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HANDBUCH
DES
DEUTSCHEN UNTERRICHTS
AN HÖHEREN SCHULEN
BEGRÜNDET VON
DR. ADOLF MATTHIAS
Wl-:iLAND WIRKl.. ÜEH. OBHR-REÜIEKUNGSKAT
UND VORTRAGENDEM RAT IM PREUSS. KULTUSMINISTERIUM
VIERTER BAND, ZWEITER TEIL
ETYMOLOGIE DER NEUHOCHDEUTSCHEN SPRACHE
iK:>^>g*^rffc;<77g)
MÖNCHEN 1921
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK
ETYMOLOGIE DER
NEUHOCHDEUTSCHEN
SPRACHE
DARSTELLUNG DES DEUTSCHEN WORTSCHATZES
IN SEINER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
VON
DR. HERMAN HIRT
O. PROFESSOR DES SANSKRIT UND DER INDOGERMANISCHEN SPRACHWISSENSCHAFT
AN DER UNIVERSITÄT GIESSEN
ZWEITE, VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE
i[K.f.H»<»a».'<n-m
MÜNCHEN 1921
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK
Üffiwmy
Vorwort zur zweiten Auflage
Rascher als ich es vermuten und erwarten konnte, ist die erste 1909
erschienene Auflage dieses Buches vergriffen worden, was doch offen-
bar auf ein starkes Bedürfnis für eine solche Darstellung hinweist. Schon
1913 habe ich die Neubearbeitung begonnen und Anfang August 1914
waren bereits mehrere Bogen gedruckt. Dann hat der Druck geruht, bis
er im Herbst 1919 wieder aufgenommen worden ist. In den Grundzügen
brauchte ich an dem Buche nichts zu ändern, wohl aber konnte ich, da
mir wesentlich mehr Raum zur Verfügung stand, meine Darstellung stark
erweitern. Ich habe daher sehr viel mehr Material als früher verarbeitet.
Ich habe auch namentlich in der einleitenden Lautlehre eine weitgehende
Vergleichung mit dem Englischen vorgenommen, um einerseits die Wichtig-
keit der Lautlehre zu zeigen und anderseits durch Heranziehen des Be-
kannten größere Teilnahme zu erwecken. Als ich die erste Auflage druck-
fertig machte, steckte ich noch in der Arbeit zu Weigands Deutschem
Wörterbuch^, und dieses lag bei weitem nicht fertig vor. Bei dieser Auf-
lage konnte ich mich auf die Neubearbeitung stützen, und ich kann den
Leser in vielen Fällen darauf verweisen. — Der neuaufgenommene Druck
ist nun unter ganz andern Verhältnissen weitergeführt worden, als er be-
gonnen wurde. Der Umfang des Buches mußte beschränkt werden. Ich
habe vieles gestrichen, anderseits durch reichlich angewandten Petitdruck, der
nach meiner Meinung die Übersicht erleichtert, wenigstens Papier gespart.
Im übrigen hoffe ich, daß das Buch auch unter den veränderten Ver-
hältnissen seinen Weg machen wird. Die Muttersprache und die Kenntnis
ihrer Entwicklung muß zweifellos im Mittelpunkt des Unterrichts stehen.
Und nichts begegnet größerer Anteilnahme als gerade die Etymologie oder
die Herkunft der Wörter. Erst durch eine solche Darstellung wie die meine
wird die in unsern Wörterbüchern aufgespeicherte Arbeit nutzbar gemacht.
Für Unterstützung bei der Korrektur sage ich Herrn Dr. Karstien
meinen besten Dank.
Gießen, im Juli 1920
Herman Hirt
INHALTSVERZEICHNIS
Seile
Einleitung 1
§ 1. Die Aufgabe 1. — §2. Sammlung des Wortschatzes 1. — §3. Alter der
Wörter 2. — § 4. Wortschatz der Mundarten 2. — § 5. Die Standes- und Berufs-
sprachen 3. — § 6. Sprachliche Versteinerungen 3. — § 7. Eigennamen 3. —
§8. Bedeutungswandel 3. — §9. Bedeutung der Wortforschung, auch für die Schule 3.
I. Geschichte undGrundsätze der Etymologie. Übersicht über dieLautentwicklung 5
§ 10. Die Etymologie bei den Griechen 5. — § 11. Die Etymologie bis zur
Neuzeit 6. — § 12. Das Auftreten der vergleichenden Sprachwissenschaft 6. —
§ 13. Die Anfänge der Lautlehre 9. — § 14. Die deutsche Lautverschiebung 10. —
§ 15. Die germanische Lautverschiebung 13. — § 16. Lautgesetze 16. — § 17. Aus-
nahmen der Lautverschiebung 16. — § 18. Der grammatische Wechsel 18. —
§ 19. Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze 19. — § 20. Lautgesetze und Etymologie
21. — § 21. Lautgesetze im Deutschen 21. — § 22. Die wissenschaftliche Laut-
lehre 22. — § 23. Transskription 22. § 24. Vokalismus 24. — § 25. Der neu-
hochdeutsche Vokalstand 25. — § 26. Der althochdeutsche Vokalismus 31. —
§ 27. Der urgermanische Vokalismus 32. — § 28. Der indogermanische Vokalis-
mus 32. — § 29. Der Ablaut 36. — § 30. Konsonantismus 40. — § 31. Ur-
germanischer Konsonantismus 43. — § 32. Störungen der Lautgesetze 49. —
§ 33. Störungen der Lautgesetze durch Analogiebildungen 50. — § 34. Störungen
durch Volksetymologie 50. — § 35. Störungen durch Entlehnung 50. — § 36. Dar-
stellungen der Lautlehre 52. — § 37. Etymologische Wörterbücher des Deutschen
52. — § 38. Etymologische Wörterbücher der übrigen germanischen Sprachen 53. —
§ 39. Etymologische Wörterbücher der indogermanischen Sprachen 53. — § 40. Etymo-
logische Zusammenhänge innerhalb des Deutschen 54. — § 41. Bedeutungslehre 56.
11. Die Sammlung des Wortschatzes 56
§ 42. Allgemeine 56. — § 43. Der Wortschatz bis zur Reformation 56. — § 44.
Wörterbücher der neuern Zeit 58. — §45. Adelung 61. — §46. Campe 64. —
§ 47. Grimm 67. — § 48. Kleinere Werke der neuern Zeit 69. — § 49. Aufgaben
der Wortforschung 71. — § 50. Wörterbücher für den Lehrer 72. — § 51. Wörter-
bücher der übrigen germanischen Sprachen 73. — § 52. Zeitschriften 74.
III. Entlehnungen aus dem Germanischen 74
§ 53. Bedeutung der Entlehnungen für die Wortgeschichte 74. — § 54. Wege
der Entlehnung 76. — § 55. 1. Entlehnungen ins Lateinische und Griechische 76. —
§ 56. 2. Die germanischen Lehnwörter im Finnischen 76. — § 57. 3. Germanische
Lehnwörter im Preußischen und Litauischen 78. — § 58. 4. Die germanischen
Lehnwörter im Slawischen 78. — § 59. 5. Die germanischen Lehnwörter in den
romanischen Sprachen 79. — § 60. 6. Die germanischen Lehnwörter in den son-
stigen Sprachen 82. - § 61. Rückblick 82..
IV. Urschöpfung und künstliche Worte 83
§ 62. Urschöpfung 83. — § 63. Lautmalende Wörter 84. — § 64. Entwicklung
der lautmalenden Wörter 85. — § 65. Einfluß der Kindersprache 87. — § 66.
Künstliche Worte 89. — § 67. Geheimsprachen 90.
VllI iNHALTSVRRZIilCHN'IS.
Seile
V. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile 91
§68. Die verschiedenen Schichten des Wortschatzes 91. - §69. Die Stamm-
wörter indogermanischer Herkunft 93. — § 70. Kuropiiische Wortfamilien 94. —
§71. rt*«^/////- und 5rt/r//;-Sprachen 94. — §72. Gcrnumisciic Wortfamilien 95. -
§ 73. Ihre Beurteilung 95. - § 74. Partielle Cileichungen 97. — § 75. Wortreichtum
in allerer Zeit 98. — § 76. Vereinfachung 99. — § 77. Geringe Bedeutung der
partiellen Gleichungen 100. -- § 78. Germanische Wortfamilien 101. — § 79. Neue
Wortfamilien für die Schiffahrt 102. — § 80. Neue Worte des Germanischen 105. -
§81. A\atcrial für die partiellen Gleichungen 106. — § 82. Germanisch-italische
Gleichungen 106. — § 83. Germanisch-keltische Gleichungen 107. — § 84. Ger-
maniscjj-litu-slawische Gleichungen 108. — § 85. Germanisch-arische Gleichungen
110. — §86. Schlußfolgerungen 111.
VI. Ableitung und Zusammensetzung 112
§87. Veränderung der Worte im Anlaut. Verkürzung. Aligemeines 112. —
§88. Lebende und tote Suffixe 113. — §89. Literatur und Allgemeines 115. —
§ 90. A. Ableitungen, die aus selbständigen Worten entstanden sind 115. —
§91. B. Ableitungen, die durch falsche Trennung entstanden sind 117. — §92.
C. Entlehnte Ableitungen 118. — § 93. D. Die ererbten Worlbildungselemente
119. — §94. Zusammensetzungen 120.
VII. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes 127
§ 95. Leim- und Fremdworte 127. — § 9ü. Kennzciciicn der Entlehnung 128. —
§ 97. Grundgesetze der Entlehnung 129. — § 98. Zeit und Ort der Entlehnung
132. — §99. Lehnworte im Indogermanischen 134. — § ICO. Die Lehnworte des
Germanischen 134. — § 101. Die älteste Schicht der Lehnwörter 135. — § 102.
Die Einwirkung der Kelten 136. — § 103. Der Einfluß der Griechen und Römer.
Allgemeines 137. — § 104. Der Einfluß der Griechen 139. — § 105. Der Einfluß
der Römer 140. — § 106. Französischer Einfluß 142. — § 107. Der italienische
Einfluß 144. — § 108. Der Einfluß der östlichen Völker 144. — § 109. Sonstige
Einflüsse 146. — § 110. Die Entlehnungen der Neuzeit 146.
VIII. Kampf gegen die Fremdwörter. Verdeutschungen 154
§ 111. Allgemeines 154. — § 112. Verdeutschungen im Mittelalter 156. — § 113.
Verdeutschungen in neuerer Zeit 157. — § 113a. Das Übersetzungslehnwort 162.
IX. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes in einigen Hauptzügen . . 163
§ 114. Allgemeines 163. — § 115. Zusammenstellung der Worte nach Begriffs-
gruppen 164. — § 116. Die Zalilwörter 165. — § 117. Die Körperteilnamen 168. —
§ 118. Die. Tiernamen. Allgemeines 174. — § 119. A. Die Säugetiere 175. —
§ 120. Schlußfolgerungen. Beweise für die Viehzucht 179. - § 121. B. Die
Vögel 180. — § 122. Schlußfolgerungen 183. — § 123. C. Die Fische 184. —
§ 124. D. Sonstige Tiere 186. — § 125. Rückblick 188. — § 126. Die Pflanzen-
namen 189. — § 127. A. Die Bäume 189. — § 128. Schlußfolgerungen 192. —
§ 129. B. Kulturpflanzen. Ackerbauausdrücke 192. — § 130. Schlußfolgerungen
194. - § 131. Kulturpflanzen. Entlehnungen 195. - § 132. C. Sonstige Pflanzen
196. — § 133. Das Mineralreich 198. — § 134. Natur und Naturerscheinungen
201. — § 135. Zeit und Zeiterscheinungen 205. — § 136. Die Menschen unter-
einander, Familie, Staat usw. 207. — § 137. Das Haus 212. — § 138. Hausgerät
216. — § 139. Geräte und Werkzeug 219. -- § 140. Die Nahrungsmittel und ihre
Zubereitung. Die Kochkunst 222. — § 141. Die Kleidung und ihre Herstellung
225. — § 142. Körperpflege, Reinlichkeit 228. — § 143. Kampfund Waffennamen
229. — § 144. Krankheit und Heilung 231. — § 145. Tanz und Musik 234. —
§ 146. Schule. Wissenschaft 237. — § 147. Rückblick 238. — § 148. Die Farben
INHALTSVKRZKICHNIS. IX
Seite
239. — § 149. Mängel der Körperbeschaffenheit 240. — § 15C. Geschmack 241. —
§ 151. Moralische und geistige Eigenschaften 241. — § 152. Sonstige Eigen-
schaften 242. — § 153. Die Verben. Allgemeines 245. — § 154. Die fünf Sinne
246. — § 155. Geistige Wahrnehmung und Verwandtes 247. — § 156. Der Wille
248. — § 157. Gemütsbewegung und Verwandtes 248. — § 158. Körperfunktionen
und körperliche Zustände 249. — § 159. Bewegung und Ruhe 250. — § 160.
Singen und sagen 251. — § 161. Tätigkeiten 252.
X. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes 253
§ 162. Allgemeines 253. — § 163. Das Mittelalter 254. — § 164. Die Neuzeit 256. -
§ 165. Wiederbelebung alter Worte 259. — § 166. Modewörter und Schlagwörter 260.
XI. Verbreitung der Wörter nach Gegenden 263
§ 167. Allgemeines 263. — § 168. Einfluß der Mundarten auf die Entwicklung
des deutschen Wortschatzes 266. — § 169. Hilfsmittel zur Bestimmung der Her-
kunft der Wörter 269. — § 170. 1. Die Form der Wörter 269. — § 171. 2. Die
Überlieferung 276. — § 172. 3. Die gelehrte Forschung 277. — § 173. 4. Die Dialekt-
forschung 278. — § 174. Aufgaben und Bedeutung der Mundartenforschung 282.
XII. Die Sondersprachen 285
§ 175. Allgemeines 285. — § 176. Allgemeines 287. — § 177. Allgemeines
289. — § 178. A. Die Ammensprache 289. - § 179. B. Die Sprache der Jugend
291. _ § 180. C. Die Pennälersprache 291. — § 181. D. Die Studentensprache
292. — § 182. Allgemeines 295. — § 183. A. Höhere und niedere Sprache 296. —
§ 184. B. Die Sprache der Religion 297. — § 185. C. Die Rechtssprache 303. —
§ 186. D. Die Kanzleisprache 307. — § 187. E. Die Dichtersprache 3C8. — § 188.
Allgemeines 312. - § 189. A. Die Sprache des Ackerbauers 312. — § 190. B. Die
Jägersprache 314. — § 191. C. Die Bergmannssprache 316. — § 192. D. Die
Buchdruckersprache 317. — § 193. E. Die sonstigen Handwerkersprachen 318. —
§ 194. F. Die Kaufmannssprache 321. — § 195. G. Die Seemannssprache 324. —
§ 196. H. Die Soldatensprache 328. — § 197. J. Die Gaunersprache 331. —
§ 198. K. Die Sprache der Wissenschaft 333. — § 199. L. Die Sprache der Philo-
sophie 335. — §200. M. Die Sprache der Mathematik 339. — §201. N. Die
Sprache der Grammatik 340.
Xni. Kulturgeschichtliches in unsrer Sprache 342
§ 202. Überblick 342.
XIV. Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachliche Versteinerungen 345
§ 203. Das aufgegebene Sprachgut 345. — § 204. Die Gründe für das Auf-
geben der Worte 346. — § 205. Sprachliche Versteinerungen 351. — § 206. Ver-
dunkelte Zusammensetzungen 352.
XV. Volksetymologie 356
§ 207. Das Wesen der Volksetymologie 356. — § 208. Beispiele 356.
XVI. Die Bildung der Eigennamen 360
§209. Allgemeines 360. — §210. Allgemeines 361. — §211. 1. Die indo-
germanischen und altgermanischen Personennamen 362. — § 212. 2. Die christ-
lich-biblischen und antiken Namen 365. — § 213. 3. Die Herkunftsbezeichnungen
366. — § 214. 4. Die Übernamen 367. — § 215. 5. Satznamen 369. - § 216. 6. Namen
von Amt und Stand 369. — § 217. 7. Namen vom Beruf 370. — § 218. 8. Latini-
sierungen 371. — § 219. 9. Fremde Namen 372. — § 220. Die Verschiedenheit
der Namengebung je nach der Örtlichkeit 373. — § 221. Die prinzipiellen Ver-
schiedenheiten 374. — § 222. Allgemeines 374. — § 223. Übersicht 378. —
§ 224. Allgemeines 379. — § 225. 1. Gebirgs- und Ländernamen 382. — § 226.
Inhaltsverzeichnis.
2. Die FluUnamen 383. — § 227. 3. Die Ortsnamen 387. ^ § 228. 4. Die Straßen-
iind Hausnamen 393.
XVII. Bedeutungswandel 396
§ 229. Allgemeines 396. — § 230. Aufgaben der Bedeutungserforscliung 399. —
§ 231. Beispiele für den Bedeutungswandel 399. — § 232. Stammbaum der Be-
deutungsentwicklung 401. - 233. Sammlung der Bedeutungsübergänge 4Ü4. —
§ 234. Heranziehung der Ableitungen 405. — § 235. pjnteilung des Bedeutungs-
wandels 405. — § 236. a) Verengerung 407. — § 237. Verschlechterung der Be-
deutung 408. — § 238. Verbesserung der Bedeutung 409. — § 239. b) Erweiterung
der Bedeutung 410. — § 240. a) Die Metapher 410. — § 241. b) Die Metonymie
411. — § 242. Metonymische Ableitungen von Eigennamen 413. — § 243. Be-
deutungsdifferenzierung lautlich verschiedener Wörter, die aus derselben Grund-
form entstanden sind 416. — § 244. Die Ursachen des Bedeutungswandels 419.
Register 421
Nachträge und Berichtigungen 439
Einleitung.
§ 1. Die Aufgabe. Neben Laut-, Formenlehre und Syntax steht als selb-
ständiger Zweig der sprachlichen Betrachtung die Wortforschung und Ety-
mologie, d. h. die Frage nach der wahren Herkunft und Bedeutung der
Wörter sowie der geschichtlichen Entwicklung des Wortschatzes. Obgleich
dieser Teil der Sprachwissenschaft zweifellos allseitig der größten Teilnahme
sicher ist, so gibt es doch kaum wissenschaftliche Darstellungen der auf
diesem Gebiete erzielten Ergebnisse, vielmehr hat sich die Forschung meist
darauf beschränkt, unser Wissen in alphabetischer Form, d. h. in Wörter-
büchern, niederzulegen. Die hohe Auflage derartiger Werke zeigt, welchem
Bedürfnis sie entgegenkommen. Doch können Wörterbücher selbstverständ-
lich nicht allen Zwecken genügen. Denn man erfährt in ihnen immer nur
etwas über das einzelne Wort, das man gerade nachschlägt; die großen
Zusammenhänge, in denen jedes Wort steht und stehen muß, und die gerade
für die praktische Verwendung der Etymologie im Unterricht von beson-
derer Wichtigkeit sind, entgehen dem Leser. Deshalb dürfte eine Darstel-
lung, die diesen Zusammenhängen nachgeht, einem gewissen Bedürfnis ent-
gegenkommen. Da wir es mit einer neuen Arbeit zu tun haben, so erscheint
es mir gewiesen, zuerst einmal die Hauptgedanken dieses Buches und die
Ziele, denen die Wissenschaft zustrebt, klarzulegen.
§ 2. Sammlung des Wortschatzes. Eine der ersten Aufgaben der Wissen-
schaft auf dem Gebiete der Wortforschung besteht in der möglichst voll-
ständigen Sammlung des Wortschatzes. Dieses Ziel ist in ganzem
Umfang überhaupt nur für die Sprache der Gegenwart annähernd zu er-
reichen: denn in altern Zeiten, die wir nur durch die schriftliche Über-
lieferung kennen, sind in dieser sicher nicht alle Wörter verwendet worden
und uns daher auch nicht alle bekannt. Daher mag gleich hier vor dem
Trugschluß gewarnt werden, daß der erste literarische Beleg mit der Ent-
stehung des Wortes zusammenfällt.
Anmerkung. Daß nicht alle Worte bekannt sind, ergibt sich ja von selbst daraus,
daß jeder neu gefundene Text neue Worte bringt. Im übrigen ist es selbst für unsere Zeit
kaum möglich, alles zusammenzubringen.
Diese Aufgabe der Sammlung des Wortschatzes müßte eigentlich für
jedes Jahrzehnt, ja für jedes Jahr neu gestellt werden, da immer neue
Worte auftauchen. Wenigstens wäre es dringend notwendig, über alle neu
aufkommenden Worte Buch zu führen.
Versuche, den Wortschatz der Zeit zu sammeln, sind nicht nur jetzt,
sondern auch in frühern Zeiten unternommen worden, und es muß daher
dargestellt werden, was wir an derartigen Werken besitzen.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 1
Einleitung.
§ 3. Alter der Wörter. Die zweite Aufgabe besteht darin, die Frage zu
lösen, aus welcher Zeit ein Wort stammt und wie lange es schon in unsrer
Sprache vorhanden ist. Um hierauf antworten zu können, bedürfen wir des
Wortschatzes der frühern Zeiten, und wir müssen ihn, soweit er nur in der
literarischen Überlieferung vorliegt, sammeln. Es ist natürlich die Aufgabe
der Wissenschaft, ein Wort soweit zurück zu verfolgen, als es überhaupt
möglich ist, zunächst in die letzten Jahrhunderte, dann in die mittelhoch-
deutsche und althochdeutsche Zeit. Wo die schriftlichen Denkmäler ver-
sagen, hilft die Vergleichung der Sprachen weiter. Sie zeigt uns, daß viele
deutsche Wörter auch in den verwandten germanischen Dialekten vorkommen,
im Niederdeutschen, Niederländischen, Friesischen, Englischen, Skandi-
navischen, d. h. im Isländischen, Norwegischen, Schwedischen, Dänischen,
und im Gotischen. Soweit nicht in diesen Sprachen spätere Entlehnungen
aus dem Deutschen vorliegen, erklären wir Worte, die in mehr als einer
germanischen Sprache vorhanden sind, für urgermanisch, d. h. wir nehmen
an, daß sie aus einer Zeit stammen, in der das Germanische noch eine
Einheit auf verhältnismäßig kleinem Raum bildete. Diese Annahme ist genau
so notwendig wie die, daß Verwandte von einem gemeinsamen längst ver-
storbenen Vorfahren abstammen müssen.
Viele der im Urgermanischen vorhandenen Ausdrücke können wir in-
dessen noch weiter zurückverfolgen, wir treffen sie in einer oder in mehreren
der mit dem Germanischen verwandten sonstigen indogermanischen
Sprachen an, also im Griechischen, Italischen, Keltischen, Albanesischen,
Armenischen, Lituslawischen oder Indo-iranischen (Arischen), und wir er-
klären dann derartige Worte für indogermanisch. Hier müssen wir vor-
läufig Halt machen. Zwar sind auch unter diesen indogermanischen Be-
standteilen noch manche Worte durchsichtig, d. h. als Ableitungen von
Wurzeln oder Stämmen erkennbar, aber eine große Anzahl widerstrebt jeder
Deutung. Es handelt sich also in diesem Teil unsrer Arbeit darum, die
verschiedenen Schichten des deutschen Wortschatzes klarzulegen und vor
allem die wissenschaftlichen Grundsätze aufzustellen, nach denen die For-
schung auf diesem Gebiete vorgeht.
§ 4. Wortschatz der Mundarten. Neben unsrer Schriftsprache stehen noch
heute die Mundarten. Sie sind nicht nur durch den Lautstand, sondern,
wie allgemein bekannt, auch durch ihren Wortschatz wesentlich von der
Schriftsprache verschieden. Wer nur einigermaßen im deutschen Vaterlande
herumgekommen ist, weiß, daß ihm in jeder Gegend neue Worte entgegen-
treten. Für die Wissenschaft handelt es sich darum, einerseits diesen Wort-
schatz aufzuzeichnen, anderseits aber den Einfluß, den der Wortschatz der
Mundarten auf die Schriftsprache gehabt hat, nachzuweisen. Die Aufgaben,
die dieses Gebiet der Wortforschung stellt, sind bei weitem noch nicht
erschöpft, der Unterricht aber kann gerade aus diesem Kapitel außerordentlich
viel Anregung empfangen.
Einleitung.
§ 5. Die Standes- und Berufssprachen. Die Fülle unsres Wortschatzes ist
ZU groß, als daß jeder alle Worte zur Verfügung haben könnte. Jeder Stand,
der Handwerker, der Landmann, der Fischer, der Schiffer hat seine be-
sondere Sprache mit eigentümlichem Wortschatz. Was in diesen Berufs-
sprachen ein Wort bedeutet, weiß öfters nur der Eingeweihte. Nicht selten
aber sind Worte aus diesen Berufssprachen mit ihrem besondern Sinn in
unsere Schriftsprache eingedrungen, und sie verraten dann dem Kundigen
ihre Herkunft. Diesen Berufs- und Standessprachen hat man neuerdings
besondere Aufmerksamkeit zugewendet, und manches in unserm Wortschatz
dadurch schlagend erklärt, daß man es aus ihnen herleitete. Wir müssen
daher auch diesem Gebiet einen Abschnitt widmen.
§. 6. Sprachliche Versteinerungen. Wenn ein Wort nicht mehr in leben-
digem Gebrauch, sondern nur in vereinzelten Zusammensetzungen oder
Redensarten vorhanden ist, so hat man von sprachlichen Versteine-
rungen geredet. Auch diese zu untersuchen, ist eine wichtige Aufgabe,
mit der die Frage nach dem Verlust der Wörter zu verbinden ist.
§ 7. Eigennamen. Eine große Anzahl derartiger Versteinerungen steckt
in unserm Namenmaterial. Die Bildung der Eigennamen, Personen-,
Völker-, Fluß- und Ortsnamen zu erörtern, bildet einen besonderen
Abschnitt der etymologischen Forschung, der um so mehr seine Stelle hier
zu finden hat, als er in den Handbüchern meist übergangen wird, und daher
weder die Grundsätze der Forschung noch ihre Ergebnisse bekannt sind.
§ 8. Bedeutungswandel. Wörter verändern im Laufe der Zeiten nicht nur
ihre Form, sondern auch ihre Bedeutung. Es ist eine Hauptaufgabe der
wissenschaftlichen Wörterbücher, diese Bedeutungsentwicklung klarzulegen,
und jeder Aufsatz unsrer großen Werke auf diesem Gebiet mußte diese
Arbeit leisten. In diesem Buche kann es aber nur unser Ziel sein, die all-
gemeinen Grundgesetze des Bedeutungswandels darzustellen und mit Bei-
spielen zu belegen, die Ursachen des Bedeutungswandels aufzuhellen und
ihnen im einzelnen nachzugehen.
§ 9. Bedeutung der Wortforschung, auch für die Schule. Man wird SChon
aus dieser allgemeinen Übersicht, die den Inhalt dieses Buches in Umrissen
angibt, ersehen, welche mannigfachen Fragen sich der Wortforschung bieten.
Wer sich mit der Geschichte der Worte beschäftigt, der wird, wie B. Liebich
sagt, „allmählich erkennen, wie jedes, auch das unscheinbarste Wörtchen
seine Geschichte besitzt, seine besondere Entwicklung oft durch unendliche
Zeiträume durchlaufen hat, bis es zu der heutigen Form und Bedeutung
gelangte, wie oft in einem einzigen, flüchtig hingesprochenen Satze Ver-
treter der verschiedensten Perioden, Völker, Kulturkreise vereinigt sind, dann
wird ihm die Wahrheit des Grimmschen Satzes aufgehen, daß die Sprache
allen bekannt und allen ein Geheimnis ist". Und hierin liegt auch die
große Bedeutung der Etymologie und Wortforschung für die Schule. Es
wird keinem Lehrer einfallen, systematisch etymologische Forschungen im
Einleitung.
Unterricht verwerten zu wollen, aber er kann den Unterricht mit ihrer Hilfe
beleben. Er kann und wird auf den Bedeutungswandel hinweisen, da ja
schon bei Schiller und Goethe die Worte oft eine andere Bedeutung haben;
er wird da, wo Schüler verschiedener Gegenden beieinander sind, auf die
Verschiedenheit des Wortgebrauchs zu sprechen kommen, er kann vor allen
Dingen an der Hand der Geschichte eines Wortes die Schüler in den Geist
ältrer Zeiten versetzen, ihnen Einblicke in die Entwicklung der Kultur ge-
währen; denn aus der Sprache erhalten wir tatsächlich ein Spiegelbild der
Kultur, und Sprachgeschichte ist sicherlich ein Teil Kulturgeschichte. Zwar
kann dem Leser in diesem Buche nicht der ganze Stoff geboten werden,
wohl aber hofft der Verfasser reiche Belege geben und außerdem die Wege
weisen zu können, auf denen man zu den Quellen gelangt. Ob nun freilich
alles, was dieses Buch enthält, auch für den Unterricht brauchbar sein wird,
das vermag der Verfasser nicht zu entscheiden, da er dem praktischen Unter-
richt fernsteht. Aber die Teilnahme, die die Vorlesungen gefunden haben,
aus denen dieses Buch erwachsen ist, läßt ihn hoffen, daß auch der Lehrer
aus ihm wird entnehmen und schöpfen können. Außerdem ist es aber eine
bekannte Tatsache, daß wissenschaftliche Vertiefung außerordentlich zur Be-
lebung jeglichen Unterrichts beiträgt. Anderseits kann dies Buch auch nicht
alles enthalten, es muß die eigene Tätigkeit hinzukommen, insbesondere
die Beschäftigung mit den Arbeiten in den Wörterbüchern selbst. Die altern
und neuern Lieferungen des Grimm sind oft genug sehr anziehend zu
lesen, sie bieten weite kulturgeschichtliche Ausblicke und werden keinen
ohne tiefe Belehrung entlassen. Aber freilich der Grimm wird wohl mal
nachgeschlagen, aber nicht gelesen.
Erstes Kapitel.
Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Übersicht über die Lautentwicklung.
§ 10. Die Etymologie bei den Griechen. Die Etymologie ist der älteste
uns bekannte Teil der Sprachwissenschaft. Das Wort selbst stammt aus
dem Griechischen, es ist abgeleitet von ezv/nov {etymon) ,das Seiende, der
wahre, eigentliche Gehalt' und loyia (logia) von ?.öyog (lögos) ,Rede', das
in zahlreichen andern Bildungen wie Mythologie, Anthropologie, Geologie
auftritt. Es bedeutet also ,die Rede, die Lehre, die Wissenschaft von der
wahren Herkunft der Wörter'. Es ist uns unbekannt, wer das Wort zuerst
gebraucht hat, doch ist szvjuog [etymos), wie G. Curtius, Grundzüge der
griechischen Etymologie S. 5, bemerkt, „ein ionisches Wort, und es wird
daher bei den ionischen Philosophen aufgekommen sein, über deren Be-
strebungen wir etwas Genaueres aus Piatons Dialog Kratylos erfahren".
In diesem Werke sind uns auch eine Reihe von Etymologien überliefert,
und es wird uns gezeigt, wie man in jener Zeit vorging. Von irgendeiner
wissenschaftlichen Erkenntnis war man damals wie auch später weit ent-
fernt. Man versenkte sich nicht in die Sprache, um zu erkennen, was darin
vorhanden war, sondern die Sprache sollte bestätigen, was man sonst aus-
geklügelt hatte. Man erkannte die Herkunft vieler Worte ganz richtig, wie
ja heute noch jeder Laie vieles richtig erklärt. Jeder empfindet, daß Band
mit binden zusammengehört, daß Fräulein von Frau abgeleitet, daß Frauen-
zimmer aus Frau und Zimmer zusammengesetzt ist, und daß hier eine
etwas ungewöhnliche Bedeutungsübertragung stattgefunden hat. Man kommt
durch eingehendes Vergleichen der Wörter der lebenden Sprache auch wohl
etwas weiter. Aber bei der Erklärung der nicht ganz einfachen Wörter ver-
sagte die Kunst der Griechen, wie bei uns die der Laien. Man besaß im
Altertum keinen sichern Weg, um die Herkunft der Wörter zu bestimmen.
Man schuf indessen den Schein einer Methode, indem man mit gewissen
Kunstausdrücken um sich warf, die noch heute in der klassischen Philologie
ihre Rolle nicht ausgespielt haben. Um Worte miteinander zu verbinden,
konnte man die Ellipse anwenden, die Synkope, die Metathesis usw.,
oder man konnte jeden Laut mit jedem andern vertauschen, wenngleich
man allmählich erkannte, daß gewisse Laute häufiger, andere seltener in-
einander übergehen. Auf Grund von Beobachtungen am wirklich vorhan-
denen Sprachstoff kamen die Griechen zu der Einsicht, daß / niemals mit
a wechselt, eine Annahme, die die neuere Wissenschaft im wesentlichen
bestätigt hat.
Erstes Kapitel. Geschichte und Gi tze der Etymologie.
Die Auffassung ist damals oft genug in die Irre gegangen, und
wir können uns nicht selten eines Lächelns kaum enthalten, wenn wir
sehen, was man damals für möglich hielt. Es hat keinen Zweck, hier
Beispiele jener Methode anzuführen. Bekannt ist das berüchtigte liicus a
non liicendo.
Eine eingehende Darstellung der etymologischen Forschungen des
Altertums bietet jetzt Frld. Mullhr, De veterum imprimis Romanorum studiis
etymologicis, Trajecti ad Rhenum 1910.
§ 11. Die Etymologie bis zur Neuzeit. Wie es bei den Griechen gewesen,
so ist es bei den Römern geblieben, und auf deren Tätigkeit beruhte ja
schließlich auch die Wissenschaft des Mittelalters und der Neuzeit. Indessen
mußten sich gerade auf germanischem Boden von selbst neue Bahnen auf-
tun. Hier wohnten um das Nord- und Ostseebecken eine Reihe von ger-
manischen Stämmen, deren Sprachen so eng verwandt waren, daß jeder
ihren Zusammenhang erkennen mußte. Anderseits waren aber diese Sprachen
doch wieder soweit verschieden, daß man sie nur als selbständige Glieder
auffassen konnte. Dies führte daher sozusagen von selbst notwendigerweise
zu einer vergleichenden Betrachtungsweise. Frühzeitig wurde man auch mit
den altern Sprachstufen des Germanischen, z. B. dem Gotischen, bekannt,
und konnte nunmehr eine jahrhundertlange Entwicklung überblicken. Man
befreite sich dadurch ganz alimählich von der Auffassung der Alten, und
die etymologische Wissenschaft wurde so von selbst in ganz gesunde
Bahnen gelenkt. Wie lange man aber zu einer richtigen Erkenntnis ge-
braucht hätte, läßt sich nicht sagen, da die natürliche Entwicklung durch
das Auftreten der vergleichenden Sprachwissenschaft eine ganz un-
angeahnte Förderung erfuhr.
Näheres über die Geschichte der etymologischen Bestrebungen findet
man bei Rd. von Raumer, Geschichte der germanischen Philologie vorzugs-
weise in Deutschland, München 1870, und bei H. Paul, Geschichte der
germanischen Philologie im Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 1.
Ich muß es des Raummangels wegen unterlassen, auf diese altern Be-
strebungen, obgleich sie schon manches Richtige zutage gefördert hatten,
einzugehen.
§ 12. Das Auftreten der vergleichenden Sprachwissenschaft. Mit der Auf-
deckung der Verwandtschaft der indogermanischen Sprachen beginnt ein
wesentlich neuer Abschnitt der etymologischen Forschung. Am Ende des
achtzehnten Jahrhunderts wurde man mit dem Altindischen, dem Sanskrit,
bekannt, und es enthüllte sich der Zusammenhang der meisten europäischen
Sprachen mit der Sprache des fernen Ostens. Dieser Zusammenhang ist
nur so zu denken und zu erklären, daß alle indogermanischen Sprachen
aus einer untergegangenen Sprache entstanden sind. Er wurde zwar in erster
Linie durch die Übereinstimmung der Flexion gewährieistet. Es kamen
aber wie von selbst zahlreiche Entsprechungen im Wortschatz hinzu, die
§ 12. Das Auftreten der vergleichenden Sprachwissenschaft 7
sich zwischen den verschiedenen Sprachen finden, i) Es konnte nicht ent-
gehen, daß etwa folgende Worte der verwandten Sprachen auf das engste
zusammenhingen:
ai.pitär, gr. Tiax/jg {patcer), l.pater, air. athir, d. Vater;
ai. mätär, gr. /<>/t?;^ (matcir), \.mater, air. mathir, d. Mutter, Mtmotc, abulg.matl ;
ai. duhitär, gr.&vydT)]o {thygätcer), d. Tochter, lit. diikte, abulg. düsti.
Derartige Gleichungen fanden sich, kann man sagen, gleich zu Hunderten.
Es erhellte aber daraus, daß germanische Wörter, die sich in den verwandten
Sprachen nachweisen ließen, ein sehr viel höheres Alter hatten, als man bis
dahin vermuten konnte. Viele Wörter, die unverständlich gewesen waren,
ließen sich nun von andern altern und ursprünglichem ableiten, und es
ist bei vielen daher die Frage nach der wahren Herkunft völlig gelöst. So
wissen wir jetzt, daß z.B. Säge zu lat. ^ecrtr^ , schneiden', Bell zu lat.findo
,spalten', d. beißen gehört; das eine Wort bedeutet also ,Werkzeug zum
Schneiden', das andere ,Werkzeug zum Spalten'. D. alt entspricht lat. altus
jhoch' und ist das Partizip zu dem in 1. alo ,nähren' vorliegenden Verbum,
es heißt also eigentlich ,ernährt, herangewachsen'. D. Biber entspricht aind.
babhriih , braun', heißt also ,der Braune' usw. Gleichen Stammes ist
auch Bär. Aber viele andere Worte lassen sich zwar bis in die indo-
germanische Ursprache zurückführen, erscheinen aber in dieser ebensowenig
mit andern verbunden, wie in den geschichtlichen Zeiten. Das gilt z. B.
von den meisten Worten, die Verwandtschaftsgrade bezeichnen, von den
Zahlworten, von sehr vielen Verben, die eine Tätigkeit ausdrücken. Man
muß in solchen Fällen ruhig eingestehen, daß wir die wahre Herkunft des
Wortes noch nicht kennen, daß es uns auch im Indogermanischen als ein
Wort unbekannten Ursprungs entgegentritt. Natürlich will sich aber der
menschliche Geist bei dieser Erkenntnis nicht beruhigen, und man hat da-
her vielfach, um auch hier noch weiter zu kommen, die indogermanischen
Wörter zu erklären versucht. Einige Beispiele mögen das zeigen. Das Wort
für ,Tochter' lautet im Indischen duhitä. Nun gibt es aber auch einen
Verbalstamm dah , melken', und so leitete man das erste von dem zweiten
ab, die Tochter sei deshalb so genannt, weil sie das Vieh gemolken habe,
der Name bedeute ,die Melkerin'. Der ,Bruder' heißt aind. bhratar. Es lag,
wie es schien, sehr nahe, dies Wort auf den weitverbreiteten Verbalstamm
bher in aind. bhärämi, gr. cpsgoi (phero), lat. fero, got. balra ,ich trage' zu
beziehen. Der ,Bruder' war der Träger, der Erhalter, vor allem der ,Schwester'.
Man zeichnete auf Grund derartiger Etymologien reizende Bilder von der
^) Es gilt als anerkannter Grundsatz, daß 1 flexion verloren, aber die Worte zeugen für
die Uebereinstimmung des grammatischen | die Sprachverwandtschaft. So finden wir dort
Baus die Sprachenverwandtschaft erweist
Aber zur Not genügt auch der Wortschatz
allein. Das zeigt sich deutlich bei der vor
einigen Jahren neuentdeckten indogermani-
noffi d.Name, känt '\00' :\.centum, d. hun-
dert; okso 'Rind' : d. Ochse; stwar'4' : X.quat-
tuor; alyek 'andrer' : \.alius;pis 'fünf igr-ieVre
(pente), d. fünf u. v. a. Einen zusammenfas-
schen Sprache in Ostturkestan, dem T och a- i senden Bericht über das Tocharische gibt
rischen. Diese Sprache hat die alte Nominal- ' Meillet, Idg. Jahrbuch 1 (1913), 1—29.
8 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Kultur der Indogcrmanen. Besonders hat dies A. Fick in seinem Buche,
Die chemah^e Spracheinheit der Indos^ermanen Europas, .ijetan, und sein
Beispiel hat, wenni^lcich er selbst das Unhaltbare seiner Aufstelluni^en längst
erkannt hat, vielfach nachgewirkt.
Leider kann dies alles nicht vor der Kritik standhalten. Um die Un-
richtitjkeit dieses Vori^ehens zu zeis^en, braucht man sich nur einmal zu
der heuti.ejen Sprache zu wenden. Wenn wir unsere Worte ohne Rücksicht
auf ältere Sprachstadien erklären wollten, so würde man vielleicht Nuß zu
genießen, zehn zu Zehe, Armut zu arm und Mut stellen. Gewiß würde
man manchmal das Richtige treffen, aber in zahlreichen andern Fällen müßte
man fehlgreifen. Mit Bestimmtheit läßt sich sagen, daß die drei Etymologien,
die wir angeführt haben, falsch sind, daß hier also der äußere Schein trü.gt.
Daraus folgt, daß dies auch bei Versuchen, die die ältere Zeit betreffen, der
Fall sein wird, und daß man sich im allgemeinen damit begnügen muß,
ein Wort durch Nachweis in den verwandten Sprachen als indogermanisch
erwiesen zu haben.
Besonders beliebt war es einst und ist es schließlich noch heute, ein
Wort auf eine sogenannte Wurzel und zwar meistens eine Verbalwurzel
zurückzuführen. Obgleich auch die ältere Forschung den Begriff der Wurzel
schon kennt, so stehen wir doch in diesem Punkt wesentlich unter dem
Einfluß der hochentwickelten indischen Grammatik. Die Inder haben tiefe
Einblicke in den grammatischen Bau ihrer Sprache getan, und sie haben
für fast jede Wortsippe schließlich eine Wurzel aufgestellt. Und das scheint
ja für die indogermanischen Sprachen beinah notwendig zu sein. Wir haben
binden, band, gebunden nebeneinander. Dazu kommt das Band, der Bund.
Was ist es denn, was hier allem zugrunde liegt? Die einfache Antwort
lautete: wir haben eine Wurzel b-nd anzunehmen, von der sowohl das Verb
wie das Nomen abgeleitet ist. Wir wissen heute und können es mit Be-
stimmtheit aussprechen, daß es so etwas wie Wurzeln in unsrer Sprache
nicht gibt, und auch im Indogermanischen hat es keine Wurzeln, sondern
nur fertige Wörter gegeben.
Mit Vorliebe hat man aber nicht nur Wurzeln, sondern möglichst
Verbalwurzeln angenommen mit einer meist sehr allgemeinen Bedeutung.
Es ist uns aber heute der Gedanke ganz geläufig, daß gerade in den altern
Sprachstufen die allgemeinen Bedeutungen sehr viel seltener waren, daß
man vielmehr eine Fülle von Ausdrücken für konkrete Gegenstände hatte.
Die allgemeinen abstrakten Bedeutungen sind erst ein Ergebnis weiter vor-
geschrittener geistiger Entwicklung. Und anderseits ist das Verbum selbst
in vielen hochentwickelten Sprachen nicht vorhanden, und es ist mir sehr
wahrscheinlich, daß sich auch im Indogermanischen das Verbum und seine
Flexion erst aus dem Nomen entwickelt hat, vgl. Hirt, Idg. Forsch. 17,36.
Allerdings stehen noch alle unsere etymologischen Wörterbücher mehr
oder minder unter dem Bann der alten Auffassung. Überall findet man hie
§ 13. Die Anfänge der Lautlehre.
und da Zurückführung auf Wurzeln. So schreibt z.B. Kluge, Et. WB. unter
wohnen: „Neben dieser westgerm. Sippe {wohnen) steht diejenige von ge-
wohnt; die zugrunde liegende idg. Wz. wen hat wahrscheinlich ,sich ge-
fallen' bedeutet, was got. wiinan, anord. iina ,sich freuen' nahelegt; das
Gewohnte ist dasjenige, woran man Gefallen findet, wohnen eigtl. ,sich
irgendwo erfreuen'." Dieser und ähnlichen Erklärungen setze man ein un-
begrenztes Mißtrauen entgegen. Man kann mit Sicherheit sagen, so ist es
nicht gewesen, wenn man auch noch nicht bestimmt feststellen kann, wie die
Bedeutungsentwicklung vor sich gegangen ist. Ich betone nochmals: im
allgemeinen muß es uns genug sein, ein germanisches Wort durch Nach-
weis in den verwandten Sprachen als indogermanisch erkannt zu haben.
Worte wie Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Schwäher =^ , Schwiegervater',
Schwieger = , Schwiegermutter', Schnur = , Schwiegertochter', eins, zwei,
drei usw. sind indogermanisch; was sie aber ursprünglich bedeutet haben,
wissen wir nicht.
Erst wenn es uns gelänge, eine andere mit dem Urindogermanischen
verwandte Sprache zu entdecken, würden wir wieder einen Schritt weiter
kommen können. Aber die Beziehungen, in denen das Indogermanische
etwa zum Finnischen oder Semitischen gestanden hat, sind vorläufig noch
zu wenig geklärt. Vor einiger Zeit hat H. Möller in seinem Buch „Semi-
tisch und Indogermanisch, I. Konsonanten", Kopenhagen 1907, einen an
sich einwandfreien Versuch gemacht, den Zusammenhang des Indo-
germanischen mit dem Semitischen nachzuweisen. Dazu ist ein Indo-
europseisk-Semitisk Sammenlignende Glossarium, Kjöbenhavn 1909, ge-
kommen. Sollten seine Ergebnisse Bestand haben, so würde allerdings die
Etymologie eine ungeahnte Förderung erhalten. Ich muß indessen von der
Verwertung dieses Buches an dieser Stelle absehen, da ich die Richtigkeit
von Möllers Aufstellungen nicht zu beurteilen vermag. Da sich aber Möller,
was die Analyse des Indogermanischen betrifft, sicher auf einem Holzweg
befindet, so habe ich starke Bedenken gegenüber seinen Ergebnissen, Be-
denken, die ja auch von den Semitisten durchgehends geteilt werden. Ich
denke, man kann auch auf diese Hilfe verzichten, da die etymologische
Forschung auf germanischem und indogermanischem Boden noch zur Ge-
nüge zu tun hat.
§ 13. Die Anfänge der Lautlehre. Die Etymologie wurde, wie sich leicht
verstehen läßt, durch das Aufkommen der vergleichenden Sprachwissenschaft
außerordentlich gefördert. Es eröffneten sich ihr ganz ungeahnte Ziele. Aber
freilich, der Begründer der vergleichenden Sprachwissenschaft, Franz Bopp,
wendete dieser Seite der Sprachwissenschaft keine Aufmerksamkeit zu. Es
blieb neben Jak. Grimm dem etwas Jüngern Aug. Friedr. Pott (1802 — 1887)
vorbehalten, dies zu tun, und so die wissenschaftliche Etymologie zu
schaffen. Dieser veröffentlichte zwei Bände Etymologische Forschungen,
Lemgo 1833 — 1836. Eine zweite vollständig umgestaltete Auflage erschien
10 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
in sechs Bünden von 1859 — 1876. Die Einleitun.c^ zu diesem Werke kann
heute noch jeder mit Vorteil lesen, den sonstigen Inhalt des Werkes sollte
nur der Sprachforscher benutzen, der das Wahre vom Falschen sondern kann.
In Potts Werk finden sich die Anfange eines Teiles der Grammatik,
der mit der etymologischen Forschung auf das engste verbunden seitdem
an Bedeutung dauernd gewonnen hat, nämlich die Anfänge der Lautlehre.
Die Lautlehre verfolgt die Geschichte der einzelnen Laute, Da uns aber
die Laute nicht als solche, sondern immer nur in den Worten gegeben sind,
so ist die Lautlehre immer nur durch Zusammenstellung von Wörtern, die
den gleichen Laut enthalten, zu begründen. Derartige Wörter müssen sich
natürlich durch Übereinstimmung der Bedeutung und der Form als ver-
wandt erweisen. Vergleicht man eine Anzahl derartiger Worte, so ergibt
sich, daß der betreffende Laut entweder der gleiche geblieben ist, oder daß
er sich verändert hat. So entspricht dem \aX. pater das gr. :nar)]o {patar);
p, t, r haben sich hier also unverändert erhalten, und es lassen sich noch
viele andere Worte anführen, in denen dies ebenso der Fall ist. Wenden
wir uns aber zum Germanischen, so heißt es im Gotischen fadar, d. Vater.
Hier zeigt sich also nur das einzige r wie im Griechischen und Lateinischen,
während p und t verändert sind. Stellt man nun mehrere Worte mit dem
gleichen Laut in der einen Sprache mit den entsprechenden Worten der
andern Sprache zusammen, so zeigt sich, daß bei diesen Entsprechungen
eine große Regelmäßigkeit obwaltet.
§ 14. Die deutsche Lautverschiebung. Am frühesten trat die Erkenntnis
regelmäßiger Veränderung eines Lautes in offenbar zusammenhängenden
Wörtern auf deutschem Sprachgebiet auf, weil das sogenannte hochdeutsche
Sprachgebiet durch eine Reihe einschneidender Veränderungen von dem
der übrigen germanischen Sprachen geschieden ist. Diese Umwandlungen
nennen wir die hochdeutsche Lautverschiebung. Es ist das nach der
neuern Forschung kein ganz einheitlicher Vorgang, da die Ergebnisse der
Verschiebung bei den einzelnen Lauten wie auch in einzelnen Mundarten
verschieden sind.
Wir vergleichen im folgenden die deutsche Schriftsprache mit dem
Englischen und geben reiche Belege. Man kann natürlich ebensogut das
Niederdeutsche oder eine andere germanische Sprache heranziehen.
Ganz regelrecht sind die Dentale verschoben.
1. Hochdeutschem z entspricht im allgemeinen in den übrigen ger-
manischen Sprachen ein t,
Zacke, e. tack 'Stift'; — Zagel, e. tail 'Schwanz'; — zäh, e. tough; — Zahl, e. tale; —
zählen, e. teil; — zahm, e. tarne; — Zahn, e. tooth; — Zähre, e. tear; — Zain, Zein
'{Weiden)gerte' usw., e. toe in mistletoe 'Mistelzweig'; — Zange, e. tongs; — Zapfen,
e. tap; — Zarge 'Seiteneinfassung', e. targe; — Zauber, e. tiver 'Oclier';') — Zaum, e. team
^) Die Vorstufe von e. tiver ist ags.teafor; roter Farbe wurden die Runen eingeritzt, und
dies bedeutet schon , (rote) Farbe, Mennig'. Mit so entwicl\elte sich die Bedeutung 'Zauber'.
§ 14. Die deutsche Lautverschiebung.
11
dA
'Zug (von Tieren), Gespann'; — Zaun, e. town; — zausen, e. touse; — Zecke, t.tike,
tick; — Zeh, e. toe; — zehn, e. ten; — zehren, e. ^^ar 'zerreißen'; — Zeichen, e. token; —
Zeit, e. tide 'Flut'; — Zelt, e. tili; — zerren 'necl<end reizen', e. tarry; — zerren, e. tear; —
Zieche 'Bettkissenüberzug', e. tick; — Ziegel, e. tile; — -zig, e. -ty; — Zimmer, t.timber
'Bauholz'; — Zinn, e. tin; — Zipfel, e. tip; — Zitteroch 'rotes Mal', e. tetter; — Zitze,
e. teat; — Zoll, e. toll: — Zopf, eig. 'Baumgipfel', e. top; — zu, t.to; — Zuber, e. tut; —
Zug, e. tug; — zünden, e. tind; — Zunder, e. linder; — Zunge, e. tongue; — zwanzig,
e. twenty; — zwei, e. two; — Zweig, e. /w/g; — Zwilling, e. twinling; — zwisdien, e.
betwixt; — zwölf, e. twelve.
Hier ist also, wenn wir uns entwicklungsgeschichtlich ausdrücken wollen,
^ zu 2: verschoben. Ausgenommen ist aber die Stellung nach s und vor r.
Stab, e. staff; — Stahl, &. steel; — Stall, t. stall; — Stamm, e. stam; — Stange,
e. stang; — Stapel, e. staple; — Stapfe, e. Step; — Star, e. stare, starling; — stark, e.
stark; — Stecken, e. stick; — stehlen, e. steal; — steif, e. stiff; — Stein, e. stone; —
sterben, e. starve; — Sterke, e. stirk, sturk; — Stern, e.star; — stief, e.step; — Stimme,
e. Steven; — Stock, e. stock; — Storch, e.stork; — stören, e.stir; — Strand, e. Strand; —
Straße, e. street; — strecken, e. streich; — streidien, e. strike; — streng, e. strong; —
Streuen, e. strew; — Stroh, e. straw; — Strom, e. stream; — Stubben, e. stub; — Stube,
e. stove 'Ofen'; — Stuhl, e. stool; — Stumpf, e. stump; — Sturm, e. storm; — Stute,
e. stud; — treten, e. tread; — treu, e. true; — Trog, e. trough.
Im Inlaut finden wir dagegen zwar auch in einzelnen Fällen z oder
tz = e. t, meist aber heute 55 {ß).
Herz, e. heart; — Schmerz, e. smart; — sitzen, e. 5/^; — Weizen, e. wheat; — wetzen,
e. whet; — aber
beißen, e. bite; — besser, e. better; — daß, e. that; — es, e. it; — essen, e.eat; —
Fuß, e. foot; — Geiß, e. goat; — grüßen, e. greet; — hassen, e. /za^^; — heiß, e. /zo^; —
lassen, e. fe/; — reißen, e. write; — süß, e. sweet; — was, e. what; — Wasser, e. water; —
weiß, e. white.
2. Dem deutschen Z" entspricht lautgesetzlich ein engl. d.
Tag, e. c?fl_y; — tapfer, e. dapper 'flink, gewandt, sauber'; — 7a/, e. deed; — Tau,
e. rfetii»; — Taube, e. rfot/e; — taub, e. rf^a/; — taudien, e. cfucfe; — 7^/^, e. dough; —
Teil, e. rf^a/; — Tenne, e. rf^/z 'Höhle'; — teuer, e. rf^ar; — Teufel, e. rfez;//.- — TzV/-,
e. deer; — tief, e. deep; — Tisch, e. rf/5/z; — Tochter, e. daughter; — Tod, e. death; —
/o//, e. dull 'faul, langweilig'; — Tor, e. rfoor; — /o/, e. dead; — tragen, t.draw; —
Traum, e. dream; — traurig, e. dreary; — Treber, e. draff 'Bodensatz'; — treiben, e.
drive; — trinken, e. drink; — trocken, e. rfry; — Tropfen, t.drop; — Trunk, e.drink; —
tüchtig, e. doughty; — tun, e. do.
alt, e. old; — Bett, e. 6erf; — bieten, e. 6/rf; — Blatt, e. blade; — Blatter, e. bladder; —
Euter, e. udder; — Fa//^, e. /o/rf; — Futter, e.fodder; — Gott, e.god; — gut, t.good; —
halten, e. hold; — hart, e. hard; — hatte, e. had; — Haupt, e. head; — Hirt, e. herd; —
gehört, e. heard; — kalt, e. cold; — laut, e. loud; — leiten, e. /^örf; — Leiter, e. ladder; —
nackt, e. naked; — Otter, t. adder; — reiten, o.. ride; — geritten, o.. ridden; — Sattel,
e. saddle; — gesotten, e. sodden; — Tat, e. deed; — tot, e. dead; — Wort, e. word.
/ 3. Deutsch d entspricht engl. th.
-jo da, dar(um), e. there; — Dadi, e. thatdi 'Strohdach'; — Dank, e. thanks; — dann,
e. then; — daß, e. that; — Daumen, e. thumb; — decken, e. thatdi; — Degen 'Kriegsmann',
h thane 'Freiherr'; — dein, e. thy; — denken, e. think; — dick, e. thik; — Dieb, e. thief; —
./^Distel, e. thistle; — dodi, e. though; — Donner, e. thunder; — Dorf, e. thorp in Eigen-
^ namen; — Dorn, e. thorn; — Draht, e. thread; — Drang, e. throng 'Gedränge'; — drehen,
e. throw; — drei, e. three; — dreschen, e. thrash, thresh; — drillen 'bohren', z.thrill; —
•^
12 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Drossel, e. thriish; — Drossel 'Kehle', c. thront; — du, e. thoii; — dulden, e. thole; —
dünken, c. tfiink; — dünn, c. pin; — dunii, c. t/irou/^h, thorough; — Durst, c. tliirst.
Bad, c. batli; — beide, c.both; — liruder, e. Orot her; — Eid, t. oath; — Erde,
e.earth; — Faden, c. fathom; — Feder, c./eather; — fürder, c./urther; — Heide, e.
heath; — Heide, e. heathen; — Herd, e. hearth; — Jugend, e.youth; — Kleid, e. cloth; —
Leder, c. leather; — Mond, e. month; — Mund, e. mouth; — Norden, c. north; — oder,
cot her; — Pfad, c.path; — Sdieide, c. sheath; — Schmiede, c. smithy; — sieden, e.
seethe; — Süden, e. south; — Tod, e. death; — weder, e. whether; — Widder, e. wether; —
würdig, e. worthy.
Den drei Dentalen des Englischen /, d, th entsprechen also im Hoch-
deutschen wieder drei Zungenlaute, aber andere, die Laute sind verschoben.
Ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, steht es mit den Labialen
und Gutturalen. Hier sind nur die Tenues von der Verschiebung betroffen
und auch diese nicht überall.
1. Dem deutschen ch entspricht engl. k.
Ardie, e. ark; — audi, e. eke; — bleidi, e. bleak; — bredien, e. break; — Budi, e. book; —
Eidie, e. oak; — Eldi, e. elk; — Griedie, e. Greek; — Jodi, e.yoke; — madien, e. make; —
Mildi, e. milk; — Sadie, e. sake; — siedi, e. sick; — spredien, e. speak; — stedien, e. stick; —
Stordt, e. stork ; — streidien, e. strike ; — sudien, e. seek ; — weidi, e. weak ; — Wodie, e. weck ; —
Zeidien, e. token.
2. Dem deutschen pf entspricht engl. p.
Pfad, e. path; — Pfahl, e. pole; — Pfanne, e.pan: — Pfau, e. pea(cock); — Pfeffer,
e. peper; — Pfeife, e.pipe; — Pfennig, e.penny; — Pflanze, e.plant; — Pflaster, e. plaster; —
Pflaume, c.plum; — pflegen, e.play; — pflüdien, t. pluck; — Pflug, t.plough 'Landmaß'; —
Pfriem, q. preen 'eisernes Werkzeug zum Entfernen der Tuchflocken'; — Pfuhl, e.pool; —
Pfühl, Q.pillow; — Pfund, e. pound; — Pfütze, e. pit.
3. Im Inlaut entspricht /, ff oder pf dem engl. p.
Affe, e. ape; — Apfel, e. apple; — auf, e. up; — Bisdiof, e. bishop; — Dampf, e. damp; —
gaffen, e. gape; — greifen, e. grope; — Flanf, e. hemp; — Harfe, e. harp; — Haufen,
e. heap; — helfen, e. help; — hoffen, e. hope; — Hopfen, e. hop; — hüpfen, e. hop; —
Karpfen, e. carp; — Kauf, e. cheap; — Kropf, e. crop; — Kupfer, e. copper; — laufen,
e. leap; — offen, e. open; — Pfeffer, e. pepper; — Pfeife, e.pipe; — reif, e. ripe; — Reifen,
e. rope; — Rumpf, e. rump; — Saft, e. sap; — Sdiaf, e. sheep; — sdiarf, e. Sharp ; — Sdiiff,
e. ship; — Sdilaf, e. sleep; — sdilafen, e. sleep; — Seife, e. soap; — stampfen, e. stamp; —
Stiefvater, e. stepfather; — stumpf, e. stump; — tief, e. deep; — Tropfen, e. drop; — Waffe,
e. weapon; — Zapfen, e. tap; — Zopf, e. top.
4. Die Lautgruppe sp ist wie st nicht verschoben.
Span, e. spoon; — Spange, e. spangle; — sparen, e. spare; — Sparren, e. spar; —
Spaten, e. spade; — Speer, e. spear; — Speidie, e. spoke; — speien, e. spew, spue; — Sperling,
e. sparrow; — sperren, e. spar; — Spieß, e. spit; — Spinne, e. spin; — Sporn, e. spur; —
Spradie, e. speech; — spredien, e. speak; — spreiten, e. spread; — sprießen, e. sprout; —
springen, e. spring; — Sproß, e. sprout; — Spur, e. spoor; — sputen, e. speed.
Die Beispiele sind, wie man sieht, sehr zahlreich, und die große Regel-
mäßigkeit kann keinem entgehen. Eine sehr ansprechende Behandlung dieser
Frage, auch in ihrer Verwertung für den Unterricht, bietet Tore Torbiörnson,
Die vergleichende Sprachwissenschaft in ihrem Werte für die allgemeine Bil-
dung und den Unterricht, Leipzig 1906. Vgl. auch P.Vogel, Sprachgeschicht-
liches im deutschen Unterricht der Obersekunda, ZfdU. 18, 153 ff.
§ 15. Die germanische Lautverschiebung. 13
§ 15. Die germanische Lautverschiebung. Schon der dänische Sprachforscher
Rask, Über die thrakische Sprachklasse bei Vater, Vergleichungstafein der
europäischen Stammsprachen, Halle 1822, hat dann weiter erkannt, daß bei
dem Verhältnis der germanischen Worte zu den griechisch-lateinischen ebenfalls
ganz regelmäßige Veränderungen zu beobachten sind. Diese Veränderungen
hat J. Grimm in eine Formel gebracht, während spätere Zeiten sie genauer
bestimmt haben. Wir fassen sie jetzt unter dem Namen der ersten ger-
manischen Lautverschiebung zusammen, während die Engländer sie
Grimms Gesetz nennen.
Nach der Grimmschen Auffassung ist die erste Lautverschiebung etwas
sehr einfaches. Heute wissen wir, daß der Vorgang nicht so einfach und
gleichmäßig war, wie Grimm das annahm.
Wir geben auch hier ein reichhaltiges Material.
1. Die griechisch-lateinischen Tenues k, t, p, die gleichen
indogermanischen Lauten entsprechen, werden im Germ, zu A,/»,/
verschoben. Der zweite Laut erscheint im Deutschen als d, s. § 14.
a) Idg. k, gr. X (k), 1. c wird zu germ. h.
Habergeiß, 1. caper, frz. chevre; — Hadise, 1. coxa 'Hüfte'; — Hader, gr. y.öjog {kötos)
'Groll'; haft, 1. captus; — Hagel, gr. y.6.-/h]'E, {käkhliex) 'Steinchen, Kiesel'; — hager,
ai. kr sah; — Hahn, Huhn, 1. cicünia; — Halle, 1. cella; — Halm, 1. culmus, gr. y.d/.auo;
(kälanios); — Hals, 1. Collum; — Hamme, gr. y.vtjiu] {kniemw); — Hammer, gr. uy.ucov (dkmön)
.Amboß' ; — Hand, gr. yarä (katä) eig. 'mit der Hand' ; — Hanf, gr. y.dwaßi; {kännabis) ; —
Harm, abg. sramii 'Scham'; — hart, gr. y.qazvg (kratys) 'starlv'; — Harz, gr. y.r)q6i (kwrös); —
Hase, ai. sasäh, 1. cänus 'aschgrau' ; — Hasel, 1. corylus ; — Haß, gr. yS]8og (kwdos) 'Kummer' ; —
Haube, 1. ciipa 'Tonne, Kufe'; — hauen, 1. cüdo; — Haupt, 1. Caput; — Haut, 1. cutis, gr. y.vrog
(kytos); — heben, l.capio; — Heer zu. gr. y.oloavog (koi'ranos) aus ■korjanos, eig. 'Heerführer'; —
hehlen, 1. celäre, frz. celer; — Heide, 1. (bü)cetum; — heil, abg. celü 'ganz, heil'; — Heim,
gr. nw^irj (k6m(f); — Hei(rat), 1. civis; heit, ai. ketüh 'Lichterscheinung, Helle, Bild'; —
heiter, ai. citräh 'glänzend'; — Helm, ai. särma 'Schutz'; — Herbst, 1. carpere; — Hermelin,
lit. sermuö; — Herz, 1. cor, gr. y.uoöia {kardia); — hinke, gr. axä^co (skäzö); — Hirn, 1. cere-
brum, gr. y.agijvov {kärcenon); — Hirsdi, 1. cervus, frz. cerf; — Hirse, 1. Ceres; — hohl, 1. cavus,
caulis 'Stengel' ; — Hohn, lett. kauns 'Schmach, Schande' ; — Holm, 1. collis; — Holz, gr. yJ.äöog
(klädos) 'Zweig'; — Honig, gr. y.vr^y.og {kncekös) 'Safran'; — hören, gr. äxovsiv {akütn); —
Hörn, 1. cornu, frz. cor(ne); — Hornis, 1. crabro; — Hort, gr. y.vadog (kysfhos) 'Höhlung'; —
Huf, ai.saphdJi; — Hufe, gr. yr/.-iog {kiepos); — Hüfte, gr. yvßog (kybos) 'Höhlung vor der
Hüfte beim Vieh'; — Hummer, gr. yäfi,uaoog (kämmaros); — humpeln, gr. ay.ajußog (skambös)
'krummbeinig'; — Humpen, gr. Hv/ußog (kymbos) 'Gefäß'; — Hund, 1. canis, frz. chien,
gr. y.vcov {kyön); — hundert, 1. centum, frz. cent, gr. syaröv (hekatön); — Hürde, 1. crates; —
Hure, 1. cürus; — Husten, lit. köseti 'Husten'.
b) Idg. t, gr. T (t), 1. t wird zu germ. p, engl, th, d. d.
Dach, 1. toga 'Gewand'; — Dämmerung, 1. tenebrae, frz. tenebres; — Darm, gr. roi)i.ia
{triemä) 'Loch', xoäi.ug (trdmis) 'After'; — das, daß, gr. ro (tö), 1. (is)tud; — Dechsel 'Brtit-
beil' zu 1. texo 'webe', gr. zsy.zow {tektön) 'Zimmermann'; — decken zu I. legere; — Degen
'tüchtiger Kriegsmann', ahd. degan auch 'Knabe', gr. zsy.vov (teknon) 'Kind'; — dehnen,
1. tendere, frz. tendre; — Deidisel, ahd. dihsala aus -^dinhsala, 1. temo aus *tencsmo, frz.
timon; — denken, 1. tongere 'kennen, wissen'; — deutsdi von ahd. diot, diota, got piuda
'Volk', osk. touto 'Volk'; — Diele, vielleicht zu 1. tellus 'Erde'; — Dohne 'Bügel mit Schhnge
zum Vogelfang' zu lat. tenus 'ausgespannte Schnur, Dohne'; — Donner, 1. tonitrus, frz.
14 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
ionnerre; — Dorn, abg. trunii; — dörren, 1. tornre, gx.iiQOEodnt {tersesthai) 'trocken
werden"; — Draht, gr. ror/ros- Unftös); — drediseln, I. torqmre 'drehen'; — drehen zu
gr. iijt'jiia ftri'fma) 'Loch'; — drei, 1. tns, frz. trois; — dritte, 1. tertius; — drohen, I. trux; —
Drossel, I. turdus, frz. tourde; — du, I. tu, frz. tu; — dulden, 1. tuli; — dünn, X.tenuis.
c) Idg. /7, gr. .-T (/?), 1. p wird zu gerni. /.
Ffl<*, l.pangere 'festmachen'; — Faden, gr.. TfTdwvfu (pettinnymi); — fahen, Ipaciscor;
— fahl, falb, \. pallidus; — Fahne, \. pannus 'Stück Tuch, Lappen', Uz. pan; — Gefahr,
\. penculum; — fahren, gr. nonfvnr l poreutri); fall, gr. -.t/.uo(oc i plasios) aus ^-platios; —
Falz, \. pellere 'stoßen'; — Farre, Färse, gT..To<ji; (pöris) 'junges Rind'; — farzen, g:.nii>fiai
ipirdo); — Fasel 'Junges, Zucht' zu \. pcnis, gr. .tio; {peos); — Faß, \'\t. piiodas; — Vater,
\. pater, gT..^aT^|n {patcfr); — faul, \.püs 'Eiter', gi.jivov {pyon}; — Feder, gT.jiteQÖv {pterön)
'Flügel'; — Fehe, gr. .toihuo; {poikilos) 'bunt'; — feil, gr. .loüstr (polen) 'verkaufen'; —
Feim, \. spüma; — Feld, gr. .T/.an',- [platys] 'breit'; — Fett, \. pellis, Uz. peau; — Fels:
gr. .Tf/./.(j {pelld) 'Stein'; — Ferkel, l.porcus, gr. ^idoxog {porkos); — fern, gr. .-rforn- (peran)
'jenseitig'; — Ferse, l.perna 'Hinterkeule', gr.-Tifo»-« {pterna) 'Ferse'; — Fessel, l.pedica; —
Vetter, 1. patruus, gr. :täiQ(og (pätrös); — Feuer, gr. jiüq {pyr); — Fidite, gr. nfvy.y} (peukce); —
Vieh, l.pecus; — viel, gr. .to/.i',- (polys); — Filz,].pilleus 'Filzmüize'; — Fink, gT.a.-ii'yyo;
^spingos); — First, ai. prsthdm 'Rücken'; — Fisdi, ]. piscis; — fisten, X.pidere; — Fitze,
gx.ni^n ipeza); — fladi, gr. .W/avo,- (pelagos) 'Meer', eig. 'die Fläche'; — Fladen, gr..-T/.«i?aiov
tpldthanon) 'Kuchen'; — flediten, l.plecto, gT.n/Jx<o (plekö); — fließen, l. pluere 'regnen'; —
Floh, l.pulex; — fludien, l.plangere 'schlagen, laut trauern', p/«^fl 'Schlag'; — Fluh,gr..-r/.äi
ipläx) 'Fläche, Plateau'; — Flur, \.phmus; — Flut, gr. .t/.ojtoV (plütös) 'schiffend'; — Fohlen,
Füllen, \. pullus, gr..Tw/.o,- 1/70/05) 'Tierjunges'; — Föhre, \. quercus aus '*perquos; — voll,
l. plimis; — vor, 1. prae; — vorder, gr. riooTsoog {pröteros); — Forelle, gr. neny.vö^ (perknös)
dunkelfarbig; — forsdien, \. posco; — fragen, 1. precari; — frei, ai. prijäh 'geliebt'; —
freidig, eig. 'verbannt', a\. prctfa- 'nach dem Tode, jenseitig'; — frieren, \. pru'ma 'Reif; —
frisdi, abg. presinii 'frisch, ungesäuert'; — fromm, gr..-Toöuo; (prömos) 'vorderste'; — früh,
gr. .-Tocot (prui) ; — fühlen gr.. la'/.äui] [paldnia) 'Hand'; — fünf, 1. quinque aus *penque; --
Furdie, \a\. porca; — Furt, \. portus; — Fuß, \. pes, Uz. pied, gr. .-toi'v {püs).
2. Die griech. ;^ {kh), 0 (th), rp (ph), \. k, f, idg. gh, dh, bh er-
scheinen im Germ, als g, d, b; d wird im Deutschen weiter zu t
verschoben.
Anmerkung. Man beachte, daß im Lat. in dieser Reihe nur zwei Laute erscheinen.
Es sind die Laute, die den gr. 1? und </ , germ. d und b entsprechen, in / zusammengefallen.
Außerdem tritt lat. / in echt lateinischen Wörtern nur im Anlaut auf, im Inlaut erscheinen
d und b, so daß in diesem Fall die germanischen Laute scheinbar nicht verschoben sind.
a) Gr. y^ {kh), 1. h (auch /) = d. g.
Gähnen, \. hiäre, gr. yalvm [khainö); — Galgen, lit.zalga 'Stange'; — Galle, \. feil,
gr. xo/.t'j (kholce); — Gang, lit. i^/zg^"« 'schreite'; — Gans,\.anser, gr. /j'jr {kh(Fn); — Garn,
'der zweite Magen der Widerkäuer', lit. zärna 'Darm', 1. haru-spex; — Garten, lat. hortus; —
Gast, 1. hostis; — Gaumen, lit. gömuris; — Geiß, 1. haedus; — Geist, ai. htdah 'Zorn'; —
gelb, 1. helvus: — Ger, gr. yaio^ {khaios) 'Hirtenstab'; — gern, gr. yaioeir {khairin); —
Gerste, 1. hordeum, gr. xoidrj (krithce); — Gerte, 1. hasta; — gießen, \. fundo, gr.yia
{kheö); — glatt, 1. glaber (mit gl aus hl); — Gold, abg. zlato; — gram, gr. yoöuaöog
{khrömados) 'knirschen'; — grau, 1. (h)rävus.
b) Gr. n {th), \.f= germ. Tt; d. t
Tag, Utdagas 'Ernte';— rd/,gr. i9«;/.oc(r/zö/05) 'Kuppelbau', abg. rfo/ü 'Grube'; — Tanne,
ai. dhänva 'Bogen'; — tapfer, lat. /fl*^/- 'Handwerker'; — Tat, tun, l.facio, gr. Tidiiui{tlthiJmi); —
taumeln, lat. famus, gr. Ovuö; (thymös); — Teig, 1. fingo; — Teil, abg. delü; — tief, lit. dubüs
.hohl'; — Toditer, gr. dvyäxt^o (thygätier); — Tor, Tür, \. fores, forum, gr. dvoa (thyrü).
§ 15. Die germanische Lautverschiebung. 15
c) Gr. V {ph), 1./= d. b.
Backe im Gesicht, gr. (paywv (phagon) 'Kinnbacken'; — backen, gr. cpwyeiv (pflögen)
'braten, rösten'; — bähen, l.fovere; — Bahre, \. fero, gr. f/fow (phero); — Balg, \. f Ollis
'Sclilauch'; — Balken, 1. sufflumen 'unter das Rad gelegter Baiken', gr. rpä}.ay^ (pluilaux)
'Holzstamm'; — Ball, Bolle, gr. (paV.ög (phallös); — bannen, l. furi, gr. rpt^fu {ph<emi); —
Banse, ai. bhusa- 'Kulistall'; — bar 'bloß', abg. bosü, lit. bäsas; — Bar 'Rammklotz' zu ahd.
berian 'treten, stampfen', l.ferire; — Bärme, \. fermentum; — Barn 'Scheune' zu got. baris-
'Gerste', \.far; — Bart, 1. barba aus *farba; — Bast, \. fascia 'Binde'?; — bauen, \. fui,
gr. civeiv {phyen); — Baum, gr. (fvtia (phyma) 'Gewächs'; — beben, abg. bojq 'sich fürchten'; —
beide, 1. (am)bo, gr. äuqpco (amphü); — beißen, \. findo; — Bett, Beet, \. fadere 'graben'; —
Biber, l.fiber; — biegen, I. fugio, gr. (psvyco (pheugö); — Biene, 1. facus; — Binde, 1. offen-
dimentum ; — Birke, ai.bharjah, slaw. breza, lit. berzas, l.fraxinus 'Esche' ; — blasen, l.flare; —
bleuen, \. fllgere 'schlagen'; — Blume, l.flos; — Bock, aw. büza; — bohren, \. f ordre; —
Borste, \. fastigium aus *farstigium 'Giebel, Spitze'; — Braue, gr. 6(pQvq {ophrys); — brauen,
1. defrutum 'Mostsaft'; — braun, ai. babhrüh; — brechen, \. frango; — Bruch 'Hose', 1. suf-
fragines 'Hinterbug der Tiere' ; — Bruder, If rater, gr. (pqöltcoq (phrätör) ; — Brunnen, gr. (pgeag
(phrear); — Budie, \. fagus, gr. (pt]y 6g {pluegös).
Für den Inlaut führe ich noch folgende Fälle an
d) Gr. X {kh), 1. -h-, -g-, = d. g.
d. Bug, gr. :ifjyvg {pcekhys); — d. eng, I. angustus, gr. uyioi {äi3kho) 'würge'; — d. Igel,
gr. Eyh'og (ekhinos); — d. Sieg, gr. exeiv (ekhen) 'haben'; — d. steige, gr. ozeiyco (stekho); —
d. Teig, 1. fingo, gr. rsTxog (tekhos) ; — d. Zunge, 1. lingua aus *dingua.
e) Gr. & {th), 1. -d- und auch -^- = d. t.
ahd. eit 'Scheiterhaufen', 1. aedes 'Haus', eig. 'Feuerstätte', gr. aidw (althö) 'flamme'; —
d. glatt, I. glaber; — d. Lende, 1. lumbus; — d. Met, gr. i-ieOv [niethy) ; — d. mitten, 1. medius; —
d. rot, 1. ruber, gr. iovßoög (erythros); — d. Witwe, 1. vidua.
f) Gr. cp {ph), \'.-b- = d.b.
d. Elbe 'Fluß', eig. 'der weiße', 1. albus; — d. kerben, gr. yodrpco (gräphü); — d. lieb,
1. lubet; — d. Nabel, 1. umbilicus, gr. d^cpaUg (omphalös); — d. TV^*^/, 1. nebula, gr. vegse'/??
(nephelw); — d. ti/^ö^, gr. vcpalvoi (hyphainü).
3. Die griech.-lat. Medien werden im Germ, zu Tenues, die im
Hochdeutschen nach § 14 weiter verschoben werden.
a) Gr. y (g), lat. g werden zu germ. k, das im Deutschen im Inlaut viel-
fach zu ch verschoben wird.
kalt, 1. gelidus; — Kamm, gr. yöwfog (gömphos) 'Zahn'; — kauen, abg. zTvati; — kauern,
gr. yvoög (gijrös) 'krumm'; — Kehle, 1. gula; — kennen, können, 1. (g)nösco, gr. yr/vcöaxco
(gignöskö); — kerben, gr. ygatpeiv (graphen); — Kern, Korn, \. grünum; — kiesen, l.gustäre,
gr. yevea&ai (geuesthai) ; — Kind, 1. genus, gr. yevog (genos) ; — Kinn, 1. gena 'Wange', gr. yiwg
(genys) 'Kinnbacken'; — Klaue, gr. ylovxög (glatös) 'Hinterbacke'; — Klei 'zäher Ton', l.glus,
gluten 'Leim', gr. y^.otü (gloiä) 'Leim'; — klieben, 1. gläbere 'abschälen', gr. y'/.vcpeiv (gliiphcn)
'eingraben, schnitzen' ; — klug, gr. j'Aw/rre? (glökhlnes) 'Spitzen' ; — Knebel, gr. yö/:i(pog (gömphos)
'Pflock, Bolzen'; — Knie, 1. genu, gr. y6vv (göny); — Koben, gr. yvjirj (gtjpce) 'Erdhöhle'; —
Kolben, 1. globus 'Kugel, Haufe, Klumpen'; — kosten, 1. gustare; — krähen, abg. grajati; —
Kranich, 1. grus, gr. yegavog (geranos) ; — Krume, 1. grümus 'Erdhaufe, Hügel', gr. yovfisa
(grijmea) 'Gerumpel'; — kund, \. nötus.
b) Gr. d (d), 1. d wird zu germ. t, deutsch anlautend z.
Zahl, 1. doldre 'behauen; — zahm, 1. domäre, gr. öafido) (damäü); — Zahn, 1. dens,
r. 68ovg (odäs); — Zähre, 1. dacruma, gr. 8üxqv (ddkry); — Zange, gr. ödxvsiv (ddknen); —
Zarge, gr. dgdooEo&ai (drdssesthai) 'fassen'; — zaudern, 1. därure; — Zaun, kelt. dünum; —
16 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
zausen, 1. dannis 'Gestrüpp'; — zehn, 1. decem, gr. ftrxn {dikä); — zehren, zerren, gr. f^tnttv
{diren) 'schinden'; — zeigen, I. indicire; — zeihen, 1. dicere, gr. Aeixi-v/u {d(knymi); — zer-,
I. dis; — zetten, gr. !iaTfonm (dateomai) 'verteile'; — ziehen, 1. düco; — Zimmer, I. domus,
gr. dituo (demo) 'baue'; — zu, gr. -dr (-de); — Zunge, 1. lingua (aus *dingud); — zwei, I. duo,
gr. di'o (dj/o).
c) Gr. /? (/;), 1. A wird i^^erm. p, hochd. pf.
Beispiele sind selten, weil h im Idg. nicht häufii^ war. Die meisten
Wörter mit anlautendem pf im Deutschen sind entlehnt.
Padde, ndd. zu gr. ßänmyo? {butrakhos\; — Pegel, ndd., 1. haculiim, gr. päy.xoov
(biiktron) 'Stab'; (?) — Pfaid 'Kleid, Hemd", bayr. öst., gr. ßdi'ni (baltir) 'Hirten-, Bauern-
kleid'. Das Wort ist zwar entlehnt, zeigt aber regelrechte Verschiebung; — pladdern,
1. blatire 'plappern, schwatzen'.
§ 16. Lautgesetze, im vorhergehenden Abschnitt sind eine Fülle von
Wörtern zusammengestellt, an deren Zusammengehörigkeit man nicht zweifeln
kann, und dabei zeigen sich nun ganz regelmäßige Veränderungen. Das
nennen wir ein Lautgesetz. Dieser Ausdruck kommt schon ziemlich früh
in der Literatur vor. Im Grunde ist er ja vielleicht nicht ganz zutreffend,
da wir es mit geschichtlichen Vorgängen zu tun haben. In der Naturwissen-
schaft, woher der Ausdruck Gesetz stammt, verstehen wir darunter einen
Vorgang, der sich unter den gleichen Bedingungen stets wiederholt. Da-
von kann in den geschichtlichen Wissenschaften keine Rede sein. Die
germanische Lautverschiebung ist zu einer bestimmten Zeit eingetreten und
hat sich nicht wiederholt. Denn die deutsche Lautverschiebung zeigt zwar
einen ähnlichen Vorgang, aber nicht denselben. Der Ausdruck Gesetz be-
zieht sich nur auf die Regelmäßigkeit, mit der z. B. die Lautverschiebung
in zahlreichen Wörtern eingetreten ist.
§ 17. Ausnahmen der Lautverschiebung. So zahlreich die oben erörterten
Fälle der regelmäßigen Lautvertretung auch sind, so wird doch jeder auch
Fälle finden, in denen Unregelmäßigkeiten vorliegen. Eine Reihe derartiger
Unregelmäßigkeiten waren leicht zu erklären.
1. Eine Hauptausnahme bildet die Stellung der Tenues nach s.
Hier hat weder die hochdeutsche noch die germanische Lautverschie-
bung gewirkt, wie die folgenden Beispiele zeigen.
a) sk, nhd. seh = gr.Iat. sk.
sdiaben, 1. scabo; — Sdiade, gr. day.t}&>'/,' {ashi^thws) 'unverletzt'; — Sdiaft, 1. scapus,
gx. ny.fjTtTQor (skdptron); — Sdiüle, abg. skoHka 'Hülse, Muschel'; — Sdiatten, gr. ay.öxo;
{skötos) 'Dunkelheit'; — Sdiatz, abg. skotti 'Vieh'; — sdiauen, gr. {}vooy.öog (thyosköos)
'Opferschauer'; — 5a'/flu^r 'Wetterdach', \. obscürus; — Sc'iflu^r 'Unwetter', \. caurus,^) lit.
Mure 'Norden'; — sdieinen, abg. sinqti 'hell werden', gT.aytd (skia) 'Schatten'; — Sdieit,
1. scütum 'Schild ; — Sdierbe, abg. ir'epü; — sdieren, gr. y.EÜHo {ktrö); — sdierzen, ai. kürdati
'springt'; — sdiieben, ai. kiubh 'Ruck, Stoß'; — sdiießen, lit. ^duj'u; — Sdiirm, ai. carma
'Haut, Fell'.
b) st = gr.Iat. st.
Stab, \\[.st<lbas 'Götzenbild, Bildsäule'; — Stadel, ai. sthJtram 'Standort'; — Stadt
•) Wörter mit s + Konsonant im Anlaut stehen im Indogerm. häufig neben solchen
ohne s, ohne daß der Grund klar wäre.
§ 17. Ausnahmen der Lautverschiebung. 17
1. statio, gr. aräm; (sftisis); — Stahl, apr. panu-staklan 'Feuereisen'; — Stall, 1. stabiiliim; —
Stange, gx. mäyv^ (stäkhys) 'Ähre'; — Star, \. stiirnus; — stark, npQis. suturg; — starr,
gr. aTEOFÖg (Stereos); — stauen, abg. staviti 'sieWen' ; — stechen, gr. ozlCsiv [stizen); — Stecken,
1. tignum 'Balken'; — stehen, 1. sture, gr. arrjvai {stfcnai); — steif, 1. stipes 'Stamm'; —
steigen, gr. aisixstv (stckhen); — Stein, abg. stena 'Mauer', gr. on« (stia) 'Steinchen'; —
stellen, gr. gtsüm (stellu); — Sterke, 1. sterUis, gr. oTeToa (stera); — Stern, 1. Stella, gr. uot>'iq
(ast(f-r) ; — Sterz, gr. orooOtj [storthce) 'Zinke, Spitze, Zacke' ; — Steuer, 1. restaurare, gr. oTavQÖg
(staurös) 'Pfahl'; — Stier, ai. sthavirah 'dick'; — still, ai. sthünüh 'stehend, unbeweglich'; —
Stimme, gr. aiöi.ia (stömä) 'Mund'; — Stirn, gr. aüorov (sternon) 'Fläche, Brust'; — stöhnen,
gr. oiereiv (stenm) 'eng machen' ; — Stollen, gr. aTi'jbj [stielä-) 'Säule' ; — Storch, gT.rogyo? [törgos)
'Geier'; — stoßen, 1. tundo; — Strahl, abg. strela 'Pfeil'; — Strang, gr. ozgayYuh] (strau-
gülw) 'Strick'; — streuen, 1. struere, gr. oiöorv/u (störnymi).
c) sp = gr.lat. sp.
spähen, 1. specere; — Span, gr. 095/;)' (sphcen) 'Keil'; — sparen, 1. paruni; — spä^,
1. s/7e5; — Spaten, gr. ö.TUi?;; (späthce) 'breites Schwert'; — Specht, 1. picus; — Sp^cfe, gr. Tiicov
(piön) 'fett'; — Speer, 1. sparus 'kurzer Jagdspeer'; — speien, 1. 5/7«o, gr. .Tr^oj {ptijö); —
Sperling, gr. ojiaoäaior (span'ision); — spinnen, \it pinti 'flechten'; — Sporn, Spur, 1. spernere,
gr. a.-ratoFir {spätren) 'zucken'; — sprechen, gr. acpdgayog [sphäragos) 'Geräusch'; — Spreu,
gr. a.-T£tneiy (sptren) 'säen'; — springen, gr. ojisQ/sodai (sperkhesthai) 'eilen'; — sputen, abg.
speti 'vonstatten gehen'.
2. Die Lautgruppe tr ist im Deutschen nicht weiter verschoben {zr gibt
es nicht), und daher entspricht d. tr sowohl einem idg. dhr wie dr.
Träne, 1. dacruma; — trauen, apreuß. dniwit 'glauben'; — Treber, apreuß. dragios; —
trennen zu d. zerren ; — treu, gr. bgöor (dröon) 'fest' ; — trocken, lit. drdktas 'fest' ; — Trog
zu gr. (%gv (döry) 'Baum'.
Anmerkung. Dasselbe gilt für den Inlaut. Hier hat sich aber vielfach im Deutschen
zwischen t und r wieder ein Vokal entwickelt, so daß scheinbar Ausnahmen vorliegen, so
bitter: beißen; — Eiter zu obd. Biß 'Geschwür'; — lauter, got. hlntrs; — Otter, gr. vöga
(hf/dra) 'Wasserschlange' : Wasser; — Winter, e. winter, got. wintrus; — zittern, anord. titra,
wohl eine reduplizierte Bildung, zu gr. u.:robiboa.oy.oy (apodidniskö) 'entlaufe' ; — Selters zu Salz.
3. In einer Reihe von Fällen entsprechen anlautende Medien im Deutschen
griech. Tenues, aind. Medien. Hier liegt, wie Grassmann KZ. 12, 81 ff. ge-
sehen hat, die scheinbare Unregelmäßigkeit auf selten des Griechischen
und Indischen, indem hier die angegebenen Laute aus Aspiraten dissimi-
liert sind.
Garbe, ai. grabhah 'Handvoll'; — Gerste, gr. ^ioid/j (krUhce); — Giebel, gr. xsq>ab]
{kephaUe) 'Kopf: — Tag, ai. dähati 'brennt'; — taub, gr. TV(f}.ög (typhlös) 'blind'; — taugen,
gr. ir/ji (tykhce 'Zufall'; — Teig, gr. teT/oc (tekhos) 'Mauer'; — trügen, ai. dn'ihjati 'sucht
zu schaden'; — trübe, gr. xagaooco (tardssö) 'verwirre'; — Balg, ai. barhlh 'Opferstreu'; —
Berg, ai. brhant 'Höhe.' ; — Biber, ai. babhrüh 'braun'; — bieten, gr. jievßofiai (peüthomai)
'frage'; — Binde, gr. .-itToiiu (pesma) aus *penthsma 'Tau'; — bitte, ai. badhate 'drängt,
bedrängt'; — Bug, gr. Jitjxvg {pwkhys).
4. Sonstige Ausnahmen der Lautverschiebung.
Auch außer den angeführten Fällen gibt es noch andere Ausnahmen
der Lautverschiebung, d. h. es gibt immer noch Etymologien, die scheinbar
unbestreitbar sind, die aber zu den angegebenen Regeln nicht stimmen.
So vergleicht man z.B. di. haben mit 1. habrre; — heute, sihd. hin tagii
mit 1. hodie; — d. Hamen, 1. hanius. In den Regeln der Lautverschiebung
Hirt, Etymologie der neuhiochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 2
18 Erstes Kapitel. (V i ad Grundsätze der Etymologie.
finden diese Etymologien keinen Platz. Daher verwerfen sie einige. Andere
vermuten, daß hier eine Tcnuisaspirata kli zugrunde liegt, ein Laut, der
zwar nicht sehr häufig ist, aber doch sicher indogermanisch vorhanden war.
Ebenso hat man d. biegen mit gr. 7 fr;vo {p/iciig") , fliehe' verglichen,
obgleich d, g nicht zu gr. y (g) stimmt. In diesem Fall nimmt man schon
indogermanische Verschiedenheit des auslautenden Konsonanten an. Und
so gibt es noch eine ganze Reihe von Auskunftsmitteln. Immerhin handelt
es sich hier immer nur um einige wenige Fälle.
§ 18. Der grammatische Wechsel. Eine der wichtigsten Ausnahmen von
der Lautverschiebung bildet der grammatische Wechsel. Es zeigte sich
nämlich, daß in einer ganzen Reilic von Wörtern / mit cf, b mit /, g mit //
und auch r (aus z) mit 5 wechselt, obgleich immer nur der zweite Laut
dem der verwandten Sprachen nach den Gesetzen der Lautverschiebung
entspricht.
So haben wir noch heute:
Herzog, Zug : ziehen ; — gefangen : falten ; — Sdiwieger : Sdiwäher ; — Hügel : Höhe ; —
zeigen : zeihen ; — zig : zehn • — versiegen : seihen ; — gelitten : leiden ; — Sdmitt : sdineiden ; —
gesotten : sieden; — tot : Tod; — statt : Staden: — Hirt : Herde; — hübsdi : Hof; — darben :
dürfen; — heben : Hefe; — Ohr: Öse-, — Erle : Else; — verlieren : los; — erkoren : kiesen; —
waren, währen : gewesen; — e. hare : Hase; — mehr : meist; — Tor : ndd. Dusel; — Farre :
Färse; — frieren : Frost; — ernähren : genesen; — lehren : List; — dörren : Durst; —
Beere: ndd. Besinge; — Rohr: Rost Q); — Zwirn: Zwist.
Dieser grammatische Wechsel, um dessen Erklärung man sich lange
vergebens bemüht hatte, wurde durch einen hochbedeutenden Aufsatz
K. Verners in Kuhns Zeitschrift 23, 97 aufgehellt und als vollständig regel-
recht nachgewiesen. Verner zeigte nämlich, daß die Laute /;, d, g, r (für z)
im Inlaut ganz regelmäßig auftreten, wenn der indogermanische Akzent
nicht unmittelbar vorausging.
Es mögen auch hier eine Anzahl Beispiele folgen.
1. p — d, 6. d — t.
Bruder. a\. bhrdta Vater, a\. pitri, gr. .-lan'tg {patf'er);
Rad, ai. rüthah 'Wagen' Mutter, ai. mCitd, gr. ntjjeoa {mwterä);
ander, ai. üntarah hart, gr. y.oarvg {kratys);
weder, gr. .-rdrepo,- (pöteros) unter, z\. antär 'innerhalb';
werden, ai. vdrtate 'dreht sich' Ente, ai. «tih;
öde, gr. avoio; {/lusios, aus *autios) 'leer' got fidwJr "vier', ai. vatvdrah;
freidig, ai. />rt//a- 'jenseitig' dritte, a\. trtijaJi;
Gold, r. zöloto Atem, ai. ätmä;
Ader, gr. 1)100 {(f-tor) 'Herz' heiter, ai. citräh;
Geburt, ai. bhrtih.
2. f — b.
Neffe, ai. ndpät sieben, gr. f.Tj-« {heptä) ;
Wolf, gr. '/.iy.oi (lifkos)
fünf, gr. .-revTE (pente).
Anmerkung. Nicht jeder Wechsel von/ und ft geht auf germanischen Wechsel zurück,
vgl. darüber § 30, 9.
§ 18. Der GRAiMMATlSCHE WECHSEL. § 19. AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE. 19
?>. h - g.
Sdiwäher, ai. svdsiirah Schwieger, ai. svasräh, gr. t-y.voä (hekyni);
zehn. gr. df;-a {deka) mager, gr. fiay.o,k (makrös) ;
Vieh, ai. päsu Angel, gr. dy>iv?.o; {aukylos) 'gekrümmt';
Zähre, gr. ddxgv {dükry) Ecke, as. eggia, gr. dxig (akis) ;
Lehen, ai. reknah 'ererbter Besitz' hager, ai. krsäh 'mager';
Honig, gr. y.rüy.ög (knakös) 'gelblich';
Jung, ai. jiwasäh.
A. S — /' {z).
Nase, ai. ndsä Schnur 'Schwiegertochter', gr. wog {nyds)
Ferse, ai. pär'^nih.
§ 19. Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze. Mit Verners Erklärung des
grammatischen Weclisels war eine bedeutende Ausnahme der Lautverschie-
bung erklärt. Da außerdem manche andere Ausnahme beseitigt wurde, und
da man sich mit den psychologischen Gesetzen zu beschäftigen anfing, die
in der Sprache herrschen, so kam man zu einem Grundsatz, den Leskien
in seinen Vorlesungen zuerst gelehrt, Brugmann und Osthoff zuerst öffent-
lich ausgesprochen haben, zu dem Grundsatz: die Lautgesetze sind
ausnahmslos, d. h. wenn sich ein Laut in einem Wort verändert, so
verändert er sich in allen andern Wörtern ebenfalls, wenn nicht besondere
Umstände vorhanden sind, die das verhindern.
Über diesen Grundsatz ist in den siebziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts außerordentlich heftig gestritten worden, während sich jetzt der
Kampf der Geister einigermaßen beruhigt hat. Was an diesem Satze richtig
ist, das läßt sich in Kürze ziemlich klar zeigen.
Wenn wir die verschiedenen Sprachlaute, die sich in den zahllosen
Sprachen der Welt finden, zusammenstellten, so würden wir wohl auf mehrere
hundert kommen, aber jede einzelne Sprache verwendet nur eine bestimmte
Anzahl davon, etwa dreißig bis vierzig. Um einen Laut hervorzubringen,
bedarf es einer gewissen Bewegung der Muskeln, und für jeden Laut bildet
sich allmähHch ein sogenanntes Bewegungsgefühl, durch das der Laut hervor-
gebracht wird. Ändert sich das Bewegungsgefühl, so fragt es sich nicht,
in welchen Worten der Laut vorkommt, sondern diese Veränderung trifft
eben den Laut in allen Worten. Am besten kann man das feststellen, wenn
Ausländer deutsch oder wenn wir fremde Sprachen sprechen. Wenn wir
französisch lernen, so erfahren wir, daß auch im Französischen etwa ein
Laut d vorhanden ist. Da wir diesen Laut auch besitzen, so sprechen wir
das französische d wie unser deutsches d, natürlich in allen Worten, in denen
es vorkommet. Nun ist aber unser deutsches d nicht derselbe Laut wie der
französische. Wenn wir gelernt haben, ihn richtig hervorzubringen, so werden
wir ihn nicht in einzelnen Worten anwenden, in andern nicht, sondern wir
werden ihn in allen gebrauchen. Wenn wir aber unsern Laut statt des
französischen anwenden, so tun wir das eben auch in allen Wörtern, und
wir haben damit eine vollständig regelrechte Lautveränderung vollzogen,
und das nennen wir ein Lautgesetz. Natürlich ist die Veränderung eines
20 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Lautes abhänirig von der Umgcbiint^, in der er sich befindet, und es können
durch die besondere Stellunj^ Abwcichunij^en entstehen. So werden z. B. die
grieth.-lat. p, t, k in der Stelluns^ nach x, wie wir oben gesehen haben,
nicht verschoben. Das ist sehr leicht verständlich. Nach einem Spiranten
konnten die Verschlußlaute schwer spirantisch werden. Oft sind diese Be-
dingungen sehr verwickelt, und es ist ganz sicher, daß wir noch nicht alle
Lautgesetze kennen, daß wir auch mit unbekannten Lautgesetzen rechnen
müssen. Es ist ja auch eigentlich nicht wunderbar, daß ein Laut je nach
den verschiedenen Stellungen, in denen er sich befindet, verschieden be-
handelt wird, es ist vielmehr auffallend, daß trotz dieser verschiedenen
Bedingungen eine so große Regelmäßigkeit in der Vertretung der Laute
besteht. Wie dem aber auch sein mag, so ergibt sich doch nunmehr als
oberster methodischer Grundsatz für die etymologische Forschung der Satz:
die Lautgesetze sind ausnahmslos. Allerdings befinden wir uns hier
in einem gewissen Zirkelschluß. Die Lautgesetze gewinnen wir nur auf
Grund der Etymologien, d. h. auf Grund von einleuchtenden Übereinstim-
mungen einer Anzahl von Wörtern, und wenn wir ein Lautgesetz auf Grund
einer Reihe etymologischer Gleichungen festgesetzt haben, so lehnen wir
Etymologien ab, die nicht dazu stimmen. Solange es vielleicht nur eine
einzige ist, geht das an. Aber es finden sich oft mehrere Worte, die die
gleiche Abweichung zeigen, und dann muß man den Verdacht hegen, daß
eine Störung des Lautgesetzes durch ein anderes besonderes Gesetz vor-
liegt. Wer etymologische Forschungen treibt, der muß sich also zunächst
an die anerkannten Lautgesetze halten, aber er wird doch ins Auge fassen
müssen, daß es auch unbekannte Lautgesetze gibt, und daß etymologische
Vergleichungen zu Recht bestehen können, die zu den bisher erkannten
Lautgesetzen nicht stimmen. Ein Beispiel möge das zeigen. Einem an-
lautenden deutschen b entspricht im Lateinischen /, s. o. S. 15. Demnach
müßte man eigentlich eine Gleichung d. Bart, 1. barba aufgeben. Trotz-
dem hat sich wohl keiner dazu entschlossen, wenn auch erst neuerdings
die lautgesetzliche Entwicklung klargelegt ist. Man könnte noch mehrere
derartige Fälle anführen; sie zeigen aber nur, daß eben unsere Kenntnis
der Lautgesetze nicht vollständig ist. Aber freilich die Zeiten sind vorüber,
in denen man leicht zu neuen Lautgesetzen und auf Grund dieser zu neuen
Etymologien kam; die meisten neuern Vergleichungen bewegen sich auf
dem Boden der bisher erkannten Lautgesetze. Wenn sich hie und da noch
Widerspruch gegen die Allgemeingültigkeit der Lautgesetze regt und mit
Beispielen belegt wird, so trifft dieser den Kern der Sache nicht, weil er
vergißt, daß die Lebensverhältnisse der modernen Sprache infolge von
Dialektmischung, Einwirkung der Schriftsprache und des Schriftbildes außer-
ordentlich verwickeh sind, sodaß man hier in der Tat oft ganz vereinzelte
Erscheinungen antrifft. Aber bewußt oder unbewußt geht das Bestreben
dieser Forscher ebenfalls dahin, Lautgesetze nachzuweisen.
§ 20. Lautgesetze und Etymologie. § 21. Lautgesetze im Deutschen. 21
Anmerkung. In der ZfdU. 20, 145 unterrichtet E. Meyer über ein Buch seines
Bruders Wilhelm Meyer-Rinteln, Die Schöpfung der Sprache, Leipzig 1905, in dem ganz
neue Offenbarungen über die Herkunft der Worte enthalten sein sollen. Der Aufsatz ist
zwar von E. Stürmer, ZfdU. 20, 562 ff. zurückgewiesen worden, aber a. a. O. 21, 232 nimmt
W. Meyer selbst das Wort, um seine Anschauung zu verteidigen. Aus dem in diesen Auf-
sätzen Angeführten läßt sich zur Genüge ersehen, daß das Buch in der Hauptsache wertlos
ist, was nicht ausschließt, daß sich einige richtige Beobachtungen darin finden.
§20. Lautgesetze und Etymologie. Jedenfalls ist durch die neuere Forschung
und ihre Grundsätze die Etymologie auf einen fast völlig sichern Boden
gestellt worden, und das Wort Voltaires, daß die Etymologie eine Wissen-
schaft sei, in der die Vokale nichts und die Konsonanten wenig bedeuten,
ist völlig überwunden. Die Lautgesetze ermöglichen es, erstens scheinbar
auf der Hand liegende Etymologien abzulehnen, und zweitens Vergleich-
ungen aufzustellen, auf die man sonst nie gekommen wäre. Zu dem ersten
Fall gehört z. B. die Gleichung 1. deus, gr. ^e6^ {theös) ,Gott'. Die Ähnlich-
keit der Form ist groß, die der Bedeutung vollkommen. Trotzdem ist die
Vergleichung falsch. Das zeigt sich schon, sobald man die beiden Worte
auf die unmittelbar zu erschließenden Grundformen zurückführt: deiis geht
auf *deiwos, {^edg (theös) auf '■thesös zurück. Umgekehrt hat erst die Aus-
bildung der Lautlehre Gleichungen begründet wie e. wheel und gr. xvxlog
{kyklos) , Kreis, Rad', e. girl, ndd. göre und gr. Tiaoüevo? {parthenos), ,Jung-
frau'. Wie in diesen Gleichungen nur noch ein einziger Laut der gleiche in
beiden Sprachen ist, so auch in folgenden Fällen: d. vier, htquattuor, d.fiinf,
lat. quinque, d. zwei, lat. duo, aber in diesen erscheint doch die Verwandtschaft
klarer, weil hier auch die andern Laute wenigstens eine Ähnlichkeit zeigen.
Anmerkung. Von Wichtigkeit ist es natürlich immer, auf die ältesten überlieferten
Formen zurückzugehen. Vergleicht man das heutige Französisch mit dem heutigen Deutsch,
so ist oft die Verwandtschaft kaum zu erkennen. Man nehme z.B. die Zahlwörter «az = ^//z ;
deux = zwei; trois = drei; quatre = vier; cinq —fünf; six = sechs; sept — sieben; hiiit
= acht; neuf=neun; dix = zehn. In quatre, vier ist nur noch ein einziger Laut gleich.
Got. fidwör und lat. qiiattuor ähneln sich in ganz andrer Weise.
So gehören also Lautlehre und Etymologie auf das engste zusammen.
Je besser wir die Lautlehre kennen, je genauer wir die Lautgesetze bestimmen,
um so sichrer vermögen die Etymologien begründet zu werden. Immer
aber werden noch neue Etymologien aufgestellt werden, die zu neuen Laut-
gesetzen führen. An Stelle bloßen Ratens und geistreicher Einfälle ist so
die strenge Regelmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit getreten, und daß darin
ein außerordentlich wertvolles Bildungsmittel liegt, ist ganz klar. Ich halte
es für wertvoller als die vielgerühmte Logik der lateinischen Sprache. Auch
der Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache würde durch
Heranziehung der Lautlehre und Etymologie nur Vorteil haben. Was im
deutschen Unterricht glücklicherweise schon eingeführt ist, kann für den
Unterricht in den klassischen Sprachen nicht unangebracht sein.
§ 2L Lautgesetze im Deutschen. Aber die Lautlehre ist nicht nur nötig,
wo wir uns in dem Kreise der verwandten Sprachen bewegen und hier
22 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Etymologien begründen wollen, sondern sie ist auch für die Geschichte
der Wörter innerhalb des Deutschen von hervorragender Bedeutung. Denn
mit Hilfe der Lautlehre können wir oft feststellen, aus welchem Teil des
deutschen Sprachgebietes ein Wort stammt. Manche Worte zeigen die hoch-
deutsche Lautverschiebung nicht, sie sind aus dem Niederdeutschen ent-
lehnt, andere weisen oberdeutsches Gepräge auf, andere wie Demut können
wir für eine bestimmte Gegend in Anspruch nehmen. Vgl. darüber § 170.
§ 22. Die wissenschaftliche Lautlehre. Die wissenschaftliche Lautlehre
nimmt jetzt in den Darstellungen der vergleichenden Grammatik einen außer-
ordentlich breiten Raum ein, und wenn man damit vergleicht, daß sie früher
gar nicht vorhanden war, auch in den Schulgrammatiken des Griechischen
und Lateinischen kaum erwähnt wird, so kann man wohl fragen, ob ihre
Bedeutung nicht übertrieben wird. Zu einem Teil ist das ganz zweifellos
der Fall. Bei der Erklärung der Flexionslehre und der Syntax könnte man
manche Teile der Lautlehre entbehren, und man bevorzugt sie manchmal
zum Schaden dieser Teile. Wohl aber gehört eine vollständige Lautlehre
mit der Etymologie zusammen, sie müßte mit dieser zu einem besondern
Teil der Grammatik vereinigt werden, weil eben nur mit der Etymologie
und durch die Etymologie die Lautlehre begründet werden kann, und ander-
seits Etymologie ohne Lautlehre nicht möglich ist. Demnach müßte an
dieser Stelle eigentlich eine Lautlehre mit zahlreichen Beispielen gegeben
werden. Da diese aber in einem andern Teil des Gesamtwerkes erscheinen
sollte, so habe ich mich in der ersten Auflage auf eine kurze Übersicht
beschränkt, z. T. in Form von Tabellen, in denen die regelmäßigen Laut-
entsprechungen zu finden sind. Mehrfach ausgesprochenen Wünschen gemäß
habe ich aber diesen Teil ausführlicher gestaltet. Ich habe den Versuch
gemacht, das Englische zu diesem Zwecke ausgiebig heranzuziehen. Ist
es doch die germanische Sprache, deren Kenntnis im allgemeinen voraus-
gesetzt werden kann. Eine eingehendere Beschäftigung mit der Lautlehre
wird dadurch freilich nicht überflüssig.
§ 23. Transskription. Zunächst ein paar Vorbemerkungen über die Um-
schreibung der verschiedenen Sprachen. Die einzelnen indogermanischen
Sprachen werden teils mit Originalalphabeten, wie das Indische, Altpersische,
Awestische, Griechische, Slawische geschrieben, teils benutzen sie das latei-
nische Alphabet, wobei aber die Buchstaben sehr häufig einen vom Latei-
nischen abweichenden Lautwert haben. Man hat sich nun daran gewöhnt,
da man die Kenntnis der fremden Alphabete nicht jedem zumuten kann,
alle Sprachen, mit Ausnahme des Griechischen, in lateinischer Schrift
wiederzugeben. Indessen haben die Sprachen natürlich eine Anzahl von
Lauten, die das Lateinische nicht besitzt, und man muß zu deren Bezeich-
nung besondere Buchstaben anwenden, welche meist die lateinischen mit
einem hinzugefügten Merkmal sind. Dies wäre soweit ganz gut, wenn nicht
bei der einen Sprache dasselbe Zeichen in einem ganz andern Sinne ge-
§ 22. Die wissenschaftliche Lautlehre. § 23. Transskription. 23
braucht würde als bei einer zweiten, und wieder anders bei einer dritten.
So bedeutet z. B. y im Indischen J, im Litauischen i, im Slavischen eine
Art ü. Man muß also auch wieder jedes Alphabet besonders lernen. Um
diese Mißstände zu beseitigen, die sich in den Vorlesungen und in den
Büchern außerordentlich stark geltend machen, und die das Verständnis der
Sprachwissenschaft erschweren, ohne einen wirklichen Nutzen zu bringen,
habe ich ein altes System der Umschreibung wieder aufgenommen, dessen
Grundsatz lautet: jeder Laut darf nur durch ein Zeichen ausgedrückt werden,
vgl. Idg. Forsch. 21, 145 ff. Ich habe dieses System schon angewendet in
dem Weigandschen Wörterbuch, und im Hinblick auf die Arbeit an diesem
Werke sowie auf das vorliegende, die sich beide an weite Kreise wenden,
habe ich es entworfen. Allerdings ganz glatt vermag ich es nicht durch-
zuführen. Ich schreibe also das griechische i) und lateinische Originalalphabet,
wobei ich nur zu beachten bitte, daß lat. c durchaus nur den Lautwert k
hat. Unsere Aussprache zentum, Zäsar ist sicher falsch. Ebenso behalte
ich die übliche Schreibung des Deutschen und der germanischen Dialekte
bei. Im übrigen kann ich die Umschreibung an der Hand einer Übersicht
der Laute darstellen.
1. Die Länge der Vokale wird durch - bezeichnet, also ä, e,i, ö, ii. Im
Nordischen und Angelsächsischen verwendet man noch vielfach ' , im Alt-
hochdeutschen und Mittelhochdeutschen a. /ist aber nötig, um die Ton-
stelle zu bezeichnen, während a gebraucht werden muß, um eine Überlänge
kenntlich zu machen.
2. Bei den Vokalen bezeichnet e ein geschlossenes e wie in See, e ein
offenes wie in säen, l drückt ein offenes /, ü ein offenes nach o hinliegendes ii
aus. Im Gotischen ist die althergebrachte Schreibung ai = e und ad = o
beibehalten worden.
3. Die Konsonanten teilt man in Verschlußlaute und Reibelaute.
a) Verschlußlaute.
p, b, t, d, k, g bezeichnen die stimmlosen und stimmhaften Verschluß-
laute. Dazu kommen für das Indische (und Armenische) aspirierte Laute
ph, bh, th, dh, kh, gh. In der Dentalreihe gibt es im Indischen noch eine
Abart, die sogenannten Zerebrale, die durch Emporheben der Zungenspitze
an den harten Gaumen gebildet werden. Man bezeichnet sie mit f, ih, d,
dh. Die Gutturale können an verschiedenen Stellen des hintern Mundes
hervorgebracht werden. Die vordersten (Palatale) schreibt man
k', kh', g gh',
die mittlem k, kh, g, gh,
die hintern q, qh, g, g/z.
') Der Schreibung im griechischen Ori- zugeben suche. Ich schreibe kh, th, ph für /,
ginalalphabet habe ich die lateinische Um- 0, 7 , z für ':, e für si, und (e für >/• Den Zir-
schrift in Klammern zugefügt und zwar der- ; kumflex bezeichne ich mit a .
art, daß ich die griechische Aussprache wieder-
24 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
b) Reibelaute.
Labiale: /, ß, v. Im Mittelhochdeutschen schreibt man v vielfach für
den urgermanischen /-Laut, während / für den im Hochdeutschen aus p ent-
standenen Laut Verwendung findet. Beide waren verschieden, b ist etwa
unser norddeutsches ic. v dient in den andern Sprachen als Zeichen für w,
meistens mit dem Lautwert von engl. w.
Dentale: p, ä, s, z, s, z. p ist das Runenzeichen und drückt das stimm-
lose engl, th aus, d das stimmhafte. 5 ist stimmloses 5 (d. ss), z das stimm-
hafte (frz. z); 5 ist unser sdi, z der entsprechende stimmhafte Laut (frz.y).
Gutturale: x = ch in ich, g' = J in ndd. gern (spr. jern),
X = ch in ach; g der entsprechende stimmhafte Laut.
c) Nasale: m, n, n). Letzteres ist der gutturale Nasale, deutsch ng in
Klang, spr. k/an>. Durch f^' drückt man den entsprechenden palatalen Lautaus.
d) Liquida: /, /', i' sind das normale deutsche /, das palatalisierte und
das dunkle t der Russen. /• drückt eine besondere Abart des /' aus.
e) j ist der Vokal / in konsonantischer Funktion, etwa wie in zweisilbig
gesprochenem Asien; w ebenso der Vokal //, engl. w.
f) Durch einen ' hinter dem Konsonanten wird die in vielen Sprachen
vorkommende Palatalisierung (Erweichung) der Konsonanten bezeichnet.
g) Einfache Zeichen für zusammengesetzte Laute sind c = ts, deutsch z,
c = ts, deutsch tsch, J = dz.
h) Einzelheiten. Aind. .<• ist ein palatalisiertes s, das einem europäischen k
entspricht, früher auch f geschrieben; aind. h ist aus s entstanden; r im Um-
brischen und Tschechischen ist ein aus /' und s (seh) zusammengesetzter
Laut; got. /v ist h-^-w, die im gotischen Originalalphabet durch ein Zeichen
ausgedrückt werden. Got. q ist qii.
i) Akzentzeichen: ' ,' , a, - drücken den Sitz des Tones aus, zugleich
aber im Litauischen auch den Silbenakzent. ' ist im Litauischen eine Länge
mit gestoßenem Ton, ^ steht nur auf Kürzen, ~ bezeichnet die Zweimorigkeit
des Lautes, a drückt die Dreimorigkeit, im Litauischen den schleifenden Ton
auf einfachen Längen aus.
§ 24. Vokalismus. Es ist bei einer Darstellung der Lautentwicklung, die
die verwandten Sprachen berücksichtigt, nicht möglich, vom neuhochdeutschen
Lautstand auszugehen, weil in unsrer jetzigen Sprache die Lautverhältnisse
zu verwickelt geworden sind; man muß vielmehr den althochdeutschen Laut-
stand, und zwar am besten den ostfränkischen, der besonders durch Tatian
vertreten ist, zugrunde legen. Noch deutlicher ist der Lautstand des Gotischen.
Doch fehlt uns hier nicht selten das Wortmaterial. Jedenfalls ist für jeden,
der Etymologie treibt oder sich überhaupt wissenschaftlich mit der deutschen
Sprache beschäftigt, die Kenntnis des Althochdeutschen und des Gotischen
unentbehrlich. Für das Gotische bestehen jetzt so viele Handbücher, auch
zum Selbstunterricht, wie das in dieser Sammlung von Friedrich von der
Leyen verfaßte, daß die mangelnde Kenntnis dieser Sprache nicht mehr zu
§ 24. Vokalismus. § 25. Der neuhochdeutsche Vokalstand. 25
entschuldigen ist. Das Beste ist W. Streitberqs Gotisches Elementarbuch,
3. und 4. Auflage, 1910.
§ 25. Der neuhochdeutsche Vokalstand. Unser Vokalstand zeigt ungefähr
die gleichen Vokale wie in althochdeutscher Zeit, aber infolge einer Reihe
durchgreifender Lautgesetze weicht er stark von dem Mittel- und Althoch-
deutschen ab. Es ist natürlich sehr einfach und in den meisten Fällen
durchführbar, durch Zurückgehen auf die ältere Überlieferung den ursprüng-
lichen Lautwert festzustellen. Aber wenn man auch etwas Mittelhochdeutsch
auf der Schule lernt. Althochdeutsch wird nicht gelehrt. Es ist also unpäda-
gogisch, darauf zurückzugreifen. Wir haben aber zwei andere Mittel, um
den Wert der nhd. Vokale zu ermitteln, das sind erstens die Mundarten und
zweitens das Englische.
Die Heranziehung der Mundarten ist von höchster Bedeutung und sollte
überall, wo es irgend möglich ist, stattfinden. Es bestehen zahlreiche Dar-
stellungen der Lautlehre der Mundarten, und von einem Lehrer des Deutschen
muß man es verlangen, daß er diese benutzt, und daß er, wo sie fehlen,
sich selbst ein Bild von dem Verhältnis der schriftsprachlichen Vokale zu
den mundartlichen macht. Aber freilich in unsren Städten sind die Mund-
arten ausgestorben, und so versagt dieses Hilfsmittel oft genug. An dieser
Stelle kann auf die Mundarten nicht eingegangen werden, weil sie zu ver-
schieden sind, doch wird sich das Folgende auch für die Heranziehung der
Mundarten von Wichtigkeit erweisen.
Das heutige Englisch ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, den ursprüng-
lichen Wert unsrer Vokale zu bestimmen. In Dutzenden von Wörtern finden
sich ganz regelmäßige Vokalentsprechungen, und so ist es eigentlich be-
dauerlich, daß man es bisher viel zu wenig herangezogen hat. Es ist doch
die Sprache, die wir auf den höhern Schulen heute allgemein zur Ver-
fügung haben, und daher sollte an der Vergleichung mit dem Englischen
die sprachvergleichende und etymologische Betrachtungsweise erwachsen.
I. Dehnung und Verkürzung. Ein Hauptgesetz des Neuhochdeutschen
ist die Dehnung kurzer Vokale in offener Silbe, während umgekehrt lange
Vokale in geschlossener Silbe verkürzt werden. Infolgedessen läßt sich aus
dem Neuhochdeutschen über die alte Quantität in vielen Fällen nichts ent-
scheiden, und man müßte, um darüber Klarheit zu bekommen, das Mittel-
hochdeutsche oder Althochdeutsche heranziehen. In den meisten Fällen
lehrt aber eine Vergleichung mit dem Englischen das Rechte.
1. Ahd. rt, nhd. a, n erscheint im Englischen meist in der Schreibung a
mit verschiedener Aussprache.
a) Arche, e. ark; — arm, e. arm; — Arm, e. arm; — Bad, e. bath; — Garn, t.yKarn; —
Glas, e. glas; — Grass, e. grass; — halb, e. half; — Harfe, e. harp; — Harm, e. Harm; —
Kalb, e. calf; — Kraft, e. craft; — lachen, e. laugh; — Latte, e. lath; — Mast, e. mast; —
Palme, &. palm; — Psalm, t. psalm; — Sdiaft, e. shaft; — sdiarf, t. sharp; — Stab,
e. staff; — Star, e. starling; — Vater, e. father.
b) Abt, e. abbot; — Adisel, e. axle; — Angel, e. angle; — Anker, e. andior; —
26 F.RSTps Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Apfel, c. apple; — Asdie, e. as/ies; — Axt, e. axe; — begann, e. began; — Dadi, c. thatdi; —
fhink, c. thank; — daß, e. //jrt/; — Faden, c.fathom; — /o/ft, Q.fallow; — Ftadis, c.flax; —
l'la^i;e, c. /lag; — Galgen, c.gallows; — glatt, c.glad: — Hammer, c. Hammer ; — Hand,
c. //«/;</; — //rt/^f, c. //rtrf; — kann, e. ffl«; — Kappe, c. rfl/;; — Katze, e. cfl/; — Krabbe,
e. craf»; — Lamm, c. /am^; — Z.o/irf, e. /onrf; — Lappen, c. /^/j; — Malve, e. mallow; —
Mann, c. /«<;«; — Mark, c. niarrow; — Natter, e. adder; — Ratte, c. ra/; — Sadise,
t. Saxon; — Sack, e. saik; — 5fl«rf, c. sand; — saß, e.sat; — satt, c. sad; — Sattel,
t. saddle; — Sdiatten, c. s/iadow, — Strand, q. Strand; — Talg, e. tallow; — trank, e.
drank; — Wadis, c. wax.
c) Vor ng ist a im Engl, zu o geworden
drang, c. tfirong; — lang, e. /o«^; — Sang, e. 50«g'; — Zange, e. tongs.
d) Im Engl, wird o gedehnt und daher meist e gesprochen.
Adier, e. acre; — /l//^, e. fl/;^; — badten, t.bake; — baden e.bathe; — bar, c.bare; —
Blatt, c. blade; — fahren, c.fare; — gaffen, e.gape; — Hase, c.hare; — Hasel, c.liazel; —
hassen, e. hate; — Knabe, e. knave; — lahm, e. lame; — madien, e. make; — Naditigall,
c.nightingale; — nadit, c.naked; — Name, e.name; — Rabe, c.raven; — Sadie.e.sake; —
sdiaben, c. shave; — Sdiam, e. shame; — Sdiatten, e. shade; — Sdinake 'Ringelnalter',
snake; — sparen, e. spare; — Spaten, e. spade; — starren, e. Stare; — Tal, e. dale; —
li'adien, e. wake; — Wal, e. whale; — Ware, e. wäre; — waten, e. wade; — Zahl,
e. tale; — zahm, e. tarne.
e) Engl, ai vor ch:
Madit, e. might; — Nadit, e. night. r
f) c vor y:
Hagel, e. /m/7; — /og^, e. /ov; — mag, e. wßy; — Magd, e. wrt/rf; — Nagel, e. «o//; —
sagen, t. say; — sdüagen, e. slay; — gesdilagen, e. slain; — Tag, &. day; — Wagen,
e. tt'fl/rz; — Zagel, e. M/V.
g) Vor Spiranten ist im Englischen ein Nasal geschwunden, das a
gedehnt und zu einem dunkeln Vokal geworden.
Amsel, c.ousel; — Gans, e. goose; — Zahn, t. tooth; — sanft, c. soft; — ander,
e. other.
h) Vor // und / -t- kons, sowie nach w ist engl, a verdumpft.
all, e. all; — also, e. also; — fallen, t. fall; — Galle, e. galt; — Kalk, e. dialk; —
Malz, e. malt; — Salz, e. salt; — sdimal, e. small; — Sdiwaden, e. swath; — Sdiwalbe,
e. swallow; — Sdiwan, e. swan; — Sdiwarm, e. swarm; — wadien, e. watdi; — walken,
e. walk; — Wall, e. wall; — Walnuß, e. walnut; — wandern, e. wander; — war, e. was; —
warm, G.warm; — warnen, e.warn; — Warze, q. wart; — was, c. what; — Wasser,
e. water.
2. Ahd. 0, nhd. (7 und a geht einerseits auf altes <~ zurück, anderseits
ist es aus a durch Nasalschwund vor h entstanden.
a) ä = urgerm. r = engl. 7 oder e.
n) Aal, e. eel; — Abend, e. evening; — Bahre, e. bier; — Gefahr, t. fear; — Jahr,
e. year; — Mahl, e. meal; — Nadel, e. needle; — raten, e. read; — Saat, e. seed; —
Sdiaf, e. sheep; — sdilafen, e. sleep; — Spradie, e. speedi; — Stahl, e. steel; — Straße,
e. Street; — Tat, e. deed.
ß) lassen, e. let; — Waffe, e. weapon; — Draht, e. thread; — //aar, e. //fl/r; —
waren, e. t£'<?r^.
b) ä = urgerm. a, nachdem ein Nasal geschwunden ist.
bradite, ahd. brähta, e. brought; — dadite, e. thoiight.
Anmerkung. 1. Ahd. « ist in den Mundarten vielfach zu ü geworden, vgl. § 170A5.
§ 25. Der neuhochdeutsche Vokalstand. 27
3. Ahd, c, nhd. e und e erscheint im Englischen in folgenden Gestalten:
a) als e:
Beere, e. berry; — besser, e. better; — best, e. best; — Bett, e. bed; — dresdien,
e. thresh] — Ebbe, e. f»*^; — Ecke, e. ^rf^^; — Elch, e. ^/^; — f//^, e. eil; — Ende, t.end; —
Feder, ^.feather; — Felge, t.felly; — gelb, t. yellow; — gellen, t.yell; — gestern, c.yester-
day; — Hedie, e. liedge; — helfen, e. help; — Helm, e. heim; — Henne, e. hen; — Kessel,
e. kettle; — Leder, e. leather; — Lenz, e. lent 'Fasten' ; — Nessel, e. nettle; — Nest, e. nest; —
Netz, e. net; — Pfennig, e.penny; — schmelzen, e. melt; — schwellen, e. swell; — selb,
e. seif; — selten, e. seldom; — senden, e. send; — setzen, e. set; — vergessen, e. forget; —
weder, e. wether; — Westen, e. west; — Wetter, e. weather; — wetzen, e. tiy/?^^; — zehn,
e. ^^/2; — zehnte, e. ^^/z^//.
b) als Modifii<ation von e durch folgendes r:
bersten, e. barst; — brennen, e. ^«/-/z; — frrf^, e. earth; — Ernst, e. earnest; —
gern, t. yearn; — Herde, e. herd; — Kerl, e. churl; — lernen, t.learn; — Welt, e. world; —
Werk, e. work ; — w^/-/^, e. worth.
c) als <7 vor r\
fern, e.far; — Herbst, e. harvest; — Herd, e. hearth; — Herz, e. heart; — kerben
e. carve; — Sdimerz, e. smart; — sterben, e. starve; — Stern, e. s^ar; — T^^r, e. far.
d) als ?:
Besen, e. besom; — ^55^«, e. eat; — Feld, t. field; — gelten, t. yield; — heben,
e. heave; — Mehl, e. meal; — Sdimeer, e. smear; — sehen, e. see; — Speer, e. spear; —
spredien, e. speak; — stehlen, e. s^^-a/; — weben, e. weave.
e) als / (^/) vor ^ä.
-brecht, e. -bright; — fediten, e.fight; — Knecht, e. knight; — r^ß'z^, e. rz^g-Zz^.
4. Nhd. e (e) hat außerdem noch verschiedenen Ursprung.
a) Es ist im Ahd. aus ai entstanden vor r, h, w. In diesem Fall finden
wir im Englischen dieselbe Entsprechung wie von ei (s. u.).
ehren, e. ore, oar; — hehr, e. hoar; — Klee, e. clover; — Lehre, e. lore; — mehr,
e. more; — Reh, e. roe; — Sdilehe, e. sloe; — Seele, e. soul; — sehr, e. sore; — Weh,
e. two^; — Zehe, e. ^o^.
b) Es ist der /-Umlaut von a und ä und erscheint daher auch in der
Schreibung ä. Darüber vgl. unter IV.
5. Ahd. ö, nhd. o, o erscheint im Englischen als o.
Boden, e. bottom; — bohren, e. bore; — Bord, e. board; — geboren, e. born; —
borgen, e. borrow; — Bottidi, e. body; — Dorn, e. thorn; — Drossel, e. throstle; — er-
drosseln, e. throat 'Kehle'; — folgen, e.follow; — Folk, e.folk; — gefroren, e. froze; —
Frost, e.frost; — Gott, t.god; — hoffen, e. hope; — hohl, e. hollow; — Hopfen, e. hop; —
Hörn, e. hörn; — Hort, e. hoard; — Hose, e. hose; — Knoten, e. knot; — Korn, e. corn; —
Locke, e. lock; — verloren, e.forlorn; — Morgen, e. morrow; — Motte, e. moth; — Nord,
e. north; — Ochse, e. ox; — oft, e. often- — gesdiossen, e. 5/zo^; — Sorge, e. sorrow; — ge-
sotten, e. sodden; — gestohlen, e. stolen; — Stordi, e. stork; — To/-, e. door; — Toditer,
e. daughter; — Tropfen, e. rfro/?; — fo/vz, e. before; — Zo/?/, e. top.
6. Ahd. ö, nhd. o, o ist aus dem Diphthongen oii (nhd. a«) vor h und allen
dentalen Konsonanten {d, t, z, s, n, r, l) entstanden. Im Englischen erscheint
daher die Entsprechung von au (s. II, 3), meist in der alten Schreibung ea.
Bohne, e. bean; — Floh, t.flea; — groß, e. great; — hören, e. hear; — Not, e. nead; —
Ohr, e. ear; — Osten, e. east; — Ostern, e. eastern; — Strom, e. stream; — Tod, e. deaih.
Brot, e. bread; — los, e. less; — Lot, e. lead; — rot, e. r^rf; — tot, e. rf^arf.
28 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
II. Diphthongierung. Die alten Längen /, ü sowie der ursprüngliche
Diphthong /// (mhd. Lautwert u) sind im Nhd. diphthongiert worden zu
ei,au,äii,eii und daher mit den echten Diphthongen ci und ou sowie mit
dem Umlaut von ou und dem Umlaut von a zusammengefallen. Doch
halten die meisten Mundarten die Laute noch auseinander. Wer also in
seiner Mundart Wörter wie zwei (mhd. zwei) und drei (mhd. dn), Baum
(mhd. houni) und Maus (mhd, mus) in ihren Vokalen noch unterscheidet,
der hat damit ein gutes Hilfsmittel, um ohne weiteres zu bestimmen,
welcher Laut einem Wort ursprünglich zukam. Ebenso unterscheidet aber
auch das Englische die Laute.
1. Der alte Diphthong ei erscheint im Englischen als ein o-Laut, zu-
weilen auch als a, e und durch /-Umlaut als i.
lülein, e. alone; — Anleihe, e. loan; — Bein, e. bone; — breit, e. broad; — Eiche,
e. oak; — Eid, e. oath; — ein, e. one; — Feim, t.foam; — Geiß, e. goat; — Geist, e. ghost; —
heilig, e. holy; — Heim, e. hoc^m-; — heiser, e. hoarse; — Kleid, e. cloth; — Laib, e. loaf; —
Lehm, obd. Leim, e. loam; — leid, e. loath; — meist, e. most; — nein, e. no; — Reif,
e. rope; — Stein, e. stone; — Waid, e. woad; — Zeidien, e. token.
ein, e. a, an; — feist, t.fat; — heiligen, e. hallow; — heisdien, e. ask; — Leisten,
e. last; — Leiter, e. ladder.
bereit, e. ready; — Breite, e. breadth; — Fleisch, t.flesh; — geleitet, e. led; — Schweiß,
e. sweat; — spreiten, e. spread.
bleiih, e. bleak; — bleichen, e. bleach; — Heide, e. heath; — Heide, e. heathen; —
heilen, e. heal; — klein, e. clean; — leiten, e. lead; — meinen, e. mean ; — reichen, e. reach; —
Sdieide, e. sheath; — Teil, e. deal; — weich, e. weak; — Weizen, e. wheat.
2. Das alte 7 erscheint im Englischen in der alten Schreibung / (oder j/),
ist aber neuenglisch ebenfalls diphthongiert.
bei, e. by; — beißen, e. bite; — dein, e. thy; — Eis, e. ice; — Eisen, e. iron; — eitel,
e. idle; — Feile, t.file; — Freitag, e. Friday; — gleidi, e. like; — gleiten, e. glide; — greifen,
t. gripe: — Leib, e. life; — Leine, e. line; — Meile, e. mite; — mein, e. my; — Pfeife,
t.pipe; — reif, e. ripe; — reißen, e. write; — reiten, e. ride; — sdieinen, e. shine; — Schrein,
e. shrine; — Schwein, e. swine; — Seite, e. side; — streidien, e. strike; — treiben, e. drive; —
Weib, e. wife; — Weile, e. white; — Wein, e. wine; — weise, e. wise; — weiß, e. white; —
weit, e. üy/rf^; — Zeit, e. /^/V/^.
3. Der alte Diphthong ou tritt im Englischen meist in der Schreibung
ea auf, Aussprache t.
auch, e. eke; — Baum, e. beam; — glauben, e. believe; — Haufe, e. Äe-a/;; — Kauf,
e. cheap; — kaufen, e. ^^£77; — Z,auZ>, e. leaf; — erlauben, e. leave; — Lauch, e. /^^/:; —
laufen, e. /^a/j; — berauben, e. bereave; — Traum, e. dreani; — traurig, e. dreary; —
Zaum, e. ^ea/w.
Haupt, e. /i^flrf; — /^fluö, e. rf^o/.
4. Das alte n (nhd. a«) ist dagegen im Englischen ebenfalls diph-
thongiert und erscheint in der Schreibung ou {ow).
Bauer, e. bower 'Laube, Hütte'; — Braue, e. brow; — braun, e. brown; — Daune,
e. down; — faul, t. foul; — Haus, e. house; — Laus, e. louse; — laut, e. loud; — Maus,
e. mouse; — rauh, e. rough; — Sau, e. sow; — sauer, e. sour; — Schauer, e. shower; —
tausend, e. thousand; — Zaun, e. town; — Ausnahme Raum, e. room.
Anmerkung. 2. Ursprüngliches / hatten außerdem noch: Blei, Brei, Geige, leiden, Leim,
leise, Neid, reich, Scheibe, schneiden u. a., ei dagegen sdieiden, leiten, Heide, Kaiser, Meister,
§ 25. Der neuhochdeutsche Vokalstand. 29
Weide, Eiter, leiten, weinen, Waise u. a. Alte Wörter, die noch mit ai geschrieben werden,
haben altes ei. Die Schreibung stammt aus dem Oberdeutschen, wo man ai und ei (mhd. /)
unterschied und es im Schwäbischen noch tut.
Anmerkung. 3. Ursprüngliches a findet sich noch in auf, aus, Bauch, braudien, Braut,
Haube, Haut, Kraut, Maul, sauber, saufen, saugen, Straudi u. a., au dagegen in Auge,
Gaudi, Zauber, Saum u. a.
5. Ahd. iu ist mhd, zu // geworden, und ununterscheidbar mit dem
/-Umlaut von n zusammengefallen. Beispiele sind:
Seudie; leiiditen; sdieiien; Leute; Beute 'Bienenfaß, Backtrog'; heute; deutsdi; deuten;
Deube 'Diebstahl'; Teufel; neun; teuer; — Feuer; Steuer; Reuse; — Spreu; treu; neu; eudi.
III. Monophthongierung. Die mittelhochdeutschen Diphthonge ie
und uo sind in der Schriftsprache zu den Monophthongen / und u ge-
worden, während in den oberdeutschen Dialekten die Laute z. T. noch
diphthongisch sind. Da weiter diese neuen Längen manchmal gekürzt, die
alten Kürzen T und u aber z. T. gedehnt sind, so ist auch hier wieder ein
Zusammenfall eingetreten. In diesem Fall ist auch das heutige Englisch
kein untrügliches Kennzeichen.
L Altes ie, nhd. /, erscheint engl, als /.
Bier, e. beer; — Dieb, e. thief; — Fieber, t. fever; — fliehen, o.. flee; — frieren,
t.freeze; — Griedie, e. Greek; — hier, e. here; — Kiel, e. keel; — Knie, t.knee; — lieb,
e. lief; — Miete, e. meed; — Priester, e. priest; — Ried, e. reed; — sdiier, e. sheer; —
sieden, e. seethe; — tief, e. deep; — Tier, e. deer; — Vieh, ^. fee; — Vlies, t. fleece.
2. Altes T wird gewöhnlich engl. /.
beginnen, e. begin; — Bisdiof, e. bishop; — Biß, e. bit; — bitten, e. bid; — bitter,
e. bitter; — bringen, e. bring; — didi, e. thidi; — dies, e. this; — Ding, e. thing; —
Distel, e. thistle; — Fiedel, t. fiddle; — Finger, t. finger; — Fink, e. findi; — Fisdi,
e. fish; — Gift, e. gift; — Gilde, e.guild; — glitzern, e. glitter; — hindern, e. hinder; —
in, e. in; — Kinn, e. diin; — Klippe, e. cliff; — Krippe, e. crib; — Lid, e. lid; — Lippe,
e. lip; — lispeln, e. lisp; — Mildi, e. milk; — Minze, e. mint; — missen, e. miss; — Mist,
e. mist; — Ring, e. ring; — Rippe, e. rib; — Rist, e. wrist; — (ge) ritten, e. ridden; —
Sdiiff, e. ship; — Sdiilling, e. Shilling; — Sdiindel, e. shingle; — Sdimied, e. smith; —
Sdimiede, e.smithy; — sdiwimmen, e.swim; — Sdiwindel, c.swindle; — sdiwingen, t. swing; —
Sidiel, e. sidile; — Sieb, e. sieve; — Silber, e. silver; — singen, e. sing; — sinken,
t.sink; — sitzen, e. sit; — Spieß, t. spit; — Spindel, e. spindle; — spinnen, e. spin; —
springen, e. spring; — still, e. still; — stinken, e. stink; — (ge)trieben, e. driven; —
trinken, e. drink; — Wille, e.will; — Wind, e.wind; — (ge)winnen, e.win; — Winter,
e. Winter; — Witwe, e. widow; — Witz, e. wit; — Zimmer, e. timber; — Zinn, e. tin.
Diphthongierung tritt im Englischen ein vor nd, mb und Id.
binden, e. bind; — blind, e. blind; — finden, t. find; — Hinde, e. hind; — hinten,
e. behind; — Kind, e. diild; — klimmen, e. climb; — mild, e. mild; — Rinde, e. rind; —
wild, e. wild; — Wind, e. wind; — winden, e. wind.
3. Altes HO, deutsch // erscheint engl, meist als ii.
Blume, e. bloom; — Brut, e. brood; — Budi, e. book; — Buße, e. boot; — Bude,
e. booth; — Flur, ^. floor; — Fuß, t.foot; — gut, e. good; — Huf, e. hoof; — Mut,
e. mood; — Pfuhl, e. pool; — Pudel, t. poodle; — Rute. e. rood; — Sdiuh, e. shoe; —
Sdiule, e. sdiool; — Stuhl, e. stool; — tun, e. do; — -tum. e. doom; — zu, e. to.
Mutter, e. mother.
4. Altes ü erscheint im Englischen meist als ii (v).
Burg, e. borough; — Butter, e. butter; — dumm. e. diimb; — Dung, e. düng; —
30 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
durdi, c. thorough; — Fiirdie, c. fnrrow, — hundert, c. hundrcd; Hunger, c. hunger; —
jung, e.young; — Lunge, e. lungs; — Lust, c. tust; — Muff, c. muff; — mußte, c.must; —
\uß. e. nut; — plump, c. plump; — Rumpf, c. rump; — Sdilummer, c. slumber; — Sdmupf-,
e.snuff-; — Stumpf, c. stump; — gesungen, e.sung; — gesunken, e.sunk; — trunken,
e. drunk; — unter, e. under; — Wunder, e. wonder; — Zunge, e. tongue.
Vor «</ ist // im Englischen gedehnt und zu ow geworden.
gebunden, c. hound; — Flunder, c. flounder; — gefunden, c.found; — Grund, e.
ground; —Hund, c. hound; — Pfund, e.pound; — gesund, c.sound; — verwundet, e.wound.
Damit ist die Übersicht über die einfachen Vokale und Diphthonge
im wesentlichen erschöpft. Man sieht, daß das Englische ein außerordent-
lich wichtiges Hilfsmittel ist. Ferner würde die Heranziehung der heutigen
skandinavischen Sprachen von großem Nutzen sein. Doch muß ich darauf
verzichten, sie zu vergleichen, da sie in Deutschland nicht bekannt sind.
IV. Die Umlautserscheinungen. Vor einem im Urgermanischen und
später auf den Vokal der Haupttonsilbe folgenden / odery, die jetzt aber meist
verloren gegangen sind, werden im Laufe der Sprachentwicklung fast alle
Vokale umgelautet, d. h. dem / genähert. Diese Erscheinung ist außer-
ordentlich wichtig, weil sie uns gestattet, eine Reihe von Worten ohne
weiteres zu vereinigen, und weil wir daraus die verloren gegangene Grund-
form der Wörter erschließen können. Der Umlaut ist zum guten Teil ein
Vorgang, der sich erst in der einzclsprachlichen Entwicklung, ja erst in
der Übergangszeit vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen voll-
zogen hat. Da sich aber die gleiche Entwicklung sowohl im Englischen
wie im Nordischen zeigt, so muß er eine gemeingermanische Ursache haben.
1. Schon urgermanisch ist der Umlaut von e zu /.
Gebirge : Berg; — Dn'sdiel : dresdien; — Gefieder: Feder; — Gefilde : Feld; — fillen :
Pell: — firn -.fern; — Fittidi -. Feder; — flidien : Fledi; — Gift : geben ; — Gilde -.gelten; —
Gilbe: gelb: — Hirt: Herde; — irden: Erde; — Lippe : Lefze; — Milbe : Mehl; — Nidite,
Niftel : Neffe; — Pfifferling: Pfeffer; — Pflidit: pflegen; — riditen : redit; — Gesdiidite:
gesdiehen ; — Sdüefer : Sdiäbe; — sdilidit : sdiledit; — Sdiwiele : sdiwellen; — Sidit : sehen; —
siedeln : Sedelhof; — Sitz : Sessel; — spidien 'heimlich bhcken' : spähen ; — Stidi : stedien ; —
Tritt : treten ; — wiegen : wägen ; — Wirbel : werben.
Anmerkung. 4. Außerdem ist in ahd. Zeit noch e vor folgendem u zu /geworden:
Mildi, got miluks : melken; — sieben, got sibun, l Septem; — Sdiwieger : Sdiwäher,
1. socrus; — Silber, got. silubr, abg. serebro; — Sitte, got. sidus; — Vieh, ahd. fi hu,
\. pecu; — viel, got filu, gr. .to/.i',- (polys); — Widder, got. wiprus zu gr. fro^ {etos) 'Jahr',
also 'Jährling': — -zig : zehn, got -tigjus.
Infolge dieses Lautgesetzes, und weil Formen mit j neben solchen ohne j standen,
zeigt das Englische manchmal abweichenden Vokal: Filz, q. feit: — frisdi, t. fresh; —
sieben, e. seven; — wieder, e. wether; — willkommen, e. welcome.
2. Mit Beginn der althochdeutschen Zeit finden wir den Umlaut von
a zu e. Das neu entstandene e war geschlossener als das urgermanische,
und so ist es bis heute in vielen Mundarten geblieben. Wir würden also
richtig das alte e mit ä, das neue mit e schreiben. Aber die Grammatiker,
die unsere Rechtschreibung festgesetzt haben, wußten von der alten Regel
nichts, und sie haben gelehrt, man müsse ä schreiben, wenn ein Wort
mit a daneben stand. So heißt es also Väter : Vater, aber Vetter, dessen
§ 26. Der althochdeutsche Vokalismus. 31
Zugehörigkeit zu Vater man nicht erkannte. Das Umlauts-t- ist also nur
durch die heutigen Mundarten zu erkennen.
Beispiele: Becken < frz. bassin; — behende : Hand; — Belt : baltisdi; — Bemme neben
Bamme; — Bendel : Band; — best, besser : baß; — brennen : Brand; — ded?en : Dadi; —
denken : Gedanke; — drängen : Drang; — Elbe, lat. germ. Albis; — elend, ahd. elilenti
zu 1. alias; — Eltern : alt; — eng : Angst; — Engel < 1. angelus; — England : Angeln; —
ent- : ant-; — Esdie : Asdi(kiidien); — Esel < 1. asinus; — Essig < 1. acctum; — Estridi <
1. astricum; — Ferge -.fahren; — fertig : Fahrt; — Fetzen : Faß; — Flegel < \. flagellum; —
heben : erhaben; — Hedie : Mag; — heften : haften; — hegen : Hag; — hell: hallen; —
Heller: Hall (Stadt); — Helm 'Stil' -.Halfter; — Henkel -. hangen; — Henne : Hahn; —
Hesse -. Chatti; — hetzen -. Hatz; — Heu -. hauen; — Hexe: Hag; — Keldi < gr. lat. calyx; —
kennen : kannte; — kentern : Kante; — Kerker < 1. carcer; — Kessel < 1. catinus; —
Kette < \. cattna; — klemmen : Klamm; — Krempe : Krampe; — Lenz : lang; — ver-
letzen : laß; — Menge : manch ; — mengen : mang; — Mensch : Mann ; — merken : Marke; —
Metze : Mathilde; — Messer zu Maß 'Speise', in maßleidig; — necken : nagen; — nennen :
Name; — netzen : naß; — quengeln : Zwang; — regen : ragen; — renken : ranken; —
rennen : rann; — Schelle : schallen; — schelten : schalten; — schenken : Schank; — Sdierge :
Schar; — Sdilegel : schlagen; — sdilemmen : Schlamm; — schmecken : Gesdimack; —
schmelzen : Schmalz; — Sduiabel : Sdineppe; — Sdiretz : Schrat; — sdiwellen : Sdiwall; —
schwemmen : schwamm; — schwenken : schwanken; — senden : Gesandter; — sengen :
sang; — senken : sank; — setzen : saß; — Sperber, Sperling : Spatz; — sperren : Sparren; —
sprengen : sprang; — stellen : Stall; — stemmen : Stamm; — Stengel : Stange; — stredten :
strack; — anstrengen : Strang; — Teile, Delle : Tal; — Tenne : Tanne; — Vetter : Vater; —
wecken : wach; — Welsch : Wale; — wenden : Wand; — Freude, ahd. frewida : froh.
Anmerkung. 5. Da die Stammbildung und die Wirkung des / in den germanischen
Sprachen verschieden war, so finden wir öfter auch das nicht umgelautete a. So fast
neben fest; — e. asp neben Espe; — e. ash neben Esche; — e. last neben letzte; —
e. mane neben Mähne; — e. chaver neben Käfer; — e. dwarf: Zwerg; — e. wharf : werft
und umgekehrt Nacken : e. neck; — Gast, e. guest; — Rast, e. rest; — Bank, e. bench; —
Stank, e. stench ; — Hanf, e. hemp.
3. In spätalthochdeutscher Zeit werden die übrigen Vokale umgelautet,
und zwar a zu ce (jetzt vielfach e), o, 0 zu ö, u zu ü, n zu 11 (nhd. eu, äii),
au zu eil (nhd. eu, äu).
Von Wichtigkeit ist es, das alte ce zu erkennen, sowie die beiden eu, äu
zu unterscheiden. Das Englische hilft hier nicht, man muß also auf das
Althochdeutsche zurückgehen.
Beispiele: bequem, ahd. biqunmi : kamen; — Gebärde, ahd. gibärida; — mäßig,
ahd, mäzig; — genehm, ahd. ginümi; — leer, ahd. lüri; — gäbe, ahd. gübi; — nädist :
nahe; — schwer, ahd. swuri; — stets, ahd. stüti.
Anmerkung. 6. Der Umlaut wird auch noch durch andere Laute als / bewirkt. So
findet er sich vor ei in Erbse, ahd. araweiz, Emse neben Ameise und dialektisch durch
einzelne /-haltige Konsonanten, wie .y, namentlich im Süddeutschen, daher Mäsdiel "männ-
licher (auch weiblicher) Hanf, aus lat. masculus.
Sonst entsprechen von einigen wenig bedeutenden Punkten, die unten
§ 170 erörtert sind, die neuhochdeutschen Vokale den althochdeutschen.
§ 26. Der althochdeutsche Vokalismus. Wir finden also im Althochdeutschen
einen vom Neuhochdeutschen in wesentlichen Punkten abweichenden Voka-
lismus. Wir haben für ihn folgende Gestalt gewonnen:
a, ä, e, e, e, i, i, o, 0, u, ü, ai, ou, iu, io, ie, uo.
32 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Gegenüber dem Urgermanischen sind auch hier eine Reihe von Ver-
änderungen eingetreten.
1. 11 geht zurück a) auf urgerm. got. «', b) auf d, das durch Schwund eines // vor // ge-
dehnt ist, \g\. brühte •.bringen; — dahte .denken; — hähan: hangen; — jahan: fangen; —
Adxt, ahd. nhta 'Verfolgung', ags. oht.
2. '6 ist das alte offene e, e das durch /-Umlaut aus a entstandene geschlossene e.
3. e ist aus ai vor h, v, w entstanden, daher mehr, aber meist.
4. ö ist aus au vor h und Dentalen entstanden.
5. ie geht auf ein e zurück, das aber von dem unter 1 genannten c verschieden war.
Man nennt es c". Spätahd. ist es auch aus io entstanden.
6. uo ist aus altem o diphthongiert.
Als urgermanischer VokaHsmus ergibt sich
a, i\ i, 0, II ; r\ r^, 7, ö, R; al, au, eu (das zu iu und io wurde).
§ 27. Der urgermanische Vokalismus. Dieser hat verschiedene Verände-
rungen erfahren.
1. 0 und u sind ihrem Ursprung nach gleichwertig; o steht vor einem
a, e, 0 der folgenden Silbe, // vor den übrigen Lauten, sowie vor Nasal
+ Konsonant. Es heißt daher:
Bogen : Bügel, Biidit ; — geboren : Bürde ; — Borg : Bürge ; — Borste : Bürste ; — Brodien :
Brudi; — Dorren: dürr, Durst; — Flosse: Fhiß; — Fohlen: Füllen; — vor: Fürst, für; —
Gold: Gulden; — hoffen: hüpfen: — Hof: hübsch; — hold: Huld; — verhohlen: Hülle; —
Knollen: Knudel; — Knopf: knüpfen; — Knoten :knütten; — Koch : Küche; — Lob: Ge-
lübde; — Lodi : Lücke; — locker: luck; — Lothar : Ludwig; — ob, oben : über; — Ort: Ürte; —
gesdioben : Sdiub ; — geschoren : Schur ; — Sdiorf : schürfen ; — Sdiotter : Sdiutt ; — geschwollen :
Schwulst; — sollen: Schuld; — Sporn: Spur; — gesprochen: Spruch; — Stodi: Stück; —
Strobel: struppig; — Tor:Tür; — voll: Fülle; — worfeln: Wurf; — Zorn: zürnen; — Her-
zog: Zug.
2. Derselbe Wechsel von o und tt zeigt sich in dem alten Diphthongen
eil, der sich schon urgerm. zu ea und eo entwickelt hat, woraus ahd. iu
und io, nhd. eu und ie, i geworden sind.
Beuge: biegen; — Deube .Diebstahl' :D/>ö; — deuten, deutsch : diet 'Volk' in Dietrich
usw.; — bayr. Feuchte : Fichte; — leuchten : Licht; — reuten : Ried; — Seuche: siech; —
teufen : tief; — Zeuge : ziehen.
3. / ist durch folgendes a, e, o zu e geworden, Beispiele s. u.
4. Vor Nasal ; Konsonant stehen / und u statt e und o. Ein nhd. e
vor dieser Lautgruppe geht daher auf a durch /'-Umlaut zurück.
5. Urgerm. i ist meist aus ei entstanden, s. u.
§ 28. Der indogermanische Vokalismus. Vom germanischen Vokalismus
steigen wir auf zum indogermanischen. Dieser wird erschlossen durch die
Vergleichung sämtlicher indogermanischer Sprachen und durch die Unter-
suchungen über den Ablaut. Die Ansichten, welche Vokale für die Grund-
sprache anzusetzen sind, haben gewechselt, und sie sind durchaus nicht als
sicher anzusehen. Ich lege die Anschauungen zugrunde, die ich in meinem
indogerm. Ablaut, Straßburg 1900, ausgeführt habe. Vgl. dazu auch Hand-
buch der griech. Laut- und Formenlehre, 2. Aufl. 1912. Ich gehe dabei vom
Urgermanischen aus.
§ 28. Der indogermanische Vokalismus. 33
Urgerm. a, d. a, e, ä entspricht
1. einem idg. a, das nur im Slavischen als o erscheint, gr. lat. also a.
d. ab, gx.uTio {dpo), 1. ab, ai. dpa; —
d. Achse, gr. ä^cov {äkson), 1. axis, ai. äkiah ; —
d. Acker, gr.avooV (agrös), 1. ager, ai. üjrah; —
d. Ecke, 1. aa>5, gr. ank (akis) 'Stachel, Spitze', ai. ä^rih 'Ecke, Kante' ; — d. ent-, 1. ante
gr. a»T<'(fl«//),ai.a«^/'gegenüber'; — d. Ente, l.anas; — d.Gans, 1. unser, ai.hqsah. — d. Hafer-
geiß, 1. caper, gr. xdiQOi {käpros) 'Eber', ai. käprt 'membrum virile'; — d. Mark 'Grenze',
1. margo, aw. marazu-'Ortnze' ; — d. Nase 1. nasus, abg. nosä ; — d. Zähre, 1. lacruma, gr. ()üxqv
(däkry), ai.(i<ru.
2. einem idg. a (schwa). Man setzt diesen Laut an, weil das Indische
in einer Reihe von Fällen als Entsprechung des europäischen a nicht a,
sondern / aufweist. Es ist die Schwächung eines langen Vokals.
d. Star, ahd. starablint, ai. sthiräh; —
d. Stätte, got. staps, 1. statio, gr. axäaig (stasis), ai. sthitih ; —
d. Vater, X.pater, gr. .7ar/)o {pat(er), ai.pitd.
Wo das Indische fehlt, können wir daher nicht wissen, ob idg. a oder a
anzusetzen ist. So in:
Aa, -ach, Ache, 1. aqua ; — Ahn, 1. anus; — Ahne, gr. ä^vt] (äkhnce) ; — Ähre, 1. acus; —
alt, 1. altiis; — Angel, gt.ayxvXog {awkylos); — Anger, gr. ayy.og {üvkos) 'Tal'; — Angst, eng,
1. angiistiae, angustus; — Arm, 1. armus; — Art-acker, 1. arare; — Asche, gr. a^'«»' (äzen),
'dörren'; — Axt, 1. ascm, gr. d|(V»; (axince); — Fahne, X.pannus;— Gerte, 1. hasta; — haben,
1. habere; — Haft, 1. captus; — • heben, 1. capio; — Salz, 1. 5fl/, gr. älg {hals); — satt, 1. satis.
3. einem idg. o, das im Griech. Lat. Kelt. durch o, in den übrigen
Sprachen wie a vertreten ist.
Aar, gx.oovig (örnis) 'Vogel' ; — Anke 'Butter', 1. unguen 'Salbe' ; — Arsch,gx.oQoog {prros) ; —
Ast, gr. ö';og {özos) ; — Aue 'Schaf, 1. ovis, gr. mg (öis) ; — Dach, 1. toga ; — das, gr. to (to); —
Elle, X.ulna; — Erbe, 1. orbus 'beraubt'; — Garten, 1. hortus; — Gast, 1. hostis; — Heer, gr.
xoioarog {koiranos) 'Herrscher' aus*k6rJanos ; — Kamm, gr. yöfiq^og [gömphos) 'Pflock, Nagel' ; —
lang, 1. longus; — Nacht, 1. nox; — Rad, 1. rota ; — Schatten, gr. axniog (skötos) 'Dunkelheit' ;
was, 1. quod; — Zahn, gx.68ov? {odüs) aus *od6nts; — zähmen, 1. domare.
Ganz entsprechend gehen die Diphthonge ai und au auf verschiedene
Laute zurück.
L 2. Urgerm. ai, d. ei, c = idg. ai, ai.
ehern, 1. aes, ai. «ya/z 'Erz'; — Eiche, 1. aesculus; — ewig, l. aevom, gr. a<w>' (aiön); —
Geiß, l. haedus; — got. haihs 'einäugig', 1. caecus; — scheiden, l.caedo; — Seim, gx.alna
{haima) 'Blut'.
3. Urgerm. ai = idg. oi.
ein, l. ünus (alat. oinos) ; — Feh 'Pelzwerk', got. faihs ,bunt', gr. noixiXog {poikilos) ; —
Feim, lat. spüma; — gemein, 1. communis; — Teig, gr. zoTyog (toikhos) ,Mauer'; — weiß, gx.oiöa
(oida), 1. vidi.
1. 2. Urgerm. ß«, d. au, ö = idg. au, au.
auch, l.augere; — öde, gx. avoiog (aiisios), 'leer, eitel, vergeblich'; — Oheim, \. avun-
culus; — Ohr, 1. auris; — Osten, 1. auröra.
3. = idg. ou:
d. hören, gx.dxovw (aküö).
Urgerm. e, d. ä, e, i entspricht
l. einem idg. e, das im Europäischen als e, im Arischen als a erscheint.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 3
34 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
gebären, \.fero, gx.qeow {pMnt); — essen, \.edo,gx.f^omu(Momai); —flechten, X.plecto,
gr. .Tx/xw (pl^ko); — gestern, 1. heri, gr. /i'>t\- (khthes); — Giebel, gr. y.t'i ah) (kephala-); — idi,
l- cgo, gr. f;(ü {egö); — in, 1. in, gr. /•• (en); — irren, 1. errare; — ist, 1. est, gr. rnti {estl); —
liegen, gr. /.f';fo»- {likhos) 'Bett'; — Meltau, eig. 'Honigtau', 1. mr/, gr. /<//.« (meli): — messen,
gr. ftf dl fivo; {mMimnos) 'Scheffel'; — mich, gr. ifteye {emige); — michel'gToü', gx.nfyako-{me-
galo-) ; — mit, gr. iirxä {metä) ; — Mitte, I. medius, gr. /<f no,- (mesos) ; — Nebel, 1. nebiila, gr. vf/ f/.t]
{nephela); — recht,]. rectus; — Scfiu<üher,gT.fxvo(!^ {hekyr6s),\.socer; — Schwester, l.soror; —
Schwieger, gr. fxinä (liekyra), 1. socriis; — sechs, l.sex,gT.t'^{hex); — sieben, \. Septem, gr.f.-rra
(heptä); Sitte, gr.fi?o,- (ethos); — sitzen, 1. sedtre, gr. c^oho« (hezomai); — 5;;<?//<', I. specio; —
V/^Ä, l.pecu; — bewegen, l.veho; — Westen, X.vesper, gx.Eoneoos {hesperos); — wiU, l.ve-
lit; — Wind, I. ventiis; — zehn, X.decem, gx.fttxa {deka); — Zimmer, gx.de/xoj {demo) 'baue'.
2. einem idg. /.
Nest, 1. mdus aus *nizdos, dazu nisten ; — Lebkuchen : /.a/ö ; — /^ft^/i : bleiben ; lecken, got.
bilaigön, e. //V ^fe ; — lehnen, 1. inclinare ; — ^u^cÄ in Quecksilber, gr. /^/o^ (*/05) 'Leben', 1. t//t;os ; —
lernen : Lehre, got. /fl/5 'ich weiß' ; — Wechsel, 1. vices ; — ahd. wer 'Mann', erhalten in Welt aus
weralt, \. vir.
Urgerm. /, d. /, e entspricht einem idg. /, das im großen und ganzen
erhalten bleibt.
wir bissen, l.fidimus ; — Fisch, \.piscis ; — wir liehen, gr. t/.i.-ioiier (elipomen) 'wir ließen'; —
Miete, got. mizdo, gx. funOö; (misthvs); — minder, l. minus; — wir stiegen, gx.fOTiynuEv (esti-
khomen) 'wir schritten'; — wissen, 1. videre; — Witwe, 1. vidua; — bezichtigen, 1. indicdre; —
zwi-, 1. bi-, gr. öi- (di-).
Urgerm. o, u entspricht
1. einem idg. u, das im allgemeinen als u erscheint.
Boden, l.fundus, gx. .-ritt u >]}■ {pythm(Pn) ; — du, i. tu, gx.of (sy); — Nort, l.custos; — Joch,
X.jugum gr. ^vyuv (zygön); — Jung, LJuvenis; — Ochse, ai. ukici; — Otter, gr. r(Soa (hydra); —
Sohn, ai. sünüh ; — Tor, Tür, gr. Oi-gn (thyrä) ; — über, \. super, gr. kieo (hyper) ; — {Her)zog, l.dux.
2. vor r, l; m, n derselben Silbe dem aus idg. x, /, m, n entwickelten Vokal.
Gr. finden wir ag, ga, ak, ka; a {ar, ra, al, la; a), 1. or, ol, en, em, ai. f, a,
lit. fV, il, im, in, slaw. ru, lü, ^.
Geburt, l.fors, eig. 'das Tragen'; — Dorn, ai. trnam 'Grashalm' ; — forschen, l.posco aus
*porcsco, ai. pnhäti; — Hörn, i.cornu, gr. y.uinog^ (kdrnos) 'Hornvieh'; — hundert, Lcentum,
gx. fy.aT6r{hekatdn; — (Zu)kunft, gx.ßäoig {bäsis) l.inventio; — Lunge, gr. f/.a/iV {elakhys)
'leicht'; — Mord, 1. mors, — sondern, gx.diäo ifltür); — un, l. in, gr. a (a); — Wolf, ai. vfkah,
lit. vilkas, abg. vlükü.
3. dem vor r, /, m, n der folgenden Silbe entstandenen schwachen
Vokal, der im Gr. als a (ä), im Lat. als a erscheint.
d. Nummer, gx. y.du(j()(ujo; (kämmaros) ; — d. bohren, gr. f/aoöco (pharöö) 'pflüge', {l.foräre),
4. Während die Gruppen ur, ul, um, un in vielen Fällen die unter 2
genannten Entsprechungen aufweisen, finden wir auch Beispiele, in denen
im Griech., Lat. und Kelt. ein ä nach dem Sonorlaut steht. De Saussure
setzte hier lange silbebildende r,l,m,n an (f, /,>]"', (0» ich dagegen schreibe
erd usw. als Grundform, vgl. Verf. Ablaut.
{Ge)duld, 1. latus; — Honig, gx. xvr]x6g {kniekös) 'gelblich'; — Hornisse, 1. crabro; —
Hürde, 1. cratis; — Korn, l.granum; — Wolle, 1. luna; — Wurzel, l.rädix.
Urgerm. e^, d. «, ä entspricht idg. c, das im allgemeinen als e, im
Arischen als a erscheint.
brachen, l.fregimus; — Draht, gr. rp^io? {trcetös) 'gedreht'; — kamen, 1. venimus; —
§ 28. Der indogermanische Vokalismus.
35
Mat, gr. äfiTjTog (ämcetos) ; — Mond, ahd. mano, got. mma, lit. mtnuo, gr. firjv {man); — Naht,
1. nemen ; — raten, 1. reri; — Samen, 1. seme« ; — saßen, 1. sedimus; — Tat, got. gadeps, l.feci; —
wahr, 1. Veras.
Urgerm. p^, ahd. /a, /e, d. /. z. B. in got. her, ahd. /z/ßr, d. Ä/e/-, ist un-
sichrer Herkunft, z. T. geht es auf einen /-Diphthongen zurück. Vielfach
steht es in Fremdwörtern, z. B. Grieche, 1. Graecus.
Urgerm. ö, d. u, u entspricht
1. Idg. ö, das im Gr. Lat. als o erscheint und hier deutlich von a zu
scheiden ist.
Flut, gr. .tAwto? (plütös) ; — Mühe, 1. möles, gr. uw^.og {mdlos) ; — Ruder im Ablaut zu
1. remus; — Ruhe, gr. g^«»/ (eröw) ; — /u/n zu got. döms 'Urteil' und dies zu gr. ücof^ög {thömös)
'Haufe'.
2. Idg. a, lat. ä, gr. dor. ä (ä), ion. att. >/ (ce).
Bruder, \.f rater; — Buche, 1. fägus, gr. T^j/yoc {phcegös) ; — ßu^, gr. :Tiiyvg {pwkhys); —
füge, gx.jiriYvvi.u (pcegnymf), 1. compages ,Zusammenfügung'; — Futter, l.pabulum; — Hube,
gr. xfiTio? (kcepos) ; — Hure, 1. cürä; — Mutter, 1. muter, gr. fit]rijQ {mcetcer) ; — /?üö^, 1. m/7fl ; —
Stuhl, gr. 0r//A>; {stdlce); — süß, 1. suävis, gr. »y^t;? (Jicedys).
Germ. 7, d. ei entspricht
1. idg. ei, gr. ei (e), 1. /:
leihe, gr. Ae/.tco (/e/>ö) ; — steige, gr. oisr/jo {stekhö) ; — zeihe, gr. öeiy.rvfu {diknymi).
2. idg. ?, gr. lat. «:
Schwein, 1. sulnus; — ^r s^/, 1.5*/.
Germ, n, d. aw, ö, o entspricht idg. ii, 1. «, gr. v (g).
Braue, gx.dtpovg (ophrys); — braun, gr. (pQvvt] {phryme 'Kröte'; — faul, 1. />w5 'Eiter' ; —
Haut, l. scütum 'Schild', gr. axmog (skytos); — Maus, 1. müs, gr. /tvg(mys); — Sau, Lsas,
gr. vg (hys); — sauge, 1. sügo; — Zaun, kelt. danum, z. B. in Lugdimum.
Germ, eu, d. i{e) und eu entspricht idg. eu, gr. ev (eu), 1. «7.
biege, gr. cpsvyoj {pheugö) 'fliehe'; — gieße, gx.yjo) (kheö) aus '^khewö; — Licht, gx.levxög
(leukös) 'weiß' ; — neu, gr. v£(J^og (newos) ; — ziehe, 1. daco.
Zm weitern Übersicht der Lautvertretungen möge die folgende Tabelle
dienen.
Idg.
Got.
Ahd.
Air.
Lat.
Griech.
Aind.
Awest.
Slawisch
Lit.
Arm.
Alb.
i
/; e vor
r,h
/; ^ durch
fl-Umlaut
/; e
durch
fl-Um-
laut
/; e
vor r
aus 5
i
/
/
i
i
u
/
/
u
u.ovor
r,h
u; 0 durch
a-Umlaut
u; 0
durch
a-Um-
laut
u; 0
vor r
aus s
V
u
u
ä
u
u
e
/; e vor
r,h
^;/vorNas.
4- Kons.,
vory, /der
folgenden
Silbe, vor
u der fol-
genden
Silbe
e
e,i
£
a
a
e
e
e; /vor
Nas.
ie\ d;
/vor
Nasal
3*
36
Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Id«.
üot.
Ahd.
Air.
L;it.
(iriccti.
Aiiul.
Awest.
Slawisch
Ui.
Ann.
Alb.
d
a
0
. a
1
a ; V durch
/-Umlaut
1-
0
a
0
11
(1
/
/ a
1
11
■ n
■ a
11
i
o
11
a
0 ; u vor
Nas. -f
Kons.
/
) a
i
/
t
i
l
i
\
i
i
ei
e
ü
1
ü
fi
V
r
ü
ei, ie
(' in letz-
ter, / in
nicht
letzter
Silbe
u
oi, u
?
oi, u
i
ü
ü
ü
y
ü
ü.i
ou
au
eu
1 an
iu
ou, Ö
iu, io
ö,ua
ü
au
ü
e
II
ö
ae
oe, ü,t
or
SV
av
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0
ü
au
e
a
e
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e
ä
l
V
a
e
e
i
a
u
0
ä
ö
ö
ai
uo
a
CO
1 '■
0
uo
ai, ie
0
e
ai
oi
ai; e vor
r, h, w
ae, ai
oe, oi
ac
Ol
e
e
e, ji-
ai
e; i
h
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i or, ui
ur, ul
or, Ol
ri
na
r
ar {3)
ir, n {rJ,
rd, li, In)
ir, 11
1 ""■, il
ar, ra,
al, la
ri
er, el
ar, al
air. im,
/>z;gall.
brit.
am,an,
ar,al
ao, a?.
ir, ur
a
an
ar
ir
n, m
un,
um
un, um
on, om
en
a
a
an
?
i ^"
am, an
e
en,em
am, an
an
av
in
?
eraij)
or, ul
ur, or,
ul, Ol
ra, 1(1
rä, kl,
ar,al
aga,
a).a,
oä, la
ir, ür
wie r, 1,
aber mit
abwei-
chendem
Akzent,
serb.
r, ü
ir, il
etld,
etrid
un, um
un, um
on, om
nä
nä,an
)•/;, ara
a, an
wie \i, m
aber mit
abwei-
chendem
Akzent
in, im
§ 29. Der Ablaut, Die Kenntnis, wie sich die einzelnen Laute entwickelt
haben, genügt indessen nicht für etymologische Zwecke, man muß auch
§ 29. Der Ablaut. 37
wissen, daß die Vokale, abgesehen von den schon erwähnten Fällen, be-
reits im Indogermanischen vielfach miteinander wechselten. Wir nennen
diese Erscheinung, die die ganze Sprache vollkommen durchsetzt, mit einem
Ausdruck, den J. Grimm geprägt hat, Ablaut. Die Gesetze des Ablauts sind
verhältnismäßig einfach, wenn man auf die indogermanische Grundsprache
zurückgeht, sie werden aber verwickelt durch die zahlreichen Veränderungen,
die der Vokalismus im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung erleidet.
Das Germanische hat außerdem den Ablaut analogisch ausgedehnt und in
ein System gebracht. Wir können hier nicht auf alle Arten des Ablauts
eingehen, können vielmehr nur die wichtigsten Typen anführen.
Man unterscheidet zwei Arten des Ablauts.
I. Der qualitative Ablaut oder die Abtönung.
Dieser besteht in dem Wechsel von e mit o und p mit o, was sich im
Germanischen als Ablaut e—a und e. — 0 (d. a—rC) zeigt. Der einfache Ab-
laut wird aber weiter dadurch verändert, daß sich andere Laute mit dem
Vokal e verbinden. So wird i.^.ei zu ahd. f, und wir erhalten daher regel-
recht 7 — ai, und da ai zuweilen zu e wird, 1 — e. Im Neuhochdeutschen
aber entwickelte sich 1 wieder zu ei, und so können wir den Ablaut nicht
mehr auseinanderhalten. Wohl aber ist er im Englischen erhalten. Vgl.
write — wrote 'schreiben'; ride — ro^^ 'reiten' ; strlde — strode %\xt\\tri \
drlve — drove 'treiben'.
Es folgen nun die verschiedenen Ablautsreihen.
1. Ablautsreihe: Idg. ei — oi, germ. t — ai, ahd. 1 — ai, e, nhd. ei — ei,
aber engl, i — o, s. o.
2. Ablautsreihe: Idg. ^m — ou, germ. ^m — au, ahd, /«, /o — oii, ö, nhd.
eu, ie — au, 0.
fliehe, floh; ziehe, zog; biete, beutst, bot; krieche, kroch; frieren, fror; kriechen, kroch;
sieden, sott; verlieren, verlor; schießen, schoß, Schoß; schließen, schloß.
3. Ablautsreihe: Idg. er, el — or, ol, germ. ahd. nhd. er — ar.
werden, ward; sterben, starb; helfen, half; gelten, galt; dreschen, drasch; bersten,
barst; werfen, warf.
Idg. en — ort, germ. en — an, ahd. en, in — an, nhd. en, in — an.
binden, band; schwimmen, schwamm; beginnen, begann; trinken, trank: singen, sang;
sinken, sank; ringen, rang; springen, sprang; rinnen, rann; spinnen, spann; gewinnen,
gewann; stinken, stank; schwingen, schwang.
4. Ablautsreihe: Idg. e — o, germ. e — a, nhd. e, i — a.
geben, gab; essen, aß; messen, maß; vergessen, vergaß; bitten, bat; sitzen, saß;
gewesen, war.
5. Ablautsreihe: Idg, e — 0, germ. e — 0, ahd. a — uo, nhd. « — ü.
Tat, tun; —gräßlich, grüßen; — braten, brüten; — spät, sputen.
II. Der quantitative Ablaut oder die Abstufung. Die Abstufung
ist im Indogermanischen im wesentlichen durch die Wirkung des Akzentes
entstanden. Einerseits sind die kurzen Vokale ausgefallen, die langen sind
geschwächt und erscheinen im Germanischen als a. Das nennen wir Schwund-
38 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
stufe. Anderseits sind aber auch vollbetontc Vokale unter dem Einfluß des
Akzentes s^edchnt, das nennen wir Delinstufe.
Da sich im Germanischen die kurzen und langen Vokale verschieden
entwickelt haben, so entsteht hier wieder eine neue Abtönung. So erscheint
z. B. die Abstufung e : <■ (Dehnstufe) als i\ i : n (sitzen : saßen) oder a : ä
als a : u [graben : Grube; — fahren : Fuhre).
Beispiele:
e:e: geben : Gabe; — nehmen : nahmen ; — gebären : Bahre, e. hier; — bredien : Bradie,
Bruch ; — bewege : Woge ; — essen .Aas; — messen : Maß.
a:ir. backen : gr. qHÖyrtr (phögen) 'braten, rösten'; — bannen : I. fari, gr. qptjul {phwmf)
'spreche; — baß, besser: Buße; — fahren: Fuhre, führen; — graben : Grube, grübeln; —
Name :\. Wimen; — sdiwelen : schwül; — scfiwören, ahd. swerian: Schwur; — stemmen:
ungestüm; — stapfen : Stufe; — wachsen : Wucfier.
Eindeutiger sind die Ablautsvcrhältnisse, wo die Laute /, u, r, /, m, n
mit e verbunden sind. Hier fehlt die Dehnstufe meistens, und die Schwund-
stufe erscheint als /, w, i\ l, m, 9, d. h. d. /, e, u, 0, ur, or, ul, ol, um, om, un, on.
1. ei : i, gr. /.fineir : Äurslr {It'pcn : lipen):
steigen : gestiegen ; — bleiben : geblieben ; — Beil : Bille ; — beißen : Biß, bitter; — heiß:
Hitze ; —pfeifen : Pfiff; — reißen : Riß, ritzen ; — reiten : Ritt, Ritter; — sdileichen : Schlich ; —
schleißen: Schlitz; — schmeidig: Schmied; — schmeißen : Schmiß; — schneiden : Schnitt;
schreiben : Schrift; — schreiten : Schritt; — seihen : sickern; — streichen : Strich.
2. eu {au) : u, gr. (pevyeiv : cpvyelv (pheugfn : phygen).
fließen : Fluß; — Bries : Broschen ; — gießen : Guß; — fliehen : Flucht ; — fliegen : Flug,
Flügel; — schieben : Schub, Schober, schuppen, Schuppe: — bieten : Gebot, Bote; — biegen:
gebogen, Bogen, Bucht, Bügel; — bieten : Gebot; — lieb : Lob; — bloß:blutt; — kiesen : {\Va[)-
küre; — klieben : Kluft; — Licht : Lohe; — schliefen : schlüpfen; — schmiegen : schmüdien,
schmuggeln; — schießen : Schütze; — schließen : Schluß; — sieden : Sod, sudeln; — stoßen :
Stutz; — saufen : Suff: — taub: toben; — triefen : Tropfen; — taugen : tüchtig, Tugend; —
taufen : tupfen ; — ziehen : Zucht, zucken.
3. er, el, em, en (ar, al, am, an) : x, l, m, 9 (gr. jieq&eiv : :Tgade7r {perthm :
prathen).
werden : wurde; — binden : Bund; — winden: gewunden; — {ge)bären : Bürde; — wert:
Würde; — got. gairda : Gürtel; — Berg : Burg; — bergen : Borg, Bürge; — brechen : Bruch ; —
Birke : Borke?; — Brink : Brunkel; — brennen : börnen, Brunst; — Bengel : Bunge ' Trom-
mel'; — darben : dürfen; — Darre : dürre, Durst; — melken : Molken; — Halde : hold; —
Kern : Korn ; — Werk : wirken {tig.würken, goX.waürkjan) ; — Dank : dünken ; — finden : Fund; —
hehlen : Hülle; — krumpfen : krumm; — Milch : Molken; — schlingen : Schlund; — schnar-
ren : schnurren; — schrinden : Schrunde; — Schimmer: Schummer; — schinden : Schund; —
schwingen : Schwung; — sprechen : Spruch; — springen : Sprung; — Stelze : Stolz; — Salz:
Sülze; — werfen : Wurf.
4. e zu Null.
lat. genu : d. Kn - ie ; gr. Ööqv 'Eiche', got. tr-iu, e. tree ; d. sehen : d. schauen (ahd. sk-ouwön).
Sehr bemerkenswert und für die Herkunft der Wörter wichtig ist, daß
die verschiedenen Ablautsstufen in gewissen Nominal- und Verbalbildungen
regelmäßig erscheinen.
1. Abtönung findet sich häufig
a) bei den ursprünglichen 0- und ä-Stämmen (lat. 2. und I.Deklination),
§ 29. Der Ablaut. 39
wenn sie Verbalabstrakta sind. So Band zu binden, Trank zu trinken,
Drang zu dringen, Klang zu klingen ; s. § 93, 1 .
b) in den Kausativen oder Faktitiven. Sie sind mit j gebildet und
zeigen daher jetzt Umlaut.
ätzen, got. atjan : essen ; — brennen, got. brannjan -. got. brinnan ; — tränken : trinken ; —
legen : liegen ; — nähren : genesen ; — rennen : rinnen ; — senken : sinken ; — senden : ahd.
sinnan 'reisen' ; — setzen : sitzen ; — zähmen : ziemen ; — beitzen : beißen ; — fällen -.fallen ; —
fähren -.fahren; — hängen : hangen-, — ersäufen : saufen; — säugen : saugen; — sprengen:
springen ; — stäuben : stieben ; — verschwenden : schwinden ; — flößen : fließen ; — sengen -.
singen ; — senken : sinken ; — schwemmen : schwimmen.
2. Schwundstufe findet sich vornehmlich bei den /-Abstrakten:
Biß, Griff, Schritt, Schlitz, Schnitt, Aufstieg, Stich, Strich, Riese; — Trug, Flug, Fluß,
Guß, Lug, Nutz, Schuß, Schluß, Zug; — Bruch, Spruch, Trunk, Fund, Sturz, Sprung.
Ihr Geschlecht ist männlich. Daneben stehen gleichartige weibliche
Verbalabstrakta, die mit Suffix-// gebildet sind.
Trift, List; — Kluft, Flucht, Sucht, Zucht; — Notdurft, Brunst, Gunst, Kunst, Ver-
nunft, Zunft, Geburt, Geduld, Schuld.
Weitere Ablautserscheinungen sind im Deutschen selbst nicht mehr
von Bedeutung, wohl aber sind sie wichtig für die Aufstellung von Ver-
gleichungen innerhalb des Germanischen und zwischen dem Germanischen
und den verwandten Sprachen. Sie beruhen im wesentlichen auf den unter I
und II gegebenen Erscheinungen. Ihre Wesenheit liegt aber darin, daß es
sich um den Ablaut mehrerer, gewöhnlich zweier Silben handelt. Da der
Vokal jeder unbetonten Silbe geschwächt wurde, in einem Wort aber immer
nur eine Silbe vollbetont war und der Akzent wechselte, so kann ein Ver-
hältnis entstehen: Vollstufe -f Schwundstufe und Schwundstufe + Vollstufe.
Man nennt dies nicht ganz treffend, aber doch deutlich Schwebeablaut.
Man kann zwei Fälle unterscheiden.
1. Steht in der zweiten Silbe ein kurzer Vokal, so nennen wir das
eine leichte Basis.
2. Steht in der zweiten Silbe ein langer Vokal, so nennen wir dies
eine schwere Basis.
1. Die leichten Basen.
Diese Fälle sehen so aus, als ob eine Metathesis stattgefunden
hätte,
d. Riegel, 1. arceo 'halte ab'; — d. arg, an. ragr 'böse, feige, nichtswürdig'; — Reb-
huhn, an. iarpe 'Haselhuhn'; — d. Reff 'Gestell zum Tragen', 1. corbis; — d. Reff 'altes
Weib', eig. 'Leib, Knochengerüst', 1. corpus; — d. drediseln, 1. torquire; — d. fragen, ahd.
fergön 'bitten, fordern'; — d. Brett, d. Bord; — d. rächen, 1. eig. 'verfolgen', lit. vargas
'Not'; — sterben, d. streben; — d. Kolben, 1. globus 'Kugel'; — d. Nagel, 1. unguis, gr.
övv'^ (önyks); — d. Nabel, 1. umbilicus, gr. oncpalög (omphalös); — d. Kamm aus ahd. kamb,
d. Knebel; — d. Napf, d. Humpen; — d. Süden aus *sund, gr. »070^^ (nötos) aus *snotos; —
d. wachsen, 1. augire; — d. Knie, got. kniu, I. genu, gr. yow (göny); — engl, tree 'Baum',
got. triu, gr. d6gv{döry); — d. rot, ahd. röt, gx. igvOgög {erythros), — d. brauen, ahd. briuwan,
l. fervere; — d. sehen, got. saihan, idg. '*sekw, d. schauen, idg. *skou.
2. Die schweren Basen.
40 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
In diesen Füllen steht in der zweiten Silbe ein langer Vokal oder dessen
Ablaut P, ijerm. a.
d. Arm, I. nimiis 'Zweig'; — d. Ruder, gr. igrtftöe (eretmös); — d. rühren, gx.xfoät-
vvut (kerdnnymi) 'mische'; — d. Kranicfi, gr. yrnarrK (geranos); — d. trüben, gr. Tnimaoo)
(tarässu) 'verwirre'; — d. Wurzel, an. rot 'Wurzel'; — d. Wrak, gr. in'iyrvin {rfkgnymi)
'breche'; — d. lau, ahd. lno, I. calidus; — d. kalt, 1. gelidus, glacits: — d. Name, gT.ovofiu
(önoma), 1. n«men; — d. kennen, 1. misco.
Erschöpft sind mit diesen Fällen die Ablautsverhältnisse noch nicht,
doch würde eine weitere Darstellung über den Rahmen dieses Buches
hinausführen. Jedenfalls werden durch eine Klarstellung der Ablautsformen
eine ganze Reihe von Wörtern als verwandt erkannt und somit ihrem Ur-
sprung nach aufgehellt.
§ 30. Konsonantismus. Der neuhochdeutsche Konsonantismus zeigt gegen-
über dem althochdeutschen, wie er im Ostfränkischen vorliegt, keine durch-
greifenden Veränderungen, wenigstens in der Schreibung. Die wesentlichsten
Abweichungen sind:
1. Ahd. mhd. ;, das aus / entstanden ist, wird s. Infolgedessen hat
das nhd. 5 {ss) zweierlei Ursprung. Das mhd. ahd. ; erkennt man mit
Leichtigkeit durch Vergleich mit dem Englischen oder Niederdeutschen.
Beispiele s. o. S. 10.
2. Ahd. mhd. h schwindet zwischen Vokalen und nach Konsonanten,
wird aber in der Schrift vielfach beibehalten, allerdings auch fälschlich hinzu-
gesetzt. Beispiele siehe oben. Im Anlaut ist es in den Verbindungen hw, hr,
hl, hn verloren gegangen, hw erscheint im Englischen als wh.
Wal(fisdi) e. whale, apreuß. kalis 'Wels', lat. squalus "ein größerer Meerfisch'; —
weder, gx.^iöxsoog {pöteros) 'wer von beiden'; — Weile, e. white zu lat. quies; — weiß,
e. white, got. h'eits, ai. svitnah; — Weizen, t.wheat; — Weif, e. whelp, gr.-oxvka^ (skylaks),
'Tierjunges' ; — wer, was, e. who, what, 1. quis, quod; — werben, got. hairban. eig. 'drehen', viel-
leicht zu g\. y.aono: (karpös) 'Handwurzel'; — Werft zum vorigen; —wetzen, t.whet.
Rabe, vgl. Hrabanus; — Radien, gr. y.oayöv {kragön) 'laut schreiend'; — ragen, gr.
xgoaaat (krössai) 'Dachzinnen'; — Räude, 1. crüdus 'blutig, roh'; — Reff "Traggesteir,
vielleicht zu 1. corbis 'Korb'; — Reff, ags. hrif 'Leib', 1. corpus; — Reif, ahd. hrtfo; —
rein, 1. cerno 'sichte'; — Reiter 'Sieb', 1. cribrum; — Reis 'Zweig', ahd. hris; — rette, ai.
frathäjami 'löse'; — Reue, ahd. hriuwa; — Ried. ir. crüaid 'hart, fest'; — Rind, ahd.
hrind; — Ring, abg. kragn 'Kreis'; — Rispe, 1. crispus 'kraus'; — Ritten 'Fieber', ir. crith
'Zittern'; — Rogen, \\\. kurkulal 'Froschlaich'; — roh, 1. crüdus; — Roß, t. horse zu lat.
currere; — Rotz, gr. xögvCa (köryza) 'Schnupfen'; — Rücken, \. crux; — Rüde, entlehnt
abg. dinitii; — Ruf, rufen, got. hrüps, hrupjan; — Rufe "Schorf, lett. kraupa "Grind der
Pferde'; — Ruhm, ahd. hruom; — Runge, got. hrugga 'Stab'; — rüsten, gr. y.noiooo) 'wappne'.
ladien, gr. y./.coaaeir (klössin) 'glucken'; — beladen, lit. klöti "hinbreiten'; — Laib,
got. hlaifs, 1. libum ; — lau, 1. calere 'warm sein' ; — laufen, gr. y.cu.-T>j {kalpce) 'Trab' ; — lauter,
1. cluere 'reinigen'; — Lehne, gr. yJ.tvt] {klfme) 'Lager'; — lehnen, 1. incUnüre; — Leite
'Berghang', gr. y.'/.nvg (klitys); — Leiter, 1. clltellae 'Saumsattel'; — Leumund, ahd. hliumunt
zu gr. y.'/.vELf {klyin) 'hören'; — Lid, e. lid 'Deckel', zu asächs. ahlidan 'sich erschließen'; —
Los, goL hlauts; — losen 'hören', gr. y.'/.vco (klyö).
Nadien, air. cnocc 'Hügel'; — Napf mit Schwebeablaut zu Humpen; — naschen zu
got hnasqus 'weich, fein'; — neigen, l.cünivere; — nieten z\i ahd. bihniotan 'befestigen'; —
Nuß, ags. hnutu, e. nut, 1. nux.
§ 30. Konsonantismus. 41
Im Auslaut und vor t, s ist h als ch erhalten, so daß oft Doppelformen
entstehen.
hodi : Höhe; — Raiidiwerk : rauh; — Gesicht : sehen; — Geschichte : geschehen; —
dic/it, vielleicht zu gedeihen; — Flucht -.fliehen; — Zucht: ziehen; — Licht: Lohe: — Fuchs:
mhd. vohe 'Füchsin'.
3. Ahd. sk wird sdi (s). Beispiele s. § 17 a.
4. wr, wl haben ihr w verloren, doch hat sich das w im Nieder-
deutschen erhalten und einige Wörter sind daraus in die Schriftsprache
aufgenommen worden, vgl. § 170 B, 1.
lispeln, ndrhein. wlispen, ags. wlisp 'mit der Zunge anstoßend'; — Antlitz, ags. and-
wlita; — Radie, e. wreak; rächen, e. wreak, 1. ärgere; — Range zu nd. wrangen 'sich
winden, ringen'; — Ränke, e. wrendi; — Rasen, mn6.wrase, nnd.wrose, vielleicht zu
gr. eoaij (ersce) 'Tau'; — Recke, e. wretdi zu rächen; — reiben, ndl. wrijven; — reißen,
e. write; — Reitet 'Drehstange', nd. wreil; — renken, ^.wrendi 'drehen'; — Riese, asächs.
wrisiiik; — ringen, nd. wringen; — Riß 'Handgelenk', e. wrist; — Rüge, nd. wroge, wröge
'Geldbuße' ; — Rüssel, ags. wröt 'Rüssel'.
5. mb wird zu mm.
dumm, e. dumb, gr. zv<pl6g (typhlös) 'blind'; — Hummel, e. humblebee: — Imme,
ahd. imbi, gr. e^mig (empis) 'Stechmücke'; — Kamm, e. comb, gr. yöfifpog (gömphos); — •
klimmen, e. climb; — krumm, e. crump; — Kummer, mhd. kumber, frz. encombrer; —
Lamm. e. lamb gr. Rarfog (elaphos) 'Hirsch' aus *ebnbhos; — Lümmel, mhd. lumbel < 1. lum-
bus 'Lende'; — Samstag, ahd. samba^tag; — schlimm, ahd. slimbi 'Schiefe'; — Schlummer,
e. slumber; — Stummel, ahd. stumbal; — um, ahd. umbi, gx. aucpi (amphi); — Wamme,
e. womb; — Zimmer, e. timber, gr. 6äi.mQ (ddmar) "Gattin'.
6. 5 wird zu s anlautend vor /, m, n, w, t, p.
Beispiele für st, sp, in denen ja auch die Schreibung bewahrt ist,
s. § 17 b, c.
Schlack, Schlackerwetter zu ahA. stach 'schlaff', gx. layagög (lagarös) 'schmächtig'; —
sdilaff, dazu schlafen, abg. slabä 'schlaff; — sdilagen, air. slactha 'geschlagen'; — Schlange,
lit. slinkti 'schleichen'; — Sdüehe, abg. sliva; ■— Schleim, zu lat. limax 'Wegschnecke'; —
schliefen, schlüpfen, 1. lübricus; — schließen, ahd. slio:an, 1. claudo, ursprünglicher Anlaut
skl-; — schlimm, lett. shps 'schräg, steil'; — schlingen zu Schlange s. d.; — Sdilitten, lit.
sl'isti 'gleiten', abg. sledü 'Spur'; — schlucken, ix. sluccim 'verschlucken', gr. /.i','oj (lyzö)
'schlucke'.
Sdimach zu ahd. smnhi 'klein, gering', gx.^axpög (m'ikrös); — sdimal, 1. malus 'schlecht',
gr. iLii]?.ov (mc'elon) 'Kleinvieh'; — schmauchen, gr. ouvyfiv (smijkhen) 'durch ein Schmoch-
feuer allmählich verbrennen'; — schmelzen, gx. /^ilöco (meldö) 'schmelze aus'; — Schmer,
lit. smars(t)vas 'Fett'; — Schmerle, gx. o/nägig (smäris) 'kleiner Meerfisch'; — Sdimerz,
gx. a/iFoörö:, (smerdnös) 'schrecklich, gräßlich', 1. mordere; — Schmied, gx. o^th] {smtlce)
'Schnitzmesser'; — schmiegen, lit. smiikti 'gleiten'.
Schnabel, lit. sndpas; — Schnee, \. nix, gx.vF.lqjei {nephe) 'schneit'; — Schnur, ai.sndva
'Band, Sehne'; — Sdinur, 1. nurus, gx. wog (nyös), ai. snu^ä 'Schwiegertochter'.
Schwager, ai. svasurah 'zum Schwäher gehörig' ; — Schwäher, 1. socer, gr. sxvgög
{hekyrös); — Sdiwaige 'Viehhof, vielleicht zu gx. oijy.ng {scekös) 'umzäunter Platz für junge
Schafe'; — Schwamm, vielleicht zu gr. ooiMpög (somphös) 'schwammig'; — Sdiwan zu
l. sonus 'Ton', eig. 'der Singschwan'; — schwarz, \. sordts 'Schmutz'; — Schwein 'Hirt',
lit. svalnis 'der Gattin Schwestermann'; — Schwein, go\. swein, \. sulnus; — Sdiweiß, 1.
südor, gx. idog (idos); — schwer, lii svarüs, \. serius 'ernsthaft'; — Schwester, \. soror; —
42 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
Sc/iu'ifgiT, 1. sucnis, gr. .'^rnu (hekyrii); — Sdiwirrrn 'Pfahl', ai. svi'mih 'Opferpfosten',
l. surus 'Zweig, Pfalil"; — sdiwörcn, \. sermo, ai. svö rat i 'tönt, erschallt'.
7. w nach / und r wird h. Im absoluten Auslaut war o entstanden,
das später abfiel, so daß Formen mit und ohne ö nebeneinander stehen.
albern, ahd. alawuri 'ganz wahr"; — Erbse, ahd. arawei'i, lat. ervum; — fahl, falb,
e. falloiz', lit. palvas 'weißlichgelb'; — Farbe, mhd. varwe; — {Siiiaf)garbe, d\\± garwa,
c. yarrow, — gelb, gehl, e. yrllou; 1. hrlviis; — gerben, ahd. garawen -.gar, ahd. garo; —
herb. mild, herwer: — kahl. e. callow < 1. calviis; — Mehl. ahd. melo, c. meal, südd.
Melberei; — Milbe, ahd. miliwa zu Mehl; — mürbe, ahd. muruwi; — Narbe, c. narrow
'eng' ; — Sperber, ahd. sparw-ari, e. sparrow-hawk.
8. /// wird schon ahd. z.T. zu nd, so daß in nhd. nd urtjerm. nf) und /z<i
zusammengefallen sind. Das Englische unterscheidet die beiden Laute als th
und d. Vor dem ersten ist der Nasal geschwunden.
ander, e. other blind, e. blind;
kund, e. -coiith linde, e. <'«rf;
lind, e. //7/?r 'langsam' Z.fl«rf, e. land;
Mund, e. mouth Linde, e. linden ;
/?/rtrf, ags. hrlder gesund, e. sound;
Sund-'Südcn' , e. 50u//2 Vr/rtrf, e. ic/'/zf/, 1. ventus.
9. Schon vorahd. ist /z in unbetonter Silbe in einer Reihe von Fällen
zu / geworden, sicher nach /.
Esel, 1. asinus; — Kessel, 1. catmus; — Hettel 'junge Ziege', anord. hadna; — Himmel,
got. himins; — Igel, gr. yyim; {ekhinos); — Kümmel, 1. cuminum: — Pidielhaube, mlat. baci-
num 'Becken'; — Wirtel, abg. vreteno.
Außerdem ist n nach einem vorausgehenden n geschwunden.
König, ahd. kuning; — Pfennig, ahd. phanting.
10. Die Gruppen br und bl scheinen inlautend zu fr und // geworden
zu sein. Da in der Flexion neben Formen mit dieser Lautgruppe solche
mit Zwischenvokal standen, so ergeben sich vielfach Doppelformen, vgl.
VON Bahder IF. 14, 258 ff.
Beispiele: Schaufel zu schieben; — ahd. weval 'stamen' zu weben, und so auch wohl
Waffel hierher; — Frevel zu got. abrs 'heftig, stark'; — Schwefel neben got swibls; — Eifer
zu ahd. eibar 'scharf; — sauber, alem. safer aus 1. söbrius; — Bafel neben Babel.
Zum Teil handelt es sich hier auch um Entlehnungen aus dem Nieder-
deutschen, indem das spirantische b durch / ersetzt wurde.
11. Anlautendes pl ist zu // geworden.
fliehen, got pliuhan hat also nichts mitfliegen, got. usflaugfan 'emporfliegen machen'
zu tun; —flehen, got. gaplaihan 'freundlich zureden, liebkosen'. Außerdem steht noch / für p
in finster, ahd. dinstar zu Dämmer.
Weitere Abweichungen siehe unten Kapitel 11.
Die Haupteigentümlichkeiten des Hochdeutschen gegenüber den andern
germanischen Dialekten liegen in der hochdeutschen (zweiten) Laut-
verschiebung, die schon in voraUhochdeutscher Zeit eingetreten ist.
Dadurch werden:
a) die stimmlosen Verschlußlaute p, t, k
a) nach Vokalen zu dem entsprechenden langen (doppelten) Reibelaut,
§ 31. Urgermanischer Konsonantismus. 43
der nach langem Vokal gekürzt (vereinfacht) wird, also p zn ff (f); s zu ^7, (:;),
nhd. SS, ß, s; k zu hh (h, ch)\
ß) im Anlaut und nach Konsonant zu Affrikaten pf z, kch (letzteres aber
nur in oberdeutschen Mundarten).
Anmerkung. Vor /-unterbleibt die Verschiebung des t. Es gibt kein zr im Anlaut
Daher auch bitter zu beißen, got. baitrs.
b) Altes p (engl, th), in alter Zeit noch th, dh geschrieben, wird d\
altes d wandelt sich zu t.
Siehe darüber oben S. 10 ff.
Eine weitere Eigentümlichkeit des Westgermanischen ist die sogenannte
Konsonantendehnung. Vor y, w, /-, /, m, n werden die Konsonanten gedehnt,
was durch Doppelschreibung zum Ausdruck gebracht wird. Da sehr häufig
Formen, in denen diese Laute dem Konsonanten unmittelbar folgen, neben
solchen stehen, in denen dies nicht der Fall ist, indem sich zwischen den
beiden Lauten ein Vokal entwickelt hatte, so sind vielfach Doppelformen
gebildet worden, von denen bald die eine, bald die andere gesiegt hat.
Durch diese Konsonantenverschärfung werden eine Reihe von Ausnahmen
der Lautverschiebung erklärt. So erwartet man, daß dem got. akrs, e. acre,
lat. ager im Deutschen Acher entspricht, wie wir machen, e. to make finden. Die
Grundform war aber akra, was zu a^Är führte, kk wird aber nicht verschoben.
1. y- Verschärfung. Dies ist der häufigste Fall.
ätzen, got. atjan : essen; — beizen : beißen-, — drüdien, an. prykja; — flügge : Flug; —
ergötzen : vergessen; — heizen, e. heat aus *haitjan : heiß, ebenso Hitze, asächs. hittja; —
hetzen: Haß; — hüpfen: hoffen; — Lücke: Loch; — netzen, goi. naijan : naß; — Metze :
messen; — Netz, e. net, got. nati; — Redie, asächs. wrekkjo'FTemde.T' : rächen; — schwitzen :
Schweiß; — schlüpfen : schliefen; — schöpfen, asächs. skeppian : schaffen; — sitzen, e. to
Sit, gv. sCoficu {hezomai) ; — wecken: wach; — Weizen, e. wheat, got. Ivaiteis : weiß; — wetzen,
e. to whet, got. gahjatjan; — Witz, e. wit : wissen.
2. -zy-Verschärfung.
Ache, got. ahia, 1. aqua; — Zeche, ags. teoh; — Axt, ahd. acchus, got. aqizi; — quick,
queck, ags. cwicu; — nackt, got. naqaps; — Nixe, ahd. nicchessa, nihhus.
3. r-, /-Verschärfung.
Acker, e. acre, got. akrs; — wacker, ags. wacor; — Kupfer, e. copper; — tapfer, e. dapper
'flink, gewandt'; — kitzeln, e. kittle; — sticket 'steil', ahd. stecchal.
4. n-, m-Verschärfung.
Roggen, ags. ryge, e. rye ; — Brocken, got. gabruka ; — Hopfen, e. hop ; — Atem, ags. ceäm.
§3L Urgermanischer Konsonantismus. Der urgermanische Konsonantismus
ist durch eine Reihe von Lautveränderungen, unter denen die germanische
Lautverschiebung die wichtigste ist, vom Indogermanischen geschieden.
Die Lautverschiebung besteht in folgenden Vorgängen:
1. Die Tenues p, t, k (gr. lat./?, t, k) werden zu tonlosen Spiranten /, p, x.
2. Die Medien b, d, g (gr. lat. b, d, g) werden zu /?, t, k (die der hoch-
deutschen Lautverschiebung unterliegen).
3. Die Mediäaspiratä bh, dh, gh (lat. /-, h-, -b-, -d-, -g- [-h-], gr. g?, ^, y)
werden zu stimmhaften Spiranten b, ä, g, von denen sich b und g in einer
44 ■ -TTEL. GESC • "' GRLNDSÄTZr DKR F. GIE.
Reihe von deutschen Dialekten bis heute erhalten haben, während d früh-
zeitig zu d und ahd. weiter zu t wurde.
Sie sind oben S. 13 ff. dargestellt worden.
4. Im Indogermanischen gab es Gutturale mit zc'-Nachschlag, etwa wie
lat. gu, also kv, g"^, gh'^\ und diese werden germ. verschoben zu hw (got. h
geschrieben), kw, gw. In der Verbindung gw geht entweder das g oder
das Tc verloren, so daß Formen mit g und w nebeneinander stehen.
a) Anlautendes hw wird nhd. h oder w. Beispiele für den Anlaut siehe
oben S. 40. Im Inlaut schwindet das w.
1. aqua, got. aha, d. Ache, Aa; — d. leihen, 1. linquo; — d. sehen, got. saihan; — d. er-
wähnen, zu 1. Vax, gr. Itoz (epos) *Wort'.
b) Idg.^' wird germ. zu kw, in welcher Verbindung das w z.T. schwindet.
Lat. erscheint v-, -v-, -g- gr. b, d, g.
Quaddel, gr. 6odtt)r (dotht^m 'Blutgeschwür'; — Quappe, abg. zaba 'Kröte'; — quedi,
L vivos, gr. ßioi [bios 'Leben'; — e. queen. gr. -•»•»»; {gyn<k); — kommen, 1. venio, gr.
ßairio {baino); — Kragen, gt. ßgöy/o.; (bröufüios) 'Luftröhre'; — Kröte, gr. ßadrayo^- (brä-
takhos) 'Frosch'; — Kitt, \. bitümen 'Erdpech' mit b statt v, weil Lehnwort: — Anke 'Butter',
1. unguen ; — nadit, goL naqaps, 1. nüdus aus *nogvedos.
c) Idg. ghiV erscheint teils als g mit Schwund des w, teils als w mit
Schwund des g.
d. xrarm. 1. formus. gr. dtofiöc (thermos); — d. eng, got. aggwus, 1. angustus: —
d. Sdinee, goL snaiivs. 1. ninguit. gr. rrUfn (niphe).
In einer Reihe von Fällen verbindet sich das aus gw entstandene w
mit dem vorhergehenden Vokal zu einem Diphthong.
d. Niere, ahd. nioro, L nefrünes, gr. rttfor^ (nephros) ; — d. Aue aus *agwiö zu got.
aha Wasser'.
5. Die indogermanischen Labiovelare sind in einer Reihe unbestreit-
barer Fälle zu reinen Labialen geworden.
d. Wolf, 1. lupus, gx.i.iy.og (lykos), ai. vrkah; daneben an. ylgr 'Wölfin'; — d. vier,
goL fidwOr. ai. catvarah. 1. quattuor; — d. fünf, 1. quinque, gr. hevti (pente) ; — d. Ofen,
aber got. aühns. ai. ukhd 'Topf: — d. Zweifel zu ahd. zweho 'Zweifel': — d. zwölf. liL
dvilika.
6. Die Laute y, /, m, n, r, s, w, sind im Germanischen unverändert ge-
blieben, abgesehen von gelegentlichem Schwund, Es folgt aber auch hier
eine Liste der Wörter, die sichere Entsprechungen in den veruandten Sprachen
haben,
Jahn, aL jänah 'Bahn'; — Jahr. gr. &oa (horä); — Jammer, gr. ^usgoc {himeros)
'sanft'; — gären, gr. JTf'w (zeöi; — Jäten, ai.Jdtate 'strebt, bemüht sich'; — Jodi. \.Jugum,
gr. ^fvor [zygön,; — Judiert, \. jügerum; — Jugend, \. iuventus; — jung, \. juvenis.
Ladis. üL Ui<i<ä, russ. losös» ; — Lamm, gr. e/jiq:(K (elaphos) 'Hirsch' ; — Land, abg.
ledina "unbebautes Land'; — lang. 1. longus; — Lappen, gr./.oßög (lobös) 'Ohrläppchen'; —
laß, l. lassus; — lassen, gr. /.t/deir (Ictden) 'müde sein'; — Laub, gr. }J.^o? (lepos), ).o:i6g
{topos 'Schale, Hülse'; — Lauge, 1. laväre; — lecken, gr. i.eiyjir iltkhen\ 1. lingere; —
ledten 'mit den Füßen ausschlagen', gr. /.«Lr, /Aybrjv \läks, lägdc^nr, — Leder, air. lethar; —
Lefze, Lippe, 1. labium; — legen, abg. loziti; — Lehen, ai. rtknah; — Lehm. Leim. 1. limus; —
leidit, gr. ixaxv: [elakhys); — leihen, 1. linquo, gr. /ftro» {lipo); — Lein. Linnen. 1. linum,
gr. JLtror (Unon); — Geleise, l. /Tra 'Furche'; — Leiste 'Einfaßstreifen' vielleicht zu \. litus.
§ 31. Urgermanischer Konsonantismus. 45
'Strand'; — Lende, 1. lumbus; — lese, lit. lesii 'picke auf; — Licht, 1. lux, gr. IvyvoQ {lykhnos)
'Leuchte'; — lieb, 1. labet; — Lied, gr. Ivaaa {lyssä) 'Wut'; — liederlidi, gr. KlEvdeqog {eleii-
theros), 1. llber; — liegen, 1. lectus, gr. Ai^os {lekhos); — linde, 1. lentiis; — Linde, gr. i'Aar»;
{elät(p); — link, a\. lauga- 'lahm'; — Lodie, gr. ^i>yo^ (lygos) 'biegsamer, junger Zweig'; —
lodten, 1. lacio; — Loden, gr. Xümog {läsios) 'rauh, haarig'; — Loh 'Busch, Hain', 1. lücus; —
Lohn, 1. lucrurn, gr. aMokaveiv {apolaüen) 'genießen'; — los, gr. Ivw {lyö), 1. so-lvo; — Lot,
air. luuide 'Blei'; — I«c^5, gr. Ivy'^ {lytox); — lügen, abg. lügati; — Lust, 1. lasclvos, gr.
hlaiofiai {lilaiomai) 'begehre'.
machen, gr. //«y/s (inagis) 'geknetete Masse'; — Macht, abg. mostl; — mager, 1. macer,
gr. fxaxQÖg {makrös); — Mahd, gr. äfitjrog {ämwtos); — mähen, 1. meiere, gr. d^a<w (amäö); —
mahlen, 1. molo; — Mähne, 1. monlle 'Halsband'; — mahnen, 1. monere; — Mahr, poln.
/norfl; — Mähre, kelt. marka; — Maisdie, abg. mezga 'Baumsaft'; — TWa/, 1. macala; —
Alfl/z, gr. //£7<5f(i' {melden) 'erweichen'; — manch, ahg. münogil; — Mangel, \. mancus; —
Mann, ai. mäniih; — yWarÄ 'Grenze', \. margo 'Rand'; — Mark 'meduUa', abg. mozgü,
ai. majjan-; — Masche, lit. ma^^as 'Knoten'; — Mast, 1. malus (aus *mazdos); — Mast,
'Fettmachung', ai. medah 'Fett'; — Maus, 1. /«m5, gr. ^D? (mys); — Meer, 1. mar^; — Mehl,
alb. /n/>?; — mein, 1. mens; — meinen, abg. meniti; — melken, 1. mulgere, gr. df^iüysiv
{amelgtn); — Meltau, 1. /n^/, gr. /ttUt (meli); — mengen, lit. minkiti 'kneten'; — messen,
1. meditari, gr. /nideoüai {medesthai); — Ale^, gr. /<f/?y (methy) 'berauschendes Getränk'; —
Metze, 1. modius; — /n/V/z, gr. e'/fe/e {emege); — michel 'groß', 1. magnus, gr. fisyaXo- (me-
galo-); — Miete, gr. fiiad 6g (misthös) 'Lohn'; — milde, \. mollis; — minder, \. minus; —
Minne, 1. memini, gr. ^dfiovu {memona) 'ich gedenke'; — Mist, 1. mingere, gr. <^uxsTv
{omikhen); — mit, gr. /lerd (metä); — Mitte, \. medius; — Moder, ai. mütram 'Harn'; —
mögen, gr. ^if/xog {mcekhos) 'Hilfsmittel'; — Mohn, gr. fiyx(ov (mäkön); — Möhre, serb.
mrkva; — Mond, 1. mensis, gr. /»/v {man); — Moos, 1. muscus; — Mord, gr. ßgoxög {brotös)
'sterblich'; — Mücke, I. musca, gr. /ivTu {myta); — Mühe, 1. möles, gr. ^iwlog {mdlos); —
Mund, 1. mentum; — munter, lit. mandrüs 'munter'; — mürbe, gr. fiagaivoj {marainö); —
Mut, gr. i^ifjvig {mcenis) 'Zorn'; — Mutter, \. mäter, gr. /«/t/;o [mtetöer).
Nabe, ai. nübhi-; — Nabel, 1. umbilicus, gr. öf^iqmXög {omphalös) ; — Nachen, 1. navis,
gr. vavg {naäs); — Nacht, 1. nox, gr. i'i;|' {nyx); — nackt, 1. nüdus; — Nadel, gx. vfixgov
{nMron) 'Spindel' ; — Nagel, 1. unguis, gr. öVvf {6nyx) ; — nähren, zu genesen, gr. rg'o/«««
'kehre heim'; — Name, 1. nömen, gr. öVo/<a {önoma); — Narbe, lett. nars 'Klammer, Schrauben-
zwinge'; — Narr, lit. narsas 'Zorn'; — A^ase, 1. näsus, nares; — Natter, 1. natrix; —
Nebel, 1. nebula, gr. vEcpslri {nephelce) ; — Neffe, 1. nepös, gr. dve^piög {anepsiös) 'Verwandter'; —
nehmen, gr. j£,m£<v {nemen); — Nessel, ir. nenaid, lit. nendre 'Schilfrohr'; — A^^5/^, 1. nldus; —
Nestel, 1. «örf«5 (aus *nozdos); — A^^^^", 1. nassa 'Fischreuse, Netz'; — neu, 1. novus, gr.
rf'oc {neos); — neun, 1. novem, gr. iji'ia {ennea); — Nichte, 1. neptis; — nieder, abg. «/^i*
'abwärts, unten'; — Niere, 1. nefrönes, gr.vsqygog {nephrös); — niesen, russ. njüdiatl 'riechen,
schnupfen' ; — genießen, lit. naudä 'Nutzen' ; — Nixe, gr. vL^eiv {nizm) 'waschen' ; — Nord,
gr. vBQTEQog {nerteros) 'unten'; — Not, apreuß. nautin 'Not'; — nun, 1. nunc, gr. v?»- {nyn); —
A^u/, 1. nux.
Rad, 1. ro^fl ; — Rahe, lit. re^/es 'Stangengerüst' ; — rasen, gr. eqcoeTv {eröen) 'fließen,
strömen'; — räß, 1. rädere 'kratzen'; — Rast, gr. igcoy (eröce) 'Ruhe'; — raten, ahg. raditi
'sorgen'; — rauben, 1. rumpere; — rauh, 1. rüga; — Raum, 1. rüs; — rausdien, ai. röiaii 'ist
unwirsch, zürnt' ; — redit, 1. rectus, gr. oQsxTog (orektös) ; — recken, 1. regere, gr. öqeyeiv {oregen) ; —
/?^rfe, 1. ratio; — regnen, 1. rigüre; — Reihe, ai. /"e^/zä 'Strich, Linie'; — reiten, gall. reda
'Wagen' ; — reuten, aw. rao{i)(7ja 'reutbar' ; — Riegel, l.arcere 'verschließen', gr. «oxftr {arken)
'abwehren' ; — Riemen, gr. QVf^ia (ryma) 'Zugseil' ; — Riff, 1. ripa, gr. igUrr] {eripn^) 'Absturz'
Abgrund'; — rinnen, 1. rivus; — Rippe, abg. rebro; — Roggen, lit. rugial; — Rost, lit. rüsvas
'rotbraun'; — rot, 1. ruber, gr. sQv&gog {erythros); — Rübe, X.rapa, gx.gdnvg {räpys); — rüdien,
1. vergere; — Ruder, 1. remus; — Ruhe, gr. eqwt] {eröS); — Rune, air. rün 'Geheimnis'; — Rute
1. radius; — rütteln, 1. vertere.
46 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
säen, 1. stvi; — Säge, I. secure; — sagen, 1. in-sece, gr. n-rmf {innepe) aus *ensekwe; —
5fl/i/if,ai.5(ma 'Oberstes derSomaseihe'; — 5a//e, lit.Ä/^/os 'Strick zum Anbindendes Viehs'; —
Salbe, gr. f).n<>.: {t'lpos) 'öl', kypr. .•/v«,- (elphos) 'Butter'; — Salweide, 1. salix; — Salz, I. sal,
gr. (Ji/.c (hiils); — Samen, 1. sitnen; — -5o/w, e. 5fl/r;f, 1. similis, gr. 'v/o,- (/zow()5); — Sa/2</, gr,
\f'äitni>(K (psämathos); — satt, I. satur, gr. «oroc (rfa/os) 'unersättlich'; — Sattel, abg. sedlo; —
Sau, I. 5M.?, gr. (■■; (hys); — sauer, gr. |io«V (Ä5yrö5), lit. s/iras 'salzig'; — saufen, ai. süpa^
'Brühe, Suppe'; — saugen, \.sügo; — Säule, gr. it/.<>y (ksylon) 'Holz, Balken, Knüttel'; — 5flU5^/i,
abg. sysati 'pfeifen, zischen'; — secfis,\.sex, gr. t; (heks); — sehr,\.saevus; — Seim, gr. m'uv/.o^
{/laimylüs) 'sül3, einschmeichelnd': — sind. 1. sunt; — sein, I. suus; — Senesdiall, I. senex; —
Sense, I. saana; — Sessel, I. sella, gr. *•/./.« {hello); — sidi, I. s^, gr. t'(he); — sie, gr. fj {hai); —
sieben, I. Septem, gr. e.-iTä{heptd); — Sieg, gr. >7;s/>' {ekhen): — Sm/z, gr. lo'oc («f)os) aus *5no-
wos ; — Sippe, ai. sabhn 'Versammlung' ; — Sitte, gr. rOog (ethos) ; — sitzen, 1. sedcre, gr. eCount
{hezomai); — Sohn, Vit süniis; — 5o///- 'trocken' gr. «ro,- (flr?05); — Sonne, l.sol; — sudien,
I. 5«^//'<' 'nachspüren, wittern'; — Süd (aus sund), gr.vöxog (nötos) aus ^snotos; — Sühne,
hsanus 'gesund'; — süß, l.suuvis, gr. »y^i's {h(edijs).
Anmerkung 1. Inlautend ist 5 nach dem Vernerschen Gesetz zu got. z, d. r geworden,
s. oben § 18.
Anmerkung 2. Vor stimmhaften Lauten ist 5 im Indogermanischen zu z geworden.
Mit den idg. Medien ist dies germanisch zum stimmlosen 5 geworden.
Ast, gr. iKo; {özos), Grdf. *ozdos; — fisten, l.pcdere aus *pezdere; — Geist, zx.htdah
'Zorn'; — Gerste, \. hordeum aus *horzdeum; — Mast, \. malus aus '-mazdos; — Mast, ai.
midas 'Fett'; — A^^5/, I. nidus aus *nizdos; — Nestel, 1. nödus aus *nozdos; — Brüsdi 'Mäuse-
dorn', Wtbrüzgas 'Gestrüpp'; — Wisdi, 1. virga; — Maisdie, abg. mezga 'Baumsaft'.
Vor den idg. Mediäaspiratä, germ. Medien entsteht r: Gerte, goi. gazds, \. hasta; —
Mark, abg. mozgü ; — Miete, got. mizdo, gr. uia&ög (misthös).
wadien, I. vegere; — Wadis, ahg.voskn; — wadisen, I. auger e,gr.aF^Ftv{aexen); — Wadie,
lit. vagis 'Zapfen. Pflock'; — wadier, ai. vajra- 'Donnerkeil'; — Wade, I. vatius 'einwärts-
gebogen, krumm'; — Waffe, gr. o:^/.ov (höplon); — Wage, I. vectis 'Hebel'; — Wagen, l.vehis,
gr. oy_o;{ökhos) ,Wagen'; — wägen, l.veho, gr.dyjouat {okheomai) 'fahrt ; — Wahn,\.venari; —
Wahn 'leer', I. vanus; — wahr, l.virus; — wahren, gr. 6oäco [horäö); — Waid, 1. vitrum; —
Wald, ai. vatah 'eingehegter Platz, Garten'; — walken, ai. välgati 'bewegt sich heftig, springt
umher'; — Walm, ai. urmlh 'Woge'; — walten, I. valure; — Wanst, 1. venter; — Wasser, gr.
vbwo {hydör) ; — Wate, lett. wad{u)s .großes Zugnetz' ; — waten, I. vüdere; — Watt, 1. vadum ; —
weben, gr. vffalvco (hyphainö); — Wedisel, 1. vices; — Wedt, lit. vagis 'Zapfen, Pflock'; — Weg,
lit. ve'ze 'Wagen, Schlittengeleise', I. via ; — wehen, gr. «//o< {äiesi); — wehren, gr. eovaOai (ery-
sthai); — weidien, gr. olyrirai (oignynai); — Weide, 'Baum', gr. hia (iten), oiartj {oisyce); —
Weide,!, vtnari; — weifen 'haspt\n',].vibrdre ; — Weigand 'Kämpler' , X.vinco; — weihen,
1. victima; — Weise, gr. I6ia (ideä); — welken, lit. vilgiti 'befeuchtend glätten'; — Welle, lit.
vilnis; — Welt aus wer-alt, l.vir; — werden, I. verto; — Werk, gr.soyov {ergon); — wert,
1. vorsus ; — gewesen, ai. väsati; — Wespe, I. vespa ; — Westen, gr. k'ontoog {hesperos), I. vesper; —
Westerhemd, 1. vestis; — Wette, \, vas; — Wetter, lit. vttra 'Sturm'; — Widit, abg. veUl'\y\ng,
Sache'; — Widder zm \z\..vetus, gr. fVoc {etos) 'Jahr', vgl. vitulus 'Kalb'; — wider, ai. vitaräm
'weiter' ; — Wiebel, lit. vdbalas 'Käfer' ; — Wiede 'Holz' in Wiedehopf, air. fid; — wild, ai. vfthä
'nach Belieben'; — Wille, ahg.volja; — Wind, l.ventus; — wir,\ii.vedii 'wir beide'; — wirken,
nf':<o {rez(i); — wissen, 1. vidcre,gr.oiiSa {oida); — Witwe, \.vidua; — Wolf, 1. lupus, gr. }.vy.o^
(lykos); — Wolke, abg. vlaga 'Feuchtigkeit'; — Wolle, X.lCina. gr. '/.rp-o; (Icinos); — wollen,
1. volo; — Wort, X.verbum; — wünsdien, ai. vdij'chati; — würgen, abg. t/r^s^/ 'binden'; —
Wurm, 1. vermis; — Würz, I. radix; — wüst, 1. Vcistus; — Wut, I. vätes.
Von r, /ist w im Neuhochdeutschen geschwunden, s. oben S. 41. Post-
konsonantisches w ist vielfach geschwunden, ebenso J im Althochdeutschen
§ 31. Urgermanischer Konsonantismus.
47
nach allen Konsonanten mit Ausnahme von r. Hier hat es sich teilweise
bis ins Neuhochdeutsche als g erhaUen.
Ferge, ahd. ferio -.fahren; — St. Märgen zu Maria; — Sdierge, ahd. scario zu Schar; —
Statt eines idg. w erscheint in einer Reihe von Fällen ein k, das wohl
auf kw zurückgeht.
quick, Quecksilber: 1. vtvos; — ahd. zeihhur 'Schwager', gr, dai'ig {dawr), ai. dtvd; —
Nadien-.l.navis; — spudzen, Speidiel : speien; — Spedi -.gx. jiUov {piön), zi. plvan 'itii' ; —
hacken : hauen.
Die genauem Bedingungen dieses Lautwandels sind unklar. Es ist
daran zu erinnern, daß im Ostgermanischen und Nordischen manchem a
ein g vorgeschlagen wird.
Die Vertretung dieser Laute in den verwandten Sprachen ist aus nach-
folgender Tabelle zu ersehen.
Idg.
Got.
Ahd.
Ags.
Air.
Lat.
Griech.
Aind.
Slaw.
Lit.
p
/, t>
f,b
P7d
-
P
-T
P
P
P
t
P,ä
d,t
t
k
t
T
t
t
t
k
h,S
h.g
h.g
k
X.
k,s
k: s
k, s
kW
h,f,b.
w,g
h, f, b,
w,g
h,w,g,f
k
qu,k
71, T, y.
k. c,
k, c, c
k
bh
b
b
b
f-, -b-
f-, -d-,
-b-
cp 0-r)
bh {h, b)
b
b
dh
a
t
a
d
9. (r)
dh {h, d)
d
d
gh
er
o
g
ff
g
h-, g-,
-h-, -g-
/->
-gu-,v
x(-)
h
g,z
g,^
ghw
W-,-g-,-W-
w, -g-,
-w-
w,-g-,-w-
g
T, ^, '/.
h
g, z, dz
g
b
P
Pf-, -ff-
p
b
ß
b
b
b
d
t
z-, -33-, 5
t
d
g
d
Ö
d
d
d
g
k
k-, -ch-
k
g
7
g,J
g,z
g,^
gw
q
kw, k
kw, k
d,g
r
v,gu,g
r
ß, S, 7
9
g,J
g, z, dz
g
r
r
r
r
r
r
r
l
l
l
l
l
l
l
r{[)
l
l
n, m
n,m, vor/z
ge-
schwun-
den
n, m, vor
/z ge-
schwun-
den
n, vor Spi-
ranten ge-
schwun-
den
m, n
m, n
/', '■
m, n
m, n,
vor Kon-
sonanten
zur Na-
salierung
geworden
m,n,
vor Spi-
ranten zur
Nasa-
lierung
geworden
Außerdem erlitt der germanische Konsonantismus noch Veränderungen
durch Assimilation von Konsonanten. Von diesen Veränderungen sind die
wichtigsten folgende.
48 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
7. //-Assimilation.
a) In wird zu //.
d. Wolle, got. wulla, liL vilna, lat. Inna; — d. Welle, lit. vilnis; — ± Stellen, ai. sthitnd
aus *sthlnü 'Pfosten'; — d. Fell, \. pellis; — d. voll, \. pUnus, \\t. pUnas.
b) Die indogermanischen Verschlußlaute // werden zur Doppeltenuis,
wenn der Akzent foli,^te, also -kn-', -gn-, -ghn- zu kk, -pn-\ -bn-, -bhn- zu
pp (jetzt pf\ -tn-', -dn-, -dhn- zu tt (deutsch tz). Durch dieses vielbesprochene
Gesetz erklärt man manche Ausnahme der Lautverschiebung.
d. Locke, lit. liignas 'gebogen, krumm'; — d. lecken, gr. /.lyrrifty (likhneüin); — d.weiß,
a\. ivltnalj; — d. stagniim 'stehendes Gewässer', anord. stakke 'Heuschober'.
Demgegenüber hat Trautmann, Germanische Lautgesetze, Königsberger
Diss. 1906 S. 64 ff. auf zahlreiche entgegenstehende Fälle hingewiesen:
Rogen, lit. ktirkulal 'Froschlaich'; — /4/z«^, ahd. agana 'Spreu', gr. «/»•»/ {äkhnce); —
Degen, gr. jixvov {t^knon) 'Kinn'.
Ich glaube indessen nicht, daß das Gesetz dadurch erschüttert wird,
vor allem, da eine irgendwie einleuchtende Erklärung von Fällen wie
zodien: ziehen; nicken: neigen und andern nicht gegeben ist.
c) nw zu nn:
d. dünn, ahd. diinni, 1. tenuis; — d. Kinn, gr. ;f>rc (genys), 1. dentes genumi 'Backen-
zähne'; — d. minder, ahd. minniro, 1. minu-o; — d. rinnen zu lat. hvus; — d. Sinn, gr.
v6(K (nöos) 'Sinn' aus ^snowos mit Schwebeablaut ; — d. beginne, ai. hinvati 'setzt in Bewegung'.
8. dl zu //, Vgl. SiEVERs, Indogermanische Forschungen 4, 335. Da 1)1
bleibt und im Deutschen als dl erscheint, so erhalten wir nebeneinander
Formen mit -d{e)l- und -//- als grammatischen Wechsel.
wallen neben ahd. wadalun 'umherstreifen', dazu Wadel; — Stall neben Stadel; —
ags. bin 'Beil' neben Beil, ahd. bihal aus ""bipla; — Knolle, Knollen neben Knödel; —
Keil neben dial. Keidel; — Pfuhl 'Sumpf neben dial Pudel.
9. zl, zn, zm, zw, nach dem Vernerschen Gesetz aus sl, sn, sm, sw ent-
standen, scheinen zu //, nn, mm, ww assimiliert zu sein.
/Cro//^ 'Haarlocke' : Ärflus. Doch kann dessen s auch auf ^/ zurückgehen; — rfem, got.
pamma, ai. tdsmud; — b-in, got. im, ai. dsmi 'bin*.
10. Dental - Dental wird zu ss. Dieses 55 fällt im Nhd. mit dem aus t
verschobenen ;; zusammen, und man muß daher das Niederdeutsche oder
Englische heranziehen, um die Laute zu unterscheiden.
gewiß, got. unwissa 'ungewiß'; — miß. got. missa zu meiden.
Mit Vereinfachung des 55 nach langem Vokal oder Diphthong:
Aas. ahd. ns zu essen, e. eat,\. edere; — weise, engl, wise zu wissen, t. towit 'nämlich' ; —
leise zu linde; — Meise 'Tragreff zum Tragen' zu anord. meita 'abhauen'; — Haus vielleicht
zu Hütte; — Mus, Gemüse zu nd. Mett in Mettwurst.
In einer Reihe von Fällen steht für tt scheinbar st
du weißt, got. waist, gr. oln&a {pisthä) zu X.vidire; — Last: laden; — rüsten: ags.
hreodan 'schmücken', gr. xogvooto (koryssö) aus *korythj0 'wappne'.
11. Aus -mn- ist -^/7- geworden.
Da neben den Formen mit mn solche mit Mittelvokal standen, so finden
wir Formen mit mn (woraus nhd. mm) und bn nebeneinander.
Himmel, got. himins, e. heaven.
§ 32. Störungen der Lautgesetze. 49
12. mr wurde zu mbr, ml zu mbl, woraus im Anlaut br und bl.
brackig zu Meer, 1. mare; — braten, gr. ßgänao» iprässö) 'siede, braue' (gr. 6r aus /wr) ; —
Bregen, gr. ßQF/„n<k {brekhmös) 'Vorderkopf' ; — Brink 'erhöhter Grasplatz, Grasrein' : 1. margo
,Rand, d. Mark'Qx&nzt ; — brummen, \. fremo, gr. ßatuw (bremo); —blau, gr. jnhiQ (melas)
'schwarz', Ht. melinas 'blau' ; — Blei, irgendwie mit gT.fwÄißog (molibos) zusammenhängend.
Inlautend finden wir:
Ampfer, ai. amläh 'sauer'.
Anmerkung. Die Richtigkeit dieses Lautgesetzes wird von Per Persson, Beiträge
zur indogermanischen Wortforschung 27 ff., stark angezweifelt. Es ist dies einer der Fälle, die
für die Wortforschung typisch sind. Jeder wird zugeben, daß die aufgestellten Etymologien
nicht die Sicherheit haben wie andere, und man wird ohne weiteres zugeben, daß auch
andere Erklärungen möglich sind, wie deren Persson zur Genüge bietet. In solchen Fällen
handeh es sich dann um ein Abwägen, welche Erklärungen die größere Wahrscheinlichkeit
haben und da bleibe ich bei meiner Ansicht. Man kann außerdem nicht nachweisen, was
aus idg. mr-, ml- sonst geworden ist.
13. Zwischen s und r entwickelt sich ein t.
Strom zu gx.Qew {reo) aus *srewö 'fließe'; — Ostern zu ai. usrdh 'hell', l.auröra; —
Strick zu ai. sraj 'Gewinde'; — Schwester zu lat. soror (aus -"swesor) ; —finster zu I. tenebrae
(aus Henesrae), ai. tämisru 'dunkle Nacht'.
14. In Verbindung von mehreren Konsonanten fällt einer zuweilen aus.
Hier ist ein Feld, wo sich die Forschung noch immer betätigen und immer
neue Etymologien aufstellen kann.
Ganz sicher schwindet h vor 5 -|- Konsonant. Mist, got. maihstus, zu 1. mingere; — Laster
zu ahd. lahan 'tadeln'.
15. Doppelkonsonanten werden nach langem Vokal vereinfacht, z. B. got.
slepan, ahd. slaffan, dann släfan.
§ 32. Störungen der Lautgesetze. In dem vorhergehenden Abschnitt sind
zahlreiche Beispiele gegeben, in denen die Laute des Germanischen den
Lauten der verwandten Sprachen regelmäßig entsprechen. Der Stoff ist ge-
häuft, um jedem zu zeigen, wie groß oft das Material ist, auf das wir uns
stützen. Will man die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Etymologie be-
urteilen, so muß man unbedingt die Lautgesetze kennen, und man muß
sehen, ob eine Etymologie allen Lautgesetzen entspricht. Eine Gleichung
1. pater, gr. mxTi'io (patcer), d. Vater war erst in dem Augenblick völlig begründet,
als man gesehen hatte, daß jeder einzelne Laut in diesem Wort jedem der
verwandten Sprachen genau entspricht, also v = \.p, a = \. a, t = got, d
= \. t nach dem Vernerschen Gesetz, r = r. In diesem und zahlreichen
andern Fällen ist der Nachweis völlig gelungen. In andern Fällen war die
völlige Übereinstimmung nicht so leicht nachzuweisen, und die Arbeit der
Forschung besteht darin, hier immer größere Klarheit und Sicherheit zu
schaffen, wozu natürlich auch immer neue Verbindungen von Worten kommen.
Wir haben oben gesehen, daß die Lautgesetze durch andere Lautgesetze
beschränkt werden, und daß man durch Aufhellung solcher Beschränkungen
zahlreiche Fälle erklärt hat.
Aber die Störungen der Lautgesetze sind nicht allein durch besondere
Gesetze bewirkt, sondern auch durch eine Reihe andrer Umstände, namentlich
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 4
50 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
durch die sogenannten Analogiebildungen, die Volksetymologie und
die Entlehnungen.
§ 33. Störungen der Lautgesetze durch Analogiebildungen. Die Analogie-
bildungen kötnien wir hier ganz kurz behandeln, obgleich sie in der
eigentlichen Grammatik eine große Rolle spielen.
Das Kind, das zu sprechen beginnt, lernt zunächst einige Worte, die
ganz allein stehen. Vermehrt sich sein Wortschatz, so werden im Gehirn
verschiedene Worte miteinander verbunden, und es werden nunmehr un-
willkürlich neue Formen gebildet. So bekommt das Kind z. B. das Gefühl für
die Bildung des Partizipiums mit ge und t, und es kann nun auch Formen
hervorbringen, die es vielleicht nie gehört hat. Daß es dabei manchmal
Fehler macht, daß es ,ge/iaut sagt statt ,geliauen\ ist allbekannt. Vielfach
liegen die Analogiebildungen so nahe, daß sie von mehreren Menschen
gleichzeitig vollzogen werden, und dann hat eine solche Analogiebildung
Aussicht, allgemein üblich zu werden. Durch die Analogiebildungen werden
besonders die „Unregelmäßigkeiten" der Sprache beseitigt. Wenn es mhd.
noch geniiten heißt zu miden mit regelrechtem grammatischem Wechsel,
heute aber gemieden, so ist nicht etwa ein Wandel von t zu d eingetreten,
sondern gemieden ist eine solche Analogiebildung. Derartige Fälle lassen
sich zu Hunderten anführen, und es sind daher die Worte am besten zur
Feststellung der Lautgesetze geeignet, die am wenigsten mit andern Worten
assoziiert werden. Naturgemäß müssen die Analogiebildungen eine Zeitlang
neben den alten Bildungen stehen, und es kann dann der Fall eintreten,
daß die alte Bildung mit besondrer Bedeutung fortlebt. So hieß es gedeihen,
Part, gediegen, wie ziehen, Part, gezogen. Gediegen hat sich aber nur als
Adjektivum erhalten, während das Partizip gediehen neu gebildet ist. Ein
solch alleinstehendes Wort ist dann ausgezeichnet geeignet, die lautgesetz-
liche Behandlung erkennen zu lassen.
§34. Störungen durch Volksetymologie. Die sogenannte Volksetymologie,
•auf die ich ausführlicher im fünfzehnten Kapitel zu sprechen komme, be-
steht darin, daß alleinstehende und darum unverständliche Wörter an andere
ähnlich klingende angeglichen werden. Dabei werden natürlich auch die
Laute nicht selten in eigenartiger Weise verändert, ohne daß man dabei
von Lautgesetzen sprechen kann.
§ 35. Störungen durch Entlehnung. Vielfach sind die Lautgesetze auch
durch Entlehnungen gestört. Lehnwörter gibt es in jeder Sprache, und es
bildet ein wichtiges Kapitel sie festzustellen. Bei vielen Worten liegt es auf
der Hand, daß sie entlehnt sind. Aber bei andern tappte man im Dunkeln.
Erst die wissenschaftliche Lautlehre hat hier Klarheit geschaffen und es
uns in vielen Fällen ermöglicht, Lehnwörter scharf von dem ererbten Sprach-
gut zu scheiden. Seit wir aber diese beiden Bestandteile der Sprache von-
einander sondern können, hat man auch oft Störungen der Lautgesetze durch
Annahme von Entlehnung beseitigt. Wir wollen das an einigen Beispielen
§ 33—35. Störungen der Lautgesetze. 51
zeigen. Wir liaben oben § 15 die germanische Lautverschiebung besprochen
und gesehen, daß einem lat. gr. p im Deutschen ein / antwortet. Die Bei-
spiele waren ziemlich zahlreich, aber man kann auch sehr viele anführen,
in denen einem lat. gr. p ein pf entspricht.
Pfaffe = gr. .-ra.Ttts 'geringer Geistlicher'; — Pfahl ~ l.palus; — Pfalz = X.paiitium;
— Pfanne vielleicht = X.patina 'Schüssel'; — Pfau — l.pdvo; — Pfeffer = \.piper\ — Pfeife
= 1. ptpa 'Röhre' ; — Pfeil = X.ptliun ; — Pfeiler = ml. pilarius ; — Pfingsten = gr. 7ievri]y.oozri
{pent(ckost('e) ,der fünfzigste'; — Pfirsidi = \. persiciim 'persischer' (nämlich 'Apfel'); —
Pf ister 'Bäcker' = l.pistor; — Pflanze = Lplanta ; — Pflaster ^ gr. lat. emplastrum ; — Pflaume
= gr. jiQoviiivov {prümnon); — Pforte = l.porta; — Pfosten — l.postis; — Pfründe = ml.
provenda; — Pfühl = Lpulvlnus; — Pfund = l.pondus; — Pfütze = Lputeus.
Obgleich also das Verhältnis lat, p ^ d. pf in zahlreichen Worten auf-
tritt, so sind doch alle diese Worte zweifellos aus dem Lateinischen oder
Griechischen entlehnt. Das läßt sich schon daran erkennen, daß es sich
nur um einzelne Worte ohne wesentliche Ableitungen handelt. Außerdem
stimmt der Lautübergang von p zu f zu dem Gesetz der Verschiebung bei
den beiden anderen Verschlußlauten, da k zu c/i, und t zu p verschoben
wird, und drittens muß es auffallen, daß es sich hier immer nur um lateinisch-
deutsche, höchstens griechisch-deutsche Entsprechungen handelt.
Wir sind also der Annahme, daß etwa idg. p im Deutschen auch zu
/?/ geworden wäre, enthoben.
Und dieser Gesichtspunkt der Entlehnung hilft uns weiter in vielen
andern Fällen. Selbst für die Worte innerhalb des Deutschen kommt er in
Betracht. Wenn wir heute sagen der Rücken, aber der Rucksack, so stimmt
das scheinbar nicht zusammen. Tatsächlich ist der Umlaut des ii vor ck in
einzelnen Dialekten, vor allem im Oberdeutschen unterblieben. Worte also,
die ein u statt eines zu erwartenden ü zeigen, werden meist aus dem Ober-
deutschen stammen. Wir haben jetzt nebeneinander drucken und drücken.
Es ist dasselbe Wort. Das erste ist oberdeutsch, und dieses oberdeutsche
Wort kam als eine Bezeichnung des Buchdruckens in die allgemeine Schrift-
sprache. In § 170 ist dieser Gesichtspunkt ausführlich und mit reichem Bei-
spielmaterial erörtert.
Da im Deutschen sich der Konsanantenstand mehr wie in andern Sprachen
verändert hat, so sind wir in der glücklichen Lage, die Entlehnungen besser
als in andern Sprachen und oft auch zeitlich sehr genau festzustellen. Daraus
lassen sich dann wieder kulturhistorische Schlüsse und andere Folgerungen
bedeutsamer Art ableiten.
Ich hoffe, man wird erkennen, daß die genaue Erforschung der Laut-
lehre der Grund- und Eckstein aller etymologischen Forschung gewesen ist,
ist und bleiben wird, und man wird es auch verstehen, wenn in dem
Betrieb unsrer Wissenschaft die Lautlehre eine so gewichtige Rolle spielt.
Ohne die sichere Grundlage der Lautlehre, die wir heute haben, würde die
Etymologie immer ein bloßes Raten geblieben sein, sie würde sich niemals
zu fester Begründung haben erheben können. Dies wird man am besten
4*
52 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Etymologie.
erkennen, wenn man einmal ein etymologisches Werk aus dem 18. Jahr-
hundert oder selbst aus dem Anfant^ des 19. Jahrhunderts vornimmt. Man
wird hier immer nur ein Raten finden und neben dem Richtigen unendlich
viel Falsches antreffen.
§ 36. Darstellungen der Lautlehre. Ich verzeichne daher hier die gram-
matischen Darstellungen, in denen die Lautlehre behandelt ist.
K. Brugmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen,
Bd. 1 * Lautlehre, 1897. — Derselbe, Kurze vergleichende Grammatik der indogermanischen
Sprachen. 1902. — A. Norekn, Abriß der urgermanischen Lautlehre, 1894 (reiches Material). —
F. Kluge, Vorgeschichte der germanischen Dialekte, in Pauls Grundriß der germanischen
Philologie, 3. Aufl., 1913. — W. Streitberg, Urgermanische Grammatik, 1896. — R.Löwe,
Germanische Sprachwissenschaff, in der Sammlung Göschen, 2. Aufl. — A. Holtzmann,
Altdeutsche Grammatik, 1870. — F. Dieter, Laut- und I-ormenlehre der altgermanischen Dia-
lekte. Erster Halbband: Lautlehre des Urgermanischen, Gotischen, Altnordischen, Alteng-
lischen, Altsächsischen und Althochdeutschen, 1898. — Wilmanns, Deutsche Grammatik.
Erster Band: Lautlehre, 2. Aufl., 1897. — O. Behaghel, Geschichte der deutschen Sprache,
in Pauls Grundriß, 4. Aufl. 1915.
§ 37. Etymologische Wörterbücher des Deutschen. Unter den deutschen
Wörterbüchern erwähne ich an dieser Stelle zunächst die, die sich im wesent-
lichen mit der Etymologie beschäftigen.
Das erste brauchbare etymologische Wörterbuch war Weigands Deutsches
Wörterbuch. Es ist 1909 1910 in fünfter Auflage erschienen, bearbeitet von
K. V. Bahder, H. Hirt und Dr. Kant, herausgegeben von H.Hirt. Das Buch
war seinerzeit eine ausgezeichnete Leistung, und so habe ich gern dazu
beigetragen, durch eine neue Bearbeitung das Werk wieder zugänglich zu
machen. Das Material in diesem Buche ist zum größten Teil aus dem Wei-
gands entnommen, und ich muß zur nähern Begründung der aufgestellten
Etymologien auf dieses Werk verweisen.
O. SCHADES Altdeutsches Wörterbuch, 2. Aufl., 1872—1882, verzeichnet
den Wortschatz der altern Zeit mit Heranziehung der Etymologie. Am An-
fang ist es infolge widriger Umstände etwas dürftig, in den spätem Teilen
aber gibt es reichhaltige Literaturangaben, so daß es für den Forscher un-
entbehrlich ist. Es ist jetzt ein neuer Abdruck erschienen.
Der größten Verbreitung erfreut sich F. Kluges Etymologisches Wörter-
buch der deutschen Sprache, zuerst 1884; jetzt liegt die 8. Auflage vor. Das
Werk war seinerzeit eine praktische Verarbeitung der bei Weigand und
Schade niedergelegten Ergebnisse, wobei der Verfasser in der neuern sprach-
wissenschaftlichen Entwicklung stehend das Falsche leicht beseitigen konnte.
Heute steht es trotz mancher Vorzüge nicht mehr ganz auf der Höhe. Es
fehlen vor allem viele anerkannte Etymologieen, und manche Irrtümer
schleppen sich von Auflage zu Auflage fort. In den neuern Auflagen hat
der Verfasser auch viele neu aufgekommene Wörter aufgenommen. Aber
die Angaben über ihr erstes Auftreten sind oft genug unzureichend. Zudem
ist die Auswahl der aufgenommenen Wörter ganz willkürlich, und es ist so
eine Zwiespältigkeit in das Werk gekommen. Daß die wissenschaftliche
§ 37—39. Etymologische Wörterbücher. 53
Literatur nicht angeführt ist, und daß wir überhaupt kein Werk besitzen,
in dem diese verzeichnet ist, wird sich jedem, der auf diesem Gebiet arbeitet,
als fühlbarer Mangel erweisen. Nur einen gewissen Erzatz bieten die An-
gaben im Weigand und in der deutschen Bearbeitung von Talk-Torp, s.§ 38, 2.
Die sonstigen Werke können schon wegen ihres geringen Umfangs
auf höhere Bedeutung keinen Anspruch machen. Zu nennen sind noch:
Tetzner, Deutsches Wörterbuch; Reclam; ganz brauchbar. — R. Loewe,
Deutsches Wörterbuch; in der Sammlung Göschen, 1910. Selbständig und
ganz brauchbar. — P. J. Fuchs, Deutsches Wörterbuch auf etymologischer
Grundlage mit Berücksichtigung wichtigerer Mundart- und Fremdwörter
sowie vieler Eigennamen, Stuttgart 1897. Nach Behaghel, Literaturblatt für
germ. und rom. Phil. 1898, 56 f., ist der Verfasser kein eigentlicher Fach-
mann, gibt aber eine besonnene Auswahl des von andern Gefundenen, und
das Werk sei daher im allgemeinen zu empfehlen. Vor andern Werken ist
geradezu zu warnen.
§ 38. Etymologische Wörterbücher der übrigen germanischen Sprachen. Mit
Vorteil wird man auch oft bei etymologischen Studien die Werke heran-
ziehen, die die übrigen germanischen Sprachen behandeln. Ich gebe hier
eine Liste des Wichtigsten. _i
1. Gotisch: S. Feist, Grundriß der gotischen Etymologie, 1888. Heute völlig überholt
durch C. C. Uhlenbeck, Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch der gotischen Sprache,
2. Aufl., Amsterdam 1900. S. Ffist, Etymologisches Wörterbuch der gotischen Sprache mit
Einschluß des sogenannten Krimgotischen. Halle 1909 f. Es ist ein größeres Werk, das aber
leider den Anforderungen, die man an ein so umfangreiches Werk stellen muß, nicht
entspricht.
2. Skandinavisch: Hjalmar Falk und Alf Torp, Etymologisk Ordbok over det norske
og det danske Sprog, Kristiania 1903. Gut; auch in deutscher Bearbeitung erschienen, Heidel-
berg 1907, mit reichhahigen Literaturangaben im Anhang. Daher auch für die deutsche Ety-
mologie von Wichtigkeit. — E. Jessen, Etymologisches Wörterbuch der dänischen Sprache,
1892. — Tamm, Etymologisk Svensk ordbog, Stockholm; unvollendet.
3. Niederländisch : Frank, Etymologisch woordenboek der nederlandsche taal, s'Graven-
hage 1892. Nach Kluge gearbeitet, aber mit vielen selbständigen Artikeln und Ergänzungen.
Eine neue wesentlich verbesserte Auflage besorgte N. van Wijk. 1910.
4. Englisch : Kluge-Lutz, Engiish Etymology, 1898. — W. W. Skeat, An etymological
dictionary of the Engiish language, arranged on an historical basis, 3. Ausg., Oxford 1898.
Skeat, Concise Etymological Dictionary of the Engiish language.
5. Gesamtgermanisch: Falk und Torp, Wortschatz der germanischen Spracheinheit,
Göttingen 1909; auch unter dem Titel: FiCK, Vergleichendes Wörterbuch der indogerma-
nischen Sprachen, 4. Aufl., Bd. 3.
§ 39. Etymologische Wörterbücher der indogermanischen Sprachen. Auch
diese wird man nicht selten benützen müssen.
1. Altindisch: C. C. Uhlenbeck, Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch der alt-
indischen Sprache, Amsterdam 1898.
2. Iranisch: Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch, 1904. Ein unentbehrliches
Werk für den, der das Iranische heranziehen will.
3. Neupersisch: H. Hörn, Grundriß der neupersischen Etymologie, 1893. Als Ergänzung
dazu H. Hübschmann, Persische Studien, 1895.
54 Erstes Kapitel. Geschichte und Grundsätze der Ety-mologie.
4. Ossetisch: H.l Ii'HSCiiMANN, Ktymolojjic und Lautlclirc der ossetischen Sprache, 1887.
5. Armenisch: H. Hühschmann, Armenische Studien I. ürundzüye der armenischen
Etymologie, 1883. — Derselbe, Armenische Grammatik, I. Armenische Etymologie, 1897.
6. Albanesisch : ü. Mkylr, Etymologisches Wörterbuch der albanesischen Sprache, 1891.
7. Slawisch: A\iklosisch, Etymologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen, 1886;
vergriffen und zum Teil veraltet. Es wird ersetzt durcii ein im Erscheinen begriffenes Werk
von E. Bernkker, Slavisches etymologisches Wörtcrl)uch, in der Indogermanischen Biblio-
thek, herausgegeben von Hirt und Streitberg, Heidelberg 1908.
8. Litauisch fohh. Im Litauischen sind sehr viel Fremdwörter aus dem Slawischen.
Sie sind von A. Brückner, Die slavischen Fremdwörter im Litauisclien, Weimar 1887,
untersucht. Einen kleinen Ersatz für diesen Teil des idg. Sprachgebietes bietet E. Berneker,
Die preußische Sprache, Straßburg 1896 und R. Traut.mann, Die altpreußischen Sprachdenk-
mäler, Göttingen 1910, in der die allpreußischen Wörter etymologisch behandelt sind.
9. Keltisch: W. Stokes, Urkeltischer Sprachschatz. Vergleichendes Wörterbuch der
indogermanischen Sprachen von August Fick. 4. Aufl., 2. Teil, Göttingen 1894.
10. Lateinisch: die altern Wörterbücher sind überholt durch A. Walde, Etymologisches
Wörterbuch der lateinischen Sprache, Heidelberg 1905. 2. verb. Aufl. 1910. Ein sehr zuverläs-
siges Werk mit reichen, nahezu vollständigen Literaturangaben. Da das Lateinische sehr
viele Worte mit dem Germanischen gemein hat, so ist dies Werk auch für das Deutsche
sehr nützlich. Ein vollständiger neuhochdeutscher Index ermöglicht das leichte Auffinden
der deutschen Wörter.
11. Romanisch: da wir sehr viele Fremdwörter aus dem Romanischen entlehnt haben,
so wird die Benutzung der romanischen Sprachen oft zur Notwendigkeit. Als etymologische
Werke sind zu nennen: G. Körting, Lateinisch-romanisches Wörterbuch (Etymologisches
Wörterbuch der romanischen Hauptsprachen), 3. Aufl., 1907, mit reichen Literaturangaben. —
Körting, Etymologisches Wörterbuch der französischen Spraclie, Paderborn 1908. — Hatz-
feld-Darmesteter-Thomas, Dictionnaire gcneral de la langue fran9aise, Paris, o. J. ; sehr gut. —
Meyer-Lübke, Romanisches etymologisches Wörterbuch. Heidelberg 1900. Im Erscheinen.
Ersetzt Körting.
12. Griechisch: G. Curtius, Grundzüge der griechischen Etymologie, 5. Aufl., 1879.
Ein seinerzeit vortreffliches Werk, das naturgemäß heute mit Vorsicht benutzt werden muß.
Wegen der reichhaltigen Litcraturangaben aber noch unentbehrlich. — W. Prellwitz, Ety-
mologisches Wörterbuch der griechischen Sprache, 2. Aufl., 1905. — L. Meyer, Handbuch der
griechischen Etymologie, 4 Bände, 1901. Wenn dies Werk vor dreißig Jahren erschienen
wäre, würde es seinerzeit sehr verdienstlich gewesen sein. So stellt es nur den Stand der
Dinge zu dieser Zeit dar. — E. Bois.^CQ, Dictionnaire etymologique de la langue Grecque,
1907; im Erscheinen, aber nahezu vollendet.
13. Indogermanisch: Aug. Fick hat den Versuch gemacht, ein .Vergleichendes Wörter-
buch der indogermanischen Sprachen" zu schreiben. Von der 4. Auflage, bearbeitet von
A. Bezzenberger, Aug. Fick, Whitley Stokes, Falk und Torp sind Teil 1, 2 und 3 er-
schienen, 1890 ff. Der erste Teil behandelt den Wortschatz der Grundsprache, der arischen
und westeuropäischen Spracheinheit und stammt von A. Fick. Doch ist dieser Teil mit
Vorsicht zu benutzen. Teil 2 siehe unter 9, Teil 3 siehe § 38, 5. Das Werk ist damit ab-
geschlossen.
§ 40. Etymologische Zusammenhänge innerhalb des Deutschen. Die Aufgabe,
die wahre Herkunft der Wörter zu enthüllen, wird indessen nicht dadurch
gelöst, daß man ein Wort in irgendeiner andern Sprache nachweist, viel
wichtiger ist schließlich der große Zusammenhang, in dem die Wörter inner-
halb unsrer eigenen Sprache stehen, wie R. Hildebr.a.nd in der Vorrede zum
fünften Band des Grimmschen Wörterbuches S. X so treffend bemerkt hat.
§ 40. Etymologische Zusammenhänge innerhalb des Deutschen. 55
Allerdings mußte man sich diesen Zusammenhang meistens erst mühsam
zusammensuchen, und es ist daher von Bedeutung, daß wir dieser Mühe
heute in etwas überhoben sind. Wir verdanken das Bruno Liebich mit
seinem Werke 'Die Wortfamilien der lebenden hochdeutschen Sprache als
Grundlage für ein System der Bedeutungslehre', nach Heynes deutschem
Wörterbuch bearbeitet, Breslau 1899, 2. Aufl. 1905. — Wenn man das Werk
aufschlägt, so sieht es sehr sonderbar aus, da nur einfach eine Anzahl von
Worten zusammengestellt sind. Aber es sind eben solche, die etymologisch
zusammenhängen. Man findet hier die Ableitungen und die Zusammen-
setzungen beieinander und außerdem die Worte, die, lautlich oft einander
ganz unähnlich, doch zusammengehören. Es ist demnach hier ein Teil
dessen erfüllt, was Hildebrand gefordert hat. Das Werk ist von der wissen-
schaftlichen Kritik mit Unrecht zum Teil ungünstig aufgenommen worden,
hat aber in Lehrerkreisen mit Recht Beifall gefunden, wie die zweite Auf-
lage beweist. Vgl. auch J. Schneider, Wortfamilien der deutschen Sprache,
Paderborn 1900 und G. Stucke, Deutsche Wortsippen. Ein Blick in den Ver-
wandtschaftszusammenhang des deutschen Wortschatzes, Ansbach 0. J. [1912].
Ich gebe wenigstens ein paar Beispiele aus dieser Art der Betrachtung. Man sieht
z. B. bei Liebich mit einem Blick, wie sich die alte indogermanische Wurzel '^'bher, ai. bharati
,er trägt', l.fero, gr. (pego} (Jero) usw. im Germanischen verzweigt hat. Wir finden also Eimer
mit den Zusammensetzungen Aschen-, Blech-, Brunnen-, Feuer-, Holz-, Kühl-, Kupfer-, Löth-,
Melk-, Milch-, Pumpen-, Scliöpf-, Wassereimer. Hieran lassen sich z. B. die verschiedenen
Bedeutungen der Zusammensetzungen leicht entwickeln. Zuber; Radeber, Radeberge, Rad-
wer; Bärme: Bahre, Mist-, Toten-, Tragbahre; bahren, aufbahren; bärtig, eben-, edel-,
halb-, ritterbärtig, Ebenbürtigkeit; Bürde, Leibesbärde; bürden, entbürden, überbürden.
Überbürdung, aufbürden; gebären, Geburt, Wieder-, Erst-, Früh-, Fehl-, Spottgeburt, ge-
bürtig; edel-, hodiedel-, erst-, fremd-, hoch-, neu-, wohl-, hochwohlgeboren; ein-, erd-, staub-,
angeboren; mißgebären, Mißgeburt; nachgebären, Nadigeburt, nadigeboren; urbar; gebaren,
Gebarung; gebären, Gebärde, Geberde, ungebärdig, gebärden.
Eine andere weitverbreitete Sippe ist essen. Ich führe hier nur die einfachen Worte
an: essen, essend, das Essen, Esser, eßbar; Obst; Aaß; Zahn, zahnig, zähnig, zahnen,
Zähnen, Zander; Zinne; fressen, Fresser, Fraß, gefräßig; Aas, aasig, aasen, äsen, atzen,
ätzen usw.
Die verbreitetste germanische Wurzel ist wohl stehen, ai. tiHhämi ,ich stehe', gr. ör?;-
{stte) lat. stäre. Liebich verzeichnet 460 Worte, die dazu gthöTtn: stehen, stehend, -steher, ent-
stehen, gestehen, verstehen, Stehauf, First, stät, stet, Staden, Gestade, Statt, Stätte, Stadt,
gestatten, Stand, Stendel, Ständchen, ständig, ständiscch. Stunde, stunden, Star, starr, stier,
störrig, Stute, Stuhl usw. Wahrscheinlich ist die Sippe noch viel umfangreicher, da noch
eine ganze Reihe anderer Wortsippen dazu gestellt werden müssen.
Natürlich muß man bei vielen Wörtern, um den Zusammenhang zu
verstehen, die etymologischen Wörterbücher nachschlagen, aber es ist uns
gerade durch Liebichs Wortfamilien die leichte Möglichkeit gegeben, dies
zu tun, und daher ist das Werk für praktische Zwecke sehr nützlich. Wer
sich irgendeine größere Sippe hernimmt und den einzelnen Gliedern sorg-
fältig nachgeht, wird durch die neue Erkenntnis und das tiefere Eindringen
in den Bau der Sprache reiche Anregung erhalten, die auf seine Tätigkeit
zurückwirken wird.
56 Zweites Kapitel. Die Sammlung des V
§ 41. Bedeutungslehre. Schließlich ist dann bei der Aufsuchuns:^ von
EtymoloiTien die Bedeutunj^ zu beachten. Es gibt auch bei der Bedeutung
Veränderungen, die zu Ergebnissen führen, welche scheinbar kaum zu vereinen
sind. Hat man aber die Mittelstufen zur Verfügung, so erscheint das, was
so weit voneinander steht, durch eine Reihe deutlich erkennbarer Übergänge
verbunden. Wir behandeln die Bedeutungslehre im letzten Teil. Jedenfalls
ist von einer guten etymologischen Erklärung zu fordern, daß sie auch die
Bedeutungsverschiedenheiten zufriedenstellend aufhellt.
Alles in allem hat die etymologische Forschung im 19. Jahrhundert zu
außerordentlich wertvollen, vollständig fest begründeten Ergebnissen geführt.
Wenn man die Fülle des Geleisteten übersieht, wenn man es vergleicht mit
dem, was noch vor hundert Jahren geäußert wurde, so wird man mit der
frohen Hoffnung erfüllt, daß auch die Folgezeit noch manchen dunkeln
Punkt aufklären wird und daß wir immer tiefer in den Wunderbau der
Sprache und in das Leben der Wörter eindringen werden.
Zweites Kapitel.
Die Sammlung des Wortschatzes.
§ 42. Allgemeines. Wollen wir wissen, woher ein Wort stammt, so
müssen wir es zunächst geschichtlich soweit verfolgen, als dies möglich ist.
Dazu dienen die Wörterbücher, die den in frühern Zeiten gebrauchten
Wortschatz verzeichnen. Es gibt hier drei Arten, solche, die den Wortschatz
der altern Zeit aus den überlieferten Literaturdenkmälern sammeln und ver-
arbeiten, andere, die sich die Aufgabe gestellt haben, den Wortschatz ihrer
Zeit teilweise oder vollständig zu verzeichnen, und drittens Werke, die beides
vereinigen. Werke der zweiten Art, die wir seit dem 16. Jahrhundert be-
sitzen, werden, sobald sie erschienen sind, geschichtliche Urkunden, die den
großen Wert haben, uns über den Wortschatz ihrer Zeit zu unterrichten.
Je vollständiger derartige Werke sind, um so größere Bedeutung haben sie
als geschichtliche Zeugnisse. So ist das Wörterbuch von J. H. Campe aus
dem Anfange des 19. Jahrhunderts heute deshalb so beachtenswert, weil es
bestrebt ist, den W^ortschatz möglichst vollständig aufzuzeichnen. Für die
Frage, welche Worte im 19. Jahrhundert neugebildet sind, ist also dieses
Werk geradezu unentbehrlich, wenn es auch sonst in der Geschichte der
wissenschaftlichen Lexikographie nicht gerade hochsteht.
Wer sich mit Wortforschung befaßt, muß natürlich alle Werke dieser
verschiedenen Arten kennen, und so folgt hier eine Übersicht, die uns zu-
gleich einen Einblick in die Geschichte der Wortforschung bietet.
§ 43. Der Wortschatz bis zur Reformation. Da die Kirchensprache in West-
europa anfänglich Lateinisch war, so mußten die deutschen Geistlichen
§ 43. Der Wortschatz bis zur Reformation. 57
Lateinisch lernen, sie mußten die Bibel und andere kirchliche Texte über-
setzen können. Um dies zu erreichen, legte man lateinisch-deutsche Voka-
bularien oder Glossensammlungen an. Man begann im 8. Jahrhundert mit
dieser Arbeit und setzte sie durch die Jahrhunderte hindurch fort. Einige
dieser Glossen sind alphabetisch, andere sachlich geordnet nach gewissen
Gesichtspunkten der Bedeutung, wieder andere folgen den Wörtern eines
Textes. Das reiche Material in diesen Glossen, die von E. Steinmeyer
und E. Sievers unter dem Titel ,Die althochdeutschen Glossen', Bd. 1 — 4,
Berlin 1879 ff., herausgegeben sind, kann noch nicht völlig ausgenützt werden,
weil eine lexikalische Verarbeitung, ja selbst ein Index, fehlt.
Außerdem besitzen wir aus der althochdeutschen Zeit zahlreiche Literatur-
denkmäler, deren Wortschatz mitsamt dem der damals bekannten Glossen
von E. G. Graff in seinem Althochdeutschen Sprachschatz oder Wörterbuch
der althochdeutschen Sprache, Berlin 1834 — 1842, nebst Index dazu von
Massmann, ebenda 1846, verarbeitet ist. Dieses für seine Zeit außerordentlich
bedeutende Werk ist noch heute unentbehrlich, da es durch nichts anderes
ersetzt worden ist. Es sind aber seit Graffs Zeit viele neue Texte gefunden
worden, deren Wortschatz natürlich in diesem Werke nicht verzeichnet ist,
so daß man aus dem Fehlen eines Wortes bei Graff nicht immer sicher auf
das Fehlen des Wortes überhaupt schließen kann. Manche vereinzelt da-
stehende sonderbare Form beruht auch auf falscher Lesung, und es ist da-
her immer nötig, in solchem Fall die Formen an der maßgebenden Stelle,
den neuen Ausgaben, nachzuschlagen.
Außerdem gibt es eine Reihe von SpezialWörterbüchern zu einzelnen Schriftstellern,
nämlich: K. Weinhold, Glossar zu Isidor in seiner Ausgabe, Paderborn 1874, ersetzt durch
das Glossar in der Ausgabe von Hexch, Der althochdeutsche Isidor, Straßburg 1893. Der-
selbe gab auch die Monsee-Fragmente mit einem Glossar heraus. Straßburg 1891. — E.
Sievers, Glossar zu Tatian in seiner Ausgabe, 2. Auflage, 1892. — J. Kelle, Glossar zu
Otfrids Evangelienbuch; der Ausgabe des Evangelienbuches dritter Band, Regensburg
1879—1881. — R. Heixzel. Wortschatz und Sprachformen der Wiener Notkerhandschrift;
I. Wortschatz. Sitz.Ber. der Wiener Akad. 80. 1875, S. 679—744.
Auf altniederdeutschem Gebiet haben wir auch eine Reihe von
Glossaren, außerdem das umfängliche Literaturdenkmal des Heilands. Ein
volLständiges Wörterbuch dazu bietet Schmeller, Glossarium saxonicum,
München 1840, und die Heliandausgabe von M. Heyne, während die Aus-
gabe von Behaghel ein Glossar enthält. Die kleinen Texte sind jetzt heraus-
gegeben und mit Glossar versehen von E. Wadstein, Kleinere altsächsische
Sprachdenkmäler mit Anmerkungen und Glossar; auch unter dem Titel: Nieder-
deutsche Denkmäler, herausgegeben vom Verein für niederdeutsche Sprach-
forschung, Band VI, Norden und Leipzig 1899. Dazu kommt noch J. H. Gallee,
Vorstudien zu einem altniederdeutschen Wörterbuche, Leiden, Brill 1908.
In der mittelhochdeutschen Zeit sind irgend welche wissenschaft-
liche Bestrebungen auch noch nicht zu verzeichnen. Der Wortschatz ist in
der neuern Zeit gesammelt worden von W. Müller und Fr. Zarncke in
58 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes.
dem Mittcllioclidciitschcn Wörterbuch, 4 Bände, Leipzi,!:^ 1854. Doch berück-
sichtigt dieses Werk im wesentlichen nur die poetische Literatur. Außer-
dem ist die Anordnunin nicht rein alpiiabetisch, sondern sie folgt etymo-
logischen Rücksichten, indem sie die zusammengehörigen Worte an einer
Stelle bespricht, was zwar für die Sprachgeschichte von Vorteil ist, der
Benutzung aber einige Schwierigkeiten bietet. Als Ergänzung dazu dient
M. Lexkr, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 3 Bände, 1869 — 1878, ein
Werk, in dem die Prosa mehr zu ihrem Recht kommt und die Belege bis
in das 15. Jahrhundert reichen. Beide Werke sind indessen natürlich auch
nicht vollständig, da neue Texte immer auch neue Worte ergeben. Immer-
hin aber liegen hier ausgezeichnete Leistungen vor, die nur einiger Er-
gänzung bedürfen. Eine weitere Ergänzung bietet Ffmnz Jellinek, Mittel-
hochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens
und der mährischen Städte Brunn, Iglau und Olmütz (13. — 16. Jahrb.),
Heidelberg 1911. — Ein kleines Werk ist M. Lexer, Mittelhochdeutsches
Taschenwörterbuch, das in immer neuen Auflagen erscheint.
Anmerkung. Außerdem sind eine ganze Anzahl mittelhochdeutscher Texte mit In-
dizes, Glossar oder vollständigem Lexikon herausgegeben.
Der Wortschatz des Mittelniederdeutschen ist in dem großen mittel-
niederdeutschen Wörterbuch von Schiller und Lübben, Bremen 1875 — 1881,
gesammelt worden. Das Werk ist vergriffen. Einen Ersatz bietet vorläufig
das mittelniederdeutsche Handwörterbuch von August Lübben, Norden und
Leipzig 1888 (ohne Belege, aber sonst reichhaltig und zuverlässig).
§ 44. Wörterbücher der neuern Zeit. Der Gedanke, wirkliche Wörterbücher
zu schaffen, ist erst in der Renaissance entsprungen. Man braucht nur an
die großen Thesauri für die lateinische und griechische Sprache zu denken,
die zu Beginn der neuen Zeit geschaffen sind. Zum Verständnis des Grie-
chischen und Lateinischen schuf man wirkliche Wörterbücher, in denen das
Lateinische durch die Landessprache erklärt wurde. Dann drehte man die
Sache um und schuf auch deutsch-lateinische Werke, zunächst zu rein prak-
tischer Verwendung, dann aber auch in immer größerer Vertiefung zu wirk-
lich wissenschaftlichen Zwecken. Von Jahrhundert zu Jahrhundert hat diese
Tätigkeit zugenommen, weil auch die Erkenntnis zunahm, daß in unserm
Wortschatz ein Teil unsrer Eigenart liegt. Ein gewaltiges Stück deutscher
Gelehrsamkeit und deutschen Fleißes spiegelt sich in diesen Leistungen.
Die Ausarbeitung eines Wörterbuches gehört zu den entsagungsreichsten
Tätigkeiten, die es gibt, und Kaspar Stieler, der Spate, hat in seinem Sprach-
schatz 1691 emen lateinischen Spruch Scaligers ,zur Lust also verteutschet':
Wen strengen Richters Spruch zur langen Qual verteilt,
sein Leben kümmerlich mit Ach und Weh zu rädern:
dem darf kein Zuchthaus nicht der Kräfte Mark entädern;
nicht Schürfen, Steinschnitt nicht, und, wenn er Eisen feilt.
Man laß' ein Wörterbuch nur den Verdammten schreiben.
Dies' Angst wird wohl der Kern von allen Martern bleiben.
§ 44. WÖRTERBÜCHER DER NEUERN ZEIT. 59
Wer diesen Teil der Geschichte der germanischen Philologie genauer
übersehen will, der sei auf K. von Raumer, Geschichte der germanischen
Philologie, vorzugsweise in Deutschland, 1870, verwiesen und auf H.Pauls
Darstellung desselben Gebietes in seinem Grundriß der germanischen Philo-
logie, 2. Auflage, Band 1.
Zunächst setzte man in den spätem Jahrhunderten die Tätigkeit fort,
die mit der Anlegung der Glossare der althochdeutschen Zeit begonnen hat.
Wir besitzen aus dem 14. und 15. Jahrhundert eine große Anzahl von
Glossaren, zuerst lateinisch-deutsch, dann aber auch deutsch-lateinisch.
Was wir auf diesem Gebiete wissen, verdanken wir im wesentlichen der
unermüdlichen Tätigkeit von Lorenz Diefenbach. Er gab zuerst heraus ein
Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, 1857, dann das
Novum glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, 1867, in
denen die Quellen verzeichnet sind. Da aber in diesen beiden Werken das
lateinische Wort voranstand, so bedurfte es langwieriger Arbeit, es aus-
zunutzen. Dem ist abgeholfen durch das 'Hoch- und niederdeutsche Wörter-
buch der mittleren und neueren Zeit. Zur Ergänzung der vorhandenen
Wörterbücher, insbesondere des der Brüder Grimm von Lorenz Diefenbach
und Ernst Wülcker, 1885'. In diesem Werk ist ein überaus reichhaltiger
Stoff zur Altersbestimmung deutscher Wörter geboten.
Das erste Werk, in dem das Deutsche vorangestellt wurde, ist der
Teiithonista des Gerhard van der Schueren, Köln 1477. Es behandelt die
Mundart von Kleve. Da das Werk nur in wenigen Exemplaren vorhanden
ist, so war die neue Ausgabe, Leiden 1804, sehr verdienstlich. Aber sie gab
nur den niederländisch-deutschen Teil. Erst jetzt ist das ganze Werk bequem
auszuschöpfen, nachdem auch der Inhalt des lateinisch-niederdeutschen Teils
in den andern hineingearbeitet ist in dem Werke: G. van der Schuerens
Teuthonista of Duytschlender. In eine nieuwe bewerking vanwege de Maat-
schappij der Nederlandsche Letterkunde uitgegeven door J. Verdam, Leiden
1896. Immerhin bleibt dies Werk noch ein Lexikon gewöhnlicher Art. In
gleicher Weise haben wir auf deutschem Boden das Werk von Dasypodius,
Dictionarium germanico-latinum, das dem Dictionarium latino-germanicum,
Straßburg 1535 u. ö., angehängt war. Ein deutsch-lateinisches Wörterbuch
schuf dann JosuaMaaler unter dem Titel ,Die Teutsch Sprach', Zürich 1561,
mit einer Vorrede von C. Gesner. Das Werk beruht auf dem Dictionarium latino-
germanicum von JoH. Frisius, Zürich 1541, zweite erweiterte Auflage 1556 u.ö.,
das eine Bearbeitung des lateinisch-französischen Wörterbuchs von Robert
Stephanus war; dadurch ist eine große Reichhaltigkeit des Wortschatzes
erzielt. Es folgt dann das Etymologiciim (ursprünglich Dictionarium) Teu-
tonicae linguae des Kilianus Duflaeas (Kiel aus Düffel in Brabant), Ant-
werpen 1574, dritte Ausgabe 1599. „Es verzeichnet", sagt Paul, „den Sprach-
schatz des Brabantischen mit Berücksichtigung schon veralteter Wörter, er-
streckt sich aber auch über die übrigen niederfränkischen Mundarten, und
50 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes.
schließt auch das Sächsische und selbst das Oberdeutsche nicht ganz aus.
Mit der praktischen Tendenz vereinii^t sich hier ein wissenschaftliches Streben,
indem in der dritten Ausijabe vielfach Etymoloj^ien bcij^efüs^t sind, die der
Verfasser mit Sori^falt iiiul nicht ohne eine i^ewisse Kritik aus verschiedenen
Autoren zusammeuLictra.i^cn hat." Diese Vorzüj^je haben es bewirkt, daß
das Werk 1623 und 1632 von Potter und 1777 noch einmal von Hasselt
herausgegeben worden ist.
Das erste eigentlich deutsche Wörterbuch ist ein Reimwörterbuch von
Erasmus Alberus unter dem Titel Novum dictionarii genus, Frankfurt 1540.
Ein wirklich wissenschaftliches deutsches Wörterbuch erschien erst im
17. Jahrhundert. Georg Henisch ließ, Augsburg 1616, ein großes Werk er-
scheinen ,Tcutsche Sprach und Weißheit', das zwar noch das Lateinische
hinzufügt, aber das Deutsche ganz selbständig behandeU. Leider ist nur
ein Band vollendet worden, der bis G reicht.
JusTUS Georg Schottelius veröffentlichte 1663 seine Aus führ/ ic/ie Arbeit
von der Teutsdien Haiibt Sprache, von der namentlich der sechste Teil
,Die Stammwörter der Teutschen Sprache' wichtig ist, weil er ein Wörter-
buch bietet. Weiteres Material findet sich auch sonst in dem Werke. So sind
die Ableitungen und Zusammensetzungen im zweiten Buch verzeichnet. —
1686 erschien Georg Liebes Teutsches Wörterbüchlein; 1691 Kaspar Stieler,
Der deutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs. Hier ist der Sprach-
schatz nach Wurzeln und Stämmen geordnet, und das Werk ist daher nicht
immer leicht zu benutzen, aber außerordentlich reichhaltig. Der Verfasser
nennt sich den Spaten. Am Schluß befindet sich ein alphabetischer Index,
der indes in manchen Exemplaren fehlt. In spätere Zeit fällt des Schlesiers
Christoph Ernst Steinbach, Deutsches Wörterbuch 1725 und Vollständiges
deutsches Wörterbuch 1734.
Sehr umfassende Sammlungen zu einem deutschen Wörterbuch unter-
nahm JoH. Leonh. Frisch. Da er aber diese nicht völlig aufarbeiten konnte,
veröffentlichte er 1741 in kürzerer Fassung sein Teutsch-lateinisches Wörter-
buch. „Es ist ein wirklich historisches Wörterbuch", sagt Paul, „in dem bis
in das 15. Jahrhundert zurückgegriffen wird, ungemein reichhaltig, mit Be-
legen für die nicht mehr allgemein üblichen Wörter und Gebrauchsweisen
und mit vorsichtigen Etymologien."
Etwas früher erschien das deutsche Kayserliche Schul- und Kanzelei-
Wörterbuch von von Antesperg, Wien 1738, das mir nicht zugänglich ist.
Neben diesen wissenschaftlichen Werken, die nicht allzu zahlreich auf-
treten, sind aber für den Zweck, das erste Erscheinen eines Wortes zu be-
stimmen, auch die gewöhnlichen seit dem 16. Jahrhundert auftretenden
Wörterbücher von hoher Bedeutung, also die deutsch-lateinischen, deutsch-
französischen Werke usw., weil hier oft ein sehr reicher Stoff aufgespeichert
ist. Wenn auch die erste Aufnahme in den Wörterbüchern dem wirklichen
Aufkommen eines Wortes wesentlich nachhinkt, so zeugt doch die Auf-
§ 45. Adelung. ßl
nähme für eine gewisse allgemeine Verbreitung. Diese Wörterbücher haben
bei den neuern Lexikographen mehr und mehr Beachtung gefunden. Es
kommt bei ihnen natürlich sehr darauf an, aus welcher Gegend die Ver-
fasser stammen. Der Süddeutsche verzeichnet manchmal andere Wörter als
der Mitteldeutsche oder kennt Worte nicht, die bei diesem auftauchen.
Leider sind diese Werke, da sie sonst weiter keine Bedeutung haben,
vielfach vernichtet und schwer aufzutreiben. Manche kommen ja noch vor,
viele befinden sich auf Bibliotheken. Da ein Verzeichnis derartiger Werke
fehlt, so gebe ich hier die, die mir bekannt geworden sind.
Aler Paul, Dictionarium germanico-latinum, Köln 1727. — Castelli, Italiänisch-teutsch
und teutsch-ital. Wb., Leipzig 1700/1709. — Dentzler Joh. Jak., Clavis germanico-latina,
1709/1713. — Dhuez Nathanael, Dictionaire Frangois-Alleman-Latin et AUeman-Franfois-
Latin. Revue, corrigee en cette edition, Leiden 1642. — DuEZ N., Dictionarium Gallico-Ger-
manico-Latinum und Dictionarium Germanico-Gallico-Latinum. 3. Ausgabe. Amsterdam
Elzevier 1664. Sehr reichhaltiger Wortschatz. — von Erberg Matthias, Das große Universal-
und vollkommene dictionarium, Nürnberg, Martin Endters 1710. — Haas Johann Gottfried,
Neues Teutsches und Französisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig 1786 und 1788; Vollstän-
diges deutsch-lateinisches Handwörterbuch, Zwickau 1801 (1811). —Hederich Benj., Teutsch-
Lateinisches Lexikon, Leipzig 1729, 1736. — HULSIUS L., Dictionarium Teutsch-Italiänisch und
Italiänisch-Teutsch, Frankfurt a. M. 1605. — Kirsch, Abundantissimum cornu copiae linguae
latinae et germanicae selectum, Noribergae 1718, 1723. — Kramer Matthias, Das neue
Dictionarium oder Wort-Buch in Teutsch-Italiänischer Sprach, Nürnberg 1678. — Kramer
Matthias. Königliches Nider-Hoch-Teutsch und Hoch-Nieder-Teutsches Wörterbuch, Nürn-
berg 1719. — Kramer M., Neues Deutsch-Holländisches Wörterbuch, 4. Auflage durch A.
A. von Moerbeck, Leipzig 1787. — [Ludwig], Teutsch-Englisches Lexicon, Leipzig 1716. —
Neues Teutsch-Frantzösisch-Lateinisches Dictionarium oder Wortbuch, Genf, in Verlegung
Wiederholds 1669. — Neues Dictionarium oder Wörter-Buch Für einen Reisenden. Teutsch-
Frantzösisch- und Lateinisch, Genf 1683. Eine neue mit erst aufgekommenen Wörtern ver-
mehrte Auflage erschien ebd. 1695. — Nieremberger Benedict Friedrich, Deutsch-lateinisches
Wörterbuch, Regensburg 1753. — Nouveau dictionnaire AUemand-Frangois, Straßburg 1762.
— Pomey (Pomai) Franciscus, Das Große Königliche Wörterbuch I Teutsch-Frantzösisch-
Lateinisch, Frankfurt a. M. 1690. Auch 1709. — Rädlein J., Europäischer Sprachschatz, Leip-
zig 1711. — RoNDEAU, Neues Teutsch-Frantzösisches Wörterbuch. Verbesserte Auflage.
Leipzig 1765. — Stoer J., Dictionarium Germanico-Gallico-Latinum, Genevae 1662. —
Weber Johann Adam, Teutsch-Lateinisches Universal- Wörter-Buch, Chemnitz 1734. 3. Aus-
gabe, Dresden 1770. — Weismann, Erycus, Lexicon bipartitum, latino-germanicum et ger-
manico-latinum, Stuttgardiae 1715. — Wilhelmi Joh., Gerlacus, Lexicon Germanico-Latinum,
Frankfurt a. M. 1706.
§ 45. Adelung. Wenn man die Wörterbücher bis zur Mitte des 18. Jahr-
hunderts übersieht, so läßt sich ein stetiger Fortschritt nicht verkennen. Von
dem bloßen Aufzeichnen wichtiger Wörter gelangt man zu immer größrer
Vollständigkeit. Damit verbunden erscheint aber auch ein Sinn für Etymo-
logie, der sich vor allem durch Heranziehung der altern Sprachstufen und
der verwandten germanischen Sprachen offenbart. Dieser Fortschritt voll-
zog sich nicht allein in Deutschland, sondern auch in den andern Ländern
germanischer Zunge. Man beeinflußte sich gegenseitig. Dies zu verfolgen
ist hier nicht der Ort. Zweifellos hängt das Vorwärtskommen auch mit der
ganzen geistigen Entwicklung zusammen. Seitdem Thomasius die erste Vor-
62 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes.
lesung in deutscher Sprache iichaltcn hatte, brach sich das Deutsche immer
milchtiger Bahn. Dazu tauchten die altern Urkunden der deutschen Spraciie
aus der Ver.tjangenheit auf. Man erkannte, daß die deutsche Sprache eine
Geschichte habe. Daneben aber entwickelte sich die deutsche Gemein- oder
Schriftsprache, und nun kam es darauf an, zu wissen, was in dieser ge-
bräuchlich und angewendet werden durfte. Die Wörterbücher wollen nun-
mehr belehren und den Weg zur richtigen Ausdrucksweise führen. Es sind
denn auch Mitteldeutsche oder in Mitteldeutschland Lebende, die die neuen
Wörterbücher schaffen.
Im 18. Jahrhundert schwang sich, wie bekannt, Gottsched zum Richter
darüber auf, was richtiges Deutsch war, und es ist nicht wunderbar, daß
er nach seinen grammatischen Arbeiten über die deutsche Sprache in seinem
Alter noch beabsichtigte, ein deutsches Wörterbuch zu schreiben. Er kün-
digte, wie Adelung sagt, wenige Jahre vor seinem Tode ein deutsches
grammatisches Wörterbuch an, welches, wie er am Schlüsse der deshalb
bekannt gemachten Nachricht versicherte, ganz Deutschland zum Wegweiser
dienen sollte, seine Sprache grammatisch, d. i. richtig zu reden und zu schreiben.
Es ist aber nicht mehr als ein Probebogen erschienen. Adelung sagt weiter:
„Dieses Werk war nicht die Frucht einer vieljährigen Sammlung oder Vor-
arbeitung, wie man wohl von einem Manne hätte erwarten können, der
mehrmals von sich zu versichern pflegte, daß er sich über dreißig Jahre
mit der deutschen Sprache beschäftigt habe. Es war ein flüchtiger Einfall,
der eben so flüchtig in das Werk gesetzet und durch die leichtesten Mittel,
die nur möglich waren, ausgeführet wurde." Auf Anregung des Verlegers
sollte nach Gottscheds Tode Johann Christoph Adelung (1732 — 1806) das
Werk fortsetzen. Was vorlag, war aber zu unbedeutend, und so schuf er
ein völlig neues Werk. 1774—1786 erschien sein ,Versuch eines vollstän-
digen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart',
1793—1801 eine zweite Auflage, die sich nicht mehr ,Versuch' nennt.
Beachtenswert ist der Ausdruck , kritisch' auf dem Titel. Er soll andeuten,
daß hier ein Buch erscheint, welches in kritischer Auswahl den deutschen
Sprachstoff vorlegt. Es war die Fortsetzung und der Beschluß der lange
wirkenden Einheitsbestrebungen, und es hat zweifellos nach dieser Richtung
gewirkt. Hat doch selbst Goethe den Adelung besessen, benutzt und seine
Werke danach verbessern lassen.
Über die Grundsätze bei seiner Arbeit hat sich Adelung S. XIII aus-
gesprochen. Besonders habe er es sich angelegen sein lassen, die Kunst-
wörter aus allen Lebensarten, Künsten und Wissenschaften zu sammeln, weil
viele derselben selbst eingeborenen Deutschen unverständlich und fremd
seien. „Zusammengesetzte Wörter sind nur alsdann mit aufgeführt worden,
wenn ihre Bedeutung aus der Zusammensetzung selbst nicht sogleich merklich
wird. Gar zu niedrige und pöbelhafte Wörter darf man hier nicht suchen.
Ist in einem oder dem andern Falle eine Ausnahme gemacht worden, so
§ 45. Adelung. §3
wird ein scharfsinniger Leser sogleich selbst sehen, warum sie nötig gewesen.
Eigentlich ist dieses Wörterbuch nur solchen hochdeutschen Wörtern ge-
widmet, welche noch jetzt gangbar sind. Allein, da verschiedene ältere
Schriften noch täglich gelesen werden, so habe ich auch die in denselben
vorkommenden veralteten oder provinziellen Wörter, Bedeutungen und Wort-
fügungen mitaufgeführt, sollte es auch nur geschehen sein, um den un-
kundigen und ausländischen Leser zu warnen. Dahin gehören die ver-
alteten oder provinziellen Wörter, welche in Lutheri Übersetzung der hei-
ligen Schrift, in Opitzens, Logaus, Flemmings und anderer schlesischen
Dichter Schriften vorkommen." Doch ist mit der Aufnahme solcher Wörter
sparsam verfahren. Auch die ausländischen Wörter sind nur mit Auswahl
aufgenommen.
„Einer der vornehmsten Bedürfnisse", sagt er weiter, „schien mir die
Bemerkung der Würde nicht bloß der Wörter, sondern auch ganzer Redens-
arten zu sein; ein Umstand, dessen Versäumung den Nutzen so vieler
anderen Wörterbücher gar sehr einschränkt. Ich habe zu dem Ende fünf
Klassen angenommen: L die höhere oder erhabene Schreibart; 2. die edle;
3. die Sprechart des gemeinen Lebens und vertraulichen Umganges; 4. die
niedrige und 5. die ganz pöbelhafte." Es ist zu bedauern, daß Adelung
diesen Gesichtspunkt doch nur zu einem bescheidenen Teile durchgeführt
hat, und daß er namentlich die Volkssprache sehr gering schätzte. Wir
wissen heute, daß in ihr ein guter Kern steckt. So sagt er denn auch: „Die
Sprichwörter gehören größtenteils in die niedrige und pöbelhafte Sprache.
Ich habe es daher nicht der Mühe wert gehalten, sie zu sammeln und noch
weiter fortzupflanzen. Wer in ihnen und andern schmutzigen Blümchen
des großen Haufens den Kern der deutschen Sprache sucht, der kann einen
reichen Vorrat davon in Gottscheds Sprachkunst finden."
Sehr richtige Grundsätze hat Adelung über die Anordnung der Be-
deutungen. „Die Bedeutungen, welche in den meisten Wörterbüchern nur
auf gut Glück durcheinander geworfen zu werden pflegen, sind der Sache
gemäß geordnet, das ist, wie sie vermutlich aus- und aufeinander gefolgt
sind." Alles in allem ist Adelungs Wörterbuch ein sehr achtbares Werk,
das noch heute seinen Wert nicht verloren hat. Wichtig ist es für unsere
Zwecke, weil es uns einen Überblick über die Sprache des 18. Jahrhunderts
gibt. Adelung hat aber auch als Normgeber eine außerordentlich hohe Be-
deutung. Die wichtige Frage, wie er auf die Ausbildung des Wortschatzes,
das Zurückdrängen gewisser Worte oder die Einführung neuer gewirkt hat,
ist noch nicht genügend untersucht. Einen Anfang dazu macht die Arbeit
von Max Müller, Wortkritik und Sprachbereicherung in Adelungs Wörter-
buch, Palästra, herausgegeben von Brandl und E. Schmidt, XIV, 1903.
Anmerkung. Kleinere und unbedeutendere Werke der spätem Zeit sind : JOH. Richter,
Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 1791. — K. Ph. Moritz, Grammatisches
Wörterbuch der deutschen Sprache, 1793—1800. — Chr. Fr. Trg. Voigt, Deutsches Hand-
wörterbuch für die Geschäftsführung, den Umgang und die Lektüre, 1805.
54 Zweites Kapitel. Die SAiMMLUNO des Wortschatzes.
§ 46. Campe. Mit dem Anfang des neuen Jahrhunderts trat ein anderes
umfangreiches Wörterbuch ans Licht, das Wörterbuch der deutschen Sprache
von JoACHiiM Heinrich Camf^h, Braunschweig 1807.') BekanntUch hat sich
Jak. Grimm in der Vorrede zum deutschen Wörterbuch sehr ungünstig über
Campe ausgesprochen. Und in vielen Punkten mit Recht. Als wissenschaft-
liche Leistung steht Campcs Werk nicht hoch, es läßt sich mit dem Adelungs
gar nicht vergleichen. Aber doch hat es für uns eine hohe Bedeutung, und
die liegt in seiner Reichhaltigkeit. Campes Absicht war, wirklich den Sprach-
schatz seiner Zeit vollständig aufzuzeichnen. Zu seinem Unternehmen hatte
ihn das Fehlen vieler Wörter bei Adelung veranlaßt, und das Werk war
zunächst geradezu als ein Ergänzungswörterbuch zu Adelung aufgefaßt.
Das vollständige Verzeichnen des Wortschatzes der Zeit ist jetzt eine wissen-
schaftliche Forderung, und man darf es daher nicht unterschätzen, daß
dieser Versuch schon am Anfang des 19. Jahrhunderts unternommen wurde.
Auch Campe hat natürlich nicht alles verzeichnen können, aber die Wahr-
scheinlichkeit, daß ein Wort bei ihm fehlt, ist viel geringer als in den
frühern Werken. Nach einer Berechnung Bernds sind in dem Wörterbuch
über 50000 Worte angeführt, die nicht bei Adelung stehen, und mit Stolz
hebt Campe hervor, daß es sich nicht etwa nur um Zusammensetzungen
handle, sondern daß auch eine Fülle einfacher Wörter wie wogen, lullen,
bangen, flaggen, branden, kreisen (in allgemeiner Bedeutung) neu auf-
geführt seien. An Zusammensetzungen nennt er u. a. ärztlich, Allheit, Be-
freier, bekritteln, Beieber, Beleuchter, Besatz (statt dessen Herr Adelung
nur das Zwitterwort Bordierung angab), bestimmbar, Beurteiler, Bewerber,
dörflich, entwirren, Erguß, Erzieher, Feinheit.
Jak. Grimms Zorn erregte es auch, daß Campe durch eine Reihe von
Zeichen den Wortschatz der verschiedenen , Schreibarten' zu unterscheiden
suchte und einem ausgedehnten , Purismus' huldigte. Über letztern denken
wir heute sicher anders als Grimm, und ebenso über die Unterscheidung
der , Schreibarten'. Es ist ganz anziehend, die Ansichten Grimms im Rahmen
der Zeitgeschichte aufzufassen. Für Adelung und Campe war die Unter-
scheidung der verschiedenen Schreibarten, der Sprache der gewöhnlichen
und der höherstehenden Menschen etwas ganz Selbstverständliches, während
Grimm sich in diesem Punkt als Romantiker und Demokrat zeigt, dem
jedes Wort gleich gilt. Wenn das auch für die Wissenschaft richtig ist,
wenn auch die Mundart und die mundartlichen Wörter dieselbe, ja fast
noch größere Anziehungskraft besitzen als die Schriftsprache und die schrift-
sprachlichen Wörter, so sind doch auch die Unterscheidungen Campes von
höchster Bedeutung, weil gerade in ihnen das kulturgeschichtliche Element
M Das Werk ist nicht von Campe be- Druckschriften Verfasser des von J. H. Campe
arbeitet, sondern nur von ihm angeregt. J. veranstalteten und herausgegebenen Wörter-
G. Radlof und Th. Bernd haben es ge- buchs".
schaffen. .Th. Bernd nennt sich jedoch in
§ 46. Campe. 65
der Sprache zur Geltung kommt. Wie die Geschichte die Entwicklung aller
Gesellschaftsschichten betrachten muß, so muß das auch die Wortgeschichte
tun, und die Sprache ist nun einmal an den Menschen und an die Gesell-
schaft gebunden.
Mir scheint das Campesche Werk durch den in ihm aufgespeicherten
Stoff von ganz hervorragender Wichtigkeit zu sein, und deshalb will ich
noch etwas ausführlicher darauf eingehen.
Campe wendet, wie wir weiter unten sehen werden, eine Reihe von
Zeichen an. Diese sind für das Aufkommen und den Gebrauch der Wörter
seiner Zeit sehr lehrreich, so daß eine Sammlung und Verarbeitung dieser
Wörter für die Geschichte des Wortschatzes der neuern Zeit dankbar zu
begrüßen wäre. Da mit diesen Zeichen schon gewisse Ziele, denen die
Wortforschung nachstreben muß, angedeutet sind, so gebe ich hier einige
Beispiele, teils um zu weiterer Sammlung anzuregen, teils um zu zeigen,
wie sich schon in hundert Jahren der Wortschatz wieder verändert hat.
Gerade die Beteiligung unserer Literatur an der Ausbildung des Wortschatzes
durch Wiederbelebung alter und Schaffung neuer Worte würde sich durch
eine Untersuchung des Campeschen Wörterbuches zeigen lassen. Campe
bietet mit diesen Zeichen durchaus nichts Neues. Schon Steinbach hat einige.
Aber in dieser Fülle treten sie erst bei ihm auf.
Anmerkung 1. Campe unterscheidet folgende Punkte:
1. * Veraltete Wörter, die aber von guten Schriftstellern schon wieder erneuert sind
oder die Erneuerung zu verdienen scheinen, z. B. Hüne für Riese. „Manche Wörter, die
Adelung zu den veralteten zählt, sind jetzt so sehr wieder in Umlauf gesetzt, daß wir ihnen
gar kein Zeichen beizusetzen brauchen, wie bieder, beginnen." Ich führe natürlich nur
solche Worte an, die heute wieder üblich geworden sind: Fährlichkeit, Fehlwort, Feld-
hauptmann, Feudite, flugs, Frauengemadi, Frevel, munden, mundtot, Sadiwalter, der Sang,
sdiädigen, Sdiädiger.
2. ** Veraltete Wörter, die der Erneuerung nicht mehr fähig zu sein scheinen, z. B. bold,
das noch in Trunkenbold, Raufbold, Reimbold vorliegt, das Saalgut, das Sadis (Messer),
Sdialksrat, handhaft, Heerfahrt, Heim n. u. a.
3. O „Neugebildete Wörter, die teils von guten Schriftstellern bereits angenommen
und gebraucht, teils von achtungswürdigen Sprachforschern geprüft und gebilligt sind, mit
Ausschluß der Campeschen neuen Wörter, als welche, zu noch größerer Warnung, ein be-
sonderes Zeichen erhalten, z. B. prallweidi für elastisdi."
Dieses Zeichen gewährt uns also einen Überblick über die Wörter, die man am An
fang des 19. Jahrhunderts als neu empfand. Ob sie wirklich neu waren, ist freilich eine
andere Frage. Immerhin dürfte es sich lohnen, einige anzuführen, um zu zeigen, daß wir
dieses Gefühl der Neuheit vollständig verloren haben.
Allheit, alljährlidi, allmonatlidi, ansprudisvoll, Emporkömmling (Parvenü), Erken-
nungszeidien. Fabelwelt, Fabelreich, Falkenblidi, Fahrdamm (Chaussee), Fallsudit, Fall-
sdiirm, Farbensinn, Farbenduft, Farbenbogen, Familienleben, Familienglüdi, Faniilienhaupt>
Fedithandsdiuh, feenhaft, Fehljahr, Fehlgewinn, Fehlfarbe, Fehlblatt, Feigling, Felsen-
bedien, Feldsdiule, Fernsidit, Fiditenhain, Festgetümmel, fessellos, Fistelstimme, Fliegen-
falle, Freisinn, Freimut, freigeistig, Frauenherz, fraglidi, haarbreit, Haarstern, hageldidit,
Halbheit, Halbfahr, Halsring, haltlos, Hämmling, nadihaltig, Sadiwert, Sadiinhalt, sädi-
lidi, Sagengesdiidite, Sdiamgefühl u. a.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 5
56 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes.
4. O .Neue Wörter von zwcifelliaftem, noch nicht ausgemachtem Werte. Dieses Zeichen
erlialten oiinc Ausnahme alle diejenigen Campesclien Wörter, die man in das Wörterbuch
aufnclimcn zu müssen glaubte, weil sie schon in gelesenen Scliriften vorkommen.*
Campes Verdienste liegen bel<anntlich liauptsilciiiich auf dem Gebiete der Ver-
deutschung von Fremdwörtern. So viele ihrer auch spurlos verschwunden sind, so bleibt
doch eine ganz hübsche Zahl, die wir Campe verdanken, und viele andere verdienen noch
heute volle Beachtung. Ich gebe auch hier einige Beispiele.
Lehrgang für Kursus, folgeredü für konsequent, dauerlos für ephemerisch, Dienst-
anweisung für Instruktion, Süuleneingang für Prostyios, fabellehrig für mythologisdi,
Fahr gut, Fallbeil für Guillotine, Fahr mittel für Vehikel, falscfinamig, Fanggier für Ko-
ketterie, Fechteisen für Rappier, Feldkrümer für Marketender, Fernsdireiber für Telegraph,
Bittsteller für Supplikant, Hafendamm für Molo, Handelsvertrag für Kommerztraktat.
Derartige Fälle zeigen doch auf das deutlichste, daß eine zielbewußte Verdeutschung
nicht ohne Folgen bleiben kann. Campes Leistungen nach dieser Richtung sind zweifellos
von hohem Werte, und sein .Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer
Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke", neue Auflage, Braunschweig 1813, ist noch
heute mit Vorteil zu benutzen.
5. (*^) Neue (auch ältere) Wörter, die zwar von bedeutenden Schriftstellern herrühren
oder doch von ihnen gebraucht worden sind, die aber, irgendeiner fehlerhaften Eigenschaft
wegen, die Aufnahme nicht zu verdienen scheinen. Hierher gehören eben die Verdeutschungen,
die nicht durchgedrungen sind, und die man daher oft anführt, um jene Bestrebungen lächerlich
zu machen, z. B. Einzögling und Finzöglingsredit für Eingeborener und Eingeburtsrecht,
Indigennt (.Adelung); Fünftelsaft für Quintessenz (Bürger); Entknotigung für Katastrophe
(Wieland); Füller im Trochäus, fade, Fremlenmäddien. Wie die letzten Beispiele beweisen,
hat Campe noch nicht das letzte Wort gesprochen, da wir diese Worte sehr wohl ge-
brauchen können.
6. -\- bezeichnet die landschaftlichen Wörter. Auch hier zeigt es sich, daß wir heute
manches ganz anders empfinden. Beispiele sind: t/ra// (Lessing), risdi {QüTgtr). pladdern,
dammein, Däumerling (Goethe), dazumal, dereinstig, um deswillen, sabbern, Sälen , schmutzig
machen', Salm (Psalm), Satte, sdiäditen, Forke, freiheitlidi, flau, Flaumen, Flabbe, Feuer-
eisen, Ferge, feilsdiend, Fasdüng, fauchen, Faustbüdise, fahnden, freundwillig, feilsdien,
firn, Firnewein, Haareule, sidi hägen, hahnbüdien, häklig, Halde, hasten.
7. X „NMedrige, aber deswegen noch nicht verwerfliche Wörter, weil sie in der ge-
ringen (scherzenden, spottenden, launigen) Schreibart und in der Umgangssprache brauchbar
sind." z. B. besdilabbern (Goethe), blaßäugig. die Edier, ehegestern, Ehehälfte, Ehekrüppel,
Ehrentag, ehrenthalben, Ehrentrunk, erangeln, Fabelei, Fabelhans, Fabelschmied, faden-
scheinig, fadenadtend, Falsdimünzerei, Farbenklavier, Faselei, Faselhans, faselig, faseln,
faselnackt, Faulbett, faulenzen. Februar, Fechthandwerk, Federheld, Federlesen, Feger,
Fersengeld, Fettwanst, Fibel, Fiedel, Figur, fingersdidi, Firlefanz, fispern, fix, Fladishaar,
Fladiskopf, fladierig. Flattergeist, Flaus, Flausdi, Fläz, fletsdien, Flidierei, flink, foppen,
Frack, frank, Franze, Franzmann, Fratz, Freiersmann, Freßsadi, Freudenpost, Frühgottes-
dienst, funkelneu, haarfein, haarsdiarf, Habenidits, häklig, Halunke, Hampelmann, hand-
breit, Leibgeridit. mummeln, Mundwerk, munkeln, Muselmann, Sabbat. Säbelbein, sadit,
Saffian, Sago, Salbader, Sauessen, Saufaus, Saufbruder, saufen, Sdiandmaul.
8. X .Niedrige Wörter, die ans Pöbelhafte grenzen, und deren man sich daher sowohl
Ln der Schriftsprache, selbst in der untern, sowie auch in der bessern Umgangssprache
enthalten soHte. die aber dennoch in Bühnenstücken wie im geraeinen Leben, wiewohl nur
im Munde ungebildeter Personen, vorkommen*, z.B. Freßsack. Lausekerl, Rotznase, bockenzen,
Saufgurgel, Saufsack, Saukerl, Finkeljodien, Hahnrei, Freund Hain, halsbrechend, Hans-
wurst.
9. A Wörter der höhern dichterischen Schreibart, z. B. Windsbraut für Orkan, rosen-
§ 47. Grimm. 67
fingrig, erklimmen, erkunden, erraffen, Drommete, Feierkleid, Fittich, hadern, harmlos,
harren, Meerschau, hehlen, hehr.
10. A Dergleichen Wörter, wenn sie zugleich neu sind; z. B. Abstamm für Nach-
kommenschaft, Glutgeloder für auflodernde Glut (Tiedgc), Salzflut (Voß), sdulengetragen
(Schiller), einherfliegen, Fadtelfilngling, Farbenfeuer, farrenäugig, Feierklang, Feldgesang,
Feldmann, felsab, Felsaltar, Felsbrust, Felsburg, Felsenbrust, Felsenkette, Felsenquell,
Festgeläute, Festmahl, Festschmaus, Festschmuck, Feuerauge, Feuerblick, Feuerflut, Feuer-
seele, Flammenauge, Flammenkuß, Flammenmeer, Flammensäule, -schild, -schrift, -tod,
Flügelschlag, freudenarm, freudetrunken, Frühlingshauch, frührot, Hall, hallen, heimat-
los, heimatlich.
11. OA Dergleichen Wörter, wenn sie von Campe herrühren, z. B. Antlitzseite für
Fassade, Prachttor für Portal.
12. OX Neue Wörter für die untern (scherzenden, spottenden, launigen) Schreibarten,
z. B. Lichtenbergs Zierbengel für Incroyable, Geldschaffer für Finanzier, Alltagssprache,
Alltagsgesicfit, einhergaukeln, Faulpfründe für Sinekure, Felsennest, Fettpfründe für Prä-
latur, Fladikopf.
13. OX Dergleichen Wörter, die von Campe herrühren, z. B. Stelldidiein für Rendezvous,
Teufelsanwalt für advocatus diaboli.
Man erkennt aus dieser Übersicht, welcher Wert der Campeschen Arbeit
innewohnt.. Wir werden in den spätem Teilen auf die von Campe ein-
geführten Unterscheidungen ausführlicher zu sprechen kommen und zeigen,
wie wichtig diese sind und wie bedeutungsvoll es ist, daß wir für den
Anfang des 19. Jahrhunderts die verschiedenen Arten des Wortschatzes
auseinanderzuhalten imstande sind. Aber eine Bemerkung sei gleich hier
gestattet. Die poetische Sprache beruht zum guten Teil darauf, daß sie von
der Alltagsrede abweichende Worte braucht. Gehen Wörter der poetischen
Sprache in die Alltagssprache über, so können wir die ursprüngliche dich-
terische Ausdrucksweise nicht mehr nachempfinden. Unsere großen Dichter
haben unsere Sprache nach dieser Richtung zweifellos ungemein bereichert,
aber manche Stellen bei ihnen haben dadurch an poetischer Kraft eingebüßt,
daß die Worte allgemein üblich geworden sind.
Anmerkung 2. Auf Campe folgten dann einige kleinere Wörterbücher, die keine
wesentliche Bedeutung haben und hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden:
Heyse, Handwörterbuch der deutschen Sprache, Magdeburg 1833—1849. — Örtel, Gram-
matisches Wörterbuch der deutschen Sprache, München 1829 ff. — Kaltschmidt, Gesamt-
wörterbuch der deutschen Sprache, Leipzig 1834. — K. Schwenk, Wörterbuch der deutschen
Sprache, Frankfurt a. M. 1834. — Weber, Kritisch-erklärendes Handwörterbuch der deutschen
Sprache 1837 f., 11. Aufl. Leipzig 1872. — Wenig, Handwörterbuch der deutschen Sprache,
Erfurt 1821, 5. Aufl. 1870. — W. Hoffmann, Vollständigstes Wörterbuch der deutschen Sprache,
6 Bände, Leipzig 1859—1861.
§ 47. Grimm. Nun war aber in Deutschland seit dem Beginn des 19. Jahr-
hunderts die Sprachwissenschaft mächtig aufgeblüht, die wissenschaftlichen
Anforderungen an ein Wörterbuch hatten sich vertieft, und so faßten die
Männer, die selbst am meisten mit zu der neuen Entwicklung beigetragen
hatten, den Plan, ein neues Wörterbuch zu schreiben. Das deutsche Wörter-
buch der Brüder Grimm war ein Eigenunternehmen, geboren aus der Not
der beiden Gelehrten, die ihrer Stellung entsetzt waren. Es war ursprüng-
5*
68 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes.
lieh in verhältnisniilßiij kleinem Umfanj^ j^cplant, es sollte ein Hausbucii,
ziigäni^licli für weite Kreise und benutzbar für jedermann, werden. Jak. Grinmi
spricht darüber in foli^'ender viel bespotteter Weise (Wörterbuch 1, XII):
„Einen Haufen Bücher mit übelcrfundenen Titeln t^ibt es, die hausieren
iijehcn und das bunteste und unverdaulichste Gemisch des manni^jjfaltcn
Wissens feiltra^en. Fiinde bei den Leuten die einfache Kost der heimischen
Sprache Eini^anf^j, so könnte das Wprtcrbuch zum Hausbedarf, und mit Ver-
langen, oft mit Andacht gelesen werden. Warum sollte sich nicht der Vater
ein paar Wörter ausheben und sie abends mit den Knaben durchgehend
zugleich ihre Sprachgabe prüfen und die eigene anfrischen? Die Mutter
würde gern zuhören."
Zweifellos lag die Begabung der Brüder Grimm nicht gerade auf der
lexikalischen Seite, wenngleich das Genie nie etwas ganz minderwertiges
bieten wird. Aber das Werk hat sich ganz anders entwickelt, als es geplant
war. Es wurde im Jahre 1840 begonnen. Natürlich können die ersten Teile
schon deshalb nicht mehr genügen, weil der Wortschatz bald eines Jahr-
hunderts in ihnen fehlt, abgesehen davon, daß wir heute auch schon wieder
ganz andere Anforderungen an ein Wörterbuch stellen als damals. Bereits
bei Lebzeiten der Brüder waren einige Hilfsarbeiter hinzugetreten. Nach
ihrem Tode wurde das Werk von mehreren Gelehrten fortgesetzt, aber auch
diese sind schon dahingesunken, und ein neues Geschlecht arbeitet nun
an dem Werk.
Die ersten Bände sind von den Brüdern Grimm fertiggestellt. Jakob hat
die Buchstaben A, B, C, E und F zum größten Teil geliefert, Wilhelm das
D bearbeitet. K. Weigand hat F zu Ende geführt, N, O, P, Q und T (bis
Todestag) stammt von Lexer, V (bis versch recken) von E. Wülcker, W (so-
weit bearbeitet) von v. Bahder. Die beste Leistung der altern Generation
ist zweifellos die von R. Hildebrand, der K und einen Teil des G (fortgesetzt
von Wunderlich) geschrieben hat. Den größten Anteil aber hat M. Heyne.
Über die Art, wie dieser seine Aufgabe aufgefaßt hat, gibt seine eigene
Erklärung Auskunft. Nachdem zwei Bände, jeder in acht Jahren, von ihm
vollendet worden seien, habe er sich sagen müssen, daß die noch aus-
stehenden Bände noch etwa vierundzwanzig Jahre in Anspruch nehmen
würden. Im 48. Jahre stehend, habe er sich für so lange Zeit nicht binden
wollen, und es sei ihm für das Werk als Gewinn erschienen, wenn dessen
Ende in kürzerer Zeit zu ermöglichen wäre. Man könne einem Adoptiv-
kinde zuliebe nicht auf eigene Arbeit verzichten. Diese Erwägungen hätten
einen Plan „kollektiver Arbeit" nahe gelegt. Infolgedessen sei von 1889 ab ein
Assistent angestellt worden, im Jahre 1891 zwei weitere Hilfsarbeiter hinzu-
gekommen, Doktoren, die unter seiner Aufsicht ganze Artikelreihen selb-
ständig herstellten. Dann aber sei „vorgeschrittenen Zöglingen" (Studenten!)
des Göttinger deutschen Seminars die Arbeit unter Überwachung, Prüfung usw.
übergeben worden. „Endlich", so schließt die Vorrede, „sind auch einzelne
§ 48. Kleinere Werke der neuern Zeit und Sonderwörterbücher. 69
Artikel in den letzten Lieferungen von mir selbst geschrieben worden." Es
sei eben nicht anders gegangen, und dies müsse „mit mancher Unvoll-
kommenheit und Ungleichmäßigkeit, die dieser Art der kollektiven Tätigkeit
notwendig anhaftet, aussöhnen."
Gewiß haften dieser Art der Arbeit Mängel an, aber man hätte es mit
Freuden begrüßt, wenn auf diese Weise in absehbarer Zeit ein Abschluß
des Werkes erzielt worden wäre. Immer und immer wieder haben einzelne
und Gesamtheiten, z. B. die germanistischen Sektionen auf den Philologen-
versammlungen auf stärkere Förderung des Werkes gedrängt, das nun doch
einmal beendet werden mußte. Aber erst jetzt, nachdem sich das Reich und
die Berliner Akademie der Sache angenommen haben, ist eine entschiedene För-
derung eingetreten. In Göttingen ist unter der Leitung von Edward Schröder
ein Mittelpunkt für die Sammlung weitern Stoffes geschaffen, der die Mit-
arbeiter mit neuem Stoff versorgt, und am Werke selbst sind eine Menge
neuer Kräfte tätig, im ganzen jetzt fünfzehn. Und von diesen liegen auch
schon wirkliche Leistungen vor, während von manchem der früher an-
gegebenen Mitarbeiter nie eine Zeile erschienen ist. Vgl. über die Entwick-
lung des Grimmschen Wörterbuchs und über die Arbeit daran A. Götze,
Wiss. Beih. z. Zeitsch. d. A. Deutschen Sprachvereins 4, 86 ff. und A. Schirmer,
Akademische Rundschau 1912/13 694 ff.
Entsprechend der ganzen Geschichte des Werkes sind die einzelnen
Teile sehr verschieden gearbeitet. Als dürftig müssen wir jetzt die ersten
Bände empfinden. Aber wenn auch die Teile der neuern Mitarbeiter ganz
auf der Höhe stehen, so leiden sie doch an einer kaum übersehbaren Aus-
dehnung. Schon Hildebrand brauchte für den Artikel Geist 118 enggedruckte
Spalten und für Genie 54, Wunderlich aber für gewinnen 146, für Gewalt
184. Wer soll da das Wörterbuch noch benutzen können, zumal auch der
Druck wenig übersichtlich ist. Weniger wäre entschieden mehr gewesen.
Grimm ist, wie wir gesehen haben, nicht vollkommen. Der Plan eines
großen wissenschaftlichen Wörterbuches, eines Thesaurus linguae teutonicae,
wie ein solches andere Völker besitzen oder in Angriff genommen haben,
bewegt schon lange weite Kreise. Aber vor der Vollendung des Grimm-
schen Werkes ist nicht daran zu denken, ihn zu beginnen. Es wäre auch
besser, zunächst einmal die ersten drei Bände von Grimm neu zu bearbeiten.
§ 48. Kleinere Werke der neuern Zeit und Sonderwörterbücher. Neben den
Grimm, der wegen seines Umfanges im wesentlichen auf die gelehrten Kreise
beschränkt bleiben wird, sind im Laufe des 19. Jahrhunderts kürzere selb-
ständige Werke getreten.
D. Sanders, V/örterbuch der deutschen Sprache, 2 Bände, 1860—1865.
Dazu ein Ergänzungswörterbuch, 1879 — 1885. Eine kürzere Fassung, Hand-
wörterbuch der deutschen Sprache, ist 1912 in 8. Auflage erschienen, be-
arbeitet von J. Ernst Wülfing. Sanders hat das Verdienst, die neuere Li-
teratur ausgiebig berücksichtigt zu haben.
70 Zweites Kafmtel. Die Sammlung des Wortschatzes.
K. WhicjAND, Deutsches Wörterbuch, 1857 — 1871. Weii^and bearbeitete
ein ähcres Buch von Schmittheiincr, das sich aber unter seinen Händen zu
einem neuen Werke j^cstaltcte. Es war seinerzeit, wie auch Jakob Grimm
anerkannte, eine ganz vortreffliche Leistung, die der Verfasser durch immer
erneute Arbeit auf der Höhe erhielt. 1881 kam die vierte Auflage heraus;
während des Druckes starb der Verfasser, Nachdem es lange Zeit vergriffen
war, ist es jetzt in fünfter Auflage erschienen, neubearbeitet von v. Bahder,
Kant und Hirt, Gießen 1909,1910. Weigand gab die Bedeutungen sehr genau
an, er suchte das erste Auftreten der Worte zu bestimmen, und berücksich-
tigte auch die dialektischen und die fremden Wörter. Dazu kam die Etymo-
logie. Alle diese Vorzüge sollen auch nach den Absichten der Bearbeiter
in der neuen Auflage vorhanden sein, und so wird sich das Werk seinen
gebührenden Platz wieder erobern. i)
M. Heyne, Deutsches Wörterbuch, 3 Bände, 1890—1895. Heynes Werk
will ein kleiner Grimm sein und dem Verlangen nach einem handlichen,
brauchbaren und zuverlässigen Wörterbuch abhelfen. Das hat es auch getan.
Es bietet viele schöne Belegstellen aus der neuern Literatur, einen wesent-
lichen Fortschritt bedeutet es indessen nicht. Die etymologische Seite tritt
etwas zurück.
H. Paul, Deutsches Wörterbuch, 1 897, 2. Auflage 1 908. Dies Werk wendet
sich an alle Gebildeten, die ein Verlangen empfinden, ernsthaft über ihre
Muttersprache nachzudenken. In erster Linie hat der Verfasser an das Be-
dürfnis der Lehrer gedacht, die Unterricht im Deutschen zu erteilen haben.
Er verzichtet auf eine vollständige Aufzählung sämtlicher Wörter und Wort-
bedeutungen, insbesondere der selbstverständlichen Ableitungen und Zu-
sammensetzungen, sowie auf überflüssige Erklärung des allgemein Verständ-
lichen. Auch die landschaftlichen Verschiedenheiten sind berücksichtigt, so-
weit sie in die Umgangssprache der Gebildeten und die lokale Schriftsprache
hineinragen. — Ziemlich beträchtlich sind die Abweichungen von dem jetzigen
Sprachgebrauch bei den klassischen Schriftstellern des vorigen Jahrhunderts.
Auf diese Abweichungen hinzuweisen ist der Verfasser besonders bemüht
gewesen. Auch die noch viel bedeutendem der Lutherschen Bibelübersetzung,
soweit sie sich in den gangbaren Ausgaben finden, sind berücksichtigt.
Vor allem aber sucht der Verfasser eine Entwicklung der Bedeutung zu geben,
und nach dieser Richtung ist sein Werk das beste, das wir haben. In der
') Weigands Wörterbuch hat in der neuen gehenden Sammlungen v. Bahders, zu denen
Auflage viel Anerkennung gefunden. Man die reichen Kenntnisse Dr. Kants kamen. Für
nennt es jetzt das beste deutsche Wörter- mich nehme ich vor allem das eine Verdienst
buch und zitiert es mit unter meinen Namen in Anspruch, daß ich. da auch Dr. Kant das
als Weigand-Hirt. Ich möchte aber auch hier, , Werk nicht vollenden konnte, in die Bresche
wie in der Vorrede hervorheben, daß es trotz gesprungen bin und es beendet habe. Mich
der neuen Bearbeitung der alte Weigand ge- veranlaßte dazu die Erkenntnis, daß mit dem
blieben ist und daß diesem das Hauptver- alten Weigand in seiner neuen Bearbeitung
dienst zukommt. Die Grundlage für die Neu- eine wirkliche Lücke ausgefüllt werden würde,
bearbeitung bilden die umfangreichen, weit-
§ 49. Aufgaben der Wortforschung. 71
ersten Auflage wurde die Etymologie kaum berücksichtigt, in der zweiten
tritt der Verfasser aus seiner Zurückhaltung heraus. Indessen wird das, was
er bietet, keinen befriedigen, so daß es besser gewesen wäre, die Etymo-
logien wären ganz fortgeblieben.
Für die Zeit des Neuhochdeutschen braucht man zunächst, wie man
glauben möchte, kein erklärendes Wörterbuch, und so sind wir dement-
sprechend an Sonderwörterbüchern recht arm. Und doch sind diese als
Grundlage für den künftigen Thesaurus unbedingt notwendig. Wir müßten
Wörterbücher für einzelne Zeitabschnitte, wie etwa das sechzehnte Jahr-
hundert, haben, oder auch für einzelne Schriftsteller wie H. Sachs, Goethe.
Es liegen hier sehr dankenswerte Aufgaben vor. Im folgenden führe ich
an, was bisher vorhanden ist.
Um das Verständnis des Frühneuhochdeutschen zu erleichtern, hat
A. Götze ein Frühneuhochdeutsches Glossar herausgegeben, Bonn 1912.
Für Luther hat Ph. Dietz „ein Wörterbuch zu Dr. Martin Luthers deutschen
Schriften" Leipzig 1870 begonnen, das leider nur bis H gediehen ist, aber
bis zu diesem Buchstaben recht wertvoll ist.
In der seit 1862 erschienenen deutschen Bibliothek, herausgegeben
von H. Kurz, in der der Esopus von Burkhard Waldis, die simplizianischen
Schriften von Grimmeishausen und Fischarts sämtliche Dichtungen vorliegen,
finden sich stets kurze Wörterverzeichnisse, die natürlich nur der Erklärung
dienen sollen, aber doch dankbar zu begrüßen sind. Auf Gottscheds Be-
deutung für die deutsche Sprache hat Eugen Reichel wiederholt hingewiesen
und auch seine Begeisterung für ihn in die Tat umgesetzt, einmal in dem
kleinen Gottsched Wörterbuch, Berlin 1902 Gottsched-Verlag, in dem die
Wörter und Wortzusammensetzungen verzeichnet sind, die Gottsched an-
geblich für unsere Schriftsprache teils neu geschaffen, teils aus alten Schriften
hervorgesucht und wieder zum lebendigen Besitz unseres Volkes gemacht
hat. Aber Reichel überschätzt Gottsched zweifellos. Ein wirklicher Neu-
schöpfer ist er kaum gewesen. Vieles, was Reichel für ihn in Anspruch
nimmt, ist wesentlich früher belegt.
Sehr wertvoll ist sein großes Gottschedwörterbuch, Berlin 1906, Gott-
schedverlag, von dem bis jetzt allerdings nur der erste Band vorhegt.
§ 49. Aufgaben der Wortforschung. Aus dieser Übersicht kann man er-
kennen, was die deutsche Lexikographie bisher geleistet hat und was sie
noch leisten muß. Daß das deutsche Wörterbuch nur stellenweise den An-
forderungen entspricht, die an ein wirklich wissenschaftliches Wörterbuch
der deutschen Sprache zu stellen sind, ist schon bemerkt worden. Abgesehen
davon, daß der endgültige Abschluß noch in weitem Felde steht, müßten
auch die ersten drei Bände völlig neu bearbeitet werden. Aber auf dem
bisherigen Wege der Zersplitterung und der Einzelarbeit werden wir nie-
mals zu dem ersehnten großen deutschen Wörterbuch kommen, dem Wörter-
buch, das schon Leibniz erstrebte, und das immer wieder gefordert werden
72 Zweites Kapitel. Die Sammlung des Wortschatzes,
wird, bis es zur Vollciiduii.cj S«^la"i?t. Welche Anforderungen an ein solches
Werk zu stellen sind, wird der Leser aus der Darstellung dieses Buches,
das die verschiedenen Seiten der Wortforschung behandelt, ersehen können.
In Kürze hat sie Paul, SB. der phil. Kl. d. K. Bayer. Akad. 1894 S.53, formuliert.
Es ist zu erstreben:
1. eine möglichst genaue Abgrenzung der Sphäre des Gebrauchs für
jedes Wort und jede Verwendungsweise;
2. Festsetzung, in welchen Verkehrskreisen ein Wort gebraucht wird;
3. Fesstellung des räumlichen Gebrauchs eines Wortes;
4. Feststellung, welchen Gebrauchskreis die technischen Ausdrücke haben.
Das sind natürlich Forderungen, die nur für die Gegenwart völlig gelöst
werden können. Paul hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es nur eine
Epoche gibt, in der uns der Wortschatz mit allen seinen Verwendungsweisen
und seinen Bedeutungen völlig bekannt ist, und das ist die Gegenwart.
Im Hinblick auf die geschichtliche Entwicklung wird diese gar leicht ver-
nachlässigt, während sie doch gerade den höchsten Wert hat. Natürlich
muß das große Wörterbuch auch die geschichtliche Entwicklung berück-
sichtigen, wie das ja schon bisher geschehen ist.
Ehe aber ein solches vollkommenes Unternehmen ins Werk gesetzt
werden kann, müssen noch die mannigfaltigsten Vorarbeiten geschaffen wer-
den. Der Wortschatz müßte systematisch von vielen gesammelt werden. Wir
müßten zu manchen Schriftstellern, wie Goethe, Schiller, Herder, Wieland,
erst Sonderwörterbücher haben, damit wir den Wortschatz jedes einzelnen
Schriftstellers überblicken könnten. Kurz es ist auf dem Gebiete der deutschen
Wortforschung unendlich viel zu tun, es sind unendlich viele Mitarbeiter
nötig; das Schöne dabei aber ist, daß hier schließlich jeder Gebildete mit-
arbeiten kann. Er braucht sich zunächst nur auf einen kleinen Kreis zu
beschränken. Vgl. zu dieser Frage noch W. Meyer-Lübke, Aufgaben der
Wortforschung, Germ.-rom. Monatsschrift 1, 634 — 647; H. Suolahti, Über
Methoden und Aufgaben der deutschen Wortforschung. Neuphilol. Mittcil.
1909, 28—44 f.
§ 50. Wörterbücher für den Lehrer. Es fragt sich nun, welches Wörterbuch
der Lehrer benutzen soll. Das Grimmsche Wörterbuch ist natürlich nicht
überall zugänglich und für den gewöhnlichen Gebrauch auch zu umfang-
reich. Alle andern aber erfüllen doch nur einiges von dem, was man
braucht. Kluge ist etymologisch und legt neuerdings auf die Altersbestimmung
der Worte einiges Gewicht. Doch ist nach dieser Richtung seine Arbeit
ganz unzureichend und wird entschieden durch Weigand übertroffen, der
auch viele Ableitungen und Zusammensetzungen, dazu die Fremdwörter mit
aufnimmt. Bei Paul findet man vor allem die Bedeutungsentwicklung. Heyne
will ein kleiner Grimm sein und hat infolgedessen sehr viel Worte ver-
zeichnet. Ausgezeichnet ist er durch Heranziehung der Gebrauchsweise der
neuern Schriftsteller.
§ 51. WÖRTERBÜCHER DER ÜBRIGEN GERMANISCHEN SPRACHEN. 73
So wird man also mit einem Werke nicht auskommen. Welches man
bevorzugen will, muß sich nach den Neigungen des einzelnen richten.
§51. Wörterbücher der übrigen germanischen Sprachen. Da man nicht selten
bei der Wortforschung zu den übrigen germanischen Sprachen greifen muß,
so seien hier die wichtigsten Werke aus diesen Gebieten angeführt.
1. Gotisch: VON der Gabelenz und Lobe, Glossarium der gotischen Sprache, Bd. II
Abt. 1 der Wulfilaausgabe 1843, ziemlich vollständig. — E. Schulze, Gotisches Glossar.
Mit einer Vorrede von Jakob Grimm, 1848. Angabe sämtlicher Stellen, doch zum Teil auf
einem veralteten Text beruhend. — Das Beste bietet jetzt Streitberg, Die Gotische Bibel.
Zweiter Teil: Gotisch-Griechisch-Deutsches Wörterbuch, Heidelberg 1910, weil sein Text
auf den neuen Lesungen der italienischen Handschriften beruht.
2. Skandinavisch: Altnordisch und altisländisch: Sv. Egilsson, Lexicon poe-
ticum antiquae linguae septentrionalis, 1844 — 1860. Neue Ausgabe von F. Jönsson, Kopen-
hagen 1913 ff. — JoH. Fritzner, Ordbok over det gamle norske Sprog, 1862 — 1867,
2. Aufl. 1886 ff. — MöBius, Altnordisches Glossar. Wenn das Werk auch nur den Wort-
schatz einer bestimmten Anzahl von Texten umfaßt, so ist es doch sehr nützlich ge-
wesen. — G. ViGFUSSON, Icelandic-English Dictionary, 1869. Hier ist auch der poetische
Wortschatz aufgenommen. — G. T. ZoEGA, A concise dictionary of Old Icelandic, Oxford
1910. — H. Gering, Vollständiges Wörterbuch zu den Liedern der Edda, 1902. — Jon.
Thorkelsson, Supplement til islandske Ordbeger, 1876. Anden Sammling, 1879—85,
Tredje Sämling 1890 — 94 lieferte wertvolle Nachträge zu den übrigen Wörterbüchern. —
Neuisländisch: G. T. ZOEGA, Ensk Islensk Ordabok (englisch-isländisch), Reykjavik 1896.
Islensk-ensk Ordabok 1904. — Jonas Jonasson, Ny dönsk ordabok (dänisch-isländisch),
ebenda 1896. — Norwegisch: Aasen, Ordbog over det norske Folkesprog, 1850, 2. Aufl.
Norsk Ordbog 1873. — H. Ross, Norsk Ordbog 1889 ff. — Shetlandsinseln: Jakob
Jakobsen, Etym. ordbog over det norröne sprog pä Shetland. Köbenhavn 1908 ff. —
Schwedisch: A. F. Dalin, Ordbok öfver svenska spraket, Stockholm 1850—53. — K. F.
SöDERWALL, Ordbok öfver svenska Medeltidspraket, Lund 1884 ff. — Rietz, Svensk dialekt
lexikon, Malmö 1867. — Ordbok öfver svenska spraket, utgifven of Svenska akademien,
Lund 1893 ff. Das Wörterbuch gibt eine geschichtliche Darstellung des Wortschatzes der
schwedischen Reichssprache vom Jahre 1520 bis zu unsern Tagen. Vgl. darüber ZfdW. 7, 322.
Es entspricht v.nserm Grimm. B. Hesselmann, Ordbok öfver Upplands folkmäl. Stockholm
1915. — Für den praktischen Gebrauch ist zu empfehlen Hoppe, Stockholm 1892. —
Dänisch: Dansk Ordbog, udgiven under Videnskabernes Selskabs Bestyrelse, 1791 — 1906.
— Chr. Molbeck, Dansk ordbog 2 Bde. 1833, 2. Aufl. 1854—59. Handwörterbuch, aber
sehr vollständig. — O. Kalkar, Ordbog til det äldre danske Sprog, 1300—1700, Kopen-
hagen 1880 ff. — Molbeck, Dansk Dialektlexikon, 1833—1841. — Deutsch-dänisch:
Bresemann, 2 Bde. 1852—55, Grönberg, 4. Aufl., 2 Bde. 1864, Helms, 2 Bde., 6. Aufl.
1895, Kayser, 4. Aufl. 1900.
3. Niederländisch: A. C. Oudemans, Middel- en Oudnederlandsch Woordenboek,
Arnstein 1870. — E. Verwijs und J. Verdam, Middelnederlandsch Woordenboek, Haag
1885 ff. — J. Verdam, Middelnederlandsch Handwoordcnboek, s'Gravenhage, 1908, 1911. —
DeVries und Te Winkel, Woordenboek der Nederlandsche Taal. Entspricht unserm Grimm.
4. Friesisch: K. von Richthofen, Altfriesisches Wörterbuch 1840. — J. Halbertsmas,
Lexicon frisicum, 1874 (unvollendet, bis F.). — W.Dijkstra und B.Hettema, Friesch Woorden-
boek, 3 Bände, Leeuwarden 1890. Band 4 enthält ein Namenwörterbuch von Winkler, 1898.
— Waling Dijkstra, Friesch Woordenboek, Leeuwen 1909. — J.Schmidt-Petersen, Wörter-
buch und Sprachlehre der Nordfriesischen Sprache nach der Mundart von Amrum und
Föhr, Petersen Husum 1912. — P. Möller, Wörterbuch der Sylter Mundart. Jb. d. Ham-
burger Wissensch.Anstalten. 1915.
74 Drittes Kapitel. Entlehnungen aus dem Germanischen.
5. Englisch: Bosworth-Toller, An Anglo-Saxon Dictionary 1882; jetzt das beste
altenglischc Wörterbuch; dazu ein Supplement. Oxford 19Ü8 ff. — Grein, Sprachschatz der
angelsächsischen Dichter, 2 Bände 1H61 — 1864. Sammlung des Wortschatzes der angel-
sächsischen Dichtungen mit reichem Stellenverzeichnis. Unter Mitwirkung von F. Hoi.T-
hausen neu herausgegeben von J. J. Köhler, Heidelberg 1912 f. — H. Sweet, Glossar zu
den Oldest English Texts. — H. Sweet, The Student Dictionary of Anglo-Saxon, Oxford
1897. — Stratmann, Old English Dictionary, 1864 ff. 3. Aufl. 1878, behandelt die Sprache
des 1 2. — 1 4. Jahrhunderts. — Sl ratmann, middlc English Dictionary. reviscd by H. Bradley, Ox-
ford 1891. — James Murkay, New english dictionary, 1884. — Al. Schmidt, Shakespeare-
Le.xikon, 1874. 2. Aufl. 1886. — Wriüht, The English Dialect Dictionary 1896 ff.
§ 52. Zeitschriften. Der deutschen Etymologie und Wortforschung sind
natüdich sehr viel einzelne Arbeiten, teils Monographien, teils Aufsätze in
Zeitschriften gewidmet. Fast alle sprachwissenschaftlichen und germanistischen
Zeitschriften enthalten auch Beiträge zur Wortforschung. Daher folgt hier
eine Liste.
1. Sprachvergleichende Zeitschriften: Kuhns Zeitschrift für vergleichende Sprach-
wissenschaft, Berlin 1852 ff. Abgekürzt KZ. — Bezzenbergers Beiträge zur Kunde der indo-
germanischen Sprachen, 1877 ff. Abgekürzt BB. — Brugmann und Streitberg, Indo-
germanische Forschungen nebst Anzeiger, 1892 ff. Abgekürzt IF. — 2. Germanistische
Zeitschriften: Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum, 1841 ff. Abgekürzt ZfdA. — Pfeif-
fers Germania, 1856 — 1892. Abgekürzt Germ. — Zachers Zeitschrift für deutsche Philo-
logie, 1869 ff. Abgekürzt ZfdPh. — Paul-Braune, Beiträge zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur, 1874 ff. Abgekürzt Btr. — Journal of germanic Philology, 1897 ff. —
Lyons Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 1886 ff. Abgekürzt ZfdU. — S.Zeitschriften
für Wortforschung: Sanders' Zeitschrift für deutsche Sprache, 1887 ff. — Kluges Zeit-
schrift für deutsche Wortforschung, 1901 ff. Abgekürzt ZfdW. — Auch die Zeitschrift des
allgemeinen deutschen Sprachvereins (abgekürzt ZADS.) ist hier zu nennen, namentlich
aber die Wissenschaftlichen Beihefte dazu (abgekürzt WB.).
V Drittes Kapitel.
Entlehnungen aus dem Germanischen.
§ 53. Bedeutung der Entlehnungen für die Wortgeschichte. Wenn wir die
deutschen Worte an der Hand der Denkmäler zurückverfolgen, so gelangen
wir bis an den Ausgang des 8. Jahrhunderts. Dazu kommen aus früherer
Zeit die bei römischen Schriftstellern und in Inschriften überlieferten Namen,
zu denen sich auch einzelne Wörter gesellen. Bedeutend weiter führt uns
die Sprachvergleichung; aber es gibt noch eine andere unmittelbare Quelle,
die wir zunächst ins Auge fassen müssen, das sind die germanischen Wörter,
die in fremde Sprachen entlehnt worden sind. Entlehnungen aus dem
deutschen Sprachschatz haben zu allen Zeiten stattgefunden, und es bildet
die Untersuchung dieser Wörter eine wichtige Aufgabe der Wortforschung.
Sie zeugen von der politischen oder kulturellen Herrschaft des deutschen
Volkes, und sie sind in mehr als einer Hinsicht wichtig. Zunächst werden
gewiß nur Worte entlehnt, die in der Sprache häufig gebraucht werden
§ 53. Bedeutung der Entlehnung für die Wortgeschichte. 75
oder etwas sehr Ausgeprägtes bezeichnen, so daß wir dadurcli ein Hilfs-
mittel bekommen, die Verwendungsweise des Wortes zu bestimmen. Zweitens
sind Worte oft schon in Zeiten herübergenommen worden, für die eine
schriftliche Überlieferung fehlt. Nicht selten beginnt aber auf dem fremden
Sprachgebiet die Überlieferung früher, oder es läßt sich aus andern Um-
ständen die Zeit der Entlehnung und damit das Vorhandensein des Wortes
in unsrer Sprache für eine frühe Zeit genauer feststellen. Und drittens haben
sich sogar manchmal in fremden Sprachen Worte erhalten, die im Ger-
manischen ganz und gar verloren gegangen sind oder wenigstens in unserm
Deutsch nicht mehr gebraucht werden. So gibt es ein altbulg. kladezi
.Brunnen', das auf ein got. '-'kaldiggs, eine Ableitung von kalt zurückgeht.
Diese bemerkenswerte Bildung ist weder im Gotischen selbst noch anderswo
erhalten. Nach Kluge stammt abg.gospod/ 'Herr' aus einem got gastifads
= I. hospes aus '--'hostipots, was sehr ansprechend ist. Unser Wort blond
ist aus dem Romanischen entlehnt, frz. blond, ital. biondo, mlat. blundiis.
Das romanische Wort aber stammt vermutlich aus dem Germanischen, wenn-
gleich es dort nirgends mehr erhalten ist. Wenn solche Fälle wie diese nicht
gerade häufig sind, so geschieht es um so häufiger, daß jetzt verlorene
Worte in der fremden Sprache noch vorliegen. So ist das frz. gonfanon
, Fahne' aus dem ahd. gundfano , Kriegsfahne' entlehnt, gant , Handschuh'
stammt aus ahd. want, das wir nur noch in der Seemannssprache als Wanten
.Seemannshandschuhe* haben. Andere Beispiele sind: ixz. guerre aus ahd.
werra ,scandalum' zu wirren; frz. gage aus germ.-got. wadi .Pfand', d.
Wette; frz. senechal, ital. siniscalco setzt ein germ. sina-skalks aus sina ,alt'
zu loX. senex \xn6. skalks , Knecht' voraus; frz. hetre ist aus einem Wort ent-
lehnt, das nur noch mundartlich als Heister fortlebt. Weitere Beispiele siehe
unten § 59.
Nicht selten haben wir dann später das ursprünglich deutsche Wort
wieder zurück erhalten, wie z. B. Email. Es stammt aus einem Wort, das
unserm Schmelz zugrunde liegt; Fauteuil ist aus einem alten faldestaol
herübergenommen, das wir jetzt noch umgewandelt in Feldstuhl besitzen;
Loge ist das altgerm. ^iaiibja, jetzt Laube; Marschall aus frz. marechal
ist ahd. marahskalk eig. , Pferdeknecht' zu marcha , Pferd', jetzt Mähre.
Weitere Beispiele findet man in der unten angeführten Liste der Entlehnungen
ins Französische § 59 und § 243.
Daneben bieten sich als Ergebnis dieser Untersuchungen kulturgeschicht-
liche Erkenntnisse aller Art. Diese aus dem Germanischen entlehnten Worte
liefern Zeugnisse für die Geschichte und Kultur der Deutschen, für ihre
kriegerische Tüchtigkeit und manche andere Eigenschaft. Sie geben Kunde
von der Herrschaft der Goten in Italien und Spanien, der Franken in Frank-
reich usw. Wenn diese Völker ihre Herrschaft und ihre Sprache nicht er-
halten konnten, so haben sie doch unvergängliche Spuren von ihrem Da-
sein in der Sprache hinterlassen.
76 Drittes Kapitel. Entlehnungen aus dem Germanischen.
Eine ircjendwie erschöpfende Angabe der in fremde Sprachen ent-
lehnten Wörter wird hier nicht geboten, sondern nur eine allgemeine Über-
sicht. Nur mit den Lehnwörtern, die das Französische aus dem Deutschen
erhalten hat, mache ich den Zwecken dieses Buches entsprechend eine
Ausnahme und führe zahlreiche Beispiele an.
§ 54, Wege der Entlehnung. Zwei Bemerkungen sind hier noch voraus-
zuschicken. Erstlich kann ein Wort zunächst immer nur in die Nachbar-
sprache entlehnt werden. Zweitens kann es dann aber wandern und in
weite Fernen gelangen. Da aber germanische Stämme zur Zeit der Völker-
wanderung fast alle Teile Europas berührt haben, so ist auch in ziemlich
entfernten Gegenden unmittelbare Entlehnung nicht ausgeschlossen. Die
Entscheidung, was wir anzunehmen haben, wird sich auf Grund ge-
schichtlicher und sprachlicher Erwägungen meist treffen lassen. Wenn wir
also germanische Lehnwörter im Neugriechischen finden, so ist gewiß un-
mittelbare Entlehnung aus der Sprache gotischer Stämme nicht ausgeschlossen,
aber doch nicht sehr wahrscheinlich, weil die Berührung nur oberflächlich
und kurz gewesen ist. Über die Gesetze, nach denen die Entlehnung vor
sich geht, vgl. § 97.
§ 55. 1. Entlehnungen ins Lateinische und Griechische. Bei ihnen handelt
es sich um Bezeichnungen für Gegenstände, die den Alten ursprünglich
unbekannt waren und ihnen erst im Norden entgegentraten. Die Wörter
aber sind deshalb wichtig, weil sie uns zum Teil in sehr altertümlicher
Lautgestalt entgegentreten. Freilich läßt sich nicht immer entscheiden, ob
das Wort unmittelbar aus dem Germanischen oder erst durch Vermittlung
des Keltischen nach dem Süden gekommen ist. So nennt Cäsar die alces^
jetzt Elch, den nriis, jetzt Auerochse, ganta ,Gans' erwähnt Plinius, glesum
, Bernstein', ags. gUrre steht bei Tacitus. Natürlich wird nur weniges in die
Schriftsprache der Römer eingedrungen sein, viel mehr sicherlich in die
Volkssprache, und eine Anzahl von Worten, die gemeinromanisch sind,
dürften schon in alter Zeit entlehnt sein. So finden wir in allen romanischen
Sprachen eine Reihe germanischer Farbenbezeichnungen wie blanco, briino,
gnso, blavo, falvo, blondo, , blond'. Letzteres aber ist im Germanischen
überhaupt nicht belegt. Eine eingehende Behandlung der hier vorliegenden
Frage bietet J. Bruch, Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das
Vulgärlatein, Heidelberg 1913.
§ 56. 2. Die germanischen Lehnwörter im Finnischen.
Literatur: W. Tho.msen, Über den Einfluß der germanischen Sprachen auf die fin-
nisch-lappischen, deutsch von E. Sievers, 1870; S. 9 sind die altern Arbeiten über den
Gegenstand besprochen. — E. N. Setälä, Zur Herkunft und Chronologie der älteren ger-
manischen Lehnwörter in den ostseefinnischen Sprachen, Album Donner 1905. — T. E.
Karsten, Zur Frage nach den ,gotischen' Lehnwörtern im Finnischen, Idg. Forsch. 22. 290 ff.
T. E. Karsten, Altdeutsche Kulturströmungen im Spiegel des finnischen Lehnworts, IF. 26,
236 ff. — E. N. Setälä, Studien aus dem Gebiete der Lehnbeziehungen. S. A. aus
Finnisch-Ugrischen Forschungen t2. — Außerdem besteht noch eine weitverzweigte Literatur,
§ 56. 2. Die germanischen Lehnwörter im Finnischen. 77
die kaum zu überblicken war. Datier ist es seiir dankenswert, daß finnische Forscher uns
über das, was erschienen ist, unterrichtet haben: E. N. SetäLÄ, Bibliograpiiisches Verzeichnis
der in der Literatur behandelten älteren germanischen Bestandteile in den Ostseefinnischen
Sprachen. S. A. aus den Finnisch-Ugrischen Forschungen 13. Festgabe für Viih. Thomsen
2. Teil, Helsingfors 1912—1913. — W. Schlüter, Über Beeinflussung des Esthnischen durch
das Deutsche. S. B. der gelehrten Esthnischen Gesellschaft 1909. Einen allgemein unter-
richtenden Aufsatz bietet jetzt T. E. Karsten, Die germanischen Lehnwörter im Finnischen
und ihre Erforschung. Germ.-rom. Monatsschrift 6, 65 ff., der auch auf einige Mängel des
bibliographischen Verzeichnisses von Setälä hinweist. — T. E. Karsten, Germanisch-finnische
Lehnwortstudien, Helsingfors 1915. Dazu WiKLUND, IE. 38, 48 ff.
Die Finnen, ein Volk nicht indogermanischier Sprache, wohnen seit
langer Zeit im Norden Europas in den Gebieten, die sie jetzt noch inne
haben. Daß sie von der germanischen Kultur beeinflußt sind, darf man
nach der allgemeinen Lage der Dinge als selbstverständlich annehmen.
Wie stark aber dieser Einfluß gewesen ist, das hat erst die Arbeit von
Thomsen klargelegt, und vor allem hat sie unzweifelhaft festgestellt, daß
die große Masse der Worte, die dem Finnischen und Germanischen ge-
meinsam sind, aus dieser Sprache in jene entlehnt sind. Dabei ist nun noch
mancherlei auffallend. Zunächst das Alter der Entlehnungen, denn sie gehen
weit in die vorliterarische Zeit zurück. Und zweitens die Treue, mit der
die ursprünglichen Formen bewahrt sind. Da die finnischen Sprachen nicht
derartig einschneidende Lautveränderungen erlitten haben, wie die ger-
manischen, so treten uns im Finnischen oft genug die germanischen Worte
ganz oder beinahe in der Form entgegen, die wir als urgermanisch er-
schließen können.
So haben wir: kar. agja 'Spitze', d. Edze; — l\nn. aka na 'palea', d. Ahne; — ankea,
d. eng; — arina, d.Ern; — armas 'gratus, carus', d. arm; — autia 'desertus, non cultus', d.
öde; — haikara 'ardca, ciconia', ahd. /z^/^/ro 'Reiher'; — harras 'ardens, incitatus; pietate
ardens', d. hart; — havakka, haiikka, d. Habidit; — jukko, d. Jodi; — kaisla. d. Geißel; —
kana 'gaWma, 6. Hahn; — kattila, d.kessel; — kaunis, d.sdiön; — kaura, d. Hafer; —
keihäs, d. Ger; — kello, d. Schelle; — kernas, d. gern; — keula{s), d. kiel 'Schiff; —
kulta, d. Gold; — kuningas, d. König; — kuiiro, kuuru 'Versteck', d. kauern; — laina 'mu-
tuum', d. Lehen; — lanimas, d. Lamm; — lantio, d. Lende; — laiitta 'ponto, ratis', d. Floß;
— leipä, d.Laib; — liina, d. Lein; — liuta 'Schar, Menge', d. Leute; — luode, d. Flut; —
maha 'venter', d. Magen; — mallas, d. Malz; — multa 'humus, pulvis terrae', d.Müll; —
myyriäinen 'Ameise', d. Miere; — naappa 'Schöpfgefäß', d. Napf; — napakaira 'terebra', d.
Naber, Näber,ahd. naba-ger; — naula, d. Nagel; — neula, n{i)ekla, d. Nadel; — nuora 'restis,
funis', d. Schnur; — pade, d. Pfad; — paita, d. Pfaid; — palje, d. Balg; — pankko, d. Bank; —
panta, d. Band; — patja, d. Bett; — pelto, d. Feld ; — putina, d. Bütte; — puutio d. Pfütze; —
raaka, d. Rahe; — raippa, d. Reif 'Seil'; — rengas, d. Ring; — riita, d. Streit; — ruoke, d.
Bruch 'Hose'; — ruoto, d. Rute; — saip(p)ua, saip{p)io, d. Seife; — sairas, d. sehr; saivo
'klare Stelle im See', d. See; — satula, d. Sattel; — siula, d. Segel; — taika, d. Zeichen; —
tanko. d. Stange; — teljo, d. Diele; — tina, d. Zinn; — vaiva, d. Weh; — äiti 'Mutter'
got. aipei.
Die Heranziehung des Finnischen ist demnach für die Wortforschung
in den altern Sprachperioden sehr wichtig. — Der Ort, wo diese Ent-
lehnungen stattgefunden haben, ist noch nicht mit genügender Sicherheit
ermittelt. Die Hauptmasse stammt aus dem Skandinavischen, doch sind
78 Drittes Kapitel. Entlehnungen aus dem Germanischen.
wahrscheinlich auch Germanen, die in den baltischen Provinzen gesessen
haben, die Vermittler ^^ewesen. Auf das Gotische ist kaum zurückzugehen.
§ 57. 3. Germanische Lehnwörter im Preußischen und Litauischen. Da WO
in geschichtlicher Zeit die alten Preußen sitzen, finden wir nach den Nach-
richten der Römer die Goten, und es ist daher ohne weiteres anzunehmen,
daß das Gotische auf das Preußische und weiter auch auf das Litauische
eingewirkt hat. In der Tat gibt es einige, wenn auch nicht allzu zahlreiche
altgermanische Wörter im Preußischen und Litauischen, vgl. Hirt, Beitr. 23,
344 ff. Später von dem Beginn der deutschen Ordensherrschaft an haben
dann die Preußen und Litauer zahlreiche deutsche Worte aufgenommen,
Prkllwitz, Die deutschen Lehnwörter im Preußischen und Lautlehre der
deutschen Lehnwörter im Litauischen, Göttingen 1891, hat sie gesammelt
und bearbeitet. Jetzt ist das Litauische stark mit deutschen Worten durchsetzt.
§ 58. 4. Die germanischen Lehnwörter im Slawischen.
Literatur: Safarik. Slavische Altertümer 1, Leipzig 1843, S. 429, 440. — Miklosich,
Die Fremdwörter in den slawischen Sprachen, Denkschriften der Kaiserl. Akad. d. Wiss., Wien
1867, phil.-hist. Klasse Bd. 15. — Matzenauer, Cizi slova ve slovanskych retech. VBrnö 1870.
— Uhlenbeck, Die germanischen Wörter im Altslavischen, Archiv für slav. Phil. 15,481 ff. —
Hirt, Zu den germanischen Lehnwörtern im Slavischen und Baltischen, Btr. 23, 330 ff. —
R. Löwe, Altgermanische Elemente der Balkansprachen: 4. Slawisch; KZ. 39, S. 313 ff. —
A. Brückner, Cywilizacja i jr-zyk. Szkice z dziejöw obyczajowosci-polskiej in der Bibljoteka
Warszawska 1898 Band 3 und4, selbständig 1901. — J. Peisker, Die älteren Beziehungen
der Slawen zu Turkotataren und Germanen; SA. aus der Vierteljahrsschrift für Sozial- und-
Wirtschaftsgeschichte 3, S. 57 [243] ff. — O. Schrader, Die germanischen Bestandteile des
russischen Wortschatzes und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung; WB. z. ZADS. 4. Reihe,
Heft 23, 24 S. 99. — G. Borchling, Die niederdeutschen Elemente in den deutschen Lehn-
wörtern des Polnischen. Verh. d. 50. Versammlung deutscher Schulmänner in Graz 1909.
S. 140 l.
Die Zahl der germanischen Fremdwörter im Slawischen ist schon in
alter Zeit sehr bedeutend und hat sich mit der Zeit immer noch verstärkt.
Wann dieser Einfluß und die Herübernahme von Worten begonnen hat,
wissen wir nicht genau. Vermutlich hatte sie in der Zeit der Wanderung
und der Herrschaft der Goten in Osteuropa angefangen, während sich
später die dauernde Einwirkung an den Grenzen hinzugesellte. Die frühesten
Einwirkungen fallen in eine Zeit, in der die slawischen Stämme noch auf
ziemlich engem Räume beieinander saßen. Da die große Masse der alten
Fremdwörter allen slawischen Sprachen gemeinsam ist, so ist diese An-
nahme eine notwendige Voraussetzung,
Oft genug läßt sich aus den lautlichen Verhältnissen nicht sicher ent-
scheiden, ob ein slawisches Wort aus dem Germanischen entlehnt oder ur-
verwandt ist. In solchem Falle müssen bei der Untersuchung die andern Um-
stände, die wir unten angeführt haben, herangezogen werden, und es senkt
sich dann meistens die Wagschale zugunsten der Annahme von Entlehnung.
Auf die russische Sprache im besondern hat noch die schwedische
gewirkt, da die Schweden die Gründer des altrussischen Reiches waren.
§ 59. Die germanischen Lehnwörter in den romanischen Sprachen. 79
Ihre Sprache haben sie zwar bald aufgegeben, aber die alten Namen be-
hielten sie bei, und manche sind dann von den Russen wieder zu uns
gekommen. Vgl. GDS. 99.
§ 59. 5. Die germanischen Lehnwörter in den romanischen Sprachen.
Literatur: F. Kluge, Germanen und Romanen in ihren Wechselbeziehungen. Grd.
d. rom. Phil. 1, 385-397. — F. Kluge, Germanen und Römer. Grd. d. germ. Phil. 1'. — E.
Waltemath, Die fränkischen Elemente in der franz. Sprache, Paderborn 1885 (Straßb.Diss.). —
G. Mackel, Die germ. Elemente in der franz. und provenzalischen Sprache. Frz. Studien
6, 1 Heft. Dazu A. Pogatscher, ZsfrPh. 12, 550. — W. Brückner, Charakteristik der germ.
Elemente im Italienischen, Basel 1899. — M. GoLDSCHMiDT, Zur Kritik der altgerm. Elemente
im Spanischen, Bonn 1887. — W. Meyer-Lübke, Einführung in das Studium der rom.
Sprachwissenschaft^, Heidelberg 1909 S. 51 ff. Allgemeine unterrichtende Übersicht. — Eugen
Ulrix, De Germaansche Elementen in de Romaansche Taalen. Proeve van een germaansch-
romaansch woordenboek, Gent 1907. Hier findet sich auch die weitere Literatur. — D. Behrens,
Beiträge zur französischen Wortgeschichte und Grammatik, Studien und Kritiken 1910.
Im allgemeinen sind wir gewöhnt, uns als die zu betrachten, die von
den Romanen zahllose Lehnworte empfangen haben, und in der Haupt-
sache ist es ja so auch seit Jahrhunderten gewesen. Aber es gab auch
eine Zeit, in der es einmal anders war. Zur Zeit der Völkerwanderung
waren die Germanen die Sieger. Es gibt nur wenige Teile des gewaltigen
römischen Reiches, die die Germanen auf ihren Wanderungen nicht berührt
haben. Ja, auf der Balkanhalbinsel, in Italien, in Frankreich und Spanien
haben sie zum Teil jahrhundertelang geherrscht. Eine solche Herrschaft
konnte nicht ohne Einfluß auf die Sprache der unterworfenen Völker bleiben,
und tatsächlich sind alle romanischen Sprachen voll von Entlehnungen aus
dem Germanischen. Diese Erscheinung hat natürlich die Romanisten seit
langem beschäftigt, und die Literatur darüber ist außerordentlich reichhaltig.
In dem oben zuletzt angeführten Werk von Ulrix ist sehr viel zusammen-
getragen und eine gute Übersicht gegeben.
Es kann auch hier nicht unsere Aufgabe sein, diese Frage irgendwie
zu erschöpfen, da sie uns ja nicht unmittelbar angeht; nur mit den ger-
manischen Lehnwörtern im Französischen wollen wir uns etwas ausführ-
licher beschäftigen.
Die Entlehnung germanischer Worte ins Französische beginnt sehr
früh, da ja zweifellos schon die alten Gallier germanische Wörter herüber-
genommen haben. Dann empfingen die Römer germanische Worte, die
auch ins Französische übergingen. In der Zeit der Völkerwanderung sind
eine große Anzahl gemeinromanischer Entlehnungen vollzogen. Die Haupt-
masse aber kommt durch die Frankenherrschaft im 5. Jahrhundert. Ich gebe
im folgenden ein reiches Material, wobei ich mich auf die Sammlungen
von Hatzfeld-Darmesteter in ihrem Dictionnaire stütze. Ich verzichte aber
darauf, die Form, aus der das französische Wort entlehnt ist, genau zu er-
schließen, weil dazu eine Kenntnis der Lautveränderungen im Französischen
gehört, die ich nicht besitze. Aber da es uns hier nur auf die Wortgeschichte
80 Drittes Kapitel. Entlehnungen aus dem Germanischen.
ankommt, so scheint mir dieser Mangel nicht von allzu großer Bedeutung
zu sein. Jedenfalls wird man über die Fülle der entlehnten Worte erstaunt
sein. Sie geben Kunde von der lange andauernden Herrschaft, die die
Franken über unser westliches Nachbarland ausgeübt haben.
adoiiber 'ausbessern' aus germ. ''diibban 'schlagen'; — affre 'Schrecken, Entsetzen',
ahd. eibar 'scharf, bitter'; — agace 'Elster', ahd. agalstra; — aigrette 'Reiher', ahd. heigir; —
agraffe zu ahd. krapho Haken'; — alise 'Eisbeere', d. Erle; - allen 'Gut', ahd. allöd
'Allodium'; — andie 'Mundstück an Blasinstrumenten', ahd. andia 'Röhre'; — aiine 'Elle',
ahd. alina, elina; — avadiir 'schlaff werden', ahd. wcihhen 'weich machen'; — babine 'Lippe',
alem. ftrt/>/J<' 'Schnauze'; — balle 'Ball', ahd. balla; — ban 'feierliche Bekanntmachung' von
bannir, ahd. bannan, ban; — banc, ahd. bank; — bände 'Binde, Band' aus bende, ahd. binda;
— bannii'ie 'Banner', vgl. got. bandi 'Band, Fessel'; — bar 'ein Fisch', a\\d.bars; — bütir
'heften, reihen' aus *bastjan, ahd. bestan: — bau 'Querbalken', ahd. baldio; — 6a«rf 'Hirsch-
hund', ahd. bald 'schnell'; — baudrier 'Wehrgehänge', ahd. balderih; — bcdeau 'Pedell', ahd.
bital 'Büttel'; — beffroi 'Warte', ahd. bergvrit; — beton 'erste Milch' von afrz. bet, ahd. biost
'Biestmilch'; — biez 'Mühlgerinne', ahd.bed 'Bett'; — biere 'Bahre', ahd. bara 'Bahre'; — bla-
fard bleich, blaß, matt', ahd. bleih-varo 'bleiclifarben'; — blanc, ahd. blank; — biet 'überreif,
anfrk. biet 'bleich'; — bleu, ahd. blao ; — bloc, ahd. blodi 'Block'; — borde 'Hütte', ags. bord; —
bouc, ahd. bodi; — bourg, ahd. bürg; — bouter urspr. 'stoßen', agerm. '''boutan. ahd. bOzzan
'stoßen'; — bradiet 'Spürhund', ahd. bracdio; — braise 'glühende Kohlen', ahd. brasa; —
branicr 'wie ein Hirsch schreien', ahd. breman, davon Brunft; — brand , Ritterschwert', germ.
*brand; — brandon 'Strolifacker, germ. 'brand; — breche 'Lücke, Bresche', ahd. bredia; —
brelan 'Spiel', ahd. bretlinc, Dim. von Brett; — bretne, ahd. brahsema 'Brassen'; — bride
Zaum, Zügel', ahd. britil; — broder 'sticken', germ. -brozd 'Spitze'; — brosse, germ
*burstja, 'Bürste'; — *roü(^<? 'Staubregen', brouet 'Bouillon', d. brodeln; — brouir 'versengen',
mild, brücjen; — brouter 'abgrasen', germ. '-'bruston; — broyer 'zerbrechen', ahd. bredian; —
bru 'Schwiegertochter', got brüps; — brun, ahd. brün; — buee 'feuchter Dampf, Wäsche', d.
baudien, ndd. büken; — buron 'Sennhütte', ahd. bnr; — butin 'Beute', d. Beute; — carcan
'Halseisen', ahd. querca; — diambellan 'Kammerherr', ahd. kamarlinc; — diamois, d. Gemse;
— diarivari, der zweite Bestandteil zu d. wirren; — chaton 'Ringkasten', d. Kasten; —
choisir, zu ahd. kiosan 'wählen'; — diope, d. Sdioppen; — diopper .stolpern', d. sdiuppen;
— dioqucr'%{o2>tn, vielleicht zu engl, to s/iok; — ciron 'Milbe', ahd. siuro; — clapet 'Klappen-
ventil', d. Klappe; — clapper mit der Zunge schnalzen', d. klaffen ; — clendie, d. Klinke; —
codie 'Schiff, ahd. cocdxo; — cotte 'Weiberrock', d. Kotze; — crabe, d. Krabbe; — crampon
d. Krampe ; — credie, d. Krippe ; — cresson, d. Kresse ; — Croupe, d. Kropf; — crudie, d. Kruke ; —
danser 'tanzen', ahd. dansün 'ziehen'; — dard 'Wurfspieß', ags. darod; — de-diirer, andfr.
skcrran; — rft^-^a^rjt?//- 'aufgeben, fahren lassen', d. werfen; — de-rober 'stehlen', d. rauben; —
rfrflg^^o« 'Wurzelschößling', d. treiben, Trieb; — e -b loui r %\tndtn , d. blöde; — ^ca/V/e 'Schuppe',
got. skalja 'Ziegel'; — ecale 'äußere Schale', ahd. scala 'Schale'; — edianson 'Mundschenk',
d. Schenke; — ediarpe '^'md(i, Szhäx\)t' , d.Sdiärpe; — cdiauguette 'Warte, Warthäuschen',
d. Sdianmacht; — ediine 'Rückgrat', d. Schiene; — edioppe 'Krambude, Schuppen', d.
Sdiuppen; — eclisser 'spalten', d. sdileißen; — ecofier 'Schuhmacher', d. Sdiuh; ecot
'Baumstumpf, Reiser', d. Sdioß; — ecrevisse 'Krebs', d. Krebs; — ecume 'Schaum', d.
Sdiaum; — ef-frayer 'erschrecken', d. Friede; — elingue 'Seilschlinge', d. Sdilinge; —
email, ags. smelt, d. Sdimelz; — empan, afrz. espan Spanne', d. Spanne; — hardi, d.
hart; — f'parre 'Sparren', d. Sparren; — epargner, d. sparen; — epeidie 'Buntspecht',
d. Spedit; — epeler buchstabieren', got. spillön 'verkünden, erzählen'; — eperlan, d.
Spierling; — eperon, d. Sporn; — epervier, d. Sperber; — ^^p/Vr 'erspähen', d. spähen;
— epieu 'Spieß', agerm. ""speot; — epoule, d. Spule; — estamper, d. stampfen; — estoc
'Baumstamm', d. Stodi; — estrif, d. Streit; — esturgeon, ahd. sturio 'Stör'; — etat
•Fleischertisch', d. Stall; — faite 'Giebel, First', d. First; — falaise 'steiles Gestade, Klippe',
§ 59. 5. Die germanischen Lehnwörter in den romanischen Sprachen. 81
d. Felsen; — fanon 'Fähnlein', d. Fahne; — fauder 'zusammenlegen', d. falten; — fauteuil.
d. Feldstuhl; — fauve 'falb', d.falb; — feurre, fouarre 'Futterstroh', ahd.fuotar 'Futter'; —
feutre 'Filz', d. Filz —fief 'Lehen, ahd. Jehu 'Vieh'; — flan 'Torte', ahd. flado, 'Fladen'; —
flatir 'hämmern', and. flat 'flach, glatt'; — f latter 'schmeicheln', ebenfalls von flat; — flot
'Welle, Woge', got flüdus 'Flut'; — flou 'weich, sanft', d. lau; — fourbir 'putzen, polieren',
ahd. furbjan 'reinigen, putzen'; — fournir 'mit etwas versehen', ahd. frumjan 'fördern, voll-
bringen';— /ourr^-fl« 'Scheide, Futteral', got. /örfr 'Scheide', d. Futter, dazu auch fourrer
'mit Pelz verbrämen, füttern'; — frais, ahd. frisk 'frisch'; — franc 'frei', d. Franke; — freux
'Saatkrähe', ahd. hruoh 'Krähe, Häher'; — frimas 'Reif, ahd. hrlm 'Reif; — froc 'Mönchskutte',
d. Rodi;— gage 'Pfand', got. wadi 'Pfand', d. Wette; — gagner 'verdienen', ahd. weidinön
'weiden, jagen'; — gant 'Handschuh', ndd. Wanten 'Seemannshandschuh'; — garder 'beob-
achten, halten, wehren', d. warten; — garnir 'versehen mit etwas', d. warnen; — gaudiir
•sich werfen, schief werden', d. wanken; — gaufre 'Wabe, Waffel', d. Waffel; — gazon 'Rasen',
ahd. waso 'Rasen'; — gene 'Geständnis', zu ahd. je han 'bekennen', noch in Beidite; — gerbe,
d. Garbe; — gerfaut 'Geierfalk', ahd. gtr-falko; — giron, mhd. gere 'keilförmiges Stück an
einem Kleide'; — glisser, d. gleiten; — gonfanon 'Kirchenfahne', ahd. gundfano; — gres
'Sandstein', ahd. grioi 'Sand'; — gi'Ufe 'Kralle', von d. greifen; — gris 'grau', d. greis; —
grommeler, d. grummeln; — gruau, d. Grütze; — gruyer 'Forstmeister', zu d. grün; — guede
'Färberwaid', d. Waid; — guerdon 'Belohnung', zu d. wider; — guere, ahd. weigaro 'heftig,
sehr'; — guerir, d. wehren; — guerre, ahd. werra 'Streit', wirren; — guider, got. witan; —
guimpe 'Schleier', d. Wimpel; — guiper 'mit Seide überspinnen', got weipan 'bekränzen'; —
guise 'Art, Weise, Sitte', d. Weise; — hadie 'Axt, Beil', d. Hippe; — haie 'Hecke', d. Ffag; — hai'r,
d. hassen; — haire 'härenes Gewand', zu d. Haar; — halle, d. Halle; — hameau'VJtilti, Dörf-
chen', d. Heim; — hanap 'Humpen', d. Napf; — handle 'Hüfte', d. Hanke; — happer 'gierig
schnappen', d. happen; — harde 'Rudel', d. Herde ; — hareng, d. Hering; — harpe, d. Harfe; —
häte 'Eile', got. haifsts 'Streit' ; — haiibert 'Y^anztxhtmd' , mhd. /za/s&^rc 'Panzerhemd' ; — haveron
'wilder Hafer', d. Hafer; — havre 'Hafen', d. Hafen; — heaume, d. Helm; — heberge, d. Her-
berge; — heron 'Reiher', ahd. heigir; — hetoudeau, d. Hagestolz; — hetre 'Buche', ndl.
heester; — /zo/z/2i> 'beschimpfen', d. höhnen, dazu honte; — houe'Hazke' , d. Haue; — houseaux
'Gamaschen', d. Hose; — houx 'Stechpalme', ahd. hulis; — jardin, d. Garten; — /a/d 'häßlich',
d. leid; — laper 'lecken', engl, lap; — latte, d. Latte; — ledier 'lecken', ahd. lediün; — lippe
'vorstehende Unterlippe', d. Lippe; — löge 'Hütte, Verschlag, Loge', ahd. louba 'Laube'; —
loquet 'Klinke, Drücker', zu got. lakan 'verschließen'; — lot 'Los', got. hlauts 'Los'; — madre
'gefleckt, gemasert', d. Maser; — malle 'Felleisen', ahd. malaha ; — marais 'Sumpf, Morasf ,
d. Marsdi; — marc 'Gewicht', d. Mark; — mardie 'Grenze', d. Mark; — mare 'Pfuhl', ahd.
■■tnara, vorauszusetzen als Grundwort ixxx Marsdi; — maredial, ahd. marahscalk; — marquer
'zeichnen, bezeichnen', d. merktn; — marsouin, d. Meersdiwein; — martre, d. Marder; —
mät, d. Mast; — mesange, d. Meise; — meurtre, got. maürpr'M.OTd' ; — morille, d. Mordiel; —
wor/ze 'traurig, finster', got. wazir«a/z 'trauern'; — moufle 'Fausthandschuh', and. (latinisiert)
muffula ; — mousse, d. Moos; — mulot ,Feldmaus', zu mul in Maulwurf; — nantir 'ein Unter-
pfand geben', zu d. nehmen; — navrer 'verwunden', zu d. Narbe; — nord, d. Nord; — orgueil
'Hochmut, Stolz', zu ahd. urguol 'insignis'; — ouest, d. West; — quille 'Kegel', d. Kegel; —
rang 'Reihe, Ordnung', d. Ring; — räpe 'Reibeisen', d. Raspel; — regretter zu got. grttan
'weinen'; — ridie, d.reidi; — r/d^r 'runzeln, kräuseln', ahd. garidan; — rodiet 'Chorhemd',
zu d. Rodi; — roseau 'Rohr, Schilf, d. Rohr, got. raus; — rotir, d. rösten; — rouir 'Flachs
rösten', vgl. d. verrottet; — sale, ahd. salo 'schmutzig'; — salle, d. Saal; — senedial,
germ. '-sini-scalk 'Altknecht'; — serancer 'hecheln', d. Sdiranze und Sdirunde; — souper,
super, d. saufen; — sud, d. Süden; — sur, d. sauer; — taisson, d. Dadis; — taper
'klappsen', von ahd. tappa 'Hand'; — targe 'Tartsche, Schild', ags. targe; — tarir 'aus-
trocknen', zu dörren; — tette 'Zitze", ndd. Titte; — tique, d. Zedie; — tombtr, engl.
to tiimble 'umstürzen'; — touaille 'Rolltuch', zu ahd. twahan 'waschen'; — toupet, d.
Zopf; — tourbe, d. Torf; — trappe 'Falltür', in der lex salica trappa; — tre-budier
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 5
82 Viertes Kapitel. Urschöpfung und künstliche Worte.
'stolpern', zu 6. Raiidi; — ^r^f^ 'Waffenstillstand', a\\(\. triiiwa 'Treue'; — troene 'Hart-
riegel', ahd. [harOtrugil.
Aus dieser Liste mag man ersehen, wie tief und nachhaltig der Einfluß
des Germanischen auf das Französische schon in alter Zeit gewesen ist.
Besonders beachtenswert erscheint, daß Ausdrücke wie Nord, Süd, West
entlehnt worden sind. Es weist dies auf eine starke Überlegenheit der ger-
manischen Schiffahrt hin, worauf schon G. Baist, ZfdW. 4, 257, Germanische
Seemannsworte in der französischen Sprache, hingewiesen hat. Auf die
Lehnworte der neuen Zeit einzugehen muß ich unterlassen, obgleich auch
sie manches Bemerkenswerte bieten.
§ 60. 6. Die deutschen Lehnwörter in den sonstigen Sprachen. Es ist nicht
möglich, die Wirkungen des hochdeutschen Wortschatzes auf die andern
Sprachen mit irgendwelcher Ausführlichkeit darzustellen. Es mangelt dazu
der Raum, es fehlen aber auch noch die Vorarbeiten. So begnüge ich mich
mit einigen Andeutungen.
Das Hochdeutsche bekommt früher eine geschriebene Literatur als das
Niederdeutsche, es regt sich dort eher die mönchische Gelehrsamkeit, und
so ist es kein Wunder, daß es mehr und mehr in seinem Wortschatze auf
die Sprache Niederdeutschlands abzufärben beginnt. Dieser Einfluß ist mit
den Jahrhunderten immer stärker geworden und heutzutage ist das Nieder-
deutsche von hochdeutschen Worten durchsetzt, ebenso natürlich das Nieder-
ländische. Nicht minder ist das heutige Skandinavische sehr stark dem
deutschen, insbesondere natürlich dem niederdeutschen Einfluß ausgesetzt
gewesen. Wäre das Niederdeutsche zur deutschen Schriftsprache geworden,
so würde dieser noch viel stärker geworden sein.
Anmerkungl. Vgl. hierzu M. Kristensen, Fremmeordene i det aeldeste danske skrift-
sprog. Diss. Köbenhavn 1906. Ida Marquardsen, Der Einfluß des Mittelniederdeutschen
auf das Dänische im 15. Jahrh. Btr. 33, 405— 458. Frank Fischer, Die Lehnwörter des Alt-
westnordischen I.Teil, Berl. Diss. 1909. Das Ganze als Band 85 der Palästra.
Ein gewaltiger Strom deutscher Worte ergießt sich weiter nach Osten
und Südosten. Zahlreiche deutsche Worte sind in die Balkansprachen und
schließlich bis ins Neugriechische vorgedrungen.
Anmerkung 2. Vgl. über die Lehnwörter der altern Zeit in diesen Gegenden Thumb,
Germanistische Abhandlungen, Herm. Paul dargebracht, S. 225 ff. (dazu Hesseling, Byzant.
Ztschr. 12, 595). R. Löwe, Altgermanische Elemente der Balkansprachen, KZ. 39, 265 ff.
KisCH, Altgermanische Elemente in Rumänien. Festgabe zur Feier der Einweihung des neuen
evangelischen Gymnasial-, Bürger- und Elementarschulgebäudes in Bistritz (Siebenbürgen).
Zugleich Beilage zum Programm des Bistritzer Obergymnasiums. Vgl. Litbl. 1913, 46. —
1. Borcia, Deutsche Elemente im Rumänischen, Leipzig 1908, Barth. — Über die deutschen
Elemente im Ungarischen siehe Lumtzer und Melich, Deutsche Ortsnamen und Lehn-
wörter der ungarischen Sprache. Innsbruck 1900.
Selbst in das heutige Englisch sind deutsche Wörter gedrungen, vgl.
A. EiCHLER, Hochdeutsches Sprach- und Kulturgut im modernen englischen
Wortschatze, Anglia Beiblatt 19, 238.
§ 6L Rückblick. Überblickt man die vielen germanischen Worte, die
§ 61. Rückblick. § 62. Urschöpfung. 83
ihren Weg nach auswärts gefunden haben, so wird man billig erstaunt sein
über ihre Menge. Sie dürften an Zahl denen wenig nachgeben, die wir
selbst aus andern Sprachen aufgenommen haben. Die Wege, die sie ge-
gangen sind, entsprechen den Wegen der deutschen Geschichte und der
deutschen Kulturentwicklung, wie wir sie aus andern Quellen kennen. In
manchen Punkten zeugen sie freilich von einer Wirksamkeit der Germanen,
wie sie keine Geschichte kennt. Von dem nachhaltigen Einfluß der Ger-
manen auf die Finnen würden wir ohne die Kenntnis der Lehnworte wenig
ahnen, und noch weniger würden wir ahnen, daß in den baltischen Pro-
vinzen schon sehr früh germanische Stämme gesessen haben. So liegt denn
schon hier ein Fall vor, wo die Wortforschung der Geschichte als helfende
Dienerin zur Seite steht. Damit stoßen wir auf eine Aufgabe der Sprach-
forschung, deren Bedeutung zuerst J. Grimm klar erkannt hat. Daß diese
Untersuchungen aber auch dazu beitragen, das Alter germanischer Wörter
genauer zu bestimmen, was ja für unsere Zwecke die Hauptsache ist, das
dürfte aus dem Angeführten klar hervorgehen.
Viertes Kapitel.
Urschöpfung und künstliche Worte.
§ 62. Urschöpfung. Wenn man die Aufgabe erfüllt hat, ein Wort mög-
lichst weit zurückzuverfolgen, so ist damit noch immer nicht in allen Fällen
die Frage nach der wahren Herkunft der Worte gelöst. Auch im Indo-
germanischen treten uns fertige, nicht weiter erklärbare Wörter entgegen.
Man sollte sich m,it dieser Erkenntnis begnügen. Aber der menschliche
Geist ruht nicht. Er möchte trotz der scheinbaren Unmöglichkeit, weiter
vorzudringen, gern wissen, wie gerade dieses Wort, diese Lautgruppe zu
dieser bestimmten Bedeutung gekommen ist. Wollten wir hierauf eine Ant-
wort geben, so müßten wir das schwierige Problem des Ursprungs der
Sprache erörtern und vielleicht die vielen Versuche, diese Frage zu lösen,
um einen neuen vermehren. Das wollen wir aber nicht tun. Indessen ist
doch darauf hinzuweisen, daß die Schöpfung der Sprache nicht ein ein-
maliger Vorgang gewesen ist, sondern daß zu allen Zeiten Grundbestand-
teile der Sprache — man nennt sie Wurzeln — neu gebildet worden sind.
H.Paul hat dies mit Urschöpfung bezeichnet.
„Das Wesen der Urschöpfung", sagt er in seinen Prinzipien der Sprach-
geschichte, „besteht darin, daß eine Lautgruppe in Beziehung zu einer
Vorstellungsgruppe gesetzt wird, welche dann ihre Bedeutung ausmacht,
und zwar ohne Vermittlung einer verwandten Vorstellungsgruppe, die schon
mit der Lautgruppe verknüpft ist." Diese Lautgruppe muß aber dem Vor-
stellungsinhalt entsprechen, es muß eine innere Beziehung zwischen der
Lautgruppe und der Bedeutung vorhanden sein, wenn sich eine solche
6*
84 Viertes Kapitel. Urschöpfung und künstliche Worte.
Benennung verbreiten soll. Es muß, kurz gesai:jt, der Lautgruppe ein ge-
wisser lautmalender Charakter eigen sein.
Wir können ein ganz neues Beispiel für diese Art der Urschöpfung
anführen. Es ist das Wort Töfftöff für Automobil. Daß wir hierin ein
durchaus richtiges Wort vor uns haben, unterliegt ja keinem Zweifel, und
ebenso, daß wir hier dem Ursprung sicher nachkommen können. Es wird
wohl kaum gelingen, die Lautgruppe töfftöff vor Auftreten der Automobile
nachzuweisen, sie ist vielmehr die Wiedergabe des von den Fahrern ge-
gebenen Warnungszeichens, die man zu der Vorstellungsgruppe Automobil
in Beziehung setzt. Daß sich dieser Ausdruck hätte durchsetzen können,
ist unbestreitbar. Ähnlich steht es mit dem vor etwa vierzig Jahren auf-
gekommenen Krikri. Dieses, einen eigentümlichen knackenden Ton hervor-
bringende Instrument war sicher nach seinem Ton benannt. Weiter nenne
ich Klimbim und Tingeltangel, die sogar Duden verzeichnet. Wir sehen
also, wie Worte in unsrer Zeit neu entstehen können, und wir schließen,
daß es so auch in frühern Zeiten gewesen ist.
§ 63. Lautmalende Wörter. Nun gibt es in unsrer Sprache eine ganze
Reihe von Worten, die erst verhältnismäßig spät auftreten, zum Teil gewiß
deshalb, weil die Überlieferung lückenhaft ist, zum Teil aber auch weil sie
auf ähnlichem Wege, wie die oben erwähnten, entstanden, also wirklich Ur-
schöpfungen sind. Paul hat eine große Anzahl derartiger Worte zusammen-
gestellt, und es hat sich dabei gezeigt, „daß es vorzugsweise solche sind,
die verschiedene Arten von Geräuschen und Bewegungen bezeichnen". Für
mich unterliegt es keinem Zweifel, daß viele der von Paul angeführten Worte
tatsächlich lautmalender Natur sind:
baffen, bambeln, bammeln, bardauz, bummeln, bimmeln, batzen (nd. schallend auf-
fallen), patsdien, bauzen (= batzen 'bellen'), belfen, belfern, blaffen, blarren. blerren.
blatzen, platzen, pletzen. bletschen. pletsdien, platsdiern, planschen, panschen, plätschern,
blodern, plaudern, blubbern, plappern, blauzen, böller, bollern, bubbeln, bullern, ballern,
boldern, poltern, bompern, bumpern, buff, buffen, puff, puffen, burren. bubbeln. puppein,
puppern, dudeln, fimmeln, fummeln, flattern, f linder, flindern, Flinderling, flandern, flink,
f lodern, flunkern, flüstern, gackeln, gackern, gacksen, gagagen, gatzen. gautsdie. gautschen.
ganzen, gidisen. kicksen, girren, glucken, glucksen, grackeln, hampeln, happen, hummen.
humpen, humpeln, hätscheln, holpern, hurren. huschen, hussen. jaulen. Jodeln, Johlen,
kabbeln, kakeln, keckern. kidiern, kirren, kischen 'zischen', klabastern, Klachel oder
Klädiel, bayer. 'Glockenschwengel oder anderes baumelndes Ding', klaffen, kläffen, klap-
pen, klappern, klatschen, kletzen, kieschen {— klatschen). Klimbim, klimpern, klirren,
klitschen, Klunker, knabbeln. knabbern, knadien, knacks, knarpeln. knarren, knarzen,
knarsdien. knatsdien, knattern, knirren, knirschen, knittern, knurren, knasdieln. knaspeln,
knastern, knisten, knistern. Knaster (-hart), knatsdien, knetsdien, knitsdien, knutschen,
knattern, knittern, knuffen, knüffeln, knüllen, knuppern, knurren, knuspern, koken,
kollern, kotzen, kullern, krabbeln, kribbeln, krakeln, krakeln, kraspeln, kreischen, kreißen,
kuckern 'cucurire', lode/n, lullen, mauen, mucken, mucksen, mummen, munkeln, nutsdien.
paffen. Pamps. pappen, patschen, piepen, pfusdien. pimmeln, pimpeln, pimpelig, pinken,
pisdi, pispern. pladdern, plantschen, plappern, plärren, platschen, platzen, plaudern, plotz.
plumpen, plumpsen, potz, prasseln, pratsdien, prusten, puffen, pumpen, quabbeln, quab-
§ 63. Lautmalende Wörter. § 64. Entwicklung der lautmalenden Wörter. 85
belig, quackeln, quaken, quäken, quatschen, quiken. quietschen, rappeln, rapsen, rascheln^
rasseln, räuspern, rempeln, Rummel, rumpeln, \rüppeln, sdüabbern, schlampen, schlam-
pampen, schlockern, sdilottern. schlürfen, scfimettern, Sdinack, sdinadien, sdinattern.
sdinarren. sdirill, sdiummeln, schwabbeln, sdiwappen, sdiwirren, stöhnen, stolpern, strullen.
summen, surren, tatschen, tätsdien, tätsdieln, ticken, torkeln, turzeln (hessisch = torkeln),
trällern, tuten, wabbeln, wibbeln, watscheln, wimmeln, wimmern, wudeln, ziepen, zirpen,
zischen, zischeln, zullen, zulpen, züsseln 'schütteln', zwitschern. Weitere Fälle hat O. Weise,
ZfdU. 19, 510, in einem lesenswerten Aufsatz zusammengestellt.
Wenn auch einzelne dieser Worte sicher ursprüngHch nicht lautmalend
sind, so dürfte es doch für die meisten zutreffen. Und wenn man sich
genau beobachtet, so wird man finden, daß man nicht selten selbst solche
Wörter neu bildet, die freilich als Augenblicksschöpfung und Erzeugnis eines
einzelnen keine Wahrscheinlichkeit haben, fortzuleben.
Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,
Da ringelt's und schleift es und rauschet und wirrt.
Da pispert's und knistert's und flistert's und schwirrt;
Nun dappelt's und rappelt's und klappert's im Saal.
Mit diesen Worten hat Goethe im Hochzeitslied zweifellos die Geräusche
nachahmen wollen, und wir empfinden den lautmalenden Charakter seiner
Worte ganz deutlich. Die i- Vokale drücken das feine Geräusch aus, während
mit den a-Vokalen der vierten Zeile ein kräftigeres Treiben eintritt. Ob
man sich von jedem Wort eine klare Vorstellung machen kann, ist sehr
die Frage.
§ 64. Entwicklung der lautmalenden Wörter. Wenn also in der Sprache
stets neue Lautgruppen hervorgebracht werden, namentlich um Geräusche
und ähnliches zu bezeichnen, so fragt es sich, wie die weitere Entwicklung
vor sich gegangen ist. Nun, das ist leicht zu zeigen. Wenn Töff-töff das
Automobil bezeichnet, so hat hier schon ein Bedeutungsübergang statt-
gefunden, und das Wort hat sich von seiner Herkunft bereits losgelöst.
Es könnte ja auch ein anderes Annäherungszeichen für die Automobile
als das bisherige eingeführt werden, auf das die Lautgruppe töff nicht
mehr passen würde, diese aber doch als Bezeichnung beibehalten werden.
Dann hätten wir ein Wort, dessen lautmalende Herkunft nicht mehr zu er-
kennen wäre.
Ein anderes Beispiel ist das folgende.
bim-bam-bum gebrauchen wir heute lautmalend, um die Glockentöne
zu bezeichnen, und zwar verbinden wir mit bim den Begriff eines hohen,
mit bum den eines tiefen Tones. Sobald diese Lautgruppen geschaffen
waren, konnte man Wörter davon ableiten, wie wir denn wirklich bimmeln
haben. Dies bedeutet ,mit einem feinen hohen Ton längere Zeit klingeln'.
Es liegt also schon mehr darin, als in dem einfachen bim. Mit dem Glocken-
ton ist aber zweifellos die Bewegung des Klöpfels auf das engste verbunden,
und daher tritt sehr leicht eine Bedeutungsübertragung ein von dem Ton
auf die Bewegung des Klöpfels, die wir in bammeln, mundartlich für 'sich
8^
ViERTKS Kapitel. Urschöpfung und künstliche Worte.
hin und her bewegen' haben. Weiter in der Bedeutunj:jscntwicklunj^ ist
bummeln ge^jangen. Auch liier ist die älteste Bedeutung 'tosen, lärmen'.
Grimm führt aus dem Mhd. an des pumblens do die kuo verdrose\ daraus
entwickelte sich 'sich hin- und herbewegen': die Arme bummeln lassen,
und schließlich 'zwecklos hin- und hergehen, nichts tun'. Das Bremische
Wörterbuch kennt alle drei Bedeutungen 'liSuten, schweben und schlendern'.
Wenn heute aber der Student bummelt, so können wir in dieser Ausdrucks-
weise die ursprünglich lautmalende Herkunft des Wortes nicht mehr er-
kennen.
Natürlich sind es zunächst hauptsächlich Interjektionen, die durch Ur-
schöpfung neu hervorgebracht werden. Aber von ihnen können dann leicht
zahlreiche Wörter neugebildet werden, wie folgende Beispiele noch zeigen
mögen. Patsch ist eine Interjektion des schallenden Schlages oder auf-
schlagenden Schalles. Davon dann Patsch m. 'schallender Schlag oder Fall'
und patschen 'patschend aufschlagen', bes. im Wasser, dann überhaupt 'im
Wasser herumgehen'. Patsdi m. oder Patsdie f. bedeutet den 'Straßenschmutz',
und weiter 'Not und Verlegenheit' in der Redensart in der Patsche stecken.
Weiter heißt Patsdie auch 'die Hand', vgl. Patschhand, sicher vom Ein-
schlagen der Hände. Von patsdien ist patsdieln oder pätsdieln abgeleitet,
das jetzt 'mit dem Ruder leicht und wiederholt auf dem Wasser aufschlagen'
bedeutet. — Eine andere ähnliche Interjektion ist puff oder buff. Davon
stammt Puff oder Buff m. 'dumpfer Schall ausbrechender Luft', dann auch
'Schlag, Stoß'. In weiterer Bedeutungsentwicklung gehören dazu Puff 'bau-
schiger Ärmel, aufgeblähtes kugelförmiges Kissen, eine Art Bier (in Halle)';
Puffer 'Knallbüchse' (Zeesen wollte Pistole mit Tasdienpuffer verdeutschen)
und 'eine Art Kartoffelkuchen', benannt weil er beim Backen pufft. — Von
der Interjektion pimni oder pimp stammt pimmeln oder pimpeln 'sich über
kleine Unannehmlichkeiten immerfort beklagen'.
Weitern Stoff bietet J. Reinius, Onomatopoetische Bezeichnungen für
menschliche Wesen, bes. im Deutschen und Englischen. Studier i modern
spnikvetenskap, utgivna av nyfilologiska sällskapet i Stockholm. Upsala
1908, Heft 4.
Leider fehlt es an einer ausreichenden Sammlung der Interjektionen
für das Deutsche. Einiges steht bei J. Griau\, Deutsche Grammatik 3, 288 ff.,
Paul, Prinzipien ^ S. 157 ff. In sehr dankenswerter Weise hat uns aber Les-
kien eine Sammlung derartiger Worte aus dem Litauischen gegeben, Idg.
Forschungen 13, 165. Wir sehen hier unter wesentlich einfachem Verhält-
nissen als im Deutschen eine geradezu überwältigende Fülle von Inter-
jektionen und davon abgeleiteten Worten auftreten.
Besonders deutlich zeigt sich die urschöpferische Kraft der Sprache
bei der Benennung der Vögel. Dank der ausgezeichneten Arbeit von Suo-
lahti. Die deutschen Vogelnamen, Straßburg 1909, erblicken wir hier den
Stoff in außerordentlich bequemer Weise. Aus den Mundarten läßt sich
§ 65. EINFLUSS DER KlNDERSPRACHE. 87
außerordentlich viel nach dieser Richtung zusammenbringen. Ich führe einiges
an, was mir ganz sicher scheint. Kuckuck; für Wiedehopf erscheint Hupp-
hupp, Wuppwupp, Wuddwudd; Fink; Steiermark. Tschirg 'Sperling', Pirol,
auch Byrolt, Bierholer, Vogel Bulo u. a., Krähe; Gockel, Kikeriki, Puthuhn,
Glucke, Kurrhahn, Uhu.
Anmerkung. Reicher Stoff findet sich auch bei W. Wackernagel, Voces variae
animantium, 2. Aufl., Basel 1869. Vgl. dazu auch J. Winteler, Naturlaute und Sprache.
Ausführungen zu W. Wackernagels Voces variae animantium. 1892.
Wir haben hier also ein sehr anziehendes Gebiet vor uns, von dem
es nicht wunderbar ist, daß es vielfach zu Untersuchungen gelockt hat,
freilich meist von Leuten, die mit der Sprachwissenschaft nur sehr lose
Fühlung hatten. Es ist ja auch zu verlockend, so in den Ursinn der Worte
einzudringen. Aber es ist gefährlich dieses Gebiet zu betreten, und es sei
daher hier eine Warnungstafel aufgerichtet. Es ist schon längst darauf
hingewiesen, daß nicht alles, was uns lautnachahmend klingt, es auch wirk-
lich ist. Wir sind unserseits geneigt, durch eine Art Volksetymologie, manches
fälschlich als lautnachahmend aufzufassen. So könnte man bei stehen an
Ableitung von der Interjektion st\ denken. Bei brodeln hat man unwill-
kürlich die Empfindung der Bewegung. Aber man täuscht sich hier. Auf
diesem Gebiet kann uns nur eingehende, vorsichtige Untersuchung von
den heutigen Worten ausgehend, zu einwandfreien Ergebnissen führen.
Leider ist aber gerade dieses Gebiet der Tummelplatz der Laien, und es
gibt eine ganze völlig wertlose Literatur, die Versuche enthalten, alles laut-
nachahmend zu erklären.
§ 65. Einfluß der Kindersprache. Aber es gibt noch einen andern Weg
zur Schaffung neuer Worte; er führt über die Kinder und ihre Sprache. Das
Kind bringt selbst frühzeitig eine Anzahl einfachster Lautgruppen pa, ma,
ta, ba, na hervor. Diese natürliche Erscheinung wird dadurch verstärkt, daß
ihm die Mutter oder Pflegerin derartige Silben vorspricht, und daß das
Kind damit allmählich einen bestimmten Sinn verbindet. So sind Mama
und Papa entstanden, Worte, die heute eine ganz bestimmte, aber leicht
abzuleitende Bedeutung haben. Wird nun ein solches Wort von den Kindern
und später auch von den Erwachsenen beibehalten, so werden es Sprach-
bestandteile, deren Ursprung man nicht immer leicht erkennen kann, nament-
lich wenn sie durch die lautliche Entwicklung der Sprache verändert sind.
So entwickelt sich aus dem idg. '■^'mä-ma im Germ. *niö-niö, das lautgesetz-
lich weiter zu Muhme führt. Da Mama immer wieder neu erzeugt wurde,
so konnte dieses Wort eine besondere Beziehung auf ein andres weibliches
Wesen annehmen. Derselbe Stamm Hegt auch unserm Memme zugrunde.
Es bedeutet ursprünglich 'Mutterbrust, Euter', daneben auch 'die Mutter',
dann 'die Amme', 'die Kinderfrau' und schließlich 'einen feigen', 'weibischen
Menschen'. Ebenso verhält es sich mit der Form bäbä. Abg. baba, lit. boba
heißt 'alte Frau, Großmutter'. Bei uns wird daraus '*böbö und jetzt Bube.
88 Viertes Kapitel. Urschöpfung und künstliche Worte.
Vgl. auch en.i^l. baby. Man hat also bei uns bä mit anderm Bedeutungs-
inhalt ausgestattet. Daneben haben wir schwdb. Babc 'Brot', Schweiz. Babi
'Gericht aus Brotschnitten und Äpfeln', onid. Babe, Bäbe 'Art Kuchen'. Die
Lautgruppe pa wird nicht nur zur Bezeichnung des Vaters, sondern auch zur
Bezeichnung des Essens gebraucht, in pap. Davon stammt dann pappen
'essen', Pappe 'der Brei' und schließlich Pappe 'Kleister, gekleistertes Papier'.
Sobald einmal ein Wort von seiner ursprünglichen Gebrauchssphare los-
gelöst ist, so sind den Bedeutungsveränderungen keine Schranken mehr
gesetzt. So gehen denn auch Vater und Mutter, idg. *patfr und '■rnntir
wahrscheinlich auf die Lallsilben pa und ma zurück, die nach dem Muster
andrer Wörter mit Suffixen versehen sind. Es gibt auch Fälle, wo die ver-
schiedenen Sprachen die gleiche Lautgruppe hervorbringen. So finden wir
z. B. aind. lälati 'tändelt, scherzt, spielt'. Dazu stimmt bulg. lelcm 'ich wiege',
abg. lelja 'Tante', lit. Ulr 'Puppe', lit. lalüoti 'lallen', gx.XaXäo (laleo) 'schwatze',
d. lallen, alles Worte, die auf die Silbe le, la zurückgehen, aber sehr
verschiedene Bedeutungen angenommen haben. Unser lullen tritt erst neu-
hochdeutsch auf mit den Bedeutungen 'an der Brust saugen', 'eine Melodie
leise vor sich hinsingen', 'den Harn lassen'. Dazu stellt sich lautlich ent-
sprechend aind. lulati 'bewegt sich hin und her', tschech. lulati 'wiegen, in
Schlaf singen', russ. IJülIka 'Wiege'. Die verschiedenen Bedeutungen lassen
sich nur verstehen, wenn man von einer Lallsilbe lu-lu ausgeht, mit der
man verschiedene Bedeutungen verband. Ebenso findet sich die Lallsilbe
am in verschiedenen Sprachen, d. Amme gr. äfipäq {ammäs), bask. ama
'Mutter', usw., ta in jüddeutsch Tatte, 1. tata, gr. rdia (tdta). Auf at geht
alem. ätti, ahd. atto, got. atta 'Vater' zurück (wovon Attila, d. Etzef), und
dies findet sich noch in lat. atta, gr. äxTa (atta) 'Vater', ir. aite 'Pflegevater',
abg. oticl 'Vater'.
Anmerkung. Weiter gehören noch hierher babbeln, Bas, Base, Bemme, Mimi für
Mildi, Nanne 'Vater' (schles.), Ninne 'Wiegenkind, Wiege', pipi, Popo, pupen, Puppe,
puppern, tattern. Tote 'Pate', Zitze, nd. Titte aus titi.
So haben wir denn in der Urschöpfung eine Quelle für die Entstehung
neuer Worte. Freilich darf man ihre Zahl nicht allzuhoch einschätzen. Je
jünger sie sind, mit um so größerer Sicherheit wird man sie auszuscheiden
imstande sein. Man beachte auch, daß es meist Verba, selten Bezeichnungen
für Gegenstände sind, die auf diese Weise entstehen.
In der Kinder- oder Ammensprache spielt ein wortbildender Vorgang
eine Hauptrolle, die Wiederholung oder Reduplikation. Aber es ist das
eine so einfache Erscheinung, daß sie auch sonst hervortritt. In unsrer Um-
gangssprache hat die Wiederholung eine verstärkende Wirkung, wie z. B. in
komm, komm!, ein alter, alter Mann-undi das dürfen wir wohl auch z. T.
wenigstens für die sonstigen reduplizierenden Bildungen unsrer Sprache
voraussetzen. Im Germanischen tritt als wortbildendes Element noch der
Ablaut hinzu.
§ 66. KÜNSTLICHE Worte. 89
So finden wir Fickfacker, Gickgadi, Gickelgackel, Hickhack. Klingklang. Krimskrams,
lirumlarum, Muffmaff. ritsdiratsdi, ripsraps, Sdinickschnack. Sdinippsdinapp, Singsang.
Tingeltangel, tipptopp, Wirrwarr, Zidizack.
Diese Bildungen sind unverkennbar. Es kann aber sehr leicht wegen
der Häufung der gleichen Buchstaben eine Dissimilation und ein Verlust
einzelner Laute eintreten, so daß dann im Laufe der Zeit die Wiederholung
nicht mehr zu erkennen ist. Das war schon im Indogermanischen der Fall.
Von derartigen alten Bildungen haben wir: beben, ahd. bibcn; — Biber, ai. babhnis
'braun'; Pfeifholter 'Schmetterling' aus mhd. vlvalter; — zittern, ahd. zitterön, anord.
titra; das zweite t ist wegen des r nicht verschoben.
§ 66, Künstliche Worte. Es gibt noch eine andere Quelle für die Be-
reicherung unseres Wortschatzes, die allerdings erst in neuerer Zeit zu
wahrer Blüte gelangt ist, es sind das die rein künstlichen Sprachen und
Wörter. R. M. Meyer hat in seinem anregenden Artikel IF. 12, 33 f. und 242 f.
manches besprochen, was hierher gehört. Er hat gezeigt, daß sich die künst-
lichen Bildungen, die z. B. bei Dichtern als Interjektionen auftreten, doch
an den gegebenen Sprachstoff anschließen müssen. Nach dieser Richtung
ist indessen die Sprache kaum bereichert worden.
Weiter hat die Wissenschaft mit ihrer in der Neuzeit so außerordent-
lich gesteigerten Tätigkeit vor allem das Bedürfnis, neue Bezeichnungen zu
schaffen. Im allgemeinen benutzt sie hierzu den Stoff der griechischen und
lateinischen Sprache, den sie zu immer neuen Worten verarbeitet. Ander-
seits verwendet sie auch die Namen bedeutender Männer, um allgemeine
Bezeichnungen zu schaffen. So haben wir für elektrische Maße die Aus-
drücke Volt nach VoLta, Watt, Ampere, Ohm, in denen nunmehr die Erin-
nerung an die großen Entdecker fortlebt.
Einen besondern Fall bildet das Wort Gas. Es ist eine freie Schöpfung
des Alchimisten van Helmont in Brüssel (t 1644), das er wohl in Anlehnung
an gr. ydog gebildet hat. Wir empfinden dies nicht einmal mehr als Fremd-
wort. Auch der Handel und die Industrie sind an der Bildung künstlicher
Worte stark beteiligt. Doch sind sie etwas andere Wege gegangen. Wir
finden hier, wie Schirmer, Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache
XLIII bemerkt, zwei Arten : Schutzmarken- und Initialkurzwörter.
Während man als Schutzmarke früher einfach den Namen des Her-
stellers oder Fabrikanten eines Artikels wählte — so haben wir eine Henry
Clay, einen Kodak, einen Arnheim (Geldschrank), einen Blüthner (Flügel)
— wählt man seit den 90er Jahren unter dem Einfluß des Warenzeichen-
gesetzes reine Phantasienamen, zunächst aus dem griech.-lat. Sprachmaterial,
geht dann aber zu Erfindungen beliebiger Art über. Schirmer führt a. a. O.
Verse aus dem Ulk an, in denen diese Namen zusammengestellt sind. Sie
sind in der ZADSV. 1910 Nr. 5 wieder abgedruckt.
In der Tat eine reiche Fülle, und trotzdem ist der Stoff nicht erschöpft.
Die Initialkurzwörter, d. h. die Bildung eines neuen Wortes aus den
Anfangsbuchstaben mehrerer anderer, haben eine längere Geschichte. Es
90 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
gellt, kann man sagen, auf die alte Sitte des Akrostichons zurück, und
anderseits gehört es gewissermaßen auch liierher, wenn man im Altertum das
Wort lyßv:: 'Fisch als' "hioor:: XnioTÜ^, i>eov vlög, oodd'jo deutete, obgleich hier
wohl der umgekehrte Vorgang vorliegt.
Zu wirklicher Einführung in die Sprache ist es wohl erst im 19. Jahr-
hundert gekommen, und zwar zunächst in England, wo wir Ibea finden für
Imperial British East Africa, wonach man bei uns Doa ^ Deutschostafrika
geschaffen hat. Für den Exporthandel dienen auch bei uns die englischen
Abkürzungen c//"= cost, insurance, freight und/o/; = free on board. Weiter
sind dann bei uns entstanden: Hapag = Hamburg-Amerikanische Paket-
fahrt-Aktiengesellschaft, Bedag = Berliner Elektrizitäts-Droschken-Aktien-
gesellschaft, IIa = Internationale Luftschiffahrts- Ausstellung (1909) und viele
andere, die der Leser aus eigener Kenntnis hinzufügen kann.
Während es sich in diesen und andern zahlreichen Fällen um in ihrer
Geltung beschränkte und vielfach wieder verschwindende Worte handelt,
sind andere durchgedrungen. Der Name der Hakatisten, der Vertreter des
Deutschtums im Osten ist gebildet aus den Anfangsbuchstaben der Be-
gründer des Ostmarkenvereins, Hansemann, Kennemann, Tiedemann, und
der Name der Kadetten, einer russischen Partei, ist eine Kürzung für kon-
stitutionelle Demokraten. Teetotaler aus engl, teetotaller ist Kürzung für
temperance total.
Ob diese Bildungen schön sind, tut hier nichts zur Sache. Ich glaube
nicht, daß ein auch noch so starkes Eifern sie wird beseitigen können, da
sie praktisch sind. Was die Stenographie getan hat, indem sie sogenannte
Siegel anwendet, d. h. einen Buchstaben für ein ganzes Wort anwendet,
das kann auch die Sprache tun. Es sind eben Abkürzungen, und die heutige
Sprache strebt nach Kürze.
Psychologisch steht es mit diesen Vorgängen sozusagen auf einer Linie,
wenn die Anfangsworte eines Satzes als Wort verwendet werden.
Für diesen Vorgang haben wir folgende Beispiele:
Tedcum, nach den Anfangsworten desambrosianischen Lobgesangs: Te deumlaudamus.
Requiem, nach den Anfangsworten reqiiiem aeternam dona eis.
Reseda, aus dem Anfang der lateinischen Zauberformel rescda morbos reseda
'stille die Krankheilen!'
§ 67. Geheimsprachen. Von einer künstlichen Umgestaltung des Sprach-
stoffs kann man auch bei den Geheimsprachen reden. Hier ist vor allem
die Gaunersprache wichtig, die wir § 197 behandeln. Sie strebt durch Um-
stellen von Silben, Einschieben von Buchstaben die Sprache unkenntlich
zu machen. Dasselbe findet sich als Spielerei auch bei unsrer Jugend. So
gibt es eine p-Sprache, bei der ein p mit einem Vokal in jeder Silbe ein-
geschaltet wird . Aus wir wollen fortgehen macht man wipir wopollepen foport
gepehn. F. Seiler, ZfdGymnasialwesen 64, 447 kennt eine ^-Sprache: wibir
wobolleben gebehn. Herr stud. Gotthard Krämer teilte mir 1911 Proben einer
§ 67. Geheimsprachen. § 68. Die verschiedenen Schichten des Wortschatzes. 91
«//-Sprache mit (aus Tisch wird Tinifisdi, aus Stuhl Stunifuhl) und einer
«/-Sprache {Stunjiihl für Stuhl). Letzteres hätten sie als Kinder spanisch
genannt. Es gibt noch viele andere Arten.
Die Pennälersprache, die wir § 180 behandeln, zeigt kaum viele selb-
ständige Züge, und so wird hier ohne Zweifel ein Zusammenhang mit der
Gaunersprache bestehen.
Bemerkenswert ist nun weiter, daß derartige Bildungen manchmal eine
weitere Verbreitung gewinnen. So hat Kluge stibitzen als eine Bildung
der ^-Sprache aus stitzeti aufgefaßt. Gewiß mit Recht. Neuerdings hat
H. Schröder in seinem Buche 'Streckformen; ein Beitrag zur Lehre von
der Wortentstehung und der germanischen Wortbetonung, 1906', mit diesem
Grundgedanken eine große Fülle von bisher ganz dunkeln Worten erklärt.
Es gibt eine Menge von Worten, die in der Literatur wenig gebraucht
werden, aber in der Umgangs- und niedern Sprache nicht selten sind, die
schon dadurch auffallen, daß sie dem Grundgesetz der germanischen Be-
tonung widerstreiten, indem sie den Ton auf der zweiten Silbe tragen.
Sie leben in allen Gegenden Deutschlands, haben aber gewöhnlich nur ein
beschränktes Verbreitungsgebiet. Von den bei Schröder angeführten werden
dem einen diese, dem andern jene bekannt sein. Ich führe die mir geläufigen
an: Halunke, Philister, Kabäche, Kabuse, Latiichte, pardauz, rabänzen {mir
als rabäntern geläufig), rabätzen, rasäunen, schmarotzen, kuränzen, kra-
keelen, Kalmüser, Klabautermann, Kladderadatsch, salbädern, scharwenzeln,
Menkenke. Von diesen sind einige mir zweifellos durch die Literatur geläufig
geworden, andere aber leben in meiner Heimatsmundart. Nach Schröder
sind diese Worte gebildet durch künstlichen Einschub einer Silbe. So er-
klärt er Halunke aus Hunke, Filister aus Fister, Latuchte aus Luchte, par-
dauz aus bauz, rabänzen aus ranzen, mhd. ranzen 'ungestüm hin- und
herspringen', rabätzen aus ratzen, rasäunen aus raunen usw. Kann man
auch bei einzelnen Worten die Erklärung anderswo suchen wollen, so halte
ich doch den Grundgedanken für unzweifelhaft richtig. Diese Worte sind
künstlichen Ursprungs, wenn wir auch noch nicht genau wissen, in welchen
Kreisen derartige Worte gebildet sind. Da sie sich aber über ganz Deutsch-
land verbreitet finden, so wird man in der Tat an die Gauner als Schöpfer
denken dürfen. Behaghel schreibt sie allerdings einem Spieltrieb der
Sprache zu.
Fünftes Kapitel.
Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
§ 68. Die verschiedenen Schichten des Wortschatzes. Mit den im vorigen
Kapitel behandelten Worten, die auf Urschöpfung beruhen oder auf künst-
lichem Wege entstanden sind, haben wir nur einen kleinen Teil des Wort-
92 FOnftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
Schatzes besprochen. Es bleibt noch die überwältigende Mehrheit zurück.
Diese ihrer Herkunft nach zu untersuchen und in ihrer Entwicklung zu
verfolgen, bildet eine wohl niemals ganz zu erschöpfende Aufgabe. Von
allen Seiten kommen neue Zuflüsse zu unserm Wortschatz hinzu, alle Zeiten
haben neue Worte geschaffen, außer durch Urschöpfung, durch Ableitung
und Zusammensetzung. Die Arbeiten, diese zeitlichen Schichten, diese ver-
schiedenen Zuflüsse streng zu sondern, stehen noch in den allerersten
Anfängen. Es sind bisher nur einige allgemeine Übersichten gegeben.
So enthält der Gesamtindex zu Kluges Etymologischem Wörterbuch von
V. F. Janssen, Straßburg 1899, eine Zusammenstellung der aus dem Indo-
germanischen stammenden Wurzeln, die in germanischen Worten stecken.
Eine zweite Abteilung stellt die Wurzeln zusammen, die nur im Germanischen
belegt sind. Natürlich ist manch einzelner Fall heute anders aufzufassen,
aber das ist nicht der größte Mangel. Dieser besteht darin, daß nur Wurzeln,
keine Worte aufgeführt sind. Wurzeln sind leere Abstraktionen. Ein wirk-
liches Leben haben nur die Worte. Eine dringend notwendige Aufgabe
wäre die Sammlung aller deutschen Worte, die sich in gleicher oder nur
durch besondere Umstände veränderter Gestalt in andern indogermanischen
Sprachen nachweisen lassen. Ich gebe im Verlauf der Darstellung wenigstens
die Anfänge einer solchen Sammlung, indem ich für eine Reihe kultur-
historischer Begriffsgattungen die in andern Sprachen belegten Worte anführe.
Kluges Wörterbuch selbst enthält eine chronologische Darstellung des
neuhochdeutschen Wortschatzes, die für manche Zwecke gut zu verwerten
ist. Ferner hat Bruno Liebich im Anhang zu seinen Wortfamilien einen
etwas erweiterten Versuch gemacht, die verschiedenen Bestandteile der
deutschen Sprache zu sondern, und es ist wohl angebracht, seine Übersicht
hier wiederzugeben. Er unterscheidet Wortfamilien (Wurzeln) und Worte.
Die einzelnen Worte, die von einer Wurzel abgeleitet sind, können ganz
jung sein, selbst wenn die Wurzel aus dem Indogermanischen stammt, und
daher haben diese Angaben nur den Wert, daß sie uns sagen, von welchen
Stämmen die Worte abgeleitet sind. Wir finden nach ihm folgendes:
Familien o„ Abgele^ete „^^
1. Indogermanische Familien 318= 11,9 13860= 29,1
2. Europäische FamiHen 343 = 12,8 11729 = 24,7
3. Germanische Familien 504 = 18,8 10171 = 21,4
4. Westgermanische Familien 211 = 7,9 2362 = 5,0
5. Deutsche Familien 159 = 5,9 1178 = 2,5
6. Aus andern germanischen Sprachen . . 39 = 1,5 137 = 0,3
7. Althochdeutsche Familien 94 = 3,5 393 -= 0,8
8. Neuhochdeutsche Familien 62 = 2,3 144 = 0,3
9. Aus dem Lateinisch-Romanischen . . . 497 = 18,5 4840 = 10,2
2227 = 83,1 44814 = 94,3
§ 69. Die Stammwörter indogermanischer Herkunft. 93
Übertrag: 2227 = 83,1 44814 = 94,3
10. Aus dem Griechischen 219 = 8,2 1412 = 3,0
11. Aus dem Keltischen 25 = 0,9 429 = 0,9
12. Aus dem Balto-Slawischen 38 = 1,4 106 = 0,2
13. Aus andern indogermanischen Sprachen 43= 1,6 168= 0,3
14. Aus dem Semitischen 76 = 2,8 327= 0,7
15. Aus dem Uralaltaischen 13 = 0,5 42 = 0,1
16. Aus andern Sprachen 39 = 1,5 233 = 0,5
2680 = 100,0 47531 = 100,0
Diese Übersicht mag einen Begriff davon geben, wie man sich unsern
Wortschatz seiner Herkunft nach zusammengesetzt vorstellen kann. Faßt
man, was, wie wir sehen werden, allein richtig ist, indogermanische und
europäische Familien zusammen, so ergeben sich die stetig abnehmenden
Zahlen 661:504:211:159. Die Zahlen für die Worte sind dagegen nur
nach der Richtung zu brauchen, daß sie uns zeigen, aus welchen Bestand-
teilen die Worte bestehen, einen historischen Wert haben sie nicht. Würden
wir die Worte allein in Betracht ziehen, so würden sicher die wenigsten
Worte aus dem Indogermanischen, die meisten aus dem Deutschen stammen.
Die Fülle dieses Stoffes läßt sich nun ohne weiteres in drei Gruppen
zerlegen: 1. die Stammwörter, d. h. solche Wörter, die überhaupt nicht
oder nur von einer Wurzel abzuleiten sind, 2. die große Menge der Ab-
leitungen und Zusammensetzungen und 3. die Fremdwörter, die seit
ältester Zeit in unsere Sprache aufgenommen worden sind und dort zum
Teil Heimatsrecht erlangt haben. Wir werden später eine Anzahl von Worten
nach Begriffsgattungen geordnet untersuchen, wobei wir alle drei Gruppen,
da uns das am besten zu sein scheint, vereinigen. Jetzt wollen wir zunächst
einige allgemeine Punkte erörtern.
§ 69. Die Stammwörter indogermanischer Herkunft. Es ist, wie wir gesehen
haben, sehr beliebt, bei den Stammwörtern indogermanische, europäische,
germanische, westgermanische und deutsche Wortfamilien zu unterscheiden.
Aber diese Einteilung leidet an sehr beträchtlichen Mängeln, die um so mehr
hervorzuheben sind, als noch sehr viele Forscher mit diesen Begnffen
schalten. Indogermanisch nennt Liebich solche Wortfamilien, die auch im
Indischen vorkommen, während mit europäisch solche bezeichnet werden,
die im Indischen nicht belegt sind. Diese Unterscheidung hat keinen Wert.
Sie stammt noch aus einer Zeit, als man das Indische ungebührlich über-
schätzte, und das Studium des Indischen und das Studium der Sprach-
wissenschaft eins zu sein schienen. Nun ist ja das Indische eine Sprache,
die durch ihren wohlerhaltenen grammatischen Bau stets den Sprach-
forscher entzückt hat, die aus sehr alter Zeit überliefert ist und einen
außerordentlich reichen Wortschatz besitzt, aber das Indische ist nicht das
Indogermanische, und diese Sprache hat ebensogut wie jede andere zahlreiche
94 FOnftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
alte Wörter verloren und durch neue ersetzt. In den heutigen neuiranischen
Mundarten, die vom alten Iranischen abstammen, welches mit dem Indischen
einst eine einheitliche Sprache bildete, kommen immer mehr Worte zum
Vorschein, die das Indische nicht mehr kennt, die aber in einer oder in
mehrern europäischen Sprachen wiederkehren und so die Gewißheit ge-
währen, daß sie einst im Indischen vorhanden waren und nur frühzeitig
verloren gegangen sind.
§ 70. Europäische Wortfamilien. Die Ansetzung von europäischen Wort-
familien, d. li. von Sprachstämmen, die in den meisten europäischen Sprachen,
aber nicht im Indischen belegt sind, hätte nur dann einen Sinn, wenn einmal
eine Spaltung der Indogermanen in Arier und Europäer eingetreten wäre,
und die Europäer alsdann längere Zeit miteinander gelebt und wahrscheinlich
Kulturfortschritte gemacht hätten. Da jede Zeit neue Worte bildet, so würde
sich diese Gemeinschaft wohl auch in der Sprache nachweisen lassen. Tat-
sächlich hat man in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine solche
Spaltung in Arier und Europäer angenommen. Diese ist aber längst als unhaltbar
zurückgewiesen, und nur auf dem Gebiet der Wortforschung zeigt sich heute
noch die Nachwirkung davon. Die Bedeutung des Indischen ist früher arg über-
schätzt worden. In einer ganzen Reihe von Fällen ist die Sprachwissen-
schaft in der Irre gewandelt, weil sie das im Indischen Vorliegende für ur-
sprünglich ansah. Mit vieler Mühe haben wir uns jetzt davon freigemacht,
aber noch immer wirkt dies Trugbild nach. Das Indische hat keine größere
Bedeutung als Griechisch, Lateinisch, Germanisch, Slawisch, und wir könnten
ebensogut Gruppen bilden: alle Sprachen außer Griechisch, alle Sprachen
außer Slawisch usw. Daher müssen wir also diese beiden Abteilungen:
indogermanische und europäische Bestandteile vereinigen.
§ 71. centum- und sa/em-Sprachen. Wenn diese Unterscheidung hin-
fällig ist, so fehlt hingegen eine andere, die erst in der neuern Zeit be-
deutungsvoll geworden ist. Wir sind jetzt imstande, schon in der indo-
germanischen Ursprache zwei Mundarten zu unterscheiden, eine westliche,
zu der das Germanische mit dem Griechischen, Keltischen, Italischen und
Illyrischen gehört, und eine östliche, zu der die übrigen Sprachen, also
Arisch, Litu-Slawisch, Albanesisch, Armenisch, Thrako-Phrygisch gerechnet
werden. Zwischen diesen beiden Gruppen besteht ein wesentlicher Unter-
schied in der Behandlung der Gutturale. Den westlichen Ä-Lauten ent-
sprechen im Osten Zischlaute, z. B. gr. exazöv (hekatön) lat. centum, ir. ket,
d. hundert gegenüber lit. sinitas, abg. stito, aw. satdni, aind. iatdm. Man
nennt sie daher auch centum- und satemS^xdichtn. Eine lautliche Ver-
schiedenheit, wie sie zwischen diesen beiden Gruppen vorliegt, bedingt
noch nicht eine Verschiedenheit des Wortschatzes. Aber es wäre wohl der
Mühe wert, einmal zu untersuchen, ob sich auch im Wortschatz dialektische
Unterschiede in der gleichen Richtung zeigen. Mir scheint etwas Derartiges
nach den Zusammenstellungen, die ich mir gemacht habe, tatsächlich vor-
§ 72, Germanische Sprachfamilien. §73. Ihre Beurteilung. 95
zuliegen. Es wäre also möglich, daß eine Reihe von Worten nicht schon
in indogermanischer Zeit, sondern erst damals geprägt sind, als sich die
östlichen Stämme von den übrigen getrennt hatten. Für die germanische
Wortforschung ist indessen auch dies ohne Bedeutung. Eine Zusammen-
stellung des Wortschatzes der centum-Spiachen findet man bei A. Fick, Ver-
gleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen I* 345 ff. Hieraus
wäre ihr Sonderwortschatz leicht auszuziehen.
§ 72. Germanische Sprachfamilien. Es folgt bei Liebich dann die ziemlich
zahlreiche Abteilung der germanischen Familien, d. h. solcher Worte, die
zwar in allen germanischen, aber in keiner der verwandten Sprachen nach-
zuweisen sind.
Bei diesen erhebt sich die Frage: sind diese Worte erst im Sonder-
leben des Germanischen neu gebildet, oder stammen sie auch aus älterer
Zeit, und sind sie nur in allen andern Sprachen verloren gegangen? Es ist,
wie wir gesehen haben, nicht zu leugnen, daß in allen Zeiten auch so-
genannte Wurzeln, Grundwörter neu gebildet werden können, aber immer-
hin doch nicht in so reicher Anzahl, wie nach der Darstellung Liebichs
angenommen werden müßte. Zudem wird diese Kategorie von Tag zu Tag
verringert, indem der Spürsinn der Forscher auch für diese scheinbar ger-
manischen Worte Verwandte in andern Sprachen auffindet. Wahrscheinlich
wird so mit der Zeit nur noch ein kleiner Teil von Worten übrig bleiben,
der sich nicht in den verwandten Sprachen nachweisen läßt.
Wir wollen sehen, wie wir diese Worte zu beurteilen haben.
§ 73. Ihre Beurteilung. Wenn man das Vorkommen der auch außerhalb
des Germanischen belegten germanischen Worte betrachtet, so gibt es eine
nicht allzu beträchtliche Anzahl, die in allen indogermanischen Sprachen,
wenigstens in ihren ältesten Stufen, erhalten sind. Dahin gehören z. B. die
Zahlwörter. Bei andern Worten fehlt die eine oder die andre, oder es fehlen
mehrere Sprachen, obgleich man bestimmt vermuten kann, daß das Wort
auch in diesen einst vorhanden war. So haben sich die Wörter Sohn und
Tochter in den meisten indogermanischen Sprachen erhalten, mangeln aber
dem Lateinischen, wo sie durch fillus und filia ersetzt sind. Das idg. Wort
für Vater fehlt dem Litauischen und Slawischen. Die gotische Bibel bietet
uns für Mutter aipel und nicht das idg. und gemeingerm. Mutter, und fadar
ist nur einmal belegt, sonst dafür atta. Und so geht es weiter. Manche
Wörter sind nur in drei, andere nur in zwei und schließlich eine ganze
Anzahl nur noch in einer andern Sprache außer dem Germanischen nach-
zuweisen. Wie haben wir uns diesen Tatsachen gegenüber zu verhalten?
Für unsere Zwecke kann man den ersten Punkt, daß also ein Wort noch
in zwei oder mehr Sprachen außerhalb des Germanischen belegt ist, ganz
außer Betracht lassen. Diese Worte sind für uns zunächst indogermanisch.
Dagegen bedarf die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn Worte nur
noch in einer andern Sprache auftauchen, einer besondern Besprechung.
96 FÜNFTES Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
Fassen wir die Sachlage rein systematisch, so können natürlich alle Mög-
lichkeiten vorkommen, nämlich indisch-germanische, slawisch-germanische,
keltisch-germanische, lateinisch-germanische, griechisch-germanische Glei-
chungen, wobei ich von den unbedeutendem Sprachen hier absehe. Tat-
sächlich sind auch alle diese Kombinationen durch eine Reihe von Bei-
spielen zu belegen, wie weiter unten zusammengestellt ist. Die Inder so-
wohl wie die Hellenen sind nun von den Germanen seit langen Zeiten
getrennt, wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß sie sich
einmal näher berührt hätten und daß infolge dieser Nachbarschaft Worte
herüber und hinüber gegangen wären, und daher sind diese Gleichungen
ohne weitere Bedeutung. Die Worte, die in diesen beiden Sprachgruppen
noch vorhanden sind, werden den übrigen Sprachen nicht gefehlt haben;
sie werden erst im Laufe der Zeit verloren gegangen sein.
Anders steht es mit den drei übrigen Gruppen. Die Slawen und Kelten
sind seit alter Zeit Nachbarn der Germanen. Zwischen benachbarten Völ-
kern findet aber leicht ein Austausch von Worten statt, so daß wir es zum
Teil bei derartigen Gleichungen mit Entlehnungen von einer Sprache zur
andern zu tun haben können. Wenn wir auch in den Lautverhältnissen
manchmal einen Anhaltspunkt haben, diese Frage zu entscheiden, so ist
das doch nicht immer der Fall, und es bleibt ein Rest von Worten, bei
dem wir keine Entscheidung treffen können. Nun wird man, da wir indisch-
germanische und griechisch-germanische Gleichungen antreffen, auch eine
entsprechende Anzahl keltisch-germanischer und slawisch-germanischer er-
warten müssen, die ebenso zu beurteilen wären, wie die oben genannten.
Nur wenn die Zahl über das normale Maß hinausginge, müßte man an be-
sondere Ursachen denken. Tatsächlich halten verschiedene Forscher dieses
Maß für überschritten und suchen infolgedessen nach besondern Gründen.
Sie finden sie in der alten Nachbarschaft der Stämme, die schon in der
indogermanischen Zeit bestanden haben soll. Um dies zu verstehen, möge
man folgendes bedenken. Die indogermanische Sprache muß einen ge-
wissen Raum eingenommen haben, und es können, ja es müssen in ihr
schon mundartliche Verschiedenheiten vorhanden gewesen sein. Insbesondere
werden für gewisse Begriffe eine Reihe von Synonymen bestanden haben,
von denen ein jedes eine gewisse Verbreitung hatte. Nennen wir die Varie-
täten ABC usw., so ist die Möglichkeit vorhanden, daß eine Anzahl von
Worten in den zusammenhängenden Dialekten ABC lebte, während in DEF
andere Ausdrücke dafür bestanden. Anderseits kann es eine Gruppierung
CDE und FAB usw. gegeben haben. Wurden nun diese Dialekte selbständig,
d. h. räumlich getrennt voneinander, so zeigt sich eben doch noch die
einstige Zusammengehörigkeit in gewissen Übereinstimmungen des Wort-
schatzes.
So könnte man also keltisch-germanische und slawisch-germanische
Übereinstimmungen, wenn sie wirklich in stärkerer Zahl aufträten, als man er-
§ 74. Partielle Gleichungen. 97
warten dürfte, dadurch erklären, daß diese Völker auch in vorgeschichtlichen
Zeiten Nachbarn waren, und daß gewisse Worte nur in dem beschränkten
Gebiet vorhanden waren, das sie einnahmen. Aber tatsächlich sind die be-
sondern Übereinstimmungen eben nicht groß, sie gehen über das zu er-
wartende Maß nicht hinaus. Außerdem sind diese Völker kaum Nachbarn in
alter Zeit gewesen. Die Urheimat der Germanen liegt in Norddeutschland
und Skandinavien, die der Slawen in Mittelrußland, die der Kelten ist nicht
genau zu bestimmen, aber kaum in Gallien oder Süddeutschland zu suchen.
Wenn also bei Entsprechungen zwischen den genannten Sprachstämmen
der Verdacht der Entlehnung auszuschließen ist, so haben diese Ent-
sprechungen das Anrecht, ebenso beurteilt zu werden, wie die oben ge-
nannten indisch- und griechisch-germanischen.
Etwas anders scheint es mit den lateinisch-germanischen Gleichungen
zu stehen. Schon Lottner hat KZ. 7, 18 auf die verhältnismäßig große Anzahl
von Worten hingewiesen, die nur in diesen beiden Sprachen auftreten, wäh-
rend bereits 1848 J. Grimm bei E. Schulze, Gotisches Glossar XIV „die
Verwandtschaft gotischer und lateinischer Zunge in Wörtern, wobei kein
Gedanke an äußere Entlehnung ist", hervorhob. In der ZfdPh. 29, 296 f.
habe ich den Stoff noch vermehrt. Wenn man den germanischen Wort-
schatz etymologisch behandelt, so wird man sehr häufig am ehesten An-
knüpfung im Lateinischen finden. Eine sehr merkwürdige Erscheinung, da
die Sprachen erst in historischer Zeit wieder in Berührung gekommen sind.
Die Zahl der besondern Übereinstimmungen schien mir tatsächlich über
das zu erwartende Maß hinauszugehen, und man würde dies kaum anders
als durch die Annahme erklären können, daß die italischen Stämme einst
nicht allzuweit von den germanischen gesessen haben. Die Möglichkeit
dieser Voraussetzung ist gar nicht zu bestreiten, da wir ja im Laufe der
Geschichte sehen, wie Goten und Langobarden Reiche in Itahen gründen,
denen nur infolge der besondern Umstände kein so günstiges Geschick wie
dem der Römer beschieden war. Aber die unten angeführten Zusammen-
stellungen werden zeigen, daß auch diese Auffassung trügerisch sein dürfte.
Tatsächlich gibt es vielleicht ebensoviel germanisch-indische Gleichungen
als germanisch-lateinische, und es ist daher auch dieser Punkt von keiner
besondern Bedeutung.
Anmerkung. Einen kräftigen Anwalt hat die Annahme germanisch-itaHscher Ver-
wandtschaft bei Kluge, Urgermanisch S. 4, gefunden, der allerdings hier, wie so oft, seine
Vorgänger nicht nennt. Ich für meine Person kann auf den Wortschatz nicht soviel Ge-
wicht legen, wohl aber zeigen sich merkwürdige Übereinstimmungen in der Flexion, vgl.
Verf., Idg. Forsch. 17, 278, Indogermanen 2, 612, so daß auch mir verhältnismäßig enge
Beziehungen zwischen Italisch und Germanisch zu bestehen scheinen.
§ 74. Partielle Gleichungen. Derartige Wortübereinstimmungen, die nur
in einem Teile der indogermanischen Sprachen zu belegen sind, nennt man
partielle Gleichungen. Scheint der Ausdruck auch nicht ganz logisch
zu sein, so ist er doch kurz und verständUch und mag daher hier bei-
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 7
98 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
behalten werden. Wir sehen in diesen partiellen Gleichungen nichts be-
sonders Bemerkenswertes, sondern eine ganz natürliche Erscheinung. Immer-
hin bedarf sie noch einiger Worte der Erklärung, denn es ist doch in der
Tat merkwürdig, daß sich die Bezeichnung für den einen Begriff gut er-
halten hat, für einen andern aber nicht. Daß mit dem Faktor indogermanischer
mundartlicher Verschiedenheit nicht viel anzufangen ist, scheint mir sicher
zu sein. Bestimmte Tatsachen lassen sich nur selten dafür anführen. Außer-
dem haben wir mit dem in allen Zeiten eintretenden Ersatz alter Worte
durch neue zu rechnen, dessen Gründe so mannigfaltig sind, daß man
damit nicht viel erklären kann. Der Hauptgrund für das Absterben von
Wörtern liegt aber in einem Umstände, den wir ausführlicher erörtern müssen.
§ 75. Wortreichtum in älterer Zeit. Die Untersuchung des Wortschatzes
einfacher V^ölker hat gelehrt, daß diese zum Teil sehr reich sind an Worten,
wo wir arm sind, daß ihnen aber die Ausdrücke für allgemeine Begriffe
vielfach fehlen. So sagt z. B. K. von den Steinen in seinem äußerst wert-
vollen Buche 'Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens' S. 80: „Ganz be-
sonders eigentümlich berührte mich ihre Freude über den Reichtum ihres
Wörten-orrates. Sie bekundeten ein großes Vergnügen, für jedes Ding auch
ein Wort zu haben, als wenn der Name selbst eine Art Ding und Besitz-
gegenstand wäre. Daß die Zahl der Begriffe in erster Linie vom Interesse
abhängt, lag klar zutage. Auf der einen Seite im Vergleich mit unsem
Sprachen eine Fülle von Wörtern wie bei den Tier- und V^erwandtennamen,
auf der andern eine zunächst befremdende Armut. . .
Die eigentliche Armut steckt in dem Mangel an übergeordneten Be-
griffen wie bei allen Naturvölkern. Sie haben ein Wort für 'Vogel', das
wahrscheinlich 'geflügelt' bedeutet, aber die Nordkaraiben haben einen andern
Stamm, toro- oder tono-, der bei den Bakairi noch bestimmte, sehr gewöhn-
liche Vögel, eine Papageien- und eine Waldhuhnart, bedeutet. Jeder Papagei
hat seinen besondern Namen, und der allgemeinere Begriff 'Papagei' fehlt
vollständig, ebenso wie der Begriff 'Palme' fehlt. Sie kennen aber die Eigen-
schaften jeder Papageienart sehr genau und kleben so an diesen zahlreichen
Einzelkenntnissen, daß sie sich um die gemeinschaftlichen Merkmale, die
ja kein Interesse haben, nicht bekümmern. Man sieht also, ihre Armut ist
nur eine Armut an höheren Einheiten, sie ersticken in der Fülle des Stoffes
und können ihn nicht ökonomisch bewirtschaften. Sie haben nur erst einen
Verkehr mit Scheidemünze, sind aber im Begriff ihrer Stückzahl eher über-
reich als arm zu nennen."
Diese Ausführungen sind von hoher prinzipieller Bedeutung für die
ganze Auffassung der Wortentwicklung, und sie können auch auf die Er-
scheinungen auf indogermanischem Gebiet sehr wohl angewendet werden.
Auf Ahnliches, \kie uir es bei den Bakairi finden, hat J. Schmidt, Kritik der Sonanten-
theorie 37, für die Litauer hingewiesen: .Der Farbensinn der Litauer steht noch auf der
Stufe der Natur\'ölker. Bei mehreren Farben sind sie noch nicht wie die Kultur\ölker zu
§ 75. Wortreichtum in älterer Zeit. § 76. Vereinfachung. 99
allgemeinen Bezeichnungen aufgestiegen, sondern bei den einzelnen Tönen stehen ge-
blieben. Für 'grau' haben sie nicht weniger als vier oder fünf einfache Worte: pilkas (nur
von Wolle und Gänsen), sirnias, sirvas (nur von Pferden), semas (nur vom Rindvieh),
zilas (Haare des Menschen und des Viehs außer Gänsen, Pferden, Rindvieh) usw." Ähn-
liches können wir selbst noch in unsrer Sprache beobachten, reden wir doch nicht von
einem schwarzen, roten, weißen Pferd, sondern von einem Rappen, einem Fuchs, einem
Sdiimmel, und keinem wird es einfallen, einen weißen Ochsen einen Sciiimmel zu nennen.
Wir sprechen nicht von einem männlichen, weiblichen, verschnittenen, unerwachsenen
Pferde, sondern von einem Hengst, einer Stute, einem 'Wallach, einem Füllen. Ebenso von
einem Stier oder Bullen, einer Kuh, einem Ochsen, einer Färse, einem Kalb. Vgl. noch
die Ausführungen von Usener, Götternamen 317 ff., und Osthoff, Vom Suppletivwesen
der indogermanischen Sprachen, Heidelberg 1899.
Weiter steht die Jägersprache noch auf einem durchaus altertümlichen Standpunkt,
wenn sie die Glieder und Tätigkeiten der Tiere je mit einem besondern Ausdruck belegt
Für den Jäger hat der Hase nicht Ohren, sondern Löffel, das Wildschwein Gehör, das.
Edelwild Luser oder Lausdier, Sdiüsseln oder Gehör, der Hund Behang, in einzelnen
Rassen Lappen, aber der Spitz Ohren. Man braucht also hier ganz absichtlich die be-
sondern Ausdrücke.
Auch die Landwirtschaft unterscheidet durch eine Fülle von Worten die besondern
Unterarten einer Tätigkeit. Wenn man den Menschen, den Haustieren, den Schwertern, den
Schiffen und andern Dingen Namen gibt, so ist das schließlich nichts anderes. Und erst
in neuerer Zeit haben wir die Unterscheidungen zwischen Tier und Mensch geschaffen,
die sich in den Worten essen — fressen, trinken — saufen. Haut — Fell u. a. zeigen. Für
die Bewegung einer Flüssigkeit haben wir fließen, strömen, laufen, rinnen, rieseln, tröp-
feln, sickern, quellen, sprudeln usw., für unsere eigene Bewegung gehen, eilen, laufen,
rennen, hasten, stürmen.
Für regnen gab schon Campe, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung S. 57
folgende acht niederdeutsche Wörter an: 1. es mistet von dem feinsten Staubregen, 2. es
schmuddert, d. i. es regnet ein wenig und fein, 3. es stippert, d. i. es fallen einzelne und
zwar gleichfalls feine Regentropfen, die aber schon etwas größer als bei dem Misten und
Schmuddern gedacht werden, 4. es regnet, 5. es pladdert, d. i. es regnet stark und laut,
6. es guddert, wodurch das Geräusch des bei einem sehr starken Regen von den Dächern
herabströmenden Wassers ausgedrückt wird, 7. es gießt und 8. es gießt mit Mollen. Da-
von sind mir allerdings nur 2, 4, 5, 7, 8 geläufig. Dafür kenne ich aber noch es fiselt
vom feinen Regen und es drasdit vom starken Platzregen.
Bei Campe a. a. O. sind dann noch weitere wichtige Bemerkungen und Beispiele zu
finden. Die ältere Sprache verfügte also, wie sich aus dem Angeführten mit Sicherheit er-
gibt, in gewisser Hinsicht über einen größern Reichtum an Worten, als wir heute besitzen.
§ 76. Vereinfachung. Aus dieser Fülle von Ausdrücken hat nun die eine
Sprache bei der notwendig fortschreitenden Verallgemeinerung der Begriffe,
indem die Bezeichnungen z.T. gleichbedeutend wurden, das eine, die andere
das andere Wort beibehalten, und darin liegt zweifellos mit ein Hauptgrund,
daß nicht alle Gleichungen in allen Sprachen erhalten sind. Manchmal
können wir bei genauer Untersuchung den Unterschied der Bedeutung
noch erfassen. So haben wir z. B, mehrere Worte für eins im Indogerma-
nischen. Von diesen bedeutet wohl idg. *sem, gr. eh {lies) 'zusammen',
idg. *oinos, lat. ünus, got. ains, 'einer von mehreren', gr. oh? (oios) 'allein'.
Bei andern aber entgeht uns der Sinn. Weshalb verwendete man zwei
Ausdrücke für 'Feuer', lat. ignis, ai. agnih, neben gr. tivq {pyr), ahd. f'iur?
100 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
Wenn wir mehrere Bezeiclinuni^cn für 'Nebel' finden, lat. ncbiila, d. Nebel,
gr. oitlyh] {omiklilcc), abg. nügla, so mag man bedenken, daß auch die
Engländer mist und fog unterscheiden. Weitere Beispiele lassen sich mit
Leichtigkeit beibringen. Anderseits fehlen selbst uns noch manchmal zu-
sammenfassende Ausdrücke für getrennte Begriffe. Um Lehrer und Lehrerin
zusammen zu bezeichnen, hat man erst neuerdings den Ausdruck Lehr-
person geschaffen. Bei den Tiernamen erkennt man die zusammenfassenden
Jüngern, wenn auch trotzdem recht alten Ausdrücke an dem neutralen Ge-
schlecht: das Pferd, das Rind, das Huhn, das Schaf; vgl. auch das Kind,
das Weib neben Sohn und Tochter, Frau, Jungfrau, Maid. Ausdrücke
wie Flora, Fauna für die Pflanzen- und Tierwelt eines Landes sind den
Anforderungen der Wissenschaft entsprechend erst in neuerer Zeit gebildet
worden. Der Ausdruck für Ehe taucht erst bei Notker auf. Es ist eine
dankenswerte Aufgabe, diesem Aufkommen von Ausdrücken für Allgemein-
begriffe und dem damit verbundenen Absterben einzelner Worte nach-
zugehen. Es würde von hier aus auf die geistige Entwicklung eines Volkes
Licht fallen.
Und dann darf man doch nicht vergessen, daß in jeder Sprache immer
wieder neue Worte aufkommen und alte in Verlust geraten. Wäre dem
nicht so, so brauchten wir uns keine Mühe zu geben, das Gotische zu
lernen, wir würden es nach Erlernung der Flexion verstehen.
§77. Geringe Bedeutung der partiellen Gleichungen. Die partiellen Glei-
chungen haben für uns also nur eine recht geringe Bedeutung, für die
Zwecke der Etymologie genügt es vielmehr vollkommen, wenn wir ein
Wort außerhalb des Germanischen nachweisen können.
Es kann das, was wir ausgeführt haben, noch durch eine Parallele aus
dem Germanischen selbst weiter erläutert und erhärtet werden. Liebich unter-
scheidet gemeingermanische, westgermanische und deutsche Gleichungen,
d. h. Worte, die in allen germanischen Dialekten, insbesondere auch im
Nordischen vorkommen, solche, die im Gotischen und Nordischen fehlen,
und schließlich solche, die nur auf deutschem Boden belegt sind. Hätten
wir nun nicht die Hilfe der verwandten Sprachen, so würden wir auch
hieraus Schlüsse zu ziehen versuchen. Die verwandten Sprachen aber
zeigen uns, indem sie das entsprechende Wort erhalten haben, daß oft
genug Worte, die nur im Deutschen belegt sind, aus der idg. Urzeit stam-
men müssen, daß also die übrigen germanischen Dialekte das Wort ver-
loren haben.
Beispiele hierfür sind: d. Schwager zu ai. svasurah; — Felber 'Weidenbaum', ahd.
felawa zu osset. färw 'Erle'; — Hader 'Lumpen' zu ai. sithiräh 'locker'; — Rotz, gr.
xooi>sa (köryza) 'Schnupfen'; — Wabe zu \. favus; — Ahorn, 1. acer; — Fichte, gr. jisvxt)
{pei'ikae) u. a. Dasselbe gilt von den übrigen Dialekten. Auch sie besitzen Worte, die sonst
im Germanischen nicht belegt sind, wohl aber in den andern indogermanischen Sprachen
wiederkehren.
§ 78. Germanische Wortfamilien. IQI
§ 78. Germanische Wortfamilien. Auch bei den Wortfamilien, die bisher
außerhalb des Germanischen noch nicht nachgewiesen sind, haben wir es
meist nicht mit Neuschöpfungen zu tun. Wenn, wie wir gesehen haben,
die partiellen Gleichungen wahrscheinlich darauf beruhen, daß die Sprachen,
die nicht daran teilnehmen, diese Ausdrücke verloren haben, und wenn sich
schließlich diese partiellen Gleichungen nur auf zwei Sprachen erstrecken, so
ist natürlich auch vorauszusetzen, daß gewisse Worte des Indogermanischen
eben nur noch im Germanischen vorliegen.
Anmerkung. Einen andern Gesichtspunkt für die Auffassung der dem Germanischen
allein angehörigen Wortfamilien macht jetzt S. Feist, Btr. 36, 350 f. geltend. Er sieht darin
Lehnwörter aus der Sprache einer von den Indogermanen unterworfenen Urbevölkerung.
Abgesehen davon, daß Feist nach seinen eigenen Bemerkungen die Sache nicht übersieht,
kann ich dieser Ansicht aus den § 97 erörterten Gründen nicht beitreten. Selbst wenn
Feist mit seiner Annahme Recht hätte, daß die Germanen nicht eigentliche Indogermanen,
sondern nur unterworfene wären, wären doch keine nennenswerten Bestandteile aus der ur-
sprünglichen Sprache zu erwarten, genau so, wie wir keine bedeutenden Elemente des Kel-
tischen im Französischen finden, obgleich hier die geschichtlichen Tatsachen ganz sicher sind.
Es fragt sich nun, ob wir Mittel haben, zu erkennen, wann nur im
Germanischen auftretende Wörter alt sind. In einer Reihe von Fällen läßt
sich das wirklich bestimmen.
1. Ziemlich zweifellos sind Worte, die Flexionsklassen folgen, welche
im Germanischen aussterben, oder Worte, die mit Suffixen gebildet sind,
welche im Germanischen nicht mehr produktiv sind, dem Verdacht aus-
gesetzt, älter zu sein als die germanische Sonderentwicklung. Einige Bei-
spiele mögen das zeigen.
Das Indogermanische besaß eine sogenannte konsonantische Deklination,
wie wir sie in gr. jiovg, nodög {pds, podös), lat. pes, pedis, also Teilen der
griechisch-lat. dritten Deklination antreffen. Diese Deklination war schon im
Indogermanischen nicht sehr häufig, und sie ist bereits in den ältesten
Zeiten der germanischen Überlieferung fast vernichtet. Die meisten Wörter,
die dieser Deklinationsklasse folgen, erweisen sich durch verwandte, die in
den andern Sprachen vorkommen, unmittelbar als indogermanisch. So Fuß,
\dit pes, gr. Tiovg ipäs); Zahn, lat. dens, gr. döovg (odus); Maus, lat. mus;
Gans, lat. anser, gr. y/p' {khoen); Nacht, lat. nox, gr. vv^ {nyx); Tür, lat.
fores, gr. f^u^a (thyra); Kuh, lat. bös, gr. ßovg (bus).
Höchst wahrscheinlich werden aber auch die übrigen Worte nach der
konsonantischen Deklination alt sein, so Winter, Genosse, Magd, Monat,
Hand, Brust, Burg, Budie, Bruch (Hose), Eiche. Von keinem dieser Worte
wird man das indogermanische Alter etwa aus kuHurhistorischen Gründen
leugnen können. Bei einigen ist ja auch noch der Stamm in andern
Sprachen belegt. Bei Brust wird das indogermanische Alter auch durch
die ablautende Form ags. breost wahrscheinlich gemacht.
2. Ein zweiter wichtiger Faktor ist der Ablaut. Er ist im Indo-
germanischen entstanden, und zusammenhängende Worte, die ihn zeigen,
102 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
müssen daher aus der indoj^^crmanisclien Urspraclic stammen, abt^eselicn
von den Fällen, in denen ablautende Formen im Anschluß an andere Worte,
namentlich im Anschluß an Vcrbalformen neu gebildet sein können. Wo
aber dies nicht der Fall ist, da können wir mit ziemlicher Wahrscheinlich-
keit auf indogermanisches Alter schließen. Vgl. oben das über Brust Ge-
sagte. Andere Beispiele s\r\d Kern — Korn; Hahn — Huhn; Brett — Bord;
goi. qens — qino 'Frau'; siecli — schwach; Kamm — Knehel usw.
3. Ein drittes, indessen nicht so sicheres Hilfsmittel ist der Akzent-
wechsel innerhalb eines Wortes. Das Germanische hat die freie Betonung
des Indogermanischen in eine feste verwandelt, es läßt aber im gram-
matischen Wechsel die alte indogermanische Betonung erkennen. Worte,
die den grammatischen Wechsel zeigen, dürften also aus der Ursprache
stammen, zum Beispiel d. Hase, e. hare; got. rdus, d. Rohr; got. Olopa-,
ahd. bluot; ahd. zid — zit; got. ailhns, anorw. ogn 'Ofen'; ahd. hehara,
ags. higora 'Häher'. Aber freilich kann dieser Akzentwechsel oder auch der
grammatische Wechsel später manchmal neu geschaffen sein, so daß dieser
Faktor nicht ganz sicher ist.
§ 79. Neue Wortfamilien für die Schiffahrt. Mit den Worten, deren höheres
Alter mit diesen Mitteln nicht zu erhärten ist, können wir freilich zunächst
nichts anfangen. Sie wären aber nur dann auffallend, wenn sie sich zu ge-
wissen kulturhistorischen Gruppen zusammenschlössen. Wenn ein Forscher
späterer Zeit einmal ein Wörterbuch des 18. und des 19. Jahrhunderts ver-
gliche, so würde er bemerkenswerte Unterschiede im Wortschatz antreffen.
Er würde finden, daß Ausdrücke wie Eisenbahn und Dampfschiff und alles,
was damit zusammenhängt, im 18. Jahrhundert noch nicht in den Wörter-
büchern aufträten, und er würde mit Recht folgern, jene Worte seien im
19. Jahrhundert gebildet worden, weil erst damals die entsprechenden Be-
griffe aufgekommen seien. Ähnliches könnte man für den germanischen
Wortschatz im Verhältnis zum indogermanischen zu erschließen versuchen.
Eine Zusammenstellung des urgermanischen Wortschatzes findet man bei
FöRSTEMANN, Gcschichte des deutschen Sprachstamms, Nordhausen 1874, 1
S. 399 ff. Wenn dieses Verzeichnis auch heute veraltet ist und der Be-
richtigung bedarf, so wird sich doch diese gleichmäßig auf alle Abteilungen
erstrecken müssen. Bei Förstemann tritt aber kaum eine besondere Eigen-
tümlichkeit des germanischen Wortschatzes hervor; er macht nur S. 454
darauf aufmerksam, daß sich erst gemeingermanisch eine Fülle von Aus-
drücken finde, die sich auf das Seewesen beziehen, woraus also zu schließen
wäre, daß erst die Germanen mit der See bekannt geworden wären. Diesen
Gedanken hat später O. Schrader in einem Vortrag wieder aufgenommen
(Die Deutschen und das Meer, WB. z. ZADSV. Heft 11). Schrader vertritt
die Ansicht, daß die Indogermanen am Schwarzen Meer gesessen hätten.
Dies sei aber nicht zur Schiffahrt geeignet gewesen, und so hätte sich eine
Ausbildung in dieser Kunst und zugleich die Entwicklung der sprachlichen
§79. Neue Wortfamilien für die Schiffahrt. 103
Ausdrücke erst vollzogen, seitdem die Germanen an die Ost- und Nordsee
vorgerückt seien. Daß die Urheimat der Indogermanen am Schwarzen Meer
zu suchen sei, wird bekanntlich stark bestritten. Eine große Anzahl von
Forschern, darunter auch der Verfasser, vgl. seine Indogermanen und
GDS. 15, setzt sie an die Nord- oder Ostsee. Ist das richtig, so kann
doch immer nur ein Teil an der Küste gesessen und Schiffahrt betrieben
haben. Die Züge der wandernden Indogermanen gingen in des Binnen-
land, und diese Teile mußten natürlich die Ausdrücke, die sich auf Schiff-
fahrt und Seewesen beziehen, schnell verlieren. So würde sich Förstemanns
Beobachtung, wenn sie richtig wäre, anstandslos aus der Abwanderung
vom Meer erklären.
Und daß dies richtig ist, zeigen eine Reihe von Tatsachen. Die Germanen haben,
wie wohl Iveiner bezweifelt, zu einem großen Teil an der Ost- und Nordsee gesessen. Von
hier aus sind zahlreiche Stämme in das Binnenland gewandert, und diese haben tatsäch-
lich See- und Schiffahrtsausdrücke eingebüßt. Vor allem sind die alten Bezeichnungen der
Himmelsgegenden den Oberdeutschen verloren gegangen, vgl. Wehrle, Die deutschen
Namen der Himmelsrichtungen und Winde, ZfdW. 7, 61, bes. 125. Wir gebrauchen für Süd
die niederländische Form. Ufer = gr. i/jistgog aus *aperjos, also ursprünglich wohl die „See-
küste" ist dem Oberdeutschen fremd. An. fj'ördr = lat. portus 'Hafen' ist den übrigen Mund-
arten abhanden gekommen. Hafen wohl gleich mittelirisch ciian 'Seehafen' aus *kopno ist
ein niederdeutsches Wort.
Was wir hier deutlich vor Augen sehen, das kann natürlich auch für
die übrigen indogermanischen Völker gelten. Nehmen wir als richtig an,
daß die Indogermanen an der Ost- und Nordsee saßen, wie hätten sich
wohl bei der Wanderung ins Binnenland bei den Slawen, die noch heute
das Meer kaum berühren, bei den Indern und Iraniern, die durch weite
Landstrecken ziehen mußten, bei den Römern und Griechen die alten Aus-
drücke erhalten sollen?
Tatsächlich können wir aber doch noch immer so viele Ausdrücke für
Schiffahrt und Seewesen als alt nachweisen, daß wir den Indogermanen
sehr wohl die Bekanntschaft mit beiden Dingen zuschreiben dürfen. Die
Worte aber, die sich außerhalb des Germanischen nicht belegen lassen,
sind nicht etwa klar verständliche Ableitungen, wie sie als Zeichen jüngerer
Bildung zu fordern sind, sondern sie sind meistens ganz dunkel, so daß
wir allen Grund haben, darin altes Erbgut zu sehen. Allerdings könnten
darin auch Lehnwörter stecken, denn an den Nordmeeren wohnten auch
andere Völker, und in späterer Zeit findet ein reger sprachlicher Austausch
statt. Ich glaube aber nicht recht daran aus Gründen, die ich in meinen
Indogermanen 1 S. 315 ff. ausgeführt habe.
Im folgenden stelle ich nunmehr den Stoff zusammen.
Meer, ahd. mmn., goi. marei L nnA marisaiws 'Mter', gemeingerm.; dazu au.muir,
lat. mare, abg. morje n., lit. märes 'kurisches Haff und auch wohl aind. marjädä f. 'Meeres-
küste, Grenze, Schranke' und miras m. 'Meer, Grenze' (unbelegt), mittelind, aus *marja.
Das Wort ist entschieden alt (neutraler /-Stamm), könnte aber eine andere Bedeutung gehabt
haben. Aber es ist durchaus unwahrscheinlich, daß sich die gleiche Bedeutung 'Meer' auf
verschiedenen Sprachgebieten selbständig neu sollte entwickelt haben.
104 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indoger.manischen Bestandteile.
Ein andrer Ausdruck liegt vor in as. lagu 'See', air. lodi, lat. locus, vielleicht 'Sumpf,
Landsce'.
Gcmcingcrmanisch ist der Ausdruck See, ahd. seo m., got. saiws 'Landsee, Sumpfland'.
Wenn auch das Wort noch nicht in andern Sprachen nachgewiesen ist, so ist doch eine
Neubildung im Germanischen wegen der got. /-Flexion kaum möglich. Nur die Annahme
einer Bedeutungsübertragung wäre denkbar.
Schiff. Wir besitzen ein indogermanisches Wort: gr. rare (naüs), \ai. navis, das in
an. nor 'Scliiff, naust 'Schiffsschuppen' und vielleicht auch in deutsch Nadien, ahd. nahho
(gemeingermanisch) vorliegt (die Entwicklung eines Gutturals vor w kommt in einer ganzen
Reihe von Worten vor).
Schiff, got. skip n., das Wort ist gemeingermanisch, aber etymologisch nicht ganz
klar, indessen auch nicht von einem andern Wort abzuleiten, also wohl alt.
Boot stammt zunächst aus dem Englischen, mengl. bot, an. beit, und ist von Lidcn
zu arm. phait 'Baumstamm' gestellt.
Kahn ist unaufgeklärt, kann aber alt sein.
Ahd. kiol 'Schiff, verschieden von Kiel 'Schiffskiel' ist unaufgeklärt, ist aber schon
früh ins Finnische entlehnt. Wenn wir so verschiedene Ausdrücke für Schiff finden, so
braucht uns das nicht wunderzunehmen. Der Seemann unterscheidet jede Art genau.
Ein Kahn ist eben ein Kahn, ein Boot ein Boot, ein Kutter ein Kutter. Jeder dieser
Ausdrücke bezeichnet heute an der Nordsee eine besondere Bauart, und man wird mit-
leidig belächelt oder sogar zurechtgewiesen, wenn man die Ausdrücke falsch anwendet.
Da immer wieder neue Bauarten aufkommen und zum Teil von fremden Gegenden her
eindringen, so ist es leicht verständlich, wenn Ausdrücke für 'Schiffe' leicht entlehnt werden
Die Bekanntschaft mit den Schiffen wird ferner durch die alten Ausdrücke Ruder
und Mast gesichert.
Ruder, ahd. ruodar, ags. roäor, e. rudder entspricht (mit Ablaut!) ai. aritram 'Ruder*
und ist wurzelverwandt mit air. rame, 1. renius, gr. ioeiuö; {eretmös). Daneben steht das
dunkle altnord. ags. ar, engl, oar (lit. vairas, lett. airis 'Ruder' können entlehnt sein).
Mast bedeutet im Altgermanischen nur 'Mast' und entspricht genau lat. malus
i^mazdos), das ebenfalls nur 'Mast' bedeutet.
Der Ausdruck Segel, ahd. segal m., ags. segl, e. sail, an. segl n. ist gemeingerma-
nisch, aber noch nicht im Indogermanischen nachgewiesen. Der Ausdruck kann jung sein,
da wir eine ganze Reihe von offenbar jungen Bildungen für Geräte und Werkzeuge mit
Suffi.'^ -/ haben {Meißel, Beutel, Hobel, Gabel), dessenungeachtet kann aber die Erfindung
der Segel doch in sehr alte Zeiten zurückgehen. Denn dieses Wort kann ein anderes ver-
drängt haben.
Dazu kommen Ausdrücke für Welle, ahd. wella, lit. vilnis, abg. vlüna; ags. wielm,
aind. iirmih; — Ufer, mhd. uover, ags. ofer zu gr. tj.ietoo; (ceperos) 'Festland'; — Hafen
anoid. fjönlr 'Buciit, Fjord' entspricht mit Ablaut \al portus 'Hafen'; — d. Riff, lat. npa
'der steile Rand, das Ufer eines Gewässers*.
Diese Ausdrücke können sich natürlich auch auf Flüsse beziehen, aber es ist das
nicht sehr wahrscheinlich, da sich, wie ich glaube, im wesentlichen die Ausdrücke erhalten,
deren Inhalt von großer Bedeutung ist.
Die germanischen Bezeichnungen der Himmelsrichtungen sind unzweifelhaft aus
echtem alten Sprachgut gebildet. Nirgends aber sind diese Namen notwendiger als auf
der See. Was kümmert es den Landmann, woher der Wind weht, der Seemann muß ihn
aber beobachten. Tatsächlich stammen denn auch unsere Namen erst wieder von der See-
küste. Aber sie sind nicht nur nach Oberdeutschland gewandert, sondern selbst die fran-
zösische Sprache hat sie aufgenommen.
Norden gehört zu gT.vigzeoog {nerteros) 'unten befindlich', umhi. nertru 'links'; —
Süden aus *sunl} gehört zu Sund oder, was mir wahrscheinlicher ist, zu gr. vöxog (nötos)
§ 80. Neue Worte des Germanischen.
105
'Südwind' aus *snoios; — Osten stellt sich zu lat. aurora, gr. inüi (ceös); — Westen zu
lat. Vesper, gr. sajii-Qa (hespera). — Unser Schauer, ahd. as. ags. an. skur 'Unwetter', got.
skura windis 'Sturmwind', engl, shower gehört zu lat. caurus 'Nordostwind', lit. s'auris
'Nordwind', abg. severü 'Nord'.
Natürlich ist auch der Ausdruck Wind alt, lat. ventus. — Sturm entspricht wohl
gr. oQ^rj (hormce).
Man hat oft darauf hingewiesen, daß sich Ausdrücke für Ebbe und Flut nicht im
Indogermanischen nachweisen lassen. Aber Ebbe, and. ebbiunga 'Wallung' ist zweifellos
ein alter Ausdruck, der im Germanischen nicht neu gebildet sein kann, und Flut, goi. flodus
entspricht formell gr. jiXcoxö^ (plöiös). Der eigentliche Ausdruck für diesen Begriff ist aber
wohl e. tide, d. Zeit, Gezeiten, dessen Herkunft noch nicht erklärt ist, der aber wegen des
bei dem Wort vorliegenden grammatischen Wechsels (ahd. zit, zid) alt sein dürfte. Daß
die Ausdrücke nur an der Seeküste beharren können, ist selbstverständlich.
Besonders bemerkenswert ist ferner, daß gerade Ausdrücke für Seefische und See-
tiere der Nordsee zum Teil in den verwandten Sprachen wiederkehren:
Walfisch, ahd. wal, ags. hwoel, an. hvalr zu preuß. kalis 'Wels'; — Lachs, ahd. lahs,
lit. laUm, russ. lososi 'Lachsforelle', poln. tosos 'Lachs'; — Stör, ahd. sturio, russ. osetrü,
lit. erskstras; — Schade 'Maifisch', altir. scatan 'Hering', dazu Skadinavia.
Diese Ausdrücke beweisen das meiste, da diese Fische zum Teil nur den Nordmeeren
angehören. Andere Worte wie Düne, ndl. duin, ags. dun 'Hü^el', e. downs 'Dünen' zu
air. dun 'Hügel', gall. dünum sind weniger bezeichnend.')
Wenn sich einige Bezeichnungen wie Klippe, Strand, Geest nicht über das Ger-
manische hinaus verfolgen lassen, so hat das nichts weiter auf sich. Die Worte sehen
durchaus alt aus.
Auch bei den Ausdrücken, die sich auf das Meer und die Schiffahrt
beziehen, treten demnach im Germanischen nicht derartig viel neue Worte
auf, daß wir aus ihnen die oben erwähnten Schlüsse ziehen könnten, viel-
mehr finden wir gerade hier so oft die entsprechenden Worte in den ver-
wandten Sprachen, wie nicht bei jeder andern Kategorie.
§ 80. Neue Worte des Germanischen. Neu ausgebildet sind aber mög-
licherweise im Germanischen eine Reihe von Worten, die sich auf die
Standesgliederung beziehen. Man kann dies deshalb annehmen, weil diese
Worte tatsächlich Ableitungen von andern Worten sind und zwar mit Suf-
fixen, mit denen man damals regelrecht Worte bildete. Ich nenne hier nur:
got. piudans 'König' von piuda 'Volk' ; — ahd. kuning 'König' von kunni
'Geschlecht'; — ahd. walto 'dominus' von walten; — ahd. truhtin 'Herr'
von '"truht 'Schar'; — ahd. truhtsajjeo 'der über der Schar sitzt'; — got.
fraaja, altes Wort = a\. piirvja- 'der erste'; — ahd. herizogo 'der vor dem
Heer herzieht' zu lat. dax; — ahd. herro, Komparativ 'der Vornehmere'; —
ahd. grävio 'Graf, Vorsteher'; — got. gudja 'Priester', an. godl, nhd.
gotte 'Pate'.
Man beachte den wesentlichen Unterschied, der sich zwischen Worten
dieser Art und den zuvor behandelten zeigt.
Aber freiHch auch hier handelt es sich nicht um etwas begrifflich Neues,
denn ein indogermanisches Wort für 'Herrscher' Hegt in ai. ra]ä, 1. rex, kelt.
^) Man stellt gall. dünum gewöhnlich zu
engl, town, d. Zaun. Dann könnte Düne nicht
dazu gehören; aber die germ. Wörter brauchen
nicht urverwandt, sie könn entlehnt sein.en
106 FÜNFTES Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
rix vor; aber die erwühntcn Worte scheinen doch auf eine bedeutendere,
neu ausij^cbildete Gliedcruni^ der Stände bei den Germanen hinzuweisen.
Weiter sind zweifellos viele Worte für Werkzeuge und Geräte neu aus-
gebildet, wie wir weiter unten sehen werden.
§ 81. Material für die partiellen Gleichungen. Nachdem wir oben die
Fragen, die sich an die partiellen Gleichungen knüpfen, im allgemeinen
behandelt haben, scheint es mir doch angebracht zu sein, einen ausreichen-
den Stoff vorzulegen, der jedem ein Urteil erlaubt. Abgesehen davon, daß
damit ein beträchtlicher Teil der etymologischen Gleichungen vorgeführt
wird, bewegt mich dazu der Umstand, daß die partiellen Gleichungen immer
wieder zu allerhand Schlüssen herangezogen werden, ohne daß man sich
auf wirkliche Tatsachen stützen kann. Denn seit Jon. Schmidt in seiner
Schrift 'Die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen',
1872, eine erste Liste derartiger partieller Gleichungen gegeben hat, ist der
Versuch nicht wiederholt worden. Trotzdem nun heute diese Listen völlig
unbrauchbar sind, da sich zum Teil manche Gleichungen als falsch er-
wiesen haben, andere Worte, weil sie auch in einer dritten Sprache nach-
gewiesen sind, nicht mehr angeführt werden dürfen, benutzt man sie immer
doch noch. Oder man führt, wie dies Kluge, Urgermanisch 7 tut, keltisch-
germanische und litauisch-slawisch-germanische Gleichungen an, deren be-
trächtliche Anzahl dann verblüfft. Aber hier fehlt dann die Gegeninstanz,
und daher nehme ich noch als Gegenzeugen das Lateinische und das
Indische hinzu. Meine Listen werden freilich auch dem Schicksal unter-
liegen, zu veralten, aber ich hoffe doch durch sie zu neuen Untersuchungen
anzuregen und durch diese das ganze Problem aus der Welt zu schaffen.
§ 82. Germanisch-italische Gleichungen. Schon oben S. 97 ist bemerkt
worden, daß das Germanische eine große Menge von Worten nur mit dem
Lateinischen teilt. Ich gebe hier meine frühern Listen in verbesserter Gestalt,
wobei ich mich natürlich auf das ausgezeichnete Werk von Walde stütze.
abziehen, got. aftiiihan, 1. abduco; — Adie, Aa, 1. aqua; Adisel, ahd. ahsala, 1. axilla,
ala aus *aksla 'Flügel'; — bayr. Agn 'Spreu', got. ahana, alat. agna 'Ähre'; — Ähre, ahd.
ahir, got. ahs, 1. aciis 'Granne, Spreu'; — bayr. Alm 'Alpe', 1. almus 'nährend'?; — Amsel,
1. merula; — got. afjn, 1. anmis; — ahd. boian 'schlagen', d. in Amboß, 1. confutare; —
braudien, 1. frux; — denken, 1. tongere "nosse, scire'; — Ding, 1. tempus; — Eber, 1. aper,
abweichend abg. veprl; — Edte, 1. acies, auch gr. axig {akis), aber mit anderer Flexion; —
an. ^^/fl 'Mangel', X.egere; — nisl. W^wr 'Schneegestöber', \. algeo; — Esdi 'OxXsWux', got.
atisk -Saatfeld', \. ador; — Feifalter, \. papilio; — es fidtt 'es sticht', \. piget; — Finne
'Floßfeder', l.pinna; — ahd. foh, \. paucus; — got. gaiteins, \. haedinus; — got gajuka,
\.coniux; — Geiß, \. haedus; — gemein, got gamains, \. communis; — Gerste, t hor-
deum; — Gerte, got gazds, \. hasta; — gewinnen, \. conor 'sich anstrengen' aus *cove-
nor; — gießen, \. fundo mit ^/-Erweiterung gegenüber gr. yj«) {kheo); — grau l.ravus; —
haben, 1 habere; — Hals, 1. Collum; — aschw. harger 'Opferstätte', 1. carcer; — {Hase),
ahd. hasan 'grau, glänzend', 1. canus; — heben, got. hafjan, 1. capio; — ags. heden 'Koch-
geschirr', 1. catinus 'Napf, Flasche, Schüssel'; — heuer, 1. hornus; — got. hidre 'hierher',
1. citrd; — Hirsdi, ahd. hiru3, 1. cervus; — got. hlaiw 'Grabhügel', mhd. le, 1. clivus; —
§ 83. Germanisch-keltische Gleichungen. 107
ahd. horsc 'rasch', 1. coruscus 'schwankend, zitternd'; — Huhn, I. ciconia 'Storch'; —
Hürde, 1. cratis; — e. hill, ags. hyll, 1. collis; — irren, I. errare; — an. kleiss 'stammelnd',
\. blaesusl; — an. /f/o^ 'Schwertknauf', \. gladius; — Kuss, X.basiuml; — lang, \. lon-
gus; — e. law, 1. lex; — Leim, Lehm, 1. limus 'Bodenschlamm'; — Leiste, 1. litus 'Strand'; —
linde, 1. lentiis; — Lippe, 1. labium; — an. liiär 'Mchltrog', 1. Unter 'Kahn, Trog'; — Mast,
\. malus; — Metze, \. modiiis; — dh(\. munt 'Hand', \. manus; — nackt, got. naqaps, 1.
nudus aus *nogwedos (Suffix!); — neigen, got. hneiwan, 1. conivere; — nein, 1. noenum; —
Nestel, 1. nodiis; — Nuß, 1. nux; — an. ördugr 'steil', 1. arduus; — Rede, got. rapjo 'Rech-
nung, Zahl', 1. ratio (entlehnt?); — Regen, 1. rigare 'bewässern'; — got. rikan 'anhäufen',
1. rogus 'Scheiterhaufen'; — Rispe, 1. crispus; — an. sattr 'versöhnt', 1. sacer; — sdiwarz,
\. sordes 'Schmutz'; — Sdiwefel, l. sulpur; — sdiwellen, Schwall, \. salum 'Strömung des
Flusses, hohe See'; — sdiwer, \. serius 'ernsthaft'; — ahd. intseffen 'einsehen', \. sapio
'schmecken'; — got seipus 'spät', \. setius 'weniger'; — ■ got anasilan 'nachlassen, auf-
hören, stillwerden', 1. silere; — got. simle 'einst, vormals', 1. semel; — sinnen, 1. sentio
'fühle'; — zhd. skira 'Besorgung, Geschäft', e. shire, \. cura; — Spedit, \. picus; — got.
stiwiti 'Erdulden, Geduld', \. Studium; — Gestrüpp, 1. rubus 'Brombeerstaude'; — Sühne,
1. Sanas; — anord. tigenn 'vornehm', 1. dignus; — got pahan, 1. taceo; — Wabe, \. favus
aus *wafos; — wahr, \. verus; — waten, l.vado; — got wulpus 'Herrlichkeit', \.voltus,
vultus; — Wurm, 1. vermis; — wüst, 1. vastus; — Zehe, 1. digitus, (hal)lux aus *haldoix;
— zeigen, ahd. zeigon, 1. -dicare; — zeihen, 1. dico; -- Herzog, 1. dux; — ziehen, tduco;
— ahd. 2r 0^0/2 'ziehen', 1. ducare; — Zucht, 1. ductio; — Zunge, 1. lingua; — Zweifel, 1.
duplus; — Zwirn, 1. bini.
Die Fülle dieser Beispiele wird überraschen und hat mich seinerzeit
überrascht. Ich habe damals aber nicht die übrigen partiellen Gleichungen
zur Hand gehabt und mußte daher zu falschen Schlüssen kommen. Wir
werden sehen, daß in den andern Gruppen die Anzahl gleichfalls nicht
gering ist.
§ 83. Germanisch-keltische Gleichungen.
Literatur: Kluge, Urgermanisch 7; MuCH, Deutsche Stammeskunde, Sammlung
Goeschen 1900, S. 44 ff.
Von den keltisch-germanischen Entsprechungen ist es nicht immer leicht
zu sagen, wie sie sich zueinander verhalten. Da wir jedenfalls keltische
Lehnwörter in unsrer Sprache haben, die die Lautverschiebung mitgemacht
haben — sei es, daß die Lautverschiebung erst nach der Entlehnung ein-
trat, sei es, daß wir es mit Lautersetzung zu tun haben — , so läßt sich
zwischen Urverwandtschaft und Entlehnung aus lautlichen Gründen nicht
hinreichend sicher entscheiden. Man wird daher den Gesichtspunkt mit
heranziehen müssen, wie weit die Worte in Raum und Zeit verbreitet sind,
wie weit sie Ableitungen bilden und überhaupt im Kreise verwandter Worte
stehen. Betrachtet man diesen Gesichtspunkt, so sinkt die Schale sehr zu-
gunsten der Annahme von Entlehnung. Dazu kommt, daß sich die Worte
auf gewisse kulturelle Erscheinungen beziehen, so daß auch hierdurch der
Verdacht der Entlehnung gefördert wird. Ich habe das Werk von Stokes
durchgesehen und daraus notiert, was mir mit einiger Wahrscheinlichkeit
urverwandt zu sein schien.
got. agls 'unschicklich, schimpflich', ir. äil (aus *agli) 'Schimpf; — Apfel, ir. aball,
uball f. ; — Auge, ir. uag f. 'Höhle, Grab' ; — as. underbadon 'erschrecken', ir. fo-bothaim
108 Fünftes Kapitel. Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
'constcrnor'; — ahd. bagan, ir. bagim 'streite'; — Beute, ir. buaid; — ags. breard 'Spitze',
BorJ 'Scliiffsrand', ir. *ro/ 'Stachel'; — brennen, ah. brennim 'sprudelt'; — bringen, kymr.
/i^-^Tt.:'/;^ 'dcduccre'; — an. (/d/Ar 'Mantclspangc', d.DoldiQ), ir. de/g 'Dorn' ; — ags. deorc
'dunl<elfarbig', ir. derg 'rot'; — didi, '\r. tiiig; — drüdien, \r. truag 'elend'; — go{. dulgs
'Schuld', ir. J/zX'«?«/ 'Pflicht, Gesetz, Recht'; abg. dlügil ist wohl entlehnt; — Durst, \r.tart;
— ags. ear 'humus', ir. ur 'Erde, Lehm'; — got. -ei, ir. -/, suffigiertes Relativpronomen; —
Eid, ir. oeth; — Erbe, \r.orbe Suffix!; — Faden, akyrwr. cteni; — Flur, \r. lar 'Flur,
Boden': — fredi, kymr. rhewydd 'lascivia, lascivus"; — frei, kymr. rhydd 'frei', Bedeutung!;
— (jabet, ir. gabul 'gegabelter Ast, Gabel'; — Geisel, ir. giall; — Grat, ir. gart 'Haupt'?;
— ähd. hader-, gaW. catu- 'Kampf; — Hag, Hedte, akymr. fa/o« 'munimenta'; — Held,
ir. calath 'hart'; — an. hella 'platter Stein, Schiefer', kymr. caill 'testiculus'; — got. hlei-
duma, ir. de 'link'; — an. hrekja, ir. credit 'Wunde'; — an. hruga 'Hauie', ir. cruadi; —
ahd. inadiri 'Eingeweide', mir. inathar; — ahd. jiht 'Aussage, Bekenntnis", kymr. iaith
'Sprache'; — ahd. klenan 'kleben, schmieren', ir. glenim 'bleibe hangen'; — klug, ir. glic
'klug, schlau' (?); — lasdi, ir. läse 'schlaff, träge'; — Latte, ir. slat, kymr. llath -Rutt'; —
Laus, akymr. leu-eseticc 'von Läusen zerfressen'; — Leder, ir. lethar; — Letten, xr.lathadi
'Schlamm'; — got. liugan 'heiraten', ir. luge 'Eid, Schwur'; — Lot, ir. luaide 'Blei'; —
got. lubja- 'Gift', ir. luib 'Kraut, Strauch, Pflanze' ; — ahd. ludara 'Windel', kymr. Ilawdr
'bracae; — Mähre, ir. marc, gall. marka; — mandier, got. manags 'viel', ir. menicc 'häufig,
reichlich', abg. münogä ist wohl entlehnt; — dän. manke, ir. mong 'Mähne'; — Meudiel-,
\r. ru-mugsat 'suffoderunt, i. e. abscondiderunt'; — ahd. gameit 'stoiidus, jactans', ir. miad
'fastus'; — Mildi, ir. nielg; — miß-, ir. mis-; — mürbe, ir. meirb; — got. anananpjan
'wagen', ir. neit 'Kampf; — ahd. nusca 'Spange, Schnalle', ir. nasc 'Ring'; — Rain, bret.
reun, run 'Hügel'; — Rast, ir. arus, 'Wohnung' (?); — mhd. reben 'sich bewegen, rühren',
xr.reb 'Spiel, Tücke'; — reiten, ir. riadaim 'fahre'; — ahd. n/n 'Zahl', ir. do-rimu 'enumero';
— Rinde, ir. rinde 'hölzerner Eimer'; — got. rodjan 'reden', ir. noraidin 'sage'; — t. roof
'Dach', ir. cro 'Gehege, Stall, Hütte'; — Radien, ir. crocenn; — Rune, ir. run 'Geheimnis';
— Rüster, ir. ruaim 'Erle' ; — sdiinden, abret. scant 'Schuppe' ; — sdiwank, ir. seng
'sch\ar\g'; — sdiwimmen, kymr. fl'ia/>'/ 'motus'; — gesdiwind, got swinps 'siarV.', ir. fetaim,
setaim 'ich kann' ; — got. sinps 'Weg', ir. set 'Weg' ; — got. skeima 'Leuchte', ir. sciam 'Schön-
heit'; — c. splint 'Splitter', ir. slind 'imbrex, pecten'; — Streifen, ir. sriab; — got tils
•passend', ir. dil 'angenehm'; — Topf, ir. dabadi; — traut, ir. druth 'meretrix'. kymr. drud
'carus'; — Wagen, ir. fen; — Weidwerk, ir. fiad 'Wild'; — Wert, air. früh- 'gegen'; —
widieln, ix. figim 'webe'; — wild, kymr. gwyltt 'ferus, indomitus, sylvestris'; — ahd. witu
'Holz', ir. fid 'Baum. Holz'; — Zaun, e. town, gall. dunon; — Zinne, ir. dind, dinn 'Hügel,
Höhe'(?); — Zitze, ir. did.
Anmerkung. Es sind in diese Liste auch Gleichungen aufgenommen, bei denen
ich weiter unten annehme, das germanische Wort sei aus dem Keltischen entlehnt. Da
sich dies aber nicht mit voller Sicherheit behaupten läßt, so mußten sie, als möglicher-
weise doch urverwandt, hier ihre Stelle finden. Meine Liste wird dadurch um ein paar
Nummern länger. Wir werden aber sehen, daß dies gar keine Bedeutung hat. Außerdem
befinden sich unter den angegebenen Entsprechungen ein paar recht unsichere. Auch
diese habe ich absichtlich aufgenommen.
§ 84. Germanisch-litu-slawische Gleichungen.
Literatur: J.Schmidt, Verwandtschaftsverhältnisse S. 36ff. (veraltet); Kluge, Grund-
riß der germ. Phil.2 1,360 (bedarf der Berichtigung); in der neuen Auflage ist die Liste
stark gekürzt; Uhlenbeck, Btr. 22, 539 ff.
Die engere Zusammengehörigkeit des Germanischen mit dem Litu-
Slawischen wurde schon vor langer Zeit vermutet, und diese Ansicht hat
sich jahrelang einer unbedingten Anerkennung zu erfreuen gehabt. Ich kann
§ 84. Germanisch-litu-slawische Gleichungen. 109
ihr in Übereinstimmung mit den meisten Forschern nicht zustimmen, da
sich in Laut- und Flexionslehre keine derartigen besondern Berührungs-
punkte auffinden lassen, daß man auf ihnen ein Gebäude von solcher
Mächtigkeit errichten könnte. Es bleiben also die Berührungen im Wort-
schatz, die indessen auch nicht über das Maß dessen, was wir erwarten
dürfen, hinausgehen.
ander, lit. antras; — Aas 'Viehfutter', ahd. 03, lit. edis, abg.Jadi 'Speise'; — got. barn
'Kind', lit. bernas 'Knecht, Jüngling'; — ags. bearu 'Wäldchen', abg. borü 'pinus'; — got.
biuhts, \\i. jnnktas; — ags. blat 'bleich', abg. bledü; — blind, lit. bl{sta 'es wird Abend';
— ags. brigdel 'Zügel', abg. brüzdä; — Dorsdi, russ. treskü; — got. driiigan 'Kriegsdienste
tun', lit. draügas, abg. drugii 'Gefährte'; — ahd. elbi-^, abg. lebedi 'Schwan'; — Ernte, got.
asans 'Erntezeit', apreuß. assanis, abg. jeseni 'Herbst'; — Espe, lit. apusis, russ. osina,
vgl. aber Liden, Idg. Forsch. 18, 490; — Faust, abg. pcstX; — got. fon, apreuß. panno
'Feuer'; — frisdi, ahg. presinü; — Geiz, lit. geid'z'ü 'begehre', abg. Uda 'erwarte'; — Gerte,
abg. zrl.di 'dünne Stange'; — ags. gleo, gleam 'Kurzweil', \\\. glaudas; — gleidi, lit. ligus
'gleich'; — graben, leit grebt 'schrapen, aushöhlen', abg. greba 'grabe'; — n<\\. grendel
'Balken', abg. gredu; — greifen, lit. gtieb'ii; — Hacksdi, 'unverschnittener Eber',
Hagen 'Zuchtstier', abg. kocanü 'männliches Glied'; — got. hairpra 'Eingeweide', abg.
cresla; — Harm, abg. sramu 'Scham, Schande'; — anord. hauss 'Schädel', lit. k'äuse; —
helfen, lit. selpti; — ahd. hemera 'Nießwurz', abg. cemeri; — Hödzer, ahA.hovar, lit. kitprä
'Höcker'; — anord. hros "Lob, Ruhm', abg. krasa 'Schönheit'; — ahd. hriubi 'Scabies', lett.
kraupa 'Grind'; — got. harjis 'wer von mehreren', lit. kuris 'welcher'; — ahd. ilgi 'Hunger',
Mi. isalkis; — noxsu. kage 'niedriger Busch', Wi.zagaras 'dürrer Ast'; — kauen, abg. zwq;
— Klafter, \\i. giebls ' kxmvoW , lit. globti 'umarmen'; — an. klökkr 'schwach, gebrechlich',
lit. gleznus 'weich, schwach, zart'; — knete, ahg. gnetq; — Ladis, Wt. laH^ä, russ. lösosi;
— d. lähmen, abg. lomiti 'brechen'; — lesen, lit. lesti 'Körner aufpicken'; — got. lewjan
'preisgeben', lit. l'äuti 'aufhören'; — e. limb 'Glied', lit. liemuö 'Baumstamm, Körper'; —
Lo(ke, lit. lugnas 'biegsam'; — got. malma 'Sand', zermalmen, lit. melmuö 'Nierenstein'; —
Masdie, lit. mäzgas 'Knoten'; — got. naus, abg. navl 'Leiche', apreuß. nowis 'Rumpf; —
got. biniuhsjan 'ausspähen', russ. njüdiatl 'riechen, schnüffeln'; — Nutzen, lit. naudä; —
Pfuhl, lit. bald 'Bruch', abg. blato "Sumpf (?); — poltern, lit. beldeti 'klopfen' ; — prickeln,
lit. brH'u 'kratze'; — Qual, lit. gelä 'heftiger Schmerz'; — Quappe, apreuß. gabawo "Kröte',
ahg. zaba 'Frosch'; — Rahe, lit. r ekles 'Stangengerüst zum Trocknen'; — reidien, lit.
räizitis 'sich recken'; — Ring, ahg. krqgä, aber auch ai. 'irö^/za/a- 'Kette' ; — Rippe, abg.
rebro; — Rogen, lit. kurkulal, russ. krjakü 'Froschlaich'; — ags. rot 'freudig, froh', abg.
radü 'gern'; — Rumpf, abg. rqbä 'Tuch, Gewand'; — ahd. skalm -Kahn', abg. clünii; —
d. scheinen, abg. sinqti; — sdilingen, Sdilange, lit. slihkti 'schleichen', abg. slqku 'krumm';
— Sdinabel, lit. snäpas; — sdireiten, lit. skrindu, skristi 'schnell laufen, fliegen'; — an.
sikr 'Schnäpel', russ. sigä, lett. siga; — got. skewjan 'wandern', lit. suolials 'im gestreckten
Galopp'; — Spanferkel, mhd. spen 'Mutterbrust', lit. spenis 'Saugwarze'; — ags. sot, lit.
södis, abg. sazda 'Ruß'; — Stab, lit. stäbas 'Götzenbild'; — Stein, abg. stena 'Mauer'; —
Stör, lit. er sketras, aprtn^. esketres, russ. osetrü; — ndl. stront 'iaeces\ ahg. trqdil 'Art
Krankheit'; — Stute, ahg. stado 'Pferdeherde'; — Sdiwein 'Hirt', ahd. geswio 'Schwager,
Schwestermann', lit. svalnis 'des Weibes Schwestermann'; — Teil, abg. dein; — norw. tira
'gucke, spähe', lit. dirsti 'hervorgucken'; — Tobel, abg. dupll 'hohl'; — got. peih'ö 'Donner',
abg. ^flca 'Sturzregen'; — anord. pidurr, lit. tetervinas, ahg. tetrevi 'Vogelart' ; — got. plus
'Knecht', d. in Demut, lett. teksnis 'Aufwärter'; — anord. pömb, lit. timpa 'Sehne'; — got.
propjan 'üben', abg. tratiti 'verbrauchen, ausgeben'; — an. pungr 'schwer', abg. tegota
'Schwere'; — Wadis, ahg. voska (lit. väskas entlehnt); — got. wairilo 'Lippe', apreuß.
warsus; — Wedi, lit. vagis 'Keil'; — Welle, lit. vilnis, abg. vlüna; — Wetter, abg. vedro
1 10 Fünftes Kapitel, Das Alter der Worte. Die indogermanischen Bestandteile.
'gutes Wetter'; — Giebel, ahd. wibil 'Käfer', \\{. väba/as; — Wicht, got. waihts 'Sache'»
abg. vesti; — zwölf, lit. dvilika.
Zweifellos wird sich dieses Material noch vermehren, sobald wir nach
Vollendung von Bernekers Werk ein ausreichendes etymologisches Wörter-
buch der slawischen Sprachen besitzen. Aber es ist kaum wahrscheinlich,
daß er so wachsen wird, wie es nötig wäre, um darauf die Annahme
näherer Verwandtschaft zu gründen.
§ 85. Germanisch-arische Gleichungen. Zwischen dem Germanischen und
dem Arischen hat noch niemand besonders nahe Beziehungen innerhalb der
indogermanischen Sprachen vermutet. Es dürfte daher die Anzahl von
Gleichungen, die wir nur in diesen beiden Sprachen antreffen, ein Maßstab
dafür sein, was wir überhaupt zu finden erwarten dürfen. J. Schmidt hat in
seinem Werke S. 50 nur fünfzehn derartige Gleichungen zusammenbringen
können, und dieser Zahl gegenüber mußten allerdings die sechzig bis
hundert Gleichungen, die er sonst nachzuweisen imstande war, stark in die
Wagschale fallen. Ich war daher selbst erstaunt über die beträchtlich größere
Anzahl, die sich bei näherer Untersuchung ergab. Eine Fehlerquelle kann
ich aber nicht entdecken.
got. afar 'hinter', ai. äparam 'nachher'; — an. agn 'Lockspeise, Köder', ai. äsanam
'Speise'; — got. aljan 'Eifer', ai. arih 'verlangend'; — an. all 'Keim, Keimblatt', ai. aukurdh
'Sproß, junger Schoß'; — an. ama 'plagen', ai. ämiti 'dringt an, bedrängt'; — Alp, ai. ^bhi'ih
'geschickt'; — Atem, ai. atmä 'Hauch'; — Auer, ai. usräh 'Stier'; — bitter, ai. bhidräh
'zerspaltend' (unbelegt); — got. bleil)s 'freundlich, barmherzig', ai. mritjati 'löst sich auf;
— Bremse, ai. bhramaräh 'Biene'; — mhd. diehter 'Enkel', ai. tokdm 'Nachkommenschaft,
Kinder'; — an. drak 'Streifen', ai. dhräjas 'Streichen, Zug': — ags. dyn 'Lärm', ai. dhünih
'rauschend'; — eigen, ai. ts'e 'hat zu eigen'; — Eis, awest. isav- 'eisig'; — an. eisa 'einher-
stürmen", a\. i'<ate 'enteilen, fliehen"; — &\\A. enka 'Schenkel', ai. äugam 'Glied, Körper';
— ags. ent 'Riese', ai. ädrih 'Stein, Fels'; — Felber, oss. färw 'Erle'; — feucht, ai.
päijkam 'Schlamm'; — flink, ai. sphuliugah 'Funke'; — Flins, Flinte, ags. flint 'Kiesel',
ai.pindah 'runde Masse'; — an. /ramT 'Schaum', ai. pröthati 'schnauhi' ; — Frohn, got.
fräiija 'Herr', ai. purvjah 'vorderer'; — Futter, got. fodr 'Scheide', ai. pätram 'Behälter,
Gefäß'; — ags. hafola 'Kopf, ai. kapälam 'Schale, Hirnschale"; — Häher, ai. sikharäh
'spitzig'; — got. hairus 'Schwert", ai. süruh 'Geschoß"; heit, got. häidus 'Art und Weise',
ai.ketiih 'Lichterscheinung, Helle'; — heiter, ai. citräh 'glänzend'; — Helm, ai. sdrma 'Schirm";
— Herde, ai. sardhah ; — mhd. hirmen 'ruhen, rasten', ai. srämjati 'wird müde'; — an.
hrekja 'quälen', a\. karjati 'quält"; — got. hrisjan 'schütteln", ai. kridati 'spielt'; — Huf,
ahd. saphäh; — got. -hun, ai. canä, Partikel; — got. hundafaps 'Herr von hundert', ai.
satäpatili; — got fvapjan 'schäumen', ai. kvdthaii 'kocht, siedet'; — is\. hvoma 'gierig
verschlingen', a\. camati 'schlürft'; — an. kalfe 'Wade', ai. gulphüh 'Fußknöchel'; — got.
kilpei 'Mutterleib', ai.jathäram 'Bauch'; — as. kniobeda 'Gebet auf den Knien', ai.jnubädh
'die Knie beugend'; — ags. colt 'junges Es^füllen', ai. gardabhüh 'Esel'; — Kram, ai.
grämah 'Schar, Haufe, Gemeinde", vgl. aber auch abg. gramada 'Haufe'; — Lehen, ai.
'reknah 'ererbter Besitz, Eigentum, Habe"; — got. leipan 'gehen', d. leiten, awest. raep
sterben"; — Unk, ai. lauga- 'lahm'; — Lünse, ai. anih 'Achsennagel'; — got. mawilö
'Mädchen', ai. mahila 'Frau'; — ags. molda 'Kopf, ai. mürdhä 'Stirn, Vorderkopf; —
nieder, ai. nitaräm 'unterwärts, gesenkt'; — an. örr 'Narbe', ai. äruh 'Wunde'; — got. qens
'Weib', ai.Janih (Suffix!): — mhd. räm 'Schmutz, Ruß', ai. rämäh 'dunkelfarbig, schwarz';
— got. reiran 'zittern", ai. leläjati; — Reute, awest. raoiSja- 'urbar zu machen"; — Sahn
§ 85. Germanisch-arische Gleichungen. § 86. Schlussfolgerungen. 1 1 1
a\. sänuh 'Oberstes eines Dinges'; — schartig, ai. ^/za^//i 'Scharte' (unbelegt); — Sdinake,
engl, snake 'Schlange', ai. nagä'i 'Schlange'; — Schrulle, ai. krudhjate 'zürnt'; — Schwager,
ai. svasnrah; — mhd. selken 'tröpfelnd niederfallen', ai. srjäti 'entläßt, schießt, läßt
fliehen'{?); — Sippe, ai. sabhä 'Versammlung'; — Sorge, a\. sürk<ati 'kümmert sich'; —
got spaiirds 'Rennhahn', a\. sprdh 'Wetteifer, Kampf; — stark, ptrs. sutnrg; — Strick, ai.
sräj 'Gewinde'; — Tanne, ai. dhännh 'Bogen'; — Tudi, ai. dhvajäh 'Fahne'; — mh. turst
'Kühnheit', ai. dhf.UHi; — got. papro 'dorther', ai. tdträ 'dort'; — und, ai. citha 'weiter'; —
wacker, ai. väjrah 'Donnerkeil'; — Wahl, ai. värah 'Wunsch. Wahl'; — Wald, ai. vatah; —
ahd. walni, ai. ürmlh 'Woge'; — as. wanatn 'glänzend', ai. vamdh 'lieb, lieblich'; — Wanst,
ai. vaniiti'ih 'Mastdarm'; — Ware, ai. vanik 'Kaufmann'; — weiß, ai, svitnah; — wieder,
a\. vitaräm; — goi. wripus 'Herde', a\. vrätah 'Haufe, Schar'; — wünschen, a\. vämhati;
— an. ylgr, a\ vrkih 'Wölfin'; — a\\<\. zorft 'hell', ai. ddrpanah 'Spiegel'; — ahd. zouwen
'fertigmachen, bereiten', ai. duväh 'hinausstrebend, unruhig'.
Ich verzichte darauf, die germanisch-griechischen Gleichungen zusammen-
zustellen. Aber wer dies nachholen wird, dürfte finden, daß auch hier die
Zahl beträchtlicher ist, als man bisher annahm.
§ 86. Schlußfolgerungen. Diese Listen sind, denke ich, lehrreich genug.
Wir finden 102 lateinisch-germanische, 87 keltisch-germanische, 94 litu-
slawisch-germanische und 88 arisch-germanische Gleichungen. Diese Zahlen
können sich natürlich durch neue Entdeckungen, Hinzukommen übersehener
Gleichungen etwas verschieben, aber doch nicht, wie ich glaube, so weit,
daß sich auffallend große Verschiedenheiten in den Zahlen ergeben, Ver-
schiedenheiten, die uns wirkliche Schlüsse erlaubten. Man wird also nun
wohl einsehen, daß sich eine nähere Verwandtschaft des Keltischen oder
des Litu-slawischen mit unserm Sprachstamm mit Hilfe der partiellen
Gleichungen nicht begründen läßt, und daß die partiellen Gleichungen
keine besondere Bedeutung haben. Diese sind ebensogut indogermanisch
wie alle andern, und die übrigen Sprachen, die nicht daran teilnehmen,
werden die Worte auch besessen, aber wieder verloren haben.
Sobald wir also ein Wort des Germanischen in einer andern indo-
germanischen Sprache nachgewiesen haben, so spricht alle Wahrscheinlich-
keit dafür, daß es indogermanisch war. Damit ist dann seine weitere Er-
klärung jener ältesten für uns erkennbaren Zeit zugeschoben. Manchmal
wird sie gelingen, in vielen Fällen auch nicht. Wir haben ferner gesehen,
daß selbst Worte indogermanisch sein können, die nur im Germanischen
nachweisbar sind, ja daß davon eine gewisse Anzahl indogermanisch sein
muß. Man könnte diese, wenn man die Zahl sämtlicher partieller Gleichungen
hätte, sogar berechnen.
Damit können wir diesen allgemeinen Abschnitt über die indogerma-
nischen Bestandteile unsres Wortschatzes schließen, im einzelnen werden
wir später noch mancherlei zu betrachten haben.
112 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
Sechstes Kapitel.
Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
§ 87. Veränderung der Worte im Anlaut. Verkürzung. Allgemeines. Neben
den Grundworten der Sprache, d. h. solchen, die nicht weiter zerlegbar
sind, steht die große Menge der Ableitungen und Zusammensetzungen.
Ehe wir auf diese eingehen, sei noch zunächst auf ein paar Erscheinungen
allgemeiner Art aufmerksam gemacht. Die Sprachwissenschaft lehrt jetzt
bekanntlich, daß nicht das Wort die Grundlage des Sprechens ist, sondern
der Satz. Wenn man auch über die Richtigkeit dieser Anschauung im
Zweifel sein kann, so ist es doch sicher, daß gewöhnlich die Worte nicht
vereinzelt, sondern im Zusammenhang mit andern, in sogenannten Sprech-
takten stehen. Im besondern werden Artikel und Präpositionen fast stets
mit dem abhängigen Wort vereinigt, und es kann sehr leicht kommen, daß
dabei die ursprüngliche Silbengrenze verschoben und so die eigentliche
Herkunft verschleiert wird.
So sagt man in Norddeutschland um un(d) dum, über un(d) düber, was eigentlich
um und um, über und über ist. Sobald sich die Worte* dum und düber aus diesen Ver-
bindungen loslösten, würden wir ein neues Wort haben. Hier ist das nicht geschehen,
wohl aber in andern Fällen. So ist das durch Luther in die Schriftsprache eingeführte
Otter aus Natter entstanden, offenbar, indem man n als unbestimmten Artikel faßte.
Ebenso engl, adder. Aus Nachen ist am Mittelrhein Adie geworden. Nd. Olm 'Holz-
fäulnis' ist aus Molm entstanden. Orange geht auf ai. narauga- 'Orangenbaum' zurück.
Häufiger ist die Hinzufügung neuer Elemente.
Für Guten Abend sagen wir Nahend, eis. Nowe. Diese Verbindung ist eigentlich ganz
fest; nur läßt das Bestehen des Wortes Abend immer noch den Ursprung erkennen. Nieder-
deutsch sagt man Mars statt Arsdi. Obd. ist Nast für Ast. Nobiskrug 'Schenke des
Teufels, Hölle' geht auf gr.-lat. abyssus zurück.
Daß ein derartiges Zusammenwachsen in fremden Wörtern besonders
häufig eintritt, ist leicht zu verstehen.
So ist al in Wörtern arabischer Herkunft, wie Alkohol, Alkoven, Alkali neben
Kali, Aldiemie neben Chemie der arabische Artikel al. Der französische Artikel /- ist in
folgenden Fällen festgeworden: labet sein, werden ist frz. /« bete; Lafette, Uz. l'affüt,
bei Wallhausen 1617 die Affuite; — Lärm, Alarm, ital. a l'arme 'zu den Waffen'; —
Lasur geht aui Azur zurück; — Lomber ist Uz. l'hombre von span. hombre 'der Mann'.
Vgl. hierzu L. SIjtterlin und A. Waag, Deutsche Sprachlehre für höhere Lehranstalten, 1905,
S. 45; — Otto Heilig, Angewachsene, bezw. losgetrennte Teile in Ortsnamen, ZfdU. 11,
728 ff.; Keiper, Angewachsene und losgetrennte Wortteile in süddeutschen Dialektwörtern,
ZfdU. 24, 249 ff.
Eine andere Erscheinung ist die auf psychologischen Gründen be-
ruhende Verkürzung längerer Wortgruppen. Die Sprache ist dazu da, etwas
zu vermitteln, und es genügt daher oft genug, nur einen Teil dessen aus-
zusprechen, was man sagen will, weil man damit auf ein volles Verständnis
rechnen kann. Besonders stellt sich in gewissen Verkehrskreisen leicht eine
§ 88. Lebende und tote Suffixe. 113
solche Verkürzung ein. Wir sagen Nabend für guten Abend, eig. ich wünsche
einen guten Abend, Mahlzeit für gesegnete Mahlzeit. Man bestellt ein
Pilsener beim Kellner, und der Kellner seinerseits bestellt ein Pils. Viele
derartiger Verkürzungen sind allmählich in der Sprache ganz fest geworden.
So sagen wir Auto für Automobil; — Piano für Piano forte, und haben sogar die
Ableitung Pianino; — aus mhd. eltermuoter 'Gxo2>m\i\itx' entstand Elter, aus \\d\.viola
da braccio (Armgeige) Bratsche, aus viola di gamba (Bein) Gambe, aus engl, terrierdog
Terrier. 'Weiter Tram aus Trambahn; — Trampel 'ungeschicl<ter Mensch' aus Trampel-
tier; — Wehrmann aus Landwehrmann; — Z,e/5 'geisthches Lied' aus mhd. kirleis von
gr. xvQiE iUrjaov {kyrie eleceson 'Herr, erbarme dich'); — Hälfe 'Halbbauer', aus Half-
winne; — Kerf aus Kerbtier; — Kilt 'Nachtbesuch', ahd. kwilti werk 'Abendwerk'.
Nunmehr kommen wir zu den Ableitungen und Zusammensetzungen.
Wir haben darin zwei Mittel, durch die die indogermanischen Sprachen
von jeher imstande gewesen sind, neue Worte zu bilden, und gegenüber
diesen beiden wortbildenden Mitteln tritt das der Urschöpfung ganz be-
trächtlich zurück. Während die Möglichkeit der Zusammensetzung, nament-
lich im Deutschen, nahezu unbegrenzt ist, und deshalb auch nur an-
deutungsweise gestreift werden kann, erfordern die Ableitungen eine etwas
eingehendere Betrachtung. Natürlich gehen eine ganze Reihe von abgelei-
teten Wörtern in die indogermanische Grundsprache zurück. Aber darauf
kommt es uns hier weniger an als auf die wortbildenden Teile selbst.
Anmerkung. Der Ausdruck 'Suffix', der als Bezeichnung der wortbildenden Teile
geläufig ist, hat in neuerer Zeit zu Bedenken Anlaß gegeben. Der Ausdruck suffixus 'an-
gefügt' veranlaßt leicht zu der Meinung, daß es sich bei den Suffixen um einst selbständige
angetretene Wörter handele. Das trifft zwar in einer ganzen Reihe von Fällen zu, aber nicht
in allen. Meines Erachtens liegt kein Grund vor, das Wort deshalb aufzugeben. Jedenfalls
sollte man, wenn man es durch ein anderes ersetzen will, ein deutsches Wort dafür ge-
brauchen. Mit den neuerdings vorgeschlagenen Ausdrücken Formans, formantisdi oder
Formativ kann ich mich nicht befreunden.
§ 88. Lebende und tote Suffixe. Bei den Ableitungen der Worte besteht
ein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf unsere Zwecke, ich meine
die geschichtliche Entwicklung des Wortschatzes, nämlich der, ob mit einer
Ableitung noch immer neue Worte gebildet werden können oder nicht, ob
ein Suffix, wie wir wissenschaftlich zu sagen pflegen, produktiv, lebend
ist oder nicht. Ein paar Beispiele mögen das veranschaulichen. Ein Suffix
ist produktiv oder lebendig, wenn man imstande ist, damit neue Worte zu
bilden. Das gilt z. B. von -ieren — denn Worte wie telegraphieren, tele-
phonieren sind sicher jung — , ebenso wie von -ler, z. B. Freischärler,
Autler. Andere dagegen sind unproduktiv, tot. So bildete man in früherer
Zeit mit -t weibliche Abstrakta, z. B, Macht von mögen, Kunst von können,
Gunst von gönnen, Vernunft von vernehmen, List von einem Verb got.
lais 'ich weiß', Gift 'Gabe' von geben, -dürft in Notdurft von dürfen,
Flucht von fliehen, Ankunft von kommen, Schuld zu sollen. Fahrt zu fahren,
Tat zu tun. Statt zu stehen, Saat zu säen, Glut zu glühen, Blut, Blüte
zu blühen, Naht zu nähen. Sucht zu siech, Zucht zu ziehen, Geduld zu
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 8
114 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
lat. tuU usw. Sind auch diese Bilduiii^en noch ziemlich zahlreich, so ist
es doch seit geraumer Zeit nicht mehr möglich, neue Wörter auf diese
Weise hervorzubringen.
Können wir also feststellen, wann ein Suffix aufgehört hat, produktiv
zu sein, so haben wir damit die Zeit festgelegt, vor welcher ein Wort, das
mit diesem Suffix versehen ist, gebildet sein muß. Sehen wir umgekehrt
im Laufe der Zeit ein Suffix erst entstehen und produktiv werden, so haben
wir damit den Zeitpunkt, nach welchem ein Wort, das dieses Suffix zeigt,
gebildet sein muß. Auch hier ein Beispiel. Im Urgermanischen konnte man
von Verben durch ein «-Suffix Nomina agentis bilden, z. B, Bote zu fielen,
Gehilfe, Steinmetz, alid. steinniezzo zu got. maitan 'behauen', Nac/ikommey
Blindschleiche, ahd. blintslidio, Anwalt, ahd. anawalto, Herzog, ahd. heri-
zogo, Sdienkc, Scherge zu Schar, Heuschrecke, Schurke zu ahd. firskurgan
'verstoßen'. Diese Bilduiigsweise steht in althochdeutscher Zeit in voller
Blüte, mittelhochdeutsch kommen noch einige neue, früher nicht belegte,
hinzu, aber dann stirbt das Suffix ab und wird durch Bildungen mit -er
ersetzt, z. B. Esser, ahd. e.yjo, Geber, ahd. gebo, Helfer, ahd, helfo, Spreclier,
ahd. spreäio. Dieses Suffix ist noch heute lebendig. Bei ihm können wir
nun aber die Zeit der Entstehung ziemlich genau feststellen. Es lautet ahd.
ari, got. -areis und ist sicher aus dem lat. -arius entlehnt. Wir haben dem-
nach die feste Tatsache, daß alle Wörter mit Suffix -er erst in nachchrist-
licher Zeit entstanden sind. Die oben gegebenen Beispiele zeigen aber,
daß nicht selten das jüngere Suffix an die Stelle des altern getreten ist,
so daß also schließlich der Begriff, der mit dem Wort bezeichnet wird,
auch schon in früherer Zeit durch den gleichen Stamm ausgedrückt ge-
wesen sein kann. Jedenfalls sind die Bildungen mit toten Suffixen wert-
voller als die mit lebenden.
Eine genaue Beachtung dieser Punkte wird uns vor Fehlschlüssen be-
wahren, wie sie jedem Etymologen — den Verfasser nicht ausgenommen —
unterlaufen. Ich möchte einige Beispiele anführen. Unser Wort Fuß, got.
fotus, kehrt in den übrigen Sprachen wieder, gr. .tojV {päs), lat. pes, ai.
päd usw., nicht aber Hand, got. handus. Woher stammt dieses Wort? Nach
Kluge von dem gotischen Verbum hinpan 'fangen'. Dem widerspricht aber
die Bildung des Wortes, Hand ist ein konsonantischer Stamm, und diese
waren im Urgermanischen kaum noch produktiv. Daher geht das Wort,
auch wenn wir kein entsprechendes Wort in den verwandten Sprachen
auftreiben können, bis in die indogermanische Grundsprache zurück.
Tatsächlich gehört es zu gr. y.ard {katd), eig. 'mit der Hand'. Kluge leitet
auch Hund, Grundform hunda- von got, hinpan 'fangen' ab, also eigent-
lich 'der Fänger'. Aber auch in diesem Fall läßt die suffixale Bildung
die Annahme bedenklich erscheinen. Man sollte hunto erwarten mit dem
Nomina agentis bildenden /i-Suffix, Daher bleibt die alte Verbindung mit
gr. xvoiv {kyon), lat. canis wahrscheinlicher. Auch das Wort Milz können
§90. A. Ableitungen, die aus selbständigen Worten entstanden sind. 115
wir nicht über das Germanische hinaus verfolgen. Trotzdem wird es alt
sein, weil wir es mit den Mitteln der germanischen Suffixlehre nicht er-
klären können. Denn, wenn Kluge, EWß., sagt: „Die Sippe gehört wohl
zu der in Malz steckenden germanischen Wurzel melt 'erweichen, schmel-
zen' in Rücksicht auf das der Milz zugeschriebene Verarbeiten, Auflösen,
Flüssigmachen verschiedener Säfte", so wird man diese Erklärung kaum
ernst nehmen dürfen, ganz abgesehen davon, daß die Stammbildung un-
klar bleibt. Das Wort ist tatsächlich, wie die meisten andern Körperteil-
namen, unerklärbar.
§ 89. Literatur und Allgemeines. Wie die Lautlehre ist also auch die
Stammbildungslehre für die Wortforschung von höchster Bedeutung. Wir
besitzen glücklicherweise eine Reihe vortrefflicher Darstellungen dieses Ge-
bietes, auf die ich den Leser verweisen kann.
Zunächst Brugmann im zweiten Band seines Grundrisses, 1906, dann Kluge, Nomi-
nale Stammbildungslehre der altgermanischen Dialekte, 2. Auflage, Halle 1899, und WiL-
MANNS, Deutsche Grammatik, zweiter Band, 2. Auflage, Straßburg 1899. Namentlich dieses
letzte Buch erfüllt alle die Anforderungen, die der Lehrer stellen muß.
Im Hinblick auf diese Werke dürfte es genügen, wenn wir uns an dieser Stelle auf
das Notwendigste beschränken und nur das hervorheben, was für die Geschichte unseres
Wortschatzes von Bedeutung ist. Kann es doch überhaupt nicht unsere Aufgabe sein, eine
vollständige Suffixlehre zu geben.
Der Ausdruck „Suffix" bedeutet „hinten angefügt", und die Gram-
matiker drückten damit die Meinung aus, daß es sich in den Suffixen um
einst selbständige Wörter handelt. Das ist in der Tat für eine ganze Reihe
von Fällen richtig, für andere aber nicht. In diesen beruhen die Suffixe
auf falscher Abteilung der Bildung, vgl. unten keit. Dazu kommen dann
die entlehnten Suffixe, die eine nicht geringe Bedeutung haben.
Nach diesen drei Abteilungen können wir die deutschen Suffixe ein-
teilen und zu ihrem Verständnis kommen. Aber wenn wir das getan haben,
so bleibt immer die große Zahl derer übrig, die aus dem Indogermanischen
stammen. Gewiß können wir auch manche von diesen durch eine dieser
drei Möglichkeiten erklären. Aber bei den meisten versagen diese. Wenn
man die Darstellung in Brugmanns Grundriß ansieht, so haben wir es im
Indogermanischen bei den Suffixen mit ganz einfachen Elementen zu tun,
nicht bloß vokalischen wie /, u, o, ä, die sich als selbständige Elemente
verstehen ließen, sondern auch mit konsonantischen, wie t, k, r, l, n, deren
Herkunft bisher ein Rätsel war, das sich aber, wie wir sehen werden, lösen läßt.
§ 90. A. Ableitungen, die aus selbständigen Worten entstanden sind. Eine
ganze Reihe unserer Ableitungen sind tatsächlich selbständige Worte ge-
wesen, d. h. zweite Glieder von Zusammensetzungen. Der Weg, auf dem
ein solches Wort zum Suffix wird, ist sehr einfach. Es braucht als zweites
GHed der Zusammensetzung nur ziemlich häufig aufzutreten und mit dem
Grundwort einigermaßen zu verwachsen. Geht es dann etwa noch als selb-
ständiges Wort verloren, so ist das Suffix fertig.
8*
116 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
1. -heit ist ahd. heit m. f. 'persona, sexus, Rang, Stand', mhd. heit i. 'Beschaffenheit,
Art und Weise", ags. had m. 'Stand, Geschlecht, Art und Weise, F-jgenschaft', an. heit/r m.
'Ehre', goi. fiaidiis m. 'Art und Weise' zu aind. kctüU m. 'Lichtcrscheinunß, Helle, Bild,
Zeichen". Komposita mit -fielt treten nur im Westgermanischen auf und bedeuten 'den
Stand, die Art und Weise des Grundwortes', z. B. Gottheit. Kindheit, Bosheit, Wahrheit.
Anmerkung 1. -keit, das mit -heit eins ist, hat nie als selbständiges Wort be-
standen. Es ist dadurch hervorgegangen, daß -heit an Adjcktiva auf -ec trat. Aus der Form
-ek(h)eit wurde -keit abstrahiert. Die Bildung ist erst mittelhochdeutsch. Indem -keit noch-
mals an Adjektiva auf -ig trat, entstand seit spatmittelhochdcutscher Zeit -igkeit, das zum
Teil eine andere Bedeutuug a\s -heit hat: Dichtheil — Diditigkeit, Kleinheit — Kleinigkeit,
Neuheit — Neuigkeit, -heit ist bis jetzt lebendig geblieben.
Anmerkung 2. Heit ist in der Wetterau noch als selbständiges Wort erhalten,
z. B. lediger Heit 'ledigen Standes', Junger Heit 'in der Jugend", besoffener Heit 'in be-
trunkenem Zustand", kleiner, großer Heit 'als Kind, als erwachsener Mensch'. Auch in der
Pfalz und im Südfränkischen kommt es noch vor.
2. -sdiaft. Dieses Suffix gehört zu sdiaffen. Es kommen zwei selbständige Worte
vor: a) erst mhd. sdiaft f. 'Geschöpf, Gestalt, Bildung, Beschaffenheit', ahd. gi-skaft dss.,
ags. ge-sceaft 'Geschöpf, Schöpfung. Schickung', got. gaskafts f. 'Schöpfung, Geschöpf
und b) ahd. scaf 'modus', an. skap n. 'Geistesbeschaffenheit, Sinn". Zusammensetzungen
mit skaf erscheinen zeitlich früh, erst seit dem 10. Jahrhundert solche mit -skaft, die indes
auch angelsächsisch sind. Die Grundbedeutung des Suffixes ist nicht so klar, wie die von
-heit. .Sie bezeichnen mehr die Tätigkeit, den Zustand, das Verhalten und das Verhältnis,
und daraus entwickelt sich früh ein kollektiver Sinn." Das Suffix ist bis in die Neuzeit
lebendig geblieben.
3. -tum, mhd. ahd. tuom 'Satzung. Sitte, Herrschaft. Macht', ags. dorn, an. domr 'Ot-
richt, Entscheidung", got. doms 'Urteil, Sinn'. Das Wort gehört zu tun, bewahrt aber eine
weitere, anschaulichere Bedeutung als dieses. Zusammensetzungen mit diesem Suffix fehlen
nur dem Gotischen. Lebendig bis in die Neuzeit.
4. -ian geht zum Teil auf ndd. Jan = Johann zurück, so in Dummrian, Liederian,
ähnlich wie wir Faselhans, Prahlhans haben.
5. -lidi, mhd. ahd. hh, as. ags. an. lik. got. leik 'Leib, Körper'. Dieses Wort ging mit
dem Grundwort Komposita ein, die man mit einem Ausdruck der indischen Grammatik
ßrt//ut;r//j/-Komposita nennt, d. h. eigentlich 'viel Reis". Als Adjektivum verwendet meint
es "viel Reis habend". Daher bedeuten denn diese Bildungen mit -lidi ,die Gestalt, das
Aussehen dessen habend, was das Grundwort besagt". Schon J.Grimm, Gramm. 2, 660, hat
beobachtet, daß die Bildungen auf -lidi im Althochdeutschen gern eintreten, wo das Ad-
jektivum mit einem abstrakten Substantivum verbunden wird. .Otfrid braucht sua^lih,
zuweilen auch suay, bei den abstrakten Wörtern Tat, Mut, Gelüste, Milde, aber von
Honig, Mildi, Apfel würde er nur sua^i brauchen: armalih setzt er zu Mut. Wille, Tat,
Brust, Lust, Strafe usw., hingegen armu wihtir, arme Joh ridie." Die ursprüngliche Be-
deutung findet sich heute noch bei einer Reihe von Farbenbezeichnungen: weißlidi, bläu-
lidi und einigen andern Worten wie länglidi, rundlidi. Als Suffix tritt -lidi schon im
Gotischen auf und bleibt bis heute lebendig.
Anmerkung 3. Durch falsche Abstraktion entstanden -/^//i/z (mittelhochdeutsch sehr
häufig, dann aber absterbend, jetzt noch gemeiniglidi) und -erlidi (lüdierlidi, fürditerlidi).
6. -sam ist das Adjektivum ahd. samo, engl. 5flw^, got. sa sama 'derselbe', gr. o/^d?
{homös). Zusammensetzungen mit -sam bedeuten 'entsprechend', mühsame Arbeit 'eine
Arbeit, die mit Mühe verbunden ist, der Mühe entspricht". Schon im Gotischen kommt
lustusama 'ersehnt" vor. Die Bildungen können noch als lebendig gelten.
7. -bar, ahd. -bari ist Adjektivbildung zu dem Verbum heran 'tragen, bringen', und
auf diese Bedeutung lassen sich viele ältere Bildungen ohne weiteres zurückführen. Die
§91. B. Ableitungen, die durch falsche Trennung entstanden sind. 117
Bildungen sind im Althochdeutschen noch nicht häufig, werden dann aber im Mittelhoch-
deutschen und Neuhoclideutschen sehr produktiv.
8. -mäßig, erscheint ahd. als -ma^i. ^03/ verhält sich zu tney^an, wie bari zw heran
Die Erweiterung mit g hatte auch -bari. Während hier -barig untergegangen ist, ist um-
gekehrt -moeze geschwunden. Althochdeutsch sind nur wenige Bildungen belegt. Das
Suffix wird erst im Neuhochdeutschen recht produktiv.
9. -haft findet sich got. als iiafts, ahd. mhd. haft 'gefesselt, gebunden' und ent-
spricht etymologisch dem lat. captus. Eine Erweiterung davon ist haftig.
§ 91. B. Ableitungen, die durch falsche Trennung entstanden sind. Wenn wir
neben die Ableitungssilben -heit, -schaft, -tum, -lieh, -bar solche wie -ung,
-nls, -In, -lg, -Lcht, -dien, -lein stellen, so wird man sie vom neuhoch-
deutschen Standpunkt nicht von den erstgenannten Bildungen unterscheiden
können. Man würde, hätte man keine Überlieferung, hier ebensogut an
eigendiche Zusammensetzung denken dürfen wie bei jenen ersten. Trotzdem
liegt die Sache anders. Keines dieser Suffixe ist ein selbständiges Wort
gewesen, sondern alle sind erst allmählich entstanden. Dies weist also
darauf hin, daß gleich aussehende Sprachteile einen recht verschiedenen
Ursprung haben können, und dies ist besonders bei den Versuchen, die
Elemente älterer Sprachstufen aufzuhellen, wichtig.
1. -nis. Vgl. über die Geschichte dieses Suffixes, dessen Aufhellung erst nach vielen
Irrwegen gelungen ist, VON Bahder, Die Verbalabstrakta in den germanischen Sprachen,
Halle 1880, S. 109 ff. Dieses Suffix erscheint schon im Gotischen meistens als -(i)nassus,
z. B. fraitjinassus 'Herrschaft' zu frauja -Herr', ibnassus 'Gleichheit' zu ibns 'eben'. Nur
einmal finden wir -assus in ufar-assus 'Überfluß' zu iifar 'über'. Es war also das ur-
sprüngliche Suffix -assus. Da dies aber gewöhnlich an Wörter auf -n trat, was im Gotischen
tatsächlich meistens noch der Fall ist, so schied das Sprachgefühl ein -nassus ab. Das
Suffix -assus ist aber in dieser Gestalt auch nicht in den verwandten Sprachen nach-
zuweisen, sondern nach den germanischen Lautgesetzen aus -at-tus (siehe oben § 31, 10)
entstanden, d. h. das bekannte Suffix -tu, lat. -tus, ist an Verben got. auf -atjan getreten,
die den gr. auf -;w (-20), dyoiu'Coj (onomdzo) aus '■'onomadjo entsprechen, und nunmehr
ist ein -assus als besonderes Suffix aufgefaßt worden. Wie die Entwicklung weiter vor
sich gegangen, ist nicht ganz klar, zumal das Suffix in althochdeutscher Zeit in verschie-
denen Formen auftritt.
2. -ung, -ing, -Ung: Achtung, Schilling, Flüchtling. So selbständig diese Suffixe
aussehen und so verschiedene, aber doch bestimmte Bedeutung sie haben, so sind sie
doch alle erst durch falsche Abstraktion entstanden.
a) Suffix -ung, ahd. -unga bildet seit althochdeutscher und wahrscheinlich sogar seit
urgermanischer Zeit Abstrakta, die schon in den ältesten Zeiten fast ausschließlich von
Verben abgeleitet sind. Trotzdem ist dieses Suffix von nominalen n-Stämmen ausgegangen,
an die das indogermanische Suffix -k, germanisch nach dem Vernerschen Gesetz g, ge-
treten ist. Produktiv bis in die Neuzeit.
b) Suffix -ing bildet maskuline Bezeichnungen von Tieren und Personen und ist jetzt
unproduktiv. Die Enstehung war die gleiche.
c) Indem -ing an Stämme auf / antrat, wurde -Ung als ein einheitliches Suffix auf-
gefaßt. Dieses lebt neuhochdeutsch in vielen Worten fort und ist gelegentlich noch lebendig.
3. -in: Königin, Freundin. Dieses Suffix bildet movierte Feminina seit althoch-
deutscher Zeit. Es stecken darin alte /?-Stämme. Das Suffix ist noch lebendig.
4. -idit in Didzidit u. a. ist nicht mehr lebendig. Über die Entstehung vgl. WiLMANNS
Deutsche Grammatik^ 2, 367.
118 Sechstes Kapitel. Ableituno, Zusammensetzung und anderes.
5. -(e)! bildet u. a. Bezeichnungen von Werkzeugen, Geraten, Hilfsmitteln usw. Es
hat verschiedenen Ursprung und ist nicht mehr produktiv.
Anmerkung. Eine ausführliche Erörterung der hierher gehörigen Bildungen bietet
G. Wollermann. Studien über die deutschen Geriltnamen, Göttinger Diss. 1909. — Die
ältesten Beispiele zeigen Sciiwundstufe, wie Sdililssel : sdiließen; — Zügel : ziehen; —
Würfel •.werfen; — Gürtel : goi. bigairdan; — Sdilegel : sdilagen usw.
6. -sal in Drangsal, ahd. -sal, got. -sl ist unerklärt. Im allgemeinen unproduktiv.
Daneben von Verben abgeleitet -sei in Rätsel. Erst spätneuhochdeutsch.
7. -dien, -lein sind Diminutivsuffi.xe. Das erste niederdeutsch, das zweite ober-
deutsch, und dadurch für die Erkenntnis, woher ein Schriftsteller stammt, von Bedeutung.
Ebenso aber auch für die Bestimmung der Herkunft von Worten. So sind Heimdien,
Be ff dien, Frettdien. Kanindien, Veildien, Sdiippdien, Mäddien norddeutsch, Sdierflein,
Zipperlein süddeutsch.
§ 92. C. Entlehnte Ableitungen. Neben diesen einheimischen Suffixen
stehen nun meri<würdigerweise eine ganze Reihe entlehnter, von denen
wenigstens zwei unbestreitbares Bürgerrecht in der deutschen Sprache ge-
wonnen haben. Der Hergang ist sehr einfach. Es werden eine Reihe von
Worten mit dem gleichen Suffix entlehnt, und dieses wird dann auch auf
einheimische Wörter übertragen.
1. -er, ahd. -äri, got. -areis ist aus dem Lateinischen -arius entlehnt; darauf weist
die Lautgestalt mit Sicherheit. Vgl. Wilmanns, DGr.^ 2, 283. Das Suffix wird in althoch-
deutscher Zeit produktiv und ist es noch.
Anmerkung 1. In einigen Fällen scheint in -er ein altes Element -war zu stecken,
vergleiche ags. Romware, Cantware 'Kenter" und die in römischer Überlieferung auftretenden
Amsivarii, Baiuvarii.
2. -ei, mhd. -le stammt aus dem Romanischen und tritt im Mittelhochdeutschen zu-
erst auf. Auf den fremden Ursprung weist noch der Ton.
Anmerkung 2. Im Neuhochdeutschen haben sich daraus noch die beiden Suffixe
-erei und -elei entwickelt. Durch neue Entlehnung kommt auch -ie vor.
3. -ieren wird aus französischen Verben auf -ir seit dem 12. Jahrhundert auf-
genommen, und immer noch wuchert dieses Element weiter.
4. -tat in Majestät, Trinität u. a., stammt natürlich im letzten Grunde aus lat. -tä
-tätis, ist aber durch französische Vermittlung zu uns gekommen. Schon mittelhochdeutsch
begegnet triniteit, magesteit. Die Aussprache tat beruht wahrscheinlich auf der ost-
französisch-pikardischen Form -tet.
5. -lei in mandierlei, vielerlei ist im Mittelhochdeutschen noch ein selbständiges
Wort. Man sagte maneger leie Hute. Dieses lei stammt aus afranz. ley, das auf lat. legem
'Art und Weise' zurückgeht.
6. Eine sehr lange Geschichte hat das Suffix -sdic. das in der Volkssprache zur Be-
zeichnung weiblicher Personen, der Frau eines Mannes dient, z. B. Bäckersdie 'die Frau
des Bäckers". Es stammt zunächst aus dem Niederdeutschen und kam hierher aus dem
Französischen -e.'^se, das auf spätlat. -issa zurückgeht, und dies ist wieder aus dem griech.
-irson {-issa) entlehnt, das sich erst in der Koine recht ausbreitet Eine Nebenform ist
-issin, z. B. Diakonissin.
7. In neuhochdeutscher Zeit werden noch eine ganze Reihe von fremden Suffixen
aufgenommen, z. T. unter dem Einfluß der Studentensprache (s. u. § 181).
a) age aus frz. -age in Takeläge, Passage, Stellage, Blamage. Im Obersächsischen
ist das Suffix recht verbreitet: Bammelasdie. Fressasdie, Futterasdie, Kledasdie, Sdienkasdie,
Spendasdie; — b) -allen von lat. -alia in Sdimieralien, Viktualien, Lappalien; — c) -ant,
Paukänt, Defraudünt; — d) -aner (Weimaraner), -iner (Anhaltiner), -enser (Hallenser)
§ 92. C. Entlehnte Ableitungen. § 93. D. Die ererbten Wortbildungselemente. 119
stammt aus den lateinischen Matrikeln; — e) -ist, Hornist, Zinkenist; — f) -iade,
Jobsiade, Jeremiade, nach frz. iade, gr. lä? (-ids); — g) -ier, Kneipier, Suitier, Pumpier; —
h) -ikus, Luftikus, Pfiffikus; — i) -mang in knappemang; — V) -ös, in pediös,
sdiauderös; — 1) -ur in Frisur, Tortur. Montur.
§ 93. D. Die ererbten Wortbildungselemente. Was nach Abzug der bisher
besprochenen wortbildenden Elemente noch übrig bleibt, ist recht be-
trächtlich. Es handelt sich hier im wesentlichen um das aus dem Idg. Über-
kommene. Sie alle zu besprechen, ist nicht möglich, und ich kann auch
hier nur einiges Allgemeine geben.
Zunächst sind eine ganze Reihe von Worten suffixlos geworden, weil
die auslautenden Vokale geschwunden sind.
So sind endungslos geworden ursprüngliche o-Stämme, die Nomina actionis männ-
lichen Geschlechts seit idg. Zeit sind.
Sie stehen in Verbindung mit Verbalstämmen und zeigen meist die Stufe des Sin-
gulars des Präteritums, vgl. oben S. 38, 39. Vgl. Sang, Zwang, Drang, Klang, Stank,
Sdiwang, Trank, Staub, Raudi wohl zu riechen. Gang zu lit. zeng ii 'schreite', Teig zu
got. deigan 'kneten', Sdmee, got. snaiws zu ahd. sniwan, Dampf zu mhd. dimpfen 'er-
sticken' usw.
Ebenso Nomina actionis auf -/, wie 1. ignis 'Feuer', vgl. oben S. 39, 2.
Adjektiva waren vielfach «-Stämme, wie im Griech. yhv; (ha^dys) 'süß'. Sie liegen im
Gotischen noch deutlich vor: eng, got. aggwus; hart, got. hardus: dürr, got. paürsus;
viel, got. filu.
In andern Fällen bleiben einzelne Konsonanten übrig. So bildet t weib-
liche nomina actionis, wie Trift, vgl. S. 39, 2. Dieses t geht auf idg. ti zurück,
bei dem wir wieder fragen müssen, wie es entstanden ist. Sicher gelten
für das Indogermanische dieselben Entstehungsmöglichkeiten wie für das
Germanische, d. h. es sind selbständige Wörter zu Suffixen geworden, oder
es haben falsche Teilungen des Wortes stattgefunden und schließlich können
auch Suffixe entlehnt sein.
Für die erste Möglichkeit darf man z. B. folgende Fälle in Anspruch
nehmen:
a) lat. -tat, -tut, got. -dup in mikildüps 'Größe'. Es gehört zu ai. täviti 'ist mächtig'.
Vgl. Meyer-Lübke, Arch. f. lat. Lex. 8, 334 und Prellwitz, Bezz. Beitr. 22. HO.
b) Das Suffix -n bildet im Idg. zum großen Teil Substantiva aus Adjektiven, vgl. gr.
ovgavicüv (üranion) 'der Himmlische' : ovoäviog (aninios) 'himmlisch', 1. Rüfo : rüfus 'rot'.
Im Germanischen wird das schwache, d. h. substantivierte Adjektiv sowie eine Reihe
Nomina so gebildet. Es steht nichts im Wege, in dem n ein angetretenes Pronomen mit
der Bedeutung 'der" zu sehen, vgl. abulg. onu 'er' und die ganze Bildung mit dem nach-
gesetzten Artikel des Nordischen.
Die zweite Möglichkeit ist ganz gewöhnlich. Aber auch wenn wir
diese erschöpft haben, so bleiben noch eine grosse Anzahl von unerklärten
Suffixen übrig, und zwar von Suffixen, die anscheinend keine Bedeutung
haben.
Solche Suffixe sind:
k, g: \. sene-c-s neben Gen. senis; — \. pau-cus, ahd. föh, neben got fawai, t.few;
— ahd. as-k 'Esche' neben lit. üos-is 'Esche'; — mundartl. Wisdie aus *wis-ka neben Wiese.
t, d: got. sal-t 'Salz' neben gr. «7? {hal-s); \. pecu-d neben pecu, got faihu, Vieh; —
120 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
as. hiru-t neben 1. cervos; — d. Hun-d neben 1. canis; — anord. Olpr 'Bier' aus *alu-t
neben lit. alns.
i. goL niihi-ls 'groß' : 1. mag-nus; — got. sitls. d. Sesse/ : Sitz; — hoh-l: 1. cavus; —
Achsel : Achse.
r: d. Wasser, gr. vdioo (hydor) : ai. Instr. ud-a; — Ostern : ai. uiäs 'Morgenröte'; —
locher : liich; — I. ruber : d. rot; — heiser : heis; — wacker : o'rtfl'i,
/i: 1. ornus aus *osinos : anord. os-At. lit. lios-is; — d. ahorn : 1. Of^r; — 1. nun-di-
nae 'Neun Tage", got. sin-tci-ns : I. dies usw.
Auch /, //. om sowie andere Kiemente kommen so vor.
Zur Erklärung bietet sich ein bisher nicht beschrittener Weg. An die
Fürwörter treten in allen Sprachen sehr häufig verstärkende Partikeln. Ich
nenne nur 1. is-te, ille aus '^is-le, ipse aus '-'is-pse, hi-c got. sa-h, sa-ei,
ains-hiin. Ursprünglich treten diese an die flektierten Kasus an, aber all-
mählich werden sie mit dem Stammwort zu einer einzigen Bildung ver-
eint und statt im Innern am Ende flektiert. So ist bekanntlich unser Pro-
nomen dieser entstanden, vgl. GDS. 36. Und so denke ich mir die Ent-
stehung vieler Suffi.xe. Es handelt sich um das Antreten deiktischer Ele-
mente, die z. T. zunächst die verschiedenen Personen ausgedrückt haben
mögen, wie lat. hie über 'dieses mein Buch', iste Über 'dieses dein Buch'
und dann allmählich ihre Bedeutung verloren haben. Viele Suffixe sind
tatsächlich bedeutungslos. Es ist aber wichtig, sie abzutrennen, um die
wahre, ursprüngliche Form des Wortes kennen zu lernen.
§ 94. Zusammensetzungen. Die Fälligkeit, Worte zusammenzusetzen, um
dadurch einen neuen Begriff auszudrücken, war schon in der indogermanischen
Grundsprache vorhanden, und sie hat sich durch alle Zeiten hindurch bis
in die Gegenwart hinein erhalten. Nicht in allen Sprachen gleich gut. So
ist das Lateinische verhältnismäßig arm an Zusammensetzungen, im Ger-
manischen aber können wir tatsächlich von einer unbegrenzten Möglichkeit
sprechen. Die Fähigkeit ist so groß, daß Tag für Tag neue Zusammen-
setzungen gebildet werden. Manche von ihnen bleiben bestehen, andere,
und zwar die meisten, vergehen wieder. Das Fortleben hängt natürlich
von Zufälligkeiten ab.
In der Auffassung der Zusammensetzungen sind wir in der neueren
Zeit wesentlich weiter gekommen. Es handelt sich bei ihnen nach der
gewöhnlichen Auffassung um eine Vereinigung zweier oder mehrerer Worte
zu einer Einheit. Aber das ist durchaus nur das Äußerliche, das Wesentliche
ist in vielen Fällen, daß durch die Verbindung zweier Wörter eine neue
Bedeutung entsteht, und daß eben nur diese Verbindung diese Bedeutung
hat. Daher fassen wir heute auch ganze syntaktische Verbindungen als
Komposita auf, wenn wir auch zufällig die Worte nicht zusammenschreiben.
Wenn ich sage: ich nehme die Feder in die Hand, so kann man das nicht
als Kompositum ansehen. Aber die Redensart in die Hand nehmen hat
auch schon eine übertragene Bedeutung: er hat die Sache in die Hand
genommen, und in diesem Falle müssen wir die Redensart als eine Einheit
§94. Zusammensetzungen. 121
auffassen und daher als Zusammensetzung betrachten. Weitere Beispiele
dieser Art werden jedem leicht einfallen. Doch kommt diese Art für uns
hier wenig in Betracht. Für uns ist das EntwicklungsgeschichtHche wertvoll,
und das betrifft die äußere Form.
Im Indogermanischen wurde in der Zusammensetzung die bloße Stamm-
form, oder wie ich es nenne, der Kasus indefinitus, der unbestimmte Kasus,
verwendet, was aus einer Zeit stammt, als es noch keine Flexion gab. Am
deutlichsten liegt diese Art im Griechischen vor. So heißt es z. B. yoovoloyia
{khronologiä) 'Zeitrechnung', zusammengesetzt aus xQovo- (khrono-) und
-log-. Ein khrono- gibt es aber sonst in der Sprache nicht, sondern nur
einen Nominativ ygorog (khrönos). Ebenso finden wir got. gastl-gods 'gast-
frei', während es sonst gasts heißt, und eine Form gasti- ganz unerhört
ist. Ebenso heißt es got. auga-daüro: Augentür 'Fenster' gegenüber Nom.
augö, bropra-lübo 'Bruderliebe' gegenüber Nom. bropar. Diese Art der Zu-
sammensetzung hat sich nun in ungestörter Entwicklung bis zum heutigen
Tag erhalten. Wir sagen gastfrei, Bruderliebe, gottlos. Es ist ganz klar,
daß der erste Bestandteil mit dem Nominativ nichts zu tun haben kann,
er ist aber mit dem Nominativ äußerlich zusammengefallen.
Auf der anderen Seite kann natürlich auch jede syntaktische Ver-
bindung zu einer Einheit zusammenwachsen, z. B. schon got. baürgs-waddjas
'Burgmauer', worin baiirgs der Genitiv zu Nom. baiirgs ist, bei uns Gottes-
acker. Im Gegensatz zu der eigentlichen Komposition in den oben ge-
nannten Fällen nennt man diese die uneigentliche, denn es ist ja keine
Zusammensetzung in der altindogermanischen Art, sondern ein Zusammen-
wachsen.
Nun bestand aber seit indogermanischer Zeit ein besonderes Kenn-
zeichen der Komposition darin, daß die bloße Stammform verwendet wurde,
und dieses Gefühl, das Kompositum deutlich kenntlich zu machen, führt
im Griechischen und Lateinischen zur Ausbildung des sog. Kompositions-
vokals. Im Germanischen war dieser auch vorhanden, aber er ging im
Laufe der Sprachgeschichte verloren, und es war nunmehr kein Unterschied
mehr zwischen Kompositionsform und Nominativ vorhanden. Offenbar lag
es aber im Sprachgefühl, hier einen Unterschied zu haben, und so hat
man in steigendem Masse „unechte" Komposita gebildet. Hier spielen nun
zwei Formen eine Rolle, erstens die Genitive der Maskulina auf -{e)s und
die Genitive der schwachen Feminina auf -en. Man flektierte ursprünglich
die Erde, der Erden, wie ja auch Schiller noch sagt: Fe st gemauert in der
Erden, machte dann aber den Genitiv dem Nominativ gleich, behielt ihn
indessen in der Zusammensetzung bei: Erdenkloß, Frauenzimmer, und
hatte damit wieder ein Mittel, die Kompositionsfuge auszuzeichnen.
Das -s, das jetzt Endung des maskulinen Genitivs ist, hat sich im
Laufe der Zeit auch ungeheuer ausgedehnt und ist auf Feminina über-
tragen worden. Es wird gegen dieses Binde 5 heute unglaublich geeifert.
122 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
wahrend doch in diesen Bilduntjcn nur ein tief innerhch begründetes Sprach-
bedürfnis zum Ausdruck kommt. Vgl. auch GDS. S. 293.
In gewissem Sinne läßt sich also aus der Form der Zusammensetzung
auch ihr Alter erschließen. Das Hinausschreiten des s über seinen alten
Bereich beginnt erst im 16. Jahrhundert, und insofern kann man sagen,
daß keine Bildung mit unechtem .v älter als diese Zeit ist. Aber freilich
hat sich das s in vielen f-'ällen in die fertige Form eingedrängt, so daß eine
Sicherheit nicht vorhanden ist.
Unter den Zusammensetzungen, deren Zahl ja unbegrenzt ist, sollen
hier nur die mit Präpositionen gebildeten ihrer Eigenart und Bedeutung
wegen kurz besprochen werden. Freilich ist dies ein sehr schwieriges Ge-
biet, und trotz aller aufgewandten Mühe ist es in den meisten Fällen noch
nicht gelungen, die Entwicklung der mit Präpositionen zusammengesetzten
Bildungen klar zu legen.
Anmerkung. An Literatur ist folgendes zu verzeichnen: Erik Wei.lander. Die Be-
deutungsentwicklung der Partikel ab in der mittelhochdeutschen Verbalkomposition. Ein
Beitrag zur wissenschaftlichen Bedeutungslehre, Uppsala 1911. — A. Hittmair, Die Partikel
be- in der mhd. und nhd. Verbalkomposition, Wien 1882. — Th. Jakob. Das Präfix er- in
der transitiven mhd. und nhd. Verbalkomposition, Programm Döbeln 1900. — K. Dahm,
Der Gebrauch von gi zur Unterscheidung perfektiver und imperfektiver Aktionsart im
Tatian und in Notkers Boethius, Leipzig Diss. 1909. — Eckhardt, Das Präfix ge- in ver-
balen Zusammensetzungen bei Berthold von Regensburg. Leipzig Diss. 1899. — Berner,
Die mit Partikel ge- gebildeten Wörter im Heliand, Land Diss. 1900. — VAN SWAAY, Het
prefix ga-, gi-, ge-, zijn geschiedenis, en zijn invloed op de „Actionsart" meer bijzonder
in het Oudnederfrankisch en het Oudsaksisch, Utrechi 1901. Vgl. Wust.'v^ann, AfdA. 29,
187—192. — Maier, Das g^-Partizip im Neuhochdeutschen, Freiburg Diss. 1901. — H.
Sperber, Studien zur Bedeutungsentwicklung der Präposition „über*, Uppsala 1915. —
M. Leopold, Die Vorsilbe i'er- und ihre Geschichte, Breslau 1907, Germanistische Ab-
handlungen 27. — Zur Behandlung des Artikels ver im deutschen Wörterbuch, Jahresber.
des evangel. Gymn. zu St. Elisabeth in Breslau 1910. — Fridolin Purtscher, Die un-
trennbaren Partikeln im althochdeutschen Tatian, Leipzig Diss. 1902. — R. Leinen, Über
Wesen und Entstehung der trennbaren Zusammensetzung des deutschen Zeitwortes, Straß-
burg Diss. 18^1.
Eine zusammenfassende Darstellung bietet Wil.manns Deutsche Grammatik 2, 128 ff.;
3, 508 ff. — Außerordentlich wertvoll sind die Bemerkungen H. Pauls in seiner Abhandlung
.Über die Aufgaben der wissenschaftlichen Lexikographie" S. 79 ff. und die Darstellung der
einzelnen Präpositionen in seinem deutschen Wörterbuch. An ihn schließt sich die oben
genannte Arbeit von Wkllander an, die an einem ganz durchsichtigen Beispiel die Ent-
wicklung einer Partikel zeigt.
Die Zahl der im Deutschen vorhandenen Präfixe ist nicht allzu groß,
und man ^unterscheidet dabei feste und unfeste Zusammensetzungen. D\.
unfesten Zusammensetzungen zeigen deutlich ihren Ursprung und haben
meist eine ganz anschauliche Bedeutung, z. B. übersetzen in er setzte über.
Da wir auch sagen können er setzte über den Fluß, so sieht man deutlich,
wie dies Präfix aus einem Adverbium entstanden ist. Derartige Fälle müssen
uns bei der Untersuchung der Bedeutungsentwicklung der untrennbaren Zu-
§94. Zusammensetzungen. 123
sammensetzungen leiten, und Wellander hat nach dieser Richtung in der
Darstellung des Präfixes ab eine vortreffliche Grundlage gegeben. An dieser
Stelle müssen wir uns aber mit einigen allgemeinen etymologischen Be-
merkungen begnügen.
Die deutschen Präfixe sind zum guten Teil aus dem Indogermanischen
ererbt, sie haben aber im Laufe der Zeit an ihrer anschaulichen Bedeutung
eingebüßt, so daß heute von dieser des öfteren gar nichts mehr zu spüren
ist. Dazu kommt, daß sich unter der gleichen Form Wörter verschiedener
Herkunft verbergen.
So entspricht unter dem lat. inter 'zwischen' und dem lat. infra 'unterhalb', die
erste Bedeutung treffen wir in iinterbredien, unterdessen, unterhandeln, unterreden, unter-
sagen (nach lat. interdicere), untersdwiden, unterwadisen, unterwegen, während die zweite
Bedeutung vorliegt in unterbinden, untergehen, unterjodien, unterkommen, untersdiieben,
untersdüagen usw.
Einen noch verwickeiteren Ursprung hat ver, für das im Gotischen
drei verschiedene Formen vorliegen, die wahrscheinlich auf noch mehr ver-
schiedene indogermanische Formen zurückgehen. Dadurch wird es außer-
ordentlich schwierig, das Alte und Ursprüngliche zu erkennen. Es genügt
natürlich nicht, die einzelnen Präfixe ihrer Herkunft nach zu sondern, denn
sicher bilden sich auch neue Gebrauchsweisen aus, die mit der ursprüng-
lichen Bedeutung nicht das geringste zu tun haben. Aber sicher muß jede
Darstellung, die auf Verständnis rechnen will, die geschichtliche Ent-
wicklung darlegen, also mit dem Indogermanischen beginnen. Leider ist
das ohne eingehende Untersuchung nicht möglich, und ich kann eine solche
an dieser Stelle nicht nachholen.
Die Zahl der Präfixe ist im Deutschen dadurch vermehrt worden, daß
sich einzelne infolge der Betonung in zwei Formen gespalten haben. Denn
nach dem Gesetz der germanischen Betonung trägt das Nominalpräfix den
Ton, das Verbalpräfix ist unbetont.
So haben wir änt- und ent- : in Ant/aß 'Sündenerlassung, Ablaß' und entlassen:
— ür- und er-' : Urheber und erheben; — Urkunde und erkennen; ■ — Urlaub und er-
lauben; — Ursprung und erspringen; — Urständ und erstanden.
ab, engl, of, got. af entspricht 1. ab, gr. a.-cö {apö). Die Grundbedeutung ist 'von
— weg', und diese hat sich in vielen Fällen ganz klar erhalten.
So in abhanden, Ablaß, got. aflets 'Erlaß', ablehnen, Absage, absdiredien, abseits,
Abstand, abtragen, abtreten, Abweg, Abwesenheit.
an. engl, on, gehört zu gr. drä {anä), lat. an in anhelare 'auf, in die Höhe'. Die
Bedeutung 'in die Höhe', die man mit Wahrscheinlichkeit als ursprünglich ansetzen darf,
ist im Germanischen nur noch wenig zu spüren, vielleicht als Postposition in bergan,
himmelan.
auf, ahd. af, e. up, got. iup 'aufwärts' ist in den verwandten Sprachen nicht nach-
zuweisen. Es zeigt die Bedeutung 'aufwärts' noch in zahlreichen Fällen.
So in aufbauschen, aufbieten (mhd. ufbieten 'in die Höhe heben'), Auffahrt, auf-
führen, Aufgang, aufgeblasen, aufkommen, aufredit, Aufruhr, Aufsatz, aufwadien, auf-
wedien.
aus, ahd. ü^, e. out, got. fä. Die ursprüngliche Bedeutung ist 'außen, hinaus'. Es
gehört vielleicht zu ai. ud 'in die Höhe, heraus'.
124 Sechstes Kapitel. Ableitung, Zusammensetzung und anderes.
be-, ahd. 6/, c. be, goi. bi entspricht zu einem Teil zweifellos dein zweiten Teil von
von gr. ü/K/i {amphi), I. ambi- und hat in diesem Fall die Bedeutung 'um — herum'.
In einer Reiiie von Fällen zeigt sich dies darin, daß wir got. bi durch um zu ersetzen
haben: \io{. hibintJan 'umbinden'; — bit^airdan 'umgürten'; birinnan 'umdrängen, um-
geben'. Bei uns liegt diese Bedeutung, wenn aucli nur undeutiicii, noch vor in bedenken
'von allen Seiten in Gedanken betrachten'; — befanden zu ahd. bivahan 'umfangen'; —
befassen, eig. 'herumfassen'; — begehen (ein Fest), eig. 'einen Umgang machen"; — be-
graben heißt offenbar 'ringsum graben', got. bigraban 'mit einem Graben umgeben'; —
begreifen, eig. rings umiiergrcifen', vgl. ahd. Talian 1, 4 finstarnessi tliaz {lio/it> ni be-
griffnn (umfassen); — bekleiden, eig. 'umkleiden'; — beklemmen, eig. 'von allen Seiten
zusammenpressen': — besdiränken 'ringsum mit Schranken versehen'; — besdineiden, I.
circumcidere; — besdinuppern 'an etwas herumricchen'; — besdiwOren, got. biswaran setzt
ein Herumgehen voraus; — besitzen, got. bisitan 'herumsitzen, umherwohnen'; — be-
stedien, aus der Bergmannssprache, eig. 'ringsumher erprobend stechen' usw.
Anderseits scheint be auch dem aind. abhi, 1. ob, abg. oba mit der ursprünglichen Be-
deutung 'auf — zu, auf — hin' zu entsprechen.
Vgl. goL biqiman 'überfallen', ahd. biqueman 'herbeikommen, herankommen', e. become,
d. bekommen; — beladen, berühren, besdiatten, bededien.
ent-, betont ünt-, ahd. ant-, int-, got. and-, anda- gehört zu gr. avii {anti) 'gegen',
I. ante, ai. dnti 'sich gegenüber, vor sich, in der Nähe'. In einer Reihe von Fällen liegt
die ursprüngliche Bedeutung 'entgegen, gegenüber' noch vor.
So vor allen bei den Substantiven Antlaß 'Ablaß', Antlitz, Antwort, got. andawaürdi;
ferner in got. andniman eig. 'entgegennehmen', d. entnehmen, ahd. intneman 'entgegen-,
zusichnehmen"; — got. andhafjan 'antworten', eig. 'entgegenhalten'; — got. andrinnan
'entgegenrennen'; — got. andsaljan 'entgegensetzen', d. sidi entsetzen, eig. 'sich gegen-
übersetzen' aus Furcht; — empfangen, ahd. intfalian 'entgegengreifen'. Aus solchen Fallen
hat sich schon früh die Bedeutung 'von — weg' und des Gegensätzlichen, Negativen ent-
wickelt, z. B. got. andhamon, d. entkleiden; — got. andhidjan, d. enthüllen; — got. and-
ietnan 'entlassen werden", d. entlassen; — entkommen, entfalten, enthaupten usw.
Anderseits entspricht ent- aber auch dem got. in, lat. in, gr. iv (en) 'in, hinein'.
Vgl. got. inbrannjan 'in Brand stecken", ahd. intbrennen, d. entbrennen; — got. in-
sandjan 'hin-, hineinsenden', d. entsenden; — got. instandan 'nahe bevorstehen', d. ent-
stehen; — got. intandjan 'verbrennen", d. entzünden; — got. inwagjan 'in Bewegung
setzen', d. unentwegt.
er-, vollbetont ur-, goi. us-, uz-, ur- (aus -uds) gehört zu ai. ud 'empor, hinauf,
hinaus'. Diese Bedeutung dürfte die ursprüngliche sein.
Sie zeigt sich wohl noch in got. urreisan 'aufstehen', urrinnan 'aus-, aufgehen" us-
hlaupan 'aufspringen', uskeinan 'hervorkeimen', ussailvan 'in die Höhe sehen', ersehen^
usstandan 'auferstehen', ussteigan 'hinaufsteigen', d. ersteigen, uswakjan, d. erwedien; —
ferner noch erbauen, erriditen, ersdiredien, eig. 'aufspringen", ersprießen, erziehen, er-
heben u. a. und am deutlichsten in einigen nominalen Bildungen wie Urheber von mhd.
urhap 'Anfang, Sauerteig', eig. 'das Emporheben", Ursprung, Urständ 'Auferstehung". Über
die weitere F.ntwicklung s. unten.
ge-, got. ga- bedeutet zuerst 'zusammen" und deckt sich in dieser Bedeutung mit
1. cum, obgleich es noch nicht gelungen ist, die beiden Formen lautlich zu vereinigen.
Vgl. got. gabairan 'zusammentragen, vergleichen". \. conferre; ,— gabaür "das Zu-
sammengebrachte, Sammlung, Steuer', d. Gebühr, d. Bauer, ahd. gibilro 'der mit einem zu-
sammenbaut'; Gebrüder, Gesdiwister, got. ^aö///</ö«, eig. 'zusammenbinden', d. Gebinde,
Gededi, gefrieren 'zusammenfrieren", got. gagaggan 'zusammenkommen', got. gahaitan 'zu-
sammenrufen', Gemahl, ahd. gimahalo zu ahd. gimahalan 'zusammen sprechen', got. gajuka
'Genosse', 1. coniux; — got. gamains, d. gemein, 1. communis 'der mit mir die Mauer teilt'; —
§94. Zusammensetzungen. 125
got. gamarko 'Grenznachbarin', d. Gemarkung; — Genosse zu {ge)nießen 'Nutzen haben',
wie got. gahlaiba zu lilaifs 'Brot', Kom-pagnon zu \at.panis; — gerinnen, got. garinnan;
— gesamt; — gesdiehen gehört zu abg. skokn 'Sprung', es heißt also 'zusammenspringen,
zusammentreffen'; — Geschiebe; — Geselle zu Saal, Gespan 'der die gleiche Spannarbeit
verrichtet', Gespiele, Gespräch; — Gevatter, 1. compater; — gewinnen, 1. conor aus *co-
venor; — Gewissen, 1. conscientia; — gewohnt heißt eig. 'zusammenwohnend'. Die alte
Bedeutung ist also noch gelegentlich zu spüren. Weiteres s. unten.
miß- ist im allgemeinen klar.
mit, got. mip entspricht gr. ttyiä {meto) 'zugleich, zusammen', ist aber im Germanischen
eine unechte Präposition und ganz deutlich.
nadi, got. neh) gehört zu nahe und bedeutet eig. 'in die Nähe'.
Die alte Bedeutung findet sich in Nadibar. Weiter hat es sich zu 'hinterher' ent-
wickelt, so in nadisehen, Nachsdirift usw. Nachahmen kommt von mhd. amen 'ein Faß
durchmessen' von mhd. ame, ome 'Maß, Ohm'.
nieder, ahd. nidar ist eine Erweiterung von ni, ai. ni, wie ai. nitaräm 'unterwärts'.
Das einfache ni steckt wahrscheinlich in Nest, 1. nidiis, idg. *t^^os, einer Zusammen-
setzung mit *sed- 'sitzen'. ^^
ob und ober- sind klar. Sie gehören mit über zusammen.
über, got. ufar ist gr. vjisq (hyper), 1. s-uper.
Alte Beispiele sind: überfüllen, got. ufarfidljan; — übergießen, go\. ufargiutan 'über-
vollgießen'; — sich überheben, got. iifarhafjan sik; — überhören, got. ufarhauseins 'Un-
gehorsam'; — überschatten, got. iifarskadwjan.
um, ahd. iimbi ist eine Ablautsform zu gr. ancpl (amphi) 'herum'. Die Bedeutungs-
entwicklung ist verhältnismäßig einfach. ^j
ver- ist vielleicht das schwierigste deutsche Präverbium, weil es auf drei verschie-
dene gotische Formen zurückgeht, nämlich fair-, faür- und fra-, die vielleicht ihrerseits
auch noch mehrfachen Ursprung haben.
got. fair- entspricht ai. pari, gr. nsQi {perl), 1. per. Schon im Indogermanischen war
die Bedeutung verzweigt, ohne daß wir den ursprünglichen Sinn feststellen können.
Eine Bedeutung ist jedenfalls 'umher, herum, um'. Wir haben diese in got. fair-
greipan 'ergreifen', eig. wohl 'herumgreifen'; got. fairweitjan 'umherspähen', 1. pervidere
'umherspähen'. Daneben drückt fair- aber auch das 'hindurch' und damit die Erreichung
eines Zieles aus. So in got. fair-aihan 'teilhaftig sein', fairhaitan 'verheiße', fairrinnan
'sich erstrecken, reichen, gelangen', fairwaürkfan 'erwirken, erwerben'. Das einzige Bei-
spiel, das heute noch möglicherweise hierher gehört, ist verstehen, eig. 'sich rings herum-
stellen'.
got. fra- entspricht 1. pro, gr. jiqö, ai. prä- und bedeutet ursprünglich 'vorwärts, voran,
fort', woraus sich dann zahlreiche neue Bedeutungen entwickeln.
got. /rfl-Z7«g/ön 'verkaufen'; — goX. fradailj an, ± verteilen; — got. fragiban 'ver-
geben, verleihen, schenken', d. vergeben ; — got. fragildan, d. vergelten ; — got. fraitan
'fressen, aufzehren', eig. 'fortessen', d. fressen, ai. pra ad-; — got. fraletan 'freilassen'; —
fraliusan, d. verlieren; — got. franiman 'in Besitz nehmen', d. vernehmen; — got. frarinnan
'sich verlaufen', d. verrinnen; — got. fraslindan, d. verschlingen; — got. frawairpan 'vtx-
werfen, zerstreuen'.
got. faür- entspricht wohl gr. .Tood (parä) 'bei, entlang', aber auch \. prae 'vor' und
por 'hin', so daß es also schon eine gemischte Präposition war.
') Da ahd. umbi, gr. aiupl {amphi) neben
rechnen. Ich nenne nur neben aus ahd. in
ahd. bi steht, so liegt klärlich eine Zusammen- eben 'in gleicher Linie', binnen aus bi innen.
Setzung aus zwei Präpositionen vor, aus an Ein altes Beispiel ist unser zu, ahd. zuo,
und *bhi (s. oben). Mit der Tatsache der Zu- asächs. tö, aus t, der Schwundstufe zu got.
sammensetzung müssen wir überhaupt öfter | at, 1. ad 'zw" und der Präposition o, s. u.
126 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
goi. faürbiuäan, d. verbieten; — goi. faürdammjan, d. verdammen; — got. faürlagian,
6. vorlegen, verlegen; got. faiirrinnan 'vorlicryelicn', d. verrinnen.
zer- hat die Grundbedeutung 'auseinander' und entspricht lat. dis-, gr. d<ä (rf/d). Merk-
würdigerweise erscheint im Gotisciien niclit das zu erwartende tis, sondern dis, was bis
jetzt nodi nicht erklärt ist, wohl aber auf einer besondern [Entwicklung des Gotischen be-
ruhen muß. Denn an eine Entlehnung des gotischen dis aus lat. dis ist kaum zu denken.
Die Bedeutung ist meistens noch ganz klar wie in zerbredien, zerfallen, zerfetzen, zer-
gehen, zergliedern, zerlassen, zerlegen, zerlödiern, zersdiellen. zerspalten, zersplittern. Eine
übertragene Bedeutung haben wir in zerknittern, zerknüttern, das nach Fällen wie zer-
splittern, zertrümmern gebildet ist.
Diese andeutende Übersicht möge für die präpositionalen Zusammen-
setzungen genügen. Nun aber muß noch ein Hauptpunkt erörtert werden.
Heute ist der eigenthche Sinn der Präpositionen in einer ganzen Reihe
von Fällen vollständig verblaßt, trotzdem hat aber das zusammengesetzte
Verbum einen gajÄbcstimmten Sinn. So bildet be- z. B. Verba, die 'mit
etwas versehen' bcaeuten.
So beerdigen, befähigen, befehden, befehligen, befriedigen, begeistern, begnadigen,
begünstigen, behaart, behaftet, behändigen, beherzigen, bekleiden, bekümmern, belagern,
belästigen, beleidigen, belustigen, bemänteln, bemeistern. bemitleiden usw.
Dagegen drückt er- in einer ganzen Reihe von Fällen nichts weiteres
aus, als daß die Handlung zu einem Abschluß gelangt, vollendet ist. Man
nennt dies perfektiv, vgl. GDS. 89 ff.
So haben wir blidien und erbliiken; — erbosen 'böse werden'; — fahren und er-
fahren, eig. 'das Fahren beendigen'; — kennen und erkennen; — erlangen; — liegen
und erliegen 'zum Liegen kommen'; — lösdien und erlösdien; — messen und ermessen;
— pressen und erpressen; — regen und erregen; — saufen und ersaufen; — sdieinen
und ersdieinen; — trinken und et trinken usw.
Diese Bedeutung ist dadurch zustande gekommen, daß die eigentliche
Bedeutung der Präposition völlig verblaßt ist. Bei er- hat sich dies erst in
der geschichtlichen Zeit entwickelt. Schon im Gotischen hat ga- dieselbe
Rolle gespielt und sie bis zum Mittelhochdeutschen beibehalten.
Heute haben wir nur noch erstarrte Reste. Eines der besten Beispiele ist gebären,
got. gabairan ; got. bairan gehört zu lat. fero, gr. ri^eoco (phero) mit der Bedeutung 'tragen',
also auch 'schwanger sein': gebären heißt die Handlung des Tragens abschließen. Weiter
kann man hierher stellen: gehordien: hordien 'hören'; — gehören zu hören; — gelingen
zu mhd. lingen 'vorwärtsgehen'; — geloben zu loben; — geraten zu raten; — getrauen;
gewahren, gewinnen.
Verdunkelte Vorsilben. Die Vorsilben haben, wie S. 123 hervorgehoben,
infolge wechselnder Betonung des öfteren verschiedene Formen angenommen,
und wenn sie unbetont waren, sind sie z. T. arg zusammengeschrumpft.
Nicht selten haben sie sogar ihren Vokal gänzlich verloren, und sie sind
dann heute nicht mehr als Vorsilben zu erkennen.
So finden wir be- in bleiben, ahd. bi-liban; Blodi, ahd. bi-loh; ge- in Glaube, ahd.
gi-loubo; gleidi, ahd. gi-Uh; Gleis, mhd. ge-leis; Gleisner, ahd. giädiisare; Glied, ahd.
gilit; Glimpf, mhd. gelimpf ; Glüdi, mhd. gelüdie; Gnade, ahd. ginada; Graf, ags. ge-refa;
grob, ahd. gi-rob. In gerade schreiben wir noch e, sprechen aber meist nur grade.
Diese Erscheinung ist nun nicht nur dem Germanischen eigen, sondern
§95. Lehn- UND Fremdworte. 127
sie ist ebenso aus den romanischen wie aus den slawischen Sprachen durch
zahlreiche Beispiele zu belegen, und ohne Zweifel dürfen wir die Möglich-
keit dieser Erklärung auch für das hidogermanische in Erwägung ziehen,
wie dies schon A. Pott Etymologische Forschungen II '^ 297 getan hat. Trotz
des Widerspruchs von G. Curtuis Grdr. d. griech. Etymologie^ 32 hat Pott
recht behalten, und es läßt sich heute schon ein reicher Stoff von Worten
zusammenstellen, bei denen die Annahme, daß in dem Anlaut eine Vor-
silbe steckt, willkommene etymologische Aufklärung bietet. Ich führe einige
Fälle an.
Idg. e, o verblaßter Bedeutung in Ast, gr. o'Zog (özos) 'Zweig', aus *o-zdos : *sed
'sitzen'; Adel zu 1. tellas 'Erde', vgl. Grienberger. Unters, z. got. Wortkunde 104 ff. Da-
neben die Präposition o in nodal; — die Schwundstufe d zu 1. ad, got. at steckt in
zagen, air. ad-agur 'ich fürchte', ahd. zuo aus d + o; ni 'nieder' steckt in nest, 1. mdiis aus
*ni-zdos zu '-^sed- 'sitzen'. Die beste Aufklärung aber erhält auf diesem Wege das sogenannte
bewegliche s des Idg. Die Tatsachen liegen so, daß im Anlaut offenbar verwandter Wörter
zum Teil das Mehr eines s erscheint. Vgl. Siebs, KZ. 37. 276 ff. In einer Reihe von Fällen
scheint mir dieses 5 deutlich die Schwundstufe zu der Präposition l.gr. ex zu sein. Vgl.
stoßen : \. extundere; sddießen : 1. excludere; sdiütten : 1. exciitere; sdilagen : gr. tx/.ay.zi^cj
(eklakttzo) 'mit den Füßen hinten ausschlagen'; sdüappen : 1. elanibere-, sdieren : gx.fy.xelnoi
{ekksro) -ganz kahlscheren'; sdüeißen : 1. elidere 'zerschlagen'; sdiledien : ledien, also eig.
'auslecken': sdireien : \. crimen, irz.crier, also "herausschreien'; speien: gl. kx-jizvoj {ekptyo)
'ausspeien'.
Rückbildungen. Wenn wir die beiden Worte Kraft und kräftig nehmen,
so sehen wir in kräftig eine Ableitung von Kraft. Wenn eine solche Auf-
fassung auch in den meisten Fällen richtig ist, so doch nicht immer. Be-
steht erst einmal im Sprachbewußtsein ein Gefühl für ein solches Ver-
hältnis, so kann auch umgekehrt zu einem scheinbar abgeleiteten Wort
ein Grundwort neu gebildet werden. Dasselbe Verhältnis wie oben besteht
doch anscheinend auch zwischen Allmacht und allmächtig. Tatsächlich ist
es anders; allmächtig kommt schon althochdeutsch und auch in den übrigen
germanischen Dialekten vor, Allmacht fehlt im Mittelhochdeutschen und
auch bei Luther, und ist offenbar erst wieder von dem Adjektivum gebildet.
Andere derartige Fälle sind Befehl von befehlen; — Beleg von belegen; — Be-
reidi von jetzt verlorenem bereidien; — Beridit von beriditen; — Beruf von berufen;
Besatz von besetzen; — Verlag von verlegen; — Versand von versenden; — Be-
sdieid von besdieiden usw.
Man muß diesen Punkt stets berücksichtigen, um nicht zu falscher Auf-
fassung zu kommen.
Siebentes Kapitel.
Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
§ 95. Lehn- und Fremdworte. Als dritte Gruppe unseres Wortschatzes
lassen sich ohne weiteres die Fremdworte ausscheiden. Bei ihnen hat die
128 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Wortforschung insofern eine sehr dankenswerte Aufgabe, als wir sie meist
von einer bestimmten Zeit, der Zeit der Aufnahme an verfolgen können.
Und außerdem handelt es sich bei ihnen vielfach um große geschichtliche
Strömungen, die zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Richtungen
auftreten. Sie zeugen also in erster Linie von den großen Zusammen-
hängen der Welt, und sie sind daher für die deutsche Wortforschung von
großer Bedeutung.
Man unterscheidet heute im gelehrten Sprachgebrauch Lehn- und
Fremdwörter, indem man unter Lehnwörtern die Worte versteht, die voll-
ständig in unsern Sprachgebrauch aufgenommen und eingedeutscht sind,
während man mit Fremdwörtern deutlich erkennbare Entlehnungen be-
zeichnet. Diese Unterscheidung kann aber nicht als wesentlich angesehen
werden, sie ist ein Ergebnis der Zeit und des Zufalls. Den Worten Streik
und streiken, obgleich es Entlehnungen der jüngsten Zeit sind, kann niemand
die fremde Herkunft ansehen, und keiner wird sich bemühen, ein solches
Wort auszumerzen, obgleich wir ein echt deutsches Wort, das oberdeutsche
Ausstand, dafür haben. Aber von diesem läßt sich nicht leicht ein Verbum
ableiten, und so hat das englische Wort seine Vorteile. Ebenso ist Scheck
eingedeutscht. Andererseits ist die Ableitung -ieren schon im Mittelalter
entlehnt worden und die mit ihm abgeleiteten Worte haben noch heute
ihre undeutsche Art nicht verloren, obgleich auch recht deutsche Stämme
mit dieser Endung versehen sind. Sehr wichtig ist auch, in welche Kreise
ein Fremdwort eingedrungen ist. Je mehr es auch im Volke lebt, wie es
zum Beispiel bei dem Worte Streik der Fall ist, um so weniger liegt die
Möglichkeit vor, es auszurotten. Die Frage, wie weit man in der Um-
deutschung gehen soll, wird uns weiter unten beschäftigen.
Anmerkung. Um zu erkennen, wie weit ein Fremdwort volkstümlich geworden ist,
muß man das Vorkommen in den Mundarten untersuchen. Natürlich bieten hier die Mund-
artenwörterbücher reichen Stoff, es gibt aber auch eine Reihe dankenswerter Sonderunter-
suchungen. Ich nenne hier: M. Besler. Die Forbacher Mundart und ihre französischen
Bestandteile, Programm 1901. — R. Brandstetter, Drei Abhandlungen über das Lehn-
wort. I. Das Lehnwort in der Luzerner Mundart. Wiss. Beilage zum Jahresbericht über die
Höhere Lehranstalt in Luzern 1899 1900. — H. Hoff.m.xnn, Fremd- und Lehnwörter pol-
nischen Ursprungs der schlesischen Mundart. ZfdeutscheMundart. 1910, 193—204. —
Emil Jäschke, Lateinisch-romanisches Fremdwb. der schles. Mundart, 1908. — Phil. Lenz,
Die Frremdwörter des Handschuhsheimer Dialekts, Progr. Baden-Baden und Konstanz 1887
und 1896. — M. M.\rtin, Die französischen Wörter im Rheinhess.. Diss. Gießen 1914. —
R. Mentz, Französisches im Mecklenburger Platt, Programme 1897 98. — K. Roos, Die
Fremdwörter in den eis. Mundarten. Diss. Slraßburg 1903.
Keine Sprache ist ohne Lehnwörter, da kein Volk allein und un-
beeinflußt auf der Welt lebt. Ein jedes hat Begriffe und Wörter von seinen
Nachbarn aufgenommen. Wie sehr das Germanische auf seine Nachbarn
gewirkt hat, haben wir schon oben gesehen. Jetzt wollen wir das Um-
gekehrte betrachten.
§ 96. Kennzeichen der Entlehnung. Die sichersten Kennzeichen der Ent-
§ 96. Kennzeichen der Entlehnung. § 97. Grundgesetze der Entlehnung. 1 29
lehnung besitzen wir in der äußeren Gestalt der Wörter. Das Germanische
betont in der Hauptsache die erste Silbe. Wörter, die davon abweichen,
sind im allgemeinen fremd, und so läßt sich schon ohne Schwierigkeit ein
großer Teil französischer und anderer Wörter ausscheiden. Zu beachten ist
freilich, daß wir mit dieser Betonung auch neue Worte aus fremdem Stoff
bilden.
Infolge dieser Betonung sind weiter die Endungssilben meist zu
schwachem e abgeschwächt. Wörter mit vollem Vokal an zweiter Stelle
sind daher gewöhnlich nicht echt deutsch. Ferner besitzen fremde Sprachen
Lautgruppen, die unsere Sprache nicht kennt, wie z. B. mouilliertes rC {nj),
Kompagnon, t {Ij), Taille usw. Bei vielen in alter Zeit übernommenen
Wörtern läßt sich aber die fremde Gestalt nicht unmittelbar erkennen. Wer
würde Kiste, Keller, Kirche, Kaiser als fremd ansehen? Hier hilft uns
nur die Sprachvergleichung und die durch sie entdeckten Lautgesetze.
Je besser die Lautlehre ausgebildet wird, um so sicherer werden wir
das einheimische Gut von dem fremden zu unterscheiden imstande sein.
Aber lautliche Veränderungen sind nicht immer zur Hand. So läßt sich
zum Beispiel nicht entscheiden, ob unser Wort Lein, ahd. lin aus dem
lat. linum entlehnt oder einheimisch ist. Ich möchte daher auf ein nicht zu
unterschätzendes Kennzeichen aufmerksam machen, das ist der Mangel an
Ableitungen. Während nach den Zusammenstellungen von Liebich von den
318 indogermanischen Familien 13860 Worte abgeleitet erscheinen, sind
von den 497 Familien, die aus dem Lateinisch-Romanischen herrühren,
nur 4840 Worte gebildet, darunter natürlich zahlreiche Zusammensetzungen.
Man wird daher auch bei indogermanischen Worten, wenn sie wenige Ab-
leitungen zeigen und sie ihrer Bedeutung nach entlehnt sein können, an
die Möglichkeit fremder Herkunft denken dürfen. Und schließlich ist die
Bedeutung des Wortes von ganz hervorragender Wichtigkeit für die Frage
der Herübernahme. Zwar gibt es fast kein Begriffsgebiet, für das Ent-
lehnungen mangeln — bei uns sind nur die Fürwörter ganz frei — , aber
es bestehen doch wesentliche Unterschiede. Ausdrücke für konkrete Be-
griffe, namentlich für Kulturgegenstände, werden viel leichter entlehnt als
andere. Wenn sich außerdem die Wörter ganzer Begriffsgebiete an laut-
lichen Kennzeichen als Lehnworte erweisen, so werden auch die entlehnt
sein, die zu einer solchen Gruppe gehören, aber kein äußeres Merkmal an
sich tragen.
§ 97. Grundgesetze der Entlehnung. Weiter muß noch auf einige all-
gemeine Fragen, die die Lehnwörter betreffen, eingegangen werden, auf
die Fragen, wann und wie sie entlehnt werden, und nach welchen Gesetzen
dies geschieht. Mit der wünschenswerten Klarheit sind diese Fragen zuerst
von E. Windisch, Berichte der Kgl. sächs. Gesellsch. der Wissensch. 1897
S. 101 ff., erörtert worden.
Wenn zwei verschiedensprachige Völker nebeneinander wohnen, so
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 9
130 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
wird es an der Grenze immer Menschen ^ebcn, die beide Sprachen be-
herrschen. Diese bilden daher die pjegebenen Vermittler. Ebenso können
aber auch versciiiedensprachige Völker untereinander gemischt wohnen, wie
wir dies im deutschen Osten, im Balkan und anderswo noch heute häufig
genug antreffen. In älteren Zeiten ist dies noch öfter der Fall gewesen.
Und schließlich können Einzelne die fremde Sprache auf Reisen usw.
lernen. Nun sollte zweifellos eigentlich die Entlehnung stets wechselseitig
sein. Wenn wir indessen die geschichtlichen Tatsachen befragen, so zeigt
sich eine solche wechselseitige Entlehnung verhältnismäßig recht selten,
vielmehr nimmt gewöhnlich nur das eine Volk Lehnwörter in größerer
Zahl auf, das andere nicht. Die Römer empfingen zahlreiche Lehnwörter
von den Griechen und nicht umgekehrt. Die keltische Sprache ist von
lateinischem Sprachgut durchsetzt, nicht umgekehrt. Wir haben sehr viel
französische Fremdwörter, aber wenig slawische; dagegen hat das Fran-
zösische seit dem 10. Jahrhundert wenig Deutsches aufgenommen, während
das Slawische von deutschen Wörtern überfüllt ist. Es steht also unbedingt
fest, daß gewöhnlich nur ein Volk die fremden Wörter aufnimmt, und es
fragt sich nur, welches Volk das empfangende ist. Hierauf hat nun Windisch
eine ganz bestimmte Antwort gegeben. Das Volk übernimmt die Lehn-
wörter, das die Sprache des andern lernt, von dem also eine Anzahl
Menschen zweisprachig sind. Auch das ist eine Tatsache, daß bei der Be-
rührung zweier Völker nicht beide zweisprachig werden, sondern nur eins.
So haben die Griechen selten Lateinisch, wohl aber die Römer Griechisch
gelernt, während diese den Barbarensprachen kaum ihre Aufmerksamkeit
zugewendet haben. Weder im Mittelalter noch in der Neuzeit haben sich
die Franzosen bemüht, deutsch zu lernen, während sich oft genug Deutsche
das Französische angeeignet haben. Dagegen fangen jetzt erst bei uns
einige wenige an, eine slawische Sprache zu erlernen, während zahlreiche
Slawen deutsch verstehen. Welches Volk die Sprache des andern lernt, das
hängt weiter von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Be-
dingungen ab. Einerseits übt die höhere geistige Entwicklung eines Volkes
den Anreiz aus, durch die Erlernung der Sprache mit dieser genauer be-
kannt zu werden, anderseits wird sich das herrschende Volk selten dazu
bequemen, sich die Sprache der Untergebenen anzueignen.
Hat man nun eine fremde Sprache erlernt, so muß man diese rein
sprechen, d. h. ohne Wörter aus der Muttersprache einzumischen, wenn man
verstanden sein will. Denn diese Wörter sind ja im fremden Lande un-
bekannt. Wenn ein Slawe sein Deutsch mit slawischen Ausdrücken versetzt
sprechen wollte, würden wir ihn nicht verstehen. Dagegen nimmt der, dem
eine fremde Sprache geläufig ist, mit Vorliebe Wörter aus dieser Sprache
in seine eigene herüber, teils um sich zu brüsten und um sich ein be-
sonderes Ansehen zu geben, teils auch weil sich die betreffenden Worte
der eigenen Sprache nicht gleich im Gedächtnis einstellen. So kann
§97. Grundgesetze DER Entlehnung. 131
allmählich die eigene Sprache zu einer Mischsprache werden. Anderseits
werden die Volksgenossen sich sehr leicht einige der fremden Worte des
Zweisprachigen aneignen.
Besonders lehrreich ist das heutige Deutsch in Amerika. Auch da, wo
es sich erhält, nimmt die Sprache zahlreiche englische Worte auf, die aber
ganz als deutsche behandelt werden.
Anmerkung. Ich entnehme aus Erwin Rosen, Der deutsche Lausbub in Amerika
1, 247, folgendes Beispiel: „Poppa (Papa), gib mir ein wenig small change (Kleingeld):
ich mecht mir ein ticket (Karte, in diesem Fall: Los) für die lottery kaufe! Es gibt schene
prizes von t/a/uaWe (wertvolle) Gegenstände." Oder: „Geh nur, mein Kind; aber tanz' mer
net zu much (viel), damit du mir keine Kohld ketsche tust!" {to catch cold 'sich eine Er-
kältung zuziehen').
Oder man nehme die Briefe Kaiser Wilhelms I. Er beherrschte natürlich
das Französische, und so fließen ihm die fremden Ausdrücke, namentlich
bei rasch hingeworfenen Schriftstücken, ganz ungesucht in die Feder. Den
Gelehrten geht es ebenso. Es ist unstreitig für ihn viel leichter und be-
quemer, viele Fremdwörter zu gebrauchen, als sie zu vermeiden.
Das ist alles längst bekannt, wenn es auch nicht richtig gewürdigt war.
Der gewöhnliche Gang der Dinge in allen den Fällen, wo ein Volk
seine Sprache allmählich aufgibt, ist also der, daß die zweisprachigen
immer mehr fremde Ausdrücke in ihre Muttersprache herübernehmen.
So muß es in England gewesen sein nach der normannischen Eroberung,
so war es bei den Albanesen, deren Wortschatz fast ganz romanisch
geworden ist, so ist es bei den Wenden in der Lausitz oder so war es im
Elsässer-Deutsch.
Windisch ist von der Frage ausgegangen, weshalb im heutigen Fran-
zösischen so wenig keltische Lehnwörter zu finden seien. Eine in der Tat
zunächst auffallende Tatsache. Wir können ebensogut fragen, weshalb in Ost-
deutschland, wo doch einst Slawen saßen, die allmählich germanisiert sind,
so wenig slawische Fremdwörter im Deutschen vorhanden sind, oder wes-
halb sich in Süddeutschland, wo der Grundstock der Bevölkerung keltisch
war, keine keltischen Bestandteile im heutigen Deutsch finden. Das alles
ist durch Windischs Abhandlung erklärt worden. In solchen Fällen, wo es
sich um die Herübernahme einer Fülle von Fremdwörtern handelt, kann
also nicht die Rede davon sein, daß mit den neuen Worten auch not-
wendigerweise neue Begriffe eindringen müssen. Es können vielmehr gute
einheimische Worte durch fremde ersetzt werden. Wir können verschiedentlich
beobachten, daß Lehnwörter in starker Zahl eingedrungen sind, so z. B.
im Albanesischen und Keltischen aus dem Lateinischen, im Finnischen aus
dem Germanischen, im Litauischen aus dem Polnischen und Germanischen,
im Englischen aus dem Französischen. In solchem Fall genügt der Grenz-
verkehr nicht mehr zur Erklärung. Es muß vielmehr ein großer Teil der
Bevölkerung oder wenigstens ein großer Teil der obern Schichten zwei-
sprachig gewesen sein. Dann strömen Lehnwörter massenhaft zu. Wo aber
132 Siebentes Kaf^itel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
nur die Grenzbevölkcruntr oder ein ^anz kleiner Teil des Volkes zwei-
sprachij^ ist, da werden meist nur wirklich bedeutungsvolle neue Begriffe
herübergenommen. Das niedriger stehende Volk aber wird dem höher-
stehenden, das seine Sprache nicht lernt, immer nur Worte für Begriffe
und Dinge übermitteln, die bei ihm in besonderer Art bestehen und für
die daher das fremde Wort notwendig beibehalten werden muß. Das gilt
z. B. bei uns zum großen Teil für die Worte, die wir aus dem Slawischen
herübergenommen haben.
Man kann also bei den Fremdwörtern von einem Strom und einem
Gegenstrom reden. Der natürliche starke Strom flutet wie die allgemeine
Entwicklung von Süden nach Norden, von Osten nach Westen, vom Orient
zu den Griechen, von den Griechen zu den Römern, von diesen zu den
Kelten und weiter zu den Germanen, Slawen, Finnen. Der schwächere
Gegenstrom fließt den umgekehrten Weg, bringt weniger Worte, aber im
allgemeinen nur solche, die neue Begriffe bezeichnet].
Die zahlreichen Fremdwörter des Französischen aus dem Germanischen,
die wir oben besprochen haben, lassen sich nun auch erklären. Sie weisen
nicht so sehr auf kulturgeschichtliche Einflüsse, als vielmehr auf die Herr-
schaft der Germanen. Geraume Zeit hindurch müssen die Franzosen und
die übrigen Romanen damals deutsch gelernt haben.
§ 98. Zeit und Ort der Entlehnung. Die Frage, wann ein Wort entlehnt
ist, muß für die Zeiten einer schriftlichen Überlieferung durch den Nach-
weis des ersten Auftretens in ihr gelöst werden. Natürlich kann auch ein
Fremdwort schon längere Zeit im Volksmund umlaufen, ehe es geschrieben
auftritt oder in den Wörterbüchern verzeichnet wird. Aber das ist eben mit
der Natur des Stoffes unweigerlich verbunden. Daneben liefert uns die
Sprache selbst Hilfsmittel, die es uns manchmal ermöglichen, auch für die
Zeiten vor der Überlieferung ziemlich genau die Zeit der Entlehnung fest-
zulegen.
Wir haben schon früher die Veränderungen der Sprache kennen gelernt.
Jede Lautveränderung ist aber auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Wird
das Wort vor der Lautveränderung entlehnt, so macht es den Lautwandel
mit, wird es nach Vollendung des Lautwandels herübergenommen, so bleibt
es unverändert. Ein Beispiel möge das zeigen. In voralthochdeutscher Zeit
ist p im Anlaut zu pf geworden. Worte, die vor der Zeit dieses Laut-
wandels entlehnt sind, verschieben also p gleichfalls zu pf, z. B. Pfingsten,
Pflaume usw., s. o. S. 12. Die spätem Entlehnungen behalten das p bei,
z. B. Pein, Papst u. a.
Umgekehrt können auch in der Sprache, aus der entlehnt wird, Ver-
änderungen vor sich gehen, und wir sind dann imstande, zu bestimmen, ob
ein Wort vor oder nach der Zeit dieses Lautüberganges entlehnt ist. So ist
das lateinische c vor hellen Vokalen, wo es ursprünglich wie k gesprochen
wurde, zu einem Zischlaut geworden.
§ 98. Zeit und Ort der Entlehnung. 1 33
Die altern Lehnwörter haben daher ^, die spätem dagegen z. Beispiele sind: Kaiser,
1. Caesar; — Keller, 1. cellariiim; — Keller, jetzt Kellner, 1. cellarius; — Kerbel, 1. cere-
folium; — Kichererbse, 1. cicer; — Kirsche, 1. cerasus; — Kiste, 1. cista gegenüber Zeder
ahd. cedarboum, \. cedrus; — Zelle, mhd. zelle, \al cella; — Zent 'Gerichtsbezirk', mlat.
centa zu lat. centum; — Zepter, mhd. zepter, 1. sceptrum; — Zimbel, ahd. zymbala,
1. cymbaliim; — Kreuz, 1. cräcem.
Je stärker sich also eine Sprache verändert, um so günstigere Be-
dingungen haben wir für die Bestimmung des AHers der Lehnworte. Mit
keiner Sprache ist es in dieser Hinsicht besser bestellt als mit dem Ger-
manischen und Deutschen, weil in ihnen der Konsonantenstand durch die
erste und zweite Lautverschiebung von Grund aus verändert worden ist.
Die erste germanische Lautverschiebung hat fast alle Geräuschlaute
betroffen, und sie ist daher sehr wichtig. Von der größten Bedeutung ist
es deshalb auch, die Zeit ihres Eintritts festzustellen. Leider ist das bis heute
noch nicht gelungen. Wir können nur sagen, daß die ältesten germanischen
Lehnworte schon die Lautverschiebung aufweisen.
Bei der Verwertung der Lautveränderungen muß man allerdings immer
mit dem Faktor der Lautersetzung (Lautsubstitution) rechnen. Besitzt nämlich
eine Sprache einen Laut der fremden Sprache nicht, so wird dieser nicht
etwa genau nachgebildet, sondern es wird ein ähnlicher dafür gebraucht
So haben die Litauer noch heute kein /, und sie setzen daher dafür/» ein,
z. B. pärwas 'Farbe', ptbeUs 'Fibel', plela 'Feile', plnkas 'Flecken' usw.;
den Russen mangelt unser deutsches h, das sie daher durch g wieder-
geben, galstuk 'Halstuch'. Unser Volk kann das französische j nicht aus-
sprechen, und es braucht dafür seh, z. B. Schenie.
Es hat nun im Germanischen eine Zeit gegeben, in der es keine Tenues
{p, t, k,) besaß. In dieser Zeit mußte es also die fremden Laute ersetzen,
und zwar geschah das durch die Affrikaten oder Spiranten. Eines der ältesten
Lehnwörter ist das Wort hanf, got. '-kanaps, das aus einer Form entlehnt ist,
die dem griech.-lat. cannabis ähnlich lautete. Man nimmt gewöhnlich an,
dies Wort müsse vor Eintritt der Lautverschiebung entlehnt sein, es kann
aber zu einer Zeit geschehen sein, in der die Verschiebung der Tenues
schon beendigt, die der Medien noch nicht vollendet war.
Nachdem ferner die Tenues zu Spiranten, die Medien zu Tenues ver-
schoben worden waren, besaß das Germanische keine Medien mehr, da ja
die jetzigen b, d, g noch Spiranten waren, und es konnte daher die griechisch-
lateinisch-keltischen Medien nicht genau wiedergeben, ersetzte sie vielmehr
durch Tenues. So haben wir noch in verhältnismäßig später Zeit Graecus
entlehnt. Es lautet aber in der ältesten Form got. Kreks, d. h. man hat für
das g ein k eingesetzt.
Anmerkung. Diese Erkenntnis ermöglicht es uns, noch eine Anzahl andrer Wörter
als mögliche Lehnworte in Anspruch zu nehmen, die man früher für urverwandt gehalten
hat. So ahd. slio'jan aus 1. excladere; got. kustus 'Prüfung' aus 1. gustus; ahd. kostön aus
l.gustare; got. lekeis 'Arzt' aus dem Keltischen, air. liaig; d. Zaun, e. town aus Reit, -dünunt
134 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
in Liigdünum. Die Entscheidunjj. ob diese Worte wirklich entlehnt sind, muß in andern
Gründen als denen der Laulyeschiclite gesucht werden.
Aus allen diesen Uniständen foli^t, daß bei der Ermittlung der Zeit der
Entlehnuntj einige Vorsicht zu walten hat.
In Bezug auf den Ort der Entlehnung ist es selbstverständlich, daß
ein Wort nicht allerorten, sondern meist an einer bestimmten Stelle ent-
lehnt wird. Um festzustellen, wo dies geschehen ist, haben wir verschiedene
Hilfsmittel: erstens die Verbreitung der Wörter im Deutschen. Ein Wort
im Nordwesten wird nicht gerade aus dem Italienischen, eins im Osten
nicht gerade aus dem Französischen stammen. Rhein. Kordel und österr.
Spagat stammen aus verschiedenen Gegenden, jenes aus dem Französischen,
dies aus dem Italienischen; zweitens kommt die äußere Form in Betracht.
Südd. Kästen 'Kastanie' weist auf ein rom. '■'castinia, während die uns ge-
läufige Form castanea lautet. Jene Form liegt im oberital. casteha vor, und
damit ist also der Ursprungsort gegeben. Gletscher geht natürlich auf lat.
glacies zurück, zeigt aber eine eigentümliche Entwicklung des c. Wir finden
die gleiche Entwicklung in der alpinen Bezeichnung Tschingel aus lat.
cingüliim; und aus der Gegend, die lat. c vor i zu tsch wandelte, stammt
Gletscher. Vgl. hierzu die außerordentlich anregende Arbeit von Jud, Pro-
bleme der altromanischen Wortgeographie, Zeitschrift für romanische Philo-
logie 38,1 ff.
Wir gehen nunmehr dazu über, die verschiedenen zeitlichen und ört-
lichen Schichten der Lehnworte zu besprechen.
§ 99. Lehnworte im Indogermanischen. Von den durch die Vergleichung
erschlossenen indogermanischen Worten können natürlich manche entlehnt
sein, da auch das Indogermanische sicher nicht ohne Lehnworte gewesen
ist. Leider sind wir kaum in der Lage, solche mit Sicherheit nachzuweisen.
Imm.erhin hat zum Beispiel die Zählweise Einflüsse von selten des Baby-
lonischen erfahren, wenn wir auch keine Lehnworte nachweisen können.
Dazu kommen vielleicht einige andere Ausdrücke. Unser Wort Stern, got.
stairno, 1. Stella, gr. äoj{]o {astoer), aind. str weist auf eine indogermanische
Grundform "^'astero. Dies könnte aus dem semitischen Namen des Abend-
sterns, der in den Götternamen Astarte, Ischtar vorliegt, stammen, vgl.
Zlhaiern in E. Schrader, Die Keilinschriften und das Alte Testament, 3. Aufl.,
S. 425. Weiter kann man am ehesten Entlehnung vermuten bei den Namen
der Kulturpflanzen, der Haustiere, der Metalle. Aber etwas Sicheres läßt sich
bis jetzt noch nicht ermitteln.
§ 100. Die Lehnworte des Germanischen.
Literatur: Eine gute, lesbare Darstellung, die die Lehnwörter der gesamten deutschen
Entwicklung umfaßt, bietet jetzt F. Seiler, Die Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel
des deutschen Lehnworts. I. Die Zeit bis zur Einführung des Christentums, 2. Aufl. 19C5.
IL Von der Einführung des Christentums bis zum Beginn der neueren Zeit, 2. Aufl. 1907.
III. Das Lehnwort der neueren Zeit. Erster Abschnitt 1910. Zweiter Abschnitt 1912.
Festen Boden in betreff der Lehnworte bekommen wir erst unter die
§ 100. Lehnworte des Germanischen. § 101. älteste Schicht der Lehnwörter. 135
Füße, wenn wir zu den geschichtlichen Zeiten hinabsteigen. Schon vor
Beginn der christhchen Zeitrechnung beginnen die ersten deutlich erkenn-
baren Entlehnungen ins Germanische und seitdem sind unzählige gefolgt,
so daß unser Wortschatz mit Fremdwörtern stark durchsetzt ist. Viele
Gebiete dieses Teils der Sprachgeschichte sind eingehend untersucht und
haben zu höchst bemerkenswerten Aufklärungen kulturgeschichtlicher Art
geführt. Man kann wohl sagen, daß dieser Teil der deutschen Wortgeschichte
am besten aufgehellt ist und daß hier bis jetzt die meisten Ergebnisse er-
zielt sind.
§ 101. Die älteste Schicht der Lehnwörter. Welche Worte vor der ersten
germanischen Lautverschiebung aufgenommen sind, läßt sich mit Bestimmt-
heit nicht sagen, weil uns hier eben das Hilfsmittel der Lautveränderung
fehlt. Es müssen hier also kulturhistorische Gründe für die Entscheidung
herangezogen werden. Mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit sieht
man als Lehnworte an:
a) Die Namen einer Reihe von Kulturpflanzen wie//««/, ahd. hanaf, engl he mp
zu lat. cannabis, gr. xdwaßig {kännabis). Nach Herodot 4, 74 wurde der Hanf besonders
im Osten bei Thral<ern und Skythen angebaut, und man nimmt daher an, das Wort sei
aus dieser Gegend zu den Germanen gelvommen. Da aber auch Südfrantcreich schon im
3. Jahrhundert v. Chr. Hanfbau l<annte, so ist das nichts weniger als sicher. An und für
sich könnte das Wort auch schon ins Indogermanische entlehnt sein.
Erbse, ahd. arawei:j gehört wahrscheinlich mit lat. ervtim 'Art Wicke', gr. sQsßivüog
{erebinthos), oooßog (örobos) 'Kichererbse' zusammen, kann aber nicht aus dem Griechischen
oder Lateinischen entlehnt, aber auch schwerlich urverwandt sein.
Linse, ahd. linsi zu lat. lens. Es gilt dasselbe.
b) Metallnamen. Es wird jetzt immer deutlicher, daß die Bekanntschaft mit einer
Reihe von Metallen in ziemlich alte Zeiten zurückgeht. Da aber die Bearbeitung der Metalle
gewiß nicht an vielen Stellen aufgekommen ist, sondern immer nur jedes Metall ein Ur-
sprungszentrum haben dürfte, so dürfen wir hier stark mit Entlehnungen rechnen.
Unser Wort Silber, got. silubr hängt mit lit. sidäbras, abg. serebro zusammen und
muß früh zu den Germanen gekommen sein, woher, ist unklar, vielleicht aus akkadisch
sarpu 'Silber'.
Das Wort Erz, ahd. arazzi, andd. arut geht auf eine vorgermanische Form *arud oder
*orud zurück, die auffällig an sumer. unid 'Kupfer' anklingt.
Blei, ahd. blio, Grundform *bhwas ist gleichfalls unerklärt. Da bl aus ml entstanden
sein kann, so wären Beziehungen zu gr. ßölif^og (bölimos), fwhßog {mölibos) denkbar.
c) Sonstiges. Affe. Hesych gibt an, die Kelten hätten das Tier abranas genannt.
Man will dafür abanas lesen und meint, die Kelten hätten das Tier auf ihren Beutezügen
kennen gelernt und das Wort mit dem Begriff den Germanen übermittelt.
Auch unser Wort Pfad, e. path 'Weg' klingt auffällig an gr. jiÜTog (pdtos) 'Pfad,
Weg' an, kann aber nicht daraus entlehnt sein. Kluge vermutet, es stamme aus dem Sky-
thischen (vgl. aind. path- f., awest. pap- 'Weg, Pfad'), was nicht unmöglich ist.
Humpen vielleicht ebendaher, awcst. x.umb-; es kann aber als Ablautsform zn Napf
echtgermanisch sein.
Anmerkung. Sicher werden wir hier nur einen geringen Teil der Worte erkennen,
die wirklich entlehnt sind. Man bedenke, daß uns die Sprache vieler Völker Europas durch-
aus unbekannt ist, so die der Illyrer, die in der nördlichen Balkanhalbinsel und in Ober-
italien saßen. Auf Entlehnung aus Sprachen, die dem Germanischen eng verwandt waren,
136 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
aber die Lautverschiebung nicht hatten, weisen eine Reihe von Worten. So gehört höchst
wahrscheinlich got. kaupatjan 'ohrfeigen' : got. haubip, und ags. bepcscan 'betrügen' : got.
bifaihon. Vgl. Kluge, Urgerm.' 46.
§ 102. Die Einwirkung der Kelten. Cäsar sagt an einer bekannten Stelle
in seinen Kommentaren, daß die Kelten einst den Germanen überlegen
gewesen seien. Diese Ansicht, die man lange Zeit als wertlos beiseite ge-
schoben hat, trifft zweifellos das Richtige, und neuere Forscher sind sogar
soweit gegangen, den Kelten eine Herrschaft über die Germanen zu-
zuschreiben, vgl. D'arbois de JuBAiNViLLE, Rcvuc historiquc 30 (1886) 1 — 48,
Celtes et Germains 1886, Bremer, Deutsche Ethnographie in Pauls Grundriß
der germanischen Philologie, Bd. 3, 787. Diese Ansicht ist nicht so aben-
teuerlich, als sie zuerst erscheint. Sehen wir doch die Kelten im Dämmer
der Geschichte als ein mächtiges eroberndes Volk, das nach Frankreich,
Spanien, Italien, Griechenland seine Heerscharen entsendet und dort geraume
Zeit die Herrschaft erringt. Warum sollen sie nicht auch die leicht zugäng-
lichen Sitze der Germanen überflutet haben, zumal sie offenbar durch ihre
eisernen Waffen rasch das Übergewicht gewinnen konnten. Aber geschicht-
liche Zeugnisse für diese Annahme besitzen wir nicht. Da tritt nun die
Sprache ein, die uns lehrt, daß die Germanen eine größere Zahl bedeutungs-
voller Lehnwörter von den Kelten empfangen haben. Diese Lehnworte
deuten auf einen Kultureinfluß, der ziemlich innige Berührung voraussetzt.
Eine Reihe von Lehnworten zeigen die Wirkungen der germanischen Laut-
verschiebung, doch läßt sich nicht sicher erkennen, ob die Worte vor der
Lautverschiebung entlehnt sind und diese mitgemacht haben, oder ob die
oben S. 133 erwähnte Lautsubstitution vorliegt.
Unter den Lehnworten spielen die Personennamen unzweifelhaft eine
wichtige Rolle. Immer wieder nimmt das schwächere Volk mit besonderer
Vorliebe die Eigennamen des herrschenden Volkes an. So leben noch heute
bei den Romanen die germanischen Eigennamen und zeugen von jener
Zeit, in der germanische Stämme in den romanischen Ländern herrschten.
Die römische Namengebung ist zum guten Teil etruskisch, die Russen be-
sitzen in ihren Namen Igor, Riirik, Olga ein Kennzeichen jener Herrschaft,
die einst die schwedischen Waräger aufgerichtet haben. Vgl. GDS. 99.
Wenn wir nun bei Kelten und Germanen eine Reihe genau über-
einstimmender Eigennamen finden, so könnten diese ja zum Teil aus der
indogermanischen Urzeit stammen. Das ist aber bei einigen von ihnen nicht
möglich, weil sie Elemente zeigen, die die Spuren keltischer Lautgebung
tragen. So ist zweifellos unser Wort reich, got. reiks 'mächtig', reiki 'Reich'
aus dem Keltischen entlehnt, denn es ist mit lat. rex verwandt und müßte
im Althochdeutschen ""'rahs lauten. Nur im Keltischen ist das idg. e zn i
geworden, und so ist nur hier die Lautform rix (vgl. Diimnorix) lautlich
berechtigt. Dieses Wort riks finden wir aber auch in einer Reihe germanischer
Eigennamen. Da in einigen auch das erste Glied zum KeUischen stimmt,
§ 102. Die Einwirkung der Kelten, § 103. Einfluss der Griechen und Römer. 137
z. B. kelt. Catiirix, ahd. Hadiinh, Teut{i)onx, ahd. Dlotnh, so sind diese
ziemlich zweifellos aus dem Keltischen entlehnt, vgl. Bremer a. a. O. S. 53.
Andere Namen, die einander vollständig gleichen, sind kelt. Catumaros zu
Hadumar, Dagomaros zu Dagmar, Segomäros zu Sigmar u. a. Auf diese
Namen ist mit Bremer ganz entschieden großes Gewicht zu legen.
Dazu kommt eine beträchtliche Anzahl von Worten, von denen man mit
Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit die Entlehnung behaupten kann.
Nur mit Wahrscheinlichkeit ist das bei denen der Fall, die die germanische
Lautverschiebung mit durchgemacht haben. Sie könnten ebensogut ur-
verwandt sein, aber allgemeine Erwägungen, namentlich die Bedeutung,
sprechen für Entlehnung.
reidi, got. reiks s. o.; — Amt, ahd. ambaht 'Amt', got. andbahts m. 'Diener' aus
kelt. ambactiis, zusammengesetzt aus amb 'herum' und actus, Partizip von ago 'sende',
also eigentlich 'Herumgesandter'; — Geisel, 3hd. gisal m. 'Kriegsgefangener', kelt. *geslo;
— Held, as. helith, kelt. *kaleto 'hart'; — Eisen, ahd. isan, isani n., got. eisarn, kelt.
*lsarno. Daß die Kelten die Träger der Eisenkultur waren, ist ganz sicher; — Lot, mhd.
lot, engl, lead 'Blei', Urform *lauda, auf die auch air. liiaide weist; — welsdi, ahd. wal-
hisc, abgeleitet von Walh, dem Namen des keltischen Volksstammes der Volcae; — Zaun,
e. town, dazu der Gebirgsname Taunus aus kelt. -danutn in Lug-dnnum. Die Entlehnung
folgt daraus, daß das echtgermanische Wort in Düne. ags. dän 'Hügel' vorliegt.
Dazu kommen noch einige Worte, die an und für sich auch urverwandt sein können,
aber doch mit größerer Wahrscheinlichkeit als Entlehnungen anzusehen sind: Eid, got.
aips, air. oeth; — got. liugan 'heiraten', eigentlich 'einen Vertrag schließen', ahd. ur-liugi
'Krieg', eigentlich 'außerhalb des Vertrages', jetzt noch in Orlogsdiiff, air. luige, kymr.
llw 'Eid'; — frei, got freis, kymr. rhyd aus *(p)rijo (müßte sehr alte Entlehnung sein);
— Erbe, got. arbja, air. orbe usw.
Hierzu kann man möglicherweise manche der oben § 83 als kelto-
germanisch aufgeführten Gleichungen stellen.
Sehr bemerkenswerte Beziehungen zwischen Germanisch und Keltisch finden sich
auch bei den Völker- und Ortsnamen. So entspricht der Name /y^55^A2 dem kelt. -Casses,
Burgunden dem kelt. Brigantes. Das große mitteldeutsche Waldgebirge trägt den kel-
tischen Namen Hercynia Silva, das aus *perkilnia entstanden ist, und dies entspricht genau
mhd. Virgunt.
§ 103. Der Einfluß der Griechen und Römer. Allgemeines. Wann der Ein-
fluß der Sprachen des Südens auf die germanische begonnen hat, läßt sich
nicht mit Bestimmtheit sagen. Es scheint, daß der Name Julius Cäsars, der
als Kaiser bei uns fortlebt, das älteste lateinische Lehnwort ist. Es folgt dies
aus der Wiedergabe des lat. ae durch germ. ai. Jedenfalls müßte man für
ältere Lehnworte keltische Vermittlung annehmen.
Je mehr dann die Germanen mit den Römern in Berührung kommen,
um so stärker wird die Herübernahme von Lehnwörtern, und es ergießt sich
nun durch Jahrhunderte hindurch ein starker Strom von Fremdworten über
unsere Sprache. Die römische Sprache hat die unsere im Wortschatz so
nachhaltig wie keine andere beeinflußt, wenn wir von den modernen Fremd-
worten absehen. Die Zahl von 497 Familien, die aus dem Lateinisch-
Romanischen entlehnt sind, ist wahrlich bedeutend genug.
138 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Neben dem Römischen zeigt sich aber auch ein Einfluß des Griechischen,
zum Teil wohl durch das Lateinische und Romanische hindurchgehend, zum
andern Teil aber auch unmittelbar wirkend, und zwar waren die Goten
die Vermittler. Das Griechische muß das Gotische, solange es in der
Balkanhalbinsel gesprochen wurde, stark beeinflußt haben. Außerdem wirkte
die Bibelübersetzung, die manches Fremdwort beibehielt, vgl. K. Wkinhold,
Die gotische Sprache im Dienste des Kristentums, Halle 1870, S. 36. Dann
gründeten die Ostgoten ihr Reich in Oberilalien, wodurch ein Einfluß auf
die Bayern in Oberdeutschland möglich wurde. Ihnen haben sie eine
Reihe von griechischen Wörtern übermittelt, die diese dann weitergegeben
haben.
Die Zeit, wann die verschiedenen griechischen und römischen Lehn-
wörter herübergenommen sind, läßt sich durch eine Reihe von Umständen
ziemlich genau ermitteln.
L Mitten hinein in die Zeit der Entlehnung fällt die zweite oder hoch-
deutsche Lautverschiebung, nämlich in das 6. Jahrhundert. Sie besteht aus
folgenden Vorgängen, t wird zu z oder {33) ss, p zu pf- oder -ff-, k zu -ch-
verschoben. Diese Vorgänge sind aber nicht gleichzeitig. Zuerst wurde t
zu z, dann p zu pf, zuletzt k zu eh. Während es Pforzheim heißt, lautet
das Wort sonst Pforte aus lat. porta. Als dies Wort entlehnt wurde, war
also die Verschiebung von t schon vorüber und t blieb daher unverändert,
während p die Verschiebung noch mitmacht. Pech aus lat. picem zeigt da-
gegen die verschiedenen Zeiten, in die die Verschiebung von p und k fällt.
2. Aus der Gestalt des deutschen Wortes können wir auf die des ro-
manischen zurückschließen, die es hatte, als das Wort entlehnt wurde. Das
Lateinische hat im Laufe der Zeit im Volksmunde eine ganze Reihe von
Veränderungen durchgemacht, die wir zeitlich annähernd bestimmen können.
So wurde lat. c vor hellen Vokalen erst verhältnismäßig spät nicht mehr als
Verschlußlaut gesprochen. Die meisten Entlehnungen ins Deutsche zeigen
noch das k, Kaiser aus Caesar, Kichererbse aus lat. cicer, Kiste aus lat. cista,
Pech aus \2i{. picem, Lärche aus lat. laricem; demnach fallen die Entlehnungen
von Kreuz aus lat. crucem, Zeder aus lat. cedrus in spätere Zeit.
In einer Reihe von Fällen weist das Germanische auf eine andere
Lautform als die uns geläufige. Teils läßt sich alsdann mit Hilfe des Ger-
manischen diese besondere Form erschließen, teils liegt diese im Vulgär-
lateinischen vor oder wird auch von den romanischen Sprachen voraus-
gesetzt.
3. Die Angelsachsen haben das Festland etwa um die Mitte des 5. Jahr-
hunderts verlassen. Wenn wir daher dieselben Lehnwörter im Angelsächsischen
und im Deutschen finden und zwar umgewandelt nach den Lautveränderungen,
die beide Sprachen seit dieser Zeit erlebt haben, so ist das Wort vor dieser
Zeit entlehnt. So müssen daher die beiden Obstnamen Pf irsich und Pflaume,
d. Pfirsich, ags. persoc, d. Pflaume, ags. plume vor der Zeit der Trennung
§ 104. Der Einfluss der Griechen. 139
entlehnt sein. Das Wort Pfirsich ist im Deutschen erst im 12. Jahrhundert
nachzuweisen, muß aber mindestens 700 Jahre vorher zu uns gekommen
sein — ein warnendes Beispiel dafür, nicht den äUesten Beleg dem Auf-
kommen eines Wortes gleichzusetzen.
§ 104. Der Einfluß der Griechen.
Literatur: R. V. Raumer, Über den geschichtlichen Zusammenhang des got. Christen-
tums mit dem Althochdeutschen, ZfdA. 6, 401. — W.Schulze, SB. d. Berl. Akad. 1905
Nr. 36 S. 726 ff. — F. Kluge, Gotische Lehnwörter im Althochdeutschen, Btr. 35, 124,
wieder abgedruckt in Wortforschung und Wortgeschichte 134 ff.
Es ist klar, daß das Griechische nicht unmittelbar auf das Deutsche
gewirkt haben kann, und trotzdem finden wir unzweifelhaft bei uns eine
Reihe uralter Lehnwörter aus dieser Sprache. Das Rätsel löst sich, wenn
wir die Goten als Vermittler annehmen, wie dies zuerst R. v. Raum er ge-
sehen und Kluge eingehend nachgewiesen hat.
Es handelt sich im wesentlichen um Ausdrücke des kirchlichen Ge-
biets, und es ist wohl möglich, daß wir es in diesem Punkt mit den Ein-
wirkungen des Arianismus zu tun haben.
Pfaffe stammt aus gr. ::iajiJtag {pappäs) mit der Bedeutung 'niederer Geistlicher'
wie slaw.-russ. popä, während im Romanischen papa 'pontifex' bedeutet. Das Wort zeigt,
wie auch viele der folgenden, die Wirkungen der hochdeutschen Lautverschiebung und
muß daher früh zu uns gekommen sein. Wir sagen Kirche, e. diurch, während das roma-
nische Wort auf gr.-Iat. ecclesia zurückgeht. Man hat die verschiedensten Vermutungen über
die Herkunft unseres Wortes aufgestellt. Heute kann man es als sicher betrachten, daß es
auf gr. xvcnaxör {kyriaköii) 'Haus des Herrn' zurückgeht, das im Got. zu *kyriako wurde,
woraus sich das weibliche Geschlecht im Althochdeutschen erklärt. Pfingsten dürfte
ebenfalls auf das Gotisch-Griechische zurückgehen, gr. .tf iT/;p;oor;/ {pentcekostw), goX.painte-
kuste, da hierfür Angelsachsen und Niederländer einen andern Ausdruck haben. Bayer. Pfinz-
tag stammt aus gr. jt^utttii {pempke) 'fünfte'. Auch das Wort Heide ist nach W. Schulze,
SB. d. Berl. Akad. 1905 Nr. 36 S. 726 ff., durch die Goten zu uns gekommen, und zwar
müßten wir es dabei sogar mit einer gelehrten Herübernahme zu tun haben. Nach Schulze
geht nämlich got. haipno mit der Schreibung ai für gr. f auf Uhog {ethnos) zurück, der
Diphthong ai des Wortes in den übrigen germanischen Sprachen wäre dann nur so zu
erklären, daß man in Deutschland das Schriftbild auf sich hätte wirken lassen und daher
heidan sprach. Das hat ja allerdings seine Bedenken, aber die Entlehnung aus dem
Gotischen dürfte doch feststehen. Ebenso stammt taufen aus got. daupjan. Es ist so-
zusagen ein Übersetzungslehnwort. Im Gr. hat ßnjno) (bdpto) die sinnliche Bedeutung 'ein-
tauchen' und 'taufen', während lat. baptizare nur die letztere hat. Nur ein Gote konnte
also das Wort in dem spezifischen Sinne verwenden. Dazu kommen weiter nach Kluge
ahd. as. Krist (engl. Christ mit ai geht auf irische Vermittlung zurück), Teufel,
ahd. tiufal wegen des u statt zu erwartenden o, und dann auch wohl Engel, Bisdiof,
e. bishop aus gr. tlT«Wo.To- (episkopos), d. Hölle, e. hell aus got. halja. und wenn Pfingsten
gotisch ist, so könnte es auch Ostern sein. Kluge nimmt weiter Demut, heilig u. a.
für möglicherweise gotisch in Anspruch.
Wenn so der gotische Einfluß feststeht, so können natürlich auch andere Wörter aus
dem Gotischen zu uns gekommen sein. So finden wir im got. paida 'Gewand', das aus
gr. ßuit)] {baitie) stammt. Das Wort treffen wir wieder im bayr. Pfeit (s. c). Im Bayr. lebt
auch D«/^ 'Fest' fort, das dem got. dulps entspricht. Auch hier kann man an Entlehnung
denken. Sicher got. ist auch unser Maut 'Zoll', das wieder nur aus got. motu stammen
^4 0 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
kann. Merkwürdig ist hier die mangelnde Lautverschiebung. Es muß also später entlehnt
sein als Pfimtag. Auch das Wort Grieche, alid. Kriedxe stammt aus got. Kreks und
Pflaume, e. pliim, wohl nicht aus 1. pnuium, sondern aus gr. ni/otuiw (pnimnon). — Un-
zweifelhaft sind die Bayern die Vermittler gewesen. Ob aber der got. Einfluß von der
untern Donau oder, was mir wahrschcinliclier ist, von Oberitalien ausgegangen ist, läßt
sich nicht sicher entscheiden.
§ 105. Der Einfluß der Römer.
Literatur: R. v. Raumer, Die Einwirkung des Christentums auf die althochdeutsche
Sprache, Stuttgart 1845: — H. Ebel, Über die Lehnwörter der deutschen Sprache (Programm
des Erziehungsinstituts Ostrowo bei Filchne 1856); — W. Wackernagel, Die Umdeutschung
fremder Wörter, zuerst 1861. jetzt Kleine Schriften 3, 252 ff.; — W.Franz, Die lateinisch-
romanischen Elemente im Althochdeutschen, Straßburg 1884; — A. Pogatscher, Zur Laut-
lehre der griechischen, lateinischen und romanischen Lehnworte im Altenglischen, Straßburg
1888; — F. Kluge, Lateinische Lehnworte im Altgermanischen in Pauls Grundriß der ger-
manischen Philologie, 2. Auflage, 1,333, 1901; dasselbe Werk in 3. Aufl. 1913 S.9ff.; —
K. Later, De latijnsche woorden in het oud- en middelnederduitsch, Utrecht 1904; —
Burckhardt, Untersuchungen zu den griechischen und lateinisch-romanischen Lehnwörtern
in der altniederdeutschen Sprache, Göttinger Diss. 1904, auch in Steinhausens Archiv für
Kulturgeschichte 1905, Heft 3 u. 4.
Der Einfluß der römischen Sprache auf die germanische ist ganz ge-
waltig gewesen. Wir haben dadurch eine Fülle von Wörtern bekommen,
die ganz unser eigen geworden und durchaus nicht mehr zu besei-
tigen sind. Sie wurden dem deutschen Munde angepaßt, nach deutscher
Art betont und so durch Aufnahme von selten des Volkes ganz ein-
gedeutscht.
Wann und wie dieser Einfluß vor sich gegangen, läßt sich nicht mit
Bestimmtheit sagen. Doch scheint unser Kaiser auf den Namen Julius
Cäsars zurückzugehen (s. o.), also schon vor der christlichen Zeitrechnung
zu uns gekommen zu sein. Aber man kann sehr wohl die Frage auf-
werfen, ob nicht schon früher, wenn auch mittelbar wohl durch keltischen
Einfluß, römische Worte zu uns gelangt sind. Dahin gehört z. B. got. alew
'Ör aus lat. oleum, got peikabagms 'Feigenbaum' aus lat.ficus durch ein
kelt. '■■■pikos.
Der Hauptstrom freilich kam erst in der römischen Kaiserzeit, bedingt
durch die teilweise Eroberung Deutschlands, die Romanisierung Galliens
und die zahlreichen Germanen im. römischen Heer. Diese müssen doch un-
bedingt zweisprachig gewesen sein, und ebenso gab es innerhalb Deutsch-
lands gewiß zahlreiche Leute, die lateinisch sprachen.
Anmerkung. Eine vom Lateinischen ausgehende alphabetisch geordnete Liste der
dem Germanischen übermittelten Worte bietet Kluge, Grdr.^ 1, 833 (in der 3. Auflage
nicht mehr), eine sachliche Zusammenstellung Seiler l'^, 24 ff., Kluge, Urgermanisch 11.
Die Entlehnung erstreckt sich natürlich über einen längeren Zeitraum,
und man kann unterscheiden zwischen Worten, die die Lautverschiebung
zeigen, und solchen, die das nicht tun. Dazu kommt, daß die Lehnwörter,
die das Althochdeutsche mit dem Angelsächsischen teilt, zumeist aus einer
Zeit stammen, in der die Angelsachsen noch auf dem Festland saßen.
§ 105. Der Einfluss der Römer. 141
Was den Ort betrifft, wo die Entlehnungen stattgefunden haben, so
kommt natürlich die ganze Grenze vom Süden bis zum Norden in Betracht.
Doch ist nicht zu verkennen, daß ein Hauptstrom von Nordfrankreich
(über Trier?) ausgegangen ist.
Der Einfluß erstreckt sich auf die verschiedensten Gebiete des äußeren
und inneren Lebens, auf das Kriegswesen, die Verwaltung und das Recht,
die Schiffahrt, den Handel, den Steinbau, den Weinbau, das Münzwesen,
die Küche, den Ackerbau, die Geflügelzucht, die Viehzucht, das Handwerk,
die Kleidung, das Fuhrwesen, Musikinstrumente, Wohnung und Wohnungs-
ausstattung, die Heilkunde, das Christentum, den Gartenbau, die Obstzucht
und die Kirche, Da wir diese Gebiete in einer besonderen Übersicht be-
handeln, so gebe ich hier eine Liste der noch vorhandenen Entlehnungen,
wobei zu bemerken ist, daß eine große Anzahl in älterer Zeit vorhandener
Fremdwörter wieder verschwunden sind. Vollständig ist die Liste nicht,
insbesondere sind die spätalthochdeutschen Entlehnungen hier nicht auf-
genommen.
Abt, Almosen, Andaudie, Anker, Arzt, Back, Balsam, Bedier, Becken, Beete, Bern,
Birne, e. pear, Bischof, Bolzen, Bottidi, Brief, Buchsbaum, Büdise, Buckel, Butte, Bütte,
Dam(wild), e. doe, verdammen, dauern, Dediant, diditen, Dedier, Dom, Drache, eichen,
Eimer, Elefant, Eppidi, Erz- in Erzbisdiof, Esel, Essig, Estridi, Fackel, falsdi, fälschen,
Fasan, Feier, Feige, Fendi, Fendiel, e. fennel, Fenster, Fieber, Fimmel(hanf), Finne
'kleiner Nagel', mhd. pfinne, firmen. Flamme, Flasdie, Flaum, Flegel, e. flail, Flinte, Föhn,
Forke, Frudü, Galle 'Geschwulst', Gargel 'Rinne', Gelte, Gilte, Ginster, Glocke. Greif,
Griffel, Grille, Gurgel, obd. Immi 'Hohlmaß', impfen, Kadiel, Käfig, kahl, Kahm, Kaiser,
Kaidaunen, Kalk, Kammer, Kampf, Kandel, Kännel, Kännel, Kanker 'Krebsschaden an
Pflanzen', Kante, Kanzel, Käpfer, Kämpfer, Kappe, e. cap, Kappes 'Weißkraut', Kapsel,
Kardi, Karde, Karner, Kerner, Gerner, Karpfen, Käse, e. dieese, Kastell, e. Chester,
Kästen, e. chestnut, Katze, e, cat, Kauf(mann), Kelch, Keller, Kellner, Kelter, Kerbel,
e. chervil, Kerker, Kerze, Kessel, e. kettle, Kette, Kidier(erbse), Kipf(el), Kirsdie, Kiste,
e. ehest, Klause, Kloster, erkobern, Koch, e. cook, Kodien, Kohl, e. cole, Koller, Kopf, e,
cup, Kornelbaum, kosen, Kosten, Kreuz, Kübel, Küdie, e. kitdien, Kufe, Küfer, e. cooper,
Kümmel, e. cumin, Kunkel 'Spinnrocken', Kupfer, e. copper, Kürbis, kurz, Küster, laben,
Ladie, e. lake, Laie, Lärdie, Lamprete, Lauer 'Nach-, Tresterwein', Letter, ahd. lector,
mhd. lecter, Lilie, Linie, Lor(beer), Lümmel, Mandel, Mange(l), Mantel. Marter, März,
Mäsdiel 'männlicher (auch weiblicher) Hanf, Masse, Matte, Mauer, Maulbeere, e. mul-
berry, Maul(esel), mausen, mausern, Meile, e. mite, Meister, Messe, Meßner. Mette,
Metzger. Miete 'Kornhaufen', Minze, e. mint, mischen, e. mix, Mispel, Mohr, Mönch, e.
monk, Mörser, Mörtel, Mösch, Most, e. must, Mühle, e. mill, Münster, e. minster. Münze,
e. mint, murmeln, Muschel, Mull, Müll, Natur, Naue, None, e. noon, Nonne, e. nun, nüch-
tern, Ohm, Öl, opfern, Orden, ordnen, Orgel, Padit. Pfadit, Pech, Pegel, Pein. Pelle.
e. peel, pelzen 'pfropfen', Pesel, Pfiesel, Petter, Pfetter 'Pate', Pfahl, e. pole, Pfalz.
Pfanne, e. pan, Pfarre, Pfau, e. peacock, Pfebe, Pfeffer, Pfeife, e. pipe, pfeifen, Pfeil, Pfeiler,
Pferch, Pferd, P fetten, Pfirsdie. Pf ister, Pflaster, Pflanze, &. plant, pflanzen, ^, plant, pflüdien,
e. pluck, Pforte, Pfosten. Pfote, Pfrille, pfropfen, Pfründe, Pfühl, Pfund, e. pound, Pfütze,
t. pit, Pilgrim, Pilz, Pips, ohd. Pf ipfs, Plage, Planke, e. plank, platt, Pranke, predigen.
Presse, Priester, Propst, Quitte, Quendel. Rede, Regel, Rettidi, Riegel(haube). Riemen.
Sadi. e. sack, Säckel, Salm, Sarg, sauber, Saum(tier), Sdiaff, Sdiemel, Sdiindel, e. shingle.
Schraube, sdireiben. e. shrive, Schrein, e. shrine. Schule, Sdiüssel, e. scuttle, segnen, Seide,
142 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Semmel, Senf, Siiiiel, e. sickle. shiier. Siegel. Sigrist, Sims. Soilcen, Sohle, e. sole, Söller,
e. sollar. Span(ier). Speicfier. Speise, spenden, Spiegel. Spind. Sponde, Sporkel 'Februar',
Spund, Stiel, stopfen. Stoppel, Straße, e. street. Strauß, Striegel. Stube. Tafel, ndd. Tiene
'Holzgefäß', tilgen. Tinte. Tisdi. Titel. Ton. Torkel 'Kelter', traditen. Triditer. tilndien. Vers,
Vesper, Wall. Wanne, Weidi- in Weidibild, Weiher, -weil in Ortsnamen, Weiler, Wein, Widie,
Wimmer 'Winzer' , Winzer, Zelle. Zelter, Ziedxe, Ziegel, e. tile, Zoll, e. toll, Zöllner, t.tollner.
Wenn man den Kultureinfluß der Römer, wie er sich in der Sprache
zeigt, betrachtet, so erscheint er außerordentlich groß. Und es kann das
ja auch nicht wundernehmen, da die Germanen bei den Römern eine
weit überlegene Kultur vorfanden. In der Hauptsache machen diese Fremd-
wörter den Eindruck, daß es sich fast immer um Herübernahme von Aus-
drücken für Dinge handelt, die den Germanen fehlten, oder bei denen ihnen
bei den Römern eine neue Verwendung entgegentrat.
Jedenfalls ist um diese Zeit unsere Sprache auf das nachhaltigste be-
einflußt worden. Da es sich aber bei diesen Worten um keine gelehrten,
sondern meist um wirklich volksmäßige Entlehnungen handelte, so sind die
Worte auch dem deutschen Sprachgeist angepaßt, und nur die gelehrte
Forschung hat derartige Worte als fremde zu erkennen vermocht.
Mit der althochdeutschen Zeit hört indessen der Einfluß des Lateinischen
und Griechischen nicht auf. Das Lateinische blieb die Kirchen- und Ge-
lehrtensprache, und so ist schon im Mittelalter, i) noch mehr aber seit der
Zeit des Humanismus ein unendlicher Strom lateinischer und griechischer
Elemente in unsere Sprache eingedrungen. Diese sind der Art ihrer Ent-
lehnung nach noch heute meist wirkliche Fremdwörter und leicht zu er-
kennen. Eine Reihe davon wird weiter unten zur Sprache kommen.
§ 106. Französischer Einfluß. Nicht alle Entlehnungen, die aus dem
Lateinischen stammen, rühren aus diesem selbst her. Oftmals liegen vulgär-
lateinische Formen zugrunde, die man fast schon romanisch nennen kann.
Dieser romanische Einfluß hört aber allmählich auf, und zur Zeit der
Frankenherrschaft und der Karolinger hat nicht mehr das Germanische
empfangen, sondern das Französische. Aber mit der Trennung des Welt-
reichs Karls des Großen wird es auch in diesem Punkt wieder anders.
Seit dem IL Jahrhundert beginnt der französische Einfluß. Große Land-
schaften mit französischer Sprache, Lothringen, die Champagne, Burgund
gehörten zum Deutschen Reich. Bereitwillig aber erkannte man in den
Obern Kreisen der französischen Kultur den Vorrang zu. Eine große An-
zahl Minnelieder, die bedeutendsten höfischen Dichtungen sind unmittelbar
aus dem Französischen übersetzt worden, und aus einer Reihe sonstiger
Anzeichen können wir die weit verbreitete Kenntnis der französischen
Sprache in Deutschland feststellen. Alle diese Umstände führten einen
Strom französischer Worte über das deutsche Land. Die Dichter mischten
französische Brocken in ihr Deutsch, und man nahm das nicht übel. Tho-
') Vgl. hierzu Paul Möller, Fremd- Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeut-
wörter aus dem Lateinischen im späteren sehen, Diss. Gießen 1915.
§ 106. Französischer Einfluss. 143
masin von Zirkläre lobt es sogar in der Vorrede zum „Wälschen Gast",
obgleich er selbst keine Fremdworte verwenden will.
Mit der ganzen Überlegenheit des Genies verspottet Wolfram von
Eschenbach dieses Französeln seiner Zeitgenossen:
herbergen ist losdiiern genant,
so vil han idi der spradie erkant.
ein ungefüeger Tsdiampaneys
künde vil baz franzeys
dann idi, swiedi franzoys spredie. Willehalm 237, 3.
Trotzdem sind seine Dichtungen voll von Fremdwörtern, und ebenso
steht es bei den andern Epikern. Sicher ist auch die Umgangssprache der
höfischen Kreise nicht rein, sondern von zahlreichen französischen Fremd-
worten durchsetzt gewesen; aber dieser französische Einfluß reicht in seinen
Nachwirkungen auf die heutige deutsche Sprache bei weitem nicht an den
lateinischen heran. Ein großer Teil der damaligen Fremdwörter ist wieder
verloren gegangen, offenbar, weil diese nicht im Volksmunde, sondern nur in
der Sprache der höfischen Kreise lebten. Es ist jetzt allgemein anerkannt,
daß es eine mittelhochdeutsche Dichtersprache gegeben hat, es muß auch
eine ritterliche Standessprache gegeben haben. Und diese sehen wir in den
Ritterepen mit ihren zahlreichen besonderen Ausdrücken für Kampf und
Turnier, Jagd und Spiel vor uns. Was wir an Lehnwörtern im 13. Jahr-
hundert finden, bezieht sich im wesentlichen auf die höfische Gesellschaft,
und so hat diese die Spuren in der Geschichte unserer Sprache hinterlassen.
Während die Entlehnungen der älteren Zeit eingedeutscht sind, ist dies
bei den Fremdwörtern der mittelhochdeutschen Zeit nicht immer der Fall.
Die lateinische Endung -arius wurde zu dem echt deutsch klingenden -er
und der Ton blieb auf der Stammsilbe, die französischen Elemente, die in
den Worten auf -leren, ie^), jetzt -ei stecken, weisen mit ihrem abweichenden
Tonfall noch immer auf die fremde Herkunft.
Anmerkung. Über das Eindringen der französischen Worte haben gearbeitet: THEO-
DOR Maxeiner, Beiträge zur Geschichte der französischen Wörter im Mittelhochdeutschen,
Marburg 1897, untersucht nur lautliche Fragen. — J. Kassewitz, Die französischen Wörter
im Mittelhochdeutschen, Diss. Straßburg 1890. — O. Steiner, Die Fremdwörter in den be-
deutendsten mittelhochdeutschen epischen Dichtwerken, Bartsch, Germ. Stud. 2, 239 ff. —
F. Piquet, De vocabulis, quae in duodecimo seculo et in tertii decimi principio a Gallis
Germani assumpserunt, Pariser Diss. 1898. — Leo Wiener, American Journal of Philology
16, 326 ff. verzeichnet die französischen Worte bei Wolfram, Kaindl, ZfRomPhil. 17,355,
die bei Gottfried von Straßburg, und E. Schröder die bei Heinrich von Veldeke, als
Exkurs in Carl Kraus' Arbeit Heinrich von Veldeke und die mittelhochdeutsche Dichter-
sprache, Halle 1899. — H. Palander, Der französische Einfluß auf die deutsche Sprache
im 12. Jahrhundert. Memoires de la societe neo-philologique ä Helsingfors 3, 78 bietet eine
genaue Chronologie.
* Zahlreiche französische Wörter auf -ie und Prophetie. Mit doppelter, ja drei- und
sind in späterer Zeit noch einmal entlehnt. vierfacher Entlehnung ist bei zahlreichen
Während die altern auf -ei ausgehen, lauten Worten zu rechnen. Doch kann dies hier
diese auf -ie aus. So haben wir Partei und nicht weiter ausgeführt werden.
Partie, Melodei und Melodie, prophezeien
144 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Liste der entlehnten, bis heute erhaltenen französischen Wörter.
Abenteuer. Ade, As, Barre, Bastard, birsdien, blond, Biidiel, Daus, doppeln 'im Spiel
betrügen', I'ehl, fehlen. Fei, Fee. fein. Felleisen, Firlefanz, Firnis. Flöte, Form, Forst,
Franse, galoppieren. Habit. Harnisdi. hurtig. Juwel, Karosse, Kastellan, Kissen, Koller,
Kolter. Komtur. Konterfei, Kumpanei. Kumpan. Kuppel, kuppeln. Lanze, liefern, Litze,
Manier, merci, Metall. Moralität, Morselle. f\ilast. Panier, Banner, Pause, Panzen.
Part, auch in Widerpart, Partei, Pastete. Pavillon, Pidtelhaube. Pinsel, plan, Platz,
Pöbel, Polier. Palier. Posaune, Preis, preisen, Prinz, prüfen. Quartier. Reuter, mndl. ruiter,
Revier, Rotte, Sdialmei, Sdianze, in die Sdi. sdilagen, Mummensdianz, Senesdiall, Sold.
Standarte, Tanz, tanzen, turnieren, die Grundlage von Turnen und Turner, Wams.
Was den Ort betrifft, an dem diese Entlehnungen stattgefunden haben,
so ist zu beachten, daß die höfische Kultur durch die Niederlande gegangen
ist. Wie Heinrich von Veldeke als erster Meister der höfischen Dichtkunst
gepriesen wird, so war auch sein Land das Muster höfischer Sitte. In den
Niederlanden sind denn auch die Entlehnungen zum Teil eher zu belegen
als im Hochdeutschen. Für diesen Weg spricht weiter die Herübernahme
einiger niederländischer Wörter in dieser Zeit, z. B. wapen im Sinne von
'Wappen' bei Wolfram, dörper 'Bauer, bäurischer, roher Mensch', worausTö/pel
stammen soll, dörperheit, dörperUch. Da indessen das Niederländische dem
Hochdeutschen sehr nahe stand und leicht ins Hochdeutsche umgesetzt
werden konnte, so sind wir gewiß nicht in der Lage, alle Entlehnungen,
die von dorther stammen, zu erkennen.
Anmerkung. Zu den Worten, die sicher nicht oberdeutsch waren, gehören noch ors
'Roß', ritter, bilde, gehiure, klar, kluoc, wert. Vgl. Steinmeyer, Über einige Epitheta der
mittelhochdeutschen Poesie, Erlangen 1889.
§ 107. Der italienische Einfluß. Auch zu Italien bestanden im Mittelalter
lebhafte Beziehungen, und so beginnen von dieser Seite gleichfalls Fremd-
wörter einzudringen, teils solche verschiedener Art, teils namentlich auf den
Handel bezügliche. Es mag genügen, die wichtigsten hier zusammenzustellen.
Eine genauere Untersuchung über die Zeit und die Wege des Eindringens
wäre sehr dankenswert, zweifellos fällt sie vornehmlich in die Zeit, als die
Städte mächtig aufblühten.
Büffel, Dattel, Dukaten, Gant, ital. incanto aus inquanto 'wie hoch' (bietet ihr)?,
Granatapfel, Kamille, Kampfer, Karat, Ketzer, kredenzen, von ital. credenza 'Glaube',
dann 'das Vorkosten zu Treu und Glauben', zum Zeichen der Unschädlichkeit, der Gift-
losigkeit, Lavendel, Mostert. Mostridi, Olive, Panzer, Proviant. Punzen, Reis. Sammet.
Sdiarmützel, Sklave, spazieren, Spezerei, Spinat, Spinaz, Stiefel, tasten, Wirsing, lombard.
verza, vgl. auch die Ausdrücke Welsdikohl, Mailänder, Savoyer Kohl. Zypresse.
§ 108. Der Einfluß der östlichen Völker. Infolge des Ganges der Kultur-
entwicklung sind die östlichen Völker hinter uns zurückgeblieben, und
infolgedessen waren sie meist die Empfangenden, wir die Gebenden.
Während das Russische, wie die übrigen slawischen Sprachen, zahlreiche
Lehnwörter aus dem Deutschen enthält, sind wir verhältnismäßig arm an
Lehnwörtern aus dem Slawischen. Wo wir welche aufgenommen haben, da
handelt es sich dann meistens um Namen von Gegenständen, die neu in
§ 107. Der italienische Einfluss. § 108. Der Einfluss der östlichen Völker. 145
den Gesichtskreis der Deutschen getreten waren. Ein gemeingermanisches
Lehnwort aus dem Slawischen gibt es überhaupt nicht, die frühesten Ent-
lehnungen fallen in die spätalthochdeutsche Zeit, also in die Zeit, wo die
Slawen weit nach Westen vorgedrungen waren, O. Schrader hat, Idg.
Forsch. 17, 29 ff., die ältesten slawischen Lehnworte im Deutschen be-
sprochen. Wenn man von allem Zweifelhaften und dem sicher Falschen ab-
sieht, so bleibt sehr wenig für die althochdeutsche Zeit übrig; im 13. und
14. Jahrhundert beginnen sich die Entlehnungen zu mehren, ganz so, wie
wir das zu erwarten haben, aber erst in der Neuzeit werden sie beachtens-
wert häufig. Ich habe im folgenden in alphabetischer Reihenfolge zu-
sammengestellt, was wir an derartigen Worten besitzen.
Beißker m. 'eine Fischart' um 1500 aus iszhtoh. piskor, ohersorh. piskor; — Doldi,
im 16. Jh., poln. tschech. /«//o*; (?) ; — Dolman, um 1500 über Ungarn aus inxk. dolaman
'Unterkleid von Tuch'; — Dolmetsch, poln. tlumacz, mad]. tolmdcz, türk. tilmatsdi (schon
um 1300 mhd. tolmetsdie); — Drosdike f. aus poin. drozka (russ. dröski), Ende des
18. Jh.; — dudeln, aus po\n. dudlic von diidy 'Sackpiciie' , im 17. Jh.; — Dussek 'Weid-
messer', tschech. tesdk; — Düse, tschech. duse; — Elen, aus lit. elnis, ahg.jeleni 'Hirsch',
bei Luther; — Gespan, mad]. ispan; — Graupe, im 15. Jh. belegt, vielleicht aus dem
Slawischen, abg. krupa 'Krümchen'; — Grenze, aus poln. granica, im 13. Jh. im deut-
schen Ordenslande herübergenommen, durch Luther gemeindeutsch geworden; — Grippe,
aus russ. c/zr/jcd 'Heiserkeit'; — Gulasdi, madj. gulas; — Gurke, aus poln. ogurek, im 16. Jh.,
weiter aus spätgr. dyyovoioi' (angiirion) 'Wassermelone'; — Halunke, älter Holunke, im
16. Jh. aus tschech. fiolomek 'nackter Bettler, Häscher'; — Haubitze, aus tschech. houfnice
'Steinschleuder', durch die Hussitenkriege bekannt geworden; — Heidudi, im 16. Jh. aus
dem Ungarischen, wo es einen Volksstamm mit besondrer Tracht bezeichnete; — Hetman,
klruss. hetman; — Horde, im 16. Jh. aus tatarisch horda 'Lager'; — Husar, aus madj.
huszür, eigentlich 'der zwanzigste', im 16. Jh.; — Jaudie, aus poln. jucha 'Brühe', einem
alten indogermanischen Wort, das zu lat. y«5, gr. ^f'/ui] {zßmcs) gehört, im 16. Jh.; — Juditen,
.aus mss. Juft, mit niederdeutscher Lautgebung, im 17. Jh.; — Kabadie, russ. kabäk, im
18. Jh.; — Kalesdie, im 17. Jh. aus tschech. ^o/^sa 'Wagen': — Kandare, im 19. Jh.
aus madj. kantar; — Kantsdiu, aus tschech. kancudi, poln. kahczuk, im 18. Jh.,
stammt aus \vixV.. kantsdiy; — Karausdie, \\i. karösas; — Karbatsdie, aus tschech.
karabäc, poln. karbacz von türk. kyrbatsdi, im 17. Jh.: — Kaute 'Flachsbüschel', russ. kudetr,
— Keiler, im 17. Jh. aus lit. kuills 'Eber'?; — Keusdie, slow, kajza 'Hütte'; — Knes,
russ. knjazl; — Knute, aus russ. knut im 17. Jh.; — Krabate 'munteres wildes Kind',
aus Kroat, im 30. j. K.; — Kretsdxam 'Dorfschenke', im Osten, schon im 14. Jh. entlehnt,
sorh. korcma, tschech. krcma, poin. karczma 'Schenke'; — Krinitz, sorh. skrjenc; —
Kumt, mhd. komat aus poln. chomat; — Kürsdiner, schon ahd. kursinna 'Pelzrock',
aus ahg.krüznoQ); — Kutsche, um 1500 aus mad]. kotsi, Wagen aus dem Dorfe Kocz bei
J^aab; — Kux, im 15. Jh. noch Kukus aus tschech. kukusQ); — Ludi, sorb. tuh 'Sumpf;
— ostpreuß. Afarg'^//, ht. mergele; — Meiler, nach Heyne aus tschech. /tt/Y^r, milir. un-
wahrscheinlich; — Nerz, Nörz 'kleine Fischotter und ihr Pelz', im 15. Jh. aus klruss.
noryca, altpreuß. «flnc/V (Iltis); — Pachulke, poln. pachoJek; — Pallasdi, im 17. Jh. aus
russ.-poln. /7o?a5; — Paprika, serh. päprika; — Peitsche, aus tschech. Wc im 15. Jh.;
— Pekesdie, aus poln. bekiesa im 18. Jh.; — Petsdiaft, mhd. petsdiat aus tschech.
pecet; — Plauze, poln. pJnca; — Plinse, im 16. Jh. aus russ. blinec '¥\aden' ; —
Plötze, im 15. Jahrh. aus poln. plotka; — Pogrom, mss. pogröm; — Polka, tschech.
pulka 'Halbschritt', 19. Jh.; — pomadig, aus poln. pomalu 'gleichgültig, langsam'; —
Popanz, im 17. Jh. aus tschech. bobak; — Pomudiel 'Dorsch', poln. pomudita; —
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. AiifL 10
146 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Prahm, iiilid. pram kleineres Flußscliiff, ein wahrsclieinlich von der Eibe licr ver-
iKeifcles tscliccliisclies Wort 'pram'', — Preiselbeere, tscliecli. brnsnice; — pritsdiy
tsciiecli. />ryr; — Pulk, poln.ptilk; — Pitsta, maA\. puszta; — Quark, spütmlid. twarc
aus dorn Siawisclien, vgi. riiss.-poln. tvnrog; — Quas, sorb. kwas; — Rabisdi, tscliech.
rabu'se; — Rapuse, fsciiccli. rabtise; — Reizker, riiss. riskov 'der rötliche'; — Robot,
im Osten, ans tscliech. -poiii. rofro^rt, im 14. Jh.; — Säbel, aus tuss. siiblja, \)o\n. szabla,
mad\. szablya. im 15. Jh.; — Saffian, aus tuss. safijan von iürk.-pers. saditjan, am An-
fang des 18. Jh.; — sämisdi, tschech. zami^; — Sander, nsorb. zandor; — Sarraß, im
18. Jh. aus po\n. zaraz 'für den Hieb'(?); — Sdiabracke, aus lürk. caprak, im 17. Jh.;^
— Sdiarwenzel, tschech. lervenecQ); — Sdiadit (Bergbau), nach Heyne aus tschech.
zadiot 'unterirdischer üang'(??); — Sdiibbeke 'Holimdcrbccre', osorh. dziwi böz; —
Sdimant, Sdinietten 'Sahne' aus \sc\\tQ\\. smetana, schon m\\d. smant; von Sdimetten
siammt Sdimetterling; — Sdimasdie 'LammicW, i>o\n. smuiyk; — Sdimodi, slow, smok;
— Sdiöps, schon m\i6. sdiopi aus tschech. 5/fO/)ff; — Sdiuppenpelz , poln. Ä7/^a; —
Sobranje. bulg. sobranje; — Steppe, erst im 18. Jh. aus russ. step; — Sterlet, russ.
sterljddi; — Stieglitz, im 14. Jii. stigeliz aus tschech. s/^/?/^c; — Strelitzen, russ.
strelec; — Tolpatsdi. im 17. Jii. von madj. talpas 'breitfüßig'; — Tornister, aus tschech. -
slowak. tanistra, die auf mgr. TÜyiaroov [tägistron] 'Futtersack' zurückgehen, im 17. Jh.;
— Trabant, im 15. Jh. aus madj. darabant; — Trappe, tschech. -poln. drop; —
Tsdiako, xnA^]. czäkö; — Tsdiapka, \>o\x\. czapka; — Tsdiardasdi, mad\. czardas^
— Ukas, aus xuss. u käs, im 19. Jh.; — Ukelei, poln. uklej: — Ulan, aus {nrk. oghlan
'junger Mensch', im 18. Jh. über Polen zu uns gekommen; — Vampir, aus s&rb. vampir
um 1730; — Weidiselzopf , aus poln. wieszczyce, 1734 bei Steinbach; — Werst, russ.
versti'i; — Wildsdiur, aus poln. wilczura 'Wolfspelz', im 18. Jh.; — Wrnke, poln.
brukiew. — Zeisig, aus tschech. ci'.ek, schon mhd. zise, zisec; — Zieselmaus, ahd.
sisimüs. wohl entlehnt aus einem slawischen Wort, das in russ. süsol, süslik 'muscitellusV
bulg. s«5f/ 'Ratte', tschech. sysel 'Erdziesel' vorliegt; — Zille, russ. cSln; — Zobel, im
11. Jh. belegt, aus russ. söboli 'Hermelin'; — Zodie, russ. sodiü.
Zu diesen noch heute lebenden Worten kommen einige Entlehnungen^
die wieder verloren gegangen sind, und andere, die nur in den Mund-
arten fortleben, wie z. B. das bayr. Kren 'Meerrettich', slaw. *chrenn aus
pontisch-griech. y.eqaiv {kerairi). Von den früher weitverbreiteten erwähne ich
noch Dilnätz 'ein geheiztes Gemach', ahd. tiirniza 'caumata', wohl aus
russ. görnica 'Stube'.
§ 109. Sonstige Einflösse sind im Mittelalter gering. Natürlich sind einige
skandinavische und englische Worte zu uns gekommen. Es handelt sich bei
ihnen um Ausdrücke für Kulturbegriffe, die durch niederdeutsche oder nieder-
ländische Vermittlung ins Hochdeutsche dringen. Auch sie würden bei ge-
nauerer Untersuchung manches Bemerkenswerte ergeben.
§ 110. Die Entlehnungen der Neuzeit. Eine neue Schicht zahlreicher
Lehnwörter brachte die Neuzeit. Man kann hierbei im allgemeinen drei
oder vier große Strömungen unterscheiden. Mit dem Aufblühen der huma-
nistischen Studien tritt das Lateinische und Griechische erneut in unseren
Gesichtskreis; es dringen indessen nicht nur zahlreiche Wörter aus diesen
Sprachen ein, sondern man bildet mit dem Stoff dieser Sprachen neue
Worte, die Bürgerrecht genießen. Unsere ganze wissenschaftliche Ausdrucks-
weise geht schließlich auf diese beiden Sprachen zurück, und wenn wir es
§ 109. Sonstige Einflüsse. § 110. Die Entlehnungen der Neuzeit. 147
auch hier vielfach mit dem Wortschatz der Sondersprachen zu tun haben, so
dringt doch auch viel in die Umgangssprache ein.
Wie im Mittelalter beginnt im 16. Jahrhundert das Französische aufs
neue zu wirken, und dieser Einfluß hat fortgedauert, bis er im 19. Jahr-
hundert etwas durch den englischen abgelöst wird. Vgl. GDS. 226.
Und schließlich wird in der Neuzeit die ganze Welt erschlossen. Die
Erzeugnisse aller Zonen kommen nach Europa, und die neuen Dinge werden
meist mit dem Namen bezeichnet, den sie in ihrer Heimat trugen. So geben
denn schließlich fast alle Sprachen und Gegenden ihre Karte bei uns ab,
natürlich meistens nicht unmittelbar, sondern durch Vermittlung andrer
Sprachen. Das möge man nicht übersehen, wenn man die unten angegebenen
Listen betrachtet.
Manche der Entlehnungen haben nur ein kurzes Dasein geführt, andere
haben die Zeiten überdauert. Schon früh hat man gegen diese Eindringlinge
geeifert und gekämpft, ebenso früh aber auch das Bedürfnis empfunden,
besondere Verzeichnisse anzulegen, ein sichrer Beweis dafür, daß viele die
Wörter nicht verstanden, daß wir es also mit dem Wortschatz einer be-
sonderen Klasse zu tun haben.
Ich verzeichne hier zunächst die wichtigsten Fremdwörterbücher, an
deren Hand man einen Einblick in das Vorhandensein der gebräuchlichen
Fremdwörter gewinnen kann. Leider sind mir die meisten nicht zugänglich
gewesen, da die Leipziger Universitätsbibliothek daran sehr arm ist. Soweit
ich die Bücher nicht selbst gesehen habe, sind die Titel eingeklammert.
Ein Teutscher Dictionarius / dz ist ein außleger schwerer / unbekandter Teutscher /
Griechischer / Lateinischer / Hebräischer / Wälscher und Frantzösischer / auch andrer Nationen
Wörter / so mit der weil inn Teutsche sprach l<ommen seind / und offt mancherley irrung
bringent hin und wider auß mancherley geschrifften / und gemainer Red zusamen gelesen /
außgelegt / und also allen Teutschen / sonderlich aber denen so zu Schreibereien kommen /
ufi Ampts Verwaltung haben / aber des Lateins unerfarn sind / zu gutem publiciert: durch
Simon Roten, Augspurg 1571 und 1572. — Joh. Rud. Sattler, Teutsche Orthographey
S. 484—566, 1607. — [Bernh. Heupoldus, Dictionarium, erklärend allerley schwäre un-
bekannte teutsche Wörter, so in die Teutsch Spraach eingerissen, 1620.] — KiLlAN hat seinem
Etymologicum einen Appendix peregrinarum, absurdarum, adulterinarumque dictionum an-
gefügt. Mir ist nur die vierte Ausgabe von 1632 zugänglich. — [Matth. Zeiller, Episteln
und Sendschreiben 3.30,294; 4,437. 1643.] — Teutscher unartiger Spraach-, Sitten- und
Tugendverderber. 1644. — [Kasp. von Stieler, Zeitungs-Lust und Nutz, 1695.] — [Scheibner,
Fagons de Parier, 1695.] — Juncker, Zeitungslexikon in Christian Weisens Curieuse Ge-
danken usw., 1703. Dieses Werk will eine kurze und deutliche Erklärung geben, ,wo nicht
aller, jedoch der meisten und vornehmsten in denen Zeitungen vorkommenden und nicht
jedermann gleich verständlicher . . . Wörter". — Joh. Christoph Nehring, Historisch-
Politisches-Juristisches Lexikon, 1696, 1710, 1717. — [Menantes, Die allerneuste Art höf-
lich und galant zu schreiben, nebst einem zugänglichen Titulatur- und Wörterbuch, 1702.] —
[J. H Spannutius, Teutsch orthographisches Schreib-, Conversations-, Zeitungs- und Sprich-
wörterlexikon, 1720.] — Sperander, ä la mode-Sprache der Deutschen, 1727, auch 1728. —
[Antonio Moratori, Bequemes Correspondenz- und Conversations-Lexicon, 1727.] —
M. SiGis. Jac. Apini, Glossarium novum ad aevi huius statum adornatum in quo rerum
novarum nomina vel nostra vel aliunde adscita, ut sunt officinarum, vestiaria, militaria,
10*
148 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
proverbia item et alia ex variis Unguis et artibus in sermonc quotidiano aut relationibus
publicis occurentia vocabula latine rcddita inveniuntur, 1728 — Belemnon, Curiüses
Bauerniexicon. worinnen die meisten in unserer teutschen Sprache vorkommenden fremden
Wörter erkläret. 1728. — Philander. Allerneuster Vorralh von Briefen. Denen ist beigefügt
Ein Zcitungslexicon. Frankfurt, Leipzig 1748. — [R. P. Odilo Scmreger, Lustig- und nütz-
licher Zcitverderber S. 1—82, 1754.] — (Jon. Friedr. Krackherr, Hand-Lexicon, 1766.
Darin angehängt ein Jüdisch-deutsches und Rotwelsches Wortverzeichnis.] — [Beyschlag,
Sammlung ausländischer Wörter, 1774.] — Versuch eines Verzeichnisses, wie man die aus-
ländischen Wörter, die zum öftesten vorkommen, gut deutsch geben könne, in dem deutsch-
orthographischen Handbuch. Bonn 1773. — [Zobel, Verdeutschungs-Wörterbuch (im .Neu
eingerichteten Hand- und Reisebuch*), 1775.]
Gute Dienste für die Altersbestimmung und das Vorhandensein von Fremdwörtern
leisten auch die im 18. Jahrhundert auftauchenden Enzyklopädien und Konversationslexika.
Ich nenne von ihnen: Johann HCbner. Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon,
Merseburg 1709 u. ö. — Johann Hübner. Curieuses und reales Natur- Kunst- Berg- Gewerk-
und Handlungs-Lcxicon, 1712. 1741 u. ö. — A.maranthes, Nutzbares, galantes und curiöses
Frauenzimmerlexicon, 1715, 2. Auflage 1739. — KrCnitz. Ökonomisch-technologische Enzy-
klopädie, 1773—1858. — J.ACOBSON. Technologisches Wörterbuch. Berlin 1781 — 1784. —
Joh. Ferd. Roth. Gemeinnütziges Lexikon für Leser aller Klassen. Nürnberg 1788. 2. Auf-
lage 1791. 3. Auflage 1805, 1806. — Enzyklopädisches Wörterbuch oder alphabetische
Erklärung alier Wörter aus fremden Sprachen, die im Deutschen aufgenommen sind, wie
auch aller in den Wissenschaften, bei den Künsten und Handwerken üblichen Kunstausdrücke,
bearbeitet von einer Gesellschaft Gelehrter (herausgegeben von Heinse), 1. — 11. Band, Zeitz
und Naumburg 1793 — 1805.
Über die im Anfang des 19. Jahrhundeils bei uns gebrauchten Fremd-
wörter sind wir ausgezeichnet unterrichtet. J. H. C.\.mpe hat ein Wörterbuch
zur Erklärung und Verdeutschung der unsrer Sprache aufgedrungenen fremden
Ausdrücke geschrieben; Braunschweig 1801, zweite .Ausgabe 1813. Bei seinem
Sammeleifer wird ihm kaum viel entgangen sein, und wir können daher im
allgemeinen getrost annehmen, daß das, was bei ihm nicht steht, erst später
gebraucht worden ist.
Anmerkung. H. Dlnger, Wörterbuch von Verdeutschungen entbehrlicher Fremd-
wörter, Leipzig 1882 S. 43 gibt eine Liste vön 314 heute noch vorhandenen Fremdwörtern,
die sich bei Campe noch nicht finden, darunter solche wie Agitator, Aquarell, banal.
Basar, Bluse, emanzipiert, Gulasch, Humbug. lyndien, massieren. Omnibus. Plaid, Plüsdi.
Portemonnaie, rabiat, Reklame, Reservist. Sdiablone, Sdieck, Spezialist. Spionage, Streik.
Torpedo. Turist. Veranda, Waggon usw.
Dem Campeschen Werke sind im Laufe des 19. Jahrhunderts viele andere
gefolgt, und heute gibt es eine ganze Reihe von Fremdwörterbüchern, die
den Zweck verfolgen, die fremden Ausdrücke zu erklären. Sie haben für
uns zunächst keine weitere Bedeutung, mit der Zeit aber werden diese Werke
geschichtliche Urkunden.
J. Kr. Schweizer. Wörterbuch zur Erklärung fremder, aus anderen Sprachen in die
deutsche aufgenommenen Wörter und Redensarten, Zürich 1803, 4. Auflage 18-34. — Oertel,
Gemeinnütziges Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der im gemeinen Leben vor-
kommenden fremden Ausdrücke. Nach dem Plane des beliebten Rothischen Lexikons be-
arbeitet, 2 Bände, Ansbach 1804, 5. Auflage 1830. — F. Erd.m. Petri. Neuer Dollmetscher usw.
oder Verdeutschungs- Wörterbuch, Leipzig 1806; 4. Auflage unter dem Titel: Gedrängtes Hand-
buch der Fremdwörter in deutscher Schrift- und Umgangssprache, Dresden 1823, 13. Auflage
§ 110. Die Entlehnungen der Neuzeit. 149
von E. Samostz, Leipzig 1879. — J. Ch. A. Heyse, Kurzgefaßtes Verdeutschungs- Wörterbuch,
1807, 1809 und 1819, dann unter dem Titel: Allgemeines verdeutschendes und erklärendes
Fremdwörterbuch; noch jetzt vorhanden und oft von Verschiedenen neu bearbeitet. — Jac.
H. Kaltschmidt, Kurzgefaßtes Wörterbuch zur Verdeutschung der wichtigsten Fremdwörter
und landschaftlichen Ausdrücke, dann unter dem Titel: Neuestes und vollständigstes Fremd-
wörterbuch usw., S.Auflage 1876. — Dan. Sanders, Fremdwörterbuch, Leipzig 1871, 2. Auf-
lage 1891. Dazu kommen noch zahlreiche andere Werke, die hier zu erwähnen nicht nötig ist.
Um das erste Auftreten und die Verbreitung der Fremdwörter zu be-
stimmen, sind wir außer auf diese lexikalischen Werke darauf angewiesen,
dem ersten Auftreten der Fremdwörter in der Literatur nachzuspüren. Nun
gibt es einige Schriften, die teils die Fremdwörter bevorzugen, teils viele
anführen, um sie lächerlich zu machen und zu bekämpfen. In diesen wird
man über die Sprache und den Wortschatz ihrer Zeit am besten unterrichtet
werden.
Während das Auftreten der Lehnwörter in der ältesten Zeit eingehend unter-
sucht ist, haben für die Neuzeit genauere Untersuchungen erst spät eingesetzt.
Als unwillkommene Eindringlinge schloß sie Jak. Grimm von seinem Wörter-
buch aus, und erst die spätem Mitarbeiter haben mit diesem Grundsatz ge-
brochen. Dagegen hat Weigand von Anfang an die Lehnwörter, wenn auch
nur in Auswahl herangezogen und sie bis zu ihrem letzten Ursprung zurück-
verfolgt. In der neuen Auflage sind sie eingehender berücksichtigt, und
vom zweiten Drittel ab werden gewiß nicht viele fehlen, da ich mein Augen-
merk darauf gerichtet habe, das Werk nach dieser Seite zu ergänzen. Freilich
fehlen uns vielfach die Sammlungen, und so haben sich die Altersbestim-
mungen häufig als zu jung erwiesen.
Ein bedeutender Stoff für die Geschichte unsrer Fremdwörter ist in
den Arbeiten über die Sondersprachen (Kapitel XII) enthalten, da diese viel-
fach voll von Entlehnungen sind.
An Einzelarbeiten sind mir noch bekanntgeworden: D. F. Malherbe, Das Fremdwort
im Reformationszeitalter, Freib. Diss. 1906. — W. Strasdas, Das Fremdwort bei Goethe bis
zu seiner Rückkehr aus Italien, Freib. Diss. 1907. — D. Meyer, Schiller und das Fremdwort.
I. Das Fremdwort in Schillers Gedichten, Gott. Diss. 1910. — Klara Hechtenberg, Fremd-
wörterbuch des 17. Jahrhunderts, Berlin 1904. Die Verfasserin hat ihren Stoff nicht erschöpft,
sondern sich auf eine ganz willkürliche Auswahl beschränkt. Außerdem gibt sie vielfach
nur allgemeine Belegstellen, so daß das Werk kaum brauchbar ist. — H. Weimer, Die
Fremdwörter bei Lauremberg, Jahrb. f. ndd. Sprachf. 25, 70.
Die neueste Zeit hat uns nun zwei größere Werke gebracht, die die
bisher bestehenden Lücken ausfüllen wollen. Das erste ist ein deutsches
Fremdwörterbuch von H.^ins Schulz, von dem der erste Band A — K Straß-
burg 1913 jetzt vorliegt. Es ist ein gut angelegtes, übersichtliches Buch
mit guten Belegstellen, die auf reichen Sammlungen beruhen. Wenn man
auch manche Fremdwörter vermißt, so wird man sich doch im allgemeinen
mit der Auswahl des Verfassers einverstanden erklären können. Über die
Sprache hinaus, aus der das Wort entlehnt ist, verfolgt Seh. seine Wörter nicht,
sondern behandelt sie nur im Rahmen des Deutschen. Mancher Leser wird
150 Siebentes Kapitel. Die fremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
dies vielleicht für einen Mangel halten, und er niul3 für weiteres Nach-
forschen dann zum Wkigand greifen.
Das zweite Werk ist das oben S. 134 genannte von Si:ili:r. Hier ist
ein sehr schöner Versuch gemacht, die Aufnahme der Fremdwörter im
grofJen Zusannnenhang zu behandeln.
.Es haben sich", sagt der Verfasser 3. Band IV, ,in den vier Jahrhunderten seit etwa
15(X) ungleich nielir Lehn- und F-remdwürter in unserer Spraclie heimisch gemacht, als in
den anderthalb Jalirtausenden vorher. Dabei ist die Gescliiclite jedes Fremdwortes aufs
engste verwaciiscn einerseits mit der Geschichte der Begriffe und Saciicn selbst, anderer-
seits mit der f^ntwicklung der zu dem betreffenden Kulturkreise gehörenden einheimischen
Ausdrücke. Wer also eine Geschichte des Fremdwortes schreiben will, der müßte streng
genommen zugleich eine Geschichte des häuslichen und wirtschaftlichen Lebens, der Kunst
und Literatur, der Wissenschaft und Technik, der Politik und Staatsverwaltung, des Heer-
und Marinewesens, des Luxus und der Mode schreiben. Er müßte auch die Entwicklung
des heimischen Sprachschatzes darstellen, mit einem Worte eine alles umfassende Kultur-
und Sprachgeschichte liefern. Das konnte nicht meine Absicht sein. Mein Buch beansprucht
selbstverständlich nicht, auf irgendeinem Gebiete etwas Erschöpfendes, sondern überall
nur das Wichtigste und Bedeutsamste zu geben."
Jedenfalls ist dem Verfasser ein guter Wurf gelungen, und das Buch
ist daher nur zu empfehlen.
Überblickt man die neuzeitliche Entwicklung des deutschen Wortschatzes
in bezug auf die Fremdwörter und verfolgt deren Geschichte, so spiegelt
sich darin die Geschichte des deutschen Volkes und seiner Kultur. Einerseits
nehmen wir, zu je höherer Entwicklung die französische Kultur gelangt,
immer mehr französische Worte auf — die Kenntnis des Französischen ge-
hörte ja lange Zeit zu den notwendigen Bestandteilen der Bildung — ander-
seits dringen durch das Aufblühen der humanistischen Studien, das Vor-
herrschen des Lateins in dem gelehrten Schrifttum, die zunehmende Kenntnis
des Griechischen zahlreiche griechische und lateinische Worte in die Gelehrten-
sprache, weiter in die Sprache der Gebildeten und schließlich auch noch
tiefer herab. Diese Vorgänge vermag ich nicht im einzelnen zu schildern,
da dazu alle Vorarbeiten fehlen.
Auf der andern Seite bringt uns das Zeitalter der Entdeckungen eine
Erweiterung des Weltbildes und die Bekanntschaft mit vielen unbekannten
Früchten, Stoffen, Pflanzen, Tieren, Gewürzen usw. Für viele dieser Dinge
übermitteln die Seefahrer die einheimischen Namen, und unter diesen Namen
werden dann die Gegenstände in ganz Europa bekannt. Wir haben, was
diese Dinge betrifft, heute fast schon eine Weltsprache.
Die Wortforschung weist uns nun oftmals mit völliger Bestimmtheit
den Weg, auf dem diese neuen Gegenstände vorgedrungen sind, und so
bietet auch hier wieder die Wortgeschichte wertvolle Beihilfen zur Kultur-
geschichte.
Es dürfte angebracht sein, an dieser Stelle wenigstens einiges aus dem
reichen Stoff zusammenzustellen, wobei freilich zu beachten ist, daß auf
diesem Gebiet die Anschauungen leicht wechseln, ich selbst auch nicht
§ 110. Die Entlehnungen der Neuzeit. 151
imstande bin, die Richtigkeit der aufgestellten Meinungen nachzuprüfen.
Ich kann mich auch nicht in große kulturgeschichtliche Erörterungen ein-
lassen, sondern kann nur die Worte kurz nebeneinander stellen. Wer nur
■ein bißchen nachdenkt, dem wird dabei sofort manches auffallen, und es werden
Kulturbilder vor ihm aufsteigen. Im übrigen verweise ich auf Weigands
Wörterbuch und auf Seiler.
a) Aus dem Niederländischen: Aktie, Besanmast, Boje, Börse, Brasse, bugsieren,
Bugspriet, Büse, Deut, Dose, Fallreep, Flor 'Gewebe', Fodi, Garnele, Gracht 'Kanal',
Hai, Harpune, Heilbutt, Jacht, Kajüte. Kaper, KUlver, Koje, Krakeel, Lackmus, lavieren,
Lotse, Maat, Maatjeshering, Matrose, Niete, Nock, Paneel, peilen, pikfein, Pilot, Pinasse,
Polder, Pottfisch, prassen, Presenning, Priem, Profos, Rabatte, Rabau, Raclies, Raigras,
.Reede, Stramin, Süd. Talje, Tulpe.
Wie eine einfache Durchsicht lehrt, handelt es sich bei diesen Ent-
lehnungen in erster Linie um seemännische Ausdrücke, zu denen einige
aus dem Handel kommen. Aber der ganze niederländische Einfluß wird
•dadurch nicht klar, da wir sehr vieles aus dem Niederländischen übersetzt
haben. Das Niederländische hat schon seit der mittelhochdeutschen Zeit
einen anhaltenden Einfluß auf das Hochdeutsche ausgeübt. Vieles, was
scheinbar aus dem Französischen stammt, ist durch niederländische Ver-
mittlung zu uns gekommen. Vgl. F. Seiler 3, 91 ff. Dieser weist mit Recht
darauf hin, daß das nördliche Westfalen und nordwestliche Hannover noch
heute reich an volkstümlichen französischen Lehnwörtern sind, die meistens
wohl durch die Niederlande zu uns gekommen sind.
b) Aus dem Englischen.
Literatur: R.F.Arnold, Die englischen Lehn- und Fremdwörter im gegenwärtigen
Neuhochdeutsch, ZfdöstGymn. 1904, 91 ff. — H. Dunger, Wider die Engländerei in der
deutschen Sprache, ZADSV. 14, 12.
Während wir in früheren Jahrhunderten kaum unmittelbar englische Wörter
-aufgenommen haben, hat sich das im Laufe des 19. Jahrhunderts stark
geändert. 1795 gab Kinderlinq, Über die Reinigkeit der deutschen Sprache,
eine Liste der Fremdwörter nach Sprachkreisen geordnet und führt darin
S. 109 21 Wörter englischer Herkunft an. Davon stammen aber einige nicht
aus dem Englischen. Dem gegenüber haf H. Dunger, Wörterbuch von Ver-
deutschungen entbehrlicher Fremdwörter 1882 S. 12 148 englische Fremd-
wörter angegeben. Es ist klar, der englische Einfluß ist im 19. Jahrhundert
gewaltig gewachsen, und er wird entsprechend der Ausbreitung' unseres
Handels und unseres Seewesens noch weiter wachsen. Man soll das nicht
.2u sehr bedauern. Das Englische ist doch unsere nächste Verwandte und
viele Worte, die von dort kommen, lassen sich leicht unserer Sprache an-
passen, wenn wir nur so schreiben, wie wir sprechen. Wer sieht Worten
wie treideln von e. HraiV 'Zugseil', trimmen aus e. trim 'in Ordnung bringen',
Kutter, e. ciitter, Dock, e. dock, Messe 'Speiseraum der Schiffsoffiziere', e. mess
den fremden Ursprung an?
Aldermann, Baby, Beefsteak, Bill, Bombast, Bowle, boxen, Boykott, Dandy, Dodi.
-Dogge, drainieren. Elfe, Farm, fesdi, Film, Flammeri, flirten, Folklore, Gallone. Gentleman.
152 Siebentes Kapitel. Die iremden Bestandteile unseres Wortschatzes.
Grog, Hunibiif^, Humor, hiirliburli, Harri. Indemnität. Interview, Jett, Jingo, Jobber, Jinicei.
Jury, Jute, Kalmank. Keks. Klosett, Klitb, Kodak. Koks. Komfort, Konsols. Kontertanz
'iJlndliclicr Tanz', Kutter, Lawn Tennis, Lloyd, Log, Lokomotive, Lore, lyndien, Motdi,
.Mob. Mohär, Mull. I'addoik. Pamphlet, Park. Parlament. Pinsdier, Plaid, Plum/nidding,
pokern. Pony. Propeller. Puddelofen. Pudding. Punsdi, Racket, Rekord, Revolver, Rips.
Roastbeef, Robber, Rowdy, Rum, Rumpsteak. Sdial. Sdiedi. Sdieikpfeife, Sdiirting. Sdilips,.
Sdiwindlrr, Skalp. Spleen. Sport, Star, Start, Steeplediase, Steward. Streik, Sweater.
Tandem. Tank. Tattersall, Tender, Tip, tipptopp, Toast, trainieren, Trambahn, Tridi,
Trust, Tunnel, Turf, Turnip, Verdikt, Waggon, Warrant, Whisky, Whist.
Vertreten sind hier die meisten Gebiete der modernen Kultur.
c) Aus dem Nordischen (Entlehnungen sind hier der Natur der Sache nacii wenig
zaiiireich): Berserker, Brigg. Fjord, Jul, Lemming, Marwal, Renntier, Sild, Skalde, Ski.
Tang, Tundra, Vielfraß 'gulo', norw. fjeldfross, cig. 'Bergkatcr', Waberlohe. Walküre^
Wingolf.
d) Aus dem Französischen: Es erscheint mir unnötig, die uncndliclie Zahl von Lehn-
wörtern, die wir aus dem Französischen aufgenommen haben, hier im einzelnen auf-
zuführen. In fast unübersehbarer Menge haben wir sie seit dem 16. Jahrhundert erhalten,
und noch hört der Strom nicht auf, wenngleich er sich in der letzten Zeit etwas verringert
hat. Viele werden in der unten gegebenen systematischen Übersicht zur Sprache kommen.
Zu bemerken ist, daß das meiste, was wir aus dem Spanischen, vieles was wir aus dem
Italienischen und sonstigen Sprachen aufgenommen haben, durch französische Vermittlung
zu uns gekommen ist. Man muß natürlich auch hier unterscheiden zwischen volkstüm-
lichen und gelehrten Entlehnungen, was auf die verscliiedcnen Wege weist, die die Worte
eingeschlagen haben.
e) Aus dem Spanischen, Portugiesischen und Baskischen (natürlich meist durch
französische Vermittlung): Alarm. Alligator. Andiovi, zunächst aus dem Ndl., angeblich
baskisch. Armada, Autodafe {l. actus fidei). Bandelier. barodt, bigott, bizarr, Dodie, Dul-
cinea, Eldorado, eskamotieren. Ferdinand, Fetisdi, Gala, Galan, galant, Gamasdie.
Gitarre, Grande, Guerilla, Hermandad, Indigo, Infant. Kamarilla, karambolieren, Kargo,.
Kastagnette, Knaster, Kolibri, Kork, Kosdienille, Kreole, Lakai, Mantille. Marmelade,
Matador. Melasse, Merino, Mestize, Moskito, Mulatte, Neger, Palaver, Parade 'Truppen-
schau', Potpourri, frz. Übersetzung des span. olla podrida, Romanze, Rosinante, Sdialuppe,
Siesta, Silo, Tantes, Tornado, Vanille, Zambo, Zigarre.
f) Aus dem Italienischen: Den Einfluß des Italicnischen im ausgehenden Mittelalter
haben wir schon oben § 107 kennen gelernt. Seitdem sind aber weitere zahlreiche Wörter
von dorther zu uns gekommen, besonders auf dem Gebiet des Handels, dem der Musik,
dann aber auch in andern Künsten. Vielfach ist die ursprüngliche italienische Form durch
die französische abgelöst, oder die französisclie herrscht in Nord- und Mitteldeutschland,
die italienische im Süden. So sagt man statt Po//c^ aus hz. police in Östcncich Po Uz ze
aus i{a\. Polizza. Statt Karosse hieß es noch im 17. Jh. auch Karotze aus ital. caroccio,
statt Prozent sagt man auch noch Perzent, iial. percento usw.
Agio, Akelei, Alber, Alt, Altan, Ammer. Arie, Aviso, Bagatelle, Bajazzo. Paias.
Balkon, Ballett, Ballon, Bandit, Bank 'Kasse', Bankerott, Bankett, Baß, basta, Bastei,
Bastonnade, Bdvedere, Bilanz, Binetsdi, Blodiade, Boskett, Bratsdie, Brente 'Gefäß',^
Brigade, Brokat, Büfett, burlesk. Canaille, Dilettant, Diskont, Dusdie, Fagott, Falsett,.
Farinzudier, Fiasko madien. Filigran, Finte, Fratze, Fresko, Frettdien, Front, Furon, Galeere,
Galerie, Gambe, Gant, Ganter, Gardine. Gesdiwader, Getto, Giro, Gondel, Granate,
grotesk, Hatsdiier. Indossament, Kanone. Kanzone, Kapriole, Kapuze. Karfiol. Karrete^
Kartatsdie, Kartaune, Kartoffel. Kasematte. Kasino, Kasse. Kataster, Kavalkade, Klari-
nette, Kohlrabi. Kolli, Konto, Kontrabaß. Korridor, krepieren, Kujon. Kulm, Kuppel, Lagune,
Lava, Levante, Litze. Madrigal, ,\\akkaroni, Malaria, Marketender, Marone. Marzipan,.
§110. Die Entlehnungen der Neuzeit. 153
matsch 'Spiel verloren', Medaille, Miliz, Molo. Mosaik, Motette. Motto, Muster, netto,
Nocke. null. Obligo, pari, Paroli, Partisan. Partisane. Passagier, Paste, Pastell, Pedant,
Perüdke, Petarde, in petto, Pianoforte, Pidtelflöte. Pilaster. bayer. Plenie, Pokal, Polenta,
Polizze, Poltron, Porto, Porzellan. Post. Posten 'Rechnungsbetrag', Postillion, Posto,
Pratze, Probe, Profil. Prokura, Punzen. Putten. Rabatt, Rakete, Rastel(binder), Redoute,
Regal, Regatta, Rest, Rikambio, Rimesse. Risiko, Salami, Salat, Saldo. Sdiarmützel,
bayer. Sdiarnützel 'KrämerdiUt , Sdimirgel, sdiraffieren, Serenade. Similisteine, Skat. Skizze,
Skorzonere, Soffitte, Solo, Sonate, Sonett, Sordine, Spagat, Spaß, Spesen. Spinett, Spon-
ton, Stafette. Stanze, Stilett, stilisieren, stornieren, Strapaze, Strazze, Studi, Studio, Talar,
Tarodi, Taste, Teditelmeditel, Tempo, Tenor, Terrakotta, Terzerol, Terzett, Tombola, Torso,
Transit, Transport. Traß, Tratte. Triller, trillern, Trott, Trüffel, Valuta, Vetiurin, Violine,
Vista, Zediine, Zervelatwurst. Zitrone.
g) Aus dem Ladinischen, der romanischen Sprache in den Alpen: rodeln, lad. rodella
'Rad, Scheibe', ir a rodellas 'hinunterkollern'; — /?«// 'Felslawine', lad. rovina 'Einsturz'; —
Gletsdi(er) aus lat. glacies wie Schweiz. Tsdnngel aus cingulum.
h) Aus dem Rumänischen: Bojar.
i) Aus dem Persischen: Absinth, Azur, Basar, Derwisdi, Diwan, Ferman, Jasmin,
Julep, Karawane, Lasur, lila, Limone, Myrte, Natde, Paradies, Pasdia, Rodie 'Turm',
Saffian, Salamander. Sarabande, Satrap, Sdiadi, Sdial, Sdiikane, Serail, Seraskier, Serdar,
Taft. Tiara, Tiger.
k) Aus dem Indischen: Beryll, Brille, Dsdningel, Ingwer. Jute, Kampfer, Kermes,
Ladi, Mandarin, Mosdius, Mull. Nabob, Nirwana. Opal. Orange. Pfeffer, Punsdi, Radsdia,
Reis. Rupie, Sandarak, Sandelholz. Sdiakal, Smaragd, Veranda. Zebu, Zitz. Zudier.
1) Aus dem Tamulischen. der einheimischen Sprache Indiens: Paria, Pompelmuse.
m) Aus dem Malaiischen und Australischen: Bambus. Betel, Gingang, Gutta-
perdia, Kakadu, Känguruh. Kasuar. Orang-Utan, Pagode, Sago, tätowieren, Tombak,
Trepang, Zimt.
n) Aus dem Ostasiatischen: Bonze, Dsdionke, Geesdia, Kotau. Kuli, Mammut.
Padifong, Taifun. Tee, Yak.
o) Aus dem Ägyptischen und Koptischen : Almanadi, Barke, Gummi, Oase, Papier.
p) Aus dem Afrikanischen : Banane. Basalt. Gnu. Gorilla, Quagga, Sdiimpanse, Zebra.
q) Aus dem Hebräischen sind die Entlehnungen auf verschiedenen Wegen zu uns
gekommen, durch die Bibel, das Jüdisch-Deutsche und die Gaunersprache. Die letzte Art
suche man unter Gaunersprache.
1. Durch Vermittlung der Bibel: Aloe, Bisam. Cherub, Ebenbaum, genieren.
Kamel, Koralle, Mammon. Manna, Passah. Sadi. Satan. Sdiibboleth. Sediel, Seraph, Zider.
2. Aus dem Jüdisch-Deutschen stammen: Bodier. dibbern, auch däbern 'angelegent-
lich besprechen', flöten gehen, Umdeutschung des jüd. -deutschen pleite gehen, s. Pleite.
Geseier, Kabale. Kalle. Matze, Mausdiel, mesdiugge, Pleite, iüd.pleto 'Flucht', davon auch
flöten gehen, Rebbes, Sdiabbes, sdiäditen, Sdiaddien 'Heiratsvermittler', sdiäkern, Sdiaiite,
Sdiote, Sdiidisel. Sdimad 'Taufe', Sdunu, Sdimiil, Sdimus, sdiofel, Stuß, treife 'unrein'.
r) Aus dem Arabischen: Admiral, Aldiemie, Algebra, Alkali, Alkohol, Alkoven,
Ambra, Antimon, Aprikose, Arrak, Arsenal, Artisdwke, Atlas, Baksdüsdi, Balsam, Bardient,
Berberis, Borax. Burnus, Dragoman. Droge, Elixir, Emir, Feluke, Gaset, Gazelle, Giraffe,
Harem, Hasdiisdi. Islam, Joppe, Kadi, Kaffee, kalfatern. Kaliber, Kalif, Kandelzucker,
Kandis, Karaffe. Karat, karmesin. Kattun, Kismet, Laute, Magazin, Maske, Matratze,
matt, Mosdiee, Mufti. Mumie, Muselmann, Mütze, Naphtha. Natron, Papagei, Rakett,
Razzia, Ribisel, Ries, Saflor 'Färbediestel', Saflor, Safran, Samum, Saphir, Sarazene,
Sdiebedie, Sdiirokko, Sennesbaum, Sesam, Sirup, Sofa, Sultan, Sumadi, Talisman. Talk,
Tamarinde, Tambur. Tara, Tarif, Tasse, tausdiieren. Theodelit, Watte, Wesir, Zibebe, Zibet,
Ziffer, Zitwer.
154 Achtes Kapitel. Kampf gegen die Fremdwörter. Verdeutschungen.
s) Aus dem Syrischen uiid Orientalischen überhaupt: Alabaster, Arsenik. Bisam,
Greif, assyr. kritb (hcbr. kernb). Jaspis. Satte.
t) .^us dem Türkischen: liabusdie. lierf^amotte. Dolman. Dolmetsdi. Janitsdiar,
Jurte. Kaftan. Kalpak. Kantsdnt, Karbatsdie. Kiosk. Üdaliske. Sdiabratke. Sdiagrin.
Sdiarladi. Sorbett. Turban. Ulan.
u) Aus dem Amerikanischen: Alpakka, pcruan.; Ananas, peruan.; Guano, peruan.;
Hüngematte, karaib.; Jaguar, bras. ; Kakao, nicxik.; Kakerlak, südamerik.; Kanu, karaib.;
Kantsdmk, siid;imerik.; Kondor, peruan.; Lama, peruan.; Mahagoni; Mais; Mokassin:
Opossum; Orkan, karaib.; Palisornier, Polisander; Sdiokoladc, mc.xik.; Tabak; Tapioka,
brasil.; Tapir, brasil.; tomaha(w)k, Indianersprache; Tomate, mexik.; Vigogne, peruan.;
Wigwam, indianersprache.
Welche l^'üllc von Beziehungen im Welthandel und Weltverkehr ent-
rollt so die Sprache! Und dabei ist der Stoff nicht einmal erschöpft. Die
trockenen Listen müßten nun freilich erst durch Erläuterungen kultur-
geschichtlicher Art lebendig gemacht werden, doch übersteigt das den mir
zur Verfügung stehenden Raum.
Ein paar Bemerkungen mögen hier noch über die Fremdwörter in
den Mundarten hinzugefügt werden. Auch die Mundarten enthalten zahl-
reiche Fremdwörter. Z. T. stammen diese aus der Schriftsprache, d. h. aus
der Sprache der Gebildeten, indem durch Nachahmung derartige Worte
allmählich auch zu den unteren Volksschichten gedrungen sind, vgl. darüber
-^ 175. Anderseits haben die Grenzmundarten aus den Nachbarsprachen
eine Reihe von Wörtern aufgenommen, die nicht im ganzen Sprachgebiet
verbreitet sind. So ist ganz klar, daß das Elsässische und aucl^ das übrige
Alemannische zahlreiche französische Ausdrücke enthält, die sonst nicht
bekannt sind, während anderseits die ostdeutschen Mundarten eine Reihe
slawischer Ausdrücke aufweisen, die ihrerseits im Westen unbekannt sind.
Das baltische Deutsch enthält esthnische Lehnwörter, vgl. H. Suolahti, Die
esthnischen Worte im Deutschen der baltischen Ostseeprovinzen Neuphil. Mitt.
1910, 99 — 129. Sehr bemerkenswert sind auch die Fremdwörter im Öster-
reichischen und Bayerischen, wo sich noch eine Reihe italienischer Fremd-
wörter erhalten haben, die auf den alten Handelsweg von Italien nach
Deutschland hinweisen, wie Sporka, Spagat, Gant, Bollette, Skadenz, Sensal,
Kassa, Polizze, vgl. darüber Schiraier Kaufmannssprache XXIX.
Achtes Kapitel.
Kampf gegen die Fremdwörter. Verdeutschungen.
§ 111. Allgemeines. Dem Gange der Kulturentwicklung gemäß ist unsere
Sprache dem Eindringen von Fremdwörtern stark ausgesetzt gewesen, in-
dessen kaum mehr als die andrer Völker. In der altern Zeit findet eine
natürliche Aufnahme von Lehnworten in die Volkssprache statt, und diese
sind daher heute dem deutschen Sprachbau derartig angepaßt, daß sie als
§111. Allgemeines. 155
Fremdwörter nicht mehr zu erkennen sind. Ähnlich steht es mit den Ent-
lehnungen aus dem Osten. Auch sie gehen durch den Volksmund und
weisen daher in ihrer Form häufig nichts Fremdes mehr auf, höchstens daß
eigentümliche Lautverbindungen den Kundigen auf die fremde Herkunft
aufmerksam machen. Worte wie Dolch, Gurke, Peitsche klingen durchaus
deutsch. Dem gegenüber ergießt sich schon im Mittelalter und zunehmend
in der Neuzeit ein unendlicher Strom von Fremdwörtern in unsere Sprache,
der nicht auf natürlichem Wege in das ganze Volk, sondern durch die
Literatur, dadurch daß viele Gebildete die fremde Sprache erlernten, durch
Nachäfferei und sonstige Umstände in die Sprache bestimmter Kreise ein-
gedrungen ist. Es ist nach den oben gegebenen Ausführungen ganz klar,
daß viele von diesen Fremdworten entbehrlich sein dürften, und es ist nur
natürlich, daß deutsche Männer frühzeitig den Kampf gegen sie eröffnet
haben. Vgl. darüber GDS. 231 ff.
Dieser Kampf kann sich natürlich nur gegen jene mehr gelehrten Fremd-
wörter der zweiten Art richten. Alles, was dem Geiste der deutschen Sprache
entspricht, was eingedeutscht ist, was jeder versteht, darf nicht beanstandet
werden. Fenster, das Zeesen noch durch Tageleuchter verdeutschte, wird
keiner mehr entfernen wollen. Außerdem gibt es ein gewisses allgemeines
Sprachgut, wie z, B. die Monatsnamen, an die man nicht tasten sollte. Aber
sonst wimmelt unsere Sprache von Fremdwörtern, die recht wohl entbehrlich
sind. In einer ganzen Reihe von Betrieben, in der Post, der Eisenbahn,
dem Heerwesen hat bewußtes Eingreifen eine Reihe von Verdeutschungen
geschaffen, die schon ganz oder beinahe eingebürgert sind. Meines Er-
achtens sind die Fremdwörter nicht deshalb zu verwerfen, weil sie fremd
sind, sondern im wesentlichen deshalb, weil sie nur einem kleinen Kreis
unsres Volkes angehören, weil die große Masse sie nicht versteht und nichts
damit anzufangen weiß. Man mustere einmal den Wortschatz der Mundarten,
und man wird erstaunt sein, wie wenig Fremdwörter man im Grunde dort
antrifft. Ebenso wenig gibt es in der schönen Literatur. Unsere großen
Schriftsteller, die sonst manches Fremdwort in ihren Briefen gebrauchen,
vermeiden es doch in ihren Werken, besonders in der Poesie. Die eigentliche
Stätte des Fremdworts ist die gelehrte Literatur. Mancher Gelehrte hält mit
Hartnäckigkeit an ihnen fest, und es ist nicht zu leugnen, daß man sie
manchmal braucht, teils um m.it dem Ausdruck zu wechseln, teils weil
manche Ausdrücke tatsächlich nicht entbehrlich sind. Oft genug gewährt
auch der fremde Ausdruck einen etwas abweichenden Sinn, den der Schrift-
steller gerade hervorrufen will. Trotzdem lassen sich die Fremdwörter in
viel höherem Maße vermeiden, als es geschieht. Wer sich bemüht, auf seine
Worte zu achten, dem wird das nicht schwer fallen, und er wird erkennen,
daß man oft zu einer bessern Ausdrucksweise kommt, wenn man das Fremd-
wort, das einem in die Feder fließen will, durch ein deutsches ersetzt. Gewiß
muß man nachdenken, man muß oft den ganzen Satzbau ändern, aber zum
156 Achtes Kapitel. Kampf gegen die Fremdwörter. Verdeutschungen.
Schaden der Sache ist es meistens nicht. Die Schule hat natürlich die Ver-
pflichtung, auf die Vermeidung der Fremdwörter hinzuwirken, und ich bin
der Überzeugung, daß es nach dieser Richtung immer besser werden wird.
Oft wird man freilich dem Einwand begegnen, daß ein Fremdwort
nicht zu ersetzen sei.
Aber dieser Einwand hält nicht Stich. Wenn nicht alles ersetzt werden
kann, so doch vieles, und wer die Geschichte der Verdeutschungen über-
blickt, der weiß, daß manches fremde Wort, einst für unentbehrlich gehalten,
längst ersetzt ist. Als die ersten Luftballons erfunden worden waren, schrieb
Wieland über die Ai^ronaiiten und die A^ropetomanie. Wer würde das
letztere heute noch verstehen und gebrauchen? Hörsaal für Auditorium
erschien im 18. Jahrhundert pedantisch. Und so kann man unzählige Beispiele
anführen. Die bewußte Verdeutschung hat gute Erfolge gehabt und wird
sie noch weiter haben. Freilich muß man eins bedenken. Nicht jeder
Verdeutschungsvorschlag ist gut. Es müssen vielmehr wie überall in der
Natur viele Keime ausgestreut werden, damit nur einige wenige aufgehen.
Gehen wir nun zu der Tätigkeit der Männer über, die unsere Sprache
durch ihre Verdeutschungen bereichert haben.
§ 112. Verdeutschungen im Mittelalter. Still und bescheiden, doch darum
nicht minder wirkungsvoll ist die Tätigkeit der frühesten deutschen Schrift-
steller, jener alten Mönche, die unsere Vorfahren mit den Lehren des
Christentums bekannt machten. Sie haben manches fremde Wort übersetzt:
comnuuiio — gimeinida, Gemeinde; conscientia — giwi-jjem, Gewissen;
Computer — givatero, Gevatter; convertere — bikeran, bekehren; confessio
— bijiht, Beichte; pascha — Ostern; dies natalis — Weihnachten; gehenna
— hella, quala; monacus — cinsidilo, Einsiedet. Schon im Got. findet sich
armahairts nach lat. misericors; arman sik nach 1. misereri, woraus sich dann
weiter barmherzig und erbarmen entwickelt haben. Andere Verdeutschungen
sind leider nicht durchgedrungen, so wijjago oder forasago für propheta;
boto oder zwelfboto für Apostel, während jungiro 'Jünger' gesiegt hat;
ezt'art für presbyter, Priester. Wir hätten tatsächlich viel mehr haben
können, vgl. Kluge, WB. z. Ztschr. d. ADS. 4, 143 ff. Bibel siegt erst im
16. Jahrhundert, im Mittelhochdeutschen sagte man diu schrift oder da3
buoch; im Evangelium sagen die Engländer ^05/7^/, ags. godspel, eig. 'Er-
zählung von Gott'. Für Pate bestehen noch in den Mundarten alte deutsche
Ausdrücke, alem. der Götti und die Gotte, got. gudja 'Priester', schwäb.
Tot, während die Engländer godfather, godmother, godson, goddaughter
verwenden. Erzvater für Patriarch lebt fast bis in die Neuzeit. Für Pfingsten
haben die Engländer mit ihrem whitsunday eine einheimische Bezeichnung
geschaffen.
Zu den durchgedrungenen Verdeutschungen gehören ferner die Namen der Wochentage:
ahd. sunnuntag — dies solis; munintag — lünae dies; ziestag — Mortis dies: donarestag —
Jovis dies; fnatag — Veneris dies; mittiwodia — media hebdomas.
§ 112. Verdeutschungen im Mittelalter. § 113. Verdeutschungen in neuerer Zeit. 157
Anmerkung. Der Dienstag hat mannigfache Namen, in Schwaben Ziestag, zu-
sammengesetzt mit Ziu, dem altgermanischen Götternamen, auch Aftennontag, in Bayern
Erditag, wohl aus gx.^'AoeoK iifiFna {*'Areos hd'niera); Dienstag ist aus Dingstag entstanden,
siehe unten. Nur für Sonnabend, ahd. sunnnn-aband, das im wesentlichen mitteldeutsch
und niederdeutsch ist, hat sich in obd. Samstag aus ahd. samba^tag von gr. oüftßuiov {säm-
baton) das fremde Wort erhalten. Das Genauere über die Herkunft der deutschen Wochen-
tage siehe bei Kluge, Wiss. Beih. z. Zsclir. d. ADSV. 2, 89 ff. Die Verdeutschung der Namen
der Wochentage geht sicher in vorchristliche Zeit zurück.
Die Namen der Wochentage müssen sehr bald volkstümlich geworden
sein. Darum haben sie sich durchgesetzt. Nicht so steht es mit den Namen
der Monate, die Karl der Große nach der Angabe Einhards 29 einführte.
Er nannte sie bekanntlich Wintarmanoth, Hornung, Lentzin-, Ostar-, Wlnne-,
Brach-, Heimi-, Aran-, Witu-, Windiime-, Herbist- und Heilagmanoth. Nur
Hornung und Wonnemonat sind einigermaßen gebräuchlich. Karl nannte
letztern Winnemanoth, d. i. 'Weidemonat', was das Volk umgestaltet hat.
Weiteres bei K. Weinhold, Die deutschen Monatsnamen, Halle 1869. Auch
die deutschen Namen der Winde sollen von Kaiser Karl herrühren.
In der Zeit, als unsere höfische Poesie blühte, ist ein Strom von Fremd-
wörtern in unser Deutsch oder besser gesagt in die Sprache der höfischen Kreise
gekommen. Ob sich damals schon Widerstände geregt haben, weiß ich nicht.
Ich glaube es kaum, da wir es eben nur mit der Sprache einer gewissen
Gesellschaft zu tun haben. Tatsächlich ist ja von den damaligen Fremd-
wörtern nicht allzuviel geblieben, und was geblieben ist, läßt sich vielfach
nicht mehr als Fremdwort erkennen. Vor allem gab es keine echte Prosa.
Sie kam erst durch die Mystiker auf, und ihnen verdanken wir zweifellos
manche Bereicherung unseres Wortschatzes (s. u. § 183), gewiß auch durch
Verdeutschungen fremder Wörter.
§ 113. Verdeutschungen in neuerer Zeit. Ein wirklicher Kampf gegen
die Fremdwörter setzte erst wieder ein, als die fremden Wörter überhand-
nahmen, im 16. Jahrhundert. Ein großer Teil der Gebildeten gebrauchte
die lateinische Sprache, und daher behielt man viele ihrer Worte bei. Schon
früh regte sich der Widerspruch. Im Jahre 1538 eiferte Gilg Tschudi aus
Glarus gegen die latein und wälsche, d. h. französischen Wort, die in unser
Tatsch, so eine ehrliche Sprach ist, hereingeschleppt werden. Er kehrt seine
Erbitterung gegen die niiwen tatschen Cantzler, die so naseweis sind, auch
die consistorischen Schreiber, also gegen die Bevölkerung der Büros im
allgemeinen.
Im 17. Jahrhundert wurde man sich der Sprachmischung allgemeiner
bewußt, und Dichter und Schriftsteller wie Opitz (Aristarchus sive de con-
temptu linguae Teutonicae), Moscherosch (Gesichte, ä la mode Kehraus),
Lauremberg (im dritten Scherzgedicht), Grimmelshausen (Teutscher Michel)
klagen darüber oder suchen mit der Geißel der Satire dagegen zu kämpfen. i)
^) Ausführlicheres darüber bei Dunger, Wörterbuch von Verdeutschungen entbehrlicher
Fremdwörter, 1882, S. 29 ff.
158 Achtes Kafmtel. Kampf gegen die Fre.mdwörter. Verdeutschungen.
Es kam dann zur Gründun<4 der Sprachgesellschaften, die neben der
Förderuii<( des Deutschen als Dichterspraclie auch den Zweck verfolj^ten,
die Sprache von der Einmischung fremder Wörter zu reinii^en. V^i. darüber
GDS. 239 f.
Unter den Männern, die durch ihre zahlreichen Verdeutschungsversuche
berühmt oder berüchtigt geworden sind, ist vor allem Philipp von Zesen
(1619 — 1689) zu nennen. Was er versucht hat, zeigt am besten das Nach-
wort zu der „Adriatischen Rosamund" 1645. Jetzt hat H. Harbrecht ein
Verzeichnis der von Zesen verdeutschten Lehn- oder Fremdwörter gegeben,
ZfdW. 14,71 ff. Zweifellos hat Zesen manche Verdienste.
Von seinen Verdeutschungen nenne icli: Adresse: Ansdirift; Annalen : Jahrbüdier;
Antipoden : Ge^enfüßler; Assekuranz : X'crsidierung; Asyl : Freistatt; Bastion : Bollwerk;
Bibliothek: Büdierei; Bouquet: Blumenstrauß; Chanssee : Steinweg (in den Städten noch
vielfach als Straßennamen erhalten); Chemie : Sdieidekunst; dedizieren : übereignen; Dia-
lekt : Mundart; Dictionnaire : Wortbudi; Edio : Widerhall; Epilepsie : fallende Sudit; Funda-
ment : Grundstein; Galerie : Kunstkammer; Geometer : Feldmesser; Gouverneur : Statt-
halter; Journal : Tagebudi; Kobold : Poltergeist; Konfession : Glaubensbekenntnis; Lot-
terie: Gliidisspiel; maskieren: vermummen; Original: Ursdirift usw.
Anmerkung 1. Vieles, was man Zesen zuschreibt, ist allerdings weit älter. So
kommt selbständig schon im 16. Jahrhundert vor. und im 14. bereits selbstende. Vollmadit
ist bereits 1372 belegt. Vertrag erscheint im 15. Jahrhundert. Ich kann allerdings nicht
übersehen, wie weit Zesen zur festen Einbürgerung dieser Wörter beigetragen hat.
Anmerkung 2. Vergleiche über diese Zeit noch folgende Arbeiten: K. Dissel. Philipp
von Zesen und die deutsch gesinnte Genossenschaft, Hamburger Programm 1890. — C. Prahl,
Philipp von Zesen. Ein Beitrag zur Geschichte der Sprachreinigung im Deutschen, Danziger
Programm 1890. — H. Schultz, Die Bestrebungen der Sprachgesellschaften des 17. Jahr-
hunderts für die Reinigung der deutschen Sprache, Gottingen 1888. — H. Wulff, Der Puris-
mus in der deutschen Litteratur des 17. Jahrhunderts, Straßburger Dissertation 1888.
Für das 17. Jahrhundert ist hier neben andern auch noch vor allem
JusTUS Georg Schottel zu nennen. Er führt in seinen Werken die Ver-
deutschung der grammatischen Kunstausdrücke völlig durch. Ist auch
mancher Vorschlag schon vor ihm geäußert worden, und ist auch mancher
nicht durchgedrungen, so liegt doch in seiner Tätigkeit eine hochbedeutsame
Leistung vor. Sie sollte uns Mut machen, auch auf diesem Gebiet nicht
von der Verdeutschung zu lassen.
Auch im 18. und im Anfang des 19. Jahrhunderts fehlt es nicht an
Bestrebungen zur Reinigung der deutschen Sprache. Unsere Kenntnisse
darüber sind durch eine Reihe von Abhandlungen S. Klee.manns bereichert
worden, Der Kampf gegen das Fremdwort, ZfdW. 1, 37; Deutsche Sprach-
pflege in den 'Literaturbriefen", ZfdW. 7, 152 ff.; Das 'Sendschreiben eines
Landpriesters', ZfdW. 7, 241 ; Fremdwörter und Verdeutschungen des 18. Jahr-
hunderts, ZfdW. 8, 49; Ein Reichsfreiherr des 18. Jahrhunderts als Sprach-
reiniger, WB. z. ZADSV. 4, 156 ff.; Die Mitarbeiter der 'Allgemeinen deutschen
Bibliothek' als Sprachrichtcr und Sprachreiniger, WB. z. ZADSV. 4, 120.
Im Anfang des 18. Jahrhunderts herrschte die Sprachmengerei wie zuvor.
Das Bestreben der 'Puristen' des 17. Jahrhunderts war ziemlich spurlos
§ 113. Verdeutschungen in neuerer Zeit. 159
vorübergegangen. Wenn sich auch vereinzelte Stimmen hören heßen, wenn
sich auch Christian Wolff große Verdienste um die Verdeutschung der wissen-
schaftHchen, besonders der philosophischen Sprache erworben hat, vgl. Paul
PiUR, Studien zur sprachlichen Würdigung Chr. Wolffs, Halle 1903, so er-
strebte doch erst Gottsched wieder eine durchgreifende Sprachreinigung,
ohne daß er hiermit einen wirklichen Erfolg gehabt hätte. Gottscheds Ver-
dienst aber ist es, daß um 1750 wenigstens die Sprache der Literatur auf-
fallend rein war. Aber die Vornehmen hielten an der französischen Sprache
und den Fremdwörtern fest, und erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts
trat die Wendung langsam ein.
„Bald nach 1750", sagt Feldmann, ZfdW. 7, 245, „begannen die jüngeren
deutschen Schriftsteller einer neuen weitgehenden Sprachmengerei zu huldigen,
besonders nach dem Vorgange Wielands, der in bewußtem Gegensatz zu Gott-
sched das Recht für sich beanspruchte, selbst in die Sprache der Dichtung
fremde Wörter nach Belieben und Bequemlichkeit einzumischen. Eine Unzahl
von Fremdwörtern hat Wieland seinen Lesern geläufig gemacht — viele
davon stieß er später, besonders bei der Neubearbeitung seiner Werke 1794
und folgende Jahre, wieder aus, nachdem er wiederholt von seinen Be-
urteilern, zuerst von Lessing im 14. Literaturbrief, wegen Sprachmengerei
getadelt worden war."
Eine große Hilfe hat die Verdeutschung dadurch bekommen, daß die
Behörden auf Ersetzung fremder Wörter durch deutsche drängen. Hier ist
vor allem der Generalpostmeister Stephan seit 1874 in seiner Verwaltung
vorangegangen und hat vieles erreicht. Wir sagen jetzt nach ihm einschreiben
für rekommandieren, postlagernd für poste restante, Umsdilag für Kuvert,
Beiwagen statt Beichaise usw. Ebenso ist die Sprache der Heeresverwaltung,
der Gesetzgebung, der Bahn von vielen unnötigen Fremdwörtern gesäubert
worden. Mögen auch hier manche Sonderbarkeiten untergelaufen sein, im
großen und ganzen ist der Weg doch der richtige gewesen. Und dabei
möge man eins bedenken: die Geschichte der Verdeutschungen lehrt, daß
frühere Zeiten manche Verdeutschungen für ganz schlecht gehalten haben,
die heute keinen Anstoß mehr erregen, Bittsteller für Supplikant wurde von
der Jenaer Litteraturzeitung als unerträglich verdammt, Sterblichkeit für
Mortalität wurde von Adelung heftig bekämpft, Gemeinplatz für locus
communis aber als ganz verwerflich bezeichnet. So wird auch manches
Wort, das uns heute noch seltsam klingt, nach einer Reihe von Jahren
ganz eingebürgert sein.
Im folgenden gebe ich aus den verschiedenen Sammlungen eine Reihe
gut gelungener und ganz oder nahezu ganz durchgedrungener Ver-
deutschungen oder Ersetzungen fremder Ausdrücke durch deutsche.
anbequemen, accomoder {Eude des 18. Jh.s); — Anmerkung, observati'o {Schotte]);
— ausdrudisvoll, expressif (Ende des 18. Jh.s); — Brudistück, fragmentum (1642);
Durdimesser, diameter {Sturm 1670): — eingefleisdit , incarnatus; — Einsdiiebsel,
Parenthese {Gottsched); — einverleiben, incorporare {16. ih.); — Emporkömmling,
160 Acutes Kapitel. Kampf oügen die Fremdwörter. Verdeutschungen.
parvenu (um 1780); — endgültig, definitiv (noch nicht bei Campe); — Erblasser,
Testator {\663); — Erdgesdioß, Parterre {ütn 1800); — Erdkunde, Geographie (1774);
— Erdzunge, Isifimus (1745); — Feldmesser , Geometer {\6\6); — folgeredit, kon-
sequent (Knigge 1788); — Freidenker, c. frcethinker {\7\5); — Gabelf rülistiidi, frz.
dejeuner ä la fourdiette; — Gastfreund, 1. hospes (1561); — Gegenstand, 1. objectum
(1691); — Gemeingeist, a. public spirit (Herder); — geviert, quadratus (ahd.); —
Gleidier, Äquator (\74\); — gleidi na mig, homonym {\559); — Glüdisritter, avan-
turier (1775); — Gnadenwahl, Prüdestination (1663); — Grundsatz, Axiom (1641);
— Halbwelt , Uz. dcmimonde (\9. ih); — Handstreidi, hz. coup de main (\9. ih.); —
harmlos, c. harmless {\S.ih.); — Hausmeier, major domus {\6. Mi.); — Hellseher,
Uz. clairvoyant {\7 10); — Hilfsquelle, ressource {Withnd {\773): — Hinterwäldler,
amerili. backwoodsman; — Jungfernrede, e. maidenspeedi (1836); — Kaisersdinitt,
1. Sectio caesarea (1789); — Kleinmeister, Uz. petit-maitre (18. Jh.); — Leitartikel,
c. leading article (19. Jh.); — Mitleid, Sympathie {\7. Jh.); — Mittelalter, \. medium
aevum (18. Jh.); — mittelländisdi, 1. mediterraneus; — Mittelstraße, goldene,
\. aurea mediocritas {Vd.ih.); — Mundvorrat, Proviant {1777); — Nachschrift, Post-
skriptum (1678); — Naturgesdiidite, historia naturalis (1777); — N aturrecht. jus
naturale {\73S); — Nießbraudi, usus fructus {\7. i\\.)\ — postlagernd, poste restante
(19. Jli.); — seine Redmung finden, Uz. trouver son compte (Lessing); — Redinungs-
absdiluß, Bilanz (BGB.); — Rechtsdireibung, Orthographie {\57\); — Sdiäferstunde,
Uz. l'heure du berger {\7l\); — selbstisch, egoistisdi (18. Jh.); — Selbstherrscher, russ.
samoderlec, gv. arzny.nÜTion {autokrätor); — Sinngedidit, Epigramm (1649); — sinnver-
wandt, synonym (18. Jh.); — Standort, Garnison (19. Jh.); — Statthalter, 1. locum-
tenens {15. Jh.); — Steindruck, Lithographie {\9. M\.); — Tagebudi, Journal (1642); —
Tagegelder, Diäten (Wit\and); — Tatkraft, Energie {\8.M\.); — Tatsadie, e. matter of
facts, l.res facti; — Teiler, \. divisor {A.. Riese); — Teilhaber, Kompagnon {\7\6) ; — Ton-
setzer, Komponist {\8. Jh.); — Tragweite, Uz. portee {\84S); — Übertrag, Transport
(17. Jh.); — Umstände, Uz.circonstance; — Umwelt, dän. omwerden, Milieu; — Un-
ausspr edlliche n,e.inexpressibles{\9. Jh.); — unf ehlbar,\.infallibilis; — Unternehmer ,
Uz. entrepreneur {\9.Jh.); — Uraufführung, Premiere {20. Jh.); — Urbild, Original
(1716);— Verbrauch, Konsumtion{[7S0); — Verhältnis, Proportion{\667S{u!m); —ver-
tonen, komponieren (Ende des 19. Jh.s); — Vielweiberei, Polygamie (1691); — Vogel-
perspektive, Uz. ä vue d'oiseau (J. Paul); — Volkswirtsdiaft, Nationalökonomie
(19. Jh.); — Vollmacht, \. plenipotentia (1372); — Vorgebirge, \. promunturium (1642);
— Vorsitz, 1. praesidium (1678); — Waffenbruder, Uz. frere d'armes (Wieland); —
wahlfrei, fakultativ (Ende des 19. Jh.s); — Wahlsprudi, Devise (Zesen 1648); —
Wahlverwandtschaft, attractio electiva (1779); — Wahrnehmung, apperceptio
(18. Jh.); — Wahrsprudi, Verdikt (um 1840); — Wandelstern, Planet (17. Jh.); —
Wasserleitung, aquaeductus {\5. Jh.); — Wasserwage, libra aquaria (1716); —
Weiditier, Molluske (19. Jh.); — Weingeist, Spiritus vini (18. Jh.); — Weißpfennig,
Albus; — Weltbürger, Kosmopolit {1669); — Wendekreis, circulus tropicus {\7\3); —
Wenigkeit, meine. 1. mea parvitas (1624 Opitz); — Wesentlidikeit , essentia (1482); —
Wettbewerb, Konkurrenz {\9. Jh.); — Wetterglas, Barometer {\7\6); — Wieder-
geburt, regeneratio (1678); — Wiedertäufer, anabaptista (1540); — Wiegendruck,
Incunabel {\9. Jh.); — Wohlklang, euphonia {\7\6); — Wohltat, mhd., beneficium; —
Wohlwollen, benevolentia (1678); — Wolkenkuckudisheim, gx.vEfps/.oy.oy.y.vyia {nephelo-
kokkygia) (19. Jh.); — Wortforsdiung, Etymologie (1663); — Wortfügung, Syntax
(1661); — Zahlwort, Numerale (1641 Schottel); — Zahlzeidien, Ziffer (Kinderling
18. Jh.); — zahlungsfähig, solvent (1801); — zahlungsunfähig, insolvent (1801); —
Zeitabschnitt, Moment; — Zeitalter, Säkulum (1786); — Zeitredinung, Chrono-
logie i\7\6); — Zeitsdirift, Journal {\S. Jh.); — Zeitwort, K^rö (Schottel); — Zier-
bengel, Incroyable; — Zweikampf, Duell (Zesen 1645).
§ 113. Verdeutschungen in neuerer Zeit, 161
Wer im einzelnen für die Sprachreinigung gewirtct hat, das festzustellen,
liegt nicht in der Absicht dieser Arbeit. Aber auf das Verhältnis unsrer großen
Dichter einzugehen, darf wohl gestattet sein. Wieland hat für die Verdeutschung,
nachdem er zunächst einen andern Standpunkt eingenommen hatte, unendlich
viel getan. Lessings Stellung erhellt aus dem 14. Literaturbrief. Schiller und
Goethe gelten vielfach als Gegner der Sprachreinigung. Jener hat sich in dem
bekannten Sinngedicht ausgesprochen, und von Goethe besitzen wir zahl-
reiche Zeugnisse, das stärkste in einem Briefe an Riemer vom 30. Juni 1813.
Einem Mann wie Goethe mußten allerdings die übertriebenen Versuche,
all und jedes Fremdwort zu entfernen, lächerlich erscheinen. Er, der so viel
für die deutsche Sprache getan hatte, erkannte, daß eben das sprach-
schöpferische Genie auf diesem Gebiete das letzte Wort zu sprechen hat.
Er hat dann auch nichts dagegen einzuwenden gehabt, daß seine Gehilfen
die entbehrlichen Fremdwörter aus seinen Werken ausmerzten. Ähnlich sind
ja auch andere Schriftsteller vorgegangen, ich nenne nur Gustav Freytag.
Unter den 'Puristen', die Schiller verspottet, sind vor allem Voss und
J. H. Campe zu verstehen. Letzterer hat am meisten getan. Er gab ein
Wörterbuch heraus „zur Erklärung und Verdeutschung der unsrer Sprache
aufgedrungenen fremden Ausdrücke"; zuerst 1801, dann stark vermehrt
und durchgängig verbessert, Braunschweig 1813. In einem Werke, das all
und jedes Fremdwort verdeutschen will, muß natürlich manches unterlaufen,
was unbrauchbar ist, und es ist nichts leichter, als sich über Campe lustig
zu machen. Trotzdem kann sein Werk noch heute von großem Nutzen sein,
weil man in ihm, wenn nicht die richtige Verdeutschung, doch diejenige
findet, die auf den richtigen Weg weist. Viele seiner Vorschläge verdienten
auch heute noch wieder aufgenommen zu werden.
Seinem Verdeutschungswörterbuche hat Campe seine Preisschrift voran-
gestellt: Grundsätze, Regeln und Grenzen der Verdeutschung, eine Schrift,
die noch heute lesenswert ist und durchaus richtige Grundsätze vertritt.
Campes Tätigkeit ist noch nicht recht gewürdigt, und es läßt sich nicht
übersehen, was er wirklich geleistet hat. Er hat ja in seinem Wörterbuch
sein Eigentum durch das Zeichen o und OA gekennzeichnet, und man müßte
daher einmal alle diese Wörter zusammenstellen. Eine große Menge davon
ist heute durchgedrungen.
Campe hat tatsächlich kräftig gewirkt, und wir können seine Arbeit
bei Wieland, Jean Paul und selbst bei Goethe verfolgen. — In den
Zeiten, als Preußen zertrümmert war, kam Campe wie gerufen. Fichte,
Arndt, Jahn treten für Reinheit der deutschen Sprache ein; und auch in
der Zeit nach den Freiheitskriegen setzt sich die Bewegung fort. Ich kann
diese Sache nicht übersehen und bemerke nur, daß man damals auch
Zigarre mit Glimmstengel verdeutscht hat, ein Wort, das heute nur noch
eine spöttische Bedeutung hat, das aber G. Keller in der ersten Auflage
•des grünen Heinrich ernsthaft gebraucht.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 11
162 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
im letzten Teil des 19. Jahrhunderts hängt das Wiederaufleben der
Sprachreinigungsbestrebuiigen mit der Errichtung des Deutschen Reiches
und mit dem zunehmenden Bewußtsein vorn Werte des deutschen Wesens
zusammen. 1885 wurde der deutsche Sprachverein gegründet, der es sich
unter anderm auch zur Aufgabe gesetzt hat, den deutschen Wortschatz zu
reinigen. Er hat trotz mancher Übertreibungen seit dieser Zeit segensreich
gewirkt. Um die Verdeutschung zu erleichtern, hat er eine Reihe von Ver-
deutschungswörterbüchern herausgegeben, in denen manche gute Ver-
deutschung zu finden ist. Daß man darin auch oft genug über das Ziel
geschossen hat, ist selbstverständlich.
Wer die Geschichte der Fremdwörter und der Bestrebungen zu ihrer
Vermeidung überblickt, dem treten eine Reihe von Erscheinungen sofort vor
Augen. Die Fremdwörter kommen in Fülle durch die gelehrte Bildung, und
daher sind sie reichlich vorhanden in der Sprache der Gebildeten, während
die des Volkes verhältnismäßig arm an ihnen ist. Von den erstem lassen
sich zweifellos unendlich viel beseitigen, und man kann sicher ein gutes
wissenschaftliches Buch schreiben, ohne allzu viele Fremdwörter zu gebrauchen.
Auf diesem Gebiet sollte sich jeder Mühe geben, ein möglichst reines Deutsch
zu schreiben, schon aus dem einfachen Grunde, weil er nur so allen ver-
ständlich werden kann. Man bedenke, daß den Frauen im allgemeinen die
Kenntnis des Lateinischen und Griechischen abgeht, und daß sie daher
über viele Fremdwörter stolpern.
Ist aber ein Fremdwort erst einmal ins Volk eingedrungen, so sollte
man es aufgeben, es zu beseitigen. Das Volk schafft ja auch meistens sehr
bald die nötige Eindeutschung, die die fremde Herkunft verschleiert.
§ 113 a. Das Obersetzungslehnwort. Wir stehen seit mehr als einem Jahr-
tausend unter dem Einfluß des Lateinischen und andrer romanischer Sprachen.
Wir haben viele fremde Wörter herübergenommen und viele haben Bürger-
recht bei uns gewonnen, während andere durch die oben geschilderte Tätig-
keit einzelner Männer mit Mühe wieder entfernt sind. Es gibt aber noch
einen andern Weg, und es hat stets einen andern gegeben, nämlich den^
die fremden Wörter gleich zu verdeutschen, d. h. also das Fremdwort ist nie
ins Deutsche eingedrungen, vielmehr ist von Anfang an die Verdeutschung
gebraucht worden. Zweifellos handelt es sich hier meist um Ausdrücke, mit
denen ein neuer Begriff verbunden war. Man nennt dies nicht ganz
treffend Cbersetzungslehnwort. Zahlreiche Beispiele kann man aus den Auf-
sätzen von S. Singer, ZfdW. 3, 220; 4, 125 entnehmen.
Hierher gehören wohl:
allmäditig, I. omnipotens; — den Geist aufgeben, 1. reädere animam, frz. rendre
l'äme; — Ausdrudi, Uz. expression; — Ausfuhr, hz. Export; — Ausstellung, Uz.
exposition; — begreifen. \. comprehendere. Uz. comprendre; — Blinddarm. \. coecum
intestinum; — Brief xvcdisel. Korrespondenz; — Dampf sdiiff, e. steamboat; —
Dreibund, Tripelalliance; — Durdilaudit, \. illustris; — Ehrenpunkt, Uz. point
d'honneur: — Eindrudt, 1. impressio; — Einkommen, e. income; — Eisenbahn^
§ 113a. Das Übersetzungslehnwort. § 114. Allgemeines. 163
Uz. chemin de fer; — Hnte 'falsche Nachricht', ixz. canard; — Entartung, \. degene-
ratio; — entwickeln seine Gedanken, \. explicare, Uz. expliquer; — entziffern, Uz.
dediiffrer; — Erlöser, 1. redemptor; — Fortsdiritt. 1. progressus, Uz. progres; —
Gegend, Uz. contree; — Gesiditspiinkt, Uz. point de vue, 1. punctum visus; —
Gleidigewidtt, \. aequilibriuni; — tote Hand, 1. nianus mortua; — Kriegspfad,
e. warpat/i; — auf dem Laufenden bleiben, Uz. rester au courant; — Lockspitzel ,
Uz. agent provocateur; — gute Miene zum bösen Spiel machen, Uz. faire bonne
mine ä mauvais jeu; — Nichtstun, ital. far niente; — Rücksicht, 1. respectus; —
Sammetpfötdien. Uz. patte de velours; — sdiöne Seele, Uz. belle äme; — Sdiutz-
und Trutzbündnis, Offensiv- und Defensivbündnis; — Selbstverwaltung, c. self-
governement; — Spiel des Zufalls, Uz. jeu da hasard; — Stammbaum, 1. arbor
generationis; — stehenden Fußes, 1. staute pede; — Tagesordnung, Uz. ordre du
jour; — Thronrede, e. speedi from the throne; — Trinkgeld, Uz. pourboire u. v. a.
Auf der andern Seite kann sich bei einem deutschen Wort unter dem
Einfluß eines fremden eine besondere Bedeutung entwickeln, d. h. bei einem
fremden Wort, das einem deutschen in einer Bedeutung entspricht, finden
sich auch andere Bedeutungen, und nun gebraucht man im Deutschen auch
die sonstigen oder wenigstens eine andere Bedeutung. Das frz. repondre
heißt im Deutschen antworten, es bedeutet aber auch 'entsprechen , und
so ist es kein Wunder, wenn ein Schweizer Sprachforscher sagt: dies Wort
antwortet dem und dem, statt entsprlclit. Einen der ältesten Fälle dieser
Art haben wir wohl in unserem deutschen lesen. Es bedeutet zweifellos
zunächst 'sammeln' und entspricht so lat. legere. Da dieses aber auch die
andere Bedeutung 'Buchstaben zu Sinn und Bedeutung zusammenfassen'
hat, so ist diese auch im Deutschen entstanden. Wir haben es also mit der
Entlehnung einer Bedeutung zu tun.') Zahlreiche Beispiele findet man in
den genannten Singerschen Aufsätzen.
Neuntes Kapitel.
Die Entwicklung des deutsciien Wortschatzes
in einigen Hauptzügen.
§ 114. Allgemeines. Wir haben in den bisherigen Abschnitten gesehen,
daß sich der deutsche Wortschatz in drei Grundbestandteile zerlegen läßt,
in die aus vorgeschichtlicher Zeit stammenden Grundwörter, mit denen man
die Fälle von Urschöpfung vereinigen kann, in die Ableitungen und Zu-
sammensetzungen, mit deren Hilfe die Sprache immer neue Worte schafft,
und in die Lehnwörter. Es erschien uns in der ersten Abteilung nicht von
wesentlicher Bedeutung, ob ein Wort außerhalb des Germanischen in
mehreren Sprachen, oder ob es nur in einer belegt war; ja selbst die erst
') Gewöhnlich erklärt man die Bedeutung aus dem Lateinischen entlehnt ist. Das Eng-
■lesen' aus dem Sammeln und Zusammen- lische hat die alten Ausdrücke read, eig.
setzen der Runen. Aber die gegebene Er- 'raten', und write, eig. 'ritzen',
klärung ist wahrscheinlicher, weil schreiben
ir==
164 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung dls deutschen Wortschatzes.
im Germanischen auftauchenden nicht ableitbaren Worte konnten wir nicht
als von andrer Art ansehen als die zuerst genannten. Wollen wir nun zu einer
Geschichte der Entwicklung des deutschen Wortschatzes gelangen, so stoßen
wir dabei mangels Vorarbeiten auf vorläufig unüberwindliche Schwierigkeiten.
Der Wortschatz ist nichts Festes, sondern etwas ewig Wechselndes.
Zu allen Zeiten vergehen Worte, und alle Zeiten bringen neue Ausdrücke
hervor. Sicherlich gibt es hierin Unterschiede. Zeiten großer Ereignisse,
neuer Erfindungen, sozialer und politischer Umwälzungen, gesteigerter
literarischer Tätigkeit sind zweifellos für das Aufkommen neuer Worte be-
sonders bedeutungsvoll. Es gibt Jahrzehnte und Jahrhunderte, in denen
neue Worte, wie im Frühjahr die Knospen nach befruchtendem Regen mit
Macht hervorbrechen, und andere, die im wesentlichen nur von dem Über-
kommenen zehren. Eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des
deutschen Wortschatzes müßte den Anteil, den jedes Jahrhundert oder jeder
bedeutungsvolle Zeitabschnitt an der Bereicherung unsres Wortschatzes ge-
habt hat, klarlegen, indem sie die jeweils neu gebildeten oder neu in die
allgemeine Umgangssprache aufgenommenen Worte zusammenstellt. Leider
ist das heute noch nahezu unmöglich, da so gut wie alle Vorarbeiten fehlen.
Wir können daher nur einige Bruchstücke geben.
Wollen wir zu einer Entwicklungsgeschichte des deutschen Wortschatzes
gelangen, so können wir unter anderm auch den Weg einschlagen, die
Worte nach ihrer begrifflichen Verwandtschaft zusammenzustellen, um dann
zu untersuchen, woher diese stammen. Dabei stoßen wir sofort auf eine
Reihe von Begriffsgruppen, deren Ausdrücke wesentlich aus dem Indo-
germanischen herrühren, während dies bei andern weniger der Fall ist. Da
jene die Grundw^örter der Sprache bilden, so wird es verständlich, daß wir
diese besonders stark heranziehen.
§ 115. Zusammenstellung der Worte nach Begriffsgruppen. Stellt man die
Wörter einiger Begriffsgruppen ihrer Herkunft nach zusammen, so ergibt
sich, daß bei einigen fast alle aus dem Indogermanischen stammen, so
z. B. bei den Zahlwörtern bis 100. Daraus kann man ohne weiteres folgern,
daß die Indogermanen schon bis hundert gezählt haben, was immerhin
eine nicht so ganz selbstverständliche Erkenntnis ist. Und so geht es
weiter, überall lassen sich aus den sprachlichen Erscheinungen kultur-
geschichtliche Erkenntnisse ableiten. Schon J. Grimm hat für eine derartige
Betrachtungsweise in seiner 'Geschichte der deutschen Sprache' die Wege
gewiesen, und es hat sich daraus eine eigene Wissenschaft, die indo-
germanische Altertumskunde entwickelt. Als einen Teil ihrer Aufgabe kann
man die Untersuchung der Frage betrachten, inwieweit sich aus den im
Indogermanischen nachzuweisenden Worte Schlüsse auf die Kultur der Indo-
germanen ziehen lassen. Freilich ist diese Frage noch nicht zur Genüge
beantwortet. Während man früher frohen Mutes einfach die Worte zusammen-
stellte und daraus seine Folgerungen zog, ist man heute skeptisch geworden.
§115. Zusammenstellung der Worte nach Begriffsgruppen. 165
Manche Forscher bezweifeln sogar die Möglichkeit ganz, mit Hilfe der
Sprache etwas zu ermitteln. Der Grund an diesem Zweifel liegt vor allem
darin, daß uns Arbeiten über den Wortschatz der Einzelsprachen fehlen, die
diesen ohne vorgefaßte Meinung zusammenstellen und auf seine Trag-
fähigkeit untersuchen. Und daher hoffe ich, in dem folgenden Abschnitt
auch nach dieser Richtung etwas bieten zu können.
Anmerkung 1. Die Hauptwerke über die indogermanische Altertumskunde sind:
PiCTET, Les origines indoeuropeennes, 2. Auflage, Paris 1877; veraltet, aber wegen des darin
enthaltenen Sprachstoffes noch immer wertvoll. — O. Schrader, Sprachvergleichung und
Urgeschichte, 3. Auflage, Jena 1907. — O. Schrader, Reallexikon der indogermanischen
Altertumskunde, Straßburg 1901, -1. Lieferung 1917. Diese beiden Bücher, namentlich das
letztere, enthalten viel sprachliches Material. — H. Hirt, Die Indogermanen, ihre Verbrei-
tung, ihre Urheimat und ihre Kultur, 2 Bände, Straßburg 1906, 1907. Ich gebe mit den
folgenden Zusammenstellungen eine gewisse Ergänzung zu meinem Buch. — S. Feist,
Kultur, Ausbreitung und Herkunft der Indogermanen, 1913. — Auch Fr. Kauffmann,
Deutsche Altertumskunde 1, 1913, in diesem Handbuch 5, 1, bietet wertvollen Stoff.
Der erste, der den germanischen Wortschatz nach seiner Herkunft ge-
ordnet und betrachtet hat, war Ernst Förstemann in seiner Geschichte des
deutschen Sprachstammes, 2 Bände, Nordhausen 1874 f. Doch ist dieses
Werk völlig veraltet. Einwandfreies reiches Material findet man bei M. Heyne,
Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer: 1. Das deutsche Wohnungswesen,
1899; 2. Das deutsche Nahrungswesen, 1901; 3. Körperpflege und Kleidung
bei den Deutschen, 1903; die beiden letzten Bände sind leider nicht er-
schienen. Dazu noch M. Heyne, Das altdeutsche Handwerk; aus dem Nach-
laß; 1908. Als Bearbeiter des deutschen Wörterbuchs hat Heyne natürlich
der Sprache seine besondere Aufmerksamkeit zugewendet, und es findet
sich daher in diesen Büchern manche feine Bemerkung über den Wortschatz.
In neuerer Zeit haben namentlich der Anglist Hoops und seine Schüler
der systematischen Untersuchung des altenglischen Wortschatzes ihre Auf-
merksamkeit zugewendet. Es sind uns eine Reihe tüchtiger Arbeiten be-
schert worden, die auch der deutschen Etymologie zugute kommen. Diese
Arbeiten werden seinerzeit genannt werden. Natürlich ist es nicht möglich,
die Lücken auf diesem Gebiet in diesem Buche vollständig zu ergänzen,
auch würde eine umfassende Darstellung des Wortschatzes nach dieser
Richtung weit über den zur Verfügung stehenden Raum hinausgehen.
Anmerkung 2. Da dem Lehrer nur das Lateinische und Griechische geläufig ist,
beschränke ich mich bei der Angabe der Etymologien, wenn nicht besondere Umstände
anderes erfordern, auf die Heranziehung dieser beiden Sprachen, und verweise im übrigen
auf die etymologischen Wörterbücher. Im Germanischen führe ich die älteste Form an,
also wenn die gotische belegt ist, diese neben der althochdeutschen. Von den nichtdeutschen
Dialekten ist nur das Englische systematisch berücksichtigt worden, wie es dem Bedürfnis
entspricht. Auf die Anführung von Literatur muß ich in der Hauptsache verzichten.
§ 116. Die Zahlwörter. Die Grundbestandteile unsrer Zahlworte sind indo-
germanisch. Sie haben sich in fast allen Sprachen gut erhalten, insbesondere
stimmen alle germanischen Dialekte gut überein.
Eins, got. ains, ahd. ein, e. one, lat. äniis, gr. oh'»] {oine) 'die Eins auf dem Würfel'.
166 Neuntes Kapitel. Die Hntwicklung des deutschen Wortschatzes.
Zwei, got. twai in., twos f., iwa n., alid. zuwiir m., zwo f., zwei n., e. two, \.dtio,
gr. livo (dyo).
Anmerkung 1. zweite ist eigcntlicli eine Art Kullcktivnm und stellt für zweine, das
nach zwe umgestaltet ist. Diese Form steckt noch in zwanzig, ahd. zweinzu^, Q.twenty.
Es ist der Bildimg nach mit lat. bini zu vergleichen, vgl. Bhugm.ann, Abh. d. Silclis. Ges.
d. Wiss. 25 Nr. 5 S. 24 und 34.
Drei, got. preis, Ntr. jjrijn, ahd. dne, e. three, lat. tres, gr. rorU (trPs), idg. *trejes.
\ 'ier , giii.fidiz'or, ahd. fior.c.fotir. lat. qnntttior, gr. jhuojFc {tettares). der. iiroftf(;{tetores).
I'ürif, got. ahd. /im/, *:. /ive, \a[. qiiinque, gv. .ihiy (pente).
Seiiis, got. saifis. ahd. se/is, e. six, lat. v<>^.v, gr. /.; (hex).
Sieben, got. ahd. 5/6«//. c. seven, \a[. Septem, gr. .'.Tra {heptä).
Aefit, got. ahtaii, ahd. fl///o, c. ^/^//^ lat. octü, gr. oÄir»/; {oktö).
Neun, got. ahd. ///////, c. nine, lat. novem, gr. f'n/« [enn^o).
Zehn, got. taihiin, ahd. zehan, e. /f//, lat. decem, gr. fV'^;« idcka).
Eine besondere Ei^i^entümlichkeit des germanischen Zahlensystems bilden
die Zahlen W/ und zwölf, got. ^z//////, twalif, e. elleven, huelf. Während
diese in allen andern Sprachen durch Zusammenrückung von 1 und 10,
2 und 10 gebildet werden (lat. u/idecim, diiodecini), zeigt das Germanische
ein Element lif, das bisher noch nicht erklärt ist.
Anmerkung 2. Im Litauischen wird ganz entsprechend lika gebraucht, aber bis
zur 19. Ich glaube, daß hier ein etymologischer Zusammenhang besteht.
Wahrend man früher an dieser Erscheinung aciillos vorüberging, hat Jon. SCH.MIDI,
Die Urheimat der Indogermancn und das europäische Zahlensystem, Abhandlungen der
Berliner Akademie 1890. darauf hingewiesen, daß wir es bei diesen Zahlworten mit den
Spuren einer Zwölferrechnung zu tim haben. Wir finden wie nach 12 im Germanischen
auch einen Einschnitt nach 60: go{. saihstigjus, ahd. sehsziig. aber 70 usw. goi. sihiintr-
hiind, ahd. sibunzo. altsächs. antsibunta, ags. hiindseo/ontig, und drittens kommt hinzu, daß
das alte Zahlwort für 100, got. hnnd = lat. centiim, gr. t:«a>'>r (hekaiön). vielfacii 120 be-
deutet. Spuren dieser 12/60 er Rechnung finden sich auch im Griechischen und Lateinischen.
Joh. Schmidt sieht darin einen Einfluß der baoylonischen Rechnung; vgl. noch Hirt, Die
Indogermancn 2, 534.
Die Zehner sind also ursprünglich von 20 — 60, jetzt bis 90, mit einem
Element -zig, ahd. -zig, -ziig, got. -tigjus, engl, -ty zusammengesetzt, dessen
erste Silbe nach den Gesetzen der Lautverschiebung zu lat. decem, gr. öty.n
(deka) stimmt. 1) Die klassischen Sprachen weichen vom Germanischen ab,
indem sie ein Element lat. -gint-, gr. -xorr- {-kont-) anfügen, das wohl aus
'■■(de)komt entstanden ist (siehe unten) und also auch mit zehn zusammen-
hängt. Im Germanischen sagte man also 'zwei Dekaden, drei Dekaden' usw.
Weiter war im Indogermanischen ein Zahlwort für /zw/zö'^/'/^ ausgebildet:
got. hiind == lat. centiim, gr. fxaTÖr (hekatön). Dies ist wahrscheinlich aus
'■{de)k»)föm entstanden und bedeutet eigentlich 'eine Zehnheit' sc. von
Zehnern. Wir gebrauchen in hundert jetzt eine Zusammensetzung, die zwar
erst im 12. Jahrhundert belegt ist, aber da sie auch in den übrigen ger-
manischen Sprachen erscheint, sehr viel älter sein dürfte: as. hunderod,
ags. e. hundred, anord. hundrad. Den zweiten Bestandteil stellt man ge-
wöhnlich zu got. rapjan 'zählen, rechnen', wobei mir die Bildung nicht klar ist.
') In dreißig und vierzig ist das alte t verschieden verschoben worden.
§116. Die Zahlwörter. 167
Unser deutsches Wort tausend, ahd. diisiint, got pusnndi, e. thousand
hatte ursprünglich keinen Zahlenwert, sondern bezeichnet 'eine große Menge',
vgl. Hirt, Idg. Forsch. 6, 344. Es gehört zu einer Wurzel, die auch in
Daumen u. a. steckt.
Ebenso wie die Kardinalien sind auch die Ordinalien zum größten Teil
indogermanisch. Ein Ordinale zu eins als unmittelbare Ableitung gibt es in
keiner Sprache. Es finden sich dafür vielmehr Ausdrücke wie der vorderste.
Unser erster, ahd. as. eristo, ags. aresta ist der Superlativ zu eher, ahd. eriro
^der frühere', got. airiza. Engl, first ist unser Fürst, ahd. furisto, eigentlich
■'der vorderste', zu dem Stamm vor, für.
Der Ausdruck zzveiter ist eine späte Bildung des 15. Jahrhunderts.
Früher gebrauchte man dafür ander, ahd. andar, e. other, got. anpar 'der
•eine von zweien', das zu lit. ahtras, preuß. antars 'der andere' gehört.
Der dritte, vierte usw. werden jetzt mit einem Suffix -t gebildet, das
auf idg. -to, vgl. lat. sextiis, zurückgeht.
Außerdem gibt es noch eine Reihe von Zahlwortbildungen, die dis-
Iributiven Zahladverbien, in betreff derer ich auf die Handbücher verweise.
Während für die Begriffe von drei an nur ein Ausdruck besteht, haben
wir für eins und zwei mehrere.
Eins bedeutet wohl ursprünglich das alleinstehende Einzelding. Da-
Tieben gibt es noch ein anderes Wort, gr. ek [hes) aus '■sems, lat. sem in
singiili, das nach dem damit verwandten d. samt, ahd. samant; zusammen,
sammeln, gr.utia (hdma) die eins bedeutet, die aus der Vereinigung mehrerer
Dinge entstanden ist. Wir besitzen es nur in der Bedeutung 'immer' in Singrün
^Immergrün', Sündflut umgedeutet aus ahd. sinvluot. Dazu auch engl. some.
Zzuei ist wahrscheinlich die zwei, die aus einer Einheit entstanden ist,
vgl. entzwei. Für eine andere Art der Zweiheit, des Paares, haben wir das
Wort beide, dessen erster Bestandteil xmigx.ufi-q}co {ämpho),\2i\..ambo zn-
sammenhängt. Das de ist der Artikel, ohne den das Wort erscheint in got.
■bajops, ags. begen. Engl, both ist aus bath entstanden und entspricht unserm
beide. Näheres bei Weigand s. v. Ein dritter Ausdruck, der in lat. vi-ginti,
gr. el'-y.ooi {ikosi) steckt, ist im Germanischen verloren gegangen. Man hat
^s in Weih{e), eig. Gabeliweih) gesucht.
Von den Zahhvorten sind eine Reihe von Worten abgeleitet, in denen man jene nicht
mehr erkennt, nämlich Zwirn, mhd. zwirn m. 'zweidrähtiger Faden', e. ^wm^ 'Zwirn'; —
zwischen, ahd. in zwisken, untar zwisken, e. betwixt 'zwischen'; — Zweig, ahd. zwigm.,
«. twig: — Zwiesel l. 'Gabel', ahd. zwisila f. 'Gabel, gabelförmiger Zweig' u. a. Von drei
stammt Drell, das wahrscheinlich aus einem altern -'drinal entstanden ist, vgl. ahd. zwinal
'gemellus', wovon ahd. zwiniling (engl, twinling), jetzt Zwilling, danach Drilling.
Zwist, t.twist; — Zwitter, ahd. zwitarn 'Kebskind'; — Zwilch. Zwillich, Drildi, Drillidi
'Gewebe aus zwei, drei Fäden', gehen auf ahd. zwilih, drilih 'zwei-, dreifach' zurück,
■die Nachbildungen des lat. bilix, trilix 'zwei-, dreifädig' sind. In niederdeutscher Form
liaben wir Twenter 'zweijähriges Pferd' aus twe-winter, wie lat. bimus aus bihimiis. Durch
Umdeutung sind wohl Eimer, ahd. eim-bar, gr. lat. amphora und auch wohl Zuber,
^hd. zwibar, mnd. tnbbe entstanden.
168 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Außerdem i^ibt es noch eine Reihe von Zahlwörtern, die ursprüni^Hch etwas
anderes bedeutet haben und erst aUmäiiHch zu ihrer Bedeutuni^ «gekommen sind :
Mandel, iirspriinj^lich 'üetrcidcliaufcn', also zusamincngcstclltc üarbcn von 15 Stück;
unklarer Herkunft: zu Manny -- Stiege "20 Stück'; unklarer Herkunft; auch im Krim-
jjotischen als stega. — Sciiock, mhd. sdioc m. 'Haufe', ursprünglich wohl ein Oetreide-
haufen von 60 Garben. — Wal! m. '80 Stück', bes. im Fischhandel, zurückgehend auf got.
Wallis 'Stab', d. h. also, soviel Fisclie als auf einen Stock gehen. — Zimmer n. "ein
Schock", oder 40, .50 Felle (im Pelzhandcl), mhd. zimber '40 Stück Pelzwerk', anord. timbrn.
Entlehnt engl, timber. U7.. timbrc '40 Pelze'. Fig. woiil 'Stapel' und eins mit Zimmer.
Über die eigentHche Bedeutung der Grundzahlworte wissen wir immer
noch so gut wie nichts. Die eben erwähnten Zahlworte geben aber Anhalts-
punkte, wie man sich ihre Entstehung zu denken hat.
Kulturgeschichtlich wichtig bleibt es, daß wir bei den Indogermanen und
Germanen die ausgesprochene Zehnerrechnung finden, die nur durch ein
Zwölfersystem gekreuzt wird. Dagegen fehlt die Zwanzigerrechnung bei
ihnen, die sonst in Europa mehrfach vorkommt, vgl. z. B. fr. quatre-vingt.
Siehe darüber Hirt, Die Indogermanen 2, 531 ff.
Entlehnungen sind auf dem Gebiete der Zahlworte nicht häufig, aber durchaus
nicht ausgeschlossen. So wird im Spütmittelhochdeutschen Dutzend aus frz. douzaine,
doppelt aus frz. double im Frühncuhochdeutsciien entlehnt. Schon in ahd. Zeit erhalten wir
Dedier m. '10 Stück', das sich noch heute im Pelzhandel findet, aus 1. decuria. Die Aus-
drücke für die hohen Zahlen, Million, Milliarde, gehören der neuern Zeit an, ersteres^
dem 17., letzteres dem 19. Jahrhundert. Man sieht, wie wir allmählich rechnen gelernt haben.
Unsere Zahlzeichen nennen wir bekanntlich die arabischen, weil sie
durch Vermittlung der Araber zu uns gekommen sind. In Wirklichkeit sind
die Inder die Erfinder. Auch hierfür zeugt die Sprache. Unser Ziffer ist das
arab. (ifr 'Null' und dies eine Übersetzung des altindischen sunja- 'leer'.
Im 15. Jahrhundert findet es sich im Deutschen und geht um 1500 in die
jetzige Bedeutung über. Für Null selbst entnehmen wir das ital. nulla eig.
milla res, zuerst 1514.
Die Zahlen sind in ihrer Bedeutung wenig veränderlich. Nur in zwei
Fällen haben sie sich merkwürdig entwickelt. Wir sagen eine böse Sieben
für 'böse Frau', und ei der Tausend. Die erste Ausdrucksweise geht auf
das Karnöffelspiel zurück, in dem die Sieben eine Freikarte war, die alle
andern stach. 1588 zeigt sich unter der Sieben die Gestalt eines bösen
Weibes. Die zweite Redensart geht wohl auf Tausendkünstler zurück und
meint den Teufel.
§ 117. Die Körperteilnamen.
Literatur: C. Pauli, Die Körperteile bei den Indogermanen, Programm, Stettin 1867. —
O. SCHRADER. Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde S. 464. — Ad. Hollenberg,
Sprachliche Untersuchungen, besonders etymologischer und onomatischer Art, angeknüpft
an die deutsche Benennung des menschlichen Körpers und seiner Teile, Gütersloh 1895. —
W. T. Arnoldson, Parts of the body in older Germanic and Scandinavian, Chicago 1915. —
F. Thöne, Die Namen der menschlichen Körperteile bei den Angelsachsen, Diss. Kiel 1912.
Auf keinem Gebiet, von den Zahlworten abgesehen, läßt sich der
deutsche Wortschatz so häufig bis in die indogermanische Grundsprache
§ 117. Die Körphrteilnamen. 169
zurückverfolgen wie auf dem der Körperteilnamen. Das beruht darauf, daß die
Indogermanen die Tiere, die sie aßen, stets selbst zerlegten, und daß daher
Ausdrücke für alle einzelnen Glieder und Teile vorhanden waren. Sie
blieben auch dauernd erhalten, weil in dieser Tätigkeit keine Veränderung
des Lebens eintrat. Erst in der neuern Zeit findet ein völliger Wandel statt,
und da sicher viele Menschen heute nie das Innere eines Tieres gesehen
haben und nie sehen werden, so wird ihr Wortschatz auf diesem Gebiete
Einbuße erleiden und hat ihn schon erlitten.
Die Fülle der alten Ausdrücke dürfte billig in Erstaunen setzen. Trotz-
dem gehen auch hier die Worte nicht durch alle Sprachen hindurch, ja
einige germanische Ausdrücke lassen sich bis jetzt noch nicht in andern
Sprachen nachweisen. Da sie 'indessen wie die andern altertümlich aus-
sehen, so ist nicht etwa anzunehmen, daß diese Worte erst im Sonderleben
des Germanischen neu gebildet seien, sondern wir müssen voraussetzen,
daß die übrigen Sprachen die Ausdrücke verloren haben. Wahrscheinlich
haben eben für gewisse Teile des tierischen Körpers mehrere Ausdrücke
bestanden, wie dies noch heute in der Jägersprache der Fall ist. Als man
im Laufe der geistigen Entwicklung immer mehr zusammenfaßte, gingen
einzelne Ausdrücke allen Sprachen verloren, ebenso wie das Germanische
einzelne Bezeichnungen verloren hat. Natürlich gibt es auch einige junge
Ausdrücke, namentlich für Körperteile, die man nicht gern nennt, und auch
Entlehnungen, aber es tritt dies doch sehr zurück.
Es dürfte am besten sein, die Worte alphabetisch geordnet vorzuführen.
1. INDOGERMANISCHE BESTANDTEILE.
Adisel, alid. ahsala f., lat. ala 'Flügel', dim. axilla 'Achselhöhle'. Dazu mit Ablaut Schweiz.
Üedis, ahd. uodiisa.
Ader, ahd. adara f. 'Ader, Sehne', zu gr. i)Ton {wtor) 'Herz', i'iioor {<etron) 'Bauch'; ur-
sprüngliche Bedeutung wohl 'Eingeweide'.
Anke 'Nacken', ahd. anka 'Genick', got. halsagga 'Nacken', gr. ayy.wr {aukön) 'Ellenbogen'.
Arm, ahd. ö/7?z, t. arm, got. ar ms, lat. armiis 'der oberste Teil des Oberarms, Schulter-
blatt, Vorderbug'.
Arsdj, ahd. nrs, e. arse, gr. oooo,- (örros) m. 'Steißbein, Bürzel'.
Auge, ahd. ouga, c. eye, got. augo. Die Etymologie ist schwierig. Die Verbindung mit
lat. oculus, gr. nam {össe) ist lautlich nicht möglich, man müßte "'ago oder ''awo erwarten.
Manche nehmen nun an, daß die Form Auge aus diesen beiden Formen kombiniert
sei, andere, daß das au von dem Wort Ohr, got. auso stamme. Beides sind aber nur
Notbehelfe. So hat man denn das Wort ganz von lat. oculus getrennt und zu ir. üag
'Höhle' aus aug- gestellt. Besonders auffallend wäre es nicht, wenn bei den Germanen
ein besonderes Wort für 'Auge' aufträte, da man ja in der Jägersprache noch heute ver-
schiedene Ausdrücke besitzt.
Badie, zwei verschiedene Worte. Ahd. badio. auch in kinnibadio, gehört zu gr. (fayd)y
(phagdn) (Hesych) 'Kinnbacken'; mhd. arsbad^e ist gemeingerm., tng\. badi 'Rücken'
und wird mit air. öacr 'Haken, Hacke, Krummstab' verbunden, ist also wohl euphemistisch.
Balg, ahd. balg m. (/-Stamm), eig. 'die abgezogene Tierhaut', daher got. öö/^5 'Schlauch',
e. bellows 'Blasebalg', gehört zu lat. follis 'lederner Schlauch'. Wenn das Wort zu ahd»
belgan 'aufschwellen' zu stellen ist, so wäre die Bedeutung 'Schlauch' als ursprünglich
anzusehen.
170 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Bart, ahd. hart, c. beard, lat. harba (eigentlich erwartete man '^farba, doch hat hier eine
Assimilation stattgefunden).
Braue, ahd. brawa, daneben anord. bntn 'Augenbraue' mit re^relrechtem Ablaut, zu gr.
''.f/oiv (ophrys). abg. brnv, kelt. briva iiriicke'.
Bregen, Lehnwort aus dem Ndd., mndd. bregen, engl, brain, von J. Sch.midt, Kritik der
Sonantentheoric, überzeugend wieder zu gr. ßo^yna {bregmä), fioF/im (bn'khma), ßnryuö^:
(brekhrnds) 'Vorderkopf' gestellt.
Bug, ahd. buog 'Obergelenk des Arms. Achsel, Obergclenk des Beines. Hüfte, Bug der
Tiere', e. bough 'Ast' und bow 'Bug des Schiffes' zu gr. .yij/;i\- (pakhys) (aus phökhys)
'Ellenbogen, Unterarm. Armbug'.
Darm, ahd. riarm zu gr. ro«/««- (trämis) 'der enge Raum zwischen den Beinen, vom After
bis zur Scham". Entfernt verwandt ist vielleicht auch gr. Tot',ii,t {tniina) 'Loch, Öffnung'.
Daumen, ahd. dnmo, e. thitmb zu aind. tutunu'ih 'stark'.
Dickbein, ahd. dioh 'Schenkel', c. thigfi zu lit. taiikal 'Fett'.
Izlle, ahd. elina, c. e/l, got. aleina bedeutet eigentlich 'Vorderarm' und gehört zu gr. km*'»;/
(o/enif), lat. ulna. Davon Ellenbogen, ahd. elinbogo.
Enkel 'Fußknöchel', ahd. enkil, e. ankle zu ahd. enka 'Schenkel, Schienbein, Knöchel",
und weiter zu gr. nw: (ijnykhs), I. unguis.
Euter, ahd. utar. e. udder zu gr. orOan (utliar). lat. aber, aind. ndhar.
Faust, ahd. //<5^ t. fist aus ''funhstis zu ^hg. prsti 'Faust'.
Feder, z\\A. fi'dara, t. feather zu gr. .-ir^por (pterön), ahg. per o aus *petro 'Feder'.
/•>//, ahd./VV •Haut". &. feil. got. -//// 'Haut' zu \a{. pellis.
Ferse, ahd. fersana zu gr. .Tr.w>iYi (pterna) 'Ferse, Schinken', lat. perna 'die Hüfte nebst
dem Fuße. Hinterkeule', aind. pär<nih 'Ferse'; im Englischen dafür heel 'Ferse', das
wohl mit Haäien zusammenhängt.
Fleisdi, ahd. fleisk, e.flesh. Die ursprüngliche Bedeutung ist wohl 'fettes Fleisch", weil
ags. flicce, e. flitdi 'Speckseite" verwandt zu sein scheint. Weiter dazu vielleicht der
Stamm von lit. pältis 'Speckseite'.
Fuß, ahd. fuoi, e. foot, got fötus zu lat. pts, gr. .toi's- (piis).
Fut 'cunnus', erhalten in Hundsfott, \a\. praepütium, \\{. paiitas 'Ei, Hode'.
Galle, ahd. galla. c. gall, \at.fel. gr. zo/.i} {kholuK
Garn 'der zweite Magen der Wiederkäuer', ahd. mitti-garni "Fettnetz inmitten der Därme',
zu lit. zärna 'Darm', lat. haru- in hani-spex, gr. y^nißi] (khord(P) 'Darm'.
Gaumen, ahd. goumo, guomo 'Gaumen. Kehle. Rachen", e. gums 'Zahnfleisch', zu lit. ^o-
murls 'Gaumen'.
Giebel, ahd. gibil 'Stirn- oder \'orderseite', got gibla "oberste Spitze, Zinne' zu ahd. ^^^0/
'Schädel. Kopf, urverwandt mit gr. y.Fr/a}.,'j (kephalu) 'Kopf".
Glied, ahd. gilid 'Verbindung. Gelenk", ahd. lith, lid 'Glied', got. lipus, wohl zu \at lituus
'Krummstab des Augurn".
Hadisc (SchweinshadiseriK ahd. hahsa 'Kniebug des Hinterbeins', besonders vom Pferde
gesagt, lat. coxa 'Hüfte', coxim 'kauernd', ir. coss 'Fuß', kymr. cors 'Hüftbein'.
Hals, ahd. got. as. ndl. hals, e. to halse "umarmen", lat. collum.
Hand, got. handus, e. hand, wahrscheinlich indogermanisch: vgl. Blankensten, Idg.
Forsch. 21,99.
Haupt, ahd. houbit. e. head, got. haubip. Neben der Form mit au steht in den Dialekten
eine, die auf idg. a weist, an. höfud. und zu der lat. caput stimmt. Das au stammt ent-
weder aus einer Form mit ähnlicher Bedeutung oder ist alte Ablautsform. idg. '^kwaput.
Haut, ahd. hat, e. hide. lat. cutis, gr. y.vTo- ykytos) 'Haut. Hülle". Auch gr. oyciroc (skytos)
'Haut, Leder", lat scütum 'Schild' gehört dazu.
Herz, ahd. herza, e. heart, got. hairtö, lat. cor. cordis. gr. yamMa (kardia).
Hirn, ahd. hirni "Gehirn", e. dial. harns 'Gehirn', ndl. hersen, Grundform hersnjom, zu
lat. cerebrum aus ceresrom, gr. y.äoipov {kdru^nont aus ' karasnon 'Kopf.
§117. Die Körperteilnamen. 171
Höcker, erst mhd. hoger, dafür alid. hovar. zu lit. kuprä 'Buckel, Höcker".
Hode, ahd. hodo mit mehrfacher Anknüpfung.
Hörn, ahd. got. anord. ags. e. afries. hörn, lat. cornii.
Hüfte, ahd. huf, e. hip, zu gr. y.vßo; {kybos) 'Höhlung vor der Hüfte am Vieh', -y.rßtiw
(kybiton), lat. cnbitiim 'Ellenbogen',
//z 5:"^ /-'das eßbare Eingeweide eines geschlachteten Tieres', zu l.////^5;'(7zfl, lit. {•<c'ö5 'Eingeweide'.
Kehle, z\\<^. kela, lat. gula.
Kiefer, mhd. kiver, kivel 'Kiefer, Kinnbacken', zu awest. zafar- 'Mund'.
Kinn. ahd. kinni, t. chin, got. kinnus mit ursprünglicher Bedeutung 'Wange', wie noch in
Kinnbein, zu gr. ytrv? (genys) 'Kinn, Kinnlade., Kinnbacke', lat. dentes genutni 'Backenzähne.' .
Klaue, ahd. klawa, e. claw, ai. glaiih- 'Ballen', gr. y.ovrrk (gloutös) 'Hinterbacke'.
Knie, ahd. kneo, got. knin, e. knee, mit Sciiwebeablaut zu lat. genii, gr. ;•'.■)■?■ (göny).
Kragen, ursprünglich 'Hals', engl, cra^ 'Hals, Nacken', verwandt mit air. ^ra^^ 'Nacken',
gr. ßgöyxog (bröukhos) 'Kehle, Gurgel'.
Kropf, ahd. kroph, e. cro/; 'Spitze, Kornähre, Ernte', vielleicht zu gr. yof.-rö^ igfypös) 'gekrümmt'.
Z.fl/?/'^«, ahd. /rt/7/7fl 'niederhängendes Zeugstück', e./fl/7 'Schoß', gr./.o/)'o-(/oftÖ5) 'Ohrläppchen'.
lieber, ahd. lebara wird gewöhnlich zu gr. r/.T«o {hd'par), lat. iecur, ai. y^J^)/ gestellt. Doch
macht der Anlaut / Schwierigkeiten. Ganz genau entspricht arm. leard aus *lepard. Es
scheinen zwei verschiedene Wörter vermischt zu sein.
Lende, ahd. lentl. zu lat. lambiis, abg. Icdvija 'Lende, Niere'.
Lippe, nicht mhd., ahd., obd. Lefze, asächs. lepiir zu lat. labiiim.
Mähne, ahd. niana, e. inane. Die ältere Bedeutung war vielleicht 'Hals', wie aus der Ab-
leitung an. men, ags. mene, ahd. menni 'Halsschmuck' hervorgeht. Derselbe Stamm in lat.
momle, altix. muince 'Halskette', aind./wa«/- 'Perlenschnur' und auch aind. wfl/zy<7 f. 'Nacken'.
Mark, ahd. tnarg, e. marrow zu abg. mozg'n, awest. tnazga-, aind. majjän-.
Mund, ahd. miind m., e. mouth, got. munps m. v.'ird gewöhnlich zu lat. mentuni 'Kinn'
mit möglichem Bedeutungsübergang gestellt. Btr. 22. 228 habe ich hiermit gr. oinnc
{Stoma), oTÖiiuTo; {stömatos) vereinigt.
Nabel, ahd. nabalo m. mit Schwebeablaut zu gr. d/iiqpa?.ö; {omphalös), lat. iimbiliciis, air.
imbliu, Ableitung von Nabe.
Nadten, mhd. nadte, ahd. hnak, ags. hnecca mit der Ablautsform, die auch in d. Genick
vorliegt, e. neck zu air. knokk, abret. knoch 'Hügel, Erhebung'.
Nagel, ahd. nagal, e. nail. got. nagljan 'nageln', mit Schwebeablaut zu gr. öVi'if {önyx),
lat. unguis, abg. nogiiti 'Nagel, Kralle'.
Nase, ahd. nasa, e. nose zu lat. nasus, nares, ai. ndsa-, lit. nösis, abg. nosri.
Niere, ahd. nioro, auch 'Hode' bedeutend, gehört mit Schwund eines g, Grundform
*negwros zu gr. vErpnög {nephrös), lat. nefrönes, nebrundines.
Nüster, ndd. nuster, e. nosirils zu Nase.
Ohr, ahd. ora. e. ear, got. auso n. zu lat. auris, gr. oi\- (ms).
ptnis, mhd. fisel, lat. ptnis aus *pesnis, gr. .-li'o,- (peos).
Radien, ahd. (h)racho, e. rao^ 'Schöpsenhals' zu gr. y.rjuyur {kragön) 'laut schreiend'.
Kippe, ahd. /7/7/70, e. r/'ö zu abg. /-^^ro 'Rippe'.
Kücken, ahd. hrukki, e. r/ö^ö^f" zu air. krokenn 'Fell, Rücken', lat. r/v/x.
Sdiädcl. mhd. ndl. sdiedel, vielleicht zu gx. y.oxrh) {kotylce) 'Höhlung, Becher', ai.catvala-
'Höhlung', besser wohl zu Schale, ahd. skala aus *skei1la-.
Sehne, ahd. senawa, e. 5//z^a; zu ai. snävan- 'Band, Sehne'.
Sohle, ahd. 5o/fl 'Fußsohle' zu lat. solum 'Boden, Grundfläche, Sohle", solea; nach andern,
aber kaum wahrscheinlich, entlehnt.
Stirn, ahd. stirna zu gr. oriovor {sternon) 'Brust'.
Vlies, mhd. Vlies, e.fleece. Dazu Flaus. Dazu vielleicht lat. plnma.
Wade, ahd. wado, ursprünglich 'Muskel' bedeutend, wie noch in aisl. vödve; dazu viel-
leicht abg. uda 'Glied' (MiKKOLA, Idg. Forsch. 23, 126). Anders KZ. 41, 396.
172 Neuntes Kapitel. Die Bntwicklung des deutschen Wortschatzes.
Wanst, ahd. wanast zu ai. vaniHhüh "Hin^cwcide*.
Warze, ahd. warza, e. wart zu pcrs. balu 'Warze' aus idg. '^vard', doch sind auch andere
Anknüpfungen mögUch.
Wo lle , alid. ii'oI/a,c.wool, goi.wulla zu la(. /dtui, gr. /.f/v»; (Idnos), abg.v/nna, Wi.vilna, aind. nrna.
Zahn, ahd. zand. e. tooth, got. tim/uis zu lat. dens, gr, öAoi',- (odus).
Zehe,aM.zeha, e. /o^.germ. Grf. Vo/Vi- zu lat. /;fl////.v 'große Zehe' z\xs*hal-doik-s und lat. digitus.
Zunge, ahd. ziinga, e. tongiie, got. /m^^o zu lat. lingiia aus ^dingiia.
2. GERMANISCHE UND DEUTSCHE BESTANDTEILE.
Baiidi, d\\<^. büh, gemeingerm., aber nicht sicher erklärt. Vielleicht zu gr. vro.v»/
(physkii) 'Magen, dicker Darm". — Bein, ahd. ^^/>? n.. engl, bone 'Knochen", welches die
ursprüngliche Bedeutung ist, vergleiche noch Elfenbein, Beinhaus, Gebein. Das Wort ist
bisher in den verwandten Sprachen nicht nachgewiesen, aber gewiß uralt. Verwandtschaft
mit \at. femur halte ich für möglich (Grundform *bhejemen-). — Blase, ahd. blasa 'Harn-
blase'; von blasen. — Blut, ahd. bluot n., engl, blood. — Brust, got. brusts pl., mit Ab-
laut dazu engl, breast (ags. bnost), also jedenfalls uralt, wenn auch in den verwandten
Sprachen nicht sicher nachzuweisen. Vielleicht zu air. brn aus bruso 'Bug', bruinne 'Brust'.
— Busen, ahd. buosani. c. bosom. — Drossel 'Kehle', fast nur noch in erdrosseln.
ahd. droy^a, e. throttle. Daneben mhd. stroy^e, and. strota. — Drüse, ahd. druos, druosi
, Drüse". — Eisbein 'Hüftbein', and. isben. Man hat, aber wohl mit Unrecht, gr. io^iov
(«y^/j/o//) 'Hüftgelenk' verglichen. — Finger, ahd. fingar, c. finger. got. figgrs. — Floni
,das Fett der Eingeweide'; aus dem Niederdeutschen; dazu mhd. flamme 'innere Fetthaut'. —
Gelenk, mhd. gelenke zu Lanke, ahd. hlanka 'Weiche, Lende', e. link 'Kette, Kettenglied'.
\. clingu 'umgürte', a'i. sn.ikhala 'Kette'. — Geweih, mhd. gewige, gewihe zu ahd. wig
'Kampf, zu I. vincere. Dazu auch G^tc/c^;^ 'Geweih'. Eigentlich also 'die Kampfwaffe des
Hirsches'. — Haar, ahd. har. e. hair. — Hadien 'Ferse', niederdeutschen Ursprungs. —
Hanke 'Schenkel des Pferdes", entlehnt frz. handle 'Hüfte'. — Keldi 'Fetthaut zwischen
Kinn und Hals', ahd. keldi, anord. /f/a/^/ 'Kinnlade' zu Kehle. — Knodien, Knödiel,
KnObel (vgl. knobeln) sind unklar. Vielleicht stamm.verwandt mit Knie, grf. -knii-bilas,
so daß eine Zusammensetzung vorläge. Knodien, Knödiel treten viel später auf als Knöbel.
V^ielleicht liegt ein mundartlicher Lautübergang von Labial in Guttural vor. wie in tlügel für
älteres hiibel, Hödier lux älteres hover. — Knorpel, erst spät belegt und mit vielen Neben-
formen. — Kote 'unterstes Gelenk am Pferdefuß", mnd. kote, kiite 'Huf, Klaue'. — Kralle,
erst im 16. Jh. belegt, vielleicht zu kratzen. — Kuttel 'Gedärme', md. kutiln. Wohl zu
got. qifnis 'Bauch'. — Leib, ahd. lib 'Leben', e. life; gehört zu leben. — Leidie, ahd. lih
'Leib, Fleisch", got. /p/ä; 'Fleisch, Leib. Leichnam". — Lunge, ahd. lungunna, t.lungs, eine
ziemlich durchsichtige, in den verwandten Sprachen nicht vorliegende Ableitung zu lit.
lengvas. aind. laghiih 'leicht'. Das indogermanische Wort gr. :r/.svito}%- {pleümön), lat. pulmo
ist verloren gegangen. In Ostdeutschland gibt es für "Lunge" auch ein Lehnwort aus dem
Slawischen. Plauze. — Magen, ahd. niago, e. maw 'Kropf, Magen'. Ich habe gr. (r,Ti'>)ii(t/o;
(stömakhos) verglichen, was unsicher ist. — Maul, ahd. mula, got. in faürmüljan "das
Maul verbinden". — Milz, ahd. milzi n., e. /«///"Milch, Fischmilch'. — Pfote, mx\d\. pote
aus einer Grundform *pauta, worauf auch provenz. /7au/ö weist. — Rist 'Hand- oder Fuß-
wurzelgelenk', e. wrist 'Handgelenk", wohl Abstraktbildung zu ahd. ridan, ags. wridan
'drehen", das wir noch in Rcitel und Reiste und auch wohl in Reihen 'der erhöhte Teil
des Fußes", ahd. nho 'Wade, Kniekehle' haben. — Rumpf, mhd. rümpf, e. rump 'Rumpf,
Steiß'. — Runzel, ahd. runzila. Gleichen Stammes wie mhd. runke, e. wrinkle. — Rüssel.
mhd. rtle^el, von ahd. ruo^^an 'die Erde aufwühlen', ags. wrotan, e. to root 'wühlen wie
Schweine". — Sdieitel. ahd. skeitila 'Kopfwirbel, Scheitel, Haarscheide': junge Bildung
zu sdieiden. — Sdienkel. mhd. ndl. sdienkel zu ags. sceanca, e. shank, und weiter zu
Sdiinken. ahd. skinko. skinka 'Beinröhre, Schenkel". — Sdiläfe, ahd. slaf; wohl zu
sdilaff; vgl. ahd. dunwengi 'Dünnwange". — Sdinauze, ndd. snüte zu sdineuzen. —
§117. Die Körperteilnamen. 173
Schulter, ahd. skultirra, e. Shoulder; niclit sicher erklärt. — Schwarte, mhd. swarte,
swart 'behaarte Kopfhaut', mcngl. sward 'Haut', anord. svördr 'Kopfhaut, Haut, Walfisch-
haut'. — Steiß, ahd. stiu'^, ndl. stuit. Vielleicht zu stoßen. — Tappe, mhd. tape. —
Tatsdie *\\znA\ Nebenform von Tatze, mhd. tatze. — Triel 'Halslappen des Rindviehs",
mhd. fr/WLippe, Mund, Schnauze, Rachen'. — Waffel 'Maul', erst nhd. zu ahd. wuoffan.
e. weep, got. wopjan "laut rufen', abg. vabiti 'herbeirufen'. — Wamme, ahd. wamba 'Baucii,
Wanst', e womb 'Schoß', got. wamba. — Wange, ahd. wanga, e.wangtooth 'Backenzahn',
got. waggareis 'Kopfkissen'. — Zagel, ahd. zagal 'Schwanz der Tiere, Stachel der Biene',
e. tail, got. tagt 'Haar'.
Dazu kommt eine kleine Anzahl neuerer Bildungen, die teils auf Euphemismen be-
ruhen, wie After, ahd. aftaro, eigentlich substantiviertes Adjektiv von ahd. rt//or 'hinten'; —
der Hintere u. a.; teils auf Übertragungen wie Schwanz, ahd. swanz 'Schleppe, Schwanz'
zu scfiwingen; — Sdiweif, ahd. sweif 'Umschwung, Besatz eines Kleidungsstückes, Schwanz'
zu schweifen; — Augapfel, Linse im Auge und manches andere; — Antlitz, mhd.
antlitze; daneben got. andawleizn, ahd. antlutti, antluzzi zu got. ludja 'Gesicht', ist jung
wie gr. -Todöfo.Tor (prösupon). — Auch die Finger sind benannt, doch wechseln hier die
Bezeichnungen; vgl. darüber W.Grimm, Über die Bedeutung der deutschen Fingernamen;
gelesen in der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1848, jetzt Kl. Sehr. 3, 425.
3. LEHNWÖRTER
sind in diesem Begriffskreis selten: Gurgel, ahd. gurgula aus \at gurgulio unter Ver-
drängung des echtdeutschen mit dem Lateinischen urverwandten Wortes ahd. qu'erdiela. —
Kaidaunen 'Eingeweide', aus mlat. caldüna, wohl als Name eines Gerichtes entlehnt. —
Kopf, ahd. köpf, kupf 'Becher', noch in Tassenkopf, e. cup 'Becher, Obertasse' aus mlat.
cuppa, jedenfalls als Gefäßname entlehnt und auf den Körperteil übertragen; vielleicht aber
auch einheimisch. — Körper, im 13. Jahrhundert aus Xdit corpor-; es handelt sich hier
um einen Allgemeinbegriff, der wohl unter kirchlichem Einfluß entlehnt ist. — Muskel
und Nerv erst neuhochdeutsch aus \a\. musculus und nervus. — Panzen, Pansen, mhd.
panze, über das Romanische aus lat.pfl/z^^x 'Wurst'. — Plauze, ostdeutsch, 'Lunge' aus dem
Slawischen. — Pranke, Branke, s\)ä{mhd. pranke aus m\a.i. branca, hz. branclie 'Zweig.
Man sieht also, die Körperteilnamen lassen sich in überwiegender Zahl
bis in das Indogermanische zurückführen, und wo einmal eine Gleichung
nicht über das Germanische hinausreicht, da dürften durch einen bloßen
Zufall die Ausdrücke in den verwandten Sprachen verloren gegangen sein.
Das ist verschiedentlich auch sonst eingetreten, denn eine ganze Reihe von
Ausdrücken sind nur in der einen oder andern Sprache belegt.
Wir haben noch heute für einzelne Körperteilnamen mehrere Ausdrücke.
Für Hand lassen sich eine ganze Menge Bezeichnungen zusammenbringen,
wie Patsdie, Pfote, Klaue, Flosse, la inaln, Tatze, Man sieht, sie stammen
zum Teil aus dem Tierreich, und sie sind teilweise durch die Studenten-
sprache aufgekommen. Es ist daher kein Wunder, wenn hinsichtlich dieses
Begriffes auch die indogermanischen Sprachen auseinandergehen. Wir finden
da: d^mdL.hästa-, awest.zasta-, altpers. dasta, griech. äyoorog (agostös) 'flache
Hand'; — gr. jia/A/o] {palämce), \at palma, ahd. folma, ai.päni'-; — gr-x^^Q
(kher), alb. dora, arm. jern; — lat. manus, ahd. munt 'Hand' (Schutz); —
gr. Oevag {thenar) 'innere Hand', ahd. tenar 'flache Hand'; — gr. döjQov
(döron) 'Handbreite', ir. dorn 'Faust, Hand'; — got. lofa, russ. lapa; —
lit. rankä, abg. mka.
174 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Ferner unterscheiden wir noch heute zwischen Huf und Klaue, es gibt
verschiedene Ausdrücke für den Schwanz der Tiere, wir sprechen von Mund,
Maul, Sdinauze, Rüssel, von Haut, Fell, Schwarte usw.
Es folgt also daraus, daß in alter Zeit eine Fülle von Ausdrücken vor-
handen waren, von denen im Verlaufe der sprachlichen Entwicklung einige
verloren gegangen sind. Was wir durch Zusammensetzungen ausdrücken
(Kalbs-, Schweins-, Rindsleber), dafür hatte man in alter Zeit besondere
Worte. Ich unterscheide zwischen Kalhsfüßen und Schweinshachsen.
Wenn man den Wortschatz der übrigen indogermanischen Sprachen heran-
zieht, so erscheinen in diesen nicht wenige Gleichungen, die das Germanische
verloren hat; ich nenne nur lat. os, natfs, pulmo, lien, gr. noyj:: {örkhis), lat.
urnerus (noch in got. anis), die alle zweifellos indogermanisch waren. Was aber
dem Germanischen recht ist, muß den andern Sprachen billig sein. Wir werden
demnach nie imstande sein, sämtliche alte Ausdrücke zurückzugewinnen.
An den Körperteilnamen läßt sich, um darauf zum Schlüsse hinzuweisen,
auch ein gut Stück geistiger Entwicklung verfolgen, da man sich das Ge-
müt, den Mut, den Zorn in gewissen Körperteilen wohnend dachte. Die
Anschauungen haben in diesen Punkten vielfach gewechselt, die Sprache
aber spiegelt in den heutigen Redensarten Altes und Neues wieder. So war
die Leber bei den Alten der Sitz der Leidenschaft, und das findet sich auch
bei uns. Man sagt: es ist mir etwas über die Leber gelaufen, um das
Gefühl des Unmutes auszudrücken. Weshalb das freilich auch eine Laus
sein kann, ist nicht klar. Frei von der Leber weg reden heißt eigentlich
'sich von dem, was das Gemüt bedrückt, befreien'. Ähnlich werden auch
die Nieren als Sitz der Lebenskraft und des Affektes angesehen. Dies hat
wahrscheinlich biblischen Ursprung. Vergleiche du gerechter Gott prüfest
hertzen und nieren, Jer. 11, 20. Besonders aber ist das Herz seit langem
in der Volksanschauung der eigentliche Sinn des Gemütes, was sich in
unzähligen Verbindungen und Redensarten kundgibt.
Ich schließe hier gleich einige allgemeine Ausdrücke an, die sich auf
das tierische und menschliche Leben beziehen:
Atem (Nebenform Odem), ahd. atnm, adiim zu dX.dtmä 'Hauch. Atem, Geist'. — Dreck,
mhd. drec 'ausgeworfener Unrat von Menschen und Tieren', zu gr. rni-i {tryx) 'Hefe, Un-
reinigkeit'. — Harn, ahd. harn, e. skarn zu gr. ay.ih'j, oy.aiög (skdr, skatös). — Kot, ahd.
qnat zu a\nd. gutham, av/. güpam 'Schmutz, Kot'. — Sdixveiß, ahö. swei^, t. sweat zu
lat. sudor. — speien, ahd. spiwan, e. to spen', got. speiwan zu lat. spuere, gr. nrvFiv
(ptyen). — Träne, ahd. trafian, daneben Zähre, ahd. zahar, c. tear, beide zu gr. däy.ov
(däkry), lat. lacruma. Dazu gehört auch Tran.
Bemerkenswert ist ferner, daß die germanischen Sprachen den Aus-
druck Seele besitzen, ahd. sela, e. soul, got. saiwala, das sich lautlich mit
gr. aiö/.og (aiölos) 'beweglich, schnell' decken könnte, ohne daß uns frei-
lich die Bedeutungsentwicklung klar ist.
§ 118. Die Tiernamen. Allgemeines. Die Namen unsrer wichtigsten Haus-
tiere sowie einer großen Anzahl von wilden Tieren lassen sich ohne Schwierig-
§ 118. Die Tiernamen. § 119. A. Die Säugetiere. 175
keiten bis in das Indogermanische zurückverfoigen. Andere Ausdrücke, bei
denen das nicht der Fall ist, scheinen trotzdem alt und in den andern
Sprachen verloren gegangen zu sein. Man kann bei den Tiernamen den
Grundsatz aufstellen, daß, je bedeutender und wichtiger ein Tier war, um
so besser sich auch die alten Bezeichnungen erhalten haben. Bei den
kleinern, den Vögeln, Insekten u. a., zeigen sich verschiedene Benennungen,
ohne daß damit gesagt ist, daß man sie in alter Zeit überhaupt nicht be-
zeichnet hätte. Wörter wie Laus und Wanze lassen sich nicht sicher über
das Germanische hinaus verfolgen, Ausdrücke dafür hat man sicher schon
in alter Zeit gehabt.
Zu beachten bleibt bei den Tiernamen, daß noch heute als Erbteil einer
altern Zeit häufig das männliche, das weibliche, das verschnittene, das junge
Tier und andere Arten durch besondere Worte bezeichnet werden, wie z. B.
Kuh, Stier, Ochse, Kalb, Färse, Sterke; Schaf, Widder, Hammel, Lamm;
Ziege, Geiß, Bock, Kitze; Roß, Stute, Füllen, Hengst usw. Es läßt sich
schon daraus erschließen, wie sehr man diese Tiere beachtete, und eine
solche Fülle von Ausdrücken konnte nur vorhanden sein, wenn wir es mit
Haustieren zu tun haben. Da sich nun auf diesem Gebiete zweifellos eine
allmähliche Vereinfachung der Benennung beobachten läßt, so folgt daraus,
daß in älterer Zeit noch mehr solcher verschiedenen Ausdrücke vorhanden
gewesen sein müssen. Sind davon eine Reihe verloren gegangen, so er-
klärt es sich, daß sich des öftern mit dem Deutschen verwandte Worte nicht
nachweisen lassen.
Entlehnungen gibt es auf diesem Gebiete eigentlich nur für die Tiere,
die erst später in den Gesichtskreis der Germanen getreten sind, oder für
Tiere, die in neuer Verwendung, neuen Rassen aufkamen.
§ 119. A. Die Säugetiere.
Literatur: H. Palander, Die althochideutschen Tiernamen. I. Die Namen der Säuge-
tiere, Darmstadt 1899. — JoRDAN, Die altenglischen Säugetiernamen. Anglistische Forschungen,
Heft 12; Heidelberg 1902.
Ich ordne die Worte alphabetisch, doch sind die zu einer Tierart ge-
hörigen Namen wie Roß, Stute, Hengst, Fohlen unter einem Worte, hier
unter Pferd, behandelt.
1. INDOGERMANISCHE UND ALTGERMANISCHE BESTANDTEILE.
Aller in Aiierodise, ahd. ür zu aind. usrdh 'Stier', mit indogermanischem Schwund des 5-
vor r, ursprünglich vielleicht eine Farbenbezeichnung, da aind. usräh 'rötlich' bedeutet.
Bär, ahd. bero, e. bear zu lit. beras 'braun', also Braun, wie der Bär in der Tierfabel heißt.
Das alte Wort \üx Bär, aind. rk^ah, lat. iirsus, gr. lloxio^ {ärktos). ist verloren gegangen, viel-
leicht auf Grund abergläubischer Scheu, die den Namen des Bären auszusprechen vermied.
Biber, ahd. bibar, e. beaver zu lat. jiber, gall. in Bibracte, lit. bebrus, abg. bebru. Auch
dies ist wohl eigentlich eine Farbenbezeichnung, da das genau entsprechende aind.
babhriih 'braun' bedeutet. Doch ist die Übertragung auf das Tier schon indogermanisch.
Bildimaiis, ahd. bilih. Dazu ixz. belette 'Wiesel', kymx. bele 'Marder', l.feles.
Dadis, ahd. dahs, sonst im Germanischen fehlend, aber frühzeitig ins Romanische ge-
drungen, ital. tasso, ixz. taisson; Etymologie unbekannt.
1 76 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Hidihorn, alid. vihhurne, ablautend an. ikorne, Grundform wohl *aika-wernan, dessen
zweiter Bestandteil wahrscheinlich zu ibg. veverica, lit. t'oi'^r/'^ 'Eichhorn', \\\. va'tvaras,
valveris 'Männchen vom litis und Marder', lat. viverra 'Frettchen' (aus einer nordischen
Sprache entlehnt) gehört.
Hl dl, ahd. elah, an. elgr, bei Cäsar alces zu russ. losi "Elcir, ai. isjah 'Antilopenbock'.
Daneben mit anderm Suffix lilentier, das wohl aus dem lit. elnis stammL Dies gehört
weiter zu abg. jeleni 'Hirsch', gr. a/./.ö,- {ellös) 'Hirschkalb'.
Fledermaus, ahd. fl^darmiis, jledaremustro, e. flittermoitse; junge Bildung aus ahd.
fli^diron 'flattern' und Maus.
t'udis, ahd. fufis, c.fox; Femininum dazu ahd. foha, goL faii/io. an. foa 'Füchsin'; unerklärt,
aber gewiß alt.
Hamster, ahd. hamnstro 'Kornwurm'; Herkunft unbekannt.
Hase, ahd. haso, e. hare zu apreuß. sasnis, kymr. ceinadi, ai. sasäli.
Hermelin, ahd. harmo, ags. hearma, Ut sermud 'Wiesel', rätorom. karmü. das auf ein
lat. oder kelt. karmon weist; Meyer-Lübke, Z. f. rom. Phil. 19, 97.
Hirsdi, ahd. A/ru5. c. hart zu \a\. cervus, kymr. carw 'Hirsch', apreuß. 5/>ws 'Reh'. Das
germanische Wort hat einen ableitenden Dental. Femininum dazu Hinde, ahd. hinta.
e. hind zu gr. xrim^ (kemäs) 'Reh, Hirschkalb', lit. smiilis 'Rind ohne Hörner'. Man
nimmt an, daß Hirsdi zu y.üja^ (kcras) 'Hörn' gehört, also der 'gehörnte' bedeutet, was
eine Analogie in Spießer, ahd. spiy^o zu Spieß hätte.
H und, ahd. hunt, got. hiinds, e. hound 'Jagdhund' zu gr. y.vwv (kyan), lat. canis mit ^Suffix.
Die Ableitung von got. hinpan 'fangen' ist kaum glaublich, da wir dann einen /i-Stamm
zu erwarten hätten. Als Femininum haben wir nur die junge Bildung Hündin, während
in den Mundarten Worte wie Zohe, Zaupe, Zuppe, Tebe, Töle, Petze vorkommen.
Davon ist zolia schon althochdeutsch. Es gehört wohl zu lat. diix, bedeutet also 'die
Führerin', vgl. den Ausdruck Leithund; ndd. Töle ist Diminutivum dazu und aus
*tauhilo entstanden. Andere Ausdrücke für den Hund sind unklar: Rüde, ahd. (h)rudio,
ags. hryppa ist ins Slawische als chrutü 'Windhund' entlehnt; — Bradte, ahd. bradio
'Spürhund', stellt man zu \at. fragrare 'riechen', was unsicher bleibt; — Windhund,
ahd. allein ii>int "Windspiel' hat mit Wind nichts zu tun. Die Herleitung aus gall. Ver-
trages, die Palander 37 versucht, scheint mir unmöglich. Dazu kommen eine Fülle von
Bezeichnungen für einzelne Rassen. So Pudel, eig. 'Wasserhund' zu Pudel 'Sumpf.
Tediel, Kürzung zu Dadishund, Mops zu muffig usw. Köter ist wohl 'der Kläffer'
zu rheinfränk. kauzen 'bellen, kläffen'.
Igel, ahd. igil zu gr. sypo; (ekhinos). ahg.jeli, lit. ezls.
ntis. ahd. illi{n)tiso, zweifellos eine Zusammensetzung, vielleicht mit wiso zu Wiesel.
Katze, Kater, schwierige Worte, die fast über ganz Europa verbreitet sind; zu frühest
belegt in mlat. cattus, catta (um 500 n. Chr.); die Herkunft der Worte ist unklar; vgl.
Weigand s. v.
Ludis, ahd. luhs zu gr. }.(•■•: {lynx), lit. biUs.
Marder, ahd. mardar{o), ags. mearp, aus dem Germanischen frz. marte, martre.
Maus, ahd. mus, e. mouse zu gr. /u» {mys), lat. mos.
Noß 'Nutzvieh', ahd. «03, e. neat zu genießen, Nutzen.
Otter, ahd. ottar m. 'Fischotter', e. otter zu gr. Cdna (hydra). v(\)o; (hydros) "Wasser-
schlange', lit. lidra, abg. vydra, ai. udräs 'Otter'.
Pferd. Das Pferd war den Indogermanen zweifellos bekannt, und es haben dafür wahr-
scheinlich mehrere Ausdrücke bestanden. Wir können verfolgen, wie im Lauf der Ge-
schichte ein Ausdruck den andern ablöst. Das älteste Wort steckt in lat. eqiios, gr. 'ijtnog
{hippos), as. ehu. wahrscheinlich noch in dem Zuruf für das Pferd jüh erhalten. Das
Wort Stute, mhd. stuot f. 'Herde von Pferden' (vgl. Gestüt), engl, stiid 'Pferdeherde'
gehört zu abg. stado 'Herde', woraus lit. stodas. Dies gehört zur Wurzel stha 'stehen'
§ 119. A. Die Säugetiere. 177
lind bedeutet soviel wie 'Stand'. Ein eigentliches Wort für die Stute ist also nicht naclt-
^uweisen. Hengst, ahd. hengist, hangisto. Dazu mit grammatischem Wechsel an.
.hestr aus *hanhistaz; ist wohl ein alter Superlativ zu lit. ^ankinti 'springen machen',
.also eig. 'der gute Springer'. — Mühre, ahd. marah n. 'Roß, Pferd', wovon ahd. meriha
^Stute, Mähre' eine /-Ableitung ist, engl, mare 'Stute'. Das Wort kehrt im Keltischen
wieder, altir. mark, kymr. marcli 'Pferd', und unterliegt daher dem Verdacht der Ent-
lehnung; — Roß, ahd. hros n. 'Pferd, Streitroß', engl, horse; unklarer Herkunft; —
Gaul, mhd. ^«/; Herkunft ganz unsicher trotz Sommer, 1F. 31,362; — Schälhengst,
beschälen, ahd. 5^^/o 'Zuchthengst', vielleicht zu gr. x»;/.fo»' (^«■/on) 'Zuchthengst', aind.
id/o^/ 'springt' ; — Fohlen, ahd. /o/o, t. foal, got. fula zu lat. pullus, gr. jiöAog (pdlos)
'junges Pferd, junges Tier'. Dazu Füllen. Weiter gibt es wieder eine Reihe von Namen
für besondere Rassen, wie Percheron nach der frz. Provinz Perdie, Trakehner,
Araber u. a. Ferner Wallach 'kastriertes Pferd', eig. 'Pferd aus der Wallachei', und
ebenso Reiiß, eig. 'der Russe'. Ganz unklar ist Raun(e) 'Hengst', das sogar ins
Finnische als riiuna entlehnt wurde.
J^atte, ahd. rato, e. rat. Daneben Ratz, Ratze. Herkunft dunkel.
J^eh, ahd. reh, e. roe; dazu das erst in neuerer Zeit belegte Femininum Ricke.
Renntier aus dem Nordischen, ags. hrän, anord. hreinn; Herkunft unklar.
Hind. Für diese Tiergattung gibt es eine Fülle von Bezeichnungen: Kuh, ahd. kuo, e. cow
zu lat. 6ö5, gr. ßovg {biis); — Stier, ahd. stior, got. stiur '^loaxög', e. steer, gehört
wahrscheinlich nicht zu gr.-lat. tauros, sondern zu ai. sthävirah 'stark, kräftig'. — Die
Dialekte besitzen eine Menge von Ausdrücken für den Zuchtstier, wie das der Bedeu-
tung des Tieres entspricht, so Bulle in Norddeutschland, mnd. bulle, e. bull, bullock,
von W. Schulze zu gr. rpäVMg (phällos) 'Glied' gestellt. — Odise, ahd. ohso, e. ox,
■got. aühsus (sie), kyvax.ydi 'Ochse', ai. ukm, aw. w/Jan 'Stier'; — Kalb, ahd. kalb n.,
«. calf, got. kalbö f. (= ahd. kalba, nhd. dial. kalbe 'weibliches Kalb, das über ein Jahr
alt ist und noch nicht gekalbt hat'), vielleicht mit gr. öücpa'^ (delphax) 'Ferkel' ver-
wandt; — Farre 'junger Stier', ahd. farro 'Stier' zu gr. jidgig {pöris), nöoxig (pörtis)
'Kalb, junge Kuh'; davon abgeleitet Färse 'junge Kuh', mhd. verse; — Sterke 'Kuh,
^ie noch nicht gekalbt hat', vielleicht zu got. staira 'unfruchtbar', lat. stenlis, gr. oxeqi-
ffog {steriphos) 'unfruchtbar'; — der Ausdruck Rind selbst, ahd. hrind, daneben ags.
hrjjper aus *hrunp- muß wegen des Ablauts alt sein; apreuß. klente 'Kuh' sieht man
als verwandt an, doch macht das / Schwierigkeiten; besser vielleicht zu gr. y.ioag (keras)
'Hörn', also 'Hornvieh'.
Schaf. Auch hierfür gilt dasselbe wie für Rind. Der Ausdruck für das weibliche Schaf
liegt noch in dem dialektischen Au vor, ahd. ou 'Mutterschaf, e. ewe, lat. ovis, gr. oig
(öis); — der Schafbock heißt Ramm, ahd. ram, e. ram; vielleicht zu anord. rammr
'kräftig', abg. ramind 'ungestüm, schnell'; — Widder, ahd. widar 'Schafbock', e. wether
'Hammel', got. wiprus 'Lamm', wohl zu lat. vitulus, ai. vatsäh 'Kalb', eigentlich 'Jähr-
ling', zu gx. Fiiog (wetos) 'Jahr'; — Lamm, ahd. lamb, got. lamb, e. lamb gehört zu
gr. s2a<pog [elaphos) 'Hirsch' aus *elmbhos; — Sdiaf selbst ist unklar, ahd. scäf, e. sheep.
Sdiatz, ahd. skaz 'Geld', got. skatts 'Geldstück, Geld', aber afries. sket 'Geld, Vieh', viel-
leicht zu abg. skotü 'Vieh', das freilich auch entlehnt sein kann.
.Schwein, ahd. swin, got. swe in, t. swine zu lat. suinus, abg. svinija, abgeleitet \on Sau,
ahd. SU, e. 50a; zu lat. sus, gr. vg (hys); — Eber, ahd. ebur zu lat. aper; ob abg. vepri
unmittelbar dazu gehört, ist fraglich; — Ferken, Ferkel, ahd. farheli(n), Diminu-
tivum zu ahd. farah n. 'Schwein, Ferkel', e. farrow zu lat. porcus, gr. ^ÖQxog (pörkos)
'junges Schwein'; — Faselschwein, ahd. fasal n. 'Zucht, Nackommenschaft von Tieren'
zu mhd. visel 'penis', lat. penis {*pesnis), gr. niog (peos aus *pesos); — Bär 'Zucht-
eber', ahd. ber, e. boar 'zahmer und wilder Eber'; — Bardi, Bordi 'verschnittener
Eber', ahd. barah, t. barrow; — Geize 'verschnittenes Schwein', ahd. galza, e. dial.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 12
178 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
gilt, ilt, an. göltr, ai. huduh 'Widder' (?); — Badie das wilde Mutterschwein', woiil
verwandt mit e. bacon 'Schinken'; — Keiler, 1608 wohl zu keilen; — Lehne 'die
Bache', mlat. leha; — Range, älterind. ränge 'die Sau' zu mnd. wrangen 'sich winden'.
Seehund. Es gibt dafür ein altgermanisches Wort ahd. sclah, ags. seolh, e. seal.
Tier, ahd. tior 'wildes Tier", daher Tiergarten, e. deer 'Rotwild', got. dius 'wildes Tier'.
Vielleicht zu lat. bestia oder zu ags. deor 'iapftr, kühn', ahd. tiorin, tiorlih 'wild, grimmig';
die Grundbedeutung ist jedenfalls 'wildes Tier'.
Vieh, alid. //■/;/< 'Haustier', got. /fl/7iw 'Vermögen, Geld', e./^^ 'Bezahlung, Trinkgeld' zu lat.
peciis {\g\. pecunia), also sicher das Haustier. — Eine andere Bezeichnung steckt in unsern»
Sdiatz (s. o.). Zu beachten ist, daß schon das Indogermanische die Bildung 'Vierfuü' ge-
prägt hat, ahd. fiorfuoy^i, ags. fyderfete, lat. quadrnpes. umbr. peturpiirsus. ai. catuipad.
Walfisdi. ahd. walfisk, von ahd. wal, ags. hwo'l, anord. hvalr; dazu apreuß. 'Afa//s ' Wels'
und vielleicht lat. sqiialus 'ein größerer Meerfisch".
V^'elf, ahd. weif 'Junges von Tieren', e. whelp.
Wiesel, ahd. wisula, e. weasel.
Wisent, ahd. wisunt, daraus lat. bison.
Wolf, ahd. wolf, got. wulfs, e. wolf zu lat. lupus, gr. kvy.oi (lykos). Eine Femininbildung
in ahd. wulpa, an. ylgr, ai. vrkih und wohl auch in lat. viilpes.
Ziege, ahd. ziga, ags. f/cc^« 'Zicklein', unaufgeklärt; es könnte durch Lautumstellung aus
urgerm. git, einer Ablautsform zum folgenden, entstanden sein, oder zu russ. dikij 'wild*
oder zu alban. rf/ 'Ziege' ; — Geiß, ahd. gei^, e. goat, got gaits zu lat. haedus; — ein
drittes Wort steckt in Habergeiß 'Heerschnepfe', dessen erster Bestandteil zu ags.
hivfer, anord. /ifl//- 'Bock', lat. cflp^r 'Ziegenbock' gx. y.ä.-xoo; {käpros) 'Eber' gehört; —
Bodi 'das Männchen der Ziege, aber auch andrer Tiere', ahd. bodi, e. budi zu aw.bocc
(oder daraus entlehnt^ und weiter dazu armen, buc 'Lamm', awest. buza- 'Bock'; —
Kitze, ahd. kizzi(n) 'junge Ziege', dazu anord. kiil, daraus entlehnt e. kid 'Ziege', klingt
an Zidie an. eventuell durch Umstellung; — Hettel, alem. 'junge Ziege', nr.hd. hatele,
anord. ha<Uia. Verwandt mit ir. cit 'Schaf; — Hippe, Heppe mit dem Lockruf hepp^
hepp zusammenhängend. — Also auch hier haben wir wieder eine Fülle von Aus-
drücken, zu denen noch andere kommen, wenn wir die verwandten Sprachen in Be-
tracht ziehen. Alles dieses spricht für die Bekanntschaft mit der Ziege als einem Haus-
tiere. Merkwürdigerweise fehlt aber bei dieser Gruppe das neutrale Kollektivum, das-
wir sonst haben, das Rind, Sdiaf, Sdiwein, Pferd, die ja alle nachweislich spät sind,,
aber doch die große Bedeutung der Tiere bezeugen.
2. DIE ENTLEHNUNGEN.
Zu den einheimischen Tiernamen sind im Laufe der Zeit manche neue ge-
kommen. In der Hauptsache handelt es sich um Tiere, die neu in den Gesichts-
kreis der Germanen getreten sind, in einigen Fällen auch um neue Rassen.
Dam(hirsdi) , ahd. tamo, domo, t. doe 'Rehkuh' aus lat. däma und dies vielleicht
aus dem Keltischen. — Elefant, ahd. helfant aus lat. elephant(em). — Esel, ahd. esil,.
got. asilus aus lat. asinus. — Gemse, ahd. gami^a aus einem Alpenwort, das im 5. Jahr-
hundert als camox belegt ist. — Kanindien, xnhd. künikhn aus lat.-iberisch curt/fu/u5. —
Löwe, ahd. lewo, louwo, wohl nicht unmittelbar aus lat. leo. — Maul(tier) , ahd. muT
aus lat. muliis. — Murmeltier, ahd. murmunto, murmuntin aus lat. mure(m)niont(isj,
rhätorom. marmont. — Pferd, ahd. parafrit, pfarifrit, pferfrit, mhd. pfert aus lat. para-
veredus (bei Cassiodor); die Herkunft scheint mir nicht aufgeklärt zu sein. — Zelter,.
ahd. zeltari, wahrscheinlich aus span.-lat. thieldones (Plinius).
Dazu kommen mehr durch gelehrte Vermittlung: Dromedar, mhd. tromedar, lat. drome-
darius, eingedeutscht als -Trampeltier; — Giraffe, 15. Jh.. ital. girafa: — Hyäne, ahd.
ijena aus lat. hyaena; — Leopard, ahd. leopardo, lebardo, lebart aus lat. leopardus; —
§ 120. Schlussfolgerungen. Beweise für die Viehzucht. 179
Panter, ahd. panter aus lat. panther, ebenso Parder, Pardel, ahd. pardo aus latpardo;
— Pavian, 1551, frz. baboiiin; — Tiger, ahd. tigirtior aus lat. tigris. — Aus dem Kel-
tischen könnte stammen: Mähre, ahd. marah, ags. mearh, an. mar r, kt\\. märkan (Paus.
10, 19, 4\ ir. marc, kymr. manii 'Pferd'. Notwendig ist die Annahme indessen nicht.
Entlehnt, aber unbekannt woher, sind wohl Katze, Ratte, Affe.
Aus dem Slawischen stammen Zobel, Zieselmaus (siehe oben S. 146).
Weitere an?uführen hat keinen Zweck.
3. NEUBILDUNGEN
sind verhältnismäßig selten. Ich nenne Steinbock, Seehund.
§ 120. Schlußfolgerungen. Beweise für die Viehzucht. Aus den oben an-
gegebenen Gleichungen folgt, daß die Indogermanen schon die wichtigsten
Tiere, die in unsern Ländern leben, kannten. Daß man aber einige davon
als Haustiere besaß, folgt zunächst nicht daraus, wohl aber 1. aus der Fülle
von Ausdrücken für gewisse Tiere und 2. aus den Namen für Erzeugnisse
der Tiere, die diese nur in gezähmtem Zustande liefern. Dazu gehören:
Mildi, ahd. miluh, got. miluks, e. milk durch Anlehnung an melken, ahd. melkan, lat.
mulgeo, gr. ans/.yco {amägo) aus ''debg entstanden und mit lat. lac (aus *dlac), gr.
y(i/.a(xToc:) (gälakfos < dälaktos) verwandt.
Dazu noch Ausdrücke wie:
Sahne, spätmhd. sane (wovon wohl Senne); wohl zu aind. sänuh m„ sdnu n. 'Ober-
fläche, Rücken, Höhe"; vgl. östtrr. Obers. — Rahm, mhd.roum, ags. r^aw zu awest. raogna-
'Butter'. — Butter. Ein altes Wort im Butter liegt in alem. Anke, ahd. anko vor, das zu
lat. unguo 'salbe' gehört (Butter diente zunächst zum Salben\ air. imb 'Butter', aind. djjam
'Opferbutter'. — DasWort Butter, spätahd. 6///^rfl macht sprachgeschichtlich große Schwierig-
keiten. Es stammt aus gr.-lat. butyrum, das ursprünglich ein skythisches Wort war. Wie sich
dies hat verbreiten können, ist unklar. M. Heyne nimmt Vermittlung der Klöster an. — Käse,
ahd. kdsi, e. dieese ist aus lat. cäseus entlehnt. Die Germanen besaßen aber ein einheimisches
Wort anord. ostr (entlehnt \\nn. juusto), das wahrscheinlich zu XaX.füs 'Brühe' gehört.
Aus Worten wie Milch, melken, Rahm, Anke folgt nun mit großer
Sicherheit, daß schon die Indogermanen die Tiere molken und die Milch
weiter verarbeiteten.
Die Zähmung des Schafes ergibt sich aus dem Wort Wolle, ahd. wolla,
got. wulla, e. wool zu lat. läna, !it. vüna, abg. vlüna, aind. ürtta. Nur das
zahme Schaf hat Wolle.
Für die übrigen Tiere ist ein solcher zwingender Nachweis nicht vor-
handen. Doch gehören aus andern Gründen auch die Ziege, das Schwein
und das Pferd zum Besitzstand der Indogermanen.
Viehzüchter sind aber keine Nomaden. Für ein Nomadentum der Indo-
germanen gibt es keine Beweise.
Die Tiere hielt man in Herden. Auch für dieses Wort, ahd. herta,
e. herd, got. hairda, gibt es eine Entsprechung in aind. särdhas 'Schar'.
Dazu die Ableitung Hirt, ahd. hirti, e. herd, got. hairdeis, das ein älteres
Wort gr. noifxrjv (poimwn) verdrängt hat.
Hierher ferner Stute, ahd. stuot 'Herde von Pferden', ags. stöd 'Pferde-
herde' zu abg. stado, lit. stodas 'Herde' (von Pferden); got. wripus 'Herde'
(wohl für wrepus), dän. vraad, ags. wrcep 'Trupp, Herde' zu aind. vrtitah
12*
180 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
'Schar'; Kette (nur von Rebhühnern), ahd. kutti 'Herde, Schar', vielleicht
zu lit. gi'iotas 'Herde'. Also auch hier wieder selbständige Wörter, wührend
wir Rinder-, Sdiaf-, Zief^en/ienie sagen.
Schließlich gibt es auch mehrere Ausdrücke für die Exkremente der
Tiere :
Mist, ahd. mist 'Kot, Dünger, Misthaufen', got. maihstus, e. mixen 'Misthaufen', zu
lit. mielti 'misten', mieUai 'Mist'; — Dreck, mhd. drSc, anord. prekkr 'Dreck' zu lat.
sterciis(>): — Kot. ahd. quat zu ä\nd. i^uihas, awesi. giipa- 'Kot, Exkremente'. Wahr-
scheinlich liandelt es sich aucii hier um Ausdrücke, die die E.xkrcmente verschiedener
Tiere bezeichnen, wie wir heute von Kuhfladen, Sdiaf ketteln, Ziegenbohnen, Pferde-
äpfeln, Siimepfendredi sprechen.
§ 121. B. Die Vögel.
Literatur: Charles H. Whitman, The Birds of old English Literature, Journ. of
germ. Phil. 2, 149 ff. — Hugo Suolahti. Die deutschen Vogelnamen. Eine wortgeschicht-
lichc Untersuchung, Straßburg 1909.
In dem Buch von Suolahti besitzen wir eine Darstellung der Wörter eines bestimmten
Begriffsgebiets, wie wir sie sonst kaum noch haben, und man kann daher hier die Sprach-
entwicklung gut überblicken. Indem ich mich an Suolahtis Darstellung halte, läßt sich
etwa folgendes sagen:
1. INDOGERMANISCHE BESTANDTEILE.
Am meisten verbreitet sind die Bezeichnungen für Ente und Gans.
F.nte. ahd. aniit, ags. ivnid, dän.-schwed. and zu lat. anas, anatis. gr, rty.nn (nii-ssa aus
^^natja), lit. äntis, abg. a/t 'Ente', ai. atih 'ein Wasservogel".
Gans. ahd. gans, e. goose zu gr. /_/]y {kh(Pn), lat. anser aus *hanser lif. :nsis, ai. hnsäh, hast.
Soweit diese Wörter auch gehen und so sicher sie indogermanisch
sind, so fehlt doch viel, daß sie in allen Sprachen auftreten.
Weniger verbreitet, aber auch indogermanisch sind:
Aar, erst poetisch seit dem 18. Jahrhundert wieder aufgenommen, ahd. aro, got. ara, e. dial.
crn zu gr. ooyt; (örnis) 'Vogel' (der Stamm orni entspricht vielleicht ahd. arin f. 'Weibchen
des Adlers'), abg. orllu, lit. erelis, körn, breton. er, kymr. eryr 'Adler'.
Amsel, ahd. amsala, e. oiisel wohl zu lat merula (aus *mesula mit Schwebeablaut).
Beldie 'Bläßhuhn', ahd. belihha, sonst nicht vorhanden, ist wahrscheinlich verwandt mit
lat. fulica: gr. c/cüijoi; {phalaris). Zugrunde liegt ein idg. Wort für 'weiß',
Drossel. Die Formen der Mundarten sind sehr mannigfaltig, doch lassen sie sich m. E.
auf zwei Grundformen zurückführen, einerseits ein ' prausk, *prusk, wozu ahd. drosca,
dröscala (woraus 'Drossel"), e. thrush. Dies könnte zu gr. lovyon- {tnjgön aus *truzgon)
'Turteltaube' gehören. Und auf der andern Seite steht an. pröstr, dän. trost, schwed.
trast, mhd. drostel, das zu lit. strazdas, lett. strazds 'Drossel', gr. aigovOog (strüthos)
'Sperling' zu stellen ist. Die Form "pramstalon, e. throstle hat wohl den Nasal nach Amsel.
Fink. ahd. f in ko, t. findi entspricht lautlich recht gut gr. o.tiyyoi {spingos) 'kleiner Vogel',
vielleicht 'Fink' und a.-ri^a 'kleiner Vogel, Fink' aus *spingja. Es findet sich also im
Griechischen dieselbe Doppelbildung wie im Germanischen, da e. findi auf *finki zurück-
geht. Im Nordischen gibt es auch eine Form mit anlautendem s, schwed. spink 'Spatz',
dän. dial. spinke 'eine Art Sperling'. Der Name wird auf der Nachahmung des Natur-
lautes beruhen, wird aber als solcher schon indogermanisch sein.
Gauch, ahd. gouh, ags. geac, dän. gjög, schwed. gjök hat Meillet, Mem. de la Soc. Ling.
de Paris 12, 213 mit lit. gegu-i 'Kuckuck' verglichen, was sehr wohl angeht.
Häher, ahd. hehara. ags. mit grammatischem Wechsel higora zu gz. y.iooa {kissa) aus
*kikja; die Verwandtschaft von ai. kiki-ülivi-) 'der blaue Holzhäher' ist mir zweifelhaft,
§ 121. B. Die Vögel. 181
da dies lautnachahmend sein l<ann. Man i<ann weiter ai. sih/ianih 'spitzig', verglciclien,
so daß der Vogel nach seinem spitzen Schopf benannt wäre. Dem Verhältnis von gr.
kissa : d. Mäher ist das von lat. acies zu gr, uxgog {äkros) zu vergleichen, vgl. Hirt,
Idg. Forsch. 32, 286.
Hahn, Huhn, Henne. Unser Haushuhn ist zweifellos vom Süden oder Osten her ein-
geführt worden und zwar in nicht allzu früher Zeit. Die oben genannten Ausdrücke
sind aber echt germanisch, ja, da sie durch Ablaut verbunden sind, höchst wahrscliein-
lich sogar indogermanisch. Man muß daher annehmen, daß sie ein anderes Tier be-
zeichnet haben. Welche der wilden Hühnerarten {Reb-, Birk-, Auerhuhn) damit gemeint
gewesen ist, läßt sich freilich nicht mehr ermitteln. Wenn das der Fall ist, so kann man
natürlich got. hano nicht zu dem Stamm in lat. canere 'singen' stellen und als Sänger
deuten, obgleich sonst der Hahn vielfach 'Sänger' genannt wird. Lautlich befriedigt der
Vergleich mit lat. ciconia 'Storch', aber die Bedeutungen liegen wohl zu fern. — Wie
auch sonst, sind nun an Stelle dieses alten Ausdrucks Neubildungen meist lautnach-
ahmender Natur getreten, wie z. B. e. cock, frz. coq, dän. kok und das davon abgeleitete
obd. Gockel. Das ebenfalls damit zusammenhängende slaw. kokos ist als Goksdi ins
Schlesische gedrungen. \n den Mundarten bestehen auch Namen wie Kikeriki. — Für
das junge Huhn ist ein besonderer Ausdruck in nM. Küken, e. cfiicken geschaffen
worden, wozu obd. Küchlein, dessen Zusammenhang mit kok nicht sicher ist, aber doch
wohl zu Recht besteht. Ein anderer Ausdruck steckt in dem aus Brentano bekannten
Hinke l aus alid. huoni{n)kli(n), das mit einem auch sonst auftretenden verkleinernden
Suffix gebildet ist. Über zahlreiche andere Namen, wie Pütt, Pntichen, eig. 'ein Lock-
ruf, unterrichtet Suolahti S. 235.
Kranial, ahd. kraniih, e. crane (daneben A\\±krano, mnd. kran, woher das heutige Kran
m. 'Werkzeug zum Heben') zu gr. ;i'o((nx- (geranos) 'Kranich und Krahn', kymr. körn,
o^flra/z 'Kranich' und mit abweichendem Suffix Vit. gerve, aprtuÜ. gerwe, abg. zeravl, lat.
grus aus ' groiis. Das hohe Alter des Wortes beweist wieder die Ablautsform mnd. krün,
die zu abg. ieravi stimmt. Eine Nebenform ahd. kreia verbindet Suolahti fälschlich mit
lat. grus aus '''grois. Diese Herleitung ist aber sehr unwahrscheinlich, da grus auf grous
zurückgeführt werden dürfte, kreia dürfte eher dem lit. gerve entsprechen. Die Grundform
''krajja dürfte, was den Verlust des w betrifft, wie Ei zu lat. ovum zu beurteilen sein.
Rabe, ahd. rabo, hraban, e. raven zu lat. cornlx, gr. HOQon'ij (korönce).
Rebhuhn, ahd. reb(a)huon, vielleicht zu russ. rjabka 'Rebhuhn'.
Schwalbe, ahd. swalawa, t. swallow, d&n. svale, schwed. 5f a/a ist von de Saussure mit
gr. ä'/.y.vioy {hulkyön) 'der Meereisvogel' verbunden, v/as lautlich zweifellos möglich ist.
Die Bedeutung bereitet aber Schwierigkeiten. Da das Wort im Griechischen auch
'Sängerin' bedeutet, so ließe sich doch vielleicht eine Brücke über die Bedeutungen
schlagen. Ober zu russ. solovej "Nachtigair.
Sdiwan. Für Schwan gibt es zwei germanische Ausdrücke, ahd. swan, e. schwed. swan, der
sich nicht über das Germanische hinaus verfolgen läßt, und ahd. elbis, das heute nur noch
im Bernischen als Elbs fortlebt, verwandt mit russ. lebedi. Es hängt wohl mit dem Stamme
fl/* 'weiß' zusammen. Demgegenüber wäre swan 'der Sänger', also der „Singschwan".
Specht, ahd. speht, dän. spät zu \a\. picns 'Specht', pica 'Elster'.
Sperling, mit Ableitungssilbe von ahd. sparo, got. sparwa, e. sparrow, zu apreuß. 5/;«r^//5
'Sperling' {spergla-wanag 'Sperber'), gr. a.-ii-oyov'/.o^ (spergalos) 'kleiner Vogel', o.-iogyuo;
{sporgilos) 'kleiner Vogel', orraijäaiov (sparäsion) 'ein dem Sperling ähnlicher Vogel'.
Das ableitende g der nicht germanischen Wörter findet sich auch in ahd. sperke, das
als Sperk, Spirk noch in obd. und md. Mundarten fortlebt. Außer dieser Bezeich-
nung gibt es noch eine Reihe anderer. Nämlich Spatz, mM. spatz, vielleicht eine
Koseform zu Sperling oder verwandt mit \a\.passer 'Sperling'; nd.Lüning, and. hliuning
ist völlig unklar; am Mittel- und Niederrhein heißt er Musch, Mösdi, wohl entlehnt
aus vulgärlat. 'muscio: lat. musca 'Fliege'.
182 Neuntes Kaimtei.. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Star, ahd. stara, e. stnre und starling, dän. stär zu \dX.sturnus. Eine andere mundartliche He-
zcichnunß \f.{ ^\\A.spra, sprea, 6a?.z\%Sprehe , Spraie, Spro, Spraft iisw. noch fortlebt.
Storifi, ahd. stora/i, c. dän. schwed. 5/or/t, wolil verwandt mit gr. Ti'.iiyo^ (törgos) Geier"
trotz der abweichenden Bedeutung. Die ndd. Benennung Adebar, mit mannigfachen
Nebenformen, ahd. odobrro, ist dunl<el. ürimm deutete sie als .Giiiclibringer'.
2. GERMANISCHE UND DEUTSCHE Bf-STANDTEILE.
Ammer, ahd. amaro, t. yellow-ammer, vielleicht von amer 'Sommerdinkel' wie
Hünfling zw Hanf. — Auerhahn, ahd. iir/iano; daneben orrehan und dieses zu schwed.
orre 'Birkhuhn", was vielleicht 'das Männchen" bezeichnete, zu lat. verres 'Eber', aind. t/r<fln-
'männlicli, zeugungskräftig" oder zu gr. tinntiv {ärsun) 'männlich'. — Auf 'Nachteule, Uhu',
ags. «/, anord. ufr, vielleicht lautnacliahmend. — Dohle, mhd. dahele, ahd. tahala, taha.
t.daw, idg.'tak^a, wohl lautnachalmiend. — Elster, ahd. agalstra mit zahlreichen Neben-
formen, die Bhuinier, KZ. 34, 344—380 zusammengestellt hat. Dazu ags. agu. -- Entericii,
ahd. antrehho, mnd. antredie ist eine Zusammensetzung mit dem im Englischen vor-
liegenden drakc, ndd. drake. — lirpel, ndd., wohl zu ahd. erpf 'dunkelfarbig'. Dazu anord.
/tjr/;r 'Haselhuhn'. — Eule, ahd. fiwila, t. owl. Vielleicht lautnachahmend. — Falke, ahd.
falcfio, fehlt im Angelsächsischen. Das Wort wird teils als eciit germanisch, teils als Ent-
lehnung aus dem Romanischen aufgefaßt. Jedenfalls ist er mit der Falkenjagd aufgekommen.
— üiinter, obd G<?^5fr 'der Gänserich", ahd. ganazzo. ags. ganot, c. gannet 'SeevogtV
hat mit Gans zunächst nichts zu tun. Daneben auch c. gander, ags. gandra. — Geier,
ahd. gir, wohl zu Gier. — Gimpel, spätmhd. gümpel zu gnmpen 'hüpfen'. — fiabidit,
ahd, habuh, e. hawk. schwerlich richtig als 'der Greifer" erklärt, zu got. hnfjan. lat. capio. —
Kauz, spätmhd. /jr/2, vielleicht zu gT.ßrSn [byza) 'Eule'. — Kibitz. xnhd. gib i',, wohl laut-
malend nach dem Ruf kibit, liiwit. — Krähe, ahd. kraja, krawa, e. crow, wohl von
krähen. — Lerdie, ahd. lerahha, ags. lawerce, e. lark; Herleitung unklar; wohl eine Zu-
sammensetzung. — Meise, ahd. meisa, e. tit-mouse-, vielleicht zu lat. merula, falls aus
' misula. — Möwe, andd. meu, e. mew, anord. mar 'Möwe' Nach Uhlenbeck zu ai. mecaka-
'dunkelblau'. — Naditignll, ahd. nahtagala. e. nightingale, eigentlich 'Nachtsängerin'. —
Reiher, mhd. reiger, ags. hragrn; daneben ahd. heigaro; unerklärt, vielleicht lautnachahmend.
— Sdierbe, ahd. scarva. scarba, ags. scra f. Wohl lautnachahmend. — Sdmepfe, ahd.
snepfa, von dem langen Sdmabel benannt. — Sperber, ahd. sparwari; zusammengesetzt
aus sparw- 'Speihng und aro 'Adler': \g\. ags. spearhafoc, e. sparrowhawk 'Sperber'. —
Sprosser zu Sprosse 'Hautflecken'. — Taube, ahd. triba. e. dove. got. hraiwa-dnbo
'Turteltaube'; Herkunft unklar; daneben im Germanischen noch andre Bezeichnungen. —
Uhu, lautmalende Bildung, vgl. ahd. hüwo und üvo. — Vogel, ahd. fogal, e.fowl, got. fugls
zu h\. paükitis 'Vogel'; das alte Wort für Vogel, lat. avis, aind. vi- vielleicht in Weihe, ahd.
wio. das aber schwerlich richtig auch zu Geweih gestellt wird. — Waditel, ahd. wahtala;
daneben quattulo; wohl lautnachahmend; unklarer Herkunft. — Wiedehopf, ahd. witu-
Iwffa, -hopfa, eigentlich 'Waldhüpfer', in Wirklichkeit aber eine volkstümliche Umgestaltung
des eigentümlichen Rufs des Vogels, nachdem er auch Hupphupp. Wuddwudd u. a. benannt wird.
Wie wir schon in den angeführten Beispielen gesehen haben, liegen in
den Vögelnamen oft deutlich erkennbare Nachbildungen der Laute und Rufe
der Vögel vor. Nimmt man dazu die Namen in den Mundarten, wie sie Suolahti
zusammengestellt, so wird der Stoff überraschend reichhaltig, und es ist kaum
zu bezweifeln, daß wir mit dieser Erklärung auf dem richtigen Wege sind.
Dazu kommen zahlreiche Namen, die an und für sich deutlich sind, wie Adier-
männdien. Badistelze, Dompfaff nach der Ähnlichkeit mit der Kappe eines Dom-
geistlichen, Kreuzsdinabel, Rotsdiwanz. Rotkehldien, Grasmüdie. Kern-
beißer. Kohlmeise, Mauersegler, Raudisdiwalbe, Regenpfeifer , Sandläufer,
Sdilüpfer, Seidenschwanz. Strandläufer. Würger usw.
§ 122. Schlussfolgerungen. 183
Verdunkelte Zusammensetzungen haben wir in:
Kram(m(e)t)svogel, mlid. kranwitvogel zu ahd. krana-wita 'Kranichholz, Wacholder-
staude; — Adler, mhd. arf^/fl/- 'Edelaar'; — Rohrdommel, dafür ahd. horotübil, während
unser Wort eine Verwandte in ags. rarediimbla, mnd. raredump hat. Es liegt einerseits Be-
ziehung auf Rohr, anderseits auf röhren 'schreien' und ahd. horo 'Schmutz' vor.
3. ENTLEHNUNGEN
von Vogelnamen sind schon früh vorgekommen.
a) Aus dem Lateinisch-Romanischen sind in althochdeutscher Zeit entlehnt:
Fasan, ahd. fasihon als Umdeutung von \a\.. gx. phasiönus 'Vogel vom Flusse
Phasis'. Im 12. Jh. wird die französische Form entlehnt. — Greif, ahd. grifo aus vulgär-
iai. griphus, das auf hehr, eher üb zurückgehen soll. — Pelikan, gr. \a{. pelicanus. —
Pfau. ahd. pfa(w)o, t. peacodi, dän. paafugl, schwed. pnfiigl, \. pavo. — Sittidi, ahd.
sitidi, lat. gc. psittaciis. — Strauß, ahd. sträi, ags. .itryta, lat. strathio. — .Turteltaube,
ahd. turtnlataba, e. turtle durch kirchliche Vermittlung aus lat. turtur.
Dazu kommen einige Namen, die sich nur mundartlich erhalten haben, so Merle am
Mittel- und Niederrhein aus lat. merula und Mösdi am Niederrhein aus lat. musca. Ein
Übersetzungslehnwoit liegt in Zaunkönig, lat. rPgulus vor.
b) Aus dem Französischen kommen im Mittelhochdeutschen eine Reihe
von Namen, die aber verloren gehen. Später bringt dann der Vogelhandel
einige jetzt nicht mehr erhaltene itahenische Namen und die noch vor-
handenen slawischen Stieglitz, Zeisig. Dazu kommt Trappe, poln. tschech.
drop. In neuerer Zeit ist dann noch der Kanarienvogel eingeführt, und
außerdem sind manche fremdländische Namen zu uns gelangt.
§ 122. Schlußfolgerungen. Als bemerkenswert ergibt sich aus diesen
Zusammenstellungen, daß die Namen der Tiere, die jetzt einen Bauernhof
bevölkern, die Namen für Gans, Ente, Huhn, echt germanisch sind, obgleich
•die Hühner sicher erst nach Deutschland eingeführt worden sind. Gans und
Ente können freilich frühzeitig gezähmt gewesen sein, wenngleich sich dies
nicht beweisen läßt. Denn der Ausdruck für Ei, ahd. ei, anord. egg (daraus
€. egg) ist bedeutungslos. Das Wort gehört zweifellos zu lat. oviim, gr. fnöv
(oli/ön), air. og, abg. j'aje. Die Grundform ist '-^ajjam, die mit den andern
Worten vermittelt werden kann, wenn man den Schwund eines ziJ vor /
annimmt. Man sammelte schon frühzeitig die Eier wilder Vögel, wie noch
heute die der Kibitze. Also weist das Wort nicht auf Geflügelzucht.
Eine wirkliche Geflügelzucht scheinen die Germanen erst durch die
Römer kennen gelernt zu haben. Jedenfalls erhalten wir von ihnen eine
ganze Reihe von Worten, die sich auf diese beziehen. Dahin gehören:
Flaum, ahd. pfhima aus \a{. plunia; das echtdeutsche Wort ist Daune, mnd. dcme; —
Käfig, ahd. kevia aus vulgärlat. cavia; — Mauser, mhd. miize, ahd. mii^^on 'sich
mausern', aus \a\.mütäre; — Pips, ahd. pfipfi^ aus m\at pipita für pltmta.
Wenn man die Vogelnamen in der Gesamtheit überblickt, so zeigt es
sich, daß sie in vielen Fällen nicht über das Germanische hinausgehen.
Daraus aber schließen zu wollen, daß man in indogermanischer Zeit die
einzelnen Vögel noch nicht unterschieden hätte, ist vollständig hinfällig.
Vergleiche das, was oben S. 98 über die Indianersprachen angeführt ist.
184 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Der Mangel an Übereinstimmung bei den Vogelnamcn erklärt sich hier,
wie so oft, aus der Fülle der Ausdrücke, die vorhanden war, und dadurch,
daß die Vögel keine derartige Rolle in der Wirtschaft spielten, daß jede
Bezeichnung hätte unverändert haften müssen. Um so bemerkenswerter
sind die in allen Sprachen gleichmäßig auftretenden Benennungen für Gans
und Ente, was eben auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung dieser Tiere
hinweist. Noch heute werden in Norddeutschland, namentlich auf den
friesischen hiseln, Wildenten zu Tausenden gefangen und geschossen.
§ 123. C. Die Fische.
Literatur: J. J. KÖHLER, Die altenglischen Fischnamen, Heidelberg 1906. — Uhlen-
BECK, De indogermaansche vischnanien. Ex serto naberico a philologis Batavis coUecto
seorsum excusum, 1908. — Hirt, Idg. Forsch. 22, 65.
Unsere Bezeichnungen der Fische gehen zum Teil in das indogermanische
Altertum zurück, zum Teil sind sie nur gemeingermanisch, tragen aber einen
solchen Sprachcharakter (nicht ableitbar von andern Worten), daß man auch
diesen unbedenklich ein höheres Alter zuschreiben kann. Und selbst unter
den erst auf deutschem Boden belegten sind einige offenbar recht alt.
Natürlich gibt es auch Entlehnungen und Neubildungen. Wenn so mancher
Name nur eine geringe geographische Verbreitung hat, so möge man be-
denken: 1. daß der Fischfang der Natur der Sache nach nicht überall ver-
breitet sein kann, 2. daß nicht jede Fischart überall vorkommt, und 3. daß
die gleichen Fische auch heute noch in nicht weit voneinander entfernten
Gegenden verschieden benannt werden. Brehm führt in seinem Tierleben,
Fische 296, mehrere Beispiele dafür an, wovon ich eins in meinen Indo-
germanen 2, 636 abgedruckt habe. Eine Sammlung der dem Volke bekannten
Fischnamen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands wäre eine dankens-
werte Aufgabe.
1. INDOGERMANISCHE BESTANDTEILE.
Aal, ahd. äl, e. ed. urgerm. *ela, gehört wahrscheinlich zu dem zweiten Teil von gx.ty/j).v;
{ewkhelys), lat. anguilla, worin kein Suffix, sondern nur ein selbständiges Wort stecken kann.
Asdie, Äsdie, ahd. asko mit Ablaut zu kelt. esox 'Hecht'.
Dorsch, ndd. dorsdi, an. porskr zu russ. treskd 'Stockfisch'.
Fisdi, ah6.fisk, got/isks, (t. fish zu \aX. piscis, u. iasc (ein anderes Wort gr.lyßi^ [ikh-
thys], lit. luvis ist im Deutschen verloren gegangen, vielleicht aber in schwed. gös
'lucio perca' erhalteni.
Forelle, ahd. forhana; dazu ir. orc 'Lachs', erc Forelle', gi. r^t'jy.>i {perk(e) 'Barsch';
Feldien, eine Forellenart des Bodensees, hat wohl / für r, wie alem. kildie für kirdhe^
Hai aus nd\. haai zu anord. här und weiter zu amd. satiküli 'ein best. Wassertier'.
Ladis, a\\d. lahs, schott. /öa' zu lit. lasisä, russ. /Ö505(( 'Lachsforelle', poln. /050< 'Lachs'^
jetzt auch im Tocharischen nachgewiesen.
Ein jetzt verlorener wichtiger Fischname liegt in ahd. munewa, rniinwa 'capedo' vor, heute
westfäl. mcene 'Elritze', hess. moene, mene. mine 'ein ähnlicher Fisch', dazu ags. myne
'Elritze', e. minnow und weiter gr. iiairt] {maina>), fiani; {mainis), uaiviöioy (mainidion)
"kleiner Meerfisch', russ. menl, menekn, menjüdifi 'Aalraupe', lit. menke, lett. menca
•Dorsch'; vgl. SoLMSEN, KZ. 37, 584, Uhlenbeck, Beitr. 30, 334, Köhler, Die alteng-
lischen Fischnamen 62; hier haben wir es also sicher mit einem indogermanischen
Ausdruck zu tun.
§ 123. C. Die Fische. 185
Schleie, ahd. säo, ags. sli(w) zu lit. Ifnas, apr. Unis 'Schleie', gT./.n-fvc; {lineiis) 'Meerfisch'.
Sdiade, Sdiaden (mundartlich), ags. sceadd 'Maifisch', c. shad, dazu nacli O. Schrader
ir. scatan 'Hering',
Schmerle, spätmhd. sniene, vielleicht zu gr. anaul^ {smaris) 'kleiner Meerfisch'.
Stör, ahd. sturio, ags. styria, auch ins Romanische gedrungen. Urgerm. stur- gehört wahr-
scheinlich mit Schwebeablaut zu lit. asstras, apreuß. esketres, russ. osetni.
Hierzu kommt der Ausdruck Rogen, ahd. rogo, e. roan, roe, anord. hrogn n., pl. zu
lit. kurkuldl 'Froschlaich'.
2. GERMANISCHE UND DEUTSCHE BESTANDTEILE.
Alant, ahd.alant, as. alund. Oh zu Aal? — Barsdi, ahd. bersih, t.barze; schwed.
agborre zeigt Ablaut; — Blei aus dem Niederdeutschen, mnd. bleie f., e. blay, daneben
mit Ablaut mhd. blidte; — Brasse(n), ahd. brahsenia, brahsa, e. brasse; — Bricke aus
mnd. pricke; — Butt(e), ndd., e. bat zu ndd. biitt 'stumpf; — Döbel, im 15. Jh., zu
döbel 'Püock' ; — Elritze, mhd. ahd. erlink, eig. 'Erienfisch'; — Flunder, mhd. vlunder,
e. flounder, wohl eigentlich 'Plattfisch' zu gr. .-rhar^ {platys); — Härder, ndd. liarder,
ags. heardhara; — Hausen, ahd. huso, mnd. hiisen. Das Verhältnis zu tschech. vyz, poln.
wyz ist unklar; — Hedit, ahd. hediit, hachit, ags. hacod, hceced, vielleicht zu ahd. hedien
'stechen', von seiner spitzen Schnauze; — Hering, ahd. haring, e. herring, im 6. Jahr-
hundert mlat. haringus; jedenfalls nicht zu heer als 'Heerfisch'; unbekannter Herkunft;
daneben anord. sild; — Kresse, ahd. kresso, vielleicht zu ahd. kresan 'kriechen'; —
Quappe, ahd. quappa, besonders in Kaulquappe {Kaul aus Kugel); — Renke, mhd.
rinanche 'Rheinanke'; anke ist dunkel; — Roche, aus mndd. rudie, dazu ags. reolihe,
mengl. roughe, reighe, also mit Ablaut; — Scheiden, bayer. öst. 'Wels', ahd. skeida; —
Sdiellfisdi, t. shellfish zu Sdiale, sdiellern, weil das Fleisch sich schilfert; — Sdinäpel,
mnd. snepel : Sdinabel; — Scholle, mnd. sdwlle zu Sdiolle, \y\^ Sohle zu Sohle, Zunge
zu Zunge; — Sprotte, aus dem Niederdeutschen, nd\.sprot, t.sprat; Herkunft dunkel; —
Stint, aus ndd. st int, vielleicht zu mhd. stunz 'stumpf, kurz'; — Trüsdie, 1561 Trusch; —
Wels, mhd. weis, wohl zu ahd. welira 'Walfisch', s. S. 178.
3. ENTLEHNUNGEN.
Aalraupe, ahd. nur nlpa, wohl entlehnt aus lat. rubeta 'Frosch, Kröte"; — Albe,
Albel, mhd. albel, \. albula; — Alse, Alose, frz. alose, kt\t. alausa; — Anchovis,
nd\. ans jovis, aus dem Baskischen; — Barbe, ahd. barbo, lat barbus; — Giebel, ahd.
guva, lat. gobio; — Groppe, ahd. groppo, vielleicht mlat. carabus; — Kabeljau, Her-
kunft dunkel; — Karpfen, ahd. karpfo, karfo, zuerst belegt im 6. Jahrhundert als mlat.
carpa und über ganz Nordeuropa verbreitet, über Romanen, Germanen und Slawen; Her-
kunft dunkel, wahrscheinlich aber nicht echt germanisch. Vielleicht zu aind. sapharali_
'Karpfenart', IW. supalas 'cyprinus dobula'; — Laberdan, 16..Jh., e. haberdine, Herkunft
dunkel; — Lamprete , ahd. lampreta, ags. lempedu aus lat. lampreda, lampetra, dessen
Herkunft dunkel ist. Ein offenbar sehr geschätzter Fisch, wie Lampreten volkstümlicli
etwas sehr Feines bezeichnen; — Makrele, mhd. makrel, mlat. macarellus; — Muräne.
mhd. muren. gr.-lat. muraena; — Orfe, ahd. orvo, gr.-lat. orphus; — Pf rille, mhd.
pfrille, noch schwäb.-tirol., lat. perula; — Platteise, ■s.'pätmhd. blat(t)ise, l. platessa; —
Sardelle, 1556, ital. sardella; — Sardine, 1495, \tal. sardina; — Salm, ahd. salmo,
gall.-lat. salmo; dazu Saibling aus Sälmling 'der junge Lachs'; — Sohle, e. sole, lat.
solea 'Sandale, Plattfisch'; — Turbo t, 1617, frz. turbot.
An Entlehnungen aus dem Slawischen, die z. T. nur eine örtliche Ver-
breitung haben, liegen vor
Beißker, 15. Jh., slav/. piskor; — Karausdie, 16. Jh., lit. kan'iUs; — Pomndiel
'Dorsch', poln. pomudiia; — Plötze, kaschubisch ploc; — Sander, Zander, obsorb.
sandak; — Ukelei, poln. uklej.
186 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Daß schon in alter Zeit der Fischfang bekannt war, ergibt sich zweifellos
aus der Sprache.
fisdien, goK. Jiskon, hi. piscari; — Angel, ahd. fl«^«/ 'Stachel, Spitze, Fischangcl',
genau gr. i'tyxi/.a: {aukylos) 'krumm'; in n'/y.tornny {äukistron) 'Angel' haben wir eine Ab-
leitung von demselben Stamm: - //fl/^i^/; 'Angelhaken, Angelrute', ah^. hämo, vielleicht
y.u lat. //rtff/;« 'Haken, Angelhaken, Angel"; — Netz, ahd. m^zzi, c. net, go\. nati, dazu mit
Ablaut anord. nut; zu lat. nassa 'Fischreuse, Netz, Schlinge"; — Reuse, ahd. rnsa, rnssa;
wenn dies eine ablautende Weiterbildung zu got. raus, d. Rofir ist, muß das Wort sehr alt sein.
Anmerkung. Ich bemerke, daß der Fang der Fische mit der Angel verhältnismäßig
jtmg ist, und daß es eine ganze Fülle verschiedener Arten, iMsclie zu fangen, gibt, mit der
Lanze, dem Buger), dem Dreizack, nachts mit einer Fackel im Wasser gehend usw.. so daß
der Mangel an Namen für Fischereigeräte nicht weiter auffallen kann.
Man sieht also, daß nicht nur eine ganze Reihe von Fischnamen gemein-
germanisch sind, sondern daß auch nicht wenige in das indogermanische
Altertum zurückgehen. Es ist demnach eine durch die Tatsachen widerlegte
Behauptung von O. Schrader und andern, daß die Indogermanen die Fische
nicht beachtet hätten. Die Namen einer Anzahl eigentlich nur in den nörd-
lichen Meeren und den hineinmündenden Flüssen vorkommender Fische und
Tiere, wie Aal, Ladis, Stör, Walfisch und Hummer, weisen auf die Nord-
seeküste als ursprüngliche Heimat der Germanen und Indogermanen.
Zweifellos wird sich mit der Zeit noch mancher andere Fischnamen als
indogermanisch erweisen, wenn man erst noch die Ausdrücke der deutschen und
skandinavischen Mundarten sowie die der slawischen genügend erforscht hat.
§ 124. D. Sonstige Tiere.
Literatur: JoHX von Zandt-Cortelyon, Die altenglischen Namen der Insekten.
Spinnen und Krustentiere; Anglistische Forschungen 19, Heidelberg 1906.
Auch auf diesem Gebiete finden wir einen guten Teil alten Sprach-
stoffes, wenngleich natürlich auch Entlehnungen nicht fehlen. Wir unter-
scheiden nur zwischen einheimischem und entlehntem Sprachgut.
1. EINHEIMISCHES SPRACHGUT.
Ameise, ahd. ämeiia, ags. a>mette, e. emmet, ant\ dunkel; vielleicht steckt darin eine Zu-
sammensetzung von a 'ab' und meiiian. zu dem unser Meißel gehört, also 'die Ab-
schroterin'. Ein altes indogermanisches Wort liegt vor in ndd. ndl. mier, krimgot. miera,
ags. mijre. t. mire. das zu gx. iii-oinf: {mynweks), \a\. formten gehört.
Assel 'Kellerassel', spätmhd. assel. gewöhnlich aus lat. asellus hergeleitet; doch erhebt
dagegen die Formel Atzel Einwand.
Eine reiche Benennung liegt für die Bienen vor.
Biene, ahd. bini n., bia, ags. beo, e. bee, gemeingermanisch, aber in dieser Form nicht
in den verwandten Sprachen; mit andren Suffixen lit. bitis, lett. bitte, apreuß. bite, ir.
becfi, lat. fücus 'Biene'; — Bremse, niederdeutsche Form. ahd. bremo. vielleicht
Brummerin', oder zu aind. bhramaräh 'Biene'; — Drohne, niederdeutsche Form,
asächs. dran, e. drone, ahd. mit Ablaut treno zu gr. Ogwiai Uhröna.x) 'Drohne', redu-
pliziert TffOgip-iii {tenthrcence), 'Art Wespe oder Hummel": — Hornisse, ahd. horna^,
hurnui, e. hörnet zu lat. crabro 'Hornisse', abg. sni.^enl u.a.; — Hummel, ahd. hum-
bal. e. humble-bee, vielleicht nasalierte Form zu gr. xtiq t'iv {kcephien) 'Drohne' oder zu
apreuß. ca/w«5 'Hummel', \\{. kamrine '"Exdh'xtwt ; — Imme, ahd. />«&/ 'Bienenschwarm',
erst spätmhd. 'Biene', ags. ymbe 'Bienenschwarm', gehört trotz geäußerter Bedenken
§ 124. D. Sonstige Tiere. 187
doch wohl zu gr. f7<.T('s- {etnpis) 'Stechmücke"; — Wespe, ahd. wefsa, e. wasp zu lat.
vespa, lit. vapsä 'Bremse', abg. vosa 'Wespe'. — Dazu kommen die alten Benennungen
für die Erzeugnisse der Biene, den Hon ig. Das älteste Wort dafür steckt in Met, ahd.
meto 'Met', e. mead, abg. niedn, altpr. meddo, lit. mediis, awest. ma<hi- 'Honig', gr.iifOv
(methy) 'Trunkenheit'; — außerdem haben wir gT. itf/.t (me/i), \a\. mel, got milip; —
unser Wort Honig, ahd. hona(n)g, e. honey gehört wahrscheinlich zu aind. könakam,
kaiScanäm, n. 'Gold", gr. y.vijy.o; (kncekos) 'Safflor', y.njy.ög {kmekös), dor. y.i-uy.i'i: {knakös)
'gelb". Ob die Bedeutung 'gelb' oder 'Honig' älter ist, läßt sich nicht entscheiden, ich
vermute das letztere; — Wadis, z\\d. wahs, tng\. wax zu Wi. vd^kas, dbg. voskn, zu
wahseni?); \a\. cera ist im Germanischen verloren gegangen: — Wabe, ahd.waba l.,
■wabo m. 'Honigwabe'; der Zusammenhang mit weben erscheint möglich; im Lateinischen
findet sich aber in genau der gleichen Bedeutung faviis, ein Wort, das dieselben Laute,
nur in andrer Folge, enthält (idg. *bhawos und '^wabhos. wabha); unter diesen Um-
ständen liegt der Gedanke einer Metathese sehr nahe, doch ist nicht zu sagen, welche
Sprache das Ursprüngliche hat; — ein anderes Wort haben wir noch in Roß n. 'Honig-
wabe", mhd. ra^, ra^e, andlxk. rata 'favus', nd\. raat f. 'Honigseim"; falls das Wort mit
// anlautete, kann man die Wurzel von lat. crdtes 'Flechtwerk" vergleichen. — Man er-
kennt aus dem hohen Alter der heutigen Ausdrücke, welche Aufmerksamkeit man den
Bienen und ihren Erzeugnissen zuwandte. Das ist nur natürlich. Bot doch der Honig
den einzigen Zucker, den man zur V^erfügung hatte. In der Hauptsache wird es sich
natürlich um wilde Bienenstöcke handeln.
Blutegel, ahd. egala. V^ielleicht zum ersten Bestandteil des folgenden.
Eidedise, ahd. egidehsa, e. ask; der erste Teil wohl zu gr. s/idra iekhidna) 'Natter,
Schlange"; aus Eid-edise ist £"c^5^ (1836) fälschlich in neuerer Zeit entnommen worden.
Engerling, ahd. engirink 'Kornmade' von gleichbed. ahd. angar, vielleicht zu lit. ankHiral
'Finnen, Engerlinge', poln. wcgry 'Schweinefinnen'.
Ealter, s. Sdimetlerling; — Finne, mhd. pfinne, vinne, ndl. vi n 'Blatter'.
Fliege, ahd. flioga, e. fly zu fliegen; daneben mit Ablaut anord. fhiga.
Floh. ahd. flöh, t. flea, wird gewöhnlich zu fliehen gestellt, aber Urverwandtschaft mit
lat. p'ilex ist kaum abzuweisen.
Frosdi, ahd. frosk, e. d\a\. frosk, daneben t. frog und andere Nebenformen, die die Be-
urteilung erschweren. Osthoff, Parerga, stellt es zu einer Wurzel, die 'springen, hüpfen"
bedeutet habe und noch in unserm froh, freuen vorliegt.
Gelse 'Schnake, Mücke', erst nhd. zu gelsen 'summen", gellen.
Gnitte, niederdeutsch, oberd. Gnitze, dazu ags. gnwt.
Heimdien, ahd. heimo 'Hausgrille'; dazu ags. hdma 'Hausgrille"; wohl zu Heini; — Heii-
s dir e die, ahd. hewiskrekko, zu sdiredien, eig. 'aufspringen".
Hummer, aus dem nord. humarr, zu gx. y-ämiaoo; {kämmaros) 'Seekrebs' und vielleicht
aind. kamäthas (th aus rth) 'Schildkröte'.
Käfer, ahd. kevar(o), t. chafer; wohl zu kiffen 'nagen"; ahd. mhd. auft^/ 'Kornwurm,
Käfer', e. weevel ist verloren; es entspricht lit. vabalas 'Käfer'.
Kanker 'Spinne'; dazu nordfries. kiinker 'Spinne', an. köngurvafa, vielleicht ursprünglich
das Spinnengewebe, vgl. Spinnekanker, zu gr. yäyyoairu (gdt^graina) 'fressendes Geschwür".
Krabbe, aus mnd. krabbe, e. crab; stammverwandt mit dem folgenden.
Krebs, ahd. kreba^; unerklärt.
Kröte, ahd. krota, kreta, wohl zu gr. ßäTou/n; (bätrakhos), (ioaTu/o; (brätakhos); die
Form ßrmz- {brät-) stimmt zu der Ablautstufe krot.
Laus, ahd. tiis, e. louse; vielleicht zu akymr. leu-eseticc 'von Läusen zerfressen".
Lind(wurm) , ahd. lint 'Schlange', anoxd. linnr; unerklärt.
Lurdi, nd. Lork, vgl. IF. 30, 266.
Made, ahd. mado, got. mapa, mit ableitendem k e. niawk; unerklärt: vielleicht zu Motte.
Milbe, ahd. milwa; zu Mehl, also Mehlwurm.
188 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Molch, mhd. mol, molle, ahd. mol 'Eidechse, Molch'; unerklärt.
Motte, spdtmhd. wo//^. c.moth; zu Made?
Mü(iie, ahd. mucka, e. midge. anord. niij ohne Guttural; wurzelverwandt mit gx. in'hi (myia),
das aber ein s verloren hat, vgl. lat. nuisca.
Natter, ahd. natara, e. adder, mit Verlust des n wie auch in Otter, got. nadrs zu lat.
natrix 'Wasscrschiangc'.
Sifi, Nisse, ahd. hni^, e. n/f 'Lausei' zu gr. /<oi/,-, ;<oi/<5o,- {konis, konidos) 'Ei der Läuse'.
Olm 'Molch' aus molm, zu Mohii. — Otter, s. Natter.
Padde, niederdeutsch, c. paddodi. anord. padda; unerklärt. Dazu Sdiildpatt.
Pieraas 'Regenwurm als Köder", mnd. piras, vielleicht Aas zum pieren 'anlocken".
Qualle, nd. qiialle, wohl zu Qualster 'zäher Schleim'.
Raupe, ahd. rnpa, lautlicli eins mit abg. ryba, das aber 'Fisch" bedeutet. Ist die Ur-
bedeutung vielleiciit 'Wurm?
Sdiabe, mhd. sdiabe 'Motte, Schabe', ags. nui-lsceafa 'Raupe', wohl zu sdiaben.
Sdiildpatt, s. Padde.
S dl lange, ahd. slango m. zu sdilingeri; dies Wort hat andere Ausdrücke verdrängt, kann aber
auch vofgermanisch sein, da es vielleicht zu V.ymx. y-slywen, Slawen 'Aal' aus *slnngio gehört.
Sdinietterling, erst neuhochdeutsch; die ältere Bezeichnung steckt in Falter, gekürzt
aus mhd. vivalter, das mit lat. papilio, vesper(p)tilio eigentlich 'Abendfalter' wurzel-
verwandt ist. Sdunctterling ist von Sdinietten 'Milchrahm' abgeleitet, das aus dem
Tschechischen stammt. Die Erklärung liegt in dem Glauben, daß Hexen und elbische
Wesen in Gestalt von Schmetterlingen die Milch stehlen oder sie verderben; daher
auch Mildidieb, Molkendieb, Butterfliege, Buttervogel, e. butterfly.
Sdmake, mhd. snake 'Schnake", zu mnd. snok 'junger Hecht', eig. 'Stecher".
Sdmake 'Ringelnatter", niederdeutsch, t. snace zu z\nd. naguh 'Schlange'.
Sdinedie, ahd. snei-ko. ndd. snigge, daneben mhd. snegel, e. snail, wohl zu aiid. snahlian
'kriechen"; daneben Sdincgel.
Spinne, ahd. spinna, eig. 'Spinnerin'; ein älteres Wort sicckt in Spinnekanker, %. Kanker.
Spulwurm, im 15. Jh., zu Spule.
Unke, erst neuhochdeutsch, dafür ahd. uhha 'Kröte', ags. >jce, ndd. Jtsdie; unerklärt.
Wanze, mhd. wance, ahd. wantlus. — Werre, 'Maulwurfsgrille', 1540.
Wurm, ahd. wurm 'Schlange, Spinne und überhaupt jedes Kriechtier', ags. wyrm "Drache,
Schlange, Kriechtier" zu lat. vermis.
Zedie ,xn\\d. zedie, ndd.ieke; man vergleicht arm. ^/z 'Zecke", lit. digiis 'stachlich, scharf, spitzig'.
2. ENTLEHNUNGEN.
Alligator, 1594, span. el lacerto; — Amphibie, 18. Jh., gr.-lat. amphibium, mit
beidlebig verdeutscht; — Auster, ahd. aostar, lat. ostrea; — Basilisk, mhd. basiliske,
gr.-lat. basiliscus; — Dradie, ahd. tradio, gr.-lat. dräkon; zunächst als Name für das
römische Feldzeichen übernommen; — Garnele, Garnat, nd\. garneel, garnaat; —
Grille, ahd. grillo, gr.-lat. gryllus; — Infusorien, verdeutscht Aufgußtierdien. 1670 ent-
deckt; — Insekt, 1720, lat. insectum; ■- Kakerlak 'lichtscheue Schabe", über ndl.
kakkerlak aus dem Südamerikanischen. Jetzt meist auf die Albinos übertragen; — Koralle,
mhd. koral(le) zu lat.-gr. coralium; — Krake 'sagenhaftes nordisches Seeungeheuer',
1775, norweg. krakfe; — Krokodil, mhd. kokodrille, kokatrille, gr.-lat. crocodilus; —
Lazerte, s^an. lacerto; — Moskito, span. mosquito, 19. Jh.; — Muschel, ahd. muskula,
lat. musculus; Miesmuschel ist mit Mies 'Moos" zusammengesetzt; — Polyp, erst nhd.,
gr.-lat. polypus: — Reptil, 19. Jh., lat. reptilis 'kriechend'; — Salamander, mhd. Sala-
mander, gr.-lat. salamandra; — Skorpion, ahd. Skorpion, gr.-lat. scorpio; — Tarantel,.
1676, ital. tarantola. nach der Stadt Tarent; — Viper, mhd. vipere, lat. vipera.
§ 125. Rückblick. Blicken wir nunmehr zurück, so zeigt es sich, daß
unsere Tierwelt im wesentlichen mit einheimischen Worten benannt ist.
§ 125. Rückblick. § 126. Die Pflanzennamen. § 127. A. Die Bäume. 189
Lehnworte haben sich doch nur wenige eingeschUchen. Man hat aus dem
Vorhandensein derartiger Worte im Germanischen und Indogermanischen
Schlüsse auf die ursprüngHchen Wohnsitze gezogen. In der Tat, wäre eine
Anzahl von Tieren nur auf einem gewissen Gebiet verbreitet und könnten
wir die Namen dafür in der Ursprache nachweisen, so wären derartige
Schlüsse berechtigt. Es gibt einige solche Fälle, siehe oben S. 188 und ver-
gleiche darüber Hirt, Die Indogermanen 1, 187 ff. Außerordentlich viel Aus-
drücke sind aber noch dunkel, doch wird es zweifellos der Forschung noch
gelingen, einen Teil davon zu erklären.
§ 126. Die Pflanzennamen.
Literatur: Hoops, Über die altenglischen Pflanzennamen, Freiburg 1889. — Hoops,
Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertum, Straßburg 1905. — BjöRKMAN,
Die Pflanzennamen der althochdeutschen Glossen, ZfdW. 2, 202 ff.; 3, 263; 6, 174. — Pritzel-
Jessen, Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze.
Aus allen Mundarten und Zeiten zusammengestellt. Hannover 1882. Reichhaltig, aber mit Vor-
sicht zu benutzen. — R. Löwe, Germanische Pflanzennamen. Etymologische Untersuchungen
vCodx Hirsdibeere, Hindebeere, Rehbockbeere und ihre Verwandten (Auch u.d.T. Germanistische
Bibliothek, IL Abteilung, 6, Band), Heidelberg 1913. — Heinrich Marzell, Die Tiere in
deutschen Pflanzennamen. Ein botanischer Beitrag zum deutschen Sprachschatze, Heidel-
berg 1913. Mit einem reichhaltigen Verzeichnis der Literatur über Pflanzennamen.
Das Gebiet der Pflanzennamen ist fast noch umfänglicher als das der
Tiernamen und auch nicht annähernd zu erschöpfen. Wir geben denn auch
nur eine Auswahl und teilen den Stoff in folgende Unterabteilungen: A. Die
Bäume; B. Die Kulturpflanzen; C. Sonstige Plauzen.
§ 127. A. Die Bäume. Fast für alle in Nordeuropa einheimischen Baum-
namen haben wir nicht nur die gleichen Ausdrücke in allen germanischen
Sprachen, sondern auch die verwandten Sprachen bieten Entsprechendes.
Man schließt daraus mit Recht, daß die Urheimat der Germanen und Indo-
germanen in einer Gegend gelegen haben muß, die über einen reichen Baum-
bestand verfügte, der im wesentlichen aus den nordeuropäischen Bäumen
bestand. Allerdings kehren die meisten Ausdrücke nicht im Indischen wieder,
und darauf hat man früher großes Gewicht gelegt. Die Flora dieses Landes
aber, das hätte man bedenken sollen, weicht so sehr von der Nordeuropas
ab, daß das nicht wundernehmen kann. Auch die südeuropäischen Sprachen
Griechisch und Lateinisch versagen des öftern bei der Vergleichung. Es
gilt dafür derselbe Grund.
Als eine auffallende Erscheinung tritt uns außerdem der häufige Wechsel
der Bedeutung bei den Baumnamen entgegen, und zwar finden sich dabei
ganz merkwürdige Sprünge. Wie das zu erklären, ist noch nicht genügend
aufgehellt; ich kann es mir kaum anders vorstellen, als daß — eine Folge
der Wanderungen — die Bezeichnung eines bestimmten Baumes zur all-
gemeinen Bezeichnung für Baum wird und später wieder eine Speziali-
sierung eintritt. Vergleiche weiter unten etwas Ähnliches bei den Ausdrücken
für Getreidearten.
190 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
1. INDOGERMANISCHE UND ALTGHRMANISCHE BESTANDTEILE.
Ahorn, ahd. ahorn, lat. acer.
Apfel, ahd. apful. c. apple, ir. aball, itball. lit. obuolas, ahg. jubln ko 'Apfel'; ein uraltes,
jedenfalls nicht entlehntes Wort.
Arve, Schweiz., 16. Jh., vielleicht zu mhd. arf 'Wurfspieß'.
Baum, ahd. boiim, c. beam, vielleicht zu gr. qv/ia {phSima) 'üevkrächs'; unsicher.
Birke , ahd.biridia, e.birdi, Ut.berzas, russ.beräza, aind. bhfirjas; dazu lat fraxinus'E%c\\c\
Biidie. ahd. buohha. \a{. fogus, gr. v »;;■'''-• {phipgös) 'Eiche'; während man frülier den Namen
der Buche nur in diesen drei Sprachen fand, ist neuerdings der Stamm auch im Osten
nachgewiesen; man stellt dazu kurdisch buz 'Ulme', abg. bnzu 'Hollunder', und Ost-
hoff hat, Bezz. Beitr. 29, 249, gezeigt, daß der Name auch in einer Reihe von Ab-
leitungen steckt. Dazu Bartholomae SB. Heidelberg 1918, 1 ff.
liberesdie, erst im 16. Jh., vielleicht Aberesdie 'falsche Esche'.
Eibe, ahd. iwa, t.yew zu preuß. iuwis 'Eibe', Wt jievü 'Faulbaum', abg. iva 'Weide', kymr.
yw 'Eibe'; Weiteres bei LiDiiN, Idg. Forsch. 18,502.
Ei die, ahd. eih, e. oak zu gr. uiyi-).iorp (aigi-lops) 'Eichenart mit süßen Früchten', lat. aes-
culus 'Bergeiche'.
Erle, ahd. erila (umgestellt aus elira, noch ndd. Eller), Else zu lat. alnus, ahg. j'elidia 'Erle'.
Esdie,ahd.asc, e. ash zu abg. Jasika, Vit. üosis, lat.or««s 'wilde Bergesche', gr.')^r;/ (oxyie) 'Buche'.
Espe, ahd. aspa, c. asp zu lit. apusis, abg. osina 'Espe', gr. «o.tj>/,- (äspris), aango; (äspros)
'eine fruchtlose Eichenart".
Eidite, ahd. fiuhta zu gx. :itvy.)] (peiiku-).
Eölire, ahd. forafia, c. fir (aus dem Dänischen) zu lat. quercus aus '"perquos 'Eiche', dazu
vielleicht auch a\nd. parkatih "ficus religiosa'; die Bedeutung 'Eiche' liegt auf deutschem
Boden noch vor in \angob. fereha 'aesculus'; vgl. noch HOOPS, Waldbäume 119.
Hasel, ahd. hasala, e. Iiazel zu lat. corylus, air. coli 'Hasel'.
Heister 'junge Buche', mhd. heisrer, entlehnt frz. hetre zum lai. silva Caesia, andd. Hesiwald.
Herlitze, ahd. arlizbourr, vielleicht zu Erle.
Holunder, ahd. holuntar zu russ. kalina "wilder Schneeball' u. a.
Kiefer, aus Kienföhre, zu ahd. kien, ags. cen 'Kiefer, Fichte'; unerklärt.
Lehne, Lenne, zu anord. hlynr und abg. klenu 'Ahorn".
Linde, ahd. linta, e. lind zu gr. fJ.üt»} {eldt<e) 'Fichte, Weißlanne', lit. lentü 'Brett'.
/düster, air. ruai/n 'betula alnus'.
Sdilehe, ahd. sleha, t. sloe, unerklärt; ahg. sliva 'Pflaume' ist wohl entlehnt.
Tanne, ahd. tanna 'Tanne' zu aind. dhänvan- 'Bogen'?; vgl. HooPS a. a. O. 115; ursprüng-
liche Bedeutung unsicher.
Ulme, dafür ahd. elmboum, das echfdeutsche Wort, das zu lat. ulmus im Ablaut steht.
Wadiolder, ahd. wehhaltar; unerklärt.
Für Weide gibt es sogar mehrere Gleichungen, nämlich ahd. wida, gr. hea {itea)
und mit Ablaut olaia (oisya), \ai. vitex, awest. vaeti-, \H. vitis 'Weidenrute'; — d. Sal-
weide, ahd. salaha zu lat. salix; — e. willow zu gr. elixtj {helikce); — Eelber, ahd.
felawa 'Weide' zu osset. färw, farwe 'Erle'.
Der am weitesten verbreitete indogermanische Baumname steckt noch in e. tree 'Baum'
(dazu d. Teer, e. tar), gotisch erhalten in triu n. 'Baum'; es gehört zu a\nd. däru, dru-
'Holz', drumäh 'Baum', drunam 'Bogen'; awest. darav- 'Holz", alban. dru 'Holz, Baum';
abg. dr'evo 'Baum, Holz', russ. derevo 'Baum'; lit. dervä 'Kienholz', lett. darwa 'Teer'; agall.
Dervum, Ortsname, 'Eichenwald', bret. kymr. derwen 'Eichen', air. dair 'Eiche', kymr. körn.
dar 'Eiche'; gx. ööm- (döry) 'Speer', öov; (drys) 'Eiche'; xr\aktd. dägv/./.o^- {ddryllos) 'Eicht'.
Über die ganze Sippe vgl. Osthoff, Etymologische Parerga 1, 102. Die Grundbedeutung
wird 'Eiche' gewesen sein. Dazu gehört auch Hartriegel, ahd. liart-trugiL
Anmerkung. Nach den Ausführungen Osthoffs a. a. O. ist die ganze Sippe sehr
verzweigt, und sie liegt auch mehrfach in übertragener Bedeutung vor, vor allem in treu.
§ 127. A. Die Bäume. 191
ahd. giiriuwi, got. triggws, e. triie 'wahr', vielleicht aber auch in trauen, Trost und vielen
Worten andrer Sprachen. Vgl. auch noch P. Waglef^, Die Eiche in alter und neuer Zeit,
Gymnasialprogr., Würzen 1891; 2. Teil in Berliner Studien für klass, Philol. und Archäol. 13.
Ein andres Wort für 'Baum' ist noch in Wiedehopf erhalten, ahd. wituhopfo, eig.
'Waldhüpfer', zu ahd. w/V« 'Holz', e. tcoor/ 'Gehölz', air. //rf 'Baum', sowie \x\ Kramtsvogel,
zsg. mit ahd. kranawitu 'Wacholder'.
Ferner gehen aber auch die Bezeichnungen für Wald, Holz usw. in
das Indogermanische zurück.
Dem mhd. loh, noch erhalten in Water loo. Hohen lohe usw., entspricht lat. lücus; —
unser Wald, ahd. wald, e. wold kehrt in aind. vatah 'Garten, Bezirk', vdti 'Baumgarten'
wieder (/ aus It). Dazu auch vielleicht gx. a).aog (älsos) 'Hain' aus *waltJos; — Holz,
ahd. holz, e. holt, gr. y./.ddo^ {kiddos) 'Zweig'; — Forst, ahd. forst kann Lehnwort, aber
auch alt sein, siehe Weigand.
Dazu kommen eine Reihe andrer Ausdrücke:
Ast, ahd. ast, got. asts, gr. (i^og {özos), arm. ost; — Blatt, ahd. blat, e. ölade 'Blätt-
chen, Strohhalm', vielleicht wurzelverwandt mit \a\. folium 'Blatt'; — Borke, aus dem
Niederdeutschen, anord. börkr, e. bark 'Rinde'; vielleicht im Ablaut zu Birke; — Laub,
ahd. loiib, e. leaf, got. laiifs wohl zu lit. Ifipas; — Rinde, ahd. rinta 'Baumrinde, Kruste',
t.rind, daneben dial.hess.ra«cf^ mit Ablaut; — Reis, ahd. /zns 'Zweig', unerklärt; — Stamm,
ahd. stam, e.stem zu stehen; — Straudi, mhd. strndi, ndl. struik. Wohl zu Strunk, md.
Strunk; — Zweig, ahd. zwig, e.twig; jedenfalls Ableitung von zwei, aber wohl nicht jung.
Auch für die Früchte sowie Erzeugnisse der Bäume gibt es alte
Gleichungen, natürlich soweit man jene wirtschaftlich verwendete:
Bast, mhd. hast, e. hast, dazu mit Ablaut ahd. Z;i/05/"Baststrick', vielleicht zu lat. fascia
'Bmdt\ fascis 'Bund, Bündel, Paket'. — Edier, mhd. edier(n) 'Frucht der Eiche oder Buche',
e. acorn 'Eichel', got, akran schlechtweg 'Frucht' zu kymr. aeron 'Früchte'. — Eidiel, ahd.
eihhila; die Erklärung, daß Eidiel Verkleinerungswort zu Eidie sei, ist schwerlich richtig;
eher vielleicht infolge Silbendissimilation aus *aiki-kila und letzteres zu lit. gile, abg. zeladi,
lai. glans, gx.ßu/.avog (bälanos). — Harz, ahd. harz, auch harzuh, vielleicht stammverwandt
mit gr. y.t]o6g (kcerös) 'Wachs'. — Hutzel 'getrocknete Birne', mhd. hutzel. — Kitt, ahd.
quiti, kuti 'Leim', ae. cwidu 'Harz', lat. bitamen (aus dem Umbrisch-Oskischen), aind. jf(//«
'Lack, Gummi", npers. zad 'Gummi'. — Laufet f. 'die äußere (grüne) Schale mancher
Bay;nfrüchte', ahd. louft, wohl urverwandt mit glbd. tschech. poln. lupina, lit, lupinal 'Ob-
schalen'. — Nuß, ahd. nus, ags. hnutu. e. nut zu air. knü, lat. nux; letzteres weist auf
'■^dnuk, das germanisch-keltische Wort auf *knud. — Teer, aus dem Niederdeutschen, ndl.
teer, e. tar, obd. eigentlich Zehr, gehört zu got. triu 'Baum', e. free.
2, LEHNWORTE
sind auf diesem Begriffsgebiet nicht gerade häufig. Vor allem kamen im wesent-
lichen schon durch die Römer die südlichen Obstbäume mit ihren Früchten.
Abele 'Pappel', mnd. abele aus afrz. aubel, lat. albellus. — Ammer, Amarelle ,
Wal. amarisca 'Weichselkirsche'. — Birne, ahd. bira aus xom. pera; die Entlehnung muß
spät sein, nachdem die Verschiebung von p zu pf vorüber war, und das ist einigermaßen
auffällig. — Budisbaum, ahd. budisboum aus rom. buxus, gr. .ti'^o.,- (pyxos). — Busdi,
ahd. -busk, e. bush, mlat. buscus. — Ebenholz, mhd. ebboum, ebenus aus lat. ebenus. —
Feige, ahd. flga aus xom. figa [lat. ficus). — Forst, ahd. forst aus xnlat. forestis; wird
auch als echt deutsch angesehen, was aber weniger wahrscheinlich ist. — Kastanie,
ahd. kestinna, t. chestnut, aus lat. castanea; unsere Form beruht auf neuer Entlehnung, auf
alter obd. Kästen. — Kirsdie, ahd. kirsa aus lat. ceresia. — Kriedie 'Pflaumenschlehe',
ahd. kriehboum, eigentlich 'die Griechische'. — Kornellkirsdie, ahd. kornulboum aus
lat.cornus. — Lärdie, xnhd. lerdie aus lat. lariceni. — Lorbeer, ahd. lorberi, zusammen-
192 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
fjesetzt aus lor -- lat. lauriis und beri 'lieerc'. — Mandel, ahd. mandala, aus vulgärlat.
amandnlo, einer Umgestaltung von gi.anvy&ä).ii (amy^diild). — Maulbeere, ahd. murb^ri;
niiir aus \a{. mi>nim 'Maulbeere'. — Mispel, ahd. mespila aus \at. mespilum. — Pappel,
mhö. papel aus \a{. poptiliis. -- Pfirsidi, m\\d. pfersih aus \a\. prrsiciim, vulgärlat. /J^rs/ca;
wenngleich das Wort althochdeutsch nicht belegt ist, muß es doch schon früh entlehnt sein,
<la es die Lautverschiebung mitgemacht hat. — Pflaume, mhd. p/liime, ahd. p/mma aus
\at. pntnurn. — Quitte, mhd. quiten, ahd. kutina aus mlal. cidonia, \at. cydonia, von der
Stadt Kydon auf Kreta. — Ulme, mhd. ulmboum aus lat. ulmus. — Wallnuß, aus dem
N'iederdeutschen. ndl. walnoot 'welsche Nuü'; im 13. Jahrhundert. — Zwetsdie, Quetsdie,
im Mittelalter aus davascena für damascena "Pflaume von Damaskus'. — Zypresse,
mhd. cipress aus ital. cipresso; ahd. kupfirboum.
^ 128. Schlußfolgerungen. In den meisten Fällen lassen sich, wie wir
«^'esehen haben, die deutschen Baumnanien bis in die verwandten Sprachen
hinein verfolgen. Allerdings versagt hierbei, wi^ längst beobachtet worden
ist, häufig das indische. Aber doch nicht in dem Maße, wie man früher
angenommen. Bis ins Arische hinein gehen Tanne, aind. dhänvan- 'Bogen',
vgl. Hoops, Waldbäume 117; der Stamm dem-, e. tree, ai. dam; Föhre, aind.
parkati, n'ind. parg-ai 'Steineiche'; Birke, aind. bhurjah; Weide, awest.
vaeti-;ah6.felawa,ossel/ärw;Budie,kuTd.buz'\J\me';Wald,am6.vafa-ü.a.
Durch diese Gleichungen läßt sich die Urheimat der Germanen und
Indogermanen ziemlich gut bestimmen. Denn die Bäume kommen nicht
überall vor, vor allem nicht überall in dieser Fülle verschiedener Arten.
Besonders wichtig ist die Buche, die wegen klimatischer Verhältnisse nicht
über eine Linie, die von Königsberg nach der Krim geht, hinausreicht.
Westwärts dieser Linie muß die Urheimat gelegen haben.
Die treue Erhaltung der Baumnamen erklärt sich aus der wirtschaftlichen
Verwendung. Man kannte die Eigenschaft jedes Holzes ganz genau, und
wenn wir Großstädter sie nicht mehr kennen, der Bauer, der Tischler, der Stell-
macher, der Bötticher usw. wissen genau, welches Holz sie anzuwenden haben.
Zahlreich sind denn auch die Fälle, in denen in den indogermanischen
Sprachen Gegenstände nach dem Holz benannt sind, aus dem sie gefertigt sind.
As dl (in Asdikudien) bedeutet noch ostmitteldeutsch ein tiefes topfartiges Gefäß,
während an. as^r 'Schiff heißt. Beide gehören zu Esdie. — Der Name Eibensdiütz weist
darauf, daß mhd. iwe, Eibe in die Bedeutung 'Bogen' übergegangen war, vgl. auch gr. tö^ov
(töxon) zu lat. taxus. — baudien, baudien, nd. büken 'Wäsche einweichen', hat Osthoff
zu Bitdie gestellt, indem er die Bedeutungsentwicklung Buche > buchenes Gefäß annimmt.
Vielleicht gehört auch Bandi hierher. — Sehr häufig werden Wälder- und Gebirgsnamen
von Baumnamen abgeleitet. So ist das alte Bacenis Silva ein Buchenwald. Vgl. ferner
Eidiidit. Büdiidit. Die anziehendste Ableitung dieser Art findet sich in dem alten keltischen
Namen Hercynia Silva, das dem mhd. Firgunt entspricht, und zu Föhre, lat. quercus zu stellen
ist, vgl. Hirt, Idg. Forsch. 1,480, und weiter gehört hierher lit. Perkänas, eig. 'der Eichengott'.
§ 129. B. Kulturpflanzen. Ackerbauausdrücke. Die ältere Forschung hat
nicht daran gezweifelt, den Indogermanen und damit auch den ältesten
Germanen die Kenntnis des Ackerbaues zuzusprechen, weil eine Reihe von
Kulturpflanzen, insbesondere die Getreidegräser, in verschiedenen Sprachen
übereinstimmend benannt sind. Dazu kommen ebenso einige Ackerbau-
§ 128. Schlussfolgerungen. § 129. B. Kulturpflanzen. Ackerbauausdrücke. 193
ausdrücke. V. Hehn aber hatte gegen diese Schlüsse Einwände erhoben,
die seinerzeit tiefen Eindruck gemacht haben. Besonders ist Hehns Ansicht
dann durch die Werke O. Schraders verbreitet worden. Heute haben sich
indessen die Anschauungen wieder gewendet. Nachdem ich schon vor vielen
Jahren den Indogermanen den Ackerbau mit Bestimmtheit zugesprochen
habe, vgl. Idg. Forsch. 5, 395 ff., Jahrb. für Nationalökonomie und Statistik,
3. Folge, Bd. 15, 456 ff., hat sich neuerdings Hoops in weitangelegter Unter-
suchung meiner Ansicht angeschlossen, vergleiche seine Waldbäume und
Kulturpflanzen und meine Indogermanen. Wollte man diese Frage aber
auch unentschieden lassen, so stimmen doch alle darin überein, daß die
Germanen schon in der Zeit, als sie noch auf einem kleinen Gebiet ver-
einigt saßen, den Ackerbau betrieben haben, wie außer andern Zeugnissen
die allen germanischen Sprachen gemeinsamen Ausdrücke für die wichtigsten
Kulturpflanzen und die Tätigkeiten des Ackerbaus beweisen. Allerdings be-
schränkte sich der Anbau auf einzelne Früchte, und vieles haben die Ger-
manen erst von den Römern kennen gelernt, wie die Sprache deuthch zeigt.
INDOGERMANISCHE UND GEMEINGERMANISCHE BESTANDTEILE.
Amelmehl 'Kraftmehl', zu ahd. amar 'Sommerdinkel'.
Bohne, ahd. bona, e. bean; unerklärt, aber wohl alt, da die Bohne (sog. Saubohne) sehr
früh angebaut ist.
Dinkel 'Weizenart, Spelz', ahd. dinkel, vielleicht mit gr. r/y// (tiphce) wurzelverwandt.
Erbse siehe S. 135.
Flachs; der Flachs gehört zu den uralten Kulturgewächsen, die schon in den Schweizer
Pfahlbauten angebaut wurden. Wir haben im Deutschen dafür drei Ausdrücke: Lein,
Haar, Flachs. Lein, ahd. lin 'Flachs, Lein, leinenes Kleidungsstück', got. lein zu lat.
linum, gr. Uvov {linon), abg. linü, lit. linal; das deutsche Wort könnte aus dem Latei-
nischen stammen, doch ist dies nicht wahrscheinlich; — Haar, ahd. haru, anoid. hörr;
Herkunft nicht sicher zu bestimmen; vielleicht mit Hede, mndl herde, e. hards ver-
wandt; — Fladis, ahd. flahs, t.flax; Herkunft unklar.
Gerste, ahd. gersta, ein nur deutsches Wort, zu lat. hordeum, gr. ;<fßdt] [krithce); — t.bar-
ley 'Gerste' zu got. *bariz 'Gerste' (erhalten in barizeins 'gersten'), lat. /ar. Bei uns
liegt es vor in Barn 'Krippe'.
Hafer, ahd. habaro, aschwed. hafre, hagre und daraus entlehnt finn. kakra, daher Grund-
form *kakro-, das vielleicht zu air. coirce 'Hafer' gehört.
Hanf, siehe oben S. 135.
Hirse, ahd. hirsi, hirso, wohl zu lat. Ceres 'Göttin der fruchttragenden Erde'.
Ji Offen, ahd. hopfo, c. hop. Wohl ein echt germanisches Wort. Die v/irtschaftliche Ver-
wendung des Hopfens ist aber jung.
Korn, ahd. körn, e. corn, got. kaum, kaürnö zu \ai. gramim, ahg.zrnno 'Korn'.
Kraut, ahd. krat 'Kraut, Kohl', asächs. krüd; vielleicht zu gr. ßQvov (bryon) 'Moos'.
Mohn, mhd. mähen, mägen, ahd. (mit grammatischem Wechsel) mägo zu gv. fti^y.cov (mcekön),
abg. makü, apreuß. moke.
Möhre, ahd. mor(a)ha 'gelbe Rübe', e. more; verwandt mit glbd. serb. mrkva, gr. ßijdxavn
{bräkana) 'wildwachsendes Gemüse'.
Roggen, ahd. roü^o, t. rye (aus *rugi) zu lit. rugis 'Roggenkorn', abg. rüzl 'Roggen',
thrak. ßgi'ia {briza), vgl. Hirt, Indogermanen 2, 654.
.Rübe, ahd. ruoba, daneben räba (mit Ablaut), zu lat. rapa, rdpum, abg. repa, lit. rdpe;
Entlehnung des germanischen Wortes aus dem Lateinischen ist unmögUch.
«Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 13
194 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Spelt, Spelz, ahd. spelta, spelza, e. speit; vgl. darüber HOOPS, Waldbäumc 416 ff.
Weizen, ahd. weizzi, wei'ii, e. wheat, got. h'aiteis, Ableitung von weiß.
Dazu kommen eine Reihe von Ausdrücken, die sich auf Eigentümlich-
keiten der Getreidepflanzen beziehen:
.Ahne 'Stenjjclsplittcr von Flachs oder Hanf, ahd. agana, got. ahana 'Spreu' i gram-
matischer Wechsel!) zu \a{. agna 'Ährcnstachel', gr. ä/»// [<ikhn<f) Spreu', apreuß. flf*on5
'Granne'. — Ähre, ahd. ahir, ehir, e. ear, got. ahs 'Ähre' zu lat. aciis 'Getreidestachel'. —
Garbe, ^\\(^. garba, ai. ^roMa/* 'Handvoll'. — Halm, ah6. haim 'Gras-, Getreidestengel',
e. halm zu lat. culmiis, gr. y.nkuno^ (kälamos), abg. slania. — Kaff, mhd. kaf, e. chaff zu
ahd. kefa 'Hülse', das auch Käfer zugrunde liegt. — Samen, ahd. samo zu lat. semen,
abg. se nie , Vit. sPmens. — Stroh, äh6. stnio, c. stniw zu lat. stramen Stroh'.
Die Ausdrücke für die wichtigsten Kulturpflanzen gehen, wie wir ge-
sehen haben, über die germanische Zeit hinaus, und dadurch wird das
Vorhandensein eines Ackerbaues in alter Zeit äußerst wahrscheinlich. Die
Sprache bestätigt diese Annahme weiter dadurch, daß eine Reihe über-
einstimmender Ausdrücke für Ackerbau und für Ackerbaugeräte in den
indogermanischen Sprachen vorhanden sind:
Adier, ahd. ackar, c. acre, got. akrs zu \at. ager, gT.dyoös (agrös); das Wort bedeutet
überall 'Acker', nur im Altindischen heißt äjrafi 'Flur'; die gleiche Bedeutung in den west-
lichen Sprachen kann nicht auf Zufall beruhen; die Annahme, daß das Indische in der Be-
deutung ausgewichen, ist sehr einfach. — Art 'gepflügtes Feld', namentlich in Artadier,
Artfeld, Artland, ahd. a/-/ 'Bepflügung'. mhd. rtr/"Art' von ahd. enWi 'pflügen' und dies
zu lat. arare, gr. uoöeiv [aröen); das Wort für 'Pflug', lat. aratrum, gr. ägotgov (ärotron),
liegt noch in anord. ardr vor. — F^gge, ahd. egida zu lat. occa aus *oteka,. körn, oket,
lit. akdcos 'Egge', gr. ö-inj {oximc) (bei Hesych). — Ernte, ahd. aran 'Ernte', got. asans
•Ernte, Herbst' (grammatischer Wechsel!) zu ahg.jesem 'Herbst', apreuß. assanis. — Esdi
'Ortsflur', ahd. ej^isk, got. atisk 'Saatfeld', vielleicht zu lat. ador 'Spelt'. — Feld, ahd. feld,
e.fieldzü aind. prthiui 'Erde'. — Fiirdie, ahd. für uh 'Furche', z. furrow zu \ai. porca
'Ackerbeet', armen, herk 'frisch geackertes Brachland', kymr. rhydi, air. redi 'Furche'. —
mähen, ahd. maen, e. to moiz' zu gr. äftätiv (amäen) 'mähen', d. Mahd — gr. a/o/roc {ämcetos).
— Pflug, ahd. pfluog, c. ploiigh; dies Wort ist oft besprochen worden; neuerdings hat
Meringer, Idg. Forsch. 18, 244 wahrscheinlich gemacht, daß wir es mit einem alten, echt
germanischen Wort zu tun haben; das Altnordische hat noch ardr (siehe oben unter Art),
das Altenglische sulh — lat. sulcus 'Furche', das Gotische höha. — reuten (roden), ab-
geleitet von ahd. riuti 'durch Roden urbar gemachtes Land"; dies entspricht genau awest.
raodja, raoidja 'urbar zu machen'.
§ 130. Schlußfolgerungen. Auch hier folgt aus den Tatsachen der Sprache
ganz unweigerlich, daß die Indogermanen den Ackerbau mit den wichtigsten
Kulturpflanzen nebst Pflug und Wagen kannten. Hat man sich einmal zu
der Ansicht durchgerungen, daß der Ackerbau schon in indogermanischer
Zeit die Grundlage der Wirtschaft bildete, so wird man nicht zweifeln, daß-
sich in der Sprache noch sehr viel mehr Spuren dieser Tätigkeit nachweisen
lassen. Meringer hat, Idg. Forsch. 16, 180, gezeigt, daß sich die Wurzel *wen^
die in wohnen, Wonne, gewinnen, lat. veniis u. a. vorliegt, auf den
Ackerbau bezieht, d. h. daß sich die mannigfach verzweigte Bedeutungs-
entwicklung dieser Basis aus der von 'ackern' erklären läßt (siehe unten
§ 188). In ähnlicher Weise hat er dies für üben, ahd. uoben wahrscheinlich
§ 130. Schlussfolgerungen. § 131. Kulturpflanzen, Entlehnungen. 195
gemacht. Man kann die indogermanische Basis *bhewä, gr. cpvoi (phyö), lat.
fui hinzufügen. So haben wir im Indischen bhus- 'tätig sein, sich bemühen',
bhüman- n. 'Erde' und im. Deutschen bauen, ahd. buan 'pflanzen, bauen, be-
bauen, wohnen, bewohnen', ßa//^/',derßaM. Weitern Stoff geben wir weiter unten.
§ 131. Kulturpflanzen, Entlehnungen. Wir sind schon unter den oben
besprochenen Ausdrücken für Kulturpflanzen einigen begegnet, für die man
mit großer Wahrscheinlichkeit frühzeitige Entlehnung annimmt. Aber der
Hauptstrom fremder Pflanzen, namentlich von Gemüsepflanzen, kommt erst
mit der Römerzeit.
Beete, aus dem Niederdeutschen, ahd. ^^30 aus lat. bi'ta; — Eppich, ahd. ephih
aus lat. apiiim; — Fendi 'Art wilder Hirse', ahd. pfenih aus mlat. panicium von pänicum; —
Fencfiel, ahd. fenahhal, t. fennel aus lat. feniculum, foeniculum; — Kappes, ahd. kabu-^
aus ital. capuccio von lat. caput; — Kerbel, ahd. kerfela, e. diervil aus lat. caerifolium; —
Kichererbse, ahd. kidierra aus lat. cicer; — Kohl, ahd. kol, koli, e. cole aus lat. caulis; —
Kümmel, ahd. kumil aus lat. cuminum; — Kürbis, ahd. kurbi^ aus lat. Cucurbita; —
Linse, ahd. linsi(n); die unmittelbare Entlehnung aus lat. lens ist nicht sicher; — Minze,
ahd. minza, e. mint aus lat. mentCh)a\ — Pfebe, ahd. pfedemo, gr.-lat. pepo; — Pfeffer,
ahd. pfeffar, t. pepper aus \ai.piper; — Pflanze, ahd. pflanza, e. plant aus latplanta; —
Pilz, ahd. buli-^ aus lat. boletus; — Quendel, ahd. quenala aus lat. conila 'Thymian'?; —
Rettidi, ahd. retih, ratih aus lat. radic(emj; — Senf, ahd. senaf, got. sinap aus gr.-lat.
sinäpi; — Widie , ahd. wicka aus lat. vicia.
Unter den neu angebauten Kulturpflanzen ist dann aber vor allem der
Wein zu nennen. Dem Wort selbst, ahd. win, e. wine, got. wein, kann
man die Entlehnung aus lat. viniim freiHch nicht ansehen. Was aber die
Entlehnung außer anderm sicher macht, ist der Umstand, daß fast alle
Ausdrücke, die sich auf den Weinbau und die Weinbereitung beziehen, ent-
lehnt sind. Dazu kommen eine Reihe von Gefäßnamen und sonstigen Aus-
drücken, die höchst wahrscheinlich auch damit zusammenhängen.
B edier, ahd. behhar, behhari aus mlat. biccarium; — Essig, ahd. e^^ih, got. akeit aus
lat. acetum; — Flasche, ahd. flaska, e. flask aus mlat flasca; — Kelch, ahd. kelih aus
lat. calic(em); — Kelter, ahd. kalktura aus lat. calcätära; — Kufe, ahd. kuofa, e. coop
aus mlat. cöpa, Nebenform zu cüpa'YaW; dazu Kübel, mhd. kübel, mlat. cupellus ; —
Läget, ahd. lägilla aus lat. lagena; — mischen, ahd. miskan, e. to mix aus lat. miscere;
kann auch urverwandt sein; — Most, ahd. most, e. must aus lat. mustum 'Most'; —
Ohm, mhd. dme, öme, e. awm aus mlat. ama 'Gefäß, Weinmaß'; — Pedi, ahd. peh, beh,
e. pitdi aus lat. picem; — pflücken, mhd. pflücken, e. to pluck aus vulgärlat. *piluccare,
ital. piluccare 'Trauben abbeeren'; — Presse, ahd. pressa, pfressa 'Weinkelter' zu lat.
pressure; — sauber, ahd. siibar aus lat. sobrius; — Torkel 'Kelter', ahd. torkula aus
lat. torculum; — Trichter, mhd. trihter, ahd. trahtari aus mlat. tractarius 'Trichter'; —
Winzer, ahd. winzuril aus lat. vinitör(em).
Die überlegenere römische Landwirtschaft brachte den Deutschen weiter
eine Reihe von Geräten, die diese mit den Namen dafür übernahmen.
Flegel (Dresdi-), ahd. flegil, e. flau aus lat. flagellum, um 400 n. Chr. 'Dresch-
flegel'; — Forke, ahd. furka, t. fork ans lat. furca; — Sidiel. ahd. sihhila, t. sidile aus
lat. secuta; — Stiel, ahd. stil 'Handhabe, Pflanzenstengel, Hakengerät' aus lat. stilus; —
Stoppel, ahd. stupfala aus mlat. stupula für stipula 'Halm, Stroh, Stoppel'; — Wanne,
ahd. wanna 'Getreide-, Futterschwinge' aus lat. vannus; nicht sicher, kann auch urverwandt sein.
Weitere Entlehnungen an Kulturpflanzen kommen dann in den folgenden
13*
196 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Jahrliunderten zu uns, zum Teil mehr durch gelehrte Vermittlung. In den
Klostergärten baute man Heil- und Würzpflanzen, aber auch Blumen.
Aglei, Akelei, ahd. agaleia, ailieleia aus \ia\. aquilegia; — Alant, ahd. alant aus
vulgärlat. ala; — Althee aus lat.-gr. olthaca 'Heilkraut'; — Anis, spätmhd. anis, enis aus
gr.-lat. anisiim; — Attidi, ahd. atah, atnh aus \ai. acte, gT.uy.Tr/ 'Holunderbaum'; —
Baldrian, mhd. baldrian aus mlat. Valeriana; — Bertram, ahd. berhtram umgedeutet
aus \at-gT. pyretfiriim; — Betonie, ahd. betonia aus \a{. beionica, umgestaltet Batengel;
— Binetsiii 'Spinat', friihneuhochdeutsch, aus \\a\. spinaccio 'Spinat'; — Borretsdi,
mhd., ital. borragine; — Bürzel, ahd. burzela aus \at. portuläca; — Eibisdi, ahd. ibiska
aus lat.-gr. ibiscum; — Ebritz, 1482 eberitz, gr.-lat. abrotonum; — Enzian, ahd. enzian,
lat. gentiana; — Faseole, mhd. phasol, gx.AaX. phaseolits; — Galgant, ahd. galgan, mlat.
galanga; — Gamander, mhd. gamandre aus ital. calamandrea; — Günsel, ahd. kunsele,
m\a{. consolida; — Kamille, mhd. kamille aus \{a\. camomilla; — Karde, ahd. karto,
karta, lat. Carduus 'Distel'. Davon Kardätsche; — Lattidi, ahd. lattuh aus lat. lactüca; —
Lattidi, Huf lattidi, spätahd. hafleticha, lat. lapath(i)um; — Lavendel, mhd. lavendel
aus mlat. lavendula; — Liebstödiel, ahd. lubistediil, durch Umdeutung aus lat. lubisticum
für ligusticum; — Lilie, ahd. lilj'a aus \at. lilium; — Loldi, ahd. lolli, mhd. luldie aus
\a\. lolium; — Majoran, s^äiahd. maiolan aus \a\. amaracus; — Odermennig, mhd.
odermenie aus \a{. agrimonia; — Osterluzei, mhd. osterlucie aus mlat. aristolocia: —
Pastinake, ahd. pestinak aus mlat. pastinacum; — Petersilie, ahd. pedarsilli aus
m\at. petrosilium; — Polei, ahd. polei, poleia aus lat. pükium; — Rausch, mhd.rüschfe),
lat. rüscum; — desselben Ursprungs ist Risch, e. rush; — Raute, spätahd. rfita aus lat.
rata; — Rose, ahd. rosa aus lat. rosa; — Salbei, ahd. salbeia aus \at. salvia; —
Sdiarlei, ahd. skaraleia, m\at. sc laregia; — Thymian, schon got. pymiama 'Räucher-
werk' aus lat. thymiama; — Veilchen, mhd. viol aus \at. viola; — Zwiebel, ahd. zwi-
bollo aus lat. cepula unter Anlehnung an Bolle.
Zu diesen Kulturpflanzen gesellen sich dann in neuerer Zeit die zahl-
losen Pflanzen des Orients und Amerikas, deren Namen zum Teil in der
oben S. 152 gegebenen Übersicht über die Fremdwörter zu finden sind.
Erwähnen will ich hier: Mais, aus dem Amerikanischen, dafür auch Welsdikorn; —
Kartoffel, aus ital. tartufolo, woher auch Trüffel; daneben Erdapfel, Patate aus ital.
s^an. patata; — Tomate, aus dem Mexikanischen; dafür Liebes-, Gold-, Paradiesapfel,
in Österreich auch Paradeis.
§ 132. C. Sonstige Pflanzen. Die Ausdrücke für die übrigen Pflanzen
hier vorzuführen, erweist sich als unmöglich. Jeder weiß ja, welche über-
wältigende Fülle von Verschiedenheiten innerhalb des Deutschen hier besteht;
vgl. Prizel und Jessen, Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Immerhin
kehren doch eine Reihe dieser Namen in den verwandten Sprachen wieder,
andere sind gemeingermanisch oder nur deutsch, sehen dabei aber so alter-
tümlich aus, daß man ihnen unbedenklich ein höheres Alter zuschreiben
kann. Die Benennung einer Pflanze hängt natürlich mit dem Interesse zu-
sammen, das sie erweckt. In alten Zeiten, wo man die Pflanzen vielfach
zu Heil- oder Zauberzwecken benützte, auch mehr wildwachsende Pflanzen
aß als heutzutage, wird daher eine genaue Unterscheidung nicht gefehlt
haben. Aber diese Benennungen hafteten nicht so fest, daß sie nicht mit
der Zeit durch neue hätten ersetzt werden können. Es dringen auch Ent-
lehnungen ein, trotzdem man vielleicht die Pflanze schon benannte. Im
folgenden gebe ich jedenfalls nur eine kleine Auswahl.
1
§ 132. C. Sonstige Pflanzen. 19/
Ampfer, ahd. ampfaro 'Ampfer' zu aind. amlah 'Sauerklee'; das Wort ist eigentlich
ein AdjcKtivum mit der Bedeutung 'sauer', i<ann aber schon ursprachlich auf eine Pflanze
übertragen sein. — Badibnnge, der zweite Bestandteil ist ahd. bungo 'Pflanzenknolle',
das zu gi:..-iaxvg (pakhys), aind. bahiih gehört. Dazu auch Bingelkraut. — Beere, ahd.
beri, e. berry; dazu mjt grammatischem Wechsel got. basi, ndd. besing; vielleicht zu ags.
basu 'rot'. — Bilsenkraut, ahd. bilisa; daneben mnd. bilene, ags. beolene zu russ. betend,
po\n. bieluii. — Binse, ahd. binu^, e. bent; aus bi und nat zu Nessel. — Brombeere,
von ahd. bramo 'Dornstrauch', e. bramble 'Brombeerstrauch'; noch heute auch Bram,
Bramen 'Besenginster, Pfriemkraut'. — Dill, ahd. dilli n., e. dill, gemeingermanisch. —
Distel, ahd. distil, e. thistle, gemeingermanisch. — Dorn, ahd. dorn, e. thorn, got paiirnus,
ahg. tränä, ai. /rnam 'Grashalm'. — Dor^ 'ährentragendes Unkraut im Getreide', ahd. turd,
asächs. durth. — Dost, Dosten, ahd. dosto, tosto zu bayer. Dosten 'Busch'. — Efeu,
ahd. ebehewi n., daneben ebahhi, ebah, ae. ifegn, e. ivy; Herkunft unklar; von Hoops
als 'Kletterer' erklärt und zu lat. ibex 'Steinbock' gestellt. — Farn, ahd. varn, varm, e. fern
zu a\. parnäm 'Flügel, Feder, Laub, Blatt'; wurzelverwandt sind auch Vit papärtis, russ.
pdporot 'Farnkraut'. — Flieder, nd., ndl. vlier. — Garbe {Sdiafgarbe), ahd. garwa,
t. yarrow. — Germer, ahd. germarram. — Gras, ahd.^m^ n., got. gras 'Kraut', t.grass;
dazu mit Ablaut mhd. gruose 'junger Trieb", also jedenfalls alt; vielleicht zu einer Wurzel
'wachsen', die auch in grün steckt und zu \at grämen 'Gras'. — Gundelrebe, ahd.
gundereba. — Gundermann, ahd. gundram. — Hag(en) 'lebendiger Zaun', ahd. hagan
'Art Dornstraugh' zu agall. caium 'Gehege'; dazu Hain aus hagan, H ainbudie, Hain-
butte. — Heu, ahd. hewi, e. hay, got. hawi zu lit. i.tkas 'Grünfutter'. — Hiefe 'Hage-
butte', ahd. /z/u/o 'Dorn', t. hip, ahg. sipdkd 'Wagtxost'. — //«/s^ 'Stechpalme', ahd. /zu/«,
aix. cuileann. — Kettidi, nd. köddik, ags. cedelc. — Klee, ahd. kle(o). Gen. klewes;
e. clover zeigt eine erweiterte Form ; was das urgerm. '^klaiwaz ist, bleibt unklar. —
Klette, ahd. kletto, kletta, ags. cläte, e. clotbur, also mit Ablaut; vielleicht zu lat. glaten
'Leim' u. a. — Kresse, ahd. kresso, e. cress. — Laudi, ahd. louh, e. leek 'Lauch'; ins
Slawische entlehnt luk. — Liesdi 'Grasart', ahd. liska. — Aleide, spätahd. melda, viel-
leicht zugx.ßUzov (bliton). — Miere (16. Jh.), mnd. mir. — Mistel^ ahd. mistil, e. mistle-.
— Moos, ahd. mos, e. moss, altes Wort, da es Ablaut {ags. meos, d. Mies) zeigt; dazu
lat. muscus, abg. mddid 'Moos'. — Mordiel, ahd. morhila 'Waldrübe', vgl. Weigand. —
Nessel, ahd. ne^^ila, e.nettle; dazu lit nöter e, pxeuQ. noatis, aix . nenaid u. a. — Palme,
ahd. palma, e. palm, lat. palma. — Päonie, spätahd. peonia aus gx. -lat. paeünia. — Porst,
mhd. borse. — Rade(n), ahd. räto, andd. rado 'Unkraut'; die Kornrade ist ein altes
Unkraut; der Name ist aber in andern Sprachen noch nicht nachgewiesen. — Ried, ahd.
hriot; vielleicht zu air. craaid 'fest' . — Rohr, ahd. rör, got. raus, vielleicht zu gr. ogocfog
'Rohr', serb. rögoz 'Riedgras', poln. rogöz 'Binse'. ~ Sdiierling, ahd. skeriling, skerning
zu anord. dän. skarn 'Mist'. — Sdiilf, ahd. skiluf, kaum entlehnt aus lat. scirpus 'Binse',
sondern zu Sdielfe 'Hülsenfruchtschote'. — Sdimiele, ahd. smelaha, wohl zu sdimal. —
Sdiwamm, ahd. swamb 'Schwamm, Pilz', got. swamms; vielleicht zu gx.oourpS; {somphös)
'schwammig'. — Segge 'Riedgras', aus dem ndd., e. sedge. — Semde 'Binse', ahd. semida.
— Sinnau, mnd. sindouwe, eig. 'Immertau' zu sin in Singrün. — Torf, aus dem Nieder-
deutschen; dazu ags. turf 'Rasen', anord. torf 'Torf, vielleicht zu aind. darbhdh 'Grasbüschel,
Büschelgras'. — Trespe, xnhd. trefse. — Waid, ahd. weit, e.woad zu lat vitrum, gr. laäng
(isätis); die Lautverhältnisse stimmen nicht ganz; der Zusammenhang ist aber unbestreit-
bar; die Waidpflanze bot ein wichtiges Färbemittel. — Wau aus ndl. wouw, älter woude,
e. weld. — Wermut, ahd. werimuota.
Unendlich groß ist die Zahl der zusammengesetzten Pflanzennamen.
Insbesondere spielen hier die Tiernamen eine große Rolle. Während H.Marzell
(s. 0. S. 189) den reichen Stoff sorgfältig zusammengestellt hat, untersucht
R. Löwe einen besonderen Fall, nämlich den Namen der Himbeere, der auf
198 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
ahd. hintberi, also 'Beere der Hinde' zurückgeht. Er sieht den Grund der
Benennung darin, daß die Pflanze kaum Dornen trägt, und daher als 'hornlos'
gegenüber der Brombeere bezeichnet wurde, eine Erklärung, die ganz an-
sprechend ist.
Dazu kommen die Entlehnungen der neueren Zeit.
Aster, 18. Jh., gr.-lat. aster; — Aurikel, 18. Jh., lat. auricula; — Endivie, 1400,
\\d\. eRdivia; — Qeraninm, 1727, gx.yruürior {geränion); — Kalebasse, 1632, U.cale-
basse; — Kalmus, 15. Jh., lat. calomus; — Karotte, 1616, frz. carotte; — Kolo-
qiiinte, 15. Jli., mlat. gr. lat. fo/oo'"^/"'5; — Koriander, 15. Jh., la\. coriandrum; —
Krokus, 17. Jh., gxAzL crocus; — Kulutmer, 15. Jli., \al cucumis: — Levkoie, 18. Jh.,
ital. leucojo; — Lupine, 1731, mlat. lupina; — Luzerne, 18. Jh., frz. lucerne; —
Melone, 15. Jh., '\ia\. mellone; — Narzisse, 16. Jh., gxAat narcissus; — Porree, frz.
porree; — Portulak, 15. Jh., \a\. portulaca; — Primel, 18. Jh., m\a[. primula; —
Rapunzel, 16. Jh., m\at. rapuncium: — Rapünzchen, 1711, zum vorigen; — Reseda,
18. Jh., aus der lat. Zauberformel reseda morbos; — Rosmarin, 15. Jh., e. rosemary,
lat. rös marinus; — Sellerie, 17. Jh., frz. celeri; — Spargel, 15. Jh., mlat. sparagus; —
Spieke, Spe ik'LaycndcW 1. spica; — Zichorie, 16. Jh., mlat. cidiorea, nebst vielen andern.
Die sonstige Terminologie der Pflanzen ist außerordentlich dürftig. Be-
merkenswerterweise ist der Allgemeinbegriff Pflanze, ahd. pf/anza, e. plant
aus lat. planta entlehnt.
Blatt siehe oben S. 191. — Blume, ahd. bluoma, bluomo, got. bloma (e. bloom
entlehnt), alte Ableitung zu blühen. — Blüte, ahd. bluot zu blühen, ahd. bluojan, e. to
blow zu lat. florere. — Busdi, ahd. -busk, c. bush aus mlat. buscus. — Knospe, erst
frühneuhochdeutsch in der jetzigen Bedeutung; vnh± knospe 'Knoutn' . — Rebe, ahd. reba
zu Rippe, eig. 'die sich schlingende'. — Schote, m\\d. schote, anoid. skaud 'Scheide' zu
lat. endo 'Helm'. — Wurzel, ahd. wurzala, Zusammensetzung mit ahd. würz 'Kraut, Pflanze",
e. wort 'Kraut', got. waürts 'Wurzel', das zu lat. radix gehört; der zweite Bestandteil -wal-
gehört zu got. walus 'Stab', also ist die Grundbedeutung 'Krautstocii'.
§ 133. Das Mineralreich. Man wird sich von vornherein sagen müssen,
daß auf dem Gebiet der anorganischen Natur noch weniger Übereinstimmungen
zu erwarten sind als auf dem der organischen. Zwar lebten die Menschen
Europas einst in der Steinzeit, d. h. sie fertigten ihre Waffen und Geräte aus
Steinen an. Dazu war nicht jeder Stein brauchbar, und die Überreste der
Waffen und Werkzeuge zeigen uns, mit welcher Sorgfalt man die Natur be-
obachtet und die tauglichen Stücke ausgesucht hat. Auch ein Handel in
diesen brauchbaren Gesteinsarten, die nicht überall vorkamen, hat bestanden,
und infolgedessen müssen auch Worte dafür vorhanden gewesen sein. Aber
der Stein ist von dem Metall verdrängt worden, und es sind daher auch die
alten Ausdrücke verloren gegangen. Immerhin bleibt doch noch einiges
Bemerkenswerte übrig.
Hammer, ahd. haniar, e. hammer 'Hammti' ist verwandt mit abg. kamy, \\\. akmuö
'Stein', gx.ay.jtcov {äkmon) 'Amboß'; die ursprüngliche Bedeutung war also 'Stein', wie
auch noch anord. hamarr 'Felswand, Klippe' bedeutet. Ähnlich steht es mit Messer,
ahd. mes^i-rahs, daneben me^^i-sahs, also eigentlich 'Speisemesser'; sahs stellt man zu
\at. saxum 'Fels', doch kann es freilich auch zu secare 'schneiden' gehören. — Stein,
ahd. stein, e. stone, got. stains kehrt in abg. stena 'Mauer', stemmt 'felsig' wieder und hat
weitere Verwandtschaft in gr. orla (stia) 'Kiesel'. — Fliese aus nd. flise, vielleicht zu ir.
§ 133. Das Mineralreich. 199
sliss 'Schnitzel'. — Flint noch erhalten in Flinte, ahd. flins, z. flint 'Feuerstein, Kiesel',
"die vielleicht zu gr. :T).iv{)o:; (pllnthos), air. slind 'Ziegel', aind. pindah 'runde Masse, Klumpen'
zu stellen sind. — Glas, ahd. glas, auch 'Bernstein', e. glass, ins Lateinische entlehnt
glesiim 'Bernstein'. Es ergibt sich also, daß das alte Wort (mit grammatischem Wechsel
ags. ^ter 'Bernstein, Baumharz'!) den Bernstein bezeichnete, welcher Name mnd. als
bornstein eig. 'Brennstein' auftaucht. — Kiesel, ahd. kisil 'Kieselstein, Hagelstein, Schloße',
mengl. o'//5^/ 'Kiesel', Ableitung von Kies, mhd.Ä/5; Herkunft unbekannt. — Lei f. 'Schiefer',
mhd. leie, asächs. leia. — Quarz, mhd. quarz; zu gr. oäodw; (sdrdios), vgl. Sommer, IF.
31,573. — Sdiiefer, ahd. skifaro 'Steinsplitter'; die jetzige Bedeutung erst neuhochdeutsch;
zu nhd. Sdiebe 'Splitter von Hanf- oder Flachsstengel'. — Sdiwefel, ahd. swefal, swebal,
got. swibls, gemeingermanisch, zu lat. sulpur, sulphur; vgl. Walde, Lat. Etym. Wb. s. v. —
Spat, xnhd. spat 'blättricht brechendes Gestein, Splitter'; unerklärt.
Wie man sieht, eine sehr dürftige Liste. Dazu kommen nun die verschiedenen Erdarten.
Grand, aus dem Niederdeutschen, zu ags. grindan, e. grind 'zermalmen, mahlen' und
lat. frendere; dazu auch vielleicht gr. ywöoog (khondrös) 'Graupe, Korn'. — Graus,
G rauß 'Sttmschuü', mhd. grüj mit Ablaut zu Grieß, ahd. ^r/03 'Sand', e. grit. — Klei,
ndd. klei 'Schlamm, Lehm, feuchte Erde', e. clay 'Ton, Lehm' zu gr. y/.oiö; (gloiös) 'dickes
schmutziges Öl', lat.glüs, glaten 'Leim'. — Kohle, ahd. kol(o), e. coal, air.güal 'Kohle'. —
Lehm, niederdeutsch, obd. Leimen, ahd. leime 'Lehm', e. loam 'Humus' zu lat. llmus 'Boden-
schlamm. Kot, Schmutz', vgl. Walde; mit andrer Ableitung anord. /^/V 'Lehm'. — Letten,
ahd. letto 'Lehm'; dazu \s\. ledja 'Lehm, Schmutz'; zu lat lutum 'Kot, Schmutz' oder zu
apreuß. laydis 'Lehm', alb. l'ep-fJi 'feuchter Ton' oder zu ir. lathadi 'Schmutz'. — Mull,
Müll, nd., obd. motte 'Erde', ahd. molta, e. mould, got. mulda. Wohl zu mahlen. —
Sand, ahd. sant, e. sand zu gx.äi.mdog (ämathos), rpäuadog {psömathos). — Sdilamm,
mhd. Slam; unerklärt. — Staub, ahd. stoub, got. stubjus zu stieben, ahd. stioban. — Ton,
ahd. dnha, got. pdho, vielleicht zu lit. tdnkus 'dicht, dick'.
In der unorganischen Natur gibt es nur ein Genußmittel, das für den
Mensciien allerdings fast unentbehrlich ist, das Salz. Hier ist denn auch
die Übereinstimmung der verwandten Sprachen fast vollständig.
Salz, ahd. salz, e. Salt, got Salt; dazu lat. so/, gx.ä'/.g {hals), abulg. 5o/r, lett. 5ä/5, air.
salann, hi.saldiis'sü^'; dazu auch Ablautsformen in Sülze, ahd. 5«/2a 'Salzwasser, Sülzwurst'.
Der vorgeschichtliche Mensch, von dem wir wissen, daß er das Ge-
schiebe der Flüsse auf brauchbare Steine sorgfältig durchsuchte, muß auch
in Europa frühzeitig auf die Metalle aufmerksam geworden sein. Eine
ganze Reihe von Bezeichnungen der Metalle gehen über das Sonderleben
des Germanischen hinaus, während fast alle wichtigen Metalle im Ger-
manischen gleichmäßig benannt sind. Freilich ist gerade bei ihnen der
Verdacht naheliegend, daß wir es mit Wandern von Worten zu tun haben.
Andere sind natürlich jung.
Das verbreitetste Wort haben wir in aind. äjah, lat. aes, got. aiz, ahd. er 'Erz', das noch
in ehern, a\d. erln vorliegt {Erz ist damit nicht verwandt). Was das Wort ursprünglich
bedeutet hat, wissen wir nicht. — Blei, ahd. blio. Das Englische braucht dafür lead,
mhd. lot 'Blei', verwandt mit oder entlehnt aus air. luaide. Blei selbst ist noch nicht recht
erklärt. Persson, BB. 19, 273 vergleicht lit. blaivas 'licht, klar'. Da man aber urgerm. *bliwas
auf *mliwas zurückführen kann, so ist auch Zusammenhang mit gr. fw/.tßo; {mölibos),
uöXvßdo^ {mölybdos), ßö/.ißog {bölibos), ßäh^og {bölimos) möglich. Man sieht aus diesen
verschiedenen Formen des Griechischen schon, daß es sich schwerlich um ein einheimisches
Wort handelt. Die Worte würden dann aus einer gemeinsamen Quelle stammen. — Bronze,
erst neuhochdeutsch, aus frz. bronze, das man auf aes Brundisium zurückführt. In Brindisi
200 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
wurden berühmte Mctallarbeiten hergestellt. — ehern siehe oben. — Eisen, ahd. isan,
isarn n., e. iron, got. eisarn hängt mit aUir. iarn aus *isarno zusammen und ist wahrschein-
lich aus dem Keltischen entlehnt. Zusammenhang mit lat. aes, got. aiz ist kaum möglich. —
fzrz, ahd. crizzi, anizzi, ariiz n., and. ariit, wohl altes Lehnwort aus sumerisch iiriid
'Kupfer'. — Gold kam auch in Europa gediegen vor, und daher bestand wahrscheinlich
ein alter Name. Ahd. e. gold, got. gulf) entspricht abg. zlato, Ictt. ze'lts. Wahrscheinlich ge-
hört auch ai. Hntaka- aus *Haltaka 'ein Lündername', dann 'Gold aus Hataka' oder um-
gekehrt 'Gold, Goldland' dazu. Man nimmt an, es habe das 'gelbe Metall' bedeutet. Aber
möglicherweise steckt darin ein Ländername. — Kobalt und Nickel sind nach Kobold
und Nidtel, zwei Namen für Berggeister, benannt. — Kupfer, ahd. kupfar, lat. aes Cyprium.
'Zyprisches Erz'. — Messing, mhd. messinc, ags. mo'stling, anord. messing. Entsprechend
slaw. *mosengjii. Wahrscheinlich auf den Volksnamen MonovroixtK {Mossynoikos) zurück-
gehend. — Metall, mhd. rnetalle aus gr.-lat. metalliim, eigentlich 'Bergwerk. Grube". —
Platin, 1736 entdeckt, span. pldtina del Pinto. — Quedisilber, ahd. qiWksilbar, c.quidi-
silver, Nachbildung des lat. argentum vivum; quedi zu Xatvivus. — Silber, ahd. silbar,
e. silver, got. silubr n. Ein verwandtes Wort kehrt in lit. sidnbras, abg. sirebro wieder. Die
weitere Herkunft ist unaufgeklärt, vielleicht aus assyr. sarpn. — Stahl, ahd. stahal, e. stcel,
gemeingermanisch, zu apreuß. staclan 'Stütze', lit. stilkle 'Pfahl', apreuß. auch panu-staclan
'Vuerj'sen'. Also kein eigentlicher Metallname. — Zink, wohl von Zinken, weil sich das
Metall in Form von Zinken absetzt. Alter dafür Galmei 'Kieselzinkspat', mhd. kalemine,
über frz. calamine aus gr.-lat. carf/w/a. — Zinn, ahd. zin, e.tin; dunkel. Aus \at. stannum
kann das Wort nicht stammen, vielleicht aber aus einer gemeinsamen westeuropäischen Quelle?
Vgl. hierüber die ausführlichen Auseinandersetzungen von Sch.\de, Altdeutsches WB. s. v.
Von sonstigen Ausdrücken wären hier noch zu erwähnen: Rost, ahd. ro5/, g. rust,
von der Wurzel, die in rot steckt, aber jedenfalls alte Bildung.
Alte Ausdrücke, die sich auf die Metallarbeit beziehen, lassen sich nicht
erkennen.
Sdimied, ahd. smid, e. smith; got. aiza-smipa 'Erzarbeiter' zeigt, daß die ursprüng-
liche Bedeutung 'Kunstarbeiter' war. Das Wort gehört mit Gesdimeide und gr. nulh}
(smJla) 'Schnitzmesser' zusammen. — Amboß, ahd. ana-boj, zu b'r^an 'schlagen', e. to
beai. — Blasebalg, mhd. bUise-balc, zusammengesetzt mit ahd. balg 'Haut, Blasebalg',
e. bellows 'Blasebalg', got. balgs 'Haut'.
Auch die Bezeichnungen der Edelsteine haben ihre lange und äußerst
anziehende Geschichte. Das Meiste und Beste findet man bei Schade, Alt-
deutsches Wörterbuch in den Nachträgen zum 2. Bande. Manche Abschnitte
bieten einen überreichen Stoff für die Herkunft und die Verbreitung der
Namen für Edelsteine. Eine kurze Übersicht auch bei O. Schrader, Real-
lexikon d. idg. Altertumskunde S. 151.
Im Mittelalter kommen:
Adiat, mhd. adiat(es), gr.-lat. adiätes. — Amethyst, mhd. ametiste, gr.-lat. ame-
thystos. — Beryll, mhd. berille, gr.Aat. beryllos. — Diamant, Demant, mhd. diamant,
irz. diamant, gr.Aat. adamiis. — Gemme, ahd. gimma. lat gemma. — Granat, mhd.,
mlat granatus. — Jaspis, mhd. jaspis, gr.-lat iaspis. — Karfunkel, mhd. karfunkel,
lat carbunculus. — Karneol, 16. Jh., Hat carniola. — Kristall, mhd. kristal(le), gr.-lat.
crystallus. — Magnet, mhd. magnes, magnet(e), lat. magnrs 'Stein aus Magnesia'. —
Onyx, mhd. önix, gr.-lat. onyx. — Rubin, mhd. rubin, mlat. rubinus. — Saphir, mhd.
saphir(e), gr.-lat. saphlrus. — Smaragd, ahd. smaragdus, gr.-lat. smaragdus. — Topas,
mhd. topäze, gr.-lat topnzus. — Türkis, mhd. türkis, turkoys, Hai. turdiese, irz. turquoise.
Dazu gesellt sich in der Neuzeit noch manches andere. Für die
§ 134. Natur und Naturerscheinungen. 201
sonstigen Gesteinsarten schafft man teils neue Namen, teils entlehnt man
sie aus andern Sprachen. Ich führe wenigstens einiges an:
Asphalt, aus gr.-lat. asphaltum. — Galmei s. o. — Gips, spätahd. gips aus gr.-Iat.
gypsum. — Glimmer, \530 zu glimmen, mhd. glimmen 'glänzen', vielleicht zu gr. //.tagög
(kfiliarös) 'warm'. — Gneis, 16. Jh., Nebenform zu Gneist Tunke', ahd. ganehaista,
gneista mit andern Nebenformen. — Granit, mhd. grünlt, aus mlat. granitum marmor. —
Graphit, 19. Jh., frz. graphite. — Keiiper, im 19. Jh. aus einer volkstümlichen Benennung
im Koburgischen in die Wissenschaft eingeführt. — Klinker, nd., ndl., zu klingen.
Kreide, spätahd. krlda, aus 1. crtta. — Löß , rheinischer Ausdruck, wohl zu lösen. —
Marmor, 1480, dafür mhd. marmel, ahd. marmal. jetzt noch Marmelstein, auch
Marbel, Marbel, aus lat. marmor. — Nagelfluh, Schweiz. — Mergel, ahd. mergil
aus mlat. margila, urspr. keltisch. — Odier, mhd., aus gr.-lat. ödira 'Berggelb'. — Perle,
ahd. perula aus mlat perula. — Porphyr, 16. Jh., aus frz. porphyre. — Salpeter, 15. Jh.,
mlat. salpetra 'Salzstein'. — Sdiladze, mnd. slagge von sdilagen. — Sdilier 'Mergel',
mhd. slier 'Lehm, Schlamm' zu mhd. slier(e) 'Geschwür. Beule', also wohl 'schleimige Masse'.
§ 134. Natur und Naturerscheinungen. In diesem Abschnitt ist sachliche
Anordnung nötig.
Himmel, ahd. himil, got himins, t. heaven; die Herkunft ist unsicher, eig. wohl
'Decke'. — Sonne, ahd. sunna, e. sun, got. sunnu. Daneben Formen mit /, got. sauil,
lat. so/, gx.ri'/.iog {hcsUos) aus *säwelios. — Mond, ahd. mlno, e. moon, got. mena; das
gr. fit] y (m^n), Xai. mensis bedeutet nur 'Monat'. — Stern, ahd. stirno, e. star, got stairnö
zu lat. Stella (aus *sterla), gr. aoz/jg (astdr); vgl. oben S. 134.
Wolke, ahd. wolkan, e. welkin 'Himmel', zu abg. vlaga 'Feuchtigkeit', lit. vilgiti
'feucht machen'. — Nebel, ahd. n'ebul zu lat. nebula, gr. vFffih] (nepheUe) 'Wolke'; ein
andres Wort dafür e. mist wohl zu gr. oidyh] {omikhlce) 'Nebel'. — Regen, ahd. r'egan,
e. rain, got. rign zu lat. rigäre 'bewässern'. Dieser Ausdruck geht nicht weit. Deshalb kann
er doch sehr alt sein. Es hat eben im Indogermanischen mehrere Ausdrücke gegeben: so
amd.varmm, ir. frass 'Regen' zu gr. foö>; (ersce), was aber 'Tau' bedeutet; \at imber, gr.
oLißoo: (ömbros); lat plaere zu d. fließen, also pluit 'es fließt'. — Tau, ahd. tou, e. dew,
anord. dögg; germ. Grundform *dawwa, die lautlich genau gr. Ooög {thoös) 'schnell' ent-
spricht. Dies gehört zu Ohiv (theen) 'laufen', und dies zu aind. dhävate 'rennt, fließt', vgl. auch
dhäutili 'Quelle, Bach'; vergleiche ferner die Bedeutungsentwicklung von Regen >Tau
{gT. ego)] [ers(e]) und von fließen > regnen (lat pluere); damit ist die Etymologie sehr
wahrscheinlich. — Sdinee, ahd. sneo, e. snow, got. snaiws zu lat. nix, nivis, gr. Akk. virfu
(nipha). — Hagel, ahd. hagal, e. hail zu gr. ^ä/y.rj^ {käkhlcex) 'kleiner Stein, Kiesel'; da-
. neben noch ahd. kisil 'Kieselstein, Hagelstein, Schloße', mengl. diisel, siehe oben S. 199. —
Graupe stammt wohl aus slaw. krupa 'Getreidegraupe, Hagelschloße'. — Sdiloße, mhd.
slüze 'Hagelkorn, Schloße', e. sleet 'Regen und Schnee', vielleicht verwandt mit gr. ya/.a'Ca
(khälaza) oder mit Kloß, ahd. klöi 'Klumpen, Knolle usw.', t. cleat 'KtW . — Reif, ahd.
hriffo. Daneben Formen mit m, ags. hrlm, e. rime. — Eis, ahd. is, e. ice zu awest. isav-
'frostig, eisig'. — Frost, frieren; Frost, a!nd. frost, q. frost ist Ableitung von frieren,
ahd. friosan, e. to freeze; dazu noch got. frius 'Frost, Kälte'. Zu lat. prmna 'Reif, aind.
pru^vd 'gefrorenes Wasser, Reif.
Blitz, mhd. blitze, blidiese von mhd. blikzen, ahd. blehhazzen, wurzelverwandt mit
lat fulgur. — Donner, ahd. donar, e. thunder, lat. tonitrus. — Wind, ahd. wint, e.wind.
got Winds, lat ventus. — Sturm, ahd. stürm -Unwetter, Kampf, t. storm, vielleicht zu
gr. 6g firj {hormd) 'Ansturm' oder zu stören. — Sdiauer, ahd. säm/- 'Unwetter, Hagel',,
e. shower 'Regenschauer', got. skara windis 'Sturmwind', gehört wahrscheinlich zu lat.
caurus 'Nordostwind', lit. 5'äurc 'Norden', S'aurls 'Nordwind', abg. severä 'Norden'. Be-
kanntlich bringt uns der Nordwestwind häufig Wetter mit Regenschauern. — Wetter, ahd.
wetar, e.weather zu abg. vedro 'gutes^Wetter'; dazu mit Schwebeablaut lit dudra 'Flut,
202 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Toben, Tosen, Stürmen'. In den letzten drei Worten könnten alte Windnamen stecken,
sicher ist dies bei Schauer der Fall.
Sonst haben wir noch: Bö, niederdeutsch, ndl. *«/, woraus (\'än. byge; unerklärt. —
Bise 'Nordostwind', ahd. b'isa, ültcrnhd. ßeiswind, vielleicht zu ahd. bisnn 'voll Unruhe
hin- und herrcnnen'. Eigentlich ein alemannisches Wort. Vgl. ZfdW. 9, 164. — Föhn, ahd.
pfonno ist entlehnt aus \z{. favOniiis. Der Mangel an alten Windnamen fällt bei uns auf. Doch
wird man die Namen der Himmelsrichtungen als Windnamen gebraucht haben, vgl. auch lat.
allster zu deutsch Ost. Über weitere Windnamen vgl. a. a. O. In neuerer Zeit sind dann
Orkan, 17. Jh., karaibisch iiragan, Taifun, 19. Jh., aus dem Chinesischen bekanntgeworden.
Luft, ahd. hift, e. dial. lift, got. luftus.
Wasser, ahd. wayjar, e. water, got. watö, gr. vScoo {hydür). — — a, adi in Fhiß-
namen, Fulda, Salzadi, und als Aa, Adie noch erhalten, ist ahd. aha, got. aha, lat. aqua. —
Fluß, erst nhd. in dieser Bedeutung; in alter Zeit bedeutet es 'das Fließen'. — Strom,
ahd. ström, e. stream, anord. straumr zu thrak. Irovinoy [Strymön) und gr. yko (rfieo) 'fließe'
aus *srewö. — Badi, ahd. bah, anord. bekkr, daraus e. bedi; gr. :it]yt) {piegu) 'Quelle' kann
verwandt sein, wenn das Wort aus der Stellung als zweites Glied einer Zusammensetzung
•wieder selbständig geworden wäre; sonst zu gT.it ßouai (phebomai) 'üiche', \it begu 'laufe'. —
Quelle, ahd. qiiella zu quellen, ahd. quYllan, das zu aind.j«?/«//? 'Wasser', galati 'träufelt
herab' gehören dürfte. — Brunnen, ahd. brunno, goi. brimna zu gr. '/omo (phrear) oder
zu lat. femire, d. brennen, ir. brennim 'sprudeln', vgl. Sprudel, ndd. Sod zu sieden. —
Moor, nd., ahd. muor, e. moor. Wohl im Ablaut zu Meer. — Tümpel, ahd. tumpfilo
'Strudel', t.dimple 'QxÜbchtn', lit.r/Hm Was 'Schlamm im Wasser, Morast'. — Kolk, mnd.kolk.
Land, ahd. lant, e. land, got. land 'Gegend. Land', ir. land, lann 'freier Platz, Fläche,
eingefriedigtes Land, Hof, abg. Udina 'Heideland', wozu im V^okalismus schwed. linda
'Brachfeld' stimmt. — Anger, gx.äyy.oc {äukos) 'Tal' — Flur, mhd. t/Zz/or 'Saatfeld', t.floor
'Estrich. Vorplatz' zu ir. l'ir, kymr. llüwr 'Boden, Estrich', apreuß. plonis 'Tenne', lat. planus
'glatt, eben'. — Erde, ahd. (/da, e. earth, got. airpa. Daneben ohne dentale Ableitung
ahd. '^ro, das zu gr. rna^s (eraze) 'auf die Erde' gehört. — Gau, ahd. gawi, gewi, goi.gawi.
Herkunft unsicher. — Aue, ahd. ouwa 'Wasser, Strom, Wasserland', anord. ey 'Insel', aus
*agwjci, einer Ableitung von got. afva, lat. aqua. — Sumpf, ahd. sunft, e. swanip, got.
swumfsl 'Teich'. Wohl zu Sdiwamm. — Rasen, spätmhd. rö5^, xnnAd. wrase; daneben
obd. Wasen, ahd. waso 'Rasen, feuchter Erdgrund'; nach Kluge ist in letzterm Worte ein r
ausgefallen. Vielleicht zu aind. varsäm 'Regen', gr. foo>; {ersic) 'Tau' mit der Grundbedeu-
tung 'feucht'. — Heide, mhd. heide, e. heath, got. haipi 'unbestelltes Feld' zu gall. -citum,
kymr. coit 'Wald', lat. -cetum in bü-cetum 'Kuhtrift'. — Mark, ahd. marka 'Grenze, Grenz-
wald', got. marka 'Grenze' zu lat. margo 'Rand', npers. marz 'Grenze, Grenzland'. — Grund,
ahd. grünt, e. ground, got. grundu-waddjus 'Grundmauer'. Vielleicht im Ablaut zu Grand 'Sand'.
Für Berg usw. gibt es nicht allzuviel Ausdrücke: Berg, ahd. b\'rg, ags. beorh bes.
'Grabhügel', got. bairgahei 'Gebirge' zu armen, ber'j 'Höhe', air. bri 'Berg' (formell mit dem
zu Berg ablautenden Burg identisch); — Holm 'kleine Insel im Fluß oder See', aus dem
Niederdeutschen entlehnt; altsächs. bedeutet das Wort 'Hügel', und es stellt sich daher zu
lat. collis, culmen, wozu auch t.hill; — Hügel, erst nhd.. dafür mhd. hübet zu \\{. küpstas
'Erdhöcker'; daneben steht ahd. buhil 'Hüg^V ; die beiden Worte hängen vielleicht zusammen,
indem das eine aus dem andern durch Umstellung entstanden ist; daneben Haug, ahd.
houc, t. how zu hodi; — Haar, westfäl., daneben //aa^ 'Gebirgsname' ; — das \a\. clivus
findet sich in got. hlaiw 'Grabhügel', noch mhd: li-, ist aber dann ausgestorben. Manches
steckt vielleicht noch in den Gebirgsnamen. — Weiter: Halde, ahd. ha Ida zu ahd. ha Id
'geneigt'; — Leite, ahd. hlita, gr. y.üivi (klitijs).
Tal, ahd. tat, e. dale, got. dal, abg. dolK 'Loch, Grube", gr. Oölo; (thölos) 'Kuppeldach';
— Sdiludit steht für Sdiluft, mhd. stuft und gehört zu sdilüpfen; — Klamm zu klemmen.
§ 134. Natur und Naturerscheinungen. 203
Daneben haben wir die Bezeichnungen für die Gegend am Meer und
für die EigentümUchkeiten der Alpenländer.
In dem ersten Fall sind eine ganze Reihe von Lehnwörtern neben die
alteinheimischen getreten. Zu den oben S. 103 genannten Wörtern kommen:
a) Einheimisches Gut: Geest, altfries. ^e5^, gi>si, eig. 'unfruchtbar'. — Marsch,
mnd. marsch, e. marsh 'Sumpf. — Düne, nd., e. down 'Sandhügel' zu air. dün 'Hügel'. —
Siel, mnd., afries. 5/7, vielleicht zu seihen. — Priel, nd., 'l<leiner Wasserlauf'. — Werder,
Wert, mhd. wart, ahd. warid 'Insel', vielleicht zu ai. vär 'Wasser'. — Wiek 'kleine Meeres-
bucht', nd., e. wick, wich zu weidien. — Nehrung, wohl zu e. narrow 'eng'. — Strand
aus mnd. strant, e. Strand. — Sund, md. sunt, e. sound. — Watt, mnd. wat zu lat. vadum.
b) Entlehnungen: Bai, frz. baie auf den Namen Bajae zurückgehend. — Golf,
15. Jh., frz. golfe, gr.-lat. colpus. — Kap, 1616, ndl. cape, frz. cap von lat. caput 'Haupt'. —
Küste, 17. Jh., dAxz. coste. — Sdiäre, 17. Jh., aus schwed. 5^är, dän.skjär zu e.shore. —
Weiher, ahd. wlwari, lat. vlvarium.
Die Alpenländer verfügen wieder über eine ihnen eigentümliche Be-
zeichnungsweise wie:
Alpe 'Bergweide', ahd. alpa mit dem Gebirgsnamen Alpen zusammenhängend. —
Fluh, ähd. fluoh zu gv. n/.d^ {pldx) 'Fläche, Bergfläche, Plateau'. — Matte, ähd. mato,
e. meadow. — Kees 'Gletscher', ahd. kes 'gelu'. — Gletscher stammt aus dem \at.glacips
mit der Entwicklung von c zu tsch wie in Tsdiingel aus lat. cingulum.
Daß es in alter Zeit Verkehrswege gegeben hat, brauchte als selbst-
verständlich kaum hervorgehoben zu werden, wenn man es nicht tatsäch-
lich bestritten hätte.
Wir finden: Brücke, ahd. bracka, e. bridge; wahrscheinlich mit Braue verwandt. —
Furt, ahd. fürt, t. ford, gaW. ritu- in Ritu-magus, akymr. r// 'Furt', awest. p^.?«? 'Durch-
gang, Furt'; lat. portus 'Hafen' weicht in der Bedeutung ab, entspricht aber an. fjönfr
Fjord'. — In Gesinde, ahd. ^/smrf/ 'Reisegefolge, Kriegsgefolgschaft' steckt ein Wort sind,
ahd. sind 'Reise, Heereszug', got. sinps 'Gang' zu air. sei 'Weg'. — Weg, ahd. weg, e. way,
got. wigs, lit. veze 'Wagen, Schlittengeleise'. — Specke 'Knüppelweg', and. spediia zu mhd.
spadie 'dürres Reisholz'. — Ein altes Lehnwort scheint in Pfad, ahd. pfad, e. path vor-
zuliegen, das mit gr. Tiäzog (pcltos) nicht urverwandt sein kann. Vgl. oben S. 135. — Von
den Römern stammt 5^ rajö^, ahd. st rä'^a, e. street aus lat. (via) struta. — Gasse, ahd.
g^35<^, got. gatwö 'Gasse' ist nicht sicher erklärt. — Dazu kommt dann in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts das Wort Chaussee, über frz. Chaussee aus mlat. calciata 'mit
Kalk gemauerte Straße'.
Schließen wir hieran gleich die Ausdrücke für die Verkehrsmittel. Die
Bekanntschaft schon der Indogermanen mit dem Wagen wird durch die
mannigfachen Übereinstimmungen, die für die Bezeichnung des Wagens und
seiner einzelnen Teile zwischen den indogermanischen Sprachen bestehen,
sichergestellt. Wenn auch der Wagen ursprünglich ein Ackerbaugerät ist,
das dazu dient, das Heu und das Getreide einzufahren, so tritt er uns auch
schon früh als Verkehrsmittel entgegen. Im klassischen Altertum ist er all-
gemein bekannt, und auch die Nordvölker sehen wir mit ihren Ochsen-
wagen nach dem Süden ziehen.
Nun zu den Ausdrücken: Wagen, ahd. wagan, e. wain ist zwar von einer weit-
verbreiteten Wurzel, die in bewegen, lat. vehere steckt, abgeleitet, kehrt aber in dieser Ge-
stah — nur air. fen zeigt das gleiche Suffix — nicht in den verwandten Sprachen wieder.
Doch ist das nicht wunderbar. Gerade für den Begriff Wagen hat es von jeher, je nach
204 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
der verschiedenen Form, mehrere Ausdrücke gegeben, von denen sich der eine hier, der
andere dort crlialten hat. Dagegen sind die Namen der einzelnen Teile um so weiter ver-
breitet. Adise, alid. a/isa, lat. oxis, gr. nifoy {dxnn). — Rad, ahd. rad, nur im Deutschen
und Friesischen eriialten, aber idg., vgl. lat. rota, air. rotfi, lit. ratas, aind. räthah 'Wagen'.
Daneben stand ein anderes Wort, e. wheel, ags. hweol, das zu gr. xvxko^ (kyklos) 'Kreis',
aind. cakräm 'Rad' gehört. — Deidisel, ahd. dihsala zu lat. temo aus *tenksmo. — Nabe,
ahd. naba, e. nave zu aind. ndbhi- und näbhjam 'Radnabe', preuß. nabis 'Nabe'. — Lünse
'Achsnagel', spatmhd. lims, liinse, and. liinis zu aind. <ini)i aus *alni 'Lünse'. — Leudise
'Stammleiste eines Leiterwagens', russ. Ijiisnjä. — Laune 'Deichsel zum Einhängen', mhd.
lanne 'Kette'. — Wetter 'gabelförmiges Verbindungsholz am Wagen', ahd. wetero zu
wetten 'binden'. — Zitter 'Vordeichsel', ahd. zeotar. Dazu Tuder, Tiider, nd. 'Spann-
seil', e. tedder, tetiter. — Ortsdteit, 15. Jh., Sillsdieit zu Siele.
Wagen ist aber das einzige alte Wort des Germanischen. Alle andern Ausdrücke
sind Entlehnungen. Zunächst wirkt das Keltische ein. Die Kelten müssen schon früh ver-
schiedene Arten von Wagen besessen haben, da sie ja auch den Römern mehrere Aus-
drücke übermittelt haben. Zu uns kommt zuerst ein Wort, das nur noch mundartlich fort-
lebt: Kar dl, ahd. karrtih aus lat. -gal. cflrn<ffl 'vierrädriger Reisewagen'. Dies ist abgeleitet
von kelt. carrus, das ebenfalls entl^int wurde, ahd. karra, karro 'Karren", jetzt Karre,
Karren. Nach unsrer heutigen Bedeutung zu urteilen, müßte es ein zweirädriger Wagen
gewesen sein. — Dieses Wort lebte auch in den romanischen Sprachen weiter, und es
sind zahlreiche Worte, die auch zu uns gedrungen sind, davon abgeleitet. Ich nenne Karosse
1616, frz. carosse. Schon im Mhd. wurde dasselbe Wort aus dem ital. carrocio als Karrotsdie
entlehnt. Karrete 1599, ital.-span. carreta; — Karriere 1616, frz. carriere 'die Laufbahn'
mit bemerkenswerter Bedeutungsentwicklung. Karriol, Karriole 'leichte Halbkutsche',
1714, frz. carriole. Davon karriolen. Ein andres im letzten Grunde keltisches Wort steckt
in Benne 'Wagenkorb', im 16. Jh. (oder früher) aus frz. benne, gall.-lat. benna 'Art Wagen'.
Die weitern Entlehnungen sind dann erst neuhochdeutsch. Kutsdie, um 1500, eig.
Wagen aus Koszi bei Raab; — Kalesdie, im 16. Jh. aus dem Slawischen, tschech. kolesa,
dem Plur. von kolo 'Rad'; — Karrete, 16. Jh., s.o.; — Chaise 'Halbkutsche', 17. Jh.,
frz. diaise 'Stuhl'; — Equipage, 17. Jh., frz. equipage; — Fiaker aus kz. fiacre, Anfang
des 18. Jahrhunderts, benannt nach dem Heiligen Fiacre, dessen Bild das Zeichen des in
der Straße St. Antoine zu Paris gelegenen Hauses war, in dem man solche Mietkutschen
haben konnte; — Karriol(e) s. o.; — Berline, im 18. Jahrhundert aus frz. fr^r//n<' 'Ber-
liner Wagen' (Wagen von Berlin nach Paris); — Phäethon, 18. Jh., irz. phaeton; —
Kabriolett, 18. Jh.. frz. cabriolet; — Drosdike kommt Ende des 18. Jahrhunderts aus
dem Russischen; — Kremser, im 19. Jahrhundert nach einem Hofrat Kremser, der solche
Wagen stellte; — Omnibus, Name und Sache 1823 in Paris; — Tandem, e. tandem, 19. Jh.
In neuester Zeit mehren sich die Entlehnungen, wobei das Englische [dogcart, gig)
und vor allem das Slawische uns von ihrem Reichtum spenden. Die Russen verfügen über
eine Fülle eigentümlicher Fuhrwerke, deren Namen man in den Romanen und Reisewerken
findet. Da aber die Sachen selbst nicht bis zu uns vordringen, so kann bei diesen Aus-
drücken auch nicht von eingebürgerten Fremdworten die Rede sein.
Die neueste Zeit hat auf dem Gebiet der Fortbewegung ungeahnte Veränderungen
hervorgebracht. Für die neuen Erfindungen mußte man natürlich auch neue Namen schaffen,
und es ist recht belehrend, ein Beispiel der Benennung herauszugreifen. Als ersten Vor-
läufer unsres Rades finden wir die Draisine, benannt nach dem Erfinder Drais. Dann
kam die künstliche Bildung Veloziped auf, die bald vergessen sein wird. Unter eng-
lischem Einfluß sprachen wir von Bicycle und verdeutschten dies dann durch Zweirad
oder Fahrrad. Endlich aber kürzten wir das zu Rad und hatten nun die Möglichkeit,
davon ganz eindeutige Ableitungen wie radeln, Radler, Radlerin zu bilden. Dazu
kommt dann das Auto und die Luftsdiiffe.
Älter als der Wagen ist vielleicht der Schlitten. Doch sind die Bezeichnungen jung:
§ 135. Zeit und Zeiterscheinungen. 205
Schlitten, ahd. slito, t. sied zu mhd. sllten, e. slide 'gleiten', Vit slisti; — Schleife, mhd.
slei(p)fe 'schlittenartiges Gestell zum Fortschleppen von Lasten' zu sdüeifen, ahd. sUfan,
c.slip. — Schlittschuh, ahd. skrit(e)skuoh, and. skridsköh 'Fliegeschuh zu weitem Schritt',
zu sdireiten. — Ski entstammt dem Norwegischen und ist eins mit Scheit.
FEUER, LICHT, WÄRME.
Feuer, ahd. fiur, t. fire, got fön zu gr. nvg (pyr), umhr. pir. Ein zweites Wort für
Feuer, \at ignis, ist im Germanischen verloren gegangen. — Funke, ahd. funko 'Funke',
e. funk, mhd. auch vanke, wohl abgeleitet von got. fön, funins und zu aind. püvakäh 'hell-
strahlend, flammend'. — Glut, ahd.gluot, e. ^/^^rf 'glühende Kohle', zu glühen, vielleicht ver-
wandt mit lit. zlejä 'Halbdunkel in der Dämmerung'. — Licht, ahd. Höht, e. light, got. liuhap
'Licht, Schein', mit Lohe, mhd. lohe 'Flamme', ahd. loug aus der Wurzel luk' 'leuchten'
xn \ai. lü,x, gr. dfi(puvx7] [amphilykw) 'Zwielicht'. — Rauch, ahd. ro«Ä 'Rauch, Dampf,
e. reek 'Dunst, Dampf zu riedien, ahd. riohhan 'rauchen, dampfen'. — Dampf , mhd. dampf,
tampf, e. damp 'Feuchtigkeit' zu einem Verb mhd. dimpfen 'dampfen, rauchen'; dazu mhd.
dempfen 'rauchen machen', d.h. 'das Feuer ersticken'. — Schatten, ahd. skato, e. shade,
shadow, got. skadus zu gr. oy.ÖTog (skötos) 'Finsternis', air. scüth 'Schatten'. — Schemen,
mhd. sdi'eme 'Schatten'; wurzelverwandt mit gr. oy.id (skia).
Dazu eine Reihe von Adjektiven:
warm, ahd. warm, e. warm, got. warm] an zu \at. formus, gr. &£Qfi6; (thermös). —
heiß, ahd. heis, e. hot. — lau, ahd. hltio, urgerm. *hltwas zu lat. calere 'warm sein'.
Besondere Beleuchtungsgegenstände hatte man in alter Zeit nicht, man benutzte den
Kienspan. Und so stehen wir auf diesem Gebiet sachlich wie sprachlich unter dem Ein-
fluß der Griechen und Römer. Leuchter erst mhd. — Nhd. belegt, aber gewiß älter ist
Funse(l), Funzel ans Funksei und zu. Funke. — Fackel, ahd. fakala aus lat f acuta. —
Lampe, mhd. lampe, hz. lampe. — Ampel, ahd. ampla, ampulla, lat. ampulla 'Flasche,
Gefäß', die beiden letzten ursprünglich kirchliche Ausdrücke. — Kerze, ahd. kerza von
ahd. karz "Docht, Werg', das aus lat. carta 'papyrus' stammen soll. — Krone, jetzt meist
Kronenleuchter, mhd. kröne, lat. coröna. — Laterne, mhd. laterne, lat. la(n)terna.
Merkwürdig wenig hat auf diesem Gebiet die Neuzeit gebracht. Ich finde nur:
Kandelaber, irz. candelabre, Ende des 18. Jh., und Lüster 1773, hz. lustre.
§ 135. Zeit und Zeiterscheinungen. Bei den Zeiterscheinungen sind gewisse
Vorgänge so allgemein verbreitet, daß die Ausdrücke dafür eigentlich in jeder
Sprache vorhanden sein müssen. Wenn sich trotzdem manche germanische
Ausdrücke noch nicht in andern Sprachen nachweisen lassen, so kann der
Grund nur in den Ursachen liegen, auf die wir schon des öftern hingewiesen
haben: ursprüngliche Mehrheit von Ausdrücken und Verlust einiger, oder
Neubildung im Laufe der Zeit.
Die Bezeichnung der Nacht geht durch fast alle indogermanischen Sprachen hindurch,
ahd. naht, e. night, got. nahts, lat. nox, gr. j-r; {nyx). Man rechnete früher nach Nächten,
daher noch Fastnacht, Weihnachten, t. sennight 'acht Tage', fortnight 'vierzehn Tagt'.
Bei Tag, ahd. tag, e. day, got. dags, versagen die klassischen Sprachen. Lat. dies,
gr. tjfieoa {hdmerä) haben nichts mit unserm Wort zu tun. Tag hängt aber unzweifelhaft
mit lit. dclgas m., dagä f. 'Ernte', apreuß. dagas 'Sommer' zusammen, die zu lit. degti
'brennen', aind. ni-däghdh 'Hitze, Sommer' gehören. Abend, ahd. äbant, e. eve(ning). Im
Altnordischen erscheint noch ein tiu dem Wort aptann, ags. ceften-tid. Erklärung schwierig. —
Morgen, ahd. morgan, e. morning, got. maürgins, wohl zu lit. breksta 'es tagf {br aus mr). —
Dämmerung, ahd. d'emar 'crepusculum' zu lat. tenebrae; weiter dazu auch finster, ahd.
dinstar. Ein andres Wort lebt in nd. Udite fort, ahd. uohta 'Morgendämmerung' zu lit.
anksti 'früh am Morgen'.
Sommer, ahd. sumar, e. summer zu arm. amarn 'Sommer', awest. ham 'Sommer'. Die
206 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Verwandtschaft mit gr. rj/i/oo (humerä) 'Tag' ist zweifelhaft, aber mir doch wahrscheinlich. —
Winter, aM.wintar, e. winter, got. unntrus. — Frühling taucht erst im 15 Jh. auf und
ist von früh mit Suffix -ling abgeleitet. Es hat das ältere Lenz verdr;Jngt, alid. lemo, das
nach Ausweis mundartlicher Formen auf *lengzo zurückgeht. Althochdeutsch kommt auch
lengizin vor; in dem zin steckt ein altes Wort für 'Tag', got. sin-teins 'jeden Tag', lat. «u/i-
dinae. Das Wort bedeutet also eigentlich 'langer Tag'. Dieses Wort hat aber wieder das
idg. *vesr, * vir {gr. nw [ear], lat. vir) verdrängt, das noch im an. z'«r vorliegt. — Herbst,
ahd. herbist, c. harvest 'Herbst, Ernte". Wohl ein alter Superlativ zu lat. carpere mit der
Bedeutung '(Zeit, in der) am besten zu pflücken ist'; also kein eigentlicher Jahreszeiten-
name. — Jahr, ahd. y<?r, c.year, got. Jer zu abg.Jaru 'Frühling', gr. wo« (hörfi). Andere
alte Ausdrücke sind verloren gegangen, so gr. hog (etos), vielleicht noch in Widder, ahd.
ii'idar, e. ii>ether, eigentlich 'Jährling', wie lat. vituUis; — lat. anniis, got. ajjn.
.Monat, ahd. nicmöt, c. nionth, got. mfinops, stammverwandt mit lat. niPnsis, gr. /</}•'
(mien). — Daß es schon im Indogermanischen Monatsnamen gegeben habe, läßt sich nicht
erweisen. Bei den Germanen werden uns bei Beginn der literarischen Überlieferung zwar
echt germanische Namen angegeben, doch stimmen die Mundarten nicht überein, und sie
sind frühzeitig durch die aus dem Lateinischen entlehnten Namen zum großen Teil ver-
drängt worden. Über die Verdeutschungsbestrebungen Karls des Großen s. S. 157. Aber
auch der große Kaiser hat nicht durchdringen können. Es haben sich nur einige dürftige
Reste davon erhalfen. Hornung ist wenigstens noch bekannt. Es geht zurück auf ein
verlorenes hörn 'Kälte', das zu anord. hiarn "hartgefrorener Schnee', russ. seren 'Reif,
arm. saht 'Eis' gehört. Eigentlich bedeutet es der 'Sohn des Hörn'. Hörn heißt mundart-
lich aber auch der Januar. — Mundartlich gibt es noch den Ausdruck Sporkel für Februar,
unklarer Herkunft, vgl. Weigand^. — winnemänoth 'der Mai' hat sich umgedeutet als Wonne-
monat erhalten, während er eigentlich 'Weidemonat' bedeutet. — Ebenso ist windume-
manoth 'November', zusammengesetzt mit einem aus lat. vindemia 'Weinlese' entlehnten
Wort zu Windmonat umgedeutet. — Von den lateinischen Monatsnamen haben einige
eine Form, die auf alte Entlehnung in den Volksmund hinweist. So Jenner, März,
Mai und mun&ar{\\c\\ Äugst, /!// 5/ 'Erntezeit'. Ausführlich über die ganze Frage handelt
K. Weinhold, Die deutschen Monatsnamen, Halle 1869.
Bemerkenswert ist nun, daß wir die Benennung der Woche und ihrer Tage fast durch-
gehend mit eigenem Sprachgut bestritten haben.' Es handelt sich dabei freilich um Über-
setzungslehnworte. Vgl. S. 156. Wo die, ahd. wedia, e. week entspricht got wikö 'Wechsel,
Woche' und hängt mit Wechsel zusammen.
Wie weit in alter Zeit bestimmte Feste bestanden haben, läßt sich nicht
sagen, da alles Alte von dem römisch-christlichen Einfluß überwuchert ist:
Fest seit dem 13. Jh. aus lat festum; — Feier, ahd. fira 'kirchliches Fest, Ruhe
von Arbeit' stammt aus lat. ffriae, woher Ferien im 16. Jahrhundert als gerichtlicher Aus-
druck noch einmal entlehnt wird. — Das echt germanische Wort lebt in bayer. Dult fort,
got. dulps 'Fest, Feier' zu apreuß. tuldisnan. — Von den großen Festen tragen Ostern
und Weihnaditen echt deutsche Namen; ah6. östarun, t. Easter war der Frühlingsgöttin
ags. Eöstre gewidmet, der Name gehört mit Osten zu lat. auröra, gr. >]r'j; (cpös). — Weih-
nadit ist erst mhd. belegt, wihennaht aus ze wihen naht 'in der heiligen Nacht'. Dagegen
stammt P///i^5r^n, ahd. fimfdmstim über got. paintekuste aus gr. .-if »•r;y;<oör>/ (pentiikostu)
'der fünfzigste Tag" (nach Ostern). — In kleineren Kreisen bildete der Tag der Kirdi-
weihe das Hauptfest. Das Wort ist im Volksmunde regelrecht entwickelt zu Kirb[e),
alemannisch Kilbi, während Kirmes, nordengl. Kirkmass auf Kirdimesse zurückgeht,
d. h. Messe, die zur Kirchweihfeier gelesen wurde. — Messe im Sinne von 'Jahrmarkt'
findet sich seit 1329 und ist der kirchliche Ausdruck messa, indem sich nach der gottes-
dienstlichen Handlung ein Austausch der Güter entwickelte.
Die Bezeichnung der Tageseinteilung beruht im wesentlichen auch
§ 136. Die Menschen untereinander, Familie, Staat usw. 207
auf römisch-kirchlichem Ausdruck. Man nahm zunächst die kirchlichen
Worte herüber.
So haben wir nocli None, eig. 'die neunte Stunde' von 3 Uhr morgens gerechnet,
also die Mittagszeit, ahd. nona, e. noon, afternoon. Auch Vesper, wenn auch meist in
übertragenem Sinne, aus lat. vespera ist noch weit verbreitet.
An allgemeiner) Ausdrücken haben wir: Stunde, ahd. 5/'««rfa, 5^««^ 'Zeitpunkt' (diese
Bedeutung noch in 'die Stunde des Todes'). Offenbar gehört dies zu gestanden. — Weile ^
ahd. hwila 'Zeit, Stunde', e. white, got. hveila 'Zeit', wohl zu lat. quiPsco 'ruhe', genauer zu
tranquillus 'ganz ruhig'. — Zeit, ahd. zit, zid, e. tide auch 'Flut', vgl. auch mnd. getide
'Flutzeit', jetzt Gezeiten ist unerklärt. Daneben mit andrer Ableitung e. time. — Uhr,
spätmhd. üre stammt zunächst aus dem Ndl. und weiter aus 1. höra. Die älteste Bedeutung
ist 'Stunde'. — Minute, 1418 minat(e) stammt aus mlat. minutum. — Sekunde, im
15. Jh. aus lat. secunda 'der zweite' (Unterteil). Eine verloren gegangene Zeitbezeichnung
haben wir in Punkt, mhd. punkt 'kleinster Zeitteil' (noch in punkt zwei Uhr), aus lat.
punctum. Dazu pünkttidi, eig. 'auf die Minute'. Die Bildung Jahrhundert ist eine be-
wußte, rasch sich einbürgernde Verdeutschung von lat. saeculum, die zuerst im 17. Jh. bei
S.V.Birken vorkommt. Ihm folgte im \%.ih. Jahrtausend {\7S\) und schließlich /a/zr-
zehnt. Vgl. Feldmann, ZfdW. 5, 230.
Um die nächste Zeit zu bezeichnen, gebrauchen wir eine Reihe alter Adverbien:
gestern, ahd. gesteron, e. yesterday zu \ai. heri, gr. yßsg (khthes), ai. hjah. Merkwürdig
ist, daß dieses Wort auch 'morgen' bedeuten kann, wie got. gistradagis 'morgen' und ahd.
f'gestra 'übermorgen', jetzt ehegestern, zusammengesetzt mit ehe, ahd. er, e. ere, got.
airis 'früher', zu gr. ägiaioy (äriston) 'Frühstück' aus *ajeriston 'gehörig'. — heute ist aus
ahd. hiutagu 'an diesem Tage' entstanden, der Pronominalstamm hi steckt noch in heint
'diese Nacht', ahd. hinaht, heuer, ahd. hiuro aus hiu järu 'in diesem Jahre' und ist doch
wohl mit lat. hJc, hodic verwandt. — morgen, ahd. morgane, e. to morrow, got. in maürgin.
— Dazu kommen noch: früh, ahd. fruo, gx.:iooH {pröi); — spät, ahd. spät i, got. spediza.^}
Sehr spät sind die entsprechenden Ausdrücke für entsprechende größere Zeitabschnitte:
Zukunft erscheint erst im 18. Jh. in dieser Bedeutung. Mhd. zuokunft ist 'das Herzukommen';
Vergangenheit erst bei Gottsched. Dagegen ist Gegenwart schon ahd. geginwerti.
§ 136. Die Menschen untereinander, Familie, Staat usw.
Li t e r a t u r : W. Deecke, Die deutschenVerwandtschaftsnamen, Weimar 1870. — Delbrück,
Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen; ein Beitrag zur vergleichenden Altertumskunde;
Abh. der Sachs. Ges. der Wiss. 11 Nr. 5, Leipzig 1889. — O. Schrader, Reallexikon der indo-
germanischen Altertumskunde, passim. — W. ScHOOF, Die deutschen Verwandtschaftsnamen,
Ztschr. für hochdeutsche Mundarten 1, 193 ff., berücksichtigt auch eingehend die Ausdrücke
der heutigen Mundarten.
Die alten Germanen und Indogermanen legten, wie jetzt allgemein
anerkannt ist, ein ganz anderes Gewicht auf die Verwandtschaft als wir.
Während bei uns im wesentlichen nur die Einzelfamilie besteht, herrschte in
altern Zeiten die Großfamilie und die Sippe. Auf ihnen beruhte zum großen
Teil die staatliche Ordnung, vgl. darüber Hirt, Die Indogermanen 2, 409 ff.
Infolgedessen gab es auch sehr viel mehr Benennungen für die ver-
schiedenen Verwandtschaftsgrade als heute, und wir besitzen jetzt nur noch
einen Rest jener früher vorhandenen. Man hat angenommen, daß sich die
indogermanischen Verwandtschaftsnamen immer nur auf die Verwandtschaft
^) Vgl. dazu K. Brugmann, Zu den Wörtern für heute, gestern, morgen in den idg.
Sprachen. Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1917, 1.
208 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
nach der männlichen Seite bezogen liätten. Doch ist das ein Irrtum, vgl.
Hirt, Idg. Forsch. 22, 78 ff.
Alle Sprachen bezeichnen tatsächlich die Verwandtschaft nach beiden
Seiten, darunter vor allem das Litauische und Slawische, die noch heute
über eine Fülle von Benennungen verfügen.
Bei den Verwandtschaftsbezeichnungen gibt es eine Reihe von Aus-
drücken, die zweifellos aus der Kindersprache stammen. In der Schrift-
sprache gebrauchen wir ja allerdings nur Papa und Mama neben Vater
und Mütter, aber die Mundarten, die altern Zeiten und die verwandten
Sprachen verwenden auch die übrigen Lallsilben, wie tata, nana, atta,
baba usw. Vgl. darüber Schoof a. a. O.
Eine Mehrheit der Benennungen für denselben Begriff ist auf diesem
Gebiet von allem Anfang an vorhanden. Der Gote gebraucht atta neben
fadar und besitzt nur aipei für 'Mutter'. Unsere jetzige Sprache verfügt
für die beiden Begriffe je nach Stimmung, Stand und Stellung über eine
ganze Reihe von Ausdrücken.
A. BLUTSVERWANDTSCHAFT.
Vater, ahd. fater, t. father, go\. fadar zu lat. pater, gx.nart'io {patu-r); daneben steht
im Gotischen atta, das sich mit einer Ableitung im Alemannischen als Ätti erhalten hat.
Offenbar ein Wort der Kindersprache. Eine Koseform dazu ist Attila, d. Etzel, — Mutler,
ahd. muoter, e. mother, gotisch nicht belegt, zu lat. mäter, gT.fi/jTijQ {m<Pt(er); das Gotische
hat aipei, dessen Herkunft ganz unklar ist. Diese Doppelheit der Benennungen kann nicht
weiter wundernehmen, da ja auch wir über mehrere Ausdrücke verfügen, um Vater und
Mutter zu bezeichnen. — Eltern, ahd. eltiron, altiron, Komparativ von alt. In den
andern Sprachen werden andere Ausdrücke verwendet; daraus aber zu schließen, daß die
Indogermanen den Begriff noch nicht bezeichnet hätten, ist durchaus unzulässig. Es hat
eben mehrere Ausdrücke gegeben. — Amme, ahd. amma, noch schwäbisch in der Be-
deutung 'Mutter'; anord. amma ist 'Großmutter'; Kosewort der Kindersprache.
Sohn, ahd. sun(u), e. son zu amd. sümih, abg.synn, lit. sünüs; gr. i('ö; (hyiös) weicht
im Suffi.x ab. — Tochter, ahd. tohter, e. daughter, got. daühtar zu gr. {hyuiyjQ {thygäl(er). —
Kind, ahd. kind zur Wurzel idg. *gen 'erzeugen' = lat. genitum oder mit Ablaut nätum. —
Knabe, ahd. knabo, e. knave, kaum zur gleichen Wurzel, sondern zu schwed. dial. knab
'Pflock', knabbe 'Knollen, Klumpen', mit einer Bedeutungsentwicklung wie in Stift, Bengel. —
Magd, Mädchen, ahd. magad, e. maid, got. magaps 'Jungfrau' von got. magus 'Knabe,
Knecht' zu ir. macc; die Ableitung ist aber dunkel.
Ein altgermanisches Wort für 'Kind, Mädchen' steckt in nd. Göre, t. girl, das Möller
mit gx.nnoOfvo; {parthenos) 'Jungfrau' verbunden hat. — Bruder, ahd. bruoder, e. brother,
got. bröpar zu lat f räter, gr. f/ijÜTioo {phrätür) 'Mitglied eines Geschlechts'. — Schwester,
ahd. swester e. sister, got. swistar zu lat. soror aus *swesir.
Was die weitere Verwandtschaft betrifft, so bestanden im Indogermanischen
wahrscheinlich besondere Ausdrücke für die Geschwister des Vaters und der
Mutter.
Vatersbruder, ahd. fetiro, jetzt Vetter, Ableitung von vater, entsprechend gr.
Ttnroiog (pätrösj, lat. patruus; die jetzige Bedeutung 'V^etter' kommt im Mittelalter auf; man
gab gern auch einem Jüngern den Ehrentitel. — Mutterbruder, Oheim, ahd. üheim;
der erste Teil des Wortes gehört zu lat. avunculus. — Vaterssdiwester, ahd. basa
'Schwester des Vaters', Base, jetzt im allgemeinen Sinne gebraucht und ziemlich veraltet.
§ 136. Die Menschen untereinander, Familie, Staat usw. 209
Femininum zu Bas 'Meister, ehrende Anrede', wohl ursprünglich der Kindersprache an-
gehörend. — Mutterschwester, ahd. muoma 'Muiterschwester', Muhme, Form der
Kindersprache. — Neffe, ahd. n'efo zu lat. nepös 'Enkel'. — Nichte, aus dem Nieder-
deutschen entlehnt, wo cht für ft steht, ahd. niftila, Verkleinerungsform zu ahd. nift, dem
Femininum zu Neffe, aind. napti 'Tochter, Enkelin', lat. neptis 'Enkelin'. — Ahn, ahd. ano
'Großvater', ana 'Großmutter' zu lat. anus 'alte Frau', apreuß. ane 'Altmutter' usw. Groß-
vater und Großmutter tauchen erst spätmittelhochdeutsch auf, ersetzen aber natürlich
andere Ausdrücke und sind vielleicht Übersetzungen von frz. grand-perc, grand' mere. —
Enkel, mhd. enenkel, Ableitung von Ahn, also wahrscheinlich 'kleiner Großvater'.
Die Entlehnungen auf diesem Gebiet Onkel, Tante, Cousin, Cousine sind
■erst Ende des 17. Jahrhunderts herübergenommen, wohl unter der Einwirkung der Alamode-
zeit, der wir auch Papa und Mama verdanken.
B. DIE HEIRATSVERWANDTSCHAFT.
Unter einfachen Verhältnissen unterscheidet man auch hier, ob die Ver-
wandtschaft von Seiten der Frau oder des Mannes gerechnet werden muß.
Aber diese Unterschiede sind frühzeitig verloren gegangen.
Schwiegertochter. Das alte Wort war Sc^ /zur, ahd. snura, lat. nurus, gT.rrög (nyös). —
.Schwiegervater (mspTünghch deiFrau), Schwäher, ahd. swehur, gotswaihra, lat. socer,
gr. ixvQog (hekyrös). — Schwiegermutter, Sdiwieger, ahd. swigar, got. swaihrö, lat.
socrus, gr. kxvQa (hekyrä). — Bruder des Mannes: ahd. zeihhur, ags. täcor, lat. levir,
^r. 8aii)Q [dacsr). — Schwager, ahd. swägur 'Schwager' kehrt im Indischen als sväsurah
wieder und bedeutet 'der zum Schwiegervater gehört'. — Sdiwester des Mannes: der
alte Ausdruck gr. yalöco^ (galöös), lat. glös, abg. zülüva ist verloren gegangen. Dafür ahd.
swegerinne. — Sdiwiegersohn: der altgermanische Ausdruck ist Eidam, ahd. eidum.
.ags. ääum. Beziehung zu Eid, vgl. engl, son-in-law, ist mir höchst unwahrscheinlich; ebenso
die zu got. aipei 'Mutter'. Also unerklärt, aber vielleicht alt. — Ein alter Verwandtschafts-
ausdruck steckt auch in Schwein 'Hirt', e. swain 'junger Bursch, Schäfer' zu lit. svalnis
^der Gattin Schwestermann', lett. swainis 'des Weibes Bruder'.
Ehe und Eheschließung. Daß ein so abstrakter Begriff wie Ehe erst in jüngerer
Zeit in der Sprache ausgebildet wird, läßt sich leicht verstehen. So kommt denn tatsäch-
lich das Wort ahd. ewa mit der Bedeutung 'Rechtsverhältnis zwischen Mann und Frau' erst
bei Notker vor, woraus natürlich nicht die Ehelosigkeit in früherer Zeit folgt. — Hoch-
zeit bekommt seine heutige Bedeutung erst seit dem 13. Jahrhundert; früher galt dafür
Brautlauf, ahd. brütlouft, gemeingermanisch, aber natürlich nicht in den verwandten
Sprachen. — Heirat, ahd. hirät, eig. 'Zurüstung des Hausstandes'; es steckt darin ein
altes Wort hi, das indogermanisch ist : got. heiwa-frauja 'Hausherr', ahd. hiwo 'Gatte, Haus-
genosse', and. htwiski 'Familie' usw. zu lat. civis 'Bürger', ir. cia 'Mann', lett. scwa 'Weib';
ursprüngliche Bedeutung nicht klar.
Die Ausdrücke für die Gatten wechseln im Laufe der Zeit sehr. Es gibt verschiedene
Ausdrücke den verschiedenen Ständen und der verschiedenen Stimmung entsprechend:
Gatte, Gemahl, Mann, Frau, Weib usw. Zu allen Zeiten wird zunächst die Bezeich-
nung des männlichen und weiblichen Wesens überhaupt zur Bezeichnung von 'Ehemann'
und 'Ehefrau'. So haben wir Mann und Frau. Mann ist alid. man 'Mensch, Mann',
c. man, got. manna; in der Bedeutung 'Ehemann' seit dem 16. Jahrhundert; Frau, ahd.
frouwa, weibliche Form von frö 'Herr' (s. unten), also bedeutet Frau eigentlich "Herrin';
die jetzige Bedeutung auch erst im Mhd. — Diese Ausdrücke haben die alten, ahd. gomo,
erhalten noch m Bräutigam, zu lat. homo, und Kone, mhd. kone, ahd. qu'ma, t.queen,
got. qens zu gr. yw/] {gynw) verdrängt. Der Gote aber sagt für 'Ehemann' aba, auch wair^
lat. vir. Gemahl, ahd. gimahalo 'Verlobter, Bräutigam, ehelich Verbundener', Gemahlin,
-ahd. gimahala gehören zu ahd. mahal 'Vertrag, Ehevertrag' und gimahalan 'zusammen-
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Auf!. 14
210 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
sprechen, sprechen', vgl. Hiltibrant gimahalta im Hildebrandshcd; Gatte, Gattin sind
erst neuhochdeutsch; \\\\\^. gate neben iief^atc 'der (ileiclie, Genosse', asAzhs. gigacio 'seines-
gleichen" bewaliren den aUcij Sinn. — Die Tatsachen der Sprache liegen so einfacli wie
müghch. Es hat stets mehrere Ausdrücl<e gegeben, und einer liat den andern abgelöst.
Freilich läßt sich hierbei vielleicht eine Entwicklung verfolgen. Nach Delbrück a.a.O. 439
besteht die jüngste Schicht der Bezeichnungen darin, daü die beiden als zu einem Paare
verbunden bezeichnet werden, lat. coniitx, gr. orCr; {syzyx), d. Gemahl; wenn er aber
weiter hinzufügt: .der ürund, warum solche Bezeichnungen erst spät auftauchen, liegt auf
der Hand. Die Stellung des Mannes zur Frau und die der Frau zum Manne waren nach
alter Meinung zwei so verschiedene Dinge, daß man nicht darauf kommen konnte, Mann
und Frau durch das gleiche Wort zu bezeichnen', so ist dieser Schluß so falsch, wie
nur etwas sein kann. So gut erst das Esperanto darauf gekommen ist, ein patrino 'Mutter' zu
bilden, während alle Sprachen Vater und Mutter durch besondere Wortstämme bezeichnen,
ebensogut ist man erst spät dazu gelangt, die Ehegatten sprachlich zusammenzufassen. Haben
wir es doch hier mit einem Allgemeinbegriff zu tun. Ausdrücke ähnlich unserm Mann und
Frau haben auch in alten Zeiten genügt, um das wiederzugeben, was man sagen wollte.
Auch die Ausdrücke für das Schließen der Ehe sind jung, d. h. sie haben andere abgelöst.
vermählen gehört zum selben Stamm wie Gemahl, heißt also eigentlich 'versprechen';
verloben hängt mit geloben zusammen. — Witwe, ahd. wituwa, e. widow, got.widuwo^
lat. vidua, ir. fedb, ai. vidhdvä, abg. vidova, ein Wort also, das fast durch alle Sprachen
hindurchgeht; dagegen ist IF/totr jung; hieraus folgt allerdings wohl, daß in alter Zeit der
Tod des Mannes für die Frau von ganz anderer Bedeutung war wie das Umgekehrte. —
Strohwitwe und Strohwitwer tauchen nahezu gleichzeitig 1715 und 1716 auf; das erstere
jedenfalls als scherzhafter Ausdruck. Doch ist der ursprüngliche Sinn unklar. Vgl. Weigand*.
— Waise, ahd. weiso; wohl zum gleichen Stamm wie Witwe und zu 1. dividere 'teilen,
trennen'. — Braut, ahd. brät 'Neuvermählte', e. bride 'junge Frau', got. brüps 'Schwieger-
tochter', vielleicht zu lat. Fnitis, einem Namen der Aphrodite, vgl. Braune, Btr. 32, 3ü.
Bräutigam, ahd. brüti-gomo, e. bride-groom, got. brüp-faps {-faps zu lat potis- in possum^
gr. .Too/? {pösis) 'Ehemann', a'ind. pätih 'Herr, Qatte'j.
Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, daß die Ausdrücke für die Allgemein-
begriffe Mann und Frau immer wieder auch für 'Ehemann' und 'Ehefrau' angewendet
werden. Ausgenommen ist das Wort Mensdi, ahd. mannisko, Substantivierung eines Ad-
jektivs got. mannisks, ahd. mennisk 'humanus', also recht jung, da es nur westgermanisch
ist. Jung ist auch Weib, ahd. wib, e. wife, das sich schon durch sein neutrales Geschlecht
als später Allgemeinbegriff enthüllt. Es steht in dieser Beziehung mit Rind, Sdiaf, Pferd
auf einer Linie. Erklärt ist es noch nicht, auch nicht durch Bezzenberger, KZ. 41. 282.
Selbst die unehelichen Verhältnisse haben schon in alter Zeit einen sprachlichen Ausdruck
gefunden: Kebse, ahd. kebisa bezeichnete wohl ursprünglich 'die Sklavin', vgl. aiiord. kefsir
•Sklave, Knecht'. — Kegel in der RA. Kind und Kegel bedeutet 'uneheliches Kind' und
kommt zuerst mhd. vor. — Bankert, s{)ä\m\\d. bankart, bandiart, ndl bankaard hängt
mit Bank zusammen. Andere Ausdrücke dafür sind Bankkind, Bänkling, Bankbein; —
ähnlich ist Bastard, mhd. bastfhjart aufzufassen, entlehnt aus afrz. bastard und liängt
mit mlat. bastuni 'Saumsattel' zusammen. Hahnrei scheint ursprünglich 'Hahnentanz'
{Reihen) zu bedeuten, eig. 'einer, der den Hahnentanz mitmacht'.
Die Neuzeit bringt dann eine Fülle fremder Ausdrücke, auf die wir hier nicht weiter
eingehen wollen.
C. DIE SIPPE.
Der Mensch war in alter Zeit vornehmlich ein Glied seiner engern und
weitern Familie. Die Begriffe 'Familie' und 'Sippe' spielen in alter Zeit eine
viel bedeutendere Rolle als jetzt, wo sie ja kaum noch vorhanden sind.
Die Ausdrücke dafür sind denn auch so ziemlich verloren gegangen.
§ 136. Die Menschen untereinander, Familie, Staat usw. 211
Den kleinsten Kreis 'die Familie' bezeichnete in alter Zeit wohl der schon besprochene
Ausdruck hlwa-, got. heiwa-fraiija 'Hausherr', ahd. hiun 'beide Gatten', anord. hjan 'Mann
und Frau, Ehepaar, Dienstboten'. Dazu and. hiwiski 'Familie, Hausgesinde, Haushaltung',
noch nd. Hisdi. Den weitern Kreis benannte man Sippe, ahd. sipp(eja, ags. sibb, got. sibja
'Blutsverwandtschaft', dazu aind. sabhd 'Versammlung der Dorfgemeinde', altserb. sebrü
'freier Bauer', abg. sobistvo 'Eigenart, Wesen' u. a., vgl. Solmsen, Untersuchungen zur
griechischen Laut- und Verslehre 200; die Grundlage ist ein *sebhä 'eigene Art', davon die
y-Ableitung got. sibja. Eine ähnliche Entwicklung zeigt ahd. slafita 'Gesdiledit, Herkunft',
eig. 'was nach einem schlägt'. — Ein Ausdruck für 'Verwandte' liegt in Alage, ahd. mag
vor, das sich jetzt nur noch in Sdiwertmage und Spillmage, eig. 'Spindeimage', 'Ver-
wandter der väterlichen und der mütterlichen Seite' erhalten hat. — Was wir Gesdiledit
nennen, heißt ahd., neben gislahti, kiinni, e. kin, kind, got. kiini, von einer Wurzel, die
in lat. gignere, gens, gr. yr/vouai (gignomai) 'werde geboren' vorliegt; kuni entspricht ganz
genau lat. geniiis 'angeborener Schutzgeist', ist also 'das Angeborene'. Heute lebt der
Stamm nur noch in König, ahd. kuning, eig. 'der zum Geschlecht gehört', 'Geschlechts-
mann'; von derselben Wurzel ist noch gebildet got. ^«öy&5 'Geschlecht, Stamm', ahd. knuai,
eine Ablautsform zu lat. gens und nätio. Die folgende größere Einheit bezeichnet dann
got. piuda, ahd. rf/o/ 'Volk', erhalten in deutsdi {theodiscus ursprünglich nur von der
Sprache), deuten und in Eigennamen, Dietridi usw.; dazu air. tfiath 'Volk', osk. touio
'Volk, Gemeinde', lit. tautä 'Land'. Dieses Wort wird abgelöst durch Volk, ahd. folk 'Volk,
Dienstvolk, Kriegsvolk, Haufe', t. folk, das nicht erklärt ist. Nation schließlich taucht im
15. Jahrhundert auf.
D. STÄNDE.
Das dem gr. skevdeQoq (eleütheros), lat. liber entsprechende Wort scheint im Germanischen
nicht mehr vorzuliegen, es sei denn in liederlidi und lotter, jedenfalls aber nicht in
dem alten Sinne. O. Schrader verbindet damit Leute, mhd. //«^ 'Volk', ags. leode 'Ltütt\
ins Slavische entlehnt abg. Ijudii 'Volk', Ijudije 'Leute', also eigentlich 'die Freien'. Um
das Wort zu erklären, müßte man von der Bedeutung 'Volk, Stamm' ausgehen, dann hieße
gr. i?.rv&Fgog (eleütheros) 'zum Stamme gehörig'. Doch ist dies unwahrscheinlich, und das
Wort gehört eher zu got. //«rfan 'wachsen', das wir noch xn Sommerlatte, Lode haben.
Für 'frei' erscheint gemeingermanisch frei, ahd. frl, t.free, got. f reis. Im Altindischen ent-
spricht genau prijäh 'lieb, beliebt, erwünscht. Gefallen findend an'. Die Vermittlung dieser ver-
schiedenen Bedeutungen ist nicht gelungen. Vielleicht liegen doch verschiedene Worte vor.
Für Herr liegt vor got. -faps in brapfaps, hundafaps 'centurio' zu gr. 7i6oig (pösis),
öeo-ji6xt]g {desp6t(es), lat. in potes-tas; daneben steht got. fr auf a, ahd. frö, jetzt nur noch
in Fron-leidinam, Frone, Fronfeste, fronen; dieses Wort hängt mit lat. pro,
gr.:x()(> {pro) zusammen und bedeutet 'der erste, vorderste"; ihm folgt Herr, mhd. her re aus
ahd.heriro, Komparativ zu hehr, ursprünglich 'grau', also 'der ältere' wie \at.senior, \ta\. signor.
Außerd.em gibt es, wie wir schon oben S. 105 bemerkt haben, eine Reihe deutlicher
Neubildungen. Beachtenswerterweise ist das alte Wort lat. rox, aind. rdjä im Germanischen
verloren gegangen, und wird erst wieder aus dem Keltischen entlehnt, ebenso wie Amt
(s. o. S. 136). Dazu kommt Kaiser aus lat. Caesar.
Von den sonstigen Standesbezeichnungen bestreiten wir König (s.o.), Fürst, ahd.
furisto, eig. 'der vorderste', e. first 'der erste', Herzog, ahd. herizogo, eig. 'Heerführer'
zu Heer und lat. dux, Graf, ahd. gräfo, gräfio, eig. 'Vorsteher', so noch in Deidigraf,
Salzgraf, unsichrer Herkunft, aus eigenem Sprachgut.
Die mittelhochdeutsche Zeit bringt uns dann eineFüllefranzösischerStandesbezeichnungen,
von denen sich /('«w/'ö« hält. Auch Prinz ist schon mhd.;;n«^^, hz.prince, von lat.princeps.
In der Neuzeit hat sich der Stoff bedeutend vermehrt: Baron, schon mhd. barün'
aber erst im 16. Jh. baron, aus frz. baron. — Kavalier, 1616, frz. cavalier. — Komtesse,
frz. comtesse. — Marquis, schon mhd. markis und Markise, frz. marquise. — Frau und
14*
212 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Ftäiilein waren im 18. Jh. im wesentlichen auf die Angehörigen des Adels beschränkt,
während die bürgerlichen Frauen Madame und Mamsell hießen, Ausdrücke, die heute
tief gesunken sind. Auch Monsieur kommt in der Alamodezeit und hält sich noch volks-
tümlich als Miisje. Die neuste Entlehnung ist t. gentleman, 1791. Im Anfang des 17. Jh.
entlehnen wir auch Dame aus frz. dame, ital. dama, cig. lat. domina. Nur noch mundart-
lich ist Dunzel aus frz. donceüe.
Selbst auf die Dienerschaft erstrecken sich die Entlehnunj^cn. So erhalten wir mit
den spanischen Wörtern Gala, Galan, galant ^uc\\ d\c Lakeien, span. /flfoj'o (16. Jh.).
Für Diener gibt es eine ganze Reihe wechselnder Ausdrücke. Vgl. hierzu Brug-
MANN. Zu den Benennungen der Personen dienenden Standes in den indogermanischen
Sprachen, Idg. Forsch. 19. 377, von denen freilich keiner mit Sicherheit in das Indogermanische
zurückzuführen ist.
Diener selbst ist zwar erst mhd. von dienen, ahd. dionön abgeleitet. Aber dem
Stamm haftet die Bedeutung schon seit dem Urgermanischen an, vgl. got. fyius 'leibeigener
Diener. Knecht. Sklave', ahd. -rfm. ags. pfow. Dazu gehört natürlich Dienst, ahd. dionost
und weiter Dirne, ahd. diorna. das wohl als 'Knechtstochter' aufzufassen ist; Demut,
ahd. diomuoti. eig. 'Knechtessinn'. ein Wort, das offenbar vom Christentum geschaffen worden
ist. Got. pius gehört vielleicht zu lett. teksnis "Aufwärter. Bedienter", ai. takuh 'eilend'. —
Knedit, ahd. kneht, e. knight 'Rütef. — Sdialk, ahd. skalk, got. skalks 'Knecht, Diener'
hat eine andere Bedeutung angenommen, die alte finden wir noch in Marsdiall, ahd.
marahskalk (zu Mähre) und Senesdiall aus frz. senedial und dies aus einem deufsch-
mlat. seniscalcus 'der alte Knecht' zu got. sineigs 'alt', lat. senex. — Auch in Arbeit
steckt wohl ein altes Wort für 'Knecht', abg. rabti 'Knecht. Leibeigener', wovon rabota
•Knechtsarbeit. Frondienst', das wir im 14. Jh. als /?ofro^ entlehnt haben. Sklave ist der
alte Volksname der Slaven.
Beachtenswert ist noch das Wort Adel. ahd. adal n. 'Geschlecht, von dem man
stammt, bes. ausgezeichnetes', dazu mit Ablaut nodal 'Erbgut, Heimat'. Es gehört, wie
A. Gebhard nach Frommann vermutet, zu einem germanischen *at, *öt 'Grundbesitz.
Landgut', das noch \n Heimat, mhd. heimöte, got. haimöpli, ahd. heimödil und unter An-
lehnung an öde in Einöde, ahd. einöti (bayer. noch £//2^/ 'einzelner Hof) vorliegt. Auch
Armut, ahd. armuoti läßt sich als 'armseliges Gut' fassen.
§ 137, Das Haus.
Literatur: M.Heyne, Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer. Band 1: Wohnung;
Leipzig 1899. — R. Meringer. Das deutsche Haus und sein Hausrat. 1906. - H. Schmockel,
Das Siegerländer Bauernhaus nach seinem Wortschatz dargestellt. Ein Beitrag zur Haus-
und Dialektforschung, Bonn 1911.
Die Ansichten von der geringen Seßhaftigkeit der Germanen und Indo-
germanen, die nur in notdürftig zusammengefügten Hütten gewohnt haben
sollen, sind hoffentlich bald allgemein beseitigt. Schon die Sprache, ganz
abgesehen von den Funden, zeigt uns, daß unsere Vorfahren in festen
Häusern wohnten. Freilich hatten diese Häuser ein andres Aussehen als
unsre Mietskasernen, aber von der Form und Gestalt mancher Bauernhäuser
wichen sie nicht allzuviel ab. Es waren Holzbauten mit Strohdächern, bei
denen auch das Flechtwerk eine bedeutende Rolle spielte.
Der Steinbau stammt von den Römern, und das zeigt sich auch in
der Sprache.
1. EINHEIMISCHE BESTANDTEILE.
Gaden, ahd. gadum. Nur hochdeutsch. ~ Haus, ahd. got. hüs, e. house. Vielleicht
mit hatte verwandt, aus *hntta-. oder zu aind. kö'^ah 'Behälter. Vorratskammer, Schatz-
§ 137. Das Haus. 213
kammer'. — Hof, ahd.hof, vielleicht mit Ablaut zu gr. ^r/y.-ro,- (^(e/^o^), dtm Hube, Hufe,
ahd. hüoba genau entspricht. — Ein altes Wort für 'Hofstatt' sieht Heyne S. 12 noch in
ndd. Wörde, Wurd, asächs. ward 'Boden', ags. weord, wurd, wyrd, das er zu werden
stellt. — Hütte, ahd. hutta, huttea. Aus dem Deutschen stammt e. hut 'Hütte'. Vielleicht
zum vorigen, oder besser zu a\cm. Hotte 'hölzerne Bütte'. — Kate, Kote 'Hütte', eig.
ndd., e. cot, daraus frz. cotte. Grundform ist idg. *gudom, die im Indischen gudä-xn. n.
mit der Bedeutung 'Darm, Mastdarm, After' vorliegt. Ob sich die Bedeutungen vermitteln
lassen, will ich nicht entscheiden. Jedenfalls gehören /Co /^z^ 'geflochtener Rückentragkorb'
und Kieze 'Rindengefäß, Starkasten' hierher. — Koben, mhd. kobe 'Stall, Schweinestall',
e. cove 'Obdach. Taubenschlag'. Das Wort hatte einst eine weitere Bedeutung, wie z. B.
die Ableitung Kobold aus *kobwald 'Hauswalter, Hausgeist' zeigt. Zu gr. v^'■.^»/ (gyp<c) 'Erd-
höhle, Gemach', aind. gup- 'behüten, bewahren'. Aus dem Deutschen dazu wohl noch
Kober. — Sdieuer, ahd. skiura, sküra 'Scheuer', zu einer Wurzel skü 'bedecken', die
auch in \di\.. obscarus steckt. — Sdieune, ahd. skugin, skugina 'Scheune'; falls ^ für y
steht, dürften Sdieune und Sdieuer aus einem alten /-/n-Siamm erwachsen sein, wie ahd.
wazzar und ^oi.watö, watins. — Sdinppen, ahd. skopf, noidengl. shippen 'Stall', e. shop
'Laden' zu sdiieben. — Stadel, obd., ahd. stadal -Scheune, scheunenartiges Gebäude',
anoTd. stödull 'Stall, Melkplatz', aind. sthaträrn 'Standort, Stelle'. — Stall, ahd. stal(l),
e. stall 'Stall, Standort', wohl aus *stadlo zu lat. stabulum 'Stall'.
Die Begriffe 'Haus, Hof, Zaun, Niederlassung' gehen gern ineinander
über, indem ein Teil für das Ganze genommen wird. Welche Bedeutung in
dem einzelnen Fall ursprünglich gewesen ist, läßt sich nicht immer sagen.
Hierher gehören:
Garten, ahd. garto. got. garda 'Qe.hege, Hürde'; daneben ahd. ^a/-^ 'Kreis, Garten',
asächs. gard 'eingefriedigtes Grundstück', im PI. 'Wohnung, Haus', ags. geard 'Umfriedigung.
Garten, Wohnung', e.yard -Hofraum', got. gards 'Haus'; Verwandtschaft kann bestehen,
einerseits zu Gurt und lat. hortus, cohors 'Gehege, Hof. gr. yomog (khörtos) 'Gehege, Vieh-
hof, Weideplatz', anderseits zu hX.iafdis 'großer umzäunter Weideplatz', oder amd. gi;hä- m. n.
'Haus', awest. garada- 'Höhle', vgl. Weigand. wiek in Ortsnamen, z B. Osterwiek, ags.
Wie, got. weihs 'Flecken, Dorf zu lat. vlcus, gr. oly.og (ptkos),. vgl. aber unten S. 216. Das
Gehöft war durch einen Zaun abgeschlossen, ahd. zun, e. town, aus kt\i. danum. Dafür noch
Etter, ahd. etar -Zaun' zu abg. odril 'Bettgestell', tschech. odr 'Pfahl', odry 'Gerüst in der
Scheune'; damit vielleicht zusammengesetzt Gatter und Gitter. — Hürde, ahd. hurd,
PI. hurdi 'Flechtwerk aus Weiden, Hürde, Tür', got. hai'irds 'Tür', e. fiurdle 'Hürde, Flecht-
werk', daneben Horde, mnd. hord 'Flechtwerk einer Brücke', zu lat. crätes 'Flechtwerk'. —
Tür, ahd. tun, eigentlich ein Plural oder besser gesagt ein Dual, lat. fores, gr. vvoa
ithyrä); — gleichen Stammes ist Tor, ahd. tor, e. door, got. daür, lautlich entspricht lat.
forum, \\i. dväras, abg. dvorn 'Hof; weshalb Tür ein Dual ist, lehrt ein BHck auf alte
Bauernhaustüren, die einen obern und untern Flügel haben. — Riegel, ahd. rigil "Quer-
holz zum Verschließen', e. rail zu lat. arceo. gr. aoyJco (arkeö), lit. rdktas 'Schlüssel'. —
Sdilüssel, ahd. slu^^il, ndl. sleutel zu sdiließen, lat. claudere. — Zimmer, ahd. zimbar
'Bauholz, Holzbau, Wohnung, Zimmer", e. timber 'Bauholz', got. timrjan 'erbauen' zu gr.
MuEiv (demen) 'bauen', lat. donius, gr. 66uo; {dömos). — Sdiwelle, ahd. swelli. e. sill,
wohl ablautend zu Säule, ahd. sül, got. sauls, gasüljan -gründen'; weiter vielleicht zu
gr. ^v?.ov ixylon) -Holz, Balken, Knüttel'. — Laube, ahd. louba 'Galerie eines obern Stock-
werkes, Schutzdach', anord. lopt 'oberes Stockwerk', zu lit. lubä 'Brett', lübös 'die bretterne
Stubendecke'. — Dadi, ahd. dah 'Dach. Bedeckung, Decke, Verdeck', e. thatdi 'Strohdach';
es entspricht lat. toga 'Toga', eig. 'Bedeckung', mit Dehnstufe lit. stögas 'Dach', mit ^- Vokal
fr. xeyog (tegos). — Saal, ahd. sal 'Haus, Wohnung', got. saljan 'Herberge finden', salipwös
•Herberge, Speisezimmer', vielleicht zu lat. solum 'Boden'; jedenfalls zu abg. selitva 'Woh-
nung'. — Halle, ahd. halla 'Tempel', e. hall; dazu ndd. hille (mit Ablaut) 'Ort über den
214 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
X'iehstailen, wo Gesinde und Kinder zu schlafen pflegen", und weiter lat. cella 'Kammer.
Zelle, gr. xtüm {kaliä) 'Hütte, Scheune, Nest'. — Ern, Eren, auch Ähren 'Hausrauni
zwisclien der Haustür und den Zimmern desselben Stocks', ahd. arin, erin 'Fußboden,
Altnr", wohl zu lat. nrea 'Tenne, innerer freier Hofraum'. — Heim, ahd. heim 'Haus, Wohn-
orf, e. Itome. got. haims 'Dorf, Flecken' zu gr. y.o'tnj {kdm<r) 'Dorf. — Barn 'Krippe', ahd.
barno. wohl zu got. tar/cfm^ "gersten', also 'Gerstenbehälter'. — Giebel . ^^6. gibil 'Siwn-,
Vorderseite', got. gibla 'oberste Spitze, Zinne', urverwandt mit gr. xf^uh) (kephal,/) 'Kopf. —
Fletz. aM. flazzi, flezzi. ags. //e/ 'platter, ebener Fußboden, Tenne, Hausflur', nhd. noch
in ElOtz. Gehört zu gT..^/.ari\• (platys). — Flur, mhd. vluor 'Saatfeld', ags.//ör 'Estrich,
Vorplatz", c.floor 'Estrich, Tenne'. Es entspricht ir. lar. kymr. llawr 'Boden, Estrich*, apreuß.
plonis 'Tenne". - Wand. ahd. want 'Seite, Wand", e. wand, zu winden, eig. •flechten".
Die Erklärung von Viand, als zu winden gehörig, geht im wesentlichen auf Meringek,
Idg. Forsch. 17, 139 und Etymologien zum geflochtenen Haus, in Abhandl. z. germ. Phil.,
Festgabe für R. Heinzel, Halle 1898 zurück. Die geflochtene Wand hat in der Tat in alter
Zeit eine außerordentliche Rolle gespielt, und noch heute kann man sie in Schäferkarren
und an oberliessischen Häusern beobachten. Dasselbe wird durch die oben gegebenen
Etymologien Hütte : Hotte, Kate. Kote : KOtze, Koben : Kober wahrscheinlich gemacht Die
Hütte, die Kate und der Koben sind also ursprünglich geflochtene Behältnisse gewesen.
Ebenso gehört AV//'/'^. ahd. krippa zu mhd. /fr^/»^ 'Korb". — Herd. ahd. //trrf Erdboden",
e. hearth. — Sdilot. ahd. slöt. — Esse. ahd. essa. vielleicht zu I. anre 'brennen'. —
Fenster. Dieses Wort ist freilich ein Fremdwort, und eigentliche Fenster hat es natürlich
in alter Zeit nicht gegeben. Immerhin ist es bemerkenswert, daß die Germanen auch eigene
Wörter dafür geschaffen haben, got. augadaiirö 'Augentür', e. wind-ow 'Windauge'. Man
erinnere sich dabei an die kleinen augenähnlichen Luken alter Bauernhäuser und Scheunen.
Der Hausbau erfordert gewisse Maße, und so seien hier die bemerkens-
werten .ausdrücke hierfür eingeschoben.
messen ist ein indogermanisches Wort, ahd. median, got. mitan. gr. iiirnor (metron)
'Maß". Dazu mit Ablaut Maß f., ahd. mäia. masz n., ahd. me^, noch mundartlich Meß.
Metze. ahd. mezzo = 1. modius.
Als Maßeinheit dienen natürliche Dinge.
Als kleinstes Maß findet sich bei verschiedenen indogermanischen Völkern dzsGersten-
korn. 3\\d. gerstun körn. vgl. Hoops. Waldbäume 364. Weiter dienen die Glieder des
Körpers, wie Finger. Hand, die Spanne, Fuß. Die Elle. ahd. elina. got. aleina ist eigent-
lich die Länge des Vorderarms und ist mit lat. ulna, gr. di/.evt] {ölend-) Ellenbogen' eins.
Weiter noch: Laditer. im Bergbau 'das Maß der ausgespannten Arme", mhd. lä/ter gehört
vielleicht zu gr. /.außäreir {lambänin) 'fassen". — Klafter, ahd. kläfdra mit gleicher Be-
deutung ist ein andres Wort und gehört zu lit. gUbti 'umfassen".
Mit diesen Ausdrücken haben sich die Deutschen bis in die Neuzeit
beholfen, indem man das Hauptmaß, den Fuß, noch in Zoll eingeteilt hat,
erst spätmhd. zol. Die Herkunft ist dunkel. Erst in der Neuzeit ist mit dem
Meter, frz. metre aus gr.-lat. metrum ein neues einwandfreies Maßsystem
geschaffen worden.
Als größere Flächenmaße gelten: Morgen, soviel man an einem Morgen umpflügen
kann. — Rute. ahd. ruota. e. rod. Wohl eins mit 1. radius. eigentlich die Meßstange. —
Hufe. gr. xi'/.T^: {k<ipos) 'Garten" waren dreißig Morgen.
Bei den unsichern Verhältnissen der alten Zeiten spielte die sichere
Anlage einer Wohnstätte eine notwendige Rolle. Eine alte im Germanischen
verloren gegangene Gleichung für eine Art Festung liegt in gr. n6?.i^ (pölis)
'Burg', a'ind. pur, Vit. pilis vor. Wir haben dafür:
§ 137. Das Haus. 215
Burg. ahd. bürg 'umschlossener, befestigter Ort, Burg, Schloß, Stadt", e. borough.
got. baürgs 'Stadt'. Entsprechend air. bn 'Berg, Hügel', also auch mit Berg verwandt. —
Dorf. ahd. dorf. e. thorp 'Dorf', got. paürp 'Bauland, Feld'. Verwandt mit lat. trabs 'Balken',
osk. trhbum 'Gebäude', air. treb 'Dorf, lit. tröbä 'Gebäude'.
An sonstigen Ausdrücken, die sich auf den Hausbau und ähnliches
beziehen, sind noch zu erwähnen:
Diele, ahd. dil, dilo. dili. dilla 'Brett, Bretterwand, Seitenwand des Schiffes, brettener
Fußboden', ags. pel. pille Brett' zu lit. tilfi 'Kahndiele', abg. ti/o -Boden', lat. tellüs -Erde'. —
Säule, ahd. 5«/, siehe oben S. 213. — Laden, mhd. /fl</^ -Brett. Bohle. Fensterladen.
Kaufladen' zu Latte, ahd. latta. e. lath -Latte'. Dazu ir. slatfi 'Rute'. — Balken, ahd. balko.
e. balk. Dazu mit Ablaut an. bjalke. ags. bolca. wohl zu lat. fu/cio 'durch Balken stützen,
verpfählen". gr. rpd/.ay^ (phälai^x) 'Balken'. — Ofen. ahd. ofan, t. Oven, anord. ofn, ogn.
got atihns mit auffälligem Wechsel von Guttural und Labial. Dazu aind. ukhd -Topf, i-rröc
{ipnös) -Ofen'. Ursprüngliche Bedeutung vielleicht -Topf. — Rost. ahd. röst -Rost. Scheiter-
haufen, Glut. Feuer". — Treppe und Stiege sind jüngere Bildungen, erstere ndd.. letztere obd.
Ein älteres Wort steckt in Leiter, ahd. leitara, t.ladder. wurzelverwandt mitgr. y./.Tua:{klimax).
2. ENTLEHNUNGEN.
Eine große Fülle von Ausdrücken für das Haus und seine Teile geht,
wie wir gesehen haben, in die urgermanische und vorgermanische Zeit
zurück. Sicher haben die Germanen, wie schon aus den Tatsachen der
Sprache folgt, feste Wohnhäuser, Ställe, Scheunen usw. besessen. Über die
Formen der Häuser und über den Stoff, aus denen sie hergestellt waren,
werden wir freilich auf Grund der Tatsachen der Sprache nicht ins klare
kommen, da muß die Sachforschung eintreten. Finden wir im Norden der
Alpen den Holzbau, was bei dem reichen Holzvorrat nicht w^eiter ver-
wunderlich ist, so hatte der Süden Steinbauten errichtet, und mit dem Einfluß
der Römer drang dieses"Steinhaus und zugleich die Worte für dessen einzelne
Teile nach Norden vor. Tatsächlich finden wir zunächst eine Fülle von Lehn-
worten auf diesem Gebiet, die aus dem Lateinisch-Romanischen stammen.
Estriol, ahd. estirih. astrih aus mlat. astricnm. astracuni -Pflaster'. — Fenster,
ahd. fenstar n. aus lat. fenestra. — Kachel, ahd. kadiala \. -irdenes Geschirr", spätmhd.
auch 'Ofenkachel', aus einem vulgärlat. *caccalus. — Käfter. ahd. kaftere 'Bienenkorb".
mlat. capisterium -Mulde. Trog" (?). — Kalk. ahd. kalk, auch kaldi. ags. cealc. t. dialk
'Kreide" aus lat. calx. — Kammer, ahd. kamara f. aus lat. camara -Zimmer". — Keller.
ahd. kellari m. aus lat. cellärium -Vorratskammer". — Kellner . mhd. kelncere m. neben
^kUloere m. (daher der Name 'Keller") aus lat. cellärius -Vorsteher der Vorratskammer". —
Kemenate, ahd. keminäta. mlat. caminata -heizbares Zimmer*. — Mauer ahd. mara f..
ags. mar aus lat. mürus mit Wechsel des Geschlechts, wahrscheinlich unter dem Einfluß
germanischer Wörter mit ähnlicher Bedeutung. — Pfalz, ahd. pfalanza aus s^'atlat. palätium.
palätia. — Pfeiler, ahd. pfiläri m.. e. pillar aus mlat. pilöre. pilärius. — Pflaster, ahd.
pflastar n. 'Pflaster, Wundpflaster, Zement, Mörtel; Steinfußboden" aus mlat. plastrum dies
aus gx. EfiTilaozoGv [emplastron]). — Pforte, ahd. pforta aus lat. porta. Eine ältere Ent-
lehnung ist ahd. pforzih aus porticus. t. pordi. — Pfosten, ahd. pfost m. -Pfosten. Balken"
aus lat. Akk. postem. — Pfütze, ahd. pfuzzi. e. pit -Grube' aus lat. puteus -Brunnen.
Graben'. — Sdiindel. ahd. skintula aus lat. scindula. einer Nebenform von scandula. —
Söller, ahd. soleri. e. sollar aus lat. sölärium -Söller. Terrasse". — Speicher, ahd. spihhäri
'Kornboden. Speicher" aus lat. *5/7/cflr/um 'Kornhaus". — Stube, ahd. 5/u6a -heizbares Ge-
mach', e. stove 'Ofen'. Ein genau entsprechendes lateinisches Wort fehlt, vgl. aber ital.
216 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
sttifa, frz. cttwe. Über die Schwierigkeiten bei diesem Wort vgl. Körting, Roman. Wörter-
buch. — tündien, ahd. tunih/iün aus lat. *Umicare, eig. 'bekleiden', vgl. ital. intonicare
'tünchen, schminken'. — Turm, andfrk. turn, aUz. tarn. — Weidi-bild und -wik, -weig
in Ortsnamen vielleicht aus \z{.vicus. — Weiher, ahd. wiM/(7/-/ aus \ai. vivärium 'Tier-
garten. Fischbehälter'. — Weiler, ahd. wilöri aus mlat. vU/are 'Gehöft'. — Zelle, mhd.
zelle aus lal. cella. — Ziegel, ahd. ziagal, c. tile aus lat. tegula.
Eine große Fülle neuer Entlehnungen bringt dann das ausgehende Mittel-
alter und die Neuzeit. Hier wird vor allen Dingen Italien einflußreich, das aller-
dings zum Teil nicht unmittelbar, sondern durch französische Vermittlung wirkt.
Alkoven, 1711, Uz. alcöve. — Arkade, 18. Jh., Uz. arcade. — Balkon, 17. Jh.,
\ia\.bolcone. — Balustrade, 1778, frz. balustrade. — Belvedere (1700), ital. belvedere. —
Budoir, Uz. boudoir. — Erker, mhd., mlat. arcora. — Estrade, 1813, frz. estrade. —
Etage, 1728, frz. etage. — Fassade, 1714, Uz.fafade. — Frontispiz, 18. Jh., Uz.frontis-
pice. — Galerie, \616 Galerei, also schon mhd. einmal entlehnt, Uz.galerie. — Garde-
robe. 16. Jh., Uz. garde-robe.— Hotel, 1734, Uz.hötel.— Kabinett, 1644, frz. cabinet.—
Kamin, mhd. kamin, gT.-lat caminus. — Klosett, 1778, Uz. doset. -- Kolonnade,
18. Jh., frz. colonnade, ital. colonnata. — Korridor, 1715, ital. corridore. — Kuppel,
1678, \\a\.cüpola. — Loge, im 13. Jh., kö\n. loitsdie, aus Uz. löge von d. Laube. — logieren,
schon mhd. losdiieren. Uz. loger. — Logis, schon mhd. logis, Uz. logis. — Mansarde,
1712, Uz. mansarde. — Nisdie, 17. Jh., Uz.nidie. — Palais, 1703, Uz.palais. — Paneel,
1727, ndl. paneel, aUz. panel. — Parkett, 1791, frz. parquet. — Pavillon, 1710, frz.
pavillon. — Pilaster, 18. Jh., iia\. pilastro. — Plattform, 1716, Uz. plate-forme. —
Podium, 1834, Uz.podium. — Portal, 1442, m\ai. portale. — Portier, 1727, Uz. portier.
— Salon, 18. Jh., Uz. salon. — Spalier, 17. Jh.. ita\. spalliera. — Staket, 16. Jh..
aUz. estadiette. — Studi, \757, iia\. stucco. Uz. stuc. — Terrasse, 1710, Uz.terrasse. —
Tresor, 15. Jh., frz. tresor. — Veranda, 19. Jh., t. Veranda und dies aus dem Indischen.
— Villa, 18. Jh., lat. villa.
§ 138. Hausgerät. Die Benennung der Hausgeräte ist nur zum geringsten
Teil einheimisch. Das kann nicht wundernehmen, wenn man die überaus
einfache Einrichtung mancher Bauernhäuser kennen gelernt hat.
1. EINHEIMISCHES GUT.
Bank, ahd. bank, e. bendi, zwar noch nicht recht erklärt, aber gewiß alt. — Stuhle
ahd. stuol, e. stool, got stöls 'Thron', zu lit. pastölas 'Gestell', ahg.stoln 'Stuhl, Thron';
auch gr. ox/j'/.>) {sta>Up) 'Säule' ist stammverwandt; abgeleitet von der indogermanischen
Wurzel sthä 'stehen'; zu verstehen hat man unter den alten Stühlen etwas unserm Hocker
ähnliches. — Bett, ahd. betti, e. bed, got. badi; damit ist Beet identisch, doch ist dessen
Bedeutung wohl erst abgeleitet. Bett hat man zu lat. f od io gestellt. — Polster, ahd. bolster
wohl zu Balg und ai. barhih 'Opferstreu'. — Tisdi, ahd. tisk, e. disli 'Schüssel, Gericht',
ist zwar aus lat. discus 'Schüssel' entlehnt, aber eben nicht mit der Bedeutung 'Tisch', son-
dern mit der von 'Schüssel'. Der Bedeutungsübergang erklärt sich dadurch, daß man in
alter Zeit das Gericht auf dem Tisch ins Zimmer trug. Ein altes Wort für 'Tisch' liegt vor
in ahd. biot, ags. beod. got. Mups, wozu auch unser Beute 'Bienenkorb, Backtrog' gehört.
Diese Bedeutungsentwicklung ist nur verständlich, wenn *biud- ursprünglich 'Baumstamm,
Klotz' bezeichnete. — Sessel, ahd. sä3jal, e. settle 'Sitz, Sessel', got. sitls 'Sitz, Stuhl' zu
lat. sella, gr. t-Ä/.a 'Sitz' (Hesych). — Sdirank, jung, zu sdiränken, Sdiranke, eig. 'Gitter-
werk'. Daneben mundartl. Sdiank, ahd. skank 'Geschirrgestell'. Davon sdienken, ahd.
skenken 'zum Trinken eingießen'. — Sdt ranne 'Bank zum Feilhalten', ahd. skranna.
Dazu kommen die Gefäßnamen:
Asdi, mhd. asdi zu Esdie; daher Asdikudien. — Äser, Äser 'Tasche zum Um-
hängen', mhd., vielleicht zu essen. — Faß, ahd. fa^, e. vat; dazu mit Ablaut das KoUek-
§ 138. Hausgerät. 217
tivum Gefäß, ahd. gif ä^i; zu lit. jP//orf<75 'Topf, Gefäß'. — Groppen 'weiter eiserner
Kochtopf; aus dem Niederdeutschen; zu alid. ^/77//70 'Röstpfanne'. — Hafen, ahd. hafan,
zu haben, eigentlich also 'Behälter'. Dazu Hafner. — Hotte 'hölzerne Bütte', alemannisch,
vielleicht mit Hätte verwandt. — Humpen, erst neuhochdeutsch, aber vielleicht alt; vgl.
oben S. 135; daneben das merkwürdige Kump, Kampf, mhd. kumpf, e. comb, coomb und
Kumme 'tiefe Schale, tiefer Tischnapf'. Ob hier irgendeine Verbindung mit gr. xvußog
(kymbos) 'Gefäß, Becher', awest. /umbö 'Topf vorliegt, läßt sich nicht entscheiden. — Kanne,
ahd. kanna, e. can. Daneben noch ohd. Kante, ahd. kanta. Dazu vielleicht m'n. gann
'Kanne'. Und weiter obd. Kandel, ahd. kanala. — Kasten, ahd. kasto ist dunkel. Viel-
leicht zu got. kas 'Gefäß'. Das damit reimende Kiste stammt aber aus lat. cista. — Keitel
'Fischnetz' md. ostpreuß. — Kerne 'Butterfaß', mnd". kerne, e. diurn. Dazu kernen 'zu
Butter rühren', e.diurn. — Ke s di e r 'k\tines Beutelnetz, Handfischnetz', ostdeutsch; Kieke,
mnd. kike, dän. ildkikert. — Kiepe ist ein niederdeutsches Wort, mnd. kipe, mnd. kape,
ags. cypa 'Korb', e. mundartlich kipe 'Fischreuse'. Das Wort ist in den germanischen
Sprachen so weit verbreitet, daß es kaum aus lat. capa 'Tonne' entlehnt sein kann. —
Kober, erst neuhochdeutsch; vielleicht mit Koben verwandt. — Kratten, ahd. kratto
'Korb', e. crad/e 'Wiege'; daneben Krätze, ahd. krezzo. — Lade, mhd. lade, anord. hlada
'Scheuer, Scheune', nicht mW Laden zusammenhängend. — Läse, mnd. täte zu lassen. —
Mande 'Korb ohne Henkel', e. mand, maund 'Handkorb'. — Meise 'Tragreff auf dem
Rücken', ahd. meis(s)a, anord. meiss 'Korb'. Vielleicht zu lit. mäi^as 'gestricktes Heunetz',
ahg. media '¥t\\, Schlauch, Sack'. — Meste'Q&\ä2> zu Salz', wohl zu messen.— Metze,
ahd. mezzo, daneben got. mitaps; zu messen. — Napf, ahd. hnapf 'Becher, Schale'; un-
erklärt. Vielleicht mit Schwebeablaut zu Humpen. — Nößel, mhd. nce^^elln. — Pott, nd.,
t. pot, dän.pot, auch rom.-frz. po^, das doch wohl die Quelle ist. — Ranzen, zuerst 1510
gaunerisch. — Runzel, mnd. renzel, rensei. — Rätter 'Sieb', von ahd. redan 'sieben',
hi. kretalas 'Sieb'. — Reuse, ahd. ras (s)a, riusa, vielleicht zu Rohr. — Satte, Seite,
erst neuhochdeutsch, aus ndd. satte; ob zu setzen} — Sdiaff 'oben offenes Gefäß von
Böttcherarbeit', ahd. skapf 'Weingefäß', wohl ein einheimisches Wort, das zu Sdiiff im
Ablaut steht, mit dem sich aber das entlehnte gr.-lat. skap{h)ium vermischt hat. Davon
Sdieffel, ahd. skeffil. — Sdiale, ahd. skäla 'Trinkschale' entweder mit Ablaut zu Sdiale
zu ahd. Skala 'Hülse einer Frucht', e. shale 'Hülse'; dazu got. skalja 'Ziegel', abg. skolika
'Muschel', oder zu Sdiädel aus *skedlä. — Sdiänzdten zu hess. Sdianze 'grob gefloch-
tener Weidenkorb', eins m\i Sdianze, ursprünglich 'Reisigbündel'. — «Sfl'?^'/'^^, ahd. skirbi
'Scherbe, irdener Topf zu abg. J/-^/')! 'Scherbe'. — Sdioppen, wohl zu schöpfen.—
Stande, nd. Stanne, ahd. stanta zu Stand. — Ständer, 1175 stanter. — Stauf
'Becher', ahd. stouf zw lit. staubunas 'Stiel, Stengel'. — Stulpe 'Deckel zum Stülpen', nd. —
Stunze, in nd. u. md. Mundarten weit verbreitet. — Topf, mhd. topf, e. top 'Kreisel'. —
Trog, ahd. trog, e. trough, idg. *druk(is zu *dru 'Baum'. — Truhe, ahd. truha 'Kiste,
Schrank'; vielleicht mit grammatischem Wechsel zum vorigen, aber eher zu ags. pr ah
Trog, Kasten, Sarg', anord. /»rö 'ausgehöhlter Stamm oder Stein' zu lat. truncus 'Baumstamm'. —
Tüte, nd., nd\. tuit 'Röhre' zu lit. rfarfß 'Röhre' ; hochd. Zotte, Zeute. — Zeine 'Korh'.
ahd. zeinna, got. tainjö zu got. tains 'Zweig'.
In den Mundarten werden sicher noch manche alte Ausdrücke für Gefäße
und Behälter stecken. Aber ob viele davon Anknüpfung in den verwandten
Sprachen finden würden, ist sehr die Frage, da wir ja auch bei den bisherigen
wenig Verbindung mit den übrigen indogermanischen Sprachen herstellen
konnten. Auf keinem Wortgebiet ist nun so viel entlehnt wie gerade auf diesem
(siehe unten), und daher könnte in manchem der erwähnten Wörter wohl noch
ein Fremdwort stecken. Diese Herübernahme hängt zweifellos damit zu-,
sammen, daß man gern jedem Gefäß in neuer Form einen neuen Namen gibt.
218 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
2. ENTLEHNUNGEN.
In der altern Zeit werden entlehnt: Sdiemel, a\\6. skainal 'Schemel, Fußbank' aus
\a\. scamellum; daneben mundartlich Sdiabelle. — Spiegel, d\\d. spiagal aus mlat.
speglum = spiciilum. — Teppicfi, alid. tcppidi, tepid, Umbildung von lat. tapi-tum. —
Tisdi, ahd. tisk, e. dish 'Schüssel, Gericht' aus lat. discus 'Schüssel', vgl. S. 216. — Sdirein,
ahd. skririi, c. shrine, \at scnnium. — Spind, mnd. spinde, m\a\. spenda 'Speisekammer,
Speisekasten', also zum gleichen Stimm wie spenden, ahd. spentnn, ital. mlat. spendere
'ausgeben', von \z{. expendere. — Angster 'hohe enghalsige Trinkflasche', m\\d. angster.
mlat. angiistriim. — Ar die, ahd. ardia, e. ark, got. arka 'Kasten', lat. arca, jetzt nur noch
biblisch. — Bedier, ahd. behfiar(i) aus m\al. biccarium, das auf gr. ßTxog {bikos) 'Gefäß'
zurückgeht. — Bedien, ahd. bedi'ifn) aus spätlat. baccmum 'Becken' von bacca 'Wasser-
faß'. — Bottidi, ahd. botahha aus mlat. bntica von buta. — Butte, Bütte, ahd. biitin,
bntinna, e. butt 'Faß' aus mlat. butina 'Flasche'. — Büttel, nd. buddel, dies aus mlat.
botilia. — Eimer, ahd. eimbar, daneben amhar, wohl volksetymologisch umgestaltet aus
gr.-lat. amphora. — Flasdie, ahd. flaska, e. flask aus m\a\. f/asca. — Gelte, Güte, ahd.
gellita, gellida aus mlat. galleta, gallida 'Gefäß, Kübel'. — Keldi, ahd. kelih aus lat.
calic(em). — Kessel, ahd. kei^il, e. kettle, got. katils aus lat. catinus 'Napf, Schüssel', —
Kopf (noch in Tassenkopf), ahd. /fO/>/, kiipf 'Becher', e. cup 'Becher, Obertasse' aus lat.
ctippa 'Becher'. — Korb, ahd. korb, wohl aus lal.corbem, trotz weiter Verbreitung im Ger-
manischen und trotz der Ablautsform mhd. krebe 'Korb'. — Krause, Art Krug. Obd. hess.,
mhd. knise. Ans gr. y.oMoaöc (krössös) 'VJasser-, Öl-, Aschenkrug'? oder aus mlat. crucibulus
'Becher'? — Kreisel, ursprüngl. 'Krug' zu Krause. — Krug, ahd. kruog. Kruke, and.
krfika sind wohl Entlehnungen aus unbekannter Quelle. — Kübel, ahd. miluh-kubili aus
einem roman. *cubel, prov. rubel, gr. y.i'.-iE}.).nr {kypellon). — Kufe, ahd. kuofa, e. coop 'Kufe'
aus mlat. cöpa (Nebenform von cüpa). — Küpe, nd., Nebenform zu Kufe und wie dieses
aus lat. citpa. — Läget, Leget , ahd. lägel(l)a, lat. lagPna 'Flasche'. — Mulde, nd. Molle,
mhd. multer, ahd. muolt(e)ra, mulktra 'Melkgelte' aus lat. mulctra 'Melkkübel'. — Ohm,
mhd. ^7^^, c. axz'm aus mlat. ama 'Gefäß, Weinmaß'. — Pfanne, ahd. pfanna, o.. pan, wohl
aus lat. patina. — Pinte, 15. Jh., \xz. pinte. — Pulle, nd. pulle, lat. ampulla. — Sadi,
ahd. sak(h), e. sadi, got. sakkus, lat.-gr. Saccus, hebr. sag. — Sdiaditel, spätmhd. ital.
scatola. — Schüssel, ahd. skuyjila aus lat. scutella 'kleine Schüssel'. — Seidel, spätmhd.
s'idel aus lat. situla 'Eimer'. — Tiegel, ahd. tegal 'Schmelztiegel' aus lat. tfgula, gr. Tt'iyuvov
(tdganon). Es steckt aber auch wohl ein echt germanisches Wort darin. — Tonne, ahd.
tunna, e. tun, wohl aus dem Keltischen, ir. tunna. — Triditer, ahd. trahtari aus mlat.
tractarius. — Urne, 17. Jh., lat. urna. — Vase, 1568, frz. vase. — Zuber, ahd. zubar
'Gefäß', dazu e. tub; nach Kluge aus lat. tubusQ).
Wenn nun auch weiter schon in mittelhochdeutscher Zeit einige Ent-
lehnungen auf dem Gebiet des Hausgeräts erfolgten, so kommt der Haupt-
strom doch erst in der Neuzeit, und es zeigt sich hier der Einfluß weitet
Fernen. Wir ordnen den Stoff hier einfach alphabetisch.
Büfett, 1556, Schweiz, puffet, Uz. buffct, ital. buf et to. — Diwan, 1703, Uz. divan,
pers. rf/a'<«n. — Fauteuil, 1727, Uz. fauteuil aus d. *faltstuol. — Gardine, 1598, aus
ndl. gardyn, mlat. cortina. — Jalousie, 1710, frz. Jalousie, aber in der Türkei geprägt. —
Kanapee, Anfang des 18. Jh., frz. canape, gr.-lat. cönöpium von gr. y.o'jyioy (könöps) 'Stech-
mücke', also 'ein mit einem Mückennetz versehenes Ruhebett'. — Karaffe, Karaffine,
Karwine, 17. Jh., frz. carafe, pers. qaräbü 'Flasche mit weitem Bauch'. — Kasserolle,
1715, frz. casserole. — Kassette, 1773, Uz.cassette, ital. cassetta. — Kommode, 18. Jh.,
frz. commode, verdeutscht Bequemlade. — Kredenztisdi, 1540, von kredenzen. — Mar-
kise, 1773, nach der Marquise Pompadour. — Möbel, 17. Jh., frz. meuble, lat. mobilis,
woher auch Mobilien 1648.— Ottomane, 18. Jh., frz. o/to/wa«^ 'die Ottomanische', —
Phiole, mhd.viole, gr.-lat. phiale. — Platte, 15. Jh., Uz. plat. — Präsentierteller,
§ 139. Geräte, Werkzeug und dergleichen. 219
18. Jh., von präsentieren, mhd.presenti'ren, hz. präsenter. — Rouleau, 1741, ixz.rouleau. —
Schatulle, 1647, mlat. scatula. — Sofa, 1694, frz. sopha, arab. N«//fl. — Tablett, 19. Jh.,
frz. tablette. — Tasse, 1561, frz. tasse, arab. täsa. — Terrine, 1780, frz. terrine. —
Vase, 1568, frz. z/flÄ^.
§ 139. Geräte, Werkzeug und dergleichen. Über die verschiedenartigen
Geräte und Werkzeuge, die man in alter Zeit benützt hat, unterrichten uns
die Funde. Sie zeigen eine überraschende Fülle verschiedener Formen.
Damit muß die Sprache Hand in Hand gegangen sein. Es müssen zahl-
reiche Ausdrücke bestanden haben. Daß aber von diesen im Laufe der
Zeit mit der Veränderung der Formen manche in Vergessenheit gerieten, ist
eigenthch selbstverständlich. Trotzdem führt uns die Frage nach der Her-
kunft nicht selten über das germanische Sprachgebiet hinaus. Als beson-
dere Eigentümlichkeit haben wir schon oben S. 118 hervorgehoben, daß
viele Werkzeugnamen mit dem Suffix -/ gebildet werden.
Vgl. dazu Brasch, Die Namen der Werkzeuge im Altenglischen und Q. Wollermann a. a. O
EINHEIMISCHES SPRACHGUT.
Achse, s. 0. S. 204. — Ahle, ahd. ala (e. awl ist ein andres Wort) zu aind. ärä 'Pfriem,
Ahle', lit. IIa (letzteres vielleicht aus einem got. *eld entlehnt). — Angel, ahd. anguL 'Haken,
Angel', e. angle 'Angelhaken' zu gr. ayy.vXog {ankylos) 'krumm'. — Axt, ahd. ackus, e. ax,
got. aqizi zu gr. ä'^lv)} (axince), lat. ascia 'Beil'. — Bahre, ahd. bura, e. hier zu Bürde,
gebären, lat fero.^ — Band, ahd. bant, e. band zu binden; dazu Bendel, ahd. bentil. ■ —
Barte, ahd. barta, eig. 'die Bärtige'. — Beil, ahd. bihal aus *biplom; dazu Bille 'Hacke
zum Schärfen der Mühlsteine', ahd. bill 'Schwert', e. bill 'Axt, Hacke', beide zu beißen, lat.
jindere 'spalten'. — Bengel 'kurzes stangenartiges Holz', mhd. bengel zu e. bang 'schlagen,
prügeln' und dies vielleicht zu lit. Mo:^ 'Keule'. — Besen, ahd. besamo, g. besom. —
Beutel in Loch-, Stechbeutel, nd., ndl. beitel zu beißen, lat. findo, ai. bhidurah 'spaltend'. —
Beutel 'rundes Holz zum Mürbeschlagen des Flachses, nd. bötet, e. beeile zu ahd. bü^an
'schlagen', e. beat, noch in Amboß. — Beutel 'Säckchen', nach E. Schröder bei Woller-
raann (s. o.) wahrscheinlich der Behälter, in dem das Kerbholz mit dem Aufgebot umging,
also zu bieten. — Bleuel 'flaches Holz zum Schlagen', ahd. blrdl zu bleuen, e. blow, got.
bliggwan, lat fligere. — Block, ahd. biloh, gewöhnlich zu ahd. bilahhan 'verschließen'
gestellt. Es wäre dann der Block, in den die Verbrecher gesperrt wurden. — Bohrer, erst
1482 von bohren, lat foräre. Dafür älter bor. — Darre, ahd. darra zu dörren. — Dedisel
'Breitbeil, Queraxt, wohl Krummhaue', ahd. dehsala, dehsa zu aind. täkiati 'behaut', lat.
texer e 'weben', gr. ziy.Toyv {tektün) 'Zimmermann'. — Deichsel, s. o. S. 204. — Döbel
^Zapfen', ahd. tubila, e. dowel, gr. rvffog {typhos) 'Keil'. — Draht, ahd. drat, e. thread,
gr. iqiixög (trcetös) 'durchbohrt'. — Ducht 'Ruderbank', nd., hd. Duft, ahd. dofta. — Egge,
s. 0. S. 194. — Falle, ahd. falla von fallan, ahd. fallan, e. fall, lit. püolu 'falle'. — Feile,
ahd. fihala, e. file, anord. pel, urgerm. *pi)3hla-. — Felge 'eins der krummen Holzstücke
des Radkreises', ahd. felaga. — Fessel, ahd. fe^-ßl 'Band' zufassen. — Futter, ahd.
fuoter, got födr 'Schwertscheide', a\. putram 'Behälter, Gefäß'. Dazu auch Futteral. —
Gabel, ahd. gabala 'Gerät der Landwirtschaft' zu ir. gabul 'gegabelter Ast, Gabel'. —
Galgen, ahd. galgo, e. gallow, lit. ia/^a 'Stange'. — Geißel, ahd. geisila, ursprüngliche
Bedeutung 'Stab', daher zu Ger. — Griffel, ahd. grifil zu greifen. — Gurt, mhd. gurt,
Gürtel, ahd. gurtil, e. girdle, got gair da. Verwandt mit Garten. — Hadie, mhd.hadie,
e. hadi, wohl zu hauen, lat. cüdo. — Haken, ahd. hag(g)o, hako, e. hook. — Halfter,
ahd. halftra, e. halter zu ahd. halb 'Handhabe, Stiel', e. helve 'Stiel' und dies zu lit. kälpa
^Querholz am Schlitten', apreuß. kalpus 'Rungenstock'. — Hamen, s. o. S. 186. — Hammer,
ahd. hamar, e. hammer, ai. äsmä 'Stein'. — Har^e, ursprünglich 'ein Gerät ^um Trocknen
220 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
des Getreides', e. harp. — Harke. Norddeutsch, mnd. harke, ai. khrgala- 'Bürste'. —
Haspe 'Türhaken", mhd. haspe 'Garnwinde*, ahd. haspa 'soviel Garn wie auf einmal ge-
haspelt wird", c. /jfl5/7 'Riegel'. Dazu Haspel, ahd. haspil. — Haue, ahd. houwa zu
hauen. — Hebel, 1432, ahd. hefil(o) 'Hefe' zu heben, ahd. heffan, e. heave, 1. capio, gr.
x<i:jt] {kdp(p) 'Griff. — Hechel, mhd. hediel, hachel, e. hatdiel, hackle. — Haft 'Hand-
habe', ahd. hefti 'Messer-, Schwertgriff' zu haft, lat. captus. — Helm 'Stiel eines Hau-
werkzeuges', mhd. halnie neben halp, ahd. halap, verwandt mit Halfter. — Henkel, 1480
zu henken, hängen. — Hippe, ahd. heppa. happa 'Sichel'. Zu gr. a<o.-t('c (A-o/j/s) 'Schlacht-,
Opfermesser'? — Hobel, mhd. hovel, hobel. Unklar. — Hülse, ahd. hulsa, e. hüll zu
hehlen, hüllen. — Jodi, ahd. joh, t.yoke, goi. juk, \at.jugum, gr, ^vyöv (zygön). — Kamm,
ahd. kamp, kambo, e. comb, gr. yö/nfo^ (gömphos) 'Zahn, Pflock'. — Karst, ahd. karst. —
Kegel, ahd. kegil 'Pflock, kleiner Pfahl', abg. iezln 'Rute, Stab'. — Keil, daneben auch
Keidel, uTgtTm.*kipla. — Kelle, ahd. kella. — Keule, mhd. kiule. — Kimme, ags. cimbing.
Kiß, Kisse ianggestielte, hölzerne Scharre', ahd. kissa. — Klammer, mhd. klamer(e),
daneben mhd. klampfer. — Klampe, mnd. klampe. — Klingel, 1624 von klingeln, ahd.
klingilrm. — Klinke, md. klinke. — Kloben, ahd. klobo zu klieben, ahd. klioban, e. cleave,
I. glubo, gr. ■■/.i-ffM (glyphn). — Klopf el, Klüpfel zu klopfen und mhd. klepfelzu klappen. —
Klotz, mhd. /f/oz zu Kloß, ahd. /f/ujj, e. cleat, ai. gudah 'Kugel'. — Kluppe, spätahd.
kluppa 'Zange' zu klieben. — Knebel, ahd. knebil zu Kamm und gx. ynu'po^'igömphos)
'Pflock, Haken'. — Kneif 'kurzes, gekrümmtes Messer', mnd, knif, e. knife. — Kneipe
Klemme, Zange', nd. kntpe zu kneifen. — Knüppel, mnd. knnppel zu Knopf. — Knüttel,
ahd. knutil zu Knoten. — Kolben, ahd. kolbo, \. globus. — Krampe, and. krampo zu
ahd. Ärra/H/»/ 'gekrümmt', lett. ^g^r/r^^a 'Runzel'. — Krapfen, ahd. /jn7/7/o 'Haken', mit
Krampe verwandt. — Kräuel 'Gabel mit Haken zum Fassen', ahd. krawil von krauen,
ahd, krouwön. — Kra.xe 'Traggestell", mhd. kredise. — Krempel 'Wollkamm' zu ahd.
krampt 'Haken'. — Krücke, ahd. kruckia, e. crutdi. Zu ahd. krdko 'hakenförmiges Werk-
zeug'? — Kufe, ahd. knofa, lit. zdgre 'Pflug'. — Latte, ahd. latta, e. lath, verwandt mit
Laden. — Leine, spätahd. /ma, e, line zu Lein. — Leisten, ahd. leist, t. last. Zu Ge-
leise. — Löffel, ahd. leffil zu ahd. laffan 'schlürfen', lat. lambere. — Lünse, s. o. S. 204. —
Meißel, ahd. mei^il 'Meißel' zu ahd. meijan 'hauen, schneiden', got, maitan 'hauen', —
Messer, ahd. me^y-rahs, eigentlicii Speise-(m^33;')messer {rahs aus sahs), mit grammatischem
Wechsel. — Nadel, ahd. nädala, t.needle, got m-pla von nähen, ahd. ndjan, s. unten. —
Nagel, schon urgerm. in übertragener Bedeutung, Siehe oben S. 171. — Nestel, ahd.
nestilo, nestila, lat. nödus 'Knoten'. — Niet(e), mhd. niet(e) zu ahd, bi-hniotan 'befestigen', —
Ort 'Schusterahle', ahd. ort, me. orrf 'Spitze, Waffenspitze', Grundform *uzda-. — Pflock,
14. Jh„ mnd. pluk. — Pflug, s. o. S. 194. — Pfriemen, mhd. pfrieme, dazu ags. preon
'Pfriem, Nadel', q, preen 'Gabelnadel'. — Pidie, 1420 bidie, Pidiel, mhd. bidiel 'Spitz-
hacke' von bicken, picken, ahd. bickan 'angreifen, wonach stechen' zu gall,-lat. beccus
'Schnabel', — Prickel, nd, 'Stecheisen', davon prickeln zu md. priken 'peinigen'. Viel-
leicht zu lit, briezu 'kratze'. — Quirl, ahd. thwiril zu ahd. dweran 'drehen, rühren', lat.
trua 'Rülirlöffel', gr. loorry, (toryme). — Rad, s. o. S. 204. — Rahe 'Segelstange', mhd.
rahe, lit. re/f/»'5 'Stangengerüst'. — Rahmen, ahd. rama 'Säule, Stütze, Spanngestell beim
Weben' zu got. hramjan 'kreuzigen', abg. kroma 'Rand', gr. xoEuafiai {kremamai) 'hange,
schwebe'. — Raspe aus afrz. raspe, das aus germ. ahd. raspön 'zusammenraffen' gebildet
ist, davon Raspel. — Rechen, ahd. redw, e. rake zu got. rikan 'anhäufen, sammeln',
lat, rogus 'Scheiterhaufen'. — Reff 'Gestell', ahd. ref, e. rip 'Korb, Fischkorb', lat. corbis. —
Reif. Reifen, ahd, reif'SeW, e. rope, got. skaudaraip- 'Lederriemen', — Reiter 'gröbstes
Getreidesieb', ahd. rit(e)ra, e. riddle, lat. cribrum. — Riemen, ahd. riemo, e. ream, gr, ovfta
{ryma) 'Zugseil'. — Riffel 'Raffkamm', ahd. riffila 'Säge', e. ripple 'Flachriffel' zu reffen,
mhd. reffen. — Riester 'Pflugsterz', ahd. riostar, e. rest zu reuten? — Ring, ahd. hring,
e. ring, abg. krqgii 'Kreis'. Dazu Rinken, ahd. hringa. — Rodien, ahd. rodio, e. rodi. —
Röhre, ahd. rörra zu Rohr. — Ruder, ahd. ruodar, e. rudder, a\. äritrah 'Ruder', gr.
§ 139. Geräte, Werkzeug und dergleichen. 22 1
£u£Tii6v {eretmön), lat. re/nus. — Runge, spätmhd., e. ru^j^^ 'Querbalken des Schiffsbodens,
Leitersprosse', got. hrugga 'Stab'. Vielleicht zu lat. crux. — Rute, ahd. ruoia, e. rod, lat.
radiusl — Säge, ahd. sega, saga, e. saw zu lat. secäre. — Sattel, ahd. satul, t.saddle,
abg. sedlo zu sitzen. — Säule 'Stechwerkzeug des Schusters', ahd. siula zu ahd. siuwan
'nähen', e. sew, lat. suere, sätor. — Schaft 'Stange', ahd. skaft, e. shaft, lat. scäpus, gr.
oy.t'jjiTQov {skwptron). — Scfiar in Pflugsdiar, ahd. skara, skaro zu scheren, ahd. skeran,
e. shear, lit. s^fe/r^/ 'schneiden', gr. y.sigw ' (kerö) 'schere'. — Sdiaufel, ahd. sküfala, e.
shovel zu schieben, ahd. skioban, e. shove, abg. 5Ä«6«^/ 'reißen, zupfen'. — Scheibe, ahd.
skiba, t.shive, gr. öPior.Toc (skoipos) 'Töpferscheibe'. — Sdieide, ahd. skeida, e. sheath. —
Sdielle, ahd. 5/j^//a zu ahd. skellan 'schellen'. — Sdiiene, ahd. Sife/Vza 'Metall- oder Holz-
streifen', e.. shin. — Sdilegel, ahd. slegil zu sdilagen. — Schleuder, erst im 15. Jh.,
mnd. sluder. — Schloß, ahd. 5/03, 5/03, e. slot, sloat 'Riegel', Sdilüssel zu sdiließen. —
Schnur, ahd. snuor; dazu got. snörj'ö 'Flechtwerk, Korb', ai. Ä/zä't/a 'Band, Sehne'. —
Schwengel, mhd. swengel zu schwenken, ahd. swenkan zu schwingen. — Sech 'das nieder-
hangende Pflugmesser', ahd. seh, zu Säge. — Segel, ahd. 5e^fl/, e. 5a//. — Seil, ahd.
s^//, got. insailjan 'an Seilen hinablassen', abg. 5//0 'Seil, Strick'. Dazu auch Siele, ahd.
silo 'Zugriemen' und dessen Nebenform Sill(e). — Senkel 'Haftband', ahd. senkil zu
senken. — Sense, ahd. segansa, segesna, \. sacma. — Sieb, ahd. sib, e. sieve, vielleicht
zu \. dissipäre. — Spachtel, dunkel. — Spake 'Handspeiche', ahd. spacka, spacko 'Reisig'
zu spack. — Span, ahd. spän, o.. spoon 'LöiitV , gr. a(f)'/v (sphwn) 'Keil' — Spange, ahd.
spanga, t. spangle 'Flitter'. — Sparren, ahd. sparro, t. spar, vielleicht mit Speer zu
lat. sparus 'kurzer Jagdspieß'. — Spaten, nd., an. spado 'Hacke', e. spade, gr. onädt)
{späthce). — Speiche, ahd. speicha, e. spoke. Zu lat. splca 'Ähre'? — Speidel, Speil,
mnd. spile 'Steckholz'. — Spenadel 'Stecknadel', unter Einwirkung von Nadel umgestaltet
aus ahd. spenala. Kaum entlehnt aus \a\. spinula, sondern zu Span. — Spindel, ahd.
spin(n)ala. Daneben Spille, ahd. spilla aus *spinla. Zu spinnen. — Sporn, ahd. sporo,
e. spur zu Spur und ahd. spurnan 'treten", e. spurn, lat. spernere. — Spriet, nd., mndl.
spriet 'Segelstange', e. sprit 'Bugspriet' von sprießen s. u. — Spritze, mhd. sprütze zu
spritzen, mhd. sprützen, und dies zu sprießen, mhd. sprießen, e. sprout. Vielleicht zu
lett. spraujuos 'emporkommen'. — Spule, ahd. spuolo, e. spool. — Stachel, ahd. stadiil
zu stechen. — 'Staken, nd., mr\d. stake, o.. stake, \qX\. stega, Stegs 'Stock, Stange'. —
Stange, ahd. stanga, e. stang von e. sting, got. usstiggan 'ausstechen', vielleicht zu gr.
aTÜyvi {stäkhys) 'Ähre'. — Stapel, nd., mnd. Stapel 'Säule, Pfahl', e. staple. — Stelze,
ahd. stelza 'Holzbein zum Gehen', e. stilt. — Stempel, mhd. stempfei zu stampfen,
ahd. stampfön, e. stamp, gr. ai.iftßco (stembö) 'durch Stampfen erschüttern'. — Steuer, nd.,
and. stiorwith 'Ring des Steuerruders' zu anord. staurr 'Pfahl', gr. ozavgög (staurös) 'Pfahl',
lat. restauräre. — Stidiel, ahd. stidiil zu stechen. — Stift, mhd. stift, steft, ahd. steft
'Nabe' zu steppen. — Stocher, Zahn- zu veraltetem stodien, das wohl mit Stock zu-
sammenhängt. — Stock, ahd. stoc(h), e. stodi. Wohl zu lit. 5/(7^// 'steif in die Höhe stehen'. —
Strahl, ahd. sträla 'Pfeil', ahg. st rela. Dazu Strähl 'Kamm', mhd. strcel. — Strang,
ahd. sträng, t. string, lat stringere, gr.oxgayyäh] (strangälie) 'Strick'. — Strick, ahd. strik,
a\. sraj 'Gewinde'. — Takel 'Flaschenzug', nd., mnd. takel 'Schiffsausrüstung'. — Tau,
nd., mnd. touwe 'jegliches Gerät' zu got. taujan 'machen'. — Teudiel 'Wasserleitungsröhre'
mhd. tiuchel. — Wagen, s. S. 2C4. — Walze zu walzen, ahd. walzan, got. waltjan 'sich
wälzen'. Wohl zu Welle. — Wanne, ahd. wanna 'Getreide-, Futterschwinge', aus lat. vannus
oder damit urverwandt. — Weck, ahd. weggi 'Keil', e.. wedge, lit vagis. — Wedel, ahd.
wadal, wadil 'Reisbüschel zum Streichen und Peitschen im Bade'. Kaum zu wehen, son-
dern zu wallen (mW II aus 31) 'in die Ferne gehen', ahd. wallön, Wadel, Wädel 'N[oT\d-
phase', ahd. wedal 'Neumond'. — Wiege, mhd. wiege, wige, ahd. wiga, gewöhnlich waga
zu bewegen. — Wirbel, ahd. wirfil 'Wnhelwmd' zu werben, ahd. hwerban 'sich drehen',
got. hairban 'wandeln', gr. xagnög (karpös) 'Handwurzel', y.ao7täXif.iog [karpälimos) 'schnell'.
— Wirtel, spätmhd. wirte(l) zu werden, ahd. werdan, got. wairpan, lat. vertere. —
222 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Worfel zu ahd. winiworfa 'Wurfschaufcl' zu werfen. — Würfel, ahd. worfel zu Wurf,
werfen. — Zain, Zein 'Weidengerte', z\\6. zein, c. toe in mistletoe. — Zange, ahd.
zanga, e. tongs. Zu gr.iVty.ioj {däkmi) 'beiße'. Dazu nocii zanger 'scharf, ahd. zangar. —
Zapfen, ahd. zapfo. e. tap. — Zarge 'Seiteneinfassung', ahd. zarga, e. targe. Zu abg.
podragn 'Rand', gr. dniiooFnOni (drässesrfiai) "fassen'. — Zettel 'Aufzug eines Gewebes',
spätmhd. Zettel zu zetten 'streuen', ahd. zetjan, gr. öaitonat {dateomai) 'verteile'. — Zeug,
ahd. ^/^///g 'Gerät'. — Zaum, ahd. zoum, c.team zu ziehen. — Zügel , z\\A. zugil zw ziehen. —
Za'f<* 'Holznagel', A\\d.zwec. Dazu r\oz\\ Zwecke, Zwidi, Zwidiel, mhd. zwickel 'KtW .
LHHNWORTE.
Kodier, ahd. kocdiar, m\a{. cucurrum. — A'o//^/- 'Pflugmesser', 1413, afrz. coltre. —
Kordel 'SchnuT', xx\\\6. korde, irz. corde. — ^«/2^^/ 'Spinnrocken', ahd. konakla, mlat.
conucula. — Kurbe, aViA. kurba, Uz. courbe. Dazu Kurbel. — Monge, Mangel 'Gläü-
rolie für Wäsche', 15. Jh., mlid. mange 'Schleudermaschine' aus mlat. manga, mangana
•Steinschleuder'. — Spatel , 15. Jh., mndl. spatel, e.spattle, spaddle, X.spathula. — Stöpfel,
Stopfen, obd. für nd. Stöpsel zu stopfen, ahd. stopfön aus mlat. stuppäre von stuppa
'Werg'. — Wanne, ahd. wanna aus 1. vannus oder damit urverwandt.
Wenn man diesen außerordentlich reichhaltigen Stoff überblickt, so fällt
die geringe Anzahl der Entlehnungen auf. Bis in die neueste Zeit ist die
Sprache imstande gewesen, immer neue Worte zu schaffen. Anderseits sind
auch von den altern Bestandteilen viele ganz deutlich, so daß die Zeit der
Entstehung nicht allzu weit zurückliegen kann. Jedenfalls hängt wohl diese
starke Entwicklung der Werkzeug- und Gerätenamen mit dem Aufkommen
der Eisenzeit zusammen, in der sich die Werkzeuge und Geräte in hohem
Maße vermehren konnten.
Auf eine besondere Eigentümlichkeit aller Sprachen mag hier noch hin-
gewiesen werden. Nicht allzu selten dienen Tiernamen zur Bezeichnung
einzelner Geräte oder ihrer Teile.
So haben wir einen Hahn am Faß und an der Flinte, während die Franzosen diien
sagen. Hund bedeutet bei den Bergleuten einen offenen länglich viereckigen Kasten auf
vier Rädern. Der Reißwolf ist eine Maschine zum Zerkleinern der Holzfasern. Der Kran
ist nichts weiter als die unerweiterte Form von Kranich.
§ 140. Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. Die Kochkunst. Es versteht
sich fast von selbst, daß wir auf diesem Gebiet wenig altes Erbgut zu er-
warten haben, da noch heute die Namen der Gerichte vielfach schwanken.
Wohl aber sind die Ausdrücke für die mannigfachen Arten der Zubereitung
sehr verschiedenartig und zum Teil uralt.
kochen, das heute üblichste Wort, ahd. kodiön, ist entlehnt aus lat. coquere, nebst
Koch, ahd. kodi, e. cook, lat. coquus und Küdie, ahd. kudiina, e. kitchen, lat. coquina.
Alt aber sind: backen, ahd. badian, e. to bake zu gr. cpwystv {phdgm) 'rösten'. —
Brodem, ahd. brädam 'Hauch, Hitze' zu braten, ahd. brätan, vielleicht zu lat. fre tum
'Brausen, Wallen, Hitze'. — brauen, ahd. briuwan, c. brew zu lat. fervi-re. — brühen,
mhd. brüejen 'mit Heißem sengen"; mit dem vorigen verwandt. — dämpfen, ahd. dempfen
'erlöschen, ersticken machen', von Dampf. — rösten, ahd. rösten 'auf den Rost legen, braten,
rösten', Ableitung von Rost; entlehnt ins Romanische, frz. rötir; Grundform *raustjan. —
schmoren, aus dem Niederdeutschen, ndl. smoren 'rösten, schmoren', ags. smorian 'ersticken'.
— sieden, ahd. siodan, e. to seethe zu lit. kintü 'schmore', lett. sautet 'bähen, brühen', aind.
ftt'a^/?fl// 'kocht' oder zu ahd. swedan 'langsam und dampfend brennen', wozu Schwaden,
mhd. swadeni; ferner roh, ahd. Ärao 'roh, ungekocht, ungebildet', t.raw zu lat.cnidus.
§ 140. Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. Die Kochkunst. 223
Es mögen die alten Namen für Speisen und Getränke folgen:
SPEISEN.
Aas 'Viehfutter', ahd. äj 'Speise', ahg.Jadi, lit. edis 'Speise', also Ableitung von essen,
\at edere, gr. rösiy (edfin); daneben Aas 'verwesendes Fleisch", ahd. ä5 aus *ettam, eben-
falls zu essen, in der Bildung mit lat. esiis 'Essen' zu vergleichen. — Brei, ahd. bn(o) zu
\s.{. friäre 'zerreiben, zerbröckeln' oder fervPre'> — Brot, ahd. bröt(fi), e. bread zu brodeln
und im Ablaut zu lat. dpfrutuni. — Brühe, mhd. brüeje von brühen. — Fladen -dünner,
flacher Kuchen", ahd. //flrfo, flada zu \at puls, gr. .To7ro? (/7Ö/f05) 'dicker Brei'. — Futter,
ahd. fuotar, e. fodder zu ahd. fuotian, e. feed 'füttern', gr. narioiiai {pateomai) 'esse', abg.
pitati 'nähren, aufziehen'. — Grütze, ahd. gruzzi, t. grit, an. grautr. Dazu Gries und
lat rüdus 'zerbröckeltes Gestein'. — Kuchen, ahd. kuodio, e. cake mit Ablaut, vielleicht
Wort der Kindersprache. Andere Erklärungen bei Weigand. — Laib, ahd. hie ib, got hlaifs
'Brot', e. in lord aus ags. hläford, hläfweard 'Brotwart', lady aus ags. hlcefdige 'domina',
eigentlich 'Brotverteilerin' ; wohl zu lat. libum 'Kuchen, Fladen', vgl. aber Walde s. v. —
Lebkuchen, mhd. lebekuodie, vielleicht Ablaut zu Laib. — Mus, ahd. muos 'gekochte,
besonders breiartige Speise', wohl aus *mötta- zu got. mats 'Speise' (noch in Mettwurst
und Messer, s. o. S. 220); Kollektivum dazu Gemüse, mhd. gemüese. — Nudel, erst
seitdem 16. Jahrhundert belegt; unerklärt. — Obst, ahd. obai. — Wurst, ahd. wurst,
nur deutsch, aber als Wort gewiß aU; wahrscheinlich zu wirken, wegen wursteln.
GETRÄNKE.
Ein altes Wort für Bier steckt in t. ale, dän. öl, ags. ealu zu lit. fl/«5 'Bier'; von
diesem Stamm vielleicht auch lat. alütnen 'Alaun'. — Met, ahd. metu, e. mead zu aind.
mädhu 'Honig, süßer Trank', gr. fts&v {methy) 'Trunkenheit'. — Bier, ahd. bior, e, beer;
unerklärt.
Der Branntwein wird zuerst 1360 in Frankfurt a. M. erwähnt. Schnaps ist eine
ganz junge Bildung zu sdinappen und bedeutet eigentlich einen 'Schluck'. — Rotspon
ist ein mecklenburgischer Ausdruck und bedeutet 'Rotwein vom Faß' ispan).
Daß die Kunst des Bierbrauens sehr alt ist, wird durch die geschichtlichen Tatsachen
erwiesen. Für das Deutsche folgt es auch aus dem Vorhandensein eines alten Wortes für
Malz, ahd. malz, ein Wort, das ins Französische, Finnische, Slawische und Litauische ent-
lehnt wurde. Es gehört zu gr. iis/.öen- (melden) 'erweichen, schmelzen machen'.
Ein besonderes Kapitel bilden die Biere und ihre Namen. Wie noch heute viele
Biersorten an gewisse Orte in betreff ihrer Hervorbringung gebunden sind, so ist es auch
in alter Zeit gewesen. Kluge hat in seiner Studentensprache S. 22 ff. eine solche Fülle
alter Biernamen zusammengetragen, daß man billig erstaunen muß. Schon im 16. Jahr-
hundert bietet Fischart in seinem Gargantua S. 85 eine lange Liste, die freilich auf eine
ältere Quelle zurückgeht. Von diesen alten zahlreichen Benennungen haben sich aber doch
nur merkwürdig wenige erhalten, was sicher auf die gänzliche Umwandlung der Bier-
bereitung im 19. Jahrhundert zurückzuführen ist. Ich finde nur Bock, im 16. Jahrhundert
Ainbodi, eigentlich 'Eimbecker Bier'. — Broyhan bei Fischart, wurde früher noch in
Halberstadt gebraut. — Gose, im 18. Jahrhundert in Goslar. — Mumme im 16. Jahr-
hundert; noch heute in Braunschweig. — Rastram, Raster, in Leipzig seit 1484 nach-
gewiesen, aber jetzt nicht mehr bekannt. Der Name stammt von dem Rechen, der zum
Zeichen des Ausschanks herausgesteckt wurde.
Was die Herkunft der Namen betrifft, so tappen wir meistens im Dunkeln. Wenn wir
sehen, wie heute die Biere nach dem Orte ihrer Herkunft benannt werden. Münchener,
Pilsener, Kulmbacher, so wird man für die altern Zeiten ähnliches vermuten dürfen, nur
daß früher gewiß die Erzeugnisse auch nach den Häusern, in denen gebraut wurde, ihren
Namen erhalten haben. In solchen Fällen kann Aufklärung freilich nur vom Zufall erwartet
werden, wie wir denn zufällig wissen, um einen Fall auf verwandtem Gebiet heraus-
zugreifen, daß der Danziger Ladis nach einem Hause heißt, das Zum Lachs benannt ist.
224 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Es mögen hier nun gleich die Ausdrücke für essen usw. ihre Stelle finden:
essen, ^\\A. CMan. e. to eat, \^{. cdere, gx. n^nv [edi-n). — fressen, ahd. vrey^an,
e. /r^/ 'zerfressen', got. fra-itan, eigentlidi also 'ganz essen'. — kauen, ah6. kiuwan,
e. to diew, abg. zivati. — beißen, ahd. biaan, e. to bite, lai. findere 'spalten'. — lecken,
ahd. lädiön, e. to lick, got. laigön, gr. /.n'xFty (Itkhen). — saugen, ahdi. sügan, c. to suck,
lat. sügere. — sdilürfen erst neiihoclideiilsch, aber wohl alt, vielleicht zu lat. sorbere. —
sdilui-ken, ahd. *slukkon, gr. /.i'vVo' {lyzi-n) 'den Schlucken haben'. — trinken, ahd.
irinkan. e. to drink, got. drigkan, sonst nicht nachzuweisen. — saufen, ahd. süfan, e. te
sup 'schlürfen'; nicht im Indogermanischen. — wiederkäuen, dafür ein alter Ausdruck
ahd. itrudiu, lat. ructo, gr, iQFvyo} (ereügö).
Dazu satt, ahd. saf, got.saps zu lat. satis, satur. — Hunger, ahd. hungar, e. Hunger,
got. hührus zu lit. kankä 'Qual'. — Durst, ahd. durst, e. thirst zu dorren und dürr.
ENTLEHNUNGEN.
Auch hier zeigt sich zunächt der römische Einfluß. Zu den ältesten Ent-
lehnungen gehört die des Wortes Wein und alles dessen, was sich auf den Wein-
bau und die Weinbereitungbezieht. Die Wortesiiid oben S. 1 95 zusammengestellt.
Weiter brachte dann das Klosterwesen mancherlei.
Speise, ahd. spisa, mlat spesa aus expensa 'das Ausgeteilte'. — Semmel, ahd.
semala, lat. simila 'feinstes Weizenmehl'. — Butter, ahd. butera, e. butter, gr.-lat. butyrum.
— Käse, ahd. käsi, e. dieese. lat. cäseus. — Märte 'Mischmasch, kalte Schale', ahd. meräta,
aus lat. merenda 'Vesperbrot'. — Oblate, ahd. obläte, mlat. oblata. — Brezel, Prezel,
ahd. prezitella, m\at bracitella von bracdiium 'Arm'.
Der Einfluß der französischen Kochkunst ist in mittelhochdeutscher Zeit
merkwürdig gering. Nur frz. soupe wirkt ein.
In der Neuzeit dagegen tritt zunächst ein immer stärkerer Einfluß der
französischen Küche ein, der unsere Speisekarte ganz verwelscht hat.
Biskuit, 17. Jh., frz. biscuit, aber schon im 16. Jh. Biskotten, ital. biscotto. — Bonbon,
18. Jh., frz. bonbon. — Bouillon, 1715, frz. bouillon. — Dessert, 18. Jh., frz. dessert. —
Filet, 18. Jh., Ixz. filet. — Frikandeau, ixz. fricandeau. — Frikandelle, 1715, um-
gestaltet aus \\.a\.frittadella. — Frikassee, 16. Jh., hz. fricassee. — Gallerte, im 16. Jh.,
aber schon mhd. galreide. Zu Gelee, Gelatine. — Gelatine, 1727, ixz. gelatine. — Gelee,
1715, ixz. gelee. — Kandis, Kandelzudzer, im 16. Jh., frz. Sucre candi. — Karbonade ,
ndl. 1598, frz. carbonnade, ital. carbonata. — Kompott, 1801 bei Campe, im 16. Jh. Kom-
post, ital. composta. — Konserve, 1580, XT\lat. conserva. — Kotelette, 1715, ixz. cöte-
lette. — Krem, 1715, ixz. creme. — Makkaroni, 18. Jh., venez. macaroni. — Makrone,
1700, ixz. macaron. — marinieren, 1678, ixz. mariner. — Marmelade, 1626, ixz. marme-
lade, spax\. mermelada. — Marzipan, um 1500, ital. marzapane. — Mayonnaise,
19. Jh., frz. mayonnaise. — Omelette, 1715, frz. Omelette. — panieren, 1739, ixz.paner. —
Pralines, ixz. praline. — Prünelle, 1676, ixz. prunelle. — Poularde, 1739, ixz. pou-
larde. — Ragout, 1650, frz. ragoüt. — Remo(u)ladensauce, ixz. remo(u)lade. —
Salami, 19. Jh., ital.salame. — Sauce, Ib&l, alxz. sause. — Torte, 15. Jh., ixz.tarte. —
Zervelatwurst, 1715, ital. cervellata.
Erst das 19. Jahrhundert läßt auch die englischen Gerichte zu uns dringen.
Beefsteak, t. beefsteak. — Flummri, 19. Jh., t. flummery. — Pudding, 1720,
e. pudding. — Rumpsteak, t. rumpsteak. — Sandwich, 18. Jh., t. Sandwich.
Wie auf dem Gebiet der Speisen besitzen wir auch auf dem der Ge-
tränke eine große Fülle von Entlehnungen, und es ist wohl wert, sie ein-
mal im Zusammenhang zu überblicken. Bemerkenswert bleibt, daß sich
§ 141. Die Kleidung und ihre Herstellung. 225
alte Entlehnungen und alte Namen fast gar nicht erhalten haben, obgleich
schon die höfische Gesellschaft des Mittelalters über eine Menge von Ge-
tränken und Getränknamen verfügte.
Absinth, frz. absinthe, 19. Jh. — Arrak, um 1600, arah.' arag. — Benediktiner. —
Champagner, 1727, nach h. vin de Champagne. — Chartreuse, modern. — Franz-
branntwein, 1716. — Grog, 19. Jh., e.grog. — Kaffee, 17. Jh., arab. qahva. — Kakao,
1628, mexik. Cflfflo. — Kardinal, 1791, t. cardinal; vgl. im 18. Jh. auch Bisdiof, wie
z.B. in der Jobsiade. — Kognak, 1787, Uz. cognac. — Likör, 1776, ixz. liqueur. —
Limonade, 1687, frz. limonade, ital. limonata. — Malvasier, mhd. malfasier nach der
Stadt Napoli di Malvasia auf Morea. — Portwein, 18. Jh., t.portwine, Wein aus Oporto. —
Punsdi, 18. Jh., t. pundi, aind. panca 'fünf. — Rum, 18. Jh., t. rum. — Sdiokolade,
1678, mexik. diocollatl. — Sekt ist ursprünglich 'süßer Likörwein' von span. vino seco
'Trockenbeerenwein' (schon 1647) und hat erst seit 1830 von Berlin ausgehend die Be-
deutung 'Schaumwein' erhalten. — ■ Tee, 1706, aus dem Chinesischen. — Whisky, 1834,
ir. uisce, eig. 'Wasser'. — Zider, 1753, frz. cidre.
Auch sonst ist es anziehend und wertvoll, die örtlichen Namen für
Speisen und Getränke hinsichtlich ihrer Verbreitung zu betrachten, ihre Her-
kunft festzustellen. Denn es gibt bekanntlich in diesem Punkte in Deutsch-
land unendliche Verschiedenheiten.
§ 141. Die Kleidung und ihre Herstellung.
Literatur: Lilly L. Stroebe, Die altenglischen Kleidernamen; eine kulturgeschichtliche
Untersuchung; Borna-Leipzig, Heidelberger Diss. 1904.
Um die Stoffe, aus denen die Kleidung in alter Zeit hergestellt wurde,
zuzubereiten, bedurfte es der verschiedensten Tätigkeiten. Das Fell mußte
abgezogen und gegerbt, die Wolle gerupft, gesponnen und gewebt werden.
Noch verwickelter ist die Zubereitung des Flachses, Litauische Märchen
erzählen, wenn sie etwas Langes berichten wollen, von der 'Qual des
Flachses', wie man ihn sät, wie er wächst und reif wird, wie er gerauft,
getrocknet, ausgebreitet, geröstet, aufgenommen, in die Brechstube ein-
gefahren und wieder getrocknet wird, wie man ihn dann bricht, ausschwingt,
hechelt, spinnt, webt, bleicht, schneidet und näht. Für alle diese Tätig-
keiten und Vorgänge müssen einst Ausdrücke vorhanden gewesen sein,
aber es ist natürlich heute kaum noch zu ermitteln, welche ursprüngliche
Bedeutung an jedem der noch vorhandenen Wörter gehaftet hat. Ich stelle
zusammen, was mir hierher zu gehören scheint.
zehren, ahd. firzeran 'auflösen, zerstören, zerreißen', e. to tear 'zerreißen', got.
gatairan 'zerstören, vernichten' zu gr. beoeiv {deren) 'schinden'. — sdiinden, ahd. skintan
'enthäuten' war wohl das altgermanische Wort für 'Fell abziehen'. Es ist abgeleitet von
einem Wort, das noch in Sdiinne 'Schuppe' vorliegt, vgl. auch an. skinn n. 'Haut, Fell, Pelz,
Leder'. — gerben, ahd. garawen 'bereit machen' zu gar, hat erst seit etwa 1300 die
heutige Bedeutung angenommen und hat natürlich andere Ausdrücke verdrängt.
Leder, ahd. ledar, e. leather ist ein gemeingermanisches Wort von altertümlicher
Bildungsweise. Man stellt es zu air. lethar, kymr. lledr, die von andern als nordische Lehn-
worte betrachtet werden. Man kann es aus *dletrom und weiter aus *dretrom erklären und
zu gr. heoto idero), d. zehren stellen. Es wäre dann die abgezogene Haut. — Die Wolle
(got. wulla, e. wool, lat. läna) wird ursprünglich gerupft oder gerauft, raufen, ahd. roufen,
goi. raupjan. — sdieren, ahd. skeran 'scheren, abschneiden', e. to shear 'scheren', zu
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. AufL 15
226 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
gr. xetotiv {kerfn) 'scheren'. — flediten, ah6. f/ifhtan, hl plectere, gr. .tXexeiv {plikin). —
spinnen, a\\d. goi. spirinan, c. to spin, dazu \\\. pinti 'fleclUeii'. — weben, ahd.wi'ban,
c. weave zu gr. rvaücü {hyp/iolnö}. — bleuen, l-'ladis bleuen, ahd. bliuwan, c. btow,
got. bliggwan zu lat fiigere 'schlagen*. — rösten, Flaclis, Hanf, ahd. nß^y-n 'faul werden",
c. /o AO/ 'faulen'; dazu auch verrottet. — dedisen, niiid. rf^//5en 'den Flachs schwingen',
aind. /«/t-'fl// 'behaut', XaL texere 'weben', eigentlich 'zuschlagen'. — nähen, ahd. nnjan,
got. ni[)la 'Nadel', formell identisch mit lat. mre, gr. rtnv (n^f-n), die aber 'spinnen' be-
deuten. Vgl. aber gr. )•*//«« {nä'nta) 'Faden', air. snüthe 'Faden'. Man könnte also für das
Germanische eine Grundbedeutung 'fädeln' ansetzen. — sdineiden, ahd. snldan, got.
sneipan; Herkunft unbekannt. — sdiroten 'grob in Stücke schneiden, zermalmen', ahd.
skrötan, e. shred 'zerschneiden, abhauen".
Während ursprünglich bei der Kleidung das Nähen die Hauptsache war und es ahd.
nätare 'Sciincider' heißt, jetzt noch Nähterin, wurde später das Zuschneiden bedeutungs-
voller, für das man sdiroten und sdineiden sagte. Daher der Sciineider auch Sdiröder heißt.
Dies geht aber verloren und nur Sdineider hält sich.
steppen, mhd. steppen aus dem nd., and. steppen 'stechen, zeichnen'. Dazu Stift. —
walken, ahd. walk an 'walken, schlagen, prügeln' zu aind. t^«/^«// 'bewegt sich heftig,
hüpft, springt". — stidten, ahd. stikken 'stechen, sticken' zu stedien, ahd. stähhan, e. to
stitdi zu gr. aii^eiv {stlzin) 'punkten, stechen', lat. instigäre 'anstacheln, anreizen'. —
stridien, ahd. strikkan 'schnüren, heften, flechten' von Stridi, ahd. strik, das zu aind.
sräj 'Gewinde' gehört. — wirken, ahd. wirkan, got. waürkjan zu gr. Qe^eiv {rezön) 'tun',
bezieht sich wohl auch teilweise auf die Tätigkeit des Webens.
Was die Kleidung selbst betrifft, so gibt es im Germanischen eine
Fülle von Ausdrücken, von denen sich eine Reihe ins Indogermanische
verfolgen läßt, während andere in den verwandten Sprachen fehlen, aber
ein recht altertümliches Aussehen haben.
1. EINHEIMISCHES SPRACHGUT.
Daß man Kleidung trug, folgt zunächst aus dem Ausdrucke für:
nadit, ahd. nadiot, e. naked, got. naqaps, entsprechend lat. nudus {^ nogwodos) und
bar, ahd. bar 'nackt, bloß', e. bare zu lit. biisas 'barfüßig'.
Sonst finden wir noch:
Ärmel, ahd. armilo zu Arm. — Bast, s. o. S. 191. — Borte, ahd. borto 'Besatz,
Saum' zu ahd. bort 'Rand'. — Brudi, ahd. bruohha, bnioh, e. breedies. Dazu ags. brec
'Steiß'; das kelt. bräca ist wahrscheinlich entlehnt. O. Schrader, ZfdW. 1, 238 vergleicht
lat. suffrägines 'Hinterbug der Tiere'. — Fahne, ahd. fano, ursprünglich 'Zeugstück', t.fane
'Dachfahne', got. fana 'Zeugstück, Schweißtuch', zu abg. opona 'Vorhang', Ui. pinti 'flechten'.
— Faser, Fasen, ahd. faso, fasa wohl zu ahd. fi'sa 'Fruchtbalg, Spreu'. — Fü^:, ahd.
filz, c.felt; dazu wohl ahg. pltisti 'Filz', \. pilleus 'Filzmütze', gr. .-rr/.o,- [pilos) 'Filz'. —
Garn, ahd. gar n 'Gespinst, Faden, Netz' (ins Garn gehen), e.yarn, wohl zu ht. zdrna
'Darm', eigentlich 'die aus getrockneten Därmen gedrehte Schnur'. — Gürtel, ahd. gurtil,
e.girdle, dafür gr. ^iöv>j {zönce). — ^äß, mhd. hce3e. — Haube, ahd. hfiba, e. hive 'Bienen-
korb', wohl zu gr. y.r.-Tt] {kypce) 'Höhle', lat. cüpa 'Tonne, Kufe'. — Hemd, ahd. hemidi
'langes Haus-, Unterkleid", wohl zu ahd. hämo 'Hülle', ags. hama 'Kleid'. — Hose, ahd.
hosa 'Beinstrumpf von Leder oder Zeugstoff zur Bedeckung des Unterschenkels', e. hose,
eigentliche Bedeutung 'Strumpf. — Hut, ahd. huot 'Hut, Mütze', e. hood 'Haube, Kappe',
daneben mit Ablaut e. hat; vielleicht verwandt mit lat. cassis 'Helm', lit. kuödas 'Schopf. —
Kittel, mnd. kitel, unerklärt. Alte Entlehnung aus gr. ;^iroJr (khitön) halte ich nicht für
unmöglich. Siehe unten Pfeit. — Kleid, mhd. kleit, ags. cläp, e. cloth, anord. kl^de
'Zeug, Tuch, Kleid'. — Knoten, ahd. knodo, knoto, e. knot. — Köder, ahd. querdar
'Docht'. — Laken, andd. lakan, ahd. lahhan, mtng\. lake. Vielleicht zu apreuß. /o^/zo
§ 141. Die Kleidung und ihre Herstellung. 227
'Hosen'. — Lappen, ahd. lappa 'Lappen, niederhängendes Zeugstück', ags. Iceppa, e. lap
'Schoß, Zipfel am Kleid' zu gx.loßö.; {lobös) 'Ohrlappen'. — Lasche, mnd. las, c. lash
'Schnur'. — Loden, ahd. lodo 'grobes Tuch', ags. loäa 'Mantel, Decke'. Vielleicht zu gr.
Xüoiog (Idsios) 'zottig'. — Masche, ahd. maska, e. mash zu lit. mäzgas 'Knoten'. — Nestel,
ahd. nestila 'Bandschleife, Binde' zu lat. nddiis 'Knoten'. — Riester 'Flicken' zu Altreis
'Schuster'. — Rock, ahd. (h)rok 'Oberkleid, Rock'. — Saum, ahd. soum, e. seam zu ahd.
siuwan 'nähen', lat. suere. — Schleier, mhd. slei(g)er, daneben slogier, md. sloiir, mndl.
sluyer, mengl. sleir. Dunkler Herkunft. Vielleicht entlehnt. — Schnalle von schnallen, mhd.
snallen zu schnell. — Sdiiih, ahd. skuoh, e. shoe, got sköhs; unklarer Herkunft; ein altes
Wo rt gr. y.g}j.-zig (knepis) 'Schuh', lat. carpisculuni 'Schuhwerk', lit. kürpe, serb. krplje 'Schnee-
schuh' liegt nur noch in ags. (h)rifeling vor. — Strumpf, mhd. strumpf, eig. 'Stumpf. —
Troddel von mhd. trade 'Saum', ahd. trädo. — Tuch, ahd. tuoh zu aind. dhväjä- m. n.
'Fahne'. — Wanten 'Seemannshandschuh', anord. vöttr, vielleicht zu winden. — Wat,
ahd. wät zu lit. dudz'u 'webe'. — Wimpel, ahd. wimpal 'Stirntuch, Schleier', e. wimple
'Wimpel, Schleier*. — Zwirn, mhd. zwirn, e. twine zum Zahlwort zwei.
2. ENTLEHNUNGEN.
Auf dem Gebiete der Kleidung gehören Entlehnungen zum Alier-
gewöhnlichsten. Neue Formen, neue Schnitte, neue Stoffe durchziehen die
halbe Welt. So haben denn die verschiedensten Zeiten und die verschie-
densten Völker dazu beigetragen, unsern Kleidern die Namen zu geben.
In alte Zeit geht zurück das got. paida, mhd. pfeit 'Gewand', wovon bayer.-österr.
Pf eidler, aus gr. ßalz)] (bait^).
Aus dem Lateinischen stammen in der ältesten Periode:
Socke, ahd. sok 'Strumpf, e. sock 'Schuh' aus lat. soccus, gr. avy./Jg (sykkhis). —
Sohle, ahd. sola 'Fußsohle', e. sole aus lat. sol(e)a. Nicht ganz sicher. — Sdiurz,
Sdiürze, mhd. schürz 'gekürztes Kleidungsstück, Schurz' zu ahd. skurz, e. short, dazu, t.shirt
'Hemd' aus lat. *excurtus, zusammengesetzt mit curtus. Doch ist diese Erklärung zweifelhaft.
Ferner kam viel, wenn auch nicht alles, mit dem Christentum.
Albe 'weißes Chorhemd der Geistlichen', ahd. alba, aus lat. alba 'die weiße'. —
Kutte, mhd. katte 'Mönchskutte' aus mlat. cotta, cottas 'tunica clericis propria', die aber
erst aus dem Germanischen entlehnt sind, jetzt Kotze 'grobes Kleid', ahd. kozza. —
Floate, ahd. flodio, e.. flodi aus lat floccusQ). — Kappe, ahd. kappa, t. cap, ursprüng-
lich 'Mütze mit kurzem Mantel' aus cappa, das allen romanischen Sprachen gemeinsam ist
und vielleicht dem Keltischen entstammt. — Kasel, mhd. kasula, mlat. casula. — Mantel,
ahd. mantal, mandal, etwa im 7. bis 8. Jahrhundert aus lat. mantellum von span. lat. man-
tum. — Mütze, mhd. mutze, mutze, älter armuz, almuz 'Chorkappe der Geistlichen' aus
mlat. almucium, armucia, woraus frz. aumusse 'Art Kapuze'.
Dazu gesellen sich später:
Pelz, ahd. pelliz aus mlat. rom. p^/Z/aß 'Pelz' (im 10. Jahrhundert). — Tasche, ahd.
tasca, ital. tasca, dunkler Herkunft. — Wams, mhd. um 1200 wambais 'eine unter dem
Panzer angezogene dicke Jacke', von byzant. ßd/nßa^ {bdmbax) 'Baumwolle', wovon mlat.
bombasium, bambasium 'gesteppte Bettdecke, der gesteppte Rock unter dem Panzer'.
An Stoffen gelangten um diese Zeit zu uns: Seide, ahd. (um 1000) sida aus mlat.
ital. seta 'Seide', eig. 'starkes Tierhaar, Strähne'.
Auch die spätere Zeit bringt immer Neues, und es ist wohl angebracht,
einige dieser Worte nach Zeit und Herkunft zusammenzustellen.
a) Stoffe:
Atlas, im 15. Jahrhundert aus axah. atlas 'glattes, seidenes Tuch'. — Batist aus
frz. batiste, benannt nach dem ersten Hersteller BaUiste Chambray aus Cantaing. Im
15*
228 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
18. Jalirhundert. — Brokat, 1717, \{a\. broccato. — Damast, 15. Jh., \\d.\. damasto. —
Flanell, 1715, c. flannel, Uz. flanellr. — Flor 'dünnes, durchsichtiges Gewebe, bes.
schwarz, zum Zeichen der Trauer', über n(i\. floers aus Uz. fleiirs 'Bhimcn', bildlich 'die
feinste dünnste Sorte', Anfang des 17. Jahrhunderts entlehnt.— Fries, 1663, Uz. frise. —
Gaze, im 17. Jahrhundert aus Uz. gaze, benannt nach der Stadt Gaza in Palästina. —
Gingang, angeblich aus dem Javanisclien, 1775. — Jute, 19. Jli., t.jiite. — Kaliko,
1773. frz. calicot. — Kamme rtucfi, 1585, Tuch von Cambrai. — Kanevas, 1646, frz.
canevas. — Kasimir, Kasciimir, im 19. Jahrhundert nach dem Lande Kaschmir. —
Kattun, schon mhd. cottun über ndl. kattoen aus Uz.coton, und dies aus dem Arabischen. —
Krepp, 16. Jli., frz. crepe. — Macheier, mnd. 1330, wohl gleich Mohär, e. mohair und
Mohr, 1715, frz. moire, arab. mudiajjar 'Zeugstoff aus Ziegenhaar' und Moire 1834. —
Mancfiester, 18. Jh., \on Mandiester. — Molton, 1773, Uz. molleton. — Mull, 1783,
e. mulmul, ind. malmal. — Musselin 'Nesseltuch', 1714, aus Uz. mousseline, benannt nach
der Stadt Mosul am Tigris. — Nanking im 18. Jahrhundert, nach der chinesischen Stadt
Nanking, vgl. Kittel 'ein glattes, schmales, baumwollenes Zeug', umgewandelt aus kitai,
dem Namen von China in Rußland. .So enthält das Wort ein Stück chinesischer Kultur,
das durch die Tatarei und Rußland zu uns gewandert ist." Hildebrand, Deutsche WB. —
Plüsch, im 17. Jahrhundert aus Uz. peluche 'Zeug von Leinen und Kamelhaar'. — Rasch,
1678, spätmhd. arrfl5, nach der Stadt Arras. — Samt, mhd. samlt, samät, aus mgr. I^d-
Hixov {hexämiton). — Satin, mhd. salin, Uz. salin. — Schalaune, 15. Jh., von frz.
Chälons. — Serge, Sersche, 14. Jh., frz. serge, lat. s'irica. — Taft, im 16. Jahrhundert
aus ital. taffetä, und dies aus dem Persischen. — Trikot, e. tricot, Ende des 18. Jh. —
Tüll, 19. Jh., nach der Stadt Tülle. — Vigogne, Uz. vigogne, span. vicu/la.
b) Kleidungsstücke:
Babusdie, Uz. babouche. — Barett, 1469, aus frz. barrette 'Mütze'. — Blankscheit,
1700, Uz. plandiette. — Bluse, erst in neuerer Zeit aus frz. blouse. — Frack, im 18. Jahr-
hundert, 1774 bei Goethe Werther, über Uz. frac aus e. frock. — Galosdie, im 15. Jahr-
hundert cloczen aus Uz. galodie. — Gamasche, 1714, aü$ Uz. gomadie. — Glacehand-
sdiuh, 19. Jh., Uz. gants glaces. — Jadte, 1417, aus aUz.jacque, dazu Jackett, 19. Jh.,
Uz.jaquette. — Kaftan, 1647, aus dem Türkischen. — Kamisol, 1643, Uz. camisole,
ila\. camiciola. — Korsett, 1715, Uz.corset. — Kostüm, 18. Jh., Uz.costume. — Krino-
line, um 1850, frz. crinoline. — Manschette, 1703, frz. mandiette. — Mantille, 1715,
frz. mantille, span. mantilla. — Muff, Muffe, 1664, frz. moufle. — Neglige, 1755, frz.
neglige. — Paletot, im 19. Jahrhundert aus Uz.paletot. — Pantalon, im 18. Jahrhundert
aus Uz. pantalon. — Pantoffel, Ende des 15. Jahrhunderts aus ila\. pantofola. — Pele-
rine, 19. Jh., Uz. pelerine. — Pumphosen, 1574, Zusammenhang mit nd. pump 'Ge-
pränge', lai. pompa. — Robe, \7'2S, Uz. robe. — Sdiaube, spätmhd. sdiübe, wie Joppe,
mhd. Jope, Joppe, juppe, mlai.jupa, aus dem Arabischen. — Spenzer, 1813, nach Lord
Spencer. — Stiefel, mhd. stival im 1 1.;'12. Jahrhundert entlehnt aus ital. stivale. — Weste,
im 18. Jahrhundert aus frz. veste von lat. vestis.
§ 142. Körperpflege, Reinlichkeit. Aucli auf diesem Gebiet kann die
Sprache manches bestätigen, was wir anderweit mit Sicherheit erschließen
können. Zunächst verwenden alle einfachen Völker und auch die Germanen
große Sorgfalt auf die Pflege des Haares und des Bartes. Es gibt denn
auch auf diesem Gebiete eine Reihe alter Ausdrücke:
Haar, ahd. här, e. hair. Herkunft unsicher. — Holle , nd. 'Haarschopf', mnd. hülle
'Kopftuch', also gleich Hülle. — Lodie, ahd. lok, e. lodi zu lit. lugnas 'geschmeidig, bieg-
sam'. — kraus, nur mhd. krüs; dazu Krolle 'Locke', mhd. krolle 'Locke', mhd. krol,
mengl. cru/ 'lockig'. — Sdiopf, mhd. schöpf 'Haar oben auf dem Kopf, got. 5Äu/^ 'Haupt-
haar'. — Strähne, ahd. streno. — Zagel 'Schwanz, Schweif, ahd. zagal, e. tail 'Schwanz',
§ 142. KÖRPERPFLEGE, REINLICHKEIT. .§ 143. KAMPF UND WaFFENNAMEN. 229
got. tagt 'Haar'. — Zopf, ahd. zopf 'Ende, Zipfel, Zopf, e. top 'Gipfel', mengl. tuft 'Locke',
anord. toppr 'Haarbüschel'. — Bart, ahd. hart, e. beard zu lat. barba. — Schnurrbart,
1768, Zusammenhang mit Schnurre 'M^\l\' zu mhd. s«M/-r^n 'rauschen, sausen'. — Kamm,
ahd. kamb, e. comb zu gx.yöfKpo^ (gömphos) 'Pflock, Zahn'. — strählen ist das alte
Verbum für 'kämmen'; ahd. Straten zu Strähl 'Kamm', von Strahl. — scheren, ahd. skSran,
e. to shear zu gr. y.eioeiv {kiren) 'scheren'.
Auf die Reinigung bezieht sich:
Bad, ahd. bad, e. bath, altes Partizip zu bähen, ahd. bäen. — waschen, ahd.
waskan, e. to wash, wohl zu \x.faiscim 'quetsche, presse zusammen'. Ein anderer Aus-
druck für 'waschen' liegt vor in Zwehle, Quehle 'Handtuch', ahd. dwahila zu ahd.
dwahan, got pwahan 'waschen', nhd. zwagen und dies zu ahd. dahj'an 'drücken', und
weiter vielleicht zu zwingen, ahd. dwingan, e. twinge. Dazu apreuß. twaxtan 'Bade-
schürze' und vielleicht gr. Trjxeiv {tceken) 'erweichen'.
Eine sehr alte Erfindung der Nordvölker war bekanntlich die Seife; Plinius kennt sie bei
den Kellen, das Wort ist aber echt germanisch, ahd. seifa, e. soap, vielleicht zu lat. sebum 'Talg'.
In Lauge, ahd. louga, e. lye steckt die Wurzel von lat. laväre. Vgl. anord. laug
'warmes Bad'.
Eine uralte Sitte der indogermanischen Menschheit war das Tätowieren. Dieses
Wort kommt im 18. Jh. aus dem Tahitischen und weist darauf hin, daß damals die Sitte
stärker in den Gesichtskreis trat. Ob die heutige weitverbreitete Tätowierung auf Erhaltung
des alten Brauches unter Verstärkung durch ausländischen Einfluß beruht oder ganz neu
eingeführt ist, ist schwer zu sagen. Die christliche Kirche hatte sie jedenfalls verboten,
aber trotzdem kann die Sitte weiter bestanden haben. Otto Lauffer spricht sich Wörter
und Sachen 6, 1 ff. für die erste Möglichkeit aus, und in der Tat gibt es vereinzelte Zeug-
nisse, die für die Fortdauer des Brauches zu sprechen scheinen. Ein alter einheimischer
Ausdruck ist bisher nicht nachzuweisen.
ENTLEHNUNGEN.
Auf diesem Gebiet treten die Entlehnungen verhältnismäßig spät auf.
Barbier, spätmhd. barbierer, von barbieren, frz. barbier. Daneben mit Dissimi-
lation Baibier. — rasieren, 17. Jh., ixz.raser. — frisieren, 1673, Irz.friser. — Frisur,
1694, ixz. frisure. — Für das jung entlehnte Friseur sagte man im 17. Jh. Frisierer.
Dazu kommen: Chignon, 1773, hz. diignon. — parfümieren, 16. Jh., ixz. par-
fumer. — Parfüm, 1801, ixz. parfum. — Perücke, 1650, Ixz. perruque. — Pomade,
1678, ixz. pommade, ital.pomata. — Puder, 1669, ixz. poudre. — Toupet, 18. Jh., frz.
toupet. — Tour, Haartour, 1694, frz. tour.
Eines der wichtigsten Worte auf diesem Gebiete ist zweifellos Stube.
Ahd. stuba bedeutet 'heizbares Gemach, bes. Badestube'. Dieselbe oder
eine ähnliche Bedeutung zeigen auch die übrigen germanischen Sprachen,
und es ist daher unbestreitbar, daß wir es hier mit einem Wort zu tun haben,
das mit der Entwicklung der Warmbäder zusammenhäng,t. Während Heyne
das Wort für echt deutsch hält, sehen andere darin ein Fremdwort. Wir
finden auch im Romanischen frz. etiive aus volkslat. sfüfa, prov. estiiba.
Die Herkunft dieser Wörter ist unklar.
§ 143. Kampf und Waffennamen.
Literatur: W. SCHIRLITZ, Die deutschen Waffennamen, Programm des Gymnasiums
zu Stargard, 1844. — May Leansfield Keller, The Anglo-Saxon Weapon Names, treated
archaeologically and etymologically. Anglistische Forsch. 15, Heidelberg 1906.
Der Kampf der Stämme gegeneinander spielt in alter Zeit eine große
Rolle, und dementsprechend sind auch Waffen und Waffennamen vorhanden
230 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
gewesen. Die vollständige Umwandlung aber, die sich auf diesem Gebiet
vollzogen hat, beeinflußt natürlich auch die Sprache, so daß die alten Aus-
drücke verloren gehen.
Schon die Allgcmeinbcgriffe für Kampf und Streit zeigen eine sehr beachtens-
werte Entwicklung. Eine Reihe alter indogermanischer Ausdrücke sind vollständig verloren
gegangen. So gr. ro/ziV»; {hysmincr) 'Schlacht", a\n6. jitdhjati 'kämpft'; agerm. *gundja, im
Hildebrandslied güdea zu lit. ^//Iros 'Streit', wurzelverwandt mit gx.q^övog {p}iönos) 'Mord';
noch in Eigennamen wie Günther, Gudrun erhalten; ahd. hiltia 'Kampf, noch in zahl-
reichen Eigennamen wie Hildegard, Hildegunde, Hildebrand, ist unerklärt; aus
einem g^xm. werra {a\\^.*werra 'Ärgernis', mM. werre 'Krieg', jetzt Wirren zu wirren,
ahd. wcrran 'durcheinanderbringen') wurde Uz. guerre entlehnt; ahd. mhd. wig 'Kampf,
Schlacht, Krieg' zu goi.weifian 'kämpfen', verwandt mit lat.vinco (wovon das Partizip ahd.
wigant, d. Weigand bis ins 18. Jh. fortlebte); ahd. urliugi 'Krieg', eigentlich wohl 'Vertrags-
losigkeit' zu goL liugan 'heiraten', eig. 'versprechen'; noch in Or/og^sc^/// 'Kriegsschiff'.
Erhalten hat sich Hader, im H.Jahrhundert hader, abgeleitet von ahd. hadu 'Kampf
(noch in Hedwig), zu gr. yöroi {kötos) 'Groll', ir. cath 'Kampf.
Unser Zwist, mhd. zwist, ndd. twist 'Streit' ist eine ähnliche Bildung wie lat. bellum
aus duellum 'Zweikampf.
Streit, ahd. strit, eigentlich wohl 'Anstrengung', vgl. ahd. einstrlti 'hartnäckig', asächs.
strid 'Eifer'. Man stellt es zu lat. lis aus *stlis.
Kampf, ahd. kämpf 'Zweikampf, Kampfspiel' tritt bemerkenswerterweise in Eigen-
namen gar nicht auf, daher hat man an Entlehnung gedacht, und zwar aus lat. campus
{Martins). Auf diesem campus fanden die Gladiatorenkämpfe statt. Ein solcher Bedeutungs-
übergang ist ganz gewöhnlich. Hildebrand vertritt dagegen einheimischen Ursprung.
Erst seit mhd. Zeit haben wir Krieg, das ursprünglich .Anstrengung" bedeutet Vgl.
ahd. kreg 'Hartnäckigkeit', zu gr. ßoiaoüg (briarös) 'stark, heftig', vßoi? (liybris) 'Übermut'.
Friede schließlich ist gemeingermanisch, ahd. fridu. Es gehört zu got. frijön 'lieben'.
Wir haben also in den Ausdrücken für K rieg zunächst eine Mehrheit von
Worten; dann aber treten zweifellos neue Worte auf, die die alten verdrängen.
Die Geschichte der Waffennamen muß eine Geschichte der Waffen selbst
sein. Es ist klar, daß infolge der großen Veränderungen, die sich auf diesem
Gebiete vollzogen haben, nicht allzu viel Altes erhalten sein wird.
1. ALTGERMANISCHES.
Bogen, ahd. bogo, e. bow. Zu biegen. Eine Entsprechung des lat. arcus liegt in
got. arfvazna vor. — Strahl, ahd. sträla 'Pfeif, abg. strela, wovon Strelitzen. — Sehne,
ahd. senawa, e. sinew, gr. heg {ines) 'Sehnen'. — Ger, ahd. gerfo) 'Spieß', gall. laL gaesum. —
Speer, ahd. sper, e. spear, wohl zu Sparren und lat. sparus 'kurzer Jagdspieß'. — Spieß ,
aihA.spioi. Verschieden von Spieß in Bratspieß, ahd. 5/7/3, e. spit zu spitz, ahd. spizzi. —
Barte, ahd. barta 'AxV zu Bart; dazu Hellebarde, mhd. helmbarte. — Sdiwert, ahd.
swert, t. sword. Herkunft unsicher. — Helm, ahd. heim, t. heim, got. hilms, ai. Särma
'Schutz'. — Waffe, ahd. wäfan, e. weapon, vielleicht zu gr. onlov (höplon) 'Werkzeug, Gerät,
Kriegsgeräf. — Gewehr, ahd. giwer 'Kampfwaffe, (Treib)-Stachel', zu Wehrund wehren,
ahd. werien, got. warjan, zu gT.Fovadcu (erysthai) 'schützen, bewahren', lat. op^rJr^ "bedecken".
2. ERSTE ENTLEHNUNGEN.
Zunächst hat vielleicht das Keltische eingewirkt, doch können wir es
dem Worte Ger nicht ansehen, ob es entlehnt oder urverwandt ist. Erst
das römische Heerwesen bringt sichere Einflüsse.
Armbrust, mhd. armbrust, umgedeutet aus mlat. ßrcu^a/w/a. — Bolzen, ahd. bolz,
e. bolt, vielleicht aus lat. catapulta 'Wurfmaschine', dann auch 'Wurfgeschoß'. Doch ist
§ 144. Krankheit und Heilung. 231
dies nicht ganz sicher. — Dracfien, ahd. trah ho aus lat draco 'Kohortenzeichen'. —
Kodier, ahd. kofi ha r, mlat cucurum. — Pfeil, ahd.pfi/, e. pile aus lat. pi tum. — Pfahl'
ahd. pfäl, e. pole, pale aus lat. pälus, wohl durch den Limesbau veranlaßt. — Wall, mhd.
■wall, asächs. wall, e. wall 'Mauer' aus lat. vallum.
3. ENTLEHNUNGEN IN MITTELHOCHDEUTSCHER ZEIT.
Die Ausdrücke für den Kampf in der Ritterzeit sind durchweg aus dem
Romanischen entlehnt. Das mittelalterHche höfische Epos wimmelt geradezu
von französischen Ausdrücken. Das meiste davon ist freilich wieder ver-
loren gegangen, vgl. Seiler (oben § 100) 125.
Erhalten haben sich: Flitz in Flitzbogen, 15.' Jh., \iz. fledie; auch noch in flitzen. —
Harnisdi, mhd. harnas(di), frz. harnais, mengl. harnes 'Rüstung', kymr. haianiaez 'Eisen-
geräte'. — Koller, rnhd. koll(i)er, frz. collier. — Lanze, 12. Jh., afrz. lance, gall. lat.
lancea. — Panzer, mhd. panzier, ital. panciera. — Pidielhaube, mhd. bedienhübe, Zu-
sammenhang mit Bedien. — Wams ist wohl ursprünglich eine Schutzbekleidung. Über
die Herkunft s. o. S. 227.
Wiederaufgenommen ist: Brünne, mhd. brünne, ahd. brunnia, got. brunjö aus kelt.
air. bruinne 'Brust'.
4. ENTLEHNUNGEN DER NEUZEIT.
Bajonett, U . Jh., hz. ba'ionette. — Degen, \5. Jh., frz. dague. — Doldi, um 1500,
lat. rfo/o 'Stockdegen'?, — Flamberg, frühnhd., hz. flamberge. — Flinte, 1663, ndl., zu
t. flint, d. Flins 'Stein'. — Granate, 1616, ital. granata. — Haubitze, 15. Jh., tschech.
houfenice. — Kanone, 1588, ital. cannone. — Karabiner, 1598, frz. carabine. — Kar-
tätsche, 1691, \ia\. cartoccio. — Kartaiine, 1489, Wal. quartana. — Küraß, 15. Jh.
frz. cuirasse 'Lederpanzer'. — Mörser, 15. Jh. = Mörser. — Pistole, 1664, frz. pistole. —
Posten in Rehposten, frz. poste. — Revolver, 19. Jh., e. revolver. — Säbel, 15. Jh.,
Ungar, szablya. — Sarraß, 18. Jh., aus dem Poln.?. — Sponton, 1728, ital. spuntone. —
Terzerol, 1644, ital. terzeruolo. — Tesdiing, 1834, Gewehr von Teschen.
§ 144. Krankheit und Heilung. Auch auf diesem Gebiet kann die Sprache
manches lehren, und wir würden bei eingehender Betrachtung eine ganze Ent-
wicklungsgeschichte der menschlichen Anschauungen im Kleinen erhalten. i)
Die wissenschaftliche Medizin hat das Bestreben gehabt, eine eindeutige
Benennung einer jeden besondern Krankheit durchzuführen und hat dazu
die lateinischen und griechischen Ausdrücke gewählt. Daneben bestehen
aber alte, allgemeinere Ausdrücke im Volksmunde, deren erstaunliche Fülle
und Verschiedenheit man jetzt bei M. Höfler, Deutsches Krankheitsnamen-
buch, München 1899, überblickt. Dies Werk ist eine ganz hervorragende
Leistung, das den überreichen Stoff der Krankheitsnamen in alphabetischer
Reihenfolge darbietet. Aber freilich dieser Stoff müßte nun auch einmal
systematisch zusammengestellt werden. Mit Recht sagt der Verfasser in der
Vorrede: „Während die gelehrte Medizin es liebt, neue Benennungen ein-
zuführen . . ., ist das Volk bei denjenigen Bezeichnungen geblieben, die ehe-
mals gewählt wurden, um die äußerlichen Krankheitssymptome von andern
zu unterscheiden oder um die vermeintliche Ursache bezw. deren Beseitigung
anzudeuten. Seine Ausdrücke sind oft sehr treffend und vom Standpunkte
') Vgl. hierzu auch J. Geldner, Untersuchungen zu altenglischen Krankheitsnamen.
Progr. Augsburg 1908.
232 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
der Kultur- und Medizingeschichte äußerst interessant. Innumerabiles morbos
miraris? medicos numera! (Dcmokr. 11, 49). So viel ärztliche Systeme und
Perioden, so viel Krankheitsnamen, die der getreue Widerhall der alten
Schulleliren und der volksüblichen Auffassungen über Natur und Ursache
der Krankheiten sind." Hat der Verfasser durch sein Wörterbuch der Wort-
forschung einen unschätzbaren Dienst erwiesen, so sollte ihn die germanische
Wissenschaft dadurch vergelten, daß sie diesen Stoff nach seiner Herkunft
und den Anschauungen, die darin ausgedrückt sind, ordnet. Einiges darüber
bei M.Heyne, Körperpflege und Kleidung, 1903, S. 114 ff.
Zu den tief in dem Volksglauben wurzelnden Anschauungen gehört es jedenfalls, daß
die Krankheit nichts Natürliches, sondern etwas von einem übernatürlichen Wesen An-
gehextes ist. Man heilt die Krankheit daiier zunächst durch Bespredien. Den Rest
jener alten Anschauung haben wir noch in Hexensdinß, schon ags. hcegtessan gescot;
Schlag, schon got. 5/a//s als Krankheit; Alpdrücken, ags. ylfa gescol; Neidnagel, weil
er durch Neid entsteht; Wediselbalg, mhd. wechselbalc 'ein krankes und deshalb unter-
geschobenes Kind'; Tropf, mhd. tropfe, auch 'Schlagfluß', vgl. Weigand. Das sind ein
paar Reste alter Anschauung, die wir heute noch haben. Dem mögen sich die sonstigen
Ausdrücke anreihen.
1. EINHEIMISCHES GUT.
Beule, ahd. bülla 'Blatter', e. bile 'Geschwür'. Zu Bühel. — Blatter, ahd. blätara
'Blase', e. bladder. Zu blähen. — Drüse, ahd. druos, druosi 'Drüse, eichelartige Ge-
schwulst, Beule'. — Eiter, ahd. eitar 'Gift', e. atter 'Eiter, Gift'. Daneben ahd. eii 'Eiter-
beule, Geschwür', und dies zu gr. oiSog (oidos), olS/ita {oidma) 'Geschwür'. — faul, ahd./w/
'verwesend', t. foul zu lat. p/is 'Eiter', gx. nToy (pyon). — /="rfl/5^rt 'Fallsucht', z\\d. freisa
'Gefährdung', gotf raison 'versuchen', ai. -pre^ah 'Antrieb'. — Friese l zu frieren. —
Gidit, xnM. gibt, ags. ^/7a/rt 'Gliederlähmung'. — Gnätze, \b. ih. gnaz. — Grind, ahd.
grint zu Grand. — heiser, ahd. heis, heisi, e. hoarse. — Husten, ahd. huosto, e. fdial.)
whoost zu aind. käsatf 'hustet', lit. kös'u 'huste', abg. kasllt 'Husten'. — judien, ahd.
Jucdian, e. to itdi. — Krampf, ahd. krampfo, e. cramp zu ahd. krimpfan 'zusammen-
ziehen, winden". — Masern, ahd. masala 'Blutgeschwulst' zu Maser. — Pfnüsel, durch
Vischer bekannt geworden, zu alem. pfnüsen 'niesen'; vgl. dazu niesen, ahd. niosan, anord.
hnjösa, ags. fneosan, e. to sneeze. — Podte, mnd. podte. — Qual, ahd. quäla, ags. cwalu
'gewaltsamer Tod' zu lit. gelä 'Schmerz', abg. zali 'Leid'. — Quese, mnd. quese wohl zu
quetsdien s. u. — Räude, ahd. (h)rada 'Räude, Scabies', anord. hrüär 'Grind auf einer
Wunde'. Vielleicht stammverwandt mit Ui. crüdus. — Ritten 'Fieber', ahd. ritftjo, ags.
hrida 'Fieber', ursprünglich wohl 'Zittern', vgl. air. crith 'das Zittern'. — Rotz, ahd. hroz
'Rotz, Nasenschleim" zu gr.y.ogvi^a (köryza) 'Schnupfen, Katarrh'. — Sdimerz, ahd. smärzo,
dazu sdimerzen, ahd. smerzan, e. to smart 'schmerzen, leiden'. Ursprünglich 'stechen', wie
aus e. smart 'scharf, beißend, schneidig' und dem verwandten lat. mordire 'beißen', gr.
o/ifo^a/.fo,- (smerdaleos) 'gräßlich' hervorgeht. Ein andrer alter Ausdruck für 'Schmerz' steckt
in sehr, ahd. str 'schmerzlich', ser 'Schmerz', e. sore 'Schmerz, Wunde, schmerzhaft',
got. sair 'Schmerz'. Stammverwandt mit air. säeth 'Leid, Mühe, Krankheit', 1. saevus. —
Sdinupfen, spätmhd. sdmupf zu sdinauben. — Sdiorf, mnd. sdiorf zu sdiürfen. —
Sdiwäre, ahd. swero 'Krankheit, Krankheitsschmerz'. Vielleicht zu awest. .v^ara- 'Wunde, Ver-
wundung'. Dazu Gesdiwür, älternhd. Gesdiwär, ahd. giswer. — Sudit, in Schwindsudit usw.
iu siedi 'krank'. Siehe unten. — wund, ahd. wunt, got. wunds, zu aind. ä-vätah 'unverletzt'. ~
Zipper lein zu zippen 'trippeln'. — Zitier odi 'Mal', ahd. zitaroh, e. tetter, ai. dadrüfi 'Aus-
satz', lit. dedervine 'Flechte'.
2. ENTLEHNUNGEN.
Die Entlehnungen, die mit der Einwirkung der antiken Heilkunde zu
§ 144. Krankheit und Heilung. 233
uns gekommen sind, sind allmählich tief in das Volk gedrungen und können
als eingebürgert gelten.
Für Arzt besitzen die Goten das Wort lekeis, ahd. lähhi, e. leedi 'Tierarzt', das wohl
aus kelt. air. /*fl/^ stammt. (Davon der Eigenname Z.ao'm^r); später dringt vom fränkischen
Hofe das gr. aQxiaioög (ardiiairös), andd. ercetere, ahd. arzät 'Arzt' vor. Daneben kommt
von den Römern zunächst: Pflaster, ahd. pflastar, t. plaster aus gx.Aai. hiTilaaroov {em-
plastron); Büchse, ahd. bufisa aus m\a{. buxis, gr. .ti\*(V (pyxis) 'Büchse aus Buchsbaum-
holz, Arzneibüchse' und Fieber, ahd. fiebar, t. fever aus \at. febn's.
Später sind: Koller, ahd. kolero aus lat. diolera, gr. xoUoa (kholera). — Fistel,
ahd. fistul 'Röhre', mnd. vistel 'Geschwür' aus lat. fistula 'tiefgehendes Röhrengeschwür'. —
Af/5^/5«o'2^ 'Aussatz', mhd. miselsuht, ahd. m/5^/ 'aussätzig' aus \a\. misellus. — Apo-
theke, mhd. apoti'ke aus gr. -\a\. apotheca 'Haus zum Kräuterverkauf. — Arzenei, mhd.
arzenie neben arzätie neugebildet. — Pille, mhd. pillule aus \a\. pillula. — Mixtur,
mhd. mixtüre 'Mischung', aus lat. mixtüra. — Latwerge, mhd. lactwärje, auch electuärfe
aus lat. eclecluärium 'dicker Heilsaft' von gr. Ey.leixzixöv {eklektikön) 'auszuleckendes'. —
f/Zx/r 'Kraft-, Heiltrank', s^t'aimhd. elixire, arab. ^/ iksir. — Lakritze, s^äXmhd. lakerize
aus mlat. liquiricia, gr.-lat. glykyrriza 'Süßwurzel'.
Die neuere Medizin bestreitet ihre Bezeichnungen im wesentlichen mit
griechischem Sprachgut. Aus dem überreichen Stoff kann hier nur einiges
mitgeteilt werden.
amputieren (1801), lat. amputure. — A n a t o m i e {1565 Anatomey\), lat. anatomia. —
Arterie (1532), gx. -\zi. arteria. — Asthma (18. Jh.), gx.äoOaa {asthmo). — Chiragra
(18. Jh.), gx.-lai. chiragra. — C/z/rur^ (frühnhd.), gx.-lat. diirurgus. — C/zo/^ra (spät-
mhd.), gr.-lat. cholera. — Diarrhöe (.1711), gr.-lat. diarrhoea. — Diät (frühnhd.), gr.-lat.
diaeta. — Doktor (15. Jh.), gr.-lat. doctor. — drastisch (18. Jh.), gr.-neulat. drasticus. —
Empiriker {IS. ^h.), gx.-lat. empiricus. — Epidemie (1728), gx.-lat. epidemia. — Epi-
lepsie (1711), gr.-lat. epilepsia. — Exkrement (16. Jh.), lat. excrementum. — Extrakt
(1585), nlat. extractus. — Furunkel (1588), lat. färunculus. — gastrisdi (18. Jh) zu
gr. yaoxrjo {gastCer) 'Unterleib'. — Hämorrhoiden (18. Jh.), gr.-lat. hoemorrhois. —
Homöopath (18. Jh.). — Hypochondrie {1115), gx.-lat. hypodiondria. — Hysterie
(1813) zu gr. vazsga {hystera) 'Gebärmutter'. — Influenza (1791), ital. inflnenza. —
Karbunkel (16. Jh.), lat. carbunculus. — Katarrh (17. Jh.), gx.-lat. katarrhus. — Ka-
theter (17. Jh.), gr.-lat. catheter. — Klinik (18. Jh.), gr. x/.ntHTJ {klinikfs). — Klistier,
mhd. klister, gr.-lat. clysterium. — Kolik (16. Jh.), gr.-lat. cölica. — Kur (16. Jh.), lat. cüra. —
laxieren {1511), lat. laxäre. — Alediz in {15. Jh.), lat. mediana. — Melandwlie {1355),
gx.-lat. melandiolia. — Miasma (1712), gx. fiiaofta {miasma). — Migräne (1727), frz.
migraine, mlat. hemigrania, gr. yuuxoavla {hwmikrania). — Narkose (1712), gr. vÜQxcoaig
{ndrkösis). — Obduktion (1791), lat. obductio. — operieren (17. Jh.), lat. operäre. —
Opoldeldock, Schöpfung des Paracelsus. — Palliativ (18. Jh.), v\at. palliativ um. —
Panazee (1595), gx.-lat. panacea. — Paralyse (1700), gr.-lat. paralysis. — Pastille
(19. Jh.), lat. pastillus. — Pathologie {1694), x\lat. pathologia. — Pest {16. ]h.), lat.
pestis. — Pestilenz (14. Jh.), lat. pestilentia. — Phlegma (1571), gx.-lat. phlegma. —
Podagra, rx\hd. pödägrä, gr.-lat. podagra. — Poliklinik (1834) 'Stadtklinik'. — Puls,
mhd. puls, ixz.pouls, mlat. pulsus. — Rachitis, gx. oo.yTxig {rhakhitis). — Rezept (15. Jh.),
lat. receptum. — Rezidiv (1703), lat. recid/vus. — rheumatisch (18. Jh.), gr.-lat. r//^u-
maticus. — sanguinisch (1523), nach lat. sanguineus. — Sanitätsrat, zsg. mit Sanität
'Gesundheit' von lat. sünitäs. — Sassafras (17. Jh.), frz. Sassafras. — Schanker (1728),
frz. diancre. — Scharlatan (17. Jh.), frz. charlatan. — Sdiarpie (18. Jh.), frz. dxarpie. —
Skelett (17. Jh.), gr. oxe/.stöv {skeletön). — Skorbut (1703), spätmlat. scorbutum. —
Skrofel (mnd. 1483), lat. scröfulae. — Sonde (1712), fxz. sonde. — Spital, xnhd.spitäl.
234 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
auch Spittel, mlat. Iiospitale. — Symptom (18. Jh.), gr. ovunxionn {symptöma). —
Syphilis, 1530 erfunden, künstliche Bildung in Anlehnung an Sipylus, einem Sohn der
Niobc. — Therapie (18. Jh.), gr. Onjarrn'n {therapeia). — Tinkliir (16. Jii.), lat. tinctüra. —
virulent (1813), lat. virulcntiis.
Diese Ausdrücke bekommen erst rechtes Leben, wenn man sie in Ver-
bindunii bringt mit den Anscliauungen der verschiedenen medizinischen
Schulen. Aber ich übersehe dieses Gebiet nicht. Ich erinnere nur an die
vier Humorcs des menschhchen Körpers, die dessen Konstitution bedingen.
Bei den Ausdrücken Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker und Melanclioliker
denkt wohl kaum einer mehr daran, welche Anschauung den Worten zu-
grunde liegt. Die Entwicklung des Wortes Humor aus lat. hxmor 'Feuchtig-
keit' gehört in dasselbe Gebiet. Es bedeutete die „innere Feuchtigkeit, Flüssig-
keit", die den Charakter und die Eigentümlichkeit des Menschen bestimmte.
So spricht noch Goethe von gutem, bestem, üblem, sdilimmem Humor. Die
Ausbildung der Bedeutung zu dem jetzigen Sinne geht aber in England
vor sich, und erst durch Lessing sind wir recht mit ihr bekannt geworden.
Über die Bezeichnung für 'sterben', 'Tod' usw. siehe § 204.
§ 145. Tanz und Musik.
Literatur: DANIEL Ff^yklund, Vergleichende Studien über deutsche Ausdrücke mit
der Bedeutung Musikinstrument, Upsaia 1910.
Von den Künsten ist der Tanz am weitesten verbreitet. Wir finden
ihn bei allen Naturvölkern, und er hat sicherlich auch bei den Indogermanen
nicht gefehlt. Aber es gibt je nach Ort und Zeit sehr verschiedene Arten,
es kommen immer neue Formen auf, und so ist auf diesem Gebiet die
Entlehnung die Regel. An alten Ausdrücken haben wir noch, z. T. aber in
stark veränderter Bedeutung:
sdierzen, mhd. sdierzen 'mutwillig, lustig springen', dazu mhd. sdiarz 'Sprung',
sonst nicht vorhanden, vielleicht zu aind. kürdati 'springt, hüpft', gr. oy.aloetv {skairen)
'tanzen', y.öoda'^ {kördax) 'ein Tanz'. Wegen des späten Auftretens und der geringen Ver-
breitung liegt indessen der Gedanke an Entlehnung oder an eine Neubildung nahe. Man
hat es zu ahd. skern 'Scherz, Lust' gestellt. Von der Verbreitung des Wortes zeugt die Ent-
lehnung ins Italienische sdierzare, sdierzo. — Leidi, entlehnt aus mhd. leidi 'Gesang aus
ungleichen Strophen", got. laiks 'Tanz', laikan 'tanzen' (umgedeutet noch in Wetter-
leiiditen, mhd. weterleih) zu lit. /d/]g^J^/ 'wild umherlaufen'. Eins mit diesem Worte ist
gr. rkekiCco {elelizo) 'mache erzittern'. Dasselbe ist Laidi 'Fischeier' mit merkwürdiger,
aber ganz deutlicher Bedeutungsentwicklung. — Echt germanisch ist auch wohl Reihen,
Reigen, mhd. reie. Wohl zu reihen 'sich begatten'.
Sonst ist alles entlehnt. Im Althochdeutschen gebraucht man zunächst
salzon aus lat saltäre. Im 11. Jahrhundert kommt aus frz. danse Tanz.
Das französische Wort entstammt aber dem frk. danson 'ziehen, hinter sich
dreinführen'. Dazu gesellen sich dann mehrere französische Tanznamen, von
denen sich indessen nur Firlefanz in veränderter Bedeutung erhalten hat.
Mhd. fi rief anz, firlafei 'lustiger Springtanz' aus frz. i^/r^/fl/ 'Ringeltanz'.
Was wir sonst an Tanznamen besitzen, entstammt der Neuzeit. Die
Ausdrücke sind alle recht jung, und jeder weiß ja, wie rasch sich auf diesem
Gebiet die Sitte und damit die Sprache verändert.
§ 145. Tanz und Musik. 235
Ball, 17. Jh., ital. ballo, frz. bal. — Cancan, 2. Hälfte des 19. Jh., frz. cancan und
dies aus \z[. quamqiiam. — Galopp, wohl erst im 19. Jh., hz. galop. In der Bedeutung
'Sprunglauf des Reittiers' schon 1616. — Gavotte, 1791, ixz. gavotte. — Kontertanz,
1771, c. countrydance. — Kotillon, 1791, frz. cotillon. — Ländler, Ende des 18. Jh.,
Bauerntanz aus dem Oberlandl, dem Land ob der Enns. — Masurka 'der masurische
Tanz', findet sich 1740 am Hofe August III. von Polen und wird 1840 wieder neu belebt. —
Polka, von [chtoh.piilka 'Halbschritt', 1835 aufgekommen, wurde in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts so beliebt, daß man alles, was schön, elegant, fesch war, Polka nannte, und
G. Keller sogar eines seiner Gedichte Polkakirdie überschrieb. — Polonaise, 1781,
hz. polonaise. — Quadrille, 1728, frz. quadrille. — Walzer, 2. Hälfte des 18. Jh., von
Obcrdeutschland vorgedrungen. Von walzen 'sich drehen'.
Noch heute ist ja unsere Tanzkarte im wesentlichen französisch, und die
neueste Zeit hat uns schon wieder neue Tänze und fremde Worte dafür beschert.
Mit dem Tanz ist die Musik auf das engste verbunden.- Einfache Musik-
instrumente finden sich schon auf der niedrigsten Stufe der menschUchen
Entwicklung. Über diese waren die Germanen sicher weit hinaus, wie die
im Norden gefundenen mächtigen metallenen Luren beweisen. Trotzdem
stehen wir auch auf diesem Gebiet im wesentlichen unter fremdem Einfluß.
Echt germanisch können sein: Geige, mhd. gjge (12. Jh.), an. gigia. Vielleicht zu
anord. geiga 'schräg gehen'. Das Wort kam ab, weil es einen obszönen Sinn erhielt, ist
jetzt aber wieder üblich. — Harfe, ahd. harpfa, e. harp, schon im 5. Jh. als germanisches
Tonwerkzeug erwähnt. — Trommel, erst spätmhd. trumel, aber doch vielleicht echt ein-
heimisch. Vielleicht zu Trumm 'kurzer Baumstamm'. — Hörn ist ein indogermanisches
Wort, und gewiß wird das Hörn frühzeitig auch musikalisch benutzt sein, aber wann?
wissen wir nicht. — Veraltet ist jetzt Sdiwegel, Sdiwiegel 'Querpfeife', noch obd.,
ahd. snegala 'Flöte', got. swiglja 'Flötenbläser'. Vielleicht zu lat. sibilare.
Schwegel und Harfe sind also die einzigen sicher alten Namen für ger-
manische Musikinstrumente. Unklar ist Pauke, mhd.puke, vielleicht zu Bauch.
ENTLEHNUNGEN.
a) Im Mittelalter: Potte 'Art Harfe', jetzt veraltet, ahd. lirotta, aus dem Kelt. —
Fiedel, ahd. fidula, e. fiddle aus mlatvitala, woher ital. viola, kz.violine. — Pfeife, ahd.
pfifa, e. pipe, mlat pipa 'Röhre'. — Flöte, mhd. vloite, afrz. flaute. — Posaune, mhd.
busüne, afrz. buisine. — Sdialmei, mhd. schalemTe, afrz. chalemie. — Trompete, daneben
Dromete, spätmhd. trumet(te), ixz. trompette. — Zimbel , ahd. zymbala, gr.-lat. cymbalum.
Vieles, was damals entlehnt wurde, ist wieder verloren gegangen.
b) In der Neuzeit.
Wir stehen noch immer in der Musik völlig unter dem italienischen
Einfluß, was sich zunächst in den Namen der Musikinstrumente zeigt, die
fast völlig italienisch sind.
Bratsche, 1678, ital. wo/a da braccio. — Cello, 1813, aus Violoncell(o) , 1727,
ital. Violoncello. — Fagott, 1616, ital. fagotto. — Gambe, 1700, ital. viola di gamba. —
Gitarre, 1615, span. guitarra. — Harmonika, 1763 erfunden. — Klarinette, 1791,
frz. clarinette, ital. clarinetto. — Klavier, zunächst die Tastenreihe der Orgel, so 1616,
frz. clavier. Als Name des Instruments seit Ende des 17. Jh. vorkommend. Als ältere Namen
schon Anfang des 15. Jh. Klavizimbel, nlat. clavicimbalum, und Spinett, 1544, ital.
spinetta. — Eine neue Abart ist das Pianoforte 'Hammerklavier', im 18. Jh. erfunden.
Dafür auch Fortepiano, gekürzt Piano, und seit der Mitte des 19. Jh. das Deminutivum
Pianino. Als deutscher Ausdruck hat sich Flügel, Anfang des 18. Jh., eingebürgert. —
236 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Mandolirtc, 18. Jh., Uz. maruioline. — Oboe, 1703, Uz. haut-bois. — Pickelflöte,
1809, ital. flaiito piccolo. — Violine, um 1700, itai. violino. — Zither, 1678, auch
schon ahd. zitera, gr.-laf. kithara.
Entsprccliend dem, was wir soeben angeführt haben, zeigen auch die
sonstigen Ausdrücke für Musik meistens ein fremdes Gepräge. Bekannt
sind die allgemein verbreiteten italienischen Bezeichnungen für die Zeit-
maße {Tempo, ital. tempo) wie Adagio, Allegro, Andante, Presto,
die wir schwerlich beseitigen können, obgleich einzelne Musiker wie
Beethoven in seinen letzten Jahren, Schumann u.a. manchmal deutsche
Ausdrücke vorgeschrieben haben. Wir haben es hier mit technischem Stoff zu
tun, an den man nicht rühren sollte. Während diese Ausdrücke doch nur dem
Musiker geläufig sind, sind andere tiefer in die Sprache eingedrungen.
Arie, 17. Jh., ital. «r/rt. — Bariton (17. Jh.), i\a.\. baritono. — bravo, 1774, ital.
bravo. -^ Duett, 18. Jh., \{d\. liuetto. — Fuge, 1616, '\\.dA. fuga. — Furore, 1854, ital.
furore. — Kantate, 1712, '\{a\. cantata. — Konzert, 1650, '\{a\. concerto. — .Motette,
1556, iiä\. mottetto. — Oper, 1681, ila\. opera. — Operette, Ende des 17. Jh., ital.
operetta. — Primadonna, Ende des 18. Jh., i\al. prima donna. — Quartett, 18. Jh.,
\\a\. (juartetto. — Quintett, 18. Jh., \\z\. quintetto. — Rezitativ, \7\2, Ha\. recitativo. —
Sinfonie, 1728, ital sinfonia. — Sonate, 17. Jh., \\a\.sonata. — Solo, 1712, ital. so/o. —
Virtuose, 1710, ital. virtnoso.
Alle diese Ausdrücke sind mit der italienischen Oper gekommen. Daneben stehen
einige Worte französischer Herkunft: Ordiester, 1727, frz. ordiestre. — Ouvertüre,
\1'T1, frz. Ouvertüre. — Potpourri, 1741, Uz. pot pourri, eigentlich ein Küchenausdruck.
Aber damit ist der fremde Sprachstoff nicht erschöpft. Älter als der
italienische und französische Einfluß ist der der Kirchenmusik mit ihren
lateinischen Ausdrücken, ein Einfluß, der z. T. in die mittel-, ja althoch-
deutsche Zeit zurückgeht.
Akkord, \&.Sh.,m\z{.accordum. — Chor, mhd. ^ör 'Sängerschar', gx.-\a\.diorus. —
Choral, frühnhd., mXzi, dioralis. — Diskant, mhd. discante, mlat. discantus, eig. 'der
Gesang von zwei Stimmen'. — Harmonie, schon mhd. armonie, lat.-gr. harmonia. —
Kapelle, m\ai. capella. — komponieren, 1517, ht.compünere; Komponisthei Lutlier. —
Kontrapunkt, 1571, m\a{. contrapunctum. — Melodie, mhd. melodie, woraus Melodei,
gr.-lat. melödia. — Musik, schon ahd. müsika aus gr.-lat. mäsica, aber seitdem öfter aufs
neue entlehnt. — Note, ahd. nota 'Neume', lat. nota. — Partitur, 1673, mlat. partitura. —
quinkelieren, ans quintclieren, mhd. quintieren, eig. 'in Quinten singen', m\a{. quintare. —
Rhythmus, schon ahd. Dat. PI. ritmusen, gr.-lat. rhythmus. — Takt, 1572, lat. tactus. —
Ton, mhd. tön, don, ahd. bei Notker tonus, gr.-lat. tonus.
Die Musik hat stets im Volk eine große Rolle gespielt, und es kann
daher nicht wundernehmen, wenn zahlreiche musikalische Ausdrücke eine
allgemeinere Bedeutung bekommen haben.
Ganz verständlicli sind: den Ton angeben; — die erste Geige spielen; — die
alte Leier; — einem die Wahrheit geigen; — gelindere Saiten aufziehen; —
seine Saiten nidit zu straff spannen; — der Himmel hängt ihm voller
Geigen; — die lieben Engeldien singen hören. Wahrscheinlich stammt auch die
Redensart etwas aus dem Effeff verstehen von dem musikalischen Vorzeichen
// = fortissimo.
Bemerkenswerter sind die übertragenen Bedeutungen von Ton, Takt,
Stimmung, bei denen die musikalische Bedeutung bei weitem die ältere
§ 146. Schule. Wissenschaft. 237
ist. Auch Harmonie ist auf das allgemein Menschliche übertragen und
hat in harmonisch eine besondere Bedeutung bekommen. Weniger hat sich
Dissonanz eingebürgert, obgleich es auch häufig übertragen gebraucht wird.
Am merkwürdigsten sind aber die folgenden Ausdrücke, die ganz unverständlich
geworden sind, kunterbunt ist sicher = Kontrapunkt. Die früheren Deutungen, die
an mhd. kunter 'Ungeheuer' anknüpften, sind verfehlt. In einem Liedchen aus dem
15. Jh. (vgl. Weigand) heißt es noch:
Spelmon, spon du deine Saita,
daß es klingt fein contrabund.
Ahnlich geht Larifari auf die Tonbezeichnungen der italienischen Solmisation des
Guido von Arezzo zurück, wie es denn aus dem 15. Jh. überliefert ist:
da sungen sie die messe terribilis
La re fa re ut in excelsis.
Und das mundartliche Fladuse 'Schmeichelei' ist Uz. flute douce lieblich klingende
Flöte'. Dazu gesellt sich noch Sdiurrpfeifereien zw Sdinurrpfeife und verfumfeien,
auch verbumfiedeln von nd. Bumfei, Fidelfumfei 'Violine, Bierfidel'.
§ 146. Schule. Wissenschaft. Wir werden weiter unten die Sprachen der
verschiedenen Wissenschaften behandeln. Hier soll nur auf das Älteste und
Einfachste hingewiesen werden. Die Wissenschaft beginnt mit dem Lesen und
Schreiben, Die Ausdrücke, die sich darauf beziehen, hängen zum guten Teil
mit der ältesten germanischen Schrift, den Runen, zusammen. Bekanntlich
berichtet Tacitus Germ. 10: Virgam fragiferae arbori decisam in stirculos
ampiitant eosque notis quibusdam discretos super candidam vestem temer e
ac fortaito spargunt. Mox, si publice consultetur, sacerdos civitatis, sin
privatim, ipse pater familiae precatus deos caelumque suspiciens ter
singulos tollit, sublatos secundiim impressam ante notam inte.pretatur.
Aus diesem Tatbestand erklären sich zunächst die Ausdrücke Budi und Budistabe.
Letzteres, ahd. buodistab, gemeingerm., ist ja nichts anderes als Budien-stab {virga frugi-
ferae arbori decisa in surculos amputata). Etwas schwieriger ist Budi, ahd. buoh, e. bock.
Got. bedeutet böka 'Buchstabe', der PI. bökös 'Buch, Schrift, Brief, also eigentlich 'die Buch-
staben'. Got. böka hängt natürlich mit Budie zusammen. Ein andrer Ausdruck für die
Schrift ist altn. ags. rwrt, ahd. /•w«a 'Schrift', jetzt Rune, aus dem Nordischen übernommen,
got. heißt rüna 'mysterium'. Dazu noch raunen, ahd. rünen, urspr. wohl 'geheimnisvoll
besprechen', dann etwa 'Zauber treiben', das Subst. räna zunächst 'Zauber', dann 'Zauber-
zeichen'. Es gehört zu gr. sQswäv (ereunän) 'nachspüren'. Für sdireiben bilden sich im
Germanischen aus eigenem Sprachgut verschiedene Ausdrücke. Engl, write, ahd. ri^^ian
'scribere, exarare', jetzt reißen, \g\. Reißbrett, Reißfeder, Umriß, Riß, got. writs
'Strich in der Schrift, Punkt', ist eigentlich ritzen, also von dem Schreiben in Holz her-
genommen. Ähnlich anord. merkja, marka 'mit einer Marke versehen'. Got. heißt es meljan,
unser malen, und anord. /(i aus *faihjan 'bunt machen' zu got. faihs, gx.noiy.ü.og (poikilos)
'bunt'. Lesen, ahd. lesan. Dies bedeutet wie noch heute 'auswählend sammeln, aufheben,
lesen', e. to lease nur 'Ähren lesen'. Jedenfalls ist 'sammeln' die ursprüngliche Bedeutung, ^
aus der sich, wie man meinte, die von 'lesen' auf Grund des Zusammenlesens der Runen-
stäbe entwickelt haben soll. Das ist indessen wahrscheinlich falsch. Vielmehr liegt hier
wohl eine Nachbildung des lat. legere, das 'sammeln' und 'lesen' hieß, vor, was um so
wahrscheinlicher ist, als unser sdireiben aus dem Lateinischen entlehnt ist. Der Gote sagte
siggwan, us-siggwan, eig. 'singen', was offenbar ein kirchlicher Ausdruck war, vom Vor-
trag des Evangeliums hergenommen, der Engländer to read, ags. rwdan, d. raten, d. h.
238 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
•die Runen erraten'. Diese Ansätze, die aus germanischem Sprachgut die wichtigsten Aus-
drücke auf diesem Gebiete schufen, wurden aber durcli Entlciinungen aus dem Lateinischen,
offenbar vermittelt durch die Klosterschuien, unterbrochen.
sdireiben, ahd. skriban, ags. scnfan ist allerdings, wie Heyne mit Recht bemerkt,
ein Lehnwort, das wegen der starken Flexion aus früher Zeit stammen muß. Er meint, es
knüpfe an das scnbere m'tliUs an und sei erst später natürlich unter dem Einfluß der
eigentlichen Bedeutung von lat. scnbere auf das Schreiben übertragen. — Sdiule, ahd.
scuola, t. sdiool aus lai. scola. — Tinte, ahd. tinkta aus \al. tincta 'gefärbt, bunt". Da-
neben in Niederdeutschland bladi zu engl, bladi 'schwarz'. Engl, ink stammt aus gr.-lal.
encaustum 'das Eingebrannte'.
Es kommen ferner- Alphabet, mhd. alpfabrte, gr.-lat. alphabetum. — Badiant
(15. Jh.), lat. bacchantem. — Brief, ahd. briaf aus lat. breve. — Griffel, ahd. grifil,
unter Anlehnung an greifen aus g\Aai. graphium. — korrigieren, 1421 korrigieren, lat.
corrigere. — Linie, mhd. linie, aus \at. Imea. — Meister, ahd. meistar aus lai. magister.
Hierher gehört auch diditen, ahd. dihtOn, tihtün 'in Versen erfinden und schaffend hervor-
bringen" aus lat. dictäre. — Papier aus lat. papyrum, aber erst Anfang des 15. Jh. —
Pergament, mhd. permint aus \a\. perganunum. — Sieget, ahd. insigili, goi. sigljö aus
lat. sigillitm. — Silbe, ahd. sillaba aus lat.-gr. syllaba. — Tafel, ahd. tafala aus lat.
tabula {t nicht zu z verschoben, also spät). — Vers, ahd.vers aus \ai. versus.
Während im Mittelalter manches eingedeutscht wird, tritt mit der
Humanistenzeit das Latein in der Lateinschule wieder in den Vordergrund
und noch heute sind unsere Schulausdrücke im wesentlichen lateinisch.
Ich beschränke mich hier auf die Nennung einiger Ausdrücke.
Abiturient, Akademie, diktieren. Direktor. Disziplin, elementar, Elemente. Examen,
Famulus, Gymnasium, Institut, interpretieren. Interpunktion, Karzer, Katheder, Klasse.
Klausur, Kollege, Kurs, Lektion, Lineal, Lyzeum, memorieren. Pensum. Prämie, prä-
parieren. Präzeptor. Professor. Realsdiule. Rektor, repetieren, rezitieren. Seminar,
Stipendium. Studium. Zensur.
Ähnlich steht es mit der hohen Schule, der Universität. Bekanntlich
war hier die Vortragssprache durchaus lateinisch, bis Christian Thomasius
die erste Vorlesung in deutscher Sprache hielt. Es kann daher nicht wunder-
nehmen, wenn die Ausdrücke für Universitätseinrichtungen fast durchweg
lateinisch sind. Es ist nicht möglich, hier des nähern darauf einzugehen.
Es sei nur darauf hingewiesen, daß eine Reihe von lateinischen Ausdrücken
auf verschiedenen Wegen z. T. tief in die Volkssprache eingedrungen sind.
ad absurdum führen; — ad notam nehmen: — alter ego; — bona fide; —
circa; — cum grano salis; — das Dekorum wahren; — in seinem Esse sein; —
et cetera; — ex 'aus'; — extra {mir ist nicht recht extra); — Faktum; — Gaudium; —
in nuce; — jemanden koram nehmen, koramieren; — Medium; — jemanden Mores
lehren; — non plus ultra; — Notabene; — Odium; — per; — post festum; —
prae {das Prä haben); — praeter propter; — Punktum; — stante pede; —
sab rosa; super {-klug, -fein); — Unikum usw.
§ 147. Rückblick. Wir haben im Verlauf dieses Kapitels eine Anzahl von
Worten, nach Begriffsgruppen geordnet, an uns vorüberziehen lassen. Eine
Reihe von andern wird der Leser in dem Abschnitt über die Berufssprachen
finden, wo sie sich besser einordnen. Auf ausführliche Erörterungen und
Folgerungen haben wir meistens verzichtet, weil der Raum beschränkt ist,
und weil sie vielfach von selbst ins Auge treten. Der Leser muß natürlich
§ 147. Rückblick. § 148. Die Farben. 239
immer, wenn er sich noch eingehender unterrichten will, die etymologischen
Wörterbücher und die Darstellungen der Kulturgeschichte zu Rate ziehen.
Wir haben gesehen, daß neben die einheimischen Worte oft genug die
fremden treten, und gerade diese sind für die kulturgeschichtliche Betrach-
tung außerordentlich anziehend, da wir die Entlehnung meist ihrer Zeit und
ihrer Herkunft nach genau bestimmen können. In solch einer nach Kate-
gorien geordneten Betrachtung tritt die eigentümliche Art der Entwicklung
unsres Wortschatzes deutlich hervor. Hier liegt aber nun ein Feld, auf dem
noch viele arbeiten können. Wir stehen noch in den Anfängen, und jeder Ab-
schnitt verdiente eine besondere eingehende Untersuchung. Es würde der beste
Lohn für meine Arbeit sein, wenn sie zu solchen Untersuchungen anregte.
Der Sprachstoff, den wir bisher betrachtet haben, bestand meistens aus
Substantiven. Aber daneben steht der andere Teil des Sprachschatzes, die
Adjektive, Verben, Pronomina usv^. Auf diesem Gebiet haben wir es viel
seltener mit Entlehnungen zu tun, sie sind indessen nicht ausgeschlossen.
Die Fülle des Stoffes ist freilich zu groß, als daß sämtliche Worte vor-
geführt werden könnten. Ich beschränke mich daher auf eine Auswahl des
kulturgeschichtlich Wichtigsten.
§ 148. Die Farben, Zu den Eigenschaften der Dinge, die dem Menschen
in der Natur entgegentreten, gehören vor allem die Farben. Die Völkerkunde
lehrt uns, welche Vorliebe der primitive Mensch für diese Seite der Natur
hat, und daß er mit Farben seinen Körper und seine Gebrauchsgegenstände
schmückt. Von den alten Germanen im besondern berichtet Tacitus, Germ. 6:
scuta lectissimis coloribus distingimnt. Tatsächlich ist denn auch die Zahl
der Farbenbezeichnungen im Germanischen, die vorgeschichtlich ist, recht be-
trächtlich, und von manchem Ausdruck, der sich vorläufig in den verwandten
Sprachen noch nicht nachweisen läßt, wird man annehmen dürfen, daß er
dort verloren gegangen ist. Denn die ältere Zeit verfügte, wie man mit
Sicherheit annehmen darf, über viel mehr Farbenausdrücke als die jüngere.
J. Schmidt hat in seiner Kritik der Sonantentheorie sehr Bemerkenswertes
über die Farbenbezeichnungen der Litauer mitgeteilt, s. o. S. 98. Und wie
bei den Litauern ist es auch anderswo gewesen, überall muß eine Fülle
von Ausdrücken vorausgesetzt werden.
Ich verzeichne zunächst die einheimischen Ausdrücke .-i)
blank, ahd. blank, e. blank zu blinken. — blaß, ahd. blas 'weiß, weißlich', eig.
wohl 'leuchtend' zu e. blaze 'brennende Fackel'. — blau, ahd. bUw, bläwer, e. blue (aus
frz. bleu) nicht zu latflävus 'gelb' wegen der verschiedenen Bedeutung, sondern aus *mlewas
und zu gr. ni'/.ag {melas) 'schwarz', lit. melinas 'blau' zu stellen. Der Bedeutungsübergang
von blau zu sdiwarz und umgekehrt ist nicht selten. — bleidi, ahd. bleih, e. bleak. —
blond ist erst um 1650 aus dem Französischen entlehnt, hier aber ein Lehnwort aus dem
Germanischen. Das erschlossene urgerm. *blundaz hat einen Verwandten in aind. bradhndh 'röt-
') Vgl. hierzu auch E. Schwentner, Eine ' nischen Farbenbezeichnungen, Diss. Münster,
sprachgeschichtliche Untersuchung über den Göttingen 1915.
Gebrauch und die Bedeutung der altgerma- j
240 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
lieh, falb'. — braun, ahd. bnin, e. brown, wurzelverwandt mit lit. bcras, aind. babhriih 'rot-
braun'; genau entspricht gr.f/oryq (j^hrynoe) 'Kröte'. Stammverwandt ist auch Bär, ahd.
ygro. — fahl unA falb, ahd. falo; c. fallow zu \at pailidiis aus *palvidus, gx.:iioXiög
(poliös) 'grau', abg. plavii 'weiß'. — Fe he 'sibirisches Eichhörnchen', mhd. vfdi 'buntes
Pelzwerk', ahd. f eh 'bunt', got. -faihs zu gr. . 1:01x1X0^ ipoikilos) 'bunt'. — gelb und gehl,
ahd. gelo, gelwes, t. yellow zu \allielviis. — grau, ahd. gräo, gräwfr, e. grey, gray zu
\a{.rävus aus *hr(ivus 'grau, graugelb'. — greis, mhd. gris, asächs. ^ris; vielleicht zu
grau, Ah\aul grc : gri. — griln, ahd. gruoni, t. green, gewöhnlich zu ahd. gruoen 'grünen',
t.grow gestellt. — ahd. hasan 'grau', vielleicht in Hase 'der graue' vorliegend, zu \alcunus
aus *casnus 'grau, aschgrau', osk. casnar 'senex' und vielleicht auch in gr. ^urDo: {xanthös)
'blond'. — rot, ahd. rät, e. red, got. raups zu gr. tin-Dooi {erythros), lat. ruber. Ursprüng-
lich wohl vom Blut gesagt. — sdiwarz, ahd. swarz 'dunkelfarbig, schwarz', e.swarthy, got.
swarts zu lat. suäsum aus *suarssom 'rußigbrauner Fleck' und sordes 'Schmutz'. — weiß,
ahd. hwti, e. white, got. heits aus *hwitno zu aind. nvitnah 'weiß', daneben svi'tdh, svitrdli und
vielleicht lat. vitrum 'Glas'.
Außerdem gibt es in alter Zeit noch eine ganze Reihe andrer Farben-
bezeichnungen. Entlehnungen auf diesem Gebiet bringt im allgemeinen
erst die Neuzeit, indem meist die Namen bestimmter Gegenstände mit aus-
gesprochener Farbe zur Farbenbezeichnung werden:
brünett, 17. Jh., frz. brunet. — bunt, mhd. bunt, lat. punctus. — karmesin 'hoch-
rot', 1478, ital. carmesino. — karm in ,1717, frz. carmin, beide von Kermes, ai. kfmili 'Wurm'. —
klar, mhd. klär, lat. clärus. — lila, 1791, frz. lilas 'Flieder'. — orange, 1777, eig.
'orangenfarbig'. — purpurn, ahd. purpurin zu Purpur, got. paürpura aus gr.-ht. Pur-
pura. — rosa, 1801, mhd. rösenvarwe. — rosinfarb 'scharlachrot', mhd. rüsinvar zu
Rose, aber frühzeitig auf Rosine bezogen. — ultramarin, von jenseit des Meeres, aus
dem Lasurstein gewonnen. — violett, 1703, frz. violet, also 'veilchenfarbig'. — Merk-
würdig ist die Entwicklung von blümerant, hz. bleumourant, von Zesen mit sterbeblau
verdeutscht. Jetzt nur so viel wie 'schwindlig'.
Der Allgemeinbegriff Farbe ist erst althochdeutsch, farawa, gebildet
von einem Adjektivum, ahd. faro. Es hängt dies mit der späten Ausbildung
der Allgemeinbegriffe zusammen, die wir wiederholt berührt haben.
§ 149. Mängel der Körperbeschaffenheit. Es muß natürlich für die Mängel
an den Gliedern und den Sinnen mannigfache Ausdrücke schon in den
ältesten Zeiten gegeben haben. Aber wir finden auf diesem Gebiet nicht
allzuviel altes Erbgut, offenbar, weil hier die Verhüllung eine große Rolle
spielt. Die alten Wörter bekommen einen harten Klang, und man drückt
daher die Sache durch ein neues Wort aus. hifolgedessen ist der Herkunft
derartiger Worte schwer nachzukommen, und es kommen ganz merkwürdige
Bedeutungsübergänge vor, über die wir jetzt durch eine besondere Arbeit
gut unterrichtet sind.i)
sdieel, sdiiel, ahd. skelah : gr. oy.aXrjvös (skaltenös) 'hinkend, bucklig', lat scelus
'Verbrechen'. — blind, ahd. blint, e. blind zu got. blandan 'mischen, trüben', lit. blista 'es
wird dunkel'. Got. heißt es haihs 'einäugig' = lat. caecus 'blind'. — taub, ahd. toub auch
'stumpfsinnig, närrisch, toll', e. deaf, got. daufs 'verstockt' : gr. ti'9;-16,- {typhlös) 'blind'. —
dumm, ahd. tumb 'stumm, taub, stumpfsinnig', e. dumb, got. dumbs 'stumm'. Vielleicht zu
^) Jakob Oeler, Die Ausdrücke für die körperlichen Gebrechen in den idg. Sprachen,
Diss. Marburg 1916.
§ 150. Geschmack. § 151. Moralische und geistige Eigenschaften. 241
Dampf. Die älteste Bedeutung wäre 'betäubt'. Vgl. Oeler S. 48. — stumm, shA. stum.
Wohl zu stammeln, ahd. stamal 'stammelnd'. — stottern : stoßen. — lahm, ahd. lam
'gliederschwach, lahm', e. lame. Dazu mit Ablaut ahd. luomi, jetzt liinim, wovon Lümmel,
nd. lummel. Zu abg. Zorn/// 'brechen'. — d. sehe mp ein, e. shamble zu gr. ay.a/ißö; {skam-
bös) 'krummbeinig'. — hinken : gr. axdCco (skäzö), ai. khav ja- 'hinkend'. — Krüppel,
nd. Kröpel, e. cripple : gr. ygvjiög (grypös) 'gekrümmt'; dazu auch wohl Kropf. — Hammel,
eig. 'verstümmelt', ahd. hammer 'verstümmelt, gebrechlich'.
§ 150. Geschmack.
süß, ahd. 5«03/, e. sweet, got suis zu gr. Tjdvg (hwdys), \a\. suä(d)uis. — bitter,
ahd. bittar, e. bitter, gotisch mit Ablaut baitrs; zu beißen, ist aber eine alte Bildung wegen
des Ablautes und wegen des Suffixes. — sauer, ahd. sär, e. sour zu abg. syrü 'roh', lit.
stiras 'salzig'. — herb, mhd. here, herwer.
§ 151. Moralische und geistige Eigenschaften. Eine wirklich ausreichende
Darstellung der Ausdrücke für die moralischen und geistigen Eigenschaften
erforderte eine eingehende Untersuchung, die nur in größerm Rahmen mit
Heranziehung der Gleiches bedeutenden Wörter der verwandten Sprachen
geführt werden könnte. Außerdem müßte bei jedem Wort die Entwicklungs-
geschichte gegeben werden.
Vgl. dazu Franz Schmidt, Zur Geschichte des Wortes 'gut'; ein Beitrag zur Woft-
geschichte der sittlichen Begriffe im Deutschen, Berlin 1898; Fr. Vogt, Der Bedeutungs-
wandel des Wortes „edel". Rektoratsrede, Marburg 1909.
gut, ahd. guot, e. good, got. göps 'gut, tüchtig, schön'. Ein altes Wort, das ursprüng-
lich 'passend' bedeutet und zu got. gadiliggs 'Verwandter', e. together 'zusammen', abg.
goditi 'genehm sein', godä 'passende Zeit' gehört. Der alte Sinn läßt sich bis in das mittel-
hochdeutsche Volksepos verfolgen. — Der Gegensatz zu gut ist ursprünglich übel, ahd.
ubil 'schlecht, böse', e. evtl, got. ubils 'schlecht'; nicht erklärt. — böse, tritt erst spätalt-
hochdeutsch als bösi auf. Den jetzigen Sinn bekommt es eigentlich erst im Mittelhoch-
deutschen. Es gehört zu e. to boast 'prahlen', norw. baus 'hitzig, heftig, übermütig'; vgl.
auch ahd. bösa 'Possen'. — sdilecht, ahd. sieht bedeutet 'gerade, glatt', got. slaihts 'eben,
gerade', e. slight 'gering'. Die heute überwiegende Bedeutung ist erst neuhochdeutsch,
ausgegangen wohl von der sozialen Gliederung der Stände: sdiledite Leute sind zunächst
'einfache, geringe Leute'; dieselbe Anschauung kommt auch in Worten wie gemein, ge-
wöhnlidi zum Ausdruck. — edel, ahd. edili, von Adel abgeleitet. Ähnlich hat sich
hübsdi entwickelt, mhd. hübesdi von hof, dem frz. courtois entsprechend. Noch heute
bedeutet es in Leipzig 'fein, angenehm, artig' von Menschen. Für die Bedeutung 'pulcher'
vgl. Ausdrücke wie edle Züge. — bieder, erst im 18. Jh. wieder aufgekommen, ahd. biderbi
von Sachen 'nütze'; allmählich auf Personen beschränkt. — fromm, im 12. Jh. /rum,
eig. 'vorwärts gehend' zu ahd. /rawm 'Nutzen, Förderung'; unsere jetzige Bedeutung haupt-
sächlich durch Luther. — tapfer, ahd. Zö;?/«/- 'gewichtig' zu abg. dobrä 'schön, gut'. Das
Germanische hat wohl die Grundbedeutung. Die jetzige Bedeutung erst spätmittelhoch-
deutsch. — kühn, ahd. kuoni 'kühn, kampflustig, stark', ags. cene 'kühn, weise', e. keen
'scharf, anord. kmin 'weise, erfahren', zweifellos zu idi kann 'ich weiß', also eig. 'erfahren',
zu ergänzen 'im Kampf ; vgl. lat. ignävus zu (g)nösco. Ein anderes Wort für diesen Be-
griff steckt in bald, ahd. bald 'kühn, tapfer', e. bold, got. balpaba 'kühn, dreist'; verwandt
mit lit. bältas 'weiß'; die Bedeutungsentwicklung wäre 'hell, licht, kühn, schnell'. Ebenso
hat sich sdinell entwickelt, ahd. 5/2^// 'tatkräftig, tapfer, schnell'; Ursprung dunkel. —
dreist, asächs. thristi 'zuversichtlich'; Herkunft unbekannt. Zu lat. tristisl Vgl. dazu an.
dappr 'traurig': d. tapfer. — feige, mhd.veige, asächs. fegi, t. fey bedeuten 'vom Ver-
hängnis zum Tode, zum Unglück bestimmt'. Die jetzige Bedeutung erst spät. Ein älteres
Wort dafür ist arg, ahd. arg 'nichtswürdig, geizig, feige', wohl zu lit. rägana 'Hexe'. — -
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 16
242 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
frevel, ahd. fravali zu anord. afl 'Kr;ift, Stärke', also 'sehr stark'. — klug, mlid. kluoc
'fein, zierlich, scliniuck, nett, gcislij,' fein', ndl. k/oek 'tapfer, kliiy'. Das Wort ist mittel-
deutsch, die Mundarten zeigen mannigfach verschiedene Bedeutung. Das Wort wird zu
gr. y/M^fs (glökhes) 'Hecheln der Ähren', ylotyig (glükhis) 'Spitze' gehören. Das ältere Wort
ist weise, ahd. wis, e. wise, got. -weis, Partizip zu wissen. — Für den gegenteiligen Be-
griff dumm kommen immer neue Ausdrücke auf; dumm siehe oben; gotisch bedeutet es
'taub'. Ein anderes Wort steckt in Tor, mlid. löre 'Irrsinniger, Narr', zusammenhängend
mit ahd. tusig 'töricht', e. dizzy 'schwindelicht, töricht', ndd. duselig, Dusel 'üeistesbetäu-
bung'; ursprüngliche Bedeutung also 'betäubt'. Sonst sagen wir beschränkt, einfältig,
albern, ahd. älawäri ist 'ganz wahr, gütig, freundlich, wahrhaftig'.
Anhangsweise seien noch die hierher gehörigen Substantiva besprochen: Mut, ahd.
muot 'Sinn, Geist, Gemüt, Mut', e. moorf 'Laune, Stimmung', goi. möds 'Zo:n\ — Furdit,
ahd. forfit a, abgeleitet von dem Adjcktivum ahd. forht, go\. faiirhts 'furchtsam'. — Angst,
ahd. angust zu lat. angustia 'Enge'; Ableitung von enge. — Zorn, ahd. zorn zu ai. vidtrnäh
'geborsten, gespalten'. — Trauer siehe unten.
Ausdrücke für wahr und falsch sollten eigentlich uralt sein. Wenn sie es trotzdem
nicht sind, so hat das seinen Grund wieder im Euphemismus.
wahr, ahd. war, wäri zu \a\.V(-rus, au.fir 'wahr'. Wahrscheinlich zur Wurzel wes
'sein' und aus *wesro oder *wPsro entstanden, wie e. sooth 'Wahrheit', ags. söd aus *sanp
eigentlich das Partizip Präsens zum Stamm *es- 'sein' ist, genau entsprechend lat. (jn)-söns. —
Lüge, ahd. lugin zu lügen, ahd. liogan; dazu e. lie, got. liugn 'Lüge'; verwandt mit abg.
lügati 'lügen', li'<:a 'Lüge'. — trügen, ahd. triogan; dazu ir. rfroc^ 'schlecht', kymi. d/-wg
'schlecht', aind. driihjati 'sucht zu schaden', awest. draog-, apers. draug- 'lügen, trügen'. —
Sitte, ahd. situ, got. 5/rf«5 'Sitte'; dazu gr. eiJos (ethos) 'Gewohnheit, Sitte', lat. södälis
'Gefährte', aind. svadhä 'Eigenart, Eigenheit, Gewohnheit'. — falsch, mhd. vals, valsdi,
entlehnt aus lat. /fl/5«s unter Einwirkung von /ö/^o'z^n, ahd. felsken, falskün, \. falsificäre.
§ 152. Sonstige Eigenschaften. Im folgenden vereinigen wir, was uns sonst
von den Eigenschaftswörtern wichtig erscheint. Dabei ist ein Gesichtspunkt
besonders beachtenswert. Eine Reihe von Adjektiven drücken ganz not-
wendige Begriffe aus, die in jeder Sprache unbedingt vorhanden sein müssen.
Trotzdem lassen sich bei weitem nicht alle Ausdrücke bis in das Indo-
germanische zurückverfolgen. Weiter lösen neue Ausdrücke alte ab, und
es finden sich sogar für ganz gewöhnliche Begriffe Entlehnungen. Alles
das ist nur mit der Annahme zu erklären, daß auch auf diesem Gebiet in
älterer Zeit eine größere Fülle von Ausdrücken, eine feinere Unterscheidung
durch besondere Worte vorhanden war, von denen eine Anzahl verloren
gegangen sind. Gegen Schlüsse aus dem Fehlen von Worten in den ver-
wandten Sprachen werden aber diese Zusammenstellungen besonders miß-
trauisch machen. Was die größere Fülle der Ausdrücke betrifft, so kann
man schon manches erkennen, wenn man die Ausdrücke für die Gegen-
sätze in Betracht zieht. Wir besitzen zu alt die Gegensätze jung und neu,
und daraus erhellen ohne weiteres die verschiedenen Begriffe, die in dem
Worte alt stecken. Bei der Übersetzung in fremde Sprachen kommt der ver-
schiedene Bedeutungsinhalt der deutschen Worte auch oft zum Vorschein.
L INDOGERMANISCHE BESTANDTEILE.
alt, ahd. alt, e. old, got. alpeis, Partizip zu got. alan 'wachsen', lat. alere 'nähren',
eigentlich also wohl 'herangewachsen'. Der Form nach entspricht genau lat. altus. Dies
§ 152. Sonstige Eigenschaften. 243
Wort ist wahrscheinlich ein Euphemismus, der andere Wörter verdrängt hat. Der Stamm
von lat. senex liegt noch im Gotischen vor als sinista 'ältester', sineigs 'alt, betagt', bei
uns noch in dem aus dem Französischen aufgenommenen Sene schal, das einem germ.
*sini-skalks 'alter Knecht' entstammt. — didit, mhd. dihte, e. tight, lit. tänkus 'dicht'. —
dick, ahd. rfiM/ 'dick, dicht', e. thidi zu air. tiiig 'dick' aus *tigu. — dünn, ahd. diinni, e.
thin, lat. tenuis, gr. ra»'«(v {tanaös) zu dehnen. — ^-n^^^, ahd. engi, got. aggwus, ai. o/züA,
lat. angustus. —fest, ahd. festi, e.fast, arm. /zrt5/. —finster, ahd. dinstar, lat. tenebrae. —
frei, ahd./rt, e.//-^^, ai.prijäh 'lieb, wert'; aber die Bedeutungsentwicklung ist schwierig. —
garstig, mhd. garst(ic) 'ranzig\ lit. ^/"rtsüs 'ekelhaft'. — ^e//, ahd. ^^/7 'übermütig, üppig',
got. ^fli/yfl« 'erfreuen', lit. ^a//«5 'jähzornig, scharf. — gemein, ahd. gimeini, e. mean,
got. gamains, lat. communis. — gering, ahd. n«^/ 'leicht', gr. oi\ucfa {rhimpha) 'leicht,
schnell'. — geschwind, mhd. swinde, got. swinps 'stark', lit. sventas, abg. spe^«, aw. spanta
'heilig'. — g^/fl^^, ahd. g/a^, e. glad, lat. g/aber. — hart, ahd. hart, harti, herti, t.hard,
got. hardus 'hart, streng*, gr. ^igarvg (kraty;); eine Ableitung davon ist harsch, e. harsh
'hart, rauh, streng'.'' — hehr, ahd. her, c. hoar 'grau', ahg. sen'o 'glaucus'. — hodi, ahd.
höh, e. high, got. haiihs, ht. kaükas 'Beule'. — jung, ahd. Jung, e. young, got. Juggs aus
*juwungas = lat. iiivencus 'Jüngling', a\. jiwasäh 'jung'. — kedi = queck, s. d. — kalt,
ahd. kalt, e. co/rf, got. kalds, lat. gelidus. — klein, ahd. kleini 'zierlich, glänzend, sauber,
rein, fein', e. clean 'rtin' ; daneben eine Ablautsform mit 7, alem. klm. Wenn die ursprüng-
liche Bedeutung 'glänzend' war, so vergleicht sich abg. glenü 'Schleim', glina 'Ton'. —
lang, ahd. lang, e. long, got. laggs, lat. longiis. — laß, ahd. la^ 'träge', got. lats, lat.
lassus. Dazu letzt. — laut, ahd.(h)lat, e. loud, gr. «/auröc {klautös) 'beweint'. — leidit,
ahd. /i/?^/, e. light, got. /^//z^5, lit. lengvas 'leicht', gr. llay^vq (elakhys) 'klein, gering'. —
lungern vom Adj. ahd. lungar 'rasch, munter', gr. uacpgo? {elaphrös). — mager, ahd.
magar, lat. macer, g;. /aaxoog (makrös), — mohl, moll, lat. mollis, ai. mrdäh 'weich'. —
mürbe, ahd. muruw.i, air. //z^/rft 'weich'; dazu, morsch, nd. mursch. — müde, ahd. muodi,
'vielltich{ zu gT. y.firjiö? (kmcetös). — neu, ahd. niuwi, t. new, got. niujis zu lat. novus,
gT.vsog {neos). — queck, ahd. quek, e. quick, got. qius, lat. vjvus. — rauh, ahd. ruh, e.
rough, ai. rükk'di 'rauh, trocken, mager'. — schier, ahd. skiero, e. sheer, shire, ir. c^r 'rein'. —
schief, md. sc^z/V/, e. sÄ^tiy, vielleicht zu lat. scaevus. — schitter, ahd. sketar, ai. chidrdh
'durchlöchert'. — schmal, ahd. smo/ 'klein, gering, schlank, knapp, schmal', c. small, got.
s/wfl/s 'klein' zu ahg. mala 'klein', gr. //>;Aa (mcela) 'Kleinvieh'. — sdiön, ahd. sköni, e.
sheen, got. skauns, axx.cuan 'schön, angenehm', lit. .?aM««5 'tüchtig, gut'. — schwanger,
ahd. swangar, lit. sunkiis 'schwer'. — schwer, ahd. swäri,' got. ^o/^'a-s 'geehrt' zu lit. svarüs
'schwer'. Siebs hat unter Annahme eines Präfixes 5 und Ausfall eines g (Grundform *sgwerus)
gr. ßagvg (barys), lat. gravis mit unserm Wort vereinigt, was nicht wahrscheinlich ist. —
stark, ahd. stark, e. stark zu nptrs. suturg aus *strga- 'stark'. — starr, erst neuhoch-
deutsch, aus dem Niederdeutschen, zu gr. ozegsög (stereös) 'hart', lit. störas 'dick', abg.
staru'alt\ — steif, mhd. 5/7/, e. stiff, eigentlich mittel- und niederdeutsch; zu lat. stipes
'Stamm, Stock, Pfahl, Stange", lit. stiprüs 'stark, kräftig'. — tief, ahd. tiof, e. deep, got.
diups zu lit. dubüs 'tief, hohl', vgl. Tobel. — toll, mhd. toi, e. dall, got. dwals, air. dall
'blind'. — voll, ahd. /o/, got fulls, e. füll aus *fulnaz zu ai. pur nah, ahg.plüml, serb.
/7Ört, lit. pilnas, altir. /ä/z, mit Ablaut lat. /7/e«H5, Partizipialbildung zu lat. -pleo, gr.jii'uTtXtjini
(pimplöjmi) 'fülle'. — wahn 'leer', ahd. t£;a/z, got. wans 'mangelnd', lat. vänus. — weit,
ahd. wit, e. wide zu aind. z;7/ä/i 'gerade, geradlinig, nicht krumm'. — wild, ahd. wildi,
t.wild, got. wilpeis ; vielleicht zu ai. t;/-t/zä 'nach Belieben'. — zart, ahd. zart, aw. a-äs rata
'nicht achtend'.
II. GERMANISCHE BESTANDTEILE.
barsdi, nd., wohl mit Borsten, Bürste zusammenhängend. — blöde, ahd. blödi,
got. *blaupus. — bloß, ahd. blas 'stolz', vielleicht zu blutt. — breit, ahd. breit, e. broad,
got. braips. — butt 'stumpf, nd., wohl zu e. beut 'schlagen' (abgeschlagen). — derb, ahd.
derb 'ungesäuert'. — drall, nd., zu drillen. — dumpf, aus dumpfig, ndl. dompig zu
16*
244 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes,
mh6. dumpfe 'Dampf. — dunkel, ahd. tunkal. — dürr, ahd. durri, got. paursus zu
dorren. — eben, alid. eban, e. ez'en, got. ibns. — eitel, ahd. ital 'leer, ledig, nichtig,
rein', e. idle. — ekel, mhd. erklidi 'leidig, zuwider', c. irk 'verdrießlich'. — emsig, ahd.
emiyi'tg. — feist, ahd. fei^it, e. fat, nd. fett. Wohl zu gr.niöreir {pidyt-n) 'aufquellen'. —
feudit, ahd. /«//// zu e. /o^ 'dicker Nebel'. — fremd, ahd. framidi, gol. fromaps. —
ganz, ahd. ganz. — geheuer, ahd. hiuri in unhiuri 'grausig, entsetzlich', verwandt mit
ai. spvah 'vertraut, lieb'. — gelt 'keine Milch gebend', ahd. galt, nordengl. ;o^/rf. — genau,
mhd. genouwe. — genug, ahd. ginuog, e. enough zu got. ganah "es genügt'. — gerade,
ahd. giradi, zsg. mit ahd. firat 'geschwind, schnell'. — gern, ahd. gern, got faihugairns
zu begehren. — gescheit, mhd. gesdiide zu sdieiden. — glau, ndd., ahd. glou, got.
glaggwö 'genau, sorgfältig'. — glum 'trübe', c. glum 'finster, mürrisch'. — gram, ahd,
gram im Ablaut zu grimm, ahd. grimmii). — graß, ahd. gra^^tO 'iicftig'. — grell, mhd.
grel 'zornig schreiend'. — groß, ahd. grö^, c. great; Herkunft unklar; ein nur west-
germanisches Wort, das das ältere got. mikils, ahd. mihhil = gr. iisyalo- {megalo-) ver-
drängt hat. Trotzdem kann es alt sein. Vielleicht zu anord, grautr 'Grütze', eig. 'grob-
körnig'. — halb, ahd. halb, e. half, got. halbs. — heftig, ahd. heiftig zu got. haifsts
'Streit'. — heikel neben ekel und mit diesem unlösbar vermischt. — hell, ahd. -hei
'tönend' zu Hall. — hellig 'abgemattet', mhd. /z^/ 'dürftig'. — hold, ahd. hold. got. hulps
'gnädig', eig. 'geneigt', zu Halde. — irre, ahd. irri, got. airzeis. — jadi, jäh, ahd. gnhi. —
karg, ahd. karag 'traurig', e. (/mr^ 'vorsichtig' von ahd. ^ora 'Trauer' {Karfreitag). —
kaum, ahd. kümo zu ahd. küman 'beklagen', gr. yoäeiv {goäin) 'jammern'. — keusdi, ahd.
küskfi). — kirre, got. qairrus 'sanftmütig'. — krumm, ahd. krumb, e. crunip zu Krampf. —
kühl, ahd. kuoli, e. cool zu kalt. — ledi. ledi, nd. Icdi, ags. hlec. — ledig, mhd. ledic. —
leer, ahd. läri, e. dial. leer 'leer, leeren Magens, hungrig'. Verwandte sind noch nicht ge-
funden, doch ist das Wort seiner Bildung nach alt. Falls r auf 5 zurückgeht, vielleicht zu
lesen 'sammeln'. Ein Feld, das gelesen ist, ist leer. — lodter von älterm ludi. •— los,
ahd lös, got. laus zu verlieren, lat. solvo. — lose, los, ahd. lös zu got. Huts 'heuchlerisch'. —
nahe, ahd. näh. e. nigh, got. nclv(a). — naß, ahd. «05, got. in natjan 'netzen'. —
offen, ahd. off an, e. open. — reif, ahd. rifi, t. ripe. — sdial, mhd. sdial 'trübe, un-
klar', — sdiarf, ahd. skarpf, e. sharp zu sdiürfen. — sdilank, md. slank, zu sdilingen. —
sdilau, nd. sla. — s dm öde, mhd. sncede, anord. snaudr 'entblößt, arm, 'dürftig'. —
sdirill, nd. sdirell, e. shrill. — sdiroff, erst nhd., zu mhd. sdirof(fe) 'Steinwand'. —
sdiwadi, mhd. swadi. — sdiwül, spätmhd. swildi zu sdiwelen. — seidit, mhd,
siht(e) z\i seihen — spitz, ahd. spiz(z)i zw Spieß. — spröde, 1523 spröde 'dürftig,
schwach'. — stat, ahd. stüti z\i stehen. — steil, ahd. Steigal zu steigen. — stidtel
'steil', ahd. stekkal zu bayax. Stidi 'steile Anhöhe'. — stief, ahd. stiuf-, e. step-. — still,
ahd. stilli, ai. sthänii'i 'stehend, unbeweglich'. — straff, mhd. straf 'streng, hart'. —
stramm, mnd. stramm. — streng, ahd. strengt, e. strong zu lett. stringt 'stramm werden'. —
stampf, ahd. stumpf . — teuer, ahd. tiuri, e. dear. — träge, ahd. trägt zu got trigö
Trauer'. — üppig, ahd. ubbJg 'leer, eitel'. — weidi, ahd, weih, e. weak zu weidien, ahd.
wlhan, ai. vijütt 'zittert'. — wenig, ahd. wenag 'bejammernswert, unglücklich'; wohl zu
weinen unter Einwirkung von weh. — zahm, ahd. zam, e. tame; zu lat. domäre.
Betrachtet man diese Listen, so fällt dabei mancherlei auf. Zunächst,
daß der eine Ausdruck indogermanisch ist, der andere für das Gegenteil
nicht. Wenn voll bis in die indogermanische Grundsprache zurückreicht,
warum dann nicht leer} wenn lang alt ist, warum dann nicht kurz"? Und
so stehen sich noch gegenüber dünn und dick, schmal und breit, hart und
weich, leicht und schwer usw,, von denen immer der erste Ausdruck uralt
ist, der zweite nur germanisch. Diese Erscheinung braucht uns nicht weiter
zu beunruhigen, sie zeigt uns nur, wie sehr wir mit dem Verlust von Wörtern
§ 153. Die Verben. ÄLLCEiMEiNES. 245
zu rechnen haben, und daß es uns nie gelingen wird, den alten Wortschatz
jemals völlig zu erschließen.
Der zweite Punkt, der sehr beachtenswert ist, ist der häufige Bedeutungs-
wandel, der sich bei den Adjektiven findet, und der so stark ist, daß man
manchmal an der Einheit der verglichenen Worte zweifeln möchte. Aber der
Zweifel ist meistens unberechtigt, da die Endbedeutungen zwar auseinander-
liegen, aber durch eineReihefestzustellenderZwischengliederzu verbinden sind.
III. DIE ENTLEHNUNGEN.
Da es doch bemerkenswert ist, wie es mit den Entlehnungen auf
diesem Gebiet steht, so stelle ich hier das Wichtigste zusammen:
a) Althochdeutsch: kahl, lat. calvus7 oder verwandt mit ahg. gotü. — mager,
lat. macer oder urverwandt. — sauber, lat. söbrius. — sidier, lat. sPcürus. — nüchtern,
lat. nocturnus. — bunt, falsch, klar, kurz.
b) Mittelhochdeutsch: blond, fein, hurtig, matt, pomadig, quitt, rund,
scheckigt, simpel.
Das sind sehr wenig. Eine verhältnismäßig große Anzahl kommt in
der Neuzeit:
brav (17. Jh.), frz. brave. — brüsk (1728), frz. brusque. — egal (1694), frz. egal. —
elegant {y^.Va), ixz. elegant. — fade (um 1700), hz. fade. — famos (16. Jh.), lat.
fämösus. — firm (1727), lat. firmus. — frequent (18. Jh.), lat frequens. — frivol
(1686), iiz. frivole. — frugal {IS. ih.), hz. frugal. — fulminant (1813), hz. fulminant. —
honett (1714), frz. honnete. — just (16. Jh.), laX.jüste. — kokett (17. Jh.), frz. coquet. —
mokant {IS. ]\\.),hz. moquant. — naiv (1711), hz. naif. — nobel (17. Jh.), hz. noble.—
perfid {1795), hz. perfide. — pikant (U. ih.), hz.piquant. — platt (1616), von hz.plat
'eben'. — prompt (1716), frz. prompt. — proper (17. Jh.), frz. propre. — prüde
(19. Jh.), hz.prude. — raffiniert (1703), hz.raffine. — rar (16. Jh.), laträrus. — resolut
(17. Jh.), laX. re solutus. — robust {XS.ih), lat röbustus. — sdiarmant {17. Jh.), hz. diar-
mant. — simpel (15. Jh.), lat. simplus. — spinös, lat. spinösus. — vag (18. Jh.), lat. vagus.
Dies ist nur eine beschränkte Auswahl. Die große Masse kommt jeden-
falls im 17. Jahrhundert mit der Alamodezeit und bleibt in der Sprechweise
der Obern Gesellschaftsschichten haften. Ohne eine eingehende Unter-
suchung ist aber auf diesem Gebiet nicht zur Klarheit zu kommen.
§ 153. Die Verben. Allgemeines. Neben Substantiven und Adjektiven steht
noch die große Zahl der Verben. Wir haben zwar einige schon gelegent-
lich besprochen, aber der größte Teil ist noch übrig. Auch hier kann es
sich nicht darum handeln, alles vorzuführen, wohl aber wird es nützlich
sein, wenigstens einige Begriffskategorien ausführlicher zu erörtern. Be-
kanntlich zerfallen unsere Verben in starke und schwache. Die letztern sind
meistens abgeleitet, und es müßte also bei ihnen das Grundwort voran-
gestellt werden, doch läßt sich das nicht glatt durchführen. Hier liegen
natürlich auch viele junge Bildungen vor. Die Hauptmasse der starken Verben
dagegen stammt aus der indogermanischen Grundsprache. Wenn wir für
manche noch keine Verwandte in den nichtgermanischen Sprachen antreffen,
so beruht das auf der Fülle synonymer Ausdrücke. Selbst unsre jetzige
Sprache verfügt bei manchen Kategorien über eine geradezu erstaunliche
246 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
■
Menge von Synonymen. Auf diesem Gebiete zeigt sich gleichfalls die öfter
erwähnte Entwicklung der Sprache in der Schaffung allgemeinerer Bezeich-
nungen, die in vielen Fällen durch Adverbia näher bestimmt werden. Die
älteste Bedeutung der Verben zu ermitteln, ist sehr viel schwieriger als die
der Substantiva und Adjcktiva, da sich die Bedeutungen der Verben sehr
viel leichter wandeln. So finden wir denn oft in den verwandten Sprachen
sehr weit auseinandergehende Bedeutungen, und unsere Etymologen er-
schließen daraus einen möglichst allgemeinen Sinn, in Wirklichkeit wird
der Sinn recht konkret gewesen und nach verschiedenen Seiten abgewichen
sein. Weiteres siehe unter Bedeutungswandlung. Das Verbum ist bekannt-
lich in vielen Sprachen nicht vorhanden, und auch für das Indogermanische
ist es wahrscheinlich, daß sich der Verbalbegriff aus dem Substantivbegriff
entwickelt hat. Aber für die geschichtlichen Zeiten kommt dieser Umstand
nicht in Betracht. In ihnen ist das Verbum völlig ausgebildet.
§ 154. Die fünf Sinne.
Literatur: J. Gri.mm, Die fünf Sinne; Kl. Sehr. 7, 193 ff. — Fr. Bechtel, Über die
Bezeichnungen der sinnlichen Wahrnehmungen in den indogermanischen Sprachen, Weimar
1879. — A. Rittershaus, Die Ausdrücke für Gesichtsempfindungen in den altgermanischen
Dialekten; ein Beitrag zur Bedeutungsgeschichte I; Zürich 1899.
Die Bezeichnungen für die sinnlichen Wahrnehmungen zu untersuchen,
ist, wenn auch schwierig, außerordentlich anziehend für den Sprachforscher.
Zunächst finden wir eine Fülle von Ausdrücken. Wir haben noch: blicken,
gucken, schlauen, spähen, lugen, sehen, wahrnehmen und vielleicht noch andere.
Außerdem gehen die Bezeichnungen des einen Sinnes leicht in den des andern
über, wie schon J. Grimm a. a. O. gezeigt hat. „Wenn das Sehen ein Hören,
das Hören ein Sehen, das Kiesen ein Wittern und Schmecken, das Riechen
ein Schmecken, das Fühlen ein Empfinden, das Greifen ein Begreifen wird
und die Ausdrücke wechseln, so ist den Dichtern von selbst das Recht ge-
geben, einen für den andern zu setzen." Grimm führt sehr lehrreiche Stellen
an. Bei Luther steht Exod. 20, 18 'und alles Volk sähe den Donner und Blitz
und den Ton der Posaune'; 1 Sam. 19, 20 'und sie sahen zween Chor Pro-
pheten weissagen'; Wieland 8, 183 'die Gesellen des Verwundeten, da sie den
Lärm sahen, hatten die Fludit genommen'. Außerdem gehen weiter die Be-
zeichnungen der sinnlichen Wahrnehmungen leicht in die der geistigen über:
icfi weiß ist eigentlich 'ich habe gesehen', lat. vidi, ich begreife ist auch
heute noch rein sinnlich verständlich. Ebenso Gesdimack u. a.
Was die Ausdrücke, die wir zu behandeln haben, ursprünglich bedeutet
haben, läßt sich zwar im einzelnen manchmal erklären, ein allgemeines
Grundgesetz der Entwicklung läßt sich aber nicht aufstellen.
Wir ordnen den Stoff nach den einzelnen Grundbegriffen.
sehen, das älteste und verbreitetste Wort im Germanischen, d\\A. sehan, goi.saifvan,
e. to See stimmt lautlich genau zu lat. seqiior, gr. trtfoOai (hepesthai) 'folgen', und man
hat daher tatsächlich die beiden Worte verbunden, indem man von der Bedeutung 'mit
den Augen folgen' ausging. Das ist aber infolge des Mangels aller Zwischenstufen sehr
§ 154. Die fünf Sinne. § 155. Geistige Wahrnehmung und Verwandtes. 247
unsicher und nicht wahrscheinlich. Daher hat man an anderes gedacht und das Wort mit
deutsch sagen, lat. inquam, gr. f'rvejie (ennepe) 'sag an' vereinigt. Aber auch die von
J. Grimm gegebene Zusammenstellung mit lat. scio 'in Erfahrung gebracht haben, wissen'
darf nach dem gleichen Bedeutungsübergang in d. wissen gegeriüber lat. vtdvre als durch-
aus möglich gelten. Schließlich habe ich es zu schauen gestellt, sehen ist ein idg. *sekw,
sdiauen ein idg. *skou. Die beiden Formen stehen also im Schwebeablaut zueinander. —
schauen, ahd. skouwön, e. to show zu gr. xoeco (koeß) 'merke', ßvooHÖo; {thyosköos)
'Opferschauer', lat. cavere 'sich hüten', zu sehen. — blicken, mhd. blicken 'Licht aus-
strahlen, leuchten, glänzen, blicken' mit ahd. blihhan 'leuchten' und Blitz zusammen-
hängend. — glupen 'von unten aufblicken', ndd.; unerklärt. — gucken ist spät belegt
und vielleicht ein Wort der Kindersprache. Damit steht wohl nd. kieken in irgendeinem
Zusammenhang. — lugen, ahd. luogen, e. to look; gehört zu gr. '/.Evaoio {leüssö) 'sehe'. —
spähen, ahd. spehön zu lat. specio, ai. spat 'Späher'. Aus dem Deutschen stammt ital.
spiare, frz. epier 'spähen', frz. espion. — wahrnehmen, gewahren, ahd. wara neman
'beachten, wahrnehmen' zu gr. ogäco {horäö). Auch warten, ahd. warten, e. ward ist dazu
zu stellen. — Der Stamm idg. vid- hat im Deutschen nur die Bedeutung 'wissen'. Für den
Begriff 'sehen' waren schon im Indogermanischen verschiedene Ausdrücke vorhanden, vgl.
das Paradigma gr. ogdw, mpouni, eldov {horäö, öpsomai, edon).
Für den zweiten Sinn, den des Gehörs, hat die Sprache eine geringere
Anzahl von Worten zur Verfügung.
hören, ahd. hören, e. to hear, got. hausjan entspricht gr. uxoveiv (akäen) aus *akous-,
das wahrscheinlich zusammengesetzt ist aus ak 'scharf und ous 'Ohr', also eigentlich 'ein
scharfes Ohr haben'. Abgeleitet davon ist horchen, spätahd. hörehhen, e. to hark. —
laustem 'das Ohr spitzen, scharf aufhorchen', xnhd. lästern, t. listen zu a\tm. losen,
ahd. (h)lostn, gr. y-liw {klyü). — lauschen dagegen, das man gern damit in Verbindung
bringt, bedeutet 'lauern', ahd. lösken 'verborgen sein' und gehört also wohl zu lauern
mhd. lüren, e. lower 'düster blicken'. Zu dem Stamme klu stellt sich noch Leumund, zweifel-
haft ob auch laut, ahd. hlat, e. loud, das eher zu gr. y.'/.aUo {klaiö) 'weine, schreie' gehört.
' Geruch und Geschmack sind bekanntlich auch physiologisch eng
verbunden, und das zeigt sich ebenfalls in der Sprache, indem die Ausdrücke
in ihrer Bedeutung ineinander übergehen.
riedien, ahd. riohhan 'rauchen, dampfen, duften', e. reek mit Rauch, ahd. rouh,
e. reek zusammenhängend und ursprünglich intransitiv. — wittern, mhd. witeren 'etwas
als Geruch in die Nase bekommen', zu Wetter, wie e. to wind 'wittern' zu Wind, also ein
Jagdausdruck. — schmedien, ahd. smt'tÄ^/z 'schmecken, Geschmack empfinden', mhd. auch
'riechen' (der sniac der bluomen), e. to smadi. Dazu lit. smagur'äT 'Leckerbissen'. Dazu
Gesdimack, e. smadi und wohl auch sdimaditen, ahd. gasmahtön 'schwach werden'. —
stinken, ahd. stinkan 'einen Geruch von sich geben', e. to stink wohl zu got. stigqan
'stoßen', ags. stincan 'stauben, sich erheben". — kiesen, ahd. kiosan 'prüfen, prüfend kosten,
schmeckend prüfen', e. to dioose 'wählen' zu gr. yeveiv (geüen), lalgustäre. Dazn küren, kosten.
Für den letzten Sinn haben wir gar keine alten Ausdrücke.
fühlen, ahd. fuolen, e. to feel. Wohl von demselben Stamm wie lat. palma, gr.
jinldnt] {paläm^) 'flaciie Hand', \gl. anoxd. falma 'unsicher tasten' und zu lat. palpäre.
Das Wort ist md., obd. dafür empfinden, ahd. intfindan, aus ent und finden. — spüren,
ahd. spurten, eig. 'auf der Spur (des Wildes) sein'. Also aus der Jägersprache. — merken ,
ahd. merken 'wahrnehmen, verstehen, merken', gehört zu Marke. Dies wird zwar erst im
17. Jh. aus frz. marque entlehnt, geht aber auf ahd. marka 'Bezeichnung, Aufschrift' zurück. —
asten, mhd. tasten aus afrz. taster.
§ 155. Geistige Wahrnehmung und Verwandtes.
Samuel Kroesch, The semasiological development of words for 'perceive, under-
248 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
stand, tliink, know' in the older gcrmanic dialects. Diss. Chicago 1911. Reprinted from
Modern Phil. Vlll Nr. 4.
Von den Ausdrücken für die geistige Wahrnehmung sind einige alt,
während andere erst in verhältnismäßig junger Zeit neu entstanden sind
und ihre Herkunft deutlich verraten; so einsehen bei Luther, aber schon
bei den Mystikern das Einsehen; begreifen, bei den Mystikern, ahd. bigr^fan
'fühlend betasten'; verstehen, ahd.//r5^7/z ist wohl 'um etwas herumstehen'.
Daneben ahd./AZ5/<7/2/''meig.'hineintreten',e. M/2 rf^rs/'a/7rf,eig.'dazwischentreten'.
denken, ahd. denken, e. to think, got. pagkjan; dazu mit Ablaut dünken, ahd.
dünken, e. to ihink, goi. piigkjan; ein verwandter Stamm in \aL tongire 'kennen', prä-
nestinisch tongitio 'Kenntnis', oskisch tanginud 'Meinung'. — kennen, ahd. kennen von
ahd. idi knn 'icli weiß'; dazu e. lo know, got. kan zu lat. nosco, gr. ytyviöaxc) (gignösko). —
meinen, ahd. m^/n«« 'meinen, denken, sagen, erklären', t. to mean; abg. m^/i/Y/ 'meinen'
ist vielleicht entlehnt. Hierher auch wohl gx. nerotväv {menoinän) 'im Sinne haben, ge-
denken'. — mahnen, ahd. manön, manen 'erinnern, ermahnen, auffordern', lat. monfre. —
erinnern, frühnhd., ahd. innarOn, hat andere Wörter verdrängt. — glauben, ahd. gi/ouben,
e. believe, goi. galaubj an; dazu got. ^^ö/ö/z/ä 'schätzbar, wertvoll'; so daß glauben wohl
bedeutet 'für wertvoll halten'. — wissen, ahd. mii^^an, weis, e. wo^, got. wait 'ich weiß',
gr. oi8a (oida), lat. vidi 'habe gesehen'. Dazu weise, ahd. wisfi), e. wise, got. unweis 'un-
wissend'. — sinnen, mhd. sinnen; ahd. sinnan 'reisen' kann zwar von demselben Stamm
herrühren, ist aber wohl nicht die Vorstufe des mhd. Wortes; sinnen läßt sich mit lat.
sentire verbinden. Besser aber Sinn, ahd. sin, sinnes zu gr. rovg {nüs) aus *snowos, während
Sinn auf *senwos zurückgeht.
§ 156. Der Wille.
begehren, ahd. gerön, dazu gern, zu gx. ymoeiv {khairen) 'sich freuen', umbrisch
heriest 'er wird begehren oder wollen", aind. härjati 'er hat gern, begehrt'. Dazu Gier,
ahd. giri und gern, ahd. gerno, goi. faihugairns 'habgierig'. — forsdien, ahd. forskön,
lat. poscere. — fragen, ahd. fragen, goi. fraihnan zu lat. precdri 'bitten', procus 'Freier'. —
heisdien, an heißen angelehnt, ahd. eiskön 'forschen, fragen, fordern', e. to ask, aind.
icchäti 'er sucht', lat. aeruscüre 'bitten'. — lodien, ahd. lodiön 'locken, anlocken, verlocken',
daneben Indien, ax\oxd. lokka 'locken', dazu lit. lugoti, \ttt. la'gt 'bitten'. — bitten, ahd.
bitten, e. to bid, got. bidjan, zu aind. bddhate 'drängt, bedrängt, verdrängt'. Dazu Bede
nd., ahd. beta 'Bitte'. — wollen, ahd. wellan, e. will, got. wiljan, lat. velle. Dazu
Wille, ahd. will(i)o, e. will, abg. volja. — wünsdien, ahd. wunsken, e. to wish, aind.
vävcchati 'wünscht'. Wunsdi, ahd. wunsk, ai.Vi03'Chä. — geizen, mhd. gitesen 'gierig,
habgierig sein', ags. gitsian 'begehen' zu ahd. gU 'Gier, Habgier, Heißhunger', got. gaidw
'Mangel', lit. geisti 'begehren', abg. zidati 'erwarten'.
§ 157. Gemütsbewegung und Verwandtes.
ladien, ahd. hlahhan, got. hlahjan, e. to laugh zu gr. x?.o)oaco {klösso) 'glucke'. Für
diesen Begriff gibt es noch eine Reihe meist dialektischer Ausdrücke, die zum Teil un-
aufgeklärt sind: ndd. sdi mieten, e. to smile zu aind. smäjato 'lächelt', gx.uEt-dä(o {meidäd); —
ndd. grinen, obd. greinen 'lachend oder weinend den Mund verziehen', e. to groan
'stöhnen, grinsen' zu aind. jihreti 'schämt sich"; eine Ableitung davon ist grinsen: —
sdimunzeln, niederdeutsch, ohd. sdimutzeln, mhd. s/wu/ze/z 'lächeln', mhd. s//zu2 'Kuß'.
weinen, ahd. weinön, ags. wänian, anord. veina, vielleicht Ableitung zu weh, got.
wai unter Einfluß eines verlorenen zu got. qainön geliörigen Wortes. Daneben stehen in
den Mundarten andere Ausdrücke: greinen, siehe oben, flennen, ahd. flannen 'das
Gesicht verziehen', kreisdien, sdireien, röhren, heulen, bei denen meist deutliche
Übertragungen vorliegen. Ein indogermanisches Wort fehlt also. Dagegen gibt es sogar
zwei Ausdrücke für Träne, das sicher alte Zähre, ahd. zahar, e. tear, got. tagr zu gr.
1
§ 156. Der Wille. § 157. Gemütsbewegung. § 158. Körperfunktionen. 249
Sdxov {däkry), lat. lacnima (aus *dacrumä), kymr. daigr, air. der und Träne, ahd. trahan,
dessen Herkunft dunkel ist. Man kann sich aber dem Eindruck nicht entziehen, daß germ.
*trahn-, idg. *drakn- aus *dakni umgestaltet ist. Eins damit ist Tran, mnd. trän. —
trauern, ahd. trüren, dazu ags. drtorig, e. dreary 'traurig'. Ahd. trüren bedeutet 'die Augen
niederschlagen'; daher vielleicht zu got. driusan 'fallen'. — freuen, Freude, ahd. frouwen,
frewida, Ableitungen von froh, ahd. frö, auch 'schnell', aiiord. frär 'hurtig, flink'. Dies
scheint die ursprüngliche Bedeutung zu sein, und man kann daher aind. prävate 'springt
auf, hüpft, eilt', praväh 'flatternd, schwebend, fliegend' vergleichen. Vergleiche auch froh-
lodien, mhd. vrölocken, bei dem der zweite Bestandteil zu unserm löken 'ausschlagen'
gehört. — hoffen. Die Worte für hoffen sind in ihrer Entwicklungsgeschichte sehr lehr-
reich, hoffen ist der jüngste der Ausdrücke. Es taucht erst im 13. Jahrhundert auf, steht
aber noch nicht bei den großen Dichtern. Es ist im wesentlichen niederdeutsch-englisch
und gehört zu hüpfen. Es bedeutet eigentlich 'aufspringen'; vergleiche den Ausdruck der
Jägersprache der Hirsdi verhofft 'sieht sich um, stutzt'. Aus einer solchen Grundbedeutung
läßt sich dann die von hoffen, zunächst 'erwarten', wohl erklären. Mittelhochdeutsch herrscht
für hoffen dingen, gedingen, ahd. dingen, das wohl zu Ding, dingen gehört, gedingen
würde heißen 'einen Vertrag festsetzen' und dann 'erwarten'. Eine etwas andere Bedeutungs-
nuance zeigt trauen, ahd. triam 'glauben, trauen', got. trauan 'vertrauen' zu Treue und
treu, die eigentlich 'fest' bedeuten. Verwandt sind apreuß. druwi(s) 'Glaube', druwit 'glauben'.
Dazu die Ableitung Trost, ahd. tröst, npers. durust 'hart, stark'. Wahn, ahd. wän, ur-
sprünglich ohne den ungünstigen Nebensinn, got. wens 'Hoffnung'. Man hat es zu lat.
venäri 'jagen' und zur Wurzel wen s. u. gestellt.
harren, mhd. harren., eigentlich mitteldeutsch. — beben, ahd. biben zu s.hg.bojqse/ich
fürchte mich'. — zittern, ahd. zittarön, anord. titra 'zwinkern', eigentlich ein redupli-
zierendes Verbum, könnte zu gr. djio-SidQäoasiv {apodidrdsken) 'fortlaufen' gehören. —
sdiänien, ahd. skamm, got. skaman. Dazu ahd. skama, e. shame 'Scham'. Man stellt dies
Wort zu got. hamün 'bedecken', ahd. hämo 'Gestalt'; got. skaman sik wäre 'sich bedecken'.
Mir nicht einleuchtend. Zu diesem Stamm gehört auch wohl Sdiande, ahd. skanta.
§ 158. Körperfunktionen und körperliche Zustände.
gähnen, ahd. ginen, ginön, gr. yaivEw {khainen), lat hiäre. Dazu auch Gienmusdiel.
— sdiwitzen, ahd. swizzen, aind. svidjati 'schwitzt', gr. I8ieiv (idien). Dazu Sdiweiß,
ahd. sweis, e. sweat, lat. südor. Da das Wort auch 'Blut' bedeutet, gehört sdiweißen dazu. —
fisten, lit. bezdii, gr. ßdsoj (bdeö), \a\. pedere. — farzen, ahd. f'erzan, e. to fart, gr. .Tt'o-
6eiv (perden), \\X. persti, mss. perdeti. — speien, ahd. spiwan, e. to spew, got speiwan,
lat spuere, gx.nzveiv {ptyen); spuafe^n ist erst neuhochdeutsch, lA^'Z.spudien. — sdilafen,
ahd. släf an, t. to sleep, got siepan zu lat läbi '■wanken, gleiten'. — wadien, ahd. wahhen,
e. to wake, to watdi, got. wakan 'wach sein, wachen' zu lat. vegere 'munter sein', aind.
kausat. w/jfrtya^/ 'treibt an'. — träumen, ahd. troumen von Traum, ahd. troum. e. dream.
Man stellt es zu trügen, ahd. triogan. Vgl. as. gidrog 'Erscheinung, Trugbild', anord.
draugr 'Gespenst'. — atmen, ahd. ätuniön von ahd. ätum, ädum 'Atem, Odem' zu aind.
ätmd 'Hauch, Atem, Geist'. — leben, ahd. leben, e. to live, got Hb an. Da anord. /7/a
'leben' und 'übrig sein' bedeutet, so kann man klar erkennen, wie das Wort zu seiner Be-
deutung gekommen ist. Es ist ausgegangen von Kämpfen, in denen wenige übrig bleiben.
Es gehört zu bleiben, ahd. bi-liban, das zu lit. lipti 'kleben, bleiben', gr. //.tos (lipos) 'Fett',
/.tjiaoös (liparös) 'fett, glänzend' gestellt wird. — sterben ist Euphemismus, siehe unten. —
dürsten, hungern, s. o. S. 224. — dulden, ahd. dulten von Geduld, das von einem
Verb stammt: ahd. dolen, got pulan, lat. tollere, tull, toleräre, gr. xXijvai (tlcenai). —
sdimerzen, ahd. smerzan, e. to smart, lat. mordere, gr. aueodvög (smerdnös), ouegöa/.iog
(smerdaleos) 'gräßlich'. — leiden, ahd. lldan. Ahd. iJdan, got. leipan bedeuten 'gehen'.
Daß die Worte zusammenhängen, ist unwahrscheinlich. Vielmehr gehört zum letzten leiden
in der Bedeutung 'geschehen lassen', während dem andern das Adjektivum /^/rf, ahd. leid,
250 Neuntes Kapitel. Die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
c. loath 'abgeneigt' zugrunde liegt, das zu alid. li^es 'leider', gr. Xotfiöi {loimös) 'Pest* zu
stellen ist. — blasen, ahd.bltisan 'hauchen, schnauben', got.bUsan, UX.fU'ire. — wachsen,
ahd. wahsan, e. to wax, got. wafisjan, gr. (h'-nv {a'ex>n) 'starken, mehren, wachsen*; — ein
anderes Wort ist got. liiidan, ahd. leodan 'wachsen' zu gr. f?.fri>- (eleuth-) in y).n'nniiai
{eleiisomai) 'w'erde kommen'.
§ 159. Bewegung und Ruhe. Für die verschiedenen Arten der Bewegung
und was damit zusammenhängt, besitzt unsere Sprache noch heute eine be-
deutende Anzahl von Ausdrücken. Vielleicht sind es aber in alter Zeit noch
meiir gewesen. Ich ordne den Stoff alphabetisch.
BEWEGUNG.
bewegen, ahd. biwegan 'aus dem Zustand der Ruhe bringen, wägend prüfen', got.
gawigan 'bewegen', lat. vehere. Dazu Wage, alid. waga, e. weigh, wovon wieder wagen,
erst im 12. .!h. wagen, ein Wort der mhd. Dichtersprache; — xvägen, erwägen, mhd.
envegen, wiegen, Gewidit, mhd. gewidit(e), e. weight, Woge, ahd. wag, got. wfgs
'Sturm', Wagen. — bringen, ahd. bringan, e. to bring, got. briggan zu kymr. he-brwng
'herbeibringen'. — dringen, ahd. dringan, got. preihan 'drängen' zu lit. treiikti 'dröhnend
stoßen'. — eilen, ahd. ilen. Vielleiclit zu anord. id, id 'Studium', also aus *uUo. — fahren,
ahd. got. faran, e. to fare, gr. nFQänv (perden) 'durchdringen', aind. piparti 'führt hin-
über'. — fallen, ahd. fallan, e. to fall zu lit. pülti 'fallen'. — fliegen, ahd. fliogan,
e. to fly, got. in iisflaugjan 'emporfliegen machen'. — fliehen, ahd. fliohan. e. to flee,
got. pliuhan zu lit. /i*/f// 'fliegen'? — folgen, ahd. folgen, auch folagen, andd. fulgangan,
e. to follow. — führen, ahd. fuoren, Faktitivum zu fahren. — gegangen, ahd. Prät.
g^^"S< got. gaggan zu lit. zengii 'ich schreite'. — gehen, ahd. gen, gan; unerklärt. —
gleiten, mhd. gliten, e. glide. — hasten, junge Bildung von Hast, annd. hast aus
afrz. haste, jetzt hüte. — hetzen, ahd. hezzcn von Haß, ahd. hai, e. hate, got. hatis, gr.
xrjdog (kcedos) 'Kummer, Trauer'. — hinken, s. o. § 149. — hüpfen, mhd. hüpfen, e. to
hip. Daneben mnd. hoppen, e. hop, gr. xvßtaideir [kybistäen) 'tanzen'. — Jagen, ahd. Jagon,
anoxd. Joga 'vertreiben', zu a\. jahi'ih 'rastlos'. — klettern ist jung, zu Klette. — klimmen,
ahd. klimban, e. to climb; dazu ohne Nasal anord. klifa. — kommen, ahd. queman, e.
to come, got. qiman, lat. venire, gr. ßnlvFiv (bainin). — kriedien, ahd. kriodian, e.
croudi 'sich niederbücken'; daneben ndl. krüipen, e. creep zu gr. ygvnög (grypös) 'krumm*. —
laufen, ahd. hlouffan, e. to leap 'springen, hüpfen', got. hlaiipan 'laufen'; vielleicht zu gr.
xd/..T>/ (kiilpce) 'Trab'. — Leidi, mhd. leidi 'Gesang', got. laiks 'Tanz', laikan 'tanzen' zu lit.
läigiti 'wild umherlaufen'. — leisten, ahd. leisten 'ein Gebot befolgen und ausführen',
got. laistjan 'nachfolgen, nachgehen', e. to last 'dauern, bleiben, sich halten' zu got. laists
'Fußspur'. — leiten, ahd. leiten, e. to lead, Kausativum zu einem ahd. lidan, got. leipan
'gehen', s.o. S. 259. — rädien, ahd. rehhan, e. to wreak, got. wrikan 'verfolgen' zu lat.
urgPre 'bedrängen'. — reisen von Reise, ahd. reisa 'Aufbruch' zu ahd. risan 'steigen,
fallen', e. to rise 'sich erheben'. — reiten, ahd. rUan 'sich fortbewegen', e. to ride 'reiten,
fahren' zu air. riadaim 'ich fahre', altgall. rida 'Wagen'. — sdierzen, mhd. sdierzen,
vielleicht zu aind. kürdati 'springt, hüpft', gr. xoaMeiv (kradden) 'schütten, schwingen'. —
sdileidien, ahd. sithhan 'leise schleichend gehen, schleichen', mengl. sliken. — sdilennig,
ahd. slünig, daneben sniiimo. got. sninmundo 'eilends', got. sniumjan, sniwan 'eilen'. —
sdilüpfen, ahd. stapfen, Intensivum zu obd. sdüiefen, ahd. sliofan, got. sliupan 'schlüpfen'
zu lat. liibricus 'schlüpfrig'. — sdireiten, ahd. skritan, anord. skrida- 'kriechen, gleiten*,
lit. s*m// 'fliegen, schnell laufen'. — sdiweifen, ahd. sweifan 'schwingen, sich schlängeln',
e. to swoop 'stürzen', to sweep 'fegen" zu sdiweben. — sdiwimmen. ahd. swimman, e.
to swim. — sdiwingen, ahd. swingan 'schwingen, schleudern, schlagen, geißeln, sich
schwingen, fliegen, sehweben', e. to swing; dazu sdiwenken, ahd. swenkan und lit.
sükti 'drehen'. — springen, ahd. springan, e. to spring, ohne Nasal gr. ai^ioxsoOac
§ 159. Bewegung und Ruhe. § 160. Singen und sagen. 251
{sperkhesthai) 'eilen'. — sputen, aus dem Niederdeutschen, e. speed 'eilen' von ahd.
5/7uo^/z 'gelingen, Erfolg haben', abg. 5/?^// 'vonstattengehen', \z\. spes. — stampfen, ahd.
stampfen, e. to stamp, gr. otsußsir {stembcn) 'mit Füßen treten'. — steigen, ahd. stigan,
e. to sty, gr. otfi'xfiv {stekken) 'gehen'. — stürzen, ahd. stürzen 'stürzen, wenden, um-
wendend bedecken'; dazu wohl e. ^o 5/'fl/-^ 'aufspringen'. — taumeln, ahd. tumalön 'sich
drehen' von tümön 'kreisen'. Vielleicht zu lat. famus. Damit eins tummeln, mhd. tümeln. —
treiben, ahd. tnban, e. to drive 'treiben, eilen, laufen, fahren, hetzen', got. dreiban
'treiben'. Dazu vielleicht gäl. drip 'Hast'. — treten, ahd. tretan, e. to tread, got. trudan. —
waten, ahd. watan 'waten, gehen, schreiten', e. to wade, lat. vädere. — weidien, ahd.
wihhan, gr. d'y.siv {eken). — werben, ahd. werban 'sich drehen, etwas betreiben', got.
hairban; dazu Wirbel. — werden, ahd. werdan, got wairpan, lat vertere 'drehen'. —
ziehen, ahd. ziohan, lat. dücere 'führen'.
RUHE.
hocken, mhd. hudien, wohl von Hodie abgeleitet und dies zu lit. kngis, lat. cumulus
'Haufe'. — kauern, e. cower, vielleicht zu gr. yvgög (gyrös) 'krumm'. — lehnen, ahd.
Minen zu gr. xUveiv (klinen), lat. inclinäre. — liegen, ahd. liggen, e. to lie, vgl. lat. lectus,
gr. Xsyog {lekhos) 'Bett'. — ruhen, ahd. ruowen, von Ruhe, ahd. ruowa, gr. kgcoi] {eröai). —
sitzen, ahd. sizzen, e. to sit, got. sitan, lat. sedere, gr. s^sadai (hezesthai). — stehen,
ahd. sten, stän, e. to stand, lat. stäre, gr. lonjui (histcenii). —
§ 160. Singen und sagen. i) Die Ausdrücke für die Mitteilungen durch
die Stimme oder das bloße Ertönenlassen der Stimme sowie für die ver-
schiedenen Geräusche werden auch heute noch durch zahlreiche sehr ver-
schiedene Stämme ausgedrückt. Viele sind aus dem Indogermanischen er-
erbt, andere sind im Laufe der Zeit dazu gekommen. Unter den Worten,
die hierher gehören, gehen viele neuere zweifellos auf Nachahmung zurück,
wie wir schon in dem Kapitel über Urschöpfung gesehen haben, und man
wird dasselbe auch für die älteren Bestandteile teilweise voraussetzen dürfen.
Ich ordne auch hier nach der Buchstabenfolge.
brüllen, mhd. brüelen, daneben dial. ftra/Z^/z 'schreien', mhd. prcden 'lärmend groß-
tun, schreien', jetzt prahlen, e. to brawl 'lärmen, zanken'. — brummen, mhd. brummen,
daneben ahd. breman 'brummen, brüllen'; dazu Bremse. Wahrscheinlich zu lat. fremere
'rauschen', gr. ßgi/netr (bremen). — erwähnen, ahd. giwahannen; der Stamm wa/z gehört
zu lat. vöx, gr. ejiog {epos), aind. vac 'sprechen, sagen'. — jehen (noch in Beidite und
Gicht noch im 18. Jh. 'Aussage'), von ahd. bi-Jehan 'bekennen'. — kedern und quatsdien,
zwei Dialektausdrücke, die zu ahd. quedan, e. quoth, got. qipan 'sagen' gehören; vielleicht
ist lat. vetäre verwandt. — klagen, ahd. klagön, von ahd. klaga, eigentlich 'Geschrei',
kaum zu gr. ßh^-p] {bldkha) 'Geblök', sondern zu aind. gärhati 'klagt, klagt an, beschul-
digt'. — lallen, mhd. lallen, gr. laXeTv (lalen), lat. lalläre, vgl. o. S. 88. — murmeln,
ahd. murmulön, murmurön aus lat. murmuräre; murren im 15. Jh., mnd. murren, anord.
murra. — poltern, spätmhd. buldern zu gleichbedeutendem lit. bildsti. — reden, ahd.
red(i)ön von Rede, ahd. redfija 'Rechenschaft, Rede und Antwort', got. rapjö 'Zahl, Rech-
nung" zu lat. ratio (oder daraus entlehnt?). Jedenfalls hat das Wort durch die Gerichts-
sprache hindurch seine heutig^Bedeutung angenommen. — rufen, ahd. ruofan, ruofen,
got. hröpjan. Vielleicht zu lit. skrebsti 'rascheln', abg. skrobotü 'Geräusch'. — sagen,
ahd. sagen, e. to say zu lit. sakiti 'sagen', lat. insece, inquam aus *in-squam, gr. sr-fsjis
(ennepe) aus *ensepe. — sdireien, ahd. skrian, vielleicht zu lat. crimen, eig. 'Geschrei'. —
singen, ahd. singan, e. to sing, got. siggwan zu gr. 6/iiq?/] (omphw) 'Stimme, Rede,
') Vgl. D. C. Bück, Words of speaking and saying in the indo-european languages.
Am. Journ. of Phil. 36, 1—18.
252 Zehntes Kapitel. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Orakel'. — spellen, noch in Beispiel, ahd. bispel, von .ihd. spiHI 'Hrzählting, Fabel, Ge-
rede', e. spell 'Hrzüliiiing. Fabel', v^\. gospel, got. spi// 'Sage, Fabel', viellciciit zu lat.
ap-peilure, inter-pellnre. — sp redien, ahd. spri'hfian, ags. spn*can (e. /o speah ist wohl
ein anderes Wort) zu aind. sphürj- 'rauschen', gr, nrpnijnyeoimi {spharageomai) 'prassle,
zische', lat. fnigor. — stöhnen, aus dem Niederdeutschen, ndl. stenen, ags. stunian zu
gr. nih-fir (stenen) 'stöhnen, brausen'. — zeihen, ahd. zihan 'bescluildigen', got. gateihan
'anzeigen, verkünden", lat. dicere, gr. i)Fiy.riyni {deknynai). — zisdien, erst neuhochdeutsch,
ist wohl lautnachahincnd. — zwitschern, ahd. zwizzirOn, e. twitter.
Ich habe hier nur eine beschränkte Auswahl angefülirt. In der Gemein-
sprache und vor allem in den Mundarten gibt es noch eine Unzahl von
Ausdrücken, die zum guten Teil lautnachahmend sind. Eine Zusammen-
stellung derer, die den Vokal a enthalten, hat O.Weise, ZfdU. 19,518, ge-
geben. Vgl. auch ScHWiETERiNQ, F., Singen und Sagen, Göttingen 1908.
§ 161. Tätigkeiten.') Die Indogermanen und Germanen lebten im wesent-
lichen in der Wirtschaftsform der sogenannten geschlossenen Hauswirtschaft,
das heißt, es wurde alles, was zur Leibesnahrung und Notdurft gehörte, im
Hause selbst hergestellt. Das ergibt eine unendliche Fülle von Tätigkeiten,
für die natürlich auch die entsprechenden Ausdrücke bestanden haben müssen.
Nach dem schon öfter berührten Gesetze der Sprachentwicklung werden in
älterer Zeit mehr Ausdrücke wie in späterer vorhanden gewesen sein.
Einige von diesen gehen verloren, andere nehmen eine allgemeinere Be-
deutung an. Eine Hauptaufgabe der Wissenschaft, die bisher kaum in An-
griff genommen ist, wird es sein, die ursprüngliche Bedeutung einer jeden
Sippe festzustellen. Das kann freilich nur geschehen, wenn sich mit der
sprachlichen Schulung eine ausgedehnte Kenntnis der Realien verbindet.
Wir werden auf diesen Punkt unten § 192 zurückkommen. Hier können
wir nur den Stoff nach gewissen Begriffsgruppen geordnet vorführen.
1. Dehnen, ziehen usw.:
dehnen, ahd. dennen, got. iif-panjan zu gr. teIvbiv (tinen), lat. tendere. — *dinsen
'ziehen', noch in aufgedunsen, ahd. dinsan, got. at-pinsan 'heranziehen' zu lit. tcsti 'durch
Ziehen dehnen'. — biegen, ahd. biogan, e. to bow, got. biugan zu aind. bhuf 'biegen',
lat. fugere, gr. r/ Fvyeiy (pheugen) mit abweichendem Auslaut. — redien, ahd. redien 'aus-
strecken, ausdehnen', e. to radi, got. ufrakjan 'ausstrecken' zu gr. doeystv {pregen), lat.
porrigere. — spannen, ahd. spannan, e. to span zu gr. ortustv (späen) 'ziehen'. —
zerren, ahd. zerran, e. to /^ar 'zerreißen', got. ^a^a/ro/i 'zerstören, vernichten', eigentlich
'zerreißen' zu gr. Ssmir (deren) 'schinden'; dazü auch verzehren, ahd. //r^^/'flrt 'auflösen,
zerstören, zerreißen'. — ziehen, ahd. ziohan, got. tiuhan, lat ducere. — streidien, ahd.
strihhan, e. to strike zu lat. stringere 'abstreifen, berühren, streichen'. — tragen, ahd.
tragan, got. dragan; daneben anord. draga, ags. dragan, e. to draw 'ziehen', lat. trahere,
lett. dragät 'reißen'.
2. Verbinden, trennen u. a.:
binden, ahd. bintan. e. to bind, got. bindan zu lat. of-fendinientum 'Binde', gr.
neiofxa (pesma) 'Tau' aus *penthsma. — b redien, ahd. brehhan, e. to break, got. brikan
zu lat. frangere. — fügen, ahd. fuogan, e. to fay 'passen, verbinden' zu lat. pacisci,
gr. mjyvvvai (pä-gnynai). — klauben, ahd. klubön 'zerpflücken, zerspalten' von klieben,
') Vgl. hierzu auch Gen-IschiroYoshioka. making in the indo-europaean languages.
A semantic study of the verbs of doing and Chicagoer Diss. Tokyo 1908.
§ 161. TÄTIGKEITEN. § 162. ALLGEMEINES. 253
ahd. klioban 'spalten', e. to cleave zu gr. yXvc^siv (glypfien) 'aushöhlen, stechen', lat. glu-
bere 'abschälen'. — lösen, ahd. lösen, got. lausjan von laus 'los' zu gr. Xvfav (lym),
lat. so-lvere; dazu verlieren, ahd. fir-liosan, got. fra-liusan. — sdieicten, ahd. skeidan
•scheiden, trennen' usw., e. shed 'Trennung, Unterschied', got. skaidan zu lat. scindere,
gr. ayj,;eiv {skhizPn). — trennen, ahd. trennen, Kausativum zu mhd. Irinnen 'sich ab-
sondern' zu zerren. — schleißen, ahd. sli':i3an, e. to slit 'spalten, schleißen'; dazu auch
sdilitzen. Vielleicht zu lat. laedere. — sdiroten, ahd. skrütan 'schneiden, hauen, kahl
scheren', e. to shred 'zerreißen'; dazu e. shroiid 'Tuch' zu lat. scrantiim, scrötum. —
spalten, ahd. spaltan zu aind. sphutäti {t aus It) 'reißt, springt auf, spaltet sich'.
3. Stoßen, stechen, drehen usw.:
st e dien, ahd. stehhan zu gr. oti^siv (stizen) 'mit einem spitzen Werkzeug Flecken
machen', lat. instigäre. — stoßen, ahd. stö^an, got. stautan zu lat. tiindere. — bohren,
ahd. borön, e. to bore zu lat. /orär^ 'bohren', gr. cpaoasiv {pharäm) 'pflügen'. — drehen,
ahd. dräen, e. to throw, gr. teoeTv (teren) 'bohren, drechseln', lat. lerere. Dazu auch Draht
und Dredisler, spätmhd. drehsler und z.T. auch drillen, e. thrill. — ringen, ndd. wringen,
ahd. (w) fingen, e. to wring 'drehen, pressen'. Eine im Germanischen sehr verbreitete
Wurzel. Wohl mit Nasalierung zu würgen, ahd. würgen zu lit. verzü, vefUi 'schnüren,
einengen, pressen', abg. vrüza 'fessele, binde'. — werden, s. o. — winden, ahd. wintan,
t.towind, got windan. Zu ai.van-dhüram 'Wagcnkorh', nrnbr. ahavendu 'er soll abwenden'.
4. Schlagen, hauen u. a.:
bleuen 'heftig schlagen', s. o. S. 226. — bosseln 'in Kleinigkeiten arbeiten, zu-
sammenflicken, künsteln", wohl abgeleitet von ahd. b<rf,an 'schlagen, stoßen' (noch erhalten
in Amboß), e. to beat zu lat. con-fütäre 'niederschlagen', fustis 'Knüttel'. — hauen, ahd.
houwan, e. to hew zu abg. kovati 'schlagen, schmieden', lat. mit d erweitert ciidere. —
sdilagen, ahd. slahan, e. to slay, got. slahan. — kneten, ahd. kn'etan, e. to knead zu abg.
gnetq, gnesti 'zerdrücken, kneten'. — drüdien, ahd. drucken zu anord. prüga 'drücken', lit.
träkti 'entzweireißen'. — quetschen, mhd. quetzen, quetschen. Zu \i{. gendü 'gehe entzwei'.
Ein altes Wort für 'kneten' steckt noch in Teig, ahd. teig, e. dough, von got. deigan
'aus Ton bilden' zu lat. fingere, gr. rsiyog (tekhos). — Hierher auch madien, von Meringer,
Idg. Forsch. 17, 146 zu gr. /ndysigo; [mägeros) 'Koch', /lüooscv {müssen) 'drücken, kneten'
gestellt. Ursprüngliche Bedeutung 'kneten'.
5. Auf den Ackerbau BezügUches siehe oben S. 194.
6. Auf das Kochen Bezügliches siehe oben § 140, S. 222.
7. Auf die Kleidung Bezügliches siehe oben § 141, S. 225.
Weiterer Stoff ließe sich leicht zusammenbringen. Die Hauptaufgabe
aber ist es, durch genaue Beobachtung der Worte die ursprüngliche Be-
deutung festzustellen.
Zehntes Kapitel.
Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
§ 162. Allgemeines. Was wir bisher kennen gelernt haben, war die Her-
kunft und Entwicklung des deutschen Wortschatzes in einigen allgemeinen
Wortgruppen. Aus einersolchen Betrachtungsweise kann man mancherlei kultur-
geschichtliche Aufschlüsse entnehmen, aber ein wirkliches Bild der Entwick-
lung werden wir nicht aus ihr erhalten. Wenn man sich bemüht hat, die ver-
schiedenen Schichten des Wortschatzes, indogermanische, gemeingermanische,
254 Zehntes Kapitel. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
westgermanische Bestandteile, zu unterscheiden, so iiat das, wie wir gesehen
haben, so gut wie keinen Wert. Einen wirkHchen Einblick in die Geschichte
des Wortschatzes erhalten wir erst mit dem Beginn der geschichtlichen Über-
lieferung. Alles, was vor dieser liegt, können wir als vorgeschichtliche Be-
standteile zusammenfassen. Während aber die Untersuchung dieser ziemlich
einfach erscheint — es könnte sich da nur um die Aufgabe handeln, alle
Worte des Deutschen, die auch in andern Mundarten und Sprachen erscheinen,
zusammenzustellen — , werden beim Eintreten der wirklichen Überlieferung
die Verhältnisse sehr verwickelt. Denn nicht nur treten uns von Anbeginn
Verschiedenheiten des Wortschatzes nach den Mundarten entgegen, sondern
wir haben es auch im 8. Jahrhundert nicht mehr mit einfachen gesellschaft-
lichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu tun. Das Volk ist vielmehr in
Stände gegliedert, und infolgedessen müssen wir auch Verschiedenheiten in
der Sprache dieser Stände antreffen. Sind diese auch anfangs gewiß nicht
bedeutend gewesen, vorhanden waren sie unter allen Umständen, und sie
werden um so stärker, je weiter wir in der Zeit fortschreiten. So wären denn
eieentlich von Anfang an die mundartlichen Verschiedenheiten und die Eigen-
tümlichkeiten der Sondersprachen zu berücksichtigen. Wir können dies aber
nur in getrennten Abschnitten tun und müssen uns hier auf das Allgemeine
beschränken. Aber eben für das Allgemeine fehlen bis jetzt so gut wie alle
Vorarbeiten. Fast nirgends ist der Wortschatz eines Schriftstellers in seiner
Eigenart dargestellt, nirgends gibt es Zusammenstellungen darüber, welche
Worte in einem abgemessenen Zeitraum neu aufgekommen sind. Diese Lücken
kann natürlich auch meine Arbeit nicht ausfüllen. Ich kann hier nur auf
die allgemeinen Gesichtspunkte hinweisen und einiges besonders erörtern.
§ 163. Das Mittelalter. Erst im 8. Jahrhundert fangen die Deutschen an
zu schreiben, und wir können erst von dieser Zeit an die Verwendung des
Wortschatzes beurteilen. Da treten uns denn sofort zwei bemerkenswerte
Erscheinungen entgegen. Auf der einen Seite eine große Leichtigkeit in
der Verwendung der dichterischen Sprache. Man sieht, wie es gar keine
großen Schwierigkeiten bietet, selbst einen fremden Stoff, wie die Lebens-
geschichte Christi, in den altüberlieferten epischen Formen darzustellen.
Der Dichter des Heliand verfügt frei über einen ihm durchaus geläufigen
Wortschatz, weil er noch den Stabreim verwendet. Offenbar lag hier eine
jahrhundertelange Übung vor. Vgl. darüber auch GDS. 150. Bei weitem
mehr hat Otfrid, der denselben Stoff in den Reimvers gießt, mit der Sprache
zu kämpfen. Und noch ganz anders steht es mit der Prosa. Hier handelt
es sich um Übersetzungen aus dem hochentwickelten Lateinischen. Wir
empfinden es noch sehr wohl, wie schwer es den alten Mönchen geworden
sein muß, den reichen Wortschatz ihrer lateinischen Vorlagen 'mit ihrem
nicht einfachen Inhalt im Deutschen wiederzugeben. Für viele lateinische
Worte fehlten ihnen Entsprechungen und so mußten sie notwendigerweise
neue Worte schaffen. Vor allem sind zahlreiche Allgemeinausdrücke da-
§ 163. Das Mittelalter. . 255
mals erst neu gebildet worden. Sie treten einmal auf, und sie sind dann
rasch wieder verschwunden. Wir treffen sie häufig in der althochdeutschen
Übersetzung des Isidor, vermissen viele davon aber in späterer Zeit. Wenn
sie nicht in der Sprache fortlebten, so weist das darauf hin, daß die Worte
Neuschöpfungen waren.
Daneben stehen aber auch andere Worte, die erhalten blieben, wenn
auch zum Teil in stark veränderter Bedeutung. Wir haben wiederholt darauf
hingewiesen, daß die Bildung von Worten für Allgemeinbegriffe verhältnis-
mäßig spät ist. Wenn wir solche Worte nur im Althochdeutschen und nicht in
den verwandten germanischen Sprachen treffen, so können diese sehr wohl
erst in dieser Zeit gebildet sein. An der Hand von Kluges Chronologischer
Darstellung des neuhochdeutschen Wortschatzes in seinem etymologischen
Wörterbuch und meinen eigenen Sammlungen stelle ich einige derartige Worte
zusammen, die erst in althochdeutscher Zeit aufgekommen zu sein scheinen.
Hierher gehören: Andadit, Beichte, Demut, entbehren. Farbe, Freude, Frevel, Gebäude.
Gebärde, Gebäu, Gebein, Gebilde, Gebirge, Gebiß, Gedächtnis, Gedärm, Gedränge, Geduld,
Gefäß, Gefecht, Gefilde. Gefolge, Gegenwart, Geheiß, Gekose, Gelände, Gelübde, Gelüst,
Gemächt, Gemahl, Gemeinde, Gemüll, Gemüt, Genossame, Genüge, Gerät, Gericht, Gerücht,
Gesang, Gesäß, Geschäft, Gesdiirr, Gesdilecht, Geschmack, Geschmeide, Gesdioß, Gesdirei,
Gesetz, Gesicht (Notker). Gespenst. Gesprädi. Gestirn. Gestühl. Gesuch. Getreide, Gevögel.
Gewädis. Gewähr, Gewand, Gewehr, Gewinn, Gewissen, Gewohnheit, Gewölbe, Gier,
Gleidinis, Glimpf, Heimat, herrlich, Herrsdiaft, herrsdien, Hilfe, Huld, Hülle, Imbiß, in-
ständig, Klage, Meinung, Mittag, Nähe, Öde, Ohnmadit, Rache, Sdiimpf, Sdimach, Schöpfer,
Sdiöpfung, Sprache, Tradit, Tränke, Traufe, Unrat, Urkunde, Urlaub, Ursprung, Verlust.
Vernunft, Wahnwitz, Wechsel, Widersacher, Wohltat, Würde, Zierde, Zugang, Zuvei^sicht usw.
Anmerkung. Sehr dankenswert ist eine Dissertation von Otto Schenk Zum Wort-
schatz des Keronischen Glossars, Heidelberg 1912, in der die Worte des Keronischen
Glossars zusammengestellt werden, die teils nur in diesem, teils nur in althochdeutscher
Zeit vorkommen. Zu der ersten Gruppe gehören 695 Wörter. Es sind sicher zahlreiche
Augenblicksbildungen darunter.
Als größter Prosaschriftsteller der althochdeutschen Zeit ist zweifellos
NotkerLabeo anzusehen. Er hat eine große Anzahl von Werken und darunter
auch bedeutsame philosophische Schriften aus dem Lateinischen übersetzt.
Mit Recht hat man seine Übersetzertätigkeit gepriesen. Eucken widmet ihm
in seiner Geschichte der philosophischen Terminologie 1879 S. 116 als dem
ersten Schöpfer der deutschen philosophischen Ausdrücke einen besonderen
Abschnitt. Leider haben Notkers Arbeiten keine Nachfolge gefunden, und
so sind viele seiner vortrefflichen Neubildungen vergessen worden. Manches
aber lebt fort. Ich erinnere nur an die bedeutsame Schöpfung.£"Ä^ im Sinne
von 'matrimonium', das ursprünglich in ahd. ewa 'Ewigkeit, endlos lange
Zeit', dann 'Recht, Gesetz, Vertrag' bedeutet, noch erhalten in echt: ahd. ehaft,
eigentlich 'rechtsgültig' und das Notker in dem bestimmten Sinne festlegte.
Zur Zeit des Mittelhochdeutschen überwiegt in der Literatur die Dichtung,
und daher kennen wir auch im wesentlichen nur die Sprache der Dichtung und
den dichterischen Wortschatz, allerdings in den verschiedenen Abstufungen des
256 Zehntes Kapitel. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
höfischen und des Volkscpos. Die Sprache der Prosa war das Lateinische, bis
endlich die Prediger anfintijen, deutsch zu sprechen und deutsch zu schreiben.
Über ihren Anteil an derAusbiidung des deutschenWortschatzessieiie unten §184.
Der Wortschatz der beiden erwähnten Dichtungsarten läßt sich dahin
unterscheiden, daß die Volksdichtung im wesentlichen das Alte beibehielt.
Das Neue müssen wir in der höfischen Poesie suchen. Sie hat zweifellos
viele neue Worte geschaffen oder verbreitet. Vieles hat sich erhalten, anderes
ist verloren gegangen, als die Dichtung abstarb — ein Beweis dafür, daß
sie eben über einen besondern Wortschatz verfügte. Da diese Dichtungen
Erzeugnisse eines besondern Standes waren, so müssen sich auch in ihrem
Wortschatz die Anschauungen, Sitten und Gebräuche des Standes nieder-
schlagen. Manches hat sich bis in unsere Zeit, wenn auch in veränderter
Bedeutung gerettet. Für den Gegensatz des edlen feinen Rittertums zu dem
bäuerischen Wesen verwendete man den Ausdruck hübsch, eigentlich
'höfisch', zu Hof gehörig, und dörper 'Bauer, roher Mensch', aus dem sich
unser Tölpel entwickelt hat. Übrigens hat hübsch seine Bedeutung 'fein,
gut' in den Volksdialekten zum Teil noch heute bewahrt (so z. B. im Ober-
sächsischen), die Bedeutung 'gut aussehend' entwickelt sich erst im 16. Jahr-
hundert auf leicht verständlichem Wege. Auch fm, fein scheint ein Wort
der höfischen Schichten zu sein. Das Wort stammt aus \at f/tif las. Unser
Art tritt erst in mhd. Zeit in der Bedeutung 'Herkunft, Geschlecht, edles
Geschlecht, Natur' auf. Daneben erscheint schon ahd. ein art 'Bepflügung'.
Nach den Darlegungen im DWB. unter Unart steht es sicher, daß die
beiden Worte eins sind, und daß wir die übertragene Bedeutung von Art
dem Rittertum zuzuschreiben haben.
Ein Verzeichnis der Worte, die erst im Mittelhochdeutschen auftreten,
bietet wieder Kluge im Anhang zu seinem Wörterbuch. Freilich ist auch
dies wieder unvollständig, da Kluge ja in seinem Wörterbuch nur eine be-
schränkte Zahl von Ableitungen und Zusammensetzungen bietet, und es
ist daher für wirkliche Erkenntnis nicht zu gebrauchen. Hier muß erst eine
besondere Untersuchung einsetzen. Vgl. auch E. Tanzer, Der deutsche
Sprachschatz nach Fr. Kluges Etymologischem Wörterbuch der deutschen
Sprache. Programm der Staats-Realschule in B. Leipa 1903 — 4, 1904—5.
§ 164. Die Neuzeit. Seit der Erfindung der Buchdruckerkunst steht uns
ein reicher Schatz von Literaturdenkmälern zur Verfügung. Es beginnen die
Wörterbücher zu erscheinen, und die Möglichkeit, das Auftreten der Worte
zu bestimmen, liegt hier recht günstig. Aber dieser glückliche Stand ist
nicht ausgeschöpft, und ehe wir nicht Sonderwörterbücher haben, wird sich
keine sichere Erkenntnis erringen lassen. Das 16. Jahrhundert könnte uns
in seinem Wortschatz recht gut bekannt werden, denn die literarische Tätig-
keit war überaus rege. Man denke nur an die Schriften eines Mannes wie
Luther. Aber ein Wörterbuch des 16. Jahrhunderts fehlt, und das Luther-
wörterbuch von Ph. Dietz ist im zweiten Band stecken geblieben (Wörter-
§ 164. Die Neuzeit. 257
buch zu Dr. Martin Luthers deutschen Schriften 1. Bd.; 2. Bd. 1. Lief.
1870 — 72 bis M). Zu andern Schriftstellern gibt es zwar vereinzelt Wörter-
verzeichnisse, aber sie beschränken sich auf eine Auswahl der Abweichungen
vom heutigen Sprachgebrauch, Spezialwörterbücher zu einzelnen Schrift-
stellern wie Fischart, Rollenhagen, Grimnielshausen wären dankenswerte,
nicht zu schwierige Aufgaben. Außerdem müßte zweifellos ein großes
Wörterbuch des 16. Jahrhunderts in Angriff genommen werden.
Dasselbe, was vom 16. Jahrhundert gilt, gilt auch von den übrigen.
Zwar nehmen nunmehr die Wörterbücher an Umfang und Gediegenheit zu,
aber sie sind weit davon entfernt, die Sprache ihrer Zeit vollständig zu
verzeichnen. Es wäre wiederum eine dankenswerte Aufgabe, die einzelnen
Werke nach dem Gesichtspunkt, welche Worte in ihnen neu auftreten, zu
vergleichen und den Stoff zusammenzustellen.
Ich habe die Absicht gehabt, an der Hand des Weigandschen Wörter-
buches, das zwar den Wortschatz auch nicht vollständig, aber doch ziem-
lich reichhaltig bietet und das erste Auftreten der Worte verfolgt, hier eine
Liste der in den verschiedenen Abschnitten der Neuzeit neu auftretenden
Wörter zu geben. Aber es würde sich doch nur um eine tote, viel Raum
verschlingende Aufführung von Worten handeln, bei der nach meiner Ansicht
zunächst kein Vorteil herausspränge. Wie sehr auf unserem Gebiet alles im
argen liegt, zeigt das kleine Gottsched-Wörterbuch von E. Reichel, Berlin 1902.
Der Verfasser tritt mit großer Begeisterung für Gottsched ein, und um dessen
Bedeutung auch als Sprachschöpfer zu zeigen, hat er dieses Wörterbuch an-
gelegt, in dem die Worte verzeichnet sind, die angeblich bei Gottsched zuerst
vorkommen. Aber bei genauerer Untersuchung zeigt sich, daß unendlich
viel davon schon früher gebraucht worden ist. Namentlich wird man bei
Thomasius und Wolff viel finden können, obgleich auch diese uns oft Wort-
schöpfer zu sein scheinen, wo sie es nicht sind. Wolffs Sprache hat neuer-
dings PiUR gewürdigt, vgl. § 199, aber freilich auch nicht eingehend genug.
Neues Leben entstand durch die literarische Bewegung, die die Geister
im 18. Jahrhundert erfaßte. Man drängte nach neuem Inhalt, neuen Formen
und neuen Worten und hat wirklich unendlich viel Neues geschaffen. In
der Sprache steht es wie in der Natur. Wie die Natur unendliche Keime
ausstreut, damit einige wenige emporkeimen und hundertfältige Frucht
bringen, so. müssen auch unzählige Worte neugeschaffen werden, wenn die
Sprache mit einigen dauernd bereichert werden soll. Wir sind in der glück-
lichen Lage, einige Werke zu besitzen, die uns von der Schöpferkraft der
damaligen Zeit Kenntnis geben. Der Freiherr Christoph von Schönaich
veröffentlichte im Jahre 1754 sein Buch: die ganze Ästhetik in einer Nuß, von
A. KöSTER, Berlin 1900, neu herausgegeben. Schönaich kritisiert die Sprache
der damaligen Dichter, die nicht zur Gottschedschen Schule schworen, nament-
lich die der Schweizer. „Was alles dem Ohr des Sachsen und des Lausitzer
fremd klang," sagt der Herausgeber, „das lernt man aus dem neologischen
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 17
')i Z>. HNTES Kapitel. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Wörterbuch." Daher ist es denn eine Quelle ersten Ranges. Wie fremdartig
die neue Sprache erschien, zeigt uns auch Schönaichs Epigramm auf Hallcr:
.Nun kann der Kränzen Witz an Hallcr sich ersetzen,
Ach! wollt' ihn einer uns ins deutsch erst übersetzen.*
Schönaich ist vcn Lessing hart mitgenommen worden, und er war ja sicher
kein bedeutender Mann. Wenn man aber das neologischc Wörterbuch durch-
mustert, so findet man einen nur bescheidenen Teil von Worten, bei denen die
Nachwelt Schönaich nicht recht gegeben hat, das heißt die von ihm ver-
spotteten Worte aufgenommen hat. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
sind die Neuschöpfungen, die er tadelt, auch bald wieder verschwunden.
Anmerkung 1. Ich merke hier an, was sich an derartigen damals als neu und un-
gewöhnlich empfundenen Worten erhalten hat: Abbild, Abhang 'Seite des Berges', Ab-
glanz der Gottheit, Ahne statt Ahnherr, das All, Altvordern. .Man sehe nur
Nimrod S. 660. So kann man auch Jnnghintern anstaU 'Enkel' sagen. Ich bekenne es,
keine Sprache ist geschmeidiger als die deutsche und läßt sich mehr hänseln." Anblidi,
anstarren statt ansdiauen, Busensfreund stau Herzensfreund, Bndzwedi, sidi ent-
falten statt sidi entwidieln. Gemengsei 'ein neues und sehr edles Wort', Grat 'der
Berge', Trupp .man merke sich das deutsche Wort 'Trupp', dem der Herr Rath das Bürger-
recht in der Bodmerisclien Sprache verleihet", Unbill „ein allerliebstes Wort. Wir sind
noch nicht so weit, es zu verstehen", versdiämt.
Anmerkung 2. Außerdem hat Gottsched selbst das Wort ergriffen. Was er und
andere seiner Zeit tadeln, hat Karl Müller, Gottschedliche Wortverbote, ZfdU. 19, 745,
zusammengestellt. Dahin gehören: unerfindlidi, Beeinträditigung, Wohlgesinnt-
heit, Fahrlässigkeit, wörtlidi, vergriffen, Sammler, Stimmenmehrheit,
Völkerwanderung, Urbild (für Original), zerstreut (frz. distrait), Mitglied.
Eine weitere wichtige Quelle ist dann J. F. Heynatz, Versuch eines deutschen
Antibarbarus oder Verzeichnis solcher Wörter, deren man sich in der reinen
deutschen Schreibart entweder überhaupt oder doch in gewissen Bedeutungen
enthalten muß, nebst Bemerkung einiger, welche mit Unrecht getadelt werden.
Berlin 1796. Was der Verfasser will, sieht man aus der Inhaltsangabe, und
so brauche ich mich über sein Werk nicht weiter auszulassen. Es ist auch
zu umfangreich, als daß der Stoff an dieser Stelle dargeboten werden könnte.
Der Versuch, den Anteil unserer großen Dichter an der Neubildung
oder Neueinführung von Worten zu bestimmen, kann heute auch noch
nicht zu gesicherten und vollständigen Ergebnissen führen. Es bedarf auch
dazu erst der Sonderwörterbücher zu jedem einzelnen sowie eingehender
Untersuchungen. Hier ist die Mitarbeit vieler erwünscht, die leider fehlt
und doch so dankenswert und lohnend wäre.
Anmerkung 3. Auch Kinderling, Über die Reinigkeit der deutschen Sprache, Berlin
1795, bietet S. 349 den .Versuch eines V^erzeichnisses neuer (guter und schlechter) Wörter
der Prosaisten und Dichter, größtenteils des achtzehnten Jahrhunderts.
Schließlich hat dann das 19. Jahrhundert eine Fülle neuer Worte hervor-
gebracht. Für diese Zeit würde eine Vergleichung des heutigen Wortschatzes mit
dem von Campe verzeichneten zu recht bemerkenswerten Ergebnissen führen.
Anmerkung 4. Es dürfte angebracht sein, einige der Arbeiten, die Beiträge zur
Geschichte des deutschen Wortschatzes in der neuern Zeit liefern, hier anzuführen. Für
§ 165. Wiederbelebung alter Worte. 259
Vollständigkeit kann ich freilich nicht bürgen. Beiträge zu einem Goethe-Wörterbuch, Bei-
heft zum 6. Band der ZfdW., enthält W. Kühlewein, Präfixstudien zu Goethe; P.Th.Bohner,
Präfix un- bei Goethe, Die Negation bei Goethe; 192 Seiten. — O. Brahm, Deutsches
Ritterdrama des 18. Jahrhunderts; Quellen und Forschungen, Heft 40. — C. Pfütze, Die
Sprache in J. M. R. Lenzens Dramen; Leipziger Diss. 1890; S. 45 ff. über den Wortschatz. —
Erich Schmidt, Richardson, Rousseau und Goethe, 1875, S. 256 ff. — Würfl, Über Klop-
stocks poetische Sprache, Leipzig 1882. — W. Pfleiderer, Die Sprache des jungen Schiller
in ihrem Verhältnis zur neuhochdeutschen Schriftsprache; Btr. 28, 273 ff., über den Wort-
schatz S. 412 ff. — Friedrich M. E. Kasch, Mundartliches in der Sprache des jungen Schiller,
Greifswalder Diss. 1900. — K. To.manetz, Bemerkungen zu Grillparzers Wortschatz, Ztschr.
f. d. österr. Gymnasien 44, 289 ff. — H. KüCHLING, Studien zur Sprache des jungen Grill-
parzer mit besondrer Berücksichtigung der Ahnfrau; Leipziger Diss. 1900, besonders S.40ff. —
H. Petrich, Drei Kapitel vom romantischen Stil; ein Beitrag zur Charakteristik der roman-
tischen Schule, ihrer Sprache und Dichtung, mit vorwiegender Rücksicht auf Ludwig Tieck;
Leipzig 1878. — Georg Bormann, Beiträge zum Wortschatze Höltys; Greifswalder Diss.
1917. — Felix Ott, R. Wagners poetischer Wortschatz; Diss. Gießen 1917.
§ 165. Wiederbelebung alter Worte.
Literatur: Karl Müller, Die Wiederbelebung alter Worte; WB. z. ZADSV. 2, 57.
Neben der Neuschöpfung der Worte oder der Herübernahme dialek-
tischer Ausdrücke in die Schriftsprache dient aber seit dem 18. Jahrhundert
auch die Neubelebung alter, untergegangener Worte zur Bereicherung unsres
Wortschatzes. Worte vergehen. Das ist eine altbekannte Tatsache. Wird
eine Sprache nicht schriftlich niedergelegt, so sind derartige Worte unwieder-
bringlich verloren. Anders steht es, wenn geschriebene oder gedruckte
Denkmäler vorhanden sind. Dann lernt man die ausgestorbenen Worte durch
das Lesen wieder kennen und kann sie natürlich auch wieder verwenden.
Das geschieht nicht selten mit Absicht. Schon Leibniz empfiehlt in den
'unvorgreiflichen Gedanken' § 63 „die Aufsuchung guter Wörter, die schon
vorhanden, aber itzo fast verlassen, mithin zur rechten Zeit nicht beifallen", wie
auch ferner „Wiederbringung alter verlegener Worte, so von besondrer Güte".
Nun besaß man im 18. Jahrhundert ein älteres Literaturdenkmal, das
man immer wieder las, und durch das daher viele alte Worte bewahrt
blieben oder stets wieder aufgefrischt wurden, das war Luthers Bibelüber-
setzung. Dem 17. und 18. Jahrhundert schienen viele Worte darin veraltet.
Manche sind es geblieben, aber viele sind heute wieder gut gangbare
Münze. Ich habe eine Anzahl in dem Abschnitt über die Sprache der
Religion, § 184, verzeichnet und bemerke hier nur, daß viele vielleicht
nicht unmittelbar, sondern durch die Dichtersprache wieder aufgefrischt
sind. Denn die Dichter des 18. Jahrhunderts stiegen ja zum Teil mit heller
Begeisterung in den Schacht der altern deutschen Sprache.
Anmerkung. Über den Einfluß der Bibel auf Schiller vergleiche Boxberger, Die
Sprache der Bibel in Schillers Räubern, Erfurt 1867, und J. Schlurik, Schiller und die
Bibel, Leipzig, Programm des Albert-Gymnasiums 1895.
Wie es mit den veralteten Wörtern steht, möge folgendes zeigen. Steinbach be-
zeichnet 1734 in seinem deutschen Wörterbuch folgende Worte als veraltet: y4mme/- 'Herz-
kirsche', Au. Aue. Banner, baß. bieder, Brosam. Buhle, Dirne. Dung. Fehde, Fladen,
Forst, Frame 'Franzose', Gaul, Hain, hausen 'wohnen', Hippe, Hirn wird als überhaupt
17*
260 Zehntes Kapitel. Die allgemeine Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
nicht mehr vorhanden bezeichnet, Hort, Feierkleid usw. Adelung warnte vor folgenden
veralteten und z.T. von ihm als .lächerlich* bezeichneten Worten: anheben, Abenteuer.
Absage, beginnen, behagen, behaglich, bieder, Bladifeld, Degen, tehde, frommen, fürbaß,
gehaben, Hüne, Kämpe, Knappe, Meistcrsdiaft, Redte, Minne, abhold, Gau, Drang, Wonne,
weiland, gebaren, hehr, sühnen, wundersam, Zier, zierlidi. Fast alle sind wohl nicht recht
volkstümlich, den Gebildeten aber geläufig. Sie haben meist noch einen höhern Wert,
stammen also aus der Dichtersprache.
Unsere Dichter lasen aber nicht nur die altern Schriften, sondern
stellten auch selbständige Untersuchungen an. So hat sich Lessinq mit der
altern Literatur beschäftigt, er hat den Logau herausgegeben und auch ein
Logauwörterbuch angelegt. Hier sagt er (Henipelsche Ausgabe 12, 222):
.Auf diese veralteten Wörter liabeii v.'ir geglaubt, daß wir unser Augenmerk vor-
nehmlich richten müßten. Wir haben alle sorgfältig gesammelt, so viele derselben bei
unserm Dichter vorkommen, und haben dabei nicht aliein auf den Leser, der sie verstehen
muß, sondern auch auf diejenigen von unsern Rednern und Dichtern gesehen, welche An-
sehen genug hätten, die besten derselben wieder einzuführen. Wir brauchen denselben
nicht zu sagen, daß sie der Sprache dadurch einen weit größern Dienst tun würden als
durch die Priigung ganz neuer Wörter, von welchen es ungewiß ist, ob ihr Stempel ihnen
den rechten Lauf so bald geben möchte."
Diese Hoffnung ist bei Logaus Worten nur selten in Erfüllung gegangen.
Ich finde Bankart, jetzt Bankert, Besonnenheit, bieder, Brudi (Hose), Degen (Held),
eignen, eitel (nichts als), entjungfern, erkunden, ernüditern, feiern (aufhören zu arbeiten),
frommen, fürlieb (statt vorlieb), Genoß, kosen (reden), das Lieb, Ramme, reisig (reiter-
mäßig), selbander. Städter, Stänker, torkeln, wallen, Wegelagerer, Windei, Windlidit.
In den .Beiträgen zu einem deutschen Glossarium' (Hempel 12, 719 ff.) stehen eine
Reihe andrer alter Worte, von denen einige wieder aufgenommen sind.
Im 18. Jahrhundert ist auf diese Weise durch die bewußte Arbeit der Dichter
vielerlei wieder bejebt worden, indem sie einzelnes wieder hervorholten. Zu
einem besondern Kunstgesetz wird die Wiederaufnahme alter Wörter in der
Romantik. Vergleiche die oben S. 259 angeführte Arbeit von Petrich S.43. Es
ist wohl nur der geringen Verbreitung ihrer Dichtungen zuzuschreiben, wenn
nicht vieles von dem, was sie gebrauchen, durchdringt. Mit größerem Glück hat
Uhland manches erneuert. J.Grima\ hat in seiner Begeisterung für das Altertum
viele Worte wieder neu einzuführen versucht, und R.Wagner ist zweifellos oft
mit Erfolg in den unerschöpflichen Schatz der alten Sprache hineingestiegen.
Anmerkung. K.Bergmann, Der deutsche Wortschatz, Gießen 1912, hat nach Weigands
Wörterbuch die neubelebten Worte verzeichnet. Es sind: Aar, Absage, Altvorderen. Ansidit,
bangen, befehden, bieder. Brünne, daheim, Degen 'Held', Eindrudi. Eldi, Fehde. Feme.
Feuerzauber, frommen, frondiercn, Gastfreund, gastlidi, Gau, Gebilde, Gesdiehnis. Halle,
haselieren, hehr. Heim, Insdirift, Kämpe, kosen, künden, kündigen. Leidi. Lindwurm,
lugen, Minne, Mummensdianz, Redie. Stör 'Handwerkerarbeit', sühnen, Tafelrunde, tagen,
tosen, Trutzbündnis, Vatersdiaft. Wagnis, Wehrmann. Wonne, wundersam, zog.
§ 166. Modewörter und Schlagwörter. In der neuesten Zeit ist man noch
auf einige Besonderheiten aufmerksam geworden, die für die Sprachgeschichte,
das Alter und das Aufkommen der Wörter von besondrer Wichtigkeit sind.
Man spricht heute viel von Modewörtern und Schlagwörtern. Über
Modeworte besitzen wir eine kleine Studie von Hans Brennert, Mode-
worte; aus dem Mitteleuropäischen; Berlin 1898.
§ 166. Modewörter und Schlagwörter. 261
„Mit Modeworten," sagt der Verfasser, „sind nicht die 'geflügelten Worte' gemeint,
die aus Zitaten dichterisclicr Sentenzen oder Redensarten und Sprichwörtern bestehen.
Vielmehr jene Worte, die unserm Sprachschatz längst angehören, aber plötzlich in Mode
kommen und zu Lieblingsworten werden, weil ihnen der unermüdiiclie Gebrauch die er-
hoffte erheiternde Wirkung schließlich erwirkt hat. Aber auch ernste Modeworte gibt es,
die aber von ihrer feierlichen Höhe schHeßlich docii herunterpurzeln und am Ende nur
mitleidiges Lächeln wecken, nachdem sie zuerst von allen Gebildeten der Nation in An-
dacht vernommen waren."
H. Brennert gibt eine kleine Sammlung derartiger Modewörter aus
der neuesten Zeit. Andere hat Wustmann in seinen Sprachdummheiten ver-
zeichnet. Für das 18. Jahrhundert hat W. Feldmann, ZfdW. 6, 101, eine Reihe
von Ausdrücken zusammengestellt. Wenn man Schriften früherer Zeiten liest,
wird man gelegentlich auf Bemerkungen über derartige Modewörter stoßen.
So bietet z. B. Grabbe ein Beispiel in Scherz, Satire, Ironie und tiefere Be-
deutung. 1,3: „Die Wörter 'genial, sinnig, gemütlich, trefflich' werden so
ungeheuer gemißbraucht, daß ich schon die Zeit sehe, wo man, um einen ent-
sprungenen, über jeden Begriff erbärmlichen Zuchthauskandidaten vor dem
ganzen Lande auf das unauslöschlichste zu infamieren, an den Galgen schlägt:
N. N. ist sinnig, gemütlich, trefflich, genial." Die Kenntnis der Modewörter ist
natürlich für das Verständnis der Schriftsteller einer Zeit von großer Bedeutung,
und es ist unbedingt nötig, ihnen die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Natürlich
hat auch jeder Schriftsteller, was man damit vergleichen kann, gewisse Lieb-
lingswörter. Auch deren Geschichte führt bei genauerer Betrachtung zu be-
merkenswerten Ergebnissen. Ich erinnere nur an das Goethesche Dumpfheit.
Anmerkung. Feldmanns Untersuchung sollte fortgesetzt werden. Er verzeichnet
und bespricht folgende Ausdrücke: ätherisdi. alltäglidi. Alltags-, Ansicht 'Meinung', Auf-
klärung, von Belang, Deutsdiheit, Eigenheit, Entsagung, Gesdiidite, Glaube an uns selbst,
Grazie, Humanität, Jahrtausend. Kerl, Klarheit, Kleinmeister, Lektüre, Mucker, Mutter Natur,
Mutter Erde, Natur, Pflanze 'geistig minderwertiger Mensch', Sdilachtendenker, Spleen,
Sturm und Drang, sympathetisdi, Toleranz, unendlich, vernünftig, Weltgeist. Dazu kommen
eine Reihe von andern, die Feldmann künftig behandeln will, wie Empfindsamkeit. Gefühl,
sdiöner Geist, schöne Seele, starker Geist. Weiblichkeit. Weltbürger. Die Geschichte des
Wortes Genie, das auch hierher gehört, hat Hildebrand im Grimmschen Wörterbuch auf
53 Spalten dargestellt und in diesem Aufsatz ein vollständiges Kulturbild entrollt. Über
schöne Seele vgl. E.Schmidt, Richardson, Rousseau und Goethe, S. 318 ff.
Noch bedeutender als die Modewörter sind die Schlagwörter, auf die
zuerst Richard M. Meyer die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Unter dem Titel
'Vierhundert Schlagworte' hat er in den Neuen Jahrbüchern für das klassische
Altertum aus dem 19. Jahrhundert Beispiele gesammelt für Worte, die ein-
mal im besondern Sinn gebraucht, damit eine besondere Bedeutung be-
kommen. Es haben sich viele dieses wichtigen und anziehenden Gebietes
angenommen und Otto Ladendorf hat schließlich in seinem 'Historischen
Schlagwörterbuch', Straßburg 1906, den Stoff alphabetisch gesammelt und
dabei die bisherigen Arbeiten über dieses Gebiet verwertet. Sein Werk
bildet eine lehrreiche Ergänzung zu jedem Wörterbuch. Dazu kommen eine
Reihe kleinerer Abhandlungen: A. Gombert, Ergänzende Bemerkungen über
262 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
einige Schlagworte, ZfdW. 7, 1 ; A. Gombert, Beiträge zur deutschen Wort-
geschichte, Beigabe zu deirSchulnaclirichten des König Wilhehii-Ciyiiinasiums
zu Breslau 1908; O.Ladkndorf, Schlagworte und Verwandtes, ZfdW, 9, 279 ff.;
W. Fi-.LDMANN, Randglossen zum Ladendorf, ZfdW. 9, 288; O. Ladendorf, ZfdW.
5, 105 ff., 6, 46 ff.; ZfdU. 24, 481 ff., 560 ff. Der Begriff des Schlagwortes läßt
sich nicht genau begrenzen. Ladendorf versteht darunter „solche Ausdrücke
und Wendungen, denen sowohl eine prägnante Form wie auch ein ge-
steigerter Gefühlswert eigentümlich ist, insofern sie nämlich entweder
einen bestimmten Standpunkt wider ein Streben, eine Einrichtung, ein Ge-
schehnis nachdrücklich betonen oder doch wenigstens gewisse Untertöne
des Scherzes, der Satire, des Hohnes und dergleichen deutlich mit erklingen
lassen." Besser noch als diese Ausführungen zeigen Beispiele, was Laden-
dorf meint. Man denke an Nietzsches Bildlingsphilister, Übermensch,
Herdentier, an Heimatkunst, Fin de siecle, die Moderne. „So
sind", sagt Ladendorf VIII, „auch die Bezeichnungen großer literarischer
Strömungen, des Sturms und Drangs, der Romantik, des Jungen Deutsch-
lands, des Realismus und Naturalismus, der Decadence und Heimatkunst
nicht nur selbst zu Schlagworten geworden, sondern haben auch noch
zahlreiche andere im Gefolge gehabt. Nicht anders steht es bei tiefgehenden
künstlerischen Prinzipienstreiten. Neue Erkenntnisse und technische Fort-
schritte verlangten immer gebieterisch nach entsprechenden sprachlichen Aus-
drücken, deren Schlagkraft um so größer zu sein pflegte, je erbitterter die
Gegnerschaft war: Impression, Sezession, Jugendstil mögen zeugen für
viele." Derartige Schlagworte hat es nun schon seit langen Zeiten gegeben.
Will man sie für die Sprachgeschichte verwerten, so ist die Anordnung
nach der Zeit des Auftretens, wie sie R. Meyer geboten hat, die einzig
richtige. Die Ordnung nach der Buchstabenfolge bei Ladendorf ist ja zum
Nachschlagen sehr bequem, aber ihr mangelt doch eben das, was am
meisten anzieht, der Überblick über die zeitliche Aufeinanderfolge. Ein
einfaches Verzeichnis der Worte, geordnet nach ihrem Auftreten am Schluß,
würde diesem Mangel leicht abhelfen.
Modewörter wie Schlagwörter können natürlich wieder vergehen und
in Vergessenheit geraten, und dann stehen wir solchen Worten verständnislos
gegenüber. Wer kann sich bei einem Gedichte G. Kellers, das er Polka-
kirche überschrieben hat, etwas denken? R. Meyer hat gezeigt, daß Polka
damals in Berlin und Norddeutschland ein Modewort war, um alles zu be-
zeichnen, was schön und elegant war, vielleicht das, was man jetzt tip-top
nennt. Und in diesem Sinne gebraucht es auch Keller, also 'feine, elegante
Kirche'. Anderseits kann ein Wort lange bestehen, ehe es zum Schlagwort
wird. So taucht Übermensdi bereits 1527 in der theologischen Literatur
auf, wird dann ein Lieblingswort Herders, von dem es Goethe übernimmt
und zweimal gebraucht. Grabbe wendet es an, aber erst durch Nietzsche
wird es zum programmatischen Schlagwort. — „Ultramontan ist als
§ 167. Allgemeines. 263
geographischer und kirchenpolitischer Ausdruck dem 18. Jahrhundert schon
ganz geläufig," wird aber doch erst im 19. zum wirklichen Schlagwort.
Für alles Weitere sei auf die Schrift von Meyer selbst verwiesen.
Nötig wäre es, jede Zeit gesteigerter geistiger Regsamkeit besonders
zu untersuchen. Einen Anfang nach dieser Richtung macht Fr. Lepp in
seiner Freiburger Dissertation Schlagwörter des Reformationszeitalters, Leipzig
1908. Vieles, was damals geprägt ist, ist rasch wieder verschwunden. Zu
den Wörtern, die sich erhalten haben, gehören: Reformation (15. Jh.),
reformieren, Pharisäer, Sophist, sophistisch.
Diesem schließt sich an Fritz Schramm, Schlagworte der Alamodezeit,
ZfdW., Beiheft zum 15. Band, Straßburg 1914. Die Alamodezeit ist das
17. Jahrhundert. Sie ist gekennzeichnet durch eine „umständliche, bewußt
gekünstelte, abgeschmackte Form des Ausdrucks, die man nicht mit Un-
recht mit dem gleichzeitigen Barockstil in der Baukunst verglichen hat.
Literarisch tritt dieser Stil bekanntlich am ausgeprägtesten in der berüch-
tigten Lyrik der sog. zweiten schlesischen Schule am Ende des Jahrhun-
derts zutage." (Schramm S. 1.)
„Das wesentliche Charakteristikum der alamodischen Sprache", sagt Schramm S. 8
weiter, „ist der übertriebene Gebrauch der Fremdworte", und man darf daher vermuten,
daß die Mode- und Schlagworte dieser Zeit im wesentlichen Fremdworte sind. Das weist
denn auch Schramm an ausgewählten Beispielen nach. Zunächst kommt das Wort Mode
selbst, das zuerst in der Form alamode auftritt und geradezu als das Kennwort dieser
Zeit bezeichnet werden kann. Weiter erhalten wir in dieser Zeit oder es werden besonders
üblich: Kavalier, zunächst aus italienisch cavalliere, Monsieur, Galan aus dem Spa-
nischen, Dame, Madame, Mätresse, Kompliment, das mundartlich noch vorhandene
Baselman aus span. beso las manos 'ich küsse die Hände', Reputation. Es ist sehr
bemerkenswert, daß eine Reihe dieser Ausdrücke z. T. mit verschlechterter Bedeutung tief
in die Volkssprache eingedrungen sind. Mosjö ist obersächsisch und norddeutsch und
hat eine geringschätzende Bedeutung. Madam und Mamsell sind gleichfalls herunter-
gestiegen, und Baselman lebt am Rhein und im Niederdeutschen in der Bedeutung
'Verbeugung' fort.
Elftes Kapitel.
Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
§ 167. Allgemeines. Die deutsche Schriftsprache, mit der sich alle Ge-
bildeten verständigen, hat einen großen gemeinsamen Wortschatz; er besteht
aus den Worten, die jedermann geläufig sind, und die man beim Schreiben,
Reden, Vortragen usw. anwendet. Aber daneben besitzt doch fast jeder seine
besondere Sprache, indem er, wenigstens im Umgange, Ausdrücke gebraucht,
die nur in seiner Heimat oder deren engrer oder weitrer Umgebung üblich
sind. Das sind die sogenannten Provinzialismen. Da die Zeitungen nament-
lich in ihrem Anzeigeteil diese Umgangssprache aufweisen, so ist das Lesen
von Zeitungen aus einer Gegend, der man nicht selbst angehört, höchst
264 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach c- den.
belehrend. Aber derartige örtlich beschränkte Ausdrücke haben von jeher
auch Eingang in die Literatur gefunden und finden ihr. heute noch. Wer
neuere Schriften liest und auf die örtlichen Verschiedenheiten zu achten
gelernt hat, dem wird es selten lange verborgen bleiben, ob ein nord- oder
ein süddeutscher Schriftsteller zu ihm spricht. Namentlich hat infolge der
politischen Entwicklung heute schon das österreichische Deutsch eine be-
sondere Färbung angenommen. Selbst in den Werken einer Marie von Ebner-
EscHENBACH tritt sie hervor. Ebenso findet sich eine starke Sonderentwicklung
in der Schweiz, und Gottfried Keller zeigt ihm und seiner Heimat eigen-
tümliche, nicht allgemein gebräuchliche Worte, die ihm freilich wahrschein-
lich ohne Absicht in die Feder gekommen sind, z. B. der Aufrechte in
das Fähnlein der sieben Aufrechten, äufnen 'in die Höhe bringen',
Gegenschwäher. Betrachten wir Dialektschriftsteller wie Jere.mias Gott-
HELF, Rosegger, SO Steht es mit dem Wortschatz wesentlich anders. Bei
ihnen finden wir Abweichungen vom schriftsprachlichen Gebrauch auf
Schritt und Tritt. Noch stärker werden diese in den unverfälschten Mund-
arten. Da bestehen die größten Verschiedenheiten im Wortschatz,
Unterschiede im Wortschatz einer Sprache hat es zu allen Zeiten gegeben. Man
nimmt sie schon für das Indogermanische an, nnd das ist durchaus notwencfig und eigentlich
selbstverständlich. Aber wir können kaum etwas mit Sicherheit nachweisen. Auch hier
bekommen wir erst wieder sichern Boden unter den Füßen, wenn wir uns zu den Zeiten
mit schriftlicher Überlieferung wenden Es ist bekannt, daß innerhalb des germanischen
Dialektgebietes schon in der ältesten Zeit Verschiedenheiten bestehen. Das Gotische sagt
taujan für d. tun, aipei für Mutter, atta für Vater usw. Und ebenso ist es innerhalb des
Deutschen. Wir haben in althochdeutscher Zeit ein Stück Neuen Testamentes bei Tatian
und in dem Monsee- Wiener Fragmente. Hier finden sich bemerkenswerte Unterschiede:
sprihhit — quidit. iwln — zuowartün 'Ewigkeit', tuon — wurken usw. Eine tiefgehende
Untersuchung nach dieser Richtung unternimmt jetzt E. Gut.macher, Der Wortschatz des
althochdeutschen Tatian in seinem Verhältnis zum Altsächsischen, Angelsächsischen und
Altfriesischen, PBr.Btr. 39, 1—83, 229—289. Er weist nach, daß der Wortschatz Tatians in
vielen Fällen nicht zum Oberdeutschen, sondern zum Niederdeutschen und vor allem zum
Angelsächsischen stimmt. Trotzdem handelt es sich dabei nicht etwa um einen Einfluß
des Angelsächsischen, sondern, wie der Verfasser richtig bemerkt, um ein Problem d^r
westgermanischen Wortgeographie. — Besonders bemerkenswert sind die Worte, die bei
Tatian fehlen, uns aber geläufig sind, und umgekehrt die, die Tatian hat, die aber dem
Oberdeutschen fremd sind. Zur ersten Gruppe gehören: erkennen. 1. inkennen, Demut .
T. ödmuoti, dulden, T. tholrn, freuen, T. gifehan, Freude, T. gifeho, Sdiatten, T.
scüwo, s dielten, T. increbön. Sdiöne, T. fagari. Trost, T. fluobra, trösten, T. fluo-
biren, trauern, T. truoben, zeigen, T. zougen, zweifeln, T. gizunetön, madien, T.
tuon. Man darf wohl annehmen, daß wir mit diesen Worten oberdeutsches Sprachgut in
unsre Schriftsprache aufgenommen haben.
Der Unterschied zwischen dem Wortschatz der Schriftsprache und dem
der Mundart ist aber nicht nur der, daß die Schriftsprache gewisse Aus-
drücke der Mundarten nicht kennt, oder daß die Mundarten andere Aus-
drücke für unsere gewöhnlichen haben, sondern es ist noch eine ganz
wesentliche Artverschiedenheit vorhanden. Die Schriftsprache besitzt in viel
höherm Maße als die Mundart Ausdrücke für Allgemeinbegriffe, während
167. Allgemeines. 265
diese vielfach auf dem oben S. 98 geschilderten altern Zustand, in dem
man noch über viele Einzclausdrücke verfügt, beharrt. Auf der andern
Seite hat die Schriftsprache nicht selten Neubildungen eingeführt, um gegen-
über der Vielheit und Verschiedenheit der mundartlichen Ausdrücke verständ-
lich zu werden. So gilt in der Schriftsprache Hündin, was eigentlich dem
ganzen Sprachcharakter widerspricht. Denn bei den Haustieren wird das
Weibchen meist durch ein besonderes Wort bezeichnet, wie denn auch die
Mundarten verschiedentlich derartige selbständige Worte lux Hündin besitzen.
Für Schmetterling gibt es zahlreiche mundartliche Ausdrücke, J) ebenso für
einzelne Fische, Vögel usw. Kurz der Dialekt übertrifft die Schriftsprache
durch die Fülle alter Ausdrücke für die einzelnen konkreten Begriffe. Vgl.
auch Behaghel, Schriftsprache und Mundart S. 9 (Gießen 1906): „Unsere
deutschen Mundarten gehen in einem Teil ihres Wortbestandes sehr stark
auseinander, in einem andern stimmen sie überein. Und zwar: je sinn-
licher, je greifbarer die Anschauungen, desto größer die Verschiedenheiten;
je verblaßter die Vorstellungen, um so weiter reicht die Gleichheit."
Wenn wir in der Schriftsprache unsrer Gebildeten heute eine ver-
hältnismäßig große Einheitlichkeit finden, so ist das erst das Ergebnis einer
langen Entwicklung, der Arbeit einer Reihe von Grammatikern und Lexiko-
graphen und des Einflusses bedeutender Schriftsteller. Diese Einheitlich-
keit ist verhältnismäßig jung. Noch im 46. Jahrhundert stand neben dem
Mitteldeutschen, aus dem unsere Schriftsprache erwachsen ist," das Ober-
deutsche, wie sich heute noch das Niederdeutsche erhalten hat, und nur eine
Reihe besondrer Umstände haben dem Mitteldeutschen zum Siege verhelfen.
Aber wenn auch unser Wortschatz zum großen Teile mitteldeutsch ist,
so hat er doch daneben genug Worte aus den andern Dialektgebieten auf-
genommen. Noch heute gibt es ja überall neben der Schriftsprache die Volks-
mundarten mit ihrem abweichenden Wortschatz, und sehr leicht gebraucht
man Ausdrücke des Heimatdialektes. Das geht jedem so. Wenn nun ein
Schriftsteller viel gelesen wird, so kann es natürlich leicht kommen, daß
manches seiner Worte, das ursprünglich nur einer bestimmten Gegend an-
gehörte, allgemein üblich wird. Man braucht nur an Frenssen zu erinnern, durch
dessen Schriften zahlreiche niederdeutsche Worte bekannt geworden sind.
Seit wann beginnt nun die Einwirkung des mundartlichen Wortschatzes
auf die Schriftsprache? „Er beginnt von dem Augenblick," sagt Behaghel,
„wo es eine Schriftsprache gibt, dies Wort im eigentlichsten Sinne ge-
nommen, in dem einer Sprache, die geschrieben wird. Denn das Schreiben
ist eine schwere Kunst, und man schließt sich in allen Dingen, in der
Schreibung und im Ausdruck, gern an die vorhandenen Muster an." Je
stärker eine Sprache zum schriftlichen Gebrauch verwendet wird, um so
stärker mischt sich auch der Wortschatz der Mundarten. In seiner be-
') Er heißt Müllermaler. Sommervogel, maus, Mildi- oder Molkendieb. Smantledter,
Baufalter, Weifalter, Fledermaus. Platter- j Buttervogel, Butterfliege.
266 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
deiituiigsvoUen Rektoratsrede 'Schriftsprache und Mundart' hat Bchai^hel
auf die richtige Tatsache hingewiesen, daß aus Norddeutschland gebürtige
Schriftsteller im Mittelalter sich den Wortfornien und dem Wortschatz des
Hochdeutschen anbequemen, G. Roethe hat dies dann in seinem Buche
Die Reimvorreden des Sachsenspiegels weiter ausgeführt. Diesen Einflüssen
und dieser besondern Herkunft der Worte nachzugehen, ist gewiß eine der
anziehendsten Aufgaben der Wortforschung.
<} 168. Einfluß der Mundarten auf die Entwicklung des deutschen Wortschatzes.
Unser Deutsch zerfällt bekanntlich in drei große Dialektgebiete: Oberdeutsch,
Mitteldeutsch und Niederdeutsch. Während nun die beiden ersten in laut-
licher Beziehung gegenüber dem Niederdeutschen als eine Einheit charak-
terisiert sind durch die sogenannte hochdeutsche Lautverschiebung, steht es
bei dem Wortschatz anders. In diesem Punkte stimmt das Mitteldeutsche
in viel stärkerm Maße zum Niederdeutschen als zum Oberdeutschen. Ja
wir finden die Verwandten der mitteldeutschen Worte oftmals eher im Eng-
lischen als im Oberdeutschen. Das wird für die althochdeutsche Zeit durch
die oben erwähnte Arbeit von Gutmacher auf das schlagendste erwiesen.
Btr. 39, 275 faßt er seine Ergebnisse dahin zusammen : „Von zirka 2030 Worten,
die im Tatian vorkommen, sind 280 den übrigen ahd. Quellen fremd, es
kehren von ihnen 120 im Angelsächsischen, bezw. im Altsächsischen, Mittel-
niederdeutschen und Mittelniederländischen wieder." Allerdings haben wir
heute nur wenige davon. Dieser Gegensatz im Wortschatz trat den Beteiligten
besonders stark in den Zeiten der Reformation entgegen. Luther schrieb
mitteldeutsch und gebrauchte natürlich den mitteldeutschen Wortschatz. Mit
ihm trat das Mitteldeutsche selbständig neben das Oberdeutsche, ja dieses
verlor seine führende Stelle. Was man damals schon deutlich erkannt hat, das
wird durch die Sprachdenkmäler des 16. Jahrhunderts auf Schritt und Tritt
bestätigt. In seinem Buche 'Von Luther bis Lessing' 4. Auflage, 1904, S. 86
hat Fr. Kluge auf eine Reihe wichtiger Tatsachen aufmerksam gemacht.
Die Luthersche Bibelübersetzung war in Oberdeutschland einfach nicht
verständlich, und wenn man auch die Übersetzung im allgemeinen an-
erkannte, so änderte man doch in Oberdeutschland viele Worte. Besonders
wichtig „ist die Ingolstädter Bibel, die von Luther und Emser ausgeht, die
aber Eck nach den Angaben seiner Vorrede durch absichtliche Änderungen
von der mitteldeutschen Bibel entfernt hat, um sie der Mundart der Donau-
lande, namentlich auch im Wortschatze, anzupassen". Als weitere Vergleiche
hat Kluge a.a.O. die Zürcher Bibel von 1530 und die Wormser Propheten-
übersetzung von 1527 herangezogen. Es zeigte sich dabei, daß diese drei
zwar in zahlreichen Fällen gegen Luther übereinstimmen, daß aber trotz-
dem in den allermeisten Fällen der Luthersche Ausdruck gesiegt hat.
Genaueres findet man außer in der angeführten Schrift noch bei Lindmeyer,
Der Wortschatz in Luthers, Emsers und Ecks Übersetzung des Neuen
Testamentes, Straßburg 1899, und bei Byland, Der Wortschatz des Zürcher
§ 168. EINFLUSS D. Mundarten auf d. Entwickl. d. deutschen Wortschatzes. 267
Alten Testaments von 1525 und 1531 verglichen mit dem Wortschatz Luthers,
Berlin 1903.
Anmerkung 1. Anmerkungsweise möchte ich wenigstens einiges aus dem reichen
Stoff anführen. Der erste Ausdruck steht bei Luther, der zweite ist oberdeutsch. Abend
'Himmelsgegend' — Niedergang der Sonnen; äffen — betriegen: afterreden — nadi-
reden; ähnlich, bei Eck die Randglosse gleich; alber — unartlidi; anbeißen — essen;
anleiten — underweißen; auf dedien — entdedien; bang — angst; bedenken — be-
sdiließen; bekennen (die Sünde) — beiditen; bersten — bredien; Besdieid — Er-
manen; Beutel — Sedtel; borgen — lehen; Born — Brun; brausen — rausdien;
brennen — brinnen; Brunst — Begird; Buhler — Unkeusdier; darben — notleiden,
bedürfen; darbieten — darreidien; dumm (vom Salz) — bei Eck erläutert durch Un-
gesdimadi; Erdbeben — Erdbidem; fett — feist; Flasdie — Läget; flugs — bald;
freien — heiraten; fühlen — empfinden, greifen, wissen; Gefäß — Gesdürr; ge-
hordien —hören, zuhören; Gelte — Eimer; Getreide — Frucht; Grenze — Gegend,
Ende; Hälfte — Halbe; Halle — Kapelle; hasdien — greifen: Haushalter — Auß-
tailer; heucheln — Gleißnerei treiben; Heudiler — Gleißner; Hippe — Sichel; Hügel —
Bühel; Hürde — Pferridi; es jammert — es erbarmt; judten — krauen; Kahn —
Nadien; keltern — treten; Kluft — Sdilundloch ; klug — witzig, weiß; Klugheit —
Vernunft; knirsdien — grissgramen; Kriegsknedit — Söldner; Küdilein — Hünle;
lauern — aufsetzig sein; löken (wider den Stachel) — treten; Lippe — Lefze; Lotter-
bube — Schweizer; Mahl — Wirtschaft; mieten — bestellen, dingen; AI or^£'/z -(Himmels-
gegend) — Aufgang (der Sonnen); Motten — Schaben; Müdie — Schnadie; Otter —
Natter; Pfuhl — Teich; prüfen — bewähren; Rabe — Rape; Rätsel — Rätersdi;
rechten (streiten) — vor Gericht zanken; Schalksknecht — sdialkhaftiger Knecht;
Schaubrot — Opferbrot; scheel — schellig; Sdierflein — Heller, Ortlin; Sdieffel —
Metze; schenken — begaben; Sdieune — Scheuer; Scheusal — Anstoß; schmecken —
versuchen; Seuche — Siechtum; sichten — räden; Stange — Kolben; Splitter —
Agen(e); Sperling — Spatz; Stätte — Statt; stäupen — schlagen; Steig — Weg;
steinigen — versteinen; sich stellen — gebaren; störrig — unfriedlich; Stufe —
Staffel; Südwind — Mittagswind; tauchen — eintunken; täusdien — betriegen;
Träne — Zäher, Träher; Ton — Hall; Töpfer — Hafner; Ufer — Gestade usw.
Nicht alle Wörter indes, die in den oberdeutschen Bibeln ersetzt werden, sind dem Ober-
deutschen ganz fremd gewesen, vgl. v. Bahder, Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten
1, 299, wo er ähnlich, Eifer, heucheln, Trödel bespricht.
Da die Luthersche Bibelübersetzung in protestantischen Kreisen ein so
großes Ansehen genoß, so wagte man teilweise auch in oberdeutschen
Nachdrucken die Wortwahl nicht zu ändern, und man konnte der Hoffnung
Ausdruck geben, man werde sich leicht an den fremdartigen Sprachgebrauch
gewöhnen. Um die Schwierigkeiten des Verständnisses zu erleichtern, „er-
sann ein Basler Buchdrucker Adam Petri, der eine Zeitlang die ober-
rheinischen Lande mit zahlreichen Nachdrucken des Neuen Testaments
versah und so die Reformation kräftig förderte", das Auskunftsmittel, dem
Abdruck ein Wortregister beizugeben, das „die ausländischen Wörter auf
unser (Baslerisches) Teutsch anzeigt": „So icli gemerckt hab, daß nltt
yederman verston mag ettliche Wörter im yetzt gründtltdien verteiiischten
neuwen testament; doch die selbigen wörtter nit on schaden hetten mögen
verwandlet werden, hab ich lassen die selbigen auff unser hoch teutsch
außlegen und ordenlich in ein klein register fleißlich verordnet. "
268 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
Dieses Verzeichnis, wenn auch voller Mängel, ist sehr beachtenswert,
weil daraus hervorgeht, welche Worte man nicht verstand. Manche Worte
sind ja jetzt auch für uns veraltet, oder außer Gebrauch gekommen, aber
sehr viele, ja die allermeisten haben sich erhalten und allgemeine Geltung
in der Schriftsprache bekommen.
Anmerkung 2. Die oberdeutschen Bibelglossen und ihr Verhältnis zueinander sind
von Fritz Dauner, Die oberdeutschen Bibelglossen des XVI. Jahrhunderts, Freiburger Diss.,
Darmstadt 1898, untersucht worden. Auch aus diesem Glossar mögen einige Belege hier
folgen, wobei die schon angeführten nicht weiter erwähnt werden. Das zweite Wort gibt
die Erklärung des Lutherschen. Anstoß — Ergernnß, Stratichlitng: Aufschub — Verzug:
besudlen — verunreinen, beflecken: beteuben — trunken, kraftlos madien: deutlicii —
öffentlich, merklicii: empören — erheben, strensen: entkamen — entrunnen, entliefen:
ernten — schneiden: Eifer — Ernst: Feldweg — Rast. Roßlauf: flehen — bitten,
ernstlich begehren: flicken — bletzen: Frümmen — Nutz, Gewinn: Gebühr — billich.
gemäß: gedeihen — wachsen, zunehmen: Gegend — Landschaft: Geheimnis — Heim-
lidikeit. Sakrament : Gerildit — Gesdirei. Leumed: Getümmel — Ungestüm. Aufruhr:
getüncht — geweißt; harren — warten, bellen: haudien — blasen, wehen: härmen —
bekümmern: heiraten — mannen, ehelichen: höhnen — spotten sdienden: Kehridit —
Staub, Kutter: kostet — versudiet, schmückt: Lappen — Stuck. Pletz. Lump: lenken —
umkehren, umwenden: malmen — zermalmen: Markt — Fleck, Dorf: Meudiel-
mörder — heimlidi Mörder: Narben — Wunden. Malzeichen: Panier — Banner:
Preis — Lob, Ruhm: Qual — Pein. Krankheit: quälen — peinigen, quetschen:
rasen — toben, unsinnig: rasseln — braspeln, rauschen: Raum — Weite. Platz:
rügen — sehenden, sdiand entdecken: ruditpar — ausgerüfft. lautprecht : Rüstzeug —
Werckzeug: Sdiaubrot — heilig Brot, gewidit Brot: sdiautragen — öffentlidi tragen:
scheel — schielen, übersidüig: Sdiladittag — Metzeitag. Tag der Wirtschaft: schmucken —
zieren, aufmutzen: Schwelgerei — Überfluß in Essen und Trinken: schwulstig — auf-
geblasen: Soller — Saal, Summerlaub : Spaltung — Zanck, Zwitracht: Stadiel —
eisene Spitz an der Stangen: tadle n — strafen, nadireden: taugt nit — ziemt nicht,
ist unbillidi: verhüllet — verbunden, umwickelt: versdimaditen — verkamen, ver-
derben: undeutlich — unverstündlidi : untüchtig — ungesdiickt, unnütz; untadelidi —
unstrüflidi; unverwelklich — allweg grünend, nit welk: wetterwendisch — unstet
weiland — etwen. vor Zeiten; wichtige — sdiwere, lastig: Ziegenfell — Geißfell,
Kitzenfell; zerschellen — zerkloben. zerspalten. Vgl. auch noch Andreas Scholl, Adam
Petris Bibelglossen, Freib. Diss. 1908.
Seit wir demnach eine gedruckte, viel gelesene Literatur besitzen, haben
sich die Fälle immer stärker gemehrt, in denen Worte eines Schriftstellers
nicht aus der heimischen Mundart stammen, sondern wo sie aus der Literatur
übernommen eigentlich ganz wo anders heimisch waren. Je bedeutender ein
Schriftsteller ist, um so mehr wird sein mundartlicher Wortschatz für andere
maßgebend werden, und dementsprechend werden wir zu verschiedenen
Zeiten verschiedene Landschaften den Wortschatz der Schriftsprache beein-
flussen sehen. So herrschte im Mittelalter zweifellos das Oberdeutsche, und
die niederdeutschen Schriftsteller nahmen gern hochdeutsche Worte auf.
Dann wurde durch Luther der mitteldeutsche Wortschatz maßgebend, und
der Leipziger Diktator Gottsched hat sicher diesen Einfluß noch verstärkt.
Aber durch Leute wie Wieland, Schiller und auch Goethe haben wir wieder
eine Reihe oberdeutscher Ausdrücke erhalten. Fr. Kluge hat neuerdings
§ 169. Hilfsmittel z. Bestimm, d. Herkunft d. Wörter. § 170. 1. Form d. Wörter. 269
auf diesen oberdeutschen Einschlag in unserm Wortschatz hingewiesen.
Wenn er auch ziemlich bedeutend ist, so wifd er doch mit der Zeit von
dem niederdeutschen immer mehr übertroffen. Eine ganze Reihe von
Schriftstellern des 18. Jahrhunderts, wenn auch nicht allerersten Ranges, so
doch von andauernder Wirksamkeit stammten aus Norddeutschland. Man
braucht nur an Bürger, Voss, Campe zu denken. Und dieser Einfluß hat
sich im Laufe des 19. Jahrhunderts noch verstärkt. Hervorragende Dichter
und Schriftsteller wie Hebbel, Storm, Fontane, Mommsen, Geibel, Raabe,
Ranke sind Niederdeutsche. Wenn bei einzelnen auch die mundartlichen
Elemente sehr zurücktreten, manche wie Fontane lassen doch die Umgangs-
sprache stark zu ihrem Recht komimen, und viele niederdeutsche Worte
gehen dadurch in den allgemeinen deutschen Wortschatz über. Man darf
in neuerer Zeit auch die Zeitungen nicht übersehen. In diesem Punkt
herrscht Berlin, also Niederdeutschland. So wird zweifellos der Wortschatz
immer mehr verniederdeutscht werden. Man wird dies nicht als Unglück
betrachten dürfen, vielmehr ist es ja vielleicht überhaupt zu bedauern, daß
nicht das Niederdeutsche die Grundlage unsrer Schriftsprache geworden ist.
§ 169. Hilfsmittel zur Bestimmung der Herkunft der Wörter. Es ist nun
eine der wichtigsten Aufgaben der Wortforschung, der Zusammensetzung
unseres Wortschatzes in dieser Beziehung nachzugehen, und auch für den
Unterricht ist es von großer Bedeutung, den Schüler darauf aufmerksam
zu machen, ob ein Wort bodenständig ist, das heißt der heimischen Mund-
art angehört, oder ob es dort ganz unbekannt ist. Natürlich muß, wenn
das Wort nicht einheimisch ist, die Frage aufgeworfen werden, welches
Wort die Mundart dafür gebraucht. Mit Notwendigkeit führt das dann auf
literar- wie kulturgeschichtliche Fragen.
Hier kann freilich wieder nicht der ganze Stoff vorgeführt werden,
sondern es kann sich nur um die Erörterung der Mittel und Wege handeln,
mit und auf denen wir die mundartliche Herkunft der Wörter unsrer Schrift-
sprache enthüllen können.
An Hilfsmitteln gibt es folgende:
§ 170. 1. Die Form der Wörter. Die Entv^icklung der einzelnen Laute ist
im Deutschen nicht überall gleichmäßig vor sich gegangen, sondern wir finden
mannigfache Verschiedenheiten. Die meisten Wörter zeigen nun, entsprechend
der Herkunft unsrer Schriftsprache, den mitteldeutschen Lautstand, dessen all-
gemeine Entwicklung oben S. 25 ff. kurz dargestellt ist. Wörter also, die aus
einem andern Gebiet stammen, werden nicht selten auch eine besondere laut-
liche Gestaltung zeigen, durch die allein schon ihre Herkunft enthüllt wird.
Dabei ist freilich nicht zu vergessen, daß Wörter auch fremd sein können,
ohne etwas Besonderes in ihrer äußern Gestalt zu zeigen. Daß Heimweh
ein Schweizerwort ist, kann man aus lautlichen Gründen nicht erkennen.
Die folgende Zusamm.enstellung stützt sich auf die beiden besten Dar-
stellungen der deutschen Grammatik, auf W .Wilmanns' deutsche Grammatik
270 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
Bd. 1 und O. Bkhaqhi:l, Geschiclite der deutschen Sprache, 2. Aufl. Sonder-
abdruck aus der zweiten Auflage von Pauls Grundriß der germanischen Pliilo-
logie, Straßburg 1905, 4. Aufl. 1916 sowie auf K. v. Bahdkrs Grundlagen des
neuhochdeutschen Lautsystems, Straßburg 1890, wo Genaueres zu finden ist.
A. VOKALISMUS.
1 . Unter dem Einfluß von Labialen, vor / und sdi, vor Affrikaten und sonst
werden e, ei, i zu ö, eii, ü gerundet, namentlich im Ostfränkischen und
Südthüringischen (auch im Schweizerischen), und es sind daher eine Reihe
von Worten mit dieser Lautform in die Schriftsprache aufgenommen worden:
dörren, alid. derben; — erlösdieri, ahd. irleskan; — Flöz, ahd. f/ezzi; — Hölle, ahd.
Hella, e. kell; — lödcen 'mit den Füßen ausschlagen', mhd. ledien, gr. /.üyfiijy {U'igd<pn)
mit den Füßen ausschlagend'; — Löffel, mhd. leffel; Rotzlöffel zu Laffe; — lösdien,
ahd. leskan; — Löwe, mhd. Icwe; — nörgeln neben nergeln; — sdiwören, mhd. swern,
e. swear; — Sdtöffe, ahd. skeffeno; — sdiöpfen, mhd. sdiepfen; — Gesdiöpf, bei Luther
Gesdiepffe ; — sdiröpfen, mhd. sdirepfen ; — stöhnen, mhd. stenen ; — wölben, mhd. weihen ; —
zwölf, e. twelve, got. twalif; — gewöhnen, mhd. gewenen; — Wort, mhd. wert, ahd.
warid; — pökeln, nd. pekeln; — ergötzen, mhd. ergetzen (noch Adelung verlangt e und
daher auch bei Goethe Ausgabe letzter Hand); — Gewölle, mhd. gewelle; — Kröte, ahd.
kreta; — Köder, ahd. querdar; — Sdiönbart, mhd. sdiemebart zu mhd. sdieme 'Schatten'; —
Möwe, ahd. mPh, e. mew; — rö(h)ren 'laut schreien', ahd. nrf-n, e. roar 'blöken, brüllen'; —
Höhrandi aus heraudi, \cizt amüich wieder Hera udi geschrieben; — Würde, ahd. wirdi; —
flüstern, noch im \%. Sh. flistern, ahd. flistiran 'liebkosen'; — rüffeln, 'einen durch die
Riffel, t. ripple, ziehen'; — Würze 'das noch nicht gegorene Bier', ahd. ziy/rz 'Birnenmost',
e. wort 'Bierwürze' ; — abgeführt aus abgeviert; — Wetterleuditen, mhd. weterleih 'Wetter-
spiel' durch Volksetymologie. — Die Aussprache gesdient, mhd. gesdude war sehr verbreitet.
Die neue Orthographie kennt sie nicht mehr. — Vgl. hierzu noch E. Schröder, AnzfdA.
24, 31. — Dagegen ist Reuter ein anderes Wort als Reiter.
2. Umgekehrt entrunden die meisten Mundarten mit Ausnahme der
eben erwähnten die Laute ü, üe, öii, eii und es dringen daher auch wieder
Formen dieser Art in die Schriftsprache ein.
a) d > /: Bingelkraut zu Bunge; — Findling in Anpassung an finden, aber noch Moser,
Wieland, Schlegel schreiben Fündling; ebenso im 15. Jh. Fündelhaus und mhd. vündec
Findling, mhd. vundelinc, e. foundling; — Gimpel, mhd. gümpel zu mhd. gumpen, e.
to jump; — Kitt, mhd. kütt; — Spritze, spritzen, noch bei Schiller Sprütze, mhd. sprütze
zu sprießen; — Sdilingel, \ie\\.vAS\ex Sdilüngel; — Kissen, noch im 18. Jh. Küssen, mhd.
küssen aus afrz. cuissin, woher auch engl, cushion; — Pilz, mhd. bülz, ahd. bulii, aus
gr.lat. boletus; — Gespinst, mhd. gespunst-, — spitzfindig zu Fund; — Sdiippe, baycr.
neben Sdiüppe zu Sdiaufel. In giiltig ist jetzt wieder ü zu schreiben; — wirken für würken.
b) üe > /: Mieder, mhd. muoder, müeder.
c) öa > ei: Ereignis, ereignen von mhd. erougen, eröugen 'vor Augen stellen, zeigen' ; —
streifen, mhd. ströufen 'die Haut abziehen' ; — Sdileife, älternhd. Sdiläufe zu mhd. sloufen,
slöufen 'sich anziehen'.
d) iu > ei: Steiß, ahd. stiuz; — Kreisel, mhd. kriusel; — spreizen, mhd. spriuzen
'stemmen'; — Alt reis 'Schuhflicker', mhd. altriuze.
3. II und il werden in mitteldeutschen Mundarten namentlich vor Nasal
zu 0 und ö. Unsere Schriftsprache hat diesen Lautwandel häufig, aber nicht
ausnahmslos.
Sohn, e. sun; — Sonne, e. sun; — Nonne, e. nun; — Wonne, ahd. wunna; —
Tonne, e. tun: — begonnen, mhd. begunnen; — geronnen, gesponnen, gesonnen, ge
§ 170. 1. Die Form der Wörter. 271
Wonnen; — Bronnen, Heilbronn neben Brunnen; — anderseits und, unter, Wunde, Wunder,
Wunsch, Trunk, aber sonder, sondern, sonst.
Vor m steht u in dumm, krumm, Hummel, Kummer, äher fromm, mhd. frum ; — Sommer, e.
summer. — geglommen, geklommen, gekommen, gesdiwommen; — Rohrdommel, mhd.rörtumel.
Entsprechend wird ü behandelt: können, gönnen, König, mhd. künec, Möndi, aber Mnndien.
4. o ZU a war obersächsisch. Luther schreibt zunächst noch dachy
nach, ab für dodi, noch, ob. Man nahm an, daß ein solches a in Aber-
glaube, ndl. overgeloof vorliege, doch ist dies nicht richtig, dagegen liegt
der Lautwandel in Endsilben vor wie Heimat, mhd. heimote; — Monat,
mhd. mänöt; — Zierat, mhd. zierot; — Bräutigam, mhd. briutegome; —
Sommerlatte, ahd. sumarlota ; — Radehacke zu roden ; — Rakete, ital. rocchetta.
5. a ist in deutschen Mundarten häufig zu o geworden, doch ist dieser
Lautwandel nicht genau zu begrenzen.
Argwohn, mhd. arcwan neben Wahn, got. wens; — Brodem, mhd. bradem 'Dunst',
e. breath; — Brombeere, mhd. brämber, e. bramble, eig. 'Dornstrauchbeere'; — Dodit,
ahd. taht: — Dohle, mhd. täle aus tahele; — Drohne, asächs. dran, e. drone; -— Kot,
mhd. quat, kut; — lodien 'einen Baum bezeichnen', neben ladien, mhd. ladien; — Mohn,
mhd. mähen, gr. fir'j^ov {mcekön); — Monat, ahd. mänöd, e. month; — Mond, ahd. mäno,
e. moon; — Odem neben Atem; — Ohm, mhd. ä/w^, e. awm, aus gr.lat. ama; — Ohm(e)t
'Nachschur des Grases', mhd. ämät (« 'übrig'); — ohne, mhd. ane; — Otter, aus ahd.
natara, e. orfrf^r; — Rosenmontag, eig. 'rasender Montag'; — Roß 'Honigwabe', mhd.
nT3; — Rotspohn zu 5pä«; — Sdilot, mhd. 5/«^; — To«, mhd. tahe, got. /»«/zö 'Ton'; —
Troddel von mhd. ^rarf^ 'Saum', ahd. trädo; — wo, mhd. wä, noch in warum; — Woge^
mhd. i2;äc, got. wegs; — woben, wogen, mhd. wäben, wägen; — Zofe zu mhd. zäfen 'schmücken'.
6. In dem größten Teil des Mittelfränkischen und Teilen des Ost-
fränkischen sind ie und uo des Mittelhochdeutschen (nhd. i und ü) zu e (ei)
und ö (ou) geworden.
Wir haben diesen Lautwandel in Demant neben Diamant, frz. diamant; — Demut,
mhd. diemuot, eig. 'Knechtssinn'; — Almosen, mhd. alniuosen; — versöhnen neben Sühne,
mhd.süene. — Moor, mhd. muor,bohnen, mhd. büenen stammen aus demNdd., wo altes ö blieb.
7. Der Umlaut des u unterbleibt vor ck auf oberdeutschen und auf
mitteldeutschen Gebieten (südfränkisch und schlesisch). Wir haben daher
teils Doppelformen, teils hat die Form mit u gesiegt.
Drudien und drüdien werden noch im 18. Jh. ohne Unterschied der Bedeutung ge-
braucht; doch wurde schon seit dem 15. Jh. drudien für den Buchdruck angewandt, weil
er in Süddeutschland zu Hause war; — dudien, mhd. Indien, tädien; dazu Tüdie; — jiidien,
daneben yV/öfe^«, e. itdi; — ludi und lüdi 'unfest zusammenhängend'; — dial. Z,«c^^ neben
Liidie zu Lodi; — Mudie 'Laune' vielleicht zu Müdie; — rudien neben rüdzen; — Rudisack
(bayer.) neben Rüdien, e. ridge.
Dazu kommen noch eine Reihe von Fällen mit andern Bedingungen: purzeln neben
Bürzel; — Wonne, mhd. wünne; — hupfen und hüpfen; — lupfen und lüpfen; — rupfen,
mhd. auch rupfen; — sdiuppen, sdiupfen, mhd. auch sdiüpfen; — sdilurfen und sdilürfen; —
Stupfen, mhd. auch stapfen; — rutsdien neben mundartl. ritsdien; — kundig, mhd. kündec; —
um, mhd. auch ümbe, um; — tupfen neben nd. tippen; — sudien, mhd. selten auch säedien,
got. sökjan, e. beseedi. Zum Teil handelt es sich in diesen Fällen wohl nicht um lautliche
Entwicklung, sondern um analogische Beeinflussung, wie z. B. in nutz und nütze.
Gleicherweise ist der Umlaut des au in einer Reihe von Worten, nament-
lich vor Labialen, unterblieben.
272 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
So glauben, goL galaubj an; — Haupt, alid. houbit; — raufen, got. raupjan; — taufen,
got.daupjan; — Gau, aber Allgäu; — erlauben, raufen, kaufen, Laube, zaubern. Luther
dajjegen hatte den Umhmt: Heubt, gleuben, erleuben, teufen, keufen, den man auch vielfach
noch hört, namentlich in du kaufst. Beim junyen Schiller steht glaubig, betäubt (Btr. 28,297).
8. Der alte Diphthong iii hat sich im Neulioclideutschcn normalerweise
zu eil entwickelt. Frühzeitig ist aber in einem Teile des Mitteldeutschen, bes.
in Hessen, im nördlichen Thüringen, im Altenburgischen daraus /< undnhd.aw
geworden. Am deutlichsten ist dieses Gesetz an Ortsnamen mit Nau zu er-
keimen, Nauheim, Naumburg, die sich vom Rhein bis nach Schlesien erstrecken.
Wir finden auf der einen Seite: blauen, mhd. bliuwen, e. blow, woneben plauen bei
Goethe Götz erste Fassung; dazu Bleuel und daneben früher Blauel; — Greuel, mh6. grluwel
neben grauein, mhd. griuweln; — Knäuel neben md. Knaul, mhd. cUuwelm; — widerkäucn
nQ.bQ.\\ kauen, mhd. kiuwen; — Neuenburg ncbtn Naumburg; — Reue, mhd. riuwe; Treue
neben //■«««, eig. Dat. Plur., mhd. enlriuwen. Durchgedrungen ist am in: d\Ä\. aut odtx naut,
mhd. tut, ahd. eowiht, neowiht; — Durdilaudit : leuditen; — verlautbaren, zu ahd. liutbaro; —
verlauten, mhd. i>erliuten; — bedauern, midi dauert, mhd. betiuren zu teuer.
9. Die Schreibung ai war oberdeutsch. Die Worte mit ai stammen aus
der bayerischen Kanzlei.
Bayern, Kaiser, Maid. Maiß 'Holzschlag', Laib, Laidi, f^ain.
10. Das alte Umlauts-^ ist in einer Reihe von Fällen zu / geworden.
Gitter, mhd. geter; — Himten, md. hemmete; — Hippe, mhd. heppe; — Urne, mhd.
elme; — kidiern zu mhd. kadien ; — Triditer, mhd. trehter; — widisen 'mit Wadis bestreichen'.
11. Vereinzelte Eigentümlichkeiten des Vokalismus sind:
aj e für ei in Lehm, obd. Leim, Leimen, ahd. leimo, e. loam; Feldwebel: Weibel; —
fett zw feist; — heftig, s^iäi&hd. heiftig, goL haifsts 'Streit, Zank"; — Reede, Rhede zu
reiten; — Reep 'geteertes Tau', d. Reif; — Rennsteig aus rain 'Grenze' ist md. ndd. Ein-
fluß zuzuschreiben.
Sense ist aus mhd. seinse, segense; — -gen aus gein, gegen entstanden.
b) ö für au in Strom, mhd. stroum, e. stream.
c) ü für ou in Rahm, mhd. roum, schott. ream, zu awest. raogna- 'Butter'; — Bake,
nd. aus fries. buken, ahd. bouhhan, e. beacon.
d) ä wurde in Teilen des Schwäbischen und sonst zu au. Daher anberaumen aus
anberamen, so noch Adelung 1793, mhd. rümen 'zum Ziel nehmen'.
B. KONSONANTISMUS.
Noch viel häufiger und meistens auch charakteristischer sowie besser
der Herkunft nach festzulegen sind die Störungen im Konsonantismus.
1. w. Wörter mit dem Anlaut wr sind nicht oberdeutsch, da w hier
verloren geht. Die wenigen Worte, die wir mit diesem Anlaut haben,
stammen aus dem Niederdeutschen:
Wradi, nd. wrak 'Untaugliches', t. wredi 'Wrack'; — wribbeln neben ribbeln; —
wridien 'mit einem Ruder rudern'; — wringen ist ringen; — Wruke 'KohXmht' aus poln.
brukiew; — Wruge 'wom Rugengericht erkannte Buße'. — Vgl. auch den Namen Wrangel.
In Bradi 'Ausschuß' ist w zu b geworden. Das Wort ist eins mit Wradi. Ebenso in
Baldrian aus Valeriana.
In ein paar Fällen erscheint w im Auslaut als b: Hieb zu hauen; — Wittib zu Witwe; —
Lob Eigenname zu Löwe; — Eibe, ahd. iwa.
In der Verbindung kw ist w im Alemannischen geschwunden.
Daher Kedi neben Quedisilber; — Köder, älternhd. Querder.
§170. 1. Die Form der Wörter. 273
2. j. j ist oberdeutsch vor hellen Vokalen zu g geworden und in dieser
Form in einigen Fällen in die Schriftsprache aufgenommen worden:
gären, ahd.Jesan, gr. t^w (zeö); dazu Gisdit; — ^ auch gäten statt Jäten war und ist
sehr häufig. Auch Gauner hieß ursprünglich jauner. Umgekehrt haben wir jadi, jäh, ahd.
gühi; — jappen, obd. gappen zu gaffen, aus dem Niederdeutschen.
Abgefallen ist j in Ingwer, ahd. gingebero, frz. gingembre.
Nach r hat sich J im Oberdeutschen erhalten und ebenfalls zu g entwickelt: Ferge,
ahd. ferio; — Scherge, ahd. skerio; — St. Mär gen aus St. Marien; — Storger aus historier.
Ein später aufgekommenes/ hat sich auch nach andern Konsonanten erhalten {Metzger,
mhd. metzjcere, lat. matiärius; — Dönges aus Antonius) oder zu ig entwickelt: Käfig,
mhd. kefje, ahd. /^^y/a aus cavea; — Mennig, mhd. menje, lat. miniuni.
3. Auf niederdeutschem und mitteldeutschem Gebiet ist r häufig um-
gesprungen.
Daher Born neben Brunnen ; — Bernstein für Brennstein ; — bersten neben bresten ; —
nd. hörnen neben brennen; — Albert neben Albredit und überhaupt häufig in Eigennamen.
Der umgekehrte Fall liegt in nd. Ortsnamen mit -drup vor, z. B. Ordruf.
Von zwei r ist das eine gelegentlich durch Dissimilation geschwunden.
Köder, ahd. querdar; — Bord 'Rand', ahd. brort, abg. brazda 'Furche, Rand'; —
Polier aus parlier, frz. parier; — im 18. Jh. häufig fodern neben fordern; — Queder
'Bund an Hemdsärmeln', mnd. querder 'Randeinfassung'.
Im Alemannischen ist rvor di zu / geworden: Kildie für Kirdie; Kilbi aus kildiweih;
daher Feldien aus *ferdxen, ahd. forhana zu Forelle.
4. m in vortoniger Silbe geht in b über in mittelfränkischen Dialekten,
vgl. J. Meier, Einleitung zur Jolande XXXIX, Frank, AfdA. 35, 383. Wir haben
aus dem Niederländischen Besänmast, -segel aus ital. mezzana zu lat. medius,
also eigentlich 'Mittelmast'.
5. Nasal schwindet vor den Spiranten /, s, p im Niederdeutschen.
Wir haben den Schwund durchgeführt in Süden, ahd. Sundwint; dazu auch Sauer-
land aus suer, süctarland; — sadit zu sanft. Umgekehrt schieben die Mundarten öfter
einen Nasal ein, allerdings, wie es scheint, nur, wenn ein Nasal vorausgeht. Eine Reihe von
Formen sind so in die Schriftsprache gedrungen: 50/25^, mhd. sus, wahrscheinlich in um-
sonst ents\anden (Behaghel, Geschichte der deutschen Sprache'' 155); — genung für genug,
jetzt veraltet, aber noch bei Goethe; — nun aus nu.
6. Die urdeutschen Tenues p, t, k werden nicht überall gleichmäßig ver-
schoben, und das ist für die Herkunft der Wörter unsrer Schriftsprache wichtig.
a) p im Anlaut und zwischen Vokalen ist niederdeutsch, im Anlaut
aber auch mittel- und rheinfränkisch. Worte mit anlautendem p statt pf
stammen aber wohl meist aus dem Niederdeutschen.
Padde, t.paddock; — Park, e.park; — Pegel, e. pail 'Weingefäß'; — Pesel, ahd.
pfiesal; — petzen, obd. pfetzen; — Pinne, mhd. pfinne; — Pips, obd. Pfipfs; — plump,
obd. pflumpf; — Podie, obd. Pf odie; — Pranger, mhd. pfrengen 'drücken'; — pusten,
bzytx. p fausten; — Kneipe, kneipen, obd. kneif en; — Stapel, obd. Staffel.
In ein paar Fällen hat sich pf weiter zu / entwickelt. Fendi 'Art wilder Hirse', mhd.
pfenech; — Finne 'kleiner spitzer Nagel', mhd. pfinne, \\d\. pin; — Flaum, mhd. pf In me
aus \a{. plama; — Fragner, mhd. p fragener.
b) Mit pp und mp hat es eine besondere Bewandtnis. Sie sind er-
halten geblieben im Schlesischen, Obersächsischen, dem größten Teil des
Thüringischen, im Rhein- und Mittelfränkischen. Nach andern Konsonanten
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 18
274 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
bleibt p in den übrij^en Teilen des Fränkischen ebenfal's unverschoben.
Es kann daher nicht wundernehmen, daß unsere Schriftsprache in diesen
Punkten sehr verschiedene Gestalten der Wörter aufweist.
Wir finden dumpf, Rumpf, rümpfen, Sumpf, aber Klumpen, Humpen, Stempel neben
stampfen; — Lumpen; — Stümper neben stumpf; — Krampe : Krampf; — Kämpe neben
Kampf; — Schnepfe : Sdineppe; — Sdinupfen : Sdmuppe; — Hopfen; — hüpfen; —
Sdileppe; — Lippe; — knapp; — Krüppel; — Lappen; — sdinippeln; — Klepper; —
Stoppel, mhd. stupfel; — Sdiuppen, öst. Sdiupfen; *- rumpeln, e. rumble.
c) t ist Überall im Hochdeutschen zu z, s verschoben. Wörter mit t
(statt z, s) sind also niederdeutsch.
Tadel, mhd. zfl^/t'/ 'Mangel'; — Takel, c. tadile; — Talg, c. tallow; — Tau, ndl.
tou(we); — Tobe 'Hündin", ndl. teef; — Teer, e. tar; — Top, eins mit Zopf; — Torf,
e. turf; — Tuder, Tüder 'Strick zum Anbinden von Vieh auf der Weide", e. tedder, bayer.
Zieter; — Tüte, Tute, obd. Zotte, Zeute 'Ausgießer an einem Gefäß'; — Beute, ndl. buit; —
Boot, e. boat; — Fant, obd. Fanz; — flott zu fließen; — fett zu feist.
d) k ist zwischen Vokalen und im Auslaut hochdeutsch zu di ver-
schoben. Niederdeutsche Lehnwörter sind also:
Bake, e. beacon; — Blodt, obd. BlodiQ); — Laken, mhd. ladien, vgl. Sdiarladi; —
Luke, ndl. luik; — Sdimöker zu sdimaudien; — Sdinake 'lustige Erzählung', t.snake; —
Spuk, e. spook; — mäk(le)n, Makler zu niadien; — Küken, obd. Küdilein.
Nach / und r findet sich k und di nebeneinander. Mildi, e. milk; — Stordi, e. stark; —
hordien, e. hearken, hark, aber ß/rÄ^, Borke usw.
7. Germanisch rf ist hochdeutsch regelrecht zu / geworden. Eine Reihe
von Worten, die unregelmäßig d haben, stammen aus dem Niederdeutschen
und Teilen des Fränkischen.
dahlen, hochd. tallen, e. dally 'tändeln'; — Damhirsdi, mhd. tarne, e. doe 'Rehkuh'; —
dämisdi, obd. tämisdi ; — Damm, mhd. tarn, e. dam ; — Daune, e. down ; — deftig, e. deft
'niedlich, geschickt'; — Deidi, eins mit Teidi, e. dike, ditdi; — dengeln, e. ding, obd.
tengeln; — dill, mhd. tille; — Döbel, ahd. ^u6/7fl, e. dowel; — Dodie, mhd. todte; —
Dogge, e. do^; — Dotter, ahd. totoro, e. rfo/ 'Punkt'; — Drohne, obd. ^r^/z^, e. drone; —
dröhnen, got drunjus 'Schall'; - dumm, e. dumb.
8. Germanisch^ hat sich zu ö? gewandelt; im Oberdeutschen und zum
Teil im Mitteldeutschen ist dieser Laut dann stimmlos geworden, und er
wurde infolgedessen mit t bezeichnet. In einer Reihe von Fällen ist diese
Schreibung und Aussprache durchgedrungen.
tauen, e. thaw; — tausend, e. thousand; — Thüringen, mhd. zen Däringen; —
Tölpel, mh6. dörpere; — Ton, got. pahö; — tosen zu ags. pys 'Sturm'; — traben, ags.
prafian 'antreiben'; — Traube, and. thrafo; — Truhe, ags. pruh 'Trog, Kasten, Sarg'; —
Trumm, Trümmer, e. thruni; — tunken, ahd. dunkün.
9. pw wird zu dw, dann tw; weiter wird es noch zu zw verschoben. Da-
neben aber entwickelt sich im Niederdeutschen und im Mitteldeutschen auch kw.
Es stehen demnach nebeneinander:
Qualm, ahd. tualm; — Quark, mhd. twarc aus poln.twarög; — ^ue/z/^ 'Handtuch',
Zwehle, zwagen; — quer, zwerdi; — Quinger (Luther), Zwinger; — quengen verwandt
mit zwingen; — Quirl, bayer. Zwirl; — Querg neben Zwerg; — Quetsdie, Zwetsdie.
10. b und g sind oberdeutsch und zum Teil auch mitteldeutsch stimm-
los geworden, und man schrieb daher auch p und k. In einer ganzen
Reihe von Worten hat unsere Schreibung geschwankt.
§ 170. l: Die Form der Wörter. 275
a) p ist fest geworden in folgenden Fällen:
zu Paaren treiben, eig. 'zum Barn (Krippe)'; — nordd. Pakäsdie 'Lumpengesindel' für
Bagage; — paffen und baffen; — Paias aus Bajazzo; — Pabst, mhd. babest; — patzig
zu Batzen; — durchpausen, frz. ebaudier; — Peitsche, poln. bicz; — Petz, Koseform zu
Bär; — Pickelhaube zu Becken; — Pilz, ahd. buli'i aus lat. boletus; — A>?j§^e und Binge
zu anord. W«gT 'abgeteilter Raum'; — plänkeln, mhd. blenkeln '(schlagend) wiederholt er-
klingen oder erschallen machen' zu blinken; — plärren, nd. blarren, e. blare 'hrüWen' ; —
Plätzdien 'dünner Kuchen' zu Hetzen 'flicken'; — Plaue gleich Blähe; — plentern 'ge-
mischten Waldbestand durch Aushauen einzelner Bäume lichten', t\g. blendern; — Plinse,
russ. blinec 'Pfannkuchen'; — Pokal aus ital. boccäle 'Krug, Becher', gr. ßavy.a/As ibaükalis)
'enghalsiges Gefäß'; — Polster, e. bolster; — poltern, ndl. bulderen; — Posaune, gr.-lat.
bücina; — Posse, ixz. bosse 'Beule, Erhabenheit'; — Pradit, asächs. ^ra/z^ 'Lärm'; —
prägen, ags. ä&raaß« 'eingraben' (?); — prahlen, t. brawl •\axmtn' ; — prangen, mhd.
brangen; — Pranke und Branke, ital. branca; — prasseln zu ahd. brastön; — prassen,
ndl. brassen; — Pratze und Bratze aus ital. braccio; — preschen, eins mit birschen; —
preßhaft für bresthaft; — Priedie zu Brüdie; — Pritsche, Britsche zu ß/-^//^; — Protze,
aus venet. birozzo "zweirädriger Wagen'; — Prudel zu brodeln; — Prügel zu Brüdie; —
prusten vielleicht zu brausen; — Pudiel, nordd. für Budiel; — Purzel-, Burzelbaum zu
Bürzel; — putzig zu Butzemann; — empor, ahd. m 6or 'in die Höhe'.
b) ^ ist fest geworden in folgenden Fällen:
Bertram 'Geiferwurz', umgestaltet aus \a\. pyrethrum; — Bimsstein, lat pümex; —
Binetsch, ital. spinaccio; — Birne, \ai. pirum; — Bisdiof, grAat episkopus; — Brente,
Brinte zu v\.6\. prenten, t.print 'drücken'; — Bricke, mnd.pricke; — Büchse, grAat. pyxis; —
Buse 'Katze', e. puss. Diese Wörter sind wohl alle oberdeutsch.
c) k findet sich in folgenden Fällen:
Kalosdie neben Galosche, hz. galodie; — Kamasche neben Gamasche, frz. gamache; —
Kiebitz, ohd. hay er. Geibitz; — Knan, Knän, mhd. genanne 'Gleichnamiger'; — Knote,
nd. genüte 'Genosse'; — kokein gleich gaukeln. Hier gibt es also wenig Beispiele.
d) g hat sich festgesetzt in folgenden Wörtern:
Galmei. mhd. kalemine aus frz. calamine, gr.-lat. cadmia; — Gamander, ital. cala-
mandrea; — Gant, ital. incanto, lat. in quantum 'für wieviel, wie hoch'; — Ganter, ital.
cantiere; — Gardine, ital. span. cor/ma 'Vorhang'; — Gemse,- \{a\. camizza; — Glocke,
mlat. clocca; — Glucke, mnd. klucke; — Gockel, e. cock.
1 1 . Die Lautgruppen bb und gg weisen meist auf niederdeutsche Herkunft.
babbeln, t. babble; — baggern, ndl. bagger "Schlamm"; — Dogge aus e. dog; —
Ebbe, nd. ebbe; — Egge 'Seihende' = obd. Ecke, asächs. eggia, e. edge; — Flagge,
e. flag; — flügge, mhd. vlücke zu Flug; — knabbern; — Knagge, e. knag; — Knubbe; —
Krabbe, e. crab; — krabbeln, e. grabble; — kribbeln; — Padde, e.paddock; — quabbeln; —
Quaddel; — quaddern; — Quabbe; — rabbeln, t.rabble; — Robbe; — Roggen, e.rye; —
wabbeln, e. wabble.
12. Urgerm. b blieb im Niederdeutschen und großen Teilen des Mittel-
deutschen spirantisch, während im Oberdeutschen Verschlußlaute entstanden
waren. Kamen nun Worte mit b ins Oberdeutsche, so wurde b durch / ersetzt.
Hafen, t.haven; — Hafer neben Haber; — Hufe neben Hube, gx.xfjnog {kcepos); —
Kofen neben Koben, e. cove; — Luther schrieb Pöfel für Pöbel und Buffe für Bube.
13. ft ist im Ripuarischen und dem nordwestlichen Niederdeutschen zu
dit geworden. Wir haben eine Reihe derartiger Fälle in der Schriftsprache.
Dudit 'Ruderbank', ahd. bofta; — edit aus thaft 'gesetzlich'; — Juditen aus russ.
juft; — Laäiter 'Klafter', ohd. Lafter; — Nichte, ahd. nift, zu lat. neptis; — ruchbar,
18*
276 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
Gerüdit, berüditigt zu rufen; — sadit neben sanft, t. soft; — Sdtadit, t.shaft; —
Sdxaditclhalm aus Sdiafthalm; — siditen zu Sieb, c. sift; — besdiwiditigen zu shd. gi.
swifton 'Stille sein, schwcij^eu'; — Sdiliidit neben Sdiliift zu m\\d. slicfen, d. sdilüpfen.
14. Aus den Lautgruppen agi, egi, igi, ogi entstehen in großen Teilen
der deutschen Dialekte die Diphthonge ai, ei, ?, oL
Meister, lat. magister; — Maid, ahd. magad; — Eidedise, ahd. egidehsa ; — Ge-
treide, ahd. gitregidi; — verteidigen, zu ahd. tageding; — Hain, mhd. hagen; — Mainz
aus Maginza; — Einhart. Meinhart, Rcinhart aus Eginhart usw.; — Seifrit aus Sigi-
frid; — Beidite aus ahd. bigiht.
Besonders zeigen Eigennamen die lautgeselzliclie Form. Voit aus voget; — Raimund
aus regin-, ebenso Reinhart, Reineke.
15. Bei dem. s zeigen sich folgende Veränderungen:
a) rs, rj ist meist zu rs geworden; im Niederdeutschen, aber auch in
Teilen des Alemannischen geblieben.
Wir haben meist rs, wie in birsdien. Kirsdie, aber rs in Börse, Ferse, Hirse, Lerse,
und besonders, wenn t folgt: Borste. Durst.
b) In einer Reihe oberdeutscher Dialekte ist s auch sonst zu s geworden.
Daher Gisdit : gären: — falsdi, \. falsus; — feilsdien, xv^hd. veilsen; — Grosdien,
mhd. grosse, lat. grossus; — Harnisdi, mhd. harnas.
Man sieht also, daß sich aus dem rein Lautlichen mancherlei ermitteln
läßt, und daß auch für die Geschichte unsres neuhochdeutschen Wortschatzes
die Lautlehre von größter Bedeutung ist. Natürlich fehlt ein Wort darum,
weil es sich in einer bestimmten Form festgesetzt hat, nicht auch notwendig
den andern Mundarten. Aber es muß durch besondere Umstände, meistens
durch die Bedeutung eines Schriftstellers, der das Wort gebraucht hat, in
der betreffenden Form in die Schriftsprache gekommen sein. Vor allen
Dingen verdanken wir so Luthers sprachgewaltiger Persönlichkeit manche
Worte, aber es ist darauf hinzuweisen, daß seine Formen nicht in allen
Fällen gesiegt haben. Für die spätem Zeiten werden dann mehr und mehr
die Grammatiker maßgebend, als deren letzter wohl Adelung anzusehen ist.
Sein Wörterbuch wurde die Norm, nach der selbst Männer wie Goethe ihre
Schriften korrigieren ließen.
§ 171. 2. Die Überlieferung. Außer der Lautform kommen für den Nach-
weis mundartlicher Herkunft die Angaben der Grammatiker und Wörter-
bücher teils unmittelbar, teils mittelbar in Betracht. Diese merken zum Bei-
spiel an, daß ein Wort nicht überall gleich gebräuchlich sei, sondern aus
einer bestimmten Gegend stamme. Im allgemeinen sind diese Angaben sehr
wertvoll, da uns das eigene Sprachgefühl meist am sichersten führt. Frei-
lich können dabei Irrtümer unterlaufen. Mittelbar sind die Lexikographen
insofern von Bedeutung, als sie Wörter nicht verzeichnen, die ein gleich-
zeitiger Lexikograph oder Schriftsteller verwendet. Dann wird das Wort
auch in der Heimat des Verfassers nicht bekannt gewesen sein, während
er umgekehrt Worte gebraucht, die andere nicht verzeichnen.
Ich begnüge mich hier, eine Reihe von Fällen nach den unmittelbaren
Angaben der Wörterbücher anzuführen. Im allgemeinen wird man hier nicht
§ 171. 2. Die Überlieferung. § 172. 3. Die gelehrte Forschung. 277
viel anders als oberdeutsch und niederdeutsch unterscheiden können. Zweifel-
los würde sich aus den verschiedenen Grammatiken und Wörterbüchern ein
großer Stoff zusammenbringen lassen. Natürlich überwiegen in älterer Zeit die
oberdeutschen Einflüsse, während in neuerer die niederdeutschen zunehmen.
Steinbach hat in seinem 1734 erscliienenen Wörterbucli die dialektisciien Wörter an-
gezeiclinet. Unter ihnen finden sich: Barre, barsdi, Base, fürbaß, Binse, Birsch, Block,
blutarm. Braß, Büdierey, düster, Esse, flott, gefoppet, Gäck (Geck), gähe, tingar, Gaudi,
Gilde, behagen, Janhagel, gehapert, Harke, Mast, hastig, barhaupt, hübsdi, Jadie. Kaff,
Kanten, Karre, Karst, Kautz, Kefidi, kirdilidi, Knidzs, krauen, verkümmert, Kuppe, Ladie.
Laaken, Gelaß, Urlaub. Gelehrtheit, überlistet, Mangel f.. Amman, ausmerzen, Steinmetz,
Mejer. mundteln, Muße, genesen eines Kindes. Nestel, Podien.
Als oberdeutsch wurden am Ausgang des 18. Jahrhunderts noch
folgende Ausdrücke empfunden, die heute mir, einem Niederdeutschen,
völlig geläufig sind, d. h. der allgemeinen Schriftsprache angehören:
abhanden (Ad[elung]), absdiweifen (Ad.), abstimmen (Hey[natz]), Ahn (Ad.), allgemadi
(Ad.), Ampel {M), ausstellen [M.), Ausstand {Ad. 1796), auskömmlidi (Ad. 1774), Anleihe
(Ad. 1774), anbei (Ad. 1793, Hey.), Anbetradit (Ad. Hey.), beiläufig (Hey.), Bein (Hey.),
befehligen (Ad.), Begebnis (Ad.), beeinträditigen (Ad.), behelligen (Ad.), behende (Ad.), be-
hindern, deuten, dumpf. Eigensdiaft, ergrauen, förderlidi. fortan, gemeinsam, gestalten,
gewahren, Hader, hätsdiein, klaffen, kosen, kostspielig, lugen, mehrmals, unbefangen,
Unbill, vergeuden, versteigern, weitsdiiditig.
Heute hat die Bekanntschaft mit den Alpen infolge des jetzigen
Fremdenverkehrs eine Fülle bayerischer und schweizerischer Worte in die
allgemeine Umgangssprache eingeführt.
Dahin gehören: haytx. Alm, Fex, jodeln, Klamm, Marterl, kraxeln, rodeln, Sommer-
frisdie, Sdiwemme, Schweiz. Firn, Fluh. Wildheuer.
Recht Stark ist auch der Einfluß Wiens, auf den folgende Worte zurückzuführen sind:
Fasdiing, fesdi, Gigerl, Ländler, Sdüager, Spitzel, Trottel.
Von der Schweiz aus haben sich außerdem verbreitet: Töditersdiule, von Schweiz.
Toditer 'junges Mädchen', Putsdi, tagen, Heimweh, anheimeln, aufbegehren,
Faulpelz, Käppi, staunen aus frz. etonner, unentwegt, vertagen, Wädite, Zer-
würfnis u. a.
Als niederdeutsch bezeichnet Adelung mit Recht folgende Wörter, von
denen ich freilich nicht zu sagen weiß, wieweit sie dem Oberdeutschen
geläufig sind.
abmaradien, abradiern, Abort, absdiurren, Abstedier (Hey.), aufkrämpen, auflehnen.
Altenteil, ampeln, Ärger, binnen, blaken, blank, bißdien, bisweilen, Bettstelle (Ad.), Stedibeutel.
besdiwiditigen (noch nicht bei Ad. 1793, Wieland 1797), besdiuppen (Ad. 1774), besdiummeln,
bersten (durch Luther aus dem Niederdeutschen), benauen, bekunden (niederdeutsche
Rechtssprache), beklommen (niederdeutsch statt beklemmt), Behörde, begehrlidi (Hey.),
Bauten (Ad.), Ansidit (in der übertragenen Bedeutung), blank, Budit. didit 'nahe', düster,
ebben, flau, flink, flott, flugs, hapern, hastig, Hast, hasten, Laken, prunken, sadit, sdimudi,
sdinippisdi. verblüffen, Wirrwarr.
Als Provinzialwörter bezeichnet Kinderling S. 37fL: beiläufig für ungefähr (öst.);
Truhe für Lade; Ansprache für Besudi (sächs.); Morgenstern 'eine Waffe'; Diele für Tenne;
quieken für sdireien.
§ 172. 3. Die gelehrte Forschung. Neben dem Auftreten bei den Lexiko-
graphen geht das Erscheinen in der Literatur einher. Hier können wir oft-
278 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
mals durch eingehende Untersucliung feststellen, welchen Weg ein Wort
zurückgelegt hat. Eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten liegen in Einzel-
artikeln vor, unendlich vieles steckt natürlich im Grimmschen Wörterbuch.
Auch hier nur einige Beispiele.
DasVv'oTi Heimweh ist schweizerisch; das Heimweh ist eine Schweizer-
krankheit, die zuerst 1688 beschrieben und benannt wurde. Das Wort drang
erst ganz allmühlich vor, vgl. Kluge, ZfdW. 2, 234. Aus der Schweiz haben
wir außerdem, wie Kluge, Unser Deutsch S. 51, ausführt, noch erhalten:
staunen, entspredien (von Gottsched und seiner Schule lebhaft be-
kdmpft, aber von Lessing empfohlen), tagen 'verhandeln' (Schillers Teil:
So laßt uns tagen nach den alten Bräuchen), anstellig, geistvoll,
kernhaß, Unbill. Umgekehrt ist Kneipe nieder- oder mitteldeutsch.
Was oben über den Gegensatz der Lutherschen und oberdeutschen Wort-
wahl gesagt worden ist, gehört ja auch hierher.
Anmerkung. Eine wichtige Quelle für die Erkenntnis des mitteldeutschen Wort-
schatzes ist Adam Sibers, Bearbeitung des 'Nomenciator H.Junii', in dem die neu eingefügten
obersächsischen Worte mit einem Stern versehen sind. Vgl. die Freiburger Dissertation von
Fritz Ludin, Adam Sibers Bearbeitung des 'Nomenciator H.Junii'; lexikalisch erläutert.
(Als Beitrag zur Lokalisierung des neuhochdeutschen Wortbestandes.) Karlsruhe 1898.
§ 173. 4. Die Dialektforschung. Als vierter, letzter, aber auch wichtigster
Punkt kommt die unmittelbare Untersuchung des Wortschatzes der Mund-
arten in Betracht, das heißt die Frage, in welchen Mundarten kommt ein
Wort der Schriftsprache wirklich als einheimisch vor, in welchen nicht.
Um das beurteilen zu können, müssen wir natürlich den Wortschatz der
Mundarten erst einmal kennen. Da aber die Erforschung der Mundarten
auch an und für sich von größter Bedeutung ist, so muß hier etwas näher
darauf eingegangen werden.
Die Erforschung der Mundarten und ihres Wortschatzes geht andere
Wege als die sonstige Geschichte der germanischen Philologie, Wege, die
abseits von denen führen, die in J. Grlm.ms Tätigkeit ausmünden. Es macht
sich dabei wie in der Dialektdichtung ein lokalpatriotisches Element geltend.
Man wurde auf das aufmerksam, was die heimische Mundart Abweichendes
von der Schriftsprache bot, und man verzeichnete zunächst nur dies, während
man auf die Übereinstimmungen wenig Wert legte.
Auch auf diesem Gebiet gab Leibnizens großer Geist Anregungen,
während etwas später besonders Frisch hervorgetreten ist.
Erste handschriftliche oder gedruckte Versuche von Dialektwörterbüchern finden wir
schon im 17. Jahrhundert; erst das 18. aber brachte ein größeres Unternehmen, das
Idioticon Hamburgense von Michael Richey 1743, ^1755. Doch wurde dieses Werk
Lald durch eine bedeutendere Leistung übertroffen, den Versuch eines bremisch-
niedersächsischen Wörterbuches, herausgegeben von der bremischen deutschen Ge-
sellschaft, 1767—1771. Ein sechster Band erschien als zweiter Nachtrag 1869. Dies Werk
berücksichtigt auch die altern schriftlichen Denkmäler und ist bis in die neuere Zeit hinein
das beste Hilfsmittel zum Verständnis des Mittelniederdeutschen gewesen.
Unter den übrigen altern Arbeiten sind noch hervorzuheben:
DÄHN'ERT, Plattdeutsches Wörterbuch nach der alten und neuen pommerschen und
§ 173. 4. Die Dialektforschung. 279
rügischen Mundart, Stralsund 1781. — Zaupser, Versuch eines baierischen unJ oberpfälzischen
Idiotikons, München 1789. — Schmid, Versuch eines schwäbischen Idiotil<ons, 1795.
Der eigentümlichste unter den Dialel<tforschern des 18. Jahrhunderts war Friedrich
Karl Fulda 1724 — 1788. Er schrieb: Sammlung und Abstammung germanischer Wurzel-
wörter, nach der Reihe menschlicher Begriffe, Halle 1776, und Versuch einer allgemeinen
teutschen Idiotikensammlung, Berlin und Stettin 1788. Auf Anregung Fuldas gehen dann
die Arbeiten des Schweizer Pfarrers Stalder zurück, der den Versuch eines schwei-
zerischen Idiotikons, Aarau 1812, veröffentlichte, der sehr reichhaltig ist, sich aber
auch auf die in der Schriftsprache nicht vorkommenden Worte und Bedeutungen beschränkte.
Weit über Stalder hinaus gehen indessen die Leistungen eines Mannes, der zu den
bedeutendsten Forschern seiner Zeit gerechnet werden muß. JOH. Andreas Schmeller
(1785—1852) gab 1827—33 sein Bayerisches Wörterbuch heraus, in dem zum ersten
Male der gesamte Wortvorrat eines Dialektgebietes dargestellt wurde. Die zweite Ausgabe
dieses monumentalen Werkes wurde 1869—78 durch Frommann besorgt.
Mit Schmellers Werk hat die streng wissenschaftliche Bearbeitung der deutschen
Mundarten begonnen, aber wir sind noch weit davon entfernt, für alle Gebiete der deutschen
Sprache genügende Darstellungen des Wortschatzes zu besitzen. Arbeiten über einzelne
Gegenden mit mehr oder minder vollständiger Aufführung des Materials sind sehr zahl-
reich und können deshalb hier nicht alle aufgeführt werden.
Die Literatur ist verzeichnet bei: v. Bahder, Die deutsche Philologie im Grundriß,
1883 (bis 1881). — Mentz, Bibliographie der deutschen Mundarten. Forschung für die Zeit
des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Jahres 1889. Leipzig 1892. Auch unter dem Titel
Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten, Herausgegeben von Otto Bremer,
Bd. 2. — Fr. Kauffmann, Deutsche und niederländische Mundarten in Pauls Grundriß der
germ. Phil. P. Weitere Angaben in dem Jahresbericht für germanische Philologie und in
den unten erwähnten Zeitschriften.
Im folgenden gebe ich die wichtigsten Werke und zwar nach den Landschaften geordnet:
A. OBERDEUTSCH.
1. Bayerisch-Österreichisch.
J.A. Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, 2. Ausgabe bearbeitet von Frommann, 2 Bände,
München 1872—1877. — M. Höfer, Etymologisches Wörterbuch der in Oberdeutschland, vor-
züglich aber in Österreich üblichen Mundarten, 3 Bände, Linz 1815. — J. B. Schöpf, Tirolisches
Idiotikon, Innsbruck 1886. — J. F. Castelli, Wörterbuch der Mundarten in Österreich unter der
Enns, Wien 1847. — HÜGEL, Der Wiener Dialekt, 1873. — Ed.M.Schranka, Wiener Dialekt-
Lexikon, Wien 1905. — M. Lexer, Kärntisches Wörterbuch, Leipzig 1862. — H. Gradl, Eger-
länder Wörterbuch, Bd. 1, Eger 1883. — Steirischer Wortschatz als Ergänzung zu Schmellers
Bayerischem Wörterbuch gesammelt von Theodor Unger, für den Druck bearbeitet und
herausgegeben von Dr. F. Khull, Graz 1903. — J. v. Zingerle, Lusernisches Wörterbuch,
Innsbruck 1869 (Südtirol). — J. Bacher, Die deutsche Sprachinsel Lusern, Innsbruck 1905;
auch unter dem Titel: Quellen und Forschungen zur Geschichte, Literatur und Sprache Öster-
reichs, X. — K. J. Schröer, Wörterbuch der Mundart von Gottschee, Sitzungsberichte der
K. Akademie der Wissenschaften fn Wien 1868 und 1870.
2. Alemannisch.
a) Schweizerisch. Auf alemannischem Boden ist zunächst das ganz hervorragende
Schweizerische Idiotikon zu nennen, Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache.
Gesammelt auf Veranstaltung der antiquarischen Gesellschaft in Zürich unter Beihilfe aus
allen Kreisen des Schweizervolkes. Bearbeitet von F. Staub, L. Tobler und andern, Frauen-
feld 1881 fL Vgl. darüber Kluge, Bunte Blätter 165.
Kleinere Arbeiten sind: G.A. Seiler, Die Basler Mundart; ein grammatisch-lexikalischer
Beitrag zum schweizerdeutschen Idiotikon, Basel 1879. — J. Hunziker, Aargauer Wörterbuch
in der Lautform der Leerauer Mundart, Aarau 1877. — T. Tobler, Appenzellischer Sprach-
280 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
schätz. Eine Sammliinj^ appenzcllischcr Wörter, Redensarten, Spridiwörter, RiUsel, Anekdoten,
Sagen usw., Züricii 1837. — M. TscilUMl'ERT, V'crsuch eines bündncrisclien Idiotikons, Chiir
1881 ff. — E. Walthard-Hopf, Wörterbuch der Mundart von Habkern; Zschr. für dcutsclie
Mundarten 1907 S. 52 ff., 289 ff. (Habkern liegt bei Interlaken).
b) Schwäbisch:
Das Hauptwerk, durch das wir nacli Vollendung ein vortreffliches Hilfsmittel für die Kennt-
nis des schwäbischen Wortschatzes haben werden, ist H. FiSCHEKS Schwabisches Wörterbuch,
Tübingen 1901 ff., das rasch fortschreitet und in absehbarer Zeit vollendet sein wird.
Ältere und kleinere Werke sind: J. C. SCHMID, Schwabisches Wörterbuch mit ety-
mologischen und historischen Anmerkungen, 2. (Titel-) Auflage, Stuttgart 1844. — A. BiR-
LINGER, Schwabisch-Augsburgisches Wörterbuch, München 1864. — A. Kaiser, Lautlehre
der Mundart von Todtmoos-Schwarzenbach. Bonn, Georgi, 1910. Freiburger Diss., ist auch
lexikaliscii wertvoll.
c) Elsässisch. Die älteren Werke sind ersetzt durch das Wörterbuch der elsässischen
Mundarten, bearbeitet von E. Martin und H. Lienhart. 2 Bde. Straßburg 1899 ff.
Zu erwähnen wäre noch: Historisches Wörterbuch der elsässischen Mundart mit be-
sonderer Berücksichtigung der frühneuhochdeutschen Periode. Aus dem Nachlasse von
Charles Sch.midt. Straßburg 1901.
Nach Abschluß des Schweizer Idiotikons und des Fischerschen Werkes wird, wie
man sieht, das Oberdeutsche vortrefflich bekannt sein. Nur das Badische fehlt noch. Man
kann nicht sagen, daß es mit den übrigen Teilen unsres Vaterlandes gleich gut steht.
' B. MITTELDEUTSCH.
Während wir in Bälde über den oberdeutschen Wortschatz ausgezeichnet unterrichtet
sein werden, steht es auf mitteldeutschem Boden bei weitem nicht so gut. Größere Werke
liegen hier noch gar nicht vor, und es ist höchste Zeit, daß die Forschung ans Werk geht.
Dieser Mangel hängt natürlich mit der Entstehung unsrer Schriftsprache zusammen. Da
sie mitteldeutsch ist, empfand man in Mitteldeutschland nicht das Bedürfnis, den Wortschatz
aufzuzeichnen, da dieser von dem schriftsprachlichen Gebrauch nicht in der Weise abweicht
wie der oberdeutsche. Erfreulicherweise regt sich aber auch hier die Wissenschaft, um das
Fehlende nachzuholen. Für Thüringen ist jetzt ein großes Idiotikon in Angriff genommen.
1. Rheinfränkisch-Hessisch. Autenrieth, Pfälzisches Idiotikon; ein Versuch;
Zweibrücken 1899.— Othmar Meisinger, Wörterbuch der Rappenauer Mundart, Dortmund
1906. — A. F. C. Vilmar, Idiotikon von Kurhessen, Marburg und Leipzig 1868, neue Aus-
gabe 1883. Nachträge (1886) und erstes und zweites Ergänzungsheft dazu durch Hermann
^ VON Pfister, Marburg 1889, 1894. — W. Crecelius, Oberhessisches Wörterbuch, Darm-
^ Stadt 1890 — 1899. — G. Schöner, Spezialidiotikon des Sprachschatzes von Eschenrod
i^Oberhessen); Zeitschr. f. hochd. Mundarten 3, 225—273; 328—354. — Ph. Lenz, Der Hand-
schuhsheimer Dialekt I; Wörterverzeichnis; Beil. z. Progr. d. Grh. Bad. Gymn. zu Konstanz,
Konstanz 1887. — Ph. Lenz, Vergleichendes Wörterbuch der neuhochdeutschen Sprache und
des Handschuhsheimer Dialekts, Baden-Baden 1898, Selbstverlag.
2. Mosel fränkisch. Gangler, Lexikon der Luxemburger Umgangssprache. — Wörter-
buch der Luxemburgischen Mundart, Luxemburg und Leipzig 1906. — Dem Luxemburgischen
steht bekanntlich das Siebenbürgische am nächsten. V^gl. dazu G. KiscH, Vergleichendes
Wörterbuch der Kösner und mosel-fränkisch-luxemburgischen Mundart, Hermannstadt 1905.
Im Erscheinen ist: Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch; mit Benutzung der Samm-
lungen Johann Wolffs herausgegeben vom Ausschuß des Vereins für siebenbürgische Landes-
kunde, 1. Lieferung, Straßburg 1908,
M. F. FOLLMANN, Wörterbuch der deutsch-lothringischen Mundarten. Leipzig 1909. —
K. Chr. L. Sch.midt, W^esterwäldisches Idiotikon oder Sammlung der auf dem Westerwalde
gebräuchlichen Idiotismen, Hadamar und Herborn 1800. — (J. Wegeler,] Wörterbuch der
§ 173. 4. Die Dialektforschung. 281
Koblenzer Mundart; Rhein. Antiquarius III, 14 S. 698—759; auch besonders erschienen
Koblenz 1869.
3. Ripuarisch. Jos. Müller und W. Weitz, Die Aachener Mundart; Idiotikon nebst
einem poetischen Anhange, Aachen und Leipzig 1836. — Fritz Honig, Wörterbuch der Kölner
Mundart, Köln 1877; 2. vermehrte Auflage 1905. — Erich Leihener, Cronenberger Wörter-
buch (mit ortsgeschichtlicher, grammatischer und dialektgeographischer Einleitung), Marburg
1908. Cronenberg ist eine niederdeutsch-ripuarische Grenzmundart.
4. Ostfränkisch. O.Böhme, Beiträge zu einem vogtländischen Wörterbuche; 38. JBer.
der Realschule mit Progymnasium zu Reichenbach im V'oigtlande, 1884. — F. W. Reinwald,
Hennebergisches Idiotikon, Berlin und Stettin 1793, 1801. — B. Spiess, Volkstümliches aus
dem Fränkisch-Hennebergischen, Wien 1869; enthält ein Idiotikon. — B. Spiess, Beiträge zu
einem Hennebergischen Idiotikon, Wien 1881, auch in den „Deutschen Mundarten" von
Frommann 7, 129—176, 257—304.
5. Thüringisch-Obersächsisch-Ostmitteldeutsch. L. Hertel, Thüringer Sprach-
schatz, 1895. — M. Schultze, Idiotikon der nordthüringischen Mundart, Nordhausen 1874. —
R. Jecht, Wörterbuch der Mansfelder Mundart, Görlitz 1888. — K. Hentrich, Wörterbuch
der nordwestthüringischen Mundart des Eichsfeldes, Göttingen 1912. — K. Albrecht, Die
Leipziger Mundart, Leipzig 1881. — K. Müller-Frauenreuth, Wörterbuch der ober-
sächsischen und erzgebirgischen Mundarten, Dresden 1908—1914. — O. Philipp, Zum Wort-
schatz der Zwickauer Mundart; Zeitschr. für hochdeutsche Mundarten 5,6—12; 6,40 — 52,
209—227, 305—319. — J. G. Berndt, Versuch zu einem schlesischen Idiotikon, Stendal
1787. — K. Weinhold, Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche; Sitzber. d. Kais. Akad.
d.Wiss. in Wien 14 (1855), Beilage S. 1—56 und 15(1855), Beilage S. 57— 110; auch beson-
ders Wien 1855. — K. J. Schröer, Beitrag zu einem Wörterbuche der deutschen Mundarten
des ungarischen Berglandes, Sitzber. d. Kais. Akad. d.Wiss. in Wien 25 (1857) 213—272, 27
(1858) 174—218; auch besonders Wien 1858; Nachtrag dazu ebenda 31, 245—292.
C. NIEDERDEUTSCH.
Auch mit den Idiotiken Norddeutschlands ist es schlecht bestellt. Über Richey und
das bremische Wörterbuch siehe oben S. 278. — J. G. L. Kosegarten, Wörterbuch der
niederdeutschen Sprache älterer und neuerer Zeit, Greifswald 1855 — 1860; nur A — Ange-
toget. — H. Berghaus, Der Sprachschatz der Sassen; ein Wörterbuch der Plattdeutschen
Sprache in den hauptsächlichsten ihrer Mundarten I, A— H, Brandenburg 1880; II, J— N,
Berlin 1883; 21. Heft O— Paddeln. — H. Molema, Wörterbuch der Groningenschen Mund-
art im 19. Jahrhundert, Norden und Leipzig 1888. — Wörterbuch der Elberfelder Mundart
nebst Abriß der Formenlehre und Sprachlehre, Elberfeld 1910. — Diederichs, Beiträge zu
einem Wörterbuch der Remsclieider Mundart, Remscheid 1910. — J. C. Strodtmann,
Idioticon Osnabrugense, Leipzig und Altona 1756. — F. WOESTE, Wörterbuch der west-
fälischen Mundart, Norden und Leipzig 1882. — K.Bauer, Waldeckisches Wörterbuch nebst
Dialektproben; herausgegeben von H. Collitz; Norden und Leipzig 1902. — P. F. Weddigen,
Ravensbergisches Idiotikon (Weddigens historisch-geographisch-statistische Beschreibung der
Grafschaft Ravensberg II), Leipzig 1790. — H. Beck, Idiotikon von Nordsteimke bei Vors-
felde; Jahrb. f. ndd. Sprachf. 23, 131 ff.; 24, 113 ff. — G. Schambach, Wörterbuch der nieder-
deutschen Mundart der Fürstentümer Göttingen und Grubenhagen oder Göttingisch-Gruben-
hagensches Idiotikon, Hannover 1858. — R. Sprenger, Versuch eines Quedlinburger Idio-
tikons; Niederd. Jahrbuch 29, 139—162; 30, 1—32. — R. Block, Idiotikon von Eilsdorf bei
Halberstadt, Nd. Jb. 34, 35- 102; Nachträge dazu Nd. Jb. 36, 146-148, — Krause, Wörter-
verzeichnis der Mundarten im Kreise Jerichow; Jahrbuch für ndd. Sprachforschung 22, 25;
26, 64. — J. TEN Doornkaat-Koolmann, Wörterbuch der ostfriesischen Sprache, Norden
1879 — 1884. Ein Verzeichnis der darin fehlenden Wörter bietet C. Dirksen, Jahrb. f. ndd.
Sprachf. 25, 97 ff. — Jon. Fr. Schütze, Holsteinisches Idiotikon, Hamburg 1800—1806. -
K. Müllenhoff, Glossar nebst Einleitung zu Klaus Groths Quickborn, 1854. — Colmar
282 Elftes Kapitel. Verbreitung der Wörter nach Gegenden.
Schumann, Der Wortschatz von Lübeck; Probe planmäßiger Durcliforschung eines mund-
arliichen Sprachgebietes; Beih. zu ZfdW. Bd. 9; Straübiirg 1907. — F. Frehse, Wörterbuch zu
Fritz Reuters sämtlichen Werken, Wismar, Rostock und Ludwigslust 1867. — Ml (C. G. Sibeth),
Wörterbuch der mecklcnburgisch-vorponimerschcn Mundart, Leipzig 1876. — J. C. DäHNERT,
Platt-deutsches Wörterbuch, nach der alten und neuen pommerschen und rügischen Mundart,
Stralsund 1781. — J. F. Danneil, Wörterbuch der aUmärkisch-plattdeutschen Mundart. Salz-
wedel 1859. — H. Frischbier, Prcußisclics Wörterbuch; ost- und westpreußische Provinzia-
lismen in alphabetischer Folge, Berlin 1882, 1883. Ältere Werke für dieses Gebiet sind
Bock, Idioticon Prussicum, Königsberg 1759, und Hennig, Preußisches Wörterbuch, Königs-
berg 1785. — W. VON Gutzeit, Wörterschatz der deutschen Sprache Livlands, 4 Bände,
Riga 1864 fL Älter ist Hupel, Livländischcs Idiotikon, 1795. In Ostpreußen zum Teil und
ganz in den russischen Ostseeprovinzen herrscht der hochdeutsche Lautstand. Man be-
zeichnet diese Sprache nebst der hochdeutschen Umgangssprache in den norddeutschen
Städten als norddeutsch.
Wichtig für die Geschichte des deutschen Wortschatzes ist auch die jüdisch-deutsche
Sprache, d. h. die Sprache der Juden in Osteuropa. Diese Juden sind seit dem 14. Jahr-
hundert nach Osten abgewandert und haben das Deutsche, das sie damals sprachen, be-
wahrt. Daher findet sich in ihrer Ausdrucksweise manches altertümliche, sonst verloren
gegangene Wort. Eine erste Darlegung bietet J. Gerzon, Die jüdisch-deutsche Sprache;
eine grammatisch-lexikalische Untersuchung ihres deutschen Grundbestandes, Heidelberger
Dissertation 1902, Frankfurt a. M. 1902. Dazu Sainean, Das Jüdisch-Deutsch in Osteuropa.
Am Schluß seien hier noch die Zeitschriften genannt, in denen ein gewaltiger Stoff
für die Erforschung der Mundarten aufgespeichert ist. Leider ist den Zeitschriften meist
das Schicksal beschieden gewesen, nach wenigen Jahren wieder einzugehen. Die jüngste
hat allerdings der Allgemeine deutsche Sprachverein unter seine Fittiche genommen, und
so darf man hoffen, daß ihr unter diesem machtvollen Schutz eine lange Dauer beschieden
sein wird.
K. Frommann, Die deutschen Mundarten. Eine Monatschrift. Bd. 1—6. Nürnberg
1854-59. Bd. 7. Halle 1877. — J. W.Nagl, Deutsche Mundarten. Zeitschrift für Bearbeitung
des mundartlichen Materials. Bd. 1. Wien 1898 — 1901. Enthält auch die Bibliographie für
1890—99. — O. Brenner und A. Hartmann, Bayerns Mundarten. Bd. 1 u. 2. München
1892—95. — O. Heilig und Ph. Lenz, Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten. Bd. 1—6.
Heidelberg 1900—1905. Seitdem heißt sie Zeitschrift für deutsche Mundarten. Im Auftrage
des Vorstandes des Allgemeinen deutschen Sprachvereins herausgegeben. Berlin 1906 ff.
Sie trägt keine Bandzahl. — Dazu kommt das Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche
Sprachforschung. Bd. 1 ff. Bremen lS76fL
§ 174. Aufgaben und Bedeutung der Mundartenforschung. Die Mundarten-
forschung ist ein Kind der Lokalgeschichte. Man wurde in einer Gegend
auf die Abweichungen des Wortschatzes von dem der aligemeinen Schrift-
sprache aufmerksam und zeichnete diese auf. Ganz natürlicherweise merkte
man nur die Abweichungen an; und so sind die altern Idiotika weit davon
entfernt, den ganzen Wortschatz zu bieten. Auch die zahlreichen Schul-
programme, die sich mit dem Wortschatz einer Mundart beschäftigen, haben
immer nur die Sonderbarkeiten ins Auge gefaßt. So dankenswert auch alle
Arbeiten sind, heute kann das nicht mehr genügen. Die Aufgabe der
Mundartenforschung ist die geworden, den Wortschatz ohne Rücksicht auf
die Schriftsprache aufzuzeichnen. Ja, es wird sogar angebracht sein, aus-
drücklich zu bemerken, wenn ein Wort der Schriftsprache nicht in der
Mundart vorkommt, da eine wirkliche Angabe immer besser ist als das
§ 174. Aufgaben und Bedeutung der Mundartenforschung. 283
bloße Fehlen des Wortes, das schließlich auf einem bloßen Versehen be-
ruhen kann. Insonderheit wäre es eine dankenswerte Aufgabe, den Wort-
schatz einer kleinen Verkehrsgemeinschaft, z. B. eines Dorfes oder einer
kleinen Stadt einmal völlig aufzuzeichnen, schon um zu sehen, mit welchen
und wie vielen Worten eine bestimmte Gruppe von Menschen auskommt.
Wo geschichtliche Quellen der Mundart vorliegen, wird es sehr er-
wünscht sein, diese heranzuziehen, und ebenso ist nach dem Lautstand der
Mundart zu bestimmen, ob ein Wort dort einheimisch ist oder nicht.
Welche Bedeutung hat aber die Muntiartenforschung für unsere Zwecke,
die Geschichte des deutschen Wortschatzes? Nun, zunächst tritt jener oben-
erwähnte Unterschied psychologischer Art zutage, die größere Anzahl der
Ausdrücke für die konkreten Begriffe. Dann aber wird sich nicht selten
durch genaue Beobachtung des Wortschatzes der Mundarten entscheiden
lassen, ob ein Wort entlehnt ist oder nicht. Oft genug lassen uns bei der
Frage der Entlehnung die lautlichen Entscheidungsgründe im Stich. In
solchem Falle wird die Verbreitung in den Mundarten von ausschlag-
gebender Bedeutung sein. Ein Wort, das überall bodenständig ist, unter-
liegt dem Verdacht, entlehnt zu sein, weit weniger als eines, das nur in
einem bestimmten Mundartengebiet vorkommt. Romanische Lehnworte be-
schränken sich vielfach auf den Süden und Westen Deutschlands, slawische,
wie Schöps und Grenze, auf den Osten. Den Gebildeten sind diese und
andere Worte geläufig, und durch deren Sprache läßt sich nichts entscheiden.
Wenn wir aber die Mundarten kennen, in denen diese Worte leben, so
stoßen wir damit vielleicht auf die Grenze der alten Verbreitung der Slawen.
Aber auch abgesehen von den Fremdwörtern ist die genaue Angabe,
wo einzelne Wörter gesprochen werden, von hervorragender Bedeutung für
die Festlegung der alten Mundartengrenzen. Wir bestimmen diese im all-
gemeinen durch die Lautübergänge, wissen aber, daß in dieser Hinsicht
ganz bedeutende Verschiebungen stattgefunden haben. Oft genug hat sich
aber trotzdem die Verbreitung der Worte in den alten Grenzen erhalten.
Leider wird in der letzten Zeit auf diesen Punkt gar nicht mehr geachtet.
Nachdem L. Tobler in seiner Abhandlung über die lexikalischen Unter-
schiede der deutschen Dialekte, Festschrift zur Begrüßung der 39. Versamrn-
lung deutscher Philologen, dargeboten von der Universität Zürich 1887, eine
Reihe von Bemerkungen gegeben hatte, die aber keine rechte Beachtung
mehr gefunden haben, hat neuerdings K. Bohnenberqer, ZfdW. 2, 1 ff. auf
diese arg vernachlässigte Frage und ihre hohe Bedeutung hingewiesen.
Durch den Fischerschen Sprachatlas von Württemberg kennen wir eine Reihe
derartiger Wortgrenzen, z. B. die von Zinstag gegen Dienstag, von Erchtag
und Pfinztag, Aftermontag. „Weiter sind von interessanten Wörtern und
Wortformen geographisch bestimmt Kirsdie und Kriese, Kirche und Kildie,
Keller = Ker und Kern, Scheuer = Stadel und Tenne, Kamm und Strähl,
leihen und lehnen, schieben = schalten und stoßen, die Grenzen der ver-
284 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
scliicdcncn Bczcichnuns^en für Zuchtsticr {Hummel, Heime, Odis, Ha^en,
Hägcl, Heigel, Stier), über {Eber, Bär, Beiß, Häckel), Schurz {Schoß, Fiirfleck,
Fleck, Fürtuch), Flachs (Wcr.uj, Haar), die Grenzen von fei ^ Mädchen." Ebenso
hißt sich aus den Karten des Wenkcrschcn Sprachatlasses manches entnehmen.
Derartige Doppelheiten der Benennung gibt es Hunderte. Ich erwähne nur
Metzger — Fleischer — Knodienhauer, Klempner — Spengler, Tisdiler —
Schreiner, Töpfer — Hafner.
Zwischen meinem Heimatsort Magdeburg und Leipzig, die nur 120 Kilo-
meter voneinander entfernt liegen^ gibt es eine Unsumme von Verschieden-
heiten, doch ist das nicht weiter wunderbar, da zwisclien beiden Orten die
niederdeutsche Sprachgrenze liegt. Ich erwähne nur folgende: In Magde-
burg spielen die Jungen kriegen, dort haschen, in Magdeburg sagt man
kiesein, dort kreiseln-, in Leipzig tragen die Jungen einen Ranzen, in
Magdeburg eine Mappe; dort sagt man Lendenbraten, Schoß, Plättstahl,
Schmeer, Aschkuchen, Bemme, hier Filet, Rostbeef, Plätte, Flomen, Topf-
kuchen, Stulle. In Magdeburg schlittern die Jungen, in Leipzig sdmsseln
oder glandern sie. Untersuchungen wie die von C. Schumann, Der Wort-
schatz von Lübeck (s. o. S. 282), werden hoffentlich bald Nachfolge finden
und dadurch zur Kenntnis der Wortgrenzen beitragen. Dieser in der ersten
Auflage ausgesprochene Wunsch hat seitdem eine erfreuliche Erfüllung er-
fahren durch Paul Kretschmer, Wortgeographie der hochdeutschen Um-
gangssprache, Göttingen 1916 — 18, indem er nicht nur auf die allgemeinen
Verschiedenheiten des Wortschatzes in der Umgangssprache hinweist, son-
dern auch an einer Fülle von Beispielen diese Verschiedenheit zeigt. Dieses
Buch wird hoffentlich dazu beitragen, diesem lang vernachlässigten Gebiet die
Aufmerksamkeit der Forscher und Lehrer zuzuwenden. Vgl. auch W. Braune,
Btr. 43, 364.
Außerordentlich reich sind die Mundarten an Wörtern, die einst vor-
handen waren, jetzt aber in der Schriftsprache aufgegeben sind. Natürlich ist
das meiste mittelhochdeutsches Sprachgut, aber auch manches urgermanische,
ja indogermanische Wort hat sich nur in den Mundarten erhalten. So leben
im heutigen Bayerischen in ös und enk die gotischen Dualformen "^jut und
igqis fort. Bayer. Dult ist got. dulljs 'Fest'; österr. P/^/flf/^/- 'Althändler' ist
von Pfeid abgeleitet, got. paida 'Kleid', das aus gr. ßuhii entlehnt ist. Aus
dem Buchstaben b, p des Wörterbuchs der obersächsischen und erz-
gebirgischen Mundarten kann man folgendes anführen:
hatten 'Profit geben', mhd. baten 'nützen", beniemen 'Namen geben', mhd. bentiemen,
besilfcrn 'beschmutzen', mhd. besülwen, Beute 'Backtrog', got. biuds 'Tisch', biesen 'wild
umherrennen', mhd. bisen; Bilwiß 'Kobold', mhd. bilwlz, bis 'sei', mhd. bis, Polze 'ge-
rösteter Kartoffelbrei', ahd. polz, Bornkinnel 'Christkind in der Krippe' zu mhd. barn 'Krippe'.
Aus dem kurhessischen Idiotikon nenne ich aus den Buchstaben i,j, k
folgendes:
Jane 'Reihe, Linie, Strich Arbeit', mhd. jrm, mlat. janiis 'Bezirk' verwandt mit ai.
jünah m. 'Bahn', jänam n. 'Gang'. Immes 'die Kerbe im Ganzjoch, in welche die Deichsel
§ 175. Allgemeines. 285
gefügt wird', daneben Eines, sicher all, wenn auch nicht genügend erklärt. Kabe 'Spreu'
zu nd. kaff, Kak 'Schandpfahl' zu lit. zügaras 'dürrer Ast'. Kandel, Kancl 'Röhre' aus lat.
canälis, schon ahd. käiiali. Kar 'Gefäß' zu got. kas. Kante 'Grube', ndd. kide, nihd.
kräe, Herkunft dunkel. Kelber f. 'weibliches Lamm, Muttcrlamm' ist ahd. kilburra. Kelch
'Felthaut zwischen Kinn und Hals', ahd. cheldi, an. kjalki 'Kinnlade' von ahd. kela. Kerne
'Butterfuß' gemeingermanisch, e. diurn, anord. kirna. Kluppe 'Klemme' zu klieben. Kneif
'Messer', e. kni/e. Knust zu khorren. Kogel 'Kapuze', ahd. cucula, ciigula aus lat. ciiculla
'Kapuze'. Kreppet zu Krapfen. Kregel 'beweglich, munter', zu Krieg. Krolle 'Haarlocke',
vielleicht mit kraus verwandt. Krause 'Krug', alt, aber dunkler Herkunft.
Es ließe sich nach dieser Richtung, wie man leicht sieht, ein großer
Stoff zusammenbringen. Sicher wird eine Heranziehung des mundartlichen
Wortschatzes im Unterricht reiche Anregung bringen. Vgl. hierzu A. Fuckel,
ZfdU. 24, 409 ff.
Zwölftes Kapitel.
Die Sondersprachen.
§ 175. Allgemeines. Wir haben im vorhergehenden Abschnitt gesehen,
wie mannigfach die verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes an der
Ausbildung unsres Wortschatzes beteiligt sind, wie hier ein oberdeutsches,
dort ein niederdeutsches Wort in die allgemeine Umgangssprache ein-
gedrungen ist und eindringt.
Aber die Sprache ist nicht nur räumlich und zeitlich verschieden, son-
dern sie ist auch in sich gegliedert entsprechend dem ganzen Aufbau eines
Volkes. Es ist jedem bekannt, daß die einzelnen Gesellschaftskreise, Stände
oder Berufe einen besondern Wortschatz besitzen; die Aufmerksamkeit der
Gelehrten wie der Laien ist auf diese Eigentümlichkeiten der Jäger-,
Bergmanns-, Schiffersprachen usw. früh gelenkt worden. Wir besitzen
Angaben darüber schon aus der frühneuhochdeutschen Zeit. Auch J. Grimm
hat sie in seinem Wörterbuch 1, XXX wohl beachtet; aber zusammenfassende,
wissenschaftliche Arbeiten über dieses Gebiet stammen erst aus neuster Zeit,
und man kann nicht sagen, daß es irgendwie erschöpft sei. An dieser Stelle
soll das bisher Erreichte geordnet dargestellt werden, woraus sich dann
sehr leicht die noch bestehenden Lücken erkennen lassen werden. Zunächst
einiges Allgemeine.
In den Standessprachen gibt es, wie Behaghel, Die deutsche Sprache^ 77,
ausführt, zahlreiche Worte, die der Allgemeinheit völlig unbekannt sind.
Der Seemann spricht von sichtigem Wetter, von raiimem Winde, der Setzer
von Tentoriiim und Tentakel, der Börsenmann vom Diskont, von Tratten usw.
Anderseits gibt es aber auch ganz gewöhnliche Worte, die nur in den
Standessprachen eine besondere Bedeutung haben. So versteht der Jäger
unter Schweiß das Blut der Tiere, unter Löffel die Ohren des Hasen, der
Soldat unter Äffe seinen Tornister, und der Setzer redet von Leichen und
Hochzeiten, um damit gewisse Satzfehler zu bezeichnen. Wirft man einen
286 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Blick in den Handclstcil einer Zeitung, so wird man dort, wenn man diesen
Dingen fernsteht, z. T. ganz unverständliche Nachrichten finden.
Die Ausbildung von Berufssprachen hangt natürlich mit der ganzen
wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Je größer die soziale Gliederung, um
so größer auch die Verschiedenheit der Sprache. In der altern Zeit, als die so-
genannte Hauswirtschaft bestand, gab es kaum ein besonderes Handwerk.
Jeder verfertigte die Sachen, die er brauchte, selbst. Aber diese Zeit ist längst
vorüber. Seit Jahrhunderten haben wir eine ausgeprägte Gliederung.
Die sprachlichen Eigentümlichkeiten der Standessprachen beruhen nun
im wesentlichen auf folgenden Punkten: 1. Man hat für die besondern Be-
dürfnisse des Standes neue Ausdrücke geschaffen, wie z. B. Kontrahage
bei den Studenten, oder 2. man hat Wörter der allgemeinen Sprache mit
einem besondern Sinn versehen, und 3. bewahren die Standessprachen alte
Worte und Bildungen, die sonst längst untergegangen sind. So findet sich
bei den Seeleuten der Ausdruck Wanten für 'gestrickte Handschuhe'. Das
ist ein altes Wort, welches die Romanen entlehnt haben, frz. gant, ital.guanto.
,In der Sprache des Jägers", sagt BehAghel a.a.O. 78, „bedeutet absprossen
'die Knospen abbeißen', von mhd. broj 'die Knospe'; rahmen ist 'über-
holen', von ahd. nimen 'nach etwas streben', Wölfen 'gebären. Junge werfen',
von mhd. ivelf 'Junges von Hunden oder von wilden Tieren'. In Fehrücken,
Fehwamme, Ausdrücken der Kürschnersprache, steckt ein altdeutsches Wort
feh 'bunt', verwandt mit gr. :roixuog (poikilos)." Noch heute gebrauchen
die Pelzhändler den Ausdruck Decher für 10 Stück, der in früher Zeit aus
lat. decuria entlehnt ist.
Das sind wohl die wesentlichen und wichtigen Punkte, durch die sich
die Standes- und Berufssprachen von den übrigen unterscheiden. Sie allein
dürften schon genügen, um die eingehende Beschäftigung mit ihnen, die
jetzt herrscht, berechtigt erscheinen zu lassen. Aber ihre Hauptbedeutung
für uns beruht darauf, daß die Schriftsprache aus ihnen zahlreiche Worte
aufgenommen hat, die in ihr ihrer Herkunft nach ganz unverständlich sind.
Nur wenn man auf die Standessprachen zurückgeht, wird man in manchen
Fällen die eigentümliche Bedeutung der Worte ermitteln können. Die fol-
gende Darstellung wird also darauf ihr Hauptgewicht legen, die aus den
Standes- und Sondersprachen in die allgemeine Schriftsprache eingedrungenen
Worte anzuführen, was aber nur möglich ist, wenn wir eine allgemeine
Übersicht über die Sondersprachen geben.
Im allgemeinen spricht man von Standessprachen, ich habe aber
als Überschrift den Ausdruck Sondersprachen gewählt, um etwas weiter
gehen zu können, als man gewöhnlich tut. Denn wir haben es nicht nur
mit Standes- und Berufssprachen zu tun, sondern auch mit den verschiedenen
Sprachen der Geschlechter und der Altersklassen. Dazu kommt, daß der Ge-
bildete von heute über einen merkwürdig gemischten Wortschatz verfügt.
Wir gebrauchen andere Ausdrücke im gewöhnlichen Leben, andere in öffent-
§ 176. Allgemeines. 287
lieber Versammlung. In einem Briefe kann man manches Wort anwenden,
das in einem Buche nicht angebracht wäre. Die Lexikographen des 18. Jahr-
hunderts unterscheiden denn auch mit Recht eine höhere und niedere Schreib-
art, sie sprechen von dem Adel der Wörter, und wenn J. Grimm von dieser
Unterscheidung nichts wissen wollte, so hatte er nur insoweit recht, als für
den Sprachforscher beide Abteilungen gleich wichtig sind, genau wie wir
heute den Mundarten wissenschaftlich ebensoviel Wert beilegen als der
Schriftsprache. Die Wortforschung muß aber ihr Augenmerk gerade auf
diesen Punkt richten und die Verschiedenheiten des Wortgebrauchs auch in
der allgemeinen Verwendung feststellen. Es handelt sich hierum Verschieden-
heiten, die mit der Scheidung der Stände zusammengehen. Die obern Stände
haben oft das Bestreben, sich gewählt auszudrücken und dementsprechend
neue Ausdrücke zu gebrauchen, während die untern sich bemühen, deren
Sprache nachzuahmen. Es steht hier wie sonst auf den Gebieten der Kunst.
Das Neue kommt in den obern Kreisen auf und sickert nach unten durch.
Aus allen diesen Gründen scheint mir der Ausdruck „Sondersprachen"
mehr am Platz.
Anmerkung. Es läßt sich am besten an den Fremdworten zeigen, daß die Wörter
gleichsam durch die verschiedenen Volksschichten durchsickern. Denn zweifellos sind viele
Fremdworte in den obern Schichten aufgenommen. Wenn sie sich heute vielfach in der
Alltagssprache und der Volksmundart finden, so können sie nur aus der Sprache der obern
Kreise gekommen sein. Sehr bemerkenswert sind die oben schon erwähnten Fremdwörter
der Alamodezeit, wie Mosjö, Madam, Mamsell, Baselman, bei denen dies sicher der Fall
ist. Aus Müller-Frauenreuth, Wörterbuch der obersächsischen Mundarten, entnehme ich
folgende, in der Mehrzahl sicher von oben her durchgesickerte Fremdwörter: adje, akkurat,
Akzise, allabonnör, allemarsdi, allong!, Allären, Ambition, Ami, veranimieren, Animiis,
apart, ä propos, Babiisdien, Badius, Baiser, Bammelasdie, parforsdi (par force), parierlidi
'rüstig', Parlaatsdi 'Gerede', parier, partout, Passelteng 'Zeitvertreib' aus frz. pour passer
le temps, Bataille 'Plage, Arbeit, Mühsal', patent 'ausgezeichnet', pensif 'nachdenklich',
persdiee "per se'. Pieke 'Groll', frz. pique, Pikottdien 'kleine Spitzen', frz. picot, Blamasdie,
Pli, blimerant, Point, Portsdiäse, Potage, Pottsdiamper (pot de diambre), power 'kraftlos,
schwach und gebrechlich', powertee 'Armut', Prä 'die erste Rolle', Prilludig 'Vorrede',
Bredulldie 'Verlegenheit', Chaise, Sdianksen haben, comme il faut, complaisant, Konte-
witte, Kontenangs, au contraire, Kulör.
1. FRAUEN- UND MÄNNERSPRACHE.
§ 176. Allgemeines. Solange ein Volk in seinen sozialen Verhältnissen
im wesentlichen einheitlich ist, so lange werden wir auch einen im wesent-
lichen gleichmäßigen Wortschatz voraussetzen dürfen. Aber eine Einheit-
lichkeit, wie man sie annehmen möchte, hat wahrscheinlich nie bestanden,
da schon die einfachsten Formen der Gesellschaft gewisse Verschiedenheiten
enthalten. Es scheiden sich die Männer und die Frauen, und auf der andern
Seite die verschiedenen Altersklassen, vor allem sondern sich die Jungen
von den Alten ab, sie bilden abgeschlossene Verbände für sich. Derartige
Scheidungen müssen aber auch notwendigerweise auf den Wortschatz ab-
färben. Weiter haben wir nicht nur die äußere Gliederung in Männer und
Frauen, sondern wir haben auch eine Männer- und Frauenarbeit. Soweit
288 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
wir auch in der Gescliiciile zurückkommen, so finden wir, daß den Frauen
gewisse Tätigkeiten zufallen und andere den Männern, und daher gelingt
es auch der Frau von allem Anfang an, besondere Fertigkeiten zu ent-
wickeln und ihrerseits Fortschritte und Erfindungen zu machen. Für diese
wird und muß sie neue, besondere Ausdrücke prägen, die den Männern
nicht bekannt zu werden brauchen. So fällt die Arbeit des Webens fast
allgemein den Frauen zu. Für die mannigfachen verschiedenen Tätigkeiten
dabei müssen Ausdrücke ▼orhanden sein, und es ist sehr wohl denkbar,
daß der Mann eine ganze Reihe davon nicht gekannt hat. Außerdem haben
die Frauen noch sehr viele andere Künste ausgeübt (vergleiche darüber
Hirt, Die Indogermanen passim), so daß wir dementsprechend auch eine ge-
wisse Besonderheit ihres Wortschatzes vorauszusetzen haben. Leider haben
wir darüber bis jetzt keine handgreiflichen Nachrichten, da man selbst bei
den Naturvölkern wenig auf diesen Punkt geachtet hat.
Heute ist diese Teilung der Arbeit und damit auch die sprachliche
Scheidung nach dieser Richtung verwischt, dafür haben sich aber andere
Eigentümlichkeiten geltend gemacht.
Zunächst zeigt sich die vielfach beobachtete Tatsache, daß die Frauen-
sprache in manchen Gegenden infolge der größern Abgeschlossenheit, in
der die Frauen leben, in Lauten und Formen einen altertümlichen Zug hat.*)
Dasselbe dürfte vom Wortschatz gelten. Auch da wird man sonst unter-
gegangene Worte noch im Munde der Frauen antreffen. Das ist bei der
Aufnahme des Wortschatzes der heutigen Mundarten zu beachten. Ander-
seits kennen die Frauen vielfach die Berufsausdrücke des Mannes nicht.
Die größte Zahl der technischen Ausdrücke in den Wissenschaften ist ihnen
fremd. Schließlich meiden schon unter einfachen Verhältnissen die Frauen
gewisse Ausdrücke, die der Mann gebraucht. Ich habe das bei den Serben
beobachtet. Heute kennen sicher unsre gebildeten Frauen eine ganze Reihe
von Worten nicht, weil man sie nicht in ihrer Gegenwart ausspricht, weil
sie auch nur selten gedruckt werden, oder die Werke, in denen sie stehen,
Frauen nicht zugänglich werden. Ich meine natürlich die Ausdrücke, die
an die tierische Seite des Menschen erinnern. Als Goethe seinen Götz an
Gotter schickte, da schrieb er ihm eine poetische Epistel (Briefe 2, 93), in
der er „all die garstigen Wörter zu lindern" bittet.
Von katholischer Seite wurde Luther vorgeworfen, daß er überhaupt
freche und ärgerliche Worte gebrauche, ohne auf die Jungfrauen und un-
schuldigen Herzen Rücksicht zu nehmen (Kluge, Von Luther bis Lessing*
S. 47). Wir dürfen also auch für die damalige Zeit eine Vermeidung ge-
wisser Ausdrücke voraussetzen.
Dieser Zug der Verschleierung ist aber gewiß noch älter als Luthers
') Das hat schon Plato beobachtet. Kraty- ' wandte, und nicht zum wenigsten die Frauen,
los418B sagt er: , Du weißt, daß unsere ältere | die überhaupt rfm meisten die alte Aussprache
Generation das Jota und Delta häufig an- | erhalten.'
§ 177. Allgemeines. § 178. A. Die Ammensprache. 289
Zeit. Sicher hat er zur Veränderung des Wortschatzes unsrer Sprache in
ausgedehntem Maße beigetragen. NamentUch werden sich viele Fälle des
sogenannten Euphemismus aus Rücksichten auf die Frauen erklären. Es
tritt sehr häufig der Fall ein, daß man Worte für Begriffe, die man nicht
entbehren kann, durch neue ersetzt, und daß die alten dadurch allmählich
abkommen. So darf man die Worte Hose^) und Strümpfe in guter Ge-
sellschaft nicht mehr gebrauchen, man nennt erstere die Beinkleider, die
Unaussprechlichen, während der Engländer noch weiter geht und zu dem
Ausdruck my do'nt niention it gelangt ist. Natürlich gilt auch hier das Wort:
andere Zeiten, andere Sitten, und es hat sicher Zeiten gegeben, in denen den
Frauen auch die gewöhnlichsten Wörter ebenso geläufig waren als den Männern.
Ob es gelingen wird, den Einfluß, den diese Dinge einmal auf die
Sprache gehabt haben, auch nur einigermaßen klarzulegen, darf man billig
bezweifeln, und es ist nur zu hoffen, daß man der Frage für die Gegenwart
einige Aufmerksamkeit zuwendet.
2. DIE SPRACHE DER ALTERSKLASSEN. -
§ 177. Allgemeines. Es ist das Verdienst von Usener (zuerst in einem
Vortrag der Wiener Philologenversammlung 1893, Verhandlungen S. 22 ff.,
abgedruckt in der Beilage zur Münchener Allgemeinen Zeitung 1893 Nr. 148
und 158, und in den Hessischen Blättern für Volkskunde, 1,198 — 228, und
danach in seinen Vorträgen und Aufsätzen, Leipzig 1907, S. 105) urfd von
H. ScHURTZ (Altersklassen und Männerbünde, eine Darstellung der Grund-
formen der Gesellschaft, Berlin 1902), die hohe Bedeutung der Altersklassen
für die kulturelle Entwicklung dargelegt zu haben. Daß sich die Gleichaltrigen,
insbesondere die Jugend, in natürlichem Gefühl füreinander zusammenfinden,
ist eine allbekannte und verständliche Erscheinung, daß aber diese Verbände
von so hoher Bedeutung gewesen sind, ahnte man früher nicht. Was sich
so deutlich von Wert für die kulturelle Entwicklung zeigt, dem kann auch
eine Einwirkung auf die Sprache nicht mangeln. Schließen sich die Gleich-
altrigen zu besondern Verbänden zusammen, so müssen sie auch einen be-
sondern Wortschatz ausbilden. Leider ist nur noch wenig von den alten Zu-
ständen in der Gegenwart zu spüren, aber es lassen sich doch drei Gruppen
anführen, die unter dem Gesichtspunkt der Sprache der Altersklassen zu
behandeln sind; es sind: 1. die früheste Kindersprache, die sogenannte
Ammensprache, 2. die Schülersprache und 3. die Studentensprache.
§ 178. A. Die Ammensprache.
Literatur: WuNDT, Völkerpsychologie I, 1,267 ff. — Meringer, Aus dem Leben der
Sprache. Versprechen. Kindersprache. Nachahmungstrieb. Berlin 1908.
Wir können uns an dieser Stelle nicht mit der Entstehung der Sprache
beim Kinde befassen, zumal es feststeht, daß von einer Worterfindung beim
') Campe sagt in seinem Fremdwörter-
buch 1801 S. 598b: „Allein da die Wörter
Hose und Lende zu denen gehören, die man
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 19
in feinen, besonders in Frauenzimmergesell-
schaften gern vermeidet . . .'.
290 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Kinde nicht die Rede sein kann. Ich verweise hierfür auf die Schrift von
W. Preyer, Die Seele des Kindes, 4. Auflage, und auf Wunüt a.a.O. Hier
handelt es sich nur um die Frage, wie weit die Kindersprache des ersten
Alters von Einfluß auf die Sprache im allgemeinen und im besondern auf
unser Deutsch gewesen ist.
Das Kind fängt bekanntlich an zu lallen, d. h. Laute ohne damit ver-
bundenen Sinn hervorzubringen. Den häufiger wiederkehrenden Lallsilben
wird von den Erwachsenen, in erster Linie von der Mutter, eine bestimmte
Bedeutung untergelegt. Dazu gehören ma, na, pa, ta. Es kann kein Zu-
fall sein, daß die meisten Sprachen mit diesen Lauten die Begriffe 'Mutter'
und 'Vater' verbinden, und zwar haftet der erstere mehr an den Silben ma,
na, der letztere an pa, ta.
Darauf beruhen unser Mama, Papa, got. atta 'Vater', während die übrigen indo-
germanischen Sprachen auch andere Silben zu Worten umbilden. Möglicherweise enthalten
auch die indogermanischen Worte *pqttr, d. Vater, und *mdttr, d. Mutter diese Lall-
silben. Ebenso geht unser Muhme auf ein älteres mömö zurück (s. o. S. 87). Weiter lassen
sich anführen: schwäb. (/o^ für 'Patin', vgl. ahd. /o/o 'Vater'; schwäb. d/// zu got atta;
Amme, ahd. amma f., Bube (s. o. S. 87), e. boy (auch e. baby gehört hierher); Buhle,
Urform *bulü, *bal(i, ursprünglich vielleicht 'Bruder' bedeutend und eine Kinderform dazu,
vgl. lit. *rö//5 'Bruder' und leU. *fl/^/ms 'Brüderchen'; ßafls 'Meister', ursprünglich viel-
leicht 'Vater', dazu Base. Kuchen, ahd. kuodio führt auf ein urgerm. *kökö, weiter *käkä,
was vielleicht ebenfalls hierher gehört. Im Ablaut dazu steht e. cake.
Die Kindersprache hat die Eigentümlichkeit, die Silben gern zu wieder-
holen, sie zu reduplizieren, und so hat man die Erscheinung der Reduplikation
überhaupt auf die Kindersprache zurückgeführt, vielleicht nicht ganz mit
Recht, da auch Erwachsene diese Form gern anwenden, vergleiche Töfftöff.
Jedenfalls stehen eine ganze Reihe reduplizierter Wörter, namentlich auch
Bezeichnungen für Tiere, im Verdacht, aus der Kindersprache zu stammen.
Das ist sicher für Wauwau, Motto und kann demnach auch gelten für
Kuckuck, Pappe 'Brei' (siehe oben S. 88), Bonbon u. a. Hierher dürften
auch die reduplizierenden Kosenamen, wie Alimi, Lulu, Lolo und auch
manche andere wie Benno für Bernhard, Anno für Arnold, Eppo für
Eberhard gehören, kommt doch bei ihnen das Gesetz, schwierigere Laut-
gruppen durch einfache wiederzugeben, deutlich zur Geltung. Besonders
beweisend ist es, daß in diesen Koseformen der Laut r, der bekanntlich für
die Kinder schwierig ist, vermieden wird. Vgl. noch e. Fanny für Frances,
Floss für Florence, Kit für Christopfer, Tina für Katerina bei E. Björk-
MAN, IF. 30, 274. Natürlich verfügt die Kindersprache über eine große An-
zahl von Lautgruppen, die nicht in die allgemeine Sprache übergehen, es
sind vielmehr immer nur einige gewesen, die sich von diesem Urboden
losgerissen haben. Aber im Laufe der Zeit kommen schließlich doch nicht
wenige auf diesem Wege entstandene Wörter zusammen.
Anmerkung. Es gibt in den indogermanischen Sprachen eine ganze Reihe von
Fällen, in denen einfacher Konsonant einer Gruppe Konsonant -fr gegenübersteht. Vgl. e. to
speak : d. sprechen; gr. (.-)äyrvfn : (f)Qi]yvvfu 'brechen', d. Wrack; ai. bhanakti 'bricht' : lat.
§ 179. B. Die Sprache der Jugend. § 180. C. Die Pennälersprache. 291
frango, d. breche; Strumpf: Stumpf; Sdirank : Sdiank, ahd. skank 'Geschirrgestell'; brauchen,
\at.fruor:a\nd.bhunäjmi, latfungor'gQnitüe, gebrauche'; Rasen, mnd. wrase : ohd.Wasen;
Buhle, mnd. böte, böleken 'leibliche Geschwister', s. o. Zahlreiche weitere Beispiele bei
NoREEN, Abriß der urgermanischen Lautlehre 219 ff. Man könnte daran denken, solche
Worte aus der Kindersprache herzuleiten. Denn es ist merkwürdig, daß gerade r so häufig
zu fehlen scheint.
§ 179. B. Die Sprache der Jugend. Wir mit unserni Schulzwang können
uns kein rechtes Bild mehr davon machen, wie die Kinder in frühern Zeiten
aufgewachsen sind. Jedenfalls bildete die unerwachsene Jugend eines Dorfes
eine Gesellschaft für sich. Diese ist nicht darum wichtig für unsere Zwecke,
weil sie einen besondern Wortschatz ausgebildet hätte, wohl aber ist das
Dasein dieser Gruppe deshalb von Bedeutung, weil in ihr zweifellos die Be-
dingungen für den Bedeutungswandel und den Verlust der Worte liegen. Das
junge Geschlecht lernt nicht alle Worte und nicht alle Bedeutungen, und es
sind daher alle Bedingungen dafür vorhanden, daß bei ihr eine neue Sprache
entsteht. Leider fehlt uns vorläufig aller Stoff, um hier die Grundlinien der
Entwicklung zu ziehen. Man kann nur hoffen, daß uns die ethnologische
Forschung Stoff schafft. Bei den Untersuchungen der altern Sprachzustände
dürfte sich aber wohl da etwas ergeben, wo wir ein genau datierbares Material,
wie bei den griechischen Inschriften, vor uns haben. Als Beispiel kann man
schließlich auch das Aussterben einer Sprache anführen, wie wir es im
Slowinzischen treffen, wo Lorentz festgestellt hat, daß nur noch Leute über
fünfzig Jahre die alte slawische Sprache sprechen. Vgl. GDS. 178.
Für die mittelalterlichen Handschriften, die bei den Abschriften doch
auch im Wortschatz modernisiert wurden, dürfte eine genaue Untersuchung
manches ergeben, vgl. darüber unten § 187.
Jedenfalls kommt es einem gerade bei diesem Punkt so recht lebhaft
zum Bewußtsein,, daß die Sprache an die Gesellschaft gebunden ist, und
daß wir sie niemals losgelöst von jenem Faktor betrachten dürfen, wenn
wir ihr Leben verstehen lernen wollen. Als Ersatz für dieses nicht mehr
erkennbare Gebiet kann man die Schülersprache heranziehen, obgleich diese
starken äußern Einflüssen ausgesetzt ist.
§ 180. C. Die Pennälersprache.
Literatur: K. Schladebach, Die Dresdener Pennälersprache, ZfdU. 18, 56; R.Eilen-
berger, Pennälersprache, Entwicklung, Wortschatz und Wörterbuch, Straßburg 1910, wo
noch weitere Literatur. Außerdem WocKE, Mitt. d. Schles. Ges. f. Volksk. 20, 215.
Daß die Schüler unsrer höhern Lehranstalten eine besondere Sprache
sprechen, ist jedem bekannt, der eine höhere Schule besucht hat. Man
hat sie aber wenig beachtet. Auf meine Anregung hin hat es Eilenberqer
unternommen, den Stoff zu sammeln, und wir haben ein recht nettes Büch-
lein erhalten, das hoffentlich dazu beiträgt, weiteren Stoff herbeizuschaffen
und weitere Untersuchungen zu zeitigen. Vor allem wären Mitteilungen aus
frühern Zeiten sehr zu begrüßen. Denn zweifellos hat die Pennälersprache
ein hohes Alter und geht im letzten Grunde auf die Klostersprache des
19*
292 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Mittelalters zurück. Das zeigt sich in ein paar Fallen auch noch in der
Sprache. So finden wir Zö/zrt/j^/ 'Speisesaal in Alumnaten', informieren
'essen', kurieren 'strafweise fasten müssen', Novize 'Tertianer' (in den
Fürstenschulen ist die Tertia die unterste Klasse), valedizieren 'abgehen'.
Im wesentlichen geht aber die Pennälersprache auf die Studentensprache
zurück, was nach dem ganzen Gang der Entwicklung eigentlich selbst-
verständlich ist. Beachtenswert ist, daß sich in ihr Ausdrücke erhalten, die
die Studentensprache selbst wieder aufgegeben hat, wie Pennal 'Schule',
ursprünglich 'Student im ersten Semester' nach dem mlat. pennale 'Feder-
büchse'; schassen, frz. diasser, poussieren 'den Hof machen' (jetzt wohl
allgemein üblich), frz. pousser, Wilder 'Schüler, der das Abitur macht, ohne
auf der Schule gewesen zu sein'.
Im großen und ganzen ist die Pennälersprache wenig selbständig, wie
das nach Lage der Dinge kaum anders zu erwarten ist, und demnach hat
sie auch kaum auf die Allgemeinsprache eingewirkt. Vgl. noch § 67 und
den Aufsatz von Wocke, s. oben.
Anmerkung. Zu den Quellen der Pennälersprache kann man nach dem Nachweis
von W. Fabricius, ZfdW. 3,91 Vollmann, Burschikoses Wörterbuch, Ragaz 1846, rechnen.
§ 181. D. Die Studentensprache. Zweifellos haben wir es in der Studenten-
sprache mit der Sprache einer bestimmten Altersklasse und zugleich eines
bestimmten Standes zu tun. Sie übertrifft an Bedeutung die bisher genannten
Sondersprachen bei weitem und hat auch weit mehr als diese auf unsere
Schriftsprache eingewirkt.
Die Besonderheiten der Studenten- oder Burschensprache haben schon
früh die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Wir besitzen teils systematische
Darstellungen von ihr, teils wird sie in der Literatur verwendet. Hier sind
vor allem zu nennen Kortums Jobsiade, Zachariäs Renommist, Goethes
Dichtung und Wahrheit und Heines Harzreise. Zachariä sagt gleich im
Anfang seines Renommisten:
Laß in dein Heiligtum die sdieue Muse sehen
Und laß sie den Gebraudi der jensdien Welt verstehen,
Daß sie die Spradie faßt, die der Student nur spridit
Und nie entweihet ward vom komisdien Gedidit.
Anmerkung. An systematischen Darstellungen finden wir: Vergnügte Abendstunden,
Erfurt 1749, 2, 69. 353. Diese Zeilschrift enthält ein kompendiöses Handlexikon der unter
den Herrn Purschen auf Universitäten gebräuchlichen Kunstwörter von Salmasius mit Nach-
trägen von Prokax. — Studenten-Lexicon. Aus den hinterlassenen Papieren eines unglück-
lichen Philosophen, Florido genannt, ans Tageslicht gestellt von Chr. W. Kindleben, Halle
1781; Neudruck Leipzig 1899. — [Augustin], Bemerkungen eines Akademikers über Halle
und dessen Bewohner in Briefen nebst einem Anhange, enthaltend die Statuten und Gesetze
der Friedrichs-Universität, ein Idiotikon der Burschensprache und den sogenannten Burschen-
komment, Germanien 1795; Neudruck des Idiotikons Halle 1894. — Der Göttinger Student
oder Bemerkungen, Ratschläge und Belehrungen über Göttingen und das Studentenleben
auf der Georgia Augusta, Qöttingen 1813. — Das Leben auf Universitäten oder Darstellung
aller Sitten und Gebräuche usw. nebst einem Verzeichnis aller burschikosen Ausdrücke usw.,
Sondershausen 1822. — Studentikoses Conversationslexikon oder Leben, Sitten, Einrichtungen,
§ 181. D. Die Studentensprache. 293
Verhältnisse und Redensarten der Studenten, beschrieben, erklärt und alphabetisch geordnet,
Leipzig 1825. — Der flotte Bursch von C. B. von Rag . . . y, Lejpzig 1831. — Studentikoses
Idiotikon, Jena 1841. — Allgemeine deutsche Studentensprache; herausgegeben von A. H.;
zweite vermehrte Auflage, Jena 1860. — Andere neuere Werke sind von keiner besondern
Bedeutung mehr.
Eine wissenschaftliche Behandlung der Studentensprache verdanken wir
erst der neuern Zeit, und zufällig haben wir gleich zwei Bearbeitungen
erhalten; die eine von John Meyer behandelt 'Die Hallische Studenten-
sprache', Halle 1895, während Fr. Kluge 1895 ein Büchlein 'Deutsche
Studentensprache' veröffentlicht hat, nachdem er schon 1892 in Beilage
Nr. 297 der Münchener Allgemeinen Zeitung einen Vortrag über diese
Sprache bekannt gemacht hatte. Diese Werke enthalten auch Angaben über
die frühere Literatur.
Anmerkung. Dazu kommen noch S. Kleemann, ZfdW. 1, 39 ff.; E. Schmidt, Zeit-
schrift des Vereins f. Volkskunde 5, 225, ZfdW. 2,292; W. Fabricius, ZfdW. 3,91 ff.; Otto
Ladendorf, ZfdW. 4, 309 ff.; K.Müller, ZfdW. 4, 314; K. Konrad, Ergänzungen zu Friedrich
Kluges 'Deutscher Studentensprache', ZfdW. 12, 271 ff.; John Meyer, Baseler Studenten-
sprache, Basel 1910.
Die Studenten- oder Burschensprache, wie sie genannt wird, läßt wie
in einem Spiegel die Entwicklung des Studentenwesens und der Studenten-
bildung erkennen. Bei der großen Bedeutung, die die studentischen Kreise
für unser ganzes Volk gehabt haben, ist es nur zu natürlich, daß wir viel
aus ihr aufgenommen haben. In den Ferien kehrte der Student in die
Heimat zurück, und dann ahmte auch der Philister, wie man die Nicht-
studenten nannte, die Sprache der Burschen nach. Natürlich ist es schwer
zu sagen, in welche Schichten die Worte wirklich eingedrungen sind, aber
in der Umgangssprache der ' Gebildeten steckt sicher ein gut Teil und
auch auf unsere Literatur hat manches abgefärbt. Die Burschensprache ent-
hält eine Reihe ganz verschiedener Bestandteile, und es war angebracht,
wie dies Kluge getan hat, sie nach diesen Elementen zu behandeln.
1. Antike Bestandteile. Unter diesen tritt uns zunächst das Latein entgegen. Es
war ja bis in das 18. Jahrhundert die herrschende Vortragssprache, und so gebraucht sie
der Student in allen Lebenslagen. Vermengt mit dem Deutschen führt dies zu der so-
genannten makkaronischen Poesie, in der deutsche und lateinische Wörter vermischt werden.
So sagte man qui bibit ex neigis, ex frischibus incipit idem, oder sie jacet in drecko, qui
modo reuter erat.
Man flektierte aber auch die Worte und bildete Ablativa Plur. wie in baaribus, in
floribus. Daneben stehen Bildungen mit dem Gen. Plur. auf -orüm. So finden w\x Bucke-
lorum zur Benennung eines 'Bucklichten' noch heute in Hessen, und der Hallore heißt
um 1700 Hallorum, woraus der studentische Ursprung der Bildung klar erhellt. Neuer-
dings sagt man auch kennimiis.
Durch die Vermittlung der Studentensprache ist dann mancherlei lateinisches und
griechisches Sprachm.aterial zu uns gekommen. So die Ausdrücke die Moneten 'Geld',
lat. monetae, zu olims Zeiten (1678), lat. olim 'einst', sidi bene tun (16. Jh.). Unser
fidel ist das lat. fidelis 'treu', das im 18. Jahrhundert nach mancherlei Wandlungen die
jetzige Bedeutung annimmt Hierher gehören weiter Judis 'Spaß' aus htjocus, fix 'schnell,
gewandt' aus lat. fixus (ursprünglich wurde es in der Alchimie gebraucht), kurios aus
lat. cariösus, kraß aus lat. crassus, Kommers aus lat. commercium.
294 Zwölftes Kapitel.- Die Sondersprachen.
Schon im 18. Jahrhundert wurden die Universitätsstädte Athen genannt, unter Hin-
zufiigung des Flusses, an dem sie lagen. So finden wir Saalathen, Pleißathen; die Stu-
denten selbst hießen Musensöhne.
Weiter erhalten wir dann, zum Teil wohl unter Einwirkung der makkaronischen
Poesie, eine Reilie lateinischer Kndungen an deutschen Worten. So haben wir -ikus aus
lat.-gr. -uns in Politikus, I'fiffikus, Luftikus. Sdiwadimatikus. Aus lat. -itas
wurde -ität. Es gab viele Bildungen mit diesem Suffix, wir besitzen aber nur noch das
von Bürger eingeführte Schwulität. Sicher verdanken wir den lateinischen Matrikeln
unsere leidigen -enser und -aner in Herkunftsbezeichnungen wie Hallenser. Jenenser.
Weimaraner. Glücklicherweise fängt man jetzt allmählich an, sie zu vermeiden, nachdem
schon Campe dagegen geeifert hatte. Auch die Endung -lade verbreitete sich sehr in der
Studentensprache und wurde durch Kortums Jobsiade allgemein bekannt.
Schließlich ist sogar ein griechischer Bestandteil auf diesem Wege in unsere Schrift-
sprache eingedrungen. Die griechische Endung -iy.i7K {-ikös) wird im 17. und 18. Jahr-
hundert sehr häufig gebraucht und sogar mit griechischen Lettern gedrückt. So liest man
student-t:<w^ und daneben tritt zu Anfang des 18. Jahrhunderts bursdi-ixM^, das durch
Schillers Wallenstein Literaturrecht bekam:
Zu Altdorf im Studentenkragen
Trieb er's — mit Permiß zu sagen —
Ein wenig lodter und bursdiikos.
Es mag hier gestattet sein, auf noch einige antike Elemente hinzuweisen, die durch
die Vermittlung der lateinischen Universitätssprache oft mit ganz merkwürdiger Bedeutungs-
entwicklung zu uns gekommen sind.
Das frz. cancan geht auf lat. quamquam zurück, das zunächst für »Universitäts-
rede* gebraucht wurde, weil diese meist mit quamquam begannen. — Ahnlich steht es
mit Quodlibet. Auf einigen deutschen Hochschulen gab es im 16. Jh. jährlich eine dis-
putalio de quolibet, auch concertatio quodlibetica genannt 'über alles mögliche', in die
als belustigende Intermezzos scherzhafte Reden eingeschoben wurden (ZfdA. 9, 120}. —
Tandem 'leichter Wagen mit zwei Pferden hintereinander' gehtauf &. tandem zuxücV., von
lat. tandem 'endlich', das im mittelalterlichen Latein die Bedeutung 'in der Länge" an-
nahm. — Rebus ist der lat. Dat. Abi. Plur. von res 'Sache'. Um 1600 stellten die Studenten
in der Pikardie die Stadtereignisse als Fastnachtsscherz in Bildern dar. — Sparte 'Amt,
Pfründe' geht auf einen Vers aus dem Telephos des Euripides zurück, bei Erasmus Spartam
nactus hanc adorna 'du hast Sparta erlangt, dieses versorge'. Nach dieser Analogie ist es
auch nicht unmöglich, daß Fidibus nach M. Haupt aus dem Vers des Horaz entstanden ist
et ture et fidibus juvat placare deos 'mit Weihrauch und Saitenspiel die Götter besänftigen'.
Weiter gehen auf die frühere Studentensprache zurück: Pennal, ursprünglich im
17. Jh. Student im 1. Semester, m\at pennale 'Federbüchse', — Studio, im 18. Jh. Bruder
Studium; — Bacdiant, Anfang des 15. Jh., lat bacdians 'umherstreifend'; — Kalfakter,
16. Jh., mlat. calefactor 'Einheizer' u. a.
2. Französische Bestandteile zeigen sich seit der Zeit, da auf einigen Hoch-
schulen ein neuer Geist zu herrschen begann, seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Auch
in diesem Fall werden soviel Worte herübergenommen, daß schließlich ihre Endungen
ganz geläufig werden und weiter wuchern, so finden wir -ier in Kneipier. Suitier
und Sdiwitier, -age inRenommage. Passage. Kleidage. -ös\n malitiös , pediös.
philiströs, sdiauderös.
3. Besonders stark ist der Einfluß des Rotwelschen (siehe unten), der Gauner-
sprache, auf die Studentensprache gewesen, und zahlreiche Worte sind durch ihre Ver-
mittlung in unser Neuhochdeutsch gedrungen, ich nenne nur berappen, bledien. brum-
men, foppen. Kaff er. keilen. Kneipe. Kniff, mogeln, pumpen (siehe unten die
Gaunersprache).
§ 182. Allgemeines. 295
4. Die Studentensprache hat natürhch auch sonst noch besondere Eigentümlichkeiten.
Zu ihnen gehört vor allem die häufige Anwendung von Tierbezeichnungen für Menschen.
Kluge hat daher ein Kapitel 'Burschikose Zoologie' überschrieben. Der Gymnasiast ist ein
Frosch, er wird zum Mulus 'Maultier oder Maulesel', und schließlich zum Fuchs. Diese
Bezeichnung scheint schon im 16. Jahrhundert belegt zu sein. Wir wissen aber nicht, wie
die Bedeutungsübertragung zustande gekommen ist. Studenten, die keiner Verbindung an-
gehören, heißen an einigen Orten Finken, an andern Kamele. Auch der Ausdruck
Pecfivogel ist wohl studentisch, obgleich er zunächst aus der Jägersprache stammt und
den Vogel bezeichnet, der an der Leim- oder Pechrute hängen geblieben ist. Wie der Aus-
druck Salamander zu erklären ist, steht noch aus, vgl. darüber Kluge, Studentensprache 54
und Bunte Blätter S. 94. Daß man von Bierfisdien redet, ist verständlich, wie aber
Spitz, Kater, Affe ihre Bedeutung bekommen haben, ist unklar. Ebensowenig ver-
stehen wir den Ausdruck He cht 'dicker Tabaksrauch'. Das weibliche Geschlecht wird
gleichfalls sehr häufig mit Ausdrücken aus dem Tierreich belegt, vgl. Dohlen, Schnepfen,
Grasmücken, Meisen. Schließlich ist auch die Bezeichnung Fisch nebst Backfisch
studentisch.
5. Auch manches Theologische hat auf die Sprache der Studenten abgefärbt. So wird
der Name der Sekte der Manichäer wohl unter Anlehnung an mahnen zur Bezeichnung
des 'Gläubigers'. Über die Herkunft des Ausdruckes Philister sind die Akten noch nicht
geschlossen.
6. Andere Worte, die zuerst in der Studentensprache auftreten, sind Ehrenhandel;
flott in flott leben, aus dem Niederdeutschen, wo es als Schifferwort vorkommt; Knote,
niederdeutsch für Genosse; ledern in übertragenem Sinne; Mucker, ursprünglich Be-
zeichnung der Pietisten in Jena; Besen für 'Dienstmädchen'; (Einfalts)-pinsel, älteste
Form ist Pm/z-5«/?/ 'Schusterahle' und 'Knauser', Salbader{}) (im 17. Jh. belegt), Schwager
'Postillon'. Bei manchen ist der Ursprung noch nicht recht aufgeklärt.
7. Endlich sind noch ein paar Ausdrücke anzuführen, die sich aus alten studentischen
Sitten erklären. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich der Brauch der Deposition auf den
Universitäten, d. h. mit der Aufnahme auf die Universität waren eine Reihe von 'sym-
bolischen' Gebräuchen verbunden, die andeuten sollten, daß der Bruder Studio einen neuen
Menschen anziehen werde. So wurde ihm ein Hut mit 'Hörnern' aufgesetzt, die er sich
ablaufen muQiQ, er wurde gehobelt, daher ungehobelt und ungesdiliffen, es wurde
ihm der Bacchaiitenzahn ausgezogen. Vgl. darüber Fabricius, Die akademische Deposition,
Frankfurt 1895. So erklärt sich denn wohl auch Luthers Ausspruch: eine Antwort, die
weder Hörner noch Zähne hat. •
3. STANDESSPRACHEN ALLGEMEINER ART.
§ 182. Allgemeines. Auch unser Volk zerfällt seit langer Zeit in ver-
schiedene Stände. Schon Tacitus berichtet von ihnen. Demnach müssen
sich frühzeitig Verschiedenheiten der Sprache und des Wortschatzes ein-
gestellt haben. Freilich wissen wir darüber für die althochdeutsche Zeit gar
nichts und für die mittelhochdeutsche kaum etwas. Man kann für diese
nur anführen, daß die Sprache des höfischen und des Volksepos in einigen
Punkten verschieden war. So gebraucht man im höfischen Epos gewisse
Ausdrücke nicht, die das Volksepos noch kennt. Aber z. T. mag es sich
hier um veraltete Ausdrücke handeln, die das Volksepos aus der Über-
lieferung schöpfte, während sie die natürliche Umgangssprache, auf der das
höfische Epos beruhte, nicht mehr verwendete. Außerdem kann man sich
aber dem Eindruck nicht verschließen, daß wir es in der Sprache des
296 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
höfischen Epos mit der Sprache eines Standes zu tun hal")en, eines Standes,
der die höchste Stelhing im Staat einnimmt. Wir können hier also von
einer höhern Sprache reden, und damit tritt uns eine Erscheinung entgegen,
die in der Neuzeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
§ 183. A. Höhere und niedere Sprache. Wir besitzen, worauf schon oben
hingewiesen wurde, einen meri<würdig verschiedenen Wortschatz, einen
höhern und einen niedrigem, den wir je nach Gelegenheit anwenden. Wir
können aucli von edlen und unedlen Ausdrücken reden, und es ist schon
mancher darum getadelt worden, weil er einen Ausdruck gebraucht hat,
den andere für unedel hielten. Diese Unterschiede treten schon sehr stark
im 17. Jahrhundert hervor, wo man sich bemühte, das Unedle zu vermeiden.
So sagt Kaspar Stieler in seinem Teutschen Sprachschatz Ib:
Da gehöret zu einer Kunstrede ein reidier Worlvorraht, eine kluge Wahl aus-
erlesener, wohlklingender Redarten, eine ungezwungene, leiditfließende Deuilidi-
keit in Ausdrildiung hoher Gedanken, und ist ie einem Gelehrten allerdings unverant-
wortlidi und hödist naditeilig, wenn er mit der Spradie, so ihm angeboren, beßer
nidit, als der gemeine Pöfel umzugehen gelernt hat.
Wir haben also hier die Unterschiede und Eigentümlichkeiten, die auch
anderswo zu Scheidungen in den Sprachen geführt haben. Natürlich kann
ein Wort seinen Adel ändern, es kann steigen oder sinken, und es wäre zu
untersuchen, welche Worte das getan haben. Der Stoff, den die Wörter-
bücher des 17., vor allem aber des 18. Jahrhunderts für die Unterscheidung
des Wortschatzes der höhern und niedern Sprache aufgespeichert haben,
verdiente eine eingehende Untersuchung. Hier kann nur auf die Wichtig-
keit dieser Frage hingewiesen werden.
Als höchste und edelste Schreibart gilt die Dichtersprache,«über die
wir weiter unten ausführlicher handeln werden. Die Dichtersprache wählt
häufig seltene, ungewöhnliche Worte. Ändert ein Wort aber seine Gebrauchs-
weise, so daß es diesen Anforderungen der Seltenheit nicht mehr entspricht,
so können wir den dichterischen Ausdruck nicht mehr nachempfinden. Wir
sind verletzt, wenn wir in Dichtungen ältrer Zeiten Ausdrücke finden, die
heute der poetischen Sprache nicht mehr angehören. Wenn heute jemand
das Fell seiner Geliebten besingen würde, so würden wir das als unmöglich
ansehen. Auch der Ausdruck Weib kann heute in der Dichtersprache nur
mit großer Vorsicht benützt werden, und Goethes: Mein sdiönes Fräulein,
darf idi's wagen . . . bietet uns nichts Besonderes, während es seinerzeit
einen ganz besonderen Klang hatte.
Während uns die Worte der höhern Schreibart und der Umgangssprache
zur Genüge bekannt sind, gilt das weniger von denen der niedern Sprache.
Sie sind meist auf einen kleinen Kreis beschränkt und bereiten daher dem
weitern Verständnis Schwierigkeiten. Sie sind aber für die Wortgeschichte
nicht minder wichtig. Es steckt viel dialektisches und z.T. auch recht altes
Sprachgut in diesen Worten. Eine ganz nette Skizze hat Söhns geschrieben:
Die Parias unsrer Sprache. Eine Sammlung von Volksausdrücken, Heilbronn
§ 183. A. HÖHERE UND NIEDERE SPRACHE. § 184. B. DiE SPRACHE DER RELIGION. 297
1898. Vgl. auch A. Genthe, Deutsches Slang. Eine Sammlung familiärer
Ausdrücke und Redensarten, Straßburg 1892.
Vielfach werden derartige Worte ganz verloren gehen, weil sie eben
immer tiefer sinken, aber zuweilen heben sie sich auch und werden literatur-
fähig. So ließ z. B. Goethe das Wort Dreck nicht drucken, und viele werden
es heute noch als so gewöhnlich empfinden, daß sie es nicht brauchen
werden. Dagegen ist es in der norddeutschen Stadtsprache ganz gewöhn-
lich für Schmutz, ebenso wie dreckig für schmutzig. Es ist möglich, daß
es noch weiter steigt.
Derartige Fälle sind indessen immerhin selten; viel häufiger ist das
Umgekehrte, daß ein Wort seine Bedeutung verschlechtert; siehe darüber
weiter unten.
§ 184. B. Die Sprache der Religion. In allen religiösen Handlungen,
namentlich den Kultvorgängen, kommt es darauf an, nichts zu versehen,
d. h. genau nach altem Brauch zu verfahren. Da bei allem Religiösen das
Wort eine große Rolle spielt, so erhalten sich in der Sprache des Kultus
leicht alte Wortformen und Wortformeln, die z. T. ganz unverständlich sein
können. So scheint das alte Arvallied den Römern kaum noch recht -klar
gewesen zu sein. Die Neugriechen halten mit Fanatismus an der Sprache
des Neuen Testamentes fest und weisen jeden Erneuerungsversuch mit
großer Entrüstung zurück. Bei den Indern sind die heiligen Lieder des Weda
mit größter Sorgfalt überliefert worden. Nicht anders steht es bei uns.
Zwar die Formeln unserer heidnischen Religion sind verloren gegangen,
dafür aber tritt das Christentum ein, in dessen religiösen Urkunden sich-
das gleiche Bestreben zeigt, Altes, selbst unverständlich Gewordenes zu er-
halten. In unsern Gesangbüchern herrscht eine durchaus altertümliche
Sprache, wovon man sich durch eine kurze Einsicht leicht überzeugen kann.
Ebenso bestehen bei uns heftige Kämpfe, ob und wie weit man den
zweifellos an vielen Stellen veralteten Text der Lutherschen Bibelübersetzung
ändern darf. Ob sie mehr oder minder veraltet ist, darauf kommt es schließlich
wenig an, wir lesen sie in der Hauptsache in der Sprache des 16. Jahrhunderts.
Die natürliche Entwicklung der germanischen Religion wurde durch
die Einführung des Christentums jäh unterbrochen, und dadurch wurde
auch die Sprache stark beeinflußt. Die eindringenden Bekehrer mußten
selbstverständlich das Christentum in der Landessprache verkünden, in
einer Sprache, die für die Begriffe, die sie lehrten, sicher oft genug keine
Ausdrücke hatte. Die Lehrer des Christentums haben nun eine Reihe von
Ausdrücken für die neuen Begriffe neugeschaffen, andere haben sie aus
dem Lateinischen und Griechischen herübergenommen, und diese sind dann
auch in die Volkssprache eingedrungen.
Anmerkung. Das alte Erbgut unsrer Sprache auf dem Gebiet der Religion ist nicht
allzu reichhaltig. Es sind vor allem Ausdrücke, die sich auf den einfachen Volksglauben,
die sogenannte niedere Mythologie beziehen. Ich stelle auch hier den Stoff alphabetisch
298 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
zusammen, dem ich auch das hinzufüge, was in neuerer Zeit aus dem Nordisclien zu uns
gekommen ist.
Alp, mild, alp, anord. alfr, jetzt 'brustbcklemmende Traumgcstalt', ursprüngHch 'ge-
spenstiges Wesen". Vielleicht zu ai. rbhtih Name von drei kunstreichen Elfen, eig. 'kunst-
reich. Bildner'. Dasselbe Wort ist Elfe, das aus dem Englischen durch Wiclands Über-
setzung des Sommernachtstraum zu uns gekommen ist, und ebenso steckt es in lirlkönig,
das Herder nach dän. ellefrjkonge bildete, wobei er eile statt als Ulfe für Erle nahm.
Auf diesem dän. Wort beruht auch vielleicht Harlekin aus Uz. arlequin, älter hellequin. —
Alraun, ahd. alruna, eig. 'Benennung des weissagenden Geistes, der aös der Wurzel der
Pflanze geschnitten wird, zu ahd. rüna 'Geheimnis'. — Berserker, aus dem anord. ber-
serkr 'Bärenkleid, ein Mann, der ein Bärenkleid trägt', auf ähnlicher Anschauung beruhend
wie Werwolf. — Bntzenmann, zsg. mit mhd. butze 'Polter-, Klopfgeist' zu ahd. büian
'schlagen', noch in Amboß. — Drude, vielleicht zu an. prüdr 'göttliches Wesen, Walküre'. —
Gespenst, zu ahd. gispanst f. 'Verlockung' zu ahd. spanan 'locken, reizen', gr. o.nÜEiv
(späin) 'ziehen'. — Heinzelmänndien , nihd. heinze 'Hauskobold", Koseform zu Hein-
ridi.^) — Hexe, ahd. liagazussa. Herkunft unsicher. — Hölle, ahd. hellia. e. hell, got.
halja, eig. 'Reich der Todesgöttin', anord. Hei zu hehlen. — Hüne, obd. Heune, ahd.
Hüni, vielleicht auf den Volksnamen der Hunnen zurückgehend. — Klabautermann
'Schiffskobold', dunkler Herkunft. — Kobold 'unheimlicher Hausgeist', md. kobolt, ge-
wöhnlich aus kob : hoben und a'o/rf 'Walter', also 'Hausgeist' erklärt. — AlöAr 'drückender
Nachtgeist', ahd. mara, e. nightmare. Dazu air. mör(r)igain, eig. 'Alpkönigin', poln. mora
und auch wohl aind. marut 'Sturmgott'. Entlehnt frz. caudie-mar. — Nix m. 'Wasser-
geist', ahd. nidius 'Krokodil' (Wasserungeheuer), e. nix 'Teufel'. Dazu Nixe, ahd. nic-
diessa. — Norne, durch Klopstock aus anord. norn eingeführt. — Popanz 'Schreck-
gestalt', erst nhd., wohl zu der Interjektion ftoW. — Puöi, aus tngX.pudi. —Rübezahl.
eig. 'Rübenschwanz'. — Sdirat, Sdiretel 'Waldteufel', ahd. skrati'o), anord. skrat(t)i
'Riese, böser Geist, Zauberer', vielleicht zu norw. skratta 'laut lachen'. — Troll, mhd.
trol(le) 'gespenstiges Ungetüm, Kobold'. Dazu anord. troll und vielleicht auch Trulle. —
Trug und trügen haben wohl auch mythologischen Sinn, da anord. draugr, das dazu
gehört, 'Gespenst' bedeutet. — Unhold 'feindliches, böses Wesen', ahd. unholdo "böser
Geist', got. unhulpa 'Teufel'. Dazu gehört auch der Name der Frau Holle. — Walküre,
im 18. Jh. aus an. valkyrja, zsg. mit Wal in Walstatt, ahd. wal 'Niederlage', an. valr 'die
Erschlagenen auf dem Schlachtfeld', und einer Ableitung von kiesen 'wählen'. — Werwolf,
mhd. werwolf, der Mann als Wolf, gr. /.vxdy&gco.-ro; {lykänthrüpos). — Zauber, ahd. zoubar,
ags. tcafor '(rote) Farbe, Mennig', e. tiver 'Ocker'. Mit roter Farbe wurden die Runen ein-
geritzt, und so erklärt sich die Bedeutungsentwicklung. Doch weiß man nicht, welche
Bedeutung die ältere ist. Weitere Anknüpfung fehlt. — Zwerg, ahd. getwerk, e. dwarf
zu ai. drüh f. 'weibliches Gespenst, Unholdin".
Dazu kommen die Ausdrücke für höherstehende Wesen: Gott, ahd. got, e. god,
got. gup ist ursprünglich Neutrum und noch nicht genügend erklärt. Wegen des damit in
Zusammenhang stehenden Götze nimmt man als ursprüngliche Bedeutung 'Bild, Bildstock'
an. Zu Gott gehört auch obd. Gote 'Pate', ahd. gota.
Einzelne Götternamen haben sich in den Namen der Wochentage erhalten: obd.
Ziestag zu ahd. Ziu, lat. divos, gr. Zfr; (Zeus), e. Wednesday ist Wodans tag, dessen
Name auch noch in wütendes Heer vorliegt, Donnerstag zu ahd. Donar, anord.
pörr, Freitag zu ahd. Frtja, anord. Frigg.
Ferner nenne ich noch weihen, ahd. wihan 'heiligen' von ahd. wih, got. weihs
'heilig', noch in Weihnaditen, vielleicht zu lat. victima.
Auf dem Gebiet der christlichen Ausdrücke sind wir zunächst in der
glücklichen Lage, Wulfilas sprachliche Tätigkeit würdigen zu können. Vgl.
') Vgl. hierzu H. Güntert, Kalypso 124 ff.
§ 184. B. Die Sprache der Religion. 299
K. Weinhold, Die gotische Sprache im Dienste des Christentums, Halle 1870.
Wulfila hat verhältnismäßig wenig Fremdwörter beibehalten, für die meisten
fremden Begriffe hat er alte einheimische Ausdrücke verwendet oder neue
gotische Worte geschaffen. Über die Tätigkeit der althochdeutschen Mönche
ist schon oben kurz berichtet worden, i) Trotzdem sie manches verdeutscht
haben, besitzen wir gerade auf kirchlichem Gebiete eine Fülle von Fremd-
wörtern. Manche von ihnen sind aber aus der engen kirchlichen Bedeutung
herausgetreten und mit allgemeiner Bedeutung in die Gemeinsprache über-
gegangen. Im folgenden stelle ich die wichtigsten Lehnwörter auf diesem
Gebiete zusammen.
Abt, ahd. abbat, e. abbot aus lat. abbäte/n; — Almosen, ahd. alamuosan, e. altns
zns \z\.-gx. eleemosyna; — Altar, ahd. altari aus lat altäre; — Ampel, ahd. ampla,
ampulla 'Lampe, Gefäß', aus lat. ß/«;7«//a 'Fläschchen'; — Bischof, ahd. biskof, t. bishop
aus gr.-lat episkopus; — Dediant, ahd. techant, e.dean aus lat. decänus; — Engel, ahd.
engil, e. angel, got. aggilus aus lat.-gr. angelus; — Erz- , ahd. in erzibisdiof, e. ardibishop
aus lai.-gx. ardii-; — Feier, ahd. fira aus mlat fen'a ; — firmeln, ahd. firmün aus
lat firmüre; — Heide, siehe S. 139; — Kanzel, ahd. kancella aus lat cancellus, cancelli
'Gitter'; — Kapelle, ahd. kapella aus mlat capella (daneben mit echtdeutscher Betonung
der Ortsname Kappet); — Kaplan, mhd. kappe län aus mlat capellänus; — kasteien,
mhd. kastigen, ahd. kestigön aus lat castigdre; — Kirdie, ahd. kiricha, t. diurdi aus
gx. xvQiaxov (kyriakön), mit Geschlechtswechsel; — Klause, ahd. klüsa 'Einsiedelei, Klause'
aus lat. clüsa, clausa; — Kloster, ahd. klöstar aus lat claustr um; — Kreuz, ahd. krüzi
aus lat. crücem; — laben, ahd. labön 'waschen, erquicken' aus lat. laväre; — Marter,
ahd. martira, martera von lat. martyrium; — Messe, ahd. messa, e. mass, lat. missa 'Ent-
lassung'; — Mette, ahd. mettina aus lat. matütina (hora) 'Frühstunde'; — Mönch, ahd.
munih, t. monk aus lat monachus; — Münster, ahd. munistri, e. minster 'Klosterkixche'
aus lat.-gr. monästerium; — Mütze, spätmhd. mutze, mutze aus mlat. almutia, armutia,
almutium 'amictus quo canonici caput humerosque tegebant'; — None, ahd.nöna, t.noon
'Mittag', aus lat nöna; — Nonne, ahd. nunna, e. nun aus lat nonna; — nüditern, ahd.
nuohtarnin aus lat nocturnus; — Oblate, ahd. obläte, mlat. obläta; — opfern, ahd.
opfarön, Herkunft nicht ganz klar; — Orden, mhd. orden, ahd. ordena aus lat. ordinem; —
Orgel, ahd. orgela, Organa aus lat. Organum; — Pein, ahd. pina, e.pine aus latpoena; —
Petter, obd. Pfetter 'Pate', lat. patrinus; — Pfaffe, ahd. pfaffo aus gr. :iujiJiäg (pappäs),
siehe oben S. 139; — Pfarre, ahd.pfarra?; — Pfingsten, got. paintekuste aus gr..T£>Tj;-
y.ooTTj (j)ent(ekost(e); — Pfründe, ahd. pfruonta 'Nahrung, Unterhalt' aus mlatprovenda; —
Plage, ahd.plägaauslatplaga; — Propst, ahd. probast auslat pröpositus; — Samstag,
siehe oben S. 157; — segnen, ahd. seganön, lat. signäre; — Sigrist, ahd. sigiristo,
mlat. sacrista 'Küster', wovon auch später Sakristei, mhd. sacristie; — Teufel, siehe
oben S. 139; — Vesper, ahd. vespera aus lat. vespera.
In etwas späterer Zeit treten dann noch auf:
Absolution, spätmhd., lat absolutio; — absolvieren, mhd., lat absolvere; —
benedeien, mhd. benedien, lat. benedicere; — Hostie, mhd. hostle, lat. hostia; —
Kollekte, mhd. collecte, mlat collecta; — Laie, ahd. leigo, gx. -lat. la'icus; — lamen-
tieren, 1550, lat. lämentäri] — Letter 'Lesepult in der Kirche', ahd. lector, mlat. lec-
') Vgl. hierzu noch den bedeutsamen , deneStrömungenmiteinandergekämpfthaben,
Aufsatz von W. Braune, Btr. 43, 362 und j eine ältere hochdeutsche und eine etwas spä-
anschließend daran den von E. OcHS, Btr. tere mitteldeutsche, die unter angelsächsischem
44, 315. Braune weist darauf hin, daß in den Einfluß stand,
deutschen christlichen Benennungen verschie- |
300 Zwölftes Kapitel. Die SoNDERspkACHtN.
torium; — Litanei, mhd. /etunu-, yr.-lat. ///««ifl; — Makel, mlid., lat. morw/a; mole-
deien, mlid. vermaledien, lat. maledicere; — Mirakel, mlid., laL mmtculum; -- Patron,
mhd. patri>n(e) nur von Christus, lai.patrönus; — Pastor, 14. Jh., \a\.pastor. — Person,
mhd, persön(e), ursprünglich von jeder der drei Personen der Gottheil gebraucht; — prophe-
zeien, mhd. prophezien von mhd. propht-tte, gx.-lal propfi tia •Prophetenamt'.
Wie man sieht, sind eine große Anzahl dieser Wörter teilweise oder
ganz aus ihrem engern Bedeutungskreis herausgetreten, wie Ampel, Feier,
laben, niUiitern, Pein, Plage, Laie, Makel, Patron, Person usw.
Auf die Sprache des Mittelalters konnte im weitern Verlauf die Kirchen-
sprache allerdings nur wenig einwirken, weil sie noch lateinisch war. Erst
die Mystiker* haben die deutsche Sprache wesentlich bereichert, indem sie
eine ganze Reihe neuer und fruchtbarer Ausdrücke neu geprägt haben. Ihr
Anteil an der Ausbildung unseres Wortschatzes ist noch nicht hinreichend
untersucht worden, und ich kann daher hier nur einige Worte nennen, die
wahrscheinlich von ihnen herstammen: Angedenken, beschaulich 'con-
templative', begreifen in übertragener Bedeutung, Begriff, einbilden,
Einbildung, Eindruck in übertragenem Sinne, Einfall 'unerwarteter
Gedanke', innere Einkehr, einsehen, Sinnlichkeit, unergründlich,
Wesenheit, Wirklidikeit, Wirkung, Zufall ws"^. Eine wortgeschicht-
liche Untersuchung über diesen Teil unsrer Sprache wäre eine sehr dankens-
werte Aufgabe.
Ganz anders wurde es seit der Reformation, weil wir in Luthers Bibel-
übersetzung ein Werk erhielten, das sich sehr bald kanonischen Ansehens
erfreute. Luther gebrauchte den mitteldeutschen Wortschatz, und wir haben
schon oben gesehen, wie man anfangs in Süddeutschland die mitteldeutschen
Ausdrücke Luthers, die dem Süden fremd waren, übersetzte, daß man sie
aber später stehen Heß und durch ein Wörterbuch das Verständnis erleichterte.
Dadurch wurde natürlich der Wortschatz Luthers auch andern Gegenden
durchaus geläufig, er verbreitete sich in ungeahnter Weise, und es ist bis
heute kaum ganz klarzustellen, wie er gewirkt hat. Schon oben sind die
mitteldeutschen und die entsprechenden oberdeutschen Ausdrücke neben-
einandergestellt, und es hatte sich gezeigt, daß fast in allen Fällen die
mitteldeutschen Ausdrücke, offenbar unter dem andauernden Einfluß der
Bibel, gesiegt haben. Vgl. noch K. Bachmann, Der Einfluß von Luthers
Wortschatz auf die schweizerische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts.
Im Anschluß an Adam Petris Bibelglossar. Diss. Freiburg 1910.
Wir haben es aber bei der Bibelsprache noch mit einer ganz besondern
Eigentümlichkeit zu tun. Sie wirkte nicht nur für die Zeit ihrer Entstehung,
sondern auch für die spätem Zeiten. Wenn die Worte, die sie gebrauchte,
im Volksmunde ungebräuchlich geworden waren, so konnten sie doch durch
das immerwährende Lesen in der Bibel wieder neu aufleben. Im 18. Jahr-
hundert war die Bibel ein Hausbuch, und es ist nur zu leicht verständlich,
wie stark sich unsere großen Dichter, vor allem Schiller und Goethe, durch
die kernige Sprache Luthers beeinflussen ließen. Wie weit dieser Einfluß
§ 184. B. Die Sprache der Religion. 301
geht, ist noch nicht genügend untersucht, doch ist er, wie anerl^annt, beim
jungen Schiller sehr beträchtlich.
Luthers Sprache hat natürlich frühzeitig die Aufmerksamkeit auf sich
gelenkt, und es gibt manche Bemerkungen darüber, aber noch immer fehlt
uns ein ausreichendes Wörterbuch, an dem wir erst ihren Einfluß recht
würden abschätzen können. Die Arbeit von Ph. Dietz, Wörterbuch zu
Dr. Martin Luthers deutschen Schriften, ist leider nur bis H gediehen. So-
lange die große Weimarer Ausgabe von Luthers Werken nicht fertig ist,
hat auch eine neue Wörterbucharbeit wenig Zweck.
Da jenes Werk nicht vollendet ist, so sind die altern Arbeiten nicht
wertlos. Ich kenne folgende Schriften: Ph. Saltzmann, Sonderbare Worte,
welche entweder veraltet, oder neu erdichtet, oder sonsten ein feines Nach-
sinnen verursachen. Aus denen Schrifften des Herrn Martini Lutheri zu-
sammengetragen. Naumburgk 1664. Leider läßt sich aus den Angaben
des Verfassers nicht erkennen, welche Worte damals veraltet waren. Da
die Worte, die der Verfasser verzeichnet, ihm immerhin nach einer Rich-
tung auffielen, so gebe ich die an, die uns ganz geläufig sind:
abmergeln. aburteilen, Abweg, aditsam, allmehlig, Amptmann, Asdienbrödel, Auf-
geblasenheit, Aasbund, auswehlen, Bandzerot, barhaupt, behagen, benedeien, Besdiaulig-
keit, bevheden, Biddermann, Bilger, Bintze (Binse), Blindckue spielen, Blutdurst, Blut-
hund. Bodtshorn. bößlidi. böswillig, Botenbrod, botz, Bule, Caplan, casteyen, Cüster,
einbleuen. Eisenfresser, empfenglidi, entsetzlidi. Eseley. Faustredit. Fehde, Filosoff.
Fratzen, furditloß. Galgenfrist, geiffern, geldgierig, gemanen. gemeinnützig, Gerumpel,
Gewarsam, Gewirre, girig, glutroth, Gnatz, greßlidi, grob, gröblidi, größlidi, Handtudi,
harthertzig, hartköpffig. Hasenpanier, hastig, Hayn, hehr, Hesdier, Hippe, hodisinnig,
hofiren, Hofsdirantzen, hohnledieln, Holtzweg, hordien, Hungertudi, immer und immer,
Irrewisdi, jugentlidi, Kaff, Kampfplatz, Kautz, Katzbalgen, keddidi, Kerle, Kilkropp,
klaffen, Kleffer, Knapsadi, Kölerglauben, Korn-Wurm, Kretzsdimer, kreysdien, kriebeln,
Kübel, Kutten, Lästermaul, Laun, leiditgläubig, Leidinam, leppisdi, Lotterbuben, Luder-
leben, Maulaffe, Memme, Metze, missebraudien, Monkalb. Mordgir, mudten, munckeln,
mustern, nadiohmen, Naseweiß, Newigkeit, Oelgötze, Raserey, retlidi, Rotwurst. Sang
(für Gesang), Sdielm, sdiidilidi, sdimehlidi, sdiwedilidi, sdiwülstig, sittlidi (moralis), sondern,
Spitzbuben, spornen, Spötterey, störrig, Stotterer, Straudidieb, Sudler. Teuffling, Todjter-
kirdie. Tölpel, überrasdien, vergeuden, ungeheuer, unredlidi. unrümlidi. unfrey, unverblümbt,
Wediselbalg, wimmeln, Wüterey, zagen, Zetergesdirey, Zwickmühle.
Zu diesen Worten würden wir in der Hauptsache heute keine Be-
merkungen hinzufügen. Zum Teil handelt es sich sicher um volkstümliche
Ausdrücke, die aber der Zeit Saltzmanns ungeläufig waren.
Weitere Schriften sind folgende: Diederich von Stade, Erläuter- und
Erklärung der vornehmsten deutschen Wörter, deren sich D. Martin Luther
in Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache gebrauchet, Stade 1711.
2. Auflage, die mir allein zugänglich ist, Bremen 1724. Dieses Werk
verfolgt mehr etymologische Zwecke und stellt oft den Wortlaut der ver-
schiedenen Bibelübersetzungen nebeneinander. W. A. Teller, Vollständige
Darstellung und Beurteilung der deutschen Sprache in Luthers Bibelüber-
setzung. 1. 2. Berlin 1794/95. Teller gibt S. 49 ein Verzeichnis der Wörter,
302 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
„welche entweder ganz veraltet oder doch nach der beygefügten Bedeutung
in der guten Schreibart nicht mehr übhch sind". Es ist lehrreich, aus diesem
Verzeichnis die herauszuheben, die heute wieder gebrauchlich sind:
angelegen sein 'am Herzen liegen', anheben 'anfangen', au/erweJien, beginnen 'an-
fangen', blecken 'die Zähne', entbieten, entwcidien 'sich wegbegeben', ereilen, erkunden,
frommen 'nützlich sein', hausen 'wohnen', heisdien 'fordern', locken, quit sein 'frei sein',
raunen, vertrauen 'hoffen', wähnen 'denken, meinen', walten 'herrschen', allermeist, An-
beginn, auf daß, Creyß 'Landesabteilung', da 'wo', dieweil, etlidier 'mancher', Filz 'Geiz-
hals', Fisdireusen. flugs 'geschwind, sogleich', fürbaß, für und für, gäng und gebe, Hader,
Händler 'Handelsleute', Hcerschaaren, hehr, Heiland, Hippe, hui 'geschwind', Junker,
h'ebsweib. keusdi 'rein', klärlidi 'deutlich', Krieger, Kriegsknedit, Laib, Leute, Loch 'Ge-
fängnis', Lotterbube, Mähre 'Pferd', Meister 'Künstler', meudilings. Nächsten 'Verwandte',
nimmer 'nie mehr', Pöbel, Prüfstein, redlidi, Regiment 'Regierung', Reisige 'Reiterei', Rotte,
sammt 'mit', Satzungen 'Vorschriften'. Sdialksknedit, Sdiarwadie, Schemen, Sdierge, sdieuß-
lidi. Sdiidit, sich sdiicken, Sduilmeister, selbander, Sitten, sonderlidi, Speer, Sprudi. störrig
'widerspenstig', straiks 'gerade'. Streit 'Krieg', zum Streit ziehen 'sich zum Streit rüsten',
Wandel, Weibsbild, weidlich, weiland, Weile 'Zeit', Zetergeschrey.
Weiter sind noch zu nennen: PisCHON, Erklärung der hauptsächlichsten veralteten
deutschen Wörter in Dr. Luthers Bibelübersetzung; Einladungsschrift der preußischen Haupt-
bibelgesellschaft zur dreißigjährigen Stiftungsfeier der Gesellschaft; Berlin 1844. — Beck,
Wörterbuch zu Luthers Bibelübersetzung. Siegen und Wiesbaden 1846. — Beelitz, Lexilogus
zur Lutherischen Bibelübersetzung des Neuen Testaments für Gymnasien; Programm von
Stendal 1857. — Jütting, Biblisches Wörterbuch, enthaltend eine Erklärung der altertüm-
lichen und seltenen Ausdrücke in Martin Luthers Bibelübersetzung, Leipzig 1864.
Von den oben angeführten Worten sind nun zweifellos nicht wenige
durch die eifrige Beschäftigung mit unsrer Bibel wieder aufgenommen worden,
andere haben im Volk weiter gelebt und können auch von dorther gekommen
sein. Jedenfalls zeigen sie uns die gewaltige Macht, die von einem einzigen
Literaturdenkmal ausgegangen ist.
Jahrhundertelang hat die Luthersche Bibel schon auf unser Volk ge-
wirkt. Sie ist zwar nicht unverändert geblieben, sondern die Wortformen,
die Schreibung und sonstige Eigentümlichkeiten sind unmerklich geändert
worden; an den Wortschatz hat man aber am wenigsten getastet. Vieles
ist ganz und gar unverständlich geworden und bedarf daher der Erneuerung,
denn man muß verlangen, daß die Bibel in einem allgemein verständlichen
Gewände dargeboten wird. Ist diese Erneuerung durchgeführt, so wird ihr
sprachlicher Einfluß etwas geringer werden, aber aufhören wird er nie.
Auf die kirchlichen Sitten und Gebräuche gehen noch eine Reihe von Ausdrücken
zurück. Der Ausdruck blauer Montag stammt von dem durch blaue Altarumhänge aus-
gezeichneten Montag vor Fastnacht, den man jetzt Rosenmontag (rasender Montag) nennt.
Die Haupteigentümlichkeit an diesem Montag war, nicht zu arbeiten, und so ist allmählich
die heutige Bedeutung entstanden. Stein und Bein sdiwören heißt wohl auf die Beine
(Knochen) der Heiligen und die Steine der Reliquienkästen schwören. Anders Borchardt-
Wustmann 1138. Ausposaunen stammt aus Matth. 6, 2. Am Hungertudi nagen ist
eine Verdrehung für am Hungertudie näjen {nähen). Das Hungertuch war ein blaues
oder schwarzes Tuch, womit in katholischen Kirchen zur Advents- und Fastenzeit die
Altarbilder verdeckt wurden.
Aus der Bibel selbst sind zahlreiche Redensarten entlehnt: den alten Adam ausziehen
§ 185. C. Die Rechtssprache. 303
(Kol. 3, 9); ohne Ansehen der Person (Rom. 2, 11); ein Stein des Anstoßes sein (Jes. 8, 14);
babylonisdie Spradiverwirrung (1. Mo.s. 11); Berge versetzen (Hiob 9,5); eine aus der
siebenten Bitte; die Bödie von den Sdiafen sondern (Matth. 25, 32); einem ein Dorn im
Auge sein (4. Mos. 33, 55); wahre Enakssöhne (4. Mos. 13,29); ägyptisdie Finsternis
(2. Mos. 10, 22); sidi nadi den Fleisditöpfen Ägyptens sehnen (2. Mos. 16, 3); ein Koloß
auf tönernen Füßen (Dan. 2, 31 — 34); die Gottlosen bekommen die Neige (Ps. 75. 9); je-
mand eine Grube graben (Spr. Sal. 26, 27); jemand auf den Händen tragen (Matth. 4, 6);
Hiobspost (Hiob 1, 14 — 19); alle Jubeljahre einmal; Judaskuß (Math. 26, 48); Kainszeidien
(1. Mos. 4, 15); das goldene Kalb anbeten (2. Mos. 32); feurige Kohlen auf jemandes
Haupt sammeln (Rom. 12,20); Rotte Korah (4. Mos. 16); Krethi und Plethi (2.Sam.8, 18);
ein Herz und eine Seele (Apostelg. 4, 32); sein Lidit unter den Sdieffel stellen (Matth.
5,15); Linse ngeridit; dem Mammon dienen (Matth. 6, 24); Matthäi am letzten; Menetekel
(Daniel 5, 25); so alt wie Methusalem (1. Mos. 5, 27); Müdzen seigen und Kamele ver-
sdüudien; dem Odisen das Maul verbinden (5. Mos. 25, 4); Perlen vor die Säue werfen
(Matth, 7, 6); ein Pfahl im Fleiadie (2. Kor. 12, 7); von Pontius zu Pilatus sdiidten; nidit
wert sein, einem die Sdiuhriemen aufzulösen (Mark. 1,7); ein Budi mit sieben Siegeln
(Off. Joh. 5, 1); Splitterriditer (Matth. 7,3—5); einen Stein auf jemand werfen (Joh. 8, 7);
der Sündenbodi sein (3. Mos. 16); jemand zum Tempel hinauswerfen (Matth. 21, 12); Urias-
brief (2. Sam. 11, 14); zu seinen Vätern versammelt werden (1. Mos. 25, 8); den Weizen
von der Spreu sondern (Matth. 3, 12); ein Wolf in Sdiafskleidern (Matth. 7, 15).
Zu untersuchen wäre auch noch, was die einzelnen kirchlichen Bewegungen, die wir
seit der Reformation zu verzeichnen haben, an neuen Ausdrücken geschaffen haben. Die
Ausdrücke Pietist und Mudier erinnern an die Bewegung des Pietismus, und den Herren-
hutern verdanken wir den Ausdruck gemütlidi, den Goethe aufnahm, der aber, wie so
mancher andere, im 19. Jahrhundert ganz verflacht wurde.
§ 185. C. Die Rechtssprache.
Literatur: Roethe, Die Reimvorreden des Sachsenspiegels S. 88 f. — L.Günther,
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache, Leipzig 1903. — J. Grimm,
Deutsche Rechtsaltertümer, 4. Auflage, Leipzig 1899. — Beiträge zum Wörterbuch der
deutschen Rechtssprache, Weimar 1908. — Fr. Kauffmann, Aus dem Wortschatz der Rechts-
sprache, ZfdPh. 47, 153.
"Einen besondern Richterstand hat es bei den ahen Germanen noch
nicht gegeben, wohl aber gab es eine RechtsüberHeferung, in der die recht-
lichen Vorgänge durch eine Reihe von Formeln und Ausdrücken genau fest-
gelegt waren. Ebenso wie bei den gottesdienstlichen Vorgängen kommt es
im Recht genau darauf an, daß alles Nötige peinlich genau beobachtet wird.
Noch heute sind Entscheidungen ungüUig, wenn Verstöße gegen das Ver-
fahren stattgefunden haben. Es ist daher begreiflich, daß sich auch im
Wortschatz der Rechtssprache ein besondrer Zug geltend macht. Er besteht
einmal in der Bewahrung alter Formeln, dann aber muß jedem Vorgang im
Recht ein festgeprägtes Wort entsprechen. R.M.Meyer sagt Idg. Forsch. 12,51 :
„Es ist z. B. nicht auffallend, daß die Rechtssprache Ausdrücke wie 'Vertrag, Frist,
Schenkung' verwendet — alle Welt verwendet sie. Das Charakteristische ist vielmehr, daß
für sie eben nur diese Ausdrücke existieren, und alle im gewöhnlichen Sprachgebrauch
vorhandenen gleichbedeutenden Worte abgestoßen werden. Ich kann zu einem Freund
sagen: wir wollen das so abmachen oder so ausmachen oder wie sonst; vor dem Notar
muß ich sagen: ich will einen Vertrag abschließen. Ich mag mündlich erklären: ich hinter-
lasse mein gesamtes Vermögen dem und dem; beim Testament soll ich nur sagen: ich
setze zum Universalerben ein. Die bewußte Vermeidung aller Ausdrücke mit Ausnahme
304 Zwölftes Kapitel, Die Sondersprachen.
des einen, den das Gesetzbuch sanktioniert, macht die Rechtssprache schon rein lexiko-
logisch zu einer künstlichen Sprache. Sie gehört freilich auch hinsiclitiich der Wortfügung
zu den normalisierten Sprachen, ü. Roethe (Die Reimvorreden des Sachsenspiegels S. 88 f.)
hat neulich glänzend in erschöpfender Darstellung die Entstehung einer individuellen
Rechtssprache, derjenigen Elkes von Rcpkow, vorgeführt. Wir finden auch hier den feier-
lichen Gebrauch altertümlicher Worte (S. 89), auch hier die Sanktion eines einzelnen Syno-
nyms für bestimmte Rechtsformeln {mit erven gelove), während Eike sonst in der Regel
urloub sagt.'
Die Rechtssprache ist also sehr wichtig, und man kann es verstehen,
wenn jetzt in gemeinsamer Tätigkeit ein Wörterbuch der deutschen Rechts-
sprache in Angriff genommen wird.
Aus der Rechtssprache fließen aber nun anderseits eine Fülle von Aus-
drücken, Worten und Redensarten in die Schriftsprache, Worte, die dort
ihre besondere Bedeutung angenommen haben; jetzt aber allgemein ge-
braucht werden. L. Günther hat in dem oben erwähnten Buche den ganzen
Stoff anregend dargestellt. Er ist aber zu reichhaltig, als daß hier mehr
als ein kurzer Auszug geboten werden könnte.
Wir stellen hier zunächst die Worte zusammen, die ursprünglich eine
rechtliche, jetzt aber eine allgemeine Bedeutung angenommen haben.
Ding, ahd. ding, e. thing, anord. ping 'Gerichtsverhandlung', got. peihs 'Zeit' be-
deutet wohl ursprünglich 'Zeit, festgesetzte Zeit', woraus sich dann- der Sinn 'Verhandlung
zu dieser Zeit, Gerichtsverhandlung' ergeben hat. Heute erscheint die alte Bedeutung
'Gerichtsverhandlung' noch in dingliches Redit, dinglidier Anspriidi, ahd. dinklih 'ge-
richtlich', dingen, ahd. dingün 'vor Gericht verhandeln', bedingen, dingfest machen
(erst 1830), Leibgedinge, mhd. Ilpgedinge, aller guten Dinge sind drei. Schließlich ist
auch verteidigen aus tagedingen mit ding zusammengesetzt. Welche mannigfaltige Be-
deutung hat Ding heute angenommen!
Sache. Die ursprüngliche Bedeutung ist 'Streit, Streit vor Gericht', ahd. sahfia, a'i.saka
'Streit, Streitsache, Rechtshandel, Sache, Ursache', ags. sacu 'Streit, Fehde', e. sake 'Ur-
sache', an. sOk 'Rechtssache, Streit', got. das Verb, sakan 'streiten, rechten'. Das Wort ge-
hört wohl zu sudien, bedeutet also nichts weiter als 'das Aufsuchen'. Es ist dann auf das
Aufsuchen vor Gericht beschränkt worden. Aus der Gerichtssprache ist es zurückgekehrt
in die allgemeine Sprache. Heute besitzen wir die alte Bedeutung noch in folgenden
Fällen: eine Sache miteinander oder widereinander haben (Luther), Sachen-
recht, er macht seine Sache gut, eine böse Sache, das tut nichts zur Sache, in
Sadien seines Vaters, Widersacher (15. Jh.), ahd. widersacho (Notker), Sachwalter,
mhd. sadiwalt(e), Zivilsadien, Straf sadien.
Rede, ahd. redea "Rechenschaft, Rede und Antwort, Rede, Erzählung', got. rapjö
'Zahl, Rechnung', urverwandt mit oder entlehnt aus lat. ratio, hat gleichfalls einen Teil
seiner Bedeutungen durch die Rechtssprache erhalten, so in Rede stehen, jemand zur
Rede stellen oder setzen. Rede und Antwort geben, eines Mannes Rede ist
keine Rede.
echt erscheint erst im Neuhochdeutschen als Lehnwort aus dem Niederdeutschen,
wo echt aus ehaft regelrecht entwickelt ist. i bedeutet hier 'Gesetz, Recht' und ist das-
selbe Wort wie unser Ehe; ihaft ist also, was vor dem Gesetz standhält. Durch die aus
dem Sachsenspiegel fließenden Rechtsbücher drang das niederdeutsche Adj. ins Mittel-
deutsche (aber erst nach Luther) und sogar in oberdeutsche Mundarten des bayerisch-
österreichischen Gebietes. Ehe selbst, ahd. ewa ist von Notker in unsrer Bedeutung fest-
gelegt, während es sonst ahd. 'Ewigkeit, endlos lange Zeit, Recht, Gesetz, Vertrag' be-
§ 185. C. Die Rechtssprache. 305
deutet. Dazu got. aiws, lat. aevum, gr. aloiv (aiön) 'Ewigkeit'. Diese alte Bedeutung 'lange
währende Zeit' steckt noch in ewig, ahd. ewig, je, ahd. io 'immer', immer, ahd. iomer,
jeder, ahd. iohwedar 'jeder von beiden', jemand, ahd. ioman. irgend, ahd. iowergin,
je glich, ahd. eogahh 'jeder', jemals und den entsprechenden verneinenden Bildungen
nie, ahd. nio, niemals, niemand, ahd. nioman, nimmer, ahd. niomer, nirgend, alt-
niederfrk. niewergin.
Kampf ist ein sehr merkwürdiges Wort. Es tritt verhältnismäßig spät auf und soll
auf lat. Campus (Martins), das Feld, auf dem die Wettkämpfe stattfanden, zurückgehen.
Im Deutschen tritt dann die Bedeutung 'gerichtlicher Zweikampf stark hervor.
Sdiuld, ahd. skuld heißt überall 'zu leistende Verpflichtung'. Verblaßter ist die Be-
deutung in dem dazugehörigen sollen, ahd. skolan, c.s/ial, got skulan. Schon J. Grimm
zog zur Aufklärung afrs. skalin 'getötet, erschlagen' und lit. skilti 'spalten' heran, mit der
Bedeutungsentwicklung 'ich habe getötet und bin daher zu Wergeid verpflichtet'. Das ist
eine sehr ansprechende Erklärung, wenn sie auch nicht ganz sicher steht.
Ähnlich stammt überführen wohl von der alten Sitte, den vermuteten Mörder an
der Leiche des Erschlagenen vorüberzuführen.
Das sind ein paar bezeichnende Ausdrücke, die aus der Rechtssprache
stammen, denen man aber ihren Ursprung nicht ansieht.
Sehr viel größer ist die Zahl der Redensarten, die ursprünglich einen
rechtlichen wirklichen Vorgang bezeichnen, während sie heute meist nur
noch bildlich verstanden werden.
Vermählen bedeutet 'feierlich zusammensprechen', ahd. mahalian 'reden, sprechen';
ebenso verloben 'feierlich geloben'; unter die Haube kommen rührt von der Haube
her, die die junge Frau nach der Hochzeit anlegte; widmen stammt aus dem Eherecht
und bedeutet 'mit dem Wittum, ahd. widamo (mit gr. l'edvov [eednon] 'Brautgeschenk' zu-
sammenhängend) ausstatten'; auf den Sdiild erheben. Noch 1204 wurde Balduin von
Flandern bei seiner Wahl zum griechischen Kaiser auf den Schild gehoben. Ebenso auf
den Thron erheben und vom Throne stoßen. Das Tisditudi entzwei sdineiden
war die rechtssymbolische Handlung der Scheidung; jemand für vogelfrei erklären
(mhd. vogelvrt) stammt aus der Zeit der Friedlossetzung; in die Brüche gehen gehört
vielleicht zu ndd. bröke, broke 'Geld-, Viehbuße', früher jemand in die Brüdie nehmen.
Doch kann die Redensart auch anders erklärt werden.
Eine Anzahl andrer Ausdrücke stammt aus dem altern Gerichtsverfahren,
dem Gottesurteil, der Folter usw.
a) Gottesurteil: die Feuerprobe bestehen, (wie) auf (glühenden) Kohlen
sitzen, durchs Feuer gehen für jemand, Gift auf etwas nehmen.
b) Folter: Folter selbst ist 1468 als volter gerüst 'to.vXtus' belegt und stammt aus mlat.
poledrus 'Fohlen, Füllen', dann 'Marterwerkzeug in Gestalt eines Pferdchens'. An Redensarten
gehören hierher: auf die Folter spannen, Folterqualen leiden, Daumschrauben
ansetzen, in spanische Stiefel einsdinüren, jemand sdirauben (1691), ihn auf-
ziehen, sich wie gerädert fühlen, triezen, eig. 'an einer 7>/>2e 'Winde' hochziehen'.
c) Sonstiges: über jemand den Stab brechen, mit gebundenen Händen
zusehen oder dastehen, den Gnadenstoß geben. Spießruten laufen; an den
Pranger stellen; einem auf das Dach steigen. Man stieg in früherer Zeit einem
tatsächlich auf das Dach und deckte es ab, namentlich Ehemännern, die sich von ihren
Frauen hatten schlagen lassen. Hand und Fuß haben.
Allerdings kommt schon im Lateinischen nee caput nee pedes nee cor habere in der
Bedeutung 'gar nichts taugen' vor, trotzdem geht die Redensart wohl auf die Sitte zurück,
dem Verbrecher eine Hand und einen Fuß abzuhauen, vgl. Meier Helmbrecht 1690: Man
räch die muoter, daz man im sluoc abe die hant und einen fuos-
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 20
306 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
brandmarken 1678; — die Hände sind einem gebunden; — Haberfeld-
treiben in Bayern; — unter den Hammer kommen; — Fersengeld geben; —
radebredien, ursprünglich 'auf dem Rad liinriclitcn'; — überhandnehmen, wohl 'Ge-
walt über eine Sache nehmen; — Halsgeridit . es geht einem an den Hals oder
an den Kragen {Kragen, ursprünglich 'Hals'); — zeter sdireien und zetermordio; —
Galgenfrist, Galgengesidit, Galgenphysiognomie, Galgenhumor, Galgen-
sdiwengel; — Henkersmahlzeit; — Wergeid, ahd. wergelt, eig. 'Geld für den (er-
schlagenen) Mann'; — Steckbrief, ursprünglich 'Ladebrief eines Femgerichts, der dem
Bel<lagten in den Torriegel seines Hauses gesteckt wurde'.
Die eigentliche Rechtssprache ist uns ja auch z.T. bekannt, und auch
in ihr spiegelt sich die Geschichte des deutschen Volkes. Wir haben eine
Anzahl einheimischer Ausdrücke. Schon früh kamen einzelne Lehnwörter
dazu, die sich mit Eindringen des römischen Rechtes gewaltig vermehrten,
und sich eigentlich erst mit der Herstellung des bürgerlichen Gesetzbuches
vermindert haben, in dem die deutsche Sprache wieder zu ihrem Recht
gekommen ist.
A. EINHEIMISCHE BESTANDTEILE.
Aberadit, mndd. overddite, zsg. mit Adit, ahd. ahta 'Verfolgung' aus *anhtö, wohl
zu gr. Hräyy.>j (anaukif) 'Zwang'; — ahnden, ahd. andon 'strafen'; — Altenteil, nordd.; —
Anerbe, mhd. anerbe; — anerkennen, 1774; — Ansprudi, mhd. a/?5'/;r«o'i 'rechtliche
Forderung'; — Anwalt, ahd. anwalto; — - Anwartsdiaft, 1641; — Aufgebot; —
auflassen, mnd. upläten; — Bann, ahd. ban, e. fta« zu lat. /«r/ 'sprechen'; — be-
einträditigen, von älternhd. Eintradit statt Eintrag 'Querfüden des Gewebes', von
Frisch als ein seltsames Juristenkompositum bezeichnet; — Behelf, spätmhd. behelf; —
beistehen, ahd. bistandan ; — Beleg, ursprünglich die unter die Grenzsteine gelegten
dauernden Zeichen der Markmeister und Feldgeschworenen; — bemänteln, frühnhd., der
Mantel ist das Sinnbild des gewährten Schutzes; — berüditigt zu mnd. beruditigen; —
Besdieid, mhd. besdieit; — Bürge, ahd. burgio zu bergen; — Burgfriede, mhd. burc-
vride; — Buße, ahd. buo^a, e. boot 'Nutzen, Vorteil' zu baß, besser; — Büttel, ahd.
butil, t. beadle zu bieten; — Dieb, ahd. diob, e. thief, got piufs; — Ehehaften 'rechts-
gültiges Hindernis', ahd. ehafti 'Recht, Pflicht' zu ahd. ehaft 'gesetzmäßig, rechtsgültig'
{s. edit); — Eintrag, im 15. Jh., s. beeinträditigen; — einwenden, 17. Jh.; — Ein-
wurf, frühnhd.; — Erbe n., ahd. erbi, got. arbi, eig. 'bewegliche Hinterlassenschaft', zu
lat. orbus, gr. nocpuvö^ [orphanös) 'Weise'; — Erbsdiiditer, Luk. 12, 14; — Errungen-
sdiaft, 1663; — erstehen, mhd., 'durch Stehen vor Gericht erwerben'; — fähig,
frülinhd., zu fahen; — fahrlässig, mhd. verlce^ec von verli3 'Lässigkeit, Versäumnis' ; —
Fehde, ahd. gafp.hida von ahd. ^//('/z 'feindselig' zu got. bifaihnn 'übervorteilen , a\r. oedi
'Feind'; — Feme, mhd. veime, vgl. WeiganD; — Fürspredi, Schweiz., ahd. furisprehho; —
Gefängnis, mhd. gevencnisse; — Gerade, im Sachsenspiegel gerade zu Rat, Vorrat; —
geredit, ahd. gireht, got. garaihts; — Geridit, ahd. girihti; — Gesetz, ahd. gisezzida; —
G espildere dl t 'Vorkauhrccht' zu spalten; — Gewähr, ahd. ^/tcm 'Einkleidung in den
Besitz' zu ahd. giwerjän, got. wasjan 'kleiden, bekleiden', lat. vestire, wohl Übersetzung von
rrdat.investitura; — dazu Gewährsdiaft, mhd., und Gewährsmann, rr\hd.werman; —
gewaltsam, 15. Jh.; — Haft, ar^dirk. hafta 'Gefangenschaft, Gefängnis'; — hand-
haft, mhd. handhafte tat 'bei der der Täter noch die Waffe in der Hand hat'; —
Henkersmahlzeit, 16. Jh.; — hinriditen, Luther; — Hodigeridit, 1256; — hodi-
notpeinlidi, 17. Jh.; — Justizmord, 1782 gebildet; — Kammergeridit, 15. Jh.,
eig. 'Gericht in der Kammer des Fürsten'; — Klage, ahd. klaga zu a\. gürhati 'klagt,
klagt an'; — laden, ahd. ladön, laden, got. lapön 'einladen, berufen", eig. 'mit dem Lade-
brett berufen'; — Märkerding 'Rügegericht der Afa/^genossen'; — minderjährig,
§ 186. D. Die Kanzleisprache. 307
16. Jh., Übersetzung von minorenn; — Morgengabe, ahd. morgengeba; — Mund
'Schutz' (Vormund), ahd. munt, wohl zu lat. manus 'Hand'. Dazu Mündel, im 8. Jh.
mundilio; mündig, mhd. mündic; — Nadierbe, 14. Jh.; — Nadiricfiter, m\\d. nädi-
rihter; — Nageimage, mhd. nagelmäc; — Näherredit, 1691; — Nießbraudi, im
17. Jh. nach lat. usus fructus gebildet; — Niftelgerade, 1^624; — Notzucht, 15. Jh.,
ahd. not numft 'Raub': — Nutznießung, 16. Jh.; — Pfahlbärger, 1353; — Pfand,
ahd. pfant; — Pranger, 1270, zu nd. ndl. prangen 'drücken, pressen', got anapraggan
'bedrängen'; — Redit, ahd. reht, e. right zu recht, ahd. reht, e. right, got raihts, lat
rectus, h. redit 'Gtsttz' : dazu rediten, mhd. rehten; Rechtsanwalt, \S. Sh. usvf.; —
redlidi, ahd redilih 'verständig'; — Riditer, ahd. rihtari; — Sachsenspiegel, das
alte Rechtsbuch der Sachsen; — Sdiöffe, ahd. skeffeno zu sdiaffen. sdiöpfen, eig. 'der
Recht schafft'; — Spitzbube, 16. Jh., zu spitzen 'auf etwas lauern'; — stehlen, ahd.
stelan, e. steal, got. stilan, lat. stellio 'ränkevolie Person'; — Strafe, mhd. (selten) strafe; —
überhandnehmen, mhd., wohl zu mhd /zan^ 'Hand' als Rechtsausdruck 'Besitz, Gewalt
über eine Sache' wie mndl. overhant 'Obergewalt'; — überzeugen, mhd. überziugen
'durch Zeugen überführen'; — Umstand, eig. 'die umstehenden Personen', noch eis.
bayer. Gerichtsumstand 'die Zuschauer beim Gericht'; — unbesdiolten, mhd.; — Un-
bill, Schweiz.; — Ungebühr, 17. Jh.; — ungesdioren, mhd. ungesdiorn län; —
Unterpfand, mhd. unterpfant; — Urgidit, mhd. urgiht 'Sündenbekenntnis' zu ahd.
jehan 'sagen'; — verantworten, mhd.; — Verbrecher, mhd., zu verbredien, ahd.
farbrehhan; — verfangen; — verhaften, mhd. verheften zu Haft; — verjähren,
mhd. verjceren; — verklagen, 15. Jh.; — Verlassensdiaft, 16. Jh.; — vermadien,
14. Jh.; — versdiollen (1780) zu verschallen 'aufhören zu schallen'; — verstodit,
mhd.; — verwandt;— Vollmadit, IZ12, ÜbtxstXzung von m\at plenipotentia; ~ Vor-
mund, ahd. foramundo. s. Mund; — Wahrsprudi {um 1840), Übersetzung von Ver-
dikt; — Weistum, ahd. Wistuom, t.wisdom; — Widerpart, mhd. widerpart(e); —
zeugen, ahd. giziugön zu ziehen; — zier lieh, \n der altern Rechtssprache 'förmlich, feierlich'.
B. LEHNWÖRTER.
An Lehnwörtern ist die Rechtssprache natürlich sehr reich, und es kommt
dabei wesentlich der lateinische Sprachstoff in Betracht, neben dem nur in
verhältnismäßig wenigen Fällen das Französische eingewirkt hat. Der Raum
mangelt, um hier den Stoff anzuführen.
§ 186. D. Die Kanzleisprache. Die Sprache der Kanzlei, die sich seit dem
15. Jahrhundert entwickelt, hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Rechtssprache.
Auch bei ihr kommt es darauf an, die angegebene Meinung ganz bestimmt
auszudrücken, und man wählt daher immer wieder denselben Ausdruck.
Weiter arbeitet aber die Kanzlei mit Formularen. Was einmal geschrieben
ist, liegt ja noch vor, und man schreibt es daher wieder ab. So erhalten
sich Ausdrücke, die längst keiner mehr spricht. Die Kanzlei neigt ferner zu
Umständlichkeit, was nicht wundernehmen kann, da das Schreibwerk nach
der Elle bezahlt wird. Anfangs liebte sie auch die Fremdworte; dagegen hat
man früh geeifert, was freilich nur bis zu einem gewissen Grade genützt hat.
Hier stelle ich eine Anzahl von Worten zusammen, die wohl aus der
Kanzleisprache stammen dürften. Bei vielen empfindet man noch heute
den Aktenstaub.
ablehnen, abmüßigen, abnehmen, Akten, allenfallsig, anbei, anbelangen, anberaumen,
in Anbetracht, anderweit, Anerbieten, anhängig, anheimstellen, -geben, -fallen, anher,
anitzt, anläßlidi, annodi, Anredit, anstatt, Ansuchen,- Anzeige, approbieren, Auflage
20*
308 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
'amtlicher Auftrag', aufwiegeln. Aitsfltuiit. aushändigen, äußern. Ausweis, Bedarf. Be-
denken. Beding, beendigen, befehligen, befremden, behändigen, beherzigen, Behörde, Be-
huf, heimessen, beipfliditen. Belang, bemängeln (obd.), benebst. Benehmen, besage, be-
seitigen. Betradit, Betreff, beziditigen, bislang, darleihen, dazumal, demnadt. dergestalt,
derjenige, dermaßen, dero, desfalls, diesfällig. ehest, einsdireiten. Einverständnis, sidi
entsdiließen, erbölig, ermessen, lirrungensdiaft. ersprießlidt. ersudien. fahnden, ahd. fantön
'durchforschen', gewierig. Ew. Liebden. unbesdiadet, verausfolgen, vorstellig werden.
Wagnis. Weiterung. Vgl. dazu noch GDS. 243.
§ 187. E. Die Dichtersprache. Daß die Sprache der Dichtkunst von der
der Prosa abweicht, ist allgemein bekannt, aber worin diese Unterschiede
bestehen, ist nicht ohne weiteres klar. Sie lassen sich aber in aller Kürze
dahin zusammenfassen, daß die Dichtersprache wie Janus zwei Gesichter
zeigt, ein vorwärts gekehrtes und ein rückwärts gewandtes.
Das rückwärts gewandte erkennen wir sehr leicht. Überblickt man
irgendwelche Zusammenstellungen des Wort- und Formenschatzes der
Dichtersprache, so stellt sich sofort klar heraus, daß wir es in der Haupt-
sache mit einer altern Sprachstufe zu tun haben. Die Dichtersprache hat
im allgemeinen einen altertümlichen Sprachcharakter, ja sie kann sich zu
einer neben der lebenden stehenden ganz besondern Sprache entwickeln.
Bei den Griechen hatte ja jede Dichtungsart, das Epos, die Elegie, die
Lyrik, das Drama, seine besondere Sprachform und seinen besondern
Wortschatz, und noch lange nach Homer, selbst in byzantinischer Zeit
dichtete man jedes Epos in homerischer Sprache.
Diesen auf griechischem Boden deutlich hervortretenden Grundzug darf
man aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf andern Sprachgebieten erwarten,
und man findet ihn tatsächlich auch im Deutschen. Die Ursache liegt natür-
lich darin, daß die Dichtungen im Munde des Volkes oder der Sänger fort-
leben, und daß sich dadurch ganze Redensarten und Verbindungen fest dem
Gedächtnis einprägen und daher zu jeder Zeit wieder verwendet werden
können, daß also, wie Schiller treffend gesagt hat, die Sprache für den
Dichter dichtet und denkt. In diesen Abweichungen vom gewöhnUchen
Sprachgebrauch liegt zu einem guten Teil der Reiz der dichterischen Sprache
begründet. Selbstverständlich können Worte aus der Dichtersprache wieder
in die Prosa aufgenommen werden und dort eine solche Verbreitung ge-
winnen, daß sie nicht mehr als poetisch empfunden werden.
Die Dichtersprache ist also in hohem Grade formelhaft, und nicht
selten führt die natürliche Entwicklung jenen Weg, den die Griechen ein-
geschlagen haben, zu den Sprachen besonderer Dichtungsgattungen. Bei
uns hat sich dieser Entwicklungsgang glücklicherweise nicht vollzogen, weil
zu allen Zeiten Dichter mit neuen Dichtarten aufgetreten sind, die den
Bann der Überlieferung gebrochen und die Dichtersprache wieder natürlich
gestaltet haben. Man denke an die Sturm- und Drangperiode. Aber auch
sonst greifen verschiedene Zeiten wieder auf die natürliche Sprache zurück.
Auf der andern Seite richtet die Dichtersprache den Blick nach vor-
§ 187. E. Die Dichtersprache. 309
wärts und schafft neue Worte und Ausdrücke, da sie möglichst die Aus-
drücke der gewöhnlichen Umgangssprache zu vermeiden sucht. Am meisten
und fruchtbarsten wirkt natürlich auf diesem Gebiet das Genie, das durch
seine Tätigkeit die Sprache wirklich bereichert.
Weiter hat es immer Vereinigungen von Dichtern gegeben, die gewisse
Kunst- und Sprachgesetze auf ihre Fahnen geschrieben haben, und die dann
bewußt eine neue Dichtersprache schaffen. Meist verfällt auch sie wieder
dem Los, formelhaft zu werden.
Will man auf diesem Gebiet zur Klarheit kommen, so muß man von
den einzelnen Dichtgattungen der Zeit und der Art nach ausgehen. Ob-
gleich schon mancherlei auf diesem Gebiet gearbeitet ist, so ist doch alles
nur ein Anfang, und es wird noch lange dauern, ehe wir über die Ent-
wicklung der Dichtersprache und über ihren Einfluß auf unsern neuhoch-
deutschen Wortschatz klar sehen.
Am Anfang unsrer Dichtung steht eine allen germanischen Stämmen
eigene volkstümliche Poesie, deren metrische Eigentümlichkeit der stab-
reimende Vers bildet. Wie längst erkannt ist, enthält sie einen großen
Schatz von Formeln. Diese müssen natürlich wieder aus älterer Zeit stammen,
ja man hat versucht, sie bis in die indogermanische Urzeit zurückzuverfolgen.
Im zweiten Merseburger Zauberspruch liegt die Verbindung vor
ben zi bena, bluot zi bluoda. lid zi giliden.
Ganz ähnliche Ausdrücke kehren, wie A. Kuhn gezeigt hat, auf indischem
Boden wieder. Im Atharwaweda 4, 2 heißt es:
.Zusammen werde Mark mit Mark und audi zusammen Glied an Glied,
Was dir an Fleisdi vergangen ist und audi der Knodien wadise dir.
Mark mit Marke sei vereinigt, Haut mit Haut erhebe sidi."
Die grundsätzliche Annahme, daß solche Formeln bis in die indo-
germanische Urzeit zurückgehen können, ist gewiß nicht zu leugnen. So
kehrt die Verbindung Nacht und Tag in der Weise, daß der Begriff Nacht
vorangeht, in den verschiedensten Sprachen wieder. Sie war in dieser
Reihenfolge sicher indogermanisch. Uralt ist z. B. auch die Verbindung
Zwelfüßer und Vierfüßer, aind. dvlpäd und catuspäd, welche Verbindung
sich auch im Umbrischen ganz entsprechend als dupursus peturpursus findet.
Die Formelhaftigkeit der altgermanischen Alliterationspoesie ist außer-
ordentlich groß, so groß, daß es bei guter Bekanntschaft mit diesen Formeln
nicht schwer ist, Verse in dieser Dichtart zu machen. Natürlich haben diese
Formeln frühzeitig die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und sie sind ge-
sammelt worden.
Anmerkung 1. Vgl. Jakob Grimm, Andreas und Elene, Einleitung S.40ff. — L.Wein-
hold, Spicilegium formularum, Halle 1847. — R. Heinzel, Über den Stil der altgermanischen
Poesie, Straßburg 1878. — Sievers in dem Anhang zu seiner Ausgabe des Heiland, Halle
1878. — Otto Hoffmann, Reimformeln im Westgermanischen, Darmstadt 1885. — R. M.
Meyer, Die altgermanische Poesie nach ihren formelhaften Elementen beschrieben, Berlin
1889. — Alberta Johanna Portengen, De oudgermaansche dichtertaal in haar ethno-
logisch verband. Proefschrift, Leiden 1915.
310 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Der Entwicklun.^sgang unsrcr alten Dichtkunst wurde dadurch unter-
brochen, daß mit dem Reim ein ganz neues Kunstmittel eingeführt wurde,
und diese neue Dichtart, deren erster großer Vertreter Otfried war, verlangte
auch eine neue Ausdruckweise. Hier fehlte also die Überlieferung, und
naturgemäß mußte daher der Dichter in ganz andrer Weise wortschöpferisch
auftreten als ein Dichter der alten Art. Man merkt Otfricds Poesie auch
das Neue im Wortschatz an.
Die alte Art ist indes nicht ausgestorben. Die Spielmannspoesie und
das mittelhochdeutsche Volksepos haben zweifellos an den Stil der alten
alliterierenden Poesie angeknüpft, und so zeigen sie beide tatsächlich einen
großen Schatz an Formeln und sogar an alliterierenden Verbindungen. Oswald
Berger hat, Beiträge 11,371, für das Oswaldgedicht eine Reihe derartiger
alliterierender Verse zusammengestellt. Es würde sich dasselbe für jedes
einigermaßen volkstümliche Gedicht des Mittelalters ebenfalls ergeben.
Die Kudrun wimmelt geradezu von Stabreimen und stabreimenden Formeln, z. B.
schirmen unde sdiieien; man unde mngen; die minniclidien meit: — kömen heim ze
hove; — die vremeden ziio den vriunden; — des wirtes wille; die Hute begunden
ladien: — allez über al. Ja, es lassen sich regelrechte Stabreimverse herausschälen oder
mit leichter Mühe wieder herstellen, z.B.:
der was nu zergangen mit grözcr arbeit 14, 2
allen die ir gerten, den gap man ir genuoc 40, 2
die brähten Hellte sdiilde unde sdiefte ridie 42, 3
manegen gast mit willen, die sie oudi gerne sähen 46, 3
daz im. die vögele künden vliegende nidit entrinnen 97, 3
du sadi er vil der tiere vrevele unde balt 100, 2
Hetele der ridie (1. herre) ze Hegelingen saz 207, 1
Hilde die rldien
des wilden Hagenen tohter 226, 3. 4
ze Hilden und ze Hagenen hin ze hove gdn 258, 3
dö bewant man diu ruoder rüt alsam ein gluot 265, 2
ir ankerseil wurden da her von Arabe
gevüeret harte verre 266, 1. 2
swie so was ir wille üf dem wilden sP.
so was in etewenne von ungemadie we.
swer die ünde bouwet der muoz mit ungemadie wesen 287, 1 . 2. 4
mit minem Silber sende zwelf soumcere 595, 3
und muost diu kleider wasdien in den küelen winden 1064, 3.
Annrerkung 2. Auch wir haben, was kein Wunder nehmen kann, in unsrer heutigen
Sprache noch manche alliterierende oder reimende Formel bewahrt, und wenn sie zum Teil
auch nicht allzu alt sind, so zeigen sie doch jenen uralten Zug der Dichtersprache. Ich
nenne: Sdiimpf und Sdiande; samt und sonders; Küdie und Keller; Kodi und Kellner:
bitterböse; der wilde Wald; seine sieben Sadien; in Bausdi und Bogen; durdi Disteln
und Dornen; drehen und deuteln; an allen Edien und Enden; Feuer und Flamme; Freund
und Feind; Fisdi nodi Fleisdi; gang und gäbe; Geld und Gut; weder Gidis nodi Gadis;
Gift und Galle; Glüdi und Glas; Haus und Herd; Haus und Hof; mit Haut und Haar;
hoffen und harren; Kind und Kegel; Kisten und Kasten; Kopf und Kragen; Land und
Leute; wie er leibt und lebt; Lidit und Luft; los und ledig; Lust und Leid; Lust und
Liebe; Mann und Maus; bei Nadit und Nebel; ohne Rast und Ruh; Roß und Reiter;
§ 187. E. Die Dichtersprache. 311
Seele und Seligkeit; singen und sagen; gestiefelt und gespornt; über Stodt und Stein;
mit Stumpf und Stiel; vor Tag und Tau; Tor und Tür; Tod und Teufel; tun und treiben;
nidit wanken und nidit weidien; eine gute Wehr und Waffen; Wind und Wetter; Witwen
und Waisen; Wohl und Wehe; Zaum und Zügel; zittern und zagen; Zwedt und Ziel usw.
Ebenso haben wir alte Rcimformeln : mit Adi und Kradi; unter Dadi und Fadt;
dann und wann; edit und redit; auf oder naut; Freud und Leid; Handel und Wandel;
kein Hind und kein Kind; Lug und Trug; holt und voll; Sang und Klang; Wahl madit
Qual; mit Rat und Tat; in Saus und Braus; Stein und Bein; nadi bestem Wissen und
Gewissen; über Stodt und Blodi; ohne Rudi und Mudt; Mudten und Tudten; in Hülle und
Fülle; sdiledü und redit; mein und dein; langen und bangen; sterben und verderben;
gesdiniegelt und gebügelt; gerüttelt und gesdiüttelt usw. Weitere Beispiele bei Borchardt-
WUSTMANN, Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde, 5. Aufl., S. 8 ff.
Zum Teil stammen diese Verbindungen auch aus der Rechtssprache und dem Sprich-
wort; die Dichtersprache ist indessen die Grundlage. Im übrigen wirkt der Stabreim auch in
der neuern Poesie nach, und selbst Goethe hat ihn häufig genug verwendet, vgl. W. Ebrard,
Alliterierende Wortverbindungen bei Goethe, Programm, Nürnberg 1900.
Eine Untersuchung über das erste Auftreten dieser formelhaften Verbindungen, deren
hohes Alter sich schon daraus ergibt, daß in manchen von ihnen sonst verloren gegangene
Ausdrücke enthalten sind, wäre eine dankenswerte Aufgabe.
Zeigt sich also schon in den Stabreimen der inittelalterHchen Volks-
dichtung die Abhängigkeit von den älteren Vorbildern, so wird dies auch noch
durch etwas anderes erwiesen. Sie war auch von abgestorbenen, sonst über-
haupt nicht mehr oder höchstens in den Mundarten lebenden Worten durch-
setzt. Wir erkennen das daraus, daß das Volksepos eine ganze Reihe von Aus-
drücken gebraucht, die das höfische Epos gar nicht oder nur spärlich verwendet.
Zu diesen Ausdrücken gehören: balt 'kühn', barn 'Kind', berht 'glänzend', bilde
'freundlich', brcede 'gebrechlich', brogen 'sich in die Höhe richten', degen 'Kriegsmann',
dürkel 'durchbohrt', durnehte 'vollständig', edie 'Schneide einer Waffe', eilen 'Mannheit',
ellenthaft 'mannhaft', gemeit 'froh, freudig', gf-r 'Wurfspieß', hell, hervart, küene, marc
'Streitroß', m^re 'berühmt', milte 'freigebig', raste 'Ruhe', redte, sarwät 'Kriegsgewand',
sn'H 'tapfer', urliuge 'Krieg', veige 'dem Tode verfallen', verme^^en 'kühn', versdiröten
'zerhauen', vredi 'kühn', vrevel 'mutig, kühn', wal 'Schlachtfeld', ivoetlidi 'schön, stattlich'»
wigant 'Krieger, Held', wie 'Kampf. Vgl. darüber E. Steinmeyer, Über einige Epitheta der
mittelhochdeutschen Poesie, Erlangen 1889.
Wir können weiter verfolgen, wie eine Reihe von Ausdrücken in den
Handschriften allmählich durch andere ersetzt werden, d. h. also ungebräuch-
lich geworden waren. Vgl. darüber P. Abel, Veraltende Bestandteile des mittel-
hochdeutschen Sprachschatzes, Erlangen 1902, und Alice Vorkampff-Laue,
Zum Leben und Vergehen einiger mittelhochdeutscher Wörter, Halle a/S. 1906.
Dasselbe Schicksal, das die Volkspoesie traf, mußte auch der höfischen
Poesie zuteil werden. Ging sie zunächst ihre eigenen Bahnen, für die sie
eine neue Ausdrucksweise schuf, so konnte es doch nicht ausbleiben, daß
ihre großen Dichter ihrerseits in ihrem Wortschatz wieder vorbildlich wirkten.
Die Untersuchungen über alle diese Verhältnisse liegen noch sehr im argen,
wie es denn überhaupt kaum Arbeiten über den Wortgebrauch im Mittelalter gibt.
In der neuern Zeit liegen die Dinge im Grunde ganz gleichartig. Die
Dichtkunst erstarrte oft in gewissen Formen und Formeln. Zeitweise finden
wir eine gekünstelte Sprache, dann aber näherte sich auch die Dichter-
312 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
spräche der Prosa wieder außerordentlich, und im 17. Jahrhundert ist der
Unterschied am geringsten. Als Beispiel führt Behaohel Brockes an, dessen
Sprache uns allerdings arg prosaisch klingt, z. B.:
Kann man also leicht erweisen.
Daß die Luft nicht einerley,
Sondern in versdnedenen Kreisen
Gleichsam abgesondert sey.
Wie denn dieß die Wolken zeigen.
Die bald sinken und bald steigen.
Bloß nachdem sie dünn und feucht,
Frey, gepresset, sdiwer und leicht.
Ein neues Leben begann mit dem Erwachen der Geister im 18. Jahr-
hundert. Man wollte etwas Neues bieten. Man näherte sich einmal der
volkstümlichen Rede und griff tief in den Wortschatz der Mundarten hinein,
anderseits suchte man nach neuen Ausdrücken, und da die Wortschöpfung
nicht selten etwas Bedenkliches hat, so ging man auf die literarisch über-
lieferte Sprache, sogar die des Mittelalters zurück und erneuerte zahlreiche
tote Worte, vgl. oben S. 259. Viele von ihnen sind vollständig wieder ein-
gebürgert, ja sogar in die Umgangssprache vorgedrungen. Ganz bewußt hat
R.Wagner auf die alte Sprache zurückgegriffen, und bei der Verbreitung seiner
Werke ist es nicht wunderbar, wenn auch die Umgangssprache davon berührt
wird. Vgl. auch Felix Ott, R.Wagners poetischer Wortschatz. Diss. Gießen 1917.
4. DIE SPRACHE DER EINZELNEN BERUFE.
§ 188. Allgemeines. Neben den bisher behandelten Sondersprachen all-
gemeiner Art stehen außerdem noch die Sprachen der in unserm heutigen
Leben so stark verzweigten Berufe, die des Landmanns, des Bergmanns,
der Buchdrucker, der Jäger, der Schiffer und Seeleute usw. Sie alle haben
ihre besondere Sprache. Dazu kommen noch die verschiedenen Ausdrucks-
weisen der Wissenschaft. Auch bei diesen liegen die Grundfragen so wie
bei den oben besprochenen Gebieten. Einerseits fragt es sich, wie sich
alle diese Sprachen mit ihrem eigentümlichen Wortschatz entwickelt haben,
und anderseits, welche Einflüsse sie auf den Wortschatz unsrer Allgemein-
sprache ausgeübt haben.
§ 189. A. Die Sprache des Ackerbauers. Die landwirtschaftliche Tätigkeit
war ursprünglich die Grundlage der ganzen wirtschaftlichen Ordnung. Acker-
bau und Viehzucht sind schon die Grundpfeiler der Wirtschaft bei den Indo-
germanen gewesen, sie bleiben es lange Zeit bei den Germanen und den
Deutschren, und erst in neuerer Zeit hat sich dies bis zu einem gewissen
Grade geändert. Grund genug also dafür, daß wir bei vielen Worten ihre
ursprüngliche Bedeutung in dieser Richtung suchen müssen, d. h. daß viele
Worte mit allgemeiner Bedeutung einst eine engere gehabt haben, die sich
auf die Landwirtschaft bezog. Da die Landwirtschaft noch jetzt allgemein
verbreitet ist, so ist nicht anzunehmen, daß gerade sehr viel Worte in
§ 188. Allgemeines. § 189. A. Die Sprache des Ackerbauers. 313
neuerer Zeit aus ihr in die Schriftsprache geflossen sind, es wird sich viel-
mehr meist um eine eigenartige Bedeutungsentwicklung handeln.
Es gehört zu den noch heute weitverbreiteten, sicher aber falschen Annahmen, daß die
Indogermanen Wanderhirten waren. Man stützt sich daftir auf Wörter wie Trift, zu treiben
und Acker, lat. ager, gx.ayQÖg (agrös) zu lat. agö, gr.äyco (ägö). Aber dieses kann nichts
beweisen, da es eben 'Acker, Feld' bedeutet und vielleicht mit agö gar nicht zusammenhängt.
Und Trift ist eben der Ort, wo man das Vieh getrieben hat. Auch aus der ursprünglichen
Bedeutung von Rast, got. rasta 'Meile', anord. /-ös^Wegstrecke' läßt sich nichts erschließen,
da man zu allen Zeiten gereist ist. Man brauchte diese Ansichten gar nicht anzuführen, wenn
sie nicht in Kluges verbreitetem Wörterbuch von Auflage zu Auflage wiederholt würden.
Dagegen entwickelt sich der Begriff des Vermögens, nicht des Eigentums, an dem
Vieh, wofür das bekannte lat pecünia von pecu 'Vieh' ein Beispiel ist. Im Deutschen haben
wir unser Schatz, got. skatts 'Geldstück, Geld'. Dies bedeutet aber im afrits. sket noch
'Vieh', und diese Bedeutung zeigt auch ahg. skotü 'Vieh'; e. fee = got. fai hu 'Vieh' be-
deutet'Trinkgeld'; — abgedrosdien ist vielleicht eine Nachbildung des \ai.verba trita.
Sonst bemerke ich noch folgendes: das Gut ist ursprünglich 'etwas Gutes', dann
'Vermögen, Besitz, Landbesitz', und wird nun aus der Sprache der Landwirtschaft mit dieser
besondern Bedeutung allgemein üblich; — ausmerzen wird zunächst von den Schafen
gebraucht; — ausgelassen ist das Vieh, das nach dem langen Stallaufenthalt im Winter
herausgelassen wird und nun seinem Übermut Luft macht; — der Stall ist der Ort, wo-
hin etwas gestellt wird, vgL mhd. burcstal, der Platz, auf dem eine Burg gebaut ist.
Derartiger Beispiele lassen sich noch manche anführen. Unsere Er-
kenntnis auf diesem Gebiet ist aber durch mehrere hochbedeutsame Auf-
sätze Meringers, Idg. Forsch. 17, 100, sehr erweitert worden. In diesen hat
er gezeigt, daß eine Reihe weitverbreiteter und in ihren Bedeutungen stark
verzweigter Wortsippen leicht verständlich werden, wenn man von der
Grundbedeutung ackern oder pflügen ausgeht.
So sucht Meringer darzulegen, daß unser Wort Pflug, ahd. pfluok ganz regelrecht
zu pflegen gehört. Während das Substantiv seine alte Bedeutung bewahrt hat, ist die des
Verbs abgewichen. Von der Bedeutung 'ackern' kommt man zu 'wohnen', und von 'wohnen'
zu 'gewöhnen, gewöhnt sein, pflegen' ist kein weiter Schritt. Was hier nun vorliegt, kann
man auf den Stamm von wohnen selbst anwenden. Der Stamm wen ist in den indo-
germanischen Sprachen sehr verbreitet. Wir haben wohnen, gewöhnen, ahd. winnan
'arbeiten', jetzt gewinnen 'durch Arbeit erlangen'. Den Mai nannte Karl der Große winne-,
d.i. Weide-monat, so daß also winjwen auch 'Weide' bedeutet. Auch bei diesem Wort
zeigt Meringer, daß man von der Bedeutung 'pflügen, ackern' ausgehen muß; s. unten. —
Ferner bezieht sich unser üben, verwandt mit lat. opus, operäri zweifellos auf den Acker-
bau. Wir finden im Althochdeutschen noch uobo 'colonus'. — Die Wurzel *bha ist in ver-
schiedenen Sprachen zum reinen Hilfszeitwort herabgesunken, aind. bhävati, lat. fuit, d. idi
bin. In unserm bauen, Bauer haben wir wiederum noch die sinnliche auf den Ackerbau
bezügliche Bedeutung, die. dann erst auf den Hausbau und ähnliches übertragen worden ist. —
Unser Wort Art tritt erst im Mittelhochdeutschen in der Bedeutung 'angeborene Eigentüm-
lichkeit, Natur, Beschaffenheit, Art' auf. Deshalb dürfte es wohl bedenklich erscheinen, das
Wort unmittelbar mit lat. ars, artis zu vergleichen. Da vielmehr im Althochdeutschen und
noch im Mittelhochdeutschen ein art 'das Pflügen' zu lat. aräre neben jenem art steht, so
wird es keinem Bedenken unterliegen, dieses von jenem abzuleiten. — Ebenso gehört ja
zweifellos Adel, aM. adal 'Geschlecht, bes. edles', asäohs. actali 'edles Geschlecht, die
Edelsten, der Adel' zu ahd. uodil, nodal 'Erbsitz, Heimat', asächs. öäil, ags. eäel 'Erbsitz,
Heimat', noch erhalten in Ulrich, ahd. Uodalridi. Der Grundbesitzer nahm eben eine be-
sondere Stellung ein. Die ursprünglichste Bedeutung von Gabel war 'Mistgabel, Heugabel'.
314 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Unsere jetzige wesentlichste Bcdciilunß stammt erst aus dem 16. Jalirliimdert. — Joch,
atid. /()//, c. yoke, zo{. jitk zu \M. jttgtim, gr. :iyi',f (zygön) hat zwar seine alte Bedeutung
bewahrt, wird aber in mannigfacher bildUclier Verwendung gebraucht, in der Hauptsache
wohl unter biblischem Einfluß.
Man wird aus den behandelten Worten erkennen, wie oft man genötigt
ist, auf die einfachsten wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Erklärung der
Worte zurückzugehen, und daß es daher auch unbedingt nötig ist, sich mit
diesen genau vertraut zu machen.
Anmerkung 1. Die heutigen landwirtschaftlichen Ausdrücke werden, was kaum
hervorgeheben zu werden braucht, häufig genug übertragen gebraucht, vgl. ernten. Saat,
lirtrag, hrudit. fruchtbar, der Weizen jemandes blüht, mit fremdem Kalbe pflügen u. a.
Anmerkung 2. Der Ackerbau ist oft genug auch Zwangsarbeit der unterworfenen
Bevölkerung gewesen, und es findet sich daher leicht der Bedeutungsübergang von ackern
zu ackern müssen. So haben wir in dem aus dem Slawischen entlehnten Robott ein Wort,
das ursprünglich 'Arbeit' bedeutet. Unser Arbeit könnte sich älinlich entwickelt haben.
Jedenfalls bedeutet es zunächst 'Knechtes Arbeit', dann 'Mühsal'. Arm stellt MucH bei
Meringer, Idg. Forsch. 18, 246, zu lat. aräre 'pflügen'. Die Grundbedeutung ist 'elend,
jammervoll", die älteste wäre 'pflügend'.
§ 190. B. Die Jägersprache. Die Jagd ist, da die Indogernianen und
Germanen keine Jägervölker mehr waren, schon früh eine „noble Passion"
geworden, die gewissen Kreisen, den Herren, vorbehalten blieb. Die Fürsten
betrieben das Weidwerk, der Bauer wird sich höchstens mit dem Fangen
in Gruben und Schlingen befaßt haben. So ist also die Jagd an einen
bestimmten Stand gebunden, der schon an und für sich dazu neigt, eine
besondere Sprache auszubilden, und wir brauchen uns daher nicht zu
wundern, daß wir sehr bald eine eigene Jägersprache antreffen. Allerdings
aus althochdeutscher Zeit sind keine Nachrichten vorhanden. Erst in der
Blütezeit der mittelhochdeutschen Literatur, in Gottfrieds von Straßburg
Tristan lernen wir die eigentliche Jagd und die Jägersprache kennen. Aber
diese ist nicht deutsch, sondern französisch. Sie hat freilich wenig Spuren
im Deutschen hinterlassen. Es stammen aus dieser Zeit etwa Panzen
'Magen', mhd. panze, Lümmel, mhd. Iiimbel 'Lendenbraten', Ziemer, mhd.
zimere aus frz. cimier 'Helmzier, der lange Haarbüschel am Gliede des
Hirsches', birsdien, mhd. birsen aus afrz. berser 'mit dem Pfeil jagen',
Koppel von frz. coiiple, und davon kuppeln. Daneben stehen große
Dichtungen wie Hadamar von Labers Jagd aus der Mitte des 14. Jahr-
hunderts, in der das ritterliche Leben unter der Allegorie einer Jagd dar-
gestellt wird, ein kurzes Gedicht von Hugo von Montfort, Peter Suchen-
wirts „Gejaid", der Minne Falkner, der Minne Jagd und die Königsberger
Jagdallegorie. „Alle diese Dichter", sagt Lembke, ZfdU. 12,236, „schöpften
in reichem Maße aus der Jägersprache, so daß sie für die Feststellung ihres
damaligen Bestandes von großer Wichtigkeit sind." Weiter ist dann be-
achtenswert „die Abhandlung von den Zeichen des Rothirsches" aus dem
Ende des 14. Jahrhunderts, abgedruckt in Karajans Ausgabe von „Kaiser
Maximilians L geheimem Jagdbuch", Wien 1858.
§ 190. B. Die Jägersprache. 315
In der Neuzeit besitzen wir vom 16. Jahrhundert an zahlreiche reinsprachliche Auf-
zeichnungen über die Jägersprache. Das älteste stammt von dem Grammatiker Meichsner,
der in seinem 1549 erschienenen Lehrbuch der deutschen Sprache .etliche zierliche und
artliche Wörter" verzeichnet, „deren man sich uff und zu dem Waidwerk gebraucht".
Kluge, Unser Deutsch S. 131 hat das sehr wichtige Denkmal wieder abgedruckt, und es
ist überaus lehrreich, diese Angaben zu lesen. Aus Meichsners Verzeichnis übernimmt
Gesner seine Angaben über Jagdausdrücke. Schon hier tritt uns eine bereits erwähnte
Eigentümlichkeit entgegen, die die Weidmannssprache bis zum heutigen Tage bewahrt hat,
der Mangel an übergeordneten Begriffen und die Spezialisierung der Ausdrücke. Die Glieder
der Tiere werden nicht mit einem allgemeinen Ausdruck bezeichnet, sondern für jedes Tier
und seine Glieder bestehen besondere Worte, .der Hirsch hat Lauf oder Klauen, die
Schweine haben Lauf oder Hammen. des Bars Fuß lieißen Tatzen, der Fuchs hat Klauen,
der Has Läufe, der Wolf Klauen. Die Flügel des Falken heißen Schwingen." Ähnliches
gilt ja noch in mancher Beziehung für die Haustiere. Schon J. Grimm, Gesch. d. deutschen
Sprache 317 bemerkte: „Uns reicht trächtig, dem Römer /^^a, praegnans, inciens von allen
Tieren der Herde aus, doch gilt ihm für die Kuh horda oder forda. Die Slawen verfahren
aber so, daß sie aus der Präposition 5 und dem Namen des jungen Tiers ein eigenes Wort
für die tragende Mutter bilden, . . der Litauer fügt dem Namen des Jungen die Endung
-inga hinzu und bezeichnet damit das trächtige Weibchen. . . Auf ähnliche Weise wird mit
dem Namen des jungen Tieres auch das Werfen desselben bezeichnet, wir sagen: die
Stute fohlt, die Kuh kalbt, das Schaf lammt, die Gais zickelt, die Sau frischt, die Hündin
weift." 1560 erscheint NoE Meurers Jag- und Forstrecht, wo in einem besondern An-
hang, betitelt: Wie weydmannisch von allem Weydwerk zu reden, verschiedene Jagd-
ausdrücke, nach den einzelnen Wildarten geordnet, zusammengestellt werden. Eine weitere
Auflage dieses Werkes aus dem Jahre 1576 enthält außerdem noch eine Sammlung von
Weydschreien, Sprüchen und jägerischen Dialogis durch weyland Kaiser Friedrichs des
dritten Forstmeister beschrieben. Lembke, ZfdU. 12, 237. Vom Jahre 1682 stammt Johann
Tänzers, Der Dianen hohe und niedere Jagtgeheimbnis, Kopenhagen, dem ein kurzes
Wörterbuch vorausgeht. Darauf beruht dann Flemings, Der vollkommene Teutsche Jäger,
Leipzig 1719. Außerdem enthält JoH. Christoph Nehrings Historisch-Politisch- Juristisches
Lexikon, 2. Aufl. 1710 in dem vierten Anhang einen Abschnitt; der Jäger-Terminorum oder
Wörter vom Weide-Werk. Weiter finden wir noch: Grosskopf, Neues und wohl eingerich-
tetes Forst-, Jagd- und Weidwerks-Lexikon, Langensalza 1759; — Chr. W. von Heppe ein-
heimisch- und ausländischer wohlredender Jäger oder nach alphabetischer Ordnung ge-
gründeter Rapport derer Holz-, Forst- und Jagd-Kunstwörter, Regensburg 1763, 2. Aufl.
1779. — Vollständiges Forst-, Fisch- und Jagdlexikon, 3 Bde., Frankfurt und Leipzig 1772 — 73.
Von neuern Werken sind zu nennen: J. und F. Kehrein, Wörterbuch der Weidmanns--
spräche, Wiesbaden 1871. Neue Ausgabe 1898. Mit Literaturverzeichnis (unvollständig). —
E. VON DOMBROWSKI, Deutsche Weidmannssprache, mit Zugrundelegung des gesamten
Quellenmaterials für den praktischen Jäger bearbeitet, 2. verm. und verbesserte Aufl., Neu-
damm 1897. — Theodor Imme, Die deutsche Weidmannsprache nach ihrer Eigenart und
ihren Wechselbeziehungen zum Gemeindeutsch sprachwissenschaftlich beleuchtet. Neudamm,
J. Neumann, bespr. Arch. f. Kult.Gesch. 7, 241. — H. Schmidt, Die Terminologie der deutschen
Falknerei, Freib. Diss. 1910 oder 1911.
Eine fast vollständige Bibliographie über die Jägersprache findet sich bei Souhart,
Bibliographie des ouvrages sur la chasse, Paris 1886.
An wissenschaftlichen Untersuchungen über die Weidmannssprache sind zu nennen
P. Lembke, Studien zur deutschen Weidmannssprache, ZfdU. 12, 233 ff. — F. Kluge, Neue
Jahrb. f.d. klassische Altert. 4, 692 ff . — Unser Deutsch 59 ff., 127 ff. Ersterer verzeichnet eine
Menge von Ausdrücken, die aus der Jägersprache in die Schriftsprache eingedrungen sind.
Zweifellos wird man mit Ausdrücken der Jägersprache schon für sehr alte Zeiten zu
rechnen haben. So haben wir im Gotischen ein Präteritopräsens lais 'ich weiß', zu dem
316 ZwöLFFES Kapitel. Die Sondersprachen,
unser lehren, List u. a. gehören. Man verbindet dies mit yof. /fl/5/5 'Spur', d. Gleis, lat.
hra 'Furclie'. Es würde also bedeutet haben 'icli bin auf der Spur gewesen und weiß nun'.
Ganz Entsprechendes zeigt sich bei spüren, das, von Spur abgeleitet, in allen germanischen
Sprachen die übertragene Bedeutung hat. Es gehört mit Sporn zusammen und weiter zu
lat. spernere. Weiter: hetzen, schon mittelhochdeutsch in übertragener Bedeutung; Luder,
mhd. luoder, 'Lockspeise, Schlemmerei, lockeres Leben, liederliche Weibsperson', aus der
Sprache der Falkner; nadihüngen, eigentlich dem Leitlnuidc das Seil locker hängen
lassen zur Aufspürung des Wildes; vorlaut ist der Hund, der zu früh /au/ wird; Rudel;
Didiidit, abgeleitet von didt in der alten Bedeutung 'dicht'; bärbeißig ist abgeleitet von
Bärcnbeißer, womit schon Täntzer eine Art schwerer Hunde bezeichnet, die besonders
gern zur Hetze auf Bären benutzt werden; unbändig: bändig heißt der Hund, der sich
gut am Seil führen läßt; naseweis, mhd. «05^^/5^ 'spürkräftig'. Noch Gcßner in seinem
Tierbuch 1563 gebraucht es in diesem Sinne; Wild fang ist nach Fleming ein junger,
wilder Falke, der schon auf Raub ausgeht; Mundejunge, weidmännische Bezeichnung
für einen Jagcrlehrling im ersten Lehrjahr; wittern bedeutet ursprünglich 'Geruch haben';
stobern stammt von Stöber oder Stöberhund, dem Namen eines Jagdhundes, der in der
Nähe des Jägers zu suchen hat; durdi die Lappen gehen kommt durch studentische
Vermittlung aus der Jägersprache, wo das Lappen eine besondere Art der Treibjagd dar-
stellt; ebenso auf den Stricfi gehen: Stcidi ist der Sdinepfen- oder Lerdienstridi;
prellen: geprellt wird ursprünglich der Fuchs. Über das Vorgehen dabei siehe Lembke,
ZfdU. 12, 273; den Ausdruck Kesseltreiben übersah noch Hildebrand in DWB.; er-
pidit ist eigentlich der Vogel, der an der Pechrute hängen geblieben ist; berüdten heißt
ursprünglich 'das Netz über die gefangenen Vögel rücken', Fallstridi, umgarnen und
sidi verstridien sind klar; — ebenso wird nadistellen zuerst vom Jäger und Vogel-
steller gebraucht. Meute, 1746 auf frz. meute 'Jagdzug' ist insofern bemerkenswert, als
Meuter und Meuterei zu demselben Stamm gehört. Zahlreich sind die sprichwörtlichen
Redensarten, die aus der Jägersprache stammen: man klopft auf den Busdi, ist auf dem
Sprunge (vom Luchs gesagt), man bringt (einen Gegner) zur Stredie, kommt ins Gehege,
ist auf falsdier Führte, auf der Spur, bekommt Wind von etwas, ist mit allen Hunden
gehetzt; man läßt Jemand anlaufen, eigentlich das Wild; aufsdmeiden, zuerst in der
Redensart: mit dem großen Messer aufsdmeiden, usw. Von der Hasenjagd stammen: das
Hasenpanier ergreifen, man weiß nidit, wie der Hase läuft. In einem den Rang ab-
laufen gehört Rang zu Rank, mhd. ranc 'Krümmung'.
§ 191. C. Die Bergmannssprache. Auch die Bergmannssprache verdient
unsere Aufmerksamkeit, da sich der Stand der Bergleute und damit ihre
Sprache sehr früh entwickelt hat. Über cfie Anfänge sind wir im dunkeln.
Aber sie müssen in ziemliche Fernen zurückgehen, da uns die Bergmanns-
sprache schon im 16. Jahrhundert wohlausgebildet entgegentritt.
Die ältesten Werke, die die reichen Schätze der Bergmannssprache in
lebendigem Zusammenhange zeigen, sind das Freiberger Stadtrecht und die
Sarepta des Predigers Jon. Mathesius. Diese Sarepta oder Bergpostille stellt
einen Zyklus von sechzehn Predigten dar, die in Joachimstal meist in Ge-
stalt von Fastnachtsreden gehalten sind. Das Werk ist verschiedentlich auf-
gelegt worden. E. Göpfert hat ihr jetzt eine eingehende Arbeit gewidmet 'Die
Bergmannssprache in der Sarepta des Johann Mathesius', ZfdW. 3. Beiheft.
Seit dem 16. Jahrhundert sind dann die Ausdrücke wiederholt verzeichnet oder in
Schriften angewandt worden, so z. B. bei P. Albinus, Meißnische Bergchronika, 1590;
1710 bei Nehring im Anhang zu seinem Lexikon, s. o. S. 315. Ferner Ch. Herttwig,
Neues und vollkommenes Berg-Buch, Dresden und Leipzig 1750. — Chr. Meltzer, Be-
§ 191. C. Die Bergmannssprache. § 192. D. Die Buchdruckersprache. 317
Schreibung der Churf. Sächß. Bergkstadt Schncebergk, Schneeberg 1684. — Neues und
wohleingerichtetes Mineral- und Bergwercks-Lexikon von Minerophilo (Zeisig, Ratsherr in
Freiberg), Chemnitz 1743. — Abraham von Schünberg. Ausführliche Berg-Information,
Zwickau 1693. — Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und
Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindliclien lateinischen und fran-
zösischen angezeiget werden. Chemnitz 1778. — H. Veith, Deutsches Bergwörterbuch,
Breslau 1871, mit Literaturverzeichnis.
Über die Eigentümlichkeiten der Bergmannssprache vergleiche Th. Imme, Die Eigen-
tümlichkeiten und Vorzüge der deutschen Bergmannssprache. Wiss. Belh.z.ZADSV., 5. Reihe,
Heft 31, und ZADSV. 23, 32—38.
Viele Ausdrücke der Bergmannssprache sind dem Gebildeten geläufig, aber nur wenige
sind so in die Schriftsprache eingedrungen, daß ihre ursprüngliche Bedeutung verloren
gegangen wäre. Ich erwähne daher die Worte, die mir bei der Durchsicht des Stoffes auf-
gefallen sind. Bergmännisch sind: Ausbeute, ein altes Wort, das früher allgemein ge-
braucht wurde, jetzt meist nur vom Ertrag der Bergwerke, Salzwerke und Fischereien; be-
stedien, eigentlich 'rings um etwas stechen, einstechend versuchen'; Bremse 'Hemmungs-
werkzeug'; fördern; Fundgrube, in die gelehrte Sprache besonders als Titel ein-
gedrungen; Grubenlicht; den Mund anhängen {Hund bedeutet bergmännisch eine
Art kleiner Förderwagen); Hütte; Ka.tzensilber; Kerbholz; Kuks; Korn in Sdirot
und Korn; Sdirot bedeutet das Gewicht, Korn den Feingehalt der Münze; Kote; muten;
Raubbau; Sdiadit; Sdiidit, hesondtrs Sdiidit madien; Sdiladie; Seife; Silberblidi;
Stidiprobe; Stollen; umsdiiditig; verwittern; Zedie; Zubuße. Wie man sieht,
ist dies nicht allzuviel.
§192. D. Die Buchdruckersprache. Über die Buchdruckersprache besitzen
wir eine besondere Untersuchung von H. Klenz, Die deutsche Druckersprache,
Straßburg 1900, mit sehr lehrreichen Ausführungen. „Die deutsche Drucker-
sprache," sagt Klenz S. 1, „hat sich unter dem Einfluß der lateinischen
Gelehrtensprache gebildet. Die Geschichte der Buchdruckerkunst zeigt,
in wie naher Beziehung die Buchdrucker der ersten Zeit zu den Gelehrten
gestanden haben. Die Buchdruckerherren waren meist selbst Gelehrte; die
Buchdruckerlehrlinge ließen sich, wenn eine Universität am Ort war, nicht
selten in der Artistenfakultät derselben immatrikulieren. So kam es, daß die
Buchdrucker studentische Gebräuche annahmen (z. B. den der Deposition,
siehe oben S. 295) und sich der lateinischen Sprache vielfach bedienten, in
der damals noch alle Vorlesungen gehalten und die meisten Bücher gedruckt
wurden. Hieraus erklärt sich die große Anzahl lateinischer Benennungen
im Wortschatz der deutschen Druckersprache. Noch heute sagt der Setzer
rnc\i{ Seite, sondern Kolumne; nicht Absatz, sondern Alinea-, nicht (runde)
Klammer, sondern Parenthese, nicht Bindestridi, sondern Divis, nicht
Anmerkung, sondern Note usw. Er befestigt das Manuskript des Autors
am Tenakel mit dem Divisorium.
Es kann daher nicht wundernehmen, wenn fast die ganze Benennung
lateinisch ist, neben der sich nur wenige französische Wörter Eingang ver-
schafft haben.
Abbreviatur, m\dX. abbreviatüra; — Faksimile, nlat. /ac simile; — Folio aus
lat. m /o//o 'in Blattgröße' ; — Format, \at. formätum; — Fraktur, \zi. fractüra; —
illuminieren 'mit Farben ausmalen', \at. illuminäre; — illustrieren, lat illusträre; —
318 Zwölftes Kapitel Die Sondersprachen.
Initialen, \a{. initiiilis; — KUsdiee, Uz. clidiäe; — Kodex, \at. codex; — Korrektor,
lat. corrector; — Korrektur, lat. correctüra; — Letter, frz. lettie; — Matrize, Uz.
matrice; — Oktav, lat in octilvo; — Pagina, hlpagina; - Presse, mlai. pressa; —
Type, Uz. type; — Vignette, Uz Vignette.
Auf der andern Seite hat die Druckersprache auf die allgemeine Schrift-
sprache nicht sehr abgefärbt. Wenn auch dem Gelehrten viele Worte der
Drucker geläufig sind, so sind diese doch nicht in die Allgemeinheit ein-
gedrungen. Folgende Worte etwa sind beachtenswert. Im 17. und noch im
18: Jahrhundert wurden drucken und drücken gleichbedeutend neben-
einander gebraucht, bis sich beide endlich in bestimmter Bedeutung fest-
gesetzt haben. Verleger und Verlag sind ursprünglich allgemeine Aus-
drücke. Verleger bezeichnet den, der auf seine Kosten etwas unternimmt,
die Kosten verlegt. Dies bekommt dann seine besondere Beziehung auf
den Buchhandel, und so hat das Wort lange Zeit gegolten, bis in der neuern
Zeit sich auch der Bierverleger aufgetan hat. Makulatur, ursprünglich
'Schmutzpapier' aus mlat. maculatiira von lat. macul'ire 'fleckig machen,
beflecken' hat jetzt einen allgemeinern Sinn bekommen. Fraktur in der
Redensart Fraktur schreiben ist seit 1848 Schlagwort geworden. Vor allem
aber stammt der Ausdruck Presse aus der Buchdruckersprache.
§ 193. E. Die sonstigen Handwerkersprachen. Über die sonstigen Hand-
werkersprachen, ihre technischen Ausdrücke und Besonderheiten sind wir
bis jetzt noch schlecht unterrichtet. Es ist aber zu hoffen, daß sich diese
Lücken allmählich ausfüllen lassen, und daß wir auch mit der Zeit klarer
sehen. Im Hinblick auf künftige Forschung verzeichne ich hier zunächst
die mir bekannte Literatur.
An lexikalischen Arbeiten früherer Zeiten kenne ich: Adrian Beier, Handwercks-
Lexicon, 1722. — Lukas Voch, Allgemeines Baulexicon oder Erklärung der deutschen
und französischen Kunstwörter in der bürgerlichen, Kriegs- und Schiffsbaukunst wie auch
der Hydrotechnik und Hydraulik, Augsburg und Leipzig 1781. — G. S. Benzler, Lexikon
der beym Deich- und Wasserbau auch beym Deich- und Dammrecht vorkommenden fremden
und einheimischen Kunstwörter und Ausdrücke, Leipzig 1792.
An Einzelarbeiten sind noch heranzuziehen: Wilhelm Klump, Die altenglischen Hand-
werkernamen, sachlich und sprachlich erläutert, Angl. Forsch. 24. — Jos. BröCHER, Die
Sprache des Schmiedehandwerkes im Kreise Olpe auf Grund der Mundart von Rhonerd,
Diss. Münster, Berlin, R. Frenkel, 1907.
Das Handwerk mit seinen Zünften hat in unserm Mittelalter und bis
in das 18. Jahrhundert hinein eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen
Entwicklung gespielt und es ist kein Wunder, daß sich diese Zustände auch
in der Sprache niedergeschlagen haben. Das'Wori Handwerk ist schon ahd.
belegt. Die Handwerker verbanden sich zu Zünften und Innungen. Zunft,
mhd. zunft, ahd. zumft gehört zu ziemen und bedeutet eigentlich 'Bindung'.
Innung ist erst im 13. Jahrhundert belegt und gehört zu ahd. innön 'in sich,
in eine Verbindung aufnehmen'. Die Worte Meister und Geselle (ahd.
gisello 'Saalgenosse' I, die einst einen allgemeinen Sinn hatten, haben in
Handwerkskreisen ihre heute herrschende besondere Bedeutung gewonnen.
§ 193. E. Die sonstigen Handwerkersprachen. 319
Das Handwerk ist eine Entwicklungsform der menschlichen Wirtschaft,
die sich wesentlich erst im Mittelalter und da besonders in den Städten
ausgebildet hat, und hier finden sich denn auch die sprachlichen Spuren
am stärksten. Zunächst gab es eine Fülle von Bezeichnungen für die Hand-
werke selbst, und da die Ausbildung der Namen verhältnismäßig spät ist,
so kann es nicht wundernehmen, wenn wir in den einzelnen Teilen Deutsch-
lands verschiedene Bezeichnungen finden.
So haben wir z. B. Bäcker, Pf ister; — Binder, Böttidier, Küfer, Büttner; — Fleisdier,
Metzger, Fleischhauer, Knochenhauer; — Hafner, Töpfer; — Altreis, Sdiuster, Schuh-
macher; — Leiendecker, Schieferdecker, Ziegeidecker; — Spengler, Klempner, Bledi-
schmied; — Schreiner, Tisdüer; — Maler, Weißbinder; — Schneider, Schröder.
Zum Teil rühren diese allerdings auch von einer früher vorhandenen
größern Sonderung der einzelnen Handwerke her.
Manche von diesen Bezeichnungen sind heute verloren gegangen, sie
leben aber fort in den zahlreichen nach Gewerken benannten Straßenbezeich-
nungen, die wir § 228 besprechen werden, dann aber auch in vielen unsrer
Personennamen, was in § 217 ausgeführt werden wird. Eine reichhaltige,
den Stoff außerordentlich fördernde Darstellung gibt jetzt Karl Bücher,
Die Berufe der Stadt P^rankfurt a. M. im Mittelalter, Abh. d. phil.-hist. Klasse
der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 30,3, Leipzig 1914.
Wir kommen nun zu den zahlreichen bildlichen Ausdrücken und Redens-
arten, die wir aus den Handwerkersprachen übernommen haben. Ich gebe
im folgenden eine sicher nicht vollständige Liste, geordnet nach den ein-
zelnen Gewerken.
Barbier: über den Löffel barbieren; Schaumschlagen, Schaumschläger. — Böt-
ticher: außer Rand und Band; dem Faß den Boden ausschlagen. — Brauer: an dem
ist Hopfen und Malz verloren. — Fleischer: Fleisdiergang; in die Pfanne hauen; zur
Bank hauen. — Gerber: einem das Fell gerben; den Pelz waschen; sidi abäsdiern. —
Goldschmied: die Feuerprobe bestehen. — Kupferstecher: schreiben wie gestodien. —
Müller: Oberwasser haben; Wasser auf seine Mühle. — Scherer: alles über einen
Kamm scheren. — Schmied: anfachen; vor die redite Sdimiede gehen; gut beschlagen
sein. — Schneider: etwas an den Nagel hängen; etwas aufstecken. — Sdiuster: ver-
sohlen; einsamstem; über einen Leisten schlagen; umgekehrt wird ein Schuh draus. —
Weber: rüffeln; durdihedieln; anzetteln; Eintrag tun; beeinträditigen. - Zimmermann:
absägen; hobeln; über die Schnur hauen-, verbohren; mit jemanden in dieselbe Kerbe
hauen; die Sache ist im Lote; einen Sparren zu viel haben; vernagelt; verbohrt.
Die einzelnen Handwerke haben sich nicht selten mit größerm oder
geringerm Humor verspottet oder auch mit bitterm Ernst gescholten. Be-
sonders die unzünftigen Leute wurden grimmig verfolgt, wovon die Aus-
drücke Bönhase (aus dem Ndd., 1568 belegt, eig. 'der Hase auf dem Boden'),
Pfuscher (16. Jh.) noch Kunde geben. Ausführlich über dieses Gebiet
handelt H. Klenz in seinem Schelten-Wörterbuch. Die Berufs-, besonders
Handwerkerschelten und Verwandtes, Straßburg 1910.
Handwerker und Gewerbetreibende als besondre Stände treten verhält-
nismäßig spät auf. Aber wenn es die Stände nicht gab, so gab es doch
natürlich die verschiedensten Tätigkeiten und Fertigkeiten. Jedermann war
320 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
eben sein eigener Handwerker. Dem ganzen Weg der sprachlichen Ent-
wicklung gemäß wurde jede Tätigkeit unterschieden und benannt. Derartige
begrifflich genau bestimmte Ausdrücke haben vielfach im Laufe der Zeit
eine allgemeine Bedeutung angenommen. Will man die wahre Herkunft
so mancher Worte mit allgemeiner Bedeutung ermitteln, so wird man not-
wendigerweise zunächst an eine viel engere, ganz bestimmte Bedeutung
denken müssen. Wie sich die sprachliche Entwicklung nach dieser Rich-
tung vollzogen hat, das hat neuerdings Meringer in den schon erwähnten
Aufsätzen gezeigt, Idg. Forsch. 16, 101; 17, 100; 18,204. Mag man die Richtig-
keit einzelner seiner Aufstellungen bezweifeln, seine Grundgedanken und
ihre Bedeutsamkeit muß man anerkennen.
Wir geben hier einzelne Proben. Zunäclist war die Tätigl<eit des Flechtens außer-
ordentlich verbreitet. Ich habe in meinen Indogermanen S. 674 ausgeführt, was man alles
durch Flechtwerk iicrstellte. Selbst die Hauswand wird geflochten, wie man das noch heute
an jeder Hürde sehen kann, und so hat man ohne Bedenken Wand zu winden gestellt,
wie Band zu binden. Man mache sich aber nur einmal klar, was von winden noch ab-
geleitet ist: gewunden {eine gewundene Erklärung), etwas verwinden, sich unter-
winden. Von flechten kommt einflechten im übertragenen Sinn. Das Wort weben hat
ebenfalls seine Bedeutung weit ausgedehnt und hat zum Teil einen ganz allgemeinen Sinn
bekommen: er lebt und webt darin. Noch viel allgemeiner ist spinnen in ent-
spinnen, umspinnen, sidi abspinnen, anspinnen, einspinnen. Auch sdimieden,
gerben haben übertragene Bedeutung angenommen.
In allen diesen Fällen ist der alte, konkrete Sinn noch lebendig. Aber dieser kann
natürlich auch leicht verloren gehen, und dann ist das Ursprüngliche nicht immer leicht
zu erkennen. Zur Aufhellung solcher Fälle hat Meringer viel beigetragen. Fr bezieht, Idg.
Forsch. 17, 153, wirken, Werk, gr. jJfCw {rezö aus *regjö), i'oyov {ergon) auf die Tätig-
keit des Webens. Tatsächlich ist wirken ein Wort der Handwerkersprachen, vgl. die Salz-
wirker, der Büdier wirkt den Teig, der Sdimied den Huf, besonders aber wird es vom
Weben und Sticken gebraucht. Mhd. wirkermeister ist 'Webermeister', wirken-garn 'Weber-
garn', wirkenlön 'Weberlohn'. Unser madien, ahd. mahhün, e. to make, das noch ab-
strakter ist als wirken, hat er a. a. O. 147 mit Recht zu gr. fiäyeigog {mägeros) 'Koch',
fiayevg [mageus) 'Bäcker', uayi; {magis) 'geknetete Masse, Teig', fiäi^a (rnäza) 'Teig',
Gerstenbrot', /tdaany (mdssen) 'drücken, kneten', lat. maceria 'Lehmmauer', abg. mazati
'schmieren' gestellt. Man muß von einer Bedeutung 'kneten' ausgehen, aus der sich dann
die von 'Teig kneten, backen, kochen' und die von 'Lehm kneten, bauen, machen' ent-
wickelt hat. Aus dem Deutschen entlehnt ist frz. mafon 'Maurer', das noch auf eine ältere
Bedeutung weist.
Unser Wette, ahd. wetti 'Pfandvertrag, Rechtsverbindlichkeit, Pfand' ist got. wadi
'Handgeld, Unterpfand' und gehört weiter zu lat. vas, vadis 'Bürge', vadimönium 'Bürg-
schaft', lit. vadüoti 'Pfand einlösen'. Es war also diese Bedeutung schon indogermanisch.
Wir können es aber aus einer altern herleiten. Got. gawidan übersetzt gr. ovCevyvvvai «
{syzeugnynai ti), also 'verbinden'. Dazu ahd. wetan 'verbinden', was noch heute in
Wettung, Wettköpfe 'die über die Kreuzungsstelle der Balken hinausragenden Enden'
fortlebt. Von 'binden' kommt man leicht zu 'Vertrag, Verpflichtung'. Siehe Idg. Forsch. 16, 177.
recht, ahd. reht, e. right, got. raihts ist lat. rectus, und dies wieder Partizip zu rego.
Idg. *rektos heißt ursprünglich 'aufgerichtet', und stammt wohl ebenfalls von der Tätig-
keit des Bauens. Diese ursprüngliche Bedeutung liegt auch noch in lat. rogus 'Scheiter-
haufen', sizilisch-gr. j5ojo,- {rogös) 'Gelreidescheune' vor. Auch hier ist die Bedeutung ur-
sprünglich eine rein sinnliche.
§ 194. F. Die Kaufmannssprache. 321
Auch unstT werden hat eine sinnHchere Bedeutung gehabt, wie ]Bt vertere 'drehen,
wenden', d. Wirtel 'Spinnwirtel' zeigen. Ob es freilich ursprünglich auf das Weben ging,
ist nicht sicher.
Diese Beispiele mögen genügen, um die hohe Bedeutung der Hand-
werksausdrücke für die Wortforschung zu erhärten. Es ist sehr zu bedauern,
daß auf diesem Gebiet die Sonderuntersuchungen der heutigen Handwerker-
sprachen noch ganz fehlen, und wer durch irgendwelche Umstände Kenntnis
von der Sprache eines Handwerks hat, sollte sie zusammenstellen und ver-
öffentlichen.
§ 194. F. Die Kaufmannssprache.
Literatur: B. Fehr, Die Sprache des Handels in Altengland, St. Gallen 1909. —
P. NOLTE, Der Kaufmann in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, Göttinger
Diss. 1909. — A. Schirmer, Zur Geschichte der deutschen Kaufmannssprache, Leipz. Diss.
Straßburg 1911. — A. Schirmer, Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache auf ge-
schichtlichen Grundlagen mit einer systematischen Einleitung, Straßburg 1911.
Die Darstellung der Kaufmannssprache in der ersten Auflage dieses
Buches konnte nur dürftig ausfallen, da durchaus keine Vorarbeiten vor-
lagen. Um so erfreulicher ist es, daß nicht nur die beiden erstgenannten
Arbeiten erschienen sind, sondern daß wir in dem Werke von Schirmer
eine gründliche und tief eindringende Untersuchung und Darstellung dieses
Gebietes vor uns haben, dem ich in allen wesentlichen Punkten folgen kann.
Unter einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen, wie wir sie für die Indo-
germanen und Germanen vorauszusetzen haben, kann von einem Kauf-
mannsstande innerhalb des Volkes nicht die Rede sein. Der notwendige
Austausch der Güter vollzog sich im Wege des Geschenkhandels, später des
Marktverkehrs. Indessen ist es doch bemerkenswert, daß wir eine indogerm,
Gleichung für 'Kaufpreis' besitzen, die im Germanischen allerdings fehlt. i)
An einheimischen Ausdrücken, die sich auf den Handel beziehen,
finden wir nur:
Kram, mhd. ahd. kräm, ursprünglich wohl 'Bude, Zelt'. Man vergleicht äind. grdtnah
'Schar, Haufe, Gemeinde, Dorf und weiter lat. grex 'Herde'. Dann wäre auch die Bedeu-
tung 'Zelt' jung. Die Ableitung Krämer taucht schon im Althochdeutschen auf, krämari.
Es hat heute einen etwas verächtlichen Sinn gegenüber Kaufmann. Kramen im Sinne
von 'einkaufen' ist noch süddeutsch. In Norddeutschland hat es eine übertragene Bedeu-
tung; — Wedisel, ahd. w^/zsa/ 'Handel, Tausch', \2X.vicPs; — leihen, ahd. lihan, got.
leüvan, lat. linquere; — Wandel in Handel w."^., ahd. wantal; — Wiidier, ahd. wiiodiar
'Gewinn, Ertrag von ausgeliehenem Geld', got. wökrs 'Zins' zu wachsen; — Geld, ahd.
gelt, got gild 'Si&ner, Zins' zu gelten, ahd. g-^/Za« 'zurückerstatten, bezahlen, opfern, ver-
gelten', e. gield, got fragildan, vielleicht zu gr. Ts/.dog (telthos) 'schuldige Gebühr'; —
feil, ahd. feili, daneben mit Ablaut /rt//, anoxd. fair zu gx-ncoksiv {polen) 'verkaufen'. —
Ein paar alte Ausdrücke hat das Englische, nämlich to buy 'kaufen', got. bngjan und to
seil 'verkaufen', got. saljan 'opfern', eigentlich also wohl 'hingeben'.
Erst durch die Römer lernten die Germanen einen eigentlichen Handel
kennen. Bemerkenswert ist, daß got. kaupon 'Handel treiben', ahd. koufon.
gin 'Ankaufspreis', ai. vasndh 'Kaufpreis',
vasnäm 'Lohn', vasnajati 'feilscht'.
^) Lat. venum in venumdare, gr. Jjyog
(önos) 'Kaufpreis', mv/j (önw) 'Kauf, on-eotmi
{öneomai) 'kaufe, lasse mir verkaufen', arm.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 21
322 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
d. kaufen wahrscheinlich von lat. coupo 'Schankwirt' abgeleitet ist. Auf
lat. cciiipo geht ahd, koiifo zurück, später koufman, ags. ('eapmon, e. diapmon.
Trotz der Bedenken HiLnr:BRAN'r)S und Francks (AnzfdA. 21, 291) besteht
diese Erklärung wohl zu Recht. Das Wort muß sehr früh zu uns gekommen
sein, da es schon im Gotischen vorkommt, und von diesen zu den Slawen
gewandert ist.*)
Ein anderes etwas später übernommenes Wort ist ahd. mangdri, mhd.
manger, menger 'Händler' aus lat. mango 'ein Händler, der seine Waren
betrügerisch herausputzt', das seinerseits aus dem Griechischen stammt.
Das Wort lebt noch in e. cheesemonger, ironnionger, und hat sich als menge,
menger bis ins 16. Jahrhundert bei uns erhalten. Auch in den Mundarten
ist es wohl geschwunden, es lebt aber noch im Rotwelschen. Vgl. dazu
noch E, Schröder, ZfdA. 44, 229-.
Ferner kommen aus dem Lateinischen: Zoll, ahd. zoll, e. toll aus lat. telönium; —
Zins, ahd. 2ms 'Abgabe' aus lat. c^/?5U5; — Markt, ahd. /«fl/r^/zya^ 'Handelsmarkt. Markt-
platz', e. market aus lat. mercutus; — Speidier, z\\A. spidiari ans späÜaX. spicariurn 'Korn-
haus'; — Kosten, mhd. kosten aus lai. cofnjstare 'im Preise zu stehen kommen'; —
Pfand, ahd. pfant aus \at. pannus 'Tuch'}. — Dazu gesellen sich Namen für röm. Münzen,
wie Alünze, ahd. muniz(a), e. mint aus lat. mom-ta 'Münzstätte'; — Pfund, ahd. pfunt,
e. poiind aus lat. pondus. Das Geld wurde ursprünglich gewogen, noch heute e. Pfund
Sterling; — Unze, ahd. unza aus lat. uncia ",12 As'.
Möglicherweise haben wir auch Worte von der untern Donau her bekommen. Maut,
ahd. müta stammt aus got. möta 'Zoll'. Bayer.-österr. Fragner 'Kleinhändler, ahd. pfrage-
/2ar/ 'Marktmeister' leitet Kluge, Btr. 35, 152 ff. von gT..ynayuaTEvoftui {pragmateüomai) her.
Mit Recht weist Schirmer darauf hin, daß wir den kaufmännischen
Wortschatz der alten Zeit nicht genügend kennen, da die geschäftlichen
Aufzeichnungen, soweit sie überhaupt vorhanden waren, lateinisch abgefaßt
wurden. Immerhin finden wir doch in der Zeit bis 1400 eine ganze Reihe
von Ausdrücken, deren Bedeutung durch die kaufmännische Verwendung
eingeengt worden ist. Eine ganze Anzahl haben sich seit dieser Zeit, wie
es scheint, gehalten; vgl. Schirmer S. XVII.
Auch Lehnwörter kommen in dieser Zeit zahlreich, meistens wohl aus
dem Latein der städtischen Kanzleien:
so quitt aus mlat. quittus von lat. quietus 'ruhig, frei', und dazu quittieren; Rente
mhd. rent(6) aus mlat. rend(it)a 'Zurückgegebenes', Datum, Register aus mlat. registrum
'Verzeichnisbuch', Summa, Summa Summarum, nota, minus, Kopie aus lat copia,
eig. 'Vorrat an hergestellten Büchern', dann 'Abschrift', Privilegium, lat. 'Ausnahmegesetz'.
Noch bemerkenswerter sind aber die Lehnwörter, die auf die alten
Wege des Handels weisen. Im Mittelalter war Italien ein Hauptsitz des
Handels, und von Oberitalien kamen zahlreiche Handelsausdrücke nach
Süddeutschland und von da weiter.
Der italienische Kaufmann hieß schon im 13. Jahrhundert Z,j//«/7ar^, d.h. 'Lombarde',
und daraus hat sich das heutige Wort Lombard 'Pfand, Beleihung', lombardieren 'ht-
') Die Bedenken liegen weniger in der ' vielfach köpo gesprochen, wie die häufig vor-
Bedeutung als in der lautlichen Beschaffen- kommende Schreibung beweist,
heit. Lat. caupo wurde doch wahrscheinlich ,
§ 194. F. Die Kaufmannssprache, 323
leihen' entwickelt. — Aus dem bei Versteigerungen üblichen inqiianto 'bis wie hoch',
nämlich 'bietet ihr', ging ein Substantivum hervor, das in England und Frankreich als
cant, bei uns in Oberdeutschland als Gant 'Versteigerung' fortlebt, krempeln 'Klein-
handel treiben, trödeln', mhd. grempeln, grempen stammt wohl von ital. comprare 'kaufen'
aus lat. comparüre. Tara ist aus ital. tara entlehnt und dies aus dem Arabischen.
Unser Bank 'Haus für Geldgeschäfte' kommt im ausgehenden Mittelalter zunächst als
banco, auch in der Bedeutung 'Münzfuß' (daher hamburgisch Mark Bankö) herüber. Dieses
Wort ist unser deutsches Bank, das eine ähnliche Bedeutung durchgemacht hat wie das
gr. roa.TfCa (^ra/;^^«) 'Tisch, Wechselbank'. Weiter kann man nennen dito, /Co/Zo 'Waren-
pack', Konto, Konterbande, netto, sporko noch heute öst. statt brutto, percento,
noch öst Perzent, Akkord 'Vergleich', Avis(o), avisieren, Bankier, Bankerott
(aus ital. banco rotto 'gebrochene Bank'; dem Zahlungsunfähigen wurde seine Bank zer-
brochen); Bilanz, Deposito, Falliment, fallieren, Kapital, Kassa, Konto-
korrent, Risiko, saldieren, Saldo, Sensal'Mak\er\ Sorte, sortieren, Skontro,
Valuta, Vista, Agio, Delkredere, Diskonto, firm, franko, frankieren. Giro ,
Indosso, indossieren. Obligo. Pari, Police. Porto, Prokura, Rabatt, Rimesse,
Skonto, Solawedisel, Sortiment, spedieren, Spedition, Spesen, Transport,
Tratte, trassieren usw.
Neben dem Italienischen wirkt auch jetzt wie später immer noch dasLatein.
Arrest, Auktion, datieren, expedieren, Folio, Formular, disponieren,
Hypothek, Interesse, Inventar. Junior, Senior, kalkulieren, Kaution, kon-
fiszieren, Konsul, Kontrakt. Monopol, Obligation, offerieren, per, pro,
plus, Portion, protestieren (einen Wechsel), Rate, Salär, Taxe. Termin.
Schon im 17. Jahrhundert macht sich dann ein starker französischer
Einfluß geltend, der z. T. die italienischen Wörter umgestaltet, z. T. aber
auch neue Worte bringt.
So finden wir ä 'zu" (vor Preisen), adressieren, Adresse, Agent, Appoint
'Abschnitt, Wechsel', Artikel 'Ware', assortieren. Billet. Courtage 'Maklergebühr',
Effekten 'Wertpapiere', emballieren, Emballage, Fabrik, fabrizieren, Fonds,
Galanteriewaren, Garantie, Kapitalist, Kommandite, Kommis, Kommis-
sionär, comptant (älter ital. contante). Korrespondent, Manufaktur. Ordre,
prompt, retour, retournieren. riskieren. Trafik.
Einen tiefgehenden Einfluß erfährt die Kaufmannssprache auch von
selten des Niederländischen. Denn in den Niederlanden blühte seit dem
17. Jahrhundert der Handel mächtig auf.
Dorther stammen: ßörs^ 'Versammlungsraum der Kaufleute', eigentlich das Haus der
ßrügger Kaufmannsfamilie van der Burse, die im Wappen drei Geldbeutel führte; — Aktie
'Anteilschein' im 17. Jh. aus ndl. actie und dies aus lat. actio; — Lediage 'Rinnverlust bei
flüssigen V/aren': — Lotterie im 17. Jh. aus ndl. loterije von ndl. lot, d. Los; — Niete
im 17. Jh. aus ndl. niet, eig. 'das Nichts' zu d. Nidits; — pik \n pikfein aus ndl. pu ick
'fein', ursprünglich beim Heringshandel üblich; — Preiskurant ist wohl (nach Schirmer)
eine Nachbildung des ndl. prijs curant von frz. prix courant 'laufender Preis".
In neuerer Zeit, seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts macht sich
mehr und mehr englischer Einfluß geltend.
So erhaUen wir Partner, Banknote, Jobber. Schwindler, Patent, Lloyd.
Konsuls. Sdiedi. via. Run, Safe 'Stahlkammer'.
Aus Amerika stammen: Ring, Trust, Humbug, smart, Telegramm.
Die Kaufmannssprache hat natürlich auch unsere allgemeine Schrift-
sprache beeinflußt, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße wie andere
21===
324 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Sondersprachen. Immerhin ist der Einfluß groß genug. Abgesehen davon,
daß viele kaufmännische Ausdrücke wie Aktie, Lombard, Wedisel dem Ge-
bildeten geläufig sind, werden viele Ausdrücke in übeitragcnem Sinn verwendet.
Wir geben auch hier eine Liste des Bemerkenswerten: seine Aktien steiften; —
Ausbund, eig. 'außen auf das Warenstück gebundener Probeabschnitt' (16. Jh.); —
Bankerott; — Barschaft (1363); — in Bausch und Bogen; — billig, ahd. billifi
'ebenmäßig, angemessen, geziemend'; — buchen, 18. Jh.; — Defizit, 18. Jh., \a{. deficit
'es fehlt'; — extra; — Finanz, mlat. //>ja/i^m 'Schlußleistung. Qeldicistung'; — Gläu-
biger, 15. Jh.; — handeln, ahd. //on/fl/o« 'mit der Hand begreifen'; — Haus, altes; —
Interesse; — Krach; — kramen; — Ladenhüter; — Messe (1329); — Muster; —
/jfl/^/i/ 'fein' aus der Verbindung Patentwaren entwickelt; — pickfein, \\o\\.puick; —
Ramsch. 1663; — Risiko, 16. Jh.; — solid, \7. 3h., Uz. solide; — Soll und Haben; —
spottbillig; — überhaupt, zunächst in der Redensart überhaubt kaufen, d. h. 'in
Bauscii und Bogen'.
Mit dem Handel hängt das Geld auf das engste zusammen, und da
die deutschen Münznamen manches Bemerkenswerte bieten, so seien sie
hier nach ihrer Herkunft zusammengestellt. Auch hier bietet sich erst der
wahre Einblick in die Sache, wenn man die Geschichte der gesamten
Münznamen überblickt. Doch ist es nicht möglich, diese hier auszuführen.
Als Ergänzung möge man heranziehen E. Schröder, Heinrich Bünting, der
Verfasser des Anhangs zum Bergschen Münzbuch, Zschr. d. hist.Vereins für
Niedersachsen 1910, 430.
i4/^w5 'Weißpfennig', 1360, zuletzt kurhessisch, Vat albus. — Angster 'kleinste
Schweizer Scheidemünze', 14. Jh., w^olil aus \z{. angustus. — Batzen, um 1492 Münze
von Bern mit dessen Wappen, dem Bären (Petz), und davon benannt. — Deut, ndl.
duit aus anord. pveit 'eine kleine Münze' von pvita 'schneiden'. — Dublone, um 1600
aus span. doblon, von double 'doppelt'. — Dukaten, spätmhd. ducate aus \ta\. ducato,
von duca 'Herzog'. — Florin, abgekürzt//, iia\. fiorino, hanz.-span. florin, ist eine zu-
erst in Florenz mit dem Wappen der Stadt, der Lilie {fior aus lat.//05), geprägte Gold-
münze. Anfang des 14. Jh. in Deutschland. — Frank 'der Franzose', schon \3S5 franke. —
Grosdien, mhd. (14. Jh.) gros, grosse aus mlat. grossus 'der Dicke'. — Gulden, eig.
'der goldene', mhd. guldin pfenninc, \ai. denarius aurius. — Heller, mhd. hallcere, haller,
heller, Münze zu Schwäbisch-Hall geprägt. — Karolin, Goldmünze, 15. Jh., von einem
Fürsten Carolus. — Kreuzet, im 12. Jh. kriuzer, eig. Silbermünze mit aufgeprägtem
Zeichen des Kreuzes, lat. denarius cruciatus. — Krone, im 16. Jh., Münze mit der Krone
über dem Wappen. — Mark, mhd. marc 'halbes Pfund Silbers oder Goldes', mlat. marka
schon im 9. Jh., anoxd. mörk 'halbes Pfund Silber'. Wohl zu Marke, d. h. die bestimmte
Marke auf dem Wagebalken. — Pfennig, ahd. pfenninc 'denarius, eine Sibermünze,
Vij Schilling', dazu ags. penning, pending, e. penny, anord. pen(n)ingr; unerklärt. —
Plappert. Blaffert, 15. Jh., wohl aus frz. blafard. — Rappen, Name einer Münze
mit dem Rabenkopf, dem Freiburger Wappen; mhd. rappe. — Rosenobel, ehemalige
engl. Goldmünze, 14. Jh. — Sdierf, Sdierflein '' 2 Heller', mhd. scherpf zu Scherbe. —
Sdiilling, ahd. scilling, e. Shilling, got. skilliggs, der verbreitetste germanische Münzname;
unerklärt. Das Sulfix -ing kommt in alter Zeit bei Münznamen ein paarmal vor, vgl. Pfennig,
e. farthing, ahd. keisur-ing. — Sterling, c, mhd. sterlinc. — Taler \si Joadiimsthaler
'Gulden aus Joachimsthal in Böhmen'. Seit 1519. Daher auch engl.-amerik. dollar.
Dazu kommt der Ausdruck prägen, ahd. giprähhan. Dunkler Herkunft.
§ 195. G. Die Seemannssprache. Die Schiffahrt kann nach der Natur der
mg^ nicht allerorten bestehen. Dazu tritt die Flußschiffahrt gegenüber
§ 195. G. Die Seemannssprache. 325
der Seeschiffahrt stark zurück. Die Seeleute aber entwickeln sehr früh eine
besondere Sprache, die nicht weit ins Binnenland hineingehen kann. Da
gewisse Stämme der alten Germanen an der See saßen und Seeschiffahrt be-
trieben, andere nicht, so mußte sich schon in früher Zeit eine Verschieden-
heit des Wortschatzes ausbilden, je nachdem ein Stamm Schiffahrt betrieb,
ein andrer nicht. Anderseits ist die Seeschiffahrt von altersher sozusagen
international. Am Mittelmeer treffen wir die verschiedensten Sprachstämmc,
und ebenso an der Nord- und Ostsee. Daß da ein Austausch stattfinden
muß, daß wir also überall in der Seemannssprache Lehnworte zu erwarten
haben, ist selbstverständlich, ebenso, daß sich die Fortschritte, die auf einem
Gebiete gemacht werden, leicht auf das andere übertragen.
Die lexikalischen Aufzeichnungen über die Seemannssprache gehen
bis ins 16. Jahrhundert zurück. Der Nomenciator Saxonicus von Nathan
Chyträus, Lemgo 1590, enthält auch einige Seemannsausdrücke. Das maß-
gebende Werk aber ist Johann Heinrich Röding, Allgemeines Wörterbuch der
Marine in allen europäischen Seesprachen nebst vollständigen Erklärungen,
Hamburg 1793 — 98. Die Einleitung enthält eine reiche Bibliographie. Über
sein Werk sagt der Verfasser S. V: „In dem Hauptwerke ist die deutsche
Sprache zum Grunde gelegt, und bey jedem Kunstwort befindet sich ein
gleichbedeutender Ausdruck in der Holländischen, Dänischen, Schwedischen,
Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen und Portugiesischen
Sprache; auch ist das Genuesische, Neapolitanische, Venetianische und
andere Italienische Dialekte angeführt, wenn sie nämlich vom eigentlichen
Italienischen oder Toscanischen abweichen." Eine historische Erklärung
bietet er nicht, wohl aber ein reiches Material.
In der neuern Zeit sind noch erschienen Guedel, Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Seemannssprache, Kiel und Leipzig 1902. — A. Stenzel, Deutsches Seemännisches
Wörterbuch, Berlin 1904. — Die neueste Erscheinung ist: Seemannssprache. Wortgeschicht-
liches Handbuch deutscher Schifferausdrücke älterer und neuerer Zeit, herausgegeben von
Fr. Kluge, ein Werk, das einen reichen geschichtlichen Stoff verarbeitet und allen An-
forderungen entspricht, die man stellen kann. — Eine allgemeine Übersicht bietet Kluge,
Westermanns Monatshefte 1911, 872.
Sonstige Literatur: Breusing, Jahrbuch für niederdeutsche Sprachforschung 5, 1. —
Kluge, Neue Jahrbücher für klass. Phil. 4, 699; Unser Deutsch 63; 110.
Wir haben bereits oben S. 103 gesehen, daß sich die Ansicht, die Ger-
manen wären zu einer Schiffahrt erst gekommen, seit sie sich von den übrigen
Indogermanen getrennt und an der Nord- und Ostsee niedergelassen hätten,
aus der Sprache nicht beweisen läßt; vielmehr ergab es sich als wahrschein-
lich, daß schon die Indogermanen die See befahren haben. Der Grundstock
der Schiifahrtsausdrücke ist denn auch gemeingermanisch, d. h. sie kehren
im Englischen, Niederdeutschen und Skandinavischen wieder; sie fehlen
aber bezeichnenderweise vielfach bei den Oberdeutschen. Das kann nicht
wundernehmen. Saßen diese doch vom Meere entfernt, in einem Gebiete,
das selbst an schiffbaren Flüssen arm ist. Wir können verfolgen, wie so
326 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
niaiiclies Wort dieses Begriffs^Tebicts vom Norden nach dem Süden vor-
dringt. Noch heute hat das Wort Süden niedcrliindisclie Lautform, das
Althochdeutsche Iiat in siindana den Nasal bewahrt, der sich noch in zahl-
reichen Ortsnamen wie Sundgan, Siindhansen, Sundheim, Sund-
//o/t'/z u. a. zeigt. Hafen kennt das Mittelhochdeutsche kaum. Das eigent-
lich niederdeutsche Ufer ist noch heute dem bayerischen Volke fremd. Es
wird mittelhochdeutsch volksetymologisch zu ur-var umgestaltet. Ebenso
fehlen dem Oberdeutschen Worte wie Strand, Boot, Klippe, Ebbe, Düne,
obgleich wir es hier mit altem Sprachgut zu tun haben.
An sonstigen Ausdrücken nenne ich noch:
Backbord, schon ags. btvcbord, eig. 'die Rückenscite'. Die Benennung erklärt sich
daraus, daß das Steuer früher nicht hinten, sondern an der rechten Seite angebracht war,
so daß der Steuermann der linken Seite den Rücken zukehrte. — baggern aus ndl.
baggeren 'z\\ssc\\\Ämmtn von n6.\. bagger 'SMamni' . — Bake 'sichtbares Schifferzeichen'
aus frs. baken = e. beacon, ahd. boiihhan. — Boot, 13. Jh., aus e. boat. — Bord, ahd.
bort, e. board 'Schiffsrand'. — Bramsegel u. a. Zusammensetzungen, ndl. bramzeil. —
branden, 18. Jh., aus ndl. branden. — Brigg, 18. Jh.. e. brig, gekürzt aus ital. brigan-
tino. — bugsieren über n(^\. boegseeren, wohl aus portug. p//.vflr 'schleppen'. — Bug-
spriet, aus ndl. boegspriet zu Bug und sprießen. — Dock aus e. dock. — Ewer, 1252
envarc, also 'Einfahrer'?. — Faden, noch seemännisch als Maßbezeiclinung, t.fathom. —
Fallreep aus fall und Reif, hier gleich 'Schiffsleiter'. — Flagge, nd., c.flag. — Flotte,
17. Jh., im letzten Grund über ndl., frz. zurückgehend auf anord. //o^/ 'Wasserfahrzeug' zu
fließen. — Fock, nd., n6\. vocken 'wehen'. — Gaffel, eins mit Gabel. — Gangspill,
1794, eig. 'Gangspindel'. — Gtsdiwader eins mit Sdiwadron. — Hängematte. —
Heck 'Teil des Hinterschiffs', mnd. heck — Hedie. — Helling, mnd. Hellinge zu Halde,
eig. 'geneigte Fläche'. — heuern, c. hire. — hissen, 18. Jh., an der See allgemein ver-
breitet. — Jadit, 16. Jh., zu jagen. — Jolle, 18. Jh., wird als russisches und dänisches
Fahrzeug bezeichnet. — Kaper, 17. Jh., aus nd\. kaper. — Kauffahrteisdiiff, 17. Jh. —
kentern zu Kante. — Klüver, 1793, ndl. kluiver wohl zu klieben 'spalten'. — Knoten
als Maß beruht auf den in der Logleine angebrachten Knoten. — kreuzen, 17. Jh. —
Kreuzer, 1716. — landen statt obd. landen. — ledi, ags. hlec zu ledicn, ledizen. —
Lee zu ags. hleow 'Schutz, Zufluchtsort'. — Leiditer, nd. iiditer zu liditen, eig. 'leicht
machen'. — lösdien zu los. eig. 'leer machen'. — Lotse, mnd. lootsman zu e. load
'Gang zu leiten. — Luv, mnd. /ö/ 'Windseite'. — Maat, e. nXe zu ahd. gimazzo 'Speise-
genösse' zu got. mats 'Speise'. — Mahlstrom, ndl. malstrooni. — Rahe, mnd. rä. —
Reede, mnd. re(i)de, e. road zu bereit. — reffen, nd. reffen. — Reling von nd. regel
'Riegel, Stange, Latte'. — Sdiote, n\nd. sehnte, e. sheats zu Sdioß. — Sdiott, 18. Jh., zu
d. Sdioßgatter. — Sdiute, Sdiüte, mnd. sehnt (tje, an. sküta zu sdiießen. — Speigatt.
17. Jh.. galt ist e. gate, d. Gasse, eig. 'Loch zum Ausspeien des Wassers'. — Steven,
mnd. Steven zu Stamm. — Topp in Toppmast = Zopf.
Anderseits hat nun die deutsche Seemannssprache außerordentlich viel
fremdes Gut aufgenommen. Was in vorgeschichtlicher Zeit, etwa von den
Kelten, deren Vertrautheit mit dem Meere Cäsar schildert, entlehnt ist, läßt sich
nicht sagen. Sprachlich macht sich zunächst der Einfluß der Römer bemerk-
bar, deren Ausdrücke zum guten Teil allerdings auf dem Griechischen beruhen.
Zu diesen ältesten Ausdrücken gehören Anker, ahd. ankar aus lat. ancora, den
oberdeutschen Mundarten noch heute meist fremd; — Riemen 'Ruder', ahd. riemo aus
lat. rimus, am Rhein und in Norddeutschland; — dagegen ist Naue, mhd. näwe, ncewe
aus lat. nävis schweizerisch, und ist also auf einem andern Wege zu uns gekommen als
§ 195. G. Die Seemannssprache. 327
jene Worte; — Strippe, hochd. Strupfe, eigentlich 'Riemen zum Anbinden der Ruder' aus
lat. striippus, stroppus; — auch lat. canälis ist damals aufgenommen worden, aber wieder
verloren gegangen.
Die Kühnheit der germanischen Seefahrer war bereits früh ganz be-
wundernswert. SchließHch hielten sie sich nicht mehr in den nördhchen
Meeren auf, sondern sie drangen um Spanien herum nach dem Mittel-
ländischen Meere vor. Die Germanen lernten hier manches Neue kennen
und erhielten eine Fülle von Ausdrücken, von denen allerdings nur einige
erhalten sind. Später mehren sich die Einflüsse, und wir haben Worte fast
aus aller Herrn Länder bekommen, lateinische, griechische, arabische, fran-
zösische, italienische.
In die Zeit des Mittelalters fallen noch:
Barke, mhd. barke, e. bark aus spätlat. barca, das dem Koptischen bari ent-
stammt; — Büse 'Boot zum Heringsfang', erst in neuerer Zeit aus ndl. biiis, aber schon
einmal im Althochdeutschen dXsba^o herübergenommen; — Kabel 'knktxizxx, mhd. kabel
aus frz. cäble.
Da es vorläufig unmöglich ist, die weitern Entlehnungen der Zeit und
dem Raum nach genügend zu sondern, so begnüge ich mich hier damit,
eine Anzahl von ihnen mit Angabe der Herkunft und der Zeit des ersten
Auftretens zu verzeichnen.
Admiral, arabisch, um 1500, aber schon einmal mittelhochdeutsch; — Arsenal,
arabisch, im 16. Jahrhundert; — Aviso, 1712, ital. barca d'aviso; — Bai, auf \?i{. Bajae
zurückgehend, Ende des 16. Jahrhunderts; — Besanmast, 16. Jahrhundert, aus ital. mez-
zana, — Blodiade, 17. Jahrhundert, ital. bloccata; — Boje, lat., 17. Jahrhundert; —
Boot, im 16. Jahrhundert aus e. boat; — Brasse, im 17. Jahrhundert, frz. bras-, —
entern, im 17. Jahrhundert, lat. inträre; — Fregatte, 16. Jahrhundert, frz. fregate; —
Golf, im 15. Jahrhundert, frz. golfe, lat. colpiis; — Harpune, im 18. Jahrhundert, frz.
harpon; — Havarie, im 16. Jahrhundert, arabisch (?); — Kabine, 19. Jahrhundert, e.
cabin, frz. cabine; — Kabuse, Kambüse , im 15. Jahrhundert, unklar; — Kai, mnd.
kaie, frz. qai; — Kajüte, im 15. Jahrhundert, Herkunft dunkel; — kalfatern, ndl. kale-
fateren aus mgr. y-olaiffneTv (kalaphaten) und weiter aus arab. qalafa 'ein Schiff ver-
kitten'; — Kap, im 17. Jahrhundert aus ital. capo; — Kapitän, 16. Jahrhundert, frz.
capitaine; — Koje, um 1600, letzte Quelle lat. cavea; — Kompaß, 15. Jahrhundert,
ital. compasso 'Zirkel'; — Korvette, 18. Jahrhundert, frz. corvette; — Kurs, im 15. Jahr-
iiundert, lat. cursus; — Küste, im 17. Jahrhundert, über das Ndl. aus lat. costa; — Kutter,
1791, c. Cutter; — lavieren, im 16. Jahrhundert aus ndl. laveeren; — Marine, 17. Jahr-
hundert, frz. marine; — Mars 'Mastkorb', ndl. mars aus 1. merc(em) 'Ware'; — Ma-
trose, im 17. Jahrhundert, aus matroos und dies aus frz. matelots, das dem anord. motu-
nautr 'Speisegenosse' entstammt (zu got. wa^s 'Speise' und genießen); — Messe, aus e.
mess; — Mole, 18. Jahrhundert, frz. mole, ital. molo; — Pilot, im 16. Jahrhundert, aus
dem Niederländischen; — Pinasse, 1600, frz. pinasse zu lat. pinus 'Fichte'; — Qua-
rantäne, 17.Jahrhundert, hz.quarantaine; — Schaluppe, 17. Jahrhundert, hz.chaloupe; —
Schleuse, im 16. Jahrhundert, aus dem Niederländischen, letzte Quelle mlat. exclasa; —
Schoner, 18. Jahrhundert, &. schooner, zuerst in Amerika; — Torpedo, lat. torpedo 'der
Zitterrochen'; — Trosse, frz. trosse.
Eine Anzahl dieser Worte wird ja noch in ihrem eigentlichen Sinn ge-
braucht, aber bei nicht wenigen hat doch schon die Übertragung eingesetzt.
Sogthxznchtnwh: lavieren, Kur s,Kabel,steuern,stranden\xn<\m?inQh^szr[<\txt.
328 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Bei andern ist aber der seemännische Ursprung j^anz verloren gegangen.
Ich erinnere an den roten Faden, der sich durch alles zieht, d.h. durch das Tau-
werk der engUschen Marine — Goethe hat dies Bild in den Wahlverwandtschaften ein-
geführt; — Abstecher in der Bedeutung 'kleine Reise' von seeni. abstedien 'sich mit
einem Boot von einem Schiff entfernen'; — Ballast, nd. bailast, e. bailast; — Eiland,
wohl aus dem Fries., vgl. Nordern-ey und in seinem ersten Bestandteil eins mit Aue; —
flott, nd. zn fließen; — Janhagel, Spottname der norddeutschen Bootsleute; — Mund-
raub, 1732; — eine gute Prise aus Uz. prise; — ramponiert 'durch Seeschaden be-
schädigt'; — Takel, eig. 'die Scliiffsausrüstung'; — Tau 'Scliiffsseil' zu got. taujan 'machen'.
Bei der gesteigerten- Anteilnahme, die heute für das Seewesen herrscht,
werden wir sicher immer mehr Seemannsausdrücke in unsere Schriftsprache
aufnehmen.
§ 196. H. Die Soldatensprache.
Literatur: P. Hörn, Die dcutsclie Soldatensprache, zweite wohlfeile Ausgabe, Gießen
1905. Vgl. dazu die Anzeige von J. Meier, ZfdPli. 32, 15 ff. — Franz Helbling, Das mili-
tärische Fremdwort des 16. Jahrhunderts, ZfdW. 14, 20 ff. — G. Stucke, Deutsches Heer
und deutsche Sprache. Wortgeschichtliche Skizzen über Ausdrücke unseres Heereswesens
alter und neuerer Zeit. Rastatt 1915.
Die Entwicklung des Heerwesens im Laufe unsrer Geschichte zeigt sich
auch in der Sprache. In frühern Jahrhunderten gab es nur das Söldnerheer,
dessen Angehörige den Soldatenstand als Beruf erwählt hatten, dann ent-
wickelte sich das Volksheer, womit wir wieder an die Zustände der ältesten
Zeiten angeknüpft haben. Zwischen diesen beiden besteht innerlich kein
Zusammenhang, und so ist auch der sprachliche sehr gering. Die Über-
lieferung ist hier unterbrochen worden, und was wir unter Soldatensprache
verstehen, ist eine verhältnismäßig junge Erscheinung, die allerdings in
ihrem Grundcharakter eine gewisse Ähnlichkeit mit der altern Stufe aufweist.
Ehe wir aber auf die Eigentümlichkeiten dieser Sprache eingehen,
wollen wir den Wortschatz, der sich auf das Heerwesen bezieht und der
doch schließlich auch hierher gehört, im allgemeinen mustern.
Anmerkung. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Werken, in denen die Aus-
drücke der Kriegskunst schon in früheren Zeiten verzeichnet sind. Ich nenne hier: Frons-
perger, Fünft Bücher von KriegßRegiment unnd Ordnung, 1555. — Fronspergfr, Kriegß-
buch I, II, III. 1571, 1573. — Albertinus, Der Kriegßleuth Weckuhr. München 1601. —
von Schwendli, Kriegßdiscurs. Frankfurt 1605. — J. von Wallhausen, Kriegßkunst zu
Fuß. Straßburg 1615; Kriegßkunst zu Pferde. Oppenheim 1616: Corpus militare. 1617. —
J. VON Egger, Neues Kriegs-, Ingenieur-, Artillerie-, See- und Ritterle.xicon. Dresden und
Leipzig 1757.
Als alter Ausdruck ergibt sich Heer, ahd. hari, heri, ags. here, gemeingermanisch;
dazu apreuß. karjis, lit. karias 'Heer' von käras 'Krieg', air. cuire 'Heer, Schar' und gr.
y.oi'nato; aus *korJanos; dazu Herzog, ahd. herizogo, -zoho 'Heerführer', dessen zweiter
Teil in lat. dux wiederkehrt. Damit ist aber auch der alte Sprachstoff erschöpft. Es wirkt
dann das römische Heerwesen etwas ein. Schon im Gotischen ist niilitön 'Kriegsdienste
tun', ahd. milizza 'Soldaten' belegt. Aber eine wesentliche Bereicherung erfährt die Sprache
nicht. Seit dem 12. Jahrhundert entwickelte sich das Söldnerw-esen, und nun kommen eine
Reihe französischer Worte: Sold aus frz. solde (von lat. solidus). davon mhd. soldenier
oder soUiencere; — sarjant 'Diener des Ritters, Knappe. Fußknecht' aus frz. sergent von
lat. serviens 'Diener' (Sergeant ist eine neuere Entlehnung); — Rotte, mhd. rote, rotte.
§ 196. H. Die Soldatensprache. 329
rot 'Schar, Abteilung, Rotte' aus frz. rote vom lat. rupta 'Abteilung', eigentlich 'Bruchteil
eines Heeres'; — Standarte, mhd. stanthart aus frz. estendard vom lat. extendere 'aus-
breiten, entrollen'. Daneben aber benutzte man vielfach den deutschen Sprachstoff: Haupt-
mann, mhd. houbetmann 'der Anführer im Kriege, Oberbefehlshaber', 1480 'Befehlshaber
über ein Fähnlein'; — Fähnridi, mhd. vanere; — Feldwebel, im 16. Jahrhundert; —
Feldherr, 1537; — Feldsdierer, im 16. Jahrhundert; — Feldzeidien, bei Luther; —
Feldzeugmeister, im 16. Jahrhundert; — Feldzug, 1545; — Kriegsknedit, 16. Jahr-
hundert; — Kriegsmann, 15. Jahrhundert; — Landsknedit, in den achtziger Jahren
des 15. Jahrhunderts; — Oberst, in der Mitte des 16. Jahrhunderts; — Waditmeister,
im 16. Jahrhundert; — Gefreiter 'vom Schildwachestehen befreiter Soldat', 1617; —
Zeughaus, 1537.
Die Geschichte dieser militärischen Ausdrücke muß noch geschrieben
werden.
Neben diesen deutschen Bildungen aber ergießt sich über die Sprache
eine unendliche Fülle fremder Ausdrücke. Einiges kommt schon im Mittel-
alter, dann bringt uns das 16. Jahrhundert manches Neue, obgleich in dieser
Zeit die Ausdrücke noch wesentlich deutsch sind. Die Hauptmasse der
Fremdwörter bringt der Anfang des 17. Jahrhunderts und der Dreißigjährige
Krieg. Von dem, was damals entlehnt wurde, ist zwar manches unter-
gegangen, die Hauptmasse hat sich aber bis zum heutigen Tag erhalten.
Ich verzeichne im folgenden eine Anzahl von Worten nach ihrem zeitlichen
Auftreten. Die Quelle ist meistens das Französische und ist gewöhnlich
nicht weiter angegeben. Näheres findet der Leser in Weigands Wörterbuch.
Truppenarten: Arkebusier, 16. Jahrhundert; — Artillerie , seit 1500; — Dra-
goner, um 1600; — Füsilier, um 1700; — Garde, 1474 die burgundische Truppe im
Heere Karls des Kühnen; — Gendarme, in Frankreich im 15. Jahrhundert; — Grena-
dier, 1694; — Husar, 1534; — Infanterie, 1616; — Ingenieur, 1616; — Kanonier,
1617; — Kavallerie, um 1600; — Konstabier, 1650; — Kürassier, 1476; — Pe-
loton 'Abteilung von 20— 40 Mann', 1710; — Pionier, um 1700; —Rekrut, 1617; —
Train, 1621; — Truppen, 1616; — Ulan, im 18. Jahrhundert.
Truppenteile: Armee, um 1600; — Bataillon, 1616; — Brigade, zuerst in
Gustav Adolfs Heer; — Division, 1716; — Eskadron, SOjähriger Krieg; — Ge-
sdiwader, 16. Jahrhundert, ital. squadra; — Kompagnie, 1616; — Korps, 17. Jahr-
hundert; — Regiment, 16. Jahrhundert; — Sdiwadron, 1616; — Furier, 16. Jahrhundert.
Befehlshaber: General, Mitte des 16. Jahrhunderts; — Konimandör, 1617; —
Kornett, 1616; — Korporal, 1616; — Leutnant, 16. Jahrhundert; — Major, 1577; —
Marsdiall, um 1600; — Offizier, Ende des 16. Jahrhunderts; — Profos, 1504, ndl.
lat propositus; — Sergeant, 1616.
Waffen: Armatur, um 1600, ita\. armatura; — Bajonett, im 17. Jahrhundert; —
Batterie, 1616; — Bombe, 1678; — Büdise, H.Jahrhundert; — Degen, im 15. Jahr-
hundert; — Flinte, 1663; — Granate, 1616; — Haubitze, im Hussitenkriege; —
Kanone, 1616; — Karabiner, 1598; — Kartätsdie, 1691; — Kartaune, 16. Jahr-
hundert, ital. quartana; — Lafette, 1616; — Munition, 1534; — Muskete, 1575; —
Pallasdi, 1640; — Patrone, 1642: — Petarde. 1617; — Pike, 17. Jahrhundert; —
Pistole, um 1600; — Protze aus Protzwagen usw. gekürzt {Protzräder im 16. Jh.),
venet. birozzo 'zweirädriger Wagen'; — Rapier, 1534; — Sdirapnell, 1803 erfunden.
Befestigung: Barrikade, spätes 17. Jahrhundert; — Bastei, spätmhd. bastle,
ital. bastia; — blodiieren, 1617; — Bresdie, 1617; — Flanke 'Seitenwerk einer
Festung', 1616, aus Uz. flanc ; — Glacis, 1712; — Kaserne, 1703; —Palisade, 1617.
330 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Sonstiges: alert. 17. Jahrhundert, frz. eig. ä l'erte 'auf der Hut. auf der Hölie'; —
Alarm, 15. Jalirhundert; — attackieren, 1617; — Bagage, 1600; — Disziplin,
16. Jahrhundert; — Etappe, 1728; — exerzieren, um 1600; — Front, 1616; — Ka-
merad, 30jähr. Krieg; — Kampagne, SOjähr. Krieg; — kampieren, 1617; — kapi-
tulieren, 1703; — Kommando, ital. span. 1639; — Kommiß, 16. J:ihrhundcrf; —
Kontingent; — Kordon, 1791; — Liste, 1616; — Manöver, 18. Jalirhundert; —
Marketender, 16. Jahrhundert, ital. mercatante; — marode, frz. maraud 'unerlaubte
Plünderung", 30jühr. Krieg; — Marsdi, 30jähr. Krieg; — marsdiieren, 1617; — Meu-
terei, 1517; — Mine, 1601. frz. mine, kelt. mein-, meinn- 'rohes Metall; — Militär,
18. Jalirhundert; — mustern, 1449; — neutral, 16. Jahrhundert; — offensiv, 1617; —
Parade, 1615; — Pardon, 1663. auch Perdon aus ital. perdono; — Parole, 1617; —
Parteigänger, 1650; —Patrouille, 1709; —Proviant, 1556; — Quartier, 1529; —
Rang, SOjähr. Krieg; — Rapport, 1617; — Ration, 1716; — rebellieren, 1551; —
rekognoszieren. 1617; — Remonte, 1728: — Retirade, 1616: — Reveille, 1716; —
Revolte. 17. Jahrhundert; — Ronde. 1617; — Route, 1703 (\a[. via rupta); — Salve,
1648, frz. Sfl/y^, lat. salve.'; — Sappe, 1728; — Sdiamade, 1703 (zu lat. clamäre); —
Signal, 1694; — Soldat, 1550. ital. soldato; — Spion, 1615. frz. espion aus ahd.
speha; — Tornister, 17. Jahrhundert, byz. ravmroo»' (tägistron); — Traktament,
18. Jahrhundert; — 7"ro>^, 15. Jalirhundert, m lat. Grosso; — Uniform, 18. Jahrhundert; —
Vedette, 1727 (ital. vedere 'sehen"); — K^/^ra«, 18. Jahrhundert; — zernieren,
18. Jahrhundert; — Zidizadi, um 1700. aus frz. zigzag (1680).
Im 16. Jahrhundert oder vielleicht noch früher muß sich nun eine
eigene Soldatensprache entwickelt haben, die sogenannte Feldsprache, die
Sprache der Landsknechte, die sich zu Parteien vereinigt hatten und im
Lande herumzogen. Gleich dem fahrenden Volke hatten sie allen Anlaß,
ihr Tun und Treiben vor dem Licht zu verbergen, und sie nahmen daher
auch die heimliche Sprache der „Stromer" an. Diese war meist aus Gauner-
worten zusammengesetzt und dem Uneingeweihten völlig unver.ständlich.
Fahrende Leute erkundschafteten den raubenden Landsknechten, mit denen
sie im Einverständnis waren, günstige Gelegenheiten, wo man Beute machen
konnte und sandten ihnen Botschaften, die man Feldtauben nannte.
Die ersten Nachrichten über diese Feldsprache treffen wir bei dem
Satiriker Moscherosch (1601 — 1669), der 1640 unter dem Namen Philanders
von Sittewald ein 'Soldatenleben' schrieb (in seinen 'Gesichten' sechstes
Gesicht des andern Teiles). Wir haben es hier aber mit einer Abart der
Gaunersprache zu tun, und das Glossar, das Moscherosch bietet, ist aus
dem liber vagatorum (siehe unten) abgeschrieben. Vgl. Kluge, Rotwelsch
I, 152. Die weitere Entwicklung liegt noch ganz im Unklaren.
Die neuere Soldatensprache hat P. Hörn ausführlich behandelt. Ich
verweise den Leser auf dieses Buch, da es uns hier nur angeht, was
aus dem militärischen Leben an Worten und Redensarten in die Schrift-
sprache geflossen ist.
Hierher gehören: abgebrannt, im Dreißigjährigen Kriege aufgekommen; heller
Haufen, eigentlich 'der Kern des Heeres*, schon im 16. Jh.; Kommiß im 16. Jh.; ab-
blitzen; hinter dem Berge halten; Spießruten laufen; sein Absehen auf
etwas riditen {Absehen 'die Kerbe am Gewehr'); zur großen Armee abgehen; blank
mit einem stehn; in die Bresdie treten; dem Feinde goldene Brildten bauen;
HrtS/ü'z/-^r/Cfl«/Ort/s^ (aus der Zeit Friedrich Wilhelms I.); Fersengeld geben; zwisdien
§ 197. J. Die Gaunersprache. 331
zwei Feuer kommen; die Flinte ins Korn werf en; grobes Geschütz anfahren;
das Hasenpanier ergreifen; ins Hintertreffen kommen; dem Kalbfell
{Trommel) folgen; einen über die Klinge springen lassen; etwas aufs Korn
nehmen; den Kuhfuß (Gewehr) tragen; fludien wie ein Landsknedit; mit
jemand eine Lanze brerlien (aus dem mittelalterlichen Turnierwesen); Lärm sdilagen;
Lunte riedien; einem den Marsdi madien (oder) blasen; seine Pappenheimer
kennen (Schiller Wallenstein); einem den Paß verlegen;, etwas auf der Pfanne
haben; von der Pike auf dienen; wie aus der Pistole gesdiossen; auf dem
Platze bleiben; Posto fassen; mit jemand auf dem Quivive stehen; etwas
auf dem Rohre haben; jemand auf den Sand setzen (aus dem Turnier); ebenso
einen aus dem Sattel heben; eine Sdiarte auswetzen; etwas im Sdiilde
jühren; einem vor den Sdiuß kommen; den Spieß umkehren; Spießbürger;
Spießruten laufen; einem die Spitze (des Schwertes) bieten; sidi die Sporen
verdienen; Stidi halten 'den Stich des Gegners aushalten'; jemand überflügeln;
mit offenem Visier kämpfen; einem in den Wurf kommen; den Zapfenstreidi
sdilagen; übers Ziel sdiießen.
Ihren Ursprung im Soldatenleben haben ferner:
Handgeld, 1616; — Handgemenge, 1631; — Fehdehandsdiuh, im Mittel-
alter diente der Wurf des Handschuhs als Aufforderung zum Kampf; — Hinterhalt,
1480; — Lauffeuer, 18. Jh.; — plänkeln, 1763 als Jägerausdruck; — sdilagfertig; —
Sdiar, ahd. scara 'Heeresabteilung'; — Spießgeselle, 1556; — Standredit, 1641; —
Wagenburg, aus der Zeit der Hussitenkriege.
Anmerkung. Die lange Kriegszeit hat natürlich die Aufmerksamkeit auf die Sol-
datensprache in besonderm Maße gelenkt und manche Schriften hervorgerufen. Ich nenne
hier noch: K. Bergmann, Wie der Feldgraue spricht. Scherz und Ernst in neuester Sol-
datensprache. Gießen 1916. — Th. Imme, Der Humor in der deutschen Soldatensprache,
Zfrhw. V^olksk. 13, 26. — Ders., Die deutsche Soldatensprache und ihr Humor. 1917. —
Hanns Bächtold, Aus Leben und Sprache des Schweizer Soldaten. Basel 1916.
§ 197. J. Die Gaunersprache.
Literatur: Pott, Charakteristik der Gaunersprachen in seinen Zigeunern, Band 2,
Einleitung; Halle 1845. — Ave-Lallement, Das deutsche Gaunertum, 4 Bände, Leipzig 1858
— 1862. — Anton, Wörterbuch der Gauner- und Diebessprache, 3. Auflage, Berlin 1859.—
Jos. Mar. Wagner, Die Literatur der Gauner- und Geheimsprachen seit 1700, in Petzholdts
Neuem Anzeiger für Bibliographie, 1861, S.69 — 75. — Derselbe, Rotwelsche Studien; Archiv
für das Studium der neuern Sprachen 33, 197 — 246. — H. Stumme, Über die deutsche
Gaunersprache und andere Geheimsprachen, Leipzig 1903. — L. Günther, Das Rotwelsch
des deutschen Gauners, Leipzig 1905; gut. — F. Kluge, Rotwelsch; Quellen und Wort-
schatz der Gaunersprachen und der verwandten Geheimsprachen. 1. Rotwelsches Quellen-
buch; Straßburg 1901. — Das Hauptwerk über Gaunersprache bilden jetzt die von Prof.
L. Günther seit 1909 veröffentlichten Abhandlungen über die Gaunersprache. I. Das Geld
und die Münzen. Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik. Bd. 33, 219—322.
II. Die Stände, Berufe und Gewerke. Arch. 38, 193—288; 42, 1—89; 43, 1—71; 46, 1—31;
46,289—314; 47, 131—154; 47, 209—231; 48,311—351; 49,331—358; 50, 137-159; 50,
341—370; 51, 137—168; 54, 148—191; 54,310—339; 55, 148—181; 56,41-71; 56, 158—
185. Dazu ist gekommen L. Günther, Die deutsche Gaunersprache und verwandte Ge-
heim- und Berufssprachen. 1919. Ein vortreffliches, zusammenfassendes Werk.
Eine besondere Stellung allen bisher behandelten Sondersprachen
gegenüber nimmt die Gaunersprache oder das Rotwelsch ein, als eine
der anziehendsten Erscheinungen im Leben der Sprache. Das lichtscheue
Gesindel der fahrenden Leute, der Verbrecher, Diebe und Hehler, das früher
332 Zwölftes Kapitel. Du: Sondersprachen.
noch in ganz andrer Weise verbreitet war als heute, iiatte allen Anlaß,
sein Treiben vor den Augen der Welt zu verbergen. Der Kampf, den der
Staat und die Gesellschaft gegen es führt, lä(3t Kampfmaßregeln entstehen,
und zu diesen gehört die Erfindung einer Geheimschrift, der sogenannten
Gaunerzinken, die man noch heute an vielen Haustüren sehen kann, und
die Erfindung einer Geheimsprache, der sogenannten Gaunersprache oder
des Rotwelschen. Der Ausdruck Rotwelsch kommt schon um 1250 im
Passional und zwar in übertragenem Sinne vor, so daß er schon lange Zeit
eingebürgert zu sein scheint.
Später mehren sich dann die Zeugnisse, bis wir um 1510 den Liber
vagatorum erhalten, in dem ausführlich von den fahrenden Leuten berichtet
wird, und der auch ein Glossar des Rotwelschen als dritten Teil enthielt.
Welche Bedeutung man dem Buch beimaß, erhellt daraus, daß kein ge-
ringerer als Martin Luther es 1528 neu herausgegeben hat. Von dieser
Zeit an nimmt die Überlieferung zu, die jetzt in der KLUGESchen Ausgabe
jedermann leicht zugänglich ist.
Die besondern Eigentümlichkeiten des Rotwelschen bestehen nun in
folgenden Punkten:
1. enthält es eine Reihe eigentümlicher Ausdrücke, von denen eine
große Anzahl aus dem Hebräischen, d.h. natürlich aus dem Jüdisch-deutschen
stammt. Es wirft dies klares Licht darauf, aus welchen Kreisen die Gauner
stammten oder mit wem sie zu tun hatten. Andere Ausdrücke stammen
aus dem Zigeunerischen; sehr viel geringer ist der Einschlag des Lateinischen,
sehr bescheiden der des Französischen und ganz unbedeutend der englische;
2. bildet man aus deutschem Sprachgut durch Umschreibungen, bildliche
Ausdrücke, Zusammensetzungen, Ableitungen neue Worte, z. B. TrittUnge
'Schuhe', Streif linge 'Strümpfe', Ober-Mann 'Hut', SpitzUnge 'Nähnadeln' und
3. macht man die Worte unverständlich durch Einschieben von Silben,
Umkehrung, Anfügung von Lauten. Dahin gehört die sogenannte /7/-Sprache,
die schon oben S. 90 erwähnt ist, und anderes, worüber die Quellen aus-
führlich berichten.
Das Rotwelsch hat nun in ausgedehntem Maße auf unser Deutsch ein-
gewirkt, indem eine große Anzahl teils allgemein verbreiteter, teils dialek-
tischer Worte in unserm heutigen Deutsch auf diese Quelle zurückgehen,
und zwar zuweilen direkt, indem die Worte aus dem Dialekt allmählich
emporgestiegen sind, oft indirekt durch Vermittlung der Studentensprache.
Ich gebe im folgenden ein Verzeichnis der mir geläufigen oder in
unsern Wörterbüchern angeführten Worte mit Angabe des ersten Beleges
nach Kluges Quellenbuch und der Herkunft, soweit sie bekannt ist. Dabei
hat mich mein Kollege Stumme, der auch das Buch von Günther auf
seinen sprachlichen Teil durchgesehen hat, dankenswert unterstützt.
adieln 'essen', 1510, hebr. äkhcil 'essen'. — ansdiniusen, sdimusen, 1791, von
hebr. iimuöt (jüdisch ^niuös) 'Gehörtes, Gerücht, Nachricht'. — Baldober 'Angeber',
§ 198. K. Die Sprache der Wissenschaft. 333
1735, aus hebr. ba äl dübär (jüdische Aussprache duwör) 'Herr der Sache'. — Bas 'Mann',
1510, deutsch, mit Base zusammenhängend. — benschen 'segnen', 1737, aus lat. bene-
dicere. — berappen 'bezahlen', 1814; m'\{ Rappen bezahlen. — besdiiippen 'betrügen',
1687; deutsch. — besdiwuddern, sidi 'sich betrinken', 1750; wohl deutsch. — besebeln
'betrügen', 1510 sefeln 'scheißen', zu hebr. zebel 'Mist, Kot'. — betudit 'leise, still, ver-
schwiegen', hebr. bCttiiädi 'Vertrauen habend, sicher'. — Bledi 'Geld', 1510; nach den
Münzen aus 'Gold- oder Silberblech'. — Bovel, Babel, Bafel 'alte verlegene Ware',
1755, von der Stadt Babel 'Babylon', da Büfel die jüdische Aussprache des hebr. babel
ist. — Dalles 'Unglück, Verderben, Armut, Geldmangel'; wohl von hebr. dallath 'Armut'. —
Dfl////z^^r 'Henker', hebr. täläh 'aufhängen', 1510. — Finkeljodiem 'Branntwein', 1687;
funkeln ist 'funkeln, brennen', jodiem von hebr. jäjin {]üd. Jöjin) 'Wein'. — foppen 'zum
besten haben', 1510. Aber sciion 1343 fopperin 'die nement sich unsinne ah und ver-
sagens'. — Füdise 'Dukaten' 1652; übertragen von Fuchs. — Funke 'unsteter, leicht-
fertiger Mensch', nach gaun. Funk 'Flamme'. — ganfen 'stehlen', 1510, aus \\t\)X. gänüb
(jüdisch göndf) 'stehlen'. — Gauner, im 15. Jahrhundert joner 'Spieler, Falschspieler',
von jüd. jöneh 'Spieler'. — Heu 'Geld', 1733; wohl das deutsche Heu. — Hodistapler
'ein berühmter Dieb', 1753, eigentlich 'der hoch stapft'; schon früher Stappier, Stapplerin. —
Jodiem 'Wein', hebr. jäjin, im 15. Jh. — Kabrusdie 'Kameraden, besonders zu Schlech-
tigkeiten', 1753; aus dem Hebr. — Kaffer 'Bauer', 1714, aus rabbinisch kaphri 'Dorf-
bewohner, Bauer'; von hebr. /f''/7/z«/' 'Dorf. — Kafiller 'Schinder', von talmudisch ^fp/zd/
'abdecken, abziehen', 1510. — Kalaisdien 'Kuchen', 1753, aus dem Slawischen, z.B.
Ischech. kolüc. — kapores 'tot. zugrunde gerichtet', 1783 kaporen gan 'sterben müssen',
aus hebr. kappöreth (jüd. kappöres) 'Versöhnung, Sühnopfer"; vgl. Weigand. — Kassiber,
jüd. kes'iwö 'Geschriebenes, Brief, 19. Jh. — Kasten 'schlechtes Haus', 1755; aus dem
deutschen Kasten. — Kies 'Geld', schon mhd.; es könnte eine Übertragung von d. Kies
sein, anderseits aber auch aus hebr. kls 'Beutel, Geld' stammen. — Kippe madien 'Ge-
meinschaft machen'. —Kittdien 'Zuchthaus', 1811. —Klepper 'Pferd', 1807; schon im
15. Jh. im Deutschen. — Kluft 'Kleidung', älteste Form Klaffet 1510, aus hebr. kal'iföt
'Fcierkleider'. — Kneipe 'Diebswirtshaus', 1755, deutsch. — Kohl madien 'einen blauen
Dunst machen', 1753, wohl von hebr. qöl 'Stimme, Gerücht, Schall'; davon kohlen 'viel
durcheinander reden'; die erste Bedeutung wohl davon, daß die Taschenspieler viel reden. —
kosdier, 1737, aus hebr. koier 'recht, gesetzmäßig'. — Kümmelblättdien 'gaunerisches
Hasardspiel mit drei Karten', von hebr. gimel 'drei'. — Löffel 'Ohren', 1733; aus der
Jägersprache. — Mädiler 'Unterhändler', 1737; schon früher im Deutschen belegt; jetzt
Mäkler, Makler, wohl zu madien. — Masematten 'Geschäfte', 1737, aus hebr. missab
umittan 'nehmen und geben', einer Redensart, die für 'Geschäft' schon im Altbabylonischen
vorkommt. — mogeln, gaun. mohel sein 'beschneiden'. — Moos 'Geld', 1750, aus spät-
hebr. ma'öt, jüd. mö'ös 'kleine Münzen, Geld'. — mopsen 'stehlen', Kundensprache
Kluge I. 427. — Päger 'vergifteter Kuchen', 1812, zu \\tbx. peger 'Ltichrnm . — pasdien,
1755, gaun. passen. — pletzen 'flicken', 1755; deutsch. — Pradierin, 1121, zu ndl.
pradiern 'zudringlich fordern, betteln'. — pumpen 'borgen', 1687; wohl übertragen von
d&u\sch pumpen. — Rantz 'Sack', 1510, jetzt Ranzen; nicht sicher erklärt. — sdiadiern
'handeln', 1753, aus hebr. sädiar 'handelnd umherziehen'. — sdiäkern 'lügen', 1817, von
hebr. seker 'Lüge, Trugrede'. — Sdiidisel 'Meidlin, Jungfrau', 1753, von aramäisch siqfä
'Greuel, Götzenbild'.— Sdilamässel 'Unglück', 1737, aus hebr. mäzzäl 'Q.\ü.c\C und der
Verneinung ^ellö. — Sdimiere stehn, 1714, von späthebr. semlrä 'Beaufsichtigung, Be-
wachung'. — Sdiwänzelpfennige, 1715. — sdiwänzen, 1724. — Sefel, siehe be-
sefeln. — stanzen 'jem. wozu treiben'. — Stromer, 1350.
§ 198. K. Die Sprache der Wissenschaft. Mit der Gaunersprache stehen
wir nun am Ende der zahlreichen Sondersprachen, die wir betrachtet haben.
Alle haben mehr oder minder, früher oder später auf den Wortschatz unsrer
334 Zwölftes Kapitel. Dif. Sondeksckachen.
alli^cmcincn deutschen Schriftsprache eingewirkt, wahrend sie in sich selbst
eine besondere Entwicklung zeigen. Aber es bleibt außerdem noch ein
Gebiet übrig, das wir zwar auch nicht völlig erschöpfend darstellen können,
auf dessen Wichtigkeit wir indessen aufmerksam machen müssen, das ist
die Sprache der gelehrten Berufe und der Wissenschaften.
Eine jede Wissenschaft verfügt, wie allgemein bekannt, ebenfalls über
einen besondern Wortschatz, und auch dieser ist der Beachtung wert und
der Untersuchung bedürftig. Freilich bedienen sich die meisten Wissen-
schaften noch heute vorwiegend der lateinischen und griechischen Ausdrücke,
und es scheint, als ob keine auf die zu neuen Bildungen so geeigneten
klassischen Sprachen ganz verzichten könnte. Aber wenn uns deren Be-
nutzung notwendig zu sein scheint, so möge man bedenken, daß auf ein-
zelnen Gebieten, teilweise wenigstens, deutsche Bezeichnungen vorhanden
sind, Bezeichnungen, die man meistens dem bewußten Vorgehen einzelner
Männer verdankt, gegen die man aber seinerzeit ebenso geeifert hat, wie
man jetzt gegen einen Präger neuer deutscher Ausdrücke eifern würde.
In der Hauptsache sind es drei Gebiete, auf denen die deutschen Aus-
drücke ziemlich weit verbreitet sind, die Philosophie, die Mathematik und
die Sprachwissenschaft.
Ehe wir aber auf diese eingehen, seien hier ein paar Bemerkungen
eingefügt über eine -Wissenschaft, die zwar immer noch der bedeutendsten
eine ist, die aber in früherer Zeit die Gemüter der Menschen ganz anders
beschäftigt hat als heute, das ist die Chemie oder wie man früher sagte
die Alchimie. Dies Wort selbst kommt schon im Mhd. als alcherme vor
und stamm.t aus arab. alkimijn, das das mit dem arab. Artikel al versehene
gr. ;fj;,««a (gesprochen kttnid) ist. Von den Arabern gelangte es zu den
Spaniern, weiter zu den Franzosen und schließlich zu uns.
Auf die vielen Ausdrücke für chemische Instrumente und Chemikalien
kann ich hier nicht eingehen, sondern ich will nur die Ausdrücke hervor-
heben, die in die allgemeine Sprache übergegangen sind.
Man suchte vor allem den Stein der Weisen oder das Elixier, spätmhd. elixire
aus arab. el iksir 'Stein der Weisen'. Ein außerordentlich wichtiger Stoff war das Queck-
silber, das ja die Metalle auflöst. Diese Verbindung von Metallen mit Quecksilber heißt
Amalgam (16. Jh.) aus span.ital. amälgama von gr. uä'/.ayua {mälagma) 'Erweichungs-
mittel". Bemerkenswert ist der volkstümliche Ausdruck sich veramalgamieren 'sich
vereinigen, sich mit jemand abgeben', der offenbar recht alt sein muß. Dieselbe Bedeu-
tungsentwicklung zeigt verquicken, das Adelung nur in der chemischen Bedeutung 'ver-
mittelst Quecksilber auflösen' kennt, das aber jetzt ganz allgemein gebräuchlich ist. —
Ebenso kommt der Ausdruck Wahlverwandtsdiaft (1779) als Übersetzung des lat.
attractio electiva aus der Chemie, doch hätte er ohne Goethe wohl nicht seine Verbreitung
gewonnen. — Spiritus bezeichnete im 16. Jh. bei den Alchemisten 'eine durch Destillation
gewonnene wesenhafte Flüssigkeit von Körpern', wonach wir dann im 18. Jh. Weingeist
als Übersetzung von spiritus vini gebildet haben und von geistigen Getränken
sprechen. — Essenz, das lat. essentia, kommt im 16. Jh. auf. Besonders hat sich der
Ausdruck Quintessenz aus mlat. quinta essentia 'der Äther' von seinem Ursprungs-
gebiet ganz losgelöst.
§ 199. L. Die Sprache der Philosophie. 335
Weitere alchemistische Ausdrücke sind reagieren, Reaktion (im politischen Sinn
erst im 19. Jh.), 7"/«/f^«r (Paracelsus), elementar in Elementargeister, Extrakt
(1585) und gewiß noch manclie andere.
§ 199. L. Die Sprache der Philosophie.
Literatur: R. Eucken, Geschichte der philosophischen Terminologie im Umriß, Leipzig
1879. — B.A.Wagner, Christian Thomasius; ein Beitrag zur Würdigung seiner Verdienste
um die deutsche Sprache. Berliner Pirogramm 1872. — P. PiUR, Studien zur sprachlichen
Würdigung Christian Wolffs, Halle 1903. — J. Kelle, Die philosophischen Kunstausdrücke
in Notkers Werken, München 1886. — Julia Wernley, Prolegomena zu einem Lexikon
der ästhetisch-ethischen Terminologie Friedrich Schillers. Untersuchungen zur neueren Sprach-
und Literaturgeschichte, hrsg. von Waltzel. Neue Folge. 10. Heft. Leipzig 1909. — W. Meise,
Beiträge zu einer ethischen Terminologie Schillers, Greifswald 1916.
Die Sprache der Philosophie war natürlich bis in die Neuzeit lateinisch,
und Eucken hat über sie eine kurze Übersicht gegeben. Erst im 18. Jahr-
hundert ringen sich deutsche Ausdrucksweisen durch. Anfänge und Ver-
suche dazu sind freilich viel früher da, aber es hat kein guter Stern über
ihnen gewaltet, sie vermochten sich nicht durchzusetzen, und sie sind nicht
einmal genügend untersucht. Was Eucken bietet, hat bisher noch keine
Fortsetzung und Erweiterung gefunden.
Der erste große Übersetzer der Deutschen, Notker, der sich an schwierige
Stücke lateinischer Herkunft wagte, scheute nicht vor einer Übertragung
der fremden Worte zurück.
„Mit Geschick sind einmal Ausdrücke der Volkssprache zur Vermittlung des Fremden
herangezogen; wo eigene Bildungen zu unternehmen waren, ist das Fremde möglich getreu
in der deutschen Sprache wiedergegeben (z. B. individiiits — unspaltig), und wenn dabei
zunächst die Biegsamkeit dieser zum Ausdruck kommt, so verdient auch Umsicht und Takt
des Autors volle Anerkennung. Nur selten fehlt ihm ein genau entsprechender Ausdruck,
dann muß entweder ein allgemeiner Begriff oder eine Umschreibung aushelfen, schlimmsten-
falls wird das Fremdwort unverändert beibehalten." Eucken S. 116.
Von seinen Verdeutschungen seien hier einige angeführt:
aeternus — ewig; comprehendere — ervaren, begrifan: confusus — verworren;
confusio — ununderskeit ; contimms — zesamin, zesamine habig; contrarius — wider-
wärtig; convertere — umbewenden; finis — ende; forma — bild; infinitus — unentilih;
intelligere — vernemen; liberum arbitrium — selbwaltigi; mens — muot; mundus —
werlt; necessarius — nothaft, notmadiig; necessitas — not, notegunga; perpetuus ' —
werig; possibile — mahtlidi; principium — anegenge; proprius — eigenhaft; singularis —
sunderig; subjectum — da^ andere; tempus et locus — zit unde stat; dazu kommen
Ausdrücke wie ewigheit, saligheit, wi'ientheit, anscouunga, fliht 'Fürsorge, Aufgabe, Gebot',
merheit, minnirheit, pildunga, rihtig, sein, scinbare, vernumenstig 'vernünftig', Vernunft u. a.
Notkers Bestrebungen fanden aber keine Nachfolge. Er steht einsam
da, und die meisten seiner Übersetzungsversuche sind untergegangen. Ein
neues Streben nach Verdeutschung eines umfassenden Gedankenkreises ging
erst wieder von der deutschen Mystik aus, und vor allem hat hier Meister
Eckhart manchen philosophischen Ausdruck gut verdeutscht. Aber auch
andere sind daran beteiligt gewesen. Leider sind wir über seine Tätigkeit
noch nicht genügend unterrichtet. Eine kurze Skizze gibt E. Kramm, Meister
Eckeharts Terminologie in ihren Grundzügen dargestellt, ZfdPh. 16, 1 ff.
336 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Über Eckliarts Bedeutun.ir ist man sich allijemcin einig. „Gar manches,"
sagt Eucken 118, „was wir der deutschen Sprache als Naturi^abe zuschreiben
niöcliten, verdankt sie vor allem Eckhart. Wie sich seine Persönlichkeit in
ihrer Hoheit, Innigkeit und Macht auch in der Sprache bezeugt, wie gewaltig
er das Vorhandene bewegt, um es zum Ausdruck seiner Geisteswelt zu
bilden, wie selbständig und kühn er auch mit Neuschöpfungen vorangeht,
das verdiente in der Tat eindringende Untersuchung." Kramm fügt dem
hinzu (S. 3): „Und fürwahr! Wer mit Eckehart sich beschäftigt hat, weiß,
wie sein geistiger an die den Himmel stürmenden Titanen erinnernder
Riesenlauf auf das treueste in des Meisters Sprache sich spiegelt; Eckehart
schwelgt förmlich in dem Genüsse, die Muttersprache zum ersten Male mit
sich zu führen hinab in die Tiefen seiner spekulativen Erörterung und hinauf
in die Höhen intellektuellen Schauens." Ein etwas glücklicherer Stern als
über Notker hat über Eckhart gewaltet. Manche seiner Worte sind geblieben.
Charakteristisch sind für ihn die vielen Ausdrücke auf -heit: einekeit, einvaltekeit,
enpfindliiiisit, ewikeit, friheit, gotheit, gnintlosekeit, klarheit, hohrit, innekeit. iiplidieit.
üterkeit, manicvaltekeit, mensdiheit, mügelidieit, natiurlidieit. sinnelidieit. imbegrifeüdieit,
urspninglidieit, verstendikeit, Verworrenheit, vollekonimenheit, weltlidieit, wesentheit, würk-
lidikeit 'sreoyeia, zitlicheit. Dazu kommen aber noch andere charakteristische Ausdrücke:
angeborn, begirde. begrif, begrifunge 'Inbegriff. Umfang", bezeidienunge, bild 'forma, species',
bildiing, eigenlidi, eigentuom. ersdunen, fürsatz, enpfinden. griintlos, hindernüsse, inbilden
und ftzbilden, inbildnng. indruc, influz, innewendig, üzwendig, miteliden 'gemeinsames
Leiden', neigung. sdiöp/ung. unsinn, Unvernunft u. a.
Wenn viele dieser Worte noch heute fortleben, so hat doch natürlich
manches eine andere Bedeutung angenommen.
In der Folgezeit setzt sich die Verdeutschungstätigkeit fort.
Durch Luther ist manches neu geschaffen, vor allem das Ältere erst allgemein ver-
breitet worden. Wir finden bei ihm: Bedingung, Bildnis, Empfindung, folgen.
Freiwille, freiwillig, Gelegenheit 'opportunitas'. Gewissen, Pflidit 'rechtliche
Verbundenheit', deutlidi, Erfahrung, Ersdieinung, Fühlen, angeboren, ein-
geboren u. a. Wenig bedeutend als Sprachschöpfer erscheint Paracelsus. ,Am bemerkens-
wertesten dürfte sein, daß er den Terminus Erfahrung zu spezifisch wissenschaftlicher
Verwendung bringt. Die Ausdrücke Verstand und Vernunft scheiden sich so, daß
jener, als dem mittelalterlichen intcllectus entsprechend, übergeordnet wird. Ort steht hier
im neuern Sinn; ferner erscheinen Auszug = Extrakt, erfolgen (kausal wie bei Luther),
notwendig." Eucken 125. Dazu kommen durch ihn eine Reihe von Fremdwörtern aus
der Scholastik: Argument, Zentrum, Kriterium, Doktrinen, Experiment, Fan-
tasey, Massa, medianisdi. Mikrokosmos, Praktik und Theorik, Proba, Pro-
zeß, Sophist, Spekulation, Substanz, quinta essentia.
Weiter ist unsere Kenntnis der philosophischen Sprache durch eine
Abhandlung Prantls, Abhandlungen der kgl. bayer. Akademie der Wissen-
schaften, I.Klasse, VIII. Band, I.Abteilung, München 1856, bereichert worden.
Prantl hat die beiden ältesten Kompendien der Logik in deutscher Sprache,
das eine von Fuchsperger (F.) 1533, das andere von Bütner (B.) 1576,
untersucht. Nach einer Charakteristik beider Werke stellt er ihre Termino-
logie zusammen und fügt zur Vergleichung nicht nur die entsprechenden
Ausdrücke Notkers hinzu, sondern auch die der deutschen Rhetoriken, die
§ 199. L. Die Sprache der Philosophie. 337
seit den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts im Interesse der juristischen
Praxis zahlreich verfaßt wurden.
Alle vier haben: communis — gemein. N. Rh. F.: contrarius — xi'iderwertig: signi-
jicare — bezeichnen. Rh. F. B. : circumstantiae — Umbständ; compositio — Zusammen-
setzung: definitio — Besdireibung: impossibile — unmöglidi: qualitas — Eigenschaft;
quantitas — Größe. F. Rh.: accidens — zuf ellig Aygensdiafft; argumentum — Anzug:
causa efficiens — würcklidi Ursach ; causa materialis — materlidi ilrsadi: Converter e —
umbkeren: conversio — umbkerung: effectus — Volge: exemplum — Beispiel: finitio —
Beschreibung: substantia — aigentlich Wesen. F. B.: necessarius — notwendig. Die Rh.
haben für sich: inductio — Erfahrung. An aufgenommenen Fremdwörtern hat F. pro-
bieren B. Maximen.
Ein sehr bedeutsamer, kräftig wirkender Geist tritt uns in Jakob Böhme
entgegen, dem wir sprachlich mancherlei verdanken. Hier tritt Zweck zu-
erst in philosophischer Verwendung auf, Auswicklnng und sich aus-
wickeln im Sinne unseres entwickeln. Begriff ist oft 'Vorstellung' im
neuern Sinn; Begreiflichkeit, Umstände 'species, Qualitäten', Unend-
Jidikeiten, Ungrund, Vielheit, Naturrecht, Natursprache, Ver-
nunftschlüsse, Wohltun, Wohlwollen. An fremden Ausdrücken führt
er ein: theosophisch, historischer Glaube, qualifizieren.
Was bis zum Schlüsse des 17. Jahrhunderts geleistet war, findet man
im wesentlichen bei Stieler verzeichnet. Eucken merkt aus ihm folgende
Ausdrücke an:
ableiten, Beschaffenheit 'qualitas', Beziehung, Deutlichkeit, Einteilung,
■entwid:eln, Fertigkeit, das Gefüle, Gegensatz (nicht technisch logisch), Gegen-
stand 'oppositum, pars adversa, objectum', Gemeinwesen, Gemütsbewegungen,
Gemütskräfte, Genauigkeit 'Sparsamkeit', Kunstwort 'terminus technologicus',
Leidenschaft, Mitleiden, Sdiluß, sdiließlidi, Sdilußsatz 'conclusio', sdileditweg,
Sinnbild, Stoff, Urbild, Urwesen 'Element, Natur', Unlust, Vernunftschluß,
■verursachen, vorstellen, Vorstellung (aber noch nicht in der spätem psychologischen
Bedeutung), wahrsdieinlich, Wahrscheinlichkeit, Endursadie 'causa finalis'.
Auch Leibnizens ist hier zu gedenken, der durch seine „Unvorgreif-
lichen Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen
Sprache" 1697 seine Liebe zur Muttersprache bekundete. Seine deutsche
philosophische Sprache verdiente eine besondere Untersuchung.
An neuen Worten scheinen bei ihm zuerst aufzutreten: Beweisformen, Endzweck,
Gesidit-Punkt, Grundbeweis, Schlußfolge, Schlußformen, Selbstwesen "Sub-
stanz', Verhaltung 'proportio'. Naturell wird eingebürgert und Idee im neuern Sinn,
ähnlich Umstand, Gesdilecht, Unterschied, Lust und Unlust, Vernunft- und
Erfahrungsgründe, Urteil, Begränz ung 'definitio', Logik = Vernunftkunst oder
Denkkunst, Ontotogie = Wesenlehre.
Chr. Thomasius hat eine unvergeßliche Bedeutung für die deutsche
Sprache, da er zuerst Vorlesungen in deutscher Sprache hielt. Daß er dabei
notwendig zu neuen deutschen Ausdrücken geführt wurde, versteht sich von
selbst. Aber was er geleistet hat, läßt sich bis heute noch nicht klar er-
kennen. Er schwankt vielfach hin und her zwischen verschiedenen Aus-
drücken für den gleichen Begriff, und das ist zweifellos ein Hindernis für
einen sichern Erfolg. Eucken führt als bei ihm auftretend an: Einbildungs-
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 22
338 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
kraft, Gemiits-Neigiingen, Weltweisheit, Absidit, Motive, ge-
sunde Vernunft.
Unbestritten und unbestreitbar ist aber die Stellung, die Christian
Wolff in der Verdeutschung und Festlegung der philosophischen Ausdrücke
einnimmt. Wenn Wolff als selbständiger Philosoph keine besondere Be-
deutung hat, so war er doch seinerzeit eine Größe, der man begeisternd
huldigte, und deren Anschauungen man folgte. Wolff war eben maßgebend,
und da er klar und folgerichtig seine fremden und seine deutschen Aus-
drücke wählte, da er Bücher über Bücher schuf, so ist es kein Wunder,
daß er einen starken Einfluß ausübte. Über Wolffs Sprache besitzen wir
die anziehende Studie von Piur. Dieser sagt S. 20: „Wie Wolffs gesamte
Philosophie eine großartige Systematisierung der verschiedensten philo-
sophischen Richtungen, so ist auch seine Sprache und Terminologie ein
Erzeugnis, das zum größten Teil auf früheren Versuchen beruht, nur daß
er hier doch selbständiger erscheint als in der Philosophie. Wolff hat wenig
deutsche Termini neu geschaffen, und doch gebührt ihm der hervorragendste
Anteil an der Schöpfung der wissenschaftlichen deutschen Sprache. Gerade
die Vermeidung der Einführung neuer willkürlich geschaffener Ausdrücke,
ein Mißgriff, an dem so viele Bemühungen der Sprachgesellschaften ge-
scheitert sind, gerade der Umstand, daß er den vorhandenen Sprachschatz
für die Bildung wissenschaftlicher Termini benutzt, gerade das machte ihn
so groß und ermöglichte einzig und allein seine Wirkung. Was die Sprache
der Scholastik und Mystik an brauchbaren deutschen Ausdrücken aufwies,
was die Theosophen des 17. Jahrhunderts, was die Sprachgesellschaften in
kühnen Anstrengungen versucht hatten, was zum Teil längst verschollen
war oder hier und da unter der Asche nur noch glimmte, das hat er her-
vorgeholt, teils in der alten Bedeutung gelassen, meist aber mit neuem
Inhalt erfüllt und so, wie es Leibniz in den 'Unvorgreiflichen Gedanken'
wünscht, die alten Worte und Reden als güldene Gefäße der Egypter ihnen
abgenommen, von der Beschmutzung gereinigt und zu dem rechten Ge-
brauche gewidmet. Was Leibniz an deutschen Worten geschaffen, ohne daß
ihm ein Echo entgegenscholl, was der buntschillernde Thomasius durch
sein wunderbar reiches sprachschöpferisches Talent spielend hervorgebracht
hatte, allerdings nie greifbar und in seinen Ausdrücken stets variierend,
alles das macht sich Wolffs umsichtiges Sprachgeschick zunutze, indem es
auch hier manche Ausdrücke fallen läßt, manche annimmt, manche neu
fixiert. Was endlich in der Sprache der Literatur jener Zeit vorhanden war.
benutzt er, um ihm einen technischen Inhalt, 'eine abgemessene Bedeutung',
wie er es selbst nennt, zu geben oder etwaige Synonyma gegeneinander
abzugrenzen, oder was einen spezifisch technischen Inhalt hatte, in all-
gemeinerem Sinne zu verwenden. Überall tut sich ein entschiedenes und
feinfühliges Verständnis der deutschen Sprache kund." Wie bedeutend
Wolffs Einfluß den Zeitgenossen erschien, erhellt schon daraus, daß 1737
§ 200. M. Die Sprache der Mathematik. 339
Heinrich Adam Meissner ein Philosophisches Wörterbuch herausgab, „dar-
innen die Erklärungen und Beschreibungen Herrn Christian Wolffens sorg-
fältig zusammengetragen", Bayreuth und Hof.
Bei dieser Bedeutung Wolffs hat es aber keinen Zweck, hier Einzel-
heiten anzuführen, in betreff derer ich vielmehr auf Piur verweise.
Je mehr sich nun in der folgenden Zeit die Philosophie und die philosophische Bil-
dung verbreitet, um so genauer wird ihre Sprache festgelegt, und es sind natürlich eine
ganze Reihe von Männern sowie alle großen Philosophen an der Ausbildung beteiligt.
Von Baumgarten stammt Ästhetik für 'Lehre vom Schönen', er verwendet Erschei-
nung im weitern technischen Sinn, subjektiv und objektiv beginnen hier die neuere
Bedeutung anzunehmen, Absicht, Zweck und Endzweck werden voneinander geschieden.
»Tetens verdanken wir die systematische Durchbildung und Befestigung der psycho-
logischen Terminologie, auf den hier festgelegten Grundlagen ist bis zur Gegenwart fort-
gebaut." Andere neue Ausdrücke des 18. Jahrhunderts, die auch in philosophischem Sinne
gebraucht werden, ohne daß ihr Urheber feststeht, sind: Ausdruck, Bildung (auf den
Geist übertragen), Einheit, sidi ergeben (kausal), Ergebnis, Folgerung, Fort-
schritt, Gesinnung, Hinsidit, Mitleid, Nadisidit, nachsichtig, das Ohngefähr,
Reiz, Tendenz, Tatsache, Zustand. Die weitere Entwicklung der philosophischen
Ausdrucksweise zu verfolgen müssen wir hier unterlassen. Dank den bisherigen Unter-
suchungen sehen wir hier klarer als auf andern Gebieten, aber doch fehlt noch außer-
ordentlich viel, eh alles aufgehellt wäre. Sicher aber ist die Geschichte der philosophischen
Termini ein Teil der Philosophie selbst, und man kann gerade auf diesem Gebiete so recht
die Bedeutung und Bedeutsamkeit der Wortforschung erkennen.
§ 200. M. Die Sprache der Mathematik.
Literatur: Felix Müller, Zur Terminologie der ältesten mathematischen Schriften
in deutscher Sprache; Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik. Zeitschr. i. Mathematik
und Physik, Band 44, 1899, Supplement. Festschrift für Cantor S. 303— 333. — PiUR, Studien
zur sprachlichen Würdigung Christian Wolffs S. 36. — Alfred Schirmer, Der Wortschatz
der Mathematik nach Alter und Herkunft untersucht. Beiheft zum 14. Bd. der ZfdW. Straß-
burg 1912. Dies ist eine Darstellung in lexikalischer Form mit reichen Belegen. — A. Götze,
Anfänge einer mathematischen Fachsprache in Keplers Deutsch. (Germ. Studien hrsg. von
E. Eberiag, Heft 1, Berlin 1919.) Vgl. dazu H. Wocke, Neue Jahrb. II. Abt. Bd. 46, 93 ff.
Die mathematischen Ausdrücke sind ursprünglich nicht deutsch, sondern,
der Entwicklung der Mathematik entsprechend, griechisch, lateinisch, arabisch,
italienisch, französisch, englisch. Seit alten Zeiten werden indessen Versuche
gemacht, diese fremden Ausdrücke zu verdeutschen. Manches ist verloren
gegangen, anderes hat sich erhalten, und heute ist wenigstens die Schul-
mathematik erstaunlich weit in der Verdeutschung gekommen. Was in älterer
Zeit versucht und geleistet ist, darüber gibt Müllers Abhandlung gute Aus-
kunft. 1) Soviel aber auch an Verdeutschungen vorlag, durchsetzen konnten
sich diese nicht, und es blieb auch hier wieder Chr. Wolff vorbehalten,
zwar nicht die deutsche mathematische Bezeichnungsweise zu schaffen, aber
doch fest zu begründen. Außer durch seine Schriften wirkte er durch
sein mathematisches Lexikon, darinnen sämtliche zur Mathematik gehörige
Worte . . . erklärt werden, Leipzig 1716. Ein umfangreicheres Werk auf
^) Über die Bedeutung Keplers s. die beiden letztgenannten Aufsätze.
22^
340 Zwölftes Kapitel. Die Sondersprachen.
Grund von Wolffs Buch, aber nicht von Wolff verfaßt, ist das vollständige
mathematische Lexikon, Leipzig 1742, 1747.
Wolffs Vorgehen auf dem Gebiete der Mathematik entspriciU ganz dem in der Philo-
sophie. So übernimmt er aus altern Werken die Ausdrücke: Nenner, Zähler, Punkt,
Linie, Winkel, Ebene, Maßstab, verjüngter Maßstab, Bogen, Senne (— Sehne),
Würfel, Kegel, Kugel, Dreieck, Viereck, Halbmesser, Grundlinie, Grund-
flädie, Durdtsdmitt. oder er trifft unter verschiedenen Ausdrücken eine Auswahl, und
der von ihm bevorzugte Ausdruck bleibt, so Durdimesscr, Umfang, Oberflädie.
Bei andern behalt er die lateinische Foran bei, und wir sind ihm darin gefolgt: Zylinder,
Peripherie, Quadrant, Parabel, Quadrat, Trapez, Rhombus, Fixstern,
Planet, Mathematik. Er übernimmt aber mit genauerer Beschränkung der Bedeutung
Lehrsatz, Aufgabe, Verhältnis. Andere Ausdrücke übersetzt er neu: Aussdinitt ,
Absdinitt, und eine Anzahl scheint er auch neu geschaffen zu haben: Nebenwinkel,
Wediselwinkel, Gleidiung, höhere Gleidiung, Größe, Glied, Einfallswinkel,
Einfallslinie, Brechungswinkel, Brennpunkt, Ruhepunkt, Schwerpunkt,
Strahlenbrechung, Abweidiung (der Magnetnadel), Wasserstand, Gefälle. Eine
ganze Anzahl von Ausdrücken dringen erst seit Wolff durch: Versudi 'experimentum',
Ausdehnung't\itns\on, Hebel, Flüssigkeit, Gesdiwindigkeit, Wärme, Gesetz,
Erdferne, Bahn (der Körper), Breite, Länge, Entfernung, Abstand, Lage,
Gesichtskreis, Aufriß, Umriß, Abriß, Wohlgereimtheit, Schnörkel, Spiel-
raum, Böschung, Abdaduing, Angelpunkt, Frühlings- und Herbst-Nadit gleiche,
Polhöhe, Tagesa nbrudi, Abenddämmerung, Berührungspunkt, Gesichtslinie.
Noch wichtiger sind „eine Reihe allgemeiner mathematischer und
physikalischer Begriffe, die bisweilen zwar auch auf älteren gelegentlichen
Gebrauch zurückgehen, zumeist aber erst jetzt durch den Aufschwung der
mathematischen Wissenschaften als bestimmte mathematische Termini Gel-
tung erlangen konnten". Hierher gehören: Schwere. Kraft, Last. Raum,
Zeit, (geometriscfier) Ort, Bewegung, Größe, Ähnlichkeit, Einheit,
Verhältnis, Aufgabe, Auflösung, Beweis, Zusatz, Lehrsatz, Satz,
Grundsatz, Bedingung, Aussage.
Seitdem ist an Verdeutschungen ja noch einzelnes hinzugekommen,
w\& Ankreis, Ansatz, Ast oder Zweig einer Kurve, Hyperbel, Außen-
winkel, echter Bruch, erweitern (einen Bruch), goldener Schnitt,
Kettenbruch, Lot, Gleisen (Parallelen), Posten (Summand), Vorzeichen,
aber es ist das wenig im Verhältnis zu den Leistungen der frühern Zeit.
Weit bedeutender als Sprachschöpfer als Wolff ist jedenfalls Sturm in
seinen verschiedenen Werken. Aber trotzdem bleibt es bestehen, daß erst
durch Wolff die mathematischen Ausdrücke festgeworden sind.
§ 201. N. Die Sprache der Grammatik.
Literatur: R. Vortisch, Grammatische Termini im Frühneuhochdeutschen, Freiburger
Diss., Basel (1910). — Ernst Leser, Geschichte der grammatischen Terminologie im 17. Jh..
Freiburger Diss., Lahr (Schauburg) 1912. — Derselbe, Fachwörter zur deutschen Grammatik
von Schottel bis Gottsched. 1641—1749. ZfdW. 15, 1—98. — G. Krüger, Die Fachbezeich-
nungen der Sprachlehre und ihre Verdeutschungen. SA. aus Verf. Syntax der englischen
Sprache? 1917.
Als sich die ersten Versuche regten, auch das Deutsche grammatisch
zu behandeln, zwängte man es in das Prokrustesbett der lateinischen Gram-
§ 201. N. Die Sprache der Grammatik. 341
matik und behielt natürlich auch die lateinischen Ausdrücke bei. Aber auch
hier zeigte sich bald Besserung, und die deutschen Grammatiker haben
versucht, deutsche Ausdrücke zu schaffen. Solange es nur gelehrte Schulen
gab, an denen selbstverständlich Latein gelehrt wurde, konnte man sich
die lateinischen Ausdrücke zur Not gefallen lassen; seitdem aber auch die
den grammatischen Unterricht genossen, die keine fremde Sprache erlernten,
mußte man zu deutschen Ausdrücken greifen, und heute sind diese in unsrer
Volksschule vollständig durchgeführt. Nur in den Gymnasien hält sich noch
die lateinische Ausdrucksweise, die deutsche ist so gut wie unbekannt. An
der Schaffung der deutschen Ausdruckweise haben eine ganze Reihe Gram-
matiker mitgewirkt, über deren Tätigkeit wir jetzt durch die Arbeit von
Leser gut unterrichtet sind. So anziehend es wäre, die Entwicklung auf
diesem Gebiete darzustellen, so verzichte ich doch darauf, hier näher darauf
einzugehen, da mir der Raum fehlt. Zu bemerken wäre nur, daß auch auf
diesem Gebiet die verschiedensten Verdeutschungen versucht sind, bis der
rechte Ausdruck gefunden wurde. Was wir heute davon haben, wie Haupt-
wort, Zeitwort, Eigenschaftswort, das ist nicht gleich auf den ersten
Anlauf gefunden, sondern hat meistens eine lange Geschichte. Jedenfalls
muß weiter auf diesem Gebiet gearbeitet werden. Vgl. hierzu Kl. Bojunga,
Einheitliche deutsche Fachwörter zur Sprachlehre, ZfdU. 28, 417 ff.
Die neuere sprachwissenschaftliche Grammatik hat leider ihre Aufgabe
hinsichtlich der Terminologie nur schlecht erfüllt. Sie ist nicht den Spuren
Jak. Grimms gefolgt, der den trefflichen Ausdruck Ablaut geschaffen hat,
sondern sie hat die wissenschaftlichen Werke mit einer Fülle fremder Aus-
drücke überschwemmt. Die Inder, deren Sprache sich als ein so wertvolles
Glied des Indogermanischen erwies, haben das Bedeutendste auf dem Ge-
biete der Grammatik geleistet, und da das Studium des Sanskrit eine Zeit-
lang fast Modesache war, da mindestens jeder Sprachforscher Sanskrit gelernt
haben mußte, so war es kein Wunder, daß man eine Fülle von grammatischen
Ausdrücken des Sanskrit herübernahm. Man sprach von Svarabhakti 'Vokal-
entfaltung zwischen Konsonanten', Sandhi 'Beeinflussung der im Auslaut
stehenden Laute durch das folgende Wort', Dvandva-, Bahuvrihi-Kom-
posita usw. Glücklicherweise ist diese Zeit vorüber. Freilich braucht die
Sprachwissenschaft noch immer neue Ausdrücke. Wer aber nötig hat, ein
neues Wort zu bilden, der sollte daran denken, daß auch mit deutschem
Sprachgut neue und gute Ausdrücke geschaffen werden können.
Damit stehen wir am Ende der Betrachtung, die den Sondersprachen
gewidmet war. Je mehr sich unser Volk im Laufe der Zeit in einzelne Be-
rufe und Stände verzweigt hat, um so mehr hat sich auch der Wortschatz
verzweigt, und es erhellt wohl aus dem Angeführten zur Genüge, daß nur
eine eingehende Untersuchung jedes einzelnen Gebietes uns zu dem Ziel
führen kann, das die Wortforschung im Auge haben muß, die allmähliche
342 Dreizehntes Kapitel. KuLiuKüEstiiicHTLiCHES in unsrer Sprache.
Entstehung des deutschen Wortschatzes aufzuhellen. Es muß noch viel Arbeit
geleistet werden, eh dies auch nur notdürftig geschelien ist, aber ich glaube
gezeigt zu haben, daß hier eine dankenswerte und auch eine den Forschenden
befriedigende Aufgabe vorliegt. Mögen diese Ausführungen zu neuen Unter-
suchungen anregen. Gern wäre ich auch auf die Sprache der Naturwissen-
schaften eingegangen, die nicht wenige Ausdrücke neu geschaffen hat, aber
mir fehlt ein Einblick in die Verhältnisse dieser Wissenschaften.
Manches ist auch übergegangen, was vielleicht Beachtung verdient hätte.
So hat das Parlament seine besondere Sprache, über die in der Frank-
furter Zeitung Nr. 325 vom 24. 11. 1910 und Nr. 329 vom 28. 11. 1910 ge-
handelt ist. Da wir in unsrer Entwicklung auf diesem Gebiet von England
und Frankreich abhängig sind, so kann es nicht wundernehmen, wenn wir
in unsern Ausdrücken von den Sprachen dieser Länder abhängig sind.
Zum größten Teil handelt es sich um Übersetzungslehnworte: Tagesordnung, frz.
ordre du jour; — Vertagung, e. adjournement; — zur Ordnung rufen, Uz. rappeler
ä l'ordre; — Thronrede, e. speedi frorn the throne-. — der Tisdi des Hauses, e.
table of the house; — ein Gesetz einbringen, e. introduce a bill; — Jungfern-
rede, e. maidenspeadi.
Die besondern Ausdrücke für das Turnen verdanken wir im wesent-
lichen Jahn. Von ihm stammt ja vor allen Dingen das Wort turnen selbst.
Er schuf es nach dem bei Moscherosch vorkommenden Turner 'junger
Soldat, ein frischer, junger Gesell', das im letzten Grunde auf das mittel-
hochdeutsche Turnier zurückgeht. Weiter hat er dann Barren, Hantel,
Reck und andere Worte gebildet.
Über die Dienstbotensprache hat H. Klenz, ZfdW. 11,225—235
eine kleine lehrreiche Abhandlung geschrieben. Die Sprache des modernen
Arbeiters behandelt O. Basler, ZfdW. 15, 246.
Dreizehntes Kapitel.
Kulturgeschichtliches in unsrer Sprache.
§ 202. Überblick. Auf die reichen kulturgeschichtlichen Niederschläge,
die wir in unserm Wortschatz antreffen, haben wir fast in allen frühern
Abschnitten aufmerksam gemacht, und es ist geradezu erstaunlich, wie viel
sich von den Zuständen und Einrichtungen durch die Sprache erkennen
läßt. Diese kulturgeschichtliche Bedeutung ist denn auch längst beachtet
worden. Sie hat auf viele stets eine lebhafte Anziehungskraft ausgeübt.
Ich hoffe, daß auch mein Buch dazu dienen wird, diese zu vermehren.
Wir kommen hier auf diesen Gegenstand noch einmal zurück, weil es
nicht wenige Tatsachen gibt, die sich in dem Rahmen der frühern Abschnitte
nicht unterbringen ließen, und daher sei an dieser Stelle noch auf einige
Punkte, besonders aber auf einige Bücher hingewiesen, in denen man nach
dieser Richtung Belehrung findet.
§ 202. ÜBERBLICK. 343
Auf den hohen Wert, den die kulturgeschichtlichen Reste in der Sprache für den
Unterricht haben, hat schon R. Hildebrand, Vom deutschen Sprachunterricht^ S. 89 ff.,
hingewiesen. Besonders viel Altertümliches steckt in den sprichwörtlichen Redensarten.
Diese sind behandelt von Borchardt-Wustmann, Die sprichwörtlichen Redensarten im
deutschen Volksmunde nach Sinn und Ursprung erläutert, 5. Auflage, Leipzig 1895. Das
Buch bietet vortrefflichen Stoff mit guten Erklärungen. Es berührt sich im Stoffgebiet eng
mit den beiden Büchern von H. Schrader, Der Bilderschmuck der deutschen Sprache in
Tausenden volkstümlicher Redensarten, 2. Auflage, Weimar 1894, und Aus dem Wunder-
garten der deutschen Sprache, Weimar 1896. Einen kurzen Überblick mit manchem Be-
achtenswerten bietet G. Blumschein, Kulturgeschichtliches in unsrer Sprache, WB.z. ZADSV.
1, 108 ff., 145 ff. Auch Fr. Härder, Werden und Wandern unserer Wörter. Etymologische
Plaudereien, S.Auflage, Berlin 1906, sei hier genannt. Das Buch behandelt nach sachlichen
Gesichtspunkten geordnet eine Reihe von Wörtern der heutigen Sprache ihrer Herkunft nach.
Ferner O. Weise, Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen, Leipzig 1895 und öfter.
Betrachten wir unsere heutigen Zustände, so sind wir unzweifelhaft die
Erben der altern Vergangenheit, und wenn man das 19. und 20. Jahrhundert
voll verstehen will, muß man in die fernsten Zeiten zurückgehen. Wir haben
uns nicht allein aus den Zuständen des Mittelalters heraus entwickelt, sondern
wir stehen auch auf den Schultern der Griechen und Römer, ja des alten Orients.
Dieser hat uns ja dementsprechend auch manches Lehnwort gespendet.
Es wäre eine dankenswerte Aufgabe, die ganzen geschichtlichen Ein-
wirkungen dieser Art, die sich in unsrer Sprache niedergeschlagen haben,
in ihrer Folge darzulegen. Indessen müßte dabei vieles Gesagte wieder-
holt werden, und wir greifen daher hier nur einige Punkte heraus, die
noch nicht zur Sprache gekommen sind, geben aber doch auch einige
allgemeine Bemerkungen.
Mit Hilfe des Wortschatzes ist es möglich, die Kultur der Indogermanen
zu erschließen, und wir haben nach dieser Richtung in dem genannten
Kapitel einige Andeutungen gegeben, obgleich diese Frage ja eigentlich über
den Rahmen dieses Buches hinausführt. Klarer tritt uns dann an der Hand
des Wortschatzes die gar nicht geringe Kultur der Germanen entgegen.
Deutlicher konnten wir den kulturellen Einfluß der Griechen und
Römer an der Hand der Lehnworte nachweisen. Besonders bemerkenswert
ist hier die durch die Goten vermittelte Einwirkung des griechischen Wort-
schatzes, der uns einen Einblick in die Bedeutung der gotischen Kirche
bietet und zugleich Aufschlüsse gewährt, von der keine Geschichte meldet.
In den geschichtlichen Zeiten werden solche überraschende Aufschlüsse
ireilich seltener, aber sie fehlen natürUch niemals ganz.
Daß die antiken Sitten und Anschauungen noch mehrfach bei uns nachwirken, wird
bei den Ausdrücken für Sterben (unten § 204) zur Sprache kommen. Das Bild des Lebens-
fadens ist griechisch. Von den römischen Gladiatorenspielen stammt die Redensart:
jemand den Daumen halten. Sollte der verwundete Gladiator am Leben bleiben, so
kniff man den Daumen ein und hielt die vier andern Finger in die Höhe. Zankapfel
ist nach dem pomum Eridis im 16. Jahrhundert gebildet. Wir sprechen von Achilles-
ferse, Danaergesdienk, Pyrrhussieg, Sisyphusarbeit, Tantalusqualen usw.
Aus unsrer eigenen primitiven Vorzeit rührt noch die Redensart: die Tafel aufheben,
älter den Tisdi aufheben her. Die Tische wurden tatsächlich hinausgetragen. Derartiges
344 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachl. Versteinerungen.
haben wir schon verschicdenflich kennen gelernt. Wir wollen hier nur noch einige all-
gemeine Gebiete berühren, die bisher nicht zur Sprache gekommen sind. Aus dem Kreis
der Zauberei stammen die Redensarten: einem blauen Dunst vormadien, sein
blaues Wunder sehen. Etwas aus dem Ärmel sdiütteln rührt vom Taschenspieler
her. Über die mittelalterlichen Schützenfeste und ihre Nachklänge in der Sprache spricht
Blumschein a. a. O. 150 f. Das Wort Zweck, eigentlich 'Zielpflock' hat sicher seine
übertragene Bedeutung von dem Scheibenschießen aus erhalten. Er heißt noch bei Fischart
er sdioß zum Zwedi. Ebendahin gehören ins Sdiwarze treffen, den Vogel ab-
sdiießen. Der Hauptpreis hieß das Beste, und damit hängt sicher unser zum besten
geben, eigentlich 'als Preis aussetzen' zusammen.
Welche Nachwirkungen aus der Sprache der Künste noch jetzt zu
finden sind, ist noch nicht genügend untersucht. Aus der Malerei stammen
kasdiieren und vertusdien. Über die Musik ist oben gesprochen worden.
Auch das Kartenspiel ist von Wiciitigkeit. Wenn man bedenkt, daß jetzt schon
aus dem doch jungen Skatspiel volkstümliche Redeweisen wie etwas in den Skat legen
oder im Skat liegen geflossen sind, so wird man gleiche Einwirkungen auch für die
altern Zeiten voraussetzen dürfen. Wir gebrauchen ganz gewöhnlich in übertragenem
Sinne: abtrumpfen, übertrumpfen, einen Trumpf darauf setzen, sidi nidit
in die Karten sehen lassen, va banque spielen, Farbe bekennen. Unverständlich
aber ist schon einen labet madien, worin frz. faire la bete steckt. Vor allem abergeht
die böse Sieben auf das Kartenspiel zurück. In des Teufels Karnöffelspiel, einem Spiel
des 16. Jh., war die Sieben eine Freikarte, die von keinem Blatt gestochen werden konnte
und die der Teufel oder 'die böse Sieben' hieß. Man hat später das Bild einer Frau
darauf angebracht, und so ist unsere heutige Gebrauchsweise entstanden. Über weitere
Ausdrücke vgl. H. Schr.ader a. a. O. 448. Die außerordentlich hohe Bedeutung des Schach-
spiels zeigt sich darin, daß der Ausdruck matt, ja sogar s dj a di m a 1 1 herübergenommen wurde.
Das sind nur noch einige Beispiele zu dem früher bereits Angeführten.
Erschöpfend kann der Stoff überhaupt nicht vorgeführt werden. Jeder Band,
ja jede Seite eines ausführlichen Wörterbuches bietet neue Belege. Es ist
aber nicht immer leicht, der ursprünglichen Herkunft eines Wortes nach-
zukommen. Oft wird sie nur durch den Zufall aufgedeckt. Wenn wir heute
Jalousie gebrauchen, so empfindet man wohl, daß es das französische
Jalousie 'Eifersucht' ist, und da wir nicht so eifersüchtig sind, um unsere
Frauen hinter vergitterten Fenstern einzuschließen, so wird man naturgemäß
nach dem Orient geführt, wo diese Vergitterung für das Frauengemach
üblich war. Wir würden aber dennoch im Dunkeln tappen, wenn wir nicht
eine Bemerkung bei Nehring 1710 fänden, in der es heißt: „In dem Divan
zu Constantinopel über dem Haupt des Großveziers ist ein Fenster mit
einem eisernen Gitter, durch welches der Großsultan alles was im Divan
passiert, sehen kann, welches man la Jalousie nennet."
Wir werden unten eine große Anzahl von Worten anführen, die, aus
Eigennamen entstanden, heute eine allgemeine Bedeutung angenommen
haben. Welche Rolle dabei der Zufall spielt, liegt klar zutage. Man hat
aber diese Worte nur soweit aufzuklären vermocht, als die geschichtliche
Überlieferung uns die allmähliche Entstehung des Wortes verfolgen läßt. So
kennen wir die Herkunft des Ausdrucks Röntgenstrahlen, wir wissen, wo-
her Chassepot, Maasergewehr stammen. Was aber heute möglich ist, näm-
§ 203. Das aufgegebene Sprachgut. 345
lieh daß Sachen nach Individuen benannt werden, das hat auch früher ge-
schehen können. -In solchen Fällen versagt dann aber die Möglichkeit
der Erklärung und darum bleiben noch so manche Wörter völlig dunkel.
Vierzehntes Kapitel.
Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachliche Versteinerungen.
§ 203. Das aufgegebene Sprachgut. In unsrer Sprache herrscht nicht nur
ein Leben, das immerfort neue Wörter schafft, sondern in gewissem Sinne
auch ein Verfall, es sterben Wörter aus. Schon das Mittelhochdeutsche zeigt
uns zum Teil einen Sprachschatz, den wir heute nicht mehr besitzen.
Anmerkung. Vgl. hierzu auch die Arbeit von Alice Vorkampff-Laue, Zum Leben
und Vergehen einiger mhd. Wörter. Halle (Niemeyer) 1906. — P. Abel, Veraltende Bestand-
teile des mhd. Wortschatzes. Diss. Erlangen 1902. — Bernt, Ausgabe der Werke Heinrichs
von Freiberg. Halle 1911, Einleitung S. 11 ff.
Noch größer ist unser Verlust gegenüber dem Althochdeutschen und
Gotischen.
Aus dem einen gotischen Buchstaben b sind folgende verlorene Wortstämme zu
nennen: baidjan 'zwingen', bairan 'tragen', bairhts 'hell, offenbar', balwa- 'böse', banja
'Wunde', barizeins 'gersten', barnis 'Busen, Schoß', barn 'Kind', barusnjan 'verehren',
ufbauljan 'aufblasen', baiips 'stumm', beidan 'warten', beist 'Sauerteig', berusjös 'Eltern',
biuhts 'gewohnt', biups 'Tisch', blandan 'vermischen', bleips 'barmherzig', blötan 'verehren',
bnaiian 'reiben', braJv- 'Blick', brakja 'Ringen', bugjan 'kaufen'.
Anmerkung. Dank der Dissertation von Schenk (oben S. 255) können wir auch
etwas über den althochdeutschen Wortschatz sagen. Er verzeichnet 58 Wörter, die außer
im keronischen Glossar noch in Glossensammlungen und zusammenhängenden Sprach-
denkmälern des 8. und beginnenden 9. Jahrhunderts belegt sind. 96 Wörter sind außerdem
noch im 9. und 10. Jahrhundert, insbesonders bei Otfrid und Tatian nachzuweisen, dann
aber verloren gegangen. Hier treffen wir sehr viel altes Erbgut.
Sicher ist demnach auch viel altes indogermanisches Erbgut verloren
gegangen. Zweifellos ist das der Fall, wenn die in andern indogermanischen
Sprachen fortlebenden Wörter in einer germanischen Mundart noch vor-
handen sind oder vorhanden waren. Dahin gehören z. B. aus dem Buch-
staben a des Lateinischen:
lat. ad, noch got. at, ahd. az; lat. aedes 'Zimmer', eig. 'Feuerstätte', ahd. eit 'Scheiter-
haufen'; lat. agnus 'Lamm', gr. d/nvög (amnös) noch in ags. eanian, e. io yean 'lammen';
lat. ago 'führe' noch in an. aka 'fahren' ; lat. albus, gr. a}.rp6g {alphös) 'weiß' in ahd. albiz
'Schwan'; lat. alias, gr. älXog (ällos) 'anderer' in got. alj'is, jetzt noch in Elend; lat. annus
'Jahr' in got. apn; lat. antae 'die frei endigenden und von etwas verstärkten Wände, die
den Pronaos eines Tempels oder die Prostas eines Hauses einschließen' noch in an. önd
'Vorzimmer'; lat. aqua 'Wasser' in got. afva; lat. orätrum 'Pflug' in an. arär; lat. arcus
'Bogen' in got. arhazna 'Pfeil'; lat. ardea 'Reiher' in an. arta 'ein Vogel'; lat. arduus
'hoch' in an. öräugr 'steil'; lat. armentum 'Großvieh' in slu. jönnuni 'Rxnd, Pferd'; lat. aro
'pflügen', ahd. erran; lat. at 'aber', got. appan 'aber'; lat. augere 'vermehren', got. aukan
'wachsen'; lat. avus 'Großvater', got. awö 'Großmutter'.
Das ist eine recht beträchtliche Zahl. Aber wenn auch im Germanischen
346 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Spr.\chgutes. Sprachl. Versteinerungen.
jede Spur eines sonst auftretenden Wortes fehlt, so kann man doch mit
Siciierheit annehmen, daß es auch bei uns einst voriianden war.
So viel ich sehe, ist Försteaunn, Geschichte des deutschen Sprach-
stammes 1, 458 ff., der einzige gewesen, der den einschlägigen Stoff zu-
sammengestellt hat. Seine Liste, die freilich heute durchaus nicht mehr
zutreffend ist, gibt wenigstens einigen Anhalt, und es ist wohl angebracht,
hier ein paar Worte anzuführen, die sonst in den indogermanischen Sprachen
mehr oder minder weit verbreitet sind, im Germanischen aber fehlen. Es
wäre eine dankenswerte Aufgabe, sie einmal vollständig zu sammeln.
Dahin gehören: aind. fkiah, lat. ursus, gr. ägxTo: {ärktos), dafür bei uns Bär; ai.
nar-, gr. ä)»;;.) {amr). szh'm. ner- 'Mann'; gr. .-rontr/y (poimtn), Wi.piemuö, dafür ///W; aind.
äs, lat. öS, dafür Mund; gr. lag (ear), lat. asser, dafür Blut; gr. ßü).avo; (btUanos), lat.
glans, dafür Eidiel; ai. javah, gr. ^eä {zeä) 'Gerste'; g\. neUrt] (melinf), lat. milium 'Hirse*;
aind. yM^'a-, lat. yw^ 'Brühe*; aind. agnüi, lit. ugn'is, lat. ignis 'Feuer' usw. Auf sonstige
Fälle ist schon gelegentlich aufmerksam gemacht worden, und zweifellos ließe sich diese
Liste leicht vermehren.
§ 204. Die Gründe für das Aufgeben der Worte.'i Die Gründe, die zum
Verlust alten Sprachgutes führen, sind völlig wohl nicht klarzulegen, aber
eine ganze Reihe von Ursachen lassen sich erkennen.
1. Zunächst bestehen für eine große Anzahl von Begriffen mehrere
Ausdrücke. Es war, wie wir gesehen haben, in früherer Zeit alles mehr
durch einzelne Wörter ausgedrückt, vgl. oben S. 98 f. Der Zug der geistigen
Entwicklung, der an die Stelle der Vielheit immer mehr die Verallgemeinerung
setzt, bedarf des einen und des andern Wortes nicht mehr und gibt es auf,
sobald die Bedeutungen zusammengefallen sind. So haben wir im Indo-
germanischen zwei Worte für Feuer, aind. agnih, abg. ogni, lit. ugnis, lat.
ignis und gr. tivq (pyr), umbr. pir, arm. hur, ahd. ßur, e. fire. Soviel ich
sehe, hat keine Sprache beide Ausdrücke bewahrt. Sie waren aber beide
im Indogermanischen vorhanden, wie daraus hervorgeht, daß das Umbrische
den einen, das Lateinische den andern kennt. Ursprünglich haben sie höchst-
wahrscheinlich etwas Verschiedenes bedeutet, wie etwa heute Feuer und Glut.
Ferner gab es mehrere Ausdrücke für Gerste: lat. hordeum, d. Gerste; lat. far, ags.
bere, e. barley; &\. javah, Wi-javal, gr. '^fä {zeä). Davon behielt man nur einen bei, hatte
aber im Urgermanischen noch mindestens zwei, e. barley und d. gerste. Eine Entsprechung
des lat. agnus 'Lamm' war im Urgermanischen noch vorhanden, wie ags. eanian, e. to
yean 'lammen' beweist, es wurde durch Lamm verdrängt, das auch alt ist, da es mit gr.
f/.aqoi {elaphos) 'Hirsch' verwandt ist. — Neben idg. *sünus stand noch das in lat. fUius
vorliegende Wort, von dem das Deutsche keine Spur bewahrt. Selbst wir haben ja noch
eine ganze Fülle verschiedener Ausdrücke für diesen Begriff Junge, Kind, Sohn mit einer
gewissen Bedeutungsverschiedenheit, und so wird es auch in alter Zeit gewesen sein. mhd.
') Literatur: A.NOREEN. Ordensdöd in , Verba im Englischen. Diss. Kiel 1908. —
Spridda Studier, Stockholm 1903, S. 126—137. Oberdörffer, Das Aussterben altenglischer
— Br. Liebich, Btr. 23, 228 ff. — F. Holt- Adjektiva und ihr Ersatz. Diss. Kiel 1908. —
HAUSEN, Vom Aussterben der Wörter. Wörter Fr. Teichert, Über das Aussterben alter
und Sachen 7, 184 ff. — E. He.mken, Das Wörter im Verlaufe der englischen Sprach-
Aussterben der Wörter im Englischen. Diss. geschichte. Diss. Kiel 1912.
Kiel 1906. — Offe. Das Aussterben alter
§ 204. Die Gründe für das Aufgeben der Worte. 347
tougen und heimlidi waren ursprünglich verschieden in der Bedeutung. Als sie zusammen-
fielen, wurde tougen aufgegeben. Dasselbe gilt von mhd. midiel und grU^, lüzzel und
klein. Für „Schwan" gab es noch mittelhochdeutsch zwei Ausdrücke swan und elbiz, von
denen der zweite fast überall verloren gegangen ist und nur noch im Bernischen fortlebt.
Beispiele dieser Art lassen sich noch viele anführen.
2. Verlust von Worten infolge lautlichen Zusammenfalls. Im
Laufe der Sprachentwicklung tritt der Fall sehr oft ein, daß Worte ver-
schiedener Form lautlich zusammenfallen. Da sich dann leicht Mißverständ-
nisse einstellen können, so verwendet man für das eine Wort gern ein
gleichbedeutendes, und dann stirbt es aus.
Ein wichtiges Beispiel bietet das alte Wort für 'Pflug' im Indischen.
Dem gr. uootqov (ärotron), lat. aratrum sollte im Indischen aritram ent-
sprechen. Da aber dies auch 'Ruder' bedeutet, einer Ablautsform zu unserm
deutschen Ruder, so ist die Bedeutung 'Pflug' verloren gegangen.
In ähnlicher Weise dürfte das Wort für 'Schwiegertochter' ahd. snura wegen des
Zusammenfalls mit die Sdinur aufgegeben worden sein. Vergleiche ferner Adit, nur noch
in Adit geben u. a. und Adit (zu äditen); Art 'gepflügtes Feld' und Art 'Art und Weise';
Aue 'Mutterschaf und Aue 'Land'; Bär 'Zuchteber' neben Bär 'ursus'; Beutel in Stedi-
bentel neben Beutel 'Säckchen"; Beute 'hölzernes Bienenfaß' neben ß^u^^ 'Gewinn'; Latte
'schmales Holz' und Latte 'jung aufgeschossener Baum'; ledien 'lambere' und ledien 'mit
dem Fuß ausschlagen'; mäkeln 'bekritteln' und mäkeln 'den Unterhändler machen'; eng-
lisdi 'engelhaft und den Engländern zugehörig'. Die erstere Bedeutung ist heute fast un-
gebräuchlich und Goethes
sie stellen wie vom Himmel sidi gesandt
und lispeln englisdi, wenn sie lügen. Faust 1141
bedarf der Erklärung. Neben Sdioß in der Bedeutung 'Mutterleib' usw. konnte sich Sdioß
'Geldabgabe' nicht halten. Zahlreiche Beispiele kann man aus Weigands Wörterbuch ent-
nehmen, wo sich sehr viele Doppelartikel finden. Gewöhnlich ist das eine der angeführten
Wörter heute nicht mehr recht üblich.
3. Verlust an Worten durch Euphemismus.
Literatur: Scheffler, Der verhüllende oder euphemistische Zug in unserer Sprache.
WBzZADS. 14. 15 (1898). — Nyrop-Vogt, Das Leben der Wörter. 1. Euphemismus. Leipzig
1903. — Hans Schulz, Frühneuhochdeutsche Euphemismen. ZfdW. 10, 129 ff.
Einen dritten Grund kann man als Euphemismus bezeichnen. Man
will und darf das Ding nicht beim rechten Namen nennen. Dabei lassen
sich wieder mehrere Unterabteilungen unterscheiden.
Zunächst haben wir abergläubische Scheu vor bösen Mächten oder die Ehrfurcht vor
dem Erhabenen. Bekanntlich dürfen die Israeliten den Namen Jehova nicht aussprechen
und ersetzten ihn durch Adonai. Es kann auf einem ähnlichen Grund beruhen, wenn der
Ausdruck für 'Gott', idg. *deiwos in so vielen Sprachen durch neue Worte ersetzt wird,
so daß wir im Griechischen i}e6; (theös), im Lat. deus, im Germanischen got. gup, im
Slawischen bogu finden. In spätrer Zeit wird Gott auch bei uns ausgelassen, wir sagen
behüte, bewahre oder wandeln das Wort um in Potz Wetter, Potz Blitz. Man soll auch
den Teufel nicht an die Wand malen, und es treten daher eine Fülle neuer Namen für
ihn auf. wie der Böse, der Versudier, der Sdiwarze, der alte böse Feind.
Mit der linken Seite war das Unglück verbunden, und daher wird das Wort dafür
vermieden. Während das Wort für redits fast durch alle indogermanischen Sprachen hindurch-
geht, ai. dakHnah, abg. desXnu, lit. deUne, alb. diapta, gr. öeSio; (dexiös), lat. dexter, got.
348 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachl. Versteinerungen.
~ ' JT— .-■■,- ■ — --.- --■■■ y , — ,-■,., -■■--- ■■■■— ^^
taihswü, finden wir für links eine Fülle von Ausdrücken, nämlich aind. savjdh, abg. sitj;
gr. kauK (laiös), lat. laevus, abg. Icvn; gr. oxoio,- (skaiös), lat. scaevus; ir. cU, got. ///^z-
diuna. die sich infolge ihrer Übereinstimmung in verschiedenen Sprachen als alt erweisen.
Daneben stehen offenbare Neubildungen. Gr. dniaxtuo; {aristerös) heißt 'die bessere', lat.
sinister vielleicht etwns ähnliches, ahd. winistar gehört zu wini 'Freund'; so wird also
auch links ein Fuphemismus sein, wenn wir das Wort auch vorläufig nicht erklären können.
Ein alter Reim sagt:
Wenn man den Wolf nennt,
kommt er gerennt.
Man hat es also vermieden, das Wort auszusprechen. Indessen hat sich hier das alte Wort
bis zum heutigen Tage erhalten.') Das Wort für Bär, lat. iirsus, gr. änxjo:: [ärktos), aind.
fk<ah ist dagegen im Germanischen und Slawischen verloren gegangen, hier durch med-
vedi 'Honigesser', dort durch Bür, ahd. bßro, eigentlich 'der Braune', verdrängt worden.
Daneben besteht in den Dialekten der Ausdruck Betz oder Petz, eine Koseform zu Bär.
Es ist möglich, wenn auch nicht sicher, daß abergläubische Scheu diese Namen geschaffen
hat. Vgl. Meillet, Interdictions dans les langues indo-europeennes, A. J. Vendryes zum
3. Juli 1906 gewidmet, Chartres 1906, und H. Schulz, ZfdW. 10, 167 ff.
Von Tod und Krankheit hören noch heute viele Leute nicht gern sprechen, und so
wird es schon in alten Zeiten gewesen sein. Fast auf keinem Gebiet können wir Um-
schreibungen und neue Worte für die Begriffe so gut nachweisen wie gerade hier. Für
Tod und sterben sagt man: sdieiden, eingehen zu einem bessern Leben, hinsdieiden, zu
seinen Vätern versammelt werden, entsdilafen, der Verklärte. Gott hat ihn zu sidi ge-
nommen usw.; für krank unpäßlidi, leidend, unwohl w. a. Derartige Umschreibungen,
wie sie in allen Sprachen wiederkehren, vgl. Nyrop-Vogt, Das Leben der Wörter, Leipzig
1903, S. 16 ff., weisen uns den Weg zur Erklärung der altern Ausdrücke.
Anmerkung 1. Den verschiedenen Ausdrücken für sterben liegen natürlich ver-
schiedene religicJse und philosophische Anschauungen zugrunde. Diese sind untersucht von
Friedrich Wilhel.m, Die Euphemismen und bildlichen Ausdrücke unsrer Sprache über
Sterben und Totsein und die ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen; Alemannia 27, 73 ff.
Er zeigt, daß eine Reihe von Ausdrücken wie seine Seele fliegt zum Himmel, entseelt,
entleibt, absdieiden, den Weg alles Fleisdies gehen, durdi den Tod erlöst werden auf die
katholische Kirche des Mittelalters und auf die Mystiker zurückgehen. Die meisten Euphemis-
men sind dann durch die Bibel und den Protestantismus hervorgerufen, so: in die Ewigkeit
abrufen, in ein besseres Jenseits, in die ewige Heimat; zu Staub, zu Erde werden; in
den Himmel, in Abrahams Sdioß eingehen ; den Kampf der Leiden auskämpfen, zu seinen
Vätern versammelt werden \x. a. Weiter wirken die antiken Anschauungen ein: das Lebens-
lidit ausblasen, entsdilafen, den Geist aufgeben, den Lebensfaden absdineiden. Die Volks-
sprache dagegen ist sehr viel derber. Sie sagt: zur großen Armee abberufen werden, die
Reisestiefel anziehen, abfahren, um die Edte gehen, ins Gras beißen; vgl. über letzteres
PiSCHEL, SB. der preuß. Akad. der Wiss. 1908, 445 ff. Auf die Kriegs- und Rechtssprache des
Mittelalters weisen Ausdrücke wie: das Leben lassen, verlieren; es geht an sein Leben,
es kostet ihm sein Leben, er bezahlt etwas mit seinem Leben. Dichterisch und erst neu-
hochdeutsch sind: sein letztes Stündlein hat gesdilagen, seine Uhr ist abgelaufen.
Unser sterben, ahd. sterban, e. to starve 'umkommen, besonders vor Hunger oder
Kälte' findet keine Entsprechung in den verwandten Sprachen. Da sich aber im Alt-
nordischen ein starf n. "Arbeit, Mühe, Anstrengung' findet, dazu starfa 'sich mühen', so
könnte streben, mhd. streben 'sich heftig bewegen, sich abmühen, ringen' verwandt sein.
') H. Schulz, ZfdW. 10, 167 ff. handelt ' stiel. Holzgangel. Nach dem Aberglauben
über die Ersatzausdrücke für Wolf. Er heißt der Schäfer durfte man den Namen des
im 16. Jh. Untier, Hölzing, Wul, der Hen-
nidie, Unflat, Ungeziefer, Grauhans, Grau-
Wolfes nicht in den zwölf Nächten nennen.
§ 204. Die Gründe für das Aufgeben der Worte. 349
Man vergleiche gr. ol y.aiiövzec {hoi kamöntes) 'die Verstorbenen' zu xäuveiv {kämnen)
'sich mühen'. Anderseits hat man auch lat. torppre 'betäubt sein' herangezogen, vergleiche
ersterben, anord. stjarfe 'Starrkrampf. Welche Ableitung richtig ist, läßt sich nicht sagen.
Das gr. Oävarog {thänatos) gehört zu aind. dhvan- 'erlöschen, schwinden, dunkeln'.
Tod, ahd. töd, e. death, got. daupus, tot, ahd. tot, e. dead, got. daups, also mit gram-
matischem Wechsel und daher alt, stellt sich zu lit. dövlti 'quälen', ahg.daviti 'erwürgen'.
Mord, ahd. mord ist auch charakteristisch. Es gehört zu lat. mortuus, gr. ßooiög
(brotös) aus *mrotds und den entsprechenden Worten der verwandten Sprachen, die
überall nur 'Tod' bedeuten. Die Bedeutungsverengerung zu 'gewaltsamer Tod' deutet darauf
hin, daß dieser in altgermanischer Zeit sehr gewöhnlich gewesen sein muß.
Für den Begriff 'toter Körper' haben wir den Ausdruck Leidie, mittelhochdeutsch
mit dem Sinn 'Leib, Körper'. Die ursprüngliche Bedeutung steckt noch in Leididorn
'Hühnerauge', d.h. 'Dorn im Körper'; ebenso in Leidinam; denn ahd. iihhinamo, daneben
lihhamo, ist eine Umschreibung; die ursprüngliche Bedeutung war 'Hülle des Körpers'.
Es ist dies wahrscheinlich ein Ausdruck der Dichtersprache, wie ags. fkesdioma 'Fleisch-
hülle', bänfcet 'Knochengefäß', bänhüs 'Knochenhaus'.
Unser Wort krank, das mittelhochdeutsch noch 'schmal, gering, kraftlos' bedeutet,
hat das gemeingermanische Wort siedi, ahd. sioh, e. sidi, got. siuks verdrängt. In den
Ableitungen Seudie und -sudit, Sdiwindsudit ist es noch allgemein vorhanden, siedi
könnte als Ablautsform zu sdiwadi, mhd. sdiwadi gehören.
Anmerkung 2. Auch leben, ahd. leben, e. to live, got. liban ist seiner Herkunft
nach sehr bemerkenswert. Das indogermanische Wort lat. vivus, gr. ßlo; (bios) ist nur
noch in quedi {Quecksilber), kedi erhalten, leben hat es im wesentlichen verdrängt. Alt-
nordisch bedeutet Ufa 'leben' und 'übrig sein', und daher ist der Zusammenhang mit
bleiben sicher. Wenn man sich an die Schilderungen der nordischen Sagas erinnert, wie
so oft durch einen feindlichen Überfall eine ganze Familie vernichtet wurde, oder an die
heftigen Schlachten, aus denen nur wenige davon kamen, so wird man die Bedeutungs-
entwicklung von 'übrig bleiben' zu 'leben' verstehen.
Weiter vermeidet man überhaupt, die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Für
die geistige Beschränktheit oder Dummheit sagt man heute schon einfältig, ansprudislos,
harmlos, unsdiuldig. Beschränkt ist selber ein Euphemismus, wie wahnsinnig, wahnwitzig
'ohne Sinn, ohne Verstand'. Vielfach treten da in neuerer Zeit die Fremdwörter ein. Ferner
unterläßt man es schon seit langem, gewisse natürliche Vorgänge und gewisse Teile des
menschlichen Körpers zu benennen. Wo man sie doch bezeichnen muß, verwendet man
Umschreibungen und Ersatzausdrücke. Das Wort, das Luther mit 'lateinische Kunst' um-
schrieb, ließ Goethe nicht mehr drucken. Es entspricht bekanntlich dem gr. öooog (örros),
und es ist einigermaßen auffällig, wie es sich so lange erhalten hat. Aus scheiden 'aus-
scheiden' bildet man ein Wort für eine notwendige Verrichtung, während das gr. ;^f','fo (chezö)
verloren gegangen ist. Das Wort Wasser wird gebraucht, um eine andere Ausscheidung des
Körpers zu bezeichnen, wie denn auch lat. ürma ursprünglich nichts anderes bedeutet, da
es dem aind. vär 'Wasser' entspricht. Die bessere Gesellschaft vermeidet heute das Wort
schwitzen, während transpirieren erlaubt ist.
Auf ähnliche Grundanschauungen führt es, wenn der Ausdruck für Gift immer durch
neue abgelöst wird. Es gab dafür einen indogermanischen Ausdruck, der in lat. virus,
gr. ifk dös) vorliegt. Daneben steht lat. veninum, wohl aus *venesnom 'Liebestrank'. Im
ähesten Germanischen finden wir got. lubja- 'Gift", ahd. luppi, mhd. Kippe, das vielleicht
ursprünglich 'Zaubertrank' bedeutet hat und zu gr. E/.ecfaioofiai {elephairomai) 'täuschen',
lit. vilbinti 'beschwichtigen' oder zu d. Liebe gehört. Dies Wort wird dann durch das
schon althochdeutsch auftretende gift. ursprünglich Femininum, verdrängt, das zu geben
gehört und einfach 'die Gabe' heißt, vgl. frz. poisson aus lat. potio 'Trank'.
Unendlich groß ist die Zahl der Umschreibungen für 'betrunken'. Diese hat schon
Lichtenberg, Verm. Sehr. 3, 73 ff. (Göttingen 1844) gesammelt. Von seinen Ausdrücken
350 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachl, Versteinerungen.
sind manche heute schon wieder iingebräuchlich geworden oder verloren gegangen, während
sich viele neu eingestellt haben.
Welche Wege die Ersetzung anstößiger Ausdrücke durch Euphemismen geht, ist im
einzelnen natürlich nicht zu sagen, und darum ist eine Arbeit wie die von H. Schulz, die
die Sache im einzelnen verfolgt, höchst dankenswert. Es sei daher einzelnes daraus an-
geführt. Um im Druck das Anstößige zu vermeiden, setzt man . . . oder — , oder schreibt
auch etcetera, und dieses kann nun bedeuten 'Podex, crepitus ventris, Teufel, Dreck, cacare,
Hundsfott, Schuft, Hure". Oder man sagte der Ungenannte, was schon früh für eine Finger-
krankheit, den sogenannten Wurm steht. Dem entspricht heute die Unansspredilidien,
was allerdings ein Übersctzungslehnwort von engl, inexpressibles ist. Sehr bemerkens-
wert ist der Ausdruck Produkt für eine Tracht Schläge. Die Sache ist erst von A. Götze,
ZfdW. 10, 203 aufgeklärt. Die Zahl der Schläge betrug häufig, so muß man annehmen,
zwölf, und so sagte man dafür Sdiilling, das den Sinn von Dutzend bekam. Dafür stellte
sich aber auch, offenbar in der Schulsprache, Produkt ein, da man ja für zwölf auch das
Produkt 3x4 gebrauchen kann.
4. Kulturgeschichtliche Gründe. Auch die Entwicklung und Ver-
änderungen der Kultur bedingen den Verlust von Wörtern. Wird ein Ding
wesentlich verändert, so kann dafür ein neuer Ausdruck aufkommen und
der alte verloren gehen, oder es können überhaupt alte Wörter aufgegeben
werden, weil die Begriffe, die sie bezeichnen, nicht mehr vorhanden sind.
Letzteres zeigt sich vor allem bei den Verwandtschaftsnamen. Die ältere gesellschaft-
liche Ordnung baute sich auf der Familie und der Sippe auf. Hatte die Verwandtsciiaft
die größte Bedeutung, so war es nur natürlich, jeden Grad nach der männlichen wie nach
der weiblichen Seite durch einen besondern Ausdruck zu bezeichnen. Tatsächlich besaß
man im Indogermanischen eine große Anzahl von Ausdrücken für Verwandtschaftsgrade,
von denen wir die meisten aufgegeben haben. Man unterschied den Schwiegervater, die
Schwiegermutter des Mannes und der Frau, den Bruder, die Schwester des Vaters und der
Mutter durch besondere Ausdrücke. Die Frauen zweier Brüder bezeichneten sich mit einem
besonderen Namen, ebenso wohl auch die Männer zweier Schwestern, siehe oben S. 209.
Wir haben mehr als die Hälfte dieser Worte aufgegeben. Uns genügen Sdiwiegervater,
-mutter, -todiier, -söhn, Sdiwager, Sdiwägerin, Onkel, Tante, Vetter, Kusine, und von
diesen sind die meisten neu.
Nur selten hat sich das Bedürfnis geltend gemacht, einen neuen Ausdruck zu schaffen,
wie wir ihn in Gegensdiwähcr haben.
Von den zahllosen frühern Benennungen für Handwerke und Gewerbe sind viele
verloren gegangen, weil diese selbst aufgegeben worden sind. Mit den Sdiwertern kamen
die Sdiwertfeger ab, mit dem Bogen die Bogner, mit der Armbrust dit Armbruster,
mit den Marnisdien die Ptatncr. eig. Plattenmacher.
Für verbesserte Dinge erscheinen neue Bezeichnungen. So wird das alte Wort für
•Mühle' got. qairnus durch das aus dem Lateinischen entlehnte Mühle ersetzt. Jenes
war die Handmühle, die wir nicht mehr haben, dieses die Wassermühle.
Bei dem Wagenbau vollziehen sich immer neue Fortschritte und Veränderungen, und
so kommen immer neue Ausdrücke auf, die allerdings das alte Wort nicht zu verdrängen
vermögen, vgl. oben S. 204.
Wenn das alte Wort für 'Pferd', lat. equus, gr. Ht.to? (hippos), durch neue Worte er-
setzt wird, so mag daran auch die Einführung andrer Rassen und eine neue Verwendungs-
weise schuld sein. Unser Wort Pflug, ahd. pfluoc, bezeichnete jedenfalls gegenüber dem
durch lat. arätrum, gr. änornor (ärotron), gegebenen Wort eine neue verbesserte Form, wie
denn die Serben noch heute ralo (= lat. arätrum) und plug für verschiedene Formen verwenden.
Man könnte nach dieser Richtung noch viel Stoff anhäufen, doch
§ 205. Sprachliche Versteinerungen. 351
werden die Beispiele genügen, um den angedeuteten Gesichtspunkt hin-
reichend zu würdigen.
5. Modegründe. Auch die Mode spielt bei dem Verlust alter Worte
mit. Die obern Stände, die Dichter u. a. suchen nach neuen Ausdrücken,
um das Gewöhnliche ungewöhnlich zu sagen. Sie wollen sich von dem
niedern Volke und dessen Sprache auch in ihren Ausdrücken unterscheiden,
während dieses seinerseits das Bestreben hat, jenen nachzuahmen.
In der neuern Zeit spielt im Geschäftsleben dieselbe Erscheinung ihre Rolle. Man
will etwas Neues bieten, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und dafür ist das alte Wort
nicht gut genug. So wird Gast- oder Wirtshaus allmählich ungebräuchlich und wird durch
Hotel ersetzt. 'Bessere Häuser' nennen sich schon Grandhotel. Sdienke ist eigentlich nur
noch dichterisch und mundartlich, man gebraucht dafür Restaurant. Über dem kleinsten
Zigarrenladen kann man jetzt Cigarrenimport lesen. Diesen Einflüssen auf die Umwand-
lung des Wortschatzes nachzugehen, wäre eine sehr dankenswerte Aufgabe.
Am Hofe der fränkischen Könige nannte sich der Leibarzt (vgl. Gfegor von Tours 5, 14)
mit dem griech. -byzantinischen Titel ardiiatrös, und diesem Ausdruck mußte der ein-
heimische got. lekeis, ahd. lädii (noch engl, leecfi 'Wundarzt') weichen. Jetzt besteht nicht
nur Arzt, sondern auch zahlreiche Ableitungen.
§ 205. Sprachliche Versteinerungen. Wie wir gesehen haben, gibt es
eine ganze Reihe von Gründen, die zum Verlust alten Sprachgutes geführt
haben und noch täglich führen. Dieser Verlust tritt natürlich nicht plötzlich
ein, sondern so, daß ein Wort erst seltener gebraucht wird, bis es dann,
vielleicht erst nach Generationen, völlig untergegangen ist. Worte werden
aber nicht einzeln, sondern fast immer nur in bestimmten Verbindungen
gebraucht. Diese werden gedächtnismäßig überliefert, und es ist nicht un-
bedingt nötig, daß gleichzeitig alle Verbindungen verloren gehen. Vielmelir
bleiben des öftern einzelne erhalten, und damit lebt ein sonst längst un-
gebräuchlich gewordenes Wort noch fort. Behaghel hat derartige Worte
treffend 'sprachliche Versteinerungen' genannt.
Wir können dabei mehrere Fälle unterscheiden. Es kann das Wort
ganz ungebräuchlich geworden sein und nur in bestimmten Redensarten
noch vorliegen, oder es hat sich eine bestimmte Bedeutung in der Ver-
steinerung erhalten.
a) Das Erste haben wir in folgenden Fällen: in Anbetradit; — anheim in anheim-
fallen, -geben, -stellen; — armen 'arm machen' \n Almosen geben armet nidii; — Asdi-
kudien; — Aufhebens machen; — in Bälde; — mit dem Beding; — bemoostes
Haupt; — sidi bene tun; — Fug in mit Fug und Redit; — Gudi in auf einen Gudi
kommen; — Hehl in kein Hehl aus etwas madien; — Irre in in die Irre gehen; —
Deut 'kleinste Münze' in keinen Deut darum geben; — Kippe in auf der Kippe stehen; —
Nutz in zu Nutz und Frommen; — das Adi in Adi und Weh; — Saus in in Saus und
Braus; — weder Gidis nodi Gadis; — Kind und Kegel; — gang und gäbe; — klipp
und klar; — sidi anheisdiig madien wozu; — einen beim Sdilafitdien kriegen.
b) Eine jetzt nicht mehr vorhandene Bedeutung liegt vor in: Abbrudi tun; — ab-
gebrüht; — Akt nehmen; — mit einem anbinden; — Bein 'Knochen' in Stein
und Bein sdiwören, Mark und Bein, es friert Stein und Bein; — der helle Haufen; —
Brief und Siegel {Brief 'Urkunde'); — in Bausdi und Bogen, eigentlich mit auswärts
sich dehnender Grenzfläche {Bausdi) und mit einwärts biegender {Bogen); — Ding 'Ge-
352 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Scrachgutes. Sprachl. Versteinerungen.
riclit' in dingfest macftrn; — /^a^j 'Wand' in unter Dadi und Fach: — bieten 'gebieten'
in Feierabend bieten; — grün 'frisch' in grüne Heringe; — sidi schlagen 'sich werfen,
sich rasch begeben' in sidi ins Mittel sdilagen; — sein Absehen auf etwas riditen; Ab-
sehen bezeichnete auch 'das Visier an Meßwerkzeugen und Gewehren', die Redensart be-
deutet also 'auf etwas zielen"; Leididorn "Dorn im Körper'.
§ 206. Verdunkelte Zusammensetzungen. Es steht mit den sprachlichen
Versteinerungen im Satzzusammenhang i^anz auf einer Linie, wenn ein Wort
nur noch in der Zusammensetzung vorliegt. Da in diesen verdunkelten
Bildungen zum Teil sehr altes und wichtiges Sprachgut steckt, führe ich
hier zahlreiche Beispiele an. Man könnte auch hier verschiedene Möglich-
keiten unterscheiden, Verdunklung des ersten oder des zweiten Gliedes
oder beider, und schließlich Veränderung der Bedeutung, doch nehme ich
darauf weiter keine Rücksicht und gebe den Stoff nach der Reihenfolge
der Buchstaben und führe dabei auch einige Beispiele an, deren Bestand-
teile sonst in der Sprache noch erhalten sind.
Adebar, ndd. 'Storch', ahd. odobero; der zweite Teil gehört zu ahd. beran 'tragen,
bringen', lat. fero, gr. c/-fg<o {pherö), der erste wird gewöhnlich zu as. vd 'Besitz, Gut'
gestellt. — Adler, aus ahd. adali 'edel" und aro "Aar". — Allmende, mhd. almeinde
aus algemeinde. — Allod 'das echte Eigentum", ahd. alöt aus al- und üt 'Besitz'; dieses
zu got. auda-hafts 'beglückt'. Wir haben das Wort nur in Eigennamen, wie e. Edward
aus ead-ivard, ital. Odo-ardo. — Alraun, ahd. al-rüna zu räna 'Geheimnis'. — Amboß,
ahd. ana-böi zu bö^an 'schlagen', e. to beat, lat. confutäre. — Am mann aus ahd. ambaht-
mann, also dasselbe wie Amtmann. — anderweit, mhd. andem'eide, eigentlich 'zum
zweiten Male", mhd. weide 'Fahrt, Reise". — Antlitz, mhd. antlitze, daneben antlütze,
ahd. antluzzi, antlutti. Im ersten steckt got. wlits 'Angesicht, Ansehen, Gestalt'; im zweiten
got. ludja 'Gesicht'. — Auerhahn, ahd. orrehuon zu schwed. orre 'Birk-, Wasser-
huhn'. — Auerodis, ahd. ür; siehe oben S. 175. — Badibunge, eine Pflanze, aus
Bach und bunge, ahd. bungo 'Pflanzenknollen", zu gr. .-rayv: (pakhys) 'dicht'. — Bach-
stelze, ahd. wayiarstelza; stelza ist 'Stelzengängerin'. — Bärlapp, aus Bär und läpp,
ahd. lappo 'Ruderschaufel', eigentlich 'Hand, Tatze'. — beide, aus bai-pai zu lat. am-bo. —
Bibergeil zu mhd. geil, geile 'Hode'. — Bilsenkraut, ahd. bloß bilisa, zu russ. belenä. —
Binis-stein, ahd. bumis aus lat. pümex. — Bingelkraut, zu ahd. bnngil von bungo,
siehe Bachbunge. — Bladifeld, Bladifrost zu fladi. — blutrünstig, von mhd. bluot-
runs 'Abrinnen des Blutes', zu rinnen. — Boll-werk, mhd. bole-werc, von mhd. boln
'schleudern, werfen'. — Borkirche zu ahd. bor 'Höhe, oberer Raum'. — Bradi-wasser,
brack noch in brackig 'salzig'. — Bram-segel. -Stange, zusammengesetzt mit ndl.
bram 'Bramsegel, Segel am Obermast'. — Bräutigam, ahd. brüti-gomo; gomo = lat.
homo, also 'Mann der Braut". — Brom-beere, ahd. bräm-beri zu brämo 'Dornstrauch'. —
Bug-spriet, aus ndl. boeg-spriet, spriet 'schräg gehende Segelstange am Mäste', bug
'Vorderteil des Schiffes". — Demut, ahd. dio-muoti zu ahd. *-thio Ad], 'dienstwillig' und
das zu ahd. deo, got. pius 'Knecht'. Vgl. Btr. 43, 39 f. — Diebstahl, ahd. stala von
stehlen, also 'Stehlen des Diebes'. — Dudi-mäuser, von spätmhd. todiel-müsen 'Heim-
lichkeiten treiben", zu mhd. müsen 'langsam und leise gehen". — Eidergans; Eider ist
entlehnt aus dem isländischen cepr, gesprochen eiper, das schon 'Eidergans" bedeutet; dies
noch in Eiderdaunen. — elend, ahd. elilenti, eig. 'im andern Land", zsg. mit eli, got.
aljis, lat. alius, gr. «/./.oc (ällos). Dazu auch Elsaß zu ahd. Elisäzo. — Elen-tier; Elen
stammt aus lit. elnis 'Hirsch'. — Elfenbein, ahd. hilfantbein 'Elefantenknochen'; bein
noch im Sinne von 'Knochen'. — Essigmutter 'dicker Bodensatz im Essig'; der zweite
Teil zu ndd. mudder, modder 'Schlamm', e. mud 'Schmutz'. — Faselsdiwein, mhd.
fasel 'Zucht-', wahrscheinlich zu mhd. fisel 'penis' zu gr. niog (peos). — Fedi-, Feh-
§ 206. Verdunkelte Zusammensetzungen. 353
distel, mhd. vechdistel; vedi 'bunt', got. -faihs gehört zu gr. noinlko? (poikilos). — Feh'
wamrne, zsg. mit Fehe 'das sibirische graue Eichhörnchen', was zum vorigen gehört. —
Feldwebel; -webel, älter weibel zu mhd. weihen 'sich hin- und herbewegen', zu lat.
vibräre. — Firnewein, zsg. mit firn 'alt', ahd. firni, got fairneis, \'\t pernai 'im vorigen
Jahr'. — Fledermaus, ahd. fledarmüs zu ahd. fledirön, verwandt m\t flattern. — Flitz-
bogen, zusammengesetzt mit älternhd. flitsdi aus frz. fledie 'Pfeil'. — Freitag, ahd.
frtatag, e. Friday ,dies Veneris, Tag der Freia'. — frohlocken; lodien wahrscheinlich
■'springen', zu got. laikan 'hüpfen'. — Fronleidinam u. a.; fron, ahd. fröno, Gen. Plur.
von frö, got. frauja 'Herr'; das Femininum dazu ist Frau. — Gaudieb, zusammengesetzt
mit nd. gau 'geschwind, gewandt'. — Griesgram, mhd. grisgram 'Zähneknirschen', mhd.
gris-grammen, asächs. gristgrimmo. E)er erste Bestandteil zu mhd. gristen 'zerreiben', der
zweite zu Gram, Grimm. — Grummet aus Grünmahd. — Grünspan, älternhd. auch
spansdi-grün, also von spanisdi. — Nabergeiß 'Heerschnepfe'; der erste Teil ist ein
haber, das dem lat. caper 'Bock' entspringt; der Vogel ist so benannt, weil er zur Be-
gattungszeit einen meckernden Ton hören läßt. — Heirat, ahd. hirat, eigentlich 'Zu-
rüstung' {rat) für die Familie {hl-, got. heiwa-frauja 'Hausherr', verwandt mit lat. civis). —
Hellebarde, mhd. helm-barte, also Barte 'Beil' zum Durchhauen des Helms. — Her-
berge, ahd. heri-berga 'ein das Heer bergender Ort, Heer-, Feldlager'. — Hifthorn;
der erste Bestandteil ist Hift 'Stoß ins Jagdhorn', zu got. hiufan 'klagen'. — Him-beere,
.ahd. hint-beri, eigentlich Hindebeere, vgl. Löwe oben S. 189. — Jubeljahr, mhd. jübeljär;
der erste Teil von hehr, jöbel 'Hörn zum Blasen im Halljahr'. — Jungfer aus Jungfrau. —
Junker, mhd. Juncherre. — Kammertudi, Leinwand aus Cambray. — Karfreitag,
kar ist ahd. kara 'Klage'. — Kauderwelsdi; kauder ist wohl schwäbisch kauderer 'Werg-,
Flachshändler', und welsdi 'fremdsprachlich, unverständlich'. — Kaul barsdi, Kaul-
quappe; kaul ist mhd. küle aus kugele, also 'Kugelbarsch'. — KUppsdiule, ndd. ; klipp
bedeutet hier 'klein, unbedeutend'. — Knob-laudi, ahd. klobo-louh, zu kloben, e. clove
^Zehe des Knoblauchs'. — Kroppzeug, ndd. krop 'schlechtes, nichtsnutziges Volk', wohl
zu krupen 'kriechen'. — Langwiede 'den Wagen durchziehender Baum, der das hintere
Gestell mit dem vorderen verbindet* zu ahd. witu, e. wood 'Holz, Baum', das auch in
Wiedehopf steckt und zu ir. fid 'Baum' gehört. — langwierig zu währen. — Laubrüst
^Laubhüttenfest', mhd. laupbrost 'Laubfall, Laubfallszeit' zu bresten brechen'. — Leber-
meer 'geronnenes Meer' zu geliefern 'gerinnen', ndd. Glibber 'geronnene Masse', Lab. —
Lebkudien 'dünner Honigkuchen', zsg. m\t Leb einer Ablautsform zu Laib 'Brot'. Ebenso
Lebzelt 'Lebkuchen', dessen zweiter Teil ahd. zelto 'Kuchen' ist. — Leidina m, ahd. lihhin-
hämo, eig. 'Gestalt des Körpers': hämo zu Hemde. — Leikauf, mhd. lltkouf, zsg. mit
llt 'Obstwein', got. leipu-, also so viel wie Weinkauf, dasselbe llt steckt in obd. Leutgeb
■"Schenkwirt'. — Leiladi 'Leintuch' aus ahd. li(n)lahhan 'Leinlaken'. — Lenz, ahd. len-
gizin, ags. lengten, e. lent 'Fastenzeit' enthält ein germ. *tina- 'Tag', got. sin-teins 'täglich'
zu lat. nundinae 'neun Tage'. — liditerloh aus Gen. liditer Lohe 'mit heller Flamme'. —
Liedlohn 'Taglöhnerlohn', mhd. litlön zsg. mit litus, lidus, lito 'höriger Diener'. — Lind-
wurm, zsg. mit ahd. lint, anord. linnr 'Schlange'. — Loditaube 'Waldtaube', zsg. mit
lodi 'Wald', lat. lacus, das noch in Ortsnamen fortlebt. — Lorbeer, ahd. lörberi, eigentlich
■"die Beere des Lorbeers', lat. laurus. — Magsame 'der Same des Mohns. Mohn', zsg.
mit mag, einer Nebenform von Mohn. — Mahlsdiatz, eig. 'das Kaufgeld für die Braut',
zu vermählen, Gemahl. — Mahlstatt, ahd. mahalstat 'Gerichtsstätte' zu ahd. mahal
'Gerichtsversammlung' zu ahd. mahaljan 'sprechen', got. mapljan 'öffentlich reden'. —
Mallepost 'Briefpost' zu ahd. malaha, mhd. malhe 'Ledertasche, Mantelsack, Reisesack'
zu gr. ^loXyog {molgös) 'Sack von Rindsleder'. — Marsdiall, Marstall enthalten im
ersten Teil ahd. marha 'Mähre, Pferd', sdiall ist sdialk 'Knecht', got. skalks. — Maß leid
'Essensüberdruß', zsg. mit ahd. ma3, got. mats 'Speise'. — Maulbeere, ahd. mülberi;
der erste Teil ist dissimiliert aus mar-, lat. mörus 'Maulbeerbaum'. — Meineid, zsg. mit
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 23
1354 Vierzehntes Kapitel. Aufgeben alten Sprachgutes. Sprachl. Versteinerungen.
alrd. mein(e) 'falsch' zu lit. mainas 'Tausch'. — Messer, ahd. rnejsira/is, zsg. aus me!^-
'Speise', s. Maßleid, und rahs, das mit grammatischem Wechsel zns sahs 'Messer', lat.
saxum 'Fels' entstanden ist. — Mettwurst, ndd., zsg. mit asächs. /n^^/ 'Speise', s. Messer. ^
Mißpiiitel 'Arsenikkies', vielleicht zu Buckel. — Montag, ahd. munotag, enthält dea
alten Stamm ahd. muno, e. moon, got. mrna 'Mond', ohne das angetretene d von Mond. -*-
Mörbraten, enthält mürbe. — Miunmensdianz enthält Mumme 'Verkleidung', noch
in vermummen, und sdianz 'Spiel' (Sdianze). — Mumpitz, wohl .entstanden aus pberhcss.
Mombutz 'Gespenst, Schreckgestalt', zsg. aus Mumme s. o. und butze 'Poltergeist/Lärm'. —
Mußteil, gehört zu Mus, ahd. m//05 "gekochte Speise' aus *mritta- und mit goi.mats, s,
Mettwurst, zusammenhängend; Afus/^'// ist also 'Speiseteü'; man versteht darunter das, was^
am dreißigsten Tage nach dem Tode eines Mannes an Speise und zu Speise dienendem
vorhanden ist; die Hallte erhält die Witv.e. — mutsdiieren 'mit Beibehaltung des Qe-
samteigentums die Nutzungen teilen', von rad. mütsdmr, zgs. aus muot 'Verlangen' und
sdtar 'Teilung'. — Nadi-bar, ahd. nfih-gibwr, e. neighbour, also 'naher Bauer' (Woh-
nender). -— Naditi-gall, ahd. nahti-gala zu asächs. galan, 'singen'. — nahrhaft, zu-
sammengesetzt mit ahd. nara 'Rettung^ Er-, Unterhaltung'. — Narrenteiding' Narrheit',
zsg. mit mhd. tagedinc 'Verhandlung'. — Nasen-stüber; stüber ist 'Schneller', zusammen-
hängend mit stieben. — nein, ahd. ni ein, lat. ne\ nidU, ahd. ni-wiht, e. nought, got. ni
waihts 'nichts', zsg. mW ni und widit 'Geschöpf, Wesen", e. wight, abg. veMi 'Ding. Sache'.—
Nidifänger zu Genidi. — Nießbraudi, gebildet nach lat. usus fructus, zsg. mit älterqhd.
Nieß 'Ertrag'. — Nipp-sadie, zsg. mit frz. nippe 'Putz'. — Norwegen enthält NQr((
und anord. vegr 'Weg, Strecke, Strich'. — nur, ahd. niwdri 'es wäre nicht'. — Öhiiid^
Ohm(e)t, ahd. amäd enthält die ahd. Präposition ä 'übrig', ai. ä. — Orlogsdiiff 'Kriegs-
schiff aus ndl. oorlogsdiip enthält ein Wort, das mit ahd. urliugi 'Krieg', eigentlich 'Ver^
tragslosigkeit' zusammenhängt. — Paßgang, zsg. mit Pajß 'Schritt', frz. pas, lat passus. —
Pausdiquantum, zsg. mit Pausdi, Baitsdi, das noch in 'in Bausdi und Bogen' vorliegt; — r
Pfennigfudiser, zu fudisen 'betrügen'. — Pfinztag, bayer. 'Donnerstag' aus gr; jriumrf
{pemptw) 'fünfte'. — Pimpernuß, eigentlich 'Klappernuß' zu mhd. pumpern 'klappern'. ; —
Pinsel 'Einfaltspinsel', ndd. Pinn-sahl 'Schusterpfriem', zsg. aus Pinne und -suhl. Der
zweite Bestandteil hängt mit ahd. siula zusammen, nhd. Säule 'Stechwerkzeug des Schusters*"
zusammen, das zu lat. suere gehört. — Plerrauge 'mit einer Augenkrankheit behaftetes
Auge', zu e. bleareyed 'triefäugig'. Die Herkunft von Plerr ist dunkel. ^Pluderhosen,
zsg. mit pluder, bluder 'blasebalgartig aufgeblähte Weite', verwandt mit plaudern. — Preisel-
beere, aus tschech. brusnice, brusina. — preisgeben, zsg. mit preis, älter pris, frz^
prise. Ebenso preismadien. — Pumphosen, zsg. mit nd. pump 'Gepränge' aus lat.
pompa. — Quadi-salber; der erste Teil zu ndd. quäken 'schreien, schwatzen', der zweite
ahd. 5ö/ftflr/ 'Salbenverkäufer'. — Quidiborn, zsg. mW.quidi 'frisch, gesund', lat. vlvos. —
Radehadie von md. roden 'ausreuten'. — Rädelsführer, Rädel wzt bei den Lands-
knechten 'der Ring, Kreis der Soldaten', zu Rad. — Raps, aus Rapsaat. — Ratönkudien,
obhess. Radänkudien, Art Kuchen, zsg. mit frz. raton 'ein klein rund Küchlein wie
eine Maus' von frz. raton 'kleine Ratte'. — Raudi-werk, mhd. rsukwerc, enthält eine
Nebenform von rauh, die sich zu dieser verhält '^{t< hodi zu höh. — Rausdi-gelb-
'geschwefelter Arsenik', rausdi von lat. russus. Ua\. rosso 'rot'. — Renn-tier, e. rain-
deer; der erste Teil ist entlehnt und gehört zu ags. hrän, anord. hreinn, 'Renntier'. -^
Riegelhaube 'eine Art kleiner gestickter Hauben', zsg. mit mhd. rigel 'Schleier^
Haube', entlehnt aus lat. ricula 'Häubchen'. — rot-welsdi, zu rot iBettiet', . aiso; idas-
Welsdi 'fremde Sprache' der Bettler, siehe oben S. 331. — Rübezahl,] Zahl ist Zagef
'Schwanz'; — Rübsen aus Rübsamen. — rudi-los, mhd. ruodie-lös 'unbekümmert' zu
mhd. ruodie 'Soxgt, Sorgfalt', das mit geruhen zusammenhängt. — Runkelrübe, zsg.mit
Runken. — Sal-bader, die Herkunft des ersten Teils ist dunkel. — Salfbudi, m\iA,
sal-buodi 'Urkundenbuch' zu mhd. so/ 'rechtliche Übergabe eines Gutes'; dazu ahd. seilen^
ags. sellan 'übergeben', noch in e. ^p' 5«// 'verkaufen'. — Salweide, zsg. mit ,^«/i , aus.
§ 206. Verdunkelte Zusammensetzungen. 355
ahd. salaha zu lat. salix 'Weide'. — Sams-tag, ahd. samba^-iag, aus einer Form gr.
oäußazov (sämbaton), die neben aäßßazov (säbbaton) stand. — Sdiaber-nack, mhd. sdiaber-
nac 'necliender Streich, Spott, Hohn'; unerklärt. — Sdiell-fisdi, wohl 'Spaltefisch', d. h.
'Fisch, dessen Fleisch sich spaltet', zu anord. skilja '\ti\tn\ — Sdiell-hengst, ahd. sÄe/o
'Beschäler' steckt im ersten Teil. — Schermaus 'Maulwurf, zsg. mit ahd. skero 'Maul-
wurf zu Sdiar in Pflugschar gehörig. — Schild-patt, aus ndd. sdiüd-pad 'Schildkröte'
und 'Schildkrötenschale'; päd ist ndd. padde 'Kröte'. — Schillebold 'Libelle' zu schielen
'schillern' und mnd. bolte 'Bolzen'. — Schlafittich wird aus Sdilag-fittich, 'Schwungfedern
des Flügels', dann 'Rockschoß' erklärt, was aber sehr unsicher ist. — Schlar-affe, mhd.
slür-affe zu mhd. 5/wr 'Faulenzerei, Fauler'. — schlohweiß, wohl aus nd. slötewitt 'weiß
wie eine Schloße'. — Schnurrbart, zsg. mit Schnurre 'Nase, Schnauze, Maul'. — Schorn-
stein, mhd. sdior(n) stein, zu ndl. schoor 'Stütze, Strebebalken'? — Schoßgatter 'Fall-
gatter im Tor' zu schießen 'schießend niederfallen'. — Sdioß kelle zu Sdioß 'Schublade'. —
Schultheiß, ahd. skulthei^so 'Verpflichtungen oder Leistungen Befehlender', zu heißen.
Gekürzt Schulze. — Sedelhof 'Edelsitz', zsg. mit mhd. sedel 'Landsitz' zu siedeln. —
semperfrei 'reichsunmittelbar, zu Ratsstellen in den Städten wählbar', zsg. mit mhd. sent-
pere 'zur Teilnahme am Send berechtigt'. Letzteres aus gr.-lat. synodus. — Senesdiall
aus frz. senedial und dies aus deutsch-mlat. seniscalcus, zsg. mit seni 'alt' zu lat. senex,
und Sdialk 'Knecht'. — Singrün, zsg. mit sin 'immer', zu lat. sem-per. Ebenso Sinfnjau
'alchemilla vulgaris', mnd. sindouwe zu Tau. — sintemal aus mhd. sint dem male, sint
= Sit. — sinwell 'völlig rund', zsg. aus sin, s. Singrün, und well, das zu Welle gehört. —
Sommerlatte. Der zweite Teil zu lode "Schößling' zu got. liadan 'wachsen'. — Span-
ferkel; der erste Teil ist mhd. spen 'Brust, Milch', zu lit. spenis 'Zitze'. — Sparkalk 'aus
Gips gebrannter Kalk', zsg. mit spätmhd. spar, sper, spor 'Gips' zu ags. spoerstän 'Gips,
Kalk'. — Speichernagel 'langer, schmaler eiserner Nagel mit einem Kopf, zsg. mit md.
spidier 'YizgtX , ndl. spijker, e. spike 'spitzer Pflock'. — Sperber, ahd. sparwari, zsg. aus
ahd. sparo 'Sperling' und Aar. — Spessart aus Spechtes hart. Hart ist Wald. — Stegreif,
ahd. stegareif 'Steigbügel' zu ahd. stegön 'steigen'. — Steinmetz, ahd. steinmezzo zu got.
maitan 'hauen', d. Meißel. — Tarnkappe, der erste Teil zu ahd. tarnen 'verbergen'. —
Tauner, Schweiz., spätmhd. tagewaner zu tagewan 'Tagwerk', worin wan zu gewinnen ge-
hört. — Trudi-seß, ahd. truh-sä^^o zu ahd, truht 'Schar, Kriegsschar'. — Trut-hahn, un-
erklärt, trüt muß ein selbständiges Wort gewesen sein. — Turtel-taube, ahd. turtul-tiiba;
das erste Glied aus lat. turtur. — Unflat, mhd. unvlät, zsg. mit mhd. vlät 'Sauberkeit. —
ungestüm, ahd. ungistuomi zur Wurzel stehen. — unmustern 'aus Unwohlsein un-
behaglich' zu mhd. unmunst 'Unfreudigkeif. — Unter-sdileif, mhd. under-sluof zu
sdilüpfen. — unweigerlich, mhd. unweigerlidie zu weigern. — unwirsdi, mhd. un-
wirdisdi zu unwert. — vierschrötig, mhd. viersdircetic 'viereckig zugehauen', zu Schrot
'abgeschnittenes Stück', ahd. skröt, e. shred zu schroten, ahd. skrötan, e. shred zu lat.
scrautum, scrötum. — Vormund, ahd. fora-munto zu Mund 'Schutz'. — Wal-nuß, ndl.
walnoot, e. walnut aus walh- 'wälsch'. — Wal-statt, ahd. tval 'Kampfplatz', anord. valr
'Leichen auf dem Schlachtfelde'. — Wankel-mut, zsg. mit ahd. wankal 'schwankend,
unbeständig'. — Weidi-bild, mhd. wich-bilde 'Stadtgebiet, Gerichtsbarkeit darüber'; wtdi
zu asächs. wik 'Flecken, Ort'. — Weidtsel-kirsche, ahd. wihsila 'Weichselkirsche' zu
gleichbed. abg. vimja. — Wellfleisch, zsg. mit wellen 'aufkochen lassen'. — Wer-wolf,
Wer-geld, enthalten das Wort wer 'Mann' zu lat. vir. — Westerhemd 'Taufhemd', mhd.
xces^^r 'Taufkleid' zu got. was// 'Kleid', lat. vestis. — Wildbret, enthält Braten. — Will-
kür, zsg. mit Kür 'Wahl'. — Wimper, ahd. wintbräwa, worin wint vielleicht zu air.
find, finn 'Haar' gehört. — Zaspel, älteres Garnmaß, aus zalspille aus Zahl 'Garnmaß'
und Spindel. — Zeiselwagen 'Leiterwagen', zu bayer. zeiseln 'eilen'. — zwar, ahd.
zi wäru 'in Wahrheit'. — Zwerdi-fell enthält ahd. dwerah 'quer'.
23*
356 Fünfzehntes Kapitel. Volksetymologie.
Fünfzehntes Kapitel.
' Volksetymologie.
§ 207. Das Wesen der Volksetymologie. Den Namen Volksetymologie
hat FöRSTEMANN, KZ. 1, 1 ff. in die Wissenschaft eingeführt. Man kann
damit das Bestreben bezeichnen, zwei etymologisch in der Regel ganz
unverwandte Worte miteinander zu verknüpfen, wobei sich leicht Um-
gestaltungen der eigentlichen Lautform einstellen. Das naive Sprachgefühl
nimmt eine solche Verbindung sehr häufig bei vereinzelten Worten vor, und
es werden daher verdunkelte Zusammensetzungen und Fremdwörter davon
betroffen. Die Volksetymologie ist natürlich in allen Sprachen zu finden,
in geschichtlichen wie vorgeschichtlichen Zeiten, nur ist da, wo die Über-
lieferung im Stich läßt, die Umwandlung durch die Volksetymologie nicht
sicher nachzuweisen. K. G. Andresen hat eine Fülle von Beispielen in
seinem Buche über deutsche Volksetymologie, 6. Aufl., Leipzig 1899 zu-
sammengestellt. Dort möge man Weiteres nachlesen.
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Bildungen, die nur
eine zeitliche oder örtliche Verbreitung haben, und solchen, die Bürger-
recht in unsrer Sprache erlangt haben. Das Verbreitungsgebiet der erstem
ist besonders die Volkssprache und die Mundart, und es sind hier vor allem
die Fremdwörter, die im Volksmund umgestaltet werden.
Aus Müller-Fraureuth, Wörlerbucli der obersäclisischen Mundarten, entnehme ich
folgende Beispiele: römische Strahlen für Röntgenstrahlen; rattenkahl, ratzekahl lux radikal;
Magneten für Moneten; Mordhäuser für Nordhäuser; Moritz lehren für Mores lehren;
angewendeter Napoleum für unguentum Neapolitanurn; ölumination für Illumination,
Armelatten \m Omeletten; reene Knoten i\Xx Reineclauden; Rehpulver \üx Revolver; Reiß-
matismus für Rheumatismus; Sadisenfrage für Saxifraga. Manches wird auch bewußt
geschaffen, wie z. B. Luthers Lugende für Legende und ähnliches.
§ 208. Beispiele. Wir wenden uns nunmehr zu den Fällen, die im all-
gemeinen Sprachgefühl zu einer Umgestaltung oder volksetymologischen
Anlehnung geführt haben. Natürlich sind manche Fälle unsicher, da man
über die psychologischen Fäden nicht immer richtig urteilen kann.
Abenteuer, mhd. au^/z^/ur^ 'Begebenheit, wunderbares Ereignis', aus frz. aventure,
mlat. adventura von advemre 'hinzukommen, sich ereignen', angelehnt an Abend. —
Aberadit 'die über andrer Acht stehende kaiserliche, als vogelfrei erklärende Acht', aus
mhd. oberähte, eig. 'die Überacht'. — Aberraute, mit Anlehnung an Raute aus gr.-lat.
abrotanum. — abgebrüht, gehört zu mhd. brüen 'coire', angelehnt an brühen. — ab-
geführt, aus abgeviert 'viereckig wie ein Würfel'. — Abseite, mhd. absite, ahd. absita
aus gr.-mlat. absida, gr. ai/'/V (apsis) 'Gewölbe', angelehnt an Seite. — abspannen 'Ge-
sinde durch Verlockung an sich ziehen', für mhd. abspenen 'abziehen'. — Abzug, -zudit
'Ableitung für unreine Wasser' unter Anlehnung an abziehen aus lat. aquaeductus. —
Adierwurz. Hier wird Adier auf d. Adier bezogen, während es auf lat. acorus zurück-
geht. — Affodill 'lilienartiges Gartengewächs', unter Anlehnung an Affe und Dill aus gr.-
lat asphodilus. — allmählidi aus mhd. all(ge)medilidi unter Anlehnung an Mal. — an-
beraumen unter Anlehnung an Raum aus anberamen (so noch Adelung 1793), mhd.
§ 207. Das Wesen der Volksetymologie. § 208. Beispiele. 357
rämen 'zum Ziel nehmen'. — anheisdiig durch Einwirkung von heischen aus mhd.
anthei^ec 'durch Versprechen schuldig' zu heißen. — anrücfiig. Hier gehört riidi zu
Gerücht, weiter zu Ruf. Es ist an riedien angelehnt. — Armbrust aus mlat. arbalista
arciibaiista 'Bogenwurfmaschine' (zsg. aus arciis 'Bogen' und einer Ableitung von gr.
ßdU.Fiv [ballen] 'werfen'); an Arm und Brust angelehnt. — Asdilaudi, ahd. asklouh aus
ascalonia nach der Stadt Askalon in Palästina. — Attentäter von Attentat in Anlehnung
an Täter. — ausmerzen, nicht zu März, sondern aus merkzen. — Bakkalaureus
mit Anlehnung an laureus 'Lorbeer' aus mlat. baccalarius. -- bärbeißig aus bernbeißig
zu Bern 'Krippe'. — Batengel aus mhd. batonie, batenie, batenge. — baumeln unter
Anlehnung an Baum aus bammeln. — Baumschlag. Hier bedeutet 5rA/a^ 'Art und Weise'
zu ahd. slahan 'arten, nacharten, nach jem. schlagen'. — Beifuß aus mhd. bivöi, bibö^
zu ahd. bö:ian 'stoßen, schlagen', also wohl 'zu stoßendes Kraut', angelehnt an Fuß. —
Beispiel, mhd. ö/s;?^/ 'Nebenerzählung', angelehnt an Spiel. — Beißker mit Anlehnung
an beißen aus ^o\n. piskorz. — Bertram, ahd. berhtram unter Anlehnung an den Mannes-
namen aus gr.-lat. pyrethrum. — Biberneil, mhd. bibernelle mit Anlehnung an Biber aus
mlat. pipinella. — Blankscheit aus frz. planchette. — bleuen 'heftig schlagen', mhd.
bliuwen zu lat. fligere, hat mit blau nichts zu tun. blümerant unter Anlehnung an
Blume aus frz. bleu mourant 'sterbeblau'. — blut- in Zss. hat manchmal nichts mit Blut
zu tun, sondern ist eigentlich blutt 'bloß, kahl'. Hier gehört blutarm, blutfremd, blutjung,
blutsauer, blutwenig. — Bockbier, eig. Eimbeckerbier. — Bocksbeutel 'steif bewahrter
Brauch' geht auf nd. boksbüdel 'BuchheuitV zurück. — Bofist, aus vohenfist 'Füchsinfist',
angelehnt an Bube oder Pfau (Bubenfist, Pfauenfist). — Brente 'Gebäck mit eingedrückter
Figur', unter Anlehnung an brennen aus Prente zu lat. premere 'drücken'. — Brosame
ist entstanden aus ahd. brösma, asächs. brdsmo 'Brocken'. — büffeln, eig. wohl Diminu-
tivum zu mhd. buffen 'schlagen', an Büffel angelehnt. — bürsten 'trinken' zu Burse. —
Bussard aus frz. busard, erscheint teils als Bußhort, teils als Bußaar. — Dänisch
Leder ist mhd. tenisch von afrz. daine 'Damhirschkuh'. — Degen 'Kriegsmann' ist an
Degen 'Waffe' angelehnt, wie Hau-, Raufdegen zeigen, obgleich die Worte nichts mit-
einander zu tun haben. — deidiseln 'bearbeiten, fertig bringen' steht für dechseln zu
lat. texo 'webe' unter Anlehnung an Deichsel. — Dickbein 'Bein von der Hüfte bis zum
Knie', aus mhd. diechbein von mhd. diedi 'Schenkel' zu lit. taukai 'Fett'. — Dienstag
hat nichts mit Dienst zu tun, sondern steht für dingestag nach Thingsus, einem Beiwort
des Ziu. — ehender 'eher' mit Anlehnung an ehe zurückgehend auf mhd. end, ent 'be-
vor'. — Ehren- vor Namen, z. B. Ehren Loth bei Bürger geht auf mhd. ern aus herren
zurück. Eichhorn, ahd. eihhorn, ags. äcwern, an. ikorni hat nichts mit Eidie und
Hörn zu tun. — Eiland, mhd. ei- und einlant ist an ein und Ei angelehnt, es steckt
aber darin ein Wort für 'Insel', das wir auch in Nordern-ey haben. — Eimer, ahd. eimbar^
also 'Gefäß mit einem Griff, ist aus gr.-lat. amphora umgestaltet. — Einöde unter An-
lehnung an öde aus ahd. einödi, worin ödi wohl zu Adel gehört und 'Grund und Boden'
bedeutet. Einöde ist eigentlich 'Einzelgut'. — Eintradit steht für eintraft zu treffen,
also eig. 'das Treffen eines Zieles', wird jetzt auf tragen bezogen. — Eisbein, wohl
sicher volksetymologisch umgestaltet, doch die Entwicklung unklar. — Ekelname, mit
Anlehnung an Ekel aus nd. ökelname, wozu an. aukanafn, zsg. mit as. ökian 'mehren'
zu lat. augere, also eig. 'Zuname'. — Enterich unter Anlehnung an rieh (daher auch
Entreidi) aus ahd. antrehho, worin ant 'Ente' und nd. drake, e. drake 'Enterich' steckt. —
ereignen unter Anlehnung an eigen aus mhd. eröugen, ahd. irougen 'sehen lassen' zu
Auge. — fahnden mit Anlehnung an fahen aus ahd. fantön 'durchforschen, aufsuchen,
ausspüren', das wohl zu finden gehört. — fahrlässig, kaum aus fahren lassen gebildet,,
sondern unter Anlehnung an fahren aus mhd. verlie^ec 'lässig', abgeleitet von verlaß
'Lässigkeit, Versäumnis'. Vgl. nadilässig. — Feldstuhl entstellt aus Faltstuhl. — Fell-
eisen unter Anlehnung an Fell und Eisen aus mhd. velis von frz. valise. — Fett-
männdien 'kölnische Münze' entstanden aus Fettmönch. — Firlefanz unter Anlehnung
358 Fünfzehntes Kapitel. Volksetymologie.
an Firl 'Kreisel' und Fanz 'Possen' aus mlid. firlafei, von frz. virelai 'Ringcltanz'. —
Flamberg aus frz. flamberge, das unter Anichnunj,' an flambe 'Flamme' aus Floberge,
dem Eigennamen eines Scliwcrtes, entstanden ist. — Flederwisdi aus mhd. vederwlsdt
durch Anlehnung an f ledern. — Flittidt aus Fittidi unter Anlehnung an fliegen, Flügel. —
flöten gehen aus n6. fleuten gähn, das aus jüd.-deutsch pleite gehn 'flüchtig sich davon-
machen' entstanden ist, von jüd. pliHö 'Flucht'. — freudig steht verschiedentlich für
freidig 'mutig, klilin'. — Friedhof, mhd. vrithof von ahd. vrUen 'begünstigen, hegen'. —
Fußtapfe aus miid. vuoistapfe zu stapfen unter Anlehnung an Tappe. — Gewürz
gehört nicht zu würzen, sondern zu Würz. — Gottlieb. ahd. Gotleip unter Anlehnung
an lieb, -leib gehört zu bleiben und heißt 'der Zurückgelassene, der Sohn'. — Griffel
mit Anlehnung an Griff und greifen entlehnt aus gr.-lat. graphium von gr. yodq^eiv (gräphtn)
'schreiben'. — Grobgrün aus Grobgrün, Uz. gros grain, ifal. grosso grano 'dickes Korn'. —
Grobzeug umgedeutet aus Kropzeug. — Gruft, mhd. kruft aus gr.-lat. crypta 'Gewölbe,
Gruft' unter Anlehnung an Grube. — Grünspan ist spanisdi Grün. — Grütze in der Be-
deutung 'Verstand' ist aus älternhd. Kritz 'Verstand' umgedeutet. — Gundermann um-
gebildet aus gunderam, spätahd. gundram. — gut Gesdiirr madien 'ausgelassen, lustig
sein' ist umgedeutet aus frz. faire bonne diere. — Hagestolz, mhd. hagestalt 'der im
Hag sitzt, allein lebt'. — handlangen wohl umgestaltet aus mhd. andelangen 'über-
antworten'. — Hängematte aus ndl. hangmat, hangmak, das durch Anlehnung an
hängen und matte aus hamaca, einem Wort einer Indianersprache, stammt. — hantieren
aus frz. hanter 'oft besuchen, hin- und herziehen' unter Anlehnung an Hand. — hase-
lieren unter Anlehnung an Hase 'Narr' entlehnt aus frz. harceler 'reizen, plagen, necken*. —
Havarie aus frz. avarie wohl mit Anlehnung an Hafen. — Hebamme unter Anlehnung
an Amme aus ahd. hevanna, hevianna. — Hederidi unter Einwirkung von Wegeridi um-
gebildet aus lat. hederäceus. — herrisdi, herrlidi zn Herr angelehnt, ursprünglich aber
von hehr abgeleitet. — Hödter unter Einfluß von hodten aus hofer umgebildet. — Höhen-
raudi ist aus heraudi umgebildet, das aus /z«"/ 'trocken' und Raudi zusammengesetzt ist. —
hohnedien wohl umgestaltet aus holhippeln unter Anlehnung an Hohn. — Kalauer
umgestaltet aus frz. calembour(g) unter Anlehnung an den Namen des Städtchens Kalau
bei Berlin. — Kälberkern umgedeutet aus Kälberkerbel. — Kämpf er 'K^agsXtxn, Balken-
kopf', umgebildet aus Käpfer von lat. capreolus 'hervorragender Strebe- und Stützbalken*. —
Kanone, unter der 'unter allem Maß*, scherzhafte Umbildung von Kanon. — Kapp-
hahn für Kapaun, mhd. kappe aus lat. cäpo unter Anlehnung an Hahn. — Kappzaum
mittels Anlehnung -an Kappe und Zaum aus frz. cavegon. — Karfunkel mit Anlehnung
an funkeln aus lat. carbunculus. — Kater 'Katzenjammer' wohl umgebildet aus Katarrh. —
Kette 'Volk jagdbarer Hühner' geht auf ahd. kutti 'Herde' zurück. — Keusdilamm,
Übersetzung des lat. agnus castus. — Kohlmeise 'Meise mit kohlschwarzem Schnabel',
also zu Kohle, nicht zu Kohl. — kostspielig. Der zweite Teil ist ahd. spildig 'ver-
schwenderisch', angelehnt an Spiel. — Kreisel, angelehnt an Kreis und kreisen aus
Krauset zu ndd. Krüsel 'Wirbel'. — kritteln aus gritteln unter Anlehnung an Kritik. —
Küdiensdielle 'anemona pulsatilla' aus frz. coquelourde. — Kümmelblättdien, der
erste Teil aus gaunerisch gimmel 'drei'. — kunterbunt, im 15. Jh. contrabund aus
Kontrapunkt. —Lambertsnuß, elg. 'lombardisdie Nuß\ von Lamparten 'Lombaidti —
Landsknedit, wird vielfach auf Lanze bezogen, gehört aber zu Land. — Laube, nicht
zu Laub, sondern zu anord. lopt 'Zimmerdecke'. — Leididorn ist 'Dorn im Körper' zu
ahd. lih 'Körper', nhd. Leidie. — Leinwand mit Anlehnung an Gewand aus mhd. lin-
wät. — zu guter Letzt. Letzt gehört zu mhd. /^^z^ 'Abschied, Abschiedsgeschenk', von
letzen 'erfreuend aufrichten, laben'. — Leumund, ahd. (h)liumunt ist keine Zusammen-
setzung, sondern eine Ableitung vom Stamme hliu- zu gr. y.Uog {kleos) 'Ruhm'. — Lieb-
stödiel 'ligusticum levisticum' aus mlat. levisticum unter Anlehnung an lieb und Stödtel. —
liederlidi, unter Anlehnung an Luder oft lüderlidi gesprochen und geschrieben. — Ala-
joran, Meiran mit Anlehnung an maior umgebildet aus gr.-lat. amäracus. — Manidiäer
§208. Beispiele;: '.wi <i:/::!.: ;;^ 359
iinter Anlehnung an mahnen umgedeutet aus lat. Manicitaeiis 'Anhänger des Mani'. —
Maßholder mit Anlelmung an Holder 'Hohmder' aus mhd. ma^alter. — Maulwurf
■umgedeutet' aus mhd. moltwerf 'ErdwcTier". — Meerrettidi, eig. wohl 'Sumf)frettich' von
Meer 'Sümpf, Graben'. — Meltau aus mhd. miltou, in dem tnil zu got. niilif) 'Honig',
lat. mel, gr. /«tUt {meli) 'Honig' gehört, angelehnt an Mehl. — m^r^^/« 'kraftlos machen'
von Mark, aber angelehnt an Mergel. — Meßner, kommt nicht von Messe, sondern ist
entlehnt aus mlat. mesenarius, älter mansionarius 'Türhüter des Tempels' von lat. mansiö
"•Wohnung, Haus'. — Miniatur aus ital. miniatura 'kleines Gemälde' von lat. miniäre
■'mit Mennig färben', wird mit minder zusammengebracht. — mundtot, gehört zu dem
veralteten Mund 'Schutz' in Vormund. — Murmeltier, umgebildet aus mhd. mürmendin,
^hd. murmenti, entlehnt aus lat. mürem montis 'Bergmaus'. — Muskedonner unter An-,
lehnung an Donner umgebildet aus frz. mousqueton. — Mutter 'dicker Bodensatz, Hefe',
€ins mit Moder, aber umgedeutet auf Mutter als Grundstock des gärenden Getränkes. —
Mutterkrebs, gehört zu mutern, ndd. Form für mausern, also 'sich mausernder Krebs'. — •.
Nachdrudi 'das Wiederkäuen' (vom Rotwild), umgebildet aus Nachrudi, worin ra^ 'kauen'
bedeutet, zu lat. ructäre. — Nigromantie 'Schwarze Kunst' aus lat. nicromantia, in dem
nicro auf gr. vexgög (nekrös) 'Toter' zurückgeht, das aber auf lat. niger 'schwarz' bezogen
wurde. — Odermennig, umgebildet aus lat. agrimönia. — Ohnmadit, ahd. ämaht,
zsg. mit der Präposition ä 'un', umgebildet nach ohne. — Ohrfeige. Der zweite Beständ-
teil gehört zu ndl. veeg 'Schlag, Streich'. — Oleander, durch mannigfache Anlehnungen
umgestaltet aus gr.-lat. rhododendron. — Orange aus frz. orange unter Anlehnung an
er 'Gold' umgestaltet aus ital. arancia, das im letzten Grunde auf aind. nuravga- 'Orangen-
baum' zurückgeht. — Osterluzei aus mlat. aristolocia durch Anlehnung an Ostern. —
Oxhoft aus engl, hogshead 'Schweinskopf', noch mehr verdeutlicht Oxenhaupt. — zu
Paaren treiben, umgedeutet aus zum parn bringen 'zur Krippe [barn) treiben'. —
Pappenstiel aus Pappelstiel unter Anlehnung an Pappe. — Petsdiaft unter Anlehnung
an sdiaft umgebildet aus mhd. petsdiat und dies aws ischtzh. pecet — Pf eif holt er d.nxch
Anlehnung an pfeifen aus mhd. vivalter. — Pidtelhaube aus mhd. bediinhabe , Kriegs-
haube in Form eines Beckens'. — Pirol wohl nach dem Ruf des Vogels, umgedeutet in
Bierhold, Bierholer, Vogel Bülow. — Rainblume und Rainschwalbe gehören beide
nicht zu Rain, sondern zu Rhein. — Reitersalbe 'Salbe zur Heilung der Räude', um-
gedeutet aus ndl. ruitzalve von ndl. ra^Y 'Räude'. — Rempter, mhd. revent(er) mit zahl-
reichen Nebenformen, vielleicht umgestaltet aus mlat. refectorium. — Rennsteig, um-
gedeutet aus Rainsteg 'Grenzstieg'. — Ridikül aus glbed. frz. ridicule für reticule aus
lat. reticulum 'kleines Netz'. — Rohrdommel mit Anlehnung an Rohr aus ahd. horo-
dumil von ahd. horo 'Schmutz'. — Rosenmontag aus rasender Montag. — rösten
'die Stengel des Flachses mürbe machen' durch Einfluß von rösten aus mhd. rce^en 'mürbe
machen', das zu verrotten gehört. — rudibar gehört nicht zu riechen, sondern zu mhd.
ruoft 'Ruf, Leumund', das zu rudit wurde. — Rundteil umgedeutet aus mlat. rondellum
^Runde, Kreis'. — Saflor umgebildet aus ital. asfiori. — Salband 'das Zettelende', um-
gebildet aus mhd. selbende 'das eigene, nicht angesetzte Ende des Gewebes'. — Salweide
enthält ahd. salaha 'Weide'. — Sdiäl-, Sdiellhengst, ahd. skelo, mit beschälen zu ai.
salabhdh 'Heuschrecke', eig. 'Springer'. — Schanze, in die Sdi. sdilagen ist frz. Chance. —
Sdiarladi mit Anlehnung an Lachen 'Laken' aus mlat. scarlatum. — Sdiellkraut mit
Anlehnung an Sdielle umgebildet aus mlat. dielidonia. — sdiimpfieren unter Anlehnung
an Sdiimpf aus afrz. desconfire 'völlig htsxtgzn'.'-^ Sdilagetot ist z.T. volkstümliche
UmgestaUung von Soldat. — Sdilittschuh aus älternhd. Sdirittsdiuh unter Einfluß von
Schlitten. — Sdinake 'lustiges Gerede' wird im Hinblick auf Grillen, Mucken mit Sdinake
'Mücke' in Verbindung gebracht. — sdinippisdi aus ndl. snebbig 'maulgewandt' von sneb
'Schnabel' unter Anlehnung an sdinippen 'ein Schnippchen schlagen'. — Schönbartspiel
'von Maskierten aufgeführtes Fastnachtsspiel' ist aus mhd. sdiemebart 'bärtige Maske'
.umgedeutet, zsg. mit mhd. sdieme 'Schatten, Larve'. — Schuppenpelz 'Pelz aus Wasch-
360 Sechzehntes Kapitel Die Bildung der Eigennamen.
barfeilen', umgedeutet aus russ. iuba 'Pelz*. — schurigeln unter Anlehnung an Sditih
umgebildet aus sduirgeln, einer Ableitung von sdiürgen 'stoßen, schieben". — Schütze
'öffentlicher Wächter, Flurschütz' ist Ableitung von sdiützen. wird aber mit Schütze 'der
Schießende' zusammengebracht. — Sdiwabe 'Mehlkäfer' aus Sdiabe durch Anlehnung an
den Volksnamcn Sdiwabe. — sdiwadronicren umgebildet aus sdiwadern 'viel schwatzen'
durch Anlehnung an Schwadron. — Schwarte 'Redefluß' umgebildet aus Sdiwade. —
Schwein 'Hirt. bes. Schweinehirt' ist mhd. ahd. swein, verwandt mit lit. sva'inis 'der
Gattin Schwestermann', angelehnt an Sdiwein 'sus'. — Sdiwibbogm aus mhd. swiboge
durch Anlehnung an sdtwcben. Ursprünglich hieß es swibibogo 'Schwebebogen'. Es ist
also hier das Richtige getroffen. — sdiivin i •' , mhd. sweric, eig. 'voll Schwären', an schwer
angelehnt. — Seidelbast, aus mhd. zidelbast, zsg. mit ahd. zidal 'Honig'. Anlehnung
an Seide. — Sorbet aus ital. sorbetto, das mit Anlehnung an ital. sorbire aus türk.-pers.
Werbet 'süßer Kühlfrank' entlehnt ist. — Siidit 'krankhaftes Verlangen' gehört nicht zu
sitdien. sondern mit Ablaut zu siech. — Sündjiut, umgedeutet aus mhd. sin(t)fluot 'an-
dauernde Flut'. — Teerjacke 'Matrose', umgedeutet aus engl. Jadi-tar. — Theriak, aus
gr.-lat. thfriaciis 'wider Schlangenbiß dienlich*, ist volkstümlich mannigfach umgestaltet zu
Dreiacker, Trujak, Driages. — Trampeltier, umgestaltet aus Dromedar. — Tuffstein
ist auch umgebildet zu Duckstein, Taudistein. — Ungeld '(lästige) Abgabe von Einfuhr
und \'erkauf von Lebensmitteln usw.', wohl Übersetzung des lat. indebitum, wird um-
gebildet zu Ohmgeld, mhd. umbgeld. — Untersdileif, mhd. nndersleipf neben under-
slouf 'Versteck', gehört wohl eigentlich zu mhd. undersliefen 'hintergehen, betrügen' mit
Anlehnung an schleifen. — unverzüglidi, ursprünglich zu verziehen gehörig, jetzt zu
Verzug gestellt. — Vielfraß 'gulo'. vielleicht umgedeutet aus norvv. fjeldfross 'Berg-
kater'. — Wadwider aus ahd. wcdialter unter Anlehnung an Holder. — Wahnsinn,
Wahnwitz enthält ein Adjektivum wahn 'leer', zu lat. vänus. wird aber auf Wahn be-
zogen. — Wahrzeichen, bei Notker wortzeidien, asächs. wordtPkan, also 'Erkennungs-
wort', aber an wahr angelehnt. — Weichbild, mhd. wtdibilde 'Stadtgebiet' zu wich, wik
'Stadt'. — weisniadien, mhd. einen wis madien 'einen kundig machen'. — ivrissagen,
ahd. wijagön von wi^ago 'Wahrsager", einer Ableitung von wissen, jetzt mit weise und
sagen zusammengebracht. — Wetterleuchten, spätmhd. weiter laidien von wetterleidi
'Wetterspier, • leidi zu got. laiks 'S\i\t\' . — Wiedehopf, ahd. tf/Yw/zo/?/« 'Holzhüpfer', das
aber wohl eine Umgestaltung eines Wortes ist, das den Ruf des Vogels nachahmt, d. Hupp-
hupp, lat. upupa, gr. f.Tov (cpops). — Wildsdiur 'Wolfspelz', umgebildet aus poln. wilczura
'Wolfspelz' zu poln. wilk 'Wolf. — Windmonat 'November', ursprünglich windumemänöth
, Weinlesemonat (Oktober)' von lat. vindemia 'Weinlese'. — Windsbraut, schon ahd.
wintesprat. Doch steckt kaum Braut in dem zweiten Bestandteil. — Wonnemonat, ahd.
winne-, wunnimänüth bedeutet 'Weidemonaf, zu ahd. wunnia 'Weidt'. — zerknirsdien,
ahd. zeknnsen von ahd. knussan 'stoßen, schlagen'. — Zierat, bei Stieler Z/V/ta/, weil
er darin eine Zusammensetzung mit rät sah. -at ist aber Ableitungssilbe, mhd. zierüt. —
Zwiebel, ahd. zwibollo unter Anlehnung an Bolle umgestaltet aus lat. caepula.
Sechzehntes Kapitel.
Die Bildung der Eigennamen.
§ 209. Allgemeines. Unter den vielen Gebieten der Wortforschung ist
vielleicht eines der anziehendsten, aber sicher auch eines der schwierigsten,
die Untersuchung der Eigennamen. Namen stehen vielfach nicht mehr in deut-
lich erkennbarem etymologischem Zusammenhang mit andern Wörtern, und
§209. Allgemeines. A. Die Personennamen. §210. Allgemeines. 361
daher setzt hier das Bedürfnis, Aufklärung zu erhalten, früh ein. Es kommt
die persönliche Anteilnahme hinzu, die jeder an den Namen hat, die ihn
umgeben. Man möchte wissen, was der Name, den man selber führt, der
Name des Ortes, in dem man wohnt, des Flusses, den man sieht, eigent-
lich bedeutet. Eine Reihe von Fällen sind ja ohne weiteres klar. Namen
wie Schneider, Sdmster, Müller, Hirt. Sattler bedürfen zunächst keiner
Erklärung; ebensowenig andere wie Thüringer Wald, Erzgebirge, Magde-
burg, Regensburg, Neustadt. Aber die große Masse ist undeutlich, und
bedarf daher der Untersuchung und Erläuterung. Die Sprachforschung hat
bisher das Ihrige dazu beigetragen, dieses immerhin dunkle Gebiet auf-
zuhellen. Die Anzahl der Arbeiten, die sich mit der Deutung einzelner
Lokalnamen beschäftigen, ist geradezu unabsehbar. An dieser Stelle kann
es sich nur darum handeln, die hauptsächlichen und grundsätzlichen Er-
gebnisse der bisherigen Forschung zusammenzustellen und mit den nötigen
Beisp'elen zu belegen. Auf eine vollständige Anführung der Literatur muß
verzichtet werden. Unser Gebiet zerfällt in die Eigennamen für lebende
Wesen (Personen-, Völker- und sonstige Namen) und die örtlichen
Namen (Gebirgs-, Fluß-, Orts-, Straßen- und Häusernamen).
A. DIE PERSONENNAMEN.
§ 210. Allgemeines. Über die Grundgesetze der Deutung der Personen-
namen ist man seit langem im klaren, aber in den Einzelheiten ist noch
vieles unsicher, und es ist merkwürdig, wie wenig wahrhaft fördernde
Arbeiten wir besitzen bei der großen Menge von Schriften, die sich mit
der Frage nach der Herkunft der Personennamen beschäftigen. Vor allem
fehlten genaue geschichtliche Untersuchungen so gut wie ganz. Erst neuer-
dings ist ein großes Werk erschienen, das die oberrheinischen Verhältnisse
in trefflicher Weise behandelt: A. Socin, Mittelhochdeutsches Namenbuch;
nach oberrheinischen Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts, Basel 1903. Für
die althochdeutsche Zeit bietet E. Förstemann das Material in seinem Alt-
deutschen Namenbuch: 1. Personennamen, Nordhausen 1854; 2. Auflage 1901.
Anmerkung. Aus der übrigen Literatur hebe ich nur hervor, was heute noch einiger-
maßen von Wert und Bedeutung ist: W. Wackernagel, Die germanischen Personennamen,
Schweizerisches Museum für historische Wissenschaft 1 (1837), 96— 119. H. F. O. Abel,
Die deutschen Personennamen, Berlin 1852, 2. Auflage 1890. — Pott, Die Personennamen,
insbesondere die Familiennamen und ihre Entstehungsarten, Leipzig 1853, 2. Auflage 1859. —
ViLMAR, Deutsches Namenbüchlein, Frankfurt a. M. 1863, '■ 1896. — M. Heyne, Altniederdeutsche
Eigennamen aus dem- 9. bis 11. Jalirhundert, Halle 1867. — L. Steub, Die oberdeutschen
Familiennamen, München 1870. — K. G. Andresen, Die altdeutschen Familiennamen in ihrer
Entwicklung und Erscheinung als heutige Geschlechtsnamen, Mainz 1873. — K. G. Andresen,
Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Geschlechtsnamen, Heiibronn 1883. — Alb.
Heintze, Die deutschen Familiennamen geschichtlich, geographisch, sprachlich; Halle 1882,
•*1914; dieses Werk bietet augenblicklich die beste Übersicht. — Fr. Kluge, Deutsche
Namenkunde, 1917. — A. B.^HNiscH, Die deutschen Personennamen, 1914. — Khull,
Deutsches Namenbüchlein, Braunschweig 1891. — Tetzner, Namenbuch, Leipzig ^ 1895. —
Tobler-Meyer, Deutsche Familiennamen nach ihrer Entstehung und Bedeutung mit be-
362 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
sondrer Rücksicht auf Zürich und die Ostschweiz, Zürich 1894. — H. GLOfiL, Die Familien'
namen Wesels, Wesel 1901. — Karl Heinrichs Studien über die Namengcbung im Deutschen
seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts, Straßburg 1908. — H. Reichert, Die deutschen
Familiennamen nach Breslauer Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts, Breslau 1908. —
E. Schröder, Die deutschen Personennamen, Göttingen 1907. — F. Vetter, Über Per^
sonennamen und Namengebung in Bern und anderswo. Rektoratsrede. Bern 1910. — G. Werle,'
Die ältesten germanischen Personennamen, Straßburg 1910. Beiheft zu ZfdW. 12. Derselbe,
Mainzer Ztschr. 5, 54—66. — M. Schönfeld, Wörterbuch der altgermanischen Personen^
und Völkernamen. Nach der Überlieferung des klassischen Altertums bearbeitet. Heidelberg
lÖll. —Weiteres bibliographisches Material bei VON Bahder, Die deutsche Philologie im
Grundriß 145, Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft 1, 33 und für die
letzten Jahre im Jahresbericht für germanische Philologie.
T'»'^ ' In der Entwicklung der germanischen und deutschen Personennamen
muß man zwei Abschnitte unterscheiden, erstens den altern, in dem es keine
festen Familiennamen gab, sondern jeder Mensch nur einen Namen hatte;
und zweitens den Jüngern, in dem sich die Familiennamen ausgebildet haben.
Während auf diesem Gebiet manches ohne weiteres klar war, herrschte
über die Bildung und Herkunft der altgermanischen Personennamen Un-
klarheit, bis das Grundgesetz der germanischen Namengebung von ver-
schiedenen Seiten aufgedeckt wurde, von K. Strackerjahn, Die jeverländischen
Personennamen mit Berücksichtigung der Ortsnamen, Jever 1864; Fr. Stark,
Die Kosenamen der Germanen; zuerst in den Sitz.Ber, der Wiener Akad. 52
(1866), dann als Buch Wien 1868; A. Fick, Die griechischen Personennamen,
1. Aufl. 1874; in der zweiten Auflage fehlt der betreffende Abschnitt.
Für das Folgende bemerke ich, daß es den Zwecken dieses Buches
entsprechend nur darauf ankommt, die Bildungsgesetze und die Herkunft
der Namen darzustellen, während die allmähliche Ausbildung und das Fest-
werden der Familiennamen zu verfolgen nicht in unsere Aufgabe fällt. ,
§ 21 1. 1. Die indogermanischen und altgermanischen Personennamen. In den
ältesten uns bekannten Zeiten bis in das 12. Jahrhundert und weiter trägt
jeder Deutsche nur einen Namen, der ihm bei der Geburt beigelegt wird
und der mit seinem Tode erlischt.' Ich erinnere an Arminias, Segestes, Sigfrid^
Sigmund, Theodoridi {Dietrich). Diese Art stammt aus der indogermanischen
Zeit, da eine ganze Reihe der verwandten Völker dieselbe Weise mit den-
selben Bildungsgesetzen anwendet, vgl. Hirt, Die Indogermanen 2, 718 ff.
Da aber auch in alter Zeit oft die gleichen Namen vorkamen, so fügte
man als besonderes Kennzeichen den Namen des Vaters hinzu. So heißt
Agamemnon der Sohn des Atreus, Odysseus der Sohn des Laertes. Im
Griechischen blieb es bei dieser Art der Benennung, und die Russen haben
sie noch heute bewahrt. Wenn es dort jetzt auch Familiennamen gibt, so wird
doch jeder im Umgang mit seinem Vornamen und einer Ableitung vom Vor-;
ngmen seines Vaters bezeichnet. So hieß der letzte Zar Nikolaj Alexandrowicl
d, h. Sohn des Alexander. In jedem russischen Roman kann man diese
Namengebung antreffen, die uns manchmal das Verständnis etwas erschwert]
Auch bei uns galt dieselbe Benennungsweise. Im Hildebrandslied heißt
§211. Die indogermanischen und altgermanischen Personennamen. 363
Hiltlbrant Heribrantes siinii und sein Sohn Hadubrant Hiltibrantes siinu.
Jahrhundertelang haben sich so die Deutschen genannt, und in gewissen
Gegenden ist diese Art erst im 18. Jahrhundert durch staatlichen Zwang
beseitigt worden.
Aber auch unsere jetzigen Familiennamen sind zum großen Teil nichts
als jene altgermanischen Individualnamen, die sich in gewissen Geschlechtern
als FamiUennamen festgesetzt haben.
Nun scheinen die indogerm. Personennamen außerordentlich mannigfach
zu sein, aber sie gehorchen doch einem einfachen Grundgesetz, das von den
obengenannten Forschern unabhängig voneinander entdeckt worden ist.
Die indogermanischen Personennamen waren Zusammensetzungen aus zwei
Stämmen, wie wir es noch haben in Sig-frid {Sieg und Friede), Lud-wig (Jilud 'berühmt'
zu gr. xlvxög und wig 'der Kampf), Fried-rich {Friede und reich), Lot-har {hlot = hlud,
siehe oben, und hari 'Heer'), Günt-her {giint 'Kampf und hari), Diet-ridi {diot 'Volk' und
r%di)\ ferner Rüdi-ger, Volk-mär, Rein-hart, Arn-wald 'Arnolt' usw.
Es ist vorauszusetzen, daß ursprünglich einmal diese Zusammensetzungen bedeutungs-
voll gewesen sind. Aber das hat schon früh aufgehört, da sich die Sitte schon als indo-
germanisch nachweisen läßt, in dem Namen des Sohnes einen Teil des Vaternamens zu
wiederholen. Vgl. Sigfrid, Sohn des Sigmund, Hadubrant, Sohn des Hilde b r a n t , und
dieser Sohn des Heribrant u. a. Natürlich schließt das nicht aus, daß man gewisse
Namenbestandteile mit besondrer Vorliebe wählte. Tatsächhch können wir im Germanischen
eine Vorliebe für Wörter wie Ruhm, Sieg, Kampf feststellen.
In den verwandten Sprachen finden wir nicht nur dasselbe Grundgesetz der Namen-
gebung, sondern es finden sich sogar dieselben Worte zur Bildung verwendet, so daß wir
eine ganze Reihe indogermanischer Namen und Namenbestandteile erschließen können.
Ich stelle im folgenden das Wichtigste zusammen.
Idg. *kluto- 'berühmt': aind. Sruta-maghah, gr. Klvro-jn^drjg {Klyto-mäd^s), gall. Cluto-
rix, ags. Hlophere, ahd. Lot-hari, Lothar, Hlud-olf, Ludolf, ahd. Hludwig, lat. Chlodo-
vicus, Ludwig. — Idg. *segho- 'Kraft, Sieg': aind. Saha-jah, gr. "Ex£-(pQOiv {Ekhe-phrön),
gall. Sego-vesus, germ. Sigimerus, Siegmar, Sigimundus, Sigmund, Siegfried. — Idg.
*wlko- 'Wolf: ai. Vrka-karman, gr. Avxo-rpQcoy (Lykö-phrön), Wolf -gang, Wolf-ram
und als zweites Glied in Ludolf, Rudolf, ags. Hröä-wulf. — Idg. teuto- 'Volk': hom.
TEVTa-/.udao (Teuta-midao), gall. Toutorix, ahd. Diot-rih, Dietrich, lat. Theodericus,
Dietmar. — \dg.* kerati- 'Rnhm': ai. Kirti-dharah, Su-kirtili, ahd. Hruod-berht, Robert,
Rupert, Ruprecht, ahd. Ruodarlh, Roderich, ahd. (H)ruodolf, Rudolf. — Idg. *katu-
'Kampf: gall. Catu-rlx, Cata-gnätos, ahd. Hadu-bald, Hadu-brant, Hedwig. — Idg.
*wesu- 'gut' : ai. Vasu-dattah, gr. Ev-^ievr)? (Eu-menws), kelt. Visu-rix, illyr. Ves-clevis, ahd.
Wisu-mär. — Idg. *koitu- 'Gestalt, Glanz': aind. Ketu-dharman, ahd. Heid-berht, ahd. Adal-
heit, Adelheid.
Bei weiterer Untersuchung dürften sich noch mehr derartige Stammwörter ergeben.
Anmerkung. Die germanischen Personennamen stimmen z. T. ganz mit keltischen
überein. Da sich unter diesen auch solche mit *riks 'reich' befinden, dieses Wort aber aus
dem Keltischen entlehnt ist, so liegt die Vermutung nahe, daß die ganzen Namen herüber-
genommen sind. Das führt aber mit Notwendigkeit zu der Annahme, daß die Kelten einst
das höherstehende, herrschende Volk waren, und diese läßt sich auch durchaus mit den
geschichtlichen Tatsachen vereinigen. Vgl. O. Bremer, Ethnographie d. germ. Stämme S. 53.
Zu den in den germanischen Personennamen sonst noch auftretenden
verlorenen Stämmen gehören noch folgende:
ahd. hiltia 'Kampf in Hildebrand, Hildegard, Hildegunde; — ahd. gund 'Kampf,
364 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigf •
lit. f^inc'as 'Streif in (Jilnther, Günther; — ahd. wig 'Kampf zu laf. virico in Ludwig; —
alid. magin, megirt 'Kraff zu mögen in Mcinhard; — got. ragin 'Raf in Reinhard u.v.a.
Aus diesen alten zweistämmigen Namen sind nun im Laufe der Zeiten
zahlreiche deutsche Familiennamen entstanden, indem diese Namen zu
Familiennamen wurden. Je nach der Verschiedenheit der Gegend wechselt
die lautliche Form etwas. Andere aber nicht ins Gewicht fallende Unter-
schiede sind durch die Orthographie geschaffen.
Grundform ahd. Sigu-frid wird zu Siefert, Sifard, Siffert, Seffert, Seifried, Seifert,
Seyfahrt, Scifhardt. Seiffer, Seitffert, Seefrid und in genitivisclier Form Siefers, Seifritz. —
Sigibald wird zu Siebold, Siebet, Sybel, Sebald, Seepolt, Seybold, Seibcld, Seihet, Seyppel,
Seibt, Scubcl, Siebotd, Sirbetis. — Hari-berht wird zu Harprecht, Harhert, Harbcrt,
Herbredit, Herbert, Herbart, Herborth. — Hari-man wird zu Härmen, Hermann, Hör-
mann, Gen. Harmans, Harms, Herms. — Hario-walda wird zu Harald, Herwald,
Herold, Herholdt, Herbt, Herlt, Hörold, Gen. Herholz, Hörholz. — Agi-berht wird zu
Eggebredit, Eggebert, Edtebredit, Edtenbredit, Edibert, Ediert, Eidihardt usw.
Sicher gehen Tausende von deutschen Familiennamen auf diese alten
Vollnamen zurück.
Noch häufiger ist eine Art Abkürzung, die sogenannte Koseform, die
schon im Indogermanischen üblich war. Die zweistämmigen Namen wurden
als zu lang empfunden, man verkürzte sie, besonders im täglichen Gebrauch,
ähnlich wie wir Fritz für Friedrich, Heinz für Heinrich gebrauchen. Als
Grundgesetz gilt dabei, nur einen Teil des Vollnamens zu verwenden.
1. Eine der gewöhnlichsten ist die, daß statt des schließenden Kon-
sonanten die Doppeltcnuis eintrat. Sie wurde nach den Regeln der Laut-
verschiebung im Hochdeutschen verschoben und später dann je nach dem
Ort noch mannigfach verändert.
So entstand: Dietz, Dletze, Tietz aus Dietridi; — Fritz, Fritze, Fritsdie aus Friedridi; —
Götz. Götze aus Gotfrid; — Bartsdi, Partsdi. Pertsdi aus Berthold; — Riietz. Rietz aus
Rüdiger; — Lutz aus Ludwig. Belege aus den Urkunden gibt Socin 192: Liuzo = Liud-
prand, Luzo = Liuderih, Azo ^- Adelbertus, Nizo, qui et Nithardus, Reinzo — Reginald,
Sizzo = Sigebert, Wetzet = Wernher.
Da dieses tz sehr häufig war. so wurde es auch auf Formen ühertragen, denen es
eigentlich nicht zukommt, so in Heinz, Heinze, Hentze zu Heinridi; Seitz zu Sigfrid.
Doppeltes p finden wir in Ebbo = Eberhardus, Geppa -- Gerberga, doppeltes k in
Buggo {ego Burdiardns qui et Buggo nominor, Socin 193), Sicco — Sigibert usw.
Anmerkung. Ähnlich finden wir im Griechischen nkh; neben Fvhnjioi;, TüX<k
neben Te/.eöijuog usw.
2. Diese Verdoppelung des letzten Lautes war indessen nicht unbedingt
nötig. Ebenso beliebt war es, das erste Glied der Zusammensetzung zu
nehmen und daran Suffixe zu fügen. Das gewöhnlichste und schon indo-
germanisch verwendete ist -n, mit dem Nominativ althochdeutsch auf -o,
vgl. gr. -cüj- {-ön), lat. -o.
Daher stammt dann die Fülle eingliedriger Personennamen auf -e, wie Bode zu Bodomär.
Sehr gewöhnlich war auch das Suffix -/- oder -lo-, das einen kosenden, diminuierenden
Sinn hatte, vgl. gr. Ainyv/.o; (Aiskhylos). So heißt denn der Gotenbischof Wulfila jetzt
WölfeL Es ist das die Koseform eines mit Wolf zusammengesetzten zweistämmigen Namens,
aus dem sich der Name Wolf entwickelt hat.
§ 212. Die christlich-biblischen und antiken Namen. 365
3. Doch ist dieses Suffix nur noch in Oberdeutschland vorhanden als
-el, -le, -lein, -lin, während in Nieder- und Mitteldeutschland -ken, -ke, -chen,
-gen herrscht. Es ist derselbe Unterschied, der sich in den Worten Mädel,
Mägdlein gegenüber Mädchen, Mäken zeigt. So haben wir also die ober-
deutschen Namen Böckel, Böcklin, Tröndlin, Oberlin, Ködilin, Merkle, Eberle,
Enderle, während nieder- und mitteldeutsch die zahlreichen Namen auf ke
und -ken sind. Die beiden letzten Formen sind übrigens auch wieder land-
schaftlich verschieden, -ken herrscht im Westen, während im östlichen
Niederdeutschland das n abgefallen ist.
So entwickelt sich also aus Heinrich.: Heinike, Hennike, Henke, Hink, und auf der
andern Seite Heinel, Heindl, Hähnel, Henle. Beide Suffixe sind vereinigt in Henckel,
Hindiel. — Aus Meinhart entsteht Meineke, Menken; aus Ludwig Lüdeke, Lüdken; aus
Wilhelm Wilken, Wilke; aus Wernher Werneke usw. 7 aus Gisebredit Giseke.
Seit idg. Zeit fügte man nun zu dem eigentlichen Namen den des Vaters hinzu, und
man mußte dies tun, wenn eine Verwechslung möglich war. Natürlich konnte auch diese Be-
nennnng zum Familiennamen werden. So nannte man den Betreffenden mit nachgestelltem
Sohn: schwed. Torstenson, norw. Björnson, engl. Wilson, Robinson, Thomson oder ab-
geschwächt -sen Wilmsen, Frenssen, Hinridisen, Volqnardsen. Man kann mit Sicherheit sagen,
daß alle derartige Namen aus Niederdeutschland stammen. Oder das -sen kann auch weg-
bleiben, und es kann der bloße Genetiv eintreten, der teils auf -s, teils auf -an ausgeht.
So heißt es z. B. in alten Urkunden Henriciis dictus Arnoltz. Hierher gehören also Namen
wie Diederidis, Hermanns, Gompertz, Reinholz oder Thielen, Otten. Selbst der lateinische
Genetiv wird in solchen Fällen gebraucht. Da das Latein die Sprache der Urkunden war,
kann es nicht wundernehmen, daß sich Namen wie Arnoldi, Friederici, Heinrici, Bern-
hardy festgesetzt haben.
Neben dieser Bezeichnung schuf der Volksmund auch andere Unterscheidungen, in-
dem er dem Namen irgendein Kennwort hinzufügte, z. B. Adterkurt, Jiingkiirt, Kurzkurt,
Großkurt, Hofkurt.
Überblickt man das gesamte Namenmaterial, so tritt uns die überraschende
Tatsache entgegen, daß noch heute der größte Teil unsres Volkes die alten ger-
manischen Namen trägt. Es gab hier so viel verschiedene Stämme, so viel ver-
schiedene Abkürzungen und Sonderentwicklungen, daß gewöhnlich nicht allzu-
viel Träger des gleichen Namens vorhanden waren, und dadurch die in jeder
Weise wünschenswerteVerschiedenheit der Namen von selbst erreicht worden ist.
§ 212. 2. Die christlich-biblischen und antiken Namen. Neben die große
Schicht altgermanischer Benennungen treten seit Einführung des Christen-
tums und dem Eindringen der antiken Bildung die fremden Namen, die
man aus der Bibel und sonstigen Schriften kennen lernte. Auch bei ihnen
ist das Grundgesetz dasselbe. Der Mensch bekommt nur einen Namen.
Wie die echt germanischen Namen erbten sich auch diese in den Familien
fort, und so wurden auch sie vielfach zu Familiennamen. Dabei ist eine
Bemerkung über die lautliche Gestaltung vorauszuschicken. Das Altdeutsche
legte auch bei den fremden Namen den Ton zunächst auf die erste Silbe.
Das erkennen wir deutlich aus ihrer Verwendung im Alliterationsvers. Im
HeHand heißt es:
Lukas endi Johannes sie wärun gode lieba.
366 Sechzehntes Kapitel. Dje Bildung der Eigennamen,
Hier reimen die ersten Buchstaben der Namen kreuzweis mit f^ocie Heim. Da
indessen durch den immerwährenden Einfluß der lateinischen Sprache der
ursprüngliche Ton manchmal wieder sein Recht erhielt, so entstehen viel-
fach Doppelformen, die echt volkstümlichen mit dem Ton auf der ersten
Silbe, und die mehr gelehrten mit dem lateinischen Akzent. So hat sich
Johannes zu John, Jahn, Johannes zu Hans entwickelt. Aus Bartholomaeus
wird Bartel und Meives (Alöbius), aus Andreas Enders und Drewes, aus
Nikolaus Nickel und Klaus.
Auch diese fremden Namen sind sehr verbreitet, am meisten wohl Johannes, z. B.
Johannes, Johanns. Joanni, Johansson, westf<1l. Aldejohann, lingeljohann, Jungjohann,
Koiiijohann. Liittjohann, Joanning; dann John, Johns, Johnen, Jonke, JOhnke. Jahn,
Jans, Jans, Fiihljahn, ürotjan. Ottenjan, Schmidtjan. Janson, Jansen, Janssen, Jenssen,
Janeke, Jiinicke, Jänidien usw. Auf der andern Seile Hannes, Althans. Großhans, Jung-
hans. Kleinhans. Langhans. Langerhans. Sdiumrzhans u. a.
§ 213. 3. Die Herkunftsbezeichnungen. Spät im 10. Jahrhundert tauchen
die ersten Belege dafür auf, daß man dem Namen die Herkunft hinzufügte.
1044 finden wir in einer Urkunde ausgestellt zu Embrach im Zürichgau
Uodalridi de Ustra, Bernger de Unowa, Herhart de Wihenanc, Berditoldt et
Uiiodalridi de Toccanburg usw., Socin 233. Diese Sitte kommt zuerst beim
alten Adel auf und erst später beim Dienstadel. Hierin liegt zweifellos die
erste deutliche Bildung von Geschlechtsnamen, wenn auch anfänglich der
Name nicht stets hinzugefügt wurde. Die Verwendung von de ist übrigens
auch beim Adel nicht unbedingt nötig; die Zahl der Adligen, die im
13. Jahrhundert kein de bei ihrem Namen haben, ist verhältnismäßig groß,
während umgekehrt auch viele Bürgerliche ein de vor ihrem Namen tragen.
Erst im 17. Jahrhundert ist von als Vorrecht des Adels durchgedrungen.
Der bloße Ortsname, den wir schon früh als Namen antreffen, ist aus
dem Ortsnamen mit von verkürzt. Sobald der Zuname eine größere
Rolle zu spielen anfing, mußte sich die Unbequemlichkeit des von im Satz-
gefüge merkbar machen, und so ließ man es einfach weg. Vgl. Socin 347.
Derartige einfache Ortsnamen als Familiennamen sind im 13. Jahrhundert
schon häufig und leben noch heute oft genug fort. Je mehr man in deut-
schen Landen herumwandert, um so mehr staunt man über die Fülle von
Ortsnamen, die zu Personennamen geworden sind, z. B. Liditenberg, Hunds-
hagen, Viereck, Brockhaus, Wadienhiisen, Möllhausen, Buchholz, Scharn-
horst, Karlstadt usw. Daneben stehen Ableitungen auf -er wie Badiheinier,
Baidinger, Basler, Berner, Brender, Cappeller, Hasuler, Horburger, Oltinger,
Sempadier. Diese verschiedenen Arten sind aber nicht fest. „Derselbe
Mann", sagt Bücher, Frankfurts Bevölkerung im 14. und 15. Jahrhundert
S. 74, „der 1390 Heincz von Buczpadi genannt wird, heißt 1389 an der-
selben Stelle Heincz Buczpadi und 1388 Heincz Buczbecher" , und es dauert
geraume Zeit, bis einer dieser Namen zur ständigen Bezeichnung wird.
Die Benennungen, die von der Herkunft ausgehen, finden sich natürlich
vornehmlich in den Städten, nach denen eine große Zuwanderung aus der
§ 213. Die Herkunftsbezeichnungen. §214. Die Übernamen. 367
nähern Umgebung stattfand. Nach Bücher machen die Namen mit Her-
kunftsangabe beinahe ein Drittel sämtlicher Familiennamen aus.
I Familiennamen nach der Wohnstätte, d.h. abgeleitet vom Namen des
Hauses oder von einem Flurnamen kommen seit der Mitte des 12. Jahr-
hunderts vor. Im Unterschied zu den eigentlichen Ortsnamen können bei
ihnen auch andere Präpositionen als de allein zur Verwendung kommen
and zwar fast immer mit dem Artikel. Weiter kann dafür auch der Name
ohne Präposition und die Ableitung mit -er gesetzt werden. Neben Hein-
rich im Bongarten finden wir auch Johannes dictus Bongarte, Biirchart der
Bongarter und Heini Bongarter. Weitere Beispiele sind imme Engillo =
Engillo, ze Herde = Herde, am Herwege = Herweg, zer Hurst = Hurst,
zem Reb stocke = Reb stock, zem Sperwer = Spenver, im Steinhaus = Stein-
haus, am Bäte = Buler, ad Rosam = Resler, in dem Winkel = Winkler.
Auf der andern Seite ist nicht selten die Präposition auch festgeworden,
7..B. Am-bronn, ten Brink, von der Ohe, Zum-steg, Im-hoff, Am-rain. Ver-
gleiche dazu die Schweizer Namen in Schillers Teil: Hans auf der Mauer,
Jörg im Hofe, Burkhart am Bühel, Klaus von der Flüe.
In derartigen Namen steckt oft genug Sprachgut, das wir nicht mehr
besitzen. So stammt Blatter von zir Blattun 'flache Anhöhe', Bolle von
auf dem Bolle 'runder Erdvorsprung', Hosang ist Hoch sang 'Rodung', die
durch Brennen erzielt wird.
Die natürlichen Verhältnisse machen sich hier insoweit geltend, als die
Städter nach den Häusern, die Bauern nach der Flur oder sonstigen Ört-
Hchkeiten genannt werden. In den Städten gibt es ursprünglich keine Straßen-
namen und noch viel weniger Nummern der Häuser. Heißt nun auch das
Haus vielfach nach seinem Besitzer, so ist doch auch der umgekehrte Fall
nicht selten, daß der neue Besitzer nach dem Haus, das schon einen Namen
hatte, genannt wird.
Wenn jemand aus seiner Heimat fortgewandert ist, so kann er in der
Fremde nach seinem Heimatslande benannt werden. So haben wir Schwabe,
Baier, Franck, Hesse, Preuß, Sachs, Westfal, Flemming, Polender, Ungar,
Schweizer, Böhm, Oestreich, Meißner, Dilring, Friese, Vogtländer. Diese
Namen sind nicht jung, sie kommen seit dem 14. Jahrhundert vor und
sind in neuerer Zeit nicht mehr gebildet worden, so daß die neuen Länder-
namen wie Rheinlande, Baden in den Benennungen nicht vorkommen,
wohl aber Franzos. Daneben stehen dann auch Bezeichnungen, die von
der Richtung hergenommen sind, aus der jemand gekommen ist: Norder-
mann (Nordmann), Westermann, Sudermann, Ostermann, Österling, ÖsterleL
§ 214. 4. Die Übernamen. Übernamen sind Bezeichnungen, die einem
Menschen wegen einer besondern Eigenschaft als Auszeichnung, im Scherz,
zum Spott gegeben werden. Sie sind gewiß alt, denn etwas derartiges
kehrt bei allen Völkern wieder, vgl. lat. Cicero, Piso usw., und wir haben
Belege im Germanischen schon aus früher Zeit. „Schon in einer runischen
368 Sechzehntes Kapitel. Die Bilduno der Eigennamfn.
Bracteateninschrift aus Seeland kommt der Beiname Favavisa 'der wenig
Erfahrene' vor." Der Name des Gotenkönigs Wamba bedeutet 'Bauch';
zum Jahre 509 ist ein Ostgote Mamnio, d. i. 'Fleisch' erwähnt. Gregor von
Tours zitiert einen fränkischen Herzog Guiitdiramnus Boso 'böse'. Beda,
Hist. eccl. 5, 10, berichtet von zwei Glaubenspredigern: iitcrque eorum
appellabatur Hewald, ea tarnen distincltone. iit pro diversa capilloriim
specie unus niger Hewald, alter albus Hewald diceretur usw." Socin
S. 457. Derartige Übernamen wurden zu Familiennamen wie alle übrigen
auch. Schon im 12.;i3. Jahrhundert ergibt sich nach Socin 452 die Erb-
lichkeit als die Regel, die Beziehung auf ein einziges bestimmtes Indivi-
duum als Ausnahme. Die Zahl der Übernamen ist so groß, daß sie auch
nicht annähernd hier angeführt werden können. Wir geben daher nur eine
kleine Auswahl aus Socins Zusammenstellungen.
a) Adjektivnamen (immer in der schwachen Form): Böse, Brune, Criimbo. Friscfie,
Grawe, Groze, Gute, Harte, Hohe, Junge, Kurze, Lange, Lise, Lose. Rote, Starke, Swarze,
Veizte, Watze. Wilde, Wize, Zeisse.
b) Körperliche, geistige, moralische, soziale Eigenschaften, Eigentüm-
lichkeiten und Zufälligkeiten, Gestalt, Aussehen, Auftreten: Bart, Bertiin.
Geizebart, Bidermann, Blinthaso, Bocsdiedel, Bonstengel, Bube, Bäler, Durrevinger.
Fromnian, Frünt, Refus, Geilfuz, Gensecoph, Gutkneht, Hendelin, Houpt, Knode. Kurzaten.
Lieber. Liebermann. Loseman. Man-ezzo, Mörder, Nadigebure, Nase, Rennhase, Rippe,
Rotnian, Sdiatz, Sdiedel, Sciiönherre. Sdiönman. Stamler. Strubel. Zan. Zopf u. a.
c^ Tiere und tierische Merkmale; Pflanzen und deren Bestandteile, Ge-
wäciisc, Produkte, Früchte, Gesteine: Adler, Ber, Biber. Bodi. Egel, Eidiorn, Esel,
Frösdi. Fudis, Hano. Hase, Hasenbein, Hering, Hirz, Hirceman, Hunt, Kalb. Krebs, Löwe.
Odise, Rephun, Sdiimelli, Störe. Struz, Sunmindialbus. Valke. Vinke. Wolf. Rezagel;
Boumilin, Berenlap, Budiedier. Chienast. Clobeloudi. Hirsekorn. Hanfstengel. Harz.
Hederidi, Holzapphel, Margelstein. Pfefferkorn, Retidi, Salz. Tanris. Zwigelin.
d) Eßlust, Eßwaren: Bratsdienkel, Brotvraz. Lambervras. Melmus. Sdiönbrot,
Sniz. Wedielin, Zweibrot.
e) Kleidung, Schmuck, Waffen, Ausrüstung, Instrumente, Werkzeug,
Geräte, Manufaktur, Wohnung und Einrichtung, Fahrzeug: Beiz. Breithut,
Colbe, Krantze, Gennsveder, Guldenfus. Harnesdi. Holbein, Holtzsdiudi, K»lbvel, Kessel-
huot. Klingelfiis, Kupfernagel, Lamphel, Mörser, Nagel. Pfläg, Rucstül. Sdianz, Siegel.
Snabeler, Spies, Stegereif, Stival. Wagen. Watsadi.
f) Auffallende Beschäftigung oder Handel, Liebhaberei, vorübergehende
Funktion oder Stand: Bettelere. Chorntahs, Criec, Chriegere, Drüman, Reke. Rössel-
mann, Sdiade. Lantsdiad, Sdiedelin, Senger. Tanz, Tenzer. Vilhedier.
g) Glaube und Religion, Kirche, Obrigkeit: Bögge (Popanz), Engel. Geist.
Helrigel, Tilvel, Widit: Babest, Crücer, Pfaffe, Waller; Fursto, Grave, Herzoge, Keiser,
Küng, Lantvogt, Prince.
h) Alter und Verwandtschaft: Briidir, Jundierre. Chint. Niukint, Knabe, Man,
Vettern.
i)Münze,MaßundGewicht: Arne. Helbelinc. Örtellin, Phenning, Sdiillinc, Silbersadi.
k)Jahr, Woche, Tageszeit: Sumer. Herbst, Winter, Hornunc. Mercze, Meige,
Vasenaht. Ostertag, Zistag, Fritac, Virabint.
1) Abstraktwörter: Angist, Anlas, Arbeit, Ding, Fride. Frost, Hits, Hunger, Rat.
Riditäm, Sdilaf. Site, Sorge, Strit, Sweiz, Tot, Trost, Unnuz, Vreisi, Welt. Bözwelt,
Wirtsdiaft. Wolleben. Zorn.
§ 215. Satznamen. § 216. Namen von Amt und Stand. 369
Jeder wird unter diesen Übernamen eine Reihe von Bekannten treffen
und anderseits wird er aus dem ihm vertrauten Namenkreis neue Beispiele
hinzufügen können.
Eine Reihe von Erläuterungen mögen noch hinzugefügt werden. 1. Die
Farbennamen: Weiße, Rote, Schwarze, Grau stammen von der Haarfarbe,
was daraus hervorgeht, daß blau, grün, gelb in alter Zeit nicht vorkommen.
2. Ein Name wie Bart ist im allgemeinen aus einer längern präpositionalen
Verbindung entstanden, vergleiche den Namen Frldericus Mittemmunde
um 1190 = Fr. Munt ca. 1160. 3. Besonders behebt waren die Übernamen
bei dem Volk der fahrenden Leute, vgl. Spervogel, Heinrich der Glichesaere,
Mörolt nennt sich Stolzelm. Auch Vndanc und Frowenlop gehören hier-
her. Ich erinnere noch an die Dichtung vom Meier Helmbrecht, in dem
Helmbrecht den Namen Slintezgeu bekommt, während seine Spießgesellen
Lemberslint, Slickenwider, Hellesac, Rütelschrm, Küefraz, Müschenkelch,
Wolvesguome, Wolvesdrüzzel, Wolvesdarm heißen. Es handelt sich hier
um absichtliche Namengebung, wie wir sie weiter bei den Ordensleuten
und den Handwerkern finden. Bei einigen Handwerken mußten die Lehr-
linge, wenn sie in die Reihe der Gesellen eintraten, besondere Benennungen
annehmen, mit denen sie nachher als solche und zum Teil auch noch als
Meister von ihren Gewerbsgenossen genannt wurden.
§ 215. 5. Satznamen. Eine besondere Abart der eben behandelten
Übernamen bilden die Satznamen, d. h. Namen, die aus einer syntaktischen
Verbindung entstanden sind. Solche tragen z. B. teilweise die Spießgesellen
<les Helmbrecht und er selbst. Ihrer Bildung nach zerfallen sie:
a) in Imperativnamen: Habe-niei, Hebe-stnt. Henge-nadi. Lösdi-für. Schür-brant.
lösdi-brant. Höwen-sdiilt 'Hau den Schild', Haltidifrisdi 'Halt dich frisch', Sdiis-in-garten.
Vgl. noch Störenfried, Springinsfeld;
b) in Redensarten: Ane-sorge, Durdi-ten-walt, Lipundgüt, Mornen-weg, Nidanc,
Thusentmardi (vgl. Dusentsdiön bei Frenssen), Verloren-gut.
Die frühesten derartigen Namen sind aus dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts belegt, ihre eigentliche Blütezeit erlebten sie aber erst im 15. Jahr-
hundert, während sie heute wieder sehr zurückgetreten sind.
§ 216. 6. Namen von Amt und Stand. Da sich Amt und Stand häufig
vererbten, so ist wiederum nicht zu verwundern, daß derartige Namen
Familiennamen werden. „Die Amtsnamen umfassen alle Stufen vom ritter-
lichen Marschall und Truchseß bis hinab zum Totengräber, Schweinehirten,
Jäter und Schärmauser. " Auch hier dürfte eine kurze Übersicht willkommen sein.
a) Amtsnamen: 1. Hofämter: Marsdialc {Marsdialk, Maresdiall. Marsdiall).
Truhsesze (Truchseß, ndd. Droste), Sdienke {Sdienk), Butelarius, Kamerer {Cammerer.
Kämmerer), Senesdialc, Kudiinmeister (Küdienmeister), Kodi {Kodi, Codiius. Coccejus.
Schwab. Ködile. Schweiz. Ködily, Ködilin, nd, Kodi, Koodi, Kok. Gen. Kodis, Kox. ndrhein.
Cox), Spender. Spiser, Valkener {Falkner, obd. Faldmer, Felkner).
2. Gericht und Polizei: Vogt {Voget. Vogt, Voogd, Voght. Voit, Voitus, Voigt,
Voigdt, nd. Vagd. Gen. Voigts, Vögting, Voigtel, Vögtlin, Zss. Dreisvogt. Hünervogt. Land-
voigt. Waldvoigt, Slevoigt, Sdileevoigt, Sdüeenvoigt; Voigtmann), Sdiulthei^e {Sdiultheiß.
Hirt, Etymologie der neuiiochdeutschen Spraciie. 2. Aufl. 24
370 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Schult fieß: Sdiultes. Sdiitlts. Si1ml(t)ze: Schitl(t)z: Gen. Sdiuhrn : Sdiolz(e): Siiiolzen;
ndd. Sdnüte. Gen. Sdiiilten: Sdmltens, Sdiolten: lat. Scultetiis. Gen. Sciiltety, übersetzt
Prätoriits), Stulmeister. F.ider. Dritman, DrUmati, Sehser. Solman iSahl-, Scelmanri),
Leister. Gelter. Meyer (südd. Majer, Mayer, Mayr, Maier. Mair, nordd. Meyer, Meier,
Mejer. Meyr, Meir. Gen. Maiers, Mayers, Meyers, Mayern, Meyern mit unendlich vielen
Zusammensetzungen, sie füllen bei Heintze 4"^ Spalten), Amman, ahd. ambahtman (Am-
mann. Amann. Anton). Wcibel, Turner. Wediter, ahd. wahtäri [Wciditer, Waditer). Waht-
meister. Wartmann {Wart-, Wortmann). Werter, Stocwerter 'Gefangenenwärter'.
3. Verwaltung: Viztäm aus lai. vicedo minus {Vicedomini, Vi(t)zthum), Burcgrave
•Stadtricliter' [Burggraf). Waltprobst. Probst aus lat. propositus, Waltbote, Sdxaf jener,
Sorgere. Keiner, ahd. kclnüri aus mlat. cellenarius 'Kellermeister', daneben Keller aus lat.
cellarius (Keller. Cellarius, Kellerer, Kellcrmann), Milnzcr, ahd. munizfiri aus lat. mone-
tarius {Milnzer, nd. Munter), Münzmeister, Brotmeister, Zunftmeister, Brunnmeister,
Wercmeister, Wagcnmeistcr. Zolner. ahd. zollanäri, daneben Zoller {Zoll(n)er, Zöllfnjer,.
nd. Tollner, Tolner, Toller). Zeltender 'der Zehntenerheber' [Zeltender, Zehnter. Zehnter),
Zeler. Treger. ahd. tragCtri [Trager, Träger), Tesselman, Sinner, Spidtwerter, Kornmesser,
Stridier, Salzman, Füller. Herberger. Loufer {Laufer. Läufer), Kündiger, Rufer.
4. Ländliche Ämter: Ringreve, Heinbürge. Banwart, Mardter, Forster, Waldener,.
Härder, Hegeman, Hegener. Heyer, Brenner, Nüwer, Räther, Vronvisdter, Hofmeister,
Sdtürer, Sdiürman, Gömer. Hütere, Pastor, Herter, Knehirte. Rinder, Bürzeler, Muser.
5. Kirchendienst: Parrodier, Capellanus, Scolasticus, Senger, Sdtriber, Kanzeler,
Spittaler. Oblarius. Kildimeier, Kilwart, Küster, Sigrist. Greber.
b) 'Namen vom Stand: Ritter, Templer, Knappe. Waffeler, Sdttiler. Edelman,.
Edel, Vrie, Vriman, Burger. Meister, Helfer. Lerknedtt, Muntman, Adierman, Buman,
Hofer, Hofman. Hiiber. Widemer. Haldende, Lenman. Leiner, Man. Albansman, Fron-
man. Geburo, Hüscler, Husman. Seider, Seier.
§ 217. 7. Namen vom Beruf. Mit dieser Abteilung betreten wir den
kulturhistorisch vielleicht wichtigsten Teil der Namengebung, insofern sich
in den heutigen Namen eine Fülle alter Gewerbenamen erhalten haben.
Die Gewerbe waren im Mittelalter bekanntlich außerordentlich spezialisiert,
anderseits aber von höchster Bedeutung. Zu festen Innungen zusammen-
gefügt bildeten die Handwerker eine bedeutsame Klasse in den Städten.
Über die Entwicklung dieser Namen sagt Socin 546: „Die Namen aus dem
Beruf stellen zeitlich die letzte Bildungsphase der Doppelnamigkeit vor. In
der Seltenheit der Gewerbebezeichnungen im 12. und ihrer Häufigkeit in
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts spiegelt sich eine im Laufe des
13. Jahrhunderts vollzogene gewaltige soziale Umwälzung. . . Was wir seit
ungefähr 1850 durchmachen, die Umwandlung der jahrhundertlang gleich-
gebliebenen Provinzialstädte zu industriellen Großstädten, das ist, vergleichs-
weise, von 1250 — 1300 schon dagewesen."
Viele Gewerbe leben heute noch fort, und es sind daher auch Familien-
namen wie Müller, Sdimid, Bäcker durchaus verständlich. Aber viele sind
auch ausgestorben, und so dürfte eine Erklärung und Sammlung angebracht sein.
Altbußer -Schuhflicker', Armbruster, Ayrer 'Eierhändler', Bader, Bedierer. Bcdier,.
auch Bedi nebst Fladenbedi. Sdtwarzpedi, Wasserbedi, Brodbedi. Die Süddeutschen haben
daneben das lateinische Wort pistor entlehnt, und es lebt daher auch der Name Pf ister noch,
fort. Beisdier 'Peitschenmacher', Benggeler 'Bankier'!?), Benner 'Käxmtf Q), Bettere 'Bttt-
macher'. Beutler. Böttidier (daneben Binde, Binder, Küfer, Küper. Sdteffler). Bögler 'Bogen-
§217. Namen vom Beruf. §218. Latinisierungen. 371
macher', Boner 'Bohnenpflanzer', Bretere 'Bretschneider'. Brezzeler 'Bretzelbäcker', Büdisen-
sdimidt, Büdiner, Budiner, Budier •Buchmacher', Burdiner 'Lastträger', Büttner 'der die
Bütten macht', auch Bütridier, Böttridi, Chamber 'Kammacher', Carpenter 'Zimmermann',
Decker. Drechsler, Drescher, Eicheler. Enteler 'Entenzüchter', Falkner, Färber. Fleischer,
auch Fleischhauer, Fleisdihacker, Knochenhauer. Beinhauer, Pfotenhauer. Metzger; Flöter,
Förster. Forster. Forstner. Fröweler 'Frauenwirt', Gabeler. Garenwinder. Gartener. Gepeller
'Verfertiger von Gäbelchen', Gernler 'Netzflechter', Gerber. Gerwer. Gießer. Gipser. Glaser.
Goltsleger. Goltsmit. Gratüdier 'pannifex', Grempe 'Trödler', Gürtler, Haberer. Hafner,
Harer 'Flachshändler', Hedüer. Helmer 'Helmschmied', Hentheler 'Verfertiger von Faust-
handschuhen', Hoser 'Strumpfwirker', Holzsdiuher. Huller 'Mützenmacher', Huter, Jeger,
Irker 'Weißgerber', Isener 'Eisenhändler', jetzt Eißner. Käser. Kandelmadier. Kaltsdimit,
Karredier 'Kärrner', Kempfe 'der für Miete gerichtliche Zweikämpfe ausficht', Kannegießer.
Kästner 'Kastenmacher'. Kesseler, Kleiber 'Lehmdecker', Kouffman, Koler, Körber. Korn-
man. Korman. Korner 'Kornhändler', Kramer. Kubler. Kuderer (Kuder 'Werg'^ Kufer.
Kupfersmit. Kürbler 'Schleifsteinverfertiger', Kürsener. Kürsdiner. Kutteier 'triparius',
Legeller. Lezser 'Aderlasser', Leiendecker 'Schieferdecker', Linweter. Löfler. Lohgerber,
Mäder. Metzger. Menger 'Händler', Messerer. Messersdimid, Metter 'Metsieder', Mulner,
Müllner, Müller, Af«//^/^/- 'Muldenmacher', Maurer, Af«^z^«^r 'Wamsschneider' (?), Nadler,
Nagler 'Nagelschmied', Nestler oder Senkler, Nüsseier 'Nußölbereiter oder Nußhändler',
Neier 'Näher', Öler, Ofner, Ölsdiläger, Paternosterer. Permenter. Perlenhefter, Pfister,
Plattener 'Panzerschmied', Preiswerk 'Posamentierer', Rademacher, Reber 'Rebenpflanzer'.
Rebeknecht. Rebman. Reseler 'Schuhflicker', Riemer. Rintköf 'Viehhändler', Roller, Schaber..
Sdiefter. Sdiedeler 'Kubier', Sdxefer. Sdieler 'Eichenschäler', Sdierer, Sdiiffer. Sdiilter,
Schindeler; Sdiröder. Schrader, Schröter 'Schneider', Sdiwertfeger, Sdmster. mittelhoch-
deutsch hieß der Schuhmacher Schuohworhtcere. Daraus hat sich eine Fülle heute nicht
mehr erkennbarer Namen entwickelt, in Süddeutschland Schubert, Schubart. in Norddeutsch-
land Schuchhardt, Sdiuhardt, Schuhwirt, ferner Schumann, Schuhmacher; Seiler, Seiden-
sticker, Seigermacher, Sporer, Simeler 'Händler mit Semmelmehl', Schlosser, Stellmacher..
Schmid. Sdinezzer 'Schnitzler', Schneider. Soler, Spengeler. Spiegeler. Spilman. Spinneier.
Steinler 'Steinklopfer', Steinmetz, Stengler 'Stangenschmied', Stöllare, Streler 'pectinarius',
Suter, Siiterli. Swerter. Teller, Tesdier 'Täschner', Tücher, Tudisdierer, Töpfer, auch Hafner,
Euler, Potter; Vazzare. Vazbinder, Verwer, Vesere 'Spreuhändler', Vischer, Vogler 'Vogel-
steller', Vuller 'Walker', Wagener, Walker, Weber. Weggiler 'Weckenbäcker', Wehseier.
Weideman 'Weidner', Weller zu welle 'Reisigbündel', Wesdier. Wirt. Wucherer, Winkler
.Kleinverkäufer', Zideler, Zeidler 'Bienenzüchter', Zimmermann.
§ 218. 8. Latinisierungen. Seit der Wiederbelebung der klassischen
Studien zur Zeit der Renaissance suchte der Gelehrte in den lateinischen
Schriften die deutschen Namen zu vermeiden. Man konnte eine lateinische
Endung anfügen, aber noch besser war es, sie zu übersetzen.
Anmerkung. Bekannt ist die Stelle in Goethes Götz:
Liebetraut. Ihr seid von Frankfurt! Ich bin wohl da bekannt. . . Euer Name ist
Olearius? Ich kenne so niemanden.
Olearius. Mein Vater hieß Öhlmann. Nur, den Mißstand auf dem Titel meiner
lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn' ich mich, nach dem Beispiel und auf Anraten
würdiger Rechtslehrer, Olearius.
Aus dieser Zeit stammen also die Namen wie Avenariiis 'Habermann', Xylander
'Holzmann', Oekolampadius 'Hausschein', Melandithon 'Schwarzer!', Lipsius, Faber. Sar-
tor(iiis) 'Schneider', Pistor(ius) 'Bäcker'. Auch die Vornamen des Vaters werden in latei-
nischer Genitivform Personennamen: Friederici. Bernhardy. Derartige Namen waren in
Sachsen, der Pfalz, in Basel, vor allem aber am Hofe des Landgrafen Philipps des Groß-
mütigen verbreitet.
24*
372 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
§ 219. 9. Fremde Namen. Die geschichtliche Entwicklung hat uns eine
bedeutende Schicht fremder Volksbcstandteile zugeführt und damit auch
deren Namen. Wir finden solche aus aller Herrn Ländern. Sie im ein-
zelnen durchzugehen, würde hier zu weit führen, vielmehr kann ich nur auf
die Hauptgruppen hinweisen. Durch die Einwanderung der französischen
Hugenotten haben wir ein gut Teil französischer Namen bekommen, die
im allgemeinen leicht erkennbar sind. Wie weit wir im Süden etwa italie-
nische Namen antreffen, entzieht sich meiner Beurteilung.
Den wichtigsten fremden Stamm bilden die Slawen, die einst ganz
Ostdeutschland inne hatten und bis über die Saale und Elbe vorgedrungen
waren. Sie sind nicht vernichtet, sondern zum größten Teil nur germanisiert
worden, während sich die Sorben in der Lausitz als Enklave, die Polen,
Kaschuben im Osten als zusammenhängende Masse erhalten haben. Bis
in den Anfang des 18. Jahrhunderts lebte noch die Sprache der alten Eib-
slawen im Lüneburgischen. Daß wir also slawische Namen in Hülle und
Fülle haben, ist kein Wunder. In neuerer Zeit dringt das slawische Volks-
element auch in rein deutsche Gegenden vor, und namentlich die Groß-
städte üben eine nicht geringe Anziehungskraft. Daher weist denn auch
das Adreßbuch von Berlin zahllose slawische Namen auf. Es wird aller-
dings weit von dem Wiens übertroffen, wo man seitenweis nur slawische
Namen findet. Die Grundgesetze der slawischen Namengebung sind die
gleichen wie bei den deutschen. Aber hierbei ist ein Punkt zu beachten.
Die Ortsnamen Ostdeutschlands sind größtenteils slawisch. Viele Menschen
sind danach benannt, wie Canimin, Schwerin, BiiblUz, DewLtz, Nemitz,
Flotow, Grabow, Vangerow, Virdiow, womit aber nicht gesagt ist, daß
Leute, die solche Namen tragen, slawischer Herkunft sind. Auf der andern
Seite sind die auf Berufsnamen erwachsenen slawischen Namen der Be-
achtung wert. Ich nenne hier nur einige sehr bekannte: Kretsdimar 'Wirt'
von Är^m/n 'Schenke, Kneipe', PaA/z^^ 'kleiner Herr, Junker', Pigorsch 'Bäcker'.
Im alten Preußenlande saßen die alten Preußen und in Ostpreußen
finden wir noch heute die Litauer, beide Reste eines selbständigen indo-
germanischen Sprachstammes. Ihre Namen sind durchaus eigenartig ge-
bildet, und mancher Deutsche trägt einen davon.
Am spätesten haben die Juden Familiennamen angenommen. In Öster-
reich wurden sie erst unter Joseph IL, in Preußen durch Hardenbergs Edikt
vom 11. März 1812 dazu gezwungen. Da es sich hier also nicht um einen
natürlich gewordenen Zustand, sondern um ein künstliches Erzeugnis han-
delt, so tragen die Namen vielfach dies deutlich zur Schau. Man kann
folgendes unterscheiden.
1. Auch hier werden die Vornamen zu Familiennamen, wie Abraham, Cohn, David.
Jakob. Levy, Moses. Salomon, Simon, Simson, oder es wird der Sohn nach dem Vater
benannt: Abrahamsohn, Levysohn, zum Teil auch mit lateinischer Genitivendung, wie
Jakoby, oder unter Beibehaltung des hebräischen Ben- 'Sohn', Ben-ary, Ben-fey.
2. Man legte sich deutsche Eigenschaftswörter als Namen bei: Aufrecht. Edel. Ehr-
§ 219. Fremde Namen. § 220. Die Verschiedenheit der Namengebung. 373
lidi. Treu, oder man griff zu Tiernamen, wobei besonders Adler, Hirsch, Löwe, Leo, Wolf
gewählt wurden, wohl unter dem Einfluß der alttestamentlichen Sprache.
3. Man benannte sich nach Orten : Cassel. Falkenstein, Friedländer, Wronker, Exiner,
Meseritzer. Zum Teil wählte man aber rein erdachte Ortsnamen, wie Lilienthal, Veildien-
feld, Cohnfeld, Cohnstein, Cohnheim, Eulenbiirg.
. 4. Sehr häufig sind auch schönklingende Namen, die mit Löwe, Rose, Lilie, Veilchen,
Gold, Silber zusammengesetzt sind. So Löwenstamm. Löwenthal, Rosendorf. Rosenberg,
Goldader, Goldberg, Goldberger, Goldfinger, Goldmann, Goldstein, Goldtreu, Goldzieher.
5. Am schlimmsten ging es den galizischen Juden. Da sie sich nicht dazu verstehen
wollten, Familiennamen anzunehmen, so wurden ihnen Namen von den Behörden gegeben.
Diesen war vorgeschrieben, „solche Namen zu wählen, die möglichst große Besonderheit
hätten; auch sollte man wiederholte Wahl desselben Namens in dem Bezirk vermeiden."
So kamen denn Namen zustande wie: Wohlgeruch, Veilchenduft, Sdiöndufter; Wohltäter,
Weisheitsborn; Geldschrank, Smaragd, Saphir; Singmirwas, Küssemich; Ladstockschwinger,
Pulverbestandteil, Maschinendraht, Nußknacker, Schulklopfer, Reinwascher; Temperatur-
wechsel, Maulwurf, Naditkäfer, Rebenwurzel; Notleider, Hungerleider, Sdinapser, Esels-
kopf, Odisensdiwanz, Drachenblut; Stinker, Kanalgeruch; Galgenvogel. Galgenstrick,
Taschengreifer, Hirsditöter, Wanzenknicker, Saumagen, Groberklotz usw. Vgl. Heintze,
Die deutschen Familiennamen^ S. 67 f. Dazu noch Ph. Stauff, Deutsche Judennamen,
Berlin-Lichterfelde 1912.
§ 220. Die Verschiedenheit der Namengebung je nach der Örtlichkeit. Aus
den frühern Ausführungen ging hervor, daß die Namenbildung von den
wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen Deutschlands abhängig war. Die
Namen nach dem Handwerk oder Gewerbe waren im allgemeinen auf die
Städte beschränkt. Wo große Städte fehlten, konnten diese Namen nicht
aufkommen. Außerdem aber zeigen sich zwischen den einzelnen Teilen
Deutschlands wesentliche Unterschiede, indem in einzelnen Gegenden die,
in andern jene Namentypen vorherrschen. Das gilt noch heute, und wer
viel herumgekommen ist, dem wird die Verschiedenartigkeit der Namen-
gebung wohl aufgefallen sein. Ja dies geht so weit, daß man oft genug
einem Namen ansehen kann, woher der Träger stammt.
1. Orthographische Verschiedenheiten.
Da man im deutschen Vaterlande verschieden schrieb, so wurde der-
selbe Name hier so, dort so geschrieben. Einiges davon ist für die Be-
stimmung der Herkunft des Namens wichtig.
ai — ei. Die Schreibung des alten echten Diphthongen ei (siehe oben
S. 272) mit ai ist oberdeutsch, besonders ostoberdeutsch, so daß daher
Namen wie Kaiser — Keiser, Maier, Mayer — Meier, Meyer, Baier — Beier
nach diesem Gesichtspunkt zu beurteilen sind.
2. Mundartliche Verschiedenheiten.
Wir haben oben S. 270 ff. gesehen, daß wir eine Reihe von Wörtern
unsrer Schriftsprache nach ihrer Lautgestalt bestimmten Gegenden zuweisen
können. Waren es dort nur wenige Beispiele, so tritt dieser Gesichtspunkt
bei den Namen in ganz andrer Weise hervor, muß es ja auch, da der Name
eben nicht der hochdeutschen Form angepaßt wird. Eine große Anzahl von
374 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Namen tritt in recht verschiedenen Formen auf, und man kann darauf hin
teilweise ihre ursprüngliche Heimat bestimmen. So finden wir:
Küster, ndd. Köster; Krüger, bayer-österr. Krieger, ndd. Kroger; Sdiulz, Sdnilze, da-
neben Sdiolz (schlesisch), Sdiolzen (Trier), ndd. Sdnilte; Müller, bayer. Miller, ndd. Moller,
Möller; Fiidis, ndd. Voß; Pfeifer, ndd. Pieper; Sdiröter, ndd. Sdiröder, Sdirader, Sdiröer;
Krause, ndd. Kruse; Große, ndd. Groote, Grothe, Groth; Bürger, ndd. Borger; Teidimann,
Deidimann, ndd. Diedimann; Fisdier, friesisch Visser; Förster, schwäb. -bayer. For^/fT usw.
Bei andern weist der Name selbst auf die Herkunft, insofern als wir es mit Worten
zu tun haben, die nur eine mundartliche Verbreitung haben, so z.B. Knodienhauer (ndd.);
Grotefend; Hafner (obd.), Töpfer (md.), Potter (ndd.). Eine eingehende Untersuchung des
gesamten Stoffes wäre sehr dankenswert.
§ 221. Die prinzipiellen Verschiedenheiten. Außer den bisher erwähnten
Punkten gibt es aber noch Verschiedenheiten grundsätzlicher Art, die auf
alte Kulturverschiedenheiten zurückgehen. Auch diese ermöglichen es uns
oft, die Herkunft eines Namens ziemlich genau zu bestimmen. Eine Über-
sicht über diesen Punkt bietet A. Heintze S. 73.
1. Namen auf -a, eigentlich Gen. Plur. alter Patronymika finden sich
nur in Ostfriesland: Wiarda, Böjunga, Ebbinga.
2. Genitivische Namen nach der starken Deklination (auf -s) oder der
schwachen (auf -en) sind ostfriesisch (Aurich, Emden, Leer, Jever, Papen-
burg), oldenburgisch, holsteinisch; wir treffen sie weiter in Westfalen und
am Niederrhein, also in allen Teilen des westlichen Norddeutschlands, auch
noch in Koblenz und Trier.
3. Namen nach der Örtlichkeit (eigentlich dem Einzelhofe), mit den
Endungen hövel 'Hügel', brink 'Grasfläche', diek 'Teich', brok 'Bruch', loh,
holt, hörst, kamp sind charakteristisch für Westfalen und das östliche Hannover.
4. Die Verkleinerungsformen auf -ke sind besonders in Nordostdeutsch-
land heimisch.
5. Die Verkleinerungsformen auf -el, -lein, -le sind oberdeutsch, zum
Teil mitteldeutsch usw.
Gewisse Namenbildungen sind also auf gewisse Gegenden beschränkt.
Daß wir im Norden die genitivischen Namen finden, hat seinen Grund
darin, daß man hier am längsten an der altgermanischen Art der Einnamig-
keit festhielt.
B. DIE VÖLKERNAMEN.
Literatur: Die Sammlung des Stoffes bei M. Schönfeld, Wörterbuch der alt-
germanischen Personen- und Völkernamen, Heidelberg 1911.
§ 222. Allgemeines. Ebensosehr wie die Untersuchung der Personen-
namen hat die Forschung die Aufhellung der Völkernamen gelockt, und
fast alle hervorragenden Germanisten haben sich mit dieser Seite der Wort-
forschung beschäftigt, leider nicht immer mit Glück, wie man offen ein-
gestehen muß. In frühern Zeiten handelte es sich eigentlich immer nur um
die Herleitung einzelner Namen, und diese Deutungen sind oft genug,
wenn sie durch Namen wie Jak. Grimm oder MüUenhoff gedeckt waren,
in weite Kreise und selbst in die Schulbücher vorgedrungen. Gerade auf
§ 22 1 . Die prinzipiellen Verschiedenheiten. B. Die Völkernamen. § 222. Allgemeines. 375
diesem schwierigen Gebiete ist es aber nötig, genau wie auf dem der
Personennamen, erst einmal die Grundlinien der Deutung aufzudecken.
Versuche, diese festzustellen, sind in neuerer Zeit von verschiedenen Seiten
gemacht worden, so von L. Laistner, Germanische Völkernamen, S.A. aus
den Württembergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte, Neue Folge,
1892, von R. Much, Beitr. 17, 1 ff. passim. Letzterer hat namentlich Spott-,
aber auch Tiernamen in dem germanischen Material gefunden. Es hat sich
zwischen ihm und dem Verfasser eine Fehde über die prinzipielle Berech-
tigung seiner Deutungsversuche entsponnen, vgl. Beitr. 18, 511 ; 20, 1 ff.;
21, 125 ff. Ich habe zuerst auf der Bremer Philologenversammlung eine
grundsätzlich andere Auffassung zur Geltung zu bringen versucht, die ich
dann in meinen Indogermanen 2, 708 etwas ausführlicher dargestellt habe.
Zunächst ist darauf aufmerksam zu machen, daß gewisse germanische
Völkernamen älter zu sein scheinen als die germanische Sonderentwicklung,
weil sie auch in andern indogermanischen Sprachen auftreten. So ent-
spricht der Name Ambrones lautlich genau dem ital. Umbri, unser Hessen
dem gall. Cassl, germ. Marsl und Marsingi dem ital. Marsi, Burgundiones
dem kelt. Brigantes; der Name der Veneter in Oberitalien kehrt als 'Everoi
(Enetoi) in Kleinasien, als Veneter in Gallien, als Venedi in Ostdeutsch-
land als Bezeichnung der Slawen wieder. Das weist darauf hin, daß diese
Namen aus indogermanischem Sprachgut hergeleitet werden müssen. i)
Aber selbst wenn wir diesen Grundsatz festgelegt haben, sind wir nicht
viel besser daran, denn wir wissen nicht, was die Namen bedeuten, und wir
würden bei jedem Versuch, sie zu erklären, auf dieselben Abwege geraten,
die sich bei den Versuchen, indogermanische Worte zu etymologisieren,
ergeben haben, vgl. oben S. 7. Anklänge an andere Worte sind natürlich
immer vorhanden, aber irgendwelche Sicherheit können wir nicht erlangen.
Immerhin gibt es aber doch zwei Wege, die uns weiter führen, den einen
weist die Sprache selbst, den andern die Kulturgeschichte.
Die Kulturgeschichte lehrt uns, daß die Sippe und der Sippenverband
die Grundlage der sozialen Ordnung in der altern Zeit war. Der Stamm
ist in älterer Zeit schließlich nichts weiter als eine große Sippe. Eine Sippe
aber benennt sich gewöhnlich nach einem Ahnherrn. Sie nennen sich die
Leute eines N. N., wie wir dies im Nordischen finden. Im Indogermanischen
haben wir nun eine eigentümUche Verwendung des Duals, den sogenannten
elliptischen Dual, der neuerdings rege Aufmerksamkeit erregt hat. Wenn
ein Paar von zusammengehörigen Dingen genannt werden soll, so kann
1) Es hat selbstverständlich schon indo- , wird kaum jemand zweifeln, daß die Stämme
germanische Völkernamen gegeben, und eben- | einst eins waren. Die Volcae in Südfrank-
so selbstverständlich liegt die Vermutung nahe, reich hängen mit den Volcae in Deutschland
daß die Stämme gleichen Nam.ens Ursprung- zusammen. Aber für Jene altern Zeiten steht
lieh eins waren. Wenn wir in Oberitalien die Sache natürlich insofern schlecht, als uns
die keltischen Stämme der Cenomani, Lin- mit der Annahme der ursprünglichen Einheit
gones, Senones finden und ebenso in Gallien nicht weiter geholfen wird,
und zwar hier nicht weit voneinander, so
376 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
der eine Ausdruck in den Dual treten, während der andere fortbleibt. So
haben wir ai. pitäni 'Vater und Mutter', eii^. 'die beiden Väter', gr. Ah'une
{Aidnte) 'Aias und sein Bruder Teukros', im Lateinischen, wo der PluraF
statt des Duals eingetreten ist, Castores für Castor und Polliix. Ebenso
konnte nun meines Erachtens im Indogermanischen der Plural verwendet
werden, um einen Mann und seine Söhne, einen Ahnherrn und seine Sippe
zu bezeichnen, und ich nehme daher an, daß die Völkernamen zum guten
Teil nichts weiter als Plurale von Personennamen sind. Denn in den Völker-
namen finden wir tatsächlich genau dieselben Bildungsweisen, die wir bei
den Personennamen kennen gelernt haben, teils Vollnamen, teils Suffixe,
die auch Personennamen ableiten, oder Suffixe, die deutlich die Herkunft
von einem Manne bezeichnen.
Zum Überfluß lassen sich die Stammesnamen auch vielfach als Personen-
namen nachweisen. Kluge hat ZfdW. 8, 141 eine Anzahl von Fällen zu-
sammengestellt, in denen ^Völkernamen als erste Glieder von Personen-
namen vorkommen. Nur hat er fälschlich das Verhältnis gerade umgekehrt.
Er sieht in dem Volksnamen das Ursprüngliche, in dem Personennamer»
das Abgeleitete. In einzelnen Fällen ist das ja möglich, aber in der Haupt-
sache nicht, wie die nachfolgende Zusammenstellung zeigen wird.
Wir finden unter den Volksnamen also folgendes:
A. Vollnamen, verhältnismäßig selten, so in Hermunduri, Langobardi. Austro-
gothae, Wisigothae, Sugambri, vielleicht Usipites.
B. Kosenamen:
1. Suffix -n, Herminones; Hennino wird die Kurzform zu Hermiindurus, Herman-
ricus sein, vgl. afränk. Ermenmär; Aviones, vgl. westgot. Avemarus, anord. Eymundr,.
Eysteinn, Eyulfr, ahd. Awigaoz, Aujulf; — Eburones, vgl. Eburhart, -heim, -firam,
-■wart; — Ingiiaeones, vgl. Ingiiiomerus, ahd. Inghard, -hram, -mär; — Saxones,.
vgl. ahd. Sahsberaht, -gcr, -heim, -mär, -munt, -rlh, ags. Seaxwulf, -bald; — Teutones.
Ihr König oder der Kimbernkönig heißt Teiitobodns. Wir finden ferner Dietrich, Teutomeres.
In teuto steckt ein Wort, das zwar mit got. piuda 'Volk' dem Stamme nach zusammen-
hängt, als Namenelement aber vielleicht eine andere Bedeutung hatte und wohl schon indo-
germanisch war. Kommt doch in der Ilias B 843 schon ein Tutcuköu; vor, als Name eines
alten Pelasgers. Ferner finden wir im Illyrischen den Namen Teiita, in Thrakien Tiovxa
und auch den Ortsnamen Tiutiamenos. Der oben erwähnte pelasgische Namen ist höchst
wahrscheinlich identisch mit Tautomedes dux Daciae ripensis, vgl. Tomaschek, Die alten
Thraker II, 2 S. 38. Daß in diesem Fall in dem Personennamen der Volksname stecke, wie
Kluge annimmt, ist ganz unmöglich.
2. Der bloße o-Stamm steht in Amali, vgl. Amala-berga, -suintha, -ricus; — Angili^
vgl. ahd. Engil-bald, -berafit, -frid, -gfr, -hart; — Balthae, vgl. ahd. Bald-ger, -hart,
-heri; — Bardi, vgl. Barthart, -heri; — Boi, vgl. kelt. Boiorix; — Dani, ags. Deneberct^
ahd. Denihart, westgot. Danildiis; — Franci, vgl. Francward, Francbertus; — Gauti,
vgl. an. Gauträdr, Gautstafr.; — Hassi, vgl. ahd. Hasbald, Hasberaht; — Chaiici, vgL
ags. Heaberht, Heahferd; — Heruli, in ahd. Erluni für Erl-wini, Erla-beraht, -frid, -hard,.
-Ulf, langob. Erlefredus; — Sciri in ahd. Scirbald, Scirolf, ags. Scirbeald, Scirburg; —
Suibi in ahd. Swäb-beraht, -ger, -gast usw.
C. Am meisten beweisen aber eine Reihe in Völkernamen auftretender Suffixe, die
deutlich die Zugehörigkeit ausdrücken.
B. Die Völkernamen. § 222. Allgemeines. 377
1. Das Suffix -jo erscheint häufig in Völkernamen und bezeichnete sicher die Zu-
gehörigkeit, vgl. lat. patriiis zu pater, got. hairdeis 'Hirt' zu hairda 'Herde', ja es wird
auch in verschiedenen Sprachen zur Bildung der Patronymika verwendet, besonders im
Lateinischen, Julius. Wir finden es im Germanischen in folgenden Völkernamen : Harü zu
Ariovistusl \ — Frisii zu ahd. Fresberaht, -ger, -wini; — Hessen aus Hassii zu Has-
beraht usw.; Rugii zu westgot. Rugemirus, anord. Rugualtr, ahd. Rugolf.
2. Ganz sicher drückt das Suffix -ing, -ung die Zugehörigkeit aus, vgl. Wilmanns
Deutsche Grammatik^ 2, 372. Mit Beowulf Scyldiriga 'Beowulf aus dem Geschlecht der
Scyldinger' stehen auf einer Linie Namen wie: Duringi, vgl. Hennunduri; — Greutungi; —
Turcilingi.
3. Dasselbe gilt von dem Suffix -aeon in Ingwaiones, Istwaiones, Frisaevones.
So erweist sich denn die patronymische Herkunft der Namen bei einer
großen Anzahl als durchaus sicher. Natürlich können einige Völkernamen
auch einen andern Ursprung haben, wie z. B. Alamanni wahrscheinlich die
Gesamtheit der Männer bezeichnet. Aber diese Fälle sind doch selten.
Aus dem Vorhergehenden ergibt sich also, daß alle Versuche, die Volks-
namen von bedeutungsvollen Worten abzuleiten, hinfällig sind, daß wir es bei
allen Versuchen mit nichts anderm als geistreichen Einfällen zu tun haben, und
daß die Wissenschaft hier gründlich auf dem Holzweggewesen ist. Wie man es
jetzt meistens aufgegeben hat, in den altgermanischen Personennamen einen
wirklichen Sinn zu suchen — Siegfried heißt nicht so, weil er etwa durch
Sieg Friede bringen sollte, sondern er ist so genannt, weil der Name Sieg
in seinem Geschlecht üblich, und weil auch das Wort Friede in Namen
behebt war — , wie man also auf die Deutung der Personennamen ver-
zichtet hat, so muß man die der Völkernamen erst recht aufgeben. Völker
werden nicht künstUch benannt, sondern ihr Name muß erwachsen.
Zu den allergewöhnlichsten Vorgängen bei den Völkernamen gehört es
weiter, daß die Namen, die ursprünglich für einen kleinern Stamm galten,
allmählich etwas Weiteres, eine größere Gruppe bezeichnen. Das beruht auf
der geschichthchen Entwicklung, die von den kleinen Verbänden zu größern
führt. So verschwinden denn von den vielen Namen, die am Anfang der
Geschichte stehen, immer mehr, und es bleiben nur wenige übrig, Friesen,
Sadisen, Westfalen, Thüringer, Hessen, Schwaben, Bayern usw., bis sich
dann bei uns ziemlich spät der Gesamtname 'die Deutschen' entwickelt
hat. Bei diesem liegt die Entstehung glücklicherweise klar vor uns. Unser
Wort deutsch erscheint zuerst im Jahre 788 in latinisierter Form als theodiscus.
Es ist dies ein Adjektivum, abgeleitet von einem Wort, das in got. piuda,
ahd. diot 'Volk' vorliegt (heute nur noch in Eigennamen wie Dietrich,
Dietmar). Es heißt also 'zum Volke gehörig'. Hätten wir nun keine Über-
lieferung weiter, so würde man dies leicht für einen Volksnamen halten
können, den sich ein Stamm beigelegt hätte, er hieße 'die Volksleute'.
Tatsächlich hat man für andere Namen solche Deutungen vorgeschlagen.
In Wirklichkeit bezieht sich dieses theodiscus nur auf die Sprache, d. h. die
Volkssprache im Gegensatz zur gelehrten Sprache, dem Latein. Die weitere
Entwicklung zu verstehen, bietet dann keine Schwierigkeiten mehr.
378 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Wenn ich oben sagte, daß Volksnamcn von selbst entstehen, so ist
dabei noch ein Punkt zu beachten. Eine Gemeinschaft benennt sich mit
irgendeinem Namen, ob aber die Nachbarn diesen Namen gebrauchen, ist
eine andere Frage. Bei denen können andere umgehen, es kann dabei der
Spott eine Rolle spielen und sonstiges, aber es ist die Frage, wie weit sich
diese Benennungen durchsetzen. Möglich ist es natürlich, aber ich kenne
keinen sichern Fall.
Das Bedürfnis für einen Gesamtnamen mehrerer die gleiche Sprache sprechender
Stämme macht sich bei diesen selbst meist verhältnismäßig spät geltend. Anders steht es
bei den fremdsprachlichen Nachbarn. Für diese ist die Sprachgrenze eine außerordentlich
wichtige Erscheinung. Alles, was jenseits dieser Grenze liegt, benennen sie mit einem
Gesamtnamen. Das Nächstliegende ist dabei, den Namen des ersten fremdsprachlichen
Stammes auf die Gesamtheit zu übertragen. So nennen uns die Franzosen Allemands nach
den Alemannen, die Slawen Nernci. Man deutet dies gewöhnlich als 'Stumme'. Oas gibt
aber kaum einen Sinn. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, daß darin der alte Volksname
der Nemetes steckt. Wir unserseits nennen die Franzosen ursprünglich Waldie, wovon
walhisk 'welscir abgeleitet ist. Auch dies Wort ist nichts weiter als der Name des kel-
tischen Stammes der Volcae, der offenbar einst den Germanen benachbart war. Die Slawen
dagegen heißen seit uralter Zeit Wenden {Venedi bei Tacitus). Wenngleich sich kein
slawischer Volksstamm selbst so nennt, so steckt doch darin auch der Name eines Volks-
stammes. Wir kennen Veneti in Oberitalien, in der Bretagne, ' KveioI {Enetoi) in Paphla-
gonien, und die Vermutung ist nicht zu kühn, daß östlich der Germanen einst ein Volks-
stamm mit Namen Veneti saß, dessen Namen die Germanen auf all ihre Ostnachbarn
übertragen haben.
Über die Herkunft des Namens Germani wird viel gestritten. Ich kann auf die vielen
Deutungsversuche, sowie auf die Interpretation der bekannten Tacitusstelle nicht weiter ein-
gehen, vgl. KossiNNA, Beitr. 20, 257, und bemerke nur so viel, daß es mir aus den oben
entwickelten Gedanken heraus völlig ausgeschlossen erscheint, den wahren Sinn des
Namens zu ermitteln. Ich glaube nicht, daß es sich um einen Übernamen handelt, bin
vielmehr der Ansicht, daß ein Stammesname vorliegt, der sich ewig der Deutung entziehen
wird, weil er eben keinen wirklichen Sinn gehabt hatte.
C. SONSTIGE BENENNUNGEN (VON TIEREN UND LEBLOSEN GEGENSTÄNDEN).
§ 223. Obersicht. Außer den Menschen finden wir aber auch die Tiere,
die den Menschen als Hausgenossen umgeben, benannt, und weiter eine
Reihe von Gegenständen, wie vor allem Schwerter und Schiffe, die damit
sozusagen in die Reihe der Lebenden eintreten. Diese Sitte ist zweifellos
uralt, da sie bei den verschiedensten Völkern anzutreffen ist und zu den ver-
schiedensten Zeiten wiederkehrt. Wunder kann uns das nicht weiter nehmen,
denn der primitive Mensch kennt keine Grenze zwischen Mensch und Tier.
Schon in der Ilias finden wir Pferdenamen, und des Odysseus Hund
"Äoyoi (Argos) ist allen bekannt. Auf germanischem Boden ist die Über-
lieferung nicht alt, was aber nur darauf beruhen kann, daß diese Dinge
zufällig in der altern Zeit nicht erwähnt werden. An dem hohen Alter der
Tierbenennungen auch bei uns ist nicht zu zweifeln.
Die Forschung ist an diesen Namen nicht vorübergegangen, aber es
fehlen uns doch noch immer ausreichende Sammlungen, und den Vereinen
C. Sonstige Benennungen. § 223. Übersicht. D. Die Namen der Örtlichkeiten. 379
für Volkskunde böte sich eine dankbare Aufgabe, wenn sie die Benennungen
der Haustiere, vor allem der Hunde, Rinder, Schafe in den verschiedenen
Gegenden unsres Vaterlandes, sammeln würden.
Anmerkung. An Literatur verzeichne ich: W. Wackernagel, Germania 3, 146;
4, 129 ff.; 5, 290 ff. (= Kleine Schriften 3, 59 ff.); B. Kahle, Aitwestnordische Namenstudien,
Idg. Forsch. 14, 133 (hat den im Altnordischen vorliegenden Stoff gesammelt und verarbeitet);
F. Kluge, ZfdW. 7, 38 (Hundenamen), weist darauf hin, daß Namen wie Wasser, Strom.
Rin, Donau, Neckar, Birs als Hundenamen vorkommen. Es scheint mit diesen Namen eine
besondere Bewandtnis zu haben. Hunde mit derartigen Namen können nicht behext werden.
Fr. Branky, Moderne Hundenamen, ZfdW. 9, 229, mit Literaturangaben und einer reich-
haltigen Sammlung; A. Gysin, Schwarzwälder Kuhnamen, ZfdW. 11, 304; O. Heilig, Tier-
namen und Verwandtes in der Mundart von Ballenberg, ZfdMa. 1910, 359; A. Brunner,
Über Pferdenamen, ZADSV. 30, 369.
Auch diese Namen sind in ihrer geschichtlichen Entwicklung bemerkens-
wert und geben bei tieferm Eindringen kulturgeschichtliche Aufschlüsse.
Branky a. a. O. 232 führt dafür folgende Stelle aus einer Zeitung an:
„Der Wechsel des Geschmacks und der Wandel des Stils spiegelt sich wie in der
Architektur und in der Zimmereinrichtung, wie in der Gestaltung unsrer Gärten und unsrer
Gewandung auch in den Namen, die wir unseren Lieblingen, den Haushunden, geben.
In einer klassisch angehauchten Zeit zog man Namen wie Cäsar, Nero, Kastor, Hektor
vor; als das Barock herrschte, kamen die Karo, Bianca, Stella auf; die Vorherrschaft des
Rokoko und des Stils Ludwig XJV. brachten uns die Ami. Cheri, Bijou, Joli; und in
einer germanistisch angehauchten Zeit waren die Frithjof, Teil, Freia. Fafner in Mode.
Es ist sehr interessant, das Vorwiegen der einen oder andern Kategorie mit den Zeit-
verhältnissen in Beziehung zu setzen und zu beobachten, wie dieser oder jener Name in
einen bestimmten geschichtlichen Zeitabschnitt zurückweist. Oft spiegeln sich politische
Konstellationen und Stimmungen in den Namen der Hunde wider, indem sich ein satirischer
aggressiver Zug in die Namengebung mischt; solche Namen sind Boulanger, Caprivi,
Bebet, Roberts, die alle politischer Abneigung ihre Entstehung verdanken, während Cronje,
Wrangel, Kosziusko, De Wet politische Sympathien bekunden."
Ebenfalls verdienten andere Namen unsrer Zeit, wie die von Schiffen, Lokomotiven,
eine Sammlung. Sie würden uns gleichfalls in die Anschauungen unsrer wie auch ver-
gangener Zeiten blicken lassen. Auch die Namen der Zeitungen und Zeitschriften bieten
uns ein Zeitbild. Welch tiefen Blick in die früheren Anschauungen läßt ein Titel tun, wie
Intelligenz- und Leseblatt. Das Wort Zeitung selbst tritt zuerst spätmhd. auf in der Be-
deutung 'Nachricht, Kunde' und ist dem mnd. tidinge, ndl. tijding nachgebildet. Zu frühest
erscheint ags. tidung 'Nachricht' von tidan 'sich ereignen'. Daneben steht anord. tiäindi
'Ereignis'. Es handelt sich also um ein Wort der Nordseevölker.
D. DIE NAMEN DER ÖRTLICHKEITEN.
§ 224. Allgemeines. Die Erforschung der Ortsnamen ist von jeher in
den einzelnen Orten selbst behebt gewesen, sie ist aber daneben frühzeitig
in den Dienst der allgemeinen Geschichte getreten. Die Ortsnamen geben
uns nämlich nicht nur Kenntnis von der Siedelung der deutschen Stämme,
sondern sie lehren auch, daß in gewissen Gegenden vor dem Deutschen
andere Sprachen dagewesen sind, von denen wir sonst keine oder nur
mangelhafte Kunde haben. Aber auch da, wo wir eine geschichtliche Über-
Heferung besitzen, z. B. die, daß die Länder östlich der Elbe einst von
380 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Slawen besiedelt gewesen sind, wird diese durch die Ortsnamenforschung
ergänzt und vertieft.
Wir finden unter den Ortsnamen leicht verständliche, dann andere, die
erst bei dem Zurückgehen auf ältere Formen klar werden, und schließlich
solche, die aus deutschem Sprachgut nicht deutbar sind. Für sie hat man
frühzeitig an fremde Herkunft gedacht. Mit Feuereifer hat man dann solche
Namen je nach der gerade herrschenden Richtung in der Forschung einem
bestimmten Volke zugeschrieben. Man braucht ja nur an die Sucht ver-
gangener Zeiten zu erinnern, in allem etwas Keltisches zu sehen. Derartige
Versuche sind indessen vielfach gescheitert, und man ist oft genug auf Irr-
wegen gewandelt.
Wenn eine Deutung aus deutschem oder sonst bekanntem Sprachgut
nicht gelingt, so bleibt uns weiter nichts übrig, als gleich oder ähnlich
klingende Namen zusammenzustellen, um auf diesem Wege, wenn nicht
die Bedeutung, so doch die Verbreitung der Namen und die Frage zu er-
mitteln, welchem Sprachstamm sie angehören. So haben wir z. B. die Städte-
namen Beigard, Belgrad, Stargard, Nowgorod. Daß die beiden
ersten gleich sind, und daß der zweite Bestandteil aller vier derselbe ist,
würde man auch ohne weitern Anhalt vermuten dürfen. Tatsächlich wissen
wir, daß die Namen slawisch sind, und daß das zweite Element das gleiche
ist, nur umgewandelt nach den Lautgesetzen der verschiedenen slawischen
Sprachen. Auf dem Gebiet, das die slawischen Völker innehatten, finden
wir außerdem noch eine Fülle gleicher Namen, bald im Osten und Westen,
bald im Norden und Süden, und auf Grund dieser Namen könnten wir
das Verbreitungsgebiet der slawischen Sprachen feststellen, auch wenn das
Slawische als Sprache zugrunde gegangen wäre.
Wenn uns also dieser Grundsatz auf einem bekannten Gebiet zu
richtigen Ergebnissen führt, so kann man ihn auch anderswo anwenden.
So kehrt der Flußname Iser in wenig geänderter Gestalt verschiedentlich
wieder. Wir treffen, um nur das Allbekannte zu nennen, die Iser als Neben-
fluß der Elbe, die Isar bei München und die Isere in Südfrankreich. Der
Name der Rhone, Rhodanus findet sich als Rhotanus auch auf Korsika.
Es gibt zwei Elstern, zwei Mulden, während eine ganze Reihe von Saalen
vorhanden sind. Man wird nicht umhin können anzunehmen, daß derartige
gleiche Benennungen von einem Volke herrühren.
Örtlichkeitsnamen beharren also, auch wenn die Sprache sich ändert.
Diese oft zu beobachtende Tatsache tritt uns am deutlichsten in Ostelbien
entgegen, wo die Ortsnamen im wesentlichen slawisch sind.
In bezug auf das Beharrungsvermögen, wie man die Fortdauer
der Ortsnamen auch bei geänderter Sprache nennen kann, verhalten sich
die einzelnen Arten der Namen verschieden. Die Übertragung der Namen
von einer Sprache auf die andere setzt natürlich den Zusammenstoß der
beiden Sprachen voraus. Wo dieser fehlt, ist Übertragung unmöglich. Um-
D. Die Namen der Örtlichkeiten. §224. Allgemeines. 381
gekehrt folgt aus der Fortdauer des Namens die Berührung der Sprachen.
Man führt z. B. den Namen Schlesien, der aus dem Slawischen stammt,
auf den Stamm der germanischen Silingae zurück. Daraus mußte im Munde
der Slawen SlUiz — und weiter Siez — werden, ebenso wie aus germanisch
kuning 'König' slawisch knez entstanden ist. Die vordringenden Slawen
müssen also diesen Volksstamm noch angetroffen haben. Ostdeutschland
kann nach der Völkerwanderungszeit nicht wüst und leer gewesen sein.
Den Zusammenstoß vorausgesetzt gilt nun folgendes. Je bedeutender
die Örtlichkeit ist, um so wahrscheinlicher ist die Fortdauer des Namens,
je unbedeutender, um so leichter kann ein neuer Name auftreten. Orte
werden im Laufe der Zeit neu gegründet und erhalten dann den Namen
von den Gründern. Die Flüsse fließen dagegen seit Ewigkeiten und können
daher viel eher alte Namen tragen.
Aber auch die Völker verhalten sich in bezug auf die Herübernahme
der Namen verschieden. Während die europäischen Stämme viele Namen
übernommen haben, haben die Araber in Spanien, die Türken auf der
Balkanhalbinsel die Flüsse vielfach neu benannt. Zum Teil mag dies mit
sozialen Anschauungen zusammenhängen, mit der Verachtung, mit der die
Asiaten auf die Europäer herabgesehen haben. Ganz bestimmte Regeln
lassen sich daher auf diesem Gebiete nicht aufstellen.
Bei der Erforschung der Ortsnamen sind ein paar Grundsätze schlechter-
dings unentbehrlich. Zunächst muß man auf die ältesten belegten Quellen
zurückgehen, und die Ausschöpfung des urkundlichen Materials ist erstes
Erfordernis. Dabei bekommen dann die Namen oft ein ganz anderes Aus-
sehen, und zuweilen ergibt sich die Deutung der ältesten Form ganz von
selbst. Daneben ist die wirkliche Aussprache im Volksmunde von nicht
geringer, vielfach sogar von ausschlaggebender Bedeutung. Denn die laut-
lichen Verhältnisse sind von jeder Überlieferung unbeeinflußt geblieben,
während bei schriftHcher Festlegung oft Mißverständnisse unterlaufen, die
sich nicht selten von Geschlecht zu Geschlecht forterben.
Wo es sich um Namen fremder Herkunft handelt, tut man gut, den
Suffixen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Denn da die Ortsnamen
nach gewissen allgemeinen Grundgesetzen gebildet sind, treten bei ihnen
häufig die gleichen suffixalen Elemente auf.
An fremden Elementen in unsern Ortsnamen finden wir folgende:
1. Im Osten und Südosten saßen die Slawen, die sehr deutliche Spuren hinterlassen
haben, siehe darüber unten.
2. Im äußersten Norden unseres Vaterlandes wohnten die alten Preußen und leben
noch jetzt die Litauer.
3. Im Westen und im Süden stoßen wir dagegen in den Ortsnamen auf keltische Spuren.
Nur dürftige geschichtliche Nachrichten belehren uns über die Anwesenheit von Kelten auf
germanischem Boden. Die Ortsnamenforschung hat ihre alten Sitze genauer bestimmt.
4. Am Rhein und in den Alpenländern treffen wir neben den keltischen auf romanische
Siedelungen und romanische Namen.
382 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
5. Daneben .iber sudit man jetzt in Tirol eine noch ältere Schicht von Namen auf
die liiyrier zuriickzufiiliren, die ja einst ein machtiges Volk gebildet haben.
6. Unter den keltischen Namen wird neuerdings aber noch eine andere Schicht ver-
mutet, die den Ligurern angehören soll. Die Ligurer sind in den geschichtlichen Zeiten
ein nur unbedeutendes und in der Kultur zurückgebliebenes Volk in den Seealpen. Daß
sie zurückgedrängt sind und einst ein weiteres Gebiet innehatten, unterliegt keinem Zweifel.
Auf Korsika saßen sie, und so wird Rhodanus (siehe oben) ein ligurisches Wort sein.
Aber auch die Namen Genua und Genf falt Genavä) sind gleich und werden den Ligurern
zugesprochen. Erst in der neuern Zeit hat man Spuren ihrer Sprache auch in Ortsnamen
am Rhein zu finden geglaubt, und man wird diese Ansicht nicht so leichthin abtun können
(siehe unten). Natürlich kann jede Hypothese übertrieben werden. So gut wir früher eine
Keltomanie gehabt haben, die überwunden ist, so gut können wir eine Liguromanie be-
kommen, falls wir sie nicht schon haben. Sicher aber ist das eine: vieles, was man früher
als keltisch angesehen hat, ist es nicht, sondern muß einem andern Sprachstamm angehören;
ob das nun in allen Fällen der ligurische oder vielleicht noch ein andrer gewesen ist, tut
zunächst nichts zur Sache.')
§ 225. 1. Gebirgs- und Ländernamen. Unsere Gebirgsnamen sind zum Teil
jung und deutlich ableitbar wie Thüringerwald, Frankenwald, Schwarzwald,
Fiditelgebirge. Andere Namen sind zunächst dunkel, werden aber beim
Zurückgehen auf ältere Sprachstufen erklärbar. So ist Spessart der Spedites-
hart (über hart s, u.), Elm eigentlich der Elmen-(Ulmen-)wald. Der Name
hart ist in Deutschland weit verbreitet. Wir finden ihn in Harz, Haardt
(Neustadt an der Haardt), Spessart und vielleicht auch in Haarstrang.
Die Herkunft ist nicht sicher aufgeklärt. Mhd. hart bedeutet 'Wald', aber
auch 'fester Sandboden', und daher könnte man an Ableitung von hart
'fest' denken. Dieser Anklang dürfte aber doch wohl täuschen. Möglicher-
weise steckt darin, wenn die Bedeutung 'Wald' ursprünglich ist, ein Baum-
name, da auch sonst die Gebirge als Wälder und die Wälder wieder als
Wälder einer bestimmten Baumart bezeichnet werden. So haben wir Elm, und
sehr häufig ein Elchidit, Büdiidit, bei den Römern überliefert sllva Caesia
zu ndd. Heister 'Buche', Bacenis silva = ahd. Buodionia zu Budie und
mhd. Virgunt, got fairguni 'Gebirge' = kelt. herkynla silva, abgeleitet von
idg. *perqw-, lat. querciis, ahd. forha 'Eiche', also eigentlich 'Eichenwald'.
Anmerkung!. Die letzte Etymologie, die ich Idg. Forsch. 1,479 vertreten habe, wird
immer wieder bestritten, so von Wiedemann, Bezz. Btr. 28, 7, Uhlenbeck, Btr. 30, 273. Die
lautlichen Verhältnisse sind aber ganz klar und einfach. Aus idg. *perk^ oder *perkw wurde
im Keltischen bei Antritt des u-Suffixes, vgl. lit. Perkünas, got. fairguni, regelrecht *perk
und weiter herk.
Anmerkung 2. Den Namen des Mährischen Gesenkes erklärt man aus Ischcch. jesenka
zu jesen 'Esche', also 'Eschenwald'. Doch wird dies neuerdings bestritten.
Wir finden aber auch fremde Gebirgsnamen. So leitet man den Namen
der Finne von ke\t. pen 'Kopf ab.
Einige Benennungen gehen aber noch vor die keltische Besiedelung zurück. So vor
allem der Name der Alpen. Man bringt damit folgende Namen zusammen: die rauhe
*) Vgl. hierzu O. Weise, Die deutsche mayer, Ziele und Methoden der Ortsnamen-
Ortsnamenforschung im letzten Jahrzehnt. forschung, Zschr. f. d. Realschulwesen 34, 705.
Germ.rom. Monatsschrift 2, 433; K. v. ElT- i
§ 22Ö. Gebirgs- USD LAsnEBSAXEs, § 226. Die Fll-ss?»ave>.'. 383
Alb, Albion (alter Name von England) und die zahlreicfiea itaJiäciieii Scädtenamen /l/friz
wie ^/da longa, Alba Augasta, Albmm Intermeüam, ASbmm Ingßsaaam, Aün Detiäa,
Alba Pompeia. Man bat darin da J^nriscfaes Wort ffiff "Bog, Habe' gesdtei, k]^ Hkt,
Die Indogermanen 1, 46. Jedfnfalb dfidlea dfe NlanKn yM*jmniii#i)*i%yi| g^ deoHdba
Sprachstamm angehören.
Unsere Ländernamen sind zum guten Teä ahe Dathre Plnr. Toa
Volksnamen. Im Mittelalter sagte man zen Burgpnden, zen Ssmben *bei
den Burgunden, bei den Schwaben*. Preußen heifit nach dem VoUsslamm
der alten Preußen, deren ^nache mit der litanisdien mid lelifisdien zu-
sammen den baltischen Zweig der indogermanisciien Familie bildet; Pom-
mern nach dem sfawisdien Namen der Pomeriam (e^;enflidi 'Meer-
anwohner'); Ragen nach den Ragiem; Böhmen ist 'Heim der Bc^ei',
Bayern heißt nach den BajtwarL Über Sihlesien s,o. S.381. Atte-Vcfts-
namen stecken auch noch vidEadi in den Gannamen.
Anmerkung. Ich stdle hier oocfa die FaBe zasamraea, m deaea sich afie Vfilker-
namen erhalten haben. Unadier is^ ob Bomkolm Burgumderhobm ist. Barffad am. der
Rhone r ' Burgunden. Lombardei nach den Laagokardea. JSÜmmd vath den Jätern.
Sormandu ' mtamen. Ostfrieaimtd nach den Ffiesem. En^iaad oack den
Angeln. Saj.^. . .'-., "^n/itsen.
§ 226. 2. Die F nen.
Literatar: L - z?, Beffiige znr ElpiEoIogie dentsdier Flttflnamca, Göirägen
1881. — Ders., Die H: tr geno. FhAnama^eiMBi^ Kid ISOL IN^acb E. SCHBräKB
sind diese Arbeiten ' . t Spiekieien. — Sauinmlmiiigea des S&ofies leblen sboc&l
Material findet skh ü-zl z . * '" Jenfscfaes NaifnliBrii BdL 2L Ort»- and sonsiiee
geographische Namen. Yö._-- . _— _: Sreddni^^, Gevässer-, Gdäis^, Beig-, WaU-,
Flurnamen und dergleichen. 3L völlig - ^ ^ : . -t»CTtele, wm 100 Jaine (1100 — 12Q0| i
Auflage, mit Beiträgen von E. S - -:. r : " 3 H. hSSäa^KO^ Bonn 1911 ffi.; —
BCCJCVIANN in der Zeitschrift - :. Nr.SfärdKLBndMn^erHeide. Xt.Zahs^
Ortsnamenboch -=- ?- ;— ' -.3?. Die drid«hrn Bog-, Har-Hid
Ortsnamen des ai; ..- - ^. - ^ lianmidt md edkSät Aaiie^ 190SL
Systemaris che .\ui :.:'::-;-_ - MCllevho ff. Beoteciie AÜertiMsiamde 2. Bd.
1887. — E. Schröder, Litt- : ' .edfiEdivEg 1SQ8. — Den^
Flußnamen in H ::; ~ - t2LBd.72S.
Die Flußnamcri „.c.c:. _-: £: ; : _ - .■ r-'-!reidier SEnd,
einen sehr viel reic'-^" -^':': : : i-: i-\.-^z zi,: :.r V-"?rsndnmg
des Gebietes in grcuz... .-.^^c .-: .. : : : ' ; . " - .- ^ :7-^':"imien-
GiücklicherÄ»-eise lieee-: -'■^- - 7 - - , : ^-^"de
Flußnamen noch e^""~ '-' ' ^ ;;:- : --
Material, so finc^:: .: ::7 : i ' -:: .
Handatlas 5. Auflag t - - - ; ' ' , ' - ;
Colorado. Entsprech-.i ^.:: — .' - •; ;'
bedeutet. Slaw. /^^Äa heißt eir:-:. - -
daß der thiakische Name Strymon
Strom. Wir kommen also au: ^: ;: ^ ; ■
auch im Deutschen. Da man gewör
Wohnortes nur ein oder zwei G- -" .: -- :
dieses mit einem Ausdruck wie _ :\~:' : -..
384 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
und diesen Allgemeinbet^riff gegebenenfalls durch ein Eigenschaftswort oder
ähnliches näher zu bestimmen. Da wir nun in alter Zeit mit zahlreichen
Wanderungen zu rechnen haben, so ergibt sich zweierlei. Erstens Siedler,
die an einen neuen Ort und ein neues Wasser kamen, nannten dieses wie
das in der Heimat, woraus sich teilweise die an vielen Orten wieder-
kehrenden gleichen Flußnamen erklären, und zweitens, man benannte das
Gewässer, und darauf hat E. Schröder nachdrücklich aufmerksam gemacht,
unbekümmert darum, ob es in einem andern Teil seines Laufes schon
einen andern Namen führte. Ein Fluß oder Bach wird also nur dann einen
einzigen Namen tragen, wenn die Besiedelung seinem Laufe gefolgt ist.
In jedem andern Fall dürfte er mehrere haben. Beispiele für doppelte Be-
nennung sind zur Genüge vorhanden. Das bekannteste ist der Doppel-
name/5//-05 — Danuvius für die Donau. Andere hat E. Schröder angeführt.
Sicher ist die einheitliche Benennung unserer Flüsse erst ein Werk späterer Zeit.
So ist es zweifellos, daß viele Benennungen unserer Gewässer verloren gegangen
sind. Wir können aber diese zum Teil wiedergewinnen in den Ortsnamen.
Wenden wir uns nunmehr zu den Flußnamen.
So finden wir häufig die Bezeichnung Wasser.
Es gibt ein Landwasser zur Albiila, ein Klosterwasser, 12 x Schwarzwasser, 2 x
Weißwasser, ein Kaltewasser.
Sehr viel häufiger ist Bach. Bei unzähligen Dörfern heißt das vorbei-
fließende Wasser der o6tT die Bacli, und sehr groß ist die Zahl der Zu-
sammensetzungen, wie wir noch sehen werden.
Ein mhd. klinge 'rauschender Waldbach' hat sich ein paarmal erhalten
in Klingbach, Klingelbach, Klingental.
Alle aber an Zahl übertrifft ein jetzt verloren gegangenes altgerm. ahwa,
das dem lat. aqua entspricht. Im Deutschen erscheint das in mehreren
Formen, einmal mit verschärftem h als Adie, dann mit ausgefallenem h
als- Aa und schließlich als Au aus '-^'agwu.
Mit der Form Adie verzeichnet der Atlas folgende Flüsse und Bäche: 1. zum Inn,
2. zur Mosel, 3. zum Königssee, 4. Rauriser-, 5. Brixentaler-, 6. Gasteiner-, 7. Großarier-,
8. Große- ^zum Chiemsee), 9. Griesler-, 10. Jodiberger-, \\. Leutaschtaler-, 12. Ötztaler-,
Pillersee-Ache. Mit der Form Adi gibt es folgende Namen: 1. zur Donau, 2. zum Lech,
3. zur Aitradi, 4. zur Blau, 5. zum Halbledi, 6. zum Schüssen, 7. zum Sinket, 8. zum Staffel-
see, 9. die Bregenzer-, 10. die Fusdier-, 11. die Kapruner-, 12. die Unterach. Dazu kommen
noch zwei Aach, eine zum Bodensee und die Radolfzeller Aach.
Gleichfalls zahlreich sind die Aa: 1. zum Greifensee, 2. zum Ley, 3. zur kleinen
Nethe. 4. in Nordbrabant, 5. zur Nordsee, 6. zum Zuid.-Will.-Kanal, 7. die Ahauser-,
8. Bocholter-, 9. Burgsteinfurter-, 10. Engelberger-, W. Haiverder-, \2.H erster-, \Z.Hopster-,
14. Ibbenbürer-, 15. Kurländer-, 16. Livländer-, 17. Münstersche-, 18. Sarner-, 19. Vers-
molder-, 20. Weerijs-, 21. Westfälisdie Aa.
Die dritte Form Au, Aue findet sich in folgenden Fällen: 1. zum Barstaler Tief, 2. zur
Fuse, 3. zur Ilmenau, 4. zur Luhe, 5. zur Oste, 6. bei Osterwieck, 7. zur Save, 8. zur Weser.
Unaufzählbar sind nun die Zusammensetzungen mit diesem Wort. Man kann im all-
gemeinen annehmen, daß die Flüsse und Bäche auf -a, -ach, -au hierher gehören, wie
Sdiwarza, Schwarzach. Ilmenau, Fulda, Partnadi.
§ 226. Die Flussnamen. 385
Mit diesen Elementen ist eine große Anzahl von Flußnamen gebildet.
Es fragt sich nun, womit diese Elemente zusammengesetzt sind. Ehe ich
den Stoff gebe, muß ich zweierlei bemerken. Erstens, das Element -a ist
sehr häufig zu e geschwächt worden und zum Teil ganz geschwunden, so
daß scheinbar gar keine Zusammensetzung vorliegt, und zweitens, zahlreiche
Fluß- oder Bachnamen haben sich als solche nicht erhalten, stecken aber
in Ortsnamen. Ein Ort Lauterbach hat seinen Namen, weil er am Lauter-
bach lag. Ich halte mich daher für berechtigt, in einzelnen Fällen, wo die
Flußnamen fehlen, die Ortsnamen heranzuziehen.
Zuerst suchen wir nach romanischem Vorbild in den Flußnamen Farben-
bezeichnungen.
Wir finden: Schwarz: 5 Sdiwarza, 7 Schwarzach, 2 Sdiwarzau, 10 Sdiwarzbadi,
1 Sdiwarzenbadi, 12 Schwarzwasser. — Weiß: 1 Weißa, 3 Weißadi, 5 Weißbadi, 4 Weißen-
bach, 2 Weißwasser. — Lauter, ahd. hlatar 'rein, klar': 7 Lauter, 6 Lauterbadi; dazu
-unzählige Ortsnamen. — Rot: 2 Rotbadi, 5 Roterbadi, 3 Rothbadi, 1 Rothau, 1 Rothadi,
1 Rotwasser, 1 Rötheibach und 6 Roth. — Blau: Blau z. Donau. — Finster: 1 Finster-
bach. — Gelb: 1 Gelbach. — Dann kommen die Begriffe kalt und warm; warm: 2 Warme,
1 Warmenau, und außerdem Warme Bode, Warme Mandling, Warme Moldau. — Lau:
1 Laubach und viele Ortsnamen — Kalt: 1 Kalten-Bach, 1 Kalter Bach, 1 Kalte Wasser,
Kalte Bode, Kalte Mandling, Kalte Moldau. — Kühl: 2 Kühlbach als Ortsname.
Sehr häufig sind auch die Zusammensetzungen mit Baumnamen: Holz: 2 fLolzbach,
1 Holzemme. — Birke: 1 Berka, 1 Berkach. — Buche: 1 Buchbach, 1 Buchenbach,
1 Buchebach. — Eiche: 2 Eichelbach, 1 Aich, Aichbach (Ortsname). — Else: 2 Else,
Eisbach (Ortsname). — Erle: 1 Erle, 5 Erlenbach, 1 Erlbach, 2 Erlau. — Esche:
1 Eschen, Eschenbach (Ortsname). — Hasel: 3 Hasel, 1 Haslach, 1 Haßlach, 5 //as^/-
i>flc/i. — ///n: 1 Um, 1 //w^, 1 Ilmenau, 2 f/w. — Lenne ,Ahorn': 2 I^/z/z^. — Linde:
1 Z./«rf^, Lindenbach (Ortsname). — Rohr: 1 Rohrbach. — Weide: 3 W7<?/rf^, 3 IF^/rfa,
3 Weidbach, 1 Weidenbach. — Wid 'Ho\z': 1 IF/^rf, 1 W7/^rffl, 2 Wiedau. — Dazu kommen
ferner noch: Salz: 3 ^cfea, 1 Salzach, 4 Salzbach, 1 Salzböde, 3 Saa/. — Sauer:
2 Sflu^r, 2 Sauerbach, 2 Su^r. — Breit: Breitenbach (als Ortsname häufig). — F^-Zöf:
"2 F<?/rf^, 1 Feldbach und mit Ablaut Fulda.
Weiter haben wir Zusammensetzungen mit Tiernamen wie Auerbach, Fischbach,
Hirzbach, Hundsbach, Katzbach, Kälbersbach, Marbach [March), Meisebach, Ottersbach,
Rosbach und natürlich auch mit Personennamen.
Zu den deutbaren Bestandteilen kommt aber, da unsere Namen zum
Teil sehr alt sind, auch Dunkles, das sich zum Teil durch die Sprach-
wissenschaft wird aufklären lassen, zum Teil aber für immer dunkel bleiben
wird, Not tut vor allem eine vollständige Sammlung des Stoffes.
Wenn man so die deutbaren Flußnamen zusammenstellt, so kommt
man zu gewissen sehr einfachen Grundgesetzen, und diese wird man auch
bei den unklaren Namen anwenden dürfen. Auch bei den Flußnamen, die
nicht sofort klar sind, tritt uns die weite Verbreitung gewisser Namenelemente
entgegen. Außer der zur Nordsee fließenden Elbe gibt es noch eine zur
Eder, einen Elb-Bach und einen Elbing. Die uns zugängliche Bedeutung
ist jedenfalls 'Fluß', denn im Schwedischen tritt uns elf in derselben Ver-
wendung wie im deutschen Aclie, Aa entgegen, vgl. Göta-, Dal-, Torneä-,
Liileä-, Piteä-, Umeä-, Ängerman-, Indals-, Ljusne-elf. Trotzdem ist auch
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 25
386 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
bei dieser Sachlage nicht ausgeschlossen, daß die ursprüngliche Bedeutung
eine andere war, ndmlich die von 'weiß', und daß das Wort zu lat. albus
'weiß', gr. uXfpüs {alphös) gehört. Hierher wohl auch gr. 'AX(pdoq {Alphios).
Ebenso ist es ansprechend, wenn man den Flußnamen Iser {Isar bei
München, Iser Nebenfluß zur Elbe, Isere in Frankreich) zu dem idg.
Adjektivum i'sarös, isara 'schnell, kräftig' (gr. hock, hierös) stellt. Als Mas-
kuliiiforin könnte auch der alte Name der Donau Istros dazugehören.
Bei der Beurteilung derartiger weitverbreiteter Namen darf man nicht
ohne weiteres fremden Ursprung annehmen. Wenn der Name Albls auch in
Frankreich vorkommt, so kann er dorthin von Germanen gebracht sein. Da
wir den Namen auch in Schweden finden, so ist an dem echt germanischen
Ursprung nicht zu zweifeln, und wenn gr. \Ahie7oc: {Alpheos) verwandt ist,
so hätten wir es mit einem uralten indogermanischen Namen zu tun.
Ähnlich wie mit Aiibe (Albis) steht es vielleicht mit dem Namen Rhin
in der Mark. Man kann sehr wohl vermuten, daß dieser erst von den
niederländischen Kolonisten so benannt ist.
Außer einer Reihe von Flußnamen auf deutschem Boden, die ihrer
Herkunft nach nicht näher zu bestimmen sind, haben wir drei Gruppen
fremder Namen zu unterscheiden.
a) Die keltischen Flußnamen. Diese treffen wir in einem großen
Teil von Süd- und Nordwestdeutschland. Man schließt dies daraus, daß die
gleichen Namen, die wir hier finden, auch auf dem von Kelten besetzten
Boden Frankreichs wiederkehren. Vgl.MüLLENHOFF, Deutsche Altertumskunde
2, 218 ff. Bei Rhein trägt die älteste Form Rhenus keltische Lautgebung,
die Form Sieg, alt Sigina setzt Müllenhoff = Sequana. Tauber ist keltisch
dubra 'Wasser'. Eine /^///zr fließt auch als Nebenfluß zur Maas. Denselben
Namen wie die Nidda tragen die Nied in Lothringen, ein Nebenfluß der
Saar und der Nith bei Dumfries in Schottland usw.
Vielleicht haben wir es bei einigen dieser nichtgermanischen Namen nicht mit kel-
tischen Benennungen zu tun, sondern mit denen einer vorkeltischen Urbevölkerung. Zu
dieser Annahme gelangt man, erstens weil die Namen auch aus keltischem Sprachgut
nicht immer deutbar sind, zweitens weil einige auch auf nichtkeltischem Gebiet vorkommen.
Ob und wieviel auf das Geschlecht zu geben ist, verm^ig ich nicht zu bestimmen. Wir
sagen der Rhein, der Main, der Neckar, aber die Elbe, die Weser. Aber auch die echt
keltischen Flußnamen hatten eigentlich weibliches Geschlecht, vgl. Sequana. Demnach
könnten die männlichen Flußnamen auf eine noch ältere Schicht hinweisen. Man sieht
darin jetzt gern Hgurische Sprachreste, und ich stehe dieser Auffassung durchaus nicht ab-
lehnend gegenüber. Eine Sammlung der Namen (auch der Ortsnamen), die aus dem
Ligurischen stammen könnten, bietet Fr. Cramer, Rheinische Ortsnamen aus vorrömischer
und römischer Zeit S. 5 ff. Einige Beispiele mögen die Verbreitung dieser Flußnamen ver-
anschaulichen. .Die Moder, Nebenfluß des Rheins, alt Matra, sowie die Metter (eben-
falls Matra), welche der württembergischen Enz zuströmt, entsprechen dem piemontesischen
Bach- und Ortsnamen Madro sowie der Matrona, dem alten Namen der Meyrone bei
Ai.x en Provence und ferner einer Quelle am M. Genevre. Ebenso hieß bekanntlich die
Marne, Nebenfluß der Seine." Cramer S. 12. ,Die Thur, Nebenfluß der 111 — aus *Dura —
hat wohl denselben Namen wie die piemontesischen Dora (alt Dura) BaUea und Dora
§ 227. Die Ortsnamen. 337
Riparia. Zu vergleichen sind die Schweizer Thur, der spanisch-portugiesische Duero bezw.
Douro, vielleicht auch der alte Name der Dordogne: Durononia."
Aus der Verbreitung dieser und anderer Namen scheint mir hervor-
zugehen, daß wir es nicht mit keltischem Sprachgut zu tun haben, sondern
mit Namen, die von einem andern Volk herrühren. Ob wir dieses nun Ligurer
oder sonstwie nennen, ist zunächst ziemlich gleichgültig. Die Hauptsache
ist, daß man auf diesem Gebiet vergleichend vorgeht. Die Frage ist übrigens
bei weitem noch nicht geklärt und bedürfte einer gründlichen Untersuchung.
b) Die slawischen Flußnamen. Die Slawen sind bekanntlich nach
der Völkerwanderung nach Deutschland eingewandert und bis über Elbe
und Saale, ja auch nach Nordbayern vorgedrungen. Während die großen
Flüsse, wie Elbe, Saale, Oder, ihre Namen behielten, haben sie die kleinem
selbständig benannt. In Ostdeutschland ist also vieles slawisch, so bei
Leipzig die Pleiße, die Rltschke (slaw. ricka 'Flüßchen') usw. Ebenso Swine,
Peene, Diwenow, der Boberfluß usw.
c) Im alten Preußenlande saß der baltische Sprachzweig und daher
tragen hier die Flußnamen zum Teil baltisches Gepräge, wozu z. B. die
Namen auf -ap zu rechnen sind.
Überblickt man unser deutsches Sprachgebiet in bezug auf die Fluß-
namen, so bleibt nur ein verhältnismäßig kleines Gebiet für die echt deutschen
Namen übrig, nämlich das Flußgebiet der Weser, Fulda, Elbe, Oder. Diese
Flüsse und ein Teil ihrer Nebenflüsse sind deutsch benannt, und sie lehren
uns demnach die ursprünglichen Sitze der Germanen kennen. Abzusehen
ist natürlich von den kleinen Flüßchen und Bächlein, die ihren Namen
später erhalten haben.
§ 227. 3. Die Ortsnamen. Die ganze Fülle der eigentlichen Ortsnamen
auch nur annähernd zu erläutern, ist unmöglich. Es kann sich nur darum
handeln, einige allgemeine Bemerkungen zu geben und die Grundgesetze
der Bildung klarzustellen.
Die Literatur über die Ortsnamenforschung ist unübersehbar, und ich
muß mich darauf beschränken, eine Anzahl der wichtigsten Schriften zu
verzeichnen. Eine vollständige Bibliographie zusammenzustellen ist mir
nicht möglich.
Anmerkung. Unter den folgenden Schriften befinden sich sehr verschiedenartige,
mehr oder minder wertvolle. Man tut gut, an jede Schrift über Ortsnamen zunächst mit
einem gewissen Mißtrauen heranzutreten, jedenfalls auf die einzelnen Deutungen nicht
allzuviel zu geben. Die altern Schriften bis 1879 sind bei VON Bahder, Die deutsche
Philologie im Grundriß S. 151 ff. verzeichnet. Für die spätere Zeit bietet dann der Jahres-
bericht für germanische Philologie Jahr für Jahr eine Zusammenstellung, in der auch die
Besprechungen der Schriften verzeichnet sind.
E. W. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, s. o. S. 361. — E. W. Förstemann, Die
deutschen Ortsnamen, Nordhausen 1863; die einzige umfassende und noch immer brauch-
bare Gesamtdarstellung; S. 9 ff. eine reichhaltige Bibliographie. — W.Arnold, Ansiede-
lungen und Wanderungen deutscher Stämme zumeist nach hessischen Ortsnamen, 2. un-
veränderte Auflage, Marburg 1881. — F. Gramer, Rheinische Ortsnamen aus vorrömischer
25*
388 * Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der EiopNAMEN.
und römischer Zeit, Düsseldorf 1901 (mit gutem Material). — O. Heilig, Die Ortsnamen
des GroClicrzogtums Baden gemeinfaßlich dargestellt, Karlsruhe [1906). — H. Jrllinghaus,
Die westfälischen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern, Kiel und Leipzig 1896. — P. Vogt,
Die Ortsnamen aui -scheid und -auel {ohl), Programm Neuwied 1895. — K. Damroth, Die
älteren Ortsnamen Schlesiens, ihre Entstehung und Bedeutung; mit einem Anhange über die
schlcsisch-polnischen Personennamen; Beuthen O.-S. 1896. — P. Cassi-:l. Über Thüringische
Ortsnamen; Abdruck aus den wissenschaftlichen Berichten der Erfurter Akademie; I Erfurt
1856, II Erfurt 1858. — J. Miedel, Oberschwäbische Orts- und Flurnamen, Memmingen 1906. —
W. Sturmfels, Die Ortsnamen Hessens; etymologisches Wörterbucli der Orts-, Berg- und
Flußnamen des Großherzogtums Hessen; Rüsselsheim a.M. [1902]. — J. Studer, Schweizer
Ortsnamen; ein historisch-etymologischer \'ersuch; Zürich 1896. — A. von Jaksch, Über
Ortsnamen und Ortsnamenforschung mit besonderer Rücksicht auf Kärnten, Klagenfurt
1891. — A.Achleitner, Tirolische Namen; Handbuch zur Namendeutung; Innsbruck 1901.—
Val. Hintner, Die Stubaier Ortsnamen mit Einschluß der Flur- und Gemarkungsnamen,
Wien 1902. — A.SCHU.M.M, Unterfränkisches Orts-Namen-Buch, 2 Auflage, Würzburg 1901. —
Theodor Imme, Die Ortsnamen des Kreises Essen und der angrenzenden Gebiete, Essen-R.
1905. — G. Heeger, Die germanische Besiedelung der Vorderpfalz an der Hand der Orts-
namen, Programm des Gymnasiums Landau, 1900. — P. VoGT, Die Ortsnamen auf -seifen,
-siefen, -siepen, -siek, -seih; Programm des Wilhelmsgymnasiums Kassel, 1900. — J. Leit-
HÄUSER, Bergische Ortsnamen, Elberfeld 1901 . — K. Schulze, Die Ortsnamen des anhaltischen
Harzes. Zeitschrift des Harzvereins 20, 149—239. — W. Stur.mfels, Die Ortsnamen Hessens;
Etym. Wörterbuch der Orts-, Berg- und Flußnamen des Großherzogtums Hessen; 2. Auflage,
Weinheim 1910. — P. Heffter, Ursprung und Bedeutung der Ortsnamen im Stadt- und
Landkreis Breslau, Breslau 1910. — P. Dohm, Holsteinische Ortsnamen, Ztschr. d. Gesellsch.
f. schleswig-holsL Geschichte 28, 109—235. — AuG. Kübler, Die deutschen Berg-, Flur-
und Ortsnamen des alpinen Hier-, Lech- und Sennengebicts, Amberg 1909. — S. Riezler,
Die bayrischen und schwäbischen Ortsnamen auf -ing und -ingen als historische Zeugnisse;
SB. d. bayr. Akad. d. Wiss. 1909, 2, 1—60. — O. Behaghel, Die deutschen Weiler-Oxit;
Wörter und Sachen, 2, 1 ff.
Was die Deutung der Ortsnamen betrifft, so treten uns natürlich die
gleichen fremden Elemente entgegen wie die, die wir bei den Flußnamen
kennen gelernt haben. Auch die Ortsnamenforschung trägt in ganz hervor-
ragendem Maße zur Aufhellung der ältesten Geschichte unseres Landes bei.
1. Im Westen haben wir römische, vorrömische, d. h. keltische und
ligurische Ortsnamen.
Römische Namen werden nicht allzu häufig' sein, denn die Römer kamen ja in kein
unkultiviertes Land, sondern in ein Gebiet, dessen Besiedelung verhältnismäßig weit fort-
geschritten war. Wo sie neue Siedelungen anlegten, wird es sich hauptsächlich um mili-
tärisch wichtige Punkte, Straßenkreuzungen, Brückenköpfe usw. gehandelt haben.
So finden wir Augusta Rauracorum (Äugst bei Basel), Castelhim (Kastei bei Mainz).
Colonia Augusta Treverorum (Trier), Co/onia Claudia Augusta Agrippinensis (Köln).
ConfUientes (Koblenz), Taberna, Tabernae (Zabern).
Sehr viel zahlreicher sind die keltischen Namen. Ihre ursprüngliche
Form ist zwar oft nicht überliefert, sie kann aber mit Sicherheit erschlossen
werden. Ich muß es unterlassen, auf diesem immerhin zweifelhaften Gebiet,
auf dem man nur mit reichem Material etwas beweisen könnte, einzelne
Punkte anzuführen, und verweise auf die Schrift von Fr. Cramer, Rheinische
Ortsnamen S. 41 ff., die viel Beispiele bietet.
Nur einen Punkt möchte ich herausheben.
§ 227. Die Ortsnamen. 389
Zu den Namen fremden Ursprungs, die eine hohe l<ulturgeschichtliche Bedeutung
haben, gehört auch Hall. V. Hehn hat diesem Ortsnamen in seiner kleinen Schrift 'Das
Salz', 2. Auflage, 1901, S. 50, eine eingehende Untersuchung gewidmet. Es ist merkwürdig,
daß in Deutschland die Flüsse vielfach mit Sal- gebildet werden, die daran liegenden Salz-
siedestätten ahtT Hall heißen; ich erinnere an Reichenhall, Hall bei Innsbruck, Salzlieben-
hall, Hall am Kocher, Hall bei Admont an der Ens, Herzogenhall bei Kremsmünster,
Niederhall im Hohenloheschen, Hai an der Semme in der Grafschaft Hennegau, Friedrichs-
hall und schließlich Halle a. d. Saale. Daß das Wort Salzsiedestätte bedeutet, ist ganz
sicher. Schon althochdeutsch kommt halhas 'Saline' und halgräve vor.
Die meisten neuern Etymologen suchen darin das deutsche Wort die halle, Hehn aber
vertritt nach Schmellcr den Standpunkt, daß darin ein Wort für Salz vorliegt. Nun läßt
sich hal ohne Schwierigkeiten auf sal zurückführen, wenn man den Übergang des s in h
annimmt. Dieser Übergang liegt im Griechischen vor und im Britannischen, einer Mundart
des Keltischen, und daraufhin erklärte Hehn das Wort für keltisch. Nun ist freilich der
Übergang von s zu h nicht allgemein keltisch und vor allem, wie es scheint, bei den fest-
ländischen Kelten noch gar nicht belegt (vgl. Thurneysen, Keltoromanisches S. 25), aber
dieser Punkt kann uns nicht veranlassen, von der Hehnschen Ansicht gänzlich abzugehen.
Sie wird nur so lange sehr unsicher bleiben, als nicht in andern Fällen Spuren dieses Laut-
wandels nachgewiesen sind. Immerhin scheint sie mir doch wahrscheinlicher zu sein als
die Ableitung des Wortes von Halle. Wenn nun auch das Wort fremden Ursprungs sein
sollte, so ist nicht daraus zu schließen, daß alle die genannten Orte keltischen Ursprungs
sind. Im Bayerischen bedeutet Hall eben Salz. Wir finden dort Hall-asch 'Salzschiff',
Hallfahrt 'eine Fahrt oder Transport Salz auf der Salzach', Hallforst 'Forst, der zu einer
Saline gehört', Hallgraf u. a., und es können daher neue Salzsiedestätten Hall benannt
sein, als die fremde Sprache, aus der es entlehnt war, gar nicht mehr bestand.
Schließlich haben wir bei den Ortsnamen auch noch die vorkeltische,
wenn man will, die ligurische Sprache ins Auge zu fassen, und bei den
Ortsnamen liegen nun augenscheinlich ligurische Namen auch in Deutsch-
land vor. Der französische Forscher Arbois de Jubainville hat in seinem
Buche Les premiers habitants de l'Europe, 2. Auflage, Paris 1894, das Suffix
-asc-, -usc-, -ose- für ligurisch in Anspruch genommen, und man hat ihm
in diesem Punkte ziemlich allgemein beigestimmt. Namen mit diesem Suffix
kommen nun auch in Deutschland z. B. in der Eifel vor. Dort begegnet
uns 762 Carouuascus und in einer Urkunde, die zwischen 861 und 884
fällt, vUla Camsco. Weitere Fälle bei Cramer S. 5 ff. Ferner dürfte der
Namel^oz-ms, älteste Form Bormltomagus, ligurisch sein, da sich der Stamm
Borm sehr häufig auf Hgurischem Sprachboden findet. Vgl. Cramer S. 9.
Man sieht, es stecken in den Ortsnamen ganz verschiedene Elemente,
und man kann dabei auf allerlei Überraschungen gefaßt sein.
2. Im Süden haben vor allem die tirolischen Forscher viel zur Er-
klärung ihrer Ortsnamen beigetragen. Ich erwähne nur, daß man in Tirol
alte etruskische Namen finden zu können geglaubt hat. Doch ist das meiste
echt romanisch. Dagegen hat man neuerdings alte illyrische Namen mit
einiger Wahrscheinlichkeit festgestellt.
Anmerkung. Vgl. Fr. Stolz, Linguistisch-historische Beiträge zur Paläo-Ethnologie
von Tirol, aus Beiträge zur Anthropologie von Tirol, 1894, S. 1 ff. — Fr. Stolz, Zur alt-
tirolischen Ethnologie, 1894—1904, Ferd.-Zeitschrift S.Folge 48. Heft S. 143 ff. — A. Walde,
390 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Über die Grundsätze und den heutigen Stand der nordtiroiisclien Ortsnamenforschung, Inns-
bruck 1901, Wagner. — A. Walde, Die üesiedching Tirols durch iilyrischc Stämme; Mit-
teilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft 1898, 477 ff.
3. Im Osten herrschen in der Hauptsache die slawischen Namen, die
ja meistens recht deuthch in die Ohren fallen. Ob darunter eine noch ältere
Schicht verborgen ist, läßt sich zurzeit noch nicht sagen. Die Arbeiten über
die slawischen Ortsnamen sind sehr zahlreich, zum Teil aber von Leuten
geschrieben, die das Slawische nur notdürftig beherrschen und ihre Kennt-
nisse meist aus den Wörterbüchern beziehen. Wir besitzen aber auch eine
Reihe vortrefflicher Werke, aus denen sich sehr viel für die Wanderungen
und Verbreitung der Slawen lernen läßt.
Anmerkung. Ich fülire hier nur die wichtigsten Schriften an: A. Brückner, Die
slawischen Ansiedelungen in der Altmark und im Magdeburgischen, Leipzig 1879; vortreff-
liche Arbeit. — E. MuCKE, Di \slavischen Ortsnamen der Neumark; Sonderabdruck aus den
Mitteilungen des V^ereins für C ischichtc der Neumark, Landsberg a W. 1898; zuverlässig. —
P. KüHNEL, Die slawischen Ortsnamen in Mecklenburg; Jahrbuch des Vereins für Mecklen-
burgische Geschichte, 1880. — P. KCjhnel, Die slawischen Ortsnamen in Meckienburg-
Strelitz; 1. Gymnasialprogramm Neubrandenburg, 1881; IL Die slawischen Flurnamen in
Mecklenburg-Strelitz, ebenda 1883. — P. Kühnel, Die slawischen Orts- und Flurnamen der
Oberlausitz, Heft 1 — 5; SA. aus dem Neuen Lausitzischen Magazin 66; 67; 69; 70; 71; 73. —
P. KüHNEL, Die slawischen Orts- und Flurnamen im Lüneburgischen I; SA. aus der Zeit-
schrift des historischen Vereins für Niedersachsen. — O. Vogel, Slawische Ortsnamen der
Prignitz; Programm des Realgymnasiums Perleberg, 1904. — Bronisch, Die slawischen
Ortsnamen in Holstein und im Fürstentum Lübeck, Sonderburg 1901 — 1903. — G. Weisker,
Slawische Sprachreste, insbesondere Ortsnamen, aus dem Havellande und den angrenzenden
Gebieten I; Rathenow 1890. — Hey, Die slawischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen;
Programm der Realschule Döbeln, 1883. — O. Weise, Die slawischen Ansiedelungen im
Herzogtum Sachsen-Altenburg; Programm des Gymi;asiums Eisenberg, 1883. — Im.misch,
Die slawischen Ortsnamen in der südlichen Oberlausitz; Programm des Gymnasiums in
Zittau, 1874. — Derselbe, Die slawischen Ortsnamen im Erzgebirge; Programm, Annaberg
1866. — Hey, Die slawischen Ortsnamen von Lauenburg. 1888. — Beyersdorf, Slawische
Streifen (Orts- und Flurnamen, hauptsächlich in Pommern); Beilagen zur baltischen Monats-
schrift, 10 Hefte bis 1884. — Hoppe, Ortsnamen der Provinz Preußen, 8 Teile, Königsberg
1873 ff.; in der Altpreußischen Monatsschrift. — Hoppe, Ortsnamen des Regierungsbezirks
Gumbinnen (deutsche, polnische, litauische); Programm vonGumbinnen, 1875. — Ketrzynski,
Die polnischen Ortsnamen in den Provinzen Preußen und Pommern, Lemberg 1879.
Die Bildung der slawischen Ortsnamen beruht auf denselben Grund-
gesetzen wie die der deutschen (siehe unten). Wir finden entweder Appel-
lative oder Ableitungen von Personennamen. Zu letztern gehören vor allem
die zahlreichen Namen auf -itz, -ow, -an, -in. Grundlegend für die Er-
klärung waren die beiden Arbeiten von Miklosich, Die Bildung der Orts-
namen aus Personennamen, Die slawischen Ortsnamen aus Appellativen I. II.
In den Abhandlungen der Wiener Akademie 1865, 1872, 1874.
Wenn man den Lauf der Elbe zugrunde legt, so ist östlich derselben
sehr viel slawisch. Über die Elbe selbst sind die Slawen im Norden und
im Süden herübergegangen. Im Norden saßen sie im Lüneburgischen, im
sogenannten hannoverschen Wendland, im Süden waren sie bis an die Saale
§ 227. Die Ortsnamen. 391
vorgedrungen. Die Gegend um Magdeburg dagegen blieb mit geringen
Ausnahmen frei von slawischen Siedelungen.
Auf deutschem Boden finden wir verschiedene slawische Stämme, die
in zwei große Gruppen geteilt werden können, eine nördliche, der heute
noch das Polnische angehört, und eine südliche, zu der das Sorbische in
der Lausitz gerechnet wird. Dementsprechend gehören auch die Ortsnamen
einem der beiden Sprachstämme an, und es ist nicht allzu schwer die Grenzen
zu ziehen. Jedenfalls hat die Erforschung der slawischen Ortsnamen recht
Beträchtliches dazu beigetragen, die vorgeschichtlichen Wanderungen der
slawischen Stämme aufzuhellen.
4. Im fernsten Osten unseres Vaterlandes, in der Provinz Preußen, finden
wir schließlich Namen, die von den alten Preußen und Litauern herrühren.
5. Die deutschen Namen. Die meisten G.^snamen in Deutschland
sind aber nun doch deutschen Ursprungs. Was ihre Bildung betrifft, so
kann man im wesentlichen zwei Arten unterscheiden.
a) Eine überaus große Anzahl ist nach Personen benannt. Die alten
Deutschen wohnten in einzelnen Höfen oder in Dörfern, und es ist aller
Wahrscheinlichkeit nach anzunehmen, daß in einem Dorfe meistens die An-
gehörigen einer Sippe lebten. Doch kann natürlich das Dorf nach dem einen
genannt sein, der dort die größte Besitzung hatte. Hierher gehören zunächst
die Namen auf -ingen, namentlich im alemannischen Gebiet, denen die auf
-engo in Oberitalien, -inges in Savoyen, -ange in Limousin entsprechen.
Heilig sagt S. 80, es gäbe davon mehr als 230. Die Namen auf -ingen sind
eigentlich Dative Pluralis und bedeuten 'bei den Leuten des x', also Eppingen
'bei den Leuten des Eppo\ Giindlingen 'bei den Leuten des Gundilo'.
Weiter enthalten zahlreiche Zusammensetzungen im ersten Gliede einen
Personennamen, so die auf -heim, z.B. Handschuhsheim 'Heim des Hant-
skoh', -hüsen, -hausen (Germershausen), -dorf, -hofen, -höfen, -reut, -rode,
-riet, -statt, -statten, -wang, -wangen, -leben usw.
Man wird immer gut tun, in dem ersten Gliede zweistämmiger Orts-
namen zunächst einen Personennamen zu suchen.
b) Eine andere weniger zahlreiche Gruppe ist einfach nach der Ört-
lichkeit benannt.
R. Kögel hat Btr. 14, 95 ff. eine Reihe derartiger Namen zusammen-
gestellt. Vielfach stehen diese Ortsnamen im Dativ-Lokativ, und dieser hat
sich auch nicht selten als Nominativ festgesetzt. So haben wir heute noch:
An-der-matt, Am-steg, Im Haag. Bei andern ist der Dativ ohne Präposition
verwendet worden und dann zum Nominativ geworden, so Achen von ahwa,
Baden von Bad, Wiesbaden 'bei den guten Bädern', Laufen, Bergen, Stetten,
eig. ze den Stetten (ad locos) und schließlich steht auch der Nominativ
des Grundwortes, zum Teil mit hinzugefügten Adjektiven: Breitenbronn,
Kaltenbrunn, Beiten-au, Moos, Todtmoos, Brühl, Spring.
c) Während es unmöglich ist, die ersten Glieder der zweistämmigen
392 Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Ortsnamen auch nur andeutend zu behandeln, ließe sich über die häufig
wiederkehrenden zweiten Bestandteile, in denen recht viel altes verlorenes
Sprachgut steckt, mehr sagen. Förstemann in seinen deutschen Ortsnamen
S. 26 hat die Grundwörter zusammengestellt, und ich hätte gern auch hier
eine Liste des Wichtigsten gegeben. Aber ohne eine genaue Kenntnis der
Lautveränderungen jedes einzelnen Dialektes, in dem der betreffende Name
vorkommt, würde man sehr leicht auf falsche Wege geraten, und ich muß
daher verzichten, diese Elemente hier zu besprechen. Auch in diesem Falle
kann nur die lokalgeschichtliche Untersuchung einsetzen. Ich beschränke
mich daher darauf, die allgemeinen Ausdrücke zu erklären.
Schon bei den Indogermanen muß es feste Niederlassungen, sagen wir Burgen, ge-
geben haben, wie eine alte im Germanischen allerdings verloren gegangene Gleichung be-
weist. Griechisch .-rö/.n ipö'is) 'Burg' kehrt im Indischen als pur 'befestigter Platz, Burg',
im Litauischen als pilis 'Bu p Schloß" wieder. Bei den Germanen tritt dafür Burg, ahd.
bürg, e. boroiigfi, got. baiirgs ein, das als zweites Glied in einer Reihe alter Städtenamen
Straßburg. Regensburg, Augsburg, Magdeburg, Naumburg, Hamburg auftritt und auch
in England und Skandinavien so erscheint. Man stellt es entweder zu Berg oder zu
bergen. Doch ist letzteres mir weniger wahrscheinlich. Griechisch nvoyo? {pyfgos) kann,
da die Lautverschiebung mangelt, nicht unmittelbar verwandt sein. Vielleicht ist es aber
im Griechischen ein Fremdwort. — Alt ist auch Dorf, ahd. dor/, t. thorp, got paiirp
'Bauland, Feld". Man stellt es zu lat. trabs 'Balken', osk. trUbüm 'Gebäude', ir. treb 'Dorf,
lit. trObä 'Gebäude'. Auf niederdeutschem Gebiete erscheint es in Eigennamen umgestaltet
zu drnf, trup. — Stadt, ahd. stat 'Stätte, Stelle', got. staf)s 'Stätte, Stelle, Raum, Gegend'.
Unsere jetzige Bedeutung entwickelt sich erst im Mittelhochdeutschen. — Flecken, das-
selbe wie Fledt, tritt erst im 15. Jahrhundert in unserer Bedeutung auf. — Weiler, ahd.
w'ilari in Ortsnamen, stammt aus mlat. villare 'Gehöft', abgeleitet von villa, das gleich-
falls entlehnt in Ortsnamen wie Rottweil, Petterweil fortlebt. Vgl. dazu Behaghel a. a. O. —
Ort heißt eigentlich 'Spitze, Ecke, Ende' und hat seine jetzige hauptsächlichste Bedeutung
recht spät erhalten.
d) Die Ortsnamenforschung ist, wie wir schon aus dem bisher An-
geführten erkennen können, von außerordentlicher Wichtigkeit. Lehrt sie
uns doch z. B., welche Völker auf dem Boden unseres Vaterlandes einst
gesessen haben und wie weit sie verbreitet waren. Derselbe Wert kommt
auch den germanischen Namen in jetzt nicht mehr deutschen Gebieten zu.
Auch hier lehrt die Namenforschung manches über die einstige Ausdeh-
nung der deutschen Sprache. Auf der andern Seite belehren uns die Orts-
namen über die Besiedelung Deutschlands selbst, wenn man sie nur richtig
aufzufassen versteht.
Deutschland besaß in alter Zeit viel mächtigere Wälder als jetzt. Als
die Bevölkerung wuchs, drang man in dieses Gebiet vor. Man rodete;
und die Orte tragen davon ihren Namen. Daher finden wir im Harz und
Vorharz die große Zahl der Namen auf -rode, die mit einem Personen-
namen zusammengesetzt sind: Wernigerode, Elbingerode, Gernrode. Bei
genauer Untersuchung lehren die Personennamen auch noch, woher diese
Ansiedler gekommen sind. In andern Gegenden finden wir ein gleich-
bedeutendes Element, aber in andrer Form, so -reut, -reit, -ried, -roit, -rijty
§ 228. Die Strassen- und Hausnamen. 393
-reyt\ 'den Wald vernichten' heißt im Mhd. den walt swenden; swenden
ist das Kausativum zu schwinden, heißt also 'schwinden machen', heute
noch erhalten in verschwenden. Zahlreiche Ortsnamen zeugen noch von
dieser Tätigkeit des Mittelalters. So finden wir Molmers-schwende, Bürgers
Geburtsort, und die zahlreichen Sdiwands und Schwends in der Schweiz.
Anderswo brannte man den Wald nieder und nannte den Ort Brand.
Wo wir Ortsnamen finden, die verschiedenen Spraciien angehören, muß man die
Lage der einzelnen Orte genau beachten. Bei Leipzig springt die Verschiedenheit der
Siedelungsweise sofort in die Augen. Überali an den Flußläufen liegen die slawischen
Niederlassungen, die nicht nur an den Namen, sondern auch an der Bauart zu erkennen
sind. Bekanntlich bauten die Slawen ihre Dörfer so, daß sie sich an den Fluß oder den
Sumpf anlehnten, um dadurch Schutz zu haben. So haben wir denn Gohlis, Möckern,
Wahren, Liitzsdiena, Quasnitz, Modelwitz, Papitz, Sdikeuditz an der Elster; an der Parthe
liegen Modiau, Portitz, P/ausig, Seegeritz, Taudia. Nur vereinzelt haben wir zwischen
ihnen auch deutsche Namen. Abseits vom Flusse liegen dagegen Lindenthal, Breitenfeld,
Zweinaundorf, Sommerfeld, Borsdorf, Engelsdorf, Baalsdorf, Holzhausen, Zudielhausen,
Seifertshain, Albrechtshain, Wolfshain, Fuchshain, Eidia, Naunhof usw. Es wird sich
leicht nachweisen lassen, daß die Orte mit diesen Namen durchweg jüngere Gründungen sind.
Es ist ferner längst aufgefallen, daß sich bestimmte Ortsnamenelemente
nur in gewissen Gegenden finden. Ich erinnere nur an die Namen auf
-Ingen, die im wesentlichen alemannisch sind, die auf -heim, die man für
fränkisch in Anspruch genommen hat, oder die auf -leben. Die Endung
-leben findet sich in einem ganz bestimm.ten Gebiet. „Es erstreckt sich von
Gotha mit einem kleinen Auslauf jenseits des Thüringers Waldes in Franken
bis an die Grenzen der Altmark; die Elbe und Saale sind östhche, der
Thüringer Wald, der westliche Harz, die Ocker und Ohre westliche weiteste
Scheidungen." Cassel 216. Aber wir finden die Endung noch an einem
andern Ort und zwar wiederum außerordentlich häufig, nämhch in Schles-
wig, nördlich von Flensburg, in Jütland und auch auf den Inseln, z. B.
Harrislev, Fröslev, Tinglev, Kliplev, Bollenslev, Alslev, Aasslev usw. Ob
man daraufhin auf einen einstigen Zusammenhang der Völker dieser Ge-
biete schließen darf, ist zweifelhaft.
§ 228. 4. Die Straßen- und Hausnamen.
A. Die Straßennamen.
Literatur: FöRSTEMANN, Germania 14, Iff.; 15,261; 16,265. — Hildebrand im Grimm-
schen Wörterbuch unter Gasse. Außerdem zahlreiche Einzelarbeiten über die Straßennamen
einzelner Orte. — A. Hoffmann, Die typischen Straßennamen im Mittelalter und ihre Be-
ziehungen zur Kulturgeschichte. Unter besonderer Berücksichtigung der Ostseestädte; Diss.
Königsberg 1914.
Auch die Straßennamen bieten kulturhistorischen und etymologischen
Stoff in Hülle und Fülle, und mit Vorteil wird man an sie im Unterricht
anknüpfen können. Es erfordert dabei natürlich jede Stadt ihre besondere
Untersuchung, bei der es aber nicht schwer sein kann, die Einzelheiten
genau festzustellen.
Schon die Benennungen Gasse, Weg, Straße sind bedeutungsvoll. Gasse Hegt
schon im Gotischen als gatwö 'Gasse' vor und hängt vielleicht mit ags. geat 'Tor, Tür,
394
Sechzehntes Kapitel. Die Bildung der Eigennamen.
Eingang, Öffnung' zusammen. Es zeigt ursprünglich nichts von der ihm jetzt anhaftenden
Bedeutung des Kleinen und Engen. Diese kommt vielmehr dadurch zustande, daß Straße,
alid. sträia, e. street aus spätlat. strCita (via) 'gepflasterter Weg, Chaussee' die Landstraße
bezeichnete, die, soweit sie durch die Städte führte, breiler war als die meisten Gassen.
Heute ist Straße schon im allgemeinen auf 'Wege in der Stadt' beschränkt, während sich
für Landstraße der neuere Ausdruck Chaussee über hz. Chaussee aus mlat. calciata 'mit
Kalk gemauerte Straße' vielfach durchgesetzt hat.
Das Wort Gasse ist dem Niederdeutschen ursprünglich fremd, und es gebraucht dafür
Weg, was sich noch heute vielfach findet. Die Stein- und Bohlwege mancher Städte
weisen auf die Bemühungen hin, feste Straßen zu schaffen.
Außerdem gibt es in den Straßennamen noch manchen sonst ver-
schollenen Ausdruck, wie Brink, niederdeutsch, eigentlich 'Hügel', Brühl
'sumpfige, mit Buschwerk bewachsene Wiese', Fleet, Fleete, niederdeutsch
'schiffbarer Kanal der Stadt' zu fließen u. a.
Was die Benei.-^'ipg der Straßen betrifft, so ist auf dem Dorf kaum ein
Bedürfnis vorhanden, die wenigen Gäßchen und Wege genauer zu bezeichnen,
erst die Stadt muß Namen schaffen, und es macht sich auch hier wie bei
den Personennamen der Unterschied zwischen natürlicher und künstlicher
Benennung geltend. In alter Zeit entwickelten sich die Namen von selber,
heute müssen die Straßen benannt werden, und die Stadtverwaltungen
wenden oft ihren ganzen Scharfsinn auf, um treffende Namen zu finden.
Wir können uns nur mit den natürlich gewordenen beschäftigen.
1. Zunächst ergeben sich Namen aus der Lage oder Gestalt. Eine Haupt-, Neben-,
Seiten-, Ober-, Unter-, Mittel-, Kreuz-, Quer-gasse oder -Straße trifft man an vielen Orten,
ebenso wie breite, hinge, krumme. Daneben kommt die Benennung nach hervorragenden
Gebäuden, Kirchen, Rathäusern, Hospitälern in Betracht, wie Kirch-, Sdiul-, Sdüoß-, Burg-,
Hospitalstraße. Aber offenbar haben auch andere Gebäude Anlaß zu Straßennamen ge-
geben. Früher hatten die Häuser keine Nummern, sondern eine Art Wappen oder Zeichen,
und danach sind dann die Straßen benannt, so z. B. in Magdeburg die Dreienbretzel-,
Dreiengel-, Blauebeilstraße. \g\. die Sammlung bei Grohne (s. u.) S. 157 ff.
2. Vor allem aber siedelten sich die Gewerke in alten Zeiten zusammen
in bestimmten Straßen an, und daher tragen die Straßen oft Handwerker-
namen. Viele Namen sind noch heute verständlich, andere aber sind uns
nicht mehr geläufig, sie leben aber in den Straßennamen fort. Es ist lehr-
reich, die Fülle der alten Handwerkernamen zu überblicken, die sich hier
und dort erhalten haben.
Man findet folgendes:
Ankerschmiedeg. (Danzig); Baderg. (Dresden); Bandschneiderg. (Königsberg); Becken-
werperstr. (Braunschweig); Bekmadierstr. (Hamburg); Beutlerg. (Danzig); Binderg. [Nürn-
berg); Bognerg. (Wien); Bootsmanng. (Danzig); Brauerg. (Dresden); Biittnerg. (Breslau);
Dreherg., d.i. Bernsteindreher {Danzig); Eimermacherhof {Danzig); Grapengießer {Stettin);
Gröperg. (Halberstadt); Hafnerberg {kusgbnxg); Hosennäherg. (Danzig); Irrerg., d.'x.Weiß-
^er^^r^g'. (verschiedentlich); Kannegießer {V>raunsc\\\\ti^; Knochenhauerufer, ±\. Fleischer
(Magdeburg); Korkenmadierg. (Danzig, Korken = Pantoffeln); Loderg., d. i. Tuchmacher
(Nürnberg) ; Pfannenschmiedeg. (Nürnberg) ; Platnerg. (Platner 'Verfertiger von Harnischen') ;
Sdiröterg. (von sÄrö/an 'schneiden'); Schwertfegerstr. (Magdeburg); Wulweberstr. (Bremen).
Anmerkung 1. Auf den überaus reichen Sprachstoff, der in den Flurnamen steckt,
sei hier nur anmerkungsweise hingewiesen.
§ 228. Die Strassen- und Hausnamen. 395
B, Die Häusernamen.
Literatur: Ernst Grohne, Die Hausnamen und Hauszeichen. Ihre Geschichte,
Verbreitung und Einwirkung auf die Bildung der FamiHen- und Gassennamen, Göttingen
1912. Hier ist auch die ältere Literatur verzeichnet. — O. Schütte, Häuser- und Familien-
namen in Braunschweig; ZfdM. 24, 631 — 635.
Die Untersuchung der Häusernamen bildet den letzten Teil des großen
Gebietes der Namengebung, und hier sind wir nun neuerdings durch die
eingehende Arbeit von Grohne auf das beste unterrichtet worden. „Die
ältesten Hausnamen", s^rgt Grohne S. 3, „beruhen auf natürlichen Kenn-
zeichen des Hauses oder Grundstückes. Sie werden von der Allgemeinheit
gefunden und gegeben — domus vulgariter dlcta, das hiis dem man
sprichet. Ich bezeichne sie deshalb als natürliche Hausnamen, im Gegen-
satz zu den spätem künstlichen Hausnamen, die auf ein künstliches Haus-
zeichen zurückgehen, das der Besitzer selbst am Hause angebracht hat,
um es danach zu benennen." Die ältesten Hausnamen erscheinen in Köln
um 1150, und dann folgen andere Städte. Die Sitte ist aber nicht gleich-
mäßig verbreitet, vielmehr ist sie auf niederdeutschem Boden in manchen
Städten wenig zur Entfaltung gekommen.
Auf die einzelnen Namen hier einzugehen, hat keinen Zweck, es ist
vielmehr nur hervorzuheben, welche Bedeutung sie für unsere Zwecke haben.
Da haben wir denn einerseits eine Reihe von Straßennamen, die von einem
Hausnamen stammen, wie wir soeben schon hervorgehoben haben. Weiter
aber kommt die Sitte auf, den Besitzer nach seinem Hause zu nennen, und
es erhalten dadurch eine ganze Reihe sonderbarer Familiennamen ihre Auf-
klärung, vgl. Grohne S. 113 ff.
Hierher gehören Namen wie Affe, Birnbaum, Eber, Einhorn, Frosch, Goldstein,
Henne, Hörn, Kranich, Rabe, Rauchfaß, Rebstock, Rose, Rosenbusch, Schwan, Wag{e) usw.
Schließlich hat aber auch die Sitte der Hausnamen auf unsere all-
gemeine Sprache abgefärbt, indem Dinge, die in dem Hause verfertigt
werden usw., nach dem Hause benannt werden.
Ich kann allerdings bis jetzt nur wenige Fälle nachweisen.
Fiaker stammt von dem Namen eines Hauses in Paris, das das Bild des heiligen
Fiacre (Fiacrius) trug. Man konnte darin Mietskutschen haben. — Lachs 'feiner Brannt-
wein' wurde in Danzig im Hause zum Lachs gebrannt. — Rastrum 'das Leipziger Stadtbier'
hieß so, weil der Rechen das Zeichen jener Häuser war, in denen das Bier gebraut wurde.
Die Sitte der Hausnamen hat sich jetzt nur noch wenig erhalten. Es
sind nur gewisse Gebäude, die der wirtschaftlichen Bedeutung wegen einen
Namen tragen. So z. B. die Gasthäuser und die Apotheken. Es ist be-
merkenswert, auch auf diesem Gebiet den Wandel der Zeiten und der An-
schauungen in der Namengebung zu betrachten. Die ältesten Gasthäuser
sind meist nach Tieren benannt: zum weißen Schwan, zum Bären, zum
Elefanten, zum schwarzen Bock, zum güldenen Roß, zum Hirschen, zum
Löwen, zum Lamm, zum Pfauen, zum Adler, zur Meise sind Namen, die
ich ohne weiteres Suchen zusammenbringe. Man kann im allgemeinen sicher
396 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
sein, daß derarti^^e Häuser schon eine lange Geschichte hinter sich haben,
und daß, wenn sie noch heute auf der Höhe sind, in ihnen gut zu hausen
sein wird. Oftmals sind sie freilich zu Gasthäusern dritten und vierten
Ranges herabgesunken.
Siebzehntes Kapitel.
Bedeutungswandel.
§ 229. Allgemeines. Wir sind in den frühern Kapiteln nicht selten auf
Worte gestoßen, die im Laufe der Zeit eine besondere Bedeutung an-
genommen haben, und wir haben auch des öftern vom Bedeutungswandel
gesprochen und damit eine Frage berührt, die für die Wortforschung und
Etymologie zweifellos von ganz hervorragender Wichtigkeit, vor allem auch
in der Schule unentbehrlich ist. Denn bei der Betrachtung der Literatur ver-
gangener Zeiten, wenn es auch nur die des beginnenden 19. oder endenden
18. Jahrhunderts ist, wird man überall auf einen abweichenden Sinn der
Wörter, also auf Bedeutungswandel stoßen. Nun ist es sehr leicht zu sagen:
hier hat das Wort eine andere Bedeutung als jetzt, und von dem Betrieb
der klassischen Sprachen her ist der Schüler an diese nichtssagende Er-
klärung gewöhnt, aber es wäre bedauerlich, wenn es immer so bhebe, und
wenn nicht auch hier eine Vertiefung und Verbesserung einträte.
Zunächst lassen sich die mannigfachen Bedeutungsverzweigungen, die
ein Wortstamm in seinen verschiedenen Gestaltungen im Neuhochdeutschen
angenommen hat, zu anziehenden Übungen verwenden, wobei die Samm-
lungen Liebichs in seinen Wortfamilien der lebenden neuhochdeutschen
Sprache (siehe oben S. 55) von großem Nutzen sein werden. Dann aber
wird man die einzelnen Fälle, die in der Literatur auftreten, heranziehen
müssen. Mancher denkt vielleicht, daß die Sprache des 18. Jahrhunderts
dieselbe sei wie die unsrige. Nun ja, der Wort- und Formenschatz ist
ungefähr der gleiche, was aber vielfach abweicht, ist eben die Bedeutung.
Diese Abweichungen sind oft nicht sehr stark, aber gerade die unwesent-
lichen Verschiedenheiten verändern den Sinn, wir legen jetzt etwas anderes
unter, als der Dichter damals gemeint hat. Einige Beispiele mögen das zeigen.
Wenn Max von Schenkendorf singt:
Freiheit, die ich meine.
Die mein Herz erfüllt,
so hat meinen hier einen ganz andern Sinn als jetzt. Es heißt 'lieben' und hängt mit dem
alten wieder belebten Ausdruck Minne zusammen. Noch stärker tritt diese Bedeutung
in einem Liede Bürgers hervor
O was in tausend Liebespracht
Das Mädel, das ich meine, lacht.
und schließlich haben wir eine ganz unzweideutige Belegstelle in den Worten eines andern
Dichters:
Es ist kein Spaß, ein hübsches Kind zu meinen.
§ 229. Allgemeines. 397
Ein anderes Beispiel bietet der Faust. Faust sagt zu Gretchen
Mein schönes Fräulein, darf idi's wagen,
Arm und Geleit ihr anzutragen.
Und sie erwidert:
Bin weder Fräulein, weder schön.
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
Aus unserm Sprachgebrauch ist das nicht zu verstehen. Auch V 2905 heißt es
Denk. Kind, um alles in der Welt
Der Herr Didi für ein Fräulein hält.
Ähnlich redet in der Minna von Barnhelm Franziska immer von ihrem Fräulein, während
sie selbst mit Mamsell angesprochen wird. Es geht aus diesen und anderen Stellen, die
sich in Menge anführen lassen, klar hervor, daß Fräulein noch eine besondere Be-
deutung, die des .adligen Fräuleins' hatte. Es wurde im 18. Jahrhundert noch streng auf
eine Scheidung der Stände gehalten und auch die Titelbezeichnungen waren nicht ver-
wischt. Vgl. Th. Matthias, Wielands Aufsatz: Demoiselle oder Fräulein ZfdW. 5, 23 ff.
Tatsächlich hat sich nicht ^nur in diesen Fällen, sondern in zahllosen andern der
Sinn der Worte seit dem 18. Jahrhundert stark geändert, so daß die Texte dieser Zeit schon
der philologischen Untersuchung und Erläuterung bedürfen. Manche Bedeutung hängt mit
den besondern Anschauungen der Zeit zusammen, für die dann ein Wort in eigentümlicher
Weise verwendet wird. Verschwindet diese Auffassung wieder, so verstehen wir die Be-
deutung nicht mehr. Hierher gehören vor allen Dingen viele Schlag- und Modeworte,
die später unverständlich werden oder in ihrem Zeitsinne nicht ohne weiteres erfaßt werden
können. So bekommt unser Wort Wahl unter dem Einfluß einer von England und Frank-
reich ausgehenden idealisierenden Kunsttheorie und als Übersetzung des frz. dioix einen
ganz bestimmten Wert. Unter andern sagt Raph. Mengs: idi will also unter Ideal die
Wa h l verstanden wissen, nämlich die Kunst in der Natur eine gute Auswahl zu treffen
und nicht neue Dinge zu erfinden. Nur wenn man diese Kunsttheorie im Auge hat
versteht man ein paar Stellen unsrer großen Dichter, die ihr ja auch huldigten.
Audi diesem Gold ist mit Geschmack und Wahl
Der Blumen Schmelz metallisch aufgebrämt. (Goethe, Nat. Tochter 2, 5.)
Die Auswahl einer Blumenflur
Mit weiser Wahl in einen Strauß gebunden.
So trat die erste Kunst aus der Natur. (Schiller, Künstler.)
Regel wird alles, und alles wird Wahl und alles Bedeutung. (Schiller, Spaziergang.)
Es weichen also schon die Bedeutungen im 18. Jahrhundert von denen
unserer Zeit ab, und H. Paul hat sein deutsches Wörterbuch gerade deshalb
geschrieben, um auf die zahlreichen Fälle dieser Art aufmerksam zu machen
und um dem Lehrer ein Mittel zum genauen Verständnis der Texte an die
Hand zu geben. Auch Weigand hat seinerzeit diesen Punkt beachtet, und
in der neuen Bearbeitung ist das nötige Gewicht darauf gelegt, ihn ge-
nügend hervortreten zu lassen.
Allbekannt sind die mannigfach abweichenden Bedeutungen in Luthers
Bibelübersetzungen, die den Text oft ganz unverständlich machen. Was
heißt: Wenn aber das Salz dumm wird? Ohne Erklärung kann das keiner
verstehen. Luther hat aber die Bibel nicht darum übersetzt, daß sie wieder
erklärt werden müßte, sondern damit das Volk sie verstehe, und so müßte
sein Werk den Veränderungen der Wortbedeutungen entsprechend geändert
398 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
werden. Luther hat indessen unsere Schriftsprache erst geschaffen, seine
Worte sind unsere Worte geworden, und daher ist seine Sprache uns nicht
so fremd, wie etwa ein gleichzeitiger oberdeutscher Text. Das Oberdeutsche
weicht in den Wortbedeutungen viel beträchtlicher von unserer Sprache ab
als das Mitteldeutsche Luthers. Oberdeutsch ist aber das Mittelhochdeutsche.
Die Frage, wann, wo und wie das Mittelhochdeutsche auf den Schulen
getrieben worden ist, hat Matthias in diesem Handbuch 1, 1, 293 ff. ein-
gehend dargestellt, und er hat gezeigt, daß heute immer mehr die Be-
deutung und die Notwendigkeit des Mittelhochdeutschen für die Schule an-
erkannt wird. Und in der Tat wäre es traurig, wenn die Gymnasiasten auf
dieses Bildungsmittel, auf das Lesen des Nibelungenliedes und von Walthers
Gedichten in ihrer ursprünglichen Fassung verzichten sollten. Denn bei
diesen Werken kann eine Übersetzung gar nichts leisten, und zwar aus
dem Grunde, weil wir vielfach noch die gleichen Worte haben, und diese
auch in der Übersetzung beibehalten werden, obgleich sie ihren Sinn stark
geändert haben. Überhaupt liegen die Schwierigkeiten für das Verständnis
des Mittelhochdeutschen nicht in der Laut- und Formenlehre, die in aller-
kürzester Zeit zu bewältigen sind, sie liegen auch nicht in den verloren
gegangenen, unbekannten Worten, diese sind leicht in einem Glossar zu
verzeichnen, nein sie beruhen auf den Worten, die auch im Neuhochdeutschen
in gleicher Form vorhanden sind, aber eine wesentlich andere Bedeutung
haben. Diese schlägt der Schüler, schlägt auch der Student oft genug nicht
nach, und daher bleibt dann der eigentliche Sinn dunkel. Hier wird nichts
andres übrig bleiben, als daß für die Schule kommentierte Ausgaben be-
nutzt werden, in denen gerade die dem Hochdeutschen gleichen Worte mit
abweichendem Sinn in den Anmerkungen hervorgehoben werden, und in
denen die Abweichung besonders angegeben wird.
Zur Einführung in diese Abweichungen des Mittelhochdeutschen dient
am besten noch immer die Ausgabe von Hartmanns Iwein mit Anmerkungen
von G. F. Beneke und K. Lachmann.
Es dürfte wohl angemessen erscheinen, hier einige dieser abweichenden
Bedeutungen zusammenzustellen:
gekret 'wer lesen konnte', gerne 'mit Vergnügen', boese 'ein Mensch, den weder edle
Geburt noch edle Gesinnung auszeichnet', senen, senede 'leiden, leidend', sich senen 'sich
grämen', sltdien 'nicht heftig, mit Würde gehen', erbcere 'wer immer das, was der Ehre
gemäß ist, vor Augen hat', ziiht 'feine Sitte', unziiht, das Gegenteil davon, trxsten
'jemanden eines Dinges versichern', tugent 'das feinere Gefühl, aus dem wohlwollende
Teilnahme und Äußerung derselben hervorgeht', grö5 'dick', genade, ungenäde 'Ruhe —
drohende Gefahr, Ungemach, Not', dicke 'oft', ere 'die Ehre, die der Sieg verleiht", grüe^en
'anrufen', verklagt .durch Weinen entstellt', idi kan 'ich vermag', idi mac 'ich kann', geil
'froh', hodizU 'hohes Fest', wän 'Hoffnung', wcsn ich 'meine ich, sollte ich meinen, traun',
kumber 'Last' usw.
Ausführlich gehtWeigand in seinem Wörterbuch auf die abweichenden
Bedeutungen des Mittelhochdeutschen ein. Sicher ist das eine, daß die
Worte abstrakter Natur ihren Sinn sehr viel häufiger geändert haben als
§230. AuFG.D. Bedeutungserforschung. §231. Beispiele f. D.Bedeutungswandel. 399
die konkreten Ausdrücke. Bei jedem Wort für Allgemeinbegriffe sollte man
daran zweifeln, daß der heutige Sinn alt ist.
Der Bedeutungswandel ist also eine Tatsache, an der nicht zu rütteln ist.
Es dürfte wenig Worte geben, die sich in dieser Beziehung nicht gewandelt
oder nicht wenigstens neue Bedeutungen neben der alten entwickelt haben,
ebenso wie nur wenige seit alten Zeiten lautlich unverändert geblieben
sind. Es fragt sich nun, welche wissenschaftlichen Aufgaben bei der Er-
forschung dieses Gebietes zu erfüllen sind.
§ 230. Aufgaben der Bedeutungserforschung. Wie es eine wesentliche Auf-
gabe der Wortforschung war, das Wort einerseits in seiner heutigen Ver-
breitung festzulegen und anderseits es in möglichst weite Fernen zurück-
zuverfolgen, um dadurch seinem Ursprung näher zu kommen, so steht es
auch mit der Bedeutungserforschung. Wir müssen vor allem feststellen,
welche verschiedene Bedeutungen jetzt bei einem Worte vorliegen, und wir
müssen dann jede möglichst weit zurückverfolgen. Dabei wird sich zeigen,
daß manche erst zu einer gewissen Zeit auftreten, daß sie also abgeleitet
sind; wir werden auf die mannigfachsten Wandlungen der Bedeutungen
stoßen, und es fragt sich, ob man diese Wandlungen nicht unter allgemeine
Gesichtspunkte vereinigen, sie also einteilen kann. Schließlich handelt es
sich darum, die Ursachen des Bedeutungswandels klarzulegen.
Die ersten Aufgaben hat jeder Artikel in einem großen Wörterbuche
zu leisten. Zunächst müssen die mannigfach verzweigten Bedeutungen eines
Wortes in der Allgemeinsprache verzeichnet und in ihrem Alter nachgewiesen
werden. Es kommt dann ein Wort nicht selten mit besonderm Sinne in
gewissen Verbindungen vor, wo es zum Teil versteinert sein mag. Dazu
gesellen sich die besonderen Bedeutungseigentümlichkeiten in den Sonder-
sprachen. Wenn man all dies zusammengestellt hat und nun geschichtlich
zurückverfolgt, so werden allmählich die Verhältnisse einfacher. Manches ist
im Laufe der geschichtlichen Zeit entstanden, scheidet also aus, und so bleibt
denn beim Beginn der Überlieferung oft nur ein kleiner Kern übrig. Ist eine
Bedeutung abgeleitet, so kommt man vielleicht zu einer eng begrenzten,
fest bestimmten Urbedeutung, in andern Fällen ist sie schließlich schon am
Anfang verzweigt. Obgleich jeder Artikel eines größern Wörterbuches, wie
z. B. das Grimmsche, Stoff bietet, um daran die Bedeutungsverzweigung
zu studieren, so werden doch hier einige Beispiele willkommen sein,
§ 231. Beispiele für den Bedeutungswandel.
Es gibt im Gotischen ein Wort peihs, das 'Zeit, Gelegenheit' bedeutet, entstanden
aus *pii3hs. Es ist mit grammatischem Wechsel unser jetziges Ding. Wie mannigfach,
auf den ersten Blick schlechterdings unfaßbar, ist heute der Sinn dieses Wortes. Es ist
nun nicht sicher, daß etwa die gotische Bedeutung die ursprüngliche ist. Wenn auch das
Gotische am frühesten überliefert ist, so kann es trotzdem Bedeutungsveränderungen vor-
genommen haben, die in andern Dialekten, die wir erst aus späterer Zeit kennen, nicht
eingetreten sind. Dieser Gesichtspunkt ist außerordentlich wichtig. Es ist darum auch
die Bedeutung eines Wortes im Sanskrit nicht immer die älteste, obgleich man dies zum
400 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
Schaden der Sache oft angenommen hat. Schon im Althochdeutschen ist die Bedeutung
von Ding sehr verzweigt. Graft 5, 178 gibt an: 'res, substantia, sors, status, conditio, ne-
gotium, causa, piacitum, consilium, Judicium, concilium, concio, curia, conventus, forum".
Im Hehand bedeutet thing .Gericht, Sache', im Ahniederdcutschen 'Ding, Sache, Ratsver-
sammlung', im Altfriesischen 'Ding, Gegenstand, Sache, Gericht, Klage', im Angelsächsischen
'a Single objckt, a mceting, court', im Altnordischen 'Zusammenkunft, namentlich gericht-
liche Versammlung, ihr Ort, ihre Zeit', im Plural auch 'Dinge, Sachen". Was ist nun der
ursprüngliche Sinn? Um diesen zu finden, wird man gut tun, etwaige Zusammensetzungen
heranzuziehen, weil in diesen nicht selten eine ältere: Bedeutung fester haftet als in dem
einfachen Wort. So finden wir denn ahd. noch dingiidi 'judicialis, forensis', dingOn 'judi-
ciare. concionare, disceptare', tagoding (heute noch in verteidigen) ,diecula, tempusculum,
piacitum, concilium, induciae'. Alles dieses nebst einigem andern führt auf die Bedeutung
'Versammlung', von welcher sich recht wohl alle übrigen ableiten lassen. Wir haben dafür
eine vortreffliche Parallele an der Bedeutungsentwicklung von Sadie, das ursprünglich
'gerichtliche Verhandlung' bedeutet. Setzen wir also als ursprüngliclie Bedeutung von
'Ding' 'Versammlung' an, so kommen wir von da leicht zu der von 'Zeit' oder 'Ort der
Verhandlung', 'Verhandlung auf dieser Versammlung, Angelegenheit, Sache, Gegenstand' usw.
Alles das bietet weiter keine Schwierigkeiten. Die gotische Bedeutung 'Zeit, Gelegenheit'
läßt sich ebenfalls daraus ableiten, wenn sich auch umgekehrt diese als die ältere ansehen
läßt: 'Zeit', dann 'Versammlung zu einer Zeit, zu einer bestimmten Zeit'. Um zu ent-
scheiden, was das Ursprüngliche ist, müßte man sich nun an die verwandten Sprachen
wenden. In diesen hat man gern lat. tempns verglichen. Allerdings kann das p dem
germanischen Guttural nur entsprechen, wenn das lateinische Wort aus dem Umbrisch-
Oskischen entlehnt wäre. Ob man dies für wahrscheinlich hält, ist eine Frage für sich.
Jedenfalls stimmt die Bedeutung des lateinischen Wortes 'Zeitpunkt' ausgezeichnet zu einer,
mit der man die germanischen Bedeutungen erklären könnte. Dies bleibt also unsicher,
und da man sonst kein entsprechendes Wort in den verwandten Sprachen antrifft, so muß
man sich die Form des Wortes ansehen. Nun ist got. peilis, ahd. ding zweifellos ein
neutraler -es-Stamm, idg. *tenkos, -'^tenkes; die Bedeutung solcher -^5-Stämme ist aber ge-
wöhnlich eine abstrakte. Man kann nun leicht eine altindische Wurzel vergleichen ä-tanäkti
'zieht zusammen, macht gerinnen", lit. tünkiis , dicht', unser dihtu.a. Unser */?«/?05 würde
also heißen können ,das Verdichtetsein, die dichte Masse, die Volksversammlung'. So kann
man sich die Sache zurechtlegen. Sicher ist das freilich nicht. Wir werden aber in
diesem Falle nach der suffixalen Bildung des Wortes auf solch abstrakten Sinn geführt.
Anmerkung. Ansätze zu einer ähnlichen Entwicklung zeigt auch Ta^. Ursprünglich,
wie wir oben gesehen haben, 'heiße Zeit", dann 'der Tag' im Gegensatz zur 'Nacht', 'be-
stimmter Tag'. Aus dieser Bedeutung geht weiter tagen, schweizerisch (im Teil) 'eine Ver-
sammlung abhalten', und Reidjstag hervor.
Ein anderes Beispiel mannigfach gewandelter Bedeutung bietet das Wort grün. Ahd.
griioni heißt 'grün, recens, crudens, viridis', and. gröni 'grün, cyaneus, viridis' usw. Die
Farbenbedeutung 'grün" tritt unverkennbar als die ursprüngliche hervor, und es ist ebenso
zweifellos das Grün der Natur gemeint. Im Althochdeutschen gibt es noch ein Verbum
gruoan 'virere, virescere, grünen', ags. gröwan 'wachsen, grünen, blühen', e. grow 'wachsen,
werden', anord. gröa 'wachsen, gedeihen, heilen". Obgleich bei dem Verbum die Be-
deutung etwas verzweigt ist, so ist doch der ursprüngliche Sinn als 'neuwachsen, grün-
werden" klar zu erkennen. Und daher wird also die Ableitung '''gröni bedeuten 'frisch
gewachsen, grünend", sich also auf die frische Farbe des Frühlings beziehen. In dieser
ältesten Bedeutung, von den Pflanzen gesagt, finden wir es noch häufig, z. B. im Grünen,
die grüne Ware, der grüne Donnerstag 'wo man Grünes ißt*. Grün wird dann aber
überhaupt von der Farbe gebraucht. Die Jäger und die Förster heißen die Grünen. Wir
sprechen auch von einem grünen Tisch, d. h. einem Tisch, der grün überzogen ist. Da
dies nun die Tische der Behörden sind, von denen an derartigen Tischen manches Un-
§232. Stammbaum der Bedeutungsentwicklung. 40 1
praktische beschlossen wird, so verbinden wir heute mit dem Ausdruck grüner Tisch
etwas ganz Besonderes.
Aus der ursprüngUchen Auffassung des 'frischwachsenden' hat sich unter Beiseite-
lassen der Farbe der Sinn von 'frisch' entwickelt, im Gegensatz zum 'Dürren und Welken'.
.So man das tut am grünen Holz, was will am dürren werden. Dies liegt denn auch
Goethes Worten zugrunde: Grün ist des Lebens goldner Baum. Der grüne Zweig ist
das Sinnbild des Kräftigen, Gedeihenden, und daher sagt man von einem, der nicht ge-
deiht: er kann auf keinen grünen Zweig kommen.
Hat sich in den angeführten Fällen noch die Beziehung auf die Pflanzenwelt erhalten,
■so liegt in einer Reihe von Sondersprachen die Bedeutung 'frisch' ohne diese Beziehung
vor. So spricht man allgemein von grünen Heringen, von grünem Obst, in Bayern von
grünem Bier, der Gerber von grüner Haut und der Hutmacher von grünen Haaren,
d. h. Haaren von frisch abgezogenen Fellen.
Bei den ungünstigen Wohnungsverhältnissen des Mittelalters war der Winter eine
schreckliche Zeit, der Frühling daher mit dem Aufblühen und Aufgrünen der Natur der
Beginn der Freude und der Anfang der Liebe. So ist denn grün die Farbe der Freude,
der Hoffnung und der Liebe geworden und geblieben, und grün nimmt die Bedeutung
'lieb' an. Davon haben wir noch die grüne Seite 'die liebe Seite, die Herzseite des Men-
schen' und den Ausdruck einem grün sein, d. h. einem gewogen sein.
Aus grün 'frisch' entwickelt sich schließlich grün 'unreif, jung'. So spricht man von
grünem Obst als 'unreifem Obst' (aber auch 'frisches Obst'), einem grünen Jungen, einem
Grünsdinabel, oder Schiller sagt unsere ' Bekanntsdiaft ist nodi grün.
Zu beachten bleibt aber, daß je länger je mehr grün die Bedeutung der Farbe be-
hält, und diese immer ausschließlicher zur Gehung kommt. Die abgeleiteten Bedeutungen,
«inst weit verbreitet, sind heute als Versteinerungen anzusehen, die mit der Zeit ver-
schwinden werden.
Auch die übrigen Farbenbezeichnungen bieten manches Anziehende, was ich indessen
hier übergehe. Vgl. die reichen Sammlungen bei H. Schrader, Aus dem Wundergarten der
deutschen Sprache, wo blau, rot, gelb, grün, weiß, sdiwarz, grau behandelt sind.
§ 232. Stammbaum der Bedeutungsentwicklung. An diesen Beispielen kann
man sofort ersehen, daß einige Bedeutungen alt und ursprünglich, andere
dagegen abgeleitet und durch besondere Umstände bedingt sind. Zweifel-
los wird man immer versuchen müssen, zu einer Grundbedeutung vor-
zudringen, diese voranzustellen und die übrigen Ableitungen nach ihrem
geschichtlichen Auftreten daran anzufügen. Dieser Grundgedanke der lexi-
kalischen Anordnung ist denn auch längst in der Wissenschaft anerkannt,
nur läßt er sich infolge der oft sehr verwickelten Verhältnisse in den meisten
Fällen nicht streng durchführen. Vor allen Dingen ist es aber oft genug
nicht möglich, zu einer Grundbedeutung vorzudringen. Wenn wir sehen,
wieviel verschiedene Bedeutungen heute nebeneinander stehen, so wird man
sich sagen müssen, daß es in älterer, in urgermanischer und indogermanischer
Zeit auch nicht anders gewesen ist, da ja jene Sprachstufen in keiner Weise
grundsätzlich von der unsern verschieden waren. Auch damals wird es Worte
mit verzweigter Bedeutung gegeben haben, und nur die wissenschaftliche
Hypothese kann versuchen, hier eine Einheit zu schaffen.
Jedenfalls müssen wir in allen Fällen versuchen, sozusagen einen Stamm-
baum der Bedeutungsentwicklung aufzustellen. Dabei sind nun 2 Fälle möglich :
1. Entweder ist die ursprüngliche Bedeutung, aus der sich alle andern
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 26
402 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
unmittelbar ableiten lassen, noch erhalten, dann bekommen wir etwa folgendes
Bild ^, oder
2. die ursprüngliche Bedeutung ist nicht mehr vorhanden, sei es, daß
sie im Laufe der geschichtlichen Entwicklung ausgestorben, sei es, daß sie
überhaupt nicht mehr nachzuweisen ist. Denn wie Worte aussterben, so
können natürlich auch Bedeutungen zugrunde gehen. Von der Bedeutung
'Versammlung' haben wir bei Ding heute keine Spur mehr, wohl aber liegt
sie im Nordischen noch vor in Stor-thing eigentlich 'die große Versamm-
lung', vgl. auch das oben über Tag bemerkte. Einen solchen Fall muß
man sich unter dem Bilde konvergierender Linien vorstellen, wobei die
erschlossenen Teile punktiert dargestellt werden.
Der zweite Fall ist natürlich sehr viel schwerer zu beurteilen als der
erste. Es muß dabei die Phantasie des Forschers, sowie eine genaue Kenntnis
des Lebens mitspielen. Was für derartige Wörter, deren ursprüngliche Be-
deutung nicht klar ist, in den landläufigen etymologischen Wörterbüchern
geboten wird, ist meistens mehr als dürftig. Vielfach geht man von einem
möglichst allgemeinen Sinn, meist einem verbalen, aus und errichtet darauf
sein Gebäude, während nichts sichrer ist, als daß, zu je einfachem Kultur-
verhältnissen wir kommen, die Ausdrücke für die Allgemeinbegriffe abnehmen.
Für das bisherige Vorgehen einige Beispiele. So sagt Kluge: „Ob Bauch zu der
sanskritischen Wurzel bhiij (vgl. lat. fungor) 'Speise genießen' oder zu skr. bhuj 'biegen',
Baudi eigentlich 'biegsame Stelle' gehört, ist unsicher." Wahrscheinlich ist beides falsch.
Viel annehmbarer wäre es, wenn man eine Bedeutung 'Faß' oder 'Strunk, Stumpf als ur-
sprünglich annähme. — Wohnen: .Die zugrundeliegende indogermanische Wurzel wen
hat wahrscheinlich 'sich gefallen' bedeutet; das Gewohnte ist dasjenige, woran man Ge-
fallen findet, wohnen eigentlich 'sich irgendwo erfreuen'." Kluge. — Knabe hat man seit
langem zu der indogermanischen Wurzel gen, lat. gignere 'erzeugen', gestellt. Das ist
natürlich möglich, da ja Kind sicher 'das Geborene' bedeutet. Aber die Suffixverhältnisse
bleiben dunkel. Man kommt besser zum Ziel, wenn man auch hier von etwas ganz Kon-
kretem ausgeht. Hessisch heißt Knabe auch 'Stift, Bolzen', und dies wird der ursprüng-
liche Sinn sein, wie ja Stift, Bengel solche Übertragung zu 'Junge' erfahren haben. Es
gehört also vielleicht zu Kamm, ahd. kamb mit Schwebeablaut.
Man könnte derartige Ableitungen zahlreich anführen, da sich wohl
jeder Forscher solcher schuldig gemacht hat.
Einen wesentlich andern, neuen Standpunkt hat R. Meringer in den
schon mehrfach erwähnten Aufsätzen, Idg. Forsch. 16. 17. 18, sowie in seiner
Zeitschrift 'Wörter und Sachen' an sehr anziehenden und zum Teil schla-
genden Beispielen gezeigt. Sein Grundgedanke ist, von einer möglichst
konkreten Vorstellung auszugehen, was mit den allgemeinen Gesetzen der
Wortentwicklung durchaus im Einklang steht. Außerdem betont er, daß die
ursprüngliche Bedeutung vollständig verloren sein kann, daß wir sie daher
§ 232. Stammbaum der Bedeutungsentwicklung. 403
erst erschließen müssen. Ich möchte nun eines seiner Beispiele hier an-
führen und zwar gerade das, das ihm den Vorwurf haltloser Phantasterei
zugezogen hat.
Wir haben im Deutschen Wörter wie wohnen, sich gewöhnen, Wonne, gewinnen, die
alle auf eine Wurzel wen weisen. Auf die gleiche Urform gehen noch eine ganze Reihe
von Worten der germanischen und der andern Sprachen zurück. Aber die Bedeutungen
von lat. venus 'Liebesgenuß', aind. van 'behagen', asächs. winnan 'kämpfen' scheinen sich
schwer vereinigen zu lassen. Dazu kommt noch ein aind. vanam. 'Wald, Baum, Waldbaum,
Holz, Holzstück', vdnaspätih m. eigentlich 'Fürst des Waldes', dann 'Waldbaum, Opfer-
pfosten, hölzerne Mörserkeule', vdnä f. 'Holzstück, Reibholz'. Daß man auch diese Worte
mit den vorigen zusammenbringen könnte, scheint unmöglich zu sein. Wenn man aber
anderseits nebeneinander findet aind. vanin- 'heischend, begehrend' und vanin- 'Wald-
baum, Baum', so ist man gezwungen, entweder zwei gleichlautende Wörter verschiedener
Bedeutung anzunehmen oder den Versuch zu machen, sie trotz dieser Verschiedenheit zu
vereinigen. Meringer vermutet nun, daß die Urbedeutung der Sippe in dem aind. vanam
'Baum' noch nahezu erhalten sei. Idg. *weno- bedeute den 'Pflock' oder 'Ast', den man
zum Pflügen verwendete. Worte wie Ast, Pflock sind verschiedentlich in die Bedeutung
'Pflug' übergegangen, z. B. got. höha 'Pflug' = lit. mkä 'Ast', aind. sdkhä 'Ast'. Von weno-
sei nun ein Verbum abgeleitet, idg. *wen3ti 'er ackert', eigentlich 'er arbeitet mit einem
Holzstück', das nirgends mehr erhalten ist. Aus 'ackern' kann einerseits die Bedeutung
'wohnen' hervorgehen, vgl. z. B. lat. cives Romani, qui arant in Sicilia. Mhd. art m. f.
'Ackerbau, Ackerland und dessen Ertrag' gehört zu lat. anire. Im asächs. ard heißt es 'Auf-
enthaltsort, Wohnort, Wohnung'. Von wohnen stammt dann sicher gewöhnen. Anderseits
kann sich aus 'ackern' auch der Sinn 'sich mühen, sich anstrengen' entwickeln, wie wir
sie in anord. vinna 'arbeiten', ahd. winnan 'sich abarbeiten' finden. Dieselbe Bedeutungs-
entwicklung treffen wir heute schon bei dem jungen Wort ackern: Da schrieb und ackerte
ich denn mit dem breiten Federspaten meine Freude an dich ohne weiteres zu Ende.
J. Paul, Komet 3, 229. Weiter ist nunmehr gewinnen ganz klar, es heißt mit der Perfekti-
vierung durch ge 'erarbeiten', 'durch Arbeit erlangen'. Von 'arbeiten, sich mühen', zu
'kämpfen' ist kein Sprung, der irgendwie begründet zu werden brauchte. Wir haben ihn
in ahd. winna 'Streit', as. winnan 'kämpfen'. Der Ausdruck 'ackern' wird weiter auf vielen
Sprachgebieten für das 'Kinderzeugen' angewendet. So haben wir bei den Griechen die
alte Formel £.t< jimöcov yvtjoicov ägörcp [epi paidOn gncesiön arötöi) 'zur Erackerung echter
Kinder' und der Vater heißt aoorljo rexvcov {arotcsr teknön) 'Erpflüger von Kindern'. So
läßt sich denn lat. venus, eigentlich ein Neutrum, mit der Bedeutung 'das Ackern, der
Liebesgenuß' hier leicht unterbringen, ebenso wie ahd. wini 'Freund, Geliebter, Gatte'. Es
ist also in der Tat möglich, die so stark auseinandergehenden Bedeutungen zu vereinigen.
Es ist dazu nirgends eine Annahme nötig, die sich nicht durch gute Parallelen stützen
ließe. Von Phantasterei kann hier also keine Rede sein, wohl aber wird es, wie alles, was
sich auf das Vorgeschichtliche bezieht, eine Hypothese bleiben, eine Hypothese indessen,
auf die alles das zutrifft, was man von einer guten Hypothese verlangen muß, daß sie
nämlich die Tatsachen erklärt. Daß der Weg, den Meringer eingeschlagen, gangbar ist,
daß er uns eher zum Ziel führt als andere, davon bin ich fest überzeugt.
Auf eine andere Möglichkeit, auseinandergehende Bedeutungen zu vereinigen, möge
hier noch aufmerksam gemacht werden. Wir haben oben S. 162 von dem Übersetzungs-
lehnwort gesprochen, d. h. Wörter andrer Sprachen sind nicht als solche, sondern als Über-
setzungen aufgenommen, meistens gewiß nur in einer bestimmten Bedeutung. Man kann
nun aber sehr leicht dazu kommen, auf ein einheimisches Wort, das eine Bedeutung eines
fremden hat, auch andere Bedeutungen des fremden zu übertragen. So heißt frz. repondre
sowohl „antworten" wie „entsprechen". Letzteres ist im 18. Jahrhundert aufgekommen.
Jetzt aber fängt man an, d. antworten auch im Sinne von .entsprechen' zu gebrauchen.
26*
404 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
D. lesen mit seiner doppelten Bedeutung 'sammeln' und 'lesen' hat man bislicr immer
aus der Runentechnik erklärt. Wahrscheinlicher aber ist es, daß man die neue Bedeutung
verwendete nach dem Muster des lateinischen legere. Taufen neißt ursprünglich 'ein-
tauchen', wie noch ags. dyppan. Zu der heutigen Bedeutung kamen die Goten, weil
gr. /i^oTiCf«»' {baptizen) sowohl 'tauchen' wie 'taufen' hieß.
§ 233. Sammlung der Bedeutungsübergänge. Wir haben in dem vor-
liegenden Fall gesehen, daß merkwürdige Bedeutungsübergänge vorkommen.
Natürlich vollziehen sich diese ganz allmählich, und wo wir es mit ge-
schichtlichen Erscheinungen zu tun haben, da können wir sie schrittweis
verfolgen. Aber wir müssen uns oft genug auch mit den vorgeschichtlichen
Stufen beschäftigen, wir haben in den verwandten Sprachen nicht selten
die gleichen Worte bei stark abweichender Bedeutung. Wie sollen wir da
die Brücke schlagen? So bequem wie bei dem Lautwandel, wo uns die
Lautgesetze helfen, haben wir es nicht. Zwar ist es selbstverständlich, daß
auch der Bedeutungswandel nicht regellos eintritt, daß er vielmehr Gesetzen
gehorcht, aber es ist freilich zu bezweifeln, ob diese Gesetze uns jemals
erkennbar sein werden. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als uns
auf gleichartige Bedeutungsübergänge zu stützen, d. h. auf Bedeutungs-
übergänge, bei denen wir entsprechend große Verschiedenheiten antreffen,
die sich aber in ihrem allmählichen Entstehen in der Geschichte verfolgen
lassen. Was einmal auf einem Gebiete möglich gewesen ist, das ist über-
haupt möglich. Wir können glücklicherweise eine ganze Reihe von Sprachen
lange Zeit geschichtlich verfolgen. Vom alten Latein bis zum heutigen
Romanischen, vom Altgriechischen bis zum Neugriechischen sind Abschnitte
von über 2000 Jahren, und in solcher Zeit kann sich manches verändern.
Da können am Anfang und Ende sehr verschiedene Bedeutungen bei dem
gleichen Worte vorhanden sein. Und nach dieser Richtung gilt es, den Stoff
zu sammeln. Leider gibt es noch nichts, was die sicher beglaubigten Be-
deutungsübergänge in genügender Zahl zusammenfaßte, man muß sich die
ähnlichen Fälle immer erst mühsam zusammensuchen. Jedenfalls hat aber
der, der einen Bedeutungsübergang annimmt, die Verpflichtung, sicher be-
glaubigte gleichartige Fälle beizubringen. Ist es einer, so ist es gut; kann
er mehrere anführen, so ist es besser. i)
In neuerer Zeit sind eine Reihe von Arbeiten erschienen, die die Wörter einer ge-
wissen Begriffsgruppe untersuchen. So hat Brug.viann die Ausdrücke für den Begriff der
Totalität, Leipziger Dekanatsprogramm 1894, für die Personen dienenden Standes, Idg.
Forsch. 19, 377, Meringer, Idg. Forsch. 18, 204, die für 'müssen' behandelt. Das sind sehr
dankenswerte Arbeiten; denn bei einer solchen vergleichenden Behandlung müssen sich
notwendig gewisse häufiger wiederkehrende Bedeutungsübergänge erkennen lassen, die
dazu dienen können, unerklärte Worte aufzuhellen. Man kann nur wünschen, daß diesen
Arbeiten zahlreiche andere nachfolgen.
') Mit Recht macht E. Wellander, Stu- immer unabhängig voneinander eingetreten
dien zum Bedeutungswandel im Deutschen I. ist, daß sich vielmehr die europäischen
Uppsala 1917, S. 131 darauf aufmerksam, daß Sprachen stark beeinflußt haben. Ich halte
der gleiche Bedeutungsübergang in den ver- es aber nicht für schwierig, diese Fälle aus-
schiedenen europäischen Sprachen nicht zuscheiden.
§ 234. Heranziehung d. Ableitungen. § 235. Einteilung d. Bedeutungswandels. 405
§ 234. Heranziehung der Ableitungen. Ein andrer Punkt, der für die Auf-
stellung der ursprünglichen Bedeutung von Wichtigkeit ist, ist heute all-
gemein anerkannt. Ein Wort steht meist nicht allein, sondern ist mit einer
Anzahl andrer etymologisch verbunden. Es bestehen Ableitungen, Zusammen-
setzungen u. a. Dabei kann das eine Wort, etwa das Grundwort seinen Sinn
ändern, das andere nicht, und so erhalten wir zwei scheinbar auseinander-
gehende Bedeutungen, aus denen wir die ursprüngliche erschließen müssen.
Heerdegen hat dies in seinen Untersuchungen zur lateinischen Semasiologie
außerordentlich treffend gezeigt, ornre hat im Altlateinischen die Bedeutung
'reden', diese behält es in der Ableitung orator, während sonst dicere dafür
eintritt.
Derartige Fälle lassen sich aus allen Sprachen, auch aus dem Germanischen anführen.
Die Hilfszeitwörter können und mögen haben einst eine andere Bedeutung gehabt, mhd.
heißt ich kan 'ich verstehe', idi mac 'ich kann'. Diese Hegt noch klar vor in Kunst,
eigentlich 'das Wissen, Verstehen einer Sache' und in Macht neben vermögen. Ebenso
weist Schuld eine ältere Bedeutung als das zum gleichen Namen gehörige sollen auf,
das allerdings noch verblaßter in e. / shal erscheint. Ahd. giberan heißt 'zu Ende tragen,
gebären'. Diese alte Bedeutung noch in Bahre. Lesen zeigt den abgeleiteten Sinn des
Q. 'to read' nicht in erlesen, auslesen. Die ältere Bedeutung von frei 'Heb' finden wir
noch in freien, Freier, Freite. In Kinnbein hat Kinn die alte Bedeutung 'Wange', lat.
gena. Kragen im ursprünglichen Sinne von 'Hals', mhd. krage findet sich öfter: es geht
ihm an den Kragen, Kopf und Kragen, auch Geizkragen (in meiner Heimat, weil un-
verständlich, umgestaltet zu Geizmagen). Leib in der alten Bedeutung 'Leben' liegt vor
in Leibrente, Leibzucht, Nehmen sie uns den Leib, am Leibe strafen, bei Leibe nicht, leib-
haftig. Kopf isi ursprünglich 'Becher, becherartiges Gefäß', wie noch in Pfeifen-, Schröpf-,
Tassenkopf. Leidi in der ursprünglichen Bedeutung 'Körper' findet sich noch in Leichdorn,
eig. 'Dorn im Körper'. Witz heißt 'Verstand', daher Aber-, Mutter-, Wahnwitz. Gift ist
die 'Gabe', so noch in Mitgift, Giftbude (an der Nordsee). Graf heißt 'Vorsteher', vgl.
Deich-, Salzgraf. Vor allem bieten auch die sprachlichen Versteinerungen und die Redens-
arten viel Stoff nach dieser Richtung.
Es wird also immer nötig sein, wenn man den ursprünglichen Be-
deutungsinhalt eines Wortes erschließen will, die ganze Sippe heranzuziehen.
Dazu leisten jetzt Liebichs Wortfamilien gute Dienste.
§ 235. Einteilung des Bedeutungswandels. Auf dem Gebiet des Bedeutungs-
wandels ist es, wie wir gesehen haben, nötig, möglichst Parallelen zu einem
angenommen Wandel zur Verfügung zu haben. Denn was auf diesem
Gebiet einmal geschehen ist, das kann sich wiederholen. Wenn man so
die Fälle des wirklich vorliegenden Bedeutungswandels überschaut, so zeigt
sich sehr bald, daß psychologisch ähnliche Erscheinungen sehr häufig
wiederkehren, und man hat sich daraufhin bemüht, die verschiedenen Fälle
zu klassifizieren, also den Bedeutungswandel einzuteilen.
Anmerkung. Die Versuche sind recht beträchtUch an Zahl, und da es sich um Ge-
setze handelt, die auf allen Sprachgebieten in gleicher Weise wirken, so führe ich auch
die Aufsätze an, die sich mit nichtdeutschen Sprachen beschäftigen. F. Heerdegen, Unter-
suchungen zur lateinischen Semasiologie, 3 Hefte, Erlangen 1875—1881 ; Lateinische Semasio-
logie, Berlin 1890. — M. Hecht, Die griechische Bedeutungslehre, eine Aufgabe der klas-
sischen Philologie, Leipzig 1888. — G. Lehmann, Der Bedeutungswandel im Französischen,
406 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
Erlangen 1884. — A. Darmesteter, La vie des mots ^tudi^e dans leurs significations.
5. Auflage, Paris 1899. — H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte, 4. Auflage, Halle 1909. —
Rosenstein, Die psychologischen Bedingungen des Bedeutungswechsels der Wörter, Leipziger
Dissertation, 1884. — O. Hey, Semasiologische Studien; Jahrb. f. klass. Phil., 18. Supplement-
band, S. 83—212; auch Leipzig 1890. — Gerh. Franz, Über den Bedeutungswandel latei-
nischer Wörter im Französischen; Programm des Wettiner Gymnasiums, Dresden 1890. —
K. MOhlefeld, Abriß der französischen Rhetorik und Bedeutungslehre, Leipzig 1887; Die
Lehre von der Vorstcllungsverwandtschaft und ihre Anwendung auf den Sprachunterricht,
Leipzig 1894. — Engelbert Schneider, Semasiologische Beiträge I; Gymnasial-Programm,
Mainz 1892. — Morgenroth, Zum Bedeutungswandel im Französischen; Ztschr. f. franz.
Spr. u. Lit. 15 (1893), 1—23. — K. ScHiMIDT, Die Gründe des Bedeutungswandels; ein semasio-
logischer Versuch; Programm des Kgl. Realgymnasiums in Berlin, 1894. — R.Thomas, Über
die Möglichkeiten des Bedeutungswandels; Blätter für das Gymnasialschulwesen 30, 705 fL --
M. NiTZSCHE, Über Qualitätsverschlechterung französischer Wörter und Redensarten; Leip-
ziger Dissertation, 1898. — JOH. Stöcklein, Untersuchungen zur Bedeutungslehre, Dillingen
1895; Bedeutungswandel der Wörter, München 1898. — W. Wundt, Völkerpsychologie;
erster Band: Die Sprache; Leipzig 1900 ff., 2, 420 ff. — K. O. Erdmann, Die Bedeutung
des Wortes, Aufsätze aus dem Grenzgebiet der Sprachpsychologie und Logik, 2. Auflage
Leipzig 1910. — RiCH. M. Meyer, Bedeutungssysteme, Kuhns Zeitschrift 43, 352—368. —
Elise Richter, Die Rolle der Semantik in der historischen Grammatik, Verhandl. d. 50. Vers.
d. Phil. u. Schulmänner in Graz 1909. — W. Rahn, Der reguläre Bedeutungswandel, Pro-
gramm der Oberrealschule zu St. Petri u. Pauli, Danzig 1909. — W. van Helten, Semasio-
logie, ZfdW. 14, 161 ff. — Erik Wellander s. o. S. 404.
Ich muß es dem Leser überlassen, diese Schriften zu studieren. Die
meisten dieser Versuche, den Bedeutungswandel einzuteilen, gehen von
logischen Gesichtspunkten aus, und sie sind also noch von jener Zeit be-
einflußt, in der man in der Sprache etwas Logisches suchte. Einen wirk-
lichen Wert für die Erkenntnis des Bedeutungswandels haben alle diese
Einteilungen nicht. Sie können nur dazu dienen, den reichen Stoff etwas
übersichtlicher zu gestalten und bei der Anlegung von Sammlungen Ord-
nung ZU schaffen. Für die Darstellung in den Wörterbüchern ist zweifellos
in erster Linie die geschichtliche Entwicklung zu berücksichtigen (s. o. S. 399).
Da sich aber dabei die mannigfachsten Erscheinungen kreuzen, so läßt sich
der geschichtliche Standpunkt schwerlich glatt durchführen, und man wird
also doch zu einer äußerlichen, wenn auch logischen Anordnung als der
einfachsten und bequemsten gedrängt.
Sehr einfach ist es, die eigentliche und die übertragene Bedeutung zu
unterscheiden, d. h. einzuteilen, je nachdem die veränderte Bedeutung inner-
halb desselben Begriffes bleibt oder nicht. Im ersten Falle kann sie sich
a) verengern oder b) erweitern, verallgemeinern.
Den zweiten Fall nennt man die Metapher. Auch bei ihr lassen sich
abgesehen von Verengerung und Erweiterung zwei Unterabteilungen aufstellen :
a) Die Bedeutung ist in eine andere Begriffssphäre übertragen durch
rein gedankliche Vermittlung, das ist die eigentliche reine Metapher, oder
b) es besteht zwischen zwei Dingen ein sachlicher Zusammenhang, auf
Grund dessen ein Wort einen andern Sinn erhält. Dies bezeichnet man jetzt
mit Metonymie.
§ 236. a) Verengerung der Bedeutung. 407
Außerdem gibt es noch einige andere Arten, wie die Hyperbel, die
Litotes. 1)
Diese Einteilung stammt, soweit ich sehe, von Thomas, und nach diesen
Gesichtspunkten ist der Stoff von Bedeutungsveränderungen, der sich in
Pauls deutschem Wörterbuch findet, von A.Waag behandelt worden: Be-
deutungsentwicklung unsres Wortschatzes. Auf Grund von Hermann Pauls
deutschem Wörterbuch in den Haüpterscheinungen dargestellt; Lahr i. B.,
3. vermehrte Auflage 1915. In diesem Buche, das nur zu empfehlen ist,
findet man in ansprechender Darstellung eine Fülle von Bedeutungsüber-
gängen angeführt, und ich kann mich daher an dieser Stelle auf eine Aus-
wahl von Beispielen beschränken.
I. BEDEUTUNGSWANDEL INNERHALB DESSELBEN BEGRIFFSGEBIETS.
§236. a) Verengerung. Bei der Verengerung der Bedeutung werden ge-
wisse Momente, die schon an und für sich in dem Begriff waren, besonders
betont und hervorgehoben, so daß allmählich die übrigen Merkmale und
der allgemeine Sinn ganz verdrängt werden. Zunächst steht die allgemeine
Bedeutung noch neben der verengten, und in vielen Fällen ist das bis auf
den heutigen Tag so geblieben, indem eben die meisten Worte eine all-
gemeine und eine verengte Bedeutung haben. Erst in den Fällen, wo der
allgemeine Sinn ganz verdrängt und nur der besondere geblieben ist, er-
scheint der Vorgang als abgeschlossen. Derartige Übergänge erfordern
natürlich Zeit, und der Gang der Entwicklung erstreckt sich durch Jahr-
hunderte. Zu beachten ist noch, daß, wenn auch der Übergang ganz be-
endet zu sein scheint, doch noch in einzelnen erstarrten Verbindungen der
ursprüngliche Sinn vorliegen kann. So heißt arm ursprünglich 'beklagens-
wert, unglücklich', und dies hat sich noch in armer Sünder, arme Seele,
armer Teufel erhalten.
Der Stoff für diese Art des Bedeutungswandels ist überaus reichhaltig.
Es gehören hierher vor allem die Fälle, wo ein Wort in einer Sondersprache
eine engere Bedeutung angenommen hat. Ich kann also zum Teil auf die
Beispiele verweisen, die in dem früheren Kapitel angeführt sind, und füge
denen noch einige hinzu.
Die Ausdrücke für Nutzpflanzen allgemeiner Art werden für die Pflanzen gebraucht,
die in einer Gegend am verbreitetsten sind. So gilt in Süddeutschland Kraut jetzt für
'Kohl', vgl. auch Rot-, Weiß-, Welsdi-, Sauerkraut. Frudit, entlehnt aus hl fructus, be-
kommt süddeutsch die Geltung 'Getreide', daher Frudithalle. Korn, M. gränum, bezeichnet
je nach der Gegend die vorwiegend gebaute Getreideart, so in vielen Gegenden Norwegens
und Schwedens, in Island, in Nordfriesland, Helgoland, Butjadingen, Jeverland die Gerste,
im nördlichen und mittlem Deutschland, auch in Bayern, den Niederlanden, schweizerisch
im Aargau und Wallis den Roggen, in Franken, Schwaben, der Schweiz den Dinkel
oder Spelt, in Siebenbürgen den Weizen, in Westfalen, Schottland, Nordengland den
Hafer. Ebenso hatGetreide ursprünglich einen allgemeinen Sinn, ahd.gitregidi 'Erträgnis'.
Auf ähnliche Weise wird man es wohl auch erklären können, daß Baumnamen ihre
') Daß alle diese Einteilungen unzureichend sind, betont Wellander (s.o.S. 404) mit Recht.
408 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
Bedeutungen so häufig wechseln, l.ni. (jucrcus entspricht dem ahd. forha, jetzt /Ohre.
Das Wort *perkiio- wird eine Zeitlang den haupts.lclilich vertretenen Baum bezeichnet haben.
Durch den kircliliciien Gebrauch werden eine ganze Reihe von Ausdrücken in ihrer
Gebrauchsweise verengert: Abendmahl, Andadit von an etwas denken, Beidite von
ahd. bijehan 'etwas aussprechen', Rene, mhd. riiiwe 'Herzeleid, Kummer, Betrübnis", Buße
eigentlich 'Besserung, Schadenersatz', Ablaß, Bann 'Strafe für Übertretung' usw.
Aus dem kaufmännischen Leben haben wir: Knnde 'wer bekannt ist', billig, ur-
sprünglich 'recht', billig in unserm Sinne heißt 'nicht teurer als sich gehört'. Die Ableitung.
billigen zeigt noch die Grundbedeutung. Sdmld, Sdiulden ist Abstraktbildung von.
sollen und heißt eigentlich 'Verpflichtung zu einer Leistung'. Währung ist 'Gewähr-
leistung', dann 'staatliche Festsetzung des Wertes einer Münze, staatliche Gewährleistung',
So könnte man aus allen Sondersprachen reichen Stoff beibringen.
§ 237. Verschlechterung der Bedeutung. Eine besonders wichtige Abart der
Bedeutungsverengerung ist die Verschlechterung der Bedeutung, wie sie sich
tatsächlich in vielen Worten findet. Man hat zur Erklärung dieser seltsamen
Erscheinung einen pessimistischen Grundzug der Sprache angenommen^
wie man ja auch sonst häufig den Satz aussprechen hört, daß alles schlechter
geworden ist. In Wirklickheit liegt die Sache ganz anders. Diese Erschei-
nung beruht im wesentlichen darauf, daß mit dem betreffenden Wort zu-
nächst etwas Allgemeines ohne lobenden.^ oder tadelnden Nebensinn be-
zeichnet wird, daß dann aber zur Hervorhebung des Bessern ein neues
Wort gebildet oder ein anderes dafür verwendet wird.
So bedeutet z. B. riedien das Allgemeine, und man kann unterscheiden es riedit
gut und es riedit sdiledit. Für gut riedien haben wir aber schon einen neuen Ausdruck
duften geschaffen, und daher dient das bloße Wort riedien bereits zur Bezeichnung des
schlechten Geruches. Wenn es irgendwo riedit, dann riecht es eben schlecht. Was hier
in den Anfängen vor uns liegt, ist bei stinken vollzogen. Ahd. stinkan kann heißen
'odorent dare, olere, redolere, riechen, duften'; aber auch schon 'stinken'. Riedien heißt
aber im Althochdeutschen erst 'rauchen, dampfen', erhalten in dem Hauptwort Raiidi, und
bekommt erst im Mittelhochdeutschen 'vielleicht vom Weihrauch' her die Bedeutung 'duften'.
Erst mit dem Aufkommen dieses Wortes ist die Möglichkeit gegeben, daß stinken seine
Bedeutung verschlechtert. — Der Pfaffe ist im Mittelhochdeutschen noch der Geistliche
im allgemeinen, ohne üblen Nebensinn. Dieser scheint aus der Zeit der Reformation zu
stammen, indem Luther das W^ort vorwiegend für die katholischen Geistlichen gebrauchte.
Er konnte das aber nur tun, weil er das Wort Priester daneben hatte. Außerdem haben
wir Prediger, Pastor, Pfarrer, Geistlidier, unter denen sich vielleicht wieder ein Rang-
streit entwickeln wird, wie denn vielfach schon der Titel Pfarrer dem ersten Geistlichen
einer Gemeinde beigelegt wird, während der zweite Pastor heißt. — Wahn bezeichnet
im Mittelhochdeutschen eine unsichere Hoffnung. Es sinkt zu der Bedeutung 'falscher,
trügerischer Glauben', sobald ein anderes Wort aufkommt, das die 'sichere Erwartung' aus-
drückt. — Mit Frau und Fräulein redete man, wie wir schon gesehen haben, 'adlige
Frauen' an. Als die französische Revolution die Schranken der Stände gebrochen hatte,
fing man auch in Deutschland an, diese Ausdrücke zunächst auf gesellschaftlich hoch-
stehende bürgerliche Familien anzuwenden. Je mehr sich dies verbreitete, um so tiefer
sanken Madam und Mamsell, die bis dahin zur Bezeichnung von Frauen bürgerlichen
Standes gedient hatten. Jetzt ist aus letzterm ein technischer Ausdruck geworden. Die
Mamsell herrscht auf dem Lande und in der Küche der Gasthäuser. Aber auch Fräulein
ist entadeh — wie denn 'bessere' Familien heute ein Fräulein haben — , weil der Aus-
druck gnädiges Fräulein aufgekommen ist. Die Zeit ist sicher nicht fern, in der auch
§ 237 Verschlechterung, § 238 Verbesserung der Bedeutung. 409
dieser Ausdruck abgelöst werden wird. Ganz die gleiche Entwicklung zeigen Worte wie
Jungfer, Magd, und mit nocli tieferm Sinken Dirne — ahd. thiorna wurde für die
Jungfrau Maria gebraucht. Das Gasthaus wird zu einem Unterkunftsort geringern Grades,
seitdem das Hotel aufgekommen ist. Auch hier steht man nicht still. Heute bezeichnen
sich schon viele Gasthäuser als Grandhotels. Restaurant drückt das alte Wort Sdienke.
Weiter führt die Reklame zu immer neuen Auswüchsen nach dieser Richtung. Über dem
kleinsten Zigarrengeschäft kann man lesen Zigarrenimport, \johei -import einfach die
Bedeutung 'Geschäft' angenommen hat. Ebenso ist es im Titelwesen. Jeder Zusatz, jeder
neue Titel drückt den altern. Seitdem die Bezeichnung Oberlehrer gebraucht wird, be-
zeichnet Lehrer einen geringern Grad.
Eine merkwürdige Erscheinung, die hierher gehört, ist es auch, daß wir für die Tätig-
keiten oder Eigenschaften der Tiere besondere Ausdrücke geschaffen haben. Das Tier /r/yj^
sein Futter, säuft mit dem Maul und ist mit einem Fell bedeckt. Diese Ausdrücke
wurden früher zum Teil auch für den Menschen gebraucht. So heißt es im Mittelhoch-
deutschen Wigalois 872:
eben und lüter was ir vel oder
si zarte von den linden wangen
das vil rote vel.
und im Erec 2130:
idi wil iu zeiner mä^e
sagen von ir vräje,
d. i. 'von ihrem Essen', bei dem Gastmahle, das Erec bei seiner Vermählung gibt. Diese
Verschlechterung der Bedeutung konnte erst eintreten, als essen, trinken, Haut als die
edlern Ausdrücke gefühlt wurden. Heute dringt ja speisen als das Feinere vor.
Dieser eigentümliche Vorgang ist nunmehr, wie ich denke, klar, und
es bleibt mir nur noch übrig, in aller Kürze eine Reihe anderer Beispiele
zu geben, die der Leser in einem Wörterbuche weiter verfolgen möge:
Mähre 'schlechtes Pferd', ebenso Klepper, Gaul; Aas, eigentlich 'Speise', ver-
gleiche äsen, beide zu essen, Luder 'Lockspeise', Metze, Koseform, zu Mathilde,
sdimuggeln zu schmiegen, Seudie 'Krankheit', sudeln, eigentUch 'kochen', zu sieden,
sich stellen bei Luther 'sich gebärden'. Hodimut ursprünglich 'gehobene Stimmung' usw.
Eine kurze Bemerkung sei noch über die Ausdrücke hinzugefügt, die moralische Eigen-
schaften bezeichnen. Hier zeigt sich wieder eine andere Grundtendenz sehr deutlich, indem alles,
was der Allgemeinheit angehört, allmählich als niedrig und schlecht empfunden wird. So haben
wir gemein, gewöhnlidi, niedrig, vor allem aber sdiledit. Dieses bedeutet ursprünglich
'einfach, glatt, eben', wie wir es noch in sdiledit und redit haben, oder wie wir bei Luther finden :
Krumm kann nidit schledit werden. Auch sdilidit ist ja dasselbe Wort wie sdiledit; albern
ist entstanden aus mhd. alwcere, ahd. alawari 'gütig, freundlicli, zugeneigt'.
Schließlich verdienen hier an dieser Stelle auch die Fremdwörter unsere Aufmerksam-
keit. Fremdwörter werden ja auch aufgenommen, ohne daß ein besonderes Bedürfnis dazu
vorliegt, indem ein einheimisches Wort für den Begriff, den sie ausdrücken, schon vor-
handen ist. In solchen Fällen dienen sie nicht selten jenem Trieb der Sprache, einen bessern
Ausdruck zu haben. So sagen wir transpirieren für sdiwitzen, korpulent für didi.
Arbeiter und Dienstboten erhalten Lohn, Schauspieler Gage. Der Kaufmann schickt eine
Redinung, der Arzt und der Rechtsanwalt eine Liquidation. Deckt sich aber das
Fremdwort völlig mit dem Deutschen, dann bekommt es meist eine etwas schlechtere Be-
deutung. Wir haben daher Bravour neben Tapferkeit in dem Sinne von 'renom-
mierender, unüberlegter Tapferkeit', Kurage neben Mut.
§ 238. Verbesserung der Bedeutung. Auf der andern Seite gibt es aber
auch eine Verbesserung der Bedeutung. Hierbei handelt es sich oft um
Ausdrücke der Dichtersprache, d. h. Ausdrücke, die im gewöhnlichen Leben
410 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
verloren gegangen, in der Dichtersprache aber erhalten geblieben sind, und
nun als edel empfunden werden. Nach dieser Richtung wäre leicht mancherlei
zu sammeln, da die Wörterbücher des 18. Jahrhunderts häufig das unedle
eines Ausdrucks anmerken oder durch ein besonderes Zeichen kenntlich
gemacht haben. Ich nenne hier nur Range, Racker, Sdielm, Dreck.
§ 239. b) Erweiterung der Bedeutung. Während Waag für die Bedeutungs-
verengerung 133 Nummern anführt, gibt er für die Erweiterung nur 59. Es
könnte also scheinen, als ob dieser Fall sehr viel seltener wäre. Nach dem
aber, was wir oben S. 98 über die genaue Unterscheidung der einzelnen
Dinge unter einfachen Verhältnissen angeführt haben, wird man mit der Tat-
sache der Bedeutungserweiterung gerade in den altern Zeiten sehr stark zu
rechnen haben. Es ist nur nicht leicht möglich, diesem Punkt nachzukommen.
Wenn wir z. B. für den Begriff 'Feuer' zwei Ausdrücke im Indogermanischen nach-
weisen können, ahd. fiur gr. jivo {pyr) und lat. ignis, aind. agnih, so ist es durchaus wahr-
scheinlich, daß jeder von ihnen eine engere Bedeutung gehabt hat; aber beim Beginn der
Überlieferung liegt eben nur die eine allgemeine vor, so daß wir eine Erweiterung der-
selben hier nicht nachweisen können. Auf andere derartige Fälle ist schon oben aufmerk-
sam gemacht worden. Unsere Wörterbuchbearbeiter gehen zudem fast stets von dem All-
gemeinen als dem Ursprünglichen aus, obgleich dies durchaus nicht sicher ist, so daß wir
auch dadurch ein ganz falsches Bild bekommen. So steht bei Grimm unter Ding die
allgemeinste Bedeutung voran, während Paul allerdings von der von 'Gerichtsverhandlung'
ausgeht. Für bauen geht Paul von der Bedeutung 'wohnen' aus, aus der sich die speziellere
'das Feld bebauen' entwickelt hätte. Möglich ist aber auch, daß diese ursprünglicher ist.
Was also Waag verzeichnet, sind nur die ganz sichern Fälle, die zweifellos sehr vermehrt
werden könnten. Hierher gehören zunächst viele Worte, die aus den Berufssprachen unter
Aufgeben des besondern Sinnes in die Allgemeinsprache vorgedrungen sind. Beispiele
sind: Chor, zuerst Chor der Geistlichen; Feier, mhd. vire 'Kirchenfest', vgl. Petri-
kettenfeier; Mütze, mlat. almiiccia 'Kopfbedeckung eines Geistlichen'; Zehnte 'Abgabe
eines Zehntels des Ertrages an die Geistlichkeit'; stiften 'ein Stift gründen'; widmen
bezog sich im Mittelhochdeutschen auf das der Frau bei der Verheiratung ausgesetzte
Wittum; sdienken hieß 'Getränke eingießen', daher noch Sdienke 'Schtnk' ; nadiahmen
gehört zu Ohm 'ein Gefäß', also eigentlich 'ein Gefäß ausmessen'; sdiildern ist eigent-
lich 'Schilder malen'; hauen 'mit einem scharfen Werkzeug schlagen', daher noch Hau-
degen, es ist nidit gehauen und nidit gestodien; treiben bezog sich wohl auf das Vieh;
widisen eigentlich 'mit Wachs bestreichen'. Aus der Rechtssprache stammen Ding,
Sadie, Rede. Kapelle hieß ursprünglich die Musikerschar in einer Kirche.
II. BEDEUTUNGSWANDEL UNTER ÜBERGANG IN EIN ANDRES BEGRIFFSGEBIET.
§ 240. a) Die Metapher. Die Metapher, die Übertragung, der Übergang
der Bedeutung in eine andere Begriffssphäre gehört zu den gewöhnlichsten
Vorgängen auf dem Gebiete des Bedeutungswandels. Wir treffen sie überall,
denn bildliche Ausdrücke, phantasievolle Vergleiche bilden eben eine tief
in der menschlichen Natur wurzelnde Eigentümlichkeit. Ohne Bilder, ohne
Metaphern hat nie eine Sprache bestanden. Man darf nicht etwa annehmen,
daß die Metapher ein Erzeugnis jüngerer Sprachepochen sei. Aus den Be-
richten über die primitiven Völker wissen wir, wie sehr sie sich die ganze
Natur belebt denken, wie sie überall Ähnlichkeiten entdecken und Ähnlich-
keiten herstellen. Als Karl von den Steinen seinen Indianern einen Spiegel
§ 239. b) Erweiterung der Bedeutung. § 240. a) Metapher. § 241. b) Metonymie. 41 1
zeigte, besahen sie ihn, dann aber sagten sie 'Wasser'. Damit war das Ding
klassifiziert. Bei vielem, was neu auftritt, verfahren wir nicht anders. Jedes
Gefäß wird in menschenähnlicher Gestalt dargestellt und bekommt daher
einen Bauch, einen Schnabel, das Backwerk ahmt, heute noch erkennbar,
mannigfach Formen der Natur nach. Wenn wir jetzt von einem Bart am
Schlüssel reden, so hatte bei den Alten ebenso die Axt einen Bart, sie hieß die
Bärtige, d. h. Barte. Die Teile unseres menschlichen Körpers kehren daher
überall in der unbelebten Natur wieder: Auge — Fettauge, Pfauenauge;
Zunge — Landzunge, Seezunge, Zunge 2in^&r^?LgQ.; Ohr — Eselsohr; Öhr—
Nadelöhr; Nagel; Nase. Unser Giebel ist dsiSgr.xecpaXri (kephalct) 'Kopf.
Reichen Stoff für metaphorische Übertragungen bietet Waag. Außerdem
kann man aber mit leichter Mühe selbst vielerlei zusammenbringen, da die
Metapher zum allergewöhnlichsten in der Bedeutungsentwicklung gehört.
Sie ist jedenfalls auch die Erscheinung des menschlichen Geistes, die zu
den häufigsten und weitgehendsten Veränderungen der Bedeutungen führt.
Ist doch dem Vergleichen kein Ziel gesetzt, und die Phantasie macht oft-
mals die wildesten Sprünge. Vgl. hierzu auch Wellander, Studien I, 153 ff.
§ 241. b) Die Metonymie. Von der Metapher läßt sich eine andere Art
der Übertragung in eine neue Begriffssphäre unterscheiden, die Metonymie.
Die Bedeutungsverschiebung ist hierbei dadurch bedingt, daß zwei Dinge
in Raum, Zeit oder nach Grund und Folge verbunden auftreten, und daß
daher der eine Begriff leicht den andern erweckt. Infolgedessen dient das
Wort, das den einen Begriff bezeichnet, nicht selten auch zur Bezeichnung des
andern. Diese metonymischen Übertragungen sind das Allergewöhnlichste
von der Welt, und es kommen dabei die sonderbarsten Erscheinungen vor.
Wenn aber die geschichtliche Vermittlung fehlt, dann kann man schwer mit
dieser Art der Bedeutungsübertragung etwas machen.
Wie sollte man zum Beispiel unser bigott mit span. W^o^^ 'Knebelbart' vereinigen?
Die Erklärung ist zwar nicht sicher, aber doch wahrscheinlich richtig. Spanisch finden wir
hombre de bigote 'Mann von ernstem festem Charakter'. Man muß annehmen, daß ge-
wisse Kreise, die bestimmte ernste Ziele hatten, einen Knebelbart trugen, worin nichts
Wunderbares liegt, da die Barttracht oft als Parteizeichen verwendet wird. Ferner hängt
unser Knaster mit span. canastro 'Korb' zusammen. Auch hier liegt eine Metonymie vor.
Span, canastro bezeichnete den Korb, in dem Tabak verpackt wurde. Der Übergang der
Bedeutung zu 'Tabak im Korbe', 'Tabak' überhaupt, ist dann nicht schwer.
Der Anstoß, den Meringers oben erwähnte Versuche erregt haben, liegt
darin begründet, daß er diesen Faktor der Metonymie auch stark für die
vorgeschichtlichen Zeiten verwendet. Wenn uns für diese Zeit auch die
positiven Nachrichten fehlen, so können diese doch durch die Phantasie
des Forschers und eine genaue Kenntnis des wirklichen Lebens und der
wirklichen Zustände der alten Zeit ersetzt werden. Wem diese so lebendig
sind wie Meringer, dem werden auch gute Ergebnisse zuteil werden.
Man kann auch bei der Metonymie noch manche Unterabteilungen
annehmen. Wir beschränken uns auf einige Hauptpunkte.
412 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
1. Örtlicher Zusammenhang. Hierbei geht die Bedeutung leicht
von der des Ortes, an oder in dem sich etwas befindet, zu dem über, was
sich daran oder darin befindet.
Hierher gehören die Bezeichnungen einiger Kleidungsstücke: Kragen, mhd. krage
Hals', also 'das, was sich am Hals befindet'. Ähnlich Leibdien, Bein (einer Hose), Rücken
(eines Rockes); es kommen mundartlich auch vor //rJ/so'/en, Brust, Brüstdien, Busen
(vgl. r3VVB. 5, 1960). Man wird weiter so erklären können Brudi 'Hose', ags. bnc 'Steiß',
Mieder, mhd. muoder n., africs. wö^Atr 'Ürustbinde der Frauen' zu Mutter. Vgl. auch gr. ui'ixoa
{nuitra), lat. niatrix 'Gebarmutter', was auf einen ähnlichen Bedcutungsübergang hinweist.
Man wählt weiter Dinge, die mit einer Person vereinigt auftreten, zur Bezeichnung
dieser Person, so z.B. Sdilaf mutze, Blaustrumpf, Sdiürze, Blaujadie, Teerjadie,
Grünrod: oder Besen = Dienstmädchen. Roßkamm 'Pferdehändler', ^/2/>r/V/n 'Schuster',
Pjlasterkasten 'Apotheker, Arzt', P/effersack 'Kaufmann'.
Der Ort, wo sich Personen aufhalten, wird zur Bezeichnung dieser Personen selbst.
Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele: Hof, Geriditshof, Frauenzimmer, Tafelrunde,
Nachbildung des franz. table ronde 'runde Tafel', Kabinett im Sinne von Ministerium.
Ebenso kann der umgekehrte Fall eintreten: Universität, Ministerium. Das Wort
Kapelle zeigt eine Fülle metonymischer Übertragungen: es stammt von mlat. cappa 'das
Haupt milbedeckender Mantel", woher unser Kappe. Kapelle als 'Mantel' wifrde dann in
seiner Bedeutung verengt auf den Mantel des heiligen Martinus; da dieser in einer 'Ka-
pelle' aufbewahrt wurde, so trat die metonymische Übertragung ein. In den Schloßkapellen
der Fürsten wirkten Musiker mit, auf die dieser Name schließlich weiter übertragen wurde.
Nachdem diese Bedeutung einmal fest geworden war, wurde sie wieder erweitert und be-
zeichnet nun eine Musikerschar überhaupt. Wer würde, wenn uns die geschichtliche Ent-
wicklung fehlte, auf den Gedanken kommen, daß die beiden Bedeutungen des Wortes
Kapelle 'Gotteshaus' und 'Musikerschar' auf die eine einzige zurückgingen. Wir haben da-
neben noch die etwas veraltete Bedeutung "Schmelztieger. So gut bei dieser ein selb-
ständiges Wort vorliegt, könnte es auch bei den beiden andern der Fall sein.
2. Zeitlicher Zusammenhang. Hier liegt der gleiche Vorgang, wenn auch nicht
so häufig, vor. Mahlzeit, eigentlich "Zeit des Mahles', dann 'was dabei gegessen wird';
Messe 'Jahrmarkt' ist dasselbe Wort wie Messe 'Abendmahlsfeier'. Mit der kirchlichen
Feier war aber sehr häufig in alter Zeit, wie noch heute in Russisch-Polen, ein Verkauf,
ein Markt verbunden. So entsteht dann die Bedeutung 'Jahrmarkt'. Toast bedeutet im
Englischen 'geröstete Brotschnitte'. Die Bedeutung 'Trinkspruch' rührt daher, weil dem,
der reden sollte, ein Glas mit einem Toast überreicht wurde.
3. Zusammenhang nach Grund und Folge. Ein derartiger Bedeutungsübergang
liegt bei müssen vor. Got. gamötan bedeutet 'Raum haben, Platz finden'; daraus ent.
wickelt sich 'die Erlaubnis haben, dürfen'. Da aber die Möglichkeit häufig nur eine Zwangs-
möglichkeit ist, so entsteht der jetzige Sinn (schon im Mittelalter). Bedeutungsübergänge,
die darauf beruhen, daß etwas Freiwilliges durch den Zwang der Verhältnisse, durch Sitte
und Brauch zum Muß wird, haben wir nicht selten. So ist Bede 'Abgabe, die ursprünglich
Freie bezahlten' nichts anderes als Bitte. Weit verbreitet in der Welt ist die sogenannte
•Bittarbeit'. Bücher, Arbeit und Rhythmus* S. 256 sagt darüber: .Bei Feldarbeiten, beim
Hausbau und gewissen häuslichen Verrichtungen, die keinen Aufschub erleiden, namentUch
solchen, die mit der Ernte zusammenhängen, werden freiwillige Hilfskräfte zur Unter-
stützung von den Nachbarn erbeten; an die Arbeit schließt sich in der Regel eine festliche
Bewirtung im Hause des Arbeitgebers an. Beruht diese Bittarbeit bei den gewöhnlichen
Dorfgenossen auf Gegenseitigkeit, so wird sie dem Häuptlinge gegenüber leicht zum
Dienste oder zur Fronde.* Was bei uns Bitte, Bede heißt, nennen die Serben ganz
ähnlich moba von molitf 'bitten'. Unserm Wort bitten entspricht wahrscheinlich aind.
badhate, das 'drängt, verdrängt, bedrängt' bedeutet.
§242. Metonymische Ableitungen von Eigennamen. 413
Frondienst ist ja nichts anderes als Herrendienst (zu ahd. frö 'Herr'). Steuer
heißt eigentUch 'Stütze', dann 'Unterstützung, Beistand' (noch in der Redensart zur Steuer
der Wahrheit). Von den Abgaben an den Landesherrn heißt ursprünglich nur diejenige
Steuer, die insofern freiwillig ist, als sie von den Ständen zu einem besondern Zweck be-
willigt wird. Ebenso entwickelt sich sehr leicht aus 'arbeiten' 'arbeiten müssen', wie wir
dies in dem slawischen Robott haben.
Hierher gehören denn auch die Bedeutungsübergänge, in denen der Stoff, aus dem
etwas besteht, als Bezeichnung des Gegenstandes selbst gebraucht wird, wie anord. askr
'Speer', d. Asdi 'Napf.
§ 242. Metonymische Ableitungen von Eigennamen. Mit Metonymie haben
wir es in den meisten Fällen zu tun, wo etwas nach einem Ort, einer Person
oder ähnlichem benannt wird, sei es, daß die Sache von dem Orte stammt
oder von dem betreffenden Mann erfunden oder sonst mit ihm verkettet ist.
Ich halte es für angebracht, einiges aus dem überaus reichen Stoff, den wir
nach dieser Richtung in unsrer Sprache haben, zusammenzustellen. Vieles
findet man nicht in den Wörterbüchern, und die Fülle der hier vereinten Bei-
spiele wird einigermaßen in Erstaunen setzen, aber auch gut zu Besprechungen
zu verwenden sein. Ich ordne den Stoff nach der Buchstabenfolge.
Adiat, nach dem Fluß Adiates in Sizilien. — Akademie , nach dem Heros Aka-
demos. Auf dem nach ihm benannten Platz lehrte Piaton. — Alexandriner, Versart,
benannt nach dem roman d'Alixandre, in dem sie verwendet wurde. — Apfelsine, Apfel
aus Sina = China. — Arabeske, nach Art der Araber. — artesisdi, nach der Graf-
schaft Artois. — Asdilaudi, nach der Stadt Askalon. — Atlas, Name des mauretanischen
Königs Atlas, den Mercator zur Autschrift eines erdkundigen Werkes benutzte. — Badiauner,
Schwein aus dem Bakonyerwald in Ungarn. — Bai, wohl auf den Ortsnamen Bajae zurück-
gehend. — Bajonett, nach der Stadt Bayonne in Südfrankreich. — Baldadiin, nach
der Stadt Bagdad. — ballhornisieren nach Johann Ballhorn, 1531 Buchdrucker zu
Lübeck. — Batist, nach Batiste Chambray, der im 13. Jahrhundert die Leinwandweberei
in Flandern in Aufnahme brachte. — Batzen, von Betz 'Bär', Münze von Bern mit dessen
Wappen. — Bediamelsauce, nach Vicomte dt Bediamel de Noitel, Haushofmeister Lud-
wigs XIV. — Begine, nach Lambert Le Begue. — Berline, Berliner V/agen, 1712. —
Betonte, gall. vettonica nach den am Tajo wohnenden Vettones. — Bibel, nach dem
Namen der Papyrusstaude ßlßlog oder ßvßlo;, und dies wieder nach dem Ortsnamen
Bvß'/.o;. — Bluse, angeblich nach der Stadt Pelusium in Unterägypten. — Bodi, Bier
aus Eimbedi. — Börse, nach einem Haus und einer Familie, ndl. Boers. — Boykott,
nach James Boykott, einem Gutsverwalter in Irland, über den 1880 die irische Landliga
den Bann verhängte. — Bronze, vielleicht aes Brundisium, Erz aus Brindisi. — Bund-
sdiuh 'Meuterei, Empörung'. Von den aufrührerischen Bauern wurde der Bundsdiuh als
Zeichen getragen. — Champagner, Wein der Champagne. — Chassepot, nach dem
Erfinder Chassepot 1858. — Chauvinismus, nach dem Veteranen Nik. Chauvin aus
Rochefort. — Cheviot, nach den Cheviothills in England. — Chinin, nach dem in
Südamerika einheimischen Chinchonabaum, und dieser ist benannt nach der Gräfin Chinchon,
der Gemahlin des Vizekönigs von Peru, weil diese im Jahre 1636 durch seine Rinde vom
Fieber geheilt wurde. — Damast, Seidenzeug von Damaskus. — Damaszener, eben-
daher. — Dietridi, nach dem Namen Dietridi. — Domino, eig. 'das Kleid des Geist-
lichen' {dominus). — Draisine, erfunden von Karl v. Drais 1817. — Dukaten, von
Aoi-y.ag, dem Namen byzantinischer Cäsaren. — Fasan. \aX. phasianus 'Vogel vom Flusse
Phasis in Kolchis'. — Fayence, nach dem Fabrikort Faenza in der Romagna. — Fes,
nach der Stadt Fez in Marokko. — Fiaker, nach dem heiligen Fiacre, dessen Bild das
Zeichen des zu Paris gelegenen Hauses war, in dem man Wagen haben konnte. — Flam-
414 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
berg 'breites Schlachlschwerf ist ein Schwertname. — flämisch 'verdrießlich, mürrisch',
nach den Flamen. — Florin, nach Florenz. — Frank, Franken, nach Frank 'Fran-
zose'.—/ra/i/t 'unabhängig, frei', von lat./ro/icas 'fränkisch'; ddizu frankieren, franko. —
Franzbrot, -wein, -obst, enthält Franze 'Franzose'. — Gagat, benannt nach Fluß
und Stadt Gagas in Lykien. — Gamasdie, nach Gadames, Stadt in Tripolis. — Gaze,
ben;innt nacti der Stadt Gaza in Palästina. - Glaubersalz, von Glauber (i 1688) er-
funden. — Gobelin, nach dem Erfinder Jean Gobelin in Paris. — Grog, angeblich nach
dem Spitznamen des englischen Admirals Vcrnon, der zuerst dieses Getränk statt unver-
mischten Rums unter die Matrosen verteilen ließ. — Guillotine , 1789 von dem fran-
zösischen Arzt Guillotin erfunden. — Harlekin, aus einem germanischen ellekin, viel-
leiclit dän. ellekong 'Erlenkünig'. — Heiduck, ursprünglich ein in Ungarn heimischer
Volksstamm. — Heller, Münze aus Schwäbisch Hall. — Herme, Bildsäule, nach Hermes. —
hermetisdi, nach Hermes Trismegistus, der für den Vater der Alchimie gehalten wurde. —
Hokuspokus, ursprünglich Name eines Gauklers. — Indian 'Truthahn', eigentlich der
Indianer. — Indigo aus span. indigo 'das Indische'. — Jaike, angeblich benannt nach
dem Häuptling Jaque von Beauvais (um 1358). — Jeremiade, nach den Klageliedern
Jeremiä. — jovial, dem Jovis zukommend. — Juli, nach Julius Caesar. —Juni, nach
der Juno. — Kaiser, nach Caesar. — Kalekut, nach Calicut; davon auch Kaliko. —
Kamelie, nach dem Jesuiten Camelli. — Kammertudi, aus Canibray. — Kannibale,
Umbildung des Volksnamens Karaiben. — Kartause, nach dem Ort Cartausa (Char-
treuse). — Kasdimir, Stoff aus Kaschmir. — Kirsdie, lat. cerasus nach der Stadt
Kerasus am Schwarzen Meer. — Kognak, nach der Stadt Cognac in Frankreich. —
Kolophonium, nach der Stadt Kolophon. — Korduan, Ziegenleder aus Cordova. —
Korinthe, nach Korinth. — Krabate, eig. der Kroat; ebenso ist Kravatte eig. die
kroatisdie. — Kremser, nach dem Hofagenten und preußischen Kriegskommissär Kremser,
der solche Wägen zuerst fahren ließ. — Krimmer, Lammfell aus der Krim. — Krim-
stedier, Fernglas, zuerst im Krimkrieg gebraucht. — Kuli, eig. Name eines chinesischen
Stammes. — Kupfer, lat. aes Cuprum nach Cypern. — Kutsdie, nach dem Dorfe Koszi
bei Raab. — Ladis 'Schnaps' nach dem Haus zum Lachs in Danzig. — lakonisdi 'kurz
und schlagend im Ausdruck' nach Art der Lakonen. — Landauer, nach der Stadt
Landau. — Ländler, nach dem Ländl, d. i. Österreich ob der Enns. — Latein 'unver-
ständliche Sprache' in Jägerlatein. — Lausewenzel 'schlechter Tabak'. — Lazarett,
nach Lazarus. — Litewka, eig. die litauisdie. — Litfaßsäule, nach Lit faß, der solche
Säulen zuerst aufstellte. — Lloyd, nach Eduard Lloyd, der Ende des 17. Jh. in London
ein Kaffeehaus hielt, wo sich eine Art von Schifferbörse zusammenfand. — Lombard
'Leihbank, Pfand', von dem Volksnamen Lombard, Langobarde, weil die Oberitaliener im
13. Jh. in Frankreich Leihhäuser errichten durften. — Z.o«/sdor 'goldener Ludwig' mit
dem Bild Ludwig XIIL — lyndien, benannt nach dem Farmer John Lyndi. — Lyzeum,
von gr. AvHdov (lykeion), Tempel des Lykeios. — Magie, nach dem medischen Priester-
stamm der Magoi. — Magnet, gr. Mayrt'jri].; (MagncEtifS), Stein aus der Landschaft
Magnesia. — Majolika, nach der Insel Majorka. — Makadam, von dem Amerikaner
Mac Adam erfundene Straßendecke. — makkaronisdi, nach Makkaroni, der Lieblings-
speise der Italiener. — Malvasier, nach der Stadt Napoli di Malvasia auf Morea. —
Manichäer, studentisch, eig. Anhänger des Mani. — Mansarde, benannt nach dem
französischen Baumeister Fran^ois Mansard (1598—1666). — Mansdiester 'baumwollener
Samt', nach der Stadt Manchester. — Marelle, Marille, wohl umgestaltet aus itaL ar-
mellino und dies aus armeniacum 'armenischer Apfel'. — Markise, benannt nach der
Marquise Pompadour. — Maroquin, eig. marokkanisches Leder. — Masurka, nach
den Masuren. —Mausoleum, nach dem König Mausolos. — Mayonnaise, angeblich
nach der Stadt Mahon auf Menorka benannt, bei der 1756 der Herzog von Richelieu
einen glänzenden Sieg erfocht, infolgedessen man verschiedene Sachen, darunter auch eine
neue Sauce, nach der Stadt benannte. — Mäzen, nach Maecenas, dem Gönner des Horaz. —
§242. Metonymische Ableitungen von Eigennamen. 415
Melis 'Hutzucker', eig. 'Zucker von der Insel Malta', ital. Melite. — Mentor 'Ratgeber',
nach Mentor, dem Begleiter Telemachs. — Metaphysik, nach der Schrift des Aristoteles
Hf.iuffvoiy.ä (metaphysikä) 'nach den physischen Dingen'. — Mirabelle, nach Mirabel
'Ort in Frankreich'. — Mohr, lat. Maurns 'Bewohner Nordafrikas'. — Mumme, von
Christian Mumme in Braunschweig gebraut. — Münze, benannt nach dem Tempel der
Juno Moneta in Rom, deren Tempel der Münzstätte benachbart war. — Musselin, nach
der Stadt Mosul am Tigris. — Nanking, nach der chines. Stadt. — Nikotin, nach Jean
Nicot, der um 1560 den Tabak einführte. — Ottomane, abgeleitet von Othman, dem
Namen des 1326 verstorbenen Stifters des türkischen Reichs. — Palast, Palais, Pf alz,
lat. palatium, nach dem Schloß des Augustus auf dem mons Palatinus. — Palatine,
Palatin 'Halzkragen', abgeleitet von Palatin 'Pfalzgraf'. — Pandur, angeblich nach der
ungarischen Stadt Pandur, woher die ersten Panduren stammen sollen. — Panik, nach
dem panisdien Schrecken. — Pantalons 'Beinkleider', nach Pantalöni, einem Beinamen
der Venezianer, weil sie den heiligen Pantalon verehrten. — Pantalon 'Klüpfelklavier',
von Pantaleon Hebenstreit 1697 erfunden. — Pasquill, nach einem Römtr Pasquino. —
Paternosterwerk 'in beständiger Bewegung befindlicher Aufzug', benannt nach dem
PaternosterbcXtn am Rosenkranz. — Perdieron 'schweres Pferd', benannt nach der fran-
zösischen Provinz Perdie. — Pergament, nach Pergamos. — Pfirsidi, lat. persicum
'der Persische'. — Phaethon, nach Phaethon, dem Sohne des Sonnengottes. — Pharo
'Hasardspiel', benannt nach Pharao, ursprünglich Bezeichnung des Herzkönigs. — Pistole
nach der Stadt Pistoja. — Pläner, eig. Plauenerstein nach Plauen bei Dresden. —
Polonaise, t'ig. polnisdier Tanz. — Po/w/ner 'Art Haushund', aus Pommern stammend. —
Pompadour, benannt nach der Marquise Pompadour. — Portwein, Wein aus Oporto. —
Pralines, nach dem Namen des Marschalls du Plessis-Praslin, dessen Koch sie erfunden
hat. — Quassia, angeblich von einem Neger Coassi entdeckt und nach ihm benannt. —
Quitte, lat. malum cydonium, von der Stadt Kydonia auf Kreta. — Rasdi, nach der
Stadt Ar ras in Nordfrankreich. — Rastrum 'Leipziger Stadtbier', nach dem rastrum
'Rechen', dem Zeichen der Häuser, in denen das Bier gebraut wurde. — Reineclaude,
nach Claudia, Tochter Ludwigs XII. — /?^uj3 'kastriertes Pferd', nach dem Volksnamen Reuß. —
Rodielor 'Reisemantel', benannt nach dem Herzog von Roquelaure (f 1738). — Rodo-
montade , nach Ro domo nte (ein Mohrenheld, der in Ariosts rasendem Roland die Helden
herausfordert). — /?o/a/2d 'Standbild' nach Roland. — Roman, eig. 'der romanische'. —
Romanze, eig. 'romanisch'. — Russe 'der kleine schwarze Küchenkäfer', in Rußland
häufig. — Salmiak, aus lat. sal ammoniacus, nach Jupiter Ammon. — Samariter,
nach dem barmherzigen Samariter. — Sandwidi, nach John Montague, vierter Earl of
Sandwidi (1718—92). — Sardelle, die sardinisdie ; ebenso Sardine. — Sardonisdies
La dien 'krampfhaftes Lachen', hervorgerufen durch die herba Sardonia 'Sardinisches
Kraut'. — Sdialaune 'feines Wollenzeug', nach Chalons a. d. Marne. — Sdialotte,
Lauch von Askalon. — Sdirapnell , nach dem Erfinder, dem engl. Oberst Shrapnet
(1803). — Silhuette, nach dem Generalkontrolleur und späterm Minister Etienne de
Silhouette (f 1757), der alles mit größter Sparsamkeit einrichtete. Man sagte zuerst 'es ist
ä la Silhouette'. — Simonie, nach dem Zauberer Simon (Apostelgesch. 8, 18—20). —
Sinöpel 'blutroter, eisenhaltiger Jaspis', nach Sinope am Schwarzen Meer. — Sklave
ist eigentlich Slawe. — Sodomit, nach Sodom (1. Mos. 19,4—9). — Spaniol 'feiner
Schnupftabak', der spanisdie. — Spenzer, nach Lord Spencer (1758 — 1834). — Stentor-
stimme, nach Stentor, einem Griechen vor Troja, der lauter als 50 Männer schrie. —
Sybarit von Sybaris 'Stadt in Unteritalien'. — Syenit 'Gesteinsart', nach Syene 'Stadt
in Oberägypten'. — Taler ist Joachimstaler von Joadiimstal. — Talmi, benannt nach
dem Erfinder, dem Pariser Fabrikanten Tallois. — Tarantel, Tarantella, nach der Stadt
Tarent. — Tattersall, nach dem englischen Trainer Tattersall (1777). — Tesching,
nach der Stadt Tesdien. — Tirolienne, Tirolertanz. — Trakehner, Pferd aus Tra-
kehnen. — Tüll, frz. tulle, nach der Stadt Tülle (Correze). — Türkis, der türkische. —
416 Siebzehntes Kapitel, Bedeutungswandel.
Ulrich 'Erbrechen vom Trünke', nach Sl. Ulrich anrufen 'sich erbrechen'. — Vandale,
nach den Vancialen. — Vatikan, nach lat. mons Vaticänus 'der Vatikanische Hügel'. —
Veitstanz, nach dem heiUgen Veit. — Vertiko, nach dem Berliner Tischlermeister
Vertikov. — Vulkan, nach Viilcanus, dem Feuergott. — Wallacii, nach den Walladien. —
Wed^wood, nach dem Erfinder Wedgwood. — Wenzel 'der Bube in einzelnen Karten-
spielen', ist der Name Wenzel. — welscfi, nach dem Volksstamm der Volcne. — Ziegen-
hainer, Stock aus Ziegenhain. — Zwetsdie, Zwetschke, Frucht aus Damaskus.
Als besondere Art führe ich hier noch die zahlreichen Fälle an, in
denen unsere Vornamen zu AppcUativnamen geworden sind.
Literatur: O. Meisinger, Die Appellativnamen in den hochdeutschen Mundarten.
I. Die männlichen Appellativnamen. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte. Beilage zum Pro-
gramm des Ciymn. in Lörrach, iy09. — Dcrs., Die weiblichen Appellativnamen in den
hochdeutschen Mundarten, ZfhdMa. 5, 84 — 91. — Ders., Weibliche Appellalivnamen. ZfdMa.
3, 220—224. Die Appellativnamen in den hd. Mundarten (Nachträge), Beilage zum Pro-
gramm d. Gymn. in Lörrach, 1910.
Zunächst liegen hier ganz deutliche Fälle vor, wie z. B.
Prahlhans, Zornmidiel, Sdiwatzliese, Heulsuse, Zigarrenfritze. Harfenjule, Flüster-
lotte, dummer August.
Aber die Sache geht weiter, und vieles dieser Art ist absolut unverständlich.
faulenzen hat man im 16. Jh. von fauler Lenz abgeleitet. — hänseln, eigentlich
"einen Hans nennen'; dazu Hanswurst aus Hans Worst, Sdimalhans. Hansdampf u. a. —
Heinz zur Bezeichnung des Kobolds (noch in Heinzelmännchen), des Waldkaters (jetzt
im Ticrepos Hintze), der wilden Waldbienen. — Hinz und Kunz. — Jahn =
Johann in Lüdrian. — Janhagel, bei Bürger Johann Hagel. — Jockei, der Name yadfe,
Jakob. — Kasper l von Kasper, dem Namen eines der drei heiligen Könige. — Laban.
/flwjD^^r 'schlaffer Mensch', wohl nach dem Namen /.afra«. — Z,ozi/5 'Zuhälter'. — Mario-
nette, aus frz. marionette von frz. marlon 'Maria', ebenso Marotte, frz. marotte 'Puppe,
Spielzeug, Steckenpferd'. — Markolf 'der Nußhäher', der Mannsname Markolf. — Matz
in Starmatz, Piepmatz ist Kürzung von Matthäus. Dazu Mätzchen machen. — Mette
'fliegender Sommerfaden' ist eine Abkürzung von Margareta oder Medithild. — Metze
ist Koseform zu Mathilde. — Miez 'Katze' ist Koseform von Maria. — Nickel 'ver-
mummende Schreckgestah', Kürzung von Nikolas. Danach ist wieder das Metall benannt. —
Petz, Koseform zu Bernhard. — Reineke 'Fuchs' ist Kürzung zu Reginhard. Reinhard. —
Rüpel, ahd. Rupilo, Koseform von Ruprecht. — Stadies 'närrischer Mensch', Kürzung
aus Eustadiius. — Stoffel und Toffel, Kürzung von Christoffel. — Trine 'dumme
Person', Kürzung von Kathrine. — uzen zu Uz, Koseform von Ulridi, wie hänseln von Hans.
Anmerkung. Erschöpft ist damit der Stoff keineswegs. Ich erwähne nur noch neue Bil-
dungen wie sdiweningern, röntgen. Unendlich viel gibt es in den Sondersprachen der Wissen-
schaften, vgl. Vb//, Ampere, Farad,Weber. S. darüberH.DuNGER.Wiss.Beih.z.ZdADSV.9,136ff.
§ 243. Bedeutungsdifferenzierung lautlich verschiedener Wörter, die aus der-
selben Grundform entstanden sind. Wir kommen nunmehr zu einer weiteren
Frage, die viel besprochen worden ist. Die verschiedenen Formen eines
Haupt- oder Zeitworts, die miteinander assoziiert oder, wenn wir uns rein
äußerlich ausdrücken wollen, zu einem Paradigma verbunden sind, werden
oft durch die Lautveränderungen und die nachwirkende Formenassoziation
auseinandergerissen, so daß Doppelformen entstehen. So bilden die Neutra
im Mittelhochdeutschen einen Plural ohne Endung, das bant, diu bant.
An Stelle dieser endungslosen Form führt die Sprache allmählich wieder
welche mit Endungen ein, und zwar Formen mit -e oder mit -er. Zunächst
§243. Bedeutungsdifferenzierung lautlich verschiedener Wörter. 417
kommen häufig beide Bildungsweisen bei demselben Worte vor. Da die
Sprache aber jedem Überfluß abhold ist, so entsteht zwischen den Formen
«in Kampf, in dem die eine Form untergeht. Nur in einem Falle können
sich die Doppelformen erhalten, wenn nämlich in der Zeit, in der die beiden
Bildungsweisen bestehen, an sie eine Bedeutungsverschiedenheit geknüpft
wird. So haben wir als ein bekanntes Beispiel die Pluralbildungen Worte
und Wörter. Wörter soll man anwenden, wenn man von einzelnen Aus-
drücken redet. Freilich ist diese Unterscheidung durchaus nicht durch-
gedrungen und z. B. nicht in meinem Sprachgefühl vorhanden. Sie beruht
auch nicht auf einer natürlichen Entwicklung, sondern sie verdankt den Vor-
schriften der Grammatiker ihr Dasein, vgl. Schroeder, Vom papiernen Stil.
Früher hat man freilich sogar angenommen, die Sprache hätte solche
Verschiedenheiten zu dem Zweck geschaffen, derartige Bedeutungsunter-
schiede zum Ausdruck zu bringen. Davon kann keine Rede sein. Die
Doppelformen sind entstanden, und die Bedeutungsverschiedenheit hat sich
•allmählich damit verbunden.
Bei der verwickelten Zusammensetzung unseres Wortschatzes kommt noch ein anderer
Fall in Betracht. Die heute vorhandenen Doppelformen stammen aus ganz verschiedenen
Gegenden oder Sprachkreisen. Die eine Gegend, der eine Stand hat die eine Form bevor-
zugt, der andere die andere. Erst dadurch, daß derartige Formen in die Schriftsprache
aufgenommen worden sind, haben wir die Doppelheit erhalten. So sagen wir die Säue,
der Jäger aber bildet den Plural die Sauen, wobei er natürlich die Wildschweine meint,
der Unterschied der Schriftsprache ist daher jünger. Der Plural von Ort schwankt bis ins
18. Jh. als Orie und Örter. Noch Schiller sagt: an den Örtern, wo sie standen. Jetzt
hat Orte gesiegt, aber der Astronom redet nur von Fixsternörtern.
Anmerkung. Die besprochene Frage hat seit langem die Aufmerksamkeit der Sprach-
forschung erregt. Es bestehen eine ganze Reihe von Untersuchungen; da die Sache auf
allen Sprachgebieten dieselbe ist, so führe ich hier die Literatur auch aus den andern
Sprachen an: Nicolas Catherinot, Les doublets de la langue fran?aise, 1863. — A. Brächet,
Dictionnaire des doublets de la langue franfaise, Paris 1868, Supplement Paris 1871. —
CoELHO, Romania 2, 281 ff. (für das Portugiesische). — Caroline Michaelis, Romanische
Wortschöpfung, Leipzig 1876 (behandelt das Spanische und andere romanische Sprachen). —
Breal, Memoires de la societe de linguistique de Paris 1, 162 ff., 1868 (behandelt das Latei-
nische). — Eine kleine Sammlung aus dem Englischen steht bei Mätzner, Englische Gram-
matik^ 1, 221 ff. — O. Behaghel, Die neuhochdeutschen Zwillingswörter, Germania 23, 257 ff.
Der überaus reiche Stoff, der in dieser Richtung besteht, läßt sich nach
einigen allgemeinen Gesichtspunkten ordnen.
A. DOPPELFORMEN BEI EINHEIMISCHEM GUT.
1. Ein paar gleiche Wörter sind von den Grammatikern mit verschiedener Schrei-
bung versehen worden, so daß und das, Stadt und Statt, wieder und wider. In diesen
Fällen besteht kein Unterschied der Aussprache, aber die Bedeutungsverschiedenheit ist
da und bei dem Gebildeten mit der Schreibung verbunden.
2. Verschiedenes Geschlecht. Das grammatische Geschlecht haftet nicht durchaus
fest an dem Worte. Vielmehr vollziehen sich im Laufe der Zeit mannigfache Wandlungen.
Diese können natürlich nur so entstehen, daß eine Zeitlang Altes und Neues nebeneinander
steht. Das kann dann benutzt werden, um daran eine Verschiedenheit der Bedeutung zu
knüpfen. So haben wir: der, das Band, der, die Flur, der, das Mensch, der, das Schild,
Aer, das Verdienst, der, die See.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl. 27
418 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
3. Verschiedene Pluralbildung: Bande — Bänder, Dinge — Dinger. Lidite — l.iditer,
Ttidie — Tüdier. Worte — Wörter, Orte — örter, Effekte — Effekten, Männer — Mannen.
4. Durchführung der verschiedenen Formen eines Paradigmas.
a) n-Dekiination. Die «-Deklination flektiert mittelhochdeutsch Nominativ -e, die
übrigen Kasus -en. Nun wird bei leblosen Wesen der Akkusativ für den Nominativ ver-
wendet und dann ein starker Genitiv gebildet, während bei den belebten das e unter Um-
ständen abfällt. So haben wir Franke — Franken, Tropf - Tropfen, noch Haller sagt:
Du bist der Weisheit Meer,
Wir sind davon nur Tröpfe,
während Wieland dem armen Tropfen bildet; Lump — Lumpen, Rabe, Rappe — Rappert
(Münze), Bull— Ballen.
b) Fem. /-Deklination. Mittelhochdeutsch flektiert diese Nom.-Akk. stat, Gen.-Dat. stete.
Es wird nun teils die Nominativform durchgeführt, also die Stadt, der Stadt, oder die
Genitivform Stätte, und daran knüpft sich dann eine verschiedene Bedeutung. So noch
Fahrt -- Fährte, Gnatz — Gnätze.
c) Sonstige Fälle: Bett — Beet. Knabe — Knappe. Rabe — Rappe, Magd — Maid,
Quelle — Quell ; fahl — falb: gehl — gelb: gadi—jäh.
d) Verbalformen: drudaen — drildten: zudten — ziidien: bestellt — bestallt: durdi-
lendttet — durdilaudit: erleuditet — erlaudit: gesendet — gesandt: getröstet — getrost; ge-
wendet — gewandt: erhoben — erhaben.
5. Einfluß des Stammwortes. Grundwort und Ableitung sind häufig durch Vokal-
wechsel geschieden, z.B. Erde — irden, vgl. die oben S. 21 f. behandelten Lautgesetze. Da
aber der Zusammenhang der Worte vielfach noch gefühlt wird, so tritt in solchen Fällen
leicht eine Ausgleichung ein. Zum Beispiel wird das Adverbium ursprünglich vielfach ohne
Umlaut gebildet, es schließt sich dann aber später wieder seinem Adjektivum an. Nur
fast und sdion (eigentlich Adverbien zu fest und sdiön) haben sich erhalten, weil diese
beiden einen besonderen Bedeutungsinhalt bekommen haben. Gulden ist eigentlich das
Adjektivum zu Gold, mhd. guldin. Dies wird aber umgebildet zu golden. Ebenso steht
es mit hübsdi und höfisdi. In Ammann liegt die regelrechte aus mhd. ambetman ent-
wickelte Form vor, Amtmann ist neugebildet. Ebenso unterscheiden wir Jungfer und Jungfrau.
6. Verschiedene Suffixbildung. An Stelle von -heit tritt vielfach -/^Ä^/7, und es
entstehen dann Doppelformen, die eine Zeitlang in gleichem Sinne gebraucht werden. Wir
unterscheiden jetzt Kleinheit und Kleinigkeit, während man das im 18. Jahrhundert noch
nicht tat. So schreibt Goethe an Zelter: Der Fehler lag in fehlerhafter Konstruktion, die
sidi nadi und nadi aus hundert Kleinheiten entwidielt hatte. Umgekehrt spricht Kant von
der Kleinigkeit der hellen Punkte (der Fixsterne). Ebenso steht es mit Neuheit und Neuig-
keit, vgl. Lessing: Heldentaten hört man nur einmal mit sonderlidiem Vergnügen: ihre
Neuigkeit rührt am meisten.
B. DOPPELFORMEN DURCH ENTLEHNUNG.
Sehr viel Doppelformen sind auch dadurch entstanden, daß wir zu dery
schon bestehenden Worten die ursprünglich damit identischen aus unsere
Mundarten oder aus fremden Sprachen entlehnt haben,
1. Aus dem Mittel- und Niederdeutschen: Atem — Odem: Brunnen — Born:
ehe — eher; kneifen — kneipen; Ladie — Lake: Natter — Otter; nun-nu; (aus)rotten —
roden: sanft — sadit; Sdiaft-Sdiadit; sdiledit — sdilidit ; sdinauben — sdinaufen; Sdinupfen
— Sdinuppe: sühnen — versöhnen: Staffel — Stapel; Teidi — Deidi; Waffen — Wappen;
Buhne — Bühne; Drommete — Trompete.
2. Aus dem Englischen: streidien — streiken.
3. Aus dem Lateinischen und Romanischen. Entweder werden dabei Worte
entlehnt, die eigentlich urverwandt sind, oder es werden welche aus dem Romanischea
zurückentlehnt, oder sie werden aus der fremden Sprache mehrere Male herübergenommen.
§244. Die Ursachen des Bedeutungswandels. 419
und die Worte zeigen dann die verschiedenen Formen, die das Wort im Laufe der Zeit in
der fremden Sprache angenommen hat.
a) Urverwandtschaft liegt vorbei: Vater und Pater; lau — flau:Lanke — Flanke; Fell — Pelle.
b) Rückentlehnung: Balken — Balkon; Breche — Bresche; Dorf— Trupp. Truppe;
Feldstuhl — Fauteuil; graben — gravieren ; Laube — Loge ; Leiste — Liste; Mark — Marke;
Raub — Robe; Ring — Rang; Rock — Frack; Schmelz — Email; Wagen — Waggon ; warnen
— garnieren; Warte — Garde; Wette — Gage; Bollwerk — Boulevard; Beiwacht — Biwak.
c) Doppelentlehnung desselben Wortes aus einer fremden Sprache zu verschiedenen
Zeiten : Kompost — Kompot; legal — loyal; Parabel — Parole; Pfalz — Palast — Palais;
proben — prüfen; Pulver — Puder; Quadrat — Karree; real — reell; Spital, Spittel —
Hospital — Hotel; Speise — Spese; Joppe — Sdiaube; Schafott — Katafalk; Möbel — mobil;
Brief — Breve; Kerker — Karzer; Pacht — Pakt; Pfarre — Parochie; Sdiüler — Scholar;
Teppidi — Tapete; Ziegel — Tiegel; Partei — Partie; Beryll — Brille; Chaise — Katheder:
Armada — Armee; Pön — Pein; Reich — Schah.
§ 244. Die Ursachen des Bedeutungswandels. Die Bedeutung der Wörter
und der Bedeutungswandel ist bisher, wie vieles auf dem Gebiet der Sprach-
wissenschaft, von zwei Seiten behandelt worden, von Psychologen, die sich
natürlich mit den allgemeinen Fragen beschäftigen, und von den eigent-
lichen Sprachwissenschaftlern, die mehr von den konkreten Tatsachen aus-
gehen, oder, um zwei Namen zu nennen, von Wundt und H. Paul. Durch
diese getrennte, aber doch nach einem gemeinsamen Ziel strebende Arbeit
ist unendlich viel geleistet worden; und wir sehen heute in vielen Punkten
sehr viel klarer als früher. Aber freilich die Verhältnisse liegen durchaus
nicht einfach, und es muß noch vieles klar gestellt werden. Außerordentlich
belehrend sind die beiden Schriften von E. Wellander, oben S. 122 u. S.404.
Wenn wir zu einer richtigen Erkenntnis der Ursachen des Bedeutungs-
wandels kommen wollen, so müssen wir uns von vielen Anschauungen frei-
machen, namentlich davon, das Wort als solches ins Auge zu fassen, woran
wir uns durch die Benutzung der Wörterbücher gewöhnt haben. Das rein ab-
strakte Wort und die abstrakte Bedeutung gibt es nur im Wörterbuch. Die
Bedeutung eines Wortes wird auf zwei Weisen ergänzt. Entweder durch die
ganze Lage, in der wir uns befinden, so wenn wir Feuer! rufen oder am
Fahrkartenschalter fordern: Zweiter Berlin. Oder durch den Zusammen-
hang des Satzes, in dem sich das Wort befindet. Durch diesen ergibt sich stets
ein besonderer Sinn. Daher strebt die heutige Arbeit an Wörterbüchern auch
danach, möglichst alle Verbindungen anzuführen, in der ein Wort vorkommt.
An einem Beispiel will ich die Sachlage erläutern.
Wir lernen zwar Tisdi, lat. mensa, und denken dabei an unsern vierbeinigen Tisch,
es wird sozusagen bei dem Aussprechen des Wortes die Idee des Tisches bei uns erweckt.
In Wirklichkeit gibt es aber kaum eine Gelegenheit, wo wir das Wort allein gebrauchen
werden. Verfolgen wir dieses Beispiel einmal weiter.
Unser Tisch ist entlehnt aus gr.-lat. discus 'Wurfscheibe', in nachklassischer Zeit
'Schüssel, Teller'. Mit dieser Bedeutung kommt das Wort herüber. Noch ahhochdeutsch
heißt tisc auch 'Schüssel'. Unsern jetzigen Gebrauch können wir aber nur erklären, wenn
wir die kulturelle Entwicklung ins Auge fassen. Ursprünglich hatte man keine Eßtische im
Zimmer, an denen etwa mehrere hätten essen können, sondern wie Tacitus Germ. 22 be-
richtet: separatae singulis sedes et sua cuique mensa. Es waren kleine, meist wohl drei-
27*
420 Siebzehntes Kapitel. Bedeutungswandel.
beinige niedrige Tische, die zusammen mit der Speise ins Zimmer getragen und vor jeden
einzelnen hingesetzt wurden. Als sich nun die Sitte änderte, wurde der Ausdruck auch
auf die größeren Tische angewendet, und schließlich entwickelte sich eine Bedeutung, die
ganz von jener andern abwich. Aber jener alte Sinn 'Eßtisch' erhält sich bis zum heutigen
Tage. Wir sagen noch heute: den Tisch bereiten, zu Tisdie laden, rufen, bitten, zu Tisdie
gehen, kommen, sidi zu Tisdi setzen, bei Tisdie sitzen. In letzterm Ausdruck haben wir
eine alte Redensart mit ganz bestimmtem Sinn. Sagen wir aber um den Tisdi herum sitzen,
oder am Tisdi sitzen, so wird keiner an das Speisen denken.
Das Wort Tisdi nimmt aber nun infolge ganz natürlicher Übertragung die Bedeutung
Zeit des Essens an. Wir sagen vor und nadi Tisdi, vom Tisdie sidi erheben. Etwas anderes
ist wieder: reinen Tisdi madien. Aucii dies ist eine überkommene Redensart. Wir können
nicht in demselben Sinn sagen: den Tisdi rein madien.
Nach der Mahlzeit wurden die Tische einst wieder herausgetragen. Noch bis ins 16. Jh. sagte
man den Tisdi aufheben, wofür wir jetzt die Tafel aufheben gebrauchen. Bei diesem Worte, das
eine ganz ähnliche Bedeutungsentwicklung aufweist, wie Tisdi, hält sich die Redensart länger,
offenbar weil hier Ausdruck und Sache nicht in einem so starken Gegensatz stehen, wie bei Tisdi.
Durch metonymische Übertragung entwickeln sich weiter die Bedeutungen 'das Essen,
die Kost, die Mahlzeit, insbesonders die Mittagsmahlzeit', z. B. auf einen guten Tisdi halten,
einen guten Tisdi führen, ein sdilediter Tisdi. Daneben findet sich auch eine Verengerung:
Tisdi des Herrn 'Abendmahl', zum Tisdi des Herrn gehen.
Aus der Bedeutung 'Tisch', wie wir sie jetzt gewöhnlich haben, entwickeln sich außer-
dem eine Reihe andrer Benennungen. Je nach der Lage der Dinge findet sich eine be-
sondere Nuance: Spieltisdi, Sdireiotisdi, Küdientisdi, die aber nur selten ohne Zusammen-
setzung so gebraucht werden. Schiller spricht von einem Tisdi von Ruthen und Prälaten.
Da die Tische, an denen die Verhandlungen von Behörden stattfinden, meist grün überzogen
sind, so verbinden wir mit dem Ausdruck 'grüner Tisch' wieder einen besonderen festen Sinn.
Die Bedeutungsverschiedenheiten sind also, wie man sieht, an eine Reihe
fester Verbindungen geknüpft. Die obenerwähnten Redensarten be'iTisch sitzen,
reinen Tisch machen sind unveränderlich und müßten, genau genommen, als
Komposita aufgefaßt werden. Man muß sie lernen, wie man ja bekanntlich beim
Studium einer jeden fremden Sprache derartige Redensarten lernen muß. Es
sind die sogenannten Idiotismen. Wir haben nun oben auf die Sprache der
Altersklassen hingewiesen, insbesonders auf die in früheren Zeiten stark hervor-
tretende Abteilung der heranwachsenden Jugend, die zum guten Teil ein Leben
für sich führte. Diese werden nun sicher nicht alle die verschiedenen Be-
deutungen lernen, wie sie nicht alle Worte aufnehmen. Das weniger Übliche
schwindet allmählich, und so kann mit der Zeit eine Bedeutung vollständig
aufgegeben werden. Es kann dies natürlich auch die ursprüngliche sein.
Der Bedeutungswandel ist also an die Wortverbindung fest gebunden.
Jede ausführliche Darstellung der Bedeutungsentwicklung wird daher von
den mannigfachen Verbindungen ausgehen müssen, in denen ein Wort vor-
kommt. Wird in einer solchen Verbindung auf der einen Seite der Sinn
des Wortes näher begrenzt, so können sich anderseits dadurch, daß auch die
andern Worte eine mehrfache Bedeutung haben, wieder neue Assoziationen
einstellen, und es vermag dadurch eine neue Entwicklung angebahnt zu werden.
Diese Andeutungen mögen genügen. Das Gebiet ist zu umfangreich,
als daß es in Kürze befriedigend dargestellt werden könnte.
WÖRTERVERZEICHNIS
-a 202.
Aa 33. 44. 106. 202.
Aal 26. 184.
Aalraupe 185.
Aar 33. 179.
Aas 48. 109. 223.
ab 33. 123.
Abele 191.
Abend 26. 205.
Abenteuer 356.
Aberacht 306. 356.
Aberraute 356.
abgebrüht 356.
abgedroschen 313.
abgeführt 356.
Abseite 356.
abspannen 356.
Absticher 328.
Abt 25. 299.
abziehen 106.
Abzucht 356.
Abzug 356.
-ach 202.
Achat 200. 413.
Ache 202. 384.
acheln 332.
Achse 204.
Achsel 169.
Acht 347.
acht 166.
Acker 194. 313.
Ackerwurz 356.
Adebar 182. 352.
Adel 127. 212. 313.
Ader 18. 169.
Adler 183. 352.
Admiral 327.
Affe 12. 26. 135.
Affodill 356.
After 173.
-age 118.
Aglei 196.
Agn 106.
Ahle 219.
Ahn 33. 209.
ahnden 306.
Ahne 18. 33. 194.
Ahorn 100. 190.
Ähre 33. 106. 194.
Akademie 413.
Akelei 196.
Aktie 323.
Alant 185. 196.
Alarm 112.
Alb 383.
Albe 227.
Albe(l) 185.
albern 42. 242.
Albion 383.
Albus 324.
Alchemie 112.
Alchimie 334.
e. ale 223.
Alexandriner 413.
-alien 118.
Alkohol 112.
all 26.
allein 28.
Alligator 188.
allmächtig 162.
allmählich 356.
Allmende 352.
AUod 352.
Alm 106.
Almosen 299.
Al(o)se 185.
Alp 110. 298.
Alpdrücken 232.
Alpe 203.
Alpen 382.
Alraun 298. 352.
also 26.
alt 7. 11. 33. 242.
Altar 299.
Althee 196.
Amalgam 334.
Amarelle 191.
Amboß 106. 200. 352.
Ameise 186.
Amelmehl 193.
Amethyst 200.
Ammann 352.
Amme 88. 208. 290.
Ammer 182. 191.
Ampel 205. 299.
Ampfer 49. 197.
Amphibie 188.
Amsel 26. 106. 180.
Amt 137.
an 123.
anbequemen 159.
anberaumen 356.
Anchovis 185.
ander 18.26.109.167.
anderweit 352.
-aner 118.
Angedenken 300.
Angel 19. 25. 33. 186.
219.
Anger 33. 202.
Angst 33. 242.
Angster 218. 324.
anheischig 357.
Anis 196.
Anke 33. 44. 169. 179.
Anker 25. 326.
Anleihe 28.
Anmerkung 159.
anrüchig 357.
anschmusen 332.
Anschrift 158.
-ant 118. 123. 124.
Antlitz 41. 173. 352.
antworten 163. 403.
Apfel 12. 26. 107. 190.
Apfelsine 413.
Apotheke 233.
Arabeske 413.
Arbeit 212.
Arche 12. 25. 218.
arg 39. 241.
Arm 25. 33. 40. 169.
arm 25.
Armbrust 230. 357.
Ärmel 226.
Armut 8. 212.
Arsch 33. 169.
A'senal 327.
Art 256. 313. 347.
Artacker 33. 194.
artesisch 413.
Arve 190.
Arzenei 233.
Arzt 233. 350.
Asch 192. 216.
Asche 26. 33. 184.
Aschlauch 357. 413.
Äser 216.
Äser 216.
Asphalt 201.
Assel 186.
Ast 33. 46. 127. 191.
Aster 198.
Atem 18.43. 110.174.
Atlas 227. 413.
atmen 249.
Attentäter 357.
Ätti 88. 290.
Attich 196.
Attila 88.
got. a{)n 106.
auch 12. 28. 33.
Aue 33. 44. 202. 347.
Auer 110. 175.
Auerhahn 182. 352.
Auerochs 352.
Auf 182.
auf 12. 123.
aufgedunsen 252.
Auge 107. 169.
Aurikel 198.
aus 123.
Ausbeute 317.
Ausdruck 162.
ausdrucksvoll 159.
Ausfuhr 162.
ausgelassen 313.
ausmerzen 313. 357.
ausposaunen 302.
Ausstellung 162.
Auster 188.
aut 272.
Auto 113.
Aviso 327.
Axt 26. 33. 43. 219.
Baas 290.
Babe 88.
Babel 42.
[babbeln 88.
I Bach 202.
Bachauner 413.
Bachbunge 197. 352.
'Bache 178.
: Bachstelze 352.
j Bacenis silva 382.
I Backbord 326.
Backe 15. 169.
backenl5.26. 38. 222.
Bad 12. 25. 229.
baden 26.
Bafel 42. 333.
baggern 326.
bähen 15.
Bahre 15. 26. 219.
Bai 203. 327. 413.
Bajonett 413.
Bake 272. 326.
Bakkalaureus 357.
bald 241.
Baldachin 413.
Baldober 332.
Baldrian 196. 272.
Balg 15. 17. 169.
Balken 15. 215.
Ball 15.
Ballast 328.
ballhornisieren 413.
bammeln 85.
Band 219.
Bank 31. 216. 323.
Bankert 210.
Bann 306.
bannen 15. 38.
Banse 15.
bar 15. 26. 226.
-bar 116.
Bär 7. 15. 175. 177.348.
Barbe 185.
bärbeißig 316. 357.
Barch 177.
Barke 327.
422
WÖRTERVERZEICHNIS.
Bärlapp 352.
Bärinc 15.
barmherzig 156.
Barn 15. 193. 214.
Baron 211.
Barren 342.
Barsch 185.
barsch 243.
Bart 15. 20. 170. 229.
Barte 219. 230.
Bas 88. 333.
Base 88. 208. 290.
Basilisk 188.
Bast 15. 191.
Bastard 210.
Batengcl 196. 357.
Batist 227. 413.
Batzen 324. 413.
Bauch 172. 192.
bauchen 192.
bauchen 192.
bauen 15. 195. 313.
Bauer 28.
Baum 15. 28. 190.
baumeln 357.
Baumschlag 357.
Bayern 383.
be- 124.
beben 15. 89. 249.
Bechamelsauce 413.
Becher 195. 218.
Becken 31. 218.
Bedag 90.
bedauern 272.
Bede 248. 412.
bedingen 304.
beeinträchtigen 306.
Beere 27. 197.
Beet 15.
Beete 195.
Befehl 127.
begann 26.
begehren 248.
Beginn 413.
beginnen 29. 48. 65.
begreifen 162. 248.300
behende 31.
bei 28.
Beichte 156. 251. 276.
beide 12. 15. 167. 352.
Beifuß 357.
Beil 7. 48. 219.
Bein 28. 172.
Beispiel 252. 357.
beißen 11. 15.28.224.
Beißkar 357.
Beißker 145. 185.
Beiswind 202.
Beiwagen 159.
bekehren 156.
beladen 40.
Belche 179.
Beleg 127. 306.
Belt 31.
bemänteln 306.
Bemme 88.
Bengcl 219.
Bcnnc 204.
bcnschen 333.
bequem 31.
berappen 333.
berauben 28.
' Bereich 127.
; bereit 28.
JBerg 17. 202.
Bericht 127.
: Berline 204. 413.
Bernstein 199.
I Berserker 298.
; bersten 27.
' Bertram 196. 275. 357.
' berücken 316.
Beruf 127.
Beryll 200.
1 Besänmast 273. 327.
Besatz 127.
beschaulich 300.
I Bescheid 127.
; beschuppen 333.
I beschwiclitigen 276.
! beschwuddern 333.
besebeln 333.
Besen 27. 219. 295.
I Besing 197.
besprechen 232.
besser U. 27.
best 27.
bestechen 317.
Betonie 196. 413.
betrunken 349.
'Bett U. 15. 27. 216.
betucht 333.
Beule 232.
Beute 108. 216. 347.
Beutel 219.
bewegen 34. 250.
bezichtigen 34.
Bibel 413.
Biber 7. 15. 17.89.175.
Bibergeil 352.
Bibernell 357.
i bieder 65. 241.
'biegen 15.18.35.252.
Biene 15. 186.
Bier 29. 223.
bieten 11. 17.
I bigott 411.
' Bilchmaus 175.
Bilsenkraut 197. 352.
bimmeln 85.
Bimsstein 275. 352.
bin 48.
I Binde 15. 17.
I binden 29. 252.
Binetsch 196.
Bingelkraut 197. 270.
352.
binnen 125.
Binse 197.
Birke 15. 190. 192.
Birne 191. 275.
blrschen 314.
Bischof 12.29. 139.275.
299.
Bise 202.
Biß 29.
bissen 34.
bitte 17.
bitten 29. 248. 412.
bitter 17.29.110.241.
Bittsteller 159.
Blachfeld 352.
Blaffert 324.
blank 239.
Blankscheit 357.
Blase 172.
blasen 15. 250.
blaß 239.
Blatt 11. 26.
Blatter 232.
blau 49. 239.
bläuen 272.
blauer Montag 302.
Blech 333.
Blei 49. 135. 185. 199.
bleiben 34. 126.
bleich 12. 28. 239.
bleichen 28.
Bleuel 219.
bleuen 15. 226. 357.
blind 29. 109. 240.
Blinddarm 162.
Blitz 201.
Block 126. 219.
blöde 243.
blond 75. 239.
bloß 243.
Blume 15. 29. 198.
blümerant 240. 357.
Bluse 413.
Blut 172.
blut- 357.
Blutegel 187.
blutrünstig 352.
Bock 15. 178. 413.
Bockbier 357.
Bocksbeutel 357.
Boden 27. 34.
Bofist 357.
Bogen 230.
Böhmen 383.
Bohne 27. 193.
bohnen 271.
bohren 15.27.34.253,
Bohrer 219.
Bolle 15.
Bollwerk 158. 352.
Bolzen 230.
Bönhase 319.
Boot 104. 326.
Borch 177.
Bord 27. 39. 108. 273
326.
borgen 27.
Borke 191.
Borkirche 352.
Bornholm 383.
Borrctsch 196.
Börse 323. 413.
Borste 15.
Borte 226.
bosseln 253.
böse 241.
böse Sieben 168. 344.
, Bottich 27. 218.
Boykott 413.
brachen 34.
brachte 26. 32.
Brack 272.
Bracke 176.
brackig 49.
Brackwasser 352.
Bram(en) 197.
Bramsegel 326. 352.
Branke 173.
Brasse(n) 185.
Bratsche 113. 235.
braten 49. 222.
brauchen 106. 291.
Braue 15. 28. 35. 170.
brauen 15. 39. 222.
Bräutigam 200.210.352.
braun 15. 28. 35. 240.
Braut 210.
brechen 12. 15. 252.
-brecht 27.
Bregen 49. 170.
Brei 223.
breit 28. 243.
Breite 28.
Bremse 110. 186.
brennen 27. 108.
Brente 275. 357.
Brett 39.
Brezel 224.
Bricke 185.
Brief 238.
Briefwechsel 162.
bringen 29. 108. 250.
Brink 49. 394.
Brinte 275.
Brocken 32. 43.
Brodem 222.
Brombeere 197. 271.
352.
Bronze 199. 413
Brosame 357.
Brot 27. 223.
Bruch 15. 226.
! Brüche 305.
j Bruchstück 159.
Brücke 203.
Bruder 7. 12. 15. 18.
I 35. 208.
Brühe 223.
' brühen 222.
brüllen 251.
I brummen 49. 251.
j Brünne 231.
i Brunnen 15. 202.
WÖRTERVERZEICHNIS.
423
Brüsch 46.
dämpfen 222.
Dönges 273.
Düse 145.
Brust 101. 172.
Dampfschiff 162.
Donner 11. 13. 201.
Dusel 242.
Brut 29.
Dänisch Leder 357.
Donnerstag 298.
Dussek 145.
got. hTüpialps 211.
Dank 11. 26.
doppelt 168.
Dutzend 168.
Bube 87. 290.
dann 11.
Dorf 11. 215. 392.
Buch 12. 29. 237.
dar(um) 11.
Dorn 11. 14. 27. 34.
Ebbe 27. 105.
Buche 15. 35. 190. 192.
Darm 13. 170.
197.
eben 244.
Bücherei 158.
Darre 219.
dörren 14.
Ebenholz 191.
Buchsbaum 191.
das 13. 33.
Dorsch 109. 184.
Eber 106. 177.
Büchse 233. 275.
daß 11. 26.
dort 197.
Eberesche 190.
Buchstabe 237.
dauerlos 66.
Dost(en) 197.
echt 253. 275. 304.
Bude 29.
Daumen 11. 170.
Dot 290.
Ecke 19. 27. 33. 106.
Buff 86.
Daumen halten 343.
Drache 188.
Ecker 191.
büffeln 357.
Daune 28. 183.
Drachen 231.
edel 241.
Bug 15. 17. 35. 170.
Dechant 299.
Draht 11. 14. 26. 34.
Efeu 197.
bugsieren 326.
Decher 168.
219.
Egge 194. 219.
Bugspriet 326. 352.
Dechsel 13. 219.
Draisine 413.
Ehe 100. 209. 253. 304.
Buhle 290. 291.
dechsen 226.
drall 243.
ehender 357.
Bulle 177.
decken 11. 13.
Drang 11. 26.
ehegestern 207.
bummeln 86.
Degen 11. 13.48.357.
drechseln 14. 39.
Ehehaften 306.
Bundschuh 413.
dehnen 13. 252.
Dreck 174. 179. 297.
ehern 27. 33. 199.
Burg 29. 215. 392.
Deich 274.
drehen 11. 14. 253.
Ehren- 357.
Bürge 306.
Deichsel 13. 204.
drei 11. 14. 166.
Ehrenpunkt 162.
Burgunden 137.
deichseln 357.
Dreibund 162.
Ei 183.
burschikos 294.
dein 11. 28.
dreist 241.
-ei 118.
bürsten 357.
Delle 31.
Drell 167.
Eibe 190.
Bürzel 196.
dem 48.
dreschen 11. 27.
Eibenschütz 192.
Busch 191. 198.
Demant 200.
drillen 11.
Eibisch 196.
Buse 275.
Demut 109. 139. 352.
Drilling 167.
Eiche 12. 28. 33. 190.
Büse 327.
denken 11. 13. 106.248.
dringen 250.
Eichel 191.
Busen 172.
derb 243.
dritte 14. 18.
Eichhorn 176. 357.
Bussard 357.
Deube 32.
drohen 14.
Eid 12. 28. 108. 137.
Buße 29. 306.
deutsch 13. 211. 377.
Drohne 186.
Eidam 209.
butt 243.
Deut 324.
Dromedar 178.
Eidechse 187.
Butt(e) 185.
Diamant 200.
Droschke 145. 204.
Eidergans 352.
Butte 218.
dicht 41. 243.
Drossel 12. 14. 27. 172.
ei der Tausend 168.
Büttel 218. 306.
dichten 238.
179.
Eifer 42.
Butter 29. 179. 224.
dick 11. 29. 108.
drucken 271. 318.
eigen 110.
Butzenmann 298.
Dickbein 170. 357.
drückenl08. 253. 271.
Eiland 328. 357.
Dickicht 316.
318.
eilen 250.
Cancan 235. 294.
Dieb 11. 29. 306.
Drude 298.
Eimer 167. 218. 357.
Cello 235.
Diebstahl 352.
Drüse 172. 232.
ein 28. 33.
Chaise 204.
Diele 13. 215.
du 12. 14. 34.
Eindruck 162.
Champagner 413.
Diener 212.
Dublone 324.
eingefleischt 159.
Chassepot 413.
Dienst 212.
Ducht 219. 275.
Einkommen 162.
Chaussee 203. 394.
Dienstag 157. 357.
Duckmäuser 352.
Einöde 212. 357.
Chauvinismus 413.
dies 29.
dudeln 145.
eins 99. 165. 167.
-chen 118.
Dietrich 413.
Dukaten 324. 413.
Einschiebsel 159.
Cheviot 413.
Dill 197.
dulden 12. 14. 249.
einschreiben 159.
Chinin 413.
Ding 29. 106.304.399.
Dult 139. 206.
einsehen 248.
cif 90.
dingen 304.
dumm 29. 41. 240.
Einsiedel 156.
dingfest 304.
dumpf 243.
Eintracht 357.
Da 11.
Dinkel 193.
Düne 105. 203.
einverleiben 159.
Dachll. 13.26.33.213.
Dirne 212. 409.
Dung 29.
Eis 28. 110. 201.
Dachs 175.
Distel 11. 29. 197.
dunkel 244.
Eisbein 172. 357.
dachte 26. 32.
Doa 90.
dünken 12.
Eisen 28. 137. 200.
Dahlen 274.
Döbel 185. 219.
dünn 12. 14. 48. 243.
Eisenbahn 162.
Dalles 333.
doch 11.
Dunzel 212.
Eiß 17.
Dallinger 333.
Dock 326.
durch 12. 30.
ahd. eit 15.
Damast 413.
Dohle 182.
Durchlaucht 162. 272.
eitel 28. 244.
Damaszener 413.
Dohne 13.
Durchmesser 159.
Eiter 17. 232.
Dame 212.
Dolch 108. 145.
durchpausen 275.
ekel 244.
Damhirsch 178.
Dolman 145.
Dürnitz 146.
Ekelname 357.
Dämmerung 13. 205.
Dolmetsch 145.
dürr 244.
-el 118.
Dampf 12. 205.
Domino 413.
Durst 12. 108. 224.
Elbe 15. 385.
424
WÖRTERVERZEICHNIS.
Elbinß 385.
Ernst 27.
Faust 109. 170.
Firnewein 353.
Elbs 181.
Ernte 109. 194.
Fauteuil 75.
First 14.
KIch 12. 27. 175.
Erpel 182.
1 Fayence 413.
Fisch 14. 29. 34. 184.
nicfant 178.
erpicht 316.
Fechdistel 352. 353.
fischen 186.
-elei 118.
erster 167.
fechten 27.
m//rf. fisel 171.
Elen 145.
erwilgcn 250.
1 Feder 12. 14.27. 170.
1 Fistel 233.
elend 31. 352.
erwiUinen 44. 251.
Feh 33.
fisten 14. 46. 249.
lilentier 352.
Erz 135. 200. 299.
Fehde 306.
Fitze 14.
elf 166.
es 11.
Fehe 14. 240.
fix 293.
Elfe 298.
Esch 106. 194.
Fehwammc 353.
flach 14.
Elfenbein 352.
Esche 31. 190.
Feier 206. 299.
Flachs 26. 193.
Elixier 233. 334.
Esel 31. 42. 178.
Feifalter 106.
Fladen 14. 223.
Elle 27. 33. 170. 214.
Espe 31. 109. 190.
Feige 191.
Fladuse 237.
Elm 382.
Esse 214.
feige 241.
Flagge 26. 326.
Elritze 185.
essen 11. 27.34.224.
feil 14. 321.
Flamberg 358. 414.
Elsaß 352.
Essenz 334.
Feile 28. 219.
flämisch 414.
Else 190.
Essig 31. 195.
Feim 14. 28. 33.
Flasche 195. 218.
Elster 182.
Essigmutter 352.
fein 256.
Flaum 183. 273.
Elter 113.
Estrich 31. 215.
feist 28. 244.
flechten 14. 34. 226.
Eltern 208.
Ettcr 213.
Felber 100. 110. 190.
Flecken 392.
Email 75.
Etzel 88. 208.
Felchen 273.
Fledermaus 175. 353.
empfinden 247.
Etymologie 5.
Feld 14. 27. 194.
Flederwisch 358.
empor 275.
Eule 182.
Feldmesser 158. 160.
Flegel 31. 195.
Emporkömmling 159.
Euter 11. 170.
Feldwebel 353.
flehen 42.
emsig 244.
Ewer 326.
Felge 27. 219.
Fleisch 28. 170.
Ende 27.
ewig 33. 305.
Fell 14. 48. 170.
flennen 248.
endgültig 160.
Felleisen 357.
Fletz 214.
Endivie 198.
Fach 14.
Fels 14.
Flieder 197.
eng 15. 44. 243.
Fackel 205.
Feme 306.
Fliege 187.
Engel 139. 299.
Faden 12. 14. 26. 108.
Fench 195. 273.
fliegen 250.
Engerling 187.
326.
Fenchel 195.
fliehen 29. 42. 250.
Enkel 170. 209.
fahen 14.
Fenster 214. 215.
Fliese 198.
-enser 118.
fahl 14. 42. 240.
Ferge 31. 47.
fließen 14.
ent- 33. 123. 124.
fahnden 357.
Ferien 206.
Flint 199.
Entartung 163.
Fahne 14. 33. 226.
Ferkel 14. 177.
Flinte 231.
Ente 18. 33. 163. 179.
Fähre 192.
fern 14. 27.
Flittich 358.
Enterich 182. 357.
fahren 14. 26. 250.
Ferse 14. 19. 170.
Flitz 231.
entern 327.
fahrlässig 306. 357.
Fes 413.
Flitzbogen 353.
entsprechen 163. 278.
falb 14. 26. 42. 240.
Fessel 14. 219.
Flocke 227.
entwickeln 163.
Falke 182.
Fest 206.
Floh 14. 27. 187.
entziffern 163.
Falle 219.
fest 243.
Flom 172.
entzwei 167.
fallen 26. 250.
Fettmännchen 357.
Flor 228.
Eppich 195.
fallende Sucht 158.
Fetzen 31.
Florin 324. 414.
Equipage 204.
Fallreep 326.
feucht 110. 244.
Flöte 235.
-er 118. i
Fallstrick 316.
Feuchte 32.
flöten gehen 358.
er- 124. ]
falsch 242.
Feuer 14. 99. 205.
flott 295. 328.
erbarmen 156.
fälschen 242.
Fiaker 204. 395. 413.
Flotte 326.
Erbe33. 108. 137.306.
-falt 14.
Fichte 14. 100. 190.
fluchen 14.
Erblasser 160.
Falte 11.
fickt 106.
flügge 275.
Erbse 42. 135. 193.
Falter 187. 188.
fidel 293.
Fluh 14. 203.
Erde 12. 27. 202.
Falz 14.
Fidibus 294.
Flunder 30. 185.
Erdgeschoß 160.
Farbe 240.
got. fidwör 18.
Flur 14. 29. 108. 202.
Erdkunde 160.
Farn 197.
Fieber 29. 233.
214.
erdrosseln 27. 172. j
Farre 14. 177.
Fiedel 29. 235.
Fluß 202.
Erdzunge 160.
Färse 14. 177.
Filz 14. 30. 226.
Flut 14. 35. 105.
-erei 118.
farzen 14. 249.
finden 29.
fob 90.
ereignen 357.
Fasan 183. 413.
Finger 29. 172.
Fock 326.
Ereignis 270.
Fasel 14.
Fink 14. 29. 179. '
fodern 273.
Er(e)n 214.
Faselschwein 177.352. ,
Finkeljochem 333.
ahd. föh 106.
ergötzen 43.
Fasen 226.
Finne 106. 187. 273.
Fohlen 14. 177.
erinnern 248.
Faseole 196.
382.
Föhn 202.
erlauben 28.
Faser 226.
finster 42. 49. 243.
Föhre 14. 190.
Erle 190.
Faß 14. 216.
mhd. Firgunt 192.
folgen 27. 250.
Erlkönig 298.
faul 14. 28. 35. 232.
Firlefanz 234. 357.
folgerecht 66. 160.
Erlöser 163.
faulenzen 416.
firmeln 299.
foppen 333.
Wörterverzeichnis.
425
Forelle 14. 184.
Forke 195.
forschen 14. 34. 248.
Forst 191.
Fortschritt 163.
Frack 228.
fragen 14. 39. 248.
Fragner 273. 322.
Fraisen 232.
Fraktur 318.
Frank 324.
frank 414.
Frank(en) 414.
Franzbrot 414.
Frau 211.
Fräulein 212.
frech 108.
frei 14. 108. 137. 211.
243. 405.
Freidenker 160.
freidig 14. 18.
Freistatt 158.
Freitag 28. 298. 353.
fremd 244.
fressen 224.
Freude 31.
freudig 358.
freuen 249.
Frevel 42.
frevel 242.
Friede 230.
Friedhof 358.
frieren 14. 29. 201.
Friesel 232.
frisch 14. 30. 109.
frohlocken 249. 353.
Frohn 110.
fromm 14. 241.
Fron- 211.
Frondienst 413.
fronen 211.
Fronleichnam 353.
Frosch 187.
Frost 27. 201.
früh 14.
Frühling 206.
Fuchs 175.
Füchse 333.
füge 35.
fügen 252.
fühlen 14. 247.
führen 250.
Füllen 14. 177.
Fundgrube 317.
fünf 14. 18. 44. 166.
Funke 205. 333.
Funse(l) 205.
Funzel 205.
Furche 14. 30.
Furcht 242.
fürder 12.
Fürst 167. 211.
Furt 14. 203.
Fußll. 14.29.101. 170.
Fußtapfe 358.
Fut 170.
Futter 14. 35. 110.219.
223.
Futteral 219.
Gabel 108. 219. 313.
Gabelfrühstück 160.
Gaden 212.
Gaffel 326.
gaffen 12. 26.
Gagat 414.
gähnen 14. 249.
Gala 212.
Galan 212.
galant 212.
Galgant 196.
Galgen 14. 26. 219.
Galle 14. 26. 170.
Galmei 200. 201. 275.
Gamander 196. 275.
Gamasche 414.
Gambe 113. 235.
ganfen 333.
Gang 14.
Gangspill 326.
Gans 14. 26. 33. 101.
179.
Ganser 182.
Gant 275. 323.
Ganter 182. 275.
ganz 244.
Garbe 17. 197.
Gardine 275.
gären 44.
Garn 14. 25. 170.226.
Garnat 188.
Garnele 188.
garstig 243.
Garten 14. 33. 213.
Gas 89.
Gasse 203. 393.
Gast 14. 31. 33.
Gastfreund 160.
got. gastifads 75.
Gatte 210.
Gatter 213.
Gau 202.
Gauch 179.
Gaudieb 353.
Gaul 177.
Gaumen 14. 170.
Gauner 333.
Gaze 228. 414.
ge- 124.
gebären 34.
geboren 27.
gebunden 30.
Geburt 18. 34.
mhd. gedingen 249.
Geduld 34.
Geest 203.
Gefahr 14. 26.
Gefäß 217.
gefroren 27.
gefunden 30.
gegangen 250.
legend 163.
Gegenfüßler 158.
Gegenschwäher 350.
Gegenstand 160.
Gegenwart 207.
gehen 250.
geheuer 244,
gehl 42. 240.
gehört 11.
Geier 182.
Geige 235.
geil 243.
Geisel 108. 137.
Geiß 11.14.28.33.106.
178.
Geißel 219.
Geist 14. 28. 46.
Geiz 109.
geizen 248.
gelb 14. 27. 42. 240.
Geld 321.
Geleise 44.
geleitet 28.
Gelenk 172.
gellen 27.
Gelse 187.
gelt 244.
Gelte 218.
i gelten 27.
Geize 177.
Gemahl 209. 210.
gemein 33. 106. 243.
j Gemeinde 156.
Gemeingeist 160.
I Gemeinplatz 159.
j Gemme 200.
I Gemse 178. 275.
Gemüse 48. 223.
gemütlich 303.
genau 244.
Genf 382.
genießen 45.
1 genug 244.
genung 273.
Ger 14. 230.
Gerade 306.
gerade 126. 244.
Geranium 198.
gerben 42. 225.
gerecht 306.
gering 243.
geritten 11.
Germanen 378.
Germer 197.
gern 14. 27. 244.
I Gerste 14. 17.46. 106.
193.
, Gerstenkorn 214.
Gerte 14. 33. 46. 106.
! 109.
i Gerücht 276.
gescheit 244.
gescheut 270.
geschlagen 26.
Geschlecht 211.
1 Geschmack 247.
; geschossen 27.
geschwind 108. 243.
Geschwür 232.
i Geselle 318.
i Gesichtspunkt 163.
j Gesinde 203.
' gesotten' 11. 27.
Gespan 145.
Gespenst 298.
I gestern 27. 34. 207.
I gestohlen 27.
Gestrüpp 107.
gesund 30.
gesungen 30.
gesunken 30.
Getreide 276.
Gevatter 156.
geviert 160.
Gewähr 306.
gewahren 247.
Gewehr 230.
Geweih 172.
gewesen 46.
Gewicht 172. 250.
gewinnen 29. 106.
gewiß 48.
Gewissen 156.
Gewürz 358.
Gicht 232. 251.
Giebel 17.34. 170. 185.
214.
Gienmuschel 249.
Gier 248.
gießen 14. 35. 106.
Gift 29. 349. 405.
Gilde 29.
Güte 218.
Gimpel 182. 270.
Gips 201.
Gitter 213.
Glas 25. 199.
glatt 14. 15. 26. 243.
gl au 244.
Glaube 126.
glauben 28. 248.
I Glaubensbekenntnis
158.
Glaubersalz 414.
gleich 28. 109. 126.
Gleicher 160.
Gleichgewicht 163.
gleichnamig 160.
Gleis 126. 316.
Gleisner 126.
gleiten 28. 250.
Gletscher 153.134.203.
Glied 126. 170.
Glimmer 201.
Glimmstengel 161.
GHmpf 126.
glitzern 29.
Glocke 275.
Glück 126.
426
WÖRTERVERZEICHNIS.
Glücksritter 160.
Glücksspiel 158.
glum 244.
glupen 247.
Glut 205.
Glucke 275.
Gnade 126.
Gnadenwahl 160.
Gnätze 232.
Gneis 201.
Gnitte 187.
Gobelin 414.
Gockel 181. 275.
Gold 14. 18. 200.
Golf 203. 327.
Göre 21. 208.
Gote 298.
Gott 11. 27.298.347.
Gotte 156.
Götti 156.
Gottlieb 358.
Götze 298.
graben 109.
iraf 126. 211. 405.
gram 14. 244.
Granat 200.
Grand 199.
Granit 201.
Graphit 201.
Gras 25. 197.
graß 244.
Grat 108.
grau 14. 106. 240.
Graupe 145. 201.
Graus 199.
Grauß 199.
Greif 183.
greifen 12. 28. 109.
greinen 248.
greis 240.
grell 244.
Grenze 145.
Grieche 12. 29. 140.
Gries 223.
Griesgram 353.
Grieß 199.
Griffel 219. 238. 358.
Grille 188.
Grind 232.
grinen 248.
grinsen 248.
Grippe 145.
grob 126.
Grobgrün 358.
Grobzeug 358.
Grog 414.
Groppe 185.
Groppen 217.
Groschen 324.
groß 27. 244.
Gruft 358.
Grummet 353.
grün 240. 400.
Grund 30. 202.
Grundsatz 160.
Grundstein 158.
Grünspan 353. 358.
grüßen 11.
! Grütze 223. 358.
! gucken 247.
Gudrun 230.
Guillotine 414.
I Gulasch 145.
Gulden 324.
Gundelrebe 197.
Gundermann 197.358.
, Günsel 196.
Günther 230.
! Gurgel 173.
t Gurke 145.
Gurt 219.
Gürtel 219. 226.
Gut 313.
gut 11. 29. 241.
gut Geschirr 358.
Haar 26. 172. 193. 202.
228.
Haardt 382.
Haarstrang 382.
haben 17. 33. 106.
Habergeiß 13. 178.353.
Habicht 182.
Hachse 13. 170.
Hacke 219.
Hacken 172.
hacken 47.
Hacksch 109.
Hader 13. 100. 108. 230.
Hafen 103. 104. 217.
326.
Hafer 193.
Hafergeiß 33.
Haft 33.
-haft 13. 117.
Hag 108.
Hagel 13. 26. 201.
Hag(en) 197.
Hagen 109.
hager 13. 19.
Hagestolz 358.
haben 32.
Häher 110. 179.
Hahn 13. 181.
Hahnrei 210.
Hai 184.
got. haihs 33. 240.
Hain 197.
Hakatisten 90.
Haken 219.
halb 25. 244.
Halbwelt 160.
Halde 202.
Hälfe 113.
Halfter 219.
Hall 389.
Halle 13. 213.
Hallore 293.
Halm 13. 194.
Hals 13. 106. 170.
halten 11.
Halunke 91. 145.
Hamen 17. 186.
Hamme 13.
Hammel 241.
Hammer 13. 26. 198.
219.
Hamster 175.
iHand 13.26. 114. 170.
' 173.
handhaft 306.
, handlangen 358.
1 Handstreich 160.
! Handwerk 318.
Hanf 12. 13. 31. 133.
135.
Hängematte 326. 358.
i Hanke 172.
i hänseln 416.
Hantel 342.
' hantieren 3^8.
Hapag 90.
[Härder 185.
'Harfe 12.25.219.235.
Harke 220.
Harlekin 298. 414.
Harm 13. 25. 109.
harmlos 160.
Harn 174.
Harnisch 231.
harren 249.
harsch 243.
hart 11. 13. 18. 243.
-hart 382.
Hartriegel 190.
Harz 13. 191. 382.
Hase 13. 26. 102. 106.
175. 240.
Hasel 13. 26. 190.
haselieren 358.
Haspe(l) 220.
Haß 13.
Haß 226.
hassen 11. 26.
hasten 250.
hatte 11. 26.
Haube 13. 226.
Haubitze 145. 231.
Haue 220.
hauen 13. 253.
Haufen 12. 28.
Haug 202.
Haupt 11. 13. 28. 170.
Haus 28. 48. 212.
Hausen 185.
Hausmeier 160.
Haut 13. 35. 170.
Havarie 358.
Hebamme 358.
Hebel 220.
heben 13. 27. 33. 106.
Hechel 220.
Hecht 185.
Heck 326.
, Hecke 27. 108.
Hede 193.
Hederich 358.
Heer 13. 33. 328.
Heft 220.
heftig 244. 272.
hehlen 13.
hehr 27. 243.
Heide 12. 13. 28. 139.
202.
Heiduck 145. 414.
heikel 244.
heil 13.
heilen 28.
heilig 28. 139.
heiligen 28.
Heim 13. 28. 214.
Heimat 212.
Heimchen 187.
Heimweh 278.
heint 207.
Heinz 416.
Heinzelmännchen 298.
Heirat 13. 209. 353.
heischen 28. 248.
heiser 28. 232.
heiß 11. 205.
Heister 190. 382.
Heit 116.
-heit 13. HO. 116.
heiter 13. 18. HO.
Held 108. 137.
helfen 12. 27. 109.
hell 244.
Hellebarde 353.
Heller 31. 324. 414.
hellig 244.
Helling 326.
Hellseher 160.
Helm 13. 27. 31. HO.
220. 230.
Hemd 226.
Hengst 177.
Henkel 220.
Henne 27. 181.
Heppe 178.
jherb 241.
Herberge 353.
Herbst 13. 27. 206.
Hercynia Silva 192.382.
I Herd 12. 27. 214.
! Herde 27. HO. 179.
Hering 185.
Herlitze 190.
Herme 414.
! Hermelin 13. 175.
I hermetisch 414.
Herr 211.
herrisch 358.
herrlich 358.
Herz 11. 13. 27. 170.
Herzog 34. 107. 211.
328,
Herzynisch 137.
Hesse 31.
, Hessen 137.
WÖRTERVERZEICHNIS.
427
Helman 145.
Hettel 42. 178.
hetzen 250. 316.
Heu 197. 333.
heuer 106. 207.
heuern 326.
Heuschrecke 187.
heute 17. 207.
Hexe 298.
Hexenschuß 232.
Hiefe 197.
hier 29.
Hifthorn 353.
Hilde- 230.
Hilfsquelle 160.
Himbeere 197. 353.
Himmel 42. 48. 201.
Hinde 29.
hindern 29.
hinke 13. 241.
Hinkel 181.
hinten 29.
Hintere 173.
Hinterwäldler 160.
Hippe 178. 220.
Hirn 13. 170.
Hirsch 13. 106. 175.
Hirse 13. 193.
Hirt 11. 179.
Hisch 211.
hissen 326.
Hobel 220.
hoch 243.
Hochstapler 333.
Hochzeit 209.
hocken 251.
Höcker 109. 171. 358.
Hode 171.
Hof 213.
hoffen 12. 27. 32. 249.
Höhenrauch 358.
hohl 13. 27.
Hohn 13.
hohnecken 358.
Hokuspokus 414.
hold 244.
Holle 228.
Hölle 139. 156. 298.
Holm 13. 202.
Holunder 190.
Holz 13. 191.
Honig 13. 19. 34. 187.
Hopfen 12.27.43.193
horchen 247.
Horde 145. 213.
hören 13. 27. 33. 247.
Hörn 13. 27. 34. 171.
235.
Hornis 13.
Hornisse 34. 186.
Hornung 206.
Hort 13. 27. 34.
Hose 27. 226. 289.
Hotte 217.
Hube 35. 213.
hübsch 256.
Huf 13. 29. 110.
Hufe 13. 213. 214.
Huflattich 196.
Hüfte 13. 171.
Hügel 202.
Huhn 13. 107. 181.
Hülse 220.
Hülst 197.
Hummel 41. 186.
Hummer 13. 34. 187.
Humor 234.
humpeln 13.
Humpen 13. 39. 135.
217.
Hund 13.30,114.175.
Hundejunge 316.
hundert 13.30.34.166.
Hüne 298.
Hunger 30. 224.
Hungertuch 302.
hüpfen 12. 250.
Hürde 13. 34. 107. 213.
Hure 13. 35.
Husar 145.
Husten 13. 232.
Hut 226.
Hütte 213.
Hutzel 191.
-iade 119.
-ian 116.
Ibea 90.
I ich 34.
i-icht 117.
-ier 119.
' -ieren 118.
Igel 15. 42. 176.
-ikus 119.
IIa 90.
Iltis 176.
Imme 41. 186.
in 29. 34.
-in 117.
Indian 414.
Indigo 414.
-iner 118.
Infusorien 188.
-ing 117.
Ingwer 273.
Innung 318.
Insekt 188.
Inster 171.
irgend 305.
irre 244.
irren 34. 107.
Iser 380. 386.
' ist 34.
-ist 119.
Istros 386.
Itsche 188.
jach 244.
Jacht 326.
I Jacke 414.
jagen 250.
jähe 244.
Jahn 44. 416.
Jahr 26. 44. 206,
Jahrbücher 158.
Jahrhundert 207.
Jahrtausend 207.
' Jahrzehnt 207.
, Jalousie 218. 344.
Jammer 44.
Janhagel 328. 416.
I Jaspis 200.
• jäten 44.
Jauche 145.
je 305.
^ jehen 251.
■ Jeremiade 414.
: Joch 12. 34. 44. 220.
i 314.
Jochem 333.
Jockei 416.
Jolle 326.
! jovial 414.
Jubeljahr 353.
Juchert 44.
Juchten 145. 275.
I jucken 232.
! Jucks 293.
I Jugend 12. 44.
Ijüh 176.
Juli 414.
jung 19. 30. 34.44. 243.
Jungfer 353.
Jungfernrede 160.342.
Juni 414.
Junker 353.
Jütland 383.
Kabache 145.
Kabel 327.
Kabeljau 185.
Kabriolett 204.
Kabrusche 333.
Kachel 215.
Kadetten 90.
Käfer 31. 187.
Kaff 194.
Kaffer 333.
Käfig 183. 273.
Kafiller 333.
Käfter 215.
kahl 42. 245.
Kahn 104.
Kaiser 133. 211. 414.
Kaiserschnitt 160.
Kakerlak 188.
Kalatschen 333.
Kalauer 358.
Kalb 25. 177.
Kälberkern 358.
Kaidaunen 173.
Kalebasse 198.
Kalekut 414.
Kalesche 145. 204.
Kalfakter 294.
kalfatern 327.
Kalk 26. 215.
Kalmus 198.
kalt 11. 15. 40. 243.
Kamelie 414.
kamen 34.
Kamille 196.
Kamm 15. 33. 39. 41.
220. 229.
Kammer 215.
Kammertuch 228. 353.
414.
Kampf 230. 305.
Kämpfer 358.
Kanapee 218.
Kandare 145.
Kandel 217.
Kandelaber 205.
Kaninchen 178.
Kanker 187.
kann 26.
Kanne 217.
Kannibale 414.
Kanone 358.
Kante 217.
Kantschu 145.
Kanzel 299.
Kap 203.
Kapelle 299.
Kaper 326.
Kaplan 299.
kapores 333.
Kappe 26. 227.
Kappes 195.
Kapphahn 358.
Kappzaum 358.
Karaffe 218.
Karausche 145. 185.
Karbatsche 145.
Karch 204.
Kardätsche 196,
Karde 196.
Karfreitag 353.
Karfunkel 200. 358.
karg 244.
karmin 240.
Karneol 200.
Karolin 324.
Karosse 204.
Karotte 198.
Karpfen 12. 185.
Karre(n) 204.
Karrete 204.
Karriere 204.
Karriol(e) 204.
Karst 220.
Kartause 414.
Kartoffel 196.
kaschieren 344.
Kaschmir 228. 414.
Käse 179. 224.
Kasel 227.
Kasperl 416.
Kassiber 333.
Kastanie 191.
428
WÖRTERVERZEICHNIS.
kasteien 299.
Kasten 217. 333.
Kästen 134.
Kate 213.
Kater 176. 358.
Kattun 228.
Katze 26. 176.
Kauderwelsch 353.
kauen 15. 109. 224.
kauern 15. 251.
Kauf 12. 28.
kaufen 28. 321.
Kaulbarsch 353.
Kaulquappe 353.
kaum 244.
Kaute 145.
Kauz 182.
Kavalier 211.
Kebse 210.
keck 243. 272.
kedern 251.
Kees 203.
Kegel 210. 220.
Kehle 15. 171.
Keidel 48. 220.
Keil 48. 220.
Keiler 145. 178.
-keit 116.
Keitel 217.
Kelch 31. 172. 195.218.
Keile 220.
Keller 133. 215.
Kellner 133. 215.
Kelter 195.
Kemenate 215.
kennen 15. 40. 248.
kentern 31. 326.
Kerbel 133. 195.
kerben 15. 27.
Kerf 113.
Kerker 31.
Kerl 27.
Kern 15.
Kerze 205.
Kescher 217.
Kessel 27. 31. 42. 218.
Kessellreiben 316.
Kette 31. 179. 358.
Kettich 197.
Keule 220.
Keuper 201.
keusch 244.
Keusche 145.
Keuschlamm 358.
Kibitz 182. 275.
Kichererbse 133. 195.
Kiefer 171. 190.
Kieke 217.
kieken 247.
Kiel 29.
Kiepe 217.
Kies 333.
Kiesel 199.
kiesen 15. 247.
Kieze 213.
Kilbi 206.
Küche 273.
Kilt 113.
Kimme 220.
Kind 15. 29. 208.
Kinn 15. 29. 48. 171.
Kinnbein 405.
Kippe machen 333.
Kirb(e) 206.
Kirche 133. 299.
Kirchweih 206.
Kirmes 206.
kirre 244.
Kirsche 133. 191. 414.
Kiü(e) 220.
Kissen 270.
Kiste 133. 217.
Kitt 44. 191.
Kittchen 333.
Kittel 226. 228.
Kitze 178.
kitzeln 43.
Klabautermann 298.
Klafter 109. 214. 306.
klagen 251.
Klamm 202.
: Klammer 220.
Klampe 220.
' klar 240.
klauben 252.
Klaue 15. 171.
I Klause 299.
' Klavier 235.
! Klee 27. 197.
iKlei 15. 199.
Kleid 12. 28. 226.
klein 28. 243.
Kleinmeister 160.
Klepper 333.
Klette 197.
klettern 250.
klieben 15.
klimmen 29. 41. 250.
Klingel 220.
Klingelbach 384.
Klinke 220.
Klinker 201.
Klippe 29.
' Klippschule 353.
Kloben 220.
Klöpfel 220.
Kloster 299.
Klotz 220.
Kluft 333.
klug 15. 108. 242.
Kluppe 220.
Klüver 326.
' Knabe 26. 208.
Knan 275.
Knaster 411.
Knebel 15. 39. 220.
Knecht 27. 212.
Kneif 220.
Kneipe 220. 278. 333.
Knes 145.
knete 108. 253.
Knie 15.29.38.39.171.
Knöbel 172.
Knoblauch 353.
Knöchel 172.
Knoclicn 172.
Knödel 48.
Knolle 48.
Knorpel 172.
Knospe 198.
Knote 275.
Knoten 27. 226. 326.
Knüppel 220.
Knute 145.
Knüttel 220.
Kobalt 200.
Koben 15. 213.
Kober 213. 217.
Kobold 298.
Koch 222.
I kochen 222.
Köcher 222. 231.
Köder 226. 272. 273.
Kognak 414.
Kohl 195.
Kohl machen 333.
Kohlmeise 358.
Kohle 199.
Koje 327.
kokein 275.
Kolben 15. 39. 220.
Kolk 202.
Koller 231. 233.
Kolophonium 414.
\ Koloquinte 198.
Kolter 222.
kommen 44. 250.
Kommers 293.
i Kompaß 327.
[Komtesse 211.
Kone 209.
König 105. 211.
können 15.
i Kontertanz 235.
Kopf 173. 218. 405.
Koppel 314.
Koralle 188.
! Korb 218.
I Kordel 134. 222.
Korduan 414.
Koriander 198.
Korinthe 414.
Korn 15. 27. 34. 193.
Kornelikirsche 191.
Körper 173.
koscher 333.
i kosten 15. 133. 322.
! kostspielig 358.
iKot 174. 179.
Kote 213.
Kote 172.
Köter 176.
Kotze 227.
Kötze 213.
Krabate 145. 414.
Krabbe 26. 187.
Kraft 25.
Kragen 44. 171. 405.
Krähe 182.
i krähen 15.
Krake 188.
Kralle 172.
jKram 110. 321.
' kramen 321.
1 Krämer 321.
Krammetsvogel 183.
Krampe 220.
Krampf 232.
Kran 181. 222.
, Kranich 15. 40. 181.
I krank 348. 349.
I Krapfen 220.
■ kraß 293.
! Kräften 217.
I Krätze 217.
j Kräuel 220.
' kraus 228.
Krause 218.
Kraut 193.
Kraxe 220.
Krebs 187.
Kreide 201.
I Kreisel 218. 358.
! Krempel 220.
krempein 323.
I Kremser 204. 414.
Kren 146.
Kresse 185. 197.
Kretscham 145.
' Kreuz 299.
Kreuzer 324.
Krieche 191.
: kriechen 250.
Krieg 230.
Kriegspfad 163.
Krimmer 414.
Krimstecher 414.
Krinitz 145.
Krippe 29. 214.
Krist 139.
, Kristall 200.
, kritteln 358.
I Krokodil 188.
I Krokus 198.
I Krolle 48.
I Krone 205. 324.
Kropf 12. 171.
Kroppzeug 353.
Kröte 44. 187.
I Krücke 220.
i Krug 218.
Kruke 218.
; Krume 15.
i krumm 41. 244.
Krüppel 241.
Kuchen 223. 290.
Kübel 218.
Küche 222.
Küchenschelle 358.
Kuckuck 87.
WÖRTERVERZEICHNIS.
429
Kufe 195. 218. 220.
Kuh 101. 177.
kühl 244.
kühn 241.
Küken 181.
Kukumer 198.
Kuli 414.
Kumme 217.
Kümmel 42. 195.
Kümmeiblättchen 333.
358.
Kummer 41.
Kump 217.
Kumpan 211.
Kumt 145.
kund 15.
Kunkel 222.
ahd. kunni 211.
Kunst 405.
Kunstkammer 158.
kunterbunt 237. 358.
Küpe 218.
Kupfer 12.43.200.414.
kuppeln 314.
Küste 327.
Kurbe(l) 222.
Kürbis 195.
kurios 293.
Kürschner 145.
Kuß 107.
Küste 203.
Kutsche 145.204.414.
Kutte 227.
Kuttel 172.
Kux 445.
Laban 416.
laben 299.
Laberdan 185.
labet 112.
lachen 25. 40. 248.
Lachner 233.
Lachs44.105.109.184.
395. 414.
Lachter 214. 275.
Lade 217.
Laden 215.
laden 306.
Lafette 112.
lag 26.
Lägel 195. 218.
lahm 26. 241.
lähmen 108.
Laib 28. 34. 40. 223.
Laich 234.
Lakeien 212.
Lalcen 226.
lakonisch 414.
Lakritze 233.
lallen 88. 251.
Lambertsnuß 358.
Lamm 26. 41. 44. 177.
Lampe 205.
Lamprete 185.
Land 26. 44. 202.
Landauer 414.
Ländler 235. 414.
Landsknecht 358.
lang 26. 33. 44. 107.
243.
Langwiede 353.
langwierig 353.
Lanke 172.
Lanne 204.
Lanze 231.
Lappen 26.44. 171.227.
316.
Lärche 191.
Larifari 237.
Lärm 112.
lasch 108.
Lasche 227.
Läse 217.
laß 44. 243.
lassen 11. 26. 44.
Last 48.
Laster 49.
Lasur 112.
Latein 414.
Laterne 205.
Latte 25. 108. 215. 220.
347.
Lattich 196.
Latwerge 233.
lau 40. 205.
Laub 28. 44. 191.
Laube 213. 358.
Laubrüst 353.
Lauch 28. 197.
Läufe! 191.
laufen 12. 28. 40. 250.
Lauge 44. 229.
Laus 28. 108. 187.
lauschen 247.
Lausewenzel 414.
laustem 247.
laut 11. 28. 243.
lauter 17. 40.
Lavendel 196.
lavieren 327.
Lazarett 414.
Lazerte 188.
mhd. le 202.
leben 34. 249. 349.
Lebensfaden 343.
Leber 171.
Lebermeer 353.
Lebkuchen 34. 223. 353
Lebzelt 353.
lech 244.
leck 244. 326.
lecken 34. 44. 48. 224.
347.
Leder 12. 27. 44. 108.
225.
ledig 244.
Lee 326.
leer 244.
Lefze 44.
Legel 218.
legen 44.
Lehen 19. 44. 110.
Lehm 28.44. 107. 199.
Lehne 40. 178. 190.
lehnen 34. 40. 251.
Lehre 27.
lehren 316.
Lehrgang 66.
Lei 199.
-lei 118.
Leib 28. 172. 405.
Leibgedinge 304.
Leich 234. 250. 405.
Leichdorn 358.
Leiche 172. 349.
Leichnam 353.
leicht 44. 243.
Leichter 326.
leid 28.
leiden 249.
leihen 35. 44. 321.
Leikauf 353.
Leilach 353.
Leim 28. 44. 107.
Lein 44. 183.
-lein 118.
Leine 28. 220.
Leinwand 358.
Leis 113.
leise 48.
Leiste 44. 107.
Leisten 28. 220.
leisten 250.
Leitartikel 160.
Leite 40. 202.
leiten 11.28.110.250.
Leiter 11. 28. 40. 215.
Lende 15. 45. 171.
Lenne 190.
Lenz 27. 31. 206. 353.
Lerche 182.
lernen 27. 34.
lesen 45. 109.163.237.
404. 405.
Letten 108. 199.
Letter 299.
Letzt 358.
letzt 243.
letzte 31.
Leuchse 204.
Leuchter 205.
Leumund 40. 247.358.
Leute 211.
Levkoie 198.
-lieh 116.
Licht 35. 45. 205.
lichterloh 353.
Lid 29. 40.
lieb 15. 29. 45.
Liebstöckel 196. 358.
Lied 45.
liederlich 45. 211.358.
Liedlohn 353.
liegen 34. 45. 251.
liehen 34.
! Liesch 197.
Lilie 196.
Linde 190.
linde 45. 107.
Lind(wurm) 187. 353.
-ling 117.
link 45. 110.
links 347.
Linnen 44.
Linse 135. 195.
Lippe 29. 44. 107. 171.
lispeln 29. 41.
Litanei 300.
Litewka 414.
Litfaßsäule 414.
Lloyd 414.
Lob 272. .
Lochtaube 353.
Locke 27. 45. 48. 109.
228
locken 45. 248.
locken 270.
locker 244.
Lockspitzel 163.
Lode 211.
Loden 45. 227.
Löffel 220. 333.
Loge 75.
Loh 45.
Lohe 205.
Lohn 45.
Lolch 196.
Lombard 322. 414.
Lombardei 383.
lombardieren 322.
Lomber 112.
Lorbeer 191. 353.
löschen 326.
Los 40.
los 27. 45.
lose 191. 244.
losen 40. 247.
lösen 253.
Löß 201.
Lot 27. 45. 108. 137.
Lotse 326.
lotter 211.
Lotterie 323.
Louis 416.
Louisdor 414.
Luch 145.
Luchs 45. 176.
luck 32.
Luder 316.
Luft 202.
Lüge 242.
lügen 45. 247.
lullen 88.
Lümmel 41. 314.
Lümmel 241.
Lunge 30. 34. 172.
lungern 243.
Lüning 181.
Lünse 110. 204.
Lupine 198.
430
WÖRTERVERZEICHNIS.
Liirch 187.
Lust 30. 45.
Lüster 205.
Luv 326.
Luzerne 198.
lynchen 414.
Lyzeum 414.
Maat 326.
Macheier 228.
machen 12.26.45.253.
320.
Macht 26. 45. 405.
Mäckler 333.
Mädchen 208.
Madame 212.
Made 187.
mag 26.
Magd 26. 208.
Mage 211.
Magen 172.
mager 19. 45. 243. 245.
Magie 414.
Magnet 200. 414.
Magsame 353.
Mahd 35. 45.
mähen 45. 194.
Mahl 26.
mahlen 45.
Mahlstatt 353.
Mahlschatz 353.
Mähne 31. 45. 171.
mahnen 45. 248.
Mahr 45. 298.
Mähre 45. 108.177.179.
Mährisches Gesenke
382.
Maid 276.
Maische 45. 46.
Mais 196.
Majolika 414.
Majoran 196. 358.
Makadam 414.
Makel 300.
makkaronisch 414.
Makrele 185.
Makulatur 318.
Mal 45.
maiedeien 300.
malen 237.
Mallepost 353.
Malve 26.
Malvasier 414.
Malz 26. 45. 223.
Mama 290.
Mamsell 212.
manch 45.
mancher 108.
Mande 217.
Mandel 168. 192.
-mang 119.
Mange(i) 222.
Mangel 45.
Manichäer 295. 358.
414.
j Mann 26. 45. 209.
I Mansarde 414.
I Manschester 414.
; Mantel 227.
; Marbel 201.
j Marbel 201.
'Marder 176.
I Marelle 414.
1 Margell 145.
'Marille 414.
Marionette 416.
Mark 26. 33. 45. 46.
171. 202. 324.
I Märkerding 306.
I Markise 218. 414.
•Markoif 416.
Markt 322.
Marmor 201.
Maroquin 414.
Marotte 416.
Marquis 211.
Mars 112. 327.
Marsch 203.
Marschall 75.212.353.
Marstall 353.
Märte 224.
Marter 299.
März 145.
Masche 45. 109. 227.
Mäschel 32.
Masematten 333.
Masern 232.
Maß 214.
Maßholder 359.
-mäßig 117.
Maßleid 353.
maßleidig 31.
Mast 25. 45. 46. 104.
107.
Masurka 235. 414.
Matrose 327.
matt 344.
I Matte 203.
I Matz 416.
Mauer 215.
Maulbeere 192. 353.
1 Maultier 178.
Maulwurf 359.
Maus 28. 35. 45. 101.
176.
Mauser 183.
Mausoleum 414.
Maut 139. 172. 322.
, Mayonnaise 414.
I Mäzen 414.
Meer 45. 103.
Meerrettich 359.
' Mehl 27. 45.
j mehr 27.
Meile 28. 183.
Meiler 145.
' mein 28. 45.
I Meineid 353.
' meinen 28. 45. 248.
, Meiran 358.
Meise 48. 182. 217.
Meißel 220.
meist 28.
I Meister 238. 276.
Melde 197.
Melis 415.
melken 45 179.
I Melone 198.
I Meltau 34. 45. 359.
; Memme 87.
mengen 45.
'• Menger 322.
Mennig 273.
I Mensch 210.
Mentor 415.
Mergel 201.
I mergeln 359.
I merken 247.
! Messe 206. 299.
messen 34. 45. 214.
Messer 31. 198. 220.
354.
' Messing 200.
Meßner 359.
Meste 217.
Met 15. 45. 187. 223.
Metall 200.
Metaphysik 415.
Meter 214.
Mette 299. 416.
Mettwurst 354.
Metze31.45. 107. 214.
217. 416.
Metzger 273.
Meuchel- 108.
Meute 316.
Meuter 316.
mich 34. 45.
michel 34. 45.
Mieder 270.
Miere 197.
Miete 29. 34. 45. 46.
Miez 416.
Milbe 30. 42. 187.
Milch 12. 29. 108. 179.
; mild 29. 45.
I Milliarde 168.
I Million 168.
Milz 114. 172.
Mimi 88.
minder 34. 45. 48.
Miniatur '359.
Minne 45.
Minute 207.
Minze 29. 195.
Mirabelle 415.
Mirakel 300.
mischen 195.
Miselsucht 233.
Mispel 192.
miß 48. 108. 125.
missen 29.
Mißpickel 354.
Mist 29. 45. 49. 179.
Mistel 197.
mit 34. 45. 125.
Mitleid 160.
Mitte 34. 45.
Mittelalter 160.
mittelländisch 160.
Mittelstraße 160.
mitten 15.
Mixtur 233.
Mübel 218.
Müder 45.
mogeln 333.
mögen 45.
Mohär 228.
mohl 243.
Mohn 45. 193. 271.
Mohr 228. 415.
Möhre 45. 193.
Molch 188.
moll 243.
Molle 218.
Monat 206. 271.
Mönch 299.
Mond 12. 35. 45. 201.
271.
Möne 184.
Moneten 293.
Monsieur 212,
Montag 354.
Moor 202.
Moos 45. 197. 333.
Mops 176.
mopsen 333.
Mörbraten 354.
Morchel 197.
Mord 34. 45. 349.
Morgen 27. 205. 207.
214.
morsch 243.
Mösch 181. 183.
Moskito 188.
Most 195.
' Motte 27. 188.
Möwe 182.
: Mucke 271.
Mücke 45. 188.
Mucker 303.
I müde 243.
I Muff 30.
Mühe 35. 45.
Mühle 350.
Muhme 87. 209. 290.
Mulde 218.
Mull 199. 228.
Müll 199.
Mumme 415.
Mummenschanz 354.
Mumpiz 354.
Mundl2. 45. 171.307.
j Mundart 158.
I Mundraub 328.
' mundtot 359.
Mund Vorrat 160.
Münster 299.
Münze 322. 415.
Muräne 185.
WÖRTERVERZEICHNIS.
431
mürbe 108. 243.
naut 272.
Oboe 236.
Pappel 192.
murmeln 251.
Nebel 15. 34. 45. 100.
Obst 223.
)appen 88.
Murmeltier 178. 359.
201.
Oblate 224. 299.
^appenstiel 359.
murren 251.
neben 125.
Ocker 201.
^aprika 145.
Mus 48. 223.
necken 31.
Ochse 27. 34. 177.
Paradeis 196.
Musch 181.
Neffe 18. 45. 209.
öde 18. 33.
paschen 333.
Muschel 188.
nehmen 45.
Odem 174.
Pasquill 415.
Musje 212.
Nehrung 203.
joder 12.
Paßgang 354.
Muskedonner 359.
Neidnagel 232.
Odermennig 196. 359.
Pastinake 196.
Muskel 173.
neigen 40. 107.
Ofen 44. 215.
Pastor 300.
Musselin 228. 415.
nein 28. 107. 354.
offen 12. 244.
Patate 196.
müssen 412.
Nerv 173.
oft 27.
Paternosterwerk 415.
mußte 30.
Nerz 145.
Oheim 33. 208.
Patron 300.
Mußteil 354.
Nessel 27. 45. 197.
Ohm 195. 218. 271.
Patsch 86.
Mut 29. 242.
Nest 27. 34. 45. 46. 127.
Öhmd 354.
patschen 86.
mutschieren 354.
Nestel 45. 46. 107. 220.
Ohm(e)t 271.
pätscheln 86.
Mutter 18. 35. 45. 88.
227.
Ohnmacht 359.
patzig 275.
208. 359.
Netz 27. 45. 186.
Ohr 27. 33. 171.
Pauke 235.
Mutterkrebs 359.
neu 35. 45. 243.
Ohrfeige 359.
Pauschquantum 354.
Mütze 227. 299.
neun 45. 166.
Oleander 359.
Pech 195.
Nichte 45. 209. 275.
Olims Zeiten 293.
Pechvogel 295.
-n 119.
Nichtstun 163.
01m 112. 188.
Pegel 16.
Nabe 45. 204.
Nickel 200. 416.
Omnibus 204.
Pein 299.
Nabel 15. 39. 45. 171.
Nickfänger 354.
Onyx 200.
Peitsche 145.
nach 125.
nie 305.
opfern 299.
Pekesche 145.
Nachbar 354.
nieder 45. 110. 125.
Orange 112. 359.
Pelikan 183.
Nachdruck 359.
Niere 44. 45. 171.
Orden 299.
Pelz 227.
Nachen 45. 47. 104.
niesen 45. 232.
Orfe 185.
Pennal 291. 294.
nachhängen 316.
Nießbrauch 160. 307.
Orgel 299.
Percheron 177. 415.
Nachschrift 160.
354.
Orkan 202.
Pergament 238. 415.
nachstellen 316.
Niet(e) 220.
Orlogschiff 137. 230.
Perle 201.
Nacht 26. 33. 45. 101.
Niete 323.
354.
Person 300.
205.
nieten 40.
Ort 220. 392.
Petersilie 196.
Nachtigall 26. 182.354.
Nigromantie 359.
-öS 119.
Petschaft 145. 359.
Nacken 31. 40. 171.
Nikotin 415.
Osten 27. 33. 105.
Petter 299.
nackt 11. 43. 44. 45.
Ninne 88.
Osterluzei 196. 359.
Petz 275. 416.
107. 226.
Nippsache 354.
Ostern 27. 49. 139. 156.
Pfad 12. 135. 203.
Nadel 26. 45. 220.
nirgend 305.
206.
Pfaffe 51. 139. 299. 4C8.
Nagel 26. 39. 45. 171.
-nis 117.
Otter 11. 17. 34. 176.
Pfahl 12. 51. 231.
220.
Niß 188.
271.
Pfaid 16.
nahe 244.
Nix(e) 298.
Ottomane 415.
Pfalz 51. 215. 415.
nähen 226.
Nixe 43. 45.
Oxhoft 359.
Pfand 322.
nähren 45.
Nobiskrug 112.
Pfanne 12. 51. 218.
nahrhaft 354.
None 207. 299.
Paar 275,
Pfau 12. 51. 183.
Naht 35.
Nonne 299.
zu Paaren treiben 359.
Pfebe 195.
Nanking 415.
Nord 27. 45.
Pachulke 145.
Pfeffer 12. 51. 195.
Name 40. 45.
Norden 12. 104.
Padde 16. 188.
Pfeidler 227.
Nanne 88.
Normandie 383.
Päger 333.
Pfeife 12. 28. 51. 235.
Napf 39. 40. 217.
Norne 298.
Paias 275.
Pfeifholter 89. 359.
Narbe 42. 45.
Norwegen 354.
Pakasche 275.
Pfeil 51. 231.
Narr 45.
Noß 176.
Palais 415.
Pfeiler 51. 215.
Narrenteiding 354.
Nößel 217.
Palast 415.
Pfeit 139.
Narzisse 198.
Not 27. 45.
Palatin(e) 415.
Pfennig 12. 27. 324.
naschen 40.
nüchtern 299. 245.
Palme 25. 197.
Pfennigfuchser 354.
Nase 19. 33. 45. 171.
Nudel 223.
Pallasch 145.
Pferd 176. 178. 350.
naseweis 316.
Null 168.
Pandur 415.
Pfingsten 51. 139. 206.
Nasenstüber 354.
nun 45.
Panik 415.
289.
naß 244.
nur 354.
Pansen 173.
Pfinztag 139. 354.
Nast 112.
Nuß 8. 30. 40. 45. 107.
Pantalon 415.
Pfirsich 51. 139. 192.
Nation 211.
191.
Panzen 173. 314.
415.
Natter 26. 45. 188.
Nüster 171.
Panzer 231.
Pf ister 51.
Naturgeschichte 160.
Nutzen 109.
Päonie 197.
Pflanze 12. 51. 195 198.
Naturrecht 160.
Papa 290.
Pflaster 12.51.215.233.
Nau- 272.
ob 125.
Papier 238.
Pflaume 12. 51. 140.
Naue 326. ;
ober 125.
Pappe 88.
192.
432
Wörterverzeichnis.
pflegen 12.
Pflock 220.
pflücken 12. 195.
>flug 12. 194.313. 350.
Pfniisel 232.
Pforte 51. 215.
Pfosten 51. 215.
Pfote 172.
Pfriem 12.
Pfriemen 220.
Pfriile 185.
Pfründe 51. 299.
Pfuhl 12. 29. 48. 109.
Pfühl 12. 51.
Pfund 12.30.51.322.
Pfuscher 319.
Pfütze 12. 51. 215.
Phäethon 204. 415.
Pharo 415.
Philister 295.
Piano 113.
Picke(l) 220.
Pickelhaube 42. 231.
275. 359.
Pieraas 188.
Pietist 303.
pik 323.
Pille 233.
Pilz 195. 270.
pimmeln 86.
pimpeln 86.
Pimpernuß 354.
Pinasse 327.
Pinsel 354.
Pinte 218.
pipi 88.
Pips 183.
Pirol 359.
Pistole 415.
pladdern 16.
Plage 299.
Pläner 415.
plänkeln 275.
Plappert 324.
plärren 275.
Platin 200.
Platteise 185.
Plätzchen 275.
Plaue 275.
Plauze 105. 172. 173.
plentern 275.
Plerrauge 354.
pletzen 333.
PHnse 145. 275.
Plötze 145. 185.
Pluderhosen 354.
plump 30.
Plüsch 228.
Pocke 232.
Pogrom 145.
Pokal 275.
Polei 196.
Polier 273.
Polka 145. 235. 262.
Polonaise 415.
Polster 216.
Poltergeist 158.
poltern 109.251. 275.
Polyp 188.
)oniadig 145.
^ommer 415.
^ommern 383.
Pompadour 415.
Pomuchcl 145. 185.
Popanz 145. 298.
Popo 88.
Porphyr 201.
Porree 198.
Porst 197.
Portulak 198.
Portwein 225. 415.
Posaune 235. 275.
Posse 275.
postlagernd 159. 160.
Pott 217.
poussieren 291.
Pracherin 333.
Pracht 275.
prägen 275. 324.
prahlen 251. 275.
Prahm 146.
Pralines 415.
)rangen 275.
^ranger 307.
Pranke 173. 275.
prasseln 275.
Preiselbeere 146. 354.
preisgeben 354.
Preiskurant 323.
preschen 275.
Presse 195. 318.
preßhaft 275.
Prezel 224.
Prickel 220.
)rickeln 109.
^rieche 275.
Priel 203.
Priester 29.
Primel 198.
Prinz 211.
pritsch 146.
Pritsche 275.
Produkt 350.
prophezeien 300.
Propst 299.
Protze 329.
Prügel 275.
prusten 275.
Psalm 25.
Puck 298.
Puckel 275.
Pudel 29. 48. 176.
Puff 86.
Puffer 86.
Pulk 146.
Pulle 218.
pumpen 333.
Pumphosen 354.
Punkt 207.
Punsch 225.
pupen 88.
Puppe 88.
puppern 88.
Pusta 146.
putzig 275.
Quacksalber 354.
Quaddel 44.
Qual 109. 232.
Qualle 188.
Quappe 44. 109. 185.
Quark 146.
Quarz 199.
Quas 146.
Quassia 415.
' quatschen 251.
queck 34. 44. 243.
Quecksilber 47. 200.
Queder 273.
e. queen 44.
Quehle 229.
Quelle 202.
Quendel 195.
quengeln 31.
Quese 232.
quetschen 253.
quick 43. 47.
Quickborn 354.
Quintessenz 334.
Quirl 220.
quitt 322.
Quitte 192. 415.
Quodlibet 294.
rabanzen 91.
Rabe 40. 181.
Rabisch 146.
Rache 41.
Rachen 40. 171.
rächen 39. 41. 250.
Rad 18. 33. 45. 204.
Rade(n) 197.
Radehecke 354.
Rädelsführer 354.
ragen 40.
Rahe 45. 109. 220. 326
Rahm 179. 272.
Rahmen 220.
Raimund 276.
Rain 108.
Rainblume 359.
Ramm 177.
ramponiert 328.
Range 41. 178.
Ränke 41.
'Ränzel 217.
Ranzen 217. 333.
I Rappen 324.
I Raps 354.
Rapünzchen 198.
Rapunzel 198.
Rapuse 146.
Rasch 228. 415.
Rasen 41. 202.
rasen 45.
Raspe(l) 220.
Rast 31. 45. 108.313.
Rastrum 395. 415.
faß 45.
raten 26. 35. 45. 237.
i Ratonkuchen 354.
Ratte 26. 177.
Rätter 217.
Ratz(e) 177.
rauben 45.
Rauch 205. 247.
Rauchwerk 354.
Räude 40. 232.
raufen 225.
rauh 28. 45. 243.
Raum 28. 45.
raunen 237.
Raun(e) 177.
Raupe 188.
Rausch 196.
rauschen 45.
Rauschgelb 354.
Rebe 198.
Rebhuhn 39. 181.
Rebus 294.
Rechen 220.
Rechnung finden 160.
Rechnungsabschluß
160.
Recht 307.
recht 27. 34. 45. 320.
rechts 347. 348.
Rechtschreibung 160.
Reck 342.
I Recke 41. 43.
recken 45. 252.
j Rede 45. 107. 304.
1 reden 251.
Reede 272. 326.
Reff 39. 40. 220.
Regen 107. 201.
j regnen 45.
' Reh 27. 177.
reiben 41.
reich 136.
reichen 28. 109. 250.
Reif 28. 40. 201.
reif 12. 28. 244.
Reif(en) 220.
1 Reifen 12.
Reigen 234.
Reihe 45.
Reihen 172. 234.
Reiher 182.
rein 40.
Reineclaude 415.
Reineke 416.
Reis 40. 191.
reißen 11.28. 41. 237.
Reitel 41.
reiten 11.28.45. 108.
' 250.
Reiter 40. 220.
\ Reitersalbe 359.
; Reizker 146.
WÖRTERVERZEICHNIS.
433
Reling 326.
Rempter 359.
Renke 185.
renken 41.
Rennsteig 272. 359.
Renntier 177. 354.
Rente 322.
Reptil 188.
Requiem 90.
Reseda 90. 198.
rette 40.
Rettich 195.
Reue 40.
Reuse 186. 217.
Reuß 177. 415.
Reute 110.
reuten 45. 194.
Rhede 272.
Rhone 382.
-rieh 363.
Ridikül 359.
riechen 247. 408.
Ried 29 40. 197.
Riegel 39. 45. 213.
Riegelhaube 354.
Riemen 45. 220. 326.
Riese 41.
Riester 220. 227.
Riff 45. 104.
Riffel 220.
Rind 40. 177.
Rinde 29. 108. 191.
Ring 29. 40. 109. 220.
ringen 41. 253.
Rinken 220.
rinnen 45. 48.
Rippe29. 45. 109. 171.
Rispe 40. 107.
Riß 41. 237.
Rist 29. 172.
Ritten 40. 232.
ritten 29.
Robot 146. 212. 314.
Roche 185.
Rock 227.
Rockelor 415.
Rocken 220.
-rode 392.
rodeln 153.
Rodomontade 415.
Rogen40.48. 109. 185.
Roggen 43. 45. 193.
roh 40. 222.
Rohr 197.
Rohrdommel 183.359.
Röhre 220.
Roland 415.
Roman 415.
Romanze 415.
Rose 196.
Rosenmontag 27 1 . 302.
359.
Rosenobel 324.
Rosmarin 198.
Roß 40. 177.187.271.
Rost 45. 200. 215.
rösten 222. 226. 359.
rot 15.27.39.45. 240.
roter Faden 328.
Rotspon 223. 271.
Rotte 235. 328.
rotwelsch 354.
Rotz 40. 100. 232.
Rübe 35. 45. 193.
Rübezahl 298. 354.
Rubin 200.
ruchbar 275. 359.
ruchlos 354.
Rücken 40. 108. 171.
rücken 45.
Rücksicht 163.
Rüde 40. 175.
Ruder 35. 40. 45. 104.
220.
Ruf 40.
Rufe 40.
rufen 251.
rüffeln 270.
Rüge 41.
Rügen 383.
Ruhe 35. 45.
ruhen 251.
Ruhm 40.
rühren 40.
Rumpf 12.30.109.172.
Rundteil 359.
Rune 45. 108. 237.
Runge 40. 221.
Runkelrübe 354.
Runzel 172. .
Rüpel 416.
Russe 415.
Rüssel 41. 172.
rüsten 40. 48.
Rüster 108. 190.
Rute 29. 45. 214. 221.
rütteln 45.
Saal 213.
Saat 26.
Säbel 146.
Sache 12. 304.
Sachse 26.
sacht 273. 276.
Sachwalter 304.
Sack 26. 218.
säen 46.
Saffian 146.
Saflor 359.
Saft 12.
Säge 7. 46. 221.
sagen 26. 46 251.
Sahne 46. 110. 171. 179
Saibling 185.
Saite 46.
Sakristei 299.
-sal 118.
Salamander 188. 295.
Salbader 354.
Salband 359.
Salbe 46.
Salbei 196.
Salbuch 354.
Salm 185.
Salmiak 415.
Salpeter 201.
Salweide 46. 190. 354.
359.
Salz 26. 33. 46. 199.
-sam 46. 116.
Samariter 415.
Samen 35. 46.
sämisch 146.
Sammetpfötchen 163.
Samstag 41, 157. 299.
355.
Samt 228.
Sand 26. 46. 199.
Sander 146. 185.
Sandwich 415.
sanft 26.
Sang 26.
Saphir 2C0.
Sardelle 185. 415.
Sardine 185.
Sardonisches Lachen
415.
Sarraß 146.
saß 26.
saßen 35.
satt 26. 33. 46. 224.
Satte 217.
Sattel 11. 26. 46. 221.
Sau 28. 35. 46.
sauber 42. 195. 245.
sauer 28. 46. 241.
Sauerland 273.
saufen 46. 224.
sauge 35.
saugen 46, 224.
Säule 46. 213. 221.
Saum 227.
sausen 46.
Schabe 188.
Schabelle 218.
schaben 16. 26.
Schabernack 355.
Schabracke 146.
schachern 333.
Schacht 146. 276.
Schachtel 218.
Schachtelhalm 276.
Schade 16. 105.
Schädel 171.
Schade(n) 185.
Schaf 12. 26. 177.
Schäferstunde 160.
Schaff 217.
Schafgarbe 42. 197.
Schaft 16. 25. 221.
-Schaft 116.
schäkern 333.
schal 244.
Schale 16. 217.
[Schalaune 228. 415.
Hirt, Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. 2. Aufl.
Schälhengst 177. 359.
Schalk 121.
Schalmei 235.
Schalotte 415.
Scham 26.
schämen 249.
Schande 249.
Schank 216. 291.
Schänzchen 217.
Schanze 359.
Schar 221. 331.
Schäre 203.
scharf 12. 25. 244.
Scharlach 274. 359.
Scharlei 196.
schartig 111.
Scharwenzcl 146.
schassen 291.
Schatten 16.26.33.205.
Schatz 16. 177. 313.
schauen 16.38.39.247.
Schauer 16. 28. 105.
201.
Schaufel 221.
-sehe 118.
scheel 240.
Scheffel 217.
Scheibe 221.
Scheide 12. 28. 221.
Scheidekunst 158,
Scheiden 185.
scheiden 33. 253. 349.
scheinen 16. 28. 109.
Scheit 16.
Scheitel 172.
Schelfe 197.
Schelle 221.
Schellfisch 185. 355.
Schellhengst 355. 359.
Schellkraut 359.
Schemel 218.
Schemen 205.
schempeln 241.
Schenkel 172.
schenken 216.
Scherbe 16. 182. 217.
scheren 16. 127. 225.
229.
Schert 324.
Scherge 47.
Schermaus 355.
scherzen 16. 234. 250.
Scheune 213.
Scheuer 213.
Schibbeke 146.
Schicksal 333.
schieben 16.
Schiefer 30. 199.
schiel 240.
Schiene 221.
schier 29. 243.
Schierling 197.
schießen 16.
Schiff 12. 29. 104.
Schildpatt 188. 355.
28
434
WÖRTERVERZEICHNIS.
Schilf 197.
Schmcer 27.
Schröder 226.
Schillebold 355.
schmelzen 27. 41.
schroff 244.
Schilling 29. 324. 350.
Schmer 41.
schroten 226. 253
scliimpfiercn 359.
Schmerle 41. 185.
Schrulle 111.
Schindel 29. 215.
Schmerz 11. 27. 41.
Schuh 29. 227.
schinden 108. 225.
232.
Schuld 305. 405.
Scliinkcn 172.
schmerzen 249.
Schule 29.
Schinne 225.
Schmetten 146.
Schulter 173.
Schirm 16.
Schmetterling 188.265.
Schultheiß 355.
schitter 243.
Schmied 29. 41. 200.
Schulze 355.
Schlack 41.
Schmiede 12. 29.
Schuppen 213.
Schlacke 201.
schmiegen 41.
Schuppenpelz 1 46. 359
Schlaf 12.
Schmiele 197. 248.
schurigeln 360.
Schläfe 172.
Schmiere stehn 333.
Schurz 227.
schlafen 12. 26. 249.
Schinock 146.
Schürze 227.
schlaff 41.
sclimoren 222.
Schüssel 218.
Schlafittich 355.
schmunzeln 248.
Schute 326.
Schlag 232.
schmutzein 248.
schütten 127.
schlagen 26. 41. 253.
Schnabel 31. 41. 109.
Schütze 360.
Schlagetot 359.
Schnake 26. 111. 188.
Schwabe 360.
Schlamassel 333.
359.
schwach 244.
Schlamm 199.
Schnalle 227.
Schwaden 26. 222.
Schlange 41. 109.188.
Schnäpel 185.
schwadronieren 360.
schlank 244.
Schnaps 223.
Schwager41. 100.111.
Schlaraffe 355.
Schnauze 172.
209. 275.
schlau 244.
Schnecke 188.
Schwäher 19. 34. 41.
schlecht 241.
Schnee 41. 44. 201.
209.
schlecken 127.
schneiden 226.
Schwaige 41.
Schlegel 221.
schnell 241.
Schwalbe 26. 181.
Schlehe 27. 41. 190.
Schnepfe 182.
Schwall 107.
schleichen 250.
Sclmeppe 31.
Schwamm 41. 197.
Schleie 185.
schnippisch 359.
Schwan 26. 41. 181.
Schleier 227.
schnöde 244.
schwanger 243.
Schleife 205. 270.
Schnupf- 30.
schwank 108.
Schleim 41.
Schnupfen 232.
Schwänzelpfennige
schleißen 127. 253.
Schnur 19.41.209.221.
333.
schleppen 127.
347.
schwänzen 333.
Schlesien 381.
Schnurrbart 229. 355.
Schwäre 232.
Schleuder 221.
Schock 168.
Schwärm 26.
schleunig 250.
Schöffe 307. •
Schwarte 173. 360.
Schleuse 327.
Scholle 185.
schwarz 41. 107. 240.
schliefen 41.
schön 243.
Schwefel 42. 107. 199.
Schlier 201.
Schönbartspiel 359.
Scliwegel 235.
schließen 41. 127. 133.
schöne Seele 163.
Schweif 173.
schlimm 41.
Schopf 228.
schweifen 250.
schlingen 41. 109.
Schoppen 217.
Schwein28.35.41.109.
Schlitten 41. 205.
Schöps 146.
177. 209. 360.
Schlittschuh 205. 359.
Schorf 232.
Schweiß 28. 41. 174.
schlohweiß 355.
Schornstein 355.
249.
Schloß 221.
Schoß 347.
Schwelle 213.
Schloße 201.
Schoßgatter 355.
schwellen 27. 107.
Schlot 214.
Schoßkelle 355.
Schwengel 221.
Schlucht 202. 276.
Schote 198. 326.
schwenken 250.
schlucken 41. 224.
Schott 326.
schwer 41. 107. 243.
Schlummer 30. 41.
Schrank 216.
Schwert 230.
schlüpfen 41. 250.
Schranne 216.
Schwertmage 211.
schlürfen 224."
Schrapnell 415.
Schwester 34. 41. 49.
Schlüssel 213. 221.
Schrat 31. 298.
208.
Schmach 41.
schreiben 237. 238.
Schwibbogen 360.
schmachten 247.
schreien 127. 251.
Schwiegel 235.
schmal 26. 41. 243.
Schrein 28. 218.
Schwieger 19. 30. 34.
Schmant 146.
schreiten 109. 250.
42. 209.
Schmasche 146.
Schretel 298.
schwierig 360.
schmauchen 41.
Schretz 31.
schwimmen 29. 108.
schmecken 247.
schrill 244.
250.
Schwindel 29.
schwingen 29. 2.50.
Schwirren 42.
I schwitzen 249.
' schwören 42.
schwül 244.
Schwulität 294.
Sech 221.
sechs 34. 46. 166.
Sedelhof 355.
See 104.
Seehund 178.
Seele 27. 174.
Segel 104. 221.
Segge 197.
segnen 299.
sehen 27. 38. 39. 44.
246.
Sehne 230.
sehr 27. 46. 232.
sei 35.
seicht 244.
' Seide 227.
Seidel 218.
Seidelbast 366.
' Seife 12. 229.
Seil 221.
Seim 33. 46.
sein 46.
Seite 28.
Sekt 225.
Sekunde 207.
selb 27.
selbständig 158.
Selbstherrscher 160.
selbstisch 160.
; Selbstverwaltung 163.
i Sellerie 198.
selten 27.
Selters 17.
Semde 197.
Semmel 224.
semperfrei 355.
I senden 27.
Seneschall 46.212.243.
i 355.
' Senf 195.
: Senkel 221.
I Sense 46.
i Sessel 46. 216.
! Sette 217.
setzen 27.
j Seuche 349.
i sich 46.
' Sichel 29. 195.
I sicher 245.
I sichten 276.
! sie 46.
;Sieb 29. 221.
\ sieben 18. 30. 34. 46.
166.
siech 12. 349.
! sieden 12. 29. 222.
I Sieg 15. 46.
! Siegel 238.
Wörterverzeichnis.
435
Siel 203.
Speck 17. 47.
Stall 11. 17. 48. 213.
Stiefvater 12.
Siele 221.
Specke 203.
313.
Stiege 168. 215.
Sigrist 299.
Speer 12. 17. 27. 230.
Stamm 11. 191.
stiegen 34.
Silbe 238.
Speiche 12. 221.
Stammbaum 163.
Stieglitz 146. 183.
Silber 29. 30. 135.200.
Speiciiel 47.
stampfen 12. 251.
Stiel 195.
Silhiiette 415.
Speiclier 215. 322.
Standarte 329.
Stier 17. 177.
Simonie 415.
Speichernagel 355.
Stande 217.
Stift 221. 226.
sind 46.
Spei(de)l 221.
Ständer 217.
still 17. 29. 244.
singen 29. 251.
speienl2.17. 127. 174.
Standort 160.
Stimme 11. 17.
Singrün 167. 355.
249.
Stange 11. 17. 221.
stinken 29. 247. 408.
sinl<en 29.
Speigatt 326.
Stank 31.
Stint 185.
Sinn 46. 48. 248.
Speik 198.
Stanne 217.
Stirn 17. 171.
Sinnau 197.
Speise ,224.
Stapel 11. 221.
St. Märgen 47.
sinnen 107. 248.
spellen 252.
Stapfe 11.
stöbern 316.
Sinngediclit 160.
Spelt 194.
Star 11. 17. 25. 182.
Stocher 221.
sinnverwandt 160.
Spenadel 221.
Star 33.
Stock 11. 221.
Sinopel 415.
Spenzer 228. 415.
stark 11. 17. 111.243.
Stoffel 416.
sintemal 355.
Sperber 42. 182. 355.
starr 17. 243.
stöhnen 17. 252.
sinwell 355.
Sperk 181.
starren 26.
Stollen 17. 48.
Sippe 46. 111. 211.
Sperling 12. 17. 181.
stat 244.
Stöpfel 222.
Sitte 30. 34. 46. 242.
sperren 12.
Stätte 33.
Stoppel 195.
Sittich 183.
Spessart 355. 382.
Statthalter 158. 160.
Stopfen 222.
sitzen 11.29.34.46.251.
spicken 30.
Staub 199.
Stör 105. 109. 185.
Skat 344.
Spiegel 218.
stauen 17.
Storch 11. 12. 17. 27.
Ski 205.
Spieke 198.
Stauf 217.
182.
Sklave 212. 415.
Spieß 12. 29. 230.
staunen 278.
stören 11.
Skorpion 188.
Spille 221.
stechen 12. 17. 253.
Storger 273.
Smaragd 200.
Spillmage 211.
Stecken 11. 17.
stoßen 17. 127. 253.
Sobranje 146.
Spind 218.
Stegreif 355.
stottern 241.
Socke 227.
Spindel 29. 221.
stehen 17. 251.
straff 244.
Sod 202.
Spinne 12. 188.
stehlen 11. 27. 307.
Strahl 17. 221. 230.
Sodomit 415.
spinnen 17. 29. 226.
steif 11. 17. 243.
Strähl 221.
Sohle 171. 185. 227.
Spiritus 334.
steigeni5. 17. 35.251.
strählen 229.
Sohn 34. 46. 208.
Spirk 181.
steil 244.
Strähne 228.
sohr 46.
spitz 244.
Stein 11. 17. 28. 109.
stramm 244.
Sold 328.
Spitzbube 307.
198.
Strand 11. 26. 203.
sollen 305.
Sporkel 206.
Stein und Bein schwö-
Strang 17. 221.
Söller 215.
Sporn 12. 17. 221.
ren 302.
Straße 11. 26.203. 394.
Sommer 205.
Sprache 12. 26.
Steindruck 160.
Strauch 191.
Sommerlatte 211.355.
sprechen 12. 17. 27.
Steinmetz 355.
Strauß 183.
sondern 34.
252. 290.
Steinweg 158.
streben 39.
Sonne 46. 201.
Sprehe 182.
Steiß 173.
strecken 11.
sonst 273.
spreiten 12. 28.
stellen 17.
streichen 11. 12. 28. 252.
Sorbet 360.
Spreu 17.
Stelze 221.
Streifen 108.
Sorge 27. 111.
sprießen 12.
Stempel 221.
Streik 128.
Spagat 134.
Spriet 221.
Stentorstimme 415.
Streit 230.
spähen 17. 34. 247.
springen 12.17.29.250.
stenzen 333.
Strelitzen 146.
Spake 221.
Spritze 221.
Steppe 146.
streng 11. 244.
spalten 253.
spröde 244.
steppen 226,
streuen 11. 17.
Span 12. 17. 221.
Sprosser 182.
sterben 11.27.39.348.
Strich 316.
Spanferkel 109. 355.
Sproß 12.
Sterblichkeit 159.
Strick 49. 111. 221.
Spange 12. 221.
Sprotte 185.
Sterke 11. 17. 177.
stricken 226.
Spaniol 415.
spucken 47. 249.
Sterlet 146.
Strippe 327.
spannen 252.
Spule 221.
Sterling 324.
Stroh 11. 194.
sparen 12. 17. 26.
Spulwurm 188.
Stern 11. 17. 27. 134.
Strohwitwe(r) 210.
Spargel 198.
Spur 12. 17.
201.
Strom 11. 27.49.202.
Sparkalk 355.
spüren 247. 316.
Sterz 17.
Stromer 333.
Sparren 12. 221.
sputen 12. 17. 251.
Steuer 17. 221.
Strumpf 227.
Sparte 294.
Stab 11. 16. 25. 109.
Steven 326.
Strunk 191.
Spat 199.
Stachel 221.
stibitzen 91.
Stubben 11.
spät 17. 207.
Staches 416.
Stichel 221.
Stube 11. 215. 229.
Spatel 222.
Stadel 16. 48. 213.
sticket 43. 244.
Stuhl 11. 29. 35. 216.
Spaten 12.17.26.221.
Stadt 16. 392.
sticken 226.
Stulpe 217.
Spatz 181.
Stahl 11. 17. 26.200.
stief 11. 244.
stumm 241.
Specht 17. 107. 181.
Staken 221.
Stiefel 228.
Stummel 41.
28*
436
Wörterverzeichnis.
Stumpf 11. 30. 291.
stumpf 12. 244.
Stunde 207.
Stunze 217.
Sturm 11. 105. 201.
stürzen 251.
Stuten. 109.176.179.
suchen 12. 46.
Sucht 232. 360.
-sucht 349.
Süd 46. 103.
Süden 12.39.104.326.
Sühne 46. 107.
Sülze 199.
Sumpf 202.
Sund 203.
Sund- 326.
Sündflut 167. 360.
süß 11. 35. 46, 241.
Sybarit 415.
Syenit 415.
Tadel 274.
Tafel 238.
Tafel aufheben 3 13.
Taft 228.
Tagll.14. 17. 26.205.
Tc-aebuch 158. 160.
Tagegelder 160.
tagen 278.
Tagesordnung 163 3-J2.
Taifun 202
Takel 221. 328.
Tal 14. 26. 202.
Taler 324. 415.
Talg 26.
Talmi 415.
Tandem 204. 294.
Tanne 14. 111. 190. 192.
Tanz 234.
tapfer 11. 14.43. 241.
Tappe 173.
Tara 323.
Tarantel 188.
Taranlel(Ia) 415.
Tarnkappe 3-55.
Tasche 227.
tasten 247.
Tat 11. 14. 35.
-tat 118.
Tatkraft 160.
Tatsache 160.
Tatsche 173.
Tatte 88.
Tattersall 415.
Tau 11. 201.221.328.
taub 11. 17. 28. 240.
Taube 11. 182.
tauchen 11.
taufen 139. 404.
taugen 17.
taumeln 14. 251.
Tauner 355.
tausend 28. 167.
Tausendkünstler 168.
Teckel 176.
Tedcum 90.
Teer 27. 190. 191.
Teerjacke 360.
Tcctotaler 90.
Teig 11. 14. 15. 17.
33. 256.
Teil 11. 14. 28. 109.
Teiler 160.
Teilhaber 160.
Teile 31.
Tenne 11. 31.
Teppich 218.
Terrier 113.
Tesching 231. 415.
teuer 11. 244.
Teufel 11. 139.
teufen 32.
Theriak 360.
Thronrede 163. 342.
Thymian 196.
tief 11. 12. 14.29.243.
Tiegel 218.
|Tier 11. 29. 178.
, Tinte 238.
' Tirolienne 415.
Tisch 11.216.218.419.
; Titte 88.
Tobel 109.
Tochter 7. 11. 14. 27.
208.
Töchterschule 277.
I Tod 11. 12.27.348.349.
i Toffel 416.
jTöle 175.
toll 11. 243.
Tolpatsch 146.
Tölpel 144. 256.
Tomate 196.
Ton 199. 236.
i Tonne 218.
j Tonsetzer 160.
I Top 274.
(Topas 200.
iTopf 108. 217.
iTopp 326.
Tor 11. 14. 27.34. 213.
, 242.
iTorf 197.
ITorkel 195.
Tornister 146.
Torpedo 327.
tosen 274.
Tot 156.
tot 11. 27.
Tote 88.
tote Hand 163.
Trabant 146.
traben 274.
träge 244.
tragen 11. 252.
Tragweite 160.
Trakehner 177. 415.
Tram 113.
Trampel 113.
Trampeltier 360.
Tran 174. 249.
Träne 17. 174. 248.
trank 26.
Trappe 146. 183.
trauen 17. 191. 249.
trauern 249.
Traum 11. 28.
träumen 249.
traun 272.
traurig 11. 28.
traut 108.
Treber 11. 17.
treiben 11. 28. 251.
trennen 17. 253.
Treppe 215.
Trespe 197.
treten 11. 251.
treu 11. 17. 190.
Trichter 195. 218.
trieben 29.
Triel 173.
Trift 313.
Trine 416.
trinken 11. 29. 224.
Trinkgeld 163.
got. triu 38. 39.
trocken 11. 17.
Troddel 227. 271.
Trog 11. 17. 217.
Troll 298.
Trommel 235.
Trompete 235.
Tropf 232.
Tropfen 11. 12. 27.
Trost 191. 249.
trübe 17.
trüben 40.
Truchseß 355.
Trug 298.
trügen 17. 242.
Truhe 217. 274.
Trunk 11.
trunken 30.
Trüsche 185.
Truthahn 355.
i Tschako 146.
Tschapka 146.
Tschardasch 146.
Tschingel 134.
Tuch 111. 227.
tüchtig 11.
Tuder 204. 274.
Tüder 204. 274.
Tuffstein 360.
Tüll 228. 415.
-tum 29. 35. 116.
Tümpel 202.
tun 11. 14. 29.
I tünchen 216.
Tür 14. 34. 101. 213.
Turbot 185.
Türkis 200. 415.
I Turm 216.
'■ turnen 342.
Turteltaube 183. 355.
Tüte 217.
Twenter 167.
Abel 241.
üben 194. 313.
über 34. 125.
übereignen 158.
überführen 305.
überhandnehmen 307.
Übermensch 262.
Übertrag 160.
überzeugen 307.
Uchte 205.
Ufer 103. 104. 326.
Uhr 207.
Uhu 182.
Ukas 146.
■ Ukelei 146. 185.
; Ulan 146.
Ulme 190. 192.
Ulrich 313. 416.
Ultramontan 263.
um 41. 125.
umgarnen 316.
Umschlag 159.
Umstand 307.
Umstände 160.
Umwelt 160.
un- 34.
Unaussprechlichen 160.
unbändig 316.
und 111.
unfehlbar 160.
Unflat 355.
-ung 117.
ungehobelt 295.
Ungeld 360.
ungeschliffen 295.
ungestüm 355.
Unhold 298.
Unke 188.
unmustern 355.
unter 18. 30. 123.
Unternehmer 160.
Unterschleif 355. 360.
unverzüglich 360.
unweigerlich 355.
unwirsch 355.
Unze 322.
üppig 244.
-ur 119.
Uraufführung 160.
Urbild 160.
Urgicht 307.
Urne 218.
Urschrift 158.
Ürte 32.
uzen 416.
Vampir 146.
Vandale 416.
Vase 218.
Vater 14. 18. 25. 33.
88. 208.
WÖRTERVERZEICHNIS.
437
Vatikan 416.
Veilchen 196.
Veitstanz 416.
ver- 125.
veramalgamieren 334.
Veranda 216.
Verbrauch 160.
verfiimfeien 237.
vergessen 27.
Verhältnis 160.
Verlag 127.
verlautbaren 272.
Verleger 318.
verletzen 31.
verloben 210. 305. '
verloren 27.
vermählen 210. 305.
vermummen 158.
verquicken 334.
verrottet 226.
Vers 238.
Versand 127.
Versicherung 158.
verstehen 248.
Vertagung 342.
verteidigen 276. 304.
Vertiko 416.
vertonen 160.
Vertrag 158.
vertuschen 344.
verwundet 30.
verzehren 252.
Vesper 207. 299.
Vetter 14. 208.
Vieh 14. 19. 29. 30.
34. 178.
viel 14. 30.
Vielfraß 360.
Vielweiberei 160.
vier 44. 166.
vierschrötig 355.
Viper 188.
Vlies 29. 171.
Vogel 182.
Vogelperspektive 160.
Voit 276.
Volk 27. 211.
Volkswirtschaft 160.
voll 14. 48. 243.
Vollmacht 158. 160.
Volt 89.
vor 14.
vorder 14.
Vorgebirge 160.
vorlaut 316.
Vormund 355.
vorn 27.
Vorsitz 160.
Vulkan 416.
Wabe 100. 107. 187.
wachen 26. 46. 249.
Wacholder 190. 360.
Wachs 26. 46. 109.
187.
wachsen 39. 46. 250.
Wachtel 182.
Wacke 46.
wacker 43. 46. 111.
Wade 46. 171.
Wadel 48. 221.
Waffe 12. 26. 46. 230.
Waffel 42. 173.
Waffenbruder 160.
Wage 46. 250.
Wagen 26. 46. 108.
203.
wägen 46. 250.
Wahl 111.
wahlfrei 160.
Wahlspruch 160.
Wahlverwandtschaft
160. 334.
Wahn 46. 249. 408.
wahn 46. 243.
Wahnsinn 360.
wahr 35. 46. 107. 242.
wahren 46.
wahrnehmen 247.
Wahrnehmung 160.
Wahrspruch 160.
Wahrzeichen 360.
Waid 28. 46. 197.
Waise 210.
Wal 26.
Wald 46. 111. 191.
Walfisch 40. 105. 178.
walken 26. 46. 226.
Walküre 298.
Wall 26. 168. 231.
Wallach 177. 416.
wallen 48.
Wallnuß 192.
Walm 46.
Walnuß 26. 355.
Walstatt 355.
walten 46.
Walze 221.
Walzer 235.
I Wamme 41. 173.
I Wams 227. 231.
' Wand 214. 320.
Wandel 321.
Wandelstern 160.
wandern 26.
Wange 173.
Wankelmut 355.
Wanne 195. 221. 222.
Wanst 46. 111. 172.
Wanten 286.
Wanze 188.
war 26.
Ware 26. 111.
waren 26.
I warm 26. 44. 205.
warnen 26.
I Warze 26. 172.
'was 11. 26. 33. 40.
I waschen 229.
: Wasen 202. 291.
Wasser 11.26.46.202.
349.
Wasserleitung 160.
Wasserwage 160.
Wat 227.
Wate 46.
waten 26. 46. 107.251.
Watt 46. 83. 203.
Wau 197.
weben 15. 27. 46. 226.
Wechsel 34. 46. 321.
Wechselbalg 232.
Weck 46. 109. 221.
Wedel 221.
weder 12. 18. 27. 40.
Wedgwood 416.
Weg 46. 203.
Weh 27.
wehen 46.
wehren 46.
Wehrmann 113.
Weib 28. 210.
weich 12. 28. 244.
Weichbild 2 16. 355.360
weichen 46. 251.
Weichselkirsche 355.
Weichselzopf 146.
Weichtier 160.
Weide 46. 190. 192.
Weidwerk 108.
weifen 46.
Weigand 46. 230.
Weih(e) 167.
Weihe 46.
weihe 28.
weihen 46. 298.
Weiher 203. 216.
Weihnachten 156. 206.
Weile 28. 40. 2G7.
Weiler 216. 392.
Wein 28. 195.
weinen 248.
Weingeist 160. 334.
weise 48. 242. 248.
weismachen 360.
weiß 11.28.33.40.48.
111. 240.
weissagen 360.
Weißpfennig 160.
weit 28. 243.
Weizen 11.28.40.194.
Weif 40. 178.
welken 46.
Welle 46. 48. 104. 109.
Wellfleisch 355.
Wels 185.
welsch 137. 416.
Welsche 378.
Welt 27. 34. 46.
Weltbürger 160.
Wendekreis 160.
Wenden 378.
wenig 244.
Wenigkeit 160.
Wenzel 416.
wer 40.
werben 40. 251.
werden 18.46.251.320.
Werder 203.
Werft 31. 40.
Wergeid 355.
Werk 27. 46. 320.
Wermut 197.
Werre 188.
Werst 146.
Wert 108. 203.
wert 27. 46.
Werwolf 298. 355.
Wesentlichkeit 160.
Wespe 46. 187.
Weste 228.
Westen 27. 34. 46.105.
Westerhemd 46. 355.
Wettbewerb 160.
Wette 46. 320.
Wetter 27. 46. 109.201.
204.
Wetterglas 160.
Wetterleuchten 234.
270. 360.
Wettung 320.
wetzen 11. 27. 40.
wichsen 272.
Wicht 46. 110.
Wicke 195.
wickeln 108.
Widderl2.30. 46. 177.
206.
wider 46.
Widersacher 304.
Widerhall 158.
Wiebel 46. 110.
Wiede 46.
Wiedehopf 182. 191.
360.
wieder 30 111.
Wiedergeburt 160.
wiederkäuen 224.
Wiedertäufer 160.
Wiege 221.
Wiegendruck 160.
Wiek 203.
-wiek 213.
Wiesel 178.
wild 29. 46. 108. 243.
Wildbret 355.
Wildfang 316.
Wildschur 146. 360.
will 34.
Wille 29. 46. 248.
willkommen 30.
Willkür 355.
Wimpel 227.
Wimper 355.
Wind 29. 34. 46. 105.
winden 29. 253.
Windhund 176.
Windmonat 360.
Windsbraut 360.
Winter 17. 29.^06.
438
WöRTHRVERZEICHNIS.
Winzer 195.
Würze 270.
Zein 10. 222.
Zither 236.
wir 46.
Wurzel 34. 40. 198.
Zeine 217.
Ziltcr 204.
Wirbel 221.
wüst 46. 107.
Zeiselwagen 355.
zittern 17. 89. 249.
wirken 46. 226. 320.
Wut 46.
Zeisig 146. 183.
Zitferoch 11. 232.
Wirren 230.
wütendes Heer 298.
Zeit 11. 28. 207.
Zitze 11. 88. 108.
Wirte! 42. 221.
Zeitabschnitt 160.
Zobel 146. 179.
Wisch 46.
Zacke 10.
Zeitalter 160.
Zoche 146,
Wisent 178.
Zagel 10.26.173.228.
Zeitrechnung 160.
Zofe 271.
wissen 34.46.247.248.
zäh 10.
Zeitschrift 160.
Zoll 11. 214. 322.
wittern 247. 316.
Zahl 10. 15. 26.
Zeitung 379.
Zopf 11. 12. 27. 229
Wittum 305.
zählen 10.
Zeitwort 160.
Zorn 242.
Witwe 15. 29. 34. 46.
zahlungsfähig 160.
Zelle 133. 216.
Zotte 217.
210.
zählungsunfiiliig 160.
Zelt 11.
zu 11. 16.29.125. 127
Witz 29. 405.
Zahlwort 160.
Zelter 178.
Zuber 11. 167. 218.
Woche 12. 206.
Zahlzeichen 160.
Zent 133.
Zucht 107.
Wodanstag 298.
zahm IC. 15. 26.244.
Zepter 133.
Zug 11.
Woge 271.
zähmen 33.
zer- 16. 126.
Zügel 222.
Wühlklang 160.
Zahn 10. 15. 26. 33.
zergen 11.
Zukunft 34. 207.
Wohltat i()0.
101. 172.
zerknirschen 360.
zünden 11.
Wohlwollen 160.
Zähre 10. 15. 19. 33.
zermalmen 109.
Zunder 1 1.
woiinen 9. 194. 313.
174. 248.
zerren 11. 16. 252.
Zunft 318.
403.
Zain 10. 222.
Zettel 222.
Zunge 11. 15. 16.30
Wolf 18.34.44.46.178.
Zander 185.
zelten 16.
107. 172.
Wolke 46. 201.
Zange 10. 15. 26. 222.
Zeug 222.
zusammen 167.
Wolkenkuckucksheim
zanger 222.
Zeute 217.
zwanzig 11. 166.
160.
Zankapfel 343.
Zichorie 198.
zwar 355.
Wolle 34. 46. 48. 172.
Zapfen 10. 12. 222.
Zieche 11.
Zweck 344.
179. 225.
Zarge 10. 15. 222.
Ziege 178.
Zweck(e) 222.
wollen 46. 248.
zart 243.
Ziegel 11. 216.
Zwehle 229.
Wonnemonat 206.360.
Zaspel 355.
Ziegenhaingr 416.
zwei 11. 16. 166. 167
Wörde 213.
Zauber 10. 298.
ziehen 16.35. 107.251.
Zweifel 44. 107.
Würfel 222.
zaudern 15.
252.
Zweig 11. 167. 191.
Wort 11. 46.
Zaum 10. 28. 222.
Ziemer 314.
Zweikampf 160.
Wortbuch 158.
Zaun 11. 15. 28. 35.
Zierat 360.
Zwerchfell 355.
Wortforschung 160.
105. 108. 133. 137.
Zierbengel 160.
Zwerg 31. 298.
Wortfügung 160.
213.
Zieselmaus 146. 179.
Zwetsche 192. 416.
Wrak 40. 290.
Zaunkönig 183.
Ziestag 298.
Zwi- 34.
Wruke 146. 272.
zausen 11. 16.
Ziffer 168.
Zwick(el) 222.
Wucher 321.
Zeche 43.
-zig li. 30. 166.
Zwiebel 196. 360.
wund 232.
Zecke 11. 188.
Zille 146.
Zwiesel 167.
Wunder 30.
Zeder 133.
Zimbel 133. 235.
Zwilch 167.
wünschen 46. 11 1.248.
Zeh 11. 27. 107. 172.
Zimmer 11. 16.29.34.
ZwilUng 11 167.
Wurd 213.
zehn 8. 11. 16. 19.27.
• 41. 168. 213.
zwingen 229.
würdig 12.
34. 166.
Zink 200.
Zwirn 107. 167. 227.
Würfel 222.
zehnte 27.
Zinn 11. 29. 200.
zwischen 11. 167.
würgen 46.
zehren 11. 16. 225.
Zinne 108.
Zwist 167. 230.
Wurm 46. 107. 188.
Zeichen 11. 12. 28.
Zins 322.
zwitschern 252.
Wurst 223.
zeigen 16. 107.
Zipfel 11.
Zwitter 167.
wursteln 223.
zeihen 16. 35. 107. 252.
Zipperlein 232.
zwölf 11.44.110. 166
Würz 46.
ahd. zeihhur 47. 209.
zischen 252.
Zypresse 192.
NACHTRÄGE UND BERICHTIGUNGEN
S. 11 Z. 4 V. u. lies: e. thick statt thik. — S. 14 Z. 13 v. o. lies: Fell statt Fett. —
S, 15 Z. 6 V. 0. lies: Bär statt Bar. — S. 31 Z. 6 v. u. lies: Punkten abgesehen statt
Punkten. — S. 35 Z. 1 v.o. lies: Mahd statt Mat. — S. 48 Z. 10 v. o. lies: lat. statt d. —
S. 53 Abschnittt 2 füge hinzu: Ein kleines brauchbares Hilfsmittel ist E. Wassürzieher.
Woher? 3. Aufl. 1919. — S. 53, 1: Von Feist, Etymol. WB. ist jetzt die dritte Auflage er-
schienen. — S. 53 §38,2 füge hinzu: A. Torp, Nynorsk etymologisk ordbok, Kristiania
1916. — Zu §38,4 füge hinzu: F. Holthausen, Etymologisches Wörterbuch der englischen
Sprache, Leipzig 1917. — §38, 11: Meyer-Lübkes Wörterbuch ist jetzt vollendet. Statt
1900 lies 1911. — §39, 12: BoiSACQ ist ebenfalls vollendet. — S. 73 §51,2 füge hinzu:
O. Östergren, Nusvensk ordbok, Stockholm 1916. — §52: Die Zeitschrift für deutsche
Wortforschung ist leider eingegangen. — S. 77 § 56 Literatur füge hinzu: WiKLUND, Indo-
germanisches Jahrbuch 5, 1—21. — Zu S. 79 §59 Literatur füge hinzu: E. Tappolet, Die
alemannischen Lehnwörter in den Mundarten der französischen Schweiz, Kulturhistorisch-
linguist. Unters., I.Teil, Straßburg 1914. 2. Teil: Etymologisches Wörterbuch 1917. — Zu
S. 140 § 105 Literatur füge hinzu: Paul Möller, Fremdwörter aus dem Lateinischen im
späteren Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen, Diss. Gießen 1915. — Zu S. 154
füge hinzu: Maxlmilian Martin, Die französischen Wörter im Rheinhessischen, Diss. Gießen
1914. — E. JäSCHKE, Lateinisch-romanische Fremdwörter der schlesischen Mundart, Breslau
1908. — Karl Roos, Die Fremdwörter in den elsässischen Mundarten, Diss. Straßburg
1903. — Zu S. 224 füge hinzu: O. H. Schwabe, The semantic development of words for
eating and drinking in Germanic (Linguistic Studies in Germanic, ed. by Francis A. Wood
Nr. 1), Chicago 1915. — Zu S. 328 § 196 Literatur füge hinzu: Th. Imme, Die deutsche
Soldatensprache der Gegenwart und ihr Humor, Dortmund 1917.— O. Mausser, Deutsche
Soldatensprache. Ihr Aufbau und ihre Probleme, Straßburg 1917. — Zu S. 346 §204'):
Lis Jacobsen, Om Ordenes Död. Arkiv för nord. filologi 31 (1915) 236—284. — S. 346')
lies: Holthausen, Germ.-rom. Monatsschrift statt Wörter und Sachen.
Herman Hirt
ord. Professor an der Universität Gießen
Geschichte der deutschen Sprache
XII, 301 Seiten Lex.S*^. Geheftet M 18.—, gebunden M 24.—
(Handbudi des deutschen Unterrichts an höheren Schulen. Begründet von Adolf Matthias.
IV. Band 1. Teil.)
Aus dem Vorwort:
Ich habe die Absicht gehabt, eine Geschichte der deutschen Sprache zu
schreiben für den Kreis von Menschen, für den das Buch seinem Plane
nach bestimmt war, für die Lehrer und die Schule. Ich habe versucht,
möglichst gemeinverständlich zu schreiben, dabei aber alle Fragen von
den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart zu berühren. Ich habe die Her-
kunft des Deutschen und Germanischen aus dem Indogermanischen ver-
hältnismäßig ausführlich behandelt und habe dabei Geschichte der deutschen
Sprache im Sinne von Jakob Grimm und Wilhelm Scherer gefaßt.
Ich meine, gerade das gehört in eine Geschichte der deutschen Sprache.
Ich selbst erinnere mich noch aus meinen Sekundanerzeiten, mit welcher
Aufmerksamkeit wir allgemein der Kunde von den indogermanischen
Sprachen lauschten. Damals gab es viele Lehrer, die gute sprachwissen-
schaftliche Kenntnisse hatten, während heute offenbar die Sprachwissen-
schaft mehr und mehr aus der Schule verbannt ist. Wenigstens habe ich
schon sehr viel Studenten getroffen, die auch nicht die leiseste Ahnung
von den Ergebnissen der Sprachwissenschaft besaßen, von denen Hegel
sagte, daß sie zu den großartigsten Entdeckungen auf dem Gebiete der
Geisteswissenschaften gehörten. — Auf der andern Seite habe ich auch
die neueste Entwicklung in unserer Sprache, die Einigung in der Schreibung
und in der Aussprache und schließlich auch die Frage der Sprachrichtigkeit
behandelt. Alles dies geht den Schulmann besonders an. Die Muttersprache
ist unser höchstes Gut, und die Schule muß daran arbeiten, sie zu pflegen
und immer höher auszubilden.
^
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
p^ , - ^ K In '" Verbindung' mit FRIEDRICH RANKii und
üeUtSCneS OageilDUCn kARI. WI-HRHAN lierausgc^ebcn von FRIED-
RICH V. d. LEYEN. l.Tcil: Die Götter und Göttersagen der Germanen. Von Professor
Dr. FR. V. d. LEYEN. 2. neubcarbeitete Auflage, ücbunden M 22.— / 2. Teil: Die deutschen
Heldensagen. Von Professor Dr. I'R. v. d. IJ:YEN. Gebunden M 1 1 .— / 3. Teil : Die deutschen
Sagen des Mittelalters. Von Rektor K. WEHRHAN / Erste Hälfte: Kaiser und Herren.
Gebunden M 11.—. / Zweite Hülfte: Stumme und Landschaften, Ritter und Sänger.
Gebunden M 17. — (Soeben erschienen.) / 4. Teil: Die deutschen Volkssagen. Von
Dr. FRIEDRICH RANKE. Gebunden M 11.—
.Soweit meine Kenntnis reicht, ist den Ergebnissen der Wissenschaft noch in keiner für
weitere Volkskreise bestimmten Darstellung Rechnung getragen, ganz gewiß nicht in den
für die Jugend bestimmten Lese- und Erzählungsbüchern aus der germanischen Mythologie.
Hier nun ist dies endlich geschehen." Professor Dr. Karl Berger (Deutsche Zeitung;. —
,Es ist dem Verfasser geglückt, die zum Teil sehr schwierigen Probleme, unter Zurück-
schiebung des gelehrten Materials, in glatter Darstellimg zu bezwingen. Ein gebildeter und
für den Stoff eingenommener Leser wird das Buch mit Gewinn und Genuß benutzen.*
Deutsche RundsctKiu.
p. i U i^ W Ui ^°" OSKAR JÄGER. Zwei Bände mit 220 Ab-
UCUtSCnG UGSCniCntC bildungen und lö historischen Karten. 5. Auflage
(14. bis 17. Tausend). In Halbleinwand gebunden M 45.—
.Dies Werk ist das literarische Testament eines hochverdienten Gelehrten und heischt
pietätvolle Aufnahme, aber es ist auch wirklich in seiner ganzen Abrundung und künst-
lerischen Gestaltung des Riesenstoffes ein Meisterwerk." Gymnasiaidirektor Dr. A. Biese
(Koblenzer Zeitung). — „Was man hier vor sich hat, ist die völlig ausgereifte Frucht einer
in jeder Hinsicht abgeklärten, von edlem Feuer für die Sache des Deutschtums beseelten,
von souveräner Beherrschung des Stoffes zeugenden Denkarbeit.' ProL Dr. W. Martens
(Frankfurter Zeitung). — .Das Buch verbindet wissenschaftliche Zuverlässigkeit mit volks-
tümlicher und doch gewählter Schreibweise und trifft in der Ausführlichkeit mit wirklich
großem Geschick die rechte Mitte." Literarisches Zentralblatt. — ,\'om ersten Kapitel
seines prächtigen Buches bis zum letzten zeigt der Verfasser, wie der Gang des politischen
Lebens in Wechselwirkung steht mit der Einwirkung des geistigen und wirtschaftlichen
Lebens unserer Nation." Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung. — „Eine edel volks-
tümliche Deutsche Geschichte, die Leben zeugen wird." Kölnische Zeitung.
rN xt-l*x X t-«l-x Von ALFRED BIESE. 17. Auf-
Deutsche Literaturgeschichte lageji bis 75 Tausend) Erster
Band: Von den Anfängen bis Herder. / Zweiter Band: Von Goetiie bis Mörike. / Dritter
Band: Von Hebbel bis zur Gegenwart, in Halbleinen gebunden je M 45. —
„Eine so großzügige Darstellung der gesamten deutschen Literatur, so umsichtig in der
Auswahl und modern in der Auffassung, zugleich von so reifem, sicherem Urteil, so klar
in den Umrissen, warm in den Farben und verständlich in allen Teilen, so aus einem Guß
und mit sicherer Gewalt über die Sprache geschrieben — ist bisher in dieser Art schwerlich
geboten worden." Konservative Monatsschrift. — .Feinsinn und maßvolle Sachlichkeit
in ansprechendem Gewände — diese Eigenschaften lassen mir Bieses Buch zur Einführung und
häuslichen Lektüre geeigneter erscheinen als irgend eine der mir bekannten bisherigen Lite-
raturgeschichten." Univ.-Prof. Unger (Jahresberichte f. neuere deutsche Literaturgeschichte).
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
T ^<s^\na llllH ^PltlP 7Plf von WALDEMAR OEHLKE. zwei Bände mit
'-"^'^'^"'^ uiivi o^iiiv; M^^ii. den Lessingbildnissen vonTischbein und Anton
Graff. Gebunden M 40. —
,In dem Titel .Lessing und seine Zeit' bedeutet der Zusatz zum Namen des Dichters kein
nebensächliciies Anhängsel, sondern einen so wesentlichen Teil des Ganzen, daß er strecken-
weise den ersten Rang beansprucht. Der zeitgeschichtliche Hintergrund, von dem sich die
Gestalt des Helden abhebt, ist so weit genommen, mit einer so großen Reihe von Figuren.
Landschafts- und Zeitbildern ausgefüllt, so sorgsam und liebevoll behandelt, daß die Dar-
stellung eine Kulturgeschichte Deutschlands zur Zeit, man könnte fast sagen: unter der
Regierung Lessings bildet. . . Der Verfasser begnügt sich dabei nicht mit den schon er-
schlossenen Quellen, sondern benützt zur Beleuchtung der Verhältnisse und Menschen eine
Menge neu hervorgeholter Urkunden, Briefe, Tagebücher, von denen er eine stattliche
Auslese in den Anmerkungen abdruckt. So ist durch gewissenhafte Verwertung der ge-
samten Lessingliteratur und durch neue eifrige Forschung ein Bild des großen Mannes zu-
stande gekommen, das neben früheren Darstellungen in Ehren besteht und an kultur-
geschichtlicher Weite sie alle übertrifft." Nord und Süd.
Goethe
Sein Leben und seine Werke. Von ALBERT BIELSCHOWSKY. 37. und
38. Auflage. Zwei Bände mit zwei Porträtgravüren. Gebunden M 70.—
„Ästhetisch und auf ihre innere analytische Darstellungskunst hin gewertet verdient diese Goethe-
biographie den ersten Platz unter allen, die wir besitzen." Westermanns Monatshefte.
Q < «ll Sein Leben und seine Werke. Von KARL BERGER. 12. und 11. Auflage.
v3dflllld Zwei Bände mit zwei Porträtgravüren. Gebunden M 65. —
,Wir besitzen in diesem Buch durchweg eine Verbindung von zuverlässiger Sachlichkeit und
edler sprachlicher Darstellung, die der Schillerbiographie Karl Bergers den höchsten Rang an-
weist, den solche Werke überhaupt erlangen können." Dr. J. V. Widmann (Berner Bund).
^fl^L-ACrtciQ Ck ^^^ Dichter und sein Werk. Von MAX J. WOLFF. 4. Auflage
OnaKeSpeare (lo. Ms H. Tausend). Zwei Bände, jeder mit Gravüre. Geb. M 40.—
„Hier haben wir endlich unsere moderne deutsche, sowohl wissenschaftlichen als künstlerischen
Ansprüchen gerecht werdende Shakespearebiographie!" Franz Servaes (Neue freie Presse).
1^1 »j Sein Leben und sein Werk. Von WILHELM HERZOG. 2., unveränderte Auflage
iViCI^l (4. bis 6. Tausend). Mit zwei Porträtgravüren. Gebunden M 26.50
.Das Buch ist ein schriftstellerisches und psychologisches Meisterwerk." Hanns Martin
Elster (Rheinisch-Westfälische Zeitung).
U j Sein Leben und seine Werke. Von EUGEN KÜHNEMANN. 2., neubearbeitete
ncrUer Auflage. Mit Porträtgravüre. Gebunden M 24.—
«Ein bedeutendes Buch. Es ist, getragen von einer hochgesteigerten sittlichen Stimmung,
eine mächtige Predigt in Form eines Lebensbildes." Theologische Literaturzeitung.
o |^!|| Von EUGEN KÜHNEMANN. 6. Auflage (16. bis 18. Tausend). Gebunden
OCnUier M40.— (Soeben erschienen.)
„Das Buch ist ein Musterbeispiel, wie in einem Einzelnen eine ganze geschichtliche Epoche
lebendig gemacht werden kann. Es lebt wirklich! Ausblicke von hoher Warte verbinden
überall Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des fortschreitenden Lebens. In dieser Form
gewinnt Kühnemanns Buch einen Wert über sein besonderes Ziel hinaus: es hilft zur Lebens-
schätzung in höherem Sinne erziehen." Kunstwart.
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IDer Mann und sein Werk im Rahmen der Zeit und Litcratur-
mmermann gescl»ichtc. von HARRY MAYNC. vi, 627 S. Gebunden M 60.—
Soeben erschienen.
Inhalt. Vorwort — FAnleitimg — Erstes Budt: Jugendlidies Siidien und Irren. I. Ur-
sprilnge und Heimatjahre. 1796 — 1813. 2. Lehr- und Wanderjahre des Studenten und
Befreiungskriegers. 1813—1819. 3. Auf roter Erde. l'5l9—1824. 4. Die Werke der
Münsterisdien Zeit. 5. Krisenjahre. 1824 — 1827. — Zweites Budi: Münnlidies Ringen
und Wirken. 6. Düsseldorfer Anfänge. 1827—1830. 7. Um eine Lebens- und Welt-
anschauung (Politik — Gesdiidite — Religion: .Alexis'. .Merlin'). 1830—1832. 8. Immer-
manns theatralisdie Sendung. 1832—1837. — Drittes Budi: Reife und Ernte. 9. Epigonen.
10. Vita nuova. 1837—1839. 11. Mündihausen. 12. Glüdi und Ende. 1839—1840. —
Schluß: Der Mann und sein Werk.
Immcrmann ist dem deutschen Voll<e noch weniger bekannt als er nach seiner literarischen
Betätigung und nach dem Gewicht seiner männlichen Persönlichkeit verdiente. Dieses durch-
weg fesselnde, mit der jedem Biographen uricrläßlichen Liebe und einer eher zu strengen
als zu nachsichtigen Kritik geschriebene Lebensbild, das neben dem Mann seine ganze
Zeit lebensvoll vor uns erstehen läßt, wird ihm in kurzer Zeit den ihm zukommenden Platz
im deutschen Herzen sichern.
Theodor Fontane Tm- '"^'^ """'"'''■ """■ '" '' "''"""^
.Bisher gab es kein Buch über Fontane, das seiner kulturellen und dichterischen Bedeutung
entsprach. Conrad Wandrey gibt nun eine umfassende, eindringliche, liebevolle und künst-
lerische Gesamtdarstellung von Fontanes dichterischer Entwicklung. Alles drängt sich um
das Wesen und Werden des Dichters, insonderheit des Epikers, das Wesen und Werden
der epischen Form bei Fontane. Und da wir in der neueren deutschen Literaturgeschichte
noch keine vorbildliche Darstellung von der Entwicklung eines Epikers besitzen (die Bio-
graphien Gottfried Kellers von Bächtold und Ermatinger dringen nicht durch zur , inneren
Form'), so ist Wandreys Buch nicht nur eine erschöpfende Darstellung von Fontanes Dich-
tungen; darüber hinaus ist seine Analyse großer epischer Dichtungsfolgen in der Gemeinsam-
keit ihrer inneren und äußeren Form für die deutsche Literaturwissenschaft bedeutsam.
Fontane, der sich — wie auch Gottfried Keller — so oft ablehnend und spöttisch gegen
den Naturalismus der Wilhelm Scherer-Schule ausgesprochen hat, würde dieser lebendigen
und schöpferischen Betrachtung gewiß seine Zustimmung nicht versagt haben." Professor
Dr. Philipp Witkop (Frankfurter Zeitung).
Der Untergang des Abendlandes j^orifd^XS,:
Von OSWALD SPENGLER. Erster Band: Gestalt und Wirklichkeit. 23.— 32. AufL
XV, 615 S. Gebunden M 58.—
.Das Spenglersche Buch ist kein zufälliges Buch. Es ist selbst das Schicksalsbuch unseres
ganzen Zeitalters. Wir werden uns immer mit ihm auseinanderzusetzen haben, ob wir nun
seine Schlußfolgerungen anerkennen, oder ob wir sie bestreiten. Und wir werden es nicht
wie mit einem Buche tun, das auch ungeschrieben hätte bleiben können, sondern wie mit
einem Ereignis, das wir nicht zu umgehen vermögen. So sehr ist es die Erfüllung jenes
Versprechens, das der zweite Unzeitgemäße gab, als er die Geschichte auf ihren Nutzen
und ihren Nachteil untersuchte: nur soweit die Historie dem Leben dient, wollen wir ihr
dienen." Moeller van den Brück (Deutsche Rundschau).
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Das pädagogische Seminar führung in den Lehrberuf Heraus
gegeben von KARL NEFF, Oberstudienrat und Rektor in Bayreuth.
Erster Band: Der deutsche Unterricht, von Karl Neff. Mit einer Ein-
führung in die mittelhochdeutsche Lektüre von Georg Kinateder. VIII, 175 S. S'^. Leicht
geb. M 15.—. (Soeben erschienen.)
Zweiter Band: Der Geographieunterricht, von Max Pörderreuther.
VI, 96 S. S". Leicht geb. M 10. — . (Soeben erschienen.)
Dieses Handbuch für die praktische Einführung in den Lehrberuf tritt an die Stelle des
1908 erschienenen und seit geraumer Zeil vergriffenen Buches des gleichen Herausgebers
„Das pädagogische Seminar", das den Verlauf des philologisch-historischen Seminarjahres
schilderte und nur die für die Behandlung des Unterrichts im Deutschen, in den antiken
Sprachen, in der Geschichte und Geographie notwendigsten methodischen Richtlinien enthielt.
Dieses neue Werk soll zu einem Handbuch für die praktische Einführung in den Lehr-
beruf überhaupt werden und ein anschauliches Bild von einer wissenschaftlichen Arbeits-
gemeinschaft überhaupt geben, bei der die Kandidaten nicht bloß m.ethodische Kunstgriffe
lernen, sondern auch eine richtige Auffassung ihrer für die Gesamtheit so bedeutsamen
erziehlichen Berufsarbeit bekommen.
Bausteine zu einer Ästhetik der inneren Form
Von FR. LIPPOLD. XXIV, 397 S. Gr. 8°. (Soeben erschienen.) Gebunden M 20 —
.Die Wahl dieses Titels muß durchaus als glücklich bezeichnet werden, findet sich in ihm
doch der Grundgedanke der Lippoldschen Ästhetik, der sogleich auch auf seinen berühmteren
Vorgänger Vischer hinweist, angedeutet. Auch hier steht das Problem »Form und Inhalt"
im Mittelpunkte der Betrachtung. Auch hier wird ein Ausgleich, ein Mittelweg gesucht. Und
er wird gefunden mit der Verlegung des rein Formprinzipiellen in das Geistige und Seelische.
Dabei ist seine Ästhetik durchaus nicht in modernem Sinne einseitig psychologisch-empirisch
gerichtet. Neben der Erfahrung, für die ihm die eigene Person stets das reichste, inter-
essanteste und zuverlässigste Beobachtungsmaterial bot, weiß er den Wert der Spekulation
wohl zu schätzen. Die Idee ist ihm zwar nicht das Erste und einzig Wichtige, wohl aber das
Kernhafte, Bleibende, Wertgebende. Das Buch, das im wesentlichen aus dem Nachlaß Lippolds
zusammengestellt wurde, enthält eine Fülle fruchtbarer, gerade für unsere in ihrem ästhe-
tischen Empfinden so unklare Zeit wegweisender Anregungen." Deutsches Volkstum.
Johannes Müllers Gedanken über Er-
ziehung und Unterricht. Nach seinen
Innerliche Schulreform
Reden und Schriften dargestellt von Dr. WILLY SCHEEL. IV, 111 S. Geheftet M 9.— .
Was Joh. Müller über Erziehung und Unterricht sagt, ist kein Lehrgebäude, kein neues
Erziehungssystem, sondern bietet die Darstellung dessen, was er über diese Dinge in sich
selbst erlebt hat. In seinen Schriften, Reden und Gesprächen hat er sich oft über diese
Fragen geäußert. Dieses Material wird hier übersichtlich, meist mit Müllers eigenen Worten,
dargeboten. Die Jugenderziehung gipfelt bei ihm darin, das ursprüngliche Wesen im Kinde
heranzuziehen und zu fördern. Denn das Ziel seiner Sehnsucht ist der Mensch des .dritten
Reiches", der xMensch der wiedergewonnenen Unmittelbarkeit. Alle, die Kinder zu erziehen
haben, sollten suchen, die Grundgedanken Johannes Müllers kennen zu lernen, zumal sie
ihnen hier so bequem zusammengefaßt dargeboten werden. Heute, wo die Eltern in Schule
und Kirche mehr denn je mitzureden haben, ist es unerläßlich, die eigenen Gedanken mit
denen eines so selbständigen Geistes wie dem Johannes Müllers zu vergleichen.
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
Handbuch des deutschen Unterrichts
begründet von Df. Adoll MättniaS, Wirklichem Geheimen Oberrcgierungsral
1. Band:
1. Geschichte des deutschen Unterrichts von Wirkl. Geh. Oberregierungsrat
Dr. Adolf Matthias. 28 Bogen Lex.S". Geh. M 15.75, geb. M 20.—
2. Der deutsche Aufsatz von Professor Dr. Paul Geyer. Zweite Auflage.
22'.- Bogen Lex. 8". Geheftet M 10.50. gebunden M 21.50
3. Lesestücke und Schriftwerke im deutschen Unterricht von Gymnasial-
direktor Dr. Paul Goldscheider. 32 Bogen Lex, 8". (Vergriffen.)
ll.Band;
1, I Einführung in das Gotische nebst Wörterverzeichnis von Professor
Dr. von der Leyen. 12 Bogen Lex. 8". Gebunden M 16.—
1, 2. Einführung in das Althochdeutsche nebst Wörterverzeichnis von Professor
Dr. Georg Baesecke. 19 Bogen Lex. 8". Geheftet M 17.50, gebunden M23 50
1, s. Einführung in das Mittelhochdeutsche nebst Wörterverzeichnis von Pro-
fessor Dr. Friedrich von der Leyen. Hn Vorbereitung.)
2. Grammatik der neuhochdeutschen Sprache von Professor Dr. Ludwig
Sütterlin (Freiburg i. B.). Mit Anhang: Die deutsche Aussprache auf
phonetischer Grundlage von Professor Dr. Theodor Siebs (Breslau).
(Im Druck.)
lll.Band
1. Deutsche Stilistik von Professor Dr. Richard M.Meyer. Zweite Auflage.
17 Bogen Lex. 8". Geheftet M 8.75, gebunden M 18.75
2. Deutsche Poetik von Professor Dr. Rudolf Lehmann. 18' + Bogen Lex. 8°.
Zweite, neubearb. Auflage. Geh. M 16.50, geb. M 22.50
3. Deutsche Verslehre von Professor Dr. Franz Saran (Erlangen). 23 Bogen
Lex.8°. Geheftet M 12.25, gebunden M 21.50
IV.Band:
1. Geschichte der deutschen Sprache von Professor Dr. Her man Hirt.
Geheftet M 18.—, gebunden M 24.—
2. Etymologie der neuhochdeutschen Sprache. Eine Darstellung des deutschen
Wortschatzes in seiner geschieht!. Entwicklung. Mit Index. Von Prof. Dr. Her-
rn an Hirt (Gießen). Zweite Auflage.
3. Sprichwörter, sprichwörtliche Redensarten, geflügelte Worte von Gym-
nasialdireklor Dr. Friedrich Seiler (Wittstock). (Ersdieint Anfang 1921.)
V.Band:
1. Deutsche Altertumskunde von Professor Dr. Friedrich Kauffmann (Kiel).
I. Hälfte: Von der Urzeit bis zur Völkerwanderung. 32^4 Bogen Lex. 8° und
35 Tafeln. Geh. M 17.50, geb. M 24.—
2. Religion und Mythologie von Professor Dr. Friedrich Kauffmann.
(In Vorbereitung.)
3. Deutsche Heldensage von Professor Dr. Friedrich Panzer (Frankfurt a.M.).
(In Vorbereitung.)
VI.Band:
Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters.
Von Professor Dr. G. Ehrismann. I. Teil: Die althochdeutsche Literatur.
Geh. M 22.50, geb. M 32.50. — IL Teil: Die mittelhochdeutsche Literatur.
(In Vorbereitung.)
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
C. H. Beck'sche Buctidruckerei in Nördlingen
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