 
Stämme,  der  Länge  nach  auf  den  Erdboden  gelegt,  als  gemeinschaftliches  Kopfkissen 
benutzt  werden.  Es  gibt  aber  auch  solche  primitive  Kopfunterlagen  für  nur  eine  Per- 
son, wie  das  folgende  Stück : 

Bitt  (Nr.  99,  I  Stück),  Kopfkissen;  Abschnitt  von  einem  von  der  Rinde  ent- 
blössten  und  geglätteten  runden  Stammstück  vom  Pandanus-hdMm  ^  45  Cm.  lang, 
10  Cm.  im  Durchmesser.   Dschalut. 

Die  grossen,  schön  geflochtenen  Pandanus-lABXXtny  wie  sie  auf  den  Gilberts  (S.  63 
[33 1])  zum  Schlafen  verwendet  werden,  verfertigt  man  auf  den  Marshalls  nicht,  dagegen 
aber  gewöhnliche  Matten  zu  gleichem  Zwecke  oder  zum  Daraufsitzen.  Die  gewöhn- 
lichsten aus  dem  Blatt  der  Cocospalme  (»Kimed»)  heissen  »Dschinai«,  bessere  aus  Pan- 
danus-hlBXX.  heissen  »Dschebegoa«,  nicht  »Mang«,  wie  Chamisso  schreibt,  da  letzteres 
Wort  nur  das  Material  bezeichnet.  Die  feinste  und  wie  es  scheint  für  die  Marshalls 
eigenthümliche  Sorte  repräsentirt  das  folgende  Stück: 

Dschägi  (Nr.  196,  i  Stück),  Schlafmatte  aus  Pandanus-lSi^XX,   Dschalut. 

Derartige  Matten  werden  aus  den  Rippenstücken  alter  Pandanus-hVaXttv  verfertigt 
und  sind  nicht  geflochten,  sondern  in  eigenthümlicher  Manier  mittelst  durchgesteckter 
PandanusSxxtiitTi  zusammengenäht.  Eine  solche  Matte  besteht  aus  zwei  je  circa 
i'ii  M.  langen  und  60  Cm.  breiten  Stücken,  die  an  der  einen  Längsseite  zusammen- 
geflochten sind,  und  jedes  Stück  wiederum  aus  einer  Doppellage  von  Pandanus-hldXly 
so  dass  im  Ganzen  vier  Blattlagen  herauskommen,  wodurch  die  Matte  ziemlich  dick 
und  etwas  weich  wird. 

In  voller  Originalität  haben  sich  noch  erhalten: 

leb  (Nr.  104,  105,  2  Stück),  grosse  Körbe,  aus  Cocospalmblatt  geflochten. 
Dschalut. 

Die  gewöhnlichen  Tragkörbe  aus  gleichem  Material,  dreiseitig,  mit  einem  Henkel, 
oder  flach  und  muldenförmig  (ähnlich:  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  16  von  Pelau) 
mit  einer  Handhabe  an  jedem  Ende,  sind  meist  so  flüchtig  gemacht,  dass  sie  nach  kur- 
zem Gebrauch  meist  weggeworfen  werden.  Einen  gewöhnlichen  Handkorb  bildet 
Choris  ab  (PI.  II,  Fig.  9). 

Im  Uebrigen  ist  die  Anfertigung  der  Körbe  ganz  so  wie  auf  den  Gilberts  (S.  64 
[332]),  ebenso  die  Benutzung  derselben.  In  Körben  werden  z.  B.  auch  die  Cocosschalen 
getragen,  in  welchen  man  Wasser  holt. 

Statt  der  kleinen  hübschen  Deckelkörbe  (S.  65  [333]),  welche  auf  den  Marshalls 
nicht  gemacht  werden,  flicht  man  viereckige  oder  längliche  flache  Taschen  (»Traau«), 
die  zuweilen  in  hübschen  Mustern  in  Braun  und  Schwarz,  wie  die  Bekleidungsmatten 
(Taf.  IV  [21],  Fig.  4),  benäht  sind.  Eine  solche  Tasche,  »Korb  eines  Fischers«,  bildet 
Edge-Partington  (Taf.  177,  Fig.  8)  ab.  Jetzt  werden  nur  noch  selten  so  hübsche  Taschen 
für  solche  Zwecke  verfertigt,  und  ich  erhielt  nur  einige  kleine  »Büchertaschen«  (»Boju 
in  Buk«),  in  welchen  die  getauften  Insulaner  ihre  Fiebel  mit  zur  Kirche  tragen.  Solche 
Taschen  verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  (S.  273  und  274)  von  Ebon. 

12* 


154 


Dr.  O.  Finsch. 


[410] 


Fig.  20. 


Fig.  19. 


6,  Werk{eug. 

Aexte.  Wenn  es  mir  auf  den  Marshall-lnseln  auch  nicht  mehr  gelang,  eine  voll- 
ständige Eingeborenenaxt  zu  erlangen,  mit  denen  es  schon  damals  für  immer  vorbei 
war,  so  bekam  ich  wenigstens  die  beiden  Haupttheile  einer  solchen: 

Axtstiel  (Fig.  19)  aus  einem  knieförmigen,  natür- 
lich gebogenen  Aststück,  an  dessen  flacher  Vorderseite, 
in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Carolinen- Aexten  (Fig.  Sg) 
mittelst  feiner  Schnur  aus  Cocosnussfaser  die: 

A  xt  klinge  (»Mälla«,  Fig.  20)  festgebunden  wurde. 
Letztere  ist  aus  »Medjenor«,  dem  Schlosstheil  von  Tri- 
dacna  gigas  geschliffen.  Ich  erhielt  davon  im  Ganzen 
nur  zwei  Exemplare  und  ein  Fragment  auf  Dschalut. 
Die  grösste  Klinge  misst  20  Cm.  in  der  Lange  und  9  Cm. 
in  der  Breite  und  stimmt  in  der  Form  ganz  mit  Tri- 
dacna-Klingcn  von  Kuschai  überein.  Das  andere  Exem- 
plar von  Dschalut  ist  14  Cm.  lang  und  55  Mm.  breit 
und  gehört  zu  der  dreiseitigen  hohen  Form  (Fig.  20), 
wie  sie  ähnlich  auch  auf  Kuschai  und  ganz  so  auf  Nu- 
kuor  vorkam.  Die  Schneiden  dieser  Klingen  sind  wie 
gewöhnlich  so  stumpf,  dass  man  kaum  begreift,  wie  die 
Eingeborenen  damit  etwas  schaffen  konnten. 

Sonderbarerweise  gedenkt  Chamisso  dieses  wich- 
tigsten und  interessantesten  Werkzeuges  der  Marshal- 
laner  nur  mit  den  kurzen  Worten  bei  Chama  (Tridacna) 
gigas:  >ts  werden  auch  Schneidewerkzeuge  daraus  ver- 
fertigt«, sagt  aber  an  anderer  Stelle:  >Die  Schätze  un- 
serer Freunde  bestanden  in  wenigen  zum  Schleifen  des 
Eisens  brauchbaren  Steinen,  die  das  Meer  auf  ihre  Rifte  ausgeworfen,  jene  auf  Schiffs- 
trümmern,  diese  im  Wurzelgeflecht  ausgerissener  Bäume.«  Ueber  die  angeblich  im 
Treibholz  angeführten  Steine  habe  ich  mich  schon  (S.  66  [334])  ausgesprochen,  be- 
zweifle aber  keineswegs,  dass  die  Eingeborenen  bereits  aus  Schiffstrümmern  Eisen 
kannten.  Der  Name  dafür  »Mal«  ist  derselbe,  als  für  Muscheläxte,  eiserne  Aexte,  Band- 
eisen etc.,  bezeichnet  aber  nicht  eigentlich  »Eisen«.  Chamisso  sah  selbst  am  Strande 
ein  angetriebenes  Stück  Holz*),  in  welchem  einige  Nägel  steckten;  solche  Eisentheile 
dürften  sich  aber  in  den  wenigsten  Fällen  zu  Aexten  geeignet  haben.  Chamisso  scheint 
übrigens  keine  Muscheläxte  gesehen  zu  haben,  denn  er  sagt  ausdrücklich:  »Wir  trafen 
bei  den  Eingeborenen,  das  Holz  zu  bearbeiten,  keine  anderen  Werkzeuge  an  als  das 
auf  diesem  Wege  gewonnene  kostbare  Metall.«  Aber  Kotzebue,  der  übrigens  eine 
eiserne  Axt  erwähnt,  sagt,  »dass  die  Böte  nur  mit  Korallsteinen  und  Muscheln  bearbeitet 
werden«.  Der  Mann  auf  dem  Bilde  von  Choris  (PI.  XVI  rechts,  bei  Kotzebue  links) 
scheint  mit  einer  Eingeborenenaxt  an  einem  Brette  zu  hantiren.  Nach  Eingeborenen- 
maxime ist  die  Annahme  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  schlauen  Insulaner  ihren  neuen 


Axtstiel. 
Dschalut. 


///• 


ä 

Axtklinge  aus 
Tridacna. 

Dschalut. 
Vio  nat.  Grösse. 


0  Nach  Chamisso  »Gaithoga«,  »Flössholz«|  d.h.  Treibholz  »Gaimedc;  Stein  »Ragha«;  Schleif- 
stein »RagalolU;  Nagel  oder  Meissel  »Mird«,  alles  Worte,  die  wohl  von  Kadu  herrühren  und  sich  bei 
Hernsheim  entweder  gar  nicht  oder  doch  ganz  verschieden  finden.  So  heisst:  »Rag«  oder  »Rak« 
Süden;  >Rac  dagegen  ein  angetriebenes  Brett  oder  Balken;  »AlaU  Baumstamm;  »Oarc  Stein  (d.h. 
Korallfels);  »Top«  Schleifstein;  »Dschedil«  Meissel. 


[411]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  ice 

Freunden  gegenüber  die  kostbaren  Muscheläxte  verheimlichten,  denn  dass  letztere  vor- 
handen waren,  unterliegt  keinem  Zweifel  Auch  auf  den  Marshalls  gab  es  eine  Zeit,  wo 
keine  SchifFstrümmer  anspülen  konnten,  die  ja  ohnehin  nur  ein  seltener  Zufall  brachte. 

Eine  interessante  Uebergangsform  von  der  Eingeborenenmuschelaxt  zu  der  eiser- 
nen ist  das  folgende  Stück: 

Mälla  oder  >Mel«  (Nr.  119,  i  Stück),  Axt;  an  einem  Holzstiel  der  alten  Form 
(Fig.  19)  ist  ein  Stemmeisen  mittelst  Cocosfaserschnur  als  Klinge  festgebunden.  Dschalut. 

Derartige  Aexte,  ein  Typus,  der  sich  beim  ersten  Verkehr  zwischen  Eingeborenen 
und  Weissen  überall  in  derselben  Weise  entwickelt,  waren  noch  sehr  beliebt.  Wo  ich 
auch  mit  unberührten  Naturmenschen  der  Steinzeit  zusammenkam,  immer  wurden  Stücke 
Flacheisen  (Hobeleisen  oder  selbst  nur  Bandeisen  von  einer  Kiste)  fertigen  europäischen 
Beilen  bei  Weitem  vorgezogen,  und  zwar  aus  praktischen  Gründen  (vgl.  »Samoa- 
fahrten«,  S.  63,  315  und  345).  Solche  Eisenstücke  werden  ganz  in  der  Weise  wie  die 
Stein-  oder  Muschelklingen  an  den  Holzstielen  eigener  Arbeit  festgebunden.  Es  entsteht 
dadurch  ein  Geräth,  das  in  der  Form  (mit  der  Schneide  quer  zum  Stiel  gestellt)  am 
meisten  dem  Texel  unserer  Schiffszimmerleute  ähnelt  und  der  Handhabung  und  den 
Zwecken  des  Eingeborenen  am  besten  entspricht.  Auf  der  Colonialausstellung  in  Lon- 
don war  es  mir  interessant,  unter  den  malayischen  Schmiedearbeiten  der  Straits-Settle- 
roents  Aexte  zu  sehen,  deren  flache,  lange  Eisenklingen  ganz  in  der  Weise  der  Südsee- 
Eingeborenen  am  Holzstiele  mittelst  gespaltenem  Rottang  befestigt  waren. 

Sonstige  Werkzeuge  eigener  Arbeit  waren  bereits  fast  so  selten,  als  die  alten  Aexte; 
ich  konnte  aber  noch  einige  der  wichtigsten  Stücke  retten;  darunter  den  alten  Schlägel 
oder  Hammer,  wie  er  früher  zum  Canubau  gebraucht  wurde,  und  eine  der  wichtigsten 
Geräthe  dafür. 

Luit  (Nr.  40,  41,  2  Stück),  Hammer  aus  Eisenholz.   Dschalut. 

Die  eine  Form  ist  blattfcfrmig  an  beiden  Seiten  abgeflacht,  das  Ende  stumpf  zu- 
gespitzt, die  Basis  zu  einem  rundlichen,  kurzen  Handgriff  verlängert,  circa  32  Cm.  lang 
(wie  Finsch:  Westermann's  Monatshefte  1887,  S.  504,  Fig.  9).  Die  zweite  Form  ist 
mehr  birnförmig,  rund  (wie  Finsch:  Verhandl.  der  Anthrop.  Gesellsch.  Berlin,  1887, 
S.  26,  Fig.  7);  übrigens  sind  beide  Formen  nicht  constant,  sondern  jedes  Stück  zeigt 
kleine  Abweichungen. 

Bohrer.  Die  eigenthümlichste  Sorte  ist  der  »Dribalc,  eine  Art  Drillbohrer,  aus 
einem  geraden  Stock  bestehend,  in  dessen  Mitte  eine  runde  Holzscheibe  befestigt  ist  und 
der  mittelst  zweier  Schnüre  in  quirlende  Bewegung  gesetzt  wird,  ganz  in  ähnlicher  Weise 
wie  der  Drillbohrer  der  Uhrmacher.  Als  Spitze  wurde  früher  in  Ermangelung  von 
Steinen  ein  Haifischzahn  oder  ein  aus  Tridacna  geschliffener  Stift  benützt,  sofern  man 
nicht  aus  Schiffstrümmern  einen  eisernen  Nagel  erlangen  konnte.  Solche  Drillbohrer 
dienten  besonders  zum  Bohren  von  Löchern  in  die  SpondylusSch^ibchtHy  Abbildungen 
bei  Finsch  in:  Westermann,  1887,  S.  so3,  Fig.  8  und  Verhandl.  der  Anthrop.  Gesellsch., 
S.  26,  Fig.  8,  sowie  Wilkes,  V,  S.  17,  und  zwar  von  Fakaofo  der  Tockelau- Gruppe. 
Genau  dieselbe  Construction  von  Bohrern  haben  wir  bereits  von  der  Südostküste  Neu- 
Gumeas  (II,  S.  [114])  kennen  gelernt.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  ein  ganz 
gleiches  Geräth,  aber  ohne  Steinspitze  oder  dergleichen,  von  den  Irokesen  Canadas  zum 
Feuerreiben  benützt  wird,  so  dass  dieselbe  Erfindung  von  den  entferntesten  Localitäten 
zu  verzeichnen  ist  (vgl.  Hough:  >the  methods  of  fire-making«  in:  Report  of  the  National 
Museum  Washington  for  1890,  Fig.  54). 

>Aurak«  hiess  ein  Bohrer,  aus  der  Spitze  eines  Schalenfragments  einer  Pteroceras- 
Art  (wol^l  lambts)y  um  Löcher  in  Holz  vorzubohren,  die  durch  Einschlagen  eines  Stiftes 


r  •■^^^'^^^'^■^■'^^'-^'^^^•^ 


Pfriemen  aus  Knochen. 


ic6  I^r-  O.  Finsch.  [4^2] 

oder  Keiles  von  Hartholz  dann  erweitert  wurden. ,  Wie  diese  Geräthe  jetzt  wohl  nicht 
mehr  zu  erlangen  sein  dürften,  so  erhielt  ich  schon  damals  keine  Raspel  mehr,  die 
ehemals  ganz  wie  auf  den  Gilberts  (S.  66  [334])  aus  Rochenhaut  verfertigt  wurde  und 
»La«  hiess. 

Eine  andere  Art  Feile  »Delal«  war  aus  dem  flachgeschliffenen  Griffel  eines  Seeigels 
(Acrocladia  trigonaria)  verfertigt  und  diente  zu  feineren  Arbeiten  (s.  Tätowirinstru- 
mente).    Ein  ähnliches  Werkzeug  erwähnt  Wilkes  als  »Bohrer«  von  Fidschi. 

Pfriemen.   Das  einzige  hierher  gehörige  Geräth,  welches  ich  erhielt  waren: 

li-inat  (Nr.  44,  i  Stück), 
p.    2x  Pfriemen  (Fig.  21)  aus  Knochen, 

32  Cm.  lang,  zum  Dachdecken 
benutzt  (S.  152  [408]).  DschaluL 
Das  Material  dazu  ist  der: 
Unterkiefer   eines   Del- 
phins, Phocaena  spec.  (Nr.  45, 
^schalut.  j   Stück),  dessen  BasistheU  zu 

Circa  »/«  natüri.  Grösse.  einer  Schiefen  Spitze  angeschlif- 

fen wird. 
Pfriemen  aus  Menschenknochen  habe  ich  auf  den  Marshalls  nicht  gesehen,  sie 
mögen  aber  auch  vorgekommen  sein. 

7.  Flechterei  und  Seilerei 

Die  Flechtarbeiten  der  Marsh all-Inseln  sind  insofern  verschieden  von  denen  der 
Gilberts,  als  sie  meist  Bekleidungszwecken  dienen,  und  erhalten  durch  die  zum  Theil 
sehr  kunstreiche  Verzierung  in  zweifarbigen  Mustern,  die  aufgenäht  (gestickt)  werden, 
einen  besonders  eigenartigen  Charakter  (vgl.  Taf.  IV  [21],  Fig.  3  und  4). 

Das  Material  zu  Flechtarbeiten  ist  das  gewöhnliche: 

Mang  (Nr.  193,  i  Stück),  Probe  von  zubereitetem  Pandanus-l&ldLn,   Dschalut. 

Die  Zubereitung  alter  Pa;i^ani/5-Blätter  besteht  in  Trocknen  und  Klopfen;  dann 
schneidet  man  breite  Streifen,  die  zu  Rollen  »Jeljit«  gewickelt,  bis  zum  Gebrauch  auf- 
gehoben werden.  Aus  diesem  Material  verfertigt  man  Segel  und  gröbere  Matten;  zu 
feineren  Flechtarbeiten  kommen  nur  junge  Pa«<fawi/5- Blätter  »Manginej«  zur  Verwen- 
dung, die  man  über  Feuer  trocknet,  dann  klopft  und  schliesslich  zwischen  den  Händen 
reibt,  um  sie  vollends  geschmeidig  und  biegsam  zu  machen.  Diese  PandanusSlr^ihn 
sind  von  verschiedener  heller  Färbung  (gelblich  bis  graulich),  werden  aber  nicht  als 
solche  gebleicht,  sondern  erst  die  fertig  geflochtenen  Matten,  was  durch  wiederholtes  Ein- 
weichen und  Trocknen  geschieht.  Darnach  beginnt  die  Arbeit  des  Einstickens  der  Muster. 

Zum  Schlagen  von  Pandanus-hlztl  bedient  man  sich  einfach  passlicher  Rollstücke 
von  Koralltrümmergestein,  wie  sie  sich  am  Strande  so  leicht  finden  lassen.  Ich  sah  eine 
alte  Frau  mit  einem  solchen  natürlichen  Schlägel  arbeiten,  der  die  Form  eines  künst- 
lichen hatte  und  wie  mit  einem  Handgriff  versehen  aussah.  Die  ganze  Mattenflechterei 
>Eetc  sammt  der  Zubereitung  und  dem  Färben  des  Materiales  ist  ausschliesslich  Arbeit 
des  weiblichen  Geschlechtes. 

Als  Material  für  das  braune  Muster  der  Matten  verwendet  man: 

>Adaat«,  den  braunen  Bast  einer  Kriechpflanze  (nach  Chamisso  Triumphetta 
procumbens  Forst.:  »aus  der  Familie  der  Linden«),  die  überall  auf  Sand  wächst,  sowie 
den  Bast  des  »Lao«  (Law)-Strauches  (Hibiscus  populneus). 


[£lS]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  i^j 

Die  Zubereitung  des  letzteren,  eines  auch  vielfach  zu  feineren  Stricken  verwendeten 
MaterialeSy  geschieht  auf  folgende  Weise,  Man  legt  den  abgehauenen  Stamm  circa  eine 
Woche  in  Salzwasser,  wodurch  sich  die  Rinde  (>Gill<,  auch  =  Haut)  löst,  welche  dann 
nicht  selten  mit  den  Zähnen  abgerissen  wird.  Durch  Klopfen  mit  einem  Stück  Holz 
oder  Stein  entfernt  man  dann  die  äussere  Rinde  und  erhält  somit  den  eigentlichen  Bast, 
wie  die  folgende  Nummer: 

Gill  (Nr.  20I,  I  Probe),  zubereiteter  Hibiscus-Bastf  wie  er  zum  Benähen  der 
Matten  verwendet  wird.   Dschalut. 

Dieser  Bast  wird  zum  Theil  auch  veredelt,  denn  die  Marschallaner  verstehen  die 
ersten  Anfänge  der  Kunst  des  Färbens,  und  zwar  mit: 

Dschong  (Nr.  2o3,  i  Stück),  längliche  schmale  Frucht  (angeblich  der  Blüthen- 
kolben  von  Eisenholz  ==--  Mangrove).   Dschalut. 

Diese  Frucht  wird  mittelst  eines  geschärften  Scherbens  einer  Cocosnussschale  ge- 
schabt und  gekocht,  wozu  man  sich  früher  Cocosschalen  oder  grosser  Muscheln  (z.  B. 
Cassis)  als  Gefäss  bediente.  In  den  Absud  werden  die  präparirten  Hibiscus-Bastslrtikn 
gelegt  und  durch  Trocknen  im  Schatten  schwarz  (»kilmedc)  gefärbt.  Werden  die  Bast- 
streifen im  Sonnenschein  getrocknet,  so  entsteht  keine  schwarze,  sondern  nur  eine 
rothbraune  (lohfarbene)  Färbung,  wie  mir  wenigstens  von  den  Eingeborenen  versichert 
wurde. 

Gill-kilmed  (Nr.  200,  i  Probe),  schwarz  gefärbter  Hibiscus-Basl,  zum  Benähen 
der  Matten,  in  circa  55  Mm.  breiten,  papierdünnen  Streifen.   Dschalut. 

Eine  dritte  Sorte,  zu  dem  gleichen  Zweck  benutzt,  heisst  »Gill-emearc  (gelb)  und 
ist  hell  bastfarben.  ^ 

Ein  anderer  Färbestoff  heisst  »Ninn«  und  wurde  als  die  Rinde  von  der  Wurzel 
eines  Baumes  (?  Mangrove)  bezeichnet.  Sie  wird  abgeschabt  und  gekocht,  bis  eine  rothe 
breiartige  Masse  entsteht,  welche  ebenfalls  einen  lohfarbenen  Ton  (»emerrar«  =  roth*) 
erzeugt.  Das  Berliner  Museum  besitzt  auch  diesen  Färbestoff  durch  mich,  sammt  der 
Cocosschale,  die  als  Gefäss  diente. 

Zum  Aufnähen  der  dickeren  Randstreifen  des  Musters  (vgLTaf.  IV  [21],  Fig.  4  a) 
wird  verwendet: 

Örr  (Nr.  202,  i  Probe),  sehr  feiner,  sauber  gedrehter  dünner  Faden.  Dschalut. 

Das  Material  dazu  ist  die  Faser  einer  >Arm^<  oder  »Armiuc  genannten  Pflanze, 
nach  Chamisso  »Aroma«,  »ein  zu  der  Familie  der  Nesseln  (Boehmeria)  gehöriger 
Strauch,  der  nur  auf  feuchtem  Grunde  wächst  und  manchen  Inseln  fehlt,  so  z.  B.  Udirik 
und  Ailiu,  die  ihren  Bedarf  von  Ligip  beziehen«.  Dieses  Material  ist  sehr  haltbar  und 
wurde  besonders  zu  Fischleinen  verwendet,  die  man  jetzt  meist  bei  weissen  Händ- 
lern kauft. 


1}  Die  zahlreichen  Prüfungen  Qber  Farbensinn,  respective  Farbenbegriffe,  welche  ich  bei  Natur- 
völkern vornahm,  zeigten  auch  bei  den  Marshallanem  eine  nach  unseren  Begriffen  sehr  massige 
Entwicklung,  sowie  individuell*  verschiedene  Auffassungen,  die  ja  auch  bei  uns  nicht  selten  sind.  Im 
Allgemeinen  unterschied  man  folgende  Farben:  »emudjc  =  weiss;  »kilmedc  =  schwarz,  womit  aber 
auch  das  Grün  des  Gelaubes  bezeichnet  wurde;  »maroro«  =  blau  und  grün,  welche  Farben  meist 
gar  nicht  unterschieden  werden;  »emerrar«  (=  trocken)  =  roth,  d.h.  lohfarben,  aber  auch  das  zarte 
Roth  der  Koralle  (Stjrlaster)  und  violett,  für  Roth  übrigens  auch:  »kilmirc  und  »beroroc,  indess  ohne 
präcise  Begriffe;  ^enn  ein  Eingeborener  bezeichnete  die  braune  Farbe  seiner  Haut  als  >beroro€  oder 
»bororo«;  »emearc  =  gelb,  womit  auch  nicht  eigentliches  Gelb,  sondern  eine  lichte  Bastfarbe  be- 
zeichnet wird.  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Farbensinn  der  Gilbert  Insulaner:  »erraroc  s= 
schwarz;  »mainainac  :=  weiss;  »uraurac  =  roth,  aber  eigentlich  braun  und  »maua«  =  grün  und  blau. 


158  Dr.  O.  Finsch.  [414] 

Geräthschaften  zu  Flechtarbeiten  sind  ungefähr  dieselben,  als  auf  den  Gilberts. 
Zum  Spalten  (Schlitzen)  von  Pandanus-BlBtt  und  Hibiscus-Bast  benutzt  man  jetzt  ein 
Stückchen  Blech,  früher  aber  Splitter  einer  Muschel  (Pinna  vexillum)^  »Djebörr«  ge- 
nannt.  Zum  Flechten  selbst  dient  ein: 

Tiginiet  (Nr.  189,  i  Stück),  Flechtbrett  aus  Holz  des  Brotfruchtbaumes.  Dschalut. 

Entsprechend  den  kleineren  Arbeiten  ist  dies  unentbehrliche  Geräth  auf  den  Mar- 

shalls-Inseln  von  geringerer  Grösse,  namentlich  kürzer,  von  länglich-viereckiger  Form, 

sanft  gebogen  (also  die  eine  Seite  concav,  die  andere  convex).    Gewöhnliche  Grösse: 

37  Cm.  lang,  21  Cm.  breit  und  3o  Mm.  dick. 

Zum  Benähen  (Sticken)  der  Matten  bediente  man  sich  früher  Nadeln  »Jänc  von 
Bein  (anscheinend  schmale,  spitze  Knochen  gewisser  Fische),  wovon  ich  noch  einige 
(bis  24  Cm.  lang)  erhielt,  jetzt  allgemein  eingeführter  kupferner  Nadeln. 

In  Folge  der  Anfertigung  moderner  Hüte  ist  ein  weiteres  Flechtgeräth  nothwendig 
geworden,  welches  man  früher  nicht  kannte: 

Managedscham  (Nr.  269,  i  Stück),  Hut  form  aus  Eisenholz.  Dschalut. 
Ein  rundes,  niedriges  Stück  Holz,  das  in  der  Form  einem  Hut  ohne  Krampe  ent- 
spricht, über  welchem  der  obere  Theil  des  Hutes  geflochten  wird. 

Seilerei  und  Stricice.  Die  als  Material  zu  feineren  Bindfaden  benutzten  Faser- 
stoffe: Adaat  (Hibiscus-Bsist)  und  Arm6  {Boehmeria-Fastr)  sind  bereits  auf  der  vorher- 
gehenden Seite  erwähnt  worden.    Es  ist  also  hier  nur  noch  der 

Bueje  (Nr.  135,  i  Probe),  zubereiteten  Cocosfaser  zu  gedenken,  welche  das  Haupt- 
material für  Seilerei  liefert. 

Die  Faserhülle  (»Bäoc*)  der  Cocosnuss  wird  in  grossen  Längsstücken  abgeschält, 
diese  in  Süsswasser  geweicht  und  dann  mittelst  Klopfen  von  den  holzigen  Bestandtheilen 
gereinigt,  ^o  dass  sich  die  einzelnen  Fasern  lösen.  Dieselben  sind  nicht  sehr  lang  (25 
bis  27  Cm.,)  aber  je  nach  der  Bearbeitung  zum  Theil  sehr  fein  und  liefern  das  Material 
zu  dem  weit  über  die  Südsee  unter  dem  Namen  »Coir«  bekannten  Garn. 

Als  Geräth  zur  Zubereitung  der  Cocosnussfaser  dient  ein  Schlägel  (»Rängränge), 
der  aus  einem  einfachen  runden  (circa  40  Cm.  langen)  Knüppel  aus  Eisenholz  besteht, 
ein  plumper  Hammer  (=  S.  [155])  oder  auch  nur  ein  handliches  Stück  Korallrollstein. 
Die  gewöhnlichste  Sorte  Stricke  ist  die  folgende: 
Kwall  (Nr.  i36,  i  Probe),  Strick  aus  Cocosfaser.  Arno. 

Diese  gewöhnlich  zum  Hausbau  ver- 
Fig.  22.  wendete  Sorte  wurde  damals  kaum  mehr 

auf  Dschalut  (und  Ebon)  verfertigt  und 
meist  von  den  betriebsameren  nördlichen 
Inseln  bezogen,  hier  auch  durch  Schiffe 
mitgebracht.  Aber  aus  solchen  Stricken 
sah  ich  auf  Dschalut  noch  dicke  Taue  für 
Canubedarf  drehen  (»bidebit«  =  Seil 
drehen)  und  damit  eine  der  primitivsten 
Scheibe  zum  Taudrehen.  Formen  der  Reepschlägerei  kennen,  wie 

Dschalut.  sie  auch  in  diesem  abgelegenen  Winkel  der 

Welt  bald  verschwunden  sein  dürfte. 
Als  einziges  Seilerei  geräth  diente  eine  runde  hölzerne  Drehscheibe  (Fig.  22, 
von  circa  32  Cm.  Durchmesser),  in*der  Mitte  mit  einem  runden  Loch,  am  Rande  mit 


<)  Chamisso  schreibt  »Aö«,  was  aber  nach  Hernsheim  »schwimmen c  heisst. 


[±1^']  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  I^g 

neun  Kerbeinschnitten  versehen.  Durch  das  Loch  dieser  Scheibe  lief  ein  starkes,  circa 
vier  Finger  dickes  Tau  von  20  Schritt  Länge,  das  mit  dem  einen  Ende  an  einer  Cocos- 
palme  festgeknüpft  war,  während  das  andere,  um  eine  zweite  Palme  gezogen,  von 
einem  Manne  straff  gehalten  wurde.  Neun  dünne  Stricke,  (wie  der  obige  Nr.  i36),  an 
dem  einen  Ende  mit  dem  Haupttau  an  der  ersten  Cocospalme  befestigt,  zogen  sich 
durch  die  Kerbeinschnitte  der  Scheibe  und  wurden  am  anderen  Ende,  (hier  noch  in 
grosse  dicke  Knäuel  aufgerollt),  von  ebenso  vielen  Männern  gehalten  und  bedient.  Indem 
nun  ein  Mann  die  Scheibe  stramm  nach  rechts  drehte,  hatten  die  übrigen  Leute  darauf 
zu  achten,  dass  sich  die  neun  dünnen  Stricke  gleichmässig  abwickelten  und  ohne  zu 
drillen  auf  das  mittelste  Haupttau  aufwickelten.  In  dieser  Weise  entstand  ein  treffliches, 
sehr  sauber  gedrehtes  Schiffstau,  zu  dessen  Anfertigung  allerdings  eilf  Männer  noth- 
wendig  waren. 

8.  Fahrzeuge  und  Verkehr. 

• 

Die  bewundernswertheste  und  grossartigste  Leistung  dts  Gewerbefleisses  der  Mar- 
shallaner  ist  ihre  Geschicklichkeit  im  Bau  seetüchtiger  Fahrzeuge;  die  letzteren  sind 
deswegen  aber  noch  keineswegs  die  allerbesten  der  Südseevölker,  wie  gewöhnlich  an- 
genommen wird.  Sie  stehe»'  jedenfalls  in  Technik  und  kunstvoller  Ausführung  weit 
hinter  den  grossen,  zuweilen  zweimastigen  Fahrzeugen  in  Melanesien  zurück  (vgl.  II, 
S.[i69]  und  [191]),  unter  denen  dieDoppelcanus  von  F'idschi  die  erste  Stelle  einnehmen. 
Wilkes  mass  ein  solches  von  über  100  Fuss  Länge,  das  200  Personen  trug.  Auch  die 
gefälligen  und  schönen  Fahrzeuge  der  Gilbert-Insulaner  sind  den  marshallanischen  voll- 
auf ebenbürtig,  besonders  wenn  man  die  ungeheuren  Schwierigkeiten,  die  mit  dem 
Mangel  passenden  Bauholzes  verbunden  sind,  berücksichtigt. 

Die  Marshallaner  besitzen  besseres  Material  in  dem  ziemlich  weichen  und  leicht 
zu  bearbeitenden  Holze  des  Brotfruchtbaumes,  aus  dem  die  Fahrzeuge  gebaut  werden, 
denn  Treibholz  und  Schiffstrümmer  können  bei  ihrer  Seltenheit  doch  immer  nur  unter- 
geordnet in  BetracRt  kommen. 

Das  Marshall-Canu  »U-a<  (»0-a« :  Chamisso;  > Wa< : ')  Hernsheim)  gehört  zu  dem 
weitverbreiteten  Typus  eingeborener  Schiffsbaukunst,  bei  welchem  der  Haupttheil  des 
Fahrzeuges  aus  einem  grossen  Kielstücke  besteht.  Das  letztere  wird  aus  einem  passen- 
den Stamme  vom  Brotfruchtbaum  gezimmert,  respective  ausgehöhlt,  und  ist  massgebend 
für  die  Grösse  des  Fahrzeuges.  Dem  unterseits  spitzen  Kielstück  wird  vorne  und  hinten 
ein  in  eine  lange  Spitze  (Schnabel)  auslaufendes,  vorderseits  scharfes  Bugstück  angesetzt 
und  diese  wiederum  mit  dem  Kiel  durch  Seitenborde  verbunden,  Planken  oder  Brett- 
stücke, deren  Grösse  sehr  verschieden  ist  und  sich  nach  dem  vorhandenen  Holz  und 
dessen  Verwendbarkeit  richtet.  Gewöhnlich  werden  die  flachen  Wurzelstreben  des  Brot- 
fruchtbaumes zu  Seitenborden  verarbeitet,  die  aber  nur  selten  nach  unseren  Begriffen 
Bretter  sind. 


I)  Nächst  »Niu<  =  Cocosnuss,  wohl  das  am  weitesten  über  Oceanien  und  Melanesien  verbrei- 
tetste  Wort:  »Waac;  Hawaii;  >VÄ-a«:  Samoa;  »Vaa«:  Uluti,  Carolinen;  »Ua  (Wa)«:  Marshalls,  Mort- 
lock;  >Wa<:  Doreh,  Neu-Guinea;  »Waage:  Kunschai;  »Wagat:  Louisiade,  Hayter-Insel;  »Vakac: 
Tonga,  Maori;  Südcap,  Neu-Guinea;  »Wakha«:  Nukuor;  »Wage«:  Milne-Bay,  Neu-Guinea;  »V'anaka«: 
Port  Moresby,  Neu- Guinea;  »A  Vange«:  Blanche-Bai,  Neu-Britannien;  »Wanjac:  Rook -Insel;  »Wonga«: 
Astrolabe-Bai,  Neu-Guinea;  »Uang«:  Finsch-Hafen,  Neu-Guinea;  »Uän«:  Bilibili,  Astrolabe-Bai ;  »Wem«: 
Ostcap,  Neu-Guinea;  »Wuar«:  Ponap^,  und  schliesslich  malayisch  »Prau«  oder  »Pra-hu«.  Sehr  ab- 
.weichend  sind  dagegen:  »Tambul«:  Neu-Irland;  »Obuna«:  Salomons  (Bougainville) ;  »Amlai«:  Pelau; 
»Mu«:  Yap;  »Baurua«  (aber  auch  >Toa«):  Gilberts. 


i6o 


Dr.  O.  Fiosch. 


[4'6] 


Nach  Kotzebue  waren  die  nur  kleinen  Canus,  ohne  Mast  und  Segel,  von  Meschid 
>aus  lauter  kleinen  Brettchen  zusammengeflickt«,  also  ganz  wie  dies  auf  den  Gilberts 
geschieht,  wahrscheinlich  wegen  Mangel  an  Brotfruchtbaum.  Die  Abbildung  von  Choris 
(Radak,  PI.  IV)  zeigt  ein  solches  kleines  Canu  von  Meschid. 

Charakteristisch,  aber  nicht  eigenthtlmlich  ftir  die  Marshall-Canus  ist  die  Un- 
gleichheit der  Seiten.  Während  die  dem  Ausleger  zugekehrte  Seite  sich  sanft  bauchig 
rundet,  also  convex  gearbeitet  ist,  verläuft  die  entgegengesetzte  fast  gerade  (vgl.  Fig.  34). 
Ohne  diese  ingeniöse  Einrichtung  wUrde  das  Fahrzeug  in  Folge  des  einseitigen,  weit 
abstehenden  Auslegers  nicht  gerade,  sondern  in  grossen  Bogen  laufen.  Die  einzelnen 
Theile  des  Canus  sind  mittelst  Bohrlöchern  und  Stricken  aus  Cocosfaser  zusammen- 
gebunden; zum  Dichten  werden  Streifen  Pandanus-Blatt  zwischen  die  einzelnen  Holz- 
theile  gelegt.    Es  ist  mir  nicht  mehr  erinnerlich,  ob  die  Fugen  auch  noch  mit  Harz 


Flg.  aJ. 


1  den  Mb rshall- Inseln,  SeJKnansicht. 
Dschalut. 


(»I)ur«)  verschmiert  werden,  was  ja  der  Brotfruchtbaum  liefert.  Das  Canu  trägt  ein  sehr 
schweres  Auslegergeschirr  mit  einem  schweren  Auslegerbalken  (Balancier)  von  der 
Länge  des  Kiels,  der  in  eigenthUmlicher  Weise  mit  den  sechs  Querhölzern  verbunden  ist. 
lieber  die  etwas  höhere  Mitte  des  Fahrzeuges  läuft  eine  breite  Planform  (»Bedak«, 
■  Hängeboden*:  Chamisso)  aus  Brettern,  welche  an  der  dem  Ausleger  gegenständigen 
Seite  (>Rong<),  wie  beim  centralcarolinischen  Canu,  ansehnlich  weit  Übersieht  und 
zuweilen  so  gross  ist,  dass  an  jeder  Seite  eine  kleine  HUtte  errichtet  werden  kann.  Sie 
wird  aus  Pandanus-h\ait  gebaut  und  ist  gross  genug,  um  5 — 6  Personen  dicht  zusam- 
mengedrängt nothdilrrtige  Unterkunft  zu  gewähren.  Das  Canu  führt  einen  Mast  und 
ein  grosses  lateinisches  Segel,  das  mit  zwei  Bäumen  oder  Raaen  (iRodschak«),  meist 
aus  Rippen  des  Blattes  der  Cocospalme  bestehend,  gespannt  werden  kann.  Das  ^egel 
(»Wudschelat)  wird  aus  circa  18  Cm.  breiten  Streifen  von  Manengeflecht  (»Irr  in 
Wudschela«)  aus  Pandanus-Bhtl  zusammengenäht;  ein  solcher  Streifen  ist  zuweilen 
200  Fuss  lang,  und  zu  einem  grossen  Segel  gehören  700  Fuss  Mattenstreif.   Als  Ruder 


h'7] 


EthnologUche  Erfahrungen  und  Belegslücke  aus  der  SQdsee. 


(iDicbebwe*)  dient  ein  langer  Riemen,  der  in  einer  Schlinge  aus  Tauwerk  befestigt  ist. 
Anker  (»Kauliklik«)  sind  mir  niclit  erinnerlich,  mögen  aber  vorhanden  sein.  Gewöhn- 
lich sind  die  Canus  vorne  am  Schnabel  mit  einem  Tau  an  einer  Palme  befestigt  und 
werden  bei  Nichtgebrauch  auf  den  Strand  geholt,  aber  nicht  in  besonderen  Schuppen 
untergebracht.  Verzierungen  sind  keine  anderen  angebracht  als  Büschel  zerschlissener 
schwarzer  Federn  (vom  Fregattvogel)  an  der  Mastspitze,  den  Haupttauen,  welche  den 
.Mast  halten,  und  am  Ende  des  unteren  Baumes  oder  Raae.  Die  Spitze  jedes  Buges  ziert 
zuweilen  eine  Schnitzerei  in  Form  eines  Uhlanenhelmes.  Diese  Verzierung  (>Bellikc), 
aus  Holz  geschnitzt  oder  Korbgeflecht,  schwarz  oder  weiss  bemalt,  zuweilen  mit  Feder- 
büscbel  geschmückt,  ist  ganz  besonders  charakteristisch  für  die  Canus  der  Marshatl- 
insulaner,  findet  sich  aber  nur  an  grossen  und  grösseren  Canus.  Abbildungen  solcher 
geben  Choris  (PI.  XI:  von 


FiB-  »4- 


der  Seite  und  von  vorne, 
XK:  Grundriss  und  XIV: 
unter  Segel)  und  Kotzebue 
(S.  8o)immerhia  kenntlich, 
wennauch  nichtinallen  Ein- 
zelheiten correct.  Durchaus 
richtig  sind  dagegen  die 
nach  meinen  photographi- 
schen  Aufnahmen  gezeich- 
neten Bilder  von  Dschalut- 
Canus  in  »Westermann's 
Monatshefte*,  1887,5. +92, 
493, 496  und  497  (vgl.  auch 
Hernsheim,  iSprache  der 
Marshall-Inseln«,  S.  97,  99 
und  loi,  und  >SUdsee-Er- 
innerungen«,  Taf.  7  und 

Die  beigegebenen 
Skizzen  Fig.  23:  Seilenan- 
sicht und  Fig.  24:  Vorder- 
ansicht (nach  pholographi- 
sehen  Aufnahmen  von  mir)  segek.nu  von  den  Mar.h.U-taselr.,  Vorder.nsich,. 

werden  besser  als  die  aus-  Dscb^\ux. 

fQbrlichste     Beschreibung 

zur  genaueren  Kennlntss  beitragen  und  uns  zugleich  mit  den  einzelnen  Theilen  der 
Canus  bekannt  machen. 

A         B 
Maasse 
iJ.  a  >U-a«,  Rumpf  oder  eigentlicher  Schiffskörper,  Kiellänge     ....     4-24      — 

Grösste  LSnge  von  Spitze  zu  Spitze 5-28     5-60 

»       Breite  in  der  Mitte 0-55     058 

.       Höhe o  77       — 

b  »Ere«,  Auslegergertist  und  sechs  Querhölzer»  Lange  derselben     .     .     3-32     3-68 

c  >Kubak(,  Auslegerbalken,  Länge 4-34      — 

d  >Bedak<,  Plattform  an  der  Auslegerseite,  Länge 3'3o      — 


l62  Dr.  O.  Finsch.  [418] 

A         B 

Maasse 

e  »Rong«,  Plattform^  entgegengesetzte,  ragt  über i'3o    0*96 

/,/ »Billebil«,  kleine  Hütten  (ein  oder  zwei) —       — 

g  ^Gidschu«,  Mast,  Höhe 4*97    6*24 

—  »Rodschak«,  unterer  Baum  (Raae),  Länge 5*56    7*46 

oberer        >  >  »        5*56      — 

h  »Wudschela«,  Segel  (aufgerollt),  Länge 5'28      — 

i  »Do  Kubak«,  Tau  vom  Mast  zum  Ausleger —       — 

k  »Gäg«,  Taue  zum  Segelhissen —       — 

/  »Man«,  zwei  Taue —       — 

m  »Bellick«,  Verzierung  der  Bugspitzen —       — 

Die  in  Tabelle  A  gegebenen  Masse  (denen  ich  in  B  die  von  Chamisso  —  Reise, 
I,  S.  242  —  notirten  beifüge)  sind  die  eines  mittelgrossen  Canu,  wie  dieselben  am 
häufigsten  vorkommen.  Es  gibt  aber  auch,  wie  bereits  erwähnt,  kleinere,  ohne  Mast 
und  Segel  und  ansehnlich  viel  grössere.  Chamisso  notirt  38  Fuss  (über  12  M.)  Länge 
für  das  grösste  Canu,  was  richtig  ist,  Hernsheim  sogar  50  Fuss  (=  16  Meter),  wohl 
nur  nach  Schätzung  und  deshalb  reichlich  überschätzt.  Ein  Canu  wie  das  der  Mass- 
tabelle A  trägt  10 — 12  Personen,  die  gewöhnliche  Zahl  ist  6 — 10,  für  kleine  noch 
weniger,  für  ganz  grosse  15 — 20.  Freilich  habe  ich  auf  letzteren  zuweilen  80—40  Per- 
sonen zusammen  gesehen,  aber  die  Hälfte  davon  waren  Frauen  und  Kinder,  und  es 
handelte  sich  dann  nur  um  eine  Fahrt  auf  der  Lagune.  Bei  der  Schmalseite  des  Schiffs- 
körpers, der  eigentlich  nur  der  Schwimmer  für  die  Plattform  ist,  dient  die  letztere  als 
Aufenthalt  für  die  Passagiere,  welche  bei  einer  grösseren  Anzahl  hier  dichtgedrängt  wie 
die  Häringe  zusammenhocken. 

Unter  allen  Fahrzeugen  der  Südsee  stimmt  übrigens  das  der  Central-Carolinen 
(vgl.  Choris,  PI.  XVIII)  am  meisten  mit  dem  der  Marshalls  überein  und  ist,  abgesehen 
von  gewissen  geringeren  Abweichungen,  durchaus  identisch  in  Bauart,  Form  und 
Takelung. 

Canubau  (»Digedik«  =  Holzhauen)  war  übrigens  eine  Kunst,  die  von  Wenigen 
verstanden  und  geübt  wurde,  bildete  also  gewissermassen  ein  Gewerbe.  Zu  meiner  Zeit 
gab  es  auf  Dschalut  nur  noch  ein  paar  alte  Leute,  die  sich  damit  beschäftigten;  grosse 
Fahrzeuge  wurden  aber  nicht  mehr  gebaut.  Die  Zahl  derselben  war  überhaupt  nie  eine 
bedeutende.  Chamisso  notirt  von  Airik,  der  grössten  und  volkreichsten  von  ihm  be- 
suchten Insel,  sieben  grosse  Canus,  ich  von  Dschalut  etwa  33,  von  Ebon  i3,  von  Milli 
20.  Seitdem  dürfte  sich  die  Zahl  überall  bedeutend  vermindert  haben,  und  ich  freue 
mich,  dass  es  mir  noch  gelang,  ein  seetüchtiges  Marshall-Canu  für  das  Berliner  Museum 
zu  retten,  vermuthlich  das  einzige  der  Art,  welches  Sammlungen  aufzuweisen  haben. 

Ein  unentbehrliches  Geräth  bei  allen  Canufahrten  bildet  der  Wasserschöpfer 
(»Limm«)  aus  Brot  fruchtholz,  länglich-oval,  kahnförmig  fcirca  50  Cm.  lang,  20  Cm. 
breit)  mit  ausgeschnitztem  Griff  an  der  Basis  der  Innenseite  (vgl.  Finsch :  Westermann's 
Monatshefte,  1887,  S.  495,  Fig.  i).  Bei  der  Undichtheit  der  Fugen  lässt  jedes  Canu 
Wasser  ein,  so  dass  unaufhörlich  ausgeschöpft  werden  muss,  was  übrigens  bei  gewöhn- 
lichen Verhältnissen  eine  Person  ohne  Anstrengung  zu  bewältigen  vermag. 

Da  das  Segel  nicht  gerefft  werden  kann,  so  ist  die  Hantirung  ziemlich  umständ- 
lich. Der  Mast  steht  nicht  in  der  Mitte  des  Canus,  sondern  wird  in  die  Höhlung  einer 
mit  Stricken  festgebundenen  Nabe  auf  der  Plattform  etwas  über  Bord  der  Auslegerseite 
(Leeseite)  eingesetzt.    Aehnliche  Naben  sind  an  jedem  Ende  (Schnabel)  des  Fahrzeuges 


[iig]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  l63 

angebracht  und  dienen  zum  Einsetzen  der  beiden  Bäume  (Raaen,  »Rodschak«),  welche 
das  Segel  halten.  Soll  nun  gewendet  werden,  so  muss  das  Segel  von  einem  Buge  nach 
dem  entgegengesetzten  getragen  und  hier  eingesetzt  werden,  zugleich  auch  der  Steuer- 
mann seinen  Platz  entsprechend  wechseln.  Wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  weiss,  schlägt 
das  Manöver  nicht  immer  ein,  und  das  Einsegeln  in  eine  Passage  macht  oft  viele  Mühe. 
Dass  der  Auslegerbalken  das  Canu  nicht  vor  Umschlagen  bewahrt,  kann  nicht  oft  genug 
wiederholt  werden,  da  jedes  Buch  das  Gegentheil  versichert.  Häufig  hebt  sich  der  Aus- 
legerbalken bedenklich  aus  dem  Wasser,  ein  paar  Fuss  mehr  und  das  Fahrzeug  geht 
über  Kopf,  wie  ich  wiederholt  beobachtete  und  was  schon  Kotzebue  erwähnt.  Freilich 
wissen  die  Eingeborenen,  ausgezeichnete  Schwimmer  wie  alle  Insulaner,  das  Fahrzeug 
aufzurichten  und  schliesslich  wieder  flott  zu  kriegen,  ja  bei  ruhigem  Wetter  etwaige 
leichte  Schäden  mit  Stricken  schwimmend  auszubessern,  aber  die  Sache  ist  keineswegs 
so  leicht,  als  gewöhnlich  angenommen  wird.  Für  das  richtige  Gleichgewicht  sorgt 
übrigens  die  Schiffsgesellschaft  selbst,  denn  bald  klettern  ein  paar  auf  die  Querhölzer, 
um  den  Auslegerbalken  niederzudrücken,  wenn  derselbe  zu  hoch  über  Wasser  kommt, 
oder  auf  die  vorspringende  Plattform,  Alles  gewohnheitsmässige  Manöver,  die  sich 
ganz  von  selbst,  ohne  besonderes  Commando  vollziehen.  Das  letztere  wird  übrigens  bei 
Seefahrten  von  erfahrenen  Männern,  meist  Häuptlingen,  geführt,  die  gewisse  Zeichen 
geben. 

Die  Segelfähigkeit  dieser  Canus  wird  meist  überschätzt;  sie  laufen  vor  dem  Winde 
ungefähr  so  schnell  als  ein  gutes  Boot,  beim  Kreuzen  vielleicht  etwas  besser,  aber 
4 — 6  Seemeilen  in  der  Stunde  ist  wohl  die  höchste  Leistung  und  Angaben  darüber 
hinaus  (12 — 20  engl.  Seemeilen)  reine  Uebertreibungen.  Canus  von  Ebon  pflegten 
nach  Dschalut  (80  Seemeilen)  in  18— 36  Stunden  heraufzukommen,  was  einer  Ge- 
schwindigkeit von  circa  4  72  Seemeilen,  respective  2  Ya  Seemeilen  (oder  Knoten)  in  der 
Stunde  entspricht,  und  ganz  so  verhielt  es  sich  bezüglich  der  Reise  von  Udschae  nach 
Dschalut  (270  Seemeilen),  wozu  zwei  Tage  und  eine  Nacht  erforderlich  sind.  Zuweilen 
dauerte  die  Reise  von  Dschalut  nach  Ebon  aber  auch  zweimal  24  Stunden,  doch  liess 
sich  nicht  ausmachen,  wie  lange  man  auf  Kili  verweilte,  denn  der  Kanaker  hat  es 
selten  eilig. 

Wir  haben  bereits  einzelne  Papuastämme  auf  Neu-Guinea  als  geschickte,  wenn 
auch  nicht  kühne  Seefahrer  kennen  gelernt,  die  zum  Vertriebe  ihrer  Fabricate  (Töpfe) 
oder  des  Tauschhandels  wegen  überhaupt  ansehnliche  Reisen  unternehmen,  und  ähn- 
liche Verhältnisse  finden  sich  in  der  ganzen  Südsee  wieder.  In  hervorragender  Weise 
sind  aber  gerade  die  Marshallaner  zur  Schifffahrt  gedrängt,  ohne  welche  ein  Verkehr 
nicht  einmal  zwischen  den  Bewohnern  des  eigenen  Atolls  möglich  wäre.  Bei  der  Spär- 
lichkeit des  Ertrages,  je  nach  dem  Ausfall  der  Ernte,  sind  die  Atolle  wieder  unter  sich 
aufeinander  angewiesen,  und  grössere  Tausch-  und  Handelsreisen  waren  behufs  Ernäh- 
rung schon  von  jeher  eine  Nothwendigkett.  So  mussten  sich  die  Marshallaner  zu 
geschickten  Seefahrern  ausbilden,  die  jedenfalls  unter  den  Südseevölkern  mit  die  hervor- 
ragendste Stelle  einnehmen,  wenn  sie  auch  den  Caroliniern  nachstehen.  Ihre  Leistun- 
gen sind  in  der  That  staunenswerth,  besonders  wenn  man  bedenkt,  dass  ihre  astrono- 
mischen und  geographischen  Kenntnisse  äusserst  gering  sind,  und  dass  sie  kein  einziges 
nautisches  Hilfsmittel  besitzen.  Denn  die  berühmten  »Seekarten«  sind,  wie  ich  schon 
wiederholt  bemerkte,  sicherlich  kein  solches,  sondern  höchstens  als  »Inselkarten«,  »Medu 
inailing«  (»ailing«  =  Insel),  zu  betrachten.  Eine  solche  »Karte«  besteht  aus  einem  Ge- 
stell von  zusammengebundenen  Stäbchen  (gerade,  quer,  schief,  selbst  gebogen),  an 
welche  kleine  Muschel  (Cypraea,  Melampus)  oder  Korallsteinchen  festgebunden  sind. 


164  ^^-  O.  Flnsch.  [420] 

Letztere  bedeuten  die  verschiedenen  Atolle,  während  die  Stäbchen,  wie  behauptet  wird, 
die  Richtung  der  Wellen  oder  die  Dünung  angeben  sollen,  die  je  nach  der  Jahreszeit 
wechselt.  Leider  hat  noch  kein  wissenschaftlicher  Seemann,  vielleicht  überhaupt  kein 
Weisser,  je  eine  grössere  Seereise  mit  einem  Marshall-Canu  gemacht,  um  den  Werth 
dieser  »Karten«  zu  prüfen,  und  so  bleibt  es  bei  gelehrten  Deutungen,  denn  die  Ein- 
geborenen selbst  wissen  herzlich  wenig  über  ihre  Seekarten  und  deren  Benutzung  mit- 
zutheilen.  Ich  selbst  habe  solche  Karten  von  den  erfahrensten  und  befahrensten  Ein- 
geborenen machen  und  mir  erklären  lassen,  und  dabei  kam  nicht  mehr  heraus  als  die 
individuelle  geographische  Kenntniss  über  die  Lage  einiger  Inseln.  Der  Mann  kannte 
Dschalut,  Kili,  Namurik,  Ebon,  Milli,  Ailinglablab,  die  ungefähr  richtig  gelegt  waren, 
was  aber  darüber  hinausging,  erwies  sich  als  total  unrichtig.  Ein  Blick  auf  die  von 
Hernsheim  (Marshall-Sprache,  S.  88,  mit  richtiger  Lage  der  Inseln  S.  89)  gegebenen 
Skizzen  und  auf  die  (Kat.  M.  G.,  Taf.  XXXII)  abgebildeten  fünf  verschiedenen  »Medu« 
wird  Jeden  überzeugen,  dass  von  einem  nautischen  Hilfsmittel  nicht  die  Rede  sein  kann, 
und  Friedrichsen  (Kat.  M.  G.,  S.  272)  erklärt,  »nach  eingehendem  Studium  keine  nur 
einigermassen  befriedigende  Deutung  geben  zu  können«.  Fast  scheint  es,  als  wären 
diese  »Inselkarten«  überhaupt  erst  seit  dem  engeren  Verkehr  der  Eingeborenen,  und 
zwar  Dschaluts  mit  weissen  Seefahrern  entstanden  und  vielleicht  aus  den  Stricken 
hervorgegangen,  die  nach  Gulik  (wohl  auf  Ebon)  »Seekarten«  vorstellen  sollten.  Es 
sind  dies  Stricke,  »welche,  in  bestimmten  Knoten  zusammengebunden,  den  Lauf  der 
Strömungen  bezeichnen«  sollen,  also  jedenfalls  noch  primitiver  als  die  »Seekarten«  der 
Dschaluter  aus  Stäbchen.  Kubary  erwähnt  von  Ebon  keine  der  beiden  Formen,  und 
wären  sie  ein  altererbtes  nautisches  Hilfsmittel  eigener  Erfindung,  so  würde  Kqtzebue, 
der  die  Eingeborenen  so  viel  über  Seewesen  ausfragte,  ohne  allen  Zweifel  schon  damals 
einen  »Medu«  erhalten  und  darüber  berichtet  haben. 

Mit  der  »astronomischen«  Kenntniss  der  Marshallaner  ist  es  auch  nicht  weit  her, 
denn  ich  erfuhr  auf  Dschalut  nur  den  Namen  des  Orion  als  »Lodde-lablab«. ')  Aber  es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dass,  wie  der  Stand  der  Sonne  bei  Tage,  so  gewisse  Sterne 
bei  Nacht  diese  Seefahrer  leiten.  So  haben  die  Dschaluter  einen  »Leitstern«  für  die 
Fahrt  nach  Milli,  Madschuru,  Namurik,  und  der  »Dschabrog«,  ein  Stern  (»Iju«),  der  nur 
in  gewisser  Zeit  im  Süden  sichtbar  ist,  führt  nach  Ebon.  Selbstredend  kennt  man  die 
vier  Himmelsrichtungen  (für  die,  beiläufig  bemerkt,  Chamisso  ganz  falsche,  vermuthlich 
carolinische  Namen  angibt)  und  rechnet  nach  Monden  (»Alin«),  aber  die  Begriffe  Jahr 
und  Jahreszeiten  sind  unbekannt,  vielleicht  mit  Ausnahme  von  Sommer  (»Rak«  = 
Süden,  nicht  =  Stein:  Chamisso). 

Navigation  verstehen  die  Marshallaner  also  nicht,  wohl  aber  sich  innerhalb  ge- 
wisser Grenzen  von  einem  Atoll  zum  anderen  zurechtzufinden,  und  das  ist  bei  dem 
eigenthümlichen  Charakter  der  letzteren  allerdings  schon  recht  schwierig.  Wenn  Papuas 
in  Bezug  auf  die  Entfernung  ähnlich  weite  Reisen  unternehmen  (z.  B.  Woodlark — Tro- 
briand:  90  Seemeilen  oder  Moresby-Archipel — Woodlark:  i3o  Seemeilen),  so  haben  sie 
immer  hohe  Berge  als  Landmarken  und  verlieren  Land  selten  aus  Sicht.  Aber  die 
Wipfel  der  Cocospalmen  sind  selbst  vom  Deck  eines  grösseren  Schiffes  (voa3oo  Tons) 
kaum  weiter  als  5,  aus  dem  Mast  vielleicht  8  Seemeilen  weit  sichtbar  (vgl.  Finsch: 
Westermann's  Monatshefte,  1887,  Abbild.,  S.  501);  ein  so  niedriges  Fahrzeug  als  ein 
Canu  läuft  daher  Gefahr  vorbeizusegeln,  wie  dies  ja  häufig  passirt.  Um  dem  vorzu- 
beugen, haben  die  Marshallaner  für  weitere  Seereisen  besondere  Navigirungsregeln,  und 


I)  Chamisso  verzeichnet  nur  den  Polarstern  als  »Lemannemann«  (?). 


\a2i\  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  165 

diese  sind  einmal:  mit  möglichst  viel  Canus  zugleich  auszugehen  und  dann:  eine  be- 
stimmte Segelordnung  einzuhalten!  Die  Canus  bleiben  in  Sehweite,  bei  Nacht  in  Hör- 
weite der  Trojnmeln  und  Muscheltrompeten  (S.  i33  [SSg])  beieinander  und  bilden  so 
eine  oft  viele  Seemeilen  lange  Linie,  innerhalb  welcher  es  einem  der  Canus  meist  ge- 
lingt, Land  zu  sichten.  Diese  Regeln  und  die  gerade  für  Seereisen  in  diesen  Gewässern 
so  wichtige  Kenntniss  der  Monsune  bilden  die  eigentliche  Grundlage  der  Steuermanns- 
kunst der  Marshallaner.  Wenn  noch  heute  in  allen  Büchern  gesagt  wird,  »genaue 
Kenntniss  des  Archipels  war  Gemeingut  aller  Bewohner  der  Marshall-Inseln,  der  Män- 
ner wie  der  Frauen«,  so  sind  dies  Uebertreibungen,  die  nicht  entfernt  zutreffen.  Wie 
nur  Einzelne  Canus  zu  bauen  verstanden,  so  waren  es  wiederum  nur  Einzelne,  welche 
bei  weiteren  Seereisen  die  Führung  übernahmen.  Solche  Leute  kennen  ausser  ihrem 
Heimatsatoll  meist  noch  einige  benachbarte  und  darüber  hinaus  vielleicht  noch  mehrere, 
letztere  aber  selten  aus  eigener  Anschauung,  sondern  nach  den  Mittheilungen  Anderer. 
So  zeichnete  Lagediak  von  Wotsche  Kotzebue  nicht  allein  die  Inseln  dieses  Atolls  auf, 
sondern  wusste  die  Lage  der  meisten  Inseln  der  Ratak-Kette  anzugeben,  die  ein  Häupt- 
ling von  Maloelab  aber  unrichtig  fand.  Ein  anderer  Häuptling  fügte  die  meisten  Inseln 
der  Ralik- Kette  hinzu,  auf  welche  Mittheilungen  Kotzebue  die  seinem  Reise  werke  bei- 
gefügte Karte  entwarf.  Sie  illustrirt  in  schlagender  Weise  die  Unkenntniss  der  Ein- 
geborenen über  ihr  Inselreich,  das  kein  Marshallaner  in  seinem  ganzen  Umfange  nur 
annähernd  richtig  kennt,  und  es  wäre  Zeit,  nicht  immer  aufs  Neue  die  Mittheilungen 
Kotzebue's  und  Chamisso*s  zu  wiederholen.  Wie  sich  schon  damals  erfahrene  Häupt- 
linge in  der  Lage  und  namentlich  der  Entfernung  zwischen  den  einzelnen  Inseln  irrten, 
so  verhielt  es  sich  noch  zu  meiner  Zeit.  So  verzeichnete  ein  Häuptling  die  Entfernung 
zwischen  Ebon  und  Kwajalein  mit  Dschalut  als  fast  gleich,  obwohl  die  letztere  Insel 
noch  einmal  so  weit  von  Kwajalein  entfernt  liegt  als  Ebon,  und  ich  könnte  noch  viele 
ähnliche  Beispiele  anführen.  Wie  anderwärts  nur  mit  den  Nachbarinseln  verkehrt  wird, 
so  kamen  auch  die  Dschaluter  meist  nicht  über  Ebon,  Namurik  und  Madschuru  hinaus 
und  besuchten  nur  selten  Milli  oder  die  nördlichen  Inseln  Rongerik,  Rongelab  und 
Bikini.  Der  Verkehr  zwischen  beiden  Inselketten  war,  wie  von  jeher,  nur  sehr  unbe- 
deutend, in  Folge  dessen  auch  die  gegenseitige  Kenntniss  höchst  mangelhaft.  Die  so 
nahen  Gilbert-Inseln  (nur  40  Seemeilen  zu  Süd)  kannten  die  Marshallaner  nur  nach  den 
auf  ihre  Inseln  gelegentlich  von  dort  verschlagenen  Eingeborenen  (>Repith-urur<, 
S.  71  [339]).  Der  umgekehrte  Fall  des  Verschlagens  von  Marshallanern  nach  den  Gil- 
berts ist,  wegen  der  herrschenden  westlichen  Strömung,  dagegen  nur  höchst  selten  vor- 
gekommen, und  diese  Leute  konnten  keine  Kunde  bringen,  da  sie  nicht  wiederkehrten. 
Die  weitverbreitete  Ansicht,  als  durchkreuzten  Canus  beliebig  den  ganzen  Archi- 
pel, also  z.  B.  von  Dschalut  bis  Bikini,  circa  420  Seemeilen,  in  einer  Tour,  ist  nicht 
richtig,  denn  in  Wahrheit  handelt  es  sich  in  der  Regel  um  bei  Weitem  geringere  Di- 
stanzen. Ist  nach  oft  wochenlangem  Warten  ein  günstiger  Wind  eingetreten,  so  segeln 
vielleicht  mehrere  Canus  von  Dschalut  nach  Ebon,  vereinigen  sich  mit  der  hiesigen 
Flotte  und  steuern  dann  gemeinschaftlich  nach  dem  Nord^en.  Dabei  wird  vielleicht 
noch  Namurik  angelaufen,  dann  Ailinglablab,  Kwajalein  u.  s.  w.,  so  dass  das  jeweilige 
nächste  Ziel  meist  nicht  sehr  weit  (25 — 80  Seemeilen)  entfernt  liegt,  denn  die  weiteste 
Reise,  welche  von  Dschalut,  und  zwar  höchst  selten  direct  unternommen  wird,  nach 
Milli,  beträgt  nur  1 20  Seemeilen.  Rechnet  man  hinzu,  dass  sich  von  einer  Insel  zur 
anderen  Canus  anschliessen,  die  dann  für  diese  Strecken  die  Führung  übernehmen,  so 
wird  dies  die  famosen  Fahrten  der  Marshallaner  und  ihre  nautischen  Kenntnisse  ins 
richtige  Licht  stellen.  Da  öfters  längerer  Aufenthalt  gemacht  werden  muss,  schon  wegen 


l66  I^r-  O.  Finsch.  [422] 

Reparaturen  an  den  Canus,  so  vergeht  oft  sehr  lange  Zeit,  ehe  die  Flotte  nach  ihren 
respectiven  Heimatshafen  zurückkehrt. 

Die  grosse  Sicherheit,  mit  der  die  Marshallaner,  »die  besten  See/ahrer  Mikro- 
nesiens,  ihr  fernes  Endziel  stets  richtig  zu  finden  wissen«,  wie  in  allen  Büchern  zu  lesen 
ist,  bleibt  jedenfalls  eine  recht  bedenkliche,  und  ich  würde  Niemandem  anrathen,  sich 
einer  Canuflotte  anzuvertrauen.  Denn  geht  es  auch  oft,  vielleicht  in  der  Regel  gut,  so 
findet  gar  häufig  das  Gegentheil  statt,  und  wenn  überhaupt,  landen  die  Canus  an  weit 
entfernten  Inseln.  Eine  durch  plötzlichen  Sturm  verschlagene  und  zerstreute  Flotte 
versucht  allerdings  den  Rückweg  zu  finden,  aber  das  ist  ebenso  schwer,  als  es  für  eines 
unserer  Schiffe  ohne  Compass  und  nautische  Hilfsmittel  sein  würde.  Oft  erreichen 
Canus  selbst  ein  sehr  nahes  Ziel  nicht,  wovon  schon  Chamisso  einen  Fall  anführt,  in- 
dem die  Flotte  von  Ailuk  das  nur  circa  50  Seemeilen  entfernte  Reiseziel  Meschid  ver- 
fehlte. Dieses  Verschlagen  werden')  gehört  keineswegs  zu  den  Seltenheiten  und  hat 
den  Marshallanern  mit  zu  dem  unverdienten  Rufe,  die  besten  Seefahrer  der  Südsee  zu 
sein,  verholfen.  Auf  solchen  unfreiwilligen  Fahrten  erreichten  manche  Canus,  1856  so- 
gar eine  ganze  Flotte,  Kuschai  (36o  Seemeilen),  aber  eben  aus  Zufall,  denn  selbstredend 
besitzen  die  Marshallaner  kein  Hilfsmittel,  um  die  Lage  dieser  Insel  festzustellen  und 
dieselbe  mit  Verstand niss  zu  suchen.  Winden,  namentlich  aber  Strömungen  überlassen, 
ist  es  lediglich  Glückssache,  wenn  sie  irgendwo  landen,  wie  dies  wiederholt  auf  den 
Carolinen  (1500  Seemeilen),  ja  auf  Guam  (über  1700  Seemeilen  weit)  geschehen  ist. 
Ein  paar  höchst  eclatante  Fälle  passirten  während  meines  Aufenthaltes.  Einige  Häupt- 
linge wollten  mit  dem  von  ihnen  gekauften  kleinen  Schuner  »Lotus«  (18  Tons),  trotz 
der  Warnung  weisser  Seefahrer,  ohne  fachkundige  Führung  von  Dschalut  nach  Ebon 
(80  Seemeilen)  fahren.  Wie  zu  erwarten,  verfehlten  sie  das  Ziel,  segelten  Ebon  vorbei 
und  landeten  nach  einer  Fahrt  von  etlichen  20  Tagen  auf  Faraulap,  einer  der  westlichen 
Carolinen  (circa  1500  Seemeilen).  Der  andere  Fall  betrifft  eine  vereinte  Flotte  von 
Milli  und  Ebon,  18  Canus  stark,  die  von  Dschalut  nach  Ebon  segeln  wollte,  nach 
25  tägigem  Umherirren  aber  auf  der  Wetterseite  von  Namurik  (65  Seemeilen  westlich 
von  Dschalut)  aufs  Riff  lief,  wobei  neun  Canus  zerschellten;  vier  waren  ohnehin  spurlos 
verschwunden.  Ueber  diese  interessanten  authentischen  Seefahrten  habe  ich  genauen 
Bericht  gegeben  (in:  Westermann's  Monatshefte,  1887,  S.  500,  und  Verhandl.  der  Ber- 
liner Anthrop.  Gesellsch.,  1887,  S.  24),  ebenso  über  eine  andere  unfreiwillige  Seereise 
von  neun  Amboinesen,  die  nach  38  tägiger  Irrfahrt  840  Seemeilen  weit  in  der  Torres- 
Strasse  landeten,  wo  ich  auf  Thursday-Island  die  Prau  (übrigens  ein  sehr  brauchbares 
Fahrzeug)  sah  und  einen  der  Theilnehmer  dieser  Reise  kennen  lernte. 

Den  »Lotus« -Leuten  hatte  ein  Sack  Reis  das  Leben  gefristet,  von  den  Theilhabern 
der  Canuflotte  waren  eine  ansehnliche  Zahl  den  Strapazen  und  an  Hunger  erlegen, 
denn  die  mitgeführten  Vorräthe  (einige  Rollen  Dschenäguwe,  S.  142  [398])  sind  sehr 
unbedeutend  und  reichen  natürlich  nicht  lange  aus.  Fälle,  wie  sie  Chamisso  nach  Aus- 
sagen Eingeborener  wiedererzählt,  wo  Eingeborene  acht  und  selbst  neun  (! ! !)  Monate, 
davon  fünf  ohne  frisches  Wasser  (! ! !),  verschlagen  umhertrieben,  sollten  daher  ein-  für 
allemal  ins  Reich  der  Fabel  verwiesen  und  nicht  immer  aufs  Neue  citirt  werden.  Hierher 


1)  Vgl.  auch  Otto  Sittig:  9Ueber  unfreiwillige  Wanderungen  im  Grossen  Ocean«^  in:  Peter- 
mann's  Mittheilungen,  1890,  S.  161 — 166  und  185  —  188;  Taf.  12.  Eine  dankenswerthe  Zusammenstel- 
lung, die  namentlich  durch  die  beigegebene  Karte  der  Windrichtungen  und  Strömungen  übersichtliche 
Erklärung  über  die  unfreiwilligen  Fahrten  (nicht  Wanderungen)  der  Oceanier  gibt.  Leider  ist  das 
zuverlässige  Material  noch  immer  sehr  unzureichend  und  einige  authentische  P'älle  von  Verschlagen- 
werden in  dieser  Arbeit  unbeachtet  geblieben. 


I 

[^^23]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  167 

gehört  auch  die  famose  fünftägige  Reise  einer  Frau  auf  einem  Bündel  Cocos  (?)  von 
der  unbekannten  Insel  »Boghac  nach  Udirik  (Chamisso  II,  S.  241),  welche  Sittig  leider 
nochmals  auftischt. 

Sicherlich  war  Kadu  von  Uleai  nach  Aur  (1680  Seemeilen  weit)  verschlagen  wor- 
den, aber  seine  Zeitmasse  haben,  wie  die  jedes  Eingeborenen,  durchaus  keinen  Werth. 
Die  Angabe,  >dass  mittelst  Tauchen  in  Cocosschalen  minder  salziges  Meerwasser  aus 
grösseren  Tiefen  heraufgeholt  wurdec^  ist  ebenso  absurd,  als  dass  sich  Schiffbrüchige 
fünf  Monate  lang  von  den  zufällig  gefangenen  Fischen  ernähren  könnten.  Ueberdies 
würden  vier  Menschen  ein  Canu  nicht  acht  Monate  über  Wasser  zu  halten  vermögen, 
weil  ja  Tag  und  Nacht  geschöpft  werden  muss,  und  schliesslich  leistet  kein  Canu  für  so 
lange  Zeit  Seegang  und  Wellen  Widerstand;  es  würde  zerfaUen.  Schon  nach  jeder  kür- 
zeren Reise  ist  ein  so  gebrechliches  Fahrzeug  reparaturbedürftig.  Lütke,  der  bereits 
die  Zeitdauer  von  Kadus  fabelhafter  Seefahrt  bezweifelt,  sagt  mit  Recht,  dieselbe  würde 
bei  acht  Wochen  schon  merkwürdig  genug  sein. 

Erfahrungen  wie  die  der  »Lotus «-Leute,  hatten  das  Vertrauen  der  Eingeborenen  zu 
ihren  seemännischen  Fähigkeiten  natürlich  bedeutend  erschüttert.  Schon  1879  wussten 
sie  die  Sicherheit  europäischer  Schiffsführung  zu  würdigen  und  zogen  es  vor,  interinsu- 
lare Reisen  mit  » Wanbelli«,  d.  h.  fremden  Schiffen  (von  > Wa«  =  Canu  und  »Belli«  = 
Fremder)  zu  machen,  und  bald  wird  es  mit  der  Eingeborenen -SchifflTahrtskunst  auch 
hier  vorbei  sein. 

p.  Körperhülle  und  Put{. 

A.  Bekleidung. 

Auf  Dschalut  (und  Ebon)  hatten  sich  damals  zum  Theil  bereits  europäische  Kleider 
eingeführt,  hauptsächlich  in  Folge  des  Einflusses  der  Mission.  Männer  pflegten  das 
eine  oder  andere,  meist  geschenkte,  Kleidungsstück  zu  tragen,  kauften  sich  wohl  auch 
einmal  ein  Hemd,  während  Häuptlinge  nicht  selten  in  Padjamas  (Kittel  und  Hose)  er- 
schienen. Häuptlingsfrauen  und  Bekehrte  überhaupt  kleideten  sich  meist  in  jene  langen 
taillenlosen  Kattunröcke,  die  unter  dem  Namen  »Nugenuk«  bereits  einen  Handelsartikel 
bildeten  (vgl.  Zeitschr.  für  Ethnol.,  1880,  Taf.  XI).  W^eniger  Bemittelte  blieben  den 
alten  Matten  treu,  denen  häufig  ein  Kattunjäckchen  hinzugefügt  wurde.  Auf  den  übri- 
gen Inseln  herrschte  noch  unverfälschte  Nationaltracht,  die  selbst  auf  Dschalut  bei  Ge- 
legenheit kriegerischer  Ereignisse  wieder  zum  Vorschein  kam.  Man  sah  damals  alle 
Bekleidungsstadien,  wie  ich  sie  (»Gartenlaube«,  1881,  S.  701)  abgebildet  und  beschrie- 
ben habe. 

Die  eigentliche  Tracht  der  Marshall-Insulaner  ist  bei  beiden  Geschlechtern  ver- 
schieden und  verdient  unter  allen  Stämmen  Mikronesiens  mit  am  meisten  die  Bezeich- 
nung »Bekleidung«.   Die  Sammlung  enthält  alle  hierher  gehörigen  Stücke: 

Ihn  (Nr.  207,  i  Stück,  Fig.  256),  Faserrock  für  Männer,  bestehend  aus  zwei 
dichten  grossen  Büscheln  oder  mehr  Buschen,  aus  circa  i  M.  langen,  mehr  oder  minder 
fein  zerschlissenen  Fasern  von  Hibiscus-Bast^  die  an  der  Basis  durch  ein  (circa  100  bis 
140  Cm.  langes  und  9 — 12  Cm.  breites)  Band  (Fig.  25  c)  aus  feinem  Pandanus-ManGn- 
geflecht  verbunden  sind.  Dschalut.  Das  Band  ist  an  der  verbreiterten  Basis  häufig  mit 
aufgenähtem  schwarzen  Muster  verziert.  Eine  gute  Abbildung  des  »Ihn«  findet  sich  in: 
Journ.  M.  G.,  Heft  I,  1873,  Taf.  6,  Fig.  8. 

Das  Material  zu  den  Faserröcken  (die  Chamisso  »Mudirdir«  (!)  nennt)  ist  »Adaat« 
und  »Lao«  (S.  156  [472]).   Es  gibt  aber  auch  fast  weisse,  sehr  feinfaserige  Männerröcke 

AmialcD  des  k.  k.  natarhtstoriscben  Hofmu&eams,  Bd.  VIII,  Heft  3,  1893.  l3 


l68  D'-  0.  RnKh.  [^2^] 

>Ihn  jojo«  genannt,  wahrscheitüich  aus  >Arm£<  (S.  157  [413])  verfertigt,  die  frQhernur 
von  Häuptlingen  getragen  werden  durften.  Auf  Dschalut  (wie  auf  Ebon)  machte  mao 
übrigens  keine  Ihn  mehr,  sondern  bezog  sie,  wie  die  Übrigen  hieher  gehörigen  StQcIce, 
von  den  nördlichen  Inseln. 

Zum  Tragen  des  >Ihn<  unumgänglich  nothwendig  ist  der: 
Kangr  (Nr.  208,  i  Stück,  Fig.  25*1),  Gürtel  aus  Pandanus-BUn.    Dschalul. 
Diese  Gürtel  bestehen  aus  einer  grösseren  Anzahl  (20 — 3o  und  mehr)  circa  6 — 9  Cm. 
breiter  Streifen  von  Pandanus-Rl&ii  (80 — 90  Cm.  lang),  die,  aufeinander  gelegt  und  an 
den  Enden  mit  Bindfaden  zusammengebunden,  einen  dicken  Wulst  bilden.  (Vgl.  die  gute 
Abbildung  in  der  oben  citirten  Abhandlung,  Fig.  7.)   Früher  wurden  diese  Gürtel  lu- 
weilen  mit  hellen  und  dunklen  Panda nus-Sxreifen  in  kunstvollem  Muster  umflochten 
(s.  Hernsheim:  >Be)träge>,  Abbild.  S.  87),  wovon  ich  aber  kein  Exemplar  mehr  erhielt 
Der  Gürtel  (Kangr)  dient  dazu,  um  den  Faserrock  (Ihn)  festzuhalten,  wie  dies  die 
beigegebene  Skizze  (Textfig.  25)  illustrirt:  a  Kangr,  b  Ihn,  dessen  beide  Faserbündel 
durch  das  Band  c  verbunden  sind.  Dieses  Band  wird 
^— ^         zwischen  den  Beinen  durchgezogen,  sodass  der  Gür- 
tel das  eine  Bündel  des  Ihn  vorne,  das  andere  hinten 
festhält.     Indem  man  nun  die  Fasern  sorgsam  aus- 
breitet,  bilden  dieselben   einen   fast  rings  um  den 
Leib  schliessenden  Rock,  der  bis  oder  über  das  Knie 
reicht,  weit  absieht  und  daher  ganz  luftig  ist.   (Ab- 
bildungen von  Marshallanern  mit  dem  »Ihm  beklei- 
det s.  Choris:  PI.  I  und  VllI;  Journ.  M.  G.,  Heft  1, 
Taf.  6,  Fig.  4;  Hernsheim:  > Südsee- Erinnerungen', 
Taf.  9  [Lagadschtmi];  Finsch:  'Gartenlaube«,  1881, 

. .        ^  -  S.  701 ;  eine  Schleppe,  wie  sie  der  Mann  am  Ruder 

Bekleidung  für  Männer.  ,,,...  .,         .  r.  .      ™ 

Dschalul  auf  dem  Bilde  von  Kotzebue,  S.  80,  trägt,  ist  Phan- 

tasie.) 

Nach  den  Mitiheilungea  von  Teiens  und  Kubary  (Journ.  M.  G.,  Heft  11,  187})  wQrde  die  Tracbl 
der  Männer  auf  Yap  nur  eine  Wiederholung  tener  der  Marshallaner  sein.  Wie  {5.  16)  beschrieben  und 
(Taf.  IV,  Fig.  1)  abgebildet,  besteht  dieselbe  aus  dem  »LiN,  zwei  langen  Faserbüscheln  aus  dem  Bssl 
einer  Malvacee,  die  ganz  dem  Ihn  enli'prechcn  und  in  derselben  Weise  befestigt  werden,  nur  dass 
statt  des  iKangn  ein  GQriel  aus  einem  zusammengerailelen  gewebten  Zeugsireifen  benutzt  wird. 
Sonderbarer  Weise  gedenkt  der  Kat.  M.  G.  des  •Lit*  nicht. 

Unter  dem  >Ibn<  wird  häutig  noch  um  den  Leib  als  besonderer  Schmuck  ge- 
tragen der: 

Irik  (Nr.  209,  i  Stück),  GUrtetschnur.  Arno.  Dieselbe  besteht  aus  einer  dünnen 
Schnur  aus  Cocosnussfaser,  welche  mit  sehr  schmalen  (nur  2  Mm.  breiten)  Sireifchen 
aus  Pan(/(i««s-Blatt  und  kaum  so  breiten  Streifchen  aus  schwarzgefärbtem  Hibtscus- 
Bast  in  der  Weise  äusserst  kunstvoll  umflochten  ist,  dass  ein  abwechselnd  weisses  und 
schwarzes  zierliches  Muster  entsteht.  (Das  Muster  von  Nr.  209  stimmt  vollkommen 
überein  mit  der  oben  citirten  Taf.  6,  Fig.  6  im  Journ.  M.  G.)  Die  ganze  Dicke  der 
Schnur  beträgt  nur  5  Mm.,  die  Länge  derselben  Über  23  M.  Dieses  Stück  ist  daher  ein 
besonders  schönes  und  theures,  da  sich  der  Werth  eines  Irik  nach  der  Länge  richtet 
Häuptlinge  tragen  daher  zuweilen  einen  Irik  von  60—70  M.  Länge,  den  umzuwickeln 
allein  ein  Stück  Arbeit  ist.    Der  längste  Irik,  welchen  ich  erhielt,  mass  57  M. 

Die  Muster  der  Iriks  sind  übrigens  sehr  verschieden  und  zuweilen  weit  geschmack- 
voller als  an  dem  vorliegenden  Stück  (s.  Hernsheim:  »Marshall- Ins. c,  Abbild.  S.  87  und 
Edge-Partington,  Taf.  177,  Fig.  3). 


[^25]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  169 

Iriks  werden  übrigens  nicht  ausschliessend  von  Männern,  sondern  auch  von 
Frauen  getragen  und  gehören  zum  Ausputz  einer  Häuptlingsfrau. 

Bei  besonders  festlichen  Gelegenheiten  binden  Häuptlinge  vorne  über  den  Faser- 
rock noch  eine  feine  Matte  (s.  Choris,  PI.  I,  und  Hernsheim,  1.  c,  S.  77  und  Taf.  9 
>Kabua«)  oder  ein  buntes  Taschentuch.  »König«  Kabua  von  Dschalut  im  Feldherrn- 
costüm  hatte  über  den  Ihn  ein  aus  kleinen  viereckigen  Flicken  zusammengenähtes 
Stück  Zeug  befestigt  (s.  Finsch:  »Gartenlaube«,  1881,  S.  701). 

Während  der  Faserrock  mehr  von  Männern  getragen  wird,  bekleiden  sich  junge 
Burschen  und  Knaben  vorzugsweise  mit  einer  Matte  (wie  Nr.  204),  die  zwischen  den 
Beinen  durchgezogen  und  mittelst  eines  Strickes  um  die  Hüften  festgebunden,  also  in 
ganz  anderer  Weise  getragen  wird,  wie  die  Bekleidungsmatten  der  Gilbert-Insulaner 
(S.  72  [340]).  Knaben  in  den  ersten  Lebensjahren  gehen  unbekleidet,  kleine  Mädchen 
werden  dagegen  schon  sehr  früh  mit  einem  Stück  Matte  bekleidet,  wie  solche  Matten 
(»Nihr«)  überhaupt  die  einzige  Bekleidung  des  weiblichen  Geschlechtes  bilden.  Kleinere 
Mädchen  befestigen  eine  solche  Matte  mittelst  eines  Leibstrickes  um  die  Hüften;  grös- 
sere Mädchen  und  Frauen  deren  zwei.  Diese  beiden  Matten,  von  denen  meist  die 
hintere  seitlich  schürzenartig  über  die  vordere  schlägt  (zuweilen  auch  umgekehrt),  bil- 
den eine  Art  engen,  bis  auf  die  Füsse  reichenden  Rock,  der  sehr  decent  kleidet,  da 
nur  der  Oberkörper  frei  bleibt.  Wohlhabende  wickeln  über  die  Matten  noch  eine 
lange  Irik-Schnur,  was  sehr  hübsch  aussieht.  (Abbild,  mit  Matten  bekleideter  Frauen: 
Choris,  PL  V  und  IX  [unrichtig  durch  falsche  Colorirung],  Kotzebue,  S.  60,  und  Herns- 
heim,  L  c.  S.  83.) 

Nihr  (E-irr  oder  Nerir,  Nr.  204,  i  Stück),  Bekleidungsmatte  für  Frauen;  feines 
Geflecht  aus  Pandanus-Elaity  mit  braunem  und  schwarzem  Muster  aus  Adaatbast  (circa 
86  Cm.  breit  und  90  Cm.  lang).    Dschalut. 

Beiläufig  bemerkt,  gibt  Chamisso  sonderbarer  Weise  das  Wort  »Thibidja«  für 
diese  Matten  an,  dagegen  »Nir«  für  Zahn;  letzterer  heisst  aber  »Ngi«. 

Nihr  (Taf.  IV  [21],  Fig.  3),  wie  vorher;  besonders  schönes  Randmuster  einer 
solchen  Matte  von  Dschalut. 

Ein  anderes  geschmackvolles  Muster  zeigt  das  folgende  Stück : 
Kante  eines  feinen  Mattengeflechts  (Nr.  199,  i  Stück,  Taf.  IV  [21],  Fig.  4);  die 
hellen  Streifen  bilden  das  eigentliche  Geflecht  aus  schmalen  Streifen  von  Pandanus- 
Blatt,  die  schwarzen  und  braunen  Streifen  sind  aus  Adaatbast  und  aufgenäht;  der  brei- 
tere braune  Längsstreif  (a)  zeigt  den  Bindfaden  (örr),  mit  welchem  derselbe  aufgenäht 
ist.  Dschalut.  Der  Kantenstreif  ist  25  Cm.  breit,  davon  das  schwarze  Muster  (b)  18  Cm. 

Ein  hübsches  Muster  derartigen  Mattengeflechts  zeigt  der  Korb  von  Milli  (Edge- 
Partington,  Taf.  177,  Fig.  8).  Abbildungen  ganzer  Matten  im  Journ.  M.  G.,  Heft  I,  Taf.  6, 
^^S*  9\  Hernsheim:  »Südsee-Erinnerungen«,  S.  91,  und  »Marshall-Inseln«,  S.  71. 

Die  sehr  mannigfachen,  meist  in  Grecmanier  gehaltenen  Randmuster  sind  zuweilen 
wahre  Typen  geschmackvoller  Composition  und  gehören  nicht  nur  zu  den  besten 
Kunstleistungen  der  Marshall-Inseln,  sondern  der  Südsee  überhaupt.  Technisch  sind 
diese  braunen  und  schwarzen  Muster  deshalb  interessant,  weil  sie  nicht  eingeflochten, 
sondern  aufgenäht  (gestickt)  werden.  Im  British-Museum  sah  ich  geflochtene  Panda- 
nu5-Matten,  mit  aufgenähten  schwarzem  Muster,  mit  der  Angabe  »Chain-Isi.«  (=  Anaa 
der  Paumotu-Gruppe),  die  fast  ganz  mit  denen  der  Marshalls  übereinstimmten.  Die 
Manier  Muster  aufzunähen  ist  auch  auf  Uleai  und  Kuschai  bekannt.  Die  im  Kat.  M.  G., 
S.  275,  Nr.  91 — 97,  aufgeführten  Matten,  aus  einer  »Grasart  (?)«  geflochten  und  mit 

i3* 


ijo  Dr.  O.  Finsch.  [426] 

blauer  und  rother  Wolle  verziert,  sind  nicht  von  den  Marshalls,  sondern  von  U£a 
(Wallis-Isl.). 

Wie  überall,  so  ist  auch  auf  den  Marshalls  die  Mattenfabrication  lediglich  in  den 
Händen  der  Frauen,  die  damals  auf  Dschalut  noch  Vorzügliches  in  diesem  Gewerbe 
leisteten. 

Kopfbedeckung  kannten  die  Marshallaner  nicht,  machten  sich  dieselbe  an  den 
Missionsplätzen  aber  bald  zu  eigen,  indem  sie  die  Geschicklichkeit  im  Flechten  von 
Matten  auf  einen  neuen  Industriezweig,  der  Verfertigung  von  Hüten  nach  dem  Muster 
europäischer  Strohhüte,  übertrugen. 

Ballinbaran  (Nr.  266,  i  Stück),  Hut,  feine  Flechtarbeit  aus  Fvlsqt  des  Pandanus- 
Blattes.  Dschalut.  Solche  Hüte,  in  Fa^on  und  Aussehen  ganz  Panamahüten  ähnelnd, 
werden  namentlich  auf  Dschalut  in  vorzüglicher  Feinheit  angefertigt  und  sowohl  von 
Eingeborenen  getragen,  als  auch  an  Fremde  verhandelt.  Gute  Hüte  kosteten  8 — zoMark 
das  Stück.   Die  Fabrication  ist  lediglich  in  Händen  der  Frauen. 

B.  Putz  und  Zierarten. 

Da  die  meisten  der  hierher  gehörigen  Arbeiten  bereits  der  Vergangenheit  an- 
gehören, zum  Theil  verloren  gegangen  sind,  so  lässt  sich  kein  klares  Bild  mehr  ent- 
werfen. Wie  es  scheint  war  auch  früher  kein  besonderer  Reichthum  an  Schmuck- 
gegenständen vorhanden,  was  sich  auch  dadurch  erklärt,  dass  die  Anfertigung  der 
eigenartigen  und  besonders  sorgfältig  gearbeiteten  Bekleidungsstücke  viel  Mühe  und  Zeit 
beansprucht,  so  dass  für  Schmuck  wenig  übrig  bleibt.  Kopf  binden  und  Halsketten  aus 
Muscheln,  darunter  besonders  solche  aus  5j7o;i^/K5-Sch eibchen,  bilden  die  hauptsäch- 
lichsten Stücke  von  Marshall-Schmuck.  Die  Aufmachung  solcher  Schmucksachen  erhält 
dadurch  ein  charakteristisches  Gepräge,  dass  die  Schnüre  meist  in  zierlichem  weissen 
und  schwarzen  Muster  zusammengeflochten  sind. 

a)  Material. 

So  weit  sich  nach  den  noch  vorhandenen  Arbeiten  urtheilen  lässt,  ist  und  war 
dasselbe  nicht  sehr  mannigfaltig.  Menschenhaar,  Menschenzähne  und  Perlmutter  wur- 
den nicht  benutzt;  Spermwalzahn  nur  in  beschränkter  Weise  (zum  Theil  zu  sehr  kunst- 
voll gearbeiteten  Anhängseln  für  Halsbänder) ;  dagegen  kleine  Conchylien,  Conus,  Del- 
phinzähne und  etwas  Schildpatt ;  Federn  nur  zu  Tanzschmuck.  Gegenwärtig  beschränken 
sich  die  zu  Schmuck  verwendeten  Naturproducte,  ausser  Blättern  und  Blumen,  auf  einige 
Arten  Conchylien  (besonders  Natica  und  Columbella)y  darunter  vorzugsweise  Spon- 
dylus.  Aus  letzterem  Conchyl  wurden  die  runden,  in  der  Mitte  durchbohrten  Scheib- 
chen »Aaht«  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  la)  verfertigt,  die  noch  heute  in  hohem  Werth 
stehen  und  früher  wohl  das  Eingeborenengeld  bildeten.  Wenn  darüber  auch  kein 
sicherer  Nachweis  vorliegt,  so  darf  dies,  im  Vergleich  mit  anderen  Verhältnissen,  wie 
sie  noch  heute  auf  den  Carolinen  (z.  B.  Ruk)  bestehen,  ruhig  angenommen  werden. 

Die  wenigen,  meist  unvollkommenen  Stücke  roher  Muscheln,  welche  ich  als  Mate- 
rial zu  »Aaht«  mit  grosser  Mühe  erlangte,  gehörten  zu  einer  Art  Spondylus,  die  sich 
nicht  mehr  mit  Sicherheit  bestimmen  lässt.  Eine  ziemlich  gut  erhaltene  untere  Schale 
aus  der  Lagune  von  Madschuru  wurde  dagegen  durch  Güte  von  Prof.  v.  Martens  (Ber- 
lin) als  Chama  pacifica  Brod.  festgestellt,  eine  Art,  die  in  Sammlungen  bei  uns  selten 
zu  sein  scheint.  Die  ziemlich  dicke  Schale  dieses  übrigens  nicht  grossen  Exemplars 
(70  Mm.  lang,  45  Mm.  breit)  zeigt  auf  der  äusseren  Hälfte  der  Innenseite  und  am  Rand- 
saume jene  helle,  ins  Orangerothe  oder  Mennige  ziehende  Färbung,  wie  sie  für  Muschel- 


[^27]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  lyi 

• 

scheibchen  von  den  Marshall-Inseln  charakteristisch  ist  und  sich  in  ganz  gleicher  Weise 
auf  den  Carolinen  (vgl.  Taf.  VIII  [25],  Fig.  2 — 5)  wiederfindet.  Uebrigens  sind  schon 
an  diesem  Exemplar  Abstufungen  in  der  rothen  Färbung  bemerkbar,  wie  c(ieselben  fast 
an  jedem  einzelnen  Muschelscheibchen  hervortreten,  die  meist  heller  gefärbte  Stellen, 
zuweilen  fast  weisse  Streifen  aufweisen.  Wenn,  nach  der  Färbung  zu  schliessen,  auch 
Chama  pacifica  wohl  am  häufigsten  benutzt  wurde,  so  ist  es  doch  unmöglich,  Scheib- 
chen aus  Chama  und  Spondylus  zu  unterscheiden,  da  die  Färbung  beider  häufig  ganz 
übereinstimmt,  und  man  wird  in  ethnologischen  Beschreibungen  sich  mit  der  Bezeich- 
nung ^SpondyluS'SzhQ,\hchtVL€  begnügen  müssen. 

Beide  Arten  Conchylien  leben  übrigens  festgewachsen  in  bedeutenden  Tiefen,' 
sind  also  nur  mit  grosser  Mühe  mittelst  Tauchen  zu  erlangen  und  deshalb  schon  an 
und  für  sich  werthvoll.    Wenn  man  nun  ferner  in  Betracht  zieht,  dass  nicht  die  ganze 
Muschelschale,  sondern  nur  gewisse  Theile  derselben  brauchbar  sind,  so  erhöht  sich  der 
Werth  des  Materials  ganz  erheblich. 

Wie  ich  von  einem  lange  Jahre  auf  Namurik  ansässigen  weissen  Händler  erfuhr, 
wäre  das  Material  zu  den  »Aaht-Scheibchen«  eine  »solide  rothe  Koralle«,  die  in  Platten 
gespalten  und  dann  geschliffen  wird.  Aber  diese  Angabe  ist  durchaus  irrthümlich,  und 
ich  führe  sie  nur  an,  um  zu  zeigen,  wie  leicht  Irrthümer  vorkommen,  die  dann  meist 
schwer  wieder  auszurotten  sind. 

Auf  Dschalut  wurden  keine  Aaht-Scheibchen  gemacht,  und  man  soll  hier  über- 
haupt diese  Kunst  nicht  verstanden,  sondern  die  fertigen  Scheibchen  von  Namurik  und 
Madschuru  bezogen  haben,  wahrscheinlich  weil  die  Muschel  in  der  Dschalut-Lagune 
nicht  vorkommt. 

Ich  selbst  sah  daher  keine  Muschelscheibchen  anfertigen  und  konnte  nur  das  Fol- 
gende erfahren.  Die  Muschel  wird  zerschlagen  und  dann  die  passend  gefärbten  Stücke 
zu  kleineren  Stückchen  zurechtgeklopft,  die  man  auf  einem  besonderen  Korallstein 
(»Buge«)  eben  und  rund  schleift.  Zum  Durchbohren  bediente  man  sich  früher  eines 
Drillbohrers  (S.  155  [411])  mit  dem  Zahne  einer  besonderen  Haifischart  (»Dschebegät« 
genannt),  jetzt  allgemein  Eisen,  am  liebsten  einer  Segelnadel. 

Bei  der  ungeheuren  Mühe,  welche,  mit  den  früheren  so  primitiven  Werkzeugen, 
die  Anfertigung  nur  eines  »Aaht-Scheibchens«  verursachte,  lässt  sich  der  Werth  eines 
ganzen  Halsschmuckes,  zu  dem  oft  200  solcher  Scheibchen  gehören,  am  besten  er- 
messen. Ausser  runden  Scheibchen  schliff  man  früher  auch,  als  Anhängsel  an  Hals- 
ketten, pyramidenförmige  Plättchen  (ähnlich  Taf.  VIII  [25],  Fig.  15),  die  sich  durch  viel 
sauberere  Arbeit  von  solchen  der  Gilbert-Insulaner  unterscheiden.  Aehnlich  geformte 
Stückchen  Schildpatt  dienten  dem  gleichen  Zwecke.  Scheibchen  aus  weisser  Muschel 
wurden  früher  auf  den  Marshalls  ebenfalls  gemacht,  ebenso  Scheibchen  aus  Cocosnuss- 
schale  (wie  dies  schon  Chamisso  erwähnt),  also  ganz  dem  »Tekaroro«  der  Gilbert- Inseln 
entsprechend,  aber  es  wurden  davon  wohl  nie  so  lange  Schnüre  hergestellt  als  dort, 
und  dieses  Material  fand  nur  gelegentlich,  in  Verbindung  mit  »Aaht-Scheibchen«  Ver- 
wendung. 

Die  wenigen  Arbeiten  aus  Spermwalzahn  haben  einen  ganz  anderen  Charakter  als 
solche  der  Gilbert-Inseln  (S.  74  [342])  und  zählen  zu  den  kunstvollsten  und  mühsam- 
sten Erzeugnissen  der  Schmuckindustrie  der  Eingeborenen  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  21  a), 
gehören  aber  sämmtlich  längstvergangenen  Zeiten  an. 

b)  Hautverzierung. 

Brandmale  und  Ziernarben  finden  bei  den  Bewohnern  der  Marshall-Inseln  keine 
Anwendung,  aber  Tätowiren  war  1879  noch  gebräuchlich,  wenn  auch  bereits  stark  in 


lya  ^^'  O-  FiMch.  [428] 

der  Abnahme  begriffen.  Wie  die  Gilbert-Insulaner,  so  besitzen  auch  die  Marshallaner  eine 
eigenthümliche  Tätowirung,  und  zwar  für  jedes  Geschlecht  ein  besonderes  Muster,  das 
sich  über  alle  Inseln  des  Archipels  verbreitet.  Diese  Tätowirung  ist  eine  durchaus  spon- 
tane, die  sich  durch  sehr  bestimmte  charakteristische  Merkmale  von  der  auf  den  Gilberts 
und  Carolinen  gebräuchlichen  unterscheidet.  Diese  charakteristischen  Kennzeichen  der 
Marshall -Tätowirung  lassen  sich  kurz  in  Folgendem  zusammenfassen:  Bei  Männern 
sind  vorzugsweise  Brust  und  Rücken,  bei  Frauen  die  Arme  tätowirt;  ausserdem  besitzen 
Frauen  besondere  Zeichen  quer  über  die  Schulterhöhe.  Das  Muster  besteht  im  Wesent- 
lichen aus  kurzen  Strichelchen,  die  in  Form  und  Anordnung  als  typisch  gelten  müssen. 
Diese  Strich  eichen  stehen  sehr  dicht  an  einander  und  bilden  Linien,  die  meist  wagrecht, 
seltener  longitudinal  oder  schief  und  noch  seltener  im  Zickzack  verlaufen.  Wenn  Cha- 
misso  einige  Male  das  Zeichen  des  römischen  Kreuzes  bemerkte,  so  war  dies  rein  zufallig. 
Bei  Männern  ist  der  Rücken  von  der  Schulter  an  bis  zur  Hüfte  herab  mit  dichtstehendeo 
Querlinien  aus  Strichelchen  bedeckt,  die  auf  den  oberen  Theilen  des  Rückens  (Schultern) 
schiefe  Linien  bilden ;  die  Brust  von  den  Schlüsselbeinen  bis  zur  Brustmitte  ist  wie  mit 
einem  latzartigen  Dreieck  bekleidet,  das  von  einem  breiten  Bande  aus  wagrechten 
Querlinien  begrenzt  wird,  ebensolche  bedecken  die  Mitte  des  Bauches,  während  die 
Seiten  Längs-  oder  Zickzacklinien  tragen.  Ein  vollständig  tätowirter  Mann  sieht  aus, 
als  wie  mit  einem  Panzerhemd  bekleidet,  wie  schon  Kotzebue  treffend  hervorhebt.  Mit 
Ausnahme  der  einigermassen  richtigen  Darstellung  auf  PI.  VIII  sind  Choris'  Abbildungen 
von  Marshall- Tat owirungen  aus  der  Reihe  des  Vergleichungsmaterials  zu  streichen,  da 
sie  ganz  unrichtige  Vorstellungen  geben  und  die  irrige  Ansicht  erwecken,  als  stimmten 
die  Muster  der  Tätowirung  und  der  Matten  überein.  Eine  Vergleichung  der  Bilder  von 
»Larikc  (Choris,  PL  I)  und  »Rarik«  (Kotzebue,  S.  168),  die  ein  und  dieselbe  Person 
darstellen  sollen,  zeigt,  dass  diese  total  verschiedenen  Tätowirungen  reine  Phantasien 
sind.  Anschauliche  und  correcte  Skizzen  von  Marshall -Tätowirungen  gibt  Hernsheim 
(»Marshall-Inselnc,  S.  91:  Vorderseite  und  S.  gS:  Rückseite;  reproducirt:  »Südsee- 
Erinnerungen  c,  S.  78),  und  zwar  von  einem  besonders  reich  tätowirten  Manne.  Derselbe 
zeigt  nicht  nur  auf  dem  Halse  Querstriche,  sondern  auch  auf  jedem  Oberarme  drei 
Parallelquerlinien.  Ausnahmsweise  ist  bei  Männern  der  Arm  mit  Längs-  und  Quer- 
linien gezeichnet  (wie  Hernsheim:  »Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  9,  Kabua),  ebenso  der 
obere  Theil  des  Oberschenkels  und  sogar  der  obere  Theil  des  Gesässes  (wie  Hernsheim's 
Skizze  S.  gS);  aber  dies  zählt  zu  den  seltenen  Ausnahmen.  Gewöhnlich  haben  Männer 
keine  andere  Tätowirung  auf  den  Beinen,  als  höchstens  einige  Zickzackquerlinien  auf 
dem  Oberschenkel  oder  ein  paar  Querstriche  auf  der  AVade.  Die  Abbildungen  von 
Kubary  (in  Joest:  »Tätowiren«,  S.  95)  sind  nicht  sehr  gelungen,  namentlich  ist  die 
Rückenansicht  im  Detail  verfehlt,  welche  durch  die  schiefen  Querlinien  mehr  Gilbert- 
Charakter  erhalten  hat. 

Das  weibliche  Geschlecht  tätowirt  vorzugsweise  die  Arme,  und  zwar  oben  (von 
der  Schulter  an)  und  unten  (oberhalb  dem  Handgelenk)  mit  dichtstehenden,  aus  den 
erwähnten  kurzen  Strichelchen  gebildeten  Querlinien,  auf  dem  übrigen  Arme  Längs- 
linien, die  meist  rings  um  den  ganzen  Arm  laufen.  Diese  Armtätowirung  weicht  ganz 
ab  von  der  auf  Ponap^  und  Pelau  üblichen  und  ist  eben  so  eigenthümlich,  als  die  Tä- 
towirung der  Schulterhöhe,  welche  in  dieser  Weise  nirgends  vorkommt.  Choris'  im 
Uebrigen  ganz  verfehlte  Darstellung  der  Tätowirung  von  Marsh allanerinnen  (PI.  V  und 
IX)  zeigt  wenigstens  diese  charakteristischen  Muster  ziemlich  richtig,  ebenso  Kotzebue 
(S.  60);  aber  die  einzig  correcten  Vorlagen  gibt  wiederum  Hernsheim  (»Marshall«,  S.  91 
und  Südsee,  S.  78),  nur  treten  die  Muster  nie  so  scharf  hervor  als  auf  diesen  Skizzen. 


[j^q]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  iy3 

Die  vollständige  Tätowirung  einer  Marshallanerin  kleidet  wie  dichte  Tricotärmel  nebst 
einer  Art  Schulterumhang.  Tätowirung  der  ganzen  Hand  nebst  Fingern  (Choris,  PL  IX), 
wie  Kubary  angibt,  habe  ich  nie  gesehen,  sondern  nur  schmale  Querlinien  auf  der  Hand. 
Dagegen  beobachtete  ich  einige  Male  Tätowirungen  auf  den  Beinen,  welche  nach  Kubary 
bei  Frauen  niemals  vorkommen  soll.  Diese  Beintätowirung  besteht  aber  nur  in  ein 
paar  Querstrichen  oder  Zickzacklinien  auf  dem  Oberschenkel,  weit  seltener  in  ein  paar 
gleichen  Zeichen  auf  der  Aussenseite  der  Wade.  Ich  sah  auch  junge  Mädchen  mit  keiner 
anderen  Tätowirung  als  ein  paar  Querstrichen  auf  den  Schenkeln. 

Die  Tätowirung  der  Marshallaner  ist  keineswegs  »über  die  Haut  erhaben«,  wie 
Chamisso  angibt,  sondern  sieht  nur  erhaben  aus.  Ausser  einzelnen  Stellen,  welche 
schlechter  abheilten,  sind  die  Zeichen  nicht  einmal  fühlbar,  wie  dies  fast  als  Regel  gilt. 
Ueberhaupt  zeigt  Tätowirung  meist  etwas  Verschwommenes  und  wird  bei  Personen 
mit  Schuppenkrankheit,  sowie  in  vorgerückten  Jahren  durch  Einschrumpfen  der  Haut 
sehr  undeutlich. 

Charakteristische  Züge  für  die  Tätowirung  der  Marshallaner  sind  noch,  dass  die- 
selbe weit  häufiger  vom  männlichen  als  vom  weiblichen  Geschlecht  angewendet  wird, 
und  dass  sie  besondere  Zeichen  besitzt,  welche  nur  Häuptlinge  gebrauchen  dürfen,  wie 
dies  sonst  nirgends  in  Mikronesien  vorkommt  Diese  Abzeichen  der  grossen  Häupt- 
linge (»Irodsch«)  bestehen  aber  nur  aus  4 — 6  Längslinien  über  das  Gesicht,  von  den 
Schläfen  bis  zum  Unterkiefer,  das  ist  Alles,  und  Chamisso  irrt,  wenn  er  meint,  dass  nur 
Häuptlinge  »die  Lenden,  den  Hals  oder  die  Arme,  der  gemeine  Mann  diese  Theile  aber 
nicht  tätowiren  dürfe«.  Mit  Ausnahme  der  Backenstriche  ist  es  jedem  erlaubt,  sich  so 
reich  tätowiren  zu  lassen,  als  er  will  oder  bezahlen  kann,  und  wie  überall  gehören  solche 
Individuen,  welche  vollständig  tätowirt  sind,  zu  den  Ausnahmen,  selbst  unter  den  Häupt- 
lingen. Viele  begnügen  sich  nur  mit  einem  Theile  der  Tätowirung,  und  vielleicht  die 
Hälfte  aller  erwachsenen  Eingeborenen  ist  überhaupt  nicht  tätowirt,  wie  dies  für  Kinder 
gilt.  Kotzebue  erwähnt  bereits,  dass  auf  Udirik  und  Taka  gar  nicht  tätowirt  wurde.  Ich 
lernte  hohe  Chiefsfrauen  kennen,  die  gar  nicht  tätowirt  waren,  und  sah  junge  Burschen, 
die  kaum  Flaum  auf  der  Oberlippe  besassen,  mit  vollständiger  Tätowirung  auf  Brust 
und  Rücken.  Kabua,  von  geringer  Herkunft,  war  längst  vollständig  tätowirt,  ehe  er  in 
Folge  seiner  Verheiratung  (S.  128  [384])  die  Backenstriche  der  Häuptlingswürde  erhielt. 
Seine  Tätowirung,  von  einem  gewöhnlichen  Manne  ausgeführt,  hatte  »eling  wonenc 
d.  h.  viel  Werth  (Cocosnüsse,  Matten  etc.)  gekostet,  wieviel  wusste  er  aber  nicht  mehr 
anzugeben.  Seinen  Sohn  Lailing  (damals  —  1879  —  ein  Knabe  von  circa  12  Jahren) 
wird  Kabua  selbst  tätowiren ;  Lamoro,  ein  Jüngling  von  circa  20  Jahren  und  Thronfolger 
von  Ebon,  besass  diese  Auszeichnung  des  Häuptlings  noch  nicht,  war  im  Uebrigen  von 
Kabua,  damals  noch  nicht  Häuptling,  tätowirt  worden. 

Wie  die  Tätowirung  an  kein  bestimmtes  Alter  gebunden  ist,  das  der  Eingeborene 
ja  ohnehin  nicht  kennt,  so  auch  die  Dauer  der  Operation  selbst  an  keine  bestimmte  Zeit. 
Wenn  daher  zwei  bis  drei  Monate  als  erforderlich  angegeben  werden,  so  darf  dies  nicht 
als  feste  Regel  gelten,  denn  die  Dauer  der  Operation  richtet  sich  ja  ganz  nach  dem 
Wunsche  und  der  Widerstandsfähigkeit  des  Individuums.  Ein  junger  Mann,  der  auf 
Brust  und  Rücken  ringsum  bis  zum  Halse  herauf  panzerhemdartige  Tätowirung  zeigte, 
war  in  14  Tagen  tätowirt  worden,  und  zwar,  um  Ausgaben  zu  ersparen,  von  seiner 
Mutter.  Die  Operation  würde  auch  in  acht  Tagen  fertig  gebracht  worden  sein,  wäre 
die  Entzündung  nicht  eine  so  heftige  gewesen;  denn  selbstredend  sind  auch  diese  Nach- 
wirkungen individuell  sehr  verschieden  und  können  zuweilen  recht  bösartig  werden,  ja 
unter  Umständen  zum  Tode  führen.  Die  Eingeborenen,  welche  sich  weigerten  Chamisso 


ij^  Dr.  O.  Finsch.  [43o] 

ZU  tätowiren,  wussten  dies  und  wollten  keine  Verantwortung  auf  sich  laden.  Deswegen 
verschleppten  sie  stets  die  Ausführung  des  Versprechens,  aber  religiöse  Bedenken  oder 
dergleichen  waren  keineswegs  die  Ursache.  Kabua  bot  mir  wiederholt  an  mich  sogar 
gratis  tätowiren  zu  lassen,  aber  ich  dankte  für  eine  Auszeichnung,  nach  welcher  Cha- 
misso  so  sehr  verlangte  und  die  ihm  später  gewiss  leid  geworden  sein  würde. 

Kabua,  ein  Mann  im  Alter  von  damals  vielleicht  40  Jahren,  der  sich  der  Zeit  sehr 
wohl  noch  erinnerte,  wo  die  Eingeborenen  unmolestirt  von  Civilisation  und  Christen- 
thum  ein  zufriedeneres  Dasein  führten,  wusste  von  besonderen  Ceremonien,  Opfern,  gött- 
lichen Zeichen,  welche  bei  derTätowirung  stattfanden,  nichts  zu  berichten.  Nach  seinen 
Mittheilungen  durften  sich Tätowirte  nicht  eher  öffentlich  zeigen,  »ehe  nicht  Alles  fertig«, 
d.  h.  der  so  sehr  verunzierende  Schorf  abgetrocknet  war.  Auch  glaubten  die  Leute,  dass 
Tätowiren  »stärkt«,  womit  wohl  der  Beweis  des  persönlichen  Muthes  im  Ertragen  der 
Operation  gemeint  sein  soll.  Im  Uebrigen  fanden  allerdings  in  früheren  Zeiten  Festlich- 
keiten bei  Gelegenheit  von  Tätowirung  statt,  aber  es  waren  die  gewöhnlichen  pantomi- 
mischen Gesangsaufführungen  mit  Trommelbegleitung  der  Weiber  (S.  i33  [BSg]),  wenn 
möglich  mit  Esserei  verbunden.  Jetzt  hatte  dies  aufgehört  und  Tätowirung  bedeutend 
an  Ansehen  verloren,  sehr  zum  Bedauern  der  Häuptlinge  und  Weissager,  die  früher 
damit  viel  herauszuschlagen  wussten,  wie  sie  dies  noch  jetzt  gern  thun  würden.  Aber 
eine  »religiöse  Bedeutung«  hatte  Tätowirung  auch  damals  nicht,  und  es  wäre  Zeit,  mit 
den  Anschauungen  Chamisso's  zu  brechen  und  dieselben  nicht  immer  aufs  Neue  in  der 
Literatur  weiter  zu  schleppen.  Chamisso  spricht  ja  eben  nicht  aus  eigener  Erfahrung, 
sondern  nur  aus  dem  Munde  Kadus,  den  er  gewiss  oft  recht  missverstand. 

Tätowir-Geräthschaften.  Schon  1879  war  es  nicht  so  leicht,  dieselben  zu  erlan- 
gen, wie  ich  sie  im  Nachstehenden  beschreibe.  Sie  stimmen  im  Wesentlichen  mit  den 
auf  den  Carolinen  gebräuchlichen  überein,  sind  aber  roher  gearbeitet.  * 

Ngnie  (Nie  =  Zahn;  Nr.  571,  i  Stück),  Tätowirinstrument.  Dasselbe  besteht  aus 
einem  circa  26  Cm.  langen  runden  Stäbchen  (Abschnitt  eines  markhaltigen  Zweiges), 
in  dessen  oberes  Ende  ein  circa  40  Mm.  langes  und  circa  7  Mm.  breites,  flaches  Knochen- 
stück rechtwinkelig  eingelassen  ist,  das  in  3 — 5  feine  Kerbzähne  endet.  Der  Knochen 
ist  von  einem  Vogel  (Fregattvogel  oder  Femur  vom  Haushuhn).   Hiezu: 

Dschib  (Nr.  572,  i  Stück),  Klopfer  zum  Einschlagen  der  Zähne  des  Kammes,  aus 
einem  einfachen,  circa  25  Cm.  langen,  etwas  abgeplatteten  Stöckchen  aus  Hartholz 
bestehend. 

Die  Manipulation  des  Tätowirens  (»Ao«  genannt)  wird  in  derselben  Weise  aus- 
geführt, wie  dieselbe  vorne  (S.  79  [347])  beschrieben  wurde.  Sowohl  Männer  als  Frauen 
verstehen  zu  tätowiren,  doch  wird  die  Fertigkeit  nicht  professionell  betrieben,  und 
Frauen  tätowiren  erforderlichen  Falls  auch  Männer. 

Um  die  feinen  Kerbe  in  den  Knochen  einzuritzen,  bediente  man  sich  früher  einer 
Art  Feile,  aus  dem  flach  zugeschliffenen  griffelartigen  Stift  von  einfem  Seeigel  (Acrocladia 
trigonaria)  verfertigt.  Zum  Aufzeichnen  des  Musters  auf  die  Haut  wird  ein  Stück  des 
fahnenlosen  Schaftes  von  der  mittelsten  Schwungfeder  des  Tropikvogel  (»Aak«,  Phaäton) 
benützt,  die  zum  festeren  Halt  in  dem  Kiele  (Spule)  einer  Schwungfeder  des  Fregatt- 
vogels (»Dschi-ik«,  »Tschik«,  Tachypetes  aquila)  steckt.  Die  schwarze  Farbe  (»Mom- 
mudd«)  wird  aus  Russ  von  verbrannter  Hülle  der  Cocosnuss  bereitet;  als  Farbennapf 
dient  der  Abschnitt  einer  Cocosnussschale.  Ein  weiteres  beim  Tätowiren  verwendetes 
Utensil  ist  eine  Art  Pinsel  aus  Pflanzenfaser,  um  während  der  Heilung  die  tätowirten 
Stellen  zu  fächeln,  dasselbe  heisst  »Kadschala«. 


r^3l]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ly^ 

Beinaleil  ist  auf  den  Marshalls,  welche  keine  Gelbwurz  produciren,  nicht  Sitte, 
dagegen  liebt  man  es,  sich  mit  Oel  (»Binibc,  das  aus  der  Cocosnuss  gepresst  wird)  ein- 
zureiben, wodurch  auch  die  Tätowirung  schärfer  hervortritt.  Dies  Einölen  (»kabitc) 
ist  die  einzige  Hautpflege,  wird  aber  nicht  als  solche  und  etwa  täglich,  sondern  nur  bei 
festlichen  Gelegenheiten,  namentlich  Tanz  Vorstellungen  angewendet. 

c)  Frisuren  und  Haarputz. 

Der  christliche  Einfluss  der  Mission  hat  auch  die  ursprüngliche  Haartracht  der 
Eingeborenen  umgewandelt  und  das  lange  Haar  als  unchristlich  verboten.  An  Mis- 
sionsplärzen  wie  Dschalut  und  Ebon  tragen  daher  Männer  das  Haar  meist  nach  europäi- 
scher Weise  abgeschnitten,  Mädchen  und  Frauen  lassen  es  bis  etwa  zu  den  Schultern 
wachsen,  scheiteln  dasselbe,  flechten  aber  keine  Zöpfe  (vgl.  »Anthrop.  Ergebnissec, 
Taf.  II,  Fig.  I — 4).  Da,  wo  die  Mission  nicht  hindrang,  also  auf  allen  nördlichen  Inseln 
und  Ratak,  herrscht  noch  die  alte  Sitte  und  die  eigenthümliche  kleidsame  Frisur,  wie 
sie  Choris  correct  darstellt.  Frauen  lassen  das  lange  Haar  über  den  Nacken  herunter- 
fallen oder  knüpfen  es  im  Nacken  in  einen  Knoten,  der  mit  einer  langen  Nadel  be- 
festigt wird. 

Direb  (Nr.  3oo  a,  i  Stück),  Haarnadel,  19  Cm.  lang,  aus  dem  schlanken  (nur 
SMm.  dicken)  Flügelknochen  (Ulna)  des  Fregattvogels  (Tachypetes)  gefertigt.  Dschalut. 

Männer  tragen  ebenso  langes  Haar  als  Frauen,  das  straff  nach  dem  Wirbel  zu 
aufgebunden  und  hier  in  einen  Knoten  geschlungen  wird  (vgl.  Hernsheim:  Beitrag  etc., 
Abbild.  S.  85,  und  Finsch:  »Gartenlaube«,  1866,  S.  38). 

Putzkämme  wie  in  Melanesien  und  auf  Ruk  (vgl.  Taf.  VI  [23],  Fig.  5)  kennt  man 
nicht,  aber  früher  bediente  man  sich  eines  eigenthümlichen  Toilettengeräthes,  wie  die 
folgende  Nummer. 

kirebag  (Nr.  281,  i  Stück),  Haarbürste,  bestehend  aus  einem  80  Mm.  langen, 
60  Mm.  breiten  und  circa  15  Mm.  dicken  Stück  Faserhülle  der  Cocosnuss  (»Husk«), 
welches  gleich  einer  Bürste  zum  Zurück-  und  Glattbürsten  des  Haares  benutzt  wurde. 
Dschalut. 

Ich  erhielt  auf  Dschalut  auch  einen  Theil  eines  Fischgebisses,  wie  man  solche 
früher  als  Kamm  benützt  haben  soll.  Zu  meiner  Zeit  hatten  sich  aber  bereits  europäische 
Hornkämme  Eingang  verschafft,  und  runde  Einsteckkämme  (auch  von  Celluloid),  zum 
Zurückhalten  des  Haares  waren  bei  Frauen  sehr  beliebt. 

Auf  den  Bart  wird  keine  besondere  Sorgfalt  verwendet.  Der  Bartwuchs  ist  übrigens 
gut  entwickelt,  und  man  findet  starke  Vollbarte;  doch  pflegen  junge  Leute  häufig  das 
Barthaar  auszureissen. 

Zur  Haarpflege  gehört  auch  Einölen  mit  Cocosnussöl,  das  an  Plätzen  mit  einer 
Handelsstation  durch  europäische  Haaröle  ersetzt  wird,  die  in  kleinen  Fläschchen  hier 
wie  anderwärts  in  der  Südsee  schon  damals  ein  Tauschartikel  waren.  Die  Eingeborenen 
lieben  nämlich  Parfüms  sehr  und  bedienen  sich  als  solcher  für  gewöhnlich  der  wohl- 
riechenden Blüthen  von  Pandanus^)  und  eines  lilienartigen  Gewächses  (nach  Chamisso 
eine  Sida-  und  Cridum-hn).  Früher,  das  heisst  noch  vor  etwa  3o  Jahren,  waren  noch 
zwei  andere  Parfüms  hochgeschätzt,  von  denen  es  mir  auf  Dschalut  noch  gelang  Proben 
zu  erhalten: 


I)  Das8  der  Wohlgeruch  von  Pandanus  den  Seefahrern  zuweilen  die  Nihe  der  Inseln  zu  er- 
kennen gibt,  ehe  dieselben  noch  zu  sehen  sind,  ist  natOrlich  eine  jener  Uebertreibungen,  die  ohne 
Verstftndniss  stets  wiederholt  werden. 


176  Dr.  O.  Finsch.  [432] 

Geörr,  eine  Art  Harz»)  oder  Erdpech  (übrigens  kein  Ambra),  das  sehr  selten  an- 
treibt und  das  nur  von  Häuptlingen  benutzt  werden  durfte,  und 

Alk,  eine  Art  Treibholz,  das  als  sehr  kostbar  galt  und  geschabt  in  die  Matten  gelegt 
wurde,  um  diese  zu  parfurairen. 

Die  Proben  befinden  sich  im  Berliner  Museum,  sind  aber  ununtersucht  geblieben. 

d)  Kopfpub. 

Blumen,  nach  Chamisso  hauptsächlich  von  Guettardia  speciosa  und  Volcameria 
inermis,  einzeln  oder  zu  Kränzen  vereint,  bilden  noch  heute  einen  Hauptschmuck  beider 
Geschlechter,  der  namentlich  bei  den  Tanzvorstellungen  nicht  fehlen  darf.  FrQher  trug 
man  aber  bei  solchen  Gelegenheiten  förmliche  Diademe  oder  Kronen  aus  Pflanzenmark, 
wohlriechenden  Blumen  und  Farn  blättern,  wie  sie  Choris  (PI.  I  und  V)  und  Kotzebue 
(S.  60)  darstellen,  die  im  Verein  mit  Kopfbinden  aus  Muscheln  gewiss  sehr  hübsch  ge- 
kleidet haben  mögen.  Aber  Kotzebue  schmeichelt  den  Marshallanerinnen  doch  etwas 
zu  sehr,  wenn  er  meint,  dass  sie  auf  einem  Balle  mit  ihrem  Kopfputze  Alles  verdunkeln 
würden. 

Federputz  kommt  kaum  in  Betracht.  Hahnenfedern  habe  ich  nie  verwendet  ge- 
sehen, aber  Kotzebue  erwähnt,  dass  Hühner  nur  der  Federn  wegen  gehalten  wurden, 
gedenkt  aber  keines  Putzes  aus  solchen  (aber  Wilkes,  V,  S.  279,  von  Penrhyn).  Am 
werthvollsten  und  höchsten  geschätzt  waren  die  rothen  mittelsten  Schwanzfedern  des 
>Aak«,  Tropikvogel  (Phaeton  rubricauda)  und  die  weissen  von  Phaäton  aethereus, 
sowie  künstlich  zerschlissene  schwarze  Federn  des  »Tschik«,  Fregattvogels^)  (Tachy- 
petes  aquila).  Sie  werden  einzeln  oder  büschelweise  ins  Haar  gesteckt,  wie  ich  dies 
selbst  noch  einige  Male  sah,  sind  aber  lediglich  Tanzschmuck  oder  Aufputz  des  Kriegers 
(s.  Finsch:  »Gartenlaubec,  1881,  S.  701).  Schwanzfedern  vom  Tropikvogel  waren  auch 
auf  der  Ellice-Gruppe  (Fakaafo:  Wilkes)  beliebt. 

Zum  Festschmuck  der  pantomimischen  Aufführungen  oder  Tänze  gehörte  auch 
Kopfschmuck  wie  die  folgenden  Nummern: 

Kopfbinde  (Nr.  428,  i  Stück;  Taf.  V  [22],  Fig.  2-d,  Unterseite);  auf  zwei  schmale 
Streifen  Pandanus-hlvXiy  circa  56  Cm.  lang,  ist  mittelst  fein  gespaltener  Pandanus-F Rser 
eine  Reihe  kleiner  (durchbohrter)  weisser  Muscheln,  43  Stück  {Natica  candidissima 
Guillon,  nach  v.  Martens)  geflochten.  Dschalut. 

Choris  bildet  (PI.  III,  untere  Figur)  eine  Kopfbinde  aus  dieser  Art  Muschel  kennt- 
lich ab. 

Diese  Binden  werden  unmittelbar  am  Anfang  des  glatt  zurückgestrichenen  Haares 
befestigt,  um  das  letztere  zurückzuhalten,  übrigens  auch  von  Frauen  getragen  (s.  Choris: 
PL  I  und  IX). 

Kopfbinde  (Nr.  464,  i  Stück;  Taf.  V  [22],  Fig.  i-a,  Unterseite),  ähnlich  dem  vor- 
hergehenden Stück  (33  Cm.,  mit  den  Bindebändern  54  Cm.  lang),  aber  aus  zwei  Reihen 
sehr  kleiner   weisser  Muscheln    {Columbella  versicolor  Sow.,  nach  v.  Martens),    je 

I)  Kubary  erwähnt  (in  Joest  »Tätowirenc,  S.  86)  von  Nukuor  ein  Harz,  »Setoi«  genannt,  »das 
auf  allen  Carolinen  von  Osten  antreibt  und  dessen  Russ  als  Schwärze  zum  Tätowiren  dientec. 

3)  Auf  den  Markesas  trug  man  aus  solchen  Federn  ganze  Hute,  wie  sie  das  British  Museum 
besitzt,  hier  auch  ähnlicher  Kopfputz  aus  rothen  Papageien-  und  P/i<i^/oyt-Federn  von  Anaa  (Chain- 
Isle)  dtv  Paumotu-Gruppe.  Sehr  phantastische  Federhüte,  mit  vielen  rothen  Schwanzfedern  des  Tropik- 
vogels, gehörten  früher  zum  Hochzeitsschmuck  des  Erstgeborenen  eines  Häuptlings  auf  Mangaia, 
Hervey-Gruppe,  wenn  derselbe  als  Bräutigam  geschmückt  zur  Trauung  über  die  Leiber  der  Unter- 
thanen  nach  dem  Hause  seines  Schwiegervaters  schritt  (s.  Gill:  »Life  in  the  Southern-Isles«,  Abbild. 
S.  61).  Reicher  Federschmuck  (darunter  sogenannte  Hüte)  war  auch  auf  der  Oster-Insel  sehr  beliebt 
(vgL  Thomson:  PI.  LIV  und  LV). 


[433] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


177 


63  Stück,  die  auf  zwei  dickere,  zusammengelegte  Streifen  von  Pandanus-Blaxi  (vgl. 
Fig.  I  a)  mittelst  schmalen  Streifen  desselben  Materials  aufgeflochten  sind.  Dschalut. 

Obwohl  im  Ganzen  einfach  genug  zählte  Schmuck,  wie  die  vorhergehenden  beiden 
Stöcke  doch  bereits  zu  den  Seltenheiten  und  wurde  damals  als  werthvoll  betrachtet. 
Eine  Kopfbinde  wie  Nr.  428  war  würdig  eines  Königs  und  wurde  in  der  That  von 
Kabua,  dem  ich  sie  abkaufte,  bei  Tanzvorstellungen  getragen.  Damals  begnügte  man 
sich  meist  mit  Imitationen,  Zeugstreifen  mit  Glasperlen  benäht,  die  für  beide  Geschlech- 
ter als  Kopfbinden  beliebt  waren,  und  jetzt  dürften  solche  aus  Muscheln  wohl  kaum 
mehr  zu  haben  sein. 

Choris  bildet  (PI.  III)  solche  Muschelschnüre  ab,  die  ausser  Natica  lurida  (zweite 
Figur  von  unten)  noch  zwei  andere  Muschelarten  QLitorina  obesa  Sow.  oder  1  Engina) 
kenntlich  darstellen  und  sämmtlich  einreihig  sind.  Hierher  gehören  auch  die  von  Edge- 
Partington  (PI.  172,  Fig.  8 — 11)  von  »Lord  Mulgrave-Islec  (=  Milli)  abgebildeten 
Schmuckstücke.  Dagegen  sind  die  auf  Taf.  175,  Fig.  7  und  9  (Kopf  binde  und  Hals- 
band) aus  Muscheln  (wohl  ebenfalls  Columhella)  jedenfalls  von  anderer  Herkunft  und 
die  Angabe  »?  Ellice- Groupc  vielleicht  richtig.  Sie  unterscheiden  sich  in  der  Auf- 
machung sehr  wesentlich  dadurch,  dass  die  Muscheln  auf  einen  Reif  geflochten  sind, 
der  aber  gewiss  nicht,  wie  angegeben,  aus  »Bambuc  besteht,  da  solches  wohl  schwerlich 
auf  diesen  Koralleninseln  vorkommt. 

e)  Ohrputz. 

Eigentlichen  Ohrschmuck  gab  es  nicht  mehr,  aber  im  Sinne  der  Eingeborenen 
muss  die  beträchtliche  Ausweitung  der  Ohrläppchen  als  solcher  betrachtet  werden. 
Dieselben  sind  zuweilen  in  wahrhaft  monströser  Weise  dermassen  ausgedehnt,  dass  sich 
die  Hautschlinge,  zu  welcher  der  Ohrlappen  dann 
deformirt  wurde,  über  den  Kopf  ziehen  lässt,  wie 
ich  selbst  wiederholt  zu  sehen  Gelegenheit  hatte. 
Diese  enorme  Ausdehnung  ist  nur  dadurch  mög- 
lich, dass  der  bis  zum  Aeussersten  ausgespannte 
Ohrlappen  durch  einen  schmalen  Streif  Backen- 
haut künstlich  verlängert  wird.  Das  gleich  einer 
dünnen  Hautschlinge  herabhängende  Ohrläppchen 
beginnt  daher  mit  seiner  unteren  Basis  auf  der 
Backe,  wie  dies  die  beigegebene  Textfigur  26  zeigt, 
von  Leman  (Lehmann)  einen  Eingeborenen,  den 
ich  auf  Milli  zeichnete.  Die  Abbildung  Kadu's 
von  Choris  (PL  XVII)  und  Chamisso  (II,  Titelbild) 
ist  für  die  Ausdehnung  des  Ohrlappens  sehr  typisch. 

Für  gewöhnlich  wird  die  schlappe  Ohrlappenhautschlinge  meist  in  einen  Knoten 
geschlungen  oder  über  die  Ohrmuschel  gehangen,  bei  festlichen  Gelegenheiten  aber 
ausgespannt.  Dies  geschieht,  indem  man  einen  schmalen  Streif  frischen  Pandanus-hlzXXts 
(>Worrc)  einlegt,  welcher  durch  seine  Elasticität  die  Hautschlinge  gleich  einem  Reif 
(oft  von  60 — 70,  ja  100  Mm.  Durchmesser)  ausdehnt,  wie  auf  der  beigegebenen  Skizze 
Fig.  26  a  (s.  auch  Finsch:  » Gartenlaube c,  1886,  S.  38).  Der  innere  Ring  dieser  Zeich- 
nung ist  der  eingelegte  Blattstreif,  welcher  früher,  nach  den  Abbildungen  von  Choris 
(PI.  I,  XIII)  und  Kotzebue  (S.  60)  zu  urtheilen,  viel  breiter  war.  Zu  jener  Zeit  trug  man 
auch  breite  Rollen  von  Schildpatt  im  Ohr,  und  Chamisso  erwähnt,  dass  Einzelne  auch 
den  Ohrrand  durchbohrten  (wie  ich  dies  auf  Njua  fand),  um  Blumen  einzustecken  (vgl. 
Choris,  PI.  I).  Letztere,  sowie  frische  Blätter  werden  von  beiden  Geschlechtern  am  häu- 


Fig.  26. 


Fig.  26  a. 


Abnorm  ausge- 
dehnter Ohrlappen, 
unausgespannt. 


Durch  Blattreif 

ausgespannter 

Ohrlappen. 


178  Dr.  O.  Finsch.  [^.3^.] 

figsten  zur  Ausschmückung  der  Ohren  benützt.  Besonders  beliebt  sind  die  zarten,  dabei 
duftigen  Blüthen  eines  lilienartigen  Gewächses  (Choris,  PI.  V  und  Hernsheim,  »Beitrag 
etc.c,  S.  67,  und  69  als  »cactusartiges  Knollengewächs«),  Diese  Pflanze,  die  Krone  der 
Atoll-Flora,  welche  auch  auf  den  Gilberts,  sowie  auf  Kuschai  vorkommt,  würde  nach 
Chamisso  ein  Cridum  sein.  Leider  sind  die  von  mir  gesammelten  Exemplare  mit  mei- 
nem ganzen  Herbar  für  die  Wissenschaft  verloren  gegangen  (s.  S.  122  [378]).  Ein  sehr 
beliebter  und  hübscher  Ohrputz  ist  auch  die  weisse,  sehr  zarte  innerste  Haut  des  Blanes 
der  Cocospalme,  »Wondinemit«  genannt,  deren  schmale  Streifen  ganz  wie  weisses 
Seidenpapier  aussehen. 

Frauen  weiten  die  Ohren  übrigens  nicht  entfernt  in  der  kolossalen  Weise  als  die 
Männer  aus,  wie  dies  schon  die  Bilder  von  Choris  sehr  richtig  zeigen.  Zerrissene  Ohr- 
lappenschlingen,  wie  sie  bei  Raufereien  der  Männer  vorkommen,  werden  meist  gut  zu- 
sammengeheilt. 

/;  Hais-  und  Brustschmuck. 

Frisches  Pflanzen material,  Blätter  und  Blumen  finden  für  Halsketten  und  Kränze 
am  häufigsten  Verwendung  bei  beiden  Geschlechtern.  Namentlich  lieben  die  Frauen  Hals- 
ketten aus  den  erwähnten  kleinen  weissen  Blumen  und  Farnblättern,  welche  sie  mit  grosser 
Geschicklichkeit  sehr  schnell  zu  flechten  verstehen.  Manche  Arbeiten  in  diesem  Genre 
sind  recht  kunstvoll  und  bilden  besonderen  Festschmuck,  wie  das  folgende  Stück : 

Halsband  (Nr.  463,  i  Stück;  Taf.  VIII  [25],  Fig.  22),  46  Cm.  lang,  aus  (a) 
schmalem,  circa  15  Mm.  langem  Pflanzenmaterial  (Abschnitten  oder  gespaltenen  Blättern, 
wohl  von  Farnkraut)  dicht  auf  eine  dreireihige  Schnur  (b)  aus  schmalen  Streifchen 
von  hellem  Pandanus-BXdXX  und  abwechselnd  schwarzgefärbten  Fasern  von  Hibiscus  ge- 
flochten, die  jederseits  in  eine  dünne  Schnur  als  Bindebänder  enden.    Dschalut. 

Das  Exemplar  wurde  vom  damaligen  »Könige  Kabua  getragen,  von  dem  ich  es 
kaufte,  und  hat  sich  in  Folge  sorgsamster  Verpackung  trotz  seiner  Zerbrechlichkeit 
ziemlich  gut  erhalten.  Da  derartiger  Schmuck  bald  der  Vergangenheit  angehören  wird 
und  Beschreibungen  nur  eine  schlechte  Vorstellung  geben,  so  freut  es  mich,  eine  farbige 
Abbildung  beifügen  zu  können.  Manche  derartige  Halsbänder  sind  breit,  so  dass  sie 
den  Hals  wie  eine  Binde  einschnüren,  aus  schwarz  und  weissen  P<(Zii^aiiz/5-Streifen  ge- 
flochten ,  oben  und  unten  mit  Randbesatz  von  grünen  Farnblättern  oder  Stengeln. 
Frauen  und  Mädchen  tragen  solche  Halsbänder  besonders  gern,  zuweilen  sind  auch 
flache,  wohlriechende  Holzspähnchen  eingeflochten,  über  deren  Herkunft  ich  mich  nicht 
unterrichten  konnte.  Vielleicht  sind  sie  von  dem  oben  (S.  176  [432])  erwähnten  Treib- 
holz »Aik«.  Aus  diesem  Grunde  waren  wohl  auch  zu  Chamisso*s  Zeit  »Bleistiftsplitter« 
ihres  Geruches  wegen  so  begehrt.  Häuptlinge  pflegten  damals  einen  in  besonderer 
Weise  um  den  Hals  geschlungenen  und  geknoteten  Streif  von  Pandanus-^laXX  als 
Rangauszeichnung  zu  tragen  (vgl.  »Rarik«  auf  PI.  I  bei  Choris). 

Wie  die  Bänder  zu  dem  Blatt-  und  Blumenschmuck  der  Gilbert-Insulaner  sich 
durch  eingeflochtene  Haare  auszeichnen,  so  sind  für  die  Marshallaner  die  weiss  und 
schwarzen  Schnüre  charakteristisch. 

Halsbänder  aus  Glasperlen,  meist  in  zahlreichen  Schnüren  wulstartig  zusam- 
men geflochten,  bildeten  zu  meiner  Zeit  den  hauptsächlichsten  Schmuck  beider  Ge- 
schlechter, und  selbst  »König«  Kabua  pflegte  für  gewöhnlich  nur  ein  solches  Collier  zu 
tragen. 

Zuweilen  befestigt  man  ein  Stückchen  Spondylus-lAMszhtl  als  Anhängsel  (ganz 
ähnlich  wie  Taf.  VIII  [25],  Fig.  15),  aber  ich  habe  nie  solche  Anhängsel  aus  Conus- 


[^35]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Södsee.  lyg 

boden  oder  Perlmutter  gesehen,  wie  sie  auf  den  Gilberts  so  häufig  sind.  Auch  die  Ab- 
bildungen von  Choris  zeigen  keinen  derartigen  Schmuck,  wohl  aber  (PI.  III,  obere 
Figur)  einen  Halsschmuck  aus  der  alten  Zeit.  Er  besteht  aus  einer  Schnur,  an  welcher 
zwei  längliche  Plättchen  aus  Schildpatt,  zwei  desgleichen  aus  Spermwalzahn  geschnitzt 
und  zwei  grössere  S^o/i^^/i/^-Scheiben  (circa  20  Mm.  im  Durchmesser)  befestigt  sind, 
ausserdem  schwarze,  weisse  und  rothe  Muschebcheibchen  (wie  Taf.  VIII,  [25],  Fig.  20  b) 
und  einige  kleine  Delphinzähnchen  (ähnlich  Taf.  V,  [22],  Fig.  6).  Halsketten  aus 
weissen  Muscheln  (Natica  und  Columbella),  wie  sie  früher  von  beiden  Geschlechtern 
getragen  wurden  (Choris,  PL  VIII),  waren  zu  meiner  Zeit  kaum  mehr  zu  haben.  Die 
werthvoUsten  Schmuckstücke  aus  rothen  iS^ora^/z/5-Scheibchen  werden  von  Chamisso 
sonderbarer  Weise  mit  keiner  Silbe  erwähnt,  wohl  aber  von  Kotzebue,  als  »mühsam 
aus  rothen  Korallen  bearbeitet«.  Von  derartigem  Schmuck  aus  Chama  oder  Spondylus 
erhielt  ich  noch  einige  Exemplare  aus  der  alten  Zeit.  Solche  Halsbänder  heissen  »Ma- 
remar«  und  kommen  in  zwei  Hauptformen  oder  Typen  vor: 

A.  Halsketten  aus  aufgereihten  SpondylusSchtihzhtn  —  wie  Taf.  VIII,  [25], 
Fig.  I  —  meist  ohne  Anhängsel. 

B.  Halsketten  aus  iSipon^^/i/s-Scheibchen,  die  einzeln  (oder  zu  zwei  übereinander) 
mit  der  Breitseite  so  aufgeflochten  sind,  dass  sie  flach  liegen,  wie  Taf.  VIII,  [25],  Fig.  20  a 
und  Fig.  21  c;  meist  mit  zum  Theil  sehr  kunstvoll  geschnitzten  Anhängseln  aus: 

a)  SpondyluS'^llkxxchtvi^ 

b)  Schildpatt  (bearbeitet), 

c)  Spermwalzahn  (bearbeitet), 
oder  allen  dreien  zusammen. 

Die  Schnüre  zu  den  Halsketten  der  Form  B  sind  meist  zweifarbige  hübsche,  zum 
Theil  äusserst  zierliche  Flechtarbeiten  über  einen  dünnen  Bindfaden  aus  Fasern  oder 
Streifchen  hellen  PandanuS'^\9XXts  und  schwarzgefärbtem  Hibiscus-Bast  (wie  Taf.  VIII, 
[25],  Fig.  20  und  21  d). 

Halsschmuck-Typus  A. 

Maremar  (Nr.  465,  i  Stück),  Halskette  (Taf.  VIII,  [25],  Fig.  i)  aus  ii3  rothen 
Muschelscheibchen  (Fig.  i  <z),  die  auf  eine  Schnur  von  Cocosnussfaser  gereiht  sind. 
Dscbalut. 

Dies  ist  die  häufigste  Form,  ^)  aber  wegen  der  grossen  Menge  von  Spondylus- 
Scheibchen  (oft  an  200)  besonders  werthvoU.  Hieher  gehört  Nr.  3256  (Kat.  M.  G., 
S.  385)  »wahrscheinlich  von  Uleai«  und  ein  Stück  aus  der  alten  Zeit  (Edge-Partington 
Taf.  172,  Fig.  3),  bei  welchen  die  rothen  Muschelscheibchen  durch  sechs  pfeilförmige 
Stücke  aus  weisser  Muschel  unterbrochen  sind,  mit  einem  Anhängsel  aus  Spondylus. 

Halsschmuck-Typus  B. 

Die  gewöhnlichste  Sorte  hat  kein  Anhängsel  wie:  Edge-Partington  Taf.  173,  Fig.  5 
und  Nr.  581  (Kat.  M.  G.,  S.  280)  angeblich  von  »Pingelap«  (Carolinen). 

a)  Mit  Anhängsel  aus  Spondj^lus-Plänchtn, 

Ich  erhielt  eine  Halskette  von  Maloelab  mit  Anhängseln  aus  sechs  kurzen  Schnüren 
abwechselnd  weisser  und  schwarzer  Scheibchen,  die  in  eine  länglich-viereckige  Platte 
aus  Spondylus  enden  (in  der  Form  wie  Fig.  5,  Taf.  172,  bei  Edge-Partington).  Hier- 


1)  Dieselbe  findet  sich  in  ganz  ähnlicher  Weise  auf  Yap  wieder  {Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  IV, 
Flg.  7  und  Kat.  M.  G.,  S.  395,  Nr.  465),  nur  dass  die  ^on4)^/tf5-Scheibchen  nicht  dicht  liegen,  sondern 
weiter  von  einander  abstehen.  Ganz  damit  Obereinstimmend  sind  althawaiische  Sponäjrlus -Kcttenf 
die  ich  in  der  Sammlung  von  Dr.  Arning  sah. 


i8o  Dr.  O.  Finsch.  [436] 

her  gehören  Nr.  116  (Kat.  M.  G.,  S.  280)  angeblich  von  »Pingelapc  >)  (früher  mit 
»KingsmiUc  bezeichnet)  und»  Kopfschmuck«  Nr.  719  und  720  (ibid.  S.  336),  die  trotz  der 
Berufung  auf  Kubary  gewiss  nicht  von  »Nukuor«,  sondern  von  den  Marshalls  herstammen. 

b)  Mit  Anhängsel  aus  Schildpatt. 

Maremar  (Nr.  466,  i  Stück),  Halsschmuck  (Taf.  VIII,  [25],  Fig.  20),  besteht 
aus  einer,  über  zwei  dünne  (48  Cm.  lange)  Bindfaden  sehr  fein  in  Schachbrettmuster 
geflochtenen  Schnur  (23  Cm.  lang),  an  welche  3o  iS/^on^^^/u^-Scheibchen  (a)  fest- 
gebunden sind;  in  der  Mitte  zwei  Anhängsel  aus  (b)  weissen  Muschelscheibchen  und 
schwarzen  Cocosnussscheibchen,  die  mit  einer  rothen  Muschelscheibe  enden,  daran  je 
ein  meisselförmiges  Stückchen  Schildpatt  (c)  befestigt.   Dschalut. 

Die  schwarz  und  weissen  Muschelscheibchen  sind  ganz  so  wie  die  von  den  Gilberts 
(Taf.  VII,  [24],  Fig.  4),  nur  die  Cocosscheibchen  breiter.  Hierher  gehören  Nr.  582  und 
3513  (Kat.  M.  G.,  S.  280)  angeblich  von  »Pingelap«  und  Nr.  114  (ibid.  S.  395), 
»Marofa«,  Halsschmuck,  angeblich  von  »Yap«.  Ebenso  die  Abbildungen  von  Edge- 
Partington  Taf.  173,  Fig.  2,  mit  der  irrigen  Angabe  »Kingsmill«  und  Taf.  172,  Fig.  6 
mit  »probably  Lord  Mulgrave-Isl.c,  aber  richtig  von  Milli;  letzteres  mit  eigenthümlichen 
pfeilförmigen  Anhängseln  aus  Schildpatt. 

c)  Mit  Anhängseln  aus  bearbeitetem  Spermwalzahn. 

Maremar  (Nr.  467,  i  Stück),  Halsschmuck(Taf.  VIII,  [25],  Fig.21);  wie  vorher, 
aber  als  Anhängsel  (a)  eine  kunstvolle  gitterförmige  Schnitzerei  (»Ninigä«)  aus  einem 
Stück  Spermwalzahn  geschnitzt  (40  Mm.  lang  und  55  Mm.  breit).   Maloelab. 

Die  ursprünglich  wohl  aus  weiss  und  schwarzen  Muschelscheibchen  bestehenden 
Schnüre,  an  welchen  die  Schnitzerei  angebunden  ist,  sind  an  diesem  Stück  schon  durch 
grosse,  bunt  geschliffene  Glasperlen  (Fig.  b)  ersetzt. 

Ein  Stück  aus  der  alten  Zeit  und  mit  das  Schönste,  welches  die  Schmuckindustrie 
der  Marshall-Inseln  leistete.  Hierher  gehören  Nr.  716  (Kat.  M.  G.,  S.  336,  Taf.  XXX, 
Fig.  3),  mit  der  irrigen  Angabe  >Nukuorc,  wenn  sich  dieselbe  auch  auf  Kubary  und 
Holste  beruft,  und  das  schöne,  mir  aus  dem  British  Museum  wohlbekannte  Stück,  welches 
Edge-Partington  abbildet  (Taf.  173,  Fig.  3),  fälschlich  mit  »Kingsmill«  bezeichnet. 

Bei  einem  anderen  Halsschmuck  dieser  Art  von  Maloelab  ist  das  Spermwalzahn- 
Anhängsel  in  zehn  Längsstäbe  durchbrochen  ausgeschnitzt  und  95  Mm.  breit.  Derartige 
kunstvolle  Schnitzereien  werden  weder  von  Chamisso  noch  Kotzebue  erwähnt,  denn 
die  Eingebornen  behielten  solche  wohl  für  sich  selbst  und  waren  nur  mit  den  minder- 
werthigen  freigebig.  Der  »künstlich  gearbeitete  Fischknochen c,  welchen  Kotzebue 
geschenkt  erhielt,  betrifft  jedenfalls  eine  Schnitzerei  aus  Spermwalzahn,  ebenso  der 
Schmuck  »aus  Fischgräten,  der  die  Stelle  eines  Ordens  vertritt«  (Kotzebue,  II,  S.  86). 
Aus  Spermwalzahn  geschnitzte  Anhängsel  wurden  auch  einzeln  getragen;  ich  erhielt 
unter  Anderem  ein  solches  in  Form  eines  kleinen  Klöpfels.  Der  bei  Kotzebue  abgebil- 
dete Mann  (S.  60  links)  trägt  einen  Halsschmuck  mit  einer  Schnitzerei  aus  Spermwal- 
zahn und  grösseren  Spondylus-Schtibchtn, 

Ein  anderes  Spondylus-Hslsb^nd  dieser  Art  von  Maloelab  hatte  ein  Anhängsel 
aus  sechs  Schnüren  aus  weissen  und  schwarzen  Muschelscheibchen  mit  je  einer  länglich- 
viereckigen Platte  von  Spermwalzahn  (wie:  Edge-Partington,  Taf.  172,  Fig.  5  und 
Taf.  173,  Fig.  I,  letzteres  mit  der  fälschlichen  Angabe  »Kingsmill«). 


1)  Die  hier  unter  »Pingelap  (Macaskill-Inseln)«  ohne  Angabe  des  Sammlers  aufgeführten  sechs 
Stücke  stammen  jedenfalls  nicht  von  dieser  kleinen  Carolinen-insel  her,  sondern  von  der  zum  Dschalut* 
Atoll  gehörigen  gleichnamigen  Insel  des  Marshall-Archipels. 


[^3^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  l8i 

Von  den  vorhergehend  aufgeführten  Stücken  dürfte  gegenwärtig  wohl  kaum  etwas 
mehr  zu  haben  sein. 

g)  Armschmuck. 

Armbänder  irgend  welcher  Art  sind  mir  nie  vorgekommen,  aber  Charaisso  er- 
wähnt solche  »aus  der  Schale  einer  grösseren  einschaligen  Muschel  geschliffen«  (II, 
S.  224),  also  vermuthlich  aus  Conus  (wie  die  von  Kuschai,  Taf.  VI,  [23],  Fig.  i). 
Kotzebue  erwähnt  derartigen  Schmuck  übrigens  nicht,  ebensowenig  ist  er  auf  den 
Bildern  von  Choris  zur  Darstellung  gebracht.  Diese  ersten  Reisenden  gedenken  auch 
nicht  des  .eigenthümlichen  Federputzes,  der  bei  den  Tanzvorstellungen  der  Männer 
figurirt  und  jedenfalls  schon  damals  benutzt  wurde. 

Rodschenebit  (Nr.  606,  i  Stück),  Federbüschel,  aus  künstlich  zerschlissenen 
Federn  des  Fregattvogels  (Tachypeter),   Dschalut. 

Solche  Federbüschel  (Rodschenebit)  werden  am  Oberarm,  zuweilen  am  Unterarm 
festgebunden,  sowie  ein  drittes  am  Daumen  (s.  Finsch:  »Gartenlaube«,  x886,  S.  37); 
letzteres  heisst  »Berio«.  Da  Tachypetes-¥ tdtxn  sehr  werthvoU  sind,  so  müssen  sich 
Manche  mit  billigem  Schmuck  aus  P^n^ani/^-Blattstreifen  begnügen. 

Analog  diesem  Tanzschmuck  ist  ein  anderer  aus  »schwarzen  Federn«  (wohl  Fre- 
gattvogel), der  auf  den  Markesas,  aber  um  das  Fussgelenk  getragen  wurde  (Kat.  M.  G., 
S.  245). 

h)  Leibschmuck. 

Das  einzige  hierher  gehörige  Stück  ist  die  kunstvoll  geflochtene  Gürtelschnur 
(S.  168  [424])  für  beide  Geschlechter. 

Eine  Leibschnur  aus  weissen  Muschelscheibchen  und  schwarzen  Cocosnusssch eib- 
chen (ganz  wie  »Tekaroro«  von  den  Gilberts  S.  75  [343])  die  ich  von  Maloelab  erhielt, 
scheint  mir  bezüglich  der  Herkunft  zweifelhaft,  stammt  aber  möglicherweise  noch  aus 
alter  Zeit  her. 

Ethnologische  Schlussbetrachtung. 

Wie  die  Gilberts,  so  bildet  auch  der  Marshall- Archipel  eine  besondere  ethnologische 
Subprovinz  Oceaniens,')  die  aber  weniger  charakteristische  Eigenthümlichkeiten  bietet. 
Als  solche  sind  hervorzuheben:  Eigene  Sprache,  eigene  Tätowirung  (nach  den  Ge- 
schlechtern verschieden,  eigene  Zeichen  für  Häuptlinge),  eigener,  sehr  primitiver  Bau- 
stil der  Häuser  (keine  Versammlungshäuser),  eigene  pantomimische  Vorstellungen 
(sogenannte  Tänze,  darunter  ein  lasciver  der  Mädchen),  ein  sehr  entwickeltes  Feudal- 
wesen, aber  keine  Stämme;  Rang  vererbt  nach  der  Mutter.  Unter  den  Schmuckgegen- 
ständen ist  Federputz  bei  den  Tanzvorstellungen  der  Männer  eigenthümlich,  ebenso 
die  besondere  Form  der  Schnitzereien  aus  Spermwalzahn;  die  übrigen  Zieraten  schliessen 
sich  mehr  denen  der  Carolinen  an,  namentlich  durch  die  häufige  Verwendung  von 
Spoff^/u5-Sclieibchen.  Charakteristisch  sind  auch  die  enorm  ausgedehnten  Ohrlappen, 
ohne  besonderen  Schmuck.  In  der  Bekleidung  verdienen  fein  geflochtene  Matten  be- 
sondere Beachtung  und  erhalten  durch  kunstvoll  aufgenähte  Muster  ein  charakteristisches 
Gepräge.  Eigenthümlich  sind  ferner  die  geschmackvoll  geflochtenen  Gürtelschnüre 
(»Irik«),  sowie  die  Gürtel  (»Kangr«)  und  Faserröcke  der  Männer.  Kämme  fehlen. 
Unter  den  Geräthschaften  zeichnen  sich  ein  besonderer  Schaber  aus  CassiSy  die  Form 
der  Fischreusen,  eine  Art  Fischhaken  aus  Cocosnussschale  aus,  während  sich  ein  Drill- 


I)  Das  Berliner  Museum  erhielt  von  hier  durch  mich  180  Stücke;  der  Kat.  M.  G.  verzeichnet 
nur  56  aus  dieser  Subprovinz. 


184  Dr.  O.  Finsch.  [h^] 

Bevölkerung.  Bei  Weitem  unsicherer  als  bezüglich  des  Areals  sind  die  Angaben 
hinsichtlich  der  Einwohnerzahl,  die  zwischen  20.000  und  3o.ooo  schwanken  und  für 
einzelne  Inseln  ungeheuer  weit  auseinandergehen, ')  wie  dies  ja  nicht  anders  sein  kann, 
da  wirkliche  Zählungen  nur  auf  Kuschai  und  Nukuor  stattfanden.  Nehmen  wir  20.000 
als  richtig  an,  so  würde  dies  immerhin  ein  sehr  dünn  bevölkertes  Gebiet  mit  nur  circa  zehn 
Bewohnern  auf  den  Quadratkilometer  ergeben.  Dabei  ist  ein  steter  Rückgang  unzweifel- 
haft, wenn  sich  derselbe  auch  nicht  so  rapid  vollzogen  hat,  als  aus  gewissen  Zahlen  der 
beigegebenen  Anmerkung  erhellt.  So  fand  Kubary  1877  auf  Nukuor  nur  124  Bewohner 
(die  Kinder  eingerechnet),  aber  80  gute  Fahrzeuge,  was  auf  eine  bedeutende  Abnahme 
der  Bevölkerung  schliessen  lässt.  Nach  Doane  wäre  die  Unsitte  des  Fruchtabtreibens 
Schuld  daran,  wie  Kubary  überhaupt  die  bei  den  Carolinerinnen  hä^ifig  vorkommende 
Unfruchtbarkeit  als  Hauptgrund  für  den  Rückgang  der  Bevölkerung  annimmt.  Dies 
mag  richtig  sein,  namentlich  für  Pelau  mit  seinem  ausgebildeten  Prostitutionswesen. 
Auch  die  »Labortrade«  hat  zur  Entvölkerung  der  Carolinen  mit  beigetragen.  So  trieb, 
nach  Rev.  Doane,  Anfang  der  Siebzigerjahre  das  berüchtigte  australische  Sclavenschitf 
»Carl«,  blutigen  Angedenkens,  sein  Unwesen  und  stahl  Menschen. 

Handel.  Wie  in  Ost-Mikronesien  der  Walfisch  fang,  so  war  es  für  dieses  westliche 
Gebiet  die  Trepangfischerei,  ^)  welche  den  ersten  Verkehr  zwischen  Eingeborenen  und 
Fremden  anbahnte.  Schon  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  wurde  dieses  Gewerbe, 
in  bescheidener  Weise,  durch  Spanier  von  den  Philippinen  (Manilla)  und  Mariannen 
aus  betrieben,  wie  die  Eingeborenen  der  Central-Carolinen  schon  von  jeher  mit  Guam 
in  Verkehr  standen.  Kuschai  und  Ponap6  waren  später,  von  Mitte  der  Dreissiger-  bis 
Sechzigerjahre,  häufig  von  meist  amerikanischen  Walfängern  besucht  und  gaben  Ver- 
anlassung zur  Niederlassung  der  amerikanischen  Mission  im  Jahre  1852.  Anfang  der 
Siebziger  jähre  errichteten  Deutsche,  zuerst  auf  Yap  für  Trepangfischerei  (durch 
Godeffroy),  ständige  Handelsstationen,  die  bei  der  Unergiebigkeit  dieses  Artikels  bald 
auf  Coprahandel  übergingen  und  sich  (später  auch  durch  das  Hamburger  Haus  Herns- 
heim)  auf  Kuschai  und  Ponape  ausdehnten.  Bei  der  allgemeinen  Spärlichkeit  der 
Cocospalrae,  die  nur  in  gewissen  Gebieten  reichlich  vorkommt,  ist  dieser  Handel  nie 
sehr  bedeutend  gewesen  und  ausserdem  durch  die  weiten  Entfernungen  erschwert. 
Gegenüber  der  Arbeitsscheu  der  Eingeborenen  und  den  ungünstigen  Verhältnissen, 
wie  sie  selbst  die  sonst  so  fruchtbaren  hohen  Inseln  bieten,  darf  an  Plantagenbau  nicht 
gedacht  werden,  er  würde  bei  den  erheblichen  Unkosten  kaum  jemals  Erfolg  versprechen. 

Schutzherrschaft.  Wenn  durch  Schiedsrichterspruch  des  Papstes  der  Carolinen- 
Archipel  an  Spanien  fiel  (17.  December  1885),  so  ist  dies  ebensowenig  ein  Verlust  für 
Deutschland  als  ein  Nutzen  für  die  Krone  Spaniens,  die  zu  ihren  grossentheils  ohnehin 
wenig  lucrativen  Besitzungen  wohl  die  aussichtsloseste  hinzufügen  konnte.  Handelt  es 
sich  doch  um  ein  Inselreich,  das  nur  höchst  unbedeutend  zu  exportiren  vermag,  und 
dessen  beste  Inseln  1800  Seemeilen  weit  von  einander  entfernt  liegen.  Wie  unheilvoll 
übrigens  die  neue  Schutzherrschaft  wirkte,  werden  wir  im  Nachfolgenden  bei  Ponape 
sehen,  wo  es  bald  zu  blutigen  Kämpfen  kam,  welche  unter  den  Eingeborenen  Ver- 
heerungen anrichteten,  aber  auch  an  Spaniern  viele  Opfer  forderten. 


1)  Nach  Semper  soll  Patau  vor  etwa  100  Jahren,  wohl  sehr  übertrieben,  40.000 — 50.000  (!I) 
Bewohner  gehabt  haben;  Ende  der  Sechzigerjahre  nur  10.000;  nach  Kubary  1874:  5000,  zehn  Jahre 
später  nur  4000;  Mortlock:  900  (Gullk),  3500  (Kubary);  Ponap<5:  5000  (Gulik),  2000  (1880);  Ruk: 
5000  (Gulik),  12.000  (Kubary). 

2)  Ueber  Trepang  vgl.  Finsch:  »Ucber  Naturproducic  der  westlichen  SOdsee«  in:  »Deutsche 
Colonialzeitung«,  1887,  S-  '^' 


\±A.l]  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  Südsee.  X85 

Eingeborene.  Dieselben  gehören  anthropologisch,  wie  alle  Mikronesier  und 
Polynesier,  zu  der  oceanischen  Rasse  (vgl.  Finsch:  »Anthrop.  Ergebnisse«  etc., 
S.  16,  18  und  19).  Auch  die  Bewohner  von  Pelau  und  Yap,  die  man  wegen  ihres  selten 
schlichten,  sondern  tneist  feinlockigen  Haares  als  »papua-malayische  Mischlingsrasse« 
trennen  zu  müssen  glaubte,  dürfen  ohne  Bedenken  als  West-Oceanier  eingereiht  werden. 
Ich  verglich  Eingeborene  von  Yap,  Uleai  und  Uluti,  ^)  die  ich  von  östlichen  Mikronesiern 
nicht  zu  unterscheiden  vermochte,  und  v.  Miklucho-Maclay')  kam  unabhängig  von  mir 
zu  den  gleichen  Resultaten. 

Sprachverschiedenheit.  Die  vorhandenen  Sprachverschiedenheiten  ändern  an 
dieser  Rassezusammengehörigkeit  nichts,  ihre  Kenntniss  würde  aber  jedenfalls  wichtige 
Winke  für  ethnologische  Eintheilung  zu  geben  vermögen.  Leider  liegt  in  dieser  Rich- 
tung, trotz  der  ausgedehnten  jahrzehntelangen  Missionsthätigkeit,  wenig  Material  vor. 
Auf  Kadu's  nicht  immer  verlässliche  Angaben  gründet  sich  Chamisso's  Vocabular  der 
Sprachen  von  Uleai  und  Yap  (Reise  II,  S.  96 — iii).  Reicher,  aber  wahrscheinlich  nicht 
gründlicher  ist  das  »Vocabular  der  Yapsprache«  (circa  900  Wörter)  von  Blohm  und 
Tetens  (Journ.  M.  G.,  Heft  II,  1873,  S.  28 — 50).  Lütke  gibt  im  zweiten  Bande  seiner 
Reise  (S.  356 — 371)  ein  »Vocabulaire  comparatif  de  quelques  dialectes  Carolinois«,  das 
circa  250  Wörter  von  Kuschai,  vielleicht  ebensoviel  von  Lukunor  und  wenige  von 
Ponap^  und  Fais  enthält,  also  im  Ganzen  sehr  mager  ist.  Dasselbe  gilt  in  Betreff  von 
Tetens  »Kurzes  Vocabular  der  Sprache  der  Mackenzie- Insulaner«,  circa  140  Wörter 
(in:  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  S.  56 — 58).  Ein  kurzes Wörterverzeichniss  derPonapesprache 
findet  sich  in  der  »Novara-Reise«  (Bd.  II,  Beilage  III). 

Kubary,  der  am  meisten  dazu  berufen  war,  über  die  Sprache,  respective  Dialekte 
der  Carolinier  Auskunft  zu  geben,  hat  nur  über  die  Sprache  von  Mortlock  einen  Beitrag 
geliefert.  Leider  enthält  derselbe  keine  vergleichende  Bemerkung  zu  anderen  carolini- 
schen Sprachen.  Wie  sich  dieselben  daher  zu  einander  verhalten,  bleibt  vorläufig  noch 
unklar,  ebenso  ihre  Verwandtschaft  mit  Marshallanisch  etc.  Dass  auf  Kuschai  und 
Ponape  zwei  ganz  verschiedene  Sprachen,  sei  es  auch  nur  Dialekte,  gesprochen  werden, 
davon  konnte  ich  mich  selbst  überzeugen.  Nach  Tetens  weicht  die  Sprache  von  Yap, 
gleich  mit  der  von  Ngoli  (Mateiotas),  aber  durchaus  von  der  der  Uluti-Gruppe  (Macken- 
zie) ab,  dagegen  zeigt  letztere  Gruppe  sowohl  ethnologisch  als  sprachlich  die  grösste 
Uebereinstimmung  mit  Uleai  (Wolea)  und  Fais.  Dem  widersprechen  die  Angaben 
Lütke*s,  nach  welchen  Floyd,  ein  Engländer,  der  lange  auf  Morileu  (Hall-Inseln)  gelebt 
hatte,  wohl  Uleai,  aber  nicht  Uluti  verstehen  konnte.  Vielleicht  gleich  mit  Uleai,  aber 
jedenfalls  eigenthümlich  scheint  die  Sprache  der  centralen  Gruppen  Ruk,  Mortlock  und 
Hall  mit  Namoluk,  Losop  und  Nema  (nach  Logan).  Auf  der  isolirten  südlichen  Gruppe 
Nukuor  wird  nach  Capitän  Bridge  (i883)  dagegen  Ellice,  also  Samoanisch  gesprochen. 
Kubary,  der  dieser  Gruppe  zweimal  einen  kurzen  Besuch  abstattete,  erklärte  die  (124) 
Bewohner  auch  der  Sprache  nach  für  »Samoaner«  und  lässt  sie  vor  600  Jahren  direct 


»)  Meine  Sammlung  enthält  von  dieser  Gruppe  zwei  Abgüsse  von  Gesichtsmasken  Eingeborener, 
und  zwar  von  der  Insel  Mogcmog,  sowie  die  eines  Yap-Insulaners  (vgl.  »Anthrop.  Ergebnisset,  S.  19). 

a)  »Wenn  auch  das  objeciive  Betrachten  des  physischen  Typus  der  Eingeborenen  von  Pelau 
eher  fOr  als  gegen  eine  Papuabeimischung  spricht,  so  hat  diese  Mischung  schon  vor  so  langer  Zeit 
stattgefunden,  dass  längst  die  Bevölkerung  in  eine  homogene  Rasse  übergegangen  ist,  deren  Lebens- 
weise, Gebräuche,  Verfassung  ganz  mikroncsisch  sind.«  Und  dann  »die  Pelauer  lassen  sich  von  den 
Yap-Insulanern  und  überhaupt  von  den  West-Mikronesiern  (die  ich  gesehen  habe,  NB.  Mogemog, 
Ueai  und  Fauripik)  nicht  trennen,  mit  denen  sie  jedenfalls  eine  und  dieselbe  Rasse  bilden« 
{»Berliner  Gesellsch.  f.  Anthrop.«,  Sitzung  vom  9.  März  1878,  S    8). 

14* 


l86  '  Dr.  O.  Finsch.  [442] 

von  Nukufetau')  der  ElUce-Gruppe  (beiläufig  eine  Distanz  von  1600  Seemeilen)  ein- 
wandern. Diese  Tradition  wird  durch  die  ethnologischen  Verhältnisse,  abgesehen  von 
der  zufälligen  Uebereinstimmung  im  Canubau,  nicht  unterstützt,  denn  auch  die  Täto- 
wirung  Nukuors  weicht  von  der  der  Ellice-Gruppe  (vgl.  S.  14  [282])  durchaus  ab.  Und 
diese  würde  sich  doch  am  ersten  erhalten  haben.  Im  Uebrigen  konnten  die  Nukuorer 
auch  nicht  Webekunst  aus  Polynesien  mitbringen. 

Soweit  sich  bis  jetzt  urtheilen  lässt,  werden  in  den  Carolinen  sieben  bis  acht  ver- 
schiedene Sprachen  oder  Dialekte  gesprochen:  i.  Kuschai;  2.  Ponap6;  3.  Central-Caro- 
linen  (Mortlock^  Ruk,  Hall,  vielleicht  auch  Uleai  und  Fais);  4.  Nukuor;  5.  Uluti  mit 
Ngoli;  6,  Yap  und  7.  Pelau. 

Ernährung.  Dieselbe  bietet  ungleich  günstigere  Verhältnisse  als  in  Ost-Mi kronesien. 
Während  dort  Pandanus  die  Hauptnahrung  liefert,  ist  es  in  den  Carolinen  vorzugs- 
weise der  Brotfruchtbaum.  Andere  Inseln  sind  mehr  auf  die  Cocospalme  angewiesen^ 
während  die  hohen  Inseln  bereits  in  geregelter  Plantagen  wirthschaft  Bananen,  Zuckerrohr 
und  Taro  cultiviren.  Letzteres  Knollengewächs  wird  auch  auf  einigen  Atollen  angebaut, 
aber  die  Erträge  sind  oft  sehr  gering,  und  nicht  selten  tritt  Mangel  ein,  der  selbst  zur 
Hungersnoth  steigt,  wenn  Stürme  die  Brotfruchternte  vernichten.  Wie  auf  den  Mar- 
shall-Inseln  sind  daher  auch  die  Bewohner  dieser  Atolle  schon  der  Ernährung  wegen 
aufeinander  angewiesen  und  zu  Seereisen  genöthigt,  die  übrigens  auch  des  Tausch- 
handels wegen,  zum  Vertriebe  gewisser  Erzeugnisse  unternommen  werden  und  einen 
charakteristischen  Zug  im  Leben  dieser  Menschen  bilden. 

Dies  führt  zu  den  Seefahrten  der  Carolinier,  deren  Kenntniss  auch  für  die  Ethno- 
logie von  grossem  Interesse  und  wichtig  ist,  weil  sie  manche  Eigenthümlichkeiten  in  die 
Beziehungen  der  Inselbewohner  untereinander  erklärt.  Chamisso's  flüchtige  Worte,  dass 
die  kühnen  carolinischen  Seefahrer  ihren  Weg  ostwärts  bis  auf  die  Marshalls  (1680  See- 
meilen), westwärts  auf  die  Philippinen  (11 50  Seemeilen)  und  »wieder  zurückfindenc,  ihre 
Seereisen  also  über  mehr  als  2800  Seemeilen  (fast  die  ganze  Breite  des  atlantischen 
Oceans!)  ausdehnen,  sind  daher  nicht  einfach  zu  wiederholen,  wie  dies  bisher  stets  ohne 
Weiteres  geschah.  Bei  derartigen  weiten  Fahrten  handelte  e§  sich  nämlich  (wie  z.  B. 
bei  Kadu)  lediglich  um  unfreiwillige  Reisen  Verschlagener.  Als  solche  wurden  Marshal- 
laner  und  selbst  Gilbert-Insulaner  auf  die  Carolinen  geführt,  wie  von  Westen  her  Ver- 
schlagene von  Celebes,  Banka  (1600  Seemeilen),  wofür  verbürgte  Zeugnisse  vorliegen. 
Bei  kritischer  Betrachtung  verhält  es  sich  mit  den  Fahrten  der  Carolinier  also  ähnlich 
wie  mit  denen  der  Marshallaner,  d.  h.  sie  erstrecken  sich  zwischen  gewissen  Inseln,  wenn 
das  Endziel  zum  Theil  auch  weiter  entfernt  ist.  Unabhängig  in  ihren  Ernährungsverhält- 
nissen, sind  die  hohen  östlichen  Inseln  Kuschai  und  Ponap6  stets  isolirt  geblieben^  wäh- 
rend die  westlichen  Pelauer  Besuche  der  östlichen  Nachbarn  empfingen,  aber  selbst  keine 
Seereisen  unternahmen.  Ebenso  scheint  es  auf  der  Rukgruppe  zu  sein,  deren  Reichthum 
an  Gelbwurz  ebenfalls  einen  Anziehungspunkt  bildete,  so  unter  Anderem  für  die  Mort- 
locker,  welche  nur  mit  diesem  Atoll  und  den  Bewohnern  seiner  hohen  Insel  verkehrten. 
Aus  dem  gleichen  Grunde  besuchten  die  Eingebornen  von  Namonuito,  den  Hall-Inseln 
und  Poloat  die  Rukgruppe,  während  die  Bewohner  der  westlichen  Inseln  Uleai,  Uluti, 
Ngoli  sich  dem  näheren,  ebenfalls  Gelbwurz  erzeugenden,  Yap  zuwandten.  Da  die  Fahr- 
ten zwischen  den  eben  angeführten  Inseln  zum  Theil  mit  Berühren  zwischenliegender 


I)  Nach  Wilkcs  (V,  S.  39)  wird  hier,  wie  auf  Funafuti  rein  Samoanisch  gesprochen,  auf  Ooiafu 
und  Fakaafo  der  Tokelau-Gruppe  konnte  der  am  Bord  befindliche  Samoaner  dagegen  die  Eingeborenen 
nicht  gut  verstehen. 


r^j.31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  187 

Inseln  gemacht  wurden,  so  überschreitet  die  directe  Distanz  selten  mehr  als  180  See- 
meilen. Anders  verhält  es  sich  mit  der  ansehnlich  weiteren  Fahrt  nach  den  Mariannen, 
mit  deren  Bewohnern  die  Carolinier  von  jeher  in  einem  regelmässigen  Verkehre  standen, 
der  vermuthlich  auch  umgekehrt  stattfand.  Mit  dem  Einzug  der  spanischen  Eroberer 
hörte  erklärlicher  Weise  diese  Verbindung  auf,  denn  bald  gab  es  keine  Chamorros  oder 
Marianner  mehr,  die  181 7  bereits  vollständig  ausgerottet  waren.  Die  lange  Zeit  unter- 
brochenen Fahrten  nach  Waghai  (Guam)  wurden  erst  1788  von  Uleai  aus  unter  Führung 
des  eingeborenen  Lootsen  Luito  wieder  aufgenommen,  aber  auf  der  Rückreise  ging  die 
kleine  Flotte  total  verloren,  so  dass  nicht  Einer  die  Trauerkunde  in  die  Heimat  bringen 
konnte.  Hier  nahm  man  natürlich  Vernichtung  durch  die  Spanier  an  und  erst  auf  Ein- 
ladung von  Don  Louis  de  Torres  getrauten  sich  die  Carolinier  1804  wiederum  mit  ihren 
Canus  nach  Guam  zu  segeln.  An  diesen  jährlichen  Fahrten  betheiligten  sich  aber  nur 
die  westlichen  centralen  Inseln  Poloat')  (Enderby-Isl.),  die  Schweden-Inseln  (Lamotrek 
oder  Namurek  und  Elato),  Uleai  und  Faurolep.  Für  Namonuito  (direct  370  Seemeilen 
von  Guam)  fehlt  es  an  sicherem  Nachweis.  Die  Sammelpunkte  zur  Ausreise  gegen 
Ende  des  Ost-Monsuns  im  April  waren  besonders  Uleai  und  die  Schweden-Inseln.  Die 
Canus  der  letzteren,  namentlich  von  Elato,  gingen  zuerst  nach  dem  unbewohnten  West- 
Faio  (40  Seemeilen),  wo  sie  mit  den  über  Satawal  kommenden  Canus  von  Poloat 
(etwas  über  100  Seemeilen)  zusammentrafen,  um  dann  gemeinschaftlich  nach  Guam 
zu  segeln,  eine  Reise  von  etwas  mehr  als  3oo  Seemeilen,  die  in  circa  acht  Tagen  zurück- 
gelegt wurde;  inclusive  Aufenthalt  brauchten  die  Poloater  aber  einen  Monat.  Die  Uleaier 
gingen  über  Faraulep  (80  Seemeilen)  und  mit  der  Flotte  von  hier  vereint  nach  Guam 
(280  Seemeilen).  Die  Rückfahrt  geschah  mit  Eintritt  des  West-Monsuns  im  Mai  oder 
Juni.  Auf  Guam  wurden  hauptsächlich  Eisengeräth  (Messer),  Glasperlen,  Tücher  etc. 
eingetauscht  und  damit  wieder  in  der  Heimat  Zwischenhandel  getrieben.  So  von  Poloat 
aus  nach  Ruk,  von  Uleai  über  Sorol  (180  Seemeilen)  nach  Yap  (120  Seemeilen)  und 
Uluti  (240  Seemeilen).  Die  Yap-Leute  besuchten  ihrerseits  wieder  Uleai,  sowie  Uluti 
(40  Seemeilen)  und  westlich  über  Ngoli  (65  Seemeilen)  Pelau  (160  Seemeilen),  um  hier 
von  Weissen  Eisen  einzutauschen.  Auf  solchen  Reisen  mögen  Yap-Eingeborene  über 
üleai  nach  Guam  gekommen  sein,  wie  Hernsheim  anführt  (»Südsee- Erinnerungen«, 
S.  20=),  aber  ein  directer  Verkehr  hat  wohl  nie  stattgefunden.  Canus  von  Uleai  und 
Elato  waren  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  auf  Guam  noch  ein  begehrter  Artikel,  da 
es  an  Fahrzeugen  für  den  Zwischeninsel -Verkehr  fehlte.  Eingeborene  der  genannten 
Inseln  standen  daher  förmlich  im  Dienste  der  spanischen  Regierung  und  besorgten  mit 
Ihren  Canus  den  geringen  Verkehr  der  Mariannen,  zwischen  Guam,  über  Rota  (50  See- 
meilen) und  Tinian  (60  Seemeilen)  nach  Seypan  (im  Ganzen  120  Seemeilen).  Kotze- 
bue  erwähnt  unter  Anderem,  dass  der  Adjutant  des  Gouverneurs  in  Agana  sich  eines 
carolinischen  Canu  bedienen  musste,  um  an  Bord  des  »Rurik«  zu  kommen.  Das  war 
181 7,  aber  Kittlitz  fand  zehn  Jahre  später  noch  dieselben  Verhältnisse  und  traf  Carolinier, 
welche  geläufig  spanisch  sprachen,  unter  Anderen  auch  auf  Faraulep.  Diese  Verhält- 
nisse und  Beziehungen  dürften  sich  seitdem  gewaltig  verändert  haben,  denn  nach  Kubary 
unternahmen  die  Uleaier  schon  1873  keine  Fahrten  mehr  nach  Guam,  sondern  ver- 
kehrten nur  mit  den  Nachbarinseln. 


()  Nach  Kubary  besteht  dieses  Atoll  aus  fQnf  Inseln  mit  circa  500  Bewohnern,  die  mit  zu  den 
besten  Seefahrern  der  Carolinen  gehören  und  hauptsächlich  den  Tauschhandel  (mit  Eisenwaaren)  von 
(len  Mariannen  nach  den  Central-Carolinen  (Ruk)  besorgten. 

3)  Wenn  hier  unter  den  Tauschwaaren  der  Uleaier  auch  »Walrosszähne«  (wiederholt)  angeführt 
werden,  so  sind  damit  natürlich  »Spermwalzähne«  gemeint. 


l88  Dr.  O.  Finsch.  [444] 

Entsprechend  den  weiteren  Reisen  war  auch  die  geographische  Kenntniss  der 
Carolinier  ausgedehnter  als  bei  den  Marsh  allanern.  Wenn  aber  z.  B.  ein  Häuptling  von 
Lukunor  seinerzeit  Lütke  eine  förmliche  Karte  der  Carolinen  und  Mariannen  mit  Kreide 
auf  Deck  zeichnete ,  so  ist  das  noch  kein  Beweis,  dass  er  dieses  grosse  Gebiet  aus 
eigener  Anschauung  kannte.  Bei  dem  Zusammentreffen  von  Eingeborenen  auf  entfern- 
teren Inseln  wurden  die  Reiseerfahrungen  ausgetauscht  und  so  wechselseitig  die  geo- 
graphische Kenntniss  erweitert.  Wie  lückenhaft  es  mit  derselben  bestellt  war  und  wie 
viel  unrichtige  Vorstellungen  dabei  unterliefen,  wird  am  besten  durch  Kadu's  Berichte 
bewiesen  (Chamisso,  II,  S.  i83 — 199),  ganz  besonders  aber  durch  die  Karte,  welche 
Kotzebue  nach  den  Aussagen  Edak's  zusammenstellte  (S.  88).  Sie  verzeichnet  voq 
Nukuor  nördlich  bis  Guam,  westlich  bis  Pelau  allerdings  20  Inseln,  aber  grösstentheils 
total  falsch,  namentlich  bezüglich  der  Entfernungen,  und  zeigt,  wie  wenig  Eingeborene 
im  Stande  sind,  Distanzen  und  Zeit  zu  schätzen.  Und  doch  war  Edak  erfahrener  und 
kundiger  als  sein  Gefährte  Kadu,  der  unter  Anderem  die  Dauer  der  Reise  von  Uleai 
nach  Fais  t  circa  220  Seemeilen)  auf  14  Tage  angab.  Lütke  bemerkt  daher  bereits  sehr 
richtig,  dass  die  Angaben  der  Eingeborenen  schon  deshalb  so  verschieden  und  unrichtig 
sind  und  sein  müssen,  weil  sie  nur  auf  dem  Gedachtniss  beruhen.  Um  dem  letzteren 
zu  Hilfe  zu  kommen,  werden  verschiedene  Zeichen  tatowirt,  von  denen  jedes  eine  Insel 
bedeuten  soll.  So  trug  ein  Häuptling  von  Lukunor  fast  alle  Inseln  der  Carolinen  in 
Hautzeichnung  auf  seinem  Körper,  jedenfalls  aber  nur  als  Erinnerungszeichen  an  ver- 
schiedene Inseln,  nicht  aber  als  Memorandum. 

Wie  die  Marshallaner,  so  verstehen  auch  die  Carolinier  keine  Navigation  in  un- 
serem Sinne;  ihre  Fahrten  sind  aber  um  so  bewundernswerther,  weil  sie  kein  einziges 
nautisches  Hilfsmittel  besitzen,  ohne  welche  selbst  ein  weisser  Fachmann  derartige 
Reisen  nicht  auszuführen  im  Stande  sein  würde.  Man  sieht,  dass  die  famosen  »See- 
karten« der  Marshallaner  (S.  i63  [419])  nicht  nöthig  sind,  denn  die  ganze  Nautik  der 
Carolinier  besteht  in  einer  gewissen  Kenntniss  von  Sternen,  ganz  besonders  aber  der 
Passate  und  Strömungen. 

Kubary's  Schilderung  der  »Seefahrten  der  Mortlocks«  (1.  c,  S.  284 — 293),  die  er 
übrigens  selbst  nicht  mitmachte,  geben  darüber  den  ausführlichsten  und  besten  Nach- 
weis und  lehren  zugleich,  dass  immer  nur  gewisse  Personen  (auf  Mortlock  »Pallüu«  ^= 
Sternkenner  genannt)  so  hervorragende  Kenntniss  besitzen,  die  sich  von  Vater  auf  Sohn 
vererbt.  Am  Tage  steuert  der  »Pallüu«  nach  dem  Winde,  der  Sonne  und  der  Strom- 
dünung. »Er  kennt  nicht  nur  die  Strömung  und  ihre  Dünung,  sondern  er  braucht  sie 
auch  als  Wegweiser  und  weiss  die  stetige  durch  Strom  verursachte  Dünung  und  eine 
Winddünung  zu  unterscheiden. c  Nachts  dienen  dem  »Pallüu<  gewisse  >  Leitsterne«  als 
Fuhrer  für  gewisse  Inseln,  also  ganz  wie  dies  bei  den  Marsh  all  anem  der  Fall  ist.  Aber 
die  Sternkunde  der  Carolinier  ist  eine  viel  höher  entwickelte.  Lütke  verzeichnet  bereits 
die  Windrose  der  Lukunorer  (mit  28  Strichen)  nebst  15  Sternbildern  und  Kubary  für 
Mortlock  sogar  3o.  Kubans*  gibt  auch  interessante  Beispiele  von  der  Benützung  dersel- 
ben auf  der  Fahrt  nach  Ruk  und  der  schwierigeren  zurück  nach  Mortlock.  Im  Uebrigen 
gilt  die  Segelordnung  der  Marshallaner:  Möglichst  viel  Canus  in  langer  Reihe,  um  das 
Auffinden  d^  erwarteten  Landes  zu  erleichtern. 

Verschlagen  werden  gehört  zu  den  häufigen  Schicksalen  carolinischer  See- 
fahrer, worüber  schon  von  1696  an  eine  Menge  beglaubigter  Fälle  vorliegen.  Neben 
der  bereits  erwähnten  Reise  Kadu's  (S.  167  [4^3')  ist  die  unfreiwillige  einiger  Canus 
von  Yap  nach  Ebon  1870  wohl  mit  die  weiteste,  da  sie  an  iSoo  Seemeilen  beträgt.  Der 
von  Kubarv  (Kat.  M.  G.,  S.  342,  und  in  Joest*  »Tälowiren<,  S,  gS)  erzählte  interessante 


[445I  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  igg 

Fall  des  Verschlagenwerdens  eines  Eingeborenen  von  Nukuor,  der  ganz  allein  in  seinem 
Canu  die  Reise  nach  Ponap^  (240  Seemeilen)  wagte,  aber  statt  hier  auf  dem  Minto-RifF 
(ebenso  weit  von  Nukuor  als  Ponapd)  landete,  darf  nicht  als  Beweis  für  beabsichtigte 
und  zielbewusste  weite  Seefahrten  der  Carolinier  gelten.  Der  Mann  hatte  auf  euro- 
päischen Schilfen  manche  Insel  Mikronesiens,  darunter  auch  Ponap^,  kennen  gelernt 
und  riskirte  die  Reise  nur  aus  Noth.  Sie  zeigt,  wie  oft  carolinische  Seefahrer  ganz  an- 
dere Ziele  als  die  beabsichtigten  erreichen. 

Ethnologischer  Ueberblick. 

Eine  vergleichende  Ethnologie  der  Carolinen  wäre  eine  ebenso  verlockende  als 
wünschenswerthe  Aufgabe,  für  die  aber  bis  jetzt  wohl  kein  Museum')  genügendes  und 
hinsichtlich  der  Localitäten  zweifellos  sicheres  Material  besitzen  dürfte.  Denn  überall 
liegen  nur  von  einer  kleinen  Anzahl,  allerdings  den  grössten  und  bedeutendsten  Inseln 
und  Inselgruppen,  Sammlungen  vor.  Es  bleiben  daher  noch  viele  Lücken  auszufüllen, 
sofern  sich  dies  bei  dem  Verfall  von  Originalität  überhaupt  noch  ermöglichen  lässt. 
Für  die  Mariannen  ist  es  dafür  längst  zu  spät.  Sie  bilden  eine  Lücke,  die  um  so  schmerz- 
licher empfunden  werden  muss,  weil  gerade  die  Beziehungen  mit  diesen  Inseln  sehr 
innige  und  zum  Theil  gemeinsame  waren,  wie  z.  B.  der  Canubau,  Weberei,  Töpferei 
u.  A.  m.  Auch  auf  Kuschai  war  1880  wenig  mehr  übrig  geblieben,  und  bald  wird  es 
auf  anderen  Inseln  ebenso  sein.  Wie  aus  den  vorhergehenden  Bemerkungen  über  die 
Seefahrten  der  Carolinier  (S.  186  [442])  ersichtlich  ist,  hat  von  jeher  ein  reger  Verkehr 
zwischen  den  Bewohnern  der  nördlichen  Inseln,  westlich  bis  Yap  und  Pelau,  bestanden, 
während  die  östlichen  Inseln  Ponap6  und  Kuschai,  ausserhalb  desselben,  mehr  isolirt 
blieben.  Durch  diesen  Verkehr  und  den  damit  verbundenen  Tauschhandel  haben  ge- 
wisse Erzeugnisse  mancher  Inseln,  wie  Gelbwurz,  Schmucksachen,  gewebte  Zeuge 
u.  s.  w.,  eine  weite  Verbreitung  gefunden,  wie  manche  Bräuche  auf  Nachbarinseln  über- 
tragen wurden.  So  entlehnten  die  Uleaier  den  Betelgenuss  von  Yap,  wie  von  letzterer 
Insel  zum  Theil  wiederum  Betelnüsse  nach  Pelau  verhandelt  werden.  Bemerkenswerth 
im  Vergleich  mit  Melanesien  ist,  dass  dieTopffabrication  der  westlichen  Carolinen  (Pelau 
und  Yap)  nie  ein  Artikel  des  mikronesischen  Handels  geworden  ist. 

Herrscht  somit  auch  in  mancher  Hinsicht  eine  ziemlich  weitverbreitete  Ueberein- 
Stimmung,  so  ist  doch  eine  allgemein  giltige  ethnologische  Schilderung  der  Carolinen 
nicht  möglich,  und  derartige  Versuche  (wie  z.  B.  die  Compilationen  von  Meinicke  und 
Waitz)  führen  nur  zu  irrigen  Vorstellungen  und  verwirren.  Unter  den  fast  für  das 
ganze  Gebiet  massgebenden  ethnologischen  Charakterzügen  stehen  besonders  obenan: 
Die  Eintheilung  in  Stämme  (Clans),  die  Benützung  von  gelber  Farbe  (Curcuma)  zur 
Verschönerung  des  Körpers  (übrigens  auch  bei  den  Frauen  auf  Fidschi  und  früher  auf 
Samoa  sehr  beliebt)  und  ganz  besonders  die  Webekunst.')    Letztere  ist  deshalb  ethno- 


I)  Das  frühere  von  GodefTroy  in  Hamburg,  welches  seinerzeit  als  das  reichste  der  Südsee  galt, 
enthielt  aus  den  Carolinen  im  Ganzen  etwas  über  800  Stücke  von  14  Inseln  (Kuschai  4;  Pingelap  6; 
Ponap^  prähistorisch  25,  modern  3i;  Nema  3;  Losop  i;  Mortlock  23o,  darunter  allein  40  Speere; 
Nukuor  81;  Pikiram  2;  Ruk  13$;  Poloat  2;  Uleai  72;  Uliii  i;  Yap  87,  darunter  22  Speere;  Pelau 
142).  Eine  ziemliche  Anzahl  Gegenstände  sind  bezüglich  der  Localitätsangaben  nicht  ganz  sicher. 
Weit  reicher  sind  die  Carolinen -Sammlungen  des  königl.  Museuro  für  Völkerkunde  in  Berlin,  das  mit 
Ausschluss  älterer  Bestände  durch  Kubary  allein  751  Stück,  durch  mich  427  Stück  erhielt. 

3)  Dieselbe  scheint  auf  Pelau  und  Yap  zu  fehlen;  die  gewebten  Stoffe  der  letzteren  Insel  wer- 
<ien  von  Uluti  (Mackenzie)  eingetauscht« 


igo  Dr.  O.  Finscb.  [446] 

logisch  von  ganz  hervorragender  Bedeutung,  weil  sie  in  ganz  Polynesien  und  Mela- 
nesien fehlt.  Die  Textilarbeiten  der  Maoris,  namentlich  die  bewundernswerthen  Muster 
der  breiten  Randkante  gewisser  Mäntel,  werden  nicht  durch  Weben,  sondern  in  einer 
eigenthümlichen  Technik  hergestellt  und  übertreffen  die  carolinischen  Webearbeiten 
zum  Theil  bei  Weitem.  Auch  die  geschmackvoll  gemusterten  (bis  25  Cm.  breiten) 
Schamschurze  der  Neuen  Hebridier,  wie  sie  das  British  Museum  unter  Anderem  von 
den  Banks-Inseln  besitzt,  sind  nicht  eigentlich  gewebt,  sondern  Flechtarbeit,*)  welche 
im  Aussehen  übrigens  ganz  an  die  gewebten  Stoffe  aus  Bananenfaser  von  Uleai  erinnern. 
Auch  die  Weberei  der  Indianer  in  Neu-Mexico  ist  der  carolinischen  sehr  nahestehend. 
Zeugstoffe  aus  geschlagener  Baumrinde  (Tapa),  die  in  Polynesien  vorzugsweise  zur 
Bekleidung  dienen,  werden  oder  wurden  in  beschränkter  Weise  nur  auf  einigen  Inseln 
(Pelau,  Pikiram,  früher  Ponap6)  angefertigt,  sind  aber  auch  in  Melanesien  nicht  unbe- 
kannt. Die  geringe  Verbreitung  von  Musikinstrumenten,  unter  denen  nur  einige  Inseln 
die  Nasenflöte  kennen,  während  die  Trommel  nur  auf  Ponap^  vorkommt,  verdient 
ebenfalls  Erwähnung.  Beachtenswerth  ist  auch  das  Vorkommen  von  geschnitzten  Holz- 
masken  (nur  auf  Mortlock)  und  Idolen  (?).  Für  Schmuck  und  Zieraten  ist  die  häufige  Ver- 
wendung von  Cocosnussschale,  in  Form  von  kleinen  Perlen  und  Plättchen  bis  grossen 
Ringen,  namentlich  für  die  Central-Carolinen  charakteristisch,  die  wir,  wie  einige  wenige 
eigenthümliche  Schmuckstücke,  im  Nachfolgenden  genau  kennen  lernen  werden.  Das- 
selbe gilt  hinsichtlich  der  Waffen,  unter  denen  das  Fehlen  von  Bogen  und  Pfeilen')  be- 
merkenswerth  ist.  Die  in  einem  Handelskatalog  von  Umlauff  in  Hamburg  noürten 
»Steinkeulen  von  Yap<  stammen  zweifellos  von  der  Südostküste  Neu-Guineas  her. 
Wenn  Serrurier  behauptet,  dass  auch  auf  den  Carolinen  mit  Haifischzähnen  bewehrte 
Waffen  vorkommen,  so  ist  dies  bis  jetzt  nirgends  mit  Sicherheit  nachgewiesen.  Zu  den 
ethnologischen  Charakterzügen  der  Carolinen  gegenüber  Ost-Mikronesien  zählt  auch 
die  Holzindustrie,  weniger  in  kunstvollen  Schnitzereien  als  soliden  Gegenständen  dts 
Hausgebrauches  in  Form  von  Deckelkisten,  Trögen  und  Schüsseln,  die  übrigens  auch 
die  Tockelauer  anfertigen.  Eigenthümlich  sind  dagegen  kleine  Gefässe,  aus  Schildpatt 
gebogen,  auf  Pelau.  Wie  auf  den  westlichen  Inseln  (Pelau,  Yap  und  Uleai)  Betel  auf 
Melanesien,  so  weist  im  Osten  (Kuschai  und  Ponap6)  Kawa  auf  Polynesien  hin.  Aber 
Kawagenuss  ist  auch  keine  ausschliessend  polynesische  Sitte,  denn  sie  findet  sich,  ausser 
auf  Fidschi,  den  Neuen  Hebriden  u.  a.  O.,  auch  spontan  auf  Neu-Guinea  ( Astrolabe-Bai, 
II,  S.  [201]).  Jedenfalls  haben  aber  die  westlichen  Inseln  Yap  und  namentlich  Pelau  am 
meisten  melanesische  Anklänge  aufzuweisen,  so  im  Anbau  von  Tabak,  in  der  Kennt- 
niss  von  Töpferei  und  in  der  Benützung  primitivster  Fahrzeuge  in  der  Form  von 


1)  Hierher  gehören  wahrscheinlich  auch  die  Schamschurze  der  Männer  von  Sikayana  (Stewart- 
Inseln),  über  welche  die  »Novara-Reisec  (II)  leider  sehr  widersprechend  berichtet:  »Um  die  Lenden 
hatten  sie  eine  Art  Schamgürtel,  ein  handbreites,  von  ihren  Weibern  gewebtes  Band«  (S.  443);  »der 
Lendengürtel,  das  einzige  Kleidungsstück,  welches  sie  tragen,  ist  aus  Baumrinde  verfertigt;  einige 
Webestühle,  die  sie  besitzen,  haben  sie  von  Walfängern  erhaltene  (S.  446).  Diese  letztere  Notiz  klingt 
äusserst  unwahrscheinlich  und  bedarf  dringend  weiterer  Bestätigung.  Der  Nachweis  von  »Webekunstc 
auf  diesem  kleinen  Atolle  würde  ethnologisch  von  höchstem  Interesse  sein,  ist  aber  keinesfalls  auf 
Einführung  von  Seiten  der  Walfänger  zurückzuführen. 

2)  Schmeltz  hat  aus  Kubary'schen  Notizen  nachträglich  das  Vorkommen  dieser  Waffen  auf 
Pelau,  schon  von  Jacquinot  und  Tetens  beiläufig  erwähnt,  aufgefunden.  »Die  Bogen  sind  aus  Man- 
groveholz,  die  Pfeile  aus  Rohr  mit  Holzspitzen,  die  mit  Widerhaken  versehen  sind.  Aber  diese  Waffen 
werden  seit  undenklichen  Zeiten  nur  zur  Taubenjagd  und  nie  zum  Kriege  benutzt.«  (»Internat.  Archiv 
für  Ethnol.,  1888,  S.  67.)  Hier  sind  auch  »Blaserohre«  von  Pelau  angeführt,  »die  aber  von  Manilla 
eingeführt  werden«. 


N  jyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  iqi 

Flössen')  (auf  Pelau  »Prerc  genannt).  Diese  ethnologischen  Beziehungen  der  Carolinen 
mit  Melanesien  und  Polynesien,  obwohl  vereinzelt,  sind  immer  noch  erheblicher  als  die 
mit  Ost-Mikronesien.  Wie  hier  die  Gilberts  und  Marshalls  (S.  88  [356]  und  i8i  [487]) 
jede  für  sich  selbstständige  ethnologische  Gebiete  oder  Subprovinzen  bilden,  ebenso  die 
Carolinen,  nur  dass  die  letzteren,  minder  einheitlich,  in  besondere  Gebiete  getheilt  wer- 
den müssen.  Beachtenswerth  ist  dabei,  dass  die  vier  hohen  Inseln  in  Haus-  und  Canu- 
bau  ganz  verschiedene  Typen  zeigen,  während  die  niedrigen  Inseln  darin  so  ziemlich 
übereinstimmen.  Aber  die  letzteren  besitzen  keine  einheitliche  Sprache,  von  denen  im 
Carolinen-Archipel,  wie  es  scheint,  sieben  verschiedene  gesprochen  werden,  deren  Ge- 
biete auffallender  Weise  nahezu  mit  denen  der  verschiedenen  Tätowirungen  zusammen- 
fallen. Die  letzteren  werden  wir  im  Nachfolgenden  bei  Schilderung  der  einzelnen  Inseln 
genauer  kennen  lernen;  hier  mag  nur  erwähnt  sein,  dass  die  Hautzeichnung  auch  auf  den 
Carolinen  lediglich  Verschönerungszwecken  dient  und  nicht  einmal  besondere  Rang- 
zeichen besitzt.  »Die  Behauptung,  dass  das  Tätowiren  eine  religiöse  Bedeutung  habe, 
konnte  ich  auf  keiner  der  von  mir  besuchten  Inseln  finden.  Die  erste  und  hauptsäch- 
lichste Bedeutung  der  Tätowirung  ist  die  eines  persönlichen  Schmuckes.  Religiöse  Be- 
deutung konnte  ich  auch  bei  den  ihren  heidnischen  Gebräuchen  noch  mit  voller  Stärke 
anhängenden  Yapern  nicht  entdecken,«  sagt  Kubary  (in  Joest:  »Tätowiren«,  S.  78,  82 
und  89),  aber  auch,  wie  nicht  selten,  sich  selbst  widersprechend  von  Yap:  »die  Ope- 
ration wird  öffentlich  und  von  Männern  unter  Beobachtung  gewisser  religiöser  Cere- 
monien  besorgt«  (Kat.  M.  G.,  S.  397).  Soweit  sich  nach  dem  vorhandenen  lückenhaften 
Material  urtheilen  lässt,  sind  diese  carolinischen  Subprovinzen  die  folgenden : 

1.  Kuschai, 

2.  Ponap^, 

3.  Central-Carolinen:  Ruk,  Hall-Inseln,  Losop,  Namoluk,  Mortlock,  Lukunor 
und  Nukuor,  welche  drei  Gebiete  im  Nachfolgenden  zur  Bearbeitung  kommen. 

Unsicher  bleibt  die  Stellung  der  westlichen  kleinen  niedrigen  Inseln  mit  Uleai 
und  Uluti,  welche  letztere  am  meisten  in  Verkehr  mit  Yap  stehen,  von  denen  aber  das 
einigermassen  bekannte  Uleai  ethnologisch  jedenfalls  näher  mit  Ruk  verwandt  ist, 
wie  möglicherweise  alle  niedrigen  Inseln  zur  dritten  Subprovinz  gerechnet  werden 
müssen. 

4.  Yap  und 

5.  Pelau. 

Beide  letztere  Subprovinzen  unterscheiden  sich  sowohl  untereinander  als  von  den 
übrigen  Carolinen  durch  charakteristische  Eigenthümlichkeiten  in  Sprache,  Haus-  und 
Canubau,  Tätowirung,  Verfassung,  Sitten,  Gebräuchen  etc.,  auf  die  ich  hier  nicht  näher 
einzugehen  brauche,  indem  ich  auf  die  ausführlichen  Arbeiten  Kubary's  im  Nachfolgen- 
den (S.  193  [449])  verweise. 

Wenn  ich  auf  die  Erforscher  und  Literatur  der  Carolinen  hier  selbstredend  nicht  eingehen 
darf^  so  kann  ich  es  mir  doch  nicht  versagen,  an  dieser  Stelle  eines  Mannes  zu  gedenken,  der  jeden- 
falls mehr  als  irgend  ein  Anderer  von  diesem  Archipel  kennen  lernte,  nämlich 


1)  Hernsheim  (»Süd^ee-Erinnerungenc,  Taf.  3)  bildet  ein  solches  von  Yap  ab,  und  zwar  mit 
jenem  »Möhlsteingeld«  beladen,  das  200  Seemeilen  weit  von  Pelau,  aber  in  Canus  und  nicht  auf 
solchen  gebrechlichen  Flössen  aus  Bambu  herübergebracht  wird.  Analoge  Fahrzeuge  primitivster  Art 
sind  die  sogenannten  9Catamaransc  an  der  Ostspitze  Neu-Guineas  (Finsch:  >Samoafahrten«,  Abbild., 
S.-232).    Flösse  werden  nach  Guppy  auch  auf  den  Salomons  benützt. 


ig2  Dr.  O.  Finsch.  [44^] 

Johann  S.  Kubary, 

ober  dessen  Reisen  bisher  nur  wenig  i)  bekannt  wurde,  so  dass  einige  zusammenhängende  Mittheilun- 
gen  vielleicht  willkommen  sein  dürften.  Johann  Kubary  ist  in  Warschau  geboren  und  gehört  mütter- 
licherseits unserer  Nation  an,  denn  seine  Mutter  war  eine  Berlinerin.  Kaum  mehr  als  i6  Jahre  alt, 
aber  wie  er  mir  selbst  sagte,  bereits  »Student  der  Medicinc,  wurde  K.  i863  in  die  Revolution  seiner 
Landsleute  väterlicherseits,  der  Polen,  hineingezogen,  gefangen  genommen,  aber  auf  Fürbitte  zur 
Landesverweisung  begnadigt.  Er  wandte  sich  nach  Hamburg,  kam  hier  mit  Johann  Cäsar  Godelfroy 
in  Berührung  und  wurde  von  diesem  als  sammelnder  Reisender  für  sein  Südsee-Museum  engagirt, 
an  dessen  Bereicherung  er  wahrend  eines  Decenniums  so  wesentlichen  Antheil  hatte.  Im  Alter  von 
kaum  22  Jahren  brach  K.  im  April  1868  zum  ersten  Male  nach  der  Südsee,  und  zwar  Samoa  auf, 
wo  er  nach  flüchtigem  Besuche  auf  Tonga  im  September  oder  October  desselben  Jahres  in  Apia  ein- 
traf. Von  hier  aus  unternahm  K.  einen  Ausflug  nach  Savaii  und  reiste  schon  1870  nach  Pelau,  wo 
er  aber  erst  am  i.  Februar  1871  anlangte,  da  er  auf  der  Hinreise  ^irca  drei  Monate  auf  Ebon  (Mar- 
shall-Inseln)  und  von  September  bis  December  auf  Yap  verweilt  hatte.  Auf  Pelau  blieb  K.  länger  als 
zwei  Jahre  und  wandte  sich  dann  nach  Ponapd,  auf  welcher  Reise  flüchtige  Bekanntschaft  mit  Ngoii 
(Mateiotas),  Uluti  (Mackenzie),  Mortlock  und  Nukuor  gemacht  wurde.  Nach  einjährigem  Aufenthalte 
auf  Ponap^  (August  1873  bis  3o.  August  1874)  trat  K.  die  Heimreise  an,  und  zwar  mit  dem  Godeffroy- 
schen  Schifle  »Alfred«,  das  am  19.  September  (1874)  beim  Einlaufen  in  die  Passage  von  Dschalut  schei- 
terte, wobei  der  grösste  Theii  der  Sammlungen  leider  verloren  ging,  lieber  Samoa  in  Hamburg 
glücklich  angelangt,  musste  K  ,  nach  einjährigem  Besuche  in  der  Heimat  (1875),  im  Drange  der  Verhält- 
nisse ein  Neuengagement  für  das  Museum  Godcflroy  annehmen.  Er  ging  daher  1876  wiederum  nach 
Samoa  und  von  hier  im  folgenden  Jahre  (1877)  nach  Ponapd,  das  nun  für  längere  Zeit  sein  Stand- 
quartier und  seine  zweite  Heimat  wurde.  Von  Ponape  aus  machte  K.  einen  zweiten  flüchtigen  Besuch 
auf  Nukuor,  verweilte  (März  bis  Ende  Mai  1877)  auf  Mortlock  oder  vielmehr  dem  Atoll  Satoan  und 
später  volle  14  Monate  auf  Ruk  (Mai  1878  bis  August  1879).  Im  September  des  letzteren  Jahres  von 
August  GodefTroy,  dem  damaligen  Chef  des  Südseehauses,  in  rücksichtsloser  Weise  von  seinem  Ver- 
hältniss  zum  Museum  entbunden,  blieb  K.  auf  Ponapö,  um  hier  auf  seiner  Besitzung  Mbomp  Plao- 
tagenbau  zu  betreiben,  ein  von  vorneherein  aussichtsloses  Unternehmen,  umsomehr  als  K.  keine 
Mittel  besass.  Wie  zu  erwarten,  konnte  sich  K.  nicht  lange  halten,  musste  die  mühsam  erworbene 
schöne  Besitzung  verpfänden  und  im  März  1882  Ponap^  verlassen,  um  in  Japan  sein  Heil  zu  ver- 
suchen, wo  er  im  April  in  Yokohama  ankam.  Ein  Engagement  am  Museum  in  Tokio  währte  nur 
drei  bis  vier  Monate,  und  K.  wandte  sich  zuerst  nach  Hongkong,  von  hier  aus  über  Guam  nach  dem 
ihm  wohlbekannten  Pelau,  um  für  das  ethnologische  Museum  in  Leiden  zu  sammeln.  Nach  zehn- 
jähriger Abwesenheit  traf  er  hier  Mitte  des  Jahres  i883  zum  zweiten  Male  ein,  entblösst  von  allen 
Mitteln  und  nur  auf  seine  »Kalebukubs«,  d.  h.  die  hier  als  Geld,  hochgeschätzten  alten  Glasperlen 
(s.  II,  S.  180)  angewiesen,  welche  ihm  bei  den  Eingeborenen  freundliche  Aufnahme  verschafften.  Leider 
erfüllten  sich  die  auf  das  Leidener  Museum  gesetzten  Hoflhungen  nicht,  und  K.  erwartete  vergebens 
die  versprochene  Unterstützung.  Aus  dieser  damals  äusserst  bedrängten  Lage,  über  welche  ich  brief- 
liche Mittheilungen  K.*s  besitze,  erlöste  ihn  Geheimrath  Bastian  durch  ein  Engagement  als  Sammler 
für  das  ethnologische  Hilfscomit6  des  königl.  Museums  für  Völkerkunde  in  Berlin.  In  Folge  einer  Kette 
von  Widerwärtigkeiten,  verursacht  durch  K.'s  Hin-  und  Herreisen,  wodurch  die  Correspondenz  immer 
erst  nach  langer  Zeit  eintraf,  war  es  K.  nur  möglich,  die  Insel  Yap  und  vorübergehend  Sorol,  Merier 
(Warren  Hastings)  und  St.  David  zu  besuchen,  a)  Mitte  des  Jahres  1884  begab  sich  K.  von  Pelau  nach 
Yap,  von  hier  im  März  1885  nach  Hongkong,  um  im  Mai  desselben  Jahres  wieder  nach  Yap  zurück- 
zukehren, wo  er,  wie  es  scheint,  bis  September  für  das  Berliner  Museum  thätig  war.  Zu  jener  Zeit 
kam  nämlich  das  deutsche  Kriegsschiff  »Albatrosc  nach  den  Carolinen,  um  hier  die  Flagge  zu  hissen, 
und  sicherte  sich  die  ausgezeichneten  Sprachkenntnisse  K.*s,  der  als  Dolmetsch  die  Rundreise  von 
Yap  über  Pelau,  Uleai,  Ruk,  Ponap^,  Pingelap  und  Kuschai  mitmachte,  die  übrigens  eine  sehr  eilige 
war  und  keine  Zeit  für  Sammlungen  übrig  Hess.  Wie  es  scheint  mit  demselben  Kriegsschiff  traf  K. 
im  October  desselben  Jahres  (1885)  auf  Matupi  in  Neu-Britannien  ein,  übernahm  hier  Hemsheim's 
Handelsstation  Kurakakaul  an  der  Nordküste,  bis  Anfang  1887,  von  welcher  Zeit  an  er  als  Stations- 
beamter der  Neu-Guinea-Compagnie  dauernde  Stellung  in  Kaiser  Wilhelms-Land  fand. 

i)  Ich  selbst  veröffentlichte  kurze  biographische  Notizen  in:  »Hamburger  Nachrichten«,  Nr.  214. 
vom  8.  September  1880. 

2)  Nach  gütiger  Mittheilung  von  Herrn  Conservator  E.  Krause,  dem  ich  auch  einige  andere  Noti- 
zen über  Kubary  verdi^nke,  erhielt  das  Berliner  Museum  als  Ergebniss  dieser  Reisen:  277  ethnologische 
Gegenstände  von  Yap,  58  von  Sorol,  8  von  St.  David,  21  von  Merir  und  56  ohne  genaue  Localität. 


r  1  igl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  ig3 

Von  den  circa  22  Jahren,  die  K.  bisher  in  der  Südsee  lebte,  fallen  ungefähr  14  auf  die  Caro- 
linen, die  ihm  somit  fast  zur  zweiten  Heimat  wurden,  namentlich  Pelau  und  Ponapd,  wo  er  zusam- 
men über  12  Jahre  zubrachte.  Wie  aus  dem  vorhergehenden  kurzen  Abriss  seines  wechselvollen 
Lebens  erhellt,  konnte  K.  selbstredend  nicht  diese  ganze  lange  Zeit  ausschliessend  wissenschaftlichen 
Arbeiten  widmen,  sammelte  aber,  unterstützt  durch  Geläufigkeit  in  Sprachen  der  Eingeborenen,  ein 
reiches  Material  in  handschriftlichen  Aufzeichnungen.  Leider  war  es  ihm  bisher  nicht  vergönnt,  das- 
selbe in  seinem  vollen  Umfange  zu  veröffentlichen,  ein  Schicksal,  das  er  mit  so  manchem  unbemit- 
telten Reisenden  theilt.  Im  Nachfolgenden  gebe  ich  eine  Zusammenstellung  seiner  Publicationen,  die 
mit  Ausnahme  der  (s.  Nr.  1)  über  Ebon  citirten  sich  durchgehends  auf  die  Carolinen,  namentlich  Pelau 
beziehen.  Diese  Arbeiten  liefern  ein  sehr  werthvolles,  zum  Theil  fast  zu  sehr  in  Details  gehendes 
Material,  dessen  Benützung  durch  die  häufige  Verwendung  eingeborener  Namen  i)  ziemlich  erschwert 
wird.  Ueberdies  leitet  K.'s  sanguinisches  Temperament  ihn  nicht  selten  von  dem  strengen  Boden  der 
Objectivität  ins  Gebiet  der  Speculation  und  zu  Schlüssen,  die  zuweilen  recht  bestreitbar  oder  zum 
Theil,  aus  Mangel  hinreichender  Fachkenntniss,  überhaupt  irrthümÜche  sind,  wobei  ich  nur  an  seine 
Deutung  des  Pelau-Geldes  (s.  II,  S.  180)  und  der  Schädelfragmente  in  den  Ruinen  von  Nanmatal  (s. 
im  Nachfolgenden  II,  Ponapd)  erinnern  möchte. 

Kubary's  literarische  Arbeiten. 

1.  »Die  Ebongruppe  im  Marshall- Archipel«  in:  Journ.  M.  G.,  Heft  i  (1873),  S.  33 — 47,  Taf.  6. 

2.  »Die  Carolinen-Insel  Yap   oder  Guap«   (nach   A.  Tetens  und  J.  Kubary).  Daselbst   Heft  II  (1873), 

S.  12—53.  Taf.  3—7. 

3.  »Die  Ruinen  von  Nanmatal  auf  der  Insel  Ponap^  (Ascension).«  Daselbst  Heft  IV  (1873/74),  S.  123 

bis  i3i,  Taf.  5.    (Dieser  Aufsatz  erschien  bereits  als  Vortrag  von  L.  Friederichsen  in  den  Mit- 
theilungen der  Geograph.  Gesellschaft  in  Hamburg  über  die  Sitzung  vom   i.  October  1874.) 

4.  »Weitere  Nachrichten  von  der  Insel   Ponap^  (Ascension),   Carolinen- Archipel«   in:   Journ.  M.  G., 

Heft  VIll  (1875),  S.  129—135.  (Mit  IG  Holzschnitten.) 

5.  »Die  Bewohner  der  Mortlock-Inseln  (Carolinen),   nördlicher  grosser  Ocean«  in:  Mittheilungen  der 

Geograph.  Gesellschaft  in  Hamburg  (1878/79,  S.  224—300.  (Mit  8  Holzschnitten.) 

6.  »Die  Palau-Inseln  in  der  Südsee«  in:  Journ.  M.  G.,  Heft  IV  (1873),  S.  5—62,  Taf.  2—4. 

7.  »Ethnographische  Beiträge  zur  Kenntniss  der  carolinischen  Inselgruppen  und  Nachbarschaft.  Heft  i. 

Die  socialen  Einrichtungen  der  Pelauer.«  Berlin  1885,  S.  33 — 150. 

8.  »Die  Todtenbestattung  auf  den  Pelau-Inseln«  in:  Original-iMittheilungen  aus  der  Ethnographischen 

Abtheilung  der  königl.  Museen   zu  Berlin.    Herausgegeben   von   der  Verwaltung,    i.  Jahrg., 
Heft  1,  Berlin  1885,  S.  4— 11. 

9.  »Die  Verbrechen   und  das  Strafverfahren  auf  den  Pelau-Inseln«.    Daselbst  Heft  2   und   3  (1886), 

S.  79—91.  (Geschrieben  auf  Pelau,  20.  März  1884.) 

10.  »Die  Religion  der  Pelauer«   in :   Bastian,   »Allerlei   aus  Volks-   und  Menschenkunde«,  Bd.  I,  Berlin 

1888,  S.  1—69,  mit  3  photogr.  Taf.  (Geschrieben  auf  Pelau  im  October  i883.) 

11.  »Das  Tätowiren  in  Mikronesien,  speciell  auf  den  Carolinen«  in:  Joest,  »Tätowiren«,   Berlin  1887, 

S.  74—98.  (Mit  25  Holzschnitten.) 

12.  »Ethnographische  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Carolinen- Archipels.  VeröfTentlicht  im  Auftrage  der 

Direction  des   königl.  Museums  für  Völkerkunde   zu  Berlin.   Unter  Mitwirkung  von  J.  D.  E. 
Schmeltz.  I.  Heft  (mit  15  Tafeln),  1889  (Leiden).  II.  Heft  (mit  i3  Tafeln):  Die  Industrie  der 
Pelau-Insulaner.«  Erster  Theil,  1892. 
Ausserdem  enthält  der  Kat.  M.  G.  mancherlei  Notizen   von  Kubary,   namentlich   über  Mortlock, 
Nukuor,  Ruk,  Yap  und  Pelau. 

1.  Kuschai. 

Einleitung. 

Entdecker.  Diese  östlichste  Insel  des  Carolinen  -  Archipels  wurde  1804  von 
Crozer,  einem  amerikanischen  Schifiscapitän,  entdeckt  und  nach  dem  damaligen  Gou- 

1)  Um  nur  ein  Beispiel  zu  geben,  citire  ich  folgende  Stelle  aus  Opus  7  (S.  86):  »In  einem 
falle  sah  ich  den  Aybadul  von  Korryor  einem  Kaldebekel  einen  Kalebukub  Strafgeld  zahlen,  weil 
einer  seiner  Ngaleki  unter  dem  Blul  Kabuy  pflückte.« 


194 


Dr.  O.  Finsch. 


[450] 


verneur  von  Massachusetts  »Strong-Islandc  benannt,  unter  welchem  Namen  sie  später 
bei  Walfisch  Fahrern  sehr  bekannt  war.  Die  Aufnahmen  sind  Capitän  Duperrey  (mit 
der  »Coquille«  1824),  ganz  besonders  aber  der  denkwürdigen  Forschungsreise  mit  der 
russischen  Corvette  »Senjavin«  (1827—1828)  unter  Führung  von  Capitän  Friedrich 
Lütke  zu  verdanken.  Mit  Ualan  (Oualan)  bezeichnen  die  Eingeborenen  nur  den  nord- 
westlichen Theil  der  Insel,  um  Mataniel-Hafen,  während  sie  den  östlichen,  Lälla-Hafen, 
mit  dem  Festlande,  »Kuschaic  (es  klingt  sanft  wie  Kusaie  oder  Kushai)  nennen,  damit 
aber  auch  zugleich  die  Insel  im  Allgemeinen  verstehen,  so  dass  dieser  Name,  als  am 
richtigsten,  anzuwenden  ist.  Den  carolinischen  Seefahrern  war  Kuschai  nicht  bekannt; 
das  auch  auf  den  ersten  Karten  des  Archipels  (von  Cantova,  de  Torres,  Kotzebue  nach 
Edak*s  Angaben)  fehlt.  »Toroa«  oder  »Arao«  bleibt  wie  so  manche  andere  von  Ein- 
geborenen aufgegebene  Insel  unauflösbar  und  wird  ohne  den  geringsten  Anhalt  auf 
Kuschai  bezogen.  Floyd,  ein  weggelaufener  englischer  Matrose,  den  Lütke  auf  der  Insel 
Fananu  (Hall-Gruppe)  auflas,  erzählte,  dass  die  Bewohner  Ponap6s  regelmässig  nach 
Arao  (Kuschai)  gingen,  um  Gelbwurzel  zu  holen,  da  aber  dieses  beliebte  Tauschmittel 
auf  Kuschai  überhaupt  nicht  vorkam,  so  ergibt  sich  hieraus  allein  schon  die  Unrichtig- 
keit der  Behauptung.  Wenn  Kubary  (der  übrigens  damals  nicht  auf  Kuschai  war)  die 
Glieder  des  Stammes  » Azau«  auf  der  Insel  Uola  der  Rukgruppe  von  Kuschai,  dem  an- 
geblichen »Azau«  oder  »Arao«  herstammen  lässt,  so  ist  dies  eine  durchaus  willkürliche 
Annahme,  die  nicht  einmal  in  einem  gleichen  oder  ähnlichen  Namen  eines  Stammes 
auf  Kuschai  Anhalt  findet. 

Zur  Literatur.  Die  besten  Quellen  sind  wohl  immer  noch  die  Nachrichten  der 
ersten  Erforscher  der  Insel,  unter  denen  namentlich  Lütke's  »Observations  g^n^rales 
sur  rile  d'Ualan«  im  ersten  Bande  seines  Reisewerkes')  (S.  33g — 410)  für  die  Völker- 
kunde wichtiges  Material  enthalten,  ebenso  wie  v.  Kittlitz*:  »Denkwürdigkeiten  einer 
Reise  nach  dem  russischen  Amerika,  nach  Mikronesien  und  durch  Kamschatka«  (2.  Bd., 
Gotha  1858).  Lesson's^)  Nachrichten  waren  mir  nicht  zugänglich.  Der  Rev.  Samuel 
C.  Dämon  gibt  in  den  »Morning  Star  Papers«  (Honolulu  1861)  manche  brauchbare 
Notiz,  zum  Theil  nach  Snow  und  Gulik.  Ich  möchte  auch  auf  das  lebensvolle  Bild  ver- 
weisen, das  Hernsheim  von  Kuschai  und  seinen  Bewohnern  entwirft  (» Südsee-Erinne- 
rungen c,  III,  Kusaie,  S.  39 — 58).  Mit  ihm  zusammen  besuchte  ich  die  Insel  im  Februar 
1880  und  umfuhr  dieselbe  mit  Canu  innerhalb  des  LagunenrifFs  von  Lälla  (Chabrol- 
Hafen)  bis  Mataniel  (Goquille-Hafen),  also  den  grössten  Theil  derselben,  konnte  aber  im 
Ganzen  nur  neun  Tage  verweilen.  Ausser  anthropologischen  und  zoologischen  Abhand- 
lungen publicirte  ich  nur  einen  längeren  Artikel:  »Aus  dem  Pacific.  V.  Kuschai«  in: 
Hamburger  Nachrichten,  Nr.  207  und  208  (3i.  August  und  i.  September),  1880;  einige 
Notizen  auch  in:  »Verhandl.  der  Gesellsch.  für  Erdkunde,  Berlin  1882,  Nr.  lo,  S.  6,  7. 

Geographischer  Ueberblick.  Kuschai,  unter  5''  19'  n.  Br.  und  163"*  6'  ö.  L.,  ist 
eine  hohe  Insel  von  vulcanischer  Bildung  (Basalt),  aber  von  einer  massig  breiten 
Lagune  mit  RifTgürtel  (BarrierrifT)  umschlossen,  mit  einigen  unbedeutenden  Inseln, 
darunter  das  kleine  Lälla  an  der  Ostseite  die  grösste.   Kuschai  trägt  einen  vorwiegend 


I)  »Voyage  autour  du  Monde,  ex^cut^  par  ordre  de  Sa  Majest^  Tempereur  Nicolai  I.,  sur  la 
corvette  Le  Seniavine  dans  les  ann^es  1826 — 1829  par  Fr6d6nc  Lutke«  (2.  vol.,  Paris  i835)  mit 
»Atlas«  (von  Posteis  und  v.  Kittlitz). 

3)  »Voyage  ra^dical  autour  du  monde,  exdcutd  sur  la  corvette  La  Coquille^  par  R.  P.  Lesson, 
Observations  sur  le  sol,  sur  la  production  de  File  Oualan,  et  sur  ses  habitants,  leur  langage,  leurs 
moeurs  etc.  par  R.  P.  Lesson.  Journal  de  voyages  publik  par  D.  Frick  et  N.  Devilleneuve  (Mai  et 
Juin  1825).« 


[^^l]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ig^ 

bergigen  Charakter;  die  beiden  höchsten  Kuppen  (Crozer  und  Buache)  erheben  sich 
Ober  2000  Fuss,  zwischen  ihnen  liegt  eine  Einsattelung,  die  aber  meist  aus  sumpfigen 
Niederungen  besteht.  Diese  wie  die  ganze  Insel  sind  mit  meist  undurchdringlichem 
Dickicht  tropischer  Vegetation  bedeckt,  von  der  die  Tafeln  im  Atlas  der  »Senjavin- 
Reise«  (PL  19 — 21)  vortreffliche,  wenn  auch  immerhin  nur  schwache  Vorstellung  geben. 
Kuschai  besitzt  drei  gute  Häfen,  unter  denen  Chabrol-  oder  Lällahafen,  Ninmolschon 
der  Eingeborenen^  an  der  Ostseite,  als  der  beste  gilt  und  zur  Zeit  des  Walfischfanges 
am  häufigsten  besucht  wurde.  Die  beste  Karte  ist  die  der  englischen  Admiralität 
(Nr.  978). 

Flora  und  Fauna.  Die  erstere  schildert  v.  Kittlitz  in  anziehender  Weise;  sie  scheint 
wissenschaftlich  noch  ziemlich  unbekannt,  aber  sehr  reich  zu  sein.  Wenigstens  erstaunt 
der  Laie,  welcher  von  armen  Atollen  herüber  diese  herrliche  Insel  betritt,  über  die  Fülle 
mannigfaltiger  Pflanzenformen,  darunter  herrliche  Bäume.  Die  Fahrt  durch  die  Lagune 
des  Barrierriffs,  zuweilen  in  engen  Canälen  unter  mächtigen  Laubdächern  gewaltiger 
Baumriesen,  die  mit  Farren,  Lianen  und  Bartflechten  bedeckt  sind,  gehört  mit  zu  der 
schönsten  meiner  tropischen  Erinnerungen.  Hernsheim's  Skizze  (S.  52)  gibt  eine  zwar 
schwache,  aber  immerhin  richtige  Vorstellung.  Ich  beobachtete  hier  die  Nipapalme  und 
V.  Kittlitz  erwähnt  unter  Anderen  auch  Baumfarne. 

Von  Säugethieren  ist  ausser  der  bisher  ununtersuchten  Ratte  (»Fäk<)  ein 
Fiederhund  (Pteropus  ualanensis  Kittl.)  vertreten  und  der  Insel  eigenthümlich.  Vögel 
wurden  von  v.  Kittlitz  in  15  Arten  nachgewiesen  und  durch  mich  auf  22  gebracht,')  wo- 
von vier  {Zosterops  cinereus  K.,  Sturnoides  corvina  K.,  Ptilopus  Hernsheimi  F.  und 
Kittlit^ia  monasa  K.)  Kuschai  eigenthümlich  angehören.  Reptilien  sind  im  Ganzen  viel 
seltener  als  auf  den  niedrigen  Inseln  Ost-Mikronesiens.  Ich  sammelte  nur  vier  Arten 
kleiner  Eidechsen,  die  bisher  nicht  zur  Untersuchung  gelangten,  aber  wohl  identisch  mit 
solchen  von  den  Gilbert-  und  Marshall-Inseln  sind  (darunter  die  weitverbreitete  reizende 
Mabouia  cyanura  und  Ablepharus  poecilopleurus).  Auffallend  ist  die  Armuth  an  In- 
secten,  namentlich  Schmetterlingen,  die  trotz  der  üppigen  Flora  viel  spärlicher  sind  als 
auf  den  Atollen.  Die  weitverbreiteten  Arten  Junonia  vellida  und  Utetheria  pulchella 
sammelte  ich  auch  auf  Kuschai,  beobachtete  aber,  wohl  nur  zufällig,  nicht  Hypolimnas 
Bolina.   Landkrabben,  namentlich  Einsiedlerkrebse  (Pagurus)  waren  sehr  häufig. 

Areal  und  Bevölkerung.  Die  Länge  der  Insel  von  Nord  nach  Süd  beträgt  circa 
7%  Seemeilen  (kaum  =  2  deutsche  Meilen),  die  Breite  von  Ost  nach  West  8V2  See- 
meilen (nach  der  Admiralitätskarte),  ihr  Umfang  nach  Lütke  48  Seemeilen  (kaum 
7  deutsche  Meilen).  Bei  dieser  unbedeutenden  Ausdehnung  ist  jedenfalls  die  Bevölke- 
rung immer  eine  beschränkte  gewesen,  wie  dies  auch  nach  der  Beschaffenheit  kaum  an- 
ders sein  kann,  denn  die  Mikronesier  meiden  die  Berge,  und  das  Innere  war  wohl  nie- 
mals bewohnt.  Kittlitz,  der  die  Insel  überquerte,  fand  auf  der  kaum  eine  deutsche 
Meile  langen  Tour  nur  ein  paar  kleine  Siedelungen  und  verzeichnet  für  das  grösste 
Dorf  Liäl  (Lual)  nur  20  Männer  und  15  Frauen,  für  ein  paar  andere  in  der  Umgegend 
von  Coquillehafen  noch  weniger.  Diese  Dörfer  existirten  zur  Zeit  meines  Besuches 
Oberhaupt  nicht  mehr,  und  auf  der  Partie  von  Lälla  nach  Mataniel  trafen  wir  im  Ganzen 
nur  sieben  kleine  Siedelungen  aus  wenigen  Häusern,  darunter  die  grösste  Malim  mit 


»)  Finsch:  »Ornithological  lettres  from  thc  Pacific,  Nr.  V,  Kushai«  (»Ibis«,  188 1,  p.  102—109) 
und  »Beobachtungen  Ober  die  Vögel  der  Insel  Kuschai  (Carolinen)«  (in:  Cabanis,  Journ.  für  Ornithol., 
1880,  S.  296—310)  und  »On  two  species  of  Pigeons  from  the  Caroline  Islands«  (Proc.  Zool.  Soc. 
London,  1880,  S.  577). 


ig6  I^r.  O.  Finsch.  [45^] 

nur  15.  Nach  den  durch  weisse  Missionäre  vorgenommenen  Zählungen  betrug  die  Ein- 
geborenenzahl 1855  noch  iioo  Seelen,  1858:  83o  (518  Männer  und  3i2  Frauen  inclu- 
sive Kinder),  1860:  749  und  war  1880  auf  weniger  als  200  gesunken,  wovon  die  Hälfte 
auf  Lälla  siedelte.  Bei  diesem  rapiden  Rückgange  und  der  unverhältnissmässigen  Min- 
derzahl des  weiblichen  Geschlechts  wird  der  kleine  Rest  Eingeborener  nicht  lange  vor- 
halten. Nach  Capitän  Wright,  der  längere  Zeit  auf  Kuschai  lebte  und  den  ich  dort 
kennen  lernte,  hatten  in  den  letzten  18  Monaten  29  Todesfalle,  aber  nur  9  Geburten 
stattgefunden.  Man  sieht  hieraus,  dass  selbst  christliche  Gesittung,  welche  nun  schon 
40  Jahre  auf  Kuschai  mit  strengen  Satzungen,  monogamer  Ehe  u.  s.  w.  herrscht,  das 
Aussterben  von  Naturvölkern  nicht  aufzuhalten  vermag.  Der  Contact  mit  der  Civili- 
sation,  welche  Kleidung  und  Lebensweise  der  Eingeborenen  zum  Theil  total  umändert, 
ist  schuld  an  diesem  Untergehen,  eine  Erscheinung,  die  sich  überall  in  der  Südsee 
wiederholt,  aber  nirgends  so  schroff  hervortritt  als  auf  dem  christlichen  Kuschai. 

Handel.  Die  hohen  Erwartungen,  welche  Duperrey  an  diese  Insel  knüpfte,  als 
einen  Halteplatz  für  Schiffe  auf  der  Fahrt  von  Australien  nach  China,  sind  nicht  erfüllt 
worden.  In  den  Zwanzigerjahren  verkehrten  hier  bereits  einzelne  Walfisch fahrer;  später 
wurde  die  Insel  eine  häufig  besuchte  Station,  und  in  den  Fünfziger-  und  Sechzigerjahren 
lagen  in  Lällahafen  oft  15 — 20  Walschiffe  auf  einmal.  Einzelne  weisse  Händler  hatten 
sich  niedergelassen  und  versorgten  diese  Schiffe  mit  Schweinen,  Hühnern,  Taro  und 
anderem  Proviant.  Diese  Zeiten  sind  aber  längst  vorüber,  und  zu  meiner  Zeit  konnte 
kaum  eine  kleine  Handelsstation  zum  Ankauf  des  einzigen  Productes,  Copra,  bestehen, 
da  die  Cocospalme  nur  spärlich  vorkommt.  Kleine  Schiffe  sprachen  gelegentlich  vor, 
um  Kawa  einzuhandeln.  Bei  der  bergigen  Urwaldsbeschaffenheit  ist  an  Plantagenwirth- 
schaft  wohl  schwerlich  zu  denken,  und  man  wird  Spanien  kaum  Vorwürfe  machen 
können,  wenn  es  aus  Kuschai  nichts  zu  machen  vermag. 

Mission.  Kuschai  ist  die  älteste  Station  in  Mikronesien  und  wurde  1852  durch 
Rev.  Snow  begründet,  den  Capitän  Holdsworth  mit  dem  Schiffe  »Caroline«  von  Hono- 
lulu herüberführte.  Die  Mission  fand  hier  bereits  einen  »König  George«  vor,  der  wie 
viele  seiner  Unterthanen  etwas  englisch  verstand  und  sprach,  wodurch  das  Bekehrungs- 
werk sehr  erleichtert  wurde.  Der  König  selbst  Hess  sich  taufen,  starb  aber  bald  (1854), 
und  so  ging  es  anfangs  nur  langsam  vorwärts.  Nach  10  Jahren  zählte  die  Kirche  erst 
33  Mitglieder,  1866  bereits  180,  und  1880  waren  fast  sämmtliche  Eingeborene  Christen, 
aber  auf  dem  Aussterbeetat.  Freilich  hatte  man  (1879)  die  »training  school«  von  Ebon 
nach  Kuschai  verlegt,  aber  die  36  Marshallaner  werden  das  Erlöschen  der  Kuschaier 
wohl  nicht  aufhalten  können.  Uebrigens  gab  es  1880  auch  noch  Ungetaufte,  und  selbst 
Christen  pflegten  heimlich  dem  Laster  des  Rauchens  zu  fröhnen. 


I.  Eingeborene. 

Aeusseres.  Lesson*s  durchaus  irrthümliche  Annahme,  als  seien  die  Kuschaier 
eine  Mischlingsrace  malayischen  und  mongolischen  Blutes^  ist  zwar  bereits  durch  Lütke 
und  V.  Kittlitz  widerlegt  worden,  hat  sich  aber  bis  heute  noch  in  der  Wissenschaft  er- 
halten, und  diese  gänzlich  haltlose  Hypothese  ist  sogar  auf  alle  Carolinier  übertragen 
worden.  Ich  möchte  daher  auch  an  dieser  Stelle  wiederholen,  dass  die  Bewohner  Ku- 
schais sich  von  anderen  Eingeborenen  West-Oceaniens  durchaus  nicht  im  Geringsten 
unterscheiden.  Auf  Kuschai  selbst  hatte  ich  die  beste  Gelegenheit  zu  Vergleichen,  denn 
ausser  etlichen  3o  Marshallanern  lebten  40  Eingeborene  von  Banaba  (Ocean  Isl.)  hier. 


[acSI  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  igy 

Wie  ich  auf  die  letzteren  nur  durch  den  besonderen  Blätterschmuck  in  den  Ohren  als 
Fremde  aufmerksam  wurde,  so  fielen  mir  einige  mit  Ringwurm  behaftete  Marshallaner 
nur  deshalb  auf.  Im  Uebrigen  würde  ich  diese  Leute  nicht  von  Kuschaiern  unter- 
schieden haben.  Bezüglich  letzterer  rouss  ich  auch  hier  auf  meine:  »Anthropolog.  Er- 
gebnisse« (S.  17)  verweisen,  wie  auf  vier  von  mir  abgenommene  Gesichtsmasken, 
welche  den  Typus  der  Kuschaier  jedenfalls  am  besten  wiedergeben,  was  von  den  im 
Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  17)  abgebildeten  eben  nicht  gesagt  werden  kann. 
Namentlich  ist  der  Bartwuchs  viel  besser  entwickelt,  wie  es  nach  diesen  Bildern  scheint, 
übrigens,  wie  überall,  individuell  sehr  verschieden. 

Hautkrankheiten  waren  im  Ganzen  selten;  ich  beobachtete  spärlich  Ichthyosis; 
aber  Kittlitz  erwähnt  auch  Lepra  (»Ruff«). 

Sprache.  Dieselbe  klingt,  wie  schon  LUtke  und  Kittlitz  bemerken,  sehr  verschie- 
den von  allen  anderen  mikronesischen,  und  manche  Wörter  erinnern,  durch  Aufhäufung 
von  Consonanten,  in  der  Aussprache  an  slavische.  Auffallend  war  mir,  dass  die  Ein- 
geborenen den  Buchstaben  r  aussprechen  konnten.  Englisch,  schon  durch  Whaler  ein- 
geführt, war  zu  meiner  Zeit  übrigens  sehr  verbreitet.  Lütke  gibt  ein  kurzes  Vocabular 
von  circa  200  Wörtern  der  Kusch aisprache  (II,  S.  355 — 371),  die  zum  Theil  aber  wenig 
mit  den  von  mir  aufgezeichneten  übereinstimmen. 

Herkunft.  »Einige  Weisse  meinen,  dass  wir  von  China  herkamen;  Andere  von 
»Tschensi*  (=  Ascension,  Ponap6),«  war  Alles  was  mir  der  Vicekönig  darüber  sagen 
konnte.  Zu  Kittlitz*  Zeit  standen  die  Eingeborenen  ohne  jeden  Verkehr  mit  der  Aussen- 
welt  und  kannten  nur  ihre  Insel. 

Charakter  und  Moral.  So  liebenswürdig  und  freundlich,  als  wie  Kittlitz  die  Ein- 
geborenen schildert,  fand  auch  ich  dieselben,  die  in  der  That  die  angenehmsten  und 
gastfreiesten,  aber  nicht  intelligentesten  Südsee-Insulaner  waren,  welche  ich  kennen 
lernte.  Wie  damals  boten  sie  Cocosnüsse,  Zuckerrohr  und  andere  Kleinigkeiten 
als  Geschenk,  ohne  Bezahlung  zu  beanspruchen,  wenn  sie  auch  im  Uebrigen  bereits 
Handel  und  durch  die  Mission  sogar  Geldeswerth  in  blanken  Dollars  kannten,  welche 
auch  die  Königin  gern  nahm.  Und  doch  ist  ihnen  zuweilen  von  Weissen,  wie  sie  in 
der  ersten  Zeit  diese  Inseln  heimsuchten,  übel  mitgespielt  worden.  Ein  alter  Mann,  der 
sich  noch  an  »Litschkec  (Lütke)  erinnerte,  wusste  davon  zu  erzählen.  Es  kam  vor, 
dass  man  einen  Eingeborenen  ein  Messer  an  der  Klinge  festhalten  liess  und  ihm  die 
letztere  durch  die  Hand  zog  u.  s.  w.  Trotz  solcher  Brutalitäten  haben  die  Eingeborenen 
doch  nie  Schiffe  anzugreifen  versucht,  wie  dies  sonst  überall  geschah,  wenn  sie  auch 
(1857)  gezwungen  waren,  sich  einiger  weisser  Eindringlinge  zu  erwehren,  welche  sich 
zu  Herren  der  Insel  machen  wollten. 

Diebstahl  wurde,  wie  überall  auf  diesem  Erdenrunde,  auch  auf  Kuschai  verübt, 
und  Lütke  liess  deshalb  einen  Eingeborenen,  der  ein  Beil  entwendet  hatte,  prügeln. 
Wie  mein  brauner  Gewährsmann  versicherte,  war  dies  die  Ursache,  weshalb  kein  Ein- 
geborener mehr  das  Schiff  betreten  mochte,  ein  Betragen,  das  Kittlitz  mit  der  »unbe- 
wussten  Entweihung  eines  heiligen  Ortes«  zu  deuten  sucht.  (Denkwürd.,  II,  p.  67.) 

In  den  glänzenden  Zeiten  der  Walfischfahrer  werden  die  Schönen  Kuschais  gegen- 
über Weissen  wohl  ebensowenig  spröde  gewesen  sein  als  überall  in  Mikronesien.  Zu 
meiner  Zeit  hatte  das  aufgehört,  denn  es  gab  ja  keine  fremden  Matrosen,  aber  auch  fast 
keine  Mädchen  mehr.  Dennoch  wurde  mir  eines  der  letzteren  nebst  eigenem  Kinde  ge- 
zeigt; die  Mission  konnte  eben  auch  nicht  Alles  überwachen! 

Trotz  des  eminent  friedfertigen  Charakters  der  Kuschaier  sind  früher  doch  Strei- 
tigkeiten mit  gewaffneter  Hand  zum  Austrage  gekommen,  und  wie  überall  ist  auch  das 


igS  Dr.  O.  Finsch.  ^  [454] 

idyllische  Leben  dieser  Menschen  durch  Krieg  unterbrochen  worden.  Wie  mir  erzählt 
wurde,  soll  der  letzte  vor  damals  circa  50  Jahren  stattgefunden  haben.  Die  Festlandsbe- 
wohner wurden  von  den  Lallanern  in  befestigter  Stellung  angegriffen  und  total  geschlagen. 
Reinlichkeit  hatte  mit  der  theilweisen  Einführung  von  Seife  und  Kämmen  wohl 
Fortschritte  gemacht;  wenigstens  habe  ich  niemals  Läuse  essen  sehen,  wie  dies  noch 
Lütke  als  etwas  sehr  Gewöhnliches  erwähnt. 


II.  Sitten  und  Gebräuche. 

(Sociales  und  geistiges  Leben.) 

Bei  der  fast  vollständigen  Umwälzung,  die  zu  meiner  Zeit  bereits  stattgefunden 
hatte,  liess  sich  darüber  wenig  mehr  erfahren,  zumal  in  so  kurzer  Zeit.  Fast  alle  Ein- 
geborenen waren  Kirchenbesucher,  viele  konnten  lesen  und  schreiben,  wenn  auch  zum 
Theil  nur  ihren  Namen,  wie  z.  B.  der  König,  der  übrigens  recht  geläufig  englisch  sprach. 
So  blieben  nur  die  wenigen  alten  Leute,  die  von  der  vorchristlichen  Zeit  zu  erzählen 
wussten,  aber  sie  waren  schwer  dazu  zu  bewegen,  aus  Furcht  vor  der  Mission.  Diese 
hatte  sie  von  der  Schlechtigkeit  ihres  früheren  Lebens  so  überzeugt,  dass  die  Ein- 
geborenen auf  dasselbe  wie  auf  eine  Reihe  fortlaufender  Sünden  zurückblickten;  frei- 
lich wurde  ja  schon  Tabakrauchen  in  diese  Kategorie  gerechnet.  »Kanaka,  früher  sehr 
schlecht;  jetzt  sehr  gut,«  sagte  Känker,  der  »Vice-König«  und  charakterisirte  damit  die 
naive  Auffassung  dieses  Völkchens,  das  jetzt  zwar  Wörter  wie  »Amerika«,  »Million« 
u.  s.  w.  besass,  dieselben  aber  nicht  begreifen  konnte.  Wie  erwähnt,  sind  die  Kuschaier 
geistig  nicht  sehr  veranlagt,  und  auch  dies  verhinderte,  über  Vieles  genauere  Auskunft 
zu  erlangen. 

/.  Sociale  Zustände. 

Stammeintheilung  hatte  sich  kaum  mehr  erhalten,  wurde  aber  früher  äusserst 
streng  beobachtet.  Lesson  und  Kittlitz  fanden  nur  drei  Stämme  (Tohn,  Pennem^  und 
Lirsinge)  heraus.  Aber  nach  Snow  gab  es  vier  »Se-uf«  (Stämme):  Penem^  (=  wahr), 
To-u  (Eigenname  einer  Art  Aal,  der  gewisse  Verehrung  genoss),  Lisunge  (=  Abthei- 
lung) und  Ness  (=  Nahrung),  die  vielleicht  in  ähnlicher  Weise  wie  auf  den  Marshails 
zugleich  verschiedene 

Stände  bezeichnet  haben  mögen.  Die  strenge  Scheidung  der  letzteren  in  Häupt- 
linge und  Untergebene  hatte  ich  noch  hinreichend  Gelegenheit  zu  beobachten,  zugleich, 
dass  auch  unter  den  Häuptlingen  gewisse  Rangstufen  bestehen;  das  Wort  »Iros« 
(rr—  Häuptling)  hörte  ich  aber  nicht.  Wie  auf  Ponap^  wird  die  Würde  durch  den  Titel 
bezeichnet,  der,  wie  bei  uns,  eine  männliche  und  weibliche  Form  hat.  So  heisst  der 
Oberhäuptling  oder  sogenannte  König  »Tokoscha«  (»Tokoja«:  Lütke,  oder  wie  ersieh 
selbst  schrieb  »Tokosa«),  seine  Frau  »Koscha«;  der  nächstfolgende  grösste  Häuptling 
»Känker«  (oder  »Kenka«),  deren  frühere  Namen  mit  Erlangung  der  Würde  erloschen 
waren  und  nicht  mehr  ausgesprochen  werden  durften.  Namentausch  war  daher  unter 
Eingeborenen  nicht  Sitte,  wenn  dies  auch  mit  Lütke  und  anderen  Fremden  damaliger 
Zeit  unbewusst  geschah.  Die  Eingeborenen  wollten  nur  den  Namen,  respective  Titel  des 
Fremden  erfahren,  nannten  den  ihrigen  und  so  entstand  ein  Namentausch,  der  eigentlich 
gar  nicht  beabsichtigt  war.  So  nannte  Känker,  dem  ich  viel  von  unserem  Kaiser  erzählen 
und  das  Wort  »Emperor«  unzählige  Male  wiederholen  musste,  mich  schliesslich  bei 
diesem  Namen. 


r^.^^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  ign 

Die  Würde  des  »Tokoschac  ist  übrigens  nicht  erblich,  sondern  kann  auf  den  Sohn 
eines  früheren  Tokoscha,  oder  einen  Bruder,  )a  eine  Schwester  übergehen.  Mit  dem 
Titel  fällt  auch  alles  Land  und  sonstiges  Besitzthum  an  den  Nachfolger,  wie  die  Witwe 
ihren  Titel  verliert,  der  übrigens  nur  der  ersten  Frau  zukam.  Wie  es  scheint,  wird  der 
Tokoscha  nicht  blos  von  den  Häuptlingen  gewählt,  sondern  der  Wille  der  Gesammt- 
bevölkerung  oder  des  Stammes  hat  dabei  Einfluss.  Dass  der  Tokoscha  in  wichtigen 
Angelegenheiten  nicht  allein  zu  entscheiden  hatte,  sondern  erst  mit  den  übrigen  Häupt- 
lingen Rath  halten  musste,  davon  war  ich  selbst  Zeuge.  Diese  Rathsversammlung  be* 
stand  damals  aus  sechs  Häuptlingen.  Im  Uebrigen  schien  der  Tokoscha  absoluter 
Herrscher  und  wurde  vom  Volke  mit  einem  Grade  von  Unterwürfigkeit  behandelt,  die 
mir  überhaupt  nirgends  begegnete.  In  Gegenwart  des  hohen  Paares  durfte  nur  leise 
gesprochen  werden,  die  Leute  nahten  in  demüthiger  Haltung  und  krochen  fast  auf 
den  Knieen  die  Stufen  zu  der  Veranda  hinauf,  wo  sie  ihre  Körbe  mit  Lebensmitteln 
und  anderem  Tribut  niedersetzten.  Mit  Ausnahme  der  Häuptlinge  und  ihrer  Sippe  muss 
auch  Alles  für  den  Tokoscha  arbeiten,  der  das  Land  nur  zu  Lehen  gibt,  wofür  aber 
Abgaben  in  Naturalien  erlegt  werden.  Wie  auf  den  Marshalls  folgen  die  Kinder  der 
Mutter  im  Range,  und  an  dieser  Sitte  wurde  noch  damals  mit  äusserster  Strenge  fest- 
gehalten. Känkers  ältester  Sohn,  ein  Knabe  von  circa  14  Jahren,  stand  höher  als  sein 
Vater,  weil  seine  Mutter  eine  Tochter  des  verstorbenen  Königs  George  war,  und  eine 
jüngere  Schwester  aus  dieser  Ehe  hatte  einen  noch  höheren  Rang  als  ihr  Bruder.  Nach 
Snow  wurden  solche  hohe  Häuptlingssprossen  schon  vom  Säuglingsalter  an  und  selbst 
von  der  eigenen  Mutter  mit  derselben  Ehrfurcht  behandelt,  als  wären  es  bereits  tituläre 
Würdenträger.  Das  Haupt  eines  solchen  Kindes  durfte  nie  berührt  werden;  Wärterin- 
nen trugen  das  Kind  Tag  und  Nacht  auf  den  Armen,  das  erst  auf  einer  Matte  schlafen 
durfte,  wenn  es  kriechen  konnte. 

Hieraus  ergibt  sich  die  hervorragende  Stellung  der  Frauen,  wenigstens  der  höheren 
Stände;  aber  auch  die  übrigen  Frauen  werden  gut  behandelt.  Kittlitz  beobachtete,  dass 
die  letzteren  sich  stets  gesondert  von  den  Männern  hielten,  aber  dies  ist  ein  unter  allen 
Eingeborenen  weit  verbreiteter  Brauch. 

Die  Ehe  ist  jetzt  allgemein  christlich;  früher  herrschte  Polygamie,  aber  wohl  nur 
bei  Häuptlingen. 

2.  Vergnügungen. 

Mit  Spiel  und  Tanz  war  es  vorbei;  die  Eingeborenen  sangen  Hymnen  und 
kannten  ihre  früheren  Lieder  kaum  mehr.  Nach  vielem  Zureden  trug  uns  ein  alter 
Mann  einen  Gesang  (»Onon«)  vor.  Er  hielt  dabei  die  Hand  vor  den  Mund  und  sang 
eine  näselnde  Weise,  in  welcher  das  Wort  »Oio«  sehr  häufig  vorkam.  Aber  übersetzen 
mochte  uns  Niemand  den  Text,  die  Worte  seien  >zu  schlecht«,  meinte  man;  waren  es 
doch  »heidnische«.  Diese  Gesänge  im  Verein  mit  sogenannten  Tänzen  (»Schalschal«) 
bildeten  früher,  wie  meist  überall,  die  Hauptvergnügungen  beider  Geschlechter,  aber 
getrennt.  Dabei  werden  in  gleichmässigem  Tempo  die  Arme  und  der  Körper  bewegt, 
mit  den  Beinen  getrampelt  und  dazu  gesungen,  wobei  die  zuschauenden  Frauen  in  den 
Refrain  »Oio«  mit  einfallen.  Taktschlägel  oder  Tanzstöcke,  nach  denen  ich  mich  beson- 
ders erkundigte,  kennt  man  ebensowenig  als  irgend  ein  Musikinstrument.  Von  letzteren 
erhielt  ich  noch  die  weitverbreitete  Muscheltrompete  (»Oguk«)  aus  Tritonium,  die  aber 
auch  hier  nur  zum  Signalblasen  diente  und  sicher  kein  »heiliges«  Instrument  war,  wie 
Lütke  vermuthete.    Der  Letztere  beschreibt  übrigens  einen  Tanz  der  alten  Kuschaier 

Annalcu  des  k.  k.  naturbistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VllI,  Heft  3,  1893.  15 


200  Dr.  O.  Finsch  [45^] 

(iy  S.  383)  sehr  übereinstimmend  mit  der  obigen  Skizze  und  erwähnt  als  einzigen  Tanz- 
schmuck nur  der  Muschelarmringe  aus  Conus  (Taf.VI  [23],  Fig.  i).  Schon  damals  waren 
die  Kuschaier  wenig  fröhliche  Menschen;  Spiele  schienen  sie  gar  nicht  zu  kennen. 

3.  Bestattung  und  Geisterglauben. 

Darüber  war  wenig  mehr  zu  erfahren.  Die  Todten  wurden  früher  in  Matten  ein- 
gehüllt begraben,  und  es  fanden  besondere  Feierlichkeiten  statt.  Schon  beim  Lager  des 
Sterbenden  und  um  das  Haus  desselben  sammelten  sich  Anverwandte  und  Stammes- 
genossen.  Beim  Ableben  eines  Grossen  wurde  ein  viertägiges  Fest  abgehalten,  wobei 
die  erwähnten  Tanz*  und  Gesangsaufführungen  stattfanden,  in  denen  man  das  Lob  des 
Verstorbenen  besang.  An  diesen  Klageliedern  betheiligten  sich  auch  die  Frauen,  und 
Alles  stimmte  in  den  Refrain  (»Oio«)  ein.  Essereien  waren  mit  diesen  Todtenfesten 
ebenfalls  verbunden  und  wahrscheinlich  nicht  Nebensache.  Gräber  habe  ich  ebenso- 
wenig als  V.  Kittlitz  gesehen,  der  deshalb  irrthümlich  annimmt,  dass  man  Todte  in 
Sümpfe  versenke.  Aber  Lütke  gedenkt  eines  frischen  Grabes,  das  an  der  Seite  des 
Hauses  eines  unlängst  Verstorbenen  gegraben  und  mit  zwei  der  Länge  nach  darüber  ge- 
legten Bananenstämmen  gekennzeichnet  war.  Die  grossen  Mauern  auf  Lälla  sollen  zum 
Theil  auch  die  Gräber  grosser  Häuptlinge  bergen. 

Geister-  und  Aberglauben  herrscht  wahrscheinlich  noch  heute,  aber  auch  darüber 
liess  sich  wenig  und  nur  Unsicheres  erfahren.  Hiezu  möchte  ich  die  »steinernen  Götzen- 
bilder« rechnen,  von  denen  man  uns  erzählte,  die  es  aber  sicher  nie  gegeben  hat,  ausser 
vielleicht  gewissen  Steinen,  die  man,  ähnlich  wie  auf  den  Marshall-Inseln,  im  Sinne 
eines  rohen  Fetischismus  verehrte,  denn  Religion  haben  auch  die  Kuschaier  nie  be- 
sessen. Was  Känker  von  der  Insel  »Millemöt«,  dem  Orte,  wo  die  guten  Menschen  hin- 
kommen, und  »Millönut«  für  die  Bösen  erzählte,  klang  bereits  sehr  christlich  an- 
gehaucht, um  weitere  Beachtung  zu  verdienen.  Im  Uebrigen  wurde  von  bösen  Geistern 
berichtet,  die  zuweilen  sogar  Diebe  mit  unsichtbaren  »Geisterspeeren«,  aber  bei  Nacht, 
tödteten.  Sicher  ist,  dass  die  Kuschaier  einen  grossen  Aal  (»To-u«,  zugleich  Bezeich- 
nung eines  Stammes)  noch  heute  unberührt  lassen,  der  früher  als  verkörperter  Vertreter 
der  Seele  von  Vorfahren  verehrt  wurde.  Fand  man  zufällig  einen  solchen  »heiligen« 
Aal  todt,  so  begrub  man  denselben,  sorgfältig  in  Matten  eingehüllt,  mit  gleichen  Cere- 
monien  und  Ehren,  als  handle  es  sich  um  einen  grossen  Häuptling.  Die  Kuschaier 
Hessen  uns  übrigens  ruhig  »heilige«  Aale  fangen  und  äusserten  darüber  ebensowenig 
Missfallen  als  damals,  da  Kittlitz,  noch  in  heidnischer  Zeit,  einen  solchen  schoss.  Ver- 
ehrung gewisser  Fische  war  übrigens  weit  über  die  Südsee  verbreitet.  So  galt  den  alten 
Hawaiiern  eine  grosse  Art  Haifisch  heilig,  und  Anklänge  daran  hatten  sich  noch  zu 
meiner  Zeit  erhalten.  Als  Consul  Pflüger  das  hochinteressante  Steinbild  nach  Europa 
verladen  Hess,  zu  dessen  Erwerbung  ich  dem  Berliner  Museum  mit  behilflich  war,  er- 
hob sich  ein  grosser  Jammer  bei  den  christlichen  Eingeborenen,  die  in  diesem  Bilde 
noch  immer  den  grossen  Gott  der  Fische  ihrer  Vorfahren  in  Andenken  behalten  hatten. 
Interessant  ist,  dass  Aale  auch  auf  der  Hervey-Gruppe  und  Tockelau  (Fakaafo)  verehrt 
wurden,  natürlich  andere  Arten  als  die  von  Kuschai.  Gill,  der  den  »sacred  sea-eel«  des 
Süd-Pacific  abbildet  (»Life  in  the  Southern  Isles«,  S.  279),  möchte  »diese  Art  Götzen- 
dienst mit  der  Erinnerung  an  die  Schlange  der  Arche,  welche  Eva  verführte  (!?)«  in 
Beziehung  bringen  und  zieht  daraus  den  Schluss,  dass  deshalb  in  so  manchen  Gebieten 
der  Südsee  namentlich  Frauen  Aale  nicht  essen  dürfen.  Dieser  Abscheju  vor  Aalen  ist 
aber  keineswegs  allgemein   verbreitet  und  zum  Theil   auf  das  widerliche  Ausseben 


[^.^y]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  20i 

gewisser  Arten  zurückzuführen,  denn  aus  diesem  Grunde  mochte  auch  Niemand  bei 
uns  an  Bord  die  heiligen  Aale  Kuschais  essen. 

Ueber  Priester  und  Wahrsager  konnte  ich  nichts  erfahren.  Der  hohe  Herr,  bei 
dessen  Eintreten  Alles  schweigend  zusammenrückte,  um  Platz  zu  machen,  und  in  wel- 
chem V.  Kittlitz  unter  dem  Namen  Iros  »Togrshac  irgend  einen  geistlichen  Würden- 
träger vermuthet  (2,  S.  47),  war  eben  der  »Tokoscha«,  das  ist  der  oberste  Häuptling. 
V.  Kittlitz  gedenkt  eines  »Heiligthumes«,  das  ihm  unerklärlich  blieb.  Es  war  eine 
massig  lange  Stange,  »woran  oben  mehrere,  dem  Anscheine  nach  sehr  alte  Cocos- 
flaschen  befestigt  waren  c,  und  vermuthet  in  letzteren  Reliquien,  welche  die  ersten  Ku- 
schaier  bei  ihrer  Einwanderung  mitbrachten,  und  die  damals  wie  noch  heute  als 
Wasserbehälter  dienten.  Vielleicht  waren  diese  Cocosnussgefasse  Symbole  der  Häupt- 
lingswürde, wie  dies  nach  Kubary  ähnlich  auf  Pelau  der  Fall  ist,  oder  sie  enthielten  nur 
Kawa  oder  vielleicht  Palmsaft,  aber  auch  darüber  sind  die  Acten  geschlossen.  Dasselbe 
gilt  in  Betreff  der  sogenannten  heiligen  Stäbe,  welche  Lütke  erwähnt,  als  »4 — 5  Fuss 
lange  Ruthen,  an  einer  Seite  zugespitzt,  an  der  anderen  cannelirt«,  welche  in  der  Ecke 
einiger  Häuser  mit  Kawablättern  und  Muscheltrompeten  zusammen  besonders  verwahrt 
und  bei  der  Bereitung  von  Kawa  hervorgeholt  wurden,  v.  Kittlitz  beschreibt  dieses 
»vermuthliche  Heiligthum«,  in  welchem  Lesson  nur  ein  Fisch ereigeräth  erblickte,  als 
»einen  Stab  in  Form  einer  Netzgabel«.  Wenn  die  richtige  Deutung  schon  wegen  höchst 
mangelhafter  Sprachkenntniss  unmöglich  war,  so  hinderte  das  Lütke  leider  nicht,  auf 
dem  Gebiete  der  Phantasie  noch  weiter  zu  schweifen  und  aus  unverständlichen  Trink- 
sprüchen beim  Kawagenuss,  die  sich  häufig  wiederholenden  Worte  »Sitel  Nazuenziap« 
(Kittlitz  schreibt:  »Sitel  na  ^ensap«)  als  den  Namen  des  Gottes  der  Kuschaier  heraus- 
zufinden, der  seitdem  in  allen  Büchern  weiterspukt.  Was  Lütke  (I,  S.  392)  von  diesem 
angeblichen  Gotte  und  seiner  Familie  erzählt,  bezieht  sich  ohne  Zweifel  nur  auf  be- 
rühmte Vorfahren,  hat  aber  ebensowenig  mit  Religion  zu  thun,  als  der  angeblich  reli- 
giöse Cultus  des  Kawatrinkens. 

Der  scharf  beobachtende  Kittlitz  erwähnt  als  charakteristisch  für  das  damalige 
Kuschai  eine  Schnur,  die  vor  dem  Eingange  des  Dorfes  über  die  Wasserstrasse  gespannt 
und  an  welcher  Allerlei  (Blattstreifen,  Blumen  etc.)  als  »muthmassiiche  Opfergaben < 
befestigt  war.  Ob  diese  Deutung  richtig  ist,  Hess  sich  nicht  mehr  ausmachen.  Ich  ver- 
muthe,  dass  eine  solche  Schnur  (abgebildet  »Senjavin-Reise«,  PI.  19  unten)  mit  Aber- 
glauben im  Verband  stand,  um  böse  Geister  abzuhalten  o.  dgl.,  wie  dies  in  ähnlicher 
Weise  in  Melanesien  geschieht. 

Bei  Ankunft  eines  Schiffes  pflegte  man  früher  Kindern  einen  Streif  Pandanus- 
oder  Cocosblatt  um  den  Hals  zu  binden,  zur  Abwehr  etwaiger  schädlicher  Einflüsse, 
durch  »bösen  Blick«,  ein  Aberglaube,  der  sich  früher,  wie  anderwärts,  auch  auf  Kuschai 
fand.  Deshalb  fürchtete  man  sich  Anfangs  vor  dem  Missionär  Snow,  weil  dieser  eine 
Brille  trug.  Halsbänder  galten  früher  auch  als  Heilmittel,  wie  in  vielen  Gegenden  der 
Südsee  noch  heute  und  zum  Theil  bei  uns.  Der  Häuptling  pflegte  dem  Kranken  einen 
Blattstreifen  umzubinden  und  sagte  dabei:  »Du  wirst  nicht  sterben«,  was  freilich,  wie 
Känker  meinte,  nicht  immer  eintraf.  Von  anderen  Heilverfahren  habe  ich  nichts  in  Er- 
fahrung gebracht,  möchte  aber  hiebei  an  das  eigenartige  »Instrument  zum  Aderlassen« 
erinnern,  das  von  Posteis  (leider  ohne  nähere  Localität  von  den  Carolinen)  abgebildet 
und  beschrieben  wird  (Atlas  »Senjavin-Reise«,  S.  25,  PL  29,  Fig.  19).  Es  besteht  aus 
einem  4 — 5  Zoll  langen  runden  Stöckchen,  an  dessen  Enden  jederseits  der  Knochen- 
stachel eines  Fisches  (aus  dem  Schwänze  von  Acanthurus)  befestigt  ist,  welchen  man 
mit  einem  Stöckchen  in  die  schmerzhaften  Körpertheile  einschlägt.    Diese  Heilmethode 

i5* 


202  ör.  O.  Finsch.  [458] 

wird  namentlich  bei  Gelenksgeschwulst  (»Make  genannt)  angewendet.  Zum  Blutlassen, 
übrigens  eine  sehr  beliebte  Heilmethode,  benutzen  Eingeborene  gewöhnlich  scharfe 
Steine,  noch  lieber  Glassplitter;  ein  eigenes  Instrument  kam  mir  nur  auf  Neu-Guinea 
vor  (II,  S.  338  [124]). 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten. 

(Materielles  und  wirthschaftUches  Leben.) 

/.  Nahrung  und  Zubereitung. 

a)  Pflanzenkost. 

Gegenüber  Mangel  und  Spärlichkeit  von  Lebensmitteln  auf  den  Atollen  herrscht 
auf  den  hohen  Inseln,  wie  Kuschai,  förmlicher  Ueberfluss.  Es  fällt  daher  auf,  dass  trotz 
dieser  günstigen  Ernährungs Verhältnisse  die  Kuschaier  nur  schwächlich  aussehende 
Menschen  sind,  deren  äussere  Erscheinung  anderen  Mikronesiern  gegenüber,  z.  B.  den 
hungerleidigen  Gilbert-Insulanern,  entschieden  zurücksteht,  wie  dies  auch  in  Bezug  auf 
geistige  Entwicklung  gilt.  Pflanzenkost  bildet  auch  für  Kuschai  die  fast  ausschliessliche 
Nahrung;  aber  wir  finden  hier  zuerst  eine  geregelte  Plantagenwirthschaft,  in  ganz 
ähnlicher  Weise  als  in  Melanesien.  Wie  hier  liegen  die  Plantagen  meist  von  den  Siede- 
lungen entfernt,  die  der  Lällaner  z.  B.  auf  dem  Festlande.  Weite  Strecken  Landes  sind 
urbar  gemacht,  mit  Steinmauern  aus  Basaltstücken  eingefriedigt  und  hier  zuweilen  be- 
sondere kleine  Hütten  (»Lom«  =  Haus)  errichtet,  deren  Dachfirste  geradlinig  verläuft. 
Sie  dienen  zur  Unterkunft  für  Arbeiter  oder  Wächter,  um  den  Glanzstaaren  (»Uäc,  Ca- 
lornis  pacificus)  und  Flughunden  (»Foak«,  Pteropus  ualanensis)  zu  steuern,  welche 
namentlich  in  Bananen  und  Brotfrucht  viel  Schaden  anrichten.  Wie  auch  anderwärts 
pflegt  man  zur  Zeit  der  Fruchtreife  die  Bananenbündel  mit  Netzen  einzuhüllen,  um  sie 
gegen  die  Nachstellungen  der  genannten  Thiere  zu  schützen. 

Brotfrucht  (»Mose«)  bildet  die  hauptsächlichste  Nahrung  der  Kuschaier.  Es 
werden  zwei  fast  kernlose  Arten  oder  Varietäten  cultivirt,  die  vorzüglich  gedeihen  und 
deren  Früchte  die  des  Jackfruchtbaumes  in  Ost-Mikronesien  bei  Weitem  übertreffen. 
Brotfrucht  kann  nicht  roh  gegessen  werden.  Man  zerschlägt  die  reife  Frucht  mit  einem 
hölzernen  Geräth  (Fig.  28)  in  zwei  Hälften  und  lässt  sie,  in  Blätter  eingehüllt,  ungefähr 
eine  Viertelstunde  in  der  Gluth  heisser  Asche  backen.  Solche  warme  Brotfrucht  riecht 
wie  Schwarzbrot,  das  eben  aus  dem  Ofen  kommt,  und  erinnert  auch  im  Geschmack 
daran.  »Uro«  ist  eine  Dauerwaare  aus  Brotfrucht,  welche  ganz  so  bereitet  wird,  als 
»Piru«  der  Marsh all-Inseln  (S.  143  [Sgg]).  Sie  ersetzt  die  frische  Brotfrucht  und  wird 
in  Gruben  verwahrt,  die  mit  Steinen  ausgemauert  sind.  Zum  Abnehmen  von  Brot- 
früchten bedient  man  sich  eines  langen  Stockes  mit  einem  Haken,  wie  dies  PI.  33  der 
»Senjavin-Reise«  zeigt.   Nächst  Brotfrucht  ist: 

Taro  (»Katak«)  das  wichtigste  Nahrungsmittel,  wovon  (nach  v.  Kittlitz)  drei 
Arten,  dieselben  als  wie  in  den  Marshalls  (S.  143  [399]),  aber  von  weit  besserer  Qualität, 
cultivirt  werden.  Die  sehr  nahrhaften  und  wohlschmeckenden,  oft  sehr  grossen  Knollen 
werden  in  heisser  Asche  geröstet  oder  gewässert  und  gestampft  zu  einem  säuerlichen 
Teig  verarbeitet,  der  ganz  dem  »Poi«  der  Hawaiier  entspricht  und  sich  lange  hält. 
Bereitung  von  Arrowroot  scheint  man  nicht  zu  kennen.  Bananen  (in  mehreren  Arten, 
darunter  eine,  die  nur  der  Faser  wegen  angebaut  wird)  und  Zuckerrohr  bilden  die  wei- 
teren Erzeugnisse  des  Plantagenbaues,  die  meist  zusammen  unter  Brotfruchtbäumen 
cultivirt  werden.    Ob  man  auch  Yams  (Diascorea)  anbaut,  ist  mir  nicht  erinnerlich. 


N  cgi     .  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  2o3 

Zuckerrohr  wächst  übrigens  auch  wild,  und  daraus  hat  sich  (wie  allenthalben  in  Melane- 
sien) wahrscheinlich  nach  und  nach  durch  Cultur  die  essbare  Art  entwickelt.  Zucker- 
rohr dient  übrigens  nicht  als  eigentliche  Speise,  sondern  wird  von  den  Eingeborenen 
nur  roh  ausgekaut,  wie  dies  mit  den  holzigfaserigen  Kernen  von  Pandanus,  der  zahl- 
reich wild  wächst,  geschieht,  aus  denen  man  aber  keine  Conserve  bereitet. 

Cocosnüsse  (»Nio«  oder  »Niuc)  sind  im  Haushalt  Kuschais  minder  von  Be- 
deutung, als  dies  sonst  der  Fall  ist.  Wie  schon  v.  Kittlitz  sehr  richtig  bemerkt,  kommt 
die  Cocospalme  im  Ganzen  spärlich  und  nur  cultivirt  vor  und  fehlte  jedenfalls  ehemals 
der  Insel  ganz.  In  der  That  verdienen,  wie  bereits  erwähnt  (S.  4  [272]),  die  Beziehun- 
gen zwischen  diesem  Edelbaum  und  dem  Menschen,  sowie  zu  der  Ausbreitung  des 
letzteren,  volle  Beachtung.  Ich  selbst  habe  die  Cocospalme  nirgends  wild  angetrof- 
fen, sondern  immer  nur  mit  Menschen  zusammen,  also  cultivirt.  Fehlten  die  letzteren 
zufällig  einmal,  so  hatten  doch  früher  sicher  welche  unter  den  verlassenen  Palmen  ge- 
lebt. Auf  den  meisten  unbewohnten  Inseln  der  Südsee  fehlt  auch  die  Cocospalme,  und 
nur  selten  (wie  z.  B.  auf  TimoS  im  Paumotu- Archipel)  findet  das  Gegentheil  statt.  Das 
Ersteigen  der  Cocospalme  geschieht  übrigens,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  ganz  in  der 
Weise  wie  z.  B.  in  Neu-Britannien  und  vielerwärts,  indem  die  Füsse  unten  mit  einer 
Liane  zusammengebunden  werden. 

Die  Früchte  einer  wildwachsenden  Orangenart,  die  unserem  Geschmacke  aber 
nicht  behagen,  waren  schon  zu  Kittlitz'  Zeiten  bei  den  Eingeborenen  sehr  beliebt. 
Seitdem  sind  durch  Weisse  weitere  Culturge wachse  eingeführt  worden,  und  zwar  der 
Melonenbaum  (Carica  papaya),  die  Ananas  und  Feige,  welche  trefflich  gedeihen. 

Nach  Lütke  lebten  geringere  Leute  vorherrschend  von  einer  schlechteren  Art 
Banane  (»Kaiasche«  genannt),  sowie  von  Brotfruchtteig,  während  Cocosnüsse,  wie  die 
Palmen,  allein  den  Häuptlingen  gehörten  und  zukamen. 

b)  Fleischkost. 

Bei  der  Fülle  trefflicher  Vegetabilien  wurde  die  in  diesen  Urwäldern  ohne  Feuer- 
gewehre ohnehin  sehr  mühsame  und  wenig  lohnende  Jagd  überhaupt  nicht  ausgeübt. 
Schon  V.  Kittlitz  bemerkt,  dass  man  die  zahlreichen  verwilderten  Hühner  gar  nicht  be- 
achtete, ebensowenig  als  die  »Mule«  (Carpophaga  oceanica),  eine  grosse  Fruchttaube, 
die  einen  ansehnlichen  Braten  liefert.  Aber  man  ass  fliegende  Hunde  (»Foak«,  Piero- 
pus ualanen$i$)j  wahrscheinlich  weil  diese  leichter  zu  erbeuten  waren. 

HaiiSthiere,  selbst  Hunde,  fehlten,  wenn  auch  die  verwilderten  Hühner  jedenfalls 
einer  domesticirten  Rasse  angehören,  die  mit  den  ersten  Einwanderern  eingeführt  wurde. 
Es  zeigen  sich  also  auch  hier  wieder  die  interessanten  und  wichtigen  Beziehungen 
zwischen  Mensch  und  diesem  HausgeflügeL  Hühner,  fast  so  scheu  als  wilde,  wurden 
übrigens  zu  meiner  Zeit  nur  wenig  und  meist  bei  den  Stationen  gehalten.  Häufig  waren 
dagegen  Schweine,  die,  zuerst  durch  Duperrey  und  Lütke  eingeführt,  in  der  Zeit  der 
Walfischfahrer  bereits  einen  lebhaften  Handelsartikel  bildeten.  Sie  kommen  jetzt  auch 
verwildert  vor.  Zu  meiner  Zeit  hielt  der  eingeborene  Pastor  Likiat  Sa  auch  einige 
Stücke  Rindvieh,  wovon  er  an  Schiffe  verkaufte,  wie  Milch  und  Butter  bei  ihm  zu 
haben  war.  Die  Eingeborenen  verbrauchten  davon  freilich  nichts,  ebensowenig  als 
andere  importirte  Nahrungsmittel,  die  auf  den  Marshalls  bereits  von  Bedeutung  waren. 
Aber  an  Schweinefleisch  hatten  sich  die  Kuschaier  bereits  gewöhnt,  und  bei  Festlich- 
keiten durfte  ein  gebratenes  Spanferkel  oder  junges  Schwein  nicht  fehlen.  Wie  überall 
in  der  Südsee,  wo  man  keine  Töpfe  kennt,  wird  ein  derartiges  Thier  in  einer  Grube 
zwischen  Lagen  von  heissen  Steinen  und  Blättern  gar  gemacht,  was  übrigens  einen 


204  ^^'  ^'  P'nsch.  .     [460] 

vortrefflichen  Braten  liefert;  nur  fehlt  Salz,  das  auch  den  Kuschaiem  unbekannt  ist. 
Zu  Lütke's  Zeiten  wurden  noch  viel  Schildkröten  gefangen  und  sicher  auch  gegessen, 
wenn  sich  Lütke  darüber  auch  nicht  Gewissheit  verschaffen  konnte. 

Die  Kochkunst  steht  überhaupt  auf  einer  hohen  Stufe  der  Entwicklung  und  wir 
haben  sie  zu  würdigen  gelernt.  Das  Menü  eines  solchen  Eingeborenen-Dinner  bestand 
in:  Hühnersuppe  mit  Brotfruchtklössen,  gebratenen  Fruchttauben,  Brotfrucht,  einem 
gebratenen  Spanferkel  mit  Taro  und  »Fafa«,  einer  sehr  wohlschmeckenden  Speise  aus 
Bananen,  mit  geschabter  und  ausgepresster  junger  Cocosnuss  als  Sauce.  Kittlitz  er- 
wähnt »sehr  wohlschmeckender  Puddings  von  gestampfter  Brotfrucht  mit  Cocosmilch 
und  Zuckersaft  Übergossen c.  Freilich  war  unser  Gastgeber  Wa  ein  eingeborener  Missio- 
när, und  seine  Frau  Hin  je  verstand  nicht  blos  in  Pfannen  und  Töpfen  zu  kochen,  son- 
dern besass  bereits  solche  moderne  Küchengeräthschaften.  Im  Uebrigen  war  dergleichen 
noch  wenig  im  Gebrauch,  und  die  Eingeborenen  kochten  meist  wie  üblich  zwischen 
heissen  Steinen.  In  dieser  Manier  wurden  namentlich  auch  Fische  (»Jäk«)  zubereitet, 
welche  noch  die  häufigste  Fleischnahrung  ausmachten.  Aber  kleine  Fische  verzehrte 
man  noch,  wie  schon  zu  Kittlitz*  Zeiten,  roh. 

Regelmässige  Mahlzeiten  werden  nicht  gehalten  und  die  in  Schüsseln  aufgetrage- 
nen Speisen  durch  den  Hausherrn  vertheilt,  wobei  derselbe  Rang  und  Alter  der  Gäste 
gebührend  berücksichtigt.  Nach  Lütke  durften  damals  die  Frauen  nicht  mit  den  Män- 
nern gemeinschaftlich  essen. 

Reizmittel  kennen  die  Kuschaier  nicht  mehr.  Der  Genuss  von  Palmsaft,  ver- 
muthlich  auch  hier  durch  Walfisch fahrer  eingeführt,  wurde  schon  Anfangs  der  Fünf- 
zigerjahre von  König  Georg  verboten,  vielleicht  auch  deshalb,  weil  man  sauren  Toddy 
bereitete. 

Tabakrauchen,  ebenfalls  von  Walfängern  importirt,  das  bald  allgemein  beliebt 
wurde,  ist  in  Folge  der  strengen  Missionsgesetze  fast  wieder  verschwunden  oder  wird 
doch  nur  heimlich  betrieben.  Dagegen  hat  Kawatrinken  völlig  aufgehört.  Die  Berei- 
tung des  Kawatrankes  (»Tschekac)  wird  von  Lütke  (vol.  I,  S.  370)  und  Kittlitz  (Denk- 
würd.,  I,  S.  374,  und  II,  S.  52)  ausführlich  beschrieben  und  geschah  ganz  in  ähnlicher 
Weise,  wie  noch  heute  auf  Ponap^.  Die  Wurzel  des  Tschekastrauches  (Piper  methysti- 
cum),  nach  Lesson  auch  Blätter  und  Stengel  (wie  auf  Ponap6),  wurde  mit  steinernen 
Stampfern  (Fig.  32)  auf  einem  grossen  Steine  zerstampft,  respective  zerrieben,  der  Brei 
mit  Wasser  vermischt,  durchgeseiht,  in  einen  hölzernen  Trog  gegossen  und  dann  aus 
Cocosschalen  getrunken.  Die  beiden  Männer,  welche  dies  besorgten,  waren  mit  einem 
Gürtel  aus  Bananenblättern  bekleidet,  trugen  ein  Band  von  Cocosblatt  um  den  Hals, 
das  Haar  nicht  im  Nacken,  sondern  auf  dem  Scheitel  geknotet  und  hielten  einen  der 
vorher  erwähnten  Stäbe  (S.  201  [457])  zwischen  den  Knieen.  Es  herrschte  also,  wie 
überall,  beim  Kawatrinken  ein  gewisses  Ceremoniell,  welches  die  ersten  Beobachter 
verleitete,  eine  »religiöse  Bedeutung«  herauszufinden.  Die  Worte,  welche  beim  Kawa- 
bereiten  gesprochen  wurden,  deutet  Lütke,  obwohl  er  sie  nicht  entfernt  verstehen 
konnte,  als  Gebete,  und  so  war  der  »Kawacultus  zu  Ehren  des  Gottes  Nazenziap«  fertig. 
Sicher  hatte  Kawatrinken  auch  auf  Kuschai  nichts  mit  Religion  zu  thun,  sondern  war 
ein  Hochgenuss  nur  für  Häuptlinge  und  deren  Gäste,  wobei  Förmlichkeiten  beobachtet 
und  gewisse  Sätze  hergesagt  wurden,  Trinksprüchen  bei  uns  vergleichbar,  in  denen 
man  auch  des  »Uross  Litschke«  (Lütke)  gedachte.  Ganz  ähnliche  Gebräuche  herrschen 
auf  Fidschi,  wo  Ava  unter  Gesang  bereitet,  aber  nur  vom  König  getrunken  wird  (Wil- 
kes,  III,  S.  115). 


[46 1] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee. 


205 


Fig.  27. 


2,  Kochgeräth 

enthielt  noch  einiges  EigenthQmliche.  Mit  Feuerreiben  war  es  freilich  vorbei,  aber 
V.  Kittlitz  sah  es  noch  und  beschreibt  (Denkwürd.,  II,  S.  27)  die  Methode,  welche  mit 
der  auf  den  Marshall- Inseln  gebräuchlichen  übereinstimmt.  Der  Apparat,  »Eagä«  ge- 
nannt, besteht  aus  einem  circa  50  Cm.  langen  Klötzchen  von  weichem  Holz,  zu  dem 
ein  keilförmig  zugeschnittenes  Stuck  Hartholz  als  Reiber  gehört.  »Zwei  Männer  bringen 
damit  in  wenig  mehr  als  einer  Minute  Feuer  hervor,  indem  der  eine  den  Reiber  aus  Hart- 
holz mit  beiden  Händen  und  etwas  nachdrücklich,  aber  ohne  sich  sichtbar  anzustrengen, 
in  der  Kerbe,  die  sich  auf  dem  weichen  Holze  durch  den  Druck  des  harten  alsbald  bil- 
det, auf  und  nieder  bewegt,  während  der  andere  das  längliche  Klötzchen  am  Boden 
festhält  und  die  sich  beim  Reiben  absondernden  feinen  Spähne  beständig  in  die  Kerbe 
zurückdrückt.  Aeusserst  bald  fangen  diese  Spähne  zu  rauchen  und  zu  glühen  an,  worauf 
die  Flamme  sogleich  in  bereit  gehaltenen  trockenen 
Baststreifen  durch  Schwenken  in  der  Luft  gewonnen 
wird.« 

Ein  eigenthümliches  Schabgeräth,  das  noch 
damals  in  Gebrauch  war,  ist  das  folgende: 

Ful  (Nr.  49,  I  Stück),  Schaber  (Fig.  27)  aus 
einer  Muschel  {Cypraea  mauritiana  L.)^  deren  eines 
Ende  abgeschlagen  ist,  um  sie  besser  halten  zu  kön- 
nen, während  das  entgegengesetzte  schief  abgeschlif- 
fen ist,  so  dass  hier  eine  scharfe  Schneide  entsteht. 
Lälla. 

Wird  zum  Schaben  von  Cocosnuss  u.  s*  w. 
benutzt,   zum  Reiben  von  Taro  und  Banane  be- 
dient man  sich  dagegen  flacher  Stücke  Korallen,  mit  fein  geriefter  Oberseite,  als  Reib- 
eisen. 

>Ta€  heisst  ein  besonderes  Werkzeug  zum  Aufschlagen  der  Brotfrucht  (Fig.  28). 
Er  besteht  in  einem  circa  20  Cm.  langen  flachen  Stück  Hartholz,  in  der  Form  eines 
Hackmessers,  mit  kurzem  Handgriff  und 

ziemlicher   Schärfe   der  Unterseite   und  f»g.  28. 

wurde  früher  auch  als  Waffe  benutzt. 

Stampfer  (»Tok«)  aus  Holz  und 
Stein  gehören  mit  zu  den  eigenthüm- 
lichen  Kochgeräthen  Kuschais  und  sind 
zum  Theil  kunstvolle  Erzeugnisse  des 
Fleisses  der  Eingeborenen. 

Tok-sak  (Nr.  52,  i  Stück),  Stam- 
pfer (Fig.  29)  aus  Hartholz  (Mangrove),  rund,  18  Cm.  lang,  die  untere,  etwas  abge- 
rundete Fläche  7  Cm.  im  Durchmesser.   Lälla. 

Das  obige  Exemplar  ist  minder  sorgfältig  gearbeitet  als  andere,  die  übrigens  in 
der  Grösse  nicht  unerheblich  variiren  und  von  denen  fast  jedes  Verschiedenheit  in  der 
Form  des  Kopfendes  zeigt.  (Vgl.  Fig.  3o  und  3i,  sowie  Atlas  der  »Senjavin-Reisec, 
PL  29,  Fig.  10,  und  Edge-Partington,  Taf.  175,  Fig.  11  »Strongs-Isl.c.) 

Solche  hölzerne  Stampfer  waren  damals  noch  ziemlich  häuflg,  aber  ich  erlangte 
nur  wenige: 


Muschelschaber. 

Kusch  ai. 
Vi  natürl.  Grösse. 


Brotfruchtschl§ger. 
Kuschai. 


2o6 


Dr.  O.  Rnsch. 


[462] 


Tok-jot  (Nr.  53,  I  Stück),  Stampfer  (Fig.  32)  aus  einem  grobkörnigen  Basalt, 
17  Cm,  lang,  die  untere  etwas  abgerundete  Fläche  9  Cm.  im  Durchmesser.    LaUa. 

Das  grösste  Exemplar,  welches  ich  erhielt,  war  21  Cm.  lang,  Durchmesser  unten 
10  Cm.  Diese  Stampfer  gehören  mit  zu  den  besten  Steinarbeiten  Eingeborener,  aber 
bereits  der  Vergangenheit  an.  Ein  fast  gleiches  Exemplar  aus  Stein  bildet  Edge-Par- 
tington  (Taf.  175,  Fig.  10)  von  »Strongs-lsl.«  ab.   Ganz  abweichende  Formen  bieten 


Fig.  29. 


Fig.  3i 


Stampfer. 

Fig.  29,  3o,  Jl  von  Holz,  Fig.  32  von  Stein. 

Kusch  ai. 


die  steinernen  Stampfer  der  alten  Hawaiier  (Wilkes,  IV,  S.  48,  Abbild.)  und  Tahitier, 
unter  denen  namentlich  die  letzteren  merkwürdig  sind  (Gill,  »Life  in  the  Southern  Isles«, 
Abbild.,  S.  204). 

Nach  Posteis  dienten  die  steinernen  Stampfer  nur  zur  Bereitung  von  »Tschel;a< 
(ICawa).  Kawapressen  gedenkt  V.  Kittlitz  (DenkwUrd,,  I,  S.  374).  Sie  bestand  nur  in 
einem  flachen  Stein,  »nicht  unähnlich  einem  etwas  eingesunkenen  Grabsteine,  der  vor 
dem  Feuerherde  liegt«,  und  fand  sich  nur  in  Häuptlingshäusern. 


3.  Essgeräth. 

Nach  dem,  was  ich  in  dieser  Richtung  noch  zu  sehen  bekam  und  zum  Theil  erhielt, 
müssen  die  Kuschaier  einstmals  treffliche  Holzarbeiter  gewesen  sein,  eine  Fertigkeit,  die 
unter  dem  Einfluss  der  Civilisation  bereits  so  gut  als  untergegangen  zu  betrachten  ist. 

Topp  (Nr.  78,  I  Stück)  Schüssel,  kahnförmig,  flach,  braunroth  angestrichen, 
53  Cm.  lang,  14  Cm.  breit.  Lälla.  In  der  Form  ganz  mit  der  Abbildung  (»Senjavin- 
Reise«,  PI.  29,  Fig.  12)  Übereinstimmend. 

Alle  Schüsseln,  welche  ich  auf  Kuschai  erhielt,  hatten  die  obige  Form,  bald 
schmäler  und  schlanker,  bald  kürzer  und  breiter,  aber  immer  flach  und  an  beiden  Enden 
kahnförmig  spitz  zulaufend.  Das  grösste  derartige  Essgefäss  war  70  Cm.  lang,  29  Cm. 
breit  und  10  Cm.  tief.  »Tapuak«  heissen  grössere  bis  grosse  Tröge,  ziemlich  tief  und 
an  beiden  Enden  abgerundet,  die  aus  dem  Holze  des  »Ite«-Baumes  gefertigt  wurden 
und  meist  zur  Bereitung  des  Brolfruchneiges  dienten.  Ein  solcher  napfförmiger  Trog 
halte  folgende  Masse:  Länge  80  Cm.,  Breite  32  Cm.,  Tiefe  29  Cm.  Lütke  notirt: 
3  Fuss  Länge  und  2'/i  Fuss  Höhe  und  bemerkt,  dass  solche  Tröge  als  Kawabowlen 
benutzt  wurden,  sowie  leer  als  Sitze. 


[463] 


Ethnologische  ErFahrungen  und  Belegstücke 


Das  Material  zu  den  meisten  derartigen  Getässen  ist  das 
leichter  zu  bearbeitende  Holz  des  Brotfruchtbaumes  und  charak- 
teristisch für  die  Holzarbeiten  Kuschais  der  Anstrich  mit  einer 
braunrothen  Farbe,  die  übrigens  auch  auf  Ponapö  angewendet 
wird,  aber  nicht  auf  den  Gilberts  und  MarshaUs. 

Als  Teller  benutzt  man  gewöhnlich  schnell  geflochtene 
längliche  Matten  aus  Cocospalmblatt.  LttlTel  sind  mir  nicht  vor- 
gekommen. 

Als  Wassergefösee  nimmt  man  leere  CocosnQsse  (>Allae<) 
und  besitzt  ausserdem  noch  einen  anderen  ebenso  einfach  als  in- 
geniös ersonnenen  Wasserbehälter  aus  Taroblatt  (Fig.  33). 
Die  Enden  eines  grossen  Tsroblattes  werden  am  Stiele  zusam- 
mengebunden und  bilden  so  eine  Art  Beutel,  in  welchem  sich 
Wasser  sehr  gut  halt.  Auf  Canufahrten  nimmt  man  solche  Beutel 
mit  Wasser  mit,  wie  dies  meine  eingeborenen  Begleiter  bei  Jagd- 
ausflQgen  zu  thun  pflegten.  Meist  werden  zwei  solche  Wasserbeute] 
mit  den  Stielen  zusammengebunden  Ober  der  Schulter  getragen. 


Taroblaii 

als  Wasserbehälter. 

Kuschal. 


4.  Fischerei  und  Geräth. 

Bei  der  Fülle  trefflicher  Culturge wachse  sind  die  Kuschaier  nicht  in  dem  Masse 
auf  Meeresproducte  angewiesen,  als  die  Bewohner  der  Atolle,  betrieben  aber  selbstver- 
ständlich von  jeher  Fischerei,  um  die  einzige  ihnen  zugängliche  Fleisch  nah  rung  zu  er- 
langen. Diese  Fischerei  blieb  aber  immer  auf  die  verhältnissmässig  sehr  schmale  Lagune 
des  Barrierriffes,  sowie  auf  das  letztere  selbst  beschränkt,  da  sich  die  Kuschaier  mit 
ihren  kleinen  Canus,  ohne  Segel,  nur  in  seltenen  Fällen  auf  das  Meer  hinauswagen. 
LUike  bemerkt  ausdrücklich,  dass  nicht  im  offenen  Meere  gefischt  wurde. 

Obwohl  die  Civilisation  auch  bezüglich  der  Fischerei  Manches  bereits  verwischt 
hatte,  gelang  es  mir  doch  noch,  die  hauptsächlichsten  Geräthschaften  zu  erlangen,  die 
immerhin  einen  Einblick  auch  auf  die  Fischereimethoden  der  früheren  Zeit  gewähren. 

Netzflscherei  wurde  noch  damals  betrieben,  denn  ich  erhielt  noch  ein  ziemlich 
grosses  Netz  (6  M.  lang  und  circa  2  M.  hoch),  iNa-äki.  Dasselbe  ist  ziemlich  weit- 
maschig (3o  zu  50  Mm.)  gestrickt,  und  zwar  nicht  aus  eigentlichen  Bindfaden,  sondern 
schmalen  Bastfasern  (wahrscheinlich  von  Hibiscus,  »Lo»  oder  Seegras?);  die  Schwim- 
mer sind  (wie  bei  den  Netzen  der  Gilbert- Insulaner)  Abschnine  von  hohlen  Zweig- 
stücken von  Pandanus,  die  Senker  ^  reu -Muscheln, 

Solche  Netze  erreichen  zuweilen  eine  Länge  von  i3  M.  und  werden  hauptsächlich 
benutzt,  um  die  Schaaren  periodischer  Wanderfische  in  ähnlicher  Weise  einzuschliessen 
wie  auf  den  Marshall- [ns ein  (S.  148  [404]),  eine  Methode,  der  schon  v.  Kinlitz  gedenkt. ') 

Früher  bediente  man  sich  einer  besonderen  Art  bauchiger  Netze  (circa  i  M.  lang) 
zum  Nachtfange  beim  Scheine  der  Fackeln  aus  dürren  Cocosblättern.  Diese  Netze 
waren  an  einer  circa  4  M.  langen,  sehr  sauber  gearbeiteten  Stange  befestigt,  die  vom 


')  tDiese  (die  Männer)  fahren  dann  gewöhnlich  in  einer  oder  zwei  Piroguen  ein  langes  Neti 
bei  sich,  welches  sie  an  Stangen  senkrecht  in  Form  eines  Geheges  aufstellen  und  olltnalig  immer 
mehr  zusammeniiehen ;  endlich  werden  die  darin  eingeschlossenen  Fische  theils  gefangen,  iheils  mit 
Speeren  erstochen.  Man  wendet  das  hauptsächlich  gegen  die  grösseren,  hcerdenweise  lebenden  Arten 
>n,  von  denen  man  annehmen  muss,  dass  sie  die  Lagune  nur  zur  Laichzeit  besuchen,.  (Denkwürd., 
".  S.  T9.) 


2o8  Dr   O   Finsch.  [464] 

Canu  aus  übers  Wasser  gehalten  wurde.  Ich  erhielt  nur  noch  eine  solche  Stange  aus 
dem  sehr  harten  Holze  des  »Oic-Baumes,  ein  Stück,  das  die  Eingeborenen  als  sehr 
werthvoll  betrachteten,  da  die  Herstellung  eine  Woche  Arbeit  kosten  soll.  Diese  Fang- 
methode,  bei  welcher  die  nach  dem  Lichtschein  springenden  Fische  in  das  Netz  ge- 
rathen,  soU^  wie  man  mir  sagte,  früher  blos  auf  fliegende  Fische  angewendet  worden 
sein;  allein  wohl  nur  bei  sehr  ruhigem  Wetter,  da  sich  die  Insulaner  in  ihren  unzu- 
reichenden, segellosen  Fahrzeugen  nur  dann  bei  Nacht  aufs  Meer  hinauswagen  durften. 

Hakenfischerei.  Eiserne  Fischhaken  hatten  die  selbstgefertigten  aus  Perlmutter 
längst  verdrängt.  Ich  erlangte  von  letzteren  nur  noch  ein  paar  Schäfte  (Stiele),  die  ganz 
mit  solchen  von  den  Marshall-Inseln  (S.  146  [402],  Nr.  149)  übereinstimmen.  (Vgl. 
auch  Edge-Partington,  Taf.  177,  Fig.  9;  hier  der  Fanghaken  ebenfalls  von  Perlmutter 
und  mit  Widerhaken  an  der  Innenseite  der  Spitze.) 

RiiTfischerei  zur  Ebbezeit  wird  hauptsächlich  von  den  Frauen  betrieben,  die  sich 
dabei  kleinerer  und  grösserer  Hamen  bedienen.  Dieselben  sind  rund,  mit  kurzem  Stiel, 
oder  grösser  und  an  einem  langen  Stiele.  Eine  besondere  Art,  nur  von  Männern  ge- 
braucht, die  bereits  Lütke  erwähnt  und  ganz  gleich  auf  Ponap^  und  Ruk  vorkommt, 
ist  die  folgende: 

*  Fig.  34. 


Fischhamen. 
Kuschai. 

Fischhamen  (Nr.  i63,  i  Stück,  Textfig.  34),  bestehend  aus  einem  1-50 — 2*25  M. 
langen  Stecken,  an  dessen  Basis  ein  circa  87  Cm.  langes  Astende  rechtwinkelig  an- 
gebunden ist.  Die  Enden  der  beiden  Schenkel  sind  durch  einen  Strick  verbunden,  der, 
ziemlich  straff  angezogen,  den  Endtheil  des  langen  Steckens  in  die  Höhe  biegt.  Es  wird 
dadurch  ein  langer,  aber  schmaler  Rahmen  (a)  gebildet,  der  mit  ziemlich  weitmaschigem 
(40  zu  50  Mm.)  Netzwerk  etwas  bauchig  überspannt  ist.  Das  Material  zum  Netz  ist 
dasselbe  als  bei  den  grossen  Fischnetzen.  Lälla. 

Eine  ähnliche  Form,  aber  viel  grösserer  Hamen  wird  auf  den  Salomons  gebraucht 
(vgl.  Guppy:  »Solomons«,  S.  155  mit  Abbild.). 

Reusen  lernte  ich  nicht  kennen;  doch  mögen  solche  vielleicht  gebraucht  worden 
sein,  wie  früher  auch  Fischwehre,  welche  bei  Ebbe  die  Fische  zurückhalten  und  schon 
von  Lütke  erwähnt  werden.  Auf  der  englischen  Admiralitätskarte  (Nr.  977)  sind  solche 
Fischwehre  an  der  Mündung  des  Lualflusses  eingetragen  und  zeigen,  wie  gross  der- 
artige Anlagen  damals  waren. 

Fischspeere,  die  von  Lütke  und  Kittlitz  nur  erwähnt,  aber  nicht  beschrieben  wer- 
den, erhielt  ich  nicht  mehr. 

5.  Waffen. 

Die  Waffen  waren  die  üblichen:  Wurfspeere  und  Schleuder;  aber  schon  v.  Kitt- 
litz bekam  davon  nichts  mehr  zu  sehen.    Das  kurze  schwertartige  Instrument  zum  Auf- 


r455]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  20Q 

schlagen  der  Brotfrucht  (S.  [461],  Fig.  28)  soll  als  Handwaffe  benutzt  worden  sein. 
Wahrscheinlich  als  solche  auch  »ein  besonderes  Instrument  aus  drei  Fischzähnen  (soll 
heissen  Rochenstacheln),  die  in  einem  Griff  stecken«,  welches  Lütke  (I,  S.  38 1)  unter 
Fischereigeräth  unter  dem  Namen  »Olonie«  erwähnt,  sowie  im  Atlas  (PI.  29,  Fig.  4) 
abbildet  und  das  wir  bei  Ruk  näher  kennen  lernen  werden.  Die  »lange  Lanze  zum 
Tödten  von  Fischen«  (»Mocha«  genannt)  diente  vermuthlich  auch  als  Kriegswaffe; 
ich  erhielt  aber  von  alldem  nichts  mehr. 

6.  Wohnstätten. 

SiddelunQen  in  Form  zusammenhängender  Dörfer  gibt  es  auf  Kuschai  nicht.  Aber 
V.  Kittlitz  sah  auf  der  Nordwestseite  der  Insel  ein  Dorf  mit  sehr  nahe  beieinander  er- 
bauten Häusern,  die  sich  durch  sehr  nachlässige  Bauart  auszeichneten;  »es  waren  fast 
lauter  elende  Hütten«. 

HäU86r.  Unter  den  verschiedenen  Typen  mikronesischer  Baustyle  ist  der  von  Ku- 
schai wohl  mit  der  eigenthümlichste,  ausgezeichnet  durch  originelle  Form,  wie  solide 
Bauart.  Besonders  charakteristisch  für  das  Haus  Kuschais  sind  dessen  schmale,  in  eine 
hohe  Spitze  auslaufende  Giebel  und  die  sattelförmig  eingebogene  Firstenlinie  des  Daches. 
Ich  fand  diese  Eigenthümlichkeit  sonst  nur  auf  den  d*£ntrecasteaux-Inseln  (Normanby), 
aber  die  Häuser  hier  sind  Pfahlbauten  und  auch  sonst  verschieden  (vgl.  Finsch:  »Samoa- 
fahrten«,  Abbild.  S.  217  und  250,  Bentley-Bai).  Das  kuschaische  Haus  (»Lom«)  ruht 
auf  einem  soliden  Fundament  aus  Basaltplatten  (»Utiap«),  zuweilen  behauenen  Korall- 
steinen (»Utien«),  das  Dach  (»Haus«)  auf  behauenen  Pfosten  von  6 — 7  Fuss  Höhe.  Die 
Zwischenräume  der  letzteren,  also  die  Wände  des  Hauses,  bestehen  aus  Rahmen  von 
zusammengebundenen  Rohrstäben,  die  sich  fachweise,  gleich  Fenstern  und  Thüren 
herausnehmen  lassen.  Eine  niedrige  Oeffnung  an  der  Vorderseite  des  Hauses  dient  als 
Thür,  in  die  man  nur  gebückt  eintreten  kann;  sie  wird  vorkommenden  Falls  mit  einem 
Rahmen  aus  Rohrstäben  verschlossen.  Die  Construction  des  20 — 25  Fuss  hohen,  schief 
nach  innen  neigenden,  am  unteren  Theile  mit  einem  schrägen  Vordache  versehenen 
Giebels  ist  eine  sehr  kunstvolle.  Die  Querhölzer  des  Giebels  wie  die  Hauspfosten  sind 
roth,  zum  Theile  weiss  und  schwarz  angestrichen.  Die  rothe  Farbe  (»Lab«,  Nr.  623 
der  Sammlung)  ist  derselbe  erdige,  anscheinend  mineralische  Stoff,  wie  er  auch  ander- 
wärts (z.  B.  auf  Neu- Guinea)  gebraucht  wird  und  findet  in  Kuschai  eine  sehr  häufige 
Anwendung.  Wie  stets  sind  alle  Theile  mittelst  Cocosfaserschnur  zusammengebunden. 
Das  Braun  dieser  Schnüre  hebt  sich  vom  Anstrich  der  Balken  sehr  effectvoll  ab  und 
bildet  zum  Theil  sehr  artige  Muster,  die  dem  Ganzen  ein  gefälliges  decoratives  Ansehen 
verleihen.  Bei  manchen  Häusern  ist  der  Giebel  auf  weissem  Grunde,  mit  rothen  und 
schwarzen  Zeichen,  die  an  griechische  Buchstaben  erinnern,  bemalt.  Das  sehr  dichte,  über 
den  Gi6bel  vorragende  Dach  besteht  aus  Blättern  von  Pandanus  oder  der  Sumpfpalme 
(Nipa)  und  ist  längs  der  Firste  mit  Mattengeflecht  bedeckt.  Die  Länge  eines  grossen 
Hauses  beträgt  40 — 50,  die  Breite  20 — 25  Fuss,  das  Ganze  ist  also  mit  dem  hohen 
Giebel  ein  sehr  stattliches  Gebäude,  wie  solche  die  »Senjavin-Reise«  (PI.  18  und  19) 
und  Kittlitz  (Denkwürd.,  I,  S.  372)  darstellen,  Edge-Partington  nur  in  der  mittleren 
hinteren  Figur  (PI.  168).  Ein  in  allen  Einzelheiten  genaues  Modell,  vom  Tokoscha  selbst 
angefertigt,  erhielt  das  Berliner  Museum  durch  mich.  Die  königliche  Residenz  war  ein 
Gebäude  von  bedeutend  grösseren  Dimensionen  und  stand  auf  einem  8 — 10  Fuss  hohen 
soliden  Unterbau  von  behauenen  Korallsteinen,  der  auf  zwei  Seiten,  nach  europäischem 
Vorbild,  zu  einer  überdachten  Veranda  verbreitert  war,  zu  der  behauene  Steintreppen 


2IO  ^^-  O-  Finsch.  [466] 

hinaufführten.  (Vgl.  Hernsheim:  »SUcIsee-Erinnerungen«^  S.  42^  nach  einer  Photo- 
graphie von  mir.  Das  in  demselben  Werke  S.  40  abgebildete  Haus  von  Kuschai,  der 
Mission  gehörig,  stellt  den  Typus  des  Hauses  eines  weissen  Händlers,  aber  nicht  eines 
Eingeborenen  dar.) 

Das  Innere  des  Hauses  wird  durch  Querwände  in  ein  oder  mehrere  Räume  ge- 
theilt,  welche  zum  Theil  als  Frauengemächer  dienen;  die  Decke  besitzt  häufig  einen 
ganz  durchgehenden  Boden  oder  Söller,  zu  dem  man  auf  einer  rohen  Leiter  hinauf- 
steigt. Die  Diele  des  Hauses  besteht  aus  Rohrstäben;  in  der  Mitte  ist  eine  sorgfältig  mit 
Steinen  ausgesetzte  viereckige  Vertiefung,  welche  als  Feuerstelle  zum  Kochen  dient. 
Häufig  ist  neben  dem  Hause  ein  besonderes  kleines  Kochhaus  errichtet.  Auch  gibt  es 
besondere  kleine  Nebenhäuser,  welche  Frauen  und  Kindern  zum  Aufenthalt  dienen,  aber 
Männern  nicht  verboten  sind. 

Unter  allen  Häusern  auf  den  Carolinen  hat  das  von  Pelau  (»Blai«)  noch  die  meiste 
Aehnlichkeit  mit  dem  von  Kuschai ;  aber  der  Giebel  ist  nicht  so  hoch  und  spitz,  und  die 
Firstenlinie  läuft  gerade  und  nicht  sattelförmig  eingebogen.  (Vgl.  die  Tafeln  in:  Bastian, 
»Allerlei  aus  Volks-  und  Menschenkunde«,  Bd.  I,  nach  Photographien  von  Kubary.) 
Hervorragende  Bauwerke  sind  namentlich  die  »Baj«  oder  grossen  Versammlungs-  oder 
Gemeindehäuser  auf  Pelau,  welche  in  Baustyl  und  Ornamentirung  des  buntbemalten 
Giebels  malayisches  Gepräge  tragen.  (Vgl.  Hernsheim:  »Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  5.) 
Die  zu  der  ausführlichen  Beschreibung  eines  »Baj«  im  .Tourn.  M.  G.  (Heft  IV,  S.  58) 
citirte  Abbildung  (Taf.  3,  Fig.  i)  stellt  kein  solches  dar,  sondern  würde  sich  höchstens 
auf  ein  gewöhnliches  Haus  beziehen  lassen,  wenn  nicht  gar  blos  ein  aus  eingeborenem 
Material  gebautes  Traderhaus  als  Vorlage  diente. 

Besondere  Versammlungs-  oder  Gemeindehäuser  gab  es  auf  Kuschai  nicht  mehr, 
die  ohnehin  bei  der  geringen  Bevölkerung  und  Christianisirung  derselben  überflüssig 
waren.  Aber  Lütke  erwähnt,  dass  jedes  Dorf  ein  grosses  Haus  (»acht  Toisen  im  Vier- 
eck«) besass,  in  welchem  die  Männer  zu  essen  pflegten.  Ich  sah  solche  Häuser  nicht; 
aber  in  Lälla  standen  nahe  dem  Strande  zwei  grosse  niedrige  Schuppen,  welche  ich  An- 
fangs für  etwas  Besonderes  hielt.  In  dem  einen  hielten  sich  meist  Frauen  auf,  die  Pan- 
danuS'BlaXl  klopften  oder  ähnliche  Arbeiten  verrichteten,  in  dem  anderen  Männer,  mit 
Tarostampfen  oder  Holzarbeiten  beschäftigt.  Wie  sich  aber  auf  Nachfrage  herausstellte, 
waren  diese  Schuppen  von  Weissen  errichtet  worden  und  hatten  als  Kohlenlager  ge- 
dient. Um  die  Häuser  sind  häufig  Korallplatten  gelegt;  auch  die  Umgebung  ist  meist 
sehr  reinlich  gehalten,  die  durch  eigens  cultivirte,  dichte  Büsche  eines  buntblätterigen 
Strauches  von  zuweilen  baumartiger  Höhe  (nach  v.  Kittlitz  Dracaena  terminalis)  ein 
freundliches  und  behagliches  Aussehen  erhält. 

Charakteristisch  für  Kuschai  sind  ganz  besonders  die  mit  Basaltsteinen  belegten, 
daher  namentlich  bei  Regenwetter  schwierig  zu  begehenden  Fusspfade,  welche  von 
einem  Hause  zum  andern  führen,  und  die  aus  gleichem  Material  zusammengesetzten 
Mauern  (»Pot«)  oder  Steinwälle  (»Kai«).  Mit  solchen  ist  nicht  allein  das  Areal  um 
die  Häuser,  sondern  sind  auch  Gärten  und  Besitzungen  in  sehr  verschiedener  Höhe  um- 
friedigt. Diese  Bauten,  noch  heute  von  den  Eingeborenen  gemacht,  respective  ver- 
grössert,  sind  verkümmerte  Reste  Jener  Sitte  ihrer  einst  gewaltigeren  Vorfahren,  welche 
uns  zu  den  prähistorischen  Bauten  0  führt.  Sie  finden  sich  nicht  auf  Kuschai  selbst^ 
sondern  auf  dem  Nordwesttheile  der  kleinen,  kaum  eine  Seemeile  langen  Insel  Lälla^ 


I)  Ausführlich  von   mir  beschrieben   in    »Hamburger  Nachrichten«,   Nr.  207,   3i.  August  1880, 
Abendausgabe. 


[iSlI  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  211 

welche  Chabrol  oder  den  Osthafen  Kuschais  an  der  Nordseite  begrenzt.  Die  Osthälfte 
dieser  (circa  8  Cables  =  4800  Fuss  langen  und  circa  1200  Fuss  breiten)  Insel  besteht 
aus  einem  dichbtewaldeten  Hügel  oder  Berge^  die  Westhälfte  ist  dagegen  niedrig,  an- 
scheinend Korall bildung,  aber  mit  Basalttrümmergestein  bedeckt.  Nach  Capitän  Wright, 
der  lange  auf  LäUa  wohnte,  wäre  dieser  Theil  der  Insel  künstlich  aufgeschüttet,  denn 
er  fand  erst  in  einer  Tiefe  von  7 — 8  Fuss  den  eigentlichen  Grund  des  Korallriffs,  wie 
dasselbe  Lälla  und  ganz  Kuschai  umgürtet.  Eine  überreiche  Vegetation  von  üppigem 
Moos,  Kletterpflanzen,  Farnen,  bis  zu  gewaltigen  Bäumen  bedeckt  übrigens  die  Mauer- 
reste und  begräbt  sie  theilweise  förmlich,  so  dass  es  zeitraubender  Arbeit  bedürfen 
wQrde,  um  einen  genauen  Plan  aufzunehmen.  Der  von  Duperray  (1824;  vgl.  die  engli- 
sche Admiralitätskarte  Nr.  977)  gibt  immerhin  eine  Idee  und  zeigt  ein  Areal  von  72  See- 
meile Länge  und  1/4  Seemeile  Breite,  mit  einem  Flächenraum  von  circa  14  Hektaren.  Aber 
diese  Fläche  ist  weit  dichter  mit  Mauern  bebaut,  als  die  obige  Karte  zeigt;  auch  verlaufen 
dieselben  nicht  in  so  schnurgeraden  Linien,  sondern  ausserordentlich  winkelig,  oft  wie 
ein  Zickzack  und  bilden  ein  Labyrinth,  in  dem  es  schwer  ist,  sich  zurechtzufinden.  Die 
Mauern  schliessen  an  manchen  Stellen  schmale  Gänge,  an  anderen  grössere  freie  vier- 
eckige Plätze  ein,  die,  mit  flachen  Basaltsteinen  und  Platten  belegt,  wie  gepflastert  aus- 
sehen. Hie  und  da  sind  mehrere  Fuss  breite  Einschnitte  freigelassen,  welche  als  Ein- 
gänge dienten,  aber  überklettert  werden  müssen.  An  der  Nordseite  ist  eine  zum  Theil 
mit  gewaltigen  Mauern  eingefasste  Wasserstrasse  noch  heute  für  Canus  befahrbar.  Mit 
diesem  an  40  Fuss  breiten  Hauptcanal,  der  ins  Meer  führt,  standen  kleinere  Neben- 
canäle,  andere  an  der  Südwestseite  auch  mit  dem  Hafen  in  Verbindung,  durch  welche 
früher  künstliche  Inseln  gebildet  wurden.  Die  Dimensionen  der  Mauern  sind  sehr  ver- 
schieden, von  2 — 3o  Fuss  Höhe  und  bis  an  40  Fuss  breit,  dabei  gehen  die  niedrigen 
Mauern  der  Neuzeit  mit  den  ähnlichen  der  Vorzeit  so  ineinander  über,  dass  sie  sich 
nicht  unterscheiden  lassen. 

Die  Mauern  selbst  sind  aus  lose  aufeinandergelegten,  meist  abgerundeten  Basalt- 
stücken, zum  Theil  kolossalen  Blöcken,  deren  einzelne  viele  Centner  schwer  sein  mögen, 
errichtet,  dazwischen  Säulenbasalt  (vgl.  Hernsheim:  »Südsee- Erinnerungen c,  Abbild. 
S.  46).  Einzelne  Mauern  bestehen  ganz  aus  letzteren,  die  holzstossartig  in  der  Weise 
aufeinandergelegt  sind,  dass  abwechselnd  eine  Reihe  längsliegender  Säulen  auf  einer 
querliegenden  ruht.  Im  Ganzen  gibt  es  aber  nur  wenige  solcher  Riesenmauerreste, 
unter  denen  ein  Stück  am  grossen  Canal,  wohl  3o  Fuss  hoch  und  40  Fuss  breit,  das  ge- 
waltigste und  ein  wahrer  Cyklopenbau  ist.  Jedenfalls  waren  zu  diesen  Riesenbauten 
viele  Menschen  erforderlich,  denn  das  Material  musste  zum  Theil  von  der  Hauptinsel 
herbeigeschafft  werden,  die  gewaltigen  Basaltsäulen  sogar  vom  Nordende,  wo  allein  die 
säulenförmige  Formation  anstehend  vorkommt.  Gegenüber  der  Handvoll  Menschen, 
welche  jetzt  Lälla  bewohnt,  erscheinen  die  Riesenbauten  der  Vorzeit  um  so  gewaltiger 
und  führen  unwillkürlich  zum  Nachdenken  über  den  Zweck  derselben  und  ihre  einstigen 
Erbauer.  Aber  diese  Mauern  waren  nicht  immer  so  verlassen,  als  wie  ich  sie  sah,  denn 
Lütke  und  Kittlitz  schildern  Lälla  als  mit  Gärten  und  Häusern  bedeckt.  Alles  von  mehr 
oder  minder  hohen  Mauern  umgeben.  Diese  so  aufmerksamen  Beobachter  staunen 
freilich  »über  die  Beträchtlichkeit  der  hier  aufgethürmten  Steinmassen«,  aber  im  Sinne 
prähistorischer  Bauten  betrachteten  sie  dieselben  nicht  und  konnten  sie  nicht  betrachten. 
Damals  war  eben  Alles  bewohnt,  in  manchen  der  jetzt  leeren  Höfe  standen  statt  Bäu- 
men etc.  Häuser,  die  Höfe  theilten  sich  in  kleinere  und  »ein  solcher  durch  Mauern  von 
der  übrigen  Welt  geschiedener  Hof  bildete  gleichsam  eine  Stadt  im  Kleinen«,  wie  sie 
namentlich  Lütke  in  der  Behausung  des  Uross  Sipe  so  trefflich  beschreibt  (vol.  I,  S.  362). 


212  Dr.  O.  Finsch.  [^68] 

Denn  alle  Wohnungen  grosser  Häuptlinge  waren  von  Mauern  umgeben,  üass  die  ge- 
waltigen Bauten  nicht  von  einer  untergegangenen  kräftigeren  Menschenrasse,  sondern 
von  den  zahlreicheren  Vorfahren  der  heutigen  Bewohner  errichtet  wurden,  kann  nicht 
dem  geringsten  Zweifel  unterliegen,  ebensowenig  dass  sie  zum  Schutze  dienten.  Lälla 
war  jedenfalls,  wie  noch  heute,  von  jeher  der  Hauptplatz,  gleichsam  die  Metropole, 
welcher  die  Hauptinsel  beherrschte,  und  hier  haben  unzählige  Generationen  im  Laufe 
von  Jahrhunderten  nach  und  nach  jene  Riesenbauten  aufgethürmt.  Die  beutigen  Be- 
wohner wissen  von  ihrer  Vergangenheit  nichts  mehr;  aber  König  Georg,  der  1854  als 
alter  Mann  starb,  erzählte  Gulick,  dass  die  Bauten  in  erster  Linie  Vertheidigungs- 
zwecken  gegen  Angriffe  vom  Festlande  gedient  hatten.  Einzelne  der  Mauern  wurden 
aber  auch  zum  Andenken  an  grosse  Häuptlinge  errichtet  und  die  allgemeine  Trauer 
beim  Tode  eines  solchen  fand  darin  ihren  Ausdruck,  dass  man  die  Mauern  höher  baute, 
unter  denen  die  Grossen  begraben  wurden.  Die  Mauern  sind  also  nur  zumTheil  als  Grab- 
denkmäler oder  vielmehr  Erinnerungszeichen  an  verstorbene  hohe  Häuptlinge  zu  be- 
trachten; eine  lebhafte  Phantasie  kann  aber  auch  hier  leicht  »Königsgräber«  heraustifteln. 

Der  Brauch,  das  Andenken  oder  Grab  eines  grossen  Häuptlings  durch  derartige 
Steinmonumente  zu  ehren,  findet  sich  übrigens,  abgesehen  von  Ponap6  und  St.  David 
auch  auf  anderen  Südsee-Inseln.  So  beschreibt  Msgr.  Elloy  das  Grabmal  des  »Tui-Tonga« 
bei  Mua  auf  Tonga-tabu  aus  »Steinen,  die  6  M.  lang,  3  M.  hoch  und  i  M.  breit  sind« 
und  »die  auf  grossen  Piroguen  von  Wallis-Insel  (U6a)  herübergebracht  wurden«,  bei- 
läufig an  480  Seemeilen. 

Nach  König  Georgs  Aussagen  wurden  die  gewaltigen  Steine  und  Säulen  auf 
Flössen  vom  Festlande  herübergeschafft  und  dann  auf  schiefen  Ebenen  aus  Baum- 
stämmen mittelst  Hebeln  aufgerollt.  Bei  der  früheren  Macht  der  Häuptlinge  wurde  da- 
mals wahrscheinlich  die  ganze  Bevölkerung  aufgeboten,  die  einst  viel  bedeutender  ge- 
wesen sein  mag. 

Kittlitz  beschreibt  übrigens  ganz  ähnliche,  aber  kleinere  Basaltmauern  um  die 
Häuser  des  Dorfes  Liäl  bei  Coquillehafen  an  der  Nordwestseite  der  Hauptinsel,  wovon 
ich  nur  noch  Reste  sah.  Auch  die  kleinen  RifT-Inselchen  Schinei  und  Schinas  in  Chabrol- 
hafen  haben  Mauerreste  aufzuweisen,  denn  die  Kuschaier  waren  von  jeher  Steinbauer, 
und  diese  Eigenschaft  gehört  mit  zu  ihren  ethnologischen  Eigenthümlichkeiten. 

7.  Hausrath. 

Mit  der  Originalität  der  Häuser  hatten  sich  auch  noch  mehr  hierher  gehörige  Ge- 
räthschaften  erhalten,  als  dies  im  Uebrigen  der  Fall  war,  namentlich  auch  deshalb,  weil 
die  Mission  einen  viel  grösseren  Einfluss  ausübte,  als  die  Händler.  Letztere  führen 
überall,  wo  sie  sich  niederlassen,  eine  Menge  Geräthschaften  ein,  an  die  sich  die  Ein- 
geborenen bald  gewöhnen,  lassen  aber  die  letzteren  in  Tracht,  Sitten  und  Gebräuchen 
unbehelligt,  während  sich  die  Mission  gerade  um  die  letzteren  kümmert  und  bemüht 
ist,  dieselben  umzumodeln,  respective  auszurotten. 

Wie  wir  auf  Kuschai  die  ersten  Häuser  in  Mikronesien  finden,  die  eigens  ge- 
mauerte Feuerstätten  besitzen,  so  auch  zum  ersten  Mal  Lager-  oder  Schlafstätten,  die 
auch  in  unserem  Sinne  fast  als  Bettstellen  gelten  können.  Diese  Bettstellen  bestehen 
in  einem  circa  i'8o  M.  langen,  1*90  M.  breiten  und  circa  32  Cm.  über  dem  Fussboden 
erhabenen  Rahmen  aus  Rohrstäben,  die  mit  dichtem  Flechtwerk  aus  Bindfaden  von 
Cocosnussfaser  verbunden  sind.  Sie  erinnern  an  die  »Barla«  in  Neu-Guinea  (II,  S.  [196]), 
sind  aber  unendlich  viel  bequemer  als  jene  primitiven  Machwerke  aus  Bambu. 


ri5g1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  2l3 

Solche  Bettstellen  finden  sich  übrigens  nur  in  den  Häusern  der  Wohlhabenden; 
geringere  Leute  bedienen  sich  einer  Schlafmatte,  die  (circa  i'6o  M.  lang  und  i  M. 
breit)  aus  50 — 80  Mm.  breiten  Streifen  Pandanus-Blsilt  zusammengenäht  ist  und  daher 
am  meisten  mit  der  in  Ponape  gebräuchlichen  übereinstimmt. 

Kopfkissen  sind  mir  nicht  vorgekommen;  aber  auffallend  war  mir  die  Menge  ver- 
schiedenartiger Matten,  in  verschiedenen  Grössen,  welche  meist  zum  Sitzen  dienen. 
Solche  Sitzmatten  (circa  I  M.  lang  und  circa  65  Cm.  breit)  bestehen  aus  feinem  Flecht- 
werk aus  gespaltenen  Fasern  dos  Pandanus-Blsiles  und  sind  zuweilen  in  Schwarz 
hübsch  gemustert,  z.  B.  in  grosscarrirtem  Schachbrettmuster.  Das  Muster  ist  zum  Theil 
eingeflochten,  aber  auch  eingenäht  (gestickt)  und  besteht  aus  schwarzgefärbter  Faser 
vom  Hibiscus-Bast  (»Loc  genannt).  Das  Hübscheste  in  diesem  Genre  sind  die  »Saki« 
genannten  Matten,  fast  viereckig  (circa  i  '40  M.  breit  und  ebenso  lang),  aus  (circa  8  Mm. 
breiten)  Streifen  Pandanus^hlall  und  einer  circa  18  Cm.  breiten  gemusterten  Rand- 
kante aus  schwarzgefärbtem  Hibiscus-Bast  aufgenäht.  Sie  kommen  deshalb  mit  den 
Frauenmatten  der  Marshallaner  (S.  169  [425])  am  meisten  überein,  sind  aber  lange  nicht 
so  schön  als  letztere.  Namentlich  ist  das  Muster  sehr 

einfach  und  viel  weniger  geschmackvoll  als  bei  den  fig-  ^5- 

Marshall-Matten,  die  sich  stets  leicht  von  ihnen  unter- 
scheiden  lassen. 

Diese  »Saki«-Matten  gehörten  noch  damals  zu 
den  tributpflichtigen  Gegenständen,  welche  bei  Voll-    ^ 
mond  dem  Könige  überreicht  werden  müssen,  und 
dürfen  nicht  von  Geringen  gebraucht  werden. 

Auf  sehr  feine  Matten  aus  (kaum  5  Mm.  breiten 
Streifen)  Pandanus-Blatl  (circa  60  Cm.  lang  und  circa 
48  Cm.  breit)  wird  auch  das  Kind  gebettet. 

Ein  besonderes  Hausgeräth  ist  der  »Aluetc 
(^  »Mond«),  Scheibenhaken  (Fig.  35).  Er  besteht  aus  Scheibenhaken, 

einem  runden,  circa  3o  Cm.  langen  Stiel,  der  unten  in  Kuschai. 

sieben  Zinken  (a)  ausgeschnitzt  ist,  die  zum  Aufhän- 
gen von  Körben  mit  Esswaaren  u.  dgl.  dienen,  für  welche  eine  runde  hölzerne  Scheibe 
(b)  von  circa  42  Cm.  Durchmesser  als  Schutzdach  gegen  die  Verheerungen  der  Ratten 
dient.   Das  Geräth  ist  mit  einem  Strick  unter  dem  Dache  des  Hauses  aufgehangen  und 
wird  bei  Bedarf  herabgelassen. 

Das  abgebildete,  übrigens  roth  angestrichene  Exemplar  (jetzt  im  Berliner  Museum) 
kaufte  ich  von  einem  Häuptlinge  in  Ta,  und  wie  man  mir  versicherte,  waren  solche 
Stücke  früher  nur  Häuptlingen  erlaubt,  v.  Kittlitz  (Denkwürd.,  I,  S.  SyS)  erwähnt  dieses 
>wie  ein  Kronleuchter  aussehenden«  Geräthes  bereits,  aber  in  einer  anderen,  minder 
kunstvollen  Form,  wie  es  in  ärmeren  Häusern  benutzt  wurde. 

Noch  primitiver  sind  die  Horden  und  Haken,  welche  in  den  Hütten  Neu-Guineas 
(II)  S.  [102])  denselben  Zwecken  dienen;  hier  aber  auch  zuweilen  kunstvoll  geschnitzte 
Haken  (II,  S.  [196]).  Ein  ähnliches  Schutzgeräth  ist  (Kat.  M.  G.,  S.  180)  von  Viti  be- 
schrieben. 

Korbe  sind  nach  meinen  Aufzeichnungen  schon  dadurch  wesentlich  von  den  in 
Ost-Mikronesien  gebräuchlichen  verschieden,  dass  sie  meist  aus  breiten  Streifen  Pan- 
danus-Blatl  geflochten  werden,  wahrscheinlich  in  Folge  des  ziemlich  spärlichen  Vor- 
kommens der  Cocospalme.  Solche  Körbe,  »Artro«  genannt,  haben  eine  beutelförraige 
^orm,  sind  sehr  verschieden  in  Grösse  und  dienen  zum  Aufbewahren,  wie  Tragen  von 


214 


Dr  O.  Finsch. 


[470] 


Lebensmitteln  u.  s.  w.  Für  Habseligkeiten  und  allerlei  Kleinigkeiten  benfitzt  man  vier- 
eckige Taschen  (circa  40  Cm.  lang  und  ebenso  breit),  die  aus  (circa  50  Mm.)  breiten 
Streifen  von  Pandanus-Blan  zusammengenäht  sind.  Zu  den  gleichen  Zwecken  dienen 
auch  Beutel,  die  aus  Cocosfaserbindfaden  gestrickt  oder  geknQpft  werden,  aber  nicht 
häufig  waren. 

>Kobäsch«  heissen  eine  besondere  Sorte  flacher,  viereckiger  kleinerer  Körbe 
(29—42  Cm.  lang,  18— 32  Cm.  breit  und  10— 1 3  Cm.  tief),  aus  Streifen  von  Pandanus- 
Blatt  geflochten,  die  zum  Aufbewahren  von  allerlei  Geräth,  namentlich  bei  der  Weberei 
der  Frauen  benutzt  werden  (s.  Nr.  109,  bei  »Weberei«). 


<y.  Werkzeug. 

Aexte.  Auch  hier  konnte  ich  ausser  einer  vollständigen  Axt  blos  noch  Reste  sam- 
meln; denn  nur  ältere  Leute  erinnerten  sich,  in  ihrer  Jugend  mit  Muscheläxten  hantirt 

zu  haben,  wie  die  folgenden: 


Fig.  36. 


A 


Fig.  37. 


Fig.  38. 


Sl 


X7 


Tridacna-Axlkliagen. 
Kuschai. 


Tälla  (Nr.  i— 3,  3  Stock), 
Axtklingen  (Fig.  36  und  3;) 
aus  dem  Schlosstheil  von  Tri- 
dacna  gigas  geschliffen;  sehr 
grosse  Exemplare;  das  grösste 
32  Cm.  lang  und  8  Cm.  breit. 
Lälla. 

Tälla  (Nr.  4,  i  Stuck, 
Fig.  38)  wie  vorher,  aber  andere 
Form,  breit  und  flach;  12  Cm. 
lang  und  7  Cm.  breit.  Lälla. 

Unter  der  ziemlichen  An- 
zahl solcher  Tridacna-Kllngen, 
welche  ich  noch  erhielt,  gehörten 
die  meisten  zu  der  grossen,  schwe- 
ren Form  (Fig.  36),  die  auf  der 
^  einen  Seite  plan  (a),  auf  der  an- 

deren convex  geschliffen  ist,  so  dass  der  Durchschnitt  einen  Kreisabschnitt  bildet  (wie  c); 
die  Seitenansicht  (b)  zeigt  die  schief  abgestutzte  Schneide.  Die  grösste  derartige  Klinge 
war  50  Cm.  lang,  11  Cm.  breit,  circa  6  Cm.  dick  und  wog  4V3  Kilo.  Die  grösste  Axt- 
klinge, welche  Lutke  sah,  war  53  Cm.  lang  und  10  Cm.  breit.  Solche  Kolossaläxte 
waren  nach  Lutke  Gemeindegut,  w^ie  ich  dies  auch  vielerwärts  auf  Neu-Guinea  fand. 

Die  zweite  Form  (Fig.  37)  ist  schmäler,  länger  und  dicker,  an  der  Schneide  noch 
stumpfer  abgestutzt.  Die  grösste  Klinge  mass  34  Cm.  in  der  Länge,  bei  nur  5  Cm. 
Breite  und  6  Cm.  Dicke. 

Eine  dritte  Form  (Fig.  38)  wie  Nr.  4  ist  flach,  länglich-viereckig  bis  lang,  zuweilen 
an  beiden  Seiten  flach,  aber  immer  charakteristisch  durch  die  stumpf  abgestutzte 
Schneide.  Die  Masse  dieser  Form  Tridacna-Klingcn  variiren  von  6 — 22  Cm.  in  der 
Länge,  45 — 85  Mm.  in  der  Breite  und  15 — 35  Mm.  in  der  Dicke. 

So  sehr  diese  Formen  nach  einzelnen  typischen  Exemplaren  auch  specifisch  ver- 
schieden zu  sein  scheinen,  so  zeigt  eine  so  grosse  Reihe,  wie  ich  sie  vor  mir  hatte,  doch 
alle  möglichen  Uebergänge  von  der  einen  Form  und  Grösse  zu  der  anderen,  so  dass  eine 
exacte  Unterscheidung  unhaltbar  ist,  wie  ich  dies  bereits  bei  den  Steinäxten  von  Neu-Guinea 


[iTil  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  21 5 

(11,  S.  [ii3])  hervorhob.  Die  Begriffe  Axt,  Beil  und  Meissel  lassen  sich  daher  bei  Stein- 
werkzeugen nicht  scharf  durchführen,  und  man  kann  höchstens  kleine  schmale  Klingen 
als  Meissel  unterscheiden,  wie  das  folgende  Stück: 

Meisselklinge  aus  dem  Schlosstheile  von  Cassis  rufa  geschliffen,  9  Cm.  lang 
und  17  Mm.  breit. 

Solche  Klingen  wurden  in  gleicher  Weise  wie  Aexte  an  einem  rechtwinkelig  ge- 
bogenen Aststück  als  Stiel  befestigt  und  dienten  zum  Auszimmern  feinerer  Arbeiten, 
wozu  man  auch  noch  heute  mit  Vorliebe  Hohlmeissel.  oder  Texel  benutzte,  wie  das 
folgende  Stück : 

Momosch  (Nr.  6,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  14),  Klinge  zu  einem  Hohlmeissel  oder 
Texel  aus  Mitra  episcopalis.   Lälla. 

Spitze  und  Basis  sind  abgeschlagen,  letzterere  bis  zur  Centralspire,  so  dass  hier 
eine  schief  abgestutzte  Kante  entsteht,  welche  scharf  geschliffen  wird  und  die  Schneide 
bildet;  die  eine  Längsseite  ist  ebenfalls  flach  geschliffen,  um  die  Muschel  besser  an  den 
Holzstiel  festbinden  zu  können. 

Als  Material  zu  solchen  Texeln  wird  ausser  Mitra  nur  noch  Terebra  maculata 
(Nr.  7,  I  Stück)  benutzt^  da  solche  Aexte  besonders  zum  Auszimmern  von  Trögen 

Fig.  39. 


Axt  mit  Tridacna-K\m%G, 
Kuschai. 

u.  dgl.  dienten,  wie  ich  sie  noch  beim  Canubau  in  Neu-Irland  verwendet  sah  (vgl.  I, 

S-[54])- 

^  Angesichts  des  vorhandenen  Reichthums  an  vorzüglichem  Steinmaterial  (Basalt) 

zu  Aexten  muss  es  auffallend  erscheinen,  dass  die  Kuschaier  dieses  Material  nicht  be- 
nutzten, umsomehr,  da  sie  aus  Stein  treffliche  Stampfer  (S.  206  [462],  Fig.  32)  zu  ver- 
fertigen wussten.  Auch  Lütke  sah  niemals  Steinäxte  auf  Kuschai.  Freilich  wird  gerade 
Tridacna  der  grösseren  Zähigkeit  wegen  für  Aexte  überall  höher  geschätzt  als  Steine. 
Ich  bekam  auf  Kuschai  auch  noch  unbearbeitete  grosse  Stücke  Rohmaterial  (»Telaua« 
genannt),  das  die  Eingeborenen  aber  nicht  für  Muschel,  sondern  »Steinet  hielten,  die 
nach  ihrer  Versicherung  zuweilen  vom  Meere  ausgeworfen  werden.  Derartige  Tridacna- 
Stücke  hatten  früher  einen  grossen  Werth,  und  die  Bearbeitung  eines  solchen  zu  einer 
Axtklinge  muss  ungeheure  Mühe  und  Zeit  gekostet  haben.  Und  welch'  eine  kolossale 
Muschelschale  gehörte  dazu,  um  eine  Va  M.  lange  Klinge  daraus  herzustellen!  Uebri- 
gens  wurde  nicht  blos  der  Schlosstheil  von  Tridacna,  sondern  auch  Schalenstücke,  und 
zwar  zu  den  flacheren  Klingen  (Fig.  38)  benutzt,  denn  ich  erhielt  Exemplare,  an  denen 
sich  die  Querleisten  noch  deutlich  erkennen  Hessen,  wie  an  den  Axtklingen  aus  Hippo- 
pus  von  Neu-Guinea  (II,  S.  [208]). 

Abbildungen  von  Tridacna-Klingen:  Fig.  36 — 38,  und  Finsch:  Westermann's 
Deutsche  Monatshefte  (1887),  S.  502,  Fig.  5.    Edge-Partington,  Taf.  175,  Nr.  i3. 

Anaalen  des  k.  k.  naturhistorischea  Hofmuseums,  Bd.  VlII,  Heft  2,  1893.  1 6 


2i6  Dr.  O.  Finsch.  [47^] 

An  vollständigen  Aexten  erhielt  ich  nur  noch  ein  Stück  (Jetzt  im  Berliner  Museum), 
ebenfalls  »Tälla«  genannt.  Die  Klinge  steckt  in  einem  besonderen  Holzfutter  und  ist 
mit  diesem  an  den  knieförmigen  Stiel  (»Ruwak«)  mit  Bindfaden  aus  Cocosfaser 
(»Amem«)  kunstvoll  festgebunden.  (S.  Fig.  Sg,  und  Finsch,  Verhandl.  der  Anthrop. 
Gesellsch.  Berlin,  1887,  S.  25,  Fig.  5;  Monatshefte.  1.  c,  Fig.  6.  Auch  »Senjavin-Reise«, 
Atlas,  PI.  29,  Fig.  I.)  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  von  Kuschai  nur  eine  Axt  mit  Tri- 
dacna-Klingt  (S.  279),  letztere  9  Cm.  lang  und  45  Mm.  breit. 

Die  von  Edge-Partington  abgebildete  Axt  (PI.  179,  Fig.  i)  ist  wohl  überhaupt  nicht 
von  den  »Carolinen«,  sondern  wahrscheinlich  melanesischer  Herkunft,  wie  nach  der 
Verzierung  »with  red  crabs  eyes«  (d.  h.  /l^rMS-Bohnen)  geschlossen  werden  darf. 

Montirte  Holzäxte  oder  Texel  mit  Klinge  von  Terebra  von  Kuschai  sind  abgebil- 
det: »Senjavin-Reise«,  PI.  29,  Fig.  2,  und  Finsch:  Westermann,  1.  c,  Fig.  7. 

V.  Kittlitz  gedenkt  der  »Täla«  von  Kuschai  (Denkwürd.,  I,  S.  375)  sehr  richtig 
»als  Beile,  die  eigentlich  die  Form  einer  Hacke  haben«,  und  erwähnt,  dass  die  Ein- 
geborenen bereits  damals  (1827)  Aexte  mit  Eisenklingen  (aus  Hobeleisen  und  vom  Be- 
suche der  »Coquille«  her)  besassen.  Solche  Aexte,  aus  einem  alten  Holzstiel  mit  einem 
daran  gebundenen  Hobeleisen,  waren  auch  zur  Zeit  meines  Besuches  noch  in  Gebrauch 
und  sehr  beliebt. 

Sonstige  Werkzeuge  aus  früherer  Zeit  gab  es  kaum  mehr,  wenigstens  erhielt  ich 
nur  noch  eine: 

Beul  (Nr.  39,  i  Stück),  Raspel,  ein  flaches,  schmales  Stück  Holz  mit  Rochenhaut 
überzogen.  Lälla.  Die  reticulirte  Aussenseite  einer  Muschelschale  {Tellina  scobinata  L.) 
wird  auch  als  Feile  benutzt. 

Beide  Geräthe  waren  zum  Theil  noch  damals  in  Gebrauch,  dagegen  nicht  mehr 
die  Schneidemuschel  (»Panak«),  welche  v.  Kittlitz  beschreibt  und  die  statt  Messer  diente. 
Es  ist  eine  Art  Austernschale,  deren  Schärfe  noch  etwas  zugeschliffen  wird.  »Das  In- 
strument wird,  wenn  Jemand  damit  ausgeht,  ganz  leicht  am  Gürtel,  oft  aber  aber  auch, 
um  es  nicht  zu  verlieren,  an  der  Unterlippe  getragen,  die  es  dann,  mit  der  convexen 
Seite  nach  aussen  gekehrt,  ganz  bedeckt.  Bei  der  weisslichen  Farbe  der  Muschel  sieht 
diese  Bepflasterung  des  Mundes  durch  dieselbe  sonderbar  genug  aus«  (I,  S.  376).  Zum 
Schleifen  und  Glätten  von  Holzarbeiten  benutzt  man  auch  Bimsstein  (»Uon«),  der  häufig 
antreibt. 

g.  Flechterei  und  Seilerei. 

Die  ersten  beiden  Gewerbszweige,  bereits  in  den  vorhergehenden  Abschnitten 
(Marshall-Inseln,  S.  156  [412]  und  Gilbert-Inseln,  S.  66  [334])  ausführlich  behandelt, 
bieten  keine  bemerkenswerthen  neuen  Momente  und  werden  auf  Kuschai  in  denselben 
Materialien,  und  wie  anzunehmen,  in  derselben  Manier  betrieben.  Die  Mattenflechterei 
aus  Pandanus-^l^ll  (»Schausch«)  steht  auf  einer  minder  hohen  Stufe,  erhält  aber  durch 
aufgestickte  eigenthümliche,  indess  nicht  sehr  schwungvolle  Muster  einen  besonderen 
Charakter.  In  der  Anfertigung  von  Stricken  (ganz  so  wie  Nr.  i36,  S.  158  [414])  aus 
Cocosfaser  entwickeln  die  Kuschaier  grossen  Fleiss,  da  von  diesem  Artikel  enorme 
Quantitäten  schon  beim  Bau  der  Häuser  erforderlich  sind. 

jo.  Weberei, 

Von  besonders  hohem  Interesse  ist  die  Weberei,  die  wir  auf  Kuschai  zuerst  auf 
den  Carolinen  antreffen,  und  zwar  in  einer  Vollkommenheit,  die  in  der  Südsee  unerreicht 


lij^]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  217 

dasteht  und  schon  wegen  der  verschiedenen  Farben  als  Kunstweberei  bezeichnet  wer- 
den darf.  Das  Product  dieser  Weberei  sind  einzig  und  allein  die  Bekleidungsbinden 
(>Toll<,  Taf.  IV  [21],  Fig.  i  u.  2),  die  erst  durch  eine  genaue  Darstellung  der  Weberei*) 
selbst  verstanden  und  gewürdigt  werden  können.  Lütke  beschreibt  dieselbe  bereits 
richtig,  aber  zu  kurz  (I,  S.  367),  wie  zum  besseren  Verständniss  überdies  Bilder  uner- 
lässlich  sind.  Die  nachfolgende  Beschreibung  dürfte  daher  von  Interesse  sein,  weil  sie 
eine  durchaus  spontane  Kunstfertigkeit  kennen  lehrt,  die  mit  wenigen  einfachen,  aber 
sinnreich  erfundenen  Geräthschaften,  unter  denen  ein  Webestuhl  überhaupt  fehlt,  in  ihrer 
Art  Grossartiges  leistet.  An  diesen  Erfindungen  hat,  was  besonders  hervorgehoben  zu 
werden  verdient,  jedenfalls  das  weibliche  Geschlecht  grossen,  wo  nicht  den  grössten 
Antheil,  da  die  ganze  Weberei,  wie  die  Zubereitung  des  Materials,  lediglich  von  diesem 
betrieben  wird.  Wie  v.  Kittlitz  erzählt  (Denkwürd.,  II,  S.  14),  waren  die  damals  noch 
unberührten  Kuschaier  am  meisten  erstaunt  »über  die  ungeheuren  Massen  von  Weber- 
arbeit, die  sie  an  unseren  Kleidern  und  nun  gar  erst  an  den  Segeln  und  Zelten  sahen. 
Sie  fragten  gewöhnlich,  ob  denn  das  Alles  von  unseren  Frauen  gearbeitet  werde,  deren 
Fleiss  sie  nicht  genug  bewundern  konnten«. 

Nach  Shuffeldt's  trefflicher  Darstellung  ist  die  höher  entwickelte  Buntweberei  der 
Navajos  und  Zunis  in  Neu-Mexico  (aus  selbst  gezogener,  gesponnener  und  gefärbter 
Schafwolle)  in  der  Technik  der  kuschaischen  sehr  nahestehend  (vgl.  »The  Navajo 
Belt-weaver«  in:  Procced.  of  the  Un.  Lt.  Nat.  Mus.,  vol.  XIV,  1891,  S.  3gi — SgS, 
PI.  XXVII.) 

Das  Material  ist  die  Faser  vom  Stamme  einer  eigens  cultivirten  Bananenart 
(»Allera«),  wohl  derselben,  welche  auf  den  Philippinen  die  berühmten  Manillataue 
liefert,  und  die  auch  auf  anderen  Carolinen  benutzt  wird.  Man  fällt  den  Stamm  vor 
der  Fruchtreife,  lässt  denselben  in  Süsswasser  maceriren,  wodurch  die  2  bis  fast  3  M. 
lange  Faser  erweicht  und  dann  mittelst  Klopfen  und  Schaben  präparirt  wird.  Ich  habe 
diese  Zubereitung  selbst  nicht  gesehen,  auch  nicht  den  Klopfer  erhalten,  und  vermuthe 
nur,  dass  das  bei  Edge-Partington  abgebildete  Geräth  (PL  176,  Fig.  7)  einen  solchen 
vorstellt,  denn  zum  eigentlichen  »Webeapparat«  gehört  es  keinesfalls.  Als  Schaber 
(»Ala«)  benutzt  man  den  Scherben  einer  Cocosnussschale,  welcher  mit  einer  Muschel 
geschärft  wird: 

Tokschak  (Nr.  218,  i  Stück),  Schalenhälfte  einer  Bivalve  (Tellina  scobinata  L. 
auct,  V.  Martens)  deren  reticulirte  Aussenseite  sich  trefflich  als  Feile  eignet. 

Die  Faser  der  Banane  (»Koschisch«)  genannt,  liefert  einen  sehr  langen,  ausser- 
ordentlich dünnen  Faden,  feiner  als  ein  Haar,  der  deshalb  einzeln  leicht  reisst.  Diese 
Faserfäden  werden  nicht  versponnen,  sondern  auf  dem  entblössten  rechten  Ober- 
schenkel mit  der  flachen  Hand  der  Rechten,  auch  wohl  abwechselnd  zwischen  beiden 
flachen  Händen,  zusammengedreht.  Die  Spinnerin  sitzt  dabei  in  der  den  Kuschaierinnen 
eigenthümlichen  Weise,  2)  auf  den  Knieen  hockend,  mit  auswärts  gedrehten  Unterbeinen, 
respective  Füssen,  den  Faserstoff  durch  Etwas  beschwert,  vor  sich  liegend  und  dreht 
mit  erstaunlicher  Fertigkeit  und  Schnelligkeit  Faden.    Hernsheim  (»Südsee-Erinnerun- 


1)  Bisher  am  ausführlichsten  von  mir  beschrieben  in:  »Aus  dem  Pacific«,  Hamburger  Nach- 
richten, Nr.  208,  Abend-Ausg.  vom  i.  September  1880.  Wörtlich  abgedruckt  in:  Kat.  M.  G.,  S.  482 
und  483. 

3)  Dieselbe  wird  schon  von  v.  Kittlitz  (Denkwürd.,  II,  S.  5)  erwähnt,  sowie  in  der  ^Senjavin- 
^eise«  (Atlas,  PI.  18,  Fig.  rechts)  dargestellt  und  wegen  der  schmalen  Schambinde  im  Interesse  des 
Anstandes  als  wohlbegrQndet  erkLirt;  aber  die  heutigen  Kuschaierinnen  haben  trotz  europäischer  Klei- 
liung  diese  eigene  Sitzweise  doch  beibehalten.    Nach  Kubary  sitzen  die  Mortlockerinnen  ganz  ebenso. 

16* 


Dr.  O.  FinEtch. 


[♦-«] 


gen«,  S.  44'^  gibt  eine  ziemlich  passable  Abbildung  einer  solchen  Spinnerio  mit  der  Be- 
zeichnung > FadenknQpfcndes  Mädchen*. 

Der  auf  diese  Weise  gedrehte  Faden  ist  dreidrähtig,  noch  immer  so  dönn  oJer 
dCinner  als  unser  feinster  Zwirn,  indess  stets  härter,  und  nun  zur  weiteren  Bearbeitung 
fertig,  die  sowohl  in  Bleichen  als  Färben  besteht. 

Kolsop  (Nr.  220,  I  StQck),  Probe  naturfarbenen  Fadens  aus  Bananenfaser,  heU- 
farbea,  ähnlich  Garn;  wird  durch  Bleichen  fast  weiss. 

Färberei  ist  auf  Kuschai  jedenfalls  unter  allen  Inseln  der  Carolinen,  wie  der  Süd- 
see überhaupt,  am  höchsten  entwickelt,  denn  man  versteht  drei  Farben  herzustellen; 
in  Geweben  kommen  daher  zuweilen  fünf  Farben  vor.  Die  hauptsächlichsten  sind  fol- 
gende: 

Schalschal  =^  schwarz  (Nr.  222,  i  Probe  Faden);  wird  am  häufigsten  verwen- 
det, da  der  grössere  Theil  der  Gürtel  schwarz  ist.  .Ms  Färbestotf  wird  der  Absud  einer 
Baumrinde  (wohl  Mangrove)  veruendeL 


,V^ 


j. -s. 


Kenetokk. 


Sctaäscba  =  roth  ^Nr.  223,  224,  2  Proben  Faden);  eigentlich  our  frisch  und  io 
einzelnen  Füllen  düster  roth,  im  Gewebe  aber  oder  in  Rollen  kirschbrauo  (wie  auf 
Taf.  21),  das  nachdunkelt  und  dann  in  ein  düsteres  Braun  übergehL  fCommt  nächst 
S»;hwarz  am  häutigsten  zur  Verwendung. 

Als  Färbestotf  wurde  mir  >Lab<,  d.h.  der  mineralis»:he  Stoff  1  Nr.  623,  S,  209  [465]! 
wekher  zum  Bemalen  der  Hluser,  Canus  etc.  di^nt,  bezei,;hnet,  aüein  jedenfalls  un- 
richrig,  denn  höchst  wahrscheinlich  wird  dies  Kirschbraun  in  einer  schwächeren  Ab- 
kochung von  Man^roverinde  erzeugt  (vgL  11,  S.  [223]  Anm.\. 

Rangerang  ^=  gelb  iNr.  221,  i  Probe  Faden  >,  und  zwar,  wenn  frisch,  ein  pracht- 
volles GoiJjieib.  mit  einem  Glanz  wie  Seide,  das  aber  gebraucht  ziemlich  verbleicht. 
Der  FärbesEo:!'  ist  ein  vegetabilischer,  aber  wohl  säum  ^rwm-Wurzel.  wie  mir  ange- 
geben wurde.  Curcuma  iGelbwurz  kommt  auf  Kuschai  nicht  vor.  Möglicherweise  ist 
der  Färbestoi"  derselbe  als  zu  den  .Ssemu<  auf  Neu-Gi:inea  11.  S.  [2361.  Taf.  14,  Fig.  3) 
und  wie  er  auf  den  Salonions  zu  dem  prachrvoLlcn  F.ech;jrbe:;en  ■  r.  B.  umsponnenen 
Keulen  und  Armbändern'  benutzt  wird.  Den  ier::gen  Faden  versteht  man  sehr  kunst- 
reich auf;uwinden,  entvseder  in  Form  von  Strähnen,  ähnlich  den  unseren,  oder  auf 


r475] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SOdsee. 


215 


Spulen  aus  dünnen  Rohrstäbchen,  bis  zu  grossen  Knäueln  von  länglicher  Form  (wie 
Edge-Partington,  Taf.  176,  Fig.  5  und  6). 

Zum  Aufbewahren  von  Fadenmaterial   wie  der  kleineren  Webegeräthschaften 
überhaupt  dienen  Körbchen  wie  das  folgende: 

Kobäsch  (Nr.  109,  i  Stück),  niedriges,  viereckiges  Körbchen  aus  Pandanus-Bleitt. 
geflochten.    Lälla. 

Es  gilt  nun  den  wichtigsten  Theil  des  Gewebes,  die  Kette,  anzufertigen,  und  dafür 
hat  man  ein  einfaches,  doch  sehr  sinnreiches  Geräth  erfunden,  den: 

Pä-usch  (Nr.  211,  i  Stück),  Kettebock  (Fig.  40)  zum  Herrichten  der  Kett- 
fäden.')  Lälla. 

Derselbe  besteht  aus  einem  dreieckigen  (80  Cm.  langen,  11  Cm.  breiten,  circa 
ebenso  hohen)  Block  (a)  sehr  weichen  Holzes,  der  jederseits  auf  einem  (circa  34  Cm. 
hohen,  23  Cm.  breiten)  seitlich  und  unterseits  ausgeschweiften  Ständer  (b)  ruht;  der 
letztere  setzt  sich  aus  zwei  Längshälften  zusammen,  die  mittelst  Keilen 
zusammengefügt  sind,  wie  der  Block  mit  den  beiden  Ständern.  Das  ganze         l^ig-  4i- 
Geräth  ist  in  haltbarer  Farbe  rothbraun  bemalt,  der  Längsblock  an  jedem 
Ende  ringsum  in  einer  breiten  Kante  mit  zum  Theil  sehr  geschmackvollen 
eingeschnitzten  Mustern  verziert,  das  auf  dem  hellen  Grunde  in  heller 
Holzfarbe  hervortritt.  Die  dreieckigen  Endflächen  des  Blockes  sind  meist 
schwarz  bemalt,  wie  die  Schmalseite  der  Ständer  oben  und  unten,  hier  mit 
eingravirter,  punktirter  Zeichnung,  deren  Vertiefung  mit  weissem  Kalk 
eingerieben  ist.   Die  Mittellinie  der  Ständer  zeigt  ebenfalls  vertieftes,  mit 
Kalk  eingeriebenes  Muster,  das  auch  als  Randsaum  die  Innen-  und  Aus- 
senseite  der  Ständer  ziert.   Die  Grösse  der  »Pä-usch«  ist  etwas,  aber  nicht 
erheblich  abweichend,  vielmehr  verschieden  aber  die  Verzierung  der  ein- 
geschnittenen Muster.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  die  letzteren 
ganz  von  den  in  der  Weberei  gebrauchten  verschieden  sind  und  ausser 
carrirten  auch  rautenförmige  Figuren,  sowie  Grec-  und  Kreuzformen") 
enthalten.   Zu  meiner  Zeit  wurde  bei  der  Bemalung  der  Kettenböcke  auch 
zuweilen  eingeführtes  Waschblau  verwendet.  Pflock 

Zum  Kettenstuhl  gehören  sieben  Pflöcke  (Fig.  40c  und  Textfig.  41,  zum  Keuebock. 
>Popanigl«),  flach,  circa  i3  Cm.  lang,  aus  Hartholz  geschnitzt,  unterseits  »/,  natüri.  Grösse, 
mit  zwei  vorspringenden  Querriegeln.  Zwischen  den  Querriegeln  dieser 
Pflöcke  und  um  die  letzteren  geschlungen  werden  die  Kettfäden  aufgemacht,  deren 
Länge  sich  also  nach  der  des  ganzen  Kettstuhles  richtet.  Die  Pflöcke  sind  meist  braun, 
die  Querriegeln  derselben  schwarz  angestrichen. 

Der  zweite  Pflock  der  Hinterseite  (Fig.  40  d)  ist  meist  rund  und  stärker,  hat  aber 
wie  die  übrigen  sechs  eine  flache  zugespitzte  Basis.  Mit  letzterer  werden  die  harten 
Pflöcke  in  das  weiche  Holz  des  Blockes  eingeschlagen,  wozu  man  sich  eines  flachen 


I)  Meist  unrichtig  als  »Webestuhl  <  gedeutet.  Schon  v.  Kittlitz  gedenkt  der  »kleinen,  sehr  artig 
gearbeiteten  Webestühle,  deren  Einrichtung  der  Hauptsache  nach  mit  der  der  europäischen  (!1)  über- 
einstimmt« (Denkwürd.,  11,  S.  14);  aber  Lütke  erkannte  bereits  den  wahren  Zweck.  Im  Kat.  M.  G. 
(S.  279)  als  »Scheerr ahmen«  beschrieben,  hier  auch  unter  den  Geräthschaften  »Kreuzhölzer  und  Webe- 
baum« erwähnt,  womit  wohl  die  Pflöcke  und  die  Lade  gemeint  sind. 

3)  Die  letztere  ist  nicht  dem  christlichen  Einfluss  zu  verdanken,  sondern  spontan,  wie  bei  vielen 
Naturvölkern  der  Södsee  (vgl.  11,  S.  [89]). 


220 


Dr.  O.  Finsch. 


[476] 


Fig.  42. 


Hammer. 
Circa  V«  natürl.  Grosse. 


Hammers  (Fig.  42)  aus  Hartholz  (circa  17  Cm.  lang)  bedient,  nachdem  man  zuvor 
die  Löcher  etwas  vorarbeitet,  und  zwar  mittelst  eines  schmalen  Meisseis  aus  den  griffel- 
artigen Kalkstiften  eines  Seeigels  (Acrocladia)  geschliffen.     Zum  besseren  Halt  der 

Pflöcke  unter  sich  befestigt  man  zwischen  die  weit  von  ein- 
ander abstehenden,  wenigstens  die  zwei  der  Rückseite,  ent- 
sprechend lange  Stücke  Rohr.  Zwischen  den  ersten  zwei 
Pflöcken  der  Vorderseite  rechts  ist  das  Hauptstück  des  ganzen 
Kettebockes  angebunden,  ein  Heck  (Fig.  40  e)  aus  zwei  dünnen 
Längsstäbchen,  mit  neun  (und  mehr)  noch  feineren  Querstäb- 
chen aus  Rippen  der  Fiedern  des  Cocospalmblattes.  Wie  die 
Pflöcke  die  Länge  des  ganzen  Gewebes  angeben,  so  das  Heck 
die  Länge  der  gemusterten  End kante  desselben,  während  die  Querstäbe  des  Heck  wie- 
derum die  Länge  der  einzelnen  Querstreifen  des  Musters  bestimmen  (vgl.  Taf.  IV  [21], 
Fig.  i),  die  natürlich  sehr  verschieden  ist.  So  zählt  das  von  Edge-Partington  (Taf.  176, 
Fig.  8)  abgebildete  Heck  17  Querstäbchen,  der  damit  angefertigte  Gürtel  hat  also  eine 
aus  ebensoviel  Querreihen  bestehende  gemusterte  Endkante  gehabt.  An  diesem  Heck 
misst  nämlich  die  Weberin  die  Länge  der  farbigen  einzeln  auf  Knäuel  gerollten  Faden 
zusammen,  wie  sie  aufeinander  folgen,  also  z.  B.  erst  roth,  dann  gelb,  schwarz  u.  s.  w. 
Alle  diese  verschiedenfarbigen  Fadenenden  werden  äusserst  geschickt  zusammen- 
geknotet (vgl.  Taf.  IV  [21],  Fig.  i)  und  die  Enden  ebenso  geschickt  abgeschnitten. 
Dies  geschieht  auf  dem  Daumennagel  der  linken  Hand,  mittelst  des  scharfen  Randes 
einer  im  Brackwasser  lebenden  Bivalve. 

Kalik  (Nr.  217,  8  Stück,  Textfig.  43)  Schneide- 
muschel; Schalenhälfte  von Psammotaea radiataJ^tsh. 
(auct.  v.  Martens)  ausgezeichnet  durch  die  dunkelviolette 
Innenseite.   Lälla. 

Zum  Schärfen  dieser  Schneidemuscheln  benutzt 
man  eine: 

Boe  (Nr.  219,  i  Stück)  Krebsscheere,  deren  etwas 
rauhe  Oberfläche  als  Feile  benutzt  wird.   Lälla. 

Die  enorme  Knotenknüpferei,  welche  zur  Herstel- 
lung der  Kettfäden  eines  Gürtels  noth wendig  ist,  ver- 
dient besonders  hervorgehoben  zu  werden,  denn  dadurch  erhält  man  erst  eine  Vorstel- 
lung von  der  ungeheuren  Geduld  und  dem  Fleiss  der  Weberinnen.  So  besteht  ein 
ig  Cm.  breiter  Gürtel  aus  38o  Kettfäden,  die  bei  einer  Endkante  von  je  37  Cm.  Länge 
23  mal  zusammengeknotet  sind,  was  die  enorme  Zahl  von  15.840  Knoten  ergibt. 

Die  Webekunst  Kuschais  vermag  nur  geradlinige,  quadratische  Muster  herzu- 
stellen. Doch  zeigen  manche  Gürtel  in  schmäleren  eingesetzten,  circa  20  Mm.  breiten 
Querstreifen  auch  rautenförmige  Muster,  die  aber  einer  anderen  Technik  entstammen. 
Das  Muster  ist  dann,  z.  B.  auf  gelbem  gewebten  Grunde  in  Roth,  nicht  eingewebt,  son- 
dern gestickt,  und  zwar  nicht  mit  Bananenfaser,  sondern  feingespaltenen  F'asern  von 
if/^wcwÄ'-Bast. 

Die  eigentliche  Wdbdrdl  kann  natürlich  erst  nach  Herstellung  der  Kette  ^)  erfolgen 
und  erfordert  keinen  Webestuhl,  sondern  nur  die  folgenden  höchst  einfachen  Geräth- 
schaften: 


Fig.  43. 


Schneidemuschel. 
Natürl.  Grösse. 


I)  Dieselbe  scheint  Fig.  5  der  Taf.  176  Edge-Partington*s  darzustellen,  der  im  Uebrigen  auf 
dieser  Tafel  unter  »weaving-apparatus«  ohne  jede  weitere  Bezeichnung  nur  vier  hieher  gehörige  Ge- 
rathe  (Webebrett,  Görtel,  Schiffchen,  Heck  des  Kettestuhl)  und   ausserdem   zwei  Garnknäuel  abbildet. 


[477] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


221 


Fig.  44. 


Webebrett. 
Circa  Vt  natürl.  Grösse. 


Webebrettcr  (Nr.  212,  2  Stück,  Textfig.  44)  länglich- viereckige  (circa  29  Cm. 
lange  und  i3  Cm.  breite)  Bretter,  auf  der  Vorderseite  plan,  auf  der  Rückseite  sanft  ge- 
rundet (convex),  iif  der  Mitte  jeder  Schmalseite  mit  vorspringenden  Zapfen.   Lälla. 

Meist  wie  alle  Webegeräthe  rothbraun 
angestrichen,häuf]gander  Schmalseite  mitein- 
punktirtem  oder  eingravirtem  Muster  (wie  an- 
gedeutet bei  Edge-Partington,Taf.  176,  Fig.  6). 
Diese  Bretter  stehen  unter  den  eigent- 
lichen Webegeräthen  insoferne  obenan,  als 
sie  entsprechend  dem  Ketten-  und  Zeugbaum 
unserer  Webestühle  zum  Aufspannen,  re- 
spective  Auseinanderhalten  der  ganzen  Kette 
dienen.  Zu  diesem  Zweck  wird  das  eine 
Brett  (=  Kettenbaum)  vertical  an  die  Hüt- 
tenwand befestigt,  während  die  Weberin  sich  das  andere  (=^  Zeugbaum),  ebenfalls  ver- 
tical stehend,  vor  den  Leib  bindet.*)  Dies  geschieht  mit  einem  um  den  Rücken  ge- 
legten breiten  Webegürtel  (Edge-Partington,  Taf.  176,  Nr.  4)  aus  Bast,  jederseits  mit 
einer  Oese  versehen,  in  welche  die  Zapfen  des  Webebrettes  befestigt  werden.  Die 
nun  gleichsam  mit  der  Weberei  verbundene  Weberin  vermag  auf  diese  Weise  die  sorg- 
fältig ausgebreiteten  Kettfäden  straff  anzuziehen.  Zum  Ordnen  derselben  bedient  sie 
sich  einer  besonderen,  aus  Hartholz  ge- 
fertigten Griffelnadel  (Textfig.  45),  _  Nr.  45. 
circa  14  Cm.  lang,  ferner  zum  Auseinan- 
derhalten der  beiden  Fadenreihen  der 
Kette : 

Webestäbchen  (Nr.  219^),  zwei 
dünne,  runde,  circa  36 — 40  Cm.  lange 
Stäbchen  aus  Hartholz,  an  beiden  Seiten 
zugespitzt,  sowie 

Webeleisten  (Nr.  220  c, 
zwei  dünne,  flache,  circa 
20  Cm.  lange  und  20  Mm.  breite 
Leisten  aus  Rohr,  welche  unse- 
ren Schäften  und  Leisten  ent- 
sprechen. 

Zwischen  den  beiden  Reihen  der  Kettfäden  liegt  ein  weiteres  sehr  wichtiges  Ge- 

räth,  die: 

Ebob  (Nr.  2i3,  i  Stück)  Webelade  (Textfig.  46),  ein  flaches,  dünnes,  circa 
40 — 42  Cm.  langes  und  circa  4  Cm.  breites,  an  beiden  Enden  stumpfgespitztes,  an  den 
Längsrändern  stumpfkantiges  Holz.  Es  dient  sowohl  zum  Fachbilden,  als  zum  An- 
schlagen des  Schussfadens,  ersetzt  also  die  Lade  oder  das  Ried  (Schwert)  unserer 
Webestühle. 

Der  Schussfaden  oder  Einschlag,  nebenbei  bemerkt  stets  schwarz,  wird  auf  ein 
Schiffchen  gewickelt,  das  in  der  Form  an  das  unserer  Webestühle  erinnert,  wie  die  fol- 
gende Nummer  zeigt: 


Griffelnadel   zur  Weberei. 
Circa  Va  natürl.  Grösse. 

Fig.  46. 


Webelade. 
Circa  Vt  natürl.  Grösse. 


X)  Kubary  irrt  in  der  Annahme,  dass  dies  auf  Kuschai  nicht  nöthig  sei.  (»Ethn.  Beitr.,  I,  S.  95, 
Anm.  2.) 


222  Dr.  O.  Finsch.  [478] 

Kutab  (Nr.  219^1,  i  Stück,  Textfig.  47),  Webeschiffchen  (Schütze)  aus  Han- 
holz (circa  21  Cm.  lang  und  3s — 40  Mm.  breit),  ringsum  mit  einem  circa  5 — 7  Mm. 
hohen  Rande,  an  beiden  Enden  eingeschnitten,  um  den  Schussfaden  aufwickeln  zu 
können.   Eine  massige  Figur  bei  Edge-Partington  (Taf.  176,  Fig.  3). 

Die  eigentliche  Webearbeit  vollzieht  sich  nun  in  folgender  Weise:  Indem  die 
Weberin  die  Lade  auf  die  hohe  Kante  setzt,  bildet  sie  Fach,  d.  h.  die  Kettfäden  heben 
sich  hoch  genug,  um  das  Schiffchen  mit  dem 

Seh uss,  durchstecken  zu  können,  worauf  die  Fig-  47- 

Lade  wieder  flach  gelegt  und  mit  derselben 
der  durchgesteckte  Schussfaden  angeschla- 
gen wird. 

Trotz  der   peinlichsten  Sorgfalt,   die 
Weberei  der  Kuschaierinnen  bis  in  die  klein-  Webeschiffchen, 

sten  Details  kennen  zu  lernen  und  wie  im  1/,  naturi.  Grösse. 

Vorhergehenden  aufzuschreiben,   habe   ich 

leider  doch  eines  zu  erkundigen  vergessen,  nämlich  die  Zeit,  welche  zur  Anfertigung^) 
eines  »Toll«  erforderlich  ist.  Wahrscheinlich  wird  dies,  Alles  in  Allem  gerechnet,  nicht 
wenig  sein,  und  der  Preis,  welchen  ich  damals  für  ein  solches  kleines  Kunstwerk  des 
Fleisses  sogenannter  »Wilden«  zahlte,  8 — 12  Mark,  war  gewiss  nicht  zu  hoch.  Uebri- 
gens  webte  auch  die  Koscha  (»Königin«)  und  liess  sich  ihre  Arbeiten  natürlich  höher 
bezahlen. 

//.  Fahrzeuge. 

Die  Fahrzeuge  der  Kuschaier  unterscheiden  sich  vor  Allem  durch  das  Fehlen  von 
Mast  und  Segel,  die  ja  bei  dem  einzigen  Verkehr  in  dem  geschützten  Wasser  der 
Lagune  innerhalb  des  BarrierrifTs,  welches  die  Insel  umgürtet,  nicht  nöthig  sind.  Das 
schliesst  das  ausnahmsweise  Hinauswagen  auf  offenes  Meer  in  beschränkter  Weise  nicht 
aus,  wie  z.  B.  drei  Canus  dem  »Senjavinc  seinerzeit  12  Seemeilen  weit  entgegenkamen. 
Aber  eigentliche  Seefahrten  wurden  auch  damals  nicht  gemacht,  und  die  Kuschaier 
hatten  darüber  ebensowenig  mehr  eine  Erinnerung  als  über  ihre  Herkunft.  Nach 
Lütke  kannten  sie  aber  die  Himmelsrichtungen  und  mehr  Sterne  als  die  Marshallaner 
(darunter  den  Orion,  Sirius,  Aldebaran,  Pleiaden),  woraus  derselbe  mit  Recht  schliesst, 
dass  auch  die  Kuschaier  einst  seebewanderte  Leute  waren,  denen  die  Benutzung  von 
Segelgeschirr  für  ihre  Fahrzeuge  in  Folge  langer  Sesshaftigkeit  verloren  ging. 

Das  Canu  der  Kuschaier,  »Waag«  (»Oak«:  Lütke),  besteht  in  dem  ausgehöhlten 
Stamme  eines  Brotfruchtbaumes,  ist  also  ein  langer  schmaler,  an  beiden  Enden  stumpf- 
gekielter und  fast  rechtwinkelig  abgesetzter  Trog  mit  Ausleger.  Zuweilen  ist  ein 
Seitenbord  (»Pap«)  aufgelascht,  an  den  Enden  ein  höheres  dreieckiges  Bugstück  (wie 
»Senjavin-Reise«,  PI.  22,  und  Hernsheim,  Taf.  4).  Der  lange,  schmale,  weit  vom 
Schiffskörper  abstehende  Schwimmbalken  (Balancier,  »Eem«)  ist  an  zwei  Querhölzern 
befestigt,  und  zwar  in  einer  für  diese  Insel  eigenthümlichen  Weise,  die  sich  nur  durch 
Wiedergabe  meiner  genauen  Skizzen  erklären  lassen  würde,  weshalb  ich  auf  die  Be- 
schreibung verzichte.  Auf  dem  Basisdrittel  der  Querhölzer  und  quer  über  die  Mitte  des 
Canus  ist  aus  Stäben  eine  Plattform  errichtet,  um  die  Habseligkeiten  (Körbe  mit  Ess- 

I)  Nach  Kubary  ist  zur  Anfertigung  eines  gewebten  Gürtels  auf  Nukuor  ein  Monat  Zeit  erfor- 
derlich, wobei  in  Betracht  zu  ziehen  ist,  dass  die  Gürtel  (»Maro«)  von  Nukuor  viel  länger  und  breiter 
als  die  »TolPs«  von  Kuschai,  wenn  auch  die  Massangaben  Kubary's:  »9  Fuss  lang  und  3  Fuss  breit< 
entschieden  zu  hoch  gegriffen  sind. 


Ajo]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  223 

waaren,  Früchte  etc.)  unterzubringen,  die  aber  auf  der  entgegengesetzten  Seite  kaum 
vorragt.  Die  Canus  sind  mit  der  beliebten  ziegelrothbraunen  Farbe  (»Lab«)  angestrichen, 
die  mit  Oel  angerieben  auch  im  Wasser  haltbar  bleibt.  Neuerdings  verwendet  man  auch 
gern  eingetauschtes  Waschblau  um  zur  Abwechslung  blaue  Muster  anzumalen. 

Zum  Fortbewegen  der  Canus  bedient  man  sich  Paddel  (»Oa«),  von  der  weit- 
verbreiteten gewöhnlichen  Form,  wie  ich  sie  vielerorts  kennen  lernte  (z.  B.  auf  Neu- 
Guinea  und  Njua,  Finsch:  Zeitschr.  für  Ethnol.,  1881,  Abbild.  S.  114).  Die  Kuschai- 
Paddel  zeichnen  sich  aber  durch  das  lange,  schmale  Blatt  aus  (vgl.  Fig.  48)  und  durch 
die  zierliche  Arbeit  in  schwerem  Hartholz.  Sie  sind  circa  1*50  M.  lang,  davon  das  in 
der  Mitte  nur  8  Cm.  breite  Blatt  58  Cm.,  und  ebenfalls  rothbraun  ange- 
strichen. Uebrigens  wurden  damals  in  Lälla  zuweilen  auch  Segel  benutzt,  Fig.  48. 
und  zwar  nach  europäischem  Muster,  viereckig  und  aus  Leinwand.  Als  Er- 
satz von  Segeln  bediente  man  sich  früher  gelegentlich  eines  Bündels  grosser, 
oft  über  2  M.  langer  Taroblätter,  die  ich  noch  gebrauchen  sah  und  die  auf 
der  Lagune  treffliche  Dienste  leisteten. 

Canus  wurden  noch  zu  meiner  Zeit,  natürlich  mit  eisernen  Aexten 
gebaut,  und  wie  mir  gesagt  wurde,  sollen  20  Mann  drei  Monate  an  einem 
grossen  zimmern,  bei  so  langer  Zeit  aber  jedenfalls  mit  erheblichen  Unter- 
brechungen. 

Ein  besonderes,  nur  auf  Häuptlingscanus  benutztes  Geräth,  aber  kein 
Bestandtheil  desselben,  beschreibt  v.  Kittlitz:  »Es  heisst  ,PaIpal'  und  besteht 
aus  einem  hohlen,  pyramidenförmigen  Aufsatz,  der  auf  die  Plattform  des 
Auslegers  gestellt  wird.  Die  Wände  dieser  Pyramide  bestehen  aus  einem 
sehr  künstlichen  und  ziemlich  dichten  Geflecht  von  Bindfaden ,  mit  auf- 
gereihten kleinen,  schneeweissen  Muscheln,  aus  dem  das  Ganze  zusammen- 
gesetzt scheint.  Man  gebraucht  es  ohne  Zweifel,  um  Vorräthe  von  Lebens- 
mitteln vor  dem  Nasswerden  und  vor  der  Sonne  zu  schützen,  c 

Schöpfer  (»Anomc)  sind  auch  hier  ein  für  Canufahrten  unentbehr- 
liches Geräth  und  werden  aus  Holz  gefertigt  (ähnlich  »Senjavin-Reise«,  ^    ®  * 
PL  29,  Fig.  11).                                                                                                            Kuschai. 

Ich  gebe  hier  die  Masse  eines  Kuschaicanus  von  gewöhnlicher  Grösse 

und  zur  Vergleichung  die  einer  »Vanakac  von  Port  Moresby  an  der  Südostküste  Neu- 

Guineas,  einem  in  Form  und  Bauart  (aus  ausgehöhltem  Baumstamme)  sehr  ähnlichen 

Fahrzeuge. 

Vanaka 

Ganze  Länge 6*60  M.  9*90  M. 

Breite  in  der  Mitte 0-47  »  0*49  » 

»       »     »       »im  Lichten 0*34  »  — 

Höhe    »     »       »       »          > o'Sy  »  0*47  » 

Länge  der  Querhölzer  des  Ausleger  ....  2-08  »  3*27  » 

Breite  der  Plattform o'68  »  — 

Länge  des  Schwimmbalken 470  »  4*94  » 

Wegen  der  Schmalheit  des  inneren  Raumes  ist  das  Sitzen  in  einem  solchen  Canu 
für  einen  Fremdling  nicht  sehr  bequem,  der  gezwungen  ist,  einen  Fuss  vor  den  andern 
zu  setzen.  Die  grössten  Canu  sind  an  25,  nach  Lütke  selbst  3o  Fuss  lang,  der  übrigens 
auch  ganz  kleine  von  6  Fuss  Länge  erwähnt,  die  sich  namentlich  für  die  Mangrove- 
dickichte  der  Lagune  trefflich  eignen.    Am  gewöhnlichsten  sind  solche  Canus,  welche 


224  ^^^"  ^    ^'"SC^-  I480] 


4 — 6  Personen  tragen,  wie  sie  der  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PL  22  und  23)  darstellt. 
Das  letztere  Bild  zeigt,  wie  auch  das  von  Kittlitz  (Denkwürd.,  I,  S.  353),  an  den  Seiten 
ein  Brett  aufgelascht,  sowie  die  Bugstücke  zu  Schnäbeln  verlängert,  wie  ich  solche  nicht 
mehr  sah.  Die  Figuren  bei  Hernsheira  (»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  4  und  S.  52)  sind 
daher  treffender,  lassen  aber,  wie  alle  diese  Darstellungen,  in  den  Details,  namentlich 
des  Auslegergeschirrs,  zu  wünschen  übrig. 

Der  Typus  des  Kuschaicanus  findet  sich  übrigens  an  den  entferntesten  Locali- 
täten,  auch  in  Melanesien  wieder.  Es  liegt  ja  so  nahe,  dass  der  Mensch  überall  zuerst 
auf  die  Idee  kam,  einen  ausgehöhlten  Baumstamm  als  Fahrzeug  zu  benutzen,  wie 
Kinder  bei  uns  dies  gelegentlich  mit  einem  Backtroge  zu  thun  pflegen.  Solche  primi- 
tive Fahrzeuge  Eingeborener  sind  bereits  wiederholt  erwähnt  worden,  kommen  aber 
neben  kunstvoll  construirten  auf  ein  und  derselben  Insel  vor.  So  besteht  das  gewöhn- 
liche Fischercanu  der  Samoaner  nur  aus  einem  ausgehöhlten  Baumstamme  mit  Aus- 
leger, ebenso  das  hawaiische,  wovon  ich  noch  Exemplare  sah  und  benutzte.  Ganz 
ähnlich  scheint  auch  das  Canu  von  Sikayana  (Stewart- Insel),  soweit  sich  nach  der 
Abbildung  in  der  »Novara-Reise«  (II,  S.  454)  urtheilen  lässt.  Durch  Aufsetzen  von 
Seitenborden  und  Bugschnäbeln  entstehen  dann  die  Formen,  wie  sie  sich,  je  mit  ge- 
wissen Abweichungen,  namentlich  bezüglich  des  Auslegers,  so  mannigfach  in  Melanesien 
finden,  z.  B.  auf  den  Salomons  (Guppy:  »Solomons  Isl.«,  S.  63),  hier  sogar  auch  ohne 
Ausleger;  Neu-Britannien  (schlecht  abgebildet  in  Powell:  »Wanderings  in  a  wild 
Country«,  S.  168),  Bilibili  in  Astrolabe-Bai  (Finsch:  »Samoafahrten«,  S.  84),  Tagai  an 
der  Nordküste  von  Kaiser  Wilhelms-Land  (Finsch:  »Ethnol.  Atlas«,  Taf.  VII,  Fig.  3), 
um  nur  einige  Beispiele  anzuführen. 

Besondere  Häuser  für  Canus  oder  Canuschuppen,  die  Kubary  auch  für  Kuschai 
erwähnt,  gibt  es  nicht,  und  zur  Unterkunft  derselben  wird,  wie  schon  v.  Kittlitz  er- 
wähnt, meist  der  Giebelraum  der  Häuser  benutzt. 

//.  Körperhülle  und  Put{. 

A.  Bekleidung. 

Obwohl  die  heutigen  Kuschaier  ausnahmslos  europäische  Kleider  tragen,  hat  sich 
nebenbei  doch  noch  das  einzige  Bekleidungsstück  der  früheren  Zeit,  der  »Toll«,  bei 
ihnen  erhalten.  Es  ist  dies  eine  sehr  auffallende  und  bemerkenswerthe  Erscheinung,  die 
in  ihrer  Art  fast  einzig  dasteht.  Denn  überall,  wo  die  Civilisation  bereits  Bekleidung 
nach  europäischem  Muster  einführte,  ist  von  Originalität  des  früheren  Fleisses  der  Ein- 
geborenen kaum  etwas  übrig  geblieben,  wie  dies  im  Allgemeinen  auch  für  Kuschai  gilt. 

Toll  (Nr.  226,  I  Stück,  Taf.  IV  [21],  Fig.  i  und  2),  Lendenbinde  aus  gewebtem 
Stoff  von  Bananenfaser;  Bekleidung  für  beide  Geschlechter.    Lälla. 

Der  17  M.  lange  und  19  Cm.  breite  Streifen  ist  schwarz  und  trägt  an  beiden 
Enden  eine  breite  hübsch  gemusterte  bunte  Kante  in  Schwarz,  Kirsch braunroth.  Gelb  und 
Weiss,  denjenigen  Farben,  aus  denen  sich  fast  stets  das  Muster  dieser  Webearbeiten 
zusammensetzt.  Fig.  i  stellt  einen  Theil  der  einen,  43  Cm.  langen  End kante,  und  zwar 
ein  Drittel  der  ganzen  Breite  dar.  Die  fransenartige  Endkante  (a)  besteht  aus  den  losen 
Kettfäden,  von  denen  die  verschiedenfarbigen  durch  Zusammenknüpfen  verbunden 
sind.  Die  Pünktchen  (vgl.  Abbild.)  zwischen  dem  Kirschroth  und  Gelb  der  Fransen- 
kante zeigen  diese  äusserst  feinen  Knoten.  Diese  Knotenverbindung  der  farbigen  Kett- 
fäden markirt  sich  auch  auf  dem  übrigen  gemusterten  Theile  des  Gewebes  durch  ab- 


N8i1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstocke  aus  der  Sudsee.  225 

gesetzte  Querreihen,  die  nicht  schnurgerade  verlaufen,  wie  dies  die  drei  unteren  Reihen 
der  Abbildung  zeigen.  Oberhalb  dieser  drei  Querreihen  folgt  eine  kirschbraunrothe 
durchgehende  Querbinde  (b),  dann  eine  Querbinde  aus  schwarzen,  gelben,  rothbraunen 
und  weissen  Längsstreifen  (c),  das  übrige  (noch  3i  Cm.  lange)  Muster  ist  ganz  so  wie 
das  der  drei  ersten  Querstreifen,  nur  dass  dasselbe  durch  sechs  viereckige  kirschbraune 
Flecken  unterbrochen  wird. 

Die  andere,  Sy  Cm.  lange  Endkante  (Fig.  2)  zeigt  ein  ganz  verschiedenes  Muster, 
schmale  Längsstreifen  mit  quergestreifter  Randkante  (a),  die  an  der  einen  Seite  breiter 
ist  als  an  der  anderen;  die  ausgefranste  Endkante  der  losen  Kettfäden  besteht  aus  zu- 
sammengeknüpften gelben  und  schwarzen  Fäden  der  Kette. 

Toll  (Nr.  225,  I  Stück),  wie  vorher,  aber  anderes  Muster.  Länge  1-54  M.,  Breite 
17  Cm.   Lälla. 

Die  Lendenbinden  von  Kuschai*)  gehören  jedenfalls  zu  den  kunstvollsten  Erzeug- 
nissen der  hochentwickelten  Webekunst  der  Carolinier,  namentlich  durch  die  zum  Theil 
sehr  geschmackvolle  Zusammenstellung  des  bunten  Musters,  das  an  jedem  Stücke  Ver- 
schiedenheiten zeigt.  Dies  erklärt  sich  leicht  durch  den  Mangel  an  Vorlagen,  weshalb 
jede  Weberin  das  Muster  selbst  erfinden  muss  und  daher  die  individuelle  Begabung  wie 
Geschmack  voll  zum  Ausdruck  gelangen  kann.  Ich  verglich  mehr  als  drei  Dutzend  und 
fand  nicht  zwei  ganz  gleich. 

Die  Massverhältnisse  dieser  Toll  variiren  nur  unerheblich:  Länge  i'68  — i-8o  M., 
Breite  17  —  22  Cm. 

Der  Toll  wird  der  Länge  nach  vierfach  zusammengefaltet,  so  dass  er  einen  nur 
4—5  Cm.  breiten  Streif  bildet,  von  dessen  schönem  Muster  dann  wenig  mehr  zu  sehen 
ist.  In  ähnlicher  Weise  wie  den  »Mal«  der  Melanesier  oder  »Maro«  der  Polynesier 
gürtet  man  auch  diesen  Streif  um  die  Hüften,  zieht  das  eine  Ende  zwischen  den  Beinen 
durch  und  knüpft  es  vorne  fest,  wobei  Männer  in  der  Schamgegend  den  Stoff  etwas 
ausbreiten,  so  dass  das  Scrotum  suspensoriumartig  eingehüllt  wird.  Nach  v.  Kittlitz  (und 
Lütke):  »unterschieden  sich  Frauen  von  Männern  im  Costüm  nur  durch  den  breiteren 
Gürtel«.  Kubary  irrt  also,  wenn  er  den  Toll  nur  für  einen  »männlichen  Schmuck- 
gürtel« hält.  (»Ethn.  Beitr.«,  I,  S.  63.) 

Im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  ist  aber  auch  eine  Frau  abgebildet,  welche  ein  brei- 
teres Stück  Matte  in  Form  eines  kurzen  Röckchens  um  die  Hüften  trägt  (PI.  18),  ähnlich 
wie  die  Frauen  auf  Sonsol.  Wie  ich  bereits  erwähnte,  wurden  1880  noch  Toll  gewebt 
und  allgemein  unter  den  europäischen  Kleidern  getragen.  Wenn  Männer  im  Canu 
oder  bei  der  Plantagenarbeit  die  geringe  Bekleidung,  Hemd  und  Hose,  ablegten,  was 
häufig  geschah,  so  waren  sie  mit  dem  Toll  gegürtet,  wie  dies  die  Abbildungen  im  Atlas 
der  »Senjavin-Reise«  (PI.  ig  und  22)  zeigen.  Früher  pflegten  Frauen  hinterseits,  am 
Gürtel  befestigt,  zuweilen  noch  eine  besondere  Sitzmatte  zu  tragen  (Kittlitz,  II,  S.  5), 
die  ich  nicht  mehr  zu  sehen  bekam. 

Ponchoartige  Ueberwürfe  aus  gewebtem  Stoff  oder  Mattengeflecht,  wie  solche 
sonst  in  den  Carolinen  vorkommen  (vgl.  Nr.  227  von  Ruk),  kannte  man  auf  Kuschai 
nicht,  wie  v.  Kittlitz  besonders  hervorhebt. 

Als  Bekleidung  in  gewissem  Sinne  möchte  ich  hier  noch  der  kleinen  viereckigen 
Matten  gedenken,  die  als  Bedeckung  kleiner  Kinder  benutzt  werden,  um  sie  beim  Aus- 


I)  Sehr  nahestehend  scheinen  die  gleich  grossen,  aus  Bananen-  oder  Hibiscus-Fsiscr  gewebten 
SchamgOrtel  auf  Sonsol,  deren  delicate  Muster  Kubary  (»Ethn.  Beitr.«,  I,  S.  91)  ebenso  oberBächlich 
beschreibt,  als  die  »Webevorrichtung«  (S.  95),  bei  welcher  z.  B.  der  Kettebock  unerwähnt  bleibt. 


226 


Dr.  O.  Finsch. 


[482] 


tragen  gegen  die  Sonnenstrahlen  zu  schützen,  wie  ich  sie  damals  noch  gebrauchen  sah. 
Das  Material  ist,  wie  stets,  Pandanus-Blslt,  die  Grösse  variirt  (32 — 60  Cm.  lang  und 
ebenso  breit);  zuweilen  sind  diese  Matten  hübsch  schwarz  gemustert  und  dieses  Muster 
nicht  aufgenäht,  sondern  eingeflochten  (vgl.  S.  216  [472]).  Auch  Lütke  gedenkt  dieser 
Matten  als  »Sonnen-  und  Regenschirme«,  die  hauptsächlich  vom  weiblichen  Geschlecht 
benutzt  werden. 


Fig.  49. 


B.  Putz  und  Zieraten. 

a)  Material. 

Kusch ai  scheint  an  Gegenständen  des  Putzes  nie  reich  gewesen  zu  sein,  denn 
schon  Lütke  und  v.  Kittlitz')  erwähnen  die  in  dieser  Richtung  herrschende  Armuth. 

Dies  erklärt  sich  zum  Theil  aus  dem  Umstände,  dass  die 
Frauen,  welche  gewöhnlich  stark  an  der  Verfertigung  von 
Schmucksachen  betheiligt  sind,  ihre  Hauptthätigkeit  der  sehr 
mühsamen  Weberei  zu  widmen  haben,  so  dass  ihnen  im 
Ganzen  wenig  Zeit  übrig  bleibt. 

Ich  selbst  konnte  natürlich  nur  noch  Reste  sammeln,  er- 
langte aber  immerhin  noch  einige  eigenthümliche  Stücke,  die 
zum  besseren  Verständniss  früherer  Verhältnisse  nicht  un- 
wichtig sind.  Bemerkenswerth  für  die  Schmuckgegenstände 
Kuschais  ist,  dass  keine  rothen  Spondylus-Schcibchen  ver- 
wendet worden  zu  sein  scheinen,  wenigstens  habe  ich  niemals 
hier  solche  beobachtet,  und  auch  Lütke  und  v.  Kittlitz  er- 
wähnen sie  nicht,  dagegen  aber  Perlen  von  Cocosnussschale 
und  Muscheln.  Ich  erhielt  nur  Schmuckstücke  aus  Schildpatt, 
Trochus,  Conus  und  Perlmutterstücke  (»Make).  Letztere 
wurden  ebenfalls  zu  Schmuck  verarbeitet,  bildeten  aber  in 
der  nachfolgenden  Form  hauptsächlich  ein  Tauschmittel  der 
alten  Kuschaier,  welches  mir  als  das  frühere  Geld  bezeichnet 
wurde. 

Fai  (Nr.  642,  2  Stück,  Fig.  49),  Perlmutterstücke; 
Längsschnitte  aus  dem  Mitteltheile  von  Meleagrina  marga- 
ritifera;  17  Cm.  lang  und  6  Cm.  breit.  Taaf,  bei  Port  Lottin. 
Ich  erhielt  mehrere  dieser  einst  so  hochgeschätzten 
Stücke,  von  denen  das  grösste  eine  Länge  von  28  Cm.  und 
eine  Breite  von  85  Mm.  hatte,  also  von  einer  Perlschale  her- 
rührte, wie  sie  für  diese  Art  Perlmuschel ')  in  dieser  Grösse  selten  ist.  Fai  wurde  jeden- 
falls auch  als  Material  für  die  Fischhaken  (Nr.  149,  S.  208  [464])  verwendet,  denn  ich 
erhielt  einige  schmälere  Stücke,  die  offenbar  zu  Schäften  von  Fischhaken  dienen  sollten, 
die  man  mir  aber  ebenfalls  unter  dem  Namen  »Fai«  als  früheres  Geld  bezeichnete. 


Perlmuttergeld. 
Vs  natürl.  Grösse. 


I)  »Man  sieht  im  Ganzen  ungemein  wenig  Gegenstände  des  Putzes. c  »Gewöhnlich  waren  es 
nur  Blumen,  auch  wohl  grüne  Blätter.«  »Nur  die  kleinen  Kinder  sahen  wir  allezeit  beladen  mit  Putz, 
besonders  Halsbändern,  sehr  sauber  aus  kleinen  Früchten,  Muscheln  und  Holzstückchen  verfertigt.« 
Denkwürd.,  II,  S.  12  und  i3. 

3)  Von  der  viel  grösseren  Avicula  margaritiferaj  die  in  gewissen  Gebieten  Melanesiens  zu 
Schmuck  verwendet  wird,  messen  grosse  Exemplare  aus  Torresstrasse  in  der  Länge  nur  20  Cm.,  im 
Querdurchmesser  28  Cm.  (Gewicht  i  Kilo);  eine  kolossale  Schale  derselben  Species  von  Borneo  (La- 
buan)  ist  26  Cm.  lang,  29  Cm.  breit  (Gewicht  i  1/2  Kilo). 


[483] 


Elhnologische  Erfahrungen  und  Bele^tQcke  aus  der  SQdsee. 


227 


Fig.  SO, 


H, 


Glasperlen,  die  sonst  überall  so  beliebt  bei  Eingeborenen  sind  und  die  ursprüng- 
lichen Schmucksacben  besonders  verdrängen  halfen,  erinnere  ich  mich  in  Kuschai  kaum 
verwendet  gesehen  zu  haben,  v.  Kittlitz  sprach  darüber  schon  sein  Verwundern  aus, 
denn  er  bemerkte  nie,  dass  die  reichlich  geschenkten  Glasperlen  (welche  die  Kuschaier 
ja  bereits  durch  die  >CoquilIec  erhalten  hatten)  getragen  wurden,  ebensowenig  als 
Kleidungsstücke. 

b)  Hautverzierung. 

Tfitowirung  gehört  der  Vergangenheit  an  und  hat  auT  Kuschai  stets  nur  eine 
untergeordnete  Bedeutung  gehabt,  v.  Kittlitz  sagt  über  Tatowirung  (»Schischin«)  nur: 
>Die  Zeichen  haben  übrigens  nicht  viel  Auffallendes,  sie  bestehen  fast  nur  in  breiteren 
und  schmäleren  Längsslreifen  und  einigen  Querstreifen  an  Armen  und 
Beinen«  und  erwähnt  noch,  dass  das  Muster  bei  beiden  Geschlechtern 
gleich  ist  (II,  S.  12).  Lütke,  der  die  Tatowirung  der  Kuschaier  als  sehr 
unregelmässigund  wenigsymmetrisch  bezeichnet, bemerkt  ausdrückhch, 
dass  keine  besonderen  Zeichen  für  Rangunterschiede  vorkamen  Die 
auf  PI.  18  der  >Seniavin-Reise(  abgebildeten  Kuschaier  (beiderlei  Ge- 
schlechts) geben  nur  eine  sehr  flüchtige  Darstellung  der  Tätovi  irung, 
welche  ich  auf  Grund  meiner  genauen  Skizzen  vervollständigen  kann 
Der  am  reichsten  tätowirte  alte  Mann  (übrigens  kein  Vornehmer) 
zeigte  (Fig.  50,  Innenseite  des  Armes)  rund  um  den  Ellbogen  ein  brei 
teres  Band,  von  hier  aus  einen  schmäleren  Streif  an  der  Innen  und 
.\ussenseite  des  Unterarmes,  hier  sowie  auf  dem  Oberarm  ein  paar 
Längsstriche  mit  kurzen  schriftartigen  Zeichen,  einem  kleinen  y  ver 
gleichbar,  welche  Lütke  doppelt  abbildet  (I,  S.  36o)  und  die  nach  ihm 
•  Vögel»  darstellen  sollen,  wozu  aUerdings  viel  Phantasie  gehört.  An 
den  Beinen  war  nur  die  Wade  mit  einem  Längsstreif  gezeichnet,  bei 
Anderen  die  ganze  Aussenseite  des  Beines  mit  einem  Längsstnch, 
ähnlich  der  Binse  einer  Militärhose  (wie  die  Frau  bei  Kittlitz,  II,  5.  5). 
Die  Figuren  der  citirten  Tafel  zeigen  das  tätowirte  Armband  nicht  um 
den  Ellbogen,  sondern  am  Oberarme,  was  hier  erwähnt  sein  mag.  Ich 
beobachtete  übrigens  Tatowirung  nur  noch  bei  einigen  älteren  Leuten, 
denn  die  Misston  hatte  den  Brauch  bereits  ausgerottet,  gestattete  da- 
gegen das  Einritzen  christlicher  Taufnamen  in  grossen  Buchstaben,  was  aber  auch  nur 
wenig  geübt  wurde. 

Die  Tatowirung  Kuschais  hat  einen  durchaus  eigenthümlichen  Typus,  und  Ku- 
bary,  der  dieselbe  übrigens  nicht  kannte,  irrt  durchaus,  wenn  er  eine  Verwandtschaft 
mit  der  von  Ponapä  und  Pelau  annimmt.  Erwähnt  sei  noch,  dass  das  einfache  Muster 
der  Tatowirung  Kuschais,  wenn  man  die  paar  Striche  überhaupt  so  nennen  kann, 
durchaus  von  dem  der  Gürtel  (>Tollc)  abweicht. 

Tätowirfloräth  erlangte  ich  nicht  mehr.  Ueberhaupt  besass  Kuschai  kein  solches, 
wie  es  sonst  meist  gebraucht  wird,  sondern  man  bediente  sich  nach  Lütke  nur  einer  Mu- 
schel, mit  der  man  die  Haut  einritzte  und  dann  mit  einem  Pflanzensaft  einrieb.  Nach 
Guppy  geschieht  das  Tätowiren  auf  den  Salomons  mit  ähnlichen  primitiven  Werk- 
zeugen (Stück  Muschel,  Bambu  oder  dem  Zahne  eines  Pteropus). 

Bemalen  mit  Gelbwurzpulver  (Curcuma),  sonst  auf  allen  Carolinen  die  belieb- 
teste KSrperzier,  war  auf  Kuschai  unbekannt,  wie  Lütke  und  v.  Kittlitz  besonders  er- 
wähnen.   Dagegen  salbte  man  Haar  wie  Körper  mit  Cocosnussöl, 


Ar  miato  wirung. 


2  28  Dr.  O.  Finsch.  [484] 

c)  Haartracht. 

Darüber  belehrt  Taf.  17  der  »Senjavin-Reise«.  Die  Männer  schürzten  das  lange 
Haar  in  einen  Knoten,  der  aber  nicht,  wie  bei  den  Marshallanern,  auf  dem  Wirbel  in 
die  Höhe  stand,  sondern  vom  Hinterkopf  herabhing,  die  Frauen  seitlich  in  einen  Knoten. 
Gegenwärtig  halten  die  Männer  das  Haar  kurz;  Frauen  lassen  es,  wie  früher,  länger 
wachsen  und  binden  es  im  Nacken  oder  seitlich  in  einem  Knoten,  der  mit  einem  euro- 
päischen Kamme  festgesteckt  wird. 

d)  Kopfputz. 

V.  Kittlitz  gedenkt  nur  der  Haut  eines  Tropikvogels  (Phaeton),  die  vermuthlich 
bei  gewissen  Gelegenheiten  als  Kopfputz  diente,  im  Uebrigen  aber  nur  Blumen,  die 
einzeln  ins  Haar  gesteckt  oder  als  Kränze  getragen  wurden.  Diese  Sitte  herrschte  noch 
zur  Zeit  meines  Besuches,  und  Blumen,  sowie  bunte  Blätter  waren  der  häufigste  Kopf- 
putz, den  ich  beobachtete.  Sonst  erhielt  ich  nur  noch  eine  Kopfbinde,  aus  einer  Reihe 
kleiner  weisser  Muscheln  auf  eine  Faserschnur  geflochten,  ähnlich  (Taf.  V  [22],  Fig.  21 
von  den  Marshalls.  Wie  man  mir  sagte,  wurden  solche  Stirnbinden  nur  bei  den  Tanz- 
vorstellungen getragen,  ganz  wie  dies  auf  den  Marhalls  der  Fall  ist. 

e)  Ohrputz 

beschränkt  sich  nur  auf  Blätter  und  Blumen,  wie  dies  schon  von  v.  Kittlitz  beschrieben 
wird.  Die  Ohrläppchen  sind  meist  durchbohrt  und  zum  Theil,  ähnlich  wie  auf  den 
Marshalls,  bedeutend  ausgeweitet,  denn  ich  sah  Frauen,  welche  ganze  Blüthenkolben 
des  sehr  wohlriechenden  Pandanus  im  Ohre  trugen.  Sehr  beliebt  waren  auch  die 
Blüthen  einer  Art  Lilie,  die  wir  schon  auf  den  xMarsh all- Inseln  (vgl.  S.  178  [434])  kennen 
lernten.   Lutke  sah  als  seltene  Ausnahme  den  Ohrrand  durchbohrt. 

f)  Nasenzier 

gab  es  nicht;  aber  Lütke  erwähnt,  dass  äusserst  selten  das  Septum  durchbohrt  war,  in 
welchem  man  eine  »kleine  Papierrolle«  trug,  was  hier  erwähnt  sein  mag,  weil  Durch- 
bohren der  Nase  sonst  in  Mikronesien  nur  auf  den  westlichen  Carolinen  (Yap  und 
Pelau)  vorkommt. 

g)  Hals-  und  Brustschmuck. 

Kuschai  besass  davon  im  Ganzen  wenig,  immerhin  Eigenthümliches,  wovon  ich 
sogar  noch  Einiges  erhielt.  Die  allgemein  gebräuchlichen  Halsbinden  der  Frauen, 
»dicke  Wulste  von  9  Zoll  im  Umfange  aus  unzähligen  Schnüren  von  Cocosfaser« 
(Lütke\  welche  den  Hals  dicht  umschlossen  (Atlas,  PL  17)  und  nicht  abgelegt  werden 
konnten,  sah  ich  nicht  mehr.  Sie  erinnern  übrigens  an  die  Bas th aisschnüre  verheirateter 
Frauen  auf  Yap  (Journ.  M.  G.,  II,  Taf.  7).  Zu  meiöer  Zeit  begnügte  man  sich  auf  Ku- 
schai mit  einfachen  Halsstrickchen  oder  flocht,  wie  früher.  Kränze  aus  Blumen,  nament- 
lich den  prachtvoll  rothen  Blüthen  eines  Strauches  {^Ixora  coccinea  nach  v.  KittiitzV 

Eigenthümlichen  Halsschmuck  aus  der  guten  alten  Zeit  reprasentiren  die  folgen- 
den beiden  Nummern: 

Ga  (Nr.  640,  i  Stück\  Halsschmuck  (Taf.  IV  [23],  Fig.  2)  für  Männer  aus  Schild- 
patt. Taaf.  Der  Strich  a  (Fig.  2")  bezeichnet  die  Dicke  des  Stückes  an  der  Rückseite, 
welche  sich  dadurch  erklärt,  dass  das  Stück  aus  einer  Randplatte  der  Karettschildkröte 
gearbeitet  ist.  Ein  fast  gleiches  Stück  aus  dem  British  Museum  bildet  Edge-Partington 
(Taf.  175,  Fig.  3\  aus  leicht  begreiflichem  Irrthum,  als  >Fischhaken<  ab.  Als  solche 
auch  (Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  1S74,  Taf.  4,  Fig.  4  a  und  4  b,  und  KaL,  S.  423,  Nr.  212) 
von  Pelau,  aber  ein  Eingeborener  von  dort  kannte  derartige  Stucke  Oberhaupt  nicht. 
Interessant  ist  der  Nachweis  ganz  ähnlicher  Schmuckhaken  aus  Schildpatt  von  Sonsol 
durch  Kubar\-  (»Ethn.  Beitr.c,  I,  S.  93,  Taf.  XII,  Fig.  7\  die  hier  ebenfalls  Geld  ver- 


[^85]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  229 

treten  und  auch  auf  Bunai  (St.  Davids),  Bun  (Pulu  Ana)  und  den  Hermites  vorkommen 
(1.  c,  II,  S.  126,  Anm.). 

Der  »Ga«  gehört  der  Vergangenheit  Kuschais  an  und  war  früher  einer  der  werth- 
vollsten  Schmuckgegenstände  der  Eingeborenen.  An  einem  Strickchen  um  d«n  Hals 
befestigt,  wurde  der  »Gac,  und  zwar  immer  nur  ein  Stück,  von  den  Männern  getragen, 
die  vor  dem  Tokoscha  (König)  zu  erscheinen  hatten.  In  gleicher  Weise  mussten  sich 
Frauen,  die  vor  die  Koscha  (Königin)  befohlen  waren,  schmücken,  mit  dem*. 

Puti  (Nr.  641,  I  Stück),  Halsschmuck  (Taf.  VI  [23],  Fig.  3)  aus  Schildpatt,  Rand- 
schild. Taaf.  a  bezeichnet  die  Dicke.  Ein  anderes  Exemplar  war  am  oberen  Rande 
(über  dem  Bohrloch)  mit  fünf  seichten  Kerben  verziert,  in  ähnlicher  Weise  wie  der 
>Ga«  (Fig.  2).  Beide  Schmuckgegenstände  galten  früher  als  Geld  und  es  gelang  mir  nur 
noch  wenige  Exemplare  einzuhandeln.  Lütke  und  v.  Kittlitz  erwähnen  diesen  Schmuck 
nicht,  wohl  aber  der  Erstere  »Muschelstücke,*circa4  ZoUlangund  i  %  Zollbreite  (»Mock« 
genannt),  die  aUe  Bewohner  Lällas  beim  Abschiede  um  den  Hals  trugen,  und  womit 
ohne  Zweifel  die  vorher  erwähnten  »Faic  gemeint  sind.  Lütke  bemerkt  noch  ausdrück- 
lich: »anderen  Halsschmuck  sah  ich  nicht«,  erwähnt  aber  vorher  »Halsketten  aus  Perlen 
von  Cocosschale  und  Muscheln«. 

h)  Armschmuck. 

Wie  in  gewissen  Gebieten  Neu-Guineas  aus  Coni/^-Muschel  geschliffene  Armringe 
noch  heute,  als  werthvoller  Schmuck  und  zugleich  Geld,  im  Leben  der  Eingeborenen 
eine  grosse  Rolle  spielen  (vgl.  II,  S.  [83],  [100]  und  [161],  Taf.  XV  [7],  F'ig.  i),  so  war 
dies  auch  früher  auf  Kuschai  der  Fall.  Es  glückte  mir,  hier  noch  einige  wenige  Exem- 
plare solcher  Schmuckstücke  zu  erlangen,  die  früher  zu  den  Kostbarkeiten  zählten  und 
den  Werth  von  Geld  repräsentirten,  jetzt  aber  längst  der  Vergangenheit  angehören. 
Nach  Funden  in  den  Ruinen  von  Ponap^  zu  urtheilen,  kam  dieselbe  Art  Armbänder 
früher  auch  hier  vor,  was  bemerkenswerth  ist,  weil  sie  sonst  auf  allen  übrigen  Carolinen 
fehlen,  dagegen  waren  sie  früher  auf  den  Marshalls  bekannt. 

Forr  (Nr.  36i,  i  Stück,  Taf.  VI  [23],  Fig.  i),  Armring,  aus  dem  Querschnitt  vom 
breiten  Ende  einer  Muschel  geschliffen.  (Längsdurchmesser  70  Mm.,  Höhendurchmesser 
60  Mm.  im  Lichten.)   Taaf. 

Ein  ausserordentlich  interessantes  und  seltenes  Stück,  schon  deshalb,  weil  sich  das 
Conchyl  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen  lässt.  Selbst  dem  eminenten  Fachkenner 
Professor  v.  Martens  (Berlin),  der  die  Güte  hatte  dieses  Exemplar  zu  untersuchen,  ge- 
lang dies  nicht.  Er  schreibt  mir  über  dasselbe:  »Doch  wohl  Conus,  wenigstens  wüsste 
ich  nichts  Anderes;  aber  nicht  C.  millepunctatus,  Turbo  kann  es  auch  nicht  sein.«  Das 
Exemplar  ist  stark  abgeschliffen,  wie  es  scheint  auch  innen  abgeputzt  und  zeigt  in  Folge 
dessen  eine  matte  Färbung  wie  altes  Elfenbein.  Nach  meinen  Vergleichungen  ist  das 
Material  kein  Conus,  sondern  eine  Irochus-Art  (wohl  niloticus).  Ein  Armring  aus  der- 
selben Muschelspecies  ist  bei  Edge-Partigton  (Taf.  175,  Fig.  6)  abgebildet.  Ausser  dieser 
Muschel  wurde  aber  auch  sicher  Conus  millepunctatus  zu  Armringen  verarbeitet,  denn 
ich  erhielt  davon  auf  Kuschai  nicht  nur  fertige  Armringe,  sondern  auch  solche  in  Be- 
arbeitung und  das  Rohmaterial.  Ein  solcher  durchschnittener  Conus  (»Forr«  genannt) 
zeigte  den  kolossalen  Durchmesser  von  85  Mm.  Zweifellos  ebenfalls  aus  Conus  mille- 
punctatus geschliffen  ist  der  in  der  »Senjaviti-Reise«  (PI.  3o,  Fig.  8)  abgebildete  Arm- 
ring  (im  Text  irrthümlich  als  aus  »nacre  de  perl«  bezeichnet). 

BeinSChmuck  gab  es  nicht,  aber  nach  Lütke  trugen  die  Frauen  ähnliche  Wülste 
aus  Cocosfaserschnüren  wie  um  den  Hals  auch  um  das  Fesselgelenk,  was  der  Vollstän- 
digkeit wegen  erwähnt  sein  mag. 


23o  t)r.  O.  Finsch     Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  [486^ 

Ethnologische  Schlussbetrachtung. 

In  gänzlicher  Abgeschiedenheit  von  der  Aussenwelt  und  vollständig  unberührt 
von  fremden  Einflüssen,  fanden  die  ersten  Reisenden  in  den  freundlichen,  durchaus 
harmlosen  Bewohnern  Kuschais  ein  Feld  für  ethnologische  Forschungen,  wie  es  in  ähn- 
licher Weise  nirgends  mehr  vorhanden  ist.  Leider  war  das  wissenschaftliche  Interesse 
der  damaligen  Zeit  nur  nebenbei  auf  Völkerkunde  gerichtet,  und  wenn  man  den  ersten 
Reisenden  (Lesson,  Lütke,  Kittlitz)  immerhin  dankbar  sein  muss,  dass  sie  auch  in  dieser 
Richtung  mancherlei  werthvolle  Nachrichten  hinterliessen,  so  genügen  dieselben  den 
heutigen  Ansprüchen  doch  nicht.  Freilich  konnte  man  damals  nicht  entfernt  ahnen, 
dass  kaum  mehr  als  50  Jahre  später  nur  noch  Reste  der  Eingeborenen  vorhanden  sein 
würden.  Was  hätte  sich  nicht  in  den  25  Tagen,  die  Kittlitz  auf  der  Insel  verweilen 
konnte  (vom  8.  December  1827  bis  2.  Januar  1828)  alles  thun  lassen,  nicht  blos  im 
Sammeln,  sondern  Aufzeichnungen  über  das  Leben  und  Treiben  des  interessanten 
Völkchens,  das  eine  kleine  Welt  für  sich  bildete.  Mir  waren  hier  nur  im  Ganzen  neun 
unvergesslich  interessante  Tage  vergönnt!  Die  Vogelarten,  welche  Lesson  und  v.  Kitt- 
litz einst  zuerst  sammelten,  sie  alle  waren  noch  ebenso  zahlreich  vorhanden  als  damals, 
aber  vom  Menschen,  jedenfalls,  wie  überall,  dem  interessantesten  Geschöpfe*  von  allen, 
fand  ich  nur  noch  Reste,  die^in  ihrer  Eigenart  bereits  gar  Vieles  eingebüsst  hatten.  So 
konnte  ich  nur  noch  Nachlese  halten,  wo  meinen  Vorgängern  die  volle  Ernte  winkte; 
aber  diese  Nachlese  ist  um  so  interessanter,  weil  sie  noch  die  letzten  Reste  retten  half, 
die  bald  ins  Gebiet  ethnologischer  Reliquien  gehören  werden.  Und  an  solchen  sind  un- 
sere Museen  gerade  von  Kuschai  nicht  sehr  reich;  enthielt  doch  die  einst  berühmte 
Südsee-Sammlung  Godeffroy  in  Hamburg  im  Ganzen  nur  vier  Stück  von  Kuschai, 
während  das  Berliner  Museum  durch  mich  mit  178  Gegenständen  von  hier  bereichert 
werden  konnte. 

Soweit  sich  nach  eigenen  Erfahrungen  und  den  Aufzeichnungen  meiner  Vorgänger 
urtheilen  lässt,  bildet  auch  Kuschai  innerhalb  der  Ethnologie  der  Carolinen  eine  eigene 
Subprovinz,  ausgezeichnet  durch  verschiedene  charakteristische  Eigenthümlichkeiten. 
Hierher  gehören:  Eigene  Sprache,  eigenes  Feudalsystem,  eigener  Baustyl  der  Häuser, 
eigene  Construction  der  Canus  (ohne  Segel  und  Mast),  eigene  sehr  kunstvolle  Bunt- 
weberei, eigenes  Muster  der  Tätowirung  (gleich  für  beide  Geschlechter).  Charakteristisch 
für  die  ethnologischen  Verhältnisse  Kuschais  sind  ferner:  Die  zum  Theil  Kolossalstein- 
bauten in  Mauern  und  Steinwällen,  der  Genuss  von  Kawa  und  die  auffallende  Armuth 
an  Gegenständen  des  Schmuckes  und  der  Körperzier,  die  nur  in  den  Brustornamenten 
aus  Schildpatt  (PL  [23],  Fig.  2, 3)  eigenthümliches  aufweisen,  das  sich  aber  auf  den  west- 
lichen Carolinen  (Sonsol)  wiederholt.  Im  Vergleich  mit  den  übrigen  Carolinen  ver- 
dienen der  Mangel  an  Putzkämmen,  besonderem  Ohr-  und  Leibschmuck,  die  Nichtver- 
wendung  von  Scheibchen  aus  Spondylus-Muschel  und  ganz  besonders  von  Gelbwurzel 
(Curcuma)  zum  Bemalen  des  Körpers  erwähnt  zu  werden. 


[jgyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  23 1 


2.  Ponapd. 

Einleitung. 

Entdecker.  Wahrscheinlich  schon  1595  von  Pedro  Fernandez  de  Quiros,  dem 
Begleiter  Mendanas,  gesichtet,  blieb  die  Insel  mehr  als  zwei  Jahrhunderte  vergessen,  bis 
sie  von  dem  hochverdienten  Erforscher  des  Carolinen- Archipels,  F.  Lütke,  1828  mit 
der  russischen  Corvette  »Senjavin«  wieder  entdeckt  wurde.  Vom  14.  bis  19.  Januar  des 
genannten  Jahres  recognoscirte  der  » Senjavin c  diese  Insel  und  die  benachbarten  west- 
lichen kleinen  Atolle  Andema  und  Pakin,  welche  Lütke  unter  dem  Namen  »Senjavin- 
Inseln«  zuerst  kartographisch  niederlegte.  Da  in  damaliger  Zeit  noch  alle  SUdsee- 
Insulaner  als  »Wilde«  arg  verschrieen  waren  und  sich  die  Eingeborenen,  jedenfalls  aus 
Freude  und  nicht  in  böser  Absicht,  gegenüber  den  Russen  ziemlich  lärmend  betrugen, 
wie  dies  allenthalben  vorkommt,  wagte  man  nicht  zu  landen.  Die  übrigens  treffliche 
Aufnahme  der  Insel  (von  Lieutenant  Zavalichine)  verzeichnet  daher  ziemlich  oberfläch- 
lich nur  einen,  und  zwar  den  nördlichen  Jokoits-  oder  Jamestown- Hafen  als  »Port  du 
mauvais  accueil«.  Im  Jahre  1839  vermass  das  englische  Kriegsschiff  »Larne«  Roankiti, 
den  südwestlichen  Hafen,  während  ein  Jahr  später  die  französische  Corvette  »La  Danaide« 
unter  Capitän  de  Rosamel  die  übrigen  kartirte  und  damit  die  Aufnahme  der  ganzen 
Insel  zum  Abschluss  brachte.  Sie  wurde  schon  in  den  Dreissigerjahren  von  Walfängern 
besucht,  bei  denen  sie  später  unter  dem  Namen  »Ascension«  sehr  bekannt  war.  Auf 
den  skizzenhaften  Kärtchen  der  Carolinen  von  Cantova  (1722)  und  Don  Luis  de  Torres, 
wie  sie  Chamisso  publicirt  (»Reise«,  2,  S.  152),  ist  die  Insel  übrigens  nicht  verzeichnet. 
Schon  aus  Mangel  an  seetüchtigen  Fahrzeugen  ohne  Verkehr  mit  den  westlichen  Inseln, 
waren  die  Bewohner  Ponapes  als  Verschlagene  doch  von  jeher  weiter  bekannt,  die  Insel 
selbst  nur  dem  Namen  nach.  Hieraus  erklärt  sich  die  sehr  verschiedene  Aussprache, 
respective  Schreibweise:  Bonabe,  Bonaby,  Bonabay,  Bornabe,  Bonibet,  Fonnaby,  Pai- 
nipet,  Pulupa,  Falope,  Funopet,  Felupet,  Falupet,  Puynipet  (Lütke),  Hünnepet  (Kittlitz). 
Kadu's  »Fanope«  bezieht  sich  jedenfalls  auch  auf  Ponapd,  obwohl  er  es  sehr  verkehrt 
als  »niedrige  Inselgruppen«  bezeichnete  (Chamisso,  S.  188).  Aber  Kadu  hatte  von 
Fanop6  nur  sprechen  hören,  wie  Eingeborene  von  Lukunor  Lütke  gegenüber  Ponap6 
mit  »Faounoupei«  nur  dem  Namen  nach,  aber  bereits  als  hohe  Insel  kannten.  Gegen- 
stände von  Ponap6,  welche  Lukunorer  an  Bord  des  »Senjavin«  sahen,  wurden  gleich 
als  von  »Faounoupei«  bezeichnet;  aber  man  glaubte  auch,  dass  die  polirten  Möbel  in 
der  Cajüte  von  dorther  stammten.  Dies  beweist  am  besten,  dass  diese  Eingeborenen 
Ponape  nicht  aus  eigener  Anschauung  kannten,  wie  sie  andererseits  von  »Pyghirap« 
(Pikiram)  als  einer  von  Menschenfressern  bewohnten  Insel  erzählten,  die  sie  natürlich 
ebenfalls  nur  vom  Hörensagen  kannten. 

Zur  Literatur.  Da  die  Forschungsreisenden  des  »Senjavin«  nur  wenige  Stunden 
und  von  Bord  aus  mit  den  Eingeborenen  verkehrten,  so  konnten  sie  natürlich  nur  spär- 
liche Beobachtungen  sammeln,  die  aber  immerhin  als  die  ersten  noch  heute  von  Interesse 
sind  (Lütke,  II,  S.  26— 3 1 ;  Kittlitz:  Denkwürd.,  II,  S.  70—75).  Die  ältesten  Nachrichten 
des  Spaniers  Francisco  Michelena  y  Rojas  (aus  den  Jahren  1822 — 1842),  welche  nach 
Friederichsen  auch  hinsichtlich  Ponapes  »besonders  bemerkenswerth«  sein  sollen,  waren 
mir  nicht  zugänglich.   Ebenso  gelang  es  mir  leider  nicht,  des  seltenen  Büchleins  habhaft 

Anoalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VUI,  Heft  a,  1893.  17 


232  r>r.  O.  Finsch.  [488] 

ZU  werden,  in  welchem  James  F.  O'Connell,  *)  jener  schiffbrüchige  Matrose  des  englischen 
Walschiffes  »John  Bull«,  der  1827  oder  1828  als  der  erste  Weisse  längere  Zeit  unter 
den  Eingeborenen  zubrachte,  seine  Erlebnisse  erzählt,  und  der  unter  Anderem  zuerst 
über  die  prähistorischen  Bauten  berichtete.  Als  Hauptquellen  unserer  Kenntniss  über 
Ponap6  dürfen  daher  immer  noch  die  oft  benutzten  Mittheilungen  von  Capitän  A. 
Cheyne,')  Dr.  L.  H.  Gulick  und  anderer  amerikanischer  Missionäre  betrachtet  werden, 
zu  denen  auch  die  unter  Kuschai  (S.  194  [450])  citirlen  Notizen  des  Rev.  Samuel  C. 
Dämon  zu  rechnen  sind.  In  der  Reisebeschreibung  der  Österreichischen  Fregatte  >No- 
vara«^)  wird  der  Insel  »Puynipet«  ein  ganzes  Capitel  gewidmet,  das  eine  Fülle  von  Mit- 
theilungen enthält,  welche  aber  meist  auf  Aussagen  weisser  Ansiedler  beruhen.  Denn 
das  Kriegsschiff  lag  nur  einen  Tag  (18.  September  1858)  vor  Roankiti,  und  die  Mitglie- 
der der  wissenschaftlichen  Commission  konnten  kaum  fünf  Stunden  am  Land«)  ver- 
weilen, also  unmöglich  eingehendere  Studien  machen.  Aus  diesem  Grunde  sind 
dankenswerther  Weise  auch  Cheyne's  Nachrichten  ergänzend  angefügt  worden,  die  in- 
dess  hinsichtlich  Handel  und  Verkehr  nicht  mehr  zutreffen. 

Mit  Franz  Hernsheim,  der  in  seinen  »Südsee-Erinnerungen«  (IV.  Ponape,  S.  61 
bis  72)  auch  diese  Insel  anziehend  skizzirt,  verweilte  ich  vom  2.  bis  12.  März  1880  auf 
Ponap6.  Meine  elftägigen  Erfahrungen,  die  von  Jokoits  bis  Metalanim  reichen  und  uns 
hier  auch,  unter  Führung  von  Kubary,^)  mit  den  wunderbaren  Ruinen  von  Nantauatsch 
bekannt  machten,  sind  in  den  folgenden  Publicationen  niedergelegt,  ethnologisch  wohl 
die  ausführlichsten: 

1.  »Aus  dem  Pacific.    IV.  Ponape  (Carolinen)«   in:   Hamburger  Nachrichten,  1880, 

Nr.  214 — 216  (8.  bis  10.  September). 

2.  »Ueber  die  Bewohner  von  Ponap6  (östliche  Carolinen).  Nach  eigenen  Beobachtungen 

und  Erkundigungen«  in:  Zeitschr.  für  Ethnol.,  Berlin  1880,  S.  3oi~332,  Taf.  XI 
(Eingeb.)  und  16  Textbilder  (meist  Tätowirung). 

3.  »Ueber  seine  in  den  Jahren  187g — 1882  unternommenen  Reisen  in  der  Südsee«  in: 

Verhandl.  der  Gesellsch.  für  Erdkunde,  1882,  S.  7. 

Geographischer  Ueberblick.  Nach  den  Berechnungen  von  L.  Friederichsen  hat  Po- 
nape (unter  6°  43'  und  7°  6'  n.Br.  und  157°  54'  ö.  L.),  bei  einem  ungefähren  Umfange  von 
i3  deutschen  geographischen  Meilen  (60  Seemeilen  nach  Lütke),  einen  Flächenraum  von 
circa  7  '/a  deutschen  Quadratmeilen,  ist  also  nach  Pelau  die  grösste  Insel  des  Carolinen- 
Archipels.     An  3oo  Seemeilen  nordwestlich  von  Kuschai  erscheint  Ponap^,  durchaus 


I)  >A  Residence  of  eleven  years  in  New  Holland,  and  the  Caroline  Islands;  being  the  Adventures 
of  James  F.  O'Connell,   edited  from  his  verbal   narrative;  published   by  B.  B.  Mussey.    Boston  i836.< 

3)  »Description  of  Islands  in  the  Western  Paciüc  Ocean,  north  and  south  of  the  Equator.« 
London  1852. 

3)  »Reise  der  österreichischen  Fregatte  ,Novara*  um  die  Erde  in  den  Jahren  1857 — 1859  unter 
den  Befehlen  des  Commodore  B.  v.  WüUerstorf-Urbair.  Beschreibender  Theil.  II.  Band.  (Wien  1861.) 
XVI.  Die  Insel  Puynipet  (S.  394 — 425).« 

4)  Eine  hübsche  Schilderung  dieses  Besuches,  welche  manche  brauchbare  Notiz  auch  fQr  die 
Ethnologie  enthält,  findet  sich  in:  »Ferdinand  v.  Hochstetter's  gesammelte  Reiseberichte  von  der  Erd- 
umseglung der  ,Novara*  1857— 1859  (Wien  1885),  S.  276— 289.C 

5)  Bedauerlicher  Weise  hat  dieser  beste  Kenner  der  Insel,  welcher  theils  als  Sammler,  thcils 
als  Ansiedler  mehrere  Jahre  hier  lebte  und  der  Sprache  vollkommen  mächtig  war,  seine  Erfahrungen 
nicht  mitgetheilt,  sondern,  soweit  mir  bekannt,  nur  Folgendes  publicirt: 

1.  »Die  Ruinen   von  Nanmatal   auf  der  Insel  Ponap^  (Ascension)€   in:  Journ.  M.  G.,  Heft  VI  (1874)» 

S.  123— i3i,  Taf.  5  und 

2.  »Weitere  Nachrichten  von  der  Insel  Ponap^c,   daselbst,   Heft  VIII  (1875),  S.  129—135,    Beschränkt 

sich  hauptsächlich  auf  Tätowirung. 


[aSq]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  233 

gebirgig,  dicht  bewaldet  und  von  einem  Barrier-  (Wall-)  Riff  umgürtet,  wie  der  grössere 
Zwilling  der  letzteren  Insel.  Aber  die  Gebirgsrücken  zeigen  durchgehends  sanftere 
Formen,  die  meist  lange  flache  Kämme,  seltener  höhere  stumpfe  Kegel  bilden,  unter 
denen  der  Tolocolme  (Monte  Santo  von  Lütke)  als  der  höchste  zu  2860  Fuss  angegeben 
wird.  Wie  Kuschai  ist  Ponap^  vulcanischen  Ursprungs  und  besteht  aus  »olivin-  und 
augitreichen  Basaltlaven  in  verschiedenen  Structurabänderungen«  (»Novarac),  aber  auch 
aus  dichtem  Basalt  (zum  Theil  in  prismatischer  Absonderung),  der  an  mehreren  Punkten 
höchst  interessante  malerische  Partien  bildet,  wie  sie  Kuschai  nicht  aufzuweisen  hat. 
Hierher  gehören  der  merkwürdige  zuckerhutförmige  Berg  Takain  in  Metalanim-Hafen 
und  der  gewaltige  Felsendom  der  Insel  Jokoits  mit  seinen  an  1000  Fuss  hohen,  fast 
senkrechten  kahlen  Wänden,  eine  charakteristische  Land  marke  für  diesen  nördlichen 
Hafen.  Die  ein  bis  zwei  Seemeilen  breite,  zum  Theil  für  Schiffe  befahrbare  Lagune  ist 
viel  ausgedehnter  als  die  von  Kuschai  und  besitzt  vier  Häfen,  darunter  drei  ausgezeich- 
nete (Jokoits  oder  Janiestown,  Metalanim  und  Roankiti).  Sie  sind,  wie  die  hydro- 
graphischen Verhältnisse  überhaupt,  in  Findlay's  vortrefflichem  Werke  (S,  743 — 750) 
eingehend  beschrieben  und  auf  der  englischen  Admiralitätskarte  (Nr.  981)  ebenso 
mustergiltig  dargestellt.  Hier  auch  die  benachbarten,  zu  Ponap6  gehörigen  westlichen 
kleinen  Atolle  Pakin  oder  Paguenema-Inseln  und  Andema-  oder  Ant-Inseln.  Depen- 
denzen  von  Ponap^  sind  auch  das  circa  65  Seemeilen  südwestlich  liegende  kleine  Atoll 
Ngatik  oder  Raven,  identisch  mit  »Los  Valientes«  voh  Don  Felipe  Tompson  (1773) 
und  östlich  Mokil  und  Pingelap  (Macaskill). 

Flora  und  Fauna  stimmen  im  Allgemeinen  mit  Kuschai  überein.  Die  erstere  ist 
ebenfalls  von  tropischer  Ueberfülle  und  bildet  Dickichte,  in  welche  einzudringen  nur 
mit  Hackmesser  oder  Säbel  möglich  ist,  besonders  da  üppige  Lianen  überall  Halt  ge- 
bieten. Das  Jagen  ist  daher  ausserordentlich  mühsam,  namentlich  auch  darum,  weil  sich 
sehr  schlecht  gehen  lässt  in  Folge  des  mit  Moos  überzogenen  Trümmergesteins,  wel- 
ches meist  den  Boden  bedeckt.  Dazu  fehlen  betretene  Pfade,  wie  sie  allenthalben  in 
Melanesien  vorhanden  sind,  und  es  machte  uns  einst  Mühe,  einen  Jagdgefährten,  der 
sich  im  Urwalde  verirrt  hatte,  aufzufinden.  Baumfarne  sind  auch  für  den  Laien  eine 
ins  Auge  fallende  Erscheinung  des  Waldes.  Ausserdem  fiel  mir  die  von  den  Marshalls 
her  bekannte  Lilie  auf,  sowie  ein  Strauch  mit  schönen  rothen  Blüthen  (wohl  Hibiscus) 
und  ein  anderer  mit  kleinen,  dichtstehenden,  orangerothen  und  rothen  Blüthen,  der 
auf  Hawaii  sehr  häufig  ist.  Er  ernährt  dort  die  Raupe  von  Danais  erippus,  den  ich  in 
der  That  auch  auf  Ponap^  fand,  und  erklärt  zum  Theil  mit  die  sogenannten  »Wande- 
rungen« dieses  auffallenden  Tagfalters. 

Besser  als  die  Pflanzenwelt  ist  die  Thierwelt  bekannt  und  dies  hauptsächlich  ein 
Verdienst  Johann  Kubary's.  Von  seinen  an  das  Museum  Godeffroy  gesandten  Samm- 
lungen scheint  indess  nur  der  ornithologische  Theil*)  eingehend  bearbeitet  worden  zu 
sein,  denn  auch  der  Handelskatalog  des  Museum  Godeffroy  (VI,  März  1877)  verzeichnet 
(ausser  sechs  Arten,  pelagischer  Fische)  nur  Vögel,  im  Uebrigen  kein  einziges  Thier 
von  Ponape.    Einige  zoologische  Notizen  finden  sich  aber  im  Kat.  M.  G,  (S.  281). 

An  Säugethieren  besitzt  die  Insel  nur  zwei  Arten  (eine  Ratte,  »KJtschik«,  und 
einen  eigenthümlichen  Fiederhund:  Pteropus  molossinus  Temm.).  Vögel,  durch  die 
Naturforscher  der  »Novara- Reise c  nur  in  7  Arten  nachgewiesen,  sind  durch  Kubary, 

«)  Finsch:  »Vögel  von  Ponap6  (Seniavin-Gruppe)c  in:  Journ.  M.  G.,  Heft  XII  (1876),  S.  15 — 40, 
Taf.  2.  »On  the  birds  of  the  Island  of  Ponape«  in:  Proc.  Z.  S.  Lond.,  1877,  pag.  778 — 782.  »Beob- 
achtungen über  die  Vögel  der  Insel  Ponapi^  (Carolinen)«  in:  Cabanis,  Journ.  für  Ornithol.,  i880| 
S.  283— 296.    9  0rnithological  letters  from  the  Pacific.  VI.  Ponape«  in:  The  Ibis,  1881,  pag.  109  — 115. 

17' 


234  ^^'  ^'  finsch.  [490] 

und  wohl  erschöpfend,  auf  32  Arten  gebracht  worden,  von  denen  ich  während  meines 
Aufenthaltes  allein  3o  sammelte  und  beobachtete.  Sechs  Arten  {Trichoglossus  ruht- 
ginosus  Bp.,  Zosterops  ponapensis  F.,  Volvocivora  insperata  F.,  Myiagra  pluto  F., 
Rhipidura  Kubaryi  F.  und  Aplonis  Pel:{elni  F.)  gehören  der  Insel  eigenthümlich  an. 
Wie  bereits  erwähnt,  ist  das  Vorkommen  eines  Papageis,  des  einzigen  im  ganzen  Caro- 
linen-Archipel, ganz  besonders  merkwürdig.  Dasselbe  gilt  in  zoo-geographischer  Hin- 
sicht in  Betreff  unserer  Sumpfohreule  (Otus  brachyotus)j  die  auf  Ponap^  Brut-  und 
Standvogel  ist.    Auffallend  erscheint  das  Fehlen  von  rallenartigen  Vögeln. 

Reptilien  sind  ebenso  selten  und  dieselben  Arten  als  auf  Kuschai  (ich  erhielt  nur 
Mahouia  cyanura,  Lygosoma  smaragdina  und  Platydactylus  lugubris).  Reicher  an 
zum  Theil  ganz  anständigen  Flüssen  als  Kuschai,  besitzt  Ponap6  auch  Süsswasserfische, 
wovon  ich  drei  Arten  (darunter  eine  Perca)  aus  dem  Pillapenchocolafluss  erhielt,  die 
indess  in  Berlin  seither  unbestimmt  blieben,  wie  eine  interessante  Art  Krebs  {Astacus 
spec.)  aus  demselben  Flusse,  nach  Kubary  der  einzige  Süsswasserkrebs  in  ganz  Mikro- 
nesien. ')  Die  Insectenwelt  ist  ebenso  arm  als  auf  Kuschai  und  auch  hier  besonders 
der  Mangel  an  Tagfaltern  auffallend.  Ich  sammelte  nur  die  weitverbreiteten  Arten: 
Danais  erippus  L.  (auch  auf  Hawaii  =  /^^a  Plexippus  Esch.,  Taf.  VII,  Fig.  14),  Hypo- 
limnas  Bolina,  Junonia  vellida  (auch  bei  Port  Moresby)  und  zwei  schöne  Arten  Ordens- 
band (Ophideres  spec). 

Areal  und  Bevölkerung.  '  Wie  erwähnt,  besitzt  Ponape  einen  Flächeninhalt  von 
7  V2  deutschen  Quadratmeilen  =  circa  412  Quadratkilometer,  ist  also  ungefähr  so  gross 
als  das  Areal  der  freien  Hansestadt  Hamburg.  Nach  Cheyne  besass  die  Insel  Mitte  der 
Vierziger  jähre  7000 — 8000  Einwohner,  aber  1854  wurden  durch  die  englische  Bark 
»Delta«  Blattern,  und  zwar  in  abscheulicher  Weise  absichtlich  eingeschleppt,  indem 
man  einen  blatternkranken  Matrosen  heimlich  landete  und  zuröckliess.  Die  Eingebore- 
nen nahmen  sich  dieses  Unglücklichen  liebevoll  an,  stahlen  ihm  aber  auch  zugleich  die 
Kleider,  und  dadurch  verbreitete  sich  die  Seuche  in  furchtbarer  Weise  über  die  ganze 
Insel  und  soll  (nach  Kubary)  an  3ooo  Eingeborene  weggerafft  haben.  Zu  meiner  Zeit 
(1880)  wurde  die  Bevölkerung  auf  2000,  nach  dem  Missionsbericht  von  i8gi  auf  1705 
geschätzt,  was  kaum  5  Einwohner  auf  den  Quadratkilometer,  also  eine  weit  geringere 
Zahl  als  selbst  auf  den  armen  Atollen  Ost-Mikronesiens  ergibt.  Die  Bevölkerung  ver- 
breitet sich  übrigens  keineswegs  über  die  ganze  Insel,  deren  unzugängliches  Innere  nie 
bewohnt  war,  sondern  siedelt  vprzugsweise  in  der  Umgebung  der  Häfen,  namentlich 
Metalanim  und  Jokoits,  da  Roankiti,  früher  am  dichtesten  bevölkert,  sich  seit  der 
Pockenepidemie  nicht  wieder  erholt  hat.  Das  kleine  Atoll  Pakin  wird  (nach  Doane) 
von  circa  75 — 100  Ponapesen  bewohnt,  Andema  nur  im  Mai  bis  September  von  solchen 
besucht.    Ngatik  besitzt  nur  3o — 40  Eingeborene,  Mokil  95  und  Pingelap  800. 

Wie  wir  im  Nachfolgenden  sehen  werden,  hat  die  spanische  »Schutzherrschaft« 
zu  blutigen  Kämpfen  mit  den  Eingeborenen  geführt,  die  für  Ponap6  sehr  verhängniss- 
voll waren  und  ein  ähnliches  Schicksal  wie  das  der  Marianner  nicht  als  unmöglich  er- 
scheinen lassen. 

Handel.  Wegen  seiner  guten  Häfen,  reichlichen  Provisionen  und  hübschen  Mäd> 
chen  war  »Ascension«  den  Whalern  noch  besser  bekannt  als  »Strongs- Island«  (Kuschai). 
Ihre  Schiffe  verkehrten  hauptsächlich  in  Roankiti,  wo  noch  Ende  der  Fünfziger  jähre 


I)  Einen  anderen  Flusskrebs  {* Astacus*  spec),  »der  beinahe  alle  Bäche  und  Wasserlöcher  be- 
lebt«, erwähnt  derselbe  Reisende  von  Pelau  und  beschreibt  dessen  Fang  mittelst  Schlingen  (Ethnol. 
Beiträge  zur  Kenntniss  des  Carolinen-Archipels,  II,  S.  152,  Taf.  XXI,  Fig.  10  a). 


rj^Ql]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdäee.  285 

während  des  Nordostpassat  (November  bis  April)  50—60  Walfischfahrer  vorsprachen, 
uni  Brennholz,  Wasser  und  Provisionen  eirtzunehmen.  Weggelaufene  Matrosen,  welche 
zugleich  als  Lootsen  dienten,  besorgten  diesen  Handel,  namentlich  mit  Schweinen  und 
Taro;  von  letzterem  wurden  damals  allein  jährlich  an  50  Tonnen  ausgeführt.  Diese  Zeiten 
sind  längst  vorbei,  wie  Jene,  welche  jährlich  an  500  Pfund  Schildpatt  lieferten.  Johann 
Kubary,  der  zu  meiner  Zeit  seine  hübsche  Besitzung  »Mbomp«  (=  Hügel)  in  Jokoits- 
Hafen  mit  Taro,  Yams  und  Bananen  bewirthschaftete  und  hier  sogar  Rindvieh  hielt, 
konnte  nicht  bestehen,  weil  der  Absatz  zu  gering  war.  Ab  und  zu  kam  ein  kleines 
F'ahrzeug,  um  geringe  Quantitäten  Kawawurzel  für  Fidschi  einzutauschen,  im  Uebrigen 
genügten  die  beiden  deutschen  Stationen  (A.  Capelle  und  Hernsheim)  in  Jokoits-Hafen 
vollständig  und  waren  die  einzigen.  Copra  bildete,  wie  gewöhnlich,  den  hauptsäch- 
lichsten Export  (bei  der  Spärlichkeit  der  Cocospalme  jährlich  aber  nur  circa  150.000 
Pfund),  ausserdem  werden  etwas  Elfen  bei  nnüsse  (die  Frucht  einer  Palme,  Phytelephas 
macrocarpa),  ausgeführt.  Der  ganze  Umsatz  betrug  jährlich  (nach  Hernsheim)  nicht 
mehr  als  6000 — 7000  chilenische  Dollars  (=  22.000 — 26.000  Mark),  davon  der  Import 
circa  ein  Drittel.  Eisenwaaren  (Messer,  Aexte),  Baumwollenzeug  (besonders  bunte 
Taschentücher),  Munition,  hauptsächlich  aber  amerikanischer  Stangentabak  bildeten  die 
Hauptartikel;  Schnaps  und  Feuerwaffen  waren  schon  durch  die  Whaler  eingeführt.  Bei 
der  Bedürfnisslosigkeit  der  im  Ueberfluss  lebenden  Eingeborenen  ist  wenig  Aussicht  auf 
lebhaftere  Entwicklung  des  Handels,  der  immer  ein  sehr  beschränkter  bleiben,  seit  der 
spanischen  Herrschaft  aber  jedenfalls  bedenklich  zurückgegangen  sein  wird.  Bezüglich 
etwaiger  Cultivationen  ist  bei  der  Faulheit  der  Eingeborenen  auf  deren  Hilfe,  selbst 
gegen  Bezahlung,  vollends  nicht  zu  rechnen.  Die  kleinen  Plantagen  der  Mission,  welche 
schon  von  den  »Novarac -Reisenden  bei  Roankiti  als  sehr  versprechend  gerühmt  werden, 
und  wie  ich  solche  später,  namentlich  bei  der  Hauptstation  Ua  (Oua)  sah,  zeigen  frei- 
lich die  hervorragende  Fruchtbarkeit  des  reichen  vulcanischen  Bodens,  aber  trotzdem  ist 
Grossbetrieb  völlig  ausgeschlossen,  selbst  wenn  Arbeitskräfte  vorhanden  wären.  Die 
grössten  Hindernisse  bietet  die  Beschaffenheit  der  Insel  selbst  mit  ihren  dichtbewal- 
deten, steilen  Bergen,  welche,  wie  schon  in  Findlay  sehr  richtig  bemerkt  wird,  kaum 
einige  Acre  ebenes  Land  lassen;  dazu  Alles  dicht  mit  Basaltgeröll  oder  grösseren  com- 
pacten Felsmassen  und  Blöcken  von  Basalt  bedeckt. 

Mission.  In  demselben  Jahre  (1852)  als  auf  Kuschai,  wurde  auch  auf  Ponap^, 
und  zwar  zuerst  in  Roankiti  die  Mission  gegründet,  die  anfänglich  grosse  Fortschritte 
machte.  Ganze  Stämme  traten,  wenn  auch  mehr  äusserlich,  zum  Christenthum  über, 
so  dass  1866  ein  grosser  Theil  der  Eingeborenen  bekehrt  war.  Aber  bald  folgte  der 
Rückschlag;  denn  die  strengen  Temperenzgesetze  der  orthodoxen  protestantischen 
Kirche  (mit  Verbot  von  Tabak,  Gelbwurz,  Schnaps  und  Vielweiberei)  behagten  auf  die 
Dauer  den  Eingeborenen  nicht  sonderlich.  Zu  meiner  Zeit  (1880)  gab  es  allerdings  i3 
sogenannte  Kirchen,  aber  nach  meinen  Erkundigungen  kaum  250  ständige  Besucher.*) 
Mit  der  spanischen  Besitzergreifung  im  Jahre  1887  ist,  wie  ganz  Ponap6,  auch  die  Mis- 
sion schwer  betroffen  und  ihre  35  jährige  mühevolle  und  angestrengte  Arbeit,  welche 


»)  Der  Bericht  der  hawaiischen  Mission  vom  Jahre  1886  gibt  über  die  »Ost-Carolinen«  fol- 
gende Statistik:  i.  Ponap^  (3ooo  Einwohner),  3  weisse  Pastoren  mit  4  Lehrerinnen,  12  eingeborene 
Lehrer,  i3  Kirchen  mit  451  regelmässigen  Mitgliedern,  9  Sonntagsschulen  mit  3oo  Schülern;  2.  Pin- 
gelap  (800 — 1000  Einwohner),  seit  1872  gegründet,  i  eingeborener  Pastor  mit  Frau,  i  Kirche  mit 
236  Mitgliedern,  i  tägliche  Schule  mit  75  —  100  Schülern;  3.  Mokil  (75 — 100  Einwohner),  seit  1872 
begründet  und  fast  völlig  bekehrt,  ist  das  Missionswerk  sehr  zurückgegangen,  so  dass  die  Kirche  nur 
noch  36  Mitglieder,  die  Schule  circa  25  Schüler  zählte. 


236  Dr.  O.  Finsch.  [49^] 

schon  die  »Novara« -Reisenden  rühmend  erwähnen,  vernichtet  worden.  Im  September 
1891  siedelte  die  Mission  nach  Kuschai  über.  Ob  die  sechs  Kapuziner,  welche  getreu 
der  glorreichen  Vorzeit  der  ersten  spanischen  Eroberer  auch  auf  Ponap6  mit  Soldaten 
zugleich  ihren  Einzug  hielten,  das  Missionswerk  in  derselben  friedlichen  Weise  betreiben 
werden,  darf  nach  den  ersten  blutigen  Auftritten  stark  bezweifelt  werden. 

Schutzherrschaft.  Der  leidenschaftliche  Eifer,  mit  welchem  Spanien,  fast  kriegs- 
lustig, wenn  auch  nicht  kriegsbereit,  für  die  Carolinen  und  seine  angeblichen  Rechte 
auf  dieselben  eintraft,  hielt  nicht  lange  vor.  Im  December  1885  Vertrags  massig  im  Be- 
sitz dieser  neuen  Domäne,  erschien  doch  erst  am  15.  März  1887  ein  spanisches  Kriegs- 
schiff, von  Manila  her,  auf  Ponap^,  um  auf  dieser  grössten  Carolineninsel  die  Flagge 
zu  hissen  und  zugleich  eine  Colonie  zu  gründen.  Dies  geschah  in  sehr  einfacher  Weise, 
indem  man  die  amerikanische  Missionsstation  Kenan  ohne  Weiteres  annectirte  und  den 
protestirenden  Vorsteher,  Pator  Doane,  als  Gefangenen  nach  Manila  führte,  wo  er 
übrigens  von  dem  einsichtsvollen  Generalgouverneur  Don  Terrero  sofort  freigelassen 
wurde.  Inzwischen  hatten  die  neuen  Ansiedler,  35  Soldaten  nebst  einer  Anzahl  Sträflin- 
gen und  den  unvermeidlichen  Patres,  in  derselben  Weise  als  Eroberer  gehaust,  wie  dies 
die  Spanier  in  früheren  Jahrhunderten  bereits  zu  thun  pflegten.  Herausfordernd,  ohne 
Schonung  von  Eigenthum  und  Person,  trieben  sie  es  so  arg,  dass  selbst  die  friedfertigen 
und  nichts  weniger  als  kriegslustigen  Ponapesen,  die  bis  dahin  noch  nie  gegen  Weisse 
gekämpft  hatten,  zu  den  Waffen  griffen.  Kaum  drei  Monate  nach  der  Besitzergreifung, 
am  25.  Juli,  wurden  die  Spanier  überfallen  und  etliche  zwanzig  erschlagen,  darunter 
Se.  Excellenz  der  Gouverneur  Don  Posadillo.  Am  3i.  October  brachten  zwei  Kriegs- 
schiffe 600  Soldaten,  und  ein  schreckliches  Strafgericht  schien  zu  drohen.  •  Aber  der 
neue  Gouverneur  Don  Juan  de  la  Concha  war  ein  ebenso  besonnener  als  humaner 
Herr,  der  mit  Hilfe  der  sprachkundigen  amerikanischen  Missionäre  die  Sache  friedlich 
beilegte.  Darauf  herrschte  zwei  Jahre  anscheinend  Ruhe,  obwohl  es  im  Stillen  gährte. 
Denn  die  neuen  >Schutz«-Herren  führten  ein  System  der  Sclaverei  und  Besteuerung 
ein,  das  die  Eingeborenen,  wie  ehemals  ihre  Brüder,  die  Chamorros  der  Mariannen, 
nicht  zu  ertragen  vermochten.  Im  Jahre  1890  folgte  ein  allgemeiner  Aufstand,  der  zu 
mehreren  blutigen  Zusammenstössen  führte.  Dabei  verloren  die  Spanier,  welche  zu- 
letzt mit  drei  Kriegsschiffen  500  Mann  landeten,  über  160  Soldaten,  die  Eingeborenen 
viel  mehr,  denn  in  einem  Gefechte  sollen  allein  über  3oo  gefallen  sein.  Ua,  der  freund- 
liche Sitz  der  Mission,  war  dabei  bombardirt  und  wie  alle  Häuser  der  Eingeborenen 
niedergebrannt  worden,  so  dass  von  letzteren  selbst,  wenigstens  was  waffenfähige  Män- 
ner anbelangt,  überhaupt  wohl  nicht  viele  übrig  geblieben  sein  dürften.  Spanien  hat 
daher  an  dieser  neuen  Südseeperle  seiner  Krone  wenig  Freude  erlebt  und  die  Straf- 
expeditionen ihm  sicher  mehr  gekostet,  als  Ponap6  und  sämmtliche  Carolinen  jemals 
aufbringen  werden.  Am  unglücklichsten  sind  jedenfalls  die  Eingeborenen  selbst  weg- 
gekommen, die  ohne  Zweifel  noch  eine  zufriedene  und  glückliche  Existenz  führen 
würden,  wenn  sich  Se.  Heiligkeit  für  Deutschland  entschieden  hätte,  ohne  dass  dies  des- 
halb für  letzteres  ein  besonderes  Glück  gewesen  wäre. 


I.  Eingeborene. 

AeuSSerBS.  Die  anthropologische  Stellung  der  Bewohner  Ponapes  als  echte  Caro- 
linier,  respective  Oceanier  habe  ich  schon  früher  so  eingehend  erörtert,  dass  ich  hier 
auf  diese  Abhandlung  (S.  [488],  Nr.  2)  verweisen  muss.  Es  ist  aber  vielleicht  nicht  über- 


[49^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SQdsee.  237 

flüssig,  auch  an  dieser  Stelle  zu  wiederholen,  dass  die  Ponapesen  ebensowenig  eine 
Mischlingsrace  zwischen  Mongolen  (Chinesen)  und  Malayen  (nach  Rev.  Dämon)  sind, 
als  sie  zur  »Papuan  race«  (nach  Rev.  Doane)  gehören.    Durchaus  unhaltbar  erweisen 
sich  auch  Kubary*s  Thesen  bezüglich  der  Raceverschiedenheit  der  prähistorischen  und 
heutigen  Bewohner  Ponap^s:  >i.  Die  Steinbauten  sind  von  einer  der  heutigen  Ponap6- 
bevölkerung  verschiedenen  Race  aufgeführt«  und  »2.  Die  Erbauer  Nanmatals  gehörten 
zur  ^schwarzen  Race*  und  die  heutige  Bevölkerung  Ponapes  ist  eine  Mischlingsrace «- 
(1.  c.y  S.  i3i),  denn  wohl  selten  sind  so  bedeutungsvolle  Schlüsse  auf  ein  armseligeres 
Be\veismaterial  begründet  worden  als  in  diesem  Fälle.    Vier  Schädeldecken,  Überhaupt 
Alles  was  Kubary  an  Schädelfragmenten  in  den  sogenannten  Gräbern  der  Ruinen  fand, 
sollen  nämlich  »deutlich  zeigen,  dass  die  Schädel  dolichocephal  oder  doch  einer  ver- 
mittelnden Form  von  Kurz-  und  Langschädeln  entsprechend  waren«,  und  dies  wird 
auf  zwei  Schädelmessungen  begründet,  welche  Grössedifferenzen  von  11,  respective 
8  *  2  Mm.  (!!)  ergeben.  *)  Obwohl  diese  Zahlen  schon  die  Leichtfertigkeit  der  Hypothesen 
genügend  beweisen,  so  mag  doch  noch  angeführt  sein,  dass  die  Ruinenfunde  durchaus 
volle  Uebereinstimmung  mit  den  Arbeiten  der  heutigen  Carolinier  zeigen,  wie  auch 
ausserdem  derartige  Steinbauten  am  allerwenigsten  auf  melanesischen  Ursprung  schlies- 
sen  lassen  würden,    üebrigens  gab  Kubary  seinerzeit  mündlich  die  Unhaltbarkeit  seiner 
Schlüsse  zu  mit  dem  Bemerken,  dass  er  damals  überhaupt  nicht  verstand,  Schädel- 
formen zu  bestimmen,  was  gegenüber  solchen  Fragmenten  auch  wohl  kaum  dem  ge- 
wiegtesten Fachmanne  gelingen  dürfte.    Wenn  in  der  »Novara-Reise«  (S.  414)  auf  das 
häufige  Vorkommen  von  Mischlingen  zwischen  Weissen  und  Negern  mit  Eingeborenen 
hingewiesen  wird,  so  bezog  sich  dies  wohl  hauptsächlich  auf  Roankiti,  und  diese  Ver- 
hältnisse haben  sich  seitdem  sehr  verändert.    Damals  (1858)  lebten  allerdings  ziemlich 
viel,  im  Ganzen  circa  So  Weisse  auf  Ponape,  die  vielleicht  eine  hübsche  Anzahl  Bastarde 
erzeugt  haben  mochten,  wie  dies,  aber  immer  nur  sporadisch,  der  Fall  zu  sein  pflegt. 
So  bezeichnet  Doane  (1874)  die  geringe  Bevölkerung  der  kleinen  Ngatik- Atolls,  die  in 
Sprache  und  Aussehen  durchaus  Ponapesen  sind,  als  »gebleicht  von  weissem  Blute«. 
Aber  hier  handelt  es  sich  nur  um  circa  30—40  Eingeborene,  und  diese  Folgerungen 
lassen  sich  nicht  zugleich  auch  auf  Ponape  anwenden.    Denn,  wie  ich  bereits  in  meiner 
Abhandlung  nachwies  (S.  304),  waren  Mischlinge,  die  sich  übrigens  auf  den  ersten  Blick 
erkennen  lassen,  damals  selten.    Ueberdies  fallen  dieselben  bei  wiederholter  Kreuzung, 
schon  in  der  zweiten  oder  dritten  Generation,  in  die  ursprüngliche  Race  (Weisse  oder 
Eingeborene)  zurück,  so  dass,  bei  dem  geringen  Nachschub  fremden  Blutes,  eine  beson- 
dere Mischlingsrace  nicht  dauernd  entstehen  und  erhalten  bleiben  kann. 

Die  Ponapesen,  welche  Hochstetter  (1.  c,  S.  280)  sehr  treffend  in  ihrer  äusseren 
Erscheinung  skizzirt,  sind  im  Gänzen  kein  schöner  Menschenschlag,  wenn  es  auch  unter 
jungen  Mädchen,  namentlich  in  Bezug  auf  Wuchs  und  Büste,  sehr  anmuthige  Erschei- 
nungen gibt.  Das  schwarze  Haar  ist  meist  schlicht,  nicht  selten  aber  auch  mehr  oder 
minder  lockig  und  selbst  kräuslig.  Die  Männer  haben  sehr  häufig  deshalb  ein  weibisches 
Aussehen,  weil  sie  die  Barthaare  ausraufen,  so  dass  sich  selbst  in  älteren  Jahren  nur  ein 
spärlicher  Bartwuchs  entwickelt.  Ausgezeichnete  Typen  von  Ponapesen  sind  Kubary's 
photographische  Aufnahmen  (in*.  »Anthropol.  Album  des  Museum  Godeffroy«,  Taf.  25 


I)  »Ausgegrabene  Schädel:  Länge  181  Mm.,  Breite  127  Mm.  Heutige  native  Schädel:  Länge 
170  Mm.,  Breite  lis^h  ^^'  (^*  ^-i  ^'  i3i).<  Die  Masse  von  9  Schädeln  heutiger  Ponapesen,  die  Dr. 
Krause,  mit  Ausnahme  eines  einzigen,  als  »dolichocephal«  bezeichnet,  schwanken  in  der  Länge  von 
170 — 189  Mm.,  in  der  Breite  von  125 — 135  Mm.  (Kat.  M.  G.,  S.  654  und  655). 


238  I^r.  O.  Finsch.  [494] 

bis  27)9  besonders  aber  meine  Gesichtsmasken  von  drei  Männern  und  drei  Frauen,  nach 
Lebenden  abgegossen  (»Anthropol.  Ergebn.«,  S.  19). 

Die  bekannten  Hautkrankheiten  (Ichthyosis  und  Psoriasis)  sind  auf  Ponape  sehr 
verbreitet  und  tragen  nicht  eben  zur  Verschönerung  der  Eingeborenen  bei. 

Sprache.  Dieselbe  ist  eigenthümlich  und  wird  nur  noch  auf  den  kleinen  Atollen 
Pakin,  Andema  und  Ngatik  gesprochen.  Die  »NoVara-Reise«  enthält  in  Beilage  III  ein 
kurzes  Vocabular  (circa  160  Wörter),  welches  indess  sehr  revisionsbedürftig  scheint, 
immerhin  aber  als  einziges  Anerkennung  verdient.  Durch  den  früheren  regen  Verkehr 
mit  Walfisch fahrern  hat  sich  übrigens  Englisch  Eingang  verschafft,  und  in  den  Hafen- 
gebieten verstehen  viele  Eingeborene  mehr  oder  minder  in  dieser  Sprache  zu  radbrechen. 

Charakter  und  Moral,  Die  freundliche  Aufnahme,  welche  die  ersten  weggelaufe- 
nen Seeleute  schon  im  Anfang  der  Dreissigerjahre  auf  Ponape  fanden,  führte  der  Insel 
nach  und  nach  mehr  zweifelhafte  und  bedenkliche  Elemente  zu,  so  dass  dieselbe  bald 
den  Ruf  als  »beachcombers  paradise«  erlangte  und  für  nahezu  ein  Vierteljahrhundert 
behauptete.  Cheyne,  der  die  Eingeborenen  »im  Allgemeinen  als  gutmüthig,  gefällig, 
ausserordentlich  gastfrei,  sogar  als  redlich«  schildert,  weist  aber  auch  bereits  auf  die 
schädlichen  und  demoralisirenden  Einflüsse  dieser  weissen  Gäste  hin,  welche  sich  be- 
reits in  den  Vierzigerjahren  bemerkbar  machten.  Schon  damals  war  durch  solche  Ver- 
treter der  Civilisation  die  Kunst  der  Bereitung  von  »saurem  Toddyc  eingeführt  worden, 
jenes  Schnapssurrogates,  das  wir  bereits  auf  den  Gilbert-Inseln  kennen  lernten  (S.  26 
[294]  und  50  [32o]).  Seitdem  haben  die  Eingeborenen  in  dieser  Richtung  weitere  in- 
telligente Lehrmeister  erhalten,  denn  der  aus  Palmsaft  gebrannte  Schnaps,  welchen  ich 
1880  kostete,  war  gewiss  keine  Erfindung  Eingeborener.  Die  Letzteren  werden  daher 
im  Ganzen  wenig  Nützliches  von  jenen  Europäern  gelernt  haben,  welche  damals  bluts- 
verwandt, meist  als  »weisse  Kanakas«  unter  ihnen  lebten.  Einige  solcher  alter  Vetera- 
nen traf  ich  noch  im  Gefolge  des  Idschiban  von  Metalanim,  zu  dessen  Hofstaate  sie 
gehörten  und  deren  Auftreten,  um  die  milde  Form  der  »Novara« -Reisenden  zu  wieder- 
holen, »nicht  auf  ein  tadelloses  Vorleben  schliessen  Hess«.  Die  Zeiten,  wo  jeder  an- 
gesehenere Häuptling  sich  aus  purer  Eitelkeit  einen  »Hausweissen«  hielt,  waren  ebenso 
vorbei  als  jene  goldenen  des  Walfischfanges.  Damals  konnte  jeder  verlaufene  und  ver- 
lotterte Weisse  alias  »beachcomber«  mühelos  ein  sorgenfreies  Leben  führen,  jetzt  war 
dies  weit  schwieriger  und  nur  noch  wenige  solcher  fragwürdigen  Existenzen  auf  der 
Insel  vorhanden.  Hat  der  Verkehr  mit  meist  notorischen  Weissen  jedenfalls  erst  Trunk- 
sucht eingeführt  und  Prostitution  zur  Blüthe  gebracht,  so  waren  die  Eingeborenen  doch 
auch  vorher  nie  durch  besondere  Tugenden  ausgezeichnet,  wie  die  meisten  Kanakas. 
Kubary,  der  Anfangs  der  Siebzigerjahre  die  guten  Eigenschaften  der  Ponapesen  sehr 
hervorhebt  (1.  c,  Heft  VIII,  S.  i3o),  bezeichnete  mir  dieselben,  auf  Grund  eingehender 
Erfahrungen,  als  die  miserabelsten  aller  Carolinier.  Ich  selbst  fand  ihr  Wesen  bei 
Weitem  minder  ansprechend  als  das  der  kindlichen  Kuschaier  und  lernte  in  kurzer 
Zeit  Indolenz,  Trägheit,  Gewinnsucht  und  Unsauberkeit  als  wenig  angenehme  Eigen- 
schaften kennen.  Die  vielgepriesene  mikronesische  Reinlichkeit  ist  jedenfalls  auf  Po- 
nap^  am  geringsten  heimisch,  obwohl,  wie  in  gewissen  Gegenden  Neu-Guineas  (vgl. 
»Samoafahrten«,  S.  235),  ein  Badeschwamm  gleichsam  zu  dem  Necessair  des  weiblichen 
Geschlechts  gehört.  Namentlich  bei  Visiten  auf  Schiffen  pflegen  Mädchen  stets  einen 
Schwamm  unter  dem  Arme  mitzuführen,  über  dessen  Gebrauch  die  Mittheilungen 
meines  Gewährsmannes  (1.  c,  S.  3 18)  belehren.  Durch  Einschmieren  mit  Curcuma 
wird  der  ohnehin  ziemlich  bemerkbare  Geruch,  welchen  Eingeborene  fast  immer  in 
Folge  von  Hautausdünstung  und  ranzigem  Cocosöl  verbreiten,  bei  Ponapesen  wesent- 


[495]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SGdsee.  289 

lieh  und  nicht  gerade  angenehm  erhöht.  Lästige  Parasiten  gelten  als  Leckerbissen,  und 
die  königlichen  Frauen  verschmähten  auch  die  auf  ihren  Schooss-  und  Masthunden 
zahlreich  lebenden  Flöhe  keineswegs,  die  übrigens  auch  bei  Papuas  beliebt  sind. 

Das  Lob  der  Ehrlichkeit,  welches  Kubary  mit  den  Worten  formulirt:  »Stehlen 
kennt  man  nicht«,  wird  durch  den  Nachsatz:  »weil  es  nichts  zu  stehlen  gibt«  bedeutend 
abgeschwächt,  die  Meisterschaft  im  Lügen  schon  von  den  »Novara« -Reisenden  er- 
wähnt. 

Gastfreundschaft  haben  wir  auf  Ponap6  nicht  erfahren,  denn  für  jede  Gabe  er- 
wartete man  ein  grösseres  Gegengeschenk,  ja  erkundigte  sich  wohl  gleich  nach  dem 
Werthe  desselben  in  Dollars,  wie  z.  B.  der  Idschibau,  obwohl  uns  derselbe  auch  nicht  eine 
Cocosnuss  geschenkt  hatte.  Uebrigens  waren  die  Eingeborenen  nicht  bettelhaft,  und 
wir  wurden  nie  von  ihnen  belästigt.  Dass,  wie  in  ganz  Mikronesien,  auch  auf  Ponap^ 
Keuschheit  und  Tugend  keinen  Werth  haben  und  eigentlich  unbekannt  sind,  braucht 
wohl  nicht  erst  erwähnt  zu  werden.  Während  aber  auf  den  Marshalls  die  Häuptlinge 
mit  den  Reizen  der  Töchter  von  Untergebenen  Handel  treiben,  thun  dies  auf  Ponap6 
die  Väter,  die  sich  auf  diese  Weise  bei  Ankunft  eines  Schiffes  leichten  Verdienst  machen. 
Uebrigens  geschieht  Alles  ohne  Zudringlichkeiten,  nicht  einmal  indecente  Geberden 
und  Gesten  sind  zu  bemerken,  und  Chamisso  hätte  vermuthlich  auch  diese  braunen 
Mädchen  für  so  unschuldig  und  züchtig  gehalten  als  seinerzeit  die  Ratakerinnen.  Aeus- 
serlich  bemerkt  man  also  nichts  von  dem  Triebe  zur  Sinnlichkeit,  wie  er  gerade  bei 
diesem  Volke  so  stark  entwickelt  zu  sein  scheint.  Wenigstens  weisen  die  raffinirtesten 
Lüste*)  des  Geschlechtsverkehres  daraufhin,  wie  ich  dieselben  (»Bewohner  von  Po- 
nap^c,  S.  3 16)  nach  Kubary's  mündlichen  Nachrichten  mittheilte,  und  die  jedenfalls 
auch  schon  vor  Ankunft  Weisser  geübt  wurden. 

An  dieser  Stelle  wird  auch  jene  unnatürliche  Selbstverstümmelung  der  Männer 
zuerst  beschrieben,  welche,  am  engsten  mit  dem  Geschlechtsleben  zusammenhängend, 
hier  eingereiht  sein  mag.  Matrosen,  die  lange  auf  Ponap6  ansässig  waren,  erzählten  mir, 
als  ich  diese  Insel  bereits  verlassen  hatte,  dass  fast  alle  Männer  den  linken  Hoden  exstir- 
piren,  und  zwar  dass  häufig  schon  Knaben  diese  sehr  schmerzhafte  Operation  mit  einem 
Stück  geschärften  Bambu  gegenseitig  aneinander  ausführen.  Ursache  dieser  Selbstver- 
stümmelung ist  die  Ansicht,  dass  man  dadurch  der  sonst  auf  Ponap^  nicht  selten  auf- 
tretenden Elephantiasis  der  Testikel  (auf  Samoa  Fef6  genannt)  vorbeugt,  ganz  besonders 
aber  weil  die  Frauen  dies  verlangen,  da  der  Geschlechtsgenuss  mit  einem  einhodigen 
Manne  andauernder  und  höher  sein  soll.  Aus  diesem  Grunde  müssen  sich  zuweilen 
noch  Männer  in  vorgerückteren  Jahren  zu  der  Operation  bequemen,  weil  sie  sonst  von 
den  Frauen  verächtlich  abgewiesen  werden.  Kubary  hat  seitdem  diesen  heiklen  Brauch, 
»Kopatsch«  (=  Schmuck  im  allgemeinen  Sinne),  als  »eigentliche  Volkssitte«  in  seinem 
ganzen  Umfange  bestätigt  und  zugleich  die  Operation,  welche  an  kein  bestimmtes 
Lebensalter  gebunden  ist  und  die  Zeugungsfähigkeit  nicht  beeinträchtigt,  eingehend 
beschrieben  (in:  Joest,  »Tätowiren«,  S.  91).  Nach  ihm  wird  stets  der  linke  Hoden 
entfernt  und  die  Sitte  einzeln  auch  auf  Samoa  (hier  »Pua«  genannt)  geübt.  Dieselbe 
ist  übrigens  auf  Niutabutabu,  einer  der  Freundschafts-Inseln,  ebenso  allgemein  ver- 
breitet als  auf  Ponape,  dieser  Insel  also  nicht  eigenthümlich  (vgl.  »Bewohner  Ponapds«, 
S.  3i6,  Anm.). 

«)  Hierher  gehört  unter  Anderem  die  künstliche  Verlängerung  der  Nymphen  durch  Saugen, 
eine  Sitte,  die  Kubary  »auf  sämmtlichen  von  ihm  besuchten  Inseln  der  Südsec  gefunden  haben  will 
(>£thnol.  Beitr.,  I,  S.  88),  was  ich  indess  stark  bezweifeln  möchte,  wenn  ich  mir  auch  aus  Mangel  an 
eigener  Erfahrung  kein  positives  Urtheil  erlauben  darf. 


240  Dr.  O.  Finsch.  [496] 

In  der  eben  citirten  Abhandlung  habe  ich  auch  im  Uebrigen  meine  Beobachtungen 
über  die  Charaktereigenschaften  der  Ponapesen  niedergelegt,  die  im  Ganzen  den  Ein- 
druck eines  wenig  lebhafteui  aber  harmlosen  und  friedfertigen  Völkchens  machten. 


II.  Sitten  und  Gebräuche. 

(Sociales  und  geistiges  Leben.) 

Da  die  meisten  ansässigen  Weissen  mit  den  Eingeborenen  und  so  wie  diese 
lebten,  die  Mission  aber  im  Ganzen  keinen  reformirenden  Einfluss  ausübte,  so  herrschte 
zu  meiner  Zeit  noch  ziemliche  Originalität,  und  von  den  alten  Sitten  und  Gebräuchen 
war  im  Ganzen  wenig  verwischt  worden. 

/.  Sociale  Zustände. 

Stämme  und  Stände.  Staatlich  zerfällt  Ponap^  in  fünf  Districte:  Jokoits,  Nut 
(Ahuak,  Awuak),  Uu  (Ou),  Metalanim  und  Roankiti  (letzterer  nach  Kubary  in  das 
eigentliche  Kiti  und  Wana  oder  Whana),  deren  Bewohner,  nach  Kubary,  früher  (noch 
vor  40  Jahren)  unter  einer  Anzahl  grösserer  Häuptlinge  standen.  Die  »Novarac- Reisen- 
den erwähnen  Könige  (Nanamariki),  Minister  (Nanikan),  grosse  Häuptlinge  (Tschobiti 
lappilap),  Häuptlinge  (Tschobiti),  Adelige  (Talk)  mit  besonderen,  seltsam  klingenden 
Titeln,  und  Arbeiter  oder  Sclaven  (?)  (Aramas  a  mal).')  Diese  vielstufige  Ständeein- 
theilung  dürfte  wohl  aber  ebensowenig  factisch  bestehen  oder  bestanden  haben  als  jene, 
welche  Bastian  anführt,  und  die  ausser  Königen  (Nanikon),  Adel  (Aroch),  grossen 
Häuptlingen  (Munga),  niederen  Häuptlingen  (Cherizo)  und  Gemeinen  auch  noch  Prie- 
ster (Ediomet)  unterscheidet.   Mar6  =  Häuptling  und  =  Halsschmuck  (K.). 

Nach  Kubary  besteht  auf  Ponap6  »die  ursprüngliche  Eintheilung  in  Stämme  (Tip) 
noch  in  voller  Kraft«,  da  deren  Zahl  aber  22  beträgt,  bei  der  geringen  Bevölkerung 
also  kaum  140  Köpfe  auf  je  einen  Stamm  kommen,  so  dürfte  die  Bedeutung  derselben 
keine  grosse  sein.  In  der  That  ist  der  »Boden  der  Insel«,  nach  demselben  Bericht- 
erstatter, nur  unter  vier  Stämme  vertheilt,  und  zwar  i.  Jou  en  Kowat  (Jonkowat)  in 
Jokoits  und  Nut  (unter  einem  obersten  Häuptlinge,  der.  den  Titel  Nanemoreke  führt), 
2.  Tipuneman  Con^ol  in  Whana  (Roankiti,  unter  dem  »Wuajay«),  3.  Tipunebanemay 
in  Metalanim  (unter  dem  »Took«)  und  4.  Lajigalap  in  Uu  (unter  dem  »Nooj«).  Die 
obigen,  »auf  allen  vier  Hauptplätzen  identischen  Häuptlingstitel  besitzt  nur  der  herr- 
schende Stamm«,  fährt  Kubary  fort,  erwähnt  aber  an  anderer  Stelle,  ausser  dem  »Lap 
en  Nut«,  König  des  Nut-Districts,  noch  den  »Nanmaraki«,  Häuptling  des  Stammes  Jan- 
kowat,  und  auch  einen  »Nanekin  en  Jokoits,  Häuptling  der  Tupulaps«.  Bezüglich  des 
letzteren  zweitgrössten  Häuptlings  sagt  Kubary  (a.  a.  O.)  ausserdem,  dass  er  »immer 
das  Oberhaupt  des  zweitwichtigsten  fremden  Stammes  ist,  mit  dessen  Frauen  der  herr- 
schende Stamm  seine  künftigen  Häuptlinge  erzeugt«,  und  gibt  damit  zugleich  einen 
Wink  für  die  Vererbung  der  Häuptlingswürde. 

Nach  meinen  Erkundigungen  herrscht  auch  auf  Ponap^  der  Brauch,  dass  der  Rang 
nach  der  Mutter  vererbt  und  nicht  nach  dem  Vater.    Damals  gab  es  fünf  grosse  Häupt- 


»)  Die   meisten  Eingeborenen-Benennungen   sind    dem  Vocabular  der  »Novara- Reise«  entnom- 
men, über  dessen  Richtigkeit  ich  kein  Unheil  habe. 


[497]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  24 1 

linge  oder  sogenannte  Könige,  und  zwar  nach  Rang  und  Machtstellung  folgende:  den 
»Idschibau  von  Metalanim,  den  »Nanmareki«  von  Jokoits  und  drei  »Nanigän«  (Nani- 
kin)  von  Nut,  Uu  (Ou)  und  Roankiti.  Wie  auf  Kuschai  darf  mit  Antritt  der  Würde  der 
Träger  derselben  nur  noch  mit  dem  betreffenden  Titel  angesprochen  werden,  und  auch 
andere,  selbst  weibliche  Glieder  hoher  Häuptlingsfamilien  führen  solche  Titulareigen- 
namen.  So  hiess  z.  B.  die  eine  der  ältesten  Töchter  des  Nanmareki  von  Jokoits  eigent- 
lich »Amenut«,  durfte  aber  nur  bei  ihrem  Titel  »Aunepon«  genannt  werden.  Diese 
»Prinzessin«,  übrigens  eine  hübsche  Person,  nahm  nicht  den  geringsten  Anstand,  gegen 
Zahlung  von  einem  Dollar  und  etlicher  Stücke  Tabak  ihre  besonders  reiche  Tätowirung, 
auch  an  den  geheimsten  Theilen,  abzeichnen  zu  lassen. 

Den  Nanikin  von  Roankiti  lernten  die  »Novara« -Reisenden  als  einen  nicht  gerade 
sehr  mächtigen  Herrscher  kennen.  Zu  Kubary's  Zeiten  (1873/74)  bekleidete  ein  jäh- 
zorniger und  gewaltthätiger  Mann  die  Nanikin-Würde.  Unter  Anderem  steckte  er  eines 
Tages  die  neuerbaute  Missionskirche,  worunter  selbstredend  nur  ein  stallartiger  Bau  aus 
eingeborenem  Material  zu  verstehen  ist,  in  Brand  und  erstach  eine  seiner  Frauen  wegen 
angeblicher  Untreue.  Eine  derartige  Bestrafung  durfte  sich  aber  auch  nur  ein  so  hoch- 
gestellter Herr  erlauben,  im  Allgemeinen  kann  sie  aber  nicht  als  gesetzliche  Regel 
gelten. 

Von  den  zwei  höchsten  Machthabern,  welche  wir  kennen  lernten,  war  der  Idschi- 
bau  jedenfalls  der  grösste,  aber  sie  wurden  von  den  Eingeborenen  längst  nicht  mit  der 
Unterwürfigkeit  behandelt,  wie  ich  sie  auf  Kuschai  dem  Tokoscha  gegenüber  so  auf- 
fallend bemerkte,  wenn  es  auch  an  gewissem  Ceremoniell  in  den  Umgangsformen  nicht 
fehlte.  Dass  sich  Häuptlinge  äusserlich  in  keiner  Weise  unterscheiden,  ausser  vielleicht 
bei  besonderen  festlichen  Gelegenheiten  durch  bessere  europäische  Kleidungsstücke, 
mag  nur  nebenbei  bemerkt  sein.  So  war  der  Idschibau  im  Faserrock  und  goldgestickten 
englischen  Uniformsfrack  eine  gar  komische  Erscheinung. 

Nach  Kubary  gehört  der  Boden  den  Häuptlingen,  die  ihn  den  gewöhnlichen 
Leuten  zur  Bebauung  überlassen  und  dafür  von  Zeit  zu  Zeit  Lebensmittel  erhalten,  so- 
wie den  Hauptantheil  von  Fischereien  und  vom  Schildkröten  fang,  wie  er  früher  noch 
ergiebig  war.  Solche  Tributzahlungen  eines  Häuptlings  an  einen  höher  gestellten  sind 
Veranlassung  zu  Festivitäten  und  gehören  nach  Kubary  mit  zum  politischen  Leben. 
»Der  oberste  Häuptling  macht  einmal  im  Jahre  die  Runde  bei  allen  seinen  Häuptlingen, 
und  diese  thun  wieder  dasselbe  bei  ihren  Untergebenen,  wo  sie  überall  gastlich  und  fest- 
lich empfangen  werden.  Die  Vorbereitungen  und  Theilnahme  an  diesen  Festivitäten 
füllen  die  Hauptzeit  des  Lebens  der  Eingeborenen  aus.«  Hierbei  mag  bemerkt  sein, 
dass  dieser  Charakterzug  der  Ponapesen  vorzugsweise  in  Schmausereien  Ausdruck 
findet,  wobei  jedoch  die  Bewohner  der  verschiedenen  Districte  nicht  in  Verkehr  treten, 
deren  Herrscher  sich  vielmehr  möglichst  zu  vermeiden  suchen.  Wir  selbst  hatten  am 
besten  Gelegenheit,  dies  bei  dem  Besuche  zu  beobachten,  welchen  der  Idschibau  von 
Metalanim  an  Bord  der  »Franziska«  machte,  ein  Ereigniss,  das,  nach  Kubary,  unerhört 
und  einzig  in  der  Geschichte  Ponap^s  dastand,  denn  »seit  100  Jahren«  hatte  keiner  der 
beiden  höchsten  Rivalen  nachbarliches  Gebiet  betreten.  Nach  ponapesischer  Sitte  muss 
bei  solcher  Gelegenheit  zu  Ehren  des  hohen  Gastes  und  seines  Gefolges  eine  grosse 
Esserei  gegeben  werden.  In  der  That  erschien  in  diesem  Falle  auch  bald  der  Nanma- 
reki von  Jokoits  mit  seiner  Canufiotte,  um  seinen  CoUegen  Idschibau  einzuladen,  der 
aber  vorher  die  Flucht  ergriff,  wie  ich  dies  (»Hamburger  Nachrichten«,  10.  September 
1880)  ausführlich  beschrieben  habe  (siehe  auch:  Hernsheim,  »Südsee- Erinnerungen«, 
S.  71).    Eine  solche  Gasterei  muss  nämlich  innerhalb  einer  gewissen  Zeit,  ich  glaube 


242  Dr.  O.  Finsch.  [498] 

einen  Monat,  in  grösserem  Massstabe  erwidert  werden,  und  dazu  war  der  Idschibau 
damals  nicht  in  der  Lage. 

Ueber  die  Erbfolge  habe  ich  nichts  erfahren.  Aber  Kubary  erwähnt  einer  eigen- 
thüralichen  Sitte  (»Ottöck  genannt).  »Bei  dem  Tode  des  Oberhäuptlings  oder  dessen 
nächsten  Häuptling  findet  unter  gewissen  Umständen  eine  Beraubung  des  Verstorbenen 
wie  auch  des  ganzen  Landes  statt.  Am  Sterbetage  haben  die  Eingeborenen  das  Recht, 
Schweine,  Hunde,  Kawapflanzen  oder  alles  Bewegliche  zu  nehmen.  Kommt  aber  ein 
entfernter  Stamm  mit  seinen  Häuptlingen,  um  zu  weinen,  so  dürfen  die  Ankömmlinge 
von  dem  ganzen  Lande  Alles,  was  sich  bietet,  nehmen,  ein  Brauch,  der  früher  zwischen 
Jokoits  und  Roankiti  herrschte.«  Das  mag  allerdings  schon  sehr  lange  her  sein  und 
kann  für  das  Leben  der  heutigen  Bewohner  Ponap^s  gestrichen  werden. 

Verbote  =  Tabusitte  herrscht  auch  auf  Ponape  und  heisst  hier  »inäpwi«  (Kubary). 


2.  Stellung  der  Frauen. 

Das  weibliche  Geschlecht  erfreut  sich  im  Ganzen  einer  guten  Behandlung,  wenn 
auch,  wie  überall,  Fälle  vorkommen,  dass  der  Mann  seine  Frau,  respective  Plauen 
prügelt,  wie  dies  z.  B.  dem  Nanmareki  von  Jokoits  nachgesagt  wurde,  wenn  er  betrun- 
ken war.  Die  Frauen  beschäftigen  sich  hauptsächlich  im  Hause,  namentlich  mit 
Nähen  von  Matten  aus  PawdawM5-Blattstreifen  (Nr.  197),  die  einen  kleinen  Handels- 
artikel bilden,  haben  aber  auch,  wie  überall,  am  Plantagenbau  (Reinigen  von  Gestrüpp 
und  Unkraut  etc.)  theilzunehmen.  Nach  der  »Novara-Reise«  tragen  aber  die  Männer 
die  Naturproducte  der  Pflanzungen  nach  Hause,  was  sonst  meist  Frauenarbeit  ist, 
und  besorgen  sogar  das  Kochen.  Letztere  Angabe  ist  nur  bedingt  richtig,  denn  wie 
überall  in  der  Südsee  sind  auch  hier  beide  Geschlechter  in  der  Kochkunst  gleich  be- 
wandert. 

Unbeschränkt  von  Sittengesetzen  können  sich  Mädchen  ganz  ihren  Neigungen, 
allerdings  häufig  zum  Nutzen  ihrer  Eltern,  hingeben,  dagegen  wird  Frauen  eheliche 
Treue  nachgerühmt  und  Ehebruch  (nach  Kubary)  mit  dem  Tode  bestraft,  indess  nur 
ausnahmsweise. 

Ueber  besondere  HeiratsgebräuChe,  ausser  den  üblichen  Schmausereien,  habe  ich 
nichts  erfahren;  nach  den  Angaben  in  der  »Novara-Reise«  hat  der  Bräutigam  dem  Vater 
seiner  Auserwählten  Geschenke  zu  machen,  deren  Annahme  als  Zusag;e  gilt. 

Die  Ehe  ist  polygamisch,  d.  h.  jeder  kann  so  viel  Frauen  nehmen,  als  er  zu  ernähren 
vermag,  weshalb  sich  nur  grosse  Häuptlinge  einen  solchen  Luxus  erlauben,  wie  z.  B. 
der  Nanmareki  von  Jokoits,  dessen  neun  Frauen,  gerade  keine  Schönheiten,  ich  selbst 
kennen  lernte.  Im  Allgemeinen  herrscht  daher  wohl  Monogamie.  Die  erste  Frau,  aus 
Häuptlingsblut,  gilt  übrigens  als  Hauptfrau  und  deren  Kinder  als  erbberechtigt.  Nach 
den  Erkundigungen  der  »Novara« -Reisenden  muss  der  Witwer  beim  Tode  der  Frau 
deren  Schwester  heiraten,  wie  umgekehrt  die  Witwe  ihren  Schwager,  was  indess  nur  in 
Häuptlingsfamilien  gilt.  Die  Ehe  ist  leicht  zu  lösen,  indem  der  Mann  seine  Frau  einfach 
ihren  Angehörigen  zurückschickt,  aber  Häuptlingsfrauen,  die  ihren  Mann  verlassen, 
dürfen  keine  neue  Ehe  eingehen,  wohl  aber  ihre  Gunst  irgend  einem  Anderen  schenken. 
Wie  auf  den  Marshalls  kann  übrigens  ein  Mann  von  geringer  Herkunft  durch  Heirat 
mit  einer  Häuptlingstochter  zu  dieser  Würde  gelangen.  Kinderliebe  ist,  wie  bei  allen 
Südseevölkern,  auch  bei  den  iPonapesen  sehr  ausgeprägt  und  die  Jugend  uneinge- 
schränkt in  ihren  Freiheiten. 


[jgg]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  243 


3.  Vergnügungen. 

Wie  bereits  im  Vorhergehenden  bemerkt,  gehören  nach  Kubary  Festlichkeiten 
mit  zu  den  Hauptbeschäftigungen  der  Ponapesen,  die  damit  den  Haupttheil  ihres 
Lebens  verbringen,  wenn  dies  gewiss  auch  nicht  wörtlich  zu  nehmen  ist.  Im  Gegensatz 
zu  den  Marsh  all- Inseln,  wo  sogenannte  Tänze  die  Hauptsache  sind,  handelt  es  sich  auf 
dem  an  Lebensmitteln  reichen  Ponap6  in  erster  Linie  um  Gastereien,  respective  Schmau- 
sereien, bei  denen  Hundebraten  nicht  fehlen  darf.  Gewöhnlich  finden  bei  derartigen 
Festivitäten  auch  Tanzaufführungen  statt,  die  namentlich  von  jungen  Leuten  beiderlei 
Geschlechts  auch  in  Vollmondnächten  als  besondere  Belustigung  beliebt  sind.  Dieses 
»Wandeln  unterm  Mond«,  wie  es  nach  Kubary  auf  Pelau  genannt  wird,  dient  selbst- 
redend nebenbei  zu  allerlei  Liebesaffairen,  die  nicht  selten  zu  Heiraten  führen.  Nach 
den  »Novara«-Reisenden,  die,  wie  es  scheint,  Augenzeugen  waren,  sind  die  ponapesi- 
schen  Tänze  durchaus  decent  und  bestehen  hauptsächlich  in  Stampfen,  mit  den  Füssen 
und  »graciösen«  Bewegungen  der  Arme  und  des  Oberkörpers,  wobei  mit  den  Händen 
geklatscht  wird.  Bemerkenswerth  ist,  dass  beide  Geschlechter  an  den  Tänzen  theil- 
nehmen,  und  zwar  junge  Burschen  und  Mädchen  je  in  einer  langen  Reihe  sich  einander 
gegenüberstehend  (»Novara-Reise«,  S.  419).  Kubary  gedenkt  dieser  Tänze  ebenso- 
wenig als 

Musikinstrumente,  unter  denen  die  hölzerne  Trommel  deshalb  ethnologisch  von 
besonderem  Interesse  ist,  weil  sie  in  ganz  Mikronesien  sonst  nur  noch  auf  den  Marshall- 
Inseln  vorkommt  und  in  der  Form  ganz  mit  der  »Adscha«  der  letzteren  (F'ig.  17,  S.  i32 
[388])  übereinstimmt.  In  der  That  unterscheidet  sich  die  hölzerne,  an  der  oberen  schmä- 
leren Oeffnung  mit  Magenhaut  von  Haifisch  bespannte  Trommel,  welche  ich  vom  Nan- 
mareki  von  Jokoits  kaufte,  von  marshallanischen  nur  durch  bedeutendere  Grösse  (Länge 
1-36  M.,  Durchmesser  unten  3i  Cm.).  Da  ich  nur  dies  eine  Exemplar  sah  und  Kubary 
weder  von  Ponap^,  noch  sonst  aus  den  Carolinen  Trommeln  erwähnt,  so  entstand 
später  Verdacht  in  mir,  der  Nanmareki  könne  mir  eine  zufällig  von  den  Marshalls  er- 
langte Trommel  untergeschoben  haben.  Die  »Novara«-Reisenden  beschreiben  aber 
ganz  übereinstimmend  ebenfalls  Trommeln  (»Kadschang«)  von  Ponape,  die  sie  auch  in 
Benützung  sahen.  »Der  Trommler  sitzt  mit  über  das  Kreuz  geschlagenen  Beinen  auf 
dem  Boden  und  begleitet  die  Trommelschläge  mit  eigenthümlichen  Gesangsweisen. 
Die  Trommel  wird  mit  den  Fingern  der  rechten  Hand  geschlagen,  während  das  Instru- 
ment auf  der  linken  Seite  ruht«  (S.  420).  In  demselben  Werke  wird  bereits  die  Nasen- 
flöte*) erwähnt,  von  welcher  ich  Exemplare  durch  Kubary  erhielt.  Ein  solches  Instru- 
ment besteht  aus  einem  circa  60  Cm.  langen  Stück  Bamburohr  (20  Mm.  im  Durchmesser), 
das,  mit  symmetrischen  Figuren  in  Querringen  und  Sternen  bestehend,  in  Brandmalerei 
verziert  ist.  Schalllöcher  zum  Fingern,  welche  in  der  »Novara-Reisec  erwähnt  werden, 
fehlten,  auch  wird  das  Instrument  nicht  geblasen,  indem  man  es  >in  das  Nasenloch 
steckt«,  sondern  man  hält  das  eine  Ende  der  Röhre  an  das  eine  Nasenloch,  bläst  hinein 
und  sucht  durch  Drücken  und  Zuhalten  des  anderen  verschiedenartig  modulirte  Töne 
hervorzubringen,  die  sich  zu  keiner  eigentlichen  Melodie  gruppiren  und  überdies  sehr 
schwach  sind.  Aus  diesem  Grunde  dient  die  Nasenflöte  auch  nicht  zur  Begleitung  der 
Tänze,  respective  Gesänge,  sondern  dazu  nur  die  Trommel. 


t)  Dieses  Instrument  ist  auch  in  Melanesien  gebräuchlich  (Neu-Guinea,  11,  S.  122),   wie   früher 
auf  Tahiti  (Gill:  »Life  in  the  Southern  Islesc,  S.  205,  Fig.  i)  und  Tonga  (Kat.  M.  G.,  S.  195). 


244  ^^-  ^'  ^^^^^'  [500] 

» 

Muscheltrorapeten  (aus  Tritonium)^  früher  das  übliche  Instrument  zum  Signal- 
blasen,  wurden  zu  meiner  Zeit  wenig  mehr  gebraucht. 

Tanzgeräth  und  Schmuck.  Von  ersterem  erhielt  ich  nur  das  folgende  eigenthum- 
liche  Geräth : 

Tanzpaddel  (Taf.  V  [22],  Fig.  12),  ruderförmigcs,  circa  58 — 84  Cm.  langes,  an 
der  Basis  17 — 18  Cm.  breites  flaches  Blatt,  mit  circa  47 — 58  Cm.  langem  runden  Stiele. 
Das  Blatt  ist  an  beiden  Seiten  mit  Schnitzerei  verziert;  die  schwarz  bemalten  Dreiecke 
sind  erhaben,  die  hellen  Zwischenräume  mit  vertieften  Querrillen  gearbeitet;  als  Ver- 
zierung dienen  kleine  Quasten  aus  Hibiscus-Fasery  die  durch  Löcher  längs  dem  Rande 
gesteckt  und  mit  rother  Wolle  festgebunden  sind.   Jokoits. 

Ich  erhielt  auch  Exemplare  mit  am  spitzen  Ende  zum  Theil  durchbrochener 
Arbeit.  Die  vertieften  Muster  sind  häufig  mit  Kalk  weiss  eingerieben.  Zweck  und 
Handhabung  dieses  Geräthes,  welche  ich  mir  zeigen  Hess,  sind  sehr  eigenthümlich. 
Es  wird  nämlich  mit  dem  geschlossenen  Daumen  und  Zeigefinger  der  Linken  lose  am 
Stiele  gehalten,  mit  der  Rechten  dagegen  so  ausserordentlich  schnell  gedreht,  dass  das 
Blatt  mit  seinen  Quasten  wie  ein  sich  schnell  bewegendes  Rad  aussieht.  Die  Kunst  be- 
steht nun  nicht  allein  darin,  das  Tanzpaddel  möglichst  rasch  zu  drehen,  sondern  auch 
verschiedene  abwechselnde  Figuren  hervorzubringen,  die  beiTheilnahme  einer  grösseren 
Anzahl  von  Tänzern  gewiss  recht  wirkungsvoll  sein  mögen. 

Die  Forscher  der  »Senjavin-Reise«,  welche  die  Bewohner  Ponap6s  nur  in  ihren 
Canus  kennen  lernten,  berichten,  mit  welcher  Lebhaftigkeit  sie  von  denselben  begrösst 
wurden.  Die  Leute  auf  der  Plattform  schrieen  unaufhörlich  und  tanzten  dazu.  Doch 
bestand  der  Tanz  hauptsächlich  »in  einer  fortwährenden  inneren  Erregung  und  vor- 
zugsweise waren  Arme  und  Finger  dabei  betheiligte.  Das  erinnert  lebhaft  an  die  soge- 
nannten Tänze  auf  den  Marshall- Inseln  (vgl.  S.  i33  [SSg]).  Posteis  hebt  übrigens  aus- 
drücklich die  staunenswerthe  Fertigkeit  hervor,  mit  welcher  einige  Tänzer  die  Ruder 
zu  drehen  verstanden,  die  in  diesem  Falle  also  statt  der  ganz  ähnlich  geformten  Tanz- 
paddel benützt  wurden. 

Die  im  Kat.  M.  G.  (S.  317,  Taf.  XXXI,  Fig.  3)  von  »Mortlock«  beschriebenen 
»Tanzattribute«  sind  solche  Tanzpaddel  und  unzweifelhaft  von  Ponap6,  wie  schon  die 
Verwendung  von  rother  Wolle  und  europäischen  Zeugstreifen  genügend  beweist.  Ein 
in  Form  und  Muster  sehr  abweichendes  Tanzpaddel  bildet  Edge-Partington  (Taf.  17S, 
Fig.  i)  angeblich  von  »Mortlock«  ab,  von  derselben  Localität  ein  anderes  (Taf.  179^ 
Fig.  2),  welches  sich  durch  das  doppelte  Blatt  (eines  an  jedem  Ende)  auszeichnet  und 
darin  mit  dem  »Tanzschmuck«  im  Kat.  M.G.  (S.  146,  Nr.  3509),  angeblich  von  »Pelau«, 
übereinstimmt.  Aber  Kubary  notirt  weder  von  letzterer  Insel,  noch  Mortlock  oder  sonst 
aus  den  Carolinen  ein  derartiges  Geräth,  das  demnach  für  Ponape  eigenthümlich  zu 
sein  scheint  (»vielleicht  auf  Pelau«,  S.  [277],  zu  streichen). 

Interessant  ist  das  Vorkommen  von  Tanzpaddels  im  fernen  Osten  Oceaniens,  und 
zwar  der  Osterinsel.  Nach  den  Abbildungen  von  Thomson  (1.  c,  PI.  LI II)  haben  diese 
Tanzpaddel  ebenfalls  an  jedem  Ende  ein  breites,  in  der  Form  aber  wesentlich  abwei- 
chendes breites  Blatt. 

Analoge,  in  der  Form  aber  sehr  verschiedene  Tanzpaddel  oder  Tanzkeulen  kom- 
men auch  in  Melanesien,  und  zwar  auf  den  Salomons  vor  (vgl.  Guppy,  »Dance-Qub  of 
Treasury  IsL«,  PI.  74,  Fig.  6  und  Kat.  M.  G.,  S.  52,  Nr.  3 182,  Taf.  VI,  Fig.  3,  angeblich 
von  »Neu-Irland«,  aber  jedenfalls  Salomons;  Buka).  Auch  auf  Fidschi  führen  die 
Männer  bei  gewissen  Tänzen  paddeiförmige  Keulen  in  der  Linken,  die  nichts  Anderes 
als  Tanzgeräthe  sind  (Wilkes,  III,  S.  216). 


fcoil  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sodsee.  245 

TanZSChmuck.  Ausser  dem  üblichen  Bemalen  mit  gelber  Farbe  (Curcuma) 
dienen  die  meisten  unter  modernem  Schmuck  erwähnten  Gegenstände  als  Festschmuck, 
als  besonderer  Tanzschmuck  aber  eine  Art  eigenthümlicher  Handmanschetten  aus 
Palmblatt  (s.  »Senjavin-Reise«,  PI.  24). 

Spiele.  Ich  habe  in  dieser  Richtung  keine  Erfahrungen  sammeln  können,  aber 
Kubary  erwähnt  in  seiner  Abhandlung  über  »die  socialen  Einrichtungen  der  Pelauer« 
beiläufig  einige  Belustigungen  von  Ponape.  Dazu  gehört  das  »Alajap«,  wo  zwei  Par- 
teien Männer  gegenseitig  ihre  Kräfte  erproben,  indem  sie  an  einem  langen  Stocke  oder 
an  den  Händen  eines  starken  Mannes  ziehen.  »Pator«  heisst  das  Ringen  zweier  Män- 
ner, das  auch  auf  Pelau  geübt  wird,  ebenso  wie  eine  Art  Ballspiel  (»Taptap«). "  Man 
bedient  sich  dazu  einer  Wuiafrucht  (Barringtonia  speciosa)  oder  einer  aufgeblasenen 
Schweinsblase,  die  in  die  Luft  geworfen  und  beständig  mit  Handschlägen  in  Bewegung 
gehalten  wird,  damit  sie  nicht  auf  die  Erde  fällt.  In  ganz  ähnlicher  Weise  bedienen  sich 
die  Kinder  an  der  Südostküste  Neu-Guineas  aufgeblasener  Fischblasen  (II,  S.  [124]). 
Das  nicht  näher  beschriebene  »Urur« -Spiel  von  Mortlock  ist  nach  Kubary  durch  Mis- 
sionszöglinge auf  Ponap^  eingeführt  worden. 

4.  Fehden  und  Waffen. 

Alle  Berichterstatter  schildern  die  Ponapesen  als  ein  sehr  friedfertiges  Völkchen, 
das  nur  selten  und  meist  unblutige  Kämpfe  führte.  Zur  Zeit  des  Besuches  der  »Novara« 
lebten  zwei  Stämme  des  Jokoits-Districtes  bereits  seit  sechs  Monaten  in  Fehde,  ohne 
dass  nur  Einer  verwundet  worden  war.  Und  doch  besass  schon  damals  jeder  Einge- 
borene Feuerwaffen,  denn  die  Zahl  der  Gewehre  (»Kotschak«)  wurde  auf  1500  geschätzt. 
Aber  wie  sehr  richtig  bemerkt  wird,  hatte  der  Besitz  derselben  die  Kriege  verringert 
und  unblutig  gemacht,  eine  Erscheinung,  die  ich  selbst  auch  anderwärts  beobachtete. 
Wie  bereits  erwähnt  (S.  236  [492])  griffen  die  Ponapesen  aber  in  neuester  Zeit  gegen 
die  Spanier  zu  den  Waffen  und  scheinen  sich  dabei  mit  dem  Muthe  der  Verzweiflung 
ausserordentlich  hartnäckig  gewehrt  zu  haben.  Kubary,  der  wohl  selbst  keinen  Krieg 
auf  Ponape  erlebte,  sagt  darüber  nur:  »Kriege,  welche  dann  und  wann  um  die  Erhal- 
tung des  eroberten  (!)  Ansehens  geführt  wurden,  waren  mehr  Geschrei  als  lebensgefähr- 
liche Unternehmungen.«  Als  Hauptwaffe  der  früheren  Zeit  nannte  mir  Kubary  nur 
ziemlich  roh  gearbeitete  Wurfspeere,  sagt  aber  a.  a.  O.  (»Ethnol.  Beitr.«  etc.,  I.,  S.  57, 
Anm.  2):  »Auf  Ponap^,  wo  die  alten  Waffen  beinahe  ganz  vergessen  sind,  besteht  der 
>0c«  (Speer)  aus  einem  circa  1*50  M.  langen  Schaft  (aus  Cocosholz),  an  dessen  Spitze 
ein  einfacher  Rochenstachel  (Likanten  kap)  befestigt  wird.  Nur  im  Kriege  wird  er,  in 
Bündeln  nachgetragen,  als  Wurfspeer  gebraucht.«  Damit  stimmt  die  Abbildung  im 
Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PL  3i,  Fig.  5),  wohl  die  einzige  einer  altponapesischen 
Waffe  überhaupt,  überein.  v.  Kittlitz  vermuthet,  dass  die  »schwachen  Wurfspiesse« 
mehr  zur  Fischerei  als  für  den  Krieg  bestimmt  sind.  Wohl  nicht  aus  eigener  An- 
schauung ist  die  kurze  Beschreibung  von  Ponape- Speeren  in  der  »Novara -Reise« 
(S.  414).  Darnach  bestand  die  Spitze  dieser  an  6  Fuss  langen  Speere  (»Kot6u«)  aus 
»Fischknochen,  Dornen  (!)  oder  scharfgespitzten  Muscheln  (!)«.  Wenn  das  Wörter- 
verzeichniss  desselben  Reisewerkes  auch  »Katschin-Kot6u  =  Pfeil  und  Bogen«  aufführt, 
so  haben  sich  diese  Namen  aus  irgend  einem  Versehen  eingeschlichen. 

Die  häufigste  und  beliebteste  Waffe  der  früheren  Zeit  war  die  Schleuder,  wovon 
ich  übrigens  keine  mehr  zu  Gesicht  bekam,  ebensowenig  als  irgend  eine  andere  einge- 
borene Waffe.   Dagegen  fand  ich  in  den  Ruinen  Steine,  wie  den  folgenden : 


246  Dr.  O.  Finsch.  [502] 

Schleuderstein  (Taf.  II  [19] ,  Fig.  18)  aus  Basalt,  rundlich-eiförmig  und  an- 
scheinend (wie  die  Schleudersteine  von  Ruk)  nachgeschliffen.    Ruinen  von  Nantauatsch. 

Nach  Postel's  Angaben  wurde  die  Schleuder  um  den  Kopf  geschlungen  getragen, 
wie  dies  noch  heute  auf  Ruk  geschieht.  Aber  die  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  24) 
dargestellten  Kopfbänder  sind  sicher  keine  Schleudern ,  sondern  nur  Putz.  LQtke*s 
Notiz:  »Die  Männer  trugen  einen  4 — 5  Fuss  langen  Tapastreif,  circa  2  Fuss  breit,  um 
den  Kopf,  der  auch  als  Schleuder  dient«  (Voyage  II,  S.  27)  ist  ebenfalls  sehr  unklar. 

Einige  Bemerkungen  über  die  frühere  Kriegsführung  auf  Ponap6  theilt  die  »No- 
vara-Reise«  (S.  414)  mit,  aus  denen  unter  Anderem  hervorgeht,  dass  bei  Friedensschluss 
grosse  Festlichkeiten  stattfanden.  Die  »künstlichen  Hügel  (20  Fuss  breit,  8  Zoll  hoch 
und  '/^  Meile  lang)«,  welche  in  demselben  Werke  (S.  421)  aus  der  Umgebung  von 
Roankiti  beschrieben  werden,  waren  sicher  nicht  »zur  Vertheidigung  oder  deshalb  auf- 
geworfen worden,  um  nach  einem  Gefecht  als  Begräbnissplatz  zu  dienen«,  sondern 
Bodenculturen.  Dies  wird  aus  den  hier  zugleich  erwähnten  »gelichteten  Stellen,  von 
denen  einige  viele  Acres  Ausdehnung  hatten«,  vollends  bestätigt. 

5.  Bestattung. 

In  Bezug  auf  diese  erfuhr  ich  nur,  dass  die  Leiche  in  Schlafmatten  aus  Pandanus- 
blättern  eingepackt  und  verschnürt  begraben  wird,  wobei  natürlich  die  üblichen  Trauer- 
klagen und  Schmausereien  nicht  fehlen.  Aehnlich  wie  auf  Pelau  werden  dem  Leichnam 
die  OefTnungen  des  Anus,  der  Urethra,  respective  Vagina  mit  Schwamm  zugestopft 
(Kubary).  Nach  den  Angaben  in  der  »Novara-Reise«  wurde  der  in  »Strohmatten«  (!) 
eingehüllte  Körper  im  Hause  einige  Zeit  bewahrt,  während  welcher  die  Angehörigen 
»durch  lautes  Seufzen  und  Weinen  bei  Tag  und  durch  Tänze  bei  Nacht«  ihren  Schmerz 
ausdrückten  und  sich  als  Zeichen  der  Trauer  das  Kopfhaar  abschnitten  (S.  418).  Das 
gesetzlich  erlaubte  Mitnehmen  aller  beweglichen  Güter  und  Habseligkeiten  des  Verstor- 
benen, durch  wen  es  immer  sein  mochte,  war  indess  keine  allgemein  übliche  Sitte,  wie 
hier  gesagt  wird,  sondern  fand  (nach  Kubary)  früher  nur  beim  Tode  eines  grossen 
Häuptlings  statt  (s.  vorne  S.  242  [498]).  Grabstätten  habe  ich  nicht  gesehen;  bezüglich 
der  sogenannten  »Königsgräber«  gibt  der  Abschnitt  »prähistorische  Bauten«  Auskunft. 

6.  Geister-  und  Aberglauben. 

Wäre  Kubary  dazu  gekommen,  diese  schwierigen  Capitel  zu  bearbeiten,  so  wür- 
den wir  jedenfalls  ein  ganzes  Buch  über  die  »Religion«  der  Ponapesen  besitzen.  In  Er- 
manglung desselben  müssen  wir  uns  mit  einzelnen  verstreuten  Notizen  begnügen,  die 
fast  ebenso  unvollkommen  und  zum  Theil  bestreitbar  sind  als  diejenigen  über  die 
gleiche  Materie  auf  Kuschai.  Im  Anschluss  an  die  Beschreibung  der  prähistorischen 
Bauten  von  Nanmatal  (Journ.  M.  G.,  Heft  VI,  1874,  S.  129)  berichtet  Kubary  über  die 
»heidnische  Religion  Ponap6s,  wie  sie  damals  allerdings  nur  noch  an  einem  Platze  in 
Roankiti  betrieben  wurde«,  und  zwar  von  der  geheimen  Gesellschaft  »Dziamorou«. 
Sie  bestand  aus  den  Häuptlingen  und  mehr  oder  weniger  Eingeweihten,  die  erst  ein 
Examen  zu  bestehen  hatten  und  sich  äusserlich  durch  langes  Haar  kennzeichneten,  das 
nie  abgeschnitten,  sondern  nur  abgesengt  werden  durfte.  Die  »Dziamorou«,  welche 
gleich  den  Freimaurern  in  verschiedene  Grade  zerfielen,  versammelten  sich  jährlich  ein- 
mal in  einem  besonderen  Hause  auf  einem  »geheiligten«  Platze,  der  mit  einem  Steinwall 
umgeben  war  und  von  Uneingeweihten  bei  Todesstrafe  nicht  betreten  werden  durfte. 


[5^^1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  247 

Die  »Dziamorou «-Brüder  von  Metalanien  feierten  ihr  Jahresfest  in  den  Steinwällen  der 
Insel  Nangutra  auf  Nantauatsch.  Hier  war  ein  »Gotteshaus«,  in  welches  nur  die  beiden 
Zauberer  des  Königs  eintreten  durften,  während  die  übrigen  Brüder  sich  vor  demselben 
um  einen  Stein  niederliessen,  auf  welchem  man  Kawa  zerstampfte,  wovon  der  erste 
Becher  dem  »Gotte«  geweiht  war.  Vorher  hatte  eine  Weihe  aller  im  letzten  Jahre  ge- 
bauten Canus  stattgefunden,  wovon  eines,  nur  für  die  »Gottheit«  bestimmt,  unbenutzt 
im  Hause  des  Königs  aufgehangen  wurde.  Nach  den  »Kawa-Opfern«  ging  es  »nach 
der  Insel  Itel,  wo  der  riesenhafte  vergötterte  Seeaal  innerhalb  einer  5  Fuss  hohen  und 
4  Fuss  dicken  Mauer  leben  sollte.  Auf  einem  Steinhügel  wurde  alsdann  eine  Schild- 
kröte geopfert  und  deren  Eingeweide  auf  einer  gepflasterten  Stelle  in  der  Behausung 
des  Aales  hingelegt«.  Wir  haben  hier  also  einen  ausgebildeten  Cultus,  dem  Kubary 
aber  nicht  beiwohnte,  denn  wie  er  selbst  sagt,  verräth  kein  »Dziamorou«  die  Geheim- 
nisse, und  es  Hess  sich  nur  so  viel  erfahren,  dass  bei  diesen  Festen  viel  gegessen  und 
Kawa  getrunken  wurde.  Die  religiöse  Bedeutung  der  schon  verschwundenen  »Camo- 
ron-Gesellschaft« ,  wie  Kubary  a.  O.  bemerkt,  dürfte  daher  nicht  allzuhoch  anzu- 
schlagen sein,  denn  in  Wahrheit  handelt  es  sich  wohl  nur  um  Festivitäten  der  Männer, 
die  deshalb  heimlich  stattfanden,  um  die  Frauen  fernzuhalten.  Wie  wir  bereits  wissen, 
spielen  ja  überhaupt  Festessen  im  Leben  der  Ponapesen  eine  hervorragende  Rolle. 
Auffallend  ist  es  auch,  dass  Kubary  mit  die  Hauptsache  vergisst,  nämlich  den  Namen 
des  Gottes  oder  der  Gottheit,  zu  deren  Verehrung  die  Feste  mit  »religiösen«  Tänzen 
gefeiert  wurden.  Bastian,  der  mit  allen  guten  und  bösen  Göttern  Bescheid  weiss,  nennt 
die  ponapesische  Gottheit  »Izopan«  und  gedenkt  noch  der  »Todtenseelen  Hani  oder 
Ani«.  Mit  letzterem  Worte  bezeichnen  aber,  nach  Kubary,  die  Ponapesen  alle  ihre  zahl- 
reichen Geister,  besonders  aber  einen  Fisch  als  Verkörperung,  was  sehr  an  den  »  Anitsch- 
glauben«  der  Marshallaner  erinnert  (s.  S.  iSg  [395]).  In  der  That  scheinen  die  spiri- 
tistischen Anschauungen  der  Ponapesen  in  der  Grundidee  mit  denen  der  Marshallaner 
übereinzustimmen  und  finden  sich  in  ähnlichen  Formen  weit  über  Mikronesien  und 
der  Südsee  wieder,  ohne  dass  deshalb  von  einer  einheitlichen  Religion  die  Rede  sein 
kann.  Noch  erwähnt  Kubary  a.  O.,  dass  der  unter  Jokoits  gehörige  Stamm  »Tip  en 
way«  »den  Rochen  als  seine  Schutzgottheit  betrachtet  und  denselben  grosse  äussere 
Verehrung  erweist«.  Mit  völliger  Ignorirung  seiner  vorstehenden  Mittheilungen  erklärt 
Kubary  schliesslich  (Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  1875,  S.  i3o),  »dass  der  Ponapese  die 
Geister  seiner  tapferen  Vorfahren  anbetete  und  ihren  Schutz  erflehte«.  Damit  stimmen 
die  Erkundigungen  der  »Novara« -Reisenden  überein,  die  ausserdem  noch  von  »Götzen- 
priestern« sprechen  (S.  419),  in  denen  sich  deutlich  die  Weisssager  der  Marshallaner 
(S.  139  [395])  wiederspiegeln.  Hier  auch  die  phantasievolle  Vorstellung  der  Ponapesen 
über  ein  zukünftiges  Leben.  Im  Uebrigen  erfuhren  diese  Forscher  dasselbe  wie  ich, 
nämlich  dass  die  Bewohner  Ponap^s  keine  Götzenbilder,  noch  Tempel  und,  wie  ich 
nach  mündlicher  Mittheilung  von  Kubary  hinzufügen  will,  auch  keine  Priester,  also 
auch  keine  eigentliche  Religion  besitzen. 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten. 

(Materielles   und   wirthschaftliches   Leben.) 

/.  Nahrung  und  Zubereitung. 

Von  gleicher  Beschafl'enheit  und  Fruchtbarkeit  des  Bodens  als  Kuschai,  sind  die 
Ernährungsverhältnisse  ebenso  günstige  und  wie  dort  bildet  eine  geregelte  Plantagen- 

Aonalen  des  k.  k.  naturbistorischcn  Hofmuscums,  Bd.  VIII,  Hctt  2,  1893.  18 


248  ^''  O«  Finsch.  [504I 

wirthschaft  die  Hauptbeschäftigung  der  Bewohner  und  liefert  die  vorherrschende  Nah- 
rung. Die  CulturpflanZBIIy  welche  angebaut  werden,  sind  dieselben,  darunter,  wie  fast 
überall  in  Mikronesien,  treffliche  Brotfrucht  (»Mahi«:  »Novara«;  »Mayc:  Kubar\')  die 
wichtigste.  Aus  ihr  bereitet  man  jene  Dauerwaare,  welche  wir  schon  von  den  Marshalls 
(»Pirut,  S.  143  [399])  und  Kuschai  kennen  und  die,  in  gleicher  Weise  in  Gruben  ver- 
wahrt, sich  sehr  lange  hält,  wenn  auch  gerade  nicht  »mehrere  Jahre«  (»Novara-Reise«, 
S.  407).  Taro  (Caladium  esculentum)  bildet  nächst  Brotfrucht  die  wichtigste  Nähr- 
pflanze; ausserdem  die  Banane  (»Ut«:  »Novara«;  »Utsch«,  »Karac«:  Kubary),  die  nach 
K,  in  18  Varietäten  cultivirt  wird.  Von  Yams  (Dioscorea)  erwähnt  Kubary  zwei  wild- 
wachsende Arten  (»Kap  en  eyr«  und  »Palay«),  sowie  die  Bereitung  von  Arrowroot 
(»Mokomok«),  Süsse  Kartoffeln  und  Zuckerrohr  (»Katschin-tschu«:  »Novara«;  »inen 
cep«:  Kubary)  werden  ebenfalls  angebaut,  während  die  Cocospalrae  (»Erring«:  »No- 
vara«; »Ni«:  Kubary),  wie  auf  Kuschai  spärlicher  vorkommend,  nicht  jene  Wichtigkeit 
für  die  Ernährung  hat  als  auf  den  niedrigen  Inseln.  Dasselbe  gilt  in  Bezug  auf  Pan- 
danus,  dessen  Früchte  wohl  nur  nebensächliche  Bedeutung  haben.  Ananas  und 
Melonenbaum  (Carica  papaya)^  durch  Weisse  eingeführt,  gedeihen  vorzüglich,  werden 
aber  von  Eingeborenen  wenig  cultivirt,  dagegen  die  so  wichtige  Gelb  wurzpflanze  (Eon). 
Die  Zubereitung  der  vegetabilischen  Nährproducte  geschieht  in  der  üblichen  Weise 
mittelst  Rösten  und  Backen  in  heisser  Asche  oder  zwischen  glühenden  Steinen,  da  Töpfe 
unbekannt  sind  oder  doch  nur  beschränkt  als  europäische  Tauschartikel  im  Haushalt  von 
Häuptlingen  Eingang  fanden.  In  gleicher  Weise  wird  die  untergeordnete  Fleischkost 
gargemacht  (und  zwar  ohne  Salz),  welche  hauptsächlich  in  Erzeugnissen  des  Meeres, 
besonders  Fischen  (»Maam«)  und  Conchylien  besteht.  Bemerkt  zu  werden  verdient, 
dass  die  Fische  in  diesen  Gewässern  nicht  giftig  sind,  und  zwar  auch  solche  Arten,  deren 
Genuss  in  den  Marshalls  die  übelsten  Folgen  nach  sich  ziehen  würde.  Grössere  Fische 
röstet  man  in  üblicher  Weise,  kleine  werden  roh  gegessen  wie  die  meisten  übrigen 
Meeresthiere,  darunter  auch  Tintenfische  (Octopus)  und  Holothurien  (»Menika«).  Das 
nesselartige  Brennen,  welches  manche  dieser  letzteren  Arten  beim  Anfassen  verursachen, 
soll  der  Ponapese  als  angenehm  prickelnden  Zungenreiz  empfinden.  Unter  den  zahl- 
reichen Arten  Schalthieren  sind  die  folgenden  kleinen  Bivalven  (deren  Bestimmung 
ich  Herrn  Prof.  v.  Martens  [Berlin]  verdanke),  die  hauptsächlichsten  Nährmuscheln  und 
werden  roh  gegessen:  Cytherea  (Caryatis)  obliquata  Hanley  (»Littip«,  schmeckt  gut), 
Perna  vitrea  Reeve  (gut),  Area  (Anadara)  uropygmelana  Born,  (nur  jung  gut),  Modiola 
australis  Gray  (schlecht),  Lucina  edentata  L.  (schlecht),  Psammobia  ( Psammoteüa) 
ambigua  Desh.  (»Kodjo«,  schlecht),  Psammothaea  elongata  Lam.,  Circe  gibbia  Lam. 
und  Septifer  bilocularis  L.  (schlecht).  Da  fast  alle  Arten  im  Schlamme  von  Brack-  und 
Salzwasser  leben  (nur  Perna  vitrea  an  Wurzeln  von  Mangrove),  so  konnte  ich  mich 
mit  dem  Geschmacke  dieser  tropischen  »Austern«  nicht  befreunden  und  ziehe  unsere 
gewöhnliche  Miesmuschel  (Mytulis  edulis)  selbst  der  noch  am  wohlschmeckendsten 
»Littip«  vor.  Kubary  gedenkt  noch  einer  »der  Anodonta  verwandten«  Bivalve  (»Kopul« 
genannt),  die  im  Schlamme  der  Mangrovesümpfe  lebt,  und  rühmt  dieselbe  als  sehr 
schmackhaft.  Ausgezeichnet  fand  ich  dagegen  den  ponapesischen  Flusskrebs  (Asta- 
cus?)y  der  auch  den  Eingeborenen  als  Leckerbissen  gilt.  Alle  diese  culinarischen  Ge- 
nüsse lernten  wir  bei  einem  Dinner  ä  la  native  kennen,  d^s  uns  von  Kubary  veranstaltet 
wurde,  und  bei  dem  Fruchttauben  und  Brotfrucht  natürlich  nicht  fehlten.  Meeresschild- 
kröten  sind  so  selten  geworden,  dass  sie  nur  gelegentlich  auf  den  Tisch  von  Häupt- 
lingen kommen,  häufiger  dagegen  die  sehr  zahlreichen  Fruchttauben  (»Muli«,  Carpo- 
phaga  oceanica)y  welche  seit  Einführung  von  Feuerwaffen  zuweilen  von  Eingeborenen 


r^^Sl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstocke  aus  der  SGdsee.  24Q 

gejagt  werden.  Dasselbe  gilt  in  Bezug  auf  die  viel  scheueren  Wildhühner,  von  denen 
wir  noch  nicht  wissen  ob  sie  der  Insel  eigenthümlich  angehören  oder  nur  verwilderte 
Haushühner  (»Malik«)  sind.  Ich  untersuchte  nur  ein  Paar,  von  denen  der  Hahn  ziem- 
lich mit  Gallus  ferrugineus  (Bankiva)  übereinstimmte,  die  Henne  dagegen  offenbar 
durch  Domestication  entstandene  Abweichungen  zeigte  (vgl.  Proc.  Zool.  Soc.  London, 
1877,  S.  780).  Jedenfalls  dürfen  die  Hühner  von  Ponape  zu  den  Hausthieren  gezählt 
werden,  als  welche  man  sie  nicht  selten  bei  den  Hütten  der  Eingeborenen  sieht.  Viel  wich- 
tiger im  Leben  der  Ponapesen  ist  dagegen  der  Haushund,  welchen  die  ersten  Europäer 
schon  vorfanden  und  der,  wie  auf  Tahiti,  Hawaii  und  Neu-Seeland,  schon  von  Jeher  als 
höchster  Genuss  den  Festbraten  lieferte.  Nach  der  Beschreibung,  welche  Lütke  (II,  S.  3i 
und  Kittlitz,  II,  S.  77)  vcTd  dieser  »von  allen  europäischen  Hunden  durchaus  verschiedenen 
Race«  gibt  (»stehende  Ohren,  Schwanz  hängend.  Weiss  mit  Schwarz  gefleckt«)  steht 
dieselbe  jedenfalls  dem  Papuahunde  (S.  322  [108])  am  nächsten,  besonders  auch  des- 
halb, »weil  diese  Hunde  nicht  bellen,  sondern  nur  heulen«.  Das  Vorkommen  einer  ein- 
geborenen Hunderace  im  Carolinen-Archipel  ist  äusserst  interessant,  da  diese  Thatsache 
mehr  als  alles  Andere  die  Einwanderung  des  Menschen  (jedenfalls  von  Westen  her)  be- 
weist. Ich  sah  keine  eingeborenen  Hunde  von  reiner  Race  mehr,  sondern  nur  schlechte, 
mit  europäischen  gemischte,  meist  kleine  Köter  von  allerlei  Farben,  fand  aber  die  Lieb- 
haberei für  dieses  Hausthier  noch  so  lebhaft  als  ehemals.  Wie  bei  den  Papuas  Neu- 
Guineas  werden  Hunde  lediglich  zu  culinarischen  Genüssen  gezüchtet  und  bilden  bei  Fest- 
lichkeiten das  leckerste  Gericht.  Der  Nanmareki  wollte  uns  daher  auch  mit  Hundebraten 
ehren,  freute  sich  aber  offenbar,  als  wir  dankend  ablehnten.  Die  Methode,  in  welcher 
die  Frauen  die  Mästerei  junger  Hunde  mit  Brotfruchtteig  gewaltsam,  aber  systematisch 
betrieben  (1.  c,  S.  325),  war  ebenso  ekelhaft,  als  wie  es  das  Schlachten  und  Zubereiten 
sein  soll.  Der  Festhund  wird  getödtet,  indem  man  ihn  an  den  Hinterbeinen  fasst  und 
mit  dem  Kopfe  an  einen  Stein  schlägt,  dann  wird  er  am  Feuer  abgesengt,  ausgenom- 
men und  in  einer  Grube,  in  Blätter  eingehüllt,  zwischen  heissen  Steinen  geröstet. 

Das  durch  Europäer  seit  Langem  eingeführte  Schwein  (nach  dem  Englischen 
»Piig«),  das  zum  Theil  sehr  häufig  und  auch  verwildert  vorkommt,  steht  in  der  Gunst 
der  Eingeborenen  weit  hinter  dem  Hunde  zurück,  wird  indess  auch  nicht  verschmäht 
und  bildet  den  Haupttheil  grosser  Gastereien. 

Rindvieh  gedeiht  vortrefflich  auf  Ponape,  wurde  aber  nur  in  sehr  beschränkter 
Zahl  auf  der  Missionsstation  Ua,  sowie  von  Kubary  gehalten,  der  damals  aber  nur  einen 
ziemlich  verwilderten  Bullen  besass. 

Bezüglich  der  Kochkunst  der  Ponapesen  habe  ich  keine  Erfahrungen  sammeln 
können,  wohl  aber  bemerkt,  dass  die  Mahlzeiten  keineswegs  so  regelmässig  abgehalten 
werden,  wie  dies,  auch  hinsichtlich  der  ganzen  Tageseintheilung,  die  »Novara«-Reisen- 
den  (S.  417)  schildern. 

Das  hier  erwähnte  häufige  Baden  geschieht  weniger  aus  Reinlichkeit,  sondern  zur 
Abkühlung;  doch  bemerkte  ich,  dass  man  nach  Mahlzeiten  den  Mund  etwas  ausspülte 
und  die  Finger  benetzte. 

Als  übliche  Getränke  dienen,  wie  überall,  Wasser  und  namentlich  Cocosnuss- 
milch;  doch  trinken,  wie  alle  Eingeborenen,  auch  die  Ponapesen  im  Ganzen  wenig. 

Reizmittel.  Wie  erwähnt,  wurde  die  Kunst,  aus  Palmsaft  den  berauschenden 
»sauren  Toddy«  zu  bereiten,  ja  sogar  Schnaps  zu  brennen,  durch  Weisse  eingeführt  (s. 
vorne  S.  238  [494]),  aber  solchen  Luxus  können  sich  nur  grosse  Häuptlinge  erlauben. 
So  bekam  ich  echten  »Palmschnaps«,  einen  greulichen  Fusel,  nur  beim  Nanmareki  von 

Jokoits  zu  kosten,  der  übrigens  selbst  den  schlechten  Hamburger  »Gin«  seinem  eigenen 

i8* 


250  Dr.  O.  Finsch.  [506] 

Berauschungsinittel  vorzog.  Nach  Kubary  bereiten  die  Bewohner  von  Pelau  und  Yap 
keinen  sauren  Toddy,  wohl  aber  aus  dem  Blüthensaft  der  Cocospalme  jenen  Syrup, 
den  wir  bereits  auf  den  Gilbert-Inseln  kennen  lernten  (vgl.  S.  51  [3 19]).  Besonders 
wichtig  wird  dieser,  übrigens  in  eisernen  Töpfen  eingekochte  Syrup  (»Aylaothc)  auf 
Pelau  (s.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  172). 

Kawa  (>Djokau<)  war  damals  noch  der  grösste  Genuss,  in  welchem  aber  nur 
Vornehme  schwelgen  konnten,  da  die  Pflanze  (Piper  methysticum)  nicht  allzu  häufig 
isL  Der  2 — 4  Fuss  hohe  grossblätterige  Strauch  wächst  zum  Theil  wild  auf  den  Bergen 
der  Insel,  wird  aber  meist  in  der  Nähe  der  Häuptlingshäuser  besonders  cultivirt.  Nach 
ponapesischer  Sitte  müssen  angesehene  Gäste  mit  Kawa  geehrt  werden,  bei  der  Schäbig* 
keit  des  Nanmareki  bedurfte  es  aber  erst  einer  besonderen  Aufforderung,  da  es  mir 
darum  zu  thun  war,  die  Bereitung  kennen  zu  lernen.  Dieselbe  weicht  nicht  unwesent- 
lich von  der  sonst  in  Oceanien  üblichen  ab,  wo  bekanntlich  nur  die  Wurzel  gekaut 
wird,  und  zwar  auf  Samoa,  Tonga  (früher  auch  Hawaii)  und  Fidschi  von  jungen  Mäd- 
chen, auf  den  Neu-Hebriden  und  auf  Neu-Guinea  (Bongu,  S.  66  [204])  von  jungen 
Burschen.  Auf  Ponape  schleppte  man  ganze  Kawasträucher  herbei,  schnitt  den  Stamm 
nebst  einigen  Zweigen  ab,  um  ihn  als  Schössling  wieder  einzupflanzen,  und  stampfte 
dann  die  übrigbleibenden  Zweige  nebst  Blättern  und  der  circa  faustdicken,  innen 
weissen  schwammigen  Wurzel,  sammt  der  daranhängenden  Erde,  auf  einer  grossen 
flachen  Basaltplatte.  Dies  Geschäft  besorgten  zwei  Männer,  welche  sich  gewöhnlicher 
Steine  als  Stampfer  bedienten.  Der  schmierige,  faserige  Brei  wurde  hierauf  in  lange, 
frisch  abgeschälte  Rindenstreifen  von  Hibiscus  gelegt  und  unter  Uebergiessen  von  Was- 
ser in  eine  hölzerne  Schale  gleich  einem  Scheuerlappen  ausgewrungen.  Die  schmutzig- 
braune, übelaussehende,  aber  geruchlose  Flüssigkeit  wurde  hierauf  in  Cocosschalen  als 
Trunk  angeboten  und  schmeckte  wie  nach  Gras  und  Seife,  erregte  daher  anfänglich 
(wenigstens  bei  mir)  leichte  Uebelkeit,  aber  später  ein  sanft  prickelndes,  angenehm  er- 
frischendes Gefühl  im  Gaumen.  Die  erste  Schale  wurde  übrigens  keineswegs,  wie  Ku- 
bary sagt,  »dem  Gotte  dargebracht«,  sondern  dem  Nanmareki  angeboten,  und  zwar  in 
der  Weise,  dass  der  bedienende  Mann  die  Schale  in  der  im  Ellbogen  auf  die  Rechte  ge- 
stützten Linken  präsentirte,  eine  Haltung,  die  bei  später  gereichten  Schalen  unterblieb. 
Wie  üblich,  gebührt  dem  höchststehenden  Gaste  die  erste  Schale,  und  deshalb  Hess  uns 
der  Nanmareki  zuerst  credenzen,  später  auch  seinen  Lieblingsfrauen,  Töchtern  und  an- 
deren Eingeborenen,'  während  sich  die  Kawabereiter  mit  dem  Rest  begnügten,  d.  h.  auf 
die  bereits  ausgewrungene  Kawabreimasse  wiederholt  neues  Wasser  aufgössen,  um  auch 
den  letzten  Rest  auszupressen.  Es  herrschte  also  bei  dieser  Gelegenheit  ungefähr  genau 
dasselbe  Ceremoniell  als  bei  den  Festlichkeiten  der  Eingeborenen,  bei  welchen  Kawa 
nicht  fehlen  darf  und  den  Hauptgenuss  bildet.  Häuptlinge  von  Bedeutung  gestatten 
sich  denselben  häufig,  und  zwar  ohne  die  üblen  Folgen,  wie  sie  in  der  »Novara-Reise« 
(S.  40g)  aufgezählt  werden.  Kawa  soll  im  Gegentheil  sehr  wohlthätig  auf  die  Harn- 
organe wirken  und  wird  deshalb  auch  gern  von  Weissen  (z.  B.  auf  Samoa)  getrunken, 
wie  ich  unter  den  Producten  Fidschis  auf  der  Colonial- Ausstellung  in  London  (1886) 
den  heilkräftigen  »Jakona-Kawa-Schnaps«  notirte. 

Ueber  die  Wirkung  der  Kawa,  die  nur  die  Beine  wackelig  macht,  aber  den  Kopf 
völlig  freilässt,  also  keinen  alkoholischen  Rausch  erzeugt,  habe  ich  mich  schon  in  diesem 
Werke  geäussert  (S.  66  [204]). 

Wie  auf  Neu-Guinea  ist  auch  auf  Ponape  die  Sitte  des  Kawagenusses,  wie  schon 
die  eigenartige  Bereitungsweise  zeigt,  eine  durchaus  spontane  und  kam,  ausser  auf  Ku- 
schai,  sonst  nirgends  in  den  Carolinen  vor.    Kubary,  der  sich  bemüht,  die  Herkunft  der 


[5^71  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstöcke  aus  der  Südsee.  25 1 

Pelauer  auf  Ponap6  zurückzuführen,  möchte  in  dem  Trinken  von  Syrupwasser  (>Kar«.: 
a.  O.;  »Blulokc:  Kubary)  der  Ersteren  einen  Ersatz  für  die  auf  Pelau  fehlende  Kawa  er- 
blicken und  darin  wechselseitige  Beziehungen  herauswittern  (s.  Joest:  »Tätowiren«, 
S.  93).  Warum  nicht  mit  den  Gilbert-Insulanern,  bei  denen  Syrupwasser  ebenfalls 
Nationalgetränk  war? 

Tabak,  und  zwar  der  bereits  mehrfach  erwähnte  amerikanische  Stangentabak 
(S-  102  [20])  ist  auch  auf  Ponap6  das  beliebteste  Tauschmittel.  Nach  den  Angaben  der 
>Novara« -Reisenden  (S.  413)  wurde  damals  Tabak  nur  gekaut,  zu  meiner  Zeit  war  dies 
bereits  abgekommen  und  Rauchen  allgemein  Sitte.  Man  rauchte  aus  den  über  die  ganze 
Südsee  verbreiteten  Thonpfeifen  oder  Cigaretten,  zu  welchen,  in  der  durch  Trader  ein- 
geführten Samoamanier,  getrocknetes  Bananenblatt  als  Decke  benutzt  wurde. 

2.  Koch'  lind  Essgeräth. 

Ueber  die  Methode  des  FeuerreibBns  konnte  ich  mich  nicht  unterrichten,  da  die- 
selbe wohl  kaum  mehr  geübt  wurde. 

Ich  erhielt  aber: 

Fächer  (Nr.  117,  i  Stück)  aus  Pandanus-lSX^XXy  zierlich  geflochten;  längs  dem 
Rande  in  der  beliebten  und  für  diese  Insel  charakteristischen  Weise  mit  kleinen  Bü- 
scheln rother  Wolle  verziert.   Jokoits. 

Solche  verzierte  Fächer  dienen  mehr  zum  Staat,  wenn  im  Allgemeinen  dieses 
Utensil  auch  hier  vorzugsweise  zum  Anfachen  des  Feuers  benützt  wird. 

In  der  Form  stimmen  die  Fächer  von  Ponapc  ganz  mit  solchen  von  Samoa  (vgl. 
Anthrop.  Album  M.  G.,  Taf.  4,  Fig.  391  und  Taf.  5,  496)  überein.  Von  letzterer  Insel 
erhielt  ich  auch  Fächer,  die  nur  zum  Staate  dienen,  in  durchbrochener  Arbeit;  zuweilen 
ist  das  Flechtwerk  an  einen  hölzernen  Stiel  befestigt.  Einen  ganz  in  Samoamanier 
durchbrochen  gearbeiteten  Fächer  besitzt  die  Sammlung  (Nr.  ii8)  von  Rotumah;  in 
der  gewöhnlichen  Form  erhielt  ich  sie  auch  aus  der  Tockelau-Gruppe  (Fakaafo). 

Kuchengeräth  eingeborener  Arbeit  war  kaum  mehr  vorhanden.  Ich  beobachtete 
nur  wenige  hölzerne,  ovale  Tröge,  wie  sie  zur  Bereitung  von  Taro-  und  Brotfruchtteig 
benützt  werden  oder  wurden.  Nach  Kubary  ist  »die  ponapesische  Holzindustrie  sehr 
arm  und  erzeugt  nur  eine  Form  hölzerner  Gefässe,  die  im  Allgemeinen  , Kajak*  heissen 
(vgl.  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  55,  Anm.,  Taf.  X,  Fig.  6).  Sie  wird  bis  i  M.  lang  angefer- 
tigt und  dient  zum  Bereiten  der  ,Lili*-Speise.  Sehr  selten  werden  kleinere  derartige 
Gefässe  zum  gewöhnlichen  Hausgebrauch  verfertigt,  dagegen  öfter  ganz  kleine,  in  wel- 
chem Wasser  und  Schwämme  für  den  Gebrauch  Seitens  der  Wöchnerinnen  bewahrt 
werden  oder  in  welchen  man  das  zum  Einreiben  der  Haare  bestimmte  Oel  mittelst 
heisser  Steine  auskocht.«  Stampfer,  wie  die  von  Kuschai  (S.  206  [462]),  sind  mir  auf 
Ponap6  nicht  vorgekommen.  Als  Teller  benützt  man,  wie  vielerwärts  in  der  Südsee, 
einfach  Blätter. 

Um  die  Faserhülle  der  Cocosnuss  zu  entfernen,  bedient  man  sich  eines  an  beiden 
Enden  zugespitzten  soliden  Knüppels,  der  mit  dem  einen  Ende  in  die  Erde  gesteckt 
wird,  während  man  die  mit  beiden  Händen  festgehaltene  Nuss  kräftig  auf  das  frei- 
bleibende Ende  schlägt,  eine  Methode,  die  auch  anderwärts  bekannt  ist. 

Ausser  Cocosnussschalen  benützte  man  auch  Calebassen (Flaschenkürbis,  »E-jug«), 
zuweilen  roth  angestrichen  und  in  ein  Netzwerk  von  Strick  eingeflochten,  als  Wasser- 
gefässe;  ebenso  die  bei  Kuschai  (S.  207  [463],  Fig.  33)  beschriebenen  Taroblätter. 
Uebrigens  waren  Glasflaschen  bereits  so  häutig  verbreitet,  dass  sie  als  Tauschmittel  gar 


252  Dr.  O.  Finsch.  [508] 

keinen  Werth  mehr  hatten,  und  der  »König«  von  Jokoits  konnte  bereits  seinen  eigen- 
gebrannten »Palmschnaps«  auf  Flaschen  ziehen.  An  leeren  Blechkästen,  Canistern, 
Schnapskisten  u.  dgl.  war  ebenfalls  kein  Mangel  und  die  Eingeborenen  reichlich  damit 
versehen. 

3.  Fischerei  und  Geräth, 

Davon  bekam  ich  nichts  weiter  zu  sehen  als  Fischnetze  verschiedener  Grösse,  aus 
Garn  von  Cocosfaser  gestrickt,  mit  Senkern  aus  i4rc^-Muscheln  und  Schwimmern  aus 
hohlen  Aststücken  von  Pandanus,  ganz  übereinstimmend  mit  denen  von  Kuschai.  Wie 
fast  allenthalben  beobachtete  ich  während  der  Ebbezeit  auf  dem  Riff  Weiber  und  Kinder 
mit  Auflesen  von  Seethieren  beschäftigt,  was  schon  die  > Novara« -Reisenden  (S.  403) 
erwähnen,  wobei  besonders  bemerkt  wird,  dass  die  W^eiber  Säckchen  umhängen  hatten, 
in  welchen  sie  den  Fang  verwahrten.  Kubary,  der  in  seinen  kurzen  Berichten  über 
Ponape  (vorne  S.  ig3  [449],  Nr.  3  und  4)  Fischerei  unerwähnt  lässt,  berührt  dieselbe 
indess  hie  und  da  in  seinen  »Ethnol.  Beitr.«,  welche  spärliche  Notizen  ich  hier  zusam- 
menfasse. »Auf  Ponap6,  wo  beide  Geschlechter  an  der  Fischerei  theilnehraen,  finden 
wir  vorwiegend  die  Netzfischerei  entwickelt.  Grosse  aus  Cocoszwirn  gestrickte  Netze 
heissen  ,ük*  (wie  auf  Pelau),  Handfischnetze  (,Nack*,  Taf.  X,  Fig.  10)  entsprechen  ganz 
denen  von  Kuschai  (Fig.  34,  S.  208  [464])  und  sind  zuweilen  ebenfalls  aus  den  Fasern 
einer  Seegrasart  (,011ot*)  verfertigt.«  Auch  Fisch  wehre  sind,  wie  überall,  bekannt. 
»Auf  Ponape  werden  solche  Umzäunungen,  ,Mai*  genannt,  nur  zeitweilig  erbaut.  Die- 
selben sind  nur  schwach,  aus  kleinen  Steinen  errichtet  und  haben  den  Zweck,  nur  für 
einmal  die  Fische  abzusperren,  wonach  sie  wieder  vernachlässigt  und  von  der  Fluth 
auseinandergeworfen  werden.«  Schliesslich  gedenkt  Kubary  des  »Fischfanges  mittelst 
Gift«  (»Upaup«),  wozu  man  sich  auf  Ponape  der  Wurzeln  einer  Schlingpflanze 
(»Peinup«  genannt)  bedient,  derselben,  die  auf  Pelau  benützt  wird  (»Ethnol.  Beitr.«,  11, 
S.  151). 

Hakenfischerei  wird  auf  Ponapä  ebenfalls,  aber  mit  importirten  eisernen  Haken 
betrieben,  welche  die  von  Eingeborenen  verfertigten  längst  verdrängten.  Kubary  ge- 
denkt der  letzteren  nicht,  aber  glücklicherweise  wurden  solche  durch  die  Reisenden  der 
»Novara«  gesichert,  und  ich  kann  hier  eine  Lücke  ausfüllen,  die  sich  kaum  mehr  er- 
setzen lässt.  Ich  beschreibe  die  Exemplare  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums  in 
Wien,  das,  wie  es  scheint,  allein  im  Besitz  zweifellos  echter  ponapesischer  Fisch- 
haken*) ist. 

Fischhaken  (Inv.-Nr.  3814)=  »Katschin-mata«  (»Novara«);  stimmt  in  Form 
und  Bearbeitung  ganz  mit  Nr.  152  von  Mortlock  (Taf.  20,  Fig.  2)  überein,  aber  das 
Schaftslück  (55  Mm.  lang,  i3  Mm.  breit)  läuft  nach  unten  spitz  zu  und  ist  aus  dem 
Innenrande  eines  Schalenstückes  von  Cypraea  mauritiana  geschliffen,  der  Fanghaken 
aus  Schildpatt.  Die  Verbindung  des  Hakens  mit  dem  Schaft  ist  ganz  wie  bei  dem  Mort- 
lock-Fischhaken.  Ein  Köderbüschel  fehlt,  mag  aber  vorhanden  gewesen  sein.  Die  über 
6  Meter  lange  dünne,  an  beiden  Seiten  abgeplattete  Leine  ist  ein  Muster  feiner  Flecht- 
arbeit aus  Cocosnussfaser. 

Einen  sehr  abweichenden  Typus  bieten  die  folgenden  Stücke: 

Fischhaken  (Inv.-Nr.  38i3,  Taf.  111  [20],  Fig.  11);  flach,  aus  einem  Stück  (sehr 
dunklen,  fast  schwarzen),  Schildpatts  geschnitzt. 


»)  Der  im  Kat.  M.  G.  (S.  294)   verzeichnete   »Schaft  eines   Angelhakens  aus  gelblichem  Quarz- 
gestein« ist  nicht  von  Ponape,  sondern  »Banaba«  (=  Taf.  20,  P'ig.  3). 


[5^9]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  253 

Desgleichen  (Inv.-Nr.  38i2),  ganz  wie  vorher,  nur  fehlt  der  Dornfortsatz  des 
hinteren  unteren  Randes. 

Diese  Form  von  Fischhaken  (aber  aus  Perlmutter)  kommt  auch  auf  Nukuor  vor. 

In  den  Ruinen  von  Nantauatsch  finden  sich  meist  ziemlich  verwitterte,  daher 
brüchige  Stücke  Perlmutter,  die  zweifellos  Fragmente  von  Fischhaken  sind,  wie  die  fol- 
gende Nummer: 

Bruchstück  eines  Fischhakens  (Nr.  478,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  4)  aus 
Perlmutter  (Ruinen  von  Nantauatsch).  Das  Stück  stellt  den  Basistheil  eines  Schaftes 
dar;  die  Einkerbung  des  linken  Randes  diente  wahrscheinlich  zur  Befestigung  der  Fang- 
leine. Unter  den  von  Kubary  an  das  Museum  GodefFroy  (Kat.,  S.  285)  gesandten  Frag- 
menten (im  Ganzen  nur  vier  Nummern)  befindet  sich  auch  ein  solches  mit  durch- 
bohrtem Loche  zur  Befestigung  der  Schnur.  Die  Conusringe,  welche  Kubary  an  der 
gleichen  Localität  ausgrub  und  als  »Ringe  zu  Fischnetzen«  anspricht  (Kat.  M.  G., 
S.  28g)  dienten  keinesfalls  diesem  Zwecke,  sondern  sind  Schmuckstücke  in  Bearbeitung 
(vgl.  Taf.  VII  [24],  Fig.  14). 

4.  Wohnstätten. 

Siedelungen.  Auch  auf  Ponape  gibt  es  keine  eigentlichen  Dörfer,  sondern  die 
Häuser  liegen  vereinzelt  meist  unter  Cocospalmen,  zum  Theil,  wie  ich  dies  in  Meta- 
lanim  sah,  auf  Hügeln  von  Basaltblöcken,  die  mit  Vorsicht  erklettert  sein  wollen.  Dies 
erinnerte  mich  an  ähnliche  Localitäten,  wie  ich  sie  später  im  Inneren  von  Port  Moresby 
auf  Neu-Guinea  kennen  lernte. 

Häuser.  Wie  Kuschai  besitzt  auch  Ponap^  einen  besonderen,  ganz  von  jenem 
dort  abweichenden  Baustyl.  Das  Haus  (»Ihm«:  »Novara«;  »Naj«:  Kubary)  selbst,  ein 
längliches  Viereck  mit  wagrechter  Firste  und  senkrechten  Giebeln,  entspricht  der  ge- 
wöhnlichen Hausform,  erhält  aber  durch  einen  meist  über  mannshohen  Unterbau  aus 
Basaltsteinen  eine  charakteristische  Eigenthümlichkeit.  Dieser  zuweilen  8 — 10  Fuss 
hohe,  sehr  regelmässige  Steinbau  wird  manchmal  mit  Hilfe  einer  rohen  Leiter  erstiegen, 
die  aus  einem  mit  Kerben  versehenen  Baumstamme  besteht.  Die  zum  Theil  behauenen 
Hauspfosten  (»Ur«)  ruhen  auf  theilweise  recht  starken  Längsbalken,  die  durch  Kerbe 
mit  Querbalken  verbunden  sind  und  zugleich  die  Träger  für  den  Fussboden  bilden. 
Die  Wände  (»Tit«)  bestehen  wie  in  Kuschai  aus  zusammengebundenen  Rohrstäben, 
ebenso  die  Diele.  An  den  Seiten  und  vorne  dienen  ein  oder  mehrere  Oefifnungen  zu- 
gleich als  Thüren  und  Fenster.  Sie  sind  so  schmal,  dass  man  sich  seitlich  hinein- 
zwängen und  zugleich  bücken  muss,  da  die  Hauswände  weniger  als  Mannshöhe  haben. 
Diese  OefTnungen  können  durch  Rahmen  aus  Rohrstäben  verschlossen  werden.  Wie 
überall  sind  alle  Theile  des  Hauses  mit  Stricken  aus  Cocosnussfaser  zusammengebun- 
den, ja  damit  im  Innern  auch'  die  meisten  Pfosten,  Träger  und  Querbalken  in  ver- 
schwenderischer und  zum  Theil  kunstvoller  Weise  umwickelt.  Die  bald  braunen,  bald 
schwarzen  Schnüre  bilden  zuweilen  äusserst  zierliche  und  geschmackvolle  Muster,  und 
die  Menge  des  verwendeten  Materials  ist  geradezu  erstaunlich.  Die  Giebelwände  be- 
stehen ebenfalls  aus  Rohrstäben  und  sind  an  der  Basis,  sowie  im  oberen  Drittel  mit 
schmalen  schrägen  Regendächern  versehen.  Das  Material  dazu  wie  zum  Dache  selbst 
ist  nicht,  wie  sonst  üblich,  Pandanus-BleXXf  sondern  Blätter  der  »Otsch« -Palme,  welche 
die  Elfenbeinnüsse  liefert  (also  wohl  Phytelephas  macrocarpa).  Die  Befestigung  der 
Blätter  an  Stäbe  und  das  Dachdecken  selbst  geschieht  ganz  so,  wie  ich  es  bei  den  Mar- 
shall-Inseln  (S.  151  [407])  beschrieben  habe.    Die  Dimensionen  der  Häuser  sind  natür- 


254  ^^'  ^'  ^^^^^^-  fS'o] 

lieh  sehr  verschieden;  ein  grosses  mag  3o — 40  Fuss  lang  und  bis  zur  Giebelspitze 
15 — 20  Fuss  hoch  sein. 

Als  GemeindehäuSBr  (»Natsch«)  kann  man  die  grossen  Häuser  betrachten,  welche 
zur  Unterkunft  der  Canus  dienen  und  die  zum  Theil  recht  ansehnliche  Bauten  sind. 
Sie  stimmen  in  Bauart  und  Material  ganz  mit  den  gewöhnlichen  Häusern  Uberein,  sind 
aber  bedeutend  grösser,  an  der  dem  Wasser  zugekehrten  Seite  offen  und  ruhen  nicht 
auf  einem  soliden  Fundament  aus  Steinen,  sondern  nur  auf  steinernen  Mauern.  Im 
Innern  läuft  an  jeder  Seite  eine  erhöhte  breite  Estrade  aus  Rohrstäben,  zuweilen  mit 
Zwischenwänden,  die  als  Schlafstätten  für  unverheiratete  Männer  dienen.  Auch  finden 
hier  Besucher  mit  ihren  Canus  Unterkunft,  wie  sich  die  Männer  meist  in  diesen  Canu- 
häusern  aufhalten.  Nach  den  Angaben  der  »Novara«-Reisenden  (S.  405)  werden  diese 
Canuhäuser  gelegentlich  auch  zu  Festlichkeiten  benützt,  wie  als  Werkschuppen  beim 
Bau  von  Canus.  Die  Abbildung  der  »Berathungshalle«  (S.  406)  ist  ganz  richtig,  minder 
charakteristisch  die  einer  »Hütte«  (S.  403).  Brauchbare  Darstellungen  ponapesischer 
Häuser  gibt  auch  Hernsheim  (>Südsee-Erinnerungen«,  S.  66). 

Durch  einen  steinernen,  allerdings  nicht  so  hohen  Unterbau  schliessen  sich  die 
Häuser  auf  Yap  (»Febay,  Falyu  und  Tabenau«)  den  ponapesischen  zunächst  an,  unter- 
scheiden sich  aber  im  Uebrigen  durch  ganz  abweichenden  Baustyl,  der  durch  »zwei 
parallele  lange  und  vier  schräge  kurze  Seiten«  für  diese  Insel  charakteristisch  und  eigen- 
thümlich  wird.  Eine  nicht  sehr  correcte  Abbildung  haben  Tetens  und  Kubary  (Journ. 
M.  G.,  II,  Taf.  III)  gegeben,  die  durch  Letzteren  seitdem  in  einer  erschöpfenden  Dar- 
stellung zum  vollen  Verständniss  gelangte  (»Ethnol.  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Caro- 
linen-Archipel«, I.  Heft  1889:  »Der  Hausbau  der  Yap-Insulaner«,  S.  29 — 42,  Taf.  II— 
VI).  Darnach  zu  urtheilen  sind  die  von  Hernsheim  abgebildeten  Yap-Häuser  (»Südsee- 
Erinnerungen«,  Taf.  III)  durchaus  unrichtig  dargestellt. 

Kubary  will  übrigens  (1.  c,  S.  So,  Note)  auch  im  Hausbau  die  »Uebereinstimmung 
der  Culturbegriffe«  zwischen  Ponape  und  Yap  erkennen,  allein  ganz  abgesehen  von  der 
totalen  Verschiedenheit  im  Baustyl,  fehlen  die  auf  Yap  charakteristischen  Gemeinde- 
häuser (»Febav«)  auf  Ponape  ganz,  wogegen  die  für  letztere  Insel  eigenthümlichen 
grossen  Canuhäuser  auf  Yap  nur  in  sehr  unbedeutenden  Baulichkeiten  Ersatz  finden 
(vgl.  Kubary,  1.  c,  S.  40,  Taf.  V,  Fig.  6). 

Die  Feuerstelle  in  der  Mitte  des  Hauses  ist  auf  Ponape  ganz  wie  auf  Kuschai, 
auch  gibt  es,  wie  dort,  besondere  Nebenhäuser,  welche  als  Küche  dienen.  Aber  (nach 
Kubary)  fehlen,  wie  auf  Pelau,  Menstruationshäuser,  wie  wnr  dieselben  von  den  Mar- 
shalls kennen.  Der  Nanmareki  von  Jokoits  hatte  seine  neun  Frauen  in  einem  beson- 
deren Hause,  einer  Art  Harem,  untergebracht.  Dasselbe  unterschied  sich  äusserlich 
nicht  von  gewöhnlichen  Häusern,  enthielt  aber  im  Inneren  aus  Querstangen  und  Matten 
besondere  viereckige  Abtheilungen,  deren  jede  einer  Frau  als  Privatraum  angehörte. 
Der  Aufenthalt  in  diesen  wenig  reinlichen,  unangenehm  nach  Curcuma  und  Eingebore- 
nen riechenden  Häusern  ist  übrigens  nicht  sehr  behaglich  und  ebensowenig  einladend 
als  die  Umgebung  der  Häuser  selbst,  die  von  Schmutz  und  Unrath  starrt. 

Die  Unmasse  von  Basaltgeröll,  welches  die  Insel  bedeckt,  war  jedenfalls  die  Ursache 
zur  Benützung  dieses  Materials  Seitens  der  Eingeborenen,  welche  dadurch,  wie  ihre  Nach- 
barn auf  Kuschai,  aber  ohne  jede  Verbindung  mit  ihnen,  selbstständig  zu  Steinbauern 
wurden.  Charakteristische  Reste  dieser  Sitte  haben  sich  noch  im  Unterbau  der  Häuser 
der  heutigen  Bewohner  erhalten,  die  aber  reines  Kinderspiel  sind  gegenüber  den  prä- 
historischen Bauten  ihrer  Vorfahren.  Wie  auf  Kuschai  finden  sich  diese  Bauten  nicht 
auf  dem  Festlande  selbst,  sondern  auf  dem  Aussenriff  der  sehr  nahe  gelegenen  kleinen 


[eil']  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SÜdsee.  255 

Insel  Tauatschy  im  südlichen  Theile  von  Metalanim  oder  des  Osthafens  von  Ponape, 
nicht  weit  von  Nanmatal,  der  Residenz  des  Idschibau  oder  sogenannten  » Königs c.  Die 
Insel  Tauatsch  ist  wenig  grösser  als  die  Insel  Lälla  auf  Kuschai  (circa  i  Seemeile  = 
6000  Fuss  lang,  vielleicht  Va  Seemeile  breit),  besteht  aus  Basalt,  zum  Theil  in  zusam- 
mengewürfelten losen,  abgerundeten  Blöcken,  die  sich  zu  steilen  Hügeln  aufthürmen, 
und  ist  von  dichter  Vegetation,  darunter  hohen  Bäumen,  aber  wenig  Cocospalmen,  be- 
deckt. Wie  alle  Inseln  um  Ponape  liegt  auch  Tauatsch  im  Gürtel  des  Barrierriffs,  und 
auf  diesem,  unmittelbar  an  der  Ostseite  der  Insel,  sind  die  Steinbauten  errichtet.  Sie 
wurden  1827  von  James  O'Connell,  dem  schiffbrüchigen  Matrosen  eines  englischen 
Walfisch fahrers,  entdeckt,  später  von  Cheyne,  Gulick,*)  Clark  u.  A.  beschrieben.  Da 
das  Material  zum  Theil  aus  prismatischem  Basalt  besteht,  so  wurden  Unkundige  (wie 
Rojas)  verleitet,  dasselbe  für  bearbeitetes,  aus  civilisirten  Ländern  herbeigeschafftes  zu 
halten  und  die  Bauten  selbst  als  Festungswerke  spanischer  Piraten  zu  deuten.  Ich  er- 
wähne dies  nur,  weil  diese  total  irrigen  Hypothesen,  auch  in  der  »Novara-Reise«  (S.  420) 
abgedruckt,  ein-  für  allemal  zu  streichen  sind.  Die  besten  Aufnahmen  der  Ruinen 
sind  Kubary  zu  verdanken  (Journ.  M.  G.,  Heft  VI,  1874,  mit  7  Abbildungen  und  einem 
Plan  der  ganzen  Ruinenstadt,  Taf.  5),  von  deren  Richtigkeit  ich  mich  selbst  überzeugen 
konnte.  Die  Steinbauten  auf  Tauatsch  stimmen  im  Allgemeinen  mit  denen  auf  Lälla 
überein,  sind  aber  bei  Weitem  grossartiger,  ausgedehnter^)  und  unterscheiden  sich 
durch  charakteristische  Eigenthümlichkeiten.  Wie  auf  Lälla  das  Terrain  zum  Theil 
künstlich  erhöht  wurde,  so  auch  auf  Tauatsch,  aber  hier  geschah  dies  in  ganz  anderer 
Weise.  Denn  während  auf  Lälla  Mauereinfriedigungen  den  Hauptcharakter  der  Bauten 
bilden  und  künstliche  Canäle  mit  Inseln  mehr  vereinzelt  vorkommen,  besteht  Tauatsch 
nur  aus  letzteren,  zuweilen  von  Kolossal  mauern  begrenzt  und  eingefasst.  Die  Inseln, 
mehr  oder  minder  grosse  Vierecke  (von  60 — loo  Fuss  Länge  und  mehr)  oder  Paral- 
lelogramme, bestehen  gleichsam  aus  einem  Rahmen  von  Basaltblöcken,  meist  in  der 
säulenförmigen  Absonderung,  der  mit  Basalt-  und  Koralltrümmern  ausgefüllt  (vgl.  Ku- 
bary, Fig.  Nr.  2 :  Durchschnitt)  das  Fundament  oder  die  Plattform  für  die  Häuser  bil- 
dete, welche  einst  hier  standen.  Auf  Nangutra  fand  Kubary  Spuren  eines  vom  Sturme 
umgewehten  Hauses  (1.  c,  Fig.  6)  und  auf  zwei  anderen  dieser  künstlichen  Inseln  (Dziu 
und  Udschientau)  sah  ich  noch  zum  Theil  bewohnte  Häuser,  welche  den  eigentlichen 
Zweck  dieser  Bauten  überzeugend  erklärten.  Da  diese  Fundamente  oder  Plattformen 
meist  sehr  gut  erhalten  sind  und  ehemals  wohl  kaum  wesentlich  anders  ausgesehen  haben 
dürften,  so  ist  die  Bezeichnung  »Ruinen«  nicht  ganz  zutreffend.  Denn  was  fehlt  ist  eben 
das  Bauwerk  von  Häusern,  Dächern  u,  dgl.  in  Holz,  wie  es  früher  vorhanden  war.  Der 
ruinenbafte  Eindruck  wird  hauptsächlich  auch  dadurch  hervorgerufen,  weil  das  Mauer- 
werk überall  von  üppiger  Vegetation  bedeckt  und  versteckt  nur  theilweise  sichtbar  ist, 
so  dass  es  oft  schwer  hält,  einen  Ueberblick  zu  gewinnen.  Nach  Kubary  besteht 
Tauatsch  aus  80  solchen  Fundamentirungen  oder  künstlichen  Inseln,  die,  5 — 6  Fuss 
über  das  Niveau  des  Korallritfs  erhoben,  mehr  oder  minder  breite  Wasserstrassen, 
Canäle,  einfassen.    Diese  Canäle  sind  zum  Theil  sehr  regelmässig  angelegt,  wie  der 


')  In  »The  Friend«  (Honolulu,  December  1852)  mit  Plan,  den  Dämon  (>Morning  Star  Papersc, 
Honolulu  1861,  S.  70)  reproducirt.  Diese  Skizze  zeigt  nur  den  Grundriss  der  Mauern  von  Tauatsch 
im  engeren  Sinne  und  stimmt  bis  auf  unwesentliche  Grössendifferenzen  sehr  gut  überein  mit  Kubary*s 
Plan  Fig.  3. 

2)  Nach  Friederichsen's  Berechnungen  bedecken  sie  einen  Flächenraum  von:  »500.000  engl. 
Quadratyards  =  417  Quadratmeter  =  41  Hectaren«.  Kubary's  Plan  ergibt  nur  eine  Länge  von  1600 
Yards  (1456  M.  =  circa  »/2  Seemeile)  und  eine  Breite  von  600  Yards  (=  540  M.). 


258  ör.  O.  Fin8ch.  [SH] 

haupt  i3  vorhanden,  wovon  fünf  von  ihm  untersucht  wurden.  In  einen  etwas  ab- 
weichenden derartigen  Bau,  aber  unterirdisch,  ähnlich  einem  Kellergewölbe,  konnte  ich 
nur  hineinsehen,  da  er  mit  Wasser  gefüllt  war. 

Der  Umstand,  dass  sich  in  den  Steinzellen  ausser  den  erwähnten  Gegenständen 
auch  Ueberreste  von  Menschenknochen  fanden,  legte  die  Annahme  von  Grabstätteo 
oder  Gräbern  nahe.  Und  das  hat  jedenfalls  bis  zu  einem  gewissen  Grade  seine  Richtig- 
keit, wenn  auch  nicht  in  der  ausgedehnten  und  specifischen  Weise,  wie  Kubary  an- 
nimmt. Er  erblickt» in  den  Steinzellen  »ausschliesslich  Königs-  oder  Häuptlingsgräber«, 
hält  die  von  Tauatsch  für  das  Mausoleum,  »in  welchem  die  Könige  von  Metalanim  be- 
stattet wurden«  und  schliesst  »aus  dem  Vorhandensein  mehrerer  Unterkiefer  und  Stirn- 
theile  in  ein  und  derselben  Gruft  auf  Familiengräber«.  So  entstand  nach  und  nach  die 
Ansicht,  als  sei  ganz  Nan-Tauatsch  eine  für  Cultus  geweihte  Stätte  gewesen,  und  die 
Riesenbauten,  gleich  den  altegyptischen,  nur  Denkmäler  zu  Ehren  verstorbener  »Kö- 
nige«. Mag  dies  auch  für  die  erwähnten  besonderen  Steinzellen,  wenigstens  für  einige 
derselben,  zum  Theil  richtig  sein,  so  stehen  die  geringen  Reste  von  Menschenknochen 
doch  mit  dieser  Annahme  sehr  in  Widerspruch.  In  Wahrheit  sind  bis  jetzt  noch  nie- 
mals Skelettheile  in  der  Weise  zusammengefunden  worden,  wie  dies  sonst  bei  Gräbern') 
der  Fall  ist,  sondern  nur  einzelne  Knochen  oder  Bruchtheile  derselben,  darunter  als 
hauptsächlichste  »vier  Schädeldecken«!  Sie  waren  das  Resultat  der  Nachgrabungen  in 
drei  Steinzellen  von  Tauatsch  und  zwei  anderen  bis  dahin  unberührten,  entsprechen 
also  wenig  den  Erwartungen,  welche  man  an  Ausgrabungen  alter  Gräber  sonst  zu 
knüpfen  pflegt.  Die  zweite  Untersuchung  Kubary's  in  der  Hauptsteinzelle,  dem  soge- 
nannten »Königsgrabe«  von  Tauatsch,  bei  welcher  er  dieselbe  gründlich  ausräumen 
Hess,  lieferte  ausser  Resten  von  Geräth  und  Schmucksachen  nur  »zahlreiche  sehr  kleine 
Stückchen  Menschenknochen«  (Kat.  M.  G.,  S.  290).  Diese  Reste  stehen  in  keinem  Ver- 
hältnisse zu  der  Menge  sonstiger  Fundobjecte,  und  der  Umstand,  dass  unter  den  letzte- 
ren viel  unbearbeitetes  Material  ist,  widerspricht  der  Annahme,  als  seien  dieselben  aus- 
schliesslich Gaben,  welche  man  den  Todten  mit  ins  Grab  legte. 

Die  voreiligen  Thesen  Kubary's  (vgl.  S.  287  [493]),  leider  bereits  in  die  Wissen- 
schaft eingeführt  und  schwer  wieder  zu  beseitigen,  erweisen  sich  diesen  thatsächlichen 
Verhältnissen  gegenüber  als  durchaus  haltlos.  Wie  Lälla  sind  ohne  Zweifel  auch  die 
Inselfundamente  von  Nan-Tauatsch  im  Laufe  von  Jahrhunderten  nach  und  nach  ent- 
standen, ebenso  die  Mauern,  welche  einst  Wohnungen  umfassten  und  vorwiegend  zum 
Schutze  dienten,  wie  ich  dies  schon  früher  aussprach  (vgl.  die  S.  [488],  Nr.  2  citirte  Mit- 
theilung, in  welcher  ich  ausführlich  auch  über  die  Steinbauten  berichtete).  Wie  Lälla 
noch  heute,  so  bildete  Nan-Tauatsch  jedenfalls  in  der  Vorzeit  den  Hauptplatz,  dessen 
zahlreiche  Bevölkerung,  unter  mächtigen  Häuptlingen,  wahrscheinlich  ganz  Ponape  be- 
herrschte. Dabei  drängt  sich  unwillkürlich  der  Gedanke  auf,  dass  möglicherweise 
Kriegsgefangene  an  den  Bauten  mitarbeiten  mussten.  Jedenfalls  stammen  sie  aus  ver- 
schiedenen Zeiten,  von  denen  die  gegenwärtigen  Bewohner  ebensowenig  die  geringste 
Kunde  besitzen  als  über  die  Bauten  selbst.  Unzweifelhaft  sind  die  heutigen  Bewohner 
die  unvermischten  Nachkommen  der  einstigen  Erbauer  der  Inselstadt,  die  abgeschlossen 
von  Verkehr  mit  der  Aussenwelt  ein  eigenes  kleines  Reich  bildete.  Die  hübsche  Tra- 
dition, nach  welcher  Idschikolkol,  ein  Fremdling  von  der  nur  10  Seemeilen  entfernten 


I)  So  z.  B.  auf  der  Oster-Insel,  von  welcher  Thomson  sagt:  »Hundreds  of  torabs,  cairns,  platt- 
forms  and  catacombs  were  examined  during  our  stay  on  the  island,  and  in  all  cases  the  bodies  were 
lying  in  füll  length.« 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


259 


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Vndemay  die  »ursprüngliche  Race«  besiegte  und  Gründer  der  jetzigen 

.'infach  in  das  Gebiet  der  Mythe.   Aber  Kubary  weiss  auf  seinem  Plane 

•n  Punkt  anzugeben,  wo  dieser  mythische  Eroberer  landete!! 

*"*riederichsen  erwähnten  »Steingräber«  von  dem  kleinen  Atoll  Ngatik 

circa  80  Seemeilen  südwestlich  von  Ponap^,  stehen  in  keinerlei  Be- 

n  Riesenbauten  auf  Tauatsch.     In  Wahrheit  handelt  es  sich  nur  um 

'.war  ein  5  Fuss  hohes  Fundament  von  12  Fuss  im  Quadrat,  auf  dem 

'ähr  halb  so  grosses  Viereck  gebaut  ist,  mit  einem  grossen  Korallstein 

ch  Doane  würde  das  primitive  Bauwerk  Cultuszwecken  gedient  haben 

^The  Geographical  Magazine«,  i.  August  1874,  S.  2o3),  ist  aber  viel- 

nkmal. 

ssant  ist  der  Nachweis  ähnlicher  Grabdenkmäler  (»Raun«)  aus  Korall- 
kleinen Inseln  Pik^n  und  Burat  der  St.  David-Gruppe  (Bunai)  durch 
.  Beitr.«,  I,  S.  iio,  Taf.  XV)  und  die  sich  ähnlich  auf  Yap  wiederholen. 


5.  Hausrath. 

nur  wenige  Stücke,  da  sich  von  Eingeborenen  gearbeitete  Geräth- 
:  des  Einflusses  von  Händlern  und  des  grösseren  SchifTverkehrs  in  ge- 
irhalten  hatten  als  auf  Kuschai. 

ragendste  Erzeugniss  ponapesischer  Industrie  und  charakteristisch  für 
besondere  Art  Matten,  wie  die  folgende: 
te  (Nr.  197,  I  Stück)  aus  Pandanns-hl^lX,   Jokoits. 
/ie  Anfertigung  sehr  eigenartig  dadurch,  dass  diese  Matten  nicht  ge- 
1  genäht  sind.    Man  bedient  sich  dazu  jetzt  europäischer  Nadeln  und 

aus  Hibiscus-FasQT  mehrere  Lagen  schmaler  (circa  25  Mm.  breiter) 

danus-Blait  so  übereinander,  dass  sich  die  Matte  leicht  aufrollen  lässt. 
rzierung  sind  rothe  Wollfäden  in  kleinen  Büscheln  längs  den  Rändern, 
en  sind  schmal,  aber  gewöhnlich  so  lang,  dass  das  eine  Ende  zusam- 
'ir  praktischer  Weise  gleich  als  Kopfkissen')  dient,  jedenfalls  bequemer 
die  hölzernen  in  Ost-Mikronesien.    Die  grösste  dieser  Matten,  welche 

6  M.  in  der  Länge  und  circa  1-50  M.  in  der  Breite;  die  gewöhnliche 
M.  Länge  und  80  Cm.  Breite;  die  kleinste  war  nur  Sg  Cm.  breit.   Die 

ser  Matten  bildet  die  Hauptbeschäftigung  der  Ponapesinnen,  und  ich 
reichen  Frauen  des  Nanmareki  von  Jokoits  dabei  thätig,  der  mit  solchen 
Der  Preis  einer  grossen  Matte  wie  die  obige,  welche  mir  der  hohe 
betrug  damals  8  Dollars  (circa  3o  Mark). 

en,  jedenfalls  die  bequemsten  und  praktischsten  und  deshalb  die  besten 
ien  die  hauptsächlichste  Ausstattung  des  Inneren  der  Häuser,  deren 
t  auch  noch  zuweilen  mit  gewöhnlichen  geflochtenen  Matten  belegt  wird. 

Esswaren  u.  dgl.  werden  aus  dem  Blatte  der  Cocosnusspalme,  in  ganz 

wie  in  Ost-Mikronesien  (vorne  S.  153  [409]),  verfertigt.  Ich  erhielt 
i  flache  Körbe,  ähnlich  den  »Kobäsch«  von  Kuschai  (S.  214  [470]),  aber 
eflochten  und  mit  Tragbändern.    Ein  solcher  Korb,  den  ich  von  einer 


r  den  unseren  entsprechendes  Kopfkissen,  aus  einem  M'aitengeflecht  bestehend,  mit 
aserstoff  gefüllt,  ist  Kat.  M.  G.,  S.  428,  von  Pelau  beschrieben,  wird  aber  von  Ku- 
idustrie  der  Haushaltungsi^eräthschaften«  (II,  S.  197  u.  f.)  unerwähnt  gelassen. 


26o  Dr-  O.  Fifißch,  [516] 

Frau  des  Nanraareki  von  Jokoits  kaufte  und  in  welchem  die  hohe  Frau  ihre  Kostbar- 
keiten an  Glasperlen,  Spiegeln  nebst  Tabak  und  Pfeife  verwahrte,  war  42  Cni.  lang, 
24  Cm.  breit  und  12  Cm.  tief.  Die  Sammlung  enthält  einen  solchen  Korb  unter  Nr.  108. 
Grössere  hölzerne  Deckelkasten  oder  Truhen  aus  Brotfruchtbaum,  welche  ich  auf 
Ponape  einzeln  beobachtete,  waren  vielleicht  nicht  hier  gemacht,  sondern  wahrschein- 
lich durch  Schiffe  von  Mortlock  herüber  gelangt.  Alle  wohlhabenderen  Eingeborenen 
besassen  übrigens  bereits  jene  verschliessbaren  Holzkasten,  europäischen  oder  chinesi- 
schen Ursprungs,  wie  sie  in  vielen  Theilen  der  Südsee  bereits  ein  beliebter  Tausch- 
artikel sind.  Für  Aermere  lieferten  die  Handelsstationen  genügend  Ginkisten  als  nutz- 
lichen Gebrauchsgegenstand. 

6,  Werkieuge. 

Aexte.  Nach  Kubary  benützten  die  Ponapesen  noch  vor  kaum  50  Jahren  selbst- 
gefertigte Aexte  mit  7V/(f<ic;2a- Klingen,  aber  es  gelang  ihm  keine  solche  mehr  zu  er- 
langen, und  er  musste  sich  mit  den  Resten  aus  prähistorischer  Zeit  begnügen.  Auch  ich 
war  so  glücklich,  in  den  Ruinen  der  sogenannten  » Königsgräber c  auf  Nan-Tauatsch 
zwei  Fragmente  von  Axtklingen  aus  Tridacna  zu  finden,  das  eine  9  Cm.,  also  sehr 
breit,  das  andere  nur  50  Mm.  breit.  Soweit  sich  nach  diesen  Bruchstücken  urtheilen 
lässt,  stimmen  sie  in  der  Form  ganz  mit  den  7r/^^Cfi^-Klingen  von  Kuschai  überein, 
aber  wie  die  von  Kubary  gesammelten  Fundobjecte  zeigen  (im  Ganzen  sieben  Stück), 
kommt  auch  die  fast  dreiseitige  Form  (wie  von  Nukuor,  Fig.  57)  vor.  Eine  wohlerhal- 
tene Tr/rfacwa-Klinge  aus  den  Ruinen  (Kat.  M.  G.,  S.  284,  Nr.  2749)  ist  46  Cm.  lang, 
II  Cm.  breit  und  7  Cm.  dick,  also  beinahe  ebenso  gross  als  die  grössten  Exemplare 
von  Kuschai.  Kubary  fand  in  den  Ruinen  auch  einen  Meissel  aus  Cassis  rufa  (i3  Cm. 
lang),  wie  ich  einen  solchen  noch  auf  Kuschai  erhielt.  Mit  Aexten,  deren  Klingen  aus 
Hobeleisen  (»Silla«)  bestand  (wie  Nr.  119  von  den  MarshalMnseln,  S.  155  [4ii])>  sah 
Hochstetter  1858  Eingeborene  an  einem  Canu  zimmern  (1.  c,  S.  285).  Jetzt  ist  auch 
dieses  primitive  Geräth  meist  verschwunden  und  durch  importirte  Aexte  verdrängt. 

Sonstige  Werkzeuge  erhielt  ich  nicht,  doch  mögen  vielleicht  noch  solche  existiren. 

7.  Textilarbeiten. 

In  Flechtarbeiten  wird  wenig  geleistet,  da  sich  die  Hauptthätigkeit  der  Frauen  auf 
die  Verfertigung  der  vorher  unter  Hausrath  beschriebenen  Schlafmatten  concentrirt,  die 
zusammengenäht  werden. 

Seilerei  betrifft  nur  die  bekannten  Stricke,  hauptsächlich  aus  Cocosnussfaser,  wie 
sie  (zum  Theil  schwarz  gefärbt)  besonders  beim  Hausbau  nöthig  sind,  und  welche  auf 
Ponap^  in  vorzüglicher  Güte  angefertigt  werden.  Der  Nanmareki  schenkte  mir  eine 
grosse,  sehr  geschickt  aufgewundene  Rolle  Cocosgarn,  für  welche  ihm  zwei  Flaschen 
Schnaps  kein  genügendes  Aequivalent  schienen. 

Die  Webeicunst  beschränkte  sich  auf  die  Anfertigung  schmaler,  buntgemusterter 
Gürtel,  die  für  Ponape  eigenthümlich  und  ganz  verschieden  von  den  »Toi«  der  Ku- 
schaier  sind  (vgl.  im  Verfolg  »Leibschmuck«).  Ich  selbst  lernte  von  der  Weberei  auf 
Ponap^  nichts  mehr  kennen,  da  sie  nach  Kubary  nur  noch  von  wenigen  Familien  in 
Roankiti  betrieben  wurde  und  seitdem  vermuthlich  ganz  abgekommen  sein  dürfte.*) 

I)  Auf  St.  David  (Bunai)  lernte  Kubary  nur  noch  eine  alte  Frau  kennen,  die  zu  Weben  ver- 
stand, aber  kein  Geräth  dazu  mehr  besass.  Das  Fabricat  waren  früher  schmale  Männergurtel,  9Dor< 
genannt,  ein  Wort,  welches  sehr  an  das  kuschaische  »Toi«  erinnert. 


r^iyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstOcke  aus  der  Südsee.  26 1 

Der  »höchst  eigenthümliche  kleine  WebestuhU,  welchen  v.  Hochstetter  (S.  288)  er- 
wähnt, sowie  die-  »Novara-Reise«  (S.  407),  ist  natürlich  kein  solcher,  sondern  ein  Kette- 
bock und  jedenfalls,  wie  die  übrigen  Geräthschaften,  mit  den  auf  Kuschai  üblichen 
(S.  218  [474])  identisch.  Dies  geht  auch  aus  einer  kurzen  Notiz  bei  Kubary  hervor,  der 
den  »Webestuhl«  von  Sonsol  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  gS)  schon  wegen  der  geringen 
Grösse  dem  von  Ponap^  am  nächsten  stellt.  Im  Uebrigen  hat  Kubary  über  die  Weberei 
auf  letzterer  Insel  bis  jetzt  nicht  berichtet,  und  der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  (S.  294)  nur 
einen  »Webeapparat«,  der  aber  ein  Kettebock  ist,  ohne  denselben  zu  beschreiben. 

TapabBreitung  war  früher  bekannt,  wird  aber  nicht  mehr  betrieben.  Nach  Mer- 
tens  benützte  man  den  Bast  des  Brotfruchtbaumes,  wie  dies  auf  Pikiram  (Greenwich- 
Isl.)  der  Fall  ist  (vgl.  Probe  der  Sammlung  S.  92  [10]).  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet 
(S.  294)  eigenthümliche  »Klopfer  zur  Bearbeitung  von  Bast«,  die  von  »Ponape«  her- 
stammen sollen. 

Filetstricken  wird  auf  Ponap6  ebenfalls  verstanden;  ich  habe  aber  keine  anderen 
Arbeiten  als  Netze  gesehen.  Vielleicht  gehören  die  in  der  »Novara-Reise«  (S.  408)  er- 
wähnten »kleinen  Säckchen«  in  diese  Kategorie.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  nichts  Der- 
artiges von  Ponape 

8,  Fahrzeuge. 

Die  Canus  (»Wuar«,  »Vara«:  »Novara«)  von  Ponap6  stimmen  am  meisten  mit 
denen  von  Kuschai  überein,  bestehen  wie  diese  aus  einem  ausgehöhlten  Baumstamme, 
sind  daher  sehr  lang  und  schmal,  unterscheiden  sich  aber  in  der  Form  des  Schififsrumpfes 
dadurch,  dass  die  Enden  nicht  abgestutzt,  sondern  sanft  abgeschrägt  verlaufen,  und  den 
ganz  verschieden  construirten  Ausleger,  der  sich  aber  nicht  beschreiben,  sondern  nur 
abbilden  lässt.  Ausserdem  führen  Ponap^-Canus  wohl  ein  Segel,  aber  (wenigstens 
früher)  keinen  Mast  (vgl.  Lütke,  II,  S.  27  und  die  Abbild.  »Senjavin-Reise«,  PI.  24,  und 
Kittlitz:  Denkwürd.,  II,  S.  71).  »Nur  eine  bewegliche  Stange,  die  Einer  in  der  Hand  hält, 
stützt  das  zwischen  zwei  winkelig  gegeneinander  befestigten  Stangen  ausgespannte  Segel, 
welches  mit  grosser  Präcision  dem  Winde  gemäss  bald  an  diesem,  bald  an  jenem  Ende 
des  Fahrzeuges  aufgestellt  wird«  (Kittlitz).  Wenn  ich  in  der  ausführlichen  Beschreibung 
des  Ponap6-Canus  (Zeitschr.  für  Ethnol.,  1880,  S.  327)  Lütke's  Darstellung  dieser  eigen- 
thümlichen  und  höchst  primitiven  Segeleinrichtung  als  eine  »bedauerliche  Unrichtig- 
keit« bezeichnete,  so  war  dies  meinerseits  ein  Irrthum,  denn  ich  vergass,  dass  die  Pona- 
pesen  seit  1828  nach  europäischem  Vorbilde  den  Mast  eingeführt  hatten.  Es  ist  dies 
ganz  besonders  interessant,  denn  es  beweist  die  Isolirtheit  der  Insulaner  und  ihre  frühere 
Abgeschlossenheit  von  allen  fremden  Verkehr.  Hätte  ein  solcher  nämlich  von  den  west- 
lichen Carolinen  aus  stattgefunden,  so  würde  die  Verbesserung  eines  Mastes  jedenfalls 
schon  längst  eingeführt  worden  sein,  da  alle  diese  Fahrzeuge  einen  solchen  besitzen. 
Die  Abbildung  eines  Canu  von  Ponap^  in  der  »Novara-Reise«  (S.  394)  ist  übrigens  ver- 
fehlt und  bezüglich  der  Breite  ebenso  unrichtig  als  das  in  demselben  Werke  dargestellte 
Saloroons-Canu  (S.  433).  Canus  mit  Mast  gehörten  zu  meiner  Zeit  übrigens  zu  den 
Ausnahmen  und  wurden  höchstens  von  eingeborenen  Lootsen  benützt,  die  ins  offene 
Meer  Schiffen  entgegengingen,  um  sie  in  die  Lagune  zu  führen.  Das  Segel  hat  die  be- 
kannte dreieckige  Form  und  ist  aus  Matten  oder  Leinwand  gefertigt,  wie  Hochstetter 
schon  1858  beobachtete.  Die  Canu  sind,  wie  auf  Kuschai^  meist  braunroth  angestrichen, 
wozu  man  (nach  der  »Novara-Reise«)  den  Farbstoff  einer  Pflanze  (Bixa  orellana)  be- 
nützt. Nach  Kubary  besteht  diese  Farbe  aber  aus  rother  Thonerde,  mit  Firniss  aus  der 
>Ais«-Nuss  gemischt. 


262  Dr.  O.  Finsch.  [518] 

Gewöhnlich  bediente  man  sich  Paddel  oder  auf  seichten  Stellen  des  Riffs  langer 
Stangen  zum  Staken.  Die  Form  der  roth  angestrichenen  Paddel  ist  ganz  dieselbe  als 
von  Kuschai  (S.  [479]),  nur  das  Blatt  länger  und  spitzer.  Die  in  der  »Senjavin-Reise« 
(PI.  3i,  Fig.  4  und  PL  24)  abgebildete  Form  (mit  rechtwinkelig  abgesetzter  Basis  des 
Blattes)  erinnere  ich  mich  nicht  gesehen  zu  haben. 

Auf  der  Lagune  wird  zuweilen  ein  grosses  Bananenblatt  an  eine  Stange  befestigt 
als  primitives  Segel  benützt. 

Grosse  Canus  von  40  Fuss  Länge,  welche  12 — 14  Personen  tragen,  gibt  es  wenige, 
gewöhnlich  sind  sie  kleiner  und  für  4 — 8  Menschen  eingerichtet.  Bei  Gelegenheit  des 
Besuches  des  Idschibau  von  Metalanien  in  Jokoits  hatte  ich  am  besten  Gelegenheit,  dies 
zu  beobachten,  denn  der  hohe  Herr  kam  mit  seiner  ganzen  Flotte,  die  an  50  Canus 
zählte  und  an  3oo  Eingeborene  an  Bord  führte.  Verzierungen  irgendwelcher  Art  habe 
ich  bei  Ponape-Canus  nicht  gesehen;  aber  nach  Kubary  sollen  Schnitzereien,  »wenn 
auch  in  untergeordnetem  Gradec,  vorkommen.  Wenn  Kubary  (in  Joest:  »Tätowirenc, 
S.  94),  auf  die  Aehnlichkeit  der  Canus  von  Ponap^  und  Pelau  hinweisend,  die  Herkunft 
der  Bewohner  der  letzteren  Insel  von  der  ersteren  ableiten  möchte,  so  ist  diese  Annahme 
ebenso  irrig  wie  die  Aehnlichkeit  der  Fahrzeuge  eine  zufällige.  Wie  wir  bereits  (S.  [274], 
[480])  gesehen  haben,  wiederholt  sich  derselbe  Typus  in  der  Bauart  allenthalben,  und 
so  kommt  der  des  Ponap^-Fahrzeuges  auch  in  Melanesien  und  anderwärts  vor.  So  im 
»Vanakac  der  Südostküste  Neu-Guineas  (Chalmers:  »Pioneeringc,  Abbild.  S.  196  und 
320),  in  Astrolabe-Bai  (Finsch:  »Ethnol.  Atlas«,  Taf.  IV,  Fig.  i)  an  der  Nordküste  von 
Kaiser  Wilhelms-Land  (ibid.,  Taf.  VII,  Fig.  4:  Dallmannhafen,  und  Fig.  5:  Venushuk), 
in  Torresstrasse,  in  Neu-Irland  (Hernsheim:  »Südsee-Erinnerungen«,  Abbild.  S.  106), 
Hochstetter  vergleicht  das  Ponape-Canu  mit  dem  der  Nicobaren.  Wesentliche  Eigen- 
thümlichkeiten  basiren  weniger  auf  dem  eigentlichen  Schiffskörper  des  Canu,  sondern 
in  der  Constrüction  des  Auslegergeschirrs.  Und  darin  zeigen,  nach  der  Abbildung  Ku- 
bary's  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  Taf.  XIII  und  XIV)  zu  urtheilen,  die  Canus  der  westlichen 
Inseln  Sonsol  (Sonsorol)  und  Bunai  (St.  David)  jedenfalls  mehr  Aehnlichkeit  mit  der 
Bauart  auf  Ponap6  als  die  von  Pelau. ') 

In  der  Sprache  von  Sonsol  heisst  das  Canu  »Wa«,  was  übrigens  keineswegs  ge- 
nügt, um,  wie  Kubary  meint,  die  carolinische  Verwandtschaft  anzudeuten  (vgl.  vorne 
S.  159  [415],  Anm.).  Zum  Typus  der  ausgehöhlten  Baumstammeanus  gehört  auch  das 
»Wakha«  von  Nukuor,  soweit  sich  darüber  nach  Kubary's  Mittheilungen  (Kat.  M.  G., 
S.  340)  urtheilen  lässt,  der  freilich  mehr  die  Ceremonien  beim  Bau  etc.  als  das  Fahrzeug 
selbst  beschreibt.  Das  »Wakha«  führt  Mast  und  Segel,  die  aber  selten  benützt  werden, 
da  die  Nukuorer  keine  weiten  Seereisen  machen  und  sich  meist  nur  Paddel  bedienen. 
Die  Uebereinstimmung  des  Nukuor-Canus  mit  dem  von  Nukufetau  der  Ellice-Gruppe 
ist  immerhin  bemerkenswerth. 

Canuhäuser,  oft  von  ansehnlicher  Grösse,  dienen  zur  Unterkunft  der  Fahrzeuge, 
zugleich  aber  auch  als  eine  Art  Versammlungshaus,  sowie  als  Schlafstätte  der  ledigen 
Männer.    Das  grosse  Gebäude  links  auf  dem  Bilde  von  Hernsheim  (» Südsee -Erinnern  n- 


«)  Kubary  beschreibt  (Joum.  M.  G.,  Heft  IV,  1873,  9.  59)  von  hier  drei  durch  die  Grösse  ver- 
schiedene Canus,  die  übrigens  sämmtlich  nicht  Hochseefahrzeuge  sind  und  von  denen  das  Taf.  3  ab- 
gebildete »Kaep«  jedenfalls  eine  Phantasiefigur  ist,  ohne  Werth  für  ethnologische  Vergleichung.  Ein- 
legearbeiten (in  Perlmutter  und  Muschel)  von  Pelau-Canus  bildet  Edge-Pariingion  ab  (PI.  180).  Reichere 
Kunstarbeiten  in  dieser  Technik  zeichnen  gewisse  Canus  der  Salomons  aus  (vgl.  Cooic:  »The  Western 
Paciiicc,  S.  145),  wie  diese  Art  Verzierung  von  Kotzebue  auch  von  Ojalava  oder  Olajava  (Upolu)  der 
Saraoa-Gruppe  erwähnt  wird  (»Neue  Reise«  etc.,  S.  149) 


I  c  I  gl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  263 

gen«,  S.  66)  stellt  das  Canuhaus  des  Idschibau  von  Metalanien  dar  und  zeigt  den  be- 
trächtlichen Grössenunterschied  gegenüber  gewöhnlichen  Wohnhäusern.  Es  enthielt  * 
12 — 15  Fahrzeuge,  die  theils  auf  dem  sanft  geneigten  schrägen  Boden  standen  oder  auf 
besonderen  Trägern  zwischen  Querbalken  übereinander  hängend  untergebracht  waren. 
Von  SeBVerkehr  kann  bei  Ponap6  kaum  die  Rede  sein,  da  nur  gelegentlich  Fahrten 
nach  dem  benachbarten  Andema  (circa  10  Seemeilen)  oder  Pakin  (18  Seemeilen)  unter- 
nommen werden.  Kubary  berichtet  einen  Fall  von  Verschlagenwerden  auch  für  Pona- 
pesen,  die  statt  dem  circa  60  Seemeilen  entfernten  Ngatik  unfreiwillig  36o  Seemeilen 
weit  nach  Ruk  gelangten. 

g.  Körperhülle  und  Put{. 

A.  Bekleidung. 

Europäische  Kleider  waren  zu  meiner  Zeit  auf  Ponap^  minder  stark  vertreten  als 
auf  dem  fast  ganz  christianisirten  Kuschai,  immerhin  hatten  aber  eingeführte  Zeuge  die 
Nationaltracht  zum  Theil  schon  beeinträchtigt.  Diese  Tracht  besteht  in  dem  Kaol, 
d.  h.  einem  fast  bis  auf  die  Knie  reichenden,  ringsum  schliessenden  Faserrock,  der  früher 
von  beiden  Geschlechtern  (vgl.  PI.  24  und  3i  der  »Senjavin-Reise«),  zu  meiner  Zeit 
aber  vorzugsweise  von  Männern  getragen  wurde,  die  dadurch,  wie  schon  v.  Hochstetter 
treffend  bemerkt,  ein  sehr  weibisches  Aussehen  erhalten.  Der  Kaol  ist  übrigens  ganz 
verschieden  von  dem  ähnlichen  Bekleidungsstück  der  Männer  aqf  den  Marshall-Inseln 
(vorne  S.  168  [424],  Fig.  25)  und  stimmt  am  nächsten  mit  den  F'aserröckchen  überein, 
wie  sie  auf  den  Gilbert-Inseln  (S.  73  [341])  und  vielerwärts  in  Melanesien  (vgl.  Neu- 
Guinea),  aber  nur  vom  weiblichen  Geschlecht  getragen  werden. 

Wie  in  diesen  Gebieten  kennt  man  auch  auf  Ponap^  gewöhnliche  und  feinere 
Sorten  Kaol,  die  als  Alltags-,  respective  Festtagstracht  gelten  können.  Die  gewöhn- 
lichen Kaol  sind  grobfaserig,  naturfarben  und  meist  aus  den  gespaltenen  Fiedern  des 
Cocosblattes  (»Til«),  oder  aus  Hibiscus-EsiSl  (nach  Kubary  aus  dem  Baste  einer  Mal- 
vaceenart)  verfertigt  (vgl.  »Anthrop.  Album  M.  G.«,  Taf.  25,  Fig.  392). 

Bei  festlichen  Gelegenheiten  wird  aber  über  den  gewöhnlichen  Faserrock  eine 
feinere  Sorte  getragen,  wie  das  folgende  Stück: 

Kaol  (Nr.  240,  i  Stück)  Faserrock  für  Männer  aus  den  Blattfiedern  junger  Cocos- 
palmen,  sehr  fein  zerschliessen  und  mit  Curcuma  gelb  gefärbt.  Taillenweite  78  Cm., 
Länge  48  Cm.    Jokoits. 

Diese  Art  Staatskleider  sind  gewöhnlich  am  oberen  Rande  mit  einer  Franse  aus 
rothen  Wollfäden  verziert,  zuweilen  die  Fasern  sehr  fein  gefaltet  in  Pliss^  gelegt,  was 
sehr  hübsch  und  eigenartig  aussieht»  Die  Bindfaden  zum  Festbinden  werden  ebenfalls 
gern  mit  rothen  Wollfädcn  umwickelt  und  enden  in  eine  Quaste  aus  gleichem  Material. 
Andere  sehr  feine  Staats-Kaol  bestehen  aus  fein  gespaltenen  Fasern  von  Hibiscus-Ezst, 
sind  mit  Abkochung  von  Mangrovenrinde  lohfarben  oder  röthlich  kirschbraun,  zuweilen 
auch  mit  Curcuma  gelb  gefärbt  und  wurden  früher  nur  bei  den  Tänzen  getragen.  Ich 
erhielt  nur  noch  einen  solchen  Kaol,  da  diese  Sorte  schon  damals  nicht  mehr  gemacht 
wurde.  An  der  Bindequaste  sind  zuweilen  als  Verzierung  Glasperlen  oder  Muschelscheib- 
chen  (aus  den  Ruinen  ausgegrabene)  befestigt. 

Häufig  wird  über  dem  Faserrock  noch  eine  Jacke  (vgl.  Finsch:  Zeitschr.  für  Ethnol., 
Taf.  XI)  getragen  oder  ein  Hemd,  und  in  diesem  Anzüge  erschienen  die  grössten 
Herrscher  Ponap^s,  wie  der  Idschibau  von  Metalanien  und  der  Nanmareki  von  Jokoits 
vor  mir. 

Anilalcii  Jch  k.  k.  ndturlltstorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII»  Heft  2,  i8y3.  I9 


264  ^r.  O.  Finsch.  [520] 

Aehnlich  wie  die  Frauen  in  Port  Moresby  zuweilen  einen  Faserrock  als  Mamille 
um  die  Schultern  tragen,  sah  ich  dies  auch  bei  Männern  auf  Ponap^,  die  bei  feierlichen 
Gelegenheiten  solche  gelbe  Staats- Kaol  umgeschlagen  hatten.  »Vor  der  Ankunft  der 
Weissen  trugen  die  Ponap^anerinnen  Zeug  aus  dem  Baste  eines  Baumes«  sagt  Kubary, 
also  wohl  eine  Art  Tapa,  die  ich  indess  nicht  mehr  zu  sehen  bekam.  Auch  der  Faser- 
rock (Kaol)  war  beim  weiblichen  Geschlecht  bereits  sehr  aus  der  Mode  gekommen  und 
dasselbe  kleidete  sich  fast  allgemein  in  europäische  Stoffe.  Nur  vornehmere,  besonders 
aber  eingeborene  Frauen  von  Händlern  (Tradern)  trugen  ein  langes  Kattunkleid  (vgl. 
Finsch,  I.  c,  Taf.  XI),  im  Uebrigen  genügte  ein  sogenannter  »Lavalava«,  d.  h.  ein  StGck 
Zeug  von  der  Grösse  zweier  Taschentücher,  das  um  die  Hüften  geschlagen  wird.  Eine 
solche  moderne  mit  dem  »Likut«  (=  Zeug)  bekleidete  Ponapesin  ist  bei  Hernsheim 
(»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  12)  abgebildet.  Diese  Lendentücher  sind  besonders  in 
Gelb  beliebt  oder  werden  noch  besonders  mit  Curcuma  gelb  eingerieben. 

,  Als  weitere  Bekleidung  trugen  die  Frauen  früher  eine  Art  Poncho  (vgl.  »Senjavin- 
Reise«,  PI.  24  und  3i),  von  dem  ich  aber  kein  Stück  mehr  erlangte.  Nach  v.  Kittlitz 
bestanden  diese  Mantillen  aus  demselben  Material  als  die  Faserröcke,  also  Cocosfasern, 
und  manche  derselben  waren  »prächtig  scharlachroth«  gefärbt.  Andere  Mantillen,  in 
Form  eines  dreieckigen  Tuches,  waren  aus  gewebtem  Stoff,  demselben,  aus  welchem  die 
Gürtel  bestehen,  angefertigt  (vgl.  »Senjavin-R^ise«,  PI.  3t).  Aber  dies  ist  jedenfalls  un- 
richtig, denn  nach  Lütke  waren  diese  Mantillen  aus  Tapa  gefertigt,  »derselben,  wie  sie 
auf  Tahiti  gemacht  wird«  (Voyage,  II,  S.  26),  aber  nach  Mertens  nicht  aus  Bast  von 
Droussonettia,  sondern  Brotfruchtbaum.  Diese  früheren  Poncho  werden  jetzt  allgemein 
durch  ein  buntes,  am  liebsten  gelbes  Taschentuch  (»Licinmar«)  ersetzt,  durch  welches 
ein  in  der  Mitte  eingeschnittenes  Loch  als  Schlitz  dient,  um  den  Kopf  durchzustecken 
(vgl.  Taf.  27  des  »Anthrop.  Album  M.  G.«).  Sehr  ähnliche  Ponchos  (»Likou«),  aus 
Pandanus  geflochten,  tragen  die  Frauen  auf  Sonsol,  aber  nicht  auf  Bunai  (Kub.,  I,  S.92, 
Taf.  XII,  Fig.  2). 

B.  Putz  und  Zieraten. 

Auch  hierin  ist  auf  Ponap^  bereits  fast  alle  Originalität  verloren  gegangen  und 
von  den  früher  gebräuchlichen  Schmuckgegenständen,  wenn  überhaupt,  nur  noch 
schlechte  Nachbildungen  übrig  geblieben.  Eingeführte  Glasperlen  und  besonders  die 
so  sehr  beliebten  Fäden  rother  Wolle,  welche  aus  rothen  Fries  gezupft  werden^  haben 
ganz  besonders  zum  Verfall  der  einheimischen  Arbeiten  beigetragen,  denn  namentlich 
ist  es  rothe  Wolle,  die  bei  den  meisten  Putzsachen  Verwendung  findet.  Die  letzteren 
bestehen  hauptsächlich  in  Kopf  binden,  wenig  Halsschmuck,  eigenthümlichen  Ohr- 
stöpseln und  Gürteln,  die  wir  später  unter  »modernem  Putz«  kennen  lernen  werden. 
Zunächst  sei  der 

a)  Prähistorischen  Ueberbleibsel 

gedacht,  wie  sie  die  Ruinen  von  Nanmatal  lieferten,  weil  dieselben  am  besten  die  Iden- 
tität der  heutigen  mit  den  früheren  Bewohnern  beweisen.  Ausser  einem  kleinen 
Spermwalzahn  und  einem  Fragment  aus  Walfischknochen,*)  verschiedenen  Arbeiten 
aus  Conus,  bestehen  dieselben  ganz  besonders  in  zwei  Arten  von  Spondylus-lAMSchA 
(^Sp.  flabellum  und  rubicundus  Reeve).  Wie  die  Letzteren  beweisen,  muss  die  Ver- 
arbeitung solcher  einstmals  lebhaft  betrieben  worden  sein  und  die  Verwendung  der- 
selben zu  Schmucksachen  eine  hervorragende  Stelle  eingenommen  haben.    Die  nach- 


»)  Kat.  M.  G.,  S.  285,  Nr.  2767  und  2768. 


rc2i1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  265 

folgenden  Stücke  geben  eine  vollständige  Darstellung  dieses  Materials  nach  Exemplaren, 
die  ich  selbst  in  den  Ruinen  von  Nantauatsch  bei  Nanmatal  ausgrub. 

Rohe  Muschelschale  (Nr.  473,  i  Stück),  untere  Hälfte,  von  Spondylus  ßabei- 
lum  Reeve  (nach  v.  Martens),  12  Cm.  lang,  10  Cm.  breit;  völlig  unbearbeitet,  die 
Längsrillen  der  Unterseite  ziemlich  gut  erhalten,  aber  die  Schale  mit  einem  dünnen 
kalkigen  Ueberzuge,  der  sich  leicht  abkratzen  lässt,  so  dass  dann  das  Roth  der  Schale 
sichtbar  wird;  dasselbe  ist  ziemlich  blass,  nimmt  aber  durch  Anfeuchten  eine  lebhaftere 
Farbe  an,  allerdings  nie  so  lebhaft  roth  als  an  frischen  Muscheln. 

Halsschmuck  (Nr.  473  a,  i  Stück,  Taf.  V  [22],  Fig.  9),  obere  Schale,  ebenfalls 
von  Spondylus  flabellum,  85  Mm.  lang,  75  Mm.  breit;  die  Oberfläche  ist  schmutzig- 
röthlich  und  wird  durch  Befeuchten  viel  lebhafter  röthlich.  Das  Stück  ist  auf  der 
Oberseite  und  an  den  Rändern  abgeschliffen  und  oberseits  mit  zwei  Löchern  durch- 
bohrt, zum  Befestigen  eines  Bindfadens,  da  dasselbe  jedenfalls  in  dieser  Weise  als  Hals- 
ornament*) diente. 

Derartige  Muschelschalen,  circa  '/j — iVa  Fuss  tief  in  der  Bodenschicht,  meist 
losen  Korallgrus,  des  Hauptgewölbes  eingebettet,  bildeten  das  häufigste  Fundobject  der 
Ausgrabungen  und  machten  sich  bei  ihrer  Grösse  am  meisten  bemerklich.  Diese  Schalen 
sind  noch  sehr  fest,  also  nicht  eigentlich  verwittert,  aber  mehr  oder  minder  stark  ver- 
blasst,  erhalten  aber  durch  Anfeuchten  eine  verschieden  starke  röthliche  Färbung  wieder. 
Die  grösste  Schale,  welche  ich  erhielt,  mass  15  Cm.  in  der  Länge,  12  Cm.  im  Quer- 
durchmesser. Die  meisten  Schalen  gehören,  nach  gütiger  Bestimmung  von  Prof. 
V.  Martens,  zu  Spondylus  flabellum  Reeve,  aber  es  sind  auch  Schalen  einer  anderen 
Art  dabei,  schmäler  und  mehr  gewölbt  (bis  135  Mm.  lang  und  95  Mm.  breit),  die  der- 
selbe Specialist  als  Spondylus  rubicundus  Reeve  bestimmte.  Die  Mehrzahl  der  gefun- 
denen Muscheln  sind  roh,  darunter  ein  Exemplar  mit  beiden  Schalen  noch  im  Schloss 
verbunden,  eine  ziemliche  Anzahl  aber  in  verschiedenen  Stadien  der  Bearbeitung,  d.  h. 
mehr  oder  minder  abgeschliffen  (wie  z.  B.  Nr.  473  a)  und  zum  Theil  durchbohrt.  Sehr 
bemerkenswerth  ist  der  Umstand,  dass  ich  auch  kleinere  Bruchstücke  (circa  50  Mm. 
lang  und  20  Mm.  breit  u.  s.  w.)  fand,  künstlich  zerschlagen  und  offenbar  Rohmaterial 
zu  Scheibchen. 

Nach  Kubary's  Ansicht  wären  diese  Muschelschalen  den  Verstorbenen  aus  Pietät 
mit  ins  Grab  gegeben  und  die  Muschel  selbst  würde  jetzt  nicht  mehr  in  den  Gewässern 
von  Ponapd  vorkommen.  Beide  Annahmen  sind  zweifellos  falsch.  Denn  wie  die  Menge 
der  Fundstücke,  namentlich  von  Rohmaterial,  in  verschiedenen  Stadien  der  Bearbeitung 
bis  zu  den  fertigen  Muschelscheibchen  in  allen  Grössen  beweist,  haben  wir  es  hier  ledig- 
lich mit  Wohnstätten  und  den  darin  befindlichen  prähistorischen  Werkstätten  zu  thun 
(vgl.  S.  257  [513]).  Sorgfältige  Ausgrabungen,  wie  ich  sie  nicht  anstellen  konnte,  wür- 
den wahrscheinlich  auch  die  Schleifsteine  zu  Tage  fördern,  welche  einst  zum  Schleifen 
der  Muscheln  dienten. 

Die  Muschelschalen  (Spondylus  flabellum)  aus  den  Ruinen  wurden  von  einem 
Yap- Eingeborenen  sogleich  als  dieselben  erkannt,  aus  welchen  man  dort  noch  heute  die 
rothen  Muschelscheibchen  schleift.  Diese  Muschel  ist  aber  ziemlich  schwer  zu  erlangen, 
da  sie  in  ansehnlicher  Tiefe  festgewachsen  lebt  und  die  heutigen  Bewohner  Ponap^s 
eben  zu  faul  sind,  um  sich  deswegen  Mühe  zu  geben.     Sie  begnügen  sich  mit  der 


I)  Solche  grosse  SpondylusScYizX^ny  wie  auch  einzelne  Cypraea  aurora,  bildeten  nach  Wilkes 
auf  Pidschi  den  kostbarsten  Schmuck^  welcher  sich  in  Häuptlingsfamilien  vererbte.  Der  Kat.  M.  G. 
(S.  152,  Nr.  1156)  verzeichnet  von  daher  einen  solchen  Halsschmuck  aus  einer  Spondylus-Schale. 

19* 


206  ^r,  O.  Finsch.  [522] 

Hinterlassenschaft  ihrer  Vorfahren  aus  den  Ruinen,  die  ihnen  noch  heute  auf  leichte 
Weise  das  Material  zu  verschiedenen  Schmucksachen  liefert. 

Prähistorische  Muschelscheibchen  (Nr.  475,  Taf.  VIII  [25],  Fig.  i3)  aus  Spon- 
dylus  geschliffen,  von  den  heutigen  Ponapesen  »Pake«  genannt  (Kubary).  Die  abge- 
bildete Reihe  stellt  alle  Grössen  vor,  welche  ich  in  den  Ruinen  fand,  und  von  denen 
die  kleineren  Nummern  (9 — 13)  am  häufigsten  waren.  Sie  sind  besser  erhalten  als  die 
grossen,  d.  h.  weniger  verkalkt,  aber  alle,  auch  die  grossen  kalkweissen  (Fig.  7)  nehmen 
durch  Anfeuchten  eine  schwache  röthliche  Färbung  an.  Kubary*s  Annahme  (in  Joest: 
»Tätowiren«,  S.  94),  als  seien  die  Muschelscheibchen  der  Vorzeit  vollkommener  und 
besser  geschliffen  als  die  der  gegenwärtigen  Carolinier,  entbehrt  jedes  sicheren  Haltes. 

Wie  überall  gibt  es  besser  und  weniger  gut  gearbeitete  Scheib- 
Fig.  51.  chen,  und  solche  liegen  mir  auch  aus  den  Ruinen  vor. 

Ein  sehr  instructives  Stück  stellt  die  nebenstehende  Fig.  51 
dar,  und  zwar  ein  in  der  Bearbeitung  begriffenes  Plättchen.  Das- 
selbe ist  circa  4  Mm.  dick  und  auf  beiden  Seiten  ziemlich  glatt 
geschlitfen,  der  obere  Rand  abgebrochen.  Unter  Zugrunde- 
legung der  Anfertigung  der  Scheiben  aus  Perlmutter  (S.  83  [351], 
Muschelscheibchen  in  Fig.  15)  erklären  sich  an  diesem  Stücke  auch  die  der  Spondylus- 
Bearbeitung.  scheibchen  sehr  einfach.  Man  braucht  sich  nur  die  beiden  oberen 

Natüri.  Grösse.  Ecken  (bei  d)  abgeschliffen  zu  denken  und  das  Scheibchen  ist  bis 

auf  das  Durchbohren  des  Loches  fertig. 
Ausser  SpondylusSch^ihch^ny  die  einstmals  wie  noch  heute  auf  Ruk  u.  s.  w. 
Jedenfalls  als  Geld  dienten,  fand  ich  auch  noch  eine  Anzahl: 

Spondylusplättchen  ^Taf.  VIII  [25],  Fig.  14),  in  verschiedener  Grösse,  durch- 
bohrt, als  Anhängsel  für  Halsbänder,  wie  wir  dieselben  von  den  Gilbert-Inseln  (S.  82 
[350])  u.  s.  w.  kennen.  Ein  ganz  ähnliches  Stück  aus  der  jüngeren  Zeit  Ponapes  ist  auf 
Taf.  VIII  [25],  Fig.  15,  abgebildet.  Kubary  fand  auch  lanzettlich  zugeschliffene  schmale 
5/?o«4r/M5-Stückchen,  zwei-  und  dreifach  durchbohrt,  die  als  Schmuck  gedient  hatten. 
Das  in  seiner  Verwendung  zu  Schmuckgegenständen  so  weit  verbreitete  Material, 
Scheiben  oder  Ringe  aus  den  Spiren  von  Conus  millepunctatus,  sogenannte  Conus- 
Boden,  sind  auch  von  den  alten  Ponapesen  zu  gleichen  Zwecken  benützt  worden,  wie 
das  folgende  Stück  zeigt: 

Halsschmuck  (Taf.  VII  [24],  Fig.  14),  Ring  aus  Conus  millepunctatus^  noch  in 
Bearbeitung  begriffen. 

Aus  demselben  Material  fand  Kubary  Armringe,  die  ganz  mit  denen  von  Kuschai 
(Nr.  36 1,  S.  229  [485])  übereinstimmen,  sowie  Bruchstücke  von  solchen  mit  eingeschlif- 
fenem Mustei',  was  sehr  bemerkenswerth  ist  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  284,  Nr.  3460  und  2760, 
S.  285,  Nr.  2761:  >interessante  Serie^von  fünf  Co/ii/5-Ringen,  die  Entwicklung  des 
Ringes  während  des  Schliffes  zeigend«). 

Pdrlmutter,  das  in  den  Schmucksachen  der  Carolinen  überhaupt  wenig  vor' 
kommt,  ist  in  den  Ruinen  allerdings  auch  von  mir  gefunden  worden,  aber  immer  nur 
in  kleinen  Stücken,  zweifellos  Fragmente  von  Fischhaken  (vgl.  Taf.  [20],  Fig.  4),  nie 
in  grösseren  Stücken  oder  ganzen  Schalen. 

Die  in  den  Ruinen  gefundenen  Schrauckgegenstände  oder  Fragmente  von  solchen 
stimmen  in  Material,  Bearbeitung  und  mit  geringen  Ausnahmen  auch  in  der  Form 
durchaus  mit  denen  überein,  wie  sie  heute  noch  in  den  Central -Carolinen  (z.  B» 
Ruk)  gemacht  werden.  Vermuthlich  verstanden  die  alten  Ponapesen  auch  Cocosnuss- 
schale  und  Schildpatt  zu  bearbeiten,  wenn  von  diesen  leichter  vergänglichen  Materialien 


!  C23|  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  207 

auch  nichts  mehr  in  den  Ruinen  erhalten  blieb.  In  jedem  Falle  beweisen  die  Fund- 
stücke die  Identität  der  früheren  Bewohner  der  Ruinen  mit  der  heutigen  Bevölkerung 
nicht  blos  Ponap^s,  sondern  der  Carolinen  überhaupt. 

b)  Moderner  Putz. 

Dass  die  Erbauer  der  jetzigen  Ruinen  viel  fleissiger  und  geschickter  als  ihre  heuti- 
gen verkommenen  Nachkommen  waren,  zeigen  die  Fundstücke  am  besten.  Von  den 
früheren  Arbeiten  aus  Muscheln  werden  höchstens  noch  leicht  herzustellende  Plättchen 
aus  Spondylus  gearbeitet  (wie  Taf.  [25],  Fig.  15),  während  Perlen  aus  Cocosnuss  fast 
ganz  durch  Glasperlen  verdrängt  wurden. 

Charakteristisch  für  modernen  Schmuck  von  Ponape,  der  fast  nur  in  Halsketten 
und  Kopfbinden  besteht,  sind  daher  Glasperlen  (besonders  weisse  und  schwarze)  und 
zum  Theil  nicht  üble  Stickereien  in  bunter  (rother  und  blauer)  Wolle,  insbesondere 
Verzierung  mit  rothen  Wollfäden.  Federputz  scheint  unbekannt  und  ist  mir  wenigstens 
niemals  vorgekommen,  obwohl  die  im  Gegensatz  zu  den  Atollen  viel  reichere  Ornis 
(vgl.  233  [489]  hübsches  Material  liefern  würde. 

a)  Hautverzierung. 

Wie  Kuschai  besitzt  auch  Ponape  eine  durchaus  spontane  Täto wirung 
(»Intschin«,  »ting«  =  zeichnen:  »Novara«),  die  mit  zu  der  reichsten  und  schönsten  des 
ganzen  Carolinen-Archipels  gehört.  Das  sehr  zierliche  geradlinige  Muster  bedeckt  beim 
weiblichen  Geschlecht  die  Arme  bis  zur  Mitte  der  Hand,  die  wie  mit  durchbrochen  ge- 
arbeiteten langen  Tricothandschuhen  bekleidet  aussehen  (Finsch,  1.  c,  Fig.  3  und  6; 
Kubary:  Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  1875,  S.  i32,  Fig.  i  und  2  und  in  Joest:  »Tätowiren«, 
S.  89),  die  Beine  vom  Knöchel  bis  zum  halben  Oberschenkel  wie  mit  Strümpfen,  von 
hier  wie  mit  einer  Art  Badehose  bekleidet  (Finsch,  1.  c,  Fig.  8 — 18;  Kubary:  Journ., 
S.  134,  Fig.  6  und  »Tätowirenc,  S.  90),  die  ringsum  die  Hüften  wie  von  einem  breiten 
Gürtel  umspannt  und  vorne  auf  dem  Schamhügel*)  wie  mit  einem  breiten  Gürtelschloss 
geschlossen  ist  (Finsch,  1.  c,  Fig.  7,  a  und  b).  Tätowirung  der  »Füsse«  (»Novara-Reise«, 
S.  410)  kommt  nicht  vor.  Männer  sind  auf  Armen  und  Beinen  wie  die  Frauen  tätowirt 
(Kubary:  Journ.,  S.  i33,  Fig.  3  und  4;  »Tätowiren«,  S.  88),  bei  ihnen  fällt  aber  der 
Gürtel  (wie  ich  ihn  irrthümlich  auch  für  Männer  angab)  weg.  Diese  Gürteltätowirung 
mit  dem  kunstvollen  Muster  auf  dem  Venusberge  ist  daher  für  die  Frauen  von  Ponape 
ganz  besonders  charakteristiscn  und  findet  sich  in  den  ganzen  Carolinen  nicht  mehr 
wieder.  Dagegen  erinnert  die  Beintätowirung  der  Ponap^-Frauen  am  meisten  an  die 
Kniehosentätowirung  der  Samoa-Männer  (vgl.  S.  14  [282]). 

So  strict  wie  Kubary  2)  übrigens  die  Tätowirung  auf  Ponape  angibt,  wird  dieselbe 
nicht  geübt,  denn  ich  konnte  während  meines  kurzen  Aufenthaltes  eine  Reihe  gegen- 
theiliger  Beobachtungen  sammeln.  Ich  untersuchte,  um  die  Tätowirung  kennen  zu 
lernen,  eine  Anzahl  Personen  verschiedenen  Alters  und  fand,  wie  überall,  sehr  erheb- 
liche Verschiedenheiten  in  der  mehr  oder  minderen  Vollendung  dieses  Schmuckes,  und 
doch  fiel  mein  Besuch  nur  sieben  Jahre  nach  Kubary 's  erstem  Eintreffen  (1873)  auf  der 
Insel.    Ein  junges  Mädchen  hatte  sich  den  ganzen  Gürtel  in  einer  Tour  tätowiren  lassen, 


»)  Die  Behaarung  wird  auf  diesem  Theile  deswegen  nicht  constant  ausgerissen,  wie  Kubary 
meint;  ich  konnte  mich  wiederholt  vom  Gegentheil  überzeugen. 

2)  »Frauen  müssen  tätowiren«  —  »Mädchen  ohne  Tätowirung  würden  ihres  hauptsächlichsten 
Schmuckes  entbehren  und  zum  Gegenstand  des  Spottes  werden«  —  »kh  glaube  nicht,  dass  auf  der 
ganzen  Insel  Ponape  ein  einziges  Individuum  dieses  Schmuckes  entbehrt«  —  »Der  hauptsächlichste 
i^chmuck  ist  Tätowiren.  Bei  der  Ausfuhrung  werden  aber  keine  religiösen  Gebräuche  vorgenommen« 
fin  Joest:   -»Tätowiren'»,  S.  89). 


268  Dr.  O.  Finsch.  [324] 

und  die  ganze  Partie  zeigte  noch  den  Eiterschorf,  welcher  erst  am  dritten  Tage  abfällt. 
Dieses  Beispiel  beweist,  dass  die  geringere  oder  ausgedehntere  Ausführung  der  Täto- 
wirung  ganz  von  dem  Willen  und  der  Widerstandsfähigkeit  des  Individuums  abhängt, 
wie  dies  allenthalben  stattfindet.  Von  einer  stricten  Reihenfolge,  wie  sie  Kubary  für  die 
einzelnen  Körpertheile  nach  dem  fortschreitenden  Alter  für  die  Tätowirung  auf  Ponape 
verzeichnet,  kann  also  nicht  die  Rede  sein.  Nach  Kubary  bildet  die  Randbinde  oberhalb 
des  Knöchelgelenks  den  Schluss  der  vollständigen  Tätowirung  einer  Ponap^-Frau.  Ich 
sah  dieses  Zeichen  aber  bereits  bei  jungen  Mädchen,  die  im  Uebrigen  noch  sehr  unvoll- 
ständig tätowirt  waren,  wie  dies  auch  aus  Hernsheim's  Abbildung  (»Südsee- Erinnerun- 
gen«, Taf.  12)  ersichtlich  ist.  Nach  Kubary  wird  die  Tätowirung  eines  Armes  nicht  in 
einem  Tage  fertig,  aber  auch  die  Zeit  lässt  sich  nur  beziehentlich  angeben,  da  dieselbe 
ja  ganz  von  der  Geschicklichkeit  der  Tätowirerin  abhängt.  So  sah  ich  eine  Frau,  der 
beide  Beine  in  drei  Tagen  fix  und  fertig  tätowirt  worden  waren.  Diese  Verzierung  hatte 
7  »Lavalava«  (=  14  baumwollenen  Taschentüchern)  gekostet. 

Wie  meist  überall  dient  Tätowirung  hauptsächlich  der  Verschönerung  der  Frauen, 
aber  auf  Samoa  herrscht  das  umgekehrte  Verhältniss,  denn  hier  sind  es  gerade  die  Män- 
ner, welche  sich  tätowiren.  Auf  Ponape  gab  es  im  Ganzen  weit  mehr  massig  oder  un- 
tätowirte  Personen  als  tätowirte,  Verhältnisse,  die  nach  v.  Miklucho-Maclay  auf  Pelau 
und  Yap  genau  dieselben  sind.  Uebrigens  hatte  der  Gebrauch  des  Tätowirens  schon 
damals  auf  Ponap6  bedeutend  nachgelassen  und  war  sehr  in  der  Abnahme  begriffen. 
Der  regere  Schiffsverkehr  mit  der  Aussenwelt  hatte  bereits  gewisse  fremde  Zeichen  (vgl. 
Fig.  II — 13  meiner  Abhandlung)  schon  damals  eingeführt,  die  namentlich  bei  Männern 
sehr  beliebt  waren,  und  jetzt  dürften  die  Originaltätowirungen,  immer  mehr  verdrängt, 
vollends  in  Verfall  gerathen  sein. 

Kubary  erwähnt  noch  gewisser  Schnittwunden  auf  Oberarm  und  Achsel  bei  beiden 
Geschlechtern,  deren  Narben  als  Zeichen  persönlichen  Muthes  somit  im  Sinne  von  Zier- 
narben zu  betrachten  sind  und  »Kopatsch«  (=  Schmuck)  heissen  (in:  Joest,  »Täto- 
wiren«, S.  91  Anm.). 

Tätowirgeräth.  Das  auf  Ponape  gebräuchliche  Instrument  zum  Tätowiren  bildet 
Kubary  ab  (Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  S.  185,  Fig.  10)  und  beschreibt  in  ausführlicher 
Weise  die  Operation,  welche  ähnlich  wie  anderwärts  geschieht.  Das  Instrument  ähnelt 
dem  (Fig.  61)  abgebildeten  der  centralen  Carolinen,  der  Kamm  besteht  aber  nicht  aus 
einem  Stück  Schildpatt  oder  Knochen,  sondern  aus  mehreren  flach  zusammengebun- 
denen Dornen  einer  Citrus- An  und  heisst  »Kalic«  (Kalitsch).  Aus  demselben  Material 
war  das  Tätowirgeräth  der  alten  Fidschianer  verfertigt  (Kat.  M.  G.,  S.  182).  Als  Schwärze 
dient  der  Russ  der  verbrannten  »Dziakan«-  (Jakan-)  Nüsse  (Aleurites  triloba),  wovon 
das  k.  k.  naturhistorische  Hofmuseum  eine  Probe  durch  die  »Novara-Reise«  besitzt. 
Cheyne's  Angabe,  dass  die  Schwärze  mit  Oel  angerieben  wird,  ist  nach  Kubary  un- 
richtig (in:  Joest,  »Tätowiren«,  S.  8g). 

In  der  Einleitung  (S.  [281]  —  [283])  habe  ich  bereits  oceanischer  Tätowirungen  gedacht,  um  in 
Kürze  zu  zeigen,  dass  sich  dieselben  überall  in  localen  Variationen  fast  über  das  ganze  ungeheure 
Gebiet  verbreiten.  Mehr  als  bei  irgend  einem  anderen  Zweige  der  Ethnologie  liegt  es  nahe,  hinsicht- 
lich der  Tätowirung  eine  zoologische  Parallele  zu  ziehen,  wenigstens  mit  dem  mir  geläufigen  Gebiete 
der  Ornithologie.  Wie  hier  gewisse  Genera  über  die  ganze  Südsee  verbreitet  sind  und  fast  auf  jeder 
Inselgruppe  oder  Insel  specifische  Vertreter  besitzen  (wobei  ich  besonders  an  die  Taubengatiung  Pt'üi- 
nopus  erinnern  möchte),  so  verhält  es  sich  mit  der  Tätowirung  generisch  betrachtet.  Ueberall  Hoden 
wir  gewisse  locale  Verschiedenheiten  in  den  Mustern  und  der  Anordnung  und  Vertheilung  derselben 
auf  verschiedene  Körpertheile,  die  bei  ihrer  Constanz  (abgesehen  von  absichtlichen  Uebertragungen)  für 
den  Zoologen  jedenfalls  Specieswerth   erhalten   würden.    Dabei  sei   nochmals  an  die  beachtenswerthe 


[5 2 51  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SOdsee.  26q 

Thatsache  erinnert,  dass,  mit  Ausnahme  von  Neu-Seeland  und  den  Markesas,  die  Muster  der  Täto- 
wirungen  mit  der  Ornamentik  der  betreffenden  Insulaner  in  keinem  Zusammenhange  stehen.  Wie  in 
der  Zoologie  ein  weitverbreitetes  Genus  auffallender  Weise  auf  Inseln  fehlt,  wo  man  jedenfalls  einen 
Vertreter  erwarten  durfte,  so  verhält  es  sich  auch  bezüglich  der  Tätowirung,  über  die  ich  im  Nach- 
folgenden vergleichsweise  weitere  charakteristische  Notizen  einfüge. 

Am  nächsten  verwandt  mit  der  von  Ponapd  ist  die: 

TStowimng  von  Pelau.  Frauen:  Arme  innen  und  aussen  bis  zur  Hälfte  des  Oberarmes  nebst 
der  Oberseite  der  Hand;  Beine  von  der  Ferse  bis  zum  Gemäss,  meist  an  Hinterseite  und  Seiten  mit 
sehr  eigenthümlichem  dichtstehenden  Muster,  das  wie  gestricktes  Tricot  kleidet;  den  Schamhügel  be- 
deckt ein  dichtes  blaues  Feld,  darüber  zuweilen  eine  Reihe  länglicher  Vierecke  wie  Sterne.  Männer 
tätowiren  nur  die  Hände,  Unterarme  und  Beine;  nach  Kubary  nur  das  linke  (?)  (Kubary  i)  in  Joest: 
»Tätowiren«,  S.  76:  Arme  und  Hände  und  S.  77,  78:  Beine  von  Frauen;  Miklucho-Maclay:  Zeitschr. 
für  Ethnol.,  1878,  Taf.  XI,  Fig.  5:  Schamberg).  Hernsheim's  Bild  von  Aba  Thule  (Aibatul)  »Südsee- 
Erinnerungen«,  Taf.  II)  zeigt  den  Herrscher  Pelaus  nur  auf  der  Oberseite  der  Hand  und  einem  Theil 
des  Unterarmes  in  einer  Weise  tätowirt,  als  trüge  er  lange  Fausthandschuhe,  im  Uebrigen  ohne  an- 
dere Tätowirung.  Nach  v.  Miklucho-Maclay  sind  auf  Pelau  bei  Weitem  nicht  alle  Männer  tätowirt, 
und  die  Tätowirung  ist  bedeutend  geringer  als  auf  Yap.  Nach  Kubary  sind  auf  Pelau  auch  Brand- 
male sehr  beliebt,  mit  denen  sich  namentlich  Mädchen  die  Arme  verzieren. 

Eine  Vergleichung  der  Tätowirungen  von  Ponap^  und  Pelau  zeigt  die  totale  Verschiedenheit 
in  den  Mustern,  sowie  in  der  Anordnung  derselben;  Kubary*s  Versuch  (in  Joest:  »Tätowiren«,  S.  93), 
auf  Grund  der  Tätowirung  die  Bevölkerung  Pelaus  von  Ponapd  herstammen  zu  lassen,  fällt  daher 
ebensowenig  glücklich  aus  als  hinsichtlich  der  Canus  (S.  262  [518]). 

Tätowirung  von  Yap.  Dieselbe  zeigt  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  von  Pelau,  aber  auch  so 
charakteristische  Eigenthümlichkeiten,  dass  sie  volle  Selbstständigkeit  bewahrt. 

Frauen:  Oberseite  der  Hand  nebst  Fingern  (selten  Schamgegend,  die  angrenzenden  Theile  des 
Oberschenkels  nebst  Gesäss);  Männer:  die  Beine  in  derselben  Ausdehnung  wie  auf  Ponap^,  aber  in 
ganz  anderem  Muster,  für  welches  die  abwechselnd  dunklen  und  hellen  Quersireifen  auf  der  Hinter- 
seite der  Wade  charakteristisch  sind  (vgl.  Kubary  in  Joest:  »Tätowiren«,  S.  81:  Bein  eines  Mannes;  und 
Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  S.  123,  Fig.  5:  ebenfalls  Beine  eines  Mannes,  aber  etwas  abweichend;  hier  auch 
S.  i34,  Fig.  7:  Mädchenhand  aus  einem  yap'schen  Sclavenstamme).  Mit  diesen  Darstellungen  Kubary's 
stehen  die  in  Heft  II  desselben  Journals  gegebenen  Abbildungen  (Taf.  IV.  Fig.  i :  »Tätowirung  eines 
Mannes  von  Yap«,  Häuptlings  von  Rul,  S.  15,  und  Taf.  5,  Fig.  3:  »Tätowirung  der  Hand  einer 
Frau«  2)  durchaus  im  Widerspruch  und  sind  als  Anschauungsmaterial  nicht  nur  werthlos,  sondern 
schädlich.  Jedenfalls  rühren  diese  Vorlagen  wie  die  Textnotizen  (S.  15)  von  Capitän  Tetens  her,  dessen 
Mittheilungen  sich  meist  als  höchst  unzuverlässig  erwiesen  und  in  Bezug  auf  Yap  zum  Theil  durch 
v.  Miklucho-Maclay  widerlegt  wurden  (»Globus«,  XXX,  1878,  S.  41). 

»Die  andere  auf  Yap  bestehende  Tätowirung  heisst  ,eol^  (auf  Pelau  ,semoIuk')  und  ist  diese 
auch  auf  den  Mackenzie-Inseln  zu  Hause«,  sagt  Kubary  (S.  81)  und  meint  damit  thatsächlich  die  total 
abweichende: 

Tätowirung  von  Uluti  (Mackenzie-Inseln),  Sie  bedeckt  in  eigenthümlichem  sehr  dichtem  Muster, 
vielleicht  dem  schönsten  der  ganzen  Carolinen,  fast  den  ganzen  Rücken  und  Brust  und  zieht  sich 
über  das  Gesäss  auf  den  oberen  Theil  der  Schenkel.  Wir  kennen  sie  bis  jetzt  nur  von  Männern 
(Kubary:  Journ.  M.  G.,  VIII,  S.  i35,  Fig  8,  »Mogomug«:  Vorderseite;  und  in  Joest:  »Tätowiren«, 
S.  82,  »Yap«:  Rückenansicht).  Nach  v.  Miklucho-Maclay  ist  die  Tätowirung  auf  Yap  und  Uluti  (Mog- 
mog)  gleich,  da  bei  dem  regen  Verkehr  beider  Inseln  sich  Yapleute  gern  auf  Uluti  tätowiren  lassen, 
wie  Eingeborene  es  ja  lieben,  von  ihren  Reisen  derartige  Erinnerungszeichen  mit  heimzubringen.  So 
sah  ich  wiederholt  Marshallaner  (beiderlei  Geschlechts)  mit  Ponapd-Täiowirung  geziert.  Selbstredend 
sind  auch  auf  Uluti  bei  Weitem  nicht   alle  Eingeborenen  tätowirt,  wie  dies  unter  Anderem   mit  den 


«)  Von  der  hier  gegebenen  Darstellung  weicht  die  Abbildung  der  Tätowirung  eines  Pelau- 
Insulaners  in  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  1873,  Taf.  4,  so  total  ab,  dass  ihr  wohl  kaum  eine  Vorlage  Ku- 
bary's zu  Grunde  liegt  und  dieselbe  als  Vergleichungsmaterial  ohne  Werth  ist,  da  sie  nur  irreführt. 

3)  Diese  Abbildung  beruht  auf  einer  Photographie  Kubary's,  ist  also  durchaus  richtig,  allein 
die  Tätowirung,  welche  bekanntlich  in  diesem  Verfahren  nicht  erscheint,  ist  erst  später  eingezeichnet, 
und  z\«'ar  ganz  falsch:  sie  zeigt  auf  der  Hand  ein  Phantasiemuster,  ausserdem  nur  noch  auf  jedem 
Oberarm  drei  Fischfiguren,  in  Uebereinstimmung  mit  dem  ganz  irrigen  Text:  »die  Zeichnung  an  den 
Armen  stellt  Fische  vor,  die  reihenweise  am  Oberarme  angebracht  sind«. 


270  ^r.  O.  Finsch.  [526] 

von  mir  gesehenen  (auch  Frauen)  der  Fall  war.  Der  in  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  25)  abgebildete 
Mann  von  »Moguemog«  ist  auch  untätowirt.  Dagegen  zeigt  ein  anderer  der  Gruppe  Uluti  (PI.  26) 
auf  dem  Oberarme  eine  Reihe  querstchender  Fischliguren. 

Tätowirung  von  Sonsol  (Sonsorol),  der  westlichsten  Carolinen- Insel,  haben  w^ir  neuerdings 
durch  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  89,  Taf.  XI)  kennen  gelernt,  und  zwar  in  höchst  eigenthOmlichen 
(bei  beiden  Geschlechtern  verschiedenen)  Patternen,  die  den  bereits  bekannten  einen  neucft  Typus 
hinzufügt,  gleichsam  eine  neue  Species,  die  sich  nach  Kubary  identisch  t)  auch  auf  dem  benachbarten 
Merir  findet,  nicht  aber  auf  den  südlicheren  St.  Davids,  wo  Tätowirung  überhaupt  fehlt.  Wenn  Kubar)' 
(1.  c,  S.  90)  sagt,  »die  Tattuirung  der  Männer  (von  Sonsol)  ist  mit  derjenigen  der  Mackenzie-Insein 
beinahe  identisch«,  so  ist  dies  unrichtig,  wie  ein  Blick  auf  die  Abbildungen  (Taf.  XI  und  Journ.  M.  0., 
S.  13$,  Fig.  8:  »Mackcnzie-Insulaner«)  Jeden  belehren  wird,  der  sich  die  Mühe  dieser  Vergleichungen 
geben  will.  Abgesehen,  dass  die  Patternc  der  Rückenseite  der  Männer  von  Sonsol  etwas  an  die  der 
Männer  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«,  PI.  28  (angeblich  von  Lukunor)  erinnert,  so  hat  das  Schach- 
brettmuster der  Vorderseite  kein  Analogon  in  den  Carolinen  und  findet  höchstens  in  der  Paumotu- 
Gruppe  (S.  [283])  eine  Parallele,  während  die  Halstätowirung  der  Frauen  von  Sonsol  (obwohl  in  ganz 
abweichendem  Muster)  zunächst  an  die  der  Marshallanerinnen  (S   [428])  mahnt. 

Der  übrigen  Carolinier-Täto wirungen  soll,  soweit  darüber  Nachrichten  vorliegen,  im  Abschnitt  3 
»Ruk  und  Mortlock«  gedacht  werden. 

BemalBn  mit  gelber  F*arbe  aus  der  Wurzel  von  Curcuma  (»Katschinjongc:  »No- 
vara«),  welche  Pflanze  zu  diesem  Zwecke  eigens  angebaut  wird,  gehört  auch  auf  Ponape 
zu  den  von  beiden  Geschlechtern  gleich  beliebten  Verschönerungsmitteln.  Nach  Ku- 
bary wird  die  Wurzel  »nicht  pulverisirt,  sondern  in  frischem  Zustande  zerrieben  ver- 
wandt«. Das  k.  k.  naturhistorische  Hofmuseum  erhielt  durch  die  ^Novara-Reise«  eine 
Probe  Gelbwurz  von  Ponap^. 

b)  Haartracht. 

Es  ist  sehr  bemerkenswerth,  dass,  während  sonst  fast  auf  allen  Carolinen  ziem- 
liche Sorgfalt  auf  das  Haar  verwendet  und  dasselbe  meist  von  den  Männern  in  einem 
Knoten  auf  den  Wirbel  geschlagen  wird,  diese  Sitte  auf  Ponape  (wie  auf  den  Gilbert- 
Inseln)  fehlt.  Beide  Geschlechter  tragen  des  Haar  ziemlich  kurz  oder  lassen  es  doch 
selten  länger  als  bis  auf  die  Schultern  wachsen,  ganz  wie  dies  schon  v.  Kittlitz  im  Jahre 
1828  sah.  Nach  Kubary  zeichneten  sich  die  Brüder  der  »Dziamorou-Gesellschaft«  durch 
langes  Haar  aus,  das  nur  bei  besonderen  Gelegenheiten  (Trauer)  gekürzt  wurde,  und 
zwar  mittelst  Absengens  (!). 

Die  Männer  sind  meist  bartlos,  weil  sie  die  Barthaare  ausreissen,  wozu  man  sich 
»zweier  Stückchen  scharfrandigen  Schildpatts«  bediente  (»Novara-Reise«,  S.  416). 

c)  Kopfputz. 

Eine  Folge  der  im  Vorhergehenden  beschriebenen  Manier,  das  Haar  zu  tragen,  ist 
die  für  Ponap6  charakteristische  Eigenthümlichkeit  des  Fehlens  von  Putzkämmen  oder 
Kämmen  überhaupt,  die  in  dem  losen,  schlichten  Haare  ohnedies  keinen  Halt  finden 
würden.  Statt  dessen  sind  Kopf-  Oder  Stirnbinden  ausserordentlich  beliebt,  und  zwar 
zunächst  in  der  gewöhnlichsten  Form  von  Blumenkränzen  am  häufigsten  bei  beiden 
Geschlechtern.  Schon  Kittlitz  erwähnt  dieser  zierlich  geflochtenen  Kränze  aus  vorherr- 
schend gelben  und  rothen  Blumen,  ein  Brauch,  der  auch  bei  der  Mission  Gnade  fand, 
und  wir  sahen  bekehrte  Eingeborene  mit  solchen  sehr  hübsch  kleidenden  Kränzen  zur 
Kirche  kommen.  Nach  Kubary  heissen  solche  Kränze  »El«  ^=  Schnur  oder  Strang  und 
erhalten  je  nach  der  verwendeten  Art  von  Blumen  besondere  Namen.  Bei  den  Tribut- 
zahlungen (in  Lebensmitteln)  an  die  Häuptlinge  erscheinen  die  Betheiligten  ebenfalls 
mit  Blumenkränzen  geschmückt,  die  dann  dem  Häuptling  übergeben  werden  (»Ethnol. 
Beitr.t,  I,  S.  72,  Anm.).  Die  Liebhaberei  für  Blumenkränze  haben  wir  übrigens  schon  bei 


»)  »Eihnogr.  Beitr.«,  I,  S.  90,  wogegen  auf  S.  101  gewisse  Unterschiede  erwähnt  werden. 


1^271  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsec.  271 

den  Gilbert-  und  Marschall-Insulanern  kennen  gelernt,  und  sie  findet  sich  weit  über 
Polynesien  (z.  B.  Tahiti,  Rarotonga,  Samoa,  Hawaii  etc.)  verbreitet. 

Für  gewöhnlich  genügen  übrigens  auf  Ponap^  Blattstreifen  (von  Pandanus  u.  dgl.) 
als  Kopfbänder,  um  das  Haar  festzuhalten,  die  nach  Posteis  (vgl.  »Senjavin-Reise«, 
PI.  24  und  3i)  damals  aus  Tapa  bestanden  und  zugleich  auch  »als  Schleudern«  benützt 
wurden. 

Zu  meiner  Zeit  wurden  hauptsächlich  Kopfbinden  getragen,  die  aus  einem  Reif 
oder  Streif  von  dem  Baste  eines  Baumes  (»Maki«)  bestanden,  der  mit  Stickereien  in 
rothen  und  blauen  Wollfäden,  nicht  selten  mit  einem  Streif  europäischen  Zeuges  be- 
kleidet war,  wie  das  folgende  Stück: 

Marmar  (Nr.  419,  i  Stück),  Kopf  binde;  ein  5  Cm.  breiter  Baststreif,  mit  buntem 
Zeug  überzogen  und  mit   Fransen  aus  gezupftem  rothen  Wollzeug  verziert.  Jokoits. 

Nach  Kubary  heissen  alle  diese  Kopf-  oder  Stirnbinden  »Marmar«, 'derselbe  Name, 
welcher  auch  für  Halsbänder  gilt  und  mit  dem  marshallanischen  »Maremar«  überein- 
stimmt. 

In  Bezug  auf  Ausstattung,  zu  welcher  ausser  Wollfäden  zuweilen  auch  Glasperlen 
verwendet  werden,  herrscht  grosse  Verschiedenheit.  Mit  Vorliebe  besteht  der  Rand- 
besatz aus  rother  Wolle,  wie  hinterseits  rothe  und  schwarze  Zeugstreifen  gleich  Bän- 
dern befestigt  werden.  Eine  reiche  Auswahl  dieser  zuweilen  diademartigen  Kopf- 
binden, die  als  besonderer  Schmuck  bei  Tanzfesten  für  beide  Geschlechter  dienen,  sind 
auf  Taf.  26  und  27  (Anthrop.  Album  M.  G.)  dargestellt. 

Eine  sehr  seltene  Stirn  binde  aus  rothen  und  weissen  Muschelscheibchen  und 
Ringen  aus  Cocosnuss,  wahrscheinlich  ein  Unicum,  ist  (Kat.  M.  G.,  S.  291,  Nr.  845) 
von  Ponap^  beschrieben,  deren  Material  (nach  Kubary)  aber  »der  Vergangenheit  ent- 
stammte. 

Im  Charakter  ganz  an  moderne  Arbeiten  von  Ponape  anschliessend  ist  ein: 

Tanzkopfputz  (Nr.  268,  i  Stück)  von  Mokil  (Duperrey-Insel,  östlich  von  Po- 
nap^).  Derselbe  besteht  aus  einem  Reifen,  in  welchem  in  Bohrlöchern  ringsum  auf- 
rechtstehende Stäbchen  befestigt  sind,  die  wie  der  Reifen  selbst  mit  rothen  und  blauen 
Zeugstreifen,  Wolle  und  weissen  Federspitzen  verziert  sind. 

AuoenSChirme,  aus  frischen  Cocosblattfiedern  geflochten,  die  nicht  als  Schmuck, 
sondern  zum  Schutz  der  Augen  gegen  die  blendenden  Sonnenstrahlen  dienten,  beschreibt 
V.  Kittlitz  (Denkwürd.,  II,  S.  71  und  72)  von  Ponap^,  sowie  solche  in  der  »Novara- 
Reise«  erwähnt  werden  (S.  395).  Aehnliche  Augenschirme,  in  Form  eines  Mützen- 
schildes aus  einer  Gras-  oder  Binsenart  geflochten,  erhielt  ich  von  der  Insel  Simbo 
(Eddystone)  des  Salomons-Archipels.  Sie  heissen  hier  »Torpac  und  werden  fast  von 
jedem  Manne  im  Canu  getragen  (vgl.  Guppy:  >Solomons-Isl.«,  Taf.  S.  102,  Fig.  2  links). 

d)  Ohrputz.  . 

Die  Sitte  die  Ohrlappen  zu  durchbohren,  ist  auch  auf  Ponap^  heimisch,  und  zwar 
bei  beiden  Geschlechtern,  aber  die  Ohren  werden  nicht  in  dem  Masse  ausgeweitet  wie 
auf  Kuschai.  Ausserdem  werden  auch  in  den  Ohrrand  Löcher  gestochen.  Als  gewöhn- 
licher Schmuck  für  das  Ohr  dienen  Blumen  und  bunte  Blätter,  sowie  Büschel  aus 
rothen  Wollfäden.  Ebensolche  werden  in  die  Löcher  des  durchbohrten  Ohrrandes  be- 
festigt. 

Von  eigenthümlichem  Ohrschmuck  lernte  ich  nur  die  folgende  Form  kennen, 
die,  soweit  meine  Beobachtungen  reichen,  aber  nur  vom  weiblichen  Geschlechte 
getragen  wird. 


272  Dr.  O.  Fjnsch.  [^28] 

Ohrstöpsel  (Nr.  315,  i  Stück,  Taf.  VI  [23],  Fig.  6)  aus  dem  Abschnitt  einer  ab- 
normen Cocosnuss  (Fig.  60)  angefertigt.   Jokoits. 

Fig.  6  a  zeigt  den  Umkreis  (95  Mm.)  an  der  Basis  und  zugleich  wie  weit  der  Ohr- 
lappen sich  ausdehnen  muss.  In  der  Höhlung  des  obigen  Stückes,  das  ich  von  einer 
Frau  des  »Königs«  von  Jokoits  kaufte,  steckt  ein  wohlriechendes  Blattknäuel;  bei  einem 
anderen  diente  ein  rund  geklopftes  Stück  Spiegelglas  als  Verschluss  der  Oeffnung.  Am 
häufigsten  wird  die  auf  Ponap^  so  beliebte  rothe  Wolle  als  besondere  Verzierung  in  die 
Höhlung  dieser  Ohrstöpsel  eingestopft,  der  äussere  Rand  derselben  zuweilen  auch  mit 
einer  Reihe  aufgereihter  Glasperlen  eingefasst.  Im  Kat.  M.  G.  (S.  291,  Nr.  841,  3156) 
werden  zwei  solche  Ohrstöpsel  als  aus  »Holz  gearbeitete  erwähnt,  die  aber  wohl  auch 
aus  Cocosnuss  bestehen,  wie  alle,  die  ich  zu  sehen  bekam.  Eine  gute  Abbildung  dieses 
Ohrschmuckes  (aus  Cocosnuss)  gibt  die  »Senjavin-Reise«  (PL  3i,  Fig.  3).  Der  auf  der- 
selben Tafel  (Fig.  2)  abgebildete  sehr  eigenthümliche  Ohrschmuck  von  Ponap6  (angeb- 
lich »aus  Fasern  von  Cocosblatt,  eingehüllt  in  ein  Gewebe  von  Bast  der  Aleurites  tri- 
loha*)  ist  mir  nicht  mehr  vorgekommen,  wie  der  im  Kat.  M.  G.  (S.  291,  Nr.  3099) 
beschriebene  » Ohrschmuck c  aus  Nussplatten,  weissen  und  rothen  (Spondylus)  Muschel- 
plättchen,  an  rothgefärbten  Bastfäden  befestigt,  ein  Stück  aus  älterer  Zeit  betrifft. 

e)  Hals-  und  Brustschmuck. 

Gegenwärtig  werden  dafür  fast  ausschliessend  nur  noch  Glasperlen  verwendet, 
wie  dies  v.  Hochstetter  schon  1858  bemerkte,  und  zwar  vorzugsweise  schwarze  und 
weisse  Emailperlen,  die  auf  Ponap^  am  meisten  beliebt  sind.  Man  verfertigt  daraus 
breitere  Bänder  in  zum  Theil  hübschen  schwarz  und  weissen  Mustern.  Charakte- 
ristisch für  diese  modernen  Halsketten  ist  die  Verwendung  von  rother  Wolle,  mit 
welcher  gewöhnlich  die  Bindebänder  umwickelt  sind,  die  in  eine  kleine  Quaste  von 
rother  Wolle  enden.    Halsketten  aus  Blumen  werden  ebenfalls  häufig  getragen. 

Von  Schmuck  aus  der  älteren  Zeit,  wovon  jetzt  kaum  etwas  mehr  zu  haben  sein 
dürfte,  erhielt  ich  nur  noch  wenige  Stücke. 

Marmar  (Nr.  462,  i  Stück,  Fig.  52),  Halskette  aus  circa   10 — 15  Mm.  langen 

Abschnitten  von  Stengeln  einer  dünnen  (kaum  3  Mm. 
Fig.  52.  dicken),  glänzend  dunkelbraunen  Grasart,  »Motill«  ge- 

nannt,  circa  go  Cm.  lang,  auf  eine  dünne  Bastfaser  ge- 

^^^ '  ■      "^^^^^^i^^^^^i^is^^^        reiht.   Jokoits. 

Halskette  aus  Abschnitten  von  War  früher  (nach  Kubary,  von  dem  ich  das  Stück 

Grasstengeln.  erhielt)  sehr  beliebt  und  werthvoU;  jetzt  nicht  mehr  zu 

haben. 

Marmar  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  15),  Halskette,  bestehend  aus  14  Spondylus-W^- 
eben  (wie  Fig.  15,  aber  von  verschiedener  Grösse)  und  g  Abschnitten  obiger  Gras- 
stengel, mit  einigen  Glasperlen  zusammen  auf  eine  Schnur  gereiht. 

Eine  andere  Halskette,  welche  ich  erhielt,  bestand  aus  sehr  kleinen  prähistori- 
schen Muschelscheibchen  (wie  Fig.  11,  Taf.  [25]),  kleinen  schwarzen  Scheibchen  aus 
Cocosnuss  (die  mir  sonst  nicht  vorkamen)  und  Glasperlen,  als  Anhängsel  war  ein  rothes 
Plättchen  aus  Spondylus  befestigt. 

Eine  Halskette,  welche  ich  in  Metalanim  erhielt,  45  Cm.  lang,  zählte  145  prä- 
historische SpondyluS'^c\i€\hc\\tn  (wie  Taf.  [25],  Fig.  11)  aus  den  Ruinen,  die  durch 
ein  Flechtwerk  von  vier  Reihen  Faden  verbunden  waren. 

Einen  eigenthümlichen  Halsschmuck  trägt  der  auf  Taf.  26,  Fig.  417  des  »Anthrop. 
Album  M.  G.€  dargestellte  Ponapese.  Er  besteht  aus  einem  breiten  Halsbande  von 
Glasperlen,  an  welchem  >an  einem  Cocosfaserschnurgehänge  abgeschliffene  Stückchen 


[S^qI  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SÜdsee.  278 

von  Perlmutterschalenc  befestigt  sind  (S.  14).  Die  letzteren  ähneln  in  der  Form  ganz 
unserer  Fig.  15  (Taf.  25)  und  dürften  wohl  ebenfalls  aus  Spondylus  bestehen. 

»Die  Halsgehänge  aus  Muschelscheibchen  u.  dgl.  kommen  höchst  vereinzelt  vor, 
und  gelang  es  mir  seinerzeit,  dem  Museum  (Godeffroy)  einige  nebst  Kopfspangen  zu 
schickenc,  sagt  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  72,  Anm.),  allein  der  Katalog  verzeichnet 
(S.  291,  Nr.  750)  nur  einen  »Halsschmuck«.  Er  besteht  aus  einer  »halbmondförmig 
ausgeschnittenen  Perlmutterschale  an  einem  Cocosfaserschnurgehänge«,  die  sehr  mit 
den  »Mairi«  von  Port  Moresby  (S.  [97])  übereinstimmt  und  dessen  Herkunft  nicht 
zweifelsfrei  erscheint. 

Die  vorher  erwähnten  Gegenstände  des  Körperausputzes  scheinen  auf  Ponap^ 
längst  abgekommen,  wie  auch: 

f)  Armschmuck, 

wovon  ich  keine  Spur  mehr  sah.  Und  doch  verfertigten  die  prähistorischen  Vorfahren 
schöne  Muschelarmringe  (aus  Conus),  wie  sie  auch  auf  Kuschai  vorkamen  und  noch 
heute  auf  Neu-Guinea  (vgl.  II,  S.  [100]  und  [161])  beliebt  sind. 

In  Vergessenheit  gerathen  ist  auch  jener  eigenthümliche  Tanzschmuck,  von  dem 
wir  nur  in  der  »Senjavin-Reise«  dürftige  Kunde  erhielten.  Als  Ausputz  beim  Tanze 
diente  einmal  eine  besondere  Art  Halsschmuck  aus  langen  Streifen  (wahrscheinlich  von 
Cocos-  oder  Pandanus-Blati),  wie  ihn  die  weibliche  Figur  auf  PL  24  (auf  der  Plattform 
des  hinteren  Canus  stehend)  darstellt,  sodann  eine  Art  Handmanschetten  (auf  der- 
selben Tafel  bei  der  tanzenden  weiblichen  Figur  des  vorderen  Canu  angedeutet),  die 
V.  Kittlitz  genauer  beschreibt.  »Einige  Leute,  die  sich  mit  mehr  Entschiedenheit  als  die 
anderen  zum  Tanzen  hielten,  trugen  seltsame  Manschetten  von  Palmblättern,  die  weit 
über  die  Finger  hinausragten  und  bei  der  Bewegung  des  Tanzes  ein  eigenthümliches 
Geflüster  hervorbrachten c  (Denkwürd.,  II,  S.  72). 

Es  erübrigt  noch  des 

g)  Leibschmuck 

zu  gedenken,  von  denen  das  moderne  Ponap6  auch  nichts  weiter  als  armselige  Nach- 
bildungen aufzuweisen  hat,  die  übrigens  auch  als  specifischer  Fest-  und  Tanzschmuck 
dienen.  Hierher  gehören  zunächst  jene  gewebten  Schmuckgürtel  oder  Schärpen, 
die  ich  bereits  unter  den  fast  untergegangenen  Textilarbeiten  erwähnte,  und  welche  auf 
Ponap6  »Tur«  (»Tor«  =  weben:  Kubary)  heissen.  Nach  Mittheilungen,  die  ich  auf 
Ponapä  einzog,  welche  sich  aber  als  unrichtig  erwiesen,  hielt  ich  diese  Gürtel,  ähnlich 
den  »Toi«  von  Kuschai,  für  wirkliche  Schambinden  und  führte  sie  in  meinen  »Bewoh- 
nern Ponapäs«  (S.  3o6)  irrthümlich  unter  den  Bekleidungsstücken  auf.  Solche  gewebte 
Gürtel  werden  aber  nur  über  dem  Graisschurz  als  Schärpe  getragen,  wie  dies  die  Ab- 
bildung eines  Ponapesen  auf  Taf.  3i  der  »Senjavin -Reise«  richtig  zeigt.  Ich  erhielt  über- 
haupt nur  einen  derartigen  Gürtel.  Sie  stimmen  in  der  Länge  (circa  1*68  M.)  mit  den 
kuschaischen  Toi  überein,  sind  aber  durchgehends  schmäler  (nur  10 — 12  Cm.  breit) 
und  unterscheiden  sich  ausserdem  von  jenen  durchaus  in  Farben  wie  Patterne.  So  fehlt 
z.  B.  Gelb,  das  in  jedem  Kuschai-Gürtel  vorkommt,  in  ponapesischen  »Tur«  constant, 
und  die  Hauptfarben  sind  der  helle  Ton  der  ungebleichten  Bananenfaser,  ein  hübsches 
Roth  (»wiuta«)  und  Schwarz  (»tontol«).  In  den  übrigens  sehr  mannigfachen,  aber  von 
den  kuschaischen  stets  verschiedenen  Mustern  kommen  häufig  Zickzacklinien  und 
rautenförmige  Zeichen  vor  (vgl.  »Senjavin-Reise«,  PI.  3i,  Fig.  i;  Edge-Partington, 
Taf.  176,  Fig.  I  und  2,  letztere  mit  der  Angabe  »Strongs-Isl.«,  aber  richtig  Ponap6). 
Diese  Schrägmuster  sind  wohl  nicht  eingewebt,  sondern  gestickt,  wobei  rothe  Woll- 
fäden bereits  seit  längerer  Zeit  häufige  Verwendung  gefunden  zu  haben  scheinen.   Der 


274  ^*"-  ^^'  ^''"s»-'l^'  rs3ol 

Kat.  M.  G.  (S.  291,  Nr.  3366)  verzeichnet  als  ^Frauengurt«  nur  einen  solchen  aus 
Bananenfaser  (aber  nicht  aus  »Bast«)  gewebten  »Tur«;  die  übrigen  (S.  292  und  293) 
beschriebenen  Gürtel  sind  alles  moderne  Nachbildungen.  Sie  bestehen  meist,  ähnlich 
wie  die  Kopf  binden,  aus  Stick-  oder  Näharbeiten  von  bunter  Wolle  (darunter  auch 
gelbe)  auf  einer  Unterlage  von  Bast  oder  Tapa,  selbst  europäischen  Zeugstreifen,  mit 
Fransen  von  bunter  Wolle,  sind  häufig  mit  Glasperlen  verziert,  zum  Theil  sogar  bemalt. 
Die  Photographie  des  Nanmareki  von  Jokoits  (»Anthrop.  Album  M.  G.«,  Taf.  25, 
Fig.  461)  stellt  diesen  Herrscher  mit  einem  solchen  modernen  Gürtel  aus  Bast  und 
Wollfäden  geschmückt  dar  (ebenso  Fig.  483  und  484,  Taf.  26). 

Wie  es  scheint,  dürften  diese  Schmuckgürtel  oder  Schärpen  früher  noch  mit  be- 
sondeien  .Anhängseln  verziert  worden  sein.  Wenigstens  zeigt  der  bei  Edge-Partington 
(Taf.  176,  Fig.  i)  abgebildete  Gürtel  ein  solches  .Anhängsel  in  Form  einer  Platte  aus 
»Wallfischknochen«  (wohl  Spermwalzahn),  aufweichen  ziemlich  roh  eine  Art  Gesicht 
eingravirt  ist,  was  hier  der  Vollständigkeit  wegen  erwähnt  sein  mag. 

Auch  möchte  ich  hier  noch  auf  einen  sehr  schönen  Gürtel  aus  der  guten  alten 
Zeit  hinweisen,  den  Serrurier  (»Ethnol.  Feiten  en  verwantschappen  in  OceaniS,  S.  4) 
ausführlich  beschreibt.  Dieser  Gürtel  besteht  aus  einem  gewebten  Bande  von  schwarzem 
HibiscuS'Bast  (?),  auf  den  reihenweise  Muschelringe  und  Cocosscheibchen  befestigt 
sind,  von  ersteren  nicht  weniger  als  2800  Stück.  Wenn  der  gelehrte  Verfasser  indess 
»Cocosringchen  zu  den  gewöhnlichen  Verzierungsmaterialien  in  Melanesien«  rechnet, 
so  irrt  er  in  dieser  Annahme  ebenso  sehr,  als  aus  dem  Vorkommen  derselben  auf  die 
»unverkennbar  melanesischen  Elemente  der  Bevölkerung  Ponapes«  Schlüsse  zu  ziehen. 

Ethnologische  Schlussbetrachtung. 

Wie  die  Kuschaier  waren  auch  die  Bewohner  Ponapös  ein  für  sich  abgeschlos- 
senes Völkchen,  das,  nicht  eigentlich  seefahrend,  nur  mit  den  stamm-  und  sprachver- 
wandten Nachbarinseln  (Pakin,  Andema,  Ngatik)  in  beschränktem  Verkehr  stand.  In 
Folge  dieser  Abgeschlossenheit  hatte  sich  hier,  wahrscheinlich  seit  den  ältesten  Zeiten, 
unveränderte  Originalität  bis  zum  Erscheinen  des  weissen  Mannes  erhalten.  Zur  Zeit 
meines  Besuches  waren  darüber  schon  mehr  als  50  Jahre  verflossen,  darunter  die  des 
äusserst  lebhaften  Verkehres  mit  Walfängern  und  eine  nahezu  dreissigjährige  Periode 
missionarischer  Beeinflussung.  Trotz  mancher  Wandelungen  fand  sich  doch  mehr  Origi- 
nalität als  zu  erwarten  stand,  und  trat  schon  in  der  äusseren  Erscheinung  der  Eingebore- 
nen, namentlich  im  Vergleich  mit  den  völlig  europäisirten  Kuschaiern  hervor.  Unter  den 
mit  den  letzteren  gemeinschaftlichen  ethnologischen  Zügen  sind  von  Ponap^  hervorzu- 
heben: Kawagenuss,  die  Aehnlichkeit  der  Kunstbuntweberei  und  der  prähistorischen  Stein- 
bauten. Anklänge  an  die  Marshall-Inseln  zeigt  Ponape  in  der  sanduhrförmigen  Holz- 
trommel, welche  auf  den  übrigen  Carolinen  (wie  Mikronesien  überhaupt)  nicht  mehr 
vorkommt,  in  gewissen  Uebereinstimmungen  der  Anschauungen  über  Geisterglauben 
und  der  analogen  Form  der  Faserröcke  der  Männer,  die  freilich  von  den  »Ihn«  der 
Marshallaner  specifisch  durchaus  verschieden  sind.  Unter  den  übrigen  Bekleidungs- 
stücken zeigt  der  Poncho  centralcarolinische  Anklänge,  ebenso  wie  der  Ausputz  des 
Körpers  an  Schmuck  und  Zieraten,  soweit  sich  nach. den  prähistorischen  Resten  urthei- 
len  lässt,  ziemliche  Aehnlichkeiten  nachweist.  Darnach  muss  die  Anfertigung  geschlif- 
fener Muschelscheibchen  aus  Spondylus  einst  lebhaft  betrieben  und  hoch  entwickeil 
gewesen  sein.  Aber  den  heutigen  Bewohnern  ist  diese  Kunst  bereits  verloren  gegangen; 
sie  begnügen  sich  mit  den  Ueberbleibseln  ihrer  Vorfahren  oder  verfertigen  unter  Ver- 


[cSil  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  275 

Wendung  eingeführten  Materials  Schmuckgegenstände,  die  einer  neuen,  aber  durchaus 
verschlechterten  Geschmacksrichtung  angehören.  Charakterisch  für  dieselbe  sind, 
ausser  Glasperlen,  die  (meist  gestickten)  Verzierungen  in  bunten,  meist  rothen  Woll- 
fäden oder  blauen  und  rothen  Zeugstreifchen.  Diese  Technik  wird  vorzugsweise  zur 
Ornanientirung  von  Kopfbinden  und  Gürteln  (Tanzschmuck)  angewendet,  die  als 
moderner  Schmuck  Ponapes  charakteristisch  sind.  Federputz  und  die  sonst  auf  den 
Carolinen  beliebten  Putzkämme  fehlen,  aber  Bemalen  mit  Gelb  gehört  noch  heute  zum 
Festschmucke.  Obwohl  ein  ausgebildetes  Titelwesen  existirt,  ist  das  Feudalsystem  doch 
minder  scharf  ausgeprägt  als  auf  den  Marshalls,  ebenso  die  Königswürde  nicht  so  exclu- 
sive  als  auf  Kuschai. 

Wie  letztere  Insel  bildet  auch  Ponape  eine  besondere  ethnologische  Subprovinz,') 
die  sich  durch  folgende  specifische  Eigenthümlichkeiten  auszeichnet:  eigene  Sprache, 
eigener  Baustyl  der  Häuser  (grosse  Canuhäuser  als  Gemeindehäuser),  eigene  Construc- 
tion  der  Canus  (mit  Segel,  aber  ohne  Mast),  eigenes  sehr  reiches  Muster  der  Tätowirung 
(für  beide  Geschlechter  gleich,  aber  bei  Frauen  durch  eine  gürtelartige  Binde  um  die 
Hüften,  mit  schlossartigem  Muster  auf  dem  Venusberge  ausgezeichnet).  Erwähnens- 
werth  für  Ponap6  sind  ferner  die  von  den  Männern  allgemein  geübte  partielle  Selbst- 
verstümmelung und  der  Genuss  von  Hundefleisch,  und  zwar  von  einer  wenigstens 
früher  eigenthümlichen  eingeborenen  Race. 

Mokil  (Duperrey-Insel),  eine  kleine  Laguneninsel  (mit  circa  75  Bewohnern),  circa 
80  Seemeilen  östlich  von  Ponap^,  scheint  ethnologisch  zur  Subprovinz  Ponap6  zu  ge- 
hören, ebenso  Pingelap^)  (Macaskill-Inseln),  60  Seemeilen  südöstlich  von  Mokil  mit 
einer  Bevölkerung  die  Cheyne  zu  3oo,  Wetmore  (1886)  auf  800 — 1000  Seelen  veran- 
schlagt. Aber  leider  wissen  wir  von  den  ethnologischen  Verhältnissen  dieser  beiden 
kleinen  Inselgruppen  äusserst  wenig,  so  dass  die  Verwandtschaft  vorläufig  noch  un- 
bestimmt bleibt. 


1)  Wie  Kuschai  ist  auch  diese  in  Museen  meist  sehr  mangelhaft  repräsentirt.  Das  Museum 
Godeflroy  verzeichnete  3i  moderne  und  25  prähistorische  Gegenstände.  Von  letzteren  erhielt  das 
Berliner  iMuseum  durch  mich  88,  moderne  Sachen  59  Nummern.  Die  »Novara «-Reisenden,  welche 
noch  so  recht  aus  dem  Vollen  hätten  schöpfen  können,  brachten  im  Ganzen  8  Nummern  für  das 
kaiserl.  Museum   mit. 

3)  Die  im  Kat.  M.  G.  (S.  280)  von  dieser  Localität  verzeichneten  Gegenstände  (im  Ganzen  sechs) 
stammen  nicht  von  dieser  Carolinen-Insel  her,  sondern  meist  von  der  gleichnamigen  des  Dschalut- 
Atolls  im  Marshall-Archipel  (die  Halsschmucke),  die  zwei  Gürtel  dagegen  von  Mortlock. 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke 

aus  der  Südsee. 

Beschreibender  Katalog  einer  Sammlung  im  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseum  in  Wien. 

Von 

Dr.  0.  Finsch 

in  Delmenhorst  bei  Bremen. 

Dritte  Abtheilung:    Mikronesien   (West-Oceanien). 

(Schluss.) 


3.  Ruk  und  Mortlock. 

Einleitung. 

Geographischer  Ueberblick.  Wenn  auf  dem  Kärtchen  der  Carolinen  von  Can- 
tova  (Chamisso  2,  S.  152)  in  den  Inseln  Pis,  Ruac,  Etel,  Uloul,  Falaiu,  Ulalu  und  Ho- 
goleu  die  Rukgruppe  einigermassen  wieder  zu  erkennen  ist,  so  gilt  dies  viel  weniger 
von  der  an  derselben  Stelle  publicirten  viel  jüngeren  Kartenskizze  von  Don  Louis  de 
Torres.  Sie  zeigt  die  meisten  der  obigen  Inseln,  ausserdem  aber  ganz  im  Süden  noch 
eine  zweite  Insel  >Rug«  (Schoug,  Tuch),  sowie  in  der  denkbar  unrichtigsten  Lage  die 
Gruppe  Monteverde  (=  Nukuor)  und  wahrscheinlich  mit  letzterem  identisch  eine  Insel 
»Magorcy  so  dass  einzelne  Inseln  also  doppelt  figuriren.  Dies  ist  erklärlich,  wenn  man 
weiss,  dass  diese  Kärtchen  meist  nach  Angaben  Eingeborener  zusammengestellt  wurden, 
die,  wie  ich  bereits  wiederholt  erwähnte,  nicht  im  Stande  sind,  ihre  immer  individuelle 
Heimatskunde  nach  Lage  und  Entfernung  nur  annähernd  richtig  niederzulegen,  so  dass 
die  genannten  Kärtchen  eben  als  Beweis  für  die  Unkenntniss  der  Eingeborenen  hier 
angeführt  werden  sollen.  Einen  weiteren  Beleg  für  diese  Ansicht  bildet  das  Fehlen  der 
jetzt  »Mortlock«  benannten  Inseln,  da  diese  den  carolinischen  Seefahrern  wohlbekannt 
waren,  wenn  auch  vielleicht  nicht  gerade  den  Berichterstattern  Cantova's  und  Torres'. 
Auch  Kadu  kannte  Mortlock  nicht  und  Ruk  nur  vom  Hörensagen.  Zu  den  grossen 
Verdiensten' der  französischen  Weltumseglung  mit  der  Corvette  »La  Coquille«  unter 
Duperrey  gehört  auch  die  Entdeckung  der  Ruk-Gruppe  (24.  Juni  1824),  deren  Auf- 
nahme, durch  Dumont  d'Urville  (mit  der  »Astrolabe«  und  »Zel^e«)  später  (i838)  ver- 
vollständigt, grundlegend  wurde,  unter  Anderen  auch  für  die  britische  »Admiralty 
Chart«  (Nr.  982,  publicirt  1872).  Nach  Kubary's  mündlichen  Mittheilungen  ist  diese 
letztere  Karte  aber  zumTheil  unrichtig.  »Die  hohen  basaltischen  Inseln  sind  nur  theil- 
weise  angegeben  und  meist  falsch  benannt.  Der  Name  ,Ruk*, »)  eigentlich  ,Tuk*,  gilt  für 


I)  Auf  Mortlock  bezeichnet  »Ruk«:  hohes  Land,  hohe  Inseln;  »fanu«:  Land  im  Allgemeinen; 
>fau«:  Stein;  »fau  2ol«:  schwarzer  Stein  von  den  Ruk-Inseln  gebracht;  »fau  allan«:  Korallstein  (Ku- 
bary;  »Mortlock«,  S.  277). 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  21 


296  E>r.  O.  Finsch.  [5^4] 

die  ganze  Gruppe  und  bezeichnet  ,Fels,  d.  h.  schwarzen  Stein'  im  Gegensatz  zu  dem 
hellen  Korallbraun  (,Fanu*)  der  übrigen  Inseln.  Die  auf  der  Admiralitätskarte  als  Ruk 
bezeichnete  Insel  heisst  ^Fefan',  da  die  Eingeborenen  keine  besondere  Insel  mit  dem 
Namen  Ruk  unterscheiden.  Sopore  ist  die  Hauptsiedelung  im  südlichen  Theile  von 
Fefan.  Die  Insel  ,Dublon*  ist  das  ,Toloas*  der  Eingeborenen  und  besteht  aus  drei  In- 
seln, wie  die  westlichste  und  grösste  Insel  der  ganzen  Gruppe  Toi  oder  Ton,  die  aber 
,Faituk*  heissen  muss.«  Andere,  minder  wichtige  Verbesserungen  übergehe  ich  hier 
und  verweise  auf  Kubary, ')  der  alle  Inseln  der  Ruk-Gruppe  beschreibt. 

Ruk  (richtiger  Truk)  ist  die  grösste  Lagune  des  Carolinen- Archipels,  circa  33  See- 
meilen lang  und  an  40  breit.  Auf  dem  nur  schmalen  Riffgürtel,  der  gute  Passagen  frei- 
lässt,  liegen  eine  grosse  Anzahl  (an  50)  fast  durchgehends  unbewohnter  Koralleninseln, 
andere  zerstreut  in  der  Lagune.  Was  die  letztere  aber  ganz  besonders  auszeichnet,  sind 
die  hohen,  nur  von  einem  schmalen  Saumriff  begrenzten  vulcanischen  Inseln,  deren 
kahle,  steile  Kegel  und  Bergrücken  bis  circa  1000  Fuss  ansteigen.  Solche  hohe,  aus 
Basalt  gebildete  Inseln  zählt  die  Ruk-Lagune  im  Ganzen  17,  die  aber  alle  sehr  be- 
schränkten Umfang  haben.  Faituk  ist  blos  circa  8  Seemeilen  lang,  aber  kaum  3  breit, 
an  Areal  also  beträchtlich  kleiner  als  Kuschai.  Von  den  übrigen  hohen  Inseln  verdienen 
hier  nur  Uola  (Moen  der  französischen  Karte),  Fefan  (Ruk)  und  Toloas  (Dublon)  er- 
wähnt zu  werden,  da  die  übrigen  mehr  oder  minder  unbedeutend  sind.  Die  circa 
40  Seemeilen  südwestlich  gelegenen  kleinen  Atolle  Nema  (Nama)  und  Losop  (Lasap) 
gehören  als  Dependenzen  zur  Ruk-Gruppe. 

Ungefähr  i3o  Seemeilen  südöstlich  von  Ruk  liegt  die  Mortlock-Gruppe,  von 
Capitän  James  Mortlock,  Führer  des  amerikanischen  Schiffes  »Young  William«,  zuerst 
(29.  November  1793)  gesichtet,  deren  genaue  Kartirung  in  erster  Linie  wiederum  zu 
den  unsterblichen  Verdiensten  Lütke's  gehört.  Die  Gruppe  besteht  aus  drei  Atollen: 
Satöan,  Lukumor  und  Etal,  und  wird  auch  von  den  Eingeborenen  in  Ermangelung  eines 
CoUectivnamens  als  Mortlock  bezeichnet.  Darüber  belehrt  uns  Kubary,  der  aber  a.  0. 
»Namen  kac  für  Mortlock-Inseln  im  Allgemeinen  anführt.  Das  grösste  Atoll,  welches 
die  Satöan-Lagune  umschliesst,  ist  circa  16  Seemeilen  lang  und  circa  halb  so  breit  und 
besteht  aus  etlichen  60  Inseln,  von  denen  aber  nur  vier  (Satöan,  Tä,  Kitu  und  Mof 
(spr.  Mosch)  bewohnt  sind.  Lukunor,  circa  6  Seemeilen  zu  Ost  von  Satöan,  ist  kaum 
halb  so  gross  als  letzteres,  und  Etal,  circa  3  Seemeilen  zu  Nord  von  Satöan,  hat  nur 
eine  kleine,  kaum  2  Ya  Seemeilen  lange  Lagune.  Die  beste  Karte  der  Mortlock-Inseln 
(»nach  Lütke  und  J.  Kubary«)  ist  übrigens  die  von  L.  Friederichsen  (»Mitth.  d.  Geogr. 
Gesellsch.  in  Hamburg«,  1878/79,  Taf.  II),  obwohl  für  den  Seefahrer  die  englische 
Admiralitätskarte  (Nr.  776)  stets  unentbehrlich  bleibt. 

Das  kleine,  circa  3o  Seemeilen  nordwestlich  von  Etal  gelegene  Atoll  Namoluk  ge- 
hört ebenfalls  zur  Mortlock-Gruppe,  und  als  südöstlicher  Ausläufer  (circa  iio  See- 
meilen von  Satöan)  darf  das  kleine  Atoll  Nukuor  (Monteverde)  betrachtet  werden. 


')  In:  »Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Ruk-lnseln,  nach  den  Berichten  von  J.  Kubary  bearbeitet 
von  Dr.  Rudolf  Krause«  in:  »-Mitth.  d.  Geogr.  Gesellsch.  in  Hamburg«,  1887—1888,  Heft  I,  S.  53—63, 
Taf.  I,  Karte  (»Nach  Recognoscirungen  Sr.  Maj.  Kreuzer  »Albatros«,  Commandant  Corvettencapitän 
Plüddemann,  1885«).  Diese  Karte,  nach  der  britischen  Admiralitdtskarte  Nr.  982  und  »mit  Benützung 
eines  Manuscripts  von  J.  Kubary«  bearbeitet,  ist  jedenfalls  die  beste  und  macht  die  von  Friederichsen 
(in  derselben  Zeitschrift:  1878— 1879,  Taf.  11)  hinfällig.  Sie  beruhte  zum  Theil  auf  Erkundigungen, 
die  Kubary  auf  Satöan  von  Eingeborenen  über  Ruk  einzog,  und  daraus  erklären  sich  die  Abweichun- 
gen in  der  Schreibweise  verschiedener  Inselnamen. 


rc35]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  297 

Zur  Literatur.  Da  die  Ergebnisse  der  ersten  französischen  Entdeckungsreisen 
nur  theilweise  publicirt  wurden,  so  haben  wir  die  Kenntniss  der  Ruk-Gruppe  in  erster 
Linie  J.  Kubary»)  zu  verdanken,  der,  wie  bereits  erwähnt  (S.  192  [4.48]),  14  Monate 
auf  Ruk,  und  zwar  der  kleinen  Insel  Eten  im  LagunenrifT  von  Toloas  (Dublon)  lebte. 
Inwieweit  er  von  hier  aus  die  anderen  Inseln  der  Gruppe  aus  eigener  Anschauung 
kennen  lernte,  weiss  ich  nicht,  da  meines  Wissens  bisher  kein  zusammenhängender 
Reisebericht  von  ihm  erschien.  Dagegen  besitzen  wir  aus  Kubary's  Feder  eine  förm- 
liche Monographie  über  Mortlock  (vgl.  S.  193  [449],  Nr.  5),  obwohl  Kubary  hier  nur 
drei  Monate,  und  zwar  auf  den  südlichsten  Inseln  Tä,  Uoytä  und  Aliar  der  Satoan- 
Lagune  zubrachte.  Lukunor  scheint  Kubary  nicht  besucht  zu  haben,  aber  über  dieses 
Atoll  liegen  die  werthvoUen  Berichte  Lütke's  und  v.  Kittlitz'  vor.  Beachtenswerthe 
Notizen  über  Ruk  und  Mortlock  enthält  auch  die  kleine  Schrift:  »Last  Words  and  Work 
of  Rev.  Robert  W.  Logan,  A  Missionary  of  the  A.  B.  C.  F.  M.  at  Ruk,  Mikronesia.  To- 
gether  with  Memorial  Papers«  (Oakland,  California  1888),  dessen  Verfasser  mehrere 
Jahre  in  diesen  Theilen  Mikronesiens  wirkte. 

Ueber  die  Hall-Inseln  hat  Mertens  die  Erlebnisse  William  Floyd's,  eines  deser- 
tirten  englischen  Matrosen,  aufgezeichnet  utid  in  den  Schriften  der  Petersburger  Akade- 
mie, sowie  in  Lütke's  Reisewerk  (Tom.  III,  Paris  i836)  publicirt.  Der  Genannte  lebte 
I  '/s  Jahre  auf  Moriljö  (Murilla)  und  Fananu  und  wurde  im  December  1828  von  Capitän 
Lütke  von  ersterer  Insel  mitgenommen.  Leider  waren  mir  diese  Publicationen,  deren 
Einsicht  schon  der  Vergleichung  wegen  gewiss  wichtig  gewesen  wäre,  nicht  zugänglich. 

Während  meines  Besuches  auf  Ponap^  konnte  ich  bei  Kubary  (der  damals  übri- 
gens nicht  mehr  dem  Museum  Godeffroy  angehörte)  dessen  central-carolinische  Samm- 
lungen eingehend  studiren  und  erwarb  einen  beträchtlichen  Theil  derselben  für  das 
Berliner  Museum,  um  Kubary  aus  bedrängter  Lage  zu  befreien.  Ausser  diesen  Samm- 
lungen erhielt  ich  (namentlich  durch  Güte  von  Herrn  A.  Capelle  auf  Dschalut)  noch 
andere  von  Ruk  und  Mortlock,  und  dieses  Gesammtmaterial  bildet  die  Grundlage  der 
nachfolgenden  Arbeit.  Sie  gibt  zum  ersten  Male  ein  systematisches  Gesammtbild  der 
Ethnologie  dieses  Gebietes,  unter  gewissenhafter  Bezugnahme  auf  Kubary's  (zum  Theil 
auch  mündliche)  Mittheilungen.  Ein  Zusammentragen  derselben  war  insofern  eine 
mühsame  und  zeitraubende  Arbeit,  als  Notizen  über  Ruk  und  Mortlock  sich  in  den 
verschiedensten  Arbeiten  Kubary's,  zum  Theil  unter  Yap  und  Pelau,  oder  in  leicht 
übersehbaren  Notizen  verstreut  finden.  Bei  diesem  sorgsamen  Nachsuchen  und  Ver- 
gleichen ergeben  sich  nicht  selten  seltsame  Widersprüche,  welche,  ganz  abgesehen  von 
dem  eigenartigen  Styl  (s.  vorne  S.  [449]  Note),  ein  klares  Verständniss  häufig  recht  er- 
schweren. Unangenehm  empfindet  man  auch  gewisse  Lücken,  die  zum  Theil  hätten 
vermieden  werden-können.  So  finden  sich  über  manche  Punkte,  die  von  grösstem  Inter- 
esse sind  (wobei  ich  blos  an  den  W^urfstock  und  an  die  Hahnenkämpfe  erinnern  will), 
nur  kurze  Andeutungen  und  man  bedauert,  vom  besten  Kenner  nichts  Näheres  zu  er- 
fahren. W^ie  auf  der  einen  Seite  zur  Flüchtigkeit  hinneigend,  so  fällt  Kubary  nicht 
selten  in  das  Extrem  der  weitschweifigsten  Ausführlichkeit,  Mängel,  die  neben  den 
eminenten  Vorzügen  (s.  vorne  S.  [449])  nicht  verschwiegen  werden  dürfen. 

Flora  und  Fauna.  Nach  Kubary  zeichnet  sich  die  Ruk-Gruppe  durch  die  fast 
gänzliche  Abwesenheit  von  Wäldern  aus,  trägt  aber  im  Uebrigen  >die  Vegetation  der 


I)  Vgl.  die  Bemerkungen  in:  Kat.  M.  G.  (auf  S.  351—397  verstreut),  ganz  besonders  aber:  »lieber 
die  Industrie  und  den  Handel  der  Ruk-Insulaner«  in:  »Ethnogr.  Beitr.«,  Heft  I  (1889),  S.  46 — 78, 
Taf.  Vlll— X. 


2V 


298  I^r.  O.  Finsch.  [^36] 

Koralleninseln,  gemischt  mit  der  kosmopolitisch-pacifischen  Flora  der  anderen  Inselnc 
(Kat.  M.  G.,  S.  353).  Dasselbe  gilt  ungefähr  für  Mortlock,  dessen  hervorragendere 
Pflanzenformen  von  demselben  Reisenden  etwas  eingehender  aufgeführt  werden  (1.  c, 
S.  296,  297)  und  die  eine  grössere  Anzahl  von  Arten  als  sonst  auf  Atollen  nachweisen. 
Sehr  anziehend  ist  die  Schilderung,  welche  v.  Kittlitz  von  der  Pflanzenwelt  Lukunors 
entwirft  (Denkwürd.,  2,  S.  83,  90  und  91),  deren  Ueppigkeit  ihn  sehr  überraschte.  Auch 
Doane  nennt  Lukunor  die  »Gemme«  der  Mortlocks  und  erwähnt  die  dichtere  und 
reichere  Vegetation.  Doch  finden  sich  auch  hier  im  Allgemeinen  nur  die  bekannten, 
weit  verbreiteten  Charakterpflanzen  der  Atolle,  unter  denen  der  Schraubenbaum  in  zwei 
Arten  (Pandanus  odoratissimus  und  latifolius)  wie  immer  besonders  hervortritt  und 
nach  -V.  Kittlitz  vorzugsweise  den  Bestand  des  Unterholzes  bildet.  Erwähn enswerth  ist 
eine  wildwachsende,  aber  essbare  Gurke  (»Kunu«  oder  »Lipur«  genannt)  deshalb,  weil 
sie  nach  Kubary  nur  auf  Ruk,  aber  nicht  auf  den  anderen  hohen  Carolinen-Inseln  vor- 
kommt. Sasafras  gehört  ebenfalls  zu  den  wildwachsenden  Sträuchern,  wie  ich  dies  für 
Ponape  zu  erwähnen  vergass. 

Faunistisch  herrscht  im  Allgemeinen  die  grösste  Uebereinstimmung  mit  Ponape 
und  den  Carolinen  überhaupt.  Unter  den  Säugethieren  ist  eine  Rattenart  (»yez«),  wie 
auf  allen  Atollen,  am  häufigsten,  ausserdem  sind  auf  Ruk  zwei  Gattungen  Flederthiere 
(PteropuSy  »Pueu«,  und  Emballonura)  vertreten.  Der  Fiederhund  von  Ruk  gehört 
einer  eigenen  Art  an  (Pteropus  insularis  Hombr.  et  Jacqu.),  mit  der  'die  Art  von  Satöan 
und  Lukunor  (P^  pelagicus  Kittl.)  wahrscheinlich  identisch  ist.  Die  Vögel,  durch  Ku- 
bary's  Sammlungen  am  besten  bekannt,  zählen  auf  Ruk*)  circa  3o  Arten,  unter  denen 
nur  zwei  Arten  (Metabolus  rugensis  und  Myiagra  oceanica),  schon  durch  die  fran- 
zösische Expedition  entdeckt,  der  Gruppe  eigenthümlich  angehören.  Die  übrigen  acht 
Arten  Landvögel  finden  sich  auch  auf  Ponape  (darunter  Phlegoenas  erythroptera  und 
Ptilopus  ponapensis)  und  drei  davon  (Calornis  pacißca,  Calamoherpe  syrinx,  Carpo- 
phaga  oceanica)  zugleich  auf  den  Atollen  Mortlock,  Lukunor  und  Nukuor.  Nach  Ku- 
bary ist  auf  Mortlock  ein  Wildhuhn,  »Mallök«  und  »Malek«,^)  »der  alleinige  Bewohner 
des  undurchdringlichen  Dickichts  im  Innern  der  Insel«  (Satoan)  und  sehr  häufig.  Die 
Identificirung  dieser  Art  mit  dem  Wildhuhn  von  Java  (Gallus  ferrugineus  Gml.,  Ban- 
kiva,  Temm.)  ist  aber  jedenfalls  verfrüht  und  würde  sich  erst  durch  genaue  Vergleichung 
feststellen  lassen.  Einmal  sagt  Kubary  a.  O.  selbst,  dass  das  Wildhuhn  auf  Mortlock 
von  Ruk  eingeführt  sei,  anderseits  erwähnt  schon  Kittlitz  von  Lukunor,  »dass  die  hier 
lebenden  Hühner  mehr  den  Charakter  von  Hausthieren  zeigen  als  auf  Ualan«.  Jeden- 
falls sind  diese  Wildhühner  nur  verwilderte  Haushühner. 

Die  Reptilien  von  Ruk  sind,  nach  Kubary,  dieselben  Arten,  welche  auf  Ponap^ 
vorkommen  und  jedenfalls  mit  denen  der  Mortlocks  (von  woher  Kubary  >Lygosoma 
smaragdinum,  Eumeces  rufescens  und  zwei  Gecko  notirt)  identisch.  »An  Conchyüen 
bieten  die  Ruk-Inseln  nichts  Bemerkenswerthes,€  sagt  Kubary,  doch  muss  hier  erwähnt 
werden,  dass  sich  Ruk  durch  einige  besondere  Arten  Landconchylien  (z.  B.  Tornatellina 
gigas,  Trochomorpha  entomostoma  etc.)  und  dadurch  von  ganz  Mikronesien  auszeich- 
net.   Beachtenswerthe  Notizen  über  die  Flora  und  Fauna  von  Mortlock  und  Ruk  finden 


1)  Finsch:  »A  iist  of  thc  Birds  of  the  Island  of  Ruk  in  the  CenU'al-CaroUnes«  in:  Proc.  Z. S. 
London   1880,  pag.  574—577. 

2)  Aehnliche  Verschiedenheiten  in  der  Orthographie  eingeborener  Namen  kommen  bei  Kubary 
sehr  häulig,  zuweilen  auf  verschiedenen  Seilen  derselben  Abhandlung,  vor  und  deuten  auf  eine  Un- 
sicherheit hin,  die  oft  recht  störend  wirkt. 


[5373  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  299 

sich  übrigens  im  Kat.  M.  G.  (S.  296  und  852,  und  über  die  Flora  in  »Beitr.  z.  Kenntn.  d. 
Ruk-Inselncy  S.  54). 

Areal  und  Bevölkerung.  Nach  den  Berechnungen  von  Friederichsen  (Anthrop. 
Album  d.  M.  G.,  S.  12  und  i3)  beträgt  der  Flächeninhalt  von  Ruk  i3-2  Quadratkilo- 
meter (=  2*4  deutsche  geographische  Quadratmeilen),  von  Mortlock  nur  77  Quadrat- 
kilometer (=  1*4  deutsche  geographische  Quadratmeilen).  Die  Zahl  der  Einwohner 
der  Ruk-Gruppe  wird  in  demselben  Werke  zu  12.000,  die  der  Mortlocks  auf  3500  an- 
gegeben, so  dass  darnach  die  letzteren  mit  circa  500  Bewohnern  auf  den  Quadratkilo- 
meter die  bestbevölkertste  Gruppe  innerhalb  der  Carolinen,  wie  der  Südsee  überhaupt, 
sein  würden.  Allein  mit  Ausnahme  von  Nukuor,  wo  Kubary  1877  im  Ganzen  124  Ein- 
wohner zählte,  beruhen  die  Angaben  der  Bevölkerungsdichtigkeit  nur  auf  Schätzungen 
und  sind  infolge  dessen  sehr  schwankend.  Logan  schätzt  die  Gesammtbevölkerung  von 
Ruk  und  Mortlock,  einschliesslich  der  Hall-Gruppe,  auf  18.000 — 20.000  Seelen,  also 
fast  so  hoch  als  die  des  gesammten  Carolinen-Archipels.  Gegenüber  Gulick's  Angabe 
von  5000  Bewohnern  besitzt  die  Ruk-Gruppe  nach  Kubary  12.000,  allein  nach  seiner 
Aufzählung  der  Bevölkerung  der  einzelnen  Inseln  ergibt  sich  nur  eine  Totalzahl  von 
10.688.  Mit  Ausnahme  der  nördlichsten  Atollinsel  Pis,*)  mit  einer  ständigen  Bevölke- 
rung von  circa  1000  Seelen,  sind  alle  Koralleninseln  unbewohnt,  von  den  hohen  da- 
gegen nur  zwei  (Tadiu  und  Falabegets).  Die  kleine  Insel  Nema  zählt  nach  dem  neuesten 
Jahresbericht  der  Mission  (1891)  500  Bewohner  (nach  Doane  nur  150 — 200),  Losop 
350  (500:  Doane)  und  Namoluk  350  (3oo — 500:  Doane).  Derselbe  Bericht  verzeichnet 
für  dieMortlock-Gruppe  4450  Eingeborene,  also  1000  mehr  als  Kubary,  der  die  Satöan- 
und  Lukunor-Lagune  je  zu  1500  und  Etal  zu  500  schätzt.  Die  Gesammtbevölkerung 
von  Ruk  und  Mortlock  würde  nach  den  vorhergehenden,  allerdings  sehr  schwanken- 
den Daten  also  zwischen  14.000  und  16.000  betragen,  was  wahrscheinlich  zu  hoch  ge- 
griffen ist. 

Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  hat  auch  in  diesem  Theile  Mikronesiens  ein  Rückgang 
der  Bevölkerung  stattgefunden.  Cheyne  schildert  1844  das  südliche  Falipii-AtoU  (Roya- 
list)  noch  als  »dicht  bevölkert«,  während  Kubary  etliche  3o  Jahre  später  dasselbe  aus- 
gestorben fand.  Derselbe  Reisende  sah  auf  Ruk  »allerorts  Spuren  früherer  Häuser  und 
Küchenabfälle«  bis  auf  die  Gipfel  der  Berge  und  zählte  auf  Nukuor  etliche  80  Canus, 
aber  nur  124  Bewohner  (64  Männer  und  60  Frauen,  die  Kinder  einbegriffen).  Wie 
anderwärts  in  der  Südsee  ist  es  schwer,  für  diese  Abnahme  der  Bevölkerung  eine  ge- 
nügende Erklärung  zu  finden.  Kriege  sind  allerdings  und  von  jeher  an  der  Tagesord- 
nung, aber  sie  waren  nie  blutige.  Die  häufige  Nothlage  infolge  Nahrungsmangels,  der 
sich  zuweilen  nahe  zur  Hungersnoth  steigert,  mag  theilweise  mit  die  Schuld  tragen,  und 
auf  Grund  solcher  Zustände  bezeichnet  Logan  Mortlock  als  übervölkert. 

Die  »Labortrade«,  d.  h.  das  sogenannte  Werben  von  Eingeborenen  als  Arbeiter 
ist  übrigens  auch  an  den  Central-Carolinen  nicht  ohne  Nachtheil  vorübergegangen. 
So  führten  australische  Werbeschiffe,  darunter  der  berüchtigte  »Carl«,  eine  grosse  An- 
zahl Eingeborener  von  Mortlock  weg.  Doane  klagt  auch  über  ein  deutsches  Schiff,  das 
in  den  Siebzigerjahren  80  Eingeborene  für  Godeffroy's  Plantagen  auf  Samoa  recrutirte. 
Sie  erlagen  aber  nach  Kubary,  der  diesen  Fall  auch  erwähnt,  beinahe  sämmtlich,  »da 
jede  physische  Anstrengung  den  Mortlocker  zu  Grunde  richtet«;  und  so  mussten  die 


1)  Nach  früheren   Angaben   Kubary's   (»Mortlock«,  S.  296)   wäre  auch   die  nordwestliche  Insel 
des  Ruk-RiffgQrtels  Faleu  (Fatalu)  bewohnt,  was  sich  seitdem  als  irrthumlich  herausgestellt  hat. 


3oo  Dr.  O.  Finsch.  [538] 

Central-Carolinen  als  Werbegebiet  für  Arbeiter  aufgegeben  werden.  In  gleicher  Weise 
erhebt  Kubary  neuerdings  seine  warnende  Stimme  in  Betreff  der  Bewohner  der  west- 
lichsten Insel  Sonsol  (im  Ganzen  circa  350),  die  ja  bereit  sind,  ihre  ärmliche  Heimat 
zu  verlassen,  aber  als  »Plantagenarbeiter  ebensowenig  taugen  als  die  Mortlocker«. 

Handel.  Bei  dem  im  Allgemeinen  nur  spärlichen  Vorkommen  der  Cocospalme 
und  einer  dementsprechenden  Copraproduction  ist  sowohl  auf  Ruk  als  Mordock  der 
Handel  nur  sehr  unbedeutend  und  voraussichtlich  infolge  der  spanischen  Occupation 
vollends  zurückgegangen.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  schon  vor  Ankunft  der  Weissen 
die  Eingeborenen  im  Zwischenhandel  über  Guam  Eisenwaaren  erhielten  (vgl.  den  Ab- 
schnitt: »Fahrzeuge,  Verkehr  und  Handel«),  unter  denen  Cheyne  grosse  spanische 
Messer  und  Hirschfänger  nennt.  Trepangfischer  scheinen  schon  früher  die  Central- 
Carolinen  gelegentlich  besucht  zu  haben,  aber  erst  in  den  Siebzigerjahren  liessen  sich 
einige  wenige  Händler  (Trader)  ständig  auf  Ruk  und  Mortlock  nieder  zur  Ausbeute 
von  Copra.  Infolge  dessen  hat  sich  schon  Mitte  der  Achtziger  jähre  Geld,  und  zwar  der 
chilenische  DoUar  (=  67  amerikanische  Cents)  als  Tauschmittel  auch  bei  den  Ein- 
geborenen eingeführt. 

Mission.  In  den  Jahren  1873  und  1874  wurde  durch  die  »Hawaiian  Evangelical 
Association«  von  Ponape  aus  das  Bekehrungswerk  auf  den  Central-Carolinen,  zunächst 
auf  Satoan,  in  Angriff  genommen  und  machte,  wie  fast  überall,  anfänglich  erfreuliche 
Fortschritte.  Im  Jahre  1878  gab  es  auf  Mortlock  bereits  sieben  Stationen  mit  150 
Christen,  aber  schon  vier  Jahre  später  trat  der  bekannte  Rückschlag  ein;  1886  waren 
eine  grosse  Anzahl  Bekehrter  wieder  abgefallen,  und  der  Missionsbericht  vom  folgenden 
Jahre  bezeichnet  besonders  Satoan  als  das  »schwarze  Schaf«  der  Mortlocks.  Aehnlich 
gestalteten  sich  die  Verhältnisse  auf  der  Ruk-Gruppe,  wo  die  Mission  187g  zuerst  auf 
den  kleinen  Atollen  Nema  und  Losop  ponapesische  Missionslehrer  (Teacher)  einsetzte, 
die,  wie  auf  Namoluk,  bald  erfreuliche  Erfolge  errangen.  Auf  den  hohen  Inseln  wurde 
1879  auf  Uman  (Uluan)  die  erste  Missionsstation  begründet,  denen  bald  andere  auf 
Fefan,  Toloas,  Udot  und  Wela  (Uola)  folgten,  so  dass  1884  bereits  zehn  Kirchen  mit 
500  eingeborenen  Mitgliedern  vorhanden  waren.  In  dieser  Progression  ist  das  Bekeh- 
rungswerk leider  nicht  vorgeschritten,  sondern  auch  auf  Ruk  gab  es  bald  Abtrünnige, 
ja  es  kam  zu  Fehden  zwischen  den  »lamalam«,  d.  h.  bekehrten  und  heidnischen  Ein- 
geborenen. Die  strengen  Verbote  der  Mission  gegen  »Taik«,  d.  h.  das  Bemalen  mit 
gelber  Farbe  und  das  Tragen  langen  Haares,  hat  die  Eingeborenen  ohne  Zweifel  sehr 
abgeschreckt,  da  diese  ureigenthümlichen  Gebräuche  jedenfalls  fester  wurzelten  als  die 
neue  Lehre  mit  ihren  Hymnen  und  Bibelsprüchen.  Nach  der  Missionsstatistik  vom 
Jahre  1886  gab  es  damals  in  den  Central-Carolinen  (Ruk,  Mortlock  und  den  kleinen 
Nebeninseln)  15  Kirchen  mit  über  1000  Mitgliedern,  i3  Schulen  mit  circa  1000  Schülern 
und  ebensoviel  Sonntagsschulen  mit  circa  iioo  Besuchern.  Die  spanische  Occupation 
scheint  der  Mission  jenes  Gebietes  bis  jetzt  nichts  geschadet  zu  haben,  denn  die  Be- 
richte, welche  ich  bis  zum  Jahre  1892  verfolgen  konnte,  sprechen  von  stetiger  Ent- 
wicklung, Fortschritten,  hoffnungsreicher  Consolidirung  u.  s.  w.,  aber  auch  von  Wankel- 
muth  und  Abfall  Bekehrter.  Da  der  Bericht  für  1892  für  beide  Gruppen  (inclusive 
Losop,  Nema  und  Namoluk)  im  Ganzen  circa  1000  Kirchenmitglieder  und  1150  Schüler 
verzeichnet,  unter  6  Katechisten  und  17  Lehrern  (Eingeborene  von  Hawaii  und  Po- 
nape), so  sind  die  Fortschritte  der  letzten  fünf  Jahre  allerdings  nicht  sehr  erhebliche 
und  der  Wunsch  auf  Besserung  ein  gerechtfertigter.  Aber  wer  weiss,  ob  die  spanischen 
Machthaber  nicht  auch  hier  über  Kurz  oder  Lang  dem  ganzen  protestantischen  Mis- 
sionswerk ein  Ende  bereiten? 


[S^qI  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sudsee.  3oi 


I.  Eingeborene. 

Aeusseres.  Kubary  erklärt  die  Bewohner  der  Ruk-Gruppe  für  »echte  Carolinier« 
und  »fand  keine  Belege,  dass  hier  zwei  verschiedene  Menschenracen  vertreten«  (Kat. 
M.  G.,  S.  3ss),  wiis  gewiss  auch  gar  nicht  zu  erwarten  war.  An  a.  O.  bemerkt  derselbe 
Beobachter:  »Die  Ruk-Inseln  sind  durch  Repräsentanten  beinahe  der  sämmtlichen  die 
Central-Carolinen  bewohnenden  Völker  besiedelt«  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  77),  so  dass 
darnach  auch  die  Mortlocks  in  Betracht  kommen  würden.  Aber  die  Bewohner  der 
letzteren  stammen,  nach  anderen  Angaben  Kubary's,  von  Ruk  her,  und  zwar  werden 
Kutua,  der  östlichste  Theil  der  Insel  Toloas,  a.  O.  aber  das  Dorf  Medschitiu  auf  der 
Insel  Uola  als  die  »Urheimat«  der  Mortlocker  bezeichnet,  die  Herkunft  der  Bewohner 
des  letzteren  Dorfes  aber  wiederum  auf  Kuschai  zurückgeführt,  kühne,  auf  vage  Tra- 
ditionen wackelig  aufgebaute  Combinationen,  die  wissenschaftlich  keine  Bedeutung 
beanspruchen  können.  Trotz  dieses  gemeinschaftlichen  Stammbaumes  und  obwohl 
Kubary  a.  O.  »den  die  Mortlock-Inseln  bewohnenden  Menschen  als  eines  der  vollkom- 
mensten Elemente  der  sogenannten  mikronesischen,  oder  noch  enger  begrenzt,  der 
carolinischen  Inselwelt«  bezeichnet  (»Mortlock«,  S.  226),  kommt  er  doch  zu  dem  wider- 
sprechenden Schluss,  »dass  die  Mitte  der  Central-Carolinen  von  einem  Menschenschlage 
bewohnt  ist,  der  aus  einer  Vermischung  eines  mehr  malayischen  und  eines  polynesischen 
Elementes  entstand«,  den  er  von  Nukuor  ableitet,  und  will  auf  Mortlock  zwei  verschie- 
dene anthropologische  Typen  (einen  schlanken  und  einen  »etwas  weniger  schlanken«) 
herausgefunden  haben  (ib.  S.  232).  Dr.  Krause  weiss  diese  Unterschiede  der  beiden  Ku- 
bary'schen  Mortlock-Typen  auch  gleich  craniologisch  festzulegen  und  findet,  »dass  bei 
dem  einen  in  der  Vermischung  mehr  der  papuanische,  bei  dem  anderen  mehr  der 
malayische  Typus  in  den  Vordergrund  tritt«  (Kat.  M.  G.,  S.  576).  Dabei  mag  bemerkt 
sein,  dass  es  sich  im  Ganzen  um  Messungen  von  16  Schädeln  handelt,  deren  Resultate 
sehr  erheblich  von  Kubary 's  Messungen  (an  lebenden  Mortlockern)  abweichen  (»An- 
throp.  Album«,  S.  14).  Derjenige,  welcher  so  viele  sogenannte  Mikronesier  gesehen  und 
verglichen  hat  als  ich,  wenn  darunter  auch  zufälliger  Weise  gerade  keine  Mortlocker 
und  Ruker,  wird  diesen  zum  Theil  widersprechenden  Annahmen  wenig  Werth  beilegen. 
Sie  betreffen  individuelle  Abweichungen,  wie  sie  sich  überall,  selbst  innerhalb  von 
Familien  finden,  und  die  Schlussfolgerung,  dass  auch  diese  Central-Carolinier  ebenso 
sehr  oder  wenig  typisch  sind  als  alle  übrigen  Mikronesier,  ist  jedenfalls  die  richtigere. 
Die  »Racencharaktere«,  welche  Kubary  für  die  Mortlocker  (»Mortlock«,  S.  226 — 285, 
und  Kat.  M.  G.,  S.  3oo)  und  Ruker  (ib.,  S.  355)  verzeichnet,  passen  auch  auf  alle  übri- 
gen Carolinier,  so  dass  an  deren  Zusammengehörigkeit  nicht  im  Mindesten  zu  zweifeln 
ist.  Ein  Vergleich  der  Photographien  Eingeborener  von  Ruk  und  Mortlock  (» Anthrop. 
Album  M.  G.«,  Taf.  21 — 24)  wird  dies  vollends  beweisen,  wie  andererseits  auch  Sprache, 
Sitten  und  ethnologische  Eigenthümlichkeiten  jene  Identität  bestätigen,  welche  schon 
von  den  ersten  Reisenden  (Lütke,  Kittlitz)  anerkannt  und  von  späteren  (Doane,  Logan, 
Wetmore)  bekräftigt  wurde,  Zeugnisse,  die  denen  Kubary's  gegenüber  mindestens 
gleichen  Werth  beanspruchen  dürfen.  Ich  habe  die  verstreuten  anthropologischen 
Notizen  Kubary's  in  Betreff  der  Bewohner  der  Central-Carolinen  auch  nur  deshalb  hier 
zusammengetragen,  um  zu  zeigen,  wie  häufig  er  von  dem  sicheren  Boden  der  Empirie 
ins  Gebiet  der  Speculation  abschweift. 

Hautkrankheiten  sind  häufig,  namentlich  Ichthyosis;  nach  Kubary,  der  den  Krank- 
heiten der  Mortlocker  ein  besonderes  Capitel  (l.  c,  S.  235)  widmet,  auch  zwei  Arten 


3o2  Dr.  O.  Finsch.  [54^] 

Lupus  und  besonders  Elephantiasis.  Ausserdem  besitzen  die  Mortlocker  eine  eigen- 
thümliche  »angeborene«  Krankheit,  die  sich  aber  erst  im  Alter  entwickelt  und  in  Läh- 
mung der  Finger  besteht. 

Sprache.  Trotz  seines  kurzen  Aufenthaltes  von  nur  drei  Monaten  war  es  Ku- 
bary  doch  möglich,  einen  »Beitrag  zur  Kenntniss  der  Sprache  der  Mortlock-Inselnc  zu 
liefern  (1.  c,  S.  273 — 283),  der  mit  einem  Vocabular  von  circa  400  Worten  zu  den  wich- 
tigsten bis  jetzt  erschienenen  linguistischen  Arbeiten  dieses  Reisenden  gehört.  In  der 
Vergleichung  ist  nur  auf  die  Aehnlichkeit  gewisser  Wörter  mit  Samoanisch  RQcksicht 
genommen,  deren  geringe  Zahl  (etwa  etliche  20)  indess  noch  nicht  von  einer  engeren 
Verwandtschaft  überzeugen  kann.  Wichtiger  ist  der  von  Doane  und  Logan  überein- 
stimmend geführte  Nachweis,  dass  die  Bewohner  von  Ruk,  Mortlock,  den  Hall-Inseln 
(Morileu,  Namolipiafane  und  Ost-Faiu  oder  Lütke-Insel)  mitNema,  Losop  undNamulok 
ein  und  dieselbe  Sprache  sprechen.  »Wir  finden  nicht  die  leichteste  Verschiedenheit 
im  Dialekt,  höchstens  in  der  Accentuirung,  sehr  wenig  in  Worten c  (Logan).  Damit 
dürfte  die  Zusammengehörigkeit  dieser  Inselbewohner  jedenfalls  am  besten  bewiesen 
werden,  die  sich  vielleicht  auch  auf  Uleai  und  Fais  erstreckt  (vgl.  vorne  S.  186  [442]). 

Charakter  und  Moral.  Cheyne's  unglückliche  Erfahrungen  auf  Ruk,  wo  er  (1844) 
von  den  Eingeborenen  anfangs  freundlich  aufgenommen,  plötzlich  von  diesen  mit 
üebermacht  (2000!?  Mann  stark)  überfallen  wurde,  hat  den  Bewohnern  der  Central- 
Carolinen  das  schlechte  Zeugniss  verschafft,  welches  ihnen  in  den  meisten  nautischen 
Büchern  (und  Karten)  mit  dem  Vermerk  »hinterlistig«  ertheilt  wird.  In  Wahrheit 
scheinen  sie  aber  im  Ganzen  nicht  so  schlimm  zu  sein  und  werden  von  den  meisten 
Beobachtern  als  gutmüthige  Menschen  bezeichnet.  Lütke  erwähnt  die  Wissbegierde 
der  Lukunorer,  vermisst  aber  das  auf  Kuschai  herrschende  kindliche  Zutrauen  und  Gast- 
freundschaft; ihr  Grundsatz  war:  »wenig  geben  und  viel  nehmen«,  wie  dies  fast  aus- 
nahmslos für  Kanakas  gilt.  Kubary  lobt  »die  grossen  geistigen  Anlagen«  der  Mortlocker, 
die  wohl  aber  nicht  hervorragender  als  bei  anderen  Caroliniern  sein  dürften,  tadelt  aber 
ihre  »körperliche  Trägheit«  und  hebt  bei  den  Rukern  »als  besondere  Charaktereigen- 
schaften Trägheit  und  Gleichgiltigkeit  gegen  das  eigene  Wohlergehen«  hervor.  Nach 
Wetmore  sind  die  Ruker  lebhafter  und  zugleich  händelsüchtiger  als  die  Mortlocker, 
welche  er  als  ehrlich  bezeichnet,  wie  dies  bereits  Lütke  von  den  Lukunorern  sagt.  In 
der  That  sind  Fehden,  oft  mit  blutigem  Ausgange,  nichts  Seltenes  auf  Ruk,  aber  auch 
auf  Mortlock  kamen  Kriege  vor  (Kubary). 

Schon  zu  Lütke's  Zeiten  zeigten  sich  die  Bewohner  dieser  Inseln  bereits  mit 
Schiffen  bekannt,  wenig  scheu,  bemühten  sich  aber  umsomehr,  ihre  Frauen  zu  ver- 
bergen. Kittlitz  glaubt  »die  merkwürdige  Verborgenheit  der  Frauen  auf  Lukunor  und 
Uleai«  auf  zufällige  Verhältnisse  oder  die  Eifersucht  der  Männer  zurückführen  zu 
müssen,  da  auf  Fais  keine  Spur  von  Absonderung  der  Frauen  zu  bemerken  war.  Allein 
als  Kubary  1877  nach  Satöan  kam,  liess  sich  in  der  ersten  Zeit  das  weibliche  Geschlecht 
auch  nicht  blicken,  und  der  Besuch  an  Bord  von  Schiffen  war  völlig  ausgeschlossen. 
Dennoch  erwies  sich  die  Tugend  der  Mädchen,  die  mit  Ausnahme  der  Männer  des 
eigenen  Stammes  freien  Umgang  pflegten,  nicht  besser  als  anderwärts.  Aber  Kubary 
lobt  die  eheliche  Treue  der  Frauen.  Sitte  und  Anstand  wurden  äusserlich  mit  pein- 
licher Etiquette  geführt;  so  durfte  z.  B.  in  Gegenwart  von  Frauen  nicht  einmal  das 
Wort  Nabel,  Bauch  u.  dgl.  ausgesprochen  werden. 

Lütke  nennt  die  Lukunorer  unfläthig  und  schmutzig  an  ihrem  Körper  wie  in  den 
Häusern,  und  Kubary  bestätigt,  dass  es  mit  der  Reinlichkeit  auf  Mortlock  nicht  weit 
her  ist.     Waschungen  werden  nur  selten  vorgenommen,  um  die  Kruste  von  gelber 


fcAi]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3o3 

Farbe  und  Oel,  welche  den  Körper  bedeckt^  gelegentlich  zu  entfernen ;  Läuseessen  ist 
an  der  Tagesordnung. 

Trunksucht  wird  von  keinem  Beobachter  erwähnt  und  dürfte  so  unbekannt  sein 
als  Syphilis  und  Geschlechtskrankheiten ')  überhaupt. 


IL  Sitten  und  Gebräuche. 

(Sociales  und  geistiges  Leben.) 

/.  Sociale  Zustände. 

• 

Stände  und  das  auf  Kuschai  herrschende  Feudalsystem  fehlen  in  unserem  Gebiete 
ganz,  wie  schon  Kittlitz  und  Lütke  auf  Lukunor  wahrnahmen,  dagegen  tritt  die  strenge 
Eintheilung  in  Stämme  weit  stärker  hervor.  Kubary  schildert  in  seiner  Monographie 
in  dem  Abschnitt  »Die  politischen,  staatlichen  und  socialen  Einrichtungen  der  Mort- 
locker«  (1.  c,  S.  243 — 257)  diese  äusserst  complicirten  Verhältnisse  so  detaillirt,  dass 
dadurch  ein  klareres  Verständniss  sehr  erschwert  wird.  Dennoch  will  ich  es  versuchen, 
die  Hauptmomente  hier  in  Kürze  zusammenzustellen. 

Wie  Ruk  steht  auch  die  Mortlock-Gruppe  unter  keinem  einheitlichen  Regiment, 
sondern  zerfällt  in  7  selbstständige  »Inselstaaten«  (davon  4  auf  Satöan,  2  auf  Lukunor, 
I  auf  Etal),  die  sich  »in  16  sociale  Staaten  eintheilen,  von  denen  jeder  wieder  seine  eigene 
innere  Organisation  hat  und  aus  einer  grösseren  oder  kleineren  Anzahl  von  Gemeinden 
mit  je  einem  Dorfe  besteht«.  Es  gibt  also  wie  überall  Dorfgemeinden  (»Key«  a.  O., 
»Pey«:  Kubary),  deren  Mitglieder  übrigens  verschiedenen  Stämmen  angehören,  die  je 
unter  einem  Häuptlinge  stehen.  Letztere  führen  nach  Kittlitz  auf  Lukunor  den  all- 
gemeinen Titel  »Tamol«,  aber  Kubary  gibt  dazu  wieder  eine  Blumenlese  von  Namen, 
die  nicht  gerade  zur  Klärung  beiträgt,  um  so  weniger,  als  häufig  in  derselben  Abhand- 
lung2)  dasselbe  Wort  verschieden  geschrieben  wird.  So  heissen  auf  Mortlock  niedere 
Häuptlinge,  die  auch  als  »Aelteste«  bezeichnet  werden,  »Somol«  (spr.  »Schomol«), 
aber  Kubary  schreibt  a.  O.  »Samon«  und  »Saman«  und  erklärt  dies  Wort  gleichbedeu- 
tend mit  »Taman«  =--  Vater  und  dem  rukischen  »Camon«  (auch  »Öaman«  =  Häupt- 
ling und  Vater)  und  dem  »Tomal«  (auch  »Tomol«  und  »Tonul«)  von  Uleai,  Uluti  und 
Yap.  Es  dürfte  daher  nicht  unrichtig  sein  und  sich  der  Einfachheit  halber  empfehlen, 
das  alte  Wort  »Tamol«  für  Häuptling  beizubehalten,  denn  in  die  Feinheiten  eingeborener 
Standestitulaturen  einzudringen  wird  doch  ziemlich  schwierig.  Durch  Kubary  erfahren 
wir  allerdings,  dass  auf  Mortlock  die  niederen  Häuptlinge  wieder  unter  einem  »Key- 
Somol«  oder  Oberhäuptlinge  des  Hauptdorfes  oder  Stammes  stehen,  aber  zugleich 
auch,  dass  die  niederen  Häuptlinge  so  ziemlich  gleichberechtigt  sind.  Kittlitz*  Scharf- 
sinn hatte  diese  Verhältnisse  schon  auf  Lukunor  richtig  erfasst  und  herausgefunden,  dass 
die  Stellung  der  Häuptlinge  eine  bei  Weitem  mehr  beschränkte  ist  als  z.  B.  auf  Kuschai. 


>)  In  erschreckender  Weise  fand  Kubary  solche  auf  Sonsol  verbreitet,  jedenfalls  durch  Weisse 
eingeführt.  Fast  die  ganze  Bevölkerung  und  beide  Geschlechter  (zusammen  350)  war  mit  Gonorrhoea 
behaftet.  Letzteres  Uebel  ist  auch  auf  Pelau  häufig,  aber  die  Eingeborenen  besitzen  hier  eine  Medicin 
(deren  Recept  Kubary  miltheilt),  welche  selbst  die  acutesten  P'ormen  in  3—6  Tagen  unfehlbar 
curirt  (!).     Diese  ärztliche  Praxis  wird  auf  Pelau  von  Frauen  ausgeübt  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  88  u.  89). 

')  So,  um  nur  ein  Beispiel  zu  nennen,  in  der  Ober  die  Bewohner  von  Sonsol  (»Ethnol.  Beitr.c, 
1,  S.  49f.),  wo  «Häuptling«  bald:  »Tormer«,  »Tomuer«  oder  »ToumoU  (von  Vater  =  »Toma«)  ge- 
schrieben wird. 


3o4  ^^'  O.  Finsch.  [542] 

»Der  Titel  ^Häuptling^  ist  hier  im  Ganzen  sehr  häufig,  es  sind  aber  meist  ältere  Leute, 
die  ihn  führen,  die  sowohl  einen  Gemeindevorsteher  und  politischen  Chef,  als  einen 
Commandanten  zur  See  bezeichnen«,  denn  »bei  diesem  der  Schiffahrt  und  dem  Handel 
ganz  zugewendeten  Volke  fehlt  die  feudalistische  Grundherrschaft  der  Oberhäupter  und 
Bauernabhängigkeit  der  Insassen,  die  wir  auf  Ualan  (Kuschai)  bemerkten«.  »Jeder 
Hausvater  besitzt  hier  seine  Fruchtbäume,  doch  scheint  der  eigentliche  Grundbesitz 
immer  der  ganzen  Gemeinde  zu  gehören  und  von  der  Obrigkeit  im  Interesse  derselben 
verwaltet  zu  werden  (Denkwürd.,  II,  S.  82).  Nach  Kubary  geschieht  dies  durch  die 
»Key-Somol«  oder  Oberhäuptlinge,  welche  die  »unumschränkten«  Verwalter  der  Lan- 
dereien (»Key«,  auch  »Pey«  und  »Bey«)  des  Stammes  (»Puipui«)  sind.  Oberhäuptling 
und  zugleich  »das  politische  Haupt  des  Stammes  ist  der  älteste  Mann  aus  der  ältesten 
Familie  des  Stammes«,  der  zugleich  auch  bei  besonderen  Gelegenheiten,  z.  B.  einem 
Kriegsfalle,  zur  Führung  mehrerer  Stämme  erwählt  werden  kann.  »Theoretisch  auf- 
gefasst,  gibt  die  Stamm  Verfassung  dem  Häuptlinge  die  höchste  Stelle  innerhalb  der 
Grenzen  der  Verfassung  (!)  und  unbeschränkte  Macht  über  den  Stamm«,  die  sich  aber 
nicht  auf  Todesurtheile,  sondern  höchstens  auf  körperliche  Züchtigungen  von  Uebel- 
thätern  erstreckt.  Die  Regelung  des  auf  Mortlock  so  ausgebildeten  Tabuwesens 
(»Puau-u«,  a.  O.  »Puanu«:  Kubary)  liegt  ebenfalls  in  der  Machtbefugniss  des  Häupt- 
lings, der  darin  aber  nicht  willkürlich  handeln  darf.  Aeussere  Abzeichen  der  Häupt- 
lingswürde gibt  es  natürlich  nicht,  aber  Häuptlingen  werden  gewisse  Ehren  erwiesen. 
So  ist  es  nicht  schicklich,  dass  niedere  Männer  in  Gegenwart  des  sitzenden  Häuptlings 
stehen,  junge  Leute  haben  sich  schweigsam  zu  verhalten  u.  dgl.  m. 

Für  den  Unterhalt  des  Häuptlings  und  der  Seinigen  sind  die  Dorf-,  resp.  Stararaes- 
genossen  zu  gewissen  Naturallieferungen  verpflichtet,  die  zu  gewissen  Zeiten  entrichtet 
werden,  z.  B.  während  der  Zeit  der  Brot  fruchtreife,  bei  grossen  Fischfängen  u.  dgl. 
Aber  man  leistet  dem  Häuptling  keine  Frohndienste  wie  z.  B.  auf  Kuschai,  und  er  bebaut 
z.  B.  seine  Tarofelder  in  derselben  Weise  als  jeder  Andere. 

Da  die  Mortlocker  die  Geister  ihrer  Vorfahren  verehren  und  die  von  Häuptlingen 
als  die  höchsten  gelten,  so  erlangt  dadurch  zugleich  auch  der  functionirende  Häuptling 
grossen  Einfluss  bei  den  Stammesgenossen  als  Wahrsager,  Geister-  und  Krankheits- 
beschwörer (»Foreyanu«).  Ueber  die  Erbfolge  erwähnt  Kubary  nur,  dass  beim  Tode 
eines  Häuptlings  sein  Bruder  oder  sonstige  nächste  männliche  Verwandte  Nachfolger 
wird.  Dass  es  übrigens  auch  persönliches  Eigenthum  gibt  und  dasselbe  respectirt 
wird,  geht  aus  einer  Notiz  bei  Doane  hervor,  nach  welcher  auf  Satöan  die  verlassenen 
Häuser  von  solchen  Eingeborenen,  welche  von  Werbeschiffen  entführt  waren,  ver- 
schlossen blieben  und  von  Niemand  betreten  werden  durften.  Ueber  die  einschlägigen 
Verhältnisse  auf  Ruk  fehlt  es  an  Nachweis. 

Wie  bereits  erwähnt,  bildet  die  Eintheilung  in  Stämme  in  unserem  Gebiete,  wie 
den  meisten  Carolinen  überhaupt,  einen  hervorragenden  ethnologischen  Zug.  Nach 
Kubary  gab  es  damals  auf  der  Mortlock-Gruppe  sieben  Stämme,  unter  die  sich  alles 
bebaute  Land  vertheilte,  ausserdem  drei  Stämme  ohne  Landbesitz,  die  keine  Bedeutung 
hatten.  Denn  die  Existenz  des  Stammes  ist  so  wandelbar  als  die  der  Familie,  und  Aus- 
sterben kann  für  den  einen,  wie  für  die  andere  eintreten.  Die  Stamraesländereien 
(»Bey«)  bilden  übrigens  nicht  immer  zusammenhängende,  in  sich  abgeschlossene  Com- 
plexe,  sondern  sind  zum  Theil  auf  verschiedene  Inseln  und  Atolle  vertheilt. 

Unter  den  Stammesbräuchen  ist  zunächst  die  enge  Zusammengehörigkeit  seiner 
Mitglieder,  die  sich  als  blutsverwandte  Geschwister  betrachten,  hervorzuheben.  So 
dürfen  Männer  desselben  Stammes  nicht  gegeneinander  kämpfen,  während  andererseits 


rc^,31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  305 

wieder  Brüder  oder  selbst  Vater  und  Sohn  gegeneinander  stehen  müssen,  sofern  sie 
verschiedenen  Stämmen  angehören.  In  sonderbarem  Widerspruch  damit  stehen  die 
eigenthümlichen  Satzungen,  welche  die  Stammesmitglieder  nach  den  Geschlechtern, 
also  Männer  und  Frauen,  Brüder  und  Schwestern  auf  das  Strengste  trennen,  wenn  sie 
nicht  mütterlicherseits  von  verschiedenen  Stämmen  abstammen.  Denn  die  Mutter  ist 
es,  welche  die  Stammeszugehörigkeit  auf  die  Kinder  vererbt,  welche  letztere  im  Ge- 
burtsdorfe  der  ersteren  landespflichtig  werden.  »Für  den  Vater«,  sagt  Kubary,  »sind 
die  Kinder  nicht  zu  seinem  Stamme  gehörende  Fremde«,  aber  auch  und  damit  nicht 
ganz  im  Einklänge:  »so  lange  der  Vater  lebt,  sind  die  Kinder  in  seinem  Stamme  an- 
gesehen, nach  seinem  Tode  sind  sie  sammt  der  Mutter  Fremdlinge«.  Aus  dieser  stren- 
gen Scheidung  der  männlichen  von  den  weiblichen  Gliedern  des  Stammes  resultiren 
eine  Menge  Gebräuche  und  Verbote,  die  mir,  offen  gestanden,  nach  Kubary's  Darstel- 
lung nicht  ganz  klar  geworden  sind.  Dass  Geschwister  nicht  unter  einem  Dach  schlafen, 
Frauen  nicht  das  Männerhaus  (»Fei»)  des  eigenen  Stammes  betreten  dürfen,  was  bei 
Frauen  aus  anderen  Stämmen  nicht  beanstandet  wird,  lässt  sich  begreifen.  Weniger 
verständlich  sind  dagegen  die  Vorschriften  eingeborener  Etiquette,  nach  welchen  die 
Frau  in  Gegenwart  ihres  Mannes  ihren  Bruder  nicht  berühren  darf,  oder  gebückt  an 
ihm  vorbeizugehen  hat,  wie  andererseits  Häuptlinge  wiederum  gebückt  Frauen  gegen- 
übertreten müssen.  Im  Widerspruch  mit  der  strengen  Scheidung  der  Geschwister  nach 
dem  Geschlecht,  erwähnt  Kubary  aber  auch  »Lieblingsbrüder«  von  Schwestern,  auf  die 
wir  unter  »Ehe«  zurückkommen  werden.  Auf  Ruk  herrschen,  soweit  sich  darüber  nach 
den  spärlichen  Nachrichten  Kubary's  urtheilen  lässt,  ganz  gleiche  Verhältnisse.  Nur 
gibt  es  entsprechend  der  zahlreicheren  Bevölkerung  ungleich  mehr  Stämme  (»Eylang«), 
nach  Kubary  nicht  weniger  als  Sg,  welche  wiederum  in  78  (!)  von  einander  unabhän- 
gige »Staaten«  zerfallen  (Kat.  M.  G.,  S.  355).  Unter  letzteren  sind  natürlich  nur  Dorf- 
verbände zu  verstehen.  Drei  Stammesnamen  auf  Ruk  sind  übrigens  mit  solchen  von 
Mortlock  identisch  und  beweisen  die  enge  Zusammengehörigkeit  zwischen  den  Be- 
wohnern beider  Inselgruppen.  Nach  Logan  herrscht  viel  Stammesfeindschaft,  die  zu 
häufigen  Fehden  führt,  und  Kubary  sagt,  dass  die  Insassen  eines  an  die  Ufer  von  nicht 
befreundeten  Stämmen  verschlagenen  Canus  sicheren  Tod  zu  gewärtigen  haben. 

Verbote  (Puanu)  im  Sinne  des  weit  über  Oceanien  und  Melanesien  verbreiteten 
»Tabu«  fehlen  auch  in  den  Central-Carolinen  nicht.  Während  eines  nur  viertägigen 
Aufenthaltes  auf  Lukunor  gewann  Kittlitz  bereits  gewisse  Einblicke  in  diese  Verhält- 
nisse, die  er  aber  zum  Theil  falsch  deutet,  so  z.  B.  die  Absonderung  des  weiblichen  Ge- 
schlechts (vgl.  Denkwürd.,  II,  S.  100 — io3).  Aber  er  erkannte  bereits  »den  vernünftigen 
Zweck,  die  Benutzung  gewisser  Baumarten  (oder  vielmehr  deren  Früchten!)  für  ge- 
wisse Zeiten  streng  zu  untersagen;  sie  dürfen  dann  nur  durch  Gemeindebeschluss  oder 
obrigkeitlichen  Befehl  in  Gebrauch  kommen«.  Wie  bereits  im  Vorhergehenden  er- 
wähnt, haben  darüber  die  Häuptlinge  zu  entscheiden,  wie  dies  allenthalben  der  Fall  ist, 
und  diese  sind  es,  welche  »Puau-u«  (=;=Tabu)  verhängen,  ein  Wort,  das  Kubary  a.  O. 
»Puanu«  schreibt  und  welches  nach  ihm  in  gleichem  Sinne  auch  auf  Ruk  gilt  (auf 
Nukuor  dagegen  »Tapu«).  Die  Aufrechterhaltung  dieser  Verbote  wird  äusserst  streng 
gehandhabt.  So  sind,  gewöhnlich  zur  Zeit  der  Brotfruchternte  (»le  rak«),  während  drei 
bis  vier  Monaten  im  Jahre,  die  Cocosnüsse  »puanu«  und  dürfen  nicht  gepflückt  werden, 
damit  ein  genügender  Vorrath  an  alten  Nüssen  zusammenkommt,  die  der  Häuptling 
verwahrt.  In  dieser  »politisch-ökonomischen  Fürsorge  für  den  Stamm«  kann  der 
Häuptling  auch  über  die  Brotfrucht  »puanu«  verfügen,  ja  zeitweilig  sogar  das  Fischen 
verbieten  oder  doch  nur  gewissen  Personen  gestatten.    Es  geschieht  dies,  um  die  Leute 


3o6  ^^'  O.  Finsch.  [5441 

vom  Betreten  des  Ufers  und  der  benachbarten  Cocoshaine  abzuhalten,  hat  also,  wie 
überall,  eine  praktische  Unterlage,  um  dem  auf  diesen  Inseln  häufig  eintretenden  Mangel 
vorzubeugen.  Darnach  sind  die  Aussagen  Floyd*s  über  ganz  ähnliche  Gebräuche  auf 
Moriljö  (Murilla)  der  Hall-Gruppe  zu  berichtigen,  nach  denen  unter  Anderem  Fisch- 
zUge  nur  in  gewissen  Zeitabständen  erlaubt  sind  (vgl.  Kittlitz^  Denkwürd.,  11,  S.  102). 

In  dem  nachfolgenden  Abschnitt  über  Todtenbestattung  soll  des  bei  gewissen 
Todesfällen  stattfindenden  sehr  strengen  Todten-Puanu  gedacht  werden. 

2.  Stellung  der  Frauen. 

Wie  bereits  im  Vorhergehenden  erörtert  wurde,  spielen  im  Stammesleben  der 
Mortlocker  die  Frauen  eine  hervorragende  Rolle.  »Je  mehr  Frauen  zu  einem  Stamme 
gehören,  desto  mehr  Heiraten  und  Nachkommenschaft,  desto  grösser  demnach  die 
Wahrscheinlichkeit  seines  sicheren  Bestehens.  Hieraus  resultirt  die  bevorzugte  Stel- 
lung der  Frau,  welche  ihren  Ausdruck  darin  findet,  dass  die  älteste  Frau  des  Stam- 
mes als  dessen  sociales  Haupt  angesehen  und  mit  besonderer  Achtung  behandelt  wird. 
So  darf  in  Gegenwart  eines  Stammesverwandten  von  einer  Frau  seines  Stammes  nur 
Gutes  gesprochen  werden,  jede  Anzüglichkeit  wäre  eine  tödtliche  Beleidigung.«  Nach 
den  nicht  immer  ganz  klaren  Darstellungen  Kubary*s  hängt  die  Erhaltung  des  Stammes 
in  der  Tbat  einzig  und  allein  von  der  Frau  und  deren  hervorragenden  Stellung  in  der 
Familie  ab,  soweit  von  letzterer  auf  Mortlock  nach  unseren  Anschauungen  die  Rede 
sein  kann.  Ob  diese  Verhältnisse  auf  Ruk  gleich  sind,  lässt  sich  nicht  sagen,  wohl  aber 
vermuthen. 

Ehen  werden  auf  Mortlock  leicht  geschlossen  und  beruhen  häufig  auf  eigener 
Wahl  der  Betheiligten,  da  höchstens  die  Einwilligung  der  Mutter  und  ihrer  Sippe  er- 
forderlich ist,  der  Vater  dagegen  nichts  dreinzureden  hat.  Er  erhält  jedoch  meist  vom 
Bräutigam  Geschenke,  wie  solche  für  den  Häuptling  des  Stammes  der  Braut  und  ihre 
Brüder  unbedingt  erforderlich  sind.   Besondere  Heiratsceremonien  finden  nicht  statt. 

Wie  schon  erwähnt,  betrachten  sich  die  Glieder  eines  Stammes  als  blutsverwandte 
Geschwister,  und  deshalb  ist  auch  die  Ehe  zwischen  Stammesgenossen  vollkommen  aus- 
geschlossen, ja  selbst  eine  aussereheliche  geschlechtliche  Verbindung  würde  schon  als 
Blutschande  gelten  und  eventuell  mit  dem  Tode  bestraft  werden.  Männer  können 
daher  intimen  Umgang,  resp.  Heiraten  nur  mit  der  Frau  aus  einem  anderen  Stamme 
schliessen,  müssen  gewöhnlich  nach  deren  Wohnsitz  ziehen  und  dort  das  ihr  gehörige 
Land  bearbeiten.  Besitzen  sie  ausserdem  eigenes  Land  in  ihrer  Heimat,  so  haben  sie 
die  Producte  nach  den  Verwandten  ihrer  Frau  zu  bringen.  Unter  diesen  ist  der 
Schwiegervater  nur  Nebenperson,  dagegen  haben  die  Schwäger  und  der  Häuptling  des 
Stammes  und  Dorfes,  zu  welchem  die  Frau  gehört,  die  grösste  Bedeutung.  Die  Ehefrau 
ist  in  der  Familie  ganz  unabhängig  und  hat  höchstens  von  der  Tyrannei  der  Söhne  zu 
leiden,  die  ihr  Uebergewicht  auch  den  unverheirateten  Schwestern  fühlen  lassen.  Uebri- 
gens  leben  Geschwister  nur  als  ganz  kleine  Kinder*)  unter  sich  und  mit  ihren  Eltern 
zusammen.  Schon  im  Alter  von  7 — 8  Jahren  halten  sich  die  Knaben  zusammen  oder 
spielen  nur  mit  nicht  stammverwandten  Mädchen.  Später  folgen  sie  dem  Vater,  schlafen 
mit  diesem  im  Männerhause,  während  die  Schwestern  bei  der  Mutter  in  den  besonderen 


>)  Aehnliche   Verhältnisse  herrschen   nach   Cootc  auf  Fidschi   und   Opa  (Neu-Hebriden).     Hier 
sind  Bruder  und  Schwester  streng  9tabu«  und  dürfen  nicht  einmal  miteinander  sprechen. 


[5451  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  307 

Hütten  der  Frauen  bleiben,  so  dass  die  Familie  nicht  unter  einem  Dache  vereint  ist. 
Wie  bei  den  meisten  Eingeborenen  wachsen  die  Kinder  auf  wie  sie  wollen,  stehen  aber 
mehr  unter  dem  Einfluss  der  Mutter  als  dem  des  Vaters.  Der  letztere  darf  z.  B.  weder 
der  Mutter,  noch  der  Tochter  Vorwürfe  machen,  falls  letztere  auf  unsittlichen  Wegen 
wandeln  sollte.  Bei  Frauen  ist  das  nicht  zu  befürchten,  da  diese  in  der  Ehe  sehr  treu 
sind.  Wie  es  scheim,  herrscht  im  Allgemeinen  Monogamie,  denn  nur  die  kurze  Stelle 
bei  Kubary:  »die  Sitte  gab  dem  Manne  mit  seiner  Frau  auch  alle  ihre  freien  (wohl  un- 
verheirateten) Schwestern,  von  welcher  Freiheit  aber  nur  die  Häuptlinge  Gebrauch 
machen«,  lässt  auf  Polygamie  >)  bei  Häuptlingen  schliessen.  Wie  es  scheint,  werden 
auch  Kinder  verlobt,  wenigstens  darf  man  dies  aus  dem  folgenden  Satze  Kubary's 
schliessen:  »Sehr  oft  verheiraten  die  Häuptlinge  ihre  Kinder  mit  den  Mitgliedern  ihres 
eigenen  bey*s  (Gemeinde),  wodurch  sie  denselben  eine  reiche  Mitgift  und  deren  Nach- 
kommenschaft eine  Zugehörigkeit  zu  demselben  Stamme  sichern.  Die  beiden  zu  einem 
Ehepaare  bestimmten  Kinder  (die  aber  jedenfalls  verschiedenen  Stämmen  angehören 
müssen!)  werden  sich  selbst  überlassen,  und  sobald  sie  Neigung  haben,  sich  zu  ver- 
einigen, erhalten  sie  eine  separate  Hütte  im  Dorfe,  im  entgegengesetzten  Falle  gehen 
sie  auseinander.«  Ob  sonst  Ehescheidungen  vorkommen,  erwähnt  Kubary  nicht.  Der 
Erbschaftsverhältnisse  wird  nur  mit  den  Worten:  »Das  Eigenthum  des  Vaters  (an  be- 
weglichen Gegenständen)  gehört  seiner  Frau  und  deren  Kindern«  gedacht.  »Eine  Art 
Adoption  zwischen  Verwandten  einerlei  Stammes  scheint  vorzukommen.« 

Trotzdem  die  Stammessatzungen  ein  enges  Familienleben  kaum  aufkommen 
lassen,  »ist  das  Gefühl  einer  wirklichen  Anhänglichkeit  und  Liebe  den  so  künstlich  grup- 
pirten  Mitgliedern  nicht  fremd.  Die  Frau  liebt  den  Mann  ihrer  Wahl,  die  Eltern  ihre 
Kinder,  die  Schwester  ihre  Geschwister,  ja  sie  hat  gewöhnlich  einen  älteren  Lieblings- 
bruder und  erfreut  sich,  so  weit  es  die  Stammesverfassung  zulässt,  seines  vertrautesten 
Umganges  und  seiner  Gegenliebe,«  äussert  sich  Kubary,  was  freilich  mit  der  vorher 
erwähnten  strengen  Trennung  zwischen  Brüdern  und  Schwestern  wenig  in  Einklang 
zu  bringen  ist.  Auch  die  Notiz:  »Das  Sopun-Mädchen  ist  tugendhaft,  so  lange  es  mit 
einem  Sopun-Manne  keinen  Umgang  hat,«  klingt  bedenklich  und  lässt  schliessen,  dass 
geschlechtlicher  Umgang  zwischen  Stammesmitgliedern  vorkommt. 

»Die  Frauen  unterliegen  während  der  Menstruation  keinen  Vorschriften,«  sagt 
Kubary  in  seinen  »Bewohnern  der  Mortlock-Inseln«  (S.  262),  beschreibt  aber  von  Ruk 
besondere  Menstruationshäuser  (s.  weiter  zurück  »Frauenhäuser«  im  Abschnitt  »Wohn- 
stätten«), die  auch  auf  Lukunor  nachgewiesen  sind.  Es  lässt  sich  also  annehmen,  dass 
auch  auf  Satöan  gleiche  Verhältnisse  herrschen  werden.  Im  Uebrigen  theilt  Kubary 
über  das  eheliche  Leben  nichts  weiter  mit,  als  »sehr  früh  tritt  im  Falle  von  Schwanger- 
schaft die  Trennung  der  beiden  Ehehälften  ein«,  und  die  Worte:  »Nähere  Umstände 
bei  Geburten  u.  dgl.  konnte  ich  nicht  genau  erfahren«  sind  Alles,  was  er  über  dieses 
Capitel  sagt. 

Ob  die  Mortlocker  von  Ruk,  ihrer  »Urheimat«,  wie  Kubary  annimmt,  vielleicht 
auch  Frauen  holen  oder  holten,  darüber  fehlt  es  an  Nachrichten,  wie  Kubary  bis  jetzt 
diejenigen  über  die  Stellung  der  Frauen,  Ehe  etc.  auf  Ruk  schuldig  geblieben  ist.  Dass 
aber  auch  hier  Heiraten  innerhalb  des  Stammes  streng  verpönt  sind,  erfahren  wir  durch 
Logan. 


»)  Das  umgekehrte  Verhftltniss  scheint  auf  der  westlichsten  Carolinen-Insel  Sonsol  zu  herrschen, 
denn  Kubary  erwähnt:  »Frauen  können  mit  Brüdern  Polyandrie  üben«  (»Ethnol.  Beitr.«,  1,  S.  93), 
wohl  das  einzige  derartige  Vorkommen  in  den  Carolinen  Oberhaupt. 


3o8  Dr.  O.  Finsch.  [546] 

Ein  eigenartiges  Geräth,  das  im  Liebesleben  der  Ruker  eine  merkwürdige  Rolle 
spielt,  erhielt  ich  durch  Kubary,  und  zwar  einen 

Fenai*)  (Taf.V  [22],  Fig.  10),  Erkennungsstab;  ein  1*45  M.  langer,  runder, 
dünner  Stab  aus  sehr  hartem  Holze,  dessen  circa  iio  Mm.  langes  Ende  vierkantig  ge- 
arbeitet und  mit  sanften  Einkerbungen  versehen  ist,  wie  dies  aus  der  beigegebenen  Ab- 
bildung ersichtlich  ist.  • 

Andere  Stücke  im  Museum  Godeffroy  sind  1-62 — 2*20  M.  lang,  9 — 15  Mm.  dick, 
der  geschnitzte  Endtheil  ist  8 — 20  Cm.  lang.  Nach  Kubary  ist  der  Kopf  dieser  Stäbe 
zuweilen  auch  mit  Anhängseln  (aus  aufgereihten  Cocosringen  und  Muschelscheibchen) 
verziert.  Der  Katalog  verzeichnet  diese  »ohne  genauere  Mittheilung  von  Kubary  ein- 
gesandten« Stäbe  in  leicht  verzeihlicher  Weise  als  »Wurfwaffen?<  (S.  371,  Nr.  3451  bis 
3454),  indess  ist  der  Zweck  ein  ganz  anderer  und  in  der  That  kaum  zu  errathen.  Wie 
auf  Mortlock  stehen  nämlich  auch  die  Mädchen  auf  Ruk  in  durchaus  freiem  Verkehr 
mit  Männern,  die  nicht  zu  ihrem  Stamme  gehören,  und  jedes  Mädchen  pflegt  mehrere 
Liebhaber  zu  besitzen,  denen  sie  ihre  Gunst  schenkt.  Bei  diesen  nächtlichen  Besuchen 
bedient  sich  nun  der  Liebhaber  eines  solchen  Fenai,  indem  er  denselben  an  der  Stelle 
durch  die  dünne  Wandung  der  Hütte  steckt,  wo  er  weiss,  dass  seine  Geliebte  ihre 
Schlafmatte  ausgebreitet  hat.  An  der  Zahl  der  Kerbe  und  der  Form  des  Knopfes  er- 
kennt die  letztere  den  Träger  des  Fenai,  da  jeder  seine  persönlichen  Zeichen  besitzt, 
und  folgt,  je  nach  dem  Grade  ihrer  Neigung,  der  zarten  Aufforderung  zu  einem  zärt- 
lichen Stelldichein.  Nach  Kubary,  dem  ich  obige  Mittheilung  mündlich  verdanke,  sind 
die  Fenai  (auch  als  »Fänäy«,  »Fälay«  bezeichnet)  nur  auf  Ruk  in  Gebrauch,  allein  er 
hält  es  nicht  für  unwahrscheinlich,  dass  sie  von  »Emigranten  aus  den  Ladronen«  ein- 
geführt wurden  und  möglicherweise  auf  die  Abzeichen  der  geheimen  Uritao-Gesellschaft 
dieser  Inseln  zurückführen,  eine  Combination,  die  wenig  Ueberzeugendes  hat  (vgl. 
Kubary:  »Die  socialen  Einrichtungen  der  Pelauer«,  Anm.  S.  96,  97).  An  dieser  Stelle 
erklärt  Kubary  auch  den  Zweck  des  Fälay-Stabes  sehr  bestimmt:  »er  dient  den  Männern 
bei  ihren  Liebschaften  mit  den  auswärts  wohnenden  Frauen  als  Erkennungszeichen», 
»der  Fälay-Stab  wird  von  den  jungen  Leuten  bei  deren  Ausflügen  in  die  Nachbarschaft 
benutzt  mit  einer  klaren  Bestimmung  als  Erkennungszeichen  zwischen  den  beiden  Ge- 
schlechtern«, wogegen  er  sich  befremdenderweise  später  wieder  zweifelnd  und  unsicher 
in  den  Worten  ausspricht:  Diese  Stöcke  sollen  bei  dem  nächtlichen  Verkehr  der  jungen 
Männer  mit  den  auswärts  wohnhaften  Frauen  als  ein  Erkennungszeichen  dienen« 
(»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  59).  Wie  erwähnt,  hat  nur  Ruk  diese  eigenthümliche  Sitte  auf- 
zuweisen, die  dem  Liebesleben  eine  gewisse  Romantik  verleiht,  welche  sonst  bei  Kanaken 
zu  den  grössten  Ausnahmen  gehört.  Logan  erzählt  einige  Beispiele,  w'elche  beweisen^ 
dass  Liebe  auf  Ruk  ebensogut  zu  allerlei  Thorheiten,  ja  zum  Tode  führen  kann  wie 
bei  uns.  Trotz  aller  Gegenvorstellungen  heiratete  Pineas,  ein  eingeborner  Lehrer,  ein 
Heidenmädchen,  kaum  älter  als  ein  Kind,  während  umgekehrt  die  Vorsteherin  der 
Mädchenschule,  eine  nicht  mehr  ganz  junge  Ponapesin,  mitSami,  dem  hoffnungsvollsten 
Schulknaben  im  Alter  von  circa  17  Jahren,  durchbrannte.  Ein  alter  Häuptling  von 
Kuku  auf  Fefan  verliebte  sich  in  ein  kaum  mehr  als  10 — 12  Jahre  altes  Mädchen  der 
Mission  und  offerirte  Dem,  der  ihm  das  Mädchen  verschaffen  würde,  eine  Flinte.  Da 
das  Mädchen  bereits  mit  einem  Missionsknaben  verlobt  war,  so  hielt  man  sie  in  der 
Mission  versteckt,  aber  die  Liebe  des  Alten  wusste  alle  Hindernisse  zu  überwinden. 


>)  Die  zuerst  angeführten  eingebornen   Namen    sind  so  niedergeschrieben,    wie    sie    mir   von 
Kubary  vorgesagt  wurden. 


Tcj^yl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3og 

Und  als  er  die  Geliebte  endlich  die  Seine  nannte  und  sie  ihm  nach  kurzer  Zeit  durch 
Jen  Tod  entrissen  wurde,  da  vermochte  er  den  Schmerz  nicht  zu  ertragen  und  gab  sich 
aus  Liebe  freiwillig  den  Tod,  einen  Stoff,  den  ich  Romanschreibern  empfohlen  halten 
möchte. 

3.  Vergnügungen. 

Tanz  und  Gesang  bilden  auch  in  den  Central-Carolinen  wesentliche  Nummern 
im  Programme  von  Festlichkeiten.  »Die  alten  heidnischen  Tänze  sind  sehr  beliebt  beim 
Volke  und  werden  leider  ohne  und  mit  Erlaubniss  der  teachers  (farbigen  Missionslehrer) 
noch  ausgeführt,«  klagt  Logan  (1886)  über  Ruk,  indem  er  hinzufügt:  »Gymnastische 
Uebungen,  die  zu  drei  Viertel  nichts  Anderes  als  heidnische  Tänze  sind,  nehmen  be- 
dauerlicherweise in  den  Missionsschulen  mehr  Zeit  weg  und  beschäftigen  die  Gedanken 
der  Schüler  viel  lebhafter  als  wirkliches  Studiren.«  lieber  diese  so  verabscheuten  heid- 
nischen Tänze,  deren  völlige  Ausrottung  fast  noch  mehr  Schwierigkeiten  bereitet  als 
die  der  verhassten  gelben  Farbe  und  langer  Haare,  geben,  wie  zu  erwarten,  die  Mis- 
sionsberichte  keine  näheren  Mittheilungen.  Aber  durch  Kubary  erfahren  wir  wenigstens 
Einiges  (Kat.  M.  G.,  S.  369).  Darnach  finden  auf  Ruk  allgemeine  Festlichkeiten  — 
»Parik«  —  zur  Zeit  der  Brotfruchtreife  statt,  an  denen  oft  der  ganze  Stamm  theilnimmt, 
und  werden  (wie  Kubary  diesmal  nur  annimmt)  von  den  Häuptlingen  »auf  Geheiss  der 
Geister  (,Anu*)«  angeordnet.  Die  männliche  Bevölkerung  eines  Dorfes  pflegt  in  dieser 
Festeszeit  unter  Führung  des  Häuptlings  den  Nachbardörfern  Besuche  abzustatten,  um 
hier  zu  Ehren  des  Geistes  des  betreffenden  Dorfes  Tänze  und  Gesänge  aufzuführen, 
weshalb  Kubary  a.  O.  (»Die  socialen  Einrichtungen  der  Pelauer«,  S.  96,  Anm.)  den 
früher  »Parik«  genannten  »Auanu«- Festlichkeiten  eine  »gesellschaftliche,  politische  und 
religiöse  Bedeutung«  unterlegt.  Der  »Auanu«-Tanz,  an  welchem  auch  Frauen  theil- 
nehmen  und  »der  eben  nur  eine  Versinnlichung  des  geschlechtlichen  Verkehrs  genannt 
werden  muss,  die  sich  in  Bewegungen  der  Hüften  und  der  Beine  kundgibt«,  scheint  aller- 
dings nicht  sehr  anständig  zu  sein  und  dürfte  also  mit  Recht  Anstoss  erregen,  obwohl  nach 
Kubary  »bei  dieser  Gelegenheit  keine  unsittlichen  Ausschweifungen  dabei  stattfinden«. 

Ein  anderer  Tanz  der  Männer  heisst  »Epegek«  und  besteht  nur  in  Bewegungen 
der  Arme  und  Beine,  während  beim  »Gurgur« -Tanze  die  Männer  »unter  fortwährender 
Veränderung  der  Körperstel- 
lung mit   besonderen  Tanz-  *^*  ^  ' 
Stöcken  aus  Orangeholz  an- 

einanderschlagen«.     Ich    be-      1  « 

schreibe  hier  einen  solchen 


»Gurgur«,  Tanzstock 
(Fig.  53)  von  Ruk;  aus  dem  v,  „atün.  Grösse, 

harten    gelblichen    Holz   des  Tanzstock  (Ende). 

Orangebaumes   (»Gurgur«,') 

a.  O.  auch  »Gorgur«)  sehr  sauber  gearbeitet,  rund,  an  beiden  Enden  sanft  ausgekehlt, 
das  Ende  selbst  kolbig  verdickt  (vgl.  Fig.  53);  Länge  175  M.,  Dicke  45  Mm.  Ein 
anderes  Exemplar  war  etwas  kürzer,  1-55  M. 

Nach  mündlichen  Mittheilungen   Kubary's  werden  die  feinen  Tanzstöcke   aus 
Orangeholz,  wie  der  oben  beschriebene,  nur  von  Häuptlingen  gebraucht  und  gelten  als 


«)  An  a.  O.  bezeichnet  Kubary  den  »Gurgurc    als  eine  *  Citrus- Art*,  die  von   Ruk  importirt 
wurde  und  unter  demselben  Namen  auch  auf  Pelau  vorkommt. 


3lo  Dr.  O.  Finsch.  [548] 

äusserst  werthvoll.  Geringere  Leute  bedienen  sich  gewöhnlicher  Stöcke  als  Taktschlagel, 
wie  dies  in  ähnlicher  Weise  auf  den  Marshall-Inseln  (s.  vorne  S.  [Sgo])  und  anderwärts 
geschieht.  Auch  diese  sogenannten  Tänze  auf  Ruk  haben  mit  denen  der  Marshall-Inseln 
viel  Aehnlichkeit.  Wie  mir  Kubary  mündlich  mittheilte,  stehen  sich  die  Tänzer  in  zwei 
Reihen  gegenüber.  Jeder  hält  einen  solchen  Tanzstock,  und  zwar  mit  beiden  Händen 
in  der  Mitte  fest,  um  bald  mit  dem  einen,  bald  mit  dem  anderen  Ende  desselben  an  den 
Tanzstock  seines  Partners  zu  schlagen,  wodurch  rhythmische  Klangbilder  und  durch 
Drehen  und  Bewegen  des  Stockes  wie  Körpers  abwechselnde  Figuren  gebildet  werden. 
In  der  Gleich mässigkeit  der  Bewegungen  besteht  die  Kunst  dieses  Tanzes,  der  mit  so- 
genanntem Singen  begleitet  wird,  wie  dies  allenthalben  geschieht.  Ueber  die  auf  Mort- 
lock  herrschenden  Festlichkeiten  gibt  Kubary  nur  einige  kurze  Notizen.  »An  schönen 
Mondscheinabenden  findet  gewöhnlich  ,Urur'  statt,  d.  h.  eine  gesellschaftliche  Versamm- 
lung am  Strande,  an  der  sich  die  Jugend  beiderlei  Geschlechts  unter  Gesang  (,Nor')  und 
Tanz  (,Parik')  oft  ganze  Nächte  hindurch  ergötzt;  ein  unschuldiges  Vergnügen,  das  aber 
trotzdem  von  der  Mission  verboten  wurde.«  Geisterverehrung  scheint  dabei  keine  Rolle 
zu  spielen,  sonst  würde  Kubary  dies  gewiss  nicht  unerwähnt  lassen.  Auffallenderweise 
gedenkt  Kubary  aber  der  vorher  beschriebenen  Taktschlägel  mit  keiner  Silbe  und  be- 
zeichnet die  »Gurgur«  vielmehr  als  »Nationalwaffe  der  Mortlocker«  (1.  c,  S.  272),  zu- 
gleich aber  auch  als  »einen  Stab,  der  oft  als  unschuldige  Stütze  von  alten  Leuten  ge- 
tragen wirdc.  Es  lässt  sich  daraus  schliessen,  dass  die  Gurgur  doppelte  Zwecke  erfüllen 
und  ausser  zum  Tanz  auch  als  Waffe  dienen,  wie  dies  Kubary  für  Ruk  nur  andeutet 
(»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  58,  Taf.  X,  Fig.  g).  Ohne  Zweifel  werden  auf  Satoan  die  »Gur- 
gur« (Kampfstöcke)  auch  als  Taktschlägel  benutzt,  denn  schon  Kittlitz  erwähnt  (II, 
S.  98)  von  Lukunor  »zierlich  geglättete  Stäbe,  deren  man  sich  bei  Tanzfesten  bedient«, 
und  auf  den  Hall-Inseln  werden  ebenfalls  solche  »Gurgur-Tanzstöcke«  gebraucht. 

Bei  den  »Urur«-Festlichkeiten  der  Mortlocker  scheinen  übrigens  auch  nach  den 
kurzen  Andeutungen  Kubary*s  Spiele  vorzukommen,  von  denen  er  das  eine  mit  dem 
»Klayluul-Spiel«  der  Pelauer  vergleicht.  Das  bereits  erwähnte  Ballspiel  der  Ponapesen 
(S.  245  [501])  ist  auch  auf  Ruk  beliebt  und  heisst  hier  »Po«,  während  das  »Tschereka«- 
Spiel,  wobei  die  Theilnehmer  an  einem  langen  Stocke  ziehend  ihre  Kräfte  messen,  mit 
dem  ponapesischen  »Alajap«  übereinstimmt  (vgl.  Opus  Nr.  7,  S.  10 1  und  102,  Anm., 
vorne  S.  [449]).  Das  bereits  bei  den  Gilbert-Inseln  (s.  vorne  S.  [3o2])  beschriebene 
Spiel,  Miniaturcanus  auf  der  Lagune  segeln  zu  lassen,  ist  auch  bei  Knaben  und  jungen 
Leuten  auf  Ruk  sehr  im  Schwange  und  heisst  hier  »Nunu«  (Kat.  M.  G.,  S.  374). 

Eine  sehr  merkwürdige  Notiz  Kubary's  über  Mortlock,  die  in  das  Gebiet  des 
Sportes  und  der  Belustigungen  gehört,  will  ich  hier  nicht  unerwähnt  lassen:  »Der 
Hahnenkampf  ist  auch  hier  leider  nicht  unbekannt,  und  Knaben  belustigen  sich  mit 
diesem  Schauspiel.  Der  Hahn  gilt  hier  wie  überall  als  Symbol  des  übermüthigen  und 
erbitterten  Muthes,  und  die  sich  gegenseitig  trotzenden  und  aufreizenden  Kämpfer  ahmen 
den  Schrei  und  den  Flügelschlag  des  Hahnes  nach«  (Kat.  M.  G.,  S.  298).  An  und  für 
sich  wenig  klar,  klingt  diese  Notiz  umsomehr  befremdend,  als  Kubary  in  seiner  Mono- 
graphie der  Mortlocks  weder  das  Halten  von  Hühnern,  noch  Hahnenkämpfe  nur  mit 
einer  Silbe  erwähnt  und  letztere  nicht  einmal  in  der  ausführlichen  Darstellung  der  Be- 
lustigungen und  Spiele')  der  Pelauer  anführt.    Es  dürfte  sich  also  empfehlen,  über  den 


I)  Nicht  hier,  aber  in  einer  Anmerkung  (S.  122)  erwähnt  Kubary  des  Drachensteigens  als  eines 
religiösen  (!)  Gebrauches.  »Ganz  vereinzelt  steht  das  in  Radschman  übliche  feierliche  Drachenspiel, 
welches  zu  Ehren  der  Gottheit  mit  grossen  Festlichkeiten  verbunden,  in  unregelmässigen  Zeitabständen 


I^aq]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3ll 

Brauch  der  Hahnenkämpfe  weitere  bestätigende  Nachrichten  abzuwarten^  umsomehr, 
da  bis  jetzt  von  keiner  Carolineninsel  dieses  Sports  gedacht  wird. 

Masken,  nicht  auf  Mortlock  beschränkt,  wie  vorne  S.  [227]  und  [446]  bemerkt 
wurde,  sondern  ganz  gleich  auch  von  Ruk  bekannt,  würden  nach  Kubary  nicht  Aus- 
putz bei  Festlichkeiten  sein  und  sind  deshalb  einstweilen  bei  Ahnenfiguren  (s.  weiter 
hinten)  eingereiht  worden.  Ich  halte  aber  bezüglich  der  Verwendung  dieser  Masken 
trotzdem  noch  an  der  Ansicht  fest,  dass  sie  in  ähnlicher  Weise  wie  überall  benuzt  wer- 
den, da  über  Mortlock  noch  mancherlei  wichtige  Aufschlüsse  ausstehen. 

Musikinstrumente  übergeht  Kubary  von  Mortlock  ganz  mit  Stillschweigen,  erwähnt 
dagegen  aber  von  Ruk  der  Nasen  flöte  (»Anin«)  als  des  einzigen  musikalischen  Instru- 
mentes (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  61),  ohne  Weiteres  über  dieselbe  mitzutheilen,  als  dass 
sie,  da  dünnes  Bambu  selten  ist,  meist  aus  den  Luftwurzeln  von  Mangrove  verfertigt 
wird.  Aus  diesem  Materiale  bestehen  die  beiden  Exemplare,  welche  ich  von  ihm 
erstand.  Es  sind  dünne  glatte  Holzröhren,  ähnlich  markleerem  Hollunder,  33 — 84  Cm. 
lang  und  20—25  Mm.  im  Durchmesser.  Die  eine  Flöte  hat  keine  Schalllöcher,  die 
andere  drei  solche.  Ein  Exemplar  von  Ruk  im  Kat.  M.  G.  (S.  374),  als  »Stossflötec 
beschrieben,  hat  »in  der  Oeffnung  des  einen  Endes  eine  runde  Holzplatte  befestigt,  in 
deren  Mitte  ein  kleines  Loch  gebohrt  ist«,  wie  dies  auch  Kubary  beschreibt.  Wie  (vorne 
S.  243  [499])  erwähnt,  kommt  die  Nasenflöte  *)  auch  auf  Ponap6  (nach  Kubary  auch 
auf  Yap  und  Pelau)  vor  und  ist  das  einzige  Musikinstrument  der  Central-Carolinen.  Wie 
überall  wird  hier  aber  auch  die  Muscheltrompete  (aus  Tritonium  tritonis)  (Atlas: 
»Senjavin-Reise«,  PI.  3o,  Fig.  i3)  gebraucht,  die  schon  Kittlitz  von  Lukunor  mit  der 
richtigen  Bemerkung  notirt,  dass  alle  diese  Insulaner  auf  ihren  Seereisen  dieses  Instru- 
ment mit  sich  zu  führen  pflegen.  Aber  die  Bemerkungen  Floyd's:  »unter  jeder  das  Meer 
beschifienden  Gesellschaft  befindet  sich  ein  bestimmter  Trompeter,  dem  es  obliegt,  mit- 
telst dieses  Instrumentes  den  Regen  zu  beschwichtigen«  (Kittlitz,  II,  S.  110),  sind  jeden- 
falls missverstanden,  denn  den  praktischen  Nutzen  der  Muscheltrompete  zum  Blasen 
von  Signalen  haben  wir  schon  bei  den  Marshall-Inseln  (vorne  S.  [389])  kennen  gelernt. 

4.  Kriegsführung  und  Waffen, 
a)  Fehden. 

Kriege  kamen  auf  Mortlock  zu  Kubary's  Zeiten  nicht  vor,  sollen  aber  früher  nichts 
Ungewöhnliches  gewesen  sein,  wofür  schon  die  eingeborenen  Waffen  sprechen.  >Der 
unfreiwillige  Tod  eines  Stammesgenossen  muss  früher  oder  später  gerächt  werden  und 
hatte  vielfach  Stammesfehden  und  Kriege  zur  Folge.«  »Im  Falle  eines  Krieges  zwischen 
zwei  Stämmen  stehen  sich  Vater  und  Sohn  feindlich  gegenüber.«  »Wenn  z.  B.  zwei 
Staaten  im  Streite  sind,  welcher  blos  durch  einen  Krieg  ausgeglichen  werden  kann,  so 
finden  sich  die  Krieger  beider  Parteien  auf  dem  Kampfplatze  ein,  und  die  Schlacht  be- 
ginnt. Curioserweise  besteht  diese  aber  nicht  in  einem  blinden  Drauflosschlagen,  son- 
dern man  sucht  sich  seine  Gegner  aus,  die  nicht  stammverwandt  sein  dürfen.«  »Staaten 
bekämpfen  sich  demnach  nur  innerhalb  ihrer  sich  gegenseitig  fremden  Stämme.  Wenn 
eine  Insel  die  Stämme  a  und  b  hat,  eine  andere  aber  auch  von  denselben  bevölkert  ist. 


stattfindet.  Die  Bevölkerung  begibt  sich  auf  die  ausserhalb  der  Stadt  (!)  befindlichen  baumfreien  Höhen 
und  lässt  hier  an  einer  langen  Leine  einen  grossen  Drachen  in  die  Lüfte  steigen,  was  im  Zusammen- 
hange mit  den  Dysporus-Culte  steht,  denn  der  Drache  heisst  auch  Kadam«  (»Die  Religion  der  Pelauerc 
in  Bastian:  »Allerlei  aus  Volks-  und  Menschenkunde«,  S.  39). 

I)  Auch  in  Melanesien  (•:  S.  [122]  und  Polynesien,  wo  Lord  Pembroke  noch  1870  auf  Raietea 
dieses  Instrument  in 'Gebrauch  fand  (»South  Sea  Bubbles«,  S.  iii). 

Aonalen  des  k.  k.  natarhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  22 


3 12  Dr.  O.  Finsch.  [550] 

dann  wird  a  der  einen  Insel  mit  h  der  anderen,  b  der  ersteren  mit  a  der  letzteren  kämpfen 
müssen.«  Das  ist  ungefähr  Alles,  was  Kubary  über  die  Kriegsführung  der  Mortlocker 
mittheilt.  Dieselbe  war  jedenfalls  im  Ganzen  recht  unblutige  wenn  auch  Kubary  in  seiner 
überschwenglichen  Weise  meint,  »dass  die  Mortlocker  in  ihren  einstigen  Kriegen  nicht 
hinter  den  tapfersten  Bewohnern  der  Südsee  zurückstanden«.  Krieg  heisst  auf  Mortlock 
»Tou«  (d.  h.  »kämpfen  in  der  Nähe«)  und  »Maun«  (d.  h.  »kämpfen  in  der  Entfernung«: 
Kubary).  Erheblich  verschieden  ist  nach  den  ausführlichen  Schilderungen  Kubary's  die 
Kriegsführung  auf  Ruk.  Gelb,  die  Freudenfarbe,  schmückt  auch  den  Krieger,  der  in 
vollem  Feststaate,  mit  Gürtel,  Federkamm  u.  s.  w.,  erscheint,  vorsorglich  aber  seine 
Lendenbinde  und  Mantel  um  den  Leib  gürtet,  die  für  Speere  eine  fast  undurchdringliche 
Wulst  bilden.  Schleudersteine  eröffnen  den  Kampf  schon  aus  weiter  Ferne,  während 
lautes  Geschrei  die  Krieger  anfeuert,  Schmähreden  die  Gegner  herausfordern,  wobei  die 
Weiber  ihrer  Verachtung  durch  unanständige  Geberden,  Entblössen  der  Scham  u.  s.  w. 
besonderen  Ausdruck  zu  geben  suchen.  Sind  beide  Parteien  näher  aneinander  gerückt, 
so  werden  die  Wurfspeere  (Dscheretj)  gebraucht,  welche  meist  rasch  zur  Entscheidung 
führen,  denn  der  Fall  einiger  Leute  genügt,  um  den  Kampf  zu  beenden  und  die  eine 
oder  andere  Partei  in  dje  Flucht  zu  schlagen,  die  sich  entweder  in  Canus  oder  auf  die 
Berge  in  Sicherheit  zu  bringen  sucht.  Gewöhnlich  erscheint  der  Feind  in  Canus,  zu- 
weilen mit  einer  ganzen  Flotille,  deren  Landung  aber  so  viel  als  möglich  abgewehrt 
wird.  Gelingt  dies  nicht,  so  entspinnt  sich  gewöhnlich  der  Kampf  auf  dem  Riff.  Zu- 
weilen errichtet  man  aber  auch  auf  einem  steil  abfallenden  Hügel  eine  Art  Befestigung 
aus  mannshohen  Stein  wällen  (»Onor«)  und  erwartet  in  dieser  den  Feind,  welcher  meist 
vergeblich  die  Erstürmung  versucht.  Im  Siegesfalle  haben  die  Besiegten  übrigens  auf 
keinerlei  Schonung  und  Milde  zu  rechnen.  Voll  Hass  und  »angeborener  Bosheit«  wer- 
den etwaige  Gefangene  erschlagen,  Häuser  niedergebrannt,  Tarofelder  und  Fruchtbäume 
zerstört.')  »Die  Folgen  eines  solchen  Kriegsführens  sind  leider  nur  zu  oft  auf  den  Ruk- 
Inseln  zu  finden,  und  der  Mangel  der  Cocospalmen,  wie  überhaupt  der  beschränkte 
Landbau  wird  dadurch  erklärlich«  (Kat.  M.  G.,  S.  372).  Nach  einer  hier  (S.  355)  gege- 
benen Notiz  stellen  die  Ruk-Inseln  »6000  Krieger«,  was  die  Hälfte  der  ganzen  Bevölke- 
rung ausmachen  würde,  aber  die  genaue  Aufzählung  der  Bewohner  der  einzelnen  Inseln 
und  ihrer  Krieger  (in  »Beitrag  zur  Kenntniss  der  Ruk-Inseln«)  ergibt  kaum  4000,  und 
das  ist  schon  reichlich  gerechnet.  Dabei  ist  zu  beachten,  dass  auch  auf  Ruk  Weiber  und 
kaum  erwachsene  Burschen  mit  in  den  Kampf  ziehen.  In  einem  anderen  Falle,  den  Ku- 
bary hier  mittheilt,  wagten  sich  die  Eingeborenen  nur  unter  dem  Schutze  eines  mit  einem 
Feuergewehre  bewaffneten  Weissen  zum  Angriff,  wurden  aber,  da  das  Gewehr  nicht  los- 
ging, geschlagen.  An  a.  O.  bemerkt /ierselbe  Beobachter,  dass  sich  die  einzelnen  Stämme 
auf  Ruk  »im  Principe  als  einander  fremd,  also  feindlich  betrachten;  sie  leben  stets  in 
gegenseitigem  Neid  entweder  in  offenem  Kriege  oder  in  einem  niemals  sicheren  Frieden«. 
Feuerwaffen,  sowie  namentlich  auch  grosse  Messer  spielen  übrigens  in  den  Fehden 
schon  lange  eine  hervorragende  Rolle,  worüber  Logan's  Tagebuch  sowohl  von  Mort- 
lock, als  namentlich  von  Ruk  zahlreiche  Beispiele  aus  seiner  eigenen  Erfahrung  mit- 
theilt, Fehden,  die  nicht  immer  unblutig  verliefen.  Darnach  bewegt  sich  die  Kriegs- 
führung selbst  in  der  üblichen  gemeinen  Taktik,  welche  bei  allen  Kanaken  so  ziemlich 
als  Regel  gelten  kann.    Auch  hier  wird  der  offene  Kampf  möglichst  vermieden,  und 


«)  Ganz  ähnliche  Zeichen  von  verwüstender  Kriegsfohrung  fand  Lord  Pembroke  noch  1870 
auf  Samoa  in  »verlassenen  Tarofeldern,  abgebrannten  Hütten  und  verkohlten  Stumpfen  von  Cocos- 
palmen« (»South  Sea  Bubbles«,  S.  220). 


r^^l]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3l3 

_  _  m      M  M  I  "  - 

maQ  bemüht  sich,  die  unvorbereiteten  Gegner  zu  überfallen  und  ohne  Rücksicht  auf 
Geschlecht  und  Alter  zu  morden.  So  wurden  auf  F6fan  vier  dort  zum  Besuche  weilende 
Rua-Männer  (Hall-Inseln)  erschlagen  als  Sühne  für  den  Mord  eines  F^fan-Mannes  auf 
Rua,  obwohl  dieselben  an  diesem  Morde  ganz  unbetheiligt  waren  und  nichts  davon 
wussten.  Und  die  F6fan-Mörder  waren  noch  dazu  »Mitglieder  der  Kirche«.  In  einem 
Kriege  zwischen  Sopore  und  Kuku  auf  Fdfan  fiel  ein  Knabe  den  Sopore-Männern  in 
die  Hände  und  wurde  ohne  Gnade  mit  Messern  niedergemetzelt. 

Die  Ursachen  zu  blutigem  Streite  sind  oft  sehr  geringfügig.  So  erzählt  Logan 
einen  Fall,  wo  man  wegen  eines  Hundes  zu  den  Waffen  griff,  ein  anderer  Kampf  ent- 
spann sich  zwischen  Fischerparteien  benachbarter  Dörfer.  Die  Einführung  der  Mission 
führte  ebenfalls  zu  Reibereien  und  Kriegen  mit  blutigem  Ausgange.  So  kämpften  1887 
auf  Satöan  (Mortlock)  die  Männer  von  Kitu  und  Tä  gegeneinander,  und  die  Taloas- 
Leute  auf  Ruk  hatten  geschworen,  alle  »Lamalam's«  (Christen)  umzubringen,  wobei 
sie  in  einer  Stärke  von  100  Kriegern  ins  Feld  zogen.  Drei  Gefangene  wurden  mitge- 
nommen, um  sie  zu  martern.  »Denn  es  scheint,  obgleich  die  Marter  nicht  häufig  an 
Gefangenen  angewendet  wird,  dieselbe  doch  zuweilen  stattzufinden,«  lauten  Logan*sWorte 
über  einen  abscheulichen,  bisher  nicht  beobachteten  Gebrauch,  der  jedenfalls  noch  der 
näheren  Bestätigung  bedürftig  ist.  Zum  Schlüsse  mag  noch  bemerkt  sein,  dass  die  Dar- 
stellung der  Kriegsführung  auf  den  Carolinen,  wie  sie  Bastian  (Kubary,  Opus  Nr.  7, 
S.  8,  s.  S.  [449])  nach  Dumont  d'Urville  (vermuthlich  von  Ruk)  beschreibt,  längst  der 
Vergangenheit  angehört.  Ob  die  »fest  vorgeschriebenen  Förmlichkeiten«  überhaupt 
jemals  so  streng  beobachtet  wurden,  ist  für  den,  der  das  Wesen  Eingeborener  kennt, 
mindestens  zweifelhaft. 

b)  Waffen. 

Wie  aus  dem  Vorhergehenden  erhellt,  sind  eingeborene  Waffen,  verdrängt  durch 
Eisen,  nahezu  oder  zum  Theile  ganz  abgekommen,  und  es  gelang  Kubary  1879  nur 
noch  mit  Mühe,  alle  hieher  gehörigen  Gegenstände  zusammenzubekommen,  deren 
genaue  Darstellung  ich  somit  hier  geben  kann.  Diese  Waffen  bestehen  in  Speeren, 
Keulen  (die  am  meisten  manchen  melanesischen  ähneln)  und  gewissen  Handwaffen, 
unter  denen  die  »Suk«  genannte  (Taf.  19,  Fig.  10)  eigenthümlich  ist.  Wie  es  scheint, 
besassen  die  Central-Carolinen  aber  auch  einen  Wurf  stock,  den  Kubary  bedauerlicher- 
weise ganz  unbeschrieben  lässt  und  dessen  einstmalige  Existenz  nur  aus  einigen  bei- 
läufigen Notizen  dieses  Reisenden  zu  errathen  ist,  die  ich  deshalb  wörtlich  wiedergebe. 
Derselbe  bemerkt  zu  dem  auf  Ruk  »Mezau«  genannten  Wurfspeere:  »Der  Speer  wird 
mit  der  Hand  geworfen,  indem  das  untere  Ende  auf  der  Spitze  des  Zeigefingers  ruht 
und  mit  den  übrigen  Fingern,  etwas  höher,  gestützt  wird«  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  58). 
Dagegen  heisst  es  in  einer  Fussnote:  »Diese  Speere,  die  im  Ganzen  genommen  durch 
Fremde  leicht  mit  Pfeilen  wegen  der  Kürze  und  der  bedeutenden  Wurfweite  verwech- 
selt werden  können,  entsprechen  dem  pelauischen  ,Uloyok*-Speere *)  und  werden  nur 


I)  Eben  so  verworren  ist  die  Darstellung  dieser  Waffe:  »Zu  Zeiten,  wo  Feuergewehre  noch 
unbekannt,  diente  an  deren  Statt  der  ,AnIoyk'-Speer,  der  mit  dem  ,Katkonl',  einen  Wurfstock,  dem 
angreifenden  Feinde  sehr  weit  entgegengeworfen  wurde«  (»Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  156).  In  demselben 
Hefte  führt  aber  Kubary  ganz  widersprechend  den  pelauischen  Wurfstock  unter  dem  Namen  »Ahloyk« 
auf,  »mit  dem  die  ,KoIogodok^  genannten  Speere  geworfen  werden«  (ib.  S.  119).  In  der  speciellen 
Aufführung  der  Speere  Pelaus  fehlt  der  letztere  aber  ganz  und  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem 
»Holhodok«,  auch  als  »Holohodok«  notirten  Speere,  der  ausserdem  noch  als  »Holohetek«  unter  Fisch- 
speeren (ib.  S.  123)  figurirt,  eine  Verwirrniss  eingeborener  Namen,  die  selbst  Schmeltz  ausser  Stande 
ist  aufzuklären  (Note  2  auf  S.  119). 


22* 


3 14  Dr.  O.  Finsch.  [552] 

im  Nothfalle  mit  der  Hand,  regelrecht  aber  mittelst  des  ,Katkonol' -Wurf- 
stockes geworfen.« 

Diese  »Mezau« -Speere  von  Ruk  (ib.  S.  58)  werden  in  der  Monographie  über 
Mortiock  (S.  273)  als  »Zoburiy«  beschrieben.  »Sie  dienen  zum  Werfen  (,Zuburiy*)  in 
die  Ferne,  gehen  immer  verloren  und  werden  deshalb  aus  werthlosem  Material  ge- 
macht; ihr  Schaft  ist  leichtes  Hibiscus-Holzy  das  der  Werfer  vor  dem  Wurf  zu  der  ihm 
genehmen  Länge  abbricht  (?) ;  der  Kopf  aus  hartem  Cocosholz,  mit  etlichen  stumpfen 
Widerhaken  versehen,  wird  mit  einem  Bindfaden  an  den  Schaft  angebunden.«  Eine 
genauere  und  bessere  Darstellung  gibt  der  Kat.  M.  G.,  der  (S.  3ig  und  320,  Nr.  378  bis 
3oi3)  2g  solche  Wurfspeere  von  Mortiock  verzeichnet  und  deren  erhebliche  Verschie- 
denheiten in  Anordnung  und  Form  der  Widerhaken  beschreibt.  Die  Länge  variirt  von 
i-go — 2-25  M.,  die  des  Spitzentheiles  von  37 — 46  Cm.,  die  Zahl  der  Widerhaken  von 
2 — 12  Gruppen.  Bemerkenswerth  ist,  dass  diese  Wurfspeere  nicht  aus  einem  Stück 
bestehen,  sondern  aus  zwei  Theilen,  dem  eigentlichen  Schaft  und  dem  Spitzentheil,  ein 
Typus,  der  in  Melanesien  häufig  vorkommt,  in  Mikronesien  sonst  aber  nur  auf  Pelau ') 
vertreten  zu  sein  scheint.  Den  »Wurfstock«  übergeht  Kubary  auch  bei  Mortiock  mit 
Stillschweigen,  und  fast  scheint  es,  als  hätte  er  dieses  interessante,  auch  in  Melanesien 
(s.  Taf.  7,  Fig.  5)  sporadisch  vertretene  Kriegsgeräth  überhaupt  nicht  zu  Gesicht  be- 
kommen. Die  leichten  Speere  (Ȋhnlich  denen,  wie  sie  auf  Kuschai  zum  Harpuniren 
grösserer  Fische  benutzt  werden«),  die  einzigen,  welche  Lütke  und  Kittlitz  auf  Lukunor 
beobachteten,  gehören  ebenfalls  in  diese  Kategorie. 

Von  dieser  Art  leichter  Wurfspeere  erhielt  ich  keine  Exemplare  von  Kubary,  da- 
gegen folgende: 

aa)  Speere  und  Lanzen. 

»Dscheretj«  (»Cirej«:  Kubary),  die  gewöhnlichste  Sorte  Wurfspeere  von  Ruk, 
sind  lange,  dünne,  glatte,  an  beiden  Enden  gleichmässig  zugespitzte  Stecken  (2*60 — 3  M. 
lang)  aus  Cocospalmholz,  die  also  ganz  mit  den  »Mari«  von  den  Marshall-Inseln  (vorne 
S.  [3g4])  übereinstimmen.  Hierher  gehört  der  einzige  im  Kat.  M.  G.  von  Ruk  unter 
dem  Namen  »Bonn«  verzeichnete  Speer  (S.  371,  Nr.  3450),  der  aber  etwas  abweichend 
(das  eine  Ende  »dick,  aber  flach,  abgerundet  und  zugeschärft«)  von  Kubary  s.  n.  »  Amonu« 
(S.  57)  beschrieben  wird  als  »eine  mächtige  Vertheidigungswaffe«,  die  er  auf  Mortiock 
nicht  beobachtete.  Ganz  übereinstimmend  mit  den  »Dscheretj«  von  Ruk  ist  der  »Silek«- 
Speer  von  Mortiock  (Kat.  M.  G.,  S.  320,  Nr.  3014). 

Sauberer  und  accurater  gearbeitet  sind  die  folgenden  durch  Widerhaken  des 
Spitzentheiles  ausgezeichnete»  Wurfspeere  von  Ruk. 

»Dscheretj«  (Taf.  II  [19],  Fig.  2,  Spitzentheil),  Wurfspeer  rund,  aus  Cocospalm- 
holz, der  25  Cm.  lange  Spitzentheil  vierkantig  mit  acht  sägezahnartigen  Widerhaken; 
Länge  2-8  M.   Ruk. 

»Dscheretj«  (Taf.  II  [19],  Fig.  3,  Spitzentheil),  Wurfspeer,  sehr  accurat  aus  Palm- 
holz  gearbeitet,  290  M.  lang;  der  42  Mm.  dicke  Schaft  auf  der  einen  Längsseite  flach, 
auf  der  anderen  rund  (vgl.  Querschnitt  Fig.  a),  der  12  Cm.  lange  Spitzentheil  mit  wenig 
vorstehenden,  sehr  kunstvoll  eingeschnitzten  Kerbzähnen.    Ruk. 

Zum  Vergleich  füge  ich  die  Beschreibung  eines  in  der  Form  sehr  ähnlichen  Speeres  von  den 
Anchorites-Inseln  ein: 


«)  Kubary's  verwirrte  Darstellung  der  bereits  der  Vergangenheit  angehörenden  » Kriegs wafien« 
von  hier  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  154 — 156)  und  die  selbst  die  winzigen  Abbildungen  (Taf.  XXII, 
Fig.  I — 6)  nicht  vollständig  klarstellen,  gibt  darüber  keine  präcise  Auskunft,  die  wir  erst  in  einer 
Fussnote  von  Schmellz  (ib.  S.  155)  erhalten. 


[5531  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3ie 

Speer  (Taf.  II  [19],  Fig.  4,  Spitzen theil),  aus  dem  Holze  der  Cocospaltne,  2*68  M.  lang,  rund,  nach 
der  Basis  zu  verdünnt;  der  98  Cm.  lange  Spitzentheil  vierkantig  abgerundet,  mit  neun  Reihen  dicht 
anliegender  breiter,  sehr  scharfer  Kerbz&hne,  je  eine  Reihe  von  zwei  mit  einer  solchen  aus  vier  Reihen 
abwechselnd.    Anchorites. 

Ausserordentlich  sauber  und  accurat  gearbeitetes  und  wegen  der  scharfen  stumpf-  bis  spitz- 
winkeligen Kerbzähhe  eine  sehr  gefahrliche  Waffe. 

Der  (S.  147  [65],  Nr.  7o3)  beschriebene  Speer  von  derselben  Localität  ist  länger  (3  M.)  und 
zeigt  in  den  Details  der  Spitze  einige  Verschiedenheiten,  wie  dieselben  aber  bei  allen  Arbeiten  der 
Eingeborenen  vorkommen,  denn  auch  bei  Speeren  u.  dgl.  finden  sich  kaum  zwei  völlig  übereinstim- 
mende Exemplare. 

Ob  derartige  Speere  mit  Kerbzähnen,  wie  obige  von  Ruk,  auch  auf  Mortlock  vor- 
kamen, lässt  sich  nur  vermuthen,  da  Kubary's  widersprechende  Darstellung  der  nöthigen 
Präcision  ermangelt.  Obwohl  er  (S.  273)  den  »Silek« -Speer  als  »einen  einfachon,  glatten, 
an  beiden  Enden  spitz  zulaufenden  Speer«  beschreibt,  heisst  es  auf  derselben  Seite: 
>  Die  zweite  Art  Speere  (silekiy)  zum  Werfen  auf  sehr  kurze  Distanz  und  nur  für  ein 
sicheres  Treffen  bestimmt,  werden  aus  solidem  Material  gefertigt,  kostbar  ausgeschmückt 
und  oft  stark  an  der  Spitze  bewaffnet;  der  gefährlichste  ist  der  »Mesenapuosz«  (von 
mesen  =  Gesicht  und  puos\  -— ^  Kalk),  an  dessen  Vorderrande  Rochenstacheln,  Men- 
schenknochensplitter oder  Kiefer  eines  Hornhechtes  (Belone)  mittelst  Bindfaden  und 
Kalkkitt  befestigt  sind.« 

Diese  sehr  charakteristische  Art  langer  Speere  oder  Lanzen,  die  nach  Kubary  nur 
»zum  Niederstechen  der  schon  verwundeten  Feinde  benutzt  werden«,  gehören  der  Ver- 
gangenheit an.  Das  Museum  GodefFroy  besass  acht  Stück  von  Mortlock  (S.  32 1, 
Taf.  XXX,  Fig.  8;  auch  Edge-Partington,  PI.  17g,  Fig.  3),  die  in  der  Bewehrung  alle 
verschieden  sind  (auch  ohne  Knäufe  und  nur  mit  einem ')  oder  zwei  Rochenstacheln  an 
der  Spitze). 

Die  gleiche  Art  Lanzen  waren  auch  auf  Ruk  in  Gebrauch  (»MejenpuoC«:  Kubary, 
1.  c,  S.  57),  woher  ich  von  Kubary  einige  sehr  interessante  Stücke  erwarb,  wie  das  fol- 
gende, mit  der  Bezeichnung: 

Madschapotsch  (Taf.  II  [19],  Fig.  5,  Spitzentheil),  Lanze  aus  Holz  der  Cocos- 
palme,  sehr  lang  (290  M.),  dünn  (27  Mm.  Durchmesser),  rund,  an  beiden  Seiten 
schlank  zugespitzt;  der  50  Cm.  lange  Spitzentheil  mit  drei  runden  (bis  50  Mm.  langen) 
Knäufen  aus  einer  weissen  kalkartigen  Kittmasse  versehen,  in  welche  je  zwei  (60  bis 
80  Mm.  lange)  Rochenstacheln  mittelst  Bindfaden  festgebunden  und  eingekittet  sind; 
die  eigentliche  Spitze  besteht  aus  einem  (90  Mm.  langen)  Rochenstachel,  der  ebenfalls 
eingekittet  ist.   Ruk. 

Die  Länge  dieser  Speere  variirt  so  sehr  wie  Länge  (40 — 80  Cm.)  und  Bewehrung 
des  Spitzentheiles,  der  zuweilen  nur  einen  Stachelknauf  aufweist. 

bb)  Schlagwaffen. 

Keulen  werden  von  Mortlock  in  drei  Arten:  »Uakke«,  »Laga  zam  zam«  und 
»Laga  poeiya«  (»Laga  poenja«)  als  »Stich-  und  Schlagkeulen«  (1.  c,  S.  272)  erwähnt, 
aber  mit  ähnlichen  samoanischen  verglichen,  so  dass  man  die  letzteren  kennen  muss, 
um  zu  einem  Verständniss  der  ersteren  zu  gelangen.  Wie  auf  Mortlock  konnte  Kubary 
nur  noch  mit  Mühe  einige  alte  Stücke  auf  Ruk  auftreiben,  die  ganz  übereinstimmen, 
nur  »ist  das  ,Lagapoenja*  in  ,Ibopoenja'  verändert«,  die  einzige  wichtige  (!)  Notiz,  welche 
gemacht  wird. 

Auch  ich  erwarb  von  Kubary  einige  interessante  alte  Keulen,  wie  die  folgenden 
mit  der  Bezeichnung: 


1)  Solche  gab  es  froher  auch  auf  Pelau  (vgl.  Kubar>',  II,  S.  155,  Taf.  XXII,  Fig.  5). 


3l6  Dr.  O.  Finsch.  [554] 

^ 

»Lagaschamscha«  (Taf.  11  [19];  Fig.  7),  Keule  aus  Hartholz  (Mangrove),  flach, 
i'6o  M.  lang,  am  oberen  Ende  50  Mm.  breit,  circa  20  Mm.  dick,  mit  kantigen  Seiten- 
rändern.  Ruk. 

»Lagaschamscha«  (Taf.  II  [19],  Fig.  8),  Keule  ebenfalls  aus  Hartholz,  ähnlich 
der  vorhergehenden,  aber  das  Blatt  breiter,  der  Handgriff  kürzer  und  mehr  vierkantig 
zugerundet;  Länge  1*20  M.,  Breite  des  Blattes  80  M.    Ruk. 

Die  unter  dem  Namen  >Uakke«  im  Kat.  M.  G.  (S.  3i8,  Nr.  3oo6)  von  Mortlock 
beschriebenen  Keulen  und  die  beiden  von  Ruk  (S.  370,  Nr.  3446  und  3447,  Taf.  XXIX, 
Fig.  6)  stimmen  ganz  mit  den  obigen  überein.  Etwas  abweichend  ist  dagegen  die 
»Laga  zam  zam«  (S.  3i8,  Nr.  3oo8,  Taf.  XXIX,  Fig.  5)  und  die  »Laga  poeiya«  (S.  Sig, 
Nr.  3009).  von  Mortlock,  indess  wird  es  schwer  halten,  diese  Subspecies  auseinanderzu- 
halten, und  im  Ganzen  bilden  sie  nur  eine  Art.  Höchst  interessant  dabei  ist,  dass  sich 
der  Typus  derselben  fast  gleich  oder  doch  sehr  ähnlich  in  Melanesien  wiederfindet 
(z.  B.  auf  Neu-Guinea,  vorne  S.  [117]'.  Port  Moresby  und  S.  [215]:  Finschhafen).  Als 
Material  für  die  Keulen  dient  übrigens  nicht  ausschliessend  Rhizophoren-  (Mangrove-) 
Holz,  wie  Kubary  angibt,  sondern  auch  das  der  Cocospalme  und  ein  anderes  gelbliches 
Holz  (Kat.  M.  G.,  1.  c). 

Das  im  Kat.  M.  G.  (S.  371,  Nr.  3448)  von  Ruk  beschriebene  »alte  Wehrstück«, ^) 
sehr  eigenthümlich,  aber  ohne  Abbildung  unverständlich,  lässt  Kubary  leider  unerwähnt. 

»Gurgur«  heissen  auf  Ruk  wie  Mortlock  jene  bereits  unter  Tanzgeräth  beschrie- 
benen Kampfstöcke,  aus  dem  Holz  des  Orangenbaumes  (Gurgur),  welche  Kubary  als 
die  » Nation alwaffe  und  beliebteste  Waffe  der  Mortlocker«  bezeichnet.  »Sie  wird  sowohl 
im  Kriege  gebraucht,  als  auch  um  gewöhnliche  Streitigkeiten  zum  Ausgleich  zu  bringen. 
Sie  wird  in  der  Art  des  Bajonettfechtens  gehandhabt,  indem  die  sich  gegenüberstehen- 
den Gegner  den  Gurgur  mit  beiden  Händen  (die  rechte  Hand  zu  vorderst)  halten  und 
die  gegenseitigen  Schläge  und  Stösse  zu  pariren  suchen«  (1.  c,  S.  273).  Auf  Ruk  »tritt 
der  ,Gurgur*  indess  weniger  als  Waffe  hervor.  Seine  ursprüngliche  Bedeutung  dürfte 
wohl  die  von  Tanzstöcken  bei  den  ,Parik*-Tänzen  gewesen  sein«,  woraus  später  »ein 
Stützstock  für  den  alltäglichen  Gebrauch«  entstand  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  58). 

Eine  sehr  abweichende  und  eigenthümliche  Waffe,  schon  wegen  der  Verwendung 
von  Rochenstacheln, ^)  ist  die  folgende: 

Suk  (Taf.  II  [19],  Fig.  10),  Handwaffe  aus  Hartholz,  circa  27  Cm.  lang,  rund,  an 
beiden  Enden  kegelförmig  abgerundet,  in  der  Mitte  abgesetzt  verdünnt,  mit  einer  Hand- 
habe (a)  aus  Cocosfaserschnur;  das  eine  Ende  mit  drei  Rochenstacheln  bewehrt.  Mort- 
lock (Satöan). 

Wie  mir  Kubary  mittheilte,  war  diese  mit  dem  spitzen  wie  stumpfen  Ende  im 
Einzelkampfe  benutzte  Waffe,  von  der  er  überhaupt  nur  drei  Exemplare  erlangte,  den 
Mortlock-Inseln  eigenthümlich.  Aber  Kubary  notirt  den  »Suk«  neuerdings  auch  unter 
den  Waffen  von  Ruk,  wo  er  aber  nur  noch  dem  Namen  nach  bekannt  ist  (»Ethnol. 
Beitr.«,  I,  S.  59).  Ein  etwas  abweichender  »Suk«,  bei  dem  das  untere  Ende  zweitheilig 
ausläuft,  ist  von  Mortlock  im  Kat.  M.  G.  (S.  32i,  Nr.  3oii,  Taf.  XXX,  Fig.  6)  schlecht 
abgebildet.  Wenn,  nach  einer  Notiz  bei  Lütke  zu  urtheilen,  der  im  Atlas  der  »Senjavin- 


I)  Von  Pelau  gedenkt  Kubary  nur  einer  sehr  eigenthOmlichen  »Schwertkeule«  (»Ethnol.  Beitr.«, 
II,  S.  156,  Taf.  XXII,  Fig.  9).  wovon  er  übrigens  nur  ein  altes  Erbstück  erhielt,  das  in  der  Form  mit 
keiner  mir  bekannten  übereinstimmt. 

a)  Eigenthümliche  dolchartige  Stichwaffen  aus  Bambu  (S.  398,  Nr.  184)  und  Rochenstachel  (ib. 
Nr.  189)  sind  im  Kat.  M.  G.  (S.  398)  von  Yap  beschrieben,  eine  der  letzteren  von  Edge-Partington 
(Taf.  182,  Fig.  i)  angeblich  von  »Pelauc  abgebildet;  aber  Kubary  gedenkt  dieser  Waffe  nicht. 


[55 5 1  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  SQdsee.  3 17 

Reise«  (PI.  29,  Fig.  4)  angeblich  als  »Instrument  zum  Tödten  von  Fischen«  sehr  gut 
abgebildete  Suk  auch  angeblich  von  Kuschai  (s.  vorne  S.  [465])  herstammt,  so  darf  man 
doch  wohl  richtiger  Lukunor  als  Localität  annehmen. 

Von  daher  ist  in  demselben  Atlas  (PL  29,  Fig.  5)  ein  sehr  eigenthümliches  »In- 
strument pour  d^couper  le  poisson«  dargestellt,  in  Form  einer  kleinen  Bügelsäge  aus 
Cocosstrick  geflochten,  weit  genug  zur  Aufnahme  der  Hand  und  an  der  geraden  Seite 
mit  (11)  Haifischzähnen  besetzt.  Dasselbe  gehört  natürlich  nicht  zu  den  Fischerei- 
geräthschaften,  sondern  ist  ein  Schlagreif  zum  Faustkampfe,  der  früher  auch  auf  Ruk 
vorkam  (Kubary,  1.  c,  S.  59),  und  zwar  in  zwei  Formen,  die  Kubary  von  Pelau  be- 
schreibt und  abbildet  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  156).  Hier  besteht  aber  der  Reif  aus  zu- 
sammengebundenen Farnstengeln,  die  Bewehrung  des  einen  Reifes  (»Kareal«,  Taf.  XXII, 
Fig.  8)  aus  Haifischzähnen  (und  zwar  von  Galeocerdo  Rayneri,  Taf.  19,  Fig.  11  u.  12), 
des  anderen  (Taf.  XXII,  Fig.  9)  aus  Schwanzstacheln  eines  Fisches  der  Gattung  Naseus. 

Sehr  interessant  ist,  dass  ganz  ähnliche  Schlagreifen  mit  Haifischzähnen,  aber  in 
einen  Bügel  aus  Holz  eingesetzt,  auch  unter  die  altpolynesischen  Waffen  gehören. 
Solche  Stücke  (mit  Zähnen  von  Galeocerdo  Rayneri  bewehrt)  besitzt  das  British  Mu- 
seum von  Hawaii  und  das  k.  k.  naturhistorische  Hofmuseum  in  Wien,  angeblich  von 
Tonga, ')  noch  von  Cook's  Reisen  her  und  früher  als  »Instrument  zum  Sägen«  bezeichnet. 
Ein  anderes  sehr  interessantes  Stück  in  demselben  Museum  und  gleicher  Herkunft  (aber 
wah  rscheinlich  ebenfalls  althawaiischen  Ursprunges)  ist  ebenfalls  eine  sehr  eigenthüm- 
lich  geformte  Handwaffe.  Sie  besteht  in  einem  halbkreisförmigen  runden  Holzstück, 
an  dessen  beiden  Enden  je  ein  Haifischzahn  (=  Fig.  2,  S.  [3o6])  befestigt  ist  und  war 
früher  als  »Instrument  zum  Graviren«  bezeichnet. 

cc)  Schleudern 
sind  die  eigentliche  Nationalwaffe  der  Central-Carolinier.  Lütke  erwähnt  derselben 
bereits  als  Hauptwaffe  von  Lukunor,  welche  die  Männer  um  den  Haarknoten  des  Hinter- 
kopfes geschlungen  stets  bei  sich  tragen,  und  in  derselben  Weise  sehen  wir  sie  auf  Ku- 
bary'schen  Photographien  von  Eingeborenen  von  Ruk  (Anthrop.  Album  M.  G.,Taf.  22, 
Fig.  527).  Reichlich  mit  Gelbwurz  eingerieben,  bildet  die  Schleuder  zugleich  eine  Art 
Kopfputz  und  wird  unter  dieser  Rubrik  auch  von  Kubary  unter  dem  Namen  »Aulol« 
von  Mortlock  erwähnt  (»Mortlock«,  S.  269),  unter  den  Waffen  aber  sonderbarerweise 
völlig  ignorirt.  Auch  unter  den  Waffen  von  Ruk  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  57 — 59)  ist 
die  so  wichtige  Schleuder  total  vergessen  und  wird  erst  unter  »Pflanzenfaserindustrie« 
(ib.,  S.  65,  s.  n.  »02ap«)  nebenbei  registrirt.  Wir  erfahren  also  nichts  über  Fertigkeit 
in  der  Handhabung  der  Schleuder,  und  man  darf  billig  zweifeln,  ob  Kubary  dieselbe 
jemals  in  der  Weise  in  Praxis  gesehen  hat,  wie  er  dies  unter  Kriegsführung  (s.  vorne 
S.  [550])  beschreibt.  Beiläufig  sollte  auch  die  von  Chamisso  (2,  S.  276)  nach  Kadu  auf- 
getischte Geschichte,  dass  die  Ruker  mit  der  Schleuder  Vögel  zu  treffen  verstehen,  ein- 
für allemal  ins  Reich  der  Fabel  verwiesen  werden. 

Odschob  (Nr.  83i,  i  Stück),  Schleuder;  sehr  kunstvolle  Flechtarbeit  aus  Bind- 
faden von  Cocosnussfaser;  sie  besteht  aus  zwei  je  aus  16  Bindfaden  sauber  geflochtenen 
vierkantigen  Schnüren,  die  sich  in  der  Mitte  zu  einem  circa  8  Cm.  langen  und  45  Mm. 
breiten  flachen  Flechtwerk,  dem  Polster,  vereinen,  welches  zur  Aufnahme  des  Steines 
dient.  Die  Schnüre  sind  ungleich  lang  (die  eine  55  Cm.,  die  andere  75  Cm.  lang), 
am  Ende  zweitheilig  und  diese  Enden  zusammengebunden,  so  dass  eine  circa  16  Cm. 
lange  Schleife  entsteht,  zur  Aufnahme  der  rechten  Hand  des  Schleuderers.   Ruk. 


1)  Stammt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  von  Hawaii.  Anm.  d.  Red. 


3i8  Dr.  O.  Finsch.  [556] 

Diese  Art  Schleudern  aus  Cocosfaser  werden  nach  Kubary  nicht  auf  Ruk  selbst 
gefertigt,  sondern  auf  der  nahen  Insel  Losop  (und  a.  O.  auch  auf  Nema)  und  von  hier 
nach  Ruk  verhandelt.  Ich  erhielt  solche  für  den  Handel  bestimmte  Schleudern  in  Ori- 
ginalverpackung, d.  h.  sorgfältig  in  Pandanus-ßlaLtt  eingehüllt. 

Die  Schleudern  von  Mortlock  (»Aulol«)  sind  ebenfalls  von  Cocosfaser  geflochten 
und  stimmen  ganz  mit  denen  von  Losop  überein.  (Hierher  gehört:  Kat.  M.  G.,  S.  322, 
Nr.  225  u.  549:  Mortlock;  S.  371,  Nr.  3382:  Ruk;  und  Edge-Partington,  Taf.  177,  Fig.  4.) 

Ganz  verschieden  in  Flechtarbeit  wie  Material  sind  die  auf  Ruk  selbst  verfertigten 
Schleudern,  die  aus  feinen  Fasern  von  Hibiscus-BsiSt  äusserst  sauber  geflochten  werden. 
Sie  unterscheiden  sich  hauptsächlich  dadurch,  dass  das  Polster,  auf  welches  der  Stein 
gelegt  wird,  nicht  aus  dichtem  Flechtwerk  besteht,  sondern  aus  7 — 10  dicht  nebenein- 
ander laufenden  Schnüren  gebildet  wird.  (Hieher  gehört:  Kat.  M.  G.,  S.  371,  Nr.  3383 
aus  »Brotfruchtbaumfaser«.) 

Küpen  (Nr.  83i,  2  Stück),  Schleudersteine  (Taf.  II  [19],  Fig.  i6, 17)  aus  Basalt 
(70  Mm.  lang,  40  Mm.  im  Durchmesser,  Gewicht  80  Gramm),  spitz  eiförmig,  an  beiden 
Seiten  etwas  zugespitzt  (Fig.  16);  der  andere,  einer  der  grössten  (80  Mm.  lang,  55  Mm. 
im  Durchmesser)  ist  mehr  rundlich  (Fig.  17).  Beide  Steine  sind,  wie  alle,  die  ich  von 
Ruk  sah,  anscheinend  nicht  blosse  natürliche  Rollsteine,  wie  z.  B.  die  Schleudersteine 
von  Neu-Britannien  (I,  S.  [23],  Fig.  3),  sondern  zeigen  eine  gewisse  Bearbeitung  durch 
Nachschleifen,  wie  dies  namentlich  an  Fig.  15  sehr  deutlich  zu  sehen  ist,  sind  aber 
keineswegs  ganz  geschliffen  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  74). 

Als  Behälter  für  die  Schleudersteine  dienen  Netzbeutel  aus  Bindfaden  von  Cocos- 
nussfaser  (Kat.  M.  G.,  S.  371). 

Nach  einer  sehr  absonderlich  klingenden  Notiz  Kubary's  wurde  die  Schleuder  »einst  von  den 
Bewohnern  der  Kayangl-Gruppe  benutzt,  von  den  eigentlichen  Pelauanern  aber  nicht  angenommen« 
(»Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  156). 

Meine  Bemerkung,  dass  Schleudern  in  Polynesien  zu  fehlen  scheinen  (vorne  S.  [276])  ist  übri- 
gens unzutreffend.  Das  k.  k.  naturhistorische  Hofmuseum  in  Wien  besitzt  zwei  aus  Cocosfaser  ge- 
flochtene Schleudern  (noch  von  Cook*s  Reisen  herstammend)  von  Tahiti  (Franz  Heger  in  lit.)>  und 
eine  genaue  Nachsuche  würde  sie  wahrscheinlich  auch  von  anderen  Localitäten  nachweisen.  So  er- 
wähnt Dr.  Gräfle  Schleudern  von  Niue  (Savage  Isl.),  hat  solche  aber  auf  Samoa  nicht  gesehen  (Kai 
M.  G.,  S.  477). 

Zum  Schlüsse  mag  beiläufig  erwähnt  sein,  dass  von  dem  ethnologisch  zu  Mortlock  gehörenden 
Atoll  Nukuor  keine  Waffen  bekannt  sind,  da  die  Eingeborenen  »Krieg  nicht  kannten c  (Kubary,  Kat. 
M.  G.,  S.  332).  Dieselben  Verhältnisse  gelten  für  die  westlichste  kleine  Carolinen-Insel  Sonsol  (Kubary, 
»Ethnol.  Beitr.c,  I,  S.  94). 

5.  Bestattung. 

Todte  werden  auf  Mortlock  im  grössten  Staate,  reich  mit  Gelbwurz  eingeschmiert 
(was  >Ouiy«  heisst),  wobei  man  die  Nasenlöcher  besonders  mit  Gelbwurz  verstopft, 
zur  Schau  ausgestellt  und  so  lange  als  möglich  über  der  Erde  gehalten,  während  wel- 
cher Zeit  Alles  Jammert  und  heult.  Näheres  über  diese  Todtenklagen,  mit  denen  ver- 
muthlich  auch  gewisse  Gesänge  und  Tänze  u.  dgl.  verbunden  sind,  theilt  Kubary  leider 
nicht  mit.  Die  sorgfältig  in  Matten  eingehüllte  Leiche  wird  dann  begraben.  Ueber  dem 
wenig  tiefen  Grabe  (»Epay«),  in  welchem  der  Leichnam  mit  dem  Kopfe  nach  Osten  gerich- 
tet liegt,  wird  Je  nach  den  Mitteln  der  Familie  ein  verschieden  grosses  Grabhaus  errich- 
tet, um  welches  man  einige  Cocosnüsse  niederlegt.  Kittlitz  beschreibt  diese  Grabhäussr 
(»Imen-epay«)  näher  von  Lukunor :  »Es  sind  der  Bauart  nach  verkleinerte  Nachahmungen 
der  Häuser  selbst:  ein  rechtwinkeliges  Dach  mit  gerader  Firste  ruht  auf  sehr  niedrigen 
Stützpfeilern,  die  als  Wände  dienen;  im  Inneren  des  Gebäudes  aber  befindet  sich  ein 


[rcyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3 19 

ganz  ähnliches  in  abermals  verkleinertem  Massstabe,  welches  die  eigentliche  Grabstätte 
zu  sein  scheint  und  gewöhnlich  ganz  verschlossen  ist.  Um  die  Wände  des  inneren  Ge- 
bäudes sahen  wir  fast  immer  Cocosnüsse  und  auch  über  denselben  ganze  Reihen  Cocos- 
flaschen  (Cocosnussschalen)  und  einzelne  Abschnitte  dieser  Schalen,  die  das  Ansehen 
von  Lampen  hatten«  (Denkwürd.,  II,  S.  104).  Die  Vermuthung,  dass  Grabstätten  mit 
Doppelhaus  solche  von  Häuptlingen  sind,  dürfte  seine  Richtigkeit  haben.  Kubary  er- 
wähnt aber,  dass  auf  Ruk  die  Leiche  des  vornehmen  Mannes  ins  Meer^)  geworfen  wird, 
während  auf  Mortlock  nur  die  im  Kriege  Gefallenen  auf  diese  Weise  (»amofeu«  ge- 
nannt) bestattet  werden,  »damit  sie  sich  mit  dem  tapferen  Seegott  ,Rassau*  vereinigen« 
(Kubary).  Derselbe  Reisende  fand  auf  Ruk  ein  Menschenskelet,  das  an  einen  Fels  ge- 
lehnt war,  ein  anderes  in  einem  Hause  über  dem  Herde  aufgehangen.  Es  gehörte  einer 
einst  sehr  hübschen  Häuptlingsfrau,  die  von  ihrem  Manne  so  geliebt  wurde,  dass  er 
ihre  Gebeine  ausgraben  Hess,  um  sie  in  dieser  Weise  zu  verwahren.  Auf  Uleai  sind  die 
Gräber,  nach  Lütke,  ganz  so  wie  auf  Lukunor.  Das  Versenken  von  Todten  ins  Meer 
ist  nach  Floyd  auch  auf  den  Hall-Inseln  (Moriljö,  Murilla)  Sitte. 

Trauer.  Sehr  einschneidend  ist  bei  einem  Todesfalle  auf  Mortlock  die  Trauer, 
welche  sich  natürlich  ganz  nach  dem  Range  und  der  Stellung  des  Verstorbenen  richtet 
und  auch  auf  benachbarte  und  befreundete  Stämme  erstrecken  kann.  Stirbt  z.  B.  der 
Häuptling  cies  Stammes  Sor,  so  muss  der  Stamm  Sopun  tiefe  Trauer  anlegen  und  an 
die  Verwandten  des  Verstorbenen  Geschenke  (Cocosnüsse)  schicken.  Ueber  den  Land- 
besitz des  Verblichenen  wird  zugleich  ein  Tabuverbot  (Todten-  oder  Trauer-Puau-u 
oder  Puanu)  verhängt,  welches  das  Betreten  des  Landes  so  lange  verbietet,  bis  der 
Häuptling  das  Verbot  aufhebt.  Ein  solches  Trauer-Tabu  kann  sich  kürzere  oder  län- 
gere Zeit  auf  einen  gewissen  Theil  des  Stammlandes,  ja  auf  eine  ganze  Insel  erstrecken, 
namentlich  beim  Tode  eines  Stammhäuptlings.  »Der  ganze  Stamm  ist  dann  von  jedem 
Verkehr  abgeschlossen,  indem  die  an  den  Grenzen  aufgepflanzten  Puau-u-Zeichen  einem 
jeden  Fremdling  das  Uebertreten  derselben  bei  Todesstrafe  (!  ?)  verbieten.  Nach  dem 
Tode  des  letzten  Sopun-Häuptlings  war  ganz  Tä  über  ein  Jahr  unter  »Puau-u«,  und 
kein  Canu  von  irgend  einer  der  übrigen  Inseln  der  Lagune  durfte  an  seinem  Ufer  an- 
legen.« Leider  lässt  Kubary  unerwähnt,  aus  was  die  Tabuzeichen  bestehen,  ob  es  eine 
besondere  Trauerfarbe  gibt  u.  dgl.  m.  Die  besonderen  Feste,  welche  v.  Kittlitz  von 
Lukunor  erwähnt  (II,  S.  100),  welche  zuweilen  von  beträchtlich  langer  Dauer  sind, 
»während  welcher  die  wunderlichsten  Beschränkungen  stattfinden«,  beziehen  sich  zum 
Theil  auf  solche  Trauer-Tabusitte. 

6.  Geister-  und  Aberglauben;  Ahnenverehrung. 

»Der  Religionscultus  (!)  der  heutigen  Carolinier  besteht  in  einer  Verehrung  der 
verstorbenen  Vorfahren.  Die  Religion  ist  demnach  eine  individuelle  Religion,«  sagt 
Kubary  in  seinen  Mittheilungen  über  die  »Religion  der  Mortlocker«  (I.e.,  S.  258).  Aber 
in  Wahrheit  gibt  es  hier  ebensowenig  einen  Cultus  als  eine  Religion,  und  die  Verehrung 
der  Geister  (»Anu«)  ist  in  Wesen,  Bedeutung  und  Anwendung  nur  eine  Form  des 
»Anitschglaubens«,  wie  wir  ihn  bereits  auf  den  Marshalls  (S.  iSg  \}^S^  kennen  lernten 
und  der  am  ausgebildetsten  (in  den  »Kalit«  oder  »Kalitsch«)  auf  Pelau  verbreitet  ist. 


I)  Auf  Ugi  (Salomons)  geschieht  dies  in  umgekehrter  Weise  mit  den  Leichen  geringer  Leute 
(nach  mundlicher  Mittheilung  von  A.  Morton),  wie  dies  auf  den  Marshall-Inseln  (s.  vorne  S.  [395])  <^er 
Fall  ist. 


320  Dr.  O.  Finsch.  [558] 

Neben  den  geringeren  Anu  des  Individuums  und  der  Familie  gibt  es  auch  hohe  und 
höchste  des  Stammes  und  der  Häuptlinge,  welche  alle  auf  Vorfahren  zurückführen. 
»Ausserdem  aber  bevölkert  die  Imagination  der  Insulaner  die  ganze  sie  umgebende 
Natur  mit  Geistern  und  Gottheiten«,  die  zum  Theil  in  Gestalt  gewisser  Bäume  oder 
Fische  (darunter  eine  Caranx-Ari)  an  den  rohen  Fetischismus  der  Marshallaner  erin- 
nern. Bei  der  Legion  dieser  Geister  ist  es  erklärlich,  dass  nur  hervorragendere  Persön- 
lichkeiten (Häuptlinge)  mehr  in  der  Erinnerung  fortleben  und  zum  Theil  durch  Eigen- 
namen unterschieden  werden.  Kubary  führt  einige  Doppelnamen  von  Häuptlingen  an, 
wie  solche  zu  Lebzeiten  hiessen  und  wie  man  sie  nach  dem  Tode  als  »Gottheit«  um- 
taufte. So  wird  der  auf  Lukunor  erschlagene  tapfere  Sopun-Krieger  »Rassau c  von 
seinen  Stammesgenossen  als  »Anu-set«,  d.  h.  Seegeist  verehrt,  und  Liebende  sollen 
sogar  »Inamak«,  eine  »weibliche  Gottheit«  besitzen.  Da  Häuptlingsgeistern  erklärlicher 
Weise  grösserer  Einfluss  zugeschrieben  wird,  so  wendet  sich  der  geringe  Mann  in  be- 
sonderen Angelegenheiten  an  diese,  was  aber  nur  mit  Erlaubniss  des  regierenden 
Häuptlings  geschehen  kann  und  wofür  diesem  Geschenke  gegeben  werden  müssen. 
»Der  Häuptling  bildet  aber  nur  den  Vermittler  zwischen  den  Sterblichen  und  seinen 
göttlichen  Ahnen«,  denn  die  Auskunft  der  Geister  kann  nur  durch  den  Mund  des 
»Au-na-ro-ar«  oder  Beschwörers  geschehen,  der  a.  O.  auch  als  »Foreyanu«,  Zauberer 
(=  »forey  anu«,  »einen  Geist  gut  machen«)  bezeichnet  wird.  Aus  dem  Wenigen,  was 
Kubary  über  diese  Leute,  welche  übrigens  keinen  besonderen  Stand  bilden,  mittheilt, 
geht  hervor,  dass  sie  ganz  den  »Drikanan«  der  Marshallaner  entsprechen.  Wie  diese, 
sind  es  hauptsächlich  Wahrsager  und  Zeichendeuter,  welche  die  Dummen  ausbeuten 
und  im  Verein  mit  Häuptlingen  besonders  bei  Krankheiten  consultirt  werden.  Als 
Mittel  zum  Wahrsagen*)  bedient  man  sich  eines  Streifens  Cocosblatt,  in  welches  Knoten 
geknüpft  werden,  wie  dies  vielerwärts  ähnlich  geschieht,  ausserdem  eines  Zeichen- 
systems, welches  Kubary  (1.  c,  S.  260)  graphisch  darstellt,  ohne  dadurch  grössere  Klar- 
heit in  der  Erklärung  des  Textes  zu  erzielen.  Beiläufig  bezeichnet  Kubary  den  Häuptling 
»zugleich  auch  als  Priester«  (»Waetoa«)  und  sagt,  »dass  jede  Gottheit  ihren  speciellen 
Priester  hat,  durch  welchen  man  mit  ihr  verkehren  kann«,  ohne  Näheres  über  diese 
Verhältnisse  mitzutheilen,  die  somit  vorläufig  unverständlich  bleiben.  Betreffs  Aber- 
glaubens der  Mortlocker  sagt  Kubary  nur,  »dass  sie,  wie  alle  Südsee-Insulaner,  aber- 
gläubisch und  vor  allen  übernatürlichen  Erscheinungen,  Geistern  u.  s.  w.  sehr  furchtsam 
sind.  In  der  Nacht  würde  kein  Mortlocker  sein  Haus  verlassen,  und  für  jedes  Geräusch 
hat  er  eine  Erklärung  parat«.  Aehnliche  Vorurtheile  finden  sich  bei  den  Gilbert-Insu- 
lanern (S.  [3 16])  und  überall,  so  weit  Menschen  wohnen. 

Nach  den  kurzen  Mittheilungen  Kubary's  herrschen  auf  Ruk  ganz  gleiche  Ver- 
hältnisse, d.  h.  man  verehrt  die  Geister  (Anu)  von  Vorfahren.  So  wurde  »Puer«,  ein 
angesehener  Mann  des  Stammes  Sopu,  nach  seinem  (übrigens  natürlichen)  Tode  als 
ein  Stammgeist  unter  dem  Namen  »Motomot«  verehrt,  während  »UJ^ran«  vom  Stamme 
Azau,  der  1877  auf  Toloas  starb,  schon  nach  zwei  Jahren  als  Familiengeist  »Räman« 
bei  seinen  Verwandten  in  Ansehen  stand. 

Wie  bereits  erwähnt,  werden,  ähnlich  wie  auf  den  Marshalls,  auch  gewisse  Thiere, 
Bäume,  Steine  etc.  als  Sitz  der  Geister  Verstorbener  betrachtet.  »In  den  Central-Caro- 
linen,«  sagt  Kubary,  »bis  Uleai,  mit  Einschluss  von  Ruk,  wird  irgend  ein  Thier  als 


0  Weit  ausgebildeter  ist  diese  Kunst  auf  Pelau;  Kubary  theilt  nicht  weniger  als  27  verschie- 
dene Methoden  mit  und  beschreibt  auch  Festlichkeiten  mit  Tänzen,  die  auf  Geheiss  der  Götter  ver- 
anstaltet werden,  um  Krankheiten  etc.  zu  beschwören  (»Die  Religion  der  Pelauerc,  S.  40 — 44). 


[559I  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  321 

Schatten,  Seele  des  Geistes  (Anu')  betrachtet.«  Aber  man  begnügt  sich  nicht  allein 
damit,  sondern  geht  noch  weiter  und  verfertigt  als  sichtbare  Repräsentanten  des  »Anu« 
gewisse  Holzbildnereien,  wie  das  folgende  Stück: 

Ahnenfigur,  Holzschnitzerei  (Fig.  54),  circa  90  Cm.  lang;  einen  ziemlich  roh  aus 
einem  Stück  Holz  gezimmerten  Vogel 2)  darstellend.  Am  Kopfe  sind  plastisch  drei 
Fische  ausgeschnitzt;  der  Rücken  ist  wannenartig  vertieft  ausgehöhlt,  die  kurzen  Stum- 
nielfOsse  mit  aus  dem  Ganzen  gezimmert  und  nur  die  langen  schmalen  Flügel  ein- 
gesetzt. Der  Vogel  ist  weiss  angestrichen,  mit  rother  netzartiger  Querlinienzeichnung 
auf  Unterseite,  Schwanz  und  Flügeln;  die  Fischfiguren  sind  schwarz  bemalt. 

Nach  den  Mittheilungen  des  Besitzers,  eines  Händlers  (Traders)  auf  Dschalut,  der 
eben  von  Ruk  zurückkehrte,  hatte  dieses  Schnitzwerk  als  »Gott  der  Winde«  auf  Ruk 
(Fefan)  eine  grosse  Verehrung  genossen  und  war  in  einem  grossen  Versammlungshause 
aufgehangen  gewesen.  Niemand  durfte  das  Heiligthum  berühren,  und  die  Eingeborenen 
wollten  es  um  keinen  Preis  verkaufen,  entschlossen  sich  aber  dazu,  als  der  West monsun 
nicht  rechtzeitig  einsetzte,  denn  gerade  diesen  Wind  zu  machen  sollte  die  Schnitzerei 

Fig.  54. 


Ahnenfigur  (Holzschnitzerei). 
Ruk. 

im  Stande  sein.  Als  dies  nicht  der  Fall  war,  wurde  sie  voll  Verachtung  verkauft.  Wie 
mir  der  betreffende  Händler  erzählte,  sind  derartige  Schnitzwerke  in  Vogelgestalt  sehr 
häufig  und  finden  sich  in  kleineren  Darstellungen  fast  in  jedem  Hause  aufgehangen. 
Durchaus  übereinstimmende  Holzschnitzereien  in  Vogelgestalt  kommen  auf  Mortlock 
und  Uleai  vor  (Kat.  M.  G.,  S.  3oi  u.  32 1).  Wenn  Kubary  dieselben  unerklärlicher 
Weise  in  seiner  ausführlichen  Darstellung  der  Religion  der  Mortlocker  mit  Stillschwei- 
gen übergeht,  so  gedenkt  er  ihrer  wenigstens  bei  Beschreibung  der  Versammlungs- 
häuser (»Ut«)  auf  Ruk.  Sie  heissen  hier  »Neren  anu«  und  gelten  »als  Wohnungen  oder 
Altäre  der  Gottheiten,  auf  denen  die  diesen  dargebrachten  Opfer  aufgehangen  werden«. 


1)  Identisch  damit  ist  »Hanno«  oder  »Hanulap«  der  Bewohner  der  Hall-Inseln  (Moriljö  und 
Fananu),  den  wir  nur  nach  den  Erzählungen  Floyd's  (s.  vorne  S.  297  [535])  kennen,  die  jedenfalls 
der  Bestätigung  sehr  bedürftig  sind  und  nicht  ohne  Weiteres  in  der  Weise  copirt  werden  sollten,  wie 
dies  bisher  geschah  (vgl.  Kittlitz,  DenkwOrd.,  II,  S.  105,  und  Bastian  in:  Kubary,  »Die  socialen  Ein- 
richtungen der  Pelauer«,  S.  26,  Anm.  3). 

2)  Kubary  deutet  solche  Gestalten  als  Fregattvögel  (Tachypetes),  allein  der  kurze  Schwanz 
widerspricht  dem.  Eher  würde  an  Seeschwalben  (Sterna)  oder  Tölpel  (Sula)  zu  denken  sein,  allein 
auch  dies  bleibt  nur  eine  Vermuthung,  da  selbst  eine  generische  Bestimmung  überhaupt  ausge- 
schlossen ist. 


322  Dr.  O.  Finsch.  [560] 

Ausser  Vogelgestalten  werden  auch  andere  Motive  zur  Repräsentation  des  Geistes 
»Anu«  und  zugleich  von  »Geisterwohnungen«  benutzt.  So  hängt  im  Gemeindehause 
in  Sapulion  auf  Fefan  eine  Schnitzerei,  zwei  Brotfrüchte  an  einer  Art  Pfeil  befestigt 
darstellend,  welche  den  Hauptgottheiten  dreier  Stämme  geweiht  ist  und  zugleich  »ein 
Symbol  der  Fruchtbarkeit«  sein  soll  (Kubary,  S.  51,  Taf.  IX,  Fig.  5).  Total  abweichend 
sind  buntbemalte  Schnitzereien  in  Form  von  einfachen  und  doppelten  Canus,  wie  das 
im  Kat.  M.  G.  (S.  356,  Taf.  XXXI,  Fig.  6)  als  »Götze«  beschriebene  von  der  Insel  Eten. 
»Unter  dem  Namen  ,Nerin  anu*  galt  diese  Nachbildung  eines  Doppelcanu*)  (i*24  M. 
lang,  20  Cm.  hoch)  als  sichtbarer  Gegenstand  oder  das  Symbol  des  Landes  der  Geister 
und  hing,  an  Schnüren  von  Cocosfaser  befestigt,  derart  an  dem  Dachbalken  eines  grossen 
Hauses,  dass  es  herabgelassen  werden  konnte.  In  dem  mit  einem  Deckel  verschliess- 
baren,  kästen  artigen  mittleren  Theile  wurden  die  dem  Geiste  dargebrachten  Opfer 
(Armbänder,  Zeug  etc.)  niedergelegt«  (1.  c,  S.  357).  Neuerdings  neigt  Kubary  zu  der 
Annahme,  »dass  dieses  Schnitzwerk  einen  Hinweis  dafür  gibt,  dass  die  Urahnen  der 
solche  Göttersitze  verehrenden  Stämme  auf  Doppelcanus  nach  Ruk  kamen«,  und  erin- 
nert an  ähnliche  Verhältnisse  in  Pelau,  wo  gewisse  männliche  Gottheiten  (»Angel«, 
früher  »Augel«)  durch  Modelle  von  Segelfahrzeugen  dargestellt  werden  (I,  S.  51,  Note). 
Nach  Kubary  ist  übrigens  die  Bezeichnung  des  oben  erwähnten  Stückes  von  Ruk  als 
»Götze«  unzutreffend.  In  der  That  dürfte  es,  wie  alle  hierher  gehörigen  bildlichen 
Darstellungen,  in  die  Kategorie  der  Ahnenflguren  zählen,  welche  auch  den  weiteren 
Beziehungen  zu  Ahnenverehrung  und  Ahnencultus  weitesten  Spielraum  lässt.  Als 
Ahnenfiguren  sind  wahrscheinlich  auch  die  »Götzen«  von  Nukuor  zu  betrachten,  welche 
in  Gestalt  roher  Nachbildungen  menschlicher  Figuren  oder  formloser  Basaltstücke  hier 
vorkommen  (vgl.  Kubary's  ausführliche  Darstellung  in  Kat.  M.  G.,  S.  322 — 334,  Taf. XXX, 
Fig.  i)  und  sich  ähnlich  auf  Pelau^)  zu  wiederholen  scheinen.  Die  heiligen  Steine  auf 
Nukuor  sollen  aus  der  »früheren  Heimat«  mitgebracht  worden  sein,  was  aber  gewiss 


>)  Quer  über  die  Mitte  liegt  eine  Latte,  auf  der  einige  roh  geschnitzte  Vögel  angebracht  sind, 
die  fQr  den  besten  Ornithologen  unbestimmbar  bleiben.  Aber  nach  Kubary  sind  es  »Strandläufer«, 
die  Latte  »der  Flügel  eines  Fregattvogels«!! 

2)  Kubary  spricht  sich  darüber,  wie  meist,  nicht  deutlich  aus.  In  »Der  Kalit-Cultus  auf  Pelau« 
(Journ.  M.  G.,  IV,  1873,  S.  44—48)  bleiben  Idole  überhaupt  unerwähnt.  Dagegen  finden  sich  spärliche 
Andeutungen  in  der  erschöpfenden  Abhandlung:  »Die  Religion  der  Pelauer«  (vorne  S.  [449]).  Ausser 
gewissen  Opferschreinen  (S.  36,  Taf.  i  u.  2;  auch  Hernsheim,  Taf.  5)  erhalten  wir  Ober  gewisse  als 
Götter  verehrte  Steine  (S.  37  u.  $3,  Taf.  3)  sicheren  Nachweis.  Sie  heissen  »Kingelel«,  und  solche 
werden  auch  in  Form  hölzerner  Tabletts  (Abbild.  S.  37)  zur  Aufnahme  von  Opfergaben  verfertigt. 
Im  Uebrigen  weisen  nur  zwei  Stellen  (S.  14  u.  68)  auf  das  Vorhandensein  von  »hölzernen  und  stei- 
nernen Götzenbildern«  hin,  die  aber  leider  unbeschrieben  bleiben.  Dagegen  wird  (S.  39)  das  Bild  eines 
»Augel«  in  Gestalt  eines  Dysporus  (Tölpel)  angeführt,  das  in  einem  Häuptlingshause  hängt  Und 
a.  O.  heisst  es  in  einer  Legende  über  die  Herkunft  des  »Audou«-Geldes,  »dass  das  Bild  des  Vogels 
,Okak'  {Numenius  •=  Brachvogel,  also  nicht  ,Strandlfiufer')  noch  heute  in  Hqlz  geschnitzt  in  allen 
grossen  Häusern  zu  <  sehen  ist«  (Journ.,  IV,  S.  49).  Es  gibt  also  gewisse  geschnitzte  Idole,  wie  aus 
folgenderstelle  noch  deutlicher  hervorgeht:  »Ein  auf  Pelau  einziger  Zug  des  ,Mulbekels*  (eines  Festes) 
von  Erray  ist  der  Umstand,  dass  bei  demselben  sehr  alte  hölzerne  Idole,  die  sonst  in  den  Höhlen  der 
Koheals  aufbewahrt  werden,  öffentlich  ausgestellt  werden.  Auf  der  Spitze  einer  hohen  Cocospaltne 
wird  ein  Schrein  errichtet  und  werden  in  demselben  die  männliche  Holzfigur  des  Gottes  und  seiner 
Gemahlin  hineingestellt.  Das  Idol  eines  anderen  Gottes  und  seiner  Mutter  kommen  noch  hinzu,  die 
jeden  Abend  heruntergeholt  werden.  Nach  Beendigung  des  Festes  werden  die  Götzen  nach  ihren 
Höhlen  gebracht.«  Diese  interessante  Notiz  (in:  »Die  socialen  Einrichtungen  der  Pelauer«,  1885, 
S.  iio)  wird  in  der  »Religion«  einfach  todtgeschwiegen,  und  dies  zeigt,  wie  mühsam  es  ist,  sieb 
Belege  aus  Kubary*s  Schriften  zusammenzusuchen.  Zur  Ehre  der  Gottheit  Iftsst  man  auch  bei  einem 
besonderen  Feste  Drachen  (»aus  Buuk-Blättern  und  Rohr   bereitet«)  steigen   (s.  vorne  S.  [548]|  Note). 


|^6l1  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  SQdsee.  323 

nicht  för  die  Ellice-Gruppe  sprechen  würde  (s.  vorne  S.  [44 1])»  die  ja  auch  nur  aus 
Korallbildungen  bestehen. 

Masken  (»Topanu«),  die  sonst  in  Mikronesien  überhaupt  fehlen,  kommen  sowohl 
auf  Ruk  als  Mortlock  vor  und  sind  deshalb  von  ganz  besonderem  Interesse.  Der  Kat. 
M.  G.  verzeichnet  (S.  3o2,  Taf.  XXIX,  Fig.  i)  von  letzterer  Localität  drei  solche  Masken. 
Dieselben  stellen  flache^  aus  Holz  geschnitzte  Gesichter  dar  und  sind  auf  weissem 
Grunde  schwarz  bemalt.  In  der  Form  erinnern  sie  an  ähnliche  Masken  von  Neu-Guinea 
(Taf.  [14],  Fig.  5),  namentlich  durch  eine  wulstige  Umrahmung  des. Gesichtes,  welche 
Bart  vorstellen  soll,  aber  die  Nase  ist  lang,  schmal  und  flach;  besonders  charakteristisch 
ist  ein  flaches  Holzstück  von  elliptischer  Form,  das  am  oberen  Rande  befestigt  ist.  Die 
Länge  beträgt  66 — 73  Cm.,  die  Breite  des  oberen  Randes  36 — 42  Cm.  »Benutzt  wer- 
den diese  Masken  bei  Tänzen«,  wird  im  Kat.  M.  G.  gesagt,  denn  Kubary  übergeht  sie 
in  seiner  Monographie  über  Mortlock  überhaupt  mit  Stillschweigen.  Dagegen  erwähnt 
er  sie  in  der  Industrie  der  Ruk-Insulaner  mit  den  kurzen  Worten:  »Die  mortlockischen 
Topanu-Masken  heissen  hier  ,Livoc*,  sie  werden  aber  nicht  gebraucht«  (1,  S.  59).  Dar- 
nach wäre  also  auffallender  Weise  die  übliche  Benutzung  als  Scherz  bei  Festlichkeiten 
ausgeschlossen,  und  »dass  sie  vom  Henker  gebraucht  zu  werden  scheinen,  um  sein  Amt 
unerkannt  verrichten  zu  können«,  wie  Wetmore  vermuthet,  ist  unzweifelhaft  irrig. 
Vielleicht  ebenso  sehr,  wenn  ich  diesen  Masken  einstweilen  im  Gebiet  des  Geisterlebens 
einen  Platz  einräume,  so  gern  ich  auch  an  der  sonst  allgemein  üblichen  Gebrauchs- 
weise festgehalten  hätte.  Dabei  mag  erinnert  werden,  dass  gewisse  Tänze  auch  mit 
dem  Geisterglauben,  resp.  Ahnencultus  in  Verband  stehen  (s.  vorne  S.  Sog  [547]),  wie 
Kubary  leider  nur  andeutet. 

Talismane  gibt  es  in  jedem  Hause,  und  sie  werden  gleich  von  den  Werkleuten 
(s.  weiter  hinten  unter  Hausbau)  angefertigt.  Diese  stehen  in  dem  Ruf,  schon  die  in 
den  Bäumen  wohnenden  Geister  bannen  zu  können,  um  dadurch  deren  schädlichen 
Einfluss  abzuwenden,  unterstützen  dies  aber  auch  durch  sichtbare  Zauberzeichen,  die 
sogenannten  »Tegumeun«.  Letztere  sind  sehr  verschiedene  harmlose  Sächelchen 
(Beutelchen  mit  Kräutern  gefüllt,  Schleifen  aus  Cocosblatt,  gewisse  Zweige,  buntbemalte 
Koralläste  etc.),  die  an  gewissen  Balken  des  Hauses  an  einem  Strick  befestigt  aufgehan- 
gen werden  (vgl.  Kubary,  I,  S.  50,  Taf.  IX,  Fig.  4,  aus  einem  Zweige  mit  einer  Bar- 
ringtonia-Nuss  bestehend).  Auch  die  Häuser  auf  Mortlock  werden  mit  solchen  Talis- 
manen versehen,  die  aber  durch  den  Einfluss  der  Mission  schon  1877  selten  waren 
(Kubary).  Derselbe  Brauch  herrscht  übrigens  auf  Yap,  wo  ganz  ähnliche  Talismane 
(»Bonot«)  nicht  durch  die  Hausbauer,  sondern  durch  fachmännische  Zauberer  gegen 
Bezahlung  hergestellt  werden  (Kubary  oben  1.  c,  S.  3o). 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten. 

(Materielles  und  wirthschaftliches   Leben.) 

/.  Nahrung  und  Zubereitung. 

a)  Pflanzenkost. 

Wie  schon  aus  den  Andeutungen  über  die  Flora  erhellt,  stehen  die  hohen  Inseln 
der  Rukgruppe  an  Fruchtbarkeit  erheblich  hinter  Kuschai  und  Ponap6  zurück,  während 
die  niedrigen  Inseln  der  Mortlockgruppe  weit  bessere  Bodenbeschaffenheit  als  sonst 
Atolle  aufzuweisen  haben.  Auf  Ruk  gedeihen  Brotfrucht  und  Cocospalmen  allerdings 
bis  auf  die  Gipfel  der  kahlen,  felsigen,  steilen  Berge,  allein  nur  die  sanften  Abhänge  der 


324  ^^-  ^-  ^'^^*^^'  [562] 

letzteren  bestehen  aus  Thonboden,  der  indess,  wie  auf  Poaap6,  stark  mit  basaltischem 
Geröll  und  Trümmergestein  bedeckt  ist.  Diese  zuweilen  an  das  Meer  grenzenden,  übri- 
gens meist  schmalen  Abhänge  und  der  Sandgürtel  des  Strandes  »sind  die  einzigen 
Stellen,  wo  der  Eingeborene  einige  Cultur  des  Landes  versuchen  kann«.  Man  benutzt 
aber  auch  die  mit  Mangrove  gesäumten  sumpfigen  Striche,  welche  sich  an  den  Grenzea 
der  Sandgürtel  und  der  Abhänge  infolge  des  von  den  Bergen  herabströmenden  Regens 
bilden,  da  es  auch  auf  Ruk  keine  Bäche  gibt.  Solche  Sumpfniederungen  werden  mit 
Laub  und  Erde  ausgefüllt,  und  dadurch  entstehen  die  Tarofelder,  für  welche  Kubar}' 
häufig  das  englische  Wort  »Taropatschen«  anwendet.  Die  Producte  dieser  geregelten 
Plantagenwirthschaft  sind  auf  Ruk  nach  Kubary  vorzugsweise:  Gelbwurz,  Landtaro^ 
(»Para«),  etliche  Musaarten  und  Zuckerrohr,  in  letzter  Zeit  auch  Wassermelonen  und 
Kürbis,  beide  eingeführt.  Dabei  mag  noch  an  Tabak  erinnert  werden,  den  Kuban- 
a.  O.  erwähnt.  Bemerkenswert  ist,  dass  auf  Ruk  der  Landbau  allein  von  den  Männern^) 
besorgt  wird. 

Ganz  ähnlich  sind  die  Verhältnisse  auf  Mortlock,  wo  ebenfalls  ein  geregelter  Plan- 
tagenbau betrieben  wird,  wie  sonst  nur  selten  auf  Atollen.  Schon  Kittlitz  war  auf 
Lukunor  durch  diese  Taroplantagen,  besonders  aber  deren  künstliche  Bewässerung 
überrascht,  über  die  wir  durch  Kubary  nichts  erfahren.  »Die  Pflanze  schien  uns  nicht 
wesentlich  verschieden  von  der  kleinen  Art  der  essbaren  Caladien  von  Ualan  (,KatakO 
und  gehört  zu  derjenigen  Varietät,  die  einen  besonders  stark  bewässerten  Boden  nöthig 
hat.  Daher  sind  auch  hier  die  ziemlich  ausgedehnten  Anpflanzungen  derselben,  die 
man  in  den  nächsten  Umgebungen  der  bewohnten  Inselstrecke  findet,  künstlich  unter 
Wasser  gesetzt,  durch  ein  System  von  sinnreich  angelegten  kleinen  Canälen,  mittelst 
welcher  das  Regenwasser  im  Innersten  der  Insel  in  eine  förmliche  Sumpflache  vereinigt 
wird«  (Denkwürd.,  II,  S.  96).  Doane  sah  (1874)  auf  der  Hauptinsel  Lukunor  zwei  Taro- 
plantagen, von  denen  jede  in  besondere  Felder  eingetheilt  war,  deren  Einzäunung  die 
verschiedenen  Besitzer  bezeichnete. 

Nach  Kubary  baut  man  auf  Satöan  und  Mosch  Taro  (»Para«)  in  drei  Arten,  die 
je  in  mehreren  Varietäten  unterschieden  werden.  >Oot«  (auch  »Otsch«  und  »No§«, 
Notsch  geschrieben)  ist  das  in  bewässerten  Gruben  cultivirte  Arum  esculentum,  »Ket< 
minder  wichtig,  »Pula«,  das  über  mannshohe  Arum  macrorhi:[um,  welches  mit  seinen 
kolossalen  Blättern  trotz  seiner  harten,  faserigen  Knollen  mit  die  wichtigste  Cultur- 
pflanze  bildet.  Bananen  (»U§«,  »Usz«,  spr.  »Utsch«)  werden  auf  Mortlock  ebenfalls 
cultivirt. 

Zur  Bearbeitung  des  Bodens  bedient  man  sich  besonderer  Ackergeräthschaften. 
Auf  Ruk  genügt  ein  gewöhnlicher,  etwas  zugeschärfter  Stock  (»Ot«  genannt),  der 
unter  demselben  Namen  auch  auf  Mortlock  vorkommt  und  im  Kat.  M.  G.  (S.  325)  als 
»Anget  en  pu^l«  beschrieben  wird:  »halbrundes  Stück  Cocosholz,  nach  einem  Ende  hin 
zugespitzt  und  nach  dem  anderen  löffelstielartig  abgeplattet;  172 — i'go  M.  lang;  zum 
Bohren  von  Löchern  und  zum  Ausheben  der  Wurzeln«. 

Eigenthümlich  für  Mortlock  ist  dagegen  das  folgende  Ackergeräth: 

» Aufel«  (Nr.  33,  i  Stück),  Tarohacke  (Fig.  55),  bestehend  aus  einem  32 — Z^  Cm. 
langen  runden  Holzstiel,  an  welchen  vorne  ein  rechtwinkelig  abstehendes,  circa  8  Cm. 


I)  Auf  Pelau  findet  gerade  das  umgekehrte  Verhältniss  statt.  Das  »einzige  beständige  Nahrungs- 
mittel« ist  hier  Taro  (Coüocasia  esculenta);  Yams  (Dioscorea)  fehlt  gänzlich;  Brotfrucht  und  Bananen 
kommen  nur  nebensächlich  in  Betracht  (vgl.  die  ausführliche  Schilderung  von  Kubary:  »Der  Landbau 
der  Pelauaner«  (»Ethnol.  Beitr.«»  II,  S.  156 — 166). 


[S^^l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Södsee.  325 

langes  Querstück  mittelst  Schnur  aus  Cocosfaser  befestigt  ist^  an  letzteres  wiederum  mit 
demselben  Material  die  eigentliche  Klinge;  letztere  besteht  aus  dem  Abschnitt  vom 
Knochenpanzer  einer  Schildkröte,  derart  zurechtgestutzt,  dass  der  Rippenkiel  die  Mittel- 
linie bildet;  die  untere  Randkante  ist  etwas  # 
zugeschärft;  Länge  der  Klinge  24  Cm.,  Breite         ^                    ^^S-  55- 
8  Cm.                                                                       "" 

Ich  erhielt  nur  zwei  Exemplare  dieses 
interessanten  Geräthes,  das  nach  Kubary  der 
Vergangenheit  angehört  und  nur  auf  Mortlock 
vorkam.  Aber  das  Museum  Godefifroy  (Kat., 
S.  325,  Taf.  XXX,  Fig.  2)  besass  auch  ein 
Exemplar  von  der  Insel  Losop,  und  ich  er- 
hielt durch  Kubary  eine  Klinge  von  Nukuor, 

so  dass  das  Geräth  jedenfalls  eine  weitere  Ver-  ~  circa  Vt  natüri.  Grösse. 

breitung  hatte.  Die  Grösse  von  neun  Klingen  Tarohacke. 

im    Museum  Godeffroy  ist  zu   i6 — 42  Cm.  Mortlock. 

Länge  und  7 — 16  Cm.  Breite  angegeben. 

Aeusserst  wichtig  für  die  Ernährung  der  Eingeborenen  ist  der  Brotfruchtbaum 
(»Mey«  auf  Mortlock),  dessen  Verschiedenheiten  in  Grösse  und  Gestalt  der  Blätter  wie 
Früchte  schon  Kittlitz  von  Lukunor  bemerkt,  und  wovon  die  Eingeborenen  auf  Satöan 
(nach  Kubary)  18  verschiedene  Varietäten  durch  Eigennamen  unterscheiden,  ja  auf  Ruk 
»beinahe  60  (?)  verschiedene  Abarten«  (Kat.  M.  G.,  S.  353,  Note).  Die  Varietät  mit  ess- 
baren Kernen,  von  der  Grösse  kleiner  Maronen,  die  geröstet  wie  letztere  schmecken, 
kommt  ebenfalls  vor  und  ist  sehr  beliebt.  Aus  Brotfrucht  bereitet  man  auch  eine  vieler- 
wärts  bekannte  und  weit  verbreitete  Dauerwaare  (»Piru«  der  Marshall-lnsulaner,  S.pgg]), 
die  sich  aber  nach  Kubary  »in  den  flachen  Höhlen  des  Korallenbodens«,  welche  auf 
Mortlock  als  Behälter  dienen,  nicht  lange  hält.  Die  Beobachtungen  von  Kittlitz  auf 
Lukunor  widersprechen  dem.  Denn  hier  war  im  Februar  der  saure  Brotfruchtteig  mit 
ein  Hauptnahrungsmittel,  und  da  die  Brotfruchternte  im  Juni  bis  August  stattfindet,  so 
versteht  man  jedenfalls  die  Conservirung  eben  so  gut  als  auf  fast  allen  Atollen.  Brot- 
frucht bildet  nach  Logan  auf  Ruk  überhaupt  die  wichtigste  Nahrung.  Der  Ausfall  der 
ßrotfruchternte,  die  in  Folge  von  Stürmen  und  Dürre  zuweilen  sehr  unbedeutend  ist, 
wird  daher  zur  Lebensfrage  für  diese  Inselbewohner  und  kann  thatsächliche  Hungers- 
noth  zur  Folge  haben.  So  verzeichnet  die  Schädelsammlung  des  Museum  Godeffroy 
mehrere  Nummern  mit  dem  Vermerk:  »in  Folge  von  Hungersnoth  verstorbenes  Indivi- 
duum« von  Ruk. 

Bei  den  nicht  immer  sicheren  Erträgen  von  Taro  und  Brotfrucht  bildet  daher 
C0C08nU88,  obwohl  keineswegs  im  Ueberfluss  vorhanden,  ein  wichtiges  Nahrungs- 
mittel, namentlich  für  Mortlock  (hier  »Nu«,  die  Palme,  wie  junge  Nuss,  »Zu«,  die  reife 
Nuss),  dessen  Bewohner  »neun  Monate  im  Jahre  nur  auf  Nuss  angewiesen  sind« 
(Kubary).  Sie  kommt  in  »mehreren  Varietäten  vor,  unter  Anderem  auch  in  einer  ,Atol' 
genannten,  mit  süsser  essbarer  AussenhüUe«  (!?).  Das  Erklettern  der  Cocospalmen  ge- 
schieht in  der  bei  Kuschai  (S.  [459])  beschriebenen,  weit  verbreiteten  Manier. 

Bananen.  Die  Spärlichkeit  derselben  auf  Lukunor  wird  schon  von  Kittlitz  erwähnt 
und  für  Satöan  von  Kubary  bestätigt.  Häufiger  scheint  ihr  Vorkommen  auf  Ruk,  wo 
nach  Kubary  auch  Zuckerrohr  gebaut  wird.  Leider  gedenkt  der  Reisende  mit  keiner 
Silbe  der  etwaigen  Benutzung  von  Pandanus,  dessen  Früchte  sonst  für  die  Ernährung 
der  Atollbewohner  so  eminent  wichtig  sind. 


326  Dr.  O.  Finsch.  [364] 

Andere  wildwachsende  Früchte  kommen  kaum  in  Betracht.  Kubary  erwähnt  von 
Ruk  eine  Gurke  (s.  vorne  S.  [536])  und  von  Mortlock  »eine  Arrowroot-Art,  deren 
Anbau  nur  als  Aushilfe  in  Hungerszeiten  betrieben  wird,  eine  Eugenia,  mit  geniess- 
baren  Aepfeln,  in  spärlicher  Anzahl  (die  Kittlitz  schon  von  Lukunor  anführt),  eine  Art 
Orange  mit  kaum  geniessbaren  Früchten  (auch  auf  Ruk  ,Gorgur*),  den  ,Afush-BaumS 
dessen  aromatische  Früchte  roh  und  geröstet  genossen  werden,  und  als  eingeführt  den 
Melonenbaum  (Carica  jpcLjpaya)^  der  aber  nicht  besonders  fortkommt«.  Auf  Ruk  wur- 
den, wie  erwähnt,  auch  Kürbisse  und  Wassermelonen  eingeführt.  Ein  anschauliches 
Bild  tropischer  Plantagenwirthschaft  auf  Lukunor  gibt  Kittlitz  auf  PI.  33  der  »Senjavin- 
Reise«  (mit  Cocos,  Banane,  Brotfrucht  und  den  mannshohen  Taro blättern). 

b)  Fleischkost. 

Hausthiere.  Lütke  fand  bereits  auf  Lukunor  Hunde  und  Katzen  (»Gato«),  die 
nach  Kubary  auf  Ruk  schon  in  »Zeiten  bekannt  waren,  wo  noch  keine  Weissen  die 
Inseln  besuchten«,  aber  jedenfalls  bei  dem  Verkehr  mit  den  Mariannen  von  dort  her- 
stammten. Kubary*s  Annahme,  »dass  der  Hund  (,Konak')  von  Ruk  eine  diesen  Inseln 
eigenthümliche  Rasse  bildet  (Kat.  M.  G.,  S.  353),  ist  irrthümlich  und  beruht  auf  mangel- 
hafter zoologischer  Kenntniss.  Denn  keine  der  ursprünglichen  Hunderassen  Einge- 
borener besitzt  ,lange,  herabhängende  Ohren*  und  vermag  (wie  Kubary  a.  O.  anführt) 
,laut  zu  bellen*«.  Lütke  bemerkt  daher  vom  Mortlock-Hunde  (»Kolak«)  mit  Recht: 
»Diese  grossen  Hunde  scheinen  einer  europäischen  Rasse  anzugehören.«  Ob,  wie  auf 
Ponape, ')  Hunde  gegessen  werden,  lässt  Kubary  unerwähnt,  bestätigt  aber  Lütke*s  Be- 
merkung, dass  man  Hühner  verschmäht.  Dagegen  gelten  Fruchttauben  (Carpophaga 
Qceanica),  schwarze  Meerschwalben  (Anous  stolidus)  und  deren  Eier  als  Leckerbissen, 
wie  die  Eier  von  Schildkröten.  Vermuthlich  wird  man  auch  das  Fleisch  der  letzteren 
nicht  verschmähen. 

Fanggeräthschaften  für  VögeP)  lässt  Kubary  unerwähnt,  was  deshalb  hier  ange- 
führt sein  soll,  weil  eine  im  Kat.  M.  G.  (S.  422,  Nr.  746)  angeblich  von  »Pelau«  ver- 
zeichnete »Yogelfalle«  nach  demselben  Forscher  »nicht  von  den  Pelaus,  sondern  von 
den  Central-Carolinen  herstammt«  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  121,  Note),  darnach  also  der- 
artige Fangwerkzeuge  hier  bekannt  sein  müssten.  Da  die  verwilderten  Hühner  aber 
nicht  gegessen  werden,  so  erscheint  dies  mindestens  recht  zweifelhaft. 

Fische  (»ik«  auf  Mortlock)  bilden  keinen  so  hervorragenden  Theil  der  Ernährung, 
wie  man  gewöhnlich  bei  solchen  Inselbewohnern  voraussetzt,  oder  werden  doch  nur  zu 
gewissen  Jahreszeiten  häufiger  gefangen.  Wenigstens  bemerkt  Kubary  ausdrücklich: 
»als  Zuspeise  geniesst  der  Mortlocker  selten  einen  Fisch«.  Dies  gilt  wohl  aber  vorzugs- 
weise von  Satöan,  in  dessen  fischreicher  Lagune  der  Fischfang  »durch  die  Tiefe  des 
Wassers  und  den  gänzlichen  Mangel  an  flachen  Abfällen  sehr  erschwert  wird«.  Auf 
Lukunor  nährte  sich  die  Bevölkerung  aber  im  Monate  Februar  hauptsächlich  von 
Fischen  (Kittlitz). 

>)  Hier  besass  man  bereits  vor  Ankunft  der  Weissen  eine  eigene  Art  eingeborener  Hunde 
(s.  vorne  S.  [505]),  wie  dies  Dr.  Gräffe  auch  für  Rarotonga  angibt. 

3)  Die  einzigen  geschickten  Fallensteller  unter  den  Caroliniern  scheinen  die  Pelauer  gewesen 
zu  sein.  Kubary  beschreibt  mehrere  Arten  sinnreich  erfundener  Schlingen  und  Fallen  zum  Fange  von 
Tauben  (Carpophaga  oceanica)^  zahmen  und  wilden  Hühnern  und  Purpurhühnern  (»Wek«,  Porphyrio 
pelewensis,  H.  u.  F.)  in  »Die  Industrie  der  Pelauerc  (»Ethnol.  Beitr.«,  S.  120,  121,  Taf.  XVI,  Fig.  4  bis 
IG),  sowie  ein  Handnetz  zum  Fange  fliegender  Hunde  (Pteropus  Keraudreni,  Q.  u.  G.)  (ib.  S.  120, 
Fig.  3),  fügt  aber  hinzu:  »Schlingenstellen  wurde  indess  nur  selten  geübt  und  ist  seit  Einführung 
von  Gewehren  fast  gänzlich  erloschen.«  Geschickt  im  Vogelfang  mit  Schlingen  sind  auch  die  Satno- 
aner  und  Maoris. 


[565]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  327 

Dass  im  Uebrigen  Krusten-  und  Schaalthiere  keineswegs  verschmäht  werden, 
bedarf  nicht  erst  der  Anführung.  Kittlitz  gedenkt  auch  einiger  grossen  Holothurien  als 
Nahrungsmittel  und  Kubary  der  Cocosnusskrabbe  (Birgus  latro). 

c)  Zubereitung. 

Die  Kochkunst')  der  Mortlocker  steht  nach  Kubary  auf  keiner  hohen  Stufe  und 
wird  in  ähnlicher  Weise  als  sonst  auf  Koralleninseln  betrieben,  d.  h.  man  bäckt  und 
röstet  zwischen  glühenden  Steinen,  in  der  heissen  Asche  oder  direct  im  Feuer.  Wenn 
Kubary  das  Wort  »Backofen«  (»Um«)  für  Mortlock  anführt,  so  ist  darunter  nur  das 
allgemein  übliche  Rösten  zwischen  erhitzten  Steinen  zu  verstehen.  Fische  werden  direct 
über  dem  Feuer  geröstet  oder  auch  roh  verzehrt.  Aus  Eiern  von  Schildkröten  oder 
Seeschwalben  bereitet  man  in  einer  Cocosschale  Rührei.  In  den  Schalen  grosser  Cassis- 
Muscheln  (Kat.  M.  G.,  S.  328,  Nr.  3508)  wird  eine  sehr  beliebte  Festspeise  (aus  Brot- 
frucht und  Cocosmilch)  gekocht,  die  nach  Kubary  durchaus  nicht  schlecht  schmeckt. 
Sie  heisst  auf  Mortlock  (wie  Nema  und  Losop)  »Möen«  und  ist  auffallenderweise  auf 
Ruk  unbekannt.  Hier  wird  die  Brotfrucht  hauptsächlich,  wie  anderwärts,  zwischen 
heissen  Steinen  gebacken,  noch  heiss  geschält  und  dann  zu  einem  Teige  gestampft,  der, 
in  Blätter  eingewickelt,  sich  lange  hält.  Auf  Mortlock  »wird  ausser  der  Brotfruchtzeit 
wenig  gekocht«  und  die  Bereitung  der  Nahrung  von  den  Frauen  besorgt,  während  auf 
Ruk  dies  Geschäft  gerade  den  Männern  zufällt  (Kubary  in  Kat.  M.  G.,  S.  377). 

d)  Reizmittel. 

Tabak ^)  ist  das  einzige  hieher  gehörige  Product,  welches  Tür  unser  Gebiet  in  Be- 
tracht kommt,  und  wird  auf  Ruk,  hier  »Suba«  genannt,  in  beschränkter  Weise  sogar 
angebaut,  obwohl  diese  Cultur  den  eigenen  Bedarf  nicht  deckt.  Durch  Händler  und 
Schiffe  eingeführter  Stangentabak  (vgl.  S.  [20])  ist  daher  auch  in  unserem  Gebiete  zum 
Bedarfsartikel  geworden,  sehr  zum  Aerger  der  Mission,  welche  in  ihren  Berichten  häufig 
über  diese  »Unsitte«  klagt.  Wie  meist  in  den  Carolinen  (auf  Samoa  und  anderwärts) 
wird  Tabak  in  Form  von  Cigaretten  geraucht,  zu  denen  man  als  Decker  ein  Stück 
trockenes  und  sehr  dünnes  Bananenblatt  benutzt.  Ob  die  Tabakspflanze  nicht  vielleicht 
ursprünglich  durch  die  früheren  eingeborenen  Tauschverbindungen  mit  den  Ladronen 
in  unser  Gebiet  gelangte,  soll  hier  nur  nebenher  vermuthungsweise  gestreift  werden. 
Ich  halte  diese  Annahme  wenigstens  für  die  richtigere,  wenn  sich  die  Frage  auch  nicht 
mehr  lösen  lässt. 


1)  Dieselbe  ist  jedenfalls  auf  Pelau  am  höchsten  entwickelt,  wie  uns  Kubary  in  seiner  er- 
schöpfenden Abhandlung:  »Die  Nahrung  der  Pelauer  und  deren  Bereitung«  (in  »Ethnol.  Beitr.«,  U, 
S.  166 — 174)  belehrt.  Trotz  nur  weniger  Producte  ist  die  Aufzählung  der  verschiedenen  daraus  bereiteten 
Speisen  ganz  erstaunlich;  so  z.  B.  werden  allein  aus  Taro  und  dessen  Blättern  14  verschiedene  Ge- 
richte bereitet.  Bei  Vergleichung  ergeben  sich  übrigens  einige  Abweichungen  mit  der  früheren  Dar- 
stellung (in  >Journ.  M.  G.«,  Heft  IV,  S.  61  und  62).  So  z.  B.  sagt  Kubary  hier,  dass  die  Schildkröte 
>nur  den  Reichen  zugänglich  sei«,  erklärte  sie  aber  später  »als  ein  den  Göttern  geheiligtes  Thier, 
•ias  nur  in  Krankheitsfällen  als  Opfer  (S.  168)  oder  auf  Gehciss  eines  Wahrsagers  (S.  188)  ver- 
zehrt wird«. 

2)  Dieses  Narcoticum  wurde  auf  Pelau  und  Yap  schon  vor  Ankunft  Weisser  cultivirt,  wäre 
aber  nach  Kubary  ursprünglich  von  den  Philippinen  eingeführt,  eine  Annahme,  die  indess  sehr  an- 
fechtbar bleibt.  Jedenfalls  hat  sich  Tabak  und  Tabakrauchen  schon  früh  von  hier  aus  nach  Osten 
verbreitet,  und  schon  1828  wurden  die  Senjavin-Reiscnden  auf  Fais  und  Uluti  um  Tabak  angesprochen. 
In  diesen  westlichen  Gebieten  hat  sich  eine  besondere  Industrie  in  fein  geflochtenen  Täschchen  (aus 
PandanuS'Bl^tt)  entwickelt,  die  als  Tabaksbehälter  dienen.  Die  Sammlung  besitzt  ein  solches  Täsch- 
chen (Nr.  705)  von  Yap,  welches  ganz  mit  der  Abbildung  im  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  14, 
übereinstimmt,  hier   als  von  »Pelau«  bezeichnet,   nach  Kubary  aber  sicher  von  Yap  (»Ethnol.  Beitr.^, 

Annalen  des  k.  k.  Daturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  23 


328  Dr.  O.  Finsch.  [566] 

2.  Koch'  und  Essgeräth. 

a)  Feuerreiben.  Die  von  der  sonst  üblichen  abweichende  Methode,  mittelst  zweier 
Hölzer  nicht  durch  Reiben,  sondern  Quirlen  Feuer  zu  erzeugen,  wie  sie  unter  Anderem 
auch  in  Australien  und  bei  gewissen  Indianerstämmen  Californiens  vorkommt,  wird 
schon  von  Chamisso  ausführlich  beschrieben  (II,  S.  323).  Nach  ihm  wäre  diese  Art  für 
die  Carolinen  eigenthümlich,  sie  ist  aber,  wie  wir  bei  Kuschai  gesehen  haben,  nicht  all- 
gemein gütig.  Ueber  die  Methode  des  Erzeugens  von  Feuer  auf  Mortlock  macht  Ku- 
bary  keine  Mittheilung,  erwähnt  dagegen,  dass  auf  Nukuor  Feuer  gerieben,  aber  auch 
mittelst  Bohren  erzielt  wird,  welche  letztere  Methode  »man  erst  von  Yap- Eingeborenen 
erlernte,  die  angetrieben  waren«  (Kat.  M.  G.,  S.  350).  Noch  befremdender  klingt  die 
Angabe  desselben  Berichterstatters  (ib.  S.  378),  dass  auf  Ruk  die  Methode,  Feuer  zu 
erzeugen,  von  beiden  Geschlechtern  verschieden  prakticirt  wird:  die  Männer  reiben 
(»Oburuk«),  die  Frauen  quirlen  (»Liok«).  Leider  gibt  Kubary  keine  Beschreibung  der 
Geräthschaften  zum  Feuerreiben.  Es  mag  daher  erwähnt  sein,  dass  man  sich  zum 
Bohren,  resp.  Quirlen  eines  Drillbohrers  bedient,  wie  er  anderwärts  zum  Bohren  von 
Löchern  benützt  wird  (z.  B.  auf  den  Marshall- Inseln,  s.  vorne  S.  [411]),  nur  dass  der 
Feuerreiber  eine  stumpfe  Spitze  besitzt.  Mein  lieber  Freund  Prof.  Giglioli  in  Florenz 
besitzt  einen  solchen  Drillbohrer  zum  Feuerreiben  ohne  nähere  Fundortsangabe,  bei 
dem  die  runde  Scheibe  aus  Schildkrötenknochen  besteht,  was  auf  Mortlock  hindeutet. 
Nach  der  ziemlich  unklaren  Beschreibung  der  »Hölzer  zum  Feuerreiben  €  mitteist 
Bohren  (Kat.  M.  G.,  S.  403)  scheint  auf  Yap  ein  ähnliches  Geräth  bekannt  zu  sein.  Von 
Pelau  werden  auch  (ib.  S.  426)  Büchsen  aus  Bambu  »für  die  Aufbewahrung  des  beim 
Feuermachen  gebrauchten  weichen  Holzes«  notirt  und  von  Uleai  eine  »Zunderdose  aus 
Bambusrohr,  weiches  Holz  enthaltend,  welches  als  Zunder  beim  Feueranreiben  ver- 
wendet wird  und  den  Funken  gleich  einem  Feuerschwamm  auffängt«  (S.  389),  eine 
Methode,  die  wegen  ihrer  Eigenartigkeit  hier  angeführt  sein  mag. 

b)  Kochgeräth.  Wie  das  Kochen  selbst  sind  auch  die  hierher  gehörigen  Uten- 
silien äusserst  einfach.  Kubary  erwähnt,  dass  auf  Mortlock  in  grossen  Muscheln  (Cassis 
cornuta)  und  selbst  in  Cocosschalen  (und  zwar  Rührei)  gekocht  wird,  da  Töpfe  fehlen 
und  im  ganzen  Carolinen-Archipel  nur  auf  Pelau  und  Yap  gemacht  wurden  (s.  Nach- 
träge). 

Schaber.  Als  solche  gedenkt  Kubary  von  Ruk  nur  die  weit  und  breit  benutzten 
Schalen  einer  i4rca-Muschel,  deren  gezähnelter  Rand  sich  trefflich  dafür  eignet  und  die 
mit  der  Hand  geführt  werden.  Es  lässt  sich  aber  annehmen,  dass  gelegentlich  auch 
andere  Muscheln  (Perlschalen,  Venus)  als  Schaber,  resp.  Messer  benutzt  werden,  ebenso 
die  rauhe  Oberfläche  gewisser  Korallen  als  Reibeisen,  wie  dies  unter  Anderem  auf 
Nukuor^)  bei  der  Bereitung  von  Gelbwurzpulver  geschieht  (Kat.  M.  G.,  S.  348).  Wie 
hier  braucht  man  zu  dieser  Fabrication  auch  auf  Ruk  besondere  Siebe  (s.  weiter  zurück 
»Bemalen«). 

Als  Brecher  zum  Abschälen  der  Faserhülle  der  Cocosnuss  benutzt  man,  wie 
vielerwärts,  einen  an  beiden  Seiten  zugespitzten  Stock  aus  Hartholz,  wie  dies  schon 
Lütke  von  Lukunor  erwähnt.    Das  eine  Ende  des  Stockes  wird  in  die  Erde  gesteckt 


II,  S.  2H).   Von  Pelau  auch   ähnliche  Täschchen  (Kat.  M.  G.,  S.  428)  und  kolbenförmige  CocosnQsse 
als  Tabaksbehälter  von  Uleai  (ib.  S.  389). 

»)  Von  hier  verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  ein  sehr  eigenartiges  schemeiförmiges  Schabergeräth  mit 
vier  Beinen  und  Schneide  aus  Perlschale  (S.  347,  Taf.  XXXI,  Fig.  5). 


[5^71  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  32g 

und  dann  die  mit  beiden  Händen  gefasste  Cocosnuss  kräftig  auf  die  Spitze  des  Stockes 
geschlagen,  um  so  die  Faserhülle  zu  sprengen  und  von  der  Nuss  zu  scheinen.  Der  Kat. 
M.  G.  (S.  377)  verzeichnet  ein  solches  Geräth  von  Ruk;  die  Sammlung  enthalt  es  von 
Rotumah  (Nr.  67).  Eine  ganz  verschiedene  Methode  wird  auf  Pelau  angewendet,  indem 
man  die  Nuss  zwischen  den  Füssen  festklemmt  und  dann  mit  einem  kurzen  Stöckchen 
abschält  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  56). 

Stampfer  aus  Stein  stimmen  in  der  Form  ganz  mit  solchen  von  Kuschai  überein, 
sind  aber  auffallenderweise  nicht  aus  Basalt,  sondern  einem  sehr  festen,  indess  körnigen, 
hellen  Korallfels  geaibeitet.  Der  Fig.  56  abgebildete  Stampfer  von  Ruk  übertrifft  in 
sauberer  Arbeit  die  ähnlichen  Erzeugnisse  von  Kuschai  und  ist  unten  breiter,  mit  vor- 
springendem Rande;  Höhe  19  Cm.,  Breite  unten  i3  Cm.  Diese  Stampfer  heissen  nach 
Kubary  auf  Ruk  »Po«  und  dienen  hauptsächlich  zum  Stampfen  der  gebackenen  Brot- 
frucht. Der  Kat.  M.  G.  (S.  377)  verzeichnet  zwei  solche  Stampfer  aus  Korallstein  von 
Ruk  (»Höhe  15  Cm.,  Durchmesser  unten  9 — 10  Cm.«),  aber  kein  derartiges  Geräth 
von  Mortlock  oder  einer  anderen  Carolineninsel.  Aber  Kubary 
erwähnt  von  Pelau  Stampfer  aus  Holz,  Basalt  und  »  Tridacna^y  ^^ß-  5^. 

von  denen  solche  aus  den  beiden  letzteren  Materialien  bereits 
der  Vergangenheit  angehören  und  die  in  der  Form  von  denen 
von  Kuschai  (S.  [462])  wie  Ruk  abweichen  (vgl.  >  Ethnol.  Beitr. «, 
II,  S.  208,  Taf.  XXVIII,  Fig.  12  u.  i3). 

c)  Essgeräth.  Hölzerne  flache  Schüsseln  von  Lukunor 
sind  in  drei  verschiedenen  Formen  im  Atlas  der  »Senjavin- 
deise«  (PI.  29,  Fig.  i3,  14  u.  15)  abgebildet  und  von  daher  im 
Kat.  M.  G.  (S.  327)  als  »Sapey«  beschrieben.  Ich  erwähne  dies 
deshalb,  weil  Kubary  sowohl  von  Mortlock  als  Ruk  keiner 
Schüsseln  gedenkt  und  von  letzterer  Gruppe  besonders  her- 
vorhebt, dass  man  sich  als  Teller  nur  Blätter  bedient,  wie  dies 
übrigens  nicht  blos  »polynesische«,  sondern  auch  melanesische  1/^  natüri.  Grösse. 

Sitte  ist.  Dies  ist  in  der  That  sehr  merkwürdig,  denn  gerade      Stampfer  aus  Korellfels, 
die  Ruker  zeichnen  sich  hervorragend  in  der  Anfertigung  von  l^^]^ 

Holzgefässen  aus,  die  Kubary  eingehend  schildert  (»Ethnol. 

Beitr.«,  I,  S.  54  u.  55,  Taf.  X,  Fig.  i — 5).  Es  werden  hier  nicht  weniger  als  neun  ver- 
schiedene Formen,  meist  trogförmige  Holzgefässe,  beschrieben,  deren  eingeborene 
Namen  nicht  immer  mit  denen  im  Kat.  M.  G.  (S.  375 — 377)  verzeichneten  überein- 
stimmen. Ob  sich  überhaupt  die  geringfügigen  Verschiedenheiten  dieser  ineinander 
übergehenden  Formen  constant  unterscheiden  lassen,  darf  bezweifelt  werden.') 

Ein  hervorragendes  Stück  ist  das  folgende: 

Hölzerner  Trog.  Schüsseiförmiges,  sehr  grosses,  fast  rundes,  tiefes  Gefäss,  unter- 
seits  kielförmig,  aus  einem  Stammstück  des  »Tomanobaumes«  gezimmert,  mit  halt- 


>)  Dasselbe  gilt  für  die  mannigfachen  Erzeugnisse  der  am  höchsten  entwickelten  Holzindustrie 
von  Pelau.  Während  Kubary  in  seiner  früheren,  allerdings  mehr  allgemein  gehaltenen  Arbeit  über 
Pelau  (Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  S.  60)  nur  vier  Hauptformen  aufführt,  notirt  er  in  seiner  neuen  Abhand- 
lung über  drei  Dutzend  verschiedener  Formen  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  201 — 205,  Taf.  XXIV— XXVIII). 
Aber  er  fügt  im  Einklang  mit  der  obigen  Bemerkung  hinzu:  »Die  einzelnen  Formen  (manche  nur  in 
zwei  Exemplaren  überhaupt  bekannt)  werden  selbst  von  den  Eingeborenen  nicht  immer  deutlich  unter- 
schieden.« Trotz  dieser  Fülle  ist  übrigens  ein  früher  als  »Kongolungul«  beschriebenes  Gefäss  ver- 
gessen, und  die  Schreibweise  der  Namen  weicht  zum  Theile  ab,  wie  dies  Kubary  so  häufig  passirt 
(vgl.  auch  Kat.  M.  G.,  S.  423). 

23* 


33o  Dr-  O.  Finsch.  [5^8] 

barer  rothbrauner  Farbe  angestrichen;  Längsdurchmesser  98  Cm.,  Breitendurchmesser 
92  Cm.,  Tiefe  47  Cm.   Ruk. 

Wegen  des  gekielten  Bodens  würde  dieses  Stück  zu  der  grössten  Form  von  Holz- 
gefässen  (»Namuetin«  oder  »Urou«  genannt)  gehören,  welche  bis  i  M.  Länge  erreichen. 
Sie  werden  nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  zum  Ausstellen  von  Nahrung  benutzt  und 
dann  auf  Böcke  gesetzt,  da  sie  sonst  umfallen  würden. 

Nach  Kubary  sind  fast  alle  grossen  Gefasse  aus  »Rokit«-Holz  (Calophyllum 
inophyllum)  gezimmert,  kleinere  aus  Brotfruchtbaum  und  einigen  anderen  Hölzern. 
Die  grossen  Gefasse  werden  innen  und  aussen  mit  rother  Erde  (>Lep€  auf  Mortlock) 
und  einem  Firniss  aus  »Ais<-Nuss  angestrichen.  Diesen  Firniss  beschreibt  Kubary  a.  O. 
von  Ruk:  »Aus  der  ,Andiwo*-Nuss  (?  Cinnamomum  spec?)  wird  ein  Fett  gewonnen, 
das  zur  Bereitung  von  Kitt  und  Firniss  dient«  (Kat.  M.  G.,  S.  353),  und  dieser  Firniss 
wird  wahrscheinlich  auch  auf  Mortlock  gemacht,  woher  der  Kat.  M.  G.  (S.  328)  einen 
»Firnissbehälter  aus  Cocosnussschale«  verzeichnet.  Identisch  ist  vermuthlich  auch  der 
»Laok«-Firniss  von  Pelau,  der,  mit  Ocker  vermischt,  zum  Anstrich  von  Holzgefässea 
dient,  eine  Methode,  die  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  201)  näher  beschreibt.  Nach 
Kubary  bleiben  kleinere  Holzgefässe  meist  in  der  ursprünglichen  Holzfarbe  oder  wer- 
den schwarz  bemalt.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  auch  grosse  Gefasse  unangestrichen, 
andere  rothbraun  und  fast  dunkelbraun  mit  schwarzem  Rande.  Nach  Kubary  dienen 
alle  die  Holzgefässe  dem  inneren  Verkehr  der  Stämme  untereinander  als  Geldeswerth, 
namentlich  bei  Friedensschliessungen.  Sehr  mannigfach  ist  auch  die  Industrie  in 
schüsseiförmigen  bis  trogförmigen  Holzgefässen  auf  Nukuor  (»Kameti«),  wovon 
Kubary  verschiedene  beschreibt,  darunter  eine  Art  bis  6  Fuss  lange  Tröge,  die  man 
gewöhnlich  zum  Sammeln  von  Regenwasser  benutzt  (Kat.  M.  G.,  S.  349)..  Hier  auch 
Schüsseln  (S.  348),  die  in  Ermanglung  rother  Farbe  mit  Gelbwurz  eingerieben  werden, 
wie  dies  auf  Poloat  geschieht  (ib.  S.  38o).  Auch  auf  Sonsol  werden  oder  wurden  Holz- 
schüsseln angefertigt  (Kubary,  I,  S.  97). 

Wasser-  und  Trinkgefässe  sind  die  allgemein  üblichen  Cocosschalen,  die  nach 
Kubary  auf  Ruk  zuweilen  »schön  abgeschliffen,  aber  nicht  mit  Zwirnstrickereien  um- 
geben werden«.  Darnach  würde  die  Angabe  »Ruk«  für  Fig.  4  (PI.  174)  bei  Edge-Par- 
tington  falsch  sein,  welche  eine  solche  Cocosnussschale  im  dichten  Geflecht  von  Cocos- 
nussfaserstrick  mit  Tragband  darstellt,  wie  solche  von  Nukuor  (Kat.  M.  G.,  S.  350) 
beschrieben  werden.  Im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  ist  eine  eingestrickte  Cocosnuss  als 
Wasserbehälter  von  Lukunor  abgebildet  (PI.  29,  Fig.  18). 

Sehr  hübsche  Trinkgefässe  aus  Cocosnuss  und  Holz  (erstere  zuweilen  mit  Deckel 
aus  Schildpatt  oder  »7>;^ac/ia-Schale«)  beschreibt  Kubary  von  Pelau  (»Ethnol.  Beitr.«, 
II,  S.  204,  205,  Taf.  XXVII  u.  XXVIII). 

Löffel  finde  ich  nirgends  aus  den  Central-Carolinen  erwähnt,  sie  kommen  aber 
im  Westen  vor.  Kubary  beschreibt  solche  und  Schöpfkellen  von  Pelau*)  aus  Holz 
(»Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  206,  Taf.  XXVIII,  Fig.  5  u.  6),  darunter  mit  kunstvoller  Schnitzerei 


I)  Ein  für  diese  Gruppe  eigenthümlicher  ethnologischer  Charakterzug  ist  die  Schildpattindustrie 
in  allerlei  kleinen  Gefässen  (»Toluk«),  die  sonst  nirgends  in  der  Südsee  vorkommen  und  die  Kubary 
neuerdings  eingehend  behandelte.  »Die  Schildpattplatten  werden  in  heissem  Wasser  erweicht,  dann 
in  hölzerne  Formen  gepresst  und  bis  zum  Abkühlen  eingekeilt«  (»Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  188 — 195» 
Taf.  XXIU;  auch  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  2  u.  3;  Kat.  M.  G.,  S.  427;  Edge-Partington, 
Taf.  182,  Fig.  4 — 7).  Die  interessanten  Formen  zum  Pressen  sind  leider  nicht  beschrieben  und  dürften 
in  Museen  kaum  vorhanden  sein. 


[369]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  33 1 

des  Stieles,  welcher  eine  weibliche  Figur  darstellt.  Hierher  gehören  wahrscheinlich  auch 
die  Löffel,  angeblich  von  »Nukuor«  (Kat.  M.  G.,  S.  349). 

Bei  dem  Mangel  an  Quellen  oder  fliessendem  Wasser  überhaupt  muss  man  sich, 
wie  auf  allen  Atollen,  mit  Regenwasser  begnügen,  das  sich  in  gewissen  Tümpeln  an- 
sammelt, oder  in  besonderen  Höhlungen  an  der  Basis  schiefgewachsener  Cocosstämme 
(vgl.  »Senjavin-Reise«,  PI.  32),  die  oft  künstlich  trogartig  erweitert  werden  (wie  in  der 
Abbild,  bei  Kittlitz,  2,  S.  97).  Uebrigens  trinkt  man  wenig  und  meist  Cocosmilch,  da 
Palmsaft  nirgends  Erwähnung  findet. 

Ein  Wassergefass  aus  einer  sehr  hübsch  in  Cocosnussfaserschnur  eingestrickten  Cocosnuss 
besitzt  die  Sammlung  (Nr.  72)  von  der  Insel  Nia-ufu  (zwischen  Viti  und  Samoa).  Die  Cocosnüsse 
von  dieser  Insel  sind  durch  ihre  bedeutende  Grösse  merkwürdig  und  in  der  That  die  grössten  des 
Pacific.  Eine  solche  Nuss  misst  17  Cm.  im  Durchmesser,  55  Cm.  im  Umfange  und  enthält  2  1/2  Liter. 
Flüssigkeit.  Diese  Nüsse  werden  daher  sowohl  nach  Viti  als  Samoa  verhandelt,  wo  sie  als  Wasser- 
gefasse  sehr  beliebt  sind. 

3.  Fischerei  und  Geräth. 

Nach  Kubary  wäre  dieses  Gewerbe  auf  Mortlock  und  Ruk  schon  in  Verfall  ge- 
rathen,  besonders  auf  Ruk,  wo  die  Ausübung  desselben  hauptsächlich  den  Frauen  über- 
lassen ist  (»Ethnol.  Beitr.c,  II,  S.  I23).  Aber  wir  haben  durch  ihn  andererseits  auch 
erfahren,  dass  die  Fischerei  örtlicher  Verhältnisse  halber  besonders  erschwert  wird 
(s.  vorne  S.  362  [564]),  und  dies  ist  vermuthlich  der  Hauptgrund  des  geringeren  Be- 
triebes. Bei  den  spärlichen  Mittheilungen  Kubary's  bleiben  die  älteren  Nachrichten  von 
Kittlitz  und  Lütke  über  Fischerei  auf  Lukunor  noch  immer  werthvoU,  umsomehr,  da 
einige  interessante  Geräthschaften  trefflich  abgebildet  sind. 

a)  NdtzfischBrei.  Lütke  bemerkt  von  Lukunor  ausdrücklich,  dass  man  hier  keine 
grossen  Netze*)  kennt,  und  Kubary  lässt  solche  von  Satöan  ebenfalls  unerwähnt,  ge- 
denkt aber  von  Ruk  »grosse  Netze  (,Uk*)  aus  Cocoszwirn,  hauptsächlich  für  den  Fang 
von  Schildkröten  angewendet«,  und  a.  O.  »eigenthümlicher  Netze  zum  Schildkröten- 
fange während  der  Neraj-Zeit«  (I,  S.  74). 

b)  Hakenfischerei.  Die  kurze  Ncftiz:  »in  früherer  Zeit  wurden  auch  Fischhaken 
aus  Schildpatt  gefertigt«  ist  Alles,  was  Kubary  darüber  von  Ruk  bemerkt,  und  nicht 
minder  ärmlich  sind  die  Nachrichten  in  Betreff  Mortlocks:  »die  alten  Fischhaken  (yUä') 
waren  aus  Schildpatt  oder  aus  der  harten  Cocosschale  gefertigt,  sie  sind  heute  sehr 
selten«  (»Mortlock«,  S.  272).  Aber  wir  kennen  bereits  aus  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  29, 
Fig.  6)  Fischhaken  von  Lukunor,  und  einen  ganz  übereinstimmenden  erhielt  ich  durch 
Kubary  selbst  von  Satöan  mit  der  Bemerkung,  dass  ganz  gleiche  auch  auf  Ruk  vor- 
kommen oder  vorkamen. 

Fischhaken  (Nr.  152,  i  Stück),  Taf.  III  [20],  Fig.  2;  aus  einem  Schaftstück  (a) 
von  Perlmutter  und  Fanghaken  (b)  aus  Schildpatt  mit  Köderbüschel  (c)  aus  schwarzen 
Federn;  e  Breite  der  Rückseite  des  Schaftes.  Mortlock,  Insel  Satöan.  Die  über  3  M. 
lange  Fangleine,  aus  Hibiscus-FaseT  gedreht,  läuft  an  der  Innenseite  des  Schaftes  und 
durch  ein  Bohrloch  an  der  Basis  desselben  (Fig.  2d),  An  jeder  Seite  der  Verbindungs- 
stelle von  Haken  und  Schaft  ist  unter  die  Bindfaden  ein  Knochen-  oder  Grätensplitter 


I)  Am  ausgebildetsten  ist  Fischerei  jedenfalls  auf  Pelau.  Kubary  beschreibt  von  hier  eine  ganze 
Reihe  (an  zehn  Arten)  verschiedener  »Langnetze«,  zum  Theile  mit  Senkern  und  Schwimmern,  die 
zum  Fange  verschiedener  Arten  Meeresthiere  (von  der  Sardine  bis  zum  Dugong)  verwendet  werden 
(»Ethnol.  Beitr.c,  ü,  S.  135—139,  Taf.  XVIII). 


tr 


332  Dr.  O.  Finsch.  [57^3 

eingeschoben,  um  den  Haken  fester  anzufügen.  Ganz  übereinstimmende  Fischhaken 
verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  (S.  324,  Nr.  572)  ebenfalls  von  Mortlock  (aber  Schaft  und 
Fanghaken  aus  Perlmutter)  und  von  Nukuor  (S.  342,  Nr.  732,  u.  S.  343,  Nr.  847,  Schaft 
aus  Perlmutter,  Haken  aus  Schildpatt,  und  S.  342,  Nr.  858,  aus  Trochus),  Von  letzterer 
Insel  erhielt  ich  einen  durchaus  gleichen  Fischhaken,  aber  statt  schwarzem  mit  weissem 
Köderbüschel,  was,  wie  mir  Kubary  versicherte,  ein  constanter  Unterschied  zwischen 
den  Fischhaken  beider  Localitäten  sein  soll,  indess  mit  Unrecht.  Denn  einmal  erhielt 
ich  von  Kubary  selbst  Fischhaken  von  Satöan  mit  weissem  Köderbüschel  (aus  Tapa), 
und  dann  richtet  sich  die  Farbe  desselben  ja  ganz  nach  der  zu  fangenden  Fischart.  Zu 
demselben  Typus  gehören  die  alten  Fischhaken,  von  welchen  Kubary  die  letzten  Exem- 
plare noch  glücklich  auf  den  westlichsten  Carolineninseln  Sonsol  (»Ethnol.  Beitr.«,  I, 
S.  96,  Taf.  XII,  Fig.  11)  und  Bunai  (St.  David,  ib.  S.  108)  retten  konnte,  wo  jetzt,  wie 
fast  überall,  eingeführte  oder  selbstgefertigte  Fischhaken  aus  Draht  (ib.  Taf.  XII,  Fig.  12) 
gebraucht  werden. 

Der  Typus  von  Fischhaken,  die  aus  zwei  Stücken,  dem  Schaft  und  eigentlichen 
Fanghaken,  bestehen,  ist  der  häufigste  und  war  mit  mehr  oder  minder  geringfügigen 
Abweichungen  in  früheren  Zeiten  fast  über  die  ganze  Südsee  verbreitet  (Samoa,  Tonga, 
Tahiti,  Markesas  etc.).  Er  wurde  hauptsächlich  zum  Fange  von  Boniten  (Makrelen) 
angewendet,  wie  ich  dies  von  den  Marshall-Inseln*)  (vorne  S.  [402])  beschrieb.  Alt- 
hawaiische Fischhaken  weichen  von  denen  der  letzteren  Inseln  (Taf.  20,  Fig.  i)  nur 
darin  etwas  ab,  dass  der  Fanghaken  sich  nicht  nach  innen,  sondern  nach  aussen  biegt 
(vgl.  Choris:  PI.  XIV,  Fig.  5,  mit  Köderbüschel  aus  weissen  Federn).  Zu  derselben 
Form  gehören  auch  die  ähnlichen  alten  Fischhaken  von  der  Oster-Insel,  wie  Thomson 
einen  solchen  abbildet  (PI.  LVIII,  Fig.  2),  der  aus  zwei  zusammengebundenen  Stück 
Knochen  (angeblich,  aber  nicht  sehr  wahrscheinlich,  »von  menschlichen  Schenkel- 
knochen«) besteht.  Solche  alte  Fischhaken  werden  hier  noch  heute  benutzt  und  eisernen 
vorgezogen.  Fischhaken  »aus  Knochen«  von  Oatafu  und  solche  »aus  Knochen,  Hai- 
fischzähnen und  Muscheln«  von  Fakaafo  der  Ellice-Gruppe  erwähnt  Wilkes,  leider  ohne 
nähere  Beschreibung.  Auch  in  Melanesien  ist  dieser  Typus  von  Fischhaken  weit  ver- 
breitet. Ich  erhielt  sehr  hübsche  Exemplare  aus  den  Salomons  (Simbo  =  Eddystone 
Isl.  und  Savo),  die  ganz  mit  solchen  von  Mortlock  übereinstimmen,  nur  zeigt  der  Fang- 
haken eine  eigenthümliche  Biegung.  Der  Schaft,  meist  aus  Perlmutter,  ist  zuweilen 
kunstvoll  in  Form  eines  Fisches  geschnitzt  (vgl.  Kat.  M.  G.,  Taf.  XVII,  Fig.  8,  9  u.  10, 
ziemlich  unkenntlich,  und  die  interessanten  Mittheilungen  von  Guppy:  »The  Solomon 
Isl.«,  S.  156).  Nahe  verwandt  sind  die  Fischhaken  aus  Kaiser  Wilhelms- Land  (vorne 
S.  [190]  und  »Ethnol.  Atlas«,  Taf.  IX,  Fig.  3,  4  u.  5),  die  am  meisten  mit  solchen  von 
Banaba  (Taf.  20,  Fig.  2)  übereinstimmen. 

Weit  seltener  ist  der  zweite  Typus  Fischhaken,  ganz  aus  einem  Stück  (meist 
Schildpatt)  geschnitzt,  wie  ihn  Fig.  1 1  unserer  Taf.  20  in  einem  alten  Stück  von  Ponape 
(s.  vorne  S.  252  [508])  darstellt  und  der  jetzt  beinahe  ganz  der  Vergangenheit  angehört. 
Das  im  Kat.  M.  G.  (S.  325,  Nr.  2997)  beschriebene  Exemplar  von  Mortlock,^)  »das  lange 
als  eine  Art  Talisman  aufbewahrt  wurde,«  gehört  diesem  Typus  an,  ebenso  »die  alter- 
thümlichen,  stets  noch  hochgeschätzten  und  in  Ehrfurcht  und  Aberglauben  vererbten 


0  Sehr  mannigfach  sind  die  Setz-  und  Senkangeln  von  Pelau,  die  aber  fast  ausschliesslich  mit 
eisernen  Haken  versehen  werden,  darunter  auch  eine  Angelruthe,  deren  Stock  in  den  Grund  des 
seichten  Wassers  gesteckt  wird  (vgl.  Kubary,  II,  S.  124—132,  Taf.  XVI  u.  XVII). 

3)  Von  hier  wird  auch  eine  » Fischangel c  aus  Schildpatt  als  Ausputz  eines  Handkammes  (Kat 
M.  G.,  S.  307,  Nr.  2970)  verzeichnet. 


Fcyil  Eth.i  logische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  333 

Fischhaken  aus  Schildpatt«  von  Pelau*)  (Kubary;  »Ethnol.  Beitr,«,  II,  S.  125,  Taf.  XVII, 
Fig.  3  u.  4)  und  von  Bunai  (St.  David),  wo  Kubary  noch  das  letzte  Exemplar  erhielt 
(ib.  I,  S.  108,  Taf.  XII,  Fig.  i5)  und  die  hier  »nur  noch  als  Schmuck  dienen«.  Fisch- 
leinen, aus  HibiscuS'Fastr  gedreht,  werden  auf  Ruk  nicht  sehr  gut  gemacht  und  daher 
meist  eingeführt,  sagt  Kubary,  der  dabei  bemerkt,  dass  geflochtene  Schnüre  in  den  Caro- 
linen nur  auf  Nukuor  verfertigt  werden  (I,  S.  65).  Nach  demselben  Beobachter  ist  die 
in  Kat.  M.  G.  (S.  379)  beschriebene  geflochtene  Fischleine  nicht  von  Ruk. 

Zu  dem  im  Vorhergehenden  zuletzt  beschriebenen  Typus  von  Fischhaken  gehören  auch  die 
aus  Perlmutter  von  Nukuor,  wie  die  folgenden  Stücke: 

Fischhaken  (Nr.  153,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  5)  {a^  Dicke),  aus  einem  sehr  dicken  Stucke 
vom  Schlosstheile  der  Perlmuttermuschel  (Meleagrina  margaritifera)  gearbeitet,  sehr  gross.  Am  Basis- 
rande ist  ein  Kerbeinschnitt  zur  Befestigung  der  Fangleine. 

Fischhaken  (Nr.  is3a,  l  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  6)  (0,  Dicke),  wie  vorher,  aber  mit  Fang- 
leine, die  mittelst  Garn  aus  /ff Wscws- Faser  befestigt  ist  (b). 

Pischhaken  (Nr.  1536,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  7)  (ä,  Dicke),  wie  vorher,  aber  kleiner  und 
aus  dunklem  Perlmutter.  Am  Basisrande  sind  zwei  seichte  Kerbeinschnitte  zur  Befestigung  der  Fang- 
schnur. 

Fischhaken  (Nr.  153 c,  i  Stück,  Taf.  III  [20],  Fig.  8),  wie  vorher,  aber  sehr  klein. 

Die  Art  der  Anfertigung  dieser  Fischhaken  veranschaulichen  die  folgenden  Nummern: 

Fischhaken  in  Bearbeitung  (Taf.  III  [20],  Fig.  9a)  zeigt  die  erste  Stufe:  ein  Stück  Perlmutter, 
dessen  unterer  Rand  gerade,  der  obere  bogenförmig  geschliffen  ist;  die  punktirten  Linien  deuten  an, 
wie  weit  der  Haken  später  ausgeschliflen  wird. 

Fischhaken  in  Bearbeitung  (Taf.  III  [20],  Fig.  96),  wie  vorher,  aber  weiter  in  der  Bearbeitung 
vorgeschritten,  indem  in  der  Mitte  des  Perlmutterstückes  bereits  ein  Loch  ausgebohrt  ist,  das  dann 
weiter  zum  Haken  ausgearbeitet  wird. 

Solche  Fischhaken  sind  im  Kat.  M.  G.  (S.  343,  Nr.  644,  857)  ebenfalls  von  Nukuor  beschrieben 
und  (S.  344)  von  dieser  Localität  »mit  der  Angabe  ,Carolineninseln'  erhaltene,  auch  Bohrer  (birn- 
förmige,  8  Cm.  lang,  5  Cm.  dick)  aus  Tridacna  gigas,  welche  bei  der  Anfertigung  dieser  Fischhaken 
als  Werkzeug  dienen  sollen  (S.  344,  Nr.  1405).  Etwas  abweichend  ist  die  folgende  Form,  ebenfalls 
aus  Perlmutter. 

Fischhaken  (Taf.  III  [20],  Fig.  10),  aus  einem  dicken  Stücke  Perlmutter  gearbeitet.   Mukuor. 

Das  obige  Exemplar  ist  eines  der  kleinsten,  welches  ich  erhielt.  Das  grösste,  genau  ebenso 
geformte  misst  80  Mm.  im  Längsdurchmesser  (35  Mm.  im  Lichten),'  in  der  Höhe  55  Mm.  (mit  3o  Mm. 
im  Lichten);  die  Spitze  ist  von  der  Basis  nur  10  Mm.  entfernt.  Bei  dieser  ausserordentlichen  An- 
näherung der  Spitze  des  Hakens  mit  der  Basis,  wobei  die  erstere  zuweilen  hinter  der  letzteren  zu- 
rücksteht, ist  es  kaum  zu  begreifen,  wie  es  einem  Fische  möglich  wird,  an  einen  solchen  Haken  zu 
beissen.  Aber  Kubary  gab  mir  die  Versicherung,  dass  dies  keine  Schwierigkeiten  habe,  und  man  darf 
annehmen,  dass  bei  diesem  eigenthümlichen  Typus  der  ganze  Haken  vom  Raubfisch  verschluckt  wird. 
Es  ist  interessant,  dass  sich  in  der  Form  ganz  übereinstimmende  Fischhaken  auch  auf  Penrhyn  ünden 
(vgl.  Wilkes,  IV,  S.  286,  Abbild.),  sowie  auf  der  Oster-Insel  (Thomson,  PI.  LVIII,  Fig.  i,  aus  Knochen), 
hier  auch  ähnliche,  aber  ganz  aus  Stein  geschliffen  und  eine  der  kunstvollsten  Steinarbeiten  der  Süd- 
see überhaupt  (ib.  Fig.  3). 

Im  Kat.  M.  G.  (S.  344,  Nr.  885)  sind  von  Nukuor  (s.  unten  »Pelupelu«  und  »Kina«)  noch  sehr 
kleine  (18  Mm.  lange)  »Angelhakenc,  ganz  aus  Schildpatt  und  »nur  für  ganz  kleine  Fischec,  be- 
schrieben. Die  Befestigung  dieser  »vielenc  kleinen  Haken  in  drei  Längsreihen  auf  ein  Stück  Bast  von 
Cocosfaser  gibt  der  Vermuthung  Raum,  dass  hier  ein  Schmuck  gemeint  ist. 

Haifischhaken,  die  sonst  aus  den  Carolinen  nicht  bekannt  zu  sein  scheinen,  verzeichnet  der 
Kat.  M.  G.  ebenfalls  ein  Stück  von  Nukuor  (S.  343),  das,  ganz  aus  Holz,  sehr  mit  der  bekannten  Form 


I)  Dass  die  im  Journ.  M.  G.  (Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  4a,  46)  als  angeblich  von  hier  abgebildeten 
»Fischhaken«  keine  solchen,  sondern  Schmuck  sind,  ist  bereits  (vorne  S.  [484])  klargestellt  worden. 
Kubary  erklärte  (I,  S.  73,  Note)  diese  Stücke  »für  Schmuck  aus  sonsorolschen  und  puloanaschen  Fisch- 
haken, zugleich  aber  auch  (Fig.  6)  ein  Stück,  das  absolut  nichts  mit  Fischhaken  zu  thun  hat.  Von 
Pelau  beschreibt  Kubary  (II,  S.  191,  Taf.  XXIII,  Fig.  15)  Haken  aus  Schildpatt,  die  leicht  mit  Fisch- 
haken verwechselt  werden  können,  aber  als  Talisman  an  die  Handkörbe  der  Männer  befestigt  werden. 


334  ^^-  ^-  ^»"^^-  [572] 

von  den  Gilberts  (Taf.  20,  Fig.  14)  übereinsiimmt.    Nach  Kubary  werden  auf  Pclau  Haifische  in  einer 
Schlinge  gefangen,   an  der  als  Köder  ein  fliegender  Fisch  befestigt  wird  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  126). 

c)  Rifffischerei.  Ob  der  Massenfang  periodischer  Wanderfische,  wie  wir  ihn  auf 
den  Marsh all-Inseln  kennen  lernten  (S.  [404]),  auch  in  diesem  Gebiete  betrieben  wird, 
darüber  konnte  ich  keinen  Nachweis  finden.  Kubary  spricht  nicht  davon  und,  wie  be- 
reits erwähnt  (S.  564),  sind  die  besonderen  Verhältnisse  der  Wassertiefe  der  Satöan- 
Lagune  dieser  Fangmethode  nicht  günstig.  Dagegen  wird  aber,  wie  überall,  zur  Ebbe- 
zeit auf  dem  RitT  gefischt,  und  zwar  meist  von  Frauen.  Auf  Ruk  bedienen  sich  dieselben 
eines  Netzes  (»Epiro«),  das  ganz  mit  dem  von  Kuschai  beschriebenen  (vorne  S.  [464], 
Fig.  34)  übereinstimmt  und  das  Kubary  von  Ruk  abbildet  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  i33, 
Taf.  XVII,  Fig.  8,  hier  auch  ein  sehr  ähnliches  von  Ponap^  und  Pelau:  Fig.  7,  S.  i32). 
Diese  Netze  (circa  i  M.  lang)  sind  sehr  feinmaschig  (5 — 7  Mm.  zu  7 — 15  Mm.),  aus 
den  Randfasern  von  Seegras  (»Epiro«  nach  Kubary)  gestrickt  und  gehören  mit  zu  den 
feinsten  Filetarbeiten  der  Südsee.  Dieses  Handnetz  oder  Hamen  wird  »in  den  bei  Ebbe 
im  Riff  verbleibenden  kleinen  teichartigen  Wassertümpeln  vom  Fischenden  vor  sich 
hergeschoben«  (Kat.  M.  G.,  S.  374)  und  liefert  nur  massige  Erträge  an  kleinen  Fischen. 
Lütke  gedenkt  von  Lukunor  Fischhamen  »in  Form  eines  Quersackes«  (II,  S.  74),  die 
an  einen  rundem  Reifen  befestigt  und  mit  einem  kurzen  Stiele  versehen  sind  (»Sen- 
javin-Reise«,  PL  29,  Fig.  8),*)  sowie  besonderer  runder,  langer,  krugförmiger  Körbe  mir 
einem  Henkel  (ib.  Fig.  7,  »Panier  a  pßcher«),  die  vielleicht  eine  Fischfalle  darstellen. 

Von  Pikiram  (Greenwich  Isl.)  erhielt  ich  ziemlich  grobmaschige  Fischnetze  (circa  3  M.  lang 
und  I  M.  hoch,  die  Maschen  3o  Mm.  zu  3o  Mm.),  die  sich  durch  das  besondere  Material  auszeichnen 
und  aus  starkem  weissen  Garn,  von  der  Dicke  eines  dünnen  Bindfadens,  sehr  sauber  gestrickt  sind, 
das  mir  als  Bast  des  Brotfruchtbaumes  bezeichnet  wurde  und  sonst  nirgends  vorkam.  Ein  solches 
auch  im  Kat.  M.  G.  (S.  351)  von  der  Insel  »Kabeneylonc. 

Fischspeere  werden  von  Kubary  2)  nicht  erwähnt,  wohl  aber  von  Kittlitz  und 
Lütke  von  Lukunor,  aber  leider  nicht  beschrieben. 

Ein  eigenthümliches  und  gewiss  sehr  praktisches  Schutzmittel  bei  der  RifFfischerei 
sind  Riffschuhe  aus  Cocosfasergeflecht  in  Form  grosser,  plumper  Gummischuhe  mit 
Bindebändern,  welche  Edge-Partington  mit  der  Bemerkung:  »Sandalen  aus  geflochtener 
Faser,  von  Fischern  getragen,  um  die  Füsse  während  des  Fischens  auf  dem  Riff  zu 
schützen«  von  Mortlock  abbildet  (PI.  177,  Fig.  5).  Das  Museum  Umlauffin  Hamburg 
besitzt  ganz  gleiche  Fischerschuhe  mit  der  Localitätsangabe  »Lord  Howes-Gruppe« 
(Njua). 

d)  Fischkörbe  oder  Reusen  scheinen  auf  Mortlock  die  Fischnetze  zu  ersetzen. 
»Einen  durchaus  nicht  untergeordneten  Gegenstand  der  hiesigen  Industrie  bilden  die 
Fischkörbe.  Die  mortlock'schen  ,Uu*  sind  über  3  M.  lange  und  über  i'5  M.  breite 
Käfige  aus  Stäben  von  leichtem  Hibiscus-HolZy  mit  einer  kleinen,  auf  einem  der  schmalen 
Enden  befindlichen  Eingangsöffnung,  welche  so  eingerichtet  ist,  dass  die  Fische  leicht 
hineinkommen,  aber  durch  die  biegsamen  Reisige  in  derselben  nicht  mehr  nach  Aussen 
gelangen  können.  Das  innere  Gerüst  besteht  aus  jungen  Hibiscus-Stöcken,  und  dieses 
wird  umflochten  entweder  mit  Strängen  der  Cocosnusswurzeln  oder  mit  den  Rippen 


»)  Ganz  übereinstimmend  ist  der  »Schöpfer«  von  Pelau  bei  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.c,  11,  S.  i35, 
Taf.  XVIII,  Fig.  2),  der  hier  eine  ganze  Reihe  verschiedener  Hamen  und  Handnetze  (in  neun  bis  zehn 
Sorten)  beschreibt  und  abbildet  (ib.  S.  i32— 135,  Taf.  XVII  u.  XVIII). 

2)  Dagegen  beschreibt  er  von  Pelau  solche  mit  einer  Spitze  mit  Widerhaken  aus  Eisen,  »die 
zuweilen  aus  Bajonetten  oder  Schiffsbolzen  geschmiedet  werden«  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  124,  Taf.  XVI 
Fig.  14),  und  solche  mit  einem  Bündel  hölzerner  Spitzen  (ib.  Fig.  15),  die  ganz  mit  ähnlichen  aus 
Melanesien  (z.  B.  vorne  S.  [26])  übereinstimmen. 


rcy3]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  335 

der  seitlichen  Blättchen  der  Cocosblätter«  (Kubary,  1.  c,  S.  269).  Aehnlich  diesen  von 
Satöan,  aber  kleiner,  sind  die  zierlichen  Fischkörbe  von  Lukunor  »flach,  mit  hochbucklig 
gewrölbter  Decke,  aus  den  Zweigen  der  Volcmeria  (von  Lütke  als  3^™^^^  bezeichnet), 
2 — 3  Fuss  lang,  i  Vj — 2  Fuss  breit  und  2  Fuss  hoch«  (Lütke,  II,  S.  73,  und  »Senjavin- 
Reise«,  PI.  29,  Fig.  9). 

Diese  Fischkörbe  werden  mit  Steinen  beschwert,  in  Tiefen  von  10 — 15  Klaftern 
auf  den  Meeresgrund  der  Lagune  versenkt.  Für  kleine  Körbe  dienen  kleine  Krebse  oder 
gesäuerte  Brotfrucht  als  Köder,  grosse  bleiben  ungeködert. 

»Wir  wussten  uns  anfänglich  auf  Lukunor  gar  nicht  zu  erklären,  was  wohl  die 
einzelnen  in  der  Lagune  herumfahrenden  Piroguen  bedeuten  mochten,  die  wir  von  Zeit 
zu  Zeit  still  liegen  sahen,  während  die  Mannschaft  sich  bemühte,  mit  vor  die  Augen 
gehaltenen  Händen  auf  den  Grund  hinabzusehen.  Das  war  eben  die  Arbeit  des  Auf- 
suchens  dieser  ausgelegten  Körbe«  (Kittlitz:  Denkwürd.,  II,  S.  112).  Dazu  bedient  man 
sich  eines  eigenthümlichen  Geräths,  das  aus  einem  runden  Ballen  in  Cocosfaserschnur 
eingeflochtener  Steine  besteht,  durch  den  ein  an  jedem  Ende  mit  einem  Widerhaken 
versehener  Stock  steckt  (»Senjavin-Reise«,  PL  29,  Fig.  17).  An  einer  Schnur  lässt  man 
diesen  Heber  in  die  Tiefe  und  sucht  mit  dem  Widerhaken  den  Fischkorb  aufzufischen, 
wie  dies  mit  einem  ganz  ähnlichen  Haken  auf  Pelau  geschieht  (Kubary,  II,  S.  146, 
Taf.  XX,  Fig.  3).  Auf  Uleai  besorgen  Taucher  das  Heraufholen  der  versenkten  Reusen 
(Kittlitz).  Hierbei  mag  noch  beiläufig  die  Bemerkung  des  letzteren  Beobachters  einen 
Platz  finden:  »dass  die  Eingeborenen  gewöhnlich  die  soeben  gefangenen  Fische  durch 
einen  Biss  ins  Genick  tödten«.  Das  »Instrument  zum  Tödten  von  Fischen«  (»Senjavin- 
Reise«,  PI.  29,  Fig.  4)  ist,  wie  erwähnt,  eine  Handwaffe  (ebenso  Fig.  5). 

Fischkörbe')  von  Ruk  lässt  Kubary  unerwähnt,  sie  mögen  aber  dennoch  hier  in 
Gebrauch  sein. 

Fischwehre  sind  auf  Ruk  ebenfalls  nicht  unbekannt,  obwohl  »die  Schmalheit  der 
Strandriffe  keine  günstigen  Verhältnisse  bietet.  Die  Eingeborenen  tragen  einen  Haufen 
Korallensteine  zusammen  und  umstellen  denselben  mit  ihren  Handnetzen.  Der  Haufen 
wird  dann  nach  einiger  Zeit  auseinandergeworfen  und  die  in  den  Zwischenräumen  sich 
findenden  Fische  mit  den  Netzen  gefangen«,  lautet  die  nicht  eben  sehr  verständliche 
Beschreibung  Kubary's  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  149),  der  hinzufügt:  »Dies  dürfte  die 
einfachste  der  hieher  gehörenden  Arten  des  Fischfanges  sein.«  Nebenbei  erwähnt  Ku- 
bary (1.  c.)  auch  »geräumige  Umzäunungen,  in  welchen  sich  die  Fische  während  der 
Ebbe  fangen«,  es  bleibt  aber  unklar,  ob  sich  diese  Notiz  auf  Pelau  oder  Ruk  bezieht. 


4.  Wohnstätten. 

Siedelungen  in  Form  geschlossener  Dörfer,  wie  z.  B.  auf  den  Gilberts,  fehlen  un- 
serem Gebiete,  das  sich  in  Bezug  auf  die  Wohnungsverhältnisse  zunächst  den  Marshall- 
Inseln  anschliesst.  Wie  dort  liegen  die  Häuser  weitläufig  zwischen  hohen  Bäumen,  von 
Cocospalmen  beschattet,  verstreut  (auf  Mortlock)  oder  gern  auf  den  Rücken  der  Hügel 
(Ruk)  und  ähneln  auch  in  der  Bauart  nahezu  den  dortigen  Hütten  (»Im«  =  auf  Sonsol 
undPonap6:  »Ihm«,  Hochstetter).  Das  auf  Mortlock  ebenfalls  »Im«  genannte  gewöhn- 


I)  Dagegen  beschreibt  Kubary  an  20  verschiedene  Fischkörbe  und  Reusen  von  Pelau  zum 
Theile  so  minutiös,  dass  ein  klareres  Verständniss  sehr  beeinträchtigt  wird  (II,  S.  140—148,  Taf.  XVIIl 
bis  XXI).  Darunter  sind  übrigens  keine,  die  mit  den  oben  beschriebenen  von  Mortlock  Obereinstimmen, 


336  Dr.  O.  Finsch.  [57^] 

liehe  Haus  besteht  im  Wesentlichen  nur  aus  einem  schrägen,  auf  die  Erde  gesetzten 
Dache  aus  Pandanus-Elatl^  das  vorne  und  hinten  offen  ist  (»Senjavin-Reise«,  PI.  Sa) 
oder  je  nach  Bedarf  durch  Matten  aus  Cocosblatt  geschlossen  werden  kann  und  »nur 
durch  eine  kleine  viereckige  Oeffnung  zugänglich  ist«  (Kubary,  1.  c,  S.  240,  Fig.  Nr.  2). 
Nach  Kittlitz  ist  (auf  Lukunor)  das  Innere  zuvy^eilen  durch  Matten  in  kleine  Cojen  ge- 
theilt,  welche  Frauen  und  deren  Kindern  als  Schlafplatz  dienen.  Auch  gedenkt  derselbe 
Reisende  des  Feuerherdes,  »einer  Vertiefung  im  Innern  der  Hütte«,  der  aber  nach 
Kubary  nicht  zum  Kochen  dient,  sondern  nur  zur  Erzeugung  von  Rauch,  als  Schutz- 
mittel gegen  die  Mückenplage,  und  auf  Ruk  »Falan«  heisst.  Eine  Vergleichung  mit  der 
Beschreibung  des  gewöhnlichen  ruk'schen  Wohnhauses  (»Im  eta«  oder  >imeta«)  zeigt 
so  unerhebliche  Unterschiede,  dass  man  die  Häuser  beider  Gruppen  getrost  als  identisch 
bezeichnen  darf.  Das  Dach  der  Häuser  auf  Ruk  scheint  nicht  ganz  bis  auf  die  Erde  zu 
reichen,  die  Giebelseiten  sind  zuweilen  offen,  das  Innere  ist  manchmal  in  seitliche  Kam- 
mern abgetheilt,  im  Uebrigen  »ebenso  dunkel  und  unwohnlich,  wie  dies  bei  den  mort- 
lock*schen  Häusern  der  Fall  ist«  (Kubary,  I,  S.  52). 

Wie  auf  den  Gilbert-Inseln,  den  westlichen  Carolinen  (Yap,  Pelau,  Sonsol  und 
früher  auf  Bunai  =  St.  David)  und  anderwärts,  gibt  es  auch  in  den  Central-Carolinen 
besondere  Gemeindehäuser,  von  denen  jede  Siedelung  meist  eines  besitzt.  Diese  Häuser, 
auf  Mortlock  »Fei«  (nach  einer  späteren  Schreibweise  Kubary 's  »Fal«)  genannt,  unter- 
scheiden sich  von  den  gewöhnlichen  im  Wesentlichen  nur  durch  bedeutend  grössere 
Dimensionen,  die  sich  übrigens  ganz  nach  der  Bevölkerung  des  betreffenden  Ortes 
richten  und  daher  variiren.  Kubary  gibt  die  Masse  eines  »Fei«  zu  circa  12  M.  Länge, 
8  M.  Breite  und  6V2  M.  Höhe  an,  also  ziemlich  dieselben  als  von  Ruk.  Das  Dach  des 
»Fei«  reicht  häufig  nicht  ganz  bis  zum  Erdboden  herab,  wodurch  der  Baustyl  also  fast 
ganz  mit  dem  des  gewöhnlichen  Hauses  der  Marshall-Insulaner  übereinstimmt,  aber 
die  »Fei«  sind  solider  und  stärker  aus  zum  Theil  behauenem  Balkenwerk  von  Pandanus- 
Stämmen  erbaut.  Das  Dach  ruht  auf  Längsbalken,  die  von  niedrigen  senkrechten 
Pfählen  als  Stützen  getragen  werden  (vgl.  Kubary:  »Mortlock«,  S.  240,  Fig.  Nr.  i).  An 
manchen  Orten  ist  das  Gemeindehaus  nur  ein  offener  Schuppen.  »Das  Innere  bietet 
nur  Schutz  gegen  Regen  und  Wind,  sonst  ist  es  blos  ein  leerer  Raum,  dessen  Boden 
mit  losen  Cocosblättern  bedeckt  wird  und  der  zum  Schlafen  dient«  (Kubary,  1.  c, 
S.  240).  Im  Widerspruch  mit  dieser  Beschreibung  zeigt  die  citirte  Abbildung  eine  be- 
sondere Abtheilung  im  Innern,  ähnlich  einem  Seitengemach.  Ganz  übereinstimmend 
damit  beschreibt  v.  Kittlitz  bei  den  grossen  Häusern  auf  Lukunor:  »mehrere  viereckige 
Kammern  mit  Wänden  aus  Mattengeflecht  und  kleinen  viereckigen,  von  Innen  ver- 
schliessbaren  Eingängen,  die  als  Schlaf kammern  benutzt  werden«.  Dass  im  Innern 
dieser  grossen  Häuser  auf  Lukunor  (ganz  wie  auf  Ruk)  auch  die  Canus  untergebracht 
werden,  zeigen  die  Abbildungen  bei  Kittlitz  (II,  S.  97)  und  der  »SenjavinrReise«  (PI.  32, 
rechts  hintere  Figur).  Ob  dies  auch  auf  Satöan  geschieht,  lässt  Kubary  unerwähnt. 

Nach  dem  letzteren  Reisenden  ist  das  Gemeinde-  oder  grosse  Haus  von  Ruk 
(»Ut«  genannt,  früher  als  »Ret«  bezeichnet)  dadurch  charakteristisch,  dass  es  weit  mehr 
Verwandtschaft  mit  Ponapd  als  mit  Mortlock  zeigt.  Wie  aus  der  ausführlichen  Be- 
schreibung (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  47,  Taf.  VIII)  erhellt,  ist  dies  aber  nur  scheinbar,  und 
die  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten,  welche  gerade  den  Baustyl  Ponap6s  aus- 
zeichnen, nämlich  steinerne  Grundmauern  oder  Fundamente,  fehlen  auf  Ruk  gänzlich. 
Der  wesentlichste  Unterschied  des  ruk'schen  Gemeindehauses  von  dem  mortlock'schen 
besteht  darin,  dass  das  Dach  des  ersteren  nicht  bis  fast  zur  Erde  herabreicht,  sondern 
auf  circa  i  M.  hohen  Pfählen  ruht.   Diese  niedrigen  Seiten  werden  meist  offen  gelassen 


r575l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  337 

^ ^ . 

oder  je  nach  Bedarf  mit  losen  Wänden  aus  Cocosmatten  geschlossen.  Die  Messungen 
des  grossen  Gemeindehauses  in  Sapulion  auf  Fefan  ergaben  eine  Länge  von  15  M., 
eine  Breite  von  8  und  eine  Höhe  von  4*5,  also  ein  keineswegs  sehr  grosses  Haus,  das 
nur  wenig  länger  und. breiter,  aber  niedriger  ist  als  ähnliche  Gebäude  auf  Mortlock. 
Die  Bodenfläche  des  Innern  zeigt  einen  breiten  Mittelraum  zur  Unterbringung  der  Canus 
und  zwei  schmälere  Seitenflure  (vgl.  Kubary,  Taf.  VIII,  Fig.  i),  die  vorkommenden  Falls 
durch  Cocosmatten  in  besondere  Kammern  abgetheilt  werden  können,  wie  wir  dies 
von  Mortlock  bereits  kennen.  Als  Material  zur  Dachbedeckung  dienen  auf  Ruk  »Epi«- 
Blätter  (fPhjrtelephas). 

Das  oben  erwähnte  Gemeindehaus  (in  Sapulion)  zeichnet  sich  übrigens  durch 
spärliche  Ornamentik  in  einfacher  Schnitzerei  zweier,  übrigens  untergeordneter  Balken, 
(Kubary,  Taf.  IX,  Fig.  i)  aus,  sowie  durch  bunte  Bemalung  einiger  Dachsparren*) 
(4  von  90  im  Ganzen),  eine  Ornamentik,  die  übrigens  sonst  auf  Ruk  zu  den  seltenen 
Ausnahmen  zu  gehören  scheint  und  sich  ähnlich  auf  Kuschai  (vorne  S.  [465])  flndet, 
sowie  auf  Sonsol  (Kubary,  I,  S.  85),  in  hervorragender  Weise  aber  an  den  Gemeinde- 
häusern (Bai)  von  Pelau. 

Dass  die  Verbindung  der  Balken,  wie  überall,  auch  auf  den  Central- Carolinen  mit- 
telst Cocosstricken  bewerkstelligt  wird,  bedarf  wohl  nicht  der  besonderen  Erwähnung. 
Nach  einer  flüchtigen  Notiz  Kubary's  (I,  S.  35)  kann  diese  Binderei  in  zweifarbigen 
Cocosstricken  zugleich  aber  auch,  wie  anderwärts,  als  Ornamentirung  bezeichnet  wer- 
den und  heisst  auf  Ruk  »Makan«  (=  Tätowiren,  Zeichnen).  Stricke  aus  Cocosfaser 
zum  Hausbau,  von  Kubary  als  »Cocoszwirn«  mit  dem  ruk'schen  Namen  »P^uel«,  auch 
»Nun«  bezeichnet,  werden  auf  Ruk  »infolge  des  geringen  Bestandes  an  Cocospalmen« 
meist  eingeführt,  und  zwar  in  Form  ovaler,  8 — 10  Pfund  schwerer  Ballen,  »in  deren 
Mitte  zuweilen,  Betrugs  halber,  eine  Cocosnuss  gelegt  wird«  (Kubary,  I,  S.  65). 

Die  centralcarolinischen  Gemeinde-  oder  Versammlungshäuser  entsprechen  übri- 
gens ganz  dem  »Maneap«  der  Gilbert-Insulaner,  sowie  den  sogenannten  Junggesellen- 
oder Tabuhäusern,  wie  sie  allenthalben  in  Melanesien,  hier  aber  viel  grossartiger 
vorkommen  (vgl.  S.  [195]).  Wie  dies  hier  meist  der  Fall  ist,  sind  auch  auf  den  Cen- 
tral-Carolinen  diese  Gebäude  für  das  weibliche  Geschlecht  streng  »puanu«  (=  tabu), 
wenigstens  für  die  eigenen  Dorfbewohnerinnen.  Dagegen  dürfen  Fremde  mit  ihren 
Frauen  darin  übernachten  (Kubary).  Nach  Letzterem  ist  das  ruk'sche  »Ut« :  »das  Ge- 
meindehaus, die  Amtswohnung  des  Häuptlings,  das  Absteigequartier  für  Fremde,  das 
Schlafhaus  für  ledige  Männer  und  zugleich  das  Canuhaus«.  Aehnlich  äussert  sich  Doane 
Ober  das  »Fei«  auf  Mortlock.  »Es  ist  ein  Hötel,  eine  Werkstatt,  ein  Ort  zum  Auf- 
bewahren grosser  Canus,  ein  Spielplatz  für  die  Kinder,  ein  Local  in  welchem  alle  Ver- 
sammlungen abgehalten  werden.«  Kubary  bestätigt  dies:  »Alle  Staatsgeschäfte  werden 
in  diesem  Hause  abgemacht,  alle  Besuche  hier  empfangen;  hauptsächlich  dient  es  aber 
als  Schlafplatz  für  diejenigen  männlichen  Gemeindeglieder,  welche  noch  nicht  ver- 
heiratet oder  zeitweilig  von  ihren  Frauen  getrennt  sind.    Infolge  der  geringen  Bevölke- 


1)  »Ethnol.  Beitr.c,  Taf.  IX,  Fig.  2.  Auf  rothem  Grunde  in  Weiss,  zum  Theil  auch  Schwarz 
verschiedene  geometrische  Zeichen,  wie  einige  Figuren,  darunter  erkennbar  solche  von  Fischen.  Ku- 
bary lässt  seiner  Phantasie  wieder  einmal  die  Zügel  schiessen,  wenn  er  in  diesen  primitiven  Zeich- 
nungen »Darstellungen  des  geschlechtlichen  Verkehrs,  ein  Fischskelet,  das  ein  den  Geistern  gewid- 
metes Opfer  vorstellt,  und  Himmelskörper,  die  sich  vielleicht  auf  die  früher  blühende  Sternkunde 
beziehen  dürfenc,  erblicken  will,  denn  kein  nüchterner  Beobachter  wird  dies  herausfinden  können. 
Die  (Kat.  M.  G.,  S.  375,  Nr.  3407 — 10)  beschriebenen  »Dachbalkenc  sind  solche  Dachsparren. 


338  Dr.  O.  Finsch.  [576] 

rung,  sowie  auch  der  Sitte,  dass  die  Männer  auswärts  verheiratet  sind,  ist  die  Zahl  der 
Schläfer  im  ,Fel*  nur  eine  beschränkte.«  Kleine  nachlässig  gebaute  Hütten  erwähnt 
Kubary  von  Mortlock  als  Küchen  oder  Kochhäuser  (»Mesoro«),  nicht  aber  von  Ruk; 
hier  aber  besonderer  Vorrathshäuser  (»Falan«,  auch  für  Feuerherd  angegeben),  aus 
einem  einfachen  Dache  auf  vier  Pfählen  bestehend;  untergeordnete  Baulichkeiten,  die 
sich  in  ähnlicher  Weise  überall  finden. 

Entsprechend  den  >Dschukwen«  auf  den  Marshall-Inseln  (vorne  S.  [408])  gibt  es 
auch  auf  den  Central-Carolinen  besondere  FrauenhäU86r,  welche  ganz  besonders  zum 
Aufenthalt  während  der  Menstruationszeit,  aber  auch  sonst  als  Aufenthaltsort  für  Frauen 
und  Kinder  dienen.  Eine  solche  Hütte,  ringsum  von  dichten  Wandungen  umgeben 
und  mit  einer  kleinen  Einsatzthür  wird  schon  von  Kittlitz  von  Lukunor  erwähnt  und 
abgebildet  (II,  S.  99).  »Sie  waren  immer  sorgfältig  verschlossen,  und  unsere  Begleiter 
duldeten  durchaus  nicht,  dass  wir  dabei  stehen  blieben  oder  gar  aus  Neugier  durch  die 
Ritzen  zu  gucken  versuchten,«  äussert  sich  Kittlitz,  der  die  wahre  Bestimmung  da- 
mals nicht  erkannte.  Kubary  gedenkt  von  Satöan  nur  kleiner  Hütten,  »in  welchen  die 
Frauen  für  sich  allein  oder  mit  ihren  Männern  (die  nicht  zum  Stamme  gehören)  sich 
aufhalten«,  beschreibt  dagegen  von  Ruk  das  Menstruationshaus  (»im  en  ud«,  1.  c,  S.  51 
oder  »im  en  uo«  S.  52)  als  »irgend  ein  abgelegenes  Haus  oder  sonst  ein  einfaches  Dach 
auf  nothdürftig  mittelst  Cocosblättern  bedeckten  Seiten«  (1.  c,  S.  52).  Hierbei  wird  er- 
wähnt, dass  diese  Häuser  auf  Yap  sorgfältig  eingerichtet')  sind.  Auf  Sonsol  und  St. 
Davids  scheint  es  ähnliche  Bräuche  (und  Häuser)  zu  geben,  wenn  sich  dies  aus  der 
komisch  gefassten  Notiz:  »die  Frauen  müssen  monatliche  Reinigungen  vornehmen« 
(1.  c,  S.  93)  auch  nur  vermuthen  lässt. 

Da  nach  Doane  die  Häuser  auf  Nema  und  Losop  ganz  so  sind  als  auf  Mortlock, 
so  ergibt  sich  ein  den  Central-Carolinen^)  gemeinsam  eigenthümlicher  Typus  des  Bau- 
styles,  der  wahrscheinlich  auch  für  die  Hall-Gruppe  gilt.  Wie  bereits  erwähnt,  schliesst 
sich  derselbe  zunächst  dem  marshallanischen  an  und  findet  sich  (nach  Kubary)  ganz 
ähnlich  auch  auf  der  westlichsten  Insel  Sonsol. 

Eine  Notiz  von  Lütke  über  gewisse  Steinwälle  auf  Lukunor  mag  hier  noch  an- 
gefügt werden,  um  nicht  ganz  in  Vergessenheit  zu  gerathen.  »Im  Dickicht  fanden  wir 
eine  circa  2  Fuss  hohe  Mauer  (,Sefaiu*)  aus  Korallsteinen,  welche  einen  Kreis  von 
circa  7  Schritte  im  Durchmesser,  mit  einem  Eingange,  umgab.  Dieser  Kreis,  ,Enem* 
genannt,  war  im  Innern  mit  Cocosblättern  belegt  und  diente  als  Platz  zum  Ausruhen, 
resp.  Schlafen,  wie  es  schien,  aber  nur  für  Häuptlinge«  (»Reise«,  II,  S.  57). 

Mit  dem  Bau  der  grossen  Häuser  beschäftigen  sich  nach  Kubary  »die  eigens  dafür 
eingeübten  Hausbauer«  »Silelap«  (auf  Ruk  ebenso  auch  »Sitelap«  oder  »Cennap«  ge- 
nannt), die  indess  nicht  ganz  unseren  Zimmerleuten  entsprechen,  da  sie  auch  Canus 
bauen  und  hölzerne  Gefässe  verfertigen. 


1)  Ich  erwähne  dies  deshalb,  weil  Kubary  in  seiner  erschöpfenden  Abhandlung  »Der  Hausbau 
der  Yap-Insulanerc  (I,  S.  29—42)  diese  besondere  Art  Häuser  mit  keiner  Silbe  berührt,  obwohl 
Miklucho-Maclay  bereits  darüber  berichtete,  unter  Anderem  auch,  dass  für  die  Freudenmädchen  der 
Clubhäuser  der  Männer  besondere  Menstruationshäuser  dienen.  Erst  aus  der  Tafelerklärung  (S.  45 
zu  VI,  Flg.  iF)  ist  ersichtlich,  dass  das  von  Kubary  als  »Fanc  beschriebene  »Schlaf haus  für  die 
Hausfrau«  (S.  40,  Taf.  V,  Fig.  3)  zugleich  auch  als  Verbleib  während  der  Regel  benutzt  wird. 

2)  Nach  einer  Notiz  bei  LQtke  sind  die  Häuser  auf  Uleai  viel  besser  gebaut  als  die  von  Luku- 
nor. »Die  Wände  bestehen  aus  Planken  von  Brotfruchtbaum  und  sind  rothbraun  angestrichen« 
(»Reise«,  II,  S.  145).  Diese  Bohlen  oder  Bretter  werden  aus  den  geschickt  benutzten  Ausläufern  der 
Brotfruchtbaumstämme  verfertigt  (Kittlitz,  II,  S.  155). 


r^yy]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  339 

5.  Hausrath, 

»Von  Geräthschaften  und  wohnlicher  Einrichtung  ist  kaum  eine  Spur  vorhanden. 
Die  wenigen  Geräthschaften  oder  Sachen  der  Eingeborenen  sind  überall  dem  Auge  zu- 
gänglich aufgehangen,  entweder  frei  oder  in  kleine  Körbe  oder  Bündel  eingepackt,  c 
sagt  Kubary  in  seiner  Monographie  über  Mortlock,  in  welcher  er  der  hieher  gehörigen 
Gegenstände  kaum  mehr  als  in  ein  paar  Worten  gedenkt. 

Von  Matten  (»Kikei«)  wird  nur  eine  Art  gefertigt,  und  zwar  aus  breiten  Streifen 
von  Pandanus-^\m.  geflochten  (Kat.  M.  G.,  S.  329).  Sie  werden  nur  bei  Nacht  zum 
Schlafen  benutzt,  denn  »am  Tage  sitzen  oder  knieen  vielmehr  die  Frauen  auf  blosser 
Erdec.  Aber  Fremden  werden  solche  Matten  zum  Sitzen  angeboten,  wie  schon  Kitt- 
litz  von  Lukunor  berichtet.  Die  Mattenindustrie*)  ist  auf  Ruk  »ebenso  einfach  und  arm 
an  Formen  als  die  mortlock'sche«  und  erzeugt  nur  zwei  verschiedene  Sorten,  etwas 
feinere  (»Kiekeyc)  als  Sitz-  und  Schlafmatten  und  etwas  gröbere  (»Tanauc  oder 
»Tarau«),  zum  Einwickeln  der  Leichen  verwendet  und  beide  ausschliesslich  aus  Blättern 
von  Pandanus  hergestellt  (Kubary,  I,  S.  64).  Solche  Matten,  sowie  grobes  Matten- 
geflecht (aus  Pandanus)  zu  Segeln  (»Amara«)  werden  meist  von  den  Nachbarinseln 
bezogen  und  bilden  einen  wesentlichen  Theil  der  Einfuhr  (s.  vorne  S.  [445]).  Die  im 
Kat.  M.  G.  (S.  379,  Nr.  3516)  unter  Ruk  aufgeführte  Matte  (aus  Hibiscus?)  ist  nach 
Kubary  keinesfalls  von  dorther. 

Körbe  (»Sauefasz«,  kleine  >2ik<  [Tschik]  auf  Mortlock)  zum  alltäglichen  Ge- 
brauch, Tragen  von  Lebensmitteln  u.  dgl.,  werden  ebenfalls  aus  Pandanus-^\2Xi  ge- 
flochten (Kat.  M.  G.,  S.  328).  Hierbei  mag  bemerkt  sein,  dass  man,  wie  auf  Kuschai, 
Lasten  gewöhnlich  an  einer  Stange  über  die  Schulter  trägt. 

Andere  Körbe  (»Meyarc)  oder  Taschen  von  Mortlock  sind  aus  Cocosfaser  ge- 
flochten, am  oberen  Rande  gewöhnlich  über  zwei  Stöcke  (Kat.  M.  G.,  S.  328,  Nr.  2940) 
und  finden  sich  in  gleicher  Weise  und  aus  gleichem  Material  auch  auf  Nukuor  (1.  c, 
S.  351,  Nr.  710)  und  Yap  (1.  c,  S.  401).  Kleinere  Taschen  oder  Beutel,  »welche  zum 
Bergen  kleiner  Werthgegenstände  dienen«,  ebenfalls  Flechtarbeit  aus  Cocosfaser,  heissen 
»Potou«  (auf  Ruk  >Polou«)  und  werden  näher  im  Kat.  M.  G.  von  Mortlok  (S.  328, 
Nr.  2939,  2941)  beschrieben.  Hier  auch  Beutel  aus  Cocosfaserschnur  von  Nukuor 
(S.  351,  Nr.  649,  650  u.  848),  die  ähnlich  wie  die  von  Kuschai  (vorne  S.  [470])  zu  sein 
scheinen.  Auf  Ruk  »stimmen  Taschen  und  Beutel,  aus  Cocoszwirn  geflochten,  voll- 
ständig mit  den  mortlock'schen  und  nukuor'schen  überein«  (Kubary,  I,  S.  66). 

Ein  besonderes  Stück  des  ruk'schen  Haushaltes  beschreibt  Kubary  unter  den  Er- 
zeugnissen der  Weberei,  und  zwar  Schlafvorhänge,  zum  Schutze  gegen  Muskitos.  Sie 
bestehen  in  lose  gewebten  und  grobfaserigen  Zeugstreifen,  unter  welchen  die  bemittelten 
Einwohner  schlafen,  und  heissen  »Tourom«  oder  »Tounom«  (Kubary,  I,  S.  64). 

Besonders  charakteristisch  für  unser  Gebiet  sind  Deckelkisteil  oder  Truhen,  oft 
sehr  gross  und  schwer,  meist  aus  Holz  des  Brotfruchtbaumes  gezimmert,  welche  zum 
Aufbewahren  von  allerlei  Habseligkeiten,  namentlich  des  werthvoUen  »Taik«  (Gelbwurz) 
dienen,  die  sich  aber  nur  im  Hause  der  Wohlhabenden  finden.  Diese  Kasten  oder  Truhen 


I)  Sehr  ausgebildet  ist  dieselbe  auf  Pelau,  wo  sehr  feine,  zum  Theil  »mit  Streifen  schwarzen 
//i6i5CMS- Bastes  verzierte«  (also  wahrscheinlich  gestickte)  Matten  geflochten  werden.  Ganz  besonders 
bemerkenswerth  sind  die  feingeflochtenen  Taschen  und  Täschchen  (zu  Tabak),  die  mit  zu  den  feinsten 
Flechtarbeiten  der  Südsee  überhaupt  gehören.  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  210  u.  211,  Taf.  XXVIII, 
^h-  15—24)  erwähnt  10  Hauptformen  von  Flechtmustern  und  etliche  Varietäten,  deren  ezacte  Unter- 
scheidung aber  wohl  nur  Eingeborenen  möglich  sein  dürfte. 


340  Dr.  O.  Finsch.  [578] 

haben  meist  eine  länglich-viereckige,  sargähnliche  Form,  sind  an  den  Seiten  sanft  ge- 
bogen, der  Deckel  ist  nach  beiden  Seiten  abgeschrägt,  so  dass  eine  kielartige  Mittellinie 
entsteht,  und  passt  mittelst  eines  Falzes  in  den  Basistheil.  Beide  Theile,  Basis  wie 
Deckel,  sind  ungefähr  gleich  hoch;  die  Verbindungslinie  beider  Theile  läuft  auch  durch 
die  in  der  Mitte  jeder  Schmalseite  angeschnitzten  Zapfen,  welche  als  Handhabe  dienen 
und  mittels  einer  Schnur  zusammengebunden  werden  können.  Ein  klareres  Bild  als 
jede  Beschreibung  gibt  übrigens  die  treffliche  Abbildung  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise« 
(PI.  29,  Fig.  16)  von  Lukunor,  woher  bereits  Kittlitz  dieser  Deckelkasten  und  ihrer  sehr 
verschiedenen  Grösse  gedenkt.  Nach  Kubary  werden  dieselben  hauptsächlich  von  den 
Eingeborenen  der  Insel  Oneop  der  Lukunor-Lagune  angefertigt  und  nach  Satöan  ver- 
handelt. Zwei  Exemplare  im  Museum  GodefFroy  (Kat.,  S.  827)  messen:  Lange  des 
Deckels  65  u.  74  Cm.,  Breite  26  u.  34,  ganze  Höhe  22  u.  28.  Ganz  übereinstimmend 
sind  die  Deckelkasten  von  Ruk  (»Aiapc,  »Assap«)  (Kat.  M.  G.,  S.  375,  i  Stück,  und 
Kubary,  Ethnol.  Beitr.,  I,  S.  55,  Taf.  X,  Fig.  7).  Aehnliche  Holzkisten  scheinen  die 
»Kiwarc  von  Pelau,  >die  das  Eigenthum  der  Familie  bergen«  (II,  S.  198),  die  aber  in 
der  ausführlichen  Darstellung  der  »Hausstands-Geräthschaften«  von  Kubary  mit  keiner 
Silbe  erwähnt  werden.  Dagegen  gedenkt  er  Holzkisten  (»Wugga«)  von  Sonsol  (l, 
S.  97).  Ein  Analogon  dieser  soliden  Holzkisten,  welche  mit  zu  den  besten  Holzarbeiten 
Mikronesiens  zählen  und  sonst  auf  den  Carolinen  nicht  vorzukommen  scheinen,  sind 
die  allerdings  sehr  rohen  Lattenkisten  der  Gilbert-Inseln  (S.  64  [332}). 

Nahe  verwandt  mit  den  Deckelkisten  von  Mortlock  und  Ruk  sind  die  von  Nukuor  (»Te  Na- 
wesic);  sie  sind  aber  durchgehends  kürzer  und  kleiner  (Länge  34 — 42  Cm.,  Breite  20 — 28,  Höbe 
15 — 19  Cm.),  »die  Form  ist  mehr  vierseitig  und  der  Zapfen  an  den  Enden  sitzt  am  Deckel«  (Kat.  M.  G., 
S.  347,  und  Kubary,  I,  S.  56,  Taf.  X,  Fig.  8).  Nach  Kubary  werden  diese  sehr  verschieden  grossen 
Deckelkisten  zum  Verwahren  von  Gelbwurz,  Fischereigeräthschaften  und  anderen  Sachen  benutzt  und 
»kommen  in  Polynesien  nicht  vor«.  Aber  derartige  Holzgefässe  sind  von  Tockelau  bekannt,  und  die 
äusserst  kunstvoll  geschnitzten  »Waka«  der  alten  Neu-Seel ander,  Deckelkisten,  i)  welche  hauptsächlich 
zum  Aufbewahren  von  Federschmuck  (besonders  »Huia«-Federn)  dienten,  gehören  in  diese  Kategorie 
eingeborener  Holzarbeiten  und  mit  zu  dem  Schönsten,  was  die  Südsee  in  Schnitzereien  erzeugte. 

Ein  sehr  interessantes  Stück  ist  das  folgende  von  der  kleinen  Insel  Satawal  (Satahoual,  Tucker 
Isl.,  nicht  »Satoan«,  Kubary,  I,  S.  56,  Note),  circa  20  Seemeilen  westlich  von  Ruk,  welches  ich  von 
Kubary  für  das  Berliner  Museum  erwarb. 

Deckelkasten  (Taf.  [22],  Fig.  i3),  einen  aus  Holz  geschnitzten  Fisch,  eine  Bonite,  darstellend, 
von  welchem  die  obere  Hälfte  die  Rückenseite,  die  untere  die  Bauchseite  ausmacht;  die  untere  Hälfte 
(Fig.  i3<3)  ist  in  einen  Randfalz  ausgeschnitzt,  auf  welchen  der  Deckel  passt;  das  Loch  im  letzteren 
dient  dazu,  um  eine  Schnur  zum  Zusammenbinden  durchzuziehen.  Die  Länge  des  Kastens  beträgt 
47  Cm.,  die  Höhe  17  Cm.,  die  Breite  über  den  Rücken  14  Cm.;  die  Lichtweite  des  inneren  Raumes 
28  Cm.  in  der  Länge,  9  Cm.  in  der  Breite.    Insel  Satawal. 

Nach  Kubary  wurde  dieser  Kasten  von  einem  Fischer  benutzt  zum  Aufbewahren  von  Fischcrei- 
utensilien  (Fischhaken,  Leinen  etc.)  und  dürfte  als  Unicum  zu  betrachten  sein.  Wenigstens  ist  mir 
ein  ähnliches  Stück  nicht  bekannt  geworden.    Weit  kunstvoller  ist  das  im  British  Museum  beündlicbe 


0  Vgl.  Joest:  »Tätowiren«,  Taf.  V,  Fig.  6.  Drei  prachtvolle  Stücke  enthält  meine  Sammlung 
von  Gypsabgüssen,  darunter  die  »Waka-pikikotuku«,  früher  im  Besitz  des  »Ngatiraukawa-Stammes«, 
welche  ich  in  der  Sammlung  von  Sir  Walter  Buller  in  Wellington  abgiessen  Hess.  Vgl.  Finsch:  »Vcr- 
zeichniss  einer  Sammlung  von  Gypsabgüssen  von  Maori-Antiquitäten  aus  Neu-Seeland«,  (1884,  S.  8, 
Fig.  2047),  welches  46  Nummern  der  interessantesten  Maori-Kunstwerke  aus  öffentlichen  und  Privat- 
sammlungen enthält,  eine  Sammlung,  die  trotz  ihres  geringen  Preises  (von  M.  240)  bisher  keinerlei 
Berücksichtigung  Seitens  der  Wissenschaft  fand.  Im  Jahre  1881  gab  es  in  Neu-Seeland  nur  noch 
sehr  wenige  eingeborene  Holzschnitzer.  Als  solchen  lernte  ich  Pataromu  von  Opotiki,  Bay  of  Plenty, 
kennen.  Ein  sehr  hübsch  geschnitzter  Deckelkasten  (circa  3o  Cm.  lang  und  20  Cm.  hoch),  an  wel- 
chem er  drei  Monate  arbeitete,  kostete  bei  ihm  aber  8 — 10  Guineas. 


[579] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee. 


341 


€L 


Unicum  von  Pelau,  ein  Deckelkasten,  der  eine  Schildkröte  darstellt  und  mit  seiner  reichen  eingelegten 
Arbeit  in  Perlmutter  (zum  Theii  Vogelgestalten)  wohl  das  kostbarste  Erzeugniss  carolinischer  Kunst 
repräsentirt.  Freilich  stammt  dieses  Stück  (sehr  gut  abgebildet  Edge-Partington,  Taf.  181)  aus  l&ngst- 
vergangener  Zeit,  denn  es  wurde  1783  vom  Könige  Abba  Tule  an  Capitdn  Wilson  geschenkt. 

Deckeigefasse  mit  eingelegter  Arbeit  in  Perlmutter  von  Pelau  sind  Kat.  M.  G.,  S.  424  be- 
schrieben. 

6.  Werkieuge. 

Aexte.  Bei  dem  lebhaften  Tauschverkehr  der  Central-Carolinen  hatten  sich  eiserne 
Werkzeuge  von  Guam  auch  in  unserem  Gebiete  schon  vor  Ankunft  Weisser  eingeführt 
und  die  eingeborenen  Geräthschaften  zum  Theil  verdrängt.  Lütke  sah  1828  auf  Lukunor 
keine  Stein-  oder  Muscheläxte  mehr,  die  Eingeborenen  hatten  bereits  eiserne  und  fragten 
nur  nach  Eisen  und  Wetzsteinen.  Aber  Kittlitz  beobachtete  auf  Lukunor  noch  Muschel- 
äxte (vgl.  die  Figur  eines  Mannes  auf  S.  97),  und  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  29, 
Fig.  3)  ist  eine  solche  von  hier  sehr  kenntlich  abgebildet. 
Abgesehen  von  gewissen  nicht  erheblichen  Abweichungen 
in  der  Art  der  Umwicklung  mit  Schnur,  zur  Befestigung  der 
Trirfacna-Klinge,  stimmt  diese  Axt  ganz  mit  solchen  von 
Kuschai  und  anderen  Carolinen  überein.  Wenn  Doane  von 
Mortlock  » Steinäxte c  erwähnt,  so  sind  damit  natürlich  solche 
mit  Muschelklinge  gemeint.  Kubary  gedenkt  von  Satöan 
nur  gröberer  Aexte  (»Atenekiyc)  aus  Tridacna  gigas, 
Meisseläxte  (»Sele«)  aus  Tridacna  und  solcher  (»Si«)  aus 
Terebra  maculata,  wie  sie  auch  auf  Kuschai  (S.  [472]) 
und  anderwärts  in  Gebrauch  waren.  Von  Ruk  sagt  derselbe 
Reisende  nur:  »Aus  der  Tridacna  gigas,  ,To*  genannt, 
wurden  in  alten  Zeiten  die  C6le  (a.  O.  auch  ,Cilek*),  Käek 
(a.  O.  auch  ,K6uh*)  und  Capadap  genannten  Aexte  ver- 
fertigt« (I,  S.  74),  von  denen  er  aber  anscheinend  keine 
mehr  zu  sehen  bekam.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  von 
Ruk  (S.  370)  nur  eine  Axtklinge  aus  Tridacna  und  zwei 
solche  von  Satöan  (S.  3 18),  die  mit  solchen  von  Kuschai 
und  Nukuor  übereinstimmen. 

Schleifsteine  (»yiu»),  welche  die  Mortlocker  von  Ruk 
holen,  dienen  zum  Schärfen  eiserner  Geräthschaften. 

Wie  mir  Kubary  sagte,  waren  die  früheren  Aexte  der  Mortlocker  und  Ruker  ganz  so  wie 
solche  von  Nukuor,  woher  ich  von  diesen  Reisenden  das  folgende  Stück  erwarb. 

Tochi  (Fig.  57),  Axt  mit  Tridacna-KWngQ  von  Nukuor.  Als  Stiel  (a)  dient  wie  gewöhnlich  ein 
knieförmiges  Aststück,  dessen  längerer  dünner  Schenkel  90  Cm.  misst,  der  kürzere,  viel  dickere 
(28  Cm.  lang)  ist  an  der  Vorderseite  zu  einer  concaven  Nuth  ausgearbeitet,  in  welche  die  Klinge  (b) 
mit  der  Basishälfte  hineinpasst  und  hier  dicht  mit  Cocosfaserbindfaden  festgebunden  ist.  Die  Klinge 
hat  eine  Länge  von  33  Cm.,  eine  Dicke  von  4  Cm.  und  ist  im  Durchschnitt  (Fig.  57c)  triangelförmig 
nach  der  Spitze  zu  verjüngt,  so  dass  die  eigentliche  Schnittfläche  im  Umriss  einen  spitzen  Winkel 
von  nur  25  Mm.  Durchmesser  bildet. 

Gleiche  Aexte  mit  TVWacMd-Klingc  (24 — 3o  Cm.  lang)  sind  im  Kat.  M.  G.  (S.  337,  Nr.  909  und 
S.  339,  Nr.  652)  s.  n.  »Tohi-ohuc  beschrieben,  mit  der  Bemerkung,  dass  sie  ganz  mit  solchen  von 
Pelau  übereinstimmen.  Interessant  ist  es,  dass  auf  Nukuor  auch  die  Form  von  Aexten  vorkommt, 
welche  sich  dadurch  wesentlich  unterscheidet,  dass  die  Tridacna-KYinge.  in  einem  besonderen  Holz- 
futter steckt  und  drehbar  ist  (»Tohi  uliulic,  Kat.  M.  G.,  S.  338,  Nr.  736),  eine  Eigenthümlichkeit,  die 
wir  bereits  in  Melanesien  kennen  lernten  (Neu-Guinea,  Hood-Bai,  S.  [122],  Fig.  36;  Finschhafen, 
S.  [209]  und  >Ethnol.  Atlas«,  Taf.  I,  Fig.  4).    Da  die  Grösse  und  Form  einer  Beilklinge  ganz  von  dem 


Fig  57.  Fig.  58. 

Muscheläxte  von  Nukuor. 


Dr.  O.  Finsch. 


[s8o] 


vorhandenen  Material  (SlOcke  aus  dem  Schloutheil  von  Tridacna  gigas)  abhängt,  so  ergeben  sich 
daraus  allerlei  Abweichungen,  die  leicbl  zur  Annahme  von  Localformen  führen  können,  die  aber 
seilen  conitante  sind.  Solche  verschiedene  Formen  zeigen  auch  die  mir  vorliegenden  Axildingen  von 
Nukuor,  unter  denen  die  Fig.  58  abgebildete  am  meisten  abweicht.  Sie  ist  sehr  plump  und  scbwer, 
an  der  Basis  etwas  dünner  und  zeigt  eine  stumpf  abgesetzte,  länglich-ovale  SchneideÜäche  {ähnlich 
wie  die  in  der  >Senjavin-Reise<,  PI,  2g,  Fig.  3,  von  Lukunor  abgebildete).  Andere  Triäacmi-Kiiagca 
von  Nukuor  stimmen  ganz  mll  der  dritten  Form  von  Kuschai  (S.  [470],  Fig.  38)  Qbercin,  nur  sind 
die  Seilen  mehr  abgerundet;  andere  zeigen  die  Unterseite  sanft  ausgehöhlt  (Ltngc  12  Cm.,  Breite 
SS  Mm.,  Dicke  3o  M,).  Noch  mehr  abweichend  ist  eine  Im  Kat.  M.  G.  (S.  338,  Nr.  tagt,  Taf.  XXIX, 
Fig.  7)  abgebildete  TVii/acn j-Klingc  von  Nukuor  >in  Form  eines  Hackebeil'.  Auf  Yap  kamen  Axt- 
klingen aus  Tridacna  sowohl  in  flacher  (Kai.  M.  G.,  5.  397:  Lange  25  Cm.,  Breite  iz  Cm.,  wie  die 
flachen  von  Kuschai),  aU  fast  vierkantiger  Form  (ib.  S.  397,  Nr.  456}  vor.  Aber  die  Schaltung  dieser 
Aexte  ist  verschieden,  namentlich  durch  die  Befestigung  mit  Schnur  an  den  dicken  knieffirmigen 
Holzstiel  (vgl.  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  S.  jo,  Taf.  IV,  Fig.  i3  u.  14).  Aehnlich  geschäftete  Aeite")  mit 
TViifdcna- Klinge  besassen  früher  die  Pelauer  {Kat.  M.  G  ,  S.  417,  Nr.  l3i3),  aber  sie  waren  keine 
Waßen,  wie  hier  gesagt  wird,  sondern  lediglich  Zimmcrgeräth.  Fast  jeder  Mann  pHegte  eine  solche 
Axt  auf  der  linken  Schulter  bei  sich  zu  tragen  {vgl. 
Fig,  S9-  Anthrop.  Album  M,  G.,  Taf.  20,  Fig.  154,  und  Herns- 

heim,  Taf.  u). 

Wenn  Kubary  in  BetreSf  der  Anfertigung  von 
Tritiacnii -Kl Ingen  auf  Nukuor  sagt;  *die  grossen 
TVitfiicnd -Schalen  werden  vermittelst  des  Bimsstein 
l.Vint  auf  Mortlock)  in  kleine  Stücke  gelhelll  und 
dann  in  der  gewünschten  Form  geschliffen«  und 
•  dank  dem  Ueberfluss  an  angetriebenem  Bimsstein 
zeichnen  sich  die  nukuor'schen  Aexie  durch  eine 
scharfe  Schneide  und  vollkommenere  Politur  aus- 
{Kat.  M.  O.,  S.  339),  so  gilt  dies  nur  in  Betreff  der 
letzleren.  Denn  wie  von  mir  angestellte  Versuche 
lehnen,  lässl  sich  mit  Bimsstein  wohl  glätten  und 
poliren,  aber  keine  TV/ifticnii-Schsle  durchschnei  Jen. 
Auch  in  Melanesien  kommen  übrigens  Tri- 
tfacna- Klingen  vor,  die  In  der  Form  ganz  mit  sol- 
chen von  Nukuor  übereinstimmen.  So  z.  ß.  eine 
mir  vorliegende  von  den  Salomons  (24  Cm,  lang, 
5  Cm,  breit  und  ebenso  dick),  welche  von  der 
nukuor'schen  (Fig.  57)  nur  dadurch  unbedeuiend 
abweicht,  dass  die  Unterseile  ganz  fiach  und  nicht 
so  stumpf,  sondern  mehr  spitz  zugeschliffen  ist. 
Kolossale   Trtrfiicna-Klingen  sah  ich  im  British  Museum  von  Banks-lnscl  (Neue-Hebriden). 

Zum  Schlüsse  mag  hier  noch  einer  Steinaxt  gedacht  werden,  die  Thomson  (Taf,  LVIl)  von  der 
Osler-lnsel  abbildet,  weil  dieselbe  in  der  Form  des  Holzstieles  und  Befestigung  der  ahnlich  geformten, 
aber  anscheinend  mehr  runden  Klinge  ganz  mit  dem  vorne  abgebildeten  Exemplare  von  Nukuor 
(Fig.  57)  übereinstimmt.  Das  Nationalmuseum  in  Washington  erhielt  durch  Thomson  nicht  weniger 
als  25  Steinäxte  von  der  Oster-Insel,  welche  hier  »Toki«  helssen,  also  ähnlich  wie  auf  Nukuor. 

Hohläxte  mit  einer  Klinge,  aus  Terebra  matulata  geschliffen  (Fig,  59),  waren,  wie  auf  Mort- 
lock und  anderwärts,  auch  auf  Nukuor  beliebt  (.Tochi  hakarongat)  zum  Aushöhlen  von  Canus  und 
Geßssen.  Terebra-Xexte  von  Banks-lnsel  sah  ich  im  British  Museum.  Der  Kai.  M.  G.  (S.  117)  ver- 
zeichnet einen  >Hohlmeissel  aus  Tridacna  geschlitfem  von  Sikaynna  der  Stewarts -Gruppe,  wo  nach 
Kleinschmidt  nur  noch  zwei  Exemplare  exislirten  (ib.  S.  462).  Auf  den  westlichsten  Carolinen  Soniol 
und  Bunai  (St.  David)  haben  eiserne  Aeile  die  eingeborenen  längst  verdrängt. 


')  Eine  ganz  abweichende  Art  Aette,  be!  denen  die  Tridaena-Klm^zn  einfach  in  ein  Loch  am 
Ende  des  Holzstieles  eingesetzt  sind  und  die  deshalb  mit  dem  eigenartigen  Typus  von  Humboldt-Bai 
Obereinstimmen  (vgl.  Finsch:  .Ethnol.  Atlas.,  Taf.  I,  Fig.  5),  werden  im  Kat.  M.  G,  (S,  418,  Nr.  io6 
und  107)  von  »Pelsu«  beschrieben,  stammen  aber,  wie  Herr  Schmeltz  neuerdings  berichtigend  mit- 
theille,  TOti  den  Anchorites  her. 


[cSi]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  34$ 

Sonstige  Werkzeuge  erhielt  ich  weder  von  Ruk  noch  Mortlock.  Kubary  erwähnt 
ganz  beiläufig  (I,  S.  73)  den  Namen  »Zirkelbohrer«  von  Ruk  (solche  auch  von  Pelau, 
II,  S.  184),  die  zum  Bohren  von  Löchern  in  Schildpatt  benutzt  werden,  und  führt  im 
Vocabular  von  Mortlock  »Me2e«  für  Bohrer  an,  ohne  indess  irgend  eine  Beschreibung 
zu  geben.  Im  Kat.  M.  G.  (S.  327)  sind  Nadeln  aus  Holz  und  Menschenknochen,  auf 
Mortlock  »Tefass«  genannt,  verzeichnet.  Sie  werden  bei  der  Blätter bedachung  der 
Häuser  benutzt,  entsprechen  also  ganz  den  »Teju«  der  Gilbert-Inseln  (vorne,  S.  [334]), 
sind  aber  vor  dem  Ende  mit  einem  Loche  versehen. 

7.  Weberei  und  deren  Erzeugnisse. 

a)  Webekunst.  Auf  keiner  von  allen  Inseln  der  Carolinen,  deren  Bewohner  zu 
weben  verstehen,  *)  florirt  diese  Kunst  so  sehr  und  wird  so  lebhaft  betrieben  als  auf  den 
centralen  Gruppen  Ruk  und  Mortlock,  deren  Bewohner  sich,  und  zwar  in  beiden  Ge- 
schlechtern, in  gewebte  Zeuge  kleiden.  Ausser  für  den  eigenen  Bedarf  wird  auch  für 
den  Tauschhandel  gearbeitet,  an  welchem  Ruk  in  erster  Linie  betheiligt  ist  (vgl.  vorne 
S.  [445])  und  somit  das  eigentliche  Centrum  der  Weberei  in  den  Carolinen  bildet. 
Nach  Kubary  verstehen  die  Bewohner  der  kleinen  Atolle  Nema  und  Losop  nicht  zu 
weben;  ob  dies  auch  für  Namoluk  gilt,  bleibt  leider  unerwähnt. 

Rohmaterial.  Während  auf  den  östlichen  Carolinen  nur  die  Faser  der  Banane  als 
Rohmaterial  benutzt  wird,  lindet  auf  den  Central-Carolinen  auch  die  Faser  aus  Bast 
von  Hibiscus  Verwendung  und  kommt  für  Mortlock  allein  in  Betracht.  Kubary  be- 
schreibt (1.  c,  S.  267)  die  Zubereitung  der  Hibiscus -Fastr  auf  Mortlock  (»Gilifau«  oder 
»Gilifa«,  auf  Ruk  »Silifa«)  ganz  in  der  Weise,  wie  dies  anderwärts,  z.  B.  auf  den  Mar- 
shall-Inseln  geschieht  (s.  vorne  S.  [41 3]),  gedenkt  aber  dabei  keiner  besonderen  Geräthe, 
z.  B.  Klopfer  (welche  letztere  beiläufig  der  Kat.  M.  G.  [S.  344]  von  Nukuor  in  drei 
eigenartigen  Formen  verzeichnet).  Die  Hibiscus-Fsiscrf  obwohl  biegsamer  und  weicher 
als  die  sprödere  Bananenfaser,  lässt  sich  übrigens  nicht  in  Faden  drehen  wie  letztere, 
weil  sie  nicht  jene  Dichtigkeit,  sondern  eine  mehr  poröse  Beschaffenheit  besitzt  und 
wird  deshalb  gespalten.  Die  einzelne  Bastfaser  ist  deshalb  stets  gröber,  breiter  als  dick 
und  von  dem  runden  Garnfaden  aus  Bananenfaser  ziemlich  leicht  zu  unterscheiden. 

Geräthschaften.  Wie  überall  auf  den  Carolinen  wird  die  Webeindustrie  auch 
auf  Mortlock  und  Ruk  ausschliesslich  vom  weiblichen  Geschlecht  betrieben.   Dass  die 


I)  Kubary  will  in  ein  paar  aus  Bananenfaser  gewebten  alten  Bändern,  die  er  auf  Pelau  erhielt, 
Belege  dafür  erblicken,  »dass  eine  primitive  Webekunst  in  früherer  Zeit  auch  hier  existirte«  (»Ethnol. 
Beitr.«,  I,  S.  61,  Note),  was  indess  damit,  wenigstens  für  mich,  noch  lange  nicht  bewiesen  ist. 
Auch  sagt  Kubary  selbst  (ib.  S.  209),  dass  Weberei  auf  Pelau  unbekannt  sei,  erwähnt  dagegen  (ib. 
S.  95)  die  Namen  dreier  Webegeräthschaften  von  Yap,  was  zur  Annahme  veranlassen  kann,  als  ver- 
stünde man  auch  hier  zu  weben.  Diejenigen,  welche  Kubary*s  Arbeiten  kennen,  wissen  aber  bereits, 
dass  dies  nicht  der  Fall  ist  und  dass  die  Yaper  ihre  Zeugstoife  zur  Männerbekleidung  von  Uluti  ein- 
handeln (Joum.  M.  G.,  II,  S.  15  und  Kat.  M.  G.,  S.  382  und  393).  Wenn  somit  an  dem  Fehlen  von 
Weberei  auf  Yap  und  Pelau  kein  Zweifel  sein  kann,  so  ist  es  um  so  interessanter,  dass  Kubary  den 
sicheren  Nachweis  auf  den  benachbarten  westlichsten  Inseln  Sonsol  und  Bunai  (St.  David)  liefern  konnte 
(»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  95).  Auf  letzterer  Insel  ist  diese  Kunst  aber  bereits  untergegangen.  Kubary  traf 
nur  noch  eine  alte  Frau,  die  zu  weben  verstanden  hatte,  und  erhielt  nur  noch  ein  Geräth  (das  Schwert 
»Kobab«  =  S.  [477],  Fig.  46),  sowie  den  letzten  »Dorc  oder  gewebten  Männergürtel  (»Ethnol.  Beitr.c, 
Heft  I,  S.  109).  Wie  es  scheint,  versteht  man  auch  auf  Pikiram  zu  weben  (s.  weiter  zurück).  Die  im 
Kat.  M.  G.  (S.  15,  Nr.  961 — 969)  aufgeführten  »gewebten  Zeuge«  aus  Neu-Guinea  sind,  wie  auch  ver- 
muthungsweise  ausgesprochen  wird,  zweifellos  eingeführte  Stoffe. 

Anoalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  24 


344  ^'■-  ^-  F'»n«ch.  [582] 

Technik  im  Wesentlichen  mit  der  auf  Kuschai  (vorne  S.  [472])  üblichen  übereinstim- 
men würde,  liess  sich  von  vorneherein  annehmen.  Die  kurze  Bemerkung  Lütke's  von 
Lukunor:  »der  Kettebock  ist  fast  genau  so  als  auf  Ualan«  (Voy.,  11,  S.  72)  gibt  darüber 
glücklicherweise  volle  Gewissheit  und  zugleich  Nachweis  des. wichtigsten  Geräthes 
zum  Aufmachen  der  Kette.  Sonderbarer  Weise  lässt  Kubary  dasselbe  ganz  unerwähnt, 
spricht  dagegen  aber  von  einem  »Webestuhl«,')  auf  Mortlock  »Tor«  genannt,  ein 
Wort,  das  (a.  O.)  »in  den  Central-Carolinen  im  Allgemeinen  sämmtliche  Webegerath- 
schaften«  bezeichnet.  Diese  Geräthschaften,  welche  indess  keinen  »Webestuhl«  nach 
unseren  Begriffen  darstellen,  sind  im  Wesentlichen  identisch  mit  denen,  wie  wir  sie  be- 
reits bei  Kuschai  kennen  lernten,  nur  entsprechend  der  bedeutenderen  Breite  der  cen- 
tral-carolinischen  Zeugstoffe  grösser.  Auch  sonst  finden  sich  gewisse,  indess  mehr 
nebensächliche  Verschiedenheiten.  So  bedient  man  sich  statt  der  auf  Kuschai  üblichen 
Webebretter  (vorne  S.  [477],  Fig.  44)  auf  Ruk  und  Mortlock  schmälerer,  aber  längerer 
Latten  oder  Leisten  (»Paap«),  wie  sie  der  Kat.  M.  G.  (S.  326)  als  »Rahmenstücke  eines 
Webestuhles«  beschreibt  (»97  Cm.  lang,  16  breit  und  2  dick«).  Diese  Latten  erfüllen 
übrigens  genau  denselben  Zweck,  die  Kette  straff  zu  halten,  was  in  derselben  Weise  wie 
auf  Kuschai  mittelst  eines  Gürtels  geschieht,  den  die  Weberin  um  den  Leib  legt  und 
mit  den  Oesen  in  die  Zapfen  der  Latten  befestigt.  Dieser  Webegürtel,  auf  Mortlock 
»Auoit«  (auch  »Auoy«)  genannt,  besteht  aus  einem  Bande  von  Cocosfasergeflecht  (Kat. 
M.  G.,  S.  326,  Nr.  2923).  Schiffchen  (»Azap«)  und  Schwert  (»Apynz«  oder  »Apin«) 
sind  ganz  wie  von  Kuschai,  nur  entsprechend  grösser  (ersteres  28  Cm.,  letzteres  94  Cm. 
lang)  wie  die  übrigen  Stücke  (Leisten  und  Stäbchen),  die  aber  aus  angetriebenem 
Bambu  gefertigt  werden.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  die  Webegeräthschaften  von  Mort- 
lock vollständig,  ebenso  die  ganz  ähnlichen  von  Ruk  (S.  378),  weiss  aber  »über  die 
Manipulation  beim  Gebrauch  des  Webestuhles«  nichts  mitzutheilen.  Auch  Kubary 
bleibt  darüber  Auskunft  schuldig  und  beschreibt  nur  die  Webegeräthschaften  von  Ruk 
(»Ethnol.  Beitr.«,  1,  S.  59 — 61),  und  zwar  mit  einer  Ausführlichkeit,  die  anscheinend 
nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Trotzdem  bleiben  selbst  für  Solche,  welche  mit  caro- 
linischer Weberei  vertraut  sind,  Unklarheiten,  wie  dies  ohne  erläuternde  Zeichnungen 
kaum  zu  vermeiden  war.  Diese  Unklarheiten  beziehen  sich  auf  folgende  Stellen  des 
Textes  (S.  60):  »Um  die  Keltenfäden  zu  reguliren,  sind  dieselben,  jeder  für  sich,  einmal 
um  ein  glattes  Bamburohr  gewunden,  das  auf  Ruk  ,Anan',  auf  Mortlock  ,UUut^  heisst« 
und  weiter:  »Dann  kommt  ein  Rohr,  auf  den  drei  Gruppen  resp.  Toro,  Nun  und 
Auzuru  genannt,  welches  durch  eine  Anzahl  dicht  aneinander  befindlicher  Oesen  die 
Fäden  der  unteren  Lage  umfasst  und  sie  dadurch  über  die  oberen  erheben  kann,  die 
erforderliche  Kreuzung  der  Längsfäden  für  das  Durchschieben  des  Querfadens  dadurch 
zu  Stande  bringend«.  Ohnehin  nicht  sehr  deutlich  in  der  Fassung,  würden  hier  nur  bild- 
liche Darstellungen  zum  besseren  Verständniss  helfen  können,  aber  immerhin  scheint 
es  sich  um  zwei  Vorrichtungen  zu  handeln,  die  in  der  mortlock'schen  (und  kuschai- 
schen)  Webemethode  fehlen.  Die  übrigen  Hauptgeräthe  (Webebretter  oder  Latten: 
Paap;  Schiffchen:  Asap;  Lade:  Opop,  auch  Aupoup;  und  Gürtel,  ebenfalls  aus  Cocos- 
faser  geflochten)  sind  ganz  so  wie  auf  Mortlock  (und  Kuschai).  Dasselbe  gilt  bezüglich 
der  Leisten  und  Stäbchen  (aus  Bambu),  wovon  die  ruk'sche  Webevorrichtung  drei 


I)  Tetens  beschreibt  (Journ.  M.  G.,  Heft  II,  S.  16)  einen  solchen  von  Uluti  (Mackenzie),  »be- 
stehend aus  einem  vierseitigen  circa  i  M.  langen  Rahmen,  der  an  einem  Ende  eine  drehbare  hölzerne 
Walze  tragt,  Ober  welche  die  Matte  läuft  und  von  den  Weibern  auf  dem  Schoosse  gehalten  wird«. 
Aber  diese  Beschreibung  ist  wohl  Phantasie  und  aus  der  Reihe  des  ethnologischen  Vergleich ungsmaterials 
zu  streichen« 


[cSSI  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  345 

mehr  besitzt.  Kubary  notirt  wenigstens  für  Riik  elf,  für  Mortlock  nur  acht  besondere 
Stücke,  die  tzum  Webestuhl«  gehören,  vergisst  aber  darunter  den  Kettebock.  Wie 
überhaupt  die  Kette  hergerichtet  wird,  darüber  erfahren  wir  so  wenig  wie  über  den 
eigentlichen  Webeprocess  selbst. 

Hinsichtlich  des  Webens  auf  Nukuor,  »so  geschieht  dies  auf  einem  Webestuhle,  ähnlich  wie 
man  ihn  auch  auf  den  Mortlock-  und  Ruk-Inseln  findet,  obwohl  der  nukuor'sche  in  seiner  Zusam- 
mensetzung einen  geringen  Unterschied  aufweist«,  sagt  Kubary  in  seiner  ausführlichen  Beschreibung 
der  Webegeräthschaften  (Kat.  M.  G.,  S.  325),  die  übrigens  kein  klares  Bild  gibt,  zumal  da  sich  Wider- 
sprüche finden.  So  wird  die  Zahl  der  einzelnen  Stücke  zu  acht,  an  anderen  Orten  zu  zehn  und  elf 
angegeben,  und  darunter  fehlt  wiederum  der  Kettebock  ganz.  Die  Nadel  (Schiffchen)  von  Nukuor  »ist 
von  ganz  anderer  Form«,  bemerkt  Kubary  a.  O.  (»Ethnol.  Beitr.«,  T,  S.  61),  aber  die  im  Kat.  M.  G. 
(S.  345)  beschriebenen  Stücke  weichen  nur  unerheblich  ab,  und  ein  Exemplar  von  Nukuor,  das  ich 
von  Kubary  selbst  erhielt,  ist  genau  so  wie  solche  von  Kuschai,  nur  grösser  (52  Cm.  lang  und  65  Mm. 
breit).  Dasselbe  gilt  hinsichtlich  der  Lade  (über  i  M.  lang)  und  der  übrigen  Geräthschaften,  die  also 
im  Wesentlichen  dieselben  sind  als  sonst.  Kubary  bestätigt  dies  selbst  in  den  Worten:  »auf  den  drei 
Gruppen  Ruk,  Mortlock  und  Nukuor  ist  ein  Webestuhl  derselben  Construction  in  Gebrauch«  (»Ethnol. 
Beitr.«,  I,  S.  59).  Die  Annahme,  dass  die  Webekunst  Nukuors  von  Mortlock  herstammt,  lässt.  sich 
ebenso  wenig  beweisen  als  widerlegen. 

b)  Erzeugnisse  der  Weberei  sind,  wie  bereits  erwähnt,  Zeugstoffe  zur  Bekleidung, 
deren  Länge  und  Breite  innerhalb  der  nachfolgenden  vergleichenden  Tabelle  differirt: 

Länge  1*90 — 2*20  M.  Breite  47 — 67  Cm.  Mortlock 

»         »           »      »  »      47 — 55     »  Ruk 

»       i'6o — 2*00   »  »      60—65     *  Nukuor^)  (Kat.  M.  G.) 

»      i'So — 2'6o   >  »      40 — 60     »  üleai 

»      i*20 — i-6o   »  »      35 — 45     »  Uluti  (Yap,  Kat.  M.  G.) 

Wie  die  »Toll«  von  Kuschai  enden  auch  die  Gewebe  der  Central-Carolinen  an 
den  Schmalseiten  in  (6 — 28  Cm.  lange)  Fransen,  die  aus  den  Kettfäden  gebildet  werden. 
Gröber  als  die  Webereiproducte  der  östlichen  Inseln,  unterscheiden  sich  die  centralcaro- 
linischen  Zeugstoffe,  »OS«  (Otsch)  (auf  Ruk  auch  »Mezei«)  genannt,  durch  ansehnlich 
grössere  Dimensionen,  namentlich  in  der  Breite,  und  sind  schon  deshalb  weit  minder 
kunst-  und  geschmackvoll,  weil  die  bunten  Farben  fehlen.  Ausser  den  natürlichen 
Färbungstönen  des  verwendeten  Materiales,  also  von  dem  blassen  Fahl  der  gebleichten 
Bananenfaser  bis  zu  der  lebhaft  lohfarbenen  Nuance  der  HibiscuS'FsLSQr,  kommt  eigent- 
lich nur  Schwarz^)  in  Betracht.  Als  Färbemittel  dafür  bedient  man  sich  der  schwarzen 
Schlammerde  (»Puel«)  aus  den  Tarofeldern,  die  Ruk  eigen  zu  sein  scheint  und  welche 
die  Mortlocker  von  dort  eigens  mitbringen  (Kubary,  1.  c,  S.  267  und  Kat.  M.  G.,  S.  329), 
ein  Material,  das  übrigens  auch  in  gleicher  Weise  zum  Färben  der  Frauenschurze  auf 
Pelau  verwendet  wird  (Kubary,  II,  S.  21 3).  Ein  blassgelblicher  Ton  gewisser  Zeuge 
scheint  mit  Lösung  von  Curcuma  gefärbt,  welcher  letztere  Stoff  zur  Verschönerung  der 
Zeuge  mittelst  Einreiben  oder  Auftragen  in  einer  dicken  Schicht  viel  verwendet  wird. 
Schon  Lütke  gedenkt  dieser  ganz  bemalten,  stark  abfärbenden  Zeuge  von  Lukunor  als 
Staatskleider,  wie  sie  auch  auf  Ruk  sehr  beliebt  sind.     Zeuge  mit  gelb  aufgetragenen 


I)  Kubary  gibt  die  Länge  der  nukuor'schen  Zeugstoffe  sogar  zu  279  M.,  deren  Breite  zu 
93  Cm.  (!)  an. 

3)  Von  Uluti  (Mackenzie)  erhielt  ich  auch  Zeuge  mit  eingewebten,  lebhaft  rothen  Streifen,  die 
aber  bereits  mit  importirtem  Anilin  gefärbt  sind.  (Hierher  gehört  »Hüftgurt«,  Kai.  M.  G.,  S.  38 1, 
Nr.  57.)  Im  Vocabular  von  Mortlock  verzeichnet  Kubary  folgende  Farben:  »posopos«  =  weiss,  »lipar« 
=  roth  und  »sosoU  =  schwarz,  blau  und  grün,  was  zeigt,  dass  man  auch  hier  die  letzteren  Farben 
nicht  zu  unterscheiden  versteht. 

24* 


346  Dr.  O.  Finsch.  [584] 

breiten  Streifen  (wie  Nr.  23o  der  Sammlung)  werden  nach  Kubary  nur  auf  Ruk  ge- 
machty  aber  auch  nach  Mortlock  verhandelt.  Männer  benutzen  nach  Kubary  stets  ein- 
farbige Zeuge,  darunter  auch  ganz  schwarze,  wogegen  Frauen  nur  gemusterte  Zeuge 
verwenden,  eine  Unterscheidung,  welche  sowohl  für  Ruk  als  Mortlock  gilt.  Wie  er- 
wähnt, wird  auf  letzterer  Gruppe  nur  Hibiscus-Beisifsiser  als  Material  verwendet,  auf 
Ruk  aber  auch  die  feinere  Bananen faser  und  hier  auch  Halbzeuge  aus  abwechselnden 
Streifen  von  beiden  Materialien  gewebt  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  3o3,  Nr.  2932).  Wenn  im 
Allgemeinen  die  Zeuge  von  Ruk  (wie  Nukuor,  Uleai  und  Uluti)  schon  des  feineren 
Materials  wegen  besser  sind  als  die  von  Mortlock,  so  finden  sich  doch  überall  erhebliche 
Unterschiede  in  der  Qualität,  die  ja  aus  leicht  begreiflichen  Gründen  nicht  nur  vom 
Material  allein,  sondern  auch  von  der  individuellen  Geschicklichkeit  und  Fertigkeit  der 
Weberin  abhängt.  In  noch  höherem  Grade  gilt  dies  hinsichtlich  der  Muster,  die  inner- 
halb gewisser  Typen  fast  so  viele  kleine  Abweichungen  zeigen,  als  dies  von  den  »Toll« 
von  Kuschai  bereits  erwähnt  wurde. 

Unter  Vorlage  einer  grossen  Reihe  Zeugstreifen  von  Mortlock  demonstrirte  mir 
Kubary  folgende  Muster  als  typisch: 

1.  Long-long-Muster:  mit  4  (circa  80  Mm.)  breiten,  schwarzen  Längsstreifen; 
die  4  hellen  Zwischenstreifen  nur  12—15  Mm.  breit;  übrigens  zuweilen  auch  5  breite 
schwarze  Längsstreifen  und  die  schmäleren  hellen  Längsstreifen  mit  i — 2  schwarzen 
Längslinien.  Hierher  gehört  die  Bekleidung  des  Mädchens  im:  Anthrop.  Album  M.  G., 
Taf.  24,  Nr.  271,  Figur  rechts). 

2.  Kaleman-lap-Muster  (d.  h.  »grosser  Kaleman«):  6  breite  schwarze  (circa 
60  Mm.  breite)  und  6  schmälere  (circa  22  Mm.)  helle  Längsstreifen. 

3.  »Kaleman-kis«  (d.h.  »kleiner  Kaleman«):  9  (circa  45  Mm.)  breite  schwarze 
und  8  schmale  (circa  1 7  Mm.  breite)  helle  Längsstreifen. 

4.  »Lidschob«  (Li2op):  17  schmale  (22 — 27  Mm.  breite)  schwarze  und  16  helle 
(17  Mm.  breite)  noch  schmälere  helle  Streifen. 

Ich  muss  gestehen,  dass  mich  diese  Mustereintheilung  schon  damals  wenig  be- 
friedigte, denn  eine  exacte  Unterscheidung  schien  kaum  durchführbar.  Sie  wird  vollends 
zur  Unmöglichkeit,  wenn  man  den  obigen  vier  Mustern  noch  die  weiteren  hinzufügt, 
welche  Kubary  für  Mortlock  (1.  c,  S.  268)  ausserdem  kurz  beschreibt,  nämlich:  »Pat- 
pat«  (aus  schwarzen  und  weissen  Längsstreifen),  »Sook«  (»auf  schwarzem  Grunde  sind 
viele  schmale  weisse  Zackenstreifen  vorhanden«)  und  »Monomaz«  (ein  sehr  reiches 
Muster  von  Ruk).  Im  Kat.  M.  G.  (S.  3o3,  Nr.  2929)  wird  von  Mortlock  noch  ein  weiteres 
Muster  als  »Fi2an«  (Fischan)  bezeichnet,  welchen  Namen  Kubary  (a.  O.)  aber  für  eine 
gewisse  Art  Mäntel  (Ponchos)  anwendet.  Wenn  die  Feinheiten  der  specifischen  Be- 
nennungen und  Unterscheidung  wahrscheinlich  für  Eingeborene  keine  Schwierigkeiten 
haben,  so  ist  für  unsere  Augen  im  Grossen  und  Ganzen  nur  eine  Eintheilung  in  breitere 
und  schmälere  Längs-  und  Querstreifenmuster  möglich.  Die  Details  der  Patterne  sind 
nun  innerhalb  dieser  allgemeinen  Muster  so  variirend  und  mannigfach,  dass  kaum  zwei 
Zeugstreifen  genau  das  gleiche  Muster  aufzuweisen  haben.  Dies  erklärt  sich  schon 
daraus  leicht,  weil  die  carolinische  Weberin  ohne  Vorlagen  nur  nach  eigenem  Gut- 
dünken arbeitet,  wie  wir  diese  Verhältnisse  bei  Kuschai  (S.  [481])  bereits  kennen 
lernten.  Eine  genaue  Vergleichung  der  Notizen  über  das  reiche  Material  an  Webc- 
producten  der  Carolinen    im  Kat.  M.  G.')  bestätigt   die  obige  Annahme,  die  sich 


I)  Von  Mortlock  (S.  3o2-^3o6)  allein  32  Stück,  davon   16  gemusterte,  von   Ruk  (S.  357—359) 
17  gemusterte,  von  Uleai  (S.  38 1  u.  382)  29  Stück. 


[^85!  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstocke  aus  der  Südsee.  ^aj 

ausserdem  auf  Untersuchung  einer  ansehnlichen  Reihe  von  gewebten  Zeugen  von  Uleai 
und  Uluti  begründet.  Von  ersterer  Insel  verglich  ich  etliche  zwanzig  Stück  und  fand  an 
jedem  kleine  Verschiedenheiten.  Ausser  geradlinigen  Streifenmustern  (zum  Theil  carrirt, 
diese  nach  Kubary  nur  Ruk  eigen)  kommen,  obwohl  seltener  und  nur  in  beschränkter 
Ausdehnung,  auch  rhombische  und  Zickzackiiguren  vor,  die  indess  nicht  eingewebt, 
sondern  aufgenäht')  (gestickt)  sind,  eine  Technik,  die  wir  schon  von  Kuschai  kennen 
(S.  [476]).  In  dieser  Manier  ist  die  Randkante  eines  Zeugstreifens  von  Uleai  (Nr.  229 
unserer  Sammlung)  verziert,  wie  ich  dies  in  sehr  geschmackvoller  Weise  in  Mustern  von 
Uluti  beobachtete.  Das  Material  der  meist  sehr  sauber  gearbeiteten  Webereien  von  hier 
ist  Bananenfaser,  welche  vorherrschend  auch  auf  Nukuor  verwendet  wird.  Ueber  die 
Muster  der  hiesigen  Zeuge  macht  Kubary  keine  Mittheilungen,  und  der  Kat.  M.  G.  ver- 
zeichnet von  hier  (S.  335)  nur  grobe  gewebte  Zeuge  aus  bräunlicher  Hibiscus-Fastr, 

Da  gewebte  Zeuge  einen  Hauptartikel  im  Tauschverkehr  der  Eingeborenen  bilden 
und  unter  Umständen  von  Ruk  bis  nach  Pelau  gelangen  können,  so  wird  es  selbst  dem 
besten  Kenner  nicht  möglich  sein,  die  Herkunft  eines  Stückes  sicher  zu  bestimmen,  und 
es  bedarf  dafür  verbürgter  Angaben. 

Auf  Pikiram  (Green wich  Isl.),  einem  ziemlich  isolirten  Atoll,  circa  240  Seemeilen  südlich  von 
Mortlock,  ist  Weberei  ebenfalls  bekannt,  was  hier  erwähnt  sein  mag,  weil  ich  darüber  sonst  keine 
Notiz  fand.  Durch  Güte  von  Herrn  Capelle  auf  Dschalut  erhielt  ich  von  hier  grobe  einfarbige  Stoffe, 
aus  ungebleichtem  lohfarbenen  Hibiscus-BMt  gewebt,  sowie  auch  feinere  aus  gleichem  Material.  Einige 
Zeuge  zeigten  schmale  weisse  L|ngsstreifen  aus  einem  seidenähnlich  glänzenden  Material,  wie  es  sonst 
nirgends  in  den  Carolinen  vorkommt  und  welches  als  die  gebleichte  Bastfaser  des  Brotfruchtbaumes 
bezeichnet  wurde.  Aus  demselben  Materiale  versteht  man  auf  Pikiram  bekanntlich  auch  Tapa  zu 
bereiten  (vgl.  vorne  S.  [10]  und  Kat.  M.  G.,  S.  351). 

S.  Fahr\eugey  Seeverkehr  und  Handel. 

Das  Canu  von  Ruk  (»Va«)  stimmt  nach  Kubary  in  Bauart  und  Form  durchaus 
mit  dem  centralcarolinischen  überein  und  gehört  zu  jenem  ausgezeichneten  Typus') 
von  Hochseefahrzeugen,  wie  wir  ihn  bereits  aus  dem  Marshall- Archipel  (S.  159  [415]) 
kennen  lernten.  Die  nach  dem  Zeugnisse  Chamisso*s  durchaus  correcte  Abbildung  eines 
grossen  carolinischen  Canus  (wahrscheinlich  von  Uleai)  bei  Choris  (PI.  XVUl)  stimmt 
bis  auf  gewisse  Einzelheiten  so  mit  dem  Marshall-Canu  überein,  dass  eine  wettere  Be- 
schreibung überflüssig  ist.  Erwähnt  mag  aber  sein,  dass  die  Plattform  an  der  Ausleger- 
seite sich  schräg  bis  fast  an  die  Bugenden  erstreckt,  und  dass  den  hohen  gebogenen 
Schnäbeln  die  Verzierungen  (Bellick)  fehlen.  Das  Segel  (Amara)  ist  aus  grobem  Matten- 
geflecht von  Pandanus-BXBll  gefertigt,  dreiseitig  (lateinisch)  und  wird  ganz  so  geführt 
wie  auf  den  Marshall-lnseln.  »Segel,  Segeltaue  und  Masttakelage«  werden  von  Nema, 
Losop,  Poloat  und  »Tananu«  (wohl  Fananu  des  Etal- Atolls)  nach  Ruk  eingeführt 
(Kubary,  I,  S.  65).  Auf  der  einen  Seite  der  Plattform  seetüchtiger  Fahrzeuge  ist  eine 
kleine  Hütte  errichtet,  wie  dies  Kittlitz  von  Lukunor  erwähnt.  Abbildungen  solcher 
(»Senjavin-Reise«,  PI.  85,  und  Kittlitz:  Denkwürd.,  11,  S.  89)  zeigen  im  Ausleger  einige 
Abweichungen,  die  aber  als  Localverschiedenheiten,  wie  sie  überall  vorkommen,  neben- 
sächlich sind.  Ein  wesentlicher  Unterschied  besteht  aber  in  der  Construction  des  Schiffs- 
körpers, und  zwar  darin,  dass  bei  dem  carolinischen  Canu  beide  Seiten  gleich,  beim 


1)  Hierher  gehören  die  Stucke  des  Kat  M.  G.  von  Mortlock  (S.  3o3,  Nr.  562;  S.  3o4,  Nr.  564, 
2934,  und  S.  305,  Nr.  293$),  von  Ruk  (S.  358,  Nr.  343o),  von  Uleai  (S.  38 1,  Nr.  60,  61)  und  Uluti  (S.  390). 

3)  Zu  diesen  Canus  mit  KielstQck  und  Seitentheilen  gehört  auch  das  im  Uebrigen  sehr  ab- 
weichende Canu  von  Tahiti  (Wilkes,  II,  S.  21,  Abbild.). 


348  Dr.  O.  Finsch.  [586] 

Marshall-Canu  (vgl.  Fig.  24,  S.  [417])  ungleich  sind.  Lütke  macht  in  seiner  ausführ- 
lichen Beschreibung  (»Voyage«  etc.,  II,  pag.  74 — 7g)  besonders  auf  diese  wichtige  Con- 
structionsverschiedenheit  aufmerksam,  erwähnt  aber  ausserdem  die  Uebereinstimmung 
der  Fahrzeuge  von  Lukunor,  Ruk,  Fais,  Uleai  und  Uluti.  Die  Ungleichheit  der  Seiten 
besassen  aber  die  weit  vollkommeneren  Canus  der  Mariannen,  die  wir  nur  nach  Anson 
kennen,  da  es  leider  an  einer  vergleichenden  Darstellung  der  Carolinen-Fahrzeuge  fehlt 
und  bald  dafür  ohnehin  zu  spät  sein  dürfte.  Nach  Lütke  weichen  die  Hochseefahrzeuge 
von  Ruk  nur  dadurch  unbedeutend  von  dem  mortlock'schen  ab,  dass  das  Segel  tnit 
einem  Gaitau  versehen  ist,  stimmen  aber  im  Uebrigen  auch  ganz  mit  den  Canus  von 
Lukunor,  Uleai  und  Namonuito  (HalMnseln)  überein.  Kubary,  der  das  Hochseecanus 
der  Mortlocker  (»Ua«  oder  »Ua  serek«,  Segelcanu)  ausführlich  beschreibt  (1.  c,  S.  263 
bis  266,  leider  ohne  Abbildungen),  bestätigt  dies  und  bezeichnet  auch  die  grossen  Canus 
von  Yap  (»Paupau«,  früher  auch  »Tschukopinn«  genannt)  als  gleichartig.  »Der  ,Melyuk* 
(auf  Mortlock  ,Messuk')  scheint  das  typische  centralcarolinische  Segelfahrzeug  zu  sein 
und  findet  sich  im  ganzen  Westen  bis  auf  Yap.  Die  Construction  des  ruk*schen  Segel- 
fahrzeuges stimmt  vollkommen  mit  dem  mortlock'schen  überein.  Im  Allgemeinen  sind 
die  ruk'schen  Fahrzeuge  etwas  grösser  und  stärker  gebaut,  w$is  in  dem  grösseren  Holz- 
reichthum  der  Insel  seinen  Grund  hat«  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  s3).  Die  hier  gegebenen 
Masse  eines  grossen  Ruk-Canu  stimmen  fast  ganz  mit  den  eines  solchen  von  den  Mar- 
shall-Inseln  (vorne  S.  [417])  überein,  nur  ist  die  ansehnlich  geringere  Länge  des  Aus- 
legerbalkens (265  M.  gegen  4*34  M.)  auffallend.  Lütke  verzeichnet  für  Lukunor-Canus 
27  Fuss  Länge,  2  V2  Fuss  Breite  und  4  Fuss  Tiefe,  doch  gibt  es  grössere. 

Eigenthümlich  für  die  Canus  der  Central-Carolinen  ist  der  Anstrich  in  haltbarer 
Farbe,  wie  dies  ähnlich  auf  Kuschai  und  Ponap^  geschieht.  Dieser  Anstrich  ist  aber 
nicht  einfarbig  rothbraun  wie  auf  letzteren  Inseln,  sondern  nach  Lütke  werden  die  Canus 
von  Lukunor  unten  schwarz,  oben  gelb  oder  roth  angestrichen,  die  von  Ruk  roth  mit 
schwarzen  Streifen.  Nicht  ganz  damit  übereinstimmend  sagt  Kubary:  »Die  Segelfahr- 
zeuge von  Ruk  sind  ganz  schwarz  bemalt,  mit  Ausnahme  eines  schmalen,  gegen  die 
Enden  sich  ausbuchtenden  Raumes  entlang  des  oberen  Randes.  Dies  Muster  wird  durch 
die  Bewohner  der  niedrigen  Inseln  genau  beibehalten,  obwohl  sie  sich  die  rothe  Farbe 
von  Ruk  holen  müssen,  und  findet  sich  auch  bei  dem  yap'schen  Paupau')  wieder« 
(»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  5 3).  In  welcher  Farbe  übrigens  der  obere  Rand  beim  ruk'schen 
Fahrzeug  bemalt  wird,  ist  aus  dem  Vorhergehenden  nicht  ersichtlich,  und  in  der  Be- 
schreibung des  Mortlock-Canu  lässt  Kubary  den  Anstrich  überhaupt  unerwähnt. 

Ausser  dem  erwähnten  Segelcanu  besitzen  die  Central-Carolinen  noch  eine  zweite 
Art,  das  kein  Segel  führt,  daher  mittelst  Paddeln  bewegt  wird  und  für  den  heimischen 
Verkehr  bestimmt  ist.  Dieser  Typus,  auf  Mortlock  »Liegak«  (auch  »Ua  fatal«  =Rudcr- 
canu),  auf  Ruk  »Va  faten«  genannt  und  von  Kubary  als  »Kriegscanoe«  bezeichnet, 
findet  sich  übrigens  auch  auf  anderen  Carolinen  und  ist  überhaupt  weit  verbreitet  (vgl. 


1)  Damit  im  Widerspruch  heisst  es  in  der  Beschreibung  des  Yap-Canus  (Journ.  M.  G.,  Heft  11, 
S.  19),  »das  ganze  Holzwerk  dieser  Kähne  ist  von  aussen  und  innen  mitteist  einer  rothen  Erde  be- 
malt« (!).  Aber  diese  ganze  Darstellung  (welche  unter  Anderem  die  Breite  zu  »11/2  M.<  =  fast  5  Fuss 
verzeichnet)  ist  eine  so  fehlerhafte,  dass  sie  sammt  der  total  verfehlten. Abbildung  (Taf.  III)  als  Ver- 
gleich ungsmaterial  nur  irreführt  und  besser  uncitirt  bleibt.  Dagegen  darf  auf  die  Abbildung  eines 
Yap-Canus  bei  Hernsheim  verwiesen  werden  (»SQdsee-Erinnerungen«,  Taf.  3).  Da  Yap  wenig  brauch- 
bares Holz  zu  Canubau  besitzt,  so  zimmern  die  Eingeborenen  dieser  Insel  ihre  grossen  Canus  auf 
Pelau,  erwähnenswerth  deshalb,  weil  die  Pelauer  trotz  besserer  Lehrmuster  und  Vorbilder  ihrem  alten 
primitiveren  Modell  treu  geblieben  sind.  Nach  Kadu  kauften  die  Yaper  damals  gern  Canus  von  Uleai, 
wie  nach  LOtke  die  Bewohner  Uleais  die  ihren  ebenfalls  von  hier  bezogen. 


[cgyl  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  349 

vorne  S.  [480]).  Lütke  und  Kittlitz  gedenken  von  Lukunor  kleiner  Canus  mit  Aus- 
leger, die  nur  eine  Person  tragen,  und  ähnliche  »Einspänner«  sah  ich  unter  Anderem 
auf  Normanby,  der  d'Entrecasteaux-Gruppe  (vgl.  Finsch:  »Samoafahrten«,  Abbild., 
S.  214).  Die  centralcarolinischen  Paddelcanus  (bis  10  M.  lang:  Kubary)  tragen  natürlich 
eine  ziemliche  Anzahl  Personen,  welche  sich  Paddel  (»Fatel«,  Mortlock)  bedienen,  die 
im  Ganzen  mit  der  üblichen  Form  (z.  B.  Fig.  48,  S.  [479])  übereinzustimmen  scheinen, 
obwohl  dies  aus  Kubary*s  Beschreibung  (1.  c,  S.  62)  nicht  ganz  sicher  festzustellen  ist. 
Aber  aus  der  Beschreibung  (Kat.  M.  G.,  S.  374)  ergibt  sich,  »dass  die  Spitze  des  Blattes 
knopfartig  verdickt  ist«,  was  an  die  Paddel  von  Trobriand  (vorne  S.  [173])  erinnert. 
Die  ganz  schwarz  bemalten  Paddelcanus  von  Ruk  zeichnen  sich  ausserdem  durch  eine 
gewisse  Bugverzierung  aus,  die  auf  Mortlock  und  den  übrigen  Carolinen  fehlt  und  des- 
halb besonders  interessant  ist.  Sie  besteht  in  einer  bunt  bemalten  Holzschnitzerei,  deren 
oberer  Theil  zwei  Seeschwalben  darstellt  (Kubary,  I,  S.  s3,  Taf.  IX,  Fig.  6),  und  die  auf- 
geklappt werden  kann,  was  zugleich  kriegerische  Absichten  andeutet.  Gemeinschaftlich 
für  Ruk  und  Mortlock  sind  schmale  (circa  1*16 — 1*20  M.  lange),  flache,  säulenartige, 
geschnitzte  Stäbe,  die  senkrecht  auf  der  Auslegerbrücke  befestigt  und  zwischen  denen 
die  Speere  aufbewahrt  werden  oder  wurden,  Vorrichtungen,  die  sich  übrigens  ähnlich 
an  verschiedenen  melanesischen  Canus  finden  (vgl.  vorne  S.  [192]).  Die  Stäbe  von  Ruk 
sind  ausser  Schnitzerei  auch  mit  Malerei  (in  Schwarz  und  Weiss)  verziert  (vgl.  Kat. 
M.  G.,  S.  373,  Nr.  3397 — 3403  [»Auslegerstützenc],  Taf.  XXXI,  Fig.  2,  und  Kubary,  I, 
Taf.  IX,  Fig.  7),  was  bei  den  mortlock*schen  nicht  der  Fall  ist,  die  dagegen  am  oberen 
Ende  in  Hähne  ausgeschnitzt  sind,  »die  hier,  wie  überall  im  Westen,  als  Symbol  des 
Krieges  und  der  Tapferkeit  gelten«  (Kubary,  S.  54),  eine  charakteristische  Eigenthüm- 
lichkeit,  die  Kubary  unter  Mortlock  ganz  zu  bemerken  vergisst. 

Hinsichtlich  der  Seetüchtigkeit  erklärte  Lütke  die  Canus  von  Lukunor  für  ganz 
brauchbare  Fahrzeuge,  führt  aber  bereits  die  übertriebenen  Schilderungen  früherer 
Reisender  über  die  Schnelligkeit  auf  das  richtige  Mass  zurück.  Kubary  stellt  dem  Mort- 
lock-Canu  kein  sehr  günstiges  Zeugniss  in  Betreff  der  Leistungsfähigkeit  aus.  »Beim 
Kreuzen  treiben  diese  Fahrzeuge  ausserordentlich  stark.  Das  bestsegelnde  Canu  läuft 
kaum  4  Seemeilen  in  der  Stunde,«  eine  Geschwindigkeit,  die  schon  Chamisso  für  das 
Carolinen-Canu  »im  günstigsten  Falle«  als  äusserste  Grenze  bezeichnet.  Logan's  Er- 
fahrungen auf  wiederholten  Canureisen  bestätigen  dies.  Zu  der  Distanz  von  10  See- 
meilen von  Losop  nach  Nema  waren  bei  massigem  Winde  fünf  Stunden  erforderlich. 
Und  bei  sehr  bewegter  See  brauchte  man  einst  von  Etal  nach  Oniop  der  Lukunor- 
Lagune,  nur  9  Seemeilen,  einen  ganzen  Tag. 

Jede  Canureise  erfordert,  wie  überall,  gründliche  Vorbereitungen  und  Reparaturen, 
namentlich  Calfatern.  Trotzdem  leckt  das  Mortlock-Canu  (nach  Kubary)  wie  ein  Sieb, 
und  zwei  Mann  müssen  fortwährend  schöpfen.  Die  Wasserschöpfer  stimmen  fast  ganz 
mit  denen  der  Marshallaner  überein  (vgl.  »Senjavin-Reise«,  PI.  29,  Fig.  11:  Lukunor). 

Seeverkehr  und  Handel.  Wenn  Kadu  Canus  von  Ruk  auf  Uleai  (450  Seemeilen 
Entfernung)  gesehen  zu  haben  behauptet,  so  können  dies  höchstens  verschlagene  ge- 
wesen sein,  die  als  solche  sogar  unfreiwillig  nach  Guam  gelangten,  worüber  verbürgte 
Nachrichten  vorliegen.  Aber  so  wenig  wir  auch  über  die  Fahrten  der  Ruker  in  früherer 
Zeit  wissen,  so  ist  doch  sicher,  dass  sie  nicht  an  den  Reisen  nach  Guam  theilnahmen. 
Trotz  trefflicher  Fahrzeuge  scheinen  sie  nie  berühmte  Seeleute  gewesen  zu  sein  und 
unternehmen,  wenigstens  jetzt,  schon  lange  keine  Seereisen  mehr.  Da  Ruk  den  Central- 
punkt  für  den  Eintausch  von  Gelbwurz  bildet  und  deshalb  von  den  Nachbarn  aufge- 
sucht wird,  so  lässt  sich  annehmen,  dass  diese  Verhältnisse  von  jeher  dieselben  waren. 


350  I^r.  O.  FInsch.  [588] 

So  sind  es  besonders  die  Bewohner  der  Hall-Inseln,  welche  mit  Ruk  in  Verkehr  stehen, 
und  zwar  finden,  wie  überall,  diese  Fahrten  zwischen  gewissen  Inseln  statt.  Nach  Ku- 
bary,  dem  wir  darüber  die  meisten,  nicht  selten  aber  auch  widersprechende  Nachrichten 
verdanken,  reisen  die  Bewohner  von  Namun  (Namunoito)  der  Hall-Gruppe  (circa 
100  Seemeilen  weit)  nur  nach  den  nördlichsten  Atollinseln  des  Ruk-Rififes  Pis  und 
Faleu  (Falalu).  Seitdem  haben  wir  aber  durch  denselben  Reisenden  erfahren,  dass 
letztere  Insel  überhaupt  unbewohnt  ist,  und  dass  die  Bewohner  sämmtlicher  Hall-Inseln 
(also  auch  von  Fananu,  Rua  und  Murilla  =  Moriljö)  nur  die  hohen  Inseln  Uola  und 
Tsis  besuchen.  Aber  auf  dieser  Fahrt  wird  jedenfalls  Pis  berührt,  wie  die  Bewohner 
des  letzteren  Atolls  wiederum  für  sich  Zwischenhandel  mit  den  hohen  Inseln  (Fefan, 
Param,  üdot  und  Faituk)  betreiben.  Von  Westen  her  sind  es  hauptsächlich  die  Be- 
wohner von  Poloat  (Ponouvat,  Enderby),  welche  Ruk  besuchen,  ausserdem  in  be- 
schränkter Weise  auch  die  von  Suk  (Pulusuk)  und  der  Gruppe  Los  Martires  (Tamatam 
und  Ponnap  oder  OUap). 

Wenn  Kadu  angibt,  dass  die  Bewohner  der  Mortlock-Inseln  sich  ebenfalls  an  den 
Fahrten  nach  den  Mariannen  (Guam)  betheiligten,  so  ist  dies  jedenfalls  unrichtig  (vgl 
vorne  S.  187  [443]).  Nach  Kubary  ist  die  Fahrt  nach  Ruk  die  einzige,  welche  von  den 
Mortlockern  unternommen  wird,  und  wir  erhalten  darüber  einen  interessanten  ausführ- 
lichen Bericht  (1.  c,  S.  284).  Darnach  wurde  die  140  Seemeilen  weite  Fahrt,  ähnlich 
wie  wir  dies  von  den  Marshallanern  (vorne  S.  [421])  kennen,  nie  direct  ausgeführt.  Man 
lief  zuerst  die  3o  Seemeilen  entfernte  Insel  Namoluk  an,  dann  Losop  (65  Seemeilen) 
und  Nema  (10  Seemeilen),  das  nur  85  Seemeilen  westlich  von  Ruk  liegt.  Geht  bei  gün- 
stigem Passat  die  Fahrt  gut,  so  dauert  die  ganze  Reise  circa  36  Stunden  (von  Namoluk 
nach  Losop  etwa  18).  Aber  häufig  ist  dies  nicht  der  Fall,  und  Logan  erzählt  einen  Fall, 
wo  ein  Canu  von  Mosch,  der  nördlichsten  Insel  der  Satöan-Lagune,  zwei  volle  Wochen 
bis  nach  Ruk  brauchte  und  dort  mehrere  Monate  auf  günstigen  Tradewind  zur  Rück- 
reise warten  musste.  Verschlagen  kommt  dabei,  wie  überaU,  vor,  und  Kubary  führt 
einen  interessanten  Fall  aus  dem  Jahre  1877  an,  wo  ein  Mortlock-Canu  statt  nach  Ruk 
nach  Suk  (150  Seemeilen  westlich  davon)  gelangte.  Kubary 's  Nachrichten  beruhen 
natürlicherweise  auf  Erkundigungen,  denn  er  selbst  traf  (1877)  auf  Mortlock  nur  einmal 
eine  kleine  Canuflotte  von  Losop  (95  Seemeilen  nördlich).  Nach  späteren  Angaben  des- 
selben Reisenden  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  76)  sind  es  hauptsächlich  die  Bewohner  dieses 
Atolls  und  des  benachbarten  Nema,  welche  den  Zwischenhandel  sowohl  mit  Erzeug- 
nissen von  Ruk  nach  Mortlock  als  umgekehrt  betreiben,  und  nach  der  hier  gegebenen 
Darstellung  würden  die  Mortlocker  überhaupt  gar  nicht  bis  Ruk  kommen.  Allein  zwei 
Seiten  weiter  zurück  (S.  78)  heisst  es:  »Die  Mortlocker  gehen  nach  der  Insel  Toloas, 
ihrer  Urheimat.«  Dass  dies  wirklich  der  Fall  war,  wissen  wir  bestimmt  durch  Logan, 
indess  scheinen  diese  Fahrten  seltener  zu  werden  und  dürften,  wie  anderwärts,  nach 
und  nach  ganz  aufhören,  wie  dies  in  Bezug  auf  Nukuor  bereits  längst  eintrat.  Nach 
Kubary  hat  die  Tradition  nur  noch  den  Namen  des  Schiffsführers  erhalten,  unter  dessen 
Führung  einstmals  diese  1 10  Seemeilen  weite  Reise  unternommen  wurde,  lieber  Schiffs- 
führung und  Navigation  der  Mortlocker,  die  also  gegenwärtig  keineswegs  mehr  be- 
rühmte Seefahrer  sind,  vgl.  vorne  (S.  [444]). 

Wenn  ich  in  der  Einleitung  (S.  [442])  anführte,  dass  die  Ernährung  das  haupt- 
sächlichste Motiv  zum  Seeverkehr  der  Bewohner  der  Central-Carolinen  sei  und  nament- 
lich die  der  niedrigen  Inseln  dazu  zwinge,  so  ist  dies  nicht  ganz  zutreffend.  Kittlitz 
bemerkt  schon  sehr  richtig,  »dass  auf  Lukunor  die  Elemente  des  Reichthums  nicht,  wie 
auf  Kuschai,   in   den   Erzeugnissen  des  Bodens,    sondern  in   Industrie  und   Handel 


regg]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  3^1 

bestehen,  und  dass  man  solche  Ausfuhrartikel  auch  jenseits  des  Meeres  mit  Vortheil  um- 
zusetzen versteht.  Die  Bewohner  der  niedrigen  oder  Koralleninsel  finden  ihren  Absatz 
auf  den  hohen  Inseln«  (2,  S.  82,  83).  Leider  werden  Localitäten  nicht  genannt,  und  so 
kann  man  nur  annehmen,  dass  mit  den  hohen  Inseln  (da  Kuschai  namentlich  als  aus- 
geschlossen erklärt  wird)  die  der  Ruk-Gruppe  gemeint  sind,  und  dass  die  Lukunorer 
damals  tüchtige  Seefahrer  waren.  Als  Ausfuhrartikel  nennt  Kittlitz:  »Mattengeflecht 
aus  PandanuS'Blattj  Tauwerk  und  Bindfaden  aus  Cocosnussfaser,  Geräthschaften  aus 
dem  Holze  des  Brotfruchtbaumes,  Waffen  verschiedener  Art  aus  Palmholz,  darunter 
Lanzen  und  Streitkolben,«  worunter  wahrscheinlich  Keulen  zu  verstehen  sind«  Diese 
allgemeinen  Angaben  stimmen  also  im  Wesentlichen  überein  mit  den  Verhältnissen, 
wie  sie  Kubary  neuerdings  über  »den  Handel  der  Ruk-Insulaner«  (»Ethnol.  Beitr.«,  I, 
S.  74 — 78)  eingehend  schildert.  Darnach  bildet  »Taik«  (Gelbwurzpulver)  den  Haupt- 
artikel der  Ausfuhr  Ruks,  ausserdem  gewebte  Matten  aus  Bananenfaser,  gewisse  fertige 
Schmuckgegenstände,  sowie  in  beschränkter  Weise  auch  Tabak  und,  nach  früheren 
Mittheilungen,  auch  Schleifsteine.  Dagegen  werden  von  den  vorher  genannten  Nachbar- 
inseln eingeführt  und  eingetauscht:  Stricke  aus  Cocosfaser,  sowie  Plschleinen,  Matten 
und  Segel  aus  Pandanus-GeÜQchty  Schildpatt  und  Gegenstände  daraus  (von  den  Hall- 
Inseln;  Segelmatten  und  Tauwerk  aber  auch  von  Nema,  Losop  und  Poloat),  lose  Hibis- 
cus-FasQT  (von  Suk),  Stirnbinden,  lose  S/^on^^/i/^-Scheibchen  und  Halsbänder  daraus, 
»Kin«  oder  Frauengürtel  (von  Nema  und  Losop,  aber  von  den  Bewohnern  dieser  Inseln 
auf  Namoluk  und  Mortlock  eingetauscht)  und  Eisenwaaren,  namentlich  grosse  Machete- 
Messer  und  Aexte.  Die  letzteren  werden  nur  von  den  Bewohnern  der  Insel  Poloat  ein- 
geführt, die  den  Handel  mit  Ruk  (circa  135  Seemeilen  in  vier  Tagen  Fahrt)  ganz  an 
sich  rissen.  »Dieselben  haben  durch  früher  erworbene  Erfahrung  in  Seereisen  und 
durch  den  Vortheil  der  Waaren,  besonders  des  Eisens  von  Seypan  (Ladronen),  unter 
ihren  Nachbarn  den  Handel  mit  Ruk  beherrscht;  die  kleineren  benachbarten  Inselbevöl- 
kerungen gaben  die  Fahrt  nach  Ruk  auf  und  erwarben  ihre  Gelbwurz  und  Eisenwaaren 
von  dem  ihnen  näher  gelegenen  Poloat«  (Kubary:  Kat.  M.  G.,  S.  379).  Wie  die  Poloater 
nordöstlich  über  Ruk  hinaus  bis  auf  die  Hall-Inseln  reisen,  so  vertreiben  sie  ihre  Waaren 
(darunter  auch  auf  Ruk  eingehandeltes  Gelbwurzpulver  und  Schmucksachen)  westlich,*) 
und  so  erklärt  es  sich,  dass  hier  Gegenstände  des  Schmuckes  vorkommen  und  benutzt 
werden,  die  eigentlich  in  den  Central- Carolinen  verfertigt  sind.  Ueber  eine  der  inter- 
essantesten Fragen,  ob  die  Poloater  noch  heutigen  Tages  nach  »Ceipen«  (Säypan) 
segeln,  gibt  Kubary  nur  zweifelhafte  Auskunft,  erwähnt  aber,  »dass  die  Verhältnisse 
des  interinsularen  Handels  der  Eingeborenen  bedeutend  zurückgegangen  seien,  ohne 
wirklich  aufgehört  zu  haben«.  In  früherer  Zeit  war  dieser  Handel  ein  blühender,  und  in 
Faytuk  (auf  der  Insel  Toi),  auf  Ruk  fanden  sich  zuweilen  40 — 59  Canus  aus  dem  Westen 
zusammen,  die,  mit  westlichen  Winden  gekommen,  auf  östlichen  Wind  zur  Rückreise 
warten  mussten  (Kubary). 

g.  Körperhülle  und  Put\. 

A.  Bekleidung. 

Europäische  Kleidungsstücke  haben  sich  bis  jetzt  nur  noch  wenig  in  unserem 
Gebiete  eingeführt.  Zwar  erwähnt  Lütke  bereits^  dass  die  Lukunorer  (1828)  Hemden 

I)  An  a.  O.  sagt  Kubary  über  die  Bewohner  von  Yap:  »Sie  tauschen  gern  mit  den  Bewohnern 
von  Uleai  und  Mogomok  (Uogoy)  ihre  ßaschenförmigen  GelbwurzpulverbQndel  gegen  gewebte  Zeuge, 
Zwirn  (Cocosstricke),  Segel  und  Cocosschalenschmuck«  (I,  S.  2). 


352  Dr.  O.  Finsch.  [590] 

lieber  nahmen  als  die  Kuschaier,  aber  die  Missionäre  klagen  noch  60  Jahre  später  Ober 
den  geringen  Sinn  der  Eingeborenen  für  decentere  Tracht  nach  europäischem  Vorbild. 
Selbst  die  Missionszöglinge  wollen  sich  nicht  recht  an  unsere  Regein  gewöhnen  und 
ziehen  z.  B.  Sonntagskleider  gern  in  der  Woche  an.  Es  wird  übel  vermerkt,  dass  die 
Eingeborenen  auf  Ruk  1886  weniger  gern  Kleider  trugen  als  sonst,  weshalb  die  Ober- 
leitung nackte  Säuglinge  nicht  mehr  zur  Taufe  zuliess.  Ich  beziehe  mich  auf  diese  bei- 
läufigen Bemerkungen  deshalb  hier,  weil  sie  Zeugniss  für  die  Zähigkeit  der  Eingeborenen 
am  Althergebrachten  ablegen  und  damit  zugleich  erfreuliche  Gewähr  geben,  dass  sich 
Originalität  bis  zu  einem  gewissen  Grade  noch  heute  erhalten  haben  dürfte.  Hoffentlich 
gilt  dies  auch  für  die  interessanteste  Industrie  der  Carolinen,  die  Webekunst,  welche 
mit  Einführung  europäischer  Kleidung  nur  zu  schnell  ihr  Ende  erreichen  wird. 

Bekleidung  der  Männer  zeigen  die  nachfolgenden  beiden  Nummern: 

Aroar  (Nr.  23 1,  i  Stück),  Zeugstreif,  174  M.  lang  und  54  Cm.  breit,  aus  natur- 
farbener  Bananenfaser  gewebt.  Ruk. 

Aroar  (Nr.  232,  i  Stück),  wie  vorher,  i-68  M.  lang,  50  Cm.  breit  und  über  und 
über  dicht  und  dick  mit  Gelbwurzpulver  eingerieben.  Ruk. 

Solche  ganz  gelbgefärbte  Schambinden  (im  Kat.  M.  G.,  S.  3o6,  Nr.  2930,  mit 
»Mezei«  bezeichnet)  bilden  das  Festkleid  der  Männer,  während  die  vorhergehende 
Nummer  (23 1)  das  Alltagskleid  repräsentirt.  Nach  Kubary  werden  sowohl  auf  Ruk  als 
Mortlock  (hier  »Palpal«  genannt)  von  Männern  nur  einfarbige  Zeugstoffe  getragen, 
und  zwar  drei-  bis  vierfach  zusammengefaltet,  ganz  in  der  Weise  wie  der  Toll  auf 
Kuschai,  (s.  vorne  S.  [481]  und  Anthrop.  Album  M.  G.,  Taf.  22:  Ruk,  und  Taf.  24: 
Mortlock). 

Diese  weit  über  die  Südsee  verbreitete  Männerbekleidung,  welche  wir  aus  Tapa 
wiederholt  aus  Melanesien  (s.  S.  [224])  kennen  lernten,  findet  sich  auch  in  den  übrigen 
Carolinen,  westlich  bis  Pelau/)  Sonsol  (Kubary,  I,  S.  gi)  und  Bunai  (St.  David),  wo 
Kubary  den  letzten  gewebten  Schamgürtel  erlangte.  Auf  Nukuor  heissen  diese  Scham- 
binden »Maro«,  also  ganz  so  wie  in  Polynesien,  aber  Kubary  schreibt  (a.  O.)  auch 
»Malo«,  ein  Wort,  das  für  dasselbe  Bekleidungsstück  weit  über  Melanesien  verbreitet  ist. 

Knaben^)  gehen  bis  etwa  zum  zehnten  Lebensjahre  ganz  unbekleidet  (Kubary). 

»Die  Kleidung  der  Frauen  besteht  hier  in  einem  ziemlich  engen  Rocke,  der  über 
den  Hüften  befestigt  ist  und  bis  zum  Knie  herabgeht,  c  berichtet  Kittlitz  (II,  S.  99,  mit 
Abbild.)  von  Lukunor  und  hat  damit  das  Richtige  zugleich  für  die  ganzen  Central- 
Carolinen  getroffen.  Denn  diese  meist  in  zierlichen  Mustern  gewebten  Zeugstreifen, 
welche  in  der  ganzen  Breite  um  den  Leib  geschlagen  werden,  kleiden  in  der  That  ganz 
wie  kurze  Röckchen  (vgl.  Anthrop.  Album  M.  G.,  Taf.  21,  Fig.  509,  Taf.  23,  Fig.  508: 
Ruk,  und  Taf.  24,  Fig.  271  :^)  Mortlock).  Die  Bezeichnungen  »Frauengurt«  (Kat.  M.  G., 
S.  3o3  u.  304)  und  »Hüftgurt«  (ib.  S.  38i  u.  382)  sind  daher  wenig  zutreffend. 


1)  Hier  nicht  selbst  gefertigt,  sondern  von  Uluti  eingeführt,  wie  dies  auf  Yap  der  Fall  ist.  Nach 
Kubary  gingen  »in  früherer  Zeit  die  Männer  nackt,  welches  auch  heute  noch  im  Norden  der  Fall  ist. 
Man  verfertigt  jedoch  auch  eine  Art  Zeug  aus  dem  Brotfruchtbaume«  (Journ.  M.  G.,  Heft  IV.  S.  60, 
Taf.  4,  Fig.  I),  womit  jedenfalls  Tapa  gemeint  ist.  Die  hier  gegebene  Abbildung  eines  Pelau-Insulaners 
und  die  Art,  wie  derselbe  die  Schambinde  trfigt,  sind  Phantasie  und  ohne  Werth  für  die  Wissenschaft. 

3)  Sehr  eigenthümlich  sind  die  aus  Cocosblattstreifen  verfertigten  SchamschOrzchen  der  Knaben 
auf  Sonsol  (Kubary,  I,  S.  91,  Taf.  XII,  Fig.  1). 

3)  In  dem  begleitenden  Texte  (S.  14)  sagt  Kubary,  dass  diese  Mädchenfigur  >mit  dem  ,PalpalS 
dem  Frauengurte,  bekleidet«  sei  (welche  Bezeichnung  auch  im  Kat.  M.  G.,  S.  3o3,  Nr.  562,  angewendet 
wird),  aber  damit  im  Widerspruch  heisst  es  a.  O. :    »Die  Männer  tragen  den  ,PalpaK« 


[591]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  358 

Adschek  (ACek)  (Nr.  23o,  i  Stück),  Zeugstreif,  1*12  M.  lang,  55  Cm.  breit,  grobes 
Gewebe  aus  Faser  von  Hibiscus-East  mit  schwarzen  Längsstreifen,  ein  breiter  Mittel- 
streif mit  Gelbwurzpulver  orange  gefärbt.  Ruk. 

Solche  mit  gelben  Streifen  bemalte  Zeuge  werden  nach  Kubary  nur  auf  Ruk  ge- 
macht, aber  nach  Mortlock  ausgeführt  und  heissen  hier  »Monomaf«  (Monomatsch). 
Der  allgemeine  Name  für  ZeugstofTe  zu  Frauenbekleidung  ist  auf  Ruk  Adschek  (auch 
»Acet«  geschrieben),  auf  Mortlock  »Aroar«.  Auf  beiden  Gruppen  kleidet  sich  nach 
Kubary  das  weibliche  Geschlecht,  und  zwar  von  frühester  Jugend  an,  nur  in  gemusterte 
Stoffe,  deren  grosse  Verschiedenheiten  bereits  erörtert  wurden  (s.  vorne  S.  [584]). 

Die  vorstehend  beschriebene  Frauenbekleidung  aus  gewebten  Zeugstreifen  scheint  auf  die  Ccntral- 
Carolinen  beschränkt  und  findet  sich  ausser  Ruk  und  Mortlock  (mit  den  Hall-Inseln,  Nema,  Losop 
und  Namoluk)  nur  noch  auf  Uleai.  Von  hier  erhielt  ich  auch  eine  Art  Schärpen,  d.  h.  schmälere  (24 
bis  35  Cm.  breite)  gewebte  Zeugstreifen,  die  von  Mädchen  über  den  LendentQchern  getragen  werden 
(hierher  gehört  »Schurz«,  Kat.  M.  G.,  S.  390,  von  Uluti).  Nach  Kittlitz  bekleiden  sich  auf  Uleai  aber 
nur  Frauen  mit  LendentQchern,  während  »ledige  Mädchen  einen  ringsum  schliessenden  Schurz  von 
frischem  Laubwerk  tragen,  der  allem  Anscheine  nach  täglich  erneuert  werden  muss«  (Denkw.,  If, 
S.  156).  Dies  würde  also  bereits  einen  Uebergang  zu  der  Frauentracht  auf  den  westlichen  Inselgruppen 
der  Carolinen  bilden,  wie  wir  sie  schon  auf  Yap  finden.  Hier  tragen  die  Frauen  lange  Faserröcke,  i) 
die  sehr  nahe  mit  gewissen  melanesischen  übereinstimmen  und  wie  diese  zum  Theile  bunt  (gelb, 
kirschbraun,  schwarz)  gefärbt  sind  (vgl.  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  S.  16,  Taf.  5,  Fig.  3,  und  Taf.  7;  An- 
throp.  Album,  Taf.  20,  Fig.  33,  und  Kat.  M.  G.,  S.  393  u.  394,  aber  nicht  aus  »Pisang«).  Aehnlich, 
aber  ganz  verschieden  von  diesen  einfachen,  ringsum  schliessenden,  bis  über  die  Kniee  reichenden 
Röcken  aus  Blattstreifen  sind  die  »Kariut«  oder  Weiberröcke  von  Pelau.  Sie  bestehen  aus  zwei 
schweren  Büscheln  oder  Bündeln»  die  aus  mehreren  Blätterlagen  sorgfältig  zusammengenäht  und  in 
einen  besonderen  Gurt  verflochten  den  Männerröcken  der  Marshallaner  (vorne  »Ihn«,  S.  [423])  zwar 
analog,  aber  doch  ganz  verschieden  sind  (vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  20,'  Fig.  145,  und  Kat.  M.  G., 
S.  411 — 4i3).  Ueber  diese  »Kariuth*s<  hat  Kubary  neuerdings  eine  ebenso  ausführliche  als  zum  Theile 
verwirrende»)  Darstellung  gegeben,  auf  die  ich  hier  verweise  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  212—215).  Be- 
merkenswerth  und  auffallend  ist  es,  dass  die  Frauen  auf  Nukuor,  welche  doch  sehr  schöne  Webe- 
Stoffe  erzeugen,  ebenfalls  »einen  Schurz  (,Titi')  aus  Cocosblättern  tragen«  (Kubary:  Kat.  M.  G.,  S.  33$), 
während  auf  den  Pelau  so  nahe  liegenden  westlichsten  Inseln  Sonsol  und  Bunai  (St.  David)  die  Frauen- 
tracht in  einer  sehr  eigenthümlichen  kleinen,  aus  Pandanus-blsitt  geflochtenen  Matte  besteht,  die  für 
die  ganzen  Carolinen  einzig  dasteht  (vgl.  Kubary,  I,  S.  91,  Taf.  XII,  Fig.  4). 

Wenn  sich  somit  allein  schon  in  der  Bekleidung  so  erhebliche  Verschiedenheiten,  zum  Theile 
nach  den  Geschlechtern,  ergeben,  so  wird  dies  aufs  Neue  beweisen,  wie  dringend  selbst  für  ein  so 
beschränktes  Gebiet  als  die  Carolinen  vor  Generalisirung  zu  warnen  ist. 


1)  Aus  Versehen  heisst  es  vorne  (S.  11  [279],  Z.  8  v.  u.)  »auf  Yap  von  beiden  Geschlechtern«. 
Vgl.  aber  auch  die  Notiz  über  den  »Lit«  oder  die  Männerbekleidung  auf  Yap  S.  [424]. 

2)  Anscheinend  fast  zu  gründlich,  ergeben  sich  bei  genauer  Durchsicht  und  Vergleichung,  ver- 
deckt durch  eine  Fülle  eingeborener  Namen,  nicht  selten-  Widersprüche  und  Un Vollständigkeiten,  die 
ein  klares  Verständniss  zuweilen  beeinträchtigen,  beim  flüchtigen  Lesen  aber  meist  unbemerkt  bleiben. 
Dies  zeigt  sich  z.  B.  in  dem  Abschnitt:  »Die  Pflanzenfaser-  und  Flechtindustrie«  (1.  c,  S.  209 — 215). 
Von  25  mit  eingeborenen  Namen  aufgeführten  »Pflanzen,  deren  Faser  und  Blätter  zur  Anwendung 
kommen  und  den  Bedarf  an  Bast  zu  Fasern,  Blättern  zum  Flechten  und  Stengeln  zum  Binden  be- 
friedigen«, ist  im  weiteren  Texte  nur  für  acht  die  Verwendung  ersichtlich.  Ausserdem  sind  hier  aber 
sieben  weitere  Pflanzenstoffe  aufgeführt,  die  im  Hauptverzeichniss  fehlen,  darunter  Cocosblatt  (»KloUil«), 
zwei  Arten  Pandanus  (»Awan  =  Awang«,  Kat.  M,  G.,  und  »Bunau  =  Bungau«,  Kat.  M.  G.)  u.  A.  »Honor« 
(=  »Hangor«,  Kat.  M.  G.)  wird  sowohl  für  eine  Art  Pandanus-^\2M,  als  für  Bromelia  notirt,  »Grdikes« 
(auch  »Grdhykes«)  als  Binsenart,  Blätter  und  Stengel  derselben,  »Ulalek«  als  Hibiscus  und  Mark  des 
Bananenstammes.  Wenn  zur  ganzen  Flechterei  Blätter  von  zwei  Arten  Pandanus  genügen,  so  setzen 
sich  aucli  die  Kariuts  nur  aus  neun  verschiedenen  Pflanzenstoffen  zusammen.  Freilich  verzeichnet 
Kubary  20  in  der  Zusammensetzung  verschiedene  Sorten  dieses  Kleidungsstückes,  deren  Nomenclatur 
aber  nur  einer  Pelauerin  verständlich  sein  dürfte. 


i 


3^4  Dr.  O.  Finscb.  [59^] 

Ponchoartige  Mäntel  sind  ein  wichtiges  Stück  der  centralcarolinischen  Tracht, 
die  nach  Kubary  aber  nur  für  die  Männer  giltig  ist.  Dies  kann  sich  jedoch  nur  auf  Mort- 
lock  beziehen,  denn  Kubary's  eigene  Photographien  zeigen  Rukerinnen  mit  dem  Poncho 
bekleidet  (Anthrop.  Album,  Taf.  23,  Fig.  510,  511  u.  518),  als  welche,  wie  auf  Ponape, 
auch  Taschentücher  benützt  werden  (ib.  Taf.  21,  Fig.  516).  Diese  Ponchos  bestehen 
aus  zwei  der  Länge  nach  aneinandergenähten  Zeugstreifen  (Schambinden  der  Männer), 
in  deren  Mitte  ein  Schlitz  offen  gelassen  ist  zum  Durchstecken  des  Kopfes.  Sie  heissen 
auf  Mortlock  »Utsch«  (>Usz€  =  Banane,  von  Kubary  auch  tAoS«  und  »Aos2c  ge- 
schrieben und  wohl  identisch  mit  >OS«,  Otsch  =  Zeug  im  Allgemeinen),  auf  Ruk 
»Cerem«  (Tscherem),  mit  welchem  Namen  mir  Kubary  übrigens  auch  die  gewöhnlichen 
Zeugstreifen  bezeichnete.  Die  Länge  der  Ponchos  ist  sehr  verschieden  und  reicht  auf 
Mortlock  meist  bis  über  die  Kniee  (»Senjavin-Reisec,  PI.  32)  oder  selbst  »bis  auf  die 
Füsse«  (Kittlitz).  Auf  Ruk  werden  ganz  gleiche  Mäntel  getragen,  aber  auch  von  Män- 
nern viel  kürzere,  die  nur  bis  zum  halben  Bauche  reichen  (Anthrop.  Album,  Taf.  22, 
Fig.  52g  u.  530)  und  ganz  wie  die  Mamillen  der  Frauen  von  Ponap^  kleiden  (vgl.  vorne 
S.  [520]). 

Am  häufigsten  werden  einfarbige  naturfarbene  Zeuge  zu  Mänteln  verwendet,  diese 
aber  gern  mit  Gelbwurzpulver  eingerieben,  so  dass  sie  »bald  mehr  citronen-,  bald  mehr 
orangegelb«  aussehen,  wie  Kittlitz  (II,  S.  81)  bereits  von  Lukunor  erwähnt.  Da  hier 
vorherrschend  Zeuge  von  Hibiscus-F asor  vorkommen,  so  scheint  mir  Kubary's  Notiz, 
dass  nur  Zeuge  aus  Bananenfaser  mit  Curcuma  verschönert  werden,  mindestens  zweifel- 
haft. Uebrigehs  gibt  es  auch  Ponchos  aus  gemusterten  Zeugen  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  359, 
Nr.  3494),  und  hierauf  scheint  der  auf  Mortlock  »Fi2an«  (Fischan)  genannte  Mantel 
Bezug  zu  haben,  über  den  sich  Kubary  (I.  c,  S.  268)  allerdings  nur  sehr  unklar  aus- 
drückt. Einfarbig  schwarze,  wahrscheinlich  schon  aus  schwarzen  Faden  gewebte  Mäntel 
werden  nach  Kubary  nur  auf  Ruk  (hier  übrigens  von  beiden  Geschlechtern)  getragen 
und  zuweilen  in  geschmackvoller  Weise  mit  5po«rf;^/tt5-Scheibchen  verziert  wie  das 
folgende  Stück : 

Manuton  (Nr.  227,  i  Stück),  ponchoartiger  Ueberwurf  für  Männer,  besteht 
aus  zwei  mit  der  Längsseite  aneinandergenähten  Zeugstreifen  aus  schwarz  gefärbter 
Bananenfaser,  die  somit  ein  Stück  von  1*14  M.  Länge  und  55  Cm.  Breite  bilden,  in  der 
Mitte  mit  einem  3o  Cm.  langen  Längsschlitz;  die  Ränder  dieses  Schlitzes  sind  mit  rothen 
SpondyluS'Schtihchtn  verziert,  aus  diesem  Material  ausserdem  vorne,  von  der  Basis  des 
Schlitzes  an,  eine  Längsreihe  und  mehrere  Querriegel  aufgenäht.  Ruk. 

Aehnliche  Exemplare  mit  5powrf;^/M5 -Verzierungen  verzeichnet  der  Kat.  M.  G. 
(S.  359)  von  Ruk,  sowie  einfache  gelb  gefärbte  von  daher  (S.  36i)  und  von  Mortlock 
(S.  3o6).  Ein  besonders  feines  Stück^  von  Kubary  als  »Mantel  des  Grosspriesters  von 
Sopore  auf  der  Insel  Fefan  und  als  Unicumc  bezeichnet  (jetzt  im  Berliner  Museum),  ist 
längs  dem  Schlitz  mit  drei  Reihen  SpondylusSchtibch^n  verziert,  vorne  und  hinten  in 
der  Mittellinie  vom  Schlitze  aus  je  mit  einer  37  Cm.  langen  Reihe  SpondylusSzhtih- 
chen,  die  von  sechs  Querriegeln  (je  zu  fünf  Scheibchen)  durchschnitten  werden.  Zu 
diesem  sehr  kostbaren  Mantel  gehören  über  800  SpondylusSchtihchtnj  dazu  noch 
meist  sehr  grosse  von  10  Mm.  Durchmesser.  Wenn  sonst  meist  die  Bekleidung  mit  dem 
Schamgurt  für  Knaben  als  Zeichen  der  Volljährigkeit  gilt,  so  ist  dies  nach  Kubary  auf 
Ruk  anders,  denn  hier  erhalten  sie  erst  den  Mantel  und  später  die  Schambinde. 

Mit  Ausnahme  von  Ponap6  scheinen  Ponchos  in  den  Carolinen  nur  auf  die  cen- 
tralen Gruppen  Mortlock  und  Ruk  (wahrscheinlich  auch  die  Hall-Inseln)  beschränkt 
und  werden  nach  Kubary  schon  auf  Uleai  nicht  mehr  getragen.  Aber  auf  der  westlichsten 


reQ31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  3c^ 

Carolineninsel  Sonsol  tragen  die  Frauen  Ponchos  aus  feinem  Mattengeflecht  von  Faas- 
blättern,  ganz  ähnlich  solchen  von  Ponap^  (Kubary,  I,  S.  92,  Taf.  XII,  Fig.  3),  die  aber 
auf  dem  benachbarten  Bunai  (St.  Davids)  fehlen  (ib.  S.  109). 

Kopfbedeckung  für  Männer  sind  spitze,  unten  breite  Hüte,  in  der  Form  ähnlich 
den  chinesischen,  aus  breiten  Streifen  Pandatius-BlaiXl  zusammengeflochten,  die  aber 
nicht  auf  Ruk  vorzukommen  scheinen.  Ein  solcher  Hut  von  Satöan  misst  32  Cm.  in 
der  Höhe  und  45  in  der  Breite.  Ganz  gleiche  Hüte  tragen  die  Männer  auf  Lukunor 
(Kittlitz:  Denkwrürd.,  II,  S.  89,  und  »Senjavin-Reise«,  PI.  35)  und  Nukuor,  hier  (nach 
Kubary)  aber  nur  »ausserhalb  des  Riffs  und  in  der  Nachte  (?).  Die  Hüte  aus  gleichem 
Materiale  von  Yap  scheinen  eine  höhere  Spitze  zu  haben  und  sind  zuvsreilen  mit  Stück- 
chen Schildpatt  verziert  (vgl.  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  5,  Fig.  2).  Auch  die  Bewohner 
von  Sonsol  pflegen  am  Rande  ihrer,  in  der  Form  ganz  mit  den  centralcarolinischen 
übereinstimmenden,  Hüte  gern  selbstgefertigte  Fischhaken  aus  Draht  zu  befestigen 
(Kubary,  I,  S.  91,  Taf.  XII,  Fig.  2). 

B.  Putz  und  Zieraten. 

Ausserordentlich  mannigfach  an  verschiedenartigen  Formen  gehört  der  Schmuck 
dieses  Gebietes  zu  dem  reichsten  Mikronesiens,  wie  vielleicht  der  Südsee  überhaupt. 
Für  Ruk  und  Mortlock  kommen  besonders  in  Betracht:  Haarschmuck  (aus  Nadeln  und 
Schmuckbändern),  Kämme  (zum  Theile  mit  Federschmuck),  Kopfbinden,  reicher, 
massiger  Ohrschmuck  (sowie  Ohrklötze),  eine  Fülle  von  Hals-  und  Brustschmuck,  ver- 
schiedenartige Armbänder  (darunter  Spangen  von  Schildpatt  und  Iroclius-Ringe)  und 
ganz  besonders  kunstvoll  gearbeitete  Leibgürtel.  Von  allen  diesen  Gegenständen  des 
Schmuckes  sind  aber  im  Ganzen  nur  sehr  wenige  Formen  den  Inseln  eigenthümlich, 
und  wie  weit  Manches  im  Tausch  nach  Westen*)  gelangt,  ist  bereits  erwähnt  worden 
(vorne  S.  [589]). 

a)  Material. 

Am  häufigsten  und  in  mannigfacher  Weise  wird  Cocosnussschale  verarbeitet,  auf 
Ruk  auch  Mangroverinde.  Unter  den  Conchylien  sind  Scheibchen  ans  rothen  Spondylus 
(oder  Chamo)  am  werthvoUsten  und  kommen  in  Verbindung  mit  Cocosnussscheibchen 
hauptsächlich  in  Betracht,  seltener  dagegen  weisse  Muschelscheibchen.  Im  Kat.  M.  G. 
werden  auch  Schmucksachen  aus  Melampus  luteus  und  fasciatus  aufgeführt,  aber 
Kubary  fand  diese  Brackwassermuscheln  nie  verwendet.  Armringe  aus  Trochus  niloticus 
sind  selten,  und  die  wenigen  sonst  gelegentlich  verwendeten  Conchylien  werden  wir 
bei  den  Anhängseln  von  Ohr-  und  Brustschmuck  kennen  lernen.  Schildpatt  steht  wegen 
seiner  Seltenheit  überall  hoch  im  Werth  und  heisst  »wie  alle  daraus  giefertigten  Schmuck- 
gegenständec  »Puo2«  oder  »Pueö«  (sprich  Potsch).  Federn,  und  zwar  hauptsächlich 
vom  F*regattvogel  (»Assaf«)  und  wilden  oder  verwilderten  Haushühnern  finden  nur 
zum  Ausputz  der  Tanzkämme  (Kubary,  Kat.  M.  G.,  S.  298)  gelegentliche  Verwendung. 
Bemerkenswerth  für  die  Schmuckstücke  der  Central-Carolinen  ist,  dass  keinerlei  Zähne  =) 


I)  Ganz  abweichend  und  eigenartig  ist  das  Wenige,  was  sich  an  Putz  noch  auf  der  westlichsten 
Insel  Sonsol  erhalten  hat.  Der  hauptsächlichste  Schmuck  sind  hier  Schnüre  (»Maan«)  in  Form  von 
Halsbändern  für  beide  Geschlechter  oder  als  Gürtel  für  Mädchen.  Diese  Schnüre  sind  aus  schmalen 
Streifen  von  PandanusSlAit,  meist  über  einem  Strick  von  Cocosnuss  geflochten  (Kubary,  I,  S.  93, 
Taf.  XII,  Fig.  6),  zuweilen  noch  mit  Haarschnüren  umbunden  (ib.  Fig.  8),  erinnern  also  am  meisten 
an  gewisse  Arbeiten  der  MarshalUInsulaner  (vorne  S.  [424]). 

3)  Auf  Yap  haben  dagegen  Zähne  vom  Spermwal  (»Medhop«)  und  Delphin  (»Mosos«)  einen 
hohen  Wcrth  (Kubary,  I,  S.  3)   und  werden  gelegentlich  zur  Verzierung  von  5jPowrf>^/MS- Halsbändern 


356  Dr.  O.  Finsch.  [594] 

als  Material  benutzt  werden.  Als  bezeichnend  kann  dagegen  der  absichtliche  oder  un- 
absichtliche Anstrich  mit  Gelbwurzpulver  gelten,  welcher  mehr  oder  minder  fast  allen 
centralcarolinischen  Putzsachen  anhaftet,  schon  in  Folge  des  Tragens  auf  dem  gelb- 
bemalten Leibe. 

Blumen  und  Blätter,  als  häufiger  und  gewöhnlichster  Schmuck  fast  überall  beliebt, 
werden  von  Kittlitz  für  Lukunor,  von  Kubary  für  Mortlock  aber  nicht  erwähnt.  Da- 
gegen sagt  der  Letztere:  »Auf  Ruk  wird  die  Vorliebe  für  Blumenkränze  vermisst.  Die 
wohlriechende  Blüthe  des  ,Cour*  ist  nur  spärlich  vorhanden,  und  selten  bemerkt  man, 
dass  eine  Art  Krone  aus  derselben  verfertigt  wird.  Gleichfalls  sieht  man  zuweilen  Ula- 
artig  aufgereihte  Blüthen  des  auf  Pelau  ,Gemrert'  genannten  Baumes,  der  über  die  Brust 
herabhängend  als  Halsband,  jedoch  nur  von  jungen  Leuten  und  auch  dann  nur  zufallig 
getragen  wird«  (»Ethnol.  Beitr.«,  1,  S.  72,  Note). 

C0C08nu888Chale  (»Tschäk«,  C^k:  Ruk,  »Sak«:  Mortlock)  ist,  wie  erwähnt,  das 
häufigste  Material  zu  Schmucksachen  und  deutet  bei  solchen  vorzugsweise,  wenn  auch 
nicht  ausschliessend  die  centralcarolinische  Herkunft  an.    So  haben  wir  bereits  in  den 
Gilbert-Inseln  Scheibchen  aus  Cocosnuss  (Taf.  24,  Fig.  i — 4^)  kennen  gelernt,  die  sehr 
übereinstimmen  mit  gewissen  Sorten  von  Ruk  und  Mortlock,  aber  die  der  letzteren 
Inseln  sind  weit  mannigfacher  und  bestehen  nicht  nur  in  flachen  Scheibchen,  sondern 
auch  in  Perlen  und  Ringen  von  verschiedener  Grösse,  bis  zur  Weite  eines  Fingerringes. 
Ueber  die  Anfertigung  gibt  Kubary  (»Mortlock«,  S.  270)  folgende  Notiz:  »Als  gewöhn- 
lichstes Material  für  Halsbänder  und  Leibgürtel  dient  die  Schale  einer  reifen  Cocosnuss. 
Dieselbe  wird  in  kleine  Stücke  zerschlagen,  so  durchbohrt,  aufgezogen  und  dann  ge- 
schliffen.  Die  so  erhaltenen  Perlen  heissen  ,sak^  und  werden  aus  denselben  die  ver- 
schiedensten Schmuckgegenstände  zusammengesetzt.   Das  Durchbohren  der  ,Sak^  für 
die  Frauengürtel  ist  ebenfalls  eine  Specialität  der  Etalinsulaner;  gewöhnliche  ,Sak*- 
Perlen  verstehen  auch  die  Einwohner  von  Tä  und  Satöan  zu  machen.   Das  Schleifen 
derselben  liegt  den  Frauen  ob,  während  die  Männer*)  sie  bohren  und  zu  den  verschie- 
denen Schmuckgegenständen  zusammenreihen.«   An  anderer  Stelle  wird  hinzugefügt: 
»Das  Poliren  der  Ringe  geschieht  (auf  Ruk)  mittelst  eines  Seeschwammes  im  frischen 
Zustande«   (Kubary:    »Ethnol.  Beitr.«,   I,  S.  68,  Note).    Da  die  Schalendicke  einer 
normalen  reifen  Cocosnuss  nur  circa  3  Mm.  beträgt,  so  ist  es  begreiflich,  dass  sich 
aus  solchen   nur   dünndre  Scheibchen   und  Plättchen    (wie  Fig.  5,  Taf.  24),  kaum 
aber  Perlen  (wie  Fig.  6)  herstellen  lassen.    Die  grösseren  Ringe  sind  daher  aus  einer 
besonderen  Art  verkümmerter  kernloser  Cocosnüsse  gearbeitet,  welche  im  Wachsthum 
zurückblieben  und  gemeinschaftlich  mit  normalen  an  einem  Fruchtbündel  wachsen. 
Wie  mir  Kubary  sagte,  sind  solche  verkrüppelte  Nüsse  sehr  häufig  in  den  Central- 
Carolinen  und  heissen  auf  Ruk  »Lösil«  (von  Kubary  auch  »Lotil«  und  »Lolyl«  ge- 
schrieben). 


benutzt  (vgl.  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  IV,  Fig.  5,  Taf.  5,  Fig.  2,  und  Taf.  6:  stehende  Figur,  Kai. 
M.  G.,  S.  396,  Nr.  463),  die  aber  »nie  als  persönlicher  Schmuck  getragen  werden,  sondern  nur  zur 
Vervollständigung  des  geschätztesten  einheimischen  Geldes,  des  Ghau*s  (roher  Muschelscheibcben), 
dienenc  (Kubary,  ib.  S.  72,  Note).  Im  Uebrigen  verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  nur  noch  einen  Hals- 
schmuck, in  welchem  »kleine  Cachelotzähne«  verwendet  sind,  und  zwar  angeblich  (?)  von  Uleai 
(S.  384,  Nr.  123).  »Walrosszähne«,  welche  Hernsheim  für  Yap  anführt,  sind  »Spermwalzähnc«  (vgl. 
S.  [443],  Note), 

I)  Auch  von  Ruk  bemerkt  Kubary  ausdrücklich,  das«  ScbgH|||Hf|Ml  nur  von  Minnern  ver- 
fertigt werden  (»Ethnol.  Beitr.c,  I,  S.  46,  Note). 


rege]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  357 

Die  beigegebene  Figur  (Nr.  60  in   »/j  der  natürl  Grösse)  überhebt  mich  einer 
näheren  Beschreibung,  wobei  nur  bemerkt  sein  mag,  dass  Form  und  Grösse  nicht  un- 
erheblich variiren.  Aus  Querschnitten  solcher  Cocosnüsse')  werden  nun  die  kleineren 
und  grossen  Ringe  (Fig.  12  a)  gemacht,  wie  und 
mit  welchen  Werkzeugen  wird  leider  von  Kubary 
nicht  gesagt.   Nach  Kubary  werden  Cocosscheib- 
eben  und  Ringe  besonders  auf  den  »Koralleninseln« 
(d.  h.  Mortlock)   verfertigt,  dagegen  weniger  auf 
Ruk,  wo  man  vorzugsweise  ein  anderes  Material 
verwendet,  nämlich  »2ia«  (Tschia),  d.  h.  die  Rinde  „   ,  !      1     /- 

'  /  \  Verkrüppelte  Cocosnuss. 

des   gleichnamigen  Baumes  (emcr  Mangroveart).  ^^^^^.^,  ^^  ^^^^^^^ 

»An  den  aufgetrockneten  Stellen   dieses  Baumes 

löst  sich  die  Rinde  in  kleinen  und  dünnen  Lagen  ab,  die  zerstückelt  und  mittelst  eines 
Haifischzahnes  gebohrt,  dann  aufgereiht,  mit  einer  Koralle  abgeschliffen  und  endlich 
mit  dem  ,Milivi*-Schwamme  polirt  werden«  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  69).  Wenn  hinzu- 
gefügt wird:  »dies  ist  das  ruk'sche  Material  für  sämmtliche  Schmuckgegenstände,  die 
sich  dafür  eignen,  nämlich  Ohrgehänge,  Armbänder  und  Gürtel«,  so  ist  dies  bei  Weitem 
nicht  in  allen  Fällen  richtig.  Die  Vergleichung  einer  Reihe  von  Schmucksachen  über- 
zeugte mich,  dass  häufig  an  ein  und  demselben  Gegenstande  beide  Materialien  verwendet 
sind.  Eine  prompte  Unterscheidung  von  Cocosnuss-  und  Rindenscheibchen  ist  (obwohl 
die  letzteren  nicht  so  hart  sind)  überdies  nicht  so  leicht,  zumal  bei  schon  fertigen  und 
getragenen  Schmucksachen.  Aus  diesem  Grunde  wird  es  sich  empfehlen,  im  Nach- 
folgenden auf  »2ia«-Scheibchen  nicht  weiter  einzugehen,  sondern  diese  Rindenscheib- 
chen collectiv  unter  »Tschäck«  (Sak),  d.h.  Schmuckmaterial  aus  Cocosnuss,  zu  belassen, 
wovon  Taf.  VII  [24]  die  hauptsächlichsten  Typen  darstellt,  zwischen  denen  übrigens 
vermittelnde  Uebergangsformen  vorkommen. 

Typus  a\  Scheibchen  oder  Plättchen  (Fig.  5)  der  kleinsten  Sorte,  circa 
4  Mm.  im  Durchmesser,  von  denen  circa  35  aufgereihte  Stücke  3  Cm.  messen,  so  dass 
ein  einzelnes  Scheibchen  kaum  i  Mm.  dick  ist.  Nur  diese  Sorte  bezieht  sich  eventueJl 
auch  auf  2ia-Scheibchen  (aus  Rinde). 

Typus  b',  Perlen  (Fig.  6),  circa  5  Mm.  im  Durchmesser  und  circa  3  Mm.  dick; 
der  Aussenrand  meist  polirt,  abgerundet,  zuweilen  kantig  abgesetzt. 

Typus  c\  Kleine  Ringe  (Fig.  7 — 11)  von  5 — 13  Mm.  Durchmesser  und  circa 
3 — 5  Mm.  Breite  (a).  Die  Bohrlöcher  (2 — 8  Mm.)  sind  weiter  als  bei  den  Perlen,  was 
namentlich  bei  den  grösseren  Nummern  (9 — 11)  hervortritt;  meist  aussen  polirt. 

Typus  d\  Grössere  Ringe  (Fig.  12)  von  18 — 25  Mm.  Durchmesser,  2— 4  Mm. 
Schalendicke  und  5 — 8  Mm.  Breite;  am  Aussenrande  meist  hübsch  polirt  und,  wie  fast 
alle  diese  Ringe,  von  schwarzer  Farbe.  Indess  kommen  auch  Ringe  und  Perlen  von 
hellerer  oder  dunklerer  rothbrauner  Färbung  vor  (Fig.  i3  und  Taf.  25,  Fig.  19),  die 
nach  Kubary  von  nicht  ganz  reifen  Nüssen  herstammen. 

Alle  die  vorhergehend  beschriebenen  Ringe  und  Perlen  werden  aufgereiht,  am 
häufigsten  aber  mittelst  feinem  Faden  aufgeflochten.  Verschieden  davon  ist: 

Typus  e\  Durchschnittene  Ringe  (Fig.  7.0a),  Ringe  (wie  Fig.  9— 11  und 
grösser)  sind  durchgeschnitten,  so  dass  sie  ineinandergehakt  zu  Ketten  verbunden  wer- 
den können. 


I)  Im  Journ.  M.  C,  Heft  11,  S.  17,  wird  dieses  Material  irrthümlich  als  »Frucht  der  Areca-  oder 
Bungftp^'  Inuss)  bezeichnet. 


358  Dr.  O.  Finsch.  [356] 

Die  Industrie  von  Schmuckmaterial  aus  Cocosnussschale  wird  allerdings  auf  den 
centralen  Inselgruppen  Ruk  und  Mortlock  am  schwunghaftesten  und  in  den  verschie- 
densten Formen  betrieben,  ist  aber  auch  auf  anderen  Carolinen inseln  bekannt,  z.  B. 
Pelau,  wo  Scheibchen  aus  Cocosnuss  »Kalius«  heissen. 

Spondylusschale,  »Föurup«*)  auf  Ruk,  »Feylan«  (oder  »Feylam«)  auf  Mortlock, 
bildet  das  werthvollste  Schmuckmaterial.  Die  specilische  Bestimmung  der  Muschel  fehlt 
zur  Zeit  noch,  und  die  Annahme,  dass  es  ein  Spondylus  sei,  ist  keineswegs  ganz  sicher, 
denn  jedenfalls  wird,  wie  auf  den  Marshall- Inseln  (s.  S.  [426]),  auch  Chatna  pacifica 
verarbeitet,  und  zwar  zu 

Assang  (Nr.  476,  2  Stück),  Muschelscheibchen  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  2 — 5),  in  den 
gebräuchlichsten  Grössen  von  Ruk.  Diese  Scheibchen  sind  meist  sehr  sauber  geschliffen 
und  wechseln  in  der  Grösse  von  circa  5 — 10  Mm.,  in  der  Dicke  von  kaum  2 — 4  Mm. 
Die  Dicke  ist  übrigens  unabhängig  von  der  Grösse,  manche  kleine  Scheibchen  sind  ver- 
hältnissmässig  sehr  dick,  während  grosse  zuweilen  sehr  dünn  sind.  Scheibchen  von  der 
Grösse  gewisser  prähistorischen  von  Ponap6  (z.  B.  Fig.  7,  Taf.  25)  sind  mir  aus  den 
Central-Carolinen  nicht  vorgekommen,  aber  an  der  Identität  der  antiken  und  modernen 
Scheibchen  kann  gar  kein  Zweifel  sein.  Durchaus  übereinstimmend  sind  auch  die  » Aaht<- 
Scheibchen  von  den  Marshall-Inseln  (Fig.  i  a)  und  solche  von  der  Ostspitze  Neu-Guineas. 
Das  hier  (Fig.  6)  vergleichungshalber  abgebildete  Stück  von  Normanby-Insel  der 
d*£ntrecasteaux- Gruppe  zeichnet  sich  durch  weit  dunklere,  fast  purpurrothe  Färbung 
aus,  die  namentlich  an  ganzen  Ketten  sehr  distinct  hervortritt.  Wahrscheinlich  sind  diese 
Scheibchen  aus  einer  besonderen  SpondylusSpecics  verfertigt.  Doch  mag  bemerkt  sein, 
dass  die  Färbung  sehr  variirt  und  manche  Scheibchen  von  Neu-Guinea  sehr  blass,  ja 
zuweilen  ganz  so  licht  orangeroth  als  mikronesische  sind. 

lieber  die  Anfertigung  dieser  »Assong«- Scheibchen  sagt  Kubary  (der  auch 
»Asson«  schreibt)  nur:  »Die  Spondylus-Schiile  (,Feylam*)  wird  zu  kleinen  runden,  in 
der  Mitte  durchbohrten  Scheibchen  geschlififen  und  dieselben  auf  Fäden  gezogen«  (Mort- 
lock, S.  270).  Nicht  minder  unbefriedigend  und  zum  Theil  widersprechend  sind  die 
Mittheilungen  bezüglich  der  Verbreitung.  In  den  »Ethnol.  Beitr.«  (I,  S.  70)  heisst  es 
nämlich,  »dass  Asson  auf  den  Central-Carolinen  von  Uleai  bis  Mortlock  (mit  Ausnahme 
von  Nukuor^)  und  Pikiram)  zur  Herstellung  von  Schmuckstücken  noch  heute  an- 
gewendet und  verfertigt«  werden,  aber  auch  »dass  der  Sitz  dieser  Industrie  auf  den 
Mortlock-Inseln  die  Etal-Lagune,  auf  Ruk  die  Insel  Udot«  sind.  Nach  einer  Note  (auf 
S.  71)  beschränkt  sich  die  Anfertigung  der  Muschelscheibchen  sogar  nur  auf  die  beiden 
genannten  Inseln,  welche  die  benachbarten  Gruppen  damit  versorgen,  doch  würden 
auch  die  Bewohner  von  Namoluk  die,Fabrication  betreiben  (S.  76).  Kubary  weiss 
nicht,  ob  die  Bewohner  der  westlichen  Inseln,  z.  B.  Uleai,  Spondylus 'Sch&ibchcn  zu 
verfertigen  verstehen.  Wir  erfahren  aber  zugleich  auch,  dass  die  Eingeborenen  der 
Insel  Poloat  5/70W((;^/w5- Scheibchen  von  Ruk  nach  Uleai  verhandeln,  von  wo  aus  dieser 
beliebte  Schmuck  zuweilen  nach  Yap  und  selbst  Pelau  gelangt,  auf  letzterer  Insel  aber 


1)  An  a.  O.  schreibt  Kubary,  wie  fast  stets  schwankend  in  der  Orthographie  eingeborener  Namen, 
»Fouruk«  und  bezeichnet  damit  »lose  Asso-Scheibchen«,  also  nicht  blos  das  Rohmaterial.  Die  fertigen 
Halsbänder  heissen  auch  »Asson«. 

2)  Trotzdem  wird  in  einer  Note  auf  S.  72  gesagt:  »Den  Nukuorern  sind  die  Spondylus- 
Schmuckgegenstftnde  auch  nicht  fremd«  etc.  Aber  die,  welche  der  Kat.  M.  G.  (S.  336)  von  hier  ver- 
zeichnet, sind  zweifellos  marsh allanischen  Ursprunges  (vgl.  vorne  S.  [436])  und  die  nähere  Verwandt- 
schaft derselben  mit  Schmuck  von  Ponapd,  welche  Kubary  herausfinden  möchte,  eine  durchaus 
verfehlte  Annahme. 


[5971  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3eQ 

>nie  als  Schmuck  gebraucht  wird«.  Von  Uleai  verzeichnet  übrigens  der  Kat.  M.  G. 
(S.  390)  das  Bruchstück  einer  Spondylus-SchalQ^  »aus  welcher  die  rothen  Muschel- 
platten verfertigt  werden«.  Darnach  wäre  also  kein  Zweifel,  allein  die  Localitätsangaben 
in  diesem  Werke  sind  nicht  immer  zuverlässig.  Ich  erhielt  übrigens  Spondylus-Schcib- 
chen  auch  von  der  Insel  Faraulap  (nordöstlich  von  Uleai),  wahrscheinlich  auch  im 
Tauschverkehr  nach  hier  verschlagen. 

Weisse  Muschelscheibchen,  aus  einer  noch  unbekannten  Muschel  geschliffen, 
kommen  als  Schmuckmaterial  hauptsächlich  in  Gürteln  (Taf.  25,  Fig.  23  u.  24)  vor, 
sowie  zu  Halsketten  aufgereiht.  Nach  einer  flüchtigen  Notiz  bei  Kubary  scheinen  diese 
Muschelscheibchen  oder  Perlen  nur  auf  Etal  der  MortlockGruppe  verfertigt  und  von 
hier  nach  Ruk  verhandelt  zu  werden  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  70).  Aber  auch  von  den 
rothen  Spondylus-Schtibchen  sagt  Kubary:  »Assong  ist  Specialität  der  Insulaner  von 
Etal«  (»Mortlock«,  S.  270). 

Glasperlen  (»Asöpol«  auf  Mortlock)  waren  im  Schmuck  der  Central-Carolinen 
nur  untergeordnet  von  Bedeutung,  dürften  aber  seither  vielleicht  mehr  in  Aufnahme 
gekommen  sein. 

(Zu  5/707t^^/2i5-Scheibchen  der  westlichen  Carolinen.)  Wenn  Kubary  »geneigte  ist, 
die  in  den  Ruinen  auf  Ponap^  gefundenen  .S^on^/115-Scheibchen  für  identisch  mit  den  noch  heute 
auf  den  Central-Carolinen  verfertigten  zu  halten,  so  kann  darüber  Oberhaupt  kein  Zweifel  herrschen 
(vgl.  vorne  S.  [522]).  Weniger  klar  ist  dies  in  Bezug  auf  die  rothen  Muschelscheibchen  von  Yap  und 
Pelau,  über  die  sich  Kubary  nicht  mit  der  nöthigen  Präcision  und  zum  Theil  widersprechend  äussert. 

Dass  die  »Gau«,  wie  diese  Scheibchen  auf  Yap  heissen,  nicht  aus  »der  rothen  Muschelsubstanz 
der  Schalenöffnung  von    Cassidea  rufa*   (Journ.  M.  G.,  II,    iSyS,  S.  17)  bestehen,  ist  bereits  im  Kat. 
xM.  G.  (S.  395,  Nr.  465)  klargestellt  worden.  Dennoch  sagt  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  1889,  S.  71):  »Die 
yap^schenj  rothen  Muschelstücke   sind   entweder  aus  der  Schale   der  Cassis  rufa   geschliffen,  oder  sie 
stammen  von  den  östlichen  oder  westlichen  Inseln  her«  (?),  ausserdem  aber  auch  (ib.  S.  3):   »Als  das 
grösste  Werthstück  unter  dem  Geld  der  Yaper  gilt  der  ,GauS  in  dem  ich  nur  die  Muschelscheibchen 
der  alten  Chamorros  und  die  ursprüngliche  Form  des  centralcarolinischen  Asson  sehen  kann.    Dieser 
,(jau'   besteht  aus   5/707t^/u5-Scheibchen   von   circa   3   Mm.  Dicke  und    i  Cm.  Diameter,   die   in  der 
Mitte  durchbohrt  und  auf  Strange  gezogen,  mittelst  Schleifen  sehr  roh  abgerundet  sind.    Dieses  Geld 
ist  nicht  hier  entstanden  (?)  und  stammt  aus  dem  Osten  oder  Norden  (?) ;  es  wird  als  das  älteste  Geld 
betrachtet,  ist  unveräusserbar  und   wird   durch   die  Häuptlinge   der  grossen  Länder  (?)  verwahrt;  es 
erscheint  nur  in  äusserster  Kriegsgefahr  und  ist  seine  Wirkung  dann  entscheidend«  (!).    Auch  Miklucho- 
Maday  bemerkt,  dass  das  »Gau-Geld«  nur  für  Häuptlinge  bestimmt  ist.    Darnach  dürfte  eine  frühere 
Angabe  Kubary *s,  »dass  Halsbänder  aus  rothen  Muschelscheiben  von  allen  Männern  vielfach  getragen 
werden«,  wohl  irrig  sein.    Aber   nach   anderen   Nachrichten   Kubary's  kaufen  die  »schmucksüchtigen 
Einwohner  von  Yap,  die  nach  Pelau  kommen,   um  Arragonitgeld  zu   hauen,  die  Khaus  (Gürtel  aus 
rothen  Muschelscheibchen)  sehr  eifrig  auf,  um  sie  als  höchst  schätzbare  Halsbänder  zu  tragen«  (»Ethnol. 
Beitr.«,  II,  S.  187)  und   handeln   dieses  Material   »vorzüglich  von   den  östlichen  Nachbarn  über  Uleai 
und  Mackenzie-Inseln  ein«,  denn  »seit  Urzeiten  im  Verkehr  mit   den   östlichen   Nachbarn,   zeigen  die 
Yaper  ebenfalls  eine  gewisse  Vorliebe  für  Halsbänder«  (ib.  S.  72,  Note).    Darnach  scheinen  noch  heute 
aus  eingetauschten  Muschelscheibchen  Halsbänder  verfertigt  und  getragen  zu  werden.    Solche  moderne 
Halsbänder  bestehen  aus  ein-  und   zweireihigen  Schnüren   aufgereihter  Nuss-  und  SpondyluS'ScYitib- 
chen,   die  in  gewissen   Zwischenräumen   durch  eine  grössere  weisse  Muschelscheibe    laufen.    Typen 
solcher  Halsbänder  sind   Kat.  M.  G.,  S.  414,  Nr.  i37  u.  140,  und  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  8 
(und   wahrscheinlich    auch    Fig.  10)   dargestellt,    aber  irrthümlich    mit  »Pelau«  bezeichnet.     Ganz  ab- 
weichend  davon  scheinen   die   »vordem  gern   auf  eigene  Weise  zubereiteten   Halsbänder«    aus  wohl 
selbst  geschliffenen  rothen  Muschelscheibchen,   »dem   geschätztesten  einheimischen  Gelde  ,Ghau',«  die 
gern  mit  Sperm  walz  ahnen  besonders  verziert  wurden.    Ein  solches  Halsband  stellt  Fig.  5,  Taf.  IV  in 
Heft  II  des  Journ.  M.  G.  dar  (ebenso  Kat.  M.  G.,   S.  396,  Nr.  463).    Solche   Halsbänder  wurden  aber 
»niemals  als  persönlicher  Schmuck  getragen«  (Kubary,  ib.  S.  72,  Note). 

Aus  einem  ganz  anderen  Muschelmaterial  waren  die  kostbaren  Frauengürtel  (»Kau«)  von  Pelau 
verfertigt.    Sie  sind  nicht  aus  der  Schale  einer  Spondvlus-Art  geschliffen,  sondern    »aus  der  ,Bliniey' 
genannten  Muschel,  die,   in   tieferem  Wasser,   nur  an   der  Küste  von  Arakolon  zu  finden  und  deren 
Aonaleu  des  k.  k.  naturhibtorischeu  HotmuNCums,  bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  25 


36o  ör  O.  Finsch.  [598] 

Schlosstheil  im  vorgerückten  Alter  lebhaft  roth  gefärbt  ist«.  Kubary  machte  extra  wegen  dieser 
Muschel  einen  Ausflug  nach  dem  Norden  und  erlangte  zwei  Exemplare  dieser  Muschel.  »Sie  waren 
noch  jung,  circa  29  Cm.  lang  (alt  bis  50)  und  vom  Schlosse  nur  der  äussere  Theil  gefärbt.  Die  mir 
sonst  von  keiner  Insel  der  Carolinen  bekannte  Muschel  gehört  zu  den  Tridacnae  und  nähert  sich  be- 
sonders dem  Genus  Hippopus«^  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  186).  Leider  bleibt  damit  die  so  wünschens- 
werthe  Artbestimmung  durchaus  unklar.  Auch  über  die  Verfertigung  selbst  erhalten  wir  nur  unbe- 
friedigende Auskunft.  »Ein  jedes  Stück  (Scheibchen)  muss  einzeln  aus  dem  rothgefarbten  Schlosstheilc 
einer  Muschel  ausgebrochen,  dann  ohne  Werkzeuge  (?)  geschliffen  und  in  der  Mitte  durchbohrt  werden. 
Zu  einem  Khau  oder  Frauengürtel  gehören  über  150 — 200  fein  polirte  Stücke«  (Journ.  M.  G.,  Heft  IV, 
S.  60).  Und  »ein  gewöhnlicher  Doppelgurt  (eines  ,Khau'  oder  Frauengürtel)  zählt  circa  850  einzelne 
Stocke,  die  mit  der  Hand  geschliffen  und  einzeln  mit  Feuerstein,  einer  einheimischen  Art  Chaicedon. 
gebohrt  werden  müssen;  zur  Vollendung  eines  einzigen  Gurtes  werden  manchmal  Jahre  gebraucht. 
Gewöhnlich  liefert  eine  Muschel  nur  zwei  grosse  Stücke,  und  das  ganze  Werk  erfordert  bis  100  Paar 
Schalen.  Betreffs  Bearbeitung  der  Bliniey-Schale  mag  bemerkt  werden,  dass  der  Arbeiter  von  dem 
Schlosse  das  Band  mittelst  eines  Messers,  unter  Anwendung  glühender  Kohle,  ablöste  und  den  ge- 
färbten Theil  der  Schale  abschlug,  um  das  Stück  auf  dem  gewöhnlichen  basaltischen  Gesteine  so 
lange  zu  schleifen,  bis  die  gewünschte  Gestalt  erreicht  wurde.  Das  Poliren  war  ihm  unbekannt,  und 
um  solches  zu  bezwecken,  wurden  die  geschliffenen  Stücke  während  langer  Zeit  in  strudelnde  Stellen 
der  Bäche  gelegt  und  hier  infolge  fortgesetzter  Berührung  glattgerieben«  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  186, 
187).  Das  Letztere  klingt  mindestens  recht  unwahrscheinlich,  und  überhaupt  scheint  Kubary  die  Be- 
arbeitung gar  nicht  gesehen  zu  haben,  denn  er  sagt  (ib.):  »heute  ist  diese  nur  in  Kolekl  einstmals 
betriebene  Industrie  nicht  nur  ausgestorben,  aber  auch  die  Sitte,  den  Khau  zu  tragen,  ist-  vernach- 
lässigt«, indem  die  Pelauer  ihre  Khaus  an  die  Yaper  verkaufen.  Sehr  richtig  fügt  Kubary  hinzu,  dass 
»wie  bei  den  meisten  Inselvölkern  die  Berührung  mit  der  Civilisation  keinen  Fortschritt  im  Cultur- 
zustande  hervorbringt.  So  haben  z.  B.  Kolekl- Leute  ihre  Industrie  (des  Muschelscheibchen-Schleifens) 
gänzlich  aufgegeben,  obwohl  der  Handel  ihnen  gute  Schleifsteine  und  eiserne  Geräthschaften  in  Menge 
liefert,  mit  welchen  sie  ihre  einstmals  sehr  mühselige  Arbeit  heute  ganz  leicht  erledigen  könnten«  (ib. 
S.  187).  Auf  den  westlichsten  Carolinen-Inseln  Sonsol  und  Bunai  (St.  David)  beobachtete  Kubary  keine 
5/yon^/ii5-Scheibchen  (auch  keine  solchen  aus  Cocosnuss),  die  somit  für  den  ganzen  Archipel  bald 
der  Vergangenheit  angehören  werden. 

b)  Hautverzierungen. 

Bemalen,  ausschliessead  mit  gelber  Farbe  (Curciima),  ist  zwar  nicht  eine  specifisch 
carolinische  Sitte  (vgl.  S.  [284]  u.  [445]),  wird  aber  nirgends  so  leidenschaftlich  betrieben 
als  gerade  hier  und  spielt  im  Leben  der  diesen  Archipel  bewohnenden  Stämme  eine 
hervorragende  Rolle.  Da  mit  wenigen  Ausnahmen  die  niedrigen  Coralleninseln*)  keine 
Gelbwurz  erzeugen,  so  beschränkt  sich  diese  Cultur  vorherrschend  auf  die  hohen  Inseln. 
In  unserem  Gebiete  ist  die  Ruk-Gruppe  das  Hauptcentrum,  infolge  dessen  das  Producl 
selbst  das  wichtigste  und  begehrteste  Tauschmittel  im  Verkehr  mit  den  Nachbarinseln 
bildet,  dessen  Bedeutung  bereits  (vorne  S.  [589])  genügend  hervorgehoben  wurde. 

Ueber  den  Anbau  der  Gelbwurzpflanze  (»Eon«)  und  die  Bereitung  des  daraus 
gewonnenen  Pulvers,  des  berühmten  »Taik«  (»Teyk«:  Kubary),  macht  Kubary  ausführ- 
liche, aber  nicht  zusammenhängende  Mittheilungen  (»Ethnol.  Beitr.«,  Heft  I).  Beach- 
tenswerth  ist  zunächst,  dass  Beides  durch  die  Männer^)  geschieht,  und  dass  dabei  keinerlei 
»religiöse  Vorsicht«  wie  auf  Pelau  (II,  S.  164)  und  Nukuor  erwähnt  wird.   Der  Anbau 


1)  Auf  Atollen  wird  nur  auf  Nukuor  und  Sonsol  Gelbwurz  angebaut  (hier  »Hoklu«  genannt); 
Bunai  (St.  David)  producirt  keine,  aber  das  Pulver  ist  sehr  begehrt.  Dabei  mag  erinnert  sein,  dass 
man  auf  Kuschai  überhaupt  keine  Gelbwurz  kannte  (vorne  S.  [483]). 

3)  Dies  ist  insoferne  interessant,  als  auf  Pelau  [und  Nukuor  gerade  Frauen  für  Gelbwurz  zu 
sorgen  haben.  Anbau  der  PBanze  (»Kosol«)  und  Bereitung  des  Pulvers  (»Reng«)  auf  Pelau,  nur  zum 
eigenen  Bedarf,  beschreibt  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  11,  S.  164)  und  ausführlicher  von  Nukuor  (Kat. 
M.  G.,  S.  348).  Hier  geschieht  die  Bereitung  des  »Lena«  genannten  Pulvers  »unter  Beachtung  ver- 
schiedener althergebrachter  Vorschriften,  in  besonderen  öffentlichen  Gebäuden«,  wobei  eine  Priesterin 
den  Gottheiten  Opfer  bringt  (!). 


r599l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  36 1 

der  Pflanze  wird  sehr  sorgfältig  betrieben  und  liefert  im  Jahre  eine  Ernte.  Die  Be- 
reitung des  Pulvers  geschieht  fast  ganz  so  wie  auf  Pelau  (II,  S.  164  u.  208)  und  Nukuor. 
Wie  dort  zerreibt  man  die  abgewaschenen  und  abgekratzten  Knollen  auf  einer  Koralle 
mit  rauher  Oberfläche  und  lässt  die  Masse  Qber  Nacht  in  grossen  Holzgefässen  (s.  vorne 
S.  [577])  wässern.  »Der  dann  erlangte  Bodensatz  wird  in  Formen  gepackt,  getrocknet, 
mit  loser  Musa-Fastr  umgeben  und  ist,  in  Hibiscus-Basl  eingebunden,  fertig  für  den 
Handel«  (Kubary,  1,  S.  75).  Dabei  vergisst  Kubary,  wie  so  häufig,  etwas,  nämlich  die 
Siebe,  *)  welche  zur  Bereitung  des  Gelbwurzpulvers  weiter  vorne  (S.  56)  von  ihm  von 
Ruk  erwähnt  werden.  Freilich  hat  er  diese  Siebe  selbst  nicht  gesehen  (S.  57,  Note),  er- 
klärt aber  dennoch  die  im  Kat.  M.  G.  (S.  379)  als  von  »Ruk«  beschriebenen  für  solche 
von  Nukuor. 

Nach  derjForm  der  getrockneten  Taikklumpen  wird  der  Artikel  verschieden  be- 
nannt. Am  häufigsten  ist  die  folgende  Sorte  in  zuckerhutförmiger  Gestalt,  welche  nach 
Kubary  »das  eigentliche  ruk*sche  Kleingeld«  bildet. 

Tschäk  (»C^k«,  Nr.  625,  i  Stück);  gelbe  Farbe  (Taik),  aus  pulverisirter  Curcuma- 
Wurzel  bereitet,  welche  als  harte  Masse  das  länglich-spitze,  zuckerhutförmige  Ende 
(circa  12  Cm.  lang  und  50  Mm.  Diameter)  einer  Cocosnussschale  (»Tschäk«  genannt) 
ausfüllt.    Ruk. 

Solche  Klumpen,  auch  ohne  die  Cocosschale  in  Blätter  gepackt,  sind  der  gang- 
barste Handelsartikel,  von  denen  Kubary  einige  Werthe  im  Austausch  mit  anderen  ein- 
geborenen Waaren  mittheilt  (S.  76  u.  77),  aber  an  anderer  Stelle  erfahren  wir,  dass  auf 
Pelau  eine  solche  Cocosnussschale  voll  Gelbwurzpulver  circa  2  Dollars  kostet.  Andere 
Verpackungsarten  und  Formen  in  halbdurchschnittenen  Cocosschalen  und  circa  zwei 
Pfund  enthaltend,  heissen  auf  Ruk  »Per«,  in  Bambusröhren  geformte  walzenförmige 
Stücke  j>Puauu«.  Auf  Nukuor  wird  Gelbwurzpulver,  um  dies  beiläufig  zu  erwähnen, 
gewöhnlich  in  Bananenblätter  eingehüllt,  auf  Pelau  auch  in  Flaschenform  getrocknet 
(Kat.  M.  G.,  S.  429,  Nr.  3462:  7  Kilo  schwer). 

Gelbwurzpulver  ist  auf  Ruk  wie  Mortlock  (das  seinen  Bedarf  von  dort  bezieht) 
nicht  allein  die  Festfarbe  für  Lebende  (wie  Todte  s.  vorne  S.  [556]),  sondern  dient  nach 
Kubary  auch  praktischen  Zwecken.  »Ausser  der  stimulirenden  Wirkung  auf  den  oder 
vermittelst  des  Geruchsinnes,  durch  seinen  stark  aromatischen  Duft  (NB.  für  Europäer 
übrigens  ein  widerwärtiger),  ist  das  Pulver  ein  linderndes  Mittel  gegen  Jucken  der  Haut 
(infolge  Fliegen-  oder  Muskitostichen,  Schmutz  oder  Taroschlamm),  erweckt  deshalb 
ein  Gefühl  des  Behagens  und  wird  infolge  dieser  lindernden  Eigenschaften  auch  bei  ver- 
schiedenen Geschwüren  und  Z.w/?w5-Krankheiten  benutzt«  (1.  c,  S.  74  u.  75,  Note),  ob 
mit  Erfolg  lässt  Kubary  freilich  unerwähnt.  Wenn  Kubary  an  a.  O.  anführt,  dass  durch 
das  Einschmieren  des  Körpers  mit  Oel  und  Gelbwurz  eine  Kruste  entsteht,  die  »oft 
wochenlang  nicht  abgewaschen  wird«,  so  kann  eine  solche  immerhin  gegen  Muskito- 
stiche  sich  schützend  erweisen.  Kubary  hält  daher  nicht  »Schmucksucht«  für  das  leitende 
Motiv  bei  Benutzung  des  Pulvers  seitens  der  Eingeborenen,  sondern  die  »ausserordent- 
lich wohlthätige  Wirkung  auf  das  Wohlbefinden«,  worüber  er  aus  eigener  Erfahrung 
sprechen  kann.  »Ein  einmaliges  Einreiben  mit  dem  Pulver,  das  nach  einigen  Stunden 
wieder  abgewaschen  wurde,  wandte  alle  üblen  Folgen  von  Muskitostichen  ab.«  Aber 
dieses  Abwaschen  ist  nicht  so  leicht,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  hinzufügen  kann, 
da  der  Farbestoff  von  Curcuma  sehr  fest  haftet. 


i)  Von  Pelau  sind  solche  abgebildet:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  Taf.  XXVIII,  Kig.  14. 

25^ 


362  Dr.  O.  Finsch.  [6oo] 

Wie  es  auch  immer  mit  den  heilkräftigen  Eigenschaften  sein  mag,  ohne  Zweifel 
wird  das  Gelbwurzpulver  in  erster  Linie  als  Körperschmuck  angewendet,  den  sich  die 
Meisten  nur  bei  besonderen  festlichen  Gelegenheiten  gönnen  können  und  der  unter 
Anderem  auch  auf  Sonsol  (wo  nach  Kubary  Muskitos  fehlen)  »der  werth vollste  Gegen- 
stand des  Schmuckes  ist«  (I,  S.  gS).  Auf  Mortlock,  wo  »Taik«  viel  theurer  ist  als  auf 
Ruk,  wird  daher  auch  viel  sparsamer  damit  umgegangen.  Auf  Lukunor  reiben  sich  die 
Männer  nur  das  Gesicht  ganz  oder  theilweise  damit  ein,  »eine  Schminke  der  seltsamsten 
Art'<  (Kittlitz,  2,  S.  81),  ja  Häuptlinge  färben  meist  nur  die  Handfläche  gelb  (Lütkel 
Nach  dem  letzteren  Berichterstatter  gebrauchen  auf  Uleai  die  Männer  gar  kein  Gelb- 
wurzpulver, aber  »Frauen  desto  mehr«  (»Voyage«,  II,  S.  145). 

Bei  der  innigen,  Jahrhunderte  alten  Liebe  der  Eingeborenen  zu  Taik  ist  der 
»Kampf«  der  Mission  gegen  letzteres  jedenfalls  ungleich  schwieriger  als  der  gegen 
»langes  Haar  und  Tabakrauchen«,  worüber  die  Missionsberichte  oft  bittere  (ob  be- 
rechtigte?) Klagen  führen.  Bequemen  sich  die  Eingeborenen  auch  ziemlich  leicht,  sich 
scheeren  zu  lassen,  und  fröhnen  sie  nur  verstohlen  dem  Laster  des  Rauchens,  so  sind 
sie  doch  umsomehr  obstinat,  »um  Jesu  willen  die  abscheuliche  ,Taik-Sitte*  aufzugeben«, 
ur\d  es  wird  wohl  noch  lange  dauern,  ehe  die  Mission  vollständig  gesiegt  hat.  Ob  die 
Eingeborenen  dann  bessere  Christen  sein  werden  steht  freilich  dahin. 

Tätowirung  ist  mir  von  Ruk  und  Mortlock  nicht  aus  eigener  Anschauung  bekannt 
geworden;  ich  kann  daher  nur  auf  die  Nachrichten  Anderer  zurückgreifen.  Nach  Doane 
ist  die  Tätowirung  von  Ruk  und  Satöan  (sowie  der  kleinen  Inseln  Nema,  Losop  und 
Namoluk)  ganz  gleich  und  sehr  einfach  (»Arme  von  der  Schuller  bis  zum  Ellbogen, 
gelegentlich  ein  gebogenes  Querband  über  die  Brust«).  Kubary  bestätigt  dies  und  gibt 
zugleich  eine  ausführliche  Darstellung  der  Tätowiriing  von  Satöan  mit  den  zum  besseren 
Verständniss  unentbehrlichen  Abbildungen  (L  c,  S.  287,  Fig.  a,  b\  S.  238,  Fig.  r,  und 
S.  239,  Fig.  d\  »Frauen  von  Mortlock«;  fast  übereinstimmend  in  »Tatowiren«  S.  85: 
»Frauen  der  Mortlock-  und  Ruk-Inseln«;  ib.  S.  84:  »Männer  der  Mortlock-  und  Ruk- 
Inseln«;  ziemlich  abweichend:  Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  S.  135,  Fig.  9:  Mortlock).  Nach 
Kubarv  »brachten  die  Mortlocker  die  Sitte  des  Tätowirens  einst  von  Ruk  mit,  ver- 
nachlässigten  sie  aber,  und  habe  ich  keinen  vollständig  tätowirten  Eingeborenen 
gesehen;  viele  Eingeborene  sind  gar  nicht  tätowirt«,  wie  dies  beiläufig  meist  der  Fall 
ist.  Ausserdem  erfahren  wir  noch,  dass  die  Frauen  sehr  selten  tätowirt  sind  und  dass 
sich  Mortlocker  zuweilen  auf  Ruk  tatowiren  lassen.  Wenn  Kubary  (1.  c,  S.  238) 
sagt:  »Die  ruk'sche  Tätowirung  (,Makan*0  =  Zeichnen)  der  Brust  und  des  Bauches 
haben  die  Mortlock-Männer  nicht«,  so  steht  dies  mit  späteren  Angaben  im  Wider- 
spruch. 

Wie  erwähnt,  ist  die  Tätowirung  von  Ruk  und  Mortlock  im  Ganzen  keine  reiche 
und  beschränkt  sich  auf  Oberarm,  Oberschenkel,  Bauchmitte,  den  unteren  Theil  des 
Rückens  (hier  zuweilen  bei  Frauen  bis  auf  das  Gesäss  herab);  Männer  haben  ausserdem 
zuweilen  ein  Querband  über  Brust  und  Schultern;  im  Uebrigen  sind  beide  Geschlechter 
gleich  tätowirt,  nur  die  Patterne  verschieden.  Sie  setzen  sich  übrigens  aus  geraden 
Längs-  und  Querlinien  zusammen.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  die  Frauen 
von  Ruk  und  Mortlock  den  Mons  veneris  nicht  tatowiren.  Im  Gegensatze  damit  be- 
merkt Lütke  von  Lukunor,  »es  wurde  uns  gesagt,  dass  sich  die  Frauen  sehr  geschmack- 
voll tatowiren  an  den  Theilen,  die  vom  Toll  (Schamschurz)  bedeckt  werden«  (»Voyage«, 
II,  S.  69),  was  aber  auch  auf  einem  Missverständniss  beruhen  kann. 


»)  Kubary:    »Kthnol.  Beitr.«,  I,  S.  S$,  spater  (ib.  S.  66)  dasselbe  Wort  für  »Kamm«. 


[6oil  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsec.  363 

Der  Typus  der  Tätowirung  von  Ruk  und  Mortlock  steht  in  seinen  charakteristi- 
schen Eigenthümlichkeiten  ganz  isolirt  und  hat  vollends  keine  Beziehungen  zu  den  auf 
den  Marshalls  und  Gilberts  herrschenden  Typen,  aus  denen  Kubary  (1.  c,  S.  96)  gern 
eine  Verwandtschaft  und  Abstammung  herleiten  möchte.  Tätowiren  wird  auch  auf 
diesen  centralcarolinischen  Inseln  »blos  als  Schmuck  betrachtet  ohne  irgend  welchen 
religiösen  Sinn«  (Kubary). 

Da  Kubary  Lukunor  nicht  besuchte  und  seine  Mittheilungen  über  Mortlock  sich 
nur  auf  das  Atoll  Satoan  beziehen,  so  sind  wir  bezüglich  der  Tätowirung  VOR  Lukunor 
nur  auf  die  älteren  Nachrichten  von  Kittlitz  und  Lütke  angewiesen.  Obwohl  dieselben  im 
Ganzen  recht  spärlich  sind,  so  ergeben  sich  bei  genauer  Vergleichung  (namentlich  der  Ab- 
bildungen) unerwartetervveise  doch  so  erhebliche  Abweichungen,  dass  man  die  Tätowi- 
rung von  Lukunor  nicht  mit  der  des  benachbarten  Satöan  zusammenwerfen  darf  und  vor- 
läufig als  besonderen  Typus  betrachten  muss.  Dies  geschieht  selbstverständlich  unter  der 
Voraussetzung  der  unbedenklichsten  Zuverlässigkeit,  wie  sie  ja  bei  diesen  Reisenden  kaum 
zu  bezweifeln  ist.  »Auch  hier  (Lukunor)  sahen  wir  eine  der  dortigen  (Kuschai)  ähnliche 
Tätuirung,  freilich  in  mehr  abwechselnden  Mustern  und  bei  einzelnen  Personen  auch  auf 
einen  Theil  der  Brust  ausgedehnt;  das  Gesicht  wird  stets  damit  verschont,«  ist  Alles,  was 
Kittlitz  (II,  S.  81)  über  die  Hautzeichnung  auf  Lukunor  sagt.  Und  etwas  ausführlicher 
fügt  Lütke  hinzu:  »Beine  und  Brust  sind  mit  langen  geraden  Linien  bedeckt,  welche 
ersteren  das  Ansehen  von  Strümpfen  geben«  (»Voyage«,  II,  S.  68).  Diese  letztere  Eigen- 
thümlichkeit  ist  auf  den  Männerfiguren  der  Taf.  32  des  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  an- 
gedeutet, welche  die  Beine  vom  Knie  bis  zu  den  Knöcheln,  ausserdem  aber  auch  die 
Unterarme  mit  Längsreihen  schmaler  Querstriche  bedeckt  zeigen.  Dies  würde  als  cha- 
rakteristisch und  typisch  zd  betrachten  sein,  denn  die  Tätowirung  von  Satoan  und  Ruk 
lässt  gerade  das  Unterbein  (vom  Knie  bis  zum  Knöchel)  frei  von  Tätowirung.  Auf 
Taf.  25  desselben  Reisewerkes  sind  zwei  Brustbilder  Eingeborener  von  Lukunor  ab- 
gebildet, welche  die  eigenthümliche  Tätowirung  der  Brust  (Querband  von  Schulter  zu 
Schulter,  sowie  einen  oberseits  in  vier  gabelförmige  Zinken  auslaufenden  Längsstreif 
auf  jeder  Brustseite)  illustriren,  ausserdem  auch  Längsstreifen  auf  dem  Oberarme  zeigen, 
wie  sie  auf  Mortlock  (Satoan)  und  Ruk  üblich  sind. 

Alle  diese  charakteristischen  Muster  gibt  Postel's  treffliche  Darstellung  zweier  Caro- 
linier  in  ganzer  Figur  (PI.  28)  vereint  wieder,  deren  Heimat  leider  weder  im  begleitenden 
Texte,  noch  dem  Reisewerke  sicher  festzustellen  ist,  die  aber  (auch  nach  dem  Ausputz 
zu  urtheilen)  wahrscheinlich  ebenfalls  von  Lukunor  herstammen.  Der  von  vorne  ge- 
sehene Mann  zeigt  auf  der  Brust  bis  über  den  Nabel  herab  vier  breite  Streifen,  die  ober- 
seits in  vier  schmale  Zinken  auslaufen  (ganz  übereinstimmend  mit  PI.  25),  ausserdem 
noch  einen  breiten  gebogenen  Streif  auf  dem  Oberschenkel,  der  sich  vom  Gesäss  aus 
herumzieht.  Sehr  eigenthümlich  ist  die  Tätowirung  des  Rückens,  welche  von  der 
Schulter  an  bis  auf  das  Gesäss  sechs  von  der  Rückgratslinie  ausgehende,  nach  rechts, 
resp.  links  gebogene  breite  Streifen  zeigt,  die  etwas  an  die  »Eol« -Tätowirung  von  Uluti 
(Joest:  Tätowiren,  S.  82)  erinnern.  Ausserdem  ist  die  obere  Rückenhälfte  mit  mehreren 
dichtstehenden  Querstreifen  bedeckt,  die  eine  Art  Kragen  bilden.  Die  besonders  reiche 
Tätowirung  dieser  beiden  Männer,  die  von  Posteis  nach  dem  Leben  gezeichnet  wurden, 
also  keine  Phantasie  sein  kann,  gehört  ohne  Zweifel  zu  den  seltensten  Ausnahmen  und 
darf  umsoweniger  als  typisch  gelten,  als  allem  Anscheine  nach  gewisse  eigenartige 
Muster  auf  anderen  Inseln  erworben  wurden,  wie  dies  bei  Seefahrern  zuweilen  der  Fall 
war.  Denn  nur  so  lassen  sich  die  eigenthümlichen  Muster  auf  Brust  und  namentlich 
Rücken  erklären,  die  in  dieser  Weise  sonst  nirgends  vorkommen.  Dass  sich  Lukunorer 


364 


Dr.  O.  Finsch. 


[602] 


Fig.  61. 


r 


o 


l/l/fMifi 
Fig.  62. 


Seefahrer  aus  der  Fremde  gewisse  Tätowirungen  mitbrachten,  erfahren  wir  auf  das 
Bestimmteste  durch  Lütke  selbst.  Er  erwähnt  z.  B.  einen  Häuptling  mit  Namen  Peseng, 
der  auf  dem  linken  Schenkel  eine  Anzahl  Fische  tätowirt  hatte,  Andere  mit  gewissen 
Zeichen  auf  den  Händen  u.  s.  w.,  Alles  Erinnerungszeichen  an  gemachte  Reisen,  von 

denen  jedes  eine  Insel  bedeuten  sollte  (>Voyage«,  II,  S.  69).  Da 
Kadu  auf  seinem  Oberarme  Tatowirung  in  Form  eines  Arm- 
bandes, oben  und  unten  von  einer  Reihe  senkrecht  stehender 
Fische  begrenzt,  zeigte  (vgl.  Choris,  PL  XVII),  so  wäre  die  An- 
nahme denkbar,  dass  die  Zeichen  in  Fischgestalt  der  erwähnten 
Lukunorer  Seefahrer  ursprünglich  von  Uleai  herstammten.  Selbst- 
redend gab  es  auch  auf  Lukunor  Viele  ohne  Tatowirung,  wie 
dies  z.  B.  vier  auf  PL  27  der  »Senjavin-Reise«  dargestellte  Häupt- 
linge zeigen. 

Tätowirgeräth,  von  Lukunor,  ist  im  Atlas  der  »Senjavin- 
Reise«,  PL  3o,  abgebildet  (Fig.  12a  der  Kamm  und  Fig.  12b  der 
Hammer  oder  Klopfer  zum  Einschlagen).  Auf  Mortlock  (Satöan 
besteht  der  Kamm  nicht  aus  Schildpatt,  sondern  Knochen  (von 
Pteropus  (?)  oder  Tachypetes :  Kub.),  stimmt  aber  im  Uebrigen 
ganz  überein  mit  der  folgenden  Nummer: 

Te-au  (Nr.  573,  i  Stück,  Fig.  61 — 63),  Tätowirinstru- 
ment  von  Nukuor. 

Dasselbe  besteht  aus  einem  runden  Stiele  (a)  aus  Holz,  der 
an  der  Basis  etwas  dicker  und  hier  abgeplattet  ist,  damit  sich  das 
Instrument  leicht  mit  Daumen  und  Zeigefinger  der  Linken  halten 
lässt.  An  diesem  Stiele  ist  mittelst  feinem  Faden  ein  längliches 
flaches  Stück  Schildpatt,  der  Kamm  (Fig.  62),  befestigt,  dessen 
Endrand  in  i3  sehr  feine  Zähne  ausgezackt  ist,  welche  mittelst 
eines  Klopfers  (»Te-tatau«)  in  die  Haut  eingeschlagen  werden. 
Die  Breite  und  Anzahl  der  Zähne  dieses  Kammes  ist  verschieden 
wie  die  Befestigung.  Das  Exemplar  der  Sammlung  (Nr.  573, 
Fig.  63)  hat  nur  sieben  Zähne  (drei  sind  abgebrochen)  und  ist 
durch  zwei  kleine  Löcher  mittelst  Faden  festgebunden. 

Das  Tätowirinstrument  von  Pelau  (abgeb.  Joest:  »Täto- 
wiren«,  S.  7g)  stimmt  fast  ganz  mit  dem  von  Nukuor  überein, 
nur  ist  der  Kamm  (aus  Vogelknochen:  Dysporus)  kürzer  und 
zeigt  weniger  Zähne.  Das  alttahitische  Tätowirgeräth  (abgeb.  wie 
oben  S.  68)  ist  ebenfalls  sehr  ähnlich,  dagegen  der  Klopfer  sehr 
abweichend.  Wie  verschieden  übrigens  der  Kamm  eines  solchen 
Geräths  an  ein  und  derselben  Localität  sein  kann,  zeigen  die  Ab- 
bildungen alttahitischer  Täto wirkämme  bei  Gill  (»Life  in  the 
Southern  Isles«,  PL-S.  204,  Fig.  71.  Durchaus  abweichend  war 
das  Tätowirinstrument  der  alten  Hawaiier,  eine  gerade  dreizinkige 
Gabel  aus  Bein  mit  Stöckchen  als  Klopfer  (Choris,  PL  XI,  Fig.  7  u.  8). 

Eine  vergleichende  Darstellung  der  Tatowirung  im  Carolinen-Archipel  fehlt  zur  Zeit  noch,  denn 
Kubary's  Abhandlung;  »Das  Tätowiren  in  Mikronesien,  speciell  auf  den  Carolinen«  (s.  S.  [449])  ent- 
spricht nicht  einmal  dem  letzteren  Zusätze.  Sie  macht  uns  nur  mit  der  Tatowirung  von  Pelau,  Yap. 
Ruk,  Mortlock,  Nukuor  und  Ponape  bekannt  und  lässt  daher  eine  Menge  Lücken,  die  sich  nur  schwer 
ausfüllen  lassen  werden,  weil  auch  in  den  Carolinen  Tatowirung  rasch  dem  vrtlligen  Erlöschen  ent- 
gegeneilt oder  zum  Theil  bereits  untergegangen  ist. 


'E^ 


Kig  63. 


'/,  natürl.  Grösse. 
Tätowirgeräth. 
Nukuor. 


r6o31  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Sodsee.  35c 

TStowirung  von  Nukuor.  Kubary  behauptete  früher, i)  dass  auf  diesem, Atoll  Tätowirung 
unbekannt  sei,  beschreibt  dieselbe  aber  später  selbst.  Freilich  ist  sie  kaum  der  Rede  werth,  denn 
»bei  den  Mftnnern  hat  nur  der  weltliche  Häuptling  eine  Linie  über  Brust  und  Rucken  gezogen,  und 
die  Frauen  tätowiren  nur  ein  dreieckiges  Zeichen  auf  den  Schamberg«  (abgeb.:  »Tätowirenc,  S.  86, 
und  Kat.  M.  G.,  S.  336).  Es  mag  hier  noch  erwähnt  sein,  dass  auf  Fidschi  nur  die  Frauen  und  eben- 
falls nur  an  diesen  Tlieilen  tätowiren.  Die  Tätowirung  der  Ellice-Bewohner,  von  woher  nach  Kubary 
die  Nukuorer  herstammen  sollen,  ist  ganz  verschieden  (vgl.  S.  [282]),  was  sehr  gegen  die  Annahme 
dieser  Herkunft  spricht.  Die  Bemerkung  Kubary's,  der  ja  Nukuor  nur  sehr  flüchtig  kennen  lernte,  »dass 
alle  von  nicht  tätowirten  Frauen  geborenen  Kinder  getödtet  werden«,  scheint  mir  bei  aller  Achtung 
vor  dem  Berichterstatter  doch  sehr  zweifelhaft  und  weiterer  Bestätigung  dringend  bedürftig.  Dabei 
verdient  es  Beachtung,  dass  die  ganze  weibliche  Bevölkerung  der  Insel  (inclusive  Kinder)  nur  60 
Köpfe  stark  ist. 

lieber  andere  Inseln  der  Carolinen  liegen  betreffs  Tätowirung  nur  einige  wenige,  sehr  kurze 
Notizen  vor,  die  keinerlei  Schlussfolgerungen  und  Beziehungen  erlauben.  So  fehlt  es  z.  B.  an  Nach- 
weis über  die  Tätowirung  der  in  Sprache  und  Sitten  mit  Ruk  zusammengehörigen  Bewohner  der 
Hall-Gruppe. 

Uleai.  Die  wenigen  Eingeborenen,  welche  ich  von  diesem  Atoll  sah,  waren  nicht  tätowirt,  aber 
nach  Tetens  sind  »die  meisten  Männer  über  den  ganzen  Körper  geschmackvoll  tätowirt«.  Nach  Kubary 
>be(lecken  sich  die  Männer  gern  mit  der  ,Eo1-Tätowirung',  die  sie  sich  bei  ihren  Besuchen  auf  Uluti 
machen  lassen.«  Derselbe  Berichterstatter  beschreibt  aber  auch  eine  eigene  Tätowirung  von  Uleai, 
»die  sich  nur  auf  das  Unterbein  erstreckt.  Das  Muster  besteht  in  aus  aneinandergereihten,  die  Vorder- 
seite und  die  beiden  Seiten  des  Unterschenkels  bedeckenden  Längsstreifen.  Die  inneren  und  äusseren 
Seiten  des  Oberschenkels  sind  mit  dichtgestellten  Strichen  und  Pfeilspitzen  bedeckt«  (»Tätowiren«, 
S.  83).  Nach  Lütke  wäre  die  Tätowirung  auf  Uleai  ganz  so  wie  auf  Uluti  (vgL  S.  [525]).  Auf  die  Fisch- 
tätowirung  Kadu's,  eines  geborenen  Uleaiers,  ist  bereits  (S.  [602])  hingewiesen  worden. 

Swede-Inseln  (Lamotrek  oder  Namurek,  Eiato  und  Namoliur).  »Die  Leute  zeichneten  sich 
durch  besonders  elegante,  den  ganzen  Körper  mit  Ausnahme  des  Gesichts  bedeckende  Tätowirung 
aus«  (Kittlitz:  Denkwürd.,  2,  S.  148),  und:  »Die  Tätowirung  ist  regelmässiger,  hübscher  und  viel 
mehr  symmetrisch«  (Lütke:  »Voyage«,  II,  S.  127). 

Pais  (Tromelin).  Der  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  25)  abgebildete  Mann  ist  untätowirt; 
aber  Lütke  bemerkt,  »dass  die  Tätowirung  absolut  gleich  mit  den  bisher  in  den  Carolinen  gesehenen 
sei«,  was  freilich  sehr  unzureichend  erscheint. 

Pikiram  (Greenwich  Isl.)  besitzt  keine  Tätowirung  (Kubary  in:  Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  S.  i32,  Anm.). 

c)  Haartracht  und  Putz. 

Männer  binden  das  lange  Haar  meist  am  Hinterkopfe  in  einen  dichten  chignon- 
artigen  Knoten  zusammen,  Frauen  pflegen  das  gescheitelte  Haar  am  Hinterkopfe  nach 
innen  in  einen  Knoten  zu  schlagen,  der  nach  links  absteht  und  sehr  hübsch  kleidet  (vgl. 
Anthrop.  Album,  Taf.  21 — 23:  Ruk,  und  Taf.  24:  Mortlock;  hier  auch  Fig.  273  ein 
bekehrtes  Mädchen  mit  langem,  nach  europäischer  Weise  ausgekämmtem  Haare).  Die 
im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  abgebildeten  Männer  von  Lukunor  (PL  27)  zeigen  ganz 
ähnliche  Haartouren,  wie  aber  Lütke  bemerkt,  tragen  manche  das  Haar  auch  aufgezaust 
»in  Form  einer  enormen  Frisur,  wie  die  Eingeborenen  Neu-Guineas«  (PL  26,  obere 
Figur  links).  Andere  lassen  das  Haar  auf  dem  Hinterkopfe  in  Form  eines  grossen 
Büschels  stehen  (ganz  wie  auf  Uleai)  oder  frisiren  auf  dem  Oberkopfe  ein  dreifach  über- 
einandergeroUtes  Toupe  (»Senjavin-Reise«,  PL  25,  obere  Figuren).   Zum  Aufbinden 


0  Im  Journ.  M.  G.,  Heft  VIII,  S.  132:  »sowie  auf  den  Anchorites  und  Hermites«,  was  aber  nur 
für  die  ersteren  richtig  ist.  Hautverzierung  von  Hermites-Insulanern  (beiderlei  Geschlechts)  hatte  ich 
selbst  Gelegenheit  zu  sehen  und  zu  zeichnen.  Sie  stellt  einen  eigenen  Typus  dar,  der  sich  auch  in 
der  Technik  auszeichnet,  die  zum  Theile  in  Einschneiden  (mit  Messer)  und  Tätowirung  besteht.  In 
ähnlicher  Technik  (mit  Brandmalen),  aber  ganz  verschiedenem  Muster  ist  die  Tätowirung  auf  Ninigo 
(VEchequier-Gruppe),  die,  ebenfalls  eigenthümlich,  sich  zunächst  melanesischen  Typen  anschliesst. 


366  C*r.  O   Finsch.  [604] 

des  Haares  bedient  man  sich  einer  dünnen,  aus  Menschenhaar  geflochtenen  Schnur 
(Maker:  Ruk  und  Mortlock;  Kat.  M.  G.,  S.  Sog,  Nr.  2942),  die  nach  späteren  Mit- 
theilungen Kubary's  (I,  S.  66)  auf  Ruk  nur  von  den  Frauen  benutzt  wird.  Die  > männ- 
lichen Haarbinden  heissen  ,Negasaka'  und  sind  ganz  den  mortlock*schen  gleich,  obwohl 
hier  zuweilen  aus  Musa-Faser  bereitet«  (ib.).  Kubary  gedenkt  dieser  mortlock'schen 
»Haargürtel«,  die  hauptsächlich  »von  jungen  Männern,  die  etwas  auf  ihr  Ansehen 
geben  wollen,  getragen  werden«,  unter  dem  Namen  »Uasin«  (I.e.,  S.  23i),  bezeichnet 
sie  aber  wenige  Zeilen  später  (u.  S.  269)  als  »Lakasaka«.  Hierher  gehört  das  folgende 
Stück: 

Lakasaka  (Nr.  418,  i  Stück),  Haarbinde  für  Männer;  dieselbe  besteht  aus  einem 
Flechtwerk  aus  Cocosfaser  (85  Cm.  lang),  auf  dessen  convexe  wulstige  Aussenseite 
Pflanzenfaser  (Banane  oder  Cocos)  in  der  Weise  dicht  aufgeflochten  und  abgeschoren 
ist,  dass  sie  im  Aussehen  an  Plüsch  oder  eine  kurzgeschorene  Bürste  erinnert;  an  Jeder 
Seite  ist  ein  Band  zum  Festbinden  angeflochten  und  das  Ganze  mit  Curcuma  lebhaft 
gelb  gefärbt.  Ruk.  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  solche  Haarbinden  von  Mortlock  (S.  3o8, 
Nr.  685  u.  686)  und  Ruk  (S.  363,  Nr.  3io3),  die  nach  Kubary  nur  auf  diese  beiden 
Gruppen  beschränkt  sind  und  schon  auf  Uleai  nicht  vorkommen. 

Wie  dieser  Haarschmuck  ausschliessend  von  Männern  getragen  wird,  so  besitzen 
die  Frauen  ebenfalls  eine  besondere  Art: 

»Limam«  (oder  »Lima«),  Kopfbinde,  bestehend  aus  einem  45  Cm.  langen  und 
35  Mm.  breiten  Gürtel  aus  feinem  Bindfaden  von  Cocosfaser  über  eine  Unterlage  von 
zusammengelegten  Bananenblättern  geflochten,  daher  eine  flache  Wulst  bildend;  auf 
die  etwas  abgerundete  Oberseite  sind  Querreihen  schwarzer  Cocosperlen  (wie  Fig.  6, 

ff 

Taf.  24)  aufgeflochten  (im  Ganzen  137  Reihen),  deren  mittelste  aus  circa  15  Perlen 
bestehen,  die  sich  seitlich  bis  auf  zwei  verringern,  die  äusserste  und  die  mittelste  Perle 
jeder  Querreihe  besteht  aus  einer  weissen  Muschelperle,  so  dass  dadurch  ein  weisser 
Mittelstreif  und  jederseits  ein  weisser  Randstreif  gebildet  wird;  als  weiterer  Schmuck  ist 
ungefähr  jeder  sechsten  Querreihe  von  Cocosperlen  eine  Querreihe  grösserer  Spondylus- 
Scheibchen  eingeschaltet,  deren  mittelste  aus  zehn  Scheibchen  bestehen,  während  sie 
seitlich  bis  auf  zwei  herabgehen;  im  Ganzen  zählt  die  Binde  20  solcher  Querriegel  von 
Spondylus  (und  106  solcher  Scheibchen);  die  Binde  endet  jederseits  in  circa  15  Cm. 
lange  Schnüre  zum  Festbinden,  die  an  der  Basis  mit  Nuss-  und  SpondyluS'Sch^ihchQn 
verziert  sind.  Die  aus  Bindfaden  bestehende  Unterseite  ist  mit  Curcuma  gelb  einge- 
rieben. Ruk. 

Das  oben  beschriebene  Stück  ist  ein  besonders  reiches;  andere  sind  viel  einfacher, 
die  Verzierung  überhaupt  so  verschieden,  dass  kaum  zwei  Stücke  völlig  gleich  sind 
(vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  24,  Fig.  271,  und  Kat.,  S.  309,  Nr.  2962  von  Mortlock, 
und  ib.  S.  302,  Nr.  3 100  u.  3ioi  von  Ruk;  etwas  abweichend  ib.  S.  363,  Nr.  129,  und 
Album,  Taf.  21,  Fig.  523  u.  516,  aus  grösseren  Muschelscheibchen  [zweireihig]  be- 
stehend). 

Diese  sehr  geschmackvollen  Kopfbinden  sind  F'estschmuck  und  werden  von 
jungen  Frauen  und  Mädchen  nur  bei  den  Tanzautführungen  getragen,  entsprechen 
daher  ähnlichen  Schmuckstücken  von  Ponapc  (vorne  S.  [526],  Aber  Kubarv's  An 
nähme,  »dass  dieser  Schmuck  einem  Muster,  welches  von  Ponapc  stammt,  nachgebildet 
sei«,  entbehrt  durchaus  der  Begründung.  Nach  Kubary  werden  diese  »Kopfspangen« 
nur  auf  Mortlock  und  Namoluk  fabricirt  und  nach  Ruk  verhandelt.  Sie  stehen  so  hoch 
im  Werthe  als  ein  Päk-Gürtel  oder  zwei  Halsbänder  aus  Spondylus  (Assang).  Von  Ruk 


[6os: 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Bclegslückc 


367 


aus  gelangen  solche  Kopfbinden  im  Tausch  auch  nach  Uleai  und  werden  hier  gern 
noch  mit  Schildpattplaiten  verziert  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  383,  Nr.  125). 

Die  hier  (S.  Sog,  Nr.  574)  notirte  Stirnbinde  aus  Melampui  luteus  ist  beztighch 
ilcr  Herkunft  "Mortlock«  keineswegs  zweifellos. 

Dass  Männer  die  Schleuder  nicht  selten  um  den  Zopf  gewunden  bei  sich  führen, 
wurde  bereits  unter  Waffen  (S.  [555])  erwähnt. 

Häufig  wird  auf  Mortloclt,  und  zwar  von  beiden  Geschlechtern  ein  Bündel  aro- 
matischer Kräuter  im  Haare  getragen,  >theils  des  Wohlgcruchs  wegen,  theüs  als  Mittel 
gegen  Läuse*  (Kubary),  das  aber  für  letztere  wenig  hilft.  Zur  Milderung  des  Juckens 
und  weil  Fingernägel  in  dem  dichten  Haarwusi  nichts  ausrichten,  bedient  man  sich 
daher  mit  Vorhebe  einer  Haarnadel.  Dieselbe  besteht  meist  aus  einem  gewöhnlichen 
runden,  zugespitzten  Stöckchen,  ist  zuweilen  aber  auch  feiner,  wie  das  folgende  Stück; 

Tu  (Nr,  298,  I  Stück),  Haarnadel  für  Männer  (Fig.  64),  bestehend  aus  einem 
14  Cm,  langen,  runden,  zugespitzten  Stöckchen  (a)  aus  Citroncnholz,  welches  an  der 
Basis  einen  flachen  runden  Knopf  (b)  von  40  Mm.  Durchmesser 
trügt,  der  aus  den  Spiren  eines  Conus  geschliffen  ist.  Ruk.  ^8*  ^' 

Diese  Haarnadel  wird  von  unten  schief  nach  vorne  und  b 

()t'(;n  durch  das  Chignon  gesteckt,  in  der  Weise,  dass  der  Knopf 
Linterscits  das  Haar  mit  festhält  (vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  32, 
Fig.  507).   Als  Ausputz  der  Haarnadel  dient  häufig  ein 

Schmucltband  (Nr.  298«,  i  Stück,  Fig.  64c)  für  die 
Haarnadel,  circa  60  Cm.  lang  und  3o  Mm.  breit,  aus  dicht- 
stehenden runden,  meist  schwarzen  Perlen  von  Cocosnuss schale 
sehr  künstlich  in  der  Weise  aufgeflochten  wie  Fig.  i3  (Taf.  24V  " 
Das  Band  endet  jedcrseits  in  zwei,  resp.  drei  circa  7  Cm.  lange 
Schnüre  einreihiger  Cocosperlen,  mit  einigen  rothen  Spondylus- 
Scheibchen  abwechselnd,  und  diese  fünf  Schnüre  sind  an  der 
Basis  des  Knopfes  der  Haarnadel  festgebunden.  Ruk. 

Das  Band  wird  über  den  Kopf  gezogen,  so  dass  es  von  der 
Basis  des  Chignons  ausgehend  eigentlich  eine  Art  Halsband  bildet, 
ganz  übereinstimmend  mit  den  im  Nachfolgenden  zu  beschrei- 
benden »Täte- Halsbändern».  Wie  bei  diesen  herrscht  erhebliche 
Variation  in  Grösse  der  verwendeten  Cocosperlen,  denen  zu- 
weilen in  beschränkter  Zahl  weisse  Muschelsch  eibeben  und  ein- 
zelne Glasperlen  eingeschaltet  sind,  sowie  in  Breite  und  Länge 
der  Bänder.  Die  Haarnadeln  sind  zuweilen  gabelförmig,  und 
werden  auch  einreihige  Schnüre 
schwarzer  Cocosperlen  daran 
befestigt,  zuweilen  so  lang,  dass  sie  bis  auf  die  Brust  herabhängen 
(wie  Fig.  527  u.  528,  Taf.  22  des  Anthrop.  Album  von  Ruk 
zeigen).  Auf  Mortlock  heissen  die  ganz  gleichen  Haarnadeln 
^Tik<,  der  gaiue  Schmuck  mit  dem  Bande  zusammen  >Ferek  e 
ist  diese  Art  Haarputz  auf  Ruk  und  Morllock  beschränkt  und  die  Angabe  >Nukuor< 
iKat.  M.  ü.,  S.  335,  Nr.  2077)  falsch.  Wenn  im  Uebrigen  Kubary  in  diesem  Kataloge 
Exemplare  von  Ruk  vermisst,  so  hat  er  übersehen,  dass  dieselben  mit  Ausnahme  von 
Nr.  559  (S.  3o81  irrthümlich  als  =Hals-  oder  Brustschniuck-  verzeichnet  sind.  (Hierher 
gehören  S.  3i2,  Nr.  554,  S'.  314,  Nr.  2974 — 2976  von  Morllock  und  S.  36o,  Nr.  Siog, 
S.  365,  Nr.  3104,  3i20,  3i2i  und  S.  366,  Nr.  3i23  von  Ruk.j  Die  im  Journ.  M,  G., 


:  Haarnadeln 
statt  der  breiten  Schmuckbände 
weisser  Muschelscheibchen  od< 


Nach  Kubarv 


368  Dr.  O.  Finsch.  [606] 

Heft  IV,  Taf.  4,')  Fig.  9,  abgebildete  Haarnadel  ist  nicht  von  »Pelau«,  da  diese  Art 
Schmuck  hier  gänzlich  fehlt. 

Kämme,  auf  Ruk  im  Allgemeinen  »Makan«,  auf  Mortlock  »Taf«  genannt,  sind  ein 
unentbehrlicher  Putzartikel,  aber  nur  für  Männer,  und  dienen,  wie  sonst  in  der  Südsee, 
weniger  zum  Auskämmen,  als  mehr  zum  Aufzausen  des  Haares. 

Der  gewöhnlichste  Typus  von  Kämmen  (wie  S.  [92],  Fig.  12),  welcher  aus  einer 
grösseren  oder  geringeren  Anzahl  zusammengebundener  Stäbchen  (meist  Rippen  von 
den  Fiedern  des  Blattes  der  Cocospalme)  besteht  und  sich  fast  über  die  ganze  Südsee 
verbreitet  findet,  ist  nach  Kubary  auf  Ruk  seltener.  Die  Stäbchen  (10 — 36  Cm.  lang^ 
sind  häufig  in  zierlicher  Flechtarbeit  aus  Faden  (zuweilen  Haar)  zusammengebunden 
und  die  Spitze  des  Kammes  nicht  selten  in  mannigfacher  Weise  mit  Spondylus-  und 
Cocosscheibchen,  Hahnen-  und  Fregattvogel  federn  ausgeputzt  (vgl.  das  reiche  Material 
im  Kat.  M.  G.,  S.  3o8,  Nr.  2972:  Mortlock;  Nr.  2973:  Oneop;  S.  36i  u.  362,  Nr.  3095 
bis  3097:  Ruk;  S.  383;  Nr.  165,  3093  u.  3094:  Uleai;  S.  394  u.  395,  Nr.  167,  277  u. 
723:  Yap,  und  S.  413,  Nr.  530  u.  195:  Pelau).*)  Ein  sehr  reich  verziertes  Exemplar 
dieses  Typus  von  Kämmen  ist  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (wohl  von  Lukunor)  ab- 
gebildet (PI.  3o,  Fig.  10).  Nach  Kubary  gehören  Kämme  mit  »zu  den  Hauptgegenständen 
der  mortlock'schen  Toilette,  bilden  aber  keinen  ausgeprägten  Industriezweig,  sondern 
werden  von  Jedermann  gemacht«.  Ich  verglich  Exemplare  von  Ruk,  Mortlock  und 
Uleai,  die  ganz  übereinstimmen. 

Wie  diese  Art  Kämme  vorzugsweise  als  Festschmuck  dienen,  so  ganz  besonders 
der  zweite  Typus  von  Kämmen,  die  aus  einem  Stück  verfertigt  sind  und  mit  zu  den 
kunstvollsten  Schnitzarbeiten  der  Central-Carolinen  gehören.  Die  Sammlung  enthält 
ein  schönes  Stück  in  der  folgenden  Nummer: 

Makan  (Nr.  297,  i  Stück),  Putzkamm  (Taf.  VI  [23],  Fig.  5  u.  5a),  aus  einem 
Stück  Holz  (Citronenholz)  geschnitzt,  mit  kunstvoll  eingravirtem  Muster,  das  Spitzen- 
ende (Fig.  5  a)  in  neun  engstehende  Zinken  ausgearbeitet.  Der  Endtheil  zwischen  b  und 
c  ist  115  Mm.  lang,  so  dass  die  ganze  Länge  32  Cm.  beträgt.  Beide  Seiten  des  Kammes 
sind  genau  in  gleichem  Muster  ziemlich  seicht  gravirt,  in  der  Mitte  des  dünnen  Theiles 
des  Stielendes  ist  eine  viereckige,  circa  5  Mm.  hohe  Erhabenheit  ausgearbeitet,  das 

1)  Diese  Tafel,  »Arbeiten  der  Palau-lnsulaner«  darstellend,  ist  leider  nur  geeignet,  um  Ver- 
wirrung anzurichten,  und  hat  selbst  durch  Kubary  widersprechende  Deutung  erfahren  (vgl.  »Mort- 
lock«, S.  271,  Note;  »Ethnol.  Beitr.c,  I,  S.  73,  Note;  II,  S.  175,  Note,  und  Schmeltz:  Kat.  M.  G.,  S.  3io, 
Note).  Nachdem  Kubary  zuerst  die  Figuren  Nr.  5 — 10,  12  und  i3  als  der  »mortlock'schen  Industrie 
angehörend«  bezeichnete,  erklärte  er  später,  dass  sämmtliche  18  abgebildete  Gegenstände  »mit  Aus- 
nahme von  Fig.  II  (Frauengürtel)  Erzeugnisse  der  östlichen  Carolinen:  Ruk,  Mortlock  und  Uleai« 
seien.    Dies   ist   aber  nur  zum  Theile  richtig,   denn  mit  Ausnahme  von  Fig.  14  (Täschchen  von  Yap) 

Uind  Fig.  17  (Dose,  die  nach  Kubary  nicht  von  Pelau  herstammt)  sind  Fig.  2  und  3  (Schildpattschale 
und  Löffel),  Fig.  ii  (Frauengürtel),  Fig.  16  (Handkorb)  und  Fig.  18  (Bambusrohr  zu  Betelkalk)  un- 
zweifelhaft pelau'sche  Arbeiten. 

2)  Im  Westen  auf  Yap  und  Pelau  ist  vorherrschend  dieser  Typus  von  Kämmen  gebräuchlich, 
von  denen  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  195,  Taf.  XXIII,  Fig.  3o,  und  Taf.  XXIV,  Fig.  i  u.  2)  allein 
drei  verschiedene  Formen  von  Pelau  anführt.  Eigenthümlich  für  dieselben  scheint,  dass  die  Stäbchen 
durch  Nieten  verbunden  sind,  was  aber  schon  bei  den  Kämmen  von  Yap  nicht  der  Fall  ist  (vgl. 
Edge-Partington,  Taf.  177,  Fig.  6,  und  die  ungenügenden  Abbildungen  in:  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  IV, 
Fig.  4).  Interessant  ist,  dass  auf  Bunai  (St.  David)  die  Frauen  Kämme  aus  zusammengebundenen 
Stäbchen  tragen,  während  die  der  Männer  »aus  einem  Stück  Bambu  geschnitzt  sind«  (Kubary,  I, 
S.  iio),  also  ganz  an  gewisse  melanesische  erinnern  (vgl.  z.  B.  S.  [23i]).  Von  Sonsol  erwähnt  Kubary 
keine  Kämme,  die,  wie  auf  Kuschai  und  Ponape,  auch  auf  Nukuor  zu  fehlen  scheinen. 


[6o7] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegs  tu  iike  aus  der  SQdsee. 


369 


Fig.  65. 


Ganze  ein  Muster  feiner  und  gefälliger  Schnitzarbeit.   Als  Zeichen  des  Festschmtickes 
ist  der  Kamm  mit  der  Lieblingsfarbe  Gelb  eingerieben.  Ruk. 

Diese  Art  Kämme  sind  nach  Kubary  auf  Ruit  am  häufigsten,  werden  aber  nur  als 
Kestschmucli  bei  Tänzen  benutzt  und  dann  in  gleicher  Weise  als  die  vorhergehenden, 
aber  meist  viel  reicher,  mit  allerlei  Zieraten  besonders  ausgeputzt  (vgl.  Kat.  M.  G., 
S.  307,  Nr.  2963  u.  2965  [7  Stück]:  Mortlock;  S.  3o8,  Nr.  2971:  Nema,  und  S.  362, 
Nr.  3og8,  3140  u.  3041:  Ruk).  Kubary  unterscheidet  von  Mortiock  »taf  reuoy*  (auch 
•  Renoy«  geschrieben)  mit  flachem  und  »taf  sopot«  mit  rundem,  ausgehöhlten  Griff  und 
ist  geneigt,  sie  für  locale  Formen')  zu  halten,  allein  es  finden  sich  so  viele  Uebergange, 
dass  sich  nicht  einmal  Kämme  von  Ruk  und  Mortiock,  geschweige  zwei  bestimmte 
Formen  von  letzterer  Localität  sicher  unterscheiden  lassen.  Ein  sehr  schöner  nur  drei- 
zinkiger Kamm  ist  im  Atlas  der  >Senjavin-Reise<  (PI,  3o,  Fig,  9)  von  Lukunor  abge- 
bildet, die  Art,  sie  zu  tragen,  zeigt  Fig.  497  des  Anthrop.  Album  (Taf.  21). 

Lütke  und  Kictlicz  gedenken  schon  des  reichen 
Ausputzes  der  Kämme  von  Lukunor,  darunter  Federn 
vom  Hahne  und  Tropikvogel,  aber  am  beliebtesten 
sind  solche  vom  Fregattvogel  (Assaf),  wie  die  folgen- 
den Stücke: 

Federschmuck  i^Nr.  298^,  i  Stück),  bestehend 
aus  einer  Primärschwinge  (45  Cm.  lang)  des  Fregatt- 
vogels, die  in  ein  Loch  am  Stielende  des  Kammes 
(^Taf.  a3,  Fig.  5)  eingesteckt  wird.  Ruk. 

Solche  Federn  werden  einzeln  oder  zu  mehreren 
benutzt,  zuweilen  aber  auch  ein  weit  feinerer  Putz  ver- 
wendet. 

Abezeu  (Nr.  3oo,  i  Stück),  Federschmuck  (Fig.  65)  a 
Z'a)  des   Fregattvogels  (Tachypetes  aqitila),   die,  sehr  zierlich  mit  Faden  auf  einem 
Stöckchen  befestigt,  grosse  Aehntichkeit  mit  einem  Merkurflügel  haben.   Ruk. 

Die  erste  und  letzte  Feder  dieses  Schmuckes  wird  zuweilen  mit  aufgereihten 
.'>/irtM</;^/Hs-Scheibchen  (b)  verziert,  oder  mit  einem  Stück  weissen  Dunenfells  (c)  von 
Tölpel  (Sula),  Fregattvogel  oder  Seeschwalbe.  Mit  solchem  Federschmuck  verzierte 
Tanzkämme  (darunter  auch  solche  aus  zusammengebundenen  Stäbchen,  wie  z.  B.  Kat. 
M.  G.,  Nr.  2972,  S.  3o8),  die  schief  nach  vorne  ins  Chignon  gesteckt  werden,  kleiden 
sehr  phantastisch  (vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  500  u.  501:  Ruk).  In  Ermang- 
lung von  wirklichen  Federn  verwendet  man  auch  Imitationen  von  Merkurflügeln,  aus 
Holz  geschnitzt  und  schwarz  und  weiss  bemalt  (Kat.  M.  G.,  S.  3o8,  Nr.  2973).  Nach 
Kubary  käme  diese  .^rt  Putz  nur  auf  der  Insel  Oneop  des  Lukunor-AtoUs  vor,  wo  sie 
'Ura<  heisst,  aber  in  seiner  späteren  .^rbeit  über  Ruk  (1,  S.  55)  verzeichneter  > Abelen «- 
und  "Ura«-Kämme  auch  von  hier,  »bei  Parik-Tänzen  und  die  ersteren  auch  im  Kriege 
getragen«. 


FeJerschmuck. 


s  den  Tertiärschwingen 


>)  vEthni.l.  Beitr.i,  I,  S.  66,  mit  der  Bemerkung;  »Vi;l,  den  .RoBy-Kamm  bei  den  1*elnu- 
Kämmeni;  aber  an  der  betreffenden  Stelle  <ib.  5.  194)  ist  nur  iei  Name  >Rofli>  genannl.  Der  hier 
•  Didhuaeki  genannte  Kamm  vun  Pelau  Ist  el-enfalls  aus  einem  Stück  Holi  geschnitzt;  und  Irülicr 
verfertigte  man  auch  solche  aus  Schildpatt  (ib,  S.  192,  Taf.  XXIII,  V\s..  16),  Die  Im  Texte  .als  mylhische 
Tariik  und  menschliche  Figuren«  bezeichneten  Schnitzereien  dieses  Kammes  bleiben  auf  der  Ab- 
bildung durchaus  unkenntlich.  Kiimnic.  auii  einem  StQck  Schildpatt  gearbeitet,  erhielt  ich  auch  nn  der 
Osispitie  Neu-Guineas  |s.  S.  I159II. 


370  ^^  O   Finsch.  [608) 

Eigenthümlich  für  Nukuur  ist  ein  dinJemartigcr  Kopfschmuck  aus  CucosgeHecht  und  mit  einer 
Art  Harz  beklebt,  der  nach  vorne  in  eine  blattförmige  hohe  Spitze  aus  Stäbchen,  mit  Bast  überzogen, 
ausläuft  und  ziemlich  flüchtig,  aber  immerhin  kenntlich  im  Kat.  M.  G.  (S.  335,  Nr.  2076,  Taf.  XXXI, 
Fig.  4)  abgebildet  ist.  Nach  Kubary  wird  dieser  sonderbare  Kopfschmuck  »nur  von  Priestern  und  Götzen 
getragene  und  heisst  »Tidi«.  Aehnlich  scheint  ein  Kopfschmuck,  angeblich  von  derselben  Localität, 
mit  einem  Aufsatz  von  durchbrochener  bemalter  Holzschnitzerei  (ib.  S.  33$,  Nr.  157),  ein  »hölzerner 
bemalter  Kopfschmuck,  wahrscheinlich  von  Uleaic  (ib.  S.  383,  Nr.  660),  sowie  eine  »Kopfbedeckung« 
von  Pelau  (ib.  S.  417,  Nr.  148),  »mit  weissen  Federn  bekleidet«;  sämmtlich  wahrscheinlich  Tanz- 
schmuck betreffend. 

d)  Ohrputz. 

»Einzelne  Ohrringe  gibt  es  auf  Mortlock  nicht,  sondern  nur  zusammengesetzte 
Ohrgehänge«,  sagt  Kubary,  und  diese  Worte  gelten  auch  für  Ruk.  In  der  That  sind  die 
aus  den  bekannten  Perlen  und  Ringen  aus  Cocosnuss  (»Tschäk«  oder  »Sak«,  Taf.  24, 
Fig.  6 — 13)  hergestellten  grösseren  und  kleineren  Ohrgehänge  sehr  charakteristisch  für 
den  Schmuck  beider  Inselgruppen  und  scheinen  eigenthümlich  für  dieselben.  Wenig- 
stens weicht  der  im  Kat.  M.  G.  (S.  386  u.  387)  von  Uleai  beschriebene  Ohrschmuck 
erheblich  ab,  schon  durch  die  Verwendung  von  weissen  Muschelscheibchen.  Noch  mehr 
verschieden  und  eigenartig  ist  der  Ohrschmuck  von  Pelau  aus  Schildpatt  iiT  Form  von 
länglichen  Plättchen  mit  Oesen  oder  sogar  in  Charnier  beweglichen  Einhakestücken,  für 
beide  Geschlechter  verschieden  (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  192,  Taf.  XXIII, 
Fig.  18—  22,  und  Kat.  M.  G.,  S.  414,  Nr.  896,  »vielleicht  Nasenschmuck«).  Aehnlich  ist 
nach  Kubary  der  Ohrschmuck  von  Yap,  ebenfalls  aus  Schildpatt  (womit  das  im  Kat. 
M.  G.,  S.  397,  von  daher  verzeichnete  Stück  aus  Spondylus  allerdings  wenig  überein- 
stimmt und  wohl  nicht  von  hier  sein  dürfte).  Auf  Sonsol  kennt  man  keinen  anderen 
Ohrputz  als  Blumen.  % 

aa)  Ohrputz  aus  Cocosnussringen. 

Nach  Lütke  und  Kittlitz  waren  auf  Lukunor  frische  Blumen  und  Blätter  der  ge- 
wöhnliche Schmuck  für  die  Ohrläppchen  bei  beiden  Geschlechtern.  Aber  Kittlitz  er- 
wähnt auch  (II,  S.  98):  »Ohrgehänge  von  zierlich  geschnitzten  und  verschiedenartig 
gefärbten  Holzstückchen«  und  meint  damit  natürlich  diesen  häufigsten  Typus  aus  Cocos 
(und  Rindenscheibchen),  dessen  hauptsächlichste,  übrigens  sehr  variirende  Formen  in 
der  Sammlung  schön  vertreten  sind.  Ohrschmuck  dieser  Art  wird  von  beiden  Ge- 
schlechtern getragen  und  weitet  bei  seinem  Umfange  und  Schwere  (bis  200  Gr.)  die 
Ohrläppchen  unnatürlich  aus.  Zuweilen  wird  die  Ohrmuschel  so  tief  herabgezerrt,  dass 
sie  vertical  vom  Ohre  absteht  und  selbst  die  Ohröffnung  zudeckt.  Aeltere  Leute,  frei 
von  weltlicher  Eitelkeit,  pflegen  selten  Ohrschmuck  zu  tragen  und  paradiren  daher  nur 
noch  mit  der  oft  3 — 4  Zoll  langen  Hauschlinge  (Kubary:  Anthrop.  Atlas,  S.  i3,  und 
»Mortlock«,  S.  234).  Kubary's  Skizzen  von  Mortlockerinnen  (S.  238  u.  239)  mit  solchem 
Ohrschmuck  sind  bezüglich  des  letzteren  kaum  des  Citirens  werth,  dagegen  geben 
Taf.  21 — 24  des  Anthrop.  Album  gute  Vorstellungen  von  der  Mannigfaltigkeit  derartigen 
Schmuckes  und  wie  er  kleidet. 

Nikom  (Nr.  3 16,  i  Stück),  Ohrgehänge  aus  schwarzen  Ringen  von  aussen 
polirter  Cocosnuss.  Dasselbe  besteht  aus  zwei  Bündeln  von  je  vier  doppelten  Schnüren 
solcher  Ringe  (meist  von  der  Grösse  wie  Fig.  9  u.  10,  Taf.  [24],  aber  auch  viel  kleineren). 
Da  jede  Schnur  circa  15  Cm.  lang  ist  und  aus  mehr  als  100  Ringen  besteht,  so  zählt 
der  ganze  Ohrschmuck  über  800  solcher  Ringe.  Die  beiden  Schnürbündel  sind  durch 
ein  circa  65  Mm.  langes  und  circa  35  Mm.  breites  Plechtwerk  aus  Cocosperlen  (wie 
Fig.  i3)  von  verschiedener  Grösse  verbunden.  In  das  Ende  jeder  Doppelschnur  ist  in 
einem  Ringe  aus  aufgereihten  kleinen  Cocosperlen  eine  Scheibe  aus  Conus  (wie  Fig.  20) 


[609]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3yi 

eingehangeiiy  an  zwei  Schnüren  je  ein  Muschelring  von  der  Grösse  eines  breiten  Finger- 
ringes, wahrscheinh'ch  aus  Vermetus,  Ruk. 

Nikom  (Ht.  3i7,  i  Stück),  Ohrgehänge  wie  vorher,  aber  aus  sieben  Doppel- 
reihen von  Schnüren  aus  kleinen  Cocosringen  bestehend.  Ruk. 

Ein  zu  diesem  Typus  gehöriges  Stück  ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  36o,  Taf.  XXX,  Fig.  ^^ 
sehr  mangelhaft  dargestellt.  Nach  Kubary  wäre  diese  Form  als  typisch  für  Ruk  zu  be- 
trachten, allein  ich  erhielt  ganz  übereinstimmende  Stücke  auch  von  Mortlock,  wohin 
solche  ja  ohnehin  im  Tauschverkehre  gelangen.  Ueberdies  zeigt  jedes  Exemplar  eines 
derartigen  Schmuckes  Verschiedenheiten  in  Zahl  und  Grösse  der  Ringe,  so  dass  kaum 
zwei  vollständig  gleich  sind.  Zu  diesem  Typus  gehören  die  Exemplare  des  Kat.  M.  G., 
Nr.  3147— 3151  (S.  363)  von  Ruk  und  Nema  (S.  295).  Wie  erheblich  die  Verschieden- 
heiten sein  können,  zeigt  das  folgende  Stück: 

Nikom  (Nr.  3i8,  i  Stück),  Ohrgehänge  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  19),  besteht  aus 
zwei  Bündeln  von  je  16  circa  12  Cm.  langen  Schnüren  aufgereihter  Cocosperkn  (wie 
Fig.  6,  Taf.  24),  die  durch  ein  circa  40  Mm.  langes  und  fast  ebenso  breites  Band  aus 
Cocosperlen  (ähnlich  Fig.  i3,  Taf.  24)  verbunden  sind;  an  den  Enden  der  Schnüre  ist 
je  ein  SpondyluS'?ich^\hc\itn  angeknüpft.  Die  meisten  der  Cocosperlen  sind  schwarz 
und  polirt,  einige  aber  auch  von  rothbrauner  Färbung  (vgl.  Fig.  19).  Ruk. 

Etwas  abweichend  ist  folgende  Kettenform: 

Tschäk  (Nr.  3i9,  i  Stück),  Ohrgehänge  (Taf.  VII  [24],  Fig.  20).  Besteht  aus 
vier  (18—20  Cm.  langen)  Ketten  von  Cocosnussringen,  die  ineinander  eingehakt  sind 
und  sich  in  einem  grösseren  Ringe  (von  18  Mm.  Lichtweile)  vereinigen;  an  dreien 
dieser  Kettchen  sind  runde,  in  der  Mitte  mit  einem  runden  Loche  versehene  Scheibchen 
aus  Perlmutter  (3o— 35  Mm.  Durchmesser)  in  grösseren  Cocosringen  eingehangen, 
ausserdem  zwei  runde  Conusscheibchen  (wie  dies  Fig.  20  zeigt).  An  einer  der  letzteren 
ist  eine  kleine  blaue  Glasperle  angebunden,  was  deshalb  Erwähnung  verdient,  weil 
Glasperlen  im  Ganzen  bei  diesen  Schmuckgegenständen  ausserordentlich  selten  vor- 
kommen. Ruk. 

Zu  dieser  Form,  die  nach  Kubary  hauptsächlich  auf  Nema  und  Losop  gemacht 
wird,  gehören  die  Exemplare  des  Kat.  M.  G.,  Nr.  2978 — 2980  (S.  309),  von  Mortlock 
und  Nr.  3152  —3155  (S.  363)  von  Ruk.  Für  gewöhnlich  genügen  übrigens  Schnüre  auf- 
gereihter Cocosnussringe  (Kat.  M.  G.,  S.  309,  Nr.  681 — 683  u.  860),  die  wie  das  Mate- 
rial im  Allgemeinen  auf  Mortlock  »Sak«,  auf  Ruk  »Tschäk«  (C^k)  heissen. 

Sehr  mannigfach  sind  die  Anhängsel  aus  bearbeiteten  Muschel-  und  Schildpatt- 
stückchen, die  als  besonderer  Ausputz  für  Ohrputz  gern  verwendet  werden,  wie  in 
gleicher  Weise  auch  zu  allerlei  Brustschmuck.  Am  häufigsten  sind  grössere  und  kleinere 
Scheibchen  und  Ringe  aus  Conus  (wie  Taf.  24,  Fig.  20)  und  desgleichen  aus  Schildpatt 
(^Potsch«).  Letztere  heissen  auf  Mortlock  und  Ruk  »Lonier«  (Lonyer)  und  werden 
namentlich  auch  als  Brustschmuck  für  Kinder  verwendet  (Kat.  M.  G.,  S.  3i5,  Nr.  2957). 
Als  solchen  benutzt  man  auch  gern  pyramidenförmige,  oben  abgestutzte  Stückchen 
Schildpatt  (Kat.  M.  G.,  S.  3is,  Nr.  2958,  und  Anthrop.  Album,  Taf.  23,  Fig.  508),  ähn- 
lich aber  verschieden  von  solchen  aus  den  Marshall-Inseln  (Taf.  25,  Fig.  20c),  welche 
»Liginier«  (Liginyer)  heissen.  Schildpattringe,  zuweilen  zu  Ketten  vereinigt,  verzeichnet 
der  Kat.  M.  G.  (S.  3 10,  Nr.  2984 — 2987)  unter  dem  Namen  »Lele-le-salingau«  von 
Mortlock,  Kubary  von  Ruk  als  » Schild  pattkettchen  ,Lelelesselan'€  (I,  S.  67)  und  (ib.  S.  74) 
als  »kleine  Spangen  als  Anhängsel  für  Ohrgehänge  Lele  leselan  (d.  h.  ,lokum  en  sali- 
nan')<,  eine  Blumenlese  eingeborener  Namen,  die  wohl  nur  für  Kanaka  verständlich  ist. 
Beliebt  als  Anhängsel  sind  auch  Scheibchen  und  Stückchen  Perlmutter,  Vermetus-RohT^n 


372  t^r.  O-  Finsch.  [610] 

und  Scheibchen  und  Ringe  aus  Nautilus  und  Trochus  (Polydonta).  Kubary  verzeichnet 
ausserdem  »Scheiben  aus  Elfenbeinnuss«^  auf  Ruk  »Ropunc  genannt,  die  im  Kat.  M.  G. 
(S.  3 10,  Nr.  2981  u.  2982)  als  aus  »Cocos«  angefertigt  und  mit  »Ropungc  von  Mortlock 
erwähnt  werden.  Hier  auch  (S.  36o,  Nr.  3 106)  »grössere  hölzerne  Ringe  mit  gezacktem 
Aussenrande«  als  Anhängsel  von  Ohrschmuck  von  Ruk,  sowie  Conus  pulicarius^  wie 
gelegentlich  auch  Hosenknöpfe,  Blech-  und  Messingstückchen  und  Ringe  daraus  ver- 
wendet werden. 

bb)  Ohrputz  in  Form  von  Holzklötzchen, 
rund  oder  vierkantig,  bildet  einen  besonderen  Typus,  der  seltener  als  der  vorhergehende 
ist,  nur  auf  Ruk  und  Mortlock  vorkommt  und  an  die  ähnlichen  Ohrstöpsel  der  Frauen 
aus  Cocosnuss  (Taf.  23,  Fig.  6)  von  Ponap6  erinnert.   Solche  Ohrpflöcke  werden  nur 
von  Männern,  und  zwar  nur  bei  Tanzfestlichkeiten  getragen. 

Irapar  (Nr.  3 14,  i  Stück),  Ohrklötzchen  aus  einem  runden,  45  Mm.  langen 
Stück  sehr  leichten  Holzes,  ziemlich  roh  gearbeitet,  seitlich  sanft  ausgekehlt  und  mit 
Curcuma  gelb  gefärbt;  Diameter  der  Oberseite  40  Mm.,  der  Unterseite  50  Mm.  Satöan. 

Ein  ähnliches  Stück  von  Mortlock  ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  3 10,  Nr.  2996)  beschrieben. 
Zuweilen  sind  solche  Ohrpflöcke  auch  viel  sauberer  gearbeitet  und  auf  weissem  Grunde 
mit  zierlichem  schwarzen  Schachbrettmuster  bemalt  (vgl.  »Senjavin-Reise«,  PI.  28  u. 
3o,  Fig.  1 1,  von  Lukunor).  Solche  runde  Ohrklötzchen  heissen  auf  Ruk  »Cäpun  a  müt« 
(Kubary).  Eine  analoge  Form  Ohrzierat  sind  kurze  Abschnitte  von  Bambu,  zum  Theile 
mit  hübscher  Gravirung  verziert,  wie  ich  sie  in  Freshwater-Bai  an  der  Südostküste  Neu- 
Guineas  beobachtete  (s.  vorne  S.  [96]). 

Sobodscha  (S6bo2a)  (Nr.  3i3,  i  Stück),  Ohrklötzchen  (Taf.  VI  [23),  Fig.  j\ 
Aus  gleichem  Material  als  das  vorhergehende  Stück,  aber  viereckig,  unten  breit  (50  Mm.), 
oben  schmäler  (3o  Mm.),  also  in  Form  einer  abgestumpften  Pyramide,  mit  eingravirtem 
zierlichen  Muster  in  Schachbrettpatterne,  die  erhabenen  Felder  schwarz  gefärbt,  der 
Grund  weiss;  in  jede  der  vier  Ecken  ist  ein  feines  Loch  gebohrt  und  hier  ein  Spondylus- 
Scheibchen  als  Zierat  befestigt.  Satoan. 

Ein  ähnliches  Stück  ist  ziemlich  flüchtig  im  Kat.  M.  G.,  Taf.  XXX,  Fig.  7,  abge- 
bildet und  hier  (S.  3 10,  Nr.  2988  -  2995  u.  3 161,  3 162)  solche  von  Mortlock  und  Ruk 
beschrieben,  auf  letzterer  Gruppe  nach  Kubary  »Cäpota«  genannt. 

Analoge  Formen  dieser  Ohrklötzchen  finden  sich  in  Polynesien  und  Melanesien, 
aber  aus  anderem  Materiale.  Auf  den  Markesas  wurden  früher  50 — 55  Mm.  hohe  Ab- 
schnitte von  Menschenknochen  benutzt,  die  in  verzerrte  menschliche  Figuren  (soge- 
nannte »Götzen«)  ausgeschnitzt  sind,  welche  in  bizarren  Formen  an  die  ähnlichen  der 
Maoris  erinnern.  Aehnliche  Stücke  von  Markesas,. menschliche  Figuren  (»Götzenbildern) 
darstellend,  verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  (S.  244,  Nr.  2288)  und  (Nr.  2293),  angeblich  aus 
»  Tridacna<i. 

e)  Hals-  und  Brustschmuck. 

Auf  Ruk  wie  auf  Mortlock  ist  hieher  gehöriger  Ausputz  in  sehr  mannigfachen 
Formen  und  zum  Theile  recht  kunstvoller  Bearbeitung  bei  beiden  Geschlechtern  ausser- 
ordentlich beliebt  und  reicher  vertreten,  als  dies  sonst  in  Mikronesien  der  Fall  zu  sein 
pflegt.  Die  vollkommene  Uebereinstimmung  des  Schmuckes  von  Lukunor  und  Ruk 
wird  schon  von  Lütke  hervorgehoben  und  durch  Kubary  bestätigt,  durch  den  wir  zu- 
gleich zuerst  die  verschiedenartigen  Formen  dieses  Schmuckes  kennen  lernten. 

Unter  der  Collectivbezeichnung  »Mar«  (=  Halsband)  lässt  sich  aller  hiehergehö- 
riger  Schmuck  in  Form  von  Schnüren  und  Ketten  in  folgende  fünf  Haupttypen  classi- 
ficiren*: 


[611]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  3y3 

aa)  »Mar«,  einfache  oder  doppelte  Schnüre  aufgereihter  Nuss-  oder  Muschel- 
scheibchen,  entweder  je  für  sich  oder  zusammen  verarbeitet. 

bb)  »Assang«,  mit  viel  rothen  SpondyluS'ScYitihchQn  oder  ganz  aus  solchen 
(gleich  Taf.  25,  Fig.  18);  am  werth vollsten. 

cc)  »Marensak«,  einfache  Schnüre  aufgereihter  Ringe  aus  Cocosnuss  (gleich 
Taf.  24,  Fig.  7 — 11);  am  gewöhnlichsten  und  häufigsten. 

dd)  »Täte«  (Mortlock),  »Tiditep«  (Ruk),  aus  Cocosperlen  (Taf.  24,  Fig.  6)  zu- 
sammengeflochtene Bänder  (wie  Taf.  24,  Fig.  i3),  zuweilen  breiter  und  kragenförmig; 
seltener. 

ee)  »Tschäkpalap«  (Ruk),  »Sakpalap«  (Mortlock),  beide  Namen  gleichbedeutend 
mit  »grosse  Cocosringe«,  aus  grossen  Ringen  (wie  Taf.  24,  Fig.  12),  die  aus  Quer- 
schnitten der  verkrüppelten  Cocosnüsse  »Losil«  (S.  [595],  Fig.  60)  verfertigt  sind  und 
im  Aussehen  an  eine  Schlange  erinnern. 

Eine  exacte  Unterscheidung  der  vorhergehend  genannten  Sorten  lässt  sich  übrigens 
bei  den  erheblichen  Verschiedenheiten  der  einzelnen  Stücke,  Je  nach  Geschmack  und 
Liebhaberei  des  Verfertigers,  nicht  immer  durchführen,  wie  djes  für  die  meisten  Kunst- 
arbeiten Eingeborener  gilt. 

Ausser  auf  Ruk  und  Mortlock  sind  sämmtliche  Typen  auch  weiter  westlich  bis 
Uleai  nachgewiesen;  der  »Assang« -Typus  scheint  auch  auf  Yap  vorzukommen.  Be- 
merkenswerth  ist  das  Fehlen  hiehergehörigen  Schmuckes  auf  Nukuor  und  Pelau,  wo 
nach  Kubary  nur  Frauen  alte  und  moderne  Glasperlen  tragen  (II,  S.  174).  Die  im  Kat. 
M.  G.  (S.  414)  von  Pelau  verzeichneten  Stücke  stammen  also  keineswegs  von  hier. 

Typus  aa:  Mar.  Halskette  aus  kleinen  Cocosscheibchen  auf  eine  Schnur  ge- 
reiht; Uleai.  Hierher  gehören  Nr.  676  und  678  (S.  385)  des  Kat.  M.  G.  von  Uleai.  Aehn- 
liche  Halsketten  aus  grösseren  Cocosscheibchen  erhielt  ich  von  der  Insel  Faraulap  (nord- 
östlich von  Uleai).  Andere  derartige  Halsketten  bestehen  aus  einfachen  Schnüren 
aufgereihter  weisser  Muschelscheibchen  (gleich  Taf.  25,  Fig.  24 ^),  wie  der  Mann  von 
Mortlock  (Anthrop.  Album,  Taf.  24,  Fig.  279)  mit  einer  solchen  geschmückt  ist.  Andere 
ein-  oder  zweireihige  Halsketten  sind  aus  beiden  Materialien  (weissen  Muschelscheibchen 
und  schwarzen  Nussscheibchen)  zusammengesetzt,  stimmen  also  ganz  mit  dem  »Teka- 
roro«  der  Gilbert- Inseln  (Taf.  24,  Fig.  i — 4)  überein,  aber  die  Scheibchen  sind  im  All- 
gemeinen kleiner  und  nicht  so  abwechselnd,  sondern  mehr  in  Gruppen  aufgereiht. 
Immerhin  dürfte  eine  zweifellose  Bestimmung  der  Localität  nicht  immer  leicht,  viel- 
leicht unmöglich  sein.  Zu  dieser  Art  Halsketten  gehören  die  Exemplare  des  Kat.  M.  G. 
(S.  3io,  Nr.  555,  S.  3i3,  Nr.  2947)  von  Mortlock  (und  Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  509: 
Ruk).  Zuweilen  sind  auch  einzeln  rothe  SpondylusSchtihcYitTi  mit  verwendet,  wie  in 
Nr.  552  (S.  3 10)  des  Kat.  M.  G.  von  Mortlock.  Sehr  übereinstimmend  damit  ist  eine 
Halskette  von  Lukunor,  zweireihig,  abwechselnd  aus  je  zwei  weissen  Muschel-  und  zwei 
schwarzen  Nussscheibchen,  die  in  gewissen  Abständen  durch  grössere  Spondylus-^ichtib- 
chen  laufen  (Atlas  der  »Senjavin-Reise«,  PI.  3o,')  Fig.  3). 

Sehr  abweichend  ist  das  folgende  Stück: 

Mar,  Halskette,  bestehend  aus  zwei  34  Cm.  langen  und  25  Mm.  breiten  Streifen, 
die  sich  aus  zehn  Längsreihen  kunstvoll  aufgeflochtener  Perlen  aus  schwarzer  Cocos- 


I)  Auf  derselben  Tafel,  Fig.  4,  ist  eine  sehr  eigenthümliche  Halskette,  wahrscheinlich  von 
Lukunor  abgebildet.  Sie  besteht  aus  circa  20  Mm.  langen  Röhren  (abwechselnd  mit  je  zwei  Paar 
Muschel-  und  Nussscheibchen),  ein  Material,  das  bei  dem  Mangel  einer  Beschreibung  nicht  festzu- 
stellen ist. 


374  ^^'  ^  f»"sch.  [612] 

nuss  und  weisser  Muschel  (abwechselnd:  5  schwarze,  i  weisse,  3  schwarze  und  i  weisse 
Reihe)  zusammensetzen,  der  untere  Rand  wird  von  einer  Reihe  (aus  70  Stück)  Span- 
^Ww.v-Scheibchen  gebildet;  vorne  und  hinten  ist  eine  Schild pattscheibe  (von  je  10  Cm. 
Durchmesser)  als  Anhängsel  befestigt.  Ruk. 

Ich  erwarb  dieses  Stück  von  Kubary,  der  es  wegen  der  kunstvollen  Arbeit  als  ein 
besonders  seltenes  und  werth volles  »Mar«  bezeichnete.  In  der  Technik  stimmt  es  ganz 
mit  den  Frauengürteln  (Taf.  25,  Fig.  24)  überein,  ist  aber  schon  wegen  der  geringen 
Länge  und  den  Schild pattanhangseln  leicht  als  Halsschmuck  zu  erkennen  und  reprä- 
sentirt  daher  einen  Typus,  den  Kubary  leider  gänzlich  unerwähnt  lässt.  Ein  sehr  ähn- 
liches Stück  ist  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  3o,  Fig.  2)  abgebildet. 

Typus  bb:  Assang.  Mit  diesem  Namen  (auch  »Mar-Asson«)  werden  auf  beiden 
Gruppen  Halsbänder  aus  Sponäj^lus-Schcibchtn  bezeichnet,  entweder  dicht  aneinander 
gereiht  wie  die  gleichen  Halsbänder  (»Maremar«)  von  den  Marshall-Inseln  (Taf.  25, 
Fig.  i),  oder  durch  eingeschaltete  Cocosperlen  getrennt.  Nach  Kubary  bilden  zwei 
Schnüre  von  der  Länge  des  Halsumfanges  ein  vollständiges  Halsband,  das  als  sehr  kost- 
bar gilt.  Eine  solche  Doppelschnur  aufgereihter  Spondylus-Schtibchcn  war  36  Cm. 
lang  und  zählte  160  Scheibchen.  Von  Ruk  unter  dem  Namen  »Assongc  von  Kubary 
erhalten. 

Assang  (Nr.  472,  i  Stück),  Halskette  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  18)  aus  abwechselnd 
einem  Scheibchen  aus  rother  Spondylus-Muschel  und  zwei  bis  drei  schwarzen  Cocos- 
nussperlen,  circa  45  Cm.  lang.  Die  Halskette  zählt  im  Ganzen  45  Spondylus-Schtib- 
chen,  von  denen  zwei  vorne  die  Mitte  bilden,  an  die  als  Anhängsel  eine  runde  Scheibe 
(von  circa  25  Mm.  Durchmesser)  aus  Schildpatt  befestigt  ist.  Ruk. 

Hinsichtlich  der  Anordnung  des  Materiales,  das  ausser  Cocosnussperlen  auch  aus 
dünnen  Scheibchen  von  Cocosnuss  oder  Rinde  (wie  Taf.  24,  Fig.  5  a)  und  weissen 
Muschelperlen  (wie  Taf.  25,  Fig.  2^b)  besteht,  herrscht  grosse  Verschiedenheit  bei  den 
einzelnen  Schmuckstücken  dieser  Art. 

Ein  anderes  Stück  war  dreireihig  aus  dünnen  Cocosscheibchen,  abwechselnd  mit 
zwei  grossen  5)?on^/M5-Perlen ;  eine  Conusscheibe  diente  als  Anhängsel.  Ruk. 

Eine  sehr  kunstvoll  gearbeitete  Halskette  (von  circa  3o  Cm.  Länge  und  circa  15  Mm. 
breit)  besteht  aus  sehr  feinen  Cocosscheibchen,  in  der  Mitte  mit  einer  Längsreihe  weisser 
Muschelperlen  und  drei  Querreihen  von  je  vier  grossen  rothen  5pow(f;^/M5-Scheibchen, 
stammt  von  Ruk  und  war  von  Kubary  mit  »Assong«  bezeichnet. 

Aehnlich  ist  eine  Halskette  aus  drei  Reihen  kleiner  Cocosscheibchen,  die  in  sechs 
Zwischenräumen  je  durch  ein  grosses  Spow^r^"^- Scheibchen  gezogen  sind;  ich  erhielt 
das  Stück  von  der  Insel  Faraulap.  Eine  schöne  Reihe  zum  v> Assang« -Typus  gehöriger 
Halsbänder  verzeichnet  der  Kat.  M.  G.  (von  Mortlock:  S.  3ii,  Nr.  2943,  2944,  S.  3x2, 
Nr.  557;  von  Ruk:  S.  364,  Nr.  3125,  3 126,  S.  365,  Nr.  3127  u.  3495;  von  Uleai:  S.  386, 
Nr.  3ii4,  3115,  und  von  Yap:  S.  395,  Nr.  465,  abgeb.:  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  IV, 
Fig.  7,  u.  Taf.  5,  Fig.  i). 

Typus  cc:  Marensak  oder  »Mar  en  sak«  auf  Mortlock  und  Ruk  (Kubary)  reprä- 
sentirt  die  gewöhnlichste  Sorte  Halsschmuck,  wie  die  folgende  Nummer: 

Marensak  (Nr.  471,  i  Stück),  Halskette  (Taf.  VII  [24],  Fig.  7—")  »"s  kleinen 
und  grösseren  Ringen  aus  Cocosnuss,  schwarz,  am  Aussenrande  polirt,  2  M.  60  Cm. 
lang.  Ruk. 

Das  Ringmaterial  ist  ganz  dasselbe  als  bei  dem  Ohrgehänge  Nr.  3i6  (S.  [6o8j). 

Derartige  lange  Ketten  werden  (nach  Kubary)  meist  von  Mädchen  kreuzweise  über 
Brust  und  Rücken  getragen,  kürzere  Enden  von  50 — 100  Cm.  Länge  einfach  und 


rGiSl  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstQcke  aus  der  Sudsee.  375 

doppelt  allgemein  als  Halsketten  von  beiden  Geschlechtern,  und  gern  mit  allerlei  An- 
hängseln (s.  vorne  S.  [609])  verziert.  Zu  diesem  häufigsten  Typus  von  Halsketten  ge- 
hören die  Exemplare  des  Kat.  M.  G.  von  Mortlock  (S.  3ii,  Nr.  694,  2945,  695,  693, 
696,  S.  3i2y  Nr.  692),  von  Ruk  (S.  364,  Nr.  3 122)  und  Uleai  (S.  385,  Nr.  677). 

Typus  dd'.  Täte.  Identisch  mit  dem  Schmuckband  (S.  [605])  Nr.  298a  und  sehr 
geschätzt  als  Schmuck. 

Tiditeb  (Nr.  299,  i  Stück),  Halsband  (Taf.  VII  [24J,  Fig.  i3;  Theil  desselben); 
Band  aus  sechs  Reihen  kunstvoll  aufgeflochtener  Perlen  aus  Cocosnussschale,  meist 
schwarz  und  wie  polirt,  untermischt  mit  rothbraun  gefärbten  (auf  der  Abbildung  weiss 
angegeben);  das  circa  60  Cm.  lange  und  3  Cm.  breite  Band  endet  jederseits  in  eine  circa 
45  Mm.  lange  einreihige  Kette  aus  abwechselnd  schwarzen  Cocosperlen  und  rothen 
Spondylus-^iQhtihchtn'y  ausserdem  ist  an  der  Vereinigung  beider  Schnüre  an  zwei 
Ringen  aus  Cocösnuss  eine  runde  Cönusscheibe  (27  Mm.  Durchmesser)  als  Anhängsel 
befestigt.  Ruk. 

Andere  derartige  Halsbänder  zählten  zwölf  Reihen  Cocosperlen  und  waren  60  Mm. 
breit.  Solche  breite  Bänder  bilden  dann  einen  zierlichen  Kragen. und  kleiden  sehr  ge- 
schmackvoll (vgl.  Anthropol.  Album,  Taf.  271:  Mädchen  von  Mortlock,  Figur  links 
und  mittlere).  Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  eine  grosse  Reihe  hiehergehöriger  Stücke, 
deren  Vergleichung  nachweist,  dass  nicht  zwei  vollständig  gleich  sind  (von  Mortlock: 
S.  3ii,  Nr.  2946,  S.  3i2,  Nr.  553,  556,  558,  und  kragenförmig  von  Mortlock:  S.  3i2, 
Nr.  2948;  von  Ruk:  S.  364,  Nr.  3119,  3129;  von  Poloat:  S.  379,  Nr.  1296,  und  Uleai: 
S.  385,  Nr.  124).  Eine  analoge  Form  sind  die  zierlich  aus  feinem  Bindfaden  geknüpften 
Halskragen  an  der  Südostküste  Neu-Guineas  (s.  vorne  S.  [98]). 

Von  sehr  ausgesprochenem  Charakter  und  minder  variirend  als  die  vorher- 
gehenden Typen  ist  der  Typus  e€\  Tschäkpalap  (Sakpalap). 

Tschäkpalap  (Nr.  469  u.  470,  2  Stück),  Halsketten  (Taf.  VII  [24],  Fig.  12), 
bestehend  aus  schwarzen  polirten  Ringen  aus  Querschnitten  einer  besonderen  Art  Cocös- 
nuss, eine  54  Cm.  lange  dichtstehende  Ringkette  bildend,  die  im  Aussehen  an  eine 
Schlange  erinnert.  Der  mittelste  Ring  (Fig.  I2<i,  der  schwarze  Ring)  ist  am  weitesten, 
der  äusserste  jederseits  (Fig.  12  ^,  der  helle  Ring)  etwas  enger  und  alle  Ringe  von  der 
Mitte  nach  den  Seiten  so  gleichmässig  abnehmend,  als  wären  sie  aus  einem  Stück  ge- 
drechselt und  dann  durchgeschnitten.  Die  ganze  Kette  besteht  aus  105  solchen  Ringen 
(wie  sie  Fig.  12  c,  von  vorne  gesehen,  darstellt),  die  an  der  Rückseite  mittelst  sehr  feinem, 
gelb  gefärbtem  Zwirn  (aus  Hibiscus-F aser)  ausserordentlich  kunstvoll  und  sauber  auf 
eine  dickere  Schnur  aus  Cocosfaser  aufgeflochten  sind,  die  an  der  Innenseite  der  Ringe, 
also  von  diesen  verdeckt,  sich  durchzieht,  wie  dies  Fig.  12  d  veranschaulicht.  Auf  die 
circa  6  Cm.  langen  Enden  der  Schnur,  welche  zum  Festbinden  dient,  sind  abwechselnd 
schwarze  Cocosperlen  und  rothe  5/?owrf;^/tt5-Scheibchen  aufgereiht.  Ruk. 

Eines  der  interessantesten  Schmuckstücke  des  Eingeborenenfleisses,  das  in  sauberer 
Arbeit  und  Ausführung  jedem  Europäer  Ehre  machen  würde.  Die  Abbildung  im  Atlas 
von  Edge-Partington  (Taf.  172,  Fig.  7)  gibt  eine  sehr  mangelhafte  Vorstellung  dieser 
kunstvollen  Arbeit.  Von  dieser  bei  beiden  Geschlechtern  sehr  beliebten  Art  Halsketten 
(vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  21 — 23)  untersuchte  ich  zahlreiche  Exemplare  von  Ruk  und 
Mortlock,  darunter  solche,  welche  ich  von  Kubary  unter  dem  Namen  »Tschäkc  (Cek) 
erhielt,  mit  derselben  Bezeichnung  aber  auch  Ohrschmuck,  wie  Nr.  319  (S.  [609]).  Die 
längste  dieser  Ketten  war  72  Cm.  lang  und  bestand  aus  150  Cocosringen;  übrigens 
zeigte  fast  jede  kleine  Abweichungen,  namentlich  in  Bezug  auf  die  Verzierung  der 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofrauseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  26 


376  Dr.  O.  Finsch.  [614] 

Bindebänder  mit  5/?on^/z/5-Scheibchen  (vgl.  Kat.  M.  G.  von  Mortlock:  S.  3ii,  Nr.  691^ 
714,  und  von  Ruk:  S.36o,  Nr.  3iq7  u.  3io8,  S.  364,  Nr.  3ii2  [> Ohrschmuck <]  u.  3ii3). 
Eine  im  Atlas  der  »Senjavin-Reise«  (PI.  30,  Fig.  i)  abgebildete  hiehergehörige  Halskette 
(aus  >grains  de  boisc)  weicht  insoferne  etwas  ab,  als  die  Cocosringe  an  zwei  aussen- 
laufenden  Bindfaden  befestigt  sind,  wie  dies  bei  den  gleichen  Halsketten  von  Uleai  ähn- 
lich der  Fall  zu  sein  scheint  (Kat.  M.  G.,  S.  384,  Nr.  118,  1 19,  i3o,  und  S.  385,  Nr.  680). 
Sehr  deutlich  zeigt  dies  die  Abbildung  einer  solchen  Kette  im  Journ.  M.  G.  (Heft  II, 
Taf.  IVy  Fig.  8  u.  8^),  an  welcher  die  Cocosringe  an  eine  ausserhalb  laufende  Schnur 
festgebunden  sind^  wie  ich  dies  an  Exemplaren  von  Ruk  und  Mortlock  nicht  beob- 
achtete. Die  Angabe  »Yap«  (auch  Kat.  M.  G.,  S.  395,  Nr.  462)  dieses  Stückes,  das  eine 
grosse  Schildpattscheibe  als  Anhängsel  trägt,  bleibt  zunächst  noch  äusserst  zweifelhaft. 
Nach  Kubary  würde  auch  die  im  Journ.  M.  G.  (Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  12)  ziemlich  un- 
deutlich abgebildete  Halskette  keineswegs  von  »Pelauc  herstammen,  sondern  eine 
centralcarolinische  »Sakpalap-Kette«  darstellen. 

Ein  höchst  eigenartiger  Halsschmuck  aus  Schildpatt,  angeblich  von  »Pelauc  (Kat.  M.  G.,  S.  414, 
Nr.  219),  mag  deshalb  hier  erwähnt  sein,  weil  Kubary  denselben  als  von  »Mortlock«  herstammend 
deutete.  Dies  ist  aber  unrichtig,  denn  neuerdings  erklärte  Kubary  das  Stock  für  einen  »Schmuck  aus 
Fischhaken«  von  Sonsol  oder  Poloat.  Ein  Vergleich  der  Abbildung  eines  Fischhakens  von  Sonsol 
(»Ethnol.  Beitr.«,  Taf.  XII,  Fig.  7)  mit  dem  fraglichen  Stücke  (Journ.  M.  G./  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig,  6) 
wird  Jeden  überzeugen,  dass  davon  Oberhaupt  nicht  die  Rede  sein  kann.  Das  betreffende  Stück  hat 
mit  Fischhaken  nichts  zu  thun  und  ist  jedenfalls  ein  Schmuck,  aber  ein  so  eigenartiger,  dass  er  als 
Unicum  betrachtet  werden  muss,  dessen  Herkunft  vorläufig  noch  durchaus  fraglich  bleibt. 

Die  bereits  (S.  [609])  unter  den  Anhängseln  für  Ohrschmuck  erwähnten  Gegen- 
stände sind  auch  für  Halsketten  sehr  beliebt,  einige  derselben  aber  auch  als  Brustschmuck 
besonders  zu  betrachten.  Am  werth vollsten  darunter  ist  der  Typus^:  Potsch. 

Putsch  (»Puoz«)  (Nr.  515^1,  i  Stück),  Brustschmuck  aus  Schildpatt  (=Puo2, 
PueC),  bestehend  aus  einer  flachen  runden  Scheibe  von  115  Mm.  Durchmesser,  in  der 
Mitte  mit  einem  46  Mm.  weiten  offenen  Kreisausschnitt.  Ein  Bohrloch  am  Rande  dient 
zum  Einknüpfen  einer  Schnur  zum  Umhängen  um  den  Hals.  Ruk. 

Die  grösste  derartige  Schildpattscheibe,  welche  ich  erhielt,  hatte  einen  Durch- 
messer von  150  Mm.,  sie  finden  sich  aber  in  den  verschiedensten  Grössen,  wie  schon 
eine  Vergleichung  der  Exemplare  im  Kat.  M.  G.  zeigt  (von  Mortlock:  S.  3i3,  Nr.  2950, 
2949,  S.  314,  Nr.  2951,  2952;  von  Ruk:  S.  365,  Nr.  3io3,  S.  366,  Nr.  3124,  und  von 
Uleai:  S.  386,  Nr.  3 117).  Diese  Scheiben*)  werden  von  beiden  Geschlechtern  getragen 
(s.  Anthrop.  Album,  Taf.  24,  Fig.  271),  zuweilen  doppelt,  d.  h.  derart,  dass  eine  Scheibe 
auf  der  Brust,  die  andere  auf  dem  Rücken  hängt  (hierher  geliört  Nr.  2953  im  Kat.  M.  G., 
S.  314,  von  Mortlock).  Von  hier  auch  ein  Stück  »als  Armschmuck  eingegangene  (S.  815, 
Nr.  568),  was  für  Mortlock  jedenfalls  unzutreffend,  aber  für  »Sonsolc  richtig  sein  würde. 
Denn  wie  uns  Kubary  belehrt,  tragen  die  Frauen. hier  in  der  That  solche  Schildpatt- 
scheiben (»Masirip^uc)  als  Armbänder  (»Ethnol.  Beitr.c,  I,  S.  93,  Taf.  XII,  Fig.  9). 

Der  im  Kat.  M.  G.  (S.  413,  Nr.  i3o7  u.  i3o8)  erwähnte  » Stirnschmuck c  aus  runden 
Schild pattscheiben  gehört  vielleicht  ebenfalls  hierher,  stammt  aber  nach  Kubary  keines- 
falls von  »Pelau«,  das  derartigen  Schmuck  nicht  kennt.  Identisch  ist  dagegen  der  »O^o- 
gammur«  von  Yap  (Kat.  M.  G.,  S.  395,  Nr.  462).  Sollte  der  grosse  Brustring,  angeblich 
aus  »Perlmutterc  (»Senjavin-Reisec,  PI.  3o,  Fig.  6),  schliesslich  nicht  auch  ein  solcher 
Potsch  sein?  (vgl.  vorne  S.  [285 J). 


1)  Gleichen  Schmuck  trugen  die  alten  Marianner  (nach  Serrurier,  der  dafQr:    Freycinet,  »Atlas 
historique«,  PI.  79,  Fig.  15,  16  u.  24  citirt). 


[51  ei  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  3^^ 

Das  runde  Loch  in  der  Mitte  dieser  Schildpattscheiben  wird  nach  Kubary  »mit- 
telst eines  Zirkelbohrers')  und  Haifischzahnes c  ausgeschnitten. 

Ein  weiteres  beliebtes  Anhängsel  für  Halsketten  sind  die  >Losil«-Cocosnüsse 
(vorne  S.  [595 j,  Fig.  60;  vgl.  auch  Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  497,  und  Taf.  22, 
Fig.  527).  Hierher  gehören  »Brustschmuck«  (Kat.  M.  G.,  S.  314,  Nr.  2954 — 2956:  Mort- 
lock).  Sehr  eigenartig  scheint  das  Anhängsel  einer  Halskette  von  Uleai,  »eine  beiderseits 
abgeplattete,  unregelmässig  geformte  Kugel  aus  Muschelschale«  (Kat.  M.  G.,  S.  384, 
Nr.  120).  Unter  die  Halsketten  gehört  auch  ein  »Instrument  zum  Ausreissen  der  Bart- 
haare« (Kat.  M.  G.,  S.  389,  Nr.  128,  von  »Uleai«),  bestehend  aus  einer  Schnur  aufge- 
reihter Cocossch  ei  beben,  an  welche  zwei  »Klappen  von  Lioconcha  hieroglyphica  be- 
festigt sind,  mit  deren  Schneiderändern  die  Barthaare  entfernt  werden«  und  die  ja 
gelegentlich  diesem  Zwecke  dienen  mögen. 

f)  Armputz 

ist  im  Ganzen  nicht  häufig,  aber  dadurch  eigenthümlich,  dass  die  hierher  gehörigen 
Stücke  nicht,  wie  sonst  meist  üblich,  auf  dem  Oberarme,  sondern  ums  Handgelenk 
getragen  werden,  und  zwar  mit  Ausnahme  der  Schildpattarmspangen  von  beiden  Ge- 
schlechtern. 

Riripöun  (Nr.  376,  i  Stück),  Armband,  nach  dem  Typus  der  Leibgürtel  (Taf.  25, 
Fig.  23)  gearbeitet.  Besteht  aus  15  Strängen  dicht  aufgereihter,  sehr  dünner  runder 
Cocosnuss-  oder  Rindenplättchen  (wie  Taf.  24,  Fig.  5),  je  14  Cm.  lang,  deren  Fäden 
an  jeder  Seite  durch  einen  circa  6  Cm.  langen  hölzernen  Querriegel  gezogen  und  hier 
jederseits  in  zwei  stärkere  Bindebänder  zusammengeflochten  sind.  In  der  Mitte  ist  eine 
Querreihe  aus  20  aufgereihten  rothen  Spondylus-?icht\hQYitTi  eingeflochten,  wie  auch 
an  den  Längssträngen  einzelne  solcher.  Die  Hälfte  einer  Längsreihe  zählt  etliche 
70  Cocosnuss-  oder  Rindenplättchen,  das  ganze  Armband  somit  über  2000.  Ruk. 

Ein  ähnliches  Stück  von  Ruk  ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  36o,  Nr.  3  no,  Taf.  XXX,  Fig.  4) 
sehr  ungenügend  dargestellt;  ausserdem  gehören  hierher  von  Ruk  (S.  366,  Nr.  2961  bis 
3176  u.  3365)  und  von  Mortlock  (S.  3i5,  Nr.  674 — 2960). 

Einen  abweichenden  Typus,  der  ganz  dem  »Täte«  der  Halsbänder  entspricht, 
repräsentirt  das  folgende  Stück: 

Roron  (Nr.  377,  i  Stück),  Armband,  bestehend  aus  einem  i3o  Mm.  langen  und 
45  Mm.  breiten  Bande,  das  aus  neun  dichtstehenden  Reihen  von  Cocosnussperlen  ge- 
flochten ist  (ganz  in  derselben  Weise  als  die  Halsbänder  Taf.  24,  Fig.  i3).  Jederseits 
am  Rande  sind  12,  resp.  14  rothe  SpondylusSchtihchtn  eingeflochten,  auf  der  Ober- 
seite fünf  längliche  Vierecke  aus  weissen  (und  einzelnen  blauen  und  rothen)  Glasperlen. 
Zur  Befestigung  sind  aus  den  Fäden,  auf  welche  die  Cocosperlen  aufgeflochten  sind, 
jederseits  zwei  circa  10  Cm.  lange  Schnüre  geflochten,  mittelst  deren  das  Armband  um 
das  Handgelenk  festgebunden  wird.  Ruk. 

Nach  Kubary  werden  solche  Armbänder  nur  von  Männern  als  Festschmuck  ge- 
tragen (vgl.  Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  497  u.  514).  Aber  auf  derselben  Tafel  (von 
Kubary  selbst  photographirt)  ist  auch  eine  Frau  (Fig.  516)  mit  einem  solchen  Armbande 


I)  In  seiner  Abhandlung:  »Die  Schildpattindustrie  der  Pelauaner«  (»Ethnol.  Beitr.«,  11,  S.  188 
bis  196),  in  welcher  Kubary  über  die  Technik  der  Bearbeitung  des  Schildpatts  allerlei  Mittheilungen 
macht,  gedenkt  er  auch  eines  »Zirkelbohrers«  zum  Ausschneiden  der  runden  Löcher  (S.  185),  be- 
schreibt aber  auch  (S.  193)  eine  andere  Methode:  »Runde  Schnitte  werden  durch  Bohren  vieler  Locher 
dicht  beieinander  und  darauf  folgendes  Aussägen  mittelst  einer  aus  Bambuhaut  gedrehten  Schnur  aus- 
geführt.« Ich  erwähne  dies,  weil  auf  Ruk  und  Mortlock  vermuthlich  eine  ähnliche  Technik  prakti- 
cirt  wird. 

26* 


378  Dr  O.  Finsch.  [616] 

geschmückt  dargestellt,  so  dass  die  Armbänder  jedenfalls  von  beiden  Geschlechtern 
benutzt  werden,  wie  dies  Kubary  später  selbst  zugibt.  Nach  früheren  Angaben  dieses 
Reisenden  heissen  derartige  Armbänder  auf  Ruk  wie  Mortlock  »Roron«  und  finden  sich 
nur  in  diesen  Theilen  der  Central- Carolinen.  Ein  ganz  aus  Glasperlen  geflochtenes  Arm- 
band,  angeblich  von  »Pelau«  (S.  415,  Nr.  1734),  dürfte  auch  aus  diesem  Gebiete  her- 
stammen. 

Ganz  abweichend  ist  die  folgende  Form: 

Nukumb  (Nr.  411,  i  Stück),  Armspange  aus  einem  40  Mm.  breiten  rund- 
gebogenen Stück  Schildpatt  (von  54  Mm.  Längsdurchmesser),  in  welches  sfeben  ver- 
tiefte Rillen  eingekratzt  sind.  Ruk. 

Solche  Armspangen  werden  nur  von  Frauen  ums  Handgelenk  getragen  und 
kleiden  sehr  hübsch  (Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  523:  Ruk,  und  Taf.  24,  Fig.  271: 
Mortlock).  Nukumb  (auf  Mortlock  »Lokumc  genannt)  bilden  nach  Kubary  einen  be- 
gehrten Artikel  des  Zwischenhandels  und  sind  als  eine  Art  Geld  zu  betrachten.  Hin- 
sichtlich der  Anfertigung  erfahren  wir  durch  denselben  Reisenden,  dass  die  Rillen  schon 
in  das  flache  Stück  Schildpatt  eingeritzt  werden,  welches  dann,  in  heissem  Wasser  er- 
weicht, über  einen  runden  Gegenstand  gebogen  wird  (»Ethnol.  Beitr.c,  I,  S.  73).  Manche 
Stücke  haben  übrigens  eine  glatte  Oberfläche,  im  Uebrigen  sind  die  Rillen  sehr  ver- 
schieden an  Zahl  und  Tiefe.  Eine  gute  Abbildung  eines  Nukumb  gibt  der  Atlas  der 
»Senjavin-Reisec  (PL  3o,  Fig.  7),  sowie  Edge-Partington  (PI.  175).  Hierauch  (Fig.  4)  ein 
Exemplar  des  British-Museum,  bei  dem  die  Rillen  ganz  durchgeschnitten  sind,  so  dass 
es  also  eine  Spirale  bildet.  Die  Localitätsangabe  dieses  Stückes  »Oualanc  (Kuschai)  ist 
jedenfalls  irrthümlich,  denn  nach  Kubary  finden  sich  diese  Armspangen  in  den  Carolinen 
nur  auf  Ruk  und  Mortlock  (Kat.  M.  G.,  S.  315,  Nr.  569,  und  S.  367,  Nr.  3159),  kamen 
aber  früher  auch  auf  Pelau')  vor.  Die  Localitätsangabe  »Palauc  der  Exemplare  des  Kat. 
M.  G.  (S.  415,  Nr.  721,  und  S.  416,  Nr.  147)  kann  also  zutreffen,  unrichtig  ist  aber 
jedenfalls  die  Bezeichnung  »Beinspangenc  (Nr.  147  und  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4, 
Fig.  5  a  und  5^),  denn  dafür  sind  diese  Spangen  schon  ohnehin  viel  zu  eng  (diegrösste, 
welche  ich  mass,  hatte  nur  80  Mm.  Diameter). 

Ein  »Nukumbc- Armband  führt  Serrurier  (»Ethnol.  feiten«  etc.  in:  »Tijdsch.  van 
het  Aardrijksk.  Genootsch«,  1885,  S.  15)  von  >Neu-Britannien«  an.  Aber  auf  der  Gazelle- 
Halbinsel,  wo  Capitän  Rohlfs  sammelte,  kommt  solcher  Schmuck  nicht  vor.  Dagegen 
erhielt  ich  mit  carolinischen  sehr  übereinstimmende  Armspangen  an  der  Nordwestküste 
Neu-Britanniens  (vorne  S.  [38]),  glatt,  mit  schwach  eingekratzten  Rillen  und  gravirt. 
Viel  reicher  und  durch  kunstvolle  Gravirungen  ausgezeichnet  sind  sehr  breite  Arm- 
spangen, mehr  Manchetten  zu  vergleichen,  von  Kaiser  Wilhelms- Land  (vorne  S.  [246]). 

Armringe  aus  Trochus  niloticus,  soweit  über  die  Südsee,  namentlich  Melanesien 
verbreitet  (vgl.  vorne  S.  [17]),  scheinen  auch  in  unserem  Gebiete  vorzukommen.  Wenig- 
stens zeigt  die  Photographie  eines  jungen  Mannes  von  Ruk  (Anthrop.  Album,  Taf.  21, 
Fig.  515)  solche  Spangen  ums  Handgelenk,  und  im  Texte  (S.  i3)  wird  ausdrücklich 
gesagt:  »Armringe  aus  Trochus  niloticus^.  Dies  ist  aber  auch  Alles,  was  ich  hinsicht- 
lich dieses  Schmuckes  finden  kann,  den  Kubary  sonst,  weder  von  Ruk  noch  Mortlock, 
auch  nicht  mit  einer  Silbe  erwähnt. 


I)  >In  alten  Zeiten  trugen  junge  Frauen  breite,  ganz  den  ruk*8chen  und  mortIock*schen  »Lokum« 
ähnliche  Armspangen.  Diese,  ,Delim61ok'  genannt,  sind  schon  ausser  Gebrauch  gekomtnen,  und  fand 
ich  dieselben  vor  zehn  Jahren  schon  nicht  mehr.  Heute  werden  sie  nicht  mehr  verfertigt«  (Kubary: 
»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  igS). 


[617]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  370 

7rocAu5- Armringe  im  Kat.  M.  G.  (S.  415,  Nr.  146),  von  »Pelau«  verzeichnet  (und  vorne 
S.  [286])|  fehlen  nach  Kubary  hier  durchaus,  sind  dagegen  aber  auf  Yap  bei  beiden  Geschlechtern 
beliebt  und  heissen  hier  »Jokejuk«  (Kat.  M.  G.,  S.  415,  Nr.  466  u.  161 0,  Journ.  M.  G.,  Heft  II,  Taf.  IV, 
Fig.  11).  Hier  auch  solche  aus  Querschnitten  von  Cocosnuss,  >Lie«  oder  »LIe<  genannt  (ib.  Fig.  10 
und  Kat.  M.  G.,  S.  396,  Nr.  467),  die  auch  in  den  Neu-Hebriden  vorkommen  (ib.  S.  123,  Nr.  2671). 
EigenthOmlicher  Handschmuck  von  Yap  ist  der  »Ajur«,  beim  Tanze  getragen;  er  besteht  aus  einer 
Muschelschale  von  Nautilus  pompilius,  mit  einer  seitlichen  GefTnung  zum  Durchstecken  der  Hand 
(Kat.  M.  G.,  S.  396,  Nr.  469,  und  Journ.,  II,  Taf.  IV,  Fig.  3),  und  kommt  sonst  nirgends  vor.  Dasselbe 
gilt  für  den  »Jatau«  oder  »iatau«,  ein  eigenartiger  Handschmuck  der  Männer  von  Yap,  aus  Conus 
millepunctatus,  ganz  abweichend  von  den  Ringen  aus  gleichem  Material  von  Kuschai  (Taf.  23,  Fig.  l) 
und  in  Form  einer  Handmanchette  gearbeitet  (Journ.  M.  G.,  II,  S.  16,  Taf.  IV,  Fig.  i  u.  2,  und  Taf.  6< 
Kat.  M.  G.,  S.  396,  Nr.  468).  »Die  Operation,  wodurch  die  Hand  durch  die  enge  GefTnung  dieses 
Schmuckes  durchgezwängt  wird,  soll  mühsam  und  schmerzhaft  sein,  und  bleibt  derselbe  zeitlebens 
über  dem  Handgelenk  seines  Besitzers.  Dieser  Schmuck  gilt  nach  Kubary  als  Orden  und  Standes- 
abzeichen.« Diese  Notizen  lässt  Kubary  in  späteren  Arbeiten  unberührt  und  sagt  dagegen:  »Das  Arm- 
band bleibt,  wenn  gross,  im  Hause  aufbewahrt.«  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  der  »Jatau«  eben- 
sowenig eine  Ordensdecoration  ist  als  der  »Klilt«  von  Pelau,  jenes  eigenthOmliche  Armband  aus  dem 
ersten  Halswirbel  des  Dugong,  i)  das  Kubary  zuerst  als  »Rupak-Orden«  einführte  (Anthrop.  Album, 
S.  12,  Taf.  20,  Fig.  141  u.  148;  Kat.  M.  G.,  S.  406).  Nach  seiner  späteren  erschöpfenden  Abhandlung 
über  den  »Klilt«  ist  derselbe  keineswegs  ein  Orden,  sondern  »einfach  ein  sehr  theures  Armband« 
(im  Werthe  von  155—375  Dollars),  das  aber  an  einigen  Plätzen  »den  Göttern  geweiht«  ist  (»Ethnol. 
Beitr.«,  II,  S.  175— 184,  Taf.  XXII,  Fig.  io-~i3).  Eine  gute  Abbildung  auch  bei  Edge-Pariington 
(PI.  182,  Fig.  8).  Darnach  ist  die  Notiz  (vorne  S.  [286])  zu  berichtigen.  »Derrwar«  heisst  eine  Pelau 
eigenthümliche  Art  Armschmuck  für  Frauen  aus  runden  Schildpattscheiben  (ganz  wie  die  »Potsch« 
der  Centrai-Carolinen  vorne  S.  614  [286]),  die  zusammen  einen  Cylinder  bilden,  der  bei  64  einzelnen 
Platten  170  Cm.  in  der  Länge  misst  und  zwei  Pfund  wiegt.  Die  Oeffnung  zum  Durchstecken  der 
Hand  ist  60 — 70  Mm.  weit,  also  immerhin  ziemlich  eng.  Früher  wurde  dieses  sehr  theure  Armband 
(im  Werthe  von  70 — 80  Dollars)  von  reichen  Frauen  bei  besonderen  festlichen  Gelegenheiten  getragen, 
was  gegenwärtig  aber  nur  höchst  selten  geschieht  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  184,  Taf.  XXII, 
Fig.  14,  und  Kat.  M.  G.,  S.  415,  Nr.  890  u.  1298).  Aus  der  hier  gegebenen  kurzen  Uebersicht  ergibt 
sich  die  interessante  Thatsache,  dass  die  westlichen  Carolinen  einen  auflallenden  Reichthum  an  Arm- 
schmuck aufzuweisen  haben,  und  zwar  Pelau  drei,  Yap  sogar  vier  verschiedene  Typen,  unter  denen 
drei  Oberhaupt  sonst  nirgends  mehr  in  der  Südsee  vertreten  sind. 

g)  Leibschmuck. 

Zu  den  kunstvollsten  und  zugleich  geschmackvollsten  Erzeugnissen  carolinischer 
Industrie  gehören  jene  mühsam  aus  Cocosnuss-  oder  Rinden-  und  Muschelscheibchen 
zusammengereihten  Gürtel,  die  für  Ruk,  Mortlock  (und  Uleai)  eigenthümlich  zCi  sein 
scheinen.  Da  auch  die  beste  Beschreibung  nur  eine  sehr  unvollkommene  Vorstellung 
gibt,  so  kann  nur  eine  gute  Abbildung,  und  zwar  eine  farbige,  den  Zweck  erfüllen.  Bei 
dem  Umfange  des  Gegenstandes  liess  sich  in  natürlicher  Grösse  selbstredend  nur  ein 
Theil  eines  solchen  Gürtels  darsteilen,  allein  diese  Detaildarstellung  genügt,  um  ein 
klares  Bild  zu  geben,  und  wird  zum  besseren  Verständniss  willkommen  sein. 

Pak  (Nr.  552,  i  Stück),  Gürtel  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  23,  den  mittelsten  der  drei 
Querriegel  darstellend).  Derselbe  besteht  aus  22  Reihen  Schnüren  runder  Scheibchen 
aus  Mangroverinde  (Tschia)  oder  Cocosnuss  und  kleinen  weissen  Muschelscheibchen 
oder  Perlen  (a)  und  grösseren  rothen  SpondylusSchtxhchtTi  (b),  die  jederseits  durch 
ein  Querholz  (c)  begrenzt  werden.  Die  Länge  der  Schnürereihen  jederseits  von  diesem 
Mitteltheile  beträgt  33  Cm.,  die  ganze  Länge  des  Gürtels  (ohne  die  3o  Cm.  langen 
Bindeschnüre)  72  Cm.    Die  Schnüre,  aus  einer  Bastfaser,  auf  welche  die  Scheibchen 


I)  Wesentlich  verschieden  sind  ähnliche  Armspangen  aus  dem  zweiten  Halswirbel  (Epistropheus) 
des  Dugong  von  Timorlaut  und  Imitationen  solcher  aus  Holz  von  der  Insel  Daai  der  Babber-Gruppe 
(s.  Scrnirier:  »Ethnol.  feiten  en  verwantschappen  in  Oceanie«,  S.  2,  Fig.  2,  3,  4),  die  aber  noch  keines- 
wegs die  Herkunft  der  Pelauaner  von  diesen  Inseln  des  malayischen  Archipels  beweisen  (s.  S  [286]) 


38o  Dr.  O.  Finsch.  [6l8] 

aufgereiht  sind,  laufen  durch  sehr  sauber  gebohrte  Löcher  der  hölzernen  Qucrriegel  (c), 
von  denen  die  Mitte  jeder  Seitenhälfte  noch  einen  gleichen  wie  den  abgebildeten  mittel- 
sten aufweist,  während  ein  einfacher  Holzquerriegel  jederseits  den  Schluss  bildet.  Hinter 
den  letzteren  Querriegein  sind  die  Schnüre  in  ähnlicher  Weise  als  bei  Fig.  24 d  zu- 
sammengeflochten, um  jederseits  in  zwei  circa  3o  Cm.  lange  geflochtene  [Schnüre  zu 
enden,  welche  zum  Festbinden  des  Gürtels  vorne  auf  der  Bauchmitte  dienen.  Das 
Hauptmaterial  des  Gürtels  besteht  aus  den  kleinen  Rinden-  oder  Cocosscheibchen 
(Taf.  24,  Fig.  5),  von  denen  über  15.000  zu  einem  solchen  Gürtel  gehören.  Wie  stets 
bei  dieser  Art  Schmucksachen  laufen  übrigens  auch  einige  Cocosperlen  (Fig.  6)  unter. 
Die  weissen  Muschelscheibchen  (a)  sind  zu  zweien  oder  dreien  nur  in  der  Mitte  und  an 
jeder  Seite  der  drei  Querriegel  aufgereiht,  hier  auch  die  sehr  verschieden  grossen  rothen 
5/7ond^/w5-Scheibchen  (b).  Sie  bilden  innerhalb  der  drei  Querriegel  drei  bis  vier  Quer- 
reihen und  den  oberen  und  unteren  Rand  derselben,  sowie  jederseits  von  den  hölzernen 
Querriegein  (c)  noch  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  aufgereiht  sind.  Im  Ganzen 
zählt  dieser  Gürtel  160  5j7o;i^/u^-Scheibchen.  Bemerkenswerth  ist,  dass  innerhalb 
des  einen  Querriegels  eine  durchsichtige  rothe  Glasperle  eingeschaltet  ist,  die  schon 
sehr  alt  sein  muss,  da  sie,  früher  eckig,  sich  fast  rund  abgenutzt  hat.  Die  hölzernen 
Querriegel  und  die  Schnüre  zum  Festbinden  sind  mit  Curcuma  gelb  gefärbt,  Ruk. 

Pak  (Nr.  551,  i  Stück),  Gürtel,  wie  der  vorhergehende,  aber  minder  breit  und 
schön  und  ohne  weisse  Muschelscheibchen.  Ruk. 

Ausser  den  dünnen  Scheibchen  aus  Rinde  oder  Cocosnuss,  die  zuweilen  gemein- 
schaftlich verwendet  sind,  werden  manchmal  auch  Cocosperlen  (Taf.  24,  Fig.  6)  als 
Hauptmaterial  zu  diesen  Gürteln  benutzt,  die  überhaupt  sehr  variiren  und  von  denen 
jeder  einzelne  Verschiedenheiten  zeigt,  sowohl  in  Länge  als  Breite,  wie  Anzahl  der  ver- 
wendeten 5/70«(f^/M5-Scheibchen.  Statt  zweier  Bindebänder,  welche  die  Regel  bilden, 
findet  sich  zuweilen  nur  eines  (wie  bei  Taf.  25,  Fig.  24  rf).  Die  Länge  der  von  mir  ge- 
messenen Gürtel  variirte  von  63 — 75  Cm.,  die  Anzahl  der  Schnürereihen  von  i3 — 3i 
(==  75 — 170  Mm.  Breite).  Ein  sehr  grosser  Gürtel  zählt,  um  dies  beiläufig  zu  bemerken, 
über  27.000  Scheibch^n  oder  Plättchen  aus  Cocosnuss  oder  Rinde. 

Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  solche  »Gürtel  für  Männer«  von  Ruk  (S.  36o,  Nr.  3iii; 
S.  367^  Nr.  1820,  3165 — 3172,  9  Stück;  S.  368,  Nr.  1820),  ausserdem  solche,  die  ohne 
Verwendung  von  rothen  und  weissen  Muschelperlen  ganz  aus  Cocosperlen  bestehen 
(S.  3 16,  Nr.  550  u.  3364:  Mortlock,  und  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  7,  irrthüm- 
lich  von  »Pelau«).  Sehr  flüchtig  bei  Edge-Partington  von  Ruk  abgebildet  (PL  173, 
Fig.  6).  Nach  Kubary  werden  diese  Gürtel  nur  von  Männern  getragen,  eine  Angabe, 
der  seine  eigenen  Photographien  hoher  Persönlichkeiten  beiderlei  Geschlechts  aus 
Häuptlingsfamilien  widersprechen  (Anthrop.  Album,  Taf.  21,  Fig.  497  u.  514:  Männer, 
und  Taf.  23,  Fig.  512:  Frau  von  Ruk,  und  Taf.  24,  Fig.  271 :  Mädchen  von  Mortlock). 
Die  grössere  Breite  der  Gürtel  von  Ruk  (Kubary,  I,  S.  70)  ist  ebenfalls  kein  constantes 
Kennzeichen,  da  diese  Schmuckstücke  Gegenstand  des  Tauschhandels  sind.  So  werden 
nach  Kubary  Rindenscheibchen  (Tschia)  von  Ruk  über  Losop  und  Nema  nach  Etal 
ausgeführt,  hier  zu  Gürteln  verarbeitet  und  als  solche  wieder  nach  Ruk  zurückverhandelt. 

Ausschliessend  Frauenschmuck  sind  eine  besondere  Art  Gürtel,  die  im  Wesent- 
lichen eine  kleinere  Form  der  vorhergehenden  Sorte  (Päk)  darstellen.  Sie  unterscheiden 
sich  hauptsächlich  dadurch,  dass  sie  sauberer  gearbeitet  und  schmäler  sind  (sechs  bis 
acht  Stränge  breit)  und  fast  nur  aus  kleinen  schwarzen  und  weissen  Perlen  bestehen. 

Kin  (Nr.  550,  i  Stück),  Frauengürtel  (Taf.  VIII  [25],  Fig.  24),  58  Cm.  lang, 
aus  sieben  Schnüren  aufgereihter  schwarzer  Perlen  aus  Cocosnussschale  (a)  und  gleich 


[619]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  38 1 

grossen  weissen  aus  Muschel  (b)^  die  durch  zehn  fein  durchbohrte  hölzerne  Querriegel 
(c)  laufen  und  sich  hinter  den  endständigen  jederseits  zu  einem  Flechtwerk  (d)  ver- 
einigen,  das  in  eine  3o  Cm.  lange  geflochtene  Schnur  ausläuft,  welche  zum  Festbinden 
des  Gürtels  dient.  Auf  den  durch  zwei  Querriegel  gebildeten  Feldern  an  jedem  Ende 
(Fig.  24)  sind  die  weissen  und  schwarzen  Perlen  wie  auf  der  Abbildung  vertheilt,  auf 
den  übrigen  drei  Mittelfeldern  sind  die  drei  mittelsten  Schnüre  weiss,  die  beiden  Rand- 
schnüre aus  abwechselnd  schwarzen  und  weissen  Perlen  gebildet.  Die  vier  je  circa 
80  Mm.  langen  Zwischenräume  zwischen  den  schmäleren,  durch  hölzerne  Querriegel 
begrenzten  Mittelfeldern  bestehen  aus  schwarzen  Perlen,  nur  die  mittelste  Perlenreihe 
aus  abwechselnd  weissen  und  schwarzen.  Die  schwarzen  Cocosperlen  sind  etwas 
schmäler  als  die  auf  Fig.  19  (Taf.  25),  seitlich  nicht  gerundet,  sondern  abgestutzt  und 
nicht  polirt.  Die  weissen  Muschelperlen  sind  identisch  mit  den  in  Fig.  23  verwendeten.  Ruk. 

Wie  bei  den  breiten  Gürteln  (Nr.  552,  S.  [617])  kommen  auch  bei  diesen  schmalen 
Frauengürteln  allerlei  Verschiedenheiten  vor,  und  man  findet  keine  zwei  völlig  über- 
einstimmenden Exemplare.  Breite  und  Anzahl  der  Schnürreihen  wechselt  wie  die  An- 
zahl und  Anordnung  der  hölzernen  Querriegel.  Manche  Gürtel  zeigen  als  seltene  Aus- 
nahme zum  Theile  auch  rothe  5poyi^/i/^-Scheibchen  mit  verwendet  (wie  Kat.  M.  G., 
S.  368,  Nr.  3164). 

Eine  gute  Abbildung  eines  solchen  Frauengürtels  gibt  der  Atlas  der  »Senjavin- 
Reisec  (PI.  3o,  Fig.  5)  von  Lukunor,  sowie  die  Photographie  eines  jungen  Mädchens 
von  Ruk  (Anthrop.  Album,  Taf.  23,  Fig.  508),  welche  zugleich  zeigt,  dass  auch  diese 
Gürtel  vorne  auf  dem  Bauche  zusammengebunden  werden.  Kubary  erwähnt  die  Frauen- 
gürtel von  Mortlock  unter  dem  Namen  »Kinne,  »Kin«  oder  »Kinsakc,  mit  der  kurzen 
Bemerkung,  dass  sie  zu  den  kostbarsten  Schmuckstücken  gehören,  die  bereits  ausser- 
ordentlich selten  geworden  sind  und  hauptsächlich  auf  dem  Atoll  Etal  angefertigt  wer- 
den. Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  nur  wenige  solcher  Frauengürtel  von  Mortlock  (S.  315, 
Nr.  551,  und  S.  3i6,  Nr.  2998)  und  von  Ruk  (S.  368,  Nr.  3i63),  sowie  zwei  Exemplare 
(S.  280,  Nr.  580  u.  161 6)  mit  der  irrthümlichen  Angabe  »Pingelap«. 

Die  im  Uebrigen  fast  ganz  übereinstimmenden  Gürtel  von  Uleai,  *)  aus  schwarzen 
und  weissen  Scheibchen  oder  Perlen  und  hier  ebenfalls  nur  von  Frauen  getragen,  kenn- 
zeichnen sich  dadurch,  dass  die  Querriegel  nicht  aus  Holz,  sondern  Schildpatt  gefertigt 
sind  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  387,  Nr.  127  u.  470). 

Aehnliche  Gürtel  aus  Schnüren  aufgereihter  Muschel-  und  Cocosscheibchen,  zuweilen  mit  Glas- 
perlen, kamen  früher  auf  den  Herzog  York -Inseln  vor  (wie  Kat.  M.  G.,  S.  28,  Nr.  1615,  undSerrurier: 
»Ethnol.  feiten«  etc.,  S.  15).  Sie  unterscheiden  sich  aber  leicht  von  carolinischen  durch  das  Fehlen 
von  Spondylus,  da  die  Muschelscheibchen  aus  ganz  anderem  Materiale  bestehen,  sogenanntem 
»Miokogeldc  (ähnlich  >Kokopon€,  S.  [46]). 

Sehr  eigenartig  in  Material  (vgl.  vorne  S.  [597])  wie  Bearbeitung  sind  die  »Kau«  oder  Frauen- 
gürtel von  Pelau,  die  meist  aus  einer  Doppelschnur  rother  Muschelscheibchen  und  Plättchen  bestehen, 
die  in  der  Weise  aufgereiht  sind,  dass  der  mittlere  Theil  aus  runden  Scheibchen  besteht,  die  an  beiden 
Enden  nach  und  nach  in  viereckige  bis  länglich  viereckige  (bis  45  Mm.  lange)  Stücke  übergehen  (vgl. 
Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  186,  Taf.  XXII,  Fig.  15,  und  Kat.  M.  G.,  S.  415,  Nr.  522,  684).  Diese 
Gürtel  werden  längst  nicht  mehr  verfertigt  und  bald  überhaupt  nicht  mehr  zu  haben  sein  (s.  vorne 
S.  [598]),  denn  nach  Kubary  (der  für  einen  solchen  100  Mark  bezahlte)  sind  auf  ganz  Pelau  keine  zehn 
>Khau-Gürtel«  mehr  vorhanden  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  187). 

Sehr  verschieden  von  der  vorhergehenden  Art  Frauengürtel  (Kau)  ist  eine  geringere  Sorte, 
»Kalius«  (auch  »Kaliusz«  und  »Kaliyus«  geschrieben)  genannt,  die  nur  aus  zwei  Reihen  aufgereihter 
Cocosscheibchen  (»Kalius«)  besteht,  früher  zuweilen  mit  einigen  weissen  Muschelscheibchen  abwech- 
selnd (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr  «,  II,  S.  187,  Taf.  XXII,  Fig.  16;  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  ii, 


1)  Ein  Gürtel   (Kat.  M.  G.,  S.  388,  Nr.  673)   aus  Natica  lactea  stammt  wohl  kaum  von  Uleai. 


382  Dr.  O.  Finsch.  [620] 

und  Kau  M.  G.,  S.  416,  Nr.  141,  523).  Solche  Gürtel  werden  auf  Pelau  meist  von  jüngeren  Frauen 
zum  Festhalten  der  Blätterschürze  getragen,  während  sich  ältere  mit  einem  einfachen  Gurt  aus 
Dugong-  (»Thogul«)  oder  Rindshaut  (»Karabon«  von  Karabau  =  Büffel)  begnügen  (Kubary,  oben 
Taf.  XXII,  Fig.  17). 

Ethnologische  Schlussbetrachtung, 

Wie  bereits  in  der  Einleitung  (vorne  S.  [447])  gesagt  wurde,  bilden  Ruk  und 
Mortlock  eine  ethnologische  Subprovinz,  deren  weitere  Grenzen  zu  bestimmen  wegen 
Mangel  an  Material  vorläufig  unterbleiben  muss.  Auf  Grund  der  sprachlichen  lieber- 
einstimmung  liegt  aber  die  Annahme  nahe,  dass  die  Hall-Gruppe  sich  dieser  Subprovinz 
auf  das  Engste  anschliessen  wird,  wie  andererseits  Uleai  und  Nukuor  wahrscheinlich 
dazu  gehören.  Die  von  den  letzteren  Inseln  vorliegenden  Sammlungen  zeigen  wenig- 
stens vorherrschend  ein  so  ruk-mortlock'sches  Gepräge,  dass  sie  vorläufig  immerhin  als 
Ausläufer  betrachtet  werden  können.  So  ist  auf  Uleai  wie  Nukuor  die  Webekunst  be- 
kannt, die  nukuor'schen  Holzarbeiten  schliessen  sich  ganz  den  ruk'schen  an  u.  s.  w. 
Aber  freilich  sind  noch  mancherlei  Lücken  auszufüllen.  So  wissen  wir  z.  B.  über  die 
Schmuckgegenstände  Nukuors  nichts,  während  die  von  Uleai  bis  auf  gewisse  Abwei- 
chungen ganz  mit  Ruk-Mortlock  übereinstimmen.  Was  die  letzteren  beiden  Inseln  an- 
belangt, so  bilden  dieselben  sprachlich  wie  ethnologisch  ein  unzertrennbares  Ganzes, 
wie  diese  Arbeit  zur  Genüge  gezeigt  haben  wird.  In  der  That  findet  sich  Alles,  was  Ruk 
producirt,  auch  auf  Mortlock,  und  wenn  der  Erkennungsstab  (»Fenai«)  bisher  nur  auf 
ersterer  Gruppe  nachgewiesen  wurde,  so  liegt  es  vielleicht  nur  an  ungenügender  Beob- 
achtung. Zu  den  hervorragenden  ethnologischen  Zügen  unseres  Gebietes  gehört  die 
strenge  Stammeseintheilung,  die  auch  auf  das  Familienleben  einschneidend  wirkt.  Ein 
besonderer  Tanzstock  (»Gurgur«)  scheint  zugleich  als  Waffe  benutzt  zu  werden,  unter 
denen  der  »Ssukc  und  die  besondere  Bewehrung  von  Speeren  eigenthümlich  sind.  Wie 
sich  unter  den  letzteren  melanesische  Anklänge  finden,  so  auch  in  gewissen  Beerdigungs- 
gebräuchen (Grabhäuser  und  dem  strengen  Trauer -Tabu).  Der  Geisterglauben  zeigt 
die  grösste  Uebereinstimmung  mit  dem  der  Marshallaner,  aber  er  versteigt  sich  zur  An- 
fertigung gewisser  Bildwerke  (namentlich  Gestalten  von  Vögeln),  die  zwar  ganz  ab- 
weichend in  der  Form,  doch  im  Sinne  der  Ahnenfiguren  Melanesiens  aufzufassen  sind 
und  zu  denen  vermuthlich  auch  Masken  gehören.  Eigenthümlich  für  Mortlock  ist  eine 
Feldhacke  aus  Schildkrötenknochen,  die  einzig  in  ihrer  Art  dasteht,  aber  wahrscheinlich 
auch  auf  Nukuor  vorkommt.  Die  bemerkenswerthe  Thatsache,  dass  auch  auf  allen  hohen 
basaltischen  Inseln  der  Carolinen  nur  Aexte  mit  Muschelklingen')  vorkamen  (vgl.  auch 
vorne  S.  7  [275]  u.  S.  215  [471],  verdient  hier  nochmals  besonders  hervorgehoben  zu 
werden.  Die  Holzindustrie  beider  Gruppen,  obwohl  minder  entwickelt  als  auf  dem 
westlichen  Pelau,  liefert  in  der  Form  von  Schüsseln  und  Trögen  immerhin  bemerkens- 
werthe Arbeiten,  unter  denen  zum  Theile  ansehnlich  grosse  Deckelkisten  oder  Truhen 
auch  auf  Nukuor  (und  Tokelau)  vorkommen.  Die  Fischerei  enthält  nichts  Besonderes 
und  ist  im  Ganzen  wenig  entwickelt.  Haus-  und  Canubau  stimmen  sehr  mit  den  gleichen 
Erzeugnissen  der  Marshall-Insulaner  überein,  zeigen  aber  gewisse  Eigenthümlichkeiten, 
so  in  besonderen  Gemeindehäusern  und  in  der  Bauart  der  Canus  darin,  dass  beide 
Seiten  derselben  gleich  sind.  Die  Weberei,  mit  denselben  Geräthschaften  als  auf  Kuschai 


1)  Auf  den  meisten  Inseln  Polynesiens  war  es  gerade  umgekehrt,  und  man  benutzte  das  ein- 
heimische Steinmaterial.  So  z.  B.  auf  dem  vulcanischen  Rarotonga,  wo  Lord  Pembroke  1870  noch 
»several  old  stone  axe  heads  (very  like  Danish  celts)«,  wahrscheinlich  die  letzten,  erhielt  (»South  Sea 
Bubbles«,  S.  195). 


[5211  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  383 

betrieben,  liefert  doch  ganz  andere  Stoffe,  welche  ganz  ähnlich  auch  auf  Uleai  und  Uluti 
fabricirt  werden  und,  wie  hier,  die  Bekleidung  für  beide  Geschlechter  liefern.  Lange 
Mäntel  oder  Ponchos  kommen  ähnlich  auf  Ponape  und  Sonsol  vor,  eine  besondere  Art 
Hüte  auch  auf  Nukuor,  Yap  und  weiter  westlich.  Unter  den  mancherlei  Schmuckgegen- 
ständen  ist  die  häufige  Verwendung  von  »Tschäk«  oder  >Sak<,  d.  h.  Scheibchen,  Perlen 
und  Ringen  aus  Cocosschale,  besonders  bezeichnend  für  die  Central-Carolinen  und 
damit  in  Verbindupg  die  von  rothen  Spondylus-  und  weissen  Muschelscheibchen.  Zähne 
werden  nicht  verwendet,  nicht  selten  dagegen  Conusboden  und  Scheibchen  aus  Perl- 
mutter, häufig  aber  Schildpatt,  besonders  in  Form  von  mitunter  sehr  grossen  Scheiben. 
Hervorzuheben  ist,  dass  sich  das  weibliche  Geschlecht  ebenso  sehr  schmückt  als  das 
männliche,  wie  dies  fast  für  ganz  Mikronesien  gilt,  während  in  Melanesien  das  umge- 
kehrte Verhältniss  charakteristisch  wird. 

Die  Tätowirung  ist  eigenthümlich  und  für  beide  Gruppen  dieselbe;  Ziernarben 
fehlen.  Das  Haar  wird  in  der  bekannten,  fast  über  alle  Carolinen  verbreiteten  Frisur 
als  Chignon  aufgebunden  und  mit  Kämmen  verziert,  unter  denen  eine  besondere  Art 
Tanzputzkämme  nur  Festschmuck  für  Männer  sind.  Zuweilen  werden  diese  Kämme 
durch  besonderen  eigenthümlichen  Federputz  aus  den  hinteren  Schwingen  des  Fregatt- 
vogels verziert,  ein  Schmuck,  der  für  unser  Gebiet  eigenthümlich  und  charakteristisch 
ist,  wie  besondere  Haarnadeln  mit  Schmuckbändern.  Kopf-  oder  Stirnbinden  sind  in 
zwei  für  beide  Geschlechter  verschiedenen  originellen  Formen  vorhanden,  ebenso  Ohr- 
putz. Von  letzterem  werden  dicke  Bommeleien  aus  Cocosperlen  bündelweise  von 
beiden  Geschlechtern  im  Ohr  getragen,  besonders  eigenthümlich  grosse,  zum  Theile 
hübsch  verzierte  hölzerne  Ohrpflöcke  als  Schmuck  nur  für  Männer.  Unter  dem  mannig- 
fachen Hals-  und  Brustschmuck,  stets  aus  »Tschäkc  (Cocosnuss)^zuweilen  in  Verbindung 
mit  5po;i4^/2/5-Scheibchen,  sind  aus  Cocosperlen  geflochtene  kragenartige  Bänder  be- 
sonders hübsch  und  finden  sich,  wie  aller  hierher  gehöriger  Schmuck,  westlich  bis 
Uleai.  Armschmuck  zeichnet  sich,  wie  in  ganz  Mikronesien,  dadurch  aus,  dass  er  nicht 
auf  dem  Oberarm,  sondern  auf  dem  Unterarm  getragen  wird.  Neben  Spangen  aus 
Schildpatt,  die  sonst  nur  in  Melanesien  (z.  B.  in  Neu-Britannien)  vorkommen,  sind  Arm- 
bänder aus  Cocosperlen  oder  Scheibchen  geflochten  sehr  charakteristisch  und  eigen- 
thümlich. Gewisse  Armbänder  sind  in  derselben  Technik  aus  Schnüren  aufgereihter 
Cocos-  und  Muschelscheibchen  gearbeitet  als  die  Leibgürtel,  *)  welche  mit  zu  den  kunst- 
vollsten Arbeiten  unseres  Gebietes  und  der  Carolinen  überhaupt  gehören. 


I)  Aehnliche  Gürtel,  aber  nur  aus  Muschelscheibchen,  kommen  in  der  Herzog  York-Gruppe  vor. 


384  ^^  ^  Finsch.  [622] 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

Während  in  der  Zoologie  die  Kenntniss  der  geographischen  Verbreitung  schon 
längst  die  ihr  gebührende  Stellung  fand,  hat  man  in  der  Ethnologie  die  Wichtigkeit 
dieser  Disciplin  erst  später  einzusehen  gelernt  und  sich  bemüht,  in  dieser  Richtung  zu- 
verlässiges Material  zusammenzutragen.  Leider  ist  es  für  gar  manche  Gebiete,  deren 
Bewohner  durch  die  Tünche  sogenannter  Civilisation  ihre  Originalität  einbüssten,  be- 
reits zu  spät  und  die  Mahnung,  Versäumtes  nachzuholen,  um  so  dringlicher.  Wenn  ich 
daher  im  Nachfolgenden,  ausser  den  für  die  eigene  Arbeit  erforderlichen  Correcturen 
und  Nachträgen  und  solchen  zu  engverwandten  Werken,  noch  andere  Notizen  einfüge, 
so  haben  dieselben  durchgehends  Beziehungen  zu  unseren  Gebieten  des  westlichen 
Pacific  und  sind  für  die  ethno-geographische  Verbreitung  von  Bedeutung.  Sie  werden 
in  manchen  zuverlässigen  Daten  den  interessanten  Nachweis  liefern,  wie  unabhängig 
von  einander  gewisse  Gebräuche,  Geräthe  u.  s.  w.  selbst  an  entfernten  Localitäten  vor- 
kommen, während  oft  ganz  naheliegende  ganz  verschiedene  Verhältnisse  bieten.  Solche 
zuverlässige  Daten,  die  ich  freilich  sehr  beschränken  musste,  werden  »das  Problem  des 
Völkergedankens  in  der  Rückführung  auf  die  geographischen  Provinzenc,  nach  Bastian 
die  wichtigste  Aufgabe  unserer  Zeit,  der  Lösung  näher  bringen  helfen.  Und  in  der  That 
ist  die  Kenntniss  dieser  geographischen  Centren  (Provinzen  und  Subprovinzen)  von 
der  allergrössten  Wichtigkeit  für  eine  Biologie  des  Menschen.  In  dieser  Ueberzeugung 
habe  ich  mich  bemüht,  die  für  unser  Gebiet  bestehenden  Centren  (Subprovinzen)  fest- 
zulegen und  zu  charakterisiren,  Versuche,  die,  auf  Thatsachen  basirend,  jedenfalls  den 
einzuschlagenden  Weg  zeigen  und  zu  einer  Klarstellung  der  Ethnologie  verschiedener 
Stämme  der  Südsee  und  ihrer  Beziehungen  untereinander  beitragen  dürften. 


(Zu:  »Annalenc,  Bd.  III,  Heft  2,  1888,  S.  83  [i]  bis  S.  160  [78].) 
Seite  83  [i].  Zu: 

Erste  Abtheilung:  Bismarck- Archipel. 
S.  88  [6].  Zu:  I.  Neu-Britannien. 

a)  Blanche-Bai 

S.  8g  [7].  Das  "Wort  »Loto«  oder  »Lotuc  ist  jedenfalls  nicht  vom  englischen 
»Lordc  abzuleiten,  sondern  ein  Fidschiwort,  das  »Botschaft«  bedeutet  und  wohl  durch 
Fidschimissionslehrer  Verbreitung  fand.  In  Samoasprache  hat  das  Wort  »Lotoc  eine 
mehrfache  Bedeutung  (unter  Anderem  »Herz  =  Seele«),  wie  »Lotu«  (unter  Anderem 
»sich  vom  Heidenthum  abwenden«)  (vgl.  Pratt:  »A  grammar  and  dictionary  of  the 
Samoan-language«  [London  1878],  S.  23o  u.  23 1). 

S.  89  [7].  Zu  Eingeborene.  Die  Charakteristica,  welche  Dr.  Benda  (»Zeitschr.  f. 
Ethnol.«,  1880,  S.  112)  gibt,  enthält  eine  Menge  Unrichtigkeiten  (»Körperbau  schwäch- 
lich, Haar  in  Büscheln  stehend,  Bart  spärlich,  Augen  graubraun,  Weiber  abschreckend 


[6231  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  385 

hässlichy  sehr  unreinlich,  Charakter  tückisch,  Tauschartikel  Spirituosenc)  die  zu  einem 
falschen  Urtheil  verleiten. 

S.  90  [8].  »Männer  und  Frauen  halten  ihre  Mahlzeiten  getrennt«  (Parkinson  in 
lit.),")  aber  es  gibt  auch  Ausnahmen,  wie  ich  wiederholt  beobachtete. 

S.  90  [8].  »Den  Titel  ,Kjap'  (Captain)  brauchen  Eingeborene  nicht  unter  sich, 
sondern  mir  im  Umgang  mit  Weissen«  (P.  in  lit.j. 

S.  90  [8].  Zu  Cannibalismus.  Die  Geschichten,  welche  Powell  (S.  85)  erzählt, 
dass  ein  Mann  seine  eigene  Frau  todtschlug,  kochte  und  zu  einem  Festmahle  berei- 
tete, sowie  die  andere,  nach  welcher  der  Mörder  die  Witwe  eines  Erschlagenen  heira- 
tete, dessen  Körper  als  Hochzeitbraten  verwendet  wurde,  gehören  in  das  Gebiet  der 
Münchhausiaden,  die,  erst  in  die  Literatur  übertragen,  sich  schwer  wieder  ausrotten 
lasse n< 

S.  91  [9].  Zu  Ethnologische  Charakterzüge.  Dieselben  sind  für  dieses  Gebiet 
von  Neu-Britannien  und  Neu-Irland  (S.  126  [44])  nur  sehr  im  Allgemeinen  angedeutet 
und  würden  einer  genaueren  Darstellung  bedürfen,  die  ich  mir  aber  auch  hier  versagen 
muss.  Dennoch  will  ich  erwähnen,  dass  beide  Inseln,  oder  vielmehr  die  bis  jetzt  be- 
kannten sehr  beschränkten  Gebiete  derselben,  ethnologisch  nicht  gemeinschaftlich  be- 
handelt werden  können,  sondern  zwei  ganz  verschiedene  Centren  im  Sinne  von  Sub- 
provinzen  bilden.  Dabei  mag  nur  auf  die  totalen  Verschiedenheiten  in  Haus-  und 
Canubau,  Muschelgeld,  Bestattungsweise,  Kunstfleiss  u.  s.  w.  hingewiesen  sein.  Soweit 
ich  nach  den  im  Ganzen  spärlichen  Wahrnehmungen  urtheilen  kann,  beginnt  mit  der 
Willaumez-Halbinsel  westlich  ein  anderes  ethnologisches  Gebiet,  das  sich  zunächst  Neu- 
Guinea  anschliesst  und  eine  Einwanderung  von  dorther  vermuthen  lässt.  Interessant 
und  beachtenswerth  ist  dabei  das  Vorkommen  der  zwei  Arten  Muschelgeld  des  Bis- 
marck-Archipels  (Nassa  ==  Diwara  von  Blanche-Bai  und  Muschelscheibchen  wie  in 
Neu-Irland)  im  Kaiser  Wilhelmland  (Finschhafen,  Huongolf  etc.).  Mit  der  Verbreitung 
ethnologischer  Gegenstände  verhält  es  sich  übrigens  ganz  analog  wie  mit  der  der  Thier- 
arten.  Wie  hier  gewisse  Genera  theils  in  derselben,  theils  in  verschiedenen  Arten  über 
fast  alle  Inseln  der  Südsee  verbreitet  sind,  während  andere  Gattungen  und  Arten  nur 
auf  gewisse,  oft  sehr  kleine  Inseln  beschränkt  bleiben,  so  finden  sich  gewisse  Sitten, 
Gebräuche  und  Erzeugnisse  des  Menschen,  in  ganz  ähnlicher  Weise  vertheilt,  oft  erst 
an  den  entferntesten  Localitäten  wieder.  Die  Inseln  des  Bismarck-Archipels  würden 
ganz  besonders  zu  einer  solchen  ethno-zoologischen  Parallele  reizen.  Nur  einige  wenige 
Thatsachen  aus  ornithologischem  Gebiete  mögen  hier  kurz  erwähnt  sein,  wie  das  Vor- 
kommen theils  vicarirender,  theils  eigenthümlicher  Arten  auf  jeder  Insel,  selbst  der 
kleinen  Herzog  York-Gruppe.  So  besitzt  Neu-Britannien  eine  Art  Casuar  und  Kakatu 
(Diwara,  Steinkeulen  etc.),  Neu-Irland  keine  solchen,  dagegen  Dicranostreptus  (Kule- 
paganeg)  u.  a.  Vielleicht  wird  es  mir  einmal  möglich,  diese  Gedanken  weiter  und  in 
einer  die  ganze  Südsee  umfassenden  Parallele  auszuführen,  die  gewiss  viel  interessante 
Gesichtspunkte  auch  für  die  Ethnologie  ergeben  würde. 

S*  9^  [9]*  ^u  Sprache.  »Die  Zersplitterung  der  Sprachen  in  Blanche-Bai  ist  nicht 
so  gross;  von  Port  Weber  östlich  bis  Blanche-Bai  und  bis  Gap  Gazelle,  sowie  land- 
einwärts bis  zum  Berge  Unakokor  (Varzin)  herrscht  nur  eine  Hauptsprache,  und 
Eingeborene  aus  den  verschiedensten  Theilen  dieses  Gebietes  unterhalten  sich  ohne 
Anstoss«  (P.  in  lit.).   Die  Mittheilungen  über  die  verschiedenen  Dialekte  der  Gazelle- 


1)  Wir  verdanken  diese  mit  P.  gezeichneten  Notizen  der  Güte  von  Herrn  Parkinson  in  Ralum. 

D.  R. 


386  Dr.  O.  Finsch.  [624] 

Halbinsel  verdankte  ich  Herrn  Littleton,  jenem  Engländer,  der  als  Erster  ganz  allein  und 
unbewaffnet  bis  zum  Berge  Unakokor  vorgedrungen  war.  Ich  selbst  beobachtete  wieder- 
holty  dass  Matupileute  Eingeborene  von  der  Küste  (z.  B.  Ratawul,  Beretni  u.  s.  w.)  nicht 
oder  mindestens  nicht  gut  verstanden.  Und  Parkinson  sagt  selbst:  »dass  der  Kabakada- 
Dialekt  durch  die  Mission  in  einigen  anderen  Districten  eingeführt  sei  und  mit  der  Zeit 
wohl  allgemein  Eingang  finden  wird.  Im  Innern  des  Landes  fand  ich  viele  verschiedene 
Dialekte.c  (»Im  Bismarck- Archipel«,  S.  146),  und  »auf  Neu-Irland  und  Neu-Britan- 
nien  hat  nicht  nur  jede  Insel,  sondern  jeder  District  und  jeder  Küstenstrich  ein  anderes 
Idiom«  (ib.  S.  28). 

S.  92  [10].  Zu  Nacktheit.  Dieselbe  ist  nicht  blos  für  diesen  Theil  Neu-Britan- 
niens  charakteristisch,  sondern  kommt  sporadisch  auch  in  Neu-Guinea  (vgl.  S.  [223])  und 
anderwärts  vor.  So  herrscht  nach  Coote*)  auf  der  Insel  Ulaua  (Salomons)  völlige  Nackt- 
heit bei  beiden  Geschlechtern,  ebenso  auf  Maewo  (Aurora-Insel)  der  Neu-Hebriden. 
Mit  Ausnahme  der  Häuptlinge  gingen  früher  auch  die  Männer  auf  Pelau  ausnahmslos 
völlig  nackt  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  209,  Note). 

S.  92  [10].  Zu  »A  brewo«.  Das  dem  Hauptworte  vorgesetzte  »A«  ist,  wie  ich 
schon  vermuthete,  nur  der  Artikel;  aber  zu  meiner  Zeit  war  man  darüber  noch  nicht 
sicher. 

S.  92  [10].  Zu  Tapa.  »Djapo«  wurde  mir  von  Kubary  als  das  samoanische  Wort 
für  Tapa  angegeben,  muss  aber  richtig  »Siapo«  heissen.  Interessant  ist,  dass  nach  Wilkes 
die  Kunst,  Tapa  zu  bereiten,  erst  durch  die  Mission  von  Tonga  nach  Samoa  eingeführt 
wurde  (II,  S.  135).  Auf  Fidschi  versteht  man  ebenfalls  aus  dem  Bast  von  Broussonetia 
sehr  schöne  Tapa  zu  machen  und  das  Bedrucken  derselben  in  bunten  Mustern;  aber 
Tapa  darf  von  Frauen  nicht  getragen  werden  (Wilkes,  III,  S.  338).  Schöne  Proben  von 
Tapa  und  Druckmatrizen  daher  im  Museum  Godeffroy  (Kat.,  S.  139,  140  u.  143). 

S.  93  [11].  Zu  Tapa  mit  hübschen  Mustern.  Ich  erhielt  solche  Stücke  Tapa 
von  90 — iio  Cm.  Länge  und  3o — 48  Cm.  Breite.  Hierher  gehören  »Zeug  oder  Stoff« 
(Kat.  M.  G.,  S.  28,  Nr.  1147,  Taf.  XI,  Fig.  i)  und  »Gürtel«  (ib.  Nr.  1480,*  Taf.  XI, 
Fig.  2),  angeblich  auch  von  »Neu-Irland  und  Neu-Hannover«. 

S.  93  [11].  Zu  Material  von  »Schmuck  und  Zieraten«.  Eine  sehr  grosse  Röhre 
von  Dentalium  elephantinum  L.  (80  Mm.  lang  mit  10  Mm.  weiter  Oeffnung),  die  ich 
auf  Matupi  erhielt,  diente  als  Behälter  für  drei  sehr  sonderbare  kleine  Gegenstände,  mir 
unbekannt,  aber  jedenfalls  thierischen  Ursprunges.  Sie  sind  kolbenförmig,  flachgedrückt, 
an  der  Basis  stielartig  verjüngt,  emailglänzend,  auf  weisslichem  Grunde  rosa,  am 
unteren  Rande  bläulich  angehaucht,  der  Stiel  grünlich  und  messen  9 — 11  Mm.  in  der 
Länge,  7—9  Mm.  in  der  Breite.  Prof.  E.  v.  Martens  hatte  die  Güte,  diese  kleinen  Gegen- 
stände, welche  in  der  Dentalium-Kohrt  sorgfältig  durch  einen  Stöpsel  von  Pflanzen- 
faser verwahrt  waren,  zu  bestimmen,  und  schreibt  mir:  »Die  drei  kleinen  Dinger  sind 
Fingerstücke  der  Fangfüsse  von  Gonodactylus  chiragrüy  eines  Krebses  aus  der  Familie 
der  Squilliden.  Sie  sind  schon  in  Rumph  (,D*amboinsche  Rariteitkamer*  [1705])  als 
,zwaantje^  (=  Schwänchen)  beschrieben  und  abgebildet  (pag.  5,  6,  Taf.  3,  Fig.  G).« 
Ueber  Benutzung  und  Zweck  ist  mir  nichts  bekannt  geworden,  da  ich  die  Gegenstände 
erst  nach  meiner  Rückkehr  vorfand.  Als  Schmuck  habe  ich  diese  Krebsfinger  nie  be- 
nutzt gesehen  und  vermuthe  nur,  dass  sie  vielleicht  als  eine  Art  Talisman  dienten. 


I)  »The  Western  Pacific,  being  a  description  of  the  groups  of  Islands  to  the  North  and  East 
of  the  Australian  continent.    By  Walter  Coote,  F.  R.  G.  S.«    London,  Saropson  Low  (i883). 


[5251  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  387 

S.  93  [11].  Zu  »rothe  Art  Schilf  (Kanda)c  ist  »nicht  Schilf,  sondern  Rottan- 
palmec  (P.  in  lit.). 

S.  g3  [11].  Zu  Zähne.  Im  Kat.  M.  G.  (S.  41,  Nr.  1718  u.  1164)  werden  zwei 
Schmuckstücke  aus  »Cachelotzähnenc  mit  ?  von  Neu-Britannien  notirt,  von  denen  das 
letztere  unzweifelhaft  von  den  »Gilberts«,  das  erstere  (»aus  elf  grossen  Cachelotzähnen, 
deren  oberer  Theil  mit  Tapa  umwunden  ist«)  aber  ebenso  Wenig  von  hier  als  »Neu- 
Britannien«  herstammt;  vielleicht  Fidschi? 

S.  93  [11].  Zu  Casuarfedern.  Nach  Parkinson  bilden  solche  einen  begehrten 
Handelsartikel,  der  mir  aber  in  Blanche-Bai  nie  vorkam.  Auch  im  Kat.  M.  G.  (S.  3o, 
Nr.  3238)  wird  nur  ein  hierhergehöriges  Stück  verzeichnet:  »Haarschmuck  (?)  Casuar- 
federn an  Rohrstäbchen«. 

S.  94  [12].  Zu  Muschelgeld  (»Diwara«).  Prof.  v.  Martens  schreibt  mir  (den 
20.  Juli  1891)  über  die  Species:  »Die  var.  camelus  von  Nassa  callosa  A.  Ad.  ist  meines 
Wissens  von  mir  noch  nicht  im  Druck  veröffentlicht;  sie  unterscheidet  sich  von  der 
typischen  Form  dieser  Art  durch  den  starken  Höcker  auf  dem  Rücken  der  letzten  Win- 
dung, welche  ganz  an  den  von  N.  thersites  erinnert.«  Nach  gütiger  Untersuchung  des- 
selben Specialisten  gehört  auch  das  Muschelgeld  von  Willaumez,  Hansabucht  und 
Kaiser  Wilhelms-Land  (aber  nicht  von  der  Südostküste  Neu-Guineas)  zu  dieser  Species. 
Auf  Neu-Irland  und  weiter  ostwärts  ist  mir  Diwara  niemals  vorgekommen.  Das  im 
Kat.  M.  G.  (S.  74,  Nr.  1896)  verzeichnete  »Geld«  ist  echtes  Diwara. 

S.  94  [12].  Zu  »Tambu  aloloi«:  »heisst  einfach  yTambu-Rmg*^  oder  ,aufgerollter 
Tambu'.  Sind  solche  Ringe  sehr  gross  und  ungeöffnet  von  einer  Generation  zur  an- 
deren gegangen,  so  führen  sie  manchmal  den  Namen  eines  verstorbenen  Häuptlings« 
(P.  in  lit.). 

S.  95  [i3].  Zu  Muschelgeld  (»Pellä«),  Wird  von  der  Herzog  York-Gruppe  unter 
dem  Namen  »Miokogeld«  nach  dem  Festlande  von  Neu-Britannien  über  ganz  Blanche- 
Bai  bis  zur  Nordküste  verhandelt  und,  nach  Kleinschmidt  (vgl.  Schmelz  in:  »Zeitschr. 
f.  EthnoL«,  1881,  S.  187),  auf  den  Herzog  York-Inseln  selbst,  und  zwar  nur  von  Frauen 
verfertigt.  Leider  erfahren  wir  nicht  in  welcher  Weise  und  aus  welcher  Art  Conchyl. 
Das  Muschelgeld  im  Kat.  M.  G.  (S.  74,  Nr.  1287  f.  [mit  Ausnahme  des  lilafarbenen]  u. 
Nr.  2o3i)  ist  solches  Miokogeld  (ebenso:  »Halsschmuck«,  S.  39,  Nr.  2o3i,  1938,  und 
S.  40,  Nr.  1916).  Unter  dem  Namen  »A  Pellä«  erhielt  ich  auch  auf  Matupi  Schnüre 
aufgereihter  weisser  Muschel-  und  schwarzer  Nussscheibchen,  die,  auf  Cocosfaserschnur 
gereiht,  ganz  mit  dem  Tekaroro  der  Gilberts-Inseln  (Taf.  24,  Fig.  3)  übereinstimmen, 
nur  sind  die  Cocosscheibchen  dicker  (vgl.  auch  Kat.  M.  G.,  S.  74,  Nr.  1463).  Ob  diese 
Scheibchen  hier  gemacht  werden,  konnte  ich  nicht  erfahren,  möchte  dies  aber  bezwei- 
feln, und  ein  zufälliges  Einschleppen  durch  Schiffsverkehr  (über  die  Marshalls)  scheint 
mir  nicht  ausgeschlossen.  Nach  Parkinson  gelten  in  Blanche-Bai  bis  Port  Weber  hinauf 
vier  Schnüre  »Pellä «-Muschelgeld  (circa  3o  Cm.  lang)  einen  Faden  (d.  h.  eine  Klafter- 
länge) Diwara.  Ganz  ähnliches  Muschelgeld  aus  hellfarbigen  Muschelplättchen  (wie  das 
»Kokonon«  von  Neu-Irland,  Taf.  i,  Fig.  4  u.  5)  erhielt  ich  von  den  Salomons,  und  zwar 
von  Savo,  wo  es  »Lago«  heisst.  Wie  mir  Alexander  Morton  erzählte,  der  wiederholt 
die  Salomons  besuchte,  ist  das  Dorf  Makira  auf  San  Christoval  der  Hauptplatz  der 
Fabrication  dieses  Muschelgeldes,  die  übrigens  nur  von  einigen  wenigen  Männern  be- 
trieben wird.  Unter  dem  Namen  »Makirageld«  ist  dasselbe  weit  und  breit  berühmt  und 
steht  wegen  seiner  vorzüglichen  Bearbeitung  auch  auf  anderen  Inseln  in  hohem  Werthe. 
Das  Muschelgeld  von  Malayta,  auch  bei  Guppy  (S.  134)  erwähnt,  ist  nicht  so  gut.  Coote 
gibt  einige  interessante  Notizen  über  den  Werth  des  Muschelgeldes  auf  Ysabel.    Es 


388  Dr.  O.  Finsch.  [626] 

werden  hier  zwei  Sorten,  weisse  und  rothe,')  Muschelscheibchen  ^von  der  Grösse  eines 
Hemdknopfesc  (also  circa  7 — 10  Mm.  im  Durchmesser)  verfertigt,  die,  auf  Schnüre 
gereiht,  von  der  Länge  eines  Fadens  (also  6  engl.  Fuss,  was  reichlich  viel  scheint)  im 
Tauschverkehr  als  Geld  dienen.  Das  rothe  Muschelgeld  ist  zehnmal  so  viel  werth  als 
weisses,  also  i  Schnur  weisses  =  10  Cocosnüssen  oder  i  Stück  Stangentabak;  i  Schnur 
rothes  =10  Schnüren  weisses  =  100  Cocosnüssen  =  i  Hundezahn  =  5  Delphin- 
Zähnen;  für  10  Schnüre  rothes  oder  100  Schnüre  weisses  Muschelgeld  kann  man  eine 
Frau  oder  ein  Schwein  kaufen.  Auf  den  Neu-Hebriden  werden  ganz  ähnliche  Muschel- 
scheibchen  verfertigt  (»Durchmesser  5 — 7  Mm.,  von  bläulicher  Farbe it  Kat.  M.  G., 
S.  i36,  Aurora-Insel)  und  bilden  die  übliche  Scheidemünze.  Wenn  daher  Eckardt  in 
seiner  Compilation  über  diese  Inseln  (S.  29)  sagt:  »als  Zahlungsmittel  dient  Cypraea 
monetatf  so  hat  dies  auf  diese  Muschelplättchen  Bezug.  Wilkes  erwähnt  von  Fidschi 
»strings  of  Cypraea  monetär,  was  noch  der  näheren  Bestätigung  bedarf  (III,  S.  354). 
Beiläufig  mag  noch  bemerkt  sein,  dass  ohne  sicheren  Nachweis  Niemand  im  Stande  ist, 
die  Herkunft  dieser  weit  verbreiteten,  einander  so  ähnlichen  Muschelplättchen  oder 
Scheibchen  zu  bestimmen. 

S.  95  [i3].  Zu  »Kanoare«,  falsches  Muschelgeld  (Taf.  i,  Fig.  2);  das  Conchyl 
ist  nicht  Nassa  vibeXy  sondern  N,  globosa  Hombr.  und  Jacqu.  (v.  Martens  in  lit.). 

S.  96  [14].  Zu  Farben.  »Schwarz  heisst  an  der  Küste  ,marut,  korokorony,  likutau^; 
roth  ,meme<;  gelb  ,lailaiS  grün  ,limut*€  (P.  in  lit.). 

S.  96  [14].  Zu  »A  Kotto«.  »Kotto«  heisst  das  Instrument  (Glasscherben,  Zahn 
oder  sonstiger  scharfer  Gegenstand),  womit  die  Einschnitte  gemacht  werden;  die  Narben 
selbst  heissen  »Buliranc,  gewöhnliche  Narben  »Manua«  (P.  in  lit.). 

S.  96  [14].  Zu  Tätowirung.  Wenn  Dr.  Benda  sagt:  »Tattuirung  meist  nur  auf 
Brust  und  Rücken  und  in  breiten  Hauteinkerbungen  bestehend»,  so  ist  dies  nur  be- 
ziehentlich richtig. 

S.  97  [15].  Zu  Haarputz  (»Kalagic).  Die  als  »Brustschmuck«  aufgeführten  Stücke 
im  Kat.  M.  G.  (S.  43,  Nr.  1177 — 1452,  und  S.  46,  Nr.  1977)  sind  derartige  Zieraten, 
die  bei  Männern,  im  Kopfhaar  befestigt,  als  Schmuck  dienen,  häufig  in  der  Weise,  dass 
sie  über  die  Stirne  herabhängen. 

S.  97  [15].  Zu  Federschmuck:  »Lakur  und  Kangal«;  hierher  gehören  »Haar- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  3o,  Nr.  2421,  2424,  und  S.  3i,  Nr.  2410). 

S.  97  [15].  Zu  Stirnschmuck.  Die  reiche  Serie  von  »Stirnbändern«  im  Kat.  M.  G. 
S.  33,  Nr.  1623;  S.  34,  Nr.  1842,  Taf.  X,  Fig.  8;  Nr.  1985;  S.  35,  Nr.  1981,  2422,  3192, 
1982  [Gürtel],  1522,  und  S.  36,  Nr.  1175,  1900  u.  2423)  sind  zum  Theile  wohl  auch 
»Halsbänder«  (wie  z.  B.  ganz  bestimmt  Nr.  1900),  aber  nicht  von  Neu-Irland  (S.  33, 
Nr.  1890);  sie  werden  nur  bei  festlichen  Gelegenheiten,  namentlich  den  feierlichen 
Tänzen  (»Malankene«)  getragen. 

S.  97  [15].  Zu  Stimbinde  »Awub«.  Hierher  gehört  »Kopfschmuck«  (Kat.  M.  G., 
S.  33,  Nr.  32i3:  Duke  of  York).  Solche  Schnüre  mit  aufgebundenen  Dunenfedern 
werden  häufig,  zuweilen  viele  Meter  lang,  zur  Ausschmückung  der  Grabhäuser  (vgl. 
Finsch:  »Gartenlaube«,  1882,  Nr.  42),  der  Erinnerungszäune  (»A  bogil«)  (S.  [18])  und 
bei  der  Einweihung  von  Canus  verwendet. 


I)  Damit  sind  wohl  die  häufigen  röthlichen  Muschelscheibchen,  ähnlich  dem  »Miokogeldc  ge- 
meint und  nicht  eigentlich  »rothe«  Muschelscheibchen  aus  Spondylus,  wie  ich  solche  nur  im  British 
Museum  angeblich  von  den  Salomons  sah. 


[627]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  389 

S.  97  [15].  Zu  Ohrschmuck.  Das  im  Kat.  M.  G.  (S.  87,  Nr.  886,  Taf.  XI,  Fig.  5) 
beschriebene  Stück  ist  jedenfalls  nicht  aus  Neu-Britannien,  sondern  Neu-Irland. 

S.  97  [15].  Zu  »Bilibagu«,  Nasenstift  aus  Casuarsch^vinge;  hierher  gehören 
9 Nasenschmuck«  aus  hohlen  Stäbchen  vegetabilischen  (?)  Ursprungs  im  Kat.  M.  G. 
(S.  38,  Nr.  1851,  1852  u.  2835),  wie  von  Herrn  Schmeltz  schon  berichtigt  wurde. 

S.  97  [15].  Zu  Nasenstift  aus  DeQtalium  (Taf.  i,  Fig.  19):  9die  Species  ist  D. 
elephantinum  L.«  (v.  Martens  in  lit.). 

S.  97  [15].  Zu  Nasenzier  für  die  Nasenflügel  (»Aibuta«);  hierher  gehören  »Nasen- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  38,  Nr.  1987  — 1988). 

S.  98  [i6j.  Zu  Halskragen  der  Männer  (»Midi«).  Hierher  gehören  »Hals- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  41,  Nr.  875  u.  1521,  Taf.  X,  Fig.  2,  aus  Diwara);  die  Angabe 
»Neu-Irland«  (für  1521)  ist  falsch. 

S.  98  [16].  Zu  Muschelklingeln  (»Wuaweo«).  Die  »Muschelklappern,  Muschel- 
glocken« (Kat.  M.  G.,  S.  67,  Nr.  1165)  und  »Nussklapper«  (ib.  Nr.  1621)  sind  keine 
Musikinstrumente,  sondern  Schmuck,  der  einzeln  im  Haar  oder  zu  mehreren  an  einem 
Halsstrickchen  oder  dem  Halskragen  (»Midi«,  S.  16,  Nr.  441)  befestigt  wird  und  von 
hier  über  den  Rücken  herabhängt.  Ein  solcher  Nackenschmuck  ist  auch  der  »Kopf- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  33,  Nr.  2406)  aus  Farnkraut  etc. 

S.  98  [16].  Zu  Halsband  (»Gurgurua«).  Dieser  Name  ist  in  der  Sprache  von 
Makada  und  wurde  mir  von  King  Dick  aufgegeben.  »An  der  Küste  heissen  solche  Hals- 
bänder ,Rangrarig^«  Frauen  dürfen  »Ngut«-Zähne  in  kleinen  Bündeln  als  Halsschmuck 
tragen,  bis  so  viel  zusammengebracht  ist,  um  für  den  Mann  ein  Halsband  anzufertigen 
(P.  in  lit.). 

S.  99  [17].  Zu  Armringe  aus  Trochus  (»Lalei«).  Wie  meine  Sammlung  zeigt, 
erhielt  ich  auf  Matupi  solche  Armringe  noch  in  allen  Stadien  der  Bearbeitung.  Seitdem 
mag  diese  Fabrication  aufgehört  haben,  denn  nach  Parkinson  werden  solche  Trochus- 
Ringe  jetzt  nur  auf  Neu-Irland  gemacht.  Ich  erhielt  aber  auch  sehr  schöne  von  Neu- 
Hannover,  unter  Anderem  eine  Reihe  von  27  Stücken,  die  zusammen  auf  einem  Ober- 
arme getragen  wurden;  der  unterste  weiteste  Reif  misst  85  Mm.  im  Breitendurchmesser, 
der  oberste  engste  72  Mm.,  und  alle  passen  so  aufeinander,  als  wären  sie  aus  einem 
Stück  geschnitten,  das  eine  Röhre  von  10  Cm.  Höhe  bildet,  jeder  einzelne  Ring  ist  also 
weniger  als  4  Mm.  dick.  Trochusarmringe  gehören* mit  zu  dem  weitverbreitetsten 
Schmuck  der  Südsee:  Salomons,  Santa  Cruz-Gruppe  (Coote),  Neu-Hebriden,  Fidschi, 
Samoa;  im  Leidener  Museum  auch  von  der  Westküste  Neu-Guineas  und  von  Timor. 
Zu  Wilkes'  Zeiten  (1841)  waren  diese  Armringe  auf  Fidschi  kostbarer  Putz,  der  unter 
Anderem  vom  Könige  und  der  Königin  von  Rewa  getragen  wurde  (III,  pag.  127). 

S.  99  [17].  Zu  Armringe  aus  Tridacna.  Die  Anfertigung  derselben  beschreibt 
Guppy  (S.  i32)  von  Simbo,  wobei  man  aber  bereits  ein  Stück  Bandeisen  als  Werkzeug 
benutzt.  Ueber  den  Werth  derselben  gibt  Coote  einige  interessante  Notizen  von  Ysabel« 
Solche  Ringe,  hier  »Bakiha«  genannt,  die  übrigens  auch  als  Brustschmuck  getragen 
werden,  repräsentiren  das  werthvollste  Eingeborenen geld.  Ein  solcher  Ring  ist  = 
loo  Hundezähnen  =  loo  Schnüren  rother  Muschelscheibchen  =  500  Delphinzähnen 
=  1000  Schnüren  weisser  Muschelscheibchen  =  10.000  Cocosnüssen  oder  ==  40  Pfund 
Stangentabak  (s.  S.  [20]);  letzterer  kostet  in  Sydney  ohne  Steuer  circa  43  Mark,  mit 
Steuer  143  Mark  oder  nach  dem  Händlerpreise  in  manchen  Gebieten  der  Südsee 
320  Mark.  Für  einen  »Bakiha«  kann  man  »eine  Frau  von  guter  Qualität,  einen  jungen 
Burschen  oder  —  ein  sehr  gutes  Schwein  kaufen«  —  auf  Ysabel!  —  Preise,  die  sich 
inzwischen  auch  geändert  haben  dürften.  Ich  erhielt  schöne  Tridacna-Rin^t  von  Simbo 


SgO  Dr  O.  Finsch.  [628] 

(hier  »Porta«  genannt)  und  Savo;  von  hier  und  Malayta  im  Museum  Godeffroy  (S.  92, 
Nr.  2687  u.  2688,  Taf.  XVI,  Fig.  3).  Durch  Schiffsverkehr  gelangen  solche  Ringe  zu- 
weilen auch  nach  dem  Bismarck- Archipel  (Kai.  M.  G.,  S.  44,  Nr.  1457 — 2001:  >Neu- 
Britannien,  Neu-Irland,  Duke  of  York«),  wo  sie  aber  nicht  gemacht  werden.  Aus 
Tridacna  geschlififene  Armringe  erwähnt  Serrurier  auch  von  der  Sir  Hardy-Insel  und 
den  östlichen  Batakerländern.  Ich  erhielt  sehr  schöne  Exemplare  in  Kaiser  Wilfaelms- 
Land  (vgl.  S.  [241]),  wo  sie  als  Brustschmuck  getragen  werden. 

S.  99  [17].  Zu  Armringe  aus  Schildpatt  (»Papal«).  Hierher  gehören  Kat.  M.  G., 
S.  44,  Nr.  1459  u.  1407. 

S.  99  [17].  Zu  Leibschmuck.  Eine  solche  Leibschnur  aus  »Pellä«-Muschelscheib- 
chen  ist  der  »Gürtel«  von  Duke  of  York  »aus  acht  Schnüren,  die  in  gewissen  Abständen 
durch  quere  Holzplättchen  laufen«  (Kat.  M.  G.,  S.  28,  Nr.  1615).  Hier  auch  ein  anderer 
»Gürtel«  aus  zwei  Reihen  Diwara  (ib.  S.  29,  Nr.  1614)  von  derselben  Localität,  wie  sie 
ähnlich  auch  in  Blanche-Bai  vorkommen.  Gewöhnlich  genügt  eine  Reihe  Diwara  als 
Leibschnur,  die  sowohl  von  Frauen  als  Männern  getragen  wird.  Leibschnüre  auf  Muschel- 
scheibchen  (»Lago«)  kommen  auch  in  den  Salomons  vor;  ich  erhielt  solche  von  Savo, 
wo  sie  »Butu«  heissen.  Gürtel  aus  Schnüren  aufgereihter  Muschelscheibchen,  die  durch 
hölzerne  Querriegel  laufen,  sind  mir  in  Blanche-Bai  nicht  vorgekommen,  auch  keine 
geflochtenen  Gürtel  (wie  Kat.  M.  G.,  S.  29,  Nr.  3190),  der  jedenfalls  nicht  aus  Neu- 
Britannien  herstammt. 

S.  100  [18].  Zu  Häuser.  Eine  passable  Darstellung  des  für  Blanche-Bai  charak- 
teristischen Baustyles  gibt  die  Abbildung  bei  Powell  (S.  58).  Ganz  irrthümlich  ist  da- 
gegen das  Bild  »Eingeborenendorf«  in  Parkinson  (»Der  Bismarck-Archipel«,  S.  37),  ein 
schon  in  Hager's  Compilation  (»Kaiser  Wilhelms-Land«,  S.  ii3)  verwendetes  Glicht, 
zu  dem  vermuthlich  das  Bild  eines  Dorfes  der  »Admiralitäts-Inseln«  (Spry :  »Expedition 
des  Challenger«,  S.  244)  als  Vorlage  diente.  Die  »Hütte  der  Eingeborenen«  (Parkinson, 
S.  63)  ist  aus  Hernsheim  copirt  und  betrifft  nicht  Neu-Britannien,  sondern  »Neu-Irland«. 
Von  der  so  gut  als  unbekannten  Südküste  erwähnt  v.  Schleinitz  (»Nachrichten  aus 
Kaiser  Wilhelms-Land«,  1888,  S.  37)  »mehrere  Meter  hohe  Pallisadenzäune  um  die 
Häuser«  als  eine  Art  Vertheidigung,  die  bisher  nur  aus  den  Gilberts  bekannt  war. 

S.  100  [18].  Zu  ».A  Galib«.  Hieher  gehören  »Früchte  von  Cycas<\  Kat.  M.  G., 
S.  46,  Nr.  1907;  S.  68,  Nr.  2430,  und  S.  69,  Nr.  2431. 

S.  100  [i8].  Zu  Nahrung.  »,Mau'  ist  nur  eine  besondere  Art  Banane;  der  gene- 
rische  Name  für  Banane  ist  ,Wuddu*.  Hühner  werden  sowohl  von  Männern  als  Frauen 
gegessen;  Schlangen  werden  an  vielen  Orten,  z.  B.  in  Port  Weber,  am  Berge  ünakokor 
u.  s.  w.  mit  Vorliebe  gegessen«  (P.  in  lit.).  Zu  meiner  Zeit  assen  die  Eingeborenen  auf 
Matupi  keine  Hühner,  schon  weil  sie  dieselben  lieber  an  Weisse  verkauften.  Schlangen 
erhielt  ich  viel  von  den  Küstenleuten,  ich  erfuhr  aber  nie,  dass  sie  solche  essen,  und 
mein  Matupi-Bursche  war  sehr  erstaunt,  dies  in  Neu-Guinea  zu  sehen.  Die  Sitte  ist  also 
jedenfalls  local  verbreitet. 

S.  loi  [19].  Zu  Schwein.  Wie  auf  der  folgenden  Seite  ([20])  erwähnt,  gibt  es 
viele  Männer,  für  die  Schweinefleisch  koscher  ist  und  die  sich  daher  auch  nicht  beim 
Schweineschlachten  betheiligen.  In  der  That  habe  ich  dies  Geschäft  stets  nur  von 
Weibern  besorgen  sehen,  und  zwar  in  sehr  eigenthümlicher  Weise,  die  genau  zu  be- 
schreiben mich  hier  zu  weit  führen  würde.  Erwähnt  mag  nur  sein,  dass  das  Schwein 
nicht  erschlagen  oder  erstochen,  sondern  erstickt  wird,  und  dass  man  sich  damals  bei 
der  ganzen  sehr  sauberen  Schlachterei  nur  Bambumesser  bediente. 


[629]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  391 

S.  loi  [19].  Zu  Messer.  Auch  auf  Fidschi  (wie  anderwärts)  werden  schmale 
scharfkantige  Leisten  von  Bambu  als  Messer  benutzt  und  schneiden  vortrefiFlich  (Wilkes, 
III,  S.  347).  ^Messer  aus  Schildpatt«  (Kat.  M.  G.,  S.  74,  Nr.  i53i)  sind  KalklöfTel,  die 
jedenfalls  zufällig  nach  Neu-Britannien  gelangten.  So  bekam  ich  hier  wiederholt  hölzerne 
KalklöfTely  welche  die  Eingeborenen,  unbekannt  mit  dem  Gebrauch,  für  »Messer«  hielten 
und  die  durch  Schiffsverkehr  von  Woodlark  I.  über  die  Laughland-Inseln  nach  Matupi 
in  die  Hände  Eingeborener  gekommen  waren. 

S.  loi  [19].  Zu  Schaber  und  Brecher.  Ein  Schaber  aus  »Beinknochen  von 
Casuar«  ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  74,  Nr.  1909,  Taf.  XII,  Fig.  4)  dargestellt,  sowie  ein  an- 
derer aus  Perlmutter  mit  gezähneltem  Rande  (S.  78,  Nr.  1408)  und  ein  sehr  inter- 
essantes Stück  aus  Tridacna,  an  einem  oben  zugespitzten  Holzstiele  befestigt  (S.  73, 
Nr.  1908,  Taf.  XII,  Fig.  3). 

S.  102  [20].  Zu  Feuerreiber,  »heisst  an  der  Küste  ,Tautau*«  (P.  in  lit.). 

S.  102  [20].  Zu  Gewerbskunde.  Die  im  Kat.  M.  G.  verzeichneten  iiletgestrickten 
Beutel  von  Neu-Britannien  (»Tasche«,  S.  76,  Nr.  874,  1601  u.  2842)  stammen  von  Neu- 
Guinea  oder  den  Salomons-Inseln  her,  von  letzteren  ganz  sicher  das  Taf.  XII,  Fig.  i,  abge- 
bildete Stück,  wie  die  Verzierung  der  Fransen  mit  S^wWe-Nussschalen  (S.  [66],  Nr.  481) 
deutlich  beweist.  Ganz  ähnliche  erhielt  ich  von  Savo. 

S.  102  [20].  Zu  Korb  aus  Rottan  (»ASm«).  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  S.  75, 
Nr.  2075. 

S.  102  [20].  Zu  Körben.  Eine  besondere  Art  Körbe  (»Rat  a  malira«),  die  weniger 
der  Arbeit  als  des  eigenthümlichen  Zweckes  wegen,  der  in  das  Liebesleben  hineinspielt, 
bemerkenswerth  sind,  will  ich  hier  aus  meinen  Manuscripten  noch  nachtragen.  Es  sind 
dies  kleine  flache  Körbchen,  die  mit  Federn  (meist  Dunenfedern  von  Hühnern),  Farnen 
und  bunten  Blättern  verziert  sind  und  an  einer  langen  Schnur  auf  dem  Rücken  getragen 
werden.  Ein  solches  Körbchen,  mit  welchem  mein  Freund  Balleram-Matupi,  wohl  eine 
ganze  Woche  lang,  in  den  benachbarten  Dörfern  umherzog,  enthielt  zwei  kleine  Düten 
aus  Blättern  mit  pulverisirtem  Kalk  und  einem  anderen  wohlriechenden  Pulver,  das 
eigentliche  »Malira«,  welches  als  eine  Art  Zaubermittel  ausgegeben  wurde.  Von  diesem 
Pulver  nimmt  nun  der  Mann  etwas  zwischen  Zeigefinger  und  Daumen  und  bläst  es, 
unbemerkt  von  Zeugen,  gegen  das  Mädchen,  welches  er  liebt,  die  ihm  dann  eine  nächt- 
liche Zusammenkunft  bewilligen  soll.  Wenigstens  behauptete  Balleram,  übrigens  ein 
verheirateter  Mann,  mit  seiner  »Malira«  vier  Eroberungen  gemacht  zu  haben.  Hierher 
gehört  »Körbchen  aus  Cocosnussschale,  bei  Brautwerbungen  benutzt«  (Kat.  M.  G.,  S.  75, 
Nr.  2846). 

S.  102  [20].  Zu  Genussmittel.  Es  ist  auffallend,  dass  (nach  Wilkes)  die  Bewohner 
von  Fidschi  Betel  nicht  kennen,  was  zu  den  seltenen  Ausnahmen  in  Melanesien  gehört. 
Nach  einer  Notiz  im  »Intern.  Archiv  f.  Ethnol.«  soll  seitdem  Betelgenuss  in  Fidschi 
(wahrscheinlich  durch  Arbeiter  von  den  Salomons-Inseln)  eingeführt  sein. 

S.  io3  [21].  Zum  Aufbewahren  des  Betelkalks.  Mit  Schnitzwerk  und  Brand- 
malerei verzierte  Bambu- »Dosen  für  Betelkalk«  (Kat.  M.  G.,  S.  76,  Nr.  1552  u.  1855, 
Taf.  XII,  Fig.  7)  sind  nicht  in  »Neu-Britannien«  gemacht,  sondern  stammen  aus  den 
Salomöns-Ins.,  woher  ich  von  Savo  und  Simbo  eine  ganze  Anzahl  sehr  verschiedenartig 
und  hübsch  verzierter  Büchsen  durch  farbige  Arbeiter  von  dort  erhielt  (vgl.  »Poke«, 
S.  [66]). 

S.  io3  [21].  Zu  Steinäxte.  Der  Kat.  M.  G.  (S.  46)  verzeichnet  46  »Steinbeil- 
klingen« (bis  22  Cm.  lang)  und  neun  »Steinmeissel«,  die  beiläufig  identisch  mit  den 
ersteren  sind,  aber  nur  zwei  montirte  Aexte  (S.  441)9  die  in  der  Befestigung  der  Klinge 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischea  Hofmuseums,  Bd.  VIII,  Heft  3  u.  4,  1893.  27 


392  I>r.  O.  FinBch.  [63o] 

doch  etwas  von  der  von  Neu-Hannover  abgebildeten  (Taf.  2,  Fig.  3)  abzuweichen 
scheinen,  wenn  darüber  auch  Beschreibung  wie  die  sehr  mittelmässige  Abbildung 
(Taf.  Xlly  Fig.  2)  nicht  klare  Einsicht  ermöglichen.  Sehr  interessant  ist  ein  »Hohlmeissel 
aus  grünlichem  Gestein«  (S.  47,  Taf.  XII,  Fig.  5). 

S.  io3  [21].  Zu  »Arium  lua«:  »heisst  eine  Steinklinge  aus  der  alten  Zeit,  yRiam' 
eine  Steinklinge«  (P.  in  lit.). 

S.  io3  [21].  Zu  Werkzeuge.  Der  Kat.  M.  G.  (S.  74,  Nr.  191 1)  verzeichnet  von 
Neu-Britannien  »Obsidian,  ein  grösseres  Stück  und  Splitter  desselben,  die  letzteren 
werden  unter  Anderem  zur  Anfertigung  von  Schnitzarbeiten  benutzt«.  Das  Vorkommen 
dieser  glasartigen  Lava  im  Bismarck- Archipel  ist  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit 
nachgewiesen  und  die  Vermuthung,  dass  die  betreffenden  Stücke  (wie  Anderes)  durch 
Schiffsverkehr  von  den  Admiralitäts-Inseln  hierher  gelangten,  vorläufig  noch  berechtigt. 

S.  io3  [21].  Zu  Bohrer  (»Ago«).  Es  mag  noch  bemerkt  sein,  dass  mit  Terehra- 
und  Mitra-lAuschtln  auch  die  Löcher  in  die  Muscheln  gebohrt  werden,  welche  als 
Schmuck  dienen  (z.  B.  die  Klingeln  aus  Oliva,  S.  [16]). 

S.  io3  [21].  Zu  Waffen.  Die  sonderbaren  Waffen,  in  Form  eines  Schwertes  und 
Hackmessers,  wie  sie  Powell  (S.  109)  von  »Spacious-Bay«  abbildet,  sind  wohl  nur 
Phantasiegebilde  und  bedürfen  dringend  weiterer  Bestätigung. 

S.  io3  [21].  Zu  Kampfweise.  Es  ist  interessant,  dass  sich  der  so  weit  über  Neu- 
Guinea  verbreitete  Kampfschmuck  auch  im  Bismarck- Archipel,  und  zwar  nach  Klein- 
schmidt nur  auf  der  Herzog  York-Gruppe,  in  einer  sehr  eigenthümlichen,  aber  primi- 
tiven Form  findet.  Dieser  Schmuck  oder  besser  Geräth  ist  Imitation  eines  künstlichen 
Kinnbartes  aus  Pflanzenfaser  und  besteht  aus  zwei  Bündeln,  die  durch  ein  Querholz 
verbunden  sind.  Mit  letzterem  wird  der  Schmuck  während  des  Angriffes  im  Munde  des 
Kämpfenden  gehalten,  der  dadurch,  wie  dies  überall  der  Fall  ist  (vgl.  z.  B.  S.  [99]), 
seinem  Gegner  Schrecken  einzuflössen  versucht.  Hierher  gehört  der  »Tanzschmuck« 
im  Kat.  M.  G.  (S.  69,  Nr.  1845:  Schmeltz:  >Zeitschr,  f.  Ethnol.«,  Bd.  XIII,  1881,  S.  187). 

S.  104  [22].  Zu  Speere.  Eine  sonderbare  Art  Bewehrung  von  Speeren  ist  die  mit 
dem  Nagel  von  der  Zehe  des  Casuar  (Casuarius  Bennetti)^  welche  Powell  von  Spacious- 
Bai  beschreibt  und  über  deren  äusserst  gefährliche  Wirkung  er  (wenn  auch  nicht  aus 
Augenschein)  gleich  zu  erzählen  weiss.  Hierher  gehören  nach  Berichtigung  von  Schmeltz 
die  im  Kat.  M.  G.  (S.  53,  Nr.  2338,  2881  u.  2882)  aufgeführten  Speere,  hier  irrigerweise 
als  »mit  Spitze  vom  Unterschnabel  eines  Nashornvogels  bewehrt«  beschrieben. 

S.  104  [22].  Zu  Speer  (»Akut«),  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  VI,  Fig.  6. 

S.  104  [22].  Zu  Speer  (»Lauka«),  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  VI,  Fig.  5. 

S.  104  [22].  Zu  Staatsspeer  (»Pulepän«).  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  VI, 
Fig.  I. 

S.  105  [23].  Zu  Schleudersteine.  Die  Körbchen,  in  welchen  dieselben  getragen 
werden,  sind  zuweilen  besonders  ausgeputzt.  Ich  erhielt  einen  solchen  aus  Cocosblatt 
geflochten,  der  am  Rande  und  Henkel  mit  Federn  (von  Kakatu  und  Schmucktauben 
[Ptilopus\)  hübsch  verziert  war.  Das  Gewicht  der  Schleudersteine  schwankt  zwischen 
50—100  Gramm. 

S.  106  [24].  Zu  Keule  (>Pakul«).  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  IV,  Fig.  7,  und 
»Repräsentations Waffe  mit  Federschmuck«,  Taf.  VI,  Fig.  4. 

S.  106  [24].  Zu  Keulen.  Eine  für  Neu-Britannien  charakteristische  Form  Keulen 
ist  im  Kat.  M.  G.  (S.  72,  Nr.  2073,  Taf.  V,  Fig.  5)  als  »Tanzschmuck«  abgebildet,  sowie 
in  der  Compilation  Eckhardt's  irrthümlich  von  den  »Neu-Hebriden«  (Taf.  V,  Fig.  8). 
Eine  ähnliche  Form  Keulen  sind  nicht  an  beiden  Enden,  sondern  nur  an  einem  in  einen 


[63 1]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  SoS 

verdickten  spitzen  Kegel  ausgeschnitzt,  am  anderen  Ende  in  eine  kolbenförmige  kugelige 
Verdickung  und  heissen  »Talum«  (Kat.  M.  G.,  Taf.  IV,  Fig.  5).  Derartige  Waffen  aus 
leichtem  Holz  (wie  das  oben  citirte  Stück  Nr.  2073  im  Museum  GodefFroy)  werden 
nicht  selten  für  den  Tauschhandel  mit  Fremden  verfertigt.  Die  kurzen  Handkeulen 
(»much  ressembling  a  policeman's  stafT«),  welche  Powell  (S.  228)  von  dem  fraglichen 
Cap  Hoskins  abbildet,  sind  weiterer  Bestätigung  bedürftig. 

S.  106  [24].  Zu  Keule  mit  Steinknauf  (9Palau«).  Kenntlich  abgebildet:  Kat. 
M.  G.,  Taf.  IV,  Fig.  2,  und  Powell  (S.  160,  zweite  Figur  von  links);  die  in  demselben 
Werke  (S.  161)  abgebildeten  Keulen  sind  nicht  von  »Blanche-Bai«,  sondern  Neu-Guinea 
(s.  S.  [118]),  mit  Axtstielen  von  Neu-Britannien,  also  Phantasien. 

S.  106  [24].  Zu  Streitaxt  (» Aibane«).  Hierher  gehören  die  »Beilec  im  Kat.  M.  G. 
(S.  47,  Nr.  1967,  »angeblich  Salomo-Inseln«,  und  Nr.  2851 — 2858,  irrthümlich  »Neu- 
Irlandc,  Taf.  VIII,  Fig.  5)  und  Imitationen  (ib.  Nr.  1642,  1522,  1523  u.  2850,  Taf.  VIII, 
Fig.  4:  »Neu-Irland«),  bei  denen  Stiel  und  Klinge  aus  einem  Stück  Holz  geschnitzt 
sind.  Ich  erhielt  solche  Imitationen  auch  aus  Neu-Irland ;  sie  wurden  in  der  ersten  Zeit 
scherzweise  von  Eingeborenen  nach  europäischem  Muster  angefertigt,  zum  Theile  von 
Solchen,  die  damals  noch  keine  eiserne  Axt  erschwingen  konnten.  Wie  bereits  erwähnt, 
sind  diese  der  Neuzeit  entstammten  und  beinahe  wieder  untergegangenen  Streitäxte  kein 
Werkzeug  im  Sinne  unserer  Aexte,  sondern  lediglich  Waffen.  Nach  Parkinson  heissen 
sie  »Boreu«  =  Schwein,  »weil  man  sie  zum  Schlachten  der  Schweine  benutzte.  Dies  war 
wenigstens  früher  entschieden  nicht  der  Fall  (s.  oben  S.  [628]  [»Schweineschlachten«]). 
Auf  den  Salomons  befestigte  man  in  der  ersten  Zeit  auch  eiserne  Beilklingen  an  einen 
selbstgefertigten  langen  Stiel  und  benutzte  sie  als  Waffe,  die  auf  Malayta  »Mattiana«, 
d.  h.  »sein  Tod«,  hiess  (Coote:  »Western  Pacific«,  S.  144). 

S.  107  [25J.  Zu  NichtVorkommen  von  Schilden.  Powell  will  Schilde  (»really 
very  cleverly  ornamented«)  in  Spacious-Bay  erhalten  haben,  die  indess  noch  sehr  frag- 
lich bleiben  und,  nach  der  Abbildung  (S.  iio)  zu  urtheilen,  von  Milne-Bai  herstammen 
(vgl.  Taf.  16,  Fig.  3). 

S.  107  [25].  Zu  Fischnetze.  Eine  eigenthümliche  Art  »Senknetz«  ist  im  Kat. 
M.  G.  (S.  65,  Nr.  2403)  aufgeführt  und  Taf.  XII,  Fig.  6,  nicht  gerade  sehr  deutlich  ab- 
gebildet. Ein  anderes  »Netz«,  jederseits  an  einem  Stock  befestigt  (S.  66,  Nr.  1600),  ist 
nicht,  wie  vermuthet  wird,  »Stellnetz  für  den  Fang  kleinerer  Säugethiere  oder  Vögel«, 
das  Neu-Britannien  nicht  kennt,  sondern  ein  Netz  zum  Fischfange. 

S.  107  [25].  Zu  Fischkörbe  (»Wup«),  »werden  eben  unter  der  Oberfläche  des 
Wassers  schwimmend  verankert«  (P.  in  lit),  je  nach  den  Verhältnissen  aber  auch  in 
tiefem  Wasser,  »oft  mit  400  Meter  Rottanleine«  (Weisser).  Gute  Abbildung  bei  Powell 
(S.  176). 

S.  107  [25].  Zu  Fischfalle  (»Aumut«).  Kenntlich,  aber  nicht  genau  abgebildet 
bei  Powell  (S.  177);  wird  an  einem  Schwimmer  mit  Leine  versenkt. 

S.  108  [26].  Zu  Fischhaken.  Die  »Fischangel«  (Kat.  M.  G.,  S.  66,  Nr.  1858)  ist 
von  den  Salomons-Inseln. 

S.  108  [26].  Zu  Canus.  Die  Auslegerträger  des  grossen  Dugdug-Canus  auf  Mioko 
waren  mit  mehreren  rohen  Darstellungen  von  Thiergestalten,  namentlich  Vögeln  ver- 
ziert, die  aber  nichts  mit  den  feinen  Schnitzereien  zu  thun  haben,  wie  sie  der  Kat.  M.  G. 
(S.  62 — 65)  irrthümlich  als  »Boots Verzierungen«  registrirt.  Erwähnt  mag  sein,  dass  die 
Canus  von  Blanche-Bai  in  der  Form,  namentlich  wegen  der  hohen  aufwärts  gebogenen 
Schnäbel,  am  meisten  mit  Canus  in  gewissen  Gebieten  der  Salomons  übereinstimmen 

(vgl.  Guppy,  S.  63,  von  San  Christoval).  Aber  letztere  haben  keinen  Ausleger  und  sind 

27* 


394  ^^'  ^'  Punsch.  [632] 

zum  Theil  in  äusserst  kunstvoll  eingelegter  Arbeit  aus  Perlmutter  und  anderen  Muschel- 
stücken ornamentirt  (vgl.  Abbild,  bei  Coote,  S.  145,  von  Ysabel). 

S.  109  [27].  Zu  Ruder.  Hier  verdienen  noch  die  besonderen,  reich  mit  Schnitz- 
werk und  Malerei  verzierten  Staatsruder  erwähnt  zu  werden,  wie  sie  der  Kat.  M.  G. 
(Taf.  VI,  Fig.  2  u,  2  0)  abbildet.  Ich  sah  solche  wiederholt  auf  Matupi  bei  Begräbniss- 
feierlichkeiten zur  Ausschmückung  des  Baldachins,  unter  welchem  die  Leiche  zur  Parade 
ausgestellt  ist,  benutzt  (vgl.  Finsch:  »Gartenlaube«,  1882,  S.  697,  durch  Versehen  des 
Zeichners  ganz  falsch  ornamentirt).  Aber  diese  Ruder  sind  nicht  einheimische  Arbeit, 
sondern  durch  Schiffe  von  den  Salomons  eingeführt  (wie  Kat.  M.  G.,  S.  62,  richtig  be- 
merkt wird).  Ich  erhielt  solche  Ruder  von  Sir  Hardy-Island,  sie  mögen  aber  in  Wahrheit 
auf  Buka  gemacht  werden,  woher  Farrell  welche  mitbrachte. 

S.  109  [27].  Zu  Abnahme  der  Canus.  Nach  Parkinson  hat  die  Verfertigung  von 
Canus  in  letzter  Zeit  zugenommen. 

S.  109  [27].  Zu  Rohrflöten.  Sehr  weit  verbreitetes  Instrument;  nach  Wilkes 
früher  auch  auf  Samoa  in  Gebrauch  (II,  S.  134),  sowie  auf  Fidschi  (III,  S.  190),  hier  nur 
von  Frauen  zur  Begleitung  der  Gesänge  gespielt. 

S.  HO  [28].  Zu  Panflöten.  Ganz  ähnliche  erhielt  ich  auch  aus  den  Salomons 
(Abbildung  bei  Guppy,  Taf.  S.  63);  mit  das  am  weitesten  über  die  Südsee  verbreitete 
Musikinstrument:  Neu-Caledonien  (Serrurier),  Fidschi  (Wilkes),  Tahiti  (Serrurier), 
Samoa  (Wilkes);  auch  auf  Timor  (Serrurier)  und  Borneo  (Whitehead). 

S.  HO  [28].  Zu  Maultrommel  (»Hangapc).  Dasselbe  Instrument  erhielt  ich  auch 
von  den  Salomons,  übereinstimmend  mit  Kat.  M.  G.,  Taf.  XVII,  Fig.  3.  Die  Basis  ist 
hier  nicht  abgerundet  (wie  auf  Taf.  3,  Fig.  i,  von  Matupi),  sondern  rechtwinkelig  abge- 
stutzt, aber  ich  erhielt  ganz  ebensolche  auch  von  Matupi,  so  dass  keinerlei  Unterschied 
besteht.   Nord-Borneo  besitzt  ähnliche  Maultrommeln  (Whitehead). 

S.  110  [28].  Zu  Blaskugeln  (>Awuwu«).  Hierher  gehört  »nussartige  Frucht« 
(Kat.  M.  G.,  S.  45,  Nr.  3241)  und  ein  ähnliches  Instrument  aus  einer  Calebasse  von 
Espiritu  Santo,  Neu-Hebriden  (ib.  S.  i35,  Nr.  2504,  Taf.  XXII,  Fig.  5). 

S.  HO  [28].  Zu  Schlaginstrumente.  Aehnliche  Formen  kamen  früher  auf  Samoa 
vor,  woher  Wilkes  (II,  S.  134)  ein  Stück  Holz  erwähnt,  das  mit  zwei  Stöcken  geschlagen 
wurde. 

S.  HO  [28].  Zu  »Angramut«.  »Richtiger  ,Ngramut^  heissen  die  Trommeln  aus 
einem  ausgehöhlten  Stück  Baumstamm  (Taf.  3,  Fig.  8),  die  Schlaghölzer  dagegen  ,Tio- 
buk'«  (P.  in  lit.).  Auf  Matupi  führten  beide  Schlaginstrumente  den  ersteren  Namen. 

S.  III  [29J.  Zu  Holztrommel  (»Kudu«).  Eine  so  reich  mit  Schnitzwerk  verzierte 
Trommel,  wie  sie  Powell  (S.  70)  abbildet,  ist  mir  nie  vorgekommen  und  scheint  wohl 
mehr  Phantasie  zu  sein. 

S.  1 1 1  [29].  Zu  Grosse  Holztrommel  (Taf.  3,  Fig.  8).  Ganz  ähnlich  auch  auf 
Fidschi  (Wilkes,  III,  S.  3oo,  Abbild.,  und  Schlägel,  S.  3 16).  In  ganz  ähnlicher  Form 
auch  in  Westafrika. 

S.  ii3  [3i].  Zu  Tanzstäbchen  der  Frauen  (»Aiwun  und  Ainabe«).  Hierher 
gehören  Kat.  M.  G.,  S.  3o,  Nr.  2829,  2017  u.  1996,  die  aber  nicht  »Haarschmuck«  sind. 

S.  ii3  [3i].  Zu  Tanzbretter  (»Mapinakulau«).  Hierhergehören  »Schnitzwerke, 
bei  Processionen  in  den  Händen  getragen«  (Kat.  M.  G.,  S.  26,  über  50  Stück,  und  S.  27); 
auch  solche  aus  mit  Tapa  überspannten  und  bemalten  Rahmen  (brauchbare  Abbil- 
dungen auf  Taf.  VII,  alle  verschieden). 

S.  ii3  [3i].  Zu  Tanzbrett  Nr.  611  von  Mioko.  Hierher  gehört  wahrscheinlich 
»Tanzattribut«  (Kat.  M.  G.,  S.  27,  Nr.  3202,  aber  nicht  von  »Neu-Irland«). 


[633]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstucke  aus  der  Südsee.  3qc 

S.  ii3  [3i].  Zu  Schädelmaske  (»Lor«).  Diese  Masken  ersetzen  in  diesem  Ge- 
biete Neu-Britanniens  die  sonst  üblichen  und  weitverbreiteten  Ahnenfiguren  aus  Holz 
und  sind  nicht,  wie  meist  angenommen  wird,  Zeichen  höherer  Barbarei,  sondern  pietäts- 
voller Todtenverehrung,  wie  ich  dies  zuerst  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  nach- 
wies. Wie  die  Tanzmasken  Neu-Irlands  zeigen  auch  diese  Schädelmasken  Verschieden- 
heiten, so  dass  nicht  zwei  ganz  gleich  sind  (vgl.  Kat.  M.  G.,  S.  19,  20  u.  434,  Taf.  III, 
Fig.  3  u.  4;  hier  auch  eine  solche  ganz  aus  Kittmasse:  S.  435,  Nr.  3518).  Virchow  gibt 
eine  minutiöse  Beschreibung  von  Schädelmasken  (^Zeitschr.  f.  Ethnol.«,  Bd.  XIII, 
Taf.  XVII,  farbig),  bei  denen  Haupt-  und  Barthaar  durch  Pflanzenfaser  imitirt  sind.  In 
die  Kategorie  dieser  Art  Todtenverehrung,  die  sich  in  vielen  Gebieten  Neu-Guineas  nur 
auf  den  Unterkiefer  beschränkt  (vgl.  S.  [253]),  gehören  auch  präparirte  und  zum  Theil 
sehr  kunstvoll  verzierte  ganze  Schädel.  Einen  solchen  besitzt  das  British-Museum  von 
Mallicolo,  Neu-Hebriden.  Einen  anderen  Schädel  mit  sehr  schöner  eingelegter  Arbeit 
in  Perlmutter  von  Rubiana  (Salomons)  sah  ich  im  Trocadero-Museum  in  Paris.  Hier 
auch  Schädel  von  Dajakern  und  Negritos  mit  äusserst  geschmackvollem  Muster  in  ein- 
gravirter  Technik.  Besonders  interessant  ist  ein  »Korwar«,  d.  h.  eine  jener  rohgeschnitz- 
ten Menschenfiguren  von  der  Nordküste  Neu-Guineas  (Doreh),  die  gewöhnlich  als 
Götzen  gelten,  bei  der  aber  als  Kopf  ein  wirklicher  Menschenschädel  aufgesetzt  ist. 
Man  sieht  daraus,  dass  die  Sitte  der  Schädelverehrung  an  den  entferntesten  Localitäten 
vorkommt. 

S.  ii3  [3i].  Zu  Todtenverehrung.  Die  ausführlichste  Beschreibung  einer  grossen 
Begräbnissfeierlichkeit  auf  Matupi  gab  ich  in  der  »Gartenlaube«  mit  einer  nach  der 
Natur  gezeichneten,  vom  Künstler  leider  hie  und  da  verzeichneten  Abbildung  (vgl. 
S.  91  [9],  Anm.  Nr.  4). 

S.  114  [32].  Zu  Schädeln.  Nach  Parkinson  sind  solche  jetzt  »überall  leicht  und 
für  eine  Kleinigkeit  zu  haben;  für  eine  Stange  Tabak  gräbt  der  Vater  den  Schädel  des 
verstorbenen  Sohnes  oder  der  eigenen  Frau  aus  und  umgekehrt«.  Die  Verhältnisse 
haben  sich  also  seitdem  sehr  geändert,  wahrscheinlich  aber  nicht  in  Betreff  der  Schädel 
von  Häuptlingsangehörigen. 

•  S.  115  [33].  Zu  »Dugdug«.  Der  eigentliche  Zweck  dieser  Gesellschaft  und  der 
von  ihr  von  Zeit  zu  Zeit  veranstalteten  grossen  Feste,  wie  ich  diese  Verhältnisse  nur 
kurz  mittheilen  konnte,  hat  durch  Parkinson's  ausführliche  Darstellung  (»Im  Bismarck- 
Archipel«,  S.  129 — 134,  mit  Abbildungen)  vollständige  Bestätigung  gefunden  und  auch 
diese  Festlichkeit  ihres  »religiösen«  Nimbus  beraubt.  Die  zum  Theile  irrigen  Annahmen 
Hübner's  sind  darnach  zu  berichtigen  (Kat.  M.  G.,  S.  17  u.  434;  hier  auch  Beschreibung 
von  Dugdug-Hüten  »an  Stelle  von  Masken,  bei  einer  religiösen  Ceremonie  getragen«, 
S.  16,  Nr.  1884—1887,  und  S.  18  u.  19,  mit  Abbildung  des  maskirten  Dugdug-Mannes 
[übrigens  kein  »Religionsmann«], Taf.  III,  Fig.  i,  mit  »Dugdug-Knüppel«  [»Ceremonial- 
zeichen«,  S.  19,  Nr.  2800,  Taf.  III,  Fig.  laj).  Eine  brauchbare  Abbildung  eines  Dugdug- 
Läufers  auch  bei  Powell  (S.  61).  Aehnlich  dem  Dugdug  sind  die  Spassmacher  (Clowns) 
auf  Fidschi  (Wilkes,  III,  p.  188)  und  gewisse  Festlichkeiten  auf  den  Neu-Hebriden,  bei 
welcher  Gelegenheit  auch  ähnliche,  aber  in  Material  u.  s.  w.  ganz  eigenartige  Hüte  ge- 
tragen werden  (Eckardt:  »Neu-Hebriden«,  S.  27,  Anm.,  Taf.  IV,  Fig.  i). 

S.  116  [34].  Zu  Talisman.  Unter  einigen  anderen  hierher  gehörigen  Stücken, 
welche  ich  auf  Matupi  erhielt,  mag  eine  rohe  Holzschnitzerei  erwähnt  sein,  die  eine  Art 
Januskopf  darstellte  und  auch  als  Talisman  für  Diebe  ausgegeben  wurde.  Eine  andere 
rohe  Schnitzerei  stellte  einen  kleinen  Fisch  (»Malau«)  dar,  an  einer  Schnur  befestigt, 


396  Dr.  O.  Finsch.  [634] 

um  daran  geschwenkt  werden  zu  können.  Der  Verkäufer  that  sehr  geheimnissvoU  mit 
diesem  Stücke,  dessen  Bedeutung  und  Zweck  andere  angesehene  Eingeborene  übrigens 
nicht  zu  erklären  wussten.  Ein  Talisman  für  Diebe  ist  vermuthlich  auch  »Tanzschrauck« 
(Kat.  M.  G.,  S.  70,  Nr.  1179,  Taf.  X,  Fig.  2),  und  ^Kopfschmuck«  (S.  32,  Nr.  2405)  ge- 
hört wahrscheinlich  auch  in  die  Kategorie  der  Talismane.  Solche  für  Diebe  bildet  Par- 
kinson ab  (»Kinakinan«,  S.  i36). 

S.  117  [35].  Zu  Spiele.  Ich  will  hier  noch  aus  meinen  Manuscripten  ein  paar 
originelle  Kinderspiele  nachtragen,  welche  ich  auf  Matupi  kennen  lernte.  >Beo 
porapora«,  Vogelspiel;  dasselbe  besteht  aus  einem  etwas  über  meterlangen  Bindfaden, 
der  durch  eine  elastische  Ruthe  straff  gehalten  wird,  das  Ganze  bildet  also  eine  Art 
kleinen  Bogen;  der  Bindfaden  ist  durch  eine  P'ederpose  gezogen  und  an  letztere  ein  roh 
aus  Holz  geschnitzter  Vogel  (»Beoc)  befestigt.  Indem  der  Bogen  senkrecht  gehalten 
wird,  tanzt  der  Vogel  durch  seine  Schwere  langsam  an  dem  Bindfaden  herab,  ein  Spiel 
für  kleine  Kinder,  welches  sich  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  uns  findet.  Dasselbe  gilt 
für  das  folgende:  ^Wuwurc,  Aufspiessvogel;  derselbe  ist  in  sehr  primitiver  Weise  her- 
gestellt: als  Rumpf  dient  ein  länglicher,  meist  roth  bemalter  Samenkern,  dem  als 
Schwanz  einige  Federn,  als  Schnabel  ein  scharf  zugespitztes  Stück  Holz  eingesetzt  sind; 
dieser  Vogel  ist  an  dem  Ende  eines  circa  60  Cm.  langen  Bindfadens  befestigt,  das  an- 
dere Ende  des  letzteren  an  einem  circa  1*5  M.  langen  Rohrstabe;  an  letzterem  ist 
wiederum  ein  circa  3o  Cm.  langes  Querholz  aus  weichem  Bananenstamm  befestigt.  Die 
Kunst  besteht  nun  darin,  dass  der  Spielende  den  Rohrstab  in  der  Hand  haltend  so  zu 
schwenken  versteht,  dass  der  Schnabel  des  Vogels  das  Querholz  trifft  und  sich  in  das- 
selbe einspiesst.  Dieses  Spiel  erinnert  sehr  an  ein  ähnliches  bei  uns,  bei  welchem  ein 
hölzerner  Specht  mit  eisernem  Schnabel  an  einer  Schnur  geschwungen  wird,  um  eine 
Scheibe  und  möglichst  das  Schwarze  desselben  zu  treffen.  Es  mag  aber  bemerkt  sein, 
dass  der  »Wuwur«  nicht  vom  Specht  abgeleitet  ist,  da  diese  Vögel  in  Neu-Britannien 
(wie  Melanesien)  überhaupt  fehlen. 

S.  117  [35].  Zu:  b)  Willaufne{. 

S.  117  [35 J.  Zu  Nasenkeile  aus  Tridacna.  Ganz  ähnliche  in  den  Salomons 
(Kat.  M.  G.,  S.  89,  Nr.  2681). 

S.  118  [36].  Zu  Stimbinde,  Nr.  426;  die  Muschel  ist  nicht  Nassa  caiiospira, 
sondern  N.  callosa  var.  camelus. 

S.  119  [37].  Zu  Armband,  Taf.  i,  Fig.  21.  Hierher  gehören  die  Armbänder  im 
Kat.  M.  G.,  S.  45,  Nr.  2399,  die  sicher  nicht  von  Blanche-Bai  herstammen. 

S.  119  [37].  Zu:  c)  French'Insebi. 

S.  119  [37].  Zu  Kampfschmuck.  Hierher  gehört  wahrscheinlich  der  »Brust- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  44,  Nr.  870,  Taf.  XI,  Fig.  6)  aus  Bastgeflecht  mit  zwei  Ovula^ 
der  sicher  nicht  von  Blanche-Bai  herstammt.  Die  Anhängsel  dieses  Stückes  aus  Nuss- 
schale  und  Hundezähnen  (gleich  Taf.  6,  Fig.  16)  weisen  am  meisten  auf  Neu-Guinea  hin. 

S.  119  [37].  Zu  Ornamentirte  Cocosschale.  Von  dieser  zuweilen  durch  Godef- 
froy'sche  Werbeschiffe  berührten  Localität  stammen  vermuthlich  die  ohne  Localitäts- 
angabe  im  Kat.  M.  G.  (S.  76,  Nr.  1895  u.  1932,  Taf.  X,  Fig.  5  u.  7)  beschriebenen,  reich 
mit  eingravirtem  Muster  verzierten  »Dosen«  aus  Cocosnuss. 


[635]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  307 

S.  121  [39].  Zu:  e)  Hansabucht. 

S.  122  [40].  Zu  Muschelgeld.  Nach  gütiger  Untersuchung  von  Prof.  v.  Martens 
ist  die  Art  nicht  Nassa  callospira^  sondern  N.  caliosa  var.  camelus. 

S.  123  [41].  Zu:  2.  Neu-Irland. 

S.  126  [44].  Zu:  a)  Nordende. 

S.  126  [44].  Zu  Bekleidung.  Ein  Mädchen  im  Evacostüm  ist  richtig  bei  Herns- 
heim  abgebildet^  hier  auch  eine  Frau  mit  Kappe  aus  Pandanus-BXdXX  (»Südsee- Erinne- 
rungen«, S.  104). 

S.  126  [44J.  Zu  Lendenschurz  der  Weiber.  Das  Material  besteht  aus  ziemlich 
dicken,  wahrscheinlich  aus  Bananenfaser  gedrehten  Bindfaden  und  ist  schon  dadurch 
von  den  ähnlichen  Weiberröckchen  in  Neu-Guinea  aus  Faser  von  Sagopalmblatt  unter- 
schieden. Hierher  gehört  »Schurz  aus  gelber  und  rother  Pflanzenfaser«  (Kat.  M.  G.,  S.  28 
u.  440),  die  Festschmuck  für  junge  Mädchen  sind. 

S.  127  [45].  Zu  Schweinezähne.  Zirkelrunde  Eberhauer  als  kostbarer  Brust- 
schmuck scheinen  auch  in  Neu-Irland  vorzukommen.  Ein  angeblich  von  hier  stammen- 
des Exemplar  (s.  S.  [242])  sah  ich  bei  Capitän  Dallmann;  immerhin  ist  möglicherweise 
eine  Verwechslung  vorgekommen.  Im  British-Museum  Exemplare  von  den  Neu-Hebri- 
den  und  Salomons  (7  Stück).  Der  Kat.  M.  G.  (S.  115,  Nr.  2600)  verzeichnet  von  hier 
nur  einen  »Schädel  von  Porcus  babyrussa)  nach  Kleinschmidt  die  Art  und  Weise 
zeigend,  wie  die  Eckzähne  zum  Zwecke  der  Verwendung  von  Halsschmuck  künstlich 
deformirt  werden«.  Dass  es  sich  hierbei  lediglich  um  einen  Schweineschädel  handelt, 
erwähnte  ich  bereits  (S.  [66j),  wie  ich  auch  die  Art  des  abnormalen  Wachsthums  dieser 
Eberhauer  beschrieb  (s.  S.  [81],  Anm.  10),  wobei  künstliche  Deformation  gänzlich  aus- 
geschlossen ist.  Nach  Coote  ist  ein  Dorf  auf  Santa  Maria  (Banks-Gruppe)  berühmt 
wegen  seiner  Schweinezucht  behufs  Erzeugung  zirkelrunder  Eberh^uer,  die  von  hier 
aus  als  kostbarer  Tauschartikel  über  die  Inseln  der  Gruppe  und  Neu-Hebriden  Ver- 
breitung finden. 

S.  127  [45].  Zu  Muschelgeld  (»Kokonon«).  Hierher  gehören  »Halsschmuck« 
(Kat.  M.  G.,  S.  39,  Nr.  2047)  und  »Geld«  (S.  74,  Nr.  1287).  Die  Muschelscheibchen  der 
gewöhnlichen  und  zweiten  Sorte  bieten  nicht  immer  so  exacte  -Grössenunterschiede,  als 
wie  dieselben  auf  den  Abbildungen  (Taf.  III  [i],  Fig.  3  u.  4)  dargestellt  sind,  sondern 
lassen  sich  einzeln  kaum  unterscheiden.  Auch  von  der  werthvoUsten  Sorte  Kokonon, 
aus  röthlicher  Muschel,  kommen  zuweilen  so  kleine  Scheibchen  als  bei  den  zwei  an- 
deren vor.  Die  gewöhnlichste  Sorte  »Kokonon  luluai«  erhält  erst  durch  die  schwarzen 
Cocosperlen  ihren  specifischen  Charakter.  Kokonon  findet  sich  zuweilen  in  Arbeiten 
von  Neu-Britannien  verarbeitet,  stammt  aber  dann  im  Tausch  von  Neu-Irland  her.  Ich 
erhielt  übrigens  aus  Kaiser  Wilhelms-Land  (Finsch-Hafen)  sehr  feine  Muschelscheibchen 
oder  Perlen  (kleiner  als  S.  84  [222],  Taf.  XIV  [6J,  Fig.  4),  so  klein  als  neuirländische 
Kokonon  zweiter  Sorte,  die  von  letzteren  kaum,  in  einzelnen  Perlen  gar  nicht  zu  unter- 
scheiden sind. 

S.  129  [47].  Zu  Ohrschmuck.  Das  im  Kat.  M.  G.  (S.  36,  Nr.  1553)  mit  ?  als  von 
»Neu-Irland«  beschriebene  Stück  ist  zweifellos  aus  den  Salomons;  Arbeiter  von  Simbo 
und  Savo  sah  ich  häufig  solche  Stückchen  Bambu  im  Ohr  tragen  und  photographirte 


398  Dr.  O.  Finsch.  [636] 

einen  solchen  mit  diesem  Ohrschmuck.  Hierher  Kat.  M.  G.,  S.  88,  Nr.  2618  »Ohr- 
schmuck« von  Malayta. 

S.  129  [47].  Zu  Halsschnur,  Nr.  485,  Taf.  i,  Fig.  7.  Hierher  gehört  »Hals- 
schmuck« (Kat.  M.  G.,  S.  39,  Nr.  igiS)  mit  der  irrigen  Angabe  »Neu-Britannien«. 

S.  i3o  [48].  Zu  Häuser.  Eine  genaue  Abbildung  eines  Hauses  mit  gerader  Firste 
von  der  Insel  Nusa  gibt  Hernsheim  (»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  6),  die  unglücklicher- 
weise auch  in  Parkinson's  Buch  für  Neu-Britannien  eingefügt  wurde. 

S.  i3i  [49].  Zu  Holzschnitzereien.  Die  sogenannten  »Tempelverzierungen«, 
d.  h.  jene  phantasievollen  Schnitzwerke,  welche  zur  Ausschmückung  der  Versammlungs- 
häuser der  Männer  (Tabuhäuser)  dienen,  sind  zum  Theil  Ahnenfiguren,  wie  die 
»Kulap«  (S.  135  [53],  Taf.  5,  Fig.  1 — 3).  SchuUe,  der  Neu-Irland  besser  als  irgend 
Jemand  kannte,  erzählte  mir,  dass  sich  die  Männer  gewöhnlich  scherzend  von  diesen 
Figuren  trennten,  während  die  Weiber  häufig  beim  Wegtragen  der  Figuren  laraentirten. 
Der  Kat.  M.  G.  verzeichnet  (S.  62 — 65)  eine  Menge  hierher  gehörigen  Schnitzarbeiten, 
zum  Theil  mit  der  irrigen  Angabe  »Neu-Britannien«  und  als  ^ Bootverzierungen«,  ebenso 
»Schnitzereien«  (S.  438  und  439),  einige  Stücke  von  Neu-Hannover  herstammend. 
»Schnitzwerk,  beim  Tanze  in  der  Hand  getragen«  (S.  27,  Nr.  32o3),  ist  ebenfalls  aus 
einem  Tabuhause,  der  Zapfen  dient  zum  Einsetzen.  Einige  interessante  Stücke  sind  ab- 
gebildet (Taf.  V,  Fig.  3,  »Katze  darstellend«,  aber  wohl  richtiger  Cuscus;  Taf.  VIII,  Fig.  3 
nicht  »Neu-Britannien«;  Taf.  IX,  Fig.  i,*)  2  und  3;  Taf.  XII,  Fig.  8  und  Taf.  XXXI, 
Fig.  i).  Eine  sehr  hübsche  Schnitzerei  (ähnlich  Taf.  4,  Fig.  i)  ist  im  »Führer  durch  das 
Museum  Godeffroy«  (S.  48)  dargestellt,  wird  aber  nicht  »während  der  gelegentlich  reli- 
giösen Ceremonien  ausgeführten  Processionen  in  den  Händen  getragen«.  Ein  sehr  inter- 
essantes Stück,  das  zu  kühnen  Deutungen  Veranlassung  gab,  bildet  Hernsheim  farbig  ab 
(»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  i3,  »Götze«).  Auch  die  oben  citirte  Schnitzerei  (Kat. 
M.  G.,  Taf.  IX,  Fig.  i),  den  geöffneten  Rachen  eines  Thieres  (wohl  Fisch),  aus  dem  eine 
menschliche  Figur  hervorragt,  darstellend,  hat  allerlei  Deutung  unter  Hinweis  auf  den 
»Walfisch-Jonas«  der  Bibel  veranlasst.  Dabei  mag  an  ähnliche  Motive  von  Schnitze- 
reien erinnert  werden,  die  Coote  (S.  i36)  von  den  Salomons  beschreibt.  In  dem  Dorfe 
Wango  auf  S.  Christoval  sah  dieser  Reisende:  »die  Ruinen  eines  Canuhauses,  das  einst 
ein  prächtiges  Gebäude  gewesen  sein  musste.  Die  Pfeiler,  welche  noch  standen,  waren 
Schnitzwerke,  welche  Haifische  darstellten,  die  Menschen  verschlangen.  Jede  dieser 
Schnitzereien  zeigte  eine  verschiedene  Auffassung;  bei  der  einen  wurde  der  Mann  mit 
dem  Kopfe  voran  verschlungen,  bei  einer  anderen  an  den  Beinen  gefasst,  bei  der  dritten 
in  sitzender  Stellung  u.'s.  w.«,  in  der  That  Kunstarbeiten  sogenannter  »Wilden«,  die 
einem  Museum  zur  Zierde  gereicht  haben  würden,  jetzt  aber  kaum  mehr  zu  haben  sein 
dürften. 

S.  134  [52].  Zu  Giebelverzierungen.  Hierher  gehören  »Bootverzierungen«  Kat. 
M.  G.  (S.  65,  Nr.  1517 — 1518),  eine  sehr  geschmackvolle  »Relief-Schnitzerei«  (Herns- 
heim: »Südsee-Erinnerungen«,  PI.  i3,  farbig),  und  eine  bei  Weitem  schönere  und 
schwungvollere  (Intern.  Archiv  für  EthnoL,  1888,  S.  195,  Abbild.)  wohl  mit  das  Vollen- 
detste dieser  Art. 

S.  i36  [54].  Zu  Steinäxte.  Ich  erhielt  keine  mehr,  sondern  nur  solche,  die  statt 
der  Steinklinge  mit  einem  Stück  Flacheisen  (Bandeisen)  montirt  waren.   Nach  Wilkes 


I  »)  Auch  Herr  Schmeltz   ist  jetzt  eher  geneigt,   diese  Figur  nicht  langer  als  »Bootverzierung« 

anzusehen  (Intern.  Archiv  für  Ethnol.,  1888»  S.  63),  was  sich  schon  deshalb   empfiehlt,  weil  Schmuck 
der  Canus  in  Ncu-Irland  wie  Neu-Britannien  kaum  in  Betracht  kommt  oder  eigentlich  fehlt 


[637]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  399 

hatten  solche  Aexte  schon  1841  auf  Fidschi  die  eingeborenen  fast  ganz  verdrängt  (III, 
S.  347). 

S.  i38  [56].  Zu  Speerwerfen.  Die  Hantirung  des  Wurfspeeres  wurde  in  ähn- 
licher Weise  auch  auf  den  Gesellschafts-Inseln  betrieben,  wie  Lord  Pembroke  noch 
1870  beobachtete.  Aber  die  geworfene  Distanz  betrug  »nur  10 — 15  Yards«,  und  die 
Speere  dienten  nicht  im  Kriege,  sondern  zum  Fisch harpuniren  (»South  Sea  Bubbles«,') 
S.  95:  Huaheine). 

S.  i38  [56].  Zu  runde  Kampf knüttel.  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  IV,  Fig.  6. 

S.  i38  [56].  Zu  Keule,  Nr.  769.  Hierher  gehört  Kat.  M.  G.,  Taf.  IV,  Fig.  4. 

S.  139  [57].  Zu  Fischhaken.  Serrurier  beschreibt  einen  solchen  ganz  aus  Schild- 
patt geschnitzt  (»Ethnol.  feiten«  etc.,  S.  16). 

S.  139  [57].  Zu  Canus.  Eine  brauchbare  Abbildung  gibt  Hernsheim  (»Südsee- 
Erinnerungen«,  S.  106);  aus  derselben  ist  ersichtlich,  dass  keinerlei  Verzierung  in 
Schnitzereien  o.  dgl.  angebracht  werden.  Die  im  Kat.  M.  G.  als  »Bootverzierungen« 
aufgeführten  Schnitzwerke  sind  daher,  wie  bemerkt,  keine  solchen. 

S.  140  [58].  Zu  Reib-Musikinstrument(»Kulepaganeg«).  Merkwürdigerweise 
fehlt  dieses  sonderbare  Reibinstrument  im  Kat.  M.  G.,  aber  der  »Führer  durch  das 
Museum  Godeffroy«  (Hamburg,  L.  Fried erichsen  &  Co.,  1882)  verzeichnet  ein  solches 
»Musikinstrument«  (S.  45)  mit  guter  Abbildung.  Dieselbe  zeigt  an  den  Seiten  ein 
hübsch  eingravirtes  Muster,  ein  anderes  Exemplar  im  Leidener  Museum  auf  dem  ersten 
Fortsatze  eingravirte  Linien,  die  anscheinend  ein  Auge  darstellen  und  deshalb  dem  von 
der  verkehrten  Seite  dargestellten  Instrument  das  Aussehen  eines  Thieres  geben.  Ser- 
rurier, wie  häufig  leicht  zu  Hypothesen  geneigt,  will  eine  »Schildkröte«  erkennen  und 
die  Erfindung  davon  ableiten,  dass  man  zufällig  über  das  Bauchschild  einer  Schildkröte 
strich,  eine  Erklärung,  die  jedenfalls  sehr  frei  ist  und  jedes  sicheren  Grundes  entbehrt 
(vgl.  »Ethnologische  feiten«  etc.,  S..  19,  mit  Holzschnitt).  Die  Grösse  dieser  Instru- 
mente ist  sehr  verschieden,  das  kleinste,  welches  ich  erhielt,  war  nur  16  Cm.  lang. 

S.  140  [58].  Zu  Tanzgeräth.  Hierher  gehören  Kat.  M.  G.,  S.  72  (Nr.  1520  und 
2061  »Bucerosköpfe«;  Nr.  1509,  Taf.  II,  Fig.  2  »Tanzschmuck,  Neu-Hannover«; 
Nr.  1714,  Taf.  V,  Fig.  4,  desgleichen,  irrthümlich  »Neu-Britannien«)  und  S.  73  (Nr.  1505, 
Taf.  VIII,  Fig.  6,  irrthümlich  »Neu-Britannien«). 

S.  141  [59].  Zu  Tanzmasken.  Dass,  wie  erwähnt,  nicht  zwei  dieser  phantasti- 
schen Machwerke  gleich  sind,  lehrt  ein  Vergleich  des  reichen  Materials  im  Museum 
Godeffroy,  welches  etliche  40  Stück  (darunter  6  von  Neu-Hannover)  besass.  (Vgl. 
S.  20 — 25,  435  und  487;  Taf.  II,  Fig.  i  und  la;  Taf.  V,  Fig.  i;  Taf.  XXXIII,  Fig.  i — 3 
und  Taf.  XXXIV,  Fig.  i.)  Sehr  interessant  ist  die  phantastische  »Kopfbedeckung«  (S.  32, 
Nr.  2074,  Taf.  V,  Fig.  2).  die  jedenfalls  auch  bei  Maskeraden  verwendet  wird.  »Tanz- 
schmuck« (S.  70,  Nr.  1899  und  S.  71,  Nr.  2836)  sind  Ohren  zu  Masken,  ersteres  Stück 
aber  nicht  aus  »Neu-Britannien«,  sondern  wie  alle  hierher  gehörigen  Arbeiten  von  Neu- 
Irland  (beziehungsweise  Neu-Hannover).  Gute  farbige  Abbildungen  von  Tanzmasken 
von  Neu-Irland  geben  Hernsheim  (»Südsee-Erinnerungen«,  Taf.  i3)  und  Serrurier 
(»Ethnol.  feiten«  etc.).  Die  Annahme  des  Letzteren,  dass  diese  Masken  wegen  unzu- 
reichender Weite  nicht  aufgesetzt  werden  können,  sondern  oberhalb  des  Kopfes  getragen 
werden  müssen,  ist,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  weiss,  unrichtig  (vgl.  auch  »Nach- 
richten aus  Kaiser  Wilhelms-Land«,  Heft  II,  1890,  gute  Photographien  Eingeborener 


i)  »South  Sea  Bubblcs.    By  the  Earl  and  the  Doctor.«  Tauchnitz*  edition,  vol.  1426,  1874.  Der 
Verfasser  dieses  interessanten  Büchleins,  das  viele  bemerkenswerthe  Notizen  enthält,  ist  Lord  Pembroke. 


400  Dr.  O.  Finsch.  [638] 

mit  Masken).  Einen  sehr  abweichenden  Typus  bilden  die  Masken  von  den  Neu-Hebri- 
den  (Kat.  M.  G.,  Taf.  XXII,  Fig.  4). 

S.  143  [61].  Zu  Lreichenverbrennung.  DieseBestattungsweiseist  nicht  auf  Neu- 
Irland  beschränkt,  sondern  wird  auch  auf  den  Salomons  (Inseln  der  Bougainville-Strasse) 
bei  Leichen  von  Häuptlingen  und  deren  Anverwandten  angewendet,  worüber  Guppy 
berichtet  (»Salomon-Islands«,  S.  51),  sowie  auf  den  Hermites  (Kat.  M.  G.,  S.  458). 

S.  143  [61].  Zu  Spiele.  Das  Abheben  (Cat's  cradle)  erwähnt  Coote  von  Nitendi 
(St.  Cruz-Gruppe)  und  Gill  auch  unter  den  Belustigungen  auf  Mangaia,  Hervey-Gruppe; 
hier  auch  Tauspringen  und  Stelzenlaufen  (»Life  in  Southern  Isles«,  S.  65). 

S.  143  [61].  Zu:  b)  Südwestküste. 

S.  143  [61].  Zu  Muschelgeld,  Taf.  i,  Fig.  6.  Hierher  gehört  das  Kat.  M.  G. 
(S.  74,  Nr.  1462,  »lilac)  Geld,  mit  der  irrthümlichen.  Angabe  »Neu-Britannienc.  Eine 
andere  Art  Geld  sind  Cuscus-zähtiQ  (von  Phalangista  orientalis,  S.  [11],  Taf.  i,  Fig.  16), 
die  von  dieser  Küste  als  beliebter  Tauschartikel  nach  der  Herzog  York-Gruppe  bis 
Blanche-Bai  verhandelt  werden.  »Ohrschmuck«  (Kat.  M.  G.,  S.  37,  Nr.  1469)  ist  ein 
Bündel  dieser  Zähne,  wie  sie  in  den  Handel  kommen. 

S.  144  [62].  ZuKalkfiguren^^Nr.  647,  Taf.  5,  Fig.  4.  Abbildungen  solcher  Kalk- 
figuren im  Kat.  M.  G.  (S.  487,  Taf.  XXXIV,  Fig.  2  und  3)  und  ganz  ähnliche  aus  Holz: 
»Götzen«  (S.  16,  Nr.  1653,  Taf.  VIII,  Fig.  2;  Nr.  1920  und  1921,  Taf.  VIII,  Fig.  i)  von 
derselben  Localität  an  der  Süd  Westküste  als  Imitation  der  Figuren  aus  Kalk.  Meine 
Annahme,  dass  diese  Figuren  nur  »Ahnenbilder«  sind,  wird  von  Weissen  bestätigt.  Die 
grösste  dieser  Kalkfiguren,  welche  ich  erhielt,  hatte  eine  Höhe  von  1-12  M. 

S.  145  [63].  Zu:  3.  Admiralitäts-Inseln. 

S.  145  [63].  Zu  Beklei4ung.  Aeusserst  elegante  Schürzen  aus  kunstvollem  Flecht- 
werk werden  von  jungen  Mädchen  getragen  (s.  die  schöne  Photographie  in  Heft  I,  1890, 
der  »Nachrichten  aus  Kaiser  Wilhelms-Land«). 

S.  145  [63].  Zu  Waffen  von  Obsidian.  Bisher  sind  mir  solche  nur  von  den 
Admiralitäts-Inseln  bekannt  geworden.  Das  Material  wurde  früher  auch  auf  der  Oster- 
insel  zu  Speerspitzen  verwandt,  von  denen  Thomson  (Taf.  LVI  und  LVII)  eine  ganze 
Reihe  abbildet,  die  in  der  Form  wesentlich  von  denen  der  Admiralitäts-Inseln  abweichen 
und  sich  besonders  durch  die  stielartig  verschmälerte  Basis  auszeichnen. 

S.  146  [64].  Zu  Schmuck.  Sehr  hübsche  Kämme  erhielt  ich  von  S.  Georg  (Low- 
Island),  ähnlich  solchen  aus  den  Salomons  (z.  B.  Kat.  M.  G.,  Taf.  XVI,  Fig.  i),  darunter 
einen  aus  Holz  geschnitzten,  der  dadurch  sehr  eigenthümlich  abweicht,  dass  beide  Enden 
in  Zinken  ausgeschnitzt  sind.  Von  dieser  Localität  auch  sehr  eigenthümliche  Gürtel;  sie 
bestehen  aus  zahlreichen  (12 — 16)  schmalen  Streifen,  anscheinend  aus  gespaltenem  Rot- 
tan,  die  durch  mehrere  (6 — 8)  Querstreifen  verbunden  sind;  das  Ganze  schwarz  gefärbt. 

S.  147  [65].  Zu: 

4.  Salomons-Inseln,  richtigfer  Salomo-I. 

S.  148  [66].  Zu  Stimschmuck,  Nr.  420.  Hierher  gehören  9 Brustschmuck«  Kat. 
M.  G.  (S.  42,  Nr.  1534 — 2834,  Taf.  X,  Fig.  4)  angeblich  von  »Neu-Irland,  Neu-Britan- 
nien  und  Neu-Hannover«  (S.  43,  Nr.  3 186),  die  aber  sämmtlich  von  den  Salomons  her- 


[539]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sfldsee.  40 1 

Stammen  (wie  »Stirnschmuck«,  S.  88,  Nr.  2886,  Nr.  XVI,  Fig.  4  von  Guadalcanar). 
Sonderbarer  Weise  erwähnt  Guppy  dieses  charakteristischen  Schmuckes  nicht,  aber 
Coote  gedenkt  desselben  von  Malayta  und  bildet  ein  wundervolles  Stück  ab  (S.  i32). 
Ich  erhielt  Exemplare  von  Sir  Hardy-Insel  und  Bougainville.  Ganz  ähnlicher  Schmuck 
wird  auf  den  Admiralitäts-Inseln  gefertigt,  hier  ist  aber  die  Tridacna-Schtibe  nicht  mit 
aufgelegter  Schildpattarbeit  verziert,  sondern  mit  eingravirten  sehr  hübschen  Mustern, 
die  durch  Einreiben  mit  Schwarz  schön  hervortreten. 

S.  148  [66].  Zu  Schmuck.  Coote  bildet  ein  paar  sehr  schöne  Stücke  ab:  Ohr- 
schmuck, bestehend  aus  einem  Knopfe  aus  schwarzem  Holz  mit  eingelegter  Perlmutter- 
arbeit (wie  Kat.  M.  G.,  Taf.  XVII,  Fig.  5),  an  welchen  eine  Bommel  aus  Schnüren  auf- 
gereihter Muschelscheibchen  befestigt  ist,  die  je  in  einen  Menschenzahn  enden,  von 
Florida  (S.  149)  und  einen  sehr  schönen  Gürtel  von  Malayta  (S.  129);  derselbe  besteht 
in  einem  ziemlich  breiten  Gurt  aus  »native  bead-work«  (womit  Muschelscheibchen  ge- 
meint sind),  an  dessen  unterem  Rande  Schnüre  von  Muschelscheibchen,  je  in  einen 
Menschenzahn  endend,  gleichsam  als  Franse  befestigt  sind. 

S.  149  [67].  Zu  Waffen.  Geflochtene  Schilde  mit  ausgezeichneter  Mosaikarbeit 
in  eingelegten  Muscheln  im  British-Museum. 

S.  149  [67].  Zu  Bogen  und  Pfeil.  Diese  Waffen  kommen  nach  Wilkes  auch  auf 
Fidschi  vor,  die  Bogen  werden  aus  »old  pendant  root  of  Mangrove«  verfertigt. 


(Zu:  »Annalen«,  Bd.  III,  Heft  4,  1888,  S.  293  [79] — 364  [150].) 
S.  293  [79].  Zu: 

Zweite  Abtheilung:  Neu-Guinea. 

I.  Englisch-Neu-Guinea. 

a)  Südostküste. 

S.  3o2  [88].  Zu  Geld:  Hundezähne.  Ueber  den  Werth  derselben  auf  den  Salo- 
mons  gibt  Coote  einige  interessante  Vergleichungen  von  Isabel.  Ein  Hundeeckzahn  ist 
=  loo  Cocosnüssen,  =  50  Delphinzähnen,  =  einer  Schnur  rother  Muschelscheibchen, 
=  10  Schnüren  weisser  Muschelscheibchen  oder  =  10  Stück  Stangentabak,  also  je  nach 
der  Localität  40  Pf.  bis  M.  3. 20.  Für  100  Hundezähne  kann  man  eine  Frau  oder  einen 
Burschen  kaufen. 

S.  3o2  [88].  Zu  Federn.  Dieselben  bilden  auch  einen  Tauschartikel  im  Sinne  von 
Geld  bei  uns,  der  namentlich  von  den  Bergstämmen  an  die  Küstenbewohner  verhandelt 
wird.  Auch  in  anderen  Gebieten  der  Südsee,  sowohl  Polynesiens  als  Melanesiens, 
waren  Federn  hochgeschätzt  und  Geld.  Ein  solches  Federgeld  sah  Coote  auf  der  Insel 
Nufiluli,  St.  Cruz- Gruppe  (S.  96).  Dasselbe  bestand  aus  circa  2  Zoll  breiten  Streifen  von 
Bastzeug,  die  dicht  mit  rothen  Federn  benäht  waren.  Solche  Streifen,  die  übrigens  als 
Leibschmuck  dienten,  wurden  in  Form  grosser  Knäuel  aufbewahrt.  Hierbei  will  ich 
einer  anderen  höchst  merkwürdigen  und  aberranten  Art  Geld  gedenken,  das  derselbe 
Reisende  auf  Maewo  (Aurora-Insel),  Neu-Hebriden,  sah  und  beschreibt.  Es  besteht  aus 
Matten,  die  in  einer  besonderen  Hütte  continuirlich  im  Rauche  hängen,  so  dass  der 
Russ  in  Stalaktitenform  herabhängt.  Mit  Recht  fügt  der  weitgereiste  Autor  hinzu:  »von 
allen  Formen  Geld,  welche  ich  bisher  sah,  ist  dieses  jedenfalls  das  absonderlichste,  weil 


^.02  C>r.  O.  Finsch.  [640] 

es  nicht  mitgeführt  und  selbst  beim  Wechsel  der  Besitzer  nicht  weggenommen  werden 
kann.  (»The  Western-Pacific,  S.  65,  mit  Abbildung  eines  »money  house«,  in  welchem 
Matten  räuchern.) 

S.  3o2  [88].  Zu  Muschelgeld  (»Tautau«),  Taf.  6,  Fig.  6  u.  7.  »Ist  keine  Cassi- 
dula  oder  Cypraea,  sondern  ,Nassa  callospira^  A.  Ad.  Sehr  nahe  mit  A^  callosa  A.  Ad. 
verwandt  und  vielleicht  nur  eine  Varietät  derselben.  Cassidula  ist  sicher  nicht  darunter.« 
(Prof.  V.  Martens  in  lit.) 

S.  3o6  [92].  Zu  Turbanartige  Kopfbedeckung  der  Koiäri.  In  ganz  ähnlicher 
Weise  wird  auf  Fidschi  Tapa  in  Form  eines  sehr  grossen  Turbans  um  den  Kopf  ge- 
tragen (vgl.  Wiikes,  vol.  III). 

S.  3ii  [97].  Zu  Mairi,  Halsschmuck,  Nr.  514^.  Die  Muschelschalen  sind:  »echte 
Perlmuscheln,  Avicula  margaritifera^  (v.  Martens  in  lit.). 

S.  3 12  [98].  Zu  Schmuck  aus  Perlschale  (»Mairi«).  Ganz  gleiche,  grosse,  halb- 
mondförmige Perlmutterschalen  sind  auch  auf  den  Salomons  werthvoller  Brustschmuck 
(vgl.  Guppy,  S.  i3i  und  Taf.  zu  S.  102,  Fig.  2,  »men  from  Ugi«).  Grosse  Perlschalen 
mit  kunstvoll  eingelegter  Arbeit  in  Schildpatt  und  Spermwalzahn  von  Fidschi  gehören 
zu  den  bewundernswerthesten  Arbeiten  des  Kunstfleisses  der  Südsee  (vgl.  Wiikes,  III, 
S.  57  und  Kat.  M.  G.,  S.  151,  Taf.  XXIII,  Fig.  i),  ganz  besonders  aber  jene  herrlichen 
Schmuckstücke  aus  Perlschale  mit  aufgelegter  durchbrochener  Schnitzerei  in  Schild- 
patt, wie  ich  sie  im  British  Museum  von  Markesas  bewunderte. 

S.  314  [100].  Zu  Conus-Armbänder  (»Toia«).  Kommen  auch  auf  Neu-Cale- 
donien  vor  und  nach  Serrurier  auch  auf  Ceram  und  (sehr  schmal)  auf  Borneo. 

S.  323  [109].  Zu  Stampfer  aus  Stein  (»Muninga«).  Solche  mit  Querrillen  wer- 
den zum  Schlagen  bei  der  Tapabereitung  (S.  87)  benutzt.  Ich  erhielt  einen  solchen 
Schlägel^  aus  einem  circa  18  Cm.  langen  Rollstein,  der  mit  schwachen  Längs-  und 
Querrillen  versehen  war.    Gut  abgebildet:  Intern.  Archiv  für  Ethnol.,  1888. 

S.  324  [iio].  Zu  Töpferei.  Interessant  ist  es,  dass,  nach  Wiikes,  die  hochent- 
wickelte Töpferei  auf  Fidschi  ganz  in  derselben  Technik  betrieben  wird  wie  Seitens 
der  Motufrauen.  Als  Gerathschaften  dienen,  wie  bei  diesen,  ein  Schlägel  und  Stein 
(Wiikes,  III,  S.  348,  Abbild.),  aber  es  ist  wohl  nur  ein  Versehen  der  Beobachtung,  wenn 
Wiikes  meint,  die  Töpfe  würden  nicht  aus  einem  Stück  Lehm  getrieben,  sondern  aus 
mehreren  zusammengesetzt;  auch  dienen  die  Töpfe  mit  engem  Halse  gewiss  nicht  zum 
Kochen,  sondern  als  Wasserbehälter.  Beim  Wasserholen  tragen  die  Fidschifrauen  die 
Töpfe  nicht  auf  dem  Kopfe  oder  in  einem  Netzbeutel  auf  dem  Rücken,  sondern  auf  einer 
Art  Hucke  auf  dem  Rücken,  die  sehr  eigenthümlich  ist  (Wiikes,  III,  S.  224,  Abbild.).  Er- 
wähnt mag  noch  sein,  dass  Menschenfleisch  in  Töpfen  gekocht  wurde,  die  Wiikes  abbildet. 

S.  327  [ii3].  Zu  Tabakpfeife  (»Baubau«).  Dass  die  sonderbaren  »Blasrohre« 
von  der  Westküste  Neu-Guineas,  aus  denen  Rauch  und  Asche,  sogar  »Kugeln  aus 
Leim  (!),  Sand  und  Asche«  geschossen  werden,  nichts  Anderes  sind  als  dieses  unschul- 
dige Rauchgeräth,  haben  Joest's  kritische  Untersuchungen  endlich  evident  nachgewiesen 
(s.  dessen  hochinteressante  Abhandlung:  »Waffe,  Signalrohr  oder  Tabakpfeife«  in: 
»Intern.  Archiv  für  Ethnol.«,  i888,  S.  176,  mit  Abbild.  S.  181  und  182).  Der  Baubau 
scheint  auch  in  Kaiser  Wilhelms-Land  vorzukommen  (s.  weiter  hinten). 

S.  33i  [117].  Zu  Vergiften  der  Pfeile.  Eckhardt  theilt  in  seiner  Compilation 
die  Bereitung  des  Pfeilgiftes  auf  den  Neu-Hebriden  (»aus  dem  Safte  einer  Schling- 
pflanze, Derris  uliginosa,  und  acht  Tage  alten  Leichen«)  mit.  »Der  Archipel  der  Neu- 
Hebriden«  in:  »Verhandl.  des  Vereins  für  naturwiss.  Unterhaltung  in  Hamburg«,  1877, 
Bd.  IV,  1878,  S.  18).   Dennoch  bedürfen,  nach  den  von  mir  angestellten  Versuchen, 


[541]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^oS 

diese  Angaben  dringend  der  Bestätigung.  Wenn  ich  erwähnte ,  dass  Commodore 
Goodenough  infolge  eines  Pfeilschusses  an  Tetanus  starb,  so  kann  zur  weiteren  Be- 
stätigung dienen,  dass  Lieutenant  Hawker  bei  derselben  Affaire  einen  Pfeil  durch  den 
Arm  erhielt,  ohne  dass  sich  auch  nur.  Spuren  von  Vergiftung  bemerkbar  machten. 
Schmeltz  bemerkt  (»Intern.  Archiv  f.  Ethnol.c,  1888,  S.  65)  von  den  Salomons,  »die 
Anwendung  vergifteter  Pfeile  geschieht  nach  Guppy  nur  auf  der  Insel  Savo«.  Aber 
dieser  gewissenhafte  Forscher  sagt  (S.  73)  wörtlich:  »Vergiftete  Speere  und  Pfeile 
werden  selten  von  den  Eingeborenen  der  Salomons  gebraucht.  Wir  beobachteten  keine 
auf  den  von  uns  besuchten  Inseln.  Es  wird  jedoch  gesagt,  dass  die  Eingeborenen  von 
Savo  ihre  Speere  und  Pfeile  vergiften  sollen,  indem  sie  dieselben  in  einem  verwesenden 
Leichnam  einige  Tage  stecken  lassen.«  Also  das  weitverbreitete  alte  Märchen,  aber 
keineswegs  positive  Bestätigung,  die  deshalb  noch  abzuwarten  bleibt.  Die  genaue  Kennt- 
niss  von  Leichengift  seitens  der  Eingeborenen  darf  überhaupt  bezweifelt  werden  und 
reimt  sich  schlecht  mit  den  Beobachtungen  Wilkes'  zusammen,  der  auf  Fidschi  bereits 
stark  verwestes,  fast  grünes  Menschenfleisch  sah,  das  dennoch  als  Delicatesse  von  den 
Eingeborenen  verzehrt  wurde. 

S.  33i  [117]*  Zu  Bogenmanchette  (»Aukorro«).  Diese  Art  Schutz  wird  keines- 
wegs von  allen  Bogenschützen  benutzt.  Sehr  originell  sind  Spiralen  aus  einer  Art  Liane 
in  10 — 15  Windungen,  die  demselben  Zwecke  dienen;  ich  erhielt  solche  von  Sir  Hardy- 
Insel  und  Buka;  von  Bougainville  im  Museum  Godeffroy  (S.  93,  Nr.  2822:  »Arm- 
schmuck«). 

S.  332  [118].  Zu  Steinwaffen  mit  durchbrochenem  Steinknauf.  Ein  pracht- 
volles Stück,  in  def  Form  eines  vierarmigen  Morgensternes,  stimmt  ganz  mit  der  Ab- 
bildung (Taf.  12,  Fig.  7)  überein,  ist  aber  viel  grösser;  Länge  26  Cm.,  die  der  kürzeren 
Querarme  i3  Cm.  (vgl.  Finsch:  »Verzeichniss  einer  Sammlung  Gypsabgüsse«,  S.  8, 
Fig.  2049;  hier  noch  zwei  andere  Gypsabgüsse  hervorragend  schöner  Steinknäufe  von 
der  Südostküste  Neu-Guineas).  Das  schönste  Stück  sah  ich  in  der  Colonial  Exhibition 
in  London;  es  bestand  aus  einem  kolossal  grossen  Morgenstern  mit  vier  gleich  langen, 
vierkantig  zugeschliffenen,  sehr  spitzen  Armen,  an  deren  Basis  je  noch  zwei  kleine 
Spitzen  als  Ornament  ausgearbeitet  waren,  die  kunstvollste  Steinarbeit  aus  Neu-Guinea, 
welche  mir  vorkam.  Die  bei  Powell  (S.  161)  abgebildeten  Steinkeulen,  angeblich  aus 
»Neu-Britannien«,  sind  von  dieser  Küste  Neu-Guineas  und  wahrscheinlich  aus  Versehen 
des  Zeichners  an  Axtstielen  aus  Neu-Britannien  (wie  Taf.  4,  Fig.  10)  befestigt.  Es  inter- 
essirte  mich  ganz  besonders,  im  Trocadero-Museum  in  Paris  altperuanische  Keulen  zu 
sehen  mit  sternförmigem  Knauf,  sowohl  aus  Stein  als  aus  Bronze,  und  solche  mit  Stein 
aus  Ecuador,  die  in  der  Form  ausserordendich  Steinkeulen  von  Neu-Guinea  ähneln 
(z.  B.  Taf.  12,  Fig.  7).  Dies  zeigt,  dass  Stein-  und  Bronzezeit  nirgends  so  streng  be- 
grenzte Perioden  bildete,  als  gewöhnlich  angenommen  wird. 

S.  333  [119].  Zu  Schild,  Nr.  834,  Taf.  16,  Fig.  6.  Ein  derartig  übersponnener 
Schild  von  Hula,  den  ich  in  der  Colonialausstellung  in  London  sah,  war  ausserdem  mit 
Malerei  verziert. 

S.  334  [120J.  Zu  Dugongfang.  Ich  erwähnte  bereits,  dass  die  strengen  »Helega«- 
oder  Taburegeln  schon  mit  der  Anfertigung  des  Dugongnetzes  (»Varo«)  ihren  Anfang 
nehmen.  Der  Anführer,  welcher  den  Dugongfang  leitet,  ist  gewöhnlich  auch  der  Ver- 
fertiger des  Netzes,  wie  es  z.  ß.  Vaburi  (=^  Dunkelheit),  ein  ältlicher  Motu  von  Anuapata, 
war,  dem  ich  diese  Mittheilungen  verdanke.  Das  Stricken  des  Netzes  aus  Hibiscus- 
Faser  geschieht  in  einem  besonderen  Hause,  welches  nicht  vor  Beendigung  der  Arbeit 
vom  Meister  verlassen  werden  darf.    Derselbe  zeichnet  sich  äusserlich  durch  kurz- 


404  ^^'  ^-  F««ch.  [642] 

geschorenes  Kopfhaar  aus  und  durch  den  schwarzen  Anstrich  seines  Körpers  mit  dem 
Russe  eines  Harzes  (»Tomäna«,  S.  [i23]),  mit  welchem  auch  die  Matte  eingerieben  ist, 
auf  welcher  er  schläft.  Da  kein  Verkehr  mit  Frauen,')  auch  nicht  mit  seiner  eigenen 
stattfinden  darf,  so  wird  dem  Netzstricker  das  Essen  von  Männern  gebracht,  die  auch 
die  Reste  wieder  wegtragen.  Hauptsache  dabei  ist,  dass  der  tabuirte  Mann  keine  Speisen 
mit  den  Fingern  anfasst,  sondern  nur  mit  Löffel  oder  Gabel  (S.  [109])  zum  Munde  führt. 
Auch  soll  derselbe  so  wenig  als  möglich  essen,  ist  dagegen  unbeschränkt  im  Genuss  von 
Betel  und  Tabak.  Laut  zu  sprechen  ist  dem  Netzstrickmeister  ebenfalls  streng  verboten, 
Pönitenzen,  von  denen  seine  Gehilfen  Qbrigens  vollständig  befreit  sind.  Ist  das  Netz 
endlich  fertig,  was  mehrere  Wochen  Zeit  erfordert,  und  die  Männer  bereit,  auf  den 
Dugongfang  in  See  zu  gehen,  so  wird  über  alle  Dorfbewohner  ein  strenges  Verbot 
(»Helegac)  verhängt.  Aller  Lärm  ist  streng  verboten,  selbst  Frauen  und  Kinder  dürfen 
nicht  laut  sprechen  und  müssen  sich  ausserhalb  des  Dorfes  im  Walde  oder  in  den  Plan- 
tagen aufhalten.  Erst  Abends  kehren  sie  zum  Schlafen  in  die  Häuser  heim,  müssen 
sich  aber,  so  lange  die  Dugongfänger  nicht  zurück  sind,  tagsüber  wieder  zurückziehen. 
Noch  strenger  sind  die  Taburegeln  für  die  Jäger  selbst,  vor  Allem  ihren  Anführer,  der 
weder  baden,  schlafen  und,  was  eine  besonders  harte  Aufgabe  für  einen  redseligen 
Motu  ist,  auch  nicht  sprechen  darf.  Er  gibt  seine  Befehle  durch  Zeichen  und  deutet 
z.  B.  durch  Klopfen  auf  den  Bauch  an,  wenn  er  zu  essen  wünscht.  Ausserdem  gibt  es 
noch  andere,  mit  Aberglauben  zusammenhängende  Regeln,  die  streng  beachtet  w^erden 
müssen.  So  darf  z.  B.  das  Canu,  auf  welchem  sich  die  Fänger  befinden,  mit  keinem 
anderen  in  Berührung  kommen,  und  sollte  gar  ein  anderes  Fahrzeug  den  Bug  des  Fang- 
eanus kreuzen,  so  würde  dies  jede  Hoffnung  auf  Erfolg  sofort  vereiteln.  Es  gibt  also 
eine  Menge  Ausreden,  um  die  missglückte  Jagd  auf  Verletzungen  des  Tabu  seitens  der 
Jäger  oder  gar  im  heimischen  Dorfe  zurückzuführen.  Ist  aber  ein  Dugong  oder  als  Er- 
satz desselben  auch  nur  eine  Schildkröte  gefangen,  so  hört  mit  einem  Schlage  der  Tabu* 
bann  auf.  Der  Anführer  tanzt  vor  Freuden  und  stimmt  den  Gesang  zum  Lobe  des 
>Balau«  oder  des  guten  Geistes  des  »Ruic  (Dugong)  an,  den  die  Motu  ja  für  einen  ver- 
zauberten Menschen  halten.  Die  hübsche  Legende  wird  von  Chalmers  wie  der  ganze 
Dugongfang  der  Motu  unerwähnt  gelassen.  Auf  die  interessante  Thatsache,  dass  kaum 
200  Seemeilen  westlich  von  Port  Moresby  der  Dugongfang  in  ganz  anderer  Weise,  und 
zwar  mittelst  Harpunen  betrieben  wird,  habe  ich  schon  hingewiesen  (s.  S.  [82])  und 
eine  Beschreibung  dieser  Art  Jagd  gegeben  (»Hamburger  Nachrichten«,  Nr.  289,  vom 
8.  October  1882).  Ausführlich  darüber  berichten  Gill:  >Life  in  the  Southern  Isles« 
(1876),  pag.  298  (mit  Abbildung  von  Thier  und  Harpune),  pag.  197  (Abbildung  »Du- 
gong fishing«)  und  pag.  323  (Abbildung  »Dugong  giving  god«),  sowie  Haddon  (»Journ. 
of  the  Anthrop.  Instit.«,  1890,  pag.  350,  PI.  VIII,  Fig.  i).  Dugongfang  mit  Netzen  wird 
auch  an  der  Ostspitze  Neu-Guineas  betrieben  (s.  S.  [156])  und  nach  Kubary  auf  den 
Pelau-Inseln  der  Carolinen  (»Ethnogr.  Beitr.c  etc.,  II,  S.  139). 

S.  335  [121].  Zu  Canus.  Gute  Abbildungen  kleiner  Canus  gibt  Chalmers  (»Pio- 
neering«,  S.  234  u.  32o),  von  »Lakatoi  in  füll  sail«  (S.  48).  Die  Benennung  ist  aus 
»Laka  oder  Vakac  =  Canu  und  Toi  =  Toru  =  3  gebildet,  weil  ein  solches  Fahrzeug 
aus  mindestens  drei  zusammengebundenen  Canus  besteht,  die  übrigens  kein  Ausleger- 
geschirr führen.  Interessant  ist  es,  dass  sich  die  ganz  gleiche  Form  des  Segels  auf  der 
St.  Cruz-Gruppe  (Insel  Nufiluli)  wiederfindet,  aber  die  Canus  von  hier  sind  von  vorzüg- 


I)  Aehnliche,   aber  noch  strengere  Tabu  Vorschriften  für  Fischer  gelten  auf  Pelau 
Ton  Kubary  erschöpfend  beschrieben  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  127 — 132). 


und  werden 


[643]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  aqc 

lieber  Bauart,  mit  einer  breiten  Plattform  auf  jeder  Seite,  auf  welche  zuweilen  (äbnlicb 
wie  bei  den  Marshall-Canus)  eine  Hütte  gebaut  ist  (vgl.  Coote:  >The  Western  Pacific«, 
Abbild.  S.  96). 

S.  336  [122].  Zu  Maskeraden.  Die  eigenthümlichen  Maskenanzüge  aus  Tapa  etc. 
von  Freshwater-ßai  haben  viel  Aebnlichkeit  mit  den  beim  Dugdug  ([S.  33])  verwendeten 
und  werden  wie  diese  nach  Beendigung  der  Festlichkeiten  meist  vernichtet  oder  zum 
Theile  in  den  Versammlungsbäusern  verwahrt,  wie  dies  in  ähnlicher  Weise  mit  dem 
Tanzschmuck  in  Neu-Irland  (S.  59)  geschieht. 

S.  336  [122].  Zu  Bestattung.  Aehnliche  Gebräuche  herrschen  auf  Ugi  (Salo- 
mons).  Während  man  hier  die  Leichen  von  geringen  Leuten  ins  Meer  wirft,  werden 
die  von  Vornehmen  auf  einem  besonderen,  in  Bäumen  errichteten  Gerüste  niedergelegt, 
bis  das  Fleisch  von  den  Knochen  abgefault  ist,  und  letztere  dann  meist  in  der  Hütte 
begraben  oder  wenigstens  der  Schädel  in  besonderen  hölzernen  Trögen  im  > Tabu- 
hause c  aufbewahrt.  Ein  solcher  hölzerner  Trog,  in  Form  eines  an  6  Fuss  langen  Hais, 
dessen  Rücken  in  eine  viereckige  Vertiefung  ausgearbeitet  und  mit  einem  Deckel  ver- 
schliessbar  war,  enthielt  die  Gebeine  eines  circa  sechs  Jahre  alten  Knaben,  Lieblingssohn 
des  Häuptlings  von  Ugi  (mündliche  Mittheilung  von  Alexander  Morton). 

S.  337  [i23].  Zu  Talismane  (»Kawabu«).  Einen  ganz  mitTaf.  15,  Fig.  6,  über- 
einstimmenden Stein  bildet  Thomson  von  der  Oster-Insel  als  »fishgodc  ab  (PI.  LI, 
Fig.  4).  Für  Jäger  gelten  auch  runde  Steinchen,  wie  sie  sich  nicht  selten  im  Magen  der 
Krontaube  finden,  als  glückbringende  Talismane,  die  sorgfältig  im  Tragbeutel  verwahrt 
werden.  Aehnlicher  Jägeraberglauben  herrscht  hie  und  da  auch  noch  bei  uns,  z.  B.  das 
Verwahren  von  Schrotkörnern,  die  aus  Wild  geschnitten  sind  und  die,  wenn  wieder 
geladen,  sicheres  Treffen  bewirken  sollen. 

S.  342  [128].  Taf.  XIV  [6],  Fig.  3:  Muschelgeld  (Finsch-Hafen)  ist  nicht  aus 
:>Ca$$idula*,  sondern  Nassa  callosa  var.  cameluSy  ebenso  die  bei  den  Schmuckstücken 
Fig.  10,  II,  i3,  15  u.  17  verwendeten  kleinen  Muscheln. 

S.  342  [128].  Taf.  XIV  [6],  Fig.  4:  Muschelgeld  von  Huon-Golf  besteht  wohl 
nicht  aus  »Muschelsplittern«,  sondern  aus  einem  kleinen  Conus,  da  manche  Scheibchen 
noch  die  Färbung  zeigen. 

S.  342  [128].  Taf.  XIV  [6],  Fig.  6:  Muschelgeld  (Port  Moresby)  ist  nicht  aus 
>Cassidula^,  sondern  ^Nassa  callospira^  (auct.  v.  Martens).  Diese  Art  verzeichnet  der 
Kat.  M.  G.  auch  von  »Tongatabu«. 

S.  346  [i32].  Taf.  XVI  [8],  Fig.  2  u.  3:  Brustschmuck;  die  verwendeten  Mu- 
scheln sind  Nassa  callosa. 

S.  348  [134].  Taf.  XVII  [9],  Fig.  2,  3  u.  4:  gilt  dasselbe  wie  vorhergehend  be- 
merkt. 

(Zu:  »Annalen«,  Bd.  VI,  Heft  i,  1891,  S.  i3  [151]  bis  S.  i3o  [268]). 

S.  i3  [251].  Zu: 

b)  Ostspit\e  mit  den  d'Entrecasteaux-Inseln. 

S.  18  [156].  Zu  Gräber.  Eigenthümlich  ist  die  Bestattungsweise  in  Ssuau  (Südcap). 
Kleine  Hütten  dienen  hier  als  Grabstätte  für  die  Glieder  einer  Familie.  Die  Leiche  wird 
in  sitzender  Stellung,  mit  über  die  Kniee  gefalteten  Händen  derart  begraben,  dass  der 
Kopf  so  weit  über  der  Erde  hervorragt,  um  mit  einem  Topf  bedeckt  werden  zu  können. 
Es  geschieht  dies,  um  nach  vollendeter  Verwesung  den  Schädel  aufheben  zu  können, 


4o6  *  Dr.  O.  Finsch.  [Ö44I 

der  dann,  in  einen  Korb  gelegt,  im  Rauche  der  Hütte  als  theures  Andenken  bewahrt 
wird  (Chalmers  und  Gill:  »Work  and  adventure  in  New  Guineac,  1885,  S.  333).  Wir 
haben  also  hier  einen  neuen  Beweis  für  die  weitverbreitete  pietätsvolle  Sitte,  Schädel 
aufzubewahren,  die  so  häufig  sehr  irrthümlich  als  Zeichen  von  Cannibalismus  und 
Kriegstrophäen  gedeutet  werden.  Sehr  richtig  fügt  Chalmers  hinzu:  »Es  ist  leicht  zu 
verstehen,  wie  diese  Liebe  für  Verstorbene  in  Anbetung  übergeht  Diese  fast  universale 
Form  von  Götzendienst  ist  von  Rom  aus  en  gros  in  der  Gestalt  von  Reliquien-  und 
Heiligenanbetung  ins  Christenthura  übertragen  worden. c  In  der  Gegend  von  Argyle- 
Bai,  etwas  westlich  von  Südcap,  herrschen  ganz  andere  Bestattungsgebräuche,  die  mit 
den  weiter  vorne  erwähnten  von  Ugi  übereinstimmen,  indem  auch  hier  die  Leiche  über 
der  Erde  verwest  und  dann  die  Knochen  gesammelt  und  in  einer  besonderen  Hütte 
begraben  werden. 

S.  20  [158].  Zu  Kopfschmuck.  Eine  eigenthümliche  Art  Kopfschmuck  von  Ost- 
cap  sah  ich  in  der  Colon ialausstellung  in  London.  Er  bestand  aus  einem  länglichovalen, 
mit  Schnitzerei  und  Bemalung  verzierten  hölzernen  Kragen,  der  vermuthlich  wie  eine 
Hutkrempe  getragen  wird,  da  das  Loch  zum  Durchstecken  des  Kopfes  zu  klein  schien. 
Erinnert  sehr  an  die  »Midi«  von  Neu-Britannien  (S.  [16]). 

S.  20  [158].  Zu  Tätowirung.  Das  von  mir  hervorgehobene  äusserst  sporadische 
Vorkommen  von  Tätowiren  in  Melanesien  findet  in  den  Neu-Hebriden  weitere  Be- 
stätigung, wo  nach  Eckart  diese  Hautverzierung  nur  auf  der  Insel  Vanua  lava,  aber 
sonst  auf  keiner  anderen  Insel  der  Gruppe  in  Anwendung  kommt.  »Die  Frauen  täto- 
wiren äusserst  schön  und  regelmässig  den  ganzen  Körper.«  Nach  Coote  ist  dies  aber 
ebenfalls  auf  Opa  (Lepers  Isl.)  der  Fall,  also  nicht  auf  Vanua  lava  beschränkt.  Auf 
Fidschi  werden  nur  die  vom  Schamschurze  bedeckten  Theile  (also  der  Venusberg)  täto- 
wirt  (Wilkes,  III,  S.  355).  Auf  Ysabel  (Salomons)  haben  junge  Mädchen  zuweilen  das 
Gesicht  (aber  nur  dieses)  sehr  delicat  in  Honigwabenpatterne  tätowirt,  da  aber  kein 
Farbstoff  gebraucht  wird,  so  ist  diese  Tätowirung  nur  bei  ganz  genauer  Betrachtung 
sichtbar  (Coote,  S.  148). 

S.  22  [160].  Zu  »V^aiatutta«.  Diese  aus  einer  weissen  Muschel  geschlififenen 
Scheibchen  (Taf.  6,  Fig.  i^)  sind  aus  Tridacna  geschliffen  und  die  zierlichsten  aus 
diesem  Material.  Die  kleinsten  messen  6  Mm.  im  Durchmesser,  die  grössten  bis  15  Mm. 
In  Milne-Bai  erhielt  ich  ähnliche  weissliche  Muschelscheibchen  (von  8  —  10  Mm.  Durch- 
messer), die  aber,  wie  die  Spiren  deutlich  erkennen  lassen,  aus  dem  Kopfe  einer  Conus- 
Art  geschliffen  sind.  Auf  diese  Sorte  bezieht  sich  der  Vergleich  mit  ähnlichen  Muschel- 
scheibchen  aus  den  Gilberts. 

S.  24  [162].  Zu  Häuser.  Das  erbärmliche  Bild  eines  Hauses  von  Teste-Insel  bei 
Powell  (S.  9)  ist  nur  dazu  geeignet,  eine  ganz  falsche  Vorstellung  zu  erwecken. 

S.  24  [162].  Zu  Baumhäuser.  Kommen  auch  in  den  Salomons  vor.  Coote  be- 
schreibt ein  solches  von  Ysabel,  das  in  einem  70 — 80  Fuss  hohen  (!)  Baume  sehr  accurat 
erbaut  war  (26  Fuss  lang,  18  Fuss  breit);  im  Innern  befanden  sich  Haufen  von  Steinen 
als  Vertheidigungsmittel,  da  auch  diese  Baumhäuser  als  Festung  dienen.  Die  Leiter, 
welche  zu  dem  Hause  führt,  weicht  von  denen  in  Neu-Guinea  dadurch  ab,  dass  sie  aus 
einem  einfachen  Rottangtau  besteht,  in  welches  Querhölzer  eingeknüpft  sind  (»The 
Western  Pacific«,  Abbild.,  S.  143;  vgl.  damit  die  guten  Abbildungen  von  Baumhäusern 
an  der  Südostküste  Neu-Guineas  bei  Chalmers:  »Pioneering«  etc.,  S.  256  u.  288). 

S.  25  [i63].  Zu  Obsidian.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  trotz  des  Vorkommens 
von  Obsidian  in  den  d'Entrecasteaux  dieses  Material  nicht  zur  Bewehrung  von  Waffen 
benutzt  wird. 


[645]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  aqj 

S.  27  [165].  Zu  Kalkcalebassen.  Ein  sehr  feines  Stück  in  der  Colonialausstellung 
in  London  von  Ostcap  war  ringsum  mit  einer  Schnur  aufgereihter  Spondylus-Scheib- 
chen  verziert,  mit  daran  befestigten  Ov2//j-Muscheln. 

S.  27  [165].  Zu  »Mörser«  zum  Stampfen  der  Betelnuss.  Aehnliche  Geräthe  aus 
Holz  finden  sich  auch  auf  Pelau  und  werden  von  Kubary  in  alten  und  noch  jetzt  ge- 
bräuchlichen Formen  beschrieben  (>EthnoI.  ßeitr.«,  11,  S.  206,  Taf.  XXVIII,  Fig.  7  u.  8). 

S.  28  [166].  Zu  Steinaxtklingen  (»Gune«)  von  Teste-Insel.  Die  grösste,  welche 
ich  erhielt,  mass  32  Cm.  in  der  Länge  und  156  Mm.  in  der  Breite;  Gewicht  2^/3  Kilo. 

S.  3o  [168].  Zu  Kurze  Handkeulen  (»Bossim<).  Kleinere  derartige  Stücke 
waren  in  der  Colonialausstellung  in  London  als  »Kalklöffel«  bezeichnet. 

S.  So  [168].  Zu  Schilde.  Hierher  gehört  die  ziemlich  rohe  Skizze  bei  Powell 
(S.  17,  Figur  links),  für  welche  er  eine  eigene  Bezeichnung  (»Canuschilde«)  erfand. 
»Sie  werden  auf  den  Ausleger  gehangen,  um  während  des  Gefechtes  als  Schutzwehr  zu 
dienen.«  Obwohl  Powell  dies  in  Possession- Bai  (China-Strasse),  wo  >3oo<  (!)  Canus 
beisammen  waren,  selbst  gesehen  haben  will,  so  wird  man  gut  thun,  diese  Behauptung 
vorläufig  mit  Reserve  aufzunehmen.  Kein  anderer  Beobachter  weiss  von  dieser  Art 
Benutzung  der  Schilde  zu  berichten,  auch  nicht  Hunstein,  der  doch  um  Ostcap  und 
Milne-Bai  so  gut  wie  zu  Hause  war.  Der  andere  von  Powell  abgebildete  Schild  (S.  17) 
ist  übrigens  nicht  von  Ostcap,  sondern  ein  typischer  Hood-Bai-Schild  (Taf.  i6,  Fig.  6). 
Einen  ganz  runden  Schild  von  Milne-Bai  sah  ich  in  der  Colonialausstellung  in  London; 
er  stimmte  in  der  Form  also  ganz  mit  solchen  von  Bilibili  Uberein,  war  aber  nicht  mit 
Schnitzerei,  sondern  sehr  eigenthümlicher  Malerei  in  geschmackvollem  (schwarz,  weiss 
und  rothem)  Muster  verziert. 

S.  3i  [169].  Zu  Canu.  Das  »China  Straits-Canoe«,  wie  es  Powell  (S*  23)  abbildet, 
ist  bis  auf  die  Form  des  Segels  reine  Phantasie.  Man  vergleiche  die  correcte  Abbildung 
bei  Chalmers  (»Pioneering«  etc.,  S.  202). 

S.  32  [170].  Zu  Fahrzeuge  (»Catamarans«).  Es  ist  interessant,  dass  ganz  ähn- 
liche Flösse  aus  Baumstämmen  (circa  4  M.  lang  und  i  M.  breit),  mit  Rottang  zusammen- 
gebunden, bei  den  Eingeborenen  am  Gogolflusse  in  Astrolabe-Bai,  welche  keine  Canus 
besitzen,  gebraucht  werden  (Dr.  Lauterbach). 

S.  33  [171]?  Masken  waren  mir  nicht  vorgekommen,  aber  in  der  Colonialaus- 
stellung in  London  sah  ich  eine  aus  Holz  geschnitzte  Maske,  angeblich  aus  der  Gegend 
von  Ostcap,  die  sehr  eigenthümlich  war.  Dabei  mag  bemerkt  sein,  dass  die  von  Powell 
abgebildete  Maske  von  Schildpatt  (S.  16)  keinesfalls  aus  der  Gegend  von  »Mount 
Thompson«  (Oslspitze  Neu-Guineas)  herstammt,  sondern  von  Torresstrasse  (vgl.  S.  [82]). 

S.  33  [171].  Zu  Kinderspiele.  Schaukeln  auf  einem  Tau  ist  auch  auf  Mangaia 
(Hervey-Gruppe)  beliebt  (Gill:  »Life  in  the  Southern  Isles«,  S.  65). 

S.  37  [175].  Zu: 

2.  Kaiser  Wilhelms-Land  oder  Deutsch-Neu-Guinea. 

S.  42  [180].  Zu  Pelau-Geld.  Seiner  ersten  Arbeit  über  diese  alten  Glasperlen 
und  Glasflüsse  (in  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  1873,  S.  49—53,  Taf.  2)  hat  Kubary  neuer- 
dings eine  weitere  gelehrte  Abhandlung:  »lieber  das  einheimische  Geld  auf  der  Insel 
Yap  und  den  Pelau-Inseln«  (in  »Ethnogr.  Beitr.«,  Heft  I,  1889,  S.  6 — 28,  Taf.  1)  folgen 
lassen.  Sie  enthält  eine  fast  erschöpfende  Classificirung  und  Specificirung  des  > Audouth« 
(oder  »Audou«),  wie  der  Collectivname  für  diese  Art  Geld  lautet,  das  Kubary  besser 
kennt  als  die  meisten  Eingeborenen,  unter  denen  »es  nur  wenige  gibt,  die  aus  eigener 

Annalcn  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd.  Vlil,  Heft  3  a.  4,  1893.  28 


4o8  Dr.  O.  Finsch.  [646] 

Anschauung  auch  nur  den  sechsten  Theil  der  sämmtlichen  Geldsorten  kennen«.  Die 
einschlägigen  Verhältnisse  über  Seltenheit  und  Werth  der  zahlreichen  Sorten,  wie 
Coursschwankungen,  Wechsel-  und  Darlehensgeschäfte  u.  s.  w.  mit  diesem  unentbehr- 
lichen Tauschmittel  werden  ebenfalls  eingehend  geschildert,  wenn  auch  hier  noch  Man- 
ches unklar  bleibt,  wie  hinsichtlich  des  Materials  selbst.  Die  früher  ausgesprochene 
irrige  Ansicht,  dass  das  letztere  aus  >in  der  Erde  gefundenen  ausgebrannten  Erden, 
natürlichen  Emaillen  und  Glas«  besteht,  verbessert  Kubary  diesmal,  indem  er  wirkliche 
Glas-  oder  Porzellanperlen  annimmt,  aber  er  spricht  auch  von  Achat,  Jaspis  und  ver- 
schiedenen Mineralien  in  Cementmasse  u.  s.  w.  Alle  diese  wichtigen  Fragen  lassen  sich 
natürlich  nicht  von  einem  Laien  wie  Kubary  und  auf  Pelau,  sondern  nur  mit  Hilfe 
eines  ausreichenden  Vergleichungsmateriales  von  einem  hyalurgisch  gebildeten  Fach- 
manne lösen  und  damit  zugleicli  auch  die  weit  wichtigere  Frage  betreffs  des  Ursprunges 
und  der  Herkunft.  Aber  Kubary  ist  jedenfalls  auf  dem  richtigen  Wege,  wenn  er  die 
letztere,  allerdings  mit  dem  Umwege  über  Yap  (»wo  dergleichen  Glasperlen  gelegent- 
lich beim  Graben  gefunden  werden«),  von  Asien  herleitet  und  einen  neuen  Beweis  der 
malayischen  Beziehungen  erblickt.  Die  heimischen  Imitationen,  welche  Kubary  in  der 
ersten  Abhandlung  mit  den  Worten  beschreibt:  »sie  (die  Eingeborenen)  stampfen  das 
Flaschenglas  und  schmelzen  es  theilweise  und  verfertigen  daraus  ,Koldojoks',  die  sogar 
im  Verkehre  gelten«,  werden  auffallend  erweise  mit  Stillschweigen  übergangen  und  nur 
der  »Kaldoyoks  oder  Gläser«  gedacht.  Bei  genauer  Vergleichung  der  beiden  Abhand- 
lungen ergeben  sich  auch  sonst  mancherlei  Abweichungen  in  Bezug  auf  Namen,  Werth- 
angaben (in  Dollars)  und  Auslassungen.  So  bleibt  das  kostbarste  UniCum  »Moriur«  im 
Werthe  von  »5ooo  Thalern«  (Taf.  2,  Fig.  2)  unerwähnt,  wie  manches  andere  in  der 
ersten  Arbeit  genannte  Stück.  Unter  den  3i  beschriebenen  und  mit  den  heimischen 
Namen  aufgeführten  »Kalebukubs«,  jener  Classe  alter  Mosaikglasperlen,  welche  das 
»politische  Rupakgeld«  umfassen,  das  aber  nur  wenige  Häuptlinge  besitzen,  fehlt  der 
»Obogul  a  Kalebukub«,  d.h.  »Vater  der  Kalebukubs«  (abgebildet  Taf.  2,  Fig.  4).  Ich 
erwähne  dies  deshalb,  weil  ich  der  Güte  von  Kubary  eine  sehr  ähnliche  dunkelgrüne 
und  weisse  Emailglasperle  verdanke,  welche  mit  demselben  eingeborenen  Namen, 
aber  mit  »Grossvater  des  Kalebukub«  übersetzt,  bezeichnet  ist.  Sie  stimmt  sehr  mit  der 
»Gargaroy« -Perle  (S.  16,  Taf.  I,  Fig.  3i)  überein  und  ist  ein  sehr  seltenes,  werth  volles 
Stück,  das  auf  80  Dollars  geschätzt  wird.  »Man  kann  dafür  (natürlich  nur  auf  Pelau) 
2000  Acres  Land  kaufen,  zehn  gewöhnliche  Menschenkinder  oder  mindestens  zwei 
Könige  umbringen  u.  s.  w.,«  schrieb  mir  Kubary,  der  das  Stück  1872  bei  Gelegenheit 
eines  Schutz-  und  Trutzbündnisses  vom  Könige  von  Artingal  erhielt  und  das  früher 
zum  Schatze  des  »Iraklais  von  Molekoiok«  gehörte.  Von  Kubary  bei  pelauischen  Fest- 
lichkeiten als  Ohrschmuck  getragen,  ziert  der  »Grossvater  des  Kalebukub«  jetzt  als  liebe 
Erinnerung  an  den  weissen  Carolinier  meine  Uhrkette.  Kalebukubs  sind  übrigens  nicht 
auf  Pelau  beschränkt,  sondern  auch  bei  anderen  Eingeborenen  bekannt  und  hochge- 
schätzt, so  im  malayischen  Archipel  (vgl.  die  Noten  von  Schmeltz  in:  »Ethnogr.  Beitr.«, 
I,  S.  14  und  Whitehead-ßorneo)  und  in  Afrika.  Das  British  Museum  besitzt  eine  in- 
structive  Sammlung  der  modernen  Emailglasperlen-Sorten,  welche  für  den  westafrikani- 
schen Handel  fabricirt  werden,  unter  denen  gewisse  Sorten  in  Muster  wie  Grösse  fast  ganz 
mit  gewissen  »Kalebukubs«  übereinstimmen.  Die  gleiche  Bemerkung  macht  Schmeltz 
von  prähistorischen  Emailperlen  aus  deutschen  Hünengräbern  (Kat.  M.  G.,  S.  485). 

S.  43  [181].  Zu  Astrolabe-Bai.  Dem  interessanten  Berichte  von  Dr.  Lauterbach, 
der  mit  noch  einem  weissen  Begleiter  und  40  Eingeborenen  den  Gogol,  den  grössten 
Fluss  in  Astrolabe-Bai,  zuerst  erforschte  und  (in  der  Luftlinie  gemessen)  circa  50  Kilo- 


[^4?]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  ^OQ 

meter  ins  Innere  vordrang,  entnehme  ich  das  Wichtigste  der  im  Ganzen  sehr  spärlichen 
ethnologischen  Notizen  (in  »Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms- Land«  etc,  Heft  I,  1891, 
S.  3i — 62).  Die  Eingeborenen  waren  ganz  gleich  mit  denen  der  Küste,  sprachen  aber 
im  Innern  andere  Sprachen.  Schon  in  Jeri,  einem  Dorfe  kaum  12  Kilometer  von  der 
Küste,  besass  man  kein  Eisen.  Das  Flussgebiet  war  gut  bevölkert,  die  Leute  überall 
freundlich  und  im  Ganzen  wenig  scheu.  Obwohl  sie  noch  keinen  Weissen  gesehen 
hatten,  kamen  sie  doch  meist  überall  furchtlos  heran,  zum  Theile  sogar  mit  ihren 
Weibern,  oft  in  grossen  Schaaren,  und  brachten  Lebensmittel  (Yams,  Taro,  Bananen, 
auch  die  Cocospalme  kommt  hier  noch  vor).  Tabak  wurde  auch  gebaut  und  zum  Theile 
in  Form  von  Cigarren  aus  frisch  abgepflückten  Blättern  geraucht,  aber  »meist  bediente 
man  sich  hierzu  der  in  Neu- Guinea  allgemein  üblichen  Pfeife  aus  Bambus«,  also  ver- 
muthlich  des  an  der  Südostküste  gebräuchlichen  »Baubau«  (s.  S.  [ii3]).  Die  Bauart 
der  Häuser  war  ganz  wie  in  Astrolabe-Bai,  die  Pflanzungen  eingezäunt  und  mit  Vorliebe 
an  den  steilsten  Abhängen  angelegt.  Canus  wurden  nicht  gesehen,  dagegen  bediente 
man  sich  einer  Art  Floss  aus  Baumstämmen  (ähnlich  der  »Catamarans«  an  der  Ost- 
spitze, vgl.  S.  [170]),  was  sehr  merkwürdig  ist,  da  auch  die  Bewohner  des  Augusta- 
flusses  Canus  (ohne  Ausleger)  besitzen.  Schmuck  wurde  wenig  bemerkt,  aber  viele 
Schweine-  und  Hundezähne,  letztere  schienen  Geld  zu  sein.  Ueber  Bekleidung  finde  ich 
keine  andere  Notiz,  als  dass  ein  alter  Mann,  um  seine  Glatze  zu  bedecken,  ein  Cuscus- 
fell  um  den  Kopf  gebunden  hatte,  wie  dies  auch  anderwärts  vorkommt.  An  Waffen 
besessen  die  Eingeborenen:  Bogen  und  Pfeile  (darunter  äusserst  kunstvoll  geschnitzte 
Schmuckpfeile),  Speere,  »Speerkeulen«  (»an  einem  etwa  8  Fuss  langen  Speer  ist  ein 
fusslanges  armdickes  Stück  einer  äusserst  harten  und  schweren  grasähnlichen  Pflanze 
befestigt«),  die  zu  Hieb  und  Stoss  dienen  sollen,  aber  Abzeichen  angesehener  Leute  zu 
sein  schienen,  und  kleine  runde  Schilde,  die  unter  dem  Arme  getragen  wurden;  in  den 
Häusern  sah  man  grosse  runde,  schwere  Schilde  wie  die  von  Bilibili.  Töpfe  schienen 
von  letzterer  Insel  herzustammen  und  mögen  im  Tausche  von  einem  Dorfe  zum  an- 
deren ihren  Weg  bis  ins  Innere  finden,  ganz  wie  dies  z.  B.  an  der  Südostküste  (vgl. 
S.  [iio])  der  Fall  ist,  wo  Töpfe  von  Port  Moresby  bis  zu  den  Bergstämmen  der  Astrolabe- 
und  Owen  Stanley- Gebirge  verhandelt  werden. 

S.  45  [i83].  Zu  Albinismus.  HoUrung  beobachtete  einen  Fall  bei  Hatzfeldthafen: 
»ein  schwächliches,  Bedauern  erregendes  Kind,  das  von  seinem  Vater  auf  dem  Rücken 
getragen  wurde«.  Wie  selten  im  Ganzen  Albinismus  vorkommt,  ergibt  sich  aus  Wilkes, 
dem  doch  Derartiges  kaum  entging.  Er  beobachtete  in  Melanesien  einen  Albino  auf 
Fidschi  (III,  S.  214),  in  Polynesien,  und  zwar  auf  Nukufetau,  der  Ellice-Gruppe,  zwei 
(V,  S.  40);  die  Erkundigung  ergab,  dass  Eltern  und  Geschwister  normal  dunkelfarbig 
waren.  In  Mikronesien  habe  ich  keinen  Albinismus  beobachtet. 

S.  46  [184].  Zu  Sprach  Verschiedenheit.  Wie  gross  dieselbe  ist,  erhellt  aus  einer 
Notiz  von  Dr.  Hollrung,  wonach  sich  von  Alexishafen  bis  Cap  Croissilles,  einem  Ge- 
biete von  kaum  20  Seemeilen  Ausdehnung,  sechs  verschiedene  Sprachen  finden. 

S.  48  [186].  Zu  Verkehr  und  Heimatskunde  der  Eingeborenen.  Als  einen 
weitgereisten  Mann  bezeichnet  Dr.  Hollrung  mit  Recht  den  Häuptling  Kajuwei  bei 
Juno-Huk,  der  aus  eigener  Anschauung  Karkar  (Dampier-Insel),  Bagabag  (Rich-Insel) 
und  Bilibili  kannte,  von  Korendu  (in  Port  Constantin),  aber  nicht  von  Bongu,  dem 
grössten  Dorfe  hier,  gehört  hatte. 

S.  50  [188].  Zu  Culturgewächse.  In  der  Gegend  von  Cap  Croissilles  werden 
Taro,  Jams,  Bananen,  Zuckerrohr  und  Tabak  gebaut  und  (wie  bei  Ostcap  und  meist 
überall)  in  Berggegenden  die  steilsten  Abhänge  zur  Anlegung  von  Plantagen  ausgewählt. 

28* 


4IO  Dr.  O.  Finsch.  [648] 

Am  oberen  Laufe  des  Augastaflusses  bilden  Yams  und  Sago  die  Hauptnahrung,  nur 
selten  wurde  Taro,  Zuckerrohr  und  Bananen  culcivirt,  ebenso  die  Cocospalme.  Der 
Nachweis  des  letzteren  tief  im  Innern  des  Landes  ist  von  höchstem  Interesse  und  gibt 
einen  neuen  Beweis  für  die  Wichtigkeit  dieses  Edelbaumes  in  Bezug  auf  die  Ausbreitung 
des  Menschen.  Man  kann  daraus  den  Schluss  ziehen,  dass  die  Bevölkerung  von  der 
Küste  stromaufwärts  vordrang,  wie  dies  an  allen  grösseren  Flüssen  Neu-Guineas  der 
Fall  zu  sein  scheint.  Dasselbe  gilt  in  Betreff  der  Betelpalme,  die  als  Culturbaum  tief  im 
Innern  des  Augustaflusses  vorkommt,  und  der  Hausthiere  (Hund,  Schwein  und  Hühner). 

S.  51  [189].  Zu  Jagd.  »Da  die  Wii-kung  des  Bogens  nur  auf  kurze  Entfernung 
genügend  sicher  ist,  so  pflegen  die  Eingeborenen  in  der  Nähe  des  Schweinewechsels 
oder  der  Erdhaufen,  welche  das  Jalegallus-hhihn  für  seine  Eier  aufwirft,  eine  kleine 
.enge  Hütte  mit  einem  kaum  handgrossen  Umschau-  und  Schussloch  zu  errichten,  um 
von  hier  aus  ihr  Wild  sicherer  zu  erlegen«  (HoUrung  in:  »Nachrichten  über  Kaiser 
Wilhelms-Land«,  1888,  S.  23o). 

S.  56  [194].  Zu  Pfahlhäuser  am  Augustafluss.  Die  späteren  Expeditionen  auf 
diesem  grössten  Strome,  den  Capitän  Dallmann  und  ich  nur  entdecken,  aber  nicht  be- 
fahren konnten,  haben  meine  erste  Beobachtung  bestätigt.  Dallmann,  der  am  4.  bis 
6.  April  1886  mit  der  Dampf barkasse  vordrang,  fand  ziemlich  schlechte  Pfablhäuser, 
die  auf  hohen  Pfählen  »in  circa  zwei  Faden  tiefem  Wasser  standen«.  Am  oberen  Laufe 
des  Augustaflusses  werden  sehr  grosse,  äusserst  solide  Häuser  beschrieben,  die  aber 
nicht  im  Wasser,  sondern  in  einer  Längsreihe  am  Ufer  errichtet  sind.  Sie  stehen  über 
dem  Erdboden  erhaben  auf  dicken  Pfosten  aus  Baumstämmen;  manche  davon  haben 
einen  thurmartigen,  3 — 4  M.  hohen  Aufbau  an  jedem  Giebelende,  der  an  ähnliche  Bau- 
lichkeiten in  Hood-Bai  (Fig.  29,  S.  [io3])  erinnert.  Das  grösste  Dorf  Malu  mit  circa 
1000  Einwohnern,  welches  von  der  wissenschaftlichen  Expedition  übrigens  nur  einmal 
besucht  wurde,  besass  sechs  grosse  offene  Hütten,  identisch  mit  den  üblichen  Gemeinde- 
häusern, in  welchen  unter  Anderem  Signaltrommeln  aufbewahrt  wurden. 

S.  57  [195].  Zu  Gemeindehäuser.  Ein  gewöhnliches  »Junggesellenhaus  in  der 
Astrolabe-Bai«  ist  gut  abgebildet  in  »Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms-Land«,  1891, 
Heft  I. 

S.  58  [196].  Zu  Kopfstützen.  Aus  Holz  geschnitzte  Kopfunterlagen  kommen 
auch  in  Neu-Caledonien  und  den  Neu-Hebriden  vor.  Von  letzterer  Localität  abgebildet 
bei  Eckardt,  Taf.  IV,  Fig.  8,  welches  Stück  aber  nach  Schmeltz,  der  das  Vorkommen 
auf  den  Neu-Hebriden  bezweifelt,  von  »Fidschi«  herstammen  würde.  In  der  St.  Cruz- 
Gruppe  beobachtete  Coote  »headrests«,  die  wegen  des  gewichtigen  Ohrschmuckes 
nöthig  sind,  da  letzterer  ein  Ruhen  ohne  Kopfunterlage  unmöglich  machen  würde.  Die 
Abbildung  eines  Ohrschmuckes  von  Nitendi,  aus  3o  Schildpattringen  bestehend,  illu- 
strirt  dies  (»The  Western  Pacific«,  S.  114). 

S.  59  [197].  Zu  Kopfstütze,  Nr.  100,  Taf.  10,  Fig.  3,  4.  Aehnliche  Kopfstützen 
aus  Bambu  mit  vier  Beinen  kommen  auf  Fidschi  vor  (Wilkes,  III,  S.  345);  hier  auch 
solche  aus  Holz  geschnitzt. 

S.  61  [199].  Zu  Töpfe.  Werden  sehr  schön  auch  auf  den  Admiralitäts-Inseln  ge- 
fertigt. Ich  erhielt  einen  solchen,  kugelförmig  (Umfang  1*2  M.,  Höhe  37  Cm.),  mit 
ziemlich  enger  Oeffnung  (i3  Cm.  im  Durchmesser),  der  in  der  Form  ganz  mit  den 
Wassertöpfen  von  Port  Moresby  übereinstimmt  (»Hodu«,  Nr.  86,  S.  [iio]). 

S.  62  [200].  Zu  Töpferei.  Die  Bewohner  am  oberen  Laufe  des  Augustaflusses, 
tief  im  Innern,  verstehen  diese  Kunst  ebenfalls;  auch  bei  Cap  Croissilles  sah  Dr.  HoU- 
rung Töpfe,  die  möglicherweise  aber  von  Bilibili  herstammen. 


[649]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  ah 

S.  63  [201].  Zu  Tabak.  Dr.  Lauterbach  fand  im  Innern  des  Gogolflusses  in  Astro- 
labe-Bai  ebenfalls  Tabakculturen,  ein  neuer  Beweis,  dass  diese  Pflanze  ursprünglich 
für  Neu-Guinea  ist.  Auf  den  Bergen  bei  Cap  Croissilles  wird  auch  Tabak  gebaut.  Auch 
auf  Fidschi  wurde  diese  Culturpflanze  schon  vor  Ankunft  der  Weissen  angebaut  und 
geraucht  (Wilkes,  111). 

S.  64  [202].  Zu  Rauchgeräth  (»Baubau«).  Ein  ähnliches  Rauchgeräth  wie  an 
der  Südostküste  (S.  [ii3])  scheint  auch  in  diesem  Gebiete  Neu-Guineas  vorzukommen, 
denn  die  Notiz  Dr.  Lauterbach's  vom  Innern  des  Gogolflusses  in  Astrolabe-Bai :  »meist 
bedient  man  sich  zum  Rauchen  der  in  Neu-Guinea  allgemein  üblichen  Pfeife  aus  Bam- 
bus« dürfte  sich  doch  nur  auf  den  »Baubau«  beziehen. 

S.  66  [204].  Zu  Kawa.  Auf  Fidschi  war  Avatrinken  sehr  beliebt,  aber  nur  für 
Häuptlinge  erschwinglich  und  eine  Art  Vorrecht  derselben;  die  Wurzel  wird  (wie  auf 
Samoa  u,  s.  w.)  von  jungen  Mädchen  gekaut  (Wilkes),  auf  den  Neu-Hebriden  dagegen, 
übereinstimmend  mit  Neu-Guinea,  von  Knaben.  Die  Kawawurzel  heisst  auf  Fidschi 
»Yangona«;  auf  der.Colonialausstellung  in  London  war  »Yangona«-Schnaps«  vertreten. 

S.  70  [208],  Note  I.  Zu  Gesteinsarten  von  Axtklingen.  Durch  gütige  Mit- 
theilung von  Herrn  Prof.  Arzruni  in  Aachen  (vom  5.  Mai  iSgS)  erfahre  ich,  dass  in  der 
That  die  genaue  Bestimmung  der  Proben  von  Steinaxtklingen  noch  nicht  erfolgt  ist, 
doch  sagt  er:  »Ich  halte  nicht  alle  für  Nephrit;  manche  scheinen  dichte  Diabase  (Apha- 
nite)  zu  sein,«  was  immerhin  hier  mitgetheilt  sein  mag.  Darnach  scheint  also  Nephrit 
wirklich  vertreten  zu  sein. 

S.  72  [210].  Zu  »Sonstige  Werkzeuge«.  Nach  Wilkes  (111,  S.  347)  wurden  auf 
Fidschi  auch  »Rattenzähne«  als  Werkzeug  für  feine  Gravirungen  benutzt,  was  wahr- 
scheinlich auch  anderwärts  geschieht,  aber  leicht  übersehen  werden  kann. 

S.  72  [210].  Zu  Waffen  und  Wehr.  Vom  Innern  des  Augustaflusses  werden 
Bogen,  Pfeile,  Speere  und  grosse  schöne  Schilde  als  übliche  Waffen  verzeichnet. 

S.  76  [214].  Zu  Pfeile.  Es  verdient  noch  besonders  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  viele  dieser  besonders  fein  verzierten  Pfeile  »Schmuckpfeile«  sind,  bei  deren  An- 
fertigung Laune  und  individuelle  Begabung  eine  grosse  Rolle  spielen;  für  gewöhnlich 
braucht  man  schmucklose  Pfeile,  da  die  vielen  und  oft  recht  gefährlich  aussehenden 
Widerhaken  doch  zum  Theile  nichts  Anderes  als  Ornamentirung  sind. 

S.  80  [218].  Zu  Schmuckmaterial.  Wie  erwähnt,  scheinen  Perlen  oder  Scheib- 
chen aus  Cocosnussschale  kaum  verarbeitet  zu  werden,  die  nirgends  in  Melanesien  zu 
den  »gewöhnlichen  Verzierungsmitteln«  gehören,  wie  Serrurier  irrthümlich  annimmt. 

S.  81  [219].  Zu  Hundezähne.  Waren  bei  den  alten  Hawaiiern  äusserst  geschätzt 
und  werthvoll.  Beim  Hulatanze,  der  noch  heute  im  Geheimen  stattfindet,  trugen  Tänzer 
und  Tänzerinnen  breite,  sehr  schwere  Bänder  um  das  Fussgelenk  (vgl.  Choris,  PI.  XII), 
mit  denen  durch  Aneinanderschlagen  ein  rasselndes  Geräusch  hervorgebracht  wurde. 
Ich  besitze  einen  solchen  Schmuck,  der  aus  mehr  als  600  Hundeeckzähnen  besteht,  und 
der  nach  den  von  Coote  berechneten  Salomons-Preisen,  wie  sie  Anfang  der  Achtziger- 
jahre üblich  waren,  einen  Werth  von  60.000  Cocosnüssen  oder,  in  Copra  übertragen, 
von  1200 — 1800  Mark  haben  würde. 

S.  84  [222].  Zu  »Ssanem«,  Muschelgeld,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  3:  nach  neueren 
Bestimmungen  von  Prof.  v.  Martens  ist  die  Art  nicht  Nassa  callospira,  sondern  iV.  cal- 
losa  var.  camelus  und  identisch  mit  dem  zu  »Diwara«  verarbeiteten  Conchyl  Neu- 
Britanniens. 

S.  85  [223].  Zu  Körperausputz  und  Bekleidung.  Die  Berichte  über  die  Expedi- 
tionen auf  dem  Augustaflusse  enthalten  darüber  sehr  wenig.   Am  oberen  Laufe  gehen 


•  ii 


412  ^^-  O.  Finsch.  [650] 

Männer  häufig  ganz  nackt,  Frauen  tragen  den  bekannten,  weitverbreiteten  Faserschurz; 
das  Haar  wird  bald  lang,  bald  kurz  getragen,  letzteres  meist  von  Frauen;  Männer  hatten 
häufig  bis  auf  die  Schultern  reichende  gedrehte  Haarsträhne  (»Gatessic,  wie  in  Bongu 
u.  s.  w.);  keine  Haarkörbchen.  Alle  Beobachter  erwähnen,  dass  äusserst  wenig  Schmuck 
vorkam:  »geflochtene  Armringe,  Halsketten,  dann  und  wann  ein  halbmondförmiges 
Halsschild«.  Bemalen  in  Roth,  Schwarz  (Trauer),  Ockergelb  und  Grau  war  dagegen 
sehr  beliebt,  meist  wurde  jedoch  nur  das  Gesicht  (ockergelb  oder  grau)  bemalt.  Eine 
gute  Abbildung  Eingeborener  vom  Augustaflusse  geben  die  »Nachrichten  aus  Kaiser 
Wilhelms-Land«  (Heft  I,  1892).  Der  Mann  trägt  eine  Art  verzierter  Mütze,  welche  wohl 
aber  aus  seinem  eigenen  Kopfhaar  gebildet  wird;  Nase  nicht,  Ohr  etwas  durchbohrt; 
um  den  Hals  ein  engschliessendes  Band  (keinen  Brustschmuck);  am  linken  Oberarm 
einige  schmale  Ringe  (wohl  geflochtene);  um  den  Leib  ein  Band,  vorne  mit  herab- 
hängendem breiten  Schamschurz  (wohl  Tapa).  Die  Frau  ist  mit  dem  üblichen  Faser- 
schurz bekleidet,  der  aus  zwei  Bündeln  besteht,  das  vordere  bis  zu  den  Knieen,  das 
hintere  weiter  herabhängend;  am  linken  Oberarm  ein  tief  einschneidendes  Band;  sehr 
eigenartig  ist  die  Kopfbedeckung,  welche  im  Aussehen  an  einen  Schleier  erinnert,  der 
bis  zur  Hälfte  des  Rückens  herabreicht,  gemustert  und  unten  in  Fransen  ausgezaust  ist 
(und  vermuthlich  aus  Tapa  besteht).  Ein  gutes  Bild  eines  Eingeborenen  von  Finsch- 
hafen,  mit  schmaler  Tapaschambinde,  Tapamütze,  Halsstrick,  Tragbeutel  und  Axt  über 
die  linke  Schulter,  und  zwar  meines  Freundes,  des  grossen  Häuptlings  Makiri,  geben  die 
»Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms-Land«  (Heft  II,  1889). 

S.  94  [282].  Zu  Haarkämme.  Einen  sehr  eigenthümlichen  Schmuck  dieser  Art, 
reich  mit  Federn  verziert,  bildet  Wilkes  von  Fidschi  ab  (III,  S.  335). 

S.  97  [235].  Zu  Stimbinde,  Taf.  XIV  [6],  Fig.  11.  Nach  dem  von  Coote  für  die 
Salomons  angegebenen  Preise  der  Hundezähne  würde  dieses  Stück,  beiläufig  bemerkt, 
einen  Werth  von  7600  Cocosnüssen  haben,  welche  eine  Tonne  Copra  (im  Preise  von 
200 — 3oo  Mark)  liefern.  Auf  den  Salomons  haben  Halsbänder  aus  Hundezähnen  nicht 
selten  einen  Werth  von  ^.  20  (=  400  Mark). 

S.  99  [237].  Zu  Nasenzier  aus  Eberhauern.  Dieselbe  kommt  viel  weiter  östlich 
vor,  als  ich  annahm.  Dr.  HoUrung  notirt  diese  Art  Schmuck  bei  den  Eingeborenen  von 
Karkar  (Dampier-Insel),  die  denselben  (oder  die  Schweine  selbst)  vom  Festlande  ein- 
tauschen. 

S.  99  [237].  Zu  Zierat  in  Nasenspitze.  Auf  der  Insel  Ulaua  (Salomons,  zwischen 
S.  Christoval  und  Malayta)  sah  Coote  junge  Mädchen,  welche  in  der  Nasenspitze  einen 
Zierat  aus  Perlmutter,  einen  lang  gebogenen  Vogelhals  mit  Kopf  darstellend,  trugen. 
(»The  Western  Pacific«,  S.  121  mit  Abbild.) 

S.  io3  [241].  Zu  Halskette,  Nr.  504.  Die  Helix-An  »gehört  zur  Untergattung 
Papuina  und  ist  vielleicht  neu«,  (v.  Martens  in  lit.) 

S.  io3  [241].  Zu  Halsring  aus  Eberhauern,  Nr.  525.  Auf  den  Salomons  sind 
zwei  Eberhauer  als  Armschmuck  beliebt  (Guppy). 

S.  107  [245].  Zu  Armringe  aus  Trochus.  Im  Leidener  Museum  auch  von  der 
Westküste  Neu-Guineas,  um  so  merkwürdiger  daher  das  Fehlen  an  der  Südostküste  (s. 
S.  [100]). 

S.  ii3  [251].  Zu  Cannibalismus.  Die  wissenschaftlichen  Expeditionen  der  Neu- 
Guinea-Compagnie,  welche  wochenlang  in  dem  Gebiete  zwischen  Juno-Insel  und  Cap 
Croissilles  verweilten,  haben  von  Cannibalismus  nichts  erfahren  und  wahrgenommen; 
Maclay  war  also  jedenfalls  falsch  berichtet  worden,  wie  dies  Eingeborene  so  gern  zu 
thun  pflegen. 


r55l]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  j.l3 

S.  ii3  [251].  Zu  Beschneidung.  Wird  nach  Hollrungin  Finschhafen,  aber  nicht 
am  Augustaflusse  geübt. 

S.  116  [254].  Zu  Grosse  Signaltrommeln.  Vom  oberen  Laufe  des  Augusta- 
Busses  werden  solche  beschrieben,  die  an  jedem  Ende  in  eine  schnabelförmige  Verlän- 
gerung ausgehen  und  hier  mit  hübscher  Schnitzerei  (Köpfe  von  Crocodil,  Vögeln  etc.) 
verziert  sind.  Sie  stimmen  also  am  meisten  mit  den  Trommeln  überein,  wie  ich  sie  in 
Dallmannhafen  sah  (vgl.  »Samoafahrten«,  S.  3o8). 

S.  117  [255].  Zu  Masken.  Sehr  eigenthümliche  Masken  kommen  am  Augusta- 
flusse  vor,  in  Form  eines  Vogelkopfes  mit  ziemlich  langem  Schnabel,  oben  mit  Thier- 
figur,  anscheinend  einen  Vogel  darstellend  (vgl.  Photographie  in  »Nachrichten  über 
Kaiser  Wilhelms-Land«,  Heft  I,  1892).  Zunächst  mit  denen  von  Dallmannhafen  ver- 
wandt. Sehr  eigenthümlich  scheinen  nach  der  kurzen  Notiz  von  HoUrung  »die  einem 
Helmvisir  ähnelnden,  aus  Kaurimuschelgeflecht  bestehenden  Masken«  bei  Hatzfeldthafen, 
wo  man  den  thurmartigen  Aufbau  nicht  kennt  (»Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms- 
Land«,  1888,  S.  23 1);  hier  auch  Allerlei  über  TanzaufTührungen. 

S.  117  [255].  Zu  Ahnenfiguren.  Die  rohen  Holzschnitzereien  menschlicher 
Figuren,  sogenannte  »Götzen«  (Kat.  M.  G.,  S.  120),  von  den  Neu-Hebriden  gehören 
ebenfalls  in  die  Kategorie  der  »Ahnenfiguren«.  Nach  Eckardt  (Taf.  V,  Fig.  2)  sind  diese 
Figuren,  »die  das  Gedächtniss  berühmter  Vorfahren  ehren«,  zuweilen  ausgehöhlt  und 
dienen  zugleich  als  Trommel.  Coote  beschreibt  von  St.  Maria  (Banks-Gruppe)  grosse, 
aus  Palmholz  roh  geschnitzte  Menscheniiguren  »als  Andenken  verstorbener  Häupt- 
linge«. 

S.  127  [265].  91 — gS:  Nassa  (callospira)  ist  N.  callosa  var.  camelus, 

S.  127  [265].  94:  Nassa  oder  Cassidula  ist  N.  callospira. 

S.  127  [265].  95:  Nassa  vibex  ist  N,  globosa  H.  u.  Jaqu. 

S.  128  [266].  152:  Cassidula  ist  Nassa  callospira. 

S.  128  [266].   159:  Dentalium  ist  Z).  elephantinum. 


(Zu  »Annalen«,  Bd.  VIII,  Heft  i,  1893,  S.  i  [269]— 106  [374].) 
S.  I  [269].  Zu: 

Dritte  Abtheilung:  Mikronesien  (West-Oceanien). 

S.  2  [270].  Zu:  Einleitung. 

S.  3  [271].  Zu  Schädelbildung.  Nach  der  flüchtigen  Messung  von  i3  Köpfen 
lebender  Sonsol-Männer  kommt  Kubary  zu  dem  Schlüsse,  »dass  diese  Insulaner,  als  ent- 
schieden dolichocephal,  sich  von  den  mehr  mesocephalen  Einwohnern  Pelaus')  und 
Yaps  entfernen  und  den  extra-dolichocephalen  Centrale aroliniern  oder  sogar  den  Pona- 
peanern  nähern«  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  87).  So  gelehrt  diese  Auslassung  auch 
klingt,  so  hat  sie  doch  keinen  besonderen  Werth,  und  man  sieht,  wie  leicht  es  ist,  aus 
etlichen  Schädelmessungen  anscheinend  wichtige  Schlüsse  zu  combiniren.  Wenn  Ku- 
bary (1.  c.)  von  den  Sonsolern  noch  sagt:  »Eine  typische  Gesichtsform  zu  fixiren  ist 
hier  ebenso  unmöglich  wie  auf  den  benachbarten  Inseln  der  Centralcarolinen«,  so  ist 
dies  jedenfalls  richtig,  nicht  aber  die  Schlussfolgerung,  »dass  die  Sonsoler  Mischlinge 


I)  Der  einzige  Pelauer  Schädel  im  Kat.  M.  G.  (S.  665)  ist  als  »brachycephal«  bestimmt. 


^14  Dr.  O.  Finsch.  [652] 

^ 

wie  die  übrigen  Carolinier  seien c^  denn  ähnliche  Verhältnisse  finden  sich  in  der  ganzen 
Südsee,  und  nirgends  tritt  ein  »reiner  Racentypus«  constant  auf. 

S.  6  [274].  Zu  Betelessen.  Wie  erwähnt,  ist  dieser  Brauch  in  Mikronesien  auf 
die  westlichen  Carolinen- Inseln  beschränkt  und  deutet  zunächst  auf  Melanesien  hin,  kann 
aber  auch  ebenso  gut  spontan  entstanden  sein.  Die  letztere  Annahme  scheint  sogar  die 
richtigere,  denn  bei  einer  genaueren  Vergleichung  ergeben  sich  sehr  erhebliche  Verschie- 
denheiten, sowohl  in  der  Art,  Betel  zu  essen,  als  in  den  benutzten  Utensilien.  >Der 
Kalk  wird  auf  das  PfefTerblatt  (nicht  »Arecablatt«)  und  die  Betelnuss  gestreut  und  so 
mit  diesem  gekaut  (gegessen)«  (Kat.  M.  G.,  S.  425:  Pelau),  also  ähnlich  wie  dies  in 
Neu-Britannien  und  Neu-Irland  geschieht  (vorne  S.  [21]  und  [54]).  Es  fehlen  also  die 
für  den  grössten  Theil  von  Melanesien  so  unentbehrlichen  und  charakteristischen  so- 
genannten »KalklöflFel«,  von  denen  die  Sammlung  schöne  Typen  aufweist  (vgl.  Taf.  [i  i  j). 
Ferner  werden  im  grössten  Theil  Melanesiens  zum  Aufbewahren  des  Betelkalkes  Kale- 
bassen verwendet  (vorne  S.  [112],  [165]  und  [202]),  mit  Ausnahme  gewisser  Gebiete 
der  Salomons,  wo  auch  Büchsen  aus  Bambu  benutzt  werden  (vorne  S.  [66],  Guppy: 
S.  95,  Kat.  M.  G.,  S.  II 3,  114).  In  ähnlicher  Weise  geschieht  dies  auch  auf  den  west- 
lichen Carolinen,  aber  diese  Bambukalkbehälter  sind  wesentlich  verschieden,  schon 
dadurch,  dass  sie  ein  Loch  besitzen,  zum  Ausschütten  des  Kalkes.  Diese  zuweilen 
I — 2  M.  langen  Bamburohre  zu  Betelkalk,  auf  Pelau  »Haus»  genannt  (wie  der  Kalk 
selbst),  werden  von  Kubary  ausführlich  beschrieben  (»Ethnol.  Beitr.«,  11,  S.  198, 
Taf.  XXIII,  Fig.. 24 — 29;  auch:  Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  4,  Fig.  18).  Ebenso  hier  die 
kunstvoll  aus  Schildpattringen  verfertigten  Pfropfen  (»Tanet«)  zum  Verschliessen  des 
Bamburohres,  die  eine  charakteristische  Eigenthümlichkeit  Pelaus  bilden  (Kubary,  1.  c, 
S.  189,  Taf.  XXIII,  Fig.  2—4;  Kat.  M.  G.,  S.  426,  Nr.  690;  Journ.  M.  G.,  Heft  IV, 
Taf.  4,  Fig.  I :  Pelauaner  mit  einer  Art  Spazierstock  *)  in  der  Rechten,  der  aber  ein  Kalk- 
behälter ist). 

S.  7  [275].  Zu  Hausrath  und  Kochgeräth.  Eine  erschöpfende  Darstellung  der 
hieher  gehörigen,  zum  Theil  aber  schon  der  Vergangenheit  angehörenden  Gegenstände 
Pelaus  gibt  Kubary  in  dem  Abschnitt  »Industrie  der  Hausstands-Geräthschaftenc 
(»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  197 — 208,  Taf.  XXIV — XXVIII),  die  manche  interessante,  in- 
dess  wenig  eigenartige  Formen  nachweist.  Unter  den  letzteren  sind  besonders  bemer- 
kenswerth  »Anrichteschüsseln  auf  Füssen«  (Taf.  XXVI,  Fig.  11 — 13),  »Anrichtetisch« 
(Taf.  XXVllI,  Fig.  i),  Speisekammern  aus  Bambustäben  (ib.  Fig.  10)  und  Hängevor- 
richtung (ib.  Fig.  1 1),  ähnlich  unseren  Kleiderhaken. 

S.  8  [276].  Zu  Waffen  und  Wehr.  Herr  Heger  hatte  die  Güte,  mich  auf  die 
Unrichtigkeit  der  folgenden  Passage  aufmerksam  zu  machen:  »Ganz  abweichend  sind 
die  zum  Theil  hübsch  geschnitzten  Keulen  von  Tonga,  die  sehr  den  neuseeländischen 
ähneln«,  da  die  Maoris  keine  Keulen  besassen,  die  mit  den  tonganischen  verglichen 
werden  könnten.  Am  häufigsten  verbreitet  waren  die  »Meri«,  kurze  Handkeulen  meist 
aus  Hol^,  Walfischknochen,  Stein  oder  Grünstein,  wovon  meine  Sammlung  von  Gyps- 
abgüssen  von  Maori-Antiquitäten  aus  Neu-Seeland  (Bremen  i883)  eine  schöne  Reihe 
von  zwölf  der  hervorragendsten  Exemplare  aus  den  bedeutendsten  Sammlungen  Neu- 
seelands enthält.     »Tewatewa«  waren  eine  eigenthümliche  Art  hölzerner  Keulen,  ein 


«)  Der  im  Kat.  M.  G.  (S.  388,  Nr.  3507)  beschriebene  Stock  (vielleicht  »Hoheitszeichen«)  von  Uieai 
ist  nach  Kubary  ein  solches  Bamburohr  zu  Kalk  von  Pelau,  das  ein  Eingeborener  zum  Spass  ganz 
mit  Schildpattringen  (193  Stück)  bekleidete.  Obwohl  Kubary  bei  der  Anfertigung  dieses  Phantasie- 
stückes zugegen  war,  behauptet  Schmeliz  (1.  c,  S.  190,  Note),  dass  sich  Kubary  irre. 


r5c3l  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^.I^ 

Stab,  der  oben  in  einen  fahnenartigen  Ansatz  endete.  »Huata«  oder  »Hani«,  lange 
Stäbe,  die  oben  in  einen  zungenförmigen,  mit  Schnitzerei  verzierten  Knauf  endeten 
(Joest:  »Tätowiren«,  Taf.  V,  Fig.  5*),  dienten  wohl  mehr  als  Hoheitszeichen,  mögen 
aber  auch  beim  Kampfe  benutzt  worden  sein.  Alle  diese  eigenthümlichen  Waffen  sind 
fast  so  gut  als  vollständig  verschwunden.  Bei  Gelegenheit  der  grossen  Maori -Versamm- 
lung aus  dem  sogenannten  Kingscountry  in  Hamilton  (im  Juli  1881)  waren  fast  alle 
Krieger  mit  Gewehren  bewaffnet,  und  ich  sah  nur  noch  3  Grünstein-  und  6  Knochen- 
Meris  in  Händen  Eingeborener.  Huatas  waren  kaum  in  einem  halben  Dutzend  ver- 
treten, aber  viele  trugen  gewöhnliche  lange  Knüppel  als  moderne  Keulen. 

S.  10  [278].  Zu  Eingelegte  Arbeiten  in  Muschelstücken  auf  Pelau  gibt  Kubary 
einige  beachtenswerthe  Notizen,  auch  hinsichtlich  der  Anfertigung.  (»Ethnol.  Beitr.«,  II, 
S.  201  und  206,  »Nrodhokc,  Taf.  XXVII,  Fig.  i  und  2.) 

S.  II  [279].  Zu  Töpferei,  lieber  dieses  Gewerbe  auf  Pelau  haben  wir  erst  neuer- 
dings durch  Kubary  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  199  und  200)  erwünschte,  aber  nicht  be- 
friedigende Kunde  erhalten.  Der  Betrieb  war  »seit  undenklichen  Zeiten«  auf  einige 
wenige  Plätze^)  der  Insel  Baobelthaob  beschränkt  und  lag,  wie  überall,  ausschliessend 
in  Händen  der  Frauen.  Die  Technik  scheint  fast  ganz  mit  der  (vorne  S.  [164])  von  mir 
von  Teste-Insel  beschriebenen  übereinzustimmen,  wenn  darüber  auch  Zweifel  bleiben, 
da  ausser  dem  »Protok«  (?)  auch  noch  ein  »steinerner  ,Beob*  zum  Pressen  oder  Klopfen« 
erwähnt  wird.  Wenn  Töpferei  (wie  vorne  S.  [446]  erwähnt)  auch  zunächst  auf  Mela- 
nesien hinweist,  so  scheinen  die  Erzeugnisse  der  pelau'schen  Keramik  doch  keineswegs 
»aus  der  melanesischen  Vorzeit«  herzustammen,  indem  sie  erheblich  von  den  sonstigen 
melanesischen  abweichen.  Leider  gibt  Kubary  keine  Abbildung  der  »kreisrunden  ,Go- 
lisal*-Töpfe«,  wie  sie  früher,  oft  in  bedeutender  Grösse,  verfertigt  wurden,  und  die 
wahrscheinlich  den  melanesischen  kugelförmigen  Töpfen  (vgl.  Finsch:  »Eihnol.  Atlas«, 
Taf.  IV)  am  nächsten  standen.  Der  von  Kubary  (Taf.  XXIV,  Fig.  12)  abgebildete  »alte« 
Topf  (jetzt  durch  von  Manilla  eingeführte  [Fig.  11]  beinahe  gänzlich  verdrängt)  weicht 
schon  durch  seine  plane  Bodenfläche  total  von  melanesischen  ab.  Auch  fehlen  in  Mela- 
nesien Schüsseln  (S.  200,  Fig.  9  und  10)  fast  ganz,  Lampen  (ib.  Fig.  i3 — 15)  dagegen 
überhaupt,  weshalb  letztere  also  für  Pelau  eine  besondere  charakteristische  Eigenihüm- 
lichkeit  erlangen.  Von  Manilla  eingeführte  eiserne  wie  irdene  Töpfe  (»Apagay«)  stellen 
übrigens  den  gänzlichen  Verfall  der  Töpferei  Pelaus  leider  in  baldige  Aussicht.  Auf 
Yap,  dem  zweiten  Centrum  carolinischer  Topffabrication,  dürften  ähnliche  Verhältnisse 
herrschen.  »Die  Thongefässe  werden  aus  freier  Hand  geformt  und  gebrannt,  sind  ziem- 
lich flach,  kunstlos  und  ohne  Verzierung«  ist  Alles  was  Kubary  über  diese  Materie  sagt 
(Journ.  M.  G.,  Heft  II,  S.  19,  Taf.  IV,  Fig.  12).  Das  hier  abgebildete  schüsseiförmige 
Gefäss  stimmt  ganz  mit  solchen  von  Pelau  (Kubary,  Taf.  XXIV,  Fig.  10)  überein.  Der 
Kat.  M.  G.  verzeichnet  (S.  401,  Nr.  426)  nur  zwei  solche  »Schüsseln«  von  Yap  und  von 
•  Pelau  drei  Thongefässe  (S.  425,  darunter  einen  »Thonkrug«!). 


1)  Die  hier  (S.  28  und  121}  ausgesprochenen  Sätze,  »dass  die  Muster  der  Tätowirung  immer 
den  Ornamenten  entsprechen,  mit  denen  die  betrefTenden  Leute  auch  die  Gegenstände  ihres  täglichen 
Gebrauches,  ihre  Waffen,  Geräthe  u.  s.  w.  verzieren«  und  »diese  durchgehende  Uebereinstimmung  in 
den  Schmuckmustern  kann  man  bei  allen  tätowirendcn  Völkern  der  Erde  beobachtenc  sind  in  Betreff 
der  SQdsee  nur  für  Neu-Seeland  und  die  Markesas  giltig,  im  Uebrigen  aber  nicht  zutreffend. 

3)  Die  Namen  derselben  sind  sehr  abweichend  geschrieben  von  denen  auf  der  grossen  Karte 
der  »Palau-Inseln«  (Journ.  M.  G.,  Heft  IV,  Taf.  I),  wie  überhaupt  die  mannigfach  wechselnde  Schreib- 
weise der  Eingeborenennamen  bei  Kubary  die  Benutzung  seiner  Arbeiten  recht  erschwert. 


41 6  t)r.  O.  Finsch.  [654] 

S.  12  [280].  Zu  >F6«  oder  Steingeld  auf  Yap.  Nach  Kubary,  der  übrigens  auch 
den  vorstehenden  Namen  anwendet,  heisst  dasselbe  auf  Yap  »Palan«  und  ist  infolge  des 
regeren  SchifTsverkehres  häufiger  und  auch  billiger  geworden.  Capitän  Okeefe  hat  das 
Geschäft  mit  diesem  Gelde  insoferne  in  Händen,  als  er  die  Ueberfahrt  besorgt,  so  dass 
die  Eingeborenen  ihre  beschwerlichen  und  gefährlichen  Canureisen  ganz  aufgegeben 
haben.  Kubary  fuhr  1882  mit  einem  Schuner  von  Yap  nach  Pelau,  der  62  Eingeborene 
der  ersteren  Insel  als  Passagiere  an  Bord  hatte,  und  fand  hier  (auf  Koryor)  400  Yaper 
mit  Steingeldbrechen  beschäftigt.  Leider  vergisst  Kubary  die  Hauptsache  mitzutheilen, 
nämlich  welcher  Werkzeuge  sich  die  Eingeborenen  dabei  bedienen,  denn  Stücke  von 
2 — 3  Faden  (18  Fuss  Durchmesser)  zu  bearbeiten,  ist  am  Ende  selbst  für  unsere  Stein- 
brecher immerhin  eine  schwierige  Arbeit  (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  ßeitr.«,  I,  S.  3). 

S.  i3  [281].  Zu  Menschenhaar.  Wird  auch  auf  Sonsol  (westlichste  Carolinen)  zu 
Schnüren  (>Eunisun«)  geflochten,  die  »als  Hals-,  Leib-,  Arm-  und  Fuss-  oder  Knöchel- 
bänder dienen«  (Kubary,  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  92). 

S.  18  [286J.  Kubary  bestätigt,  dass  der  hier  citirte  Brustschmuck  (Kat.  M.  G., 
S.  414,  Nr.  1627)  aus  einer  Tridacna-PhtiQ  keinesfalls  von  Pelau  herstammt. 

S.  19  [287].  Zu:  I.  Gilbert- ArchipeL 

S.  20  [288]  Note  und  (50  [3 18]).  Zu  Banaba  (Ocean  IsL).  In  der  von  mir  hier 
citirten  Abhandlung  habe  ich  auf  Grund  der  Zählungen  von  Capitän  Breckwoldt  die 
Bevölkerung  der  Insel  1880  im  Ganzen  auf  35  Köpfe  angegeben,  infolge  Auswande- 
rung wegen  Hungersnoth.  Die  Missionsberichte  verzeichnen  aber  für  1888  wieder  3oo, 
für  1891  sogar  400  Einwohner,  so  dass  eine  wesentliche  Zunahme,  wahrscheinlich  durch 
Importation,  stattgefunden  hat. 

S.  22  [290].  Zu  Bevölkerung  der  Gilbert-Inseln.  Die  neuesten  Missionsberichte 
(von  1892)  verzeichnen  für  den  Gilbert-Archipel  circa  20.000  Bewohner;  für  Tapiteuea 
sind  4000  angegeben,  gegen  1878  ein  Minus  von  538  Eingeborenen. 

S.  24  [292].  Zu  Mission.  Die  »Hawaiian  Evangelical  Association«  hat  seit  1885 
auch  auf  Banaba  (Ocean  IsL),  seit  1887  auf  Nauru  (Nawodo,  Onawero,  Pleasant  Isl.) 
Stationen  mit  eingeborenen  Lehrern,  die  bis  1892  auf  ersterer  Insel  87  Kirchenmitglieder 
und  25  Schüler,  auf  letzterer  350  Schüler  zählten.  Im  Uebrigen  verzeichnen  die  »Annual 
Reports«  dieser  Gesellschaft,  welche  ich  bis  1892  einsah,  nicht  stetiges  Fortschreiten,  son- 
dern ein  Schwanken  in  der  Statistik  der  Kirchenbesucher  und  sogenannten  Schüler,  die 
zum  Theil  identisch  sind,  wie  dies  allenthalben  der  Fall  ist.  So  haben  die  Schulen  zeit- 
weilig kaum  Besucher,  es  wird  über  Trunkenheit  und  »heathinism«  geklagt,  sowie  über 
die  Proselytenmacherei  der  katholischen  Missionäre.  Der  letzte  Jahresbericht  für  1891 
weist  für  den  Gilbert-Archipel  mit  Banaba  und  Nawodo  (mit  einer  Gesammtbevölkerung 
von  24.000  Seelen)  2100  Kirchenbesucher  und  1350  Schüler  nach,  unter  16  eingebore-  . 
nen,  meist  hawaiischen  Katechisten.  Sehr  beachtenswerth  und  zutreffend  sind  die  Be- 
obachtungen und  Betrachtungen  über  das  Missionswerk  in  der  Südsee  im  Allgemeinen 
von  Lord  Pembroke  (»South  Sea  Bubbles«,  S.  168,  2o3  und  »Chapter  X  Missionaries« 
pag.  277 — 3 18),  deren  Richtigkeit^ich  nach  eigenen  Erfahrungen  bestätigen  kann. 

S.  34  [3o2].  Zu  »Drachensteigen«.  Dieses  Spiel  war  früher  (noch  in  den 
Dreissigerjahren)  bei  den  Maoris  auf  Neuseeland  ausserordentlich  beliebt.  Die  Drachen 
ähnelten  in  der  Form  den  japanischen  Papierdrachen  und  wurden  aus  Tapa  von  ßrous- 
sonetia  papyrifera  (die  man  eigens  cultivirte)  verfertigt,  eine  andere  Art  aus  Schilf- 
blättern.   Selbst  Häuptlinge  belustigten  sich  oft  stundenlang  mit  Drachensteigen,  wobei 


[655]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee.  aij 

eigene  Weisen  gesungen  wurden.  (Colenso  in:  Trans,  et  Proceed.  of  the  New  Zealand 
Institute«,  1891,  S.  465.) 

S.  34  [3o2].  Zu  Sport,  lieber  Zähmen  des  Fregattvogels  auf  Nui  oder  Eeg-Island 
(Netherland  Isl.)  der  Ellice-Gruppe  findet  sich  eine  interessante  Notiz  im  Kat.  M.  G., 
IV  (1869),  S.  XIIl:  >die  Eingeborenen  zähmen  einzelne  Seevögel,  so  z.  B.  Tachypetes 
aquila,  die  vor  den  Hütten  der  Insulaner  auf  Stangen  sitzen  und  aufs  Meer  fliegen,  um 
ihre  Nahrung  zu  suchen,  stets  aber  wieder  auf  die  Insel  und  ihre  Stangen  zurückkehren.« 
Wie  es  scheint  eine  Art  Sport,  der  aber  interessanten  Nachweis  über  die  Zähmbarkeit 
eines  Meeresvogels  gibt,  die  nicht  einmal  auf  Nawodo  erreicht  wird.  Leider  erfahren 
wir  nichts  über  die  Fangmeihode  selbst. 

S.  37  [305]  Anm.  I.  Zu  Nawodo.  In  den  hawaiischen  Missionsberichten  wird  die 
Insel  auch  unter  den  Namen  »Nanaro«  (=  Nauru)  und  »  Anawaro«  {—  Onawero)  aufgeführt, 
die  Bevölkerungszahl  1888  mit  1500,  1891,  jedenfalls  viel  zu  hoch,  mit  3500  Seelen. 

S.  50  [3 18].  Zu  Palmsaft.  Die  Bewohner  der  westlichsten  Carolineninsel  Sonsol, 
die  früher  wohl  Arrowroot  (Tacca  pinnitifida)^  aber  keinen  Taro  bauten,  nähren  sich 
hauptsächlich  von  Palmsaft  (»Kasi«),  verstehen  aber  keinen  berauschenden  sauren  Toddy 
zu  bereiten,  was  dafür  spricht,  dass  diese  Kunst  auf  den  Gilberts  erst  durch  Weisse  ein- 
geführt wurde  (vgl.  S.  26  [294]). 

S.  51  [319].  Zu  Palmsyrup.  Auf  Pelau  wird  der  Palmsaft  in  eisernen  Töpfen  zu 
Syrup  eingekocht,  der  »Aylaoth«  heisst.  Mit  Wasser  verdünnt,  liefert  er  das  »Blulok« 
(früher  von  Kubary  »Alling«)  genannte  Getränk,  welches  ganz  der  »Karave«  der  Gil- 
bert-Insulaner entspricht  und  im  Leben  der  Pelauer  eine  noch  bedeutendere  Rolle  spielt 
als  bei  den  Gilberts  (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  172).  »Aus  dem  Umstände, 
dass  das  pelausche  Kar-  (Syrup-)  Trinken  dem  ponapschen  ,Joko*-  (Kawa-)  Trinken 
entsprechen  dürfte,  könnte  man  annehmen,  dass  Joko-Trinker  nach  Pelau  gelangten 
und,  den  Piper  methysticum  nicht  anfindend,  ihr  Nationalgetränk  durch  Palmsyrup  er- 
setzten«, lautet  die  kühne  und  phantastische  Hypothese,  in  welcher  sich  Kubary  wieder 
einmal  bemüht,  die  Bewohner  Pelaus  direct  von  Ponap6  herkommen  zu  lassen  (in  Joest: 
»Tätowiren«,  S.  93). 

S.  52  [32o].  Zu  »Mongin trinken«.  Ein  ähnliches  berauschendes  Getränk  bereiten 
die  Bewohner  der  Gesellschafts-Inseln  aus  wilden  Orangen,  in  welchen  von  beiden  Ge- 
schlechtern wochenlange  Trinkgelage  abgehalten  werden,  die  häufig  mit  Mord  und 
Todtschlag  enden  (»South  Sea  Bubbles«,  S.  104:  Raietea;  leider  ohne  Beschreibung  der 
Fabrication).  Nach  derselben  Quelle  (S.  204)  erfanden  auch  die  Samoaner  »Orange 
rum«,  als  Ersatz  für  die  durch  die  Missionäre  verbotene  Kawa. 

S.  53  [32 1].  Zu  Vogelleim.  Nach  Kubary  wird  der  Vogelfang  mittelst  Leim- 
ruthen von  Knaben  auf  Pelau  betrieben  und  als  Vogelleim  der  an  der  Luft  verdickte 
Saft  des  Brotfruchtbaumes  benutzt  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  122).  Auch  die  Maoris  ver- 
wendeten Vogelleim. 

S.  53  [32i].  Zu  Fischerei.  Ich  erhielt  auf  den  Gilberts  einige  Male  sogenannte 
Scheeren  oder  Raubfüsse  eines  Krebses  der  Gattung  Squilla,  deren  Verwendung  un- 
aufgelöst blieb,  die  aber  vielleicht  in  ähnlicher  Weise  zum  Fange  dieser  Krebse  dienen 
als  wie  auf  Pelau  (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  152,  Taf.  XXI,  Fig.  9.) 

S.  59  [327].  Zu  »Aila«,  Schöpfkellen.  Durchaus  übereinstimmende,  die  eben- 
falls zum  Abschäumen  beim  Syrupkochen  verwendet  werden,  beschreibt  Kubary  von 
Pelau  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  206,  Taf.  XXVIII,  Fig.  5). 

S.  62  [33o].  Ovula- Muscheln  als  Ausputz  der  Häuser  werden  in  ähnlicher 
Weise  auch  auf  Yap  verwendet  (vgl.  Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  33  u.  38,  und  die 


i| 


4i8  Dr-  O-  Finsch.  [656] 

von  Schmeltz  gemachte  Anmerkung  über  die  weite  Verbreitung  dieser  Muscbelart  zu 
Verzierungen  in  der  Südsee  und  dem  malayischen  Archipel). 

S.  64  [332].  Zu  > Kopfunterlage«.  Auf  Samoa  benutzt  man  solche  von  Bambu: 
»South  Sea  Bubbles«,  S.  218  (und  Kat.  M.  G.,  S.  218,  Nr.  i283,  »Nackenkissen«). 

S,  64  [332]  Anm.  Zu  »Fliegenwedel«.  Nach  Lord  Pembroke  sind  dieselben 
keineswegs  »Hoheitszeichen«,  sondern  werden  von  Jedermann  zur  Abwehr  der  so  lästi- 
gen Musquitos  benutzt  und  gehören  zum  charakteristischen  Ausputz  der  Bewohner,  wie 
Regenschirme  bei  uns  (»South  Sea  Bubbles«,  S.  219). 

S.  73  [341].  Zu  Matten  für  Schwangere  von  Nawodo.  Interessant  ist  der 
Nachweis  eines  ähnlichen  Brauches  auf  Pelau.  »Schwangere  Frauen  tragen  auf  dem 
Nabel  kleine  viereckige  Matten  mit  kleinen  Perlmutterschalen  belegt,  die,  auch  als  Opfer- 
matten gewissen  Gottheiten  gewidmet,  bei  Krankheiten  in  den  Bäumen  oder  sonst  wo 
aufgehangen  werden«  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  211). 

S.  74  [342].  Zu  Mützen  (Gilberts).  Ganz  verschieden  sind  die  aus  Pandanus-Ehti 
geflochtenen  Mützen  (Kapiwau)  der  Bewohner  der  westlichsten  Carolineninsel  Sonsol, 
mit  denen  uns  Kubary  neuerdings  bekannt  machte  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  91,  Taf.  XII, 

F>g-  5> 

S.  75  [343].    Zu  Tekaroro.  Scheibchen  aus  Cocosnussschale.    Die  ganz  kleinen 

(von  circa  3  Mm.  Durchmesser)  sind  möglicherweise  aus  Mangroverinde  gearbeitet,  wie 
die  »Tschia«-Scheibchen  der  Central- Carolinen  (vgL  vorne  S.  [595]  und  »Pellä«-Scheib- 
chen,  S.  [625]).  Dagegen  hat  mich  eine  wiederholte  genaue  Untersuchung  überzeugt, 
dass  die  angeblich  aus  »Holz  derCocospalme«  bestehenden  Scheibchen  (auch  S.  88  [356], 
Z.  3  V.  o.  als  solche  erwähnt)  nicht  aus  diesem  Material  bestehen,  sondern  dass  es  sich 
auch  hier  um  Cocosnussschale  handelt.  Die  betreffenden  Scheibchen,  deren  Beschrei- 
bung ich  hier  nachhole,  sind  so  gross  als  Fig.  4,  Taf.  25,  also  etwas  grösser  als  die 
Taf.  24,  Fig.  I  by  von  Maraki  abgebildeten,  dabei  durchgehends  dicker  (i  \'a  bis  fast 
4  Mm.)  und  sehr  regelmässig  gearbeitet,  auch  in  Bezug  auf  das  sehr  enge  Bohrloch. 
Das  Aufreihen  auf  die  anscheinend  weit  dickere  Cocosfaserschnur  ist  schwierig  und  er- 
fordert viel  Geduld  und  Zeit.  Die  Scheibchen  haben  vorherrschend  eine  dunkle  Fär- 
bung, es  gibt  aber  auch  hellgraulich  oder  bräunlich  gefärbte,  so  dass  aufgereiht  die 
dunklen  Scheibchen  hie  und  da  von  helleren  unterbrochen  werden.  Solche  »Tekaroro«- 
Schnüre  sind  beliebt  als  Halsketten  und  Gürtel  für  Frauen  und  ein  billigerer  Ersatz  der 
mit  weissen  Muschelscheibchen  gemischten  Schnüre.  Ich  erhielt  solche  einfache  Teka- 
roro-Schnüre  auf  Tarowa,  Apaiang  und  Maiana. 

S.  81  [349].  Zu  Halsketten  aus  Tekaroro-Schnüren.  Hierher  gehören  Kat. 
M.  G.  (S.  256,  Nr.  792,  510,  511  und  793)  und  Schnüre  aus  weissen  Muschelscheibchen 
(N.  790  und  791). 

S.  82  [350].  Zu  »Touba«,  Halsketten  aus  Muschelscheiben.  Hierher  gehören 
Kat.  M.  G.  (S.  257,  Nr.  1723  und  3i83)  und  aus  Platten  von  Conus  lividus  (Nr.  787). 

S.  86  [354].  Zu  Halsschmuck  aus  Spermwalzahn,  Taf.  [23],  Fig.  4.  Solcher 
Schmuck  war  auch  auf  Samoa  hochgeschätzt  und  wird  von  Lord  Pembroke  im  Aus- 
putz einer  »Ehren Jungfrau«  sehr  charakteristisch  beschrieben:  »sie  trug  Diamanten, 
d.  h.  die  gleichwerthigen  Repräsentanten  von  Diamanten  in  diesem  Theile  der  Welt  — 
ein  Halsband  von  Spermwalzähnen,  so  dünn  geschliffen,  dass  sie  aussahen  als  wie  die 
Klauen  eines  gigantischen  Tigers  —  ein  Halsband  von  fast  unschätzbarem  Werthe« 
(»South  Sea  Bubbles«,  S.  227). 

S.  87  [355].  Zu  Armschmuck  aus  Tekaroro-Schnüren.  Hierher  gehört  Kat.  M.  G. 
(S.  257,  Nr.  798),  zugleich  aux:h  als  Tanzschmuck  (S.  258,  Nr.  799  und  1 181 :  Nukunau). 


[557]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  axq 

(Zu  Heft  2,  1893,  5.1 19  [375]— 275  [531]). 

S.  119  [375].  Zu:         IL  Marshall- Archipel. 

S.  123  [379].  Zu  Bevölkerung  (Marshall-Inseln).  Im  letzten  Jahresberichte  der 
hawaiischen  Missionsgesellschaft  wird  die  Gesammtzahl  der  Eingeborenen  (übrigens 
nicht  nach  Zählung,  sondern  nur  nach  Schätzung)  auf  11.496  angegeben,  davon  unter 
Anderem  Arno  mit  2800,  Ebon  mit  1200,  Dschalut  mit  1200,  Madschuru  mit  2500. 

S.  124  [38o].  Zu  Mission  (Marshall-Inseln).  Der  Jahresbericht  von  1888  bezeich- 
net »die  Kirche  als  anscheinend  gestärkt  und  in  gesunder  Entwicklung  ihrer  Mitglieder« ; 
von  letzteren  werden  640  angeführt,  ausserdem  435  Schüler,  unter  5  eingeborenen 
Pastoren  und  12  Lehrern  (Marsh allaner)  auf  10  Stationen  (bei  einer  Gesammtbevölke- 
rung  von  über  1 1 .000).  Seit  diesem  Jahre  enthalten  die  Berichte  keine  weiteren  Daten 
über  die  Marshall-Mission,  die,  unter  eingeborenen  Lehrern  sich  selbst  überlassen,  sicher- 
lich keine  Fortschritte  machte.  Zeitungsnachrichten  (vom  April  1893)  zufolge  hat  der 
deutsche  Reichscommissär  die  Lehrer  der  hawaiischen  Mission  ganz  ausgewiesen. 
Deutsche  Sendboten,  darunter  auch  katholische,  werden  das  Werk  also  fortsetzen  und 
so  ziemlich  wieder  von  vorne  anzufangen  haben. 

S.  125  [38i],  Anm.  i.  Zu  Marshall-Inseln.  In  derselben  Sprache  erschien: 
»Jeograpi  Buk  in  Katak  kin  Lol«,  Ebon,  Mission  Press,  1877  (87  S.  in  4°),  eine  Geo- 
graphie, mit  Karten  und  zum  Theil  höchst  possirlichen  Bildern. 

S.  i35  [391].  Zu  Tänze.  Auch  Lord  Pembroke  deutet  an,  dass  die  TanzaufTüh- 
rungen  der  Mädchen  auf  Samoa  zum  Theil  nicht  sehr  decent  sind  (vgl.  auch  S.  9  [277]) 
und  beschreibt  den  eigenthümlichen  »Taubentanz«  (»South  Sea  Bubbles«,  S.  235). 

S.  147  [403].  Fischhaken  (Nr.  151)  zum  Fange  fliegender  Fische  in  ähnlicher 
Form,  aber  aus  Schildpatt,  beschreibt  Kubary  von  Pelau  (»Ethnol.  Beitr.«,  II,  S.  126, 
Taf.  XVII,  Fig.  2). 

S.  148  [404].  Zu  Fischfang.  Das  Einkreisen  von  Fischschwärmen  beschreibt 
Lord  Pembroke  in  fast  gleicher  Weise  von  den  Gesellschafts- Inseln  (»South  Sea 
Bubbles«,  S.  59:  Eimeo  und  S.  106:  Raietea)  und  Kubary  von  Pelau.  Hier  bedient 
man  sich  ebenfalls  langer  Stricke,  an  denen  Cocosblatter  befestigt  sind,  die  »Rul«  heissen 
und  welche  Kubary  als  die  »einfachste  Form  der  Langnetze«  bezeichnet  (»Ethnol. 
Beitr.«,  II,  S.  135),  obwohl  von  einem  Netze  hierbei  Überhaupt  nicht  die  Rede  sein  kann. 

S.  149  [405].  Zu  Feuerreiben.  Ganz  in  derselben  Weise  sah  Lord  Pembroke 
noch  1870  auf  den  Gesellschafts-Inseln  (Huaheine)  mit  zwei  Stücken  Holz  Feuer  reiben 
(»South  Sea  Bubbles«,  S.  83)  wie  dies  auch  auf  Samoa  geschah.  Dr.  Gräffe  erzählt  eine 
hübsche  Sage,  wie  die  Samoaner  zu  der  Kunst  des  Feuerreibens  gelangten  (in:  »Mittheil, 
der  Geogr.  Gesellschaft  in  Hamburg«,  1887 — 1888,  Heft,  I,  S.  69). 

S.  153  [409].  Zu  Kopfkissen.  Auch  auf  Yap  wird  der  unterste  Längsbalken  des 
Hauses  als  gemeinschaftliche  Kopfunterlage  benutzt  (Kubary:  »Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  34). 

S.  158  [414].  Zu  Taudrehen.  »Eine  sehr  einfache,  aber  praktische  Vorrichtung 
(,Purgetagun*  genannt)  zum  Drehen  von  Fischleinen«  aus  Hibiscus-Bast  erwähnt  Ku- 
bary von  Sonsol  (»Ethnol.  Beitr.«,  I,  S.  96),  dessen  Handhabung  aber  trotz  der  Abbil- 
dung (Taf.  XII,  Fig.  10)  nicht  ganz  klar  ist.  '^  Ganz  gleiche  Geräthe  kommen  nach 
Schmeltz  vielerorts  im  malayischen  Archipel  vor.  Kubary  gedenkt  von  Sonsol  auch 
sehr  schöner  Taue  für  Fahrzeuge  (1.  c,  S.  97)  und  bezeichnet  die  Bewohner  von  Pelau 
und  Nukuor  als  die  besten  Tauedreher  des  Carolinen-Archipels  (1.  c,  I.,  S.  65). 


420  Dr.  O.  Finsch.  [658] 

S.  176  [432].  Zu  Kopfbinde  zu  Columbella  versicolor.  Das  einzige  im  Kat. 
M.  G.  (S.  255,  Nr.  583)  verzeichnete  Schmuckstück  aus  dem  Marshall-Archipel,  eine 
»Stirnbinde«,  gehört  hierher. 

S.  176  [432].  Zu  Tropikvogelfedem.  Die  zwei  mittelsten  rothen  Schwanzfedern 
von  Phaeton  rubricauda  waren  auch  bei  den  alten  Hawaiiern  und  auf  anderen  poly- 
nesischen  Inseln  (z.  B.  Tahiti,  Mangaia  etc.)  als  Schmuckmaterial  hochgeschätzt.  Die 
Eingeborenen  der  Gesellschafts-lnseln  verschafften  sich  dasselbe  von  dem  Tubai-Atoll, 
wo  Tropikvögel  in  grosser  Anzahl  nisten,  in  sehr  einfacher  Weise,  indem  sie  den  brü- 
tenden Vögeln  die  Federn  auszogen.  »They  sat  and  croaked,  and  pecked,  and  bit,  but 
never  attempted  to  fly  away.  AU  you  had  to  do  was  to  take  the  birds  up,  pull  the  long 
red  feathers  out  of  their  Sterns  and  set  them  adrift  again,«  sagt  Lord  Pembroke  (»South 
Sea  Bubbles«,  S.  151),  der  diesen  interessanten  Brüteplatz  1870  besuchte.  Ich  erwähne 
diese  Notiz  deshalb,  weil  auf  den  Marshall-Inseln  früher  höchst  wahrscheinlich  ganz 
gleiche  Verhältnisse  herrschten.  Der  einzige  Brüteplatz  für  Tropikvögel  scheint  hier  das 
unbewohnte  Atoll  Bigar  zu  sein,  wohin  die  Eingeborenen  alljährlich  Fahrten  unter- 
nehmen, um  Seevögel  und  Schildkröten  zu  holen.  Dabei  wurden  auch  Federn  von 
Tropikvögeln  jedenfalls  in  derselben  Weise  als  auf  Tubai  gesammelt,  denn  die  Einge- 
borenen besassen  ja  überhaupt  kein  anderes  Mittel,  um  diese  sonst  so  scheuen  Meeres- 
vögel zu  erlangen. 

S.  178  [434].  Zu  »Wondinemit«.  Unter  dem  Namen  »Reva-reva«  auch  in  Poly- 
nesien ein  beliebtes  und  weit  verbreitetes  Schmuckmaterial  (vgl.  »South  Sea  Bubbles«, 
S.  11:  Tahiti,  und  S.  1 1 1 :  Raietea). 

S.  181  [437].  Zu  »Ethnologische  Schlussbetrachtung«.  Unter  den  Charak- 
teristica,  welche  Dr.  Benda  (»Zeitschr.  f.  Ethnol.«,  1880,  S.  iii)  für  die  Eingeborenen 
der  Marsh  all- Ins  ein  notirt,  sind  folgende  Stellen  durchaus  unrichtig:  »Augen  blaubraun, 
Extremitäten  kunstvoll  tatuirt,  carrirte  Muster,  Arm-  und  Beinspangen  (!)  aus  Muscheln 
gearbeitet  (!),  Keulen  (!),  kunstvoll  gewölbte,  luftige,  reinlich  aussehende  Hütten,  Nah- 
rung: Jams  und  Taro, «  und  nur  zu  sehr  geeignet,  das  im  Uebrigen  zutreffende  Bild  der 
hiesigen  Eingeborenen  grundlos  zu  entstellen. 


S.  182  [438].  Zu:  III.  Carolinen. 

» 

S.  190  [446].  Zu  »Textilarbeiten  der  Maorisc.  Der  Anfertigung  von  Matten 
aus  Flachsfaser  hatte  ich  in  Neu-Seeland  noch  selbst  Gelegenheit  zuzusehen.  Die  Be- 
reitung der  Phormiuni'FasQr  geschieht  in  ganz  ähnlicher  Weise  als  die  der  Banane  auf 
Kuschai  (s.  vorne  S.  [473])  durch  Maceriren,  Klopfen  und  Schaben  mit  einer  Muschel. 
Die  präparirte  Faser  wird  dann  (wie  auf  Kuschai)  auf  dem  entblössten  Oberschenkel 
mit  der  flachen  Hand  zu  Faden  gedreht.  Zur  Anfertigung  der  Matten  bediente  man 
sich  keiner  Werkzeuge,  sondern  nur  der  Finger,  und  zwar  mit  ausserordentlicher  Ge- 
schicklichkeit in  einer  Technik,  die  am  meisten  an  Knüpfen  erinnerte.  Nach  Versiche- 
rung der  Eingeborenen  verstehen  nur  noch  alte  Frauen  Matten  zu  verfertigen,  und  diese 
Kunst  ist  der  gegenwärtigen  Generation  bereits  gänzlich  verloren  gegangen.  Ich  selbst 
sah  auf  Neu-Seeland  daher  keine  eigentliche  Weberei,  die  aber  möglicherweiscf  früher 
bekannt  gewesen  sein  mag.  Wenigstens  wird  sie  von  Colenso,  dessen  Erinnerungen  bis 
zum  Jahre  i838  zurückreichen,  erwähnt  (»Trans,  et  Proceed.  of  the  New  Zealand  Insti- 
tute«, 1892,  S.  463),  der  dabei  aber  allerdings  weder  den  Webeprocess,  noch  die  Geräth- 
schaften  beschreibt,  also  auch  keinen  Webe-  oder  Kettenstuhl. 


r659]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SOdsee.  421 

S.  190  [446],  Anm.  2.  »Bogen  und  Pfeil«  von  Pelau  beschreibt  Kubary  aus- 
führlich in  »Ethnographische  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Carolinen- Archipels«,  IL  Heft: 
»Die  Industrie  der  Pelau-Insulaner«,  1.  Theil  (1892),  S.  118,  Taf.  XVI,  Fig.  i  u.  2.  Aber 
diese  nur  zur  Jagd  auf  Tauben  (Carpophaga  oceanica)  benutzte  Waffe  ist  so  selten, 
dass  Kubary  zwei  Jahre  auf  Korror  lebte,  ehe  er  eine  solche  zu  sehen  bekam,  und  »auf 
der  nördlichen  Insel  sind  nur  wenige  Familien  im  Besitze  eines  Bogens«.  Das  von 
»Manila-Leuten  eingeführte«  Blaserohr  ist  im  oben  citirten  Werke  dargestellt  (S.  122, 
Taf.  XVI,  Fig.  II  u.  12).  Zu  den  eigenthümlichen  Waffen  der  Carolinen  gehörte  auch 
(auf  Ruk  und  Pelau)  eine  Art  Wurfstock  zum  Schleudern  der  Speere,  den  Kubary  leider 
nur  erwähnt,  aber  nicht  beschreibt  (vgl.  S.  3i3  [551]).  Das  Vorkommen  von  Pfeil  und 
Bogen  auf  Pelau  wird  bereits  von  Jacquinot  erwähnt,  wie  Schmeltz  anführt  (Kat.  M.  G«, 
S.  421),  von  derhselben  zugleich  aber  eine  Stelle  aus  Lesson  citirt  (ib.  S.  486),  wonach 
dieser  Forscher  sagt:  »Wir  fanden  in  den  Carolinen  weder  Bogen  noch  Pfeile.« 

S.  193  [449].  Zu:  /.  Kuschai. 

S.  196  [452].  Zu  Bevölkerung  und  Mission.  Die  letzten  Jahresberichte  der 
hawaiischen  Mission  geben  sehr  schwankende  Zahlen: 

Bevölkerung                   Schüler  Kirchenmitglieder 

1888  ....   350             50  117 

1889  ....   350            —  — 

1890  ....   80            3o  20 

1891  ....   125            45  95 

Ausser  der  »Training-school«,  Schule  zur  Ausbildung  von  eingeborenen  Missions- 
lehrern für  die  Marshall-Insulaner,  sind  auch  die  für  die  Bewohner  der  Gilberts  und 
Ponape  nach  Kuschai  verlegt  worden. 

S.  201  [457].  Zu  den  von  Kittlitz  erwähnten  »heiligen  Stäben«,  deren  Klarstellung 
für  immer  unmöglich  ist,  findet  sich  ein  Analogon  auf  Rarotonga.  Lord  Pembroke  erhielt 
hier  (1870)  »An  ancient  sacred  staff  (the  owner  having  retired  from  the  pagan  business 
and  entered  the  ministry)  Unique  alas!«,  denn  auch  dieses  für  die  Wissenschaft  so  un- 
schätzbare Stück  ging  beim  Schiffbruch  des  »Albatross«  leider  verloren  (»South  Sea 
Bubbles«,  S.  195). 

S.  202  [458].  Zu  Nahrung.  Auch  hier  herrscht  nicht  immer  Ueberfluss,  sondern 
zuweilen  kann  Mangel,  ja  sogar  Hungersnoth  eintreten,  wie  nach  dem  ungeheuren 
Orkan  am  2.  und  3.  März  1891,  der  schreckliche  Verheerungen  anrichtete  und  fast  alle 
Häuser  und  Plantagen  verwüstete. 

S.  204  [460].  Zu  Kawatrinken.  Das  Ceremoniell,  welches  früher  auf  Samoa  be- 
obachtet wurde,  und  die  Wirkung  dieses  Trankes  beschreibt  Lord  Pembroke  ausführ- 
lich (»South  Sea  Bubbles«,  S.  204  u.  224 — 23 1).  Wie  überall  wurde  der  höchsten  Per- 
sönlichkeit zuerst  credenzt  und  wie  auf  Fidschi  hatte  ein  besonderer  Mundschenk  ge- 
wisse Trinksprüche  auszubringen,  die  Lütke  auf  Kuschai  irrthümlich  als  Gebete  deutete. 

S.  222  [478].  Zu  Sternkunde.  Eine  ganz  ähnliche  Parallele  bietet  die  westlichste 
Carolinen-Insel  Sonsol,  deren  Bewohner  zwar  seefähige  Canus  besitzen,  aber  keine  See- 
reisen unternehmen,  obwohl  sie  eine  bedeutende  Anzahl  Gestirne  kennen,  von  denen 
Kubary  17  mit  eingeborenen  Namen  aufführt  (»Ethnogr.  Beitr.«,  I,  S.  94).  Im  Wider- 
spruch zu  den  obigen  Notizen  bezeichnet  Kubary  (1.  c,  S.  97)  die  Sonsoler  »als  sehr 
geschickte  Seefahrer«  und  »ihre  Fahrzeuge  genügen  für  die  Reise  nach  Bur  (Pulu  Ana) 


422  nr.  O.  Finsch.  [66o] 

und  Megiek  (Merir)€,  was  freilich  nicht  viel  bedeuten  würde,  da  es  sich  nur  um  Distanzen 
von  kaum  60  Seemeilen  handelt. 

S.  226  [482].  Zu  »Fai€  oder  Perlmutterschalen..  Dieselben  spielen  auch  auf 
Yap  unter  dem  Namen  >Sar<  (Maclay;  »Yarc  Kubary)  eine  bedeutende  Rolle  und 
dienen,  am  Rande  durchbohrt  und  auf  Schnüre  gezogen,  im  Kleinverkehre  als  gang- 
bares Tauschmiitel,  hiauptsächlich  als  »Geld  der  Frauen  €  (Kubary).  Da  Perlschalen  auf 
Yap  selten  sind,  so  wurden,  wie  schon  v.  Miklucho-Maclay  mittheilte,  seit  vielen  Jahren 
solche  durch  weisse  Händler  von  Singapore  eingeführt  (vgl.  auch  Kubary".  »Ethnogr. 
Beitr.«,  I,  S.  6).  Ueber  die  Verwendung  von  Perlschalen  auf  Pelau  vgl.  Kubary,  1.  c,  II, 
S.  195,  ig6,  Taf.  XXIV,  wobei  bemerkt  sein  mag,  dass  der  Fig.  7  abgebildete  Löffel 
sicher  nicht  aus  »/1vicm/ö< -Schale  geschnitten  ist. 

S.  228  [484].  Zu  »Ga«,  Halsschmuck  aus  Schildpatt.  In  diese' Kategorie  eigen- 
artigen Schmuckes  gehört  auch  der  Halsschmuck  von  Merir  (Kubary:  »Ethnogr.  Beilr.c, 
I,  S.  loi,  Taf.  XII,  Fig.  14). 


[66i] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


423 


Inhaltsverzeichniss. 


Dritte  Abtheilung:  Mikronesien  (West-Oceanien). 


Seite 

Vorwort [269]  1 

Einleitung [270]  2 

Anthropologischer  Ueberblick     .     .  [270]  2 

Mikronesien  als  Gebiet ....  [272]  4 

Ethnologischer  Ueberblick     .     .     .  [272]  4 

Allgemeine  ZOge [272]  4 

Subprovinzen [273]  5 

Sitten  und  Gebräuche [273]  5 

Cannibalismus  ........  [273]  5 

Ernährung [273]  5 

Hausthiere [273]  5 

Nahrung  und  Reizn^ittel   ....  [274]  6 

Fischerei [274]  6 

Fahrzeuge [274]  6 

Häuser [274]  6 

Hausrath  und  Kochgeräth     .    .     .  [275]  7 

Feuer [275]  7 

Werkzeuge  und  Geräth    ....  [275]  7 

Waffen  und  Wehr [276]  8 

Musik  und  Tanzgeräth      ....  [276]  8 

Ornanientik  und  Schnitzerei.     .    .  [277]  9 

Idole [278]  IG 

Religion [278]  10 

Gewerb  fleiss [278]  10 

Mattenöechterei [278]  10 

Weberei  und  Tapabereitung  .     .  [279]  11 

Töpferei [279]  1 1 

Bekleidung [279]  1 1 

Putz  und  Zieraten [280]  12 

Hautverzierung [281]  i3 

Tätowiren [281]  i3 

in  Melanesien [281]  i3 

»  Polynesien [282]  14 

»   Ellice [282]  14 

>  Tockelau [282]  14 

»  Samoa [282]  14 

»   Niue [282]  14 

»   Rarotonga [282]  14 

»   Paumotu [282]  14 

^   Hawaii [283]  15 

>  Rapanui [283]  15 

»   Njua [283]  15 

»  Sikajana [283]  15 

»    Markesas [283]  15 

»   Neu-Seeland [283]  15 

Annalen  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums,  Bd. 


Ziernarben    .... 

Bemalen 

Haartracht  und  Kopfputz 

Ohrputz 

Nasenschmuck .... 
Hals-  und  Brustschmuck 
Armschmuck  .... 
Leibschmuck  .... 
Beinschmuck  .... 
Trauerschmuck     .     .     . 


Seite 
[284]  16 

[284] 
[284] 

[285] 
[285] 

[285] 
[286] 

[286] 

[287] 

[287] 


x6 
16 

17 

17 

17 
18 

18 

19 
19 


I.  Gilbert-Archipel. 

Einleitung 

Entdecker 

iuT  Literatur 

Geographischer  Ueberblick    .     .     . 

Flora 

Fauna     

Areal  und  Bevölkerung     .... 

^Labortradec 

Handel 

Mission 

Schutzherrschaft 

L  Eingeborene 

Aeusseres 

Sprache  

Herkunft 

Charakter  und  Moral 

II.  Sitten  und  Gebräuche  (Sociales 
und  geistiges  Leben)      .... 

I.  Sociale  Zustände     .     .    .     . 


Häuptlinge 

Stände     

Namen  tausch    .    .     .     . 
Bruderschaft     .... 

BegrOssung 

Tausch  mittel    .... 

Verbot  (Tabu)  .... 

2.  Stellung  der  Frauen 

Arbeitstheilung      .    .     . 

Behandlung 

Mädchen 

Ehe 

Schwangerschaft   .     .     . 

Geburt 

VIII,  Heft  3  u.  4,  1893. 


[287]  19 

[287]  19 
[287]  19 
[287]  19 
[288]  20 
[288]  20 
[289]  21 
[290]  22 
[290]   22 

[291]  23 
[291]  23 
[292]  24 
[292]  24 
[292]  24 
[293]  25 
[293]  25 
[293]   25 

[296]  28 
[296]  28 
[296]  28 
[297]  29 
[297]  29 
[297]   29 

[297]  29 
[297]   29 

[297]   29 

[298]  3o 
[298]  3o 
[298]  3o 
[298]  3o 
[298]  3o 
[299]  3i 
[299]  3i 


29 


424 


Dr  O.  Finsch. 


[662] 


Seite 


Seite 


3.  Vergnügungen [299 

Gesang [3oo 

Tänze [3oo 

Tanzschmuck [3oi 

Spiele [3o2 

Sport [3o2 

(Vogelfang:  Nawodo)     ....  [3o2 

4.  Fehden  und  Krieg   ....  [3o3 
Glaubenskriege [304 

5.  Waffen  und  Wehr    ....  [3o5 
Haifischzähne  .  ' [30$ 

a,  Speere  und  Lanzen    .     .     .  [306 

b,  Handwaffen [309 

c,  Schlagstein [3 11 

rf.  Wehr  (Rüstung)     .     .     .    .  [3 11 

e.  Kriegsbauten [3i3 

Wachthäuser [3i3 

6.  Bestattung  undSchädelver- 

ehrung [3i3 

Gräber [314 

Schädelverwahren   (Ahnencultus)  [315 

7.  Geister-    und   Aberglauben  [3i5 

Gottheiten? [3 16 

Weissager [3i6 

Steinfetische [3 16 

Krankheitbesprechen      .     .     .     .  [3 17 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten  (Mate- 
riellesund wirthschaftliches  Leben)  [3 i 7 

1.  Ernährung  und  Kost  .     .     .  [3i7 

a.  Pflanzenkost [3 18 

Pandanus [3i8 

Cocosnuss [3i9 

Palmsaft [319 

Palmsyrup [319 

Palmschnaps [320 

Tabak [320 

Brotfrucht [320 

Taro [320 

b.  Fleischkost [32 1 

2.  Fischerei  und  Gcräth.     .     .  [32i 

Netzfischerei [32 1 

Hakenfischerei [322 

(Haifischhaken,  Ellice}    .     .     .  [322 

(Fischhaken,  Banaba)      .     .     .  [323 

Rififfischerei [323 

Sonstige  Fischereigeräthe  .     .     .  [324 

Schalthiere [325 

3.  Zubereitung  und  Geräth  [325 

Rösten [325 

Rohessen [325 

Haifischconserve [325 

Küchengeräth [326 

Feuerreiben [326 

Siebe [326 

Schaber [326 

Stampfer [326 


3i 

32 
32 

33 

34 
34 
34 

35 
36 

37 

37 
38 

41 
43 
43 

45 
45 

45 
46 

47 

47 
48 

48 
48 

49 

49 

49 
50 
50 
51 
51 
51 
52 
52 
52 
52 
53 

53 
54 
54 
54 
55 
55 
56 
57 
57 
57 
57 
57 
58 
58 
58 
58 
58 


Essgeräthe 

Schüsseln,  Näpfe 

LöflFel,  Schöpfer 

Wassergefässe 

Lampen 

4.  Wohnstätten 

Siede  lungen 

Häuser 

Bauart 

Pfahlhäuser 

Gemeindehäuser 

Wasserbauten 

5.  Hausrath 

Schlafmatten 

Handbesen 

(Fliegenwedel,  Samoa)  .    .     .     . 

Kopfimterlagen 

Körbe 

Frauenkörbchen    

6.  Werkzeug 

Aexte 

Hammer 

Raspeln 

Pfriemen 

7.  Mattenflechten  und  Geräth 
Seilerei 

8.  Fahrzeuge  und  Verkehr.     . 

Bauart 

Vergleichung 

Paddel 

Seeverkehr 

Verschlagen 

9.  Körperhülle  und  Putz     .     . 

A.  Bekleidung 

Für  Männer 

»     Frauen 

Kopfbedeckung 

B.  Putz  und  Zieraten    .... 

a.  Material 

Muschelschnüre    (Tekaroro) 

b.  Hautverzierung 

Brandmale 

Tätowirung 

Tätowirgeräth 

c.  Frisuren  und  Haarputz  .     . 

d.  Kopfputz 

e.  Ohrputz 

/.  Hals-  und  Brustschmuck 

Haarschnüre 

Halskragen 

Halsketten 

»  aus  Spondylus  . 

»  »    Delphin- 

»  »    Spermwal-  . 

»  »    Menschen- 

zähnen 


327 

:327 
[327 

:328 

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328] 
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329] 
[330] 

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[33 1 

[33 1' 

[332] 

[332] 

[332] 

332] 

[333] 

333] 

333] 

334] 

334] 

■334] 

[334] 
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[663] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  SQdsee. 


425 


Seite 


(Schnitzerei,  Fidschi)     .     .  [354 

g.  Armschmuck [355 

h.  Leibschmuck [355 

t.  Beinschmuck [356 

Ethnologische       Schluss- 
betrachtung    [356 

n.  Marshall- Archipel.  [375 

Einleitung [375 

Entdecker [375 

Zur  Literatur [376 

Geographischer  Ueberblick  .     .     .  [377 

Flora [377 

Fauna [378 

Areal  und  Bevölkerung  ....  [379 

Handel [38o 

Mission [38o 

Schutzherrschaft [38 1 

I.  Eingeborene [38 1 

Aeusseres [38i 

Sprache [38i 

Herkunft [382 

Charakter  und  Moral [382 

II.  Sitten  und  Gebräuche  (Sociales 

und  geistiges  Leben)    ....  [384 

1.  Sociale  Zustände   ....  [384 
Feudalsystem  (Stände)      .     .     .  [384 

Erbfolge [384 

Macht  der  Häuptlinge.     .     .     .  [385 

Namentausch  .......  [385 

Begrössung [385 

Tauschmittel [386 

Verbot [386 

2.  Stellung  der  Frauen .     .     .  [386 

Häuptlingsfrauen [386 

Ehen [386 

Geburt [387 

Kein  Kindermord [387 

3.  Vergnügungen [387 

Trommel [387 

Tactschlägel [388 

Gesang  und  Tanz [389 

Tanzschmuck [391 

4.  Fehden  und  Krieg     .     .     .  [391 
Kriegsführung [391 

>  moderne     .     .     .  [392 

Schanzenbau [392 

S.Waffen [393 

Alte  Waffen [393 

Wurfspeere [394 

Schleuder [394 

6.  Bestattung [394 

Gebräuche [394 

Gräber [395 

7.  Geister-  und  Aberglauben  [395 

Keine  Religion [395 

Weissager [395 


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Seite 


Geister 

Opferplätze 

Heilkunde 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten  (Ma- 
terielles und  wirthschaftliches 
Leben) 

1.  Ernährung  und  Kost      .     . 

a.  Pflanzenkost 

Pandanus  

Brotfrucht 

Arrowroot 

Tabak    

b.  Fleischkost 

2.  Fischerei  und  Geräth    .     . 

Netzfischerei 

Hakenfischerei 

Fischhaken 

RifFfischerei 

Reusen 

3.  Zubereitung  und  Geräth   . 

Rösten 

Giftige  Fische 

Essenzeit 

Küchengeräth 

Feuerreiben 

Fächer    

Schaber  

Stampfer 

Essgeräth 

Muschelschüsseln      .... 

Holzschüsseln 

Wassergefässe 

4.  Wohnst&tten 

Häuser  .• 

Dachdecken 

Frauenhütte 

Wassertümpel 

5.  Hausrath 

Kopfunterlage 

Schlafmatten 

Körbe 

6.Werkzeug   ...*.... 

Aexte 

Hammer 

Bohrer 

Pfriemen 

7.  Flechterei  und  Seilerei 
Material 

Mang  (Pandanus)    .... 

Adaat-Bast 

Lao-Bast 

Färbemittel 

(Farbensinn,  Anm.) 

Arm^- Faser 

Geräthschaften 

Seilerei  und  Stricke     .... 

29^ 


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428 


Dr.  O.  Finsch. 


[666] 


Mauern 

»Königsgräberc 

Ausgrabung 

Zweck  der  Bauten    .... 
(Steinbau  auf  Ngatik)    .     .     . 

5.  Hausrath 

Schlafmatten 

Körbe 

6.  Werkzeug 

.    Aexte 

7.  Texttlarbeiten 

Flechtarbeiten 

Seilerei 

Webekunst 

Filetstricken 

8.  Fahrzeuge 

Segel      

Vergleich  ung .     .     .    T    .     .     . 

(Nukuor-Canu) 

Canuhäuser 

Seeverkehr     

9.  KörperhQIle  und  Putz    .     . 

A.  Bekleidung 

Faserrock 

Tapa 

Poncho  

B.  Putz  und  Zieraten  .... 

a.  Prähistorische  Ueberbleibsel 

Spondylus  

Conus     

Perlmutter 

b.  Moderner  Putz      .... 

a.  Hautverzierung      .     .     . 

Tätowirung 

Schnittwunden .... 
Tätowirgeräth  .... 

[Tätowirung  von  Pelau]  . 
[  »  -     Yap]      . 

[  ^  .      Uluti]       . 

[  »  »     Sonsol]  . 

Bemalen 

b.  Haartracht 

c.  Kopfputz 

(       »         von  Mokil) 
Augenschirm    .... 

d.  Ohrputz 

e.  Hals-  und  Brustschmuck 
/.  Armschmuck  .  .  .  . 
g.  Leibschmuck     .... 

Ethnologische       Schluss- 
betrachtung    

3.  Ruk  und  Mortlock  . 

Einleitung 

Geographischer  Ueberblick  .     .     . 
Ruk-Gruppe 


Seite 

[512] 

256 

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• 

[533] 

295 

[533] 

295 

[533] 

295 

[534] 

296 

Seite 

Mortiock-Gruppe [534]  296 

Zur  Literatur [535]  297 

Flora  und  Fauna  • [535]  297 

Areal  und  Bevölkerung  ....  [537]  299 

»Labortradec [537]  299 

Handel [538]  3oo 

Mission  [538]  3oo 

l.  Eingeborene [539]  3oi 

Aeusseres [539]  3oi 

Hautkrankheiten [539]  3oi 

Sprache [540]  302 

Charakter  und  Moral [54^]  3o2 

n.  Sitten  und  Gebräuche  (Sociales 

und  geistiges  Leben)    ....  [541]  3o3 

1.  Sociale  Zustände    ....  [541]  3o3 

Stände [541]  3o3 

Häuptlinge [54']  3o3 

Stämme  auf  Mortlock  ....  [542]  3o4 

»         »    Ruk [543]  305 

Verbot  (Tabu) [543]  3os 

2.  Stellung  der  Frauen.     .     .  [544]  3o6 
Wichtigkeit  derselben  ....  [544]  3o6 

Ehe [544]  3o6 

Familienleben [545]  3o7 

Liebesleben [546]  3o8 

Erkennungsstab [54^]  3o8 

3.  Vergnügungen [547]  3o9 

Tanz  und  Gesang [547]  3o9 

Tanzgeräth [547]  3o9 

Spiele    .........  [548]  3 10 

Hahnenkämpfe [S48]  3 10 

Masken *     .     .  [549]  3ii 

Musikinstrumente [549]  3ii 

4.  Kriegsführungund  Waffen  [549]  3ii 

ö.  Fehden [549]  3ii 

6.  Waffen [551]  3i3 

Wurfstock [551]  3i3 

aa.  Speere  (Lanzen)     .     .     .    .  [552]  3 14 

»       (Anchorites)     .     .     .  [553]  3i 5 

bb.  Schlagwaffen [553]  3 15 

Keulen [553]  31$ 

Kampfstöcke [554]  3i6 

Handwaffen [554]  3 16 

Schlagreif [555]  3 17 

cc.  Schleudern [555]  3i7 

Schleudersteine [556]  3 18 

5.  Bestattung [556]  3i8 

Grabhäuser [556]  3 18 

Trauer [557]  3 19 

6.  Geister-  und  Aberglauben; 

Ahnenverehrung     .     .     .  [557]  3i9 

Anuglauben [557]  3 19 

Ahnen  Verehrung [558]  320 

Wahrsager [558]  320 

Aberglauben [558]  320 

Geisterglauben [558]  320 


[667] 


Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Sodsee. 


429 


Ahnenfiguren 

Masken 

Talismane 

III.  Bedürfnisse  und  Arbeiten  (Ma- 
terielles und  wirthschaftliches 
Leben) 

1.  Nahrung  und  Zubereitung 

a.  Pflanzenkost 

Plantagenwirthschaft     .     .     . 

Taro 

Ackergerätbschaften      .     .     . 

Brotfrucht 

Cocosnuss 

Bananen  

Zuckerrohr 

Wilde  Früchte 

b.  Fleischkost 

Hausthiere 

Fanggeräthschaften   .     .     . 
Fische 

c.  Zubereitung 

d.  Reizmittel 

Tabak 

2.  Koch-  und  Essgeräth     .     . 

a.  Feuerreiben 

b.  Kochgerath         

Schaber 

Brecher 

Stampfer 

c.  Essgeräth 

Schüsseln  und  Tröge  .     .     . 

Firniss 

Wasser-  und  Trinkgefässe    . 

Löffel 

(Cocosnuss,  Niaufau)    .     .     . 

3.  Fischerei  und  Gerftth    .     . 

a.  Netzfischerei 

6.  Hakenfischerei 

Fischhaken 

(        »  Nukuor)     .     .     . 

c.  Rifffischerei 

Fischhamen 

Fischspeere 

Rififechuhe 

d.  Fischkörbe 

Fischwehre 

4.  Wohnstätten 

Siedelungen 

Häuser 

Gemeindehaus 

Frauenhäuser 

Steinwälle 

5.  Hausrath 

Matten 

Körbe 

Taschen  und  Beutel    .... 


Seite 
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Schlafvorhänge 

Deckelkasten  (Truhen)     .     .    . 
(  ^  von  Nukuor)  .     . 

(  »  .  >     Satawal)  .     . 

6.  Werkzeug 

Aexte 

(    »      von  Nukuor)     .     .     .     . 

Hohläxte 

Sonstige  Werkzeuge    .... 

7.  Weberei     und    deren    Er- 

zeugnisse      

a.  Webekunst 

Rohmaterial 

Geräthschaften 

(Weberei  auf  Nukuor) .     .     . 

b.  Erzeugnisse  der  Weberei.     . 

Dimensionen 

Färbung 

Muster   .     .     . 

Zeuge  von  Uleai 

»         »     Uluü 

^         »     Nukuor.     .     .     . 
[     ^         »     Pikiram]    .     .     . 

8.  Fahrzeuge,Seeverkehr  und 

Handel  

Bauart 

Hochsee-Canu 

Paddel-Canu 

Seetüchtigkeit 

Seeverkehr  und  Handel  .     .     . 

9.  Körperhülle  und  Putz   .     . 

A.  Bekleidung 

Bekleidung  der  Männer  .  . 
Kleidung  der  Frauen  .  .  . 
[In  den  westlichen  Carolinen] 
Ponchoartige  Mäntel  .  .  . 
Kopfbedeckung 

B.  Putz  und  Zieraten  .... 
a.  Material 

Schildpatt 

Federn    

Blumen  und  Blätter      .     . 

Cocosnussschale  .... 

Rindenscheibchen     .     .     . 

SpondyluS'Sc^iXt     .     .     . 

Weisse  Muschelscheibchen 

Glasperlen 

(Spondylus  der  westlichen 

Carolinen) 

b.  Hautverzierungen     .... 

Bemalen 

Gelbwurz 

Anbau  derselben 

Bereitung 

Tätowirung    von    Ruk    und 

Satöan 

Tätowirung  von  Lukunor 


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;593]  355 
393]  355 
:593]  355 
i94]  356 
594]  356 

L595]  357 
396]  358 

397]  359 
397]  359 

397]  359 
;598]  360 

598]  36o 
398]  36o 
598]  36o 
599]  36 I 

[600]  362 
[601]  363 


43o 


Dr.  O.  Finftch. 


[668] 


Seite 


Tätowirgeräth 

(Tätowirung  von  Nukuor) 

>  »     Uleai)     .     . 

»  »     Swede-Ins.). 

»  »     Fais) .     .     . 

»  »     Pikiraro) 

»  »     Hermites 

Anm.)   . 

c.  Haartracht  und  Putz    .     .     . 

Frisuren 

Haarschnüre 

Haarbinden  für  Männer     .     . 
Kopf  binden  fOr  Frauen     .     . 

Haarnadeln 

Schmuckbänder 

Kämme 

Putzkämme 

Federschmuck 

(Kopfschmuck  von  Nukuor)  . 

d.  Ohrputz 

aa,  aus  Cocosringen      .     .     . 

Ohrgehänge 

Anhängsel 


[602 
[6o3 
[6o3 

[603 
[6o3 

[603 

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[6o3 
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370 
370 
370 

371 


Seite 


bb,  Ohrklötzchen      .     . 
e,  Hals-  und  Brustschmuck 
aa.  Typus :  Mar  .    . 
bb.  Typus:  Assang  . 


cc. 


dd. 


ee. 


Marensak 


Täte 


Tschäkpalap 


Potsch  . 


/.  Armputz     .... 

aus  Cocosperlen  .     . 

>     Schildpatt     .     . 

»     Trochus  .     .     . 

(von  Yap  und  Pelau) 

g.  Leibschmuck  .     .     . 

Gürtel 

Frauengürtel  .     .     . 


(          »            von  Pelau) 
Ethnologische       Schluss 
betrachtung   


[610 
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379 

379 
38o 

38i 


[620]  382 


Nachträge  und  Berichtigungen. 


Seite 
Zu  Erste  Abthellung:  Bismarck- 

Archipcl  .     .     .  [622]  384 

Zu  I.  Neu-Britannten    ....  [622]  384 

a.  Blanche-Bai [622]  384 

b.  Willaumez [634]  396 

c.  French-Inseln [^^4]  396 

e.  Hansabucht [6^5]  397 

2.  Neu-Irland [635]  397 

a.  Nordende [635]  397 

b.  SüdwestkQste [638]  400 

3.  Admiralitäts-Inseln      .     .  [638]  400 

4.  Salomons-Inseln .     .     .     .  [638]  400 


Seite 


Zu  Zweite  AbtheÜung:  Neu- 

Guinea     .     .     .  [639]  401 

Zu  1.  Englisch-Neu-Guinea  .     .  [639]  40i 

Zu  a.  Südostküste [^^9]  4^' 

»    b.  Ostspitze [^43]  405 

Zu  II.  Kaiser  Wilhelms-Land  .  [645]  407 

Zu  Dritte  Abtheilung:   Mikronesien 

(West-Oceanien)     .  [651]  4 13 

Zu  Einleitung [^SO  4^3 

»      I.Gilbert-Archipel     .     .     .  [654]  416 

»      II.  Marshall-      »             ...  [657]  419 

»     III.  Carolinen [658]  420 

»        Kuschai 1^59]  421 


[669]  Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^.3i 


Verzeichniss  der  Textfiguren. 


Seite 

I.  Gilbert- Archipel      [287]    19 

Fig.  I.  (Vi)   Vogelbola  (für  Fregattvogel),  Nawodo [3o3]     3$ 

#     2.  (Vi)   Haifisehzahn  zu  Waffen,  Tonga-Inseln [3o6]     38 

3.  (^/j)  Stichwaffe  aus  Walknochen,  Tarowa [3 10]     42 

4-  (*/ö)   Fischhamen  für  Frauen,  Tarowa [324]     56 

5.  (*/io)  Aalschlinge,  Tarowa [324]     56 

6.  (^/J  Stampfer  aus  Holz,  Tarowa [326]     58 

7.  (Vfi)         »           »        »            •       [327]     59 

8.  (Ve)   Spatel         .        »            *       [327]     59 

9.  (Vö)       »             »     Walknochen,  Tarowa [327]     59 

IG.  (Vs)   Kopfunterlage  aus  Holz,  Maraki [332]     64 

11.  —    Theil  eines  Canu,  um  die  Construction  aus  Brettern  zu  zeigen,  Tarowa   .     .  [336]     68 

12.  —    Paddel,  Apaiang [338]     70 

i3.    —    Mädchenkappe  aus  Pandanus-Gcdecht,  Maraki [342]     74 

14.    —    Brandnarben [^45]     77 

^5-  (^/s)  Perlschale  für  Halsschmuck  in  Bearbeitung,  Tarowa ".     .  [351]     83 

16.  (Va)   Durchschnittener  Sperra walzahn  als  Halsschmuck,  Tarowa [353]     85 

IL  Marshall- Archipel [375]  119 

17     —    Trommel  zum  Tactschlagen,  Dschalut [388]  i32 

18.    —    Schaber  aus  Cassis,  Dschalut [406]  150 

19,1)—    Axtstiel,  Dschalut [410]  1 54 

20.  (Vio)  Axtklinge  aus  Tridacna,  Dschalut [410]   154 

21.  (^/J   Pfriemen  zum  Dachdecken  aus  Unterkiefer  von  Delphin,  Dschalut    .     .     .     .  [412]  156 

22.  —    Scheibe  zum  Taudrehen,  Dschalut [414]  158 

23.  —    Canu,  Seitenansicht,  Dschalut [416]  160 

24.  —        »      von  vorne  gesehen,  Dschalut [417]  '61 

25.  —    Bekleidung  für  Männer,  bestehend  aus  a,  Gürtel  (Kangr)  und  h.  Faserrock  (Ihn), 
Dschalut [424]  168 

26.  Abnorm  ausgedehnter  Ohrlappen,  unausgespannt,  eines  Mannes  von  Milli  [433]  177 
26a.  —    Ohrlappen  in  gewöhnlicher  Ausdehnung,  durch  einen  Blattstreif  ausgespannt, 

Dschalut [433]  177 

III.  Carolinen       [438]  182 

I.  Kuschal [449]  193 

27.  (V«)   Schaber  aus  Muschel  (Cypraea  mauritiana) [461]  205 

28.  —    Brotfruchtspalter [461]  205 

29.  (Vs)   Stampfer  aus  Holz [462]  206 

30.  —    Kopfende  eines  solchen [462]  206 

3i.    —    Desgleichen [462]  206 

32.  (Vs)   Stampfer  aus  Stein  (Basalt) •  [462]  206 

33.  —    Taroblatt  als  Wasserbehälter [463]  207 

34.  —    Fischhamen [464]  208 


1)  Für  die  Benutzung  der  Glicht  zu  den  Textfiguren  19,  20,  23,  24,  39  und  59  ist  die  Re- 
daction  dem  Vorstande  der  »Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte« 
zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 


Seite 

[469] 

2l3 

[470] 

214 

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226 

[483] 

227 

432  Dr.  O.  Finsch.  [670] 


Fig.  35.  (7io)  Scheibenhaken  aus  Holr 

»    36.    —    Aztklinge  aus  Tridacna  geschliffen,  a,  von  unten,  b.  von  der  Seite,  c.  Durch- 
schnitt  

37.  —    Desgleichen,  wie  vorher 

38.  —  >  flache,  breite  Form 

39.  (Vio)  Axt,  mit  TVi^^icita- Klinge  montirt 

Weberei-Ger  äthschaften. 

40.  (^/g)   Kettebock  zum  Aufmachen  der  Kette 

41.  (V,)  Pflock  dazu     . 

42.  (7«)   Hammer  zum  Einschlagen  der  Pflöcke 

43.  (Yi)  Schneidemuschel  (Psammotaea  radiata)  zum  Abschneiden  der  Knoteneaden 
der  Kettfäden 

44.  (Ve)    Webebrett 

45-  (^/a)   Griffelnadel  zum  Ordnen  der  Fäden 

46.  (Vö)   Webelade  (Schwert) 

47.  (Vs)  Webeschiffchen 

48.  —    Ruder  (Paddel) 

49-  (Va)   »Faic,  Perlmuttergeld 

50.    —    Tätowirung  (Innenseite  des  Armes) 

2.  Ponap6 [487]  23i 

S^-  (Vi)   Prähistorisches  .^OR^^/us-Scheibchen  in  Bearbeitung,  Ruinen  von  Nantauatsch     [522]  266 

52.  (^li)   Halskette  aus  Abschnitten  von  Grasstengeln [328]  272 

3.  Ruk  und  Mortlock [534]  296 

53.  (*/s)   »Gurgurc,  Tanzstock  (Endtheil  desselben),  Ruk [547]  3o9 

54.  —    Holzschnitzerei  (Ahnenflgur),  einen  Vogel  darstellend,  Ruk [559]  32 1 

55(c.*/T)Tarohacke  aus  Schildkrötknochen,  Mortlock [$63]  325 

5^-  (V«)  Stampfer  aus  Corallstein  geschliffen,  Ruk [567]  329 

57-    —    Axt  mit   Tridacna -KVm^t,  Nukuor;    a.  Holzstiel,    b.  Klinge,  c.  Durchschnitt 

derselben [579]  341 

58.  —    Axtklinge  aus  Tridacna,  Nukuor [579]  341 

59.  —    Axt,  mit  TVre^ra- Klinge  montirt,  Nukuor [580]  342 

60.  —    Längliche  schmale  Cocosnuss,  Material  zu  Schmuck [595]  357 

61.  (Vi)   Tätowirgeräth,  Nukuor [602]  364 

62.  (Vi)   Kamm  desselben  aus  Schildpatt [602]  364 

63.  (Vi)  Desgleichen,  anderes  Exemplar,  daher [602]  364 

64.  (^/a)   Haarnadel  für  Männer,   Ruk;  a.  Stiel  aus  Holz,  ^.  Knopf  aus  Coitus-Boden, 
c.  SchnQre  aus  Cocosperlen [60$]  367 

65.  —    Federschmuck  fOr  Tanzkamm  der  Männer,  Ruk;  tf.  Federn  vom  Fregattvogel, 
b.  SpondyluS'Schtihchtny  c.  weisses  Dunenfell [607]  369 


[671]  Ethnologische  Erfahrungen  und  BelegstOcke  aus  der  Südsee.  j.33 


Systematisches  Verzeichniss 
sämmtlicher  Abbildungen  der  dritten  Abtheilung 

Mikronesien  (West-Oceanien). 

Seite  Tafel  Tafel  Figur 
Vergnügungen  (Musik  und  Tanz). 

1.  Trommel  zum  Tactschlagen,  Marshalls [388]  —  —  17 

2.  Tactschlägel,  Marshalls [388]  [22]  V  11 

3.  Tanzpaddel,  Ponap^ [500]  [22]  V  12 

4.  Tanzstock,  Ruk [547]  —  —  $3 

5.  Erkennungsstab,  Ruk [546]  [22]  V  10 

6.  Vogelbola  (für  Fregattvogelfang),  Nawodo [3o3]  —  —  i 

Wafifen  und  Wehr. 

7.  Speer  aus  Holz  (Spitzentheil),  Gilberts [3o6]  [19]  II  6 

8.  Desgleichen                   ^            Marshalls [394]  [19]  11  i 

9.  »                            »            Ruk [552]  [19]  U  2 

IG.  Lanze  mit  Rochenstacheln  (Spitzentheil),  Ruk [SS^]  ['9]  ^^  ^ 

11.  Speer  aus  Holz  (Spitzentheil),  Anchorites [55^]  [19]  ^  4 

12.  »      mit  Rochenstacheln,  Ruk [553]  [19]  II  5 

Haifischzähne,  Material  für  Waffen. 

i3.  Von  Galeocerdo  Rayneri,  Innenseite,  Gilberts [3o5]  [19]  II  11 

14.  »             »                 ^        Aussenseite,      >          \}^S\  ['9]  ^  12 

15.  »     Carcharias  lamia,  Gilberts [3o5]  [19]  II  i3 

16.  »     spec?  Gilberts [3o5]  [19]  II  14 

17.  »         »       Tonga [3o6]  —  —  2 

Waffen  mit  Haifischzähne'n. 

18.  Schwerer  Kriegsspeer  (mittlerer  Theil),  Gilberts [^07]  [18]  I  i 

19.  »                  »           (Spitzentheil),              »        [3o7J  [18]  I  2 

20.  »                  »           (Querschnitt),             »        [3o7]  [18]  I  3 

21.  »                  »          (Schmalseite),              »        [3o7]  [18]  1  4 

22.  Handwaffe  (Basistheil),  Nawodo [3o9]  [18]  I  5 

23.  .          (Spitzentheil),     » [3o9]  [18]  I  6 

24.  Kratzwaffe  für  Frauen,  Gilberts [309]  [18]  I  7 

25.  >            ^          .        Nawodo [3o9]  [18]  I  8 

26.  Handwaffe  mit  Rochenstachel,  Mortlock [554]  [19]  II  10 

27.  Stiletartige  Waffe  aus  Walknochen,  Gilberts [3 10]  —  —  3 

28.  Keule,  vierkantig,  Gilberts [3ii]  [19]  II  9 

29.  »       flach,  lang,  Ruk [554]  [19]  H  7 

30.  ^           3         » [554]  [19]  n  8 

3i.  Schlagstein  aus  Tridacna,  Gilberts [3ii]  [19]  II  15 

32.  Schleuderstcin  (prähistorisch),  Ponap6 [502]  [19]  II  18 

33.  »             aus  Basalt,  Ruk [556]  [19]  II  16 

34.         »           »      »       >      [556]  [19]  n  17 

Geisterglauben. 

35.  Ahnenfigur  (Holzschnitzerei),  Ruk [559]  —  --  54 

Landbau. 

36.  Tarohacke  aus  Knochen,  Mortlock [5^3]  —  —  55 

Fischereigeräth. 

37.  Haifischhaken,  Gilberts     . [322]  [20]  III  14 

38.  ^              Spitze  desselben,  Gilberts [322]  [20]  III  14^ 

39.  »              Ellice [322]  [29]  III  15 


434  ^f-  O-  Finsch.  [672] 

Seite 

40.  Fiscbhaken  aus  Kalkspath,  Banaba [323] 

41.  Fischhaken  aus  Perlmutter,  Marshalls [4<^2] 

42.  ^  >    Cocosschale,      >-  [4o3] 

43.  »  »    Walknochen,      » [4o3] 

44.  >  (Fragment,  prähistorisch),  Ponapd [509] 

45.  »  aus  Schildpatt,  Ponap^ .  [508] 

46.  »  »    Perlmutter,  Mortlock [569] 

47.  »  »  >  Nukuor [571] 

48.  »  »  »  » [571] 

49.  »  »  »  »       [571] 

50.  »  »  »  »       [570 

51.  »  >  »  in  Bearbeitung,  Nukuor [57^] 

52.  »  »  »  »  »  »         [571] 

53.  »  »  »  »  »  »         [571] 

54.  Fischhamen  für  Frauen,  Gilberts [324] 

55-  *  Kuschai [464] 

56.  Aalschlinge,  Gilberts [324] 

Küchengeräth. 

57.  Schaber  aus  Muschel  (Cassis),  Marshalls [406] 

58.  »  »  »       (Cypraea),  Kuschai [461] 

59.  Brotfruchtschläger,  Kuschai [461] 

60.  Stampfer  aus  Holz,  Gilberts  [326] 

61.  »  »        »  »  [327] 

62.  »  »        »       Kuschai [462] 

63.  »  »        »      Kopfende,  Kuschai [462] 

64.  »  »        »  >  »  [462] 

65.  >  »     Basalt,  Kuschai [462] 

66.  »  »     Koralle,  Ruk [567] 

67.  Spatel  aus  Holz,  Gilberts [327] 

68.  »        »    Bein,        »  [327] 

69.  Wasserbehälter  (Taroblatt),  Kuschai [463] 

Hausrath. 

70.  Kopfunterlage,  Gilberts *  [332] 

71.  Scheibenhaken',  Kuschai [469] 

72.  Kasten,  geschnitzt,  Satawal [57^] 

73.  »        Bodenhälfte,     »         [578] 

Werkzeuge. 

Muscheläxte. 

74.  Axtstiel,  Marshalls [410] 

75.  Klinge  aus  Triäacna,  Marshalls [410] 

76.  »        »  »         Kuschai [47o] 

77.  »         »  »        von  der  Seite,  Kuschai [47^] 

78.  »         »  »        Durchschnitt,  »       [47o] 

79.  »         »  »        von  unten,  »       [47^] 

80.  »         »  »        von  der  Seite,        »       [470] 

81.  >         »  »        Durchschnitt,         »       [47©] 

82.  »         »  »        flach  »       [470] 

83.  >        »     J/iYrtf,  Kuschai [470 

84.  Axt  mit  Tridacna-Klmgtf  Kuschai [470 

85.  Klinge  aus  Tridacna^  Nukuor [579] 

86.  Axt  mit  TVirfocwa-Klinge,  Nukuor [579] 

87.  »       »    Terebra-       »  » [580] 

88.  Pfriemen  zum  Dachdecken,  Marshalls         [412] 

Mattenflechten. 

89.  Randmuster  einer  Bekleidungsmatte  (farbig),  Marshalls [4^5] 

90.  Desgleichen  (farbig),  Marshalls [4^5] 


T.fel 

Tafel 

Figur 

[20] 

III 

3 

[20] 

III 

I 

[20] 

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12 

[20] 

III 

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[20] 

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[20] 

III 

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[20] 

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[20] 

III 

6 

[20] 

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III 

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[20] 

III 

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[20] 

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[22] 

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57 

59 

— 

21 

[21] 

IV 

3 

[2O 

IV 

4 

[5^31                        Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstücke  aus  der  Südsee.  ^35 

Seite  Tafel  Tafel  Figur 
SeilereL 

91.  Scheibe  zum  Taudrehen,  Marshalls [4M]  —  —  22 

Weberei. 

92.  Muster  einer  Schambinde  (farbig),  Kuschai [480]  [21]  IV  i 

93.  .    »           »              »                ^              »         [480]  [21]  IV  2. 

Geräthschaften. 

94.  Kettenbock,  Kuschai [474]  —  —  40 

95.  Pflock  zu  einem  solchen,  Kuschai [475]  —  —  4' 

96.  Hammer  zum  Ein§chlagen  desselben,  Kuschai [47^]  —  —  4^ 

97.  Schneidemuschel [47^]  ~  —  4^ 

98.  Webebrett [477]  —  —  44 

99.  Griffelnadel [477]  —  —  45 

100.  Webelade  (Schwert)   .     .     .     : [477]  —  —  46 

101.  Schiffchen [478]  —  —  47 

Fahrzeuge  (Canus) 

102.  Theil  eines  Canu,  Gilberts [336]  —  —  11 

io3.  Canu,  Seitenansicht,  Marshalls [4 '6]  —  —  ^^ 

104.  »      von  vorne,            »         [4^7]  —  —  24 

105.  Paddel,  Gilberts [338]  —  —  12 

106.  »       Kuschai [479]  —  —  4^ 

Bekleidung. 

107.  Mädchenkappe,  Gilberts [34^]  —  —  '3 

108.  Männerbekleidung,  Marshall [4^4]  —  —  25 

109.  »                  Gürtel,  Marshalls [424]  —  —  2$a 

110.  »                  Faserrock,  ^            [424]  —  —  256 

Puts  und  Zieraten. 

Material. 

111.  Menschen  Zähne,  Gilberts [355]  [22]  V  4 

112.  Delphinzähne,           »           [^52]  [22]  V  5«-—« 

ii3.            »                      .            [352]  [22]  V  6 

114.  Spermwalzahn,         »           [^5^]  [22]  V  7 

115.  »                     »            [353]  [22]  V  8 

116.  »                    »            [353]  —  —  16 

5^ondy/M5-MuscheI  und  Scheibchen. 

117.  Bearbeitet  (farbig),  Gilberts [349]  [25]  VIII  17 

118.  Muschel,  prähistorisch,  Ponap^ [521]  [22]  V  9 

119.  Plättchen,           »           bearbeitet  (farbig),  Ponape \     .  [522]  [25]  VIII  14 

120.  Scheibchen,        »           in  Bearbeitung,             » [522]  —  —  51 

121.  »                »            (a.  V.  d.  Seite,  farbig),  Ponap^ [522]  [25]  VIII  7 

122.  »  »  »  » 

123.  ^  »  »  » 

124.  »  »  ^  » 

125.  >  >  »  ^ 

126.  »  »  »  » 

127.  *  »  »  » 

128.  »           (farbig),  Marshalls [426]  [25]  VIII  Ja 

1 29.  »           (a.  V.  d.  Seite,  farbig),  Ruk .  [596]  [25]  VIII  2 

i3o.            >                      »                 >          .       [596]  [25]  VIII  3 

i3i.            >                     .                 .          *       [596]  [25]  VIII  4 

»32.            »                      »                 *          »       [596]  [25]  VIII  5 

i33.            »                      »                 »       Normanby [596]  [25]  VIII  6 

134.  Plättchen  (farbig),  Ponapd [522]  [25]  VIII  15 

13$.  Weisse  Muschelscheibchen,  Gilberts [343]  [24]  VII  la 

i36.       >                      >     '             Banaba [343]  [24]  VII  2a 

137.        >                     >                      > [343]  [24]  VU  3fl 

i38.        .                      >                      ^       [343]  [24]  VII  4a 

139.  ConuS'Ring  (prähistorisch),  Ponape [522]  [24]  VII  14 


[522]  [25]  vin  8 

[522]  [25]  VIII  9 

[522]  [25]  VIII  IG 

[522]  [25]  VIII  II 

[522]  [25]  VIII  12 

[522]  [25]  VIII  i3 


436  Dr.  O.  FiDsch.  [674] 

Seite 

140.  Con  115-Scheibe,  Gilberts [^5^] 

141.  »  »        [350] 

142.  »  »        [350] 

143.  »  »        [351] 

f44.  Perlschale  (in  Bearbeitung),  Gilberts [35i] 

145.  »  »  »Geldc,  Kuschai .     .     .     .  [482] 

Cocosnussschale. 

146.  Scheibchen,  Gilberts [343] 

147.  »  Banaba 1343] 

148.  >  >  [343] 

149.  »  »  [343] 

150.  »  Ruk , [595] 

151.  Perlen,  » [595] 

152.  Losil-Cocosnuss,  Material  zu  Ringen,  Ruk [S9S] 

153.  Cocosnussring,  Ruk [59S] 

154.  >  » [595] 

155.  »  > [595] 

156.  »  » [595] 

157.  >  » [595] 

158.  »  » .•     •     •     •  [595] 

159.  Grasstengel,  Ponap^ [5^8] 

Hautverzierung. 

160.  Brandnarben,  Gilberts •  .     .     .  [343] 

161.  Tätowirung,  Kuschai [4^3] 

162.  Tätowirinstrument,  Nukuor [602] 

i63.  Kamm  dazu  »  [602] 

164.  »  »  »  [602] 

Kopfputz. 

165.  Haarnadel,  Ruk [605] 

166.  Haarnadelband,  Ruk [605] 

167.  Tanzkamm  » [606] 

168.  »  Spitzentheil,  Ruk [606] 

169.  Federschmuck  dazu,  » [607] 

170.  Kopfbinde  aus  Muscheln,  Marshalls.  [43^] 

171.  »  von  unten,  »  [43^] 

172.  »  aus  Muscheln^        »         [432] 

173.  »  von  unten,  »  [432] 

Ohrputz. 

174.  Abnorm  ausgedehnter  Ohrlappen,  Marshalls [433] 

175.  Ohrlappen  in  gewöhnlicher  Ausdehnung,  Marshalls [433] 

176.  Ohrstöpsel  aus  Cocos,  Ponap^ [528] 

177.  Umfang  desselben,  »  [528] 

178.  Ohrpflock  aus  Holz,  Ruk [610] 

179.  Ohrgehänge  (farbig),      » [609] 

180.  »  » [609] 

Hals-  und  Brustschmuck. 

181.  Halskette  aus  Menschenzähnen,  Gilberts [3S5] 

182.  »  »     Sperm  walzahn,  »  [3S4] 

i83.  »  >     Spondylus  (farbig),  Marshalls [435] 

184.  »  »  »  »  »  [436] 

185.  »  »  »  »  »  [436] 

186.  »  >  »  »         Ruk [612] 

187.  Schnur  aus  Muschelscheiben,  Gilberts [349] 

188.  »         »  »  Banaba [349] 

189.  »         »  »  »         [349] 

190.  »         »  »  »         [349] 


Tafel 

Tafel 

Figur 

[24] 

VII 

16 

[24] 

VII 

»7 

[24] 

VII 

18 

[24] 

VII 

19 





15 

— 

—— 

49 

[24] 

VII 

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[24] 

VII 

26 

[24] 

VII 

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[24] 

VII 

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[24] 

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[24] 

VII 

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[24] 

VII 

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[24] 

VII 

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[24] 

VII 

II 

[24] 

VII 

12 

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[24] 

VII 

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[23] 

VI 

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[23] 

VI 

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[22] 

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[22] 

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VI 

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[23] 

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[25] 

.  VIII 

19 

[24] 

VII 

20 

[22] 

V 

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[23] 

VI 

4 

[25] 

VIII 

I 

[25] 

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[25] 

VIII 

21 

[25] 

VIII 

18 

[24] 

VII 

1 

[24] 

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3 

[24] 

VII 

3 

[24] 

VII 

4 

r57e']                          Ethnologische  Erfahrungen  und  Belegstöcke  aus  der  SQdsee.  437 

Seite  Tafel  Tafel  Figur 

191.  Schnur  aus  Co« M5-Scheiben,  Gilberts [350]  [24]  VII  15 

192.  Halskette  aus  Natica,  Banaba , [849]  [22]  V  3 

193.  »           »     PBanzen  (farbig),  Marshalls [434]  [25]  VUI  22 

194.  »           »    Grasstengeln,  Ponapd [528]  —  — •  52 

195.  »           »    Cocosringen,  Ruk [612]  [24]  VII  7—11 

196.  Halsband     >            »                »    , [6i3]  [24]  VII  i3 

197.  Halskette     »             »                » [61 3]  [24]  VII  12c 

198.  »            »            »                » [6i3]  [24]  VII  \2d 

Anhängsel  an  Hals-  und  Brustschmuck. 

199.  Spermwahlzahn,  Gilberts PS^]  —  —  16 

200.          ^»                 »        [353]  [22]  V  7 

201.  »                       .          •     •     •. t^S^]  [22]  V  8 

202.  »                -Schnitzerei  (farbig),  Marshalls     ........  [436]  [25]  VIII  21a 

203.  Schildpatt,  geschnitzt  (farbig),  Marschalls [436]  [25]  VIII  20c 

204.  »                  »         Kuschai [484]  [23]  IV  2 

205.  »                  .              .             [485]  [23]  IV  3 

206.  Cbnus-Scheibe,  Gilberts [350]  [24]  VII  16 

207.  »                    »       [350]  [24]  VII  17 

208.  >              Banaba [350]  [24]  VII  18 

209.  >                    »        [351]  [24]  VII  19 

210.  CoMti5-Ring  (prähistorisch),  Ponap^ [522]  [24]  VII  14 

211.  5;^on4r't/5-Schale  (prähistorisch),  Ponap^ [521]  [22]  V  9 

212.  »         Plättchen           >             (farbig),  Ponap^ [522]  [25]  VIII  14 

2x3.           »          bearbeitet  (farbig),  Gilberts [350]  [25]  VHI  16 

214.  ».               »                »             »         [349]  [25]  VIII  17 

215.  »          Plättchen         »        Ponap^ [523]  [25]  VIII  15 

Armschmuck. 

216.  Armring  aus  Muschel  (Trochus),  Kuschai [485]  [23]  VI  i 

Leibschmuck. 

217.  Muschelschnüre,  Gilberts [^5^]  [24]  VII  i 

218.  »               Banaba [356]  [24]  VII  2 

219.  »                    »           [356]  [24]  VII  3 

220.  .                    »           [356]  [24]  VII  4 

221.  Gürtel  (Mittelquerriegel,  farbig),  Ruk [617]  [25]  VIII  23 

222.  Frauengürtel  (farbig),  Ruk [618]  [25]  VUI  24 


Druckfehler. 

Seite  17  [285].  Zeile  23  von  oben  lies:  (XVI,  Fig.  6)  statt:  [XXIV,  Fig.  6]. 


.    17  [285], 

.      24 

.        »        »     (XVI,  Fig.  5)      »       [XXIV,  Fig.  5]. 

»     40  [3o8], 

»      14 

>     unten    »     090  statt:  09. 

»    i38  [394], 

8 

»     [389]    »      [388], 

»    167  [423], 

»        I 

.      [412]    »      [472]. 

»   224  [480]. 

»      19 

»        »        »12         »II. 

»   379  [617], 

»      25 

»     oben      >     S.  [614],  Nr.  515a  stau:  S.  614  [268] 

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