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Full text of "Etymologie der neuhochdeutschen Sprache; Darstellung des deutschen Wortschatzes in seiner geschichtlichen Entwicklung"

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HANDBUCH 

DES 


DEUTSCHEN  UNTERRICHTS 


AN  HÖHEREN  SCHULEN 


BEGRÜNDET  VON 


DR.  ADOLF  MATTHIAS 

Wl-:iLAND  WIRKl..  ÜEH.  OBHR-REÜIEKUNGSKAT 
UND  VORTRAGENDEM  RAT  IM  PREUSS.  KULTUSMINISTERIUM 


VIERTER  BAND,  ZWEITER  TEIL 

ETYMOLOGIE  DER  NEUHOCHDEUTSCHEN  SPRACHE 


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MÖNCHEN  1921 

C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR  BECK 


ETYMOLOGIE   DER 
NEUHOCHDEUTSCHEN 

SPRACHE 


DARSTELLUNG  DES  DEUTSCHEN  WORTSCHATZES 
IN  SEINER  GESCHICHTLICHEN  ENTWICKLUNG 


VON 


DR.  HERMAN  HIRT 


O.  PROFESSOR  DES  SANSKRIT  UND  DER  INDOGERMANISCHEN  SPRACHWISSENSCHAFT 

AN  DER  UNIVERSITÄT  GIESSEN 


ZWEITE,  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 


i[K.f.H»<»a».'<n-m 


MÜNCHEN  1921 

C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR  BECK 


Üffiwmy 


Vorwort  zur  zweiten  Auflage 

Rascher  als  ich  es  vermuten  und  erwarten  konnte,  ist  die  erste  1909 
erschienene  Auflage  dieses  Buches  vergriffen  worden,  was  doch  offen- 
bar auf  ein  starkes  Bedürfnis  für  eine  solche  Darstellung  hinweist.  Schon 
1913  habe  ich  die  Neubearbeitung  begonnen  und  Anfang  August  1914 
waren  bereits  mehrere  Bogen  gedruckt.  Dann  hat  der  Druck  geruht,  bis 
er  im  Herbst  1919  wieder  aufgenommen  worden  ist.  In  den  Grundzügen 
brauchte  ich  an  dem  Buche  nichts  zu  ändern,  wohl  aber  konnte  ich,  da 
mir  wesentlich  mehr  Raum  zur  Verfügung  stand,  meine  Darstellung  stark 
erweitern.  Ich  habe  daher  sehr  viel  mehr  Material  als  früher  verarbeitet. 
Ich  habe  auch  namentlich  in  der  einleitenden  Lautlehre  eine  weitgehende 
Vergleichung  mit  dem  Englischen  vorgenommen,  um  einerseits  die  Wichtig- 
keit der  Lautlehre  zu  zeigen  und  anderseits  durch  Heranziehen  des  Be- 
kannten  größere  Teilnahme  zu  erwecken.  Als  ich  die  erste  Auflage  druck- 
fertig machte,  steckte  ich  noch  in  der  Arbeit  zu  Weigands  Deutschem 
Wörterbuch^,  und  dieses  lag  bei  weitem  nicht  fertig  vor.  Bei  dieser  Auf- 
lage konnte  ich  mich  auf  die  Neubearbeitung  stützen,  und  ich  kann  den 
Leser  in  vielen  Fällen  darauf  verweisen.  —  Der  neuaufgenommene  Druck 
ist  nun  unter  ganz  andern  Verhältnissen  weitergeführt  worden,  als  er  be- 
gonnen wurde.  Der  Umfang  des  Buches  mußte  beschränkt  werden.  Ich 
habe  vieles  gestrichen,  anderseits  durch  reichlich  angewandten  Petitdruck,  der 
nach  meiner  Meinung  die  Übersicht  erleichtert,  wenigstens  Papier  gespart. 

Im  übrigen  hoffe  ich,  daß  das  Buch  auch  unter  den  veränderten  Ver- 
hältnissen seinen  Weg  machen  wird.  Die  Muttersprache  und  die  Kenntnis 
ihrer  Entwicklung  muß  zweifellos  im  Mittelpunkt  des  Unterrichts  stehen. 
Und  nichts  begegnet  größerer  Anteilnahme  als  gerade  die  Etymologie  oder 
die  Herkunft  der  Wörter.  Erst  durch  eine  solche  Darstellung  wie  die  meine 
wird  die  in  unsern  Wörterbüchern  aufgespeicherte  Arbeit  nutzbar  gemacht. 

Für  Unterstützung  bei  der  Korrektur  sage  ich  Herrn  Dr.  Karstien 
meinen  besten  Dank. 

Gießen,  im  Juli  1920 

Herman  Hirt 


INHALTSVERZEICHNIS 


Seile 
Einleitung 1 

§  1.  Die  Aufgabe  1.  —  §2.  Sammlung  des  Wortschatzes  1.  —  §3.  Alter  der 
Wörter  2.  —  §  4.  Wortschatz  der  Mundarten  2.  —  §  5.  Die  Standes-  und  Berufs- 
sprachen 3.  —  §  6.  Sprachliche  Versteinerungen  3.  —  §  7.  Eigennamen  3.  — 
§8.  Bedeutungswandel  3.  —  §9.  Bedeutung  der  Wortforschung,  auch  für  die  Schule  3. 
I.  Geschichte  undGrundsätze  der  Etymologie.  Übersicht  über  dieLautentwicklung      5 

§  10.  Die  Etymologie  bei  den  Griechen  5.  —  §  11.  Die  Etymologie  bis  zur 
Neuzeit  6.  —  §  12.  Das  Auftreten  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  6.  — 
§  13.  Die  Anfänge  der  Lautlehre  9.  —  §  14.  Die  deutsche  Lautverschiebung  10.  — 
§  15.  Die  germanische  Lautverschiebung  13.  —  §  16.  Lautgesetze  16.  —  §  17.  Aus- 
nahmen der  Lautverschiebung  16.  —  §  18.  Der  grammatische  Wechsel  18.  — 
§  19.  Ausnahmslosigkeit  der  Lautgesetze  19.  —  §  20.  Lautgesetze  und  Etymologie 
21.  —  §  21.  Lautgesetze  im  Deutschen  21.  —  §  22.  Die  wissenschaftliche  Laut- 
lehre 22.  —  §  23.  Transskription  22.  §  24.  Vokalismus  24.  —  §  25.  Der  neu- 
hochdeutsche Vokalstand  25.  —  §  26.  Der  althochdeutsche  Vokalismus  31.  — 
§  27.  Der  urgermanische  Vokalismus  32.  —  §  28.  Der  indogermanische  Vokalis- 
mus 32.  —  §  29.  Der  Ablaut  36.  —  §  30.  Konsonantismus  40.  —  §  31.  Ur- 
germanischer Konsonantismus  43.  —  §  32.  Störungen  der  Lautgesetze  49.  — 
§  33.  Störungen  der  Lautgesetze  durch  Analogiebildungen  50.  —  §  34.  Störungen 
durch  Volksetymologie  50.  —  §  35.  Störungen  durch  Entlehnung  50.  —  §  36.  Dar- 
stellungen der  Lautlehre  52.  —  §  37.  Etymologische  Wörterbücher  des  Deutschen 
52.  —  §  38.  Etymologische  Wörterbücher  der  übrigen  germanischen  Sprachen  53.  — 
§  39.  Etymologische  Wörterbücher  der  indogermanischen  Sprachen  53.  —  §  40.  Etymo- 
logische Zusammenhänge  innerhalb  des  Deutschen  54.  —  §  41.  Bedeutungslehre  56. 
11.  Die  Sammlung  des  Wortschatzes 56 

§  42.  Allgemeine  56.  —  §  43.  Der  Wortschatz  bis  zur  Reformation  56.  —  §  44. 
Wörterbücher  der  neuern  Zeit  58.  —  §45.  Adelung  61.  —  §46.  Campe  64.  — 
§  47.  Grimm  67.  —  §  48.  Kleinere  Werke  der  neuern  Zeit  69.  —  §  49.  Aufgaben 
der  Wortforschung  71.  —  §  50.  Wörterbücher  für  den  Lehrer  72.  —  §  51.  Wörter- 
bücher der  übrigen  germanischen  Sprachen  73.  —  §  52.  Zeitschriften  74. 

III.  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen 74 

§  53.  Bedeutung  der  Entlehnungen  für  die  Wortgeschichte  74.  —  §  54.  Wege 
der  Entlehnung  76.  —  §  55.  1.  Entlehnungen  ins  Lateinische  und  Griechische  76.  — 
§  56.  2.  Die  germanischen  Lehnwörter  im  Finnischen  76.  —  §  57.  3.  Germanische 
Lehnwörter  im  Preußischen  und  Litauischen  78.  —  §  58.  4.  Die  germanischen 
Lehnwörter  im  Slawischen  78.  —  §  59.  5.  Die  germanischen  Lehnwörter  in  den 
romanischen  Sprachen  79.  —  §  60.  6.  Die  germanischen  Lehnwörter  in  den  son- 
stigen Sprachen  82.  -  §  61.  Rückblick  82.. 

IV.  Urschöpfung  und  künstliche  Worte 83 

§  62.  Urschöpfung  83.  —  §  63.  Lautmalende  Wörter  84.  —  §  64.  Entwicklung 
der  lautmalenden  Wörter  85.  —  §  65.  Einfluß  der  Kindersprache  87.  —  §  66. 
Künstliche  Worte  89.  —    §  67.  Geheimsprachen  90. 


VllI  iNHALTSVRRZIilCHN'IS. 


Seile 

V.  Das  Alter  der  Worte.   Die  indogermanischen  Bestandteile 91 

§68.  Die  verschiedenen  Schichten  des  Wortschatzes  91.  -  §69.  Die  Stamm- 
wörter indogermanischer  Herkunft  93.  —  §  70.  Kuropiiische  Wortfamilien  94.  — 
§71.  rt*«^/////- und  5rt/r//;-Sprachen  94.  —  §72.  Gcrnumisciic  Wortfamilien  95.  - 
§  73.  Ihre  Beurteilung  95.  -  §  74.  Partielle  Cileichungen  97.  —  §  75.  Wortreichtum 
in  allerer  Zeit  98.  —  §  76.  Vereinfachung  99.  —  §  77.  Geringe  Bedeutung  der 
partiellen  Gleichungen  100.  --  §  78.  Germanische  Wortfamilien  101.  —  §  79.  Neue 
Wortfamilien  für  die  Schiffahrt  102.  —  §  80.  Neue  Worte  des  Germanischen  105.  - 
§81.  A\atcrial  für  die  partiellen  Gleichungen  106.  —  §  82.  Germanisch-italische 
Gleichungen  106.  —  §  83.  Germanisch-keltische  Gleichungen  107.  —  §  84.  Ger- 
maniscjj-litu-slawische  Gleichungen  108.  —  §  85.  Germanisch-arische  Gleichungen 
110.  —  §86.  Schlußfolgerungen  111. 

VI.  Ableitung  und  Zusammensetzung 112 

§87.  Veränderung  der  Worte  im  Anlaut.  Verkürzung.  Aligemeines  112.  — 
§88.  Lebende  und  tote  Suffixe  113.  —  §89.  Literatur  und  Allgemeines  115.  — 
§  90.  A.  Ableitungen,  die  aus  selbständigen  Worten  entstanden  sind  115.  — 
§91.  B.  Ableitungen,  die  durch  falsche  Trennung  entstanden  sind  117.  —  §92. 
C.  Entlehnte  Ableitungen  118.  —  §  93.  D.  Die  ererbten  Worlbildungselemente 
119.  —  §94.  Zusammensetzungen  120. 

VII.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes 127 

§  95.  Leim-  und  Fremdworte  127.  —  §  9ü.  Kennzciciicn  der  Entlehnung  128.  — 
§  97.  Grundgesetze  der  Entlehnung  129.  —  §  98.  Zeit  und  Ort  der  Entlehnung 
132.  —  §99.  Lehnworte  im  Indogermanischen  134.  —  §  ICO.  Die  Lehnworte  des 
Germanischen  134.  —  §  101.  Die  älteste  Schicht  der  Lehnwörter  135.  —  §  102. 
Die  Einwirkung  der  Kelten  136.  —  §  103.  Der  Einfluß  der  Griechen  und  Römer. 
Allgemeines  137.  —  §  104.  Der  Einfluß  der  Griechen  139.  —  §  105.  Der  Einfluß 
der  Römer  140.  —  §  106.  Französischer  Einfluß  142.  —  §  107.  Der  italienische 
Einfluß  144.  —  §  108.  Der  Einfluß  der  östlichen  Völker  144.  —  §  109.  Sonstige 
Einflüsse  146.  —  §  110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit  146. 

VIII.  Kampf  gegen  die  Fremdwörter.  Verdeutschungen 154 

§  111.  Allgemeines  154.  —  §  112.  Verdeutschungen  im  Mittelalter  156.  —  §  113. 
Verdeutschungen  in  neuerer  Zeit  157.  —  §  113a.  Das  Übersetzungslehnwort  162. 

IX.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes  in  einigen  Hauptzügen  .    .     163 

§  114.  Allgemeines  163.  —  §  115.  Zusammenstellung  der  Worte  nach  Begriffs- 
gruppen 164.  —  §  116.  Die  Zalilwörter  165.  —  §  117.  Die  Körperteilnamen  168.  — 
§  118.  Die.  Tiernamen.  Allgemeines  174.  —  §  119.  A.  Die  Säugetiere  175.  — 
§  120.  Schlußfolgerungen.  Beweise  für  die  Viehzucht  179.  -  §  121.  B.  Die 
Vögel  180.  —  §  122.  Schlußfolgerungen  183.  —  §  123.  C.  Die  Fische  184.  — 
§  124.  D.  Sonstige  Tiere  186.  —  §  125.  Rückblick  188.  —  §  126.  Die  Pflanzen- 
namen 189.  —  §  127.  A.  Die  Bäume  189.  —  §  128.  Schlußfolgerungen  192.  — 
§  129.  B.  Kulturpflanzen.  Ackerbauausdrücke  192.  —  §  130.  Schlußfolgerungen 
194.  -  §  131.  Kulturpflanzen.  Entlehnungen  195.  -  §  132.  C.  Sonstige  Pflanzen 
196.  —  §  133.  Das  Mineralreich  198.  —  §  134.  Natur  und  Naturerscheinungen 
201.  —  §  135.  Zeit  und  Zeiterscheinungen  205.  —  §  136.  Die  Menschen  unter- 
einander, Familie,  Staat  usw.  207.  —  §  137.  Das  Haus  212.  —  §  138.  Hausgerät 
216.  —  §  139.  Geräte  und  Werkzeug  219.  --  §  140.  Die  Nahrungsmittel  und  ihre 
Zubereitung.  Die  Kochkunst  222.  —  §  141.  Die  Kleidung  und  ihre  Herstellung 
225.  —  §  142.  Körperpflege,  Reinlichkeit  228.  —  §  143.  Kampfund  Waffennamen 
229.  —  §  144.  Krankheit  und  Heilung  231.  —  §  145.  Tanz  und  Musik  234.  — 
§  146.  Schule.  Wissenschaft  237.  —  §  147.  Rückblick  238.  —  §  148.  Die  Farben 


INHALTSVKRZKICHNIS.  IX 

Seite 
239.  —  §  149.  Mängel  der  Körperbeschaffenheit  240.  —  §  15C.  Geschmack  241.  — 

§  151.  Moralische  und  geistige  Eigenschaften  241.  —  §  152.  Sonstige  Eigen- 
schaften 242.  —  §  153.  Die  Verben.  Allgemeines  245.  —  §  154.  Die  fünf  Sinne 
246.  —  §  155.  Geistige  Wahrnehmung  und  Verwandtes  247.  —  §  156.  Der  Wille 
248.  —  §  157.  Gemütsbewegung  und  Verwandtes  248.  —  §  158.  Körperfunktionen 
und  körperliche  Zustände  249.  —  §  159.  Bewegung  und  Ruhe  250.  —  §  160. 
Singen  und  sagen  251.  —  §  161.  Tätigkeiten  252. 

X.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes 253 

§  162.  Allgemeines  253.  —  §  163.  Das  Mittelalter  254.  —  §  164.  Die  Neuzeit  256.  - 
§  165.  Wiederbelebung  alter  Worte  259.  —  §  166.  Modewörter  und  Schlagwörter  260. 

XI.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden 263 

§  167.  Allgemeines  263.  —  §  168.  Einfluß  der  Mundarten  auf  die  Entwicklung 
des  deutschen  Wortschatzes  266.  —  §  169.  Hilfsmittel  zur  Bestimmung  der  Her- 
kunft der  Wörter  269.  —  §  170.  1.  Die  Form  der  Wörter  269.  —  §  171.  2.  Die 
Überlieferung  276.  —  §  172.  3.  Die  gelehrte  Forschung  277.  —  §  173.  4.  Die  Dialekt- 
forschung 278.  —  §  174.  Aufgaben  und  Bedeutung  der  Mundartenforschung  282. 

XII.  Die  Sondersprachen 285 

§  175.  Allgemeines  285.  —  §  176.  Allgemeines  287.  —  §  177.  Allgemeines 
289.  —  §  178.  A.  Die  Ammensprache  289.  -  §  179.  B.  Die  Sprache  der  Jugend 

291.  _  §  180.  C.  Die  Pennälersprache  291.   —   §  181.  D.  Die  Studentensprache 

292.  —  §  182.  Allgemeines  295.  —  §  183.  A.  Höhere  und  niedere  Sprache  296.  — 
§  184.  B.  Die  Sprache  der  Religion  297.  —  §  185.  C.  Die  Rechtssprache  303.  — 
§  186.  D.  Die  Kanzleisprache  307.  —  §  187.  E.  Die  Dichtersprache  3C8.  —  §  188. 
Allgemeines  312.  -  §  189.  A.  Die  Sprache  des  Ackerbauers  312.  —  §  190.  B.  Die 
Jägersprache  314.  —  §  191.  C.  Die  Bergmannssprache  316.  —  §  192.  D.  Die 
Buchdruckersprache  317.  —  §  193.  E.  Die  sonstigen  Handwerkersprachen  318.  — 
§  194.  F.  Die  Kaufmannssprache  321.  —  §  195.  G.  Die  Seemannssprache  324.  — 
§  196.  H.  Die  Soldatensprache  328.  —  §  197.  J.  Die  Gaunersprache  331.  — 
§  198.  K.  Die  Sprache  der  Wissenschaft  333.  —  §  199.  L.  Die  Sprache  der  Philo- 
sophie 335.  —  §200.  M.  Die  Sprache  der  Mathematik  339.  —  §201.  N.  Die 
Sprache  der  Grammatik  340. 

Xni.  Kulturgeschichtliches  in  unsrer  Sprache 342 

§  202.  Überblick  342. 

XIV.  Aufgeben  alten  Sprachgutes.  Sprachliche  Versteinerungen 345 

§  203.  Das  aufgegebene  Sprachgut  345.  —  §  204.  Die  Gründe  für  das  Auf- 
geben der  Worte  346.  —  §  205.  Sprachliche  Versteinerungen  351.  —  §  206.  Ver- 
dunkelte Zusammensetzungen  352. 

XV.  Volksetymologie 356 

§  207.  Das  Wesen  der  Volksetymologie  356.  —  §  208.  Beispiele  356. 

XVI.  Die  Bildung  der  Eigennamen 360 

§209.  Allgemeines  360.  —  §210.  Allgemeines  361.  —  §211.  1.  Die  indo- 
germanischen und  altgermanischen  Personennamen  362.  —  §  212.  2.  Die  christ- 
lich-biblischen und  antiken  Namen  365.  —  §  213.  3.  Die  Herkunftsbezeichnungen 
366.  —  §  214.  4.  Die  Übernamen  367.  —  §  215.  5.  Satznamen  369.  -  §  216.  6.  Namen 
von  Amt  und  Stand  369.  —  §  217.  7.  Namen  vom  Beruf  370.  —  §  218.  8.  Latini- 
sierungen 371.  —  §  219.  9.  Fremde  Namen  372.  —  §  220.  Die  Verschiedenheit 
der  Namengebung  je  nach  der  Örtlichkeit  373.  —  §  221.  Die  prinzipiellen  Ver- 
schiedenheiten 374.  —  §  222.  Allgemeines  374.  —  §  223.  Übersicht  378.  — 
§  224.  Allgemeines  379.  —  §  225.  1.  Gebirgs-  und  Ländernamen  382.  —  §  226. 


Inhaltsverzeichnis. 


2.  Die  FluUnamen  383.  —  §  227.  3.  Die  Ortsnamen  387.  ^  §  228.  4.  Die  Straßen- 
iind  Hausnamen  393. 

XVII.  Bedeutungswandel 396 

§  229.  Allgemeines  396.  —  §  230.  Aufgaben  der  Bedeutungserforscliung  399.  — 
§  231.  Beispiele  für  den  Bedeutungswandel  399.  —  §  232.  Stammbaum  der  Be- 
deutungsentwicklung 401.  -  233.  Sammlung  der  Bedeutungsübergänge  4Ü4.  — 
§  234.  Heranziehung  der  Ableitungen  405.  —  §  235.  pjnteilung  des  Bedeutungs- 
wandels 405.  —  §  236.  a)  Verengerung  407.  —  §  237.  Verschlechterung  der  Be- 
deutung 408.  —  §  238.  Verbesserung  der  Bedeutung  409.  —  §  239.  b)  Erweiterung 
der  Bedeutung  410.  —  §  240.  a)  Die  Metapher  410.  —  §  241.  b)  Die  Metonymie 
411.  —  §  242.  Metonymische  Ableitungen  von  Eigennamen  413.  —  §  243.  Be- 
deutungsdifferenzierung lautlich  verschiedener  Wörter,  die  aus  derselben  Grund- 
form entstanden  sind  416.  —  §  244.  Die  Ursachen  des  Bedeutungswandels  419. 

Register 421 

Nachträge  und  Berichtigungen 439 


Einleitung. 


§  1.  Die  Aufgabe.  Neben  Laut-,  Formenlehre  und  Syntax  steht  als  selb- 
ständiger Zweig  der  sprachlichen  Betrachtung  die  Wortforschung  und  Ety- 
mologie, d.  h.  die  Frage  nach  der  wahren  Herkunft  und  Bedeutung  der 
Wörter  sowie  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  Wortschatzes.  Obgleich 
dieser  Teil  der  Sprachwissenschaft  zweifellos  allseitig  der  größten  Teilnahme 
sicher  ist,  so  gibt  es  doch  kaum  wissenschaftliche  Darstellungen  der  auf 
diesem  Gebiete  erzielten  Ergebnisse,  vielmehr  hat  sich  die  Forschung  meist 
darauf  beschränkt,  unser  Wissen  in  alphabetischer  Form,  d.  h.  in  Wörter- 
büchern, niederzulegen.  Die  hohe  Auflage  derartiger  Werke  zeigt,  welchem 
Bedürfnis  sie  entgegenkommen.  Doch  können  Wörterbücher  selbstverständ- 
lich nicht  allen  Zwecken  genügen.  Denn  man  erfährt  in  ihnen  immer  nur 
etwas  über  das  einzelne  Wort,  das  man  gerade  nachschlägt;  die  großen 
Zusammenhänge,  in  denen  jedes  Wort  steht  und  stehen  muß,  und  die  gerade 
für  die  praktische  Verwendung  der  Etymologie  im  Unterricht  von  beson- 
derer Wichtigkeit  sind,  entgehen  dem  Leser.  Deshalb  dürfte  eine  Darstel- 
lung, die  diesen  Zusammenhängen  nachgeht,  einem  gewissen  Bedürfnis  ent- 
gegenkommen. Da  wir  es  mit  einer  neuen  Arbeit  zu  tun  haben,  so  erscheint 
es  mir  gewiesen,  zuerst  einmal  die  Hauptgedanken  dieses  Buches  und  die 
Ziele,  denen  die  Wissenschaft  zustrebt,  klarzulegen. 

§  2.  Sammlung  des  Wortschatzes.  Eine  der  ersten  Aufgaben  der  Wissen- 
schaft auf  dem  Gebiete  der  Wortforschung  besteht  in  der  möglichst  voll- 
ständigen Sammlung  des  Wortschatzes.  Dieses  Ziel  ist  in  ganzem 
Umfang  überhaupt  nur  für  die  Sprache  der  Gegenwart  annähernd  zu  er- 
reichen: denn  in  altern  Zeiten,  die  wir  nur  durch  die  schriftliche  Über- 
lieferung kennen,  sind  in  dieser  sicher  nicht  alle  Wörter  verwendet  worden 
und  uns  daher  auch  nicht  alle  bekannt.  Daher  mag  gleich  hier  vor  dem 
Trugschluß  gewarnt  werden,  daß  der  erste  literarische  Beleg  mit  der  Ent- 
stehung des  Wortes  zusammenfällt. 

Anmerkung.  Daß  nicht  alle  Worte  bekannt  sind,  ergibt  sich  ja  von  selbst  daraus, 
daß  jeder  neu  gefundene  Text  neue  Worte  bringt.  Im  übrigen  ist  es  selbst  für  unsere  Zeit 
kaum  möglich,  alles  zusammenzubringen. 

Diese  Aufgabe  der  Sammlung  des  Wortschatzes  müßte  eigentlich  für 
jedes  Jahrzehnt,  ja  für  jedes  Jahr  neu  gestellt  werden,  da  immer  neue 
Worte  auftauchen.  Wenigstens  wäre  es  dringend  notwendig,  über  alle  neu 
aufkommenden  Worte  Buch  zu  führen. 

Versuche,  den  Wortschatz  der  Zeit  zu  sammeln,  sind  nicht  nur  jetzt, 
sondern  auch  in  frühern  Zeiten  unternommen  worden,  und  es  muß  daher 
dargestellt  werden,  was  wir  an  derartigen  Werken  besitzen. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.   2.  Aufl.  1 


Einleitung. 


§  3.  Alter  der  Wörter.  Die  zweite  Aufgabe  besteht  darin,  die  Frage  zu 
lösen,  aus  welcher  Zeit  ein  Wort  stammt  und  wie  lange  es  schon  in  unsrer 
Sprache  vorhanden  ist.  Um  hierauf  antworten  zu  können,  bedürfen  wir  des 
Wortschatzes  der  frühern  Zeiten,  und  wir  müssen  ihn,  soweit  er  nur  in  der 
literarischen  Überlieferung  vorliegt,  sammeln.  Es  ist  natürlich  die  Aufgabe 
der  Wissenschaft,  ein  Wort  soweit  zurück  zu  verfolgen,  als  es  überhaupt 
möglich  ist,  zunächst  in  die  letzten  Jahrhunderte,  dann  in  die  mittelhoch- 
deutsche und  althochdeutsche  Zeit.  Wo  die  schriftlichen  Denkmäler  ver- 
sagen, hilft  die  Vergleichung  der  Sprachen  weiter.  Sie  zeigt  uns,  daß  viele 
deutsche  Wörter  auch  in  den  verwandten  germanischen  Dialekten  vorkommen, 
im  Niederdeutschen,  Niederländischen,  Friesischen,  Englischen,  Skandi- 
navischen, d.  h.  im  Isländischen,  Norwegischen,  Schwedischen,  Dänischen, 
und  im  Gotischen.  Soweit  nicht  in  diesen  Sprachen  spätere  Entlehnungen 
aus  dem  Deutschen  vorliegen,  erklären  wir  Worte,  die  in  mehr  als  einer 
germanischen  Sprache  vorhanden  sind,  für  urgermanisch,  d.  h.  wir  nehmen 
an,  daß  sie  aus  einer  Zeit  stammen,  in  der  das  Germanische  noch  eine 
Einheit  auf  verhältnismäßig  kleinem  Raum  bildete.  Diese  Annahme  ist  genau 
so  notwendig  wie  die,  daß  Verwandte  von  einem  gemeinsamen  längst  ver- 
storbenen Vorfahren  abstammen  müssen. 

Viele  der  im  Urgermanischen  vorhandenen  Ausdrücke  können  wir  in- 
dessen noch  weiter  zurückverfolgen,  wir  treffen  sie  in  einer  oder  in  mehreren 
der  mit  dem  Germanischen  verwandten  sonstigen  indogermanischen 
Sprachen  an,  also  im  Griechischen,  Italischen,  Keltischen,  Albanesischen, 
Armenischen,  Lituslawischen  oder  Indo-iranischen  (Arischen),  und  wir  er- 
klären dann  derartige  Worte  für  indogermanisch.  Hier  müssen  wir  vor- 
läufig Halt  machen.  Zwar  sind  auch  unter  diesen  indogermanischen  Be- 
standteilen noch  manche  Worte  durchsichtig,  d.  h.  als  Ableitungen  von 
Wurzeln  oder  Stämmen  erkennbar,  aber  eine  große  Anzahl  widerstrebt  jeder 
Deutung.  Es  handelt  sich  also  in  diesem  Teil  unsrer  Arbeit  darum,  die 
verschiedenen  Schichten  des  deutschen  Wortschatzes  klarzulegen  und  vor 
allem  die  wissenschaftlichen  Grundsätze  aufzustellen,  nach  denen  die  For- 
schung auf  diesem  Gebiete  vorgeht. 

§  4.  Wortschatz  der  Mundarten.  Neben  unsrer  Schriftsprache  stehen  noch 
heute  die  Mundarten.  Sie  sind  nicht  nur  durch  den  Lautstand,  sondern, 
wie  allgemein  bekannt,  auch  durch  ihren  Wortschatz  wesentlich  von  der 
Schriftsprache  verschieden.  Wer  nur  einigermaßen  im  deutschen  Vaterlande 
herumgekommen  ist,  weiß,  daß  ihm  in  jeder  Gegend  neue  Worte  entgegen- 
treten. Für  die  Wissenschaft  handelt  es  sich  darum,  einerseits  diesen  Wort- 
schatz aufzuzeichnen,  anderseits  aber  den  Einfluß,  den  der  Wortschatz  der 
Mundarten  auf  die  Schriftsprache  gehabt  hat,  nachzuweisen.  Die  Aufgaben, 
die  dieses  Gebiet  der  Wortforschung  stellt,  sind  bei  weitem  noch  nicht 
erschöpft,  der  Unterricht  aber  kann  gerade  aus  diesem  Kapitel  außerordentlich 
viel  Anregung  empfangen. 


Einleitung. 


§  5.  Die  Standes-  und  Berufssprachen.  Die  Fülle  unsres  Wortschatzes  ist 
ZU  groß,  als  daß  jeder  alle  Worte  zur  Verfügung  haben  könnte.  Jeder  Stand, 
der  Handwerker,  der  Landmann,  der  Fischer,  der  Schiffer  hat  seine  be- 
sondere Sprache  mit  eigentümlichem  Wortschatz.  Was  in  diesen  Berufs- 
sprachen ein  Wort  bedeutet,  weiß  öfters  nur  der  Eingeweihte.  Nicht  selten 
aber  sind  Worte  aus  diesen  Berufssprachen  mit  ihrem  besondern  Sinn  in 
unsere  Schriftsprache  eingedrungen,  und  sie  verraten  dann  dem  Kundigen 
ihre  Herkunft.  Diesen  Berufs-  und  Standessprachen  hat  man  neuerdings 
besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet,  und  manches  in  unserm  Wortschatz 
dadurch  schlagend  erklärt,  daß  man  es  aus  ihnen  herleitete.  Wir  müssen 
daher  auch  diesem  Gebiet  einen  Abschnitt  widmen. 

§.  6.  Sprachliche  Versteinerungen.  Wenn  ein  Wort  nicht  mehr  in  leben- 
digem Gebrauch,  sondern  nur  in  vereinzelten  Zusammensetzungen  oder 
Redensarten  vorhanden  ist,  so  hat  man  von  sprachlichen  Versteine- 
rungen geredet.  Auch  diese  zu  untersuchen,  ist  eine  wichtige  Aufgabe, 
mit  der  die  Frage  nach  dem  Verlust  der  Wörter  zu  verbinden  ist. 

§  7.  Eigennamen.  Eine  große  Anzahl  derartiger  Versteinerungen  steckt 
in  unserm  Namenmaterial.  Die  Bildung  der  Eigennamen,  Personen-, 
Völker-,  Fluß-  und  Ortsnamen  zu  erörtern,  bildet  einen  besonderen 
Abschnitt  der  etymologischen  Forschung,  der  um  so  mehr  seine  Stelle  hier 
zu  finden  hat,  als  er  in  den  Handbüchern  meist  übergangen  wird,  und  daher 
weder  die  Grundsätze  der  Forschung  noch  ihre  Ergebnisse   bekannt  sind. 

§  8.  Bedeutungswandel.  Wörter  verändern  im  Laufe  der  Zeiten  nicht  nur 
ihre  Form,  sondern  auch  ihre  Bedeutung.  Es  ist  eine  Hauptaufgabe  der 
wissenschaftlichen  Wörterbücher,  diese  Bedeutungsentwicklung  klarzulegen, 
und  jeder  Aufsatz  unsrer  großen  Werke  auf  diesem  Gebiet  mußte  diese 
Arbeit  leisten.  In  diesem  Buche  kann  es  aber  nur  unser  Ziel  sein,  die  all- 
gemeinen Grundgesetze  des  Bedeutungswandels  darzustellen  und  mit  Bei- 
spielen zu  belegen,  die  Ursachen  des  Bedeutungswandels  aufzuhellen  und 
ihnen  im  einzelnen  nachzugehen. 

§  9.  Bedeutung  der  Wortforschung,  auch  für  die  Schule.  Man  wird  SChon 
aus  dieser  allgemeinen  Übersicht,  die  den  Inhalt  dieses  Buches  in  Umrissen 
angibt,  ersehen,  welche  mannigfachen  Fragen  sich  der  Wortforschung  bieten. 
Wer  sich  mit  der  Geschichte  der  Worte  beschäftigt,  der  wird,  wie  B.  Liebich 
sagt,  „allmählich  erkennen,  wie  jedes,  auch  das  unscheinbarste  Wörtchen 
seine  Geschichte  besitzt,  seine  besondere  Entwicklung  oft  durch  unendliche 
Zeiträume  durchlaufen  hat,  bis  es  zu  der  heutigen  Form  und  Bedeutung 
gelangte,  wie  oft  in  einem  einzigen,  flüchtig  hingesprochenen  Satze  Ver- 
treter der  verschiedensten  Perioden,  Völker,  Kulturkreise  vereinigt  sind,  dann 
wird  ihm  die  Wahrheit  des  Grimmschen  Satzes  aufgehen,  daß  die  Sprache 
allen  bekannt  und  allen  ein  Geheimnis  ist".  Und  hierin  liegt  auch  die 
große  Bedeutung  der  Etymologie  und  Wortforschung  für  die  Schule.  Es 
wird  keinem  Lehrer  einfallen,  systematisch  etymologische  Forschungen  im 


Einleitung. 


Unterricht  verwerten  zu  wollen,  aber  er  kann  den  Unterricht  mit  ihrer  Hilfe 
beleben.  Er  kann  und  wird  auf  den  Bedeutungswandel  hinweisen,  da  ja 
schon  bei  Schiller  und  Goethe  die  Worte  oft  eine  andere  Bedeutung  haben; 
er  wird  da,  wo  Schüler  verschiedener  Gegenden  beieinander  sind,  auf  die 
Verschiedenheit  des  Wortgebrauchs  zu  sprechen  kommen,  er  kann  vor  allen 
Dingen  an  der  Hand  der  Geschichte  eines  Wortes  die  Schüler  in  den  Geist 
ältrer  Zeiten  versetzen,  ihnen  Einblicke  in  die  Entwicklung  der  Kultur  ge- 
währen; denn  aus  der  Sprache  erhalten  wir  tatsächlich  ein  Spiegelbild  der 
Kultur,  und  Sprachgeschichte  ist  sicherlich  ein  Teil  Kulturgeschichte.  Zwar 
kann  dem  Leser  in  diesem  Buche  nicht  der  ganze  Stoff  geboten  werden, 
wohl  aber  hofft  der  Verfasser  reiche  Belege  geben  und  außerdem  die  Wege 
weisen  zu  können,  auf  denen  man  zu  den  Quellen  gelangt.  Ob  nun  freilich 
alles,  was  dieses  Buch  enthält,  auch  für  den  Unterricht  brauchbar  sein  wird, 
das  vermag  der  Verfasser  nicht  zu  entscheiden,  da  er  dem  praktischen  Unter- 
richt fernsteht.  Aber  die  Teilnahme,  die  die  Vorlesungen  gefunden  haben, 
aus  denen  dieses  Buch  erwachsen  ist,  läßt  ihn  hoffen,  daß  auch  der  Lehrer 
aus  ihm  wird  entnehmen  und  schöpfen  können.  Außerdem  ist  es  aber  eine 
bekannte  Tatsache,  daß  wissenschaftliche  Vertiefung  außerordentlich  zur  Be- 
lebung jeglichen  Unterrichts  beiträgt.  Anderseits  kann  dies  Buch  auch  nicht 
alles  enthalten,  es  muß  die  eigene  Tätigkeit  hinzukommen,  insbesondere 
die  Beschäftigung  mit  den  Arbeiten  in  den  Wörterbüchern  selbst.  Die  altern 
und  neuern  Lieferungen  des  Grimm  sind  oft  genug  sehr  anziehend  zu 
lesen,  sie  bieten  weite  kulturgeschichtliche  Ausblicke  und  werden  keinen 
ohne  tiefe  Belehrung  entlassen.  Aber  freilich  der  Grimm  wird  wohl  mal 
nachgeschlagen,  aber  nicht  gelesen. 


Erstes  Kapitel. 

Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 
Übersicht  über  die  Lautentwicklung. 

§  10.  Die  Etymologie  bei  den  Griechen.  Die  Etymologie  ist  der  älteste 
uns  bekannte  Teil  der  Sprachwissenschaft.  Das  Wort  selbst  stammt  aus 
dem  Griechischen,  es  ist  abgeleitet  von  ezv/nov  {etymon)  ,das  Seiende,  der 
wahre,  eigentliche  Gehalt'  und  loyia  (logia)  von  ?.öyog  (lögos)  ,Rede',  das 
in  zahlreichen  andern  Bildungen  wie  Mythologie,  Anthropologie,  Geologie 
auftritt.  Es  bedeutet  also  ,die  Rede,  die  Lehre,  die  Wissenschaft  von  der 
wahren  Herkunft  der  Wörter'.  Es  ist  uns  unbekannt,  wer  das  Wort  zuerst 
gebraucht  hat,  doch  ist  szvjuog  [etymos),  wie  G.  Curtius,  Grundzüge  der 
griechischen  Etymologie  S.  5,  bemerkt,  „ein  ionisches  Wort,  und  es  wird 
daher  bei  den  ionischen  Philosophen  aufgekommen  sein,  über  deren  Be- 
strebungen wir  etwas  Genaueres  aus  Piatons  Dialog  Kratylos  erfahren". 
In  diesem  Werke  sind  uns  auch  eine  Reihe  von  Etymologien  überliefert, 
und  es  wird  uns  gezeigt,  wie  man  in  jener  Zeit  vorging.  Von  irgendeiner 
wissenschaftlichen  Erkenntnis  war  man  damals  wie  auch  später  weit  ent- 
fernt. Man  versenkte  sich  nicht  in  die  Sprache,  um  zu  erkennen,  was  darin 
vorhanden  war,  sondern  die  Sprache  sollte  bestätigen,  was  man  sonst  aus- 
geklügelt hatte.  Man  erkannte  die  Herkunft  vieler  Worte  ganz  richtig,  wie 
ja  heute  noch  jeder  Laie  vieles  richtig  erklärt.  Jeder  empfindet,  daß  Band 
mit  binden  zusammengehört,  daß  Fräulein  von  Frau  abgeleitet,  daß  Frauen- 
zimmer aus  Frau  und  Zimmer  zusammengesetzt  ist,  und  daß  hier  eine 
etwas  ungewöhnliche  Bedeutungsübertragung  stattgefunden  hat.  Man  kommt 
durch  eingehendes  Vergleichen  der  Wörter  der  lebenden  Sprache  auch  wohl 
etwas  weiter.  Aber  bei  der  Erklärung  der  nicht  ganz  einfachen  Wörter  ver- 
sagte die  Kunst  der  Griechen,  wie  bei  uns  die  der  Laien.  Man  besaß  im 
Altertum  keinen  sichern  Weg,  um  die  Herkunft  der  Wörter  zu  bestimmen. 
Man  schuf  indessen  den  Schein  einer  Methode,  indem  man  mit  gewissen 
Kunstausdrücken  um  sich  warf,  die  noch  heute  in  der  klassischen  Philologie 
ihre  Rolle  nicht  ausgespielt  haben.  Um  Worte  miteinander  zu  verbinden, 
konnte  man  die  Ellipse  anwenden,  die  Synkope,  die  Metathesis  usw., 
oder  man  konnte  jeden  Laut  mit  jedem  andern  vertauschen,  wenngleich 
man  allmählich  erkannte,  daß  gewisse  Laute  häufiger,  andere  seltener  in- 
einander übergehen.  Auf  Grund  von  Beobachtungen  am  wirklich  vorhan- 
denen Sprachstoff  kamen  die  Griechen  zu  der  Einsicht,  daß  /  niemals  mit 
a  wechselt,  eine  Annahme,  die  die  neuere  Wissenschaft  im  wesentlichen 
bestätigt  hat. 


Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Gi  tze  der  Etymologie. 


Die  Auffassung  ist  damals  oft  genug  in  die  Irre  gegangen,  und 
wir  können  uns  nicht  selten  eines  Lächelns  kaum  enthalten,  wenn  wir 
sehen,  was  man  damals  für  möglich  hielt.  Es  hat  keinen  Zweck,  hier 
Beispiele  jener  Methode  anzuführen.  Bekannt  ist  das  berüchtigte  liicus  a 
non  liicendo. 

Eine  eingehende  Darstellung  der  etymologischen  Forschungen  des 
Altertums  bietet  jetzt  Frld.  Mullhr,  De  veterum  imprimis  Romanorum  studiis 
etymologicis,  Trajecti  ad  Rhenum  1910. 

§  11.  Die  Etymologie  bis  zur  Neuzeit.  Wie  es  bei  den  Griechen  gewesen, 
so  ist  es  bei  den  Römern  geblieben,  und  auf  deren  Tätigkeit  beruhte  ja 
schließlich  auch  die  Wissenschaft  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit.  Indessen 
mußten  sich  gerade  auf  germanischem  Boden  von  selbst  neue  Bahnen  auf- 
tun. Hier  wohnten  um  das  Nord-  und  Ostseebecken  eine  Reihe  von  ger- 
manischen Stämmen,  deren  Sprachen  so  eng  verwandt  waren,  daß  jeder 
ihren  Zusammenhang  erkennen  mußte.  Anderseits  waren  aber  diese  Sprachen 
doch  wieder  soweit  verschieden,  daß  man  sie  nur  als  selbständige  Glieder 
auffassen  konnte.  Dies  führte  daher  sozusagen  von  selbst  notwendigerweise 
zu  einer  vergleichenden  Betrachtungsweise.  Frühzeitig  wurde  man  auch  mit 
den  altern  Sprachstufen  des  Germanischen,  z.  B.  dem  Gotischen,  bekannt, 
und  konnte  nunmehr  eine  jahrhundertlange  Entwicklung  überblicken.  Man 
befreite  sich  dadurch  ganz  alimählich  von  der  Auffassung  der  Alten,  und 
die  etymologische  Wissenschaft  wurde  so  von  selbst  in  ganz  gesunde 
Bahnen  gelenkt.  Wie  lange  man  aber  zu  einer  richtigen  Erkenntnis  ge- 
braucht hätte,  läßt  sich  nicht  sagen,  da  die  natürliche  Entwicklung  durch 
das  Auftreten  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  eine  ganz  un- 
angeahnte  Förderung  erfuhr. 

Näheres  über  die  Geschichte  der  etymologischen  Bestrebungen  findet 
man  bei  Rd.  von  Raumer,  Geschichte  der  germanischen  Philologie  vorzugs- 
weise in  Deutschland,  München  1870,  und  bei  H.  Paul,  Geschichte  der 
germanischen  Philologie  im  Grundriß  der  germanischen  Philologie,  Bd.  1. 
Ich  muß  es  des  Raummangels  wegen  unterlassen,  auf  diese  altern  Be- 
strebungen, obgleich  sie  schon  manches  Richtige  zutage  gefördert  hatten, 
einzugehen. 

§  12.  Das  Auftreten  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft.  Mit  der  Auf- 
deckung der  Verwandtschaft  der  indogermanischen  Sprachen  beginnt  ein 
wesentlich  neuer  Abschnitt  der  etymologischen  Forschung.  Am  Ende  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  wurde  man  mit  dem  Altindischen,  dem  Sanskrit, 
bekannt,  und  es  enthüllte  sich  der  Zusammenhang  der  meisten  europäischen 
Sprachen  mit  der  Sprache  des  fernen  Ostens.  Dieser  Zusammenhang  ist 
nur  so  zu  denken  und  zu  erklären,  daß  alle  indogermanischen  Sprachen 
aus  einer  untergegangenen  Sprache  entstanden  sind.  Er  wurde  zwar  in  erster 
Linie  durch  die  Übereinstimmung  der  Flexion  gewährieistet.  Es  kamen 
aber  wie  von  selbst  zahlreiche  Entsprechungen   im  Wortschatz   hinzu,  die 


§  12.  Das  Auftreten  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  7 

sich  zwischen  den  verschiedenen  Sprachen  finden,  i)  Es  konnte  nicht  ent- 
gehen, daß  etwa  folgende  Worte  der  verwandten  Sprachen  auf  das  engste 
zusammenhingen: 

ai.pitär,  gr.  Tiax/jg  {patcer),  l.pater,  air.  athir,  d.  Vater; 

ai.  mätär,  gr.  /<>/t?;^  (matcir),  \.mater,  air. mathir,  d. Mutter,  Mtmotc,  abulg.matl ; 

ai.  duhitär,  gr.&vydT)]o  {thygätcer),  d.  Tochter,  lit.  diikte,  abulg.  düsti. 

Derartige  Gleichungen  fanden  sich,  kann  man  sagen,  gleich  zu  Hunderten. 
Es  erhellte  aber  daraus,  daß  germanische  Wörter,  die  sich  in  den  verwandten 
Sprachen  nachweisen  ließen,  ein  sehr  viel  höheres  Alter  hatten,  als  man  bis 
dahin  vermuten  konnte.  Viele  Wörter,  die  unverständlich  gewesen  waren, 
ließen  sich  nun  von  andern  altern  und  ursprünglichem  ableiten,  und  es 
ist  bei  vielen  daher  die  Frage  nach  der  wahren  Herkunft  völlig  gelöst.  So 
wissen  wir  jetzt,  daß  z.B.  Säge  zu  lat.  ^ecrtr^  , schneiden',  Bell  zu  lat.findo 
,spalten',  d.  beißen  gehört;  das  eine  Wort  bedeutet  also  ,Werkzeug  zum 
Schneiden',  das  andere  ,Werkzeug  zum  Spalten'.  D.  alt  entspricht  lat.  altus 
jhoch'  und  ist  das  Partizip  zu  dem  in  1.  alo  ,nähren'  vorliegenden  Verbum, 
es  heißt  also  eigentlich  ,ernährt,  herangewachsen'.  D.  Biber  entspricht  aind. 
babhriih  , braun',  heißt  also  ,der  Braune'  usw.  Gleichen  Stammes  ist 
auch  Bär.  Aber  viele  andere  Worte  lassen  sich  zwar  bis  in  die  indo- 
germanische Ursprache  zurückführen,  erscheinen  aber  in  dieser  ebensowenig 
mit  andern  verbunden,  wie  in  den  geschichtlichen  Zeiten.  Das  gilt  z.  B. 
von  den  meisten  Worten,  die  Verwandtschaftsgrade  bezeichnen,  von  den 
Zahlworten,  von  sehr  vielen  Verben,  die  eine  Tätigkeit  ausdrücken.  Man 
muß  in  solchen  Fällen  ruhig  eingestehen,  daß  wir  die  wahre  Herkunft  des 
Wortes  noch  nicht  kennen,  daß  es  uns  auch  im  Indogermanischen  als  ein 
Wort  unbekannten  Ursprungs  entgegentritt.  Natürlich  will  sich  aber  der 
menschliche  Geist  bei  dieser  Erkenntnis  nicht  beruhigen,  und  man  hat  da- 
her vielfach,  um  auch  hier  noch  weiter  zu  kommen,  die  indogermanischen 
Wörter  zu  erklären  versucht.  Einige  Beispiele  mögen  das  zeigen.  Das  Wort 
für  ,Tochter'  lautet  im  Indischen  duhitä.  Nun  gibt  es  aber  auch  einen 
Verbalstamm  dah  , melken',  und  so  leitete  man  das  erste  von  dem  zweiten 
ab,  die  Tochter  sei  deshalb  so  genannt,  weil  sie  das  Vieh  gemolken  habe, 
der  Name  bedeute  ,die  Melkerin'.  Der  ,Bruder'  heißt  aind.  bhratar.  Es  lag, 
wie  es  schien,  sehr  nahe,  dies  Wort  auf  den  weitverbreiteten  Verbalstamm 
bher  in  aind.  bhärämi,  gr.  cpsgoi  (phero),  lat.  fero,  got.  balra  ,ich  trage'  zu 
beziehen.  Der  ,Bruder'  war  der  Träger,  der  Erhalter,  vor  allem  der  ,Schwester'. 
Man  zeichnete  auf  Grund  derartiger  Etymologien  reizende  Bilder  von  der 

^)  Es  gilt  als  anerkannter  Grundsatz,  daß   1  flexion  verloren,  aber  die  Worte  zeugen  für 
die   Uebereinstimmung   des   grammatischen   |   die  Sprachverwandtschaft.  So  finden  wir  dort 


Baus  die  Sprachenverwandtschaft  erweist 
Aber  zur  Not  genügt  auch  der  Wortschatz 
allein.  Das  zeigt  sich  deutlich  bei  der  vor 
einigen  Jahren  neuentdeckten  indogermani- 


noffi  d.Name,  känt  '\00' :\.centum,  d.  hun- 
dert; okso  'Rind' :  d.  Ochse;  stwar'4' :  X.quat- 
tuor;  alyek  'andrer' :  \.alius;pis  'fünf  igr-ieVre 
(pente),  d.  fünf  u.  v.  a.   Einen  zusammenfas- 


schen  Sprache  in  Ostturkestan,  dem  T och a-   i   senden  Bericht   über    das  Tocharische  gibt 
rischen.  Diese  Sprache  hat  die  alte  Nominal-   '   Meillet,  Idg.  Jahrbuch  1  (1913),  1—29. 


8  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


Kultur  der  Indogcrmanen.  Besonders  hat  dies  A.  Fick  in  seinem  Buche, 
Die  chemah^e  Spracheinheit  der  Indos^ermanen  Europas,  .ijetan,  und  sein 
Beispiel  hat,  wenni^lcich  er  selbst  das  Unhaltbare  seiner  Aufstelluni^en  längst 
erkannt  hat,  vielfach  nachgewirkt. 

Leider  kann  dies  alles  nicht  vor  der  Kritik  standhalten.  Um  die  Un- 
richtitjkeit  dieses  Vori^ehens  zu  zeis^en,  braucht  man  sich  nur  einmal  zu 
der  heuti.ejen  Sprache  zu  wenden.  Wenn  wir  unsere  Worte  ohne  Rücksicht 
auf  ältere  Sprachstadien  erklären  wollten,  so  würde  man  vielleicht  Nuß  zu 
genießen,  zehn  zu  Zehe,  Armut  zu  arm  und  Mut  stellen.  Gewiß  würde 
man  manchmal  das  Richtige  treffen,  aber  in  zahlreichen  andern  Fällen  müßte 
man  fehlgreifen.  Mit  Bestimmtheit  läßt  sich  sagen,  daß  die  drei  Etymologien, 
die  wir  angeführt  haben,  falsch  sind,  daß  hier  also  der  äußere  Schein  trü.gt. 
Daraus  folgt,  daß  dies  auch  bei  Versuchen,  die  die  ältere  Zeit  betreffen,  der 
Fall  sein  wird,  und  daß  man  sich  im  allgemeinen  damit  begnügen  muß, 
ein  Wort  durch  Nachweis  in  den  verwandten  Sprachen  als  indogermanisch 
erwiesen  zu  haben. 

Besonders  beliebt  war  es  einst  und  ist  es  schließlich  noch  heute,  ein 
Wort  auf  eine  sogenannte  Wurzel  und  zwar  meistens  eine  Verbalwurzel 
zurückzuführen.  Obgleich  auch  die  ältere  Forschung  den  Begriff  der  Wurzel 
schon  kennt,  so  stehen  wir  doch  in  diesem  Punkt  wesentlich  unter  dem 
Einfluß  der  hochentwickelten  indischen  Grammatik.  Die  Inder  haben  tiefe 
Einblicke  in  den  grammatischen  Bau  ihrer  Sprache  getan,  und  sie  haben 
für  fast  jede  Wortsippe  schließlich  eine  Wurzel  aufgestellt.  Und  das  scheint 
ja  für  die  indogermanischen  Sprachen  beinah  notwendig  zu  sein.  Wir  haben 
binden,  band,  gebunden  nebeneinander.  Dazu  kommt  das  Band,  der  Bund. 
Was  ist  es  denn,  was  hier  allem  zugrunde  liegt?  Die  einfache  Antwort 
lautete:  wir  haben  eine  Wurzel  b-nd  anzunehmen,  von  der  sowohl  das  Verb 
wie  das  Nomen  abgeleitet  ist.  Wir  wissen  heute  und  können  es  mit  Be- 
stimmtheit aussprechen,  daß  es  so  etwas  wie  Wurzeln  in  unsrer  Sprache 
nicht  gibt,  und  auch  im  Indogermanischen  hat  es  keine  Wurzeln,  sondern 
nur  fertige  Wörter  gegeben. 

Mit  Vorliebe  hat  man  aber  nicht  nur  Wurzeln,  sondern  möglichst 
Verbalwurzeln  angenommen  mit  einer  meist  sehr  allgemeinen  Bedeutung. 
Es  ist  uns  aber  heute  der  Gedanke  ganz  geläufig,  daß  gerade  in  den  altern 
Sprachstufen  die  allgemeinen  Bedeutungen  sehr  viel  seltener  waren,  daß 
man  vielmehr  eine  Fülle  von  Ausdrücken  für  konkrete  Gegenstände  hatte. 
Die  allgemeinen  abstrakten  Bedeutungen  sind  erst  ein  Ergebnis  weiter  vor- 
geschrittener geistiger  Entwicklung.  Und  anderseits  ist  das  Verbum  selbst 
in  vielen  hochentwickelten  Sprachen  nicht  vorhanden,  und  es  ist  mir  sehr 
wahrscheinlich,  daß  sich  auch  im  Indogermanischen  das  Verbum  und  seine 
Flexion  erst  aus  dem  Nomen  entwickelt  hat,  vgl.  Hirt,  Idg.  Forsch.  17,36. 

Allerdings  stehen  noch  alle  unsere  etymologischen  Wörterbücher  mehr 
oder  minder  unter  dem  Bann  der  alten  Auffassung.  Überall  findet  man  hie 


§  13.  Die  Anfänge  der  Lautlehre. 


und  da  Zurückführung  auf  Wurzeln.  So  schreibt  z.B.  Kluge,  Et.  WB.  unter 
wohnen:  „Neben  dieser  westgerm.  Sippe  {wohnen)  steht  diejenige  von  ge- 
wohnt; die  zugrunde  liegende  idg.  Wz.  wen  hat  wahrscheinlich  ,sich  ge- 
fallen' bedeutet,  was  got.  wiinan,  anord.  iina  ,sich  freuen'  nahelegt;  das 
Gewohnte  ist  dasjenige,  woran  man  Gefallen  findet,  wohnen  eigtl.  ,sich 
irgendwo  erfreuen'."  Dieser  und  ähnlichen  Erklärungen  setze  man  ein  un- 
begrenztes Mißtrauen  entgegen.  Man  kann  mit  Sicherheit  sagen,  so  ist  es 
nicht  gewesen,  wenn  man  auch  noch  nicht  bestimmt  feststellen  kann,  wie  die 
Bedeutungsentwicklung  vor  sich  gegangen  ist.  Ich  betone  nochmals:  im 
allgemeinen  muß  es  uns  genug  sein,  ein  germanisches  Wort  durch  Nach- 
weis in  den  verwandten  Sprachen  als  indogermanisch  erkannt  zu  haben. 
Worte  wie  Vater,  Mutter,  Sohn,  Tochter,  Schwäher  =^  , Schwiegervater', 
Schwieger  =  , Schwiegermutter',  Schnur  =  , Schwiegertochter',  eins,  zwei, 
drei  usw.  sind  indogermanisch;  was  sie  aber  ursprünglich  bedeutet  haben, 
wissen  wir  nicht. 

Erst  wenn  es  uns  gelänge,  eine  andere  mit  dem  Urindogermanischen 
verwandte  Sprache  zu  entdecken,  würden  wir  wieder  einen  Schritt  weiter 
kommen  können.  Aber  die  Beziehungen,  in  denen  das  Indogermanische 
etwa  zum  Finnischen  oder  Semitischen  gestanden  hat,  sind  vorläufig  noch 
zu  wenig  geklärt.  Vor  einiger  Zeit  hat  H.  Möller  in  seinem  Buch  „Semi- 
tisch und  Indogermanisch,  I.  Konsonanten",  Kopenhagen  1907,  einen  an 
sich  einwandfreien  Versuch  gemacht,  den  Zusammenhang  des  Indo- 
germanischen mit  dem  Semitischen  nachzuweisen.  Dazu  ist  ein  Indo- 
europseisk-Semitisk  Sammenlignende  Glossarium,  Kjöbenhavn  1909,  ge- 
kommen. Sollten  seine  Ergebnisse  Bestand  haben,  so  würde  allerdings  die 
Etymologie  eine  ungeahnte  Förderung  erhalten.  Ich  muß  indessen  von  der 
Verwertung  dieses  Buches  an  dieser  Stelle  absehen,  da  ich  die  Richtigkeit 
von  Möllers  Aufstellungen  nicht  zu  beurteilen  vermag.  Da  sich  aber  Möller, 
was  die  Analyse  des  Indogermanischen  betrifft,  sicher  auf  einem  Holzweg 
befindet,  so  habe  ich  starke  Bedenken  gegenüber  seinen  Ergebnissen,  Be- 
denken, die  ja  auch  von  den  Semitisten  durchgehends  geteilt  werden.  Ich 
denke,  man  kann  auch  auf  diese  Hilfe  verzichten,  da  die  etymologische 
Forschung  auf  germanischem  und  indogermanischem  Boden  noch  zur  Ge- 
nüge zu  tun  hat. 

§  13.  Die  Anfänge  der  Lautlehre.  Die  Etymologie  wurde,  wie  sich  leicht 
verstehen  läßt,  durch  das  Aufkommen  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft 
außerordentlich  gefördert.  Es  eröffneten  sich  ihr  ganz  ungeahnte  Ziele.  Aber 
freilich,  der  Begründer  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft,  Franz  Bopp, 
wendete  dieser  Seite  der  Sprachwissenschaft  keine  Aufmerksamkeit  zu.  Es 
blieb  neben  Jak.  Grimm  dem  etwas  Jüngern  Aug.  Friedr.  Pott  (1802 — 1887) 
vorbehalten,  dies  zu  tun,  und  so  die  wissenschaftliche  Etymologie  zu 
schaffen.  Dieser  veröffentlichte  zwei  Bände  Etymologische  Forschungen, 
Lemgo  1833 — 1836.   Eine  zweite  vollständig  umgestaltete  Auflage  erschien 


10  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


in  sechs  Bünden  von  1859 — 1876.  Die  Einleitun.c^  zu  diesem  Werke  kann 
heute  noch  jeder  mit  Vorteil  lesen,  den  sonstigen  Inhalt  des  Werkes  sollte 
nur  der  Sprachforscher  benutzen,  der  das  Wahre  vom  Falschen  sondern  kann. 

In  Potts  Werk  finden  sich  die  Anfange  eines  Teiles  der  Grammatik, 
der  mit  der  etymologischen  Forschung  auf  das  engste  verbunden  seitdem 
an  Bedeutung  dauernd  gewonnen  hat,  nämlich  die  Anfänge  der  Lautlehre. 

Die  Lautlehre  verfolgt  die  Geschichte  der  einzelnen  Laute,  Da  uns  aber 
die  Laute  nicht  als  solche,  sondern  immer  nur  in  den  Worten  gegeben  sind, 
so  ist  die  Lautlehre  immer  nur  durch  Zusammenstellung  von  Wörtern,  die 
den  gleichen  Laut  enthalten,  zu  begründen.  Derartige  Wörter  müssen  sich 
natürlich  durch  Übereinstimmung  der  Bedeutung  und  der  Form  als  ver- 
wandt erweisen.  Vergleicht  man  eine  Anzahl  derartiger  Worte,  so  ergibt 
sich,  daß  der  betreffende  Laut  entweder  der  gleiche  geblieben  ist,  oder  daß 
er  sich  verändert  hat.  So  entspricht  dem  \aX.  pater  das  gr.  :nar)]o  {patar); 
p,  t,  r  haben  sich  hier  also  unverändert  erhalten,  und  es  lassen  sich  noch 
viele  andere  Worte  anführen,  in  denen  dies  ebenso  der  Fall  ist.  Wenden 
wir  uns  aber  zum  Germanischen,  so  heißt  es  im  Gotischen  fadar,  d.  Vater. 
Hier  zeigt  sich  also  nur  das  einzige  r  wie  im  Griechischen  und  Lateinischen, 
während  p  und  t  verändert  sind.  Stellt  man  nun  mehrere  Worte  mit  dem 
gleichen  Laut  in  der  einen  Sprache  mit  den  entsprechenden  Worten  der 
andern  Sprache  zusammen,  so  zeigt  sich,  daß  bei  diesen  Entsprechungen 
eine  große  Regelmäßigkeit  obwaltet. 

§  14.  Die  deutsche  Lautverschiebung.  Am  frühesten  trat  die  Erkenntnis 
regelmäßiger  Veränderung  eines  Lautes  in  offenbar  zusammenhängenden 
Wörtern  auf  deutschem  Sprachgebiet  auf,  weil  das  sogenannte  hochdeutsche 
Sprachgebiet  durch  eine  Reihe  einschneidender  Veränderungen  von  dem 
der  übrigen  germanischen  Sprachen  geschieden  ist.  Diese  Umwandlungen 
nennen  wir  die  hochdeutsche  Lautverschiebung.  Es  ist  das  nach  der 
neuern  Forschung  kein  ganz  einheitlicher  Vorgang,  da  die  Ergebnisse  der 
Verschiebung  bei  den  einzelnen  Lauten  wie  auch  in  einzelnen  Mundarten 
verschieden  sind. 

Wir  vergleichen  im  folgenden  die  deutsche  Schriftsprache  mit  dem 
Englischen  und  geben  reiche  Belege.  Man  kann  natürlich  ebensogut  das 
Niederdeutsche  oder  eine  andere  germanische  Sprache  heranziehen. 

Ganz  regelrecht  sind  die  Dentale  verschoben. 

1.  Hochdeutschem  z  entspricht  im  allgemeinen  in  den  übrigen  ger- 
manischen Sprachen  ein  t, 

Zacke,  e.  tack  'Stift';  —  Zagel,  e.  tail  'Schwanz';  —  zäh,  e.  tough;  —  Zahl,  e.  tale;  — 
zählen,  e.  teil;  —  zahm,  e.  tarne;  —  Zahn,  e.  tooth;  —  Zähre,  e.  tear;  —  Zain,  Zein 
'{Weiden)gerte'  usw.,  e.  toe  in  mistletoe  'Mistelzweig';  —  Zange,  e.  tongs;  —  Zapfen, 
e.  tap;  —  Zarge  'Seiteneinfassung',  e.  targe;  —  Zauber,  e.  tiver  'Oclier';')  —  Zaum,  e.  team 


^)  Die  Vorstufe  von  e.  tiver  ist  ags.teafor;      roter  Farbe  wurden  die  Runen  eingeritzt,  und 
dies  bedeutet  schon  , (rote)  Farbe, Mennig'.  Mit      so  entwicl\elte  sich  die  Bedeutung  'Zauber'. 


§  14.  Die  deutsche  Lautverschiebung. 


11 


dA 


'Zug  (von  Tieren),  Gespann';  —  Zaun,  e.  town;  —  zausen,  e.  touse;  —  Zecke,  t.tike, 
tick;  —  Zeh,  e.  toe;  —  zehn,  e.  ten;  —  zehren,  e.  ^^ar 'zerreißen';  —  Zeichen,  e.  token;  — 
Zeit,  e.  tide  'Flut';  —  Zelt,  e.  tili;  —  zerren  'necl<end  reizen',  e.  tarry;  —  zerren,  e.  tear;  — 
Zieche  'Bettkissenüberzug',  e.  tick;  —  Ziegel,  e.  tile;  —  -zig,  e.  -ty;  —  Zimmer,  t.timber 
'Bauholz';  —  Zinn,  e.  tin;  —  Zipfel,  e.  tip;  —  Zitteroch  'rotes  Mal',  e.  tetter;  —  Zitze, 
e.  teat;  —  Zoll,  e.  toll:  —  Zopf,  eig.  'Baumgipfel',  e.  top;  —  zu,  t.to;  —  Zuber,  e.  tut;  — 
Zug,  e.  tug;  —  zünden,  e.  tind;  —  Zunder,  e.  linder;  —  Zunge,  e.  tongue;  —  zwanzig, 
e.  twenty;  —  zwei,  e.  two;  —  Zweig,  e.  /w/g;  —  Zwilling,  e.  twinling;  —  zwisdien,  e. 
betwixt;  —  zwölf,  e.  twelve. 

Hier  ist  also,  wenn  wir  uns  entwicklungsgeschichtlich  ausdrücken  wollen, 
^  zu  2:  verschoben.   Ausgenommen  ist  aber  die  Stellung  nach  s  und  vor  r. 

Stab,  e.  staff;  —  Stahl,  &.  steel;  —  Stall,  t.  stall;  —  Stamm,  e.  stam;  —  Stange, 
e.  stang;  —  Stapel,  e.  staple;  —  Stapfe,  e.  Step;  —  Star,  e.  stare,  starling;  —  stark,  e. 
stark;  —  Stecken,  e.  stick;  —  stehlen,  e.  steal;  —  steif,  e.  stiff;  —  Stein,  e.  stone;  — 
sterben,  e.  starve;  —  Sterke,  e.  stirk,  sturk;  —  Stern,  e.star;  —  stief,  e.step;  —  Stimme, 
e.  Steven;  —  Stock,  e.  stock;  —  Storch,  e.stork;  —  stören,  e.stir;  —  Strand,  e.  Strand;  — 
Straße,  e.  street;  —  strecken,  e.  streich;  —  streidien,  e.  strike;  —  streng,  e.  strong;  — 
Streuen,  e.  strew;  —  Stroh,  e.  straw;  —  Strom,  e.  stream;  —  Stubben,  e.  stub;  —  Stube, 
e.  stove  'Ofen';  —  Stuhl,  e.  stool;  —  Stumpf,  e.  stump;  —  Sturm,  e.  storm;  —  Stute, 
e.  stud;  —  treten,  e.  tread;  —  treu,  e.  true;  —  Trog,  e.  trough. 

Im  Inlaut  finden  wir  dagegen  zwar  auch  in  einzelnen  Fällen  z  oder 
tz  =  e.  t,  meist  aber  heute  55  {ß). 

Herz,  e.  heart;  —  Schmerz,  e.  smart;  —  sitzen,  e.  5/^;  —  Weizen,  e.  wheat;  —  wetzen, 
e.  whet;  —  aber 

beißen,  e.  bite;  —  besser,  e.  better;  —  daß,  e.  that;  —  es,  e.  it;  —  essen,  e.eat;  — 
Fuß,  e.  foot;  —  Geiß,  e.  goat;  —  grüßen,  e.  greet;  —  hassen,  e.  /za^^;  —  heiß,  e.  /zo^;  — 
lassen,  e.  fe/;  —  reißen,  e.  write;  —  süß,  e.  sweet;  —  was,  e.  what;  —  Wasser,  e.  water;  — 
weiß,  e.  white. 

2.  Dem  deutschen  Z"  entspricht  lautgesetzlich  ein  engl.  d. 

Tag,  e.  c?fl_y;  —  tapfer,  e.  dapper  'flink,  gewandt,  sauber';  —  7a/,  e.  deed;  —  Tau, 
e.  rfetii»;  —  Taube,  e.  rfot/e;  —  taub,  e.  rf^a/;  —  taudien,  e.  cfucfe;  —  7^/^,  e.  dough;  — 
Teil,  e.  rf^a/;  —  Tenne,  e.  rf^/z  'Höhle';  —  teuer,  e.  rf^ar;  —  Teufel,  e.  rfez;//.-  —  TzV/-, 
e.  deer;  —  tief,  e.  deep;  —  Tisch,  e.  rf/5/z;  —  Tochter,  e.  daughter;  —  Tod,  e.  death;  — 
/o//,  e.  dull  'faul,  langweilig';  —  Tor,  e.  rfoor;  —  /o/,  e.  dead;  —  tragen,  t.draw;  — 
Traum,  e.  dream;  —  traurig,  e.  dreary;  —  Treber,  e.  draff  'Bodensatz';  —  treiben,  e. 
drive;  —  trinken,  e.  drink;  —  trocken,  e.  rfry;  —  Tropfen,  t.drop;  —  Trunk,  e.drink;  — 
tüchtig,  e.  doughty;  —  tun,  e.  do. 

alt,  e.  old;  —  Bett,  e.  6erf;  —  bieten,  e.  6/rf;  —  Blatt,  e.  blade;  —  Blatter,  e.  bladder;  — 
Euter,  e.  udder;  —  Fa//^,  e.  /o/rf;  —  Futter,  e.fodder;  —  Gott,  e.god;  —  gut,  t.good;  — 
halten,  e.  hold;  —  hart,  e.  hard;  —  hatte,  e.  had;  —  Haupt,  e.  head;  —  Hirt,  e.  herd;  — 
gehört,  e.  heard;  —  kalt,  e.  cold;  —  laut,  e.  loud;  —  leiten,  e.  /^örf;  —  Leiter,  e.  ladder;  — 
nackt,  e.  naked;  —  Otter,  t.  adder;  —  reiten,  o..  ride;  —  geritten,  o..  ridden;  —  Sattel, 
e.  saddle;  —  gesotten,  e.  sodden;  —  Tat,  e.  deed;  —  tot,  e.  dead;  —  Wort,  e.  word. 

/  3.  Deutsch  d  entspricht  engl.  th. 
-jo  da,  dar(um),  e.  there;  —  Dadi,  e.  thatdi  'Strohdach';  —  Dank,  e.  thanks;  —  dann, 
e.  then;  —  daß,  e.  that;  —  Daumen,  e.  thumb;  —  decken,  e.  thatdi;  —  Degen  'Kriegsmann', 
h  thane  'Freiherr';  —  dein,  e.  thy;  —  denken,  e.  think;  —  dick,  e.  thik;  —  Dieb,  e.  thief;  — 
./^Distel,  e.  thistle;  —  dodi,  e.  though;  —  Donner,  e.  thunder;  —  Dorf,  e.  thorp  in  Eigen- 
^  namen;  —  Dorn,  e.  thorn;  —  Draht,  e.  thread;  —  Drang,  e.  throng  'Gedränge';  —  drehen, 
e.  throw;  —  drei,  e.  three;  —  dreschen,  e.  thrash,  thresh;  —  drillen  'bohren',  z.thrill;  — 


•^ 


12  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


Drossel,  e.  thriish;  —  Drossel  'Kehle',  c.  thront;  —  du,  e.  thoii;  —  dulden,  e.  thole;  — 
dünken,  c.  tfiink;  —  dünn,  c.  pin;  —  dunii,  c.  t/irou/^h,  thorough;  —  Durst,  c.  tliirst. 

Bad,  c.  batli;  —  beide,  c.both;  —  liruder,  e.  Orot  her;  —  Eid,  t.  oath;  —  Erde, 
e.earth;  —  Faden,  c.  fathom;  —  Feder,  c./eather;  —  fürder,  c./urther;  —  Heide,  e. 
heath;  —  Heide,  e.  heathen;  —  Herd,  e.  hearth;  —  Jugend,  e.youth;  —  Kleid,  e.  cloth;  — 
Leder,  c.  leather;  —  Mond,  e.  month;  —  Mund,  e.  mouth;  —  Norden,  c.  north;  —  oder, 
cot  her;  —  Pfad,  c.path;  —  Sdieide,  c.  sheath;  —  Schmiede,  c.  smithy;  —  sieden,  e. 
seethe;  —  Süden,  e.  south;  —  Tod,  e.  death;  —  weder,  e.  whether;  —  Widder,  e.  wether;  — 
würdig,  e.  worthy. 

Den  drei  Dentalen  des  Englischen  /,  d,  th  entsprechen  also  im  Hoch- 
deutschen wieder  drei  Zungenlaute,  aber  andere,  die  Laute  sind  verschoben. 
Ähnlich,  wenn  auch  nicht  ganz  so  ausgeprägt,  steht  es  mit  den  Labialen 
und  Gutturalen.  Hier  sind  nur  die  Tenues  von  der  Verschiebung  betroffen 
und  auch  diese  nicht  überall. 

1.  Dem  deutschen  ch  entspricht  engl.  k. 

Ardie,  e.  ark;  —  audi,  e.  eke;  —  bleidi,  e.  bleak;  —  bredien,  e.  break;  —  Budi,  e.  book;  — 
Eidie,  e.  oak;  —  Eldi,  e.  elk;  —  Griedie,  e.  Greek;  —  Jodi,  e.yoke;  —  madien,  e.  make;  — 
Mildi,  e.  milk;  —  Sadie,  e.  sake;  —  siedi,  e.  sick;  —  spredien,  e.  speak;  —  stedien,  e.  stick;  — 
Stordt,  e.  stork ;  —  streidien,  e.  strike ;  —  sudien,  e.  seek ;  —  weidi,  e.  weak ;  —  Wodie,  e.  weck ;  — 
Zeidien,  e.  token. 

2.  Dem  deutschen  pf  entspricht  engl.  p. 

Pfad,  e.  path;  —  Pfahl,  e.  pole;  —  Pfanne,  e.pan:  —  Pfau,  e.  pea(cock);  —  Pfeffer, 
e.  peper;  —  Pfeife,  e.pipe;  —  Pfennig,  e.penny;  —  Pflanze,  e.plant;  —  Pflaster,  e.  plaster;  — 
Pflaume,  c.plum;  — pflegen,  e.play;  —  pflüdien,  t. pluck;  —  Pflug,  t.plough  'Landmaß';  — 
Pfriem,  q.  preen  'eisernes  Werkzeug  zum  Entfernen  der  Tuchflocken';  —  Pfuhl,  e.pool;  — 
Pfühl,  Q.pillow;  —  Pfund,  e.  pound;  —  Pfütze,  e.  pit. 

3.  Im  Inlaut  entspricht  /,  ff  oder  pf  dem  engl.  p. 

Affe,  e.  ape;  —  Apfel,  e.  apple;  —  auf,  e.  up;  —  Bisdiof,  e.  bishop;  —  Dampf,  e.  damp;  — 
gaffen,  e.  gape;  —  greifen,  e.  grope;  —  Flanf,  e.  hemp;  —  Harfe,  e.  harp;  —  Haufen, 
e.  heap;  —  helfen,  e.  help;  —  hoffen,  e.  hope;  —  Hopfen,  e.  hop;  —  hüpfen,  e.  hop;  — 
Karpfen,  e.  carp;  —  Kauf,  e.  cheap;  —  Kropf,  e.  crop;  —  Kupfer,  e.  copper;  —  laufen, 
e.  leap;  —  offen,  e.  open;  —  Pfeffer,  e.  pepper;  —  Pfeife,  e.pipe;  —  reif,  e.  ripe;  —  Reifen, 
e.  rope;  —  Rumpf,  e.  rump;  —  Saft,  e.  sap;  —  Sdiaf,  e.  sheep;  —  sdiarf,  e.  Sharp ;  —  Sdiiff, 
e.  ship;  —  Sdilaf,  e.  sleep;  —  sdilafen,  e.  sleep;  —  Seife,  e.  soap;  —  stampfen,  e.  stamp;  — 
Stiefvater,  e.  stepfather;  —  stumpf,  e.  stump;  —  tief,  e.  deep;  —  Tropfen,  e.  drop;  —  Waffe, 
e.  weapon;  —  Zapfen,  e.  tap;  —  Zopf,  e.  top. 

4.  Die  Lautgruppe  sp  ist  wie  st  nicht  verschoben. 

Span,  e.  spoon;  —  Spange,  e.  spangle;  —  sparen,  e.  spare;  —  Sparren,  e.  spar;  — 
Spaten,  e.  spade;  —  Speer,  e.  spear;  —  Speidie,  e.  spoke;  —  speien,  e.  spew,  spue;  —  Sperling, 
e.  sparrow;  —  sperren,  e.  spar;  —  Spieß,  e.  spit;  —  Spinne,  e.  spin;  —  Sporn,  e.  spur;  — 
Spradie,  e.  speech;  —  spredien,  e.  speak;  —  spreiten,  e.  spread;  —  sprießen,  e.  sprout;  — 
springen,  e.  spring;  —  Sproß,  e.  sprout;  —  Spur,  e.  spoor;  —  sputen,  e.  speed. 

Die  Beispiele  sind,  wie  man  sieht,  sehr  zahlreich,  und  die  große  Regel- 
mäßigkeit kann  keinem  entgehen.  Eine  sehr  ansprechende  Behandlung  dieser 
Frage,  auch  in  ihrer  Verwertung  für  den  Unterricht,  bietet  Tore  Torbiörnson, 
Die  vergleichende  Sprachwissenschaft  in  ihrem  Werte  für  die  allgemeine  Bil- 
dung und  den  Unterricht,  Leipzig  1906.  Vgl.  auch  P.Vogel,  Sprachgeschicht- 
liches im  deutschen  Unterricht  der  Obersekunda,  ZfdU.  18,  153  ff. 


§  15.  Die  germanische  Lautverschiebung.  13 

§  15.  Die  germanische  Lautverschiebung.  Schon  der  dänische  Sprachforscher 
Rask,  Über  die  thrakische  Sprachklasse  bei  Vater,  Vergleichungstafein  der 
europäischen  Stammsprachen,  Halle  1822,  hat  dann  weiter  erkannt,  daß  bei 
dem  Verhältnis  der  germanischen  Worte  zu  den  griechisch-lateinischen  ebenfalls 
ganz  regelmäßige  Veränderungen  zu  beobachten  sind.  Diese  Veränderungen 
hat  J.  Grimm  in  eine  Formel  gebracht,  während  spätere  Zeiten  sie  genauer 
bestimmt  haben.  Wir  fassen  sie  jetzt  unter  dem  Namen  der  ersten  ger- 
manischen Lautverschiebung  zusammen,  während  die  Engländer  sie 
Grimms  Gesetz  nennen. 

Nach  der  Grimmschen  Auffassung  ist  die  erste  Lautverschiebung  etwas 
sehr  einfaches.  Heute  wissen  wir,  daß  der  Vorgang  nicht  so  einfach  und 
gleichmäßig  war,  wie  Grimm  das  annahm. 

Wir  geben  auch  hier  ein  reichhaltiges  Material. 

1.  Die  griechisch-lateinischen  Tenues  k,  t,  p,  die  gleichen 
indogermanischen  Lauten  entsprechen,  werden  im  Germ,  zu  A,/»,/ 
verschoben.  Der  zweite  Laut  erscheint  im  Deutschen  als  d,  s.  §  14. 

a)  Idg.  k,  gr.  X  (k),  1.  c  wird  zu  germ.  h. 

Habergeiß,  1.  caper,  frz.  chevre;  —  Hadise,  1.  coxa  'Hüfte';  —  Hader,  gr.  y.öjog  {kötos) 

'Groll'; haft,  1.  captus;  —  Hagel,  gr.  y.6.-/h]'E,  {käkhliex)  'Steinchen,  Kiesel';  —  hager, 

ai.  kr  sah;  —  Hahn,  Huhn,  1.  cicünia;  —  Halle,  1.  cella;  —  Halm,  1.  culmus,  gr.  y.d/.auo; 
(kälanios);  —  Hals,  1.  Collum;  —  Hamme,  gr.  y.vtjiu]  {kniemw);  —  Hammer,  gr.  uy.ucov  (dkmön) 
.Amboß' ;  —  Hand,  gr.  yarä  (katä)  eig.  'mit  der  Hand' ;  —  Hanf,  gr.  y.dwaßi;  {kännabis) ;  — 
Harm,  abg.  sramii  'Scham';  —  hart,  gr.  y.qazvg  (kratys)  'starlv';  —  Harz,  gr.  y.r)q6i  (kwrös);  — 
Hase,  ai.  sasäh,  1.  cänus  'aschgrau' ;  —  Hasel,  1.  corylus ;  —  Haß,  gr.  yS]8og  (kwdos)  'Kummer' ;  — 
Haube,  1.  ciipa  'Tonne,  Kufe';  —  hauen,  1.  cüdo;  —  Haupt,  1.  Caput;  —  Haut,  1.  cutis,  gr.  y.vrog 
(kytos);  —  heben,  l.capio;  —  Heer  zu.  gr.  y.oloavog  (koi'ranos)  aus  ■korjanos,  eig. 'Heerführer';  — 
hehlen,  1.  celäre,  frz.  celer;  —  Heide,  1.  (bü)cetum;  —  heil,  abg.  celü  'ganz,  heil';  —  Heim, 

gr.  nw^irj  (k6m(f);  —  Hei(rat),  1.  civis; heit,  ai.  ketüh  'Lichterscheinung,  Helle,  Bild';  — 

heiter,  ai.  citräh  'glänzend';  —  Helm,  ai.  särma  'Schutz';  —  Herbst,  1.  carpere;  —  Hermelin, 
lit.  sermuö;  —  Herz,  1.  cor,  gr.  y.uoöia  {kardia);  —  hinke,  gr.  axä^co  (skäzö);  —  Hirn,  1.  cere- 
brum,  gr.  y.agijvov  {kärcenon);  —  Hirsdi,  1.  cervus,  frz.  cerf;  —  Hirse,  1.  Ceres;  —  hohl,  1.  cavus, 
caulis  'Stengel' ;  —  Hohn,  lett.  kauns  'Schmach,  Schande' ;  —  Holm,  1.  collis;  —  Holz,  gr.  yJ.äöog 
(klädos)  'Zweig';  —  Honig,  gr.  y.vr^y.og  {kncekös)  'Safran';  —  hören,  gr.  äxovsiv  {akütn);  — 
Hörn,  1.  cornu,  frz.  cor(ne);  —  Hornis,  1.  crabro;  —  Hort,  gr.  y.vadog  (kysfhos)  'Höhlung';  — 
Huf,  ai.saphdJi;  —  Hufe,  gr.  yr/.-iog  {kiepos);  —  Hüfte,  gr.  yvßog  (kybos)  'Höhlung  vor  der 
Hüfte  beim  Vieh';  —  Hummer,  gr.  yäfi,uaoog  (kämmaros);  —  humpeln,  gr.  ay.ajußog  (skambös) 
'krummbeinig';  —  Humpen,  gr.  Hv/ußog  (kymbos)  'Gefäß';  —  Hund,  1.  canis,  frz.  chien, 
gr.  y.vcov  {kyön);  —  hundert,  1.  centum,  frz.  cent,  gr.  syaröv  (hekatön);  —  Hürde,  1.  crates;  — 
Hure,  1.  cürus;  —  Husten,  lit.  köseti  'Husten'. 

b)  Idg.  t,  gr.  T  (t),  1.  t  wird  zu  germ.  p,  engl,  th,  d.  d. 

Dach,  1.  toga  'Gewand';  —  Dämmerung,  1.  tenebrae,  frz.  tenebres;  —  Darm,  gr.  roi)i.ia 
{triemä)  'Loch',  xoäi.ug  (trdmis)  'After';  —  das,  daß,  gr.  ro  (tö),  1.  (is)tud;  —  Dechsel  'Brtit- 
beil'  zu  1.  texo  'webe',  gr.  zsy.zow  {tektön)  'Zimmermann';  —  decken  zu  I.  legere;  —  Degen 
'tüchtiger  Kriegsmann',  ahd.  degan  auch  'Knabe',  gr.  zsy.vov  (teknon)  'Kind';  —  dehnen, 
1.  tendere,  frz.  tendre;  —  Deidisel,  ahd.  dihsala  aus  -^dinhsala,  1.  temo  aus  *tencsmo,  frz. 
timon;  —  denken,  1.  tongere  'kennen,  wissen';  —  deutsdi  von  ahd.  diot,  diota,  got  piuda 
'Volk',  osk.  touto  'Volk';  —  Diele,  vielleicht  zu  1.  tellus  'Erde';  —  Dohne  'Bügel  mit  Schhnge 
zum  Vogelfang'   zu  lat.  tenus  'ausgespannte  Schnur,  Dohne';   —  Donner,  1.  tonitrus,  frz. 


14  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

ionnerre;  —  Dorn,  abg.  trunii;  —  dörren,  1.  tornre,  gx.iiQOEodnt  {tersesthai)  'trocken 
werden";  —  Draht,  gr.  ror/ros-  Unftös);  —  drediseln,  I.  torqmre  'drehen';  —  drehen  zu 
gr.  iijt'jiia  ftri'fma)  'Loch';  —  drei,  1.  tns,  frz.  trois;  —  dritte,  1.  tertius;  —  drohen,  I.  trux;  — 
Drossel,  I.  turdus,  frz.  tourde;  —  du,  I.  tu,  frz.  tu;  —  dulden,  1.  tuli;  —  dünn,  X.tenuis. 

c)  Idg.  /7,  gr.  .-T  (/?),  1.  p  wird  zu  gerni.  /. 

Ffl<*,  l.pangere  'festmachen';  —  Faden,  gr.. TfTdwvfu  (pettinnymi);  —  fahen,  Ipaciscor; 
—  fahl,  falb,  \.  pallidus;  —  Fahne,  \.  pannus  'Stück  Tuch,  Lappen',  Uz.  pan;  —  Gefahr, 

\.  penculum;  —  fahren,  gr.  nonfvnr  l poreutri); fall,  gr.  -.t/.uo(oc  i  plasios)  aus  ^-platios;  — 

Falz,  \. pellere  'stoßen';  —  Farre,  Färse,  gT..To<ji;  (pöris)  'junges  Rind';  —  farzen,  g:.nii>fiai 
ipirdo);  —  Fasel  'Junges,  Zucht'  zu  \.  pcnis,  gr.  .tio;  {peos);  —  Faß,  \'\t.  piiodas;  —  Vater, 
\.  pater,  gT..^aT^|n  {patcfr);  — faul,  \.püs  'Eiter',  gi.jivov  {pyon};  —  Feder,  gT.jiteQÖv  {pterön) 
'Flügel';  —  Fehe,  gr.  .toihuo;  {poikilos)  'bunt';  —  feil,  gr.  .loüstr  (polen)  'verkaufen';  — 
Feim,  \.  spüma;  —  Feld,  gr.  .T/.an',-  [platys]  'breit';  —  Fett,  \.  pellis,  Uz.  peau;  —  Fels: 
gr.  .Tf/./.(j  {pelld)  'Stein';  —  Ferkel,  l.porcus,  gr.  ^idoxog  {porkos);  —  fern,  gr.  .-rforn-  (peran) 
'jenseitig';  —  Ferse,  l.perna  'Hinterkeule',  gr.-Tifo»-«  {pterna)  'Ferse';  —  Fessel,  l.pedica;  — 
Vetter,  1. patruus,  gr.  :täiQ(og  (pätrös);  —  Feuer,  gr.  jiüq  {pyr);  —  Fidite,  gr.  nfvy.y}  (peukce);  — 
Vieh,  l.pecus;  —  viel,  gr.  .to/.i',-  (polys);  —  Filz,].pilleus 'Filzmüize';  —  Fink,  gT.a.-ii'yyo; 
^spingos);  —  First,  ai.  prsthdm  'Rücken';  —  Fisdi,  ].  piscis;  —  fisten,  X.pidere;  —  Fitze, 
gx.ni^n  ipeza);  —  fladi,  gr. .W/avo,-  (pelagos)  'Meer',  eig. 'die  Fläche';  —  Fladen,  gr..-T/.«i?aiov 
tpldthanon)  'Kuchen';  — flediten,  l.plecto,  gT.n/Jx<o  (plekö);  — fließen,  l. pluere 'regnen';  — 
Floh,  l.pulex;  —  fludien,  l.plangere  'schlagen,  laut  trauern',  p/«^fl  'Schlag';  —  Fluh,gr..-r/.äi 
ipläx)  'Fläche,  Plateau';  —  Flur,  \.phmus;  —  Flut,  gr.  .t/.ojtoV  (plütös)  'schiffend';  —  Fohlen, 
Füllen,  \.  pullus,  gr..Tw/.o,- 1/70/05) 'Tierjunges';  —  Föhre,  \.  quercus  aus  '*perquos;  —  voll, 
l.  plimis;  —  vor,  1.  prae;  —  vorder,  gr. riooTsoog  {pröteros);  —  Forelle,  gr. neny.vö^  (perknös) 
dunkelfarbig;  —  forsdien,  \.  posco;  —  fragen,  1.  precari;  —  frei,  ai.  prijäh  'geliebt';  — 
freidig,  eig.  'verbannt',  a\.  prctfa-  'nach  dem  Tode,  jenseitig';  —  frieren,  \.  pru'ma  'Reif;  — 
frisdi,  abg. presinii  'frisch,  ungesäuert';  —  fromm,  gr..-Toöuo;  (prömos)  'vorderste';  —  früh, 
gr. .-Tocot  (prui) ;  —  fühlen  gr.. la'/.äui]  [paldnia)  'Hand';  —  fünf,  1.  quinque  aus  *penque;  -- 
Furdie,  \a\.  porca;  —  Furt,  \.  portus;  —  Fuß,  \.  pes,  Uz.  pied,  gr.  .-toi'v  {püs). 

2.  Die  griech.  ;^  {kh),  0  (th),  rp  (ph),  \.  k,  f,  idg.  gh,  dh,  bh  er- 
scheinen im  Germ,  als  g,  d,  b;  d  wird  im  Deutschen  weiter  zu  t 
verschoben. 

Anmerkung.  Man  beachte,  daß  im  Lat.  in  dieser  Reihe  nur  zwei  Laute  erscheinen. 
Es  sind  die  Laute,  die  den  gr.  1?  und  </ ,  germ.  d  und  b  entsprechen,  in  /  zusammengefallen. 
Außerdem  tritt  lat.  /  in  echt  lateinischen  Wörtern  nur  im  Anlaut  auf,  im  Inlaut  erscheinen 
d  und  b,  so  daß  in  diesem  Fall  die  germanischen  Laute  scheinbar  nicht  verschoben  sind. 

a)  Gr.  y^  {kh),  1.  h  (auch  /)  =  d.  g. 

Gähnen,  \.  hiäre,  gr.  yalvm  [khainö);  —  Galgen,  lit.zalga  'Stange';  —  Galle,  \.  feil, 
gr.  xo/.t'j  (kholce);  —  Gang,  lit.  i^/zg^"« 'schreite';  —  Gans,\.anser,  gr. /j'jr  {kh(Fn);  —  Garn, 
'der  zweite  Magen  der  Widerkäuer',  lit.  zärna  'Darm',  1.  haru-spex;  —  Garten,  lat.  hortus;  — 
Gast,  1.  hostis;  —  Gaumen,  lit.  gömuris;  —  Geiß,  1.  haedus;  —  Geist,  ai.  htdah  'Zorn';  — 
gelb,  1.  helvus:  —  Ger,  gr.  yaio^  {khaios)  'Hirtenstab';  —  gern,  gr.  yaioeir  {khairin);  — 
Gerste,  1.  hordeum,  gr.  xoidrj  (krithce);  —  Gerte,  1.  hasta;  —  gießen,  \.  fundo,  gr.yia 
{kheö);  —  glatt,  1.  glaber  (mit  gl  aus  hl);  —  Gold,  abg.  zlato;  —  gram,  gr.  yoöuaöog 
{khrömados)  'knirschen';  —  grau,  1.  (h)rävus. 

b)  Gr.  n  {th),  \.f=  germ.  Tt;  d.  t 

Tag,  Utdagas 'Ernte';—  rd/,gr. i9«;/.oc(r/zö/05) 'Kuppelbau',  abg. rfo/ü 'Grube';  —  Tanne, 
ai.  dhänva  'Bogen';  —  tapfer,  lat. /fl*^/- 'Handwerker';  —  Tat,  tun,  l.facio,  gr. Tidiiui{tlthiJmi);  — 
taumeln,  lat.  famus,  gr.  Ovuö;  (thymös);  —  Teig,  1.  fingo;  —  Teil,  abg.  delü;  —  tief,  lit.  dubüs 
.hohl';  —  Toditer,  gr.  dvyäxt^o  (thygätier);  —  Tor,  Tür,  \.  fores,  forum,  gr.  dvoa  (thyrü). 


§  15.  Die  germanische  Lautverschiebung.  15 

c)  Gr.  V  {ph),  1./=  d.  b. 

Backe  im  Gesicht,  gr.  (paywv  (phagon)  'Kinnbacken';  —  backen,  gr.  cpwyeiv  (pflögen) 
'braten,  rösten';  —  bähen,  l.fovere;  —  Bahre,  \.  fero,  gr.  f/fow  (phero);  —  Balg,  \.  f Ollis 
'Sclilauch';  —  Balken,  1.  sufflumen  'unter  das  Rad  gelegter  Baiken',  gr.  rpä}.ay^  (pluilaux) 
'Holzstamm';  —  Ball,  Bolle,  gr.  (paV.ög  (phallös);  —  bannen,  l.  furi,  gr.  rpt^fu  {ph<emi);  — 
Banse,  ai.  bhusa-  'Kulistall';  —  bar  'bloß',  abg.  bosü,  lit.  bäsas;  —  Bar  'Rammklotz'  zu  ahd. 
berian  'treten,  stampfen',  l.ferire;  —  Bärme,  \.  fermentum;  —  Barn  'Scheune'  zu  got.  baris- 
'Gerste',  \.far;  —  Bart,  1.  barba  aus  *farba;  —  Bast,  \.  fascia  'Binde'?;  —  bauen,  \.  fui, 
gr.  civeiv  {phyen);  —  Baum,  gr.  (fvtia  (phyma)  'Gewächs';  —  beben,  abg.  bojq  'sich  fürchten';  — 
beide,  1.  (am)bo,  gr.  äuqpco  (amphü);  —  beißen,  \.  findo;  —  Bett,  Beet,  \.  fadere  'graben';  — 
Biber,  l.fiber;  —  biegen,  I.  fugio,  gr.  (psvyco  (pheugö);  —  Biene,  1.  facus;  —  Binde,  1.  offen- 
dimentum ;  —  Birke,  ai.bharjah,  slaw.  breza,  lit.  berzas,  l.fraxinus  'Esche' ;  —  blasen,  l.flare;  — 
bleuen,  \.  fllgere  'schlagen';  —  Blume,  l.flos;  —  Bock,  aw.  büza;  —  bohren,  \.  f ordre;  — 
Borste,  \.  fastigium  aus  *farstigium  'Giebel,  Spitze';  —  Braue,  gr.  6(pQvq  {ophrys);  —  brauen, 
1.  defrutum  'Mostsaft';  —  braun,  ai.  babhrüh;  —  brechen,  \.  frango;  —  Bruch  'Hose',  1.  suf- 
fragines  'Hinterbug  der  Tiere' ;  —  Bruder,  If rater,  gr.  (pqöltcoq  (phrätör) ;  —  Brunnen,  gr.  (pgeag 
(phrear);  —  Budie,  \.  fagus,  gr.  (pt]y 6g  {pluegös). 

Für  den  Inlaut  führe  ich  noch  folgende  Fälle  an 

d)  Gr.  X  {kh),  1.  -h-,  -g-,  =  d.  g. 

d.  Bug,  gr.  :ifjyvg  {pcekhys);  —  d.  eng,  I.  angustus,  gr.  uyioi  {äi3kho)  'würge';  —  d.  Igel, 
gr.  Eyh'og  (ekhinos);  —  d.  Sieg,  gr.  exeiv  (ekhen)  'haben';  —  d.  steige,  gr.  ozeiyco  (stekho);  — 
d.  Teig,  1.  fingo,  gr.  rsTxog  (tekhos) ;  —  d.  Zunge,  1.  lingua  aus  *dingua. 

e)  Gr.  &  {th),  1.  -d-  und  auch  -^-  =  d.  t. 

ahd.  eit  'Scheiterhaufen',  1.  aedes  'Haus',  eig.  'Feuerstätte',  gr.  aidw  (althö)  'flamme';  — 
d.  glatt,  I.  glaber;  —  d.  Lende,  1.  lumbus;  —  d.  Met,  gr.  i-ieOv  [niethy) ;  —  d.  mitten,  1.  medius;  — 
d.  rot,  1.  ruber,  gr.  iovßoög  (erythros);  —  d.  Witwe,  1.  vidua. 

f)  Gr.  cp  {ph),  \'.-b-  =  d.b. 

d.  Elbe  'Fluß',  eig.  'der  weiße',  1.  albus;  —  d.  kerben,  gr.  yodrpco  (gräphü);  —  d.  lieb, 
1.  lubet;  —  d.  Nabel,  1.  umbilicus,  gr.  d^cpaUg  (omphalös);  —  d.  TV^*^/,  1.  nebula,  gr.  vegse'/?? 
(nephelw);  —  d.  ti/^ö^,  gr.  vcpalvoi  (hyphainü). 

3.  Die  griech.-lat.  Medien  werden  im  Germ,  zu  Tenues,  die  im 
Hochdeutschen  nach  §  14  weiter  verschoben  werden. 

a)  Gr.  y  (g),  lat.  g  werden  zu  germ.  k,  das  im  Deutschen  im  Inlaut  viel- 
fach zu  ch  verschoben  wird. 

kalt,  1. gelidus;  —  Kamm,  gr. yöwfog  (gömphos)  'Zahn';  —  kauen,  abg. zTvati;  —  kauern, 
gr.  yvoög  (gijrös)  'krumm';  —  Kehle,  1.  gula;  —  kennen,  können,  1.  (g)nösco,  gr.  yr/vcöaxco 
(gignöskö);  —  kerben,  gr.  ygatpeiv  (graphen);  —  Kern,  Korn,  \.  grünum;  —  kiesen,  l.gustäre, 
gr.  yevea&ai  (geuesthai) ;  —  Kind,  1.  genus,  gr.  yevog  (genos) ;  —  Kinn,  1.  gena  'Wange',  gr.  yiwg 
(genys)  'Kinnbacken';  —  Klaue,  gr.  ylovxög  (glatös)  'Hinterbacke';  —  Klei  'zäher  Ton',  l.glus, 
gluten  'Leim',  gr.  y^.otü  (gloiä)  'Leim';  —  klieben,  1.  gläbere  'abschälen',  gr.  y'/.vcpeiv  (gliiphcn) 
'eingraben,  schnitzen' ;  —  klug,  gr.  j'Aw/rre?  (glökhlnes)  'Spitzen' ;  —  Knebel,  gr.  yö/:i(pog  (gömphos) 
'Pflock,  Bolzen';  —  Knie,  1.  genu,  gr.  y6vv  (göny);  —  Koben,  gr.  yvjirj  (gtjpce)  'Erdhöhle';  — 
Kolben,  1.  globus  'Kugel,  Haufe,  Klumpen';  —  kosten,  1.  gustare;  —  krähen,  abg.  grajati;  — 
Kranich,  1.  grus,  gr.  yegavog  (geranos) ;  —  Krume,  1.  grümus  'Erdhaufe,  Hügel',  gr.  yovfisa 
(grijmea)  'Gerumpel';  —  kund,  \.  nötus. 

b)  Gr.  d  (d),  1.  d  wird  zu  germ.  t,  deutsch  anlautend  z. 
Zahl,  1.  doldre  'behauen;  —  zahm,  1.  domäre,  gr.  öafido)  (damäü);  —  Zahn,  1.  dens, 

r.  68ovg  (odäs);  —  Zähre,  1.  dacruma,  gr.  8üxqv  (ddkry);  —  Zange,  gr.  ödxvsiv  (ddknen);  — 
Zarge,  gr.  dgdooEo&ai  (drdssesthai)  'fassen';  —  zaudern,  1.  därure;  —  Zaun,  kelt.  dünum;  — 


16  Erstes  Kapitel.   Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

zausen,  1.  dannis  'Gestrüpp';  —  zehn,  1.  decem,  gr.  ftrxn  {dikä);  —  zehren,  zerren,  gr.  f^tnttv 
{diren)  'schinden';  —  zeigen,  I.  indicire;  —  zeihen,  1.  dicere,  gr.  Aeixi-v/u  {d(knymi);  —  zer-, 
I.  dis;  —  zetten,  gr.  !iaTfonm  (dateomai)  'verteile';  —  ziehen,  1.  düco;  —  Zimmer,  I.  domus, 
gr.  dituo  (demo)  'baue';  —  zu,  gr.  -dr  (-de);  —  Zunge,  1.  lingua  (aus  *dingud);  —  zwei,  I.  duo, 
gr.  di'o  (dj/o). 

c)  Gr.  /?  (/;),  1.  A  wird  i^^erm.  p,  hochd.  pf. 

Beispiele  sind  selten,  weil  h  im  Idg.  nicht  häufii^  war.  Die  meisten 
Wörter  mit  anlautendem  pf  im  Deutschen  sind  entlehnt. 

Padde,  ndd.  zu  gr.  ßänmyo?  {butrakhos\;  —  Pegel,  ndd.,  1.  haculiim,  gr.  päy.xoov 
(biiktron)  'Stab';  (?)  —  Pfaid  'Kleid,  Hemd",  bayr.  öst.,  gr.  ßdi'ni  (baltir)  'Hirten-,  Bauern- 
kleid'. Das  Wort  ist  zwar  entlehnt,  zeigt  aber  regelrechte  Verschiebung;  —  pladdern, 
1.  blatire  'plappern,  schwatzen'. 

§  16.  Lautgesetze,  im  vorhergehenden  Abschnitt  sind  eine  Fülle  von 
Wörtern  zusammengestellt,  an  deren  Zusammengehörigkeit  man  nicht  zweifeln 
kann,  und  dabei  zeigen  sich  nun  ganz  regelmäßige  Veränderungen.  Das 
nennen  wir  ein  Lautgesetz.  Dieser  Ausdruck  kommt  schon  ziemlich  früh 
in  der  Literatur  vor.  Im  Grunde  ist  er  ja  vielleicht  nicht  ganz  zutreffend, 
da  wir  es  mit  geschichtlichen  Vorgängen  zu  tun  haben.  In  der  Naturwissen- 
schaft, woher  der  Ausdruck  Gesetz  stammt,  verstehen  wir  darunter  einen 
Vorgang,  der  sich  unter  den  gleichen  Bedingungen  stets  wiederholt.  Da- 
von kann  in  den  geschichtlichen  Wissenschaften  keine  Rede  sein.  Die 
germanische  Lautverschiebung  ist  zu  einer  bestimmten  Zeit  eingetreten  und 
hat  sich  nicht  wiederholt.  Denn  die  deutsche  Lautverschiebung  zeigt  zwar 
einen  ähnlichen  Vorgang,  aber  nicht  denselben.  Der  Ausdruck  Gesetz  be- 
zieht sich  nur  auf  die  Regelmäßigkeit,  mit  der  z.  B.  die  Lautverschiebung 
in  zahlreichen  Wörtern  eingetreten  ist. 

§  17.  Ausnahmen  der  Lautverschiebung.  So  zahlreich  die  oben  erörterten 
Fälle  der  regelmäßigen  Lautvertretung  auch  sind,  so  wird  doch  jeder  auch 
Fälle  finden,  in  denen  Unregelmäßigkeiten  vorliegen.  Eine  Reihe  derartiger 
Unregelmäßigkeiten  waren  leicht  zu  erklären. 

1.  Eine  Hauptausnahme  bildet  die  Stellung  der  Tenues  nach  s. 

Hier  hat  weder  die  hochdeutsche  noch  die  germanische  Lautverschie- 
bung gewirkt,  wie  die  folgenden  Beispiele  zeigen. 

a)  sk,  nhd.  seh  =  gr.Iat.  sk. 

sdiaben,  1.  scabo;  —  Sdiade,  gr.  day.t}&>'/,'  {ashi^thws)  'unverletzt';  —  Sdiaft,  1.  scapus, 
gx.  ny.fjTtTQor  (skdptron);  —  Sdiüle,  abg.  skoHka  'Hülse,  Muschel';  —  Sdiatten,  gr.  ay.öxo; 
{skötos)  'Dunkelheit';  —  Sdiatz,  abg.  skotti  'Vieh';  —  sdiauen,  gr.  {}vooy.öog  (thyosköos) 
'Opferschauer';  —  5a'/flu^r 'Wetterdach',  \.  obscürus;  —  Sc'iflu^r 'Unwetter',  \.  caurus,^)  lit. 
Mure  'Norden';  —  sdieinen,  abg.  sinqti  'hell  werden',  gT.aytd  (skia)  'Schatten';  —  Sdieit, 
1.  scütum  'Schild  ;  —  Sdierbe,  abg.  ir'epü;  —  sdieren,  gr.  y.EÜHo  {ktrö);  —  sdierzen,  ai.  kürdati 
'springt';  —  sdiieben,  ai.  kiubh  'Ruck,  Stoß';  —  sdiießen,  lit.  ^duj'u;  —  Sdiirm,  ai.  carma 
'Haut,  Fell'. 

b)  st  =  gr.Iat.  st. 

Stab,  \\[.st<lbas  'Götzenbild,  Bildsäule';  —  Stadel,  ai.  sthJtram  'Standort';  —  Stadt 

•)  Wörter  mit  s  +  Konsonant  im  Anlaut  stehen  im  Indogerm.  häufig  neben  solchen 
ohne  s,  ohne  daß  der  Grund  klar  wäre. 


§  17.  Ausnahmen  der  Lautverschiebung.  17 

1.  statio,  gr.  aräm;  (sftisis);  —  Stahl,  apr.  panu-staklan  'Feuereisen';  —  Stall,  1.  stabiiliim;  — 
Stange,  gx.  mäyv^  (stäkhys)  'Ähre';  —  Star,  \.  stiirnus;  —  stark,  npQis.  suturg;  —  starr, 
gr.  aTEOFÖg  (Stereos);  —  stauen,  abg.  staviti 'sieWen' ;  —  stechen,  gr.  ozlCsiv  [stizen);  —  Stecken, 
1.  tignum  'Balken';  —  stehen,  1.  sture,  gr.  arrjvai  {stfcnai);  —  steif,  1.  stipes  'Stamm';  — 
steigen,  gr.  aisixstv  (stckhen);  —  Stein,  abg.  stena  'Mauer',  gr.  on«  (stia)  'Steinchen';  — 
stellen,  gr.  gtsüm  (stellu);  —  Sterke,  1.  sterUis,  gr.  oTeToa  (stera);  —  Stern,  1.  Stella,  gr.  uot>'iq 
(ast(f-r) ;  —  Sterz,  gr.  orooOtj  [storthce)  'Zinke,  Spitze,  Zacke' ;  —  Steuer,  1.  restaurare,  gr.  oTavQÖg 
(staurös)  'Pfahl';  —  Stier,  ai.  sthavirah  'dick';  —  still,  ai.  sthünüh  'stehend,  unbeweglich';  — 
Stimme,  gr.  aiöi.ia  (stömä)  'Mund';  —  Stirn,  gr.  aüorov  (sternon)  'Fläche,  Brust';  —  stöhnen, 
gr. oiereiv  (stenm)  'eng  machen' ;  —  Stollen,  gr.  aTi'jbj  [stielä-)  'Säule' ;  —  Storch,  gT.rogyo?  [törgos) 
'Geier';  —  stoßen,  1.  tundo;  —  Strahl,  abg.  strela  'Pfeil';  —  Strang,  gr.  ozgayYuh]  (strau- 
gülw)  'Strick';  —  streuen,  1.  struere,  gr.  oiöorv/u  (störnymi). 

c)  sp  =  gr.lat.  sp. 

spähen,  1.  specere;  —  Span,  gr.  095/;)'  (sphcen)  'Keil';  —  sparen,  1.  paruni;  —  spä^, 
1.  s/7e5;  —  Spaten,  gr.  ö.TUi?;;  (späthce)  'breites  Schwert';  —  Specht,  1.  picus;  —  Sp^cfe,  gr.  Tiicov 
(piön)  'fett';  —  Speer,  1.  sparus  'kurzer  Jagdspeer';  —  speien,  1.  5/7«o,  gr.  .Tr^oj  {ptijö);  — 
Sperling,  gr.  ojiaoäaior  (span'ision);  —  spinnen,  \it pinti  'flechten';  —  Sporn,  Spur,  1.  spernere, 
gr.  a.-ratoFir  {spätren)  'zucken';  —  sprechen,  gr.  acpdgayog  [sphäragos)  'Geräusch';  —  Spreu, 
gr.  a.-T£tneiy  (sptren)  'säen';  —  springen,  gr.  ojisQ/sodai  (sperkhesthai)  'eilen';  —  sputen,  abg. 
speti  'vonstatten  gehen'. 

2.  Die  Lautgruppe  tr  ist  im  Deutschen  nicht  weiter  verschoben  {zr  gibt 
es  nicht),  und  daher  entspricht  d.  tr  sowohl  einem  idg.  dhr  wie  dr. 

Träne,  1.  dacruma;  —  trauen,  apreuß.  dniwit  'glauben';  —  Treber,  apreuß.  dragios;  — 
trennen  zu  d.  zerren ;  —  treu,  gr.  bgöor  (dröon)  'fest' ;  —  trocken,  lit.  drdktas  'fest' ;  —  Trog 
zu  gr.  (%gv  (döry)  'Baum'. 

Anmerkung.  Dasselbe  gilt  für  den  Inlaut.  Hier  hat  sich  aber  vielfach  im  Deutschen 
zwischen  t  und  r  wieder  ein  Vokal  entwickelt,  so  daß  scheinbar  Ausnahmen  vorliegen,  so 
bitter:  beißen;  —  Eiter  zu  obd.  Biß  'Geschwür';  —  lauter,  got.  hlntrs;  —  Otter,  gr.  vöga 
(hf/dra)  'Wasserschlange' :  Wasser;  —  Winter,  e.  winter,  got.  wintrus;  —  zittern,  anord.  titra, 
wohl  eine  reduplizierte  Bildung,  zu  gr.  u.:robiboa.oy.oy  (apodidniskö)  'entlaufe' ;  —  Selters  zu  Salz. 

3.  In  einer  Reihe  von  Fällen  entsprechen  anlautende  Medien  im  Deutschen 
griech.  Tenues,  aind.  Medien.  Hier  liegt,  wie  Grassmann  KZ.  12,  81  ff.  ge- 
sehen hat,  die  scheinbare  Unregelmäßigkeit  auf  selten  des  Griechischen 
und  Indischen,  indem  hier  die  angegebenen  Laute  aus  Aspiraten  dissimi- 
liert sind. 

Garbe,  ai.  grabhah  'Handvoll';  —  Gerste,  gr.  ^ioid/j  (krUhce);  —  Giebel,  gr.  xsq>ab] 
{kephaUe)  'Kopf:  —  Tag,  ai.  dähati  'brennt';  —  taub,  gr.  TV(f}.ög  (typhlös)  'blind';  —  taugen, 
gr.  ir/ji  (tykhce  'Zufall';  —  Teig,  gr.  teT/oc  (tekhos)  'Mauer';  —  trügen,  ai.  dn'ihjati  'sucht 
zu  schaden';  —  trübe,  gr.  xagaooco  (tardssö)  'verwirre';  —  Balg,  ai.  barhlh  'Opferstreu';  — 
Berg,  ai.  brhant  'Höhe.' ;  —  Biber,  ai.  babhrüh  'braun';  —  bieten,  gr.  jievßofiai  (peüthomai) 
'frage';  —  Binde,  gr.  .-itToiiu  (pesma)  aus  *penthsma  'Tau';  —  bitte,  ai.  badhate  'drängt, 
bedrängt';  —  Bug,  gr.  Jitjxvg  {pwkhys). 

4.  Sonstige  Ausnahmen  der  Lautverschiebung. 

Auch  außer  den  angeführten  Fällen  gibt  es  noch  andere  Ausnahmen 
der  Lautverschiebung,  d.  h.  es  gibt  immer  noch  Etymologien,  die  scheinbar 
unbestreitbar  sind,  die  aber  zu  den  angegebenen  Regeln  nicht  stimmen. 

So  vergleicht  man  z.B.  di.  haben  mit  1.  habrre;  — heute,  sihd.  hin  tagii 
mit  1.  hodie;  —  d.  Hamen,  1.  hanius.    In  den  Regeln  der  Lautverschiebung 

Hirt,  Etymologie  der  neuhiochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  2 


18  Erstes  Kapitel.  (V  i  ad  Grundsätze  der  Etymologie. 


finden  diese  Etymologien  keinen  Platz.  Daher  verwerfen  sie  einige.  Andere 
vermuten,  daß  hier  eine  Tcnuisaspirata  kli  zugrunde  liegt,  ein  Laut,  der 
zwar  nicht  sehr  häufig  ist,  aber  doch  sicher  indogermanisch  vorhanden  war. 

Ebenso  hat  man  d.  biegen  mit  gr.  7  fr;vo  {p/iciig")  , fliehe'  verglichen, 
obgleich  d,  g  nicht  zu  gr.  y  (g)  stimmt.  In  diesem  Fall  nimmt  man  schon 
indogermanische  Verschiedenheit  des  auslautenden  Konsonanten  an.  Und 
so  gibt  es  noch  eine  ganze  Reihe  von  Auskunftsmitteln.  Immerhin  handelt 
es  sich  hier  immer  nur  um  einige  wenige  Fälle. 

§  18.  Der  grammatische  Wechsel.  Eine  der  wichtigsten  Ausnahmen  von 
der  Lautverschiebung  bildet  der  grammatische  Wechsel.  Es  zeigte  sich 
nämlich,  daß  in  einer  ganzen  Reilic  von  Wörtern  /  mit  cf,  b  mit  /,  g  mit  // 
und  auch  r  (aus  z)  mit  5  wechselt,  obgleich  immer  nur  der  zweite  Laut 
dem  der  verwandten  Sprachen  nach  den  Gesetzen  der  Lautverschiebung 
entspricht. 

So  haben  wir  noch  heute: 

Herzog,  Zug :  ziehen ;  —  gefangen :  falten ;  —  Sdiwieger :  Sdiwäher ;  —  Hügel :  Höhe ;  — 
zeigen :  zeihen ;  — zig :  zehn  •  —  versiegen :  seihen ;  —  gelitten :  leiden ;  —  Sdmitt :  sdineiden ;  — 
gesotten  :  sieden;  —  tot :  Tod;  —  statt :  Staden:  —  Hirt :  Herde;  —  hübsdi :  Hof;  —  darben  : 
dürfen;  —  heben  :  Hefe;  —  Ohr:  Öse-,  —  Erle  :  Else;  —  verlieren  :  los;  —  erkoren  :  kiesen;  — 
waren,  währen  :  gewesen;  —  e.  hare  :  Hase;  —  mehr :  meist;  —  Tor :  ndd.  Dusel;  —  Farre : 
Färse;  —  frieren  :  Frost;  —  ernähren  :  genesen;  —  lehren  :  List;  —  dörren  :  Durst;  — 
Beere:  ndd.  Besinge;  —  Rohr:  Rost  Q);  —  Zwirn:  Zwist. 

Dieser  grammatische  Wechsel,  um  dessen  Erklärung  man  sich  lange 
vergebens  bemüht  hatte,  wurde  durch  einen  hochbedeutenden  Aufsatz 
K.  Verners  in  Kuhns  Zeitschrift  23,  97  aufgehellt  und  als  vollständig  regel- 
recht nachgewiesen.  Verner  zeigte  nämlich,  daß  die  Laute  /;,  d,  g,  r  (für  z) 
im  Inlaut  ganz  regelmäßig  auftreten,  wenn  der  indogermanische  Akzent 
nicht  unmittelbar  vorausging. 

Es  mögen  auch  hier  eine  Anzahl  Beispiele  folgen. 

1.  p  —  d,  6.  d  —  t. 

Bruder.  a\.  bhrdta  Vater,  a\.  pitri,  gr.  .-lan'tg  {patf'er); 

Rad,  ai.  rüthah  'Wagen'  Mutter,  ai.  mCitd,  gr.  ntjjeoa  {mwterä); 

ander,  ai.  üntarah  hart,  gr.  y.oarvg  {kratys); 

weder,  gr.  .-rdrepo,-  (pöteros)  unter,  z\.  antär  'innerhalb'; 

werden,  ai.  vdrtate  'dreht  sich'  Ente,  ai.  «tih; 

öde,  gr.  avoio;  {/lusios,  aus  *autios)  'leer'  got  fidwJr  "vier',  ai.  vatvdrah; 

freidig,  ai. />rt//a- 'jenseitig'  dritte,  a\.  trtijaJi; 

Gold,  r.  zöloto  Atem,  ai.  ätmä; 

Ader,  gr.  1)100  {(f-tor)  'Herz'  heiter,  ai.  citräh; 

Geburt,  ai.  bhrtih. 

2.  f  —  b. 

Neffe,  ai.  ndpät  sieben,  gr.  f.Tj-«  {heptä) ; 

Wolf,  gr.  '/.iy.oi  (lifkos) 
fünf,  gr.  .-revTE  (pente). 

Anmerkung.  Nicht  jeder  Wechsel  von/ und  ft  geht  auf  germanischen  Wechsel  zurück, 
vgl.  darüber  §  30,  9. 


§  18.  Der  GRAiMMATlSCHE  WECHSEL.     §  19.  AUSNAHMSLOSIGKEIT  DER  LAUTGESETZE.  19 

?>.    h    -   g. 

Sdiwäher,  ai.  svdsiirah  Schwieger,  ai.  svasräh,  gr.  t-y.voä  (hekyni); 

zehn.  gr.  df;-a  {deka)  mager,  gr.  fiay.o,k  (makrös) ; 

Vieh,  ai.  päsu  Angel,  gr.  dy>iv?.o;  {aukylos)  'gekrümmt'; 

Zähre,  gr.  ddxgv  {dükry)  Ecke,  as.  eggia,  gr.  dxig  (akis) ; 

Lehen,  ai.  reknah  'ererbter  Besitz'  hager,  ai.  krsäh  'mager'; 

Honig,  gr.  y.rüy.ög  (knakös)  'gelblich'; 
Jung,  ai.  jiwasäh. 
A.  S  —  /'  {z). 
Nase,  ai.  ndsä  Schnur  'Schwiegertochter',  gr.  wog  {nyds) 

Ferse,  ai.  pär'^nih. 

§  19.  Ausnahmslosigkeit  der  Lautgesetze.  Mit  Verners  Erklärung  des 
grammatischen  Weclisels  war  eine  bedeutende  Ausnahme  der  Lautverschie- 
bung erklärt.  Da  außerdem  manche  andere  Ausnahme  beseitigt  wurde,  und 
da  man  sich  mit  den  psychologischen  Gesetzen  zu  beschäftigen  anfing,  die 
in  der  Sprache  herrschen,  so  kam  man  zu  einem  Grundsatz,  den  Leskien 
in  seinen  Vorlesungen  zuerst  gelehrt,  Brugmann  und  Osthoff  zuerst  öffent- 
lich ausgesprochen  haben,  zu  dem  Grundsatz:  die  Lautgesetze  sind 
ausnahmslos,  d.  h.  wenn  sich  ein  Laut  in  einem  Wort  verändert,  so 
verändert  er  sich  in  allen  andern  Wörtern  ebenfalls,  wenn  nicht  besondere 
Umstände  vorhanden  sind,  die  das  verhindern. 

Über  diesen  Grundsatz  ist  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahr- 
hunderts außerordentlich  heftig  gestritten  worden,  während  sich  jetzt  der 
Kampf  der  Geister  einigermaßen  beruhigt  hat.  Was  an  diesem  Satze  richtig 
ist,  das  läßt  sich  in  Kürze  ziemlich  klar  zeigen. 

Wenn  wir  die  verschiedenen  Sprachlaute,  die  sich  in  den  zahllosen 
Sprachen  der  Welt  finden,  zusammenstellten,  so  würden  wir  wohl  auf  mehrere 
hundert  kommen,  aber  jede  einzelne  Sprache  verwendet  nur  eine  bestimmte 
Anzahl  davon,  etwa  dreißig  bis  vierzig.  Um  einen  Laut  hervorzubringen, 
bedarf  es  einer  gewissen  Bewegung  der  Muskeln,  und  für  jeden  Laut  bildet 
sich  allmähHch  ein  sogenanntes  Bewegungsgefühl,  durch  das  der  Laut  hervor- 
gebracht wird.  Ändert  sich  das  Bewegungsgefühl,  so  fragt  es  sich  nicht, 
in  welchen  Worten  der  Laut  vorkommt,  sondern  diese  Veränderung  trifft 
eben  den  Laut  in  allen  Worten.  Am  besten  kann  man  das  feststellen,  wenn 
Ausländer  deutsch  oder  wenn  wir  fremde  Sprachen  sprechen.  Wenn  wir 
französisch  lernen,  so  erfahren  wir,  daß  auch  im  Französischen  etwa  ein 
Laut  d  vorhanden  ist.  Da  wir  diesen  Laut  auch  besitzen,  so  sprechen  wir 
das  französische  d  wie  unser  deutsches  d,  natürlich  in  allen  Worten,  in  denen 
es  vorkommet.  Nun  ist  aber  unser  deutsches  d  nicht  derselbe  Laut  wie  der 
französische.  Wenn  wir  gelernt  haben,  ihn  richtig  hervorzubringen,  so  werden 
wir  ihn  nicht  in  einzelnen  Worten  anwenden,  in  andern  nicht,  sondern  wir 
werden  ihn  in  allen  gebrauchen.  Wenn  wir  aber  unsern  Laut  statt  des 
französischen  anwenden,  so  tun  wir  das  eben  auch  in  allen  Wörtern,  und 
wir  haben  damit  eine  vollständig  regelrechte  Lautveränderung  vollzogen, 
und  das  nennen  wir  ein  Lautgesetz.     Natürlich  ist  die  Veränderung  eines 


20  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

Lautes  abhänirig  von  der  Umgcbiint^,  in  der  er  sich  befindet,  und  es  können 
durch  die  besondere  Stellunj^  Abwcichunij^en  entstehen.  So  werden  z.  B.  die 
grieth.-lat.  p,  t,  k  in  der  Stelluns^  nach  x,  wie  wir  oben  gesehen  haben, 
nicht  verschoben.  Das  ist  sehr  leicht  verständlich.  Nach  einem  Spiranten 
konnten  die  Verschlußlaute  schwer  spirantisch  werden.  Oft  sind  diese  Be- 
dingungen sehr  verwickelt,  und  es  ist  ganz  sicher,  daß  wir  noch  nicht  alle 
Lautgesetze  kennen,  daß  wir  auch  mit  unbekannten  Lautgesetzen  rechnen 
müssen.  Es  ist  ja  auch  eigentlich  nicht  wunderbar,  daß  ein  Laut  je  nach 
den  verschiedenen  Stellungen,  in  denen  er  sich  befindet,  verschieden  be- 
handelt wird,  es  ist  vielmehr  auffallend,  daß  trotz  dieser  verschiedenen 
Bedingungen  eine  so  große  Regelmäßigkeit  in  der  Vertretung  der  Laute 
besteht.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  so  ergibt  sich  doch  nunmehr  als 
oberster  methodischer  Grundsatz  für  die  etymologische  Forschung  der  Satz: 
die  Lautgesetze  sind  ausnahmslos.  Allerdings  befinden  wir  uns  hier 
in  einem  gewissen  Zirkelschluß.  Die  Lautgesetze  gewinnen  wir  nur  auf 
Grund  der  Etymologien,  d.  h.  auf  Grund  von  einleuchtenden  Übereinstim- 
mungen einer  Anzahl  von  Wörtern,  und  wenn  wir  ein  Lautgesetz  auf  Grund 
einer  Reihe  etymologischer  Gleichungen  festgesetzt  haben,  so  lehnen  wir 
Etymologien  ab,  die  nicht  dazu  stimmen.  Solange  es  vielleicht  nur  eine 
einzige  ist,  geht  das  an.  Aber  es  finden  sich  oft  mehrere  Worte,  die  die 
gleiche  Abweichung  zeigen,  und  dann  muß  man  den  Verdacht  hegen,  daß 
eine  Störung  des  Lautgesetzes  durch  ein  anderes  besonderes  Gesetz  vor- 
liegt. Wer  etymologische  Forschungen  treibt,  der  muß  sich  also  zunächst 
an  die  anerkannten  Lautgesetze  halten,  aber  er  wird  doch  ins  Auge  fassen 
müssen,  daß  es  auch  unbekannte  Lautgesetze  gibt,  und  daß  etymologische 
Vergleichungen  zu  Recht  bestehen  können,  die  zu  den  bisher  erkannten 
Lautgesetzen  nicht  stimmen.  Ein  Beispiel  möge  das  zeigen.  Einem  an- 
lautenden deutschen  b  entspricht  im  Lateinischen  /,  s.  o.  S.  15.  Demnach 
müßte  man  eigentlich  eine  Gleichung  d.  Bart,  1.  barba  aufgeben.  Trotz- 
dem hat  sich  wohl  keiner  dazu  entschlossen,  wenn  auch  erst  neuerdings 
die  lautgesetzliche  Entwicklung  klargelegt  ist.  Man  könnte  noch  mehrere 
derartige  Fälle  anführen;  sie  zeigen  aber  nur,  daß  eben  unsere  Kenntnis 
der  Lautgesetze  nicht  vollständig  ist.  Aber  freilich  die  Zeiten  sind  vorüber, 
in  denen  man  leicht  zu  neuen  Lautgesetzen  und  auf  Grund  dieser  zu  neuen 
Etymologien  kam;  die  meisten  neuern  Vergleichungen  bewegen  sich  auf 
dem  Boden  der  bisher  erkannten  Lautgesetze.  Wenn  sich  hie  und  da  noch 
Widerspruch  gegen  die  Allgemeingültigkeit  der  Lautgesetze  regt  und  mit 
Beispielen  belegt  wird,  so  trifft  dieser  den  Kern  der  Sache  nicht,  weil  er 
vergißt,  daß  die  Lebensverhältnisse  der  modernen  Sprache  infolge  von 
Dialektmischung,  Einwirkung  der  Schriftsprache  und  des  Schriftbildes  außer- 
ordentlich verwickeh  sind,  sodaß  man  hier  in  der  Tat  oft  ganz  vereinzelte 
Erscheinungen  antrifft.  Aber  bewußt  oder  unbewußt  geht  das  Bestreben 
dieser  Forscher  ebenfalls  dahin,  Lautgesetze  nachzuweisen. 


§  20.  Lautgesetze  und  Etymologie.    §  21.  Lautgesetze  im  Deutschen.        21 

Anmerkung.  In  der  ZfdU.  20,  145  unterrichtet  E.  Meyer  über  ein  Buch  seines 
Bruders  Wilhelm  Meyer-Rinteln,  Die  Schöpfung  der  Sprache,  Leipzig  1905,  in  dem  ganz 
neue  Offenbarungen  über  die  Herkunft  der  Worte  enthalten  sein  sollen.  Der  Aufsatz  ist 
zwar  von  E.  Stürmer,  ZfdU.  20,  562  ff.  zurückgewiesen  worden,  aber  a.  a.  O.  21,  232  nimmt 
W.  Meyer  selbst  das  Wort,  um  seine  Anschauung  zu  verteidigen.  Aus  dem  in  diesen  Auf- 
sätzen Angeführten  läßt  sich  zur  Genüge  ersehen,  daß  das  Buch  in  der  Hauptsache  wertlos 
ist,  was  nicht  ausschließt,  daß  sich  einige  richtige  Beobachtungen  darin  finden. 

§20.  Lautgesetze  und  Etymologie.  Jedenfalls  ist  durch  die  neuere  Forschung 
und  ihre  Grundsätze  die  Etymologie  auf  einen  fast  völlig  sichern  Boden 
gestellt  worden,  und  das  Wort  Voltaires,  daß  die  Etymologie  eine  Wissen- 
schaft sei,  in  der  die  Vokale  nichts  und  die  Konsonanten  wenig  bedeuten, 
ist  völlig  überwunden.  Die  Lautgesetze  ermöglichen  es,  erstens  scheinbar 
auf  der  Hand  liegende  Etymologien  abzulehnen,  und  zweitens  Vergleich- 
ungen  aufzustellen,  auf  die  man  sonst  nie  gekommen  wäre.  Zu  dem  ersten 
Fall  gehört  z.  B.  die  Gleichung  1.  deus,  gr.  ^e6^  {theös)  ,Gott'.  Die  Ähnlich- 
keit der  Form  ist  groß,  die  der  Bedeutung  vollkommen.  Trotzdem  ist  die 
Vergleichung  falsch.  Das  zeigt  sich  schon,  sobald  man  die  beiden  Worte 
auf  die  unmittelbar  zu  erschließenden  Grundformen  zurückführt:  deiis  geht 
auf  *deiwos,  {^edg  (theös)  auf  '■thesös  zurück.  Umgekehrt  hat  erst  die  Aus- 
bildung der  Lautlehre  Gleichungen  begründet  wie  e.  wheel  und  gr.  xvxlog 
{kyklos)  , Kreis,  Rad',  e.  girl,  ndd.  göre  und  gr.  Tiaoüevo?  {parthenos),  ,Jung- 
frau'.  Wie  in  diesen  Gleichungen  nur  noch  ein  einziger  Laut  der  gleiche  in 
beiden  Sprachen  ist,  so  auch  in  folgenden  Fällen:  d.  vier,  htquattuor,  d.fiinf, 
lat.  quinque,  d.  zwei,  lat.  duo,  aber  in  diesen  erscheint  doch  die  Verwandtschaft 
klarer,  weil  hier  auch  die  andern  Laute  wenigstens  eine  Ähnlichkeit  zeigen. 

Anmerkung.  Von  Wichtigkeit  ist  es  natürlich  immer,  auf  die  ältesten  überlieferten 
Formen  zurückzugehen.  Vergleicht  man  das  heutige  Französisch  mit  dem  heutigen  Deutsch, 
so  ist  oft  die  Verwandtschaft  kaum  zu  erkennen.  Man  nehme  z.B.  die  Zahlwörter  «az  =  ^//z ; 
deux  =  zwei;  trois  =  drei;  quatre  =  vier;  cinq  —fünf;  six  =  sechs;  sept  —  sieben;  hiiit 
=  acht;  neuf=neun;  dix  =  zehn.  In  quatre,  vier  ist  nur  noch  ein  einziger  Laut  gleich. 
Got.  fidwör  und  lat.  qiiattuor  ähneln  sich  in  ganz  andrer  Weise. 

So  gehören  also  Lautlehre  und  Etymologie  auf  das  engste  zusammen. 
Je  besser  wir  die  Lautlehre  kennen,  je  genauer  wir  die  Lautgesetze  bestimmen, 
um  so  sichrer  vermögen  die  Etymologien  begründet  zu  werden.  Immer 
aber  werden  noch  neue  Etymologien  aufgestellt  werden,  die  zu  neuen  Laut- 
gesetzen führen.  An  Stelle  bloßen  Ratens  und  geistreicher  Einfälle  ist  so 
die  strenge  Regelmäßigkeit  und  Gesetzmäßigkeit  getreten,  und  daß  darin 
ein  außerordentlich  wertvolles  Bildungsmittel  liegt,  ist  ganz  klar.  Ich  halte 
es  für  wertvoller  als  die  vielgerühmte  Logik  der  lateinischen  Sprache.  Auch 
der  Unterricht  in  der  lateinischen  und  griechischen  Sprache  würde  durch 
Heranziehung  der  Lautlehre  und  Etymologie  nur  Vorteil  haben.  Was  im 
deutschen  Unterricht  glücklicherweise  schon  eingeführt  ist,  kann  für  den 
Unterricht  in  den  klassischen  Sprachen  nicht  unangebracht  sein. 

§  2L  Lautgesetze  im  Deutschen.  Aber  die  Lautlehre  ist  nicht  nur  nötig, 
wo  wir  uns  in   dem  Kreise   der  verwandten  Sprachen   bewegen   und  hier 


22  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

Etymologien  begründen  wollen,  sondern  sie  ist  auch  für  die  Geschichte 
der  Wörter  innerhalb  des  Deutschen  von  hervorragender  Bedeutung.  Denn 
mit  Hilfe  der  Lautlehre  können  wir  oft  feststellen,  aus  welchem  Teil  des 
deutschen  Sprachgebietes  ein  Wort  stammt.  Manche  Worte  zeigen  die  hoch- 
deutsche Lautverschiebung  nicht,  sie  sind  aus  dem  Niederdeutschen  ent- 
lehnt, andere  weisen  oberdeutsches  Gepräge  auf,  andere  wie  Demut  können 
wir  für  eine  bestimmte  Gegend  in  Anspruch  nehmen.    Vgl.  darüber  §  170. 

§  22.  Die  wissenschaftliche  Lautlehre.  Die  wissenschaftliche  Lautlehre 
nimmt  jetzt  in  den  Darstellungen  der  vergleichenden  Grammatik  einen  außer- 
ordentlich breiten  Raum  ein,  und  wenn  man  damit  vergleicht,  daß  sie  früher 
gar  nicht  vorhanden  war,  auch  in  den  Schulgrammatiken  des  Griechischen 
und  Lateinischen  kaum  erwähnt  wird,  so  kann  man  wohl  fragen,  ob  ihre 
Bedeutung  nicht  übertrieben  wird.  Zu  einem  Teil  ist  das  ganz  zweifellos 
der  Fall.  Bei  der  Erklärung  der  Flexionslehre  und  der  Syntax  könnte  man 
manche  Teile  der  Lautlehre  entbehren,  und  man  bevorzugt  sie  manchmal 
zum  Schaden  dieser  Teile.  Wohl  aber  gehört  eine  vollständige  Lautlehre 
mit  der  Etymologie  zusammen,  sie  müßte  mit  dieser  zu  einem  besondern 
Teil  der  Grammatik  vereinigt  werden,  weil  eben  nur  mit  der  Etymologie 
und  durch  die  Etymologie  die  Lautlehre  begründet  werden  kann,  und  ander- 
seits Etymologie  ohne  Lautlehre  nicht  möglich  ist.  Demnach  müßte  an 
dieser  Stelle  eigentlich  eine  Lautlehre  mit  zahlreichen  Beispielen  gegeben 
werden.  Da  diese  aber  in  einem  andern  Teil  des  Gesamtwerkes  erscheinen 
sollte,  so  habe  ich  mich  in  der  ersten  Auflage  auf  eine  kurze  Übersicht 
beschränkt,  z.  T.  in  Form  von  Tabellen,  in  denen  die  regelmäßigen  Laut- 
entsprechungen zu  finden  sind.  Mehrfach  ausgesprochenen  Wünschen  gemäß 
habe  ich  aber  diesen  Teil  ausführlicher  gestaltet.  Ich  habe  den  Versuch 
gemacht,  das  Englische  zu  diesem  Zwecke  ausgiebig  heranzuziehen.  Ist 
es  doch  die  germanische  Sprache,  deren  Kenntnis  im  allgemeinen  voraus- 
gesetzt werden  kann.  Eine  eingehendere  Beschäftigung  mit  der  Lautlehre 
wird  dadurch  freilich  nicht  überflüssig. 

§  23.  Transskription.  Zunächst  ein  paar  Vorbemerkungen  über  die  Um- 
schreibung der  verschiedenen  Sprachen.  Die  einzelnen  indogermanischen 
Sprachen  werden  teils  mit  Originalalphabeten,  wie  das  Indische,  Altpersische, 
Awestische,  Griechische,  Slawische  geschrieben,  teils  benutzen  sie  das  latei- 
nische Alphabet,  wobei  aber  die  Buchstaben  sehr  häufig  einen  vom  Latei- 
nischen abweichenden  Lautwert  haben.  Man  hat  sich  nun  daran  gewöhnt, 
da  man  die  Kenntnis  der  fremden  Alphabete  nicht  jedem  zumuten  kann, 
alle  Sprachen,  mit  Ausnahme  des  Griechischen,  in  lateinischer  Schrift 
wiederzugeben.  Indessen  haben  die  Sprachen  natürlich  eine  Anzahl  von 
Lauten,  die  das  Lateinische  nicht  besitzt,  und  man  muß  zu  deren  Bezeich- 
nung besondere  Buchstaben  anwenden,  welche  meist  die  lateinischen  mit 
einem  hinzugefügten  Merkmal  sind.  Dies  wäre  soweit  ganz  gut,  wenn  nicht 
bei  der  einen  Sprache  dasselbe  Zeichen  in  einem  ganz   andern  Sinne   ge- 


§  22.  Die  wissenschaftliche  Lautlehre.    §  23.  Transskription.  23 

braucht  würde  als  bei  einer  zweiten,  und  wieder  anders  bei  einer  dritten. 
So  bedeutet  z.  B.  y  im  Indischen  J,  im  Litauischen  i,  im  Slavischen  eine 
Art  ü.  Man  muß  also  auch  wieder  jedes  Alphabet  besonders  lernen.  Um 
diese  Mißstände  zu  beseitigen,  die  sich  in  den  Vorlesungen  und  in  den 
Büchern  außerordentlich  stark  geltend  machen,  und  die  das  Verständnis  der 
Sprachwissenschaft  erschweren,  ohne  einen  wirklichen  Nutzen  zu  bringen, 
habe  ich  ein  altes  System  der  Umschreibung  wieder  aufgenommen,  dessen 
Grundsatz  lautet:  jeder  Laut  darf  nur  durch  ein  Zeichen  ausgedrückt  werden, 
vgl.  Idg.  Forsch.  21,  145  ff.  Ich  habe  dieses  System  schon  angewendet  in 
dem  Weigandschen  Wörterbuch,  und  im  Hinblick  auf  die  Arbeit  an  diesem 
Werke  sowie  auf  das  vorliegende,  die  sich  beide  an  weite  Kreise  wenden, 
habe  ich  es  entworfen.  Allerdings  ganz  glatt  vermag  ich  es  nicht  durch- 
zuführen. Ich  schreibe  also  das  griechische  i)  und  lateinische  Originalalphabet, 
wobei  ich  nur  zu  beachten  bitte,  daß  lat.  c  durchaus  nur  den  Lautwert  k 
hat.  Unsere  Aussprache  zentum,  Zäsar  ist  sicher  falsch.  Ebenso  behalte 
ich  die  übliche  Schreibung  des  Deutschen  und  der  germanischen  Dialekte 
bei.  Im  übrigen  kann  ich  die  Umschreibung  an  der  Hand  einer  Übersicht 
der  Laute  darstellen. 

1.  Die  Länge  der  Vokale  wird  durch  -  bezeichnet,  also  ä,  e,i,  ö,  ii.  Im 
Nordischen  und  Angelsächsischen  verwendet  man  noch  vielfach  ' ,  im  Alt- 
hochdeutschen und  Mittelhochdeutschen  a.  /ist  aber  nötig,  um  die  Ton- 
stelle zu  bezeichnen,  während  a  gebraucht  werden  muß,  um  eine  Überlänge 
kenntlich  zu  machen. 

2.  Bei  den  Vokalen  bezeichnet  e  ein  geschlossenes  e  wie  in  See,  e  ein 
offenes  wie  in  säen,  l  drückt  ein  offenes  /,  ü  ein  offenes  nach  o  hinliegendes  ii 
aus.  Im  Gotischen  ist  die  althergebrachte  Schreibung  ai  =  e  und  ad  =  o 
beibehalten  worden. 

3.  Die  Konsonanten  teilt  man  in  Verschlußlaute  und  Reibelaute. 

a)  Verschlußlaute. 
p,  b,  t,  d,  k,  g  bezeichnen  die  stimmlosen  und  stimmhaften  Verschluß- 
laute. Dazu  kommen  für  das  Indische  (und  Armenische)  aspirierte  Laute 
ph,  bh,  th,  dh,  kh,  gh.  In  der  Dentalreihe  gibt  es  im  Indischen  noch  eine 
Abart,  die  sogenannten  Zerebrale,  die  durch  Emporheben  der  Zungenspitze 
an  den  harten  Gaumen  gebildet  werden.  Man  bezeichnet  sie  mit  f,  ih,  d, 
dh.  Die  Gutturale  können  an  verschiedenen  Stellen  des  hintern  Mundes 
hervorgebracht  werden.   Die  vordersten  (Palatale)  schreibt  man 

k',  kh',  g  gh', 

die  mittlem  k,  kh,  g,  gh, 

die  hintern  q,  qh,  g,  g/z. 

')  Der  Schreibung  im  griechischen  Ori-  zugeben  suche.   Ich  schreibe  kh,  th,  ph  für  /, 

ginalalphabet  habe  ich  die  lateinische  Um-  0,  7  ,  z  für  ':,  e  für  si,  und  (e  für  >/•    Den  Zir- 

schrift  in  Klammern  zugefügt  und  zwar  der-  ;    kumflex  bezeichne  ich  mit   a  . 
art,  daß  ich  die  griechische  Aussprache  wieder- 


24  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

b)  Reibelaute. 

Labiale:  /,  ß,  v.  Im  Mittelhochdeutschen  schreibt  man  v  vielfach  für 
den  urgermanischen  /-Laut,  während  /  für  den  im  Hochdeutschen  aus  p  ent- 
standenen Laut  Verwendung  findet.  Beide  waren  verschieden,  b  ist  etwa 
unser  norddeutsches  ic.  v  dient  in  den  andern  Sprachen  als  Zeichen  für  w, 
meistens  mit  dem  Lautwert  von  engl.  w. 

Dentale:  p,  ä,  s,  z,  s,  z.  p  ist  das  Runenzeichen  und  drückt  das  stimm- 
lose engl,  th  aus,  d  das  stimmhafte.  5  ist  stimmloses  5  (d.  ss),  z  das  stimm- 
hafte (frz.  z);  5  ist  unser  sdi,  z  der  entsprechende  stimmhafte  Laut  (frz.y). 

Gutturale:  x  =  ch  in  ich,  g'  =  J  in  ndd.  gern  (spr.  jern), 

X  =  ch  in  ach;  g  der  entsprechende  stimmhafte  Laut. 

c)  Nasale:  m,  n,  n).  Letzteres  ist  der  gutturale  Nasale,  deutsch  ng  in 
Klang,  spr.  k/an>.  Durch  f^'  drückt  man  den  entsprechenden  palatalen  Lautaus. 

d)  Liquida:  /,  /',  i' sind  das  normale  deutsche  /,  das  palatalisierte  und 
das  dunkle  t  der  Russen.   /•  drückt  eine  besondere  Abart  des  /'  aus. 

e)  j  ist  der  Vokal  /  in  konsonantischer  Funktion,  etwa  wie  in  zweisilbig 
gesprochenem  Asien;  w  ebenso  der  Vokal  //,  engl.  w. 

f)  Durch  einen  '  hinter  dem  Konsonanten  wird  die  in  vielen  Sprachen 
vorkommende  Palatalisierung  (Erweichung)  der  Konsonanten  bezeichnet. 

g)  Einfache  Zeichen  für  zusammengesetzte  Laute  sind  c  =  ts,  deutsch  z, 
c  =  ts,  deutsch  tsch,  J  =  dz. 

h)  Einzelheiten.  Aind.  .<•  ist  ein  palatalisiertes  s,  das  einem  europäischen  k 
entspricht,  früher  auch  f  geschrieben;  aind.  h  ist  aus  s  entstanden;  r  im  Um- 
brischen  und  Tschechischen  ist  ein  aus  /'  und  s  (seh)  zusammengesetzter 
Laut;  got.  /v  ist  h-^-w,  die  im  gotischen  Originalalphabet  durch  ein  Zeichen 
ausgedrückt  werden.   Got.  q  ist  qii. 

i)  Akzentzeichen:  ' ,'  ,  a,  -  drücken  den  Sitz  des  Tones  aus,  zugleich 
aber  im  Litauischen  auch  den  Silbenakzent.  '  ist  im  Litauischen  eine  Länge 
mit  gestoßenem  Ton,  ^  steht  nur  auf  Kürzen,  ~  bezeichnet  die  Zweimorigkeit 
des  Lautes,  a  drückt  die  Dreimorigkeit,  im  Litauischen  den  schleifenden  Ton 
auf  einfachen  Längen  aus. 

§  24.  Vokalismus.  Es  ist  bei  einer  Darstellung  der  Lautentwicklung,  die 
die  verwandten  Sprachen  berücksichtigt,  nicht  möglich,  vom  neuhochdeutschen 
Lautstand  auszugehen,  weil  in  unsrer  jetzigen  Sprache  die  Lautverhältnisse 
zu  verwickelt  geworden  sind;  man  muß  vielmehr  den  althochdeutschen  Laut- 
stand, und  zwar  am  besten  den  ostfränkischen,  der  besonders  durch  Tatian 
vertreten  ist,  zugrunde  legen.  Noch  deutlicher  ist  der  Lautstand  des  Gotischen. 
Doch  fehlt  uns  hier  nicht  selten  das  Wortmaterial.  Jedenfalls  ist  für  jeden, 
der  Etymologie  treibt  oder  sich  überhaupt  wissenschaftlich  mit  der  deutschen 
Sprache  beschäftigt,  die  Kenntnis  des  Althochdeutschen  und  des  Gotischen 
unentbehrlich.  Für  das  Gotische  bestehen  jetzt  so  viele  Handbücher,  auch 
zum  Selbstunterricht,  wie  das  in  dieser  Sammlung  von  Friedrich  von  der 
Leyen  verfaßte,  daß  die  mangelnde  Kenntnis  dieser  Sprache  nicht  mehr  zu 


§  24.  Vokalismus.    §  25.  Der  neuhochdeutsche  Vokalstand.  25 

entschuldigen  ist.    Das  Beste  ist  W.  Streitberqs  Gotisches  Elementarbuch, 
3.  und  4.  Auflage,  1910. 

§  25.  Der  neuhochdeutsche  Vokalstand.  Unser  Vokalstand  zeigt  ungefähr 
die  gleichen  Vokale  wie  in  althochdeutscher  Zeit,  aber  infolge  einer  Reihe 
durchgreifender  Lautgesetze  weicht  er  stark  von  dem  Mittel-  und  Althoch- 
deutschen ab.  Es  ist  natürlich  sehr  einfach  und  in  den  meisten  Fällen 
durchführbar,  durch  Zurückgehen  auf  die  ältere  Überlieferung  den  ursprüng- 
lichen Lautwert  festzustellen.  Aber  wenn  man  auch  etwas  Mittelhochdeutsch 
auf  der  Schule  lernt.  Althochdeutsch  wird  nicht  gelehrt.  Es  ist  also  unpäda- 
gogisch, darauf  zurückzugreifen.  Wir  haben  aber  zwei  andere  Mittel,  um 
den  Wert  der  nhd.  Vokale  zu  ermitteln,  das  sind  erstens  die  Mundarten  und 
zweitens  das  Englische. 

Die  Heranziehung  der  Mundarten  ist  von  höchster  Bedeutung  und  sollte 
überall,  wo  es  irgend  möglich  ist,  stattfinden.  Es  bestehen  zahlreiche  Dar- 
stellungen der  Lautlehre  der  Mundarten,  und  von  einem  Lehrer  des  Deutschen 
muß  man  es  verlangen,  daß  er  diese  benutzt,  und  daß  er,  wo  sie  fehlen, 
sich  selbst  ein  Bild  von  dem  Verhältnis  der  schriftsprachlichen  Vokale  zu 
den  mundartlichen  macht.  Aber  freilich  in  unsren  Städten  sind  die  Mund- 
arten ausgestorben,  und  so  versagt  dieses  Hilfsmittel  oft  genug.  An  dieser 
Stelle  kann  auf  die  Mundarten  nicht  eingegangen  werden,  weil  sie  zu  ver- 
schieden sind,  doch  wird  sich  das  Folgende  auch  für  die  Heranziehung  der 
Mundarten  von  Wichtigkeit  erweisen. 

Das  heutige  Englisch  ist  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel,  den  ursprüng- 
lichen Wert  unsrer  Vokale  zu  bestimmen.  In  Dutzenden  von  Wörtern  finden 
sich  ganz  regelmäßige  Vokalentsprechungen,  und  so  ist  es  eigentlich  be- 
dauerlich, daß  man  es  bisher  viel  zu  wenig  herangezogen  hat.  Es  ist  doch 
die  Sprache,  die  wir  auf  den  höhern  Schulen  heute  allgemein  zur  Ver- 
fügung haben,  und  daher  sollte  an  der  Vergleichung  mit  dem  Englischen 
die  sprachvergleichende  und   etymologische  Betrachtungsweise   erwachsen. 

I.  Dehnung  und  Verkürzung.  Ein  Hauptgesetz  des  Neuhochdeutschen 
ist  die  Dehnung  kurzer  Vokale  in  offener  Silbe,  während  umgekehrt  lange 
Vokale  in  geschlossener  Silbe  verkürzt  werden.  Infolgedessen  läßt  sich  aus 
dem  Neuhochdeutschen  über  die  alte  Quantität  in  vielen  Fällen  nichts  ent- 
scheiden, und  man  müßte,  um  darüber  Klarheit  zu  bekommen,  das  Mittel- 
hochdeutsche oder  Althochdeutsche  heranziehen.  In  den  meisten  Fällen 
lehrt  aber  eine  Vergleichung  mit  dem  Englischen  das  Rechte. 

1.  Ahd.  rt,  nhd.  a,  n  erscheint  im  Englischen  meist  in  der  Schreibung  a 
mit  verschiedener  Aussprache. 

a)  Arche,  e.  ark;  —  arm,  e.  arm;  —  Arm,  e.  arm;  —  Bad,  e.  bath;  —  Garn,  t.yKarn;  — 
Glas,  e.  glas;  —  Grass,  e.  grass;  —  halb,  e.  half;  —  Harfe,  e.  harp;  —  Harm,  e.  Harm;  — 
Kalb,  e.  calf;  —  Kraft,  e.  craft;  —  lachen,  e.  laugh;  —  Latte,  e.  lath;  —  Mast,  e.  mast;  — 
Palme,  &.  palm;  —  Psalm,  t.  psalm;  —  Sdiaft,  e.  shaft;  —  sdiarf,  t.  sharp;  —  Stab, 
e.  staff;  —  Star,  e.  starling;  —  Vater,  e.  father. 

b)  Abt,  e.  abbot;  —  Adisel,   e.  axle;    —  Angel,  e.  angle;   —  Anker,  e.  andior;  — 


26  F.RSTps  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

Apfel,  c.  apple;  —  Asdie,  e.  as/ies;  —  Axt,  e.  axe;  —  begann,  e.  began;  —  Dadi,  c.  thatdi;  — 
fhink,  c.  thank;  —  daß,  e.  //jrt/;  —  Faden,  c.fathom;  —  /o/ft,  Q.fallow;  —  Ftadis,  c.flax;  — 
l'la^i;e,  c. /lag;  —  Galgen,  c.gallows;  —  glatt,  c.glad:  —  Hammer,  c.  Hammer ;  —  Hand, 
c.  //«/;</;  —  //rt/^f,  c.  //rtrf;  —  kann,  e.  ffl«;  —  Kappe,  c.  rfl/;;  —  Katze,  e.  cfl/;  —  Krabbe, 
e.  craf»;  —  Lamm,  c.  /am^;  —  Z.o/irf,  e.  /onrf;  —  Lappen,  c.  /^/j;  —  Malve,  e.  mallow;  — 
Mann,  c.  /«<;«;  —  Mark,  c.  niarrow;  —  Natter,  e.  adder;  —  Ratte,  c.  ra/;  —  Sadise, 
t.  Saxon;  —  Sack,  e.  saik;  —  5fl«rf,  c.  sand;  —  saß,  e.sat;  —  satt,  c.  sad;  —  Sattel, 
t.  saddle;  —  Sdiatten,  c.  s/iadow,  —  Strand,  q.  Strand;  —  Talg,  e.  tallow;  —  trank,  e. 
drank;  —  Wadis,  c.  wax. 

c)  Vor  ng  ist  a  im  Engl,  zu  o  geworden 

drang,  c.  tfirong;  —  lang,  e.  /o«^;  —  Sang,  e.  50«g';  —  Zange,  e.  tongs. 

d)  Im  Engl,  wird  o  gedehnt  und  daher  meist  e  gesprochen. 

Adier,  e.  acre;  —  /l//^,  e.  fl/;^;  —  badten,  t.bake;  —  baden  e.bathe;  —  bar,  c.bare;  — 
Blatt,  c.  blade;  — fahren,  c.fare;  —  gaffen,  e.gape;  —  Hase,  c.hare;  —  Hasel,  c.liazel;  — 
hassen,  e.  hate;  —  Knabe,  e.  knave;  —  lahm,  e.  lame;  —  madien,  e.  make;  —  Naditigall, 
c.nightingale;  —  nadit,  c.naked;  —  Name,  e.name;  —  Rabe,  c.raven;  —  Sadie.e.sake;  — 
sdiaben,  c.  shave;  —  Sdiam,  e.  shame;  —  Sdiatten,  e.  shade;  —  Sdinake  'Ringelnalter', 
snake;  —  sparen,  e.  spare;  —  Spaten,  e.  spade;  —  starren,  e.  Stare;  —  Tal,  e.  dale;  — 
li'adien,  e.  wake;  —  Wal,  e.  whale;  —  Ware,  e.  wäre;  —  waten,  e.  wade;  —  Zahl, 
e.  tale;  —  zahm,  e.  tarne. 

e)  Engl,  ai  vor  ch: 

Madit,  e.  might;  —  Nadit,  e.  night.  r 

f)  c  vor  y: 

Hagel,  e.  /m/7;  —  /og^,  e.  /ov;  —  mag,  e.  wßy;  —  Magd,  e.  wrt/rf;  —  Nagel,  e.  «o//;  — 
sagen,  t.  say;  —  sdüagen,  e.  slay;  —  gesdilagen,  e.  slain;  —  Tag,  &.  day;  —  Wagen, 
e.  tt'fl/rz;  —  Zagel,  e.  M/V. 

g)  Vor  Spiranten  ist  im  Englischen  ein  Nasal  geschwunden,  das  a 
gedehnt  und  zu  einem  dunkeln  Vokal  geworden. 

Amsel,  c.ousel;  —  Gans,  e.  goose;  —  Zahn,  t.  tooth;  —  sanft,  c.  soft;  —  ander, 
e.  other. 

h)  Vor  //  und  /  -t-  kons,  sowie  nach  w  ist  engl,  a  verdumpft. 

all,  e.  all;  —  also,  e.  also;  —  fallen,  t.  fall;  —  Galle,  e.  galt;  —  Kalk,  e.  dialk;  — 
Malz,  e.  malt;  —  Salz,  e.  salt;  —  sdimal,  e.  small;  —  Sdiwaden,  e.  swath;  —  Sdiwalbe, 
e.  swallow;  —  Sdiwan,  e.  swan;  —  Sdiwarm,  e.  swarm;  —  wadien,  e.  watdi;  —  walken, 
e.  walk;  —  Wall,  e.  wall;  —  Walnuß,  e.  walnut;  —  wandern,  e.  wander;  —  war,  e.  was;  — 
warm,  G.warm;  —  warnen,  e.warn;  —  Warze,  q.  wart;  —  was,  c.  what;  —  Wasser, 
e.  water. 

2.  Ahd.  0,  nhd.  (7  und  a  geht  einerseits  auf  altes  <~  zurück,  anderseits 
ist  es  aus  a  durch  Nasalschwund  vor  h  entstanden. 

a)  ä  =  urgerm.  r  =  engl.  7  oder  e. 

n)  Aal,  e.  eel;  —  Abend,  e.  evening;  —  Bahre,  e.  bier;  —  Gefahr,  t.  fear;  —  Jahr, 
e.  year;  —  Mahl,  e.  meal;  —  Nadel,  e.  needle;  —  raten,  e.  read;  —  Saat,  e.  seed;  — 
Sdiaf,  e.  sheep;  —  sdilafen,  e.  sleep;  —  Spradie,  e.  speedi;  —  Stahl,  e.  steel;  —  Straße, 
e.  Street;  —  Tat,  e.  deed. 

ß)  lassen,  e.  let;  —  Waffe,  e.  weapon;  —  Draht,  e.  thread;  —  //aar,  e.  //fl/r;  — 
waren,  e.  t£'<?r^. 

b)  ä  =  urgerm.  a,  nachdem  ein  Nasal  geschwunden  ist. 
bradite,  ahd.  brähta,  e.  brought;  —  dadite,  e.  thoiight. 

Anmerkung.  1.  Ahd.  «  ist  in  den  Mundarten  vielfach  zu  ü  geworden,  vgl.  §  170A5. 


§  25.  Der  neuhochdeutsche  Vokalstand.  27 


3.  Ahd,  c,  nhd.  e  und  e  erscheint  im  Englischen  in  folgenden  Gestalten: 

a)  als  e: 

Beere,  e.  berry;  —  besser,  e.  better;  —  best,  e.  best;  —  Bett,  e.  bed;  —  dresdien, 
e.  thresh]  —  Ebbe,  e.  f»*^;  —  Ecke,  e.  ^rf^^;  —  Elch,  e.  ^/^;  —  f//^,  e.  eil;  —  Ende,  t.end;  — 
Feder,  ^.feather;  —  Felge,  t.felly;  —  gelb,  t.  yellow;  —  gellen,  t.yell;  —  gestern,  c.yester- 
day;  —  Hedie,  e.  liedge;  —  helfen,  e.  help;  —  Helm,  e.  heim;  —  Henne,  e.  hen;  —  Kessel, 
e.  kettle;  —  Leder,  e. leather;  —  Lenz,  e.  lent  'Fasten' ;  —  Nessel,  e.  nettle;  —  Nest,  e.  nest;  — 
Netz,  e.  net;  —  Pfennig,  e.penny;  —  schmelzen,  e.  melt;  —  schwellen,  e.  swell;  —  selb, 
e.  seif;  —  selten,  e.  seldom;  —  senden,  e.  send;  —  setzen,  e.  set;  —  vergessen,  e.  forget;  — 
weder,  e.  wether;  —  Westen,  e.  west;  —  Wetter,  e.  weather;  —  wetzen,  e.  tiy/?^^;  —  zehn, 
e.  ^^/2;  —  zehnte,  e.  ^^/z^//. 

b)  als  Modifii<ation  von  e  durch  folgendes  r: 

bersten,  e.  barst;  —  brennen,  e.  ^«/-/z;  —  frrf^,  e.  earth;  —  Ernst,  e.  earnest;  — 
gern,  t. yearn;  —  Herde,  e.  herd;  —  Kerl,  e.  churl;  —  lernen,  t.learn;  —  Welt,  e.  world;  — 
Werk,  e.  work ;  —  w^/-/^,  e.  worth. 

c)  als  <7  vor  r\ 

fern,  e.far;  —  Herbst,  e.  harvest;  —  Herd,  e.  hearth;  —  Herz,  e.  heart;  —  kerben 
e.  carve;  —  Sdimerz,  e.  smart;  —  sterben,  e.  starve;  —  Stern,  e.  s^ar;  —  T^^r,  e.  far. 

d)  als  ?: 

Besen,  e.  besom;  —  ^55^«,  e.  eat;  —  Feld,  t.  field;  —  gelten,  t.  yield;  —  heben, 
e.  heave;  —  Mehl,  e.  meal;  —  Sdimeer,  e.  smear;  —  sehen,  e.  see;  —  Speer,  e.  spear;  — 
spredien,  e.  speak;  —  stehlen,  e.  s^^-a/;  —  weben,  e.  weave. 

e)  als  /  (^/)  vor  ^ä. 

-brecht,  e.  -bright;  —  fediten,  e.fight;  —  Knecht,  e.  knight;  —  r^ß'z^,  e.  rz^g-Zz^. 

4.  Nhd.  e  (e)  hat  außerdem  noch  verschiedenen  Ursprung. 

a)  Es  ist  im  Ahd.  aus  ai  entstanden  vor  r,  h,  w.  In  diesem  Fall  finden 
wir  im  Englischen  dieselbe  Entsprechung  wie  von  ei  (s.  u.). 

ehren,  e.  ore,  oar;  —  hehr,  e.  hoar;  —  Klee,  e.  clover;  —  Lehre,  e.  lore;  —  mehr, 
e.  more;  —  Reh,  e.  roe;  —  Sdilehe,  e.  sloe;  —  Seele,  e.  soul;  —  sehr,  e.  sore;  —  Weh, 
e.  two^;  —  Zehe,  e.  ^o^. 

b)  Es  ist  der  /-Umlaut  von  a  und  ä  und  erscheint  daher  auch  in  der 
Schreibung  ä.    Darüber  vgl.  unter  IV. 

5.  Ahd.  ö,  nhd.  o,  o  erscheint  im  Englischen  als  o. 

Boden,  e.  bottom;  —  bohren,  e.  bore;  —  Bord,  e.  board;  —  geboren,  e.  born;  — 
borgen,  e.  borrow;  —  Bottidi,  e.  body;  —  Dorn,  e.  thorn;  —  Drossel,  e.  throstle;  —  er- 
drosseln, e.  throat  'Kehle';  —  folgen,  e.follow;  —  Folk,  e.folk;  —  gefroren,  e.  froze;  — 
Frost,  e.frost;  —  Gott,  t.god;  —  hoffen,  e.  hope;  —  hohl,  e.  hollow;  —  Hopfen,  e.  hop;  — 
Hörn,  e.  hörn;  —  Hort,  e.  hoard;  —  Hose,  e.  hose;  —  Knoten,  e.  knot;  —  Korn,  e.  corn;  — 
Locke,  e.  lock;  —  verloren,  e.forlorn;  —  Morgen,  e.  morrow;  —  Motte,  e.  moth;  —  Nord, 
e.  north;  —  Ochse,  e.  ox;  —  oft,  e.  often-  —  gesdiossen,  e.  5/zo^;  —  Sorge,  e.  sorrow;  —  ge- 
sotten, e.  sodden;  —  gestohlen,  e.  stolen;  —  Stordi,  e.  stork;  —  To/-,  e.  door;  —  Toditer, 
e.  daughter;  —  Tropfen,  e.  rfro/?;  —  fo/vz,  e.  before;  —  Zo/?/,  e.  top. 

6.  Ahd.  ö,  nhd.  o,  o  ist  aus  dem  Diphthongen  oii  (nhd.  a«)  vor  h  und  allen 
dentalen  Konsonanten  {d,  t,  z,  s,  n,  r,  l)  entstanden.  Im  Englischen  erscheint 
daher  die  Entsprechung  von  au  (s.  II,  3),  meist  in  der  alten  Schreibung  ea. 

Bohne,  e.  bean;  —  Floh,  t.flea;  —  groß,  e. great;  —  hören,  e.  hear;  —  Not,  e.  nead;  — 
Ohr,  e.  ear;  —  Osten,  e.  east;  —  Ostern,  e.  eastern;  —  Strom,  e.  stream;  —  Tod,  e.  deaih. 
Brot,  e.  bread;  —  los,  e.  less;  —  Lot,  e.  lead;  —  rot,  e.  r^rf;  —  tot,  e.  rf^arf. 


28  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

II.  Diphthongierung.  Die  alten  Längen  /,  ü  sowie  der  ursprüngliche 
Diphthong  ///  (mhd.  Lautwert  u)  sind  im  Nhd.  diphthongiert  worden  zu 
ei,au,äii,eii  und  daher  mit  den  echten  Diphthongen  ci  und  ou  sowie  mit 
dem  Umlaut  von  ou  und  dem  Umlaut  von  a  zusammengefallen.  Doch 
halten  die  meisten  Mundarten  die  Laute  noch  auseinander.  Wer  also  in 
seiner  Mundart  Wörter  wie  zwei  (mhd.  zwei)  und  drei  (mhd.  dn),  Baum 
(mhd.  houni)  und  Maus  (mhd,  mus)  in  ihren  Vokalen  noch  unterscheidet, 
der  hat  damit  ein  gutes  Hilfsmittel,  um  ohne  weiteres  zu  bestimmen, 
welcher  Laut  einem  Wort  ursprünglich  zukam.  Ebenso  unterscheidet  aber 
auch  das  Englische  die  Laute. 

1.  Der  alte  Diphthong  ei  erscheint  im  Englischen  als  ein  o-Laut,  zu- 
weilen auch  als  a,  e  und  durch  /-Umlaut  als  i. 

lülein,  e.  alone;  —  Anleihe,  e.  loan;  —  Bein,  e.  bone;  —  breit,  e.  broad;  —  Eiche, 
e.  oak;  —  Eid,  e.  oath;  —  ein,  e.  one;  —  Feim,  t.foam;  —  Geiß,  e.  goat;  —  Geist,  e. ghost;  — 
heilig,  e.  holy;  —  Heim,  e.  hoc^m-; —  heiser,  e.  hoarse;  —  Kleid,  e.  cloth;  —  Laib,  e.  loaf;  — 
Lehm,  obd.  Leim,  e.  loam;  —  leid,  e.  loath;  —  meist,  e.  most;  —  nein,  e.  no;  —  Reif, 
e.  rope;  —  Stein,  e.  stone;  —  Waid,  e.  woad;  —  Zeidien,  e.  token. 

ein,  e.  a,  an;  —  feist,  t.fat;  —  heiligen,  e.  hallow;  —  heisdien,  e.  ask;  —  Leisten, 
e.  last;  —  Leiter,  e.  ladder. 

bereit,  e.  ready;  —  Breite,  e.  breadth;  —  Fleisch,  t.flesh;  —  geleitet,  e.  led;  —  Schweiß, 
e.  sweat;  —  spreiten,  e.  spread. 

bleiih,  e.  bleak;  —  bleichen,  e.  bleach;  —  Heide,  e.  heath;  —  Heide,  e.  heathen;  — 
heilen,  e.  heal;  —  klein,  e.  clean;  —  leiten,  e.  lead;  —  meinen,  e.  mean ;  —  reichen,  e.  reach;  — 
Sdieide,  e.  sheath;  —  Teil,  e.  deal;  —  weich,  e.  weak;  —  Weizen,  e.  wheat. 

2.  Das  alte  7  erscheint  im  Englischen  in  der  alten  Schreibung  /  (oder  j/), 
ist  aber  neuenglisch  ebenfalls  diphthongiert. 

bei,  e.  by;  —  beißen,  e.  bite;  —  dein,  e.  thy;  —  Eis,  e.  ice;  —  Eisen,  e.  iron;  —  eitel, 
e.  idle;  —  Feile,  t.file;  —  Freitag,  e.  Friday;  —  gleidi,  e.  like;  —  gleiten,  e.  glide;  —  greifen, 
t.  gripe:  —  Leib,  e.  life;  —  Leine,  e.  line;  —  Meile,  e.  mite;  —  mein,  e.  my;  —  Pfeife, 
t.pipe;  —  reif,  e.  ripe;  —  reißen,  e.  write;  —  reiten,  e.  ride;  —  sdieinen,  e.  shine;  —  Schrein, 
e.  shrine;  —  Schwein,  e.  swine;  —  Seite,  e.  side;  —  streidien,  e.  strike;  —  treiben,  e.  drive;  — 
Weib,  e.  wife;  —  Weile,  e.  white;  —  Wein,  e.  wine;  —  weise,  e.  wise;  —  weiß,  e.  white;  — 
weit,  e.  üy/rf^;  —  Zeit,  e.  /^/V/^. 

3.  Der  alte  Diphthong  ou  tritt  im  Englischen  meist  in  der  Schreibung 

ea  auf,  Aussprache  t. 

auch,  e.  eke;  —  Baum,  e.  beam;  —  glauben,  e.  believe;  —  Haufe,  e.  Äe-a/;;  —  Kauf, 
e.  cheap;  —  kaufen,  e.  ^^£77;  —  Z,auZ>,  e.  leaf;  —  erlauben,  e.  leave;  —  Lauch,  e.  /^^/:;  — 
laufen,  e.  /^a/j;  —  berauben,  e.  bereave;  —  Traum,  e.  dreani;  —  traurig,  e.  dreary;  — 
Zaum,  e.  ^ea/w. 

Haupt,  e.  /i^flrf;  —  /^fluö,  e.  rf^o/. 

4.  Das  alte  n  (nhd.  a«)  ist  dagegen  im  Englischen  ebenfalls  diph- 
thongiert und  erscheint  in  der  Schreibung  ou  {ow). 

Bauer,  e.  bower  'Laube,  Hütte';  —  Braue,  e.  brow;  —  braun,  e.  brown;  —  Daune, 
e.  down;  —  faul,  t.  foul;  —  Haus,  e.  house;  —  Laus,  e.  louse;  —  laut,  e.  loud;  —  Maus, 
e.  mouse;  —  rauh,  e.  rough;  —  Sau,  e.  sow;  —  sauer,  e.  sour;  —  Schauer,  e.  shower;  — 
tausend,  e.  thousand;  —  Zaun,  e.  town;  —  Ausnahme  Raum,  e.  room. 

Anmerkung.  2.  Ursprüngliches  /  hatten  außerdem  noch:  Blei,  Brei,  Geige,  leiden,  Leim, 
leise,  Neid,  reich,  Scheibe,  schneiden  u.  a.,  ei  dagegen  sdieiden,  leiten,  Heide,  Kaiser,  Meister, 


§  25.  Der  neuhochdeutsche  Vokalstand.  29 

Weide,  Eiter,  leiten,  weinen,  Waise  u.  a.  Alte  Wörter,  die  noch  mit  ai  geschrieben  werden, 
haben  altes  ei.  Die  Schreibung  stammt  aus  dem  Oberdeutschen,  wo  man  ai  und  ei  (mhd.  /) 
unterschied  und  es  im  Schwäbischen  noch  tut. 

Anmerkung.  3. Ursprüngliches  a  findet  sich  noch  in  auf,  aus,  Bauch,  braudien,  Braut, 
Haube,  Haut,  Kraut,  Maul,  sauber,  saufen,  saugen,  Straudi  u.  a.,  au  dagegen  in  Auge, 
Gaudi,  Zauber,  Saum  u.  a. 

5.  Ahd.  iu  ist  mhd,  zu  //  geworden,  und  ununterscheidbar  mit  dem 
/-Umlaut  von  n  zusammengefallen.    Beispiele  sind: 

Seudie;  leiiditen;  sdieiien;  Leute;  Beute  'Bienenfaß,  Backtrog';  heute;  deutsdi;  deuten; 
Deube  'Diebstahl';  Teufel;  neun;  teuer;  —  Feuer;  Steuer;  Reuse;  —  Spreu;  treu;  neu;  eudi. 

III.  Monophthongierung.  Die  mittelhochdeutschen  Diphthonge  ie 
und  uo  sind  in  der  Schriftsprache  zu  den  Monophthongen  /  und  u  ge- 
worden, während  in  den  oberdeutschen  Dialekten  die  Laute  z.  T.  noch 
diphthongisch  sind.  Da  weiter  diese  neuen  Längen  manchmal  gekürzt,  die 
alten  Kürzen  T  und  u  aber  z.  T.  gedehnt  sind,  so  ist  auch  hier  wieder  ein 
Zusammenfall  eingetreten.  In  diesem  Fall  ist  auch  das  heutige  Englisch 
kein  untrügliches  Kennzeichen. 

L  Altes  ie,  nhd.  /,  erscheint  engl,  als  /. 

Bier,  e.  beer;  —  Dieb,  e.  thief;  —  Fieber,  t.  fever;  —  fliehen,  o..  flee;  —  frieren, 
t.freeze;  —  Griedie,  e.  Greek;  —  hier,  e.  here;  —  Kiel,  e.  keel;  —  Knie,  t.knee;  —  lieb, 
e.  lief;  —  Miete,  e.  meed;  —  Priester,  e.  priest;  —  Ried,  e.  reed;  —  sdiier,  e.  sheer;  — 
sieden,  e.  seethe;  —  tief,  e.  deep;  —  Tier,  e.  deer;  —  Vieh,  ^.  fee;  —  Vlies,  t.  fleece. 

2.  Altes  T  wird  gewöhnlich  engl.  /. 

beginnen,  e.  begin;  —  Bisdiof,  e.  bishop;  —  Biß,  e.  bit;  —  bitten,  e.  bid;  —  bitter, 
e.  bitter;  —  bringen,  e.  bring;  —  didi,  e.  thidi;  —  dies,  e.  this;  —  Ding,  e.  thing;  — 
Distel,  e.  thistle;  —  Fiedel,  t.  fiddle;  —  Finger,  t.  finger;  —  Fink,  e.  findi;  —  Fisdi, 
e.  fish;  —  Gift,  e.  gift;  —  Gilde,  e.guild;  —  glitzern,  e.  glitter;  —  hindern,  e.  hinder;  — 
in,  e.  in;  —  Kinn,  e.  diin;  —  Klippe,  e.  cliff;  —  Krippe,  e.  crib;  —  Lid,  e.  lid;  —  Lippe, 
e.  lip;  —  lispeln,  e.  lisp;  —  Mildi,  e.  milk;  — Minze,  e.  mint;  —  missen,  e.  miss;  —  Mist, 
e.  mist;  —  Ring,  e.  ring;  —  Rippe,  e.  rib;  —  Rist,  e.  wrist;  —  (ge) ritten,  e.  ridden;  — 
Sdiiff,  e.  ship;  —  Sdiilling,  e.  Shilling;  —  Sdiindel,  e.  shingle;  —  Sdimied,  e.  smith;  — 
Sdimiede,  e.smithy;  —  sdiwimmen,  e.swim; — Sdiwindel,  c.swindle;  — sdiwingen,  t. swing;  — 
Sidiel,  e.  sidile;  —  Sieb,  e.  sieve;  —  Silber,  e.  silver;  —  singen,  e.  sing;  —  sinken, 
t.sink;  —  sitzen,  e.  sit;  —  Spieß,  t.  spit;  —  Spindel,  e.  spindle;  —  spinnen,  e.  spin;  — 
springen,  e.  spring;  —  still,  e.  still;  —  stinken,  e.  stink;  —  (ge)trieben,  e.  driven;  — 
trinken,  e.  drink;  —  Wille,  e.will;  —  Wind,  e.wind;  —  (ge)winnen,  e.win;  —  Winter, 
e.  Winter;  —  Witwe,  e.  widow;  —  Witz,  e.  wit;  —  Zimmer,  e.  timber;  —  Zinn,  e.  tin. 

Diphthongierung  tritt  im  Englischen  ein  vor  nd,  mb  und  Id. 

binden,  e.  bind;  —  blind,  e.  blind;  —  finden,  t.  find;  —  Hinde,  e.  hind;  —  hinten, 
e.  behind;  —  Kind,  e.  diild;  —  klimmen,  e.  climb;  —  mild,  e.  mild;  —  Rinde,  e.  rind;  — 
wild,  e.  wild;  —  Wind,  e.  wind;  —  winden,  e.  wind. 

3.  Altes  HO,  deutsch  //  erscheint  engl,  meist  als  ii. 

Blume,  e.  bloom;  —  Brut,  e.  brood;  —  Budi,  e.  book;  —  Buße,  e.  boot;  —  Bude, 
e.  booth;  —  Flur,  ^.  floor;  —  Fuß,  t.foot;  —  gut,  e.  good;  —  Huf,  e.  hoof;  —  Mut, 
e.  mood;  —  Pfuhl,  e.  pool;  —  Pudel,  t.  poodle;  —  Rute.  e.  rood;  —  Sdiuh,  e.  shoe;  — 
Sdiule,  e.  sdiool;  —  Stuhl,  e.  stool;  —  tun,  e.  do;  —  -tum.  e.  doom;  —  zu,  e.  to. 

Mutter,  e.  mother. 

4.  Altes  ü  erscheint  im  Englischen  meist  als  ii  (v). 

Burg,  e.  borough;   —  Butter,  e.  butter;  —  dumm.  e.  diimb;  —  Dung,  e.  düng;  — 


30  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

durdi,  c.  thorough;  —  Fiirdie,  c.  fnrrow,  —  hundert,  c.  hundrcd;  Hunger,  c.  hunger;  — 
jung,  e.young;  —  Lunge,  e.  lungs;  —  Lust,  c.  tust;  —  Muff,  c.  muff;  —  mußte,  c.must;  — 
\uß.  e.  nut;  —  plump,  c. plump;  —  Rumpf,  c.  rump;  —  Sdilummer,  c.  slumber;  —  Sdmupf-, 
e.snuff-;  —  Stumpf,  c.  stump;  —  gesungen,  e.sung;  —  gesunken,  e.sunk;  —  trunken, 
e.  drunk;  —  unter,  e.  under;  —  Wunder,  e.  wonder;  —  Zunge,  e.  tongue. 

Vor  «</  ist  //  im  Englischen  gedehnt  und  zu  ow  geworden. 

gebunden,  c.  hound;  —  Flunder,  c.  flounder;  —  gefunden,  c.found;  —  Grund,  e. 
ground;  —Hund,  c. hound;  —  Pfund,  e.pound;  —  gesund,  c.sound;  —  verwundet,  e.wound. 

Damit  ist  die  Übersicht  über  die  einfachen  Vokale  und  Diphthonge 
im  wesentlichen  erschöpft.  Man  sieht,  daß  das  Englische  ein  außerordent- 
lich wichtiges  Hilfsmittel  ist.  Ferner  würde  die  Heranziehung  der  heutigen 
skandinavischen  Sprachen  von  großem  Nutzen  sein.  Doch  muß  ich  darauf 
verzichten,  sie  zu  vergleichen,   da  sie  in  Deutschland   nicht  bekannt  sind. 

IV.  Die  Umlautserscheinungen.  Vor  einem  im  Urgermanischen  und 
später  auf  den  Vokal  der  Haupttonsilbe  folgenden  /  odery,  die  jetzt  aber  meist 
verloren  gegangen  sind,  werden  im  Laufe  der  Sprachentwicklung  fast  alle 
Vokale  umgelautet,  d.  h.  dem  /  genähert.  Diese  Erscheinung  ist  außer- 
ordentlich wichtig,  weil  sie  uns  gestattet,  eine  Reihe  von  Worten  ohne 
weiteres  zu  vereinigen,  und  weil  wir  daraus  die  verloren  gegangene  Grund- 
form der  Wörter  erschließen  können.  Der  Umlaut  ist  zum  guten  Teil  ein 
Vorgang,  der  sich  erst  in  der  einzclsprachlichen  Entwicklung,  ja  erst  in 
der  Übergangszeit  vom  Althochdeutschen  zum  Mittelhochdeutschen  voll- 
zogen hat.  Da  sich  aber  die  gleiche  Entwicklung  sowohl  im  Englischen 
wie  im  Nordischen  zeigt,  so  muß  er  eine  gemeingermanische  Ursache  haben. 

1.  Schon  urgermanisch  ist  der  Umlaut  von  e  zu  /. 

Gebirge  :  Berg;  —  Dn'sdiel :  dresdien;  —  Gefieder:  Feder;  —  Gefilde :  Feld;  —  fillen  : 
Pell:  —  firn  -.fern;  —  Fittidi  -.  Feder;  —  flidien  :  Fledi;  —  Gift :  geben ;  —  Gilde -.gelten; — 
Gilbe:  gelb:  —  Hirt:  Herde;  —  irden:  Erde;  —  Lippe  :  Lefze;  —  Milbe  :  Mehl;  —  Nidite, 
Niftel :  Neffe;  —  Pfifferling:  Pfeffer;  —  Pflidit: pflegen;  —  riditen  :  redit;  —  Gesdiidite: 
gesdiehen ;  —  Sdüefer :  Sdiäbe;  —  sdilidit :  sdiledit;  —  Sdiwiele :  sdiwellen;  —  Sidit :  sehen;  — 
siedeln  :  Sedelhof;  —  Sitz :  Sessel;  —  spidien  'heimlich  bhcken' :  spähen ;  —  Stidi : stedien ;  — 
Tritt :  treten ;  —  wiegen  :  wägen ;  —  Wirbel :  werben. 

Anmerkung.  4.  Außerdem  ist  in  ahd.  Zeit  noch  e  vor  folgendem  u  zu  /geworden: 
Mildi,  got  miluks  :  melken;  —  sieben,  got  sibun,  l  Septem;  —  Sdiwieger :  Sdiwäher, 
1.  socrus;  —  Silber,  got.  silubr,  abg.  serebro;  —  Sitte,  got.  sidus;  —  Vieh,  ahd.  fi hu, 
\.  pecu;  —  viel,  got  filu,  gr.  .to/.i',-  (polys);  —  Widder,  got.  wiprus  zu  gr.  fro^  {etos)  'Jahr', 
also  'Jährling':  —  -zig :  zehn,  got -tigjus. 

Infolge  dieses  Lautgesetzes,  und  weil  Formen  mit  j  neben  solchen  ohne  j  standen, 
zeigt  das  Englische  manchmal  abweichenden  Vokal:  Filz,  q.  feit:  —  frisdi,  t. fresh;  — 
sieben,  e.  seven;  —  wieder,  e.  wether;  —  willkommen,  e.  welcome. 

2.  Mit  Beginn  der  althochdeutschen  Zeit  finden  wir  den  Umlaut  von 
a  zu  e.  Das  neu  entstandene  e  war  geschlossener  als  das  urgermanische, 
und  so  ist  es  bis  heute  in  vielen  Mundarten  geblieben.  Wir  würden  also 
richtig  das  alte  e  mit  ä,  das  neue  mit  e  schreiben.  Aber  die  Grammatiker, 
die  unsere  Rechtschreibung  festgesetzt  haben,  wußten  von  der  alten  Regel 
nichts,  und  sie  haben  gelehrt,  man  müsse  ä  schreiben,  wenn  ein  Wort 
mit  a  daneben  stand.    So  heißt  es  also  Väter :  Vater,  aber  Vetter,  dessen 


§  26.  Der  althochdeutsche  Vokalismus.  31 

Zugehörigkeit  zu  Vater  man   nicht  erkannte.    Das  Umlauts-t-  ist  also  nur 
durch  die  heutigen  Mundarten  zu  erkennen. 

Beispiele:  Becken  <  frz.  bassin;  —  behende  :  Hand;  —  Belt :  baltisdi;  —  Bemme  neben 
Bamme;  —  Bendel :  Band;  —  best,  besser  :  baß;  —  brennen  :  Brand;  —  ded?en  :  Dadi;  — 
denken  :  Gedanke;  —  drängen  :  Drang;  —  Elbe,  lat.  germ.  Albis;  —  elend,  ahd.  elilenti 
zu  1.  alias;  —  Eltern  :  alt;  —  eng  :  Angst;  — Engel  <  1.  angelus;  —  England :  Angeln;  — 
ent-  :  ant-;  —  Esdie  :  Asdi(kiidien);  —  Esel <  1.  asinus;  —  Essig  <  1.  acctum;  —  Estridi  < 
1.  astricum;  —  Ferge  -.fahren;  —  fertig :  Fahrt;  —  Fetzen  :  Faß;  —  Flegel  <  \.  flagellum;  — 
heben  :  erhaben;  —  Hedie  :  Mag;  —  heften  :  haften;  —  hegen  :  Hag;  —  hell:  hallen;  — 
Heller:  Hall  (Stadt);  —  Helm  'Stil'  -.Halfter;  —  Henkel  -.  hangen;  —  Henne :  Hahn;  — 
Hesse  -.  Chatti;  —  hetzen  -.  Hatz;  —  Heu  -.  hauen;  —  Hexe: Hag;  —  Keldi  <  gr.  lat.  calyx;  — 
kennen  :  kannte;  —  kentern  :  Kante;  —  Kerker  <  1.  carcer;  —  Kessel  <  1.  catinus;  — 
Kette  <  \.  cattna;  —  klemmen  :  Klamm;  —  Krempe  :  Krampe;  —  Lenz  :  lang;  —  ver- 
letzen :  laß;  —  Menge  :  manch ;  —  mengen  :  mang;  —  Mensch  :  Mann ;  —  merken  :  Marke;  — 
Metze  :  Mathilde;  —  Messer  zu  Maß  'Speise',  in  maßleidig;  —  necken  :  nagen;  —  nennen  : 
Name;  —  netzen  :  naß;  —  quengeln  :  Zwang;  —  regen  :  ragen;  —  renken  :  ranken;  — 
rennen  :  rann;  —  Schelle  :  schallen;  —  schelten  :  schalten;  —  schenken  :  Schank;  —  Sdierge  : 
Schar;  —  Sdilegel  :  schlagen;  —  sdilemmen  :  Schlamm;  —  schmecken  :  Gesdimack;  — 
schmelzen  :  Schmalz;  —  Sduiabel :  Sdineppe;  —  Sdiretz  :  Schrat;  —  sdiwellen  :  Sdiwall;  — 
schwemmen  :  schwamm;  —  schwenken  :  schwanken;  —  senden  :  Gesandter;  —  sengen  : 
sang;  —  senken  :  sank;  —  setzen  :  saß;  —  Sperber,  Sperling :  Spatz;  —  sperren  :  Sparren;  — 
sprengen  :  sprang;  —  stellen  :  Stall;  —  stemmen  :  Stamm;  —  Stengel :  Stange;  —  stredten  : 
strack;  —  anstrengen  :  Strang;  —  Teile,  Delle  :  Tal;  —  Tenne  :  Tanne;  —  Vetter  :  Vater;  — 
wecken  :  wach;  —  Welsch  :  Wale;  —  wenden  :  Wand;  —  Freude,  ahd.  frewida  :  froh. 

Anmerkung.  5.  Da  die  Stammbildung  und  die  Wirkung  des  /  in  den  germanischen 
Sprachen  verschieden  war,  so  finden  wir  öfter  auch  das  nicht  umgelautete  a.  So  fast 
neben  fest;  —  e.  asp  neben  Espe;  —  e.  ash  neben  Esche;  —  e.  last  neben  letzte;  — 
e.  mane  neben  Mähne;  —  e.  chaver  neben  Käfer;  —  e.  dwarf:  Zwerg;  —  e.  wharf  :  werft 
und  umgekehrt  Nacken  :  e.  neck;  —  Gast,  e.  guest;  —  Rast,  e.  rest;  —  Bank,  e.  bench;  — 
Stank,  e.  stench ;  —  Hanf,  e.  hemp. 

3.  In  spätalthochdeutscher  Zeit  werden  die  übrigen  Vokale  umgelautet, 
und  zwar  a  zu  ce  (jetzt  vielfach  e),  o,  0  zu  ö,  u  zu  ü,  n  zu  11  (nhd.  eu,  äii), 
au  zu  eil  (nhd.  eu,  äu). 

Von  Wichtigkeit  ist  es,  das  alte  ce  zu  erkennen,  sowie  die  beiden  eu,  äu 
zu  unterscheiden.  Das  Englische  hilft  hier  nicht,  man  muß  also  auf  das 
Althochdeutsche  zurückgehen. 

Beispiele:  bequem,  ahd.  biqunmi  :  kamen;  —  Gebärde,  ahd.  gibärida;  —  mäßig, 
ahd,  mäzig;  —  genehm,  ahd.  ginümi;  —  leer,  ahd.  lüri;  —  gäbe,  ahd.  gübi;  —  nädist : 
nahe;  —  schwer,  ahd.  swuri;  —  stets,  ahd.  stüti. 

Anmerkung.  6.  Der  Umlaut  wird  auch  noch  durch  andere  Laute  als  /  bewirkt.  So 
findet  er  sich  vor  ei  in  Erbse,  ahd.  araweiz,  Emse  neben  Ameise  und  dialektisch  durch 
einzelne  /-haltige  Konsonanten,  wie  .y,  namentlich  im  Süddeutschen,  daher  Mäsdiel  "männ- 
licher (auch  weiblicher)  Hanf,  aus  lat.  masculus. 

Sonst  entsprechen  von  einigen  wenig  bedeutenden  Punkten,  die  unten 
§  170  erörtert  sind,  die  neuhochdeutschen  Vokale  den  althochdeutschen. 

§  26.  Der  althochdeutsche  Vokalismus.  Wir  finden  also  im  Althochdeutschen 
einen  vom  Neuhochdeutschen  in  wesentlichen  Punkten  abweichenden  Voka- 
lismus.   Wir  haben  für  ihn  folgende  Gestalt  gewonnen: 

a,  ä,  e,  e,  e,  i,  i,  o,  0,  u,  ü,  ai,  ou,  iu,  io,  ie,  uo. 


32  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

Gegenüber  dem  Urgermanischen  sind  auch  hier  eine  Reihe  von  Ver- 
änderungen eingetreten. 

1.  11  geht  zurück  a)  auf  urgerm.  got. «',  b)  auf  d,  das  durch  Schwund  eines  //  vor  //  ge- 
dehnt ist,  \g\.  brühte  •.bringen;  —  dahte  .denken;  —  hähan:  hangen; — jahan:  fangen;  — 
Adxt,  ahd.  nhta  'Verfolgung',  ags.  oht. 

2.  '6  ist  das  alte  offene  e,  e  das  durch  /-Umlaut  aus  a  entstandene  geschlossene  e. 

3.  e  ist  aus  ai  vor  h,  v,  w  entstanden,  daher  mehr,  aber  meist. 

4.  ö  ist  aus  au  vor  h  und  Dentalen  entstanden. 

5.  ie  geht  auf  ein  e  zurück,  das  aber  von  dem  unter  1  genannten  c  verschieden  war. 
Man  nennt  es  c".   Spätahd.  ist  es  auch  aus  io  entstanden. 

6.  uo  ist  aus  altem  o  diphthongiert. 

Als  urgermanischer  VokaHsmus  ergibt  sich 

a,  i\  i,  0,  II ;  r\  r^,  7,  ö,  R;  al,  au,  eu  (das  zu  iu  und  io  wurde). 
§  27.    Der  urgermanische  Vokalismus.    Dieser  hat  verschiedene  Verände- 
rungen erfahren. 

1.  0  und  u  sind  ihrem  Ursprung  nach  gleichwertig;  o  steht  vor  einem 
a,  e,  0  der  folgenden  Silbe,  //  vor  den  übrigen  Lauten,  sowie  vor  Nasal 
+  Konsonant.    Es  heißt  daher: 

Bogen :  Bügel,  Biidit ;  —  geboren :  Bürde ;  —  Borg  :  Bürge ;  —  Borste :  Bürste ; — Brodien : 
Brudi;  —  Dorren:  dürr,  Durst;  —  Flosse: Fhiß;  —  Fohlen: Füllen;  —  vor: Fürst,  für;  — 
Gold:  Gulden;  —  hoffen:  hüpfen:  — Hof:  hübsch;  —  hold:  Huld;  —  verhohlen:  Hülle;  — 
Knollen:  Knudel;  —  Knopf:  knüpfen;  —  Knoten  :knütten;  —  Koch  :  Küche;  —  Lob:  Ge- 
lübde; —  Lodi :  Lücke;  —  locker:  luck;  —  Lothar :  Ludwig;  —  ob,  oben :  über;  —  Ort:  Ürte;  — 
gesdioben :  Sdiub ;  —  geschoren :  Schur ;  —  Sdiorf :  schürfen ;  —  Sdiotter :  Sdiutt ; — geschwollen : 
Schwulst;  —  sollen:  Schuld;  —  Sporn:  Spur;  —  gesprochen:  Spruch;  —  Stodi:  Stück;  — 
Strobel: struppig;  —  Tor:Tür;  —  voll: Fülle;  —  worfeln:  Wurf;  —  Zorn: zürnen;  —  Her- 
zog: Zug. 

2.  Derselbe  Wechsel  von  o  und  tt  zeigt  sich  in  dem  alten  Diphthongen 
eil,  der  sich  schon  urgerm.  zu  ea  und  eo  entwickelt  hat,  woraus  ahd.  iu 
und  io,  nhd.  eu  und  ie,  i  geworden  sind. 

Beuge:  biegen;  —  Deube  .Diebstahl' :D/>ö;  —  deuten,  deutsch  :  diet  'Volk'  in  Dietrich 
usw.;  —  bayr.  Feuchte :  Fichte;  —  leuchten  :  Licht;  —  reuten  :  Ried;  —  Seuche: siech;  — 
teufen :  tief;  —  Zeuge :  ziehen. 

3.  /  ist  durch  folgendes  a,  e,  o  zu  e  geworden,    Beispiele  s.  u. 

4.  Vor  Nasal  ;  Konsonant  stehen  /  und  u  statt  e  und  o.  Ein  nhd.  e 
vor  dieser  Lautgruppe  geht  daher  auf  a  durch  /'-Umlaut  zurück. 

5.  Urgerm.  i  ist  meist  aus  ei  entstanden,  s.  u. 

§  28.  Der  indogermanische  Vokalismus.  Vom  germanischen  Vokalismus 
steigen  wir  auf  zum  indogermanischen.  Dieser  wird  erschlossen  durch  die 
Vergleichung  sämtlicher  indogermanischer  Sprachen  und  durch  die  Unter- 
suchungen über  den  Ablaut.  Die  Ansichten,  welche  Vokale  für  die  Grund- 
sprache anzusetzen  sind,  haben  gewechselt,  und  sie  sind  durchaus  nicht  als 
sicher  anzusehen.  Ich  lege  die  Anschauungen  zugrunde,  die  ich  in  meinem 
indogerm.  Ablaut,  Straßburg  1900,  ausgeführt  habe.  Vgl.  dazu  auch  Hand- 
buch der  griech.  Laut-  und  Formenlehre,  2.  Aufl.  1912.  Ich  gehe  dabei  vom 
Urgermanischen  aus. 


§  28.  Der  indogermanische  Vokalismus.  33 

Urgerm.  a,  d.  a,  e,  ä  entspricht 

1.  einem  idg.  a,  das  nur  im  Slavischen  als  o  erscheint,  gr.  lat.  also  a. 

d.  ab,  gx.uTio  {dpo),  1.  ab,  ai. dpa;  — 

d.  Achse,  gr.  ä^cov  {äkson),  1.  axis,  ai.  äkiah  ;  — 

d.  Acker,  gr.avooV  (agrös),  1.  ager,  ai.  üjrah;  — 

d.  Ecke,  1.  aa>5,  gr.  ank  (akis)  'Stachel,  Spitze',  ai.  ä^rih  'Ecke,  Kante' ;  —  d.  ent-,  1.  ante 
gr.  a»T<'(fl«//),ai.a«^/'gegenüber';  —  d.  Ente,  l.anas;  —  d.Gans,  1.  unser,  ai.hqsah.  —  d.  Hafer- 
geiß, 1.  caper,  gr.  xdiQOi  {käpros)  'Eber',  ai.  käprt  'membrum  virile';  —  d.  Mark  'Grenze', 
1.  margo,  aw.  marazu-'Ortnze' ;  —  d.  Nase  1.  nasus,  abg.  nosä ;  —  d.  Zähre,  1.  lacruma,  gr.  ()üxqv 
(däkry),  ai.(i<ru. 

2.  einem  idg.  a  (schwa).  Man  setzt  diesen  Laut  an,  weil  das  Indische 
in  einer  Reihe  von  Fällen  als  Entsprechung  des  europäischen  a  nicht  a, 
sondern  /  aufweist.    Es  ist  die  Schwächung  eines  langen  Vokals. 

d.  Star,  ahd.  starablint,  ai.  sthiräh;  — 

d.  Stätte,  got.  staps,  1.  statio,  gr.  axäaig  (stasis),  ai.  sthitih ;  — 

d.  Vater,  X.pater,  gr.  .7ar/)o  {pat(er),  ai.pitd. 

Wo  das  Indische  fehlt,  können  wir  daher  nicht  wissen,  ob  idg.  a  oder  a 
anzusetzen  ist.    So  in: 

Aa,  -ach,  Ache,  1.  aqua ;  —  Ahn,  1.  anus;  —  Ahne,  gr.  ä^vt]  (äkhnce) ;  —  Ähre,  1.  acus;  — 
alt,  1.  altiis;  —  Angel,  gt.ayxvXog  {awkylos);  —  Anger,  gr.  ayy.og  {üvkos)  'Tal';  —  Angst,  eng, 
1.  angiistiae,  angustus;  —  Arm,  1.  armus;  —  Art-acker,  1.  arare;  —  Asche,  gr.  a^'«»'  (äzen), 
'dörren';  —  Axt,  1.  ascm,  gr. d|(V»;  (axince);  —  Fahne,  X.pannus;—  Gerte,  1.  hasta;  —  haben, 
1.  habere;  —  Haft,  1.  captus;  — •  heben,  1.  capio;  —  Salz,  1. 5fl/,  gr.  älg  {hals);  —  satt,  1.  satis. 

3.  einem  idg.  o,  das  im  Griech.  Lat.  Kelt.  durch  o,  in  den  übrigen 
Sprachen  wie  a  vertreten  ist. 

Aar,  gx.oovig  (örnis)  'Vogel' ; — Anke  'Butter',  1.  unguen  'Salbe' ;  —  Arsch,gx.oQoog {prros) ;  — 
Ast,  gr.  ö';og  {özos) ;  —  Aue  'Schaf,  1.  ovis,  gr.  mg  (öis) ;  —  Dach,  1.  toga ;  —  das,  gr.  to  (to);  — 
Elle,  X.ulna;  — Erbe,  1.  orbus  'beraubt';  —  Garten,  1.  hortus;  —  Gast,  1.  hostis;  —  Heer,  gr. 
xoioarog {koiranos) 'Herrscher'  aus*k6rJanos ;  —  Kamm, gr.  yöfiq^og  [gömphos)  'Pflock,  Nagel' ;  — 
lang,  1.  longus;  —  Nacht,  1.  nox;  —  Rad,  1.  rota ;  —  Schatten,  gr.  axniog  (skötos)  'Dunkelheit' ; 
was,  1.  quod;  —  Zahn,  gx.68ov?  {odüs)  aus  *od6nts;  —  zähmen,  1.  domare. 

Ganz  entsprechend  gehen  die  Diphthonge  ai  und  au  auf  verschiedene 
Laute  zurück. 

L  2.  Urgerm.  ai,  d.  ei,  c  =  idg.  ai,  ai. 

ehern,  1.  aes,  ai.  «ya/z  'Erz';  —  Eiche,  1.  aesculus;  —  ewig,  l.  aevom,  gr.  a<w>'  (aiön);  — 
Geiß,  l.  haedus;  —  got.  haihs  'einäugig',  1.  caecus;  —  scheiden,  l.caedo;  —  Seim,  gx.alna 
{haima)  'Blut'. 

3.  Urgerm.  ai  =  idg.  oi. 

ein,  l.  ünus  (alat.  oinos) ;  —  Feh  'Pelzwerk',  got.  faihs  ,bunt',  gr.  noixiXog  {poikilos) ;  — 
Feim,  lat.  spüma;  —  gemein,  1.  communis;  —  Teig,  gr.  zoTyog  (toikhos)  ,Mauer';  —  weiß,  gx.oiöa 
(oida),  1.  vidi. 

1.  2.  Urgerm.  ß«,  d.  au,  ö  =  idg.  au,  au. 

auch,  l.augere;  —  öde,  gx.  avoiog  (aiisios),  'leer,  eitel,  vergeblich';  —  Oheim,  \.  avun- 
culus;  —  Ohr,  1.  auris;  —  Osten,  1.  auröra. 
3.  =  idg.  ou: 
d.  hören,  gx.dxovw  (aküö). 

Urgerm.  e,  d.  ä,  e,  i  entspricht 

l.  einem  idg.  e,  das  im  Europäischen  als  e,  im  Arischen  als  a  erscheint. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  3 


34  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


gebären,  \.fero,  gx.qeow  {pMnt);  —  essen,  \.edo,gx.f^omu(Momai);  —flechten,  X.plecto, 
gr.  .Tx/xw  (pl^ko);  —  gestern,  1.  heri,  gr.  /i'>t\-  (khthes);  —  Giebel,  gr.  y.t'i  ah)  (kephala-);  —  idi, 
l-  cgo,  gr. f;(ü  {egö);  —  in,  1.  in,  gr.  /••  (en);  —  irren,  1.  errare;  —  ist,  1.  est,  gr.  rnti  {estl);  — 
liegen,  gr.  /.f';fo»-  {likhos)  'Bett';  —  Meltau,  eig.  'Honigtau',  1.  mr/,  gr. /<//.«  (meli):  —  messen, 
gr.  ftf dl fivo;  {mMimnos)  'Scheffel';  —  mich,  gr.  ifteye  {emige);  —  michel'gToü',  gx.nfyako-{me- 
galo-) ;  —  mit,  gr.  iirxä  {metä) ;  —  Mitte,  I.  medius,  gr.  /<f no,-  (mesos) ;  —  Nebel,  1.  nebiila,  gr.  vf/  f/.t] 
{nephela);  —  recht,]. rectus;  —  Scfiu<üher,gT.fxvo(!^ {hekyr6s),\.socer;  —  Schwester,  l.soror;  — 
Schwieger,  gr.  fxinä  (liekyra),  1.  socriis;  —  sechs,  l.sex,gT.t'^{hex);  —  sieben,  \. Septem,  gr.f.-rra 
(heptä);  Sitte,  gr.fi?o,-  (ethos);  —  sitzen,  1.  sedtre,  gr.  c^oho«  (hezomai);  —  5;;<?//<',  I.  specio;  — 
V/^Ä,  l.pecu;  —  bewegen,  l.veho;  —  Westen,  X.vesper,  gx.Eoneoos  {hesperos);  —  wiU,  l.ve- 
lit;  —  Wind,  I.  ventiis;  —  zehn,  X.decem,  gx.fttxa  {deka);  —  Zimmer,  gx.de/xoj  {demo)  'baue'. 

2.  einem  idg.  /. 

Nest,  1.  mdus  aus  *nizdos,  dazu  nisten ;  —  Lebkuchen  :  /.a/ö ;  —  /^ft^/i :  bleiben ;  lecken,  got. 
bilaigön,  e.  //V ^fe ;  —  lehnen,  1.  inclinare ;  —  ^u^cÄ  in  Quecksilber, gr. /^/o^  (*/05)  'Leben',  1.  t//t;os ;  — 
lernen  :  Lehre,  got.  /fl/5  'ich  weiß' ;  —  Wechsel,  1.  vices ;  —  ahd.  wer  'Mann',  erhalten  in  Welt  aus 
weralt,  \.  vir. 

Urgerm.  /,  d.  /,  e  entspricht  einem  idg.  /,  das  im  großen  und  ganzen 

erhalten  bleibt. 

wir  bissen,  l.fidimus ;  —  Fisch,  \.piscis ;  —  wir  liehen,  gr.  t/.i.-ioiier  (elipomen)  'wir  ließen';  — 
Miete,  got.  mizdo,  gx.  funOö;  (misthvs);  —  minder,  l.  minus;  —  wir  stiegen,  gx.fOTiynuEv  (esti- 
khomen)  'wir  schritten';  —  wissen,  1.  videre;  —  Witwe,  1.  vidua;  —  bezichtigen,  1.  indicdre;  — 
zwi-,  1.  bi-,  gr.  öi-  (di-). 

Urgerm.  o,  u  entspricht 

1.  einem  idg.  u,  das  im  allgemeinen  als  u  erscheint. 

Boden,  l.fundus,  gx.  .-ritt  u  >]}■  {pythm(Pn) ; —  du,  i.  tu,  gx.of  (sy);  —  Nort,  l.custos;  —  Joch, 
X.jugum  gr.  ^vyuv  (zygön); — Jung,  LJuvenis;  —  Ochse,  ai.  ukici;  —  Otter,  gr.  r(Soa  (hydra);  — 
Sohn,  ai. sünüh ;  —  Tor,  Tür,  gr.  Oi-gn  (thyrä) ;  —  über,  \. super,  gr.  kieo  (hyper) ;  —  {Her)zog,  l.dux. 

2.  vor  r,  l;  m,  n  derselben  Silbe  dem  aus  idg.  x,  /,  m,  n  entwickelten  Vokal. 
Gr.  finden  wir  ag,  ga,  ak,  ka;  a  {ar,  ra,  al,  la;  a),  1.  or,  ol,  en,  em,  ai.  f,  a, 
lit.  fV,  il,  im,  in,  slaw.  ru,  lü,  ^. 

Geburt,  l.fors,  eig.  'das  Tragen';  —  Dorn,  ai.  trnam  'Grashalm' ;  — forschen,  l.posco  aus 
*porcsco,  ai. pnhäti;  — Hörn,  i.cornu,  gr.  y.uinog^  (kdrnos)  'Hornvieh';  —  hundert,  Lcentum, 
gx.  fy.aT6r{hekatdn;  —  (Zu)kunft,  gx.ßäoig  {bäsis)  l.inventio;  —  Lunge,  gr.  f/.a/iV  {elakhys) 
'leicht';  — Mord,  1.  mors,  —  sondern,  gx.diäo  ifltür);  —  un,  l.  in,  gr.  a  (a);  —  Wolf,  ai.  vfkah, 
lit.  vilkas,  abg.  vlükü. 

3.  dem  vor  r,  /,  m,  n  der  folgenden  Silbe  entstandenen  schwachen 
Vokal,  der  im  Gr.  als  a  (ä),  im  Lat.  als  a  erscheint. 

d.  Nummer,  gx.  y.du(j()(ujo;  (kämmaros) ;  —  d.  bohren,  gr.  f/aoöco  (pharöö)  'pflüge',  {l.foräre), 

4.  Während  die  Gruppen  ur,  ul,  um,  un  in  vielen  Fällen  die  unter  2 
genannten  Entsprechungen  aufweisen,  finden  wir  auch  Beispiele,  in  denen 
im  Griech.,  Lat.  und  Kelt.  ein  ä  nach  dem  Sonorlaut  steht.  De  Saussure 
setzte  hier  lange  silbebildende  r,l,m,n  an  (f, /,>]"',  (0»  ich  dagegen  schreibe 
erd  usw.  als  Grundform,  vgl.  Verf.  Ablaut. 

{Ge)duld,  1.  latus;  —  Honig,  gx.  xvr]x6g  {kniekös)  'gelblich';  —  Hornisse,  1.  crabro;  — 
Hürde,  1.  cratis;  —  Korn,  l.granum;  —  Wolle,  1.  luna;  —  Wurzel,  l.rädix. 

Urgerm.  e^,  d.  «,  ä  entspricht  idg.  c,  das  im  allgemeinen  als  e,  im 
Arischen  als  a  erscheint. 

brachen,  l.fregimus;  —  Draht,  gr.  rp^io?  {trcetös)  'gedreht';  —  kamen,  1.  venimus;  — 


§  28.  Der  indogermanische  Vokalismus. 


35 


Mat,  gr.  äfiTjTog  (ämcetos) ;  —  Mond,  ahd.  mano,  got.  mma,  lit.  mtnuo,  gr.  firjv  {man);  —  Naht, 
1.  nemen ;  —  raten,  1.  reri;  —  Samen,  1.  seme« ;  —  saßen,  1.  sedimus;  —  Tat,  got.  gadeps,  l.feci;  — 
wahr,  1.  Veras. 

Urgerm.  p^,  ahd.  /a,  /e,  d.  /.  z.  B.  in  got.  her,  ahd.  /z/ßr,  d.  Ä/e/-,  ist  un- 
sichrer Herkunft,  z.  T.  geht  es  auf  einen  /-Diphthongen  zurück.  Vielfach 
steht  es  in  Fremdwörtern,  z.  B.  Grieche,  1.  Graecus. 

Urgerm.  ö,  d.  u,  u  entspricht 

1.  Idg.  ö,  das  im  Gr.  Lat.  als  o  erscheint  und  hier  deutlich  von  a  zu 
scheiden  ist. 

Flut,  gr.  .tAwto?  (plütös) ;  —  Mühe,  1.  möles,  gr.  uw^.og  {mdlos) ;  —  Ruder  im  Ablaut  zu 
1.  remus;  —  Ruhe,  gr.  g^«»/  (eröw) ;  — /u/n  zu  got.  döms  'Urteil'  und  dies  zu  gr.  ücof^ög  {thömös) 
'Haufe'. 

2.  Idg.  a,  lat.  ä,  gr.  dor.  ä  (ä),  ion.  att.  >/  (ce). 

Bruder,  \.f rater;  —  Buche,  1.  fägus,  gr.  T^j/yoc  {phcegös) ;  —  ßu^,  gr.  :Tiiyvg  {pwkhys);  — 
füge,  gx.jiriYvvi.u  (pcegnymf),  1.  compages  ,Zusammenfügung';  —  Futter,  l.pabulum;  — Hube, 
gr.  xfiTio?  (kcepos) ;  —  Hure,  1. cürä;  —  Mutter,  1.  muter,  gr.  fit]rijQ  {mcetcer) ;  —  /?üö^,  1.  m/7fl ;  — 
Stuhl,  gr.  0r//A>;  {stdlce);  —  süß,  1.  suävis,  gr.  »y^t;?  (Jicedys). 

Germ.  7,  d.  ei  entspricht 

1.  idg.  ei,  gr.  ei  (e),  1.  /: 

leihe,  gr.  Ae/.tco  (/e/>ö) ;  —  steige,  gr.  oisr/jo  {stekhö) ;  —  zeihe,  gr.  öeiy.rvfu  {diknymi). 

2.  idg.  ?,  gr.  lat. «: 
Schwein,  1.  sulnus;  —  ^r  s^/,  1.5*/. 

Germ,  n,  d.  aw,  ö,  o  entspricht  idg.  ii,  1.  «,  gr.  v  (g). 

Braue,  gx.dtpovg  (ophrys);  —  braun,  gr.  (pQvvt]  {phryme  'Kröte';  — faul,  1. />w5 'Eiter' ;  — 
Haut,  l.  scütum  'Schild',  gr.  axmog  (skytos);  —  Maus,  1.  müs,  gr.  /tvg(mys);  —  Sau,  Lsas, 
gr.  vg  (hys);  —  sauge,  1.  sügo;  —  Zaun,  kelt.  danum,  z.  B.  in  Lugdimum. 

Germ,  eu,  d.  i{e)  und  eu  entspricht  idg.  eu,  gr.  ev  (eu),  1.  «7. 

biege,  gr.  cpsvyoj  {pheugö)  'fliehe';  — gieße,  gx.yjo)  (kheö)  aus  '^khewö;  —  Licht, gx.levxög 
(leukös)  'weiß' ;  —  neu,  gr.  v£(J^og  (newos) ;  —  ziehe,  1.  daco. 

Zm  weitern  Übersicht  der  Lautvertretungen  möge  die  folgende  Tabelle 
dienen. 


Idg. 

Got. 

Ahd. 

Air. 

Lat. 

Griech. 

Aind. 

Awest. 

Slawisch 

Lit. 

Arm. 

Alb. 

i 

/;  e  vor 
r,h 

/;  ^  durch 
fl-Umlaut 

/;  e 
durch 
fl-Um- 
laut 

/;  e 
vor  r 
aus  5 

i 

/ 

/ 

i 

i 

u 

/ 

/ 

u 

u.ovor 
r,h 

u;  0  durch 
a-Umlaut 

u;  0 
durch 
a-Um- 
laut 

u;  0 
vor  r 
aus  s 

V 

u 

u 

ä 

u 

u 

e 

/;  e  vor 
r,h 

^;/vorNas. 
4-  Kons., 
vory, /der 
folgenden 
Silbe,  vor 
u  der  fol- 
genden 
Silbe 

e 

e,i 

£ 

a 

a 

e 

e 

e;  /vor 

Nas. 

ie\  d; 

/vor 

Nasal 

3* 


36 


Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


Id«. 

üot. 

Ahd. 

Air. 

L;it. 

(iriccti. 

Aiiul. 

Awest. 

Slawisch 

Ui. 

Ann. 

Alb. 

d 

a 

0 

.    a 

1 

a ;  V  durch 
/-Umlaut 

1- 

0 

a 

0 

11 
(1 

/ 
/    a 

1 

11 

■  n 

■  a 

11 
i 

o 

11 

a 

0 ;  u  vor 

Nas.  -f 

Kons. 

/ 

)    a 

i 

/ 

t 

i 

l 

i 

\ 

i 

i 

ei 

e 
ü 

1 
ü 

fi 

V 

r 
ü 

ei,  ie 

('  in  letz- 
ter, /  in 
nicht 
letzter 
Silbe 

u 

oi,  u 

? 

oi,  u 

i 

ü 

ü 

ü 

y 

ü 

ü.i 

ou 

au 
eu 

1  an 
iu 

ou,  Ö 
iu,  io 

ö,ua 

ü 

au 
ü 

e 

II 
ö 

ae 
oe,  ü,t 

or 

SV 

av 
ov 

0 

ü 

au 

e 
a 
e 

f*e 

e 

ä 

l 

V 

a 

e 

e 

i 

a 
u 

0 

ä 
ö 

ö 
ai 

uo 

a 

CO 

1  '■ 

0 

uo 

ai,  ie 

0 

e 

ai 
oi 

ai;  e  vor 
r,  h,  w 

ae,  ai 
oe,  oi 

ac 

Ol 

e 

e 

e,  ji- 

ai 

e;  i 

h 

hl 

i  or,  ui 

ur,  ul 
or,  Ol 

ri 

na 

r 

ar  {3) 

ir,  n  {rJ, 
rd,  li,  In) 

ir,  11 

1  ""■,  il 

ar,  ra, 
al,  la 

ri 

er,  el 

ar,  al 

air.  im, 
/>z;gall. 

brit. 
am,an, 

ar,al 

ao,  a?. 

ir,  ur 
a 
an 

ar 

ir 

n,  m 

un, 
um 

un,  um 
on,  om 

en 

a 

a 
an 

? 

i   ^" 

am,  an 

e 

en,em 

am,  an 

an 

av 

in 

? 

eraij) 

or,  ul 

ur,  or, 
ul,  Ol 

ra,  1(1 

rä,  kl, 
ar,al 

aga, 

a).a, 

oä,  la 

ir,  ür 

wie  r,  1, 

aber  mit 
abwei- 
chendem 
Akzent, 
serb. 
r,  ü 

ir,  il 

etld, 
etrid 

un,  um 

un,  um 
on,  om 

nä 

nä,an 

)•/;,  ara 

a,  an 

wie  \i,  m 
aber  mit 
abwei- 
chendem 
Akzent 

in,  im 

§  29.  Der  Ablaut,  Die  Kenntnis,  wie  sich  die  einzelnen  Laute  entwickelt 
haben,   genügt  indessen   nicht  für  etymologische  Zwecke,   man  muß  auch 


§  29.  Der  Ablaut.  37 


wissen,  daß  die  Vokale,  abgesehen  von  den  schon  erwähnten  Fällen,  be- 
reits im  Indogermanischen  vielfach  miteinander  wechselten.  Wir  nennen 
diese  Erscheinung,  die  die  ganze  Sprache  vollkommen  durchsetzt,  mit  einem 
Ausdruck,  den  J.  Grimm  geprägt  hat,  Ablaut.  Die  Gesetze  des  Ablauts  sind 
verhältnismäßig  einfach,  wenn  man  auf  die  indogermanische  Grundsprache 
zurückgeht,  sie  werden  aber  verwickelt  durch  die  zahlreichen  Veränderungen, 
die  der  Vokalismus  im  Laufe  seiner  geschichtlichen  Entwicklung  erleidet. 
Das  Germanische  hat  außerdem  den  Ablaut  analogisch  ausgedehnt  und  in 
ein  System  gebracht.  Wir  können  hier  nicht  auf  alle  Arten  des  Ablauts 
eingehen,  können  vielmehr  nur  die  wichtigsten  Typen  anführen. 

Man  unterscheidet  zwei  Arten  des  Ablauts. 

I.  Der  qualitative  Ablaut  oder  die  Abtönung. 

Dieser  besteht  in  dem  Wechsel  von  e  mit  o  und  p  mit  o,  was  sich  im 
Germanischen  als  Ablaut  e—a  und  e. — 0  (d.  a—rC)  zeigt.  Der  einfache  Ab- 
laut wird  aber  weiter  dadurch  verändert,  daß  sich  andere  Laute  mit  dem 
Vokal  e  verbinden.  So  wird  i.^.ei  zu  ahd.  f,  und  wir  erhalten  daher  regel- 
recht 7 — ai,  und  da  ai  zuweilen  zu  e  wird,  1 — e.  Im  Neuhochdeutschen 
aber  entwickelte  sich  1  wieder  zu  ei,  und  so  können  wir  den  Ablaut  nicht 
mehr  auseinanderhalten.  Wohl  aber  ist  er  im  Englischen  erhalten.  Vgl. 
write  —  wrote  'schreiben';  ride — ro^^ 'reiten' ;  strlde  —  strode  %\xt\\tri  \ 
drlve  —  drove  'treiben'. 

Es  folgen  nun  die  verschiedenen  Ablautsreihen. 

1.  Ablautsreihe:  Idg.  ei  —  oi,  germ.  t  —  ai,  ahd.  1  —  ai,  e,  nhd.  ei  —  ei, 
aber  engl,  i  —  o,  s.  o. 

2.  Ablautsreihe:  Idg.  ^m  —  ou,  germ.  ^m  —  au,  ahd, /«, /o  —  oii,  ö,  nhd. 
eu,  ie  —  au,  0. 

fliehe,  floh;  ziehe,  zog;  biete,  beutst,  bot;  krieche,  kroch;  frieren,  fror;  kriechen,  kroch; 
sieden,  sott;  verlieren,  verlor;  schießen,  schoß,  Schoß;  schließen,  schloß. 

3.  Ablautsreihe:  Idg.  er,  el  —  or,  ol,  germ.  ahd.  nhd.  er  —  ar. 

werden,  ward;  sterben,  starb;  helfen,  half;  gelten,  galt;  dreschen,  drasch;  bersten, 
barst;  werfen,  warf. 

Idg.  en  —  ort,  germ.  en  —  an,  ahd.  en,  in  —  an,  nhd.  en,  in  —  an. 

binden,  band;  schwimmen,  schwamm;  beginnen,  begann;  trinken,  trank:  singen,  sang; 
sinken,  sank;  ringen,  rang;  springen,  sprang;  rinnen,  rann;  spinnen,  spann;  gewinnen, 
gewann;  stinken,  stank;  schwingen,  schwang. 

4.  Ablautsreihe:  Idg.  e  —  o,  germ.  e  —  a,  nhd.  e,  i  —  a. 

geben,  gab;  essen,  aß;  messen,  maß;  vergessen,  vergaß;  bitten,  bat;  sitzen,  saß; 
gewesen,  war. 

5.  Ablautsreihe:  Idg,  e  —  0,  germ.  e  —  0,  ahd.  a  —  uo,  nhd.  «  —  ü. 

Tat,  tun;  —gräßlich,  grüßen;  —  braten,  brüten;  —  spät,  sputen. 

II.  Der  quantitative  Ablaut  oder  die  Abstufung.  Die  Abstufung 
ist  im  Indogermanischen  im  wesentlichen  durch  die  Wirkung  des  Akzentes 
entstanden.  Einerseits  sind  die  kurzen  Vokale  ausgefallen,  die  langen  sind 
geschwächt  und  erscheinen  im  Germanischen  als  a.  Das  nennen  wir  Schwund- 


38  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

stufe.  Anderseits  sind  aber  auch  vollbetontc  Vokale  unter  dem  Einfluß  des 
Akzentes  s^edchnt,  das  nennen  wir  Delinstufe. 

Da  sich  im  Germanischen  die  kurzen  und  langen  Vokale  verschieden 
entwickelt  haben,  so  entsteht  hier  wieder  eine  neue  Abtönung.  So  erscheint 
z.  B.  die  Abstufung  e  :  <■  (Dehnstufe)  als  i\  i  :  n  (sitzen  :  saßen)  oder  a  :  ä 
als  a  :  u  [graben  :  Grube;  —  fahren  :  Fuhre). 

Beispiele: 

e:e:  geben  :  Gabe;  —  nehmen  :  nahmen ;  —  gebären  :  Bahre,  e. hier;  —  bredien  :  Bradie, 
Bruch ;  —  bewege :  Woge ;  —  essen  .Aas;  —  messen :  Maß. 

a:ir.  backen  :  gr.  qHÖyrtr  (phögen)  'braten,  rösten';  —  bannen  :  I.  fari,  gr.  qptjul  {phwmf) 
'spreche;  —  baß,  besser: Buße;  —  fahren:  Fuhre,  führen;  —  graben  :  Grube,  grübeln;  — 
Name :\.  Wimen;  —  sdiwelen  :  schwül;  —  scfiwören,  ahd.  swerian: Schwur;  —  stemmen: 
ungestüm;  —  stapfen  :  Stufe;  —  wachsen  :  Wucfier. 

Eindeutiger  sind  die  Ablautsvcrhältnisse,  wo  die  Laute  /,  u,  r,  /,  m,  n 
mit  e  verbunden  sind.  Hier  fehlt  die  Dehnstufe  meistens,  und  die  Schwund- 
stufe erscheint  als  /,  w,  i\  l,  m,  9,  d.  h.  d.  /,  e,  u,  0,  ur,  or,  ul,  ol,  um,  om,  un,  on. 

1.  ei :  i,  gr.  /.fineir  :  Äurslr  {It'pcn  :  lipen): 

steigen  :  gestiegen ;  —  bleiben  :  geblieben ;  —  Beil :  Bille ;  —  beißen  :  Biß,  bitter;  —  heiß: 
Hitze ;  —pfeifen  :  Pfiff;  —  reißen  :  Riß,  ritzen ;  —  reiten  :  Ritt,  Ritter;  —  sdileichen :  Schlich ;  — 
schleißen:  Schlitz;  —  schmeidig:  Schmied;  —  schmeißen  :  Schmiß;  —  schneiden  :  Schnitt; 
schreiben  :  Schrift;  —  schreiten  :  Schritt;  —  seihen  :  sickern;  —  streichen :  Strich. 

2.  eu  {au) :  u,  gr.  (pevyeiv  :  cpvyelv  (pheugfn  :  phygen). 

fließen  :  Fluß;  —  Bries  :  Broschen ;  —  gießen  :  Guß;  —  fliehen : Flucht ;  —  fliegen  :  Flug, 
Flügel;  —  schieben  : Schub,  Schober,  schuppen,  Schuppe:  —  bieten  :  Gebot,  Bote;  —  biegen: 
gebogen,  Bogen,  Bucht,  Bügel;  —  bieten :  Gebot;  —  lieb :  Lob;  —  bloß:blutt;  —  kiesen  :  {\Va[)- 
küre;  —  klieben  :  Kluft;  —  Licht :  Lohe;  —  schliefen  :  schlüpfen;  —  schmiegen  :  schmüdien, 
schmuggeln;  —  schießen  :  Schütze;  —  schließen  :  Schluß;  —  sieden  :  Sod,  sudeln;  —  stoßen  : 
Stutz;  —  saufen  :  Suff:  —  taub:  toben;  —  triefen  :  Tropfen;  —  taugen  :  tüchtig,  Tugend;  — 
taufen  :  tupfen ;  —  ziehen :  Zucht,  zucken. 

3.  er,  el,  em,  en  (ar,  al,  am,  an) :  x,  l,  m,  9  (gr.  jieq&eiv  :  :Tgade7r  {perthm : 

prathen). 

werden  :  wurde;  —  binden  :  Bund;  —  winden: gewunden;  —  {ge)bären  :  Bürde;  —  wert: 
Würde;  —  got.  gairda  :  Gürtel;  —  Berg :  Burg;  —  bergen  :  Borg,  Bürge;  —  brechen  :  Bruch ;  — 
Birke :  Borke?;  —  Brink  :  Brunkel;  —  brennen  :  börnen,  Brunst;  —  Bengel :  Bunge '  Trom- 
mel'; —  darben  :  dürfen;  —  Darre  :  dürre,  Durst;  —  melken  :  Molken;  —  Halde :  hold;  — 
Kern :  Korn ;  —  Werk :  wirken  {tig.würken,  goX.waürkjan)  ;  —  Dank :  dünken ;  — finden :  Fund;  — 
hehlen  :  Hülle;  —  krumpfen  :  krumm;  —  Milch  :  Molken;  —  schlingen  :  Schlund;  —  schnar- 
ren :  schnurren;  —  schrinden  :  Schrunde;  —  Schimmer:  Schummer;  —  schinden  :  Schund;  — 
schwingen  :  Schwung;  —  sprechen  :  Spruch;  —  springen  :  Sprung;  —  Stelze :  Stolz;  —  Salz: 
Sülze;  —  werfen  :  Wurf. 

4.  e  zu  Null. 

lat.  genu :  d.  Kn  -  ie ;  gr.  Ööqv  'Eiche',  got.  tr-iu,  e.  tree ;  d.  sehen  :  d.  schauen  (ahd.  sk-ouwön). 

Sehr  bemerkenswert  und  für  die  Herkunft  der  Wörter  wichtig  ist,  daß 
die  verschiedenen  Ablautsstufen  in  gewissen  Nominal-  und  Verbalbildungen 
regelmäßig  erscheinen. 

1.  Abtönung  findet  sich  häufig 

a)  bei  den  ursprünglichen  0-  und  ä-Stämmen  (lat.  2.  und  I.Deklination), 


§  29.  Der  Ablaut.  39 


wenn   sie  Verbalabstrakta   sind.     So  Band  zu   binden,   Trank  zu   trinken, 
Drang  zu  dringen,  Klang  zu  klingen ;  s.  §  93,  1 . 

b)  in  den  Kausativen  oder  Faktitiven.  Sie  sind  mit  j  gebildet  und 
zeigen  daher  jetzt  Umlaut. 

ätzen,  got.  atjan  :  essen ;  —  brennen,  got.  brannjan  -.  got.  brinnan ;  —  tränken  :  trinken ;  — 
legen  :  liegen ;  —  nähren  :  genesen ;  —  rennen  :  rinnen ;  —  senken  :  sinken ;  —  senden  :  ahd. 
sinnan  'reisen' ;  —  setzen  :  sitzen ;  —  zähmen  :  ziemen ;  —  beitzen  :  beißen ;  —  fällen  -.fallen ;  — 
fähren  -.fahren;  —  hängen  :  hangen-,  —  ersäufen  :  saufen;  — säugen  :  saugen;  —  sprengen: 
springen ;  —  stäuben  :  stieben ;  —  verschwenden  :  schwinden ;  —  flößen  :  fließen ;  —  sengen  -. 
singen ;  —  senken  :  sinken ;  —  schwemmen  :  schwimmen. 

2.  Schwundstufe  findet  sich  vornehmlich  bei  den  /-Abstrakten: 

Biß,  Griff,  Schritt,  Schlitz,  Schnitt,  Aufstieg,  Stich,  Strich,  Riese;  —  Trug,  Flug,  Fluß, 
Guß,  Lug,  Nutz,  Schuß,  Schluß,  Zug;  —  Bruch,  Spruch,  Trunk,  Fund,  Sturz,  Sprung. 

Ihr  Geschlecht  ist  männlich.  Daneben  stehen  gleichartige  weibliche 
Verbalabstrakta,  die  mit  Suffix-//  gebildet  sind. 

Trift,  List;  —  Kluft,  Flucht,  Sucht,  Zucht;  —  Notdurft,  Brunst,  Gunst,  Kunst,  Ver- 
nunft, Zunft,  Geburt,  Geduld,  Schuld. 

Weitere  Ablautserscheinungen  sind  im  Deutschen  selbst  nicht  mehr 
von  Bedeutung,  wohl  aber  sind  sie  wichtig  für  die  Aufstellung  von  Ver- 
gleichungen  innerhalb  des  Germanischen  und  zwischen  dem  Germanischen 
und  den  verwandten  Sprachen.  Sie  beruhen  im  wesentlichen  auf  den  unter  I 
und  II  gegebenen  Erscheinungen.  Ihre  Wesenheit  liegt  aber  darin,  daß  es 
sich  um  den  Ablaut  mehrerer,  gewöhnlich  zweier  Silben  handelt.  Da  der 
Vokal  jeder  unbetonten  Silbe  geschwächt  wurde,  in  einem  Wort  aber  immer 
nur  eine  Silbe  vollbetont  war  und  der  Akzent  wechselte,  so  kann  ein  Ver- 
hältnis entstehen:  Vollstufe -f  Schwundstufe  und  Schwundstufe  +  Vollstufe. 
Man  nennt  dies  nicht  ganz  treffend,  aber  doch  deutlich  Schwebeablaut. 
Man  kann  zwei  Fälle  unterscheiden. 

1.  Steht  in  der  zweiten  Silbe  ein  kurzer  Vokal,  so  nennen  wir  das 
eine  leichte  Basis. 

2.  Steht  in  der  zweiten  Silbe  ein  langer  Vokal,  so  nennen  wir  dies 
eine  schwere  Basis. 

1.  Die  leichten  Basen. 

Diese  Fälle  sehen  so  aus,  als  ob  eine  Metathesis  stattgefunden 
hätte, 

d.  Riegel,  1.  arceo  'halte  ab';  —  d.  arg,  an.  ragr  'böse,  feige,  nichtswürdig';  —  Reb- 
huhn, an.  iarpe  'Haselhuhn';  —  d.  Reff  'Gestell  zum  Tragen',  1.  corbis;  —  d.  Reff  'altes 
Weib',  eig.  'Leib,  Knochengerüst',  1.  corpus;  —  d.  drediseln,  1.  torquire;  —  d.  fragen,  ahd. 
fergön  'bitten,  fordern';  —  d.  Brett,  d.  Bord;  —  d.  rächen,  1.  eig.  'verfolgen',  lit.  vargas 
'Not';  —  sterben,  d.  streben;  —  d.  Kolben,  1.  globus  'Kugel';  —  d.  Nagel,  1.  unguis,  gr. 
övv'^  (önyks);  —  d.  Nabel,  1.  umbilicus,  gr.  oncpalög  (omphalös);  —  d.  Kamm  aus  ahd.  kamb, 
d.  Knebel;  —  d.  Napf,  d.  Humpen;  —  d.  Süden  aus  *sund,  gr.  »070^^  (nötos)  aus  *snotos;  — 
d.  wachsen,  1.  augire;  —  d.  Knie,  got.  kniu,  I.  genu,  gr.  yow  (göny);  —  engl,  tree  'Baum', 
got.  triu,  gr.  d6gv{döry);  —  d.  rot,  ahd.  röt,  gx.  igvOgög  {erythros),  —  d.  brauen,  ahd.  briuwan, 
l.  fervere;  —  d.  sehen,  got.  saihan,  idg.  '*sekw,  d.  schauen,  idg.  *skou. 

2.  Die  schweren  Basen. 


40  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

In  diesen  Füllen  steht  in  der  zweiten  Silbe  ein  langer  Vokal  oder  dessen 
Ablaut  P,  ijerm.  a. 

d.  Arm,  I.  nimiis  'Zweig';  —  d.  Ruder,  gr.  igrtftöe  (eretmös);  —  d.  rühren,  gx.xfoät- 
vvut  (kerdnnymi)  'mische';  —  d.  Kranicfi,  gr.  yrnarrK  (geranos);  —  d.  trüben,  gr.  Tnimaoo) 
(tarässu)  'verwirre';  —  d.  Wurzel,  an.  rot  'Wurzel';  —  d.  Wrak,  gr.  in'iyrvin  {rfkgnymi) 
'breche';  —  d.  lau,  ahd.  lno,  I.  calidus;  —  d.  kalt,  1.  gelidus,  glacits:  —  d.  Name,  gT.ovofiu 
(önoma),  1.  n«men;  —  d.  kennen,  1.  misco. 

Erschöpft  sind  mit  diesen  Fällen  die  Ablautsverhältnisse  noch  nicht, 
doch  würde  eine  weitere  Darstellung  über  den  Rahmen  dieses  Buches 
hinausführen.  Jedenfalls  werden  durch  eine  Klarstellung  der  Ablautsformen 
eine  ganze  Reihe  von  Wörtern  als  verwandt  erkannt  und  somit  ihrem  Ur- 
sprung nach  aufgehellt. 

§  30.  Konsonantismus.  Der  neuhochdeutsche  Konsonantismus  zeigt  gegen- 
über dem  althochdeutschen,  wie  er  im  Ostfränkischen  vorliegt,  keine  durch- 
greifenden Veränderungen,  wenigstens  in  der  Schreibung.  Die  wesentlichsten 
Abweichungen  sind: 

1.  Ahd.  mhd.  ;,  das  aus  /  entstanden  ist,  wird  s.  Infolgedessen  hat 
das  nhd.  5  {ss)  zweierlei  Ursprung.  Das  mhd.  ahd.  ;  erkennt  man  mit 
Leichtigkeit  durch  Vergleich  mit  dem  Englischen  oder  Niederdeutschen. 
Beispiele  s.  o.  S.  10. 

2.  Ahd.  mhd.  h  schwindet  zwischen  Vokalen  und  nach  Konsonanten, 
wird  aber  in  der  Schrift  vielfach  beibehalten,  allerdings  auch  fälschlich  hinzu- 
gesetzt. Beispiele  siehe  oben.  Im  Anlaut  ist  es  in  den  Verbindungen  hw,  hr, 
hl,  hn  verloren  gegangen,   hw  erscheint  im  Englischen  als  wh. 

Wal(fisdi)  e.  whale,  apreuß.  kalis  'Wels',  lat.  squalus  "ein  größerer  Meerfisch';  — 
weder,  gx.^iöxsoog  {pöteros)  'wer  von  beiden';  —  Weile,  e.  white  zu  lat.  quies;  —  weiß, 
e.  white,  got.  h'eits,  ai.  svitnah;  —  Weizen,  t.wheat;  —  Weif,  e.  whelp,  gr.-oxvka^  (skylaks), 
'Tierjunges' ;  —  wer,  was,  e.  who,  what,  1.  quis,  quod;  —  werben,  got. hairban.  eig.  'drehen',  viel- 
leicht zu  g\.  y.aono:  (karpös)  'Handwurzel';   —   Werft  zum  vorigen;   —wetzen,  t.whet. 

Rabe,  vgl.  Hrabanus;  —  Radien,  gr.  y.oayöv  {kragön)  'laut  schreiend';  —  ragen,  gr. 
xgoaaat  (krössai)  'Dachzinnen';  —  Räude,  1.  crüdus  'blutig,  roh';  —  Reff  "Traggesteir, 
vielleicht  zu  1.  corbis  'Korb';  —  Reff,  ags.  hrif  'Leib',  1.  corpus;  —  Reif,  ahd.  hrtfo;  — 
rein,  1.  cerno  'sichte';  —  Reiter  'Sieb',  1.  cribrum;  —  Reis  'Zweig',  ahd.  hris;  —  rette,  ai. 
frathäjami  'löse';  —  Reue,  ahd.  hriuwa;  —  Ried.  ir.  crüaid  'hart,  fest';  —  Rind,  ahd. 
hrind;  —  Ring,  abg.  kragn  'Kreis';  —  Rispe,  1.  crispus  'kraus';  —  Ritten  'Fieber',  ir.  crith 
'Zittern';  —  Rogen,  \\\.  kurkulal  'Froschlaich';  —  roh,  1.  crüdus;  —  Roß,  t.  horse  zu  lat. 
currere;  —  Rotz,  gr.  xögvCa  (köryza)  'Schnupfen';  —  Rücken,  \.  crux;  —  Rüde,  entlehnt 
abg.  dinitii;  —  Ruf,  rufen,  got.  hrüps,  hrupjan;  —  Rufe  "Schorf,  lett.  kraupa  "Grind  der 
Pferde';  —  Ruhm,  ahd.  hruom;  —  Runge,  got.  hrugga  'Stab';  —  rüsten,  gr.  y.noiooo)  'wappne'. 

ladien,  gr.  y./.coaaeir  (klössin)  'glucken';  —  beladen,  lit.  klöti  "hinbreiten';  —  Laib, 
got.  hlaifs,  1.  libum ;  —  lau,  1.  calere  'warm  sein' ;  —  laufen,  gr.  y.cu.-T>j  {kalpce)  'Trab' ;  —  lauter, 
1.  cluere  'reinigen';  —  Lehne,  gr.  yJ.tvt]  {klfme)  'Lager';  —  lehnen,  1.  incUnüre;  —  Leite 
'Berghang',  gr.  y.'/.nvg  (klitys);  —  Leiter,  1.  clltellae  'Saumsattel';  —  Leumund,  ahd.  hliumunt 
zu  gr.  y.'/.vELf  {klyin)  'hören';  —  Lid,  e.  lid  'Deckel',  zu  asächs.  ahlidan  'sich  erschließen';  — 
Los,  goL  hlauts;  —  losen  'hören',  gr.  y.'/.vco  (klyö). 

Nadien,  air.  cnocc  'Hügel';  —  Napf  mit  Schwebeablaut  zu  Humpen;  —  naschen  zu 
got  hnasqus  'weich,  fein';  —  neigen,  l.cünivere;  —  nieten  z\i  ahd.  bihniotan  'befestigen';  — 
Nuß,  ags.  hnutu,  e.  nut,  1.  nux. 


§  30.  Konsonantismus.  41 


Im  Auslaut  und  vor  t,  s  ist  h  als  ch  erhalten,  so  daß  oft  Doppelformen 
entstehen. 

hodi  :  Höhe;  —  Raiidiwerk  :  rauh;  —  Gesicht :  sehen;  —  Geschichte  :  geschehen;  — 
dic/it,  vielleicht  zu  gedeihen;  —  Flucht -.fliehen;  —  Zucht:  ziehen;  —  Licht:  Lohe:  —  Fuchs: 
mhd.  vohe  'Füchsin'. 

3.  Ahd.  sk  wird  sdi  (s).    Beispiele  s.  §  17  a. 

4.  wr,  wl  haben  ihr  w  verloren,  doch  hat  sich  das  w  im  Nieder- 
deutschen erhalten  und  einige  Wörter  sind  daraus  in  die  Schriftsprache 
aufgenommen  worden,  vgl.  §  170  B,  1. 

lispeln,  ndrhein.  wlispen,  ags.  wlisp  'mit  der  Zunge  anstoßend';  —  Antlitz,  ags.  and- 
wlita;  —  Radie,  e.  wreak;  rächen,  e.  wreak,  1.  ärgere;  —  Range  zu  nd.  wrangen  'sich 
winden,  ringen';  —  Ränke,  e.  wrendi;  —  Rasen,  mn6.wrase,  nnd.wrose,  vielleicht  zu 
gr.  eoaij  (ersce)  'Tau';  —  Recke,  e.  wretdi  zu  rächen;  —  reiben,  ndl.  wrijven;  —  reißen, 
e.  write;  —  Reitet  'Drehstange',  nd.  wreil;  —  renken,  ^.wrendi  'drehen';  —  Riese,  asächs. 
wrisiiik;  —  ringen,  nd.  wringen;  —  Riß  'Handgelenk',  e.  wrist;  —  Rüge,  nd.  wroge,  wröge 
'Geldbuße' ;  —  Rüssel,  ags.  wröt  'Rüssel'. 

5.  mb  wird  zu  mm. 

dumm,  e.  dumb,  gr.  zv<pl6g  (typhlös)  'blind';  —  Hummel,  e.  humblebee:  —  Imme, 
ahd.  imbi,  gr.  e^mig  (empis)  'Stechmücke';  —  Kamm,  e.  comb,  gr.  yöfifpog  (gömphos);  — • 
klimmen,  e.  climb;  —  krumm,  e.  crump;  —  Kummer,  mhd.  kumber,  frz.  encombrer;  — 
Lamm.  e.  lamb  gr.  Rarfog  (elaphos)  'Hirsch'  aus  *ebnbhos;  —  Lümmel,  mhd.  lumbel  <  1.  lum- 
bus  'Lende';  —  Samstag,  ahd.  samba^tag;  —  schlimm,  ahd.  slimbi  'Schiefe';  —  Schlummer, 
e.  slumber;  —  Stummel,  ahd.  stumbal;  —  um,  ahd.  umbi,  gx.  aucpi  (amphi);  —  Wamme, 
e.  womb;  —  Zimmer,  e.  timber,  gr.  6äi.mQ  (ddmar)  "Gattin'. 

6.  5  wird  zu  s  anlautend  vor  /,  m,  n,  w,  t,  p. 

Beispiele  für  st,  sp,  in  denen  ja  auch  die  Schreibung  bewahrt  ist, 
s.  §  17  b,  c. 

Schlack,  Schlackerwetter  zu  ahA.  stach  'schlaff',  gx.  layagög  (lagarös)  'schmächtig';  — 
sdilaff,  dazu  schlafen,  abg.  slabä  'schlaff;  —  sdilagen,  air.  slactha  'geschlagen';  —  Schlange, 
lit.  slinkti  'schleichen';  —  Sdüehe,  abg.  sliva;  ■—  Schleim,  zu  lat.  limax  'Wegschnecke';  — 
schliefen,  schlüpfen,  1.  lübricus;  —  schließen,  ahd.  slio:an,  1.  claudo,  ursprünglicher  Anlaut 
skl-;  —  schlimm,  lett.  shps  'schräg,  steil';  —  schlingen  zu  Schlange  s.  d.;  —  Sdilitten,  lit. 
sl'isti  'gleiten',  abg.  sledü  'Spur';  —  schlucken,  ix.  sluccim  'verschlucken',  gr.  /.i','oj  (lyzö) 
'schlucke'. 

Sdimach  zu  ahd.  smnhi  'klein,  gering',  gx.^axpög  (m'ikrös);  —  sdimal,  1.  malus  'schlecht', 
gr.  iLii]?.ov  (mc'elon)  'Kleinvieh';  —  schmauchen,  gr.  ouvyfiv  (smijkhen)  'durch  ein  Schmoch- 
feuer  allmählich  verbrennen';  —  schmelzen,  gx. /^ilöco  (meldö)  'schmelze  aus';  —  Schmer, 
lit.  smars(t)vas  'Fett';  —  Schmerle,  gx.  o/nägig  (smäris)  'kleiner  Meerfisch';  —  Sdimerz, 
gx.  a/iFoörö:,  (smerdnös)  'schrecklich,  gräßlich',  1.  mordere;  —  Schmied,  gx.  o^th]  {smtlce) 
'Schnitzmesser';  —  schmiegen,  lit.  smiikti  'gleiten'. 

Schnabel,  lit.  sndpas;  —  Schnee,  \.  nix,  gx.vF.lqjei  {nephe)  'schneit';  —  Schnur,  ai.sndva 
'Band,  Sehne';  —  Sdinur,  1.  nurus,  gx.  wog  (nyös),  ai.  snu^ä  'Schwiegertochter'. 

Schwager,  ai.  svasurah  'zum  Schwäher  gehörig' ;  —  Schwäher,  1.  socer,  gr.  sxvgög 
{hekyrös);  —  Sdiwaige  'Viehhof,  vielleicht  zu  gx.  oijy.ng  {scekös)  'umzäunter  Platz  für  junge 
Schafe';  —  Schwamm,  vielleicht  zu  gr.  ooiMpög  (somphös)  'schwammig';  —  Sdiwan  zu 
l.  sonus  'Ton',  eig.  'der  Singschwan';  —  schwarz,  \.  sordts  'Schmutz';  —  Schwein  'Hirt', 
lit.  svalnis  'der  Gattin  Schwestermann';  —  Schwein,  go\.  swein,  \.  sulnus;  —  Sdiweiß,  1. 
südor,  gx.  idog  (idos);  —  schwer,  lii  svarüs,  \.  serius  'ernsthaft';  —  Schwester,  \.  soror;  — 


42  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


Sc/iu'ifgiT,  1.  sucnis,  gr.  .'^rnu  (hekyrii);    —   Sdiwirrrn  'Pfahl',    ai.  svi'mih  'Opferpfosten', 
l.  surus  'Zweig,  Pfalil";  —  sdiwörcn,  \.  sermo,  ai.  svö rat i  'tönt,  erschallt'. 

7.  w  nach  /  und  r  wird  h.  Im  absoluten  Auslaut  war  o  entstanden, 
das  später  abfiel,  so  daß  Formen  mit  und  ohne  ö  nebeneinander  stehen. 

albern,  ahd.  alawuri  'ganz  wahr";  —  Erbse,  ahd.  arawei'i,  lat.  ervum;  —  fahl,  falb, 
e.  falloiz',  lit.  palvas  'weißlichgelb';  —  Farbe,  mhd.  varwe;  —  {Siiiaf)garbe,  d\\±  garwa, 
c.  yarrow,  —  gelb,  gehl,  e.  yrllou;  1.  hrlviis;  —  gerben,  ahd.  garawen  -.gar,  ahd.  garo;  — 
herb.  mild,  herwer:  —  kahl.  e.  callow  <  1.  calviis;  —  Mehl.  ahd.  melo,  c.  meal,  südd. 
Melberei;  —  Milbe,  ahd.  miliwa  zu  Mehl;  —  mürbe,  ahd.  muruwi;  —  Narbe,  c.  narrow 
'eng' ;  —  Sperber,  ahd.  sparw-ari,  e.  sparrow-hawk. 

8.  ///  wird  schon  ahd.  z.T.  zu  nd,  so  daß  in  nhd.  nd  urtjerm.  nf)  und  /z<i 

zusammengefallen  sind.  Das  Englische  unterscheidet  die  beiden  Laute  als  th 

und  d.   Vor  dem  ersten  ist  der  Nasal  geschwunden. 

ander,  e.  other  blind,  e.  blind; 

kund,  e.  -coiith  linde,  e.  <'«rf; 

lind,  e.  //7/?r  'langsam'  Z.fl«rf,  e.  land; 

Mund,  e.  mouth  Linde,  e.  linden ; 

/?/rtrf,  ags.  hrlder  gesund,  e.  sound; 

Sund-'Südcn' ,  e.  50u//2  Vr/rtrf,  e.  ic/'/zf/,  1.  ventus. 

9.  Schon  vorahd.  ist  /z  in  unbetonter  Silbe  in  einer  Reihe  von  Fällen 
zu  /  geworden,  sicher  nach  /. 

Esel,  1.  asinus;  —  Kessel,  1.  catmus;  —  Hettel  'junge  Ziege',  anord.  hadna;  —  Himmel, 
got.  himins;  —  Igel,  gr.  yyim;  {ekhinos);  —  Kümmel,  1.  cuminum:  —  Pidielhaube,  mlat.  baci- 
num  'Becken';  —  Wirtel,  abg.  vreteno. 

Außerdem  ist  n  nach  einem  vorausgehenden  n  geschwunden. 

König,  ahd.  kuning;  —  Pfennig,  ahd. phanting. 

10.  Die  Gruppen  br  und  bl  scheinen  inlautend  zu  fr  und  //  geworden 
zu  sein.  Da  in  der  Flexion  neben  Formen  mit  dieser  Lautgruppe  solche 
mit  Zwischenvokal   standen,   so   ergeben   sich  vielfach  Doppelformen,   vgl. 

VON  Bahder  IF.  14,  258  ff. 

Beispiele:  Schaufel  zu  schieben;  —  ahd.  weval  'stamen'  zu  weben,  und  so  auch  wohl 
Waffel  hierher;  —  Frevel  zu  got.  abrs  'heftig,  stark';  —  Schwefel  neben  got swibls;  —  Eifer 
zu  ahd.  eibar  'scharf;  —  sauber,  alem.  safer  aus  1.  söbrius;  —  Bafel  neben  Babel. 

Zum  Teil  handelt  es  sich  hier  auch  um  Entlehnungen  aus  dem  Nieder- 
deutschen, indem  das  spirantische  b  durch  /  ersetzt  wurde. 

11.  Anlautendes  pl  ist  zu  //  geworden. 

fliehen,  got  pliuhan  hat  also  nichts  mitfliegen,  got.  usflaugfan  'emporfliegen  machen' 
zu  tun;  —flehen,  got.  gaplaihan  'freundlich  zureden, liebkosen'.  Außerdem  steht  noch  /  für  p 
in  finster,  ahd.  dinstar  zu  Dämmer. 

Weitere  Abweichungen  siehe  unten  Kapitel  11. 

Die  Haupteigentümlichkeiten  des  Hochdeutschen  gegenüber  den  andern 
germanischen  Dialekten  liegen  in  der  hochdeutschen  (zweiten)  Laut- 
verschiebung, die  schon  in  voraUhochdeutscher  Zeit  eingetreten  ist. 

Dadurch  werden: 

a)  die  stimmlosen  Verschlußlaute  p,  t,  k 

a)  nach  Vokalen  zu  dem  entsprechenden  langen  (doppelten)  Reibelaut, 


§  31.  Urgermanischer  Konsonantismus.  43 

der  nach  langem  Vokal  gekürzt  (vereinfacht)  wird,  also  p  zn  ff  (f);  s  zu  ^7,  (:;), 
nhd.  SS,  ß,  s;  k  zu  hh  (h,  ch)\ 

ß)  im  Anlaut  und  nach  Konsonant  zu  Affrikaten  pf  z,  kch  (letzteres  aber 
nur  in  oberdeutschen  Mundarten). 

Anmerkung.  Vor  /-unterbleibt  die  Verschiebung  des  t.  Es  gibt  kein  zr  im  Anlaut 
Daher  auch  bitter  zu  beißen,  got.  baitrs. 

b)  Altes  p  (engl,  th),  in  alter  Zeit  noch  th,  dh  geschrieben,  wird  d\ 
altes  d  wandelt  sich  zu  t. 

Siehe  darüber  oben  S.  10  ff. 

Eine  weitere  Eigentümlichkeit  des  Westgermanischen  ist  die  sogenannte 
Konsonantendehnung.  Vor  y,  w,  /-,  /,  m,  n  werden  die  Konsonanten  gedehnt, 
was  durch  Doppelschreibung  zum  Ausdruck  gebracht  wird.  Da  sehr  häufig 
Formen,  in  denen  diese  Laute  dem  Konsonanten  unmittelbar  folgen,  neben 
solchen  stehen,  in  denen  dies  nicht  der  Fall  ist,  indem  sich  zwischen  den 
beiden  Lauten  ein  Vokal  entwickelt  hatte,  so  sind  vielfach  Doppelformen 
gebildet  worden,  von  denen  bald  die  eine,  bald  die  andere  gesiegt  hat. 
Durch  diese  Konsonantenverschärfung  werden  eine  Reihe  von  Ausnahmen 
der  Lautverschiebung  erklärt.  So  erwartet  man,  daß  dem  got.  akrs,  e.  acre, 
lat.  ager  im  Deutschen  Acher  entspricht,  wie  wir  machen,  e.  to  make  finden.  Die 
Grundform  war  aber  akra,  was  zu  a^Är  führte,  kk  wird  aber  nicht  verschoben. 

1.  y- Verschärfung.    Dies  ist  der  häufigste  Fall. 

ätzen,  got.  atjan  :  essen;  —  beizen  :  beißen-,  —  drüdien,  an.  prykja;  —  flügge  :  Flug;  — 
ergötzen  :  vergessen;  —  heizen,  e.  heat  aus  *haitjan  :  heiß,  ebenso  Hitze,  asächs.  hittja;  — 
hetzen:  Haß;  —  hüpfen:  hoffen;  —  Lücke:  Loch;  —  netzen,  goi.  naijan  :  naß;  —  Metze  : 
messen;  —  Netz,  e.  net,  got.  nati;  —  Redie, asächs.  wrekkjo'FTemde.T' :  rächen; —  schwitzen  : 
Schweiß;  —  schlüpfen  :  schliefen;  —  schöpfen,  asächs.  skeppian  :  schaffen;  —  sitzen,  e.  to 
Sit,  gv. sCoficu {hezomai) ;  —  wecken: wach;  —  Weizen,  e.  wheat,  got.  Ivaiteis  :  weiß;  —  wetzen, 
e.  to  whet,  got.  gahjatjan;  —  Witz,  e.  wit :  wissen. 

2.  -zy-Verschärfung. 

Ache,  got.  ahia,  1.  aqua;  —  Zeche,  ags.  teoh;  —  Axt,  ahd.  acchus,  got.  aqizi;  —  quick, 
queck,  ags.  cwicu;  —  nackt,  got.  naqaps;  —  Nixe,  ahd.  nicchessa,  nihhus. 

3.  r-,  /-Verschärfung. 

Acker,  e.  acre,  got.  akrs;  —  wacker,  ags.  wacor;  —  Kupfer,  e.  copper;  —  tapfer,  e.  dapper 
'flink,  gewandt';  —  kitzeln,  e.  kittle;  —  sticket  'steil',  ahd.  stecchal. 

4.  n-,  m-Verschärfung. 

Roggen,  ags.  ryge,  e.  rye ;  —  Brocken,  got.  gabruka ;  —  Hopfen,  e.  hop ;  —  Atem,  ags.  ceäm. 

§3L  Urgermanischer  Konsonantismus.  Der  urgermanische  Konsonantismus 
ist  durch  eine  Reihe  von  Lautveränderungen,  unter  denen  die  germanische 
Lautverschiebung  die  wichtigste  ist,  vom  Indogermanischen  geschieden. 
Die  Lautverschiebung  besteht  in  folgenden  Vorgängen: 

1.  Die  Tenues  p,  t,  k  (gr.  lat./?,  t,  k)  werden  zu  tonlosen  Spiranten  /, p,  x. 

2.  Die  Medien  b,  d,  g  (gr.  lat.  b,  d,  g)  werden  zu  /?,  t,  k  (die  der  hoch- 
deutschen Lautverschiebung  unterliegen). 

3.  Die  Mediäaspiratä  bh,  dh,  gh  (lat.  /-,  h-,  -b-,  -d-,  -g-  [-h-],  gr.  g?,  ^,  y) 
werden  zu  stimmhaften  Spiranten  b,  ä,  g,  von  denen  sich  b  und  g  in  einer 


44  ■  -TTEL.    GESC  •  "'    GRLNDSÄTZr   DKR   F.  GIE. 


Reihe  von  deutschen  Dialekten  bis  heute  erhalten  haben,  während  d  früh- 
zeitig zu  d  und  ahd.  weiter  zu  t  wurde. 

Sie  sind  oben  S.  13  ff.  dargestellt  worden. 

4.  Im  Indogermanischen  gab  es  Gutturale  mit  zc'-Nachschlag,  etwa  wie 
lat.  gu,  also  kv,  g"^,  gh'^\  und  diese  werden  germ.  verschoben  zu  hw  (got.  h 
geschrieben),  kw,  gw.  In  der  Verbindung  gw  geht  entweder  das  g  oder 
das  Tc  verloren,  so  daß  Formen  mit  g  und  w  nebeneinander  stehen. 

a)  Anlautendes  hw  wird  nhd.  h  oder  w.  Beispiele  für  den  Anlaut  siehe 
oben  S.  40.   Im  Inlaut  schwindet  das  w. 

1.  aqua,  got.  aha,  d.  Ache,  Aa;  —  d.  leihen,  1.  linquo;  —  d.  sehen,  got.  saihan;  —  d.  er- 
wähnen, zu  1.  Vax,  gr.  Itoz  (epos)  *Wort'. 

b)  Idg.^'  wird  germ.  zu  kw,  in  welcher  Verbindung  das  w  z.T.  schwindet. 
Lat.  erscheint  v-,  -v-,  -g-  gr.  b,  d,  g. 

Quaddel,  gr.  6odtt)r  (dotht^m  'Blutgeschwür';  —  Quappe,  abg.  zaba  'Kröte';  —  quedi, 
L  vivos,  gr.  ßioi  [bios  'Leben';  —  e.  queen.  gr.  -•»•»»;  {gyn<k);  —  kommen,  1.  venio,  gr. 
ßairio  {baino);  —  Kragen,  gt.  ßgöy/o.;  (bröufüios)  'Luftröhre';  —  Kröte,  gr.  ßadrayo^-  (brä- 
takhos)  'Frosch';  —  Kitt,  \.  bitümen  'Erdpech'  mit  b  statt  v,  weil  Lehnwort:  —  Anke  'Butter', 
1.  unguen ;  —  nadit,  goL  naqaps,  1.  nüdus  aus  *nogvedos. 

c)  Idg.  ghiV  erscheint  teils  als  g  mit  Schwund  des  w,  teils  als  w  mit 
Schwund  des  g. 

d.  xrarm.  1.  formus.  gr.  dtofiöc  (thermos);  —  d.  eng,  got.  aggwus,  1.  angustus:  — 
d.  Sdinee,  goL  snaiivs.  1.  ninguit.  gr.  rrUfn  (niphe). 

In  einer  Reihe  von  Fällen  verbindet  sich  das  aus  gw  entstandene  w 
mit  dem  vorhergehenden  Vokal  zu  einem  Diphthong. 

d.  Niere,  ahd.  nioro,  L  nefrünes,  gr.  rttfor^  (nephros) ;  —  d.  Aue  aus  *agwiö  zu  got. 
aha   Wasser'. 

5.  Die  indogermanischen  Labiovelare  sind  in  einer  Reihe  unbestreit- 
barer Fälle  zu  reinen  Labialen  geworden. 

d.  Wolf,  1.  lupus,  gx.i.iy.og  (lykos),  ai.  vrkah;  daneben  an. ylgr  'Wölfin';  —  d.  vier, 
goL  fidwOr.  ai.  catvarah.  1.  quattuor;  —  d.  fünf,  1.  quinque,  gr.  hevti  (pente) ;  —  d.  Ofen, 
aber  got.  aühns.  ai.  ukhd  'Topf:  —  d.  Zweifel  zu  ahd.  zweho  'Zweifel':  —  d.  zwölf.  liL 
dvilika. 

6.  Die  Laute  y,  /,  m,  n,  r,  s,  w,  sind  im  Germanischen  unverändert  ge- 
blieben, abgesehen  von  gelegentlichem  Schwund,  Es  folgt  aber  auch  hier 
eine  Liste  der  Wörter,  die  sichere  Entsprechungen  in  den  veruandten  Sprachen 
haben, 

Jahn,  aL  jänah  'Bahn';  —  Jahr.  gr.  &oa  (horä);  —  Jammer,  gr.  ^usgoc  {himeros) 
'sanft';  —  gären,  gr.  JTf'w  (zeöi;  —  Jäten,  ai.Jdtate  'strebt,  bemüht  sich';  —  Jodi.  \.Jugum, 
gr.  ^fvor  [zygön,;  —  Judiert,  \.  jügerum;  —  Jugend,  \.  iuventus;  —  jung,  \.  juvenis. 

Ladis.  üL  Ui<i<ä,  russ.  losös» ;  —  Lamm,  gr.  e/jiq:(K  (elaphos)  'Hirsch' ;  —  Land,  abg. 
ledina  "unbebautes  Land';  —  lang.  1.  longus;  —  Lappen,  gr./.oßög  (lobös)  'Ohrläppchen';  — 
laß,  l.  lassus;  —  lassen,  gr. /.t/deir  (Ictden)  'müde  sein';  —  Laub,  gr.  }J.^o?  (lepos),  ).o:i6g 
{topos  'Schale,  Hülse';  —  Lauge,  1.  laväre;  —  lecken,  gr.  i.eiyjir  iltkhen\  1.  lingere;  — 
ledten  'mit  den  Füßen  ausschlagen',  gr.  /.«Lr,  /Aybrjv  \läks,  lägdc^nr,  —  Leder,  air.  lethar;  — 
Lefze,  Lippe,  1.  labium;  —  legen,  abg.  loziti;  —  Lehen,  ai.  rtknah;  —  Lehm.  Leim.  1.  limus;  — 
leidit,  gr.  ixaxv:  [elakhys);  —  leihen,  1.  linquo,  gr.  /ftro»  {lipo);  —  Lein.  Linnen.  1.  linum, 
gr.  JLtror  (Unon);  —  Geleise,  l.  /Tra 'Furche';  —  Leiste  'Einfaßstreifen'  vielleicht  zu  \.  litus. 


§  31.  Urgermanischer  Konsonantismus.  45 

'Strand';  —  Lende,  1.  lumbus;  —  lese,  lit.  lesii  'picke  auf;  —  Licht,  1.  lux,  gr.  IvyvoQ  {lykhnos) 
'Leuchte';  —  lieb,  1.  labet;  —  Lied,  gr.  Ivaaa  {lyssä)  'Wut';  —  liederlidi,  gr.  KlEvdeqog  {eleii- 
theros),  1.  llber;  —  liegen,  1.  lectus,  gr.  Ai^os  {lekhos);  —  linde,  1.  lentiis;  —  Linde,  gr.  i'Aar»; 
{elät(p);  —  link,  a\.  lauga-  'lahm';  —  Lodie,  gr.  ^i>yo^  (lygos)  'biegsamer,  junger  Zweig';  — 
lodten,  1.  lacio;  —  Loden,  gr.  Xümog  {läsios)  'rauh,  haarig';  —  Loh  'Busch,  Hain',  1.  lücus;  — 
Lohn,  1.  lucrurn,  gr.  aMokaveiv  {apolaüen)  'genießen';  —  los,  gr.  Ivw  {lyö),  1.  so-lvo;  —  Lot, 
air.  luuide  'Blei';  —  I«c^5,  gr.  Ivy'^  {lytox);  —  lügen,  abg.  lügati;  —  Lust,  1.  lasclvos,  gr. 
hlaiofiai  {lilaiomai)  'begehre'. 

machen,  gr.  //«y/s  (inagis)  'geknetete  Masse';  —  Macht,  abg.  mostl;  —  mager,  1.  macer, 
gr.  fxaxQÖg  {makrös);  —  Mahd,  gr.  äfitjrog  {ämwtos);  —  mähen,  1.  meiere,  gr.  d^a<w  (amäö);  — 
mahlen,  1.  molo;  —  Mähne,  1.  monlle  'Halsband';  —  mahnen,  1.  monere;  —  Mahr,  poln. 
/norfl;  —  Mähre,  kelt.  marka;  —  Maisdie,  abg.  mezga  'Baumsaft';  —  TWa/,  1.  macala;  — 
Alfl/z,  gr. //£7<5f(i'  {melden)  'erweichen';  —  manch,  ahg.  münogil;  —  Mangel,  \.  mancus;  — 
Mann,  ai.  mäniih;  —  yWarÄ  'Grenze',  \.  margo  'Rand';  —  Mark  'meduUa',  abg.  mozgü, 
ai.  majjan-;  —  Masche,  lit.  ma^^as 'Knoten';  —  Mast,  1.  malus  (aus  *mazdos);  —  Mast, 
'Fettmachung',  ai.  medah  'Fett';  —  Maus,  1.  /«m5,  gr.  ^D?  (mys);  —  Meer,  1.  mar^;  —  Mehl, 
alb.  /n/>?;  —  mein,  1.  mens;  —  meinen,  abg.  meniti;  —  melken,  1.  mulgere,  gr.  df^iüysiv 
{amelgtn);  —  Meltau,  1.  /n^/,  gr. /ttUt  (meli);  —  mengen,  lit.  minkiti  'kneten';  —  messen, 
1.  meditari,  gr.  /nideoüai  {medesthai);  —  Ale^,  gr.  /<f/?y  (methy)  'berauschendes  Getränk';  — 
Metze,  1.  modius;  —  /n/V/z,  gr.  e'/fe/e  {emege);  —  michel  'groß',  1.  magnus,  gr.  fisyaXo-  (me- 
galo-);  —  Miete,  gr.  fiiad 6g  (misthös)  'Lohn';  —  milde,  \.  mollis;  —  minder,  \.  minus;  — 
Minne,  1.  memini,  gr.  ^dfiovu  {memona)  'ich  gedenke';  —  Mist,  1.  mingere,  gr.  <^uxsTv 
{omikhen);  —  mit,  gr. /lerd  (metä);  —  Mitte,  \.  medius;  —  Moder,  ai.  mütram  'Harn';  — 
mögen,  gr.  ^if/xog  {mcekhos)  'Hilfsmittel';  —  Mohn,  gr.  fiyx(ov  (mäkön);  —  Möhre,  serb. 
mrkva;  —  Mond,  1.  mensis,  gr. /»/v  {man);  —  Moos,  1.  muscus;  —  Mord,  gr. ßgoxög  {brotös) 
'sterblich';  —  Mücke,  I.  musca,  gr. /ivTu  {myta);  —  Mühe,  1.  möles,  gr.  ^iwlog  {mdlos);  — 
Mund,  1.  mentum;  —  munter,  lit.  mandrüs  'munter';  —  mürbe,  gr.  fiagaivoj  {marainö);  — 
Mut,  gr.  i^ifjvig  {mcenis)  'Zorn';  —  Mutter,  \.  mäter,  gr. /«/t/;o  [mtetöer). 

Nabe,  ai.  nübhi-;  —  Nabel,  1.  umbilicus,  gr.  öf^iqmXög  {omphalös) ;  —  Nachen,  1.  navis, 
gr.  vavg  {naäs);  —  Nacht,  1.  nox,  gr.  i'i;|'  {nyx);  —  nackt,  1.  nüdus;  —  Nadel,  gx.  vfixgov 
{nMron)  'Spindel' ;  —  Nagel,  1.  unguis,  gr.  öVvf  {6nyx) ;  —  nähren,  zu  genesen,  gr.  rg'o/««« 
'kehre  heim';  —  Name,  1.  nömen,  gr.  öVo/<a  {önoma);  —  Narbe,  lett.  nars  'Klammer,  Schrauben- 
zwinge'; —  Narr,  lit.  narsas  'Zorn';  —  A^ase,  1.  näsus,  nares;  —  Natter,  1.  natrix;  — 
Nebel,  1.  nebula,  gr.  vEcpslri  {nephelce) ;  —  Neffe,  1.  nepös,  gr.  dve^piög  {anepsiös)  'Verwandter';  — 
nehmen,  gr.  j£,m£<v  {nemen);  —  Nessel,  ir.  nenaid,  lit.  nendre  'Schilfrohr';  —  A^^5/^,  1.  nldus;  — 
Nestel,  1.  «örf«5  (aus  *nozdos);  —  A^^^^",  1.  nassa  'Fischreuse,  Netz';  —  neu,  1.  novus,  gr. 
rf'oc  {neos);  —  neun,  1.  novem,  gr.  iji'ia  {ennea);  —  Nichte,  1.  neptis;  —  nieder,  abg.  «/^i* 
'abwärts,  unten';  —  Niere,  1.  nefrönes,  gr.vsqygog  {nephrös);  —  niesen,  russ.  njüdiatl  'riechen, 
schnupfen' ;  —  genießen,  lit.  naudä  'Nutzen' ;  —  Nixe,  gr.  vL^eiv  {nizm)  'waschen' ;  —  Nord, 
gr.  vBQTEQog  {nerteros)  'unten';  —  Not,  apreuß.  nautin  'Not';  —  nun,  1.  nunc,  gr.  v?»-  {nyn);  — 
A^u/,  1.  nux. 

Rad,  1.  ro^fl ;  —  Rahe,  lit.  re^/es  'Stangengerüst' ;  —  rasen,  gr.  eqcoeTv  {eröen)  'fließen, 
strömen';  — räß,  1.  rädere  'kratzen';  —  Rast,  gr.  igcoy  (eröce)  'Ruhe';  —  raten,  ahg.  raditi 
'sorgen';  —  rauben,  1.  rumpere;  —  rauh,  1.  rüga;  —  Raum,  1.  rüs;  —  rausdien,  ai.  röiaii  'ist 
unwirsch,  zürnt' ;  —  redit,  1.  rectus,  gr.  oQsxTog  (orektös) ;  —  recken,  1.  regere,  gr.  öqeyeiv  {oregen) ;  — 
/?^rfe,  1.  ratio;  —  regnen,  1.  rigüre;  —  Reihe,  ai.  /"e^/zä  'Strich,  Linie';  —  reiten,  gall.  reda 
'Wagen' ;  —  reuten,  aw.  rao{i)(7ja  'reutbar' ;  —  Riegel,  l.arcere  'verschließen',  gr.  «oxftr  {arken) 
'abwehren' ;  —  Riemen,  gr.  QVf^ia  (ryma)  'Zugseil' ;  —  Riff,  1.  ripa,  gr.  igUrr]  {eripn^)  'Absturz' 
Abgrund';  —  rinnen,  1.  rivus;  —  Rippe,  abg.  rebro;  —  Roggen,  lit.  rugial;  —  Rost,  lit.  rüsvas 
'rotbraun';  —  rot,  1.  ruber,  gr. sQv&gog  {erythros);  —  Rübe,  X.rapa,  gx.gdnvg  {räpys);  —  rüdien, 
1.  vergere;  —  Ruder,  1.  remus;  —  Ruhe,  gr.  eqwt]  {eröS);  —  Rune,  air. rün  'Geheimnis';  —  Rute 
1.  radius;  —  rütteln,  1.  vertere. 


46  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

säen,  1.  stvi;  —  Säge,  I.  secure;  —  sagen,  1.  in-sece,  gr.  n-rmf  {innepe)  aus  *ensekwe;  — 
5fl/i/if,ai.5(ma 'Oberstes  derSomaseihe';  — 5a//e,  lit.Ä/^/os 'Strick  zum  Anbindendes  Viehs';  — 
Salbe,  gr.  f).n<>.:  {t'lpos)  'öl',  kypr.  .•/v«,-  (elphos)  'Butter';  —  Salweide,  1.  salix;  —  Salz,  I.  sal, 
gr.  (Ji/.c  (hiils);  —  Samen,  1.  sitnen;  —  -5o/w,  e.  5fl/r;f,  1.  similis,  gr.  'v/o,-  (/zow()5);  —  Sa/2</,  gr, 
\f'äitni>(K  (psämathos);  —  satt,  I.  satur,  gr.  «oroc  (rfa/os)  'unersättlich';  —  Sattel,  abg.  sedlo;  — 
Sau,  I.  5M.?,  gr.  (■■;  (hys);  —  sauer,  gr.  |io«V  (Ä5yrö5),  lit.  s/iras  'salzig';  —  saufen,  ai.  süpa^ 
'Brühe,  Suppe';  — saugen,  \.sügo;  —  Säule,  gr. it/.<>y  (ksylon)  'Holz, Balken,  Knüttel';  — 5flU5^/i, 
abg.  sysati  'pfeifen,  zischen';  —  secfis,\.sex,  gr.  t;  (heks);  —  sehr,\.saevus;  —  Seim,  gr. m'uv/.o^ 
{/laimylüs)  'sül3,  einschmeichelnd':  —  sind.  1.  sunt;  —  sein,  I.  suus;  —  Senesdiall,  I.  senex;  — 
Sense,  I.  saana;  —  Sessel,  I.  sella,  gr. *•/./.«  {hello);  —  sidi,  I.  s^,  gr.  t'(he);  —  sie,  gr.  fj  {hai);  — 
sieben,  I.  Septem,  gr.  e.-iTä{heptd);  —  Sieg,  gr.  >7;s/>'  {ekhen):  —  Sm/z,  gr.  lo'oc  («f)os)  aus  *5no- 
wos ;  —  Sippe,  ai.  sabhn  'Versammlung' ;  —  Sitte,  gr.  rOog  (ethos) ;  —  sitzen,  1.  sedcre,  gr.  eCount 
{hezomai);  —  Sohn,  Vit  süniis;  —  5o///- 'trocken'  gr.  «ro,-  (flr?05);  —  Sonne,  l.sol;  —  sudien, 
I.  5«^//'<' 'nachspüren,  wittern';  —  Süd  (aus  sund),  gr.vöxog  (nötos)  aus  ^snotos; —  Sühne, 
hsanus  'gesund';  —  süß,  l.suuvis,  gr.  »y^i's  {h(edijs). 

Anmerkung  1.  Inlautend  ist  5  nach  dem  Vernerschen  Gesetz  zu  got.  z,  d.  r  geworden, 
s.  oben  §  18. 

Anmerkung  2.  Vor  stimmhaften  Lauten  ist  5  im  Indogermanischen  zu  z  geworden. 
Mit  den  idg.  Medien  ist  dies  germanisch  zum  stimmlosen  5  geworden. 

Ast,  gr.  iKo;  {özos),  Grdf.  *ozdos;  —  fisten,  l.pcdere  aus  *pezdere;  —  Geist,  zx.htdah 
'Zorn';  —  Gerste,  \.  hordeum  aus  *horzdeum;  —  Mast,  \.  malus  aus  '-mazdos;  —  Mast,  ai. 
midas  'Fett';  —  A^^5/,  I.  nidus aus  *nizdos;  —  Nestel,  1.  nödus aus  *nozdos;  —  Brüsdi  'Mäuse- 
dorn', Wtbrüzgas  'Gestrüpp';  —  Wisdi,  1.  virga;  —  Maisdie,  abg.  mezga  'Baumsaft'. 

Vor  den  idg.  Mediäaspiratä,  germ.  Medien  entsteht  r:  Gerte,  goi.  gazds,  \.  hasta;  — 
Mark,  abg.  mozgü ;  —  Miete,  got.  mizdo,  gr.  uia&ög  (misthös). 

wadien,  I.  vegere;  —  Wadis,  ahg.voskn;  —  wadisen,  I. auger e,gr.aF^Ftv{aexen);  —  Wadie, 
lit.  vagis  'Zapfen.  Pflock';  —  wadier,  ai.  vajra-  'Donnerkeil';  —  Wade,  I.  vatius  'einwärts- 
gebogen, krumm';  —  Waffe,  gr.  o:^/.ov  (höplon);  —  Wage,  I.  vectis  'Hebel';  —  Wagen,  l.vehis, 
gr.  oy_o;{ökhos)  ,Wagen';  —  wägen,  l.veho,  gr.dyjouat {okheomai) 'fahrt  ;  —  Wahn,\.venari;  — 
Wahn  'leer',  I.  vanus;  —  wahr,  l.virus;  —  wahren,  gr.  6oäco  [horäö);  —  Waid,  1.  vitrum;  — 
Wald,  ai.  vatah  'eingehegter  Platz,  Garten';  —  walken,  ai.  välgati  'bewegt  sich  heftig,  springt 
umher';  —  Walm,  ai.  urmlh  'Woge';  —  walten,  I.  valure;  —  Wanst,  1.  venter;  —  Wasser,  gr. 
vbwo  {hydör) ;  —  Wate,  lett.  wad{u)s  .großes  Zugnetz' ;  —  waten,  I.  vüdere;  —  Watt,  1.  vadum ;  — 
weben,  gr.  vffalvco  (hyphainö);  —  Wedisel,  1.  vices;  —  Wedt,  lit.  vagis  'Zapfen,  Pflock';  —  Weg, 
lit.  ve'ze  'Wagen,  Schlittengeleise',  I.  via ;  —  wehen,  gr.  «//o<  {äiesi);  —  wehren,  gr.  eovaOai  (ery- 
sthai);  —  weidien,  gr.  olyrirai  (oignynai);  —  Weide,  'Baum',  gr.  hia  (iten),  oiartj  {oisyce);  — 
Weide,!,  vtnari;  —  weifen 'haspt\n',].vibrdre ;  —  Weigand 'Kämpler' ,  X.vinco;  —  weihen, 
1.  victima;  —  Weise,  gr.  I6ia  (ideä);  —  welken,  lit.  vilgiti  'befeuchtend  glätten';  —  Welle,  lit. 
vilnis;  —  Welt  aus  wer-alt,  l.vir;  —  werden,  I.  verto;  — Werk,  gr.soyov  {ergon);  —  wert, 
1.  vorsus ;  — gewesen,  ai.  väsati;  —  Wespe,  I.  vespa ;  —  Westen,  gr.  k'ontoog  {hesperos),  I.  vesper;  — 
Westerhemd,  1.  vestis;  —  Wette,  \,  vas;  —  Wetter,  lit.  vttra  'Sturm';  —  Widit,  abg.  veUl'\y\ng, 
Sache';  —  Widder zm  \z\..vetus,  gr. fVoc  {etos)  'Jahr',  vgl.  vitulus  'Kalb';  —  wider,  ai.  vitaräm 
'weiter' ;  —  Wiebel,  lit.  vdbalas  'Käfer' ;  —  Wiede  'Holz'  in  Wiedehopf,  air.  fid;  —  wild,  ai.  vfthä 
'nach  Belieben';  —  Wille,  ahg.volja;  —  Wind,  l.ventus;  —  wir,\ii.vedii  'wir  beide';  —  wirken, 
nf':<o  {rez(i);  —  wissen,  1.  vidcre,gr.oiiSa  {oida);  —  Witwe,  \.vidua;  —  Wolf,  1.  lupus,  gr.  }.vy.o^ 
(lykos);  —  Wolke,  abg.  vlaga  'Feuchtigkeit';  —  Wolle,  X.lCina.  gr. '/.rp-o;  (Icinos);  —  wollen, 
1.  volo;  —  Wort,  X.verbum;  —  wünsdien,  ai.  vdij'chati;  —  würgen,  abg.  t/r^s^/ 'binden';  — 
Wurm,  1.  vermis;  —  Würz,  I.  radix;  —  wüst,  1.  Vcistus;  —  Wut,  I.  vätes. 

Von  r,  /ist  w  im  Neuhochdeutschen  geschwunden,  s.  oben  S.  41.  Post- 
konsonantisches w  ist  vielfach  geschwunden,  ebenso  J  im  Althochdeutschen 


§  31.  Urgermanischer  Konsonantismus. 


47 


nach  allen  Konsonanten  mit  Ausnahme  von  r.    Hier  hat  es  sich  teilweise 

bis  ins  Neuhochdeutsche  als  g  erhaUen. 

Ferge,  ahd.  ferio  -.fahren;  —  St.  Märgen  zu  Maria;  —  Sdierge,  ahd.  scario  zu  Schar;  — 
Statt  eines  idg.  w  erscheint  in  einer  Reihe  von  Fällen  ein  k,  das  wohl 

auf  kw  zurückgeht. 

quick,  Quecksilber:  1.  vtvos;  —  ahd.  zeihhur  'Schwager',  gr,  dai'ig  {dawr),  ai.  dtvd;  — 
Nadien-.l.navis;  —  spudzen,  Speidiel :  speien;  —  Spedi -.gx.  jiUov  {piön),  zi. plvan 'itii' ; — 
hacken :  hauen. 

Die  genauem  Bedingungen  dieses  Lautwandels  sind  unklar.  Es  ist 
daran  zu  erinnern,  daß  im  Ostgermanischen  und  Nordischen  manchem  a 
ein  g  vorgeschlagen  wird. 

Die  Vertretung  dieser  Laute  in  den  verwandten  Sprachen  ist  aus  nach- 
folgender Tabelle  zu  ersehen. 


Idg. 

Got. 

Ahd. 

Ags. 

Air. 

Lat. 

Griech. 

Aind. 

Slaw. 

Lit. 

p 

/,  t> 

f,b 

P7d 

- 

P 

-T 

P 

P 

P 

t 

P,ä 

d,t 

t 
k 

t 

T 

t 

t 

t 

k 

h,S 

h.g 

h.g 

k 

X. 

k,s 

k:   s 

k,  s 

kW 

h,f,b. 

w,g 

h,  f,  b, 

w,g 

h,w,g,f 

k 

qu,k 

71,  T,  y. 

k.  c, 

k,  c,  c 

k 

bh 

b 

b 

b 

f-,  -b- 

f-,  -d-, 
-b- 

cp  0-r) 

bh  {h,  b) 

b 

b 

dh 

a 

t 

a 

d 

9.   (r) 

dh  {h,  d) 

d 

d 

gh 

er 

o 

g 

ff 

g 

h-,  g-, 
-h-,  -g- 

/-> 

-gu-,v 

x(-) 

h 

g,z 

g,^ 

ghw 

W-,-g-,-W- 

w,  -g-, 

-w- 

w,-g-,-w- 

g 

T,  ^,  '/. 

h 

g,  z,  dz 

g 

b 

P 

Pf-,  -ff- 

p 

b 

ß 

b 

b 

b 

d 

t 

z-,  -33-,  5 

t 

d 
g 

d 

Ö 

d 

d 

d 

g 

k 

k-,  -ch- 

k 

g 

7 

g,J 

g,z 

g,^ 

gw 

q 

kw,  k 

kw,  k 

d,g 
r 

v,gu,g 
r 

ß,  S,  7 
9 

g,J 

g,  z,  dz 

g 

r 

r 

r 

r 

r 

r 

r 

l 

l 

l 

l 

l 

l 

l 

r{[) 

l 

l 

n,  m 

n,m,  vor/z 

ge- 
schwun- 
den 

n,  m,  vor 

/z  ge- 
schwun- 
den 

n,  vor  Spi- 
ranten ge- 
schwun- 
den 

m,  n 

m,  n 

/',  '■ 

m,  n 

m,  n, 
vor  Kon- 
sonanten 
zur  Na- 
salierung 
geworden 

m,n, 
vor  Spi- 
ranten zur 
Nasa- 
lierung 
geworden 

Außerdem  erlitt  der  germanische  Konsonantismus  noch  Veränderungen 
durch  Assimilation  von  Konsonanten.  Von  diesen  Veränderungen  sind  die 
wichtigsten  folgende. 


48  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 


7.  //-Assimilation. 

a)  In  wird  zu  //. 

d.  Wolle,  got.  wulla,  liL  vilna,  lat.  Inna;  —  d.  Welle,  lit.  vilnis;  —  ± Stellen,  ai.  sthitnd 
aus  *sthlnü  'Pfosten';  —  d.  Fell,  \.  pellis;  —  d.  voll,  \.  pUnus,  \\t.  pUnas. 

b)  Die  indogermanischen  Verschlußlaute  //  werden  zur  Doppeltenuis, 
wenn  der  Akzent  foli,^te,  also  -kn-',  -gn-,  -ghn-  zu  kk,  -pn-\  -bn-,  -bhn-  zu 
pp  (jetzt  pf\  -tn-',  -dn-,  -dhn-  zu  tt  (deutsch  tz).  Durch  dieses  vielbesprochene 
Gesetz  erklärt  man  manche  Ausnahme  der  Lautverschiebung. 

d.  Locke,  lit.  liignas  'gebogen,  krumm';  —  d.  lecken,  gr.  /.lyrrifty  (likhneüin);  —  d.weiß, 
a\.  ivltnalj;  —  d.  stagniim  'stehendes  Gewässer',  anord.  stakke  'Heuschober'. 

Demgegenüber  hat  Trautmann,  Germanische  Lautgesetze,  Königsberger 
Diss.  1906  S. 64 ff.  auf  zahlreiche  entgegenstehende  Fälle  hingewiesen: 

Rogen,  lit.  ktirkulal  'Froschlaich';  — /4/z«^,  ahd.  agana  'Spreu',  gr.  «/»•»/  {äkhnce);  — 
Degen,  gr.  jixvov  {t^knon)  'Kinn'. 

Ich  glaube  indessen  nicht,  daß  das  Gesetz  dadurch  erschüttert  wird, 
vor  allem,  da  eine  irgendwie  einleuchtende  Erklärung  von  Fällen  wie 
zodien:  ziehen;  nicken:  neigen  und  andern  nicht  gegeben  ist. 

c)  nw  zu  nn: 

d.  dünn,  ahd.  diinni,  1.  tenuis;  —  d.  Kinn,  gr.  ;f>rc  (genys),  1.  dentes  genumi  'Backen- 
zähne'; —  d.  minder,  ahd.  minniro,  1.  minu-o;  —  d.  rinnen  zu  lat.  hvus;  —  d.  Sinn,  gr. 
v6(K  (nöos)  'Sinn'  aus  ^snowos  mit  Schwebeablaut ;  —  d.  beginne,  ai.  hinvati  'setzt  in  Bewegung'. 

8.  dl  zu  //,  Vgl.  SiEVERs,  Indogermanische  Forschungen  4,  335.  Da  1)1 
bleibt  und  im  Deutschen  als  dl  erscheint,  so  erhalten  wir  nebeneinander 
Formen  mit  -d{e)l-  und  -//-  als  grammatischen  Wechsel. 

wallen  neben  ahd.  wadalun  'umherstreifen',  dazu  Wadel;  —  Stall  neben  Stadel;  — 
ags.  bin  'Beil'  neben  Beil,  ahd.  bihal  aus  ""bipla;  —  Knolle,  Knollen  neben  Knödel;  — 
Keil  neben  dial.  Keidel;  —  Pfuhl  'Sumpf  neben  dial  Pudel. 

9.  zl,  zn,  zm,  zw,  nach  dem  Vernerschen  Gesetz  aus  sl,  sn,  sm,  sw  ent- 
standen, scheinen  zu  //,  nn,  mm,  ww  assimiliert  zu  sein. 

/Cro//^ 'Haarlocke' :  Ärflus.  Doch  kann  dessen  s  auch  auf  ^/ zurückgehen; —  rfem,  got. 
pamma,  ai.  tdsmud;  —  b-in,  got.  im,  ai.  dsmi  'bin*. 

10.  Dental  -  Dental  wird  zu  ss.  Dieses  55  fällt  im  Nhd.  mit  dem  aus  t 
verschobenen  ;;  zusammen,  und  man  muß  daher  das  Niederdeutsche  oder 
Englische  heranziehen,  um  die  Laute  zu  unterscheiden. 

gewiß,  got.  unwissa  'ungewiß';  —  miß.  got.  missa  zu  meiden. 

Mit  Vereinfachung  des  55  nach  langem  Vokal  oder  Diphthong: 

Aas.  ahd.  ns  zu  essen,  e.  eat,\.  edere;  —  weise,  engl,  wise  zu  wissen,  t.  towit  'nämlich' ;  — 
leise  zu  linde;  —  Meise  'Tragreff  zum  Tragen'  zu  anord.  meita  'abhauen';  —  Haus  vielleicht 
zu  Hütte;  —  Mus,  Gemüse  zu  nd.  Mett  in  Mettwurst. 

In  einer  Reihe  von  Fällen  steht  für  tt  scheinbar  st 
du  weißt,  got.  waist,  gr.  oln&a  {pisthä)  zu  X.vidire;  —  Last:  laden;  —  rüsten:  ags. 
hreodan  'schmücken',  gr.  xogvooto  (koryssö)  aus  *korythj0  'wappne'. 

11.  Aus -mn-  ist -^/7- geworden. 

Da  neben  den  Formen  mit  mn  solche  mit  Mittelvokal  standen,  so  finden 
wir  Formen  mit  mn  (woraus  nhd.  mm)  und  bn  nebeneinander. 
Himmel,  got.  himins,  e.  heaven. 


§  32.  Störungen  der  Lautgesetze.  49 


12.  mr  wurde  zu  mbr,  ml  zu  mbl,  woraus  im  Anlaut  br  und  bl. 

brackig  zu  Meer,  1.  mare;  —  braten,  gr.  ßgänao»  iprässö)  'siede,  braue'  (gr.  6r  aus  /wr) ;  — 
Bregen,  gr.  ßQF/„n<k  {brekhmös)  'Vorderkopf' ;  —  Brink  'erhöhter  Grasplatz,  Grasrein' :  1.  margo 
,Rand,  d.  Mark'Qx&nzt  ;  —  brummen,  \.  fremo,  gr.  ßatuw  (bremo);  —blau,  gr.  jnhiQ  (melas) 
'schwarz',  Ht.  melinas  'blau' ;  —  Blei,  irgendwie  mit  gT.fwÄißog  (molibos)  zusammenhängend. 

Inlautend  finden  wir: 

Ampfer,  ai.  amläh  'sauer'. 

Anmerkung.  Die  Richtigkeit  dieses  Lautgesetzes  wird  von  Per  Persson,  Beiträge 
zur  indogermanischen  Wortforschung  27  ff.,  stark  angezweifelt.  Es  ist  dies  einer  der  Fälle,  die 
für  die  Wortforschung  typisch  sind.  Jeder  wird  zugeben,  daß  die  aufgestellten  Etymologien 
nicht  die  Sicherheit  haben  wie  andere,  und  man  wird  ohne  weiteres  zugeben,  daß  auch 
andere  Erklärungen  möglich  sind,  wie  deren  Persson  zur  Genüge  bietet.  In  solchen  Fällen 
handeh  es  sich  dann  um  ein  Abwägen,  welche  Erklärungen  die  größere  Wahrscheinlichkeit 
haben  und  da  bleibe  ich  bei  meiner  Ansicht.  Man  kann  außerdem  nicht  nachweisen,  was 
aus  idg.  mr-,  ml-  sonst  geworden  ist. 

13.  Zwischen  s  und  r  entwickelt  sich  ein  t. 

Strom  zu  gx.Qew  {reo)  aus  *srewö  'fließe';  —  Ostern  zu  ai.  usrdh  'hell',  l.auröra;  — 
Strick  zu  ai.  sraj  'Gewinde';  —  Schwester  zu  lat.  soror  (aus  -"swesor) ;  —finster  zu  I.  tenebrae 
(aus  Henesrae),  ai.  tämisru  'dunkle  Nacht'. 

14.  In  Verbindung  von  mehreren  Konsonanten  fällt  einer  zuweilen  aus. 
Hier  ist  ein  Feld,  wo  sich  die  Forschung  noch  immer  betätigen  und  immer 
neue  Etymologien  aufstellen  kann. 

Ganz  sicher  schwindet  h  vor  5  -|-  Konsonant.  Mist,  got.  maihstus,  zu  1.  mingere;  —  Laster 
zu  ahd.  lahan  'tadeln'. 

15.  Doppelkonsonanten  werden  nach  langem  Vokal  vereinfacht,  z.  B.  got. 
slepan,  ahd.  slaffan,  dann  släfan. 

§  32.  Störungen  der  Lautgesetze.  In  dem  vorhergehenden  Abschnitt  sind 
zahlreiche  Beispiele  gegeben,  in  denen  die  Laute  des  Germanischen  den 
Lauten  der  verwandten  Sprachen  regelmäßig  entsprechen.  Der  Stoff  ist  ge- 
häuft, um  jedem  zu  zeigen,  wie  groß  oft  das  Material  ist,  auf  das  wir  uns 
stützen.  Will  man  die  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  einer  Etymologie  be- 
urteilen, so  muß  man  unbedingt  die  Lautgesetze  kennen,  und  man  muß 
sehen,  ob  eine  Etymologie  allen  Lautgesetzen  entspricht.  Eine  Gleichung 
1.  pater,  gr.  mxTi'io  (patcer),  d.  Vater  war  erst  in  dem  Augenblick  völlig  begründet, 
als  man  gesehen  hatte,  daß  jeder  einzelne  Laut  in  diesem  Wort  jedem  der 
verwandten  Sprachen  genau  entspricht,  also  v  =  \.p,  a  =  \.  a,  t  =  got,  d 
=  \.  t  nach  dem  Vernerschen  Gesetz,  r  =  r.  In  diesem  und  zahlreichen 
andern  Fällen  ist  der  Nachweis  völlig  gelungen.  In  andern  Fällen  war  die 
völlige  Übereinstimmung  nicht  so  leicht  nachzuweisen,  und  die  Arbeit  der 
Forschung  besteht  darin,  hier  immer  größere  Klarheit  und  Sicherheit  zu 
schaffen,  wozu  natürlich  auch  immer  neue  Verbindungen  von  Worten  kommen. 

Wir  haben  oben  gesehen,  daß  die  Lautgesetze  durch  andere  Lautgesetze 
beschränkt  werden,  und  daß  man  durch  Aufhellung  solcher  Beschränkungen 
zahlreiche  Fälle  erklärt  hat. 

Aber  die  Störungen  der  Lautgesetze  sind  nicht  allein  durch  besondere 
Gesetze  bewirkt,  sondern  auch  durch  eine  Reihe  andrer  Umstände,  namentlich 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  4 


50  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

durch  die  sogenannten  Analogiebildungen,  die  Volksetymologie  und 
die  Entlehnungen. 

§  33.  Störungen  der  Lautgesetze  durch  Analogiebildungen.  Die  Analogie- 
bildungen kötnien  wir  hier  ganz  kurz  behandeln,  obgleich  sie  in  der 
eigentlichen  Grammatik  eine  große  Rolle  spielen. 

Das  Kind,  das  zu  sprechen  beginnt,  lernt  zunächst  einige  Worte,  die 
ganz  allein  stehen.  Vermehrt  sich  sein  Wortschatz,  so  werden  im  Gehirn 
verschiedene  Worte  miteinander  verbunden,  und  es  werden  nunmehr  un- 
willkürlich neue  Formen  gebildet.  So  bekommt  das  Kind  z.  B.  das  Gefühl  für 
die  Bildung  des  Partizipiums  mit  ge  und  t,  und  es  kann  nun  auch  Formen 
hervorbringen,  die  es  vielleicht  nie  gehört  hat.  Daß  es  dabei  manchmal 
Fehler  macht,  daß  es  ,ge/iaut  sagt  statt  ,geliauen\  ist  allbekannt.  Vielfach 
liegen  die  Analogiebildungen  so  nahe,  daß  sie  von  mehreren  Menschen 
gleichzeitig  vollzogen  werden,  und  dann  hat  eine  solche  Analogiebildung 
Aussicht,  allgemein  üblich  zu  werden.  Durch  die  Analogiebildungen  werden 
besonders  die  „Unregelmäßigkeiten"  der  Sprache  beseitigt.  Wenn  es  mhd. 
noch  geniiten  heißt  zu  miden  mit  regelrechtem  grammatischem  Wechsel, 
heute  aber  gemieden,  so  ist  nicht  etwa  ein  Wandel  von  t  zu  d  eingetreten, 
sondern  gemieden  ist  eine  solche  Analogiebildung.  Derartige  Fälle  lassen 
sich  zu  Hunderten  anführen,  und  es  sind  daher  die  Worte  am  besten  zur 
Feststellung  der  Lautgesetze  geeignet,  die  am  wenigsten  mit  andern  Worten 
assoziiert  werden.  Naturgemäß  müssen  die  Analogiebildungen  eine  Zeitlang 
neben  den  alten  Bildungen  stehen,  und  es  kann  dann  der  Fall  eintreten, 
daß  die  alte  Bildung  mit  besondrer  Bedeutung  fortlebt.  So  hieß  es  gedeihen, 
Part,  gediegen,  wie  ziehen,  Part,  gezogen.  Gediegen  hat  sich  aber  nur  als 
Adjektivum  erhalten,  während  das  Partizip  gediehen  neu  gebildet  ist.  Ein 
solch  alleinstehendes  Wort  ist  dann  ausgezeichnet  geeignet,  die  lautgesetz- 
liche Behandlung  erkennen  zu  lassen. 

§34.  Störungen  durch  Volksetymologie.  Die  sogenannte  Volksetymologie, 
•auf  die  ich  ausführlicher  im  fünfzehnten  Kapitel  zu  sprechen  komme,  be- 
steht darin,  daß  alleinstehende  und  darum  unverständliche  Wörter  an  andere 
ähnlich  klingende  angeglichen  werden.  Dabei  werden  natürlich  auch  die 
Laute  nicht  selten  in  eigenartiger  Weise  verändert,  ohne  daß  man  dabei 
von  Lautgesetzen  sprechen  kann. 

§  35.  Störungen  durch  Entlehnung.  Vielfach  sind  die  Lautgesetze  auch 
durch  Entlehnungen  gestört.  Lehnwörter  gibt  es  in  jeder  Sprache,  und  es 
bildet  ein  wichtiges  Kapitel  sie  festzustellen.  Bei  vielen  Worten  liegt  es  auf 
der  Hand,  daß  sie  entlehnt  sind.  Aber  bei  andern  tappte  man  im  Dunkeln. 
Erst  die  wissenschaftliche  Lautlehre  hat  hier  Klarheit  geschaffen  und  es 
uns  in  vielen  Fällen  ermöglicht,  Lehnwörter  scharf  von  dem  ererbten  Sprach- 
gut zu  scheiden.  Seit  wir  aber  diese  beiden  Bestandteile  der  Sprache  von- 
einander sondern  können,  hat  man  auch  oft  Störungen  der  Lautgesetze  durch 
Annahme  von  Entlehnung  beseitigt.   Wir  wollen  das  an  einigen  Beispielen 


§  33—35.  Störungen  der  Lautgesetze.  51 

zeigen.  Wir  liaben  oben  §  15  die  germanische  Lautverschiebung  besprochen 
und  gesehen,  daß  einem  lat.  gr.  p  im  Deutschen  ein  /  antwortet.  Die  Bei- 
spiele waren  ziemlich  zahlreich,  aber  man  kann  auch  sehr  viele  anführen, 
in  denen  einem  lat.  gr.  p  ein  pf  entspricht. 

Pfaffe  =  gr.  .-ra.Ttts  'geringer  Geistlicher';  —  Pfahl  ~  l.palus;  —  Pfalz  =  X.paiitium; 
—  Pfanne  vielleicht  =  X.patina  'Schüssel';  — Pfau  —  l.pdvo;  —  Pfeffer  =  \.piper\  —  Pfeife 
=  1.  ptpa  'Röhre' ;  —  Pfeil  =  X.ptliun ;  —  Pfeiler  =  ml.  pilarius ;  —  Pfingsten  =  gr.  7ievri]y.oozri 
{pent(ckost('e)  ,der  fünfzigste';  —  Pfirsidi  =  \. persiciim  'persischer'  (nämlich  'Apfel');  — 
Pf  ister  'Bäcker'  =  l.pistor;  —  Pflanze  =  Lplanta ;  —  Pflaster  ^  gr.  lat.  emplastrum ;  —  Pflaume 
=  gr.  jiQoviiivov  {prümnon);  —  Pforte  =  l.porta;  —  Pfosten  —  l.postis;  —  Pfründe  =  ml. 
provenda;  —  Pfühl  =  Lpulvlnus;  —  Pfund  =  l.pondus;  —  Pfütze  =  Lputeus. 

Obgleich  also  das  Verhältnis  lat,  p  ^  d.  pf  in  zahlreichen  Worten  auf- 
tritt, so  sind  doch  alle  diese  Worte  zweifellos  aus  dem  Lateinischen  oder 
Griechischen  entlehnt.  Das  läßt  sich  schon  daran  erkennen,  daß  es  sich 
nur  um  einzelne  Worte  ohne  wesentliche  Ableitungen  handelt.  Außerdem 
stimmt  der  Lautübergang  von  p  zu  f  zu  dem  Gesetz  der  Verschiebung  bei 
den  beiden  anderen  Verschlußlauten,  da  k  zu  c/i,  und  t  zu  p  verschoben 
wird,  und  drittens  muß  es  auffallen,  daß  es  sich  hier  immer  nur  um  lateinisch- 
deutsche, höchstens  griechisch-deutsche  Entsprechungen  handelt. 

Wir  sind  also  der  Annahme,  daß  etwa  idg.  p  im  Deutschen  auch  zu 
/?/ geworden  wäre,  enthoben. 

Und  dieser  Gesichtspunkt  der  Entlehnung  hilft  uns  weiter  in  vielen 
andern  Fällen.  Selbst  für  die  Worte  innerhalb  des  Deutschen  kommt  er  in 
Betracht.  Wenn  wir  heute  sagen  der  Rücken,  aber  der  Rucksack,  so  stimmt 
das  scheinbar  nicht  zusammen.  Tatsächlich  ist  der  Umlaut  des  ii  vor  ck  in 
einzelnen  Dialekten,  vor  allem  im  Oberdeutschen  unterblieben.  Worte  also, 
die  ein  u  statt  eines  zu  erwartenden  ü  zeigen,  werden  meist  aus  dem  Ober- 
deutschen stammen.  Wir  haben  jetzt  nebeneinander  drucken  und  drücken. 
Es  ist  dasselbe  Wort.  Das  erste  ist  oberdeutsch,  und  dieses  oberdeutsche 
Wort  kam  als  eine  Bezeichnung  des  Buchdruckens  in  die  allgemeine  Schrift- 
sprache. In  §  170  ist  dieser  Gesichtspunkt  ausführlich  und  mit  reichem  Bei- 
spielmaterial erörtert. 

Da  im  Deutschen  sich  der  Konsanantenstand  mehr  wie  in  andern  Sprachen 
verändert  hat,  so  sind  wir  in  der  glücklichen  Lage,  die  Entlehnungen  besser 
als  in  andern  Sprachen  und  oft  auch  zeitlich  sehr  genau  festzustellen.  Daraus 
lassen  sich  dann  wieder  kulturhistorische  Schlüsse  und  andere  Folgerungen 
bedeutsamer  Art  ableiten. 

Ich  hoffe,  man  wird  erkennen,  daß  die  genaue  Erforschung  der  Laut- 
lehre der  Grund-  und  Eckstein  aller  etymologischen  Forschung  gewesen  ist, 
ist  und  bleiben  wird,  und  man  wird  es  auch  verstehen,  wenn  in  dem 
Betrieb  unsrer  Wissenschaft  die  Lautlehre  eine  so  gewichtige  Rolle  spielt. 
Ohne  die  sichere  Grundlage  der  Lautlehre,  die  wir  heute  haben,  würde  die 
Etymologie  immer  ein  bloßes  Raten  geblieben  sein,  sie  würde  sich  niemals 
zu  fester  Begründung  haben  erheben  können.   Dies  wird   man   am  besten 

4* 


52  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Etymologie. 

erkennen,  wenn  man  einmal  ein  etymologisches  Werk  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert oder  selbst  aus  dem  Anfant^  des  19.  Jahrhunderts  vornimmt.  Man 
wird  hier  immer  nur  ein  Raten  finden  und  neben  dem  Richtigen  unendlich 
viel  Falsches  antreffen. 

§  36.  Darstellungen  der  Lautlehre.  Ich  verzeichne  daher  hier  die  gram- 
matischen Darstellungen,  in  denen  die  Lautlehre  behandelt  ist. 

K.  Brugmann,  Grundriß  der  vergleichenden  Grammatik  der  indogermanischen  Sprachen, 
Bd.  1  *  Lautlehre,  1897.  —  Derselbe,  Kurze  vergleichende  Grammatik  der  indogermanischen 
Sprachen.  1902.  —  A.  Norekn,  Abriß  der  urgermanischen  Lautlehre,  1894  (reiches  Material).  — 
F.  Kluge,  Vorgeschichte  der  germanischen  Dialekte,  in  Pauls  Grundriß  der  germanischen 
Philologie,  3.  Aufl.,  1913.  —  W.  Streitberg,  Urgermanische  Grammatik,  1896.  —  R.Löwe, 
Germanische  Sprachwissenschaff,  in  der  Sammlung  Göschen,  2.  Aufl.  —  A.  Holtzmann, 
Altdeutsche  Grammatik,  1870.  —  F.  Dieter,  Laut-  und  I-ormenlehre  der  altgermanischen  Dia- 
lekte. Erster  Halbband:  Lautlehre  des  Urgermanischen,  Gotischen,  Altnordischen,  Alteng- 
lischen, Altsächsischen  und  Althochdeutschen,  1898.  —  Wilmanns,  Deutsche  Grammatik. 
Erster  Band:  Lautlehre,  2.  Aufl.,  1897.  —  O.  Behaghel,  Geschichte  der  deutschen  Sprache, 
in  Pauls  Grundriß,  4.  Aufl.  1915. 

§  37.  Etymologische  Wörterbücher  des  Deutschen.  Unter  den  deutschen 
Wörterbüchern  erwähne  ich  an  dieser  Stelle  zunächst  die,  die  sich  im  wesent- 
lichen mit  der  Etymologie  beschäftigen. 

Das  erste  brauchbare  etymologische  Wörterbuch  war  Weigands  Deutsches 
Wörterbuch.  Es  ist  1909  1910  in  fünfter  Auflage  erschienen,  bearbeitet  von 
K.  V.  Bahder,  H.  Hirt  und  Dr.  Kant,  herausgegeben  von  H.Hirt.  Das  Buch 
war  seinerzeit  eine  ausgezeichnete  Leistung,  und  so  habe  ich  gern  dazu 
beigetragen,  durch  eine  neue  Bearbeitung  das  Werk  wieder  zugänglich  zu 
machen.  Das  Material  in  diesem  Buche  ist  zum  größten  Teil  aus  dem  Wei- 
gands entnommen,  und  ich  muß  zur  nähern  Begründung  der  aufgestellten 
Etymologien  auf  dieses  Werk  verweisen. 

O.  SCHADES  Altdeutsches  Wörterbuch,  2.  Aufl.,  1872—1882,  verzeichnet 
den  Wortschatz  der  altern  Zeit  mit  Heranziehung  der  Etymologie.  Am  An- 
fang ist  es  infolge  widriger  Umstände  etwas  dürftig,  in  den  spätem  Teilen 
aber  gibt  es  reichhaltige  Literaturangaben,  so  daß  es  für  den  Forscher  un- 
entbehrlich ist.   Es  ist  jetzt  ein  neuer  Abdruck  erschienen. 

Der  größten  Verbreitung  erfreut  sich  F.  Kluges  Etymologisches  Wörter- 
buch der  deutschen  Sprache,  zuerst  1884;  jetzt  liegt  die  8.  Auflage  vor.  Das 
Werk  war  seinerzeit  eine  praktische  Verarbeitung  der  bei  Weigand  und 
Schade  niedergelegten  Ergebnisse,  wobei  der  Verfasser  in  der  neuern  sprach- 
wissenschaftlichen Entwicklung  stehend  das  Falsche  leicht  beseitigen  konnte. 
Heute  steht  es  trotz  mancher  Vorzüge  nicht  mehr  ganz  auf  der  Höhe.  Es 
fehlen  vor  allem  viele  anerkannte  Etymologieen,  und  manche  Irrtümer 
schleppen  sich  von  Auflage  zu  Auflage  fort.  In  den  neuern  Auflagen  hat 
der  Verfasser  auch  viele  neu  aufgekommene  Wörter  aufgenommen.  Aber 
die  Angaben  über  ihr  erstes  Auftreten  sind  oft  genug  unzureichend.  Zudem 
ist  die  Auswahl  der  aufgenommenen  Wörter  ganz  willkürlich,  und  es  ist  so 
eine  Zwiespältigkeit  in   das  Werk  gekommen.    Daß   die   wissenschaftliche 


§  37—39.  Etymologische  Wörterbücher.  53 

Literatur  nicht  angeführt  ist,  und  daß  wir  überhaupt  kein  Werk  besitzen, 
in  dem  diese  verzeichnet  ist,  wird  sich  jedem,  der  auf  diesem  Gebiet  arbeitet, 
als  fühlbarer  Mangel  erweisen.  Nur  einen  gewissen  Erzatz  bieten  die  An- 
gaben im  Weigand  und  in  der  deutschen  Bearbeitung  von  Talk-Torp,  s.§  38,  2. 

Die  sonstigen  Werke  können  schon  wegen  ihres  geringen  Umfangs 
auf  höhere  Bedeutung  keinen  Anspruch  machen.  Zu  nennen  sind  noch: 
Tetzner,  Deutsches  Wörterbuch;  Reclam;  ganz  brauchbar.  —  R.  Loewe, 
Deutsches  Wörterbuch;  in  der  Sammlung  Göschen,  1910.  Selbständig  und 
ganz  brauchbar.  —  P.  J.  Fuchs,  Deutsches  Wörterbuch  auf  etymologischer 
Grundlage  mit  Berücksichtigung  wichtigerer  Mundart-  und  Fremdwörter 
sowie  vieler  Eigennamen,  Stuttgart  1897.  Nach  Behaghel,  Literaturblatt  für 
germ.  und  rom.  Phil.  1898,  56  f.,  ist  der  Verfasser  kein  eigentlicher  Fach- 
mann, gibt  aber  eine  besonnene  Auswahl  des  von  andern  Gefundenen,  und 
das  Werk  sei  daher  im  allgemeinen  zu  empfehlen.  Vor  andern  Werken  ist 
geradezu  zu  warnen. 

§  38.  Etymologische  Wörterbücher  der  übrigen  germanischen  Sprachen.  Mit 
Vorteil  wird  man  auch  oft  bei  etymologischen  Studien  die  Werke  heran- 
ziehen, die  die  übrigen  germanischen  Sprachen  behandeln.  Ich  gebe  hier 
eine  Liste  des  Wichtigsten.  _i 

1.  Gotisch:  S.  Feist,  Grundriß  der  gotischen  Etymologie,  1888.  Heute  völlig  überholt 
durch  C.  C.  Uhlenbeck,  Kurzgefaßtes  etymologisches  Wörterbuch  der  gotischen  Sprache, 
2.  Aufl.,  Amsterdam  1900.  S.  Ffist,  Etymologisches  Wörterbuch  der  gotischen  Sprache  mit 
Einschluß  des  sogenannten  Krimgotischen.  Halle  1909  f.  Es  ist  ein  größeres  Werk,  das  aber 
leider  den  Anforderungen,  die  man  an  ein  so  umfangreiches  Werk  stellen  muß,  nicht 
entspricht. 

2.  Skandinavisch:  Hjalmar  Falk  und  Alf  Torp,  Etymologisk  Ordbok  over  det  norske 
og  det  danske  Sprog,  Kristiania  1903.  Gut;  auch  in  deutscher  Bearbeitung  erschienen,  Heidel- 
berg 1907,  mit  reichhahigen  Literaturangaben  im  Anhang.  Daher  auch  für  die  deutsche  Ety- 
mologie von  Wichtigkeit.  —  E.  Jessen,  Etymologisches  Wörterbuch  der  dänischen  Sprache, 
1892.  —  Tamm,  Etymologisk  Svensk  ordbog,  Stockholm;  unvollendet. 

3.  Niederländisch :  Frank,  Etymologisch  woordenboek  der  nederlandsche  taal,  s'Graven- 
hage  1892.  Nach  Kluge  gearbeitet,  aber  mit  vielen  selbständigen  Artikeln  und  Ergänzungen. 
Eine  neue  wesentlich  verbesserte  Auflage  besorgte  N.  van  Wijk.  1910. 

4.  Englisch :  Kluge-Lutz,  Engiish  Etymology,  1898.  —  W.  W.  Skeat,  An  etymological 
dictionary  of  the  Engiish  language,  arranged  on  an  historical  basis,  3.  Ausg.,  Oxford  1898. 
Skeat,  Concise  Etymological  Dictionary  of  the  Engiish  language. 

5.  Gesamtgermanisch:  Falk  und  Torp,  Wortschatz  der  germanischen  Spracheinheit, 
Göttingen  1909;  auch  unter  dem  Titel:  FiCK,  Vergleichendes  Wörterbuch  der  indogerma- 
nischen Sprachen,  4.  Aufl.,  Bd.  3. 

§  39.    Etymologische  Wörterbücher  der  indogermanischen  Sprachen.     Auch 

diese  wird  man  nicht  selten  benützen  müssen. 

1.  Altindisch:  C.  C.  Uhlenbeck,  Kurzgefaßtes  etymologisches  Wörterbuch  der  alt- 
indischen Sprache,  Amsterdam  1898. 

2.  Iranisch:  Chr.  Bartholomae,  Altiranisches  Wörterbuch,  1904.  Ein  unentbehrliches 
Werk  für  den,  der  das  Iranische  heranziehen  will. 

3.  Neupersisch:  H.  Hörn,  Grundriß  der  neupersischen  Etymologie,  1893.  Als  Ergänzung 
dazu  H.  Hübschmann,  Persische  Studien,  1895. 


54  Erstes  Kapitel.  Geschichte  und  Grundsätze  der  Ety-mologie. 


4.  Ossetisch:  H.l  Ii'HSCiiMANN,  Ktymolojjic  und  Lautlclirc  der  ossetischen  Sprache,  1887. 

5.  Armenisch:  H.  Hühschmann,  Armenische  Studien  I.  ürundzüye  der  armenischen 
Etymologie,  1883.  —  Derselbe,  Armenische  Grammatik,  I.  Armenische  Etymologie,  1897. 

6.  Albanesisch :  ü.  Mkylr,  Etymologisches  Wörterbuch  der  albanesischen  Sprache,  1891. 

7.  Slawisch:  A\iklosisch,  Etymologisches  Wörterbuch  der  slavischen  Sprachen,  1886; 
vergriffen  und  zum  Teil  veraltet.  Es  wird  ersetzt  durcii  ein  im  Erscheinen  begriffenes  Werk 
von  E.  Bernkker,  Slavisches  etymologisches  Wörtcrl)uch,  in  der  Indogermanischen  Biblio- 
thek, herausgegeben  von  Hirt  und  Streitberg,  Heidelberg  1908. 

8.  Litauisch  fohh.  Im  Litauischen  sind  sehr  viel  Fremdwörter  aus  dem  Slawischen. 
Sie  sind  von  A.  Brückner,  Die  slavischen  Fremdwörter  im  Litauisclien,  Weimar  1887, 
untersucht.  Einen  kleinen  Ersatz  für  diesen  Teil  des  idg.  Sprachgebietes  bietet  E.  Berneker, 
Die  preußische  Sprache,  Straßburg  1896  und  R.  Traut.mann,  Die  altpreußischen  Sprachdenk- 
mäler, Göttingen  1910,  in  der  die  allpreußischen  Wörter  etymologisch  behandelt  sind. 

9.  Keltisch:  W.  Stokes,  Urkeltischer  Sprachschatz.  Vergleichendes  Wörterbuch  der 
indogermanischen  Sprachen  von  August  Fick.  4.  Aufl.,  2.  Teil,  Göttingen  1894. 

10.  Lateinisch:  die  altern  Wörterbücher  sind  überholt  durch  A.  Walde,  Etymologisches 
Wörterbuch  der  lateinischen  Sprache,  Heidelberg  1905.  2.  verb.  Aufl.  1910.  Ein  sehr  zuverläs- 
siges Werk  mit  reichen,  nahezu  vollständigen  Literaturangaben.  Da  das  Lateinische  sehr 
viele  Worte  mit  dem  Germanischen  gemein  hat,  so  ist  dies  Werk  auch  für  das  Deutsche 
sehr  nützlich.  Ein  vollständiger  neuhochdeutscher  Index  ermöglicht  das  leichte  Auffinden 
der  deutschen  Wörter. 

11.  Romanisch:  da  wir  sehr  viele  Fremdwörter  aus  dem  Romanischen  entlehnt  haben, 
so  wird  die  Benutzung  der  romanischen  Sprachen  oft  zur  Notwendigkeit.  Als  etymologische 
Werke  sind  zu  nennen:  G.  Körting,  Lateinisch-romanisches  Wörterbuch  (Etymologisches 
Wörterbuch  der  romanischen  Hauptsprachen),  3.  Aufl.,  1907,  mit  reichen  Literaturangaben.  — 
Körting,  Etymologisches  Wörterbuch  der  französischen  Spraclie,  Paderborn  1908.  —  Hatz- 
feld-Darmesteter-Thomas,  Dictionnaire  gcneral  de  la  langue  fran9aise,  Paris,  o.  J. ;  sehr  gut.  — 
Meyer-Lübke,  Romanisches  etymologisches  Wörterbuch.  Heidelberg  1900.  Im  Erscheinen. 
Ersetzt  Körting. 

12.  Griechisch:  G.  Curtius,  Grundzüge  der  griechischen  Etymologie,  5.  Aufl.,  1879. 
Ein  seinerzeit  vortreffliches  Werk,  das  naturgemäß  heute  mit  Vorsicht  benutzt  werden  muß. 
Wegen  der  reichhaltigen  Litcraturangaben  aber  noch  unentbehrlich.  —  W.  Prellwitz,  Ety- 
mologisches Wörterbuch  der  griechischen  Sprache,  2.  Aufl.,  1905.  —  L.  Meyer,  Handbuch  der 
griechischen  Etymologie,  4  Bände,  1901.  Wenn  dies  Werk  vor  dreißig  Jahren  erschienen 
wäre,  würde  es  seinerzeit  sehr  verdienstlich  gewesen  sein.  So  stellt  es  nur  den  Stand  der 
Dinge  zu  dieser  Zeit  dar.  —  E.  Bois.^CQ,  Dictionnaire  etymologique  de  la  langue  Grecque, 
1907;  im  Erscheinen,  aber  nahezu  vollendet. 

13.  Indogermanisch:  Aug.  Fick  hat  den  Versuch  gemacht,  ein  .Vergleichendes  Wörter- 
buch der  indogermanischen  Sprachen"  zu  schreiben.  Von  der  4.  Auflage,  bearbeitet  von 
A.  Bezzenberger,  Aug.  Fick,  Whitley  Stokes,  Falk  und  Torp  sind  Teil  1,  2  und  3  er- 
schienen, 1890  ff.  Der  erste  Teil  behandelt  den  Wortschatz  der  Grundsprache,  der  arischen 
und  westeuropäischen  Spracheinheit  und  stammt  von  A.  Fick.  Doch  ist  dieser  Teil  mit 
Vorsicht  zu  benutzen.  Teil  2  siehe  unter  9,  Teil  3  siehe  §  38,  5.  Das  Werk  ist  damit  ab- 
geschlossen. 

§  40.  Etymologische  Zusammenhänge  innerhalb  des  Deutschen.  Die  Aufgabe, 
die  wahre  Herkunft  der  Wörter  zu  enthüllen,  wird  indessen  nicht  dadurch 
gelöst,  daß  man  ein  Wort  in  irgendeiner  andern  Sprache  nachweist,  viel 
wichtiger  ist  schließlich  der  große  Zusammenhang,  in  dem  die  Wörter  inner- 
halb unsrer  eigenen  Sprache  stehen,  wie  R.  Hildebr.a.nd  in  der  Vorrede  zum 
fünften  Band  des  Grimmschen  Wörterbuches  S.  X  so  treffend  bemerkt  hat. 


§  40.  Etymologische  Zusammenhänge  innerhalb  des  Deutschen.  55 


Allerdings  mußte  man  sich  diesen  Zusammenhang  meistens  erst  mühsam 
zusammensuchen,  und  es  ist  daher  von  Bedeutung,  daß  wir  dieser  Mühe 
heute  in  etwas  überhoben  sind.  Wir  verdanken  das  Bruno  Liebich  mit 
seinem  Werke  'Die  Wortfamilien  der  lebenden  hochdeutschen  Sprache  als 
Grundlage  für  ein  System  der  Bedeutungslehre',  nach  Heynes  deutschem 
Wörterbuch  bearbeitet,  Breslau  1899,  2.  Aufl.  1905.  —  Wenn  man  das  Werk 
aufschlägt,  so  sieht  es  sehr  sonderbar  aus,  da  nur  einfach  eine  Anzahl  von 
Worten  zusammengestellt  sind.  Aber  es  sind  eben  solche,  die  etymologisch 
zusammenhängen.  Man  findet  hier  die  Ableitungen  und  die  Zusammen- 
setzungen beieinander  und  außerdem  die  Worte,  die,  lautlich  oft  einander 
ganz  unähnlich,  doch  zusammengehören.  Es  ist  demnach  hier  ein  Teil 
dessen  erfüllt,  was  Hildebrand  gefordert  hat.  Das  Werk  ist  von  der  wissen- 
schaftlichen Kritik  mit  Unrecht  zum  Teil  ungünstig  aufgenommen  worden, 
hat  aber  in  Lehrerkreisen  mit  Recht  Beifall  gefunden,  wie  die  zweite  Auf- 
lage beweist.  Vgl.  auch  J.  Schneider,  Wortfamilien  der  deutschen  Sprache, 
Paderborn  1900  und  G.  Stucke,  Deutsche  Wortsippen.  Ein  Blick  in  den  Ver- 
wandtschaftszusammenhang des  deutschen  Wortschatzes,  Ansbach  0.  J.  [1912]. 

Ich  gebe  wenigstens  ein  paar  Beispiele  aus  dieser  Art  der  Betrachtung.  Man  sieht 
z.  B.  bei  Liebich  mit  einem  Blick,  wie  sich  die  alte  indogermanische  Wurzel  '^'bher,  ai.  bharati 
,er  trägt',  l.fero,  gr.  (pego}  (Jero)  usw.  im  Germanischen  verzweigt  hat.  Wir  finden  also  Eimer 
mit  den  Zusammensetzungen  Aschen-,  Blech-,  Brunnen-,  Feuer-,  Holz-,  Kühl-,  Kupfer-,  Löth-, 
Melk-,  Milch-,  Pumpen-,  Scliöpf-,  Wassereimer.  Hieran  lassen  sich  z.  B.  die  verschiedenen 
Bedeutungen  der  Zusammensetzungen  leicht  entwickeln.  Zuber;  Radeber,  Radeberge,  Rad- 
wer;  Bärme:  Bahre,  Mist-,  Toten-,  Tragbahre;  bahren,  aufbahren;  bärtig,  eben-,  edel-, 
halb-,  ritterbärtig,  Ebenbürtigkeit;  Bürde,  Leibesbärde;  bürden,  entbürden,  überbürden. 
Überbürdung,  aufbürden;  gebären,  Geburt,  Wieder-,  Erst-,  Früh-,  Fehl-,  Spottgeburt,  ge- 
bürtig; edel-,  hodiedel-,  erst-,  fremd-,  hoch-,  neu-,  wohl-,  hochwohlgeboren;  ein-,  erd-,  staub-, 
angeboren;  mißgebären,  Mißgeburt;  nachgebären,  Nadigeburt,  nadigeboren;  urbar;  gebaren, 
Gebarung;  gebären,  Gebärde,  Geberde,  ungebärdig,  gebärden. 

Eine  andere  weitverbreitete  Sippe  ist  essen.  Ich  führe  hier  nur  die  einfachen  Worte 
an:  essen,  essend,  das  Essen,  Esser,  eßbar;  Obst;  Aaß;  Zahn,  zahnig,  zähnig,  zahnen, 
Zähnen,  Zander;  Zinne;  fressen,  Fresser,  Fraß,  gefräßig;  Aas,  aasig,  aasen,  äsen,  atzen, 
ätzen  usw. 

Die  verbreitetste  germanische  Wurzel  ist  wohl  stehen,  ai.  tiHhämi  ,ich  stehe',  gr.  ör?;- 
{stte)  lat.  stäre.  Liebich  verzeichnet  460  Worte,  die  dazu  gthöTtn:  stehen,  stehend,  -steher,  ent- 
stehen, gestehen,  verstehen,  Stehauf,  First,  stät,  stet,  Staden,  Gestade,  Statt,  Stätte,  Stadt, 
gestatten,  Stand,  Stendel,  Ständchen,  ständig,  ständiscch.  Stunde,  stunden,  Star,  starr,  stier, 
störrig,  Stute,  Stuhl  usw.  Wahrscheinlich  ist  die  Sippe  noch  viel  umfangreicher,  da  noch 
eine  ganze  Reihe  anderer  Wortsippen  dazu  gestellt  werden  müssen. 

Natürlich  muß  man  bei  vielen  Wörtern,  um  den  Zusammenhang  zu 
verstehen,  die  etymologischen  Wörterbücher  nachschlagen,  aber  es  ist  uns 
gerade  durch  Liebichs  Wortfamilien  die  leichte  Möglichkeit  gegeben,  dies 
zu  tun,  und  daher  ist  das  Werk  für  praktische  Zwecke  sehr  nützlich.  Wer 
sich  irgendeine  größere  Sippe  hernimmt  und  den  einzelnen  Gliedern  sorg- 
fältig nachgeht,  wird  durch  die  neue  Erkenntnis  und  das  tiefere  Eindringen 
in  den  Bau  der  Sprache  reiche  Anregung  erhalten,  die  auf  seine  Tätigkeit 
zurückwirken  wird. 


56  Zweites  Kapitel.  Die  Sammlung  des  V 


§  41.  Bedeutungslehre.  Schließlich  ist  dann  bei  der  Aufsuchuns:^  von 
EtymoloiTien  die  Bedeutunj^  zu  beachten.  Es  gibt  auch  bei  der  Bedeutung 
Veränderungen,  die  zu  Ergebnissen  führen,  welche  scheinbar  kaum  zu  vereinen 
sind.  Hat  man  aber  die  Mittelstufen  zur  Verfügung,  so  erscheint  das,  was 
so  weit  voneinander  steht,  durch  eine  Reihe  deutlich  erkennbarer  Übergänge 
verbunden.  Wir  behandeln  die  Bedeutungslehre  im  letzten  Teil.  Jedenfalls 
ist  von  einer  guten  etymologischen  Erklärung  zu  fordern,  daß  sie  auch  die 
Bedeutungsverschiedenheiten  zufriedenstellend  aufhellt. 

Alles  in  allem  hat  die  etymologische  Forschung  im  19.  Jahrhundert  zu 
außerordentlich  wertvollen,  vollständig  fest  begründeten  Ergebnissen  geführt. 
Wenn  man  die  Fülle  des  Geleisteten  übersieht,  wenn  man  es  vergleicht  mit 
dem,  was  noch  vor  hundert  Jahren  geäußert  wurde,  so  wird  man  mit  der 
frohen  Hoffnung  erfüllt,  daß  auch  die  Folgezeit  noch  manchen  dunkeln 
Punkt  aufklären  wird  und  daß  wir  immer  tiefer  in  den  Wunderbau  der 
Sprache  und  in  das  Leben  der  Wörter  eindringen  werden. 


Zweites  Kapitel. 
Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 

§  42.  Allgemeines.  Wollen  wir  wissen,  woher  ein  Wort  stammt,  so 
müssen  wir  es  zunächst  geschichtlich  soweit  verfolgen,  als  dies  möglich  ist. 
Dazu  dienen  die  Wörterbücher,  die  den  in  frühern  Zeiten  gebrauchten 
Wortschatz  verzeichnen.  Es  gibt  hier  drei  Arten,  solche,  die  den  Wortschatz 
der  altern  Zeit  aus  den  überlieferten  Literaturdenkmälern  sammeln  und  ver- 
arbeiten, andere,  die  sich  die  Aufgabe  gestellt  haben,  den  Wortschatz  ihrer 
Zeit  teilweise  oder  vollständig  zu  verzeichnen,  und  drittens  Werke,  die  beides 
vereinigen.  Werke  der  zweiten  Art,  die  wir  seit  dem  16.  Jahrhundert  be- 
sitzen, werden,  sobald  sie  erschienen  sind,  geschichtliche  Urkunden,  die  den 
großen  Wert  haben,  uns  über  den  Wortschatz  ihrer  Zeit  zu  unterrichten. 
Je  vollständiger  derartige  Werke  sind,  um  so  größere  Bedeutung  haben  sie 
als  geschichtliche  Zeugnisse.  So  ist  das  Wörterbuch  von  J.  H.  Campe  aus 
dem  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  heute  deshalb  so  beachtenswert,  weil  es 
bestrebt  ist,  den  W^ortschatz  möglichst  vollständig  aufzuzeichnen.  Für  die 
Frage,  welche  Worte  im  19.  Jahrhundert  neugebildet  sind,  ist  also  dieses 
Werk  geradezu  unentbehrlich,  wenn  es  auch  sonst  in  der  Geschichte  der 
wissenschaftlichen  Lexikographie  nicht  gerade  hochsteht. 

Wer  sich  mit  Wortforschung  befaßt,  muß  natürlich  alle  Werke  dieser 
verschiedenen  Arten  kennen,  und  so  folgt  hier  eine  Übersicht,  die  uns  zu- 
gleich einen  Einblick  in  die  Geschichte  der  Wortforschung  bietet. 

§  43.  Der  Wortschatz  bis  zur  Reformation.  Da  die  Kirchensprache  in  West- 
europa  anfänglich   Lateinisch   war,   so   mußten    die   deutschen   Geistlichen 


§  43.  Der  Wortschatz  bis  zur  Reformation.  57 

Lateinisch  lernen,  sie  mußten  die  Bibel  und  andere  kirchliche  Texte  über- 
setzen können.  Um  dies  zu  erreichen,  legte  man  lateinisch-deutsche  Voka- 
bularien oder  Glossensammlungen  an.  Man  begann  im  8.  Jahrhundert  mit 
dieser  Arbeit  und  setzte  sie  durch  die  Jahrhunderte  hindurch  fort.  Einige 
dieser  Glossen  sind  alphabetisch,  andere  sachlich  geordnet  nach  gewissen 
Gesichtspunkten  der  Bedeutung,  wieder  andere  folgen  den  Wörtern  eines 
Textes.  Das  reiche  Material  in  diesen  Glossen,  die  von  E.  Steinmeyer 
und  E.  Sievers  unter  dem  Titel  ,Die  althochdeutschen  Glossen',  Bd.  1 — 4, 
Berlin  1879  ff.,  herausgegeben  sind,  kann  noch  nicht  völlig  ausgenützt  werden, 
weil  eine  lexikalische  Verarbeitung,  ja  selbst  ein  Index,  fehlt. 

Außerdem  besitzen  wir  aus  der  althochdeutschen  Zeit  zahlreiche  Literatur- 
denkmäler, deren  Wortschatz  mitsamt  dem  der  damals  bekannten  Glossen 
von  E.  G.  Graff  in  seinem  Althochdeutschen  Sprachschatz  oder  Wörterbuch 
der  althochdeutschen  Sprache,  Berlin  1834 — 1842,  nebst  Index  dazu  von 
Massmann,  ebenda  1846,  verarbeitet  ist.  Dieses  für  seine  Zeit  außerordentlich 
bedeutende  Werk  ist  noch  heute  unentbehrlich,  da  es  durch  nichts  anderes 
ersetzt  worden  ist.  Es  sind  aber  seit  Graffs  Zeit  viele  neue  Texte  gefunden 
worden,  deren  Wortschatz  natürlich  in  diesem  Werke  nicht  verzeichnet  ist, 
so  daß  man  aus  dem  Fehlen  eines  Wortes  bei  Graff  nicht  immer  sicher  auf 
das  Fehlen  des  Wortes  überhaupt  schließen  kann.  Manche  vereinzelt  da- 
stehende sonderbare  Form  beruht  auch  auf  falscher  Lesung,  und  es  ist  da- 
her immer  nötig,  in  solchem  Fall  die  Formen  an  der  maßgebenden  Stelle, 
den  neuen  Ausgaben,  nachzuschlagen. 

Außerdem  gibt  es  eine  Reihe  von  SpezialWörterbüchern  zu  einzelnen  Schriftstellern, 
nämlich:  K.  Weinhold,  Glossar  zu  Isidor  in  seiner  Ausgabe,  Paderborn  1874,  ersetzt  durch 
das  Glossar  in  der  Ausgabe  von  Hexch,  Der  althochdeutsche  Isidor,  Straßburg  1893.  Der- 
selbe gab  auch  die  Monsee-Fragmente  mit  einem  Glossar  heraus.  Straßburg  1891.  —  E. 
Sievers,  Glossar  zu  Tatian  in  seiner  Ausgabe,  2.  Auflage,  1892.  —  J.  Kelle,  Glossar  zu 
Otfrids  Evangelienbuch;  der  Ausgabe  des  Evangelienbuches  dritter  Band,  Regensburg 
1879—1881.  —  R.  Heixzel.  Wortschatz  und  Sprachformen  der  Wiener  Notkerhandschrift; 
I.  Wortschatz.    Sitz.Ber.  der  Wiener  Akad.  80.    1875,  S.  679—744. 

Auf  altniederdeutschem  Gebiet  haben  wir  auch  eine  Reihe  von 
Glossaren,  außerdem  das  umfängliche  Literaturdenkmal  des  Heilands.  Ein 
volLständiges  Wörterbuch  dazu  bietet  Schmeller,  Glossarium  saxonicum, 
München  1840,  und  die  Heliandausgabe  von  M.  Heyne,  während  die  Aus- 
gabe von  Behaghel  ein  Glossar  enthält.  Die  kleinen  Texte  sind  jetzt  heraus- 
gegeben und  mit  Glossar  versehen  von  E.  Wadstein,  Kleinere  altsächsische 
Sprachdenkmäler  mit  Anmerkungen  und  Glossar;  auch  unter  dem  Titel:  Nieder- 
deutsche Denkmäler,  herausgegeben  vom  Verein  für  niederdeutsche  Sprach- 
forschung, Band  VI,  Norden  und  Leipzig  1899.  Dazu  kommt  noch  J.  H.  Gallee, 
Vorstudien  zu  einem  altniederdeutschen  Wörterbuche,  Leiden,  Brill  1908. 

In  der  mittelhochdeutschen  Zeit  sind  irgend  welche  wissenschaft- 
liche Bestrebungen  auch  noch  nicht  zu  verzeichnen.  Der  Wortschatz  ist  in 
der  neuern   Zeit  gesammelt  worden  von  W.  Müller  und  Fr.  Zarncke  in 


58  Zweites  Kapitel.   Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 


dem  Mittcllioclidciitschcn  Wörterbuch,  4  Bände,  Leipzi,!:^  1854.  Doch  berück- 
sichtigt dieses  Werk  im  wesentlichen  nur  die  poetische  Literatur.  Außer- 
dem ist  die  Anordnunin  nicht  rein  alpiiabetisch,  sondern  sie  folgt  etymo- 
logischen Rücksichten,  indem  sie  die  zusammengehörigen  Worte  an  einer 
Stelle  bespricht,  was  zwar  für  die  Sprachgeschichte  von  Vorteil  ist,  der 
Benutzung  aber  einige  Schwierigkeiten  bietet.  Als  Ergänzung  dazu  dient 
M.  Lexkr,  Mittelhochdeutsches  Handwörterbuch,  3  Bände,  1869 — 1878,  ein 
Werk,  in  dem  die  Prosa  mehr  zu  ihrem  Recht  kommt  und  die  Belege  bis 
in  das  15.  Jahrhundert  reichen.  Beide  Werke  sind  indessen  natürlich  auch 
nicht  vollständig,  da  neue  Texte  immer  auch  neue  Worte  ergeben.  Immer- 
hin aber  liegen  hier  ausgezeichnete  Leistungen  vor,  die  nur  einiger  Er- 
gänzung bedürfen.  Eine  weitere  Ergänzung  bietet  Ffmnz  Jellinek,  Mittel- 
hochdeutsches Wörterbuch  zu  den  deutschen  Sprachdenkmälern  Böhmens 
und  der  mährischen  Städte  Brunn,  Iglau  und  Olmütz  (13. — 16.  Jahrb.), 
Heidelberg  1911.  —  Ein  kleines  Werk  ist  M.  Lexer,  Mittelhochdeutsches 
Taschenwörterbuch,  das  in  immer  neuen  Auflagen  erscheint. 

Anmerkung.  Außerdem  sind  eine  ganze  Anzahl  mittelhochdeutscher  Texte  mit  In- 
dizes, Glossar  oder  vollständigem  Lexikon  herausgegeben. 

Der  Wortschatz  des  Mittelniederdeutschen  ist  in  dem  großen  mittel- 
niederdeutschen Wörterbuch  von  Schiller  und  Lübben,  Bremen  1875 — 1881, 
gesammelt  worden.  Das  Werk  ist  vergriffen.  Einen  Ersatz  bietet  vorläufig 
das  mittelniederdeutsche  Handwörterbuch  von  August  Lübben,  Norden  und 
Leipzig  1888  (ohne  Belege,  aber  sonst  reichhaltig  und  zuverlässig). 

§  44.  Wörterbücher  der  neuern  Zeit.  Der  Gedanke,  wirkliche  Wörterbücher 
zu  schaffen,  ist  erst  in  der  Renaissance  entsprungen.  Man  braucht  nur  an 
die  großen  Thesauri  für  die  lateinische  und  griechische  Sprache  zu  denken, 
die  zu  Beginn  der  neuen  Zeit  geschaffen  sind.  Zum  Verständnis  des  Grie- 
chischen und  Lateinischen  schuf  man  wirkliche  Wörterbücher,  in  denen  das 
Lateinische  durch  die  Landessprache  erklärt  wurde.  Dann  drehte  man  die 
Sache  um  und  schuf  auch  deutsch-lateinische  Werke,  zunächst  zu  rein  prak- 
tischer Verwendung,  dann  aber  auch  in  immer  größerer  Vertiefung  zu  wirk- 
lich wissenschaftlichen  Zwecken.  Von  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  hat  diese 
Tätigkeit  zugenommen,  weil  auch  die  Erkenntnis  zunahm,  daß  in  unserm 
Wortschatz  ein  Teil  unsrer  Eigenart  liegt.  Ein  gewaltiges  Stück  deutscher 
Gelehrsamkeit  und  deutschen  Fleißes  spiegelt  sich  in  diesen  Leistungen. 
Die  Ausarbeitung  eines  Wörterbuches  gehört  zu  den  entsagungsreichsten 
Tätigkeiten,  die  es  gibt,  und  Kaspar  Stieler,  der  Spate,  hat  in  seinem  Sprach- 
schatz 1691  emen  lateinischen  Spruch  Scaligers  ,zur  Lust  also  verteutschet': 

Wen  strengen  Richters  Spruch  zur  langen  Qual  verteilt, 
sein  Leben  kümmerlich  mit  Ach  und  Weh  zu  rädern: 
dem  darf  kein  Zuchthaus  nicht  der  Kräfte  Mark  entädern; 
nicht  Schürfen,  Steinschnitt  nicht,  und,  wenn  er  Eisen  feilt. 
Man  laß'  ein  Wörterbuch  nur  den  Verdammten  schreiben. 
Dies'  Angst  wird  wohl  der  Kern  von  allen  Martern  bleiben. 


§  44.  WÖRTERBÜCHER  DER  NEUERN  ZEIT.  59 


Wer  diesen  Teil  der  Geschichte  der  germanischen  Philologie  genauer 
übersehen  will,  der  sei  auf  K.  von  Raumer,  Geschichte  der  germanischen 
Philologie,  vorzugsweise  in  Deutschland,  1870,  verwiesen  und  auf  H.Pauls 
Darstellung  desselben  Gebietes  in  seinem  Grundriß  der  germanischen  Philo- 
logie, 2.  Auflage,  Band  1. 

Zunächst  setzte  man  in  den  spätem  Jahrhunderten  die  Tätigkeit  fort, 
die  mit  der  Anlegung  der  Glossare  der  althochdeutschen  Zeit  begonnen  hat. 
Wir  besitzen  aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  eine  große  Anzahl  von 
Glossaren,  zuerst  lateinisch-deutsch,  dann  aber  auch  deutsch-lateinisch. 
Was  wir  auf  diesem  Gebiete  wissen,  verdanken  wir  im  wesentlichen  der 
unermüdlichen  Tätigkeit  von  Lorenz  Diefenbach.  Er  gab  zuerst  heraus  ein 
Glossarium  latino-germanicum  mediae  et  infimae  aetatis,  1857,  dann  das 
Novum  glossarium  latino-germanicum  mediae  et  infimae  aetatis,  1867,  in 
denen  die  Quellen  verzeichnet  sind.  Da  aber  in  diesen  beiden  Werken  das 
lateinische  Wort  voranstand,  so  bedurfte  es  langwieriger  Arbeit,  es  aus- 
zunutzen. Dem  ist  abgeholfen  durch  das  'Hoch-  und  niederdeutsche  Wörter- 
buch der  mittleren  und  neueren  Zeit.  Zur  Ergänzung  der  vorhandenen 
Wörterbücher,  insbesondere  des  der  Brüder  Grimm  von  Lorenz  Diefenbach 
und  Ernst  Wülcker,  1885'.  In  diesem  Werk  ist  ein  überaus  reichhaltiger 
Stoff  zur  Altersbestimmung  deutscher  Wörter  geboten. 

Das  erste  Werk,  in  dem  das  Deutsche  vorangestellt  wurde,  ist  der 
Teiithonista  des  Gerhard  van  der  Schueren,  Köln  1477.  Es  behandelt  die 
Mundart  von  Kleve.  Da  das  Werk  nur  in  wenigen  Exemplaren  vorhanden 
ist,  so  war  die  neue  Ausgabe,  Leiden  1804,  sehr  verdienstlich.  Aber  sie  gab 
nur  den  niederländisch-deutschen  Teil.  Erst  jetzt  ist  das  ganze  Werk  bequem 
auszuschöpfen,  nachdem  auch  der  Inhalt  des  lateinisch-niederdeutschen  Teils 
in  den  andern  hineingearbeitet  ist  in  dem  Werke:  G.  van  der  Schuerens 
Teuthonista  of  Duytschlender.  In  eine  nieuwe  bewerking  vanwege  de  Maat- 
schappij  der  Nederlandsche  Letterkunde  uitgegeven  door  J.  Verdam,  Leiden 
1896.  Immerhin  bleibt  dies  Werk  noch  ein  Lexikon  gewöhnlicher  Art.  In 
gleicher  Weise  haben  wir  auf  deutschem  Boden  das  Werk  von  Dasypodius, 
Dictionarium  germanico-latinum,  das  dem  Dictionarium  latino-germanicum, 
Straßburg  1535  u.  ö.,  angehängt  war.  Ein  deutsch-lateinisches  Wörterbuch 
schuf  dann  JosuaMaaler  unter  dem  Titel  ,Die  Teutsch  Sprach',  Zürich  1561, 
mit  einer  Vorrede  von  C.  Gesner.  Das  Werk  beruht  auf  dem  Dictionarium  latino- 
germanicum  von  JoH.  Frisius,  Zürich  1541,  zweite  erweiterte  Auflage  1556  u.ö., 
das  eine  Bearbeitung  des  lateinisch-französischen  Wörterbuchs  von  Robert 
Stephanus  war;  dadurch  ist  eine  große  Reichhaltigkeit  des  Wortschatzes 
erzielt.  Es  folgt  dann  das  Etymologiciim  (ursprünglich  Dictionarium)  Teu- 
tonicae  linguae  des  Kilianus  Duflaeas  (Kiel  aus  Düffel  in  Brabant),  Ant- 
werpen 1574,  dritte  Ausgabe  1599.  „Es  verzeichnet",  sagt  Paul,  „den  Sprach- 
schatz des  Brabantischen  mit  Berücksichtigung  schon  veralteter  Wörter,  er- 
streckt sich  aber  auch  über  die  übrigen  niederfränkischen  Mundarten,  und 


50  Zweites  Kapitel.   Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 


schließt  auch  das  Sächsische  und  selbst  das  Oberdeutsche  nicht  ganz  aus. 
Mit  der  praktischen  Tendenz  vereinii^t  sich  hier  ein  wissenschaftliches  Streben, 
indem  in  der  dritten  Ausijabe  vielfach  Etymoloj^ien  bcij^efüs^t  sind,  die  der 
Verfasser  mit  Sori^falt  iiiul  nicht  ohne  eine  i^ewisse  Kritik  aus  verschiedenen 
Autoren  zusammeuLictra.i^cn  hat."  Diese  Vorzüj^je  haben  es  bewirkt,  daß 
das  Werk  1623  und  1632  von  Potter  und  1777  noch  einmal  von  Hasselt 
herausgegeben  worden  ist. 

Das  erste  eigentlich  deutsche  Wörterbuch  ist  ein  Reimwörterbuch  von 
Erasmus  Alberus  unter  dem  Titel  Novum  dictionarii  genus,  Frankfurt  1540. 

Ein  wirklich  wissenschaftliches  deutsches  Wörterbuch  erschien  erst  im 
17.  Jahrhundert.  Georg  Henisch  ließ,  Augsburg  1616,  ein  großes  Werk  er- 
scheinen ,Tcutsche  Sprach  und  Weißheit',  das  zwar  noch  das  Lateinische 
hinzufügt,  aber  das  Deutsche  ganz  selbständig  behandeU.  Leider  ist  nur 
ein  Band  vollendet  worden,  der  bis  G  reicht. 

JusTUS  Georg  Schottelius  veröffentlichte  1663  seine  Aus  führ/ ic/ie  Arbeit 
von  der  Teutsdien  Haiibt  Sprache,  von  der  namentlich  der  sechste  Teil 
,Die  Stammwörter  der  Teutschen  Sprache'  wichtig  ist,  weil  er  ein  Wörter- 
buch bietet.  Weiteres  Material  findet  sich  auch  sonst  in  dem  Werke.  So  sind 
die  Ableitungen  und  Zusammensetzungen  im  zweiten  Buch  verzeichnet.  — 
1686  erschien  Georg  Liebes  Teutsches  Wörterbüchlein;  1691  Kaspar  Stieler, 
Der  deutschen  Sprache  Stammbaum  und  Fortwachs.  Hier  ist  der  Sprach- 
schatz nach  Wurzeln  und  Stämmen  geordnet,  und  das  Werk  ist  daher  nicht 
immer  leicht  zu  benutzen,  aber  außerordentlich  reichhaltig.  Der  Verfasser 
nennt  sich  den  Spaten.  Am  Schluß  befindet  sich  ein  alphabetischer  Index, 
der  indes  in  manchen  Exemplaren  fehlt.  In  spätere  Zeit  fällt  des  Schlesiers 
Christoph  Ernst  Steinbach,  Deutsches  Wörterbuch  1725  und  Vollständiges 
deutsches  Wörterbuch  1734. 

Sehr  umfassende  Sammlungen  zu  einem  deutschen  Wörterbuch  unter- 
nahm JoH.  Leonh.  Frisch.  Da  er  aber  diese  nicht  völlig  aufarbeiten  konnte, 
veröffentlichte  er  1741  in  kürzerer  Fassung  sein  Teutsch-lateinisches  Wörter- 
buch. „Es  ist  ein  wirklich  historisches  Wörterbuch",  sagt  Paul,  „in  dem  bis 
in  das  15.  Jahrhundert  zurückgegriffen  wird,  ungemein  reichhaltig,  mit  Be- 
legen für  die  nicht  mehr  allgemein  üblichen  Wörter  und  Gebrauchsweisen 
und  mit  vorsichtigen  Etymologien." 

Etwas  früher  erschien  das  deutsche  Kayserliche  Schul-  und  Kanzelei- 
Wörterbuch  von  von  Antesperg,  Wien  1738,  das  mir  nicht  zugänglich  ist. 

Neben  diesen  wissenschaftlichen  Werken,  die  nicht  allzu  zahlreich  auf- 
treten, sind  aber  für  den  Zweck,  das  erste  Erscheinen  eines  Wortes  zu  be- 
stimmen, auch  die  gewöhnlichen  seit  dem  16.  Jahrhundert  auftretenden 
Wörterbücher  von  hoher  Bedeutung,  also  die  deutsch-lateinischen,  deutsch- 
französischen Werke  usw.,  weil  hier  oft  ein  sehr  reicher  Stoff  aufgespeichert 
ist.  Wenn  auch  die  erste  Aufnahme  in  den  Wörterbüchern  dem  wirklichen 
Aufkommen   eines  Wortes  wesentlich   nachhinkt,   so   zeugt  doch   die  Auf- 


§  45.  Adelung.  ßl 


nähme  für  eine  gewisse  allgemeine  Verbreitung.  Diese  Wörterbücher  haben 
bei  den  neuern  Lexikographen  mehr  und  mehr  Beachtung  gefunden.  Es 
kommt  bei  ihnen  natürlich  sehr  darauf  an,  aus  welcher  Gegend  die  Ver- 
fasser stammen.  Der  Süddeutsche  verzeichnet  manchmal  andere  Wörter  als 
der  Mitteldeutsche  oder  kennt  Worte  nicht,  die  bei  diesem  auftauchen. 

Leider  sind  diese  Werke,  da  sie  sonst  weiter  keine  Bedeutung  haben, 
vielfach  vernichtet  und  schwer  aufzutreiben.  Manche  kommen  ja  noch  vor, 
viele  befinden  sich  auf  Bibliotheken.  Da  ein  Verzeichnis  derartiger  Werke 
fehlt,  so  gebe  ich  hier  die,  die  mir  bekannt  geworden  sind. 

Aler  Paul,  Dictionarium  germanico-latinum,  Köln  1727.  —  Castelli,  Italiänisch-teutsch 
und  teutsch-ital.  Wb.,  Leipzig  1700/1709.  —  Dentzler  Joh.  Jak.,  Clavis  germanico-latina, 
1709/1713.  —  Dhuez  Nathanael,  Dictionaire  Frangois-Alleman-Latin  et  AUeman-Franfois- 
Latin.  Revue,  corrigee  en  cette  edition,  Leiden  1642.  —  DuEZ  N.,  Dictionarium  Gallico-Ger- 
manico-Latinum  und  Dictionarium  Germanico-Gallico-Latinum.  3.  Ausgabe.  Amsterdam 
Elzevier  1664.  Sehr  reichhaltiger  Wortschatz.  —  von  Erberg  Matthias,  Das  große  Universal- 
und  vollkommene  dictionarium,  Nürnberg,  Martin  Endters  1710.  —  Haas  Johann  Gottfried, 
Neues  Teutsches  und  Französisches  Wörterbuch.  2  Bde.  Leipzig  1786  und  1788;  Vollstän- 
diges deutsch-lateinisches  Handwörterbuch,  Zwickau  1801  (1811).  —Hederich  Benj.,  Teutsch- 
Lateinisches  Lexikon,  Leipzig  1729,  1736.  —  HULSIUS  L.,  Dictionarium  Teutsch-Italiänisch  und 
Italiänisch-Teutsch,  Frankfurt  a.  M.  1605.  —  Kirsch,  Abundantissimum  cornu  copiae  linguae 
latinae  et  germanicae  selectum,  Noribergae  1718,  1723.  —  Kramer  Matthias,  Das  neue 
Dictionarium  oder  Wort-Buch  in  Teutsch-Italiänischer  Sprach,  Nürnberg  1678.  —  Kramer 
Matthias.  Königliches  Nider-Hoch-Teutsch  und  Hoch-Nieder-Teutsches  Wörterbuch,  Nürn- 
berg 1719.  —  Kramer  M.,  Neues  Deutsch-Holländisches  Wörterbuch,  4.  Auflage  durch  A. 
A.  von  Moerbeck,  Leipzig  1787.  —  [Ludwig],  Teutsch-Englisches  Lexicon,  Leipzig  1716.  — 
Neues  Teutsch-Frantzösisch-Lateinisches  Dictionarium  oder  Wortbuch,  Genf,  in  Verlegung 
Wiederholds  1669.  —  Neues  Dictionarium  oder  Wörter-Buch  Für  einen  Reisenden.  Teutsch- 
Frantzösisch-  und  Lateinisch,  Genf  1683.  Eine  neue  mit  erst  aufgekommenen  Wörtern  ver- 
mehrte Auflage  erschien  ebd.  1695.  —  Nieremberger  Benedict  Friedrich,  Deutsch-lateinisches 
Wörterbuch,  Regensburg  1753.  —  Nouveau  dictionnaire  AUemand-Frangois,  Straßburg  1762. 
—  Pomey  (Pomai)  Franciscus,  Das  Große  Königliche  Wörterbuch  I  Teutsch-Frantzösisch- 
Lateinisch,  Frankfurt  a.  M.  1690.  Auch  1709.  —  Rädlein  J.,  Europäischer  Sprachschatz,  Leip- 
zig 1711.  —  RoNDEAU,  Neues  Teutsch-Frantzösisches  Wörterbuch.  Verbesserte  Auflage. 
Leipzig  1765.  —  Stoer  J.,  Dictionarium  Germanico-Gallico-Latinum,  Genevae  1662.  — 
Weber  Johann  Adam,  Teutsch-Lateinisches  Universal- Wörter-Buch,  Chemnitz  1734.  3.  Aus- 
gabe, Dresden  1770.  —  Weismann,  Erycus,  Lexicon  bipartitum,  latino-germanicum  et  ger- 
manico-latinum, Stuttgardiae  1715.  —  Wilhelmi  Joh.,  Gerlacus,  Lexicon  Germanico-Latinum, 
Frankfurt  a.  M.  1706. 

§  45.  Adelung.  Wenn  man  die  Wörterbücher  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts übersieht,  so  läßt  sich  ein  stetiger  Fortschritt  nicht  verkennen.  Von 
dem  bloßen  Aufzeichnen  wichtiger  Wörter  gelangt  man  zu  immer  größrer 
Vollständigkeit.  Damit  verbunden  erscheint  aber  auch  ein  Sinn  für  Etymo- 
logie, der  sich  vor  allem  durch  Heranziehung  der  altern  Sprachstufen  und 
der  verwandten  germanischen  Sprachen  offenbart.  Dieser  Fortschritt  voll- 
zog sich  nicht  allein  in  Deutschland,  sondern  auch  in  den  andern  Ländern 
germanischer  Zunge.  Man  beeinflußte  sich  gegenseitig.  Dies  zu  verfolgen 
ist  hier  nicht  der  Ort.  Zweifellos  hängt  das  Vorwärtskommen  auch  mit  der 
ganzen  geistigen  Entwicklung  zusammen.   Seitdem  Thomasius  die  erste  Vor- 


62  Zweites  Kapitel.  Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 

lesung  in  deutscher  Sprache  iichaltcn  hatte,  brach  sich  das  Deutsche  immer 
milchtiger  Bahn.  Dazu  tauchten  die  altern  Urkunden  der  deutschen  Spraciie 
aus  der  Ver.tjangenheit  auf.  Man  erkannte,  daß  die  deutsche  Sprache  eine 
Geschichte  habe.  Daneben  aber  entwickelte  sich  die  deutsche  Gemein-  oder 
Schriftsprache,  und  nun  kam  es  darauf  an,  zu  wissen,  was  in  dieser  ge- 
bräuchlich und  angewendet  werden  durfte.  Die  Wörterbücher  wollen  nun- 
mehr belehren  und  den  Weg  zur  richtigen  Ausdrucksweise  führen.  Es  sind 
denn  auch  Mitteldeutsche  oder  in  Mitteldeutschland  Lebende,  die  die  neuen 
Wörterbücher  schaffen. 

Im  18.  Jahrhundert  schwang  sich,  wie  bekannt,  Gottsched  zum  Richter 
darüber  auf,  was  richtiges  Deutsch  war,  und  es  ist  nicht  wunderbar,  daß 
er  nach  seinen  grammatischen  Arbeiten  über  die  deutsche  Sprache  in  seinem 
Alter  noch  beabsichtigte,  ein  deutsches  Wörterbuch  zu  schreiben.  Er  kün- 
digte, wie  Adelung  sagt,  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  ein  deutsches 
grammatisches  Wörterbuch  an,  welches,  wie  er  am  Schlüsse  der  deshalb 
bekannt  gemachten  Nachricht  versicherte,  ganz  Deutschland  zum  Wegweiser 
dienen  sollte,  seine  Sprache  grammatisch,  d.  i.  richtig  zu  reden  und  zu  schreiben. 
Es  ist  aber  nicht  mehr  als  ein  Probebogen  erschienen.  Adelung  sagt  weiter: 
„Dieses  Werk  war  nicht  die  Frucht  einer  vieljährigen  Sammlung  oder  Vor- 
arbeitung, wie  man  wohl  von  einem  Manne  hätte  erwarten  können,  der 
mehrmals  von  sich  zu  versichern  pflegte,  daß  er  sich  über  dreißig  Jahre 
mit  der  deutschen  Sprache  beschäftigt  habe.  Es  war  ein  flüchtiger  Einfall, 
der  eben  so  flüchtig  in  das  Werk  gesetzet  und  durch  die  leichtesten  Mittel, 
die  nur  möglich  waren,  ausgeführet  wurde."  Auf  Anregung  des  Verlegers 
sollte  nach  Gottscheds  Tode  Johann  Christoph  Adelung  (1732 — 1806)  das 
Werk  fortsetzen.  Was  vorlag,  war  aber  zu  unbedeutend,  und  so  schuf  er 
ein  völlig  neues  Werk.  1774—1786  erschien  sein  ,Versuch  eines  vollstän- 
digen grammatisch-kritischen  Wörterbuches  der  hochdeutschen  Mundart', 
1793—1801  eine  zweite  Auflage,  die  sich  nicht  mehr  ,Versuch'  nennt. 
Beachtenswert  ist  der  Ausdruck  , kritisch'  auf  dem  Titel.  Er  soll  andeuten, 
daß  hier  ein  Buch  erscheint,  welches  in  kritischer  Auswahl  den  deutschen 
Sprachstoff  vorlegt.  Es  war  die  Fortsetzung  und  der  Beschluß  der  lange 
wirkenden  Einheitsbestrebungen,  und  es  hat  zweifellos  nach  dieser  Richtung 
gewirkt.  Hat  doch  selbst  Goethe  den  Adelung  besessen,  benutzt  und  seine 
Werke  danach  verbessern  lassen. 

Über  die  Grundsätze  bei  seiner  Arbeit  hat  sich  Adelung  S.  XIII  aus- 
gesprochen. Besonders  habe  er  es  sich  angelegen  sein  lassen,  die  Kunst- 
wörter aus  allen  Lebensarten,  Künsten  und  Wissenschaften  zu  sammeln,  weil 
viele  derselben  selbst  eingeborenen  Deutschen  unverständlich  und  fremd 
seien.  „Zusammengesetzte  Wörter  sind  nur  alsdann  mit  aufgeführt  worden, 
wenn  ihre  Bedeutung  aus  der  Zusammensetzung  selbst  nicht  sogleich  merklich 
wird.  Gar  zu  niedrige  und  pöbelhafte  Wörter  darf  man  hier  nicht  suchen. 
Ist  in  einem  oder  dem  andern  Falle  eine  Ausnahme  gemacht  worden,  so 


§  45.  Adelung.  §3 


wird  ein  scharfsinniger  Leser  sogleich  selbst  sehen,  warum  sie  nötig  gewesen. 
Eigentlich  ist  dieses  Wörterbuch  nur  solchen  hochdeutschen  Wörtern  ge- 
widmet, welche  noch  jetzt  gangbar  sind.  Allein,  da  verschiedene  ältere 
Schriften  noch  täglich  gelesen  werden,  so  habe  ich  auch  die  in  denselben 
vorkommenden  veralteten  oder  provinziellen  Wörter,  Bedeutungen  und  Wort- 
fügungen mitaufgeführt,  sollte  es  auch  nur  geschehen  sein,  um  den  un- 
kundigen und  ausländischen  Leser  zu  warnen.  Dahin  gehören  die  ver- 
alteten oder  provinziellen  Wörter,  welche  in  Lutheri  Übersetzung  der  hei- 
ligen Schrift,  in  Opitzens,  Logaus,  Flemmings  und  anderer  schlesischen 
Dichter  Schriften  vorkommen."  Doch  ist  mit  der  Aufnahme  solcher  Wörter 
sparsam  verfahren.  Auch  die  ausländischen  Wörter  sind  nur  mit  Auswahl 
aufgenommen. 

„Einer  der  vornehmsten  Bedürfnisse",  sagt  er  weiter,  „schien  mir  die 
Bemerkung  der  Würde  nicht  bloß  der  Wörter,  sondern  auch  ganzer  Redens- 
arten zu  sein;  ein  Umstand,  dessen  Versäumung  den  Nutzen  so  vieler 
anderen  Wörterbücher  gar  sehr  einschränkt.  Ich  habe  zu  dem  Ende  fünf 
Klassen  angenommen:  L  die  höhere  oder  erhabene  Schreibart;  2.  die  edle; 
3.  die  Sprechart  des  gemeinen  Lebens  und  vertraulichen  Umganges;  4.  die 
niedrige  und  5.  die  ganz  pöbelhafte."  Es  ist  zu  bedauern,  daß  Adelung 
diesen  Gesichtspunkt  doch  nur  zu  einem  bescheidenen  Teile  durchgeführt 
hat,  und  daß  er  namentlich  die  Volkssprache  sehr  gering  schätzte.  Wir 
wissen  heute,  daß  in  ihr  ein  guter  Kern  steckt.  So  sagt  er  denn  auch:  „Die 
Sprichwörter  gehören  größtenteils  in  die  niedrige  und  pöbelhafte  Sprache. 
Ich  habe  es  daher  nicht  der  Mühe  wert  gehalten,  sie  zu  sammeln  und  noch 
weiter  fortzupflanzen.  Wer  in  ihnen  und  andern  schmutzigen  Blümchen 
des  großen  Haufens  den  Kern  der  deutschen  Sprache  sucht,  der  kann  einen 
reichen  Vorrat  davon  in  Gottscheds  Sprachkunst  finden." 

Sehr  richtige  Grundsätze  hat  Adelung  über  die  Anordnung  der  Be- 
deutungen. „Die  Bedeutungen,  welche  in  den  meisten  Wörterbüchern  nur 
auf  gut  Glück  durcheinander  geworfen  zu  werden  pflegen,  sind  der  Sache 
gemäß  geordnet,  das  ist,  wie  sie  vermutlich  aus-  und  aufeinander  gefolgt 
sind."  Alles  in  allem  ist  Adelungs  Wörterbuch  ein  sehr  achtbares  Werk, 
das  noch  heute  seinen  Wert  nicht  verloren  hat.  Wichtig  ist  es  für  unsere 
Zwecke,  weil  es  uns  einen  Überblick  über  die  Sprache  des  18.  Jahrhunderts 
gibt.  Adelung  hat  aber  auch  als  Normgeber  eine  außerordentlich  hohe  Be- 
deutung. Die  wichtige  Frage,  wie  er  auf  die  Ausbildung  des  Wortschatzes, 
das  Zurückdrängen  gewisser  Worte  oder  die  Einführung  neuer  gewirkt  hat, 
ist  noch  nicht  genügend  untersucht.  Einen  Anfang  dazu  macht  die  Arbeit 
von  Max  Müller,  Wortkritik  und  Sprachbereicherung  in  Adelungs  Wörter- 
buch, Palästra,  herausgegeben  von  Brandl  und  E.  Schmidt,  XIV,  1903. 

Anmerkung.  Kleinere  und  unbedeutendere  Werke  der  spätem  Zeit  sind :  JOH.  Richter, 
Grammatisches  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache,  1791.  —  K.  Ph.  Moritz,  Grammatisches 
Wörterbuch  der  deutschen  Sprache,  1793—1800.  —  Chr.  Fr.  Trg.  Voigt,  Deutsches  Hand- 
wörterbuch für  die  Geschäftsführung,  den  Umgang  und  die  Lektüre,  1805. 


54  Zweites  Kapitel.   Die  SAiMMLUNO  des  Wortschatzes. 

§  46.  Campe.  Mit  dem  Anfang  des  neuen  Jahrhunderts  trat  ein  anderes 
umfangreiches  Wörterbuch  ans  Licht,  das  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache 
von  JoACHiiM  Heinrich  Camf^h,  Braunschweig  1807.')  BekanntUch  hat  sich 
Jak.  Grimm  in  der  Vorrede  zum  deutschen  Wörterbuch  sehr  ungünstig  über 
Campe  ausgesprochen.  Und  in  vielen  Punkten  mit  Recht.  Als  wissenschaft- 
liche Leistung  steht  Campcs  Werk  nicht  hoch,  es  läßt  sich  mit  dem  Adelungs 
gar  nicht  vergleichen.  Aber  doch  hat  es  für  uns  eine  hohe  Bedeutung,  und 
die  liegt  in  seiner  Reichhaltigkeit.  Campes  Absicht  war,  wirklich  den  Sprach- 
schatz seiner  Zeit  vollständig  aufzuzeichnen.  Zu  seinem  Unternehmen  hatte 
ihn  das  Fehlen  vieler  Wörter  bei  Adelung  veranlaßt,  und  das  Werk  war 
zunächst  geradezu  als  ein  Ergänzungswörterbuch  zu  Adelung  aufgefaßt. 
Das  vollständige  Verzeichnen  des  Wortschatzes  der  Zeit  ist  jetzt  eine  wissen- 
schaftliche Forderung,  und  man  darf  es  daher  nicht  unterschätzen,  daß 
dieser  Versuch  schon  am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  unternommen  wurde. 
Auch  Campe  hat  natürlich  nicht  alles  verzeichnen  können,  aber  die  Wahr- 
scheinlichkeit, daß  ein  Wort  bei  ihm  fehlt,  ist  viel  geringer  als  in  den 
frühern  Werken.  Nach  einer  Berechnung  Bernds  sind  in  dem  Wörterbuch 
über  50000  Worte  angeführt,  die  nicht  bei  Adelung  stehen,  und  mit  Stolz 
hebt  Campe  hervor,  daß  es  sich  nicht  etwa  nur  um  Zusammensetzungen 
handle,  sondern  daß  auch  eine  Fülle  einfacher  Wörter  wie  wogen,  lullen, 
bangen,  flaggen,  branden,  kreisen  (in  allgemeiner  Bedeutung)  neu  auf- 
geführt seien.  An  Zusammensetzungen  nennt  er  u.  a.  ärztlich,  Allheit,  Be- 
freier, bekritteln,  Beieber,  Beleuchter,  Besatz  (statt  dessen  Herr  Adelung 
nur  das  Zwitterwort  Bordierung  angab),  bestimmbar,  Beurteiler,  Bewerber, 
dörflich,  entwirren,  Erguß,  Erzieher,  Feinheit. 

Jak.  Grimms  Zorn  erregte  es  auch,  daß  Campe  durch  eine  Reihe  von 
Zeichen  den  Wortschatz  der  verschiedenen  , Schreibarten'  zu  unterscheiden 
suchte  und  einem  ausgedehnten  , Purismus'  huldigte.  Über  letztern  denken 
wir  heute  sicher  anders  als  Grimm,  und  ebenso  über  die  Unterscheidung 
der , Schreibarten'.  Es  ist  ganz  anziehend,  die  Ansichten  Grimms  im  Rahmen 
der  Zeitgeschichte  aufzufassen.  Für  Adelung  und  Campe  war  die  Unter- 
scheidung der  verschiedenen  Schreibarten,  der  Sprache  der  gewöhnlichen 
und  der  höherstehenden  Menschen  etwas  ganz  Selbstverständliches,  während 
Grimm  sich  in  diesem  Punkt  als  Romantiker  und  Demokrat  zeigt,  dem 
jedes  Wort  gleich  gilt.  Wenn  das  auch  für  die  Wissenschaft  richtig  ist, 
wenn  auch  die  Mundart  und  die  mundartlichen  Wörter  dieselbe,  ja  fast 
noch  größere  Anziehungskraft  besitzen  als  die  Schriftsprache  und  die  schrift- 
sprachlichen Wörter,  so  sind  doch  auch  die  Unterscheidungen  Campes  von 
höchster  Bedeutung,  weil  gerade  in  ihnen  das  kulturgeschichtliche  Element 


M  Das  Werk  ist  nicht  von  Campe  be-  Druckschriften  Verfasser  des  von  J.  H.  Campe 

arbeitet,  sondern  nur  von  ihm  angeregt.  J.  veranstalteten  und  herausgegebenen  Wörter- 

G.  Radlof  und  Th.  Bernd  haben   es  ge-  buchs". 
schaffen.   .Th.  Bernd  nennt  sich  jedoch  in 


§  46.  Campe.  65 


der  Sprache  zur  Geltung  kommt.  Wie  die  Geschichte  die  Entwicklung  aller 
Gesellschaftsschichten  betrachten  muß,  so  muß  das  auch  die  Wortgeschichte 
tun,  und  die  Sprache  ist  nun  einmal  an  den  Menschen  und  an  die  Gesell- 
schaft gebunden. 

Mir  scheint  das  Campesche  Werk  durch  den  in  ihm  aufgespeicherten 
Stoff  von  ganz  hervorragender  Wichtigkeit  zu  sein,  und  deshalb  will  ich 
noch  etwas  ausführlicher  darauf  eingehen. 

Campe  wendet,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  eine  Reihe  von 
Zeichen  an.  Diese  sind  für  das  Aufkommen  und  den  Gebrauch  der  Wörter 
seiner  Zeit  sehr  lehrreich,  so  daß  eine  Sammlung  und  Verarbeitung  dieser 
Wörter  für  die  Geschichte  des  Wortschatzes  der  neuern  Zeit  dankbar  zu 
begrüßen  wäre.  Da  mit  diesen  Zeichen  schon  gewisse  Ziele,  denen  die 
Wortforschung  nachstreben  muß,  angedeutet  sind,  so  gebe  ich  hier  einige 
Beispiele,  teils  um  zu  weiterer  Sammlung  anzuregen,  teils  um  zu  zeigen, 
wie  sich  schon  in  hundert  Jahren  der  Wortschatz  wieder  verändert  hat. 
Gerade  die  Beteiligung  unserer  Literatur  an  der  Ausbildung  des  Wortschatzes 
durch  Wiederbelebung  alter  und  Schaffung  neuer  Worte  würde  sich  durch 
eine  Untersuchung  des  Campeschen  Wörterbuches  zeigen  lassen.  Campe 
bietet  mit  diesen  Zeichen  durchaus  nichts  Neues.  Schon  Steinbach  hat  einige. 
Aber  in  dieser  Fülle  treten  sie  erst  bei  ihm  auf. 

Anmerkung  1.  Campe  unterscheidet  folgende  Punkte: 

1.  *  Veraltete  Wörter,  die  aber  von  guten  Schriftstellern  schon  wieder  erneuert  sind 
oder  die  Erneuerung  zu  verdienen  scheinen,  z.  B.  Hüne  für  Riese.  „Manche  Wörter,  die 
Adelung  zu  den  veralteten  zählt,  sind  jetzt  so  sehr  wieder  in  Umlauf  gesetzt,  daß  wir  ihnen 
gar  kein  Zeichen  beizusetzen  brauchen,  wie  bieder,  beginnen."  Ich  führe  natürlich  nur 
solche  Worte  an,  die  heute  wieder  üblich  geworden  sind:  Fährlichkeit,  Fehlwort,  Feld- 
hauptmann, Feudite,  flugs,  Frauengemadi,  Frevel,  munden,  mundtot,  Sadiwalter,  der  Sang, 
sdiädigen,  Sdiädiger. 

2.  **  Veraltete  Wörter,  die  der  Erneuerung  nicht  mehr  fähig  zu  sein  scheinen,  z.  B.  bold, 
das  noch  in  Trunkenbold,  Raufbold,  Reimbold  vorliegt,  das  Saalgut,  das  Sadis  (Messer), 
Sdialksrat,  handhaft,  Heerfahrt,  Heim  n.  u.  a. 

3.  O  „Neugebildete  Wörter,  die  teils  von  guten  Schriftstellern  bereits  angenommen 
und  gebraucht,  teils  von  achtungswürdigen  Sprachforschern  geprüft  und  gebilligt  sind,  mit 
Ausschluß  der  Campeschen  neuen  Wörter,  als  welche,  zu  noch  größerer  Warnung,  ein  be- 
sonderes Zeichen  erhalten,  z.  B.  prallweidi  für  elastisdi." 

Dieses  Zeichen  gewährt  uns  also  einen  Überblick  über  die  Wörter,  die  man  am  An 
fang  des  19.  Jahrhunderts  als  neu  empfand.   Ob   sie  wirklich   neu  waren,  ist  freilich   eine 
andere  Frage.   Immerhin  dürfte  es  sich  lohnen,  einige  anzuführen,  um  zu  zeigen,  daß  wir 
dieses  Gefühl  der  Neuheit  vollständig  verloren  haben. 

Allheit,  alljährlidi,  allmonatlidi,  ansprudisvoll,  Emporkömmling  (Parvenü),  Erken- 
nungszeidien.  Fabelwelt,  Fabelreich,  Falkenblidi,  Fahrdamm  (Chaussee),  Fallsudit,  Fall- 
sdiirm,  Farbensinn,  Farbenduft,  Farbenbogen,  Familienleben,  Familienglüdi,  Faniilienhaupt> 
Fedithandsdiuh,  feenhaft,  Fehljahr,  Fehlgewinn,  Fehlfarbe,  Fehlblatt,  Feigling,  Felsen- 
bedien, Feldsdiule,  Fernsidit,  Fiditenhain,  Festgetümmel,  fessellos,  Fistelstimme,  Fliegen- 
falle, Freisinn,  Freimut,  freigeistig,  Frauenherz,  fraglidi,  haarbreit,  Haarstern,  hageldidit, 
Halbheit,  Halbfahr,  Halsring,  haltlos,  Hämmling,  nadihaltig,  Sadiwert,  Sadiinhalt,  sädi- 
lidi,  Sagengesdiidite,  Sdiamgefühl  u.  a. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  5 


56  Zweites  Kapitel.  Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 


4.  O  .Neue  Wörter  von  zwcifelliaftem,  noch  nicht  ausgemachtem  Werte.  Dieses  Zeichen 
erlialten  oiinc  Ausnahme  alle  diejenigen  Campesclien  Wörter,  die  man  in  das  Wörterbuch 
aufnclimcn  zu  müssen  glaubte,  weil  sie  schon  in  gelesenen  Scliriften  vorkommen.* 

Campes  Verdienste  liegen  bel<anntlich  liauptsilciiiich  auf  dem  Gebiete  der  Ver- 
deutschung von  Fremdwörtern.  So  viele  ihrer  auch  spurlos  verschwunden  sind,  so  bleibt 
doch  eine  ganz  hübsche  Zahl,  die  wir  Campe  verdanken,  und  viele  andere  verdienen  noch 
heute  volle  Beachtung.    Ich  gebe  auch  hier  einige  Beispiele. 

Lehrgang  für  Kursus,  folgeredü  für  konsequent,  dauerlos  für  ephemerisch,  Dienst- 
anweisung für  Instruktion,  Süuleneingang  für  Prostyios,  fabellehrig  für  mythologisdi, 
Fahr  gut,  Fallbeil  für  Guillotine,  Fahr  mittel  für  Vehikel,  falscfinamig,  Fanggier  für  Ko- 
ketterie, Fechteisen  für  Rappier,  Feldkrümer  für  Marketender,  Fernsdireiber  für  Telegraph, 
Bittsteller  für  Supplikant,  Hafendamm  für  Molo,  Handelsvertrag  für  Kommerztraktat. 

Derartige  Fälle  zeigen  doch  auf  das  deutlichste,  daß  eine  zielbewußte  Verdeutschung 
nicht  ohne  Folgen  bleiben  kann.  Campes  Leistungen  nach  dieser  Richtung  sind  zweifellos 
von  hohem  Werte,  und  sein  .Wörterbuch  zur  Erklärung  und  Verdeutschung  der  unserer 
Sprache  aufgedrungenen  fremden  Ausdrücke",  neue  Auflage,  Braunschweig  1813,  ist  noch 
heute  mit  Vorteil  zu  benutzen. 

5.  (*^)  Neue  (auch  ältere)  Wörter,  die  zwar  von  bedeutenden  Schriftstellern  herrühren 
oder  doch  von  ihnen  gebraucht  worden  sind,  die  aber,  irgendeiner  fehlerhaften  Eigenschaft 
wegen,  die  Aufnahme  nicht  zu  verdienen  scheinen.  Hierher  gehören  eben  die  Verdeutschungen, 
die  nicht  durchgedrungen  sind,  und  die  man  daher  oft  anführt,  um  jene  Bestrebungen  lächerlich 
zu  machen,  z.  B.  Einzögling  und  Finzöglingsredit  für  Eingeborener  und  Eingeburtsrecht, 
Indigennt  (.Adelung);  Fünftelsaft  für  Quintessenz  (Bürger);  Entknotigung  für  Katastrophe 
(Wieland);  Füller  im  Trochäus,  fade,  Fremlenmäddien.  Wie  die  letzten  Beispiele  beweisen, 
hat  Campe  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen,  da  wir  diese  Worte  sehr  wohl  ge- 
brauchen können. 

6.  -\-  bezeichnet  die  landschaftlichen  Wörter.  Auch  hier  zeigt  es  sich,  daß  wir  heute 
manches  ganz  anders  empfinden.  Beispiele  sind:  t/ra// (Lessing),  risdi  {QüTgtr).  pladdern, 
dammein,  Däumerling  (Goethe),  dazumal,  dereinstig,  um  deswillen,  sabbern,  Sälen  , schmutzig 
machen',  Salm  (Psalm),  Satte,  sdiäditen,  Forke,  freiheitlidi,  flau,  Flaumen,  Flabbe,  Feuer- 
eisen, Ferge,  feilsdiend,  Fasdüng,  fauchen,  Faustbüdise,  fahnden,  freundwillig,  feilsdien, 
firn,  Firnewein,  Haareule,  sidi  hägen,  hahnbüdien,  häklig,  Halde,  hasten. 

7.  X  „NMedrige,  aber  deswegen  noch  nicht  verwerfliche  Wörter,  weil  sie  in  der  ge- 
ringen (scherzenden,  spottenden,  launigen)  Schreibart  und  in  der  Umgangssprache  brauchbar 
sind."  z.  B.  besdilabbern  (Goethe),  blaßäugig.  die  Edier,  ehegestern,  Ehehälfte,  Ehekrüppel, 
Ehrentag,  ehrenthalben,  Ehrentrunk,  erangeln,  Fabelei,  Fabelhans,  Fabelschmied,  faden- 
scheinig, fadenadtend,  Falsdimünzerei,  Farbenklavier,  Faselei,  Faselhans,  faselig,  faseln, 
faselnackt,  Faulbett,  faulenzen.  Februar,  Fechthandwerk,  Federheld,  Federlesen,  Feger, 
Fersengeld,  Fettwanst,  Fibel,  Fiedel,  Figur,  fingersdidi,  Firlefanz,  fispern,  fix,  Fladishaar, 
Fladiskopf,  fladierig.  Flattergeist,  Flaus,  Flausdi,  Fläz,  fletsdien,  Flidierei,  flink,  foppen, 
Frack,  frank,  Franze,  Franzmann,  Fratz,  Freiersmann,  Freßsadi,  Freudenpost,  Frühgottes- 
dienst, funkelneu,  haarfein,  haarsdiarf,  Habenidits,  häklig,  Halunke,  Hampelmann,  hand- 
breit, Leibgeridit.  mummeln,  Mundwerk,  munkeln,  Muselmann,  Sabbat.  Säbelbein,  sadit, 
Saffian,  Sago,  Salbader,  Sauessen,  Saufaus,  Saufbruder,  saufen,  Sdiandmaul. 

8.  X  .Niedrige  Wörter,  die  ans  Pöbelhafte  grenzen,  und  deren  man  sich  daher  sowohl 
Ln  der  Schriftsprache,  selbst  in  der  untern,  sowie  auch  in  der  bessern  Umgangssprache 
enthalten  soHte.  die  aber  dennoch  in  Bühnenstücken  wie  im  geraeinen  Leben,  wiewohl  nur 
im  Munde  ungebildeter  Personen,  vorkommen*,  z.B. Freßsack.  Lausekerl,  Rotznase, bockenzen, 
Saufgurgel,  Saufsack,  Saukerl,  Finkeljodien,  Hahnrei,  Freund  Hain,  halsbrechend,  Hans- 
wurst. 

9.  A  Wörter  der  höhern  dichterischen  Schreibart,  z.  B.  Windsbraut  für  Orkan,  rosen- 


§  47.   Grimm.  67 


fingrig,  erklimmen,  erkunden,  erraffen,  Drommete,  Feierkleid,  Fittich,  hadern,  harmlos, 
harren,  Meerschau,  hehlen,  hehr. 

10.  A  Dergleichen  Wörter,  wenn  sie  zugleich  neu  sind;  z.  B.  Abstamm  für  Nach- 
kommenschaft, Glutgeloder  für  auflodernde  Glut  (Tiedgc),  Salzflut  (Voß),  sdulengetragen 
(Schiller),  einherfliegen,  Fadtelfilngling,  Farbenfeuer,  farrenäugig,  Feierklang,  Feldgesang, 
Feldmann,  felsab,  Felsaltar,  Felsbrust,  Felsburg,  Felsenbrust,  Felsenkette,  Felsenquell, 
Festgeläute,  Festmahl,  Festschmaus,  Festschmuck,  Feuerauge,  Feuerblick,  Feuerflut,  Feuer- 
seele, Flammenauge,  Flammenkuß,  Flammenmeer,  Flammensäule,  -schild,  -schrift,  -tod, 
Flügelschlag,  freudenarm,  freudetrunken,  Frühlingshauch,  frührot,  Hall,  hallen,  heimat- 
los, heimatlich. 

11.  OA  Dergleichen  Wörter,  wenn  sie  von  Campe  herrühren,  z.  B.  Antlitzseite  für 
Fassade,  Prachttor  für  Portal. 

12.  OX  Neue  Wörter  für  die  untern  (scherzenden,  spottenden,  launigen)  Schreibarten, 
z.  B.  Lichtenbergs  Zierbengel  für  Incroyable,  Geldschaffer  für  Finanzier,  Alltagssprache, 
Alltagsgesicfit,  einhergaukeln,  Faulpfründe  für  Sinekure,  Felsennest,  Fettpfründe  für  Prä- 
latur,  Fladikopf. 

13.  OX  Dergleichen  Wörter,  die  von  Campe  herrühren,  z.  B.  Stelldidiein  für  Rendezvous, 
Teufelsanwalt  für  advocatus  diaboli. 

Man  erkennt  aus  dieser  Übersicht,  welcher  Wert  der  Campeschen  Arbeit 
innewohnt..  Wir  werden  in  den  spätem  Teilen  auf  die  von  Campe  ein- 
geführten Unterscheidungen  ausführlicher  zu  sprechen  kommen  und  zeigen, 
wie  wichtig  diese  sind  und  wie  bedeutungsvoll  es  ist,  daß  wir  für  den 
Anfang  des  19.  Jahrhunderts  die  verschiedenen  Arten  des  Wortschatzes 
auseinanderzuhalten  imstande  sind.  Aber  eine  Bemerkung  sei  gleich  hier 
gestattet.  Die  poetische  Sprache  beruht  zum  guten  Teil  darauf,  daß  sie  von 
der  Alltagsrede  abweichende  Worte  braucht.  Gehen  Wörter  der  poetischen 
Sprache  in  die  Alltagssprache  über,  so  können  wir  die  ursprüngliche  dich- 
terische Ausdrucksweise  nicht  mehr  nachempfinden.  Unsere  großen  Dichter 
haben  unsere  Sprache  nach  dieser  Richtung  zweifellos  ungemein  bereichert, 
aber  manche  Stellen  bei  ihnen  haben  dadurch  an  poetischer  Kraft  eingebüßt, 
daß  die  Worte  allgemein  üblich  geworden  sind. 

Anmerkung  2.  Auf  Campe  folgten  dann  einige  kleinere  Wörterbücher,  die  keine 
wesentliche  Bedeutung  haben  und  hier  nur  der  Vollständigkeit  wegen  erwähnt  werden: 
Heyse,  Handwörterbuch  der  deutschen  Sprache,  Magdeburg  1833—1849.  —  Örtel,  Gram- 
matisches Wörterbuch  der  deutschen  Sprache,  München  1829  ff.  —  Kaltschmidt,  Gesamt- 
wörterbuch der  deutschen  Sprache,  Leipzig  1834.  —  K.  Schwenk,  Wörterbuch  der  deutschen 
Sprache,  Frankfurt  a.  M.  1834.  —  Weber,  Kritisch-erklärendes  Handwörterbuch  der  deutschen 
Sprache  1837  f.,  11.  Aufl.  Leipzig  1872.  —  Wenig,  Handwörterbuch  der  deutschen  Sprache, 
Erfurt  1821,  5.  Aufl.  1870.  —  W.  Hoffmann,  Vollständigstes  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache, 
6  Bände,  Leipzig  1859—1861. 

§  47.  Grimm.  Nun  war  aber  in  Deutschland  seit  dem  Beginn  des  19.  Jahr- 
hunderts die  Sprachwissenschaft  mächtig  aufgeblüht,  die  wissenschaftlichen 
Anforderungen  an  ein  Wörterbuch  hatten  sich  vertieft,  und  so  faßten  die 
Männer,  die  selbst  am  meisten  mit  zu  der  neuen  Entwicklung  beigetragen 
hatten,  den  Plan,  ein  neues  Wörterbuch  zu  schreiben.  Das  deutsche  Wörter- 
buch der  Brüder  Grimm  war  ein  Eigenunternehmen,  geboren  aus  der  Not 
der  beiden  Gelehrten,  die  ihrer  Stellung  entsetzt  waren.   Es  war  ursprüng- 

5* 


68  Zweites  Kapitel.   Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 

lieh  in  verhältnisniilßiij  kleinem  Umfanj^  j^cplant,  es  sollte  ein  Hausbucii, 
ziigäni^licli  für  weite  Kreise  und  benutzbar  für  jedermann,  werden.  Jak.  Grinmi 
spricht  darüber  in  foli^'ender  viel  bespotteter  Weise  (Wörterbuch  1,  XII): 
„Einen  Haufen  Bücher  mit  übelcrfundenen  Titeln  t^ibt  es,  die  hausieren 
iijehcn  und  das  bunteste  und  unverdaulichste  Gemisch  des  manni^jjfaltcn 
Wissens  feiltra^en.  Fiinde  bei  den  Leuten  die  einfache  Kost  der  heimischen 
Sprache  Eini^anf^j,  so  könnte  das  Wprtcrbuch  zum  Hausbedarf,  und  mit  Ver- 
langen, oft  mit  Andacht  gelesen  werden.  Warum  sollte  sich  nicht  der  Vater 
ein  paar  Wörter  ausheben  und  sie  abends  mit  den  Knaben  durchgehend 
zugleich  ihre  Sprachgabe  prüfen  und  die  eigene  anfrischen?  Die  Mutter 
würde  gern  zuhören." 

Zweifellos  lag  die  Begabung  der  Brüder  Grimm  nicht  gerade  auf  der 
lexikalischen  Seite,  wenngleich  das  Genie  nie  etwas  ganz  minderwertiges 
bieten  wird.  Aber  das  Werk  hat  sich  ganz  anders  entwickelt,  als  es  geplant 
war.  Es  wurde  im  Jahre  1840  begonnen.  Natürlich  können  die  ersten  Teile 
schon  deshalb  nicht  mehr  genügen,  weil  der  Wortschatz  bald  eines  Jahr- 
hunderts in  ihnen  fehlt,  abgesehen  davon,  daß  wir  heute  auch  schon  wieder 
ganz  andere  Anforderungen  an  ein  Wörterbuch  stellen  als  damals.  Bereits 
bei  Lebzeiten  der  Brüder  waren  einige  Hilfsarbeiter  hinzugetreten.  Nach 
ihrem  Tode  wurde  das  Werk  von  mehreren  Gelehrten  fortgesetzt,  aber  auch 
diese  sind  schon  dahingesunken,  und  ein  neues  Geschlecht  arbeitet  nun 
an  dem  Werk. 

Die  ersten  Bände  sind  von  den  Brüdern  Grimm  fertiggestellt.  Jakob  hat 
die  Buchstaben  A,  B,  C,  E  und  F  zum  größten  Teil  geliefert,  Wilhelm  das 
D  bearbeitet.  K.  Weigand  hat  F  zu  Ende  geführt,  N,  O,  P,  Q  und  T  (bis 
Todestag)  stammt  von  Lexer,  V  (bis  versch recken)  von  E.  Wülcker,  W  (so- 
weit bearbeitet)  von  v.  Bahder.  Die  beste  Leistung  der  altern  Generation 
ist  zweifellos  die  von  R.  Hildebrand,  der  K  und  einen  Teil  des  G  (fortgesetzt 
von  Wunderlich)  geschrieben  hat.  Den  größten  Anteil  aber  hat  M.  Heyne. 
Über  die  Art,  wie  dieser  seine  Aufgabe  aufgefaßt  hat,  gibt  seine  eigene 
Erklärung  Auskunft.  Nachdem  zwei  Bände,  jeder  in  acht  Jahren,  von  ihm 
vollendet  worden  seien,  habe  er  sich  sagen  müssen,  daß  die  noch  aus- 
stehenden Bände  noch  etwa  vierundzwanzig  Jahre  in  Anspruch  nehmen 
würden.  Im  48.  Jahre  stehend,  habe  er  sich  für  so  lange  Zeit  nicht  binden 
wollen,  und  es  sei  ihm  für  das  Werk  als  Gewinn  erschienen,  wenn  dessen 
Ende  in  kürzerer  Zeit  zu  ermöglichen  wäre.  Man  könne  einem  Adoptiv- 
kinde  zuliebe  nicht  auf  eigene  Arbeit  verzichten.  Diese  Erwägungen  hätten 
einen  Plan  „kollektiver  Arbeit"  nahe  gelegt.  Infolgedessen  sei  von  1889  ab  ein 
Assistent  angestellt  worden,  im  Jahre  1891  zwei  weitere  Hilfsarbeiter  hinzu- 
gekommen, Doktoren,  die  unter  seiner  Aufsicht  ganze  Artikelreihen  selb- 
ständig herstellten.  Dann  aber  sei  „vorgeschrittenen  Zöglingen"  (Studenten!) 
des  Göttinger  deutschen  Seminars  die  Arbeit  unter  Überwachung,  Prüfung  usw. 
übergeben  worden.    „Endlich",  so  schließt  die  Vorrede,  „sind  auch  einzelne 


§  48.  Kleinere  Werke  der  neuern  Zeit  und  Sonderwörterbücher.  69 

Artikel  in  den  letzten  Lieferungen  von  mir  selbst  geschrieben  worden."  Es 
sei  eben  nicht  anders  gegangen,  und  dies  müsse  „mit  mancher  Unvoll- 
kommenheit  und  Ungleichmäßigkeit,  die  dieser  Art  der  kollektiven  Tätigkeit 
notwendig  anhaftet,  aussöhnen." 

Gewiß  haften  dieser  Art  der  Arbeit  Mängel  an,  aber  man  hätte  es  mit 
Freuden  begrüßt,  wenn  auf  diese  Weise  in  absehbarer  Zeit  ein  Abschluß 
des  Werkes  erzielt  worden  wäre.  Immer  und  immer  wieder  haben  einzelne 
und  Gesamtheiten,  z.  B.  die  germanistischen  Sektionen  auf  den  Philologen- 
versammlungen auf  stärkere  Förderung  des  Werkes  gedrängt,  das  nun  doch 
einmal  beendet  werden  mußte.  Aber  erst  jetzt,  nachdem  sich  das  Reich  und 
die  Berliner  Akademie  der  Sache  angenommen  haben,  ist  eine  entschiedene  För- 
derung eingetreten.  In  Göttingen  ist  unter  der  Leitung  von  Edward  Schröder 
ein  Mittelpunkt  für  die  Sammlung  weitern  Stoffes  geschaffen,  der  die  Mit- 
arbeiter mit  neuem  Stoff  versorgt,  und  am  Werke  selbst  sind  eine  Menge 
neuer  Kräfte  tätig,  im  ganzen  jetzt  fünfzehn.  Und  von  diesen  liegen  auch 
schon  wirkliche  Leistungen  vor,  während  von  manchem  der  früher  an- 
gegebenen Mitarbeiter  nie  eine  Zeile  erschienen  ist.  Vgl.  über  die  Entwick- 
lung des  Grimmschen  Wörterbuchs  und  über  die  Arbeit  daran  A.  Götze, 
Wiss.  Beih.  z.  Zeitsch.  d.  A.  Deutschen  Sprachvereins  4, 86  ff.  und  A.  Schirmer, 
Akademische  Rundschau  1912/13  694  ff. 

Entsprechend  der  ganzen  Geschichte  des  Werkes  sind  die  einzelnen 
Teile  sehr  verschieden  gearbeitet.  Als  dürftig  müssen  wir  jetzt  die  ersten 
Bände  empfinden.  Aber  wenn  auch  die  Teile  der  neuern  Mitarbeiter  ganz 
auf  der  Höhe  stehen,  so  leiden  sie  doch  an  einer  kaum  übersehbaren  Aus- 
dehnung. Schon  Hildebrand  brauchte  für  den  Artikel  Geist  118  enggedruckte 
Spalten  und  für  Genie  54,  Wunderlich  aber  für  gewinnen  146,  für  Gewalt 
184.  Wer  soll  da  das  Wörterbuch  noch  benutzen  können,  zumal  auch  der 
Druck  wenig  übersichtlich   ist.   Weniger  wäre  entschieden   mehr  gewesen. 

Grimm  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  vollkommen.  Der  Plan  eines 
großen  wissenschaftlichen  Wörterbuches,  eines  Thesaurus  linguae  teutonicae, 
wie  ein  solches  andere  Völker  besitzen  oder  in  Angriff  genommen  haben, 
bewegt  schon  lange  weite  Kreise.  Aber  vor  der  Vollendung  des  Grimm- 
schen Werkes  ist  nicht  daran  zu  denken,  ihn  zu  beginnen.  Es  wäre  auch 
besser,  zunächst  einmal  die  ersten  drei  Bände  von  Grimm  neu  zu  bearbeiten. 

§  48.  Kleinere  Werke  der  neuern  Zeit  und  Sonderwörterbücher.  Neben  den 
Grimm,  der  wegen  seines  Umfanges  im  wesentlichen  auf  die  gelehrten  Kreise 
beschränkt  bleiben  wird,  sind  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  kürzere  selb- 
ständige Werke  getreten. 

D.  Sanders,  V/örterbuch  der  deutschen  Sprache,  2  Bände,  1860—1865. 
Dazu  ein  Ergänzungswörterbuch,  1879 — 1885.  Eine  kürzere  Fassung,  Hand- 
wörterbuch der  deutschen  Sprache,  ist  1912  in  8.  Auflage  erschienen,  be- 
arbeitet von  J.  Ernst  Wülfing.  Sanders  hat  das  Verdienst,  die  neuere  Li- 
teratur ausgiebig  berücksichtigt  zu  haben. 


70  Zweites  Kafmtel.   Die  Sammlung  des  Wortschatzes. 


K.  WhicjAND,  Deutsches  Wörterbuch,  1857 — 1871.  Weii^and  bearbeitete 
ein  ähcres  Buch  von  Schmittheiincr,  das  sich  aber  unter  seinen  Händen  zu 
einem  neuen  Werke  j^cstaltcte.  Es  war  seinerzeit,  wie  auch  Jakob  Grimm 
anerkannte,  eine  ganz  vortreffliche  Leistung,  die  der  Verfasser  durch  immer 
erneute  Arbeit  auf  der  Höhe  erhielt.  1881  kam  die  vierte  Auflage  heraus; 
während  des  Druckes  starb  der  Verfasser,  Nachdem  es  lange  Zeit  vergriffen 
war,  ist  es  jetzt  in  fünfter  Auflage  erschienen,  neubearbeitet  von  v.  Bahder, 
Kant  und  Hirt,  Gießen  1909,1910.  Weigand  gab  die  Bedeutungen  sehr  genau 
an,  er  suchte  das  erste  Auftreten  der  Worte  zu  bestimmen,  und  berücksich- 
tigte auch  die  dialektischen  und  die  fremden  Wörter.  Dazu  kam  die  Etymo- 
logie. Alle  diese  Vorzüge  sollen  auch  nach  den  Absichten  der  Bearbeiter 
in  der  neuen  Auflage  vorhanden  sein,  und  so  wird  sich  das  Werk  seinen 
gebührenden  Platz  wieder  erobern. i) 

M.  Heyne,  Deutsches  Wörterbuch,  3  Bände,  1890—1895.  Heynes  Werk 
will  ein  kleiner  Grimm  sein  und  dem  Verlangen  nach  einem  handlichen, 
brauchbaren  und  zuverlässigen  Wörterbuch  abhelfen.  Das  hat  es  auch  getan. 
Es  bietet  viele  schöne  Belegstellen  aus  der  neuern  Literatur,  einen  wesent- 
lichen Fortschritt  bedeutet  es  indessen  nicht.  Die  etymologische  Seite  tritt 
etwas  zurück. 

H.  Paul,  Deutsches  Wörterbuch,  1 897,  2.  Auflage  1 908.  Dies  Werk  wendet 
sich  an  alle  Gebildeten,  die  ein  Verlangen  empfinden,  ernsthaft  über  ihre 
Muttersprache  nachzudenken.  In  erster  Linie  hat  der  Verfasser  an  das  Be- 
dürfnis der  Lehrer  gedacht,  die  Unterricht  im  Deutschen  zu  erteilen  haben. 
Er  verzichtet  auf  eine  vollständige  Aufzählung  sämtlicher  Wörter  und  Wort- 
bedeutungen, insbesondere  der  selbstverständlichen  Ableitungen  und  Zu- 
sammensetzungen, sowie  auf  überflüssige  Erklärung  des  allgemein  Verständ- 
lichen. Auch  die  landschaftlichen  Verschiedenheiten  sind  berücksichtigt,  so- 
weit sie  in  die  Umgangssprache  der  Gebildeten  und  die  lokale  Schriftsprache 
hineinragen.  —  Ziemlich  beträchtlich  sind  die  Abweichungen  von  dem  jetzigen 
Sprachgebrauch  bei  den  klassischen  Schriftstellern  des  vorigen  Jahrhunderts. 
Auf  diese  Abweichungen  hinzuweisen  ist  der  Verfasser  besonders  bemüht 
gewesen.  Auch  die  noch  viel  bedeutendem  der  Lutherschen  Bibelübersetzung, 
soweit  sie  sich  in  den  gangbaren  Ausgaben  finden,  sind  berücksichtigt. 
Vor  allem  aber  sucht  der  Verfasser  eine  Entwicklung  der  Bedeutung  zu  geben, 
und  nach  dieser  Richtung  ist  sein  Werk  das  beste,  das  wir  haben.   In  der 


')  Weigands  Wörterbuch  hat  in  der  neuen  gehenden  Sammlungen  v.  Bahders,  zu  denen 

Auflage   viel   Anerkennung   gefunden.    Man  die  reichen  Kenntnisse  Dr.  Kants  kamen.  Für 

nennt   es   jetzt   das  beste    deutsche  Wörter-  mich  nehme  ich  vor  allem  das  eine  Verdienst 

buch  und  zitiert  es  mit  unter  meinen  Namen  in  Anspruch,  daß  ich.  da  auch  Dr.  Kant  das 
als  Weigand-Hirt.   Ich  möchte  aber  auch  hier,   ,   Werk  nicht  vollenden  konnte,  in  die  Bresche 

wie  in  der  Vorrede  hervorheben,  daß  es  trotz  gesprungen  bin  und  es  beendet  habe.  Mich 

der  neuen  Bearbeitung  der  alte  Weigand  ge-  veranlaßte  dazu  die  Erkenntnis,  daß  mit  dem 

blieben   ist   und  daß  diesem    das  Hauptver-  alten  Weigand  in  seiner  neuen  Bearbeitung 

dienst  zukommt.  Die  Grundlage  für  die  Neu-  eine  wirkliche  Lücke  ausgefüllt  werden  würde, 
bearbeitung  bilden  die  umfangreichen,  weit- 


§  49.  Aufgaben  der  Wortforschung.  71 

ersten  Auflage  wurde  die  Etymologie  kaum  berücksichtigt,  in  der  zweiten 
tritt  der  Verfasser  aus  seiner  Zurückhaltung  heraus.  Indessen  wird  das,  was 
er  bietet,  keinen  befriedigen,  so  daß  es  besser  gewesen  wäre,  die  Etymo- 
logien wären  ganz  fortgeblieben. 

Für  die  Zeit  des  Neuhochdeutschen  braucht  man  zunächst,  wie  man 
glauben  möchte,  kein  erklärendes  Wörterbuch,  und  so  sind  wir  dement- 
sprechend an  Sonderwörterbüchern  recht  arm.  Und  doch  sind  diese  als 
Grundlage  für  den  künftigen  Thesaurus  unbedingt  notwendig.  Wir  müßten 
Wörterbücher  für  einzelne  Zeitabschnitte,  wie  etwa  das  sechzehnte  Jahr- 
hundert, haben,  oder  auch  für  einzelne  Schriftsteller  wie  H.  Sachs,  Goethe. 
Es  liegen  hier  sehr  dankenswerte  Aufgaben  vor.  Im  folgenden  führe  ich 
an,  was  bisher  vorhanden  ist. 

Um  das  Verständnis  des  Frühneuhochdeutschen  zu  erleichtern,  hat 
A.  Götze  ein  Frühneuhochdeutsches  Glossar  herausgegeben,  Bonn  1912. 
Für  Luther  hat  Ph.  Dietz  „ein  Wörterbuch  zu  Dr.  Martin  Luthers  deutschen 
Schriften"  Leipzig  1870  begonnen,  das  leider  nur  bis  H  gediehen  ist,  aber 
bis  zu  diesem  Buchstaben  recht  wertvoll  ist. 

In  der  seit  1862  erschienenen  deutschen  Bibliothek,  herausgegeben 
von  H.  Kurz,  in  der  der  Esopus  von  Burkhard  Waldis,  die  simplizianischen 
Schriften  von  Grimmeishausen  und  Fischarts  sämtliche  Dichtungen  vorliegen, 
finden  sich  stets  kurze  Wörterverzeichnisse,  die  natürlich  nur  der  Erklärung 
dienen  sollen,  aber  doch  dankbar  zu  begrüßen  sind.  Auf  Gottscheds  Be- 
deutung für  die  deutsche  Sprache  hat  Eugen  Reichel  wiederholt  hingewiesen 
und  auch  seine  Begeisterung  für  ihn  in  die  Tat  umgesetzt,  einmal  in  dem 
kleinen  Gottsched  Wörterbuch,  Berlin  1902  Gottsched-Verlag,  in  dem  die 
Wörter  und  Wortzusammensetzungen  verzeichnet  sind,  die  Gottsched  an- 
geblich für  unsere  Schriftsprache  teils  neu  geschaffen,  teils  aus  alten  Schriften 
hervorgesucht  und  wieder  zum  lebendigen  Besitz  unseres  Volkes  gemacht 
hat.  Aber  Reichel  überschätzt  Gottsched  zweifellos.  Ein  wirklicher  Neu- 
schöpfer ist  er  kaum  gewesen.  Vieles,  was  Reichel  für  ihn  in  Anspruch 
nimmt,  ist  wesentlich  früher  belegt. 

Sehr  wertvoll  ist  sein  großes  Gottschedwörterbuch,  Berlin  1906,  Gott- 
schedverlag, von  dem  bis  jetzt  allerdings  nur  der  erste  Band  vorhegt. 

§  49.  Aufgaben  der  Wortforschung.  Aus  dieser  Übersicht  kann  man  er- 
kennen, was  die  deutsche  Lexikographie  bisher  geleistet  hat  und  was  sie 
noch  leisten  muß.  Daß  das  deutsche  Wörterbuch  nur  stellenweise  den  An- 
forderungen entspricht,  die  an  ein  wirklich  wissenschaftliches  Wörterbuch 
der  deutschen  Sprache  zu  stellen  sind,  ist  schon  bemerkt  worden.  Abgesehen 
davon,  daß  der  endgültige  Abschluß  noch  in  weitem  Felde  steht,  müßten 
auch  die  ersten  drei  Bände  völlig  neu  bearbeitet  werden.  Aber  auf  dem 
bisherigen  Wege  der  Zersplitterung  und  der  Einzelarbeit  werden  wir  nie- 
mals zu  dem  ersehnten  großen  deutschen  Wörterbuch  kommen,  dem  Wörter- 
buch, das  schon  Leibniz  erstrebte,  und  das  immer  wieder  gefordert  werden 


72  Zweites  Kapitel.  Die  Sammlung  des  Wortschatzes, 


wird,  bis  es  zur  Vollciiduii.cj  S«^la"i?t.  Welche  Anforderungen  an  ein  solches 
Werk  zu  stellen  sind,  wird  der  Leser  aus  der  Darstellung  dieses  Buches, 
das  die  verschiedenen  Seiten  der  Wortforschung  behandelt,  ersehen  können. 
In  Kürze  hat  sie  Paul,  SB.  der  phil.  Kl.  d.  K.  Bayer.  Akad.  1894  S.53,  formuliert. 
Es  ist  zu  erstreben: 

1.  eine  möglichst  genaue  Abgrenzung  der  Sphäre  des  Gebrauchs  für 
jedes  Wort  und  jede  Verwendungsweise; 

2.  Festsetzung,  in  welchen  Verkehrskreisen  ein  Wort  gebraucht  wird; 

3.  Fesstellung  des  räumlichen  Gebrauchs  eines  Wortes; 

4.  Feststellung,  welchen  Gebrauchskreis  die  technischen  Ausdrücke  haben. 
Das  sind  natürlich  Forderungen,  die  nur  für  die  Gegenwart  völlig  gelöst 

werden  können.  Paul  hat  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  daß  es  nur  eine 
Epoche  gibt,  in  der  uns  der  Wortschatz  mit  allen  seinen  Verwendungsweisen 
und  seinen  Bedeutungen  völlig  bekannt  ist,  und  das  ist  die  Gegenwart. 
Im  Hinblick  auf  die  geschichtliche  Entwicklung  wird  diese  gar  leicht  ver- 
nachlässigt, während  sie  doch  gerade  den  höchsten  Wert  hat.  Natürlich 
muß  das  große  Wörterbuch  auch  die  geschichtliche  Entwicklung  berück- 
sichtigen, wie  das  ja  schon  bisher  geschehen  ist. 

Ehe  aber  ein  solches  vollkommenes  Unternehmen  ins  Werk  gesetzt 
werden  kann,  müssen  noch  die  mannigfaltigsten  Vorarbeiten  geschaffen  wer- 
den. Der  Wortschatz  müßte  systematisch  von  vielen  gesammelt  werden.  Wir 
müßten  zu  manchen  Schriftstellern,  wie  Goethe,  Schiller,  Herder,  Wieland, 
erst  Sonderwörterbücher  haben,  damit  wir  den  Wortschatz  jedes  einzelnen 
Schriftstellers  überblicken  könnten.  Kurz  es  ist  auf  dem  Gebiete  der  deutschen 
Wortforschung  unendlich  viel  zu  tun,  es  sind  unendlich  viele  Mitarbeiter 
nötig;  das  Schöne  dabei  aber  ist,  daß  hier  schließlich  jeder  Gebildete  mit- 
arbeiten kann.  Er  braucht  sich  zunächst  nur  auf  einen  kleinen  Kreis  zu 
beschränken.  Vgl.  zu  dieser  Frage  noch  W.  Meyer-Lübke,  Aufgaben  der 
Wortforschung,  Germ.-rom.  Monatsschrift  1,  634 — 647;  H.  Suolahti,  Über 
Methoden  und  Aufgaben  der  deutschen  Wortforschung.  Neuphilol.  Mittcil. 
1909,  28—44  f. 

§  50.  Wörterbücher  für  den  Lehrer.  Es  fragt  sich  nun,  welches  Wörterbuch 
der  Lehrer  benutzen  soll.  Das  Grimmsche  Wörterbuch  ist  natürlich  nicht 
überall  zugänglich  und  für  den  gewöhnlichen  Gebrauch  auch  zu  umfang- 
reich. Alle  andern  aber  erfüllen  doch  nur  einiges  von  dem,  was  man 
braucht.  Kluge  ist  etymologisch  und  legt  neuerdings  auf  die  Altersbestimmung 
der  Worte  einiges  Gewicht.  Doch  ist  nach  dieser  Richtung  seine  Arbeit 
ganz  unzureichend  und  wird  entschieden  durch  Weigand  übertroffen,  der 
auch  viele  Ableitungen  und  Zusammensetzungen,  dazu  die  Fremdwörter  mit 
aufnimmt.  Bei  Paul  findet  man  vor  allem  die  Bedeutungsentwicklung.  Heyne 
will  ein  kleiner  Grimm  sein  und  hat  infolgedessen  sehr  viel  Worte  ver- 
zeichnet. Ausgezeichnet  ist  er  durch  Heranziehung  der  Gebrauchsweise  der 
neuern  Schriftsteller. 


§  51.   WÖRTERBÜCHER  DER  ÜBRIGEN  GERMANISCHEN  SPRACHEN.  73 

So  wird  man  also  mit  einem  Werke  nicht  auskommen.  Welches  man 
bevorzugen  will,  muß  sich  nach  den  Neigungen  des  einzelnen  richten. 

§51.  Wörterbücher  der  übrigen  germanischen  Sprachen.  Da  man  nicht  selten 
bei  der  Wortforschung  zu  den  übrigen  germanischen  Sprachen  greifen  muß, 
so  seien  hier  die  wichtigsten  Werke  aus  diesen  Gebieten  angeführt. 

1.  Gotisch:  VON  der  Gabelenz  und  Lobe,  Glossarium  der  gotischen  Sprache,  Bd.  II 
Abt.  1  der  Wulfilaausgabe  1843,  ziemlich  vollständig.  —  E.  Schulze,  Gotisches  Glossar. 
Mit  einer  Vorrede  von  Jakob  Grimm,  1848.  Angabe  sämtlicher  Stellen,  doch  zum  Teil  auf 
einem  veralteten  Text  beruhend.  —  Das  Beste  bietet  jetzt  Streitberg,  Die  Gotische  Bibel. 
Zweiter  Teil:  Gotisch-Griechisch-Deutsches  Wörterbuch,  Heidelberg  1910,  weil  sein  Text 
auf  den  neuen  Lesungen  der  italienischen  Handschriften  beruht. 

2.  Skandinavisch:  Altnordisch  und  altisländisch:  Sv.  Egilsson,  Lexicon  poe- 
ticum  antiquae  linguae  septentrionalis,  1844 — 1860.  Neue  Ausgabe  von  F.  Jönsson,  Kopen- 
hagen 1913  ff.  —  JoH.  Fritzner,  Ordbok  over  det  gamle  norske  Sprog,  1862 — 1867, 
2.  Aufl.  1886  ff.  —  MöBius,  Altnordisches  Glossar.  Wenn  das  Werk  auch  nur  den  Wort- 
schatz einer  bestimmten  Anzahl  von  Texten  umfaßt,  so  ist  es  doch  sehr  nützlich  ge- 
wesen. —  G.  ViGFUSSON,  Icelandic-English  Dictionary,  1869.  Hier  ist  auch  der  poetische 
Wortschatz  aufgenommen.  —  G.  T.  ZoEGA,  A  concise  dictionary  of  Old  Icelandic,  Oxford 
1910.  —  H.  Gering,  Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Liedern  der  Edda,  1902.  —  Jon. 
Thorkelsson,  Supplement  til  islandske  Ordbeger,  1876.  Anden  Sammling,  1879—85, 
Tredje  Sämling  1890 — 94  lieferte  wertvolle  Nachträge  zu  den  übrigen  Wörterbüchern.  — 
Neuisländisch:  G.  T.  ZOEGA,  Ensk  Islensk  Ordabok  (englisch-isländisch),  Reykjavik  1896. 
Islensk-ensk  Ordabok  1904.  —  Jonas  Jonasson,  Ny  dönsk  ordabok  (dänisch-isländisch), 
ebenda  1896. —  Norwegisch:  Aasen,  Ordbog  over  det  norske  Folkesprog,  1850,  2.  Aufl. 
Norsk  Ordbog  1873.  —  H.  Ross,  Norsk  Ordbog  1889  ff.  —  Shetlandsinseln:  Jakob 
Jakobsen,  Etym.  ordbog  over  det  norröne  sprog  pä  Shetland.  Köbenhavn  1908  ff.  — 
Schwedisch:  A.  F.  Dalin,  Ordbok  öfver  svenska  spraket,  Stockholm  1850—53.  —  K.  F. 
SöDERWALL,  Ordbok  öfver  svenska  Medeltidspraket,  Lund  1884  ff.  —  Rietz,  Svensk  dialekt 
lexikon,  Malmö  1867.  —  Ordbok  öfver  svenska  spraket,  utgifven  of  Svenska  akademien, 
Lund  1893  ff.  Das  Wörterbuch  gibt  eine  geschichtliche  Darstellung  des  Wortschatzes  der 
schwedischen  Reichssprache  vom  Jahre  1520  bis  zu  unsern  Tagen.  Vgl.  darüber  ZfdW.  7, 322. 
Es  entspricht  v.nserm  Grimm.  B.  Hesselmann,  Ordbok  öfver  Upplands  folkmäl.  Stockholm 
1915.  —  Für  den  praktischen  Gebrauch  ist  zu  empfehlen  Hoppe,  Stockholm  1892.  — 
Dänisch:  Dansk  Ordbog,  udgiven  under  Videnskabernes  Selskabs  Bestyrelse,  1791 — 1906. 

—  Chr.  Molbeck,  Dansk  ordbog  2  Bde.  1833,  2.  Aufl.  1854—59.  Handwörterbuch,  aber 
sehr  vollständig.  —  O.  Kalkar,  Ordbog  til  det  äldre  danske  Sprog,  1300—1700,  Kopen- 
hagen 1880  ff.  —  Molbeck,  Dansk  Dialektlexikon,  1833—1841.  —  Deutsch-dänisch: 
Bresemann,  2  Bde.  1852—55,  Grönberg,  4.  Aufl.,  2  Bde.  1864,  Helms,  2  Bde.,  6.  Aufl. 
1895,  Kayser,  4.  Aufl.  1900. 

3.  Niederländisch:  A.  C.  Oudemans,  Middel-  en  Oudnederlandsch  Woordenboek, 
Arnstein  1870.  —  E.  Verwijs  und  J.  Verdam,  Middelnederlandsch  Woordenboek,  Haag 
1885  ff.  —  J.  Verdam,  Middelnederlandsch  Handwoordcnboek,  s'Gravenhage,  1908,  1911.  — 
DeVries  und  Te  Winkel,  Woordenboek  der  Nederlandsche  Taal.  Entspricht  unserm  Grimm. 

4.  Friesisch:  K.  von  Richthofen,  Altfriesisches  Wörterbuch  1840.  —  J.  Halbertsmas, 
Lexicon  frisicum,  1874  (unvollendet,  bis  F.).  —  W.Dijkstra  und  B.Hettema,  Friesch  Woorden- 
boek, 3  Bände,  Leeuwarden  1890.    Band  4  enthält  ein  Namenwörterbuch  von  Winkler,  1898. 

—  Waling  Dijkstra,  Friesch  Woordenboek,  Leeuwen  1909.  —  J.Schmidt-Petersen,  Wörter- 
buch und  Sprachlehre  der  Nordfriesischen  Sprache  nach  der  Mundart  von  Amrum  und 
Föhr,  Petersen  Husum  1912.  —  P.  Möller,  Wörterbuch  der  Sylter  Mundart.  Jb.  d.  Ham- 
burger Wissensch.Anstalten.  1915. 


74  Drittes  Kapitel.   Entlehnungen  aus  dem  Germanischen. 


5.  Englisch:  Bosworth-Toller,  An  Anglo-Saxon  Dictionary  1882;  jetzt  das  beste 
altenglischc  Wörterbuch;  dazu  ein  Supplement.  Oxford  19Ü8  ff.  —  Grein,  Sprachschatz  der 
angelsächsischen  Dichter,  2  Bände  1H61  — 1864.  Sammlung  des  Wortschatzes  der  angel- 
sächsischen Dichtungen  mit  reichem  Stellenverzeichnis.  Unter  Mitwirkung  von  F.  Hoi.T- 
hausen  neu  herausgegeben  von  J.  J.  Köhler,  Heidelberg  1912  f.  —  H.  Sweet,  Glossar  zu 
den  Oldest  English  Texts.  —  H.  Sweet,  The  Student  Dictionary  of  Anglo-Saxon,  Oxford 
1897.  —  Stratmann,  Old  English  Dictionary,  1864  ff.  3.  Aufl.  1878,  behandelt  die  Sprache 
des  1 2.  —  1 4.  Jahrhunderts.  —  Sl  ratmann,  middlc  English  Dictionary.  reviscd  by  H.  Bradley,  Ox- 
ford 1891.  —  James  Murkay,  New  english  dictionary,  1884.  —  Al.  Schmidt,  Shakespeare- 
Le.xikon,  1874.  2.  Aufl.  1886.  —  Wriüht,  The  English  Dialect  Dictionary  1896  ff. 

§  52.  Zeitschriften.   Der  deutschen  Etymologie  und  Wortforschung  sind 

natüdich  sehr  viel  einzelne  Arbeiten,  teils  Monographien,  teils  Aufsätze  in 

Zeitschriften  gewidmet.  Fast  alle  sprachwissenschaftlichen  und  germanistischen 

Zeitschriften   enthalten  auch  Beiträge  zur  Wortforschung.    Daher  folgt  hier 

eine  Liste. 

1.  Sprachvergleichende  Zeitschriften:  Kuhns  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprach- 
wissenschaft, Berlin  1852  ff.  Abgekürzt  KZ.  —  Bezzenbergers  Beiträge  zur  Kunde  der  indo- 
germanischen Sprachen,  1877  ff.  Abgekürzt  BB.  —  Brugmann  und  Streitberg,  Indo- 
germanische Forschungen  nebst  Anzeiger,  1892  ff.  Abgekürzt  IF.  —  2.  Germanistische 
Zeitschriften:  Haupts  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum,  1841  ff.  Abgekürzt ZfdA.  —  Pfeif- 
fers Germania,  1856 — 1892.  Abgekürzt  Germ.  —  Zachers  Zeitschrift  für  deutsche  Philo- 
logie, 1869  ff.  Abgekürzt  ZfdPh.  —  Paul-Braune,  Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen 
Sprache  und  Literatur,  1874  ff.  Abgekürzt  Btr.  —  Journal  of  germanic  Philology,  1897  ff. — 
Lyons  Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht,  1886  ff.  Abgekürzt  ZfdU.  —  S.Zeitschriften 
für  Wortforschung:  Sanders'  Zeitschrift  für  deutsche  Sprache,  1887  ff.  —  Kluges  Zeit- 
schrift für  deutsche  Wortforschung,  1901  ff.  Abgekürzt  ZfdW.  —  Auch  die  Zeitschrift  des 
allgemeinen  deutschen  Sprachvereins  (abgekürzt  ZADS.)  ist  hier  zu  nennen,  namentlich 
aber  die  Wissenschaftlichen  Beihefte  dazu  (abgekürzt  WB.). 


V  Drittes  Kapitel. 

Entlehnungen  aus  dem  Germanischen. 

§  53.  Bedeutung  der  Entlehnungen  für  die  Wortgeschichte.  Wenn  wir  die 
deutschen  Worte  an  der  Hand  der  Denkmäler  zurückverfolgen,  so  gelangen 
wir  bis  an  den  Ausgang  des  8.  Jahrhunderts.  Dazu  kommen  aus  früherer 
Zeit  die  bei  römischen  Schriftstellern  und  in  Inschriften  überlieferten  Namen, 
zu  denen  sich  auch  einzelne  Wörter  gesellen.  Bedeutend  weiter  führt  uns 
die  Sprachvergleichung;  aber  es  gibt  noch  eine  andere  unmittelbare  Quelle, 
die  wir  zunächst  ins  Auge  fassen  müssen,  das  sind  die  germanischen  Wörter, 
die  in  fremde  Sprachen  entlehnt  worden  sind.  Entlehnungen  aus  dem 
deutschen  Sprachschatz  haben  zu  allen  Zeiten  stattgefunden,  und  es  bildet 
die  Untersuchung  dieser  Wörter  eine  wichtige  Aufgabe  der  Wortforschung. 
Sie  zeugen  von  der  politischen  oder  kulturellen  Herrschaft  des  deutschen 
Volkes,  und  sie  sind  in  mehr  als  einer  Hinsicht  wichtig.  Zunächst  werden 
gewiß  nur  Worte   entlehnt,   die  in   der  Sprache   häufig  gebraucht  werden 


§  53.  Bedeutung  der  Entlehnung  für  die  Wortgeschichte.  75 


oder  etwas  sehr  Ausgeprägtes  bezeichnen,  so  daß  wir  dadurcli  ein  Hilfs- 
mittel bekommen,  die  Verwendungsweise  des  Wortes  zu  bestimmen.  Zweitens 
sind  Worte  oft  schon  in  Zeiten  herübergenommen  worden,  für  die  eine 
schriftliche  Überlieferung  fehlt.  Nicht  selten  beginnt  aber  auf  dem  fremden 
Sprachgebiet  die  Überlieferung  früher,  oder  es  läßt  sich  aus  andern  Um- 
ständen die  Zeit  der  Entlehnung  und  damit  das  Vorhandensein  des  Wortes 
in  unsrer  Sprache  für  eine  frühe  Zeit  genauer  feststellen.  Und  drittens  haben 
sich  sogar  manchmal  in  fremden  Sprachen  Worte  erhalten,  die  im  Ger- 
manischen ganz  und  gar  verloren  gegangen  sind  oder  wenigstens  in  unserm 
Deutsch  nicht  mehr  gebraucht  werden.  So  gibt  es  ein  altbulg.  kladezi 
.Brunnen',  das  auf  ein  got.  '-'kaldiggs,  eine  Ableitung  von  kalt  zurückgeht. 
Diese  bemerkenswerte  Bildung  ist  weder  im  Gotischen  selbst  noch  anderswo 
erhalten.  Nach  Kluge  stammt  abg.gospod/  'Herr'  aus  einem  got  gastifads 
=  I.  hospes  aus  '--'hostipots,  was  sehr  ansprechend  ist.  Unser  Wort  blond 
ist  aus  dem  Romanischen  entlehnt,  frz.  blond,  ital.  biondo,  mlat.  blundiis. 
Das  romanische  Wort  aber  stammt  vermutlich  aus  dem  Germanischen,  wenn- 
gleich es  dort  nirgends  mehr  erhalten  ist.  Wenn  solche  Fälle  wie  diese  nicht 
gerade  häufig  sind,  so  geschieht  es  um  so  häufiger,  daß  jetzt  verlorene 
Worte  in  der  fremden  Sprache  noch  vorliegen.  So  ist  das  frz.  gonfanon 
, Fahne'  aus  dem  ahd.  gundfano  , Kriegsfahne'  entlehnt,  gant  , Handschuh' 
stammt  aus  ahd.  want,  das  wir  nur  noch  in  der  Seemannssprache  als  Wanten 
.Seemannshandschuhe*  haben.  Andere  Beispiele  sind:  ixz.  guerre  aus  ahd. 
werra  ,scandalum'  zu  wirren;  frz.  gage  aus  germ.-got.  wadi  .Pfand',  d. 
Wette;  frz.  senechal,  ital.  siniscalco  setzt  ein  germ.  sina-skalks  aus  sina  ,alt' 
zu  loX.  senex  \xn6.  skalks  , Knecht'  voraus;  frz.  hetre  ist  aus  einem  Wort  ent- 
lehnt, das  nur  noch  mundartlich  als  Heister  fortlebt.  Weitere  Beispiele  siehe 
unten  §  59. 

Nicht  selten  haben  wir  dann  später  das  ursprünglich  deutsche  Wort 
wieder  zurück  erhalten,  wie  z.  B.  Email.  Es  stammt  aus  einem  Wort,  das 
unserm  Schmelz  zugrunde  liegt;  Fauteuil  ist  aus  einem  alten  faldestaol 
herübergenommen,  das  wir  jetzt  noch  umgewandelt  in  Feldstuhl  besitzen; 
Loge  ist  das  altgerm.  ^iaiibja,  jetzt  Laube;  Marschall  aus  frz.  marechal 
ist  ahd.  marahskalk  eig.  , Pferdeknecht'  zu  marcha  , Pferd',  jetzt  Mähre. 
Weitere  Beispiele  findet  man  in  der  unten  angeführten  Liste  der  Entlehnungen 
ins  Französische  §  59  und  §  243. 

Daneben  bieten  sich  als  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  kulturgeschicht- 
liche Erkenntnisse  aller  Art.  Diese  aus  dem  Germanischen  entlehnten  Worte 
liefern  Zeugnisse  für  die  Geschichte  und  Kultur  der  Deutschen,  für  ihre 
kriegerische  Tüchtigkeit  und  manche  andere  Eigenschaft.  Sie  geben  Kunde 
von  der  Herrschaft  der  Goten  in  Italien  und  Spanien,  der  Franken  in  Frank- 
reich usw.  Wenn  diese  Völker  ihre  Herrschaft  und  ihre  Sprache  nicht  er- 
halten konnten,  so  haben  sie  doch  unvergängliche  Spuren  von  ihrem  Da- 
sein in  der  Sprache  hinterlassen. 


76  Drittes  Kapitel.  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen. 


Eine  ircjendwie  erschöpfende  Angabe  der  in  fremde  Sprachen  ent- 
lehnten Wörter  wird  hier  nicht  geboten,  sondern  nur  eine  allgemeine  Über- 
sicht. Nur  mit  den  Lehnwörtern,  die  das  Französische  aus  dem  Deutschen 
erhalten  hat,  mache  ich  den  Zwecken  dieses  Buches  entsprechend  eine 
Ausnahme  und  führe  zahlreiche  Beispiele  an. 

§  54,  Wege  der  Entlehnung.  Zwei  Bemerkungen  sind  hier  noch  voraus- 
zuschicken. Erstlich  kann  ein  Wort  zunächst  immer  nur  in  die  Nachbar- 
sprache entlehnt  werden.  Zweitens  kann  es  dann  aber  wandern  und  in 
weite  Fernen  gelangen.  Da  aber  germanische  Stämme  zur  Zeit  der  Völker- 
wanderung fast  alle  Teile  Europas  berührt  haben,  so  ist  auch  in  ziemlich 
entfernten  Gegenden  unmittelbare  Entlehnung  nicht  ausgeschlossen.  Die 
Entscheidung,  was  wir  anzunehmen  haben,  wird  sich  auf  Grund  ge- 
schichtlicher und  sprachlicher  Erwägungen  meist  treffen  lassen.  Wenn  wir 
also  germanische  Lehnwörter  im  Neugriechischen  finden,  so  ist  gewiß  un- 
mittelbare Entlehnung  aus  der  Sprache  gotischer  Stämme  nicht  ausgeschlossen, 
aber  doch  nicht  sehr  wahrscheinlich,  weil  die  Berührung  nur  oberflächlich 
und  kurz  gewesen  ist.  Über  die  Gesetze,  nach  denen  die  Entlehnung  vor 
sich  geht,  vgl.  §  97. 

§  55.  1.  Entlehnungen  ins  Lateinische  und  Griechische.  Bei  ihnen  handelt 
es  sich  um  Bezeichnungen  für  Gegenstände,  die  den  Alten  ursprünglich 
unbekannt  waren  und  ihnen  erst  im  Norden  entgegentraten.  Die  Wörter 
aber  sind  deshalb  wichtig,  weil  sie  uns  zum  Teil  in  sehr  altertümlicher 
Lautgestalt  entgegentreten.  Freilich  läßt  sich  nicht  immer  entscheiden,  ob 
das  Wort  unmittelbar  aus  dem  Germanischen  oder  erst  durch  Vermittlung 
des  Keltischen  nach  dem  Süden  gekommen  ist.  So  nennt  Cäsar  die  alces^ 
jetzt  Elch,  den  nriis,  jetzt  Auerochse,  ganta  ,Gans'  erwähnt  Plinius,  glesum 
, Bernstein',  ags.  gUrre  steht  bei  Tacitus.  Natürlich  wird  nur  weniges  in  die 
Schriftsprache  der  Römer  eingedrungen  sein,  viel  mehr  sicherlich  in  die 
Volkssprache,  und  eine  Anzahl  von  Worten,  die  gemeinromanisch  sind, 
dürften  schon  in  alter  Zeit  entlehnt  sein.  So  finden  wir  in  allen  romanischen 
Sprachen  eine  Reihe  germanischer  Farbenbezeichnungen  wie  blanco,  briino, 
gnso,  blavo,  falvo,  blondo,  , blond'.  Letzteres  aber  ist  im  Germanischen 
überhaupt  nicht  belegt.  Eine  eingehende  Behandlung  der  hier  vorliegenden 
Frage  bietet  J.  Bruch,  Der  Einfluß  der  germanischen  Sprachen  auf  das 
Vulgärlatein,  Heidelberg  1913. 

§  56.  2.  Die  germanischen  Lehnwörter  im  Finnischen. 

Literatur:  W.  Tho.msen,  Über  den  Einfluß  der  germanischen  Sprachen  auf  die  fin- 
nisch-lappischen, deutsch  von  E.  Sievers,  1870;  S.  9  sind  die  altern  Arbeiten  über  den 
Gegenstand  besprochen.  —  E.  N.  Setälä,  Zur  Herkunft  und  Chronologie  der  älteren  ger- 
manischen Lehnwörter  in  den  ostseefinnischen  Sprachen,  Album  Donner  1905.  —  T.  E. 
Karsten,  Zur  Frage  nach  den  ,gotischen'  Lehnwörtern  im  Finnischen,  Idg.  Forsch.  22.  290 ff. 
T.  E.  Karsten,  Altdeutsche  Kulturströmungen  im  Spiegel  des  finnischen  Lehnworts,  IF.  26, 
236  ff.  —  E.  N.  Setälä,  Studien  aus  dem  Gebiete  der  Lehnbeziehungen.  S.  A.  aus 
Finnisch-Ugrischen  Forschungen  t2.  —  Außerdem  besteht  noch  eine  weitverzweigte  Literatur, 


§  56.  2.  Die  germanischen  Lehnwörter  im  Finnischen.  77 

die  kaum  zu  überblicken  war.  Datier  ist  es  seiir  dankenswert,  daß  finnische  Forscher  uns 
über  das,  was  erschienen  ist,  unterrichtet  haben:  E.  N.  SetäLÄ,  Bibliograpiiisches  Verzeichnis 
der  in  der  Literatur  behandelten  älteren  germanischen  Bestandteile  in  den  Ostseefinnischen 
Sprachen.  S.  A.  aus  den  Finnisch-Ugrischen  Forschungen  13.  Festgabe  für  Viih.  Thomsen 
2.  Teil,  Helsingfors  1912—1913.  —  W.  Schlüter,  Über  Beeinflussung  des  Esthnischen  durch 
das  Deutsche.  S.  B.  der  gelehrten  Esthnischen  Gesellschaft  1909.  Einen  allgemein  unter- 
richtenden Aufsatz  bietet  jetzt  T.  E.  Karsten,  Die  germanischen  Lehnwörter  im  Finnischen 
und  ihre  Erforschung.  Germ.-rom.  Monatsschrift  6,  65  ff.,  der  auch  auf  einige  Mängel  des 
bibliographischen  Verzeichnisses  von  Setälä  hinweist.  —  T.  E.  Karsten,  Germanisch-finnische 
Lehnwortstudien,  Helsingfors  1915.   Dazu  WiKLUND,  IE.  38,  48  ff. 

Die  Finnen,  ein  Volk  nicht  indogermanischier  Sprache,  wohnen  seit 
langer  Zeit  im  Norden  Europas  in  den  Gebieten,  die  sie  jetzt  noch  inne 
haben.  Daß  sie  von  der  germanischen  Kultur  beeinflußt  sind,  darf  man 
nach  der  allgemeinen  Lage  der  Dinge  als  selbstverständlich  annehmen. 
Wie  stark  aber  dieser  Einfluß  gewesen  ist,  das  hat  erst  die  Arbeit  von 
Thomsen  klargelegt,  und  vor  allem  hat  sie  unzweifelhaft  festgestellt,  daß 
die  große  Masse  der  Worte,  die  dem  Finnischen  und  Germanischen  ge- 
meinsam sind,  aus  dieser  Sprache  in  jene  entlehnt  sind.  Dabei  ist  nun  noch 
mancherlei  auffallend.  Zunächst  das  Alter  der  Entlehnungen,  denn  sie  gehen 
weit  in  die  vorliterarische  Zeit  zurück.  Und  zweitens  die  Treue,  mit  der 
die  ursprünglichen  Formen  bewahrt  sind.  Da  die  finnischen  Sprachen  nicht 
derartig  einschneidende  Lautveränderungen  erlitten  haben,  wie  die  ger- 
manischen, so  treten  uns  im  Finnischen  oft  genug  die  germanischen  Worte 
ganz  oder  beinahe  in  der  Form  entgegen,  die  wir  als  urgermanisch  er- 
schließen können. 

So  haben  wir:  kar.  agja  'Spitze',  d.  Edze;  —  l\nn.  aka na  'palea',  d.  Ahne;  —  ankea, 
d.  eng;  —  arina,  d.Ern;  —  armas  'gratus,  carus',  d.  arm;  —  autia  'desertus,  non  cultus',  d. 
öde;  —  haikara 'ardca,  ciconia',  ahd. /z^/^/ro 'Reiher';  —  harras  'ardens,  incitatus;  pietate 
ardens',  d.  hart;  —  havakka,  haiikka,  d.  Habidit;  — jukko,  d.  Jodi;  —  kaisla.  d.  Geißel;  — 
kana  'gaWma,  6.  Hahn;  —  kattila,  d.kessel;  —  kaunis,  d.sdiön;  —  kaura,  d.  Hafer;  — 
keihäs,  d.  Ger;  — kello,  d.  Schelle;  —  kernas,  d.  gern;  —  keula{s),  d.  kiel  'Schiff;  — 
kulta,  d.  Gold;  —  kuningas,  d.  König;  —  kuiiro,  kuuru  'Versteck',  d.  kauern;  —  laina  'mu- 
tuum',  d.  Lehen;  —  lanimas,  d.  Lamm;  —  lantio,  d.  Lende;  —  laiitta  'ponto,  ratis',  d.  Floß; 
—  leipä,  d.Laib;  —  liina,  d.  Lein;  —  liuta  'Schar,  Menge',  d.  Leute;  —  luode,  d.  Flut;  — 
maha  'venter',  d.  Magen;  —  mallas,  d.  Malz;  —  multa  'humus,  pulvis  terrae',  d.Müll;  — 
myyriäinen  'Ameise',  d.  Miere;  —  naappa  'Schöpfgefäß',  d.  Napf;  —  napakaira  'terebra',  d. 
Naber,  Näber,ahd. naba-ger;  —  naula,  d. Nagel;  —  neula,  n{i)ekla,  d.  Nadel;  —  nuora  'restis, 
funis',  d.  Schnur;  — pade,  d.  Pfad;  — paita,  d.  Pfaid;  —  palje,  d.  Balg;  —  pankko,  d.  Bank;  — 
panta,  d.  Band;  —  patja,  d.  Bett;  —  pelto,  d.  Feld ;  —  putina,  d.  Bütte;  —  puutio  d.  Pfütze;  — 
raaka,  d.  Rahe;  —  raippa,  d.  Reif  'Seil';  —  rengas,  d.  Ring;  —  riita,  d.  Streit;  —  ruoke,  d. 
Bruch  'Hose';  —  ruoto,  d.  Rute;  —  saip(p)ua,  saip{p)io,  d.  Seife;  —  sairas,  d.  sehr;  saivo 
'klare  Stelle  im  See',  d.  See;  —  satula,  d.  Sattel;  —  siula,  d.  Segel;  —  taika,  d.  Zeichen;  — 
tanko.  d.  Stange;  —  teljo,  d.  Diele;  —  tina,  d.  Zinn;  —  vaiva,  d.  Weh;  —  äiti  'Mutter' 
got.  aipei. 

Die  Heranziehung  des  Finnischen  ist  demnach  für  die  Wortforschung 
in  den  altern  Sprachperioden  sehr  wichtig.  —  Der  Ort,  wo  diese  Ent- 
lehnungen stattgefunden  haben,  ist  noch  nicht  mit  genügender  Sicherheit 
ermittelt.    Die  Hauptmasse  stammt  aus  dem  Skandinavischen,   doch  sind 


78  Drittes  Kapitel.  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen. 

wahrscheinlich  auch  Germanen,  die   in  den  baltischen  Provinzen  gesessen 
haben,  die  Vermittler  ^^ewesen.  Auf  das  Gotische  ist  kaum  zurückzugehen. 

§  57.  3.  Germanische  Lehnwörter  im  Preußischen  und  Litauischen.  Da  WO 
in  geschichtlicher  Zeit  die  alten  Preußen  sitzen,  finden  wir  nach  den  Nach- 
richten der  Römer  die  Goten,  und  es  ist  daher  ohne  weiteres  anzunehmen, 
daß  das  Gotische  auf  das  Preußische  und  weiter  auch  auf  das  Litauische 
eingewirkt  hat.  In  der  Tat  gibt  es  einige,  wenn  auch  nicht  allzu  zahlreiche 
altgermanische  Wörter  im  Preußischen  und  Litauischen,  vgl.  Hirt,  Beitr.  23, 
344  ff.  Später  von  dem  Beginn  der  deutschen  Ordensherrschaft  an  haben 
dann  die  Preußen  und  Litauer  zahlreiche  deutsche  Worte  aufgenommen, 
Prkllwitz,  Die  deutschen  Lehnwörter  im  Preußischen  und  Lautlehre  der 
deutschen  Lehnwörter  im  Litauischen,  Göttingen  1891,  hat  sie  gesammelt 
und  bearbeitet.   Jetzt  ist  das  Litauische  stark  mit  deutschen  Worten  durchsetzt. 

§  58.    4.  Die  germanischen  Lehnwörter  im  Slawischen. 

Literatur:  Safarik.  Slavische  Altertümer  1,  Leipzig  1843,  S.  429,  440.  —  Miklosich, 
Die  Fremdwörter  in  den  slawischen  Sprachen,  Denkschriften  der  Kaiserl.  Akad.  d.  Wiss.,  Wien 
1867,  phil.-hist.  Klasse  Bd.  15.  —  Matzenauer,  Cizi  slova  ve  slovanskych  retech.  VBrnö  1870. 
—  Uhlenbeck,  Die  germanischen  Wörter  im  Altslavischen,  Archiv  für  slav.  Phil.  15,481  ff.  — 
Hirt,  Zu  den  germanischen  Lehnwörtern  im  Slavischen  und  Baltischen,  Btr.  23,  330  ff. — 
R.  Löwe,  Altgermanische  Elemente  der  Balkansprachen:  4.  Slawisch;  KZ.  39,  S.  313  ff. — 
A.  Brückner,  Cywilizacja  i  jr-zyk.  Szkice  z  dziejöw  obyczajowosci-polskiej  in  der  Bibljoteka 
Warszawska  1898  Band  3  und4,  selbständig  1901.  —  J.  Peisker,  Die  älteren  Beziehungen 
der  Slawen  zu  Turkotataren  und  Germanen;  SA.  aus  der  Vierteljahrsschrift  für  Sozial-  und- 
Wirtschaftsgeschichte  3,  S.  57  [243]  ff.  —  O.  Schrader,  Die  germanischen  Bestandteile  des 
russischen  Wortschatzes  und  ihre  kulturgeschichtliche  Bedeutung;  WB.  z.  ZADS.  4.  Reihe, 
Heft  23,  24  S.  99.  —  G.  Borchling,  Die  niederdeutschen  Elemente  in  den  deutschen  Lehn- 
wörtern des  Polnischen.  Verh.  d.  50.  Versammlung  deutscher  Schulmänner  in  Graz  1909. 
S.  140  l. 

Die  Zahl  der  germanischen  Fremdwörter  im  Slawischen  ist  schon  in 
alter  Zeit  sehr  bedeutend  und  hat  sich  mit  der  Zeit  immer  noch  verstärkt. 
Wann  dieser  Einfluß  und  die  Herübernahme  von  Worten  begonnen  hat, 
wissen  wir  nicht  genau.  Vermutlich  hatte  sie  in  der  Zeit  der  Wanderung 
und  der  Herrschaft  der  Goten  in  Osteuropa  angefangen,  während  sich 
später  die  dauernde  Einwirkung  an  den  Grenzen  hinzugesellte.  Die  frühesten 
Einwirkungen  fallen  in  eine  Zeit,  in  der  die  slawischen  Stämme  noch  auf 
ziemlich  engem  Räume  beieinander  saßen.  Da  die  große  Masse  der  alten 
Fremdwörter  allen  slawischen  Sprachen  gemeinsam  ist,  so  ist  diese  An- 
nahme eine  notwendige  Voraussetzung, 

Oft  genug  läßt  sich  aus  den  lautlichen  Verhältnissen  nicht  sicher  ent- 
scheiden, ob  ein  slawisches  Wort  aus  dem  Germanischen  entlehnt  oder  ur- 
verwandt ist.  In  solchem  Falle  müssen  bei  der  Untersuchung  die  andern  Um- 
stände, die  wir  unten  angeführt  haben,  herangezogen  werden,  und  es  senkt 
sich  dann  meistens  die  Wagschale  zugunsten  der  Annahme  von  Entlehnung. 

Auf  die  russische  Sprache  im  besondern  hat  noch  die  schwedische 
gewirkt,   da   die  Schweden   die  Gründer  des  altrussischen  Reiches   waren. 


§  59.  Die  germanischen  Lehnwörter  in  den  romanischen  Sprachen.  79 

Ihre  Sprache  haben  sie  zwar  bald  aufgegeben,  aber  die  alten  Namen  be- 
hielten sie  bei,  und  manche  sind  dann  von  den  Russen  wieder  zu  uns 
gekommen.   Vgl.  GDS.  99. 

§  59.    5.  Die  germanischen  Lehnwörter  in  den  romanischen  Sprachen. 

Literatur:  F.  Kluge,  Germanen  und  Romanen  in  ihren  Wechselbeziehungen.  Grd. 
d.  rom.  Phil.  1,  385-397.  —  F.  Kluge,  Germanen  und  Römer.  Grd.  d.  germ.  Phil.  1'.  —  E. 
Waltemath,  Die  fränkischen  Elemente  in  der  franz.  Sprache,  Paderborn  1885  (Straßb.Diss.).  — 
G.  Mackel,  Die  germ.  Elemente  in  der  franz.  und  provenzalischen  Sprache.  Frz.  Studien 
6,  1  Heft.  Dazu  A.  Pogatscher,  ZsfrPh.  12,  550.  —  W.  Brückner,  Charakteristik  der  germ. 
Elemente  im  Italienischen,  Basel  1899.  —  M.  GoLDSCHMiDT,  Zur  Kritik  der  altgerm.  Elemente 
im  Spanischen,  Bonn  1887.  —  W.  Meyer-Lübke,  Einführung  in  das  Studium  der  rom. 
Sprachwissenschaft^,  Heidelberg  1909  S.  51  ff.  Allgemeine  unterrichtende  Übersicht.  —  Eugen 
Ulrix,  De  Germaansche  Elementen  in  de  Romaansche  Taalen.  Proeve  van  een  germaansch- 
romaansch  woordenboek,  Gent  1907.  Hier  findet  sich  auch  die  weitere  Literatur.  —  D.  Behrens, 
Beiträge  zur  französischen  Wortgeschichte  und  Grammatik,  Studien  und  Kritiken  1910. 

Im  allgemeinen  sind  wir  gewöhnt,  uns  als  die  zu  betrachten,  die  von 
den  Romanen  zahllose  Lehnworte  empfangen  haben,  und  in  der  Haupt- 
sache ist  es  ja  so  auch  seit  Jahrhunderten  gewesen.  Aber  es  gab  auch 
eine  Zeit,  in  der  es  einmal  anders  war.  Zur  Zeit  der  Völkerwanderung 
waren  die  Germanen  die  Sieger.  Es  gibt  nur  wenige  Teile  des  gewaltigen 
römischen  Reiches,  die  die  Germanen  auf  ihren  Wanderungen  nicht  berührt 
haben.  Ja,  auf  der  Balkanhalbinsel,  in  Italien,  in  Frankreich  und  Spanien 
haben  sie  zum  Teil  jahrhundertelang  geherrscht.  Eine  solche  Herrschaft 
konnte  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  Sprache  der  unterworfenen  Völker  bleiben, 
und  tatsächlich  sind  alle  romanischen  Sprachen  voll  von  Entlehnungen  aus 
dem  Germanischen.  Diese  Erscheinung  hat  natürlich  die  Romanisten  seit 
langem  beschäftigt,  und  die  Literatur  darüber  ist  außerordentlich  reichhaltig. 
In  dem  oben  zuletzt  angeführten  Werk  von  Ulrix  ist  sehr  viel  zusammen- 
getragen und  eine  gute  Übersicht  gegeben. 

Es  kann  auch  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  diese  Frage  irgendwie 
zu  erschöpfen,  da  sie  uns  ja  nicht  unmittelbar  angeht;  nur  mit  den  ger- 
manischen Lehnwörtern  im  Französischen  wollen  wir  uns  etwas  ausführ- 
licher beschäftigen. 

Die  Entlehnung  germanischer  Worte  ins  Französische  beginnt  sehr 
früh,  da  ja  zweifellos  schon  die  alten  Gallier  germanische  Wörter  herüber- 
genommen haben.  Dann  empfingen  die  Römer  germanische  Worte,  die 
auch  ins  Französische  übergingen.  In  der  Zeit  der  Völkerwanderung  sind 
eine  große  Anzahl  gemeinromanischer  Entlehnungen  vollzogen.  Die  Haupt- 
masse aber  kommt  durch  die  Frankenherrschaft  im  5.  Jahrhundert.  Ich  gebe 
im  folgenden  ein  reiches  Material,  wobei  ich  mich  auf  die  Sammlungen 
von  Hatzfeld-Darmesteter  in  ihrem  Dictionnaire  stütze.  Ich  verzichte  aber 
darauf,  die  Form,  aus  der  das  französische  Wort  entlehnt  ist,  genau  zu  er- 
schließen, weil  dazu  eine  Kenntnis  der  Lautveränderungen  im  Französischen 
gehört,  die  ich  nicht  besitze.  Aber  da  es  uns  hier  nur  auf  die  Wortgeschichte 


80  Drittes  Kapitel.  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen. 

ankommt,  so  scheint  mir  dieser  Mangel  nicht  von  allzu  großer  Bedeutung 
zu  sein.  Jedenfalls  wird  man  über  die  Fülle  der  entlehnten  Worte  erstaunt 
sein.  Sie  geben  Kunde  von  der  lange  andauernden  Herrschaft,  die  die 
Franken  über  unser  westliches  Nachbarland  ausgeübt  haben. 

adoiiber  'ausbessern'  aus  germ.  ''diibban  'schlagen';  —  affre  'Schrecken,  Entsetzen', 
ahd.  eibar  'scharf,  bitter';  —  agace  'Elster',  ahd.  agalstra;  —  aigrette  'Reiher',  ahd.  heigir;  — 
agraffe  zu  ahd.  krapho  Haken';  —  alise  'Eisbeere',  d.  Erle;  -  allen  'Gut',  ahd.  allöd 
'Allodium';  —  andie  'Mundstück  an  Blasinstrumenten',  ahd.  andia  'Röhre';  —  aiine  'Elle', 
ahd.  alina,  elina;  —  avadiir  'schlaff  werden',  ahd.  wcihhen  'weich  machen';  —  babine  'Lippe', 
alem.  ftrt/>/J<' 'Schnauze';  —  balle  'Ball',  ahd.  balla;  —  ban  'feierliche  Bekanntmachung'  von 
bannir,  ahd.  bannan,  ban;  —  banc,  ahd.  bank;  —  bände  'Binde,  Band'  aus  bende,  ahd.  binda; 

—  bannii'ie  'Banner',  vgl.  got.  bandi  'Band,  Fessel';  —  bar  'ein  Fisch',  a\\d.bars;  —  bütir 
'heften,  reihen'  aus  *bastjan,  ahd. bestan:  —  bau  'Querbalken',  ahd.  baldio;  —  6a«rf 'Hirsch- 
hund', ahd.  bald  'schnell';  —  baudrier  'Wehrgehänge',  ahd.  balderih;  —  bcdeau  'Pedell',  ahd. 
bital  'Büttel';  —  beffroi  'Warte',  ahd.  bergvrit;  —  beton  'erste  Milch'  von  afrz.  bet,  ahd.  biost 
'Biestmilch';  —  biez  'Mühlgerinne',  ahd.bed  'Bett';  —  biere  'Bahre',  ahd.  bara  'Bahre';  —  bla- 
fard  bleich,  blaß,  matt',  ahd.  bleih-varo  'bleiclifarben';  —  blanc,  ahd.  blank;  —  biet  'überreif, 
anfrk.  biet  'bleich';  —  bleu,  ahd.  blao ;  —  bloc,  ahd.  blodi  'Block';  —  borde  'Hütte',  ags.  bord;  — 
bouc,  ahd.  bodi;  —  bourg,  ahd.  bürg;  —  bouter  urspr.  'stoßen',  agerm.  '''boutan.  ahd.  bOzzan 
'stoßen';  —  bradiet  'Spürhund',  ahd.  bracdio;  —  braise  'glühende  Kohlen',  ahd.  brasa;  — 
branicr  'wie  ein  Hirsch  schreien',  ahd.  breman,  davon  Brunft;  —  brand  , Ritterschwert',  germ. 
*brand;  —  brandon  'Strolifacker,  germ.  'brand;  —  breche  'Lücke,  Bresche',  ahd.  bredia;  — 
brelan  'Spiel',  ahd.  bretlinc,  Dim.  von  Brett;  —  bretne,  ahd.  brahsema  'Brassen';  —  bride 

Zaum,  Zügel',  ahd.  britil;  —  broder  'sticken',  germ.  -brozd  'Spitze';  —  brosse,  germ 
*burstja,  'Bürste';  —  *roü(^<? 'Staubregen',  brouet  'Bouillon',  d.  brodeln;  —  brouir  'versengen', 
mild,  brücjen;  —  brouter  'abgrasen',  germ.  '-'bruston;  —  broyer  'zerbrechen',  ahd.  bredian;  — 
bru  'Schwiegertochter',  got  brüps;  —  brun,  ahd.  brün;  —  buee  'feuchter  Dampf,  Wäsche',  d. 
baudien,  ndd.  büken;  —  buron  'Sennhütte',  ahd.  bnr;  —  butin  'Beute',  d.  Beute;  —  carcan 
'Halseisen',  ahd.  querca;  —  diambellan  'Kammerherr',  ahd.  kamarlinc;  —  diamois,  d.  Gemse; 

—  diarivari,  der  zweite  Bestandteil  zu  d.  wirren;  —  chaton  'Ringkasten',  d.  Kasten;  — 
choisir,  zu  ahd.  kiosan  'wählen';  —  diope,  d.  Sdioppen;  —  diopper  .stolpern',  d.  sdiuppen; 

—  dioqucr'%{o2>tn,  vielleicht  zu  engl,  to  s/iok;  —  ciron  'Milbe',  ahd.  siuro;  —  clapet  'Klappen- 
ventil',  d.  Klappe;  —  clapper  mit  der  Zunge  schnalzen',  d.  klaffen ;  —  clendie,  d.  Klinke;  — 
codie  'Schiff,  ahd.  cocdxo;  —  cotte  'Weiberrock',  d. Kotze;  —  crabe,  d.  Krabbe;  —  crampon 
d.  Krampe ;  —  credie,  d.  Krippe ;  —  cresson,  d.  Kresse ;  —  Croupe,  d.  Kropf;  —  crudie,  d.  Kruke ;  — 
danser  'tanzen',  ahd.  dansün  'ziehen';  —  dard  'Wurfspieß',  ags.  darod;  —  de-diirer,  andfr. 
skcrran;  —  rft^-^a^rjt?//- 'aufgeben, fahren  lassen',  d.  werfen;  — de-rober  'stehlen',  d.  rauben;  — 
rfrflg^^o« 'Wurzelschößling',  d. treiben,  Trieb;  —  e -b loui r %\tndtn  ,  d.  blöde;  —  ^ca/V/e 'Schuppe', 
got.  skalja  'Ziegel';  —  ecale  'äußere  Schale',  ahd.  scala  'Schale';  —  edianson  'Mundschenk', 
d.  Schenke;  —  ediarpe '^'md(i,  Szhäx\)t' ,  d.Sdiärpe;  —  cdiauguette  'Warte,  Warthäuschen', 
d.  Sdianmacht;  —  ediine  'Rückgrat',  d.  Schiene;  —  edioppe  'Krambude,  Schuppen',  d. 
Sdiuppen;  —  eclisser  'spalten',  d.  sdileißen;  —  ecofier  'Schuhmacher',  d.  Sdiuh;  ecot 
'Baumstumpf,  Reiser',  d.  Sdioß;  —  ecrevisse  'Krebs',  d.  Krebs;  —  ecume  'Schaum',  d. 
Sdiaum;  —  ef-frayer  'erschrecken',  d.  Friede;  —  elingue  'Seilschlinge',  d.  Sdilinge;  — 
email,  ags.  smelt,  d.  Sdimelz;  —  empan,  afrz.  espan  Spanne',  d.  Spanne;  —  hardi,  d. 
hart;  —  f'parre  'Sparren',  d.  Sparren;  —  epargner,  d.  sparen;  —  epeidie  'Buntspecht', 
d.  Spedit;  —  epeler  buchstabieren',  got.  spillön  'verkünden,  erzählen';  —  eperlan,  d. 
Spierling;  —  eperon,  d.  Sporn;    —    epervier,   d.  Sperber;    —   ^^p/Vr 'erspähen',  d.  spähen; 

—  epieu  'Spieß',  agerm.  ""speot;  —  epoule,  d.  Spule;  —  estamper,  d.  stampfen;  —  estoc 
'Baumstamm',  d.  Stodi;  —  estrif,  d.  Streit;  —  esturgeon,  ahd.  sturio  'Stör';  —  etat 
•Fleischertisch',  d.  Stall;  —  faite  'Giebel,  First',  d.  First;  —  falaise  'steiles  Gestade,  Klippe', 


§  59.  5.  Die  germanischen  Lehnwörter  in  den  romanischen  Sprachen.       81 

d.  Felsen;  —  fanon  'Fähnlein',  d.  Fahne;  —  fauder  'zusammenlegen',  d.  falten;  —  fauteuil. 
d.  Feldstuhl;  — fauve  'falb',  d.falb;  — feurre,  fouarre  'Futterstroh',  ahd.fuotar  'Futter';  — 
feutre  'Filz',  d.  Filz  —fief 'Lehen,  ahd.  Jehu  'Vieh';  —  flan  'Torte',  ahd.  flado,  'Fladen';  — 
flatir  'hämmern',  and.  flat 'flach,  glatt';  — f latter  'schmeicheln',  ebenfalls  von  flat;  —  flot 
'Welle,  Woge',  got  flüdus  'Flut';   —  flou  'weich,  sanft',  d.  lau;  —  fourbir  'putzen,  polieren', 
ahd.  furbjan  'reinigen,  putzen';  — fournir  'mit  etwas  versehen',  ahd.  frumjan  'fördern,  voll- 
bringen';—  /ourr^-fl« 'Scheide,  Futteral',  got. /örfr 'Scheide',  d.  Futter,   dazu   auch  fourrer 
'mit  Pelz  verbrämen,  füttern';  — frais,  ahd.  frisk  'frisch';  —  franc  'frei',  d.  Franke;  —  freux 
'Saatkrähe',  ahd.  hruoh  'Krähe,  Häher';  — frimas  'Reif,  ahd.  hrlm  'Reif;  — froc  'Mönchskutte', 
d.  Rodi;—  gage  'Pfand',  got.  wadi  'Pfand',  d.  Wette;  —  gagner  'verdienen',  ahd.  weidinön 
'weiden,  jagen';  — gant  'Handschuh',  ndd.  Wanten  'Seemannshandschuh';  —  garder  'beob- 
achten, halten,   wehren',  d.  warten;  —  garnir  'versehen  mit  etwas',  d.  warnen;  —  gaudiir 
•sich  werfen,  schief  werden',  d.  wanken;  —  gaufre  'Wabe,  Waffel',  d.  Waffel;  — gazon  'Rasen', 
ahd.  waso  'Rasen';  —  gene  'Geständnis',  zu  ahd.  je han  'bekennen',  noch  in  Beidite;  —  gerbe, 
d.  Garbe;  —  gerfaut  'Geierfalk',  ahd.  gtr-falko;  —  giron,  mhd.  gere  'keilförmiges  Stück  an 
einem  Kleide';  —  glisser,  d. gleiten;  —  gonfanon  'Kirchenfahne',  ahd. gundfano;  —  gres 
'Sandstein',  ahd.  grioi  'Sand';  —  gi'Ufe  'Kralle',  von  d.  greifen;  —  gris  'grau',  d. greis;  — 
grommeler,  d.  grummeln;  —  gruau,  d.  Grütze;  —  gruyer  'Forstmeister',  zu  d.  grün;  —  guede 
'Färberwaid',  d.  Waid;  —  guerdon  'Belohnung',  zu  d.  wider;  —  guere,  ahd.  weigaro  'heftig, 
sehr';  —  guerir,  d.  wehren;  —  guerre,  ahd.  werra  'Streit',  wirren;  —  guider,  got.  witan;  — 
guimpe  'Schleier',  d.  Wimpel;  —  guiper  'mit  Seide  überspinnen',  got  weipan  'bekränzen';  — 
guise  'Art,  Weise,  Sitte',  d.  Weise;  —  hadie  'Axt,  Beil',  d.  Hippe;  —  haie  'Hecke',  d.  Ffag;  —  hai'r, 
d.  hassen;  —  haire  'härenes  Gewand',  zu  d.  Haar;  —  halle,  d.  Halle;  —  hameau'VJtilti,  Dörf- 
chen', d.  Heim;  —  hanap  'Humpen',  d.  Napf;  —  handle  'Hüfte',  d.  Hanke;  —  happer  'gierig 
schnappen',  d.  happen;  —  harde  'Rudel',  d.  Herde ;  —  hareng,  d.  Hering;  —  harpe,  d.  Harfe;  — 
häte  'Eile',  got.  haifsts  'Streit' ; — haiibert 'Y^anztxhtmd' ,  mhd.  /za/s&^rc  'Panzerhemd' ;  —  haveron 
'wilder  Hafer',  d.  Hafer;  —  havre  'Hafen',  d.  Hafen;  —  heaume,  d.  Helm;  —  heberge,  d.  Her- 
berge; —  heron  'Reiher',  ahd.  heigir;  —  hetoudeau,  d.  Hagestolz;  —  hetre  'Buche',  ndl. 
heester;  — /zo/z/2i> 'beschimpfen',  d.  höhnen,  dazu  honte;  —  houe'Hazke' ,  d.  Haue;  —  houseaux 
'Gamaschen',  d.  Hose;  —  houx  'Stechpalme',  ahd.  hulis;  — jardin,  d.  Garten;  —  /a/d 'häßlich', 
d.  leid;  —  laper  'lecken',  engl,  lap;  —  latte,  d.  Latte;  —  ledier  'lecken',  ahd.  lediün;  —  lippe 
'vorstehende  Unterlippe',  d.  Lippe;  —  löge  'Hütte,  Verschlag,  Loge',  ahd.  louba  'Laube';  — 
loquet  'Klinke,  Drücker',  zu  got.  lakan  'verschließen';  —  lot  'Los',  got.  hlauts  'Los';  —  madre 
'gefleckt,  gemasert',  d.  Maser;  —  malle  'Felleisen',  ahd.  malaha ;  —  marais  'Sumpf,  Morasf , 
d.  Marsdi;  —  marc  'Gewicht',  d.  Mark;  —  mardie  'Grenze',  d.  Mark;  —  mare  'Pfuhl',  ahd. 
■■tnara,  vorauszusetzen  als  Grundwort  ixxx Marsdi;  —  maredial,  ahd.  marahscalk;  —  marquer 
'zeichnen,  bezeichnen',  d.  merktn;  —  marsouin,  d.  Meersdiwein;  —  martre,  d.  Marder;  — 
mät,  d.  Mast;  —  mesange,  d. Meise;  —  meurtre,  got.  maürpr'M.OTd' ;  —  morille,  d.  Mordiel;  — 
wor/ze 'traurig,  finster',  got.  wazir«a/z 'trauern';  —  moufle  'Fausthandschuh',  and.  (latinisiert) 
muffula ;  —  mousse,  d.  Moos;  —  mulot  ,Feldmaus',  zu  mul  in  Maulwurf;  —  nantir  'ein  Unter- 
pfand geben',  zu  d.  nehmen;  —  navrer  'verwunden',  zu  d.  Narbe;  —  nord,  d.  Nord;  —  orgueil 
'Hochmut,  Stolz',  zu  ahd.  urguol  'insignis';  —  ouest,  d.  West;  —  quille  'Kegel',  d.  Kegel;  — 
rang  'Reihe,  Ordnung',  d.  Ring;  —  räpe  'Reibeisen',  d.  Raspel;  —  regretter  zu  got.  grttan 
'weinen';  —  ridie,  d.reidi;  —  r/d^r 'runzeln,  kräuseln',  ahd.  garidan;  —  rodiet  'Chorhemd', 
zu  d.  Rodi;  —  roseau  'Rohr,  Schilf,  d.  Rohr,  got.  raus;  —  rotir,  d.  rösten;  —  rouir  'Flachs 
rösten',   vgl.  d.  verrottet;  —  sale,  ahd.  salo  'schmutzig';  —  salle,   d.  Saal;   —   senedial, 
germ.  '-sini-scalk  'Altknecht';  —  serancer  'hecheln',  d.  Sdiranze  und  Sdirunde;  —  souper, 
super,   d.  saufen;   —   sud,  d.  Süden;   —   sur,   d.  sauer;    —    taisson,  d.  Dadis;    —   taper 
'klappsen',  von  ahd.  tappa  'Hand';   —   targe  'Tartsche,  Schild',   ags.  targe;  —  tarir  'aus- 
trocknen',  zu  dörren;    —    tette  'Zitze",   ndd.  Titte;   —   tique,  d.  Zedie;    —   tombtr,  engl. 
to  tiimble  'umstürzen';    —    touaille  'Rolltuch',  zu  ahd.  twahan  'waschen';    —    toupet,  d. 
Zopf;   —   tourbe,   d.  Torf;  —   trappe  'Falltür',    in  der  lex  salica  trappa;  —   tre-budier 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  5 


82  Viertes  Kapitel.  Urschöpfung  und  künstliche  Worte. 


'stolpern',   zu   6.  Raiidi;  —  ^r^f^ 'Waffenstillstand',  a\\(\.  triiiwa  'Treue';   —   troene  'Hart- 
riegel',  ahd.  [harOtrugil. 

Aus  dieser  Liste  mag  man  ersehen,  wie  tief  und  nachhaltig  der  Einfluß 
des  Germanischen  auf  das  Französische  schon  in  alter  Zeit  gewesen  ist. 
Besonders  beachtenswert  erscheint,  daß  Ausdrücke  wie  Nord,  Süd,  West 
entlehnt  worden  sind.  Es  weist  dies  auf  eine  starke  Überlegenheit  der  ger- 
manischen Schiffahrt  hin,  worauf  schon  G.  Baist,  ZfdW.  4, 257,  Germanische 
Seemannsworte  in  der  französischen  Sprache,  hingewiesen  hat.  Auf  die 
Lehnworte  der  neuen  Zeit  einzugehen  muß  ich  unterlassen,  obgleich  auch 
sie  manches  Bemerkenswerte  bieten. 

§  60.  6.  Die  deutschen  Lehnwörter  in  den  sonstigen  Sprachen.  Es  ist  nicht 
möglich,  die  Wirkungen  des  hochdeutschen  Wortschatzes  auf  die  andern 
Sprachen  mit  irgendwelcher  Ausführlichkeit  darzustellen.  Es  mangelt  dazu 
der  Raum,  es  fehlen  aber  auch  noch  die  Vorarbeiten.  So  begnüge  ich  mich 
mit  einigen  Andeutungen. 

Das  Hochdeutsche  bekommt  früher  eine  geschriebene  Literatur  als  das 
Niederdeutsche,  es  regt  sich  dort  eher  die  mönchische  Gelehrsamkeit,  und 
so  ist  es  kein  Wunder,  daß  es  mehr  und  mehr  in  seinem  Wortschatze  auf 
die  Sprache  Niederdeutschlands  abzufärben  beginnt.  Dieser  Einfluß  ist  mit 
den  Jahrhunderten  immer  stärker  geworden  und  heutzutage  ist  das  Nieder- 
deutsche von  hochdeutschen  Worten  durchsetzt,  ebenso  natürlich  das  Nieder- 
ländische. Nicht  minder  ist  das  heutige  Skandinavische  sehr  stark  dem 
deutschen,  insbesondere  natürlich  dem  niederdeutschen  Einfluß  ausgesetzt 
gewesen.  Wäre  das  Niederdeutsche  zur  deutschen  Schriftsprache  geworden, 
so  würde  dieser  noch  viel  stärker  geworden  sein. 

Anmerkungl.  Vgl.  hierzu  M.  Kristensen,  Fremmeordene  i  det  aeldeste  danske  skrift- 
sprog.  Diss.  Köbenhavn  1906.  Ida  Marquardsen,  Der  Einfluß  des  Mittelniederdeutschen 
auf  das  Dänische  im  15.  Jahrh.  Btr.  33,  405— 458.  Frank  Fischer,  Die  Lehnwörter  des  Alt- 
westnordischen  I.Teil,  Berl.  Diss.  1909.  Das  Ganze  als  Band  85  der  Palästra. 

Ein  gewaltiger  Strom  deutscher  Worte  ergießt  sich  weiter  nach  Osten 

und  Südosten.   Zahlreiche  deutsche  Worte  sind  in  die  Balkansprachen  und 

schließlich  bis  ins  Neugriechische  vorgedrungen. 

Anmerkung  2.  Vgl.  über  die  Lehnwörter  der  altern  Zeit  in  diesen  Gegenden  Thumb, 
Germanistische  Abhandlungen,  Herm.  Paul  dargebracht,  S.  225  ff.  (dazu  Hesseling,  Byzant. 
Ztschr.  12,  595).  R.  Löwe,  Altgermanische  Elemente  der  Balkansprachen,  KZ.  39,  265  ff. 
KisCH,  Altgermanische  Elemente  in  Rumänien.  Festgabe  zur  Feier  der  Einweihung  des  neuen 
evangelischen  Gymnasial-,  Bürger-  und  Elementarschulgebäudes  in  Bistritz  (Siebenbürgen). 
Zugleich  Beilage  zum  Programm  des  Bistritzer  Obergymnasiums.  Vgl.  Litbl.  1913,  46.  — 
1.  Borcia,  Deutsche  Elemente  im  Rumänischen,  Leipzig  1908,  Barth.  —  Über  die  deutschen 
Elemente  im  Ungarischen  siehe  Lumtzer  und  Melich,  Deutsche  Ortsnamen  und  Lehn- 
wörter der  ungarischen  Sprache.  Innsbruck  1900. 

Selbst  in  das  heutige  Englisch  sind  deutsche  Wörter  gedrungen,  vgl. 
A.  EiCHLER,  Hochdeutsches  Sprach-  und  Kulturgut  im  modernen  englischen 
Wortschatze,  Anglia  Beiblatt  19,  238. 

§  6L   Rückblick.   Überblickt  man  die  vielen  germanischen  Worte,   die 


§  61.  Rückblick.  §  62.  Urschöpfung.  83 

ihren  Weg  nach  auswärts  gefunden  haben,  so  wird  man  billig  erstaunt  sein 
über  ihre  Menge.  Sie  dürften  an  Zahl  denen  wenig  nachgeben,  die  wir 
selbst  aus  andern  Sprachen  aufgenommen  haben.  Die  Wege,  die  sie  ge- 
gangen sind,  entsprechen  den  Wegen  der  deutschen  Geschichte  und  der 
deutschen  Kulturentwicklung,  wie  wir  sie  aus  andern  Quellen  kennen.  In 
manchen  Punkten  zeugen  sie  freilich  von  einer  Wirksamkeit  der  Germanen, 
wie  sie  keine  Geschichte  kennt.  Von  dem  nachhaltigen  Einfluß  der  Ger- 
manen auf  die  Finnen  würden  wir  ohne  die  Kenntnis  der  Lehnworte  wenig 
ahnen,  und  noch  weniger  würden  wir  ahnen,  daß  in  den  baltischen  Pro- 
vinzen schon  sehr  früh  germanische  Stämme  gesessen  haben.  So  liegt  denn 
schon  hier  ein  Fall  vor,  wo  die  Wortforschung  der  Geschichte  als  helfende 
Dienerin  zur  Seite  steht.  Damit  stoßen  wir  auf  eine  Aufgabe  der  Sprach- 
forschung, deren  Bedeutung  zuerst  J.  Grimm  klar  erkannt  hat.  Daß  diese 
Untersuchungen  aber  auch  dazu  beitragen,  das  Alter  germanischer  Wörter 
genauer  zu  bestimmen,  was  ja  für  unsere  Zwecke  die  Hauptsache  ist,  das 
dürfte  aus  dem  Angeführten  klar  hervorgehen. 


Viertes  Kapitel. 
Urschöpfung  und  künstliche  Worte. 

§  62.  Urschöpfung.  Wenn  man  die  Aufgabe  erfüllt  hat,  ein  Wort  mög- 
lichst weit  zurückzuverfolgen,  so  ist  damit  noch  immer  nicht  in  allen  Fällen 
die  Frage  nach  der  wahren  Herkunft  der  Worte  gelöst.  Auch  im  Indo- 
germanischen treten  uns  fertige,  nicht  weiter  erklärbare  Wörter  entgegen. 
Man  sollte  sich  m,it  dieser  Erkenntnis  begnügen.  Aber  der  menschliche 
Geist  ruht  nicht.  Er  möchte  trotz  der  scheinbaren  Unmöglichkeit,  weiter 
vorzudringen,  gern  wissen,  wie  gerade  dieses  Wort,  diese  Lautgruppe  zu 
dieser  bestimmten  Bedeutung  gekommen  ist.  Wollten  wir  hierauf  eine  Ant- 
wort geben,  so  müßten  wir  das  schwierige  Problem  des  Ursprungs  der 
Sprache  erörtern  und  vielleicht  die  vielen  Versuche,  diese  Frage  zu  lösen, 
um  einen  neuen  vermehren.  Das  wollen  wir  aber  nicht  tun.  Indessen  ist 
doch  darauf  hinzuweisen,  daß  die  Schöpfung  der  Sprache  nicht  ein  ein- 
maliger Vorgang  gewesen  ist,  sondern  daß  zu  allen  Zeiten  Grundbestand- 
teile der  Sprache  —  man  nennt  sie  Wurzeln  —  neu  gebildet  worden  sind. 
H.Paul  hat  dies  mit  Urschöpfung  bezeichnet. 

„Das  Wesen  der  Urschöpfung",  sagt  er  in  seinen  Prinzipien  der  Sprach- 
geschichte, „besteht  darin,  daß  eine  Lautgruppe  in  Beziehung  zu  einer 
Vorstellungsgruppe  gesetzt  wird,  welche  dann  ihre  Bedeutung  ausmacht, 
und  zwar  ohne  Vermittlung  einer  verwandten  Vorstellungsgruppe,  die  schon 
mit  der  Lautgruppe  verknüpft  ist."  Diese  Lautgruppe  muß  aber  dem  Vor- 
stellungsinhalt entsprechen,  es  muß  eine  innere  Beziehung  zwischen  der 
Lautgruppe  und   der  Bedeutung  vorhanden  sein,   wenn  sich   eine   solche 

6* 


84  Viertes  Kapitel.  Urschöpfung  und  künstliche  Worte. 


Benennung  verbreiten  soll.    Es  muß,   kurz  gesai:jt,  der  Lautgruppe  ein  ge- 
wisser lautmalender  Charakter  eigen  sein. 

Wir  können  ein  ganz  neues  Beispiel  für  diese  Art  der  Urschöpfung 
anführen.  Es  ist  das  Wort  Töfftöff  für  Automobil.  Daß  wir  hierin  ein 
durchaus  richtiges  Wort  vor  uns  haben,  unterliegt  ja  keinem  Zweifel,  und 
ebenso,  daß  wir  hier  dem  Ursprung  sicher  nachkommen  können.  Es  wird 
wohl  kaum  gelingen,  die  Lautgruppe  töfftöff  vor  Auftreten  der  Automobile 
nachzuweisen,  sie  ist  vielmehr  die  Wiedergabe  des  von  den  Fahrern  ge- 
gebenen Warnungszeichens,  die  man  zu  der  Vorstellungsgruppe  Automobil 
in  Beziehung  setzt.  Daß  sich  dieser  Ausdruck  hätte  durchsetzen  können, 
ist  unbestreitbar.  Ähnlich  steht  es  mit  dem  vor  etwa  vierzig  Jahren  auf- 
gekommenen Krikri.  Dieses,  einen  eigentümlichen  knackenden  Ton  hervor- 
bringende Instrument  war  sicher  nach  seinem  Ton  benannt.  Weiter  nenne 
ich  Klimbim  und  Tingeltangel,  die  sogar  Duden  verzeichnet.  Wir  sehen 
also,  wie  Worte  in  unsrer  Zeit  neu  entstehen  können,  und  wir  schließen, 
daß  es  so  auch  in  frühern  Zeiten  gewesen  ist. 

§  63.  Lautmalende  Wörter.  Nun  gibt  es  in  unsrer  Sprache  eine  ganze 
Reihe  von  Worten,  die  erst  verhältnismäßig  spät  auftreten,  zum  Teil  gewiß 
deshalb,  weil  die  Überlieferung  lückenhaft  ist,  zum  Teil  aber  auch  weil  sie 
auf  ähnlichem  Wege,  wie  die  oben  erwähnten,  entstanden,  also  wirklich  Ur- 
schöpfungen  sind.  Paul  hat  eine  große  Anzahl  derartiger  Worte  zusammen- 
gestellt, und  es  hat  sich  dabei  gezeigt,  „daß  es  vorzugsweise  solche  sind, 
die  verschiedene  Arten  von  Geräuschen  und  Bewegungen  bezeichnen".  Für 
mich  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  daß  viele  der  von  Paul  angeführten  Worte 
tatsächlich  lautmalender  Natur  sind: 

baffen,  bambeln,  bammeln,  bardauz,  bummeln,  bimmeln,  batzen  (nd.  schallend  auf- 
fallen), patsdien,  bauzen  (=  batzen  'bellen'),  belfen,  belfern,  blaffen,  blarren.  blerren. 
blatzen,  platzen,  pletzen.  bletschen.  pletsdien,  platsdiern,  planschen,  panschen,  plätschern, 
blodern,  plaudern,  blubbern,  plappern,  blauzen,  böller,  bollern,  bubbeln,  bullern,  ballern, 
boldern,  poltern,  bompern,  bumpern,  buff,  buffen,  puff,  puffen,  burren.  bubbeln.  puppein, 
puppern,  dudeln,  fimmeln,  fummeln,  flattern,  f linder,  flindern,  Flinderling,  flandern,  flink, 
f lodern,  flunkern,  flüstern,  gackeln,  gackern,  gacksen,  gagagen,  gatzen.  gautsdie.  gautschen. 
ganzen,  gidisen.  kicksen,  girren,  glucken,  glucksen,  grackeln,  hampeln,  happen,  hummen. 
humpen,  humpeln,  hätscheln,  holpern,  hurren.  huschen,  hussen.  jaulen.  Jodeln,  Johlen, 
kabbeln,  kakeln,  keckern.  kidiern,  kirren,  kischen  'zischen',  klabastern,  Klachel  oder 
Klädiel,  bayer.  'Glockenschwengel  oder  anderes  baumelndes  Ding',  klaffen,  kläffen,  klap- 
pen, klappern,  klatschen,  kletzen,  kieschen  {—  klatschen).  Klimbim,  klimpern,  klirren, 
klitschen,  Klunker,  knabbeln.  knabbern,  knadien,  knacks,  knarpeln.  knarren,  knarzen, 
knarsdien.  knatsdien,  knattern,  knirren,  knirschen,  knittern,  knurren,  knasdieln.  knaspeln, 
knastern,  knisten,  knistern.  Knaster  (-hart),  knatsdien,  knetsdien,  knitsdien,  knutschen, 
knattern,  knittern,  knuffen,  knüffeln,  knüllen,  knuppern,  knurren,  knuspern,  koken, 
kollern,  kotzen,  kullern,  krabbeln,  kribbeln,  krakeln,  krakeln,  kraspeln,  kreischen,  kreißen, 
kuckern  'cucurire',  lode/n,  lullen,  mauen,  mucken,  mucksen,  mummen,  munkeln,  nutsdien. 
paffen.  Pamps.  pappen,  patschen,  piepen,  pfusdien.  pimmeln,  pimpeln,  pimpelig,  pinken, 
pisdi,  pispern.  pladdern,  plantschen,  plappern,  plärren,  platschen,  platzen,  plaudern,  plotz. 
plumpen,  plumpsen,  potz,  prasseln,  pratsdien,  prusten,  puffen,  pumpen,  quabbeln,  quab- 


§  63.  Lautmalende  Wörter.  §  64.  Entwicklung  der  lautmalenden  Wörter.      85 

belig,  quackeln,  quaken,  quäken,  quatschen,  quiken.  quietschen,  rappeln,  rapsen,  rascheln^ 
rasseln,  räuspern,  rempeln,  Rummel,  rumpeln,  \rüppeln,  sdüabbern,  schlampen,  schlam- 
pampen, schlockern,  sdilottern.  schlürfen,  scfimettern,  Sdinack,  sdinadien,  sdinattern. 
sdinarren.  sdirill,  sdiummeln,  schwabbeln,  sdiwappen,  sdiwirren,  stöhnen,  stolpern,  strullen. 
summen,  surren,  tatschen,  tätsdien,  tätsdieln,  ticken,  torkeln,  turzeln  (hessisch  =  torkeln), 
trällern,  tuten,  wabbeln,  wibbeln,  watscheln,  wimmeln,  wimmern,  wudeln,  ziepen,  zirpen, 
zischen,  zischeln,  zullen,  zulpen,  züsseln  'schütteln',  zwitschern.  Weitere  Fälle  hat  O.  Weise, 
ZfdU.  19,  510,  in  einem  lesenswerten  Aufsatz  zusammengestellt. 

Wenn  auch  einzelne  dieser  Worte  sicher  ursprüngHch  nicht  lautmalend 
sind,  so  dürfte  es  doch  für  die  meisten  zutreffen.  Und  wenn  man  sich 
genau  beobachtet,  so  wird  man  finden,  daß  man  nicht  selten  selbst  solche 
Wörter  neu  bildet,  die  freilich  als  Augenblicksschöpfung  und  Erzeugnis  eines 
einzelnen  keine  Wahrscheinlichkeit  haben,  fortzuleben. 

Da  pfeift  es  und  geigt  es  und  klinget  und  klirrt, 
Da  ringelt's  und  schleift  es  und  rauschet  und  wirrt. 
Da  pispert's  und  knistert's  und  flistert's  und  schwirrt; 
Nun  dappelt's  und  rappelt's  und  klappert's  im  Saal. 

Mit  diesen  Worten  hat  Goethe  im  Hochzeitslied  zweifellos  die  Geräusche 
nachahmen  wollen,  und  wir  empfinden  den  lautmalenden  Charakter  seiner 
Worte  ganz  deutlich.  Die  i- Vokale  drücken  das  feine  Geräusch  aus,  während 
mit  den  a-Vokalen  der  vierten  Zeile  ein  kräftigeres  Treiben  eintritt.  Ob 
man  sich  von  jedem  Wort  eine  klare  Vorstellung  machen  kann,  ist  sehr 
die  Frage. 

§  64.  Entwicklung  der  lautmalenden  Wörter.  Wenn  also  in  der  Sprache 
stets  neue  Lautgruppen  hervorgebracht  werden,  namentlich  um  Geräusche 
und  ähnliches  zu  bezeichnen,  so  fragt  es  sich,  wie  die  weitere  Entwicklung 
vor  sich  gegangen  ist.  Nun,  das  ist  leicht  zu  zeigen.  Wenn  Töff-töff  das 
Automobil  bezeichnet,  so  hat  hier  schon  ein  Bedeutungsübergang  statt- 
gefunden, und  das  Wort  hat  sich  von  seiner  Herkunft  bereits  losgelöst. 
Es  könnte  ja  auch  ein  anderes  Annäherungszeichen  für  die  Automobile 
als  das  bisherige  eingeführt  werden,  auf  das  die  Lautgruppe  töff  nicht 
mehr  passen  würde,  diese  aber  doch  als  Bezeichnung  beibehalten  werden. 
Dann  hätten  wir  ein  Wort,  dessen  lautmalende  Herkunft  nicht  mehr  zu  er- 
kennen wäre. 

Ein  anderes  Beispiel  ist  das  folgende. 

bim-bam-bum  gebrauchen  wir  heute  lautmalend,  um  die  Glockentöne 
zu  bezeichnen,  und  zwar  verbinden  wir  mit  bim  den  Begriff  eines  hohen, 
mit  bum  den  eines  tiefen  Tones.  Sobald  diese  Lautgruppen  geschaffen 
waren,  konnte  man  Wörter  davon  ableiten,  wie  wir  denn  wirklich  bimmeln 
haben.  Dies  bedeutet  ,mit  einem  feinen  hohen  Ton  längere  Zeit  klingeln'. 
Es  liegt  also  schon  mehr  darin,  als  in  dem  einfachen  bim.  Mit  dem  Glocken- 
ton ist  aber  zweifellos  die  Bewegung  des  Klöpfels  auf  das  engste  verbunden, 
und  daher  tritt  sehr  leicht  eine  Bedeutungsübertragung  ein  von  dem  Ton 
auf  die  Bewegung  des  Klöpfels,  die  wir  in  bammeln,  mundartlich  für  'sich 


8^ 


ViERTKS  Kapitel.  Urschöpfung  und  künstliche  Worte. 


hin  und  her  bewegen'  haben.  Weiter  in  der  Bedeutunj:jscntwicklunj^  ist 
bummeln  ge^jangen.  Auch  liier  ist  die  älteste  Bedeutung  'tosen,  lärmen'. 
Grimm  führt  aus  dem  Mhd.  an  des  pumblens  do  die  kuo  verdrose\  daraus 
entwickelte  sich  'sich  hin-  und  herbewegen':  die  Arme  bummeln  lassen, 
und  schließlich  'zwecklos  hin-  und  hergehen,  nichts  tun'.  Das  Bremische 
Wörterbuch  kennt  alle  drei  Bedeutungen  'liSuten,  schweben  und  schlendern'. 
Wenn  heute  aber  der  Student  bummelt,  so  können  wir  in  dieser  Ausdrucks- 
weise die  ursprünglich  lautmalende  Herkunft  des  Wortes  nicht  mehr  er- 
kennen. 

Natürlich  sind  es  zunächst  hauptsächlich  Interjektionen,  die  durch  Ur- 
schöpfung neu  hervorgebracht  werden.  Aber  von  ihnen  können  dann  leicht 
zahlreiche  Wörter  neugebildet  werden,  wie  folgende  Beispiele  noch  zeigen 
mögen.  Patsch  ist  eine  Interjektion  des  schallenden  Schlages  oder  auf- 
schlagenden Schalles.  Davon  dann  Patsch  m.  'schallender  Schlag  oder  Fall' 
und  patschen  'patschend  aufschlagen',  bes.  im  Wasser,  dann  überhaupt  'im 
Wasser  herumgehen'.  Patsdi  m.  oder  Patsdie  f.  bedeutet  den  'Straßenschmutz', 
und  weiter  'Not  und  Verlegenheit'  in  der  Redensart  in  der  Patsche  stecken. 
Weiter  heißt  Patsdie  auch  'die  Hand',  vgl.  Patschhand,  sicher  vom  Ein- 
schlagen der  Hände.  Von  patsdien  ist  patsdieln  oder  pätsdieln  abgeleitet, 
das  jetzt  'mit  dem  Ruder  leicht  und  wiederholt  auf  dem  Wasser  aufschlagen' 
bedeutet.  —  Eine  andere  ähnliche  Interjektion  ist  puff  oder  buff.  Davon 
stammt  Puff  oder  Buff  m.  'dumpfer  Schall  ausbrechender  Luft',  dann  auch 
'Schlag,  Stoß'.  In  weiterer  Bedeutungsentwicklung  gehören  dazu  Puff  'bau- 
schiger Ärmel,  aufgeblähtes  kugelförmiges  Kissen,  eine  Art  Bier  (in  Halle)'; 
Puffer  'Knallbüchse'  (Zeesen  wollte  Pistole  mit  Tasdienpuffer  verdeutschen) 
und  'eine  Art  Kartoffelkuchen',  benannt  weil  er  beim  Backen  pufft.  —  Von 
der  Interjektion  pimni  oder  pimp  stammt  pimmeln  oder  pimpeln  'sich  über 
kleine  Unannehmlichkeiten  immerfort  beklagen'. 

Weitern  Stoff  bietet  J.  Reinius,  Onomatopoetische  Bezeichnungen  für 
menschliche  Wesen,  bes.  im  Deutschen  und  Englischen.  Studier  i  modern 
spnikvetenskap,  utgivna  av  nyfilologiska  sällskapet  i  Stockholm.  Upsala 
1908,  Heft  4. 

Leider  fehlt  es  an  einer  ausreichenden  Sammlung  der  Interjektionen 
für  das  Deutsche.  Einiges  steht  bei  J.  Griau\,  Deutsche  Grammatik  3, 288 ff., 
Paul,  Prinzipien  ^  S.  157  ff.  In  sehr  dankenswerter  Weise  hat  uns  aber  Les- 
kien eine  Sammlung  derartiger  Worte  aus  dem  Litauischen  gegeben,  Idg. 
Forschungen  13,  165.  Wir  sehen  hier  unter  wesentlich  einfachem  Verhält- 
nissen als  im  Deutschen  eine  geradezu  überwältigende  Fülle  von  Inter- 
jektionen und  davon  abgeleiteten  Worten  auftreten. 

Besonders  deutlich  zeigt  sich  die  urschöpferische  Kraft  der  Sprache 
bei  der  Benennung  der  Vögel.  Dank  der  ausgezeichneten  Arbeit  von  Suo- 
lahti.  Die  deutschen  Vogelnamen,  Straßburg  1909,  erblicken  wir  hier  den 
Stoff   in   außerordentlich   bequemer  Weise.    Aus   den  Mundarten   läßt  sich 


§  65.  EINFLUSS  DER  KlNDERSPRACHE.  87 

außerordentlich  viel  nach  dieser  Richtung  zusammenbringen.  Ich  führe  einiges 
an,  was  mir  ganz  sicher  scheint.  Kuckuck;  für  Wiedehopf  erscheint  Hupp- 
hupp, Wuppwupp,  Wuddwudd;  Fink;  Steiermark.  Tschirg  'Sperling',  Pirol, 
auch  Byrolt,  Bierholer,  Vogel  Bulo  u.  a.,  Krähe;  Gockel,  Kikeriki,  Puthuhn, 
Glucke,  Kurrhahn,  Uhu. 

Anmerkung.  Reicher  Stoff  findet  sich  auch  bei  W.  Wackernagel,  Voces  variae 
animantium,  2.  Aufl.,  Basel  1869.  Vgl.  dazu  auch  J.  Winteler,  Naturlaute  und  Sprache. 
Ausführungen  zu  W.  Wackernagels  Voces  variae  animantium.  1892. 

Wir  haben  hier  also  ein  sehr  anziehendes  Gebiet  vor  uns,  von  dem 
es  nicht  wunderbar  ist,  daß  es  vielfach  zu  Untersuchungen  gelockt  hat, 
freilich  meist  von  Leuten,  die  mit  der  Sprachwissenschaft  nur  sehr  lose 
Fühlung  hatten.  Es  ist  ja  auch  zu  verlockend,  so  in  den  Ursinn  der  Worte 
einzudringen.  Aber  es  ist  gefährlich  dieses  Gebiet  zu  betreten,  und  es  sei 
daher  hier  eine  Warnungstafel  aufgerichtet.  Es  ist  schon  längst  darauf 
hingewiesen,  daß  nicht  alles,  was  uns  lautnachahmend  klingt,  es  auch  wirk- 
lich ist.  Wir  sind  unserseits  geneigt,  durch  eine  Art  Volksetymologie,  manches 
fälschlich  als  lautnachahmend  aufzufassen.  So  könnte  man  bei  stehen  an 
Ableitung  von  der  Interjektion  st\  denken.  Bei  brodeln  hat  man  unwill- 
kürlich die  Empfindung  der  Bewegung.  Aber  man  täuscht  sich  hier.  Auf 
diesem  Gebiet  kann  uns  nur  eingehende,  vorsichtige  Untersuchung  von 
den  heutigen  Worten  ausgehend,  zu  einwandfreien  Ergebnissen  führen. 
Leider  ist  aber  gerade  dieses  Gebiet  der  Tummelplatz  der  Laien,  und  es 
gibt  eine  ganze  völlig  wertlose  Literatur,  die  Versuche  enthalten,  alles  laut- 
nachahmend zu  erklären. 

§  65.  Einfluß  der  Kindersprache.  Aber  es  gibt  noch  einen  andern  Weg 
zur  Schaffung  neuer  Worte;  er  führt  über  die  Kinder  und  ihre  Sprache.  Das 
Kind  bringt  selbst  frühzeitig  eine  Anzahl  einfachster  Lautgruppen  pa,  ma, 
ta,  ba,  na  hervor.  Diese  natürliche  Erscheinung  wird  dadurch  verstärkt,  daß 
ihm  die  Mutter  oder  Pflegerin  derartige  Silben  vorspricht,  und  daß  das 
Kind  damit  allmählich  einen  bestimmten  Sinn  verbindet.  So  sind  Mama 
und  Papa  entstanden,  Worte,  die  heute  eine  ganz  bestimmte,  aber  leicht 
abzuleitende  Bedeutung  haben.  Wird  nun  ein  solches  Wort  von  den  Kindern 
und  später  auch  von  den  Erwachsenen  beibehalten,  so  werden  es  Sprach- 
bestandteile, deren  Ursprung  man  nicht  immer  leicht  erkennen  kann,  nament- 
lich wenn  sie  durch  die  lautliche  Entwicklung  der  Sprache  verändert  sind. 
So  entwickelt  sich  aus  dem  idg.  '■^'mä-ma  im  Germ.  *niö-niö,  das  lautgesetz- 
lich weiter  zu  Muhme  führt.  Da  Mama  immer  wieder  neu  erzeugt  wurde, 
so  konnte  dieses  Wort  eine  besondere  Beziehung  auf  ein  andres  weibliches 
Wesen  annehmen.  Derselbe  Stamm  Hegt  auch  unserm  Memme  zugrunde. 
Es  bedeutet  ursprünglich  'Mutterbrust,  Euter',  daneben  auch  'die  Mutter', 
dann  'die  Amme',  'die  Kinderfrau'  und  schließlich  'einen  feigen',  'weibischen 
Menschen'.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Form  bäbä.  Abg.  baba,  lit.  boba 
heißt  'alte  Frau,  Großmutter'.    Bei  uns  wird  daraus  '*böbö  und  jetzt  Bube. 


88  Viertes  Kapitel.  Urschöpfung  und  künstliche  Worte. 


Vgl.  auch  en.i^l.  baby.  Man  hat  also  bei  uns  bä  mit  anderm  Bedeutungs- 
inhalt ausgestattet.  Daneben  haben  wir  schwdb.  Babc  'Brot',  Schweiz.  Babi 
'Gericht  aus  Brotschnitten  und  Äpfeln',  onid.  Babe,  Bäbe  'Art  Kuchen'.  Die 
Lautgruppe  pa  wird  nicht  nur  zur  Bezeichnung  des  Vaters,  sondern  auch  zur 
Bezeichnung  des  Essens  gebraucht,  in  pap.  Davon  stammt  dann  pappen 
'essen',  Pappe  'der  Brei'  und  schließlich  Pappe  'Kleister,  gekleistertes  Papier'. 
Sobald  einmal  ein  Wort  von  seiner  ursprünglichen  Gebrauchssphare  los- 
gelöst ist,  so  sind  den  Bedeutungsveränderungen  keine  Schranken  mehr 
gesetzt.  So  gehen  denn  auch  Vater  und  Mutter,  idg.  *patfr  und  '■rnntir 
wahrscheinlich  auf  die  Lallsilben  pa  und  ma  zurück,  die  nach  dem  Muster 
andrer  Wörter  mit  Suffixen  versehen  sind.  Es  gibt  auch  Fälle,  wo  die  ver- 
schiedenen Sprachen  die  gleiche  Lautgruppe  hervorbringen.  So  finden  wir 
z.  B.  aind.  lälati  'tändelt,  scherzt,  spielt'.  Dazu  stimmt  bulg.  lelcm  'ich  wiege', 
abg.  lelja  'Tante',  lit.  Ulr  'Puppe',  lit.  lalüoti  'lallen',  gx.XaXäo  (laleo)  'schwatze', 
d.  lallen,  alles  Worte,  die  auf  die  Silbe  le,  la  zurückgehen,  aber  sehr 
verschiedene  Bedeutungen  angenommen  haben.  Unser  lullen  tritt  erst  neu- 
hochdeutsch auf  mit  den  Bedeutungen  'an  der  Brust  saugen',  'eine  Melodie 
leise  vor  sich  hinsingen',  'den  Harn  lassen'.  Dazu  stellt  sich  lautlich  ent- 
sprechend aind.  lulati  'bewegt  sich  hin  und  her',  tschech.  lulati  'wiegen,  in 
Schlaf  singen',  russ.  IJülIka  'Wiege'.  Die  verschiedenen  Bedeutungen  lassen 
sich  nur  verstehen,  wenn  man  von  einer  Lallsilbe  lu-lu  ausgeht,  mit  der 
man  verschiedene  Bedeutungen  verband.  Ebenso  findet  sich  die  Lallsilbe 
am  in  verschiedenen  Sprachen,  d.  Amme  gr.  äfipäq  {ammäs),  bask.  ama 
'Mutter',  usw.,  ta  in  jüddeutsch  Tatte,  1.  tata,  gr.  rdia  (tdta).  Auf  at  geht 
alem.  ätti,  ahd.  atto,  got.  atta  'Vater'  zurück  (wovon  Attila,  d.  Etzef),  und 
dies  findet  sich  noch  in  lat.  atta,  gr.  äxTa  (atta)  'Vater',  ir.  aite  'Pflegevater', 
abg.  oticl  'Vater'. 

Anmerkung.  Weiter  gehören  noch  hierher  babbeln,  Bas,  Base,  Bemme,  Mimi  für 
Mildi,  Nanne  'Vater'  (schles.),  Ninne  'Wiegenkind,  Wiege',  pipi,  Popo,  pupen,  Puppe, 
puppern,  tattern.  Tote  'Pate',  Zitze,  nd.  Titte  aus  titi. 

So  haben  wir  denn  in  der  Urschöpfung  eine  Quelle  für  die  Entstehung 
neuer  Worte.  Freilich  darf  man  ihre  Zahl  nicht  allzuhoch  einschätzen.  Je 
jünger  sie  sind,  mit  um  so  größerer  Sicherheit  wird  man  sie  auszuscheiden 
imstande  sein.  Man  beachte  auch,  daß  es  meist  Verba,  selten  Bezeichnungen 
für  Gegenstände  sind,  die  auf  diese  Weise  entstehen. 

In  der  Kinder-  oder  Ammensprache  spielt  ein  wortbildender  Vorgang 
eine  Hauptrolle,  die  Wiederholung  oder  Reduplikation.  Aber  es  ist  das 
eine  so  einfache  Erscheinung,  daß  sie  auch  sonst  hervortritt.  In  unsrer  Um- 
gangssprache hat  die  Wiederholung  eine  verstärkende  Wirkung,  wie  z.  B.  in 
komm,  komm!,  ein  alter,  alter  Mann-undi  das  dürfen  wir  wohl  auch  z.  T. 
wenigstens  für  die  sonstigen  reduplizierenden  Bildungen  unsrer  Sprache 
voraussetzen.  Im  Germanischen  tritt  als  wortbildendes  Element  noch  der 
Ablaut  hinzu. 


§  66.  KÜNSTLICHE  Worte.  89 


So  finden  wir  Fickfacker,  Gickgadi,  Gickelgackel,  Hickhack.  Klingklang.  Krimskrams, 
lirumlarum,  Muffmaff.  ritsdiratsdi,  ripsraps,  Sdinickschnack.  Sdinippsdinapp,  Singsang. 
Tingeltangel,  tipptopp,  Wirrwarr,  Zidizack. 

Diese  Bildungen  sind  unverkennbar.  Es  kann  aber  sehr  leicht  wegen 
der  Häufung  der  gleichen  Buchstaben  eine  Dissimilation  und  ein  Verlust 
einzelner  Laute  eintreten,  so  daß  dann  im  Laufe  der  Zeit  die  Wiederholung 
nicht  mehr  zu  erkennen  ist.   Das  war  schon  im  Indogermanischen  der  Fall. 

Von  derartigen  alten  Bildungen  haben  wir:  beben,  ahd.  bibcn;  —  Biber,  ai.  babhnis 
'braun';  Pfeifholter  'Schmetterling'  aus  mhd.  vlvalter;  —  zittern,  ahd.  zitterön,  anord. 
titra;  das  zweite  t  ist  wegen  des  r  nicht  verschoben. 

§  66,  Künstliche  Worte.  Es  gibt  noch  eine  andere  Quelle  für  die  Be- 
reicherung unseres  Wortschatzes,  die  allerdings  erst  in  neuerer  Zeit  zu 
wahrer  Blüte  gelangt  ist,  es  sind  das  die  rein  künstlichen  Sprachen  und 
Wörter.  R.  M.  Meyer  hat  in  seinem  anregenden  Artikel  IF.  12,  33  f.  und  242  f. 
manches  besprochen,  was  hierher  gehört.  Er  hat  gezeigt,  daß  sich  die  künst- 
lichen Bildungen,  die  z.  B.  bei  Dichtern  als  Interjektionen  auftreten,  doch 
an  den  gegebenen  Sprachstoff  anschließen  müssen.  Nach  dieser  Richtung 
ist  indessen  die  Sprache  kaum  bereichert  worden. 

Weiter  hat  die  Wissenschaft  mit  ihrer  in  der  Neuzeit  so  außerordent- 
lich gesteigerten  Tätigkeit  vor  allem  das  Bedürfnis,  neue  Bezeichnungen  zu 
schaffen.  Im  allgemeinen  benutzt  sie  hierzu  den  Stoff  der  griechischen  und 
lateinischen  Sprache,  den  sie  zu  immer  neuen  Worten  verarbeitet.  Ander- 
seits verwendet  sie  auch  die  Namen  bedeutender  Männer,  um  allgemeine 
Bezeichnungen  zu  schaffen.  So  haben  wir  für  elektrische  Maße  die  Aus- 
drücke Volt  nach  VoLta,  Watt,  Ampere,  Ohm,  in  denen  nunmehr  die  Erin- 
nerung an  die  großen  Entdecker  fortlebt. 

Einen  besondern  Fall  bildet  das  Wort  Gas.  Es  ist  eine  freie  Schöpfung 
des  Alchimisten  van  Helmont  in  Brüssel  (t  1644),  das  er  wohl  in  Anlehnung 
an  gr.  ydog  gebildet  hat.  Wir  empfinden  dies  nicht  einmal  mehr  als  Fremd- 
wort. Auch  der  Handel  und  die  Industrie  sind  an  der  Bildung  künstlicher 
Worte  stark  beteiligt.  Doch  sind  sie  etwas  andere  Wege  gegangen.  Wir 
finden  hier,  wie  Schirmer,  Wörterbuch  der  deutschen  Kaufmannssprache 
XLIII  bemerkt,  zwei  Arten :  Schutzmarken-  und  Initialkurzwörter. 

Während  man  als  Schutzmarke  früher  einfach  den  Namen  des  Her- 
stellers oder  Fabrikanten  eines  Artikels  wählte  —  so  haben  wir  eine  Henry 
Clay,  einen  Kodak,  einen  Arnheim  (Geldschrank),  einen  Blüthner  (Flügel) 
—  wählt  man  seit  den  90er  Jahren  unter  dem  Einfluß  des  Warenzeichen- 
gesetzes reine  Phantasienamen,  zunächst  aus  dem  griech.-lat.  Sprachmaterial, 
geht  dann  aber  zu  Erfindungen  beliebiger  Art  über.  Schirmer  führt  a.  a.  O. 
Verse  aus  dem  Ulk  an,  in  denen  diese  Namen  zusammengestellt  sind.  Sie 
sind  in  der  ZADSV.  1910  Nr.  5  wieder  abgedruckt. 

In  der  Tat  eine  reiche  Fülle,  und  trotzdem  ist  der  Stoff  nicht  erschöpft. 

Die  Initialkurzwörter,  d.  h.  die  Bildung  eines  neuen  Wortes  aus  den 
Anfangsbuchstaben  mehrerer  anderer,  haben   eine  längere  Geschichte.   Es 


90      Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

gellt,  kann  man  sagen,  auf  die  alte  Sitte  des  Akrostichons  zurück,  und 
anderseits  gehört  es  gewissermaßen  auch  liierher,  wenn  man  im  Altertum  das 
Wort  lyßv::  'Fisch  als'  "hioor::  XnioTÜ^,  i>eov  vlög,  oodd'jo  deutete,  obgleich  hier 
wohl  der  umgekehrte  Vorgang  vorliegt. 

Zu  wirklicher  Einführung  in  die  Sprache  ist  es  wohl  erst  im  19.  Jahr- 
hundert gekommen,  und  zwar  zunächst  in  England,  wo  wir  Ibea  finden  für 
Imperial  British  East  Africa,  wonach  man  bei  uns  Doa  ^  Deutschostafrika 
geschaffen  hat.  Für  den  Exporthandel  dienen  auch  bei  uns  die  englischen 
Abkürzungen  c//"=  cost,  insurance,  freight  und/o/;  =  free  on  board.  Weiter 
sind  dann  bei  uns  entstanden:  Hapag  =  Hamburg-Amerikanische  Paket- 
fahrt-Aktiengesellschaft, Bedag  =  Berliner  Elektrizitäts-Droschken-Aktien- 
gesellschaft, IIa  =  Internationale  Luftschiffahrts- Ausstellung  (1909)  und  viele 
andere,  die  der  Leser  aus  eigener  Kenntnis  hinzufügen  kann. 

Während  es  sich  in  diesen  und  andern  zahlreichen  Fällen  um  in  ihrer 
Geltung  beschränkte  und  vielfach  wieder  verschwindende  Worte  handelt, 
sind  andere  durchgedrungen.  Der  Name  der  Hakatisten,  der  Vertreter  des 
Deutschtums  im  Osten  ist  gebildet  aus  den  Anfangsbuchstaben  der  Be- 
gründer des  Ostmarkenvereins,  Hansemann,  Kennemann,  Tiedemann,  und 
der  Name  der  Kadetten,  einer  russischen  Partei,  ist  eine  Kürzung  für  kon- 
stitutionelle Demokraten.  Teetotaler  aus  engl,  teetotaller  ist  Kürzung  für 
temperance  total. 

Ob  diese  Bildungen  schön  sind,  tut  hier  nichts  zur  Sache.  Ich  glaube 
nicht,  daß  ein  auch  noch  so  starkes  Eifern  sie  wird  beseitigen  können,  da 
sie  praktisch  sind.  Was  die  Stenographie  getan  hat,  indem  sie  sogenannte 
Siegel  anwendet,  d.  h.  einen  Buchstaben  für  ein  ganzes  Wort  anwendet, 
das  kann  auch  die  Sprache  tun.  Es  sind  eben  Abkürzungen,  und  die  heutige 
Sprache  strebt  nach  Kürze. 

Psychologisch  steht  es  mit  diesen  Vorgängen  sozusagen  auf  einer  Linie, 
wenn  die  Anfangsworte  eines  Satzes  als  Wort  verwendet  werden. 

Für  diesen  Vorgang  haben  wir  folgende  Beispiele: 

Tedcum,  nach  den  Anfangsworten  desambrosianischen  Lobgesangs:  Te  deumlaudamus. 
Requiem,  nach  den  Anfangsworten  reqiiiem  aeternam  dona  eis. 
Reseda,    aus    dem   Anfang    der  lateinischen  Zauberformel   rescda   morbos  reseda 
'stille  die  Krankheilen!' 

§  67.  Geheimsprachen.  Von  einer  künstlichen  Umgestaltung  des  Sprach- 
stoffs kann  man  auch  bei  den  Geheimsprachen  reden.  Hier  ist  vor  allem 
die  Gaunersprache  wichtig,  die  wir  §  197  behandeln.  Sie  strebt  durch  Um- 
stellen von  Silben,  Einschieben  von  Buchstaben  die  Sprache  unkenntlich 
zu  machen.  Dasselbe  findet  sich  als  Spielerei  auch  bei  unsrer  Jugend.  So 
gibt  es  eine  p-Sprache,  bei  der  ein  p  mit  einem  Vokal  in  jeder  Silbe  ein- 
geschaltet wird .  Aus  wir  wollen  fortgehen  macht  man  wipir  wopollepen  foport 
gepehn.  F.  Seiler,  ZfdGymnasialwesen  64,  447  kennt  eine  ^-Sprache:  wibir 
wobolleben  gebehn.   Herr  stud.  Gotthard  Krämer  teilte  mir  1911  Proben  einer 


§  67.  Geheimsprachen.  §  68.  Die  verschiedenen  Schichten  des  Wortschatzes.      91 


«//-Sprache  mit  (aus  Tisch  wird  Tinifisdi,  aus  Stuhl  Stunifuhl)  und  einer 
«/-Sprache  {Stunjiihl  für  Stuhl).  Letzteres  hätten  sie  als  Kinder  spanisch 
genannt.   Es  gibt  noch  viele  andere  Arten. 

Die  Pennälersprache,  die  wir  §  180  behandeln,  zeigt  kaum  viele  selb- 
ständige Züge,  und  so  wird  hier  ohne  Zweifel  ein  Zusammenhang  mit  der 
Gaunersprache  bestehen. 

Bemerkenswert  ist  nun  weiter,  daß  derartige  Bildungen  manchmal  eine 
weitere  Verbreitung  gewinnen.  So  hat  Kluge  stibitzen  als  eine  Bildung 
der  ^-Sprache  aus  stitzeti  aufgefaßt.  Gewiß  mit  Recht.  Neuerdings  hat 
H.  Schröder  in  seinem  Buche  'Streckformen;  ein  Beitrag  zur  Lehre  von 
der  Wortentstehung  und  der  germanischen  Wortbetonung,  1906',  mit  diesem 
Grundgedanken  eine  große  Fülle  von  bisher  ganz  dunkeln  Worten  erklärt. 
Es  gibt  eine  Menge  von  Worten,  die  in  der  Literatur  wenig  gebraucht 
werden,  aber  in  der  Umgangs-  und  niedern  Sprache  nicht  selten  sind,  die 
schon  dadurch  auffallen,  daß  sie  dem  Grundgesetz  der  germanischen  Be- 
tonung widerstreiten,  indem  sie  den  Ton  auf  der  zweiten  Silbe  tragen. 
Sie  leben  in  allen  Gegenden  Deutschlands,  haben  aber  gewöhnlich  nur  ein 
beschränktes  Verbreitungsgebiet.  Von  den  bei  Schröder  angeführten  werden 
dem  einen  diese,  dem  andern  jene  bekannt  sein.  Ich  führe  die  mir  geläufigen 
an:  Halunke,  Philister,  Kabäche,  Kabuse,  Latiichte,  pardauz,  rabänzen  {mir 
als  rabäntern  geläufig),  rabätzen,  rasäunen,  schmarotzen,  kuränzen,  kra- 
keelen,  Kalmüser,  Klabautermann,  Kladderadatsch,  salbädern,  scharwenzeln, 
Menkenke.  Von  diesen  sind  einige  mir  zweifellos  durch  die  Literatur  geläufig 
geworden,  andere  aber  leben  in  meiner  Heimatsmundart.  Nach  Schröder 
sind  diese  Worte  gebildet  durch  künstlichen  Einschub  einer  Silbe.  So  er- 
klärt er  Halunke  aus  Hunke,  Filister  aus  Fister,  Latuchte  aus  Luchte,  par- 
dauz aus  bauz,  rabänzen  aus  ranzen,  mhd.  ranzen  'ungestüm  hin-  und 
herspringen',  rabätzen  aus  ratzen,  rasäunen  aus  raunen  usw.  Kann  man 
auch  bei  einzelnen  Worten  die  Erklärung  anderswo  suchen  wollen,  so  halte 
ich  doch  den  Grundgedanken  für  unzweifelhaft  richtig.  Diese  Worte  sind 
künstlichen  Ursprungs,  wenn  wir  auch  noch  nicht  genau  wissen,  in  welchen 
Kreisen  derartige  Worte  gebildet  sind.  Da  sie  sich  aber  über  ganz  Deutsch- 
land verbreitet  finden,  so  wird  man  in  der  Tat  an  die  Gauner  als  Schöpfer 
denken  dürfen.  Behaghel  schreibt  sie  allerdings  einem  Spieltrieb  der 
Sprache  zu. 

Fünftes  Kapitel. 
Das  Alter  der  Worte.    Die  indogermanischen  Bestandteile. 

§  68.  Die  verschiedenen  Schichten  des  Wortschatzes.  Mit  den  im  vorigen 
Kapitel  behandelten  Worten,  die  auf  Urschöpfung  beruhen  oder  auf  künst- 
lichem Wege  entstanden  sind,  haben  wir  nur  einen  kleinen  Teil  des  Wort- 


92      FOnftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

Schatzes  besprochen.  Es  bleibt  noch  die  überwältigende  Mehrheit  zurück. 
Diese  ihrer  Herkunft  nach  zu  untersuchen  und  in  ihrer  Entwicklung  zu 
verfolgen,  bildet  eine  wohl  niemals  ganz  zu  erschöpfende  Aufgabe.  Von 
allen  Seiten  kommen  neue  Zuflüsse  zu  unserm  Wortschatz  hinzu,  alle  Zeiten 
haben  neue  Worte  geschaffen,  außer  durch  Urschöpfung,  durch  Ableitung 
und  Zusammensetzung.  Die  Arbeiten,  diese  zeitlichen  Schichten,  diese  ver- 
schiedenen Zuflüsse  streng  zu  sondern,  stehen  noch  in  den  allerersten 
Anfängen.  Es  sind  bisher  nur  einige  allgemeine  Übersichten  gegeben. 
So  enthält  der  Gesamtindex  zu  Kluges  Etymologischem  Wörterbuch  von 
V.  F.  Janssen,  Straßburg  1899,  eine  Zusammenstellung  der  aus  dem  Indo- 
germanischen stammenden  Wurzeln,  die  in  germanischen  Worten  stecken. 
Eine  zweite  Abteilung  stellt  die  Wurzeln  zusammen,  die  nur  im  Germanischen 
belegt  sind.  Natürlich  ist  manch  einzelner  Fall  heute  anders  aufzufassen, 
aber  das  ist  nicht  der  größte  Mangel.  Dieser  besteht  darin,  daß  nur  Wurzeln, 
keine  Worte  aufgeführt  sind.  Wurzeln  sind  leere  Abstraktionen.  Ein  wirk- 
liches Leben  haben  nur  die  Worte.  Eine  dringend  notwendige  Aufgabe 
wäre  die  Sammlung  aller  deutschen  Worte,  die  sich  in  gleicher  oder  nur 
durch  besondere  Umstände  veränderter  Gestalt  in  andern  indogermanischen 
Sprachen  nachweisen  lassen.  Ich  gebe  im  Verlauf  der  Darstellung  wenigstens 
die  Anfänge  einer  solchen  Sammlung,  indem  ich  für  eine  Reihe  kultur- 
historischer Begriffsgattungen  die  in  andern  Sprachen  belegten  Worte  anführe. 
Kluges  Wörterbuch  selbst  enthält  eine  chronologische  Darstellung  des 
neuhochdeutschen  Wortschatzes,  die  für  manche  Zwecke  gut  zu  verwerten 
ist.  Ferner  hat  Bruno  Liebich  im  Anhang  zu  seinen  Wortfamilien  einen 
etwas  erweiterten  Versuch  gemacht,  die  verschiedenen  Bestandteile  der 
deutschen  Sprache  zu  sondern,  und  es  ist  wohl  angebracht,  seine  Übersicht 
hier  wiederzugeben.  Er  unterscheidet  Wortfamilien  (Wurzeln)  und  Worte. 
Die  einzelnen  Worte,  die  von  einer  Wurzel  abgeleitet  sind,  können  ganz 
jung  sein,  selbst  wenn  die  Wurzel  aus  dem  Indogermanischen  stammt,  und 
daher  haben  diese  Angaben  nur  den  Wert,  daß  sie  uns  sagen,  von  welchen 
Stämmen  die  Worte  abgeleitet  sind.  Wir  finden  nach  ihm  folgendes: 

Familien      o„        Abgele^ete         „^^ 

1.  Indogermanische  Familien 318=  11,9  13860=  29,1 

2.  Europäische  FamiHen 343  =  12,8  11729  =  24,7 

3.  Germanische  Familien 504  =  18,8  10171  =  21,4 

4.  Westgermanische  Familien 211  =  7,9  2362  =  5,0 

5.  Deutsche  Familien 159  =  5,9  1178  =  2,5 

6.  Aus  andern  germanischen  Sprachen  .  .  39  =  1,5  137  =  0,3 

7.  Althochdeutsche  Familien 94  =  3,5  393  -=  0,8 

8.  Neuhochdeutsche  Familien 62  =  2,3  144  =  0,3 

9.  Aus  dem  Lateinisch-Romanischen   .  .  .  497  =  18,5  4840  =  10,2 

2227  =    83,1       44814  =    94,3 


§  69.  Die  Stammwörter  indogermanischer  Herkunft.  93 

Übertrag:  2227  =  83,1  44814  =  94,3 

10.  Aus  dem  Griechischen 219  =  8,2  1412  =  3,0 

11.  Aus  dem  Keltischen 25  =  0,9  429  =  0,9 

12.  Aus  dem  Balto-Slawischen 38  =  1,4  106  =  0,2 

13.  Aus  andern  indogermanischen  Sprachen  43=  1,6  168=  0,3 

14.  Aus  dem  Semitischen 76  =  2,8  327=  0,7 

15.  Aus  dem  Uralaltaischen 13  =  0,5  42  =  0,1 

16.  Aus  andern  Sprachen 39  =  1,5  233  =  0,5 

2680  =  100,0      47531  =  100,0 

Diese  Übersicht  mag  einen  Begriff  davon  geben,  wie  man  sich  unsern 
Wortschatz  seiner  Herkunft  nach  zusammengesetzt  vorstellen  kann.  Faßt 
man,  was,  wie  wir  sehen  werden,  allein  richtig  ist,  indogermanische  und 
europäische  Familien  zusammen,  so  ergeben  sich  die  stetig  abnehmenden 
Zahlen  661:504:211:159.  Die  Zahlen  für  die  Worte  sind  dagegen  nur 
nach  der  Richtung  zu  brauchen,  daß  sie  uns  zeigen,  aus  welchen  Bestand- 
teilen die  Worte  bestehen,  einen  historischen  Wert  haben  sie  nicht.  Würden 
wir  die  Worte  allein  in  Betracht  ziehen,  so  würden  sicher  die  wenigsten 
Worte  aus  dem  Indogermanischen,  die  meisten  aus  dem  Deutschen  stammen. 

Die  Fülle  dieses  Stoffes  läßt  sich  nun  ohne  weiteres  in  drei  Gruppen 
zerlegen:  1.  die  Stammwörter,  d.  h.  solche  Wörter,  die  überhaupt  nicht 
oder  nur  von  einer  Wurzel  abzuleiten  sind,  2.  die  große  Menge  der  Ab- 
leitungen und  Zusammensetzungen  und  3.  die  Fremdwörter,  die  seit 
ältester  Zeit  in  unsere  Sprache  aufgenommen  worden  sind  und  dort  zum 
Teil  Heimatsrecht  erlangt  haben.  Wir  werden  später  eine  Anzahl  von  Worten 
nach  Begriffsgattungen  geordnet  untersuchen,  wobei  wir  alle  drei  Gruppen, 
da  uns  das  am  besten  zu  sein  scheint,  vereinigen.  Jetzt  wollen  wir  zunächst 
einige  allgemeine  Punkte  erörtern. 

§  69.  Die  Stammwörter  indogermanischer  Herkunft.  Es  ist,  wie  wir  gesehen 
haben,  sehr  beliebt,  bei  den  Stammwörtern  indogermanische,  europäische, 
germanische,  westgermanische  und  deutsche  Wortfamilien  zu  unterscheiden. 
Aber  diese  Einteilung  leidet  an  sehr  beträchtlichen  Mängeln,  die  um  so  mehr 
hervorzuheben  sind,  als  noch  sehr  viele  Forscher  mit  diesen  Begnffen 
schalten.  Indogermanisch  nennt  Liebich  solche  Wortfamilien,  die  auch  im 
Indischen  vorkommen,  während  mit  europäisch  solche  bezeichnet  werden, 
die  im  Indischen  nicht  belegt  sind.  Diese  Unterscheidung  hat  keinen  Wert. 
Sie  stammt  noch  aus  einer  Zeit,  als  man  das  Indische  ungebührlich  über- 
schätzte, und  das  Studium  des  Indischen  und  das  Studium  der  Sprach- 
wissenschaft eins  zu  sein  schienen.  Nun  ist  ja  das  Indische  eine  Sprache, 
die  durch  ihren  wohlerhaltenen  grammatischen  Bau  stets  den  Sprach- 
forscher entzückt  hat,  die  aus  sehr  alter  Zeit  überliefert  ist  und  einen 
außerordentlich  reichen  Wortschatz  besitzt,  aber  das  Indische  ist  nicht  das 
Indogermanische,  und  diese  Sprache  hat  ebensogut  wie  jede  andere  zahlreiche 


94      FOnftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

alte  Wörter  verloren  und  durch  neue  ersetzt.  In  den  heutigen  neuiranischen 
Mundarten,  die  vom  alten  Iranischen  abstammen,  welches  mit  dem  Indischen 
einst  eine  einheitliche  Sprache  bildete,  kommen  immer  mehr  Worte  zum 
Vorschein,  die  das  Indische  nicht  mehr  kennt,  die  aber  in  einer  oder  in 
mehrern  europäischen  Sprachen  wiederkehren  und  so  die  Gewißheit  ge- 
währen, daß  sie  einst  im  Indischen  vorhanden  waren  und  nur  frühzeitig 
verloren  gegangen  sind. 

§  70.  Europäische  Wortfamilien.  Die  Ansetzung  von  europäischen  Wort- 
familien, d.  li.  von  Sprachstämmen,  die  in  den  meisten  europäischen  Sprachen, 
aber  nicht  im  Indischen  belegt  sind,  hätte  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  einmal 
eine  Spaltung  der  Indogermanen  in  Arier  und  Europäer  eingetreten  wäre, 
und  die  Europäer  alsdann  längere  Zeit  miteinander  gelebt  und  wahrscheinlich 
Kulturfortschritte  gemacht  hätten.  Da  jede  Zeit  neue  Worte  bildet,  so  würde 
sich  diese  Gemeinschaft  wohl  auch  in  der  Sprache  nachweisen  lassen.  Tat- 
sächlich hat  man  in  den  sechziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  eine  solche 
Spaltung  in  Arier  und  Europäer  angenommen.  Diese  ist  aber  längst  als  unhaltbar 
zurückgewiesen,  und  nur  auf  dem  Gebiet  der  Wortforschung  zeigt  sich  heute 
noch  die  Nachwirkung  davon.  Die  Bedeutung  des  Indischen  ist  früher  arg  über- 
schätzt worden.  In  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  ist  die  Sprachwissen- 
schaft in  der  Irre  gewandelt,  weil  sie  das  im  Indischen  Vorliegende  für  ur- 
sprünglich ansah.  Mit  vieler  Mühe  haben  wir  uns  jetzt  davon  freigemacht, 
aber  noch  immer  wirkt  dies  Trugbild  nach.  Das  Indische  hat  keine  größere 
Bedeutung  als  Griechisch,  Lateinisch,  Germanisch,  Slawisch,  und  wir  könnten 
ebensogut  Gruppen  bilden:  alle  Sprachen  außer  Griechisch,  alle  Sprachen 
außer  Slawisch  usw.  Daher  müssen  wir  also  diese  beiden  Abteilungen: 
indogermanische  und  europäische  Bestandteile  vereinigen. 

§  71.  centum-  und  sa/em-Sprachen.  Wenn  diese  Unterscheidung  hin- 
fällig ist,  so  fehlt  hingegen  eine  andere,  die  erst  in  der  neuern  Zeit  be- 
deutungsvoll geworden  ist.  Wir  sind  jetzt  imstande,  schon  in  der  indo- 
germanischen Ursprache  zwei  Mundarten  zu  unterscheiden,  eine  westliche, 
zu  der  das  Germanische  mit  dem  Griechischen,  Keltischen,  Italischen  und 
Illyrischen  gehört,  und  eine  östliche,  zu  der  die  übrigen  Sprachen,  also 
Arisch,  Litu-Slawisch,  Albanesisch,  Armenisch,  Thrako-Phrygisch  gerechnet 
werden.  Zwischen  diesen  beiden  Gruppen  besteht  ein  wesentlicher  Unter- 
schied in  der  Behandlung  der  Gutturale.  Den  westlichen  Ä-Lauten  ent- 
sprechen im  Osten  Zischlaute,  z.  B.  gr.  exazöv  (hekatön)  lat.  centum,  ir.  ket, 
d.  hundert  gegenüber  lit.  sinitas,  abg.  stito,  aw.  satdni,  aind.  iatdm.  Man 
nennt  sie  daher  auch  centum-  und  satemS^xdichtn.  Eine  lautliche  Ver- 
schiedenheit, wie  sie  zwischen  diesen  beiden  Gruppen  vorliegt,  bedingt 
noch  nicht  eine  Verschiedenheit  des  Wortschatzes.  Aber  es  wäre  wohl  der 
Mühe  wert,  einmal  zu  untersuchen,  ob  sich  auch  im  Wortschatz  dialektische 
Unterschiede  in  der  gleichen  Richtung  zeigen.  Mir  scheint  etwas  Derartiges 
nach  den  Zusammenstellungen,  die  ich  mir  gemacht  habe,  tatsächlich  vor- 


§  72,  Germanische  Sprachfamilien.  §73.  Ihre  Beurteilung.  95 


zuliegen.  Es  wäre  also  möglich,  daß  eine  Reihe  von  Worten  nicht  schon 
in  indogermanischer  Zeit,  sondern  erst  damals  geprägt  sind,  als  sich  die 
östlichen  Stämme  von  den  übrigen  getrennt  hatten.  Für  die  germanische 
Wortforschung  ist  indessen  auch  dies  ohne  Bedeutung.  Eine  Zusammen- 
stellung des  Wortschatzes  der  centum-Spiachen  findet  man  bei  A.  Fick,  Ver- 
gleichendes Wörterbuch  der  indogermanischen  Sprachen  I*  345  ff.  Hieraus 
wäre  ihr  Sonderwortschatz  leicht  auszuziehen. 

§  72.  Germanische  Sprachfamilien.  Es  folgt  bei  Liebich  dann  die  ziemlich 
zahlreiche  Abteilung  der  germanischen  Familien,  d.  h.  solcher  Worte,  die 
zwar  in  allen  germanischen,  aber  in  keiner  der  verwandten  Sprachen  nach- 
zuweisen sind. 

Bei  diesen  erhebt  sich  die  Frage:  sind  diese  Worte  erst  im  Sonder- 
leben des  Germanischen  neu  gebildet,  oder  stammen  sie  auch  aus  älterer 
Zeit,  und  sind  sie  nur  in  allen  andern  Sprachen  verloren  gegangen?  Es  ist, 
wie  wir  gesehen  haben,  nicht  zu  leugnen,  daß  in  allen  Zeiten  auch  so- 
genannte Wurzeln,  Grundwörter  neu  gebildet  werden  können,  aber  immer- 
hin doch  nicht  in  so  reicher  Anzahl,  wie  nach  der  Darstellung  Liebichs 
angenommen  werden  müßte.  Zudem  wird  diese  Kategorie  von  Tag  zu  Tag 
verringert,  indem  der  Spürsinn  der  Forscher  auch  für  diese  scheinbar  ger- 
manischen Worte  Verwandte  in  andern  Sprachen  auffindet.  Wahrscheinlich 
wird  so  mit  der  Zeit  nur  noch  ein  kleiner  Teil  von  Worten  übrig  bleiben, 
der  sich  nicht  in  den  verwandten  Sprachen  nachweisen  läßt. 

Wir  wollen  sehen,  wie  wir  diese  Worte  zu  beurteilen  haben. 

§  73.  Ihre  Beurteilung.  Wenn  man  das  Vorkommen  der  auch  außerhalb 
des  Germanischen  belegten  germanischen  Worte  betrachtet,  so  gibt  es  eine 
nicht  allzu  beträchtliche  Anzahl,  die  in  allen  indogermanischen  Sprachen, 
wenigstens  in  ihren  ältesten  Stufen,  erhalten  sind.  Dahin  gehören  z.  B.  die 
Zahlwörter.  Bei  andern  Worten  fehlt  die  eine  oder  die  andre,  oder  es  fehlen 
mehrere  Sprachen,  obgleich  man  bestimmt  vermuten  kann,  daß  das  Wort 
auch  in  diesen  einst  vorhanden  war.  So  haben  sich  die  Wörter  Sohn  und 
Tochter  in  den  meisten  indogermanischen  Sprachen  erhalten,  mangeln  aber 
dem  Lateinischen,  wo  sie  durch  fillus  und  filia  ersetzt  sind.  Das  idg.  Wort 
für  Vater  fehlt  dem  Litauischen  und  Slawischen.  Die  gotische  Bibel  bietet 
uns  für  Mutter  aipel  und  nicht  das  idg.  und  gemeingerm.  Mutter,  und  fadar 
ist  nur  einmal  belegt,  sonst  dafür  atta.  Und  so  geht  es  weiter.  Manche 
Wörter  sind  nur  in  drei,  andere  nur  in  zwei  und  schließlich  eine  ganze 
Anzahl  nur  noch  in  einer  andern  Sprache  außer  dem  Germanischen  nach- 
zuweisen. Wie  haben  wir  uns  diesen  Tatsachen  gegenüber  zu  verhalten? 
Für  unsere  Zwecke  kann  man  den  ersten  Punkt,  daß  also  ein  Wort  noch 
in  zwei  oder  mehr  Sprachen  außerhalb  des  Germanischen  belegt  ist,  ganz 
außer  Betracht  lassen.  Diese  Worte  sind  für  uns  zunächst  indogermanisch. 

Dagegen  bedarf  die  Frage,  wie  es  zu  beurteilen  ist,  wenn  Worte  nur 
noch  in  einer  andern  Sprache  auftauchen,   einer  besondern  Besprechung. 


96      FÜNFTES  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

Fassen  wir  die  Sachlage  rein  systematisch,  so  können  natürlich  alle  Mög- 
lichkeiten vorkommen,  nämlich  indisch-germanische,  slawisch-germanische, 
keltisch-germanische,  lateinisch-germanische,  griechisch-germanische  Glei- 
chungen, wobei  ich  von  den  unbedeutendem  Sprachen  hier  absehe.  Tat- 
sächlich sind  auch  alle  diese  Kombinationen  durch  eine  Reihe  von  Bei- 
spielen zu  belegen,  wie  weiter  unten  zusammengestellt  ist.  Die  Inder  so- 
wohl wie  die  Hellenen  sind  nun  von  den  Germanen  seit  langen  Zeiten 
getrennt,  wir  haben  nicht  den  geringsten  Anhaltspunkt  dafür,  daß  sie  sich 
einmal  näher  berührt  hätten  und  daß  infolge  dieser  Nachbarschaft  Worte 
herüber  und  hinüber  gegangen  wären,  und  daher  sind  diese  Gleichungen 
ohne  weitere  Bedeutung.  Die  Worte,  die  in  diesen  beiden  Sprachgruppen 
noch  vorhanden  sind,  werden  den  übrigen  Sprachen  nicht  gefehlt  haben; 
sie  werden  erst  im  Laufe  der  Zeit  verloren  gegangen  sein. 

Anders  steht  es  mit  den  drei  übrigen  Gruppen.  Die  Slawen  und  Kelten 
sind  seit  alter  Zeit  Nachbarn  der  Germanen.  Zwischen  benachbarten  Völ- 
kern findet  aber  leicht  ein  Austausch  von  Worten  statt,  so  daß  wir  es  zum 
Teil  bei  derartigen  Gleichungen  mit  Entlehnungen  von  einer  Sprache  zur 
andern  zu  tun  haben  können.  Wenn  wir  auch  in  den  Lautverhältnissen 
manchmal  einen  Anhaltspunkt  haben,  diese  Frage  zu  entscheiden,  so  ist 
das  doch  nicht  immer  der  Fall,  und  es  bleibt  ein  Rest  von  Worten,  bei 
dem  wir  keine  Entscheidung  treffen  können.  Nun  wird  man,  da  wir  indisch- 
germanische und  griechisch-germanische  Gleichungen  antreffen,  auch  eine 
entsprechende  Anzahl  keltisch-germanischer  und  slawisch-germanischer  er- 
warten müssen,  die  ebenso  zu  beurteilen  wären,  wie  die  oben  genannten. 
Nur  wenn  die  Zahl  über  das  normale  Maß  hinausginge,  müßte  man  an  be- 
sondere Ursachen  denken.  Tatsächlich  halten  verschiedene  Forscher  dieses 
Maß  für  überschritten  und  suchen  infolgedessen  nach  besondern  Gründen. 
Sie  finden  sie  in  der  alten  Nachbarschaft  der  Stämme,  die  schon  in  der 
indogermanischen  Zeit  bestanden  haben  soll.  Um  dies  zu  verstehen,  möge 
man  folgendes  bedenken.  Die  indogermanische  Sprache  muß  einen  ge- 
wissen Raum  eingenommen  haben,  und  es  können,  ja  es  müssen  in  ihr 
schon  mundartliche  Verschiedenheiten  vorhanden  gewesen  sein.  Insbesondere 
werden  für  gewisse  Begriffe  eine  Reihe  von  Synonymen  bestanden  haben, 
von  denen  ein  jedes  eine  gewisse  Verbreitung  hatte.  Nennen  wir  die  Varie- 
täten ABC  usw.,  so  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,  daß  eine  Anzahl  von 
Worten  in  den  zusammenhängenden  Dialekten  ABC  lebte,  während  in  DEF 
andere  Ausdrücke  dafür  bestanden.  Anderseits  kann  es  eine  Gruppierung 
CDE  und  FAB  usw.  gegeben  haben.  Wurden  nun  diese  Dialekte  selbständig, 
d.  h.  räumlich  getrennt  voneinander,  so  zeigt  sich  eben  doch  noch  die 
einstige  Zusammengehörigkeit  in  gewissen  Übereinstimmungen  des  Wort- 
schatzes. 

So  könnte   man  also   keltisch-germanische    und  slawisch-germanische 
Übereinstimmungen,  wenn  sie  wirklich  in  stärkerer  Zahl  aufträten,  als  man  er- 


§  74.  Partielle  Gleichungen.  97 


warten  dürfte,  dadurch  erklären,  daß  diese  Völker  auch  in  vorgeschichtlichen 
Zeiten  Nachbarn  waren,  und  daß  gewisse  Worte  nur  in  dem  beschränkten 
Gebiet  vorhanden  waren,  das  sie  einnahmen.  Aber  tatsächlich  sind  die  be- 
sondern Übereinstimmungen  eben  nicht  groß,  sie  gehen  über  das  zu  er- 
wartende Maß  nicht  hinaus.  Außerdem  sind  diese  Völker  kaum  Nachbarn  in 
alter  Zeit  gewesen.  Die  Urheimat  der  Germanen  liegt  in  Norddeutschland 
und  Skandinavien,  die  der  Slawen  in  Mittelrußland,  die  der  Kelten  ist  nicht 
genau  zu  bestimmen,  aber  kaum  in  Gallien  oder  Süddeutschland  zu  suchen. 
Wenn  also  bei  Entsprechungen  zwischen  den  genannten  Sprachstämmen 
der  Verdacht  der  Entlehnung  auszuschließen  ist,  so  haben  diese  Ent- 
sprechungen das  Anrecht,  ebenso  beurteilt  zu  werden,  wie  die  oben  ge- 
nannten indisch-  und  griechisch-germanischen. 

Etwas  anders  scheint  es  mit  den  lateinisch-germanischen  Gleichungen 
zu  stehen.  Schon  Lottner  hat  KZ.  7,  18  auf  die  verhältnismäßig  große  Anzahl 
von  Worten  hingewiesen,  die  nur  in  diesen  beiden  Sprachen  auftreten,  wäh- 
rend bereits  1848  J.  Grimm  bei  E.  Schulze,  Gotisches  Glossar  XIV  „die 
Verwandtschaft  gotischer  und  lateinischer  Zunge  in  Wörtern,  wobei  kein 
Gedanke  an  äußere  Entlehnung  ist",  hervorhob.  In  der  ZfdPh.  29,  296  f. 
habe  ich  den  Stoff  noch  vermehrt.  Wenn  man  den  germanischen  Wort- 
schatz etymologisch  behandelt,  so  wird  man  sehr  häufig  am  ehesten  An- 
knüpfung im  Lateinischen  finden.  Eine  sehr  merkwürdige  Erscheinung,  da 
die  Sprachen  erst  in  historischer  Zeit  wieder  in  Berührung  gekommen  sind. 
Die  Zahl  der  besondern  Übereinstimmungen  schien  mir  tatsächlich  über 
das  zu  erwartende  Maß  hinauszugehen,  und  man  würde  dies  kaum  anders 
als  durch  die  Annahme  erklären  können,  daß  die  italischen  Stämme  einst 
nicht  allzuweit  von  den  germanischen  gesessen  haben.  Die  Möglichkeit 
dieser  Voraussetzung  ist  gar  nicht  zu  bestreiten,  da  wir  ja  im  Laufe  der 
Geschichte  sehen,  wie  Goten  und  Langobarden  Reiche  in  Itahen  gründen, 
denen  nur  infolge  der  besondern  Umstände  kein  so  günstiges  Geschick  wie 
dem  der  Römer  beschieden  war.  Aber  die  unten  angeführten  Zusammen- 
stellungen werden  zeigen,  daß  auch  diese  Auffassung  trügerisch  sein  dürfte. 
Tatsächlich  gibt  es  vielleicht  ebensoviel  germanisch-indische  Gleichungen 
als  germanisch-lateinische,  und  es  ist  daher  auch  dieser  Punkt  von  keiner 
besondern  Bedeutung. 

Anmerkung.  Einen  kräftigen  Anwalt  hat  die  Annahme  germanisch-itaHscher  Ver- 
wandtschaft bei  Kluge,  Urgermanisch  S.  4,  gefunden,  der  allerdings  hier,  wie  so  oft,  seine 
Vorgänger  nicht  nennt.  Ich  für  meine  Person  kann  auf  den  Wortschatz  nicht  soviel  Ge- 
wicht legen,  wohl  aber  zeigen  sich  merkwürdige  Übereinstimmungen  in  der  Flexion,  vgl. 
Verf.,  Idg.  Forsch.  17,  278,  Indogermanen  2,  612,  so  daß  auch  mir  verhältnismäßig  enge 
Beziehungen  zwischen  Italisch  und  Germanisch  zu  bestehen  scheinen. 

§  74.  Partielle  Gleichungen.  Derartige  Wortübereinstimmungen,  die  nur 
in  einem  Teile  der  indogermanischen  Sprachen  zu  belegen  sind,  nennt  man 
partielle  Gleichungen.  Scheint  der  Ausdruck  auch  nicht  ganz  logisch 
zu  sein,   so  ist  er  doch  kurz   und   verständUch   und   mag  daher  hier  bei- 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.   2.  Aufl.  7 


98      Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

behalten  werden.  Wir  sehen  in  diesen  partiellen  Gleichungen  nichts  be- 
sonders Bemerkenswertes,  sondern  eine  ganz  natürliche  Erscheinung.  Immer- 
hin bedarf  sie  noch  einiger  Worte  der  Erklärung,  denn  es  ist  doch  in  der 
Tat  merkwürdig,  daß  sich  die  Bezeichnung  für  den  einen  Begriff  gut  er- 
halten hat,  für  einen  andern  aber  nicht.  Daß  mit  dem  Faktor  indogermanischer 
mundartlicher  Verschiedenheit  nicht  viel  anzufangen  ist,  scheint  mir  sicher 
zu  sein.  Bestimmte  Tatsachen  lassen  sich  nur  selten  dafür  anführen.  Außer- 
dem haben  wir  mit  dem  in  allen  Zeiten  eintretenden  Ersatz  alter  Worte 
durch  neue  zu  rechnen,  dessen  Gründe  so  mannigfaltig  sind,  daß  man 
damit  nicht  viel  erklären  kann.  Der  Hauptgrund  für  das  Absterben  von 
Wörtern  liegt  aber  in  einem  Umstände,  den  wir  ausführlicher  erörtern  müssen. 

§  75.  Wortreichtum  in  älterer  Zeit.  Die  Untersuchung  des  Wortschatzes 
einfacher  V^ölker  hat  gelehrt,  daß  diese  zum  Teil  sehr  reich  sind  an  Worten, 
wo  wir  arm  sind,  daß  ihnen  aber  die  Ausdrücke  für  allgemeine  Begriffe 
vielfach  fehlen.  So  sagt  z.  B.  K.  von  den  Steinen  in  seinem  äußerst  wert- 
vollen Buche  'Unter  den  Naturvölkern  Zentralbrasiliens'  S.  80:  „Ganz  be- 
sonders eigentümlich  berührte  mich  ihre  Freude  über  den  Reichtum  ihres 
Wörten-orrates.  Sie  bekundeten  ein  großes  Vergnügen,  für  jedes  Ding  auch 
ein  Wort  zu  haben,  als  wenn  der  Name  selbst  eine  Art  Ding  und  Besitz- 
gegenstand wäre.  Daß  die  Zahl  der  Begriffe  in  erster  Linie  vom  Interesse 
abhängt,  lag  klar  zutage.  Auf  der  einen  Seite  im  Vergleich  mit  unsem 
Sprachen  eine  Fülle  von  Wörtern  wie  bei  den  Tier-  und  V^erwandtennamen, 
auf  der  andern  eine  zunächst  befremdende  Armut.  .  . 

Die  eigentliche  Armut  steckt  in  dem  Mangel  an  übergeordneten  Be- 
griffen wie  bei  allen  Naturvölkern.  Sie  haben  ein  Wort  für  'Vogel',  das 
wahrscheinlich  'geflügelt'  bedeutet,  aber  die  Nordkaraiben  haben  einen  andern 
Stamm,  toro-  oder  tono-,  der  bei  den  Bakairi  noch  bestimmte,  sehr  gewöhn- 
liche Vögel,  eine  Papageien-  und  eine  Waldhuhnart,  bedeutet.  Jeder  Papagei 
hat  seinen  besondern  Namen,  und  der  allgemeinere  Begriff  'Papagei'  fehlt 
vollständig,  ebenso  wie  der  Begriff  'Palme'  fehlt.  Sie  kennen  aber  die  Eigen- 
schaften jeder  Papageienart  sehr  genau  und  kleben  so  an  diesen  zahlreichen 
Einzelkenntnissen,  daß  sie  sich  um  die  gemeinschaftlichen  Merkmale,  die 
ja  kein  Interesse  haben,  nicht  bekümmern.  Man  sieht  also,  ihre  Armut  ist 
nur  eine  Armut  an  höheren  Einheiten,  sie  ersticken  in  der  Fülle  des  Stoffes 
und  können  ihn  nicht  ökonomisch  bewirtschaften.  Sie  haben  nur  erst  einen 
Verkehr  mit  Scheidemünze,  sind  aber  im  Begriff  ihrer  Stückzahl  eher  über- 
reich als  arm  zu  nennen." 

Diese  Ausführungen  sind  von  hoher  prinzipieller  Bedeutung  für  die 
ganze  Auffassung  der  Wortentwicklung,  und  sie  können  auch  auf  die  Er- 
scheinungen auf  indogermanischem  Gebiet  sehr  wohl  angewendet  werden. 

Auf  Ahnliches,  \kie  uir  es  bei  den  Bakairi  finden,  hat  J.  Schmidt,  Kritik  der  Sonanten- 
theorie  37,  für  die  Litauer  hingewiesen:  .Der  Farbensinn  der  Litauer  steht  noch  auf  der 
Stufe  der  Natur\'ölker.    Bei  mehreren  Farben  sind  sie  noch  nicht  wie  die  Kultur\ölker  zu 


§  75.  Wortreichtum  in  älterer  Zeit.  §  76.  Vereinfachung.  99 


allgemeinen  Bezeichnungen  aufgestiegen,  sondern  bei  den  einzelnen  Tönen  stehen  ge- 
blieben. Für  'grau'  haben  sie  nicht  weniger  als  vier  oder  fünf  einfache  Worte:  pilkas  (nur 
von  Wolle  und  Gänsen),  sirnias,  sirvas  (nur  von  Pferden),  semas  (nur  vom  Rindvieh), 
zilas  (Haare  des  Menschen  und  des  Viehs  außer  Gänsen,  Pferden,  Rindvieh)  usw."  Ähn- 
liches können  wir  selbst  noch  in  unsrer  Sprache  beobachten,  reden  wir  doch  nicht  von 
einem  schwarzen,  roten,  weißen  Pferd,  sondern  von  einem  Rappen,  einem  Fuchs,  einem 
Sdiimmel,  und  keinem  wird  es  einfallen,  einen  weißen  Ochsen  einen  Sciiimmel  zu  nennen. 
Wir  sprechen  nicht  von  einem  männlichen,  weiblichen,  verschnittenen,  unerwachsenen 
Pferde,  sondern  von  einem  Hengst,  einer  Stute,  einem  'Wallach,  einem  Füllen.  Ebenso  von 
einem  Stier  oder  Bullen,  einer  Kuh,  einem  Ochsen,  einer  Färse,  einem  Kalb.  Vgl.  noch 
die  Ausführungen  von  Usener,  Götternamen  317  ff.,  und  Osthoff,  Vom  Suppletivwesen 
der  indogermanischen  Sprachen,  Heidelberg  1899. 

Weiter  steht  die  Jägersprache  noch  auf  einem  durchaus  altertümlichen  Standpunkt, 
wenn  sie  die  Glieder  und  Tätigkeiten  der  Tiere  je  mit  einem  besondern  Ausdruck  belegt 
Für  den  Jäger  hat  der  Hase  nicht  Ohren,  sondern  Löffel,  das  Wildschwein  Gehör,  das. 
Edelwild  Luser  oder  Lausdier,  Sdiüsseln  oder  Gehör,  der  Hund  Behang,  in  einzelnen 
Rassen  Lappen,  aber  der  Spitz  Ohren.  Man  braucht  also  hier  ganz  absichtlich  die  be- 
sondern Ausdrücke. 

Auch  die  Landwirtschaft  unterscheidet  durch  eine  Fülle  von  Worten  die  besondern 
Unterarten  einer  Tätigkeit.  Wenn  man  den  Menschen,  den  Haustieren,  den  Schwertern,  den 
Schiffen  und  andern  Dingen  Namen  gibt,  so  ist  das  schließlich  nichts  anderes.  Und  erst 
in  neuerer  Zeit  haben  wir  die  Unterscheidungen  zwischen  Tier  und  Mensch  geschaffen, 
die  sich  in  den  Worten  essen — fressen,  trinken  —  saufen.  Haut  —  Fell  u.  a.  zeigen.  Für 
die  Bewegung  einer  Flüssigkeit  haben  wir  fließen,  strömen,  laufen,  rinnen,  rieseln,  tröp- 
feln, sickern,  quellen,  sprudeln  usw.,  für  unsere  eigene  Bewegung  gehen,  eilen,  laufen, 
rennen,  hasten,  stürmen. 

Für  regnen  gab  schon  Campe,  Wörterbuch  zur  Erklärung  und  Verdeutschung  S.  57 
folgende  acht  niederdeutsche  Wörter  an:  1.  es  mistet  von  dem  feinsten  Staubregen,  2.  es 
schmuddert,  d.  i.  es  regnet  ein  wenig  und  fein,  3.  es  stippert,  d.  i.  es  fallen  einzelne  und 
zwar  gleichfalls  feine  Regentropfen,  die  aber  schon  etwas  größer  als  bei  dem  Misten  und 
Schmuddern  gedacht  werden,  4.  es  regnet,  5.  es  pladdert,  d.  i.  es  regnet  stark  und  laut, 
6.  es  guddert,  wodurch  das  Geräusch  des  bei  einem  sehr  starken  Regen  von  den  Dächern 
herabströmenden  Wassers  ausgedrückt  wird,  7.  es  gießt  und  8.  es  gießt  mit  Mollen.  Da- 
von sind  mir  allerdings  nur  2,  4,  5,  7,  8  geläufig.  Dafür  kenne  ich  aber  noch  es  fiselt 
vom  feinen  Regen  und  es  drasdit  vom  starken  Platzregen. 

Bei  Campe  a.  a.  O.  sind  dann  noch  weitere  wichtige  Bemerkungen  und  Beispiele  zu 
finden.  Die  ältere  Sprache  verfügte  also,  wie  sich  aus  dem  Angeführten  mit  Sicherheit  er- 
gibt, in  gewisser  Hinsicht  über  einen  größern  Reichtum  an  Worten,  als  wir  heute  besitzen. 

§  76.  Vereinfachung.  Aus  dieser  Fülle  von  Ausdrücken  hat  nun  die  eine 
Sprache  bei  der  notwendig  fortschreitenden  Verallgemeinerung  der  Begriffe, 
indem  die  Bezeichnungen  z.T.  gleichbedeutend  wurden,  das  eine,  die  andere 
das  andere  Wort  beibehalten,  und  darin  liegt  zweifellos  mit  ein  Hauptgrund, 
daß  nicht  alle  Gleichungen  in  allen  Sprachen  erhalten  sind.  Manchmal 
können  wir  bei  genauer  Untersuchung  den  Unterschied  der  Bedeutung 
noch  erfassen.  So  haben  wir  z.  B,  mehrere  Worte  für  eins  im  Indogerma- 
nischen. Von  diesen  bedeutet  wohl  idg.  *sem,  gr.  eh  {lies)  'zusammen', 
idg.  *oinos,  lat.  ünus,  got.  ains,  'einer  von  mehreren',  gr.  oh?  (oios)  'allein'. 
Bei  andern  aber  entgeht  uns  der  Sinn.  Weshalb  verwendete  man  zwei 
Ausdrücke  für  'Feuer',  lat.  ignis,  ai.  agnih,  neben  gr.  tivq  {pyr),  ahd.  f'iur? 


100    Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

Wenn  wir  mehrere  Bezeiclinuni^cn  für  'Nebel'  finden,  lat.  ncbiila,  d.  Nebel, 
gr.  oitlyh]  {omiklilcc),  abg.  nügla,  so  mag  man  bedenken,  daß  auch  die 
Engländer  mist  und  fog  unterscheiden.  Weitere  Beispiele  lassen  sich  mit 
Leichtigkeit  beibringen.  Anderseits  fehlen  selbst  uns  noch  manchmal  zu- 
sammenfassende Ausdrücke  für  getrennte  Begriffe.  Um  Lehrer  und  Lehrerin 
zusammen  zu  bezeichnen,  hat  man  erst  neuerdings  den  Ausdruck  Lehr- 
person geschaffen.  Bei  den  Tiernamen  erkennt  man  die  zusammenfassenden 
Jüngern,  wenn  auch  trotzdem  recht  alten  Ausdrücke  an  dem  neutralen  Ge- 
schlecht: das  Pferd,  das  Rind,  das  Huhn,  das  Schaf;  vgl.  auch  das  Kind, 
das  Weib  neben  Sohn  und  Tochter,  Frau,  Jungfrau,  Maid.  Ausdrücke 
wie  Flora,  Fauna  für  die  Pflanzen-  und  Tierwelt  eines  Landes  sind  den 
Anforderungen  der  Wissenschaft  entsprechend  erst  in  neuerer  Zeit  gebildet 
worden.  Der  Ausdruck  für  Ehe  taucht  erst  bei  Notker  auf.  Es  ist  eine 
dankenswerte  Aufgabe,  diesem  Aufkommen  von  Ausdrücken  für  Allgemein- 
begriffe und  dem  damit  verbundenen  Absterben  einzelner  Worte  nach- 
zugehen. Es  würde  von  hier  aus  auf  die  geistige  Entwicklung  eines  Volkes 
Licht  fallen. 

Und  dann  darf  man  doch  nicht  vergessen,  daß  in  jeder  Sprache  immer 
wieder  neue  Worte  aufkommen  und  alte  in  Verlust  geraten.  Wäre  dem 
nicht  so,  so  brauchten  wir  uns  keine  Mühe  zu  geben,  das  Gotische  zu 
lernen,  wir  würden  es  nach  Erlernung  der  Flexion  verstehen. 

§77.  Geringe  Bedeutung  der  partiellen  Gleichungen.  Die  partiellen  Glei- 
chungen haben  für  uns  also  nur  eine  recht  geringe  Bedeutung,  für  die 
Zwecke  der  Etymologie  genügt  es  vielmehr  vollkommen,  wenn  wir  ein 
Wort  außerhalb  des  Germanischen  nachweisen  können. 

Es  kann  das,  was  wir  ausgeführt  haben,  noch  durch  eine  Parallele  aus 
dem  Germanischen  selbst  weiter  erläutert  und  erhärtet  werden.  Liebich  unter- 
scheidet gemeingermanische,  westgermanische  und  deutsche  Gleichungen, 
d.  h.  Worte,  die  in  allen  germanischen  Dialekten,  insbesondere  auch  im 
Nordischen  vorkommen,  solche,  die  im  Gotischen  und  Nordischen  fehlen, 
und  schließlich  solche,  die  nur  auf  deutschem  Boden  belegt  sind.  Hätten 
wir  nun  nicht  die  Hilfe  der  verwandten  Sprachen,  so  würden  wir  auch 
hieraus  Schlüsse  zu  ziehen  versuchen.  Die  verwandten  Sprachen  aber 
zeigen  uns,  indem  sie  das  entsprechende  Wort  erhalten  haben,  daß  oft 
genug  Worte,  die  nur  im  Deutschen  belegt  sind,  aus  der  idg.  Urzeit  stam- 
men müssen,  daß  also  die  übrigen  germanischen  Dialekte  das  Wort  ver- 
loren haben. 

Beispiele  hierfür  sind:  d.  Schwager  zu  ai.  svasurah;  —  Felber  'Weidenbaum',  ahd. 
felawa  zu  osset.  färw  'Erle';  —  Hader  'Lumpen'  zu  ai.  sithiräh  'locker';  —  Rotz,  gr. 
xooi>sa  (köryza)  'Schnupfen';  —  Wabe  zu  \.  favus;  —  Ahorn,  1.  acer;  —  Fichte,  gr.  jisvxt) 
{pei'ikae)  u.  a.  Dasselbe  gilt  von  den  übrigen  Dialekten.  Auch  sie  besitzen  Worte,  die  sonst 
im  Germanischen  nicht  belegt  sind,  wohl  aber  in  den  andern  indogermanischen  Sprachen 
wiederkehren. 


§  78.  Germanische  Wortfamilien.  IQI 


§  78.  Germanische  Wortfamilien.  Auch  bei  den  Wortfamilien,  die  bisher 
außerhalb  des  Germanischen  noch  nicht  nachgewiesen  sind,  haben  wir  es 
meist  nicht  mit  Neuschöpfungen  zu  tun.  Wenn,  wie  wir  gesehen  haben, 
die  partiellen  Gleichungen  wahrscheinlich  darauf  beruhen,  daß  die  Sprachen, 
die  nicht  daran  teilnehmen,  diese  Ausdrücke  verloren  haben,  und  wenn  sich 
schließlich  diese  partiellen  Gleichungen  nur  auf  zwei  Sprachen  erstrecken,  so 
ist  natürlich  auch  vorauszusetzen,  daß  gewisse  Worte  des  Indogermanischen 
eben  nur  noch  im  Germanischen  vorliegen. 

Anmerkung.  Einen  andern  Gesichtspunkt  für  die  Auffassung  der  dem  Germanischen 
allein  angehörigen  Wortfamilien  macht  jetzt  S.  Feist,  Btr.  36,  350  f.  geltend.  Er  sieht  darin 
Lehnwörter  aus  der  Sprache  einer  von  den  Indogermanen  unterworfenen  Urbevölkerung. 
Abgesehen  davon,  daß  Feist  nach  seinen  eigenen  Bemerkungen  die  Sache  nicht  übersieht, 
kann  ich  dieser  Ansicht  aus  den  §  97  erörterten  Gründen  nicht  beitreten.  Selbst  wenn 
Feist  mit  seiner  Annahme  Recht  hätte,  daß  die  Germanen  nicht  eigentliche  Indogermanen, 
sondern  nur  unterworfene  wären,  wären  doch  keine  nennenswerten  Bestandteile  aus  der  ur- 
sprünglichen Sprache  zu  erwarten,  genau  so,  wie  wir  keine  bedeutenden  Elemente  des  Kel- 
tischen im  Französischen  finden,  obgleich  hier  die  geschichtlichen  Tatsachen  ganz  sicher  sind. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  wir  Mittel  haben,  zu  erkennen,  wann  nur  im 
Germanischen  auftretende  Wörter  alt  sind.  In  einer  Reihe  von  Fällen  läßt 
sich  das  wirklich  bestimmen. 

1.  Ziemlich  zweifellos  sind  Worte,  die  Flexionsklassen  folgen,  welche 
im  Germanischen  aussterben,  oder  Worte,  die  mit  Suffixen  gebildet  sind, 
welche  im  Germanischen  nicht  mehr  produktiv  sind,  dem  Verdacht  aus- 
gesetzt, älter  zu  sein  als  die  germanische  Sonderentwicklung.  Einige  Bei- 
spiele mögen  das  zeigen. 

Das  Indogermanische  besaß  eine  sogenannte  konsonantische  Deklination, 
wie  wir  sie  in  gr.  jiovg,  nodög  {pds,  podös),  lat.  pes,  pedis,  also  Teilen  der 
griechisch-lat.  dritten  Deklination  antreffen.  Diese  Deklination  war  schon  im 
Indogermanischen  nicht  sehr  häufig,  und  sie  ist  bereits  in  den  ältesten 
Zeiten  der  germanischen  Überlieferung  fast  vernichtet.  Die  meisten  Wörter, 
die  dieser  Deklinationsklasse  folgen,  erweisen  sich  durch  verwandte,  die  in 
den  andern  Sprachen  vorkommen,  unmittelbar  als  indogermanisch.  So  Fuß, 
\dit  pes,  gr.  Tiovg  ipäs);  Zahn,  lat.  dens,  gr.  döovg  (odus);  Maus,  lat.  mus; 
Gans,  lat.  anser,  gr.  y/p'  {khoen);  Nacht,  lat.  nox,  gr.  vv^  {nyx);  Tür,  lat. 
fores,  gr.  f^u^a  (thyra);  Kuh,  lat.  bös,  gr.  ßovg  (bus). 

Höchst  wahrscheinlich  werden  aber  auch  die  übrigen  Worte  nach  der 
konsonantischen  Deklination  alt  sein,  so  Winter,  Genosse,  Magd,  Monat, 
Hand,  Brust,  Burg,  Budie,  Bruch  (Hose),  Eiche.  Von  keinem  dieser  Worte 
wird  man  das  indogermanische  Alter  etwa  aus  kuHurhistorischen  Gründen 
leugnen  können.  Bei  einigen  ist  ja  auch  noch  der  Stamm  in  andern 
Sprachen  belegt.  Bei  Brust  wird  das  indogermanische  Alter  auch  durch 
die  ablautende  Form  ags.  breost  wahrscheinlich  gemacht. 

2.  Ein  zweiter  wichtiger  Faktor  ist  der  Ablaut.  Er  ist  im  Indo- 
germanischen entstanden,  und  zusammenhängende  Worte,   die  ihn  zeigen, 


102    Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

müssen  daher  aus  der  indoj^^crmanisclien  Urspraclic  stammen,  abt^eselicn 
von  den  Fällen,  in  denen  ablautende  Formen  im  Anschluß  an  andere  Worte, 
namentlich  im  Anschluß  an  Vcrbalformen  neu  gebildet  sein  können.  Wo 
aber  dies  nicht  der  Fall  ist,  da  können  wir  mit  ziemlicher  Wahrscheinlich- 
keit auf  indogermanisches  Alter  schließen.  Vgl.  oben  das  über  Brust  Ge- 
sagte. Andere  Beispiele  s\r\d  Kern  —  Korn;  Hahn  —  Huhn;  Brett  —  Bord; 
goi.  qens  —  qino  'Frau';  siecli  —  schwach;  Kamm  —  Knehel  usw. 

3.  Ein  drittes,  indessen  nicht  so  sicheres  Hilfsmittel  ist  der  Akzent- 
wechsel innerhalb  eines  Wortes.  Das  Germanische  hat  die  freie  Betonung 
des  Indogermanischen  in  eine  feste  verwandelt,  es  läßt  aber  im  gram- 
matischen Wechsel  die  alte  indogermanische  Betonung  erkennen.  Worte, 
die  den  grammatischen  Wechsel  zeigen,  dürften  also  aus  der  Ursprache 
stammen,  zum  Beispiel  d.  Hase,  e.  hare;  got.  rdus,  d.  Rohr;  got.  Olopa-, 
ahd.  bluot;  ahd.  zid  —  zit;  got.  ailhns,  anorw.  ogn  'Ofen';  ahd.  hehara, 
ags.  higora  'Häher'.  Aber  freilich  kann  dieser  Akzentwechsel  oder  auch  der 
grammatische  Wechsel  später  manchmal  neu  geschaffen  sein,  so  daß  dieser 
Faktor  nicht  ganz  sicher  ist. 

§  79.  Neue  Wortfamilien  für  die  Schiffahrt.  Mit  den  Worten,  deren  höheres 
Alter  mit  diesen  Mitteln  nicht  zu  erhärten  ist,  können  wir  freilich  zunächst 
nichts  anfangen.  Sie  wären  aber  nur  dann  auffallend,  wenn  sie  sich  zu  ge- 
wissen kulturhistorischen  Gruppen  zusammenschlössen.  Wenn  ein  Forscher 
späterer  Zeit  einmal  ein  Wörterbuch  des  18.  und  des  19.  Jahrhunderts  ver- 
gliche, so  würde  er  bemerkenswerte  Unterschiede  im  Wortschatz  antreffen. 
Er  würde  finden,  daß  Ausdrücke  wie  Eisenbahn  und  Dampfschiff  und  alles, 
was  damit  zusammenhängt,  im  18.  Jahrhundert  noch  nicht  in  den  Wörter- 
büchern aufträten,  und  er  würde  mit  Recht  folgern,  jene  Worte  seien  im 
19.  Jahrhundert  gebildet  worden,  weil  erst  damals  die  entsprechenden  Be- 
griffe aufgekommen  seien.  Ähnliches  könnte  man  für  den  germanischen 
Wortschatz  im  Verhältnis  zum  indogermanischen  zu  erschließen  versuchen. 
Eine  Zusammenstellung  des  urgermanischen  Wortschatzes  findet  man  bei 
FöRSTEMANN,  Gcschichte  des  deutschen  Sprachstamms,  Nordhausen  1874,  1 
S.  399  ff.  Wenn  dieses  Verzeichnis  auch  heute  veraltet  ist  und  der  Be- 
richtigung bedarf,  so  wird  sich  doch  diese  gleichmäßig  auf  alle  Abteilungen 
erstrecken  müssen.  Bei  Förstemann  tritt  aber  kaum  eine  besondere  Eigen- 
tümlichkeit des  germanischen  Wortschatzes  hervor;  er  macht  nur  S.  454 
darauf  aufmerksam,  daß  sich  erst  gemeingermanisch  eine  Fülle  von  Aus- 
drücken finde,  die  sich  auf  das  Seewesen  beziehen,  woraus  also  zu  schließen 
wäre,  daß  erst  die  Germanen  mit  der  See  bekannt  geworden  wären.  Diesen 
Gedanken  hat  später  O.  Schrader  in  einem  Vortrag  wieder  aufgenommen 
(Die  Deutschen  und  das  Meer,  WB.  z.  ZADSV.  Heft  11).  Schrader  vertritt 
die  Ansicht,  daß  die  Indogermanen  am  Schwarzen  Meer  gesessen  hätten. 
Dies  sei  aber  nicht  zur  Schiffahrt  geeignet  gewesen,  und  so  hätte  sich  eine 
Ausbildung  in  dieser  Kunst  und  zugleich  die  Entwicklung  der  sprachlichen 


§79.  Neue  Wortfamilien  für  die  Schiffahrt.  103 


Ausdrücke  erst  vollzogen,  seitdem  die  Germanen  an  die  Ost-  und  Nordsee 
vorgerückt  seien.  Daß  die  Urheimat  der  Indogermanen  am  Schwarzen  Meer 
zu  suchen  sei,  wird  bekanntlich  stark  bestritten.  Eine  große  Anzahl  von 
Forschern,  darunter  auch  der  Verfasser,  vgl.  seine  Indogermanen  und 
GDS.  15,  setzt  sie  an  die  Nord-  oder  Ostsee.  Ist  das  richtig,  so  kann 
doch  immer  nur  ein  Teil  an  der  Küste  gesessen  und  Schiffahrt  betrieben 
haben.  Die  Züge  der  wandernden  Indogermanen  gingen  in  des  Binnen- 
land, und  diese  Teile  mußten  natürlich  die  Ausdrücke,  die  sich  auf  Schiff- 
fahrt und  Seewesen  beziehen,  schnell  verlieren.  So  würde  sich  Förstemanns 
Beobachtung,   wenn    sie   richtig   wäre,    anstandslos  aus   der  Abwanderung 

vom  Meer  erklären. 

Und  daß  dies  richtig  ist,  zeigen  eine  Reihe  von  Tatsachen.  Die  Germanen  haben, 
wie  wohl  Iveiner  bezweifelt,  zu  einem  großen  Teil  an  der  Ost-  und  Nordsee  gesessen.  Von 
hier  aus  sind  zahlreiche  Stämme  in  das  Binnenland  gewandert,  und  diese  haben  tatsäch- 
lich See-  und  Schiffahrtsausdrücke  eingebüßt.  Vor  allem  sind  die  alten  Bezeichnungen  der 
Himmelsgegenden  den  Oberdeutschen  verloren  gegangen,  vgl.  Wehrle,  Die  deutschen 
Namen  der  Himmelsrichtungen  und  Winde,  ZfdW.  7,  61,  bes.  125.  Wir  gebrauchen  für  Süd 
die  niederländische  Form.  Ufer  =  gr.  i/jistgog  aus  *aperjos,  also  ursprünglich  wohl  die  „See- 
küste" ist  dem  Oberdeutschen  fremd.  An.  fj'ördr  =  lat.  portus  'Hafen'  ist  den  übrigen  Mund- 
arten abhanden  gekommen.  Hafen  wohl  gleich  mittelirisch  ciian  'Seehafen'  aus  *kopno  ist 
ein  niederdeutsches  Wort. 

Was  wir  hier  deutlich  vor  Augen  sehen,  das  kann  natürlich  auch  für 
die  übrigen  indogermanischen  Völker  gelten.  Nehmen  wir  als  richtig  an, 
daß  die  Indogermanen  an  der  Ost-  und  Nordsee  saßen,  wie  hätten  sich 
wohl  bei  der  Wanderung  ins  Binnenland  bei  den  Slawen,  die  noch  heute 
das  Meer  kaum  berühren,  bei  den  Indern  und  Iraniern,  die  durch  weite 
Landstrecken  ziehen  mußten,  bei  den  Römern  und  Griechen  die  alten  Aus- 
drücke erhalten  sollen? 

Tatsächlich  können  wir  aber  doch  noch  immer  so  viele  Ausdrücke  für 
Schiffahrt  und  Seewesen  als  alt  nachweisen,  daß  wir  den  Indogermanen 
sehr  wohl  die  Bekanntschaft  mit  beiden  Dingen  zuschreiben  dürfen.  Die 
Worte  aber,  die  sich  außerhalb  des  Germanischen  nicht  belegen  lassen, 
sind  nicht  etwa  klar  verständliche  Ableitungen,  wie  sie  als  Zeichen  jüngerer 
Bildung  zu  fordern  sind,  sondern  sie  sind  meistens  ganz  dunkel,  so  daß 
wir  allen  Grund  haben,  darin  altes  Erbgut  zu  sehen.  Allerdings  könnten 
darin  auch  Lehnwörter  stecken,  denn  an  den  Nordmeeren  wohnten  auch 
andere  Völker,  und  in  späterer  Zeit  findet  ein  reger  sprachlicher  Austausch 
statt.  Ich  glaube  aber  nicht  recht  daran  aus  Gründen,  die  ich  in  meinen 
Indogermanen  1  S.  315  ff.  ausgeführt  habe. 

Im  folgenden  stelle  ich  nunmehr  den  Stoff  zusammen. 

Meer,  ahd.  mmn.,  goi.  marei  L  nnA  marisaiws  'Mter',  gemeingerm.;  dazu  au.muir, 
lat.  mare,  abg.  morje  n.,  lit.  märes  'kurisches  Haff  und  auch  wohl  aind.  marjädä  f.  'Meeres- 
küste, Grenze,  Schranke'  und  miras  m.  'Meer,  Grenze'  (unbelegt),  mittelind,  aus  *marja. 
Das  Wort  ist  entschieden  alt  (neutraler  /-Stamm),  könnte  aber  eine  andere  Bedeutung  gehabt 
haben.  Aber  es  ist  durchaus  unwahrscheinlich,  daß  sich  die  gleiche  Bedeutung  'Meer'  auf 
verschiedenen  Sprachgebieten  selbständig  neu  sollte  entwickelt  haben. 


104    Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indoger.manischen  Bestandteile. 


Ein  andrer  Ausdruck  liegt  vor  in  as.  lagu  'See',  air.  lodi,  lat.  locus,  vielleicht  'Sumpf, 
Landsce'. 

Gcmcingcrmanisch  ist  der  Ausdruck  See,  ahd.  seo  m.,  got.  saiws  'Landsee,  Sumpfland'. 
Wenn  auch  das  Wort  noch  nicht  in  andern  Sprachen  nachgewiesen  ist,  so  ist  doch  eine 
Neubildung  im  Germanischen  wegen  der  got.  /-Flexion  kaum  möglich.  Nur  die  Annahme 
einer  Bedeutungsübertragung  wäre  denkbar. 

Schiff.  Wir  besitzen  ein  indogermanisches  Wort:  gr.  rare  (naüs),  \ai.  navis,  das  in 
an.  nor  'Scliiff,  naust  'Schiffsschuppen'  und  vielleicht  auch  in  deutsch  Nadien,  ahd.  nahho 
(gemeingermanisch)  vorliegt  (die  Entwicklung  eines  Gutturals  vor  w  kommt  in  einer  ganzen 
Reihe  von  Worten  vor). 

Schiff,  got.  skip  n.,  das  Wort  ist  gemeingermanisch,  aber  etymologisch  nicht  ganz 
klar,  indessen  auch  nicht  von  einem  andern  Wort  abzuleiten,  also  wohl  alt. 

Boot  stammt  zunächst  aus  dem  Englischen,  mengl.  bot,  an.  beit,  und  ist  von  Lidcn 
zu  arm.  phait  'Baumstamm'  gestellt. 

Kahn  ist  unaufgeklärt,  kann  aber  alt  sein. 

Ahd.  kiol  'Schiff,  verschieden  von  Kiel  'Schiffskiel'  ist  unaufgeklärt,  ist  aber  schon 
früh  ins  Finnische  entlehnt.  Wenn  wir  so  verschiedene  Ausdrücke  für  Schiff  finden,  so 
braucht  uns  das  nicht  wunderzunehmen.  Der  Seemann  unterscheidet  jede  Art  genau. 
Ein  Kahn  ist  eben  ein  Kahn,  ein  Boot  ein  Boot,  ein  Kutter  ein  Kutter.  Jeder  dieser 
Ausdrücke  bezeichnet  heute  an  der  Nordsee  eine  besondere  Bauart,  und  man  wird  mit- 
leidig belächelt  oder  sogar  zurechtgewiesen,  wenn  man  die  Ausdrücke  falsch  anwendet. 
Da  immer  wieder  neue  Bauarten  aufkommen  und  zum  Teil  von  fremden  Gegenden  her 
eindringen,  so  ist  es  leicht  verständlich,  wenn  Ausdrücke  für  'Schiffe'  leicht  entlehnt  werden 

Die  Bekanntschaft  mit  den  Schiffen  wird  ferner  durch  die  alten  Ausdrücke  Ruder 
und  Mast  gesichert. 

Ruder,  ahd.  ruodar,  ags.  roäor,  e.  rudder  entspricht  (mit  Ablaut!)  ai.  aritram  'Ruder* 
und  ist  wurzelverwandt  mit  air.  rame,  1.  renius,  gr.  ioeiuö;  {eretmös).  Daneben  steht  das 
dunkle  altnord.  ags.  ar,  engl,  oar  (lit.  vairas,  lett.  airis  'Ruder'  können  entlehnt  sein). 

Mast  bedeutet  im  Altgermanischen  nur  'Mast'  und  entspricht  genau  lat.  malus 
i^mazdos),  das  ebenfalls  nur  'Mast'  bedeutet. 

Der  Ausdruck  Segel,  ahd.  segal  m.,  ags.  segl,  e.  sail,  an.  segl  n.  ist  gemeingerma- 
nisch, aber  noch  nicht  im  Indogermanischen  nachgewiesen.  Der  Ausdruck  kann  jung  sein, 
da  wir  eine  ganze  Reihe  von  offenbar  jungen  Bildungen  für  Geräte  und  Werkzeuge  mit 
Suffi.'^  -/  haben  {Meißel,  Beutel,  Hobel,  Gabel),  dessenungeachtet  kann  aber  die  Erfindung 
der  Segel  doch  in  sehr  alte  Zeiten  zurückgehen.  Denn  dieses  Wort  kann  ein  anderes  ver- 
drängt haben. 

Dazu  kommen  Ausdrücke  für  Welle,  ahd.  wella,  lit.  vilnis,  abg.  vlüna;  ags.  wielm, 
aind.  iirmih;  —  Ufer,  mhd.  uover,  ags.  ofer  zu  gr.  tj.ietoo;  (ceperos)  'Festland';  —  Hafen 
anoid.  fjönlr  'Buciit,  Fjord'  entspricht  mit  Ablaut  \al  portus  'Hafen';  —  d.  Riff,  lat.  npa 
'der  steile  Rand,  das  Ufer  eines  Gewässers*. 

Diese  Ausdrücke  können  sich  natürlich  auch  auf  Flüsse  beziehen,  aber  es  ist  das 
nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  sich,  wie  ich  glaube,  im  wesentlichen  die  Ausdrücke  erhalten, 
deren  Inhalt  von  großer  Bedeutung  ist. 

Die  germanischen  Bezeichnungen  der  Himmelsrichtungen  sind  unzweifelhaft  aus 
echtem  alten  Sprachgut  gebildet.  Nirgends  aber  sind  diese  Namen  notwendiger  als  auf 
der  See.  Was  kümmert  es  den  Landmann,  woher  der  Wind  weht,  der  Seemann  muß  ihn 
aber  beobachten.  Tatsächlich  stammen  denn  auch  unsere  Namen  erst  wieder  von  der  See- 
küste. Aber  sie  sind  nicht  nur  nach  Oberdeutschland  gewandert,  sondern  selbst  die  fran- 
zösische Sprache  hat  sie  aufgenommen. 

Norden  gehört  zu  gT.vigzeoog  {nerteros)  'unten  befindlich',  umhi.  nertru  'links';  — 
Süden  aus  *sunl}  gehört  zu  Sund  oder,  was  mir  wahrscheinlicher  ist,  zu  gr.  vöxog  (nötos) 


§  80.  Neue  Worte  des  Germanischen. 


105 


'Südwind'  aus  *snoios;  —  Osten  stellt  sich  zu  lat.  aurora,  gr.  inüi  (ceös);  —  Westen  zu 
lat.  Vesper,  gr.  sajii-Qa  (hespera).  —  Unser  Schauer,  ahd.  as.  ags.  an.  skur  'Unwetter',  got. 
skura  windis  'Sturmwind',  engl,  shower  gehört  zu  lat.  caurus  'Nordostwind',  lit.  s'auris 
'Nordwind',  abg.  severü  'Nord'. 

Natürlich  ist  auch  der  Ausdruck  Wind  alt,  lat.  ventus.  —  Sturm  entspricht  wohl 
gr.  oQ^rj  (hormce). 

Man  hat  oft  darauf  hingewiesen,  daß  sich  Ausdrücke  für  Ebbe  und  Flut  nicht  im 
Indogermanischen  nachweisen  lassen.  Aber  Ebbe,  and.  ebbiunga  'Wallung'  ist  zweifellos 
ein  alter  Ausdruck,  der  im  Germanischen  nicht  neu  gebildet  sein  kann,  und  Flut,  goi.  flodus 
entspricht  formell  gr.  jiXcoxö^  (plöiös).  Der  eigentliche  Ausdruck  für  diesen  Begriff  ist  aber 
wohl  e.  tide,  d.  Zeit,  Gezeiten,  dessen  Herkunft  noch  nicht  erklärt  ist,  der  aber  wegen  des 
bei  dem  Wort  vorliegenden  grammatischen  Wechsels  (ahd.  zit,  zid)  alt  sein  dürfte.  Daß 
die  Ausdrücke  nur  an  der  Seeküste  beharren  können,  ist  selbstverständlich. 

Besonders  bemerkenswert  ist  ferner,  daß  gerade  Ausdrücke  für  Seefische  und  See- 
tiere der  Nordsee  zum  Teil  in  den  verwandten  Sprachen  wiederkehren: 

Walfisch,  ahd.  wal,  ags.  hwoel,  an.  hvalr  zu  preuß.  kalis  'Wels';  —  Lachs,  ahd.  lahs, 
lit.  laUm,  russ.  lososi  'Lachsforelle',  poln.  tosos  'Lachs';  —  Stör,  ahd.  sturio,  russ.  osetrü, 
lit.  erskstras;  —  Schade  'Maifisch',  altir.  scatan  'Hering',  dazu  Skadinavia. 

Diese  Ausdrücke  beweisen  das  meiste,  da  diese  Fische  zum  Teil  nur  den  Nordmeeren 
angehören.  Andere  Worte  wie  Düne,  ndl.  duin,  ags.  dun  'Hü^el',  e.  downs  'Dünen'  zu 
air.  dun  'Hügel',  gall.  dünum  sind  weniger  bezeichnend.') 

Wenn  sich  einige  Bezeichnungen  wie  Klippe,  Strand,  Geest  nicht  über  das  Ger- 
manische hinaus  verfolgen  lassen,  so  hat  das  nichts  weiter  auf  sich.  Die  Worte  sehen 
durchaus  alt  aus. 

Auch  bei  den  Ausdrücken,  die  sich  auf  das  Meer  und  die  Schiffahrt 
beziehen,  treten  demnach  im  Germanischen  nicht  derartig  viel  neue  Worte 
auf,  daß  wir  aus  ihnen  die  oben  erwähnten  Schlüsse  ziehen  könnten,  viel- 
mehr finden  wir  gerade  hier  so  oft  die  entsprechenden  Worte  in  den  ver- 
wandten Sprachen,  wie  nicht  bei  jeder  andern  Kategorie. 

§  80.  Neue  Worte  des  Germanischen.  Neu  ausgebildet  sind  aber  mög- 
licherweise im  Germanischen  eine  Reihe  von  Worten,  die  sich  auf  die 
Standesgliederung  beziehen.  Man  kann  dies  deshalb  annehmen,  weil  diese 
Worte  tatsächlich  Ableitungen  von  andern  Worten  sind  und  zwar  mit  Suf- 
fixen, mit  denen  man  damals  regelrecht  Worte  bildete.  Ich  nenne  hier  nur: 
got.  piudans  'König'  von  piuda  'Volk' ;  —  ahd.  kuning  'König'  von  kunni 
'Geschlecht';  —  ahd.  walto  'dominus'  von  walten;  —  ahd.  truhtin  'Herr' 
von  '"truht  'Schar';  —  ahd.  truhtsajjeo  'der  über  der  Schar  sitzt';  —  got. 
fraaja,  altes  Wort  =  a\.  piirvja-  'der  erste';  —  ahd.  herizogo  'der  vor  dem 
Heer  herzieht'  zu  lat.  dax;  —  ahd.  herro,  Komparativ  'der  Vornehmere';  — 
ahd.  grävio  'Graf,  Vorsteher';  —  got.  gudja  'Priester',  an.  godl,  nhd. 
gotte  'Pate'. 

Man  beachte  den  wesentlichen  Unterschied,  der  sich  zwischen  Worten 
dieser  Art  und  den  zuvor  behandelten  zeigt. 

Aber  freiHch  auch  hier  handelt  es  sich  nicht  um  etwas  begrifflich  Neues, 
denn  ein  indogermanisches  Wort  für  'Herrscher'  Hegt  in  ai.  ra]ä,  1.  rex,  kelt. 


^)  Man  stellt  gall.  dünum  gewöhnlich  zu 
engl,  town,  d.  Zaun.  Dann  könnte  Düne  nicht 


dazu  gehören;  aber  die  germ.  Wörter  brauchen 
nicht  urverwandt,  sie  könn  entlehnt  sein.en 


106    FÜNFTES  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

rix  vor;  aber  die  erwühntcn  Worte  scheinen  doch  auf  eine  bedeutendere, 
neu  ausij^cbildete  Gliedcruni^   der  Stände   bei  den  Germanen  hinzuweisen. 
Weiter  sind  zweifellos  viele  Worte  für  Werkzeuge  und  Geräte  neu  aus- 
gebildet, wie  wir  weiter  unten  sehen  werden. 

§  81.  Material  für  die  partiellen  Gleichungen.  Nachdem  wir  oben  die 
Fragen,  die  sich  an  die  partiellen  Gleichungen  knüpfen,  im  allgemeinen 
behandelt  haben,  scheint  es  mir  doch  angebracht  zu  sein,  einen  ausreichen- 
den Stoff  vorzulegen,  der  jedem  ein  Urteil  erlaubt.  Abgesehen  davon,  daß 
damit  ein  beträchtlicher  Teil  der  etymologischen  Gleichungen  vorgeführt 
wird,  bewegt  mich  dazu  der  Umstand,  daß  die  partiellen  Gleichungen  immer 
wieder  zu  allerhand  Schlüssen  herangezogen  werden,  ohne  daß  man  sich 
auf  wirkliche  Tatsachen  stützen  kann.  Denn  seit  Jon.  Schmidt  in  seiner 
Schrift  'Die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  indogermanischen  Sprachen', 
1872,  eine  erste  Liste  derartiger  partieller  Gleichungen  gegeben  hat,  ist  der 
Versuch  nicht  wiederholt  worden.  Trotzdem  nun  heute  diese  Listen  völlig 
unbrauchbar  sind,  da  sich  zum  Teil  manche  Gleichungen  als  falsch  er- 
wiesen haben,  andere  Worte,  weil  sie  auch  in  einer  dritten  Sprache  nach- 
gewiesen sind,  nicht  mehr  angeführt  werden  dürfen,  benutzt  man  sie  immer 
doch  noch.  Oder  man  führt,  wie  dies  Kluge,  Urgermanisch  7  tut,  keltisch- 
germanische und  litauisch-slawisch-germanische  Gleichungen  an,  deren  be- 
trächtliche Anzahl  dann  verblüfft.  Aber  hier  fehlt  dann  die  Gegeninstanz, 
und  daher  nehme  ich  noch  als  Gegenzeugen  das  Lateinische  und  das 
Indische  hinzu.  Meine  Listen  werden  freilich  auch  dem  Schicksal  unter- 
liegen, zu  veralten,  aber  ich  hoffe  doch  durch  sie  zu  neuen  Untersuchungen 
anzuregen  und  durch  diese  das  ganze  Problem  aus  der  Welt  zu  schaffen. 

§  82.     Germanisch-italische  Gleichungen.    Schon  oben  S.  97   ist   bemerkt 

worden,  daß  das  Germanische  eine  große  Menge  von  Worten  nur  mit  dem 

Lateinischen  teilt.   Ich  gebe  hier  meine  frühern  Listen  in  verbesserter  Gestalt, 

wobei  ich  mich  natürlich  auf  das  ausgezeichnete  Werk  von  Walde  stütze. 

abziehen,  got.  aftiiihan,  1.  abduco;  —  Adie,  Aa,  1.  aqua;  Adisel,  ahd.  ahsala,  1.  axilla, 
ala  aus  *aksla  'Flügel';  —  bayr.  Agn  'Spreu',  got.  ahana,  alat.  agna  'Ähre';  —  Ähre,  ahd. 
ahir,  got.  ahs,  1.  aciis  'Granne,  Spreu';  —  bayr.  Alm  'Alpe',  1.  almus  'nährend'?;  —  Amsel, 
1.  merula;  —  got.  afjn,  1.  anmis;  —  ahd.  boian  'schlagen',  d.  in  Amboß,  1.  confutare;  — 
braudien,  1.  frux;  —  denken,  1.  tongere  "nosse,  scire';  —  Ding,  1.  tempus;  —  Eber,  1.  aper, 
abweichend  abg.  veprl;  —  Edte,  1.  acies,  auch  gr.  axig  {akis),  aber  mit  anderer  Flexion;  — 
an.  ^^/fl 'Mangel',  X.egere;  —  nisl.  W^wr 'Schneegestöber',  \.  algeo;  —  Esdi 'OxXsWux',  got. 
atisk  -Saatfeld',  \.  ador;  —  Feifalter,  \.  papilio;  —  es  fidtt  'es  sticht',  \.  piget;  —  Finne 
'Floßfeder',  l.pinna;  —  ahd.  foh,  \.  paucus;  —  got.  gaiteins,  \.  haedinus;  —  got  gajuka, 
\.coniux;  —  Geiß,  \.  haedus;  —  gemein,  got  gamains,  \.  communis;  —  Gerste,  t  hor- 
deum;  —  Gerte,  got  gazds,  \.  hasta;  —  gewinnen,  \.  conor  'sich  anstrengen'  aus  *cove- 
nor;  —  gießen,  \.  fundo  mit  ^/-Erweiterung  gegenüber  gr.  yj«)  {kheo);  —  grau  l.ravus;  — 
haben,  1  habere;  —  Hals,  1.  Collum;  —  aschw.  harger  'Opferstätte',  1.  carcer;  —  {Hase), 
ahd.  hasan  'grau,  glänzend',  1.  canus;  —  heben,  got.  hafjan,  1.  capio;  —  ags.  heden  'Koch- 
geschirr', 1.  catinus  'Napf,  Flasche,  Schüssel';  —  heuer,  1.  hornus;  —  got.  hidre  'hierher', 
1.  citrd;  —  Hirsdi,  ahd.  hiru3,  1.  cervus;  —  got.  hlaiw  'Grabhügel',  mhd.  le,  1.  clivus;  — 


§  83.  Germanisch-keltische  Gleichungen.  107 

ahd.  horsc  'rasch',  1.  coruscus  'schwankend,  zitternd';  —  Huhn,  I.  ciconia  'Storch';  — 
Hürde,  1.  cratis;  —  e.  hill,  ags.  hyll,  1.  collis;  —  irren,  I.  errare;  —  an.  kleiss  'stammelnd', 
\.  blaesusl;  —  an. /f/o^  'Schwertknauf',  \.  gladius;  —  Kuss,  X.basiuml;  —  lang,  \.  lon- 
gus;  —  e.  law,  1.  lex;  —  Leim,  Lehm,  1.  limus  'Bodenschlamm';  —  Leiste,  1.  litus  'Strand';  — 
linde,  1.  lentiis;  —  Lippe,  1.  labium;  —  an.  liiär  'Mchltrog',  1.  Unter  'Kahn,  Trog';  —  Mast, 
\.  malus;  —  Metze,  \.  modiiis;  —  dh(\.  munt  'Hand',  \.  manus;  —  nackt,  got.  naqaps,  1. 
nudus  aus  *nogwedos  (Suffix!);  —  neigen,  got.  hneiwan,  1.  conivere;  —  nein,  1.  noenum;  — 
Nestel,  1.  nodiis;  —  Nuß,  1.  nux;  —  an.  ördugr  'steil',  1.  arduus;  —  Rede,  got.  rapjo  'Rech- 
nung, Zahl',  1.  ratio  (entlehnt?);  —  Regen,  1.  rigare  'bewässern';  —  got.  rikan  'anhäufen', 
1.  rogus  'Scheiterhaufen';  —  Rispe,  1.  crispus;  —  an.  sattr  'versöhnt',  1.  sacer;  —  sdiwarz, 
\.  sordes  'Schmutz';  —  Sdiwefel,  l.  sulpur;  —  sdiwellen,  Schwall,  \.  salum  'Strömung  des 
Flusses,  hohe  See';  —  sdiwer,  \.  serius  'ernsthaft';  —  ahd.  intseffen  'einsehen',  \.  sapio 
'schmecken';  —  got  seipus  'spät',  \.  setius  'weniger';  — ■  got  anasilan  'nachlassen,  auf- 
hören, stillwerden',  1.  silere;  —  got.  simle  'einst,  vormals',  1.  semel;  —  sinnen,  1.  sentio 
'fühle';  —  zhd.  skira  'Besorgung,  Geschäft',  e.  shire,  \.  cura;  —  Spedit,  \.  picus;  —  got. 
stiwiti  'Erdulden,  Geduld',  \.  Studium;  —  Gestrüpp,  1.  rubus  'Brombeerstaude';  —  Sühne, 
1.  Sanas;  —  anord.  tigenn  'vornehm',  1.  dignus;  —  got  pahan,  1.  taceo;  —  Wabe,  \.  favus 
aus  *wafos;  —  wahr,  \.  verus;  —  waten,  l.vado;  —  got  wulpus  'Herrlichkeit',  \.voltus, 
vultus;  —  Wurm,  1.  vermis;  —  wüst,  1.  vastus;  —  Zehe,  1.  digitus,  (hal)lux  aus  *haldoix; 

—  zeigen,  ahd.  zeigon,  1.  -dicare;  —  zeihen,  1.  dico;  --  Herzog,  1.  dux;  —  ziehen,  tduco; 

—  ahd.  2r 0^0/2  'ziehen',  1.  ducare;  —  Zucht,  1.  ductio;  —  Zunge,  1.  lingua;  —  Zweifel,  1. 
duplus;  —  Zwirn,  1.  bini. 

Die  Fülle  dieser  Beispiele  wird  überraschen  und  hat  mich  seinerzeit 
überrascht.  Ich  habe  damals  aber  nicht  die  übrigen  partiellen  Gleichungen 
zur  Hand  gehabt  und  mußte  daher  zu  falschen  Schlüssen  kommen.  Wir 
werden  sehen,  daß  in  den  andern  Gruppen  die  Anzahl  gleichfalls  nicht 
gering  ist. 

§  83.    Germanisch-keltische  Gleichungen. 

Literatur:  Kluge,  Urgermanisch  7;  MuCH,  Deutsche  Stammeskunde,  Sammlung 
Goeschen  1900,  S.  44  ff. 

Von  den  keltisch-germanischen  Entsprechungen  ist  es  nicht  immer  leicht 
zu  sagen,  wie  sie  sich  zueinander  verhalten.  Da  wir  jedenfalls  keltische 
Lehnwörter  in  unsrer  Sprache  haben,  die  die  Lautverschiebung  mitgemacht 
haben  —  sei  es,  daß  die  Lautverschiebung  erst  nach  der  Entlehnung  ein- 
trat, sei  es,  daß  wir  es  mit  Lautersetzung  zu  tun  haben  — ,  so  läßt  sich 
zwischen  Urverwandtschaft  und  Entlehnung  aus  lautlichen  Gründen  nicht 
hinreichend  sicher  entscheiden.  Man  wird  daher  den  Gesichtspunkt  mit 
heranziehen  müssen,  wie  weit  die  Worte  in  Raum  und  Zeit  verbreitet  sind, 
wie  weit  sie  Ableitungen  bilden  und  überhaupt  im  Kreise  verwandter  Worte 
stehen.  Betrachtet  man  diesen  Gesichtspunkt,  so  sinkt  die  Schale  sehr  zu- 
gunsten der  Annahme  von  Entlehnung.  Dazu  kommt,  daß  sich  die  Worte 
auf  gewisse  kulturelle  Erscheinungen  beziehen,  so  daß  auch  hierdurch  der 
Verdacht  der  Entlehnung  gefördert  wird.  Ich  habe  das  Werk  von  Stokes 
durchgesehen  und  daraus  notiert,  was  mir  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
urverwandt  zu  sein  schien. 

got.  agls  'unschicklich,  schimpflich',  ir.  äil  (aus  *agli)  'Schimpf;  —  Apfel,  ir.  aball, 
uball  f. ;  —  Auge,  ir.  uag  f.  'Höhle,  Grab' ;  —  as.  underbadon  'erschrecken',  ir.  fo-bothaim 


108    Fünftes  Kapitel.  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

'constcrnor';  —  ahd.  bagan,  ir.  bagim  'streite';  —  Beute,  ir.  buaid;  —  ags.  breard  'Spitze', 
BorJ 'Scliiffsrand',  ir.  *ro/ 'Stachel';  —  brennen,  ah.  brennim  'sprudelt';  —  bringen,  kymr. 
/i^-^Tt.:'/;^ 'dcduccre';  —  an.  (/d/Ar 'Mantclspangc',  d.DoldiQ),  ir.  de/g 'Dorn' ;  —  ags.  deorc 
'dunl<elfarbig',  ir.  derg  'rot';  —  didi,  '\r.  tiiig;  —  drüdien,  \r.  truag  'elend';  —  go{.  dulgs 
'Schuld',  ir.  J/zX'«?«/ 'Pflicht,  Gesetz,  Recht';  abg.  dlügil  ist  wohl  entlehnt;  —  Durst,  \r.tart; 

—  ags.  ear  'humus',  ir.  ur  'Erde,  Lehm';  —  got.  -ei,  ir.  -/,  suffigiertes  Relativpronomen;  — 
Eid,  ir.  oeth;  —  Erbe,  \r.orbe  Suffix!;  —  Faden,  akyrwr.  cteni;  —  Flur,  \r.  lar  'Flur, 
Boden':  —  fredi,  kymr.  rhewydd  'lascivia,  lascivus";  —  frei,  kymr.  rhydd  'frei',  Bedeutung!; 

—  (jabet,  ir.  gabul  'gegabelter  Ast,  Gabel';  —  Geisel,  ir.  giall;  —  Grat,  ir.  gart  'Haupt'?; 

—  ähd.  hader-,  gaW.  catu-  'Kampf;  —  Hag,  Hedte,  akymr.  fa/o«  'munimenta';  —  Held, 
ir.  calath  'hart';  —  an.  hella  'platter  Stein,  Schiefer',  kymr.  caill  'testiculus';  —  got.  hlei- 
duma,  ir.  de  'link';  —  an.  hrekja,  ir.  credit  'Wunde';  —  an.  hruga  'Hauie',  ir.  cruadi;  — 
ahd.  inadiri  'Eingeweide',  mir.  inathar;  —  ahd.  jiht  'Aussage,  Bekenntnis",  kymr.  iaith 
'Sprache';  —  ahd.  klenan  'kleben,  schmieren',  ir.  glenim  'bleibe  hangen';  —  klug,  ir.  glic 
'klug,  schlau' (?);  —  lasdi,  ir.  läse  'schlaff,  träge';  —  Latte,  ir.  slat,  kymr.  llath -Rutt';  — 
Laus,  akymr.  leu-eseticc  'von  Läusen  zerfressen';  —  Leder,  ir.  lethar;  —  Letten,  xr.lathadi 
'Schlamm';  —  got.  liugan  'heiraten',  ir.  luge  'Eid,  Schwur';  —  Lot,  ir.  luaide  'Blei';  — 
got.  lubja-  'Gift',  ir.  luib  'Kraut,  Strauch,  Pflanze' ;  —  ahd.  ludara  'Windel',  kymr.  Ilawdr 
'bracae;  —  Mähre,  ir.  marc,  gall.  marka;  —  mandier,  got.  manags  'viel',  ir.  menicc  'häufig, 
reichlich',  abg.  münogä  ist  wohl  entlehnt;  —  dän.  manke,  ir.  mong  'Mähne';  —  Meudiel-, 
\r.  ru-mugsat  'suffoderunt,  i.  e.  abscondiderunt';  —  ahd.  gameit  'stoiidus,  jactans',  ir.  miad 
'fastus';  —  Mildi,  ir.  nielg;  —  miß-,  ir.  mis-;  —  mürbe,  ir.  meirb;  —  got.  anananpjan 
'wagen',  ir.  neit  'Kampf;  —  ahd.  nusca  'Spange,  Schnalle',  ir.  nasc  'Ring';  —  Rain,  bret. 
reun,  run  'Hügel';  —  Rast,  ir.  arus,  'Wohnung' (?);  —  mhd.  reben  'sich  bewegen,  rühren', 
xr.reb  'Spiel,  Tücke';  —  reiten,  ir.  riadaim  'fahre';  —  ahd.  n/n  'Zahl',  ir.  do-rimu  'enumero'; 

—  Rinde,  ir.  rinde  'hölzerner  Eimer';  —  got.  rodjan  'reden',  ir.  noraidin  'sage';  —  t.  roof 
'Dach',  ir.  cro  'Gehege,  Stall,  Hütte';  —  Radien,  ir.  crocenn;  —  Rune,  ir.  run  'Geheimnis'; 

—  Rüster,  ir.  ruaim  'Erle' ;  —  sdiinden,  abret.  scant  'Schuppe' ;  —  sdiwank,  ir.  seng 
'sch\ar\g';  —  sdiwimmen,  kymr.  fl'ia/>'/ 'motus';  —  gesdiwind,  got  swinps 'siarV.',  ir.  fetaim, 
setaim  'ich  kann' ;  —  got.  sinps  'Weg',  ir.  set  'Weg' ;  —  got.  skeima  'Leuchte',  ir.  sciam  'Schön- 
heit'; —  c.  splint  'Splitter',  ir.  slind  'imbrex,  pecten';  —  Streifen,  ir.  sriab;  —  got  tils 
•passend',  ir.  dil  'angenehm';  —  Topf,  ir.  dabadi;  —  traut,  ir.  druth  'meretrix'.  kymr.  drud 
'carus';  —  Wagen,  ir.  fen;  —  Weidwerk,  ir.  fiad  'Wild';  —  Wert,  air.  früh-  'gegen';  — 
widieln,  ix.  figim  'webe';  —  wild,  kymr.  gwyltt  'ferus,  indomitus,  sylvestris';  —  ahd.  witu 
'Holz',  ir.  fid  'Baum.  Holz';  —  Zaun,  e.  town,  gall.  dunon;  —  Zinne,  ir.  dind,  dinn  'Hügel, 
Höhe'(?);  —  Zitze,  ir.  did. 

Anmerkung.  Es  sind  in  diese  Liste  auch  Gleichungen  aufgenommen,  bei  denen 
ich  weiter  unten  annehme,  das  germanische  Wort  sei  aus  dem  Keltischen  entlehnt.  Da 
sich  dies  aber  nicht  mit  voller  Sicherheit  behaupten  läßt,  so  mußten  sie,  als  möglicher- 
weise doch  urverwandt,  hier  ihre  Stelle  finden.  Meine  Liste  wird  dadurch  um  ein  paar 
Nummern  länger.  Wir  werden  aber  sehen,  daß  dies  gar  keine  Bedeutung  hat.  Außerdem 
befinden  sich  unter  den  angegebenen  Entsprechungen  ein  paar  recht  unsichere.  Auch 
diese  habe  ich  absichtlich  aufgenommen. 

§  84.    Germanisch-litu-slawische  Gleichungen. 

Literatur:  J.Schmidt,  Verwandtschaftsverhältnisse  S.  36ff.  (veraltet);  Kluge,  Grund- 
riß der  germ.  Phil.2  1,360  (bedarf  der  Berichtigung);  in  der  neuen  Auflage  ist  die  Liste 
stark  gekürzt;  Uhlenbeck,  Btr.  22,  539  ff. 

Die  engere  Zusammengehörigkeit  des  Germanischen  mit  dem  Litu- 
Slawischen  wurde  schon  vor  langer  Zeit  vermutet,  und  diese  Ansicht  hat 
sich  jahrelang  einer  unbedingten  Anerkennung  zu  erfreuen  gehabt.   Ich  kann 


§  84.  Germanisch-litu-slawische  Gleichungen.  109 


ihr  in  Übereinstimmung  mit  den  meisten  Forschern  nicht  zustimmen,  da 
sich  in  Laut-  und  Flexionslehre  keine  derartigen  besondern  Berührungs- 
punkte auffinden  lassen,  daß  man  auf  ihnen  ein  Gebäude  von  solcher 
Mächtigkeit  errichten  könnte.  Es  bleiben  also  die  Berührungen  im  Wort- 
schatz, die  indessen  auch  nicht  über  das  Maß  dessen,  was  wir  erwarten 
dürfen,  hinausgehen. 

ander,  lit.  antras;  —  Aas  'Viehfutter',  ahd.  03,  lit.  edis,  abg.Jadi  'Speise';  —  got.  barn 
'Kind',  lit.  bernas  'Knecht,  Jüngling';  —  ags.  bearu  'Wäldchen',  abg.  borü  'pinus';  —  got. 
biuhts,  \\i.  jnnktas;  —  ags.  blat  'bleich',  abg.  bledü;  —  blind,  lit.  bl{sta  'es  wird  Abend'; 

—  ags.  brigdel  'Zügel',  abg.  brüzdä;  —  Dorsdi,  russ.  treskü;  —  got.  driiigan  'Kriegsdienste 
tun',  lit.  draügas,  abg.  drugii  'Gefährte';  —  ahd.  elbi-^,  abg.  lebedi  'Schwan';  —  Ernte,  got. 
asans  'Erntezeit',  apreuß.  assanis,  abg.  jeseni  'Herbst';  —  Espe,  lit.  apusis,  russ.  osina, 
vgl.  aber  Liden,  Idg.  Forsch.  18,  490;  —  Faust,  abg.  pcstX;  —  got.  fon,  apreuß.  panno 
'Feuer';  —  frisdi,  ahg. presinü;  —  Geiz,  lit.  geid'z'ü  'begehre',  abg.  Uda  'erwarte';  —  Gerte, 
abg.  zrl.di  'dünne  Stange';  —  ags.  gleo,  gleam  'Kurzweil',  \\\.  glaudas;  —  gleidi,  lit.  ligus 
'gleich';  —  graben,  leit  grebt  'schrapen,  aushöhlen',  abg.  greba  'grabe';  —  n<\\.  grendel 
'Balken',  abg.  gredu;  —  greifen,  lit.  gtieb'ii;  —  Hacksdi,  'unverschnittener  Eber', 
Hagen  'Zuchtstier',  abg.  kocanü  'männliches  Glied';  —  got.  hairpra  'Eingeweide',  abg. 
cresla;  —  Harm,  abg.  sramu  'Scham,  Schande';  —  anord.  hauss  'Schädel',  lit.  k'äuse;  — 
helfen,  lit.  selpti;  —  ahd.  hemera  'Nießwurz',  abg.  cemeri;  —  Hödzer,  ahA.hovar,  lit.  kitprä 
'Höcker';  —  anord.  hros  "Lob,  Ruhm',  abg.  krasa  'Schönheit';  —  ahd.  hriubi  'Scabies',  lett. 
kraupa  'Grind';  —  got.  harjis  'wer  von  mehreren',  lit.  kuris  'welcher';  —  ahd.  ilgi  'Hunger', 
Mi.  isalkis;  —  noxsu.  kage  'niedriger  Busch',  Wi.zagaras  'dürrer  Ast';  —  kauen,  abg.  zwq; 

—  Klafter,  \\i.  giebls  ' kxmvoW ,  lit.  globti  'umarmen';  —  an.  klökkr  'schwach,  gebrechlich', 
lit.  gleznus  'weich,  schwach,  zart';  —   knete,  ahg.  gnetq;  —  Ladis,  Wt.  laH^ä,  russ.  lösosi; 

—  d.  lähmen,  abg.  lomiti  'brechen';  —  lesen,  lit.  lesti  'Körner  aufpicken';  —  got.  lewjan 
'preisgeben',  lit.  l'äuti  'aufhören';  —  e.  limb  'Glied',  lit.  liemuö  'Baumstamm,  Körper';  — 
Lo(ke,  lit.  lugnas  'biegsam';  —  got.  malma  'Sand',  zermalmen,  lit.  melmuö  'Nierenstein';  — 
Masdie,  lit.  mäzgas  'Knoten';  —  got.  naus,  abg.  navl  'Leiche',  apreuß.  nowis  'Rumpf;  — 
got.  biniuhsjan  'ausspähen',  russ.  njüdiatl  'riechen,  schnüffeln';  —  Nutzen,  lit.  naudä;  — 
Pfuhl,  lit.  bald  'Bruch',  abg.  blato  "Sumpf  (?);  —  poltern,  lit.  beldeti  'klopfen' ;  —  prickeln, 
lit.  brH'u  'kratze';  —  Qual,  lit.  gelä  'heftiger  Schmerz';  —  Quappe,  apreuß.  gabawo  "Kröte', 
ahg.  zaba  'Frosch';  —  Rahe,  lit.  r ekles  'Stangengerüst  zum  Trocknen';  —  reidien,  lit. 
räizitis  'sich  recken';  —  Ring,  ahg.  krqgä,  aber  auch  ai. 'irö^/za/a- 'Kette'  ; —  Rippe,  abg. 
rebro;  —  Rogen,  lit.  kurkulal,  russ.  krjakü  'Froschlaich';  —  ags.  rot  'freudig,  froh',  abg. 
radü  'gern';  —  Rumpf,  abg.  rqbä  'Tuch,  Gewand';  —  ahd.  skalm  -Kahn',  abg.  clünii;  — 
d.  scheinen,  abg.  sinqti;  —  sdilingen,  Sdilange,  lit.  slihkti  'schleichen',  abg.  slqku  'krumm'; 

—  Sdinabel,  lit.  snäpas;  —  sdireiten,  lit.  skrindu,  skristi  'schnell  laufen,  fliegen';  —  an. 
sikr  'Schnäpel',  russ.  sigä,  lett.  siga;  —  got.  skewjan  'wandern',  lit.  suolials  'im  gestreckten 
Galopp';  —  Spanferkel,  mhd.  spen  'Mutterbrust',  lit.  spenis  'Saugwarze';  —  ags.  sot,  lit. 
södis,  abg.  sazda  'Ruß';  —  Stab,  lit.  stäbas  'Götzenbild';  —  Stein,  abg.  stena  'Mauer';  — 
Stör,  lit.  er sketras,  aprtn^.  esketres,  russ.  osetrü;  —  ndl.  stront  'iaeces\  ahg.  trqdil  'Art 
Krankheit';  —  Stute,  ahg.  stado  'Pferdeherde';  —  Sdiwein  'Hirt',  ahd.  geswio  'Schwager, 
Schwestermann',  lit.  svalnis  'des  Weibes  Schwestermann';  —  Teil,  abg.  dein;  —  norw.  tira 
'gucke,  spähe',  lit.  dirsti  'hervorgucken';  —  Tobel,  abg.  dupll  'hohl';  —  got.  peih'ö  'Donner', 
abg.  ^flca 'Sturzregen';  —  anord.  pidurr,  lit.  tetervinas,  ahg.  tetrevi 'Vogelart' ;  —  got.  plus 
'Knecht',  d.  in  Demut,  lett.  teksnis  'Aufwärter';  —  anord.  pömb,  lit.  timpa  'Sehne';  —  got. 
propjan  'üben',  abg.  tratiti  'verbrauchen,  ausgeben';  —  an.  pungr  'schwer',  abg.  tegota 
'Schwere';  —  Wadis,  ahg.  voska  (lit.  väskas  entlehnt);  —  got.  wairilo  'Lippe',  apreuß. 
warsus;  —  Wedi,  lit.  vagis  'Keil';  —  Welle,  lit.  vilnis,  abg.  vlüna;  —  Wetter,  abg.  vedro 


1 10    Fünftes  Kapitel,  Das  Alter  der  Worte.  Die  indogermanischen  Bestandteile. 

'gutes  Wetter';  —  Giebel,  ahd.  wibil  'Käfer',  \\{.  väba/as;  —  Wicht,  got.  waihts  'Sache'» 
abg.  vesti;  —  zwölf,  lit.  dvilika. 

Zweifellos  wird  sich  dieses  Material  noch  vermehren,  sobald  wir  nach 
Vollendung  von  Bernekers  Werk  ein  ausreichendes  etymologisches  Wörter- 
buch der  slawischen  Sprachen  besitzen.  Aber  es  ist  kaum  wahrscheinlich, 
daß  er  so  wachsen  wird,  wie  es  nötig  wäre,  um  darauf  die  Annahme 
näherer  Verwandtschaft  zu  gründen. 

§  85.  Germanisch-arische  Gleichungen.  Zwischen  dem  Germanischen  und 
dem  Arischen  hat  noch  niemand  besonders  nahe  Beziehungen  innerhalb  der 
indogermanischen  Sprachen  vermutet.  Es  dürfte  daher  die  Anzahl  von 
Gleichungen,  die  wir  nur  in  diesen  beiden  Sprachen  antreffen,  ein  Maßstab 
dafür  sein,  was  wir  überhaupt  zu  finden  erwarten  dürfen.  J.  Schmidt  hat  in 
seinem  Werke  S.  50  nur  fünfzehn  derartige  Gleichungen  zusammenbringen 
können,  und  dieser  Zahl  gegenüber  mußten  allerdings  die  sechzig  bis 
hundert  Gleichungen,  die  er  sonst  nachzuweisen  imstande  war,  stark  in  die 
Wagschale  fallen.  Ich  war  daher  selbst  erstaunt  über  die  beträchtlich  größere 
Anzahl,  die  sich  bei  näherer  Untersuchung  ergab.  Eine  Fehlerquelle  kann 
ich  aber  nicht  entdecken. 

got.  afar  'hinter',  ai.  äparam  'nachher';  —  an.  agn  'Lockspeise,  Köder',  ai.  äsanam 
'Speise';  —  got.  aljan  'Eifer',  ai.  arih  'verlangend';  —  an.  all  'Keim,  Keimblatt',  ai.  aukurdh 
'Sproß,  junger  Schoß';  —  an.  ama  'plagen',  ai.  ämiti  'dringt  an,  bedrängt';  —  Alp,  ai.  ^bhi'ih 
'geschickt';  —  Atem,  ai.  atmä  'Hauch';  —  Auer,  ai.  usräh  'Stier';  —  bitter,  ai.  bhidräh 
'zerspaltend'  (unbelegt);  —  got.  bleil)s  'freundlich,  barmherzig',  ai.  mritjati  'löst  sich  auf; 

—  Bremse,  ai.  bhramaräh  'Biene';  —  mhd.  diehter  'Enkel',  ai.  tokdm  'Nachkommenschaft, 
Kinder';  —  an.  drak  'Streifen',  ai.  dhräjas  'Streichen,  Zug':  —  ags.  dyn  'Lärm',  ai.  dhünih 
'rauschend';  —  eigen,  ai.  ts'e  'hat  zu  eigen';  —  Eis,  awest.  isav-  'eisig';  —  an.  eisa  'einher- 
stürmen",   a\.  i'<ate  'enteilen,  fliehen";    —   &\\A.  enka  'Schenkel',  ai.  äugam  'Glied,  Körper'; 

—  ags.  ent  'Riese',  ai.  ädrih  'Stein,  Fels';  —  Felber,  oss.  färw  'Erle';  —  feucht,  ai. 
päijkam  'Schlamm';  —  flink,  ai.  sphuliugah  'Funke';  —  Flins,  Flinte,  ags.  flint  'Kiesel', 
ai.pindah  'runde  Masse';  —  an. /ramT 'Schaum',  ai.  pröthati 'schnauhi' ;  —  Frohn,  got. 
fräiija  'Herr',  ai.  purvjah  'vorderer';  —  Futter,  got.  fodr  'Scheide',  ai.  pätram  'Behälter, 
Gefäß';   —   ags.  hafola  'Kopf,  ai.  kapälam  'Schale,  Hirnschale";   —   Häher,  ai.  sikharäh 

'spitzig';  —  got.  hairus  'Schwert",  ai.  süruh  'Geschoß"; heit,  got.  häidus  'Art  und  Weise', 

ai.ketiih  'Lichterscheinung,  Helle';  —  heiter,  ai. citräh  'glänzend';  —  Helm,  ai.  sdrma  'Schirm"; 

—  Herde,  ai.  sardhah  ;  —  mhd.  hirmen  'ruhen,  rasten',  ai.  srämjati  'wird  müde';  —  an. 
hrekja  'quälen',  a\.  karjati  'quält";  —  got.  hrisjan  'schütteln",  ai.  kridati  'spielt';  —  Huf, 
ahd.  saphäh;  —  got.  -hun,  ai.  canä,  Partikel;  —  got.  hundafaps  'Herr  von  hundert',  ai. 
satäpatili;  —  got  fvapjan  'schäumen',  ai.  kvdthaii 'kocht,  siedet';  —  is\.  hvoma  'gierig 
verschlingen',  a\.  camati  'schlürft';  —  an.  kalfe  'Wade',  ai.  gulphüh  'Fußknöchel';  —  got. 
kilpei  'Mutterleib',  ai.jathäram  'Bauch';  —  as.  kniobeda  'Gebet  auf  den  Knien',  ai.jnubädh 
'die  Knie  beugend';  —  ags.  colt  'junges  Es^füllen',  ai.  gardabhüh  'Esel';  —  Kram,  ai. 
grämah  'Schar,  Haufe,  Gemeinde",  vgl.  aber  auch  abg.  gramada  'Haufe';  —  Lehen,  ai. 
'reknah  'ererbter  Besitz,  Eigentum,  Habe";  —  got.  leipan  'gehen',  d.  leiten,  awest.  raep 
sterben";  —  Unk,  ai.  lauga-  'lahm';  —  Lünse,  ai.  anih  'Achsennagel';  —  got.  mawilö 
'Mädchen',  ai.  mahila  'Frau';  —  ags.  molda  'Kopf,  ai.  mürdhä  'Stirn,  Vorderkopf;  — 
nieder,  ai.  nitaräm  'unterwärts,  gesenkt';  —  an.  örr 'Narbe',  ai.  äruh  'Wunde';  —  got.  qens 
'Weib',  ai.Janih  (Suffix!):  —  mhd.  räm  'Schmutz,  Ruß',  ai.  rämäh  'dunkelfarbig,  schwarz'; 

—  got.  reiran  'zittern",  ai.  leläjati;  —  Reute,  awest.  raoiSja-  'urbar  zu  machen";  —  Sahn 


§  85.  Germanisch-arische  Gleichungen.  §  86.  Schlussfolgerungen.        1 1 1 


a\.  sänuh  'Oberstes  eines  Dinges';  —  schartig,  ai.  ^/za^//i 'Scharte'  (unbelegt);  —  Sdinake, 
engl,  snake  'Schlange',  ai.  nagä'i  'Schlange';  —  Schrulle,  ai.  krudhjate  'zürnt';  —  Schwager, 
ai.  svasnrah;  —  mhd.  selken  'tröpfelnd  niederfallen',  ai.  srjäti  'entläßt,  schießt,  läßt 
fliehen'{?);  —  Sippe,  ai.  sabhä  'Versammlung';  —  Sorge,  a\.  sürk<ati  'kümmert  sich';  — 
got  spaiirds  'Rennhahn',  a\.  sprdh  'Wetteifer,  Kampf;  —  stark,  ptrs.  sutnrg;  —  Strick,  ai. 
sräj  'Gewinde';  —  Tanne,  ai.  dhännh  'Bogen';  —  Tudi,  ai.  dhvajäh  'Fahne';  —  mh.  turst 
'Kühnheit',  ai.  dhf.UHi;  —  got.  papro  'dorther',  ai.  tdträ  'dort';  —  und,  ai.  citha  'weiter';  — 
wacker,  ai.  väjrah  'Donnerkeil';  —  Wahl,  ai.  värah  'Wunsch.  Wahl';  —  Wald,  ai.  vatah;  — 
ahd.  walni,  ai.  ürmlh  'Woge';  —  as.  wanatn  'glänzend',  ai.  vamdh  'lieb,  lieblich';  —  Wanst, 
ai.  vaniiti'ih  'Mastdarm';  —  Ware,  ai.  vanik  'Kaufmann';  —  weiß,  ai,  svitnah;  —  wieder, 
a\.  vitaräm;  —  goi.  wripus  'Herde',  a\.  vrätah  'Haufe,  Schar';  —  wünschen,  a\.  vämhati; 
—  an. ylgr,  a\  vrkih  'Wölfin';  —  a\\<\.  zorft  'hell',  ai.  ddrpanah  'Spiegel';  —  ahd.  zouwen 
'fertigmachen,  bereiten',  ai.  duväh  'hinausstrebend,  unruhig'. 

Ich  verzichte  darauf,  die  germanisch-griechischen  Gleichungen  zusammen- 
zustellen. Aber  wer  dies  nachholen  wird,  dürfte  finden,  daß  auch  hier  die 
Zahl  beträchtlicher  ist,  als  man  bisher  annahm. 

§  86.  Schlußfolgerungen.  Diese  Listen  sind,  denke  ich,  lehrreich  genug. 
Wir  finden  102  lateinisch-germanische,  87  keltisch-germanische,  94  litu- 
slawisch-germanische  und  88  arisch-germanische  Gleichungen.  Diese  Zahlen 
können  sich  natürlich  durch  neue  Entdeckungen,  Hinzukommen  übersehener 
Gleichungen  etwas  verschieben,  aber  doch  nicht,  wie  ich  glaube,  so  weit, 
daß  sich  auffallend  große  Verschiedenheiten  in  den  Zahlen  ergeben,  Ver- 
schiedenheiten, die  uns  wirkliche  Schlüsse  erlaubten.  Man  wird  also  nun 
wohl  einsehen,  daß  sich  eine  nähere  Verwandtschaft  des  Keltischen  oder 
des  Litu-slawischen  mit  unserm  Sprachstamm  mit  Hilfe  der  partiellen 
Gleichungen  nicht  begründen  läßt,  und  daß  die  partiellen  Gleichungen 
keine  besondere  Bedeutung  haben.  Diese  sind  ebensogut  indogermanisch 
wie  alle  andern,  und  die  übrigen  Sprachen,  die  nicht  daran  teilnehmen, 
werden  die  Worte  auch  besessen,  aber  wieder  verloren  haben. 

Sobald  wir  also  ein  Wort  des  Germanischen  in  einer  andern  indo- 
germanischen Sprache  nachgewiesen  haben,  so  spricht  alle  Wahrscheinlich- 
keit dafür,  daß  es  indogermanisch  war.  Damit  ist  dann  seine  weitere  Er- 
klärung jener  ältesten  für  uns  erkennbaren  Zeit  zugeschoben.  Manchmal 
wird  sie  gelingen,  in  vielen  Fällen  auch  nicht.  Wir  haben  ferner  gesehen, 
daß  selbst  Worte  indogermanisch  sein  können,  die  nur  im  Germanischen 
nachweisbar  sind,  ja  daß  davon  eine  gewisse  Anzahl  indogermanisch  sein 
muß.  Man  könnte  diese,  wenn  man  die  Zahl  sämtlicher  partieller  Gleichungen 
hätte,  sogar  berechnen. 

Damit  können  wir  diesen  allgemeinen  Abschnitt  über  die  indogerma- 
nischen Bestandteile  unsres  Wortschatzes  schließen,  im  einzelnen  werden 
wir  später  noch  mancherlei  zu  betrachten  haben. 


112  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 

Sechstes  Kapitel. 
Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 

§  87.  Veränderung  der  Worte  im  Anlaut.  Verkürzung.  Allgemeines.  Neben 
den  Grundworten  der  Sprache,  d.  h.  solchen,  die  nicht  weiter  zerlegbar 
sind,  steht  die  große  Menge  der  Ableitungen  und  Zusammensetzungen. 
Ehe  wir  auf  diese  eingehen,  sei  noch  zunächst  auf  ein  paar  Erscheinungen 
allgemeiner  Art  aufmerksam  gemacht.  Die  Sprachwissenschaft  lehrt  jetzt 
bekanntlich,  daß  nicht  das  Wort  die  Grundlage  des  Sprechens  ist,  sondern 
der  Satz.  Wenn  man  auch  über  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  im 
Zweifel  sein  kann,  so  ist  es  doch  sicher,  daß  gewöhnlich  die  Worte  nicht 
vereinzelt,  sondern  im  Zusammenhang  mit  andern,  in  sogenannten  Sprech- 
takten stehen.  Im  besondern  werden  Artikel  und  Präpositionen  fast  stets 
mit  dem  abhängigen  Wort  vereinigt,  und  es  kann  sehr  leicht  kommen,  daß 
dabei  die  ursprüngliche  Silbengrenze  verschoben  und  so  die  eigentliche 
Herkunft  verschleiert  wird. 

So  sagt  man  in  Norddeutschland  um  un(d)  dum,  über  un(d)  düber,  was  eigentlich 
um  und  um,  über  und  über  ist.  Sobald  sich  die  Worte*  dum  und  düber  aus  diesen  Ver- 
bindungen loslösten,  würden  wir  ein  neues  Wort  haben.  Hier  ist  das  nicht  geschehen, 
wohl  aber  in  andern  Fällen.  So  ist  das  durch  Luther  in  die  Schriftsprache  eingeführte 
Otter  aus  Natter  entstanden,  offenbar,  indem  man  n  als  unbestimmten  Artikel  faßte. 
Ebenso  engl,  adder.  Aus  Nachen  ist  am  Mittelrhein  Adie  geworden.  Nd.  Olm  'Holz- 
fäulnis' ist  aus  Molm  entstanden.    Orange  geht  auf  ai.  narauga-  'Orangenbaum'  zurück. 

Häufiger  ist  die  Hinzufügung  neuer  Elemente. 

Für  Guten  Abend  sagen  wir  Nahend,  eis.  Nowe.  Diese  Verbindung  ist  eigentlich  ganz 
fest;  nur  läßt  das  Bestehen  des  Wortes  Abend  immer  noch  den  Ursprung  erkennen.  Nieder- 
deutsch sagt  man  Mars  statt  Arsdi.  Obd.  ist  Nast  für  Ast.  Nobiskrug  'Schenke  des 
Teufels,  Hölle'  geht  auf  gr.-lat.  abyssus  zurück. 

Daß  ein  derartiges  Zusammenwachsen  in  fremden  Wörtern  besonders 
häufig  eintritt,  ist  leicht  zu  verstehen. 

So  ist  al  in  Wörtern  arabischer  Herkunft,  wie  Alkohol,  Alkoven,  Alkali  neben 
Kali,  Aldiemie  neben  Chemie  der  arabische  Artikel  al.  Der  französische  Artikel  /-  ist  in 
folgenden  Fällen  festgeworden:  labet  sein,  werden  ist  frz. /«  bete;  Lafette,  Uz.  l'affüt, 
bei  Wallhausen  1617  die  Affuite;  —  Lärm,  Alarm,  ital.  a  l'arme  'zu  den  Waffen';  — 
Lasur  geht  aui  Azur  zurück;  —  Lomber  ist  Uz.  l'hombre  von  span.  hombre  'der  Mann'. 
Vgl.  hierzu  L.  SIjtterlin  und  A.  Waag,  Deutsche  Sprachlehre  für  höhere  Lehranstalten,  1905, 
S.  45;  —  Otto  Heilig,  Angewachsene,  bezw.  losgetrennte  Teile  in  Ortsnamen,  ZfdU.  11, 
728  ff.;  Keiper,  Angewachsene  und  losgetrennte  Wortteile  in  süddeutschen  Dialektwörtern, 
ZfdU.  24,  249  ff. 

Eine  andere  Erscheinung  ist  die  auf  psychologischen  Gründen  be- 
ruhende Verkürzung  längerer  Wortgruppen.  Die  Sprache  ist  dazu  da,  etwas 
zu  vermitteln,  und  es  genügt  daher  oft  genug,  nur  einen  Teil  dessen  aus- 
zusprechen, was  man  sagen  will,  weil  man  damit  auf  ein  volles  Verständnis 
rechnen  kann.   Besonders  stellt  sich  in  gewissen  Verkehrskreisen  leicht  eine 


§  88.  Lebende  und  tote  Suffixe.  113 

solche  Verkürzung  ein.  Wir  sagen  Nabend  für  guten  Abend,  eig.  ich  wünsche 
einen  guten  Abend,  Mahlzeit  für  gesegnete  Mahlzeit.  Man  bestellt  ein 
Pilsener  beim  Kellner,  und  der  Kellner  seinerseits  bestellt  ein  Pils.  Viele 
derartiger  Verkürzungen  sind  allmählich  in  der  Sprache  ganz  fest  geworden. 
So  sagen  wir  Auto  für  Automobil;  —  Piano  für  Piano  forte,  und  haben  sogar  die 
Ableitung  Pianino;  —  aus  mhd.  eltermuoter 'Gxo2>m\i\itx'  entstand  Elter,  aus  \\d\.viola 
da  braccio  (Armgeige)  Bratsche,  aus  viola  di  gamba  (Bein)  Gambe,  aus  engl,  terrierdog 
Terrier.  'Weiter  Tram  aus  Trambahn;  —  Trampel  'ungeschicl<ter  Mensch'  aus  Trampel- 
tier; —  Wehrmann  aus  Landwehrmann;  —  Z,e/5 'geisthches  Lied'  aus  mhd.  kirleis  von 
gr.  xvQiE  iUrjaov  {kyrie  eleceson  'Herr,  erbarme  dich');  —  Hälfe  'Halbbauer',  aus  Half- 
winne;  —  Kerf  aus  Kerbtier;  —  Kilt  'Nachtbesuch',  ahd.  kwilti  werk  'Abendwerk'. 

Nunmehr  kommen  wir  zu  den  Ableitungen  und  Zusammensetzungen. 
Wir  haben  darin  zwei  Mittel,  durch  die  die  indogermanischen  Sprachen 
von  jeher  imstande  gewesen  sind,  neue  Worte  zu  bilden,  und  gegenüber 
diesen  beiden  wortbildenden  Mitteln  tritt  das  der  Urschöpfung  ganz  be- 
trächtlich zurück.  Während  die  Möglichkeit  der  Zusammensetzung,  nament- 
lich im  Deutschen,  nahezu  unbegrenzt  ist,  und  deshalb  auch  nur  an- 
deutungsweise gestreift  werden  kann,  erfordern  die  Ableitungen  eine  etwas 
eingehendere  Betrachtung.  Natürlich  gehen  eine  ganze  Reihe  von  abgelei- 
teten Wörtern  in  die  indogermanische  Grundsprache  zurück.  Aber  darauf 
kommt  es  uns  hier  weniger  an  als  auf  die  wortbildenden  Teile  selbst. 

Anmerkung.  Der  Ausdruck  'Suffix',  der  als  Bezeichnung  der  wortbildenden  Teile 
geläufig  ist,  hat  in  neuerer  Zeit  zu  Bedenken  Anlaß  gegeben.  Der  Ausdruck  suffixus  'an- 
gefügt' veranlaßt  leicht  zu  der  Meinung,  daß  es  sich  bei  den  Suffixen  um  einst  selbständige 
angetretene  Wörter  handele.  Das  trifft  zwar  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  zu,  aber  nicht 
in  allen.  Meines  Erachtens  liegt  kein  Grund  vor,  das  Wort  deshalb  aufzugeben.  Jedenfalls 
sollte  man,  wenn  man  es  durch  ein  anderes  ersetzen  will,  ein  deutsches  Wort  dafür  ge- 
brauchen. Mit  den  neuerdings  vorgeschlagenen  Ausdrücken  Formans,  formantisdi  oder 
Formativ  kann  ich  mich  nicht  befreunden. 

§  88.  Lebende  und  tote  Suffixe.  Bei  den  Ableitungen  der  Worte  besteht 
ein  wesentlicher  Unterschied  im  Hinblick  auf  unsere  Zwecke,  ich  meine 
die  geschichtliche  Entwicklung  des  Wortschatzes,  nämlich  der,  ob  mit  einer 
Ableitung  noch  immer  neue  Worte  gebildet  werden  können  oder  nicht,  ob 
ein  Suffix,  wie  wir  wissenschaftlich  zu  sagen  pflegen,  produktiv,  lebend 
ist  oder  nicht.  Ein  paar  Beispiele  mögen  das  veranschaulichen.  Ein  Suffix 
ist  produktiv  oder  lebendig,  wenn  man  imstande  ist,  damit  neue  Worte  zu 
bilden.  Das  gilt  z.  B.  von  -ieren  —  denn  Worte  wie  telegraphieren,  tele- 
phonieren  sind  sicher  jung  — ,  ebenso  wie  von  -ler,  z.  B.  Freischärler, 
Autler.  Andere  dagegen  sind  unproduktiv,  tot.  So  bildete  man  in  früherer 
Zeit  mit  -t  weibliche  Abstrakta,  z.  B,  Macht  von  mögen,  Kunst  von  können, 
Gunst  von  gönnen,  Vernunft  von  vernehmen,  List  von  einem  Verb  got. 
lais  'ich  weiß',  Gift  'Gabe'  von  geben,  -dürft  in  Notdurft  von  dürfen, 
Flucht  von  fliehen,  Ankunft  von  kommen,  Schuld  zu  sollen.  Fahrt  zu  fahren, 
Tat  zu  tun.  Statt  zu  stehen,  Saat  zu  säen,  Glut  zu  glühen,  Blut,  Blüte 
zu  blühen,  Naht  zu  nähen.   Sucht  zu  siech,   Zucht  zu  ziehen,   Geduld  zu 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  8 


114  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 

lat.  tuU  usw.  Sind  auch  diese  Bilduiii^en  noch  ziemlich  zahlreich,  so  ist 
es  doch  seit  geraumer  Zeit  nicht  mehr  möglich,  neue  Wörter  auf  diese 
Weise  hervorzubringen. 

Können  wir  also  feststellen,  wann  ein  Suffix  aufgehört  hat,  produktiv 
zu  sein,  so  haben  wir  damit  die  Zeit  festgelegt,  vor  welcher  ein  Wort,  das 
mit  diesem  Suffix  versehen  ist,  gebildet  sein  muß.  Sehen  wir  umgekehrt 
im  Laufe  der  Zeit  ein  Suffix  erst  entstehen  und  produktiv  werden,  so  haben 
wir  damit  den  Zeitpunkt,  nach  welchem  ein  Wort,  das  dieses  Suffix  zeigt, 
gebildet  sein  muß.  Auch  hier  ein  Beispiel.  Im  Urgermanischen  konnte  man 
von  Verben  durch  ein  «-Suffix  Nomina  agentis  bilden,  z.  B,  Bote  zu  fielen, 
Gehilfe,  Steinmetz,  alid.  steinniezzo  zu  got.  maitan  'behauen',  Nac/ikommey 
Blindschleiche,  ahd.  blintslidio,  Anwalt,  ahd.  anawalto,  Herzog,  ahd.  heri- 
zogo,  Sdienkc,  Scherge  zu  Schar,  Heuschrecke,  Schurke  zu  ahd.  firskurgan 
'verstoßen'.  Diese  Bilduiigsweise  steht  in  althochdeutscher  Zeit  in  voller 
Blüte,  mittelhochdeutsch  kommen  noch  einige  neue,  früher  nicht  belegte, 
hinzu,  aber  dann  stirbt  das  Suffix  ab  und  wird  durch  Bildungen  mit  -er 
ersetzt,  z.  B.  Esser,  ahd.  e.yjo,  Geber,  ahd.  gebo,  Helfer,  ahd,  helfo,  Spreclier, 
ahd.  spreäio.  Dieses  Suffix  ist  noch  heute  lebendig.  Bei  ihm  können  wir 
nun  aber  die  Zeit  der  Entstehung  ziemlich  genau  feststellen.  Es  lautet  ahd. 
ari,  got.  -areis  und  ist  sicher  aus  dem  lat.  -arius  entlehnt.  Wir  haben  dem- 
nach die  feste  Tatsache,  daß  alle  Wörter  mit  Suffix  -er  erst  in  nachchrist- 
licher Zeit  entstanden  sind.  Die  oben  gegebenen  Beispiele  zeigen  aber, 
daß  nicht  selten  das  jüngere  Suffix  an  die  Stelle  des  altern  getreten  ist, 
so  daß  also  schließlich  der  Begriff,  der  mit  dem  Wort  bezeichnet  wird, 
auch  schon  in  früherer  Zeit  durch  den  gleichen  Stamm  ausgedrückt  ge- 
wesen sein  kann.  Jedenfalls  sind  die  Bildungen  mit  toten  Suffixen  wert- 
voller als  die  mit  lebenden. 

Eine  genaue  Beachtung  dieser  Punkte  wird  uns  vor  Fehlschlüssen  be- 
wahren, wie  sie  jedem  Etymologen  —  den  Verfasser  nicht  ausgenommen  — 
unterlaufen.  Ich  möchte  einige  Beispiele  anführen.  Unser  Wort  Fuß,  got. 
fotus,  kehrt  in  den  übrigen  Sprachen  wieder,  gr.  .tojV  {päs),  lat.  pes,  ai. 
päd  usw.,  nicht  aber  Hand,  got.  handus.  Woher  stammt  dieses  Wort?  Nach 
Kluge  von  dem  gotischen  Verbum  hinpan  'fangen'.  Dem  widerspricht  aber 
die  Bildung  des  Wortes,  Hand  ist  ein  konsonantischer  Stamm,  und  diese 
waren  im  Urgermanischen  kaum  noch  produktiv.  Daher  geht  das  Wort, 
auch  wenn  wir  kein  entsprechendes  Wort  in  den  verwandten  Sprachen 
auftreiben  können,  bis  in  die  indogermanische  Grundsprache  zurück. 
Tatsächlich  gehört  es  zu  gr.  y.ard  {katd),  eig.  'mit  der  Hand'.  Kluge  leitet 
auch  Hund,  Grundform  hunda-  von  got,  hinpan  'fangen'  ab,  also  eigent- 
lich 'der  Fänger'.  Aber  auch  in  diesem  Fall  läßt  die  suffixale  Bildung 
die  Annahme  bedenklich  erscheinen.  Man  sollte  hunto  erwarten  mit  dem 
Nomina  agentis  bildenden  /i-Suffix,  Daher  bleibt  die  alte  Verbindung  mit 
gr.  xvoiv  {kyon),  lat.  canis  wahrscheinlicher.     Auch  das  Wort  Milz  können 


§90.  A.  Ableitungen,  die  aus  selbständigen  Worten  entstanden  sind.     115 

wir  nicht  über  das  Germanische  hinaus  verfolgen.  Trotzdem  wird  es  alt 
sein,  weil  wir  es  mit  den  Mitteln  der  germanischen  Suffixlehre  nicht  er- 
klären können.  Denn,  wenn  Kluge,  EWß.,  sagt:  „Die  Sippe  gehört  wohl 
zu  der  in  Malz  steckenden  germanischen  Wurzel  melt  'erweichen,  schmel- 
zen' in  Rücksicht  auf  das  der  Milz  zugeschriebene  Verarbeiten,  Auflösen, 
Flüssigmachen  verschiedener  Säfte",  so  wird  man  diese  Erklärung  kaum 
ernst  nehmen  dürfen,  ganz  abgesehen  davon,  daß  die  Stammbildung  un- 
klar bleibt.  Das  Wort  ist  tatsächlich,  wie  die  meisten  andern  Körperteil- 
namen, unerklärbar. 

§  89.  Literatur  und  Allgemeines.  Wie  die  Lautlehre  ist  also  auch  die 
Stammbildungslehre  für  die  Wortforschung  von  höchster  Bedeutung.  Wir 
besitzen  glücklicherweise  eine  Reihe  vortrefflicher  Darstellungen  dieses  Ge- 
bietes, auf  die  ich  den  Leser  verweisen  kann. 

Zunächst  Brugmann  im  zweiten  Band  seines  Grundrisses,  1906,  dann  Kluge,  Nomi- 
nale Stammbildungslehre  der  altgermanischen  Dialekte,  2.  Auflage,  Halle  1899,  und  WiL- 
MANNS,  Deutsche  Grammatik,  zweiter  Band,  2.  Auflage,  Straßburg  1899.  Namentlich  dieses 
letzte  Buch  erfüllt  alle  die  Anforderungen,  die  der  Lehrer  stellen  muß. 

Im  Hinblick  auf  diese  Werke  dürfte  es  genügen,  wenn  wir  uns  an  dieser  Stelle  auf 
das  Notwendigste  beschränken  und  nur  das  hervorheben,  was  für  die  Geschichte  unseres 
Wortschatzes  von  Bedeutung  ist.  Kann  es  doch  überhaupt  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  eine 
vollständige  Suffixlehre  zu  geben. 

Der  Ausdruck  „Suffix"  bedeutet  „hinten  angefügt",  und  die  Gram- 
matiker drückten  damit  die  Meinung  aus,  daß  es  sich  in  den  Suffixen  um 
einst  selbständige  Wörter  handelt.  Das  ist  in  der  Tat  für  eine  ganze  Reihe 
von  Fällen  richtig,  für  andere  aber  nicht.  In  diesen  beruhen  die  Suffixe 
auf  falscher  Abteilung  der  Bildung,  vgl.  unten  keit.  Dazu  kommen  dann 
die  entlehnten  Suffixe,  die  eine  nicht  geringe  Bedeutung  haben. 

Nach  diesen  drei  Abteilungen  können  wir  die  deutschen  Suffixe  ein- 
teilen und  zu  ihrem  Verständnis  kommen.  Aber  wenn  wir  das  getan  haben, 
so  bleibt  immer  die  große  Zahl  derer  übrig,  die  aus  dem  Indogermanischen 
stammen.  Gewiß  können  wir  auch  manche  von  diesen  durch  eine  dieser 
drei  Möglichkeiten  erklären.  Aber  bei  den  meisten  versagen  diese.  Wenn 
man  die  Darstellung  in  Brugmanns  Grundriß  ansieht,  so  haben  wir  es  im 
Indogermanischen  bei  den  Suffixen  mit  ganz  einfachen  Elementen  zu  tun, 
nicht  bloß  vokalischen  wie  /,  u,  o,  ä,  die  sich  als  selbständige  Elemente 
verstehen  ließen,  sondern  auch  mit  konsonantischen,  wie  t,  k,  r,  l,  n,  deren 
Herkunft  bisher  ein  Rätsel  war,  das  sich  aber,  wie  wir  sehen  werden,  lösen  läßt. 

§  90.  A.  Ableitungen,  die  aus  selbständigen  Worten  entstanden  sind.  Eine 
ganze  Reihe  unserer  Ableitungen  sind  tatsächlich  selbständige  Worte  ge- 
wesen, d.  h.  zweite  Glieder  von  Zusammensetzungen.  Der  Weg,  auf  dem 
ein  solches  Wort  zum  Suffix  wird,  ist  sehr  einfach.  Es  braucht  als  zweites 
GHed  der  Zusammensetzung  nur  ziemlich  häufig  aufzutreten  und  mit  dem 
Grundwort  einigermaßen  zu  verwachsen.  Geht  es  dann  etwa  noch  als  selb- 
ständiges Wort  verloren,  so  ist  das  Suffix  fertig. 

8* 


116  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 

1.  -heit  ist  ahd.  heit  m.  f.  'persona,  sexus,  Rang,  Stand',  mhd.  heit  i.  'Beschaffenheit, 
Art  und  Weise",  ags.  had  m.  'Stand,  Geschlecht,  Art  und  Weise,  F-jgenschaft',  an.  heit/r  m. 
'Ehre',  goi.  fiaidiis  m.  'Art  und  Weise'  zu  aind.  kctüU  m.  'Lichtcrscheinunß,  Helle,  Bild, 
Zeichen".  Komposita  mit  -fielt  treten  nur  im  Westgermanischen  auf  und  bedeuten  'den 
Stand,  die  Art  und  Weise  des  Grundwortes',  z.  B.  Gottheit.  Kindheit,  Bosheit,  Wahrheit. 

Anmerkung  1.  -keit,  das  mit  -heit  eins  ist,  hat  nie  als  selbständiges  Wort  be- 
standen. Es  ist  dadurch  hervorgegangen,  daß  -heit  an  Adjcktiva  auf  -ec  trat.  Aus  der  Form 
-ek(h)eit  wurde  -keit  abstrahiert.  Die  Bildung  ist  erst  mittelhochdeutsch.  Indem  -keit  noch- 
mals an  Adjektiva  auf  -ig  trat,  entstand  seit  spatmittelhochdcutscher  Zeit  -igkeit,  das  zum 
Teil  eine  andere  Bedeutuug  a\s -heit  hat:  Dichtheil  —  Diditigkeit,  Kleinheit  —  Kleinigkeit, 
Neuheit  —  Neuigkeit,   -heit  ist  bis  jetzt  lebendig  geblieben. 

Anmerkung  2.  Heit  ist  in  der  Wetterau  noch  als  selbständiges  Wort  erhalten, 
z.  B.  lediger  Heit  'ledigen  Standes',  Junger  Heit  'in  der  Jugend",  besoffener  Heit  'in  be- 
trunkenem Zustand",  kleiner,  großer  Heit  'als  Kind,  als  erwachsener  Mensch'.  Auch  in  der 
Pfalz  und  im  Südfränkischen  kommt  es  noch  vor. 

2.  -sdiaft.  Dieses  Suffix  gehört  zu  sdiaffen.  Es  kommen  zwei  selbständige  Worte 
vor:  a)  erst  mhd.  sdiaft  f.  'Geschöpf,  Gestalt,  Bildung,  Beschaffenheit',  ahd.  gi-skaft  dss., 
ags.  ge-sceaft  'Geschöpf,  Schöpfung.  Schickung',  got.  gaskafts  f.  'Schöpfung,  Geschöpf 
und  b)  ahd.  scaf  'modus',  an.  skap  n.  'Geistesbeschaffenheit,  Sinn".  Zusammensetzungen 
mit  skaf  erscheinen  zeitlich  früh,  erst  seit  dem  10.  Jahrhundert  solche  mit  -skaft,  die  indes 
auch  angelsächsisch  sind.  Die  Grundbedeutung  des  Suffixes  ist  nicht  so  klar,  wie  die  von 
-heit.  .Sie  bezeichnen  mehr  die  Tätigkeit,  den  Zustand,  das  Verhalten  und  das  Verhältnis, 
und  daraus  entwickelt  sich  früh  ein  kollektiver  Sinn."  Das  Suffix  ist  bis  in  die  Neuzeit 
lebendig  geblieben. 

3.  -tum,  mhd.  ahd.  tuom  'Satzung.  Sitte,  Herrschaft.  Macht',  ags.  dorn,  an.  domr 'Ot- 
richt,  Entscheidung",  got.  doms  'Urteil,  Sinn'.  Das  Wort  gehört  zu  tun,  bewahrt  aber  eine 
weitere,  anschaulichere  Bedeutung  als  dieses.  Zusammensetzungen  mit  diesem  Suffix  fehlen 
nur  dem  Gotischen.   Lebendig  bis  in  die  Neuzeit. 

4.  -ian  geht  zum  Teil  auf  ndd.  Jan  =  Johann  zurück,  so  in  Dummrian,  Liederian, 
ähnlich  wie  wir  Faselhans,  Prahlhans  haben. 

5.  -lidi,  mhd.  ahd.  hh,  as.  ags.  an.  lik.  got.  leik  'Leib,  Körper'.  Dieses  Wort  ging  mit 
dem  Grundwort  Komposita  ein,  die  man  mit  einem  Ausdruck  der  indischen  Grammatik 
ßrt//ut;r//j/-Komposita  nennt,  d.  h.  eigentlich  'viel  Reis".  Als  Adjektivum  verwendet  meint 
es  "viel  Reis  habend".  Daher  bedeuten  denn  diese  Bildungen  mit  -lidi  ,die  Gestalt,  das 
Aussehen  dessen  habend,  was  das  Grundwort  besagt".  Schon  J.Grimm,  Gramm.  2,  660,  hat 
beobachtet,  daß  die  Bildungen  auf  -lidi  im  Althochdeutschen  gern  eintreten,  wo  das  Ad- 
jektivum mit  einem  abstrakten  Substantivum  verbunden  wird.  .Otfrid  braucht  sua^lih, 
zuweilen  auch  suay,  bei  den  abstrakten  Wörtern  Tat,  Mut,  Gelüste,  Milde,  aber  von 
Honig,  Mildi,  Apfel  würde  er  nur  sua^i  brauchen:  armalih  setzt  er  zu  Mut.  Wille,  Tat, 
Brust,  Lust,  Strafe  usw.,  hingegen  armu  wihtir,  arme  Joh  ridie."  Die  ursprüngliche  Be- 
deutung findet  sich  heute  noch  bei  einer  Reihe  von  Farbenbezeichnungen:  weißlidi,  bläu- 
lidi  und  einigen  andern  Worten  wie  länglidi,  rundlidi.  Als  Suffix  tritt  -lidi  schon  im 
Gotischen  auf  und  bleibt  bis  heute  lebendig. 

Anmerkung  3.  Durch  falsche  Abstraktion  entstanden -/^//i/z  (mittelhochdeutsch  sehr 
häufig,  dann  aber  absterbend,  jetzt  noch  gemeiniglidi)  und  -erlidi  (lüdierlidi,  fürditerlidi). 

6.  -sam  ist  das  Adjektivum  ahd.  samo,  engl.  5flw^,  got.  sa  sama  'derselbe',  gr.  o/^d? 
{homös).  Zusammensetzungen  mit  -sam  bedeuten  'entsprechend',  mühsame  Arbeit  'eine 
Arbeit,  die  mit  Mühe  verbunden  ist,  der  Mühe  entspricht".  Schon  im  Gotischen  kommt 
lustusama  'ersehnt"  vor.   Die  Bildungen  können  noch  als  lebendig  gelten. 

7.  -bar,  ahd.  -bari  ist  Adjektivbildung  zu  dem  Verbum  heran  'tragen,  bringen',  und 
auf  diese  Bedeutung   lassen  sich  viele  ältere  Bildungen   ohne  weiteres  zurückführen.    Die 


§91.  B.  Ableitungen,  die  durch  falsche  Trennung  entstanden  sind.      117 


Bildungen  sind  im  Althochdeutschen  noch  nicht  häufig,  werden  dann  aber  im  Mittelhoch- 
deutschen und  Neuhoclideutschen  sehr  produktiv. 

8.  -mäßig,  erscheint  ahd.  als  -ma^i.    ^03/ verhält  sich  zu  tney^an,  wie  bari  zw  heran 
Die  Erweiterung  mit  g  hatte  auch  -bari.    Während  hier  -barig  untergegangen  ist,   ist  um- 
gekehrt  -moeze  geschwunden.     Althochdeutsch    sind   nur   wenige   Bildungen   belegt.     Das 
Suffix  wird  erst  im  Neuhochdeutschen  recht  produktiv. 

9.  -haft  findet  sich  got.  als  iiafts,  ahd.  mhd.  haft  'gefesselt,  gebunden'  und  ent- 
spricht etymologisch  dem  lat.  captus.   Eine  Erweiterung  davon  ist  haftig. 

§  91.  B.  Ableitungen,  die  durch  falsche  Trennung  entstanden  sind.  Wenn  wir 
neben  die  Ableitungssilben  -heit,  -schaft,  -tum,  -lieh,  -bar  solche  wie  -ung, 
-nls,  -In,  -lg,  -Lcht,  -dien,  -lein  stellen,  so  wird  man  sie  vom  neuhoch- 
deutschen Standpunkt  nicht  von  den  erstgenannten  Bildungen  unterscheiden 
können.  Man  würde,  hätte  man  keine  Überlieferung,  hier  ebensogut  an 
eigendiche  Zusammensetzung  denken  dürfen  wie  bei  jenen  ersten.  Trotzdem 
liegt  die  Sache  anders.  Keines  dieser  Suffixe  ist  ein  selbständiges  Wort 
gewesen,  sondern  alle  sind  erst  allmählich  entstanden.  Dies  weist  also 
darauf  hin,  daß  gleich  aussehende  Sprachteile  einen  recht  verschiedenen 
Ursprung  haben  können,  und  dies  ist  besonders  bei  den  Versuchen,  die 
Elemente  älterer  Sprachstufen  aufzuhellen,  wichtig. 

1.  -nis.  Vgl.  über  die  Geschichte  dieses  Suffixes,  dessen  Aufhellung  erst  nach  vielen 
Irrwegen  gelungen  ist,  VON  Bahder,  Die  Verbalabstrakta  in  den  germanischen  Sprachen, 
Halle  1880,  S.  109  ff.  Dieses  Suffix  erscheint  schon  im  Gotischen  meistens  als  -(i)nassus, 
z.  B.  fraitjinassus  'Herrschaft'  zu  frauja  -Herr',  ibnassus  'Gleichheit'  zu  ibns  'eben'.  Nur 
einmal  finden  wir  -assus  in  ufar-assus  'Überfluß'  zu  iifar  'über'.  Es  war  also  das  ur- 
sprüngliche Suffix  -assus.  Da  dies  aber  gewöhnlich  an  Wörter  auf  -n  trat,  was  im  Gotischen 
tatsächlich  meistens  noch  der  Fall  ist,  so  schied  das  Sprachgefühl  ein  -nassus  ab.  Das 
Suffix  -assus  ist  aber  in  dieser  Gestalt  auch  nicht  in  den  verwandten  Sprachen  nach- 
zuweisen, sondern  nach  den  germanischen  Lautgesetzen  aus  -at-tus  (siehe  oben  §  31,  10) 
entstanden,  d.  h.  das  bekannte  Suffix  -tu,  lat.  -tus,  ist  an  Verben  got.  auf  -atjan  getreten, 
die  den  gr.  auf  -;w  (-20),  dyoiu'Coj  (onomdzo)  aus  '■'onomadjo  entsprechen,  und  nunmehr 
ist  ein  -assus  als  besonderes  Suffix  aufgefaßt  worden.  Wie  die  Entwicklung  weiter  vor 
sich  gegangen,  ist  nicht  ganz  klar,  zumal  das  Suffix  in  althochdeutscher  Zeit  in  verschie- 
denen Formen  auftritt. 

2.  -ung,  -ing,  -Ung:  Achtung,  Schilling,  Flüchtling.  So  selbständig  diese  Suffixe 
aussehen  und  so  verschiedene,  aber  doch  bestimmte  Bedeutung  sie  haben,  so  sind  sie 
doch  alle  erst  durch  falsche  Abstraktion  entstanden. 

a)  Suffix  -ung,  ahd. -unga  bildet  seit  althochdeutscher  und  wahrscheinlich  sogar  seit 
urgermanischer  Zeit  Abstrakta,  die  schon  in  den  ältesten  Zeiten  fast  ausschließlich  von 
Verben  abgeleitet  sind.  Trotzdem  ist  dieses  Suffix  von  nominalen  n-Stämmen  ausgegangen, 
an  die  das  indogermanische  Suffix  -k,  germanisch  nach  dem  Vernerschen  Gesetz  g,  ge- 
treten ist.   Produktiv  bis  in  die  Neuzeit. 

b)  Suffix  -ing  bildet  maskuline  Bezeichnungen  von  Tieren  und  Personen  und  ist  jetzt 
unproduktiv.    Die  Enstehung  war  die  gleiche. 

c)  Indem  -ing  an  Stämme  auf  /  antrat,  wurde  -Ung  als  ein  einheitliches  Suffix  auf- 
gefaßt.   Dieses  lebt  neuhochdeutsch  in  vielen  Worten  fort  und  ist  gelegentlich  noch  lebendig. 

3.  -in:  Königin,  Freundin.  Dieses  Suffix  bildet  movierte  Feminina  seit  althoch- 
deutscher Zeit.   Es  stecken  darin  alte  /?-Stämme.   Das  Suffix  ist  noch  lebendig. 

4.  -idit  in  Didzidit  u.  a.  ist  nicht  mehr  lebendig.  Über  die  Entstehung  vgl.  WiLMANNS 
Deutsche  Grammatik^  2,  367. 


118  Sechstes  Kapitel.  Ableituno,  Zusammensetzung  und  anderes. 

5.  -(e)!  bildet  u.  a.  Bezeichnungen  von  Werkzeugen,  Geraten,  Hilfsmitteln  usw.  Es 
hat  verschiedenen  Ursprung  und  ist  nicht  mehr  produktiv. 

Anmerkung.  Eine  ausführliche  Erörterung  der  hierher  gehörigen  Bildungen  bietet 
G.  Wollermann.  Studien  über  die  deutschen  Geriltnamen,  Göttinger  Diss.  1909.  —  Die 
ältesten  Beispiele  zeigen  Sciiwundstufe,  wie  Sdililssel :  sdiließen;  —  Zügel :  ziehen;  — 
Würfel  •.werfen;  —  Gürtel :  goi.  bigairdan;  —  Sdilegel :  sdilagen  usw. 

6.  -sal  in  Drangsal,  ahd.  -sal,  got.  -sl  ist  unerklärt.  Im  allgemeinen  unproduktiv. 
Daneben  von  Verben  abgeleitet  -sei  in  Rätsel.   Erst  spätneuhochdeutsch. 

7.  -dien,  -lein  sind  Diminutivsuffi.xe.  Das  erste  niederdeutsch,  das  zweite  ober- 
deutsch, und  dadurch  für  die  Erkenntnis,  woher  ein  Schriftsteller  stammt,  von  Bedeutung. 
Ebenso  aber  auch  für  die  Bestimmung  der  Herkunft  von  Worten.  So  sind  Heimdien, 
Be ff  dien,  Frettdien.  Kanindien,  Veildien,  Sdiippdien,  Mäddien  norddeutsch,  Sdierflein, 
Zipperlein  süddeutsch. 

§  92.  C.  Entlehnte  Ableitungen.  Neben  diesen  einheimischen  Suffixen 
stehen  nun  meri<würdigerweise  eine  ganze  Reihe  entlehnter,  von  denen 
wenigstens  zwei  unbestreitbares  Bürgerrecht  in  der  deutschen  Sprache  ge- 
wonnen haben.  Der  Hergang  ist  sehr  einfach.  Es  werden  eine  Reihe  von 
Worten  mit  dem  gleichen  Suffix  entlehnt,  und  dieses  wird  dann  auch  auf 
einheimische  Wörter  übertragen. 

1.  -er,  ahd.  -äri,  got.  -areis  ist  aus  dem  Lateinischen  -arius  entlehnt;  darauf  weist 
die  Lautgestalt  mit  Sicherheit.  Vgl.  Wilmanns,  DGr.^  2,  283.  Das  Suffix  wird  in  althoch- 
deutscher Zeit  produktiv  und  ist  es  noch. 

Anmerkung  1.  In  einigen  Fällen  scheint  in -er  ein  altes  Element  -war  zu  stecken, 
vergleiche  ags.  Romware,  Cantware  'Kenter"  und  die  in  römischer  Überlieferung  auftretenden 
Amsivarii,  Baiuvarii. 

2.  -ei,  mhd.  -le  stammt  aus  dem  Romanischen  und  tritt  im  Mittelhochdeutschen  zu- 
erst auf.   Auf  den  fremden  Ursprung  weist  noch  der  Ton. 

Anmerkung  2.  Im  Neuhochdeutschen  haben  sich  daraus  noch  die  beiden  Suffixe 
-erei  und  -elei  entwickelt.    Durch  neue  Entlehnung  kommt  auch  -ie  vor. 

3.  -ieren  wird  aus  französischen  Verben  auf  -ir  seit  dem  12.  Jahrhundert  auf- 
genommen, und  immer  noch  wuchert  dieses  Element  weiter. 

4.  -tat  in  Majestät,  Trinität  u.  a.,  stammt  natürlich  im  letzten  Grunde  aus  lat.  -tä 
-tätis,  ist  aber  durch  französische  Vermittlung  zu  uns  gekommen.    Schon  mittelhochdeutsch 
begegnet    triniteit,    magesteit.     Die   Aussprache    tat   beruht    wahrscheinlich    auf   der   ost- 
französisch-pikardischen  Form  -tet. 

5.  -lei  in  mandierlei,  vielerlei  ist  im  Mittelhochdeutschen  noch  ein  selbständiges 
Wort.  Man  sagte  maneger  leie  Hute.  Dieses  lei  stammt  aus  afranz.  ley,  das  auf  lat.  legem 
'Art  und  Weise'  zurückgeht. 

6.  Eine  sehr  lange  Geschichte  hat  das  Suffix  -sdic.  das  in  der  Volkssprache  zur  Be- 
zeichnung weiblicher  Personen,  der  Frau  eines  Mannes  dient,  z.  B.  Bäckersdie  'die  Frau 
des  Bäckers".  Es  stammt  zunächst  aus  dem  Niederdeutschen  und  kam  hierher  aus  dem 
Französischen  -e.'^se,  das  auf  spätlat.  -issa  zurückgeht,  und  dies  ist  wieder  aus  dem  griech. 
-irson  {-issa)  entlehnt,  das  sich  erst  in  der  Koine  recht  ausbreitet  Eine  Nebenform  ist 
-issin,  z.  B.  Diakonissin. 

7.  In  neuhochdeutscher  Zeit  werden  noch  eine  ganze  Reihe  von  fremden  Suffixen 
aufgenommen,  z.  T.  unter  dem  Einfluß  der  Studentensprache  (s.  u.  §  181). 

a)  age  aus  frz.  -age  in  Takeläge,  Passage,  Stellage,  Blamage.  Im  Obersächsischen 
ist  das  Suffix  recht  verbreitet:  Bammelasdie.  Fressasdie,  Futterasdie,  Kledasdie,  Sdienkasdie, 
Spendasdie;  —  b)  -allen  von  lat.  -alia  in  Sdimieralien,  Viktualien,  Lappalien;  —  c)  -ant, 
Paukänt,   Defraudünt;    —   d)  -aner  (Weimaraner),   -iner  (Anhaltiner),   -enser  (Hallenser) 


§  92.  C.  Entlehnte  Ableitungen.  §  93.  D.  Die  ererbten  Wortbildungselemente.  119 


stammt  aus  den  lateinischen  Matrikeln;  —  e)  -ist,  Hornist,  Zinkenist;  —  f)  -iade, 
Jobsiade,  Jeremiade,  nach  frz.  iade,  gr.  lä?  (-ids);  —  g)  -ier,  Kneipier,  Suitier,  Pumpier;  — 
h)  -ikus,  Luftikus,  Pfiffikus;  —  i)  -mang  in  knappemang;  —  V)  -ös,  in  pediös, 
sdiauderös;  —  1)  -ur  in  Frisur,  Tortur.  Montur. 

§  93.  D.  Die  ererbten  Wortbildungselemente.  Was  nach  Abzug  der  bisher 
besprochenen  wortbildenden  Elemente  noch  übrig  bleibt,  ist  recht  be- 
trächtlich. Es  handelt  sich  hier  im  wesentlichen  um  das  aus  dem  Idg.  Über- 
kommene. Sie  alle  zu  besprechen,  ist  nicht  möglich,  und  ich  kann  auch 
hier  nur  einiges  Allgemeine  geben. 

Zunächst  sind  eine  ganze  Reihe  von  Worten  suffixlos  geworden,  weil 
die  auslautenden  Vokale  geschwunden  sind. 

So  sind  endungslos  geworden  ursprüngliche  o-Stämme,  die  Nomina  actionis  männ- 
lichen Geschlechts  seit  idg.  Zeit  sind. 

Sie  stehen  in  Verbindung  mit  Verbalstämmen  und  zeigen  meist  die  Stufe  des  Sin- 
gulars des  Präteritums,  vgl.  oben  S.  38,  39.  Vgl.  Sang,  Zwang,  Drang,  Klang,  Stank, 
Sdiwang,  Trank,  Staub,  Raudi  wohl  zu  riechen.  Gang  zu  lit.  zeng  ii  'schreite',  Teig  zu 
got.  deigan  'kneten',  Sdmee,  got.  snaiws  zu  ahd.  sniwan,  Dampf  zu  mhd.  dimpfen  'er- 
sticken' usw. 

Ebenso  Nomina  actionis  auf  -/,  wie  1.  ignis  'Feuer',  vgl.  oben  S.  39,  2. 

Adjektiva  waren  vielfach  «-Stämme,  wie  im  Griech.  yhv;  (ha^dys)  'süß'.  Sie  liegen  im 
Gotischen  noch  deutlich  vor:  eng,  got.  aggwus;  hart,  got.  hardus:  dürr,  got.  paürsus; 
viel,  got.  filu. 

In  andern  Fällen  bleiben  einzelne  Konsonanten  übrig.  So  bildet  t  weib- 
liche nomina  actionis,  wie  Trift,  vgl.  S.  39,  2.  Dieses  t  geht  auf  idg.  ti  zurück, 
bei  dem  wir  wieder  fragen  müssen,  wie  es  entstanden  ist.  Sicher  gelten 
für  das  Indogermanische  dieselben  Entstehungsmöglichkeiten  wie  für  das 
Germanische,  d.  h.  es  sind  selbständige  Wörter  zu  Suffixen  geworden,  oder 
es  haben  falsche  Teilungen  des  Wortes  stattgefunden  und  schließlich  können 
auch  Suffixe  entlehnt  sein. 

Für  die  erste  Möglichkeit  darf  man  z.  B.  folgende  Fälle  in  Anspruch 
nehmen: 

a)  lat.  -tat,  -tut,  got.  -dup  in  mikildüps  'Größe'.  Es  gehört  zu  ai.  täviti  'ist  mächtig'. 
Vgl.  Meyer-Lübke,  Arch.  f.  lat.  Lex.  8,  334  und  Prellwitz,  Bezz.  Beitr.  22.  HO. 

b)  Das  Suffix  -n  bildet  im  Idg.  zum  großen  Teil  Substantiva  aus  Adjektiven,  vgl.  gr. 
ovgavicüv  (üranion)  'der  Himmlische'  :  ovoäviog  (aninios)  'himmlisch',  1.  Rüfo  :  rüfus  'rot'. 
Im  Germanischen  wird  das  schwache,  d.  h.  substantivierte  Adjektiv  sowie  eine  Reihe 
Nomina  so  gebildet.  Es  steht  nichts  im  Wege,  in  dem  n  ein  angetretenes  Pronomen  mit 
der  Bedeutung  'der"  zu  sehen,  vgl.  abulg.  onu  'er'  und  die  ganze  Bildung  mit  dem  nach- 
gesetzten Artikel  des  Nordischen. 

Die    zweite  Möglichkeit  ist  ganz  gewöhnlich.     Aber  auch  wenn  wir 

diese  erschöpft  haben,  so  bleiben  noch  eine  grosse  Anzahl  von  unerklärten 

Suffixen  übrig,  und  zwar  von  Suffixen,  die  anscheinend  keine  Bedeutung 

haben. 

Solche  Suffixe  sind: 

k,  g:  \.  sene-c-s  neben  Gen.  senis;  —  \.  pau-cus,  ahd.  föh,  neben  got  fawai,  t.few; 

—  ahd.  as-k  'Esche'  neben  lit.  üos-is  'Esche';  —  mundartl.  Wisdie  aus  *wis-ka  neben  Wiese. 

t,  d:  got.  sal-t  'Salz'  neben  gr.  «7?  {hal-s);  \.  pecu-d  neben  pecu,  got  faihu,  Vieh;  — 


120  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 

as.  hiru-t  neben  1.  cervos;  —  d.  Hun-d  neben  1.  canis;  —  anord.  Olpr  'Bier'  aus  *alu-t 
neben  lit.  alns. 

i.  goL  niihi-ls  'groß' :  1.  mag-nus;  —  got.  sitls.  d.  Sesse/  :  Sitz;  —  hoh-l:  1.  cavus;  — 
Achsel :  Achse. 

r:  d.  Wasser,  gr.  vdioo  (hydor)  :  ai.  Instr.  ud-a;  —  Ostern  :  ai.  uiäs  'Morgenröte';  — 
locher  :  liich;  —   I.  ruber  :  d.  rot;  —   heiser  :  heis;  —  wacker  :  o'rtfl'i, 

/i:  1.  ornus  aus  *osinos  :  anord.  os-At.  lit.  lios-is;  —  d.  ahorn  :  1.  Of^r;  —  1.  nun-di- 
nae  'Neun  Tage",  got.  sin-tci-ns  :  I.  dies  usw. 

Auch  /,  //.  om  sowie  andere  Kiemente  kommen  so  vor. 

Zur  Erklärung  bietet  sich  ein  bisher  nicht  beschrittener  Weg.  An  die 
Fürwörter  treten  in  allen  Sprachen  sehr  häufig  verstärkende  Partikeln.  Ich 
nenne  nur  1.  is-te,  ille  aus  '^is-le,  ipse  aus  '-'is-pse,  hi-c  got.  sa-h,  sa-ei, 
ains-hiin.  Ursprünglich  treten  diese  an  die  flektierten  Kasus  an,  aber  all- 
mählich werden  sie  mit  dem  Stammwort  zu  einer  einzigen  Bildung  ver- 
eint und  statt  im  Innern  am  Ende  flektiert.  So  ist  bekanntlich  unser  Pro- 
nomen dieser  entstanden,  vgl.  GDS.  36.  Und  so  denke  ich  mir  die  Ent- 
stehung vieler  Suffi.xe.  Es  handelt  sich  um  das  Antreten  deiktischer  Ele- 
mente, die  z.  T.  zunächst  die  verschiedenen  Personen  ausgedrückt  haben 
mögen,  wie  lat.  hie  über  'dieses  mein  Buch',  iste  Über  'dieses  dein  Buch' 
und  dann  allmählich  ihre  Bedeutung  verloren  haben.  Viele  Suffixe  sind 
tatsächlich  bedeutungslos.  Es  ist  aber  wichtig,  sie  abzutrennen,  um  die 
wahre,   ursprüngliche  Form  des  Wortes  kennen  zu  lernen. 

§  94.  Zusammensetzungen.  Die  Fälligkeit,  Worte  zusammenzusetzen,  um 
dadurch  einen  neuen  Begriff  auszudrücken,  war  schon  in  der  indogermanischen 
Grundsprache  vorhanden,  und  sie  hat  sich  durch  alle  Zeiten  hindurch  bis 
in  die  Gegenwart  hinein  erhalten.  Nicht  in  allen  Sprachen  gleich  gut.  So 
ist  das  Lateinische  verhältnismäßig  arm  an  Zusammensetzungen,  im  Ger- 
manischen aber  können  wir  tatsächlich  von  einer  unbegrenzten  Möglichkeit 
sprechen.  Die  Fähigkeit  ist  so  groß,  daß  Tag  für  Tag  neue  Zusammen- 
setzungen gebildet  werden.  Manche  von  ihnen  bleiben  bestehen,  andere, 
und  zwar  die  meisten,  vergehen  wieder.  Das  Fortleben  hängt  natürlich 
von  Zufälligkeiten  ab. 

In  der  Auffassung  der  Zusammensetzungen  sind  wir  in  der  neueren 
Zeit  wesentlich  weiter  gekommen.  Es  handelt  sich  bei  ihnen  nach  der 
gewöhnlichen  Auffassung  um  eine  Vereinigung  zweier  oder  mehrerer  Worte 
zu  einer  Einheit.  Aber  das  ist  durchaus  nur  das  Äußerliche,  das  Wesentliche 
ist  in  vielen  Fällen,  daß  durch  die  Verbindung  zweier  Wörter  eine  neue 
Bedeutung  entsteht,  und  daß  eben  nur  diese  Verbindung  diese  Bedeutung 
hat.  Daher  fassen  wir  heute  auch  ganze  syntaktische  Verbindungen  als 
Komposita  auf,  wenn  wir  auch  zufällig  die  Worte  nicht  zusammenschreiben. 
Wenn  ich  sage:  ich  nehme  die  Feder  in  die  Hand,  so  kann  man  das  nicht 
als  Kompositum  ansehen.  Aber  die  Redensart  in  die  Hand  nehmen  hat 
auch  schon  eine  übertragene  Bedeutung:  er  hat  die  Sache  in  die  Hand 
genommen,  und  in  diesem  Falle  müssen  wir  die  Redensart  als  eine  Einheit 


§94.  Zusammensetzungen.  121 


auffassen  und  daher  als  Zusammensetzung  betrachten.  Weitere  Beispiele 
dieser  Art  werden  jedem  leicht  einfallen.  Doch  kommt  diese  Art  für  uns 
hier  wenig  in  Betracht.  Für  uns  ist  das  EntwicklungsgeschichtHche  wertvoll, 
und  das  betrifft  die  äußere  Form. 

Im  Indogermanischen  wurde  in  der  Zusammensetzung  die  bloße  Stamm- 
form, oder  wie  ich  es  nenne,  der  Kasus  indefinitus,  der  unbestimmte  Kasus, 
verwendet,  was  aus  einer  Zeit  stammt,  als  es  noch  keine  Flexion  gab.  Am 
deutlichsten  liegt  diese  Art  im  Griechischen  vor.  So  heißt  es  z.  B.  yoovoloyia 
{khronologiä)  'Zeitrechnung',  zusammengesetzt  aus  xQovo-  (khrono-)  und 
-log-.  Ein  khrono-  gibt  es  aber  sonst  in  der  Sprache  nicht,  sondern  nur 
einen  Nominativ  ygorog  (khrönos).  Ebenso  finden  wir  got.  gastl-gods  'gast- 
frei', während  es  sonst  gasts  heißt,  und  eine  Form  gasti-  ganz  unerhört 
ist.  Ebenso  heißt  es  got.  auga-daüro:  Augentür  'Fenster'  gegenüber  Nom. 
augö,  bropra-lübo  'Bruderliebe'  gegenüber  Nom.  bropar.  Diese  Art  der  Zu- 
sammensetzung hat  sich  nun  in  ungestörter  Entwicklung  bis  zum  heutigen 
Tag  erhalten.  Wir  sagen  gastfrei,  Bruderliebe,  gottlos.  Es  ist  ganz  klar, 
daß  der  erste  Bestandteil  mit  dem  Nominativ  nichts  zu  tun  haben  kann, 
er  ist  aber  mit  dem  Nominativ  äußerlich  zusammengefallen. 

Auf  der  anderen  Seite  kann  natürlich  auch  jede  syntaktische  Ver- 
bindung zu  einer  Einheit  zusammenwachsen,  z.  B.  schon  got.  baürgs-waddjas 
'Burgmauer',  worin  baiirgs  der  Genitiv  zu  Nom.  baiirgs  ist,  bei  uns  Gottes- 
acker. Im  Gegensatz  zu  der  eigentlichen  Komposition  in  den  oben  ge- 
nannten Fällen  nennt  man  diese  die  uneigentliche,  denn  es  ist  ja  keine 
Zusammensetzung  in  der  altindogermanischen  Art,  sondern  ein  Zusammen- 
wachsen. 

Nun  bestand  aber  seit  indogermanischer  Zeit  ein  besonderes  Kenn- 
zeichen der  Komposition  darin,  daß  die  bloße  Stammform  verwendet  wurde, 
und  dieses  Gefühl,  das  Kompositum  deutlich  kenntlich  zu  machen,  führt 
im  Griechischen  und  Lateinischen  zur  Ausbildung  des  sog.  Kompositions- 
vokals. Im  Germanischen  war  dieser  auch  vorhanden,  aber  er  ging  im 
Laufe  der  Sprachgeschichte  verloren,  und  es  war  nunmehr  kein  Unterschied 
mehr  zwischen  Kompositionsform  und  Nominativ  vorhanden.  Offenbar  lag 
es  aber  im  Sprachgefühl,  hier  einen  Unterschied  zu  haben,  und  so  hat 
man  in  steigendem  Masse  „unechte"  Komposita  gebildet.  Hier  spielen  nun 
zwei  Formen  eine  Rolle,  erstens  die  Genitive  der  Maskulina  auf  -{e)s  und 
die  Genitive  der  schwachen  Feminina  auf  -en.  Man  flektierte  ursprünglich 
die  Erde,  der  Erden,  wie  ja  auch  Schiller  noch  sagt:  Fe  st  gemauert  in  der 
Erden,  machte  dann  aber  den  Genitiv  dem  Nominativ  gleich,  behielt  ihn 
indessen  in  der  Zusammensetzung  bei:  Erdenkloß,  Frauenzimmer,  und 
hatte  damit  wieder  ein  Mittel,  die  Kompositionsfuge  auszuzeichnen. 

Das  -s,  das  jetzt  Endung  des  maskulinen  Genitivs  ist,  hat  sich  im 
Laufe  der  Zeit  auch  ungeheuer  ausgedehnt  und  ist  auf  Feminina  über- 
tragen worden.    Es  wird  gegen  dieses  Binde  5  heute  unglaublich  geeifert. 


122  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 


wahrend  doch  in  diesen  Bilduntjcn  nur  ein  tief  innerhch  begründetes  Sprach- 
bedürfnis zum  Ausdruck  kommt.  Vgl.  auch  GDS.  S.  293. 

In  gewissem  Sinne  läßt  sich  also  aus  der  Form  der  Zusammensetzung 
auch  ihr  Alter  erschließen.  Das  Hinausschreiten  des  s  über  seinen  alten 
Bereich  beginnt  erst  im  16.  Jahrhundert,  und  insofern  kann  man  sagen, 
daß  keine  Bildung  mit  unechtem  .v  älter  als  diese  Zeit  ist.  Aber  freilich 
hat  sich  das  s  in  vielen  f-'ällen  in  die  fertige  Form  eingedrängt,  so  daß  eine 
Sicherheit  nicht  vorhanden  ist. 

Unter  den  Zusammensetzungen,  deren  Zahl  ja  unbegrenzt  ist,  sollen 
hier  nur  die  mit  Präpositionen  gebildeten  ihrer  Eigenart  und  Bedeutung 
wegen  kurz  besprochen  werden.  Freilich  ist  dies  ein  sehr  schwieriges  Ge- 
biet, und  trotz  aller  aufgewandten  Mühe  ist  es  in  den  meisten  Fällen  noch 
nicht  gelungen,  die  Entwicklung  der  mit  Präpositionen  zusammengesetzten 
Bildungen  klar  zu  legen. 

Anmerkung.  An  Literatur  ist  folgendes  zu  verzeichnen:  Erik  Wei.lander.  Die  Be- 
deutungsentwicklung der  Partikel  ab  in  der  mittelhochdeutschen  Verbalkomposition.  Ein 
Beitrag  zur  wissenschaftlichen  Bedeutungslehre,  Uppsala  1911.  —  A.  Hittmair,  Die  Partikel 
be-  in  der  mhd.  und  nhd.  Verbalkomposition,  Wien  1882.  —  Th.  Jakob.  Das  Präfix  er-  in 
der  transitiven  mhd.  und  nhd.  Verbalkomposition,  Programm  Döbeln  1900.  —  K.  Dahm, 
Der  Gebrauch  von  gi  zur  Unterscheidung  perfektiver  und  imperfektiver  Aktionsart  im 
Tatian  und  in  Notkers  Boethius,  Leipzig  Diss.  1909.  —  Eckhardt,  Das  Präfix  ge-  in  ver- 
balen Zusammensetzungen  bei  Berthold  von  Regensburg.  Leipzig  Diss.  1899.  —  Berner, 
Die  mit  Partikel  ge-  gebildeten  Wörter  im  Heliand,  Land  Diss.  1900.  —  VAN  SWAAY,  Het 
prefix  ga-,  gi-,  ge-,  zijn  geschiedenis,  en  zijn  invloed  op  de  „Actionsart"  meer  bijzonder 
in  het  Oudnederfrankisch  en  het  Oudsaksisch,  Utrechi  1901.  Vgl.  Wust.'v^ann,  AfdA.  29, 
187—192.  —  Maier,  Das  g^-Partizip  im  Neuhochdeutschen,  Freiburg  Diss.  1901.  —  H. 
Sperber,  Studien  zur  Bedeutungsentwicklung  der  Präposition  „über*,  Uppsala  1915.  — 
M.  Leopold,  Die  Vorsilbe  i'er-  und  ihre  Geschichte,  Breslau  1907,  Germanistische  Ab- 
handlungen 27.  —  Zur  Behandlung  des  Artikels  ver  im  deutschen  Wörterbuch,  Jahresber. 
des  evangel.  Gymn.  zu  St.  Elisabeth  in  Breslau  1910.  —  Fridolin  Purtscher,  Die  un- 
trennbaren Partikeln  im  althochdeutschen  Tatian,  Leipzig  Diss.  1902.  —  R.  Leinen,  Über 
Wesen  und  Entstehung  der  trennbaren  Zusammensetzung  des  deutschen  Zeitwortes,  Straß- 
burg Diss.  18^1. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  bietet  Wil.manns  Deutsche  Grammatik  2,  128 ff.; 
3,  508  ff.  —  Außerordentlich  wertvoll  sind  die  Bemerkungen  H.  Pauls  in  seiner  Abhandlung 
.Über  die  Aufgaben  der  wissenschaftlichen  Lexikographie"  S.  79  ff.  und  die  Darstellung  der 
einzelnen  Präpositionen  in  seinem  deutschen  Wörterbuch.  An  ihn  schließt  sich  die  oben 
genannte  Arbeit  von  Wkllander  an,  die  an  einem  ganz  durchsichtigen  Beispiel  die  Ent- 
wicklung einer  Partikel  zeigt. 

Die  Zahl  der  im  Deutschen  vorhandenen  Präfixe  ist  nicht  allzu  groß, 
und  man  ^unterscheidet  dabei  feste  und  unfeste  Zusammensetzungen.  D\. 
unfesten  Zusammensetzungen  zeigen  deutlich  ihren  Ursprung  und  haben 
meist  eine  ganz  anschauliche  Bedeutung,  z.  B.  übersetzen  in  er  setzte  über. 
Da  wir  auch  sagen  können  er  setzte  über  den  Fluß,  so  sieht  man  deutlich, 
wie  dies  Präfix  aus  einem  Adverbium  entstanden  ist.  Derartige  Fälle  müssen 
uns  bei  der  Untersuchung  der  Bedeutungsentwicklung  der  untrennbaren  Zu- 


§94.  Zusammensetzungen.  123 


sammensetzungen  leiten,  und  Wellander  hat  nach  dieser  Richtung  in  der 
Darstellung  des  Präfixes  ab  eine  vortreffliche  Grundlage  gegeben.  An  dieser 
Stelle  müssen  wir  uns  aber  mit  einigen  allgemeinen  etymologischen  Be- 
merkungen begnügen. 

Die  deutschen  Präfixe  sind  zum  guten  Teil  aus  dem  Indogermanischen 
ererbt,  sie  haben  aber  im  Laufe  der  Zeit  an  ihrer  anschaulichen  Bedeutung 
eingebüßt,  so  daß  heute  von  dieser  des  öfteren  gar  nichts  mehr  zu  spüren 
ist.  Dazu  kommt,  daß  sich  unter  der  gleichen  Form  Wörter  verschiedener 
Herkunft  verbergen. 

So  entspricht  unter  dem  lat.  inter  'zwischen'  und  dem  lat.  infra  'unterhalb',  die 
erste  Bedeutung  treffen  wir  in  iinterbredien,  unterdessen,  unterhandeln,  unterreden,  unter- 
sagen (nach  lat.  interdicere),  untersdwiden,  unterwadisen,  unterwegen,  während  die  zweite 
Bedeutung  vorliegt  in  unterbinden,  untergehen,  unterjodien,  unterkommen,  untersdiieben, 
untersdüagen  usw. 

Einen  noch  verwickeiteren  Ursprung  hat  ver,  für  das  im  Gotischen 
drei  verschiedene  Formen  vorliegen,  die  wahrscheinlich  auf  noch  mehr  ver- 
schiedene indogermanische  Formen  zurückgehen.  Dadurch  wird  es  außer- 
ordentlich schwierig,  das  Alte  und  Ursprüngliche  zu  erkennen.  Es  genügt 
natürlich  nicht,  die  einzelnen  Präfixe  ihrer  Herkunft  nach  zu  sondern,  denn 
sicher  bilden  sich  auch  neue  Gebrauchsweisen  aus,  die  mit  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  nicht  das  geringste  zu  tun  haben.  Aber  sicher  muß  jede 
Darstellung,  die  auf  Verständnis  rechnen  will,  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung darlegen,  also  mit  dem  Indogermanischen  beginnen.  Leider  ist 
das  ohne  eingehende  Untersuchung  nicht  möglich,  und  ich  kann  eine  solche 
an  dieser  Stelle  nicht  nachholen. 

Die  Zahl  der  Präfixe  ist  im  Deutschen  dadurch  vermehrt  worden,  daß 

sich  einzelne  infolge  der  Betonung  in  zwei  Formen  gespalten  haben.  Denn 

nach  dem  Gesetz  der  germanischen  Betonung  trägt  das  Nominalpräfix  den 

Ton,  das  Verbalpräfix  ist  unbetont. 

So  haben  wir  änt-  und  ent-  :  in  Ant/aß  'Sündenerlassung,  Ablaß'  und  entlassen: 

—  ür-  und  er-'  :  Urheber  und  erheben;  —  Urkunde  und  erkennen;  ■ —  Urlaub  und  er- 
lauben; —  Ursprung  und  erspringen;  —  Urständ  und  erstanden. 

ab,   engl,  of,   got.  af  entspricht  1.  ab,   gr.  a.-cö  {apö).     Die    Grundbedeutung   ist   'von 

—  weg',  und  diese  hat  sich  in  vielen  Fällen  ganz  klar  erhalten. 

So  in  abhanden,  Ablaß,  got.  aflets  'Erlaß',  ablehnen,  Absage,  absdiredien,  abseits, 
Abstand,  abtragen,  abtreten,  Abweg,  Abwesenheit. 

an.  engl,  on,  gehört  zu  gr.  drä  {anä),  lat.  an  in  anhelare  'auf,  in  die  Höhe'.  Die 
Bedeutung  'in  die  Höhe',  die  man  mit  Wahrscheinlichkeit  als  ursprünglich  ansetzen  darf, 
ist  im  Germanischen  nur  noch  wenig  zu  spüren,  vielleicht  als  Postposition  in  bergan, 
himmelan. 

auf,  ahd.  af,  e.  up,  got.  iup  'aufwärts'  ist  in  den  verwandten  Sprachen  nicht  nach- 
zuweisen.  Es  zeigt  die  Bedeutung  'aufwärts'  noch  in  zahlreichen  Fällen. 

So  in  aufbauschen,  aufbieten  (mhd.  ufbieten  'in  die  Höhe  heben'),  Auffahrt,  auf- 
führen, Aufgang,  aufgeblasen,  aufkommen,  aufredit,  Aufruhr,  Aufsatz,  aufwadien,  auf- 
wedien. 

aus,  ahd.  ü^,  e.  out,  got.  fä.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  'außen,  hinaus'.  Es 
gehört  vielleicht  zu  ai.  ud  'in  die  Höhe,  heraus'. 


124  Sechstes  Kapitel.  Ableitung,  Zusammensetzung  und  anderes. 


be-,  ahd.  6/,  c.  be,  goi.  bi  entspricht  zu  einem  Teil  zweifellos  dein  zweiten  Teil  von 
von  gr.  ü/K/i  {amphi),  I.  ambi-  und  hat  in  diesem  Fall  die  Bedeutung  'um  —  herum'. 

In  einer  Reiiie  von  Fällen  zeigt  sich  dies  darin,  daß  wir  got.  bi  durch  um  zu  ersetzen 
haben:  \io{.  hibintJan  'umbinden';  —  bit^airdan  'umgürten';  birinnan  'umdrängen,  um- 
geben'. Bei  uns  liegt  diese  Bedeutung,  wenn  aucli  nur  undeutiicii,  noch  vor  in  bedenken 
'von  allen  Seiten  in  Gedanken  betrachten';  —  befanden  zu  ahd.  bivahan  'umfangen';  — 
befassen,  eig.  'herumfassen';  —  begehen  (ein  Fest),  eig.  'einen  Umgang  machen";  —  be- 
graben heißt  offenbar  'ringsum  graben',  got.  bigraban  'mit  einem  Graben  umgeben';  — 
begreifen,  eig.  rings  umiiergrcifen',  vgl.  ahd.  Talian  1,  4  finstarnessi  tliaz  {lio/it>  ni  be- 
griffnn  (umfassen);  —  bekleiden,  eig.  'umkleiden';  —  beklemmen,  eig.  'von  allen  Seiten 
zusammenpressen':  —  besdiränken  'ringsum  mit  Schranken  versehen';  —  besdineiden,  I. 
circumcidere;  —  besdinuppern  'an  etwas  herumricchen';  —  besdiwOren,  got.  biswaran  setzt 
ein  Herumgehen  voraus;  —  besitzen,  got.  bisitan  'herumsitzen,  umherwohnen';  —  be- 
stedien,  aus  der  Bergmannssprache,  eig.  'ringsumher  erprobend  stechen'  usw. 

Anderseits  scheint  be  auch  dem  aind.  abhi,  1.  ob,  abg.  oba  mit  der  ursprünglichen  Be- 
deutung 'auf  —  zu,  auf  —  hin'  zu  entsprechen. 

Vgl.  goL  biqiman  'überfallen',  ahd.  biqueman  'herbeikommen,  herankommen',  e.  become, 
d.  bekommen;  —  beladen,  berühren,  besdiatten,  bededien. 

ent-,  betont  ünt-,  ahd.  ant-,  int-,  got.  and-,  anda-  gehört  zu  gr.  avii  {anti)  'gegen', 
I.  ante,  ai.  dnti  'sich  gegenüber,  vor  sich,  in  der  Nähe'.  In  einer  Reihe  von  Fällen  liegt 
die  ursprüngliche  Bedeutung  'entgegen,  gegenüber'  noch  vor. 

So  vor  allen  bei  den  Substantiven  Antlaß  'Ablaß',  Antlitz,  Antwort,  got.  andawaürdi; 
ferner  in  got.  andniman  eig.  'entgegennehmen',  d.  entnehmen,  ahd.  intneman  'entgegen-, 
zusichnehmen";  —  got.  andhafjan  'antworten',  eig.  'entgegenhalten';  —  got.  andrinnan 
'entgegenrennen';  —  got.  andsaljan  'entgegensetzen',  d.  sidi  entsetzen,  eig.  'sich  gegen- 
übersetzen' aus  Furcht;  —  empfangen,  ahd.  intfalian  'entgegengreifen'.  Aus  solchen  Fallen 
hat  sich  schon  früh  die  Bedeutung  'von  —  weg'  und  des  Gegensätzlichen,  Negativen  ent- 
wickelt, z.  B.  got.  andhamon,  d.  entkleiden;  —  got.  andhidjan,  d.  enthüllen;  —  got.  and- 
ietnan  'entlassen  werden",  d.  entlassen;  —  entkommen,  entfalten,  enthaupten  usw. 

Anderseits  entspricht  ent-  aber  auch  dem  got.  in,  lat.  in,  gr.  iv  (en)  'in,  hinein'. 

Vgl.  got.  inbrannjan  'in  Brand  stecken",  ahd.  intbrennen,  d.  entbrennen;  —  got.  in- 
sandjan  'hin-,  hineinsenden',  d.  entsenden;  —  got.  instandan  'nahe  bevorstehen',  d.  ent- 
stehen; —  got.  intandjan  'verbrennen",  d.  entzünden;  —  got.  inwagjan  'in  Bewegung 
setzen',  d.  unentwegt. 

er-,  vollbetont  ur-,  goi.  us-,  uz-,  ur-  (aus  -uds)  gehört  zu  ai.  ud  'empor,  hinauf, 
hinaus'.   Diese  Bedeutung  dürfte  die  ursprüngliche  sein. 

Sie  zeigt  sich  wohl  noch  in  got.  urreisan  'aufstehen',  urrinnan  'aus-,  aufgehen"  us- 
hlaupan  'aufspringen',  uskeinan  'hervorkeimen',  ussailvan  'in  die  Höhe  sehen',  ersehen^ 
usstandan  'auferstehen',  ussteigan  'hinaufsteigen',  d.  ersteigen,  uswakjan,  d.  erwedien;  — 
ferner  noch  erbauen,  erriditen,  ersdiredien,  eig.  'aufspringen",  ersprießen,  erziehen,  er- 
heben u.  a.  und  am  deutlichsten  in  einigen  nominalen  Bildungen  wie  Urheber  von  mhd. 
urhap  'Anfang,  Sauerteig',  eig.  'das  Emporheben",  Ursprung,  Urständ  'Auferstehung".  Über 
die  weitere  F.ntwicklung  s.  unten. 

ge-,  got.  ga-  bedeutet  zuerst  'zusammen"  und  deckt  sich  in  dieser  Bedeutung  mit 
1.  cum,  obgleich  es  noch  nicht  gelungen  ist,  die  beiden  Formen  lautlich  zu  vereinigen. 

Vgl.  got.  gabairan  'zusammentragen,  vergleichen".  \.  conferre;  ,—  gabaür  "das  Zu- 
sammengebrachte, Sammlung,  Steuer',  d.  Gebühr,  d.  Bauer,  ahd.  gibilro  'der  mit  einem  zu- 
sammenbaut'; Gebrüder,  Gesdiwister,  got.  ^aö///</ö«,  eig.  'zusammenbinden',  d.  Gebinde, 
Gededi,  gefrieren  'zusammenfrieren",  got.  gagaggan  'zusammenkommen',  got.  gahaitan  'zu- 
sammenrufen', Gemahl,  ahd.  gimahalo  zu  ahd.  gimahalan  'zusammen  sprechen',  got.  gajuka 
'Genosse',  1.  coniux;  —  got.  gamains,  d.  gemein,  1.  communis  'der  mit  mir  die  Mauer  teilt';  — 


§94.  Zusammensetzungen.  125 


got.  gamarko  'Grenznachbarin',  d.  Gemarkung;  —  Genosse  zu  {ge)nießen  'Nutzen  haben', 
wie  got.  gahlaiba  zu  lilaifs  'Brot',  Kom-pagnon  zu  \at.panis;  —  gerinnen,  got.  garinnan; 
—  gesamt;  —  gesdiehen  gehört  zu  abg.  skokn  'Sprung',  es  heißt  also  'zusammenspringen, 
zusammentreffen';  —  Geschiebe;  —  Geselle  zu  Saal,  Gespan  'der  die  gleiche  Spannarbeit 
verrichtet',  Gespiele,  Gespräch;  —  Gevatter,  1.  compater;  —  gewinnen,  1.  conor  aus  *co- 
venor;  —  Gewissen,  1.  conscientia;  —  gewohnt  heißt  eig.  'zusammenwohnend'.  Die  alte 
Bedeutung  ist  also  noch  gelegentlich  zu  spüren.   Weiteres  s.  unten. 

miß-  ist  im  allgemeinen  klar. 

mit,  got.  mip  entspricht  gr.  ttyiä  {meto)  'zugleich,  zusammen',  ist  aber  im  Germanischen 
eine  unechte  Präposition  und  ganz  deutlich. 

nadi,  got.  neh)  gehört  zu  nahe  und  bedeutet  eig.  'in  die  Nähe'. 

Die  alte  Bedeutung  findet  sich  in  Nadibar.  Weiter  hat  es  sich  zu  'hinterher'  ent- 
wickelt, so  in  nadisehen,  Nachsdirift  usw.  Nachahmen  kommt  von  mhd.  amen  'ein  Faß 
durchmessen'  von  mhd.  ame,  ome  'Maß,  Ohm'. 

nieder,  ahd.  nidar  ist  eine  Erweiterung  von  ni,  ai.  ni,  wie  ai.  nitaräm  'unterwärts'. 
Das  einfache  ni  steckt  wahrscheinlich  in  Nest,  1.  nidiis,  idg.  *t^^os,  einer  Zusammen- 
setzung mit  *sed-  'sitzen'.  ^^ 

ob  und  ober-  sind  klar.   Sie  gehören  mit  über  zusammen. 

über,  got.  ufar  ist  gr.  vjisq  (hyper),  1.  s-uper. 

Alte  Beispiele  sind:  überfüllen,  got.  ufarfidljan;  —  übergießen,  go\.  ufargiutan  'über- 
vollgießen'; —  sich  überheben,  got.  iifarhafjan  sik;  —  überhören,  got.  ufarhauseins  'Un- 
gehorsam'; —  überschatten,  got.  iifarskadwjan. 

um,  ahd.  iimbi  ist  eine  Ablautsform  zu  gr.  ancpl  (amphi)  'herum'.  Die  Bedeutungs- 
entwicklung ist  verhältnismäßig  einfach. ^j 

ver-  ist  vielleicht  das  schwierigste  deutsche  Präverbium,  weil  es  auf  drei  verschie- 
dene gotische  Formen  zurückgeht,  nämlich  fair-,  faür-  und  fra-,  die  vielleicht  ihrerseits 
auch  noch  mehrfachen  Ursprung  haben. 

got.  fair-  entspricht  ai.  pari,  gr.  nsQi  {perl),  1.  per.  Schon  im  Indogermanischen  war 
die  Bedeutung  verzweigt,  ohne  daß  wir  den  ursprünglichen  Sinn  feststellen  können. 

Eine  Bedeutung  ist  jedenfalls  'umher,  herum,  um'.  Wir  haben  diese  in  got.  fair- 
greipan  'ergreifen',  eig.  wohl  'herumgreifen';  got.  fairweitjan  'umherspähen',  1.  pervidere 
'umherspähen'.  Daneben  drückt  fair-  aber  auch  das  'hindurch'  und  damit  die  Erreichung 
eines  Zieles  aus.  So  in  got.  fair-aihan  'teilhaftig  sein',  fairhaitan  'verheiße',  fairrinnan 
'sich  erstrecken,  reichen,  gelangen',  fairwaürkfan  'erwirken,  erwerben'.  Das  einzige  Bei- 
spiel, das  heute  noch  möglicherweise  hierher  gehört,  ist  verstehen,  eig.  'sich  rings  herum- 
stellen'. 

got.  fra-  entspricht  1.  pro,  gr.  jiqö,  ai.  prä-  und  bedeutet  ursprünglich  'vorwärts,  voran, 
fort',  woraus  sich  dann  zahlreiche  neue  Bedeutungen  entwickeln. 

got. /rfl-Z7«g/ön  'verkaufen';  —  goX.  fradailj an,  ±  verteilen;  —  got.  fragiban  'ver- 
geben,  verleihen,  schenken',  d.  vergeben ;  —  got.  fragildan,  d.  vergelten ;  —  got.  fraitan 
'fressen,  aufzehren',  eig.  'fortessen',  d.  fressen,  ai.  pra  ad-;  —  got.  fraletan  'freilassen';  — 
fraliusan,  d.  verlieren;  —  got.  franiman  'in  Besitz  nehmen',  d.  vernehmen;  —  got.  frarinnan 
'sich  verlaufen',  d.  verrinnen;  —  got.  fraslindan,  d.  verschlingen;  —  got.  frawairpan 'vtx- 
werfen,  zerstreuen'. 

got.  faür-  entspricht  wohl  gr.  .Tood  (parä)  'bei,  entlang',  aber  auch  \.  prae  'vor'  und 
por  'hin',  so  daß  es  also  schon  eine  gemischte  Präposition  war. 


')  Da  ahd.  umbi,  gr.  aiupl  {amphi)  neben 


rechnen.    Ich  nenne  nur  neben  aus  ahd.  in 


ahd.  bi  steht,  so  liegt  klärlich  eine  Zusammen-  eben  'in  gleicher  Linie',  binnen  aus  bi  innen. 
Setzung  aus  zwei  Präpositionen  vor,  aus  an  Ein  altes  Beispiel  ist  unser  zu,  ahd.  zuo, 
und  *bhi  (s.  oben).   Mit  der  Tatsache  der  Zu-       asächs.  tö,  aus  t,  der  Schwundstufe  zu  got. 

sammensetzung  müssen  wir  überhaupt  öfter  |   at,  1.  ad  'zw"  und  der  Präposition  o,  s.  u. 


126     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

goi.  faürbiuäan,  d.  verbieten;  —  goi.  faürdammjan,  d.  verdammen;  —  got.  faürlagian, 
6.  vorlegen,  verlegen;  got.  faiirrinnan  'vorlicryelicn',  d.  verrinnen. 

zer-  hat  die  Grundbedeutung  'auseinander'  und  entspricht  lat.  dis-,  gr.  d<ä  (rf/d).  Merk- 
würdigerweise erscheint  im  Gotisciien  niclit  das  zu  erwartende  tis,  sondern  dis,  was  bis 
jetzt  nodi  nicht  erklärt  ist,  wohl  aber  auf  einer  besondern  [Entwicklung  des  Gotischen  be- 
ruhen muß.  Denn  an  eine  Entlehnung  des  gotischen  dis  aus  lat.  dis  ist  kaum  zu  denken. 
Die  Bedeutung  ist  meistens  noch  ganz  klar  wie  in  zerbredien,  zerfallen,  zerfetzen,  zer- 
gehen, zergliedern,  zerlassen,  zerlegen,  zerlödiern,  zersdiellen.  zerspalten,  zersplittern.  Eine 
übertragene  Bedeutung  haben  wir  in  zerknittern,  zerknüttern,  das  nach  Fällen  wie  zer- 
splittern, zertrümmern  gebildet  ist. 

Diese  andeutende  Übersicht  möge  für  die  präpositionalen  Zusammen- 
setzungen genügen.  Nun  aber  muß  noch  ein  Hauptpunkt  erörtert  werden. 
Heute  ist  der  eigenthche  Sinn  der  Präpositionen  in  einer  ganzen  Reihe 
von  Fällen  vollständig  verblaßt,  trotzdem  hat  aber  das  zusammengesetzte 
Verbum  einen  gajÄbcstimmten  Sinn.  So  bildet  be-  z.  B.  Verba,  die  'mit 
etwas  versehen'  bcaeuten. 

So  beerdigen,  befähigen,  befehden,  befehligen,  befriedigen,  begeistern,  begnadigen, 
begünstigen,  behaart,  behaftet,  behändigen,  beherzigen,  bekleiden,  bekümmern,  belagern, 
belästigen,  beleidigen,  belustigen,  bemänteln,  bemeistern.  bemitleiden  usw. 

Dagegen  drückt  er-  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  nichts  weiteres 
aus,  als  daß  die  Handlung  zu  einem  Abschluß  gelangt,  vollendet  ist.  Man 
nennt  dies  perfektiv,  vgl.  GDS.  89  ff. 

So  haben  wir  blidien  und  erbliiken;  —  erbosen  'böse  werden';  —  fahren  und  er- 
fahren, eig.  'das  Fahren  beendigen';  —  kennen  und  erkennen;  —  erlangen;  —  liegen 
und  erliegen  'zum  Liegen  kommen';  —  lösdien  und  erlösdien;  —  messen  und  ermessen; 
—  pressen  und  erpressen;  —  regen  und  erregen;  —  saufen  und  ersaufen;  —  sdieinen 
und  ersdieinen;  —  trinken  und  et  trinken  usw. 

Diese  Bedeutung  ist  dadurch  zustande  gekommen,  daß  die  eigentliche 
Bedeutung  der  Präposition  völlig  verblaßt  ist.  Bei  er-  hat  sich  dies  erst  in 
der  geschichtlichen  Zeit  entwickelt.  Schon  im  Gotischen  hat  ga-  dieselbe 
Rolle  gespielt  und   sie  bis  zum  Mittelhochdeutschen  beibehalten. 

Heute  haben  wir  nur  noch  erstarrte  Reste.  Eines  der  besten  Beispiele  ist  gebären, 
got.  gabairan ;  got.  bairan  gehört  zu  lat.  fero,  gr.  ri^eoco  (phero)  mit  der  Bedeutung  'tragen', 
also  auch  'schwanger  sein':  gebären  heißt  die  Handlung  des  Tragens  abschließen.  Weiter 
kann  man  hierher  stellen:  gehordien:  hordien  'hören';  —  gehören  zu  hören;  —  gelingen 
zu  mhd.  lingen  'vorwärtsgehen';  —  geloben  zu  loben;  —  geraten  zu  raten;  —  getrauen; 
gewahren,  gewinnen. 

Verdunkelte  Vorsilben.  Die  Vorsilben  haben,  wie  S.  123  hervorgehoben, 
infolge  wechselnder  Betonung  des  öfteren  verschiedene  Formen  angenommen, 
und  wenn  sie  unbetont  waren,  sind  sie  z.  T.  arg  zusammengeschrumpft. 
Nicht  selten  haben  sie  sogar  ihren  Vokal  gänzlich  verloren,  und  sie  sind 
dann  heute  nicht  mehr  als  Vorsilben  zu  erkennen. 

So  finden  wir  be-  in  bleiben,  ahd.  bi-liban;  Blodi,  ahd.  bi-loh;  ge-  in  Glaube,  ahd. 
gi-loubo;  gleidi,  ahd.  gi-Uh;  Gleis,  mhd.  ge-leis;  Gleisner,  ahd.  giädiisare;  Glied,  ahd. 
gilit;  Glimpf,  mhd.  gelimpf ;  Glüdi,  mhd.  gelüdie;  Gnade,  ahd.  ginada;  Graf,  ags.  ge-refa; 
grob,  ahd.  gi-rob.   In  gerade  schreiben  wir  noch  e,  sprechen  aber  meist  nur  grade. 

Diese  Erscheinung  ist  nun  nicht  nur  dem  Germanischen  eigen,  sondern 


§95.  Lehn- UND  Fremdworte.  127 

sie  ist  ebenso  aus  den  romanischen  wie  aus  den  slawischen  Sprachen  durch 
zahlreiche  Beispiele  zu  belegen,  und  ohne  Zweifel  dürfen  wir  die  Möglich- 
keit dieser  Erklärung  auch  für  das  hidogermanische  in  Erwägung  ziehen, 
wie  dies  schon  A.  Pott  Etymologische  Forschungen  II  '^  297  getan  hat.  Trotz 
des  Widerspruchs  von  G.  Curtuis  Grdr.  d.  griech.  Etymologie^  32  hat  Pott 
recht  behalten,  und  es  läßt  sich  heute  schon  ein  reicher  Stoff  von  Worten 
zusammenstellen,  bei  denen  die  Annahme,  daß  in  dem  Anlaut  eine  Vor- 
silbe steckt,  willkommene  etymologische  Aufklärung  bietet.  Ich  führe  einige 

Fälle  an. 

Idg.  e,  o  verblaßter  Bedeutung  in  Ast,  gr.  o'Zog  (özos)  'Zweig',  aus  *o-zdos  :  *sed 
'sitzen';  Adel  zu  1.  tellas  'Erde',  vgl.  Grienberger.  Unters,  z.  got.  Wortkunde  104  ff.  Da- 
neben die  Präposition  o  in  nodal;  —  die  Schwundstufe  d  zu  1.  ad,  got.  at  steckt  in 
zagen,  air.  ad-agur  'ich  fürchte',  ahd.  zuo  aus  d  +  o;  ni  'nieder'  steckt  in  nest,  1.  mdiis  aus 
*ni-zdos  zu  '-^sed-  'sitzen'.  Die  beste  Aufklärung  aber  erhält  auf  diesem  Wege  das  sogenannte 
bewegliche  s  des  Idg.  Die  Tatsachen  liegen  so,  daß  im  Anlaut  offenbar  verwandter  Wörter 
zum  Teil  das  Mehr  eines  s  erscheint.  Vgl.  Siebs,  KZ.  37.  276  ff.  In  einer  Reihe  von  Fällen 
scheint  mir  dieses  5  deutlich  die  Schwundstufe  zu  der  Präposition  l.gr.  ex  zu  sein.  Vgl. 
stoßen  :  \.  extundere;  sddießen  :  1.  excludere;  sdiütten  :  1.  exciitere;  sdilagen  :  gr.  tx/.ay.zi^cj 
(eklakttzo)  'mit  den  Füßen  hinten  ausschlagen';  sdüappen  :  1.  elanibere-,  sdieren  :  gx.fy.xelnoi 
{ekksro)  -ganz  kahlscheren';  sdüeißen  :  1.  elidere  'zerschlagen';  sdiledien  :  ledien,  also  eig. 
'auslecken':  sdireien  :  \.  crimen,  irz.crier,  also  "herausschreien';  speien:  gl.  kx-jizvoj  {ekptyo) 
'ausspeien'. 

Rückbildungen.  Wenn  wir  die  beiden  Worte  Kraft  und  kräftig  nehmen, 
so  sehen  wir  in  kräftig  eine  Ableitung  von  Kraft.  Wenn  eine  solche  Auf- 
fassung auch  in  den  meisten  Fällen  richtig  ist,  so  doch  nicht  immer.  Be- 
steht erst  einmal  im  Sprachbewußtsein  ein  Gefühl  für  ein  solches  Ver- 
hältnis, so  kann  auch  umgekehrt  zu  einem  scheinbar  abgeleiteten  Wort 
ein  Grundwort  neu  gebildet  werden.  Dasselbe  Verhältnis  wie  oben  besteht 
doch  anscheinend  auch  zwischen  Allmacht  und  allmächtig.  Tatsächlich  ist 
es  anders;  allmächtig  kommt  schon  althochdeutsch  und  auch  in  den  übrigen 
germanischen  Dialekten  vor,  Allmacht  fehlt  im  Mittelhochdeutschen  und 
auch  bei  Luther,  und  ist  offenbar  erst  wieder  von  dem  Adjektivum  gebildet. 

Andere  derartige  Fälle  sind  Befehl  von  befehlen;  —  Beleg  von  belegen;  —  Be- 
reidi  von  jetzt  verlorenem  bereidien;  —  Beridit  von  beriditen;  —  Beruf  von  berufen; 
Besatz  von  besetzen;  —  Verlag  von  verlegen;  —  Versand  von  versenden;  —  Be- 
sdieid  von  besdieiden  usw. 

Man  muß  diesen  Punkt  stets  berücksichtigen,  um  nicht  zu  falscher  Auf- 
fassung zu  kommen. 


Siebentes  Kapitel. 
Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

§  95.  Lehn-  und  Fremdworte.    Als   dritte    Gruppe   unseres  Wortschatzes 
lassen  sich  ohne  weiteres  die  Fremdworte  ausscheiden.   Bei  ihnen  hat  die 


128      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

Wortforschung  insofern  eine  sehr  dankenswerte  Aufgabe,  als  wir  sie  meist 
von  einer  bestimmten  Zeit,  der  Zeit  der  Aufnahme  an  verfolgen  können. 
Und  außerdem  handelt  es  sich  bei  ihnen  vielfach  um  große  geschichtliche 
Strömungen,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  und  aus  verschiedenen  Richtungen 
auftreten.  Sie  zeugen  also  in  erster  Linie  von  den  großen  Zusammen- 
hängen der  Welt,  und  sie  sind  daher  für  die  deutsche  Wortforschung  von 
großer  Bedeutung. 

Man  unterscheidet  heute  im  gelehrten  Sprachgebrauch  Lehn-  und 
Fremdwörter,  indem  man  unter  Lehnwörtern  die  Worte  versteht,  die  voll- 
ständig in  unsern  Sprachgebrauch  aufgenommen  und  eingedeutscht  sind, 
während  man  mit  Fremdwörtern  deutlich  erkennbare  Entlehnungen  be- 
zeichnet. Diese  Unterscheidung  kann  aber  nicht  als  wesentlich  angesehen 
werden,  sie  ist  ein  Ergebnis  der  Zeit  und  des  Zufalls.  Den  Worten  Streik 
und  streiken,  obgleich  es  Entlehnungen  der  jüngsten  Zeit  sind,  kann  niemand 
die  fremde  Herkunft  ansehen,  und  keiner  wird  sich  bemühen,  ein  solches 
Wort  auszumerzen,  obgleich  wir  ein  echt  deutsches  Wort,  das  oberdeutsche 
Ausstand,  dafür  haben.  Aber  von  diesem  läßt  sich  nicht  leicht  ein  Verbum 
ableiten,  und  so  hat  das  englische  Wort  seine  Vorteile.  Ebenso  ist  Scheck 
eingedeutscht.  Andererseits  ist  die  Ableitung  -ieren  schon  im  Mittelalter 
entlehnt  worden  und  die  mit  ihm  abgeleiteten  Worte  haben  noch  heute 
ihre  undeutsche  Art  nicht  verloren,  obgleich  auch  recht  deutsche  Stämme 
mit  dieser  Endung  versehen  sind.  Sehr  wichtig  ist  auch,  in  welche  Kreise 
ein  Fremdwort  eingedrungen  ist.  Je  mehr  es  auch  im  Volke  lebt,  wie  es 
zum  Beispiel  bei  dem  Worte  Streik  der  Fall  ist,  um  so  weniger  liegt  die 
Möglichkeit  vor,  es  auszurotten.  Die  Frage,  wie  weit  man  in  der  Um- 
deutschung  gehen  soll,  wird  uns  weiter  unten  beschäftigen. 

Anmerkung.  Um  zu  erkennen,  wie  weit  ein  Fremdwort  volkstümlich  geworden  ist, 
muß  man  das  Vorkommen  in  den  Mundarten  untersuchen.  Natürlich  bieten  hier  die  Mund- 
artenwörterbücher  reichen  Stoff,  es  gibt  aber  auch  eine  Reihe  dankenswerter  Sonderunter- 
suchungen. Ich  nenne  hier:  M.  Besler.  Die  Forbacher  Mundart  und  ihre  französischen 
Bestandteile,  Programm  1901.  —  R.  Brandstetter,  Drei  Abhandlungen  über  das  Lehn- 
wort. I.  Das  Lehnwort  in  der  Luzerner  Mundart.  Wiss.  Beilage  zum  Jahresbericht  über  die 
Höhere  Lehranstalt  in  Luzern  1899  1900.  —  H.  Hoff.m.xnn,  Fremd-  und  Lehnwörter  pol- 
nischen Ursprungs  der  schlesischen  Mundart.  ZfdeutscheMundart.  1910,  193—204.  — 
Emil  Jäschke,  Lateinisch-romanisches  Fremdwb.  der  schles.  Mundart,  1908.  —  Phil.  Lenz, 
Die  Frremdwörter  des  Handschuhsheimer  Dialekts,  Progr.  Baden-Baden  und  Konstanz  1887 
und  1896.  —  M.  M.\rtin,  Die  französischen  Wörter  im  Rheinhess..  Diss.  Gießen  1914.  — 
R.  Mentz,  Französisches  im  Mecklenburger  Platt,  Programme  1897  98.  —  K.  Roos,  Die 
Fremdwörter  in  den  eis.  Mundarten.  Diss.  Slraßburg  1903. 

Keine  Sprache  ist  ohne  Lehnwörter,  da  kein  Volk  allein  und  un- 
beeinflußt auf  der  Welt  lebt.  Ein  jedes  hat  Begriffe  und  Wörter  von  seinen 
Nachbarn  aufgenommen.  Wie  sehr  das  Germanische  auf  seine  Nachbarn 
gewirkt  hat,  haben  wir  schon  oben  gesehen.  Jetzt  wollen  wir  das  Um- 
gekehrte betrachten. 

§  96.  Kennzeichen  der  Entlehnung.  Die  sichersten  Kennzeichen  der  Ent- 


§  96.  Kennzeichen  der  Entlehnung.  §  97.  Grundgesetze  der  Entlehnung.    1 29 

lehnung  besitzen  wir  in  der  äußeren  Gestalt  der  Wörter.  Das  Germanische 
betont  in  der  Hauptsache  die  erste  Silbe.  Wörter,  die  davon  abweichen, 
sind  im  allgemeinen  fremd,  und  so  läßt  sich  schon  ohne  Schwierigkeit  ein 
großer  Teil  französischer  und  anderer  Wörter  ausscheiden.  Zu  beachten  ist 
freilich,  daß  wir  mit  dieser  Betonung  auch  neue  Worte  aus  fremdem  Stoff 
bilden. 

Infolge  dieser  Betonung  sind  weiter  die  Endungssilben  meist  zu 
schwachem  e  abgeschwächt.  Wörter  mit  vollem  Vokal  an  zweiter  Stelle 
sind  daher  gewöhnlich  nicht  echt  deutsch.  Ferner  besitzen  fremde  Sprachen 
Lautgruppen,  die  unsere  Sprache  nicht  kennt,  wie  z.  B.  mouilliertes  rC  {nj), 
Kompagnon,  t  {Ij),  Taille  usw.  Bei  vielen  in  alter  Zeit  übernommenen 
Wörtern  läßt  sich  aber  die  fremde  Gestalt  nicht  unmittelbar  erkennen.  Wer 
würde  Kiste,  Keller,  Kirche,  Kaiser  als  fremd  ansehen?  Hier  hilft  uns 
nur  die  Sprachvergleichung  und  die  durch  sie  entdeckten  Lautgesetze. 

Je  besser  die  Lautlehre  ausgebildet  wird,  um  so  sicherer  werden  wir 
das  einheimische  Gut  von  dem  fremden  zu  unterscheiden  imstande  sein. 
Aber  lautliche  Veränderungen  sind  nicht  immer  zur  Hand.  So  läßt  sich 
zum  Beispiel  nicht  entscheiden,  ob  unser  Wort  Lein,  ahd.  lin  aus  dem 
lat.  linum  entlehnt  oder  einheimisch  ist.  Ich  möchte  daher  auf  ein  nicht  zu 
unterschätzendes  Kennzeichen  aufmerksam  machen,  das  ist  der  Mangel  an 
Ableitungen.  Während  nach  den  Zusammenstellungen  von  Liebich  von  den 
318  indogermanischen  Familien  13860  Worte  abgeleitet  erscheinen,  sind 
von  den  497  Familien,  die  aus  dem  Lateinisch-Romanischen  herrühren, 
nur  4840  Worte  gebildet,  darunter  natürlich  zahlreiche  Zusammensetzungen. 
Man  wird  daher  auch  bei  indogermanischen  Worten,  wenn  sie  wenige  Ab- 
leitungen zeigen  und  sie  ihrer  Bedeutung  nach  entlehnt  sein  können,  an 
die  Möglichkeit  fremder  Herkunft  denken  dürfen.  Und  schließlich  ist  die 
Bedeutung  des  Wortes  von  ganz  hervorragender  Wichtigkeit  für  die  Frage 
der  Herübernahme.  Zwar  gibt  es  fast  kein  Begriffsgebiet,  für  das  Ent- 
lehnungen mangeln  —  bei  uns  sind  nur  die  Fürwörter  ganz  frei  — ,  aber 
es  bestehen  doch  wesentliche  Unterschiede.  Ausdrücke  für  konkrete  Be- 
griffe, namentlich  für  Kulturgegenstände,  werden  viel  leichter  entlehnt  als 
andere.  Wenn  sich  außerdem  die  Wörter  ganzer  Begriffsgebiete  an  laut- 
lichen Kennzeichen  als  Lehnworte  erweisen,  so  werden  auch  die  entlehnt 
sein,  die  zu  einer  solchen  Gruppe  gehören,  aber  kein  äußeres  Merkmal  an 
sich  tragen. 

§  97.  Grundgesetze  der  Entlehnung.  Weiter  muß  noch  auf  einige  all- 
gemeine Fragen,  die  die  Lehnwörter  betreffen,  eingegangen  werden,  auf 
die  Fragen,  wann  und  wie  sie  entlehnt  werden,  und  nach  welchen  Gesetzen 
dies  geschieht.  Mit  der  wünschenswerten  Klarheit  sind  diese  Fragen  zuerst 
von  E.  Windisch,  Berichte  der  Kgl.  sächs.  Gesellsch.  der  Wissensch.  1897 
S.  101  ff.,  erörtert  worden. 

Wenn    zwei   verschiedensprachige  Völker   nebeneinander  wohnen,   so 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  9 


130      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

wird  es  an  der  Grenze  immer  Menschen  ^ebcn,  die  beide  Sprachen  be- 
herrschen. Diese  bilden  daher  die  pjegebenen  Vermittler.  Ebenso  können 
aber  auch  versciiiedensprachige  Völker  untereinander  gemischt  wohnen,  wie 
wir  dies  im  deutschen  Osten,  im  Balkan  und  anderswo  noch  heute  häufig 
genug  antreffen.  In  älteren  Zeiten  ist  dies  noch  öfter  der  Fall  gewesen. 
Und  schließlich  können  Einzelne  die  fremde  Sprache  auf  Reisen  usw. 
lernen.  Nun  sollte  zweifellos  eigentlich  die  Entlehnung  stets  wechselseitig 
sein.  Wenn  wir  indessen  die  geschichtlichen  Tatsachen  befragen,  so  zeigt 
sich  eine  solche  wechselseitige  Entlehnung  verhältnismäßig  recht  selten, 
vielmehr  nimmt  gewöhnlich  nur  das  eine  Volk  Lehnwörter  in  größerer 
Zahl  auf,  das  andere  nicht.  Die  Römer  empfingen  zahlreiche  Lehnwörter 
von  den  Griechen  und  nicht  umgekehrt.  Die  keltische  Sprache  ist  von 
lateinischem  Sprachgut  durchsetzt,  nicht  umgekehrt.  Wir  haben  sehr  viel 
französische  Fremdwörter,  aber  wenig  slawische;  dagegen  hat  das  Fran- 
zösische seit  dem  10.  Jahrhundert  wenig  Deutsches  aufgenommen,  während 
das  Slawische  von  deutschen  Wörtern  überfüllt  ist.  Es  steht  also  unbedingt 
fest,  daß  gewöhnlich  nur  ein  Volk  die  fremden  Wörter  aufnimmt,  und  es 
fragt  sich  nur,  welches  Volk  das  empfangende  ist.  Hierauf  hat  nun  Windisch 
eine  ganz  bestimmte  Antwort  gegeben.  Das  Volk  übernimmt  die  Lehn- 
wörter, das  die  Sprache  des  andern  lernt,  von  dem  also  eine  Anzahl 
Menschen  zweisprachig  sind.  Auch  das  ist  eine  Tatsache,  daß  bei  der  Be- 
rührung zweier  Völker  nicht  beide  zweisprachig  werden,  sondern  nur  eins. 
So  haben  die  Griechen  selten  Lateinisch,  wohl  aber  die  Römer  Griechisch 
gelernt,  während  diese  den  Barbarensprachen  kaum  ihre  Aufmerksamkeit 
zugewendet  haben.  Weder  im  Mittelalter  noch  in  der  Neuzeit  haben  sich 
die  Franzosen  bemüht,  deutsch  zu  lernen,  während  sich  oft  genug  Deutsche 
das  Französische  angeeignet  haben.  Dagegen  fangen  jetzt  erst  bei  uns 
einige  wenige  an,  eine  slawische  Sprache  zu  erlernen,  während  zahlreiche 
Slawen  deutsch  verstehen.  Welches  Volk  die  Sprache  des  andern  lernt,  das 
hängt  weiter  von  wirtschaftlichen,  gesellschaftlichen  und  sonstigen  Be- 
dingungen ab.  Einerseits  übt  die  höhere  geistige  Entwicklung  eines  Volkes 
den  Anreiz  aus,  durch  die  Erlernung  der  Sprache  mit  dieser  genauer  be- 
kannt zu  werden,  anderseits  wird  sich  das  herrschende  Volk  selten  dazu 
bequemen,  sich  die  Sprache  der  Untergebenen  anzueignen. 

Hat  man  nun  eine  fremde  Sprache  erlernt,  so  muß  man  diese  rein 
sprechen,  d.  h.  ohne  Wörter  aus  der  Muttersprache  einzumischen,  wenn  man 
verstanden  sein  will.  Denn  diese  Wörter  sind  ja  im  fremden  Lande  un- 
bekannt. Wenn  ein  Slawe  sein  Deutsch  mit  slawischen  Ausdrücken  versetzt 
sprechen  wollte,  würden  wir  ihn  nicht  verstehen.  Dagegen  nimmt  der,  dem 
eine  fremde  Sprache  geläufig  ist,  mit  Vorliebe  Wörter  aus  dieser  Sprache 
in  seine  eigene  herüber,  teils  um  sich  zu  brüsten  und  um  sich  ein  be- 
sonderes Ansehen  zu  geben,  teils  auch  weil  sich  die  betreffenden  Worte 
der   eigenen    Sprache    nicht   gleich    im    Gedächtnis    einstellen.     So   kann 


§97.  Grundgesetze  DER  Entlehnung.  131 


allmählich  die  eigene  Sprache  zu  einer  Mischsprache  werden.  Anderseits 
werden  die  Volksgenossen  sich  sehr  leicht  einige  der  fremden  Worte  des 
Zweisprachigen  aneignen. 

Besonders  lehrreich  ist  das  heutige  Deutsch  in  Amerika.  Auch  da,  wo 
es  sich  erhält,  nimmt  die  Sprache  zahlreiche  englische  Worte  auf,  die  aber 
ganz  als  deutsche  behandelt  werden. 

Anmerkung.  Ich  entnehme  aus  Erwin  Rosen,  Der  deutsche  Lausbub  in  Amerika 
1,  247,  folgendes  Beispiel:  „Poppa  (Papa),  gib  mir  ein  wenig  small  change  (Kleingeld): 
ich  mecht  mir  ein  ticket  (Karte,  in  diesem  Fall:  Los)  für  die  lottery  kaufe!  Es  gibt  schene 
prizes  von  t/a/uaWe  (wertvolle)  Gegenstände."  Oder:  „Geh  nur,  mein  Kind;  aber  tanz' mer 
net  zu  much  (viel),  damit  du  mir  keine  Kohld  ketsche  tust!"  {to  catch  cold  'sich  eine  Er- 
kältung zuziehen'). 

Oder  man  nehme  die  Briefe  Kaiser  Wilhelms  I.  Er  beherrschte  natürlich 
das  Französische,  und  so  fließen  ihm  die  fremden  Ausdrücke,  namentlich 
bei  rasch  hingeworfenen  Schriftstücken,  ganz  ungesucht  in  die  Feder.  Den 
Gelehrten  geht  es  ebenso.  Es  ist  unstreitig  für  ihn  viel  leichter  und  be- 
quemer, viele  Fremdwörter  zu  gebrauchen,  als  sie  zu  vermeiden. 

Das  ist  alles  längst  bekannt,  wenn  es  auch  nicht  richtig  gewürdigt  war. 

Der  gewöhnliche  Gang  der  Dinge  in  allen  den  Fällen,  wo  ein  Volk 
seine  Sprache  allmählich  aufgibt,  ist  also  der,  daß  die  zweisprachigen 
immer  mehr  fremde  Ausdrücke  in  ihre  Muttersprache  herübernehmen. 
So  muß  es  in  England  gewesen  sein  nach  der  normannischen  Eroberung, 
so  war  es  bei  den  Albanesen,  deren  Wortschatz  fast  ganz  romanisch 
geworden  ist,  so  ist  es  bei  den  Wenden  in  der  Lausitz  oder  so  war  es  im 
Elsässer-Deutsch. 

Windisch  ist  von  der  Frage  ausgegangen,  weshalb  im  heutigen  Fran- 
zösischen so  wenig  keltische  Lehnwörter  zu  finden  seien.  Eine  in  der  Tat 
zunächst  auffallende  Tatsache.  Wir  können  ebensogut  fragen,  weshalb  in  Ost- 
deutschland, wo  doch  einst  Slawen  saßen,  die  allmählich  germanisiert  sind, 
so  wenig  slawische  Fremdwörter  im  Deutschen  vorhanden  sind,  oder  wes- 
halb sich  in  Süddeutschland,  wo  der  Grundstock  der  Bevölkerung  keltisch 
war,  keine  keltischen  Bestandteile  im  heutigen  Deutsch  finden.  Das  alles 
ist  durch  Windischs  Abhandlung  erklärt  worden.  In  solchen  Fällen,  wo  es 
sich  um  die  Herübernahme  einer  Fülle  von  Fremdwörtern  handelt,  kann 
also  nicht  die  Rede  davon  sein,  daß  mit  den  neuen  Worten  auch  not- 
wendigerweise neue  Begriffe  eindringen  müssen.  Es  können  vielmehr  gute 
einheimische  Worte  durch  fremde  ersetzt  werden.  Wir  können  verschiedentlich 
beobachten,  daß  Lehnwörter  in  starker  Zahl  eingedrungen  sind,  so  z.  B. 
im  Albanesischen  und  Keltischen  aus  dem  Lateinischen,  im  Finnischen  aus 
dem  Germanischen,  im  Litauischen  aus  dem  Polnischen  und  Germanischen, 
im  Englischen  aus  dem  Französischen.  In  solchem  Fall  genügt  der  Grenz- 
verkehr nicht  mehr  zur  Erklärung.  Es  muß  vielmehr  ein  großer  Teil  der 
Bevölkerung  oder  wenigstens  ein  großer  Teil  der  obern  Schichten  zwei- 
sprachig gewesen  sein.  Dann  strömen  Lehnwörter  massenhaft  zu.  Wo  aber 


132     Siebentes  Kaf^itel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

nur  die  Grenzbevölkcruntr  oder  ein  ^anz  kleiner  Teil  des  Volkes  zwei- 
sprachij^  ist,  da  werden  meist  nur  wirklich  bedeutungsvolle  neue  Begriffe 
herübergenommen.  Das  niedriger  stehende  Volk  aber  wird  dem  höher- 
stehenden, das  seine  Sprache  nicht  lernt,  immer  nur  Worte  für  Begriffe 
und  Dinge  übermitteln,  die  bei  ihm  in  besonderer  Art  bestehen  und  für 
die  daher  das  fremde  Wort  notwendig  beibehalten  werden  muß.  Das  gilt 
z.  B.  bei  uns  zum  großen  Teil  für  die  Worte,  die  wir  aus  dem  Slawischen 
herübergenommen  haben. 

Man  kann  also  bei  den  Fremdwörtern  von  einem  Strom  und  einem 
Gegenstrom  reden.  Der  natürliche  starke  Strom  flutet  wie  die  allgemeine 
Entwicklung  von  Süden  nach  Norden,  von  Osten  nach  Westen,  vom  Orient 
zu  den  Griechen,  von  den  Griechen  zu  den  Römern,  von  diesen  zu  den 
Kelten  und  weiter  zu  den  Germanen,  Slawen,  Finnen.  Der  schwächere 
Gegenstrom  fließt  den  umgekehrten  Weg,  bringt  weniger  Worte,  aber  im 
allgemeinen  nur  solche,  die  neue  Begriffe  bezeichnet]. 

Die  zahlreichen  Fremdwörter  des  Französischen  aus  dem  Germanischen, 
die  wir  oben  besprochen  haben,  lassen  sich  nun  auch  erklären.  Sie  weisen 
nicht  so  sehr  auf  kulturgeschichtliche  Einflüsse,  als  vielmehr  auf  die  Herr- 
schaft der  Germanen.  Geraume  Zeit  hindurch  müssen  die  Franzosen  und 
die  übrigen  Romanen  damals  deutsch  gelernt  haben. 

§  98.  Zeit  und  Ort  der  Entlehnung.  Die  Frage,  wann  ein  Wort  entlehnt 
ist,  muß  für  die  Zeiten  einer  schriftlichen  Überlieferung  durch  den  Nach- 
weis des  ersten  Auftretens  in  ihr  gelöst  werden.  Natürlich  kann  auch  ein 
Fremdwort  schon  längere  Zeit  im  Volksmund  umlaufen,  ehe  es  geschrieben 
auftritt  oder  in  den  Wörterbüchern  verzeichnet  wird.  Aber  das  ist  eben  mit 
der  Natur  des  Stoffes  unweigerlich  verbunden.  Daneben  liefert  uns  die 
Sprache  selbst  Hilfsmittel,  die  es  uns  manchmal  ermöglichen,  auch  für  die 
Zeiten  vor  der  Überlieferung  ziemlich  genau  die  Zeit  der  Entlehnung  fest- 
zulegen. 

Wir  haben  schon  früher  die  Veränderungen  der  Sprache  kennen  gelernt. 
Jede  Lautveränderung  ist  aber  auf  eine  bestimmte  Zeit  beschränkt.  Wird 
das  Wort  vor  der  Lautveränderung  entlehnt,  so  macht  es  den  Lautwandel 
mit,  wird  es  nach  Vollendung  des  Lautwandels  herübergenommen,  so  bleibt 
es  unverändert.  Ein  Beispiel  möge  das  zeigen.  In  voralthochdeutscher  Zeit 
ist  p  im  Anlaut  zu  pf  geworden.  Worte,  die  vor  der  Zeit  dieses  Laut- 
wandels entlehnt  sind,  verschieben  also  p  gleichfalls  zu  pf,  z.  B.  Pfingsten, 
Pflaume  usw.,  s.  o.  S.  12.  Die  spätem  Entlehnungen  behalten  das  p  bei, 
z.  B.  Pein,  Papst  u.  a. 

Umgekehrt  können  auch  in  der  Sprache,  aus  der  entlehnt  wird,  Ver- 
änderungen vor  sich  gehen,  und  wir  sind  dann  imstande,  zu  bestimmen,  ob 
ein  Wort  vor  oder  nach  der  Zeit  dieses  Lautüberganges  entlehnt  ist.  So  ist 
das  lateinische  c  vor  hellen  Vokalen,  wo  es  ursprünglich  wie  k  gesprochen 
wurde,  zu  einem  Zischlaut  geworden. 


§  98.  Zeit  und  Ort  der  Entlehnung.  1 33 

Die  altern  Lehnwörter  haben  daher  ^,  die  spätem  dagegen  z.  Beispiele  sind:  Kaiser, 
1.  Caesar;  —  Keller,  1.  cellariiim;  —  Keller,  jetzt  Kellner,  1.  cellarius;  —  Kerbel,  1.  cere- 
folium;  —  Kichererbse,  1.  cicer;  —  Kirsche,  1.  cerasus;  —  Kiste,  1.  cista  gegenüber  Zeder 
ahd.  cedarboum,  \.  cedrus;  —  Zelle,  mhd.  zelle,  \al  cella;  —  Zent  'Gerichtsbezirk',  mlat. 
centa  zu  lat.  centum;  —  Zepter,  mhd.  zepter,  1.  sceptrum;  —  Zimbel,  ahd.  zymbala, 
1.  cymbaliim;  —  Kreuz,  1.  cräcem. 

Je  stärker  sich  also  eine  Sprache  verändert,  um  so  günstigere  Be- 
dingungen haben  wir  für  die  Bestimmung  des  AHers  der  Lehnworte.  Mit 
keiner  Sprache  ist  es  in  dieser  Hinsicht  besser  bestellt  als  mit  dem  Ger- 
manischen und  Deutschen,  weil  in  ihnen  der  Konsonantenstand  durch  die 
erste  und  zweite  Lautverschiebung   von  Grund   aus   verändert  worden   ist. 

Die  erste  germanische  Lautverschiebung  hat  fast  alle  Geräuschlaute 
betroffen,  und  sie  ist  daher  sehr  wichtig.  Von  der  größten  Bedeutung  ist 
es  deshalb  auch,  die  Zeit  ihres  Eintritts  festzustellen.  Leider  ist  das  bis  heute 
noch  nicht  gelungen.  Wir  können  nur  sagen,  daß  die  ältesten  germanischen 
Lehnworte  schon  die  Lautverschiebung  aufweisen. 

Bei  der  Verwertung  der  Lautveränderungen  muß  man  allerdings  immer 
mit  dem  Faktor  der  Lautersetzung  (Lautsubstitution)  rechnen.  Besitzt  nämlich 
eine  Sprache  einen  Laut  der  fremden  Sprache  nicht,  so  wird  dieser  nicht 
etwa  genau  nachgebildet,  sondern  es  wird  ein  ähnlicher  dafür  gebraucht 
So  haben  die  Litauer  noch  heute  kein  /,  und  sie  setzen  daher  dafür/»  ein, 
z.  B.  pärwas  'Farbe',  ptbeUs  'Fibel',  plela  'Feile',  plnkas  'Flecken'  usw.; 
den  Russen  mangelt  unser  deutsches  h,  das  sie  daher  durch  g  wieder- 
geben, galstuk  'Halstuch'.  Unser  Volk  kann  das  französische  j  nicht  aus- 
sprechen, und  es  braucht  dafür  seh,  z.  B.  Schenie. 

Es  hat  nun  im  Germanischen  eine  Zeit  gegeben,  in  der  es  keine  Tenues 
{p,  t,  k,)  besaß.  In  dieser  Zeit  mußte  es  also  die  fremden  Laute  ersetzen, 
und  zwar  geschah  das  durch  die  Affrikaten  oder  Spiranten.  Eines  der  ältesten 
Lehnwörter  ist  das  Wort  hanf,  got.  '-kanaps,  das  aus  einer  Form  entlehnt  ist, 
die  dem  griech.-lat.  cannabis  ähnlich  lautete.  Man  nimmt  gewöhnlich  an, 
dies  Wort  müsse  vor  Eintritt  der  Lautverschiebung  entlehnt  sein,  es  kann 
aber  zu  einer  Zeit  geschehen  sein,  in  der  die  Verschiebung  der  Tenues 
schon  beendigt,  die  der  Medien  noch  nicht  vollendet  war. 

Nachdem  ferner  die  Tenues  zu  Spiranten,  die  Medien  zu  Tenues  ver- 
schoben worden  waren,  besaß  das  Germanische  keine  Medien  mehr,  da  ja 
die  jetzigen  b,  d,  g  noch  Spiranten  waren,  und  es  konnte  daher  die  griechisch- 
lateinisch-keltischen Medien  nicht  genau  wiedergeben,  ersetzte  sie  vielmehr 
durch  Tenues.  So  haben  wir  noch  in  verhältnismäßig  später  Zeit  Graecus 
entlehnt.  Es  lautet  aber  in  der  ältesten  Form  got.  Kreks,  d.  h.  man  hat  für 
das  g  ein  k  eingesetzt. 

Anmerkung.  Diese  Erkenntnis  ermöglicht  es  uns,  noch  eine  Anzahl  andrer  Wörter 
als  mögliche  Lehnworte  in  Anspruch  zu  nehmen,  die  man  früher  für  urverwandt  gehalten 
hat.  So  ahd.  slio'jan  aus  1.  excladere;  got.  kustus  'Prüfung'  aus  1.  gustus;  ahd.  kostön  aus 
l.gustare;  got.  lekeis  'Arzt'  aus  dem  Keltischen,  air.  liaig;  d.  Zaun,  e.  town  aus  Reit,  -dünunt 


134     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

in  Liigdünum.    Die  Entscheidunjj.   ob  diese  Worte  wirklich  entlehnt  sind,   muß  in  andern 
Gründen  als  denen  der  Laulyeschiclite  gesucht  werden. 

Aus  allen  diesen  Uniständen  foli^t,  daß  bei  der  Ermittlung  der  Zeit  der 
Entlehnuntj  einige  Vorsicht  zu  walten  hat. 

In  Bezug  auf  den  Ort  der  Entlehnung  ist  es  selbstverständlich,  daß 
ein  Wort  nicht  allerorten,  sondern  meist  an  einer  bestimmten  Stelle  ent- 
lehnt wird.  Um  festzustellen,  wo  dies  geschehen  ist,  haben  wir  verschiedene 
Hilfsmittel:  erstens  die  Verbreitung  der  Wörter  im  Deutschen.  Ein  Wort 
im  Nordwesten  wird  nicht  gerade  aus  dem  Italienischen,  eins  im  Osten 
nicht  gerade  aus  dem  Französischen  stammen.  Rhein.  Kordel  und  österr. 
Spagat  stammen  aus  verschiedenen  Gegenden,  jenes  aus  dem  Französischen, 
dies  aus  dem  Italienischen;  zweitens  kommt  die  äußere  Form  in  Betracht. 
Südd.  Kästen  'Kastanie'  weist  auf  ein  rom.  '■'castinia,  während  die  uns  ge- 
läufige Form  castanea  lautet.  Jene  Form  liegt  im  oberital.  casteha  vor,  und 
damit  ist  also  der  Ursprungsort  gegeben.  Gletscher  geht  natürlich  auf  lat. 
glacies  zurück,  zeigt  aber  eine  eigentümliche  Entwicklung  des  c.  Wir  finden 
die  gleiche  Entwicklung  in  der  alpinen  Bezeichnung  Tschingel  aus  lat. 
cingüliim;  und  aus  der  Gegend,  die  lat.  c  vor  i  zu  tsch  wandelte,  stammt 
Gletscher.  Vgl.  hierzu  die  außerordentlich  anregende  Arbeit  von  Jud,  Pro- 
bleme der  altromanischen  Wortgeographie,  Zeitschrift  für  romanische  Philo- 
logie 38,1  ff. 

Wir  gehen  nunmehr  dazu  über,  die  verschiedenen  zeitlichen  und  ört- 
lichen Schichten  der  Lehnworte  zu  besprechen. 

§  99.  Lehnworte  im  Indogermanischen.  Von  den  durch  die  Vergleichung 
erschlossenen  indogermanischen  Worten  können  natürlich  manche  entlehnt 
sein,  da  auch  das  Indogermanische  sicher  nicht  ohne  Lehnworte  gewesen 
ist.  Leider  sind  wir  kaum  in  der  Lage,  solche  mit  Sicherheit  nachzuweisen. 
Imm.erhin  hat  zum  Beispiel  die  Zählweise  Einflüsse  von  selten  des  Baby- 
lonischen erfahren,  wenn  wir  auch  keine  Lehnworte  nachweisen  können. 
Dazu  kommen  vielleicht  einige  andere  Ausdrücke.  Unser  Wort  Stern,  got. 
stairno,  1.  Stella,  gr.  äoj{]o  {astoer),  aind.  str  weist  auf  eine  indogermanische 
Grundform  "^'astero.  Dies  könnte  aus  dem  semitischen  Namen  des  Abend- 
sterns, der  in  den  Götternamen  Astarte,  Ischtar  vorliegt,  stammen,  vgl. 
Zlhaiern  in  E.  Schrader,  Die  Keilinschriften  und  das  Alte  Testament,  3.  Aufl., 
S.  425.  Weiter  kann  man  am  ehesten  Entlehnung  vermuten  bei  den  Namen 
der  Kulturpflanzen,  der  Haustiere,  der  Metalle.  Aber  etwas  Sicheres  läßt  sich 
bis  jetzt  noch  nicht  ermitteln. 

§  100.  Die  Lehnworte  des  Germanischen. 

Literatur:  Eine  gute,  lesbare  Darstellung,  die  die  Lehnwörter  der  gesamten  deutschen 
Entwicklung  umfaßt,  bietet  jetzt  F.  Seiler,  Die  Entwicklung  der  deutschen  Kultur  im  Spiegel 
des  deutschen  Lehnworts.  I.  Die  Zeit  bis  zur  Einführung  des  Christentums,  2.  Aufl.  19C5. 
IL  Von  der  Einführung  des  Christentums  bis  zum  Beginn  der  neueren  Zeit,  2.  Aufl.  1907. 
III.  Das  Lehnwort  der  neueren  Zeit.   Erster  Abschnitt  1910.   Zweiter  Abschnitt  1912. 

Festen  Boden  in  betreff  der  Lehnworte  bekommen  wir  erst  unter  die 


§  100.  Lehnworte  des  Germanischen.  §  101.  älteste  Schicht  der  Lehnwörter.  135 

Füße,  wenn  wir  zu  den  geschichtlichen  Zeiten  hinabsteigen.  Schon  vor 
Beginn  der  christhchen  Zeitrechnung  beginnen  die  ersten  deutlich  erkenn- 
baren Entlehnungen  ins  Germanische  und  seitdem  sind  unzählige  gefolgt, 
so  daß  unser  Wortschatz  mit  Fremdwörtern  stark  durchsetzt  ist.  Viele 
Gebiete  dieses  Teils  der  Sprachgeschichte  sind  eingehend  untersucht  und 
haben  zu  höchst  bemerkenswerten  Aufklärungen  kulturgeschichtlicher  Art 
geführt.  Man  kann  wohl  sagen,  daß  dieser  Teil  der  deutschen  Wortgeschichte 
am  besten  aufgehellt  ist  und  daß  hier  bis  jetzt  die  meisten  Ergebnisse  er- 
zielt sind. 

§  101.  Die  älteste  Schicht  der  Lehnwörter.  Welche  Worte  vor  der  ersten 
germanischen  Lautverschiebung  aufgenommen  sind,  läßt  sich  mit  Bestimmt- 
heit nicht  sagen,  weil  uns  hier  eben  das  Hilfsmittel  der  Lautveränderung 
fehlt.  Es  müssen  hier  also  kulturhistorische  Gründe  für  die  Entscheidung 
herangezogen  werden.  Mit  größerer  oder  geringerer  Wahrscheinlichkeit  sieht 
man  als  Lehnworte  an: 

a)  Die  Namen  einer  Reihe  von  Kulturpflanzen  wie//««/,  ahd.  hanaf,  engl  he  mp 
zu  lat.  cannabis,  gr.  xdwaßig  {kännabis).  Nach  Herodot  4,  74  wurde  der  Hanf  besonders 
im  Osten  bei  Thral<ern  und  Skythen  angebaut,  und  man  nimmt  daher  an,  das  Wort  sei 
aus  dieser  Gegend  zu  den  Germanen  gelvommen.  Da  aber  auch  Südfrantcreich  schon  im 
3.  Jahrhundert  v.  Chr.  Hanfbau  l<annte,  so  ist  das  nichts  weniger  als  sicher.  An  und  für 
sich  könnte  das  Wort  auch  schon  ins  Indogermanische  entlehnt  sein. 

Erbse,  ahd.  arawei:j  gehört  wahrscheinlich  mit  lat.  ervtim  'Art  Wicke',  gr.  sQsßivüog 
{erebinthos),  oooßog  (örobos)  'Kichererbse'  zusammen,  kann  aber  nicht  aus  dem  Griechischen 
oder  Lateinischen  entlehnt,  aber  auch  schwerlich  urverwandt  sein. 

Linse,  ahd.  linsi  zu  lat.  lens.   Es  gilt  dasselbe. 

b)  Metallnamen.  Es  wird  jetzt  immer  deutlicher,  daß  die  Bekanntschaft  mit  einer 
Reihe  von  Metallen  in  ziemlich  alte  Zeiten  zurückgeht.  Da  aber  die  Bearbeitung  der  Metalle 
gewiß  nicht  an  vielen  Stellen  aufgekommen  ist,  sondern  immer  nur  jedes  Metall  ein  Ur- 
sprungszentrum haben  dürfte,  so  dürfen  wir  hier  stark  mit  Entlehnungen  rechnen. 

Unser  Wort  Silber,  got.  silubr  hängt  mit  lit.  sidäbras,  abg.  serebro  zusammen  und 
muß  früh  zu  den  Germanen  gekommen  sein,  woher,  ist  unklar,  vielleicht  aus  akkadisch 
sarpu  'Silber'. 

Das  Wort  Erz,  ahd.  arazzi,  andd.  arut  geht  auf  eine  vorgermanische  Form  *arud  oder 
*orud  zurück,  die  auffällig  an  sumer.  unid  'Kupfer'  anklingt. 

Blei,  ahd.  blio,  Grundform  *bhwas  ist  gleichfalls  unerklärt.  Da  bl  aus  ml  entstanden 
sein  kann,  so  wären  Beziehungen  zu  gr.  ßölif^og  (bölimos),  fwhßog  {mölibos)  denkbar. 

c)  Sonstiges.  Affe.  Hesych  gibt  an,  die  Kelten  hätten  das  Tier  abranas  genannt. 
Man  will  dafür  abanas  lesen  und  meint,  die  Kelten  hätten  das  Tier  auf  ihren  Beutezügen 
kennen  gelernt  und  das  Wort  mit  dem  Begriff  den  Germanen  übermittelt. 

Auch  unser  Wort  Pfad,  e.  path  'Weg'  klingt  auffällig  an  gr.  jiÜTog  (pdtos)  'Pfad, 
Weg'  an,  kann  aber  nicht  daraus  entlehnt  sein.  Kluge  vermutet,  es  stamme  aus  dem  Sky- 
thischen  (vgl.  aind.  path-  f.,  awest.  pap-  'Weg,  Pfad'),  was  nicht  unmöglich  ist. 

Humpen  vielleicht  ebendaher,  awcst.  x.umb-;  es  kann  aber  als  Ablautsform  zn  Napf 
echtgermanisch  sein. 

Anmerkung.  Sicher  werden  wir  hier  nur  einen  geringen  Teil  der  Worte  erkennen, 
die  wirklich  entlehnt  sind.  Man  bedenke,  daß  uns  die  Sprache  vieler  Völker  Europas  durch- 
aus unbekannt  ist,  so  die  der  Illyrer,  die  in  der  nördlichen  Balkanhalbinsel  und  in  Ober- 
italien saßen.  Auf  Entlehnung  aus  Sprachen,  die  dem  Germanischen  eng  verwandt  waren, 


136     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

aber  die  Lautverschiebung  nicht  hatten,  weisen  eine  Reihe  von  Worten.  So  gehört  höchst 
wahrscheinlich  got.  kaupatjan  'ohrfeigen'  :  got.  haubip,  und  ags.  bepcscan  'betrügen'  :  got. 
bifaihon.  Vgl.  Kluge,  Urgerm.'  46. 

§  102.  Die  Einwirkung  der  Kelten.  Cäsar  sagt  an  einer  bekannten  Stelle 
in  seinen  Kommentaren,  daß  die  Kelten  einst  den  Germanen  überlegen 
gewesen  seien.  Diese  Ansicht,  die  man  lange  Zeit  als  wertlos  beiseite  ge- 
schoben hat,  trifft  zweifellos  das  Richtige,  und  neuere  Forscher  sind  sogar 
soweit  gegangen,  den  Kelten  eine  Herrschaft  über  die  Germanen  zu- 
zuschreiben, vgl.  D'arbois  de  JuBAiNViLLE,  Rcvuc  historiquc  30  (1886)  1 — 48, 
Celtes  et  Germains  1886,  Bremer,  Deutsche  Ethnographie  in  Pauls  Grundriß 
der  germanischen  Philologie,  Bd.  3,  787.  Diese  Ansicht  ist  nicht  so  aben- 
teuerlich, als  sie  zuerst  erscheint.  Sehen  wir  doch  die  Kelten  im  Dämmer 
der  Geschichte  als  ein  mächtiges  eroberndes  Volk,  das  nach  Frankreich, 
Spanien,  Italien,  Griechenland  seine  Heerscharen  entsendet  und  dort  geraume 
Zeit  die  Herrschaft  erringt.  Warum  sollen  sie  nicht  auch  die  leicht  zugäng- 
lichen Sitze  der  Germanen  überflutet  haben,  zumal  sie  offenbar  durch  ihre 
eisernen  Waffen  rasch  das  Übergewicht  gewinnen  konnten.  Aber  geschicht- 
liche Zeugnisse  für  diese  Annahme  besitzen  wir  nicht.  Da  tritt  nun  die 
Sprache  ein,  die  uns  lehrt,  daß  die  Germanen  eine  größere  Zahl  bedeutungs- 
voller Lehnwörter  von  den  Kelten  empfangen  haben.  Diese  Lehnworte 
deuten  auf  einen  Kultureinfluß,  der  ziemlich  innige  Berührung  voraussetzt. 
Eine  Reihe  von  Lehnworten  zeigen  die  Wirkungen  der  germanischen  Laut- 
verschiebung, doch  läßt  sich  nicht  sicher  erkennen,  ob  die  Worte  vor  der 
Lautverschiebung  entlehnt  sind  und  diese  mitgemacht  haben,  oder  ob  die 
oben  S.  133  erwähnte  Lautsubstitution  vorliegt. 

Unter  den  Lehnworten  spielen  die  Personennamen  unzweifelhaft  eine 
wichtige  Rolle.  Immer  wieder  nimmt  das  schwächere  Volk  mit  besonderer 
Vorliebe  die  Eigennamen  des  herrschenden  Volkes  an.  So  leben  noch  heute 
bei  den  Romanen  die  germanischen  Eigennamen  und  zeugen  von  jener 
Zeit,  in  der  germanische  Stämme  in  den  romanischen  Ländern  herrschten. 
Die  römische  Namengebung  ist  zum  guten  Teil  etruskisch,  die  Russen  be- 
sitzen in  ihren  Namen  Igor,  Riirik,  Olga  ein  Kennzeichen  jener  Herrschaft, 
die   einst  die  schwedischen  Waräger  aufgerichtet  haben.   Vgl.  GDS.  99. 

Wenn  wir  nun  bei  Kelten  und  Germanen  eine  Reihe  genau  über- 
einstimmender Eigennamen  finden,  so  könnten  diese  ja  zum  Teil  aus  der 
indogermanischen  Urzeit  stammen.  Das  ist  aber  bei  einigen  von  ihnen  nicht 
möglich,  weil  sie  Elemente  zeigen,  die  die  Spuren  keltischer  Lautgebung 
tragen.  So  ist  zweifellos  unser  Wort  reich,  got.  reiks  'mächtig',  reiki  'Reich' 
aus  dem  Keltischen  entlehnt,  denn  es  ist  mit  lat.  rex  verwandt  und  müßte 
im  Althochdeutschen  ""'rahs  lauten.  Nur  im  Keltischen  ist  das  idg.  e  zn  i 
geworden,  und  so  ist  nur  hier  die  Lautform  rix  (vgl.  Diimnorix)  lautlich 
berechtigt.  Dieses  Wort  riks  finden  wir  aber  auch  in  einer  Reihe  germanischer 
Eigennamen.    Da  in  einigen  auch  das  erste  Glied  zum  KeUischen  stimmt, 


§  102.  Die  Einwirkung  der  Kelten,  §  103.  Einfluss  der  Griechen  und  Römer.  137 


z.  B.  kelt.  Catiirix,  ahd.  Hadiinh,  Teut{i)onx,  ahd.  Dlotnh,  so  sind  diese 
ziemlich  zweifellos  aus  dem  Keltischen  entlehnt,  vgl.  Bremer  a.  a.  O.  S.  53. 
Andere  Namen,  die  einander  vollständig  gleichen,  sind  kelt.  Catumaros  zu 
Hadumar,  Dagomaros  zu  Dagmar,  Segomäros  zu  Sigmar  u.  a.  Auf  diese 
Namen  ist  mit  Bremer  ganz  entschieden  großes  Gewicht  zu  legen. 

Dazu  kommt  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Worten,  von  denen  man  mit 
Sicherheit  oder  großer  Wahrscheinlichkeit  die  Entlehnung  behaupten  kann. 
Nur  mit  Wahrscheinlichkeit  ist  das  bei  denen  der  Fall,  die  die  germanische 
Lautverschiebung  mit  durchgemacht  haben.  Sie  könnten  ebensogut  ur- 
verwandt sein,  aber  allgemeine  Erwägungen,  namentlich  die  Bedeutung, 
sprechen  für  Entlehnung. 

reidi,  got.  reiks  s.  o.;  —  Amt,  ahd.  ambaht  'Amt',  got.  andbahts  m.  'Diener'  aus 
kelt.  ambactiis,  zusammengesetzt  aus  amb  'herum'  und  actus,  Partizip  von  ago  'sende', 
also  eigentlich  'Herumgesandter';  —  Geisel,  3hd.  gisal  m.  'Kriegsgefangener',  kelt.  *geslo; 

—  Held,  as.  helith,  kelt.  *kaleto  'hart';  —  Eisen,  ahd.  isan,  isani  n.,  got.  eisarn,  kelt. 
*lsarno.  Daß  die  Kelten  die  Träger  der  Eisenkultur  waren,  ist  ganz  sicher;  —  Lot,  mhd. 
lot,  engl,  lead  'Blei',  Urform  *lauda,  auf  die  auch  air.  liiaide  weist;  —  welsdi,  ahd.  wal- 
hisc,  abgeleitet  von  Walh,  dem  Namen  des  keltischen  Volksstammes  der  Volcae;  —  Zaun, 
e.  town,  dazu  der  Gebirgsname  Taunus  aus  kelt.  -danutn  in  Lug-dnnum.  Die  Entlehnung 
folgt  daraus,  daß  das  echtgermanische  Wort  in  Düne.  ags.  dän  'Hügel'  vorliegt. 

Dazu  kommen  noch  einige  Worte,  die  an  und  für  sich  auch  urverwandt  sein  können, 
aber  doch  mit  größerer  Wahrscheinlichkeit  als  Entlehnungen  anzusehen  sind:  Eid,  got. 
aips,  air.  oeth;  —  got.  liugan  'heiraten',  eigentlich  'einen  Vertrag  schließen',  ahd.  ur-liugi 
'Krieg',  eigentlich  'außerhalb  des  Vertrages',  jetzt  noch  in  Orlogsdiiff,  air.  luige,  kymr. 
llw  'Eid';  —  frei,  got  freis,  kymr.  rhyd  aus  *(p)rijo  (müßte  sehr  alte  Entlehnung  sein); 

—  Erbe,  got.  arbja,  air.  orbe  usw. 

Hierzu  kann  man  möglicherweise  manche  der  oben  §  83  als  kelto- 
germanisch  aufgeführten  Gleichungen  stellen. 

Sehr  bemerkenswerte  Beziehungen  zwischen  Germanisch  und  Keltisch  finden  sich 
auch  bei  den  Völker- und  Ortsnamen.  So  entspricht  der  Name /y^55^A2  dem  kelt.  -Casses, 
Burgunden  dem  kelt.  Brigantes.  Das  große  mitteldeutsche  Waldgebirge  trägt  den  kel- 
tischen Namen  Hercynia  Silva,  das  aus  *perkilnia  entstanden  ist,  und  dies  entspricht  genau 
mhd.  Virgunt. 

§  103.  Der  Einfluß  der  Griechen  und  Römer.  Allgemeines.  Wann  der  Ein- 
fluß der  Sprachen  des  Südens  auf  die  germanische  begonnen  hat,  läßt  sich 
nicht  mit  Bestimmtheit  sagen.  Es  scheint,  daß  der  Name  Julius  Cäsars,  der 
als  Kaiser  bei  uns  fortlebt,  das  älteste  lateinische  Lehnwort  ist.  Es  folgt  dies 
aus  der  Wiedergabe  des  lat.  ae  durch  germ.  ai.  Jedenfalls  müßte  man  für 
ältere  Lehnworte  keltische  Vermittlung  annehmen. 

Je  mehr  dann  die  Germanen  mit  den  Römern  in  Berührung  kommen, 
um  so  stärker  wird  die  Herübernahme  von  Lehnwörtern,  und  es  ergießt  sich 
nun  durch  Jahrhunderte  hindurch  ein  starker  Strom  von  Fremdworten  über 
unsere  Sprache.  Die  römische  Sprache  hat  die  unsere  im  Wortschatz  so 
nachhaltig  wie  keine  andere  beeinflußt,  wenn  wir  von  den  modernen  Fremd- 
worten absehen.  Die  Zahl  von  497  Familien,  die  aus  dem  Lateinisch- 
Romanischen  entlehnt  sind,  ist  wahrlich  bedeutend  genug. 


138     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

Neben  dem  Römischen  zeigt  sich  aber  auch  ein  Einfluß  des  Griechischen, 
zum  Teil  wohl  durch  das  Lateinische  und  Romanische  hindurchgehend,  zum 
andern  Teil  aber  auch  unmittelbar  wirkend,  und  zwar  waren  die  Goten 
die  Vermittler.  Das  Griechische  muß  das  Gotische,  solange  es  in  der 
Balkanhalbinsel  gesprochen  wurde,  stark  beeinflußt  haben.  Außerdem  wirkte 
die  Bibelübersetzung,  die  manches  Fremdwort  beibehielt,  vgl.  K.  Wkinhold, 
Die  gotische  Sprache  im  Dienste  des  Kristentums,  Halle  1870,  S.  36.  Dann 
gründeten  die  Ostgoten  ihr  Reich  in  Oberilalien,  wodurch  ein  Einfluß  auf 
die  Bayern  in  Oberdeutschland  möglich  wurde.  Ihnen  haben  sie  eine 
Reihe  von  griechischen  Wörtern  übermittelt,  die  diese  dann  weitergegeben 
haben. 

Die  Zeit,  wann  die  verschiedenen  griechischen  und  römischen  Lehn- 
wörter herübergenommen  sind,  läßt  sich  durch  eine  Reihe  von  Umständen 
ziemlich  genau  ermitteln. 

L  Mitten  hinein  in  die  Zeit  der  Entlehnung  fällt  die  zweite  oder  hoch- 
deutsche Lautverschiebung,  nämlich  in  das  6.  Jahrhundert.  Sie  besteht  aus 
folgenden  Vorgängen,  t  wird  zu  z  oder  {33)  ss,  p  zu  pf-  oder  -ff-,  k  zu  -ch- 
verschoben.  Diese  Vorgänge  sind  aber  nicht  gleichzeitig.  Zuerst  wurde  t 
zu  z,  dann  p  zu  pf,  zuletzt  k  zu  eh.  Während  es  Pforzheim  heißt,  lautet 
das  Wort  sonst  Pforte  aus  lat.  porta.  Als  dies  Wort  entlehnt  wurde,  war 
also  die  Verschiebung  von  t  schon  vorüber  und  t  blieb  daher  unverändert, 
während  p  die  Verschiebung  noch  mitmacht.  Pech  aus  lat.  picem  zeigt  da- 
gegen die  verschiedenen  Zeiten,  in  die  die  Verschiebung  von  p  und  k  fällt. 

2.  Aus  der  Gestalt  des  deutschen  Wortes  können  wir  auf  die  des  ro- 
manischen zurückschließen,  die  es  hatte,  als  das  Wort  entlehnt  wurde.  Das 
Lateinische  hat  im  Laufe  der  Zeit  im  Volksmunde  eine  ganze  Reihe  von 
Veränderungen  durchgemacht,  die  wir  zeitlich  annähernd  bestimmen  können. 
So  wurde  lat.  c  vor  hellen  Vokalen  erst  verhältnismäßig  spät  nicht  mehr  als 
Verschlußlaut  gesprochen.  Die  meisten  Entlehnungen  ins  Deutsche  zeigen 
noch  das  k,  Kaiser  aus  Caesar,  Kichererbse  aus  lat.  cicer,  Kiste  aus  lat.  cista, 
Pech  aus  \2i{. picem,  Lärche  aus  lat.  laricem;  demnach  fallen  die  Entlehnungen 
von  Kreuz  aus  lat.  crucem,  Zeder  aus  lat.  cedrus  in  spätere  Zeit. 

In  einer  Reihe  von  Fällen  weist  das  Germanische  auf  eine  andere 
Lautform  als  die  uns  geläufige.  Teils  läßt  sich  alsdann  mit  Hilfe  des  Ger- 
manischen diese  besondere  Form  erschließen,  teils  liegt  diese  im  Vulgär- 
lateinischen vor  oder  wird  auch  von  den  romanischen  Sprachen  voraus- 
gesetzt. 

3.  Die  Angelsachsen  haben  das  Festland  etwa  um  die  Mitte  des  5.  Jahr- 
hunderts verlassen.  Wenn  wir  daher  dieselben  Lehnwörter  im  Angelsächsischen 
und  im  Deutschen  finden  und  zwar  umgewandelt  nach  den  Lautveränderungen, 
die  beide  Sprachen  seit  dieser  Zeit  erlebt  haben,  so  ist  das  Wort  vor  dieser 
Zeit  entlehnt.  So  müssen  daher  die  beiden  Obstnamen  Pf irsich  und  Pflaume, 
d.  Pfirsich,  ags.  persoc,  d.  Pflaume,  ags.  plume  vor  der  Zeit  der  Trennung 


§  104.  Der  Einfluss  der  Griechen.  139 


entlehnt  sein.  Das  Wort  Pfirsich  ist  im  Deutschen  erst  im  12.  Jahrhundert 
nachzuweisen,  muß  aber  mindestens  700  Jahre  vorher  zu  uns  gekommen 
sein  —  ein  warnendes  Beispiel  dafür,  nicht  den  äUesten  Beleg  dem  Auf- 
kommen eines  Wortes  gleichzusetzen. 

§  104.   Der  Einfluß  der  Griechen. 

Literatur:  R.  V.  Raumer,  Über  den  geschichtlichen  Zusammenhang  des  got.  Christen- 
tums mit  dem  Althochdeutschen,  ZfdA.  6,  401.  —  W.Schulze,  SB.  d.  Berl.  Akad.  1905 
Nr.  36  S.  726  ff.  —  F.  Kluge,  Gotische  Lehnwörter  im  Althochdeutschen,  Btr.  35,  124, 
wieder  abgedruckt  in  Wortforschung  und  Wortgeschichte  134  ff. 

Es  ist  klar,  daß  das  Griechische  nicht  unmittelbar  auf  das  Deutsche 
gewirkt  haben  kann,  und  trotzdem  finden  wir  unzweifelhaft  bei  uns  eine 
Reihe  uralter  Lehnwörter  aus  dieser  Sprache.  Das  Rätsel  löst  sich,  wenn 
wir  die  Goten  als  Vermittler  annehmen,  wie  dies  zuerst  R.  v.  Raum  er  ge- 
sehen und  Kluge  eingehend  nachgewiesen  hat. 

Es  handelt  sich  im  wesentlichen  um  Ausdrücke  des  kirchlichen  Ge- 
biets, und  es  ist  wohl  möglich,  daß  wir  es  in  diesem  Punkt  mit  den  Ein- 
wirkungen des  Arianismus  zu  tun  haben. 

Pfaffe  stammt  aus  gr.  ::iajiJtag  {pappäs)  mit  der  Bedeutung  'niederer  Geistlicher' 
wie  slaw.-russ.  popä,  während  im  Romanischen  papa  'pontifex'  bedeutet.  Das  Wort  zeigt, 
wie  auch  viele  der  folgenden,  die  Wirkungen  der  hochdeutschen  Lautverschiebung  und 
muß  daher  früh  zu  uns  gekommen  sein.  Wir  sagen  Kirche,  e.  diurch,  während  das  roma- 
nische Wort  auf  gr.-Iat.  ecclesia  zurückgeht.  Man  hat  die  verschiedensten  Vermutungen  über 
die  Herkunft  unseres  Wortes  aufgestellt.  Heute  kann  man  es  als  sicher  betrachten,  daß  es 
auf  gr.  xvcnaxör  {kyriaköii)  'Haus  des  Herrn'  zurückgeht,  das  im  Got.  zu  *kyriako  wurde, 
woraus  sich  das  weibliche  Geschlecht  im  Althochdeutschen  erklärt.  Pfingsten  dürfte 
ebenfalls  auf  das  Gotisch-Griechische  zurückgehen,  gr.  .tf iT/;p;oor;/  {pentcekostw),  goX.painte- 
kuste,  da  hierfür  Angelsachsen  und  Niederländer  einen  andern  Ausdruck  haben.  Bayer.  Pfinz- 
tag  stammt  aus  gr.  jt^utttii  {pempke)  'fünfte'.  Auch  das  Wort  Heide  ist  nach  W.  Schulze, 
SB.  d.  Berl.  Akad.  1905  Nr.  36  S.  726  ff.,  durch  die  Goten  zu  uns  gekommen,  und  zwar 
müßten  wir  es  dabei  sogar  mit  einer  gelehrten  Herübernahme  zu  tun  haben.  Nach  Schulze 
geht  nämlich  got.  haipno  mit  der  Schreibung  ai  für  gr.  f  auf  Uhog  {ethnos)  zurück,  der 
Diphthong  ai  des  Wortes  in  den  übrigen  germanischen  Sprachen  wäre  dann  nur  so  zu 
erklären,  daß  man  in  Deutschland  das  Schriftbild  auf  sich  hätte  wirken  lassen  und  daher 
heidan  sprach.  Das  hat  ja  allerdings  seine  Bedenken,  aber  die  Entlehnung  aus  dem 
Gotischen  dürfte  doch  feststehen.  Ebenso  stammt  taufen  aus  got.  daupjan.  Es  ist  so- 
zusagen ein  Übersetzungslehnwort.  Im  Gr.  hat  ßnjno)  (bdpto)  die  sinnliche  Bedeutung  'ein- 
tauchen' und  'taufen',  während  lat.  baptizare  nur  die  letztere  hat.  Nur  ein  Gote  konnte 
also  das  Wort  in  dem  spezifischen  Sinne  verwenden.  Dazu  kommen  weiter  nach  Kluge 
ahd.  as.  Krist  (engl.  Christ  mit  ai  geht  auf  irische  Vermittlung  zurück),  Teufel, 
ahd.  tiufal  wegen  des  u  statt  zu  erwartenden  o,  und  dann  auch  wohl  Engel,  Bisdiof, 
e.  bishop  aus  gr.  tlT«Wo.To-  (episkopos),  d.  Hölle,  e.  hell  aus  got.  halja.  und  wenn  Pfingsten 
gotisch  ist,  so  könnte  es  auch  Ostern  sein.  Kluge  nimmt  weiter  Demut,  heilig  u.  a. 
für  möglicherweise  gotisch  in  Anspruch. 

Wenn  so  der  gotische  Einfluß  feststeht,  so  können  natürlich  auch  andere  Wörter  aus 
dem  Gotischen  zu  uns  gekommen  sein.  So  finden  wir  im  got.  paida  'Gewand',  das  aus 
gr.  ßuit)]  {baitie)  stammt.  Das  Wort  treffen  wir  wieder  im  bayr.  Pfeit  (s.  c).  Im  Bayr.  lebt 
auch  D«/^ 'Fest'  fort,  das  dem  got.  dulps  entspricht.  Auch  hier  kann  man  an  Entlehnung 
denken.    Sicher  got.  ist  auch  unser  Maut  'Zoll',   das  wieder  nur  aus  got.  motu  stammen 


^4  0      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

kann.  Merkwürdig  ist  hier  die  mangelnde  Lautverschiebung.  Es  muß  also  später  entlehnt 
sein  als  Pfimtag.  Auch  das  Wort  Grieche,  alid.  Kriedxe  stammt  aus  got.  Kreks  und 
Pflaume,  e.  pliim,  wohl  nicht  aus  1.  pnuium,  sondern  aus  gr.  ni/otuiw  (pnimnon).  —  Un- 
zweifelhaft sind  die  Bayern  die  Vermittler  gewesen.  Ob  aber  der  got.  Einfluß  von  der 
untern  Donau  oder,  was  mir  wahrschcinliclier  ist,  von  Oberitalien  ausgegangen  ist,  läßt 
sich  nicht  sicher  entscheiden. 

§  105.   Der  Einfluß  der  Römer. 

Literatur:  R.  v.  Raumer,  Die  Einwirkung  des  Christentums  auf  die  althochdeutsche 
Sprache,  Stuttgart  1845:  —  H.  Ebel,  Über  die  Lehnwörter  der  deutschen  Sprache  (Programm 
des  Erziehungsinstituts  Ostrowo  bei  Filchne  1856);  —  W.  Wackernagel,  Die  Umdeutschung 
fremder  Wörter,  zuerst  1861.  jetzt  Kleine  Schriften  3,  252  ff.;  —  W.Franz,  Die  lateinisch- 
romanischen  Elemente  im  Althochdeutschen,  Straßburg  1884;  —  A.  Pogatscher,  Zur  Laut- 
lehre der  griechischen,  lateinischen  und  romanischen  Lehnworte  im  Altenglischen,  Straßburg 
1888;  —  F.  Kluge,  Lateinische  Lehnworte  im  Altgermanischen  in  Pauls  Grundriß  der  ger- 
manischen Philologie,  2.  Auflage,  1,333,  1901;  dasselbe  Werk  in  3.  Aufl.  1913  S.9ff.;  — 
K.  Later,  De  latijnsche  woorden  in  het  oud-  en  middelnederduitsch,  Utrecht  1904;  — 
Burckhardt,  Untersuchungen  zu  den  griechischen  und  lateinisch-romanischen  Lehnwörtern 
in  der  altniederdeutschen  Sprache,  Göttinger  Diss.  1904,  auch  in  Steinhausens  Archiv  für 
Kulturgeschichte  1905,  Heft  3  u.  4. 

Der  Einfluß  der  römischen  Sprache  auf  die  germanische  ist  ganz  ge- 
waltig gewesen.  Wir  haben  dadurch  eine  Fülle  von  Wörtern  bekommen, 
die  ganz  unser  eigen  geworden  und  durchaus  nicht  mehr  zu  besei- 
tigen sind.  Sie  wurden  dem  deutschen  Munde  angepaßt,  nach  deutscher 
Art  betont  und  so  durch  Aufnahme  von  selten  des  Volkes  ganz  ein- 
gedeutscht. 

Wann  und  wie  dieser  Einfluß  vor  sich  gegangen,  läßt  sich  nicht  mit 
Bestimmtheit  sagen.  Doch  scheint  unser  Kaiser  auf  den  Namen  Julius 
Cäsars  zurückzugehen  (s.  o.),  also  schon  vor  der  christlichen  Zeitrechnung 
zu  uns  gekommen  zu  sein.  Aber  man  kann  sehr  wohl  die  Frage  auf- 
werfen, ob  nicht  schon  früher,  wenn  auch  mittelbar  wohl  durch  keltischen 
Einfluß,  römische  Worte  zu  uns  gelangt  sind.  Dahin  gehört  z.  B.  got.  alew 
'Ör  aus  lat.  oleum,  got  peikabagms  'Feigenbaum'  aus  lat.ficus  durch  ein 
kelt.  '■■■pikos. 

Der  Hauptstrom  freilich  kam  erst  in  der  römischen  Kaiserzeit,  bedingt 
durch  die  teilweise  Eroberung  Deutschlands,  die  Romanisierung  Galliens 
und  die  zahlreichen  Germanen  im.  römischen  Heer.  Diese  müssen  doch  un- 
bedingt zweisprachig  gewesen  sein,  und  ebenso  gab  es  innerhalb  Deutsch- 
lands gewiß  zahlreiche  Leute,  die  lateinisch  sprachen. 

Anmerkung.  Eine  vom  Lateinischen  ausgehende  alphabetisch  geordnete  Liste  der 
dem  Germanischen  übermittelten  Worte  bietet  Kluge,  Grdr.^  1,  833  (in  der  3.  Auflage 
nicht  mehr),   eine  sachliche  Zusammenstellung  Seiler  l'^,  24  ff.,  Kluge,  Urgermanisch  11. 

Die  Entlehnung  erstreckt  sich  natürlich  über  einen  längeren  Zeitraum, 

und   man   kann   unterscheiden  zwischen  Worten,   die  die  Lautverschiebung 

zeigen,  und  solchen,  die  das  nicht  tun.  Dazu  kommt,  daß  die  Lehnwörter, 

die  das  Althochdeutsche  mit  dem  Angelsächsischen  teilt,  zumeist  aus  einer 

Zeit  stammen,  in  der  die  Angelsachsen  noch  auf  dem  Festland  saßen. 


§  105.  Der  Einfluss  der  Römer.  141 

Was  den  Ort  betrifft,  wo  die  Entlehnungen  stattgefunden  haben,  so 
kommt  natürlich  die  ganze  Grenze  vom  Süden  bis  zum  Norden  in  Betracht. 
Doch  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  ein  Hauptstrom  von  Nordfrankreich 
(über  Trier?)  ausgegangen  ist. 

Der  Einfluß  erstreckt  sich  auf  die  verschiedensten  Gebiete  des  äußeren 
und  inneren  Lebens,  auf  das  Kriegswesen,  die  Verwaltung  und  das  Recht, 
die  Schiffahrt,  den  Handel,  den  Steinbau,  den  Weinbau,  das  Münzwesen, 
die  Küche,  den  Ackerbau,  die  Geflügelzucht,  die  Viehzucht,  das  Handwerk, 
die  Kleidung,  das  Fuhrwesen,  Musikinstrumente,  Wohnung  und  Wohnungs- 
ausstattung, die  Heilkunde,  das  Christentum,  den  Gartenbau,  die  Obstzucht 
und  die  Kirche,  Da  wir  diese  Gebiete  in  einer  besonderen  Übersicht  be- 
handeln, so  gebe  ich  hier  eine  Liste  der  noch  vorhandenen  Entlehnungen, 
wobei  zu  bemerken  ist,  daß  eine  große  Anzahl  in  älterer  Zeit  vorhandener 
Fremdwörter  wieder  verschwunden  sind.  Vollständig  ist  die  Liste  nicht, 
insbesondere  sind  die  spätalthochdeutschen  Entlehnungen  hier  nicht  auf- 
genommen. 

Abt,  Almosen,  Andaudie,  Anker,  Arzt,  Back,  Balsam,  Bedier,  Becken,  Beete,  Bern, 
Birne,  e.  pear,  Bischof,  Bolzen,  Bottidi,  Brief,  Buchsbaum,  Büdise,  Buckel,  Butte,  Bütte, 
Dam(wild),  e.  doe,  verdammen,  dauern,  Dediant,  diditen,  Dedier,  Dom,  Drache,  eichen, 
Eimer,  Elefant,  Eppidi,  Erz-  in  Erzbisdiof,  Esel,  Essig,  Estridi,  Fackel,  falsdi,  fälschen, 
Fasan,  Feier,  Feige,  Fendi,  Fendiel,  e.  fennel,  Fenster,  Fieber,  Fimmel(hanf),  Finne 
'kleiner  Nagel',  mhd.  pfinne,  firmen.  Flamme,  Flasdie,  Flaum,  Flegel,  e.  flail,  Flinte,  Föhn, 
Forke,  Frudü,  Galle  'Geschwulst',  Gargel  'Rinne',  Gelte,  Gilte,  Ginster,  Glocke.  Greif, 
Griffel,  Grille,  Gurgel,  obd.  Immi  'Hohlmaß',  impfen,  Kadiel,  Käfig,  kahl,  Kahm,  Kaiser, 
Kaidaunen,  Kalk,  Kammer,  Kampf,  Kandel,  Kännel,  Kännel,  Kanker  'Krebsschaden  an 
Pflanzen',  Kante,  Kanzel,  Käpfer,  Kämpfer,  Kappe,  e.  cap,  Kappes  'Weißkraut',  Kapsel, 
Kardi,  Karde,  Karner,  Kerner,  Gerner,  Karpfen,  Käse,  e.  dieese,  Kastell,  e.  Chester, 
Kästen,  e.  chestnut,  Katze,  e,  cat,  Kauf(mann),  Kelch,  Keller,  Kellner,  Kelter,  Kerbel, 
e.  chervil,  Kerker,  Kerze,  Kessel,  e.  kettle,  Kette,  Kidier(erbse),  Kipf(el),  Kirsdie,  Kiste, 
e.  ehest,  Klause,  Kloster,  erkobern,  Koch,  e.  cook,  Kodien,  Kohl,  e.  cole,  Koller,  Kopf,  e, 
cup,  Kornelbaum,  kosen,  Kosten,  Kreuz,  Kübel,  Küdie,  e.  kitdien,  Kufe,  Küfer,  e.  cooper, 
Kümmel,  e.  cumin,  Kunkel  'Spinnrocken',  Kupfer,  e.  copper,  Kürbis,  kurz,  Küster,  laben, 
Ladie,  e.  lake,  Laie,  Lärdie,  Lamprete,  Lauer  'Nach-,  Tresterwein',  Letter,  ahd.  lector, 
mhd.  lecter,  Lilie,  Linie,  Lor(beer),  Lümmel,  Mandel,  Mange(l),  Mantel.  Marter,  März, 
Mäsdiel  'männlicher  (auch  weiblicher)  Hanf,  Masse,  Matte,  Mauer,  Maulbeere,  e.  mul- 
berry,  Maul(esel),  mausen,  mausern,  Meile,  e.  mite,  Meister,  Messe,  Meßner.  Mette, 
Metzger.  Miete  'Kornhaufen',  Minze,  e.  mint,  mischen,  e.  mix,  Mispel,  Mohr,  Mönch,  e. 
monk,  Mörser,  Mörtel,  Mösch,  Most,  e.  must,  Mühle,  e.  mill,  Münster,  e.  minster.  Münze, 
e.  mint,  murmeln,  Muschel,  Mull,  Müll,  Natur,  Naue,  None,  e.  noon,  Nonne,  e.  nun,  nüch- 
tern, Ohm,  Öl,  opfern,  Orden,  ordnen,  Orgel,  Padit.  Pfadit,  Pech,  Pegel,  Pein.  Pelle. 
e.  peel,  pelzen  'pfropfen',  Pesel,  Pfiesel,  Petter,  Pfetter  'Pate',  Pfahl,  e.  pole,  Pfalz. 
Pfanne,  e.  pan,  Pfarre,  Pfau,  e.  peacock,  Pfebe,  Pfeffer,  Pfeife,  e.  pipe,  pfeifen,  Pfeil,  Pfeiler, 
Pferch,  Pferd,  P fetten,  Pfirsdie.  Pf  ister,  Pflaster,  Pflanze,  &.  plant,  pflanzen,  ^,  plant,  pflüdien, 
e.  pluck,  Pforte,  Pfosten.  Pfote,  Pfrille,  pfropfen,  Pfründe,  Pfühl,  Pfund,  e.  pound,  Pfütze, 
t.  pit,  Pilgrim,  Pilz,  Pips,  ohd.  Pf ipfs,  Plage,  Planke,  e.  plank,  platt,  Pranke,  predigen. 
Presse,  Priester,  Propst,  Quitte,  Quendel.  Rede,  Regel,  Rettidi,  Riegel(haube).  Riemen. 
Sadi.  e.  sack,  Säckel,  Salm,  Sarg,  sauber,  Saum(tier),  Sdiaff,  Sdiemel,  Sdiindel,  e.  shingle. 
Schraube,  sdireiben.  e.  shrive,  Schrein,  e.  shrine.  Schule,  Sdiüssel,  e.  scuttle,  segnen,  Seide, 


142     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

Semmel,  Senf,  Siiiiel,  e.  sickle.  shiier.  Siegel.  Sigrist,  Sims.  Soilcen,  Sohle,  e.  sole,  Söller, 
e.  sollar.  Span(ier).  Speicfier.  Speise,  spenden,  Spiegel.  Spind.  Sponde,  Sporkel  'Februar', 
Spund,  Stiel,  stopfen.  Stoppel,  Straße,  e.  street.  Strauß,  Striegel.  Stube.  Tafel,  ndd.  Tiene 
'Holzgefäß',  tilgen.  Tinte.  Tisdi.  Titel.  Ton.  Torkel  'Kelter',  traditen.  Triditer.  tilndien.  Vers, 
Vesper,  Wall.  Wanne,  Weidi-  in  Weidibild,  Weiher,  -weil  in  Ortsnamen,  Weiler,  Wein,  Widie, 
Wimmer 'Winzer' ,  Winzer,  Zelle.  Zelter,  Ziedxe,  Ziegel,  e.  tile,  Zoll,  e.  toll,  Zöllner,  t.tollner. 

Wenn  man  den  Kultureinfluß  der  Römer,  wie  er  sich  in  der  Sprache 
zeigt,  betrachtet,  so  erscheint  er  außerordentlich  groß.  Und  es  kann  das 
ja  auch  nicht  wundernehmen,  da  die  Germanen  bei  den  Römern  eine 
weit  überlegene  Kultur  vorfanden.  In  der  Hauptsache  machen  diese  Fremd- 
wörter den  Eindruck,  daß  es  sich  fast  immer  um  Herübernahme  von  Aus- 
drücken für  Dinge  handelt,  die  den  Germanen  fehlten,  oder  bei  denen  ihnen 
bei  den  Römern  eine  neue  Verwendung  entgegentrat. 

Jedenfalls  ist  um  diese  Zeit  unsere  Sprache  auf  das  nachhaltigste  be- 
einflußt worden.  Da  es  sich  aber  bei  diesen  Worten  um  keine  gelehrten, 
sondern  meist  um  wirklich  volksmäßige  Entlehnungen  handelte,  so  sind  die 
Worte  auch  dem  deutschen  Sprachgeist  angepaßt,  und  nur  die  gelehrte 
Forschung  hat  derartige  Worte  als  fremde  zu  erkennen  vermocht. 

Mit  der  althochdeutschen  Zeit  hört  indessen  der  Einfluß  des  Lateinischen 
und  Griechischen  nicht  auf.  Das  Lateinische  blieb  die  Kirchen-  und  Ge- 
lehrtensprache, und  so  ist  schon  im  Mittelalter, i)  noch  mehr  aber  seit  der 
Zeit  des  Humanismus  ein  unendlicher  Strom  lateinischer  und  griechischer 
Elemente  in  unsere  Sprache  eingedrungen.  Diese  sind  der  Art  ihrer  Ent- 
lehnung nach  noch  heute  meist  wirkliche  Fremdwörter  und  leicht  zu  er- 
kennen.   Eine  Reihe  davon  wird  weiter  unten  zur  Sprache  kommen. 

§  106.  Französischer  Einfluß.  Nicht  alle  Entlehnungen,  die  aus  dem 
Lateinischen  stammen,  rühren  aus  diesem  selbst  her.  Oftmals  liegen  vulgär- 
lateinische Formen  zugrunde,  die  man  fast  schon  romanisch  nennen  kann. 
Dieser  romanische  Einfluß  hört  aber  allmählich  auf,  und  zur  Zeit  der 
Frankenherrschaft  und  der  Karolinger  hat  nicht  mehr  das  Germanische 
empfangen,  sondern  das  Französische.  Aber  mit  der  Trennung  des  Welt- 
reichs Karls  des  Großen  wird  es  auch  in  diesem  Punkt  wieder  anders. 
Seit  dem  IL  Jahrhundert  beginnt  der  französische  Einfluß.  Große  Land- 
schaften mit  französischer  Sprache,  Lothringen,  die  Champagne,  Burgund 
gehörten  zum  Deutschen  Reich.  Bereitwillig  aber  erkannte  man  in  den 
Obern  Kreisen  der  französischen  Kultur  den  Vorrang  zu.  Eine  große  An- 
zahl Minnelieder,  die  bedeutendsten  höfischen  Dichtungen  sind  unmittelbar 
aus  dem  Französischen  übersetzt  worden,  und  aus  einer  Reihe  sonstiger 
Anzeichen  können  wir  die  weit  verbreitete  Kenntnis  der  französischen 
Sprache  in  Deutschland  feststellen.  Alle  diese  Umstände  führten  einen 
Strom  französischer  Worte  über  das  deutsche  Land.  Die  Dichter  mischten 
französische  Brocken  in  ihr  Deutsch,  und  man  nahm  das  nicht  übel.  Tho- 


')  Vgl.  hierzu    Paul   Möller,   Fremd-      Mittelhochdeutschen    und    Mittelniederdeut- 
wörter aus   dem  Lateinischen   im    späteren       sehen,  Diss.  Gießen  1915. 


§  106.  Französischer  Einfluss.  143 


masin  von  Zirkläre  lobt  es  sogar  in   der  Vorrede  zum  „Wälschen  Gast", 
obgleich  er  selbst  keine  Fremdworte  verwenden  will. 

Mit  der  ganzen  Überlegenheit  des  Genies  verspottet  Wolfram  von 
Eschenbach  dieses  Französeln  seiner  Zeitgenossen: 

herbergen  ist  losdiiern  genant, 
so  vil  han  idi  der  spradie  erkant. 
ein  ungefüeger  Tsdiampaneys 

künde  vil  baz  franzeys 

dann  idi,  swiedi  franzoys  spredie.  Willehalm  237,  3. 

Trotzdem  sind  seine  Dichtungen  voll  von  Fremdwörtern,  und  ebenso 
steht  es  bei  den  andern  Epikern.  Sicher  ist  auch  die  Umgangssprache  der 
höfischen  Kreise  nicht  rein,  sondern  von  zahlreichen  französischen  Fremd- 
worten durchsetzt  gewesen;  aber  dieser  französische  Einfluß  reicht  in  seinen 
Nachwirkungen  auf  die  heutige  deutsche  Sprache  bei  weitem  nicht  an  den 
lateinischen  heran.  Ein  großer  Teil  der  damaligen  Fremdwörter  ist  wieder 
verloren  gegangen,  offenbar,  weil  diese  nicht  im  Volksmunde,  sondern  nur  in 
der  Sprache  der  höfischen  Kreise  lebten.  Es  ist  jetzt  allgemein  anerkannt, 
daß  es  eine  mittelhochdeutsche  Dichtersprache  gegeben  hat,  es  muß  auch 
eine  ritterliche  Standessprache  gegeben  haben.  Und  diese  sehen  wir  in  den 
Ritterepen  mit  ihren  zahlreichen  besonderen  Ausdrücken  für  Kampf  und 
Turnier,  Jagd  und  Spiel  vor  uns.  Was  wir  an  Lehnwörtern  im  13.  Jahr- 
hundert finden,  bezieht  sich  im  wesentlichen  auf  die  höfische  Gesellschaft, 
und  so  hat  diese  die  Spuren  in  der  Geschichte  unserer  Sprache  hinterlassen. 

Während  die  Entlehnungen  der  älteren  Zeit  eingedeutscht  sind,  ist  dies 
bei  den  Fremdwörtern  der  mittelhochdeutschen  Zeit  nicht  immer  der  Fall. 
Die  lateinische  Endung  -arius  wurde  zu  dem  echt  deutsch  klingenden  -er 
und  der  Ton  blieb  auf  der  Stammsilbe,  die  französischen  Elemente,  die  in 
den  Worten  auf  -leren,  ie^),  jetzt  -ei  stecken,  weisen  mit  ihrem  abweichenden 
Tonfall  noch  immer  auf  die  fremde  Herkunft. 

Anmerkung.  Über  das  Eindringen  der  französischen  Worte  haben  gearbeitet:  THEO- 
DOR Maxeiner,  Beiträge  zur  Geschichte  der  französischen  Wörter  im  Mittelhochdeutschen, 
Marburg  1897,  untersucht  nur  lautliche  Fragen.  —  J.  Kassewitz,  Die  französischen  Wörter 
im  Mittelhochdeutschen,  Diss.  Straßburg  1890.  —  O.  Steiner,  Die  Fremdwörter  in  den  be- 
deutendsten mittelhochdeutschen  epischen  Dichtwerken,  Bartsch,  Germ.  Stud.  2,  239  ff.  — 
F.  Piquet,  De  vocabulis,  quae  in  duodecimo  seculo  et  in  tertii  decimi  principio  a  Gallis 
Germani  assumpserunt,  Pariser  Diss.  1898.  —  Leo  Wiener,  American  Journal  of  Philology 
16,  326  ff.  verzeichnet  die  französischen  Worte  bei  Wolfram,  Kaindl,  ZfRomPhil.  17,355, 
die  bei  Gottfried  von  Straßburg,  und  E.  Schröder  die  bei  Heinrich  von  Veldeke,  als 
Exkurs  in  Carl  Kraus'  Arbeit  Heinrich  von  Veldeke  und  die  mittelhochdeutsche  Dichter- 
sprache, Halle  1899.  —  H.  Palander,  Der  französische  Einfluß  auf  die  deutsche  Sprache 
im  12.  Jahrhundert.  Memoires  de  la  societe  neo-philologique  ä  Helsingfors  3,  78  bietet  eine 
genaue  Chronologie. 

*  Zahlreiche  französische  Wörter  auf  -ie  und  Prophetie.  Mit  doppelter,  ja  drei-  und 

sind  in  späterer  Zeit  noch  einmal  entlehnt.  vierfacher   Entlehnung    ist    bei    zahlreichen 

Während  die  altern  auf  -ei  ausgehen,  lauten  Worten  zu   rechnen.    Doch   kann   dies  hier 

diese  auf  -ie  aus.   So  haben  wir  Partei  und  nicht  weiter  ausgeführt  werden. 


Partie,  Melodei  und  Melodie,  prophezeien 


144     Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 


Liste  der  entlehnten,  bis  heute  erhaltenen  französischen  Wörter. 

Abenteuer.  Ade,  As,  Barre,  Bastard,  birsdien,  blond,  Biidiel,  Daus,  doppeln  'im  Spiel 
betrügen',  I'ehl,  fehlen.  Fei,  Fee.  fein.  Felleisen,  Firlefanz,  Firnis.  Flöte,  Form,  Forst, 
Franse,  galoppieren.  Habit.  Harnisdi.  hurtig.  Juwel,  Karosse,  Kastellan,  Kissen,  Koller, 
Kolter.  Komtur.  Konterfei,  Kumpanei.  Kumpan.  Kuppel,  kuppeln.  Lanze,  liefern,  Litze, 
Manier,  merci,  Metall.  Moralität,  Morselle.  f\ilast.  Panier,  Banner,  Pause,  Panzen. 
Part,  auch  in  Widerpart,  Partei,  Pastete.  Pavillon,  Pidtelhaube.  Pinsel,  plan,  Platz, 
Pöbel,  Polier.  Palier.  Posaune,  Preis,  preisen,  Prinz,  prüfen.  Quartier.  Reuter,  mndl.  ruiter, 
Revier,  Rotte,  Sdialmei,  Sdianze,  in  die  Sdi.  sdilagen,  Mummensdianz,  Senesdiall,  Sold. 
Standarte,  Tanz,  tanzen,  turnieren,  die  Grundlage  von  Turnen  und  Turner,  Wams. 

Was  den  Ort  betrifft,  an  dem  diese  Entlehnungen  stattgefunden  haben, 

so  ist  zu  beachten,  daß  die  höfische  Kultur  durch  die  Niederlande  gegangen 

ist.    Wie  Heinrich  von  Veldeke  als  erster  Meister  der  höfischen  Dichtkunst 

gepriesen  wird,  so  war  auch  sein  Land  das  Muster  höfischer  Sitte.    In  den 

Niederlanden  sind  denn  auch  die  Entlehnungen  zum  Teil  eher  zu  belegen 

als  im  Hochdeutschen.    Für  diesen  Weg  spricht  weiter  die   Herübernahme 

einiger  niederländischer  Wörter  in   dieser  Zeit,   z.  B.  wapen  im  Sinne  von 

'Wappen'  bei  Wolfram,  dörper 'Bauer,  bäurischer,  roher  Mensch',  worausTö/pel 

stammen  soll,  dörperheit,  dörperUch.   Da  indessen  das  Niederländische  dem 

Hochdeutschen   sehr  nahe   stand   und  leicht   ins  Hochdeutsche  umgesetzt 

werden  konnte,   so  sind   wir  gewiß  nicht  in  der  Lage,   alle  Entlehnungen, 

die  von  dorther  stammen,  zu  erkennen. 

Anmerkung.  Zu  den  Worten,  die  sicher  nicht  oberdeutsch  waren,  gehören  noch  ors 
'Roß',  ritter,  bilde,  gehiure,  klar,  kluoc,  wert.  Vgl.  Steinmeyer,  Über  einige  Epitheta  der 
mittelhochdeutschen  Poesie,  Erlangen  1889. 

§  107.  Der  italienische  Einfluß.  Auch  zu  Italien  bestanden  im  Mittelalter 
lebhafte  Beziehungen,  und  so  beginnen  von  dieser  Seite  gleichfalls  Fremd- 
wörter einzudringen,  teils  solche  verschiedener  Art,  teils  namentlich  auf  den 
Handel  bezügliche.  Es  mag  genügen,  die  wichtigsten  hier  zusammenzustellen. 
Eine  genauere  Untersuchung  über  die  Zeit  und  die  Wege  des  Eindringens 
wäre  sehr  dankenswert,  zweifellos  fällt  sie  vornehmlich  in  die  Zeit,  als  die 
Städte  mächtig  aufblühten. 

Büffel,  Dattel,  Dukaten,  Gant,  ital.  incanto  aus  inquanto  'wie  hoch'  (bietet  ihr)?, 
Granatapfel,  Kamille,  Kampfer,  Karat,  Ketzer,  kredenzen,  von  ital.  credenza  'Glaube', 
dann  'das  Vorkosten  zu  Treu  und  Glauben',  zum  Zeichen  der  Unschädlichkeit,  der  Gift- 
losigkeit,  Lavendel,  Mostert.  Mostridi,  Olive,  Panzer,  Proviant.  Punzen,  Reis.  Sammet. 
Sdiarmützel,  Sklave,  spazieren,  Spezerei,  Spinat,  Spinaz,  Stiefel,  tasten,  Wirsing,  lombard. 
verza,  vgl.  auch  die  Ausdrücke  Welsdikohl,  Mailänder,  Savoyer  Kohl.  Zypresse. 

§  108.  Der  Einfluß  der  östlichen  Völker.  Infolge  des  Ganges  der  Kultur- 
entwicklung sind  die  östlichen  Völker  hinter  uns  zurückgeblieben,  und 
infolgedessen  waren  sie  meist  die  Empfangenden,  wir  die  Gebenden. 
Während  das  Russische,  wie  die  übrigen  slawischen  Sprachen,  zahlreiche 
Lehnwörter  aus  dem  Deutschen  enthält,  sind  wir  verhältnismäßig  arm  an 
Lehnwörtern  aus  dem  Slawischen.  Wo  wir  welche  aufgenommen  haben,  da 
handelt  es  sich  dann  meistens  um  Namen  von  Gegenständen,   die  neu  in 


§  107.  Der  italienische  Einfluss.  §  108.  Der  Einfluss  der  östlichen  Völker.     145 

den  Gesichtskreis  der  Deutschen  getreten  waren.  Ein  gemeingermanisches 
Lehnwort  aus  dem  Slawischen  gibt  es  überhaupt  nicht,  die  frühesten  Ent- 
lehnungen fallen  in  die  spätalthochdeutsche  Zeit,  also  in  die  Zeit,  wo  die 
Slawen  weit  nach  Westen  vorgedrungen  waren,  O.  Schrader  hat,  Idg. 
Forsch.  17,  29  ff.,  die  ältesten  slawischen  Lehnworte  im  Deutschen  be- 
sprochen. Wenn  man  von  allem  Zweifelhaften  und  dem  sicher  Falschen  ab- 
sieht, so  bleibt  sehr  wenig  für  die  althochdeutsche  Zeit  übrig;  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  beginnen  sich  die  Entlehnungen  zu  mehren,  ganz  so,  wie 
wir  das  zu  erwarten  haben,  aber  erst  in  der  Neuzeit  werden  sie  beachtens- 
wert häufig.  Ich  habe  im  folgenden  in  alphabetischer  Reihenfolge  zu- 
sammengestellt, was  wir  an  derartigen  Worten  besitzen. 

Beißker  m.  'eine  Fischart'  um  1500  aus  iszhtoh.  piskor,  ohersorh.  piskor;  —  Doldi, 
im  16.  Jh.,  poln.  tschech. /«//o*; (?) ;  —  Dolman,  um  1500  über  Ungarn  aus  inxk.  dolaman 
'Unterkleid  von  Tuch';  —  Dolmetsch,  poln.  tlumacz,  mad].  tolmdcz,  türk.  tilmatsdi  (schon 
um  1300  mhd.  tolmetsdie);  —  Drosdike  f.  aus  poin.  drozka  (russ.  dröski),  Ende  des 
18.  Jh.;  —  dudeln,  aus  po\n.  dudlic  von  diidy 'Sackpiciie' ,  im  17.  Jh.;  —  Dussek  'Weid- 
messer', tschech.  tesdk;  —  Düse,  tschech.  duse;  —  Elen,  aus  lit.  elnis,  ahg.jeleni  'Hirsch', 
bei  Luther;  —  Gespan,  mad].  ispan;  —  Graupe,  im  15.  Jh.  belegt,  vielleicht  aus  dem 
Slawischen,  abg.  krupa  'Krümchen';  —  Grenze,  aus  poln.  granica,  im  13.  Jh.  im  deut- 
schen Ordenslande  herübergenommen,  durch  Luther  gemeindeutsch  geworden;  —  Grippe, 
aus  russ. c/zr/jcd 'Heiserkeit';  —  Gulasdi,  madj.  gulas;  —  Gurke,  aus  poln. ogurek,  im  16.  Jh., 
weiter  aus  spätgr.  dyyovoioi'  (angiirion)  'Wassermelone';  —  Halunke,  älter  Holunke,  im 
16.  Jh.  aus  tschech.  fiolomek  'nackter  Bettler,  Häscher';  —  Haubitze,  aus  tschech.  houfnice 
'Steinschleuder',  durch  die  Hussitenkriege  bekannt  geworden;  —  Heidudi,  im  16.  Jh.  aus 
dem  Ungarischen,  wo  es  einen  Volksstamm  mit  besondrer  Tracht  bezeichnete;  —  Hetman, 
klruss.  hetman;  —  Horde,  im  16.  Jh.  aus  tatarisch  horda  'Lager';  —  Husar,  aus  madj. 
huszür,  eigentlich 'der  zwanzigste',  im  16.  Jh.;  —  Jaudie,  aus  poln.  jucha  'Brühe',  einem 
alten  indogermanischen  Wort,  das  zu  lat. y«5,  gr.  ^f'/ui]  {zßmcs)  gehört,  im  16.  Jh.;  —  Juditen, 
.aus  mss.  Juft,  mit  niederdeutscher  Lautgebung,  im  17.  Jh.;  —  Kabadie,  russ.  kabäk,  im 
18.  Jh.;  —  Kalesdie,  im  17.  Jh.  aus  tschech.  ^o/^sa  'Wagen':  —  Kandare,  im  19.  Jh. 
aus  madj.  kantar;  —  Kantsdiu,  aus  tschech.  kancudi,  poln.  kahczuk,  im  18.  Jh., 
stammt  aus  \vixV..  kantsdiy;  —  Karausdie,  \\i.  karösas;  —  Karbatsdie,  aus  tschech. 
karabäc,  poln.  karbacz  von  türk.  kyrbatsdi,  im  17.  Jh.:  —  Kaute  'Flachsbüschel',  russ.  kudetr, 

—  Keiler,  im  17.  Jh.  aus  lit.  kuills  'Eber'?;  —  Keusdie,  slow,  kajza  'Hütte';  —  Knes, 
russ.  knjazl;  —  Knute,  aus  russ.  knut  im  17.  Jh.;  —  Krabate  'munteres  wildes  Kind', 
aus  Kroat,  im  30.  j.  K.;  —  Kretsdxam  'Dorfschenke',  im  Osten,  schon  im  14.  Jh.  entlehnt, 
sorh.  korcma,  tschech.  krcma,  poin.  karczma  'Schenke';  —  Krinitz,  sorh.  skrjenc;  — 
Kumt,  mhd.  komat  aus  poln.  chomat;  —  Kürsdiner,  schon  ahd.  kursinna  'Pelzrock', 
aus  ahg.krüznoQ);  —  Kutsche,  um  1500  aus  mad].  kotsi,  Wagen  aus  dem  Dorfe  Kocz  bei 
J^aab;  —  Kux,  im  15.  Jh.  noch  Kukus  aus  tschech.  kukusQ);  —  Ludi,  sorb.  tuh  'Sumpf; 

—  ostpreuß.  Afarg'^//,  ht.  mergele;  —  Meiler,  nach  Heyne  aus  tschech. /tt/Y^r,  milir.  un- 
wahrscheinlich; —  Nerz,  Nörz  'kleine  Fischotter  und  ihr  Pelz',  im  15.  Jh.  aus  klruss. 
noryca,  altpreuß.  «flnc/V  (Iltis);  —  Pachulke,  poln. pachoJek;  —  Pallasdi,  im  17.  Jh.  aus 
russ.-poln. /7o?a5;   —  Paprika,  serh.  päprika;  —  Peitsche,  aus  tschech.  Wc  im  15.  Jh.; 

—  Pekesdie,  aus  poln.  bekiesa  im  18.  Jh.;  —  Petsdiaft,  mhd.  petsdiat  aus  tschech. 
pecet;  —  Plauze,  poln.  pJnca;  —  Plinse,  im  16.  Jh.  aus  russ.  blinec  '¥\aden' ;  — 
Plötze,  im  15.  Jahrh.  aus  poln.  plotka;  —  Pogrom,  mss.  pogröm;  —  Polka,  tschech. 
pulka  'Halbschritt',  19.  Jh.;  —  pomadig,  aus  poln.  pomalu  'gleichgültig,  langsam';  — 
Popanz,   im    17.  Jh.    aus   tschech.  bobak;    —   Pomudiel  'Dorsch',   poln.  pomudita;  — 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  AiifL  10 


146      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 

Prahm,  iiilid.  pram  kleineres  Flußscliiff,  ein  wahrsclieinlich  von  der  Eibe  licr  ver- 
iKeifcles  tscliccliisclies  Wort  'pram'',  —  Preiselbeere,  tscliecli.  brnsnice;  —  pritsdiy 
tsciiecli. />ryr; —  Pulk,  poln.ptilk;  —  Pitsta,  maA\.  puszta;  —  Quark,  spütmlid.  twarc 
aus  dorn  Siawisclien,  vgi.  riiss.-poln.  tvnrog;  —  Quas,  sorb.  kwas;  —  Rabisdi,  tscliech. 
rabu'se;  —  Rapuse,  fsciiccli.  rabtise;  —  Reizker,  riiss.  riskov  'der  rötliche';  —  Robot, 
im  Osten,  ans  tscliech. -poiii.  rofro^rt,  im  14.  Jh.;  —  Säbel,  aus  tuss.  siiblja,  \)o\n.  szabla, 
mad\.  szablya.  im  15.  Jh.;  —  Saffian,  aus  tuss.  safijan  von  iürk.-pers.  saditjan,  am  An- 
fang des  18.  Jh.;  —  sämisdi,  tschech.  zami^;  —  Sander,  nsorb.  zandor;  —  Sarraß,  im 
18.  Jh.  aus  po\n.  zaraz  'für   den  Hieb'(?);    —   Sdiabracke,   aus   lürk.  caprak,   im   17.  Jh.;^ 

—  Sdiarwenzel,  tschech.  lervenecQ);  —  Sdiadit  (Bergbau),  nach  Heyne  aus  tschech. 
zadiot  'unterirdischer  üang'(??);  —  Sdiibbeke  'Holimdcrbccre',  osorh.  dziwi  böz;  — 
Sdimant,  Sdinietten  'Sahne'  aus  \sc\\tQ\\.  smetana,  schon  m\\d.  smant;  von  Sdimetten 
siammt  Sdimetterling;  —  Sdimasdie 'LammicW,  i>o\n.  smuiyk;  —  Sdimodi,  slow,  smok; 

—  Sdiöps,  schon  m\i6.  sdiopi  aus  tschech.  5/fO/)ff;  —  Sdiuppenpelz ,  poln.  Ä7/^a;  — 
Sobranje.  bulg.  sobranje;  —  Steppe,  erst  im  18.  Jh.  aus  russ.  step;  —  Sterlet,  russ. 
sterljddi;  —  Stieglitz,  im  14.  Jii.  stigeliz  aus  tschech.  s/^/?/^c;  —  Strelitzen,  russ. 
strelec;  —  Tolpatsdi.  im  17.  Jii.  von  madj.  talpas  'breitfüßig';  —  Tornister,  aus  tschech. - 
slowak.  tanistra,   die  auf  mgr.  TÜyiaroov  [tägistron]  'Futtersack'  zurückgehen,   im  17.  Jh.; 

—  Trabant,  im  15.  Jh.  aus  madj.  darabant;  —  Trappe,  tschech. -poln.  drop;  — 
Tsdiako,   xnA^].  czäkö;    —    Tsdiapka,   \>o\x\.  czapka;   —    Tsdiardasdi,   mad\.  czardas^ 

—  Ukas,  aus  xuss.  u käs,  im  19.  Jh.;  —  Ukelei,  poln.  uklej:  —  Ulan,  aus  {nrk.  oghlan 
'junger  Mensch',  im  18.  Jh.  über  Polen  zu  uns  gekommen; —  Vampir,  aus  s&rb.  vampir 
um  1730;  —  Weidiselzopf ,  aus  poln.  wieszczyce,  1734  bei  Steinbach;  —  Werst,  russ. 
versti'i;  —  Wildsdiur,  aus  poln.  wilczura  'Wolfspelz',  im  18.  Jh.;  —  Wrnke,  poln. 
brukiew.  —  Zeisig,  aus  tschech.  ci'.ek,  schon  mhd.  zise,  zisec;  —  Zieselmaus,  ahd. 
sisimüs.  wohl  entlehnt  aus  einem  slawischen  Wort,  das  in  russ.  süsol,  süslik  'muscitellusV 
bulg.  s«5f/  'Ratte',  tschech.  sysel  'Erdziesel'  vorliegt;  —  Zille,  russ.  cSln;  —  Zobel,  im 
11.  Jh.  belegt,  aus  russ.  söboli  'Hermelin';  —  Zodie,  russ.  sodiü. 

Zu  diesen  noch  heute  lebenden  Worten  kommen  einige  Entlehnungen^ 
die  wieder  verloren  gegangen  sind,  und  andere,  die  nur  in  den  Mund- 
arten fortleben,  wie  z.  B.  das  bayr.  Kren  'Meerrettich',  slaw.  *chrenn  aus 
pontisch-griech.  y.eqaiv  {kerairi).  Von  den  früher  weitverbreiteten  erwähne  ich 
noch  Dilnätz  'ein  geheiztes  Gemach',  ahd.  tiirniza  'caumata',  wohl  aus 
russ.  görnica  'Stube'. 

§  109.  Sonstige  Einflösse  sind  im  Mittelalter  gering.  Natürlich  sind  einige 
skandinavische  und  englische  Worte  zu  uns  gekommen.  Es  handelt  sich  bei 
ihnen  um  Ausdrücke  für  Kulturbegriffe,  die  durch  niederdeutsche  oder  nieder- 
ländische Vermittlung  ins  Hochdeutsche  dringen.  Auch  sie  würden  bei  ge- 
nauerer Untersuchung  manches  Bemerkenswerte  ergeben. 

§  110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit.  Eine  neue  Schicht  zahlreicher 
Lehnwörter  brachte  die  Neuzeit.  Man  kann  hierbei  im  allgemeinen  drei 
oder  vier  große  Strömungen  unterscheiden.  Mit  dem  Aufblühen  der  huma- 
nistischen Studien  tritt  das  Lateinische  und  Griechische  erneut  in  unseren 
Gesichtskreis;  es  dringen  indessen  nicht  nur  zahlreiche  Wörter  aus  diesen 
Sprachen  ein,  sondern  man  bildet  mit  dem  Stoff  dieser  Sprachen  neue 
Worte,  die  Bürgerrecht  genießen.  Unsere  ganze  wissenschaftliche  Ausdrucks- 
weise geht  schließlich  auf  diese  beiden  Sprachen  zurück,  und  wenn  wir  es 


§  109.  Sonstige  Einflüsse.  §  110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit.         147 

auch  hier  vielfach  mit  dem  Wortschatz  der  Sondersprachen  zu  tun  haben,  so 
dringt  doch  auch  viel  in  die  Umgangssprache  ein. 

Wie  im  Mittelalter  beginnt  im  16.  Jahrhundert  das  Französische  aufs 
neue  zu  wirken,  und  dieser  Einfluß  hat  fortgedauert,  bis  er  im  19.  Jahr- 
hundert etwas  durch  den  englischen  abgelöst  wird.  Vgl.  GDS.  226. 

Und  schließlich  wird  in  der  Neuzeit  die  ganze  Welt  erschlossen.  Die 
Erzeugnisse  aller  Zonen  kommen  nach  Europa,  und  die  neuen  Dinge  werden 
meist  mit  dem  Namen  bezeichnet,  den  sie  in  ihrer  Heimat  trugen.  So  geben 
denn  schließlich  fast  alle  Sprachen  und  Gegenden  ihre  Karte  bei  uns  ab, 
natürlich  meistens  nicht  unmittelbar,  sondern  durch  Vermittlung  andrer 
Sprachen.  Das  möge  man  nicht  übersehen,  wenn  man  die  unten  angegebenen 
Listen  betrachtet. 

Manche  der  Entlehnungen  haben  nur  ein  kurzes  Dasein  geführt,  andere 
haben  die  Zeiten  überdauert.  Schon  früh  hat  man  gegen  diese  Eindringlinge 
geeifert  und  gekämpft,  ebenso  früh  aber  auch  das  Bedürfnis  empfunden, 
besondere  Verzeichnisse  anzulegen,  ein  sichrer  Beweis  dafür,  daß  viele  die 
Wörter  nicht  verstanden,  daß  wir  es  also  mit  dem  Wortschatz  einer  be- 
sonderen Klasse  zu  tun  haben. 

Ich  verzeichne  hier  zunächst  die  wichtigsten  Fremdwörterbücher,  an 
deren  Hand  man  einen  Einblick  in  das  Vorhandensein  der  gebräuchlichen 
Fremdwörter  gewinnen  kann.  Leider  sind  mir  die  meisten  nicht  zugänglich 
gewesen,  da  die  Leipziger  Universitätsbibliothek  daran  sehr  arm  ist.  Soweit 
ich  die  Bücher  nicht  selbst  gesehen  habe,  sind  die  Titel  eingeklammert. 

Ein  Teutscher  Dictionarius  /  dz  ist  ein  außleger  schwerer  /  unbekandter  Teutscher  / 
Griechischer  /  Lateinischer  /  Hebräischer  /  Wälscher  und  Frantzösischer  /  auch  andrer  Nationen 
Wörter  /  so  mit  der  weil  inn  Teutsche  sprach  l<ommen  seind  /  und  offt  mancherley  irrung 
bringent  hin  und  wider  auß  mancherley  geschrifften  /  und  gemainer  Red  zusamen  gelesen  / 
außgelegt  /  und  also  allen  Teutschen  /  sonderlich  aber  denen  so  zu  Schreibereien  kommen  / 
ufi  Ampts  Verwaltung  haben  /  aber  des  Lateins  unerfarn  sind  /  zu  gutem  publiciert:  durch 
Simon  Roten,  Augspurg  1571  und  1572.  —  Joh.  Rud.  Sattler,  Teutsche  Orthographey 
S.  484—566,  1607.  —  [Bernh.  Heupoldus,  Dictionarium,  erklärend  allerley  schwäre  un- 
bekannte teutsche  Wörter,  so  in  die  Teutsch  Spraach  eingerissen,  1620.]  —  KiLlAN  hat  seinem 
Etymologicum  einen  Appendix  peregrinarum,  absurdarum,  adulterinarumque  dictionum  an- 
gefügt. Mir  ist  nur  die  vierte  Ausgabe  von  1632  zugänglich.  —  [Matth.  Zeiller,  Episteln 
und  Sendschreiben  3.30,294;  4,437.  1643.]  —  Teutscher  unartiger  Spraach-,  Sitten-  und 
Tugendverderber.  1644.  —  [Kasp.  von  Stieler,  Zeitungs-Lust  und  Nutz,  1695.]  —  [Scheibner, 
Fagons  de  Parier,  1695.]  —  Juncker,  Zeitungslexikon  in  Christian  Weisens  Curieuse  Ge- 
danken usw.,  1703.  Dieses  Werk  will  eine  kurze  und  deutliche  Erklärung  geben,  ,wo  nicht 
aller,  jedoch  der  meisten  und  vornehmsten  in  denen  Zeitungen  vorkommenden  und  nicht 
jedermann  gleich  verständlicher  .  .  .  Wörter".  —  Joh.  Christoph  Nehring,  Historisch- 
Politisches-Juristisches  Lexikon,  1696,  1710,  1717.  —  [Menantes,  Die  allerneuste  Art  höf- 
lich und  galant  zu  schreiben,  nebst  einem  zugänglichen  Titulatur-  und  Wörterbuch,  1702.]  — 
[J.  H  Spannutius,  Teutsch  orthographisches  Schreib-,  Conversations-,  Zeitungs-  und  Sprich- 
wörterlexikon, 1720.]  —  Sperander,  ä  la  mode-Sprache  der  Deutschen,  1727,  auch  1728.  — 
[Antonio  Moratori,  Bequemes  Correspondenz-  und  Conversations-Lexicon,  1727.]  — 
M.  SiGis.  Jac.  Apini,  Glossarium  novum  ad  aevi  huius  statum  adornatum  in  quo  rerum 
novarum   nomina  vel  nostra  vel  aliunde  adscita,   ut  sunt  officinarum,   vestiaria,   militaria, 

10* 


148      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 


proverbia  item  et  alia  ex  variis  Unguis  et  artibus  in  sermonc  quotidiano  aut  relationibus 
publicis  occurentia  vocabula  latine  rcddita  inveniuntur,  1728  —  Belemnon,  Curiüses 
Bauerniexicon.  worinnen  die  meisten  in  unserer  teutschen  Sprache  vorkommenden  fremden 
Wörter  erkläret.  1728.  —  Philander.  Allerneuster  Vorralh  von  Briefen.  Denen  ist  beigefügt 
Ein  Zcitungslexicon.  Frankfurt,  Leipzig  1748.  —  [R.  P.  Odilo  Scmreger,  Lustig-  und  nütz- 
licher Zcitverderber  S.  1—82,  1754.]  —  (Jon.  Friedr.  Krackherr,  Hand-Lexicon,  1766. 
Darin  angehängt  ein  Jüdisch-deutsches  und  Rotwelsches  Wortverzeichnis.]  —  [Beyschlag, 
Sammlung  ausländischer  Wörter,  1774.]  —  Versuch  eines  Verzeichnisses,  wie  man  die  aus- 
ländischen Wörter,  die  zum  öftesten  vorkommen,  gut  deutsch  geben  könne,  in  dem  deutsch- 
orthographischen  Handbuch.  Bonn  1773.  —  [Zobel,  Verdeutschungs-Wörterbuch  (im  .Neu 
eingerichteten  Hand-  und  Reisebuch*),  1775.] 

Gute  Dienste  für  die  Altersbestimmung  und  das  Vorhandensein  von  Fremdwörtern 
leisten  auch  die  im  18.  Jahrhundert  auftauchenden  Enzyklopädien  und  Konversationslexika. 
Ich  nenne  von  ihnen:  Johann  HCbner.  Staats-,  Zeitungs-  und  Conversations-Lexicon, 
Merseburg  1709  u.  ö.  —  Johann  Hübner.  Curieuses  und  reales  Natur-  Kunst-  Berg-  Gewerk- 
und  Handlungs-Lcxicon,  1712.  1741  u.  ö.  —  A.maranthes,  Nutzbares,  galantes  und  curiöses 
Frauenzimmerlexicon,  1715,  2.  Auflage  1739.  —  KrCnitz.  Ökonomisch-technologische  Enzy- 
klopädie, 1773—1858.  —  J.ACOBSON.  Technologisches  Wörterbuch.  Berlin  1781  —  1784.  — 
Joh.  Ferd.  Roth.  Gemeinnütziges  Lexikon  für  Leser  aller  Klassen.  Nürnberg  1788.  2.  Auf- 
lage 1791.  3.  Auflage  1805,  1806.  —  Enzyklopädisches  Wörterbuch  oder  alphabetische 
Erklärung  alier  Wörter  aus  fremden  Sprachen,  die  im  Deutschen  aufgenommen  sind,  wie 
auch  aller  in  den  Wissenschaften,  bei  den  Künsten  und  Handwerken  üblichen  Kunstausdrücke, 
bearbeitet  von  einer  Gesellschaft  Gelehrter  (herausgegeben  von  Heinse),  1. — 11.  Band,  Zeitz 
und  Naumburg  1793  —  1805. 

Über  die  im  Anfang  des  19.  Jahrhundeils  bei  uns  gebrauchten  Fremd- 
wörter sind  wir  ausgezeichnet  unterrichtet.  J.  H.  C.\.mpe  hat  ein  Wörterbuch 
zur  Erklärung  und  Verdeutschung  der  unsrer  Sprache  aufgedrungenen  fremden 
Ausdrücke  geschrieben;  Braunschweig  1801,  zweite  .Ausgabe  1813.  Bei  seinem 
Sammeleifer  wird  ihm  kaum  viel  entgangen  sein,  und  wir  können  daher  im 
allgemeinen  getrost  annehmen,  daß  das,  was  bei  ihm  nicht  steht,  erst  später 
gebraucht  worden  ist. 

Anmerkung.  H.  Dlnger,  Wörterbuch  von  Verdeutschungen  entbehrlicher  Fremd- 
wörter, Leipzig  1882  S.  43  gibt  eine  Liste  vön  314  heute  noch  vorhandenen  Fremdwörtern, 
die  sich  bei  Campe  noch  nicht  finden,  darunter  solche  wie  Agitator,  Aquarell,  banal. 
Basar,  Bluse,  emanzipiert,  Gulasch,  Humbug.  lyndien,  massieren.  Omnibus.  Plaid,  Plüsdi. 
Portemonnaie,  rabiat,  Reklame,  Reservist.  Sdiablone,  Sdieck,  Spezialist.  Spionage,  Streik. 
Torpedo.  Turist.  Veranda,  Waggon  usw. 

Dem  Campeschen  Werke  sind  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  viele  andere 
gefolgt,  und  heute  gibt  es  eine  ganze  Reihe  von  Fremdwörterbüchern,  die 
den  Zweck  verfolgen,  die  fremden  Ausdrücke  zu  erklären.  Sie  haben  für 
uns  zunächst  keine  weitere  Bedeutung,  mit  der  Zeit  aber  werden  diese  Werke 
geschichtliche  Urkunden. 

J.  Kr.  Schweizer.  Wörterbuch  zur  Erklärung  fremder,  aus  anderen  Sprachen  in  die 
deutsche  aufgenommenen  Wörter  und  Redensarten,  Zürich  1803,  4.  Auflage  18-34.  —  Oertel, 
Gemeinnütziges  Wörterbuch  zur  Erklärung  und  Verdeutschung  der  im  gemeinen  Leben  vor- 
kommenden fremden  Ausdrücke.  Nach  dem  Plane  des  beliebten  Rothischen  Lexikons  be- 
arbeitet, 2  Bände,  Ansbach  1804,  5.  Auflage  1830.  —  F.  Erd.m.  Petri.  Neuer  Dollmetscher  usw. 
oder  Verdeutschungs- Wörterbuch,  Leipzig  1806;  4.  Auflage  unter  dem  Titel:  Gedrängtes  Hand- 
buch der  Fremdwörter  in  deutscher  Schrift-  und  Umgangssprache,  Dresden  1823,  13.  Auflage 


§  110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit.  149 

von  E.  Samostz,  Leipzig  1879.  —  J.  Ch.  A.  Heyse,  Kurzgefaßtes  Verdeutschungs- Wörterbuch, 
1807,  1809  und  1819,  dann  unter  dem  Titel:  Allgemeines  verdeutschendes  und  erklärendes 
Fremdwörterbuch;  noch  jetzt  vorhanden  und  oft  von  Verschiedenen  neu  bearbeitet.  —  Jac. 
H.  Kaltschmidt,  Kurzgefaßtes  Wörterbuch  zur  Verdeutschung  der  wichtigsten  Fremdwörter 
und  landschaftlichen  Ausdrücke,  dann  unter  dem  Titel:  Neuestes  und  vollständigstes  Fremd- 
wörterbuch usw.,  S.Auflage  1876.  —  Dan.  Sanders,  Fremdwörterbuch,  Leipzig  1871,  2.  Auf- 
lage 1891.  Dazu  kommen  noch  zahlreiche  andere  Werke,  die  hier  zu  erwähnen  nicht  nötig  ist. 

Um  das  erste  Auftreten  und  die  Verbreitung  der  Fremdwörter  zu  be- 
stimmen, sind  wir  außer  auf  diese  lexikalischen  Werke  darauf  angewiesen, 
dem  ersten  Auftreten  der  Fremdwörter  in  der  Literatur  nachzuspüren.  Nun 
gibt  es  einige  Schriften,  die  teils  die  Fremdwörter  bevorzugen,  teils  viele 
anführen,  um  sie  lächerlich  zu  machen  und  zu  bekämpfen.  In  diesen  wird 
man  über  die  Sprache  und  den  Wortschatz  ihrer  Zeit  am  besten  unterrichtet 
werden. 

Während  das  Auftreten  der  Lehnwörter  in  der  ältesten  Zeit  eingehend  unter- 
sucht ist,  haben  für  die  Neuzeit  genauere  Untersuchungen  erst  spät  eingesetzt. 
Als  unwillkommene  Eindringlinge  schloß  sie  Jak.  Grimm  von  seinem  Wörter- 
buch aus,  und  erst  die  spätem  Mitarbeiter  haben  mit  diesem  Grundsatz  ge- 
brochen. Dagegen  hat  Weigand  von  Anfang  an  die  Lehnwörter,  wenn  auch 
nur  in  Auswahl  herangezogen  und  sie  bis  zu  ihrem  letzten  Ursprung  zurück- 
verfolgt. In  der  neuen  Auflage  sind  sie  eingehender  berücksichtigt,  und 
vom  zweiten  Drittel  ab  werden  gewiß  nicht  viele  fehlen,  da  ich  mein  Augen- 
merk darauf  gerichtet  habe,  das  Werk  nach  dieser  Seite  zu  ergänzen.  Freilich 
fehlen  uns  vielfach  die  Sammlungen,  und  so  haben  sich  die  Altersbestim- 
mungen häufig  als  zu  jung  erwiesen. 

Ein  bedeutender  Stoff  für  die  Geschichte  unsrer  Fremdwörter  ist  in 
den  Arbeiten  über  die  Sondersprachen  (Kapitel  XII)  enthalten,  da  diese  viel- 
fach voll  von  Entlehnungen  sind. 

An  Einzelarbeiten  sind  mir  noch  bekanntgeworden:  D.  F.  Malherbe,  Das  Fremdwort 
im  Reformationszeitalter,  Freib.  Diss.  1906.  —  W.  Strasdas,  Das  Fremdwort  bei  Goethe  bis 
zu  seiner  Rückkehr  aus  Italien,  Freib.  Diss.  1907.  —  D.  Meyer,  Schiller  und  das  Fremdwort. 
I.  Das  Fremdwort  in  Schillers  Gedichten,  Gott.  Diss.  1910.  —  Klara  Hechtenberg,  Fremd- 
wörterbuch des  17.  Jahrhunderts,  Berlin  1904.  Die  Verfasserin  hat  ihren  Stoff  nicht  erschöpft, 
sondern  sich  auf  eine  ganz  willkürliche  Auswahl  beschränkt.  Außerdem  gibt  sie  vielfach 
nur  allgemeine  Belegstellen,  so  daß  das  Werk  kaum  brauchbar  ist.  —  H.  Weimer,  Die 
Fremdwörter  bei  Lauremberg,  Jahrb.  f.  ndd.  Sprachf.  25,  70. 

Die  neueste  Zeit  hat  uns  nun  zwei  größere  Werke  gebracht,  die  die 
bisher  bestehenden  Lücken  ausfüllen  wollen.  Das  erste  ist  ein  deutsches 
Fremdwörterbuch  von  H.^ins  Schulz,  von  dem  der  erste  Band  A — K  Straß- 
burg 1913  jetzt  vorliegt.  Es  ist  ein  gut  angelegtes,  übersichtliches  Buch 
mit  guten  Belegstellen,  die  auf  reichen  Sammlungen  beruhen.  Wenn  man 
auch  manche  Fremdwörter  vermißt,  so  wird  man  sich  doch  im  allgemeinen 
mit  der  Auswahl  des  Verfassers  einverstanden  erklären  können.  Über  die 
Sprache  hinaus,  aus  der  das  Wort  entlehnt  ist,  verfolgt  Seh.  seine  Wörter  nicht, 
sondern  behandelt  sie  nur  im  Rahmen  des  Deutschen.  Mancher  Leser  wird 


150      Siebentes  Kapitel.  Die  fremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 


dies  vielleicht   für  einen  Mangel   halten,   und   er   niul3   für  weiteres  Nach- 
forschen dann  zum  Wkigand  greifen. 

Das  zweite  Werk  ist  das  oben  S.  134  genannte  von  Si:ili:r.  Hier  ist 
ein  sehr  schöner  Versuch  gemacht,  die  Aufnahme  der  Fremdwörter  im 
grofJen  Zusannnenhang  zu  behandeln. 

.Es  haben  sich",  sagt  der  Verfasser  3.  Band  IV,  ,in  den  vier  Jahrhunderten  seit  etwa 
15(X)  ungleich  nielir  Lehn-  und  F-remdwürter  in  unserer  Spraclie  heimisch  gemacht,  als  in 
den  anderthalb  Jalirtausenden  vorher.  Dabei  ist  die  Gescliiclite  jedes  Fremdwortes  aufs 
engste  verwaciiscn  einerseits  mit  der  Geschichte  der  Begriffe  und  Saciicn  selbst,  anderer- 
seits mit  der  f^ntwicklung  der  zu  dem  betreffenden  Kulturkreise  gehörenden  einheimischen 
Ausdrücke.  Wer  also  eine  Geschichte  des  Fremdwortes  schreiben  will,  der  müßte  streng 
genommen  zugleich  eine  Geschichte  des  häuslichen  und  wirtschaftlichen  Lebens,  der  Kunst 
und  Literatur,  der  Wissenschaft  und  Technik,  der  Politik  und  Staatsverwaltung,  des  Heer- 
und  Marinewesens,  des  Luxus  und  der  Mode  schreiben.  Er  müßte  auch  die  Entwicklung 
des  heimischen  Sprachschatzes  darstellen,  mit  einem  Worte  eine  alles  umfassende  Kultur- 
und  Sprachgeschichte  liefern.  Das  konnte  nicht  meine  Absicht  sein.  Mein  Buch  beansprucht 
selbstverständlich  nicht,  auf  irgendeinem  Gebiete  etwas  Erschöpfendes,  sondern  überall 
nur  das  Wichtigste  und  Bedeutsamste  zu  geben." 

Jedenfalls  ist  dem  Verfasser  ein  guter  Wurf  gelungen,  und  das  Buch 
ist  daher  nur  zu  empfehlen. 

Überblickt  man  die  neuzeitliche  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes 
in  bezug  auf  die  Fremdwörter  und  verfolgt  deren  Geschichte,  so  spiegelt 
sich  darin  die  Geschichte  des  deutschen  Volkes  und  seiner  Kultur.  Einerseits 
nehmen  wir,  zu  je  höherer  Entwicklung  die  französische  Kultur  gelangt, 
immer  mehr  französische  Worte  auf  —  die  Kenntnis  des  Französischen  ge- 
hörte ja  lange  Zeit  zu  den  notwendigen  Bestandteilen  der  Bildung  —  ander- 
seits dringen  durch  das  Aufblühen  der  humanistischen  Studien,  das  Vor- 
herrschen des  Lateins  in  dem  gelehrten  Schrifttum,  die  zunehmende  Kenntnis 
des  Griechischen  zahlreiche  griechische  und  lateinische  Worte  in  die  Gelehrten- 
sprache, weiter  in  die  Sprache  der  Gebildeten  und  schließlich  auch  noch 
tiefer  herab.  Diese  Vorgänge  vermag  ich  nicht  im  einzelnen  zu  schildern, 
da  dazu  alle  Vorarbeiten  fehlen. 

Auf  der  andern  Seite  bringt  uns  das  Zeitalter  der  Entdeckungen  eine 
Erweiterung  des  Weltbildes  und  die  Bekanntschaft  mit  vielen  unbekannten 
Früchten,  Stoffen,  Pflanzen,  Tieren,  Gewürzen  usw.  Für  viele  dieser  Dinge 
übermitteln  die  Seefahrer  die  einheimischen  Namen,  und  unter  diesen  Namen 
werden  dann  die  Gegenstände  in  ganz  Europa  bekannt.  Wir  haben,  was 
diese  Dinge  betrifft,  heute  fast  schon  eine  Weltsprache. 

Die  Wortforschung  weist  uns  nun  oftmals  mit  völliger  Bestimmtheit 
den  Weg,  auf  dem  diese  neuen  Gegenstände  vorgedrungen  sind,  und  so 
bietet  auch  hier  wieder  die  Wortgeschichte  wertvolle  Beihilfen  zur  Kultur- 
geschichte. 

Es  dürfte  angebracht  sein,  an  dieser  Stelle  wenigstens  einiges  aus  dem 
reichen  Stoff  zusammenzustellen,  wobei  freilich  zu  beachten  ist,  daß  auf 
diesem  Gebiet  die  Anschauungen    leicht  wechseln,   ich   selbst  auch  nicht 


§  110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit.  151 


imstande  bin,  die  Richtigkeit  der  aufgestellten  Meinungen  nachzuprüfen. 
Ich  kann  mich  auch  nicht  in  große  kulturgeschichtliche  Erörterungen  ein- 
lassen, sondern  kann  nur  die  Worte  kurz  nebeneinander  stellen.  Wer  nur 
■ein  bißchen  nachdenkt,  dem  wird  dabei  sofort  manches  auffallen,  und  es  werden 
Kulturbilder  vor  ihm  aufsteigen.  Im  übrigen  verweise  ich  auf  Weigands 
Wörterbuch  und  auf  Seiler. 

a)  Aus  dem  Niederländischen:  Aktie,  Besanmast,  Boje,  Börse,  Brasse,  bugsieren, 
Bugspriet,  Büse,  Deut,  Dose,  Fallreep,  Flor  'Gewebe',  Fodi,  Garnele,  Gracht  'Kanal', 
Hai,  Harpune,  Heilbutt,  Jacht,  Kajüte.  Kaper,  KUlver,  Koje,  Krakeel,  Lackmus,  lavieren, 
Lotse,  Maat,  Maatjeshering,  Matrose,  Niete,  Nock,  Paneel,  peilen,  pikfein,  Pilot,  Pinasse, 
Polder,  Pottfisch,  prassen,  Presenning,  Priem,  Profos,  Rabatte,  Rabau,  Raclies,  Raigras, 
.Reede,  Stramin,  Süd.  Talje,  Tulpe. 

Wie  eine  einfache  Durchsicht  lehrt,  handelt  es  sich  bei  diesen  Ent- 
lehnungen in  erster  Linie  um  seemännische  Ausdrücke,  zu  denen  einige 
aus  dem  Handel  kommen.  Aber  der  ganze  niederländische  Einfluß  wird 
•dadurch  nicht  klar,  da  wir  sehr  vieles  aus  dem  Niederländischen  übersetzt 
haben.  Das  Niederländische  hat  schon  seit  der  mittelhochdeutschen  Zeit 
einen  anhaltenden  Einfluß  auf  das  Hochdeutsche  ausgeübt.  Vieles,  was 
scheinbar  aus  dem  Französischen  stammt,  ist  durch  niederländische  Ver- 
mittlung zu  uns  gekommen.  Vgl.  F.  Seiler  3,  91  ff.  Dieser  weist  mit  Recht 
darauf  hin,  daß  das  nördliche  Westfalen  und  nordwestliche  Hannover  noch 
heute  reich  an  volkstümlichen  französischen  Lehnwörtern  sind,  die  meistens 
wohl  durch  die  Niederlande  zu  uns  gekommen  sind. 

b)  Aus  dem  Englischen. 

Literatur:  R.F.Arnold,  Die  englischen  Lehn- und  Fremdwörter  im  gegenwärtigen 
Neuhochdeutsch,  ZfdöstGymn.  1904,  91  ff.  —  H.  Dunger,  Wider  die  Engländerei  in  der 
deutschen  Sprache,  ZADSV.  14,  12. 

Während  wir  in  früheren  Jahrhunderten  kaum  unmittelbar  englische  Wörter 
-aufgenommen  haben,  hat  sich  das  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  stark 
geändert.  1795  gab  Kinderlinq,  Über  die  Reinigkeit  der  deutschen  Sprache, 
eine  Liste  der  Fremdwörter  nach  Sprachkreisen  geordnet  und  führt  darin 
S.  109  21  Wörter  englischer  Herkunft  an.  Davon  stammen  aber  einige  nicht 
aus  dem  Englischen.  Dem  gegenüber  haf  H.  Dunger,  Wörterbuch  von  Ver- 
deutschungen entbehrlicher  Fremdwörter  1882  S.  12  148  englische  Fremd- 
wörter angegeben.  Es  ist  klar,  der  englische  Einfluß  ist  im  19.  Jahrhundert 
gewaltig  gewachsen,  und  er  wird  entsprechend  der  Ausbreitung'  unseres 
Handels  und  unseres  Seewesens  noch  weiter  wachsen.  Man  soll  das  nicht 
.2u  sehr  bedauern.  Das  Englische  ist  doch  unsere  nächste  Verwandte  und 
viele  Worte,  die  von  dort  kommen,  lassen  sich  leicht  unserer  Sprache  an- 
passen, wenn  wir  nur  so  schreiben,  wie  wir  sprechen.  Wer  sieht  Worten 
wie  treideln  von  e.  HraiV  'Zugseil',  trimmen  aus  e.  trim  'in  Ordnung  bringen', 
Kutter,  e.  ciitter,  Dock,  e.  dock,  Messe  'Speiseraum  der  Schiffsoffiziere',  e.  mess 
den  fremden  Ursprung  an? 

Aldermann,  Baby,  Beefsteak,  Bill,  Bombast,  Bowle,  boxen,  Boykott,  Dandy,  Dodi. 
-Dogge,  drainieren.  Elfe,  Farm,  fesdi,  Film,  Flammeri,  flirten,  Folklore,  Gallone.  Gentleman. 


152      Siebentes  Kapitel.  Die  iremden  Bestandteile  unseres  Wortschatzes. 


Grog,  Hunibiif^,  Humor,  hiirliburli,  Harri.  Indemnität.  Interview,  Jett,  Jingo,  Jobber,  Jinicei. 
Jury,  Jute,  Kalmank.  Keks.  Klosett,  Klitb,  Kodak.  Koks.  Komfort,  Konsols.  Kontertanz 
'iJlndliclicr  Tanz',  Kutter,  Lawn  Tennis,  Lloyd,  Log,  Lokomotive,  Lore,  lyndien,  Motdi, 
.Mob.  Mohär,  Mull.  I'addoik.  Pamphlet,  Park.  Parlament.  Pinsdier,  Plaid,  Plum/nidding, 
pokern.  Pony.  Propeller.  Puddelofen.  Pudding.  Punsdi,  Racket,  Rekord,  Revolver,  Rips. 
Roastbeef,  Robber,  Rowdy,  Rum,  Rumpsteak.  Sdial.  Sdiedi.  Sdieikpfeife,  Sdiirting.  Sdilips,. 
Sdiwindlrr,  Skalp.  Spleen.  Sport,  Star,  Start,  Steeplediase,  Steward.  Streik,  Sweater. 
Tandem.  Tank.  Tattersall,  Tender,  Tip,  tipptopp,  Toast,  trainieren,  Trambahn,  Tridi, 
Trust,  Tunnel,  Turf,  Turnip,  Verdikt,  Waggon,  Warrant,  Whisky,  Whist. 
Vertreten  sind  hier  die  meisten  Gebiete  der  modernen  Kultur. 

c)  Aus  dem  Nordischen  (Entlehnungen  sind  hier  der  Natur  der  Sache  nacii  wenig 
zaiiireich):  Berserker,  Brigg.  Fjord,  Jul,  Lemming,  Marwal,  Renntier,  Sild,  Skalde,  Ski. 
Tang,  Tundra,  Vielfraß  'gulo',  norw.  fjeldfross,  cig.  'Bergkatcr',  Waberlohe.  Walküre^ 
Wingolf. 

d)  Aus  dem  Französischen:  Es  erscheint  mir  unnötig,  die  uncndliclie  Zahl  von  Lehn- 
wörtern, die  wir  aus  dem  Französischen  aufgenommen  haben,  hier  im  einzelnen  auf- 
zuführen. In  fast  unübersehbarer  Menge  haben  wir  sie  seit  dem  16.  Jahrhundert  erhalten, 
und  noch  hört  der  Strom  nicht  auf,  wenngleich  er  sich  in  der  letzten  Zeit  etwas  verringert 
hat.  Viele  werden  in  der  unten  gegebenen  systematischen  Übersicht  zur  Sprache  kommen. 
Zu  bemerken  ist,  daß  das  meiste,  was  wir  aus  dem  Spanischen,  vieles  was  wir  aus  dem 
Italienischen  und  sonstigen  Sprachen  aufgenommen  haben,  durch  französische  Vermittlung 
zu  uns  gekommen  ist.  Man  muß  natürlich  auch  hier  unterscheiden  zwischen  volkstüm- 
lichen und  gelehrten  Entlehnungen,  was  auf  die  verscliiedcnen  Wege  weist,  die  die  Worte 
eingeschlagen  haben. 

e)  Aus  dem  Spanischen,  Portugiesischen  und  Baskischen  (natürlich  meist  durch 
französische  Vermittlung):  Alarm.  Alligator.  Andiovi,  zunächst  aus  dem  Ndl.,  angeblich 
baskisch.  Armada,  Autodafe  {l.  actus  fidei).  Bandelier.  barodt,  bigott,  bizarr,  Dodie,  Dul- 
cinea,  Eldorado,  eskamotieren.  Ferdinand,  Fetisdi,  Gala,  Galan,  galant,  Gamasdie. 
Gitarre,  Grande,  Guerilla,  Hermandad,  Indigo,  Infant.  Kamarilla,  karambolieren,  Kargo,. 
Kastagnette,  Knaster,  Kolibri,  Kork,  Kosdienille,  Kreole,  Lakai,  Mantille.  Marmelade, 
Matador.  Melasse,  Merino,  Mestize,  Moskito,  Mulatte,  Neger,  Palaver,  Parade  'Truppen- 
schau', Potpourri,  frz.  Übersetzung  des  span.  olla  podrida,  Romanze,  Rosinante,  Sdialuppe, 
Siesta,  Silo,  Tantes,  Tornado,  Vanille,  Zambo,  Zigarre. 

f)  Aus  dem  Italienischen:  Den  Einfluß  des  Italicnischen  im  ausgehenden  Mittelalter 
haben  wir  schon  oben  §  107  kennen  gelernt.  Seitdem  sind  aber  weitere  zahlreiche  Wörter 
von  dorther  zu  uns  gekommen,  besonders  auf  dem  Gebiet  des  Handels,  dem  der  Musik, 
dann  aber  auch  in  andern  Künsten.  Vielfach  ist  die  ursprüngliche  italienische  Form  durch 
die  französische  abgelöst,  oder  die  französisclie  herrscht  in  Nord-  und  Mitteldeutschland, 
die  italienische  im  Süden.  So  sagt  man  statt  Po//c^  aus  hz.  police  in  Östcncich  Po  Uz  ze 
aus  i{a\.  Polizza.  Statt  Karosse  hieß  es  noch  im  17.  Jh.  auch  Karotze  aus  ital.  caroccio, 
statt  Prozent  sagt  man  auch  noch  Perzent,  iial.  percento  usw. 

Agio,  Akelei,  Alber,  Alt,  Altan,  Ammer.  Arie,  Aviso,  Bagatelle,  Bajazzo.  Paias. 
Balkon,  Ballett,  Ballon,  Bandit,  Bank  'Kasse',  Bankerott,  Bankett,  Baß,  basta,  Bastei, 
Bastonnade,  Bdvedere,  Bilanz,  Binetsdi,  Blodiade,  Boskett,  Bratsdie,  Brente  'Gefäß',^ 
Brigade,  Brokat,  Büfett,  burlesk.  Canaille,  Dilettant,  Diskont,  Dusdie,  Fagott,  Falsett,. 
Farinzudier,  Fiasko  madien.  Filigran,  Finte,  Fratze,  Fresko,  Frettdien,  Front,  Furon,  Galeere, 
Galerie,  Gambe,  Gant,  Ganter,  Gardine.  Gesdiwader,  Getto,  Giro,  Gondel,  Granate, 
grotesk,  Hatsdiier.  Indossament,  Kanone.  Kanzone,  Kapriole,  Kapuze.  Karfiol.  Karrete^ 
Kartatsdie,  Kartaune,  Kartoffel.  Kasematte.  Kasino,  Kasse.  Kataster,  Kavalkade,  Klari- 
nette, Kohlrabi.  Kolli,  Konto,  Kontrabaß.  Korridor,  krepieren,  Kujon.  Kulm,  Kuppel,  Lagune, 
Lava,  Levante,  Litze.  Madrigal,  ,\\akkaroni,  Malaria,  Marketender,  Marone.   Marzipan,. 


§110.  Die  Entlehnungen  der  Neuzeit.  153 


matsch  'Spiel  verloren',  Medaille,  Miliz,  Molo.  Mosaik,  Motette.  Motto,  Muster,  netto, 
Nocke.  null.  Obligo,  pari,  Paroli,  Partisan.  Partisane.  Passagier,  Paste,  Pastell,  Pedant, 
Perüdke,  Petarde,  in  petto,  Pianoforte,  Pidtelflöte.  Pilaster.  bayer.  Plenie,  Pokal,  Polenta, 
Polizze,  Poltron,  Porto,  Porzellan.  Post.  Posten  'Rechnungsbetrag',  Postillion,  Posto, 
Pratze,  Probe,  Profil.  Prokura,  Punzen.  Putten.  Rabatt,  Rakete,  Rastel(binder),  Redoute, 
Regal,  Regatta,  Rest,  Rikambio,  Rimesse.  Risiko,  Salami,  Salat,  Saldo.  Sdiarmützel, 
bayer.  Sdiarnützel  'KrämerdiUt ,  Sdimirgel,  sdiraffieren,  Serenade.  Similisteine,  Skat.  Skizze, 
Skorzonere,  Soffitte,  Solo,  Sonate,  Sonett,  Sordine,  Spagat,  Spaß,  Spesen.  Spinett,  Spon- 
ton,  Stafette.  Stanze,  Stilett,  stilisieren,  stornieren,  Strapaze,  Strazze,  Studi,  Studio,  Talar, 
Tarodi,  Taste,  Teditelmeditel,  Tempo,  Tenor,  Terrakotta,  Terzerol,  Terzett,  Tombola,  Torso, 
Transit,  Transport.  Traß,  Tratte.  Triller,  trillern,  Trott,  Trüffel,  Valuta,  Vetiurin,  Violine, 
Vista,  Zediine,  Zervelatwurst.  Zitrone. 

g)  Aus  dem  Ladinischen,  der  romanischen  Sprache  in  den  Alpen:  rodeln,  lad.  rodella 
'Rad,  Scheibe',  ir  a  rodellas  'hinunterkollern';  —  /?«// 'Felslawine',  lad.  rovina  'Einsturz';  — 
Gletsdi(er)  aus  lat.  glacies  wie  Schweiz.  Tsdnngel  aus  cingulum. 

h)  Aus  dem  Rumänischen:  Bojar. 

i)  Aus  dem  Persischen:  Absinth,  Azur,  Basar,  Derwisdi,  Diwan,  Ferman,  Jasmin, 
Julep,  Karawane,  Lasur,  lila,  Limone,  Myrte,  Natde,  Paradies,  Pasdia,  Rodie  'Turm', 
Saffian,  Salamander.  Sarabande,  Satrap,  Sdiadi,  Sdial,  Sdiikane,  Serail,  Seraskier,  Serdar, 
Taft.  Tiara,  Tiger. 

k)  Aus  dem  Indischen:  Beryll,  Brille,  Dsdningel,  Ingwer.  Jute,  Kampfer,  Kermes, 
Ladi,  Mandarin,  Mosdius,  Mull.  Nabob,  Nirwana.  Opal.  Orange.  Pfeffer,  Punsdi,  Radsdia, 
Reis.  Rupie,  Sandarak,  Sandelholz.  Sdiakal,  Smaragd,  Veranda.  Zebu,  Zitz.  Zudier. 

1)  Aus  dem  Tamulischen.   der  einheimischen  Sprache  Indiens:   Paria,  Pompelmuse. 

m)  Aus  dem  Malaiischen  und  Australischen:  Bambus.  Betel,  Gingang,  Gutta- 
perdia,  Kakadu,  Känguruh.  Kasuar.  Orang-Utan,  Pagode,  Sago,  tätowieren,  Tombak, 
Trepang,  Zimt. 

n)  Aus  dem  Ostasiatischen:  Bonze,  Dsdionke,  Geesdia,  Kotau.  Kuli,  Mammut. 
Padifong,  Taifun.  Tee,  Yak. 

o)  Aus  dem  Ägyptischen  und  Koptischen :  Almanadi,  Barke,  Gummi,  Oase,  Papier. 

p)  Aus  dem  Afrikanischen :  Banane.  Basalt.  Gnu.  Gorilla,  Quagga,  Sdiimpanse,  Zebra. 

q)  Aus  dem  Hebräischen  sind  die  Entlehnungen  auf  verschiedenen  Wegen  zu  uns 
gekommen,  durch  die  Bibel,  das  Jüdisch-Deutsche  und  die  Gaunersprache.  Die  letzte  Art 
suche  man  unter  Gaunersprache. 

1.  Durch  Vermittlung  der  Bibel:  Aloe,  Bisam.  Cherub,  Ebenbaum,  genieren. 
Kamel,  Koralle,  Mammon.  Manna,  Passah.  Sadi.  Satan.  Sdiibboleth.  Sediel,  Seraph,  Zider. 

2.  Aus  dem  Jüdisch-Deutschen  stammen:  Bodier.  dibbern,  auch  däbern  'angelegent- 
lich besprechen',  flöten  gehen,  Umdeutschung  des  jüd. -deutschen  pleite  gehen,  s.  Pleite. 
Geseier,  Kabale.  Kalle.  Matze,  Mausdiel,  mesdiugge,  Pleite,  iüd.pleto  'Flucht',  davon  auch 
flöten  gehen,  Rebbes,  Sdiabbes,  sdiäditen,  Sdiaddien  'Heiratsvermittler',  sdiäkern,  Sdiaiite, 
Sdiote,  Sdiidisel.  Sdimad  'Taufe',  Sdunu,  Sdimiil,  Sdimus,  sdiofel,  Stuß,  treife  'unrein'. 

r)  Aus  dem  Arabischen:  Admiral,  Aldiemie,  Algebra,  Alkali,  Alkohol,  Alkoven, 
Ambra,  Antimon,  Aprikose,  Arrak,  Arsenal,  Artisdwke,  Atlas,  Baksdüsdi,  Balsam,  Bardient, 
Berberis,  Borax.  Burnus,  Dragoman.  Droge,  Elixir,  Emir,  Feluke,  Gaset,  Gazelle,  Giraffe, 
Harem,  Hasdiisdi.  Islam,  Joppe,  Kadi,  Kaffee,  kalfatern.  Kaliber,  Kalif,  Kandelzucker, 
Kandis,  Karaffe.  Karat,  karmesin.  Kattun,  Kismet,  Laute,  Magazin,  Maske,  Matratze, 
matt,  Mosdiee,  Mufti.  Mumie,  Muselmann,  Mütze,  Naphtha.  Natron,  Papagei,  Rakett, 
Razzia,  Ribisel,  Ries,  Saflor  'Färbediestel',  Saflor,  Safran,  Samum,  Saphir,  Sarazene, 
Sdiebedie,  Sdiirokko,  Sennesbaum,  Sesam,  Sirup,  Sofa,  Sultan,  Sumadi,  Talisman.  Talk, 
Tamarinde,  Tambur.  Tara,  Tarif,  Tasse,  tausdiieren.  Theodelit,  Watte,  Wesir,  Zibebe,  Zibet, 
Ziffer,  Zitwer. 


154       Achtes  Kapitel.  Kampf  gegen  die  Fremdwörter.  Verdeutschungen. 

s)  Aus  dem  Syrischen  uiid  Orientalischen  überhaupt:  Alabaster,  Arsenik.  Bisam, 
Greif,  assyr.  kritb  (hcbr.  kernb).  Jaspis.  Satte. 

t)  .^us  dem  Türkischen:  liabusdie.  lierf^amotte.  Dolman.  Dolmetsdi.  Janitsdiar, 
Jurte.  Kaftan.  Kalpak.  Kantsdnt,  Karbatsdie.  Kiosk.  Üdaliske.  Sdiabratke.  Sdiagrin. 
Sdiarladi.  Sorbett.  Turban.  Ulan. 

u)  Aus  dem  Amerikanischen:  Alpakka,  pcruan.;  Ananas,  peruan.;  Guano,  peruan.; 
Hüngematte,  karaib.;  Jaguar,  bras. ;  Kakao,  nicxik.;  Kakerlak,  südamerik.;  Kanu,  karaib.; 
Kantsdmk,  siid;imerik.;  Kondor,  peruan.;  Lama,  peruan.;  Mahagoni;  Mais;  Mokassin: 
Opossum;  Orkan,  karaib.;  Palisornier,  Polisander;  Sdiokoladc,  mc.xik.;  Tabak;  Tapioka, 
brasil.;  Tapir,  brasil.;  tomaha(w)k,  Indianersprache;  Tomate,  mexik.;  Vigogne,  peruan.; 
Wigwam,  indianersprache. 

Welche  l^'üllc  von  Beziehungen  im  Welthandel  und  Weltverkehr  ent- 
rollt so  die  Sprache!  Und  dabei  ist  der  Stoff  nicht  einmal  erschöpft.  Die 
trockenen  Listen  müßten  nun  freilich  erst  durch  Erläuterungen  kultur- 
geschichtlicher Art  lebendig  gemacht  werden,  doch  übersteigt  das  den  mir 
zur  Verfügung  stehenden  Raum. 

Ein  paar  Bemerkungen  mögen  hier  noch  über  die  Fremdwörter  in 
den  Mundarten  hinzugefügt  werden.  Auch  die  Mundarten  enthalten  zahl- 
reiche Fremdwörter.  Z.  T.  stammen  diese  aus  der  Schriftsprache,  d.  h.  aus 
der  Sprache  der  Gebildeten,  indem  durch  Nachahmung  derartige  Worte 
allmählich  auch  zu  den  unteren  Volksschichten  gedrungen  sind,  vgl.  darüber 
-^  175.  Anderseits  haben  die  Grenzmundarten  aus  den  Nachbarsprachen 
eine  Reihe  von  Wörtern  aufgenommen,  die  nicht  im  ganzen  Sprachgebiet 
verbreitet  sind.  So  ist  ganz  klar,  daß  das  Elsässische  und  aucl^  das  übrige 
Alemannische  zahlreiche  französische  Ausdrücke  enthält,  die  sonst  nicht 
bekannt  sind,  während  anderseits  die  ostdeutschen  Mundarten  eine  Reihe 
slawischer  Ausdrücke  aufweisen,  die  ihrerseits  im  Westen  unbekannt  sind. 
Das  baltische  Deutsch  enthält  esthnische  Lehnwörter,  vgl.  H.  Suolahti,  Die 
esthnischen  Worte  im  Deutschen  der  baltischen  Ostseeprovinzen  Neuphil.  Mitt. 
1910,  99 — 129.  Sehr  bemerkenswert  sind  auch  die  Fremdwörter  im  Öster- 
reichischen und  Bayerischen,  wo  sich  noch  eine  Reihe  italienischer  Fremd- 
wörter erhalten  haben,  die  auf  den  alten  Handelsweg  von  Italien  nach 
Deutschland  hinweisen,  wie  Sporka,  Spagat,  Gant,  Bollette,  Skadenz,  Sensal, 
Kassa,  Polizze,  vgl.  darüber  Schiraier  Kaufmannssprache  XXIX. 


Achtes  Kapitel. 
Kampf  gegen  die  Fremdwörter.   Verdeutschungen. 

§  111.  Allgemeines.  Dem  Gange  der  Kulturentwicklung  gemäß  ist  unsere 
Sprache  dem  Eindringen  von  Fremdwörtern  stark  ausgesetzt  gewesen,  in- 
dessen kaum  mehr  als  die  andrer  Völker.  In  der  altern  Zeit  findet  eine 
natürliche  Aufnahme  von  Lehnworten  in  die  Volkssprache  statt,  und  diese 
sind  daher  heute  dem  deutschen  Sprachbau  derartig  angepaßt,  daß  sie  als 


§111.  Allgemeines.  155 


Fremdwörter  nicht  mehr  zu  erkennen  sind.  Ähnlich  steht  es  mit  den  Ent- 
lehnungen aus  dem  Osten.  Auch  sie  gehen  durch  den  Volksmund  und 
weisen  daher  in  ihrer  Form  häufig  nichts  Fremdes  mehr  auf,  höchstens  daß 
eigentümliche  Lautverbindungen  den  Kundigen  auf  die  fremde  Herkunft 
aufmerksam  machen.  Worte  wie  Dolch,  Gurke,  Peitsche  klingen  durchaus 
deutsch.  Dem  gegenüber  ergießt  sich  schon  im  Mittelalter  und  zunehmend 
in  der  Neuzeit  ein  unendlicher  Strom  von  Fremdwörtern  in  unsere  Sprache, 
der  nicht  auf  natürlichem  Wege  in  das  ganze  Volk,  sondern  durch  die 
Literatur,  dadurch  daß  viele  Gebildete  die  fremde  Sprache  erlernten,  durch 
Nachäfferei  und  sonstige  Umstände  in  die  Sprache  bestimmter  Kreise  ein- 
gedrungen ist.  Es  ist  nach  den  oben  gegebenen  Ausführungen  ganz  klar, 
daß  viele  von  diesen  Fremdworten  entbehrlich  sein  dürften,  und  es  ist  nur 
natürlich,  daß  deutsche  Männer  frühzeitig  den  Kampf  gegen  sie  eröffnet 
haben.  Vgl.  darüber  GDS.  231  ff. 

Dieser  Kampf  kann  sich  natürlich  nur  gegen  jene  mehr  gelehrten  Fremd- 
wörter der  zweiten  Art  richten.  Alles,  was  dem  Geiste  der  deutschen  Sprache 
entspricht,  was  eingedeutscht  ist,  was  jeder  versteht,  darf  nicht  beanstandet 
werden.  Fenster,  das  Zeesen  noch  durch  Tageleuchter  verdeutschte,  wird 
keiner  mehr  entfernen  wollen.  Außerdem  gibt  es  ein  gewisses  allgemeines 
Sprachgut,  wie  z,  B.  die  Monatsnamen,  an  die  man  nicht  tasten  sollte.  Aber 
sonst  wimmelt  unsere  Sprache  von  Fremdwörtern,  die  recht  wohl  entbehrlich 
sind.  In  einer  ganzen  Reihe  von  Betrieben,  in  der  Post,  der  Eisenbahn, 
dem  Heerwesen  hat  bewußtes  Eingreifen  eine  Reihe  von  Verdeutschungen 
geschaffen,  die  schon  ganz  oder  beinahe  eingebürgert  sind.  Meines  Er- 
achtens  sind  die  Fremdwörter  nicht  deshalb  zu  verwerfen,  weil  sie  fremd 
sind,  sondern  im  wesentlichen  deshalb,  weil  sie  nur  einem  kleinen  Kreis 
unsres  Volkes  angehören,  weil  die  große  Masse  sie  nicht  versteht  und  nichts 
damit  anzufangen  weiß.  Man  mustere  einmal  den  Wortschatz  der  Mundarten, 
und  man  wird  erstaunt  sein,  wie  wenig  Fremdwörter  man  im  Grunde  dort 
antrifft.  Ebenso  wenig  gibt  es  in  der  schönen  Literatur.  Unsere  großen 
Schriftsteller,  die  sonst  manches  Fremdwort  in  ihren  Briefen  gebrauchen, 
vermeiden  es  doch  in  ihren  Werken,  besonders  in  der  Poesie.  Die  eigentliche 
Stätte  des  Fremdworts  ist  die  gelehrte  Literatur.  Mancher  Gelehrte  hält  mit 
Hartnäckigkeit  an  ihnen  fest,  und  es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  man  sie 
manchmal  braucht,  teils  um  m.it  dem  Ausdruck  zu  wechseln,  teils  weil 
manche  Ausdrücke  tatsächlich  nicht  entbehrlich  sind.  Oft  genug  gewährt 
auch  der  fremde  Ausdruck  einen  etwas  abweichenden  Sinn,  den  der  Schrift- 
steller gerade  hervorrufen  will.  Trotzdem  lassen  sich  die  Fremdwörter  in 
viel  höherem  Maße  vermeiden,  als  es  geschieht.  Wer  sich  bemüht,  auf  seine 
Worte  zu  achten,  dem  wird  das  nicht  schwer  fallen,  und  er  wird  erkennen, 
daß  man  oft  zu  einer  bessern  Ausdrucksweise  kommt,  wenn  man  das  Fremd- 
wort, das  einem  in  die  Feder  fließen  will,  durch  ein  deutsches  ersetzt.  Gewiß 
muß  man  nachdenken,  man  muß  oft  den  ganzen  Satzbau  ändern,  aber  zum 


156       Achtes  Kapitel.  Kampf  gegen  die  Fremdwörter.  Verdeutschungen. 

Schaden  der  Sache  ist  es  meistens  nicht.  Die  Schule  hat  natürlich  die  Ver- 
pflichtung, auf  die  Vermeidung  der  Fremdwörter  hinzuwirken,  und  ich  bin 
der  Überzeugung,  daß  es  nach  dieser  Richtung  immer  besser  werden  wird. 

Oft  wird  man  freilich  dem  Einwand  begegnen,  daß  ein  Fremdwort 
nicht  zu  ersetzen  sei. 

Aber  dieser  Einwand  hält  nicht  Stich.  Wenn  nicht  alles  ersetzt  werden 
kann,  so  doch  vieles,  und  wer  die  Geschichte  der  Verdeutschungen  über- 
blickt, der  weiß,  daß  manches  fremde  Wort,  einst  für  unentbehrlich  gehalten, 
längst  ersetzt  ist.  Als  die  ersten  Luftballons  erfunden  worden  waren,  schrieb 
Wieland  über  die  Ai^ronaiiten  und  die  A^ropetomanie.  Wer  würde  das 
letztere  heute  noch  verstehen  und  gebrauchen?  Hörsaal  für  Auditorium 
erschien  im  18.  Jahrhundert  pedantisch.  Und  so  kann  man  unzählige  Beispiele 
anführen.  Die  bewußte  Verdeutschung  hat  gute  Erfolge  gehabt  und  wird 
sie  noch  weiter  haben.  Freilich  muß  man  eins  bedenken.  Nicht  jeder 
Verdeutschungsvorschlag  ist  gut.  Es  müssen  vielmehr  wie  überall  in  der 
Natur  viele  Keime  ausgestreut  werden,  damit  nur  einige  wenige  aufgehen. 

Gehen  wir  nun  zu  der  Tätigkeit  der  Männer  über,  die  unsere  Sprache 
durch  ihre  Verdeutschungen  bereichert  haben. 

§  112.  Verdeutschungen  im  Mittelalter.  Still  und  bescheiden,  doch  darum 
nicht  minder  wirkungsvoll  ist  die  Tätigkeit  der  frühesten  deutschen  Schrift- 
steller, jener  alten  Mönche,  die  unsere  Vorfahren  mit  den  Lehren  des 
Christentums  bekannt  machten.  Sie  haben  manches  fremde  Wort  übersetzt: 
comnuuiio  —  gimeinida,  Gemeinde;  conscientia  —  giwi-jjem,  Gewissen; 
Computer  —  givatero,  Gevatter;  convertere  —  bikeran,  bekehren;  confessio 

—  bijiht,  Beichte;  pascha  —  Ostern;  dies  natalis  —  Weihnachten;  gehenna 

—  hella,  quala;  monacus  —  cinsidilo,  Einsiedet.  Schon  im  Got.  findet  sich 
armahairts  nach  lat.  misericors;  arman  sik  nach  1.  misereri,  woraus  sich  dann 
weiter  barmherzig  und  erbarmen  entwickelt  haben.  Andere  Verdeutschungen 
sind  leider  nicht  durchgedrungen,  so  wijjago  oder  forasago  für  propheta; 
boto  oder  zwelfboto  für  Apostel,  während  jungiro  'Jünger'  gesiegt  hat; 
ezt'art  für  presbyter,  Priester.  Wir  hätten  tatsächlich  viel  mehr  haben 
können,  vgl.  Kluge,  WB.  z.  Ztschr.  d.  ADS.  4,  143  ff.  Bibel  siegt  erst  im 
16.  Jahrhundert,  im  Mittelhochdeutschen  sagte  man  diu  schrift  oder  da3 
buoch;  im  Evangelium  sagen  die  Engländer  ^05/7^/,  ags.  godspel,  eig. 'Er- 
zählung von  Gott'.  Für  Pate  bestehen  noch  in  den  Mundarten  alte  deutsche 
Ausdrücke,  alem.  der  Götti  und  die  Gotte,  got.  gudja  'Priester',  schwäb. 
Tot,  während  die  Engländer  godfather,  godmother,  godson,  goddaughter 
verwenden.  Erzvater  für  Patriarch  lebt  fast  bis  in  die  Neuzeit.  Für  Pfingsten 
haben  die  Engländer  mit  ihrem  whitsunday  eine  einheimische  Bezeichnung 
geschaffen. 

Zu  den  durchgedrungenen  Verdeutschungen  gehören  ferner  die  Namen  der  Wochentage: 
ahd.  sunnuntag  —  dies  solis;  munintag  —  lünae  dies;  ziestag  —  Mortis  dies:  donarestag  — 
Jovis  dies;  fnatag — Veneris  dies;  mittiwodia  —  media  hebdomas. 


§  112.  Verdeutschungen  im  Mittelalter.  §  113.  Verdeutschungen  in  neuerer  Zeit.   157 


Anmerkung.  Der  Dienstag  hat  mannigfache  Namen,  in  Schwaben  Ziestag,  zu- 
sammengesetzt mit  Ziu,  dem  altgermanischen  Götternamen,  auch  Aftennontag,  in  Bayern 
Erditag,  wohl  aus  gx.^'AoeoK  iifiFna  {*'Areos  hd'niera);  Dienstag  ist  aus  Dingstag  entstanden, 
siehe  unten.  Nur  für  Sonnabend,  ahd.  sunnnn-aband,  das  im  wesentlichen  mitteldeutsch 
und  niederdeutsch  ist,  hat  sich  in  obd.  Samstag  aus  ahd.  samba^tag  von  gr.  oüftßuiov  {säm- 
baton)  das  fremde  Wort  erhalten.  Das  Genauere  über  die  Herkunft  der  deutschen  Wochen- 
tage siehe  bei  Kluge,  Wiss.  Beih.  z.  Zsclir.  d.  ADSV.  2,  89  ff.  Die  Verdeutschung  der  Namen 
der  Wochentage  geht  sicher  in  vorchristliche  Zeit  zurück. 

Die  Namen  der  Wochentage  müssen  sehr  bald  volkstümlich  geworden 
sein.  Darum  haben  sie  sich  durchgesetzt.  Nicht  so  steht  es  mit  den  Namen 
der  Monate,  die  Karl  der  Große  nach  der  Angabe  Einhards  29  einführte. 
Er  nannte  sie  bekanntlich  Wintarmanoth,  Hornung,  Lentzin-,  Ostar-,  Wlnne-, 
Brach-,  Heimi-,  Aran-,  Witu-,  Windiime-,  Herbist-  und  Heilagmanoth.  Nur 
Hornung  und  Wonnemonat  sind  einigermaßen  gebräuchlich.  Karl  nannte 
letztern  Winnemanoth,  d.  i.  'Weidemonat',  was  das  Volk  umgestaltet  hat. 
Weiteres  bei  K.  Weinhold,  Die  deutschen  Monatsnamen,  Halle  1869.  Auch 
die  deutschen  Namen  der  Winde  sollen  von  Kaiser  Karl  herrühren. 

In  der  Zeit,  als  unsere  höfische  Poesie  blühte,  ist  ein  Strom  von  Fremd- 
wörtern in  unser  Deutsch  oder  besser  gesagt  in  die  Sprache  der  höfischen  Kreise 
gekommen.  Ob  sich  damals  schon  Widerstände  geregt  haben,  weiß  ich  nicht. 
Ich  glaube  es  kaum,  da  wir  es  eben  nur  mit  der  Sprache  einer  gewissen 
Gesellschaft  zu  tun  haben.  Tatsächlich  ist  ja  von  den  damaligen  Fremd- 
wörtern nicht  allzuviel  geblieben,  und  was  geblieben  ist,  läßt  sich  vielfach 
nicht  mehr  als  Fremdwort  erkennen.  Vor  allem  gab  es  keine  echte  Prosa. 
Sie  kam  erst  durch  die  Mystiker  auf,  und  ihnen  verdanken  wir  zweifellos 
manche  Bereicherung  unseres  Wortschatzes  (s.  u.  §  183),  gewiß  auch  durch 
Verdeutschungen  fremder  Wörter. 

§  113.  Verdeutschungen  in  neuerer  Zeit.  Ein  wirklicher  Kampf  gegen 
die  Fremdwörter  setzte  erst  wieder  ein,  als  die  fremden  Wörter  überhand- 
nahmen, im  16.  Jahrhundert.  Ein  großer  Teil  der  Gebildeten  gebrauchte 
die  lateinische  Sprache,  und  daher  behielt  man  viele  ihrer  Worte  bei.  Schon 
früh  regte  sich  der  Widerspruch.  Im  Jahre  1538  eiferte  Gilg  Tschudi  aus 
Glarus  gegen  die  latein  und  wälsche,  d.  h.  französischen  Wort,  die  in  unser 
Tatsch,  so  eine  ehrliche  Sprach  ist,  hereingeschleppt  werden.  Er  kehrt  seine 
Erbitterung  gegen  die  niiwen  tatschen  Cantzler,  die  so  naseweis  sind,  auch 
die  consistorischen  Schreiber,  also  gegen  die  Bevölkerung  der  Büros  im 
allgemeinen. 

Im  17.  Jahrhundert  wurde  man  sich  der  Sprachmischung  allgemeiner 
bewußt,  und  Dichter  und  Schriftsteller  wie  Opitz  (Aristarchus  sive  de  con- 
temptu  linguae  Teutonicae),  Moscherosch  (Gesichte,  ä  la  mode  Kehraus), 
Lauremberg  (im  dritten  Scherzgedicht),  Grimmelshausen  (Teutscher  Michel) 
klagen  darüber  oder  suchen  mit  der  Geißel  der  Satire  dagegen  zu  kämpfen. i) 


^)  Ausführlicheres  darüber  bei  Dunger,  Wörterbuch  von  Verdeutschungen  entbehrlicher 
Fremdwörter,  1882,  S.  29  ff. 


158       Achtes  Kafmtel.  Kampf  gegen  die  Fre.mdwörter.  Verdeutschungen. 

Es  kam  dann  zur  Gründun<4  der  Sprachgesellschaften,  die  neben  der 
Förderuii<(  des  Deutschen  als  Dichterspraclie  auch  den  Zweck  verfolj^ten, 
die  Sprache  von  der  Einmischung  fremder  Wörter  zu  reinii^en.  V^i.  darüber 
GDS.  239  f. 

Unter  den  Männern,  die  durch  ihre  zahlreichen  Verdeutschungsversuche 
berühmt  oder  berüchtigt  geworden  sind,  ist  vor  allem  Philipp  von  Zesen 
(1619 — 1689)  zu  nennen.  Was  er  versucht  hat,  zeigt  am  besten  das  Nach- 
wort zu  der  „Adriatischen  Rosamund"  1645.  Jetzt  hat  H.  Harbrecht  ein 
Verzeichnis  der  von  Zesen  verdeutschten  Lehn-  oder  Fremdwörter  gegeben, 
ZfdW.  14,71  ff.  Zweifellos  hat  Zesen  manche  Verdienste. 

Von  seinen  Verdeutschungen  nenne  icli:  Adresse:  Ansdirift;  Annalen  :  Jahrbüdier; 
Antipoden  :  Ge^enfüßler;  Assekuranz :  X'crsidierung;  Asyl  :  Freistatt;  Bastion  :  Bollwerk; 
Bibliothek:  Büdierei;  Bouquet:  Blumenstrauß;  Chanssee  :  Steinweg  (in  den  Städten  noch 
vielfach  als  Straßennamen  erhalten);  Chemie  :  Sdieidekunst;  dedizieren  :  übereignen;  Dia- 
lekt :  Mundart;  Dictionnaire  :  Wortbudi;  Edio  :  Widerhall;  Epilepsie  :  fallende  Sudit;  Funda- 
ment :  Grundstein;  Galerie  :  Kunstkammer;  Geometer  :  Feldmesser;  Gouverneur :  Statt- 
halter; Journal  :  Tagebudi;  Kobold  :  Poltergeist;  Konfession  :  Glaubensbekenntnis;  Lot- 
terie: Gliidisspiel;  maskieren:  vermummen;  Original:  Ursdirift  usw. 

Anmerkung  1.  Vieles,  was  man  Zesen  zuschreibt,  ist  allerdings  weit  älter.  So 
kommt  selbständig  schon  im  16.  Jahrhundert  vor.  und  im  14.  bereits  selbstende.  Vollmadit 
ist  bereits  1372  belegt.  Vertrag  erscheint  im  15.  Jahrhundert.  Ich  kann  allerdings  nicht 
übersehen,  wie  weit  Zesen  zur  festen  Einbürgerung  dieser  Wörter  beigetragen  hat. 

Anmerkung  2.  Vergleiche  über  diese  Zeit  noch  folgende  Arbeiten:  K.  Dissel.  Philipp 
von  Zesen  und  die  deutsch  gesinnte  Genossenschaft,  Hamburger  Programm  1890.  —  C.  Prahl, 
Philipp  von  Zesen.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Sprachreinigung  im  Deutschen,  Danziger 
Programm  1890.  —  H.  Schultz,  Die  Bestrebungen  der  Sprachgesellschaften  des  17.  Jahr- 
hunderts für  die  Reinigung  der  deutschen  Sprache,  Gottingen  1888.  —  H.  Wulff,  Der  Puris- 
mus in  der  deutschen  Litteratur  des  17.  Jahrhunderts,  Straßburger  Dissertation  1888. 

Für  das  17.  Jahrhundert  ist  hier  neben  andern  auch  noch  vor  allem 
JusTUS  Georg  Schottel  zu  nennen.  Er  führt  in  seinen  Werken  die  Ver- 
deutschung der  grammatischen  Kunstausdrücke  völlig  durch.  Ist  auch 
mancher  Vorschlag  schon  vor  ihm  geäußert  worden,  und  ist  auch  mancher 
nicht  durchgedrungen,  so  liegt  doch  in  seiner  Tätigkeit  eine  hochbedeutsame 
Leistung  vor.  Sie  sollte  uns  Mut  machen,  auch  auf  diesem  Gebiet  nicht 
von  der  Verdeutschung  zu  lassen. 

Auch  im  18.  und  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  fehlt  es  nicht  an 
Bestrebungen  zur  Reinigung  der  deutschen  Sprache.  Unsere  Kenntnisse 
darüber  sind  durch  eine  Reihe  von  Abhandlungen  S.  Klee.manns  bereichert 
worden,  Der  Kampf  gegen  das  Fremdwort,  ZfdW.  1,  37;  Deutsche  Sprach- 
pflege in  den 'Literaturbriefen",  ZfdW.  7,  152  ff.;  Das  'Sendschreiben  eines 
Landpriesters',  ZfdW.  7,  241 ;  Fremdwörter  und  Verdeutschungen  des  18.  Jahr- 
hunderts, ZfdW.  8,  49;  Ein  Reichsfreiherr  des  18.  Jahrhunderts  als  Sprach- 
reiniger, WB.  z.  ZADSV.  4,  156  ff.;  Die  Mitarbeiter  der  'Allgemeinen  deutschen 
Bibliothek'  als  Sprachrichtcr  und  Sprachreiniger,  WB.  z.  ZADSV.  4,  120. 

Im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  herrschte  die  Sprachmengerei  wie  zuvor. 
Das   Bestreben   der  'Puristen'   des  17.  Jahrhunderts   war  ziemlich   spurlos 


§  113.  Verdeutschungen  in  neuerer  Zeit.  159 


vorübergegangen.  Wenn  sich  auch  vereinzelte  Stimmen  hören  heßen,  wenn 
sich  auch  Christian  Wolff  große  Verdienste  um  die  Verdeutschung  der  wissen- 
schaftHchen,  besonders  der  philosophischen  Sprache  erworben  hat,  vgl.  Paul 
PiUR,  Studien  zur  sprachlichen  Würdigung  Chr.  Wolffs,  Halle  1903,  so  er- 
strebte doch  erst  Gottsched  wieder  eine  durchgreifende  Sprachreinigung, 
ohne  daß  er  hiermit  einen  wirklichen  Erfolg  gehabt  hätte.  Gottscheds  Ver- 
dienst aber  ist  es,  daß  um  1750  wenigstens  die  Sprache  der  Literatur  auf- 
fallend rein  war.  Aber  die  Vornehmen  hielten  an  der  französischen  Sprache 
und  den  Fremdwörtern  fest,  und  erst  im  letzten  Viertel  des  18.  Jahrhunderts 
trat  die  Wendung  langsam  ein. 

„Bald  nach  1750",  sagt  Feldmann,  ZfdW.  7, 245,  „begannen  die  jüngeren 
deutschen  Schriftsteller  einer  neuen  weitgehenden  Sprachmengerei  zu  huldigen, 
besonders  nach  dem  Vorgange  Wielands,  der  in  bewußtem  Gegensatz  zu  Gott- 
sched das  Recht  für  sich  beanspruchte,  selbst  in  die  Sprache  der  Dichtung 
fremde  Wörter  nach  Belieben  und  Bequemlichkeit  einzumischen.  Eine  Unzahl 
von  Fremdwörtern  hat  Wieland  seinen  Lesern  geläufig  gemacht  —  viele 
davon  stieß  er  später,  besonders  bei  der  Neubearbeitung  seiner  Werke  1794 
und  folgende  Jahre,  wieder  aus,  nachdem  er  wiederholt  von  seinen  Be- 
urteilern, zuerst  von  Lessing  im  14.  Literaturbrief,  wegen  Sprachmengerei 
getadelt  worden  war." 

Eine  große  Hilfe  hat  die  Verdeutschung  dadurch  bekommen,  daß  die 
Behörden  auf  Ersetzung  fremder  Wörter  durch  deutsche  drängen.  Hier  ist 
vor  allem  der  Generalpostmeister  Stephan  seit  1874  in  seiner  Verwaltung 
vorangegangen  und  hat  vieles  erreicht.  Wir  sagen  jetzt  nach  ihm  einschreiben 
für  rekommandieren,  postlagernd  für  poste  restante,  Umsdilag  für  Kuvert, 
Beiwagen  statt  Beichaise  usw.  Ebenso  ist  die  Sprache  der  Heeresverwaltung, 
der  Gesetzgebung,  der  Bahn  von  vielen  unnötigen  Fremdwörtern  gesäubert 
worden.  Mögen  auch  hier  manche  Sonderbarkeiten  untergelaufen  sein,  im 
großen  und  ganzen  ist  der  Weg  doch  der  richtige  gewesen.  Und  dabei 
möge  man  eins  bedenken:  die  Geschichte  der  Verdeutschungen  lehrt,  daß 
frühere  Zeiten  manche  Verdeutschungen  für  ganz  schlecht  gehalten  haben, 
die  heute  keinen  Anstoß  mehr  erregen,  Bittsteller  für  Supplikant  wurde  von 
der  Jenaer  Litteraturzeitung  als  unerträglich  verdammt,  Sterblichkeit  für 
Mortalität  wurde  von  Adelung  heftig  bekämpft,  Gemeinplatz  für  locus 
communis  aber  als  ganz  verwerflich  bezeichnet.  So  wird  auch  manches 
Wort,  das  uns  heute  noch  seltsam  klingt,  nach  einer  Reihe  von  Jahren 
ganz  eingebürgert  sein. 

Im  folgenden  gebe  ich  aus  den  verschiedenen  Sammlungen  eine  Reihe 
gut  gelungener  und  ganz  oder  nahezu  ganz  durchgedrungener  Ver- 
deutschungen oder  Ersetzungen  fremder  Ausdrücke  durch  deutsche. 

anbequemen,  accomoder  {Eude  des  18.  Jh.s);  —  Anmerkung,  observati'o  {Schotte]); 
—  ausdrudisvoll,  expressif  (Ende  des  18.  Jh.s);  —  Brudistück,  fragmentum  (1642); 
Durdimesser,  diameter  {Sturm  1670):  —  eingefleisdit ,  incarnatus;  —  Einsdiiebsel, 
Parenthese  {Gottsched);  —  einverleiben,  incorporare  {16.  ih.);  —  Emporkömmling, 


160       Acutes  Kapitel.   Kampf  oügen  die  Fremdwörter.  Verdeutschungen. 

parvenu  (um  1780);  —  endgültig,  definitiv  (noch  nicht  bei  Campe);  —  Erblasser, 
Testator  {\663);  —  Erdgesdioß,  Parterre  {ütn  1800);  —  Erdkunde,  Geographie  (1774); 

—  Erdzunge,  Isifimus  (1745);  —  Feldmesser ,  Geometer  {\6\6);  — folgeredit,  kon- 
sequent (Knigge  1788);  —  Freidenker,  c.  frcethinker  {\7\5);  —  Gabelf  rülistiidi,  frz. 
dejeuner  ä  la  fourdiette;  —  Gastfreund,  1.  hospes  (1561);  —  Gegenstand,  1.  objectum 
(1691);  —  Gemeingeist,  a.  public  spirit  (Herder);  —  geviert,  quadratus  (ahd.);  — 
Gleidier,  Äquator  (\74\);  —  gleidi na mig,  homonym  {\559);  —  Glüdisritter,  avan- 
turier  (1775);  —  Gnadenwahl,  Prüdestination  (1663);  —  Grundsatz,  Axiom  (1641); 

—  Halbwelt ,  Uz.  dcmimonde  (\9.  ih);  —  Handstreidi,  hz.  coup  de  main  (\9.  ih.);  — 
harmlos,  c.  harmless  {\S.ih.);  —  Hausmeier,  major  domus  {\6.  Mi.);  —  Hellseher, 
Uz.  clairvoyant  {\7 10);  —  Hilfsquelle,  ressource  {Withnd  {\773):  —  Hinterwäldler, 
amerili.  backwoodsman;  —  Jungfernrede,  e.  maidenspeedi  (1836);  —  Kaisersdinitt, 
1.  Sectio  caesarea  (1789);  —  Kleinmeister,  Uz.  petit-maitre  (18.  Jh.);  —  Leitartikel, 
c.  leading  article  (19.  Jh.);  —  Mitleid,  Sympathie  {\7.  Jh.);  —  Mittelalter,  \.  medium 
aevum  (18.  Jh.);    —   mittelländisdi,   1.  mediterraneus;    —   Mittelstraße,  goldene, 
\.  aurea  mediocritas  {Vd.ih.);  —  Mundvorrat,  Proviant  {1777);  —  Nachschrift,  Post- 
skriptum (1678);    —   Naturgesdiidite,  historia  naturalis  (1777);    —   N aturrecht.  jus 
naturale  {\73S);  —  Nießbraudi,  usus  fructus  {\7.  i\\.)\  —  postlagernd,  poste  restante 
(19.  Jli.);  —  seine  Redmung  finden,  Uz.  trouver  son  compte  (Lessing);  —  Redinungs- 
absdiluß,  Bilanz  (BGB.);  —  Rechtsdireibung,  Orthographie  {\57\);  —  Sdiäferstunde, 
Uz.  l'heure  du  berger  {\7l\);  —  selbstisch,  egoistisdi  (18.  Jh.);  —  Selbstherrscher,  russ. 
samoderlec,  gv.  arzny.nÜTion  {autokrätor);  —  Sinngedidit,  Epigramm  (1649);  —  sinnver- 
wandt, synonym  (18.  Jh.);  —  Standort,  Garnison  (19.  Jh.);  —  Statthalter,  1.  locum- 
tenens  {15.  Jh.);  —  Steindruck,  Lithographie  {\9.  M\.);  —  Tagebudi,  Journal  (1642);  — 
Tagegelder,  Diäten  (Wit\and);  —  Tatkraft,  Energie  {\8.M\.);  —  Tatsadie,  e.  matter  of 
facts,  l.res facti;  —  Teiler,  \. divisor {A.. Riese);  —  Teilhaber,  Kompagnon {\7\6) ;  —  Ton- 
setzer, Komponist  {\8.  Jh.);  —  Tragweite,  Uz.  portee  {\84S);  —  Übertrag,  Transport 
(17.  Jh.);  —  Umstände,  Uz.circonstance;  —  Umwelt,  dän.  omwerden,  Milieu;  —  Un- 
ausspr  edlliche  n,e.inexpressibles{\9. Jh.);  —  unf  ehlbar,\.infallibilis;  — Unternehmer , 
Uz.  entrepreneur  {\9.Jh.);  —   Uraufführung,  Premiere  {20.  Jh.);  —  Urbild,  Original 
(1716);—  Verbrauch,  Konsumtion{[7S0);  — Verhältnis, Proportion{\667S{u!m);  —ver- 
tonen, komponieren  (Ende  des  19.  Jh.s);  —  Vielweiberei,  Polygamie  (1691);  —  Vogel- 
perspektive,   Uz.  ä  vue  d'oiseau   (J.  Paul);    —    Volkswirtsdiaft,   Nationalökonomie 
(19.  Jh.);  —  Vollmacht,  \.  plenipotentia  (1372);  —  Vorgebirge,  \.  promunturium  (1642); 
—  Vorsitz,  1.  praesidium  (1678);  —  Waffenbruder,  Uz.  frere  d'armes  (Wieland);  — 
wahlfrei,  fakultativ  (Ende   des  19.  Jh.s);   —   Wahlsprudi,   Devise   (Zesen  1648);  — 
Wahlverwandtschaft,    attractio   electiva    (1779);    —    Wahrnehmung,    apperceptio 
(18.  Jh.);  —  Wahrsprudi,  Verdikt  (um  1840);    —    Wandelstern,  Planet  (17.  Jh.);  — 
Wasserleitung,    aquaeductus  {\5.  Jh.);    —    Wasserwage,    libra   aquaria   (1716);   — 
Weiditier,  Molluske  (19.  Jh.);  —  Weingeist,  Spiritus  vini  (18.  Jh.);  —  Weißpfennig, 
Albus;  —  Weltbürger,  Kosmopolit  {1669);  —  Wendekreis,  circulus  tropicus  {\7\3);  — 
Wenigkeit,  meine.  1.  mea parvitas  (1624  Opitz);  —  Wesentlidikeit ,  essentia  (1482);  — 
Wettbewerb,  Konkurrenz  {\9.  Jh.);   —   Wetterglas,  Barometer  {\7\6);   —    Wieder- 
geburt, regeneratio  (1678);  —  Wiedertäufer,  anabaptista  (1540);  —  Wiegendruck, 
Incunabel  {\9.  Jh.);  —  Wohlklang,  euphonia  {\7\6);  —  Wohltat,  mhd.,  beneficium;  — 
Wohlwollen,  benevolentia  (1678);  —  Wolkenkuckudisheim,  gx.vEfps/.oy.oy.y.vyia  {nephelo- 
kokkygia)  (19.  Jh.);  —  Wortforsdiung,  Etymologie  (1663);  —   Wortfügung,  Syntax 
(1661);   —   Zahlwort,  Numerale  (1641  Schottel);  —   Zahlzeidien,   Ziffer  (Kinderling 
18.  Jh.);  —  zahlungsfähig,  solvent  (1801);  —  zahlungsunfähig,  insolvent  (1801);  — 
Zeitabschnitt,  Moment;  —  Zeitalter,  Säkulum  (1786);  —  Zeitredinung,  Chrono- 
logie i\7\6);  —  Zeitsdirift,  Journal  {\S.  Jh.);  —  Zeitwort,  K^rö  (Schottel);  —  Zier- 
bengel,  Incroyable;  —  Zweikampf,  Duell  (Zesen  1645). 


§  113.  Verdeutschungen  in  neuerer  Zeit,  161 


Wer  im  einzelnen  für  die  Sprachreinigung  gewirtct  hat,  das  festzustellen, 
liegt  nicht  in  der  Absicht  dieser  Arbeit.  Aber  auf  das  Verhältnis  unsrer  großen 
Dichter  einzugehen,  darf  wohl  gestattet  sein.  Wieland  hat  für  die  Verdeutschung, 
nachdem  er  zunächst  einen  andern  Standpunkt  eingenommen  hatte,  unendlich 
viel  getan.  Lessings  Stellung  erhellt  aus  dem  14.  Literaturbrief.  Schiller  und 
Goethe  gelten  vielfach  als  Gegner  der  Sprachreinigung.  Jener  hat  sich  in  dem 
bekannten  Sinngedicht  ausgesprochen,  und  von  Goethe  besitzen  wir  zahl- 
reiche Zeugnisse,  das  stärkste  in  einem  Briefe  an  Riemer  vom  30.  Juni  1813. 

Einem  Mann  wie  Goethe  mußten  allerdings  die  übertriebenen  Versuche, 
all  und  jedes  Fremdwort  zu  entfernen,  lächerlich  erscheinen.  Er,  der  so  viel 
für  die  deutsche  Sprache  getan  hatte,  erkannte,  daß  eben  das  sprach- 
schöpferische Genie  auf  diesem  Gebiete  das  letzte  Wort  zu  sprechen  hat. 
Er  hat  dann  auch  nichts  dagegen  einzuwenden  gehabt,  daß  seine  Gehilfen 
die  entbehrlichen  Fremdwörter  aus  seinen  Werken  ausmerzten.  Ähnlich  sind 
ja  auch  andere  Schriftsteller  vorgegangen,   ich  nenne   nur  Gustav  Freytag. 

Unter  den  'Puristen',  die  Schiller  verspottet,  sind  vor  allem  Voss  und 
J.  H.  Campe  zu  verstehen.  Letzterer  hat  am  meisten  getan.  Er  gab  ein 
Wörterbuch  heraus  „zur  Erklärung  und  Verdeutschung  der  unsrer  Sprache 
aufgedrungenen  fremden  Ausdrücke";  zuerst  1801,  dann  stark  vermehrt 
und  durchgängig  verbessert,  Braunschweig  1813.  In  einem  Werke,  das  all 
und  jedes  Fremdwort  verdeutschen  will,  muß  natürlich  manches  unterlaufen, 
was  unbrauchbar  ist,  und  es  ist  nichts  leichter,  als  sich  über  Campe  lustig 
zu  machen.  Trotzdem  kann  sein  Werk  noch  heute  von  großem  Nutzen  sein, 
weil  man  in  ihm,  wenn  nicht  die  richtige  Verdeutschung,  doch  diejenige 
findet,  die  auf  den  richtigen  Weg  weist.  Viele  seiner  Vorschläge  verdienten 
auch  heute  noch  wieder  aufgenommen  zu  werden. 

Seinem  Verdeutschungswörterbuche  hat  Campe  seine  Preisschrift  voran- 
gestellt: Grundsätze,  Regeln  und  Grenzen  der  Verdeutschung,  eine  Schrift, 
die  noch  heute  lesenswert  ist  und  durchaus  richtige  Grundsätze  vertritt. 
Campes  Tätigkeit  ist  noch  nicht  recht  gewürdigt,  und  es  läßt  sich  nicht 
übersehen,  was  er  wirklich  geleistet  hat.  Er  hat  ja  in  seinem  Wörterbuch 
sein  Eigentum  durch  das  Zeichen  o  und  OA  gekennzeichnet,  und  man  müßte 
daher  einmal  alle  diese  Wörter  zusammenstellen.  Eine  große  Menge  davon 
ist  heute  durchgedrungen. 

Campe  hat  tatsächlich  kräftig  gewirkt,  und  wir  können  seine  Arbeit 
bei  Wieland,  Jean  Paul  und  selbst  bei  Goethe  verfolgen.  —  In  den 
Zeiten,  als  Preußen  zertrümmert  war,  kam  Campe  wie  gerufen.  Fichte, 
Arndt,  Jahn  treten  für  Reinheit  der  deutschen  Sprache  ein;  und  auch  in 
der  Zeit  nach  den  Freiheitskriegen  setzt  sich  die  Bewegung  fort.  Ich  kann 
diese  Sache  nicht  übersehen  und  bemerke  nur,  daß  man  damals  auch 
Zigarre  mit  Glimmstengel  verdeutscht  hat,  ein  Wort,  das  heute  nur  noch 
eine  spöttische  Bedeutung  hat,  das  aber  G.  Keller  in  der  ersten  Auflage 
•des  grünen  Heinrich  ernsthaft  gebraucht. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  11 


162         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


im  letzten  Teil  des  19.  Jahrhunderts  hängt  das  Wiederaufleben  der 
Sprachreinigungsbestrebuiigen  mit  der  Errichtung  des  Deutschen  Reiches 
und  mit  dem  zunehmenden  Bewußtsein  vorn  Werte  des  deutschen  Wesens 
zusammen.  1885  wurde  der  deutsche  Sprachverein  gegründet,  der  es  sich 
unter  anderm  auch  zur  Aufgabe  gesetzt  hat,  den  deutschen  Wortschatz  zu 
reinigen.  Er  hat  trotz  mancher  Übertreibungen  seit  dieser  Zeit  segensreich 
gewirkt.  Um  die  Verdeutschung  zu  erleichtern,  hat  er  eine  Reihe  von  Ver- 
deutschungswörterbüchern herausgegeben,  in  denen  manche  gute  Ver- 
deutschung zu  finden  ist.  Daß  man  darin  auch  oft  genug  über  das  Ziel 
geschossen  hat,  ist  selbstverständlich. 

Wer  die  Geschichte  der  Fremdwörter  und  der  Bestrebungen  zu  ihrer 
Vermeidung  überblickt,  dem  treten  eine  Reihe  von  Erscheinungen  sofort  vor 
Augen.  Die  Fremdwörter  kommen  in  Fülle  durch  die  gelehrte  Bildung,  und 
daher  sind  sie  reichlich  vorhanden  in  der  Sprache  der  Gebildeten,  während 
die  des  Volkes  verhältnismäßig  arm  an  ihnen  ist.  Von  den  erstem  lassen 
sich  zweifellos  unendlich  viel  beseitigen,  und  man  kann  sicher  ein  gutes 
wissenschaftliches  Buch  schreiben,  ohne  allzu  viele  Fremdwörter  zu  gebrauchen. 
Auf  diesem  Gebiet  sollte  sich  jeder  Mühe  geben,  ein  möglichst  reines  Deutsch 
zu  schreiben,  schon  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  er  nur  so  allen  ver- 
ständlich werden  kann.  Man  bedenke,  daß  den  Frauen  im  allgemeinen  die 
Kenntnis  des  Lateinischen  und  Griechischen  abgeht,  und  daß  sie  daher 
über  viele  Fremdwörter  stolpern. 

Ist  aber  ein  Fremdwort  erst  einmal  ins  Volk  eingedrungen,  so  sollte 
man  es  aufgeben,  es  zu  beseitigen.  Das  Volk  schafft  ja  auch  meistens  sehr 
bald  die  nötige  Eindeutschung,  die  die  fremde  Herkunft  verschleiert. 

§  113  a.  Das  Obersetzungslehnwort.  Wir  stehen  seit  mehr  als  einem  Jahr- 
tausend unter  dem  Einfluß  des  Lateinischen  und  andrer  romanischer  Sprachen. 
Wir  haben  viele  fremde  Wörter  herübergenommen  und  viele  haben  Bürger- 
recht bei  uns  gewonnen,  während  andere  durch  die  oben  geschilderte  Tätig- 
keit einzelner  Männer  mit  Mühe  wieder  entfernt  sind.  Es  gibt  aber  noch 
einen  andern  Weg,  und  es  hat  stets  einen  andern  gegeben,  nämlich  den^ 
die  fremden  Wörter  gleich  zu  verdeutschen,  d.  h.  also  das  Fremdwort  ist  nie 
ins  Deutsche  eingedrungen,  vielmehr  ist  von  Anfang  an  die  Verdeutschung 
gebraucht  worden.  Zweifellos  handelt  es  sich  hier  meist  um  Ausdrücke,  mit 
denen  ein  neuer  Begriff  verbunden  war.  Man  nennt  dies  nicht  ganz 
treffend  Cbersetzungslehnwort.  Zahlreiche  Beispiele  kann  man  aus  den  Auf- 
sätzen von  S.  Singer,  ZfdW.  3,  220;  4,  125  entnehmen. 

Hierher  gehören  wohl: 

allmäditig,  I.  omnipotens;  —  den  Geist  aufgeben,  1.  reädere  animam,  frz.  rendre 
l'äme;  —  Ausdrudi,  Uz.  expression;  —  Ausfuhr,  hz.  Export;  —  Ausstellung,  Uz. 
exposition;  —  begreifen.  \.  comprehendere.  Uz.  comprendre;  —  Blinddarm.  \.  coecum 
intestinum;  —  Brief xvcdisel.  Korrespondenz;  —  Dampf sdiiff,  e.  steamboat;  — 
Dreibund,  Tripelalliance;  —  Durdilaudit,  \.  illustris;  —  Ehrenpunkt,  Uz.  point 
d'honneur:    —   Eindrudt,  1.  impressio;   —   Einkommen,  e.  income;    —   Eisenbahn^ 


§  113a.  Das  Übersetzungslehnwort.  §  114.  Allgemeines.  163 

Uz.  chemin  de  fer;  —  Hnte  'falsche  Nachricht',  ixz.  canard;  —  Entartung,  \.  degene- 
ratio;  —  entwickeln  seine  Gedanken,  \.  explicare,  Uz.  expliquer;  —  entziffern,  Uz. 
dediiffrer;  —  Erlöser,  1.  redemptor;  —  Fortsdiritt.  1.  progressus,  Uz.  progres;  — 
Gegend,  Uz.  contree;  —  Gesiditspiinkt,  Uz.  point  de  vue,  1.  punctum  visus;  — 
Gleidigewidtt,  \.  aequilibriuni;  —  tote  Hand,  1.  nianus  mortua;  —  Kriegspfad, 
e.  warpat/i;  —  auf  dem  Laufenden  bleiben,  Uz.  rester  au  courant;  —  Lockspitzel , 
Uz.  agent  provocateur;  —  gute  Miene  zum  bösen  Spiel  machen,  Uz.  faire  bonne 
mine  ä  mauvais  jeu;  —  Nichtstun,  ital.  far  niente;  —  Rücksicht,  1.  respectus;  — 
Sammetpfötdien.  Uz.  patte  de  velours;  —  sdiöne  Seele,  Uz.  belle  äme;  —  Sdiutz- 
und  Trutzbündnis,  Offensiv-  und  Defensivbündnis;  —  Selbstverwaltung,  c.  self- 
governement;  —  Spiel  des  Zufalls,  Uz.  jeu  da  hasard;  —  Stammbaum,  1.  arbor 
generationis;  —  stehenden  Fußes,  1.  staute  pede;  —  Tagesordnung,  Uz.  ordre  du 
jour;  —  Thronrede,  e.  speedi  from  the  throne;  —  Trinkgeld,  Uz.  pourboire  u.  v.  a. 
Auf  der  andern  Seite  kann  sich  bei  einem  deutschen  Wort  unter  dem 
Einfluß  eines  fremden  eine  besondere  Bedeutung  entwickeln,  d.  h.  bei  einem 
fremden  Wort,  das  einem  deutschen  in  einer  Bedeutung  entspricht,  finden 
sich  auch  andere  Bedeutungen,  und  nun  gebraucht  man  im  Deutschen  auch 
die  sonstigen  oder  wenigstens  eine  andere  Bedeutung.  Das  frz.  repondre 
heißt  im  Deutschen  antworten,  es  bedeutet  aber  auch  'entsprechen ,  und 
so  ist  es  kein  Wunder,  wenn  ein  Schweizer  Sprachforscher  sagt:  dies  Wort 
antwortet  dem  und  dem,  statt  entsprlclit.  Einen  der  ältesten  Fälle  dieser 
Art  haben  wir  wohl  in  unserem  deutschen  lesen.  Es  bedeutet  zweifellos 
zunächst  'sammeln'  und  entspricht  so  lat.  legere.  Da  dieses  aber  auch  die 
andere  Bedeutung  'Buchstaben  zu  Sinn  und  Bedeutung  zusammenfassen' 
hat,  so  ist  diese  auch  im  Deutschen  entstanden.  Wir  haben  es  also  mit  der 
Entlehnung  einer  Bedeutung  zu  tun.')  Zahlreiche  Beispiele  findet  man  in 
den  genannten  Singerschen  Aufsätzen. 


Neuntes  Kapitel. 

Die  Entwicklung  des  deutsciien  Wortschatzes 

in  einigen  Hauptzügen. 

§  114.  Allgemeines.  Wir  haben  in  den  bisherigen  Abschnitten  gesehen, 
daß  sich  der  deutsche  Wortschatz  in  drei  Grundbestandteile  zerlegen  läßt, 
in  die  aus  vorgeschichtlicher  Zeit  stammenden  Grundwörter,  mit  denen  man 
die  Fälle  von  Urschöpfung  vereinigen  kann,  in  die  Ableitungen  und  Zu- 
sammensetzungen, mit  deren  Hilfe  die  Sprache  immer  neue  Worte  schafft, 
und  in  die  Lehnwörter.  Es  erschien  uns  in  der  ersten  Abteilung  nicht  von 
wesentlicher  Bedeutung,  ob  ein  Wort  außerhalb  des  Germanischen  in 
mehreren  Sprachen,  oder  ob  es  nur  in  einer  belegt  war;  ja  selbst  die  erst 


')  Gewöhnlich  erklärt  man  die  Bedeutung  aus  dem  Lateinischen  entlehnt  ist.   Das  Eng- 

■lesen'  aus   dem   Sammeln   und  Zusammen-  lische   hat   die   alten   Ausdrücke   read,    eig. 

setzen  der  Runen.    Aber  die  gegebene  Er-  'raten',  und  write,  eig.  'ritzen', 
klärung  ist  wahrscheinlicher,   weil  schreiben 

ir== 


164         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  dls  deutschen  Wortschatzes. 


im  Germanischen  auftauchenden  nicht  ableitbaren  Worte  konnten  wir  nicht 
als  von  andrer  Art  ansehen  als  die  zuerst  genannten.  Wollen  wir  nun  zu  einer 
Geschichte  der  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes  gelangen,  so  stoßen 
wir  dabei  mangels  Vorarbeiten  auf  vorläufig  unüberwindliche  Schwierigkeiten. 

Der  Wortschatz  ist  nichts  Festes,  sondern  etwas  ewig  Wechselndes. 
Zu  allen  Zeiten  vergehen  Worte,  und  alle  Zeiten  bringen  neue  Ausdrücke 
hervor.  Sicherlich  gibt  es  hierin  Unterschiede.  Zeiten  großer  Ereignisse, 
neuer  Erfindungen,  sozialer  und  politischer  Umwälzungen,  gesteigerter 
literarischer  Tätigkeit  sind  zweifellos  für  das  Aufkommen  neuer  Worte  be- 
sonders bedeutungsvoll.  Es  gibt  Jahrzehnte  und  Jahrhunderte,  in  denen 
neue  Worte,  wie  im  Frühjahr  die  Knospen  nach  befruchtendem  Regen  mit 
Macht  hervorbrechen,  und  andere,  die  im  wesentlichen  nur  von  dem  Über- 
kommenen zehren.  Eine  Darstellung  der  geschichtlichen  Entwicklung  des 
deutschen  Wortschatzes  müßte  den  Anteil,  den  jedes  Jahrhundert  oder  jeder 
bedeutungsvolle  Zeitabschnitt  an  der  Bereicherung  unsres  Wortschatzes  ge- 
habt hat,  klarlegen,  indem  sie  die  jeweils  neu  gebildeten  oder  neu  in  die 
allgemeine  Umgangssprache  aufgenommenen  Worte  zusammenstellt.  Leider 
ist  das  heute  noch  nahezu  unmöglich,  da  so  gut  wie  alle  Vorarbeiten  fehlen. 
Wir  können  daher  nur  einige  Bruchstücke  geben. 

Wollen  wir  zu  einer  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen  Wortschatzes 
gelangen,  so  können  wir  unter  anderm  auch  den  Weg  einschlagen,  die 
Worte  nach  ihrer  begrifflichen  Verwandtschaft  zusammenzustellen,  um  dann 
zu  untersuchen,  woher  diese  stammen.  Dabei  stoßen  wir  sofort  auf  eine 
Reihe  von  Begriffsgruppen,  deren  Ausdrücke  wesentlich  aus  dem  Indo- 
germanischen herrühren,  während  dies  bei  andern  weniger  der  Fall  ist.  Da 
jene  die  Grundw^örter  der  Sprache  bilden,  so  wird  es  verständlich,  daß  wir 
diese  besonders  stark  heranziehen. 

§  115.  Zusammenstellung  der  Worte  nach  Begriffsgruppen.  Stellt  man  die 
Wörter  einiger  Begriffsgruppen  ihrer  Herkunft  nach  zusammen,  so  ergibt 
sich,  daß  bei  einigen  fast  alle  aus  dem  Indogermanischen  stammen,  so 
z.  B.  bei  den  Zahlwörtern  bis  100.  Daraus  kann  man  ohne  weiteres  folgern, 
daß  die  Indogermanen  schon  bis  hundert  gezählt  haben,  was  immerhin 
eine  nicht  so  ganz  selbstverständliche  Erkenntnis  ist.  Und  so  geht  es 
weiter,  überall  lassen  sich  aus  den  sprachlichen  Erscheinungen  kultur- 
geschichtliche Erkenntnisse  ableiten.  Schon  J.  Grimm  hat  für  eine  derartige 
Betrachtungsweise  in  seiner  'Geschichte  der  deutschen  Sprache'  die  Wege 
gewiesen,  und  es  hat  sich  daraus  eine  eigene  Wissenschaft,  die  indo- 
germanische Altertumskunde  entwickelt.  Als  einen  Teil  ihrer  Aufgabe  kann 
man  die  Untersuchung  der  Frage  betrachten,  inwieweit  sich  aus  den  im 
Indogermanischen  nachzuweisenden  Worte  Schlüsse  auf  die  Kultur  der  Indo- 
germanen ziehen  lassen.  Freilich  ist  diese  Frage  noch  nicht  zur  Genüge 
beantwortet.  Während  man  früher  frohen  Mutes  einfach  die  Worte  zusammen- 
stellte und  daraus  seine  Folgerungen  zog,  ist  man  heute  skeptisch  geworden. 


§115.  Zusammenstellung  der  Worte  nach  Begriffsgruppen.  165 

Manche  Forscher  bezweifeln  sogar  die  Möglichkeit  ganz,  mit  Hilfe  der 
Sprache  etwas  zu  ermitteln.  Der  Grund  an  diesem  Zweifel  liegt  vor  allem 
darin,  daß  uns  Arbeiten  über  den  Wortschatz  der  Einzelsprachen  fehlen,  die 
diesen  ohne  vorgefaßte  Meinung  zusammenstellen  und  auf  seine  Trag- 
fähigkeit untersuchen.  Und  daher  hoffe  ich,  in  dem  folgenden  Abschnitt 
auch  nach  dieser  Richtung  etwas  bieten  zu  können. 

Anmerkung  1.  Die  Hauptwerke  über  die  indogermanische  Altertumskunde  sind: 
PiCTET,  Les  origines  indoeuropeennes,  2.  Auflage,  Paris  1877;  veraltet,  aber  wegen  des  darin 
enthaltenen  Sprachstoffes  noch  immer  wertvoll.  —  O.  Schrader,  Sprachvergleichung  und 
Urgeschichte,  3.  Auflage,  Jena  1907.  —  O.  Schrader,  Reallexikon  der  indogermanischen 
Altertumskunde,  Straßburg  1901,  -1.  Lieferung  1917.  Diese  beiden  Bücher,  namentlich  das 
letztere,  enthalten  viel  sprachliches  Material.  —  H.  Hirt,  Die  Indogermanen,  ihre  Verbrei- 
tung, ihre  Urheimat  und  ihre  Kultur,  2  Bände,  Straßburg  1906,  1907.  Ich  gebe  mit  den 
folgenden  Zusammenstellungen  eine  gewisse  Ergänzung  zu  meinem  Buch.  —  S.  Feist, 
Kultur,  Ausbreitung  und  Herkunft  der  Indogermanen,  1913.  —  Auch  Fr.  Kauffmann, 
Deutsche  Altertumskunde  1,  1913,  in  diesem  Handbuch  5,  1,  bietet  wertvollen  Stoff. 

Der  erste,  der  den  germanischen  Wortschatz  nach  seiner  Herkunft  ge- 
ordnet und  betrachtet  hat,  war  Ernst  Förstemann  in  seiner  Geschichte  des 
deutschen  Sprachstammes,  2  Bände,  Nordhausen  1874  f.  Doch  ist  dieses 
Werk  völlig  veraltet.  Einwandfreies  reiches  Material  findet  man  bei  M.  Heyne, 
Fünf  Bücher  deutscher  Hausaltertümer:  1.  Das  deutsche  Wohnungswesen, 
1899;  2.  Das  deutsche  Nahrungswesen,  1901;  3.  Körperpflege  und  Kleidung 
bei  den  Deutschen,  1903;  die  beiden  letzten  Bände  sind  leider  nicht  er- 
schienen. Dazu  noch  M.  Heyne,  Das  altdeutsche  Handwerk;  aus  dem  Nach- 
laß; 1908.  Als  Bearbeiter  des  deutschen  Wörterbuchs  hat  Heyne  natürlich 
der  Sprache  seine  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet,  und  es  findet 
sich  daher  in  diesen  Büchern  manche  feine  Bemerkung  über  den  Wortschatz. 

In  neuerer  Zeit  haben  namentlich  der  Anglist  Hoops  und  seine  Schüler 
der  systematischen  Untersuchung  des  altenglischen  Wortschatzes  ihre  Auf- 
merksamkeit zugewendet.  Es  sind  uns  eine  Reihe  tüchtiger  Arbeiten  be- 
schert worden,  die  auch  der  deutschen  Etymologie  zugute  kommen.  Diese 
Arbeiten  werden  seinerzeit  genannt  werden.  Natürlich  ist  es  nicht  möglich, 
die  Lücken  auf  diesem  Gebiet  in  diesem  Buche  vollständig  zu  ergänzen, 
auch  würde  eine  umfassende  Darstellung  des  Wortschatzes  nach  dieser 
Richtung  weit  über  den  zur  Verfügung  stehenden  Raum  hinausgehen. 

Anmerkung  2.  Da  dem  Lehrer  nur  das  Lateinische  und  Griechische  geläufig  ist, 
beschränke  ich  mich  bei  der  Angabe  der  Etymologien,  wenn  nicht  besondere  Umstände 
anderes  erfordern,  auf  die  Heranziehung  dieser  beiden  Sprachen,  und  verweise  im  übrigen 
auf  die  etymologischen  Wörterbücher.  Im  Germanischen  führe  ich  die  älteste  Form  an, 
also  wenn  die  gotische  belegt  ist,  diese  neben  der  althochdeutschen.  Von  den  nichtdeutschen 
Dialekten  ist  nur  das  Englische  systematisch  berücksichtigt  worden,  wie  es  dem  Bedürfnis 
entspricht.    Auf  die  Anführung  von  Literatur  muß  ich  in  der  Hauptsache  verzichten. 

§  116.  Die  Zahlwörter.  Die  Grundbestandteile  unsrer  Zahlworte  sind  indo- 
germanisch. Sie  haben  sich  in  fast  allen  Sprachen  gut  erhalten,  insbesondere 
stimmen  alle  germanischen  Dialekte  gut  überein. 

Eins,  got.  ains,  ahd.  ein,  e.  one,  lat.  äniis,  gr.  oh'»]  {oine)  'die  Eins  auf  dem  Würfel'. 


166         Neuntes  Kapitel.  Die  Hntwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Zwei,  got.  twai  in.,  twos  f.,  iwa  n.,  alid.  zuwiir  m.,  zwo  f.,  zwei  n.,  e.  two,  \.dtio, 
gr.  livo  (dyo). 

Anmerkung  1.  zweite  ist  eigcntlicli  eine  Art  Kullcktivnm  und  stellt  für  zweine,  das 
nach  zwe  umgestaltet  ist.  Diese  Form  steckt  noch  in  zwanzig,  ahd.  zweinzu^,  Q.twenty. 
Es  ist  der  Bildimg  nach  mit  lat.  bini  zu  vergleichen,  vgl.  Bhugm.ann,  Abh.  d.  Silclis.  Ges. 
d.  Wiss.  25  Nr.  5  S.  24  und  34. 

Drei,  got.  preis,  Ntr.  jjrijn,   ahd.  dne,  e.  three,  lat.  tres,  gr.  rorU  (trPs),  idg.  *trejes. 

\ 'ier ,  giii.fidiz'or,  ahd.  fior.c.fotir.  lat.  qnntttior,  gr.  jhuojFc {tettares).  der. iiroftf(;{tetores). 

I'ürif,  got.  ahd. /im/,  *:. /ive,  \a[.  qiiinque,  gv.  .ihiy  (pente). 

Seiiis,  got.  saifis.  ahd.  se/is,  e.  six,  lat.  v<>^.v,  gr.  /.;  (hex). 

Sieben,  got.  ahd.  5/6«//.  c.  seven,  \a[.  Septem,  gr.  .'.Tra  {heptä). 

Aefit,  got.  ahtaii,  ahd.  fl///o,  c.  ^/^//^  lat.  octü,  gr.  oÄir»/;  {oktö). 

Neun,  got.  ahd.  ///////,  c.  nine,  lat.  novem,  gr.  f'n/«  [enn^o). 

Zehn,  got.  taihiin,  ahd.  zehan,  e.  /f//,  lat.  decem,  gr.  fV'^;«  idcka). 

Eine  besondere  Ei^i^entümlichkeit  des  germanischen  Zahlensystems  bilden 
die  Zahlen  W/  und  zwölf,  got.  ^z//////,  twalif,  e.  elleven,  huelf.  Während 
diese  in  allen  andern  Sprachen  durch  Zusammenrückung  von  1  und  10, 
2  und  10  gebildet  werden  (lat.  u/idecim,  diiodecini),  zeigt  das  Germanische 
ein  Element  lif,  das  bisher  noch  nicht  erklärt  ist. 

Anmerkung  2.  Im  Litauischen  wird  ganz  entsprechend  lika  gebraucht,  aber  bis 
zur  19.   Ich  glaube,  daß  hier  ein  etymologischer  Zusammenhang  besteht. 

Wahrend  man  früher  an  dieser  Erscheinung  aciillos  vorüberging,  hat  Jon.  SCH.MIDI, 
Die  Urheimat  der  Indogermancn  und  das  europäische  Zahlensystem,  Abhandlungen  der 
Berliner  Akademie  1890.  darauf  hingewiesen,  daß  wir  es  bei  diesen  Zahlworten  mit  den 
Spuren  einer  Zwölferrechnung  zu  tim  haben.  Wir  finden  wie  nach  12  im  Germanischen 
auch  einen  Einschnitt  nach  60:  go{.  saihstigjus,  ahd.  sehsziig.  aber  70  usw.  goi.  sihiintr- 
hiind,  ahd.  sibunzo.  altsächs.  antsibunta,  ags.  hiindseo/ontig,  und  drittens  kommt  hinzu,  daß 
das  alte  Zahlwort  für  100,  got.  hnnd  =  lat.  centiim,  gr.  t:«a>'>r  (hekaiön).  vielfacii  120  be- 
deutet. Spuren  dieser  12/60 er  Rechnung  finden  sich  auch  im  Griechischen  und  Lateinischen. 
Joh.  Schmidt  sieht  darin  einen  Einfluß  der  baoylonischen  Rechnung;  vgl.  noch  Hirt,  Die 
Indogermancn  2,  534. 

Die  Zehner  sind  also  ursprünglich  von  20 — 60,  jetzt  bis  90,  mit  einem 
Element  -zig,  ahd.  -zig,  -ziig,  got.  -tigjus,  engl,  -ty  zusammengesetzt,  dessen 
erste  Silbe  nach  den  Gesetzen  der  Lautverschiebung  zu  lat.  decem,  gr.  öty.n 
(deka)  stimmt.  1)  Die  klassischen  Sprachen  weichen  vom  Germanischen  ab, 
indem  sie  ein  Element  lat.  -gint-,  gr.  -xorr-  {-kont-)  anfügen,  das  wohl  aus 
'■■(de)komt  entstanden  ist  (siehe  unten)  und  also  auch  mit  zehn  zusammen- 
hängt. Im  Germanischen  sagte  man  also  'zwei  Dekaden,  drei  Dekaden'  usw. 

Weiter  war  im  Indogermanischen  ein  Zahlwort  für /zw/zö'^/'/^  ausgebildet: 
got.  hiind  ==  lat.  centiim,  gr.  fxaTÖr  (hekatön).  Dies  ist  wahrscheinlich  aus 
'■{de)k»)föm  entstanden  und  bedeutet  eigentlich  'eine  Zehnheit'  sc.  von 
Zehnern.  Wir  gebrauchen  in  hundert  jetzt  eine  Zusammensetzung,  die  zwar 
erst  im  12.  Jahrhundert  belegt  ist,  aber  da  sie  auch  in  den  übrigen  ger- 
manischen Sprachen  erscheint,  sehr  viel  älter  sein  dürfte:  as.  hunderod, 
ags.  e.  hundred,  anord.  hundrad.  Den  zweiten  Bestandteil  stellt  man  ge- 
wöhnlich zu  got.  rapjan  'zählen,  rechnen',  wobei  mir  die  Bildung  nicht  klar  ist. 

')  In  dreißig  und  vierzig  ist  das  alte  t  verschieden  verschoben  worden. 


§116.  Die  Zahlwörter.  167 


Unser  deutsches  Wort  tausend,  ahd.  diisiint,  got  pusnndi,  e.  thousand 
hatte  ursprünglich  keinen  Zahlenwert,  sondern  bezeichnet  'eine  große  Menge', 
vgl.  Hirt,  Idg.  Forsch.  6,  344.  Es  gehört  zu  einer  Wurzel,  die  auch  in 
Daumen  u.  a.  steckt. 

Ebenso  wie  die  Kardinalien  sind  auch  die  Ordinalien  zum  größten  Teil 
indogermanisch.  Ein  Ordinale  zu  eins  als  unmittelbare  Ableitung  gibt  es  in 
keiner  Sprache.  Es  finden  sich  dafür  vielmehr  Ausdrücke  wie  der  vorderste. 
Unser  erster,  ahd.  as.  eristo,  ags.  aresta  ist  der  Superlativ  zu  eher,  ahd.  eriro 
^der  frühere',  got.  airiza.  Engl,  first  ist  unser  Fürst,  ahd.  furisto,  eigentlich 
■'der  vorderste',  zu  dem  Stamm  vor,  für. 

Der  Ausdruck  zzveiter  ist  eine  späte  Bildung  des  15.  Jahrhunderts. 
Früher  gebrauchte  man  dafür  ander,  ahd.  andar,  e.  other,  got.  anpar  'der 
•eine  von  zweien',  das  zu  lit.  ahtras,  preuß.  antars  'der  andere'  gehört. 

Der  dritte,  vierte  usw.  werden  jetzt  mit  einem  Suffix  -t  gebildet,  das 
auf  idg.  -to,  vgl.  lat.  sextiis,  zurückgeht. 

Außerdem  gibt  es  noch  eine  Reihe  von  Zahlwortbildungen,  die  dis- 
Iributiven  Zahladverbien,  in  betreff  derer  ich  auf  die  Handbücher  verweise. 

Während  für  die  Begriffe  von  drei  an  nur  ein  Ausdruck  besteht,  haben 
wir  für  eins  und  zwei  mehrere. 

Eins  bedeutet  wohl  ursprünglich  das  alleinstehende  Einzelding.  Da- 
Tieben  gibt  es  noch  ein  anderes  Wort,  gr.  ek  [hes)  aus  '■sems,  lat.  sem  in 
singiili,  das  nach  dem  damit  verwandten  d.  samt,  ahd.  samant;  zusammen, 
sammeln,  gr.utia  (hdma)  die  eins  bedeutet,  die  aus  der  Vereinigung  mehrerer 
Dinge  entstanden  ist.  Wir  besitzen  es  nur  in  der  Bedeutung  'immer'  in  Singrün 
^Immergrün',  Sündflut  umgedeutet  aus  ahd.  sinvluot.   Dazu  auch  engl.  some. 

Zzuei  ist  wahrscheinlich  die  zwei,  die  aus  einer  Einheit  entstanden  ist, 
vgl.  entzwei.  Für  eine  andere  Art  der  Zweiheit,  des  Paares,  haben  wir  das 
Wort  beide,  dessen  erster  Bestandteil  xmigx.ufi-q}co  {ämpho),\2i\..ambo  zn- 
sammenhängt.  Das  de  ist  der  Artikel,  ohne  den  das  Wort  erscheint  in  got. 
■bajops,  ags.  begen.  Engl,  both  ist  aus  bath  entstanden  und  entspricht  unserm 
beide.  Näheres  bei  Weigand  s.  v.  Ein  dritter  Ausdruck,  der  in  lat.  vi-ginti, 
gr.  el'-y.ooi  {ikosi)  steckt,  ist  im  Germanischen  verloren  gegangen.  Man  hat 
^s  in  Weih{e),  eig.  Gabeliweih)  gesucht. 

Von  den  Zahhvorten  sind  eine  Reihe  von  Worten  abgeleitet,  in  denen  man  jene  nicht 
mehr  erkennt,  nämlich  Zwirn,  mhd.  zwirn  m.  'zweidrähtiger  Faden',  e.  ^wm^ 'Zwirn';  — 
zwischen,  ahd.  in  zwisken,  untar  zwisken,  e.  betwixt  'zwischen';  —  Zweig,  ahd.  zwigm., 
«.  twig:  —  Zwiesel  l.  'Gabel',  ahd.  zwisila  f.  'Gabel,  gabelförmiger  Zweig'  u.  a.  Von  drei 
stammt  Drell,  das  wahrscheinlich  aus  einem  altern  -'drinal  entstanden  ist,  vgl.  ahd.  zwinal 
'gemellus',  wovon  ahd.  zwiniling  (engl,  twinling),  jetzt  Zwilling,  danach  Drilling. 
Zwist,  t.twist;  —  Zwitter,  ahd.  zwitarn  'Kebskind';  —  Zwilch.  Zwillich,  Drildi,  Drillidi 
'Gewebe  aus  zwei,  drei  Fäden',  gehen  auf  ahd.  zwilih,  drilih  'zwei-,  dreifach'  zurück, 
■die  Nachbildungen  des  lat.  bilix,  trilix  'zwei-,  dreifädig'  sind.  In  niederdeutscher  Form 
liaben  wir  Twenter  'zweijähriges  Pferd'  aus  twe-winter,  wie  lat.  bimus  aus  bihimiis.  Durch 
Umdeutung  sind  wohl  Eimer,  ahd.  eim-bar,  gr.  lat.  amphora  und  auch  wohl  Zuber, 
^hd.  zwibar,  mnd.  tnbbe  entstanden. 


168         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Außerdem  i^ibt  es  noch  eine  Reihe  von  Zahlwörtern,  die  ursprüni^Hch  etwas 
anderes  bedeutet  haben  und  erst  aUmäiiHch  zu  ihrer  Bedeutuni^  «gekommen  sind : 

Mandel,  iirspriinj^lich  'üetrcidcliaufcn',  also  zusamincngcstclltc  üarbcn  von  15  Stück; 
unklarer  Herkunft:  zu  Manny  --  Stiege  "20  Stück';  unklarer  Herkunft;  auch  im  Krim- 
jjotischen  als  stega.  —  Sciiock,  mhd.  sdioc  m.  'Haufe',  ursprünglich  wohl  ein  Oetreide- 
haufen  von  60  Garben.  —  Wal!  m.  '80  Stück',  bes.  im  Fischhandel,  zurückgehend  auf  got. 
Wallis  'Stab',  d.  h.  also,  soviel  Fisclie  als  auf  einen  Stock  gehen.  —  Zimmer  n.  "ein 
Schock",  oder  40,  .50  Felle  (im  Pelzhandcl),  mhd.  zimber  '40  Stück  Pelzwerk',  anord.  timbrn. 
Entlehnt  engl,  timber.  U7..  timbrc  '40  Pelze'.    Fig.  woiil  'Stapel'  und  eins  mit  Zimmer. 

Über  die  eigentHche  Bedeutung  der  Grundzahlworte  wissen  wir  immer 
noch  so  gut  wie  nichts.  Die  eben  erwähnten  Zahlworte  geben  aber  Anhalts- 
punkte, wie  man  sich  ihre  Entstehung  zu  denken  hat. 

Kulturgeschichtlich  wichtig  bleibt  es,  daß  wir  bei  den  Indogermanen  und 
Germanen  die  ausgesprochene  Zehnerrechnung  finden,  die  nur  durch  ein 
Zwölfersystem  gekreuzt  wird.  Dagegen  fehlt  die  Zwanzigerrechnung  bei 
ihnen,  die  sonst  in  Europa  mehrfach  vorkommt,  vgl.  z.  B.  fr.  quatre-vingt. 
Siehe  darüber  Hirt,  Die  Indogermanen  2,  531  ff. 

Entlehnungen  sind  auf  dem  Gebiete  der  Zahlworte  nicht  häufig,  aber  durchaus 
nicht  ausgeschlossen.  So  wird  im  Spütmittelhochdeutschen  Dutzend  aus  frz.  douzaine, 
doppelt  aus  frz.  double  im  Frühncuhochdeutsciien  entlehnt.  Schon  in  ahd.  Zeit  erhalten  wir 
Dedier  m.  '10  Stück',  das  sich  noch  heute  im  Pelzhandel  findet,  aus  1.  decuria.  Die  Aus- 
drücke für  die  hohen  Zahlen,  Million,  Milliarde,  gehören  der  neuern  Zeit  an,  ersteres^ 
dem  17.,  letzteres  dem  19.  Jahrhundert.   Man  sieht,  wie  wir  allmählich  rechnen  gelernt  haben. 

Unsere  Zahlzeichen  nennen  wir  bekanntlich  die  arabischen,  weil  sie 
durch  Vermittlung  der  Araber  zu  uns  gekommen  sind.  In  Wirklichkeit  sind 
die  Inder  die  Erfinder.  Auch  hierfür  zeugt  die  Sprache.  Unser  Ziffer  ist  das 
arab.  (ifr  'Null'  und  dies  eine  Übersetzung  des  altindischen  sunja-  'leer'. 
Im  15.  Jahrhundert  findet  es  sich  im  Deutschen  und  geht  um  1500  in  die 
jetzige  Bedeutung  über.  Für  Null  selbst  entnehmen  wir  das  ital.  nulla  eig. 
milla  res,  zuerst  1514. 

Die  Zahlen  sind  in  ihrer  Bedeutung  wenig  veränderlich.  Nur  in  zwei 
Fällen  haben  sie  sich  merkwürdig  entwickelt.  Wir  sagen  eine  böse  Sieben 
für  'böse  Frau',  und  ei  der  Tausend.  Die  erste  Ausdrucksweise  geht  auf 
das  Karnöffelspiel  zurück,  in  dem  die  Sieben  eine  Freikarte  war,  die  alle 
andern  stach.  1588  zeigt  sich  unter  der  Sieben  die  Gestalt  eines  bösen 
Weibes.  Die  zweite  Redensart  geht  wohl  auf  Tausendkünstler  zurück  und 
meint  den  Teufel. 

§  117.    Die  Körperteilnamen. 

Literatur:  C.  Pauli,  Die  Körperteile  bei  den  Indogermanen,  Programm,  Stettin  1867.  — 
O.  SCHRADER.  Reallexikon  der  indogermanischen  Altertumskunde  S.  464.  —  Ad.  Hollenberg, 
Sprachliche  Untersuchungen,  besonders  etymologischer  und  onomatischer  Art,  angeknüpft 
an  die  deutsche  Benennung  des  menschlichen  Körpers  und  seiner  Teile,  Gütersloh  1895.  — 
W.  T.  Arnoldson,  Parts  of  the  body  in  older  Germanic  and  Scandinavian,  Chicago  1915.  — 
F.  Thöne,  Die  Namen  der  menschlichen  Körperteile  bei  den  Angelsachsen,  Diss.  Kiel  1912. 

Auf  keinem  Gebiet,  von  den  Zahlworten  abgesehen,  läßt  sich  der 
deutsche  Wortschatz   so   häufig  bis   in  die  indogermanische  Grundsprache 


§  117.  Die  Körphrteilnamen.  169 


zurückverfolgen  wie  auf  dem  der  Körperteilnamen.  Das  beruht  darauf,  daß  die 
Indogermanen  die  Tiere,  die  sie  aßen,  stets  selbst  zerlegten,  und  daß  daher 
Ausdrücke  für  alle  einzelnen  Glieder  und  Teile  vorhanden  waren.  Sie 
blieben  auch  dauernd  erhalten,  weil  in  dieser  Tätigkeit  keine  Veränderung 
des  Lebens  eintrat.  Erst  in  der  neuern  Zeit  findet  ein  völliger  Wandel  statt, 
und  da  sicher  viele  Menschen  heute  nie  das  Innere  eines  Tieres  gesehen 
haben  und  nie  sehen  werden,  so  wird  ihr  Wortschatz  auf  diesem  Gebiete 
Einbuße  erleiden  und  hat  ihn  schon  erlitten. 

Die  Fülle  der  alten  Ausdrücke  dürfte  billig  in  Erstaunen  setzen.  Trotz- 
dem gehen  auch  hier  die  Worte  nicht  durch  alle  Sprachen  hindurch,  ja 
einige  germanische  Ausdrücke  lassen  sich  bis  jetzt  noch  nicht  in  andern 
Sprachen  nachweisen.  Da  sie  'indessen  wie  die  andern  altertümlich  aus- 
sehen, so  ist  nicht  etwa  anzunehmen,  daß  diese  Worte  erst  im  Sonderleben 
des  Germanischen  neu  gebildet  seien,  sondern  wir  müssen  voraussetzen, 
daß  die  übrigen  Sprachen  die  Ausdrücke  verloren  haben.  Wahrscheinlich 
haben  eben  für  gewisse  Teile  des  tierischen  Körpers  mehrere  Ausdrücke 
bestanden,  wie  dies  noch  heute  in  der  Jägersprache  der  Fall  ist.  Als  man 
im  Laufe  der  geistigen  Entwicklung  immer  mehr  zusammenfaßte,  gingen 
einzelne  Ausdrücke  allen  Sprachen  verloren,  ebenso  wie  das  Germanische 
einzelne  Bezeichnungen  verloren  hat.  Natürlich  gibt  es  auch  einige  junge 
Ausdrücke,  namentlich  für  Körperteile,  die  man  nicht  gern  nennt,  und  auch 
Entlehnungen,  aber  es  tritt  dies  doch  sehr  zurück. 

Es  dürfte  am  besten  sein,  die  Worte  alphabetisch  geordnet  vorzuführen. 

1.  INDOGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 

Adisel,  alid.  ahsala  f.,  lat.  ala  'Flügel',  dim.  axilla  'Achselhöhle'.  Dazu  mit  Ablaut  Schweiz. 
Üedis,  ahd.  uodiisa. 

Ader,  ahd.  adara  f.  'Ader,  Sehne',  zu  gr.  i)Ton  {wtor)  'Herz',  i'iioor  {<etron)  'Bauch';  ur- 
sprüngliche Bedeutung  wohl  'Eingeweide'. 

Anke  'Nacken',  ahd.  anka  'Genick',  got.  halsagga  'Nacken',  gr.  ayy.wr  {aukön)  'Ellenbogen'. 

Arm,  ahd.  ö/7?z,  t.  arm,  got.  ar ms,  lat.  armiis  'der  oberste  Teil  des  Oberarms,  Schulter- 
blatt, Vorderbug'. 

Arsdj,  ahd.  nrs,  e.  arse,  gr.  oooo,-  (örros)  m.  'Steißbein,  Bürzel'. 

Auge,  ahd.  ouga,  c.  eye,  got.  augo.  Die  Etymologie  ist  schwierig.  Die  Verbindung  mit 
lat.  oculus,  gr.  nam  {össe)  ist  lautlich  nicht  möglich,  man  müßte  "'ago  oder  ''awo  erwarten. 
Manche  nehmen  nun  an,  daß  die  Form  Auge  aus  diesen  beiden  Formen  kombiniert 
sei,  andere,  daß  das  au  von  dem  Wort  Ohr,  got.  auso  stamme.  Beides  sind  aber  nur 
Notbehelfe.  So  hat  man  denn  das  Wort  ganz  von  lat.  oculus  getrennt  und  zu  ir.  üag 
'Höhle'  aus  aug-  gestellt.  Besonders  auffallend  wäre  es  nicht,  wenn  bei  den  Germanen 
ein  besonderes  Wort  für  'Auge'  aufträte,  da  man  ja  in  der  Jägersprache  noch  heute  ver- 
schiedene Ausdrücke  besitzt. 

Badie,  zwei  verschiedene  Worte.  Ahd.  badio.  auch  in  kinnibadio,  gehört  zu  gr.  (fayd)y 
(phagdn)  (Hesych)  'Kinnbacken';  mhd.  arsbad^e  ist  gemeingerm.,  tng\.  badi  'Rücken' 
und  wird  mit  air.  öacr 'Haken,  Hacke,  Krummstab'  verbunden,  ist  also  wohl  euphemistisch. 

Balg,  ahd.  balg  m.  (/-Stamm),  eig.  'die  abgezogene  Tierhaut',  daher  got.  öö/^5 'Schlauch', 
e.  bellows  'Blasebalg',  gehört  zu  lat.  follis  'lederner  Schlauch'.  Wenn  das  Wort  zu  ahd» 
belgan  'aufschwellen'  zu  stellen  ist,  so  wäre  die  Bedeutung  'Schlauch'  als  ursprünglich 
anzusehen. 


170         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Bart,  ahd.  hart,  c.  beard,  lat.  harba  (eigentlich  erwartete  man  '^farba,  doch  hat  hier  eine 

Assimilation  stattgefunden). 
Braue,   ahd.  brawa,   daneben  anord.  bntn  'Augenbraue'  mit   re^relrechtem  Ablaut,    zu  gr. 

''.f/oiv  (ophrys).  abg.  brnv,  kelt.  briva  iiriicke'. 
Bregen,  Lehnwort  aus  dem  Ndd.,  mndd.  bregen,  engl,  brain,  von  J.  Sch.midt,  Kritik  der 

Sonantentheoric,  überzeugend  wieder  zu  gr.  ßo^yna  {bregmä),  fioF/im  (bn'khma),  ßnryuö^: 

(brekhrnds)  'Vorderkopf'  gestellt. 
Bug,   ahd.  buog  'Obergelenk  des  Arms.  Achsel,   Obergclenk  des  Beines.  Hüfte,   Bug  der 

Tiere',  e.  bough  'Ast'  und  bow  'Bug  des  Schiffes'  zu  gr.  .yij/;i\-  (pakhys)  (aus    phökhys) 

'Ellenbogen,  Unterarm.  Armbug'. 
Darm,  ahd.  riarm  zu  gr.  ro«/««-  (trämis)  'der  enge  Raum  zwischen  den  Beinen,  vom  After 

bis  zur  Scham".   Entfernt  verwandt  ist  vielleicht  auch  gr.  Tot',ii,t  {tniina)  'Loch,  Öffnung'. 
Daumen,  ahd.  dnmo,  e.  thitmb  zu  aind.  tutunu'ih  'stark'. 
Dickbein,  ahd.  dioh  'Schenkel',  c.  thigfi  zu  lit.  taiikal  'Fett'. 
Izlle,  ahd.  elina,  c.  e/l,  got.  aleina  bedeutet  eigentlich  'Vorderarm'  und  gehört  zu  gr.  km*'»;/ 

(o/enif),  lat.  ulna.   Davon  Ellenbogen,  ahd.  elinbogo. 
Enkel  'Fußknöchel',   ahd.  enkil,   e.  ankle  zu   ahd.  enka  'Schenkel,   Schienbein,   Knöchel", 

und  weiter  zu  gr.  nw:  (ijnykhs),  I.  unguis. 
Euter,  ahd.  utar.  e.  udder  zu  gr.  orOan  (utliar).  lat.  aber,  aind.  ndhar. 
Faust,  ahd. //<5^  t.  fist  aus  ''funhstis  zu  ^hg.  prsti  'Faust'. 

Feder,  z\\A.  fi'dara,  t.  feather  zu  gr.  .-ir^por  (pterön),  ahg.  per o  aus  *petro  'Feder'. 
/•>//,  ahd./VV  •Haut".  &.  feil.  got.  -////  'Haut'  zu  \a{.  pellis. 
Ferse,  ahd.  fersana  zu  gr.  .Tr.w>iYi  (pterna)  'Ferse,  Schinken',    lat.  perna  'die  Hüfte  nebst 

dem  Fuße.  Hinterkeule',   aind.  pär<nih  'Ferse';   im  Englischen   dafür   heel  'Ferse',   das 

wohl  mit  Haäien  zusammenhängt. 
Fleisdi,  ahd.  fleisk,  e.flesh.    Die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  wohl  'fettes  Fleisch",   weil 

ags.  flicce,  e.  flitdi  'Speckseite"  verwandt  zu  sein  scheint.    Weiter   dazu   vielleicht  der 

Stamm  von  lit.  pältis  'Speckseite'. 
Fuß,  ahd.  fuoi,  e.  foot,  got  fötus  zu  lat.  pts,  gr.  .toi's-  (piis). 
Fut  'cunnus',  erhalten  in  Hundsfott,  \a\.  praepütium,  \\{.  paiitas  'Ei,  Hode'. 
Galle,  ahd.  galla.  c.  gall,  \at.fel.  gr.  zo/.i}  {kholuK 
Garn  'der  zweite  Magen  der  Wiederkäuer',  ahd.  mitti-garni  "Fettnetz  inmitten  der  Därme', 

zu  lit.  zärna  'Darm',  lat.  haru-  in  hani-spex,  gr.  y^nißi]  (khord(P)  'Darm'. 
Gaumen,  ahd.  goumo,  guomo 'Gaumen.  Kehle.  Rachen",  e.  gums  'Zahnfleisch',  zu  lit.  ^o- 

murls  'Gaumen'. 
Giebel,  ahd.  gibil  'Stirn- oder  \'orderseite',  got  gibla  "oberste  Spitze,  Zinne' zu  ahd.  ^^^0/ 

'Schädel.  Kopf,  urverwandt  mit  gr.  y.Fr/a}.,'j  (kephalu)  'Kopf". 
Glied,  ahd.  gilid  'Verbindung.  Gelenk",  ahd.  lith,  lid  'Glied',  got.  lipus,  wohl  zu  \at  lituus 

'Krummstab  des  Augurn". 
Hadisc  (SchweinshadiseriK  ahd.  hahsa  'Kniebug  des  Hinterbeins',   besonders  vom  Pferde 

gesagt,  lat.  coxa  'Hüfte',  coxim  'kauernd',  ir.  coss  'Fuß',  kymr.  cors  'Hüftbein'. 
Hals,  ahd.  got.  as.  ndl.  hals,  e.  to  halse  "umarmen",  lat.  collum. 
Hand,   got.  handus,    e.  hand,   wahrscheinlich   indogermanisch:   vgl.  Blankensten,   Idg. 

Forsch.  21,99. 
Haupt,  ahd.  houbit.  e.  head,  got.  haubip.  Neben  der  Form  mit  au  steht  in  den  Dialekten 

eine,  die  auf  idg.  a  weist,  an.  höfud.  und  zu  der  lat.  caput  stimmt.   Das  au  stammt  ent- 
weder aus  einer  Form  mit  ähnlicher  Bedeutung  oder  ist  alte  Ablautsform.  idg.  '^kwaput. 
Haut,  ahd.  hat,  e.  hide.  lat.  cutis,  gr.  y.vTo-  ykytos)  'Haut.  Hülle".   Auch  gr.  oyciroc  (skytos) 

'Haut,  Leder",  lat  scütum  'Schild'  gehört  dazu. 
Herz,  ahd.  herza,  e.  heart,  got.  hairtö,  lat.  cor.  cordis.  gr.  yamMa  (kardia). 
Hirn,   ahd.  hirni  "Gehirn",    e.  dial.  harns  'Gehirn',    ndl.  hersen,  Grundform     hersnjom,  zu 

lat.  cerebrum  aus    ceresrom,  gr.  y.äoipov  {kdru^nont  aus  '  karasnon  'Kopf. 


§117.  Die  Körperteilnamen.  171 


Höcker,  erst  mhd.  hoger,  dafür  alid.  hovar.  zu  lit.  kuprä  'Buckel,  Höcker". 

Hode,  ahd.  hodo  mit  mehrfacher  Anknüpfung. 

Hörn,  ahd.  got.  anord.  ags.  e.  afries.  hörn,  lat.  cornii. 

Hüfte,   ahd.  huf,  e.  hip,   zu  gr.  y.vßo;  {kybos)  'Höhlung  vor  der  Hüfte  am  Vieh',   -y.rßtiw 

(kybiton),  lat.  cnbitiim  'Ellenbogen', 
//z 5:"^ /-'das  eßbare  Eingeweide  eines  geschlachteten  Tieres',  zu  l.////^5;'(7zfl,  lit.  {•<c'ö5 'Eingeweide'. 
Kehle,  z\\<^.  kela,  lat.  gula. 

Kiefer,  mhd.  kiver,  kivel  'Kiefer,  Kinnbacken',  zu  awest.  zafar-  'Mund'. 
Kinn.  ahd.  kinni,  t.  chin,  got.  kinnus  mit  ursprünglicher  Bedeutung 'Wange',  wie  noch  in 

Kinnbein,  zu  gr.  ytrv?  (genys)  'Kinn,  Kinnlade.,  Kinnbacke',  lat.  dentes  genutni  'Backenzähne.' . 
Klaue,  ahd.  klawa,  e.  claw,  ai.  glaiih-  'Ballen',  gr.  y.ovrrk  (gloutös)  'Hinterbacke'. 
Knie,  ahd.  kneo,  got.  knin,  e.  knee,  mit  Sciiwebeablaut  zu  lat.  genii,  gr.  ;•'.■)■?■  (göny). 
Kragen,  ursprünglich  'Hals',  engl,  cra^ 'Hals,  Nacken',  verwandt  mit  air.  ^ra^^ 'Nacken', 

gr.  ßgöyxog  (bröukhos)  'Kehle,  Gurgel'. 
Kropf,  ahd.  kroph,  e.  cro/; 'Spitze,  Kornähre,  Ernte',  vielleicht  zu  gr.  yof.-rö^  igfypös)  'gekrümmt'. 
Z.fl/?/'^«,  ahd. /rt/7/7fl 'niederhängendes  Zeugstück',  e./fl/7 'Schoß',  gr./.o/)'o-(/oftÖ5) 'Ohrläppchen'. 
lieber,  ahd.  lebara  wird  gewöhnlich  zu  gr.  r/.T«o  {hd'par),  lat.  iecur,  ai.  y^J^)/ gestellt.   Doch 

macht  der  Anlaut  /  Schwierigkeiten.   Ganz  genau  entspricht  arm.  leard  aus  *lepard.   Es 

scheinen  zwei  verschiedene  Wörter  vermischt  zu  sein. 
Lende,  ahd.  lentl.  zu  lat.  lambiis,  abg.  Icdvija  'Lende,  Niere'. 
Lippe,  nicht  mhd.,  ahd.,  obd.  Lefze,  asächs.  lepiir  zu  lat.  labiiim. 

Mähne,  ahd.  niana,  e.  inane.   Die  ältere  Bedeutung  war  vielleicht  'Hals',  wie  aus  der  Ab- 
leitung an.  men,  ags.  mene,  ahd.  menni  'Halsschmuck'  hervorgeht.   Derselbe  Stamm  in  lat. 

momle,  altix.  muince  'Halskette',  aind./wa«/- 'Perlenschnur'  und  auch  aind.  wfl/zy<7 f. 'Nacken'. 
Mark,  ahd.  tnarg,  e.  marrow  zu  abg.  mozg'n,  awest.  tnazga-,  aind.  majjän-. 
Mund,  ahd.  miind  m.,  e.  mouth,  got.  munps  m.  v.'ird   gewöhnlich   zu   lat.  mentuni  'Kinn' 

mit  möglichem  Bedeutungsübergang  gestellt.    Btr.  22.  228   habe   ich   hiermit  gr.  oinnc 

{Stoma),  oTÖiiuTo;  {stömatos)  vereinigt. 
Nabel,   ahd.  nabalo  m.  mit  Schwebeablaut  zu  gr.  d/iiqpa?.ö;  {omphalös),   lat.  iimbiliciis,  air. 

imbliu,  Ableitung  von  Nabe. 
Nadten,  mhd.  nadte,  ahd.  hnak,  ags.  hnecca  mit  der  Ablautsform,    die  auch  in  d.  Genick 

vorliegt,  e.  neck  zu  air.  knokk,  abret.  knoch  'Hügel,  Erhebung'. 
Nagel,   ahd.  nagal,  e.  nail.   got.  nagljan  'nageln',    mit  Schwebeablaut  zu  gr.  öVi'if  {önyx), 

lat.  unguis,  abg.  nogiiti  'Nagel,  Kralle'. 
Nase,  ahd.  nasa,  e.  nose  zu  lat.  nasus,  nares,  ai.  ndsa-,  lit.  nösis,  abg.  nosri. 
Niere,    ahd.  nioro,    auch   'Hode'   bedeutend,   gehört  mit   Schwund   eines  g,    Grundform 

*negwros  zu  gr.  vErpnög  {nephrös),  lat.  nefrönes,  nebrundines. 
Nüster,  ndd.  nuster,  e.  nosirils  zu  Nase. 
Ohr,  ahd.  ora.  e.  ear,  got.  auso  n.  zu  lat.  auris,  gr.  oi\-  (ms). 
ptnis,  mhd.  fisel,  lat.  ptnis  aus  *pesnis,  gr.  .-li'o,-  (peos). 

Radien,  ahd.  (h)racho,  e.  rao^  'Schöpsenhals'  zu  gr.  y.rjuyur  {kragön)  'laut  schreiend'. 
Kippe,  ahd.  /7/7/70,  e.  r/'ö  zu  abg.  /-^^ro  'Rippe'. 

Kücken,  ahd.  hrukki,  e.  r/ö^ö^f"  zu  air.  krokenn  'Fell,  Rücken',  lat.  r/v/x. 
Sdiädcl.  mhd.  ndl.  sdiedel,  vielleicht  zu  gx.  y.oxrh)  {kotylce)  'Höhlung,  Becher',  ai.catvala- 

'Höhlung',  besser  wohl  zu  Schale,  ahd.  skala  aus  *skei1la-. 
Sehne,  ahd.  senawa,  e.  5//z^a;  zu  ai.  snävan-  'Band,  Sehne'. 
Sohle,  ahd.  5o/fl  'Fußsohle'  zu  lat.  solum  'Boden,  Grundfläche,  Sohle",  solea;  nach  andern, 

aber  kaum  wahrscheinlich,  entlehnt. 
Stirn,  ahd.  stirna  zu  gr.  oriovor  {sternon)  'Brust'. 
Vlies,  mhd.  Vlies,  e.fleece.   Dazu  Flaus.   Dazu  vielleicht  lat.  plnma. 
Wade,  ahd.  wado,  ursprünglich  'Muskel'  bedeutend,    wie  noch  in  aisl.  vödve;   dazu  viel- 
leicht abg.  uda  'Glied'  (MiKKOLA,  Idg.  Forsch.  23,  126).   Anders  KZ.  41,  396. 


172         Neuntes  Kapitel.  Die  Bntwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Wanst,  ahd.  wanast  zu  ai.  vaniHhüh  "Hin^cwcide*. 

Warze,  ahd.  warza,  e.  wart  zu  pcrs.  balu  'Warze'  aus  idg.  '^vard',  doch  sind  auch  andere 

Anknüpfungen  mögUch. 
Wo lle , alid.  ii'oI/a,c.wool, goi.wulla  zu  la(. /dtui, gr. /.f/v»; (Idnos), abg.v/nna,  Wi.vilna,  aind.  nrna. 
Zahn,  ahd.  zand.  e.  tooth,  got.  tim/uis  zu  lat.  dens,  gr,  öAoi',-  (odus). 
Zehe,aM.zeha,  e.  /o^.germ.  Grf.  Vo/Vi-  zu  lat.  /;fl////.v 'große  Zehe'  z\xs*hal-doik-s  und  lat.  digitus. 
Zunge,  ahd.  ziinga,  e.  tongiie,  got.  /m^^o  zu  lat.  lingiia  aus  ^dingiia. 

2.  GERMANISCHE  UND  DEUTSCHE  BESTANDTEILE. 
Baiidi,  d\\<^.  büh,  gemeingerm.,  aber  nicht  sicher  erklärt.  Vielleicht  zu  gr.  vro.v»/ 
(physkii)  'Magen,  dicker  Darm".  —  Bein,  ahd.  ^^/>?  n..  engl,  bone  'Knochen",  welches  die 
ursprüngliche  Bedeutung  ist,  vergleiche  noch  Elfenbein,  Beinhaus,  Gebein.  Das  Wort  ist 
bisher  in  den  verwandten  Sprachen  nicht  nachgewiesen,  aber  gewiß  uralt.  Verwandtschaft 
mit  \at.  femur  halte  ich  für  möglich  (Grundform  *bhejemen-).  —  Blase,  ahd.  blasa  'Harn- 
blase'; von  blasen.  —  Blut,  ahd.  bluot  n.,  engl,  blood.  —  Brust,  got.  brusts  pl.,  mit  Ab- 
laut dazu  engl,  breast  (ags.  bnost),  also  jedenfalls  uralt,  wenn  auch  in  den  verwandten 
Sprachen  nicht  sicher  nachzuweisen.  Vielleicht  zu  air.  brn  aus  bruso  'Bug',  bruinne  'Brust'. 
—  Busen,  ahd.  buosani.  c.  bosom.  —  Drossel  'Kehle',  fast  nur  noch  in  erdrosseln. 
ahd.  droy^a,  e.  throttle.  Daneben  mhd.  stroy^e,  and.  strota.  —  Drüse,  ahd.  druos,  druosi 
, Drüse".  —  Eisbein  'Hüftbein',  and.  isben.  Man  hat,  aber  wohl  mit  Unrecht,  gr.  io^iov 
(«y^/j/o//) 'Hüftgelenk'  verglichen.  —  Finger,  ahd.  fingar,  c.  finger.  got.  figgrs.  —  Floni 
,das  Fett  der  Eingeweide';  aus  dem  Niederdeutschen;  dazu  mhd.  flamme  'innere  Fetthaut'.  — 
Gelenk,  mhd. gelenke  zu  Lanke,  ahd.  hlanka  'Weiche,  Lende',  e.  link  'Kette,  Kettenglied'. 
\.  clingu  'umgürte',  a'i.  sn.ikhala  'Kette'.  —  Geweih,  mhd.  gewige,  gewihe  zu  ahd.  wig 
'Kampf,  zu  I.  vincere.  Dazu  auch  G^tc/c^;^ 'Geweih'.  Eigentlich  also  'die  Kampfwaffe  des 
Hirsches'.  —  Haar,  ahd.  har.  e.  hair.  —  Hadien  'Ferse',  niederdeutschen  Ursprungs.  — 
Hanke  'Schenkel  des  Pferdes",  entlehnt  frz.  handle  'Hüfte'.  —  Keldi  'Fetthaut  zwischen 
Kinn  und  Hals',  ahd.  keldi,  anord. /f/a/^/ 'Kinnlade'  zu  Kehle.  —  Knodien,  Knödiel, 
KnObel  (vgl.  knobeln)  sind  unklar.  Vielleicht  stamm.verwandt  mit  Knie,  grf.  -knii-bilas, 
so  daß  eine  Zusammensetzung  vorläge.  Knodien,  Knödiel  treten  viel  später  auf  als  Knöbel. 
V^ielleicht  liegt  ein  mundartlicher  Lautübergang  von  Labial  in  Guttural  vor.  wie  in  tlügel  für 
älteres  hiibel,  Hödier  lux  älteres  hover.  —  Knorpel,  erst  spät  belegt  und  mit  vielen  Neben- 
formen. —  Kote  'unterstes  Gelenk  am  Pferdefuß",  mnd.  kote,  kiite  'Huf,  Klaue'.  —  Kralle, 
erst  im  16.  Jh.  belegt,  vielleicht  zu  kratzen.  —  Kuttel  'Gedärme',  md.  kutiln.  Wohl  zu 
got.  qifnis  'Bauch'.  —  Leib,  ahd.  lib  'Leben',  e.  life;  gehört  zu  leben.  —  Leidie,  ahd.  lih 
'Leib,  Fleisch",  got. /p/ä; 'Fleisch,  Leib.  Leichnam".  —  Lunge,  ahd.  lungunna,  t.lungs,  eine 
ziemlich  durchsichtige,  in  den  verwandten  Sprachen  nicht  vorliegende  Ableitung  zu  lit. 
lengvas.  aind.  laghiih  'leicht'.  Das  indogermanische  Wort  gr.  :r/.svito}%-  {pleümön),  lat.  pulmo 
ist  verloren  gegangen.  In  Ostdeutschland  gibt  es  für  "Lunge"  auch  ein  Lehnwort  aus  dem 
Slawischen.  Plauze.  —  Magen,  ahd.  niago,  e.  maw  'Kropf,  Magen'.  Ich  habe  gr.  (r,Ti'>)ii(t/o; 
(stömakhos)  verglichen,  was  unsicher  ist.  —  Maul,  ahd.  mula,  got.  in  faürmüljan  "das 
Maul  verbinden".  —  Milz,  ahd.  milzi  n.,  e.  /«///"Milch,  Fischmilch'.  —  Pfote,  mx\d\.  pote 
aus  einer  Grundform  *pauta,  worauf  auch  provenz. /7au/ö  weist.  —  Rist  'Hand-  oder  Fuß- 
wurzelgelenk', e.  wrist  'Handgelenk",  wohl  Abstraktbildung  zu  ahd.  ridan,  ags.  wridan 
'drehen",  das  wir  noch  in  Rcitel  und  Reiste  und  auch  wohl  in  Reihen  'der  erhöhte  Teil 
des  Fußes",  ahd.  nho  'Wade,  Kniekehle'  haben.  —  Rumpf,  mhd.  rümpf,  e.  rump  'Rumpf, 
Steiß'.  —  Runzel,  ahd.  runzila.  Gleichen  Stammes  wie  mhd.  runke,  e.  wrinkle.  —  Rüssel. 
mhd.  rtle^el,  von  ahd.  ruo^^an  'die  Erde  aufwühlen',  ags.  wrotan,  e.  to  root  'wühlen  wie 
Schweine".  —  Sdieitel.  ahd.  skeitila  'Kopfwirbel,  Scheitel,  Haarscheide':  junge  Bildung 
zu  sdieiden.  —  Sdienkel.  mhd.  ndl.  sdienkel  zu  ags.  sceanca,  e.  shank,  und  weiter  zu 
Sdiinken.  ahd.  skinko.  skinka  'Beinröhre,  Schenkel".  —  Sdiläfe,  ahd.  slaf;  wohl  zu 
sdilaff;    vgl.  ahd.  dunwengi  'Dünnwange".    —   Sdinauze,   ndd.  snüte  zu  sdineuzen.    — 


§117.  Die  Körperteilnamen.  173 


Schulter,  ahd.  skultirra,  e.  Shoulder;  niclit  sicher  erklärt.  —  Schwarte,  mhd.  swarte, 
swart  'behaarte  Kopfhaut',  mcngl.  sward  'Haut',  anord.  svördr  'Kopfhaut,  Haut,  Walfisch- 
haut'. —  Steiß,  ahd.  stiu'^,  ndl.  stuit.  Vielleicht  zu  stoßen.  —  Tappe,  mhd.  tape.  — 
Tatsdie  *\\znA\  Nebenform  von  Tatze,  mhd.  tatze. —  Triel  'Halslappen  des  Rindviehs", 
mhd.  fr/WLippe,  Mund,  Schnauze,  Rachen'.  —  Waffel  'Maul',  erst  nhd.  zu  ahd.  wuoffan. 
e.  weep,  got.  wopjan  "laut  rufen',  abg.  vabiti  'herbeirufen'.  —  Wamme,  ahd.  wamba  'Baucii, 
Wanst',  e  womb  'Schoß',  got.  wamba.  —  Wange,  ahd.  wanga,  e.wangtooth  'Backenzahn', 
got.  waggareis  'Kopfkissen'.  —  Zagel,  ahd.  zagal  'Schwanz  der  Tiere,  Stachel  der  Biene', 
e.  tail,  got.  tagt  'Haar'. 

Dazu  kommt  eine  kleine  Anzahl  neuerer  Bildungen,  die  teils  auf  Euphemismen  be- 
ruhen, wie  After,  ahd.  aftaro,  eigentlich  substantiviertes  Adjektiv  von  ahd.  rt//or 'hinten';  — 
der  Hintere  u.  a.;  teils  auf  Übertragungen  wie  Schwanz,  ahd.  swanz  'Schleppe,  Schwanz' 
zu  scfiwingen;  —  Sdiweif,  ahd.  sweif  'Umschwung,  Besatz  eines  Kleidungsstückes,  Schwanz' 
zu  schweifen;  —  Augapfel,  Linse  im  Auge  und  manches  andere;  —  Antlitz,  mhd. 
antlitze;  daneben  got.  andawleizn,  ahd.  antlutti,  antluzzi  zu  got.  ludja  'Gesicht',  ist  jung 
wie  gr.  -Todöfo.Tor  (prösupon).  —  Auch  die  Finger  sind  benannt,  doch  wechseln  hier  die 
Bezeichnungen;  vgl.  darüber  W.Grimm,  Über  die  Bedeutung  der  deutschen  Fingernamen; 
gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften,  Berlin  1848,  jetzt  Kl.  Sehr.  3,  425. 

3.  LEHNWÖRTER 
sind  in  diesem  Begriffskreis  selten:  Gurgel,  ahd.  gurgula  aus  \at  gurgulio  unter  Ver- 
drängung des  echtdeutschen  mit  dem  Lateinischen  urverwandten  Wortes  ahd.  qu'erdiela.  — 
Kaidaunen  'Eingeweide',  aus  mlat.  caldüna,  wohl  als  Name  eines  Gerichtes  entlehnt.  — 
Kopf,  ahd.  köpf,  kupf  'Becher',  noch  in  Tassenkopf,  e.  cup  'Becher,  Obertasse'  aus  mlat. 
cuppa,  jedenfalls  als  Gefäßname  entlehnt  und  auf  den  Körperteil  übertragen;  vielleicht  aber 
auch  einheimisch.  —  Körper,  im  13.  Jahrhundert  aus  Xdit  corpor-;  es  handelt  sich  hier 
um  einen  Allgemeinbegriff,  der  wohl  unter  kirchlichem  Einfluß  entlehnt  ist.  —  Muskel 
und  Nerv  erst  neuhochdeutsch  aus  \a\.  musculus  und  nervus.  —  Panzen,  Pansen,  mhd. 
panze,  über  das  Romanische  aus  lat.pfl/z^^x 'Wurst'.  —  Plauze,  ostdeutsch,  'Lunge'  aus  dem 
Slawischen. —  Pranke,  Branke,  s\)ä{mhd.  pranke  aus  m\a.i.  branca,  hz.  branclie  'Zweig. 

Man  sieht  also,  die  Körperteilnamen  lassen  sich  in  überwiegender  Zahl 
bis  in  das  Indogermanische  zurückführen,  und  wo  einmal  eine  Gleichung 
nicht  über  das  Germanische  hinausreicht,  da  dürften  durch  einen  bloßen 
Zufall  die  Ausdrücke  in  den  verwandten  Sprachen  verloren  gegangen  sein. 
Das  ist  verschiedentlich  auch  sonst  eingetreten,  denn  eine  ganze  Reihe  von 
Ausdrücken  sind  nur  in  der  einen  oder  andern  Sprache  belegt. 

Wir  haben  noch  heute  für  einzelne  Körperteilnamen  mehrere  Ausdrücke. 
Für  Hand  lassen  sich  eine  ganze  Menge  Bezeichnungen  zusammenbringen, 
wie  Patsdie,  Pfote,  Klaue,  Flosse,  la  inaln,  Tatze,  Man  sieht,  sie  stammen 
zum  Teil  aus  dem  Tierreich,  und  sie  sind  teilweise  durch  die  Studenten- 
sprache aufgekommen.  Es  ist  daher  kein  Wunder,  wenn  hinsichtlich  dieses 
Begriffes  auch  die  indogermanischen  Sprachen  auseinandergehen.  Wir  finden 
da:  d^mdL.hästa-,  awest.zasta-,  altpers.  dasta,  griech.  äyoorog  (agostös)  'flache 
Hand';  —  gr.  jia/A/o]  {palämce),  \at  palma,  ahd.  folma,  ai.päni'-;  —  gr-x^^Q 
(kher),  alb.  dora,  arm.  jern;  —  lat.  manus,  ahd.  munt  'Hand'  (Schutz);  — 
gr.  Oevag  {thenar)  'innere  Hand',  ahd.  tenar  'flache  Hand';  —  gr.  döjQov 
(döron)  'Handbreite',  ir.  dorn  'Faust,  Hand';  —  got.  lofa,  russ.  lapa;  — 
lit.  rankä,  abg.  mka. 


174         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Ferner  unterscheiden  wir  noch  heute  zwischen  Huf  und  Klaue,  es  gibt 
verschiedene  Ausdrücke  für  den  Schwanz  der  Tiere,  wir  sprechen  von  Mund, 
Maul,  Sdinauze,  Rüssel,  von  Haut,  Fell,  Schwarte  usw. 

Es  folgt  also  daraus,  daß  in  alter  Zeit  eine  Fülle  von  Ausdrücken  vor- 
handen waren,  von  denen  im  Verlaufe  der  sprachlichen  Entwicklung  einige 
verloren  gegangen  sind.  Was  wir  durch  Zusammensetzungen  ausdrücken 
(Kalbs-,  Schweins-,  Rindsleber),  dafür  hatte  man  in  alter  Zeit  besondere 
Worte.   Ich  unterscheide  zwischen  Kalhsfüßen  und  Schweinshachsen. 

Wenn  man  den  Wortschatz  der  übrigen  indogermanischen  Sprachen  heran- 
zieht, so  erscheinen  in  diesen  nicht  wenige  Gleichungen,  die  das  Germanische 
verloren  hat;  ich  nenne  nur  lat.  os,  natfs,  pulmo,  lien,  gr.  noyj::  {örkhis),  lat. 
urnerus  (noch  in  got.  anis),  die  alle  zweifellos  indogermanisch  waren.  Was  aber 
dem  Germanischen  recht  ist,  muß  den  andern  Sprachen  billig  sein.  Wir  werden 
demnach  nie  imstande  sein,  sämtliche  alte  Ausdrücke  zurückzugewinnen. 

An  den  Körperteilnamen  läßt  sich,  um  darauf  zum  Schlüsse  hinzuweisen, 
auch  ein  gut  Stück  geistiger  Entwicklung  verfolgen,  da  man  sich  das  Ge- 
müt, den  Mut,  den  Zorn  in  gewissen  Körperteilen  wohnend  dachte.  Die 
Anschauungen  haben  in  diesen  Punkten  vielfach  gewechselt,  die  Sprache 
aber  spiegelt  in  den  heutigen  Redensarten  Altes  und  Neues  wieder.  So  war 
die  Leber  bei  den  Alten  der  Sitz  der  Leidenschaft,  und  das  findet  sich  auch 
bei  uns.  Man  sagt:  es  ist  mir  etwas  über  die  Leber  gelaufen,  um  das 
Gefühl  des  Unmutes  auszudrücken.  Weshalb  das  freilich  auch  eine  Laus 
sein  kann,  ist  nicht  klar.  Frei  von  der  Leber  weg  reden  heißt  eigentlich 
'sich  von  dem,  was  das  Gemüt  bedrückt,  befreien'.  Ähnlich  werden  auch 
die  Nieren  als  Sitz  der  Lebenskraft  und  des  Affektes  angesehen.  Dies  hat 
wahrscheinlich  biblischen  Ursprung.  Vergleiche  du  gerechter  Gott  prüfest 
hertzen  und  nieren,  Jer.  11,  20.  Besonders  aber  ist  das  Herz  seit  langem 
in  der  Volksanschauung  der  eigentliche  Sinn  des  Gemütes,  was  sich  in 
unzähligen  Verbindungen  und  Redensarten  kundgibt. 

Ich  schließe  hier  gleich  einige  allgemeine  Ausdrücke  an,  die  sich  auf 
das  tierische  und  menschliche  Leben  beziehen: 

Atem  (Nebenform  Odem),  ahd.  atnm,  adiim  zu  dX.dtmä  'Hauch.  Atem,  Geist'.  —  Dreck, 
mhd.  drec  'ausgeworfener  Unrat  von  Menschen  und  Tieren',  zu  gr.  rni-i  {tryx)  'Hefe,  Un- 
reinigkeit'.  —  Harn,  ahd.  harn,  e.  skarn  zu  gr.  ay.ih'j,  oy.aiög  (skdr,  skatös).  —  Kot,  ahd. 
qnat  zu  a\nd.  gutham,  av/.  güpam  'Schmutz,  Kot'.  —  Sdixveiß,  ahö.  swei^,  t.  sweat  zu 
lat.  sudor.  —  speien,  ahd.  spiwan,  e.  to  spen',  got.  speiwan  zu  lat.  spuere,  gr.  nrvFiv 
(ptyen).  —  Träne,  ahd.  trafian,  daneben  Zähre,  ahd.  zahar,  c.  tear,  beide  zu  gr.  däy.ov 
(däkry),  lat.  lacruma.   Dazu  gehört  auch  Tran. 

Bemerkenswert  ist  ferner,  daß  die  germanischen  Sprachen  den  Aus- 
druck Seele  besitzen,  ahd.  sela,  e.  soul,  got.  saiwala,  das  sich  lautlich  mit 
gr.  aiö/.og  (aiölos)  'beweglich,  schnell'  decken  könnte,  ohne  daß  uns  frei- 
lich die  Bedeutungsentwicklung  klar  ist. 

§  118.  Die  Tiernamen.  Allgemeines.  Die  Namen  unsrer  wichtigsten  Haus- 
tiere sowie  einer  großen  Anzahl  von  wilden  Tieren  lassen  sich  ohne  Schwierig- 


§  118.  Die  Tiernamen.  §  119.  A.  Die  Säugetiere.  175 


keiten  bis  in  das  Indogermanische  zurückverfoigen.  Andere  Ausdrücke,  bei 
denen  das  nicht  der  Fall  ist,  scheinen  trotzdem  alt  und  in  den  andern 
Sprachen  verloren  gegangen  zu  sein.  Man  kann  bei  den  Tiernamen  den 
Grundsatz  aufstellen,  daß,  je  bedeutender  und  wichtiger  ein  Tier  war,  um 
so  besser  sich  auch  die  alten  Bezeichnungen  erhalten  haben.  Bei  den 
kleinern,  den  Vögeln,  Insekten  u.  a.,  zeigen  sich  verschiedene  Benennungen, 
ohne  daß  damit  gesagt  ist,  daß  man  sie  in  alter  Zeit  überhaupt  nicht  be- 
zeichnet hätte.  Wörter  wie  Laus  und  Wanze  lassen  sich  nicht  sicher  über 
das  Germanische  hinaus  verfolgen,  Ausdrücke  dafür  hat  man  sicher  schon 
in  alter  Zeit  gehabt. 

Zu  beachten  bleibt  bei  den  Tiernamen,  daß  noch  heute  als  Erbteil  einer 
altern  Zeit  häufig  das  männliche,  das  weibliche,  das  verschnittene,  das  junge 
Tier  und  andere  Arten  durch  besondere  Worte  bezeichnet  werden,  wie  z.  B. 
Kuh,  Stier,  Ochse,  Kalb,  Färse,  Sterke;  Schaf,  Widder,  Hammel,  Lamm; 
Ziege,  Geiß,  Bock,  Kitze;  Roß,  Stute,  Füllen,  Hengst  usw.  Es  läßt  sich 
schon  daraus  erschließen,  wie  sehr  man  diese  Tiere  beachtete,  und  eine 
solche  Fülle  von  Ausdrücken  konnte  nur  vorhanden  sein,  wenn  wir  es  mit 
Haustieren  zu  tun  haben.  Da  sich  nun  auf  diesem  Gebiete  zweifellos  eine 
allmähliche  Vereinfachung  der  Benennung  beobachten  läßt,  so  folgt  daraus, 
daß  in  älterer  Zeit  noch  mehr  solcher  verschiedenen  Ausdrücke  vorhanden 
gewesen  sein  müssen.  Sind  davon  eine  Reihe  verloren  gegangen,  so  er- 
klärt es  sich,  daß  sich  des  öftern  mit  dem  Deutschen  verwandte  Worte  nicht 
nachweisen  lassen. 

Entlehnungen  gibt  es  auf  diesem  Gebiete  eigentlich  nur  für  die  Tiere, 
die  erst  später  in  den  Gesichtskreis  der  Germanen  getreten  sind,  oder  für 
Tiere,  die  in  neuer  Verwendung,  neuen  Rassen  aufkamen. 

§  119.    A.  Die  Säugetiere. 

Literatur:  H.  Palander,  Die  althochideutschen  Tiernamen.  I.  Die  Namen  der  Säuge- 
tiere, Darmstadt  1899.  —  JoRDAN,  Die  altenglischen  Säugetiernamen.  Anglistische  Forschungen, 
Heft  12;  Heidelberg  1902. 

Ich  ordne  die  Worte  alphabetisch,  doch  sind  die  zu  einer  Tierart  ge- 
hörigen Namen  wie  Roß,  Stute,  Hengst,  Fohlen  unter  einem  Worte,  hier 
unter  Pferd,  behandelt. 

1.  INDOGERMANISCHE  UND  ALTGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 

Aller  in  Aiierodise,  ahd.  ür  zu  aind.  usrdh  'Stier',  mit  indogermanischem  Schwund  des  5- 
vor  r,  ursprünglich  vielleicht  eine  Farbenbezeichnung,  da  aind.  usräh  'rötlich'  bedeutet. 

Bär,  ahd.  bero,  e.  bear  zu  lit.  beras  'braun',  also  Braun,  wie  der  Bär  in  der  Tierfabel  heißt. 
Das  alte  Wort  \üx  Bär,  aind.  rk^ah,  lat.  iirsus,  gr.  lloxio^  {ärktos).  ist  verloren  gegangen,  viel- 
leicht auf  Grund  abergläubischer  Scheu,  die  den  Namen  des  Bären  auszusprechen  vermied. 

Biber,  ahd.  bibar,  e.  beaver  zu  lat.  jiber,  gall.  in  Bibracte,  lit.  bebrus,  abg.  bebru.  Auch 
dies  ist  wohl  eigentlich  eine  Farbenbezeichnung,  da  das  genau  entsprechende  aind. 
babhriih  'braun'  bedeutet.    Doch  ist  die  Übertragung  auf  das  Tier  schon  indogermanisch. 

Bildimaiis,  ahd.  bilih.    Dazu  ixz.  belette  'Wiesel',  kymx.  bele  'Marder',  l.feles. 

Dadis,  ahd.  dahs,  sonst  im  Germanischen  fehlend,  aber  frühzeitig  ins  Romanische  ge- 
drungen, ital.  tasso,  ixz.  taisson;  Etymologie  unbekannt. 


1 76         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Hidihorn,  alid.  vihhurne,  ablautend  an.  ikorne,  Grundform  wohl  *aika-wernan,  dessen 
zweiter  Bestandteil  wahrscheinlich  zu  ibg.  veverica,  lit.  t'oi'^r/'^ 'Eichhorn',  \\\.  va'tvaras, 
valveris  'Männchen  vom  litis  und  Marder',  lat.  viverra  'Frettchen'  (aus  einer  nordischen 
Sprache  entlehnt)  gehört. 

Hl  dl,  ahd.  elah,  an.  elgr,  bei  Cäsar  alces  zu  russ.  losi  "Elcir,  ai.  isjah  'Antilopenbock'. 
Daneben  mit  anderm  Suffix  lilentier,  das  wohl  aus  dem  lit.  elnis  stammL  Dies  gehört 
weiter  zu  abg.  jeleni  'Hirsch',  gr.  a/./.ö,-  {ellös)  'Hirschkalb'. 

Fledermaus,  ahd.  fl^darmiis,  jledaremustro,  e.  flittermoitse;  junge  Bildung  aus  ahd. 
fli^diron  'flattern'  und  Maus. 

t'udis,  ahd.  fufis,  c.fox;  Femininum  dazu  ahd. foha,  goL faii/io.  an. foa  'Füchsin';  unerklärt, 
aber  gewiß  alt. 

Hamster,  ahd.  hamnstro  'Kornwurm';  Herkunft  unbekannt. 

Hase,  ahd.  haso,  e.  hare  zu  apreuß.  sasnis,  kymr.  ceinadi,  ai.  sasäli. 

Hermelin,  ahd.  harmo,  ags.  hearma,  Ut  sermud  'Wiesel',  rätorom.  karmü.  das  auf  ein 
lat.  oder  kelt.    karmon  weist;  Meyer-Lübke,  Z.  f.  rom.  Phil.  19,  97. 

Hirsdi,  ahd.  A/ru5.  c.  hart  zu  \a\.  cervus,  kymr.  carw  'Hirsch',  apreuß.  5/>ws  'Reh'.  Das 
germanische  Wort  hat  einen  ableitenden  Dental.  Femininum  dazu  Hinde,  ahd.  hinta. 
e.  hind  zu  gr.  xrim^  (kemäs)  'Reh,  Hirschkalb',  lit.  smiilis  'Rind  ohne  Hörner'.  Man 
nimmt  an,  daß  Hirsdi  zu  y.üja^  (kcras)  'Hörn'  gehört,  also  der  'gehörnte'  bedeutet,  was 
eine  Analogie  in  Spießer,  ahd.  spiy^o  zu  Spieß  hätte. 

H und,  ahd.  hunt,  got.  hiinds,  e.  hound  'Jagdhund'  zu  gr.  y.vwv  (kyan),  lat.  canis  mit  ^Suffix. 
Die  Ableitung  von  got.  hinpan  'fangen'  ist  kaum  glaublich,  da  wir  dann  einen  /i-Stamm 
zu  erwarten  hätten.  Als  Femininum  haben  wir  nur  die  junge  Bildung  Hündin,  während 
in  den  Mundarten  Worte  wie  Zohe,  Zaupe,  Zuppe,  Tebe,  Töle,  Petze  vorkommen. 
Davon  ist  zolia  schon  althochdeutsch.  Es  gehört  wohl  zu  lat.  diix,  bedeutet  also  'die 
Führerin',  vgl.  den  Ausdruck  Leithund;  ndd.  Töle  ist  Diminutivum  dazu  und  aus 
*tauhilo  entstanden.  Andere  Ausdrücke  für  den  Hund  sind  unklar:  Rüde,  ahd.  (h)rudio, 
ags.  hryppa  ist  ins  Slawische  als  chrutü  'Windhund'  entlehnt;  —  Bradte,  ahd.  bradio 
'Spürhund',  stellt  man  zu  \at.  fragrare  'riechen',  was  unsicher  bleibt;  —  Windhund, 
ahd.  allein  ii>int  "Windspiel'  hat  mit  Wind  nichts  zu  tun.  Die  Herleitung  aus  gall.  Ver- 
trages, die  Palander  37  versucht,  scheint  mir  unmöglich.  Dazu  kommen  eine  Fülle  von 
Bezeichnungen  für  einzelne  Rassen.  So  Pudel,  eig.  'Wasserhund'  zu  Pudel  'Sumpf. 
Tediel,  Kürzung  zu  Dadishund,  Mops  zu  muffig  usw.  Köter  ist  wohl  'der  Kläffer' 
zu  rheinfränk.  kauzen  'bellen,  kläffen'. 

Igel,  ahd.  igil  zu  gr.  sypo;  (ekhinos).  ahg.jeli,  lit.  ezls. 

ntis.  ahd.  illi{n)tiso,  zweifellos  eine  Zusammensetzung,  vielleicht  mit  wiso  zu  Wiesel. 

Katze,  Kater,  schwierige  Worte,  die  fast  über  ganz  Europa  verbreitet  sind;  zu  frühest 
belegt  in  mlat.  cattus,  catta  (um  500  n.  Chr.);  die  Herkunft  der  Worte  ist  unklar;  vgl. 
Weigand  s.  v. 

Ludis,  ahd.  luhs  zu  gr.  }.(•■•:  {lynx),  lit.  biUs. 

Marder,  ahd.  mardar{o),  ags.  mearp,  aus  dem  Germanischen  frz.  marte,  martre. 

Maus,  ahd.  mus,  e.  mouse  zu  gr.  /u»  {mys),  lat.  mos. 

Noß  'Nutzvieh',  ahd.  «03,  e.  neat  zu  genießen,  Nutzen. 

Otter,  ahd.  ottar  m.  'Fischotter',  e.  otter  zu  gr.  Cdna  (hydra).  v(\)o;  (hydros)  "Wasser- 
schlange',  lit.  lidra,  abg.  vydra,  ai.  udräs  'Otter'. 

Pferd.  Das  Pferd  war  den  Indogermanen  zweifellos  bekannt,  und  es  haben  dafür  wahr- 
scheinlich mehrere  Ausdrücke  bestanden.  Wir  können  verfolgen,  wie  im  Lauf  der  Ge- 
schichte ein  Ausdruck  den  andern  ablöst.  Das  älteste  Wort  steckt  in  lat.  eqiios,  gr.  'ijtnog 
{hippos),  as.  ehu.  wahrscheinlich  noch  in  dem  Zuruf  für  das  Pferd  jüh  erhalten.  Das 
Wort  Stute,  mhd.  stuot  f.  'Herde  von  Pferden'  (vgl.  Gestüt),  engl,  stiid  'Pferdeherde' 
gehört  zu  abg.  stado  'Herde',  woraus  lit.  stodas.   Dies  gehört  zur  Wurzel  stha  'stehen' 


§  119.  A.  Die  Säugetiere.  177 


lind  bedeutet  soviel  wie  'Stand'.  Ein  eigentliches  Wort  für  die  Stute  ist  also  nicht  naclt- 
^uweisen.  Hengst,  ahd.  hengist,  hangisto.  Dazu  mit  grammatischem  Wechsel  an. 
.hestr  aus  *hanhistaz;  ist  wohl  ein  alter  Superlativ  zu  lit.  ^ankinti  'springen  machen', 
.also  eig.  'der  gute  Springer'.  —  Mühre,  ahd.  marah  n.  'Roß,  Pferd',  wovon  ahd.  meriha 
^Stute,  Mähre'  eine  /-Ableitung  ist,  engl,  mare  'Stute'.  Das  Wort  kehrt  im  Keltischen 
wieder,  altir.  mark,  kymr.  marcli  'Pferd',  und  unterliegt  daher  dem  Verdacht  der  Ent- 
lehnung; —  Roß,  ahd.  hros  n.  'Pferd,  Streitroß',  engl,  horse;  unklarer  Herkunft;  — 
Gaul,  mhd.  ^«/;  Herkunft  ganz  unsicher  trotz  Sommer,  1F.  31,362;  —  Schälhengst, 
beschälen,  ahd. 5^^/o 'Zuchthengst',  vielleicht  zu  gr. x»;/.fo»' (^«■/on) 'Zuchthengst',  aind. 
id/o^/ 'springt' ;  —  Fohlen,  ahd. /o/o,  t.  foal,  got.  fula  zu  lat.  pullus,  gr.  jiöAog  (pdlos) 
'junges  Pferd,  junges  Tier'.  Dazu  Füllen.  Weiter  gibt  es  wieder  eine  Reihe  von  Namen 
für  besondere  Rassen,  wie  Percheron  nach  der  frz.  Provinz  Perdie,  Trakehner, 
Araber  u.  a.  Ferner  Wallach  'kastriertes  Pferd',  eig.  'Pferd  aus  der  Wallachei',  und 
ebenso  Reiiß,  eig.  'der  Russe'.  Ganz  unklar  ist  Raun(e)  'Hengst',  das  sogar  ins 
Finnische  als  riiuna  entlehnt  wurde. 

J^atte,  ahd.  rato,  e.  rat.   Daneben  Ratz,  Ratze.   Herkunft  dunkel. 

J^eh,  ahd.  reh,  e.  roe;  dazu  das  erst  in  neuerer  Zeit  belegte  Femininum  Ricke. 

Renntier  aus  dem  Nordischen,  ags.  hrän,  anord.  hreinn;  Herkunft  unklar. 

Hind.  Für  diese  Tiergattung  gibt  es  eine  Fülle  von  Bezeichnungen:  Kuh,  ahd.  kuo,  e.  cow 
zu  lat.  6ö5,  gr.  ßovg  {biis);  —  Stier,  ahd.  stior,  got.  stiur  '^loaxög',  e.  steer,  gehört 
wahrscheinlich  nicht  zu  gr.-lat.  tauros,  sondern  zu  ai.  sthävirah  'stark,  kräftig'.  —  Die 
Dialekte  besitzen  eine  Menge  von  Ausdrücken  für  den  Zuchtstier,  wie  das  der  Bedeu- 
tung des  Tieres  entspricht,  so  Bulle  in  Norddeutschland,  mnd.  bulle,  e.  bull,  bullock, 
von  W.  Schulze  zu  gr.  rpäVMg  (phällos)  'Glied'  gestellt.  —  Odise,  ahd.  ohso,  e.  ox, 
■got.  aühsus  (sie),  kyvax.ydi  'Ochse',  ai.  ukm,  aw.  w/Jan  'Stier';  —  Kalb,  ahd.  kalb  n., 
«.  calf,  got.  kalbö  f.  (=  ahd.  kalba,  nhd.  dial.  kalbe  'weibliches  Kalb,  das  über  ein  Jahr 
alt  ist  und  noch  nicht  gekalbt  hat'),  vielleicht  mit  gr.  öücpa'^  (delphax)  'Ferkel'  ver- 
wandt; —  Farre  'junger  Stier',  ahd.  farro  'Stier'  zu  gr.  jidgig  {pöris),  nöoxig  (pörtis) 
'Kalb,  junge  Kuh';  davon  abgeleitet  Färse  'junge  Kuh',  mhd.  verse;  —  Sterke  'Kuh, 
^ie  noch  nicht  gekalbt  hat',  vielleicht  zu  got.  staira  'unfruchtbar',  lat.  stenlis,  gr.  oxeqi- 
ffog  {steriphos)  'unfruchtbar';  —  der  Ausdruck  Rind  selbst,  ahd.  hrind,  daneben  ags. 
hrjjper  aus  *hrunp-  muß  wegen  des  Ablauts  alt  sein;  apreuß.  klente  'Kuh'  sieht  man 
als  verwandt  an,  doch  macht  das  /  Schwierigkeiten;  besser  vielleicht  zu  gr.  y.ioag  (keras) 
'Hörn',  also  'Hornvieh'. 

Schaf.  Auch  hierfür  gilt  dasselbe  wie  für  Rind.  Der  Ausdruck  für  das  weibliche  Schaf 
liegt  noch  in  dem  dialektischen  Au  vor,  ahd.  ou  'Mutterschaf,  e.  ewe,  lat.  ovis,  gr.  oig 
(öis);  —  der  Schafbock  heißt  Ramm,  ahd.  ram,  e.  ram;  vielleicht  zu  anord.  rammr 
'kräftig',  abg.  ramind  'ungestüm,  schnell';  —  Widder,  ahd.  widar  'Schafbock',  e.  wether 
'Hammel',  got.  wiprus  'Lamm',  wohl  zu  lat.  vitulus,  ai.  vatsäh  'Kalb',  eigentlich  'Jähr- 
ling', zu  gx.  Fiiog  (wetos)  'Jahr';  —  Lamm,  ahd.  lamb,  got.  lamb,  e.  lamb  gehört  zu 
gr.  s2a<pog  [elaphos)  'Hirsch'  aus  *elmbhos;  —  Sdiaf  selbst  ist  unklar,  ahd.  scäf,  e.  sheep. 

Sdiatz,  ahd.  skaz  'Geld',  got.  skatts  'Geldstück,  Geld',  aber  afries.  sket  'Geld,  Vieh',  viel- 
leicht zu  abg.  skotü  'Vieh',  das  freilich  auch  entlehnt  sein  kann. 

.Schwein,  ahd.  swin,  got.  swe in,  t.  swine  zu  lat.  suinus,  abg.  svinija,  abgeleitet  \on  Sau, 
ahd.  SU,  e.  50a;  zu  lat.  sus,  gr.  vg  (hys);  —  Eber,  ahd.  ebur  zu  lat.  aper;  ob  abg.  vepri 
unmittelbar  dazu  gehört,  ist  fraglich;  —  Ferken,  Ferkel,  ahd.  farheli(n),  Diminu- 
tivum  zu  ahd.  farah  n.  'Schwein,  Ferkel',  e.  farrow  zu  lat.  porcus,  gr.  ^ÖQxog  (pörkos) 
'junges  Schwein';  —  Faselschwein,  ahd.  fasal  n.  'Zucht,  Nackommenschaft  von  Tieren' 
zu  mhd.  visel  'penis',  lat. penis  {*pesnis),  gr.  niog  (peos  aus  *pesos);  —  Bär  'Zucht- 
eber', ahd.  ber,  e.  boar  'zahmer  und  wilder  Eber';  —  Bardi,  Bordi  'verschnittener 
Eber',  ahd.  barah,  t.  barrow;   —    Geize  'verschnittenes  Schwein',   ahd.  galza,  e.  dial. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  12 


178         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

gilt,  ilt,  an.  göltr,  ai.  huduh  'Widder' (?);  —  Badie  das  wilde  Mutterschwein',  woiil 
verwandt  mit  e.  bacon  'Schinken';  —  Keiler,  1608  wohl  zu  keilen;  —  Lehne  'die 
Bache',  mlat.  leha;  —  Range,  älterind.  ränge  'die  Sau'  zu  mnd.  wrangen  'sich  winden'. 

Seehund.   Es  gibt  dafür  ein  altgermanisches  Wort  ahd.  sclah,  ags.  seolh,  e.  seal. 

Tier,  ahd.  tior  'wildes  Tier",  daher  Tiergarten,  e.  deer  'Rotwild',  got.  dius  'wildes  Tier'. 
Vielleicht  zu  lat.  bestia  oder  zu  ags.  deor 'iapftr,  kühn',  ahd.  tiorin,  tiorlih  'wild,  grimmig'; 
die  Grundbedeutung  ist  jedenfalls  'wildes  Tier'. 

Vieh,  alid. //■/;/< 'Haustier',  got. /fl/7iw 'Vermögen,  Geld',  e./^^ 'Bezahlung,  Trinkgeld' zu  lat. 
peciis  {\g\.  pecunia),  also  sicher  das  Haustier.  —  Eine  andere  Bezeichnung  steckt  in  unsern» 
Sdiatz  (s.  o.).  Zu  beachten  ist,  daß  schon  das  Indogermanische  die  Bildung  'Vierfuü'  ge- 
prägt hat,  ahd.  fiorfuoy^i,  ags.  fyderfete,  lat.  quadrnpes.  umbr.  peturpiirsus.  ai.  catuipad. 

Walfisdi.  ahd.  walfisk,  von  ahd.  wal,  ags.  hwo'l,  anord.  hvalr;  dazu  apreuß. 'Afa//s  ' Wels' 
und  vielleicht  lat.  sqiialus  'ein  größerer  Meerfisch". 

V^'elf,  ahd.  weif  'Junges  von  Tieren',  e.  whelp. 

Wiesel,  ahd.  wisula,  e.  weasel. 

Wisent,  ahd.  wisunt,  daraus  lat.  bison. 

Wolf,  ahd.  wolf,  got.  wulfs,  e.  wolf  zu  lat.  lupus,  gr.  kvy.oi  (lykos).  Eine  Femininbildung 
in  ahd.  wulpa,  an.  ylgr,  ai.  vrkih   und  wohl  auch  in  lat.  viilpes. 

Ziege,  ahd.  ziga,  ags.  f/cc^« 'Zicklein',  unaufgeklärt;  es  könnte  durch  Lautumstellung  aus 
urgerm.  git,  einer  Ablautsform  zum  folgenden,  entstanden  sein,  oder  zu  russ.  dikij  'wild* 
oder  zu  alban.  rf/ 'Ziege' ;  —  Geiß,  ahd.  gei^,  e.  goat,  got  gaits  zu  lat.  haedus;  —  ein 
drittes  Wort  steckt  in  Habergeiß  'Heerschnepfe',  dessen  erster  Bestandteil  zu  ags. 
hivfer,  anord. /ifl//- 'Bock',  lat.  cflp^r 'Ziegenbock'  gx.  y.ä.-xoo;  {käpros)  'Eber'  gehört;  — 
Bodi  'das  Männchen  der  Ziege,  aber  auch  andrer  Tiere',  ahd.  bodi,  e.  budi  zu  aw.bocc 
(oder  daraus  entlehnt^  und  weiter  dazu  armen,  buc  'Lamm',  awest.  buza-  'Bock';  — 
Kitze,  ahd.  kizzi(n)  'junge  Ziege',  dazu  anord.  kiil,  daraus  entlehnt  e.  kid  'Ziege',  klingt 
an  Zidie  an.  eventuell  durch  Umstellung;  —  Hettel,  alem.  'junge  Ziege',  nr.hd.  hatele, 
anord.  ha<Uia.  Verwandt  mit  ir.  cit  'Schaf;  —  Hippe,  Heppe  mit  dem  Lockruf  hepp^ 
hepp  zusammenhängend.  —  Also  auch  hier  haben  wir  wieder  eine  Fülle  von  Aus- 
drücken, zu  denen  noch  andere  kommen,  wenn  wir  die  verwandten  Sprachen  in  Be- 
tracht ziehen.  Alles  dieses  spricht  für  die  Bekanntschaft  mit  der  Ziege  als  einem  Haus- 
tiere. Merkwürdigerweise  fehlt  aber  bei  dieser  Gruppe  das  neutrale  Kollektivum,  das- 
wir  sonst  haben,  das  Rind,  Sdiaf,  Sdiwein,  Pferd,  die  ja  alle  nachweislich  spät  sind,, 
aber  doch  die  große  Bedeutung  der  Tiere  bezeugen. 

2.  DIE  ENTLEHNUNGEN. 

Zu  den  einheimischen  Tiernamen  sind  im  Laufe  der  Zeit  manche  neue  ge- 
kommen. In  der  Hauptsache  handelt  es  sich  um  Tiere,  die  neu  in  den  Gesichts- 
kreis der  Germanen  getreten  sind,  in  einigen  Fällen  auch  um  neue  Rassen. 

Dam(hirsdi) ,  ahd.  tamo,  domo,  t.  doe  'Rehkuh'  aus  lat.  däma  und  dies  vielleicht 
aus  dem  Keltischen.  —  Elefant,  ahd.  helfant  aus  lat.  elephant(em).  —  Esel,  ahd.  esil,. 
got.  asilus  aus  lat.  asinus.  —  Gemse,  ahd.  gami^a  aus  einem  Alpenwort,  das  im  5.  Jahr- 
hundert als  camox  belegt  ist.  —  Kanindien,  xnhd.  künikhn  aus  lat.-iberisch  curt/fu/u5. — 
Löwe,  ahd.  lewo,  louwo,  wohl  nicht  unmittelbar  aus  lat.  leo.  —  Maul(tier) ,  ahd.  muT 
aus  lat.  muliis.  —  Murmeltier,  ahd.  murmunto,  murmuntin  aus  lat.  mure(m)niont(isj, 
rhätorom.  marmont.  —  Pferd,  ahd.  parafrit,  pfarifrit,  pferfrit,  mhd.  pfert  aus  lat.  para- 
veredus  (bei  Cassiodor);  die  Herkunft  scheint  mir  nicht  aufgeklärt  zu  sein.  —  Zelter,. 
ahd.  zeltari,  wahrscheinlich  aus  span.-lat.  thieldones  (Plinius). 

Dazu  kommen  mehr  durch  gelehrte  Vermittlung:  Dromedar,  mhd.  tromedar,  lat.  drome- 
darius,  eingedeutscht  als  -Trampeltier;  —  Giraffe,  15.  Jh..  ital.  girafa:  —  Hyäne,  ahd. 
ijena  aus  lat.  hyaena;  —  Leopard,  ahd.  leopardo,  lebardo,  lebart  aus  lat.  leopardus;  — 


§  120.  Schlussfolgerungen.   Beweise  für  die  Viehzucht.  179 

Panter,  ahd.  panter  aus  lat.  panther,  ebenso  Parder,  Pardel,  ahd.  pardo  aus  latpardo; 
—  Pavian,  1551,  frz.  baboiiin;  —  Tiger,  ahd.  tigirtior  aus  lat.  tigris.  —  Aus  dem  Kel- 
tischen könnte  stammen:  Mähre,  ahd.  marah,  ags.  mearh,  an.  mar r,  kt\\.  märkan  (Paus. 
10,  19,  4\  ir.  marc,  kymr.  manii  'Pferd'.   Notwendig  ist  die  Annahme  indessen  nicht. 

Entlehnt,  aber  unbekannt  woher,  sind  wohl  Katze,  Ratte,  Affe. 

Aus  dem  Slawischen  stammen  Zobel,  Zieselmaus  (siehe  oben  S.  146). 

Weitere  an?uführen  hat  keinen  Zweck. 

3.  NEUBILDUNGEN 
sind  verhältnismäßig  selten.  Ich  nenne  Steinbock,  Seehund. 

§  120.  Schlußfolgerungen.   Beweise  für  die  Viehzucht.    Aus    den    oben  an- 
gegebenen Gleichungen  folgt,  daß  die  Indogermanen  schon  die  wichtigsten 
Tiere,  die  in  unsern  Ländern  leben,  kannten.  Daß  man  aber  einige  davon 
als  Haustiere  besaß,  folgt  zunächst  nicht  daraus,  wohl  aber  1.  aus  der  Fülle 
von  Ausdrücken  für  gewisse  Tiere  und  2.  aus  den  Namen  für  Erzeugnisse 
der  Tiere,  die  diese  nur  in  gezähmtem  Zustande  liefern.   Dazu  gehören: 
Mildi,   ahd.  miluh,  got.  miluks,  e.  milk  durch  Anlehnung   an  melken,   ahd.  melkan,   lat. 
mulgeo,   gr.  ans/.yco  {amägo)   aus  ''debg  entstanden   und   mit  lat.  lac  (aus  *dlac),   gr. 
y(i/.a(xToc:)  (gälakfos  <  dälaktos)  verwandt. 
Dazu  noch  Ausdrücke  wie: 

Sahne,  spätmhd.  sane  (wovon  wohl  Senne);  wohl  zu  aind.  sänuh  m„  sdnu  n.  'Ober- 
fläche, Rücken,  Höhe";  vgl.  östtrr.  Obers.  —  Rahm,  mhd.roum,  ags.  r^aw  zu  awest.  raogna- 
'Butter'.  —  Butter.  Ein  altes  Wort  im  Butter  liegt  in  alem.  Anke,  ahd.  anko  vor,  das  zu 
lat.  unguo  'salbe'  gehört  (Butter  diente  zunächst  zum  Salben\  air.  imb  'Butter',  aind.  djjam 
'Opferbutter'.  —  DasWort Butter,  spätahd.  6///^rfl  macht  sprachgeschichtlich  große  Schwierig- 
keiten. Es  stammt  aus  gr.-lat.  butyrum,  das  ursprünglich  ein  skythisches  Wort  war.  Wie  sich 
dies  hat  verbreiten  können,  ist  unklar.  M.  Heyne  nimmt  Vermittlung  der  Klöster  an.  —  Käse, 
ahd.  kdsi,  e.  dieese  ist  aus  lat.  cäseus  entlehnt.  Die  Germanen  besaßen  aber  ein  einheimisches 
Wort  anord.  ostr  (entlehnt  \\nn.  juusto),   das  wahrscheinlich  zu  XaX.füs  'Brühe'  gehört. 

Aus  Worten  wie  Milch,  melken,  Rahm,  Anke  folgt  nun  mit  großer 
Sicherheit,  daß  schon  die  Indogermanen  die  Tiere  molken  und  die  Milch 
weiter  verarbeiteten. 

Die  Zähmung  des  Schafes  ergibt  sich  aus  dem  Wort  Wolle,  ahd.  wolla, 
got.  wulla,  e.  wool  zu  lat.  läna,  !it.  vüna,  abg.  vlüna,  aind.  ürtta.  Nur  das 
zahme  Schaf  hat  Wolle. 

Für  die  übrigen  Tiere  ist  ein  solcher  zwingender  Nachweis  nicht  vor- 
handen. Doch  gehören  aus  andern  Gründen  auch  die  Ziege,  das  Schwein 
und  das  Pferd  zum  Besitzstand  der  Indogermanen. 

Viehzüchter  sind  aber  keine  Nomaden.  Für  ein  Nomadentum  der  Indo- 
germanen gibt  es  keine  Beweise. 

Die  Tiere  hielt  man  in  Herden.  Auch  für  dieses  Wort,  ahd.  herta, 
e.  herd,  got.  hairda,  gibt  es  eine  Entsprechung  in  aind.  särdhas  'Schar'. 
Dazu  die  Ableitung  Hirt,  ahd.  hirti,  e.  herd,  got.  hairdeis,  das  ein  älteres 
Wort  gr.  noifxrjv  (poimwn)  verdrängt  hat. 

Hierher  ferner  Stute,  ahd.  stuot  'Herde  von  Pferden',  ags.  stöd  'Pferde- 
herde' zu  abg.  stado,  lit.  stodas  'Herde'  (von  Pferden);  got.  wripus  'Herde' 
(wohl  für  wrepus),  dän.  vraad,  ags.  wrcep  'Trupp,  Herde'  zu  aind.  vrtitah 

12* 


180        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


'Schar';  Kette  (nur  von  Rebhühnern),  ahd.  kutti  'Herde,  Schar',  vielleicht 

zu  lit.  gi'iotas  'Herde'.  Also  auch  hier  wieder  selbständige  Wörter,  wührend 

wir  Rinder-,  Sdiaf-,  Zief^en/ienie  sagen. 

Schließlich  gibt  es  auch  mehrere  Ausdrücke  für  die  Exkremente  der 

Tiere : 

Mist,  ahd.  mist  'Kot,  Dünger,  Misthaufen',  got.  maihstus,  e.  mixen  'Misthaufen',  zu 
lit.  mielti  'misten',  mieUai  'Mist';  —  Dreck,  mhd.  drSc,  anord.  prekkr  'Dreck'  zu  lat. 
sterciis(>):  —  Kot.  ahd.  quat  zu  ä\nd.  i^uihas,  awesi.  giipa-  'Kot,  Exkremente'.  Wahr- 
scheinlich liandelt  es  sich  aucii  hier  um  Ausdrücke,  die  die  E.xkrcmente  verschiedener 
Tiere  bezeichnen,  wie  wir  heute  von  Kuhfladen,  Sdiaf ketteln,  Ziegenbohnen,  Pferde- 
äpfeln, Siimepfendredi  sprechen. 

§  121.  B.  Die  Vögel. 

Literatur:  Charles  H.  Whitman,  The  Birds  of  old  English  Literature,  Journ.  of 
germ.  Phil.  2,  149  ff.  —  Hugo  Suolahti.  Die  deutschen  Vogelnamen.  Eine  wortgeschicht- 
lichc  Untersuchung,  Straßburg  1909. 

In  dem  Buch  von  Suolahti  besitzen  wir  eine  Darstellung  der  Wörter  eines  bestimmten 
Begriffsgebiets,  wie  wir  sie  sonst  kaum  noch  haben,  und  man  kann  daher  hier  die  Sprach- 
entwicklung gut  überblicken.  Indem  ich  mich  an  Suolahtis  Darstellung  halte,  läßt  sich 
etwa  folgendes  sagen: 

1.  INDOGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 
Am  meisten  verbreitet  sind  die  Bezeichnungen  für  Ente  und  Gans. 

F.nte.  ahd.  aniit,  ags.  ivnid,  dän.-schwed.  and  zu  lat.  anas,  anatis.  gr,  rty.nn  (nii-ssa  aus 
^^natja),  lit.  äntis,  abg.  a/t  'Ente',  ai.  atih  'ein  Wasservogel". 

Gans.  ahd.  gans,  e.  goose  zu  gr.  /_/]y  {kh(Pn),  lat.  anser  aus  *hanser  lif.  :nsis,  ai.  hnsäh,  hast. 
Soweit  diese  Wörter  auch   gehen   und   so   sicher  sie   indogermanisch 

sind,  so  fehlt  doch  viel,  daß  sie  in  allen  Sprachen  auftreten. 
Weniger  verbreitet,  aber  auch  indogermanisch  sind: 

Aar,  erst  poetisch  seit  dem  18.  Jahrhundert  wieder  aufgenommen,  ahd.  aro,  got.  ara,  e.  dial. 
crn  zu  gr.  ooyt;  (örnis)  'Vogel'  (der  Stamm  orni  entspricht  vielleicht  ahd.  arin  f.  'Weibchen 
des  Adlers'),  abg.  orllu,  lit.  erelis,  körn,  breton.  er,  kymr.  eryr  'Adler'. 

Amsel,  ahd.  amsala,  e.  oiisel  wohl  zu  lat  merula  (aus  *mesula  mit  Schwebeablaut). 

Beldie  'Bläßhuhn',  ahd.  belihha,  sonst  nicht  vorhanden,  ist  wahrscheinlich  verwandt  mit 
lat.  fulica:  gr.  c/cüijoi;  {phalaris).   Zugrunde  liegt  ein  idg.  Wort  für  'weiß', 

Drossel.  Die  Formen  der  Mundarten  sind  sehr  mannigfaltig,  doch  lassen  sie  sich  m.  E. 
auf  zwei  Grundformen  zurückführen,  einerseits  ein  ' prausk,  *prusk,  wozu  ahd.  drosca, 
dröscala  (woraus  'Drossel"),  e.  thrush.  Dies  könnte  zu  gr.  lovyon-  {tnjgön  aus  *truzgon) 
'Turteltaube'  gehören.  Und  auf  der  andern  Seite  steht  an.  pröstr,  dän.  trost,  schwed. 
trast,  mhd.  drostel,  das  zu  lit.  strazdas,  lett.  strazds  'Drossel',  gr.  aigovOog  (strüthos) 
'Sperling'  zu  stellen  ist.  Die  Form  "pramstalon,  e.  throstle  hat  wohl  den  Nasal  nach  Amsel. 

Fink.  ahd.  f in ko,  t.  findi  entspricht  lautlich  recht  gut  gr.  o.tiyyoi  {spingos)  'kleiner  Vogel', 
vielleicht  'Fink'  und  a.-ri^a  'kleiner  Vogel,  Fink'  aus  *spingja.  Es  findet  sich  also  im 
Griechischen  dieselbe  Doppelbildung  wie  im  Germanischen,  da  e.  findi  auf  *finki  zurück- 
geht. Im  Nordischen  gibt  es  auch  eine  Form  mit  anlautendem  s,  schwed.  spink  'Spatz', 
dän.  dial.  spinke  'eine  Art  Sperling'.  Der  Name  wird  auf  der  Nachahmung  des  Natur- 
lautes beruhen,  wird  aber  als  solcher  schon  indogermanisch  sein. 

Gauch,  ahd.  gouh,  ags.  geac,  dän.  gjög,  schwed.  gjök  hat  Meillet,  Mem.  de  la  Soc.  Ling. 
de  Paris  12,  213  mit  lit.  gegu-i  'Kuckuck'  verglichen,  was  sehr  wohl  angeht. 

Häher,  ahd.  hehara.  ags.  mit  grammatischem  Wechsel  higora  zu  gz.  y.iooa  {kissa)  aus 
*kikja;  die  Verwandtschaft  von  ai.  kiki-ülivi-)  'der  blaue  Holzhäher'  ist  mir  zweifelhaft, 


§  121.  B.  Die  Vögel.  181 


da  dies  lautnachahmend  sein  l<ann.  Man  i<ann  weiter  ai.  sih/ianih  'spitzig',  verglciclien, 
so  daß  der  Vogel  nach  seinem  spitzen  Schopf  benannt  wäre.  Dem  Verhältnis  von  gr. 
kissa  :  d.  Mäher  ist  das  von  lat.  acies  zu  gr,  uxgog  {äkros)  zu  vergleichen,  vgl.  Hirt, 
Idg.  Forsch.  32,  286. 

Hahn,  Huhn,  Henne.  Unser  Haushuhn  ist  zweifellos  vom  Süden  oder  Osten  her  ein- 
geführt worden  und  zwar  in  nicht  allzu  früher  Zeit.  Die  oben  genannten  Ausdrücke 
sind  aber  echt  germanisch,  ja,  da  sie  durch  Ablaut  verbunden  sind,  höchst  wahrscliein- 
lich  sogar  indogermanisch.  Man  muß  daher  annehmen,  daß  sie  ein  anderes  Tier  be- 
zeichnet haben.  Welche  der  wilden  Hühnerarten  {Reb-,  Birk-,  Auerhuhn)  damit  gemeint 
gewesen  ist,  läßt  sich  freilich  nicht  mehr  ermitteln.  Wenn  das  der  Fall  ist,  so  kann  man 
natürlich  got.  hano  nicht  zu  dem  Stamm  in  lat.  canere  'singen'  stellen  und  als  Sänger 
deuten,  obgleich  sonst  der  Hahn  vielfach  'Sänger'  genannt  wird.  Lautlich  befriedigt  der 
Vergleich  mit  lat.  ciconia  'Storch',  aber  die  Bedeutungen  liegen  wohl  zu  fern.  —  Wie 
auch  sonst,  sind  nun  an  Stelle  dieses  alten  Ausdrucks  Neubildungen  meist  lautnach- 
ahmender Natur  getreten,  wie  z.  B.  e.  cock,  frz.  coq,  dän.  kok  und  das  davon  abgeleitete 
obd.  Gockel.  Das  ebenfalls  damit  zusammenhängende  slaw.  kokos  ist  als  Goksdi  ins 
Schlesische  gedrungen.  \n  den  Mundarten  bestehen  auch  Namen  wie  Kikeriki.  —  Für 
das  junge  Huhn  ist  ein  besonderer  Ausdruck  in  nM.  Küken,  e.  cfiicken  geschaffen 
worden,  wozu  obd.  Küchlein,  dessen  Zusammenhang  mit  kok  nicht  sicher  ist,  aber  doch 
wohl  zu  Recht  besteht.  Ein  anderer  Ausdruck  steckt  in  dem  aus  Brentano  bekannten 
Hinke l  aus  alid.  huoni{n)kli(n),  das  mit  einem  auch  sonst  auftretenden  verkleinernden 
Suffix  gebildet  ist.  Über  zahlreiche  andere  Namen,  wie  Pütt,  Pntichen,  eig.  'ein  Lock- 
ruf, unterrichtet  Suolahti  S.  235. 

Kranial,  ahd.  kraniih,  e.  crane  (daneben  A\\±krano,  mnd.  kran,  woher  das  heutige  Kran 
m.  'Werkzeug  zum  Heben')  zu  gr.  ;i'o((nx-  (geranos)  'Kranich  und  Krahn',  kymr.  körn, 
o^flra/z 'Kranich' und  mit  abweichendem  Suffix  Vit.  gerve,  aprtuÜ.  gerwe,  abg.  zeravl,  lat. 
grus  aus  '  groiis.  Das  hohe  Alter  des  Wortes  beweist  wieder  die  Ablautsform  mnd.  krün, 
die  zu  abg.  ieravi  stimmt.  Eine  Nebenform  ahd.  kreia  verbindet  Suolahti  fälschlich  mit 
lat.  grus  aus  '''grois.  Diese  Herleitung  ist  aber  sehr  unwahrscheinlich,  da  grus  auf  grous 
zurückgeführt  werden  dürfte,  kreia  dürfte  eher  dem  lit.  gerve  entsprechen.  Die  Grundform 
''krajja  dürfte,  was  den  Verlust  des  w  betrifft,  wie  Ei  zu  lat.  ovum  zu  beurteilen  sein. 

Rabe,  ahd.  rabo,  hraban,  e.  raven  zu  lat.  cornlx,  gr.  HOQon'ij  (korönce). 

Rebhuhn,  ahd.  reb(a)huon,  vielleicht  zu  russ.  rjabka  'Rebhuhn'. 

Schwalbe,  ahd.  swalawa,  t.  swallow,  d&n.  svale,  schwed.  5f a/a  ist  von  de  Saussure  mit 
gr.  ä'/.y.vioy  {hulkyön)  'der  Meereisvogel'  verbunden,  v/as  lautlich  zweifellos  möglich  ist. 
Die  Bedeutung  bereitet  aber  Schwierigkeiten.  Da  das  Wort  im  Griechischen  auch 
'Sängerin'  bedeutet,  so  ließe  sich  doch  vielleicht  eine  Brücke  über  die  Bedeutungen 
schlagen.   Ober  zu  russ.  solovej  "Nachtigair. 

Sdiwan.  Für  Schwan  gibt  es  zwei  germanische  Ausdrücke,  ahd.  swan,  e.  schwed.  swan,  der 
sich  nicht  über  das  Germanische  hinaus  verfolgen  läßt,  und  ahd.  elbis,  das  heute  nur  noch 
im  Bernischen  als  Elbs  fortlebt,  verwandt  mit  russ.  lebedi.  Es  hängt  wohl  mit  dem  Stamme 
fl/* 'weiß' zusammen.    Demgegenüber  wäre  swan  'der  Sänger',  also  der  „Singschwan". 

Specht,  ahd.  speht,  dän.  spät  zu  \a\.  picns  'Specht',  pica  'Elster'. 

Sperling,  mit  Ableitungssilbe  von  ahd.  sparo,  got.  sparwa,  e.  sparrow,  zu  apreuß.  5/;«r^//5 
'Sperling'  {spergla-wanag  'Sperber'),  gr.  a.-ii-oyov'/.o^  (spergalos)  'kleiner  Vogel',  o.-iogyuo; 
{sporgilos)  'kleiner  Vogel',  orraijäaiov  (sparäsion)  'ein  dem  Sperling  ähnlicher  Vogel'. 
Das  ableitende  g  der  nicht  germanischen  Wörter  findet  sich  auch  in  ahd.  sperke,  das 
als  Sperk,  Spirk  noch  in  obd.  und  md.  Mundarten  fortlebt.  Außer  dieser  Bezeich- 
nung gibt  es  noch  eine  Reihe  anderer.  Nämlich  Spatz,  mM.  spatz,  vielleicht  eine 
Koseform  zu  Sperling  oder  verwandt  mit  \a\.passer  'Sperling';  nd.Lüning,  and.  hliuning 
ist  völlig  unklar;  am  Mittel-  und  Niederrhein  heißt  er  Musch,  Mösdi,  wohl  entlehnt 
aus  vulgärlat.  'muscio:  lat.  musca  'Fliege'. 


182        Neuntes  Kaimtei..  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Star,  ahd.  stara,  e.  stnre  und  starling,  dän.  stär  zu  \dX.sturnus.  Eine  andere  mundartliche  He- 
zcichnunß  \f.{  ^\\A.spra, sprea,  6a?.z\%Sprehe ,  Spraie,  Spro,  Spraft  iisw.  noch  fortlebt. 

Storifi,  ahd.  stora/i,  c.  dän.  schwed.  5/or/t,  wolil  verwandt  mit  gr.  Ti'.iiyo^  (törgos)  Geier" 
trotz  der  abweichenden  Bedeutung.  Die  ndd.  Benennung  Adebar,  mit  mannigfachen 
Nebenformen,  ahd.  odobrro,  ist  dunl<el.   ürimm  deutete  sie  als  .Giiiclibringer'. 

2.  GERMANISCHE  UND  DEUTSCHE  Bf-STANDTEILE. 
Ammer,  ahd.  amaro,  t. yellow-ammer,  vielleicht  von  amer  'Sommerdinkel'  wie 
Hünfling  zw  Hanf.  —  Auerhahn,  ahd.  iir/iano;  daneben  orrehan  und  dieses  zu  schwed. 
orre  'Birkhuhn",  was  vielleicht  'das  Männchen"  bezeichnete,  zu  lat.  verres  'Eber',  aind.  t/r<fln- 
'männlicli,  zeugungskräftig"  oder  zu  gr.  tinntiv  {ärsun)  'männlich'.  —  Auf  'Nachteule,  Uhu', 
ags.  «/,  anord.  ufr,  vielleicht  lautnacliahmend.  —  Dohle,  mhd.  dahele,  ahd.  tahala,  taha. 
t.daw,  idg.'tak^a,  wohl  lautnachalmiend.  —  Elster,  ahd.  agalstra  mit  zahlreichen  Neben- 
formen, die  Bhuinier,  KZ.  34,  344—380  zusammengestellt  hat.  Dazu  ags.  agu.  --  Entericii, 
ahd.  antrehho,  mnd.  antredie  ist  eine  Zusammensetzung  mit  dem  im  Englischen  vor- 
liegenden drakc,  ndd.  drake.  —  lirpel,  ndd.,  wohl  zu  ahd.  erpf  'dunkelfarbig'.  Dazu  anord. 
/tjr/;r 'Haselhuhn'.  —  Eule,  ahd.  fiwila,  t.  owl.  Vielleicht  lautnachahmend.  —  Falke,  ahd. 
falcfio,  fehlt  im  Angelsächsischen.  Das  Wort  wird  teils  als  eciit  germanisch,  teils  als  Ent- 
lehnung aus  dem  Romanischen  aufgefaßt.   Jedenfalls  ist  er  mit  der  Falkenjagd  aufgekommen. 

—  üiinter,  obd  G<?^5fr 'der  Gänserich",  ahd.  ganazzo.  ags.  ganot,  c.  gannet 'SeevogtV 
hat  mit  Gans  zunächst  nichts  zu  tun.  Daneben  auch  c.  gander,  ags.  gandra.  —  Geier, 
ahd.  gir,  wohl  zu  Gier.  —  Gimpel,  spätmhd.  gümpel  zu  gnmpen  'hüpfen'.  —  fiabidit, 
ahd,  habuh,  e.  hawk.  schwerlich  richtig  als  'der  Greifer"  erklärt,  zu  got.  hnfjan.  lat.  capio.  — 
Kauz,  spätmhd. /jr/2,  vielleicht  zu  gT.ßrSn  [byza)  'Eule'.  —  Kibitz.  xnhd.  gib i',,  wohl  laut- 
malend nach  dem  Ruf  kibit,  liiwit.  —  Krähe,  ahd.  kraja,  krawa,  e.  crow,  wohl  von 
krähen.  —  Lerdie,  ahd.  lerahha,  ags.  lawerce,  e.  lark;  Herleitung  unklar;  wohl  eine  Zu- 
sammensetzung. —  Meise,  ahd.  meisa,  e.  tit-mouse-,  vielleicht  zu  lat.  merula,  falls  aus 
'  misula.  —  Möwe,  andd.  meu,  e.  mew,  anord.  mar  'Möwe'  Nach  Uhlenbeck  zu  ai.  mecaka- 
'dunkelblau'.  —  Naditignll,  ahd.  nahtagala.  e.  nightingale,  eigentlich  'Nachtsängerin'.  — 
Reiher,  mhd.  reiger, ags.  hragrn;  daneben  ahd. heigaro;  unerklärt,  vielleicht  lautnachahmend. 

—  Sdierbe,  ahd.  scarva.  scarba,  ags.  scra f.  Wohl  lautnachahmend.  —  Sdmepfe,  ahd. 
snepfa,  von  dem  langen  Sdmabel  benannt.  —  Sperber,  ahd.  sparwari;  zusammengesetzt 
aus  sparw- 'Speihng  und  aro  'Adler':  \g\.  ags.  spearhafoc,  e.  sparrowhawk  'Sperber'.  — 
Sprosser  zu  Sprosse  'Hautflecken'.  —  Taube,  ahd.  triba.  e.  dove.  got.  hraiwa-dnbo 
'Turteltaube';  Herkunft  unklar;  daneben  im  Germanischen  noch  andre  Bezeichnungen.  — 
Uhu,  lautmalende  Bildung,  vgl.  ahd.  hüwo  und  üvo.  —  Vogel,  ahd.  fogal,  e.fowl,  got.  fugls 
zu  h\.  paükitis  'Vogel';  das  alte  Wort  für  Vogel,  lat.  avis,  aind.  vi-  vielleicht  in  Weihe,  ahd. 
wio.  das  aber  schwerlich  richtig  auch  zu  Geweih  gestellt  wird.  —  Waditel,  ahd.  wahtala; 
daneben  quattulo;  wohl  lautnachahmend;  unklarer  Herkunft.  —  Wiedehopf,  ahd.  witu- 
Iwffa,  -hopfa,  eigentlich  'Waldhüpfer',  in  Wirklichkeit  aber  eine  volkstümliche  Umgestaltung 
des  eigentümlichen  Rufs  des  Vogels,  nachdem  er  auch  Hupphupp.  Wuddwudd  u.  a.  benannt  wird. 

Wie  wir  schon  in  den  angeführten  Beispielen  gesehen  haben,  liegen  in 
den  Vögelnamen  oft  deutlich  erkennbare  Nachbildungen  der  Laute  und  Rufe 
der  Vögel  vor.  Nimmt  man  dazu  die  Namen  in  den  Mundarten,  wie  sie  Suolahti 
zusammengestellt,  so  wird  der  Stoff  überraschend  reichhaltig,  und  es  ist  kaum 
zu  bezweifeln,  daß  wir  mit  dieser  Erklärung  auf  dem  richtigen  Wege  sind. 

Dazu  kommen  zahlreiche  Namen,  die  an  und  für  sich  deutlich  sind,  wie  Adier- 
männdien.  Badistelze,  Dompfaff  nach  der  Ähnlichkeit  mit  der  Kappe  eines  Dom- 
geistlichen, Kreuzsdinabel,  Rotsdiwanz.  Rotkehldien,  Grasmüdie.  Kern- 
beißer. Kohlmeise,  Mauersegler,  Raudisdiwalbe,  Regenpfeifer ,  Sandläufer, 
Sdilüpfer,  Seidenschwanz.  Strandläufer.  Würger  usw. 


§  122.  Schlussfolgerungen.  183 


Verdunkelte  Zusammensetzungen  haben  wir  in: 

Kram(m(e)t)svogel,  mlid.  kranwitvogel  zu  ahd.  krana-wita  'Kranichholz,  Wacholder- 
staude; —  Adler,  mhd.  arf^/fl/- 'Edelaar';  —  Rohrdommel,  dafür  ahd.  horotübil,  während 
unser  Wort  eine  Verwandte  in  ags.  rarediimbla,  mnd.  raredump  hat.  Es  liegt  einerseits  Be- 
ziehung auf  Rohr,  anderseits  auf  röhren  'schreien'  und  ahd.  horo  'Schmutz'  vor. 

3.  ENTLEHNUNGEN 
von  Vogelnamen  sind  schon  früh  vorgekommen. 

a)  Aus  dem  Lateinisch-Romanischen  sind  in  althochdeutscher  Zeit  entlehnt: 
Fasan,   ahd.  fasihon    als   Umdeutung    von    \a\..  gx.  phasiönus   'Vogel   vom   Flusse 

Phasis'.  Im  12.  Jh.  wird  die  französische  Form  entlehnt.  —  Greif,  ahd.  grifo  aus  vulgär- 
iai.  griphus,  das  auf  hehr,  eher  üb  zurückgehen  soll.  —  Pelikan,  gr.  \a{.  pelicanus.  — 
Pfau.  ahd.  pfa(w)o,  t.  peacodi,  dän.  paafugl,  schwed.  pnfiigl,  \.  pavo.  —  Sittidi,  ahd. 
sitidi,  lat.  gc.  psittaciis.  —  Strauß,  ahd.  sträi,  ags.  .itryta,  lat.  strathio.  — .Turteltaube, 
ahd.  turtnlataba,  e.  turtle  durch  kirchliche  Vermittlung  aus  lat.  turtur. 

Dazu  kommen  einige  Namen,  die  sich  nur  mundartlich  erhalten  haben,  so  Merle  am 
Mittel-  und  Niederrhein  aus  lat.  merula  und  Mösdi  am  Niederrhein  aus  lat.  musca.  Ein 
Übersetzungslehnwoit  liegt  in  Zaunkönig,  lat.  rPgulus  vor. 

b)  Aus  dem  Französischen  kommen  im  Mittelhochdeutschen  eine  Reihe 
von  Namen,  die  aber  verloren  gehen.  Später  bringt  dann  der  Vogelhandel 
einige  jetzt  nicht  mehr  erhaltene  itahenische  Namen  und  die  noch  vor- 
handenen slawischen  Stieglitz,  Zeisig.  Dazu  kommt  Trappe,  poln.  tschech. 
drop.  In  neuerer  Zeit  ist  dann  noch  der  Kanarienvogel  eingeführt,  und 
außerdem  sind  manche  fremdländische  Namen  zu  uns  gelangt. 

§  122.  Schlußfolgerungen.  Als  bemerkenswert  ergibt  sich  aus  diesen 
Zusammenstellungen,  daß  die  Namen  der  Tiere,  die  jetzt  einen  Bauernhof 
bevölkern,  die  Namen  für  Gans,  Ente,  Huhn,  echt  germanisch  sind,  obgleich 
•die  Hühner  sicher  erst  nach  Deutschland  eingeführt  worden  sind.  Gans  und 
Ente  können  freilich  frühzeitig  gezähmt  gewesen  sein,  wenngleich  sich  dies 
nicht  beweisen  läßt.  Denn  der  Ausdruck  für  Ei,  ahd.  ei,  anord.  egg  (daraus 
€.  egg)  ist  bedeutungslos.  Das  Wort  gehört  zweifellos  zu  lat.  oviim,  gr.  fnöv 
(oli/ön),  air.  og,  abg.  j'aje.  Die  Grundform  ist  '-^ajjam,  die  mit  den  andern 
Worten  vermittelt  werden  kann,  wenn  man  den  Schwund  eines  ziJ  vor  / 
annimmt.  Man  sammelte  schon  frühzeitig  die  Eier  wilder  Vögel,  wie  noch 
heute  die  der  Kibitze.  Also  weist  das  Wort  nicht  auf  Geflügelzucht. 

Eine  wirkliche  Geflügelzucht  scheinen  die  Germanen  erst  durch  die 
Römer  kennen  gelernt  zu  haben.  Jedenfalls  erhalten  wir  von  ihnen  eine 
ganze  Reihe  von  Worten,  die  sich  auf  diese  beziehen.  Dahin  gehören: 

Flaum,  ahd. pfhima  aus  \a{. plunia;  das  echtdeutsche  Wort  ist  Daune,  mnd.  dcme;  — 
Käfig,  ahd.  kevia  aus  vulgärlat.  cavia;  —  Mauser,  mhd.  miize,  ahd.  mii^^on  'sich 
mausern',  aus  \a\.mütäre;  —  Pips,  ahd.  pfipfi^  aus  m\at  pipita  für  pltmta. 

Wenn  man  die  Vogelnamen  in  der  Gesamtheit  überblickt,  so  zeigt  es 
sich,  daß  sie  in  vielen  Fällen  nicht  über  das  Germanische  hinausgehen. 
Daraus  aber  schließen  zu  wollen,  daß  man  in  indogermanischer  Zeit  die 
einzelnen  Vögel  noch  nicht  unterschieden  hätte,  ist  vollständig  hinfällig. 
Vergleiche   das,   was   oben  S.  98  über  die  Indianersprachen  angeführt  ist. 


184         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Der  Mangel  an  Übereinstimmung  bei  den  Vogelnamcn  erklärt  sich  hier, 
wie  so  oft,  aus  der  Fülle  der  Ausdrücke,  die  vorhanden  war,  und  dadurch, 
daß  die  Vögel  keine  derartige  Rolle  in  der  Wirtschaft  spielten,  daß  jede 
Bezeichnung  hätte  unverändert  haften  müssen.  Um  so  bemerkenswerter 
sind  die  in  allen  Sprachen  gleichmäßig  auftretenden  Benennungen  für  Gans 
und  Ente,  was  eben  auf  die  hohe  wirtschaftliche  Bedeutung  dieser  Tiere 
hinweist.  Noch  heute  werden  in  Norddeutschland,  namentlich  auf  den 
friesischen  hiseln,  Wildenten  zu  Tausenden  gefangen  und  geschossen. 
§  123.   C.  Die  Fische. 

Literatur:  J.  J.  KÖHLER,  Die  altenglischen  Fischnamen,  Heidelberg  1906.  —  Uhlen- 
BECK,  De  indogermaansche  vischnanien.  Ex  serto  naberico  a  philologis  Batavis  coUecto 
seorsum  excusum,  1908.  —  Hirt,  Idg.  Forsch.  22,  65. 

Unsere  Bezeichnungen  der  Fische  gehen  zum  Teil  in  das  indogermanische 
Altertum  zurück,  zum  Teil  sind  sie  nur  gemeingermanisch,  tragen  aber  einen 
solchen  Sprachcharakter  (nicht  ableitbar  von  andern  Worten),  daß  man  auch 
diesen  unbedenklich  ein  höheres  Alter  zuschreiben  kann.  Und  selbst  unter 
den  erst  auf  deutschem  Boden  belegten  sind  einige  offenbar  recht  alt. 
Natürlich  gibt  es  auch  Entlehnungen  und  Neubildungen.  Wenn  so  mancher 
Name  nur  eine  geringe  geographische  Verbreitung  hat,  so  möge  man  be- 
denken: 1.  daß  der  Fischfang  der  Natur  der  Sache  nach  nicht  überall  ver- 
breitet sein  kann,  2.  daß  nicht  jede  Fischart  überall  vorkommt,  und  3.  daß 
die  gleichen  Fische  auch  heute  noch  in  nicht  weit  voneinander  entfernten 
Gegenden  verschieden  benannt  werden.  Brehm  führt  in  seinem  Tierleben, 
Fische  296,  mehrere  Beispiele  dafür  an,  wovon  ich  eins  in  meinen  Indo- 
germanen  2,  636  abgedruckt  habe.  Eine  Sammlung  der  dem  Volke  bekannten 
Fischnamen  aus  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  wäre  eine  dankens- 
werte Aufgabe. 

1.  INDOGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 
Aal,  ahd.  äl,  e.  ed.  urgerm.  *ela,  gehört  wahrscheinlich  zu  dem  zweiten  Teil  von  gx.ty/j).v; 
{ewkhelys),  lat.  anguilla,  worin  kein  Suffix,  sondern  nur  ein  selbständiges  Wort  stecken  kann. 
Asdie,  Äsdie,  ahd.  asko  mit  Ablaut  zu  kelt.  esox  'Hecht'. 
Dorsch,  ndd.  dorsdi,  an.  porskr  zu  russ.  treskd  'Stockfisch'. 

Fisdi,  ah6.fisk,  got/isks,  (t.  fish  zu  \aX.  piscis,  u.  iasc  (ein  anderes  Wort  gr.lyßi^  [ikh- 

thys],  lit.  luvis  ist  im  Deutschen   verloren  gegangen,   vielleicht   aber   in   schwed.  gös 

'lucio  perca'  erhalteni. 

Forelle,    ahd.  forhana;    dazu   ir.  orc  'Lachs',   erc   Forelle',   gi.  r^t'jy.>i    {perk(e)  'Barsch'; 

Feldien,  eine  Forellenart  des  Bodensees,  hat  wohl  /  für  r,  wie  alem.  kildie  für  kirdhe^ 

Hai  aus  nd\.  haai  zu  anord.  här  und  weiter  zu  amd.  satiküli  'ein  best.  Wassertier'. 

Ladis,  a\\d.  lahs,  schott. /öa'  zu  lit.  lasisä,  russ. /Ö505((  'Lachsforelle',  poln. /050<  'Lachs'^ 

jetzt  auch  im  Tocharischen  nachgewiesen. 
Ein  jetzt  verlorener  wichtiger  Fischname  liegt  in  ahd.  munewa,  rniinwa  'capedo'  vor,  heute 
westfäl.  mcene  'Elritze',  hess.  moene,  mene.  mine  'ein  ähnlicher  Fisch',  dazu  ags.  myne 
'Elritze',  e.  minnow  und  weiter  gr.  iiairt]  {maina>),  fiani;  {mainis),  uaiviöioy  (mainidion) 
"kleiner  Meerfisch',  russ.  menl,  menekn,  menjüdifi  'Aalraupe',  lit.  menke,  lett.  menca 
•Dorsch';  vgl.  SoLMSEN,  KZ.  37,  584,  Uhlenbeck,  Beitr.  30,  334,  Köhler,  Die  alteng- 
lischen Fischnamen  62;  hier  haben  wir  es  also  sicher  mit  einem  indogermanischen 
Ausdruck  zu  tun. 


§  123.  C.  Die  Fische.  185 


Schleie,  ahd.  säo,  ags.  sli(w)  zu  lit.  Ifnas,  apr.  Unis  'Schleie',  gT./.n-fvc;  {lineiis)  'Meerfisch'. 

Sdiade,  Sdiaden  (mundartlich),   ags.  sceadd  'Maifisch',  c.  shad,   dazu  nacli  O.  Schrader 
ir.  scatan  'Hering', 

Schmerle,  spätmhd.  sniene,  vielleicht  zu  gr.  anaul^  {smaris)  'kleiner  Meerfisch'. 

Stör,  ahd.  sturio,  ags.  styria,  auch  ins  Romanische  gedrungen.   Urgerm.  stur-  gehört  wahr- 
scheinlich mit  Schwebeablaut  zu  lit.  asstras,  apreuß.  esketres,  russ.  osetni. 
Hierzu  kommt  der  Ausdruck  Rogen,  ahd.  rogo,  e.  roan,  roe,  anord.  hrogn  n.,  pl.  zu 

lit.  kurkuldl  'Froschlaich'. 

2.  GERMANISCHE  UND  DEUTSCHE  BESTANDTEILE. 
Alant,  ahd.alant,  as.  alund.  Oh  zu  Aal?  —  Barsdi,  ahd.  bersih,  t.barze;  schwed. 
agborre  zeigt  Ablaut;  —  Blei  aus  dem  Niederdeutschen,  mnd.  bleie  f.,  e.  blay,  daneben 
mit  Ablaut  mhd.  blidte;  —  Brasse(n),  ahd.  brahsenia,  brahsa,  e.  brasse;  —  Bricke  aus 
mnd. pricke;  —  Butt(e),  ndd.,  e.  bat  zu  ndd.  biitt  'stumpf;  —  Döbel,  im  15.  Jh.,  zu 
döbel 'Püock' ;  —  Elritze,  mhd.  ahd.  erlink,  eig.  'Erienfisch';  —  Flunder,  mhd.  vlunder, 
e.  flounder,  wohl  eigentlich  'Plattfisch'  zu  gr.  .-rhar^  {platys);  —  Härder,  ndd.  liarder, 
ags.  heardhara;  —  Hausen,  ahd.  huso,  mnd.  hiisen.  Das  Verhältnis  zu  tschech.  vyz,  poln. 
wyz  ist  unklar;  —  Hedit,  ahd.  hediit,  hachit,  ags.  hacod,  hceced,  vielleicht  zu  ahd.  hedien 
'stechen',  von  seiner  spitzen  Schnauze;  —  Hering,  ahd.  haring,  e.  herring,  im  6.  Jahr- 
hundert mlat.  haringus;  jedenfalls  nicht  zu  heer  als  'Heerfisch';  unbekannter  Herkunft; 
daneben  anord.  sild;  —  Kresse,  ahd.  kresso,  vielleicht  zu  ahd.  kresan  'kriechen';  — 
Quappe,  ahd.  quappa,  besonders  in  Kaulquappe  {Kaul  aus  Kugel);  —  Renke,  mhd. 
rinanche  'Rheinanke';  anke  ist  dunkel;  —  Roche,  aus  mndd.  rudie,  dazu  ags.  reolihe, 
mengl.  roughe,  reighe,  also  mit  Ablaut;  —  Scheiden,  bayer.  öst. 'Wels',  ahd.  skeida;  — 
Sdiellfisdi,  t.  shellfish  zu  Sdiale,  sdiellern,  weil  das  Fleisch  sich  schilfert;  —  Sdinäpel, 
mnd.  snepel :  Sdinabel;  —  Scholle,  mnd.  sdwlle  zu  Sdiolle,  \y\^  Sohle  zu  Sohle,  Zunge 
zu  Zunge;  —  Sprotte,  aus  dem  Niederdeutschen,  nd\.sprot,  t.sprat;  Herkunft  dunkel;  — 
Stint,  aus  ndd.  st  int,  vielleicht  zu  mhd.  stunz  'stumpf,  kurz';  —  Trüsdie,  1561  Trusch;  — 
Wels,  mhd.  weis,  wohl  zu  ahd.  welira  'Walfisch',  s.  S.  178. 

3.  ENTLEHNUNGEN. 
Aalraupe,  ahd.  nur  nlpa,  wohl  entlehnt  aus  lat.  rubeta  'Frosch,  Kröte";  —  Albe, 
Albel,  mhd.  albel,  \.  albula;  —  Alse,  Alose,  frz.  alose,  kt\t.  alausa;  —  Anchovis, 
nd\.  ans jovis,  aus  dem  Baskischen;  —  Barbe,  ahd.  barbo,  lat  barbus;  —  Giebel,  ahd. 
guva,  lat.  gobio;  —  Groppe,  ahd.  groppo,  vielleicht  mlat.  carabus;  —  Kabeljau,  Her- 
kunft dunkel;  —  Karpfen,  ahd.  karpfo,  karfo,  zuerst  belegt  im  6.  Jahrhundert  als  mlat. 
carpa  und  über  ganz  Nordeuropa  verbreitet,  über  Romanen,  Germanen  und  Slawen;  Her- 
kunft dunkel,  wahrscheinlich  aber  nicht  echt  germanisch.  Vielleicht  zu  aind.  sapharali_ 
'Karpfenart',  IW.  supalas  'cyprinus  dobula';  —  Laberdan,  16..Jh.,  e.  haberdine,  Herkunft 
dunkel;  —  Lamprete ,  ahd.  lampreta,  ags.  lempedu  aus  lat.  lampreda,  lampetra,  dessen 
Herkunft  dunkel  ist.  Ein  offenbar  sehr  geschätzter  Fisch,  wie  Lampreten  volkstümlicli 
etwas  sehr  Feines  bezeichnen;  —  Makrele,  mhd.  makrel,  mlat.  macarellus;  —  Muräne. 
mhd.  muren.  gr.-lat.  muraena;  —  Orfe,  ahd.  orvo,  gr.-lat.  orphus;  —  Pf  rille,  mhd. 
pfrille,  noch  schwäb.-tirol.,  lat.  perula;  —  Platteise,  ■s.'pätmhd.  blat(t)ise,  l.  platessa;  — 
Sardelle,  1556,  ital.  sardella;  —  Sardine,  1495,  \tal.  sardina;  —  Salm,  ahd.  salmo, 
gall.-lat.  salmo;  dazu  Saibling  aus  Sälmling  'der  junge  Lachs';  —  Sohle,  e.  sole,  lat. 
solea  'Sandale,  Plattfisch';  —  Turbo t,  1617,  frz.  turbot. 

An  Entlehnungen  aus  dem  Slawischen,  die  z.  T.  nur  eine  örtliche  Ver- 
breitung haben,  liegen  vor 

Beißker,  15.  Jh.,  slav/.  piskor;  —  Karausdie,  16.  Jh.,  lit.  kan'iUs;  —  Pomndiel 
'Dorsch',  poln. pomudiia;  —  Plötze,  kaschubisch  ploc;  —  Sander,  Zander,  obsorb. 
sandak;  —  Ukelei,  poln.  uklej. 


186        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Daß  schon  in  alter  Zeit  der  Fischfang  bekannt  war,  ergibt  sich  zweifellos 
aus  der  Sprache. 

fisdien,  goK.  Jiskon,  hi.  piscari;  —  Angel,  ahd.  fl«^«/ 'Stachel,  Spitze,  Fischangcl', 
genau  gr.  i'tyxi/.a:  {aukylos)  'krumm';  in  n'/y.tornny  {äukistron)  'Angel'  haben  wir  eine  Ab- 
leitung von  demselben  Stamm:  -  //fl/^i^/; 'Angelhaken,  Angelrute',  ah^.  hämo,  vielleicht 
y.u  lat. //rtff/;« 'Haken,  Angelhaken,  Angel";  —  Netz,  ahd.  m^zzi,  c.  net,  go\.  nati,  dazu  mit 
Ablaut  anord.  nut;  zu  lat.  nassa  'Fischreuse,  Netz,  Schlinge";  —  Reuse,  ahd.  rnsa,  rnssa; 
wenn  dies  eine  ablautende  Weiterbildung  zu  got.  raus,  d.  Rofir  ist,  muß  das  Wort  sehr  alt  sein. 

Anmerkung.  Ich  bemerke,  daß  der  Fang  der  Fische  mit  der  Angel  verhältnismäßig 
jtmg  ist,  und  daß  es  eine  ganze  Fülle  verschiedener  Arten,  iMsclie  zu  fangen,  gibt,  mit  der 
Lanze,  dem  Buger),  dem  Dreizack,  nachts  mit  einer  Fackel  im  Wasser  gehend  usw..  so  daß 
der  Mangel  an  Namen  für  Fischereigeräte  nicht  weiter  auffallen  kann. 

Man  sieht  also,  daß  nicht  nur  eine  ganze  Reihe  von  Fischnamen  gemein- 
germanisch sind,  sondern  daß  auch  nicht  wenige  in  das  indogermanische 
Altertum  zurückgehen.  Es  ist  demnach  eine  durch  die  Tatsachen  widerlegte 
Behauptung  von  O.  Schrader  und  andern,  daß  die  Indogermanen  die  Fische 
nicht  beachtet  hätten.  Die  Namen  einer  Anzahl  eigentlich  nur  in  den  nörd- 
lichen Meeren  und  den  hineinmündenden  Flüssen  vorkommender  Fische  und 
Tiere,  wie  Aal,  Ladis,  Stör,  Walfisch  und  Hummer,  weisen  auf  die  Nord- 
seeküste als  ursprüngliche  Heimat  der  Germanen  und  Indogermanen. 

Zweifellos  wird  sich  mit  der  Zeit  noch  mancher  andere  Fischnamen  als 
indogermanisch  erweisen,  wenn  man  erst  noch  die  Ausdrücke  der  deutschen  und 
skandinavischen  Mundarten  sowie  die  der  slawischen  genügend  erforscht  hat. 

§  124.  D.  Sonstige  Tiere. 

Literatur:  JoHX  von  Zandt-Cortelyon,  Die  altenglischen  Namen  der  Insekten. 
Spinnen  und  Krustentiere;  Anglistische  Forschungen  19,  Heidelberg  1906. 

Auch  auf  diesem  Gebiete  finden  wir  einen  guten  Teil  alten  Sprach- 
stoffes, wenngleich  natürlich  auch  Entlehnungen  nicht  fehlen.  Wir  unter- 
scheiden nur  zwischen  einheimischem  und  entlehntem  Sprachgut. 

1.  EINHEIMISCHES  SPRACHGUT. 

Ameise,  ahd.  ämeiia,  ags.  a>mette,  e.  emmet,  ant\  dunkel;  vielleicht  steckt  darin  eine  Zu- 
sammensetzung von  a  'ab'  und  meiiian.  zu  dem  unser  Meißel  gehört,  also  'die  Ab- 
schroterin'.  Ein  altes  indogermanisches  Wort  liegt  vor  in  ndd.  ndl.  mier,  krimgot.  miera, 
ags.  mijre.  t.  mire.  das  zu  gx.  iii-oinf:  {mynweks),  \a\.  formten  gehört. 

Assel  'Kellerassel',  spätmhd.  assel.   gewöhnlich   aus  lat.  asellus  hergeleitet;   doch   erhebt 
dagegen  die  Formel  Atzel  Einwand. 
Eine  reiche  Benennung  liegt  für  die  Bienen  vor. 

Biene,  ahd.  bini  n.,  bia,  ags.  beo,  e.  bee,  gemeingermanisch,  aber  in  dieser  Form  nicht 
in  den  verwandten  Sprachen;  mit  andren  Suffixen  lit.  bitis,  lett.  bitte,  apreuß.  bite,  ir. 
becfi,  lat.  fücus  'Biene';  —  Bremse,  niederdeutsche  Form.  ahd.  bremo.  vielleicht 
Brummerin',  oder  zu  aind.  bhramaräh  'Biene';  —  Drohne,  niederdeutsche  Form, 
asächs.  dran,  e.  drone,  ahd.  mit  Ablaut  treno  zu  gr.  Ogwiai  Uhröna.x)  'Drohne',  redu- 
pliziert TffOgip-iii  {tenthrcence),  'Art  Wespe  oder  Hummel":  —  Hornisse,  ahd.  horna^, 
hurnui,  e.  hörnet  zu  lat.  crabro  'Hornisse',  abg.  sni.^enl  u.a.;  —  Hummel,  ahd.  hum- 
bal.  e.  humble-bee,  vielleicht  nasalierte  Form  zu  gr.  xtiq  t'iv  {kcephien)  'Drohne'  oder  zu 
apreuß.  ca/w«5 'Hummel',  \\{.  kamrine '"Exdh'xtwt  ;  —  Imme,  ahd. />«&/ 'Bienenschwarm', 
erst   spätmhd.  'Biene',   ags.  ymbe  'Bienenschwarm',   gehört   trotz  geäußerter   Bedenken 


§  124.  D.  Sonstige  Tiere.  187 


doch  wohl  zu  gr.  f7<.T('s-  {etnpis)  'Stechmücke";  —  Wespe,  ahd.  wefsa,  e.  wasp  zu  lat. 
vespa,  lit.  vapsä  'Bremse',  abg.  vosa  'Wespe'.  —  Dazu  kommen  die  alten  Benennungen 
für  die  Erzeugnisse  der  Biene,  den  Hon  ig.  Das  älteste  Wort  dafür  steckt  in  Met,  ahd. 
meto  'Met',  e.  mead,  abg.  niedn,  altpr.  meddo,  lit.  mediis,  awest.  ma<hi-  'Honig',  gr.iifOv 
(methy)  'Trunkenheit';  —  außerdem  haben  wir  gT.  itf/.t  (me/i),  \a\.  mel,  got  milip;  — 
unser  Wort  Honig,  ahd.  hona(n)g,  e.  honey  gehört  wahrscheinlich  zu  aind.  könakam, 
kaiScanäm,  n.  'Gold",  gr.  y.vijy.o;  (kncekos)  'Safflor',  y.njy.ög  {kmekös),  dor.  y.i-uy.i'i:  {knakös) 
'gelb".  Ob  die  Bedeutung  'gelb'  oder  'Honig'  älter  ist,  läßt  sich  nicht  entscheiden,  ich 
vermute  das  letztere;  —  Wadis,  z\\d.  wahs,  tng\.  wax  zu  Wi.  vd^kas,  dbg.  voskn,  zu 
wahseni?);  \a\.  cera  ist  im  Germanischen  verloren  gegangen:  —  Wabe,  ahd.waba  l., 
■wabo  m.  'Honigwabe';  der  Zusammenhang  mit  weben  erscheint  möglich;  im  Lateinischen 
findet  sich  aber  in  genau  der  gleichen  Bedeutung  faviis,  ein  Wort,  das  dieselben  Laute, 
nur  in  andrer  Folge,  enthält  (idg.  *bhawos  und  '^wabhos.  wabha);  unter  diesen  Um- 
ständen liegt  der  Gedanke  einer  Metathese  sehr  nahe,  doch  ist  nicht  zu  sagen,  welche 
Sprache  das  Ursprüngliche  hat;  —  ein  anderes  Wort  haben  wir  noch  in  Roß  n.  'Honig- 
wabe", mhd.  ra^,  ra^e,  andlxk.  rata  'favus',  nd\.  raat  f.  'Honigseim";  falls  das  Wort  mit 
//  anlautete,  kann  man  die  Wurzel  von  lat.  crdtes  'Flechtwerk"  vergleichen.  —  Man  er- 
kennt aus  dem  hohen  Alter  der  heutigen  Ausdrücke,  welche  Aufmerksamkeit  man  den 
Bienen  und  ihren  Erzeugnissen  zuwandte.  Das  ist  nur  natürlich.  Bot  doch  der  Honig 
den  einzigen  Zucker,  den  man  zur  V^erfügung  hatte.  In  der  Hauptsache  wird  es  sich 
natürlich  um  wilde  Bienenstöcke  handeln. 

Blutegel,  ahd.  egala.   V^ielleicht  zum  ersten  Bestandteil  des  folgenden. 

Eidedise,  ahd.  egidehsa,  e.  ask;  der  erste  Teil  wohl  zu  gr.  s/idra  iekhidna)  'Natter, 
Schlange";  aus  Eid-edise  ist  £"c^5^  (1836)  fälschlich  in  neuerer  Zeit  entnommen  worden. 

Engerling,  ahd.  engirink  'Kornmade'  von  gleichbed.  ahd.  angar,  vielleicht  zu  lit.  ankHiral 
'Finnen,  Engerlinge',  poln.  wcgry  'Schweinefinnen'. 

Ealter,  s.  Sdimetlerling;  —  Finne,  mhd.  pfinne,  vinne,  ndl.  vi n  'Blatter'. 

Fliege,  ahd.  flioga,  e.  fly  zu  fliegen;  daneben  mit  Ablaut  anord.  fhiga. 

Floh.  ahd.  flöh,  t.  flea,  wird  gewöhnlich  zu  fliehen  gestellt,  aber  Urverwandtschaft  mit 
lat.  p'ilex  ist  kaum  abzuweisen. 

Frosdi,  ahd.  frosk,  e.  d\a\.  frosk,  daneben  t.  frog  und  andere  Nebenformen,  die  die  Be- 
urteilung erschweren.  Osthoff,  Parerga,  stellt  es  zu  einer  Wurzel,  die  'springen,  hüpfen" 
bedeutet  habe  und  noch  in  unserm  froh,  freuen  vorliegt. 

Gelse  'Schnake,  Mücke',  erst  nhd.  zu  gelsen  'summen",  gellen. 

Gnitte,  niederdeutsch,  oberd.  Gnitze,  dazu  ags.  gnwt. 

Heimdien,  ahd.  heimo  'Hausgrille';  dazu  ags.  hdma  'Hausgrille";  wohl  zu  Heini;  —  Heii- 
s dir e die,  ahd.  hewiskrekko,  zu  sdiredien,  eig.  'aufspringen". 

Hummer,  aus  dem  nord.  humarr,  zu  gx.  y-ämiaoo;  {kämmaros)  'Seekrebs'  und  vielleicht 
aind.  kamäthas  (th  aus  rth)  'Schildkröte'. 

Käfer,   ahd.  kevar(o),  t.  chafer;   wohl   zu   kiffen   'nagen";   ahd.  mhd.  auft^/  'Kornwurm, 
Käfer',  e.  weevel  ist  verloren;  es  entspricht  lit.  vabalas  'Käfer'. 

Kanker  'Spinne';  dazu  nordfries.  kiinker  'Spinne',  an.  köngurvafa,  vielleicht  ursprünglich 
das  Spinnengewebe,  vgl.  Spinnekanker,  zu  gr.  yäyyoairu  (gdt^graina)  'fressendes  Geschwür". 

Krabbe,  aus  mnd.  krabbe,  e.  crab;  stammverwandt  mit  dem  folgenden. 

Krebs,  ahd.  kreba^;  unerklärt. 

Kröte,  ahd.  krota,  kreta,  wohl  zu  gr.  ßäTou/n;  (bätrakhos),  (ioaTu/o;  (brätakhos);  die 
Form  ßrmz-  {brät-)  stimmt  zu  der  Ablautstufe  krot. 

Laus,  ahd.  tiis,  e.  louse;  vielleicht  zu  akymr.  leu-eseticc  'von  Läusen  zerfressen". 

Lind(wurm) ,  ahd.  lint  'Schlange',  anoxd.  linnr;  unerklärt. 

Lurdi,  nd.  Lork,  vgl.  IF.  30,  266. 

Made,  ahd.  mado,  got.  mapa,  mit  ableitendem  k  e.  niawk;  unerklärt:  vielleicht  zu  Motte. 

Milbe,  ahd.  milwa;  zu  Mehl,  also  Mehlwurm. 


188        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Molch,  mhd.  mol,  molle,  ahd.  mol  'Eidechse,  Molch';  unerklärt. 

Motte,  spdtmhd.  wo//^.  c.moth;  zu  Made? 

Mü(iie,  ahd.  mucka,  e.  midge.  anord.  niij  ohne  Guttural;  wurzelverwandt  mit  gx.  in'hi  (myia), 
das  aber  ein  s  verloren  hat,  vgl.  lat.  nuisca. 

Natter,  ahd.  natara,  e.  adder,  mit  Verlust  des  n  wie  auch  in  Otter,  got.  nadrs  zu  lat. 
natrix  'Wasscrschiangc'. 

Sifi,  Nisse,  ahd.  hni^,  e.  n/f  'Lausei'  zu  gr.  /<oi/,-,  ;<oi/<5o,-  {konis,  konidos)  'Ei  der  Läuse'. 

Olm  'Molch'  aus  molm,  zu  Mohii.  —  Otter,  s.  Natter. 

Padde,  niederdeutsch,  c.  paddodi.  anord.  padda;  unerklärt.   Dazu  Sdiildpatt. 

Pieraas  'Regenwurm  als  Köder",  mnd.  piras,  vielleicht  Aas  zum  pieren  'anlocken". 

Qualle,  nd.  qiialle,  wohl  zu  Qualster  'zäher  Schleim'. 

Raupe,  ahd.  rnpa,  lautlicli  eins  mit  abg.  ryba,  das  aber  'Fisch"  bedeutet.  Ist  die  Ur- 
bedeutung vielleiciit  'Wurm? 

Sdiabe,  mhd.  sdiabe  'Motte,  Schabe',  ags.  nui-lsceafa  'Raupe',  wohl  zu  sdiaben. 

Sdiildpatt,  s.  Padde. 

S  dl  lange,  ahd.  slango  m.  zu  sdilingeri;  dies  Wort  hat  andere  Ausdrücke  verdrängt,  kann  aber 
auch  vofgermanisch  sein,  da  es  vielleicht  zu  V.ymx. y-slywen,  Slawen  'Aal'  aus  *slnngio  gehört. 

Sdinietterling,  erst  neuhochdeutsch;  die  ältere  Bezeichnung  steckt  in  Falter,  gekürzt 
aus  mhd.  vivalter,  das  mit  lat.  papilio,  vesper(p)tilio  eigentlich  'Abendfalter'  wurzel- 
verwandt ist.  Sdunctterling  ist  von  Sdinietten  'Milchrahm'  abgeleitet,  das  aus  dem 
Tschechischen  stammt.  Die  Erklärung  liegt  in  dem  Glauben,  daß  Hexen  und  elbische 
Wesen  in  Gestalt  von  Schmetterlingen  die  Milch  stehlen  oder  sie  verderben;  daher 
auch  Mildidieb,  Molkendieb,  Butterfliege,  Buttervogel,  e.  butterfly. 

Sdmake,  mhd.  snake  'Schnake",  zu  mnd.  snok  'junger  Hecht',  eig. 'Stecher". 

Sdmake  'Ringelnatter",  niederdeutsch,  t.  snace  zu  z\nd.  naguh  'Schlange'. 

Sdinedie,  ahd.  snei-ko.  ndd.  snigge,  daneben  mhd.  snegel,  e.  snail,  wohl  zu  aiid.  snahlian 
'kriechen";  daneben  Sdincgel. 

Spinne,  ahd.  spinna,  eig. 'Spinnerin';  ein  älteres  Wort  sicckt  in  Spinnekanker,  %.  Kanker. 

Spulwurm,  im  15.  Jh.,  zu  Spule. 

Unke,  erst  neuhochdeutsch,  dafür  ahd.  uhha  'Kröte',  ags.  >jce,  ndd.  Jtsdie;  unerklärt. 

Wanze,  mhd.  wance,  ahd.  wantlus.  —  Werre,  'Maulwurfsgrille',  1540. 

Wurm,  ahd.  wurm  'Schlange,  Spinne  und  überhaupt  jedes  Kriechtier',  ags.  wyrm  "Drache, 
Schlange,  Kriechtier"  zu  lat.  vermis. 

Zedie  ,xn\\d. zedie,  ndd.ieke;  man  vergleicht  arm.  ^/z 'Zecke",  lit.  digiis  'stachlich,  scharf,  spitzig'. 

2.  ENTLEHNUNGEN. 
Alligator,  1594,  span.  el  lacerto;  —  Amphibie,  18.  Jh.,  gr.-lat.  amphibium,  mit 
beidlebig  verdeutscht;  —  Auster,  ahd.  aostar,  lat.  ostrea;  —  Basilisk,  mhd.  basiliske, 
gr.-lat.  basiliscus;  —  Dradie,  ahd.  tradio,  gr.-lat.  dräkon;  zunächst  als  Name  für  das 
römische  Feldzeichen  übernommen;  —  Garnele,  Garnat,  nd\.  garneel,  garnaat;  — 
Grille,  ahd.  grillo,  gr.-lat.  gryllus;  —  Infusorien,  verdeutscht  Aufgußtierdien.  1670  ent- 
deckt; —  Insekt,  1720,  lat.  insectum;  ■-  Kakerlak  'lichtscheue  Schabe",  über  ndl. 
kakkerlak  aus  dem  Südamerikanischen.  Jetzt  meist  auf  die  Albinos  übertragen;  —  Koralle, 
mhd.  koral(le)  zu  lat.-gr.  coralium;  —  Krake  'sagenhaftes  nordisches  Seeungeheuer', 
1775,  norweg.  krakfe;  —  Krokodil,  mhd.  kokodrille,  kokatrille,  gr.-lat.  crocodilus;  — 
Lazerte,  s^an.  lacerto;  —  Moskito,  span.  mosquito,  19.  Jh.;  —  Muschel,  ahd.  muskula, 
lat.  musculus;  Miesmuschel  ist  mit  Mies  'Moos"  zusammengesetzt;  —  Polyp,  erst  nhd., 
gr.-lat.  polypus:  —  Reptil,  19.  Jh.,  lat.  reptilis  'kriechend';  —  Salamander,  mhd.  Sala- 
mander, gr.-lat.  salamandra;  —  Skorpion,  ahd.  Skorpion,  gr.-lat.  scorpio;  —  Tarantel,. 
1676,  ital.  tarantola.  nach  der  Stadt  Tarent;  —  Viper,  mhd.  vipere,  lat.  vipera. 

§  125.    Rückblick.   Blicken  wir  nunmehr  zurück,   so  zeigt  es  sich,   daß 
unsere  Tierwelt  im   wesentlichen   mit  einheimischen  Worten    benannt   ist. 


§  125.  Rückblick.  §  126.  Die  Pflanzennamen.  §  127.  A.  Die  Bäume.  189 


Lehnworte  haben  sich  doch  nur  wenige  eingeschUchen.  Man  hat  aus  dem 
Vorhandensein  derartiger  Worte  im  Germanischen  und  Indogermanischen 
Schlüsse  auf  die  ursprüngHchen  Wohnsitze  gezogen.  In  der  Tat,  wäre  eine 
Anzahl  von  Tieren  nur  auf  einem  gewissen  Gebiet  verbreitet  und  könnten 
wir  die  Namen  dafür  in  der  Ursprache  nachweisen,  so  wären  derartige 
Schlüsse  berechtigt.  Es  gibt  einige  solche  Fälle,  siehe  oben  S.  188  und  ver- 
gleiche darüber  Hirt,  Die  Indogermanen  1,  187  ff.  Außerordentlich  viel  Aus- 
drücke sind  aber  noch  dunkel,  doch  wird  es  zweifellos  der  Forschung  noch 
gelingen,  einen  Teil  davon  zu  erklären. 

§  126.  Die  Pflanzennamen. 

Literatur:  Hoops,  Über  die  altenglischen  Pflanzennamen,  Freiburg  1889.  —  Hoops, 
Waldbäume  und  Kulturpflanzen  im  germanischen  Altertum,  Straßburg  1905.  —  BjöRKMAN, 
Die  Pflanzennamen  der  althochdeutschen  Glossen,  ZfdW.  2,  202  ff.;  3,  263;  6,  174.  —  Pritzel- 
Jessen,  Die  deutschen  Volksnamen  der  Pflanzen.  Neuer  Beitrag  zum  deutschen  Sprachschatze. 
Aus  allen  Mundarten  und  Zeiten  zusammengestellt.  Hannover  1882.  Reichhaltig,  aber  mit  Vor- 
sicht zu  benutzen.  —  R.  Löwe,  Germanische  Pflanzennamen.  Etymologische  Untersuchungen 
vCodx  Hirsdibeere,  Hindebeere,  Rehbockbeere  und  ihre  Verwandten  (Auch  u.d.T.  Germanistische 
Bibliothek,  IL  Abteilung,  6,  Band),  Heidelberg  1913.  —  Heinrich  Marzell,  Die  Tiere  in 
deutschen  Pflanzennamen.  Ein  botanischer  Beitrag  zum  deutschen  Sprachschatze,  Heidel- 
berg 1913.  Mit  einem  reichhaltigen  Verzeichnis  der  Literatur  über  Pflanzennamen. 

Das  Gebiet  der  Pflanzennamen  ist  fast  noch  umfänglicher  als  das  der 
Tiernamen  und  auch  nicht  annähernd  zu  erschöpfen.  Wir  geben  denn  auch 
nur  eine  Auswahl  und  teilen  den  Stoff  in  folgende  Unterabteilungen:  A.  Die 
Bäume;  B.  Die  Kulturpflanzen;  C.  Sonstige  Plauzen. 

§  127.  A.  Die  Bäume.  Fast  für  alle  in  Nordeuropa  einheimischen  Baum- 
namen haben  wir  nicht  nur  die  gleichen  Ausdrücke  in  allen  germanischen 
Sprachen,  sondern  auch  die  verwandten  Sprachen  bieten  Entsprechendes. 
Man  schließt  daraus  mit  Recht,  daß  die  Urheimat  der  Germanen  und  Indo- 
germanen in  einer  Gegend  gelegen  haben  muß,  die  über  einen  reichen  Baum- 
bestand verfügte,  der  im  wesentlichen  aus  den  nordeuropäischen  Bäumen 
bestand.  Allerdings  kehren  die  meisten  Ausdrücke  nicht  im  Indischen  wieder, 
und  darauf  hat  man  früher  großes  Gewicht  gelegt.  Die  Flora  dieses  Landes 
aber,  das  hätte  man  bedenken  sollen,  weicht  so  sehr  von  der  Nordeuropas 
ab,  daß  das  nicht  wundernehmen  kann.  Auch  die  südeuropäischen  Sprachen 
Griechisch  und  Lateinisch  versagen  des  öftern  bei  der  Vergleichung.  Es 
gilt  dafür  derselbe  Grund. 

Als  eine  auffallende  Erscheinung  tritt  uns  außerdem  der  häufige  Wechsel 
der  Bedeutung  bei  den  Baumnamen  entgegen,  und  zwar  finden  sich  dabei 
ganz  merkwürdige  Sprünge.  Wie  das  zu  erklären,  ist  noch  nicht  genügend 
aufgehellt;  ich  kann  es  mir  kaum  anders  vorstellen,  als  daß  —  eine  Folge 
der  Wanderungen  —  die  Bezeichnung  eines  bestimmten  Baumes  zur  all- 
gemeinen Bezeichnung  für  Baum  wird  und  später  wieder  eine  Speziali- 
sierung eintritt.  Vergleiche  weiter  unten  etwas  Ähnliches  bei  den  Ausdrücken 
für  Getreidearten. 


190         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


1.  INDOGERMANISCHE  UND  ALTGHRMANISCHE  BESTANDTEILE. 

Ahorn,  ahd.  ahorn,  lat.  acer. 

Apfel,  ahd.  apful.  c.  apple,  ir.  aball,  itball.  lit.  obuolas,  ahg.  jubln ko  'Apfel';  ein  uraltes, 
jedenfalls  nicht  entlehntes  Wort. 

Arve,  Schweiz.,   16.  Jh.,  vielleicht  zu  mhd.  arf  'Wurfspieß'. 

Baum,  ahd.  boiim,  c.  beam,  vielleicht  zu  gr.  qv/ia  {phSima)  'üevkrächs';  unsicher. 

Birke ,  ahd.biridia,  e.birdi,  Ut.berzas,  russ.beräza,  aind.  bhfirjas;  dazu  lat  fraxinus'E%c\\c\ 

Biidie.  ahd.  buohha.  \a{.  fogus,  gr.  v  »;;■'''-•  {phipgös)  'Eiche';  während  man  frülier  den  Namen 
der  Buche  nur  in  diesen  drei  Sprachen  fand,  ist  neuerdings  der  Stamm  auch  im  Osten 
nachgewiesen;  man  stellt  dazu  kurdisch  buz  'Ulme',  abg.  bnzu  'Hollunder',  und  Ost- 
hoff hat,  Bezz.  Beitr.  29,  249,  gezeigt,  daß  der  Name  auch  in  einer  Reihe  von  Ab- 
leitungen steckt.   Dazu  Bartholomae  SB.  Heidelberg  1918,  1  ff. 

liberesdie,  erst  im  16.  Jh.,  vielleicht  Aberesdie  'falsche  Esche'. 

Eibe,  ahd.  iwa,  t.yew  zu  preuß.  iuwis  'Eibe',  Wt  jievü  'Faulbaum',  abg.  iva  'Weide',  kymr. 
yw  'Eibe';  Weiteres  bei  LiDiiN,  Idg.  Forsch.  18,502. 

Ei  die,  ahd.  eih,  e.  oak  zu  gr.  uiyi-).iorp  (aigi-lops)  'Eichenart  mit  süßen  Früchten',  lat.  aes- 
culus 'Bergeiche'. 

Erle,  ahd.  erila  (umgestellt  aus  elira,  noch  ndd.  Eller),  Else  zu  lat.  alnus,  ahg.  j'elidia  'Erle'. 

Esdie,ahd.asc,  e.  ash  zu  abg.  Jasika,  Vit.  üosis,  lat.or««s 'wilde  Bergesche', gr.')^r;/  (oxyie)  'Buche'. 

Espe,  ahd.  aspa,  c.  asp  zu  lit.  apusis,  abg.  osina  'Espe',  gr.  «o.tj>/,-  (äspris),  aango;  (äspros) 
'eine  fruchtlose  Eichenart". 

Eidite,  ahd.  fiuhta  zu  gx.  :itvy.)]  (peiiku-). 

Eölire,  ahd.  forafia,  c.  fir  (aus  dem  Dänischen)  zu  lat.  quercus  aus  '"perquos  'Eiche',  dazu 
vielleicht  auch  a\nd.  parkatih  "ficus  religiosa';  die  Bedeutung  'Eiche'  liegt  auf  deutschem 
Boden  noch  vor  in  \angob.  fereha  'aesculus';  vgl.  noch  HOOPS,  Waldbäume  119. 

Hasel,  ahd.  hasala,  e.  Iiazel  zu  lat.  corylus,  air.  coli  'Hasel'. 

Heister  'junge  Buche',  mhd.  heisrer,  entlehnt  frz.  hetre  zum  lai.  silva  Caesia,  andd.  Hesiwald. 

Herlitze,  ahd.  arlizbourr,  vielleicht  zu  Erle. 

Holunder,  ahd.  holuntar  zu  russ.  kalina  "wilder  Schneeball'  u.  a. 

Kiefer,  aus  Kienföhre,  zu  ahd.  kien,  ags.  cen  'Kiefer,  Fichte';  unerklärt. 

Lehne,  Lenne,  zu  anord.  hlynr  und  abg.  klenu  'Ahorn". 

Linde,  ahd.  linta,  e.  lind  zu  gr.  fJ.üt»}  {eldt<e)  'Fichte,  Weißlanne',  lit.  lentü  'Brett'. 

/düster,  air.  ruai/n  'betula  alnus'. 

Sdilehe,  ahd.  sleha,  t.  sloe,  unerklärt;  ahg.  sliva  'Pflaume'  ist  wohl  entlehnt. 

Tanne,  ahd.  tanna  'Tanne'  zu  aind.  dhänvan-  'Bogen'?;  vgl.  HooPS  a.  a.  O.  115;  ursprüng- 
liche Bedeutung  unsicher. 

Ulme,  dafür  ahd.  elmboum,  das  echfdeutsche  Wort,  das  zu  lat.  ulmus  im  Ablaut  steht. 

Wadiolder,  ahd.  wehhaltar;  unerklärt. 

Für  Weide  gibt   es   sogar   mehrere  Gleichungen,   nämlich  ahd.  wida,   gr.  hea  {itea) 

und  mit  Ablaut  olaia  (oisya),   \ai.  vitex,   awest.  vaeti-,   \H.  vitis  'Weidenrute';    —    d.  Sal- 
weide, ahd.  salaha  zu  lat.  salix;   —   e.  willow  zu  gr.  elixtj  {helikce);  —  Eelber,  ahd. 

felawa  'Weide'  zu  osset.  färw,  farwe  'Erle'. 

Der  am  weitesten  verbreitete  indogermanische  Baumname  steckt  noch  in  e.  tree  'Baum' 

(dazu  d.  Teer,  e.  tar),  gotisch  erhalten  in  triu  n.  'Baum';    es  gehört  zu  a\nd.  däru,  dru- 

'Holz',  drumäh  'Baum',   drunam  'Bogen';   awest.  darav-  'Holz",   alban.  dru  'Holz,  Baum'; 

abg.  dr'evo  'Baum,  Holz',  russ.  derevo  'Baum';  lit.  dervä  'Kienholz',  lett.  darwa  'Teer';  agall. 

Dervum,  Ortsname,  'Eichenwald',  bret.  kymr.  derwen  'Eichen',  air.  dair  'Eiche',  kymr.  körn. 

dar  'Eiche';  gx.  ööm-  (döry)  'Speer',  öov;  (drys)  'Eiche';  xr\aktd.  dägv/./.o^-  {ddryllos) 'Eicht'. 

Über  die  ganze  Sippe  vgl.  Osthoff,  Etymologische  Parerga  1,  102.    Die  Grundbedeutung 

wird  'Eiche'  gewesen  sein.   Dazu  gehört  auch  Hartriegel,  ahd.  liart-trugiL 

Anmerkung.  Nach  den  Ausführungen  Osthoffs  a.  a.  O.  ist  die  ganze  Sippe  sehr 

verzweigt,  und  sie  liegt  auch  mehrfach  in  übertragener  Bedeutung  vor,  vor  allem  in  treu. 


§  127.  A.  Die  Bäume.  191 


ahd.  giiriuwi,  got.  triggws,  e.  triie  'wahr',  vielleicht  aber  auch  in  trauen,  Trost  und  vielen 
Worten  andrer  Sprachen.  Vgl.  auch  noch  P.  Waglef^,  Die  Eiche  in  alter  und  neuer  Zeit, 
Gymnasialprogr.,  Würzen  1891;  2.  Teil  in  Berliner  Studien  für  klass,  Philol.  und  Archäol.  13. 

Ein  andres  Wort  für  'Baum'  ist  noch  in  Wiedehopf  erhalten,  ahd.  wituhopfo,  eig. 
'Waldhüpfer',  zu  ahd.  w/V« 'Holz',  e.  tcoor/ 'Gehölz',  air. //rf 'Baum',  sowie  \x\  Kramtsvogel, 
zsg.  mit  ahd.  kranawitu  'Wacholder'. 

Ferner  gehen  aber  auch  die  Bezeichnungen  für  Wald,  Holz  usw.  in 
das  Indogermanische  zurück. 

Dem  mhd.  loh,  noch  erhalten  in  Water  loo.  Hohen  lohe  usw.,  entspricht  lat.  lücus;  — 
unser  Wald,  ahd.  wald,  e.  wold  kehrt  in  aind.  vatah  'Garten,  Bezirk',  vdti  'Baumgarten' 
wieder  (/  aus  It).  Dazu  auch  vielleicht  gx.  a).aog  (älsos)  'Hain'  aus  *waltJos;  —  Holz, 
ahd.  holz,  e.  holt,  gr.  y./.ddo^  {kiddos)  'Zweig';  —  Forst,  ahd.  forst  kann  Lehnwort,  aber 
auch  alt  sein,  siehe  Weigand. 

Dazu  kommen  eine  Reihe  andrer  Ausdrücke: 

Ast,  ahd.  ast,  got.  asts,  gr.  (i^og  {özos),  arm.  ost;  —  Blatt,  ahd.  blat,  e.  ölade  'Blätt- 
chen, Strohhalm',  vielleicht  wurzelverwandt  mit  \a\.  folium  'Blatt';  —  Borke,  aus  dem 
Niederdeutschen,  anord.  börkr,  e.  bark  'Rinde';  vielleicht  im  Ablaut  zu  Birke;  —  Laub, 
ahd.  loiib,  e.  leaf,  got.  laiifs  wohl  zu  lit.  Ifipas;  —  Rinde,  ahd.  rinta  'Baumrinde,  Kruste', 
t.rind,  daneben  dial.hess.ra«cf^  mit  Ablaut;  —  Reis,  ahd. /zns 'Zweig',  unerklärt;  —  Stamm, 
ahd.  stam,  e.stem  zu  stehen;  —  Straudi,  mhd.  strndi,  ndl.  struik.  Wohl  zu  Strunk,  md. 
Strunk;  —  Zweig,  ahd. zwig,  e.twig;  jedenfalls  Ableitung  von  zwei,  aber  wohl  nicht  jung. 

Auch  für  die  Früchte  sowie  Erzeugnisse  der  Bäume  gibt  es  alte 
Gleichungen,  natürlich  soweit  man  jene  wirtschaftlich  verwendete: 

Bast,  mhd.  hast,  e.  hast,  dazu  mit  Ablaut  ahd.  Z;i/05/"Baststrick',  vielleicht  zu  lat.  fascia 
'Bmdt\  fascis  'Bund,  Bündel,  Paket'.  —  Edier,  mhd.  edier(n)  'Frucht  der  Eiche  oder  Buche', 
e.  acorn  'Eichel',  got,  akran  schlechtweg  'Frucht'  zu  kymr.  aeron  'Früchte'.  —  Eidiel,  ahd. 
eihhila;  die  Erklärung,  daß  Eidiel  Verkleinerungswort  zu  Eidie  sei,  ist  schwerlich  richtig; 
eher  vielleicht  infolge  Silbendissimilation  aus  *aiki-kila  und  letzteres  zu  lit.  gile,  abg.  zeladi, 
lai.  glans,  gx.ßu/.avog  (bälanos).  —  Harz,  ahd.  harz,  auch  harzuh,  vielleicht  stammverwandt 
mit  gr.  y.t]o6g  (kcerös)  'Wachs'.  —  Hutzel  'getrocknete  Birne',  mhd.  hutzel.  —  Kitt,  ahd. 
quiti,  kuti  'Leim',  ae.  cwidu  'Harz',  lat.  bitamen  (aus  dem  Umbrisch-Oskischen),  aind.  jf(//« 
'Lack,  Gummi",  npers.  zad  'Gummi'.  —  Laufet  f.  'die  äußere  (grüne)  Schale  mancher 
Bay;nfrüchte',  ahd.  louft,  wohl  urverwandt  mit  glbd.  tschech.  poln.  lupina,  lit,  lupinal  'Ob- 
schalen'.  —  Nuß,  ahd.  nus,  ags.  hnutu.  e.  nut  zu  air.  knü,  lat.  nux;  letzteres  weist  auf 
'■^dnuk,  das  germanisch-keltische  Wort  auf  *knud.  —  Teer,  aus  dem  Niederdeutschen,  ndl. 
teer,  e.  tar,  obd.  eigentlich  Zehr,  gehört  zu  got.  triu  'Baum',  e.  free. 

2,  LEHNWORTE 

sind  auf  diesem  Begriffsgebiet  nicht  gerade  häufig.  Vor  allem  kamen  im  wesent- 
lichen schon  durch  die  Römer  die  südlichen  Obstbäume  mit  ihren  Früchten. 
Abele  'Pappel',  mnd.  abele  aus  afrz.  aubel,  lat.  albellus.  —  Ammer,  Amarelle , 
Wal.  amarisca  'Weichselkirsche'.  —  Birne,  ahd.  bira  aus  xom.  pera;  die  Entlehnung  muß 
spät  sein,  nachdem  die  Verschiebung  von  p  zu  pf  vorüber  war,  und  das  ist  einigermaßen 
auffällig.  —  Budisbaum,  ahd.  budisboum  aus  rom.  buxus,  gr.  .ti'^o.,-  (pyxos).  —  Busdi, 
ahd.  -busk,  e.  bush,  mlat.  buscus.  —  Ebenholz,  mhd.  ebboum,  ebenus  aus  lat.  ebenus.  — 
Feige,  ahd.  flga  aus  xom.  figa  [lat.  ficus).  —  Forst,  ahd.  forst  aus  xnlat.  forestis;  wird 
auch  als  echt  deutsch  angesehen,  was  aber  weniger  wahrscheinlich  ist.  —  Kastanie, 
ahd.  kestinna,  t.  chestnut,  aus  lat.  castanea;  unsere  Form  beruht  auf  neuer  Entlehnung,  auf 
alter  obd.  Kästen.  —  Kirsdie,  ahd.  kirsa  aus  lat.  ceresia.  —  Kriedie  'Pflaumenschlehe', 
ahd.  kriehboum,  eigentlich  'die  Griechische'.  —  Kornellkirsdie,  ahd.  kornulboum  aus 
lat.cornus. —  Lärdie,  xnhd.  lerdie  aus  lat.  lariceni.  —  Lorbeer,  ahd.  lorberi,  zusammen- 


192         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

fjesetzt  aus  lor  --  lat.  lauriis  und  beri  'lieerc'.  —  Mandel,  ahd.  mandala,  aus  vulgärlat. 
amandnlo,  einer  Umgestaltung  von  gi.anvy&ä).ii  (amy^diild).  —  Maulbeere,  ahd.  murb^ri; 
niiir  aus  \a{.  mi>nim  'Maulbeere'.  —  Mispel,  ahd.  mespila  aus  \at.  mespilum.  —  Pappel, 
mhö.  papel  aus  \a{. poptiliis.  --  Pfirsidi,  m\\d. pfersih  aus  \a\.  prrsiciim,  vulgärlat. /J^rs/ca; 
wenngleich  das  Wort  althochdeutsch  nicht  belegt  ist,  muß  es  doch  schon  früh  entlehnt  sein, 
<la  es  die  Lautverschiebung  mitgemacht  hat.  —  Pflaume,  mhd.  p/liime,  ahd.  p/mma  aus 
\at.  pntnurn.  —  Quitte,  mhd.  quiten,  ahd.  kutina  aus  mlal.  cidonia,  \at.  cydonia,  von  der 
Stadt  Kydon  auf  Kreta.  —  Ulme,  mhd.  ulmboum  aus  lat.  ulmus.  —  Wallnuß,  aus  dem 
N'iederdeutschen.  ndl.  walnoot  'welsche  Nuü';  im  13.  Jahrhundert.  —  Zwetsdie,  Quetsdie, 
im  Mittelalter  aus  davascena  für  damascena  "Pflaume  von  Damaskus'.  —  Zypresse, 
mhd.  cipress  aus  ital.  cipresso;  ahd.  kupfirboum. 

^  128.  Schlußfolgerungen.  In  den  meisten  Fällen  lassen  sich,  wie  wir 
«^'esehen  haben,  die  deutschen  Baumnanien  bis  in  die  verwandten  Sprachen 
hinein  verfolgen.  Allerdings  versagt  hierbei,  wi^  längst  beobachtet  worden 
ist,  häufig  das  indische.  Aber  doch  nicht  in  dem  Maße,  wie  man  früher 
angenommen.  Bis  ins  Arische  hinein  gehen  Tanne,  aind.  dhänvan-  'Bogen', 
vgl.  Hoops,  Waldbäume  117;  der  Stamm  dem-,  e.  tree,  ai.  dam;  Föhre,  aind. 
parkati,  n'ind.  parg-ai  'Steineiche';  Birke,  aind.  bhurjah;  Weide,  awest. 
vaeti-;ah6.felawa,ossel/ärw;Budie,kuTd.buz'\J\me';Wald,am6.vafa-ü.a. 

Durch  diese  Gleichungen  läßt  sich  die  Urheimat  der  Germanen  und 
Indogermanen  ziemlich  gut  bestimmen.  Denn  die  Bäume  kommen  nicht 
überall  vor,  vor  allem  nicht  überall  in  dieser  Fülle  verschiedener  Arten. 
Besonders  wichtig  ist  die  Buche,  die  wegen  klimatischer  Verhältnisse  nicht 
über  eine  Linie,  die  von  Königsberg  nach  der  Krim  geht,  hinausreicht. 
Westwärts  dieser  Linie  muß  die  Urheimat  gelegen  haben. 

Die  treue  Erhaltung  der  Baumnamen  erklärt  sich  aus  der  wirtschaftlichen 
Verwendung.  Man  kannte  die  Eigenschaft  jedes  Holzes  ganz  genau,  und 
wenn  wir  Großstädter  sie  nicht  mehr  kennen,  der  Bauer,  der  Tischler,  der  Stell- 
macher, der  Bötticher  usw.  wissen  genau,  welches  Holz  sie  anzuwenden  haben. 

Zahlreich  sind  denn  auch  die  Fälle,  in  denen  in  den  indogermanischen 
Sprachen  Gegenstände  nach  dem  Holz  benannt  sind,  aus  dem  sie  gefertigt  sind. 

As  dl  (in  Asdikudien)  bedeutet  noch  ostmitteldeutsch  ein  tiefes  topfartiges  Gefäß, 
während  an.  as^r 'Schiff  heißt.  Beide  gehören  zu  Esdie.  —  Der  Name  Eibensdiütz  weist 
darauf,  daß  mhd.  iwe,  Eibe  in  die  Bedeutung  'Bogen'  übergegangen  war,  vgl.  auch  gr.  tö^ov 
(töxon)  zu  lat.  taxus.  —  baudien,  baudien,  nd.  büken  'Wäsche  einweichen',  hat  Osthoff 
zu  Bitdie  gestellt,  indem  er  die  Bedeutungsentwicklung  Buche  >  buchenes  Gefäß  annimmt. 
Vielleicht  gehört  auch  Bandi  hierher.  —  Sehr  häufig  werden  Wälder-  und  Gebirgsnamen 
von  Baumnamen  abgeleitet.  So  ist  das  alte  Bacenis  Silva  ein  Buchenwald.  Vgl.  ferner 
Eidiidit.  Büdiidit.  Die  anziehendste  Ableitung  dieser  Art  findet  sich  in  dem  alten  keltischen 
Namen  Hercynia  Silva,  das  dem  mhd.  Firgunt  entspricht,  und  zu  Föhre,  lat.  quercus  zu  stellen 
ist,  vgl.  Hirt,  Idg.  Forsch.  1,480,  und  weiter  gehört  hierher  lit.  Perkänas,  eig.  'der  Eichengott'. 

§  129.  B.  Kulturpflanzen.  Ackerbauausdrücke.  Die  ältere  Forschung  hat 
nicht  daran  gezweifelt,  den  Indogermanen  und  damit  auch  den  ältesten 
Germanen  die  Kenntnis  des  Ackerbaues  zuzusprechen,  weil  eine  Reihe  von 
Kulturpflanzen,  insbesondere  die  Getreidegräser,  in  verschiedenen  Sprachen 
übereinstimmend  benannt  sind.     Dazu  kommen  ebenso   einige   Ackerbau- 


§  128.  Schlussfolgerungen.  §  129.  B.  Kulturpflanzen.  Ackerbauausdrücke.     193 

ausdrücke.  V.  Hehn  aber  hatte  gegen  diese  Schlüsse  Einwände  erhoben, 
die  seinerzeit  tiefen  Eindruck  gemacht  haben.  Besonders  ist  Hehns  Ansicht 
dann  durch  die  Werke  O.  Schraders  verbreitet  worden.  Heute  haben  sich 
indessen  die  Anschauungen  wieder  gewendet.  Nachdem  ich  schon  vor  vielen 
Jahren  den  Indogermanen  den  Ackerbau  mit  Bestimmtheit  zugesprochen 
habe,  vgl.  Idg.  Forsch.  5,  395  ff.,  Jahrb.  für  Nationalökonomie  und  Statistik, 
3.  Folge,  Bd.  15,  456  ff.,  hat  sich  neuerdings  Hoops  in  weitangelegter  Unter- 
suchung meiner  Ansicht  angeschlossen,  vergleiche  seine  Waldbäume  und 
Kulturpflanzen  und  meine  Indogermanen.  Wollte  man  diese  Frage  aber 
auch  unentschieden  lassen,  so  stimmen  doch  alle  darin  überein,  daß  die 
Germanen  schon  in  der  Zeit,  als  sie  noch  auf  einem  kleinen  Gebiet  ver- 
einigt saßen,  den  Ackerbau  betrieben  haben,  wie  außer  andern  Zeugnissen 
die  allen  germanischen  Sprachen  gemeinsamen  Ausdrücke  für  die  wichtigsten 
Kulturpflanzen  und  die  Tätigkeiten  des  Ackerbaus  beweisen.  Allerdings  be- 
schränkte sich  der  Anbau  auf  einzelne  Früchte,  und  vieles  haben  die  Ger- 
manen erst  von  den  Römern  kennen  gelernt,  wie  die  Sprache  deuthch  zeigt. 

INDOGERMANISCHE  UND  GEMEINGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 

Amelmehl  'Kraftmehl',  zu  ahd.  amar  'Sommerdinkel'. 

Bohne,  ahd.  bona,  e.  bean;  unerklärt,  aber  wohl  alt,  da  die  Bohne  (sog.  Saubohne)  sehr 
früh  angebaut  ist. 

Dinkel  'Weizenart,  Spelz',  ahd.  dinkel,  vielleicht  mit  gr.  r/y//  (tiphce)  wurzelverwandt. 

Erbse  siehe  S.  135. 

Flachs;  der  Flachs  gehört  zu  den  uralten  Kulturgewächsen,  die  schon  in  den  Schweizer 
Pfahlbauten  angebaut  wurden.  Wir  haben  im  Deutschen  dafür  drei  Ausdrücke:  Lein, 
Haar,  Flachs.  Lein,  ahd.  lin  'Flachs,  Lein,  leinenes  Kleidungsstück',  got.  lein  zu  lat. 
linum,  gr.  Uvov  {linon),  abg.  linü,  lit.  linal;  das  deutsche  Wort  könnte  aus  dem  Latei- 
nischen stammen,  doch  ist  dies  nicht  wahrscheinlich;  —  Haar,  ahd.  haru,  anoid.  hörr; 
Herkunft  nicht  sicher  zu  bestimmen;  vielleicht  mit  Hede,  mndl  herde,  e.  hards  ver- 
wandt; —  Fladis,  ahd.  flahs,  t.flax;  Herkunft  unklar. 

Gerste,  ahd.  gersta,  ein  nur  deutsches  Wort,  zu  lat.  hordeum,  gr.  ;<fßdt]  [krithce);  —  t.bar- 
ley  'Gerste'  zu  got.  *bariz  'Gerste'  (erhalten  in  barizeins  'gersten'),  lat. /ar.  Bei  uns 
liegt  es  vor  in  Barn  'Krippe'. 

Hafer,  ahd.  habaro,  aschwed.  hafre,  hagre  und  daraus  entlehnt  finn.  kakra,  daher  Grund- 
form *kakro-,  das  vielleicht  zu  air.  coirce  'Hafer'  gehört. 

Hanf,  siehe  oben  S.  135. 

Hirse,  ahd.  hirsi,  hirso,  wohl  zu  lat.  Ceres  'Göttin  der  fruchttragenden  Erde'. 

Ji Offen,  ahd.  hopfo,  c.  hop.  Wohl  ein  echt  germanisches  Wort.  Die  v/irtschaftliche  Ver- 
wendung des  Hopfens  ist  aber  jung. 

Korn,  ahd.  körn,  e.  corn,  got.  kaum,  kaürnö  zu  \ai.  gramim,  ahg.zrnno  'Korn'. 

Kraut,  ahd.  krat  'Kraut,  Kohl',  asächs.  krüd;  vielleicht  zu  gr.  ßQvov  (bryon)  'Moos'. 

Mohn,  mhd.  mähen,  mägen,  ahd.  (mit  grammatischem  Wechsel)  mägo  zu  gv.  fti^y.cov (mcekön), 
abg.  makü,  apreuß.  moke. 

Möhre,  ahd.  mor(a)ha  'gelbe  Rübe',  e.  more;  verwandt  mit  glbd.  serb.  mrkva,  gr.  ßijdxavn 
{bräkana)  'wildwachsendes  Gemüse'. 

Roggen,  ahd.  roü^o,  t.  rye  (aus  *rugi)  zu  lit.  rugis  'Roggenkorn',  abg.  rüzl  'Roggen', 
thrak.  ßgi'ia  {briza),  vgl.  Hirt,  Indogermanen  2,  654. 

.Rübe,  ahd.  ruoba,  daneben  räba  (mit  Ablaut),  zu  lat.  rapa,  rdpum,  abg.  repa,  lit.  rdpe; 
Entlehnung  des  germanischen  Wortes  aus  dem  Lateinischen  ist  unmögUch. 

«Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  13 


194        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Spelt,  Spelz,  ahd.  spelta,  spelza,  e.  speit;  vgl.  darüber  HOOPS,  Waldbäumc  416  ff. 
Weizen,  ahd.  weizzi,  wei'ii,  e.  wheat,  got.  h'aiteis,  Ableitung  von  weiß. 

Dazu  kommen  eine  Reihe  von  Ausdrücken,  die  sich  auf  Eigentümlich- 
keiten der  Getreidepflanzen  beziehen: 

.Ahne  'Stenjjclsplittcr  von  Flachs  oder  Hanf,  ahd.  agana,  got.  ahana  'Spreu'  i gram- 
matischer Wechsel!)  zu  \a{.  agna  'Ährcnstachel',  gr.  ä/»//  [<ikhn<f)  Spreu',  apreuß.  flf*on5 
'Granne'.  —  Ähre,  ahd.  ahir,  ehir,  e.  ear,  got.  ahs  'Ähre'  zu  lat.  aciis  'Getreidestachel'.  — 
Garbe,  ^\\(^.  garba,  ai.  ^roMa/* 'Handvoll'.  —  Halm,  ah6.  haim  'Gras-,  Getreidestengel', 
e.  halm  zu  lat.  culmiis,  gr.  y.nkuno^  (kälamos),  abg.  slania.  —  Kaff,  mhd.  kaf,  e.  chaff  zu 
ahd.  kefa  'Hülse',  das  auch  Käfer  zugrunde  liegt.  —  Samen,  ahd.  samo  zu  lat.  semen, 
abg.  se nie ,  Vit.  sPmens.  —  Stroh,  äh6.  stnio,  c.  stniw  zu  lat.  stramen    Stroh'. 

Die  Ausdrücke  für  die  wichtigsten  Kulturpflanzen  gehen,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  über  die  germanische  Zeit  hinaus,  und  dadurch  wird  das 
Vorhandensein  eines  Ackerbaues  in  alter  Zeit  äußerst  wahrscheinlich.  Die 
Sprache  bestätigt  diese  Annahme  weiter  dadurch,  daß  eine  Reihe  über- 
einstimmender Ausdrücke  für  Ackerbau  und  für  Ackerbaugeräte  in  den 
indogermanischen  Sprachen  vorhanden  sind: 

Adier,  ahd.  ackar,  c.  acre,  got.  akrs  zu  \at.  ager,  gT.dyoös  (agrös);  das  Wort  bedeutet 
überall  'Acker',  nur  im  Altindischen  heißt  äjrafi  'Flur';  die  gleiche  Bedeutung  in  den  west- 
lichen Sprachen  kann  nicht  auf  Zufall  beruhen;  die  Annahme,  daß  das  Indische  in  der  Be- 
deutung ausgewichen,  ist  sehr  einfach.  —  Art  'gepflügtes  Feld',  namentlich  in  Artadier, 
Artfeld,  Artland,  ahd.  a/-/ 'Bepflügung'.  mhd.  rtr/"Art' von  ahd.  enWi 'pflügen' und  dies 
zu  lat.  arare,  gr.  uoöeiv  [aröen);  das  Wort  für  'Pflug',  lat.  aratrum,  gr.  ägotgov  (ärotron), 
liegt  noch  in  anord.  ardr  vor.  —  F^gge,  ahd.  egida  zu  lat.  occa  aus  *oteka,.  körn,  oket, 
lit.  akdcos  'Egge',  gr.  ö-inj  {oximc)  (bei  Hesych).  —  Ernte,  ahd.  aran  'Ernte',  got.  asans 
•Ernte,  Herbst'  (grammatischer  Wechsel!)  zu  ahg.jesem  'Herbst',  apreuß.  assanis.  —  Esdi 
'Ortsflur',  ahd.  ej^isk,  got.  atisk  'Saatfeld',  vielleicht  zu  lat.  ador  'Spelt'.  —  Feld,  ahd.  feld, 
e.fieldzü  aind.  prthiui  'Erde'.  —  Fiirdie,  ahd.  für uh  'Furche',  z.  furrow  zu  \ai.  porca 
'Ackerbeet',  armen,  herk  'frisch  geackertes  Brachland',  kymr.  rhydi,  air.  redi  'Furche'.  — 
mähen,  ahd.  maen,  e.  to  moiz'  zu  gr.  äftätiv  (amäen)  'mähen',  d.  Mahd  —  gr.  a/o/roc  {ämcetos). 
—  Pflug,  ahd.  pfluog,  c.  ploiigh;  dies  Wort  ist  oft  besprochen  worden;  neuerdings  hat 
Meringer,  Idg.  Forsch.  18,  244  wahrscheinlich  gemacht,  daß  wir  es  mit  einem  alten,  echt 
germanischen  Wort  zu  tun  haben;  das  Altnordische  hat  noch  ardr  (siehe  oben  unter  Art), 
das  Altenglische  sulh  —  lat.  sulcus  'Furche',  das  Gotische  höha.  —  reuten  (roden),  ab- 
geleitet von  ahd.  riuti  'durch  Roden  urbar  gemachtes  Land";  dies  entspricht  genau  awest. 
raodja,  raoidja  'urbar  zu  machen'. 

§  130.  Schlußfolgerungen.  Auch  hier  folgt  aus  den  Tatsachen  der  Sprache 
ganz  unweigerlich,  daß  die  Indogermanen  den  Ackerbau  mit  den  wichtigsten 
Kulturpflanzen  nebst  Pflug  und  Wagen  kannten.  Hat  man  sich  einmal  zu 
der  Ansicht  durchgerungen,  daß  der  Ackerbau  schon  in  indogermanischer 
Zeit  die  Grundlage  der  Wirtschaft  bildete,  so  wird  man  nicht  zweifeln,  daß- 
sich  in  der  Sprache  noch  sehr  viel  mehr  Spuren  dieser  Tätigkeit  nachweisen 
lassen.  Meringer  hat,  Idg.  Forsch.  16, 180,  gezeigt,  daß  sich  die  Wurzel  *wen^ 
die  in  wohnen,  Wonne,  gewinnen,  lat.  veniis  u.  a.  vorliegt,  auf  den 
Ackerbau  bezieht,  d.  h.  daß  sich  die  mannigfach  verzweigte  Bedeutungs- 
entwicklung dieser  Basis  aus  der  von  'ackern'  erklären  läßt  (siehe  unten 
§  188).  In  ähnlicher  Weise  hat  er  dies  für  üben,  ahd.  uoben  wahrscheinlich 


§  130.  Schlussfolgerungen.  §  131.  Kulturpflanzen,  Entlehnungen.        195 

gemacht.  Man  kann  die  indogermanische  Basis  *bhewä,  gr.  cpvoi  (phyö),  lat. 
fui  hinzufügen.  So  haben  wir  im  Indischen  bhus-  'tätig  sein,  sich  bemühen', 
bhüman-  n.  'Erde'  und  im.  Deutschen  bauen,  ahd.  buan  'pflanzen,  bauen,  be- 
bauen, wohnen,  bewohnen', ßa//^/',derßaM.  Weitern  Stoff  geben  wir  weiter  unten. 

§  131.  Kulturpflanzen,  Entlehnungen.  Wir  sind  schon  unter  den  oben 
besprochenen  Ausdrücken  für  Kulturpflanzen  einigen  begegnet,  für  die  man 
mit  großer  Wahrscheinlichkeit  frühzeitige  Entlehnung  annimmt.  Aber  der 
Hauptstrom  fremder  Pflanzen,  namentlich  von  Gemüsepflanzen,  kommt  erst 
mit  der  Römerzeit. 

Beete,  aus  dem  Niederdeutschen,  ahd.  ^^30  aus  lat.  bi'ta;  —  Eppich,  ahd.  ephih 
aus  lat.  apiiim;  —  Fendi  'Art  wilder  Hirse',  ahd.  pfenih  aus  mlat.  panicium  von  pänicum;  — 
Fencfiel,  ahd.  fenahhal,  t.  fennel  aus  lat.  feniculum,  foeniculum;  —  Kappes,  ahd.  kabu-^ 
aus  ital.  capuccio  von  lat.  caput;  —  Kerbel,  ahd.  kerfela,  e.  diervil  aus  lat.  caerifolium;  — 
Kichererbse,  ahd.  kidierra  aus  lat.  cicer;  —  Kohl,  ahd.  kol,  koli,  e.  cole  aus  lat.  caulis;  — 
Kümmel,  ahd.  kumil  aus  lat.  cuminum;  —  Kürbis,  ahd.  kurbi^  aus  lat.  Cucurbita;  — 
Linse,  ahd.  linsi(n);  die  unmittelbare  Entlehnung  aus  lat.  lens  ist  nicht  sicher;  —  Minze, 
ahd.  minza,  e.  mint  aus  lat.  mentCh)a\  —  Pfebe,  ahd.  pfedemo,  gr.-lat.  pepo;  —  Pfeffer, 
ahd.  pfeffar,  t.  pepper  aus  \ai.piper;  —  Pflanze,  ahd. pflanza,  e. plant  aus  latplanta;  — 
Pilz,  ahd.  buli-^  aus  lat.  boletus;  —  Quendel,  ahd.  quenala  aus  lat.  conila  'Thymian'?;  — 
Rettidi,  ahd.  retih,  ratih  aus  lat.  radic(emj;  —  Senf,  ahd.  senaf,  got.  sinap  aus  gr.-lat. 
sinäpi;  —  Widie ,  ahd.  wicka  aus  lat.  vicia. 

Unter  den  neu  angebauten  Kulturpflanzen  ist  dann  aber  vor  allem  der 
Wein  zu  nennen.  Dem  Wort  selbst,  ahd.  win,  e.  wine,  got.  wein,  kann 
man  die  Entlehnung  aus  lat.  viniim  freiHch  nicht  ansehen.  Was  aber  die 
Entlehnung  außer  anderm  sicher  macht,  ist  der  Umstand,  daß  fast  alle 
Ausdrücke,  die  sich  auf  den  Weinbau  und  die  Weinbereitung  beziehen,  ent- 
lehnt sind.  Dazu  kommen  eine  Reihe  von  Gefäßnamen  und  sonstigen  Aus- 
drücken, die  höchst  wahrscheinlich  auch  damit  zusammenhängen. 

B edier,  ahd.  behhar,  behhari  aus  mlat.  biccarium;  —  Essig,  ahd.  e^^ih,  got.  akeit  aus 
lat.  acetum;  —  Flasche,  ahd.  flaska,  e.  flask  aus  mlat  flasca;  —  Kelch,  ahd.  kelih  aus 
lat.  calic(em);  —  Kelter,  ahd.  kalktura  aus  lat.  calcätära;  —  Kufe,  ahd.  kuofa,  e.  coop 
aus  mlat.  cöpa,  Nebenform  zu  cüpa'YaW;  dazu  Kübel,  mhd.  kübel,  mlat.  cupellus ;  — 
Läget,  ahd.  lägilla  aus  lat.  lagena;  —  mischen,  ahd.  miskan,  e.  to  mix  aus  lat.  miscere; 
kann  auch  urverwandt  sein;  —  Most,  ahd.  most,  e.  must  aus  lat.  mustum  'Most';  — 
Ohm,  mhd.  dme,  öme,  e.  awm  aus  mlat.  ama  'Gefäß,  Weinmaß';  —  Pedi,  ahd. peh,  beh, 
e. pitdi  aus  lat. picem;  —  pflücken,  mhd. pflücken,  e.  to  pluck  aus  vulgärlat.  *piluccare, 
ital.  piluccare  'Trauben  abbeeren';  —  Presse,  ahd.  pressa,  pfressa  'Weinkelter'  zu  lat. 
pressure;  —  sauber,  ahd.  siibar  aus  lat.  sobrius;  —  Torkel  'Kelter',  ahd.  torkula  aus 
lat.  torculum;  —  Trichter,  mhd.  trihter,  ahd.  trahtari  aus  mlat.  tractarius  'Trichter';  — 
Winzer,  ahd.  winzuril  aus  lat.  vinitör(em). 

Die  überlegenere  römische  Landwirtschaft  brachte  den  Deutschen  weiter 
eine  Reihe  von  Geräten,  die  diese  mit  den  Namen  dafür  übernahmen. 

Flegel  (Dresdi-),  ahd.  flegil,  e.  flau  aus  lat.  flagellum,  um  400  n.  Chr.  'Dresch- 
flegel'; —  Forke,  ahd.  furka,  t.  fork  ans  lat.  furca;  —  Sidiel.  ahd.  sihhila,  t.  sidile  aus 
lat.  secuta;  —  Stiel,  ahd.  stil  'Handhabe,  Pflanzenstengel,  Hakengerät'  aus  lat.  stilus;  — 
Stoppel,  ahd.  stupfala  aus  mlat.  stupula  für  stipula  'Halm,  Stroh,  Stoppel';  —  Wanne, 
ahd.  wanna  'Getreide-,  Futterschwinge'  aus  lat.  vannus;  nicht  sicher,  kann  auch  urverwandt  sein. 

Weitere  Entlehnungen  an  Kulturpflanzen  kommen  dann  in  den  folgenden 

13* 


196         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Jahrliunderten  zu  uns,  zum  Teil  mehr  durch  gelehrte  Vermittlung.  In  den 
Klostergärten  baute  man  Heil-  und  Würzpflanzen,  aber  auch  Blumen. 

Aglei,  Akelei,  ahd.  agaleia,  ailieleia  aus  \ia\.  aquilegia;  —  Alant,  ahd.  alant  aus 
vulgärlat.  ala;  —  Althee  aus  lat.-gr.  olthaca  'Heilkraut';  —  Anis,  spätmhd.  anis,  enis  aus 
gr.-lat.  anisiim;  —  Attidi,  ahd.  atah,  atnh  aus  \ai.  acte,  gT.uy.Tr/  'Holunderbaum';  — 
Baldrian,  mhd.  baldrian  aus  mlat.  Valeriana;  —  Bertram,  ahd.  berhtram  umgedeutet 
aus  \at-gT.  pyretfiriim;  —  Betonie,  ahd.  betonia  aus  \a{.  beionica,  umgestaltet  Batengel; 
—  Binetsiii  'Spinat',  friihneuhochdeutsch,  aus  \\a\.  spinaccio  'Spinat';  —  Borretsdi, 
mhd.,  ital.  borragine;  —  Bürzel,  ahd.  burzela  aus  \at.  portuläca;  —  Eibisdi,  ahd.  ibiska 
aus  lat.-gr.  ibiscum;  —  Ebritz,  1482  eberitz,  gr.-lat.  abrotonum;  —  Enzian,  ahd.  enzian, 
lat.  gentiana;  —  Faseole,  mhd. phasol,  gx.AaX.  phaseolits;  —  Galgant,  ahd.  galgan,  mlat. 
galanga;  —  Gamander,  mhd.  gamandre  aus  ital.  calamandrea;  —  Günsel,  ahd.  kunsele, 
m\a{.  consolida;  —  Kamille,  mhd.  kamille  aus  \{a\.  camomilla;  —  Karde,  ahd.  karto, 
karta,  lat.  Carduus  'Distel'.  Davon  Kardätsche;  —  Lattidi,  ahd.  lattuh  aus  lat.  lactüca;  — 
Lattidi,  Huf  lattidi,  spätahd.  hafleticha,  lat.  lapath(i)um;  —  Lavendel,  mhd.  lavendel 
aus  mlat.  lavendula;  —  Liebstödiel,  ahd.  lubistediil,  durch  Umdeutung  aus  lat.  lubisticum 
für  ligusticum;  —  Lilie,  ahd.  lilj'a  aus  \at.  lilium;  —  Loldi,  ahd.  lolli,  mhd.  luldie  aus 
\a\.  lolium;  —  Majoran,  s^äiahd.  maiolan  aus  \a\.  amaracus;  —  Odermennig,  mhd. 
odermenie  aus  \a{.  agrimonia;  —  Osterluzei,  mhd.  osterlucie  aus  mlat.  aristolocia:  — 
Pastinake,  ahd.  pestinak  aus  mlat.  pastinacum;  —  Petersilie,  ahd.  pedarsilli  aus 
m\at.  petrosilium;  —  Polei,  ahd.  polei,  poleia  aus  lat.  pükium;  —  Rausch,  mhd.rüschfe), 
lat.  rüscum;  —  desselben  Ursprungs  ist  Risch,  e.  rush;  —  Raute,  spätahd.  rfita  aus  lat. 
rata;  —  Rose,  ahd.  rosa  aus  lat.  rosa;  —  Salbei,  ahd.  salbeia  aus  \at.  salvia;  — 
Sdiarlei,  ahd.  skaraleia,  m\at.  sc laregia;  —  Thymian,  schon  got.  pymiama  'Räucher- 
werk' aus  lat.  thymiama;  —  Veilchen,  mhd.  viol  aus  \at.  viola;  —  Zwiebel,  ahd.  zwi- 
bollo  aus  lat.  cepula  unter  Anlehnung  an  Bolle. 

Zu  diesen  Kulturpflanzen  gesellen  sich  dann  in  neuerer  Zeit  die  zahl- 
losen Pflanzen  des  Orients  und  Amerikas,  deren  Namen  zum  Teil  in  der 
oben  S.  152  gegebenen  Übersicht  über  die  Fremdwörter  zu  finden  sind. 

Erwähnen  will  ich  hier:  Mais,  aus  dem  Amerikanischen,  dafür  auch  Welsdikorn;  — 
Kartoffel,  aus  ital.  tartufolo,  woher  auch  Trüffel;  daneben  Erdapfel,  Patate  aus  ital. 
s^an. patata;  —  Tomate,  aus  dem  Mexikanischen;  dafür  Liebes-,  Gold-,  Paradiesapfel, 
in  Österreich  auch  Paradeis. 

§  132.  C.  Sonstige  Pflanzen.  Die  Ausdrücke  für  die  übrigen  Pflanzen 
hier  vorzuführen,  erweist  sich  als  unmöglich.  Jeder  weiß  ja,  welche  über- 
wältigende Fülle  von  Verschiedenheiten  innerhalb  des  Deutschen  hier  besteht; 
vgl.  Prizel  und  Jessen,  Die  deutschen  Volksnamen  der  Pflanzen.  Immerhin 
kehren  doch  eine  Reihe  dieser  Namen  in  den  verwandten  Sprachen  wieder, 
andere  sind  gemeingermanisch  oder  nur  deutsch,  sehen  dabei  aber  so  alter- 
tümlich aus,  daß  man  ihnen  unbedenklich  ein  höheres  Alter  zuschreiben 
kann.  Die  Benennung  einer  Pflanze  hängt  natürlich  mit  dem  Interesse  zu- 
sammen, das  sie  erweckt.  In  alten  Zeiten,  wo  man  die  Pflanzen  vielfach 
zu  Heil-  oder  Zauberzwecken  benützte,  auch  mehr  wildwachsende  Pflanzen 
aß  als  heutzutage,  wird  daher  eine  genaue  Unterscheidung  nicht  gefehlt 
haben.  Aber  diese  Benennungen  hafteten  nicht  so  fest,  daß  sie  nicht  mit 
der  Zeit  durch  neue  hätten  ersetzt  werden  können.  Es  dringen  auch  Ent- 
lehnungen ein,  trotzdem  man  vielleicht  die  Pflanze  schon  benannte.  Im 
folgenden  gebe  ich  jedenfalls  nur  eine  kleine  Auswahl. 


1 


§  132.  C.  Sonstige  Pflanzen.  19/ 


Ampfer,  ahd.  ampfaro  'Ampfer'  zu  aind.  amlah  'Sauerklee';  das  Wort  ist  eigentlich 
ein  AdjcKtivum  mit  der  Bedeutung  'sauer',  i<ann  aber  schon  ursprachlich  auf  eine  Pflanze 
übertragen  sein.  —  Badibnnge,  der  zweite  Bestandteil  ist  ahd.  bungo  'Pflanzenknolle', 
das  zu  gi:..-iaxvg  (pakhys),  aind.  bahiih  gehört.  Dazu  auch  Bingelkraut.  —  Beere,  ahd. 
beri,  e.  berry;  dazu  mjt  grammatischem  Wechsel  got.  basi,  ndd.  besing;  vielleicht  zu  ags. 
basu  'rot'.  —  Bilsenkraut,  ahd.  bilisa;  daneben  mnd.  bilene,  ags.  beolene  zu  russ.  betend, 
po\n.  bieluii.  —  Binse,  ahd.  binu^,  e.  bent;  aus  bi  und  nat  zu  Nessel.  —  Brombeere, 
von  ahd.  bramo  'Dornstrauch',  e.  bramble  'Brombeerstrauch';  noch  heute  auch  Bram, 
Bramen  'Besenginster,  Pfriemkraut'.  —  Dill,  ahd.  dilli  n.,  e.  dill,  gemeingermanisch.  — 
Distel,  ahd.  distil,  e.  thistle,  gemeingermanisch.  —  Dorn,  ahd.  dorn,  e.  thorn,  got paiirnus, 
ahg.  tränä,  ai. /rnam 'Grashalm'.  —  Dor^ 'ährentragendes  Unkraut  im  Getreide',  ahd.  turd, 
asächs.  durth.  —  Dost,  Dosten,  ahd.  dosto,  tosto  zu  bayer.  Dosten  'Busch'.  —  Efeu, 
ahd.  ebehewi  n.,  daneben  ebahhi,  ebah,  ae.  ifegn,  e.  ivy;  Herkunft  unklar;  von  Hoops 
als  'Kletterer'  erklärt  und  zu  lat.  ibex  'Steinbock'  gestellt.  —  Farn,  ahd.  varn,  varm,  e.  fern 
zu  a\.  parnäm  'Flügel,  Feder,  Laub,  Blatt';  wurzelverwandt  sind  auch  Vit  papärtis,  russ. 
pdporot  'Farnkraut'.  —  Flieder,  nd.,  ndl.  vlier.  —  Garbe  {Sdiafgarbe),  ahd.  garwa, 
t. yarrow.  —  Germer,  ahd.  germarram.  —  Gras,  ahd.^m^  n.,  got.  gras  'Kraut',  t.grass; 
dazu  mit  Ablaut  mhd.  gruose  'junger  Trieb",  also  jedenfalls  alt;  vielleicht  zu  einer  Wurzel 
'wachsen',  die  auch  in  grün  steckt  und  zu  \at  grämen  'Gras'.  —  Gundelrebe,  ahd. 
gundereba.  —  Gundermann,  ahd.  gundram.  —  Hag(en)  'lebendiger  Zaun',  ahd.  hagan 
'Art  Dornstraugh'  zu  agall.  caium  'Gehege';  dazu  Hain  aus  hagan,  H ainbudie,  Hain- 
butte. —  Heu,  ahd.  hewi,  e.  hay,  got.  hawi  zu  lit.  i.tkas  'Grünfutter'.  —  Hiefe  'Hage- 
butte', ahd. /z/u/o 'Dorn',  t.  hip,  ahg.  sipdkd 'Wagtxost'.  —  //«/s^ 'Stechpalme',  ahd. /zu/«, 
aix.  cuileann.  —  Kettidi,  nd.  köddik,  ags.  cedelc.  —  Klee,  ahd.  kle(o).  Gen.  klewes; 
e.  clover  zeigt  eine  erweiterte  Form ;  was  das  urgerm.  '^klaiwaz  ist,  bleibt  unklar.  — 
Klette,  ahd.  kletto,  kletta,  ags.  cläte,  e.  clotbur,  also  mit  Ablaut;  vielleicht  zu  lat.  glaten 
'Leim'  u.  a.  —  Kresse,  ahd.  kresso,  e.  cress.  —  Laudi,  ahd.  louh,  e.  leek  'Lauch';  ins 
Slawische  entlehnt  luk.  —  Liesdi  'Grasart',  ahd.  liska.  —  Aleide,  spätahd.  melda,  viel- 
leicht zugx.ßUzov  (bliton).  —  Miere  (16.  Jh.),  mnd.  mir.  —  Mistel^  ahd.  mistil,  e.  mistle-. 

—  Moos,  ahd.  mos,  e.  moss,  altes  Wort,  da  es  Ablaut  {ags.  meos,  d.  Mies)  zeigt;  dazu 
lat.  muscus,  abg.  mddid  'Moos'.  —  Mordiel,  ahd.  morhila  'Waldrübe',  vgl.  Weigand.  — 
Nessel,  ahd.  ne^^ila,  e.nettle;  dazu  lit  nöter e,  pxeuQ.  noatis,  aix .  nenaid  u.  a.  —  Palme, 
ahd.  palma,  e.  palm,  lat.  palma.  —  Päonie,  spätahd.  peonia  aus  gx. -lat. paeünia.  —  Porst, 
mhd.  borse.  —  Rade(n),  ahd.  räto,  andd.  rado  'Unkraut';  die  Kornrade  ist  ein  altes 
Unkraut;  der  Name  ist  aber  in  andern  Sprachen  noch  nicht  nachgewiesen.  —  Ried,  ahd. 
hriot;  vielleicht  zu  air.  craaid 'fest' .  —  Rohr,  ahd.  rör,  got.  raus,  vielleicht  zu  gr.  ogocfog 
'Rohr',  serb.  rögoz  'Riedgras',  poln.  rogöz  'Binse'.  ~  Sdiierling,  ahd.  skeriling,  skerning 
zu  anord.  dän.  skarn  'Mist'.  —  Sdiilf,  ahd.  skiluf,  kaum  entlehnt  aus  lat.  scirpus  'Binse', 
sondern  zu  Sdielfe  'Hülsenfruchtschote'.  —  Sdimiele,  ahd.  smelaha,  wohl  zu  sdimal.  — 
Sdiwamm,  ahd.  swamb  'Schwamm,  Pilz',  got.  swamms;  vielleicht  zu  gx.oourpS;  {somphös) 
'schwammig'.  —  Segge  'Riedgras',  aus  dem  ndd.,  e.  sedge.  —  Semde  'Binse',  ahd.  semida. 

—  Sinnau,  mnd.  sindouwe,  eig.  'Immertau'  zu  sin  in  Singrün.  —  Torf,  aus  dem  Nieder- 
deutschen; dazu  ags.  turf  'Rasen',  anord.  torf  'Torf,  vielleicht  zu  aind.  darbhdh  'Grasbüschel, 
Büschelgras'.  —  Trespe,  xnhd.  trefse.  —  Waid,  ahd.  weit,  e.woad  zu  lat  vitrum,  gr.  laäng 
(isätis);  die  Lautverhältnisse  stimmen  nicht  ganz;  der  Zusammenhang  ist  aber  unbestreit- 
bar; die  Waidpflanze  bot  ein  wichtiges  Färbemittel.  —  Wau  aus  ndl.  wouw,  älter  woude, 
e.  weld.  —  Wermut,  ahd.  werimuota. 

Unendlich  groß  ist  die  Zahl  der  zusammengesetzten  Pflanzennamen. 
Insbesondere  spielen  hier  die  Tiernamen  eine  große  Rolle.  Während  H.Marzell 
(s.  0.  S.  189)  den  reichen  Stoff  sorgfältig  zusammengestellt  hat,  untersucht 
R.  Löwe  einen  besonderen  Fall,  nämlich  den  Namen  der  Himbeere,  der  auf 


198        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

ahd.  hintberi,  also  'Beere  der  Hinde'  zurückgeht.  Er  sieht  den  Grund  der 
Benennung  darin,  daß  die  Pflanze  kaum  Dornen  trägt,  und  daher  als  'hornlos' 
gegenüber  der  Brombeere  bezeichnet  wurde,  eine  Erklärung,  die  ganz  an- 
sprechend ist. 

Dazu  kommen  die  Entlehnungen  der  neueren  Zeit. 

Aster,  18.  Jh.,  gr.-lat.  aster;  —  Aurikel,  18.  Jh.,  lat.  auricula;  —  Endivie,  1400, 
\\d\.  eRdivia;  —  Qeraninm,  1727,  gx.yruürior  {geränion); —  Kalebasse,  1632,  U.cale- 
basse;  —  Kalmus,  15.  Jh.,  lat.  calomus;  —  Karotte,  1616,  frz.  carotte;  —  Kolo- 
qiiinte,  15.  Jli.,  mlat.  gr.  lat.  fo/oo'"^/"'5;  —  Koriander,  15.  Jh.,  la\.  coriandrum;  — 
Krokus,  17.  Jh.,  gxAzL  crocus;  —  Kulutmer,  15.  Jli.,  \al  cucumis:  —  Levkoie,  18.  Jh., 
ital.  leucojo;  —  Lupine,  1731,  mlat.  lupina;  —  Luzerne,  18.  Jh.,  frz.  lucerne;  — 
Melone,  15.  Jh.,  '\ia\.  mellone;  —  Narzisse,  16.  Jh.,  gxAat  narcissus;  —  Porree,  frz. 
porree;  —  Portulak,  15.  Jh.,  \a\.  portulaca;  —  Primel,  18.  Jh.,  m\a[.  primula;  — 
Rapunzel,  16.  Jh.,  m\at.  rapuncium:  —  Rapünzchen,  1711,  zum  vorigen;  —  Reseda, 
18.  Jh.,  aus  der  lat.  Zauberformel  reseda  morbos;  —  Rosmarin,  15.  Jh.,  e.  rosemary, 
lat.  rös  marinus;  —  Sellerie,  17.  Jh.,  frz.  celeri;  —  Spargel,  15.  Jh.,  mlat.  sparagus;  — 
Spieke,  Spe ik'LaycndcW  1.  spica;  —  Zichorie,  16.  Jh.,  mlat.  cidiorea,  nebst  vielen  andern. 

Die  sonstige  Terminologie  der  Pflanzen  ist  außerordentlich  dürftig.  Be- 
merkenswerterweise ist  der  Allgemeinbegriff  Pflanze,  ahd.  pf/anza,  e.  plant 
aus  lat.  planta  entlehnt. 

Blatt  siehe  oben  S.  191.  —  Blume,  ahd.  bluoma,  bluomo,  got.  bloma  (e.  bloom 
entlehnt),  alte  Ableitung  zu  blühen.  —  Blüte,  ahd.  bluot  zu  blühen,  ahd.  bluojan,  e.  to 
blow  zu  lat.  florere.  —  Busdi,  ahd.  -busk,  c.  bush  aus  mlat.  buscus.  —  Knospe,  erst 
frühneuhochdeutsch  in  der  jetzigen  Bedeutung;  vnh±  knospe 'Knoutn' .  —  Rebe,  ahd.  reba 
zu  Rippe,  eig.  'die  sich  schlingende'.  —  Schote,  m\\d.  schote,  anoid.  skaud  'Scheide'  zu 
lat.  endo  'Helm'.  —  Wurzel,  ahd.  wurzala,  Zusammensetzung  mit  ahd.  würz  'Kraut,  Pflanze", 
e.  wort  'Kraut',  got.  waürts  'Wurzel',  das  zu  lat.  radix  gehört;  der  zweite  Bestandteil  -wal- 
gehört  zu  got.  walus  'Stab',  also  ist  die  Grundbedeutung  'Krautstocii'. 

§  133.  Das  Mineralreich.  Man  wird  sich  von  vornherein  sagen  müssen, 
daß  auf  dem  Gebiet  der  anorganischen  Natur  noch  weniger  Übereinstimmungen 
zu  erwarten  sind  als  auf  dem  der  organischen.  Zwar  lebten  die  Menschen 
Europas  einst  in  der  Steinzeit,  d.  h.  sie  fertigten  ihre  Waffen  und  Geräte  aus 
Steinen  an.  Dazu  war  nicht  jeder  Stein  brauchbar,  und  die  Überreste  der 
Waffen  und  Werkzeuge  zeigen  uns,  mit  welcher  Sorgfalt  man  die  Natur  be- 
obachtet und  die  tauglichen  Stücke  ausgesucht  hat.  Auch  ein  Handel  in 
diesen  brauchbaren  Gesteinsarten,  die  nicht  überall  vorkamen,  hat  bestanden, 
und  infolgedessen  müssen  auch  Worte  dafür  vorhanden  gewesen  sein.  Aber 
der  Stein  ist  von  dem  Metall  verdrängt  worden,  und  es  sind  daher  auch  die 
alten  Ausdrücke  verloren  gegangen.  Immerhin  bleibt  doch  noch  einiges 
Bemerkenswerte  übrig. 

Hammer,  ahd.  haniar,  e.  hammer 'Hammti'  ist  verwandt  mit  abg.  kamy,  \\\.  akmuö 
'Stein',  gx.ay.jtcov  {äkmon)  'Amboß';  die  ursprüngliche  Bedeutung  war  also  'Stein',  wie 
auch  noch  anord.  hamarr  'Felswand,  Klippe'  bedeutet.  Ähnlich  steht  es  mit  Messer, 
ahd.  mes^i-rahs,  daneben  me^^i-sahs,  also  eigentlich  'Speisemesser';  sahs  stellt  man  zu 
\at.  saxum  'Fels',  doch  kann  es  freilich  auch  zu  secare  'schneiden'  gehören.  —  Stein, 
ahd.  stein,  e.  stone,  got.  stains  kehrt  in  abg.  stena  'Mauer',  stemmt  'felsig'  wieder  und  hat 
weitere  Verwandtschaft  in  gr.  orla  (stia)  'Kiesel'.  —  Fliese  aus  nd.  flise,  vielleicht  zu  ir. 


§  133.  Das  Mineralreich.  199 


sliss  'Schnitzel'.  —  Flint  noch  erhalten  in  Flinte,  ahd.  flins,  z.  flint  'Feuerstein,  Kiesel', 
"die  vielleicht  zu  gr.  :T).iv{)o:;  (pllnthos),  air.  slind  'Ziegel',  aind.  pindah  'runde  Masse,  Klumpen' 
zu  stellen  sind.  —  Glas,  ahd.  glas,  auch  'Bernstein',  e.  glass,  ins  Lateinische  entlehnt 
glesiim  'Bernstein'.  Es  ergibt  sich  also,  daß  das  alte  Wort  (mit  grammatischem  Wechsel 
ags.  ^ter 'Bernstein,  Baumharz'!)  den  Bernstein  bezeichnete,  welcher  Name  mnd.  als 
bornstein  eig.  'Brennstein'  auftaucht.  —  Kiesel,  ahd.  kisil  'Kieselstein,  Hagelstein,  Schloße', 
mengl.  o'//5^/ 'Kiesel',  Ableitung  von  Kies,  mhd.Ä/5;  Herkunft  unbekannt.  —  Lei  f.  'Schiefer', 
mhd.  leie,  asächs.  leia.  —  Quarz,  mhd.  quarz;  zu  gr.  oäodw;  (sdrdios),  vgl.  Sommer,  IF. 
31,573.  —  Sdiiefer,  ahd.  skifaro  'Steinsplitter';  die  jetzige  Bedeutung  erst  neuhochdeutsch; 
zu  nhd.  Sdiebe  'Splitter  von  Hanf- oder  Flachsstengel'.  —  Sdiwefel,  ahd.  swefal,  swebal, 
got.  swibls,  gemeingermanisch,  zu  lat.  sulpur,  sulphur;  vgl.  Walde,  Lat.  Etym.  Wb.  s.  v.  — 
Spat,  xnhd.  spat  'blättricht  brechendes  Gestein,  Splitter';  unerklärt. 

Wie  man  sieht,  eine  sehr  dürftige  Liste.  Dazu  kommen  nun  die  verschiedenen  Erdarten. 

Grand,  aus  dem  Niederdeutschen,  zu  ags.  grindan,  e.  grind  'zermalmen,  mahlen'  und 
lat.  frendere;  dazu  auch  vielleicht  gr.  ywöoog  (khondrös)  'Graupe,  Korn'.  —  Graus, 
G rauß 'Sttmschuü',  mhd.  grüj  mit  Ablaut  zu  Grieß,  ahd.  ^r/03 'Sand',  e.  grit.  —  Klei, 
ndd.  klei  'Schlamm,  Lehm,  feuchte  Erde',  e.  clay  'Ton,  Lehm'  zu  gr.  y/.oiö;  (gloiös)  'dickes 
schmutziges  Öl',  lat.glüs,  glaten  'Leim'.  —  Kohle,  ahd.  kol(o),  e.  coal,  air.güal  'Kohle'.  — 
Lehm,  niederdeutsch,  obd.  Leimen,  ahd.  leime  'Lehm',  e.  loam  'Humus'  zu  lat.  llmus  'Boden- 
schlamm. Kot,  Schmutz',  vgl.  Walde;  mit  andrer  Ableitung  anord. /^/V 'Lehm'.  —  Letten, 
ahd.  letto  'Lehm';  dazu  \s\.  ledja  'Lehm,  Schmutz';  zu  lat  lutum  'Kot,  Schmutz'  oder  zu 
apreuß.  laydis  'Lehm',  alb.  l'ep-fJi  'feuchter  Ton'  oder  zu  ir.  lathadi  'Schmutz'.  —  Mull, 
Müll,  nd.,  obd.  motte  'Erde',  ahd.  molta,  e.  mould,  got.  mulda.  Wohl  zu  mahlen.  — 
Sand,  ahd.  sant,  e.  sand  zu  gx.äi.mdog  (ämathos),  rpäuadog  {psömathos).  —  Sdilamm, 
mhd.  Slam;  unerklärt.  —  Staub,  ahd.  stoub,  got.  stubjus  zu  stieben,  ahd.  stioban.  —  Ton, 
ahd.  dnha,  got.  pdho,  vielleicht  zu  lit.  tdnkus  'dicht,  dick'. 

In  der  unorganischen  Natur  gibt  es  nur  ein  Genußmittel,  das  für  den 

Mensciien  allerdings  fast  unentbehrlich  ist,  das  Salz.    Hier  ist  denn  auch 

die  Übereinstimmung  der  verwandten  Sprachen  fast  vollständig. 

Salz,  ahd.  salz,  e.  Salt,  got  Salt;  dazu  lat.  so/,  gx.ä'/.g  {hals),  abulg.  5o/r,  lett.  5ä/5,  air. 
salann,  hi.saldiis'sü^';  dazu  auch  Ablautsformen  in  Sülze,  ahd.  5«/2a 'Salzwasser,  Sülzwurst'. 

Der  vorgeschichtliche  Mensch,  von  dem  wir  wissen,  daß  er  das  Ge- 
schiebe der  Flüsse  auf  brauchbare  Steine  sorgfältig  durchsuchte,  muß  auch 
in  Europa  frühzeitig  auf  die  Metalle  aufmerksam  geworden  sein.  Eine 
ganze  Reihe  von  Bezeichnungen  der  Metalle  gehen  über  das  Sonderleben 
des  Germanischen  hinaus,  während  fast  alle  wichtigen  Metalle  im  Ger- 
manischen gleichmäßig  benannt  sind.  Freilich  ist  gerade  bei  ihnen  der 
Verdacht  naheliegend,  daß  wir  es  mit  Wandern  von  Worten  zu  tun  haben. 
Andere  sind  natürlich  jung. 

Das  verbreitetste  Wort  haben  wir  in  aind.  äjah,  lat.  aes,  got.  aiz,  ahd.  er  'Erz',  das  noch 
in  ehern,  a\d.  erln  vorliegt  {Erz  ist  damit  nicht  verwandt).  Was  das  Wort  ursprünglich 
bedeutet  hat,  wissen  wir  nicht.  —  Blei,  ahd.  blio.  Das  Englische  braucht  dafür  lead, 
mhd.  lot  'Blei',  verwandt  mit  oder  entlehnt  aus  air.  luaide.  Blei  selbst  ist  noch  nicht  recht 
erklärt.  Persson,  BB.  19,  273  vergleicht  lit.  blaivas  'licht,  klar'.  Da  man  aber  urgerm.  *bliwas 
auf  *mliwas  zurückführen  kann,  so  ist  auch  Zusammenhang  mit  gr.  fw/.tßo;  {mölibos), 
uöXvßdo^  {mölybdos),  ßö/.ißog  {bölibos),  ßäh^og  {bölimos)  möglich.  Man  sieht  aus  diesen 
verschiedenen  Formen  des  Griechischen  schon,  daß  es  sich  schwerlich  um  ein  einheimisches 
Wort  handelt.  Die  Worte  würden  dann  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  stammen.  —  Bronze, 
erst  neuhochdeutsch,  aus  frz.  bronze,  das  man  auf  aes  Brundisium  zurückführt.   In  Brindisi 


200        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

wurden  berühmte  Mctallarbeiten  hergestellt.  —  ehern  siehe  oben.  —  Eisen,  ahd.  isan, 
isarn  n.,  e.  iron,  got.  eisarn  hängt  mit  aUir.  iarn  aus  *isarno  zusammen  und  ist  wahrschein- 
lich aus  dem  Keltischen  entlehnt.  Zusammenhang  mit  lat.  aes,  got.  aiz  ist  kaum  möglich.  — 
fzrz,  ahd.  crizzi,  anizzi,  ariiz  n.,  and.  ariit,  wohl  altes  Lehnwort  aus  sumerisch  iiriid 
'Kupfer'.  —  Gold  kam  auch  in  Europa  gediegen  vor,  und  daher  bestand  wahrscheinlich 
ein  alter  Name.  Ahd.  e.  gold,  got.  gulf)  entspricht  abg.  zlato,  Ictt.  ze'lts.  Wahrscheinlich  ge- 
hört auch  ai.  Hntaka-  aus  *Haltaka  'ein  Lündername',  dann  'Gold  aus  Hataka'  oder  um- 
gekehrt 'Gold,  Goldland'  dazu.  Man  nimmt  an,  es  habe  das  'gelbe  Metall'  bedeutet.  Aber 
möglicherweise  steckt  darin  ein  Ländername.  —  Kobalt  und  Nickel  sind  nach  Kobold 
und  Nidtel,  zwei  Namen  für  Berggeister,  benannt.  —  Kupfer,  ahd.  kupfar,  lat.  aes  Cyprium. 
'Zyprisches  Erz'.  —  Messing,  mhd.  messinc,  ags.  mo'stling,  anord.  messing.  Entsprechend 
slaw.  *mosengjii.  Wahrscheinlich  auf  den  Volksnamen  MonovroixtK  {Mossynoikos)  zurück- 
gehend. —  Metall,  mhd.  rnetalle  aus  gr.-lat.  metalliim,  eigentlich  'Bergwerk.  Grube".  — 
Platin,  1736  entdeckt,  span.  pldtina  del  Pinto. —  Quedisilber,  ahd.  qiWksilbar,  c.quidi- 
silver,  Nachbildung  des  lat.  argentum  vivum;  quedi  zu  Xatvivus.  —  Silber,  ahd.  silbar, 
e.  silver,  got.  silubr  n.  Ein  verwandtes  Wort  kehrt  in  lit.  sidnbras,  abg.  sirebro  wieder.  Die 
weitere  Herkunft  ist  unaufgeklärt,  vielleicht  aus  assyr.  sarpn.  —  Stahl,  ahd.  stahal,  e.  stcel, 
gemeingermanisch,  zu  apreuß.  staclan  'Stütze',  lit.  stilkle  'Pfahl',  apreuß.  auch  panu-staclan 
'Vuerj'sen'.  Also  kein  eigentlicher  Metallname.  —  Zink,  wohl  von  Zinken,  weil  sich  das 
Metall  in  Form  von  Zinken  absetzt.  Alter  dafür  Galmei  'Kieselzinkspat',  mhd.  kalemine, 
über  frz.  calamine  aus  gr.-lat.  carf/w/a.  —  Zinn,  ahd.  zin,  e.tin;  dunkel.  Aus  \at.  stannum 
kann  das  Wort  nicht  stammen,  vielleicht  aber  aus  einer  gemeinsamen  westeuropäischen  Quelle? 
Vgl.  hierüber  die  ausführlichen  Auseinandersetzungen  von  Sch.\de,  Altdeutsches  WB.  s.  v. 
Von  sonstigen  Ausdrücken  wären  hier  noch  zu  erwähnen:  Rost,  ahd.  ro5/,  g.  rust, 
von  der  Wurzel,  die  in  rot  steckt,  aber  jedenfalls  alte  Bildung. 

Alte  Ausdrücke,  die  sich  auf  die  Metallarbeit  beziehen,  lassen  sich  nicht 
erkennen. 

Sdimied,  ahd.  smid,  e.  smith;  got.  aiza-smipa  'Erzarbeiter'  zeigt,  daß  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  'Kunstarbeiter'  war.  Das  Wort  gehört  mit  Gesdimeide  und  gr.  nulh} 
(smJla)  'Schnitzmesser'  zusammen.  —  Amboß,  ahd.  ana-boj,  zu  b'r^an  'schlagen',  e.  to 
beai.  —  Blasebalg,  mhd.  bUise-balc,  zusammengesetzt  mit  ahd.  balg  'Haut,  Blasebalg', 
e.  bellows  'Blasebalg',  got.  balgs  'Haut'. 

Auch  die  Bezeichnungen  der  Edelsteine  haben  ihre  lange  und  äußerst 
anziehende  Geschichte.  Das  Meiste  und  Beste  findet  man  bei  Schade,  Alt- 
deutsches Wörterbuch  in  den  Nachträgen  zum  2.  Bande.  Manche  Abschnitte 
bieten  einen  überreichen  Stoff  für  die  Herkunft  und  die  Verbreitung  der 
Namen  für  Edelsteine.  Eine  kurze  Übersicht  auch  bei  O.  Schrader,  Real- 
lexikon d.  idg.  Altertumskunde  S.  151. 

Im  Mittelalter  kommen: 

Adiat,  mhd.  adiat(es),  gr.-lat.  adiätes.  —  Amethyst,  mhd.  ametiste,  gr.-lat.  ame- 
thystos. —  Beryll,  mhd.  berille,  gr.Aat.  beryllos. —  Diamant,  Demant,  mhd.  diamant, 
irz.  diamant,  gr.Aat.  adamiis.  —  Gemme,  ahd.  gimma.  lat  gemma.  —  Granat,  mhd., 
mlat  granatus.  —  Jaspis,  mhd.  jaspis,  gr.-lat  iaspis.  —  Karfunkel,  mhd.  karfunkel, 
lat  carbunculus.  —  Karneol,  16.  Jh.,  Hat  carniola. —  Kristall,  mhd.  kristal(le),  gr.-lat. 
crystallus.  —  Magnet,  mhd.  magnes,  magnet(e),  lat.  magnrs  'Stein  aus  Magnesia'.  — 
Onyx,  mhd.  önix,  gr.-lat.  onyx.  —  Rubin,  mhd.  rubin,  mlat.  rubinus.  —  Saphir,  mhd. 
saphir(e),  gr.-lat.  saphlrus.  —  Smaragd,  ahd.  smaragdus,  gr.-lat.  smaragdus.  —  Topas, 
mhd.  topäze,  gr.-lat  topnzus. —  Türkis,  mhd.  türkis,  turkoys,  Hai.  turdiese,  irz.  turquoise. 

Dazu    gesellt   sich    in    der   Neuzeit    noch    manches   andere.    Für    die 


§  134.  Natur  und  Naturerscheinungen.  201 


sonstigen  Gesteinsarten  schafft  man  teils  neue  Namen,  teils  entlehnt  man 
sie  aus  andern  Sprachen.    Ich  führe  wenigstens  einiges  an: 

Asphalt,  aus  gr.-lat.  asphaltum.  —  Galmei  s.  o.  —  Gips,  spätahd.  gips  aus  gr.-Iat. 
gypsum. —  Glimmer,  \530  zu  glimmen,  mhd.  glimmen  'glänzen',  vielleicht  zu  gr. //.tagög 
(kfiliarös)  'warm'.  —  Gneis,  16.  Jh.,  Nebenform  zu  Gneist  Tunke',  ahd.  ganehaista, 
gneista  mit  andern  Nebenformen.  —  Granit,  mhd.  grünlt,  aus  mlat.  granitum  marmor.  — 
Graphit,  19.  Jh.,  frz.  graphite.  —  Keiiper,  im  19.  Jh.  aus  einer  volkstümlichen  Benennung 

im  Koburgischen   in  die  Wissenschaft  eingeführt.    —    Klinker,   nd.,  ndl.,   zu  klingen.  

Kreide,  spätahd.  krlda,  aus  1.  crtta.  —  Löß ,  rheinischer  Ausdruck,  wohl  zu  lösen.  — 
Marmor,  1480,  dafür  mhd.  marmel,  ahd.  marmal.  jetzt  noch  Marmelstein,  auch 
Marbel,  Marbel,  aus  lat.  marmor.  —  Nagelfluh,  Schweiz.  —  Mergel,  ahd.  mergil 
aus  mlat.  margila,  urspr.  keltisch.  —  Odier,  mhd.,  aus  gr.-lat.  ödira  'Berggelb'.  —  Perle, 
ahd.  perula  aus  mlat  perula.  —  Porphyr,  16.  Jh.,  aus  frz. porphyre.  —  Salpeter,  15.  Jh., 
mlat.  salpetra  'Salzstein'.  —  Sdiladze,  mnd.  slagge  von  sdilagen.  —  Sdilier  'Mergel', 
mhd.  slier  'Lehm,  Schlamm'  zu  mhd.  slier(e)  'Geschwür.  Beule',  also  wohl  'schleimige  Masse'. 

§  134.  Natur  und  Naturerscheinungen.  In  diesem  Abschnitt  ist  sachliche 
Anordnung  nötig. 

Himmel,  ahd.  himil,  got  himins,  t.  heaven;  die  Herkunft  ist  unsicher,  eig.  wohl 
'Decke'.  —  Sonne,  ahd.  sunna,  e.  sun,  got.  sunnu.  Daneben  Formen  mit  /,  got.  sauil, 
lat.  so/,  gx.ri'/.iog  {hcsUos)  aus  *säwelios.  —  Mond,  ahd.  mlno,  e.  moon,  got.  mena;  das 
gr.  fit] y  (m^n),  Xai.  mensis  bedeutet  nur 'Monat'. —  Stern,  ahd.  stirno,  e.  star,  got  stairnö 
zu  lat.  Stella  (aus  *sterla),  gr.  aoz/jg  (astdr);  vgl.  oben  S.  134. 

Wolke,  ahd.  wolkan,  e.  welkin  'Himmel',  zu  abg.  vlaga  'Feuchtigkeit',  lit.  vilgiti 
'feucht  machen'.  —  Nebel,  ahd.  n'ebul  zu  lat.  nebula,  gr.  vFffih]  (nepheUe)  'Wolke';  ein 
andres  Wort  dafür  e.  mist  wohl  zu  gr.  oidyh]  {omikhlce)  'Nebel'.  —  Regen,  ahd.  r'egan, 
e.  rain,  got.  rign  zu  lat.  rigäre  'bewässern'.  Dieser  Ausdruck  geht  nicht  weit.  Deshalb  kann 
er  doch  sehr  alt  sein.  Es  hat  eben  im  Indogermanischen  mehrere  Ausdrücke  gegeben:  so 
amd.varmm,  ir.  frass  'Regen'  zu  gr.  foö>;  (ersce),  was  aber  'Tau'  bedeutet;  \at  imber,  gr. 
oLißoo:  (ömbros);  lat  plaere  zu  d.  fließen,  also  pluit  'es  fließt'.  —  Tau,  ahd.  tou,  e.  dew, 
anord.  dögg;  germ.  Grundform  *dawwa,  die  lautlich  genau  gr.  Ooög  {thoös)  'schnell'  ent- 
spricht. Dies  gehört  zu  Ohiv  (theen)  'laufen',  und  dies  zu  aind.  dhävate  'rennt,  fließt',  vgl.  auch 
dhäutili  'Quelle,  Bach';  vergleiche  ferner  die  Bedeutungsentwicklung  von  Regen  >Tau 
{gT.  ego)]  [ers(e])  und  von  fließen  >  regnen  (lat  pluere);  damit  ist  die  Etymologie  sehr 
wahrscheinlich.  —  Sdinee,  ahd.  sneo,  e.  snow,  got.  snaiws  zu  lat.  nix,  nivis,  gr.  Akk.  virfu 
(nipha).  —  Hagel,  ahd.  hagal,  e.  hail  zu  gr.  ^ä/y.rj^  {käkhlcex)  'kleiner  Stein,  Kiesel';  da- 
.  neben  noch  ahd.  kisil  'Kieselstein,  Hagelstein,  Schloße',  mengl.  diisel,  siehe  oben  S.  199.  — 
Graupe  stammt  wohl  aus  slaw.  krupa  'Getreidegraupe,  Hagelschloße'.  —  Sdiloße,  mhd. 
slüze  'Hagelkorn,  Schloße',  e.  sleet  'Regen  und  Schnee',  vielleicht  verwandt  mit  gr.  ya/.a'Ca 
(khälaza)  oder  mit  Kloß,  ahd.  klöi  'Klumpen,  Knolle  usw.',  t.  cleat 'KtW .  —  Reif,  ahd. 
hriffo.  Daneben  Formen  mit  m,  ags.  hrlm,  e.  rime.  —  Eis,  ahd.  is,  e.  ice  zu  awest.  isav- 
'frostig,  eisig'.  —  Frost,  frieren;  Frost,  a!nd.  frost,  q.  frost  ist  Ableitung  von  frieren, 
ahd.  friosan,  e.  to  freeze;  dazu  noch  got.  frius  'Frost,  Kälte'.  Zu  lat.  prmna  'Reif,  aind. 
pru^vd  'gefrorenes  Wasser,  Reif. 

Blitz,  mhd.  blitze,  blidiese  von  mhd.  blikzen,  ahd.  blehhazzen,  wurzelverwandt  mit 
lat  fulgur.  —  Donner,  ahd.  donar,  e.  thunder,  lat.  tonitrus.  —  Wind,  ahd.  wint,  e.wind. 
got  Winds,  lat  ventus.  —  Sturm,  ahd.  stürm  -Unwetter,  Kampf,  t.  storm,  vielleicht  zu 
gr.  6g firj  {hormd)  'Ansturm'  oder  zu  stören.  —  Sdiauer,  ahd.  säm/- 'Unwetter,  Hagel',, 
e.  shower  'Regenschauer',  got.  skara  windis  'Sturmwind',  gehört  wahrscheinlich  zu  lat. 
caurus  'Nordostwind',  lit.  5'äurc  'Norden',  S'aurls  'Nordwind',  abg.  severä  'Norden'.  Be- 
kanntlich bringt  uns  der  Nordwestwind  häufig  Wetter  mit  Regenschauern.  —  Wetter,  ahd. 
wetar,  e.weather  zu  abg.    vedro  'gutes^Wetter';  dazu  mit  Schwebeablaut  lit  dudra  'Flut, 


202         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Toben,  Tosen,  Stürmen'.  In  den  letzten  drei  Worten  könnten  alte  Windnamen  stecken, 
sicher  ist  dies  bei  Schauer  der  Fall. 

Sonst  haben  wir  noch:  Bö,  niederdeutsch,  ndl.  *«/,  woraus  (\'än.  byge;  unerklärt.  — 
Bise  'Nordostwind',  ahd.  b'isa,  ültcrnhd.  ßeiswind,  vielleicht  zu  ahd.  bisnn  'voll  Unruhe 
hin- und  herrcnnen'.  Eigentlich  ein  alemannisches  Wort.  Vgl.  ZfdW.  9,  164.  —  Föhn,  ahd. 
pfonno  ist  entlehnt  aus  \z{.  favOniiis.  Der  Mangel  an  alten  Windnamen  fällt  bei  uns  auf.  Doch 
wird  man  die  Namen  der  Himmelsrichtungen  als  Windnamen  gebraucht  haben,  vgl.  auch  lat. 
allster  zu  deutsch  Ost.  Über  weitere  Windnamen  vgl.  a.  a.  O.  In  neuerer  Zeit  sind  dann 
Orkan,  17. Jh.,  karaibisch  iiragan,  Taifun,  19.  Jh.,  aus  dem  Chinesischen  bekanntgeworden. 

Luft,  ahd.  hift,  e.  dial.  lift,  got.  luftus. 

Wasser,  ahd.  wayjar,  e.  water,  got.  watö,  gr.  vScoo  {hydür).  —  — a,  adi  in  Fhiß- 
namen,  Fulda,  Salzadi,  und  als  Aa,  Adie  noch  erhalten,  ist  ahd.  aha,  got.  aha,  lat.  aqua.  — 
Fluß,  erst  nhd.  in  dieser  Bedeutung;  in  alter  Zeit  bedeutet  es  'das  Fließen'.  —  Strom, 
ahd.  ström,  e.  stream,  anord.  straumr  zu  thrak.  Irovinoy  [Strymön)  und  gr.  yko  (rfieo)  'fließe' 
aus  *srewö.  —  Badi,  ahd.  bah,  anord.  bekkr,  daraus  e.  bedi;  gr.  :it]yt)  {piegu)  'Quelle'  kann 
verwandt  sein,  wenn  das  Wort  aus  der  Stellung  als  zweites  Glied  einer  Zusammensetzung 
•wieder  selbständig  geworden  wäre;  sonst  zu  gT.it ßouai  (phebomai) 'üiche',  \it  begu  'laufe'. — 
Quelle,  ahd.  qiiella  zu  quellen,  ahd.  quYllan,  das  zu  aind.j«?/«//?  'Wasser',  galati  'träufelt 
herab' gehören  dürfte.  —  Brunnen,  ahd.  brunno,  goi.  brimna  zu  gr. '/omo  (phrear)  oder 
zu  lat.  femire,  d.  brennen,  ir.  brennim  'sprudeln',  vgl.  Sprudel,  ndd.  Sod  zu  sieden.  — 
Moor,  nd.,  ahd.  muor,  e.  moor.  Wohl  im  Ablaut  zu  Meer.  —  Tümpel,  ahd.  tumpfilo 
'Strudel',  t.dimple 'QxÜbchtn',  lit.r/Hm Was 'Schlamm  im  Wasser,  Morast'. —  Kolk,  mnd.kolk. 

Land,  ahd.  lant,  e.  land,  got.  land  'Gegend.  Land',  ir.  land,  lann  'freier  Platz,  Fläche, 
eingefriedigtes  Land,  Hof,  abg.  Udina  'Heideland',  wozu  im  V^okalismus  schwed.  linda 
'Brachfeld'  stimmt.  —  Anger,  gx.äyy.oc  {äukos)  'Tal'  —  Flur,  mhd.  t/Zz/or 'Saatfeld',  t.floor 
'Estrich.  Vorplatz'  zu  ir.  l'ir,  kymr.  llüwr  'Boden,  Estrich',  apreuß.  plonis  'Tenne',  lat.  planus 
'glatt,  eben'.  —  Erde,  ahd.  (/da,  e.  earth,  got.  airpa.  Daneben  ohne  dentale  Ableitung 
ahd.  '^ro,  das  zu  gr.  rna^s  (eraze)  'auf  die  Erde'  gehört.  —  Gau,  ahd.  gawi,  gewi,  goi.gawi. 
Herkunft  unsicher.  —  Aue,  ahd.  ouwa  'Wasser,  Strom,  Wasserland',  anord.  ey  'Insel',  aus 
*agwjci,  einer  Ableitung  von  got.  afva,  lat.  aqua.  —  Sumpf,  ahd.  sunft,  e.  swanip,  got. 
swumfsl  'Teich'.  Wohl  zu  Sdiwamm.  —  Rasen,  spätmhd.  rö5^,  xnnAd.  wrase;  daneben 
obd.  Wasen,  ahd.  waso  'Rasen,  feuchter  Erdgrund';  nach  Kluge  ist  in  letzterm  Worte  ein  r 
ausgefallen.  Vielleicht  zu  aind.  varsäm  'Regen',  gr.  foo>;  {ersic)  'Tau'  mit  der  Grundbedeu- 
tung 'feucht'.  —  Heide,  mhd.  heide,  e.  heath,  got.  haipi  'unbestelltes  Feld'  zu  gall.  -citum, 
kymr.  coit  'Wald',  lat.  -cetum  in  bü-cetum  'Kuhtrift'.  —  Mark,  ahd.  marka  'Grenze,  Grenz- 
wald', got.  marka  'Grenze'  zu  lat.  margo  'Rand',  npers.  marz  'Grenze,  Grenzland'.  —  Grund, 
ahd.  grünt,  e.  ground,  got.  grundu-waddjus  'Grundmauer'.  Vielleicht  im  Ablaut  zu  Grand  'Sand'. 

Für  Berg  usw.  gibt  es  nicht  allzuviel  Ausdrücke:  Berg,  ahd.  b\'rg,  ags.  beorh  bes. 
'Grabhügel',  got.  bairgahei  'Gebirge'  zu  armen,  ber'j  'Höhe',  air.  bri  'Berg'  (formell  mit  dem 
zu  Berg  ablautenden  Burg  identisch);  —  Holm  'kleine  Insel  im  Fluß  oder  See',  aus  dem 
Niederdeutschen  entlehnt;  altsächs.  bedeutet  das  Wort  'Hügel',  und  es  stellt  sich  daher  zu 
lat.  collis,  culmen,  wozu  auch  t.hill;  —  Hügel,  erst  nhd..  dafür  mhd.  hübet  zu  \\{.  küpstas 
'Erdhöcker';  daneben  steht  ahd.  buhil 'Hüg^V ;  die  beiden  Worte  hängen  vielleicht  zusammen, 
indem  das  eine  aus  dem  andern  durch  Umstellung  entstanden  ist;  daneben  Haug,  ahd. 
houc,  t.  how  zu  hodi;  —  Haar,  westfäl.,  daneben  //aa^ 'Gebirgsname' ;  —  das  \a\.  clivus 
findet  sich  in  got.  hlaiw  'Grabhügel',  noch  mhd:  li-,  ist  aber  dann  ausgestorben.  Manches 
steckt  vielleicht  noch  in  den  Gebirgsnamen.  —  Weiter:  Halde,  ahd.  ha Ida  zu  ahd.  ha Id 
'geneigt';  —  Leite,  ahd.  hlita,  gr.  y.üivi  (klitijs). 

Tal,  ahd.  tat,  e.  dale,  got.  dal,  abg.  dolK  'Loch,  Grube",  gr.  Oölo;  (thölos)  'Kuppeldach'; 
—  Sdiludit  steht  für  Sdiluft,  mhd.  stuft  und  gehört  zu  sdilüpfen;  —  Klamm  zu  klemmen. 


§  134.  Natur  und  Naturerscheinungen.  203 

Daneben  haben  wir  die  Bezeichnungen  für  die  Gegend  am  Meer  und 
für  die  EigentümUchkeiten  der  Alpenländer. 

In  dem  ersten  Fall  sind  eine  ganze  Reihe  von  Lehnwörtern  neben  die 
alteinheimischen  getreten.   Zu  den  oben  S.  103  genannten  Wörtern  kommen: 

a)  Einheimisches  Gut:  Geest,  altfries.  ^e5^,  gi>si,  eig. 'unfruchtbar'. —  Marsch, 
mnd.  marsch,  e.  marsh  'Sumpf.  —  Düne,  nd.,  e.  down  'Sandhügel'  zu  air.  dün  'Hügel'.  — 
Siel,  mnd.,  afries.  5/7,  vielleicht  zu  seihen.  —  Priel,  nd.,  'l<leiner  Wasserlauf'.  —  Werder, 
Wert,  mhd.  wart,  ahd.  warid  'Insel',  vielleicht  zu  ai.  vär  'Wasser'.  —  Wiek  'kleine  Meeres- 
bucht', nd.,  e.  wick,  wich  zu  weidien.  —  Nehrung,  wohl  zu  e.  narrow  'eng'.  —  Strand 
aus  mnd.  strant,  e.  Strand.  —  Sund,  md.  sunt,  e.  sound.  —  Watt,  mnd.  wat  zu  lat.  vadum. 

b)  Entlehnungen:  Bai,  frz.  baie  auf  den  Namen  Bajae  zurückgehend.  —  Golf, 
15.  Jh.,  frz.  golfe,  gr.-lat.  colpus.  —  Kap,  1616,  ndl.  cape,  frz.  cap  von  lat.  caput  'Haupt'.  — 
Küste,  17.  Jh.,  dAxz.  coste.  —  Sdiäre,  17.  Jh.,  aus  schwed.  5^är,  dän.skjär  zu  e.shore. — 
Weiher,  ahd.  wlwari,  lat.  vlvarium. 

Die  Alpenländer  verfügen  wieder  über  eine  ihnen  eigentümliche  Be- 
zeichnungsweise wie: 

Alpe  'Bergweide',  ahd.  alpa  mit  dem  Gebirgsnamen  Alpen  zusammenhängend.  — 
Fluh,  ähd.  fluoh  zu  gv.  n/.d^  {pldx)  'Fläche,  Bergfläche,  Plateau'.  —  Matte,  ähd.  mato, 
e.  meadow.  —  Kees  'Gletscher',  ahd.  kes  'gelu'.  —  Gletscher  stammt  aus  dem  \at.glacips 
mit  der  Entwicklung  von  c  zu  tsch  wie  in  Tsdiingel  aus  lat.  cingulum. 

Daß  es  in  alter  Zeit  Verkehrswege  gegeben  hat,  brauchte  als  selbst- 
verständlich kaum  hervorgehoben  zu  werden,  wenn  man  es  nicht  tatsäch- 
lich bestritten  hätte. 

Wir  finden:  Brücke,  ahd.  bracka,  e.  bridge;  wahrscheinlich  mit  Braue  verwandt.  — 
Furt,  ahd.  fürt,  t.  ford,  gaW.  ritu-  in  Ritu-magus,  akymr.  r//  'Furt',  awest.  p^.?«?  'Durch- 
gang, Furt';  lat.  portus  'Hafen'  weicht  in  der  Bedeutung  ab,  entspricht  aber  an.  fjönfr 
Fjord'.  —  In  Gesinde,  ahd.  ^/smrf/ 'Reisegefolge,  Kriegsgefolgschaft'  steckt  ein  Wort  sind, 
ahd.  sind  'Reise,  Heereszug',  got.  sinps  'Gang'  zu  air.  sei  'Weg'.  —  Weg,  ahd.  weg,  e.  way, 
got.  wigs,  lit.  veze  'Wagen,  Schlittengeleise'.  —  Specke  'Knüppelweg',  and.  spediia  zu  mhd. 
spadie  'dürres  Reisholz'.  —  Ein  altes  Lehnwort  scheint  in  Pfad,  ahd.  pfad,  e.  path  vor- 
zuliegen, das  mit  gr.  Tiäzog  (pcltos)  nicht  urverwandt  sein  kann.  Vgl.  oben  S.  135.  —  Von 
den  Römern  stammt  5^ rajö^,  ahd.  st rä'^a,  e.  street  aus  lat.  (via)  struta.  —  Gasse,  ahd. 
g^35<^,  got.  gatwö  'Gasse'  ist  nicht  sicher  erklärt.  —  Dazu  kommt  dann  in  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  das  Wort  Chaussee,  über  frz.  Chaussee  aus  mlat.  calciata  'mit 
Kalk  gemauerte  Straße'. 

Schließen  wir  hieran  gleich  die  Ausdrücke  für  die  Verkehrsmittel.  Die 
Bekanntschaft  schon  der  Indogermanen  mit  dem  Wagen  wird  durch  die 
mannigfachen  Übereinstimmungen,  die  für  die  Bezeichnung  des  Wagens  und 
seiner  einzelnen  Teile  zwischen  den  indogermanischen  Sprachen  bestehen, 
sichergestellt.  Wenn  auch  der  Wagen  ursprünglich  ein  Ackerbaugerät  ist, 
das  dazu  dient,  das  Heu  und  das  Getreide  einzufahren,  so  tritt  er  uns  auch 
schon  früh  als  Verkehrsmittel  entgegen.  Im  klassischen  Altertum  ist  er  all- 
gemein bekannt,  und  auch  die  Nordvölker  sehen  wir  mit  ihren  Ochsen- 
wagen nach  dem  Süden  ziehen. 

Nun  zu  den  Ausdrücken:  Wagen,  ahd.  wagan,  e.  wain  ist  zwar  von  einer  weit- 
verbreiteten Wurzel,  die  in  bewegen,  lat.  vehere  steckt,  abgeleitet,  kehrt  aber  in  dieser  Ge- 
stah  —  nur  air.  fen  zeigt  das  gleiche  Suffix  —  nicht  in  den  verwandten  Sprachen  wieder. 
Doch  ist  das  nicht  wunderbar.    Gerade  für  den  Begriff  Wagen  hat  es  von  jeher,  je  nach 


204         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


der  verschiedenen  Form,  mehrere  Ausdrücke  gegeben,  von  denen  sich  der  eine  hier,  der 
andere  dort  crlialten  hat.  Dagegen  sind  die  Namen  der  einzelnen  Teile  um  so  weiter  ver- 
breitet. Adise,  alid.  a/isa,  lat.  oxis,  gr.  nifoy  {dxnn).  —  Rad,  ahd.  rad,  nur  im  Deutschen 
und  Friesischen  eriialten,  aber  idg.,  vgl.  lat.  rota,  air.  rotfi,  lit.  ratas,  aind.  räthah  'Wagen'. 
Daneben  stand  ein  anderes  Wort,  e.  wheel,  ags.  hweol,  das  zu  gr.  xvxko^  (kyklos)  'Kreis', 
aind.  cakräm  'Rad'  gehört.  —  Deidisel,  ahd.  dihsala  zu  lat.  temo  aus  *tenksmo.  —  Nabe, 
ahd.  naba,  e.  nave  zu  aind.  ndbhi-  und  näbhjam  'Radnabe',  preuß.  nabis  'Nabe'.  —  Lünse 
'Achsnagel',  spatmhd.  lims,  liinse,  and.  liinis  zu  aind.  <ini)i  aus  *alni  'Lünse'.  —  Leudise 
'Stammleiste  eines  Leiterwagens',  russ.  Ijiisnjä.  —  Laune  'Deichsel  zum  Einhängen',  mhd. 
lanne  'Kette'.  —  Wetter  'gabelförmiges  Verbindungsholz  am  Wagen',  ahd.  wetero  zu 
wetten  'binden'.  —  Zitter  'Vordeichsel',  ahd.  zeotar.  Dazu  Tuder,  Tiider,  nd.  'Spann- 
seil', e.  tedder,  tetiter.  —  Ortsdteit,  15.  Jh.,  Sillsdieit  zu  Siele. 

Wagen  ist  aber  das  einzige  alte  Wort  des  Germanischen.  Alle  andern  Ausdrücke 
sind  Entlehnungen.  Zunächst  wirkt  das  Keltische  ein.  Die  Kelten  müssen  schon  früh  ver- 
schiedene Arten  von  Wagen  besessen  haben,  da  sie  ja  auch  den  Römern  mehrere  Aus- 
drücke übermittelt  haben.  Zu  uns  kommt  zuerst  ein  Wort,  das  nur  noch  mundartlich  fort- 
lebt: Kar  dl,  ahd.  karrtih  aus  lat. -gal.  cflrn<ffl 'vierrädriger  Reisewagen'.  Dies  ist  abgeleitet 
von  kelt.  carrus,  das  ebenfalls  entl^int  wurde,  ahd.  karra,  karro  'Karren",  jetzt  Karre, 
Karren.  Nach  unsrer  heutigen  Bedeutung  zu  urteilen,  müßte  es  ein  zweirädriger  Wagen 
gewesen  sein.  —  Dieses  Wort  lebte  auch  in  den  romanischen  Sprachen  weiter,  und  es 
sind  zahlreiche  Worte,  die  auch  zu  uns  gedrungen  sind,  davon  abgeleitet.  Ich  nenne  Karosse 
1616,  frz.  carosse.  Schon  im  Mhd.  wurde  dasselbe  Wort  aus  dem  ital.  carrocio  als  Karrotsdie 
entlehnt.  Karrete  1599,  ital.-span.  carreta;  —  Karriere  1616,  frz.  carriere  'die  Laufbahn' 
mit  bemerkenswerter  Bedeutungsentwicklung.  Karriol,  Karriole  'leichte  Halbkutsche', 
1714,  frz.  carriole.  Davon  karriolen.  Ein  andres  im  letzten  Grunde  keltisches  Wort  steckt 
in  Benne  'Wagenkorb',  im  16.  Jh.  (oder  früher)  aus  frz.  benne,  gall.-lat.  benna  'Art  Wagen'. 

Die  weitern  Entlehnungen  sind  dann  erst  neuhochdeutsch.  Kutsdie,  um  1500,  eig. 
Wagen  aus  Koszi  bei  Raab;  —  Kalesdie,  im  16.  Jh.  aus  dem  Slawischen,  tschech.  kolesa, 
dem  Plur.  von  kolo  'Rad';  —  Karrete,  16.  Jh.,  s.o.;  —  Chaise  'Halbkutsche',  17.  Jh., 
frz.  diaise  'Stuhl';  —  Equipage,  17.  Jh.,  frz.  equipage;  —  Fiaker  aus  kz.  fiacre,  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts,  benannt  nach  dem  Heiligen  Fiacre,  dessen  Bild  das  Zeichen  des  in 
der  Straße  St.  Antoine  zu  Paris  gelegenen  Hauses  war,  in  dem  man  solche  Mietkutschen 
haben  konnte;  —  Karriol(e)  s.  o.;  —  Berline,  im  18.  Jahrhundert  aus  frz.  fr^r//n<' 'Ber- 
liner Wagen'  (Wagen  von  Berlin  nach  Paris);  —  Phäethon,  18.  Jh.,  irz.  phaeton;  — 
Kabriolett,  18.  Jh..  frz.  cabriolet;  —  Drosdike  kommt  Ende  des  18.  Jahrhunderts  aus 
dem  Russischen;  —  Kremser,  im  19.  Jahrhundert  nach  einem  Hofrat  Kremser,  der  solche 
Wagen  stellte;  —  Omnibus,  Name  und  Sache  1823  in  Paris;  —  Tandem,  e.  tandem,  19.  Jh. 

In  neuester  Zeit  mehren  sich  die  Entlehnungen,  wobei  das  Englische  [dogcart,  gig) 
und  vor  allem  das  Slawische  uns  von  ihrem  Reichtum  spenden.  Die  Russen  verfügen  über 
eine  Fülle  eigentümlicher  Fuhrwerke,  deren  Namen  man  in  den  Romanen  und  Reisewerken 
findet.  Da  aber  die  Sachen  selbst  nicht  bis  zu  uns  vordringen,  so  kann  bei  diesen  Aus- 
drücken auch  nicht  von  eingebürgerten  Fremdworten  die  Rede  sein. 

Die  neueste  Zeit  hat  auf  dem  Gebiet  der  Fortbewegung  ungeahnte  Veränderungen 
hervorgebracht.  Für  die  neuen  Erfindungen  mußte  man  natürlich  auch  neue  Namen  schaffen, 
und  es  ist  recht  belehrend,  ein  Beispiel  der  Benennung  herauszugreifen.  Als  ersten  Vor- 
läufer unsres  Rades  finden  wir  die  Draisine,  benannt  nach  dem  Erfinder  Drais.  Dann 
kam  die  künstliche  Bildung  Veloziped  auf,  die  bald  vergessen  sein  wird.  Unter  eng- 
lischem Einfluß  sprachen  wir  von  Bicycle  und  verdeutschten  dies  dann  durch  Zweirad 
oder  Fahrrad.  Endlich  aber  kürzten  wir  das  zu  Rad  und  hatten  nun  die  Möglichkeit, 
davon  ganz  eindeutige  Ableitungen  wie  radeln,  Radler,  Radlerin  zu  bilden.  Dazu 
kommt  dann  das  Auto  und  die  Luftsdiiffe. 

Älter  als  der  Wagen  ist  vielleicht  der  Schlitten.   Doch  sind  die  Bezeichnungen  jung: 


§  135.  Zeit  und  Zeiterscheinungen.  205 

Schlitten,  ahd.  slito,  t.  sied  zu  mhd.  sllten,  e.  slide  'gleiten',  Vit  slisti; —  Schleife,  mhd. 
slei(p)fe  'schlittenartiges  Gestell  zum  Fortschleppen  von  Lasten'  zu  sdüeifen,  ahd.  sUfan, 
c.slip.  —  Schlittschuh,  ahd.  skrit(e)skuoh,  and.  skridsköh  'Fliegeschuh  zu  weitem  Schritt', 
zu  sdireiten.  —  Ski  entstammt  dem  Norwegischen  und  ist  eins  mit  Scheit. 

FEUER,  LICHT,  WÄRME. 

Feuer,  ahd.  fiur,  t.  fire,  got  fön  zu  gr.  nvg  (pyr),  umhr.  pir.  Ein  zweites  Wort  für 
Feuer,  \at  ignis,  ist  im  Germanischen  verloren  gegangen.  —  Funke,  ahd.  funko  'Funke', 
e.  funk,  mhd.  auch  vanke,  wohl  abgeleitet  von  got.  fön,  funins  und  zu  aind.  püvakäh  'hell- 
strahlend, flammend'.  —  Glut,  ahd.gluot,  e.  ^/^^rf 'glühende  Kohle',  zu  glühen,  vielleicht  ver- 
wandt mit  lit.  zlejä  'Halbdunkel  in  der  Dämmerung'.  —  Licht,  ahd.  Höht,  e.  light,  got.  liuhap 
'Licht,  Schein',  mit  Lohe,  mhd.  lohe  'Flamme',  ahd.  loug  aus  der  Wurzel  luk'  'leuchten' 
xn  \ai.  lü,x,  gr.  dfi(puvx7]  [amphilykw)  'Zwielicht'.  —  Rauch,  ahd.  ro«Ä  'Rauch,  Dampf, 
e.  reek  'Dunst,  Dampf  zu  riedien,  ahd.  riohhan  'rauchen,  dampfen'.  —  Dampf ,  mhd.  dampf, 
tampf,  e.  damp  'Feuchtigkeit'  zu  einem  Verb  mhd.  dimpfen  'dampfen,  rauchen';  dazu  mhd. 
dempfen  'rauchen  machen',  d.h.  'das  Feuer  ersticken'.  —  Schatten,  ahd.  skato,  e.  shade, 
shadow,  got.  skadus  zu  gr.  oy.ÖTog  (skötos)  'Finsternis',  air.  scüth  'Schatten'.  —  Schemen, 
mhd.  sdi'eme  'Schatten';  wurzelverwandt  mit  gr.  oy.id  (skia). 

Dazu  eine  Reihe  von  Adjektiven: 

warm,  ahd.  warm,  e.  warm,  got.  warm] an  zu  \at.  formus,  gr.  &£Qfi6;  (thermös).  — 
heiß,  ahd.  heis,  e.  hot.  —  lau,  ahd.  hltio,  urgerm.  *hltwas  zu  lat.  calere  'warm  sein'. 

Besondere  Beleuchtungsgegenstände  hatte  man  in  alter  Zeit  nicht,  man  benutzte  den 
Kienspan.  Und  so  stehen  wir  auf  diesem  Gebiet  sachlich  wie  sprachlich  unter  dem  Ein- 
fluß der  Griechen  und  Römer.  Leuchter  erst  mhd.  —  Nhd.  belegt,  aber  gewiß  älter  ist 
Funse(l),  Funzel  ans  Funksei  und  zu.  Funke. —  Fackel,  ahd.  fakala  aus  lat  f acuta. — 
Lampe,  mhd.  lampe,  hz.  lampe.  —  Ampel,  ahd.  ampla,  ampulla,  lat.  ampulla  'Flasche, 
Gefäß',  die  beiden  letzten  ursprünglich  kirchliche  Ausdrücke.  —  Kerze,  ahd.  kerza  von 
ahd.  karz  "Docht,  Werg',  das  aus  lat.  carta  'papyrus'  stammen  soll.  —  Krone,  jetzt  meist 
Kronenleuchter,  mhd.  kröne,  lat.  coröna.  —  Laterne,  mhd.  laterne,  lat.  la(n)terna. 

Merkwürdig  wenig  hat  auf  diesem  Gebiet  die  Neuzeit  gebracht.  Ich  finde  nur: 
Kandelaber,  irz.  candelabre,  Ende  des  18.  Jh.,  und  Lüster  1773,  hz.  lustre. 

§  135.  Zeit  und  Zeiterscheinungen.  Bei  den  Zeiterscheinungen  sind  gewisse 
Vorgänge  so  allgemein  verbreitet,  daß  die  Ausdrücke  dafür  eigentlich  in  jeder 
Sprache  vorhanden  sein  müssen.  Wenn  sich  trotzdem  manche  germanische 
Ausdrücke  noch  nicht  in  andern  Sprachen  nachweisen  lassen,  so  kann  der 
Grund  nur  in  den  Ursachen  liegen,  auf  die  wir  schon  des  öftern  hingewiesen 
haben:  ursprüngliche  Mehrheit  von  Ausdrücken  und  Verlust  einiger,  oder 
Neubildung  im  Laufe  der  Zeit. 

Die  Bezeichnung  der  Nacht  geht  durch  fast  alle  indogermanischen  Sprachen  hindurch, 
ahd.  naht,  e.  night,  got.  nahts,  lat.  nox,  gr.  j-r;  {nyx).  Man  rechnete  früher  nach  Nächten, 
daher  noch  Fastnacht,  Weihnachten,  t.  sennight  'acht  Tage',  fortnight 'vierzehn  Tagt'. 

Bei  Tag,  ahd.  tag,  e.  day,  got.  dags,  versagen  die  klassischen  Sprachen.  Lat.  dies, 
gr.  tjfieoa  {hdmerä)  haben  nichts  mit  unserm  Wort  zu  tun.  Tag  hängt  aber  unzweifelhaft 
mit  lit.  dclgas  m.,  dagä  f.  'Ernte',  apreuß.  dagas  'Sommer'  zusammen,  die  zu  lit.  degti 
'brennen',  aind.  ni-däghdh  'Hitze,  Sommer'  gehören.  Abend,  ahd.  äbant,  e.  eve(ning).  Im 
Altnordischen  erscheint  noch  ein  tiu  dem  Wort  aptann,  ags.  ceften-tid.  Erklärung  schwierig.  — 
Morgen,  ahd.  morgan,  e.  morning,  got.  maürgins,  wohl  zu  lit.  breksta  'es  tagf  {br  aus  mr).  — 
Dämmerung,  ahd.  d'emar  'crepusculum'  zu  lat.  tenebrae;  weiter  dazu  auch  finster,  ahd. 
dinstar.  Ein  andres  Wort  lebt  in  nd.  Udite  fort,  ahd.  uohta  'Morgendämmerung'  zu  lit. 
anksti  'früh  am  Morgen'. 

Sommer,  ahd.  sumar,  e.  summer  zu  arm.  amarn  'Sommer',  awest.  ham  'Sommer'.  Die 


206         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Verwandtschaft  mit  gr.  rj/i/oo  (humerä)  'Tag'  ist  zweifelhaft,  aber  mir  doch  wahrscheinlich.  — 
Winter,  aM.wintar,  e.  winter,  got.  unntrus.  —  Frühling  taucht  erst  im  15  Jh.  auf  und 
ist  von  früh  mit  Suffix  -ling  abgeleitet.  Es  hat  das  ältere  Lenz  verdr;Jngt,  alid.  lemo,  das 
nach  Ausweis  mundartlicher  Formen  auf  *lengzo  zurückgeht.  Althochdeutsch  kommt  auch 
lengizin  vor;  in  dem  zin  steckt  ein  altes  Wort  für  'Tag',  got.  sin-teins  'jeden  Tag',  lat.  «u/i- 
dinae.  Das  Wort  bedeutet  also  eigentlich  'langer  Tag'.  Dieses  Wort  hat  aber  wieder  das 
idg.  *vesr,  *  vir  {gr.  nw  [ear],  lat.  vir)  verdrängt,  das  noch  im  an.  z'«r  vorliegt.  —  Herbst, 
ahd.  herbist,  c.  harvest  'Herbst,  Ernte".  Wohl  ein  alter  Superlativ  zu  lat.  carpere  mit  der 
Bedeutung  '(Zeit,  in  der)  am  besten  zu  pflücken  ist';  also  kein  eigentlicher  Jahreszeiten- 
name. —  Jahr,  ahd.  y<?r,  c.year,  got.  Jer  zu  abg.Jaru  'Frühling',  gr.  wo«  (hörfi).  Andere 
alte  Ausdrücke  sind  verloren  gegangen,  so  gr.  hog  (etos),  vielleicht  noch  in  Widder,  ahd. 
ii'idar,  e.  ii>ether,  eigentlich  'Jährling',  wie  lat.  vituUis;  —  lat.  anniis,  got.  ajjn. 

.Monat,  ahd.  nicmöt,  c.  nionth,  got.  mfinops,  stammverwandt  mit  lat.  niPnsis,  gr.  /</}•' 
(mien).  —  Daß  es  schon  im  Indogermanischen  Monatsnamen  gegeben  habe,  läßt  sich  nicht 
erweisen.  Bei  den  Germanen  werden  uns  bei  Beginn  der  literarischen  Überlieferung  zwar 
echt  germanische  Namen  angegeben,  doch  stimmen  die  Mundarten  nicht  überein,  und  sie 
sind  frühzeitig  durch  die  aus  dem  Lateinischen  entlehnten  Namen  zum  großen  Teil  ver- 
drängt worden.  Über  die  Verdeutschungsbestrebungen  Karls  des  Großen  s.  S.  157.  Aber 
auch  der  große  Kaiser  hat  nicht  durchdringen  können.  Es  haben  sich  nur  einige  dürftige 
Reste  davon  erhalfen.  Hornung  ist  wenigstens  noch  bekannt.  Es  geht  zurück  auf  ein 
verlorenes  hörn  'Kälte',  das  zu  anord.  hiarn  "hartgefrorener  Schnee',  russ.  seren  'Reif, 
arm.  saht  'Eis'  gehört.  Eigentlich  bedeutet  es  der  'Sohn  des  Hörn'.  Hörn  heißt  mundart- 
lich aber  auch  der  Januar.  —  Mundartlich  gibt  es  noch  den  Ausdruck  Sporkel  für  Februar, 
unklarer  Herkunft,  vgl.  Weigand^.  —  winnemänoth  'der  Mai'  hat  sich  umgedeutet  als  Wonne- 
monat erhalten,  während  er  eigentlich  'Weidemonat'  bedeutet.  —  Ebenso  ist  windume- 
manoth  'November',  zusammengesetzt  mit  einem  aus  lat.  vindemia  'Weinlese'  entlehnten 
Wort  zu  Windmonat  umgedeutet.  —  Von  den  lateinischen  Monatsnamen  haben  einige 
eine  Form,  die  auf  alte  Entlehnung  in  den  Volksmund  hinweist.  So  Jenner,  März, 
Mai  und  mun&ar{\\c\\  Äugst,  /!// 5/ 'Erntezeit'.  Ausführlich  über  die  ganze  Frage  handelt 
K.  Weinhold,  Die  deutschen  Monatsnamen,  Halle  1869. 

Bemerkenswert  ist  nun,  daß  wir  die  Benennung  der  Woche  und  ihrer  Tage  fast  durch- 
gehend mit  eigenem  Sprachgut  bestritten  haben.'  Es  handelt  sich  dabei  freilich  um  Über- 
setzungslehnworte. Vgl.  S.  156.  Wo  die,  ahd.  wedia,  e.  week  entspricht  got  wikö  'Wechsel, 
Woche'  und  hängt  mit  Wechsel  zusammen. 

Wie  weit  in  alter  Zeit  bestimmte  Feste  bestanden  haben,  läßt  sich  nicht 
sagen,  da  alles  Alte  von  dem  römisch-christlichen  Einfluß  überwuchert  ist: 

Fest  seit  dem  13.  Jh.  aus  lat  festum;  —  Feier,  ahd.  fira  'kirchliches  Fest,  Ruhe 
von  Arbeit' stammt  aus  lat.  ffriae,  woher  Ferien  im  16.  Jahrhundert  als  gerichtlicher  Aus- 
druck noch  einmal  entlehnt  wird.  —  Das  echt  germanische  Wort  lebt  in  bayer.  Dult  fort, 
got.  dulps  'Fest,  Feier'  zu  apreuß.  tuldisnan.  —  Von  den  großen  Festen  tragen  Ostern 
und  Weihnaditen  echt  deutsche  Namen;  ah6.  östarun,  t.  Easter  war  der  Frühlingsgöttin 
ags.  Eöstre  gewidmet,  der  Name  gehört  mit  Osten  zu  lat.  auröra,  gr.  >]r'j;  (cpös).  —  Weih- 
nadit  ist  erst  mhd.  belegt,  wihennaht  aus  ze  wihen  naht  'in  der  heiligen  Nacht'.  Dagegen 
stammt  P///i^5r^n,  ahd.  fimfdmstim  über  got. paintekuste  aus  gr.  .-if »•r;y;<oör>/  (pentiikostu) 
'der  fünfzigste  Tag"  (nach  Ostern).  —  In  kleineren  Kreisen  bildete  der  Tag  der  Kirdi- 
weihe  das  Hauptfest.  Das  Wort  ist  im  Volksmunde  regelrecht  entwickelt  zu  Kirb[e), 
alemannisch  Kilbi,  während  Kirmes,  nordengl.  Kirkmass  auf  Kirdimesse  zurückgeht, 
d.  h.  Messe,  die  zur  Kirchweihfeier  gelesen  wurde.  —  Messe  im  Sinne  von  'Jahrmarkt' 
findet  sich  seit  1329  und  ist  der  kirchliche  Ausdruck  messa,  indem  sich  nach  der  gottes- 
dienstlichen Handlung  ein  Austausch  der  Güter  entwickelte. 

Die  Bezeichnung  der  Tageseinteilung  beruht  im  wesentlichen  auch 


§  136.  Die  Menschen  untereinander,  Familie,  Staat  usw.  207 


auf   römisch-kirchlichem   Ausdruck.     Man   nahm   zunächst   die   kirchlichen 
Worte  herüber. 

So  haben  wir  nocli  None,  eig.  'die  neunte  Stunde'  von  3  Uhr  morgens  gerechnet, 
also  die  Mittagszeit,  ahd.  nona,  e.  noon,  afternoon.  Auch  Vesper,  wenn  auch  meist  in 
übertragenem  Sinne,  aus  lat.  vespera  ist  noch  weit  verbreitet. 

An  allgemeiner)  Ausdrücken  haben  wir:  Stunde,  ahd.  5/'««rfa,  5^««^ 'Zeitpunkt' (diese 
Bedeutung  noch  in  'die  Stunde  des  Todes').  Offenbar  gehört  dies  zu  gestanden.  —  Weile ^ 
ahd.  hwila  'Zeit,  Stunde',  e.  white,  got.  hveila  'Zeit',  wohl  zu  lat.  quiPsco  'ruhe',  genauer  zu 
tranquillus  'ganz  ruhig'.  —  Zeit,  ahd.  zit,  zid,  e.  tide  auch  'Flut',  vgl.  auch  mnd.  getide 
'Flutzeit',  jetzt  Gezeiten  ist  unerklärt.  Daneben  mit  andrer  Ableitung  e.  time.  —  Uhr, 
spätmhd.  üre  stammt  zunächst  aus  dem  Ndl.  und  weiter  aus  1.  höra.  Die  älteste  Bedeutung 
ist  'Stunde'.  —  Minute,  1418  minat(e)  stammt  aus  mlat.  minutum.  —  Sekunde,  im 
15.  Jh.  aus  lat.  secunda  'der  zweite'  (Unterteil).  Eine  verloren  gegangene  Zeitbezeichnung 
haben  wir  in  Punkt,  mhd.  punkt  'kleinster  Zeitteil'  (noch  in  punkt  zwei  Uhr),  aus  lat. 
punctum.  Dazu  pünkttidi,  eig. 'auf  die  Minute'.  Die  Bildung  Jahrhundert  ist  eine  be- 
wußte, rasch  sich  einbürgernde  Verdeutschung  von  lat.  saeculum,  die  zuerst  im  17.  Jh.  bei 
S.V.Birken  vorkommt.  Ihm  folgte  im  \%.ih.  Jahrtausend  {\7S\)  und  schließlich /a/zr- 
zehnt.  Vgl.  Feldmann,  ZfdW.  5,  230. 

Um  die  nächste  Zeit  zu  bezeichnen,  gebrauchen  wir  eine  Reihe  alter  Adverbien: 
gestern,  ahd.  gesteron,  e. yesterday  zu  \ai.  heri,  gr.  yßsg  (khthes),  ai.  hjah.  Merkwürdig 
ist,  daß  dieses  Wort  auch  'morgen'  bedeuten  kann,  wie  got.  gistradagis  'morgen'  und  ahd. 
f'gestra  'übermorgen',  jetzt  ehegestern,  zusammengesetzt  mit  ehe,  ahd.  er,  e.  ere,  got. 
airis  'früher',  zu  gr.  ägiaioy  (äriston)  'Frühstück'  aus  *ajeriston  'gehörig'.  —  heute  ist  aus 
ahd.  hiutagu  'an  diesem  Tage'  entstanden,  der  Pronominalstamm  hi  steckt  noch  in  heint 
'diese  Nacht',  ahd.  hinaht,  heuer,  ahd.  hiuro  aus  hiu  järu  'in  diesem  Jahre'  und  ist  doch 
wohl  mit  lat.  hJc,  hodic  verwandt.  —  morgen,  ahd.  morgane,  e.  to  morrow,  got.  in  maürgin. 
—  Dazu  kommen  noch:  früh,  ahd.  fruo,  gx.:iooH  {pröi);  —  spät,  ahd.  spät i,  got.  spediza.^} 

Sehr  spät  sind  die  entsprechenden  Ausdrücke  für  entsprechende  größere  Zeitabschnitte: 
Zukunft  erscheint  erst  im  18.  Jh.  in  dieser  Bedeutung.  Mhd.  zuokunft  ist  'das  Herzukommen'; 
Vergangenheit  erst  bei  Gottsched.   Dagegen  ist  Gegenwart  schon  ahd.  geginwerti. 

§  136.    Die  Menschen  untereinander,  Familie,  Staat  usw. 

Li  t  e  r  a  t  u  r :  W.  Deecke,  Die  deutschenVerwandtschaftsnamen,  Weimar  1870.  —  Delbrück, 
Die  indogermanischen  Verwandtschaftsnamen;  ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Altertumskunde; 
Abh.  der  Sachs.  Ges.  der  Wiss.  11  Nr.  5,  Leipzig  1889.  —  O.  Schrader,  Reallexikon  der  indo- 
germanischen Altertumskunde,  passim.  —  W.  ScHOOF,  Die  deutschen  Verwandtschaftsnamen, 
Ztschr.  für  hochdeutsche  Mundarten  1,  193  ff.,  berücksichtigt  auch  eingehend  die  Ausdrücke 
der  heutigen  Mundarten. 

Die  alten  Germanen  und  Indogermanen  legten,  wie  jetzt  allgemein 
anerkannt  ist,  ein  ganz  anderes  Gewicht  auf  die  Verwandtschaft  als  wir. 
Während  bei  uns  im  wesentlichen  nur  die  Einzelfamilie  besteht,  herrschte  in 
altern  Zeiten  die  Großfamilie  und  die  Sippe.  Auf  ihnen  beruhte  zum  großen 
Teil  die  staatliche  Ordnung,  vgl.  darüber  Hirt,  Die  Indogermanen  2,  409  ff. 

Infolgedessen  gab  es  auch  sehr  viel  mehr  Benennungen  für  die  ver- 
schiedenen Verwandtschaftsgrade  als  heute,  und  wir  besitzen  jetzt  nur  noch 
einen  Rest  jener  früher  vorhandenen.  Man  hat  angenommen,  daß  sich  die 
indogermanischen  Verwandtschaftsnamen  immer  nur  auf  die  Verwandtschaft 


^)  Vgl.  dazu  K.  Brugmann,  Zu  den  Wörtern  für  heute,  gestern,  morgen  in  den  idg. 
Sprachen.  Ber.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1917,  1. 


208         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

nach  der  männlichen  Seite  bezogen  liätten.  Doch  ist  das  ein  Irrtum,  vgl. 
Hirt,  Idg.  Forsch.  22,  78  ff. 

Alle  Sprachen  bezeichnen  tatsächlich  die  Verwandtschaft  nach  beiden 
Seiten,  darunter  vor  allem  das  Litauische  und  Slawische,  die  noch  heute 
über  eine  Fülle  von  Benennungen  verfügen. 

Bei  den  Verwandtschaftsbezeichnungen  gibt  es  eine  Reihe  von  Aus- 
drücken, die  zweifellos  aus  der  Kindersprache  stammen.  In  der  Schrift- 
sprache gebrauchen  wir  ja  allerdings  nur  Papa  und  Mama  neben  Vater 
und  Mütter,  aber  die  Mundarten,  die  altern  Zeiten  und  die  verwandten 
Sprachen  verwenden  auch  die  übrigen  Lallsilben,  wie  tata,  nana,  atta, 
baba  usw.   Vgl.  darüber  Schoof  a.  a.  O. 

Eine  Mehrheit  der  Benennungen  für  denselben  Begriff  ist  auf  diesem 
Gebiet  von  allem  Anfang  an  vorhanden.  Der  Gote  gebraucht  atta  neben 
fadar  und  besitzt  nur  aipei  für  'Mutter'.  Unsere  jetzige  Sprache  verfügt 
für  die  beiden  Begriffe  je  nach  Stimmung,  Stand  und  Stellung  über  eine 
ganze  Reihe  von  Ausdrücken. 

A.  BLUTSVERWANDTSCHAFT. 

Vater,  ahd.  fater,  t.  father,  go\.  fadar  zu  lat.  pater,  gx.nart'io  {patu-r);  daneben  steht 
im  Gotischen  atta,  das  sich  mit  einer  Ableitung  im  Alemannischen  als  Ätti  erhalten  hat. 
Offenbar  ein  Wort  der  Kindersprache.  Eine  Koseform  dazu  ist  Attila,  d.  Etzel,  —  Mutler, 
ahd.  muoter,  e.  mother,  gotisch  nicht  belegt,  zu  lat.  mäter,  gT.fi/jTijQ  {m<Pt(er);  das  Gotische 
hat  aipei,  dessen  Herkunft  ganz  unklar  ist.  Diese  Doppelheit  der  Benennungen  kann  nicht 
weiter  wundernehmen,  da  ja  auch  wir  über  mehrere  Ausdrücke  verfügen,  um  Vater  und 
Mutter  zu  bezeichnen.  —  Eltern,  ahd.  eltiron,  altiron,  Komparativ  von  alt.  In  den 
andern  Sprachen  werden  andere  Ausdrücke  verwendet;  daraus  aber  zu  schließen,  daß  die 
Indogermanen  den  Begriff  noch  nicht  bezeichnet  hätten,  ist  durchaus  unzulässig.  Es  hat 
eben  mehrere  Ausdrücke  gegeben.  —  Amme,  ahd.  amma,  noch  schwäbisch  in  der  Be- 
deutung 'Mutter';  anord.  amma  ist  'Großmutter';  Kosewort  der  Kindersprache. 

Sohn,  ahd.  sun(u),  e.  son  zu  amd.  sümih,  abg.synn,  lit.  sünüs;  gr.  i('ö;  (hyiös)  weicht 
im  Suffi.x  ab.  —  Tochter,  ahd.  tohter,  e.  daughter,  got.  daühtar  zu  gr.  {hyuiyjQ  {thygäl(er).  — 
Kind,  ahd.  kind  zur  Wurzel  idg.  *gen  'erzeugen'  =  lat.  genitum  oder  mit  Ablaut  nätum.  — 
Knabe,  ahd.  knabo,  e.  knave,  kaum  zur  gleichen  Wurzel,  sondern  zu  schwed.  dial.  knab 
'Pflock',  knabbe  'Knollen,  Klumpen',  mit  einer  Bedeutungsentwicklung  wie  in  Stift,  Bengel.  — 
Magd,  Mädchen,  ahd.  magad,  e.  maid,  got.  magaps  'Jungfrau'  von  got.  magus  'Knabe, 
Knecht'  zu  ir.  macc;  die  Ableitung  ist  aber  dunkel. 

Ein  altgermanisches  Wort  für  'Kind,  Mädchen'  steckt  in  nd.  Göre,  t.  girl,  das  Möller 
mit  gx.nnoOfvo;  {parthenos)  'Jungfrau'  verbunden  hat.  —  Bruder,  ahd. bruoder,  e.  brother, 
got.  bröpar  zu  lat  f räter,  gr.  f/ijÜTioo  {phrätür)  'Mitglied  eines  Geschlechts'.  —  Schwester, 
ahd.  swester  e.  sister,  got.  swistar  zu  lat.  soror  aus  *swesir. 

Was  die  weitere  Verwandtschaft  betrifft,  so  bestanden  im  Indogermanischen 
wahrscheinlich  besondere  Ausdrücke  für  die  Geschwister  des  Vaters  und  der 
Mutter. 

Vatersbruder,  ahd.  fetiro,  jetzt  Vetter,  Ableitung  von  vater,  entsprechend  gr. 
Ttnroiog  (pätrösj,  lat.  patruus;  die  jetzige  Bedeutung 'V^etter' kommt  im  Mittelalter  auf;  man 
gab  gern  auch  einem  Jüngern  den  Ehrentitel.  —  Mutterbruder,  Oheim,  ahd.  üheim; 
der  erste  Teil  des  Wortes  gehört  zu  lat.  avunculus.  —  Vaterssdiwester,  ahd.  basa 
'Schwester  des  Vaters',  Base,  jetzt  im  allgemeinen  Sinne  gebraucht  und  ziemlich  veraltet. 


§  136.  Die  Menschen  untereinander,  Familie,  Staat  usw.  209 

Femininum  zu  Bas  'Meister,  ehrende  Anrede',  wohl  ursprünglich  der  Kindersprache  an- 
gehörend. —  Mutterschwester,  ahd.  muoma  'Muiterschwester',  Muhme,  Form  der 
Kindersprache.  —  Neffe,  ahd.  n'efo  zu  lat.  nepös  'Enkel'.  —  Nichte,  aus  dem  Nieder- 
deutschen entlehnt,  wo  cht  für  ft  steht,  ahd.  niftila,  Verkleinerungsform  zu  ahd.  nift,  dem 
Femininum  zu  Neffe,  aind.  napti  'Tochter,  Enkelin',  lat.  neptis  'Enkelin'.  —  Ahn,  ahd.  ano 
'Großvater',  ana  'Großmutter'  zu  lat.  anus  'alte  Frau',  apreuß.  ane  'Altmutter'  usw.  Groß- 
vater und  Großmutter  tauchen  erst  spätmittelhochdeutsch  auf,  ersetzen  aber  natürlich 
andere  Ausdrücke  und  sind  vielleicht  Übersetzungen  von  frz.  grand-perc,  grand'  mere.  — 
Enkel,  mhd.  enenkel,  Ableitung  von  Ahn,  also  wahrscheinlich  'kleiner  Großvater'. 

Die  Entlehnungen  auf  diesem  Gebiet  Onkel,  Tante,  Cousin,  Cousine  sind 
■erst  Ende  des  17.  Jahrhunderts  herübergenommen,  wohl  unter  der  Einwirkung  der  Alamode- 
zeit,  der  wir  auch  Papa  und  Mama  verdanken. 

B.  DIE  HEIRATSVERWANDTSCHAFT. 
Unter  einfachen  Verhältnissen  unterscheidet  man  auch  hier,  ob  die  Ver- 
wandtschaft von  Seiten  der  Frau  oder  des  Mannes  gerechnet  werden  muß. 
Aber  diese  Unterschiede  sind  frühzeitig  verloren  gegangen. 

Schwiegertochter.  Das  alte  Wort  war  Sc^ /zur,  ahd.  snura,  lat.  nurus,  gT.rrög  (nyös).  — 
.Schwiegervater  (mspTünghch  deiFrau),  Schwäher,  ahd.  swehur,  gotswaihra,  lat. socer, 
gr.  ixvQog  (hekyrös).  —  Schwiegermutter,  Sdiwieger,  ahd.  swigar,  got.  swaihrö,  lat. 
socrus,  gr.  kxvQa  (hekyrä).  —  Bruder  des  Mannes:  ahd.  zeihhur,  ags.  täcor,  lat.  levir, 
^r.  8aii)Q  [dacsr).  —  Schwager,  ahd.  swägur  'Schwager'  kehrt  im  Indischen  als  sväsurah 
wieder  und  bedeutet  'der  zum  Schwiegervater  gehört'.  —  Sdiwester  des  Mannes:  der 
alte  Ausdruck  gr.  yalöco^  (galöös),  lat.  glös,  abg.  zülüva  ist  verloren  gegangen.  Dafür  ahd. 
swegerinne.  —  Sdiwiegersohn:  der  altgermanische  Ausdruck  ist  Eidam,  ahd.  eidum. 
.ags.  ääum.  Beziehung  zu  Eid,  vgl.  engl,  son-in-law,  ist  mir  höchst  unwahrscheinlich;  ebenso 
die  zu  got.  aipei  'Mutter'.  Also  unerklärt,  aber  vielleicht  alt.  —  Ein  alter  Verwandtschafts- 
ausdruck steckt  auch  in  Schwein  'Hirt',  e.  swain  'junger  Bursch,  Schäfer'  zu  lit.  svalnis 
^der  Gattin  Schwestermann',  lett.  swainis  'des  Weibes  Bruder'. 

Ehe  und  Eheschließung.  Daß  ein  so  abstrakter  Begriff  wie  Ehe  erst  in  jüngerer 
Zeit  in  der  Sprache  ausgebildet  wird,  läßt  sich  leicht  verstehen.  So  kommt  denn  tatsäch- 
lich das  Wort  ahd.  ewa  mit  der  Bedeutung  'Rechtsverhältnis  zwischen  Mann  und  Frau'  erst 
bei  Notker  vor,  woraus  natürlich  nicht  die  Ehelosigkeit  in  früherer  Zeit  folgt.  —  Hoch- 
zeit bekommt  seine  heutige  Bedeutung  erst  seit  dem  13.  Jahrhundert;  früher  galt  dafür 
Brautlauf,  ahd.  brütlouft,  gemeingermanisch,  aber  natürlich  nicht  in  den  verwandten 
Sprachen.  —  Heirat,  ahd.  hirät,  eig.  'Zurüstung  des  Hausstandes';  es  steckt  darin  ein 
altes  Wort  hi,  das  indogermanisch  ist :  got.  heiwa-frauja  'Hausherr',  ahd.  hiwo  'Gatte,  Haus- 
genosse', and.  htwiski  'Familie'  usw.  zu  lat.  civis  'Bürger',  ir.  cia  'Mann',  lett.  scwa  'Weib'; 
ursprüngliche  Bedeutung  nicht  klar. 

Die  Ausdrücke  für  die  Gatten  wechseln  im  Laufe  der  Zeit  sehr.  Es  gibt  verschiedene 
Ausdrücke  den  verschiedenen  Ständen  und  der  verschiedenen  Stimmung  entsprechend: 
Gatte,  Gemahl,  Mann,  Frau,  Weib  usw.  Zu  allen  Zeiten  wird  zunächst  die  Bezeich- 
nung des  männlichen  und  weiblichen  Wesens  überhaupt  zur  Bezeichnung  von  'Ehemann' 
und  'Ehefrau'.  So  haben  wir  Mann  und  Frau.  Mann  ist  alid.  man  'Mensch,  Mann', 
c.  man,  got.  manna;  in  der  Bedeutung  'Ehemann'  seit  dem  16.  Jahrhundert;  Frau,  ahd. 
frouwa,  weibliche  Form  von  frö  'Herr'  (s.  unten),  also  bedeutet  Frau  eigentlich  "Herrin'; 
die  jetzige  Bedeutung  auch  erst  im  Mhd.  —  Diese  Ausdrücke  haben  die  alten,  ahd.  gomo, 
erhalten  noch  m  Bräutigam,  zu  lat.  homo,  und  Kone,  mhd.  kone,  ahd.  qu'ma,  t.queen, 
got.  qens  zu  gr.  yw/]  {gynw)  verdrängt.  Der  Gote  aber  sagt  für  'Ehemann'  aba,  auch  wair^ 
lat.  vir.  Gemahl,  ahd.  gimahalo  'Verlobter,  Bräutigam,  ehelich  Verbundener',  Gemahlin, 
-ahd.  gimahala  gehören   zu  ahd.  mahal  'Vertrag,  Ehevertrag'   und  gimahalan  'zusammen- 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Auf!.  14 


210         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

sprechen,  sprechen',   vgl.  Hiltibrant  gimahalta  im  Hildebrandshcd;    Gatte,  Gattin  sind 
erst  neuhochdeutsch;  \\\\\^.  gate  neben  iief^atc  'der  (ileiclie,  Genosse',  asAzhs.  gigacio  'seines- 
gleichen" bewaliren  den  aUcij  Sinn.    —    Die  Tatsachen  der  Sprache  liegen  so  einfacli  wie 
müghch.    Es  hat  stets   mehrere  Ausdrücl<e  gegeben,   und  einer   liat   den  andern  abgelöst. 
Freilich  läßt  sich  hierbei  vielleicht  eine  Entwicklung  verfolgen.   Nach  Delbrück  a.a.O.  439 
besteht  die  jüngste  Schicht  der  Bezeichnungen  darin,   daü  die  beiden  als  zu  einem  Paare 
verbunden  bezeichnet  werden,   lat.  coniitx,  gr.  orCr;  {syzyx),   d.  Gemahl;    wenn   er   aber 
weiter  hinzufügt:  .der  ürund,  warum  solche  Bezeichnungen  erst  spät  auftauchen,  liegt  auf 
der  Hand.    Die  Stellung  des  Mannes  zur  Frau   und  die  der  Frau  zum  Manne  waren  nach 
alter  Meinung  zwei  so  verschiedene  Dinge,  daß  man  nicht  darauf  kommen  konnte,  Mann 
und  Frau   durch   das  gleiche  Wort   zu   bezeichnen',   so   ist   dieser  Schluß   so   falsch,  wie 
nur  etwas  sein  kann.   So  gut  erst  das  Esperanto  darauf  gekommen  ist,  ein  patrino  'Mutter'  zu 
bilden,  während  alle  Sprachen  Vater  und  Mutter  durch  besondere  Wortstämme  bezeichnen, 
ebensogut  ist  man  erst  spät  dazu  gelangt,  die  Ehegatten  sprachlich  zusammenzufassen.  Haben 
wir  es  doch  hier  mit  einem  Allgemeinbegriff  zu  tun.   Ausdrücke  ähnlich  unserm  Mann  und 
Frau  haben  auch  in  alten  Zeiten  genügt,   um  das  wiederzugeben,   was  man  sagen  wollte. 
Auch  die  Ausdrücke  für  das  Schließen  der  Ehe  sind  jung,  d.  h.  sie  haben  andere  abgelöst. 
vermählen  gehört  zum  selben  Stamm  wie  Gemahl,  heißt  also  eigentlich  'versprechen'; 
verloben  hängt  mit  geloben  zusammen.  —  Witwe,  ahd.  wituwa,  e.  widow,  got.widuwo^ 
lat.  vidua,  ir.  fedb,  ai.  vidhdvä,  abg.  vidova,   ein  Wort  also,   das  fast   durch  alle  Sprachen 
hindurchgeht;  dagegen  ist  IF/totr  jung;  hieraus  folgt  allerdings  wohl,  daß  in  alter  Zeit  der 
Tod  des  Mannes  für  die  Frau  von  ganz  anderer  Bedeutung  war  wie  das  Umgekehrte.  — 
Strohwitwe  und  Strohwitwer  tauchen  nahezu  gleichzeitig  1715  und  1716  auf;  das  erstere 
jedenfalls  als  scherzhafter  Ausdruck.  Doch  ist  der  ursprüngliche  Sinn  unklar.  Vgl.  Weigand*. 
—  Waise,  ahd.  weiso;   wohl   zum  gleichen  Stamm  wie  Witwe  und  zu  1.  dividere  'teilen, 
trennen'.  —  Braut,  ahd.  brät  'Neuvermählte',  e.  bride  'junge  Frau',  got.  brüps  'Schwieger- 
tochter',  vielleicht  zu   lat.  Fnitis,   einem  Namen   der  Aphrodite,   vgl.  Braune,   Btr.  32,  3ü. 
Bräutigam,  ahd.  brüti-gomo,  e.  bride-groom,  got.  brüp-faps  {-faps  zu  lat potis-  in  possum^ 
gr.  .Too/?  {pösis)  'Ehemann',  a'ind.  pätih  'Herr,  Qatte'j. 

Es  ist  schon  oben  darauf  hingewiesen  worden,  daß  die  Ausdrücke  für  die  Allgemein- 
begriffe Mann  und  Frau  immer  wieder  auch  für  'Ehemann'  und  'Ehefrau'  angewendet 
werden.  Ausgenommen  ist  das  Wort  Mensdi,  ahd.  mannisko,  Substantivierung  eines  Ad- 
jektivs got.  mannisks,  ahd.  mennisk  'humanus',  also  recht  jung,  da  es  nur  westgermanisch 
ist.  Jung  ist  auch  Weib,  ahd.  wib,  e.  wife,  das  sich  schon  durch  sein  neutrales  Geschlecht 
als  später  Allgemeinbegriff  enthüllt.  Es  steht  in  dieser  Beziehung  mit  Rind,  Sdiaf,  Pferd 
auf  einer  Linie.  Erklärt  ist  es  noch  nicht,  auch  nicht  durch  Bezzenberger,  KZ.  41.  282. 
Selbst  die  unehelichen  Verhältnisse  haben  schon  in  alter  Zeit  einen  sprachlichen  Ausdruck 
gefunden:  Kebse,  ahd.  kebisa  bezeichnete  wohl  ursprünglich  'die  Sklavin',  vgl.  aiiord.  kefsir 
•Sklave,  Knecht'.  —  Kegel  in  der  RA.  Kind  und  Kegel  bedeutet  'uneheliches  Kind'  und 
kommt  zuerst  mhd.  vor.  —  Bankert,  s{)ä\m\\d.  bankart,  bandiart,  ndl  bankaard  hängt 
mit  Bank  zusammen.  Andere  Ausdrücke  dafür  sind  Bankkind,  Bänkling,  Bankbein;  — 
ähnlich  ist  Bastard,  mhd.  bastfhjart  aufzufassen,  entlehnt  aus  afrz.  bastard  und  liängt 
mit  mlat.  bastuni  'Saumsattel'  zusammen.  Hahnrei  scheint  ursprünglich  'Hahnentanz' 
{Reihen)  zu  bedeuten,  eig.  'einer,  der  den  Hahnentanz  mitmacht'. 

Die  Neuzeit  bringt  dann  eine  Fülle  fremder  Ausdrücke,   auf  die  wir  hier   nicht  weiter 
eingehen  wollen. 

C.  DIE  SIPPE. 
Der  Mensch  war  in  alter  Zeit  vornehmlich  ein  Glied  seiner  engern  und 
weitern  Familie.    Die  Begriffe  'Familie'  und  'Sippe'  spielen  in  alter  Zeit  eine 
viel  bedeutendere  Rolle  als  jetzt,   wo  sie   ja   kaum   noch   vorhanden   sind. 
Die  Ausdrücke  dafür  sind  denn  auch  so  ziemlich  verloren  gegangen. 


§  136.  Die  Menschen  untereinander,  Familie,  Staat  usw.  211 

Den  kleinsten  Kreis  'die  Familie'  bezeichnete  in  alter  Zeit  wohl  der  schon  besprochene 
Ausdruck  hlwa-,  got.  heiwa-fraiija  'Hausherr',  ahd.  hiun  'beide  Gatten',  anord.  hjan  'Mann 
und  Frau,  Ehepaar,  Dienstboten'.    Dazu  and.  hiwiski  'Familie,  Hausgesinde,  Haushaltung', 
noch  nd.  Hisdi.   Den  weitern  Kreis  benannte  man  Sippe,  ahd.  sipp(eja,  ags.  sibb,  got.  sibja 
'Blutsverwandtschaft',    dazu   aind.  sabhd  'Versammlung    der   Dorfgemeinde',   altserb.  sebrü 
'freier   Bauer',   abg.  sobistvo   'Eigenart,  Wesen'  u.  a.,    vgl.  Solmsen,    Untersuchungen   zur 
griechischen  Laut-  und  Verslehre  200;  die  Grundlage  ist  ein  *sebhä  'eigene  Art',  davon  die 
y-Ableitung  got.  sibja.   Eine  ähnliche  Entwicklung  zeigt  ahd.  slafita  'Gesdiledit,  Herkunft', 
eig.  'was  nach  einem  schlägt'.  —  Ein  Ausdruck  für  'Verwandte'  liegt  in  Alage,  ahd.  mag 
vor,  das  sich  jetzt  nur  noch  in  Sdiwertmage  und  Spillmage,  eig.  'Spindeimage',  'Ver- 
wandter der  väterlichen   und   der  mütterlichen  Seite'  erhalten  hat.    —    Was  wir  Gesdiledit 
nennen,  heißt  ahd.,   neben  gislahti,  kiinni,  e.  kin,  kind,  got.  kiini,   von   einer  Wurzel,   die 
in  lat.  gignere,  gens,  gr.  yr/vouai  (gignomai)  'werde  geboren'  vorliegt;  kuni  entspricht  ganz 
genau   lat.  geniiis  'angeborener   Schutzgeist',   ist   also   'das  Angeborene'.    Heute  lebt   der 
Stamm  nur  noch  in  König,  ahd.  kuning,   eig.  'der  zum  Geschlecht  gehört',   'Geschlechts- 
mann'; von  derselben  Wurzel  ist  noch  gebildet  got.  ^«öy&5 'Geschlecht,  Stamm',  ahd.  knuai, 
eine  Ablautsform  zu  lat.  gens  und  nätio.    Die   folgende  größere  Einheit   bezeichnet   dann 
got.  piuda,  ahd.  rf/o/  'Volk',   erhalten   in  deutsdi   {theodiscus   ursprünglich   nur   von   der 
Sprache),  deuten   und  in  Eigennamen,  Dietridi  usw.;    dazu  air.  tfiath  'Volk',  osk.  touio 
'Volk,  Gemeinde',  lit.  tautä  'Land'.   Dieses  Wort  wird  abgelöst  durch  Volk,  ahd.  folk  'Volk, 
Dienstvolk,  Kriegsvolk,  Haufe',  t.  folk,  das  nicht  erklärt  ist.   Nation  schließlich  taucht  im 

15.  Jahrhundert  auf. 

D.  STÄNDE. 

Das  dem  gr.  skevdeQoq  (eleütheros),  lat.  liber  entsprechende  Wort  scheint  im  Germanischen 
nicht  mehr  vorzuliegen,  es  sei  denn  in  liederlidi  und  lotter,  jedenfalls  aber  nicht  in 
dem  alten  Sinne.  O.  Schrader  verbindet  damit  Leute,  mhd. //«^ 'Volk',  ags.  leode 'Ltütt\ 
ins  Slavische  entlehnt  abg.  Ijudii  'Volk',  Ijudije  'Leute',  also  eigentlich  'die  Freien'.  Um 
das  Wort  zu  erklären,  müßte  man  von  der  Bedeutung  'Volk,  Stamm'  ausgehen,  dann  hieße 
gr.  i?.rv&Fgog  (eleütheros)  'zum  Stamme  gehörig'.  Doch  ist  dies  unwahrscheinlich,  und  das 
Wort  gehört  eher  zu  got. //«rfan 'wachsen',  das  wir  noch  xn  Sommerlatte,  Lode  haben. 
Für  'frei'  erscheint  gemeingermanisch  frei,  ahd. frl,  t.free,  got.  f reis.  Im  Altindischen  ent- 
spricht genau  prijäh  'lieb,  beliebt,  erwünscht.  Gefallen  findend  an'.  Die  Vermittlung  dieser  ver- 
schiedenen Bedeutungen  ist  nicht  gelungen.    Vielleicht  liegen  doch  verschiedene  Worte  vor. 

Für  Herr  liegt  vor  got.  -faps  in  brapfaps,  hundafaps  'centurio'  zu  gr.  7i6oig  (pösis), 
öeo-ji6xt]g  {desp6t(es),  lat.  in  potes-tas;  daneben  steht  got.  fr  auf  a,  ahd.  frö,  jetzt  nur  noch 
in  Fron-leidinam,  Frone,  Fronfeste,  fronen;  dieses  Wort  hängt  mit  lat.  pro, 
gr.:x()(>  {pro)  zusammen  und  bedeutet  'der  erste,  vorderste";  ihm  folgt  Herr,  mhd.  her re  aus 
ahd.heriro,  Komparativ  zu  hehr,  ursprünglich  'grau',  also  'der  ältere'  wie  \at.senior,  \ta\. signor. 

Außerd.em  gibt  es,  wie  wir  schon  oben  S.  105  bemerkt  haben,  eine  Reihe  deutlicher 
Neubildungen.  Beachtenswerterweise  ist  das  alte  Wort  lat.  rox,  aind.  rdjä  im  Germanischen 
verloren  gegangen,  und  wird  erst  wieder  aus  dem  Keltischen  entlehnt,  ebenso  wie  Amt 
(s.  o.  S.  136).   Dazu  kommt  Kaiser  aus  lat.  Caesar. 

Von  den  sonstigen  Standesbezeichnungen  bestreiten  wir  König  (s.o.),  Fürst,  ahd. 
furisto,  eig.  'der  vorderste',  e.  first  'der  erste',  Herzog,  ahd.  herizogo,  eig. 'Heerführer' 
zu  Heer  und  lat.  dux,  Graf,  ahd.  gräfo,  gräfio,  eig.  'Vorsteher',  so  noch  in  Deidigraf, 
Salzgraf,  unsichrer  Herkunft,  aus  eigenem  Sprachgut. 

Die  mittelhochdeutsche  Zeit  bringt  uns  dann  eineFüllefranzösischerStandesbezeichnungen, 
von  denen  sich /('«w/'ö«  hält.  Auch  Prinz  ist  schon  mhd.;;n«^^,  hz.prince,  von  lat.princeps. 

In  der  Neuzeit  hat  sich  der  Stoff  bedeutend  vermehrt:  Baron,  schon  mhd.  barün' 
aber  erst  im  16.  Jh.  baron,  aus  frz.  baron.  —  Kavalier,  1616,  frz.  cavalier.  —  Komtesse, 
frz.  comtesse.  —  Marquis,  schon  mhd.  markis  und  Markise,  frz.   marquise.  —  Frau  und 

14* 


212         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Ftäiilein  waren  im  18.  Jh.  im  wesentlichen  auf  die  Angehörigen  des  Adels  beschränkt, 
während  die  bürgerlichen  Frauen  Madame  und  Mamsell  hießen,  Ausdrücke,  die  heute 
tief  gesunken  sind.  Auch  Monsieur  kommt  in  der  Alamodezeit  und  hält  sich  noch  volks- 
tümlich als  Miisje.  Die  neuste  Entlehnung  ist  t.  gentleman,  1791.  Im  Anfang  des  17.  Jh. 
entlehnen  wir  auch  Dame  aus  frz.  dame,  ital.  dama,  cig.  lat.  domina.  Nur  noch  mundart- 
lich ist  Dunzel  aus  frz.  donceüe. 

Selbst  auf  die  Dienerschaft  erstrecken  sich  die  Entlehnunj^cn.  So  erhalten  wir  mit 
den  spanischen  Wörtern  Gala,  Galan,  galant  ^uc\\  d\c  Lakeien,  span. /flfoj'o  (16.  Jh.). 

Für  Diener  gibt  es  eine  ganze  Reihe  wechselnder  Ausdrücke.  Vgl.  hierzu  Brug- 
MANN.  Zu  den  Benennungen  der  Personen  dienenden  Standes  in  den  indogermanischen 
Sprachen,  Idg.  Forsch.  19. 377,  von  denen  freilich  keiner  mit  Sicherheit  in  das  Indogermanische 
zurückzuführen  ist. 

Diener  selbst  ist  zwar  erst  mhd.  von  dienen,  ahd.  dionön  abgeleitet.  Aber  dem 
Stamm  haftet  die  Bedeutung  schon  seit  dem  Urgermanischen  an,  vgl.  got.  fyius  'leibeigener 
Diener.  Knecht.  Sklave',  ahd. -rfm.  ags.  pfow.  Dazu  gehört  natürlich  Dienst,  ahd.  dionost 
und  weiter  Dirne,  ahd.  diorna.  das  wohl  als  'Knechtstochter'  aufzufassen  ist;  Demut, 
ahd.  diomuoti.  eig.  'Knechtessinn'.  ein  Wort,  das  offenbar  vom  Christentum  geschaffen  worden 
ist.  Got.  pius  gehört  vielleicht  zu  lett.  teksnis  "Aufwärter.  Bedienter",  ai.  takuh  'eilend'.  — 
Knedit,  ahd.  kneht,  e.  knight  'Rütef.  —  Sdialk,  ahd.  skalk,  got.  skalks  'Knecht,  Diener' 
hat  eine  andere  Bedeutung  angenommen,  die  alte  finden  wir  noch  in  Marsdiall,  ahd. 
marahskalk  (zu  Mähre)  und  Senesdiall  aus  frz.  senedial  und  dies  aus  einem  deufsch- 
mlat.  seniscalcus  'der  alte  Knecht'  zu  got.  sineigs  'alt',  lat.  senex.  —  Auch  in  Arbeit 
steckt  wohl  ein  altes  Wort  für  'Knecht',  abg.  rabti  'Knecht.  Leibeigener',  wovon  rabota 
•Knechtsarbeit.  Frondienst',  das  wir  im  14.  Jh.  als /?ofro^  entlehnt  haben.  Sklave  ist  der 
alte  Volksname  der  Slaven. 

Beachtenswert  ist  noch  das  Wort  Adel.  ahd.  adal  n.  'Geschlecht,  von  dem  man 
stammt,  bes.  ausgezeichnetes',  dazu  mit  Ablaut  nodal  'Erbgut,  Heimat'.  Es  gehört,  wie 
A.  Gebhard  nach  Frommann  vermutet,  zu  einem  germanischen  *at,  *öt  'Grundbesitz. 
Landgut',  das  noch  \n  Heimat,  mhd.  heimöte,  got.  haimöpli,  ahd.  heimödil  und  unter  An- 
lehnung an  öde  in  Einöde,  ahd.  einöti  (bayer.  noch  £//2^/ 'einzelner  Hof)  vorliegt.  Auch 
Armut,  ahd.  armuoti  läßt  sich  als  'armseliges  Gut'  fassen. 

§  137,    Das  Haus. 

Literatur:  M.Heyne,  Fünf  Bücher  deutscher  Hausaltertümer.  Band  1:  Wohnung; 
Leipzig  1899.  —  R.  Meringer.  Das  deutsche  Haus  und  sein  Hausrat.  1906.  -  H.  Schmockel, 
Das  Siegerländer  Bauernhaus  nach  seinem  Wortschatz  dargestellt.  Ein  Beitrag  zur  Haus- 
und Dialektforschung,  Bonn  1911. 

Die  Ansichten  von  der  geringen  Seßhaftigkeit  der  Germanen  und  Indo- 
germanen,  die  nur  in  notdürftig  zusammengefügten  Hütten  gewohnt  haben 
sollen,  sind  hoffentlich  bald  allgemein  beseitigt.  Schon  die  Sprache,  ganz 
abgesehen  von  den  Funden,  zeigt  uns,  daß  unsere  Vorfahren  in  festen 
Häusern  wohnten.  Freilich  hatten  diese  Häuser  ein  andres  Aussehen  als 
unsre  Mietskasernen,  aber  von  der  Form  und  Gestalt  mancher  Bauernhäuser 
wichen  sie  nicht  allzuviel  ab.  Es  waren  Holzbauten  mit  Strohdächern,  bei 
denen  auch  das  Flechtwerk  eine  bedeutende  Rolle  spielte. 

Der  Steinbau  stammt  von  den  Römern,   und   das  zeigt  sich   auch   in 

der  Sprache. 

1.  EINHEIMISCHE  BESTANDTEILE. 

Gaden,  ahd.  gadum.  Nur  hochdeutsch.  ~  Haus,  ahd.  got.  hüs,  e.  house.  Vielleicht 
mit  hatte  verwandt,   aus  *hntta-.   oder  zu  aind.  kö'^ah  'Behälter.  Vorratskammer,   Schatz- 


§  137.  Das  Haus.  213 


kammer'. —  Hof,  ahd.hof,  vielleicht  mit  Ablaut  zu  gr.  ^r/y.-ro,- (^(e/^o^),  dtm  Hube,  Hufe, 
ahd.  hüoba  genau  entspricht.  —  Ein  altes  Wort  für  'Hofstatt'  sieht  Heyne  S.  12  noch  in 
ndd.  Wörde,  Wurd,  asächs.  ward  'Boden',  ags.  weord,  wurd,  wyrd,  das  er  zu  werden 
stellt.  —  Hütte,  ahd.  hutta,  huttea.  Aus  dem  Deutschen  stammt  e.  hut  'Hütte'.  Vielleicht 
zum  vorigen,  oder  besser  zu  a\cm.  Hotte  'hölzerne  Bütte'.  —  Kate,  Kote  'Hütte',  eig. 
ndd.,  e.  cot,  daraus  frz.  cotte.  Grundform  ist  idg.  *gudom,  die  im  Indischen  gudä-xn.  n. 
mit  der  Bedeutung  'Darm,  Mastdarm,  After'  vorliegt.  Ob  sich  die  Bedeutungen  vermitteln 
lassen,  will  ich  nicht  entscheiden.  Jedenfalls  gehören /Co /^z^ 'geflochtener  Rückentragkorb' 
und  Kieze  'Rindengefäß,  Starkasten'  hierher.  —  Koben,  mhd.  kobe  'Stall,  Schweinestall', 
e.  cove  'Obdach.  Taubenschlag'.  Das  Wort  hatte  einst  eine  weitere  Bedeutung,  wie  z.  B. 
die  Ableitung  Kobold  aus  *kobwald  'Hauswalter,  Hausgeist'  zeigt.  Zu  gr.  v^'■.^»/  (gyp<c)  'Erd- 
höhle, Gemach',  aind.  gup-  'behüten,  bewahren'.  Aus  dem  Deutschen  dazu  wohl  noch 
Kober.  —  Sdieuer,  ahd.  skiura,  sküra  'Scheuer',  zu  einer  Wurzel  skü  'bedecken',  die 
auch  in  \di\..  obscarus  steckt.  —  Sdieune,  ahd.  skugin,  skugina  'Scheune';  falls  ^  für  y 
steht,  dürften  Sdieune  und  Sdieuer  aus  einem  alten  /-/n-Siamm  erwachsen  sein,  wie  ahd. 
wazzar  und  ^oi.watö,  watins.  —  Sdinppen,  ahd.  skopf,  noidengl.  shippen  'Stall',  e.  shop 
'Laden'  zu  sdiieben.  —  Stadel,  obd.,  ahd.  stadal  -Scheune,  scheunenartiges  Gebäude', 
anoTd.  stödull  'Stall,  Melkplatz',  aind.  sthaträrn  'Standort,  Stelle'.  —  Stall,  ahd.  stal(l), 
e.  stall  'Stall,  Standort',  wohl  aus  *stadlo  zu  lat.  stabulum  'Stall'. 

Die  Begriffe  'Haus,  Hof,  Zaun,  Niederlassung'  gehen  gern  ineinander 
über,  indem  ein  Teil  für  das  Ganze  genommen  wird.  Welche  Bedeutung  in 
dem  einzelnen  Fall  ursprünglich  gewesen  ist,  läßt  sich  nicht  immer  sagen. 

Hierher  gehören: 

Garten,  ahd.  garto.  got.  garda 'Qe.hege,  Hürde';  daneben  ahd.  ^a/-^ 'Kreis,  Garten', 
asächs.  gard  'eingefriedigtes  Grundstück',  im  PI.  'Wohnung,  Haus',  ags.  geard  'Umfriedigung. 
Garten,  Wohnung',  e.yard  -Hofraum',  got.  gards  'Haus';  Verwandtschaft  kann  bestehen, 
einerseits  zu  Gurt  und  lat.  hortus,  cohors  'Gehege,  Hof.  gr.  yomog  (khörtos)  'Gehege,  Vieh- 
hof, Weideplatz',  anderseits  zu  hX.iafdis  'großer  umzäunter  Weideplatz',  oder  amd.  gi;hä-  m.  n. 

'Haus',  awest.  garada-  'Höhle',  vgl.  Weigand. wiek  in  Ortsnamen,  z  B.  Osterwiek,  ags. 

Wie,  got.  weihs  'Flecken,  Dorf  zu  lat.  vlcus,  gr.  oly.og  (ptkos),.  vgl.  aber  unten  S.  216.  Das 
Gehöft  war  durch  einen  Zaun  abgeschlossen,  ahd.  zun,  e.  town,  aus  kt\i.  danum.  Dafür  noch 
Etter,  ahd.  etar  -Zaun'  zu  abg.  odril  'Bettgestell',  tschech.  odr  'Pfahl',  odry  'Gerüst  in  der 
Scheune';  damit  vielleicht  zusammengesetzt  Gatter  und  Gitter.  —  Hürde,  ahd.  hurd, 
PI.  hurdi  'Flechtwerk  aus  Weiden,  Hürde,  Tür',  got.  hai'irds  'Tür',  e.  fiurdle  'Hürde,  Flecht- 
werk', daneben  Horde,  mnd.  hord  'Flechtwerk  einer  Brücke',  zu  lat.  crätes  'Flechtwerk'.  — 
Tür,  ahd.  tun,  eigentlich  ein  Plural  oder  besser  gesagt  ein  Dual,  lat.  fores,  gr.  vvoa 
ithyrä);  —  gleichen  Stammes  ist  Tor,  ahd.  tor,  e.  door,  got.  daür,  lautlich  entspricht  lat. 
forum,  \\i.  dväras,  abg.  dvorn  'Hof;  weshalb  Tür  ein  Dual  ist,  lehrt  ein  BHck  auf  alte 
Bauernhaustüren,  die  einen  obern  und  untern  Flügel  haben.  —  Riegel,  ahd.  rigil  "Quer- 
holz zum  Verschließen',  e.  rail  zu  lat.  arceo.  gr.  aoyJco  (arkeö),  lit.  rdktas  'Schlüssel'.  — 
Sdilüssel,  ahd.  slu^^il,  ndl.  sleutel  zu  sdiließen,  lat.  claudere.  —  Zimmer,  ahd.  zimbar 
'Bauholz,  Holzbau,  Wohnung,  Zimmer",  e.  timber  'Bauholz',  got.  timrjan  'erbauen'  zu  gr. 
MuEiv  (demen)  'bauen',  lat.  donius,  gr.  66uo;  {dömos).  —  Sdiwelle,  ahd.  swelli.  e.  sill, 
wohl  ablautend  zu  Säule,  ahd.  sül,  got.  sauls,  gasüljan  -gründen';  weiter  vielleicht  zu 
gr.  ^v?.ov  ixylon)  -Holz,  Balken,  Knüttel'.  —  Laube,  ahd.  louba  'Galerie  eines  obern  Stock- 
werkes, Schutzdach',  anord.  lopt  'oberes  Stockwerk',  zu  lit.  lubä  'Brett',  lübös  'die  bretterne 
Stubendecke'.  —  Dadi,  ahd.  dah  'Dach.  Bedeckung,  Decke,  Verdeck',  e.  thatdi  'Strohdach'; 
es  entspricht  lat.  toga  'Toga',  eig.  'Bedeckung',  mit  Dehnstufe  lit.  stögas  'Dach',  mit  ^- Vokal 
fr.  xeyog  (tegos).  —  Saal,  ahd.  sal  'Haus,  Wohnung',  got.  saljan  'Herberge  finden',  salipwös 
•Herberge,  Speisezimmer',  vielleicht  zu  lat.  solum  'Boden';  jedenfalls  zu  abg.  selitva  'Woh- 
nung'. —  Halle,  ahd.  halla  'Tempel',  e.  hall;  dazu  ndd.  hille  (mit  Ablaut)  'Ort  über  den 


214         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


X'iehstailen,  wo  Gesinde  und  Kinder  zu  schlafen  pflegen",  und  weiter  lat.  cella  'Kammer. 
Zelle,  gr.  xtüm  {kaliä)  'Hütte,  Scheune,  Nest'.  —  Ern,  Eren,  auch  Ähren  'Hausrauni 
zwisclien  der  Haustür  und  den  Zimmern  desselben  Stocks',  ahd.  arin,  erin  'Fußboden, 
Altnr",  wohl  zu  lat.  nrea  'Tenne,  innerer  freier  Hofraum'.  —  Heim,  ahd.  heim  'Haus,  Wohn- 
orf, e.  Itome.  got.  haims  'Dorf,  Flecken'  zu  gr.  y.o'tnj  {kdm<r)  'Dorf.  —  Barn  'Krippe',  ahd. 
barno.  wohl  zu  got.  tar/cfm^  "gersten',  also 'Gerstenbehälter'.  —  Giebel .  ^^6.  gibil  'Siwn-, 
Vorderseite',  got.  gibla  'oberste  Spitze,  Zinne',  urverwandt  mit  gr.  xf^uh)  (kephal,/)  'Kopf.  — 
Fletz.  aM.  flazzi,  flezzi.  ags. //e/  'platter,  ebener  Fußboden,  Tenne,  Hausflur',  nhd.  noch 
in  ElOtz.  Gehört  zu  gT..^/.ari\•  (platys).  —  Flur,  mhd.  vluor  'Saatfeld',  ags.//ör 'Estrich, 
Vorplatz",  c.floor  'Estrich,  Tenne'.  Es  entspricht  ir.  lar.  kymr.  llawr  'Boden,  Estrich*,  apreuß. 
plonis  'Tenne".  -  Wand.  ahd.  want  'Seite,  Wand",  e.  wand,  zu  winden,  eig.  •flechten". 
Die  Erklärung  von  Viand,  als  zu  winden  gehörig,  geht  im  wesentlichen  auf  Meringek, 
Idg.  Forsch.  17,  139  und  Etymologien  zum  geflochtenen  Haus,  in  Abhandl.  z.  germ.  Phil., 
Festgabe  für  R.  Heinzel,  Halle  1898  zurück.  Die  geflochtene  Wand  hat  in  der  Tat  in  alter 
Zeit  eine  außerordentliche  Rolle  gespielt,  und  noch  heute  kann  man  sie  in  Schäferkarren 
und  an  oberliessischen  Häusern  beobachten.  Dasselbe  wird  durch  die  oben  gegebenen 
Etymologien  Hütte :  Hotte,  Kate.  Kote :  KOtze,  Koben  :  Kober  wahrscheinlich  gemacht  Die 
Hütte,  die  Kate  und  der  Koben  sind  also  ursprünglich  geflochtene  Behältnisse  gewesen. 
Ebenso  gehört  AV//'/'^.  ahd.  krippa  zu  mhd. /fr^/»^ 'Korb".  —  Herd.  ahd. //trrf  Erdboden", 
e.  hearth.  —  Sdilot.  ahd.  slöt.  —  Esse.  ahd.  essa.  vielleicht  zu  I.  anre  'brennen'.  — 
Fenster.  Dieses  Wort  ist  freilich  ein  Fremdwort,  und  eigentliche  Fenster  hat  es  natürlich 
in  alter  Zeit  nicht  gegeben.  Immerhin  ist  es  bemerkenswert,  daß  die  Germanen  auch  eigene 
Wörter  dafür  geschaffen  haben,  got.  augadaiirö  'Augentür',  e.  wind-ow  'Windauge'.  Man 
erinnere  sich  dabei  an  die  kleinen  augenähnlichen  Luken  alter  Bauernhäuser  und  Scheunen. 

Der  Hausbau  erfordert  gewisse  Maße,  und  so  seien  hier  die  bemerkens- 
werten .ausdrücke  hierfür  eingeschoben. 

messen  ist  ein  indogermanisches  Wort,  ahd.  median,  got.  mitan.  gr.  iiirnor  (metron) 
'Maß".  Dazu  mit  Ablaut  Maß  f.,  ahd.  mäia.  masz  n.,  ahd.  me^,  noch  mundartlich  Meß. 
Metze.  ahd.  mezzo  =  1.  modius. 

Als  Maßeinheit  dienen  natürliche  Dinge. 

Als  kleinstes  Maß  findet  sich  bei  verschiedenen  indogermanischen  Völkern  dzsGersten- 
korn.  3\\d.  gerstun  körn.  vgl.  Hoops.  Waldbäume  364.  Weiter  dienen  die  Glieder  des 
Körpers,  wie  Finger.  Hand,  die  Spanne,  Fuß.  Die  Elle.  ahd.  elina.  got.  aleina  ist  eigent- 
lich die  Länge  des  Vorderarms  und  ist  mit  lat.  ulna,  gr.  di/.evt]  {ölend-)  Ellenbogen'  eins. 
Weiter  noch:  Laditer.  im  Bergbau  'das  Maß  der  ausgespannten  Arme",  mhd.  lä/ter  gehört 
vielleicht  zu  gr.  /.außäreir  {lambänin)  'fassen".  —  Klafter,  ahd.  kläfdra  mit  gleicher  Be- 
deutung ist  ein  andres  Wort  und  gehört  zu  lit.  gUbti  'umfassen". 

Mit  diesen  Ausdrücken  haben  sich  die  Deutschen  bis  in  die  Neuzeit 
beholfen,  indem  man  das  Hauptmaß,  den  Fuß,  noch  in  Zoll  eingeteilt  hat, 
erst  spätmhd.  zol.  Die  Herkunft  ist  dunkel.  Erst  in  der  Neuzeit  ist  mit  dem 
Meter,  frz.  metre  aus  gr.-lat.  metrum  ein  neues  einwandfreies  Maßsystem 
geschaffen  worden. 

Als  größere  Flächenmaße  gelten:  Morgen,  soviel  man  an  einem  Morgen  umpflügen 
kann.  —  Rute.  ahd.  ruota.  e.  rod.  Wohl  eins  mit  1.  radius.  eigentlich  die  Meßstange.  — 
Hufe.  gr.  xi'/.T^:  {k<ipos)  'Garten"  waren  dreißig  Morgen. 

Bei  den  unsichern  Verhältnissen  der  alten  Zeiten  spielte  die  sichere 
Anlage  einer  Wohnstätte  eine  notwendige  Rolle.  Eine  alte  im  Germanischen 
verloren  gegangene  Gleichung  für  eine  Art  Festung  liegt  in  gr.  n6?.i^  (pölis) 
'Burg',  a'ind.  pur,  Vit.  pilis  vor.   Wir  haben  dafür: 


§  137.  Das  Haus.  215 


Burg.  ahd.  bürg  'umschlossener,  befestigter  Ort,  Burg,  Schloß,  Stadt",  e.  borough. 
got.  baürgs  'Stadt'.  Entsprechend  air.  bn  'Berg,  Hügel',  also  auch  mit  Berg  verwandt.  — 
Dorf.  ahd.  dorf.  e.  thorp  'Dorf',  got.  paürp  'Bauland,  Feld'.  Verwandt  mit  lat.  trabs  'Balken', 
osk.  trhbum  'Gebäude',  air.  treb  'Dorf,  lit.  tröbä  'Gebäude'. 

An  sonstigen  Ausdrücken,   die   sich   auf   den  Hausbau   und   ähnliches 

beziehen,  sind  noch  zu  erwähnen: 

Diele,  ahd.  dil,  dilo.  dili.  dilla  'Brett,  Bretterwand,  Seitenwand  des  Schiffes,  brettener 
Fußboden',  ags.  pel.  pille  Brett'  zu  lit.  tilfi  'Kahndiele',  abg.  ti/o  -Boden',  lat.  tellüs  -Erde'.  — 
Säule,  ahd.  5«/,  siehe  oben  S.  213.  —  Laden,  mhd. /fl</^  -Brett.  Bohle.  Fensterladen. 
Kaufladen'  zu  Latte,  ahd.  latta.  e.  lath  -Latte'.  Dazu  ir.  slatfi  'Rute'.  —  Balken,  ahd.  balko. 
e.  balk.  Dazu  mit  Ablaut  an.  bjalke.  ags.  bolca.  wohl  zu  lat.  fu/cio  'durch  Balken  stützen, 
verpfählen".  gr.  rpd/.ay^  (phälai^x)  'Balken'.  —  Ofen.  ahd.  ofan,  t.  Oven,  anord.  ofn,  ogn. 
got  atihns  mit  auffälligem  Wechsel  von  Guttural  und  Labial.  Dazu  aind.  ukhd  -Topf,  i-rröc 
{ipnös)  -Ofen'.  Ursprüngliche  Bedeutung  vielleicht  -Topf.  —  Rost.  ahd.  röst  -Rost.  Scheiter- 
haufen, Glut.  Feuer".  —  Treppe  und  Stiege  sind  jüngere  Bildungen,  erstere  ndd..  letztere  obd. 
Ein  älteres  Wort  steckt  in  Leiter,  ahd.  leitara,  t.ladder.  wurzelverwandt  mitgr. y./.Tua:{klimax). 

2.  ENTLEHNUNGEN. 
Eine  große  Fülle  von  Ausdrücken  für  das  Haus  und  seine  Teile  geht, 
wie  wir  gesehen  haben,  in  die  urgermanische  und  vorgermanische  Zeit 
zurück.  Sicher  haben  die  Germanen,  wie  schon  aus  den  Tatsachen  der 
Sprache  folgt,  feste  Wohnhäuser,  Ställe,  Scheunen  usw.  besessen.  Über  die 
Formen  der  Häuser  und  über  den  Stoff,  aus  denen  sie  hergestellt  waren, 
werden  wir  freilich  auf  Grund  der  Tatsachen  der  Sprache  nicht  ins  klare 
kommen,  da  muß  die  Sachforschung  eintreten.  Finden  wir  im  Norden  der 
Alpen  den  Holzbau,  was  bei  dem  reichen  Holzvorrat  nicht  w^eiter  ver- 
wunderlich ist,  so  hatte  der  Süden  Steinbauten  errichtet,  und  mit  dem  Einfluß 
der  Römer  drang  dieses"Steinhaus  und  zugleich  die  Worte  für  dessen  einzelne 
Teile  nach  Norden  vor.  Tatsächlich  finden  wir  zunächst  eine  Fülle  von  Lehn- 
worten auf  diesem  Gebiet,  die  aus  dem  Lateinisch-Romanischen  stammen. 

Estriol,  ahd.  estirih.  astrih  aus  mlat.  astricnm.  astracuni  -Pflaster'.  —  Fenster, 
ahd.  fenstar  n.  aus  lat.  fenestra.  —  Kachel,  ahd.  kadiala  \.  -irdenes  Geschirr",  spätmhd. 
auch  'Ofenkachel',  aus  einem  vulgärlat.  *caccalus.  —  Käfter.  ahd.  kaftere  'Bienenkorb". 
mlat.  capisterium  -Mulde.  Trog"  (?).  —  Kalk.  ahd.  kalk,  auch  kaldi.  ags.  cealc.  t.  dialk 
'Kreide"  aus  lat.  calx.  —  Kammer,  ahd.  kamara  f.  aus  lat.  camara  -Zimmer".  —  Keller. 
ahd.  kellari  m.  aus  lat.  cellärium  -Vorratskammer".  —  Kellner .  mhd.  kelncere  m.  neben 
^kUloere  m.  (daher  der  Name  'Keller")  aus  lat.  cellärius  -Vorsteher  der  Vorratskammer".  — 
Kemenate,  ahd.  keminäta.  mlat.  caminata  -heizbares  Zimmer*.  —  Mauer  ahd.  mara  f.. 
ags.  mar  aus  lat.  mürus  mit  Wechsel  des  Geschlechts,  wahrscheinlich  unter  dem  Einfluß 
germanischer  Wörter  mit  ähnlicher  Bedeutung.  —  Pfalz,  ahd.  pfalanza  aus  s^'atlat.  palätium. 
palätia.  —  Pfeiler,  ahd.  pfiläri  m..  e.  pillar  aus  mlat.  pilöre.  pilärius.  —  Pflaster,  ahd. 
pflastar  n.  'Pflaster,  Wundpflaster,  Zement,  Mörtel;  Steinfußboden"  aus  mlat.  plastrum  dies 
aus  gx.  EfiTilaozoGv  [emplastron]).  —  Pforte,  ahd.  pforta  aus  lat.  porta.  Eine  ältere  Ent- 
lehnung ist  ahd.  pforzih  aus porticus.  t.  pordi.  —  Pfosten,  ahd. pfost  m.  -Pfosten.  Balken" 
aus  lat.  Akk.  postem.  —  Pfütze,  ahd.  pfuzzi.  e.  pit  -Grube'  aus  lat.  puteus  -Brunnen. 
Graben'.  —  Sdiindel.  ahd.  skintula  aus  lat.  scindula.  einer  Nebenform  von  scandula.  — 
Söller,  ahd.  soleri.  e.  sollar  aus  lat.  sölärium  -Söller.  Terrasse".  —  Speicher,  ahd.  spihhäri 
'Kornboden.  Speicher"  aus  lat.  *5/7/cflr/um 'Kornhaus".  —  Stube,  ahd.  5/u6a -heizbares  Ge- 
mach', e.  stove  'Ofen'.    Ein   genau   entsprechendes   lateinisches  Wort  fehlt,   vgl.  aber  ital. 


216        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

sttifa,  frz.  cttwe.  Über  die  Schwierigkeiten  bei  diesem  Wort  vgl.  Körting,  Roman.  Wörter- 
buch. —  tündien,  ahd.  tunih/iün  aus  lat.  *Umicare,  eig.  'bekleiden',  vgl.  ital.  intonicare 
'tünchen,  schminken'.  —  Turm,  andfrk.  turn,  aUz.  tarn.  —  Weidi-bild  und  -wik,  -weig 
in  Ortsnamen  vielleicht  aus  \z{.vicus.  —  Weiher,  ahd.  wiM/(7/-/ aus  \ai.  vivärium  'Tier- 
garten. Fischbehälter'.  —  Weiler,  ahd.  wilöri  aus  mlat.  vU/are  'Gehöft'.  —  Zelle,  mhd. 
zelle  aus  lal.  cella.  —  Ziegel,  ahd.  ziagal,  c.  tile  aus  lat.  tegula. 

Eine  große  Fülle  neuer  Entlehnungen  bringt  dann  das  ausgehende  Mittel- 
alter und  die  Neuzeit.  Hier  wird  vor  allen  Dingen  Italien  einflußreich,  das  aller- 
dings zum  Teil  nicht  unmittelbar,  sondern  durch  französische  Vermittlung  wirkt. 

Alkoven,  1711,  Uz.  alcöve.  —  Arkade,  18.  Jh.,  Uz.  arcade.  —  Balkon,  17.  Jh., 
\ia\.bolcone.  —  Balustrade,  1778,  frz.  balustrade.  —  Belvedere  (1700),  ital.  belvedere.  — 
Budoir,  Uz.  boudoir.  —  Erker,  mhd.,  mlat.  arcora.  —  Estrade,  1813,  frz.  estrade.  — 
Etage,  1728,  frz.  etage.  —  Fassade,  1714,  Uz.fafade.  —  Frontispiz,  18.  Jh.,  Uz.frontis- 
pice.  —  Galerie,  \616  Galerei,  also  schon  mhd.  einmal  entlehnt,  Uz.galerie. —  Garde- 
robe. 16. Jh.,  Uz. garde-robe.—  Hotel,  1734,  Uz.hötel.—  Kabinett,  1644,  frz.  cabinet.— 
Kamin,  mhd.  kamin,  gT.-lat  caminus.  —  Klosett,  1778,  Uz.  doset.  --  Kolonnade, 
18.  Jh.,  frz.  colonnade,  ital.  colonnata.  —  Korridor,  1715,  ital.  corridore.  —  Kuppel, 
1678,  \\a\.cüpola.  —  Loge,  im  13.  Jh.,  kö\n.  loitsdie,  aus  Uz.  löge  von  d.  Laube. —  logieren, 
schon  mhd.  losdiieren.  Uz.  loger.  —  Logis,  schon  mhd.  logis,  Uz.  logis.  —  Mansarde, 
1712,  Uz.  mansarde.  —  Nisdie,  17.  Jh.,  Uz.nidie.  —  Palais,  1703,  Uz.palais.  —  Paneel, 
1727,  ndl.  paneel,  aUz.  panel.  —  Parkett,  1791,  frz.  parquet.  —  Pavillon,  1710,  frz. 
pavillon.  —  Pilaster,  18.  Jh.,  iia\.  pilastro.  —  Plattform,  1716,  Uz. plate-forme.  — 
Podium,  1834,  Uz.podium.  —  Portal,  1442,  m\ai. portale.  —  Portier,  1727,  Uz. portier. 

—  Salon,  18.  Jh.,  Uz.  salon.  —  Spalier,  17.  Jh..  ita\.  spalliera.  —  Staket,  16.  Jh.. 
aUz.  estadiette.  —  Studi,  \757,  iia\.  stucco.  Uz.  stuc.  —  Terrasse,  1710,  Uz.terrasse.  — 
Tresor,  15.  Jh.,  frz.  tresor.  —  Veranda,  19.  Jh.,  t.  Veranda  und  dies  aus  dem  Indischen. 

—  Villa,  18.  Jh.,  lat.  villa. 

§  138.  Hausgerät.  Die  Benennung  der  Hausgeräte  ist  nur  zum  geringsten 
Teil  einheimisch.  Das  kann  nicht  wundernehmen,  wenn  man  die  überaus 
einfache  Einrichtung  mancher  Bauernhäuser  kennen  gelernt  hat. 

1.  EINHEIMISCHES  GUT. 

Bank,  ahd.  bank,  e.  bendi,  zwar  noch  nicht  recht  erklärt,  aber  gewiß  alt.  —  Stuhle 
ahd.  stuol,  e.  stool,  got  stöls  'Thron',  zu  lit.  pastölas  'Gestell',  ahg.stoln  'Stuhl,  Thron'; 
auch  gr.  ox/j'/.>)  {sta>Up)  'Säule'  ist  stammverwandt;  abgeleitet  von  der  indogermanischen 
Wurzel  sthä  'stehen';  zu  verstehen  hat  man  unter  den  alten  Stühlen  etwas  unserm  Hocker 
ähnliches.  —  Bett,  ahd.  betti,  e.  bed,  got.  badi;  damit  ist  Beet  identisch,  doch  ist  dessen 
Bedeutung  wohl  erst  abgeleitet.  Bett  hat  man  zu  lat.  f od io  gestellt.  —  Polster,  ahd.  bolster 
wohl  zu  Balg  und  ai.  barhih  'Opferstreu'.  —  Tisdi,  ahd.  tisk,  e.  disli  'Schüssel,  Gericht', 
ist  zwar  aus  lat.  discus  'Schüssel'  entlehnt,  aber  eben  nicht  mit  der  Bedeutung  'Tisch',  son- 
dern mit  der  von  'Schüssel'.  Der  Bedeutungsübergang  erklärt  sich  dadurch,  daß  man  in 
alter  Zeit  das  Gericht  auf  dem  Tisch  ins  Zimmer  trug.  Ein  altes  Wort  für  'Tisch'  liegt  vor 
in  ahd.  biot,  ags.  beod.  got.  Mups,  wozu  auch  unser  Beute  'Bienenkorb,  Backtrog'  gehört. 
Diese  Bedeutungsentwicklung  ist  nur  verständlich,  wenn  *biud-  ursprünglich  'Baumstamm, 
Klotz'  bezeichnete.  —  Sessel,  ahd.  sä3jal,  e.  settle  'Sitz,  Sessel',  got.  sitls  'Sitz,  Stuhl'  zu 
lat.  sella,  gr.  t-Ä/.a 'Sitz'  (Hesych).  —  Sdirank,  jung,  zu  sdiränken,  Sdiranke,  eig.  'Gitter- 
werk'. Daneben  mundartl.  Sdiank,  ahd.  skank  'Geschirrgestell'.  Davon  sdienken,  ahd. 
skenken  'zum  Trinken  eingießen'.  —  Sdt ranne  'Bank  zum  Feilhalten',  ahd.  skranna. 

Dazu  kommen  die  Gefäßnamen: 

Asdi,  mhd.  asdi  zu  Esdie;  daher  Asdikudien.  —  Äser,  Äser  'Tasche  zum  Um- 
hängen', mhd.,  vielleicht  zu  essen.  —  Faß,  ahd.  fa^,  e.  vat;  dazu  mit  Ablaut  das  KoUek- 


§  138.  Hausgerät.  217 


tivum  Gefäß,  ahd.  gif ä^i;  zu  lit.  jP//orf<75  'Topf,  Gefäß'.  —  Groppen  'weiter  eiserner 
Kochtopf;  aus  dem  Niederdeutschen;  zu  alid.  ^/77//70 'Röstpfanne'.  —  Hafen,  ahd.  hafan, 
zu  haben,  eigentlich  also  'Behälter'.  Dazu  Hafner.  —  Hotte  'hölzerne  Bütte',  alemannisch, 
vielleicht  mit  Hätte  verwandt.  —  Humpen,  erst  neuhochdeutsch,  aber  vielleicht  alt;  vgl. 
oben  S.  135;  daneben  das  merkwürdige  Kump,  Kampf,  mhd.  kumpf,  e.  comb,  coomb  und 
Kumme  'tiefe  Schale,  tiefer  Tischnapf'.  Ob  hier  irgendeine  Verbindung  mit  gr.  xvußog 
(kymbos)  'Gefäß,  Becher',  awest.  /umbö  'Topf  vorliegt,  läßt  sich  nicht  entscheiden.  —  Kanne, 
ahd.  kanna,  e.  can.  Daneben  noch  ohd.  Kante,  ahd.  kanta.  Dazu  vielleicht  m'n.  gann 
'Kanne'.  Und  weiter  obd.  Kandel,  ahd.  kanala.  —  Kasten,  ahd.  kasto  ist  dunkel.  Viel- 
leicht zu  got.  kas  'Gefäß'.  Das  damit  reimende  Kiste  stammt  aber  aus  lat.  cista.  —  Keitel 
'Fischnetz'  md.  ostpreuß.  —  Kerne  'Butterfaß',  mnd".  kerne,  e.  diurn.  Dazu  kernen  'zu 
Butter  rühren',  e.diurn.  —  Ke s di e r 'k\tines  Beutelnetz,  Handfischnetz',  ostdeutsch;  Kieke, 
mnd.  kike,  dän.  ildkikert.  —  Kiepe  ist  ein  niederdeutsches  Wort,  mnd.  kipe,  mnd.  kape, 
ags.  cypa  'Korb',  e.  mundartlich  kipe  'Fischreuse'.  Das  Wort  ist  in  den  germanischen 
Sprachen  so  weit  verbreitet,  daß  es  kaum  aus  lat.  capa  'Tonne'  entlehnt  sein  kann.  — 
Kober,  erst  neuhochdeutsch;  vielleicht  mit  Koben  verwandt.  —  Kratten,  ahd.  kratto 
'Korb',  e.  crad/e  'Wiege';  daneben  Krätze,  ahd.  krezzo.  —  Lade,  mhd.  lade,  anord.  hlada 
'Scheuer,  Scheune',  nicht  mW  Laden  zusammenhängend.  —  Läse,  mnd.  täte  zu  lassen.  — 
Mande  'Korb  ohne  Henkel',  e.  mand,  maund  'Handkorb'.  —  Meise  'Tragreff  auf  dem 
Rücken',  ahd.  meis(s)a,  anord.  meiss  'Korb'.  Vielleicht  zu  lit.  mäi^as  'gestricktes  Heunetz', 
ahg.  media '¥t\\,  Schlauch,  Sack'.  —  Meste'Q&\ä2>  zu  Salz',  wohl  zu  messen.—  Metze, 
ahd.  mezzo,  daneben  got.  mitaps;  zu  messen.  —  Napf,  ahd.  hnapf  'Becher,  Schale';  un- 
erklärt. Vielleicht  mit  Schwebeablaut  zu  Humpen.  —  Nößel,  mhd.  nce^^elln.  —  Pott,  nd., 
t.  pot,  dän.pot,  auch  rom.-frz.  po^,  das  doch  wohl  die  Quelle  ist.  —  Ranzen,  zuerst  1510 
gaunerisch.  —  Runzel,  mnd.  renzel,  rensei.  —  Rätter  'Sieb',  von  ahd.  redan  'sieben', 
hi.  kretalas  'Sieb'.  —  Reuse,  ahd.  ras (s)a,  riusa,  vielleicht  zu  Rohr.  —  Satte,  Seite, 
erst  neuhochdeutsch,  aus  ndd.  satte;  ob  zu  setzen}  —  Sdiaff  'oben  offenes  Gefäß  von 
Böttcherarbeit',  ahd.  skapf  'Weingefäß',  wohl  ein  einheimisches  Wort,  das  zu  Sdiiff  im 
Ablaut  steht,  mit  dem  sich  aber  das  entlehnte  gr.-lat.  skap{h)ium  vermischt  hat.  Davon 
Sdieffel,  ahd.  skeffil.  —  Sdiale,  ahd.  skäla  'Trinkschale'  entweder  mit  Ablaut  zu  Sdiale 
zu  ahd.  Skala  'Hülse  einer  Frucht',  e.  shale  'Hülse';  dazu  got.  skalja  'Ziegel',  abg.  skolika 
'Muschel',  oder  zu  Sdiädel  aus  *skedlä.  —  Sdiänzdten  zu  hess.  Sdianze  'grob  gefloch- 
tener Weidenkorb',  eins  m\i  Sdianze,  ursprünglich 'Reisigbündel'.  —  «Sfl'?^'/'^^,  ahd.  skirbi 
'Scherbe,  irdener  Topf  zu  abg.  J/-^/')!  'Scherbe'.  —  Sdioppen,  wohl  zu  schöpfen.— 
Stande,  nd.  Stanne,  ahd.  stanta  zu  Stand.  —  Ständer,  1175  stanter.  —  Stauf 
'Becher',  ahd.  stouf  zw  lit.  staubunas  'Stiel,  Stengel'.  —  Stulpe  'Deckel  zum  Stülpen',  nd.  — 
Stunze,  in  nd.  u.  md.  Mundarten  weit  verbreitet.  —  Topf,  mhd.  topf,  e.  top  'Kreisel'.  — 
Trog,  ahd.  trog,  e.  trough,  idg.  *druk(is  zu  *dru  'Baum'.  —  Truhe,  ahd.  truha  'Kiste, 
Schrank';  vielleicht  mit  grammatischem  Wechsel  zum  vorigen,  aber  eher  zu  ags.  pr ah 
Trog,  Kasten,  Sarg',  anord. /»rö 'ausgehöhlter  Stamm  oder  Stein'  zu  lat.  truncus  'Baumstamm'.  — 
Tüte,  nd.,  nd\.  tuit  'Röhre'  zu  lit.  rfarfß 'Röhre' ;  hochd.  Zotte,  Zeute.  —  Zeine 'Korh'. 
ahd.  zeinna,  got.  tainjö  zu  got.  tains  'Zweig'. 

In  den  Mundarten  werden  sicher  noch  manche  alte  Ausdrücke  für  Gefäße 
und  Behälter  stecken.  Aber  ob  viele  davon  Anknüpfung  in  den  verwandten 
Sprachen  finden  würden,  ist  sehr  die  Frage,  da  wir  ja  auch  bei  den  bisherigen 
wenig  Verbindung  mit  den  übrigen  indogermanischen  Sprachen  herstellen 
konnten.  Auf  keinem  Wortgebiet  ist  nun  so  viel  entlehnt  wie  gerade  auf  diesem 
(siehe  unten),  und  daher  könnte  in  manchem  der  erwähnten  Wörter  wohl  noch 
ein  Fremdwort  stecken.  Diese  Herübernahme  hängt  zweifellos  damit  zu-, 
sammen,  daß  man  gern  jedem  Gefäß  in  neuer  Form  einen  neuen  Namen  gibt. 


218         Neuntes  Kapitel.   Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

2.  ENTLEHNUNGEN. 

In  der  altern  Zeit  werden  entlehnt:  Sdiemel,  a\\6.  skainal  'Schemel,  Fußbank'  aus 
\a\.  scamellum;  daneben  mundartlich  Sdiabelle.  —  Spiegel,  d\\d.  spiagal  aus  mlat. 
speglum  =  spiciilum.  —  Teppicfi,  alid.  tcppidi,  tepid,  Umbildung  von  lat.  tapi-tum.  — 
Tisdi,  ahd.  tisk,  e.  dish  'Schüssel,  Gericht'  aus  lat.  discus  'Schüssel',  vgl.  S.  216.  —  Sdirein, 
ahd.  skririi,  c.  shrine,  \at  scnnium.  —  Spind,  mnd.  spinde,  m\a\.  spenda  'Speisekammer, 
Speisekasten',  also  zum  gleichen  Stimm  wie  spenden,  ahd.  spentnn,  ital.  mlat.  spendere 
'ausgeben',  von  \z{.  expendere.  —  Angster  'hohe  enghalsige  Trinkflasche',  m\\d.  angster. 
mlat.  angiistriim.  —  Ar  die,  ahd.  ardia,  e.  ark,  got.  arka  'Kasten',  lat.  arca,  jetzt  nur  noch 
biblisch.  —  Bedier,  ahd.  behfiar(i)  aus  m\al.  biccarium,  das  auf  gr.  ßTxog  {bikos)  'Gefäß' 
zurückgeht.  —  Bedien,  ahd.  bedi'ifn)  aus  spätlat.  baccmum  'Becken'  von  bacca  'Wasser- 
faß'. —  Bottidi,  ahd.  botahha  aus  mlat.  bntica  von  buta.  —  Butte,  Bütte,  ahd.  biitin, 
bntinna,  e.  butt  'Faß'  aus  mlat.  butina  'Flasche'.  —  Büttel,  nd.  buddel,  dies  aus  mlat. 
botilia.  —  Eimer,  ahd.  eimbar,  daneben  amhar,  wohl  volksetymologisch  umgestaltet  aus 
gr.-lat.  amphora.  —  Flasdie,  ahd.  flaska,  e.  flask  aus  m\a\.  f/asca.  —  Gelte,  Güte,  ahd. 
gellita,  gellida  aus  mlat.  galleta,  gallida  'Gefäß,  Kübel'.  —  Keldi,  ahd.  kelih  aus  lat. 
calic(em).  —  Kessel,  ahd.  kei^il,  e.  kettle,  got.  katils  aus  lat.  catinus  'Napf,  Schüssel',  — 
Kopf  (noch  in  Tassenkopf),  ahd.  /fO/>/,  kiipf  'Becher',  e.  cup  'Becher,  Obertasse'  aus  lat. 
ctippa  'Becher'.  —  Korb,  ahd.  korb,  wohl  aus  lal.corbem,  trotz  weiter  Verbreitung  im  Ger- 
manischen und  trotz  der  Ablautsform  mhd.  krebe  'Korb'.  —  Krause,  Art  Krug.  Obd.  hess., 
mhd.  knise.  Ans  gr.  y.oMoaöc  (krössös) 'VJasser-,  Öl-,  Aschenkrug'?  oder  aus  mlat.  crucibulus 
'Becher'?  —  Kreisel,  ursprüngl.  'Krug'  zu  Krause.  —  Krug,  ahd.  kruog.  Kruke,  and. 
krfika  sind  wohl  Entlehnungen  aus  unbekannter  Quelle.  —  Kübel,  ahd.  miluh-kubili  aus 
einem  roman.  *cubel,  prov.  rubel,  gr.  y.i'.-iE}.).nr  {kypellon).  —  Kufe,  ahd.  kuofa,  e.  coop  'Kufe' 
aus  mlat.  cöpa  (Nebenform  von  cüpa).  —  Küpe,  nd.,  Nebenform  zu  Kufe  und  wie  dieses 
aus  lat.  citpa.  —  Läget,  Leget ,  ahd.  lägel(l)a,  lat.  lagPna  'Flasche'.  —  Mulde,  nd.  Molle, 
mhd.  multer,  ahd.  muolt(e)ra,  mulktra  'Melkgelte'  aus  lat.  mulctra  'Melkkübel'.  —  Ohm, 
mhd.  ^7^^,  c.  axz'm  aus  mlat.  ama  'Gefäß,  Weinmaß'.  —  Pfanne,  ahd.  pfanna,  o..  pan,  wohl 
aus  lat.  patina.  —  Pinte,  15.  Jh.,  \xz.  pinte.  —  Pulle,  nd. pulle,  lat.  ampulla.  —  Sadi, 
ahd.  sak(h),  e.  sadi,  got.  sakkus,  lat.-gr.  Saccus,  hebr.  sag.  —  Sdiaditel,  spätmhd.  ital. 
scatola.  —  Schüssel,  ahd.  skuyjila  aus  lat.  scutella  'kleine  Schüssel'.  —  Seidel,  spätmhd. 
s'idel  aus  lat.  situla  'Eimer'.  —  Tiegel,  ahd.  tegal  'Schmelztiegel'  aus  lat.  tfgula,  gr.  Tt'iyuvov 
(tdganon).  Es  steckt  aber  auch  wohl  ein  echt  germanisches  Wort  darin.  —  Tonne,  ahd. 
tunna,  e.  tun,  wohl  aus  dem  Keltischen,  ir.  tunna.  —  Triditer,  ahd.  trahtari  aus  mlat. 
tractarius.  —  Urne,  17.  Jh.,  lat.  urna.  —  Vase,  1568,  frz.  vase.  —  Zuber,  ahd.  zubar 
'Gefäß',  dazu  e.  tub;  nach  Kluge  aus  lat.  tubusQ). 

Wenn  nun  auch  weiter  schon  in  mittelhochdeutscher  Zeit  einige  Ent- 
lehnungen auf  dem  Gebiet  des  Hausgeräts  erfolgten,  so  kommt  der  Haupt- 
strom doch  erst  in  der  Neuzeit,  und  es  zeigt  sich  hier  der  Einfluß  weitet 
Fernen.   Wir  ordnen  den  Stoff  hier  einfach  alphabetisch. 

Büfett,  1556,  Schweiz,  puffet,  Uz.  buffct,  ital.  buf et to.  —  Diwan,  1703,  Uz.  divan, 
pers.  rf/a'<«n.  —  Fauteuil,  1727,  Uz.  fauteuil  aus  d.  *faltstuol.  —  Gardine,  1598,  aus 
ndl.  gardyn,  mlat.  cortina.  —  Jalousie,  1710,  frz.  Jalousie,  aber  in  der  Türkei  geprägt.  — 
Kanapee,  Anfang  des  18.  Jh.,  frz.  canape,  gr.-lat.  cönöpium  von  gr.  y.o'jyioy  (könöps)  'Stech- 
mücke', also  'ein  mit  einem  Mückennetz  versehenes  Ruhebett'.  —  Karaffe,  Karaffine, 
Karwine,  17.  Jh.,  frz.  carafe,  pers.  qaräbü  'Flasche  mit  weitem  Bauch'.  —  Kasserolle, 
1715,  frz.  casserole.  —  Kassette,  1773,  Uz.cassette,  ital.  cassetta.  —  Kommode,  18.  Jh., 
frz.  commode,  verdeutscht  Bequemlade.  —  Kredenztisdi,  1540,  von  kredenzen.  —  Mar- 
kise, 1773,  nach  der  Marquise  Pompadour.  —  Möbel,  17.  Jh.,  frz.  meuble,  lat.  mobilis, 
woher  auch  Mobilien  1648.—  Ottomane,  18.  Jh.,  frz.  o/to/wa«^ 'die  Ottomanische', — 
Phiole,  mhd.viole,  gr.-lat.  phiale.  —  Platte,  15.  Jh.,  Uz.  plat.   —   Präsentierteller, 


§  139.  Geräte,  Werkzeug  und  dergleichen.  219 


18.  Jh.,  von  präsentieren,  mhd.presenti'ren,  hz. präsenter.  —  Rouleau,  1741,  ixz.rouleau.  — 
Schatulle,  1647,  mlat.  scatula.  —  Sofa,  1694,  frz.  sopha,  arab.  N«//fl.  —  Tablett,  19.  Jh., 
frz.  tablette.  —  Tasse,  1561,  frz.  tasse,  arab.  täsa.  —  Terrine,  1780,  frz.  terrine.  — 
Vase,  1568,  frz.  z/flÄ^. 

§  139.  Geräte,  Werkzeug  und  dergleichen.  Über  die  verschiedenartigen 
Geräte  und  Werkzeuge,  die  man  in  alter  Zeit  benützt  hat,  unterrichten  uns 
die  Funde.  Sie  zeigen  eine  überraschende  Fülle  verschiedener  Formen. 
Damit  muß  die  Sprache  Hand  in  Hand  gegangen  sein.  Es  müssen  zahl- 
reiche Ausdrücke  bestanden  haben.  Daß  aber  von  diesen  im  Laufe  der 
Zeit  mit  der  Veränderung  der  Formen  manche  in  Vergessenheit  gerieten,  ist 
eigenthch  selbstverständlich.  Trotzdem  führt  uns  die  Frage  nach  der  Her- 
kunft nicht  selten  über  das  germanische  Sprachgebiet  hinaus.  Als  beson- 
dere Eigentümlichkeit  haben  wir  schon  oben  S.  118  hervorgehoben,  daß 
viele  Werkzeugnamen  mit  dem  Suffix  -/  gebildet  werden. 

Vgl.  dazu  Brasch,  Die  Namen  der  Werkzeuge  im  Altenglischen  und  Q.  Wollermann  a.  a.  O 

EINHEIMISCHES  SPRACHGUT. 
Achse,  s.  0.  S.  204.  —  Ahle,  ahd.  ala  (e.  awl  ist  ein  andres  Wort)  zu  aind.  ärä  'Pfriem, 
Ahle',  lit.  IIa  (letzteres  vielleicht  aus  einem  got.  *eld  entlehnt).  —  Angel,  ahd.  anguL  'Haken, 
Angel',  e.  angle  'Angelhaken'  zu  gr.  ayy.vXog  {ankylos)  'krumm'.  —  Axt,  ahd.  ackus,  e.  ax, 
got.  aqizi  zu  gr.  ä'^lv)}  (axince),  lat.  ascia  'Beil'.  —  Bahre,  ahd.  bura,  e.  hier  zu  Bürde, 
gebären,  lat  fero.^ —  Band,  ahd.  bant,  e.  band  zu  binden;  dazu  Bendel,  ahd.  bentil.  ■ — 
Barte,  ahd.  barta,  eig.  'die  Bärtige'.  —  Beil,  ahd.  bihal  aus  *biplom;  dazu  Bille  'Hacke 
zum  Schärfen  der  Mühlsteine',  ahd.  bill  'Schwert',  e.  bill  'Axt,  Hacke',  beide  zu  beißen,  lat. 
jindere  'spalten'.  —  Bengel  'kurzes  stangenartiges  Holz',  mhd.  bengel  zu  e.  bang  'schlagen, 
prügeln'  und  dies  vielleicht  zu  lit.  Mo:^  'Keule'.  —  Besen,  ahd.  besamo,  g.  besom.  — 
Beutel  in  Loch-,  Stechbeutel,  nd.,  ndl.  beitel  zu  beißen,  lat.  findo,  ai.  bhidurah  'spaltend'.  — 
Beutel  'rundes  Holz  zum  Mürbeschlagen  des  Flachses,  nd.  bötet,  e.  beeile  zu  ahd.  bü^an 
'schlagen',  e.  beat,  noch  in  Amboß.  —  Beutel  'Säckchen',  nach  E.  Schröder  bei  Woller- 
raann  (s.  o.)  wahrscheinlich  der  Behälter,  in  dem  das  Kerbholz  mit  dem  Aufgebot  umging, 
also  zu  bieten.  —  Bleuel  'flaches  Holz  zum  Schlagen',  ahd.  blrdl  zu  bleuen,  e.  blow,  got. 
bliggwan,  lat  fligere.  —  Block,  ahd.  biloh,  gewöhnlich  zu  ahd.  bilahhan  'verschließen' 
gestellt.  Es  wäre  dann  der  Block,  in  den  die  Verbrecher  gesperrt  wurden.  —  Bohrer,  erst 
1482  von  bohren,  lat  foräre.  Dafür  älter  bor.  —  Darre,  ahd.  darra  zu  dörren.  —  Dedisel 
'Breitbeil,  Queraxt,  wohl  Krummhaue',  ahd.  dehsala,  dehsa  zu  aind.  täkiati  'behaut',  lat. 
texer e  'weben',  gr.  ziy.Toyv  {tektün)  'Zimmermann'.  —  Deichsel,  s.  o.  S.  204.  —  Döbel 
^Zapfen',  ahd.  tubila,  e.  dowel,  gr.  rvffog  {typhos)  'Keil'.  —  Draht,  ahd.  drat,  e.  thread, 
gr.  iqiixög  (trcetös)  'durchbohrt'.  —  Ducht  'Ruderbank',  nd.,  hd.  Duft,  ahd.  dofta.  —  Egge, 
s.  0.  S.  194.  —  Falle,  ahd.  falla  von  fallan,  ahd.  fallan,  e.  fall,  lit.  püolu  'falle'.  —  Feile, 
ahd.  fihala,  e.  file,  anord.  pel,  urgerm.  *pi)3hla-.  —  Felge  'eins  der  krummen  Holzstücke 
des  Radkreises',  ahd.  felaga.  —  Fessel,  ahd.  fe^-ßl  'Band'  zufassen.  —  Futter,  ahd. 
fuoter,  got  födr  'Schwertscheide',  a\.  putram  'Behälter,  Gefäß'.  Dazu  auch  Futteral.  — 
Gabel,  ahd.  gabala  'Gerät  der  Landwirtschaft'  zu  ir.  gabul  'gegabelter  Ast,  Gabel'.  — 
Galgen,  ahd.  galgo,  e.  gallow,  lit.  ia/^a 'Stange'.  —  Geißel,  ahd.  geisila,  ursprüngliche 
Bedeutung  'Stab',  daher  zu  Ger.  —  Griffel,  ahd.  grifil  zu  greifen.  —  Gurt,  mhd.  gurt, 
Gürtel,  ahd.  gurtil,  e.  girdle,  got  gair da.  Verwandt  mit  Garten.  —  Hadie,  mhd.hadie, 
e.  hadi,  wohl  zu  hauen,  lat.  cüdo.  —  Haken,  ahd.  hag(g)o,  hako,  e.  hook.  —  Halfter, 
ahd.  halftra,  e.  halter  zu  ahd.  halb  'Handhabe,  Stiel',  e.  helve  'Stiel'  und  dies  zu  lit.  kälpa 
^Querholz  am  Schlitten',  apreuß.  kalpus 'Rungenstock'.  —  Hamen,  s.  o.  S.  186.  —  Hammer, 
ahd.  hamar,  e.  hammer,  ai.  äsmä  'Stein'.  —  Har^e,  ursprünglich  'ein  Gerät  ^um  Trocknen 


220         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

des  Getreides',   e.  harp.   —   Harke.   Norddeutsch,   mnd.  harke,   ai.  khrgala-  'Bürste'.  — 
Haspe  'Türhaken",  mhd.  haspe  'Garnwinde*,   ahd.  haspa  'soviel  Garn  wie  auf  einmal  ge- 
haspelt wird",   c. /jfl5/7  'Riegel'.    Dazu  Haspel,   ahd.  haspil.    —   Haue,   ahd.  houwa  zu 
hauen.  —   Hebel,  1432,  ahd.  hefil(o)  'Hefe'  zu  heben,  ahd.  heffan,  e.  heave,  1.  capio,  gr. 
x<i:jt]  {kdp(p)  'Griff.  —   Hechel,  mhd.  hediel,  hachel,  e.  hatdiel,  hackle.   —   Haft  'Hand- 
habe',  ahd.  hefti  'Messer-,  Schwertgriff'  zu  haft,   lat.  captus.   —   Helm  'Stiel   eines  Hau- 
werkzeuges', mhd.  halnie  neben  halp,  ahd.  halap,  verwandt  mit  Halfter.  —  Henkel,  1480 
zu  henken,  hängen.  —  Hippe,  ahd.  heppa.  happa  'Sichel'.   Zu  gr.  a<o.-t('c  (A-o/j/s) 'Schlacht-, 
Opfermesser'?  —  Hobel,  mhd.  hovel,  hobel.   Unklar.   —   Hülse,  ahd.  hulsa,  e.  hüll  zu 
hehlen,  hüllen.  —  Jodi,  ahd. joh,  t.yoke,  goi.  juk,  \at.jugum,  gr,  ^vyöv  (zygön).  —  Kamm, 
ahd.  kamp,  kambo,  e.  comb,  gr.  yö/nfo^  (gömphos)  'Zahn,  Pflock'.  —  Karst,  ahd.  karst.  — 
Kegel,  ahd.  kegil  'Pflock,  kleiner  Pfahl',  abg.  iezln  'Rute,  Stab'.  —  Keil,  daneben  auch 
Keidel,  uTgtTm.*kipla.  —  Kelle,  ahd.  kella.  —  Keule,  mhd. kiule.  —  Kimme,  ags.  cimbing. 
Kiß,  Kisse  ianggestielte,  hölzerne  Scharre',  ahd.  kissa.   —  Klammer,  mhd.  klamer(e), 
daneben  mhd.  klampfer.  —  Klampe,  mnd.  klampe.  —  Klingel,  1624  von  klingeln,  ahd. 
klingilrm.  —  Klinke,  md.  klinke.  —  Kloben,  ahd.  klobo  zu  klieben,  ahd.  klioban,  e.  cleave, 
I.  glubo,  gr.  ■■/.i-ffM  (glyphn).  —  Klopf  el,  Klüpfel  zu  klopfen  und  mhd.  klepfelzu  klappen.  — 
Klotz,    mhd.  /f/oz  zu  Kloß,   ahd.  /f/ujj,  e.  cleat,  ai.  gudah  'Kugel'.   —   Kluppe,   spätahd. 
kluppa  'Zange'  zu  klieben.  —  Knebel,   ahd.  knebil  zu  Kamm  und  gx.  ynu'po^'igömphos) 
'Pflock,  Haken'.  —  Kneif  'kurzes,  gekrümmtes  Messer',  mnd,  knif,  e.  knife.   —  Kneipe 
Klemme,  Zange',  nd.  kntpe  zu  kneifen.  —  Knüppel,  mnd.  knnppel  zu  Knopf.  —  Knüttel, 
ahd.  knutil  zu  Knoten.  —  Kolben,  ahd.  kolbo,  \.  globus.  —    Krampe,  and.  krampo  zu 
ahd.  Ärra/H/»/ 'gekrümmt',   lett.  ^g^r/r^^a  'Runzel'.   —   Krapfen,   ahd. /jn7/7/o  'Haken',    mit 
Krampe  verwandt.  —  Kräuel  'Gabel  mit  Haken  zum  Fassen',   ahd.  krawil  von  krauen, 
ahd,  krouwön.  —   Kra.xe  'Traggestell",   mhd.  kredise.  —   Krempel  'Wollkamm'  zu  ahd. 
krampt  'Haken'.  —  Krücke,  ahd.  kruckia,  e.  crutdi.   Zu  ahd.  krdko  'hakenförmiges  Werk- 
zeug'? —  Kufe,  ahd.  knofa,  lit.  zdgre  'Pflug'.  —  Latte,  ahd.  latta,  e.  lath,  verwandt  mit 
Laden.  —  Leine,  spätahd. /ma,  e,  line  zu  Lein.  —  Leisten,  ahd.  leist,  t.  last.  Zu  Ge- 
leise. —  Löffel,  ahd.  leffil  zu  ahd.  laffan  'schlürfen',  lat.  lambere.  —  Lünse,  s.  o.  S.  204.  — 
Meißel,   ahd.  mei^il  'Meißel'  zu  ahd.  meijan  'hauen,  schneiden',  got,  maitan  'hauen',  — 
Messer,  ahd.  me^y-rahs,  eigentlicii  Speise-(m^33;')messer  {rahs  aus  sahs),  mit  grammatischem 
Wechsel.  —  Nadel,  ahd.  nädala,  t.needle,  got  m-pla  von  nähen,  ahd.  ndjan,  s.  unten.  — 
Nagel,  schon  urgerm.  in  übertragener  Bedeutung,    Siehe  oben  S.  171.   —  Nestel,  ahd. 
nestilo,  nestila,  lat.  nödus  'Knoten'.  —  Niet(e),  mhd.  niet(e)  zu  ahd,  bi-hniotan  'befestigen',  — 
Ort  'Schusterahle',  ahd.  ort,  me.  orrf 'Spitze,  Waffenspitze',  Grundform  *uzda-.  —  Pflock, 
14.  Jh„  mnd.  pluk.   —  Pflug,  s.  o.  S.  194.  —  Pfriemen,  mhd.  pfrieme,  dazu  ags.  preon 
'Pfriem,  Nadel',   q,  preen  'Gabelnadel'.    —   Pidie,  1420  bidie,  Pidiel,  mhd.  bidiel 'Spitz- 
hacke'  von   bicken,   picken,    ahd.  bickan   'angreifen,    wonach   stechen'   zu   gall,-lat.  beccus 
'Schnabel',  —  Prickel,  nd,  'Stecheisen',   davon  prickeln  zu  md.  priken  'peinigen'.    Viel- 
leicht zu  lit,  briezu  'kratze'.  —   Quirl,  ahd.  thwiril  zu  ahd.  dweran  'drehen,  rühren',  lat. 
trua  'Rülirlöffel',  gr.  loorry,  (toryme).  —  Rad,  s.  o.  S.  204.   —   Rahe  'Segelstange',  mhd. 
rahe,  lit.  re/f/»'5 'Stangengerüst'.  —  Rahmen,  ahd.  rama  'Säule,  Stütze,  Spanngestell  beim 
Weben'  zu  got.  hramjan  'kreuzigen',   abg.  kroma  'Rand',  gr.  xoEuafiai  {kremamai)  'hange, 
schwebe'.  —  Raspe  aus  afrz.  raspe,  das  aus  germ.  ahd.  raspön  'zusammenraffen'  gebildet 
ist,   davon  Raspel.    —   Rechen,   ahd.  redw,   e.  rake  zu  got.  rikan  'anhäufen,  sammeln', 
lat,  rogus  'Scheiterhaufen'.  —  Reff  'Gestell',  ahd.  ref,  e.  rip  'Korb,  Fischkorb',  lat.  corbis.  — 
Reif.  Reifen,  ahd,  reif'SeW,  e.  rope,  got.  skaudaraip-  'Lederriemen',  —  Reiter  'gröbstes 
Getreidesieb',  ahd.  rit(e)ra,  e.  riddle,  lat.  cribrum.  —  Riemen,  ahd.  riemo,  e.  ream,  gr,  ovfta 
{ryma)  'Zugseil'.  —  Riffel  'Raffkamm',  ahd.  riffila  'Säge',  e.  ripple  'Flachriffel'  zu  reffen, 
mhd.  reffen.  —  Riester  'Pflugsterz',  ahd.  riostar,  e.  rest  zu  reuten?  —  Ring,  ahd.  hring, 
e.  ring,  abg.  krqgii  'Kreis'.   Dazu  Rinken,  ahd.  hringa.  —  Rodien,  ahd.  rodio,  e.  rodi.  — 
Röhre,  ahd.  rörra  zu  Rohr.   —   Ruder,  ahd.  ruodar,   e.  rudder,   a\.  äritrah  'Ruder',   gr. 


§  139.  Geräte,  Werkzeug  und  dergleichen.  22 1 


£u£Tii6v  {eretmön),  lat.  re/nus.  —  Runge,  spätmhd.,  e.  ru^j^^ 'Querbalken  des  Schiffsbodens, 
Leitersprosse',  got.  hrugga  'Stab'.  Vielleicht  zu  lat.  crux.  —  Rute,  ahd.  ruoia,  e.  rod,  lat. 
radiusl  —  Säge,  ahd.  sega,  saga,  e.  saw  zu  lat.  secäre.  —  Sattel,  ahd.  satul,  t.saddle, 
abg.  sedlo  zu  sitzen.  —  Säule  'Stechwerkzeug  des  Schusters',  ahd.  siula  zu  ahd.  siuwan 
'nähen',  e.  sew,   lat.  suere,   sätor.  —  Schaft  'Stange',  ahd.  skaft,  e.  shaft,   lat.  scäpus,  gr. 
oy.t'jjiTQov  {skwptron).   —   Scfiar  in  Pflugsdiar,  ahd.  skara,  skaro  zu  scheren,  ahd.  skeran, 
e.  shear,   lit.  s^fe/r^/ 'schneiden',   gr.  y.sigw  ' (kerö)   'schere'.   —   Sdiaufel,   ahd.  sküfala,   e. 
shovel  zu  schieben,  ahd.  skioban,  e.  shove,  abg.  5Ä«6«^/ 'reißen,  zupfen'.  —  Scheibe,  ahd. 
skiba,  t.shive,  gr.  öPior.Toc  (skoipos)  'Töpferscheibe'.  —  Sdieide,  ahd.  skeida,  e.  sheath.  — 
Sdielle,  ahd.  5/j^//a  zu  ahd.  skellan  'schellen'.  —  Sdiiene,  ahd.  Sife/Vza  'Metall-  oder  Holz- 
streifen', e..  shin.   —   Sdilegel,  ahd.  slegil  zu  sdilagen.    —   Schleuder,   erst  im  15.  Jh., 
mnd.  sluder.  —  Schloß,  ahd.  5/03,  5/03,  e.  slot,  sloat  'Riegel',  Sdilüssel  zu  sdiließen.  — 
Schnur,   ahd.  snuor;   dazu  got.  snörj'ö   'Flechtwerk,   Korb',   ai.  Ä/zä't/a   'Band,   Sehne'.   — 
Schwengel,  mhd.  swengel  zu  schwenken,  ahd.  swenkan  zu  schwingen.  —  Sech  'das  nieder- 
hangende Pflugmesser',   ahd.  seh,  zu  Säge.   —  Segel,  ahd.  5e^fl/,  e.  5a//.   —   Seil,  ahd. 
s^//,  got.  insailjan  'an  Seilen  hinablassen',  abg.  5//0  'Seil,  Strick'.    Dazu  auch  Siele,  ahd. 
silo  'Zugriemen'   und   dessen  Nebenform  Sill(e).    —   Senkel  'Haftband',   ahd.  senkil  zu 
senken.  —  Sense,  ahd.  segansa,  segesna,  \.  sacma.  —  Sieb,  ahd.  sib,  e.  sieve,  vielleicht 
zu  \.  dissipäre.  —  Spachtel,  dunkel.  —  Spake  'Handspeiche',  ahd.  spacka,  spacko  'Reisig' 
zu  spack. —  Span,  ahd.  spän,  o..  spoon 'LöiitV ,  gr.  a(f)'/v  (sphwn)  'Keil'  —  Spange,  ahd. 
spanga,   t.  spangle  'Flitter'.    —   Sparren,   ahd.  sparro,   t.  spar,   vielleicht  mit  Speer  zu 
lat.  sparus  'kurzer  Jagdspieß'.    —   Spaten,   nd.,   an.  spado  'Hacke',   e.  spade,   gr.  onädt) 
{späthce).  —  Speiche,   ahd.  speicha,  e.  spoke.    Zu  lat.  splca  'Ähre'?   —   Speidel,  Speil, 
mnd.  spile  'Steckholz'.  —  Spenadel  'Stecknadel',  unter  Einwirkung  von  Nadel  umgestaltet 
aus  ahd.  spenala.    Kaum  entlehnt  aus  \a\.  spinula,   sondern   zu  Span.    —   Spindel,  ahd. 
spin(n)ala.   Daneben  Spille,  ahd.  spilla  aus  *spinla.  Zu  spinnen.  —  Sporn,  ahd.  sporo, 
e.  spur  zu  Spur  und  ahd.  spurnan  'treten",  e.  spurn,  lat.  spernere.   —   Spriet,  nd.,  mndl. 
spriet  'Segelstange',   e.  sprit  'Bugspriet'  von  sprießen  s.  u.   —   Spritze,   mhd.  sprütze  zu 
spritzen,   mhd.  sprützen,   und  dies  zu  sprießen,    mhd.  sprießen,  e.  sprout.    Vielleicht   zu 
lett.  spraujuos  'emporkommen'.  —  Spule,  ahd.  spuolo,  e.  spool.  —  Stachel,  ahd.  stadiil 
zu  stechen.    — 'Staken,   nd.,   mr\d.  stake,   o..  stake,  \qX\.  stega,   Stegs   'Stock,   Stange'.  — 
Stange,  ahd.  stanga,  e.  stang  von  e.  sting,   got.  usstiggan  'ausstechen',   vielleicht  zu  gr. 
aTÜyvi  {stäkhys)  'Ähre'.  —  Stapel,   nd.,  mnd.  Stapel  'Säule,  Pfahl',  e.  staple.  —  Stelze, 
ahd.  stelza  'Holzbein  zum  Gehen',   e.  stilt.   —   Stempel,   mhd.  stempfei  zu   stampfen, 
ahd.  stampfön,  e.  stamp,  gr.  ai.iftßco  (stembö)  'durch  Stampfen  erschüttern'.  —  Steuer,  nd., 
and.  stiorwith  'Ring  des  Steuerruders'  zu  anord.  staurr  'Pfahl',  gr.  ozavgög  (staurös)  'Pfahl', 
lat.  restauräre.   —  Stidiel,  ahd.  stidiil  zu  stechen.   —   Stift,  mhd.  stift,  steft,  ahd.  steft 
'Nabe'   zu  steppen.   —  Stocher,   Zahn-  zu  veraltetem  stodien,   das   wohl   mit  Stock  zu- 
sammenhängt. —  Stock,  ahd.  stoc(h),  e.  stodi.  Wohl  zu  lit. 5/(7^// 'steif  in  die  Höhe  stehen'.  — 
Strahl,  ahd.  sträla  'Pfeil',  ahg.  st rela.    Dazu  Strähl  'Kamm',  mhd.  strcel.   —   Strang, 
ahd.  sträng,  t.  string,  lat  stringere,  gr.oxgayyäh]  (strangälie)  'Strick'.  — Strick,  ahd.  strik, 
a\.  sraj  'Gewinde'.   —   Takel  'Flaschenzug',  nd.,  mnd.  takel  'Schiffsausrüstung'.  —   Tau, 
nd.,  mnd.  touwe  'jegliches  Gerät'  zu  got.  taujan  'machen'.  —  Teudiel  'Wasserleitungsröhre' 
mhd.  tiuchel.  —  Wagen,  s.  S.  2C4.  —  Walze  zu  walzen,  ahd.  walzan,  got.  waltjan  'sich 
wälzen'.  Wohl  zu  Welle.  —  Wanne,  ahd.  wanna  'Getreide-,  Futterschwinge',  aus  lat.  vannus 
oder  damit  urverwandt.  —  Weck,  ahd.  weggi  'Keil',  e..  wedge,  lit  vagis.  —  Wedel,   ahd. 
wadal,  wadil  'Reisbüschel  zum  Streichen  und  Peitschen  im  Bade'.    Kaum  zu  wehen,  son- 
dern zu  wallen  (mW  II  aus  31)  'in  die  Ferne  gehen',  ahd.  wallön,  Wadel,  Wädel  'N[oT\d- 
phase',  ahd.  wedal  'Neumond'.  —  Wiege,  mhd.  wiege,  wige,  ahd.  wiga,  gewöhnlich  waga 
zu  bewegen.  —  Wirbel,  ahd.  wirfil 'Wnhelwmd' zu  werben,  ahd.  hwerban 'sich  drehen', 
got.  hairban  'wandeln',  gr.  xagnög  (karpös)  'Handwurzel',  y.ao7täXif.iog  [karpälimos)  'schnell'. 
—  Wirtel,   spätmhd.  wirte(l)   zu   werden,   ahd.  werdan,   got.  wairpan,   lat.  vertere.  — 


222         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Worfel  zu  ahd.  winiworfa  'Wurfschaufcl'  zu  werfen.  —  Würfel,  ahd.  worfel  zu  Wurf, 
werfen.  —  Zain,  Zein  'Weidengerte',  z\\6.  zein,  c.  toe  in  mistletoe.  —  Zange,  ahd. 
zanga,  e.  tongs.  Zu  gr.iVty.ioj  {däkmi)  'beiße'.  Dazu  nocii  zanger  'scharf,  ahd.  zangar.  — 
Zapfen,  ahd.  zapfo.  e.  tap.  —  Zarge  'Seiteneinfassung',  ahd.  zarga,  e.  targe.  Zu  abg. 
podragn  'Rand',  gr.  dniiooFnOni  (drässesrfiai)  "fassen'.  —  Zettel  'Aufzug  eines  Gewebes', 
spätmhd.  Zettel  zu  zetten  'streuen',  ahd.  zetjan,  gr.  öaitonat  {dateomai)  'verteile'.  —  Zeug, 
ahd. ^/^///g 'Gerät'.  —  Zaum,  ahd.  zoum,  c.team  zu  ziehen.  —  Zügel ,  z\\A. zugil zw  ziehen.  — 
Za'f<* 'Holznagel',  A\\d.zwec.   Dazu  r\oz\\  Zwecke,  Zwidi,  Zwidiel,  mhd.  zwickel 'KtW . 

LHHNWORTE. 
Kodier,  ahd.  kocdiar,  m\a{.  cucurrum.  —  A'o//^/- 'Pflugmesser',  1413,  afrz.  coltre.  — 
Kordel  'SchnuT',  xx\\\6.  korde,  irz.  corde.  —  ^«/2^^/ 'Spinnrocken',  ahd.  konakla,  mlat. 
conucula.  —  Kurbe,  aViA.  kurba,  Uz.  courbe.  Dazu  Kurbel. —  Monge,  Mangel 'Gläü- 
rolie  für  Wäsche',  15.  Jh.,  mlid.  mange  'Schleudermaschine'  aus  mlat.  manga,  mangana 
•Steinschleuder'.  —  Spatel ,  15.  Jh.,  mndl.  spatel,  e.spattle,  spaddle,  X.spathula.  —  Stöpfel, 
Stopfen,  obd.  für  nd.  Stöpsel  zu  stopfen,  ahd.  stopfön  aus  mlat.  stuppäre  von  stuppa 
'Werg'.  —  Wanne,  ahd.  wanna  aus  1.  vannus  oder  damit  urverwandt. 

Wenn  man  diesen  außerordentlich  reichhaltigen  Stoff  überblickt,  so  fällt 
die  geringe  Anzahl  der  Entlehnungen  auf.  Bis  in  die  neueste  Zeit  ist  die 
Sprache  imstande  gewesen,  immer  neue  Worte  zu  schaffen.  Anderseits  sind 
auch  von  den  altern  Bestandteilen  viele  ganz  deutlich,  so  daß  die  Zeit  der 
Entstehung  nicht  allzu  weit  zurückliegen  kann.  Jedenfalls  hängt  wohl  diese 
starke  Entwicklung  der  Werkzeug-  und  Gerätenamen  mit  dem  Aufkommen 
der  Eisenzeit  zusammen,  in  der  sich  die  Werkzeuge  und  Geräte  in  hohem 
Maße  vermehren  konnten. 

Auf  eine  besondere  Eigentümlichkeit  aller  Sprachen  mag  hier  noch  hin- 
gewiesen werden.  Nicht  allzu  selten  dienen  Tiernamen  zur  Bezeichnung 
einzelner  Geräte  oder  ihrer  Teile. 

So  haben  wir  einen  Hahn  am  Faß  und  an  der  Flinte,  während  die  Franzosen  diien 
sagen.  Hund  bedeutet  bei  den  Bergleuten  einen  offenen  länglich  viereckigen  Kasten  auf 
vier  Rädern.  Der  Reißwolf  ist  eine  Maschine  zum  Zerkleinern  der  Holzfasern.  Der  Kran 
ist  nichts  weiter  als  die  unerweiterte  Form  von  Kranich. 

§  140.  Die  Nahrungsmittel  und  ihre  Zubereitung.  Die  Kochkunst.  Es  versteht 
sich  fast  von  selbst,  daß  wir  auf  diesem  Gebiet  wenig  altes  Erbgut  zu  er- 
warten haben,  da  noch  heute  die  Namen  der  Gerichte  vielfach  schwanken. 
Wohl  aber  sind  die  Ausdrücke  für  die  mannigfachen  Arten  der  Zubereitung 
sehr  verschiedenartig  und  zum  Teil  uralt. 

kochen,  das  heute  üblichste  Wort,  ahd.  kodiön,  ist  entlehnt  aus  lat.  coquere,  nebst 
Koch,  ahd.  kodi,  e.  cook,  lat.  coquus  und  Küdie,  ahd.  kudiina,  e.  kitchen,  lat.  coquina. 

Alt  aber  sind:  backen,  ahd.  badian,  e.  to  bake  zu  gr.  cpwystv  {phdgm)  'rösten'.  — 
Brodem,  ahd.  brädam  'Hauch,  Hitze'  zu  braten,  ahd.  brätan,  vielleicht  zu  lat.  fre tum 
'Brausen,  Wallen,  Hitze'.  —  brauen,  ahd.  briuwan,  c.  brew  zu  lat.  fervi-re.  —  brühen, 
mhd.  brüejen  'mit  Heißem  sengen";  mit  dem  vorigen  verwandt.  —  dämpfen,  ahd.  dempfen 
'erlöschen,  ersticken  machen',  von  Dampf.  —  rösten,  ahd. rösten  'auf  den  Rost  legen,  braten, 
rösten',  Ableitung  von  Rost;  entlehnt  ins  Romanische,  frz.  rötir;  Grundform  *raustjan.  — 
schmoren,  aus  dem  Niederdeutschen,  ndl.  smoren  'rösten,  schmoren',  ags.  smorian  'ersticken'. 
—  sieden,  ahd.  siodan,  e.  to  seethe  zu  lit.  kintü  'schmore',  lett.  sautet  'bähen,  brühen',  aind. 
ftt'a^/?fl// 'kocht' oder  zu  ahd.  swedan 'langsam  und  dampfend  brennen',  wozu  Schwaden, 
mhd.  swadeni;  ferner  roh,  ahd.  Ärao 'roh,  ungekocht,  ungebildet',  t.raw  zu  lat.cnidus. 


§  140.  Die  Nahrungsmittel  und  ihre  Zubereitung.  Die  Kochkunst.       223 


Es  mögen  die  alten  Namen  für  Speisen  und  Getränke  folgen: 

SPEISEN. 

Aas  'Viehfutter',  ahd.  äj  'Speise',  ahg.Jadi,  lit.  edis  'Speise',  also  Ableitung  von  essen, 
\at  edere,  gr.  rösiy  (edfin);  daneben  Aas  'verwesendes  Fleisch",  ahd.  ä5  aus  *ettam,  eben- 
falls zu  essen,  in  der  Bildung  mit  lat.  esiis  'Essen'  zu  vergleichen.  —  Brei,  ahd.  bn(o)  zu 
\s.{.  friäre  'zerreiben,  zerbröckeln'  oder  fervPre'>  —  Brot,  ahd.  bröt(fi),  e.  bread  zu  brodeln 
und  im  Ablaut  zu  lat.  dpfrutuni.  —  Brühe,  mhd.  brüeje  von  brühen.  —  Fladen  -dünner, 
flacher  Kuchen",  ahd. //flrfo,  flada  zu  \at  puls,  gr.  .To7ro?  (/7Ö/f05) 'dicker  Brei'.  —  Futter, 
ahd.  fuotar,  e.  fodder  zu  ahd.  fuotian,  e.  feed  'füttern',  gr.  narioiiai  {pateomai)  'esse',  abg. 
pitati  'nähren,  aufziehen'.  —  Grütze,  ahd.  gruzzi,  t.  grit,  an.  grautr.  Dazu  Gries  und 
lat  rüdus  'zerbröckeltes  Gestein'.  —  Kuchen,  ahd.  kuodio,  e.  cake  mit  Ablaut,  vielleicht 
Wort  der  Kindersprache.  Andere  Erklärungen  bei  Weigand.  —  Laib,  ahd.  hie ib,  got  hlaifs 
'Brot',  e.  in  lord  aus  ags.  hläford,  hläfweard  'Brotwart',  lady  aus  ags.  hlcefdige  'domina', 
eigentlich  'Brotverteilerin' ;  wohl  zu  lat.  libum  'Kuchen,  Fladen',  vgl.  aber  Walde  s.  v.  — 
Lebkuchen,  mhd.  lebekuodie,  vielleicht  Ablaut  zu  Laib.  —  Mus,  ahd.  muos  'gekochte, 
besonders  breiartige  Speise',  wohl  aus  *mötta-  zu  got.  mats  'Speise'  (noch  in  Mettwurst 
und  Messer,  s.  o.  S.  220);  Kollektivum  dazu  Gemüse,  mhd.  gemüese.  —  Nudel,  erst 
seitdem  16.  Jahrhundert  belegt;  unerklärt.  —  Obst,  ahd.  obai.  —  Wurst,  ahd.  wurst, 
nur  deutsch,  aber  als  Wort  gewiß  aU;  wahrscheinlich  zu  wirken,  wegen  wursteln. 

GETRÄNKE. 

Ein  altes  Wort  für  Bier  steckt  in  t.  ale,  dän.  öl,  ags.  ealu  zu  lit.  fl/«5  'Bier';  von 
diesem  Stamm  vielleicht  auch  lat.  alütnen  'Alaun'.  —  Met,  ahd.  metu,  e.  mead  zu  aind. 
mädhu  'Honig,  süßer  Trank',  gr.  fts&v  {methy)  'Trunkenheit'.  —  Bier,  ahd.  bior,  e,  beer; 
unerklärt. 

Der  Branntwein  wird  zuerst  1360  in  Frankfurt  a.  M.  erwähnt.  Schnaps  ist  eine 
ganz  junge  Bildung  zu  sdinappen  und  bedeutet  eigentlich  einen  'Schluck'.  —  Rotspon 
ist  ein  mecklenburgischer  Ausdruck  und  bedeutet  'Rotwein  vom  Faß'  ispan). 

Daß  die  Kunst  des  Bierbrauens  sehr  alt  ist,  wird  durch  die  geschichtlichen  Tatsachen 
erwiesen.  Für  das  Deutsche  folgt  es  auch  aus  dem  Vorhandensein  eines  alten  Wortes  für 
Malz,  ahd.  malz,  ein  Wort,  das  ins  Französische,  Finnische,  Slawische  und  Litauische  ent- 
lehnt wurde.   Es  gehört  zu  gr.  iis/.öen-  (melden)  'erweichen,  schmelzen  machen'. 

Ein  besonderes  Kapitel  bilden  die  Biere  und  ihre  Namen.  Wie  noch  heute  viele 
Biersorten  an  gewisse  Orte  in  betreff  ihrer  Hervorbringung  gebunden  sind,  so  ist  es  auch 
in  alter  Zeit  gewesen.  Kluge  hat  in  seiner  Studentensprache  S.  22  ff.  eine  solche  Fülle 
alter  Biernamen  zusammengetragen,  daß  man  billig  erstaunen  muß.  Schon  im  16.  Jahr- 
hundert bietet  Fischart  in  seinem  Gargantua  S.  85  eine  lange  Liste,  die  freilich  auf  eine 
ältere  Quelle  zurückgeht.  Von  diesen  alten  zahlreichen  Benennungen  haben  sich  aber  doch 
nur  merkwürdig  wenige  erhalten,  was  sicher  auf  die  gänzliche  Umwandlung  der  Bier- 
bereitung im  19.  Jahrhundert  zurückzuführen  ist.  Ich  finde  nur  Bock,  im  16.  Jahrhundert 
Ainbodi,  eigentlich  'Eimbecker  Bier'.  —  Broyhan  bei  Fischart,  wurde  früher  noch  in 
Halberstadt  gebraut.  —  Gose,  im  18.  Jahrhundert  in  Goslar.  —  Mumme  im  16.  Jahr- 
hundert; noch  heute  in  Braunschweig.  —  Rastram,  Raster,  in  Leipzig  seit  1484  nach- 
gewiesen, aber  jetzt  nicht  mehr  bekannt.  Der  Name  stammt  von  dem  Rechen,  der  zum 
Zeichen  des  Ausschanks  herausgesteckt  wurde. 

Was  die  Herkunft  der  Namen  betrifft,  so  tappen  wir  meistens  im  Dunkeln.  Wenn  wir 
sehen,  wie  heute  die  Biere  nach  dem  Orte  ihrer  Herkunft  benannt  werden.  Münchener, 
Pilsener,  Kulmbacher,  so  wird  man  für  die  altern  Zeiten  ähnliches  vermuten  dürfen,  nur 
daß  früher  gewiß  die  Erzeugnisse  auch  nach  den  Häusern,  in  denen  gebraut  wurde,  ihren 
Namen  erhalten  haben.  In  solchen  Fällen  kann  Aufklärung  freilich  nur  vom  Zufall  erwartet 
werden,  wie  wir  denn  zufällig  wissen,  um  einen  Fall  auf  verwandtem  Gebiet  heraus- 
zugreifen, daß  der  Danziger  Ladis  nach  einem  Hause  heißt,   das  Zum  Lachs  benannt  ist. 


224         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Es  mögen  hier  nun  gleich  die  Ausdrücke  für  essen  usw.  ihre  Stelle  finden: 
essen,  ^\\A.  CMan.  e.  to  eat,  \^{.  cdere,  gx.  n^nv  [edi-n).  —  fressen,  ahd.  vrey^an, 
e. /r^/  'zerfressen',  got.  fra-itan,  eigentlidi  also  'ganz  essen'.  —  kauen,  ah6.  kiuwan, 
e.  to  diew,  abg.  zivati.  —  beißen,  ahd.  biaan,  e.  to  bite,  lai.  findere  'spalten'.  —  lecken, 
ahd.  lädiön,  e.  to  lick,  got.  laigön,  gr. /.n'xFty  (Itkhen).  —  saugen,  ahdi.  sügan,  c.  to  suck, 
lat.  sügere.  —  sdilürfen  erst  neiihoclideiilsch,  aber  wohl  alt,  vielleicht  zu  lat.  sorbere.  — 
sdilui-ken,  ahd.  *slukkon,  gr. /.i'vVo'  {lyzi-n)  'den  Schlucken  haben'.  —  trinken,  ahd. 
irinkan.  e.  to  drink,  got.  drigkan,  sonst  nicht  nachzuweisen.  —  saufen,  ahd.  süfan,  e.  te 
sup  'schlürfen';  nicht  im  Indogermanischen.  —  wiederkäuen,  dafür  ein  alter  Ausdruck 
ahd.  itrudiu,  lat.  ructo,  gr,  iQFvyo}  (ereügö). 

Dazu  satt,  ahd.  saf,  got.saps  zu  lat.  satis,  satur.  —  Hunger,  ahd.  hungar,  e.  Hunger, 
got.  hührus  zu  lit.  kankä  'Qual'.  —  Durst,  ahd.  durst,  e.  thirst  zu  dorren  und  dürr. 

ENTLEHNUNGEN. 

Auch  hier  zeigt  sich  zunächt  der  römische  Einfluß.  Zu  den  ältesten  Ent- 
lehnungen gehört  die  des  Wortes  Wein  und  alles  dessen,  was  sich  auf  den  Wein- 
bau und  die  Weinbereitungbezieht.  Die  Wortesiiid  oben  S.  1 95  zusammengestellt. 

Weiter  brachte  dann  das  Klosterwesen  mancherlei. 

Speise,  ahd.  spisa,  mlat  spesa  aus  expensa  'das  Ausgeteilte'.  —  Semmel,  ahd. 
semala,  lat.  simila  'feinstes  Weizenmehl'.  —  Butter,  ahd.  butera,  e.  butter,  gr.-lat.  butyrum. 
—  Käse,  ahd.  käsi,  e.  dieese.  lat.  cäseus.  —  Märte  'Mischmasch,  kalte  Schale',  ahd.  meräta, 
aus  lat.  merenda  'Vesperbrot'.  —  Oblate,  ahd.  obläte,  mlat.  oblata.  —  Brezel,  Prezel, 
ahd.  prezitella,  m\at  bracitella  von  bracdiium  'Arm'. 

Der  Einfluß  der  französischen  Kochkunst  ist  in  mittelhochdeutscher  Zeit 
merkwürdig  gering.   Nur  frz.  soupe  wirkt  ein. 

In  der  Neuzeit  dagegen  tritt  zunächst  ein  immer  stärkerer  Einfluß  der 
französischen  Küche  ein,  der  unsere  Speisekarte  ganz  verwelscht  hat. 

Biskuit,  17.  Jh.,  frz.  biscuit,  aber  schon  im  16.  Jh.  Biskotten,  ital.  biscotto.  —  Bonbon, 

18.  Jh.,  frz.  bonbon.  —  Bouillon,  1715,  frz.  bouillon.  —  Dessert,  18.  Jh.,  frz.  dessert.  — 
Filet,  18.  Jh.,  Ixz.  filet.  —  Frikandeau,  ixz.  fricandeau.  —  Frikandelle,  1715,  um- 
gestaltet aus  \\.a\.frittadella.  —  Frikassee,  16.  Jh.,  hz.  fricassee.  —  Gallerte,  im  16.  Jh., 
aber  schon  mhd.  galreide.  Zu  Gelee,  Gelatine.  —  Gelatine,  1727,  ixz.  gelatine.  —  Gelee, 
1715,  ixz.  gelee.  —  Kandis,  Kandelzudzer,  im  16.  Jh.,  frz.  Sucre  candi.  —  Karbonade , 
ndl.  1598,  frz.  carbonnade,  ital.  carbonata.  —  Kompott,  1801  bei  Campe,  im  16.  Jh.  Kom- 
post, ital.  composta.  —  Konserve,  1580,  XT\lat.  conserva.  —  Kotelette,  1715,  ixz.  cöte- 
lette.  —  Krem,  1715,  ixz.  creme.  —  Makkaroni,  18.  Jh.,  venez.  macaroni.  —  Makrone, 
1700,  ixz.  macaron.  —  marinieren,  1678,  ixz.  mariner.  —  Marmelade,  1626,  ixz.  marme- 
lade,   spax\.  mermelada.   —   Marzipan,   um    1500,   ital.  marzapane.    —   Mayonnaise, 

19.  Jh.,  frz.  mayonnaise.  —  Omelette,  1715,  frz.  Omelette.  —  panieren,  1739,  ixz.paner.  — 
Pralines,  ixz.  praline.  —  Prünelle,  1676,  ixz.  prunelle.  —  Poularde,  1739,  ixz.  pou- 
larde.  —  Ragout,  1650,  frz.  ragoüt.  —  Remo(u)ladensauce,  ixz.  remo(u)lade.  — 
Salami,  19.  Jh.,  ital.salame. —  Sauce,  Ib&l,  alxz.  sause. —  Torte,  15.  Jh.,  ixz.tarte. — 
Zervelatwurst,  1715,  ital.  cervellata. 

Erst  das  19.  Jahrhundert  läßt  auch  die  englischen  Gerichte  zu  uns  dringen. 
Beefsteak,  t.  beefsteak.  —  Flummri,  19.  Jh.,  t.  flummery.  —  Pudding,  1720, 
e.  pudding.  —  Rumpsteak,  t.  rumpsteak.  —  Sandwich,  18.  Jh.,  t.  Sandwich. 

Wie  auf  dem  Gebiet  der  Speisen  besitzen  wir  auch  auf  dem  der  Ge- 
tränke eine  große  Fülle  von  Entlehnungen,  und  es  ist  wohl  wert,  sie  ein- 
mal  im  Zusammenhang  zu   überblicken.    Bemerkenswert  bleibt,   daß  sich 


§  141.  Die  Kleidung  und  ihre  Herstellung.  225 


alte  Entlehnungen  und  alte  Namen  fast  gar  nicht  erhalten  haben,  obgleich 
schon  die  höfische  Gesellschaft  des  Mittelalters  über  eine  Menge  von  Ge- 
tränken und  Getränknamen  verfügte. 

Absinth,  frz.  absinthe,  19.  Jh.  —  Arrak,  um  1600,  arah.' arag.  —  Benediktiner.  — 
Champagner,  1727,  nach  h.  vin  de  Champagne. —  Chartreuse,  modern. —  Franz- 
branntwein, 1716.  —  Grog,  19.  Jh.,  e.grog.  —  Kaffee,  17.  Jh.,  arab.  qahva.  —  Kakao, 
1628,  mexik.  Cflfflo.  —  Kardinal,  1791,  t.  cardinal;  vgl.  im  18.  Jh.  auch  Bisdiof,  wie 
z.B.  in  der  Jobsiade.  —  Kognak,  1787,  Uz.  cognac.  —  Likör,  1776,  ixz.  liqueur.  — 
Limonade,  1687,  frz.  limonade,  ital.  limonata.  —  Malvasier,  mhd.  malfasier  nach  der 
Stadt  Napoli  di  Malvasia  auf  Morea.  —  Portwein,  18.  Jh.,  t.portwine,  Wein  aus  Oporto.  — 
Punsdi,  18.  Jh.,  t.  pundi,  aind.  panca  'fünf.  —  Rum,  18.  Jh.,  t.  rum.  —  Sdiokolade, 
1678,  mexik.  diocollatl.  —  Sekt  ist  ursprünglich  'süßer  Likörwein'  von  span.  vino  seco 
'Trockenbeerenwein'  (schon  1647)  und  hat  erst  seit  1830  von  Berlin  ausgehend  die  Be- 
deutung 'Schaumwein'  erhalten.  — ■  Tee,  1706,  aus  dem  Chinesischen.  —  Whisky,  1834, 
ir.  uisce,  eig.  'Wasser'.  —  Zider,  1753,  frz.  cidre. 

Auch  sonst  ist  es  anziehend  und  wertvoll,  die  örtlichen  Namen  für 
Speisen  und  Getränke  hinsichtlich  ihrer  Verbreitung  zu  betrachten,  ihre  Her- 
kunft festzustellen.  Denn  es  gibt  bekanntlich  in  diesem  Punkte  in  Deutsch- 
land unendliche  Verschiedenheiten. 

§  141.  Die  Kleidung  und  ihre  Herstellung. 

Literatur:  Lilly  L.  Stroebe,  Die  altenglischen  Kleidernamen;  eine  kulturgeschichtliche 
Untersuchung;  Borna-Leipzig,  Heidelberger  Diss.  1904. 

Um  die  Stoffe,  aus  denen  die  Kleidung  in  alter  Zeit  hergestellt  wurde, 
zuzubereiten,  bedurfte  es  der  verschiedensten  Tätigkeiten.  Das  Fell  mußte 
abgezogen  und  gegerbt,  die  Wolle  gerupft,  gesponnen  und  gewebt  werden. 
Noch  verwickelter  ist  die  Zubereitung  des  Flachses,  Litauische  Märchen 
erzählen,  wenn  sie  etwas  Langes  berichten  wollen,  von  der  'Qual  des 
Flachses',  wie  man  ihn  sät,  wie  er  wächst  und  reif  wird,  wie  er  gerauft, 
getrocknet,  ausgebreitet,  geröstet,  aufgenommen,  in  die  Brechstube  ein- 
gefahren und  wieder  getrocknet  wird,  wie  man  ihn  dann  bricht,  ausschwingt, 
hechelt,  spinnt,  webt,  bleicht,  schneidet  und  näht.  Für  alle  diese  Tätig- 
keiten und  Vorgänge  müssen  einst  Ausdrücke  vorhanden  gewesen  sein, 
aber  es  ist  natürlich  heute  kaum  noch  zu  ermitteln,  welche  ursprüngliche 
Bedeutung  an  jedem  der  noch  vorhandenen  Wörter  gehaftet  hat.  Ich  stelle 
zusammen,  was  mir  hierher  zu  gehören  scheint. 

zehren,  ahd.  firzeran  'auflösen,  zerstören,  zerreißen',  e.  to  tear  'zerreißen',  got. 
gatairan  'zerstören,  vernichten'  zu  gr.  beoeiv  {deren)  'schinden'.  —  sdiinden,  ahd.  skintan 
'enthäuten'  war  wohl  das  altgermanische  Wort  für  'Fell  abziehen'.  Es  ist  abgeleitet  von 
einem  Wort,  das  noch  in  Sdiinne  'Schuppe'  vorliegt,  vgl.  auch  an.  skinn  n.  'Haut,  Fell,  Pelz, 
Leder'.  —  gerben,  ahd.  garawen  'bereit  machen'  zu  gar,  hat  erst  seit  etwa  1300  die 
heutige  Bedeutung  angenommen  und  hat  natürlich  andere  Ausdrücke  verdrängt. 

Leder,  ahd.  ledar,  e.  leather  ist  ein  gemeingermanisches  Wort  von  altertümlicher 
Bildungsweise.  Man  stellt  es  zu  air.  lethar,  kymr.  lledr,  die  von  andern  als  nordische  Lehn- 
worte betrachtet  werden.  Man  kann  es  aus  *dletrom  und  weiter  aus  *dretrom  erklären  und 
zu  gr.  heoto  idero),  d.  zehren  stellen.  Es  wäre  dann  die  abgezogene  Haut.  —  Die  Wolle 
(got.  wulla,  e.  wool,  lat.  läna)  wird  ursprünglich  gerupft  oder  gerauft,  raufen,  ahd.  roufen, 
goi.  raupjan.  —   sdieren,   ahd.  skeran  'scheren,  abschneiden',   e.  to  shear  'scheren',   zu 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  AufL  15 


226        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


gr.  xetotiv  {kerfn)  'scheren'.  — flediten,  ah6.  f/ifhtan,  hl  plectere,  gr.  .tXexeiv  {plikin). — 
spinnen,  a\\d.  goi.  spirinan,  c.  to  spin,  dazu  \\\.  pinti  'fleclUeii'.  —  weben,  ahd.wi'ban, 
c.  weave  zu  gr.  rvaücü  {hyp/iolnö}.  —  bleuen,  l-'ladis  bleuen,  ahd.  bliuwan,  c.  btow, 
got.  bliggwan  zu  lat  fiigere  'schlagen*.  —  rösten,  Flaclis,  Hanf,  ahd.  nß^y-n  'faul  werden", 
c. /o  AO/ 'faulen';  dazu  auch  verrottet. —  dedisen,  niiid.  rf^//5en 'den  Flachs  schwingen', 
aind. /«/t-'fl// 'behaut',  XaL  texere  'weben',  eigentlich  'zuschlagen'.  —  nähen,  ahd.  nnjan, 
got.  ni[)la  'Nadel',  formell  identisch  mit  lat.  mre,  gr.  rtnv  (n^f-n),  die  aber  'spinnen'  be- 
deuten. Vgl.  aber  gr.  )•*//««  {nä'nta)  'Faden',  air.  snüthe  'Faden'.  Man  könnte  also  für  das 
Germanische  eine  Grundbedeutung  'fädeln'  ansetzen.  —  sdineiden,  ahd.  snldan,  got. 
sneipan;  Herkunft  unbekannt.  —  sdiroten  'grob  in  Stücke  schneiden,  zermalmen',  ahd. 
skrötan,  e.  shred  'zerschneiden,  abhauen". 

Während  ursprünglich  bei  der  Kleidung  das  Nähen  die  Hauptsache  war  und  es  ahd. 
nätare  'Sciincider'  heißt,  jetzt  noch  Nähterin,  wurde  später  das  Zuschneiden  bedeutungs- 
voller, für  das  man  sdiroten  und  sdineiden  sagte.  Daher  der  Sciineider  auch  Sdiröder  heißt. 
Dies  geht  aber  verloren  und  nur  Sdineider  hält  sich. 

steppen,  mhd. steppen  aus  dem  nd.,  and. steppen  'stechen,  zeichnen'.  Dazu  Stift.  — 
walken,  ahd.  walk  an  'walken,  schlagen,  prügeln'  zu  aind.  t^«/^«// 'bewegt  sich  heftig, 
hüpft,  springt".  —  stidten,  ahd.  stikken  'stechen,  sticken'  zu  stedien,  ahd.  stähhan,  e.  to 
stitdi  zu  gr.  aii^eiv  {stlzin)  'punkten,  stechen',  lat.  instigäre  'anstacheln,  anreizen'.  — 
stridien,  ahd.  strikkan  'schnüren,  heften,  flechten'  von  Stridi,  ahd.  strik,  das  zu  aind. 
sräj  'Gewinde'  gehört.  —  wirken,  ahd.  wirkan,  got.  waürkjan  zu  gr.  Qe^eiv  {rezön)  'tun', 
bezieht  sich  wohl  auch  teilweise  auf  die  Tätigkeit  des  Webens. 

Was  die  Kleidung  selbst  betrifft,  so  gibt  es  im  Germanischen  eine 
Fülle  von  Ausdrücken,  von  denen  sich  eine  Reihe  ins  Indogermanische 
verfolgen  läßt,  während  andere  in  den  verwandten  Sprachen  fehlen,  aber 
ein  recht  altertümliches  Aussehen  haben. 

1.  EINHEIMISCHES  SPRACHGUT. 

Daß  man  Kleidung  trug,  folgt  zunächst  aus  dem  Ausdrucke  für: 

nadit,  ahd.  nadiot,  e.  naked,  got.  naqaps,  entsprechend  lat.  nudus  {^ nogwodos)  und 
bar,  ahd.  bar  'nackt,  bloß',  e.  bare  zu  lit.  biisas  'barfüßig'. 

Sonst  finden  wir  noch: 

Ärmel,  ahd.  armilo  zu  Arm.  —  Bast,  s.  o.  S.  191.  —  Borte,  ahd.  borto  'Besatz, 
Saum'  zu  ahd.  bort  'Rand'.  —  Brudi,  ahd.  bruohha,  bnioh,  e.  breedies.  Dazu  ags.  brec 
'Steiß';  das  kelt.  bräca  ist  wahrscheinlich  entlehnt.  O.  Schrader,  ZfdW.  1,  238  vergleicht 
lat.  suffrägines  'Hinterbug  der  Tiere'.  —  Fahne,  ahd.  fano,  ursprünglich  'Zeugstück',  t.fane 
'Dachfahne',  got.  fana  'Zeugstück,  Schweißtuch',  zu  abg.  opona  'Vorhang',  Ui.  pinti  'flechten'. 
—  Faser,  Fasen,  ahd.  faso,  fasa  wohl  zu  ahd.  fi'sa  'Fruchtbalg,  Spreu'.  —  Fü^:,  ahd. 
filz,  c.felt;  dazu  wohl  ahg.  pltisti  'Filz',  \.  pilleus  'Filzmütze',  gr.  .-rr/.o,-  [pilos)  'Filz'.  — 
Garn,  ahd.  gar n  'Gespinst,  Faden,  Netz'  (ins  Garn  gehen),  e.yarn,  wohl  zu  ht.  zdrna 
'Darm',  eigentlich 'die  aus  getrockneten  Därmen  gedrehte  Schnur'.  —  Gürtel,  ahd. gurtil, 
e.girdle,  dafür  gr.  ^iöv>j  {zönce).  —  ^äß,  mhd.  hce3e.  —  Haube,  ahd.  hfiba,  e.  hive  'Bienen- 
korb', wohl  zu  gr.  y.r.-Tt]  {kypce)  'Höhle',  lat.  cüpa  'Tonne,  Kufe'.  —  Hemd,  ahd.  hemidi 
'langes  Haus-,  Unterkleid",  wohl  zu  ahd.  hämo  'Hülle',  ags.  hama  'Kleid'.  —  Hose,  ahd. 
hosa  'Beinstrumpf  von  Leder  oder  Zeugstoff  zur  Bedeckung  des  Unterschenkels',  e.  hose, 
eigentliche  Bedeutung 'Strumpf.  —  Hut,  ahd.  huot  'Hut,  Mütze',  e.  hood  'Haube,  Kappe', 
daneben  mit  Ablaut  e.  hat;  vielleicht  verwandt  mit  lat.  cassis  'Helm',  lit.  kuödas  'Schopf.  — 
Kittel,  mnd.  kitel,  unerklärt.  Alte  Entlehnung  aus  gr.  ;^iroJr  (khitön)  halte  ich  nicht  für 
unmöglich.  Siehe  unten  Pfeit.  —  Kleid,  mhd.  kleit,  ags.  cläp,  e.  cloth,  anord.  kl^de 
'Zeug,  Tuch,  Kleid'.  —  Knoten,  ahd.  knodo,  knoto,  e.  knot.  —  Köder,  ahd.  querdar 
'Docht'.   —    Laken,   andd.  lakan,   ahd.  lahhan,   mtng\.  lake.    Vielleicht  zu  apreuß. /o^/zo 


§  141.  Die  Kleidung  und  ihre  Herstellung.  227 

'Hosen'.  —  Lappen,  ahd.  lappa  'Lappen,  niederhängendes  Zeugstück',  ags.  Iceppa,  e.  lap 
'Schoß,  Zipfel  am  Kleid'  zu  gx.loßö.;  {lobös)  'Ohrlappen'.  —  Lasche,  mnd.  las,  c.  lash 
'Schnur'.  —  Loden,  ahd.  lodo  'grobes  Tuch',  ags.  loäa  'Mantel,  Decke'.  Vielleicht  zu  gr. 
Xüoiog  (Idsios)  'zottig'.  —  Masche,  ahd.  maska,  e.  mash  zu  lit.  mäzgas  'Knoten'.  —  Nestel, 
ahd.  nestila  'Bandschleife,  Binde'  zu  lat.  nddiis  'Knoten'.  —  Riester  'Flicken'  zu  Altreis 
'Schuster'.  —  Rock,  ahd.  (h)rok  'Oberkleid,  Rock'.  —  Saum,  ahd.  soum,  e.  seam  zu  ahd. 
siuwan  'nähen',  lat.  suere.  —  Schleier,  mhd.  slei(g)er,  daneben  slogier,  md.  sloiir,  mndl. 
sluyer,  mengl.  sleir.  Dunkler  Herkunft.  Vielleicht  entlehnt.  —  Schnalle  von  schnallen,  mhd. 
snallen  zu  schnell. —  Sdiiih,  ahd.  skuoh,  e.  shoe,  got  sköhs;  unklarer  Herkunft;  ein  altes 
Wo  rt  gr.  y.g}j.-zig  (knepis)  'Schuh',  lat.  carpisculuni  'Schuhwerk',  lit.  kürpe,  serb.  krplje  'Schnee- 
schuh' liegt  nur  noch  in  ags.  (h)rifeling  vor.  —  Strumpf,  mhd.  strumpf,  eig.  'Stumpf.  — 
Troddel  von  mhd.  trade  'Saum',  ahd.  trädo.  —  Tuch,  ahd.  tuoh  zu  aind.  dhväjä-  m.  n. 
'Fahne'.  —  Wanten  'Seemannshandschuh',  anord.  vöttr,  vielleicht  zu  winden.  —  Wat, 
ahd.  wät  zu  lit.  dudz'u  'webe'.  —  Wimpel,  ahd.  wimpal  'Stirntuch,  Schleier',  e.  wimple 
'Wimpel,  Schleier*.  —  Zwirn,  mhd.  zwirn,  e.  twine  zum  Zahlwort  zwei. 

2.  ENTLEHNUNGEN. 

Auf  dem  Gebiete  der  Kleidung  gehören  Entlehnungen  zum  Alier- 
gewöhnlichsten.  Neue  Formen,  neue  Schnitte,  neue  Stoffe  durchziehen  die 
halbe  Welt.  So  haben  denn  die  verschiedensten  Zeiten  und  die  verschie- 
densten Völker  dazu  beigetragen,  unsern  Kleidern  die  Namen  zu  geben. 

In  alte  Zeit  geht  zurück  das  got.  paida,  mhd.  pfeit  'Gewand',  wovon  bayer.-österr. 
Pf  eidler,  aus  gr.  ßalz)]  (bait^). 

Aus  dem  Lateinischen  stammen  in  der  ältesten  Periode: 

Socke,  ahd.  sok  'Strumpf,  e.  sock  'Schuh'  aus  lat.  soccus,  gr.  avy./Jg  (sykkhis).  — 
Sohle,  ahd.  sola  'Fußsohle',  e.  sole  aus  lat.  sol(e)a.  Nicht  ganz  sicher.  —  Sdiurz, 
Sdiürze,  mhd.  schürz  'gekürztes  Kleidungsstück,  Schurz'  zu  ahd.  skurz,  e.  short,  dazu,  t.shirt 
'Hemd'  aus  lat.  *excurtus,  zusammengesetzt  mit  curtus.   Doch  ist  diese  Erklärung  zweifelhaft. 

Ferner  kam  viel,  wenn  auch  nicht  alles,  mit  dem  Christentum. 

Albe  'weißes  Chorhemd  der  Geistlichen',  ahd.  alba,  aus  lat.  alba  'die  weiße'.  — 
Kutte,  mhd.  katte  'Mönchskutte'  aus  mlat.  cotta,  cottas  'tunica  clericis  propria',  die  aber 
erst  aus  dem  Germanischen  entlehnt  sind,  jetzt  Kotze  'grobes  Kleid',  ahd.  kozza.  — 
Floate,  ahd.  flodio,  e..  flodi  aus  lat  floccusQ).  —  Kappe,  ahd.  kappa,  t.  cap,  ursprüng- 
lich 'Mütze  mit  kurzem  Mantel'  aus  cappa,  das  allen  romanischen  Sprachen  gemeinsam  ist 
und  vielleicht  dem  Keltischen  entstammt.  —  Kasel,  mhd.  kasula,  mlat.  casula.  —  Mantel, 
ahd.  mantal,  mandal,  etwa  im  7.  bis  8.  Jahrhundert  aus  lat.  mantellum  von  span.  lat.  man- 
tum.  —  Mütze,  mhd.  mutze,  mutze,  älter  armuz,  almuz  'Chorkappe  der  Geistlichen'  aus 
mlat.  almucium,  armucia,  woraus  frz.  aumusse  'Art  Kapuze'. 

Dazu  gesellen  sich  später: 

Pelz,  ahd.  pelliz  aus  mlat.  rom.  p^/Z/aß 'Pelz'  (im  10.  Jahrhundert).  —  Tasche,  ahd. 
tasca,  ital.  tasca,  dunkler  Herkunft.  —  Wams,  mhd.  um  1200  wambais  'eine  unter  dem 
Panzer  angezogene  dicke  Jacke',  von  byzant.  ßd/nßa^  {bdmbax)  'Baumwolle',  wovon  mlat. 
bombasium,  bambasium  'gesteppte  Bettdecke,  der  gesteppte  Rock  unter  dem  Panzer'. 

An  Stoffen  gelangten  um  diese  Zeit  zu  uns:  Seide,  ahd.  (um  1000)  sida  aus  mlat. 
ital.  seta  'Seide',  eig.  'starkes  Tierhaar,  Strähne'. 

Auch  die  spätere  Zeit  bringt  immer  Neues,  und  es  ist  wohl  angebracht, 
einige  dieser  Worte  nach  Zeit  und  Herkunft  zusammenzustellen. 

a)  Stoffe: 

Atlas,  im  15.  Jahrhundert  aus  axah.  atlas  'glattes,  seidenes  Tuch'.  —  Batist  aus 
frz.  batiste,   benannt   nach    dem   ersten   Hersteller   BaUiste   Chambray   aus   Cantaing.    Im 

15* 


228        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


18.  Jalirhundert.  —  Brokat,  1717,  \{a\.  broccato.  —  Damast,  15.  Jh.,  \\d.\.  damasto.  — 
Flanell,  1715,  c.  flannel,  Uz.  flanellr.  —  Flor  'dünnes,  durchsichtiges  Gewebe,  bes. 
schwarz,  zum  Zeichen  der  Trauer',  über  n(i\.  floers  aus  Uz.  fleiirs  'Bhimcn',  bildlich  'die 
feinste  dünnste  Sorte',  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  entlehnt.—  Fries,  1663,  Uz.  frise. — 
Gaze,  im  17.  Jahrhundert  aus  Uz.  gaze,  benannt  nach  der  Stadt  Gaza  in  Palästina.  — 
Gingang,  angeblich  aus  dem  Javanisclien,  1775.  —  Jute,  19.  Jli.,  t.jiite.  —  Kaliko, 
1773.  frz.  calicot.  —  Kamme rtucfi,  1585,  Tuch  von  Cambrai.  —  Kanevas,  1646,  frz. 
canevas.  —  Kasimir,  Kasciimir,  im  19.  Jahrhundert  nach  dem  Lande  Kaschmir.  — 
Kattun,  schon  mhd.  cottun  über  ndl. kattoen  aus  Uz.coton,  und  dies  aus  dem  Arabischen.  — 
Krepp,  16.  Jli.,  frz.  crepe.  —  Macheier,  mnd.  1330,  wohl  gleich  Mohär,  e.  mohair  und 
Mohr,  1715,  frz.  moire,  arab.  mudiajjar  'Zeugstoff  aus  Ziegenhaar'  und  Moire  1834.  — 
Mancfiester,  18.  Jh.,  \on  Mandiester.  —  Molton,  1773,  Uz.  molleton.  —  Mull,  1783, 
e.  mulmul,  ind.  malmal.  —  Musselin  'Nesseltuch',  1714,  aus  Uz.  mousseline,  benannt  nach 
der  Stadt  Mosul  am  Tigris.  —  Nanking  im  18.  Jahrhundert,  nach  der  chinesischen  Stadt 
Nanking,  vgl.  Kittel  'ein  glattes,  schmales,  baumwollenes  Zeug',  umgewandelt  aus  kitai, 
dem  Namen  von  China  in  Rußland.  .So  enthält  das  Wort  ein  Stück  chinesischer  Kultur, 
das  durch  die  Tatarei  und  Rußland  zu  uns  gewandert  ist."  Hildebrand,  Deutsche  WB.  — 
Plüsch,  im  17.  Jahrhundert  aus  Uz. peluche 'Zeug  von  Leinen  und  Kamelhaar'.  —  Rasch, 
1678,  spätmhd.  arrfl5,  nach  der  Stadt  Arras.  —  Samt,  mhd.  samlt,  samät,  aus  mgr.  I^d- 
Hixov  {hexämiton).  —  Satin,  mhd.  salin,  Uz.  salin.  —  Schalaune,  15.  Jh.,  von  frz. 
Chälons.  —  Serge,  Sersche,  14.  Jh.,  frz.  serge,  lat.  s'irica.  —  Taft,  im  16.  Jahrhundert 
aus  ital.  taffetä,  und  dies  aus  dem  Persischen.  —  Trikot,  e.  tricot,  Ende  des  18.  Jh.  — 
Tüll,  19.  Jh.,  nach  der  Stadt  Tülle.  —  Vigogne,  Uz.  vigogne,  span.  vicu/la. 

b)  Kleidungsstücke: 

Babusdie,  Uz.  babouche.  —  Barett,  1469,  aus  frz.  barrette  'Mütze'.  —  Blankscheit, 
1700,  Uz.  plandiette. —  Bluse,  erst  in  neuerer  Zeit  aus  frz.  blouse.  —  Frack,  im  18.  Jahr- 
hundert, 1774  bei  Goethe  Werther,  über  Uz.  frac  aus  e.  frock.  —  Galosdie,  im  15.  Jahr- 
hundert cloczen  aus  Uz.  galodie. —  Gamasche,  1714,  aü$  Uz.  gomadie. —  Glacehand- 
sdiuh,  19.  Jh.,  Uz.  gants  glaces.  —  Jadte,  1417,  aus  aUz.jacque,  dazu  Jackett,  19.  Jh., 
Uz.jaquette.  —  Kaftan,  1647,  aus  dem  Türkischen.  —  Kamisol,  1643,  Uz.  camisole, 
ila\.  camiciola.  —  Korsett,  1715,  Uz.corset.  —  Kostüm,  18.  Jh.,  Uz.costume.  —  Krino- 
line,  um  1850,  frz.  crinoline.  —  Manschette,  1703,  frz.  mandiette.  —  Mantille,  1715, 
frz.  mantille,  span.  mantilla.  —  Muff,  Muffe,  1664,  frz.  moufle.  —  Neglige,  1755,  frz. 
neglige.  —  Paletot,  im  19.  Jahrhundert  aus  Uz.paletot.  —  Pantalon,  im  18.  Jahrhundert 
aus  Uz.  pantalon. —  Pantoffel,  Ende  des  15.  Jahrhunderts  aus  ila\.  pantofola.  —  Pele- 
rine, 19.  Jh.,  Uz.  pelerine.  —  Pumphosen,  1574,  Zusammenhang  mit  nd.  pump  'Ge- 
pränge', lai.  pompa.  —  Robe,  \7'2S,  Uz.  robe.  —  Sdiaube,  spätmhd.  sdiübe,  wie  Joppe, 
mhd.  Jope,  Joppe,  juppe,  mlai.jupa,  aus  dem  Arabischen.  —  Spenzer,  1813,  nach  Lord 
Spencer.  —  Stiefel,  mhd.  stival  im  1 1.;'12.  Jahrhundert  entlehnt  aus  ital.  stivale.  —  Weste, 
im  18.  Jahrhundert  aus  frz.  veste  von  lat.  vestis. 

§  142.  Körperpflege,  Reinlichkeit.  Aucli  auf  diesem  Gebiet  kann  die 
Sprache  manches  bestätigen,  was  wir  anderweit  mit  Sicherheit  erschließen 
können.  Zunächst  verwenden  alle  einfachen  Völker  und  auch  die  Germanen 
große  Sorgfalt  auf  die  Pflege  des  Haares  und  des  Bartes.  Es  gibt  denn 
auch  auf  diesem  Gebiete  eine  Reihe  alter  Ausdrücke: 

Haar,  ahd.  här,  e.  hair.  Herkunft  unsicher.  —  Holle ,  nd.  'Haarschopf',  mnd.  hülle 
'Kopftuch',  also  gleich  Hülle.  —  Lodie,  ahd.  lok,  e.  lodi  zu  lit.  lugnas  'geschmeidig,  bieg- 
sam'. —  kraus,  nur  mhd.  krüs;  dazu  Krolle  'Locke',  mhd.  krolle  'Locke',  mhd.  krol, 
mengl.  cru/ 'lockig'.  —  Sdiopf,  mhd.  schöpf 'Haar  oben  auf  dem  Kopf,  got.  5Äu/^ 'Haupt- 
haar'. —  Strähne,  ahd.  streno.  —  Zagel  'Schwanz,  Schweif,  ahd.  zagal,  e.  tail  'Schwanz', 


§  142.   KÖRPERPFLEGE,  REINLICHKEIT.  .§  143.   KAMPF  UND  WaFFENNAMEN.  229 

got.  tagt  'Haar'.  —  Zopf,  ahd.  zopf  'Ende,  Zipfel,  Zopf,  e.  top  'Gipfel',  mengl.  tuft  'Locke', 
anord.  toppr  'Haarbüschel'.  —  Bart,  ahd.  hart,  e.  beard  zu  lat.  barba.  —  Schnurrbart, 
1768,  Zusammenhang  mit  Schnurre 'M^\l\'  zu  mhd.  s«M/-r^n 'rauschen,  sausen'.  —  Kamm, 
ahd.  kamb,  e.  comb  zu  gx.yöfKpo^  (gömphos)  'Pflock,  Zahn'.  —  strählen  ist  das  alte 
Verbum  für  'kämmen';  ahd.  Straten  zu  Strähl  'Kamm',  von  Strahl.  —  scheren,  ahd.  skSran, 
e.  to  shear  zu  gr.  y.eioeiv  {kiren)  'scheren'. 

Auf  die  Reinigung  bezieht  sich: 

Bad,  ahd.  bad,  e.  bath,  altes  Partizip  zu  bähen,  ahd.  bäen.  —  waschen,  ahd. 
waskan,  e.  to  wash,  wohl  zu  \x.faiscim  'quetsche,  presse  zusammen'.  Ein  anderer  Aus- 
druck für  'waschen'  liegt  vor  in  Zwehle,  Quehle  'Handtuch',  ahd.  dwahila  zu  ahd. 
dwahan,  got  pwahan  'waschen',  nhd.  zwagen  und  dies  zu  ahd.  dahj'an  'drücken',  und 
weiter  vielleicht  zu  zwingen,  ahd.  dwingan,  e.  twinge.  Dazu  apreuß.  twaxtan  'Bade- 
schürze' und  vielleicht  gr.  Trjxeiv  {tceken)  'erweichen'. 

Eine  sehr  alte  Erfindung  der  Nordvölker  war  bekanntlich  die  Seife;  Plinius  kennt  sie  bei 
den  Kellen,  das  Wort  ist  aber  echt  germanisch,  ahd.  seifa,  e.  soap,  vielleicht  zu  lat.  sebum  'Talg'. 

In  Lauge,  ahd.  louga,  e.  lye  steckt  die  Wurzel  von  lat.  laväre.  Vgl.  anord.  laug 
'warmes  Bad'. 

Eine  uralte  Sitte  der  indogermanischen  Menschheit  war  das  Tätowieren.  Dieses 
Wort  kommt  im  18.  Jh.  aus  dem  Tahitischen  und  weist  darauf  hin,  daß  damals  die  Sitte 
stärker  in  den  Gesichtskreis  trat.  Ob  die  heutige  weitverbreitete  Tätowierung  auf  Erhaltung 
des  alten  Brauches  unter  Verstärkung  durch  ausländischen  Einfluß  beruht  oder  ganz  neu 
eingeführt  ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Die  christliche  Kirche  hatte  sie  jedenfalls  verboten, 
aber  trotzdem  kann  die  Sitte  weiter  bestanden  haben.  Otto  Lauffer  spricht  sich  Wörter 
und  Sachen  6,  1  ff.  für  die  erste  Möglichkeit  aus,  und  in  der  Tat  gibt  es  vereinzelte  Zeug- 
nisse, die  für  die  Fortdauer  des  Brauches  zu  sprechen  scheinen.  Ein  alter  einheimischer 
Ausdruck  ist  bisher  nicht  nachzuweisen. 

ENTLEHNUNGEN. 

Auf  diesem  Gebiet  treten  die  Entlehnungen  verhältnismäßig  spät  auf. 

Barbier,  spätmhd.  barbierer,  von  barbieren,  frz.  barbier.  Daneben  mit  Dissimi- 
lation Baibier.  —  rasieren,  17.  Jh.,  ixz.raser.  — frisieren,  1673,  Irz.friser.  —  Frisur, 
1694,  ixz.  frisure.  —  Für  das  jung  entlehnte  Friseur  sagte  man  im  17.  Jh.  Frisierer. 

Dazu  kommen:  Chignon,  1773,  hz.  diignon.  —  parfümieren,  16.  Jh.,  ixz.  par- 
fumer.  —  Parfüm,  1801,  ixz.  parfum.  —  Perücke,  1650,  Ixz.  perruque.  —  Pomade, 
1678,  ixz.  pommade,  ital.pomata.  —  Puder,  1669,  ixz.  poudre.  —  Toupet,  18.  Jh.,  frz. 
toupet.  —  Tour,  Haartour,  1694,  frz.  tour. 

Eines  der  wichtigsten  Worte  auf  diesem  Gebiete  ist  zweifellos  Stube. 
Ahd.  stuba  bedeutet  'heizbares  Gemach,  bes.  Badestube'.  Dieselbe  oder 
eine  ähnliche  Bedeutung  zeigen  auch  die  übrigen  germanischen  Sprachen, 
und  es  ist  daher  unbestreitbar,  daß  wir  es  hier  mit  einem  Wort  zu  tun  haben, 
das  mit  der  Entwicklung  der  Warmbäder  zusammenhäng,t.  Während  Heyne 
das  Wort  für  echt  deutsch  hält,  sehen  andere  darin  ein  Fremdwort.  Wir 
finden  auch  im  Romanischen  frz.  etiive  aus  volkslat.  sfüfa,  prov.  estiiba. 
Die  Herkunft  dieser  Wörter  ist  unklar. 

§  143.    Kampf  und  Waffennamen. 

Literatur:  W.  SCHIRLITZ,  Die  deutschen  Waffennamen,  Programm  des  Gymnasiums 
zu  Stargard,  1844.  —  May  Leansfield  Keller,  The  Anglo-Saxon  Weapon  Names,  treated 
archaeologically  and  etymologically.  Anglistische  Forsch.  15,  Heidelberg  1906. 

Der  Kampf  der  Stämme  gegeneinander  spielt  in  alter  Zeit  eine  große 
Rolle,  und  dementsprechend  sind  auch  Waffen  und  Waffennamen  vorhanden 


230        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


gewesen.  Die  vollständige  Umwandlung  aber,  die  sich  auf  diesem  Gebiet 
vollzogen  hat,  beeinflußt  natürlich  auch  die  Sprache,  so  daß  die  alten  Aus- 
drücke verloren  gehen. 

Schon  die  Allgcmeinbcgriffe  für  Kampf  und  Streit  zeigen  eine  sehr  beachtens- 
werte Entwicklung.  Eine  Reihe  alter  indogermanischer  Ausdrücke  sind  vollständig  verloren 
gegangen.  So  gr.  ro/ziV»;  {hysmincr)  'Schlacht",  a\n6.  jitdhjati  'kämpft';  agerm.  *gundja,  im 
Hildebrandslied  güdea  zu  lit.  ^//Iros 'Streit',  wurzelverwandt  mit  gx.q^övog  {p}iönos)  'Mord'; 
noch  in  Eigennamen  wie  Günther,  Gudrun  erhalten;  ahd.  hiltia  'Kampf,  noch  in  zahl- 
reichen Eigennamen  wie  Hildegard,  Hildegunde,  Hildebrand,  ist  unerklärt;  aus 
einem  g^xm.  werra  {a\\^.*werra  'Ärgernis',  mM.  werre  'Krieg',  jetzt  Wirren  zu  wirren, 
ahd.  wcrran  'durcheinanderbringen')  wurde  Uz.  guerre  entlehnt;  ahd.  mhd.  wig  'Kampf, 
Schlacht,  Krieg'  zu  goi.weifian  'kämpfen',  verwandt  mit  lat.vinco  (wovon  das  Partizip  ahd. 
wigant,  d.  Weigand  bis  ins  18.  Jh.  fortlebte);  ahd.  urliugi  'Krieg',  eigentlich  wohl  'Vertrags- 
losigkeit'  zu  goL  liugan  'heiraten',  eig. 'versprechen';   noch  in  Or/og^sc^/// 'Kriegsschiff'. 

Erhalten  hat  sich  Hader,  im  H.Jahrhundert  hader,  abgeleitet  von  ahd.  hadu  'Kampf 
(noch  in  Hedwig),  zu  gr.  yöroi  {kötos)  'Groll',  ir.  cath  'Kampf. 

Unser  Zwist,  mhd.  zwist,  ndd.  twist  'Streit'  ist  eine  ähnliche  Bildung  wie  lat.  bellum 
aus  duellum  'Zweikampf. 

Streit,  ahd.  strit,  eigentlich  wohl  'Anstrengung',  vgl.  ahd.  einstrlti  'hartnäckig',  asächs. 
strid  'Eifer'.   Man  stellt  es  zu  lat.  lis  aus  *stlis. 

Kampf,  ahd.  kämpf  'Zweikampf,  Kampfspiel'  tritt  bemerkenswerterweise  in  Eigen- 
namen gar  nicht  auf,  daher  hat  man  an  Entlehnung  gedacht,  und  zwar  aus  lat.  campus 
{Martins).  Auf  diesem  campus  fanden  die  Gladiatorenkämpfe  statt.  Ein  solcher  Bedeutungs- 
übergang ist  ganz  gewöhnlich.   Hildebrand  vertritt  dagegen  einheimischen  Ursprung. 

Erst  seit  mhd.  Zeit  haben  wir  Krieg,  das  ursprünglich  .Anstrengung"  bedeutet  Vgl. 
ahd.  kreg  'Hartnäckigkeit',  zu  gr.  ßoiaoüg  (briarös)  'stark,  heftig',  vßoi?  (liybris)  'Übermut'. 
Friede  schließlich  ist  gemeingermanisch,  ahd.  fridu.  Es  gehört  zu  got.  frijön  'lieben'. 

Wir  haben  also  in  den  Ausdrücken  für  K  rieg  zunächst  eine  Mehrheit  von 
Worten;  dann  aber  treten  zweifellos  neue  Worte  auf,  die  die  alten  verdrängen. 

Die  Geschichte  der  Waffennamen  muß  eine  Geschichte  der  Waffen  selbst 
sein.  Es  ist  klar,  daß  infolge  der  großen  Veränderungen,  die  sich  auf  diesem 
Gebiete  vollzogen  haben,  nicht  allzu  viel  Altes  erhalten  sein  wird. 

1.  ALTGERMANISCHES. 
Bogen,  ahd.  bogo,  e.  bow.  Zu  biegen.  Eine  Entsprechung  des  lat.  arcus  liegt  in 
got.  arfvazna  vor.  —  Strahl,  ahd.  sträla  'Pfeif,  abg.  strela,  wovon  Strelitzen.  —  Sehne, 
ahd.  senawa,  e.  sinew,  gr.  heg  {ines)  'Sehnen'.  —  Ger,  ahd.  gerfo)  'Spieß',  gall.  laL gaesum.  — 
Speer,  ahd.  sper,  e.  spear,  wohl  zu  Sparren  und  lat.  sparus  'kurzer  Jagdspieß'.  —  Spieß , 
aihA.spioi.  Verschieden  von  Spieß  in  Bratspieß,  ahd.  5/7/3,  e.  spit  zu  spitz,  ahd.  spizzi.  — 
Barte,  ahd.  barta 'AxV  zu  Bart;  dazu  Hellebarde,  mhd.  helmbarte.  —  Sdiwert,  ahd. 
swert,  t.  sword.  Herkunft  unsicher.  —  Helm,  ahd.  heim,  t.  heim,  got.  hilms,  ai.  Särma 
'Schutz'.  —  Waffe,  ahd.  wäfan,  e.  weapon,  vielleicht  zu  gr.  onlov  (höplon)  'Werkzeug,  Gerät, 
Kriegsgeräf.  —  Gewehr,  ahd. giwer  'Kampfwaffe,  (Treib)-Stachel',  zu  Wehrund  wehren, 
ahd.  werien,  got.  warjan,  zu gT.Fovadcu  (erysthai)  'schützen,  bewahren',  lat.  op^rJr^  "bedecken". 

2.  ERSTE  ENTLEHNUNGEN. 

Zunächst  hat  vielleicht  das  Keltische  eingewirkt,  doch  können  wir  es 
dem  Worte  Ger  nicht  ansehen,  ob  es  entlehnt  oder  urverwandt  ist.  Erst 
das  römische  Heerwesen  bringt  sichere  Einflüsse. 

Armbrust,  mhd.  armbrust,  umgedeutet  aus  mlat.  ßrcu^a/w/a. —  Bolzen,  ahd.  bolz, 
e.  bolt,   vielleicht  aus   lat.  catapulta  'Wurfmaschine',   dann   auch  'Wurfgeschoß'.    Doch   ist 


§  144.  Krankheit  und  Heilung.  231 

dies  nicht  ganz  sicher.  —  Dracfien,  ahd.  trah ho  aus  lat  draco  'Kohortenzeichen'.  — 
Kodier,  ahd.  kofi ha r,  mlat  cucurum. —  Pfeil,  ahd.pfi/,  e.  pile  aus  lat.  pi tum. —  Pfahl' 
ahd.  pfäl,  e.  pole,  pale  aus  lat.  pälus,  wohl  durch  den  Limesbau  veranlaßt.  —  Wall,  mhd. 
■wall,  asächs.  wall,  e.  wall  'Mauer'  aus  lat.  vallum. 

3.  ENTLEHNUNGEN  IN  MITTELHOCHDEUTSCHER  ZEIT. 

Die  Ausdrücke  für  den  Kampf  in  der  Ritterzeit  sind  durchweg  aus  dem 
Romanischen  entlehnt.  Das  mittelalterHche  höfische  Epos  wimmelt  geradezu 
von  französischen  Ausdrücken.  Das  meiste  davon  ist  freilich  wieder  ver- 
loren gegangen,  vgl.  Seiler  (oben  §  100)  125. 

Erhalten  haben  sich:  Flitz  in  Flitzbogen,  15.' Jh.,  \iz.  fledie;  auch  noch  in  flitzen.  — 
Harnisdi,  mhd.  harnas(di),  frz.  harnais,  mengl.  harnes  'Rüstung',  kymr.  haianiaez  'Eisen- 
geräte'. —  Koller,  rnhd.  koll(i)er,  frz.  collier.  —  Lanze,  12.  Jh.,  afrz.  lance,  gall.  lat. 
lancea.  —  Panzer,  mhd.  panzier,  ital.  panciera.  —  Pidielhaube,  mhd.  bedienhübe,  Zu- 
sammenhang mit  Bedien.  —  Wams  ist  wohl  ursprünglich  eine  Schutzbekleidung.  Über 
die  Herkunft  s.  o.  S.  227. 

Wiederaufgenommen   ist:  Brünne,  mhd.  brünne,  ahd.  brunnia,  got.  brunjö  aus  kelt. 

air.  bruinne  'Brust'. 

4.  ENTLEHNUNGEN  DER  NEUZEIT. 

Bajonett,  U .  Jh.,  hz.  ba'ionette. —  Degen,  \5.  Jh.,  frz.  dague. —  Doldi,  um  1500, 
lat.  rfo/o 'Stockdegen'?, —  Flamberg,  frühnhd.,  hz.  flamberge. —  Flinte,  1663,  ndl.,  zu 
t.  flint,  d.  Flins  'Stein'.  —  Granate,  1616,  ital.  granata. —  Haubitze,  15.  Jh.,  tschech. 
houfenice.  —  Kanone,  1588,  ital.  cannone.  —  Karabiner,  1598,  frz.  carabine.  —  Kar- 
tätsche, 1691,  \ia\.  cartoccio.  —  Kartaiine,  1489,  Wal.  quartana.  —  Küraß,  15.  Jh. 
frz.  cuirasse  'Lederpanzer'.  —  Mörser,  15.  Jh.  =  Mörser.  —  Pistole,  1664,  frz. pistole.  — 
Posten  in  Rehposten,  frz.  poste.  —  Revolver,  19.  Jh.,  e.  revolver.  —  Säbel,  15.  Jh., 
Ungar,  szablya. —  Sarraß,  18.  Jh.,  aus  dem  Poln.?.  —  Sponton,  1728,  ital.  spuntone. — 
Terzerol,  1644,  ital.  terzeruolo.  —  Tesdiing,  1834,  Gewehr  von  Teschen. 

§  144.  Krankheit  und  Heilung.  Auch  auf  diesem  Gebiet  kann  die  Sprache 
manches  lehren,  und  wir  würden  bei  eingehender  Betrachtung  eine  ganze  Ent- 
wicklungsgeschichte der  menschlichen  Anschauungen  im  Kleinen  erhalten. i) 

Die  wissenschaftliche  Medizin  hat  das  Bestreben  gehabt,  eine  eindeutige 
Benennung  einer  jeden  besondern  Krankheit  durchzuführen  und  hat  dazu 
die  lateinischen  und  griechischen  Ausdrücke  gewählt.  Daneben  bestehen 
aber  alte,  allgemeinere  Ausdrücke  im  Volksmunde,  deren  erstaunliche  Fülle 
und  Verschiedenheit  man  jetzt  bei  M.  Höfler,  Deutsches  Krankheitsnamen- 
buch, München  1899,  überblickt.  Dies  Werk  ist  eine  ganz  hervorragende 
Leistung,  das  den  überreichen  Stoff  der  Krankheitsnamen  in  alphabetischer 
Reihenfolge  darbietet.  Aber  freilich  dieser  Stoff  müßte  nun  auch  einmal 
systematisch  zusammengestellt  werden.  Mit  Recht  sagt  der  Verfasser  in  der 
Vorrede:  „Während  die  gelehrte  Medizin  es  liebt,  neue  Benennungen  ein- 
zuführen . . .,  ist  das  Volk  bei  denjenigen  Bezeichnungen  geblieben,  die  ehe- 
mals gewählt  wurden,  um  die  äußerlichen  Krankheitssymptome  von  andern 
zu  unterscheiden  oder  um  die  vermeintliche  Ursache  bezw.  deren  Beseitigung 
anzudeuten.   Seine  Ausdrücke  sind  oft  sehr  treffend  und  vom  Standpunkte 


')  Vgl.  hierzu  auch  J.  Geldner,   Untersuchungen   zu   altenglischen  Krankheitsnamen. 
Progr.  Augsburg  1908. 


232        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

der  Kultur-  und  Medizingeschichte  äußerst  interessant.  Innumerabiles  morbos 
miraris?  medicos  numera!  (Dcmokr.  11,  49).  So  viel  ärztliche  Systeme  und 
Perioden,  so  viel  Krankheitsnamen,  die  der  getreue  Widerhall  der  alten 
Schulleliren  und  der  volksüblichen  Auffassungen  über  Natur  und  Ursache 
der  Krankheiten  sind."  Hat  der  Verfasser  durch  sein  Wörterbuch  der  Wort- 
forschung einen  unschätzbaren  Dienst  erwiesen,  so  sollte  ihn  die  germanische 
Wissenschaft  dadurch  vergelten,  daß  sie  diesen  Stoff  nach  seiner  Herkunft 
und  den  Anschauungen,  die  darin  ausgedrückt  sind,  ordnet.  Einiges  darüber 
bei  M.Heyne,  Körperpflege  und  Kleidung,  1903,  S.  114  ff. 

Zu  den  tief  in  dem  Volksglauben  wurzelnden  Anschauungen  gehört  es  jedenfalls,  daß 
die  Krankheit  nichts  Natürliches,  sondern  etwas  von  einem  übernatürlichen  Wesen  An- 
gehextes ist.  Man  heilt  die  Krankheit  daiier  zunächst  durch  Bespredien.  Den  Rest 
jener  alten  Anschauung  haben  wir  noch  in  Hexensdinß,  schon  ags.  hcegtessan  gescot; 
Schlag,  schon  got.  5/a//s  als  Krankheit;  Alpdrücken,  ags.  ylfa  gescol;  Neidnagel,  weil 
er  durch  Neid  entsteht;  Wediselbalg,  mhd.  wechselbalc  'ein  krankes  und  deshalb  unter- 
geschobenes Kind';  Tropf,  mhd.  tropfe,  auch  'Schlagfluß',  vgl.  Weigand.  Das  sind  ein 
paar  Reste  alter  Anschauung,  die  wir  heute  noch  haben.    Dem  mögen  sich  die  sonstigen 

Ausdrücke  anreihen. 

1.  EINHEIMISCHES  GUT. 

Beule,  ahd.  bülla  'Blatter',  e.  bile  'Geschwür'.  Zu  Bühel.  —  Blatter,  ahd.  blätara 
'Blase',  e.  bladder.  Zu  blähen.  —  Drüse,  ahd.  druos,  druosi  'Drüse,  eichelartige  Ge- 
schwulst, Beule'.  —  Eiter,  ahd.  eitar  'Gift',  e.  atter  'Eiter,  Gift'.  Daneben  ahd.  eii  'Eiter- 
beule, Geschwür',  und  dies  zu  gr.  oiSog  (oidos),  olS/ita  {oidma)  'Geschwür'.  —  faul,  ahd./w/ 
'verwesend',  t.  foul  zu  lat.  p/is 'Eiter',  gx.  nToy  (pyon).  —  /="rfl/5^rt 'Fallsucht',  z\\d.  freisa 
'Gefährdung',  gotf raison  'versuchen',  ai. -pre^ah  'Antrieb'.  —  Friese l  zu  frieren.  — 
Gidit,  xnM.  gibt,  ags.  ^/7a/rt 'Gliederlähmung'.  —  Gnätze,  \b.  ih.  gnaz.  —  Grind,  ahd. 
grint  zu  Grand.  —  heiser,  ahd.  heis,  heisi,  e.  hoarse.  —  Husten,  ahd.  huosto,  e.  fdial.) 
whoost  zu  aind.  käsatf  'hustet',  lit.  kös'u  'huste',  abg.  kasllt  'Husten'.  —  judien,  ahd. 
Jucdian,  e.  to  itdi.  —  Krampf,  ahd.  krampfo,  e.  cramp  zu  ahd.  krimpfan  'zusammen- 
ziehen, winden".  —  Masern,  ahd.  masala  'Blutgeschwulst'  zu  Maser.  —  Pfnüsel,  durch 
Vischer  bekannt  geworden,  zu  alem.  pfnüsen  'niesen';  vgl.  dazu  niesen,  ahd.  niosan,  anord. 
hnjösa,  ags.  fneosan,  e.  to  sneeze.  —  Podte,  mnd.  podte.  —  Qual,  ahd.  quäla,  ags.  cwalu 
'gewaltsamer  Tod'  zu  lit.  gelä  'Schmerz',  abg.  zali  'Leid'.  —  Quese,  mnd.  quese  wohl  zu 
quetsdien  s.  u.  —  Räude,  ahd.  (h)rada  'Räude,  Scabies',  anord.  hrüär  'Grind  auf  einer 
Wunde'.  Vielleicht  stammverwandt  mit  Ui.  crüdus.  —  Ritten  'Fieber',  ahd.  ritftjo,  ags. 
hrida  'Fieber',  ursprünglich  wohl  'Zittern',  vgl.  air.  crith  'das  Zittern'.  —  Rotz,  ahd.  hroz 
'Rotz,  Nasenschleim"  zu  gr.y.ogvi^a  (köryza)  'Schnupfen,  Katarrh'.  —  Sdimerz,  ahd.  smärzo, 
dazu  sdimerzen,  ahd.  smerzan,  e.  to  smart  'schmerzen,  leiden'.  Ursprünglich  'stechen',  wie 
aus  e.  smart  'scharf,  beißend,  schneidig'  und  dem  verwandten  lat.  mordire  'beißen',  gr. 
o/ifo^a/.fo,-  (smerdaleos)  'gräßlich'  hervorgeht.  Ein  andrer  alter  Ausdruck  für  'Schmerz'  steckt 
in  sehr,  ahd.  str  'schmerzlich',  ser  'Schmerz',  e.  sore  'Schmerz,  Wunde,  schmerzhaft', 
got.  sair  'Schmerz'.  Stammverwandt  mit  air.  säeth  'Leid,  Mühe,  Krankheit',  1.  saevus.  — 
Sdinupfen,  spätmhd.  sdmupf  zu  sdinauben.  —  Sdiorf,  mnd.  sdiorf  zu  sdiürfen.  — 
Sdiwäre,  ahd.  swero  'Krankheit,  Krankheitsschmerz'.  Vielleicht  zu  awest.  .v^ara-  'Wunde,  Ver- 
wundung'. Dazu  Gesdiwür,  älternhd.  Gesdiwär,  ahd.  giswer.  —  Sudit,  in  Schwindsudit  usw. 
iu  siedi  'krank'.  Siehe  unten.  —  wund,  ahd.  wunt,  got.  wunds,  zu  aind.  ä-vätah  'unverletzt'.  ~ 
Zipper  lein  zu  zippen  'trippeln'.  —  Zitier  odi  'Mal',  ahd.  zitaroh,  e.  tetter,  ai.  dadrüfi  'Aus- 
satz', lit.  dedervine  'Flechte'. 

2.  ENTLEHNUNGEN. 

Die  Entlehnungen,   die  mit  der  Einwirkung  der  antiken  Heilkunde  zu 


§  144.  Krankheit  und  Heilung.  233 


uns  gekommen  sind,  sind  allmählich  tief  in  das  Volk  gedrungen  und  können 
als  eingebürgert  gelten. 

Für  Arzt  besitzen  die  Goten  das  Wort  lekeis,  ahd.  lähhi,  e.  leedi  'Tierarzt',  das  wohl 
aus  kelt.  air. /*fl/^  stammt.  (Davon  der  Eigenname  Z.ao'm^r);  später  dringt  vom  fränkischen 
Hofe  das  gr.  aQxiaioög  (ardiiairös),  andd.  ercetere,  ahd.  arzät  'Arzt'  vor.  Daneben  kommt 
von  den  Römern  zunächst:  Pflaster,  ahd.  pflastar,  t.  plaster  aus  gx.Aai.  hiTilaaroov  {em- 
plastron);  Büchse,  ahd.  bufisa  aus  m\a{.  buxis,  gr.  .ti\*(V  (pyxis)  'Büchse  aus  Buchsbaum- 
holz, Arzneibüchse'  und  Fieber,  ahd.  fiebar,  t.  fever  aus  \at.  febn's. 

Später  sind:  Koller,  ahd.  kolero  aus  lat.  diolera,  gr.  xoUoa  (kholera).  —  Fistel, 
ahd.  fistul  'Röhre',  mnd.  vistel  'Geschwür'  aus  lat.  fistula  'tiefgehendes  Röhrengeschwür'.  — 
Af/5^/5«o'2^ 'Aussatz',  mhd.  miselsuht,  ahd.  m/5^/  'aussätzig'  aus  \a\.  misellus.  —  Apo- 
theke, mhd.  apoti'ke  aus  gr. -\a\.  apotheca  'Haus  zum  Kräuterverkauf.  —  Arzenei,  mhd. 
arzenie  neben  arzätie  neugebildet.  —  Pille,  mhd.  pillule  aus  \a\.  pillula.  —  Mixtur, 
mhd.  mixtüre  'Mischung',  aus  lat.  mixtüra.  —  Latwerge,  mhd.  lactwärje,  auch  electuärfe 
aus  lat.  eclecluärium  'dicker  Heilsaft'  von  gr.  Ey.leixzixöv  {eklektikön)  'auszuleckendes'.  — 
f/Zx/r 'Kraft-,  Heiltrank',  s^t'aimhd.  elixire,  arab.  ^/  iksir.  —  Lakritze,  s^äXmhd.  lakerize 
aus  mlat.  liquiricia,  gr.-lat.  glykyrriza  'Süßwurzel'. 

Die  neuere  Medizin  bestreitet  ihre  Bezeichnungen  im  wesentlichen  mit 
griechischem  Sprachgut.  Aus  dem  überreichen  Stoff  kann  hier  nur  einiges 
mitgeteilt  werden. 

amputieren  (1801),  lat.  amputure.  —  A n a t o m i e  {1565  Anatomey\),  lat.  anatomia.  — 
Arterie  (1532),  gx. -\zi.  arteria.  —  Asthma  (18.  Jh.),  gx.äoOaa  {asthmo).  —  Chiragra 
(18.  Jh.),  gx.-lai.  chiragra.  —  C/z/rur^  (frühnhd.),  gx.-lat.  diirurgus.  —  C/zo/^ra  (spät- 
mhd.),  gr.-lat.  cholera.  —  Diarrhöe  (.1711),  gr.-lat.  diarrhoea.  —  Diät  (frühnhd.),  gr.-lat. 
diaeta.  —  Doktor  (15.  Jh.),  gr.-lat.  doctor.  —  drastisch  (18.  Jh.),  gr.-neulat.  drasticus.  — 
Empiriker  {IS.  ^h.),  gx.-lat.  empiricus.  —  Epidemie  (1728),  gx.-lat.  epidemia.  —  Epi- 
lepsie (1711),  gr.-lat.  epilepsia.  —  Exkrement  (16.  Jh.),  lat.  excrementum.  —  Extrakt 
(1585),  nlat.  extractus.  —  Furunkel  (1588),  lat.  färunculus.  —  gastrisdi  (18.  Jh)  zu 
gr.  yaoxrjo  {gastCer)  'Unterleib'.  —  Hämorrhoiden  (18.  Jh.),  gr.-lat.  hoemorrhois.  — 
Homöopath  (18.  Jh.).  —  Hypochondrie  {1115),  gx.-lat.  hypodiondria.  —  Hysterie 
(1813)  zu  gr.  vazsga  {hystera)  'Gebärmutter'.  —  Influenza  (1791),  ital.  inflnenza.  — 
Karbunkel  (16.  Jh.),  lat.  carbunculus.  —  Katarrh  (17.  Jh.),  gx.-lat.  katarrhus.  —  Ka- 
theter (17.  Jh.),  gr.-lat.  catheter.  —  Klinik  (18.  Jh.),  gr.  x/.ntHTJ  {klinikfs).  —  Klistier, 
mhd.  klister,  gr.-lat.  clysterium.  —  Kolik  (16.  Jh.),  gr.-lat.  cölica.  —  Kur  (16.  Jh.),  lat.  cüra.  — 
laxieren  {1511),  lat.  laxäre. —  Alediz in  {15.  Jh.),  lat.  mediana.  —  Melandwlie  {1355), 
gx.-lat.  melandiolia.  —  Miasma  (1712),  gx.  fiiaofta  {miasma).  —  Migräne  (1727),  frz. 
migraine,  mlat.  hemigrania,  gr.  yuuxoavla  {hwmikrania).  —  Narkose  (1712),  gr.  vÜQxcoaig 
{ndrkösis).  —  Obduktion  (1791),  lat.  obductio.  —  operieren  (17.  Jh.),  lat.  operäre.  — 
Opoldeldock,  Schöpfung  des  Paracelsus.  —  Palliativ  (18.  Jh.),  v\at.  palliativ  um.  — 
Panazee  (1595),  gx.-lat.  panacea.  —  Paralyse  (1700),  gr.-lat.  paralysis.  —  Pastille 
(19.  Jh.),  lat.  pastillus.  —  Pathologie  {1694),  x\lat.  pathologia.  —  Pest  {16.  ]h.),  lat. 
pestis.  —  Pestilenz  (14.  Jh.),  lat.  pestilentia.  —  Phlegma  (1571),  gx.-lat.  phlegma.  — 
Podagra,  rx\hd.  pödägrä,  gr.-lat.  podagra.  —  Poliklinik  (1834)  'Stadtklinik'.  —  Puls, 
mhd.  puls,  ixz.pouls,  mlat.  pulsus.  —  Rachitis,  gx.  oo.yTxig  {rhakhitis).  —  Rezept  (15.  Jh.), 
lat.  receptum.  —  Rezidiv  (1703),  lat.  recid/vus.  —  rheumatisch  (18.  Jh.),  gr.-lat.  r//^u- 
maticus.  —  sanguinisch  (1523),  nach  lat.  sanguineus.  —  Sanitätsrat,  zsg.  mit  Sanität 
'Gesundheit'  von  lat.  sünitäs.  —  Sassafras  (17.  Jh.),  frz.  Sassafras.  —  Schanker  (1728), 
frz.  diancre.  —  Scharlatan  (17.  Jh.),  frz.  charlatan.  —  Sdiarpie  (18.  Jh.),  frz.  dxarpie.  — 
Skelett  (17.  Jh.),  gr.  oxe/.stöv  {skeletön).  —  Skorbut  (1703),  spätmlat.  scorbutum.  — 
Skrofel  (mnd.  1483),  lat.  scröfulae. —  Sonde  (1712),  fxz.  sonde.  —  Spital,  xnhd.spitäl. 


234        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


auch  Spittel,  mlat.  Iiospitale.  —  Symptom  (18.  Jh.),  gr.  ovunxionn  {symptöma).  — 
Syphilis,  1530  erfunden,  künstliche  Bildung  in  Anlehnung  an  Sipylus,  einem  Sohn  der 
Niobc.  —  Therapie  (18.  Jh.),  gr.  Onjarrn'n  {therapeia).  —  Tinkliir  (16.  Jii.),  lat.  tinctüra.  — 
virulent  (1813),  lat.  virulcntiis. 

Diese  Ausdrücke  bekommen  erst  rechtes  Leben,  wenn  man  sie  in  Ver- 
bindunii  bringt  mit  den  Anscliauungen  der  verschiedenen  medizinischen 
Schulen.  Aber  ich  übersehe  dieses  Gebiet  nicht.  Ich  erinnere  nur  an  die 
vier  Humorcs  des  menschhchen  Körpers,  die  dessen  Konstitution  bedingen. 
Bei  den  Ausdrücken  Choleriker,  Sanguiniker,  Phlegmatiker  und  Melanclioliker 
denkt  wohl  kaum  einer  mehr  daran,  welche  Anschauung  den  Worten  zu- 
grunde liegt.  Die  Entwicklung  des  Wortes  Humor  aus  lat.  hxmor  'Feuchtig- 
keit' gehört  in  dasselbe  Gebiet.  Es  bedeutete  die  „innere  Feuchtigkeit,  Flüssig- 
keit", die  den  Charakter  und  die  Eigentümlichkeit  des  Menschen  bestimmte. 
So  spricht  noch  Goethe  von  gutem,  bestem,  üblem,  sdilimmem  Humor.  Die 
Ausbildung  der  Bedeutung  zu  dem  jetzigen  Sinne  geht  aber  in  England 
vor  sich,  und  erst  durch  Lessing  sind  wir  recht  mit  ihr  bekannt  geworden. 

Über  die  Bezeichnung  für  'sterben',  'Tod'  usw.  siehe  §  204. 

§  145.    Tanz  und  Musik. 

Literatur:  DANIEL  Ff^yklund,  Vergleichende  Studien  über  deutsche  Ausdrücke  mit 
der  Bedeutung  Musikinstrument,  Upsaia  1910. 

Von  den  Künsten  ist  der  Tanz  am  weitesten  verbreitet.  Wir  finden 
ihn  bei  allen  Naturvölkern,  und  er  hat  sicherlich  auch  bei  den  Indogermanen 
nicht  gefehlt.  Aber  es  gibt  je  nach  Ort  und  Zeit  sehr  verschiedene  Arten, 
es  kommen  immer  neue  Formen  auf,  und  so  ist  auf  diesem  Gebiet  die 
Entlehnung  die  Regel.  An  alten  Ausdrücken  haben  wir  noch,  z.  T.  aber  in 
stark  veränderter  Bedeutung: 

sdierzen,  mhd.  sdierzen  'mutwillig,  lustig  springen',  dazu  mhd.  sdiarz  'Sprung', 
sonst  nicht  vorhanden,  vielleicht  zu  aind.  kürdati  'springt,  hüpft',  gr.  oy.aloetv  {skairen) 
'tanzen',  y.öoda'^  {kördax)  'ein  Tanz'.  Wegen  des  späten  Auftretens  und  der  geringen  Ver- 
breitung liegt  indessen  der  Gedanke  an  Entlehnung  oder  an  eine  Neubildung  nahe.  Man 
hat  es  zu  ahd.  skern  'Scherz,  Lust'  gestellt.  Von  der  Verbreitung  des  Wortes  zeugt  die  Ent- 
lehnung ins  Italienische  sdierzare,  sdierzo.  —  Leidi,  entlehnt  aus  mhd.  leidi  'Gesang  aus 
ungleichen  Strophen",  got.  laiks  'Tanz',  laikan  'tanzen'  (umgedeutet  noch  in  Wetter- 
leiiditen,  mhd.  weterleih)  zu  lit. /d/]g^J^/ 'wild  umherlaufen'.  Eins  mit  diesem  Worte  ist 
gr.  rkekiCco  {elelizo)  'mache  erzittern'.  Dasselbe  ist  Laidi  'Fischeier'  mit  merkwürdiger, 
aber  ganz  deutlicher  Bedeutungsentwicklung.  —  Echt  germanisch  ist  auch  wohl  Reihen, 
Reigen,  mhd.  reie.   Wohl  zu  reihen  'sich  begatten'. 

Sonst  ist  alles  entlehnt.  Im  Althochdeutschen  gebraucht  man  zunächst 
salzon  aus  lat  saltäre.  Im  11.  Jahrhundert  kommt  aus  frz.  danse  Tanz. 
Das  französische  Wort  entstammt  aber  dem  frk.  danson  'ziehen,  hinter  sich 
dreinführen'.  Dazu  gesellen  sich  dann  mehrere  französische  Tanznamen,  von 
denen  sich  indessen  nur  Firlefanz  in  veränderter  Bedeutung  erhalten  hat. 
Mhd.  fi rief anz,  firlafei  'lustiger  Springtanz'  aus  frz.  i^/r^/fl/ 'Ringeltanz'. 

Was  wir  sonst  an  Tanznamen  besitzen,  entstammt  der  Neuzeit.  Die 
Ausdrücke  sind  alle  recht  jung,  und  jeder  weiß  ja,  wie  rasch  sich  auf  diesem 
Gebiet  die  Sitte  und  damit  die  Sprache  verändert. 


§  145.  Tanz  und  Musik.  235 


Ball,  17.  Jh.,  ital.  ballo,  frz.  bal.  —  Cancan,  2.  Hälfte  des  19.  Jh.,  frz.  cancan  und 
dies  aus  \z[.  quamqiiam.  —  Galopp,  wohl  erst  im  19.  Jh.,  hz.  galop.  In  der  Bedeutung 
'Sprunglauf  des  Reittiers' schon  1616. —  Gavotte,  1791,  ixz.  gavotte.  —  Kontertanz, 
1771,  c.  countrydance.  —  Kotillon,  1791,  frz.  cotillon.  —  Ländler,  Ende  des  18.  Jh., 
Bauerntanz  aus  dem  Oberlandl,  dem  Land  ob  der  Enns.  —  Masurka  'der  masurische 
Tanz',  findet  sich  1740  am  Hofe  August  III.  von  Polen  und  wird  1840  wieder  neu  belebt.  — 
Polka,  von  [chtoh.piilka  'Halbschritt',  1835  aufgekommen,  wurde  in  der  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts so  beliebt,  daß  man  alles,  was  schön,  elegant,  fesch  war,  Polka  nannte,  und 
G.  Keller  sogar  eines  seiner  Gedichte  Polkakirdie  überschrieb.  —  Polonaise,  1781, 
hz.  polonaise.  —  Quadrille,  1728,  frz.  quadrille.  —  Walzer,  2.  Hälfte  des  18.  Jh.,  von 
Obcrdeutschland  vorgedrungen.   Von  walzen  'sich  drehen'. 

Noch  heute  ist  ja  unsere  Tanzkarte  im  wesentlichen  französisch,  und  die 
neueste  Zeit  hat  uns  schon  wieder  neue  Tänze  und  fremde  Worte  dafür  beschert. 

Mit  dem  Tanz  ist  die  Musik  auf  das  engste  verbunden.-  Einfache  Musik- 
instrumente finden  sich  schon  auf  der  niedrigsten  Stufe  der  menschUchen 
Entwicklung.  Über  diese  waren  die  Germanen  sicher  weit  hinaus,  wie  die 
im  Norden  gefundenen  mächtigen  metallenen  Luren  beweisen.  Trotzdem 
stehen  wir  auch  auf  diesem  Gebiet  im  wesentlichen  unter  fremdem  Einfluß. 

Echt  germanisch  können  sein:  Geige,  mhd.  gjge  (12.  Jh.),  an.  gigia.  Vielleicht  zu 
anord.  geiga  'schräg  gehen'.  Das  Wort  kam  ab,  weil  es  einen  obszönen  Sinn  erhielt,  ist 
jetzt  aber  wieder  üblich.  —  Harfe,  ahd.  harpfa,  e.  harp,  schon  im  5.  Jh.  als  germanisches 
Tonwerkzeug  erwähnt.  —  Trommel,  erst  spätmhd.  trumel,  aber  doch  vielleicht  echt  ein- 
heimisch. Vielleicht  zu  Trumm  'kurzer  Baumstamm'.  —  Hörn  ist  ein  indogermanisches 
Wort,  und  gewiß  wird  das  Hörn  frühzeitig  auch  musikalisch  benutzt  sein,  aber  wann? 
wissen  wir  nicht.  —  Veraltet  ist  jetzt  Sdiwegel,  Sdiwiegel  'Querpfeife',  noch  obd., 
ahd.  snegala  'Flöte',  got.  swiglja  'Flötenbläser'.   Vielleicht  zu  lat.  sibilare. 

Schwegel  und  Harfe  sind  also  die  einzigen  sicher  alten  Namen  für  ger- 
manische Musikinstrumente.  Unklar  ist  Pauke,  mhd.puke,  vielleicht  zu  Bauch. 

ENTLEHNUNGEN. 

a)  Im  Mittelalter:  Potte  'Art  Harfe',  jetzt  veraltet,  ahd.  lirotta,  aus  dem  Kelt.  — 
Fiedel,  ahd.  fidula,  e.  fiddle  aus  mlatvitala,  woher  ital.  viola,  kz.violine.  —  Pfeife,  ahd. 
pfifa,  e.  pipe,  mlat  pipa  'Röhre'.  —  Flöte,  mhd.  vloite,  afrz.  flaute.  —  Posaune,  mhd. 
busüne,  afrz.  buisine.  —  Sdialmei,  mhd.  schalemTe,  afrz.  chalemie.  —  Trompete,  daneben 
Dromete,  spätmhd.  trumet(te),  ixz.  trompette.  —  Zimbel ,  ahd.  zymbala,  gr.-lat.  cymbalum. 

Vieles,  was  damals  entlehnt  wurde,  ist  wieder  verloren  gegangen. 

b)  In  der  Neuzeit. 

Wir  stehen  noch  immer  in  der  Musik  völlig  unter  dem  italienischen 
Einfluß,  was  sich  zunächst  in  den  Namen  der  Musikinstrumente  zeigt,  die 
fast  völlig  italienisch  sind. 

Bratsche,  1678,  ital.  wo/a  da  braccio.  —  Cello,  1813,  aus  Violoncell(o) ,  1727, 
ital.  Violoncello.  —  Fagott,  1616,  ital.  fagotto.  —  Gambe,  1700,  ital.  viola  di gamba. — 
Gitarre,  1615,  span.  guitarra.  —  Harmonika,  1763  erfunden.  —  Klarinette,  1791, 
frz.  clarinette,  ital.  clarinetto.  —  Klavier,  zunächst  die  Tastenreihe  der  Orgel,  so  1616, 
frz.  clavier.  Als  Name  des  Instruments  seit  Ende  des  17.  Jh.  vorkommend.  Als  ältere  Namen 
schon  Anfang  des  15.  Jh.  Klavizimbel,  nlat.  clavicimbalum,  und  Spinett,  1544,  ital. 
spinetta.  —  Eine  neue  Abart  ist  das  Pianoforte  'Hammerklavier',  im  18.  Jh.  erfunden. 
Dafür  auch  Fortepiano,  gekürzt  Piano,  und  seit  der  Mitte  des  19.  Jh.  das  Deminutivum 
Pianino.  Als  deutscher  Ausdruck  hat  sich  Flügel,  Anfang  des  18.  Jh.,   eingebürgert.  — 


236        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Mandolirtc,  18.  Jh.,  Uz.  maruioline.  —  Oboe,  1703,  Uz.  haut-bois.  —  Pickelflöte, 
1809,  ital.  flaiito  piccolo.  —  Violine,  um  1700,  itai.  violino.  —  Zither,  1678,  auch 
schon  ahd.  zitera,  gr.-laf.  kithara. 

Entsprccliend  dem,  was  wir  soeben  angeführt  haben,  zeigen  auch  die 
sonstigen  Ausdrücke  für  Musik  meistens  ein  fremdes  Gepräge.  Bekannt 
sind  die  allgemein  verbreiteten  italienischen  Bezeichnungen  für  die  Zeit- 
maße {Tempo,  ital.  tempo)  wie  Adagio,  Allegro,  Andante,  Presto, 
die  wir  schwerlich  beseitigen  können,  obgleich  einzelne  Musiker  wie 
Beethoven  in  seinen  letzten  Jahren,  Schumann  u.a.  manchmal  deutsche 
Ausdrücke  vorgeschrieben  haben.  Wir  haben  es  hier  mit  technischem  Stoff  zu 
tun,  an  den  man  nicht  rühren  sollte.  Während  diese  Ausdrücke  doch  nur  dem 
Musiker  geläufig  sind,  sind  andere  tiefer  in  die  Sprache  eingedrungen. 

Arie,  17.  Jh.,  ital.  «r/rt.  —  Bariton  (17.  Jh.),  i\a.\.  baritono.  —  bravo,  1774,  ital. 
bravo.  -^  Duett,  18.  Jh.,  \{d\.  liuetto.  —  Fuge,  1616,  '\\.dA.  fuga.  —  Furore,  1854,  ital. 
furore.  —  Kantate,  1712,  '\{a\.  cantata.  —  Konzert,  1650,  '\{a\.  concerto.  —  .Motette, 
1556,  iiä\.  mottetto.  —  Oper,  1681,  ila\.  opera.  —  Operette,  Ende  des  17.  Jh.,  ital. 
operetta.  —  Primadonna,  Ende  des  18.  Jh.,  i\al.  prima  donna.  —  Quartett,  18.  Jh., 
\\a\.  (juartetto. —  Quintett,  18.  Jh.,  \\z\.  quintetto.  —  Rezitativ,  \7\2,  Ha\.  recitativo. — 
Sinfonie,  1728,  ital  sinfonia.  —  Sonate,  17.  Jh.,  \\a\.sonata.  —  Solo,  1712,  ital.  so/o.  — 
Virtuose,  1710,  ital.  virtnoso. 

Alle  diese  Ausdrücke  sind  mit  der  italienischen  Oper  gekommen.  Daneben  stehen 
einige  Worte  französischer  Herkunft:  Ordiester,  1727,  frz.  ordiestre.  —  Ouvertüre, 
\1'T1,  frz.  Ouvertüre.  —  Potpourri,  1741,  Uz.  pot  pourri,  eigentlich  ein  Küchenausdruck. 

Aber  damit  ist  der  fremde  Sprachstoff  nicht  erschöpft.  Älter  als  der 
italienische  und  französische  Einfluß  ist  der  der  Kirchenmusik  mit  ihren 
lateinischen  Ausdrücken,  ein  Einfluß,  der  z.  T.  in  die  mittel-,  ja  althoch- 
deutsche Zeit  zurückgeht. 

Akkord,  \&.Sh.,m\z{.accordum. —  Chor,  mhd.  ^ör 'Sängerschar',  gx.-\a\.diorus.  — 
Choral,  frühnhd.,  mXzi,  dioralis.  —  Diskant,  mhd.  discante,  mlat.  discantus,  eig.  'der 
Gesang  von  zwei  Stimmen'.  —  Harmonie,  schon  mhd.  armonie,  lat.-gr.  harmonia.  — 
Kapelle,  m\ai. capella.  —  komponieren,  1517,  ht.compünere;  Komponisthei  Lutlier.  — 
Kontrapunkt,  1571,  m\a{.  contrapunctum.  —  Melodie,  mhd.  melodie,  woraus  Melodei, 
gr.-lat.  melödia.  —  Musik,  schon  ahd.  müsika  aus  gr.-lat.  mäsica,  aber  seitdem  öfter  aufs 
neue  entlehnt.  —  Note,  ahd.  nota  'Neume',  lat.  nota.  —  Partitur,  1673,  mlat.  partitura.  — 
quinkelieren,  ans  quintclieren,  mhd.  quintieren,  eig.  'in  Quinten  singen',  m\a{.  quintare.  — 
Rhythmus,  schon  ahd.  Dat.  PI.  ritmusen,  gr.-lat.  rhythmus.  —  Takt,  1572,  lat.  tactus.  — 
Ton,  mhd.  tön,  don,  ahd.  bei  Notker  tonus,  gr.-lat.  tonus. 

Die  Musik  hat  stets  im  Volk  eine  große  Rolle  gespielt,  und  es  kann 
daher  nicht  wundernehmen,  wenn  zahlreiche  musikalische  Ausdrücke  eine 
allgemeinere  Bedeutung  bekommen  haben. 

Ganz  verständlicli  sind:  den  Ton  angeben;  —  die  erste  Geige  spielen;  —  die 
alte  Leier;  —  einem  die  Wahrheit  geigen;  —  gelindere  Saiten  aufziehen;  — 
seine  Saiten  nidit  zu  straff  spannen;  —  der  Himmel  hängt  ihm  voller 
Geigen;  —  die  lieben  Engeldien  singen  hören.  Wahrscheinlich  stammt  auch  die 
Redensart  etwas  aus  dem  Effeff  verstehen  von  dem  musikalischen  Vorzeichen 
//  =  fortissimo. 

Bemerkenswerter  sind  die  übertragenen  Bedeutungen  von  Ton,  Takt, 
Stimmung,  bei  denen  die  musikalische  Bedeutung  bei  weitem  die  ältere 


§  146.  Schule.  Wissenschaft.  237 

ist.  Auch  Harmonie  ist  auf  das  allgemein  Menschliche  übertragen  und 
hat  in  harmonisch  eine  besondere  Bedeutung  bekommen.  Weniger  hat  sich 
Dissonanz  eingebürgert,  obgleich  es  auch  häufig  übertragen  gebraucht  wird. 
Am  merkwürdigsten  sind  aber  die  folgenden  Ausdrücke,  die  ganz  unverständlich 
geworden  sind,  kunterbunt  ist  sicher  =  Kontrapunkt.  Die  früheren  Deutungen,  die 
an  mhd.  kunter  'Ungeheuer'  anknüpften,  sind  verfehlt.  In  einem  Liedchen  aus  dem 
15.  Jh.  (vgl.  Weigand)  heißt  es  noch: 

Spelmon,  spon  du  deine  Saita, 

daß  es  klingt  fein  contrabund. 

Ahnlich  geht  Larifari  auf  die  Tonbezeichnungen  der  italienischen  Solmisation  des 
Guido  von  Arezzo  zurück,  wie  es  denn  aus  dem  15.  Jh.  überliefert  ist: 

da  sungen  sie  die  messe  terribilis 
La  re  fa  re  ut  in  excelsis. 

Und  das  mundartliche  Fladuse  'Schmeichelei'  ist  Uz.  flute  douce  lieblich  klingende 
Flöte'.  Dazu  gesellt  sich  noch  Sdiurrpfeifereien  zw  Sdinurrpfeife  und  verfumfeien, 
auch  verbumfiedeln  von  nd.  Bumfei,  Fidelfumfei  'Violine,  Bierfidel'. 

§  146.  Schule.  Wissenschaft.  Wir  werden  weiter  unten  die  Sprachen  der 
verschiedenen  Wissenschaften  behandeln.  Hier  soll  nur  auf  das  Älteste  und 
Einfachste  hingewiesen  werden.  Die  Wissenschaft  beginnt  mit  dem  Lesen  und 
Schreiben,  Die  Ausdrücke,  die  sich  darauf  beziehen,  hängen  zum  guten  Teil 
mit  der  ältesten  germanischen  Schrift,  den  Runen,  zusammen.  Bekanntlich 
berichtet  Tacitus  Germ.  10:  Virgam  fragiferae  arbori  decisam  in  stirculos 
ampiitant  eosque  notis  quibusdam  discretos  super  candidam  vestem  temer e 
ac  fortaito  spargunt.  Mox,  si  publice  consultetur,  sacerdos  civitatis,  sin 
privatim,  ipse  pater  familiae  precatus  deos  caelumque  suspiciens  ter 
singulos  tollit,  sublatos  secundiim  impressam  ante  notam  inte.pretatur. 
Aus  diesem  Tatbestand  erklären  sich  zunächst  die  Ausdrücke  Budi  und  Budistabe. 
Letzteres,  ahd.  buodistab,  gemeingerm.,  ist  ja  nichts  anderes  als  Budien-stab  {virga  frugi- 
ferae  arbori  decisa  in  surculos  amputata).  Etwas  schwieriger  ist  Budi,  ahd.  buoh,  e.  bock. 
Got.  bedeutet  böka  'Buchstabe',  der  PI.  bökös  'Buch,  Schrift,  Brief,  also  eigentlich  'die  Buch- 
staben'. Got.  böka  hängt  natürlich  mit  Budie  zusammen.  Ein  andrer  Ausdruck  für  die 
Schrift  ist  altn.  ags.  rwrt,  ahd. /•w«a 'Schrift',  jetzt  Rune,  aus  dem  Nordischen  übernommen, 
got.  heißt  rüna  'mysterium'.  Dazu  noch  raunen,  ahd.  rünen,  urspr.  wohl  'geheimnisvoll 
besprechen',  dann  etwa  'Zauber  treiben',  das  Subst.  räna  zunächst  'Zauber',  dann  'Zauber- 
zeichen'. Es  gehört  zu  gr.  sQswäv  (ereunän)  'nachspüren'.  Für  sdireiben  bilden  sich  im 
Germanischen  aus  eigenem  Sprachgut  verschiedene  Ausdrücke.  Engl,  write,  ahd.  ri^^ian 
'scribere,  exarare',  jetzt  reißen,  \g\.  Reißbrett,  Reißfeder,  Umriß,  Riß,  got.  writs 
'Strich  in  der  Schrift,  Punkt',  ist  eigentlich  ritzen,  also  von  dem  Schreiben  in  Holz  her- 
genommen. Ähnlich  anord.  merkja,  marka  'mit  einer  Marke  versehen'.  Got.  heißt  es  meljan, 
unser  malen,  und  anord. /(i  aus  *faihjan  'bunt  machen'  zu  got.  faihs,  gx.noiy.ü.og  (poikilos) 
'bunt'.  Lesen,  ahd.  lesan.  Dies  bedeutet  wie  noch  heute 'auswählend  sammeln,  aufheben, 
lesen',  e.  to  lease  nur  'Ähren  lesen'.  Jedenfalls  ist  'sammeln'  die  ursprüngliche  Bedeutung,  ^ 
aus  der  sich,  wie  man  meinte,  die  von  'lesen'  auf  Grund  des  Zusammenlesens  der  Runen- 
stäbe entwickelt  haben  soll.  Das  ist  indessen  wahrscheinlich  falsch.  Vielmehr  liegt  hier 
wohl  eine  Nachbildung  des  lat.  legere,  das  'sammeln'  und  'lesen'  hieß,  vor,  was  um  so 
wahrscheinlicher  ist,  als  unser  sdireiben  aus  dem  Lateinischen  entlehnt  ist.  Der  Gote  sagte 
siggwan,  us-siggwan,  eig.  'singen',  was  offenbar  ein  kirchlicher  Ausdruck  war,  vom  Vor- 
trag des  Evangeliums  hergenommen,   der  Engländer  to  read,  ags.  rwdan,   d.  raten,  d.  h. 


238        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

•die  Runen  erraten'.  Diese  Ansätze,  die  aus  germanischem  Sprachgut  die  wichtigsten  Aus- 
drücke auf  diesem  Gebiete  schufen,  wurden  aber  durcli  Entlciinungen  aus  dem  Lateinischen, 
offenbar  vermittelt  durch  die  Klosterschuien,  unterbrochen. 

sdireiben,  ahd.  skriban,  ags.  scnfan  ist  allerdings,  wie  Heyne  mit  Recht  bemerkt, 
ein  Lehnwort,  das  wegen  der  starken  Flexion  aus  früher  Zeit  stammen  muß.  Er  meint,  es 
knüpfe  an  das  scnbere  m'tliUs  an  und  sei  erst  später  natürlich  unter  dem  Einfluß  der 
eigentlichen  Bedeutung  von  lat.  scnbere  auf  das  Schreiben  übertragen.  —  Sdiule,  ahd. 
scuola,  t.  sdiool  aus  lai.  scola.  —  Tinte,  ahd.  tinkta  aus  \al.  tincta  'gefärbt,  bunt".  Da- 
neben in  Niederdeutschland  bladi  zu  engl,  bladi  'schwarz'.  Engl,  ink  stammt  aus  gr.-lal. 
encaustum  'das  Eingebrannte'. 

Es  kommen  ferner-  Alphabet,  mhd.  alpfabrte,  gr.-lat.  alphabetum.  —  Badiant 
(15.  Jh.),  lat.  bacchantem.  —  Brief,  ahd.  briaf  aus  lat.  breve.  —  Griffel,  ahd.  grifil, 
unter  Anlehnung  an  greifen  aus  g\Aai.  graphium.  —  korrigieren,  1421  korrigieren,  lat. 
corrigere. —  Linie,  mhd.  linie,  aus  \at.  Imea.  —  Meister,  ahd.  meistar  aus  lai.  magister. 
Hierher  gehört  auch  diditen,  ahd.  dihtOn,  tihtün  'in  Versen  erfinden  und  schaffend  hervor- 
bringen" aus  lat.  dictäre.  —  Papier  aus  lat.  papyrum,  aber  erst  Anfang  des  15.  Jh.  — 
Pergament,  mhd.  permint  aus  \a\.  perganunum. —  Sieget,  ahd.  insigili,  goi.  sigljö  aus 
lat.  sigillitm.  —  Silbe,  ahd.  sillaba  aus  lat.-gr.  syllaba.  —  Tafel,  ahd.  tafala  aus  lat. 
tabula  {t  nicht  zu  z  verschoben,  also  spät).  —  Vers,  ahd.vers  aus  \ai.  versus. 

Während    im    Mittelalter   manches    eingedeutscht   wird,   tritt   mit   der 

Humanistenzeit  das  Latein  in  der  Lateinschule  wieder  in  den  Vordergrund 

und   noch  heute   sind   unsere  Schulausdrücke   im   wesentlichen   lateinisch. 

Ich  beschränke  mich  hier  auf  die  Nennung  einiger  Ausdrücke. 

Abiturient,  Akademie,  diktieren.  Direktor.  Disziplin,  elementar,  Elemente.  Examen, 
Famulus,  Gymnasium,  Institut,  interpretieren.  Interpunktion,  Karzer,  Katheder,  Klasse. 
Klausur,  Kollege,  Kurs,  Lektion,  Lineal,  Lyzeum,  memorieren.  Pensum.  Prämie,  prä- 
parieren. Präzeptor.  Professor.  Realsdiule.  Rektor,  repetieren,  rezitieren.  Seminar, 
Stipendium.  Studium.  Zensur. 

Ähnlich  steht  es  mit  der  hohen  Schule,  der  Universität.  Bekanntlich 
war  hier  die  Vortragssprache  durchaus  lateinisch,  bis  Christian  Thomasius 
die  erste  Vorlesung  in  deutscher  Sprache  hielt.  Es  kann  daher  nicht  wunder- 
nehmen, wenn  die  Ausdrücke  für  Universitätseinrichtungen  fast  durchweg 
lateinisch  sind.  Es  ist  nicht  möglich,  hier  des  nähern  darauf  einzugehen. 
Es  sei  nur  darauf  hingewiesen,  daß  eine  Reihe  von  lateinischen  Ausdrücken 
auf  verschiedenen  Wegen  z.  T.  tief  in  die  Volkssprache  eingedrungen  sind. 

ad  absurdum  führen;  —  ad  notam  nehmen:  —  alter  ego;  —  bona  fide;  — 
circa;  —  cum  grano  salis;  —  das  Dekorum  wahren;  —  in  seinem  Esse  sein;  — 
et  cetera;  —  ex  'aus';  —  extra  {mir  ist  nicht  recht  extra);  —  Faktum;  —  Gaudium;  — 
in  nuce;  —  jemanden  koram  nehmen,  koramieren;  —  Medium;  —  jemanden  Mores 
lehren;  —  non  plus  ultra;  —  Notabene;  —  Odium;  —  per;  —  post  festum;  — 
prae  {das  Prä  haben);  —  praeter  propter;  —  Punktum;  —  stante  pede;  — 
sab  rosa;  super  {-klug,  -fein);  —  Unikum  usw. 

§  147.  Rückblick.  Wir  haben  im  Verlauf  dieses  Kapitels  eine  Anzahl  von 

Worten,  nach  Begriffsgruppen  geordnet,  an  uns  vorüberziehen  lassen.   Eine 

Reihe  von  andern  wird  der  Leser  in  dem  Abschnitt  über  die  Berufssprachen 

finden,  wo  sie  sich  besser  einordnen.    Auf  ausführliche  Erörterungen  und 

Folgerungen  haben  wir  meistens  verzichtet,  weil  der  Raum  beschränkt  ist, 

und  weil  sie  vielfach  von  selbst  ins  Auge  treten.   Der  Leser  muß  natürlich 


§  147.  Rückblick.  §  148.  Die  Farben.  239 

immer,  wenn  er  sich  noch  eingehender  unterrichten  will,  die  etymologischen 
Wörterbücher  und  die  Darstellungen  der  Kulturgeschichte  zu  Rate  ziehen. 

Wir  haben  gesehen,  daß  neben  die  einheimischen  Worte  oft  genug  die 
fremden  treten,  und  gerade  diese  sind  für  die  kulturgeschichtliche  Betrach- 
tung außerordentlich  anziehend,  da  wir  die  Entlehnung  meist  ihrer  Zeit  und 
ihrer  Herkunft  nach  genau  bestimmen  können.  In  solch  einer  nach  Kate- 
gorien geordneten  Betrachtung  tritt  die  eigentümliche  Art  der  Entwicklung 
unsres  Wortschatzes  deutlich  hervor.  Hier  liegt  aber  nun  ein  Feld,  auf  dem 
noch  viele  arbeiten  können.  Wir  stehen  noch  in  den  Anfängen,  und  jeder  Ab- 
schnitt verdiente  eine  besondere  eingehende  Untersuchung.  Es  würde  der  beste 
Lohn  für  meine  Arbeit  sein,  wenn  sie  zu  solchen  Untersuchungen  anregte. 

Der  Sprachstoff,  den  wir  bisher  betrachtet  haben,  bestand  meistens  aus 
Substantiven.  Aber  daneben  steht  der  andere  Teil  des  Sprachschatzes,  die 
Adjektive,  Verben,  Pronomina  usv^.  Auf  diesem  Gebiet  haben  wir  es  viel 
seltener  mit  Entlehnungen  zu  tun,  sie  sind  indessen  nicht  ausgeschlossen. 
Die  Fülle  des  Stoffes  ist  freilich  zu  groß,  als  daß  sämtliche  Worte  vor- 
geführt werden  könnten.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  eine  Auswahl  des 
kulturgeschichtlich  Wichtigsten. 

§  148.  Die  Farben,  Zu  den  Eigenschaften  der  Dinge,  die  dem  Menschen 
in  der  Natur  entgegentreten,  gehören  vor  allem  die  Farben.  Die  Völkerkunde 
lehrt  uns,  welche  Vorliebe  der  primitive  Mensch  für  diese  Seite  der  Natur 
hat,  und  daß  er  mit  Farben  seinen  Körper  und  seine  Gebrauchsgegenstände 
schmückt.  Von  den  alten  Germanen  im  besondern  berichtet  Tacitus,  Germ.  6: 
scuta  lectissimis  coloribus  distingimnt.  Tatsächlich  ist  denn  auch  die  Zahl 
der  Farbenbezeichnungen  im  Germanischen,  die  vorgeschichtlich  ist,  recht  be- 
trächtlich, und  von  manchem  Ausdruck,  der  sich  vorläufig  in  den  verwandten 
Sprachen  noch  nicht  nachweisen  läßt,  wird  man  annehmen  dürfen,  daß  er 
dort  verloren  gegangen  ist.  Denn  die  ältere  Zeit  verfügte,  wie  man  mit 
Sicherheit  annehmen  darf,  über  viel  mehr  Farbenausdrücke  als  die  jüngere. 
J.  Schmidt  hat  in  seiner  Kritik  der  Sonantentheorie  sehr  Bemerkenswertes 
über  die  Farbenbezeichnungen  der  Litauer  mitgeteilt,  s.  o.  S.  98.  Und  wie 
bei  den  Litauern  ist  es  auch  anderswo  gewesen,  überall  muß  eine  Fülle 
von  Ausdrücken  vorausgesetzt  werden. 

Ich  verzeichne  zunächst  die  einheimischen  Ausdrücke .-i) 
blank,  ahd.  blank,  e.  blank  zu  blinken.  —  blaß,  ahd.  blas  'weiß,  weißlich',  eig. 
wohl  'leuchtend'  zu  e.  blaze  'brennende  Fackel'.  —  blau,  ahd.  bUw,  bläwer,  e.  blue  (aus 
frz.  bleu)  nicht  zu  latflävus  'gelb'  wegen  der  verschiedenen  Bedeutung,  sondern  aus  *mlewas 
und  zu  gr.  ni'/.ag  {melas)  'schwarz',  lit.  melinas  'blau'  zu  stellen.  Der  Bedeutungsübergang 
von  blau  zu  sdiwarz  und  umgekehrt  ist  nicht  selten.  —  bleidi,  ahd.  bleih,  e.  bleak.  — 
blond  ist  erst  um  1650  aus  dem  Französischen  entlehnt,  hier  aber  ein  Lehnwort  aus  dem 
Germanischen.  Das  erschlossene  urgerm.  *blundaz  hat  einen  Verwandten  in  aind.  bradhndh  'röt- 

')  Vgl.  hierzu  auch  E.  Schwentner,  Eine   '  nischen  Farbenbezeichnungen,  Diss.  Münster, 
sprachgeschichtliche  Untersuchung  über  den      Göttingen  1915. 
Gebrauch  und  die  Bedeutung  der  altgerma-   j 


240        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


lieh,  falb'.  —  braun,  ahd.  bnin,  e.  brown,  wurzelverwandt  mit  lit.  bcras,  aind.  babhriih  'rot- 
braun'; genau  entspricht  gr.f/oryq  (j^hrynoe)  'Kröte'.  Stammverwandt  ist  auch  Bär,  ahd. 
ygro.  —  fahl  unA  falb,  ahd.  falo;  c.  fallow  zu  \at  pailidiis  aus  *palvidus,  gx.:iioXiög 
(poliös)  'grau',  abg.  plavii  'weiß'.  —  Fe  he  'sibirisches  Eichhörnchen',  mhd.  vfdi  'buntes 
Pelzwerk',  ahd.  f eh  'bunt',  got.  -faihs  zu  gr. . 1:01x1X0^  ipoikilos)  'bunt'.  —  gelb  und  gehl, 
ahd.  gelo,  gelwes,  t.  yellow  zu  \allielviis.  —  grau,  ahd.  gräo,  gräwfr,  e.  grey,  gray  zu 
\a{.rävus  aus  *hr(ivus  'grau,  graugelb'.  —  greis,  mhd.  gris,  asächs.  ^ris;  vielleicht  zu 
grau,  Ah\aul  grc  :  gri.  —  griln,  ahd.  gruoni,  t.  green,  gewöhnlich  zu  ahd.  gruoen  'grünen', 
t.grow  gestellt.  —  ahd.  hasan  'grau',  vielleicht  in  Hase  'der  graue'  vorliegend,  zu  \alcunus 
aus  *casnus  'grau,  aschgrau',  osk.  casnar  'senex'  und  vielleicht  auch  in  gr.  ^urDo:  {xanthös) 
'blond'.  —  rot,  ahd.  rät,  e.  red,  got.  raups  zu  gr.  tin-Dooi  {erythros),  lat.  ruber.  Ursprüng- 
lich wohl  vom  Blut  gesagt.  —  sdiwarz,  ahd.  swarz  'dunkelfarbig,  schwarz',  e.swarthy,  got. 
swarts  zu  lat.  suäsum  aus  *suarssom  'rußigbrauner  Fleck'  und  sordes  'Schmutz'.  —  weiß, 
ahd.  hwti,  e.  white,  got.  heits  aus  *hwitno  zu  aind.  nvitnah  'weiß',  daneben  svi'tdh,  svitrdli  und 
vielleicht  lat.  vitrum  'Glas'. 

Außerdem  gibt  es  in  alter  Zeit  noch  eine  ganze  Reihe  andrer  Farben- 
bezeichnungen. Entlehnungen  auf  diesem  Gebiet  bringt  im  allgemeinen 
erst  die  Neuzeit,  indem  meist  die  Namen  bestimmter  Gegenstände  mit  aus- 
gesprochener Farbe  zur  Farbenbezeichnung  werden: 

brünett,  17.  Jh.,  frz.  brunet.  —  bunt,  mhd.  bunt,  lat.  punctus.  —  karmesin  'hoch- 
rot', 1478,  ital. carmesino.  —  karm  in  ,1717,  frz.  carmin,  beide  von  Kermes,  ai. kfmili  'Wurm'.  — 
klar,  mhd.  klär,  lat.  clärus.  —  lila,  1791,  frz.  lilas  'Flieder'.  —  orange,  1777,  eig. 
'orangenfarbig'.  —  purpurn,  ahd.  purpurin  zu  Purpur,  got.  paürpura  aus  gr.-ht.  Pur- 
pura. —  rosa,  1801,  mhd.  rösenvarwe.  —  rosinfarb  'scharlachrot',  mhd.  rüsinvar  zu 
Rose,  aber  frühzeitig  auf  Rosine  bezogen.  —  ultramarin,  von  jenseit  des  Meeres,  aus 
dem  Lasurstein  gewonnen.  —  violett,  1703,  frz.  violet,  also  'veilchenfarbig'.  —  Merk- 
würdig ist  die  Entwicklung  von  blümerant,  hz.  bleumourant,  von  Zesen  mit  sterbeblau 
verdeutscht.   Jetzt  nur  so  viel  wie  'schwindlig'. 

Der  Allgemeinbegriff  Farbe  ist  erst  althochdeutsch,  farawa,  gebildet 
von  einem  Adjektivum,  ahd.  faro.  Es  hängt  dies  mit  der  späten  Ausbildung 
der  Allgemeinbegriffe  zusammen,  die  wir  wiederholt  berührt  haben. 

§  149.  Mängel  der  Körperbeschaffenheit.  Es  muß  natürlich  für  die  Mängel 
an  den  Gliedern  und  den  Sinnen  mannigfache  Ausdrücke  schon  in  den 
ältesten  Zeiten  gegeben  haben.  Aber  wir  finden  auf  diesem  Gebiet  nicht 
allzuviel  altes  Erbgut,  offenbar,  weil  hier  die  Verhüllung  eine  große  Rolle 
spielt.  Die  alten  Wörter  bekommen  einen  harten  Klang,  und  man  drückt 
daher  die  Sache  durch  ein  neues  Wort  aus.  hifolgedessen  ist  der  Herkunft 
derartiger  Worte  schwer  nachzukommen,  und  es  kommen  ganz  merkwürdige 
Bedeutungsübergänge  vor,  über  die  wir  jetzt  durch  eine  besondere  Arbeit 
gut  unterrichtet  sind.i) 

sdieel,  sdiiel,  ahd.  skelah  :  gr.  oy.aXrjvös  (skaltenös)  'hinkend,  bucklig',  lat  scelus 
'Verbrechen'.  —  blind,  ahd.  blint,  e.  blind  zu  got.  blandan  'mischen,  trüben',  lit.  blista  'es 
wird  dunkel'.  Got.  heißt  es  haihs  'einäugig'  =  lat.  caecus  'blind'.  —  taub,  ahd.  toub  auch 
'stumpfsinnig,  närrisch,  toll',  e.  deaf,  got.  daufs  'verstockt'  :  gr.  ti'9;-16,-  {typhlös)  'blind'.  — 
dumm,  ahd.  tumb  'stumm,  taub,  stumpfsinnig',  e.  dumb,  got.  dumbs  'stumm'.   Vielleicht  zu 


^)  Jakob  Oeler,  Die  Ausdrücke  für  die  körperlichen  Gebrechen  in  den  idg.  Sprachen, 
Diss.  Marburg  1916. 


§  150.  Geschmack.  §  151.  Moralische  und  geistige  Eigenschaften.        241 

Dampf.  Die  älteste  Bedeutung  wäre  'betäubt'.  Vgl.  Oeler  S.  48.  —  stumm,  shA.  stum. 
Wohl  zu  stammeln,  ahd.  stamal  'stammelnd'.  —  stottern  :  stoßen.  —  lahm,  ahd.  lam 
'gliederschwach,  lahm',  e.  lame.  Dazu  mit  Ablaut  ahd.  luomi,  jetzt  liinim,  wovon  Lümmel, 
nd.  lummel.  Zu  abg.  Zorn/// 'brechen'.  —  d.  sehe mp ein,  e.  shamble  zu  gr.  ay.a/ißö;  {skam- 
bös)  'krummbeinig'.  —  hinken  :  gr.  axdCco  (skäzö),  ai.  khav ja-  'hinkend'.  —  Krüppel, 
nd.  Kröpel,  e.  cripple  :  gr.  ygvjiög  (grypös)  'gekrümmt';  dazu  auch  wohl  Kropf.  —  Hammel, 
eig.  'verstümmelt',  ahd.  hammer  'verstümmelt,  gebrechlich'. 
§  150.  Geschmack. 

süß,  ahd.  5«03/,  e.  sweet,  got  suis  zu  gr.  Tjdvg  (hwdys),  \a\.  suä(d)uis.  —  bitter, 
ahd.  bittar,  e.  bitter,  gotisch  mit  Ablaut  baitrs;  zu  beißen,  ist  aber  eine  alte  Bildung  wegen 
des  Ablautes  und  wegen  des  Suffixes.  —  sauer,  ahd.  sär,  e.  sour  zu  abg.  syrü  'roh',  lit. 
stiras  'salzig'.  —  herb,  mhd.  here,  herwer. 

§  151.  Moralische  und  geistige  Eigenschaften.  Eine  wirklich  ausreichende 
Darstellung  der  Ausdrücke  für  die  moralischen  und  geistigen  Eigenschaften 
erforderte  eine  eingehende  Untersuchung,  die  nur  in  größerm  Rahmen  mit 
Heranziehung  der  Gleiches  bedeutenden  Wörter  der  verwandten  Sprachen 
geführt  werden  könnte.  Außerdem  müßte  bei  jedem  Wort  die  Entwicklungs- 
geschichte gegeben  werden. 

Vgl.  dazu  Franz  Schmidt,  Zur  Geschichte  des  Wortes  'gut';  ein  Beitrag  zur  Woft- 
geschichte  der  sittlichen  Begriffe  im  Deutschen,  Berlin  1898;  Fr.  Vogt,  Der  Bedeutungs- 
wandel des  Wortes  „edel".  Rektoratsrede,  Marburg  1909. 

gut,  ahd.  guot,  e.  good,  got.  göps  'gut,  tüchtig,  schön'.  Ein  altes  Wort,  das  ursprüng- 
lich 'passend'  bedeutet  und   zu  got.  gadiliggs  'Verwandter',   e.  together  'zusammen',   abg. 
goditi  'genehm  sein',  godä  'passende  Zeit'  gehört.   Der  alte  Sinn  läßt  sich  bis  in  das  mittel- 
hochdeutsche Volksepos  verfolgen.   —    Der  Gegensatz  zu  gut  ist  ursprünglich  übel,  ahd. 
ubil  'schlecht,  böse',  e.  evtl,  got.  ubils  'schlecht';  nicht  erklärt.  —   böse,  tritt  erst  spätalt- 
hochdeutsch als  bösi  auf.    Den  jetzigen  Sinn   bekommt   es   eigentlich   erst  im  Mittelhoch- 
deutschen.  Es  gehört  zu  e.  to  boast  'prahlen',  norw.  baus  'hitzig,  heftig,  übermütig';   vgl. 
auch  ahd.  bösa  'Possen'.  —  sdilecht,  ahd.  sieht  bedeutet  'gerade,  glatt',  got.  slaihts  'eben, 
gerade',  e.  slight  'gering'.    Die   heute   überwiegende   Bedeutung  ist   erst  neuhochdeutsch, 
ausgegangen  wohl  von  der  sozialen  Gliederung  der  Stände:  sdiledite  Leute  sind  zunächst 
'einfache,  geringe  Leute';  dieselbe  Anschauung  kommt  auch  in  Worten  wie  gemein,  ge- 
wöhnlidi   zum  Ausdruck.    —    edel,   ahd.  edili,   von  Adel  abgeleitet.    Ähnlich   hat  sich 
hübsdi   entwickelt,   mhd.  hübesdi  von  hof,   dem  frz.  courtois  entsprechend.    Noch   heute 
bedeutet  es  in  Leipzig  'fein,  angenehm,  artig'  von  Menschen.  Für  die  Bedeutung  'pulcher' 
vgl.  Ausdrücke  wie  edle  Züge.  —  bieder,  erst  im  18.  Jh.  wieder  aufgekommen,  ahd.  biderbi 
von   Sachen  'nütze';   allmählich   auf   Personen    beschränkt.    —   fromm,   im  12.  Jh. /rum, 
eig. 'vorwärts  gehend'  zu  ahd. /rawm 'Nutzen,  Förderung';  unsere  jetzige  Bedeutung  haupt- 
sächlich durch  Luther.  —  tapfer,  ahd.  Zö;?/«/- 'gewichtig'  zu  abg.  dobrä  'schön,  gut'.   Das 
Germanische  hat  wohl   die  Grundbedeutung.    Die  jetzige  Bedeutung   erst  spätmittelhoch- 
deutsch.  —   kühn,  ahd.  kuoni  'kühn,  kampflustig,  stark',  ags.  cene  'kühn,  weise',  e.  keen 
'scharf,  anord.  kmin  'weise,  erfahren',  zweifellos  zu  idi  kann  'ich  weiß',  also  eig.  'erfahren', 
zu  ergänzen  'im  Kampf ;   vgl.  lat.  ignävus  zu  (g)nösco.    Ein  anderes  Wort   für  diesen  Be- 
griff steckt  in  bald,  ahd.  bald  'kühn,  tapfer',  e.  bold,  got.  balpaba  'kühn,  dreist';  verwandt 
mit  lit.  bältas  'weiß';  die  Bedeutungsentwicklung  wäre  'hell,  licht,  kühn,  schnell'.   Ebenso 
hat   sich   sdinell  entwickelt,   ahd.  5/2^//  'tatkräftig,   tapfer,   schnell';   Ursprung   dunkel.  — 
dreist,  asächs.  thristi  'zuversichtlich';  Herkunft  unbekannt.    Zu  lat.  tristisl  Vgl.  dazu  an. 
dappr  'traurig':  d.  tapfer.    —  feige,  mhd.veige,  asächs.  fegi,  t.  fey  bedeuten  'vom  Ver- 
hängnis zum  Tode,  zum  Unglück  bestimmt'.   Die  jetzige  Bedeutung  erst  spät.    Ein  älteres 
Wort  dafür  ist  arg,   ahd.  arg  'nichtswürdig,  geizig,  feige',  wohl  zu  lit.  rägana  'Hexe'.  — - 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  16 


242        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


frevel,  ahd.  fravali  zu  anord.  afl  'Kr;ift,  Stärke',  also  'sehr  stark'.  —  klug,  mlid.  kluoc 
'fein,  zierlich,  scliniuck,  nett,  gcislij,'  fein',  ndl.  k/oek  'tapfer,  kliiy'.  Das  Wort  ist  mittel- 
deutsch, die  Mundarten  zeigen  mannigfach  verschiedene  Bedeutung.  Das  Wort  wird  zu 
gr.  y/M^fs  (glökhes)  'Hecheln  der  Ähren',  ylotyig  (glükhis)  'Spitze'  gehören.  Das  ältere  Wort 
ist  weise,  ahd.  wis,  e.  wise,  got.  -weis,  Partizip  zu  wissen.  —  Für  den  gegenteiligen  Be- 
griff dumm  kommen  immer  neue  Ausdrücke  auf;  dumm  siehe  oben;  gotisch  bedeutet  es 
'taub'.  Ein  anderes  Wort  steckt  in  Tor,  mlid.  löre  'Irrsinniger,  Narr',  zusammenhängend 
mit  ahd.  tusig  'töricht',  e.  dizzy  'schwindelicht,  töricht',  ndd.  duselig,  Dusel  'üeistesbetäu- 
bung';  ursprüngliche  Bedeutung  also  'betäubt'.  Sonst  sagen  wir  beschränkt,  einfältig, 
albern,  ahd.  älawäri  ist  'ganz  wahr,  gütig,  freundlich,  wahrhaftig'. 

Anhangsweise  seien  noch  die  hierher  gehörigen  Substantiva  besprochen:  Mut,  ahd. 
muot  'Sinn,  Geist,  Gemüt,  Mut',  e.  moorf 'Laune,  Stimmung',  goi.  möds 'Zo:n\  —  Furdit, 
ahd.  forfit a,  abgeleitet  von  dem  Adjcktivum  ahd.  forht,  go\.  faiirhts  'furchtsam'.  —  Angst, 
ahd.  angust  zu  lat.  angustia  'Enge';  Ableitung  von  enge.  —  Zorn,  ahd.  zorn  zu  ai.  vidtrnäh 
'geborsten,  gespalten'.  —  Trauer  siehe  unten. 

Ausdrücke  für  wahr  und  falsch  sollten  eigentlich  uralt  sein.  Wenn  sie  es  trotzdem 
nicht  sind,  so  hat  das  seinen  Grund  wieder  im  Euphemismus. 

wahr,  ahd.  war,  wäri  zu  \a\.V(-rus,  au.fir  'wahr'.  Wahrscheinlich  zur  Wurzel  wes 
'sein'  und  aus  *wesro  oder  *wPsro  entstanden,  wie  e.  sooth  'Wahrheit',  ags.  söd  aus  *sanp 
eigentlich  das  Partizip  Präsens  zum  Stamm  *es-  'sein'  ist,  genau  entsprechend  lat.  (jn)-söns.  — 
Lüge,  ahd.  lugin  zu  lügen,  ahd.  liogan;  dazu  e.  lie,  got.  liugn  'Lüge';  verwandt  mit  abg. 
lügati  'lügen',  li'<:a  'Lüge'.  —  trügen,  ahd.  triogan;  dazu  ir.  rfroc^ 'schlecht',  kymi.  d/-wg 
'schlecht',  aind.  driihjati  'sucht  zu  schaden',  awest.  draog-,  apers.  draug-  'lügen,  trügen'.  — 
Sitte,  ahd.  situ,  got.  5/rf«5  'Sitte';  dazu  gr.  eiJos  (ethos)  'Gewohnheit,  Sitte',  lat.  södälis 
'Gefährte',  aind.  svadhä  'Eigenart,  Eigenheit,  Gewohnheit'.  —  falsch,  mhd.  vals,  valsdi, 
entlehnt  aus  lat. /fl/5«s  unter  Einwirkung  von /ö/^o'z^n,  ahd.  felsken,  falskün,  \.  falsificäre. 

§  152.  Sonstige  Eigenschaften.  Im  folgenden  vereinigen  wir,  was  uns  sonst 
von  den  Eigenschaftswörtern  wichtig  erscheint.  Dabei  ist  ein  Gesichtspunkt 
besonders  beachtenswert.  Eine  Reihe  von  Adjektiven  drücken  ganz  not- 
wendige Begriffe  aus,  die  in  jeder  Sprache  unbedingt  vorhanden  sein  müssen. 
Trotzdem  lassen  sich  bei  weitem  nicht  alle  Ausdrücke  bis  in  das  Indo- 
germanische zurückverfolgen.  Weiter  lösen  neue  Ausdrücke  alte  ab,  und 
es  finden  sich  sogar  für  ganz  gewöhnliche  Begriffe  Entlehnungen.  Alles 
das  ist  nur  mit  der  Annahme  zu  erklären,  daß  auch  auf  diesem  Gebiet  in 
älterer  Zeit  eine  größere  Fülle  von  Ausdrücken,  eine  feinere  Unterscheidung 
durch  besondere  Worte  vorhanden  war,  von  denen  eine  Anzahl  verloren 
gegangen  sind.  Gegen  Schlüsse  aus  dem  Fehlen  von  Worten  in  den  ver- 
wandten Sprachen  werden  aber  diese  Zusammenstellungen  besonders  miß- 
trauisch machen.  Was  die  größere  Fülle  der  Ausdrücke  betrifft,  so  kann 
man  schon  manches  erkennen,  wenn  man  die  Ausdrücke  für  die  Gegen- 
sätze in  Betracht  zieht.  Wir  besitzen  zu  alt  die  Gegensätze  jung  und  neu, 
und  daraus  erhellen  ohne  weiteres  die  verschiedenen  Begriffe,  die  in  dem 
Worte  alt  stecken.  Bei  der  Übersetzung  in  fremde  Sprachen  kommt  der  ver- 
schiedene Bedeutungsinhalt  der  deutschen  Worte  auch  oft  zum  Vorschein. 

L  INDOGERMANISCHE  BESTANDTEILE. 
alt,   ahd.  alt,  e.  old,  got.  alpeis,   Partizip  zu  got.  alan  'wachsen',   lat.  alere  'nähren', 
eigentlich  also  wohl  'herangewachsen'.    Der  Form   nach   entspricht  genau  lat.  altus.    Dies 


§  152.  Sonstige  Eigenschaften.  243 


Wort  ist  wahrscheinlich  ein  Euphemismus,  der  andere  Wörter  verdrängt  hat.  Der  Stamm 
von  lat.  senex  liegt  noch  im  Gotischen  vor  als  sinista  'ältester',  sineigs  'alt,  betagt',  bei 
uns  noch  in  dem  aus  dem  Französischen  aufgenommenen  Sene schal,  das  einem  germ. 
*sini-skalks  'alter  Knecht'  entstammt.  —  didit,  mhd.  dihte,  e.  tight,  lit.  tänkus  'dicht'.  — 
dick,  ahd.  rfiM/ 'dick,  dicht',  e.  thidi  zu  air.  tiiig  'dick'  aus  *tigu.  —  dünn,  ahd.  diinni,  e. 
thin,  lat.  tenuis,  gr.  ra»'«(v  {tanaös)  zu  dehnen.  —  ^-n^^^,  ahd.  engi,  got.  aggwus,  ai.  o/züA, 
lat.  angustus.  —fest,  ahd.  festi,  e.fast,  arm.  /zrt5/.  —finster,  ahd.  dinstar,  lat.  tenebrae.  — 
frei,  ahd./rt,  e.//-^^,  ai.prijäh  'lieb,  wert';  aber  die  Bedeutungsentwicklung  ist  schwierig.  — 
garstig,  mhd.  garst(ic)  'ranzig\  lit.  ^/"rtsüs 'ekelhaft'.  —  ^e//,  ahd.  ^^/7 'übermütig,  üppig', 
got.  ^fli/yfl«  'erfreuen',  lit.  ^a//«5  'jähzornig,  scharf.  —  gemein,  ahd.  gimeini,  e.  mean, 
got.  gamains,  lat.  communis.  —  gering,  ahd.  n«^/  'leicht',  gr.  oi\ucfa  {rhimpha)  'leicht, 
schnell'.  —  geschwind,  mhd.  swinde,  got.  swinps  'stark',  lit.  sventas,  abg.  spe^«,  aw.  spanta 
'heilig'.  —  g^/fl^^,  ahd.  g/a^,  e.  glad,  lat.  g/aber.  —  hart,  ahd.  hart,  harti,  herti,  t.hard, 
got.  hardus  'hart,  streng*,  gr.  ^igarvg  (kraty;);  eine  Ableitung  davon  ist  harsch,  e.  harsh 
'hart,  rauh,  streng'.'' —  hehr,  ahd.  her,  c.  hoar  'grau',  ahg.  sen'o  'glaucus'.  —  hodi,  ahd. 
höh,  e.  high,  got.  haiihs,  ht.  kaükas  'Beule'.  — jung,  ahd.  Jung,  e.  young,  got.  Juggs  aus 
*juwungas  =  lat.  iiivencus  'Jüngling',  a\.  jiwasäh  'jung'.  —  kedi  =  queck,  s.  d.  —  kalt, 
ahd.  kalt,  e.  co/rf,  got.  kalds,  lat.  gelidus.  —  klein,  ahd.  kleini  'zierlich,  glänzend,  sauber, 
rein,  fein',  e.  clean 'rtin' ;  daneben  eine  Ablautsform  mit  7,  alem.  klm.  Wenn  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  'glänzend'  war,  so  vergleicht  sich  abg.  glenü  'Schleim',  glina  'Ton'.  — 
lang,  ahd.  lang,  e.  long,  got.  laggs,  lat.  longiis.  —  laß,  ahd.  la^  'träge',  got.  lats,  lat. 
lassus.  Dazu  letzt.  —  laut,  ahd.(h)lat,  e.  loud,  gr.  «/auröc  {klautös)  'beweint'.  —  leidit, 
ahd.  /i/?^/,  e.  light,  got.  /^//z^5,  lit.  lengvas  'leicht',  gr.  llay^vq  (elakhys)  'klein,  gering'.  — 
lungern  vom  Adj.  ahd.  lungar  'rasch,  munter',  gr.  uacpgo?  {elaphrös).  —  mager,  ahd. 
magar,  lat.  macer,  g;.  /aaxoog  (makrös),  —  mohl,  moll,  lat.  mollis,  ai.  mrdäh  'weich'.  — 
mürbe,  ahd.  muruw.i,  air. //z^/rft 'weich';  dazu,  morsch,  nd.  mursch. —  müde,  ahd.  muodi, 
'vielltich{  zu  gT.  y.firjiö?  (kmcetös).  —  neu,  ahd.  niuwi,  t.  new,  got.  niujis  zu  lat.  novus, 
gT.vsog  {neos).  —  queck,  ahd.  quek,  e.  quick,  got.  qius,  lat.  vjvus.  —  rauh,  ahd.  ruh,  e. 
rough,  ai.  rükk'di  'rauh,  trocken,  mager'.  —  schier,  ahd.  skiero,  e.  sheer,  shire,  ir.  c^r  'rein'.  — 
schief,  md.  sc^z/V/,  e.  sÄ^tiy,  vielleicht  zu  lat.  scaevus.  —  schitter,  ahd.  sketar,  ai.  chidrdh 
'durchlöchert'. —  schmal,  ahd.  smo/ 'klein,  gering,  schlank,  knapp,  schmal',  c.  small,  got. 
s/wfl/s  'klein'  zu  ahg.  mala  'klein',  gr. //>;Aa  (mcela)  'Kleinvieh'.  —  sdiön,  ahd.  sköni,  e. 
sheen,  got.  skauns,  axx.cuan  'schön,  angenehm',  lit.  .?aM««5 'tüchtig,  gut'.  —  schwanger, 
ahd.  swangar,  lit.  sunkiis  'schwer'.  —  schwer,  ahd.  swäri,'  got.  ^o/^'a-s  'geehrt'  zu  lit.  svarüs 
'schwer'.  Siebs  hat  unter  Annahme  eines  Präfixes  5  und  Ausfall  eines  g  (Grundform  *sgwerus) 
gr.  ßagvg  (barys),  lat.  gravis  mit  unserm  Wort  vereinigt,  was  nicht  wahrscheinlich  ist.  — 
stark,  ahd.  stark,  e.  stark  zu  nptrs.  suturg  aus  *strga-  'stark'.  —  starr,  erst  neuhoch- 
deutsch, aus  dem  Niederdeutschen,  zu  gr.  ozegsög  (stereös)  'hart',  lit.  störas  'dick',  abg. 
staru'alt\  —  steif,  mhd.  5/7/,  e.  stiff,  eigentlich  mittel-  und  niederdeutsch;  zu  lat.  stipes 
'Stamm,  Stock,  Pfahl,  Stange",  lit.  stiprüs  'stark,  kräftig'.  —  tief,  ahd.  tiof,  e.  deep,  got. 
diups  zu  lit.  dubüs  'tief,  hohl',  vgl.  Tobel.  —  toll,  mhd.  toi,  e.  dall,  got.  dwals,  air.  dall 
'blind'.  —  voll,  ahd. /o/,  got  fulls,  e.  füll  aus  *fulnaz  zu  ai.  pur  nah,  ahg.plüml,  serb. 
/7Ört,  lit.  pilnas,  altir.  /ä/z,  mit  Ablaut  lat. /7/e«H5,  Partizipialbildung  zu  lat.  -pleo,  gr.jii'uTtXtjini 
(pimplöjmi)  'fülle'.  —  wahn  'leer',  ahd.  t£;a/z,  got.  wans  'mangelnd',  lat.  vänus.  —  weit, 
ahd.  wit,  e.  wide  zu  aind.  z;7/ä/i  'gerade,  geradlinig,  nicht  krumm'.  —  wild,  ahd.  wildi, 
t.wild,  got.  wilpeis ;  vielleicht  zu  ai.  t;/-t/zä 'nach  Belieben'. —  zart,  ahd.  zart,  aw.  a-äs rata 
'nicht  achtend'. 

II.  GERMANISCHE  BESTANDTEILE. 

barsdi,  nd.,  wohl  mit  Borsten,  Bürste  zusammenhängend.  —  blöde,  ahd.  blödi, 
got.  *blaupus.  —  bloß,  ahd.  blas  'stolz',  vielleicht  zu  blutt.  —  breit,  ahd.  breit,  e.  broad, 
got.  braips.  —  butt  'stumpf,  nd.,  wohl  zu  e.  beut  'schlagen'  (abgeschlagen).  —  derb,  ahd. 
derb  'ungesäuert'.  —   drall,  nd.,  zu  drillen.  —   dumpf,  aus  dumpfig,  ndl.  dompig  zu 

16* 


244         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes, 


mh6.  dumpfe  'Dampf.  —  dunkel,  ahd.  tunkal.  —  dürr,  ahd.  durri,  got.  paursus  zu 
dorren.  —  eben,  alid.  eban,  e.  ez'en,  got.  ibns.  —  eitel,  ahd.  ital  'leer,  ledig,  nichtig, 
rein',  e.  idle.  —  ekel,  mhd.  erklidi  'leidig,  zuwider',  c.  irk  'verdrießlich'.  —  emsig,  ahd. 
emiyi'tg.  — feist,  ahd.  fei^it,  e.  fat,  nd.  fett.  Wohl  zu  gr.niöreir  {pidyt-n)  'aufquellen'. — 
feudit,  ahd. /«//// zu  e. /o^ 'dicker  Nebel'.  —  fremd,  ahd.  framidi,  gol.  fromaps.  — 
ganz,  ahd.  ganz.  —  geheuer,  ahd.  hiuri  in  unhiuri  'grausig,  entsetzlich',  verwandt  mit 
ai.  spvah  'vertraut,  lieb'.  —  gelt  'keine  Milch  gebend',  ahd.  galt,  nordengl.  ;o^/rf.  —  genau, 
mhd.  genouwe.  —  genug,  ahd.  ginuog,  e.  enough  zu  got.  ganah  "es  genügt'.  —  gerade, 
ahd.  giradi,  zsg.  mit  ahd.  firat  'geschwind,  schnell'.  —  gern,  ahd.  gern,  got  faihugairns 
zu  begehren.  —  gescheit,  mhd.  gesdiide  zu  sdieiden.  —  glau,  ndd.,  ahd.  glou,  got. 
glaggwö  'genau,  sorgfältig'.  —  glum  'trübe',  c.  glum  'finster,  mürrisch'.  —  gram,  ahd, 
gram  im  Ablaut  zu  grimm,  ahd.  grimmii).  —  graß,  ahd.  gra^^tO  'iicftig'.  —  grell,  mhd. 
grel  'zornig  schreiend'.  —  groß,  ahd.  grö^,  c.  great;  Herkunft  unklar;  ein  nur  west- 
germanisches Wort,  das  das  ältere  got.  mikils,  ahd.  mihhil  =  gr.  iisyalo-  {megalo-)  ver- 
drängt hat.  Trotzdem  kann  es  alt  sein.  Vielleicht  zu  anord,  grautr  'Grütze',  eig.  'grob- 
körnig'. —  halb,  ahd.  halb,  e.  half,  got.  halbs.  —  heftig,  ahd.  heiftig  zu  got.  haifsts 
'Streit'.  —  heikel  neben  ekel  und  mit  diesem  unlösbar  vermischt.  —  hell,  ahd.  -hei 
'tönend'  zu  Hall.  —  hellig  'abgemattet',  mhd.  /z^/ 'dürftig'.  —  hold,  ahd.  hold.  got.  hulps 
'gnädig',  eig.  'geneigt',  zu  Halde.  —  irre,  ahd.  irri,  got.  airzeis.  —  jadi,  jäh,  ahd.  gnhi.  — 
karg,  ahd.  karag  'traurig',  e.  (/mr^ 'vorsichtig'  von  ahd.  ^ora  'Trauer'  {Karfreitag).  — 
kaum,  ahd.  kümo  zu  ahd.  küman  'beklagen',  gr.  yoäeiv  {goäin)  'jammern'.  —  keusdi,  ahd. 
küskfi).  —  kirre,  got.  qairrus  'sanftmütig'.  —  krumm,  ahd.  krumb,  e.  crunip  zu  Krampf.  — 
kühl,  ahd.  kuoli,  e.  cool  zu  kalt.  —  ledi.  ledi,  nd.  Icdi,  ags.  hlec.  —  ledig,  mhd.  ledic.  — 
leer,  ahd.  läri,  e.  dial.  leer  'leer,  leeren  Magens,  hungrig'.  Verwandte  sind  noch  nicht  ge- 
funden, doch  ist  das  Wort  seiner  Bildung  nach  alt.  Falls  r  auf  5  zurückgeht,  vielleicht  zu 
lesen  'sammeln'.  Ein  Feld,  das  gelesen  ist,  ist  leer.  —  lodter  von  älterm  ludi.  •—  los, 
ahd  lös,  got.  laus  zu  verlieren,  lat.  solvo.  —  lose,  los,  ahd.  lös  zu  got.  Huts  'heuchlerisch'.  — 
nahe,  ahd.  näh.  e.  nigh,  got.  nclv(a).  —  naß,  ahd.  «05,  got.  in  natjan  'netzen'.  — 
offen,  ahd.  off  an,  e.  open.  —  reif,  ahd.  rifi,  t.  ripe.  —  sdial,  mhd.  sdial  'trübe,  un- 
klar', —  sdiarf,  ahd. skarpf,  e.  sharp  zu  sdiürfen.  —  sdilank,  md.  slank,  zu  sdilingen.  — 
sdilau,  nd.  sla.  —  s  dm  öde,  mhd.  sncede,  anord.  snaudr  'entblößt,  arm,  'dürftig'.  — 
sdirill,  nd.  sdirell,  e.  shrill.  —  sdiroff,  erst  nhd.,  zu  mhd.  sdirof(fe)  'Steinwand'.  — 
sdiwadi,  mhd.  swadi.  —  sdiwül,  spätmhd.  swildi  zu  sdiwelen.  —  seidit,  mhd, 
siht(e)  z\i  seihen  —  spitz,  ahd.  spiz(z)i  zw  Spieß.  —  spröde,  1523  spröde  'dürftig, 
schwach'.  —  stat,  ahd.  stüti  z\i  stehen.  —  steil,  ahd.  Steigal  zu  steigen.  —  stidtel 
'steil',  ahd.  stekkal  zu  bayax.  Stidi  'steile  Anhöhe'.  —  stief,  ahd.  stiuf-,  e.  step-.  —  still, 
ahd.  stilli,  ai.  sthänii'i  'stehend,  unbeweglich'.  —  straff,  mhd.  straf  'streng,  hart'.  — 
stramm,  mnd. stramm.  —  streng,  ahd. strengt,  e.  strong zu  lett. stringt  'stramm  werden'.  — 
stampf,  ahd.  stumpf .  —  teuer,  ahd.  tiuri,  e.  dear.  —  träge,  ahd.  trägt  zu  got  trigö 
Trauer'.  —  üppig,  ahd.  ubbJg  'leer,  eitel'.  —  weidi,  ahd,  weih,  e.  weak  zu  weidien,  ahd. 
wlhan,  ai.  vijütt  'zittert'.  —  wenig,  ahd.  wenag  'bejammernswert,  unglücklich';  wohl  zu 
weinen  unter  Einwirkung  von  weh.  —  zahm,  ahd.  zam,  e.  tame;  zu  lat.  domäre. 

Betrachtet  man  diese  Listen,  so  fällt  dabei  mancherlei  auf.  Zunächst, 
daß  der  eine  Ausdruck  indogermanisch  ist,  der  andere  für  das  Gegenteil 
nicht.  Wenn  voll  bis  in  die  indogermanische  Grundsprache  zurückreicht, 
warum  dann  nicht  leer}  wenn  lang  alt  ist,  warum  dann  nicht  kurz"?  Und 
so  stehen  sich  noch  gegenüber  dünn  und  dick,  schmal  und  breit,  hart  und 
weich,  leicht  und  schwer  usw,,  von  denen  immer  der  erste  Ausdruck  uralt 
ist,  der  zweite  nur  germanisch.  Diese  Erscheinung  braucht  uns  nicht  weiter 
zu  beunruhigen,  sie  zeigt  uns  nur,  wie  sehr  wir  mit  dem  Verlust  von  Wörtern 


§  153.  Die  Verben.  ÄLLCEiMEiNES.  245 


zu  rechnen  haben,  und  daß  es  uns  nie  gelingen  wird,  den  alten  Wortschatz 
jemals  völlig  zu  erschließen. 

Der  zweite  Punkt,  der  sehr  beachtenswert  ist,  ist  der  häufige  Bedeutungs- 
wandel, der  sich  bei  den  Adjektiven  findet,  und  der  so  stark  ist,  daß  man 
manchmal  an  der  Einheit  der  verglichenen  Worte  zweifeln  möchte.  Aber  der 
Zweifel  ist  meistens  unberechtigt,  da  die  Endbedeutungen  zwar  auseinander- 
liegen, aber  durch  eineReihefestzustellenderZwischengliederzu  verbinden  sind. 

III.  DIE  ENTLEHNUNGEN. 

Da  es  doch  bemerkenswert  ist,  wie  es  mit  den  Entlehnungen  auf 
diesem  Gebiet  steht,  so  stelle  ich  hier  das  Wichtigste  zusammen: 

a)  Althochdeutsch:  kahl,  lat.  calvus7  oder  verwandt  mit  ahg.  gotü.  —  mager, 
lat.  macer  oder  urverwandt.  —  sauber,  lat.  söbrius.  —  sidier,  lat.  sPcürus.  —  nüchtern, 
lat.  nocturnus.  —  bunt,  falsch,  klar,  kurz. 

b)  Mittelhochdeutsch:  blond,  fein,  hurtig,  matt,  pomadig,  quitt,  rund, 
scheckigt,  simpel. 

Das  sind  sehr  wenig.    Eine  verhältnismäßig  große  Anzahl  kommt  in 

der  Neuzeit: 

brav  (17.  Jh.),  frz.  brave.  —  brüsk  (1728),  frz.  brusque.  —  egal  (1694),  frz.  egal.  — 
elegant  {y^.Va),  ixz.  elegant.  —  fade  (um  1700),  hz.  fade.  —  famos  (16.  Jh.),  lat. 
fämösus.  —  firm  (1727),  lat.  firmus.  —  frequent  (18.  Jh.),  lat  frequens.  —  frivol 
(1686),  iiz.  frivole.  —  frugal  {IS.  ih.),  hz.  frugal.  — fulminant  (1813),  hz.  fulminant.  — 
honett  (1714),  frz.  honnete.  —  just  (16.  Jh.),  laX.jüste.  —  kokett  (17.  Jh.),  frz.  coquet.  — 
mokant  {IS.  ]\\.),hz.  moquant.  —  naiv  (1711),  hz.  naif.  —  nobel  (17.  Jh.),  hz.  noble.— 
perfid  {1795),  hz. perfide.  —  pikant  (U.  ih.),  hz.piquant.  —  platt  (1616),  von  hz.plat 
'eben'.  —  prompt  (1716),  frz.  prompt.  —  proper  (17.  Jh.),  frz.  propre.  —  prüde 
(19. Jh.),  hz.prude.  —  raffiniert  (1703),  hz.raffine.  —  rar  (16. Jh.),  laträrus.  —  resolut 
(17.  Jh.),  laX.  re solutus.  —  robust  {XS.ih),  lat  röbustus.  —  sdiarmant  {17.  Jh.),  hz.  diar- 
mant.  —  simpel  (15.  Jh.),  lat.  simplus.  —  spinös,  lat.  spinösus.  —  vag  (18.  Jh.),  lat.  vagus. 

Dies  ist  nur  eine  beschränkte  Auswahl.  Die  große  Masse  kommt  jeden- 
falls im  17.  Jahrhundert  mit  der  Alamodezeit  und  bleibt  in  der  Sprechweise 
der  Obern  Gesellschaftsschichten  haften.  Ohne  eine  eingehende  Unter- 
suchung ist  aber  auf  diesem  Gebiet  nicht  zur  Klarheit  zu  kommen. 

§  153.  Die  Verben.  Allgemeines.  Neben  Substantiven  und  Adjektiven  steht 
noch  die  große  Zahl  der  Verben.  Wir  haben  zwar  einige  schon  gelegent- 
lich besprochen,  aber  der  größte  Teil  ist  noch  übrig.  Auch  hier  kann  es 
sich  nicht  darum  handeln,  alles  vorzuführen,  wohl  aber  wird  es  nützlich 
sein,  wenigstens  einige  Begriffskategorien  ausführlicher  zu  erörtern.  Be- 
kanntlich zerfallen  unsere  Verben  in  starke  und  schwache.  Die  letztern  sind 
meistens  abgeleitet,  und  es  müßte  also  bei  ihnen  das  Grundwort  voran- 
gestellt werden,  doch  läßt  sich  das  nicht  glatt  durchführen.  Hier  liegen 
natürlich  auch  viele  junge  Bildungen  vor.  Die  Hauptmasse  der  starken  Verben 
dagegen  stammt  aus  der  indogermanischen  Grundsprache.  Wenn  wir  für 
manche  noch  keine  Verwandte  in  den  nichtgermanischen  Sprachen  antreffen, 
so  beruht  das  auf  der  Fülle  synonymer  Ausdrücke.  Selbst  unsre  jetzige 
Sprache  verfügt  bei  manchen  Kategorien   über  eine  geradezu  erstaunliche 


246        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

■ 

Menge  von  Synonymen.  Auf  diesem  Gebiete  zeigt  sich  gleichfalls  die  öfter 
erwähnte  Entwicklung  der  Sprache  in  der  Schaffung  allgemeinerer  Bezeich- 
nungen, die  in  vielen  Fällen  durch  Adverbia  näher  bestimmt  werden.  Die 
älteste  Bedeutung  der  Verben  zu  ermitteln,  ist  sehr  viel  schwieriger  als  die 
der  Substantiva  und  Adjcktiva,  da  sich  die  Bedeutungen  der  Verben  sehr 
viel  leichter  wandeln.  So  finden  wir  denn  oft  in  den  verwandten  Sprachen 
sehr  weit  auseinandergehende  Bedeutungen,  und  unsere  Etymologen  er- 
schließen daraus  einen  möglichst  allgemeinen  Sinn,  in  Wirklichkeit  wird 
der  Sinn  recht  konkret  gewesen  und  nach  verschiedenen  Seiten  abgewichen 
sein.  Weiteres  siehe  unter  Bedeutungswandlung.  Das  Verbum  ist  bekannt- 
lich in  vielen  Sprachen  nicht  vorhanden,  und  auch  für  das  Indogermanische 
ist  es  wahrscheinlich,  daß  sich  der  Verbalbegriff  aus  dem  Substantivbegriff 
entwickelt  hat.  Aber  für  die  geschichtlichen  Zeiten  kommt  dieser  Umstand 
nicht  in  Betracht.   In  ihnen  ist  das  Verbum  völlig  ausgebildet. 

§  154.    Die  fünf  Sinne. 

Literatur:  J.  Gri.mm,  Die  fünf  Sinne;  Kl.  Sehr.  7,  193  ff.  —  Fr.  Bechtel,  Über  die 
Bezeichnungen  der  sinnlichen  Wahrnehmungen  in  den  indogermanischen  Sprachen,  Weimar 
1879.  —  A.  Rittershaus,  Die  Ausdrücke  für  Gesichtsempfindungen  in  den  altgermanischen 
Dialekten;  ein  Beitrag  zur  Bedeutungsgeschichte  I;  Zürich  1899. 

Die  Bezeichnungen  für  die  sinnlichen  Wahrnehmungen  zu  untersuchen, 
ist,  wenn  auch  schwierig,  außerordentlich  anziehend  für  den  Sprachforscher. 
Zunächst  finden  wir  eine  Fülle  von  Ausdrücken.  Wir  haben  noch:  blicken, 
gucken,  schlauen,  spähen,  lugen,  sehen,  wahrnehmen  und  vielleicht  noch  andere. 
Außerdem  gehen  die  Bezeichnungen  des  einen  Sinnes  leicht  in  den  des  andern 
über,  wie  schon  J.  Grimm  a.  a.  O.  gezeigt  hat.  „Wenn  das  Sehen  ein  Hören, 
das  Hören  ein  Sehen,  das  Kiesen  ein  Wittern  und  Schmecken,  das  Riechen 
ein  Schmecken,  das  Fühlen  ein  Empfinden,  das  Greifen  ein  Begreifen  wird 
und  die  Ausdrücke  wechseln,  so  ist  den  Dichtern  von  selbst  das  Recht  ge- 
geben, einen  für  den  andern  zu  setzen."  Grimm  führt  sehr  lehrreiche  Stellen 
an.  Bei  Luther  steht  Exod.  20, 18  'und  alles  Volk  sähe  den  Donner  und  Blitz 
und  den  Ton  der  Posaune';  1  Sam.  19,  20  'und  sie  sahen  zween  Chor  Pro- 
pheten weissagen';  Wieland  8, 183  'die  Gesellen  des  Verwundeten,  da  sie  den 
Lärm  sahen,  hatten  die  Fludit  genommen'.  Außerdem  gehen  weiter  die  Be- 
zeichnungen der  sinnlichen  Wahrnehmungen  leicht  in  die  der  geistigen  über: 
icfi  weiß  ist  eigentlich  'ich  habe  gesehen',  lat.  vidi,  ich  begreife  ist  auch 
heute  noch  rein  sinnlich  verständlich.    Ebenso  Gesdimack  u.  a. 

Was  die  Ausdrücke,  die  wir  zu  behandeln  haben,  ursprünglich  bedeutet 
haben,  läßt  sich  zwar  im  einzelnen  manchmal  erklären,  ein  allgemeines 
Grundgesetz  der  Entwicklung  läßt  sich  aber  nicht  aufstellen. 

Wir  ordnen  den  Stoff  nach  den  einzelnen  Grundbegriffen. 

sehen,  das  älteste  und  verbreitetste  Wort  im  Germanischen,  d\\A.  sehan,  goi.saifvan, 
e.  to  See  stimmt  lautlich  genau  zu  lat.  seqiior,  gr.  trtfoOai  (hepesthai)  'folgen',  und  man 
hat  daher  tatsächlich  die  beiden  Worte  verbunden,  indem  man  von  der  Bedeutung  'mit 
den  Augen  folgen'  ausging.    Das  ist  aber  infolge  des  Mangels   aller  Zwischenstufen  sehr 


§  154.  Die  fünf  Sinne.  §  155.  Geistige  Wahrnehmung  und  Verwandtes.     247 


unsicher  und  nicht  wahrscheinlich.  Daher  hat  man  an  anderes  gedacht  und  das  Wort  mit 
deutsch  sagen,  lat.  inquam,  gr.  f'rvejie  (ennepe)  'sag  an'  vereinigt.  Aber  auch  die  von 
J.  Grimm  gegebene  Zusammenstellung  mit  lat.  scio  'in  Erfahrung  gebracht  haben,  wissen' 
darf  nach  dem  gleichen  Bedeutungsübergang  in  d.  wissen  gegeriüber  lat.  vtdvre  als  durch- 
aus möglich  gelten.  Schließlich  habe  ich  es  zu  schauen  gestellt,  sehen  ist  ein  idg.  *sekw, 
sdiauen  ein  idg.  *skou.  Die  beiden  Formen  stehen  also  im  Schwebeablaut  zueinander.  — 
schauen,  ahd.  skouwön,  e.  to  show  zu  gr.  xoeco  (koeß)  'merke',  ßvooHÖo;  {thyosköos) 
'Opferschauer',  lat.  cavere  'sich  hüten',  zu  sehen.  —  blicken,  mhd.  blicken  'Licht  aus- 
strahlen, leuchten,  glänzen,  blicken'  mit  ahd.  blihhan  'leuchten'  und  Blitz  zusammen- 
hängend. —  glupen  'von  unten  aufblicken',  ndd.;  unerklärt.  —  gucken  ist  spät  belegt 
und  vielleicht  ein  Wort  der  Kindersprache.  Damit  steht  wohl  nd.  kieken  in  irgendeinem 
Zusammenhang.  —  lugen,  ahd.  luogen,  e.  to  look;  gehört  zu  gr.  '/.Evaoio  {leüssö)  'sehe'.  — 
spähen,  ahd.  spehön  zu  lat.  specio,  ai.  spat  'Späher'.  Aus  dem  Deutschen  stammt  ital. 
spiare,  frz.  epier  'spähen',  frz.  espion.  —  wahrnehmen,  gewahren,  ahd.  wara  neman 
'beachten,  wahrnehmen'  zu  gr.  ogäco  {horäö).  Auch  warten,  ahd.  warten,  e.  ward  ist  dazu 
zu  stellen.  —  Der  Stamm  idg.  vid-  hat  im  Deutschen  nur  die  Bedeutung  'wissen'.  Für  den 
Begriff  'sehen'  waren  schon  im  Indogermanischen  verschiedene  Ausdrücke  vorhanden,  vgl. 
das  Paradigma  gr.  ogdw,  mpouni,  eldov  {horäö,  öpsomai,  edon). 

Für  den  zweiten  Sinn,  den  des  Gehörs,  hat  die  Sprache  eine  geringere 

Anzahl  von  Worten  zur  Verfügung. 

hören,  ahd.  hören,  e.  to  hear,  got.  hausjan  entspricht  gr.  uxoveiv  (akäen)  aus  *akous-, 
das  wahrscheinlich  zusammengesetzt  ist  aus  ak  'scharf  und  ous  'Ohr',  also  eigentlich  'ein 
scharfes  Ohr  haben'.  Abgeleitet  davon  ist  horchen,  spätahd.  hörehhen,  e.  to  hark.  — 
laustem  'das  Ohr  spitzen,  scharf  aufhorchen',  xnhd.  lästern,  t.  listen  zu  a\tm.  losen, 
ahd.  (h)lostn,  gr.  y-liw  {klyü).  —  lauschen  dagegen,  das  man  gern  damit  in  Verbindung 
bringt,  bedeutet  'lauern',  ahd.  lösken  'verborgen  sein'  und  gehört  also  wohl  zu  lauern 
mhd.  lüren,  e.  lower  'düster  blicken'.  Zu  dem  Stamme  klu  stellt  sich  noch  Leumund,  zweifel- 
haft ob  auch  laut,  ahd.  hlat,  e.  loud,  das  eher  zu  gr.  y.'/.aUo  {klaiö)  'weine,  schreie'  gehört. 
'  Geruch  und  Geschmack  sind  bekanntlich  auch  physiologisch  eng 
verbunden,  und  das  zeigt  sich  ebenfalls  in  der  Sprache,  indem  die  Ausdrücke 
in  ihrer  Bedeutung  ineinander  übergehen. 

riedien,  ahd.  riohhan  'rauchen,  dampfen,  duften',  e.  reek  mit  Rauch,  ahd.  rouh, 
e.  reek  zusammenhängend  und  ursprünglich  intransitiv.  —  wittern,  mhd.  witeren  'etwas 
als  Geruch  in  die  Nase  bekommen',  zu  Wetter,  wie  e.  to  wind  'wittern'  zu  Wind,  also  ein 
Jagdausdruck. —  schmedien,  ahd.  smt'tÄ^/z 'schmecken,  Geschmack  empfinden',  mhd.  auch 
'riechen'  (der  sniac  der  bluomen),  e.  to  smadi.  Dazu  lit.  smagur'äT  'Leckerbissen'.  Dazu 
Gesdimack,  e.  smadi  und  wohl  auch  sdimaditen,  ahd.  gasmahtön  'schwach  werden'. — 
stinken,  ahd.  stinkan  'einen  Geruch  von  sich  geben',  e.  to  stink  wohl  zu  got.  stigqan 
'stoßen',  ags.  stincan  'stauben,  sich  erheben".  —  kiesen,  ahd.  kiosan  'prüfen,  prüfend  kosten, 
schmeckend  prüfen',  e.  to  dioose  'wählen'  zu  gr.  yeveiv  (geüen),  lalgustäre.  Dazn  küren,  kosten. 

Für  den  letzten  Sinn  haben  wir  gar  keine  alten  Ausdrücke. 

fühlen,  ahd.  fuolen,  e.  to  feel.  Wohl  von  demselben  Stamm  wie  lat.  palma,  gr. 
jinldnt]  {paläm^)  'flaciie  Hand',  \gl.  anoxd.  falma  'unsicher  tasten'  und  zu  lat.  palpäre. 
Das  Wort  ist  md.,  obd.  dafür  empfinden,  ahd.  intfindan,  aus  ent  und  finden.  —  spüren, 
ahd.  spurten,  eig.  'auf  der  Spur  (des  Wildes)  sein'.  Also  aus  der  Jägersprache.  —  merken  , 
ahd.  merken  'wahrnehmen,  verstehen,  merken',  gehört  zu  Marke.  Dies  wird  zwar  erst  im 
17.  Jh.  aus  frz.  marque  entlehnt,  geht  aber  auf  ahd.  marka  'Bezeichnung,  Aufschrift'  zurück.  — 
asten,  mhd.  tasten  aus  afrz.  taster. 

§  155.   Geistige  Wahrnehmung  und  Verwandtes. 

Samuel  Kroesch,  The  semasiological   development  of  words  for  'perceive,   under- 


248        Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


stand,   tliink,   know'  in   the   older  gcrmanic  dialects.    Diss.  Chicago  1911.    Reprinted  from 
Modern  Phil.  Vlll  Nr.  4. 

Von  den  Ausdrücken  für  die  geistige  Wahrnehmung  sind  einige  alt, 
während  andere  erst  in  verhältnismäßig  junger  Zeit  neu  entstanden  sind 
und  ihre  Herkunft  deutlich  verraten;  so  einsehen  bei  Luther,  aber  schon 
bei  den  Mystikern  das  Einsehen;  begreifen,  bei  den  Mystikern,  ahd. bigr^fan 
'fühlend  betasten';  verstehen,  ahd.//r5^7/z  ist  wohl  'um  etwas  herumstehen'. 
Daneben  ahd./AZ5/<7/2/''meig.'hineintreten',e.  M/2  rf^rs/'a/7rf,eig.'dazwischentreten'. 

denken,  ahd.  denken,  e.  to  think,  got.  pagkjan;  dazu  mit  Ablaut  dünken,  ahd. 
dünken,  e.  to  ihink,  goi.  piigkjan;  ein  verwandter  Stamm  in  \aL  tongire  'kennen',  prä- 
nestinisch  tongitio  'Kenntnis',  oskisch  tanginud  'Meinung'.  —  kennen,  ahd.  kennen  von 
ahd.  idi  knn  'icli  weiß';  dazu  e.  lo  know,  got.  kan  zu  lat.  nosco,  gr.  ytyviöaxc)  (gignösko).  — 
meinen,  ahd.  m^/n«« 'meinen,  denken,  sagen,  erklären',  t.  to  mean;  abg.  m^/i/Y/ 'meinen' 
ist  vielleicht  entlehnt.  Hierher  auch  wohl  gx.  nerotväv  {menoinän)  'im  Sinne  haben,  ge- 
denken'. —  mahnen,  ahd.  manön,  manen  'erinnern,  ermahnen,  auffordern',  lat.  monfre.  — 
erinnern,  frühnhd.,  ahd.  innarOn,  hat  andere  Wörter  verdrängt.  —  glauben,  ahd. gi/ouben, 
e.  believe,  goi.  galaubj an;  dazu  got.  ^^ö/ö/z/ä  'schätzbar,  wertvoll';  so  daß  glauben  wohl 
bedeutet  'für  wertvoll  halten'.  —  wissen,  ahd.  mii^^an,  weis,  e.  wo^,  got.  wait  'ich  weiß', 
gr.  oi8a  (oida),  lat.  vidi  'habe  gesehen'.  Dazu  weise,  ahd.  wisfi),  e.  wise,  got.  unweis  'un- 
wissend'. —  sinnen,  mhd.  sinnen;  ahd.  sinnan  'reisen'  kann  zwar  von  demselben  Stamm 
herrühren,  ist  aber  wohl  nicht  die  Vorstufe  des  mhd.  Wortes;  sinnen  läßt  sich  mit  lat. 
sentire  verbinden.  Besser  aber  Sinn,  ahd.  sin,  sinnes  zu  gr.  rovg  {nüs)  aus  *snowos,  während 
Sinn  auf  *senwos  zurückgeht. 

§  156.  Der  Wille. 

begehren,  ahd.  gerön,  dazu  gern,  zu  gx.  ymoeiv  {khairen)  'sich  freuen',  umbrisch 
heriest  'er  wird  begehren  oder  wollen",  aind.  härjati  'er  hat  gern,  begehrt'.  Dazu  Gier, 
ahd.  giri  und  gern,  ahd.  gerno,  goi.  faihugairns  'habgierig'.  —  forsdien,  ahd.  forskön, 
lat.  poscere.  —  fragen,  ahd.  fragen,  goi.  fraihnan  zu  lat. precdri  'bitten',  procus  'Freier'.  — 
heisdien,  an  heißen  angelehnt,  ahd.  eiskön  'forschen,  fragen,  fordern',  e.  to  ask,  aind. 
icchäti  'er  sucht',  lat.  aeruscüre  'bitten'.  —  lodien,  ahd.  lodiön  'locken,  anlocken,  verlocken', 
daneben  Indien,  ax\oxd.  lokka  'locken',  dazu  lit.  lugoti,  \ttt.  la'gt  'bitten'.  —  bitten,  ahd. 
bitten,  e.  to  bid,  got.  bidjan,  zu  aind.  bddhate  'drängt,  bedrängt,  verdrängt'.  Dazu  Bede 
nd.,  ahd.  beta  'Bitte'.  —  wollen,  ahd.  wellan,  e.  will,  got.  wiljan,  lat.  velle.  Dazu 
Wille,  ahd.  will(i)o,  e.  will,  abg.  volja.  —  wünsdien,  ahd.  wunsken,  e.  to  wish,  aind. 
vävcchati  'wünscht'.  Wunsdi,  ahd.  wunsk,  ai.Vi03'Chä.  —  geizen,  mhd.  gitesen  'gierig, 
habgierig  sein',  ags.  gitsian  'begehen'  zu  ahd.  gU  'Gier,  Habgier,  Heißhunger',  got.  gaidw 
'Mangel',  lit.  geisti  'begehren',  abg.  zidati  'erwarten'. 

§  157.   Gemütsbewegung  und  Verwandtes. 

ladien,  ahd.  hlahhan,  got.  hlahjan,  e.  to  laugh  zu  gr.  x?.o)oaco  {klösso)  'glucke'.  Für 
diesen  Begriff  gibt  es  noch  eine  Reihe  meist  dialektischer  Ausdrücke,  die  zum  Teil  un- 
aufgeklärt sind:  ndd.  sdi mieten,  e.  to  smile  zu  aind.  smäjato  'lächelt',  gx.uEt-dä(o  {meidäd);  — 
ndd.  grinen,  obd.  greinen  'lachend  oder  weinend  den  Mund  verziehen',  e.  to  groan 
'stöhnen,  grinsen'  zu  aind.  jihreti  'schämt  sich";  eine  Ableitung  davon  ist  grinsen:  — 
sdimunzeln,  niederdeutsch,  ohd.  sdimutzeln,  mhd.  s/wu/ze/z 'lächeln',  mhd.  s//zu2 'Kuß'. 

weinen,  ahd.  weinön,  ags.  wänian,  anord.  veina,  vielleicht  Ableitung  zu  weh,  got. 
wai  unter  Einfluß  eines  verlorenen  zu  got.  qainön  geliörigen  Wortes.  Daneben  stehen  in 
den  Mundarten  andere  Ausdrücke:  greinen,  siehe  oben,  flennen,  ahd.  flannen  'das 
Gesicht  verziehen',  kreisdien,  sdireien,  röhren,  heulen,  bei  denen  meist  deutliche 
Übertragungen  vorliegen.  Ein  indogermanisches  Wort  fehlt  also.  Dagegen  gibt  es  sogar 
zwei  Ausdrücke  für  Träne,   das  sicher  alte  Zähre,   ahd.  zahar,   e.  tear,  got.  tagr  zu  gr. 


1 


§  156.  Der  Wille.  §  157.  Gemütsbewegung.  §  158.  Körperfunktionen.       249 

Sdxov  {däkry),  lat.  lacnima  (aus  *dacrumä),  kymr.  daigr,  air.  der  und  Träne,  ahd.  trahan, 
dessen  Herkunft  dunkel  ist.  Man  kann  sich  aber  dem  Eindruck  nicht  entziehen,  daß  germ. 
*trahn-,  idg.  *drakn-  aus  *dakni  umgestaltet  ist.  Eins  damit  ist  Tran,  mnd.  trän.  — 
trauern,  ahd.  trüren,  dazu  ags.  drtorig,  e.  dreary  'traurig'.  Ahd.  trüren  bedeutet  'die  Augen 
niederschlagen';  daher  vielleicht  zu  got.  driusan  'fallen'.  — freuen,  Freude,  ahd.  frouwen, 
frewida,  Ableitungen  von  froh,  ahd.  frö,  auch  'schnell',  aiiord.  frär  'hurtig,  flink'.  Dies 
scheint  die  ursprüngliche  Bedeutung  zu  sein,  und  man  kann  daher  aind.  prävate  'springt 
auf,  hüpft,  eilt',  praväh  'flatternd,  schwebend,  fliegend'  vergleichen.  Vergleiche  auch  froh- 
lodien,  mhd.  vrölocken,  bei  dem  der  zweite  Bestandteil  zu  unserm  löken  'ausschlagen' 
gehört.  —  hoffen.  Die  Worte  für  hoffen  sind  in  ihrer  Entwicklungsgeschichte  sehr  lehr- 
reich, hoffen  ist  der  jüngste  der  Ausdrücke.  Es  taucht  erst  im  13.  Jahrhundert  auf,  steht 
aber  noch  nicht  bei  den  großen  Dichtern.  Es  ist  im  wesentlichen  niederdeutsch-englisch 
und  gehört  zu  hüpfen.  Es  bedeutet  eigentlich  'aufspringen';  vergleiche  den  Ausdruck  der 
Jägersprache  der  Hirsdi  verhofft  'sieht  sich  um,  stutzt'.  Aus  einer  solchen  Grundbedeutung 
läßt  sich  dann  die  von  hoffen,  zunächst  'erwarten',  wohl  erklären.  Mittelhochdeutsch  herrscht 
für  hoffen  dingen,  gedingen,  ahd.  dingen,  das  wohl  zu  Ding,  dingen  gehört,  gedingen 
würde  heißen  'einen  Vertrag  festsetzen'  und  dann  'erwarten'.  Eine  etwas  andere  Bedeutungs- 
nuance zeigt  trauen,  ahd.  triam  'glauben,  trauen',  got.  trauan  'vertrauen'  zu  Treue  und 
treu,  die  eigentlich  'fest'  bedeuten.  Verwandt  sind  apreuß.  druwi(s)  'Glaube',  druwit  'glauben'. 
Dazu  die  Ableitung  Trost,  ahd.  tröst,  npers.  durust  'hart,  stark'.  Wahn,  ahd.  wän,  ur- 
sprünglich ohne  den  ungünstigen  Nebensinn,  got.  wens  'Hoffnung'.  Man  hat  es  zu  lat. 
venäri  'jagen'  und  zur  Wurzel  wen  s.  u.  gestellt. 

harren,  mhd.  harren.,  eigentlich  mitteldeutsch.  —  beben,  ahd.  biben  zu  s.hg.bojqse/ich 
fürchte  mich'.  —  zittern,  ahd.  zittarön,  anord.  titra  'zwinkern',  eigentlich  ein  redupli- 
zierendes Verbum,  könnte  zu  gr.  djio-SidQäoasiv  {apodidrdsken)  'fortlaufen'  gehören.  — 
sdiänien,  ahd.  skamm,  got.  skaman.  Dazu  ahd.  skama,  e.  shame  'Scham'.  Man  stellt  dies 
Wort  zu  got.  hamün  'bedecken',  ahd.  hämo  'Gestalt';  got.  skaman  sik  wäre  'sich  bedecken'. 
Mir  nicht  einleuchtend.   Zu  diesem  Stamm  gehört  auch  wohl  Sdiande,  ahd.  skanta. 

§  158.   Körperfunktionen  und  körperliche  Zustände. 

gähnen,  ahd. ginen,  ginön,  gr.  yaivEw  {khainen),  lat  hiäre.  Dazu  auch  Gienmusdiel. 
—  sdiwitzen,  ahd.  swizzen,  aind.  svidjati  'schwitzt',  gr.  I8ieiv  (idien).  Dazu  Sdiweiß, 
ahd.  sweis,  e.  sweat,  lat.  südor.  Da  das  Wort  auch  'Blut'  bedeutet,  gehört  sdiweißen  dazu.  — 
fisten,  lit.  bezdii,  gr.  ßdsoj  (bdeö),  \a\.  pedere.  —  farzen,  ahd.  f'erzan,  e.  to  fart,  gr.  .Tt'o- 
6eiv  (perden),  \\X. persti,  mss. perdeti.  —  speien,  ahd.  spiwan,  e.  to  spew,  got  speiwan, 
lat  spuere,  gx.nzveiv  {ptyen);  spuafe^n  ist  erst  neuhochdeutsch,  lA^'Z.spudien. —  sdilafen, 
ahd.  släf an,  t.  to  sleep,  got  siepan  zu  lat  läbi '■wanken,  gleiten'.  —  wadien,  ahd.  wahhen, 
e.  to  wake,  to  watdi,  got.  wakan  'wach  sein,  wachen'  zu  lat.  vegere  'munter  sein',  aind. 
kausat.  w/jfrtya^/ 'treibt  an'.  —  träumen,  ahd.  troumen  von  Traum,  ahd.  troum.  e.  dream. 
Man  stellt  es  zu  trügen,  ahd.  triogan.  Vgl.  as.  gidrog  'Erscheinung,  Trugbild',  anord. 
draugr  'Gespenst'.  —  atmen,  ahd.  ätuniön  von  ahd.  ätum,  ädum  'Atem,  Odem'  zu  aind. 
ätmd  'Hauch,  Atem,  Geist'.  —  leben,  ahd.  leben,  e.  to  live,  got  Hb  an.  Da  anord. /7/a 
'leben'  und  'übrig  sein'  bedeutet,  so  kann  man  klar  erkennen,  wie  das  Wort  zu  seiner  Be- 
deutung gekommen  ist.  Es  ist  ausgegangen  von  Kämpfen,  in  denen  wenige  übrig  bleiben. 
Es  gehört  zu  bleiben,  ahd.  bi-liban,  das  zu  lit.  lipti  'kleben,  bleiben',  gr.  //.tos  (lipos)  'Fett', 
/.tjiaoös  (liparös)  'fett,  glänzend'  gestellt  wird.  —  sterben  ist  Euphemismus,  siehe  unten.  — 
dürsten,  hungern,  s.  o.  S.  224.  —  dulden,  ahd.  dulten  von  Geduld,  das  von  einem 
Verb  stammt:  ahd.  dolen,  got  pulan,  lat.  tollere,  tull,  toleräre,  gr.  xXijvai  (tlcenai).  — 
sdimerzen,  ahd.  smerzan,  e.  to  smart,  lat.  mordere,  gr.  aueodvög  (smerdnös),  ouegöa/.iog 
(smerdaleos)  'gräßlich'.  —  leiden,  ahd.  lldan.  Ahd.  iJdan,  got.  leipan  bedeuten  'gehen'. 
Daß  die  Worte  zusammenhängen,  ist  unwahrscheinlich.  Vielmehr  gehört  zum  letzten  leiden 
in  der  Bedeutung 'geschehen  lassen',  während  dem  andern  das  Adjektivum /^/rf,  ahd.  leid, 


250         Neuntes  Kapitel.  Die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


c.  loath  'abgeneigt'  zugrunde  liegt,  das  zu  alid.  li^es  'leider',  gr.  Xotfiöi  {loimös)  'Pest*  zu 
stellen  ist.  —  blasen,  ahd.bltisan  'hauchen,  schnauben',  got.bUsan,  UX.fU'ire.  —  wachsen, 
ahd.  wahsan,  e.  to  wax,  got.  wafisjan,  gr.  (h'-nv  {a'ex>n)  'starken,  mehren,  wachsen*;  —  ein 
anderes  Wort  ist  got.  liiidan,  ahd.  leodan  'wachsen'  zu  gr.  f?.fri>-  (eleuth-)  in  y).n'nniiai 
{eleiisomai)  'w'erde  kommen'. 

§  159.  Bewegung  und  Ruhe.  Für  die  verschiedenen  Arten  der  Bewegung 
und  was  damit  zusammenhängt,  besitzt  unsere  Sprache  noch  heute  eine  be- 
deutende Anzahl  von  Ausdrücken.  Vielleicht  sind  es  aber  in  alter  Zeit  noch 
meiir  gewesen.   Ich  ordne  den  Stoff  alphabetisch. 

BEWEGUNG. 
bewegen,  ahd.  biwegan  'aus  dem  Zustand  der  Ruhe  bringen,  wägend  prüfen',  got. 
gawigan  'bewegen',  lat.  vehere.  Dazu  Wage,  alid.  waga,  e.  weigh,  wovon  wieder  wagen, 
erst  im  12.  .!h.  wagen,  ein  Wort  der  mhd.  Dichtersprache;  —  xvägen,  erwägen,  mhd. 
envegen,  wiegen,  Gewidit,  mhd.  gewidit(e),  e.  weight,  Woge,  ahd.  wag,  got.  wfgs 
'Sturm',  Wagen.  —  bringen,  ahd.  bringan,  e.  to  bring,  got.  briggan  zu  kymr.  he-brwng 
'herbeibringen'.  —  dringen,  ahd.  dringan,  got.  preihan  'drängen'  zu  lit.  treiikti  'dröhnend 
stoßen'.  —  eilen,  ahd.  ilen.  Vielleiclit  zu  anord.  id,  id  'Studium',  also  aus  *uUo.  — fahren, 
ahd.  got.  faran,  e.  to  fare,  gr.  nFQänv  (perden)  'durchdringen',  aind.  piparti  'führt  hin- 
über'. —  fallen,  ahd.  fallan,  e.  to  fall  zu  lit.  pülti  'fallen'.  —  fliegen,  ahd.  fliogan, 
e.  to  fly,  got.  in  iisflaugjan  'emporfliegen  machen'.  —  fliehen,  ahd.  fliohan.  e.  to  flee, 
got.  pliuhan  zu  lit. /i*/f// 'fliegen'?  —  folgen,  ahd.  folgen,  auch  folagen,  andd.  fulgangan, 
e.  to  follow.  —  führen,  ahd.  fuoren,  Faktitivum  zu  fahren.  —  gegangen,  ahd.  Prät. 
g^^"S<  got.  gaggan  zu  lit.  zengii  'ich  schreite'.  —  gehen,  ahd.  gen,  gan;  unerklärt.  — 
gleiten,  mhd.  gliten,  e.  glide.  —  hasten,  junge  Bildung  von  Hast,  annd.  hast  aus 
afrz.  haste,  jetzt  hüte.  —  hetzen,  ahd.  hezzcn  von  Haß,  ahd.  hai,  e.  hate,  got.  hatis,  gr. 
xrjdog  (kcedos)  'Kummer,  Trauer'.  —  hinken,  s.  o.  §  149.  —  hüpfen,  mhd.  hüpfen,  e.  to 
hip.  Daneben  mnd.  hoppen,  e.  hop,  gr.  xvßtaideir  [kybistäen)  'tanzen'.  — Jagen,  ahd.  Jagon, 
anoxd.  Joga  'vertreiben',  zu  a\.  jahi'ih  'rastlos'.  —  klettern  ist  jung,  zu  Klette.  —  klimmen, 
ahd.  klimban,  e.  to  climb;  dazu  ohne  Nasal  anord.  klifa.  —  kommen,  ahd.  queman,  e. 
to  come,  got.  qiman,  lat.  venire,  gr.  ßnlvFiv  (bainin).  —  kriedien,  ahd.  kriodian,  e. 
croudi  'sich  niederbücken';  daneben  ndl.  krüipen,  e.  creep  zu  gr.  ygvnög  (grypös)  'krumm*.  — 
laufen,  ahd.  hlouffan,  e.  to  leap  'springen,  hüpfen',  got.  hlaiipan  'laufen';  vielleicht  zu  gr. 
xd/..T>/  (kiilpce)  'Trab'.  —  Leidi,  mhd.  leidi  'Gesang',  got.  laiks  'Tanz',  laikan  'tanzen'  zu  lit. 
läigiti  'wild  umherlaufen'.  —  leisten,  ahd.  leisten  'ein  Gebot  befolgen  und  ausführen', 
got.  laistjan  'nachfolgen,  nachgehen',  e.  to  last  'dauern,  bleiben,  sich  halten'  zu  got.  laists 
'Fußspur'.  —  leiten,  ahd.  leiten,  e.  to  lead,  Kausativum  zu  einem  ahd.  lidan,  got.  leipan 
'gehen',  s.o.  S.  259.  —  rädien,  ahd.  rehhan,  e.  to  wreak,  got.  wrikan  'verfolgen'  zu  lat. 
urgPre  'bedrängen'.  —  reisen  von  Reise,  ahd.  reisa  'Aufbruch'  zu  ahd.  risan  'steigen, 
fallen',  e.  to  rise  'sich  erheben'.  —  reiten,  ahd.  rUan  'sich  fortbewegen',  e.  to  ride  'reiten, 
fahren'  zu  air.  riadaim  'ich  fahre',  altgall.  rida  'Wagen'.  —  sdierzen,  mhd.  sdierzen, 
vielleicht  zu  aind.  kürdati  'springt,  hüpft',  gr.  xoaMeiv  (kradden)  'schütten,  schwingen'.  — 
sdileidien,  ahd.  sithhan  'leise  schleichend  gehen,  schleichen',  mengl.  sliken.  —  sdilennig, 
ahd.  slünig,  daneben  sniiimo.  got.  sninmundo  'eilends',  got.  sniumjan,  sniwan  'eilen'.  — 
sdilüpfen,  ahd.  stapfen,  Intensivum  zu  obd.  sdüiefen,  ahd.  sliofan,  got.  sliupan  'schlüpfen' 
zu  lat.  liibricus  'schlüpfrig'.  —  sdireiten,  ahd.  skritan,  anord.  skrida-  'kriechen,  gleiten*, 
lit.  s*m// 'fliegen,  schnell  laufen'.  —  sdiweifen,  ahd.  sweifan  'schwingen,  sich  schlängeln', 
e.  to  swoop  'stürzen',  to  sweep  'fegen"  zu  sdiweben.  —  sdiwimmen.  ahd.  swimman,  e. 
to  swim.  —  sdiwingen,  ahd.  swingan  'schwingen,  schleudern,  schlagen,  geißeln,  sich 
schwingen,  fliegen,  sehweben',  e.  to  swing;  dazu  sdiwenken,  ahd.  swenkan  und  lit. 
sükti  'drehen'.  —  springen,   ahd.  springan,    e.  to  spring,    ohne  Nasal  gr.  ai^ioxsoOac 


§  159.  Bewegung  und  Ruhe.  §  160.  Singen  und  sagen.  251 


{sperkhesthai)  'eilen'.  —  sputen,  aus  dem  Niederdeutschen,  e.  speed  'eilen'  von  ahd. 
5/7uo^/z 'gelingen,  Erfolg  haben',  abg.  5/?^// 'vonstattengehen',  \z\.  spes. —  stampfen,  ahd. 
stampfen,  e.  to  stamp,  gr.  otsußsir  {stembcn)  'mit  Füßen  treten'.  —  steigen,  ahd.  stigan, 
e.  to  sty,  gr.  otfi'xfiv  {stekken)  'gehen'.  —  stürzen,  ahd.  stürzen  'stürzen,  wenden,  um- 
wendend bedecken';  dazu  wohl  e.  ^o  5/'fl/-^ 'aufspringen'.  —  taumeln,  ahd.  tumalön  'sich 
drehen'  von  tümön  'kreisen'.  Vielleicht  zu  lat.  famus.  Damit  eins  tummeln,  mhd.  tümeln.  — 
treiben,  ahd.  tnban,  e.  to  drive  'treiben,  eilen,  laufen,  fahren,  hetzen',  got.  dreiban 
'treiben'.  Dazu  vielleicht  gäl.  drip  'Hast'.  —  treten,  ahd.  tretan,  e.  to  tread,  got.  trudan.  — 
waten,  ahd.  watan  'waten,  gehen,  schreiten',  e.  to  wade,  lat.  vädere.  —  weidien,  ahd. 
wihhan,  gr.  d'y.siv  {eken).  —  werben,  ahd.  werban  'sich  drehen,  etwas  betreiben',  got. 
hairban;  dazu  Wirbel.  —  werden,  ahd.  werdan,  got  wairpan,  lat  vertere  'drehen'.  — 
ziehen,  ahd.  ziohan,  lat.  dücere  'führen'. 

RUHE. 

hocken,  mhd.  hudien,  wohl  von  Hodie  abgeleitet  und  dies  zu  lit.  kngis,  lat.  cumulus 
'Haufe'.  —  kauern,  e.  cower,  vielleicht  zu  gr.  yvgög  (gyrös)  'krumm'.  —  lehnen,  ahd. 
Minen  zu  gr.  xUveiv  (klinen),  lat.  inclinäre.  —  liegen,  ahd.  liggen,  e.  to  lie,  vgl.  lat.  lectus, 
gr.  Xsyog  {lekhos)  'Bett'.  —  ruhen,  ahd.  ruowen,  von  Ruhe,  ahd.  ruowa,  gr.  kgcoi]  {eröai).  — 
sitzen,  ahd.  sizzen,  e.  to  sit,  got.  sitan,  lat.  sedere,  gr.  s^sadai  (hezesthai).  —  stehen, 
ahd.  sten,  stän,  e.  to  stand,  lat.  stäre,  gr.  lonjui  (histcenii).  — 

§  160.  Singen  und  sagen. i)  Die  Ausdrücke  für  die  Mitteilungen  durch 
die  Stimme  oder  das  bloße  Ertönenlassen  der  Stimme  sowie  für  die  ver- 
schiedenen Geräusche  werden  auch  heute  noch  durch  zahlreiche  sehr  ver- 
schiedene Stämme  ausgedrückt.  Viele  sind  aus  dem  Indogermanischen  er- 
erbt, andere  sind  im  Laufe  der  Zeit  dazu  gekommen.  Unter  den  Worten, 
die  hierher  gehören,  gehen  viele  neuere  zweifellos  auf  Nachahmung  zurück, 
wie  wir  schon  in  dem  Kapitel  über  Urschöpfung  gesehen  haben,  und  man 
wird  dasselbe  auch  für  die  älteren  Bestandteile  teilweise  voraussetzen  dürfen. 
Ich  ordne  auch  hier  nach  der  Buchstabenfolge. 

brüllen,  mhd.  brüelen,  daneben  dial.  ftra/Z^/z 'schreien',  mhd.  prcden  'lärmend  groß- 
tun, schreien',  jetzt  prahlen,  e.  to  brawl  'lärmen,  zanken'.  —  brummen,  mhd.  brummen, 
daneben  ahd.  breman  'brummen,  brüllen';  dazu  Bremse.  Wahrscheinlich  zu  lat.  fremere 
'rauschen',  gr.  ßgi/netr  (bremen).  —  erwähnen,  ahd.  giwahannen;  der  Stamm  wa/z  gehört 
zu  lat.  vöx,  gr.  ejiog  {epos),  aind.  vac  'sprechen,  sagen'.  — jehen  (noch  in  Beidite  und 
Gicht  noch  im  18.  Jh.  'Aussage'),  von  ahd.  bi-Jehan  'bekennen'.  —  kedern  und  quatsdien, 
zwei  Dialektausdrücke,  die  zu  ahd.  quedan,  e.  quoth,  got.  qipan  'sagen'  gehören;  vielleicht 
ist  lat.  vetäre  verwandt.  —  klagen,  ahd.  klagön,  von  ahd.  klaga,  eigentlich  'Geschrei', 
kaum  zu  gr.  ßh^-p]  {bldkha)  'Geblök',  sondern  zu  aind.  gärhati  'klagt,  klagt  an,  beschul- 
digt'. —  lallen,  mhd.  lallen,  gr.  laXeTv  (lalen),  lat.  lalläre,  vgl.  o.  S.  88.  —  murmeln, 
ahd.  murmulön,  murmurön  aus  lat.  murmuräre;  murren  im  15.  Jh.,  mnd.  murren,  anord. 
murra.  —  poltern,  spätmhd.  buldern  zu  gleichbedeutendem  lit.  bildsti.  —  reden,  ahd. 
red(i)ön  von  Rede,  ahd.  redfija  'Rechenschaft,  Rede  und  Antwort',  got.  rapjö  'Zahl,  Rech- 
nung" zu  lat.  ratio  (oder  daraus  entlehnt?).  Jedenfalls  hat  das  Wort  durch  die  Gerichts- 
sprache hindurch  seine  heutig^Bedeutung  angenommen.  —  rufen,  ahd.  ruofan,  ruofen, 
got.  hröpjan.  Vielleicht  zu  lit.  skrebsti  'rascheln',  abg.  skrobotü  'Geräusch'.  —  sagen, 
ahd.  sagen,  e.  to  say  zu  lit.  sakiti  'sagen',  lat.  insece,  inquam  aus  *in-squam,  gr.  sr-fsjis 
(ennepe)  aus  *ensepe.  —  sdireien,  ahd.  skrian,  vielleicht  zu  lat.  crimen,  eig.  'Geschrei'.  — 
singen,   ahd.  singan,   e.  to  sing,   got.  siggwan   zu  gr.  6/iiq?/]   (omphw)   'Stimme,   Rede, 

')  Vgl.  D.  C.  Bück,  Words  of  speaking  and  saying  in  the  indo-european  languages. 
Am.  Journ.  of  Phil.  36,  1—18. 


252    Zehntes  Kapitel.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

Orakel'.  —  spellen,  noch  in  Beispiel,  ahd.  bispel,  von  .ihd.  spiHI  'Hrzählting,  Fabel,  Ge- 
rede', e.  spell  'Hrzüliiiing.  Fabel',  v^\.  gospel,  got.  spi//  'Sage,  Fabel',  viellciciit  zu  lat. 
ap-peilure,  inter-pellnre.  —  sp redien,  ahd.  spri'hfian,  ags.  spn*can  (e.  /o  speah  ist  wohl 
ein  anderes  Wort)  zu  aind.  sphürj-  'rauschen',  gr,  nrpnijnyeoimi  {spharageomai)  'prassle, 
zische',  lat.  fnigor.  —  stöhnen,  aus  dem  Niederdeutschen,  ndl.  stenen,  ags.  stunian  zu 
gr.  nih-fir  (stenen)  'stöhnen,  brausen'.  —  zeihen,  ahd.  zihan  'bescluildigen',  got.  gateihan 
'anzeigen,  verkünden",  lat.  dicere,  gr.  i)Fiy.riyni  {deknynai).  —  zisdien,  erst  neuhochdeutsch, 
ist  wohl  lautnachahincnd.  —  zwitschern,  ahd.  zwizzirOn,  e.  twitter. 

Ich  habe  hier  nur  eine  beschränkte  Auswahl  angefülirt.  In  der  Gemein- 
sprache und  vor  allem  in  den  Mundarten  gibt  es  noch  eine  Unzahl  von 
Ausdrücken,  die  zum  guten  Teil  lautnachahmend  sind.  Eine  Zusammen- 
stellung derer,  die  den  Vokal  a  enthalten,  hat  O.Weise,  ZfdU.  19,518,  ge- 
geben.   Vgl.  auch  ScHWiETERiNQ,  F.,   Singen  und  Sagen,   Göttingen  1908. 

§  161.  Tätigkeiten.')  Die  Indogermanen  und  Germanen  lebten  im  wesent- 
lichen in  der  Wirtschaftsform  der  sogenannten  geschlossenen  Hauswirtschaft, 
das  heißt,  es  wurde  alles,  was  zur  Leibesnahrung  und  Notdurft  gehörte,  im 
Hause  selbst  hergestellt.  Das  ergibt  eine  unendliche  Fülle  von  Tätigkeiten, 
für  die  natürlich  auch  die  entsprechenden  Ausdrücke  bestanden  haben  müssen. 
Nach  dem  schon  öfter  berührten  Gesetze  der  Sprachentwicklung  werden  in 
älterer  Zeit  mehr  Ausdrücke  wie  in  späterer  vorhanden  gewesen  sein. 
Einige  von  diesen  gehen  verloren,  andere  nehmen  eine  allgemeinere  Be- 
deutung an.  Eine  Hauptaufgabe  der  Wissenschaft,  die  bisher  kaum  in  An- 
griff genommen  ist,  wird  es  sein,  die  ursprüngliche  Bedeutung  einer  jeden 
Sippe  festzustellen.  Das  kann  freilich  nur  geschehen,  wenn  sich  mit  der 
sprachlichen  Schulung  eine  ausgedehnte  Kenntnis  der  Realien  verbindet. 
Wir  werden  auf  diesen  Punkt  unten  §  192  zurückkommen.  Hier  können 
wir  nur  den  Stoff  nach  gewissen  Begriffsgruppen  geordnet  vorführen. 

1.  Dehnen,  ziehen  usw.: 

dehnen,  ahd.  dennen,  got.  iif-panjan  zu  gr.  teIvbiv  (tinen),  lat.  tendere.  —  *dinsen 
'ziehen',  noch  in  aufgedunsen,  ahd.  dinsan,  got.  at-pinsan  'heranziehen'  zu  lit.  tcsti  'durch 
Ziehen  dehnen'.  —  biegen,  ahd.  biogan,  e.  to  bow,  got.  biugan  zu  aind.  bhuf  'biegen', 
lat.  fugere,  gr.  r/ Fvyeiy  (pheugen)  mit  abweichendem  Auslaut.  —  redien,  ahd.  redien  'aus- 
strecken, ausdehnen',  e.  to  radi,  got.  ufrakjan  'ausstrecken'  zu  gr.  doeystv  {pregen),  lat. 
porrigere.  —  spannen,  ahd.  spannan,  e.  to  span  zu  gr.  ortustv  (späen)  'ziehen'.  — 
zerren,  ahd.  zerran,  e.  to  /^ar 'zerreißen',  got.  ^a^a/ro/i 'zerstören,  vernichten',  eigentlich 
'zerreißen'  zu  gr.  Ssmir  (deren)  'schinden';  dazü  auch  verzehren,  ahd. //r^^/'flrt 'auflösen, 
zerstören,  zerreißen'.  —  ziehen,  ahd.  ziohan,  got.  tiuhan,  lat  ducere. —  streidien,  ahd. 
strihhan,  e.  to  strike  zu  lat.  stringere  'abstreifen,  berühren,  streichen'.  —  tragen,  ahd. 
tragan,  got.  dragan;  daneben  anord.  draga,  ags.  dragan,  e.  to  draw  'ziehen',  lat.  trahere, 
lett.  dragät  'reißen'. 

2.  Verbinden,  trennen  u.  a.: 

binden,  ahd.  bintan.  e.  to  bind,  got.  bindan  zu  lat.  of-fendinientum  'Binde',  gr. 
neiofxa  (pesma)  'Tau'  aus  *penthsma.  —  b redien,  ahd.  brehhan,  e.  to  break,  got.  brikan 
zu  lat.  frangere.  —  fügen,  ahd.  fuogan,  e.  to  fay  'passen,  verbinden'  zu  lat.  pacisci, 
gr.  mjyvvvai  (pä-gnynai).  —  klauben,   ahd.  klubön  'zerpflücken,  zerspalten'  von  klieben, 

')  Vgl.  hierzu  auch  Gen-IschiroYoshioka.      making   in   the   indo-europaean   languages. 
A  semantic  study  of  the  verbs  of  doing  and      Chicagoer  Diss.  Tokyo  1908. 


§  161.  TÄTIGKEITEN.    §  162.   ALLGEMEINES.  253 

ahd.  klioban  'spalten',  e.  to  cleave  zu  gr.  yXvc^siv  (glypfien)  'aushöhlen,  stechen',  lat.  glu- 
bere  'abschälen'.  —  lösen,  ahd.  lösen,  got.  lausjan  von  laus  'los'  zu  gr.  Xvfav  (lym), 
lat.  so-lvere;  dazu  verlieren,  ahd.  fir-liosan,  got.  fra-liusan.  —  sdieicten,  ahd.  skeidan 
•scheiden,  trennen'  usw.,  e.  shed  'Trennung,  Unterschied',  got.  skaidan  zu  lat.  scindere, 
gr.  ayj,;eiv  {skhizPn).  —  trennen,  ahd.  trennen,  Kausativum  zu  mhd.  Irinnen  'sich  ab- 
sondern' zu  zerren.  —  schleißen,  ahd.  sli':i3an,  e.  to  slit  'spalten,  schleißen';  dazu  auch 
sdilitzen.  Vielleicht  zu  lat.  laedere.  —  sdiroten,  ahd.  skrütan  'schneiden,  hauen,  kahl 
scheren',  e.  to  shred  'zerreißen';  dazu  e.  shroiid  'Tuch'  zu  lat.  scrantiim,  scrötum.  — 
spalten,  ahd.  spaltan  zu  aind.  sphutäti  {t  aus  It)  'reißt,  springt  auf,  spaltet  sich'. 

3.  Stoßen,  stechen,  drehen  usw.: 

st e dien,  ahd.  stehhan  zu  gr.  oti^siv  (stizen)  'mit  einem  spitzen  Werkzeug  Flecken 
machen',  lat.  instigäre.  —  stoßen,  ahd.  stö^an,  got.  stautan  zu  lat.  tiindere.  —  bohren, 
ahd.  borön,  e.  to  bore  zu  lat. /orär^ 'bohren',  gr.  cpaoasiv  {pharäm)  'pflügen'.  —  drehen, 
ahd.  dräen,  e.  to  throw,  gr.  teoeTv  (teren)  'bohren,  drechseln',  lat.  lerere.  Dazu  auch  Draht 
und Dredisler,  spätmhd.  drehsler  und  z.T.  auch  drillen,  e.  thrill.  —  ringen,  ndd.  wringen, 
ahd.  (w) fingen,  e.  to  wring  'drehen,  pressen'.  Eine  im  Germanischen  sehr  verbreitete 
Wurzel.  Wohl  mit  Nasalierung  zu  würgen,  ahd.  würgen  zu  lit.  verzü,  vefUi  'schnüren, 
einengen,  pressen',  abg.  vrüza  'fessele,  binde'.  —  werden,  s.  o.  —  winden,  ahd.  wintan, 
t.towind,  got  windan.  Zu  ai.van-dhüram 'Wagcnkorh',  nrnbr.  ahavendu  'er  soll  abwenden'. 

4.  Schlagen,  hauen  u.  a.: 

bleuen  'heftig  schlagen',  s.  o.  S.  226.  —  bosseln  'in  Kleinigkeiten  arbeiten,  zu- 
sammenflicken, künsteln",  wohl  abgeleitet  von  ahd.  b<rf,an  'schlagen,  stoßen'  (noch  erhalten 
in  Amboß),  e.  to  beat  zu  lat.  con-fütäre  'niederschlagen',  fustis  'Knüttel'.  —  hauen,  ahd. 
houwan,  e.  to  hew  zu  abg.  kovati  'schlagen,  schmieden',  lat.  mit  d  erweitert  ciidere.  — 
sdilagen,  ahd.  slahan,  e.  to  slay,  got.  slahan.  —  kneten,  ahd.  kn'etan,  e.  to  knead  zu  abg. 
gnetq,  gnesti  'zerdrücken,  kneten'.  —  drüdien,  ahd.  drucken  zu  anord.  prüga  'drücken',  lit. 
träkti  'entzweireißen'.  —  quetschen,  mhd.  quetzen,  quetschen.  Zu  \i{.  gendü  'gehe  entzwei'. 

Ein  altes  Wort  für  'kneten'  steckt  noch  in  Teig,  ahd.  teig,  e.  dough,  von  got.  deigan 
'aus  Ton  bilden'  zu  lat.  fingere,  gr.  rsiyog  (tekhos).  —  Hierher  auch  madien,  von  Meringer, 
Idg.  Forsch.  17,  146  zu  gr.  /ndysigo;  [mägeros)  'Koch',  /lüooscv  {müssen)  'drücken,  kneten' 
gestellt.   Ursprüngliche  Bedeutung  'kneten'. 

5.  Auf  den  Ackerbau  BezügUches  siehe  oben  S.  194. 

6.  Auf  das  Kochen  Bezügliches  siehe  oben  §  140,  S.  222. 

7.  Auf  die  Kleidung  Bezügliches  siehe  oben  §  141,  S.  225. 
Weiterer  Stoff  ließe  sich  leicht  zusammenbringen.    Die  Hauptaufgabe 

aber  ist  es,  durch  genaue  Beobachtung  der  Worte  die  ursprüngliche  Be- 
deutung festzustellen. 


Zehntes  Kapitel. 

Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

§  162.  Allgemeines.  Was  wir  bisher  kennen  gelernt  haben,  war  die  Her- 
kunft und  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes  in  einigen  allgemeinen 
Wortgruppen.  Aus  einersolchen  Betrachtungsweise  kann  man  mancherlei  kultur- 
geschichtliche Aufschlüsse  entnehmen,  aber  ein  wirkliches  Bild  der  Entwick- 
lung werden  wir  nicht  aus  ihr  erhalten.  Wenn  man  sich  bemüht  hat,  die  ver- 
schiedenen Schichten  des  Wortschatzes,  indogermanische,  gemeingermanische, 


254    Zehntes  Kapitel.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

westgermanische  Bestandteile,  zu  unterscheiden,  so  iiat  das,  wie  wir  gesehen 
haben,  so  gut  wie  keinen  Wert.    Einen  wirkHchen  Einblick  in  die  Geschichte 
des  Wortschatzes  erhalten  wir  erst  mit  dem  Beginn  der  geschichtlichen  Über- 
lieferung.  Alles,  was  vor  dieser  liegt,  können  wir  als  vorgeschichtliche  Be- 
standteile zusammenfassen.   Während  aber  die  Untersuchung  dieser  ziemlich 
einfach  erscheint  —  es  könnte  sich  da  nur  um  die  Aufgabe  handeln,  alle 
Worte  des  Deutschen,  die  auch  in  andern  Mundarten  und  Sprachen  erscheinen, 
zusammenzustellen  — ,  werden  beim  Eintreten  der  wirklichen  Überlieferung 
die  Verhältnisse  sehr  verwickelt.   Denn  nicht  nur  treten  uns  von  Anbeginn 
Verschiedenheiten  des  Wortschatzes  nach  den  Mundarten  entgegen,  sondern 
wir  haben  es  auch  im  8.  Jahrhundert  nicht  mehr  mit  einfachen  gesellschaft- 
lichen und  wirtschaftlichen  Verhältnissen  zu  tun.    Das  Volk  ist  vielmehr  in 
Stände  gegliedert,  und  infolgedessen  müssen  wir  auch  Verschiedenheiten  in 
der  Sprache  dieser  Stände  antreffen.   Sind  diese  auch  anfangs  gewiß  nicht 
bedeutend  gewesen,  vorhanden  waren  sie  unter  allen  Umständen,  und  sie 
werden  um  so  stärker,  je  weiter  wir  in  der  Zeit  fortschreiten.   So  wären  denn 
eieentlich  von  Anfang  an  die  mundartlichen  Verschiedenheiten  und  die  Eigen- 
tümlichkeiten  der  Sondersprachen  zu  berücksichtigen.   Wir  können  dies  aber 
nur  in  getrennten  Abschnitten  tun  und  müssen  uns  hier  auf  das  Allgemeine 
beschränken.   Aber  eben  für  das  Allgemeine  fehlen  bis  jetzt  so  gut  wie  alle 
Vorarbeiten.   Fast  nirgends  ist  der  Wortschatz  eines  Schriftstellers  in  seiner 
Eigenart  dargestellt,  nirgends  gibt  es  Zusammenstellungen  darüber,  welche 
Worte  in  einem  abgemessenen  Zeitraum  neu  aufgekommen  sind.  Diese  Lücken 
kann  natürlich  auch   meine  Arbeit  nicht  ausfüllen.    Ich  kann  hier  nur  auf 
die  allgemeinen  Gesichtspunkte  hinweisen  und  einiges  besonders  erörtern. 
§  163.  Das  Mittelalter.   Erst  im  8.  Jahrhundert  fangen  die  Deutschen  an 
zu  schreiben,  und  wir  können  erst  von  dieser  Zeit  an  die  Verwendung  des 
Wortschatzes  beurteilen.    Da  treten  uns  denn  sofort  zwei  bemerkenswerte 
Erscheinungen  entgegen.    Auf  der  einen  Seite   eine   große  Leichtigkeit  in 
der  Verwendung  der  dichterischen  Sprache.    Man  sieht,  wie  es  gar  keine 
großen  Schwierigkeiten  bietet,  selbst  einen  fremden  Stoff,  wie  die  Lebens- 
geschichte  Christi,   in   den   altüberlieferten   epischen   Formen   darzustellen. 
Der  Dichter  des  Heliand   verfügt  frei  über  einen  ihm  durchaus  geläufigen 
Wortschatz,  weil  er  noch  den  Stabreim  verwendet.   Offenbar  lag  hier  eine 
jahrhundertelange  Übung  vor.    Vgl.  darüber  auch  GDS.  150.    Bei  weitem 
mehr  hat  Otfrid,  der  denselben  Stoff  in  den  Reimvers  gießt,  mit  der  Sprache 
zu  kämpfen.   Und  noch  ganz  anders  steht  es  mit  der  Prosa.   Hier  handelt 
es  sich   um  Übersetzungen   aus  dem   hochentwickelten  Lateinischen.    Wir 
empfinden  es  noch  sehr  wohl,  wie  schwer  es  den  alten  Mönchen  geworden 
sein  muß,   den   reichen  Wortschatz   ihrer  lateinischen  Vorlagen  'mit  ihrem 
nicht  einfachen  Inhalt  im  Deutschen  wiederzugeben.    Für  viele  lateinische 
Worte  fehlten  ihnen  Entsprechungen  und  so  mußten  sie  notwendigerweise 
neue  Worte  schaffen.    Vor  allem  sind  zahlreiche  Allgemeinausdrücke  da- 


§  163.  Das  Mittelalter.  .  255 


mals  erst  neu  gebildet  worden.  Sie  treten  einmal  auf,  und  sie  sind  dann 
rasch  wieder  verschwunden.  Wir  treffen  sie  häufig  in  der  althochdeutschen 
Übersetzung  des  Isidor,  vermissen  viele  davon  aber  in  späterer  Zeit.  Wenn 
sie  nicht  in  der  Sprache  fortlebten,  so  weist  das  darauf  hin,  daß  die  Worte 
Neuschöpfungen  waren. 

Daneben  stehen  aber  auch  andere  Worte,  die  erhalten  blieben,  wenn 
auch  zum  Teil  in  stark  veränderter  Bedeutung.  Wir  haben  wiederholt  darauf 
hingewiesen,  daß  die  Bildung  von  Worten  für  Allgemeinbegriffe  verhältnis- 
mäßig spät  ist.  Wenn  wir  solche  Worte  nur  im  Althochdeutschen  und  nicht  in 
den  verwandten  germanischen  Sprachen  treffen,  so  können  diese  sehr  wohl 
erst  in  dieser  Zeit  gebildet  sein.  An  der  Hand  von  Kluges  Chronologischer 
Darstellung  des  neuhochdeutschen  Wortschatzes  in  seinem  etymologischen 
Wörterbuch  und  meinen  eigenen  Sammlungen  stelle  ich  einige  derartige  Worte 
zusammen,  die  erst  in  althochdeutscher  Zeit  aufgekommen  zu  sein  scheinen. 

Hierher  gehören:  Andadit,  Beichte,  Demut,  entbehren.  Farbe,  Freude,  Frevel,  Gebäude. 
Gebärde,  Gebäu,  Gebein,  Gebilde,  Gebirge,  Gebiß,  Gedächtnis,  Gedärm,  Gedränge,  Geduld, 
Gefäß,  Gefecht,  Gefilde.  Gefolge,  Gegenwart,  Geheiß,  Gekose,  Gelände,  Gelübde,  Gelüst, 
Gemächt,  Gemahl,  Gemeinde,  Gemüll,  Gemüt,  Genossame,  Genüge,  Gerät,  Gericht,  Gerücht, 
Gesang,  Gesäß,  Geschäft,  Gesdiirr,  Gesdilecht,  Geschmack,  Geschmeide,  Gesdioß,  Gesdirei, 
Gesetz,  Gesicht  (Notker).  Gespenst.  Gesprädi.  Gestirn.  Gestühl.  Gesuch.  Getreide,  Gevögel. 
Gewädis.  Gewähr,  Gewand,  Gewehr,  Gewinn,  Gewissen,  Gewohnheit,  Gewölbe,  Gier, 
Gleidinis,  Glimpf,  Heimat,  herrlich,  Herrsdiaft,  herrsdien,  Hilfe,  Huld,  Hülle,  Imbiß,  in- 
ständig, Klage,  Meinung,  Mittag,  Nähe,  Öde,  Ohnmadit,  Rache,  Sdiimpf,  Sdimach,  Schöpfer, 
Sdiöpfung,  Sprache,  Tradit,  Tränke,  Traufe,  Unrat,  Urkunde,  Urlaub,  Ursprung,  Verlust. 
Vernunft,  Wahnwitz,  Wechsel,  Widersacher,  Wohltat,  Würde,  Zierde,  Zugang,  Zuvei^sicht  usw. 

Anmerkung.  Sehr  dankenswert  ist  eine  Dissertation  von  Otto  Schenk  Zum  Wort- 
schatz des  Keronischen  Glossars,  Heidelberg  1912,  in  der  die  Worte  des  Keronischen 
Glossars  zusammengestellt  werden,  die  teils  nur  in  diesem,  teils  nur  in  althochdeutscher 
Zeit  vorkommen.  Zu  der  ersten  Gruppe  gehören  695  Wörter.  Es  sind  sicher  zahlreiche 
Augenblicksbildungen  darunter. 

Als  größter  Prosaschriftsteller  der  althochdeutschen  Zeit  ist  zweifellos 
NotkerLabeo  anzusehen.  Er  hat  eine  große  Anzahl  von  Werken  und  darunter 
auch  bedeutsame  philosophische  Schriften  aus  dem  Lateinischen  übersetzt. 
Mit  Recht  hat  man  seine  Übersetzertätigkeit  gepriesen.  Eucken  widmet  ihm 
in  seiner  Geschichte  der  philosophischen  Terminologie  1879  S.  116  als  dem 
ersten  Schöpfer  der  deutschen  philosophischen  Ausdrücke  einen  besonderen 
Abschnitt.  Leider  haben  Notkers  Arbeiten  keine  Nachfolge  gefunden,  und 
so  sind  viele  seiner  vortrefflichen  Neubildungen  vergessen  worden.  Manches 
aber  lebt  fort.  Ich  erinnere  nur  an  die  bedeutsame  Schöpfung.£"Ä^  im  Sinne 
von  'matrimonium',  das  ursprünglich  in  ahd.  ewa  'Ewigkeit,  endlos  lange 
Zeit',  dann  'Recht,  Gesetz,  Vertrag'  bedeutet,  noch  erhalten  in  echt:  ahd.  ehaft, 
eigentlich  'rechtsgültig'  und  das  Notker  in  dem  bestimmten  Sinne  festlegte. 

Zur  Zeit  des  Mittelhochdeutschen  überwiegt  in  der  Literatur  die  Dichtung, 
und  daher  kennen  wir  auch  im  wesentlichen  nur  die  Sprache  der  Dichtung  und 
den  dichterischen  Wortschatz,  allerdings  in  den  verschiedenen  Abstufungen  des 


256    Zehntes  Kapitel.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

höfischen  und  des  Volkscpos.  Die  Sprache  der  Prosa  war  das  Lateinische,  bis 
endlich  die  Prediger  anfintijen,  deutsch  zu  sprechen  und  deutsch  zu  schreiben. 
Über  ihren  Anteil  an  derAusbiidung  des  deutschenWortschatzessieiie  unten  §184. 

Der  Wortschatz  der  beiden  erwähnten  Dichtungsarten  läßt  sich  dahin 
unterscheiden,  daß  die  Volksdichtung  im  wesentlichen  das  Alte  beibehielt. 
Das  Neue  müssen  wir  in  der  höfischen  Poesie  suchen.  Sie  hat  zweifellos 
viele  neue  Worte  geschaffen  oder  verbreitet.  Vieles  hat  sich  erhalten,  anderes 
ist  verloren  gegangen,  als  die  Dichtung  abstarb  —  ein  Beweis  dafür,  daß 
sie  eben  über  einen  besondern  Wortschatz  verfügte.  Da  diese  Dichtungen 
Erzeugnisse  eines  besondern  Standes  waren,  so  müssen  sich  auch  in  ihrem 
Wortschatz  die  Anschauungen,  Sitten  und  Gebräuche  des  Standes  nieder- 
schlagen. Manches  hat  sich  bis  in  unsere  Zeit,  wenn  auch  in  veränderter 
Bedeutung  gerettet.  Für  den  Gegensatz  des  edlen  feinen  Rittertums  zu  dem 
bäuerischen  Wesen  verwendete  man  den  Ausdruck  hübsch,  eigentlich 
'höfisch',  zu  Hof  gehörig,  und  dörper  'Bauer,  roher  Mensch',  aus  dem  sich 
unser  Tölpel  entwickelt  hat.  Übrigens  hat  hübsch  seine  Bedeutung  'fein, 
gut'  in  den  Volksdialekten  zum  Teil  noch  heute  bewahrt  (so  z.  B.  im  Ober- 
sächsischen), die  Bedeutung  'gut  aussehend'  entwickelt  sich  erst  im  16.  Jahr- 
hundert auf  leicht  verständlichem  Wege.  Auch  fm,  fein  scheint  ein  Wort 
der  höfischen  Schichten  zu  sein.  Das  Wort  stammt  aus  \at  f/tif las.  Unser 
Art  tritt  erst  in  mhd.  Zeit  in  der  Bedeutung  'Herkunft,  Geschlecht,  edles 
Geschlecht,  Natur'  auf.  Daneben  erscheint  schon  ahd.  ein  art  'Bepflügung'. 
Nach  den  Darlegungen  im  DWB.  unter  Unart  steht  es  sicher,  daß  die 
beiden  Worte  eins  sind,  und  daß  wir  die  übertragene  Bedeutung  von  Art 
dem  Rittertum  zuzuschreiben  haben. 

Ein  Verzeichnis  der  Worte,  die  erst  im  Mittelhochdeutschen  auftreten, 
bietet  wieder  Kluge  im  Anhang  zu  seinem  Wörterbuch.  Freilich  ist  auch 
dies  wieder  unvollständig,  da  Kluge  ja  in  seinem  Wörterbuch  nur  eine  be- 
schränkte Zahl  von  Ableitungen  und  Zusammensetzungen  bietet,  und  es 
ist  daher  für  wirkliche  Erkenntnis  nicht  zu  gebrauchen.  Hier  muß  erst  eine 
besondere  Untersuchung  einsetzen.  Vgl.  auch  E.  Tanzer,  Der  deutsche 
Sprachschatz  nach  Fr.  Kluges  Etymologischem  Wörterbuch  der  deutschen 
Sprache.    Programm  der  Staats-Realschule  in  B.  Leipa  1903 — 4,  1904—5. 

§  164.  Die  Neuzeit.  Seit  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  steht  uns 
ein  reicher  Schatz  von  Literaturdenkmälern  zur  Verfügung.  Es  beginnen  die 
Wörterbücher  zu  erscheinen,  und  die  Möglichkeit,  das  Auftreten  der  Worte 
zu  bestimmen,  liegt  hier  recht  günstig.  Aber  dieser  glückliche  Stand  ist 
nicht  ausgeschöpft,  und  ehe  wir  nicht  Sonderwörterbücher  haben,  wird  sich 
keine  sichere  Erkenntnis  erringen  lassen.  Das  16.  Jahrhundert  könnte  uns 
in  seinem  Wortschatz  recht  gut  bekannt  werden,  denn  die  literarische  Tätig- 
keit war  überaus  rege.  Man  denke  nur  an  die  Schriften  eines  Mannes  wie 
Luther.  Aber  ein  Wörterbuch  des  16.  Jahrhunderts  fehlt,  und  das  Luther- 
wörterbuch von  Ph.  Dietz  ist  im  zweiten  Band  stecken  geblieben  (Wörter- 


§  164.  Die  Neuzeit.  257 


buch  zu  Dr.  Martin  Luthers  deutschen  Schriften  1.  Bd.;  2.  Bd.  1.  Lief. 
1870 — 72  bis  M).  Zu  andern  Schriftstellern  gibt  es  zwar  vereinzelt  Wörter- 
verzeichnisse, aber  sie  beschränken  sich  auf  eine  Auswahl  der  Abweichungen 
vom  heutigen  Sprachgebrauch,  Spezialwörterbücher  zu  einzelnen  Schrift- 
stellern wie  Fischart,  Rollenhagen,  Grimnielshausen  wären  dankenswerte, 
nicht  zu  schwierige  Aufgaben.  Außerdem  müßte  zweifellos  ein  großes 
Wörterbuch  des  16.  Jahrhunderts  in  Angriff  genommen  werden. 

Dasselbe,  was  vom  16.  Jahrhundert  gilt,  gilt  auch  von  den  übrigen. 
Zwar  nehmen  nunmehr  die  Wörterbücher  an  Umfang  und  Gediegenheit  zu, 
aber  sie  sind  weit  davon  entfernt,  die  Sprache  ihrer  Zeit  vollständig  zu 
verzeichnen.  Es  wäre  wiederum  eine  dankenswerte  Aufgabe,  die  einzelnen 
Werke  nach  dem  Gesichtspunkt,  welche  Worte  in  ihnen  neu  auftreten,  zu 
vergleichen  und  den  Stoff  zusammenzustellen. 

Ich  habe  die  Absicht  gehabt,  an  der  Hand  des  Weigandschen  Wörter- 
buches, das  zwar  den  Wortschatz  auch  nicht  vollständig,  aber  doch  ziem- 
lich reichhaltig  bietet  und  das  erste  Auftreten  der  Worte  verfolgt,  hier  eine 
Liste  der  in  den  verschiedenen  Abschnitten  der  Neuzeit  neu  auftretenden 
Wörter  zu  geben.  Aber  es  würde  sich  doch  nur  um  eine  tote,  viel  Raum 
verschlingende  Aufführung  von  Worten  handeln,  bei  der  nach  meiner  Ansicht 
zunächst  kein  Vorteil  herausspränge.  Wie  sehr  auf  unserem  Gebiet  alles  im 
argen  liegt,  zeigt  das  kleine  Gottsched-Wörterbuch  von  E.  Reichel,  Berlin  1902. 
Der  Verfasser  tritt  mit  großer  Begeisterung  für  Gottsched  ein,  und  um  dessen 
Bedeutung  auch  als  Sprachschöpfer  zu  zeigen,  hat  er  dieses  Wörterbuch  an- 
gelegt, in  dem  die  Worte  verzeichnet  sind,  die  angeblich  bei  Gottsched  zuerst 
vorkommen.  Aber  bei  genauerer  Untersuchung  zeigt  sich,  daß  unendlich 
viel  davon  schon  früher  gebraucht  worden  ist.  Namentlich  wird  man  bei 
Thomasius  und  Wolff  viel  finden  können,  obgleich  auch  diese  uns  oft  Wort- 
schöpfer zu  sein  scheinen,  wo  sie  es  nicht  sind.  Wolffs  Sprache  hat  neuer- 
dings PiUR  gewürdigt,  vgl.  §  199,  aber  freilich  auch  nicht  eingehend  genug. 

Neues  Leben  entstand  durch  die  literarische  Bewegung,  die  die  Geister 
im  18.  Jahrhundert  erfaßte.  Man  drängte  nach  neuem  Inhalt,  neuen  Formen 
und  neuen  Worten  und  hat  wirklich  unendlich  viel  Neues  geschaffen.  In 
der  Sprache  steht  es  wie  in  der  Natur.  Wie  die  Natur  unendliche  Keime 
ausstreut,  damit  einige  wenige  emporkeimen  und  hundertfältige  Frucht 
bringen,  so. müssen  auch  unzählige  Worte  neugeschaffen  werden,  wenn  die 
Sprache  mit  einigen  dauernd  bereichert  werden  soll.  Wir  sind  in  der  glück- 
lichen Lage,  einige  Werke  zu  besitzen,  die  uns  von  der  Schöpferkraft  der 
damaligen  Zeit  Kenntnis  geben.  Der  Freiherr  Christoph  von  Schönaich 
veröffentlichte  im  Jahre  1754  sein  Buch:  die  ganze  Ästhetik  in  einer  Nuß,  von 
A.  KöSTER,  Berlin  1900,  neu  herausgegeben.  Schönaich  kritisiert  die  Sprache 
der  damaligen  Dichter,  die  nicht  zur  Gottschedschen  Schule  schworen,  nament- 
lich die  der  Schweizer.  „Was  alles  dem  Ohr  des  Sachsen  und  des  Lausitzer 
fremd  klang,"  sagt  der  Herausgeber,  „das  lernt  man  aus  dem  neologischen 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  17 


')i    Z>.   HNTES  Kapitel.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 


Wörterbuch."    Daher  ist  es  denn  eine  Quelle  ersten  Ranges.   Wie  fremdartig 
die  neue  Sprache  erschien,  zeigt  uns  auch  Schönaichs  Epigramm  auf  Hallcr: 

.Nun  kann  der  Kränzen  Witz  an  Hallcr  sich  ersetzen, 
Ach!  wollt'  ihn  einer  uns  ins  deutsch  erst  übersetzen.* 

Schönaich  ist  vcn  Lessing  hart  mitgenommen  worden,  und  er  war  ja  sicher 
kein  bedeutender  Mann.  Wenn  man  aber  das  neologischc  Wörterbuch  durch- 
mustert, so  findet  man  einen  nur  bescheidenen  Teil  von  Worten,  bei  denen  die 
Nachwelt  Schönaich  nicht  recht  gegeben  hat,  das  heißt  die  von  ihm  ver- 
spotteten Worte  aufgenommen  hat.  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle 
sind  die  Neuschöpfungen,  die  er  tadelt,  auch  bald  wieder  verschwunden. 

Anmerkung  1.  Ich  merke  hier  an,  was  sich  an  derartigen  damals  als  neu  und  un- 
gewöhnlich empfundenen  Worten  erhalten  hat:  Abbild,  Abhang  'Seite  des  Berges',  Ab- 
glanz der  Gottheit,  Ahne  statt  Ahnherr,  das  All,  Altvordern.  .Man  sehe  nur 
Nimrod  S.  660.  So  kann  man  auch  Jnnghintern  anstaU  'Enkel'  sagen.  Ich  bekenne  es, 
keine  Sprache  ist  geschmeidiger  als  die  deutsche  und  läßt  sich  mehr  hänseln."  Anblidi, 
anstarren  statt  ansdiauen,  Busensfreund  stau  Herzensfreund,  Bndzwedi,  sidi  ent- 
falten statt  sidi  entwidieln.  Gemengsei  'ein  neues  und  sehr  edles  Wort',  Grat  'der 
Berge',  Trupp  .man  merke  sich  das  deutsche  Wort  'Trupp',  dem  der  Herr  Rath  das  Bürger- 
recht in  der  Bodmerisclien  Sprache  verleihet",  Unbill  „ein  allerliebstes  Wort.  Wir  sind 
noch  nicht  so  weit,  es  zu  verstehen",  versdiämt. 

Anmerkung  2.  Außerdem  hat  Gottsched  selbst  das  Wort  ergriffen.  Was  er  und 
andere  seiner  Zeit  tadeln,  hat  Karl  Müller,  Gottschedliche  Wortverbote,  ZfdU.  19,  745, 
zusammengestellt.  Dahin  gehören:  unerfindlidi,  Beeinträditigung,  Wohlgesinnt- 
heit, Fahrlässigkeit,  wörtlidi,  vergriffen,  Sammler,  Stimmenmehrheit, 
Völkerwanderung,  Urbild  (für  Original),  zerstreut  (frz.  distrait),  Mitglied. 

Eine  weitere  wichtige  Quelle  ist  dann  J.  F.  Heynatz,  Versuch  eines  deutschen 
Antibarbarus  oder  Verzeichnis  solcher  Wörter,  deren  man  sich  in  der  reinen 
deutschen  Schreibart  entweder  überhaupt  oder  doch  in  gewissen  Bedeutungen 
enthalten  muß,  nebst  Bemerkung  einiger,  welche  mit  Unrecht  getadelt  werden. 
Berlin  1796.  Was  der  Verfasser  will,  sieht  man  aus  der  Inhaltsangabe,  und 
so  brauche  ich  mich  über  sein  Werk  nicht  weiter  auszulassen.  Es  ist  auch 
zu  umfangreich,  als  daß  der  Stoff  an  dieser  Stelle  dargeboten  werden  könnte. 

Der  Versuch,  den  Anteil  unserer  großen  Dichter  an  der  Neubildung 
oder  Neueinführung  von  Worten  zu  bestimmen,  kann  heute  auch  noch 
nicht  zu  gesicherten  und  vollständigen  Ergebnissen  führen.  Es  bedarf  auch 
dazu  erst  der  Sonderwörterbücher  zu  jedem  einzelnen  sowie  eingehender 
Untersuchungen.  Hier  ist  die  Mitarbeit  vieler  erwünscht,  die  leider  fehlt 
und  doch  so  dankenswert  und  lohnend  wäre. 

Anmerkung  3.  Auch  Kinderling,  Über  die  Reinigkeit  der  deutschen  Sprache,  Berlin 
1795,  bietet  S.  349  den  .Versuch  eines  V^erzeichnisses  neuer  (guter  und  schlechter)  Wörter 
der  Prosaisten  und  Dichter,  größtenteils  des  achtzehnten  Jahrhunderts. 

Schließlich  hat  dann  das  19.  Jahrhundert  eine  Fülle  neuer  Worte  hervor- 
gebracht. Für  diese  Zeit  würde  eine  Vergleichung  des  heutigen  Wortschatzes  mit 
dem  von  Campe  verzeichneten  zu  recht  bemerkenswerten  Ergebnissen  führen. 

Anmerkung  4.  Es  dürfte  angebracht  sein,  einige  der  Arbeiten,  die  Beiträge  zur 
Geschichte   des   deutschen  Wortschatzes  in   der  neuern  Zeit  liefern,  hier  anzuführen.   Für 


§  165.  Wiederbelebung  alter  Worte.  259 


Vollständigkeit  kann  ich  freilich  nicht  bürgen.  Beiträge  zu  einem  Goethe-Wörterbuch,  Bei- 
heft zum  6. Band  der  ZfdW.,  enthält  W.  Kühlewein,  Präfixstudien  zu  Goethe;  P.Th.Bohner, 
Präfix  un-  bei  Goethe,  Die  Negation  bei  Goethe;  192  Seiten.  —  O.  Brahm,  Deutsches 
Ritterdrama  des  18.  Jahrhunderts;  Quellen  und  Forschungen,  Heft  40.  —  C.  Pfütze,  Die 
Sprache  in  J.  M.  R.  Lenzens  Dramen;  Leipziger  Diss.  1890;  S.  45  ff.  über  den  Wortschatz.  — 
Erich  Schmidt,  Richardson,  Rousseau  und  Goethe,  1875,  S.  256  ff.  —  Würfl,  Über  Klop- 
stocks  poetische  Sprache,  Leipzig  1882.  —  W.  Pfleiderer,  Die  Sprache  des  jungen  Schiller 
in  ihrem  Verhältnis  zur  neuhochdeutschen  Schriftsprache;  Btr.  28,  273  ff.,  über  den  Wort- 
schatz S.  412  ff.  —  Friedrich  M.  E.  Kasch,  Mundartliches  in  der  Sprache  des  jungen  Schiller, 
Greifswalder  Diss.  1900.  —  K.  To.manetz,  Bemerkungen  zu  Grillparzers  Wortschatz,  Ztschr. 
f.  d.  österr.  Gymnasien  44,  289  ff.  —  H.  KüCHLING,  Studien  zur  Sprache  des  jungen  Grill- 
parzer  mit  besondrer  Berücksichtigung  der  Ahnfrau;  Leipziger  Diss.  1900,  besonders  S.40ff.  — 
H.  Petrich,  Drei  Kapitel  vom  romantischen  Stil;  ein  Beitrag  zur  Charakteristik  der  roman- 
tischen Schule,  ihrer  Sprache  und  Dichtung,  mit  vorwiegender  Rücksicht  auf  Ludwig  Tieck; 
Leipzig  1878.  —  Georg  Bormann,  Beiträge  zum  Wortschatze  Höltys;  Greifswalder  Diss. 
1917.  —  Felix  Ott,  R.  Wagners  poetischer  Wortschatz;  Diss.  Gießen  1917. 

§  165.  Wiederbelebung  alter  Worte. 

Literatur:  Karl  Müller,  Die  Wiederbelebung  alter  Worte;  WB.  z.  ZADSV.  2,  57. 

Neben  der  Neuschöpfung  der  Worte  oder  der  Herübernahme  dialek- 
tischer Ausdrücke  in  die  Schriftsprache  dient  aber  seit  dem  18.  Jahrhundert 
auch  die  Neubelebung  alter,  untergegangener  Worte  zur  Bereicherung  unsres 
Wortschatzes.  Worte  vergehen.  Das  ist  eine  altbekannte  Tatsache.  Wird 
eine  Sprache  nicht  schriftlich  niedergelegt,  so  sind  derartige  Worte  unwieder- 
bringlich verloren.  Anders  steht  es,  wenn  geschriebene  oder  gedruckte 
Denkmäler  vorhanden  sind.  Dann  lernt  man  die  ausgestorbenen  Worte  durch 
das  Lesen  wieder  kennen  und  kann  sie  natürlich  auch  wieder  verwenden. 
Das  geschieht  nicht  selten  mit  Absicht.  Schon  Leibniz  empfiehlt  in  den 
'unvorgreiflichen  Gedanken'  §  63  „die  Aufsuchung  guter  Wörter,  die  schon 
vorhanden,  aber  itzo  fast  verlassen,  mithin  zur  rechten  Zeit  nicht  beifallen",  wie 
auch  ferner  „Wiederbringung  alter  verlegener  Worte,  so  von  besondrer  Güte". 

Nun  besaß  man  im  18.  Jahrhundert  ein  älteres  Literaturdenkmal,  das 
man  immer  wieder  las,  und  durch  das  daher  viele  alte  Worte  bewahrt 
blieben  oder  stets  wieder  aufgefrischt  wurden,  das  war  Luthers  Bibelüber- 
setzung. Dem  17.  und  18.  Jahrhundert  schienen  viele  Worte  darin  veraltet. 
Manche  sind  es  geblieben,  aber  viele  sind  heute  wieder  gut  gangbare 
Münze.  Ich  habe  eine  Anzahl  in  dem  Abschnitt  über  die  Sprache  der 
Religion,  §  184,  verzeichnet  und  bemerke  hier  nur,  daß  viele  vielleicht 
nicht  unmittelbar,  sondern  durch  die  Dichtersprache  wieder  aufgefrischt 
sind.  Denn  die  Dichter  des  18.  Jahrhunderts  stiegen  ja  zum  Teil  mit  heller 
Begeisterung  in  den  Schacht  der  altern  deutschen  Sprache. 

Anmerkung.  Über  den  Einfluß  der  Bibel  auf  Schiller  vergleiche  Boxberger,  Die 
Sprache  der  Bibel  in  Schillers  Räubern,  Erfurt  1867,  und  J.  Schlurik,  Schiller  und  die 
Bibel,  Leipzig,  Programm  des  Albert-Gymnasiums  1895. 

Wie  es  mit  den  veralteten  Wörtern  steht,  möge  folgendes  zeigen.  Steinbach  be- 
zeichnet 1734  in  seinem  deutschen  Wörterbuch  folgende  Worte  als  veraltet:  y4mme/- 'Herz- 
kirsche', Au.  Aue.  Banner,  baß.  bieder,  Brosam.  Buhle,  Dirne.  Dung.  Fehde,  Fladen, 
Forst,  Frame  'Franzose',  Gaul,  Hain,  hausen  'wohnen',  Hippe,  Hirn  wird  als  überhaupt 

17* 


260    Zehntes  Kapitel.  Die  allgemeine  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 

nicht  mehr  vorhanden  bezeichnet,  Hort,  Feierkleid  usw.  Adelung  warnte  vor  folgenden 
veralteten  und  z.T.  von  ihm  als  .lächerlich*  bezeichneten  Worten:  anheben,  Abenteuer. 
Absage,  beginnen,  behagen,  behaglich,  bieder,  Bladifeld,  Degen,  tehde,  frommen,  fürbaß, 
gehaben,  Hüne,  Kämpe,  Knappe,  Meistcrsdiaft,  Redte,  Minne,  abhold,  Gau,  Drang,  Wonne, 
weiland,  gebaren,  hehr,  sühnen,  wundersam,  Zier,  zierlidi.  Fast  alle  sind  wohl  nicht  recht 
volkstümlich,  den  Gebildeten  aber  geläufig.  Sie  haben  meist  noch  einen  höhern  Wert, 
stammen  also  aus  der  Dichtersprache. 

Unsere  Dichter  lasen  aber  nicht  nur  die  altern  Schriften,  sondern 
stellten  auch  selbständige  Untersuchungen  an.  So  hat  sich  Lessinq  mit  der 
altern  Literatur  beschäftigt,  er  hat  den  Logau  herausgegeben  und  auch  ein 
Logauwörterbuch  angelegt.  Hier  sagt  er  (Henipelsche  Ausgabe  12,  222): 
.Auf  diese  veralteten  Wörter  liabeii  v.'ir  geglaubt,  daß  wir  unser  Augenmerk  vor- 
nehmlich richten  müßten.  Wir  haben  alle  sorgfältig  gesammelt,  so  viele  derselben  bei 
unserm  Dichter  vorkommen,  und  haben  dabei  nicht  aliein  auf  den  Leser,  der  sie  verstehen 
muß,  sondern  auch  auf  diejenigen  von  unsern  Rednern  und  Dichtern  gesehen,  welche  An- 
sehen genug  hätten,  die  besten  derselben  wieder  einzuführen.  Wir  brauchen  denselben 
nicht  zu  sagen,  daß  sie  der  Sprache  dadurch  einen  weit  größern  Dienst  tun  würden  als 
durch  die  Priigung  ganz  neuer  Wörter,  von  welchen  es  ungewiß  ist,  ob  ihr  Stempel  ihnen 
den  rechten  Lauf  so  bald  geben  möchte." 

Diese  Hoffnung  ist  bei  Logaus  Worten  nur  selten  in  Erfüllung  gegangen. 
Ich  finde  Bankart,  jetzt  Bankert,  Besonnenheit,  bieder,  Brudi  (Hose),  Degen  (Held), 
eignen,  eitel  (nichts  als),  entjungfern,  erkunden,  ernüditern,  feiern  (aufhören  zu  arbeiten), 
frommen,  fürlieb  (statt  vorlieb),   Genoß,  kosen  (reden),   das  Lieb,  Ramme,  reisig  (reiter- 
mäßig), selbander.  Städter,  Stänker,  torkeln,  wallen,  Wegelagerer,  Windei,  Windlidit. 

In  den  .Beiträgen  zu  einem  deutschen  Glossarium'  (Hempel  12,  719  ff.)  stehen  eine 
Reihe  andrer  alter  Worte,  von  denen  einige  wieder  aufgenommen  sind. 

Im  18.  Jahrhundert  ist  auf  diese  Weise  durch  die  bewußte  Arbeit  der  Dichter 
vielerlei  wieder  bejebt  worden,  indem  sie  einzelnes  wieder  hervorholten.  Zu 
einem  besondern  Kunstgesetz  wird  die  Wiederaufnahme  alter  Wörter  in  der 
Romantik.  Vergleiche  die  oben  S.  259  angeführte  Arbeit  von  Petrich  S.43.  Es 
ist  wohl  nur  der  geringen  Verbreitung  ihrer  Dichtungen  zuzuschreiben,  wenn 
nicht  vieles  von  dem,  was  sie  gebrauchen,  durchdringt.  Mit  größerem  Glück  hat 
Uhland  manches  erneuert.  J.Grima\  hat  in  seiner  Begeisterung  für  das  Altertum 
viele  Worte  wieder  neu  einzuführen  versucht,  und  R.Wagner  ist  zweifellos  oft 
mit  Erfolg  in  den  unerschöpflichen  Schatz  der  alten  Sprache  hineingestiegen. 
Anmerkung.  K.Bergmann,  Der  deutsche  Wortschatz,  Gießen  1912,  hat  nach  Weigands 
Wörterbuch  die  neubelebten  Worte  verzeichnet.  Es  sind:  Aar,  Absage,  Altvorderen.  Ansidit, 
bangen,  befehden,  bieder.  Brünne,  daheim,  Degen  'Held',  Eindrudi.  Eldi,  Fehde.  Feme. 
Feuerzauber,  frommen,  frondiercn,  Gastfreund,  gastlidi,  Gau,  Gebilde,  Gesdiehnis.  Halle, 
haselieren,  hehr.  Heim,  Insdirift,  Kämpe,  kosen,  künden,  kündigen.  Leidi.  Lindwurm, 
lugen,  Minne,  Mummensdianz,  Redie.  Stör  'Handwerkerarbeit',  sühnen,  Tafelrunde,  tagen, 
tosen,  Trutzbündnis,  Vatersdiaft.  Wagnis,  Wehrmann.  Wonne,  wundersam,  zog. 

§  166.  Modewörter  und  Schlagwörter.  In  der  neuesten  Zeit  ist  man  noch 
auf  einige  Besonderheiten  aufmerksam  geworden,  die  für  die  Sprachgeschichte, 
das  Alter  und  das  Aufkommen  der  Wörter  von  besondrer  Wichtigkeit  sind. 
Man  spricht  heute  viel  von  Modewörtern  und  Schlagwörtern.  Über 
Modeworte  besitzen  wir  eine  kleine  Studie  von  Hans  Brennert,  Mode- 
worte; aus  dem  Mitteleuropäischen;  Berlin  1898. 


§  166.  Modewörter  und  Schlagwörter.  261 

„Mit  Modeworten,"  sagt  der  Verfasser,  „sind  nicht  die  'geflügelten  Worte'  gemeint, 
die  aus  Zitaten  dichterisclicr  Sentenzen  oder  Redensarten  und  Sprichwörtern  bestehen. 
Vielmehr  jene  Worte,  die  unserm  Sprachschatz  längst  angehören,  aber  plötzlich  in  Mode 
kommen  und  zu  Lieblingsworten  werden,  weil  ihnen  der  unermüdiiclie  Gebrauch  die  er- 
hoffte erheiternde  Wirkung  schließlich  erwirkt  hat.  Aber  auch  ernste  Modeworte  gibt  es, 
die  aber  von  ihrer  feierlichen  Höhe  schHeßlich  docii  herunterpurzeln  und  am  Ende  nur 
mitleidiges  Lächeln  wecken,  nachdem  sie  zuerst  von  allen  Gebildeten  der  Nation  in  An- 
dacht vernommen  waren." 

H.  Brennert  gibt  eine  kleine  Sammlung  derartiger  Modewörter  aus 
der  neuesten  Zeit.  Andere  hat  Wustmann  in  seinen  Sprachdummheiten  ver- 
zeichnet. Für  das  18.  Jahrhundert  hat  W.  Feldmann,  ZfdW.  6, 101,  eine  Reihe 
von  Ausdrücken  zusammengestellt.  Wenn  man  Schriften  früherer  Zeiten  liest, 
wird  man  gelegentlich  auf  Bemerkungen  über  derartige  Modewörter  stoßen. 
So  bietet  z.  B.  Grabbe  ein  Beispiel  in  Scherz,  Satire,  Ironie  und  tiefere  Be- 
deutung. 1,3:  „Die  Wörter  'genial,  sinnig,  gemütlich,  trefflich'  werden  so 
ungeheuer  gemißbraucht,  daß  ich  schon  die  Zeit  sehe,  wo  man,  um  einen  ent- 
sprungenen, über  jeden  Begriff  erbärmlichen  Zuchthauskandidaten  vor  dem 
ganzen  Lande  auf  das  unauslöschlichste  zu  infamieren,  an  den  Galgen  schlägt: 
N.  N.  ist  sinnig,  gemütlich,  trefflich,  genial."  Die  Kenntnis  der  Modewörter  ist 
natürlich  für  das  Verständnis  der  Schriftsteller  einer  Zeit  von  großer  Bedeutung, 
und  es  ist  unbedingt  nötig,  ihnen  die  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Natürlich 
hat  auch  jeder  Schriftsteller,  was  man  damit  vergleichen  kann,  gewisse  Lieb- 
lingswörter. Auch  deren  Geschichte  führt  bei  genauerer  Betrachtung  zu  be- 
merkenswerten Ergebnissen.  Ich  erinnere  nur  an  das  Goethesche  Dumpfheit. 

Anmerkung.  Feldmanns  Untersuchung  sollte  fortgesetzt  werden.  Er  verzeichnet 
und  bespricht  folgende  Ausdrücke:  ätherisdi.  alltäglidi.  Alltags-,  Ansicht  'Meinung',  Auf- 
klärung, von  Belang,  Deutsdiheit,  Eigenheit,  Entsagung,  Gesdiidite,  Glaube  an  uns  selbst, 
Grazie,  Humanität,  Jahrtausend.  Kerl,  Klarheit,  Kleinmeister,  Lektüre,  Mucker,  Mutter  Natur, 
Mutter  Erde,  Natur,  Pflanze  'geistig  minderwertiger  Mensch',  Sdilachtendenker,  Spleen, 
Sturm  und  Drang,  sympathetisdi,  Toleranz,  unendlich,  vernünftig,  Weltgeist.  Dazu  kommen 
eine  Reihe  von  andern,  die  Feldmann  künftig  behandeln  will,  wie  Empfindsamkeit.  Gefühl, 
sdiöner  Geist,  schöne  Seele,  starker  Geist.  Weiblichkeit.  Weltbürger.  Die  Geschichte  des 
Wortes  Genie,  das  auch  hierher  gehört,  hat  Hildebrand  im  Grimmschen  Wörterbuch  auf 
53  Spalten  dargestellt  und  in  diesem  Aufsatz  ein  vollständiges  Kulturbild  entrollt.  Über 
schöne  Seele  vgl.  E.Schmidt,  Richardson,  Rousseau  und  Goethe,  S.  318  ff. 

Noch  bedeutender  als  die  Modewörter  sind  die  Schlagwörter,  auf  die 
zuerst  Richard  M.  Meyer  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat.  Unter  dem  Titel 
'Vierhundert  Schlagworte'  hat  er  in  den  Neuen  Jahrbüchern  für  das  klassische 
Altertum  aus  dem  19.  Jahrhundert  Beispiele  gesammelt  für  Worte,  die  ein- 
mal im  besondern  Sinn  gebraucht,  damit  eine  besondere  Bedeutung  be- 
kommen. Es  haben  sich  viele  dieses  wichtigen  und  anziehenden  Gebietes 
angenommen  und  Otto  Ladendorf  hat  schließlich  in  seinem  'Historischen 
Schlagwörterbuch',  Straßburg  1906,  den  Stoff  alphabetisch  gesammelt  und 
dabei  die  bisherigen  Arbeiten  über  dieses  Gebiet  verwertet.  Sein  Werk 
bildet  eine  lehrreiche  Ergänzung  zu  jedem  Wörterbuch.  Dazu  kommen  eine 
Reihe  kleinerer  Abhandlungen:  A.  Gombert,  Ergänzende  Bemerkungen  über 


262  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


einige  Schlagworte,  ZfdW.  7,  1 ;  A.  Gombert,  Beiträge  zur  deutschen  Wort- 
geschichte, Beigabe  zu  deirSchulnaclirichten  des  König  Wilhehii-Ciyiiinasiums 
zu  Breslau  1908;  O.Ladkndorf,  Schlagworte  und  Verwandtes,  ZfdW,  9, 279  ff.; 
W.  Fi-.LDMANN,  Randglossen  zum  Ladendorf,  ZfdW.  9, 288;  O.  Ladendorf,  ZfdW. 
5,  105 ff.,  6,  46  ff.;  ZfdU.  24,  481  ff.,  560  ff.  Der  Begriff  des  Schlagwortes  läßt 
sich  nicht  genau  begrenzen.  Ladendorf  versteht  darunter  „solche  Ausdrücke 
und  Wendungen,  denen  sowohl  eine  prägnante  Form  wie  auch  ein  ge- 
steigerter Gefühlswert  eigentümlich  ist,  insofern  sie  nämlich  entweder 
einen  bestimmten  Standpunkt  wider  ein  Streben,  eine  Einrichtung,  ein  Ge- 
schehnis nachdrücklich  betonen  oder  doch  wenigstens  gewisse  Untertöne 
des  Scherzes,  der  Satire,  des  Hohnes  und  dergleichen  deutlich  mit  erklingen 
lassen."  Besser  noch  als  diese  Ausführungen  zeigen  Beispiele,  was  Laden- 
dorf meint.  Man  denke  an  Nietzsches  Bildlingsphilister,  Übermensch, 
Herdentier,  an  Heimatkunst,  Fin  de  siecle,  die  Moderne.  „So 
sind",  sagt  Ladendorf  VIII,  „auch  die  Bezeichnungen  großer  literarischer 
Strömungen,  des  Sturms  und  Drangs,  der  Romantik,  des  Jungen  Deutsch- 
lands, des  Realismus  und  Naturalismus,  der  Decadence  und  Heimatkunst 
nicht  nur  selbst  zu  Schlagworten  geworden,  sondern  haben  auch  noch 
zahlreiche  andere  im  Gefolge  gehabt.  Nicht  anders  steht  es  bei  tiefgehenden 
künstlerischen  Prinzipienstreiten.  Neue  Erkenntnisse  und  technische  Fort- 
schritte verlangten  immer  gebieterisch  nach  entsprechenden  sprachlichen  Aus- 
drücken, deren  Schlagkraft  um  so  größer  zu  sein  pflegte,  je  erbitterter  die 
Gegnerschaft  war:  Impression,  Sezession,  Jugendstil  mögen  zeugen  für 
viele."  Derartige  Schlagworte  hat  es  nun  schon  seit  langen  Zeiten  gegeben. 
Will  man  sie  für  die  Sprachgeschichte  verwerten,  so  ist  die  Anordnung 
nach  der  Zeit  des  Auftretens,  wie  sie  R.  Meyer  geboten  hat,  die  einzig 
richtige.  Die  Ordnung  nach  der  Buchstabenfolge  bei  Ladendorf  ist  ja  zum 
Nachschlagen  sehr  bequem,  aber  ihr  mangelt  doch  eben  das,  was  am 
meisten  anzieht,  der  Überblick  über  die  zeitliche  Aufeinanderfolge.  Ein 
einfaches  Verzeichnis  der  Worte,  geordnet  nach  ihrem  Auftreten  am  Schluß, 
würde  diesem  Mangel  leicht  abhelfen. 

Modewörter  wie  Schlagwörter  können  natürlich  wieder  vergehen  und 
in  Vergessenheit  geraten,  und  dann  stehen  wir  solchen  Worten  verständnislos 
gegenüber.  Wer  kann  sich  bei  einem  Gedichte  G.  Kellers,  das  er  Polka- 
kirche überschrieben  hat,  etwas  denken?  R.  Meyer  hat  gezeigt,  daß  Polka 
damals  in  Berlin  und  Norddeutschland  ein  Modewort  war,  um  alles  zu  be- 
zeichnen, was  schön  und  elegant  war,  vielleicht  das,  was  man  jetzt  tip-top 
nennt.  Und  in  diesem  Sinne  gebraucht  es  auch  Keller,  also  'feine,  elegante 
Kirche'.  Anderseits  kann  ein  Wort  lange  bestehen,  ehe  es  zum  Schlagwort 
wird.  So  taucht  Übermensdi  bereits  1527  in  der  theologischen  Literatur 
auf,  wird  dann  ein  Lieblingswort  Herders,  von  dem  es  Goethe  übernimmt 
und  zweimal  gebraucht.  Grabbe  wendet  es  an,  aber  erst  durch  Nietzsche 
wird   es   zum   programmatischen   Schlagwort.   —    „Ultramontan  ist  als 


§  167.  Allgemeines.  263 


geographischer  und  kirchenpolitischer  Ausdruck  dem  18.  Jahrhundert  schon 
ganz  geläufig,"  wird  aber  doch  erst  im  19.  zum  wirklichen  Schlagwort. 

Für  alles  Weitere  sei  auf  die  Schrift  von  Meyer  selbst  verwiesen. 

Nötig  wäre  es,  jede  Zeit  gesteigerter  geistiger  Regsamkeit  besonders 
zu  untersuchen.  Einen  Anfang  nach  dieser  Richtung  macht  Fr.  Lepp  in 
seiner  Freiburger  Dissertation  Schlagwörter  des  Reformationszeitalters,  Leipzig 
1908.  Vieles,  was  damals  geprägt  ist,  ist  rasch  wieder  verschwunden.  Zu 
den  Wörtern,  die  sich  erhalten  haben,  gehören:  Reformation  (15.  Jh.), 
reformieren,  Pharisäer,  Sophist,  sophistisch. 

Diesem  schließt  sich  an  Fritz  Schramm,  Schlagworte  der  Alamodezeit, 
ZfdW.,  Beiheft  zum  15.  Band,  Straßburg  1914.  Die  Alamodezeit  ist  das 
17.  Jahrhundert.  Sie  ist  gekennzeichnet  durch  eine  „umständliche,  bewußt 
gekünstelte,  abgeschmackte  Form  des  Ausdrucks,  die  man  nicht  mit  Un- 
recht mit  dem  gleichzeitigen  Barockstil  in  der  Baukunst  verglichen  hat. 
Literarisch  tritt  dieser  Stil  bekanntlich  am  ausgeprägtesten  in  der  berüch- 
tigten Lyrik  der  sog.  zweiten  schlesischen  Schule  am  Ende  des  Jahrhun- 
derts zutage."  (Schramm  S.  1.) 

„Das  wesentliche  Charakteristikum  der  alamodischen  Sprache",  sagt  Schramm  S.  8 
weiter,  „ist  der  übertriebene  Gebrauch  der  Fremdworte",  und  man  darf  daher  vermuten, 
daß  die  Mode-  und  Schlagworte  dieser  Zeit  im  wesentlichen  Fremdworte  sind.  Das  weist 
denn  auch  Schramm  an  ausgewählten  Beispielen  nach.  Zunächst  kommt  das  Wort  Mode 
selbst,  das  zuerst  in  der  Form  alamode  auftritt  und  geradezu  als  das  Kennwort  dieser 
Zeit  bezeichnet  werden  kann.  Weiter  erhalten  wir  in  dieser  Zeit  oder  es  werden  besonders 
üblich:  Kavalier,  zunächst  aus  italienisch  cavalliere,  Monsieur,  Galan  aus  dem  Spa- 
nischen, Dame,  Madame,  Mätresse,  Kompliment,  das  mundartlich  noch  vorhandene 
Baselman  aus  span.  beso  las  manos  'ich  küsse  die  Hände',  Reputation.  Es  ist  sehr 
bemerkenswert,  daß  eine  Reihe  dieser  Ausdrücke  z.  T.  mit  verschlechterter  Bedeutung  tief 
in  die  Volkssprache  eingedrungen  sind.  Mosjö  ist  obersächsisch  und  norddeutsch  und 
hat  eine  geringschätzende  Bedeutung.  Madam  und  Mamsell  sind  gleichfalls  herunter- 
gestiegen, und  Baselman  lebt  am  Rhein  und  im  Niederdeutschen  in  der  Bedeutung 
'Verbeugung'  fort. 


Elftes  Kapitel. 
Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 

§  167.  Allgemeines.  Die  deutsche  Schriftsprache,  mit  der  sich  alle  Ge- 
bildeten verständigen,  hat  einen  großen  gemeinsamen  Wortschatz;  er  besteht 
aus  den  Worten,  die  jedermann  geläufig  sind,  und  die  man  beim  Schreiben, 
Reden,  Vortragen  usw.  anwendet.  Aber  daneben  besitzt  doch  fast  jeder  seine 
besondere  Sprache,  indem  er,  wenigstens  im  Umgange,  Ausdrücke  gebraucht, 
die  nur  in  seiner  Heimat  oder  deren  engrer  oder  weitrer  Umgebung  üblich 
sind.  Das  sind  die  sogenannten  Provinzialismen.  Da  die  Zeitungen  nament- 
lich in  ihrem  Anzeigeteil  diese  Umgangssprache  aufweisen,  so  ist  das  Lesen 
von  Zeitungen   aus   einer  Gegend,   der  man  nicht  selbst  angehört,   höchst 


264  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  c-       den. 


belehrend.  Aber  derartige  örtlich  beschränkte  Ausdrücke  haben  von  jeher 
auch  Eingang  in  die  Literatur  gefunden  und  finden  ihr.  heute  noch.  Wer 
neuere  Schriften  liest  und  auf  die  örtlichen  Verschiedenheiten  zu  achten 
gelernt  hat,  dem  wird  es  selten  lange  verborgen  bleiben,  ob  ein  nord-  oder 
ein  süddeutscher  Schriftsteller  zu  ihm  spricht.  Namentlich  hat  infolge  der 
politischen  Entwicklung  heute  schon  das  österreichische  Deutsch  eine  be- 
sondere Färbung  angenommen.  Selbst  in  den  Werken  einer  Marie  von  Ebner- 
EscHENBACH  tritt  sie  hervor.  Ebenso  findet  sich  eine  starke  Sonderentwicklung 
in  der  Schweiz,  und  Gottfried  Keller  zeigt  ihm  und  seiner  Heimat  eigen- 
tümliche, nicht  allgemein  gebräuchliche  Worte,  die  ihm  freilich  wahrschein- 
lich ohne  Absicht  in  die  Feder  gekommen  sind,  z.  B.  der  Aufrechte  in 
das  Fähnlein  der  sieben  Aufrechten,  äufnen  'in  die  Höhe  bringen', 
Gegenschwäher.  Betrachten  wir  Dialektschriftsteller  wie  Jere.mias  Gott- 
HELF,  Rosegger,  SO  Steht  es  mit  dem  Wortschatz  wesentlich  anders.  Bei 
ihnen  finden  wir  Abweichungen  vom  schriftsprachlichen  Gebrauch  auf 
Schritt  und  Tritt.  Noch  stärker  werden  diese  in  den  unverfälschten  Mund- 
arten.  Da  bestehen  die  größten  Verschiedenheiten  im  Wortschatz, 

Unterschiede  im  Wortschatz  einer  Sprache  hat  es  zu  allen  Zeiten  gegeben.  Man 
nimmt  sie  schon  für  das  Indogermanische  an,  nnd  das  ist  durchaus  notwencfig  und  eigentlich 
selbstverständlich.  Aber  wir  können  kaum  etwas  mit  Sicherheit  nachweisen.  Auch  hier 
bekommen  wir  erst  wieder  sichern  Boden  unter  den  Füßen,  wenn  wir  uns  zu  den  Zeiten 
mit  schriftlicher  Überlieferung  wenden  Es  ist  bekannt,  daß  innerhalb  des  germanischen 
Dialektgebietes  schon  in  der  ältesten  Zeit  Verschiedenheiten  bestehen.  Das  Gotische  sagt 
taujan  für  d.  tun,  aipei  für  Mutter,  atta  für  Vater  usw.  Und  ebenso  ist  es  innerhalb  des 
Deutschen.  Wir  haben  in  althochdeutscher  Zeit  ein  Stück  Neuen  Testamentes  bei  Tatian 
und  in  dem  Monsee- Wiener  Fragmente.  Hier  finden  sich  bemerkenswerte  Unterschiede: 
sprihhit  —  quidit.  iwln  —  zuowartün  'Ewigkeit',  tuon  —  wurken  usw.  Eine  tiefgehende 
Untersuchung  nach  dieser  Richtung  unternimmt  jetzt  E.  Gut.macher,  Der  Wortschatz  des 
althochdeutschen  Tatian  in  seinem  Verhältnis  zum  Altsächsischen,  Angelsächsischen  und 
Altfriesischen,  PBr.Btr.  39,  1—83,  229—289.  Er  weist  nach,  daß  der  Wortschatz  Tatians  in 
vielen  Fällen  nicht  zum  Oberdeutschen,  sondern  zum  Niederdeutschen  und  vor  allem  zum 
Angelsächsischen  stimmt.  Trotzdem  handelt  es  sich  dabei  nicht  etwa  um  einen  Einfluß 
des  Angelsächsischen,  sondern,  wie  der  Verfasser  richtig  bemerkt,  um  ein  Problem  d^r 
westgermanischen  Wortgeographie.  —  Besonders  bemerkenswert  sind  die  Worte,  die  bei 
Tatian  fehlen,  uns  aber  geläufig  sind,  und  umgekehrt  die,  die  Tatian  hat,  die  aber  dem 
Oberdeutschen  fremd  sind.  Zur  ersten  Gruppe  gehören:  erkennen.  1.  inkennen,  Demut . 
T.  ödmuoti,  dulden,  T.  tholrn,  freuen,  T.  gifehan,  Freude,  T.  gifeho,  Sdiatten,  T. 
scüwo,  s dielten,  T.  increbön.  Sdiöne,  T.  fagari.  Trost,  T.  fluobra,  trösten,  T.  fluo- 
biren,  trauern,  T.  truoben,  zeigen,  T.  zougen,  zweifeln,  T.  gizunetön,  madien,  T. 
tuon.  Man  darf  wohl  annehmen,  daß  wir  mit  diesen  Worten  oberdeutsches  Sprachgut  in 
unsre  Schriftsprache  aufgenommen  haben. 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Wortschatz  der  Schriftsprache  und  dem 
der  Mundart  ist  aber  nicht  nur  der,  daß  die  Schriftsprache  gewisse  Aus- 
drücke der  Mundarten  nicht  kennt,  oder  daß  die  Mundarten  andere  Aus- 
drücke für  unsere  gewöhnlichen  haben,  sondern  es  ist  noch  eine  ganz 
wesentliche  Artverschiedenheit  vorhanden.  Die  Schriftsprache  besitzt  in  viel 
höherm  Maße   als  die  Mundart  Ausdrücke  für  Allgemeinbegriffe,   während 


167.  Allgemeines.  265 


diese  vielfach  auf  dem  oben  S.  98  geschilderten  altern  Zustand,  in  dem 
man  noch  über  viele  Einzclausdrücke  verfügt,  beharrt.  Auf  der  andern 
Seite  hat  die  Schriftsprache  nicht  selten  Neubildungen  eingeführt,  um  gegen- 
über der  Vielheit  und  Verschiedenheit  der  mundartlichen  Ausdrücke  verständ- 
lich zu  werden.  So  gilt  in  der  Schriftsprache  Hündin,  was  eigentlich  dem 
ganzen  Sprachcharakter  widerspricht.  Denn  bei  den  Haustieren  wird  das 
Weibchen  meist  durch  ein  besonderes  Wort  bezeichnet,  wie  denn  auch  die 
Mundarten  verschiedentlich  derartige  selbständige  Worte  lux  Hündin  besitzen. 
Für  Schmetterling  gibt  es  zahlreiche  mundartliche  Ausdrücke, J)  ebenso  für 
einzelne  Fische,  Vögel  usw.  Kurz  der  Dialekt  übertrifft  die  Schriftsprache 
durch  die  Fülle  alter  Ausdrücke  für  die  einzelnen  konkreten  Begriffe.  Vgl. 
auch  Behaghel,  Schriftsprache  und  Mundart  S.  9  (Gießen  1906):  „Unsere 
deutschen  Mundarten  gehen  in  einem  Teil  ihres  Wortbestandes  sehr  stark 
auseinander,  in  einem  andern  stimmen  sie  überein.  Und  zwar:  je  sinn- 
licher, je  greifbarer  die  Anschauungen,  desto  größer  die  Verschiedenheiten; 
je  verblaßter  die  Vorstellungen,  um  so  weiter  reicht  die  Gleichheit." 

Wenn  wir  in  der  Schriftsprache  unsrer  Gebildeten  heute  eine  ver- 
hältnismäßig große  Einheitlichkeit  finden,  so  ist  das  erst  das  Ergebnis  einer 
langen  Entwicklung,  der  Arbeit  einer  Reihe  von  Grammatikern  und  Lexiko- 
graphen und  des  Einflusses  bedeutender  Schriftsteller.  Diese  Einheitlich- 
keit ist  verhältnismäßig  jung.  Noch  im  46.  Jahrhundert  stand  neben  dem 
Mitteldeutschen,  aus  dem  unsere  Schriftsprache  erwachsen  ist,"  das  Ober- 
deutsche, wie  sich  heute  noch  das  Niederdeutsche  erhalten  hat,  und  nur  eine 
Reihe  besondrer  Umstände  haben  dem  Mitteldeutschen  zum  Siege  verhelfen. 

Aber  wenn  auch  unser  Wortschatz  zum  großen  Teile  mitteldeutsch  ist, 
so  hat  er  doch  daneben  genug  Worte  aus  den  andern  Dialektgebieten  auf- 
genommen. Noch  heute  gibt  es  ja  überall  neben  der  Schriftsprache  die  Volks- 
mundarten mit  ihrem  abweichenden  Wortschatz,  und  sehr  leicht  gebraucht 
man  Ausdrücke  des  Heimatdialektes.  Das  geht  jedem  so.  Wenn  nun  ein 
Schriftsteller  viel  gelesen  wird,  so  kann  es  natürlich  leicht  kommen,  daß 
manches  seiner  Worte,  das  ursprünglich  nur  einer  bestimmten  Gegend  an- 
gehörte, allgemein  üblich  wird.  Man  braucht  nur  an  Frenssen  zu  erinnern,  durch 
dessen  Schriften  zahlreiche  niederdeutsche  Worte  bekannt  geworden  sind. 

Seit  wann  beginnt  nun  die  Einwirkung  des  mundartlichen  Wortschatzes 
auf  die  Schriftsprache?  „Er  beginnt  von  dem  Augenblick,"  sagt  Behaghel, 
„wo  es  eine  Schriftsprache  gibt,  dies  Wort  im  eigentlichsten  Sinne  ge- 
nommen, in  dem  einer  Sprache,  die  geschrieben  wird.  Denn  das  Schreiben 
ist  eine  schwere  Kunst,  und  man  schließt  sich  in  allen  Dingen,  in  der 
Schreibung  und  im  Ausdruck,  gern  an  die  vorhandenen  Muster  an."  Je 
stärker  eine  Sprache  zum  schriftlichen  Gebrauch  verwendet  wird,  um  so 
stärker  mischt  sich   auch   der  Wortschatz    der  Mundarten.     In  seiner   be- 

')  Er  heißt  Müllermaler.  Sommervogel,      maus,  Mildi-  oder  Molkendieb.  Smantledter, 
Baufalter,  Weifalter,  Fledermaus.   Platter-   j   Buttervogel,  Butterfliege. 


266  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


deiituiigsvoUen  Rektoratsrede  'Schriftsprache  und  Mundart'  hat  Bchai^hel 
auf  die  richtige  Tatsache  hingewiesen,  daß  aus  Norddeutschland  gebürtige 
Schriftsteller  im  Mittelalter  sich  den  Wortfornien  und  dem  Wortschatz  des 
Hochdeutschen  anbequemen,  G.  Roethe  hat  dies  dann  in  seinem  Buche 
Die  Reimvorreden  des  Sachsenspiegels  weiter  ausgeführt.  Diesen  Einflüssen 
und  dieser  besondern  Herkunft  der  Worte  nachzugehen,  ist  gewiß  eine  der 
anziehendsten  Aufgaben  der  Wortforschung. 

<}  168.  Einfluß  der  Mundarten  auf  die  Entwicklung  des  deutschen  Wortschatzes. 
Unser  Deutsch  zerfällt  bekanntlich  in  drei  große  Dialektgebiete:  Oberdeutsch, 
Mitteldeutsch  und  Niederdeutsch.  Während  nun  die  beiden  ersten  in  laut- 
licher Beziehung  gegenüber  dem  Niederdeutschen  als  eine  Einheit  charak- 
terisiert sind  durch  die  sogenannte  hochdeutsche  Lautverschiebung,  steht  es 
bei  dem  Wortschatz  anders.  In  diesem  Punkte  stimmt  das  Mitteldeutsche 
in  viel  stärkerm  Maße  zum  Niederdeutschen  als  zum  Oberdeutschen.  Ja 
wir  finden  die  Verwandten  der  mitteldeutschen  Worte  oftmals  eher  im  Eng- 
lischen als  im  Oberdeutschen.  Das  wird  für  die  althochdeutsche  Zeit  durch 
die  oben  erwähnte  Arbeit  von  Gutmacher  auf  das  schlagendste  erwiesen. 
Btr.  39, 275  faßt  er  seine  Ergebnisse  dahin  zusammen :  „Von  zirka  2030  Worten, 
die  im  Tatian  vorkommen,  sind  280  den  übrigen  ahd.  Quellen  fremd,  es 
kehren  von  ihnen  120  im  Angelsächsischen,  bezw.  im  Altsächsischen,  Mittel- 
niederdeutschen und  Mittelniederländischen  wieder."  Allerdings  haben  wir 
heute  nur  wenige  davon.  Dieser  Gegensatz  im  Wortschatz  trat  den  Beteiligten 
besonders  stark  in  den  Zeiten  der  Reformation  entgegen.  Luther  schrieb 
mitteldeutsch  und  gebrauchte  natürlich  den  mitteldeutschen  Wortschatz.  Mit 
ihm  trat  das  Mitteldeutsche  selbständig  neben  das  Oberdeutsche,  ja  dieses 
verlor  seine  führende  Stelle.  Was  man  damals  schon  deutlich  erkannt  hat,  das 
wird  durch  die  Sprachdenkmäler  des  16.  Jahrhunderts  auf  Schritt  und  Tritt 
bestätigt.  In  seinem  Buche  'Von  Luther  bis  Lessing'  4.  Auflage,  1904,  S.  86 
hat  Fr.  Kluge  auf  eine  Reihe  wichtiger  Tatsachen  aufmerksam  gemacht. 

Die  Luthersche  Bibelübersetzung  war  in  Oberdeutschland  einfach  nicht 
verständlich,  und  wenn  man  auch  die  Übersetzung  im  allgemeinen  an- 
erkannte, so  änderte  man  doch  in  Oberdeutschland  viele  Worte.  Besonders 
wichtig  „ist  die  Ingolstädter  Bibel,  die  von  Luther  und  Emser  ausgeht,  die 
aber  Eck  nach  den  Angaben  seiner  Vorrede  durch  absichtliche  Änderungen 
von  der  mitteldeutschen  Bibel  entfernt  hat,  um  sie  der  Mundart  der  Donau- 
lande, namentlich  auch  im  Wortschatze,  anzupassen".  Als  weitere  Vergleiche 
hat  Kluge  a.a.O.  die  Zürcher  Bibel  von  1530  und  die  Wormser  Propheten- 
übersetzung von  1527  herangezogen.  Es  zeigte  sich  dabei,  daß  diese  drei 
zwar  in  zahlreichen  Fällen  gegen  Luther  übereinstimmen,  daß  aber  trotz- 
dem in  den  allermeisten  Fällen  der  Luthersche  Ausdruck  gesiegt  hat. 
Genaueres  findet  man  außer  in  der  angeführten  Schrift  noch  bei  Lindmeyer, 
Der  Wortschatz  in  Luthers,  Emsers  und  Ecks  Übersetzung  des  Neuen 
Testamentes,  Straßburg  1899,  und  bei  Byland,  Der  Wortschatz  des  Zürcher 


§  168.  EINFLUSS  D.  Mundarten  auf  d.  Entwickl.  d.  deutschen  Wortschatzes.    267 


Alten  Testaments  von  1525  und  1531  verglichen  mit  dem  Wortschatz  Luthers, 
Berlin  1903. 

Anmerkung  1.  Anmerkungsweise  möchte  ich  wenigstens  einiges  aus  dem  reichen 
Stoff  anführen.  Der  erste  Ausdruck  steht  bei  Luther,  der  zweite  ist  oberdeutsch.  Abend 
'Himmelsgegend'  —  Niedergang  der  Sonnen;  äffen  —  betriegen:  afterreden  —  nadi- 
reden;  ähnlich,  bei  Eck  die  Randglosse  gleich;  alber —  unartlidi;  anbeißen  —  essen; 
anleiten  —  underweißen;  auf  dedien  —  entdedien;  bang  —  angst;  bedenken  —  be- 
sdiließen;  bekennen  (die  Sünde)  —  beiditen;  bersten  —  bredien;  Besdieid  —  Er- 
manen;  Beutel  —  Sedtel;  borgen  —  lehen;  Born  —  Brun;  brausen  —  rausdien; 
brennen  —  brinnen;  Brunst  —  Begird;  Buhler —  Unkeusdier;  darben  —  notleiden, 
bedürfen;  darbieten  —  darreidien;  dumm  (vom  Salz)  —  bei  Eck  erläutert  durch  Un- 
gesdimadi;  Erdbeben  —  Erdbidem;  fett  —  feist;  Flasdie  —  Läget;  flugs  —  bald; 
freien  —  heiraten;  fühlen  —  empfinden,  greifen,  wissen;  Gefäß  —  Gesdürr;  ge- 
hordien  —hören,  zuhören;  Gelte  —  Eimer;  Getreide  —  Frucht;  Grenze  —  Gegend, 
Ende;  Hälfte  —  Halbe;  Halle  —  Kapelle;  hasdien — greifen:  Haushalter  —  Auß- 
tailer;  heucheln  —  Gleißnerei  treiben;  Heudiler  —  Gleißner;  Hippe  —  Sichel;  Hügel  — 
Bühel;  Hürde  —  Pferridi;  es  jammert  —  es  erbarmt;  judten  —  krauen;  Kahn  — 
Nadien;  keltern  —  treten;  Kluft  —  Sdilundloch ;  klug  —  witzig,  weiß;  Klugheit  — 
Vernunft;  knirsdien  —  grissgramen;  Kriegsknedit  —  Söldner;  Küdilein  —  Hünle; 
lauern  —  aufsetzig  sein;  löken  (wider  den  Stachel)  —  treten;  Lippe  —  Lefze;  Lotter- 
bube —  Schweizer;  Mahl  —  Wirtschaft;  mieten  —  bestellen,  dingen;  AI or^£'/z -(Himmels- 
gegend) —  Aufgang  (der  Sonnen);  Motten  —  Schaben;  Müdie  —  Schnadie;  Otter  — 
Natter;  Pfuhl  —  Teich;  prüfen  —  bewähren;  Rabe  —  Rape;  Rätsel  —  Rätersdi; 
rechten  (streiten)  —  vor  Gericht  zanken;  Schalksknecht  —  sdialkhaftiger  Knecht; 
Schaubrot  —  Opferbrot;  scheel  —  schellig;  Sdierflein  —  Heller,  Ortlin;  Sdieffel  — 
Metze;  schenken  —  begaben;  Sdieune  —  Scheuer;  Scheusal  —  Anstoß;  schmecken  — 
versuchen;  Seuche  —  Siechtum;  sichten  —  räden;  Stange  —  Kolben;  Splitter  — 
Agen(e);  Sperling  —  Spatz;  Stätte  —  Statt;  stäupen  —  schlagen;  Steig  —  Weg; 
steinigen  —  versteinen;  sich  stellen  —  gebaren;  störrig  —  unfriedlich;  Stufe  — 
Staffel;  Südwind  —  Mittagswind;  tauchen  —  eintunken;  täusdien  —  betriegen; 
Träne  —  Zäher,  Träher;  Ton  —  Hall;  Töpfer  —  Hafner;  Ufer  —  Gestade  usw. 
Nicht  alle  Wörter  indes,  die  in  den  oberdeutschen  Bibeln  ersetzt  werden,  sind  dem  Ober- 
deutschen ganz  fremd  gewesen,  vgl.  v.  Bahder,  Zeitschrift  für  hochdeutsche  Mundarten 
1,  299,  wo  er  ähnlich,  Eifer,  heucheln,  Trödel  bespricht. 

Da  die  Luthersche  Bibelübersetzung  in  protestantischen  Kreisen  ein  so 
großes  Ansehen  genoß,  so  wagte  man  teilweise  auch  in  oberdeutschen 
Nachdrucken  die  Wortwahl  nicht  zu  ändern,  und  man  konnte  der  Hoffnung 
Ausdruck  geben,  man  werde  sich  leicht  an  den  fremdartigen  Sprachgebrauch 
gewöhnen.  Um  die  Schwierigkeiten  des  Verständnisses  zu  erleichtern,  „er- 
sann ein  Basler  Buchdrucker  Adam  Petri,  der  eine  Zeitlang  die  ober- 
rheinischen Lande  mit  zahlreichen  Nachdrucken  des  Neuen  Testaments 
versah  und  so  die  Reformation  kräftig  förderte",  das  Auskunftsmittel,  dem 
Abdruck  ein  Wortregister  beizugeben,  das  „die  ausländischen  Wörter  auf 
unser  (Baslerisches)  Teutsch  anzeigt":  „So  icli  gemerckt  hab,  daß  nltt 
yederman  verston  mag  ettliche  Wörter  im  yetzt  gründtltdien  verteiiischten 
neuwen  testament;  doch  die  selbigen  wörtter  nit  on  schaden  hetten  mögen 
verwandlet  werden,  hab  ich  lassen  die  selbigen  auff  unser  hoch  teutsch 
außlegen  und  ordenlich  in  ein  klein  register  fleißlich  verordnet. " 


268  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


Dieses  Verzeichnis,  wenn  auch  voller  Mängel,  ist  sehr  beachtenswert, 
weil  daraus  hervorgeht,  welche  Worte  man  nicht  verstand.  Manche  Worte 
sind  ja  jetzt  auch  für  uns  veraltet,  oder  außer  Gebrauch  gekommen,  aber 
sehr  viele,  ja  die  allermeisten  haben  sich  erhalten  und  allgemeine  Geltung 
in  der  Schriftsprache  bekommen. 

Anmerkung  2.  Die  oberdeutschen  Bibelglossen  und  ihr  Verhältnis  zueinander  sind 
von  Fritz  Dauner,  Die  oberdeutschen  Bibelglossen  des  XVI.  Jahrhunderts,  Freiburger  Diss., 
Darmstadt  1898,  untersucht  worden.  Auch  aus  diesem  Glossar  mögen  einige  Belege  hier 
folgen,  wobei  die  schon  angeführten  nicht  weiter  erwähnt  werden.  Das  zweite  Wort  gibt 
die  Erklärung  des  Lutherschen.  Anstoß  —  Ergernnß,  Stratichlitng:  Aufschub  —  Verzug: 
besudlen  —  verunreinen,  beflecken:  beteuben  —  trunken,  kraftlos  madien:  deutlicii  — 
öffentlich,  merklicii:  empören  —  erheben,  strensen:  entkamen  —  entrunnen,  entliefen: 
ernten  —  schneiden:  Eifer  —  Ernst:  Feldweg  —  Rast.  Roßlauf:  flehen  —  bitten, 
ernstlich  begehren:  flicken  —  bletzen:  Frümmen  —  Nutz,  Gewinn:  Gebühr —  billich. 
gemäß:  gedeihen  —  wachsen,  zunehmen:  Gegend  —  Landschaft:  Geheimnis  —  Heim- 
lidikeit.  Sakrament :  Gerildit  —  Gesdirei.  Leumed:  Getümmel  —  Ungestüm.  Aufruhr: 
getüncht  —  geweißt;  harren  —  warten,  bellen:  haudien  —  blasen,  wehen:  härmen  — 
bekümmern:  heiraten  —  mannen,  ehelichen:  höhnen  —  spotten  sdienden:  Kehridit  — 
Staub,  Kutter:  kostet  —  versudiet,  schmückt:  Lappen  —  Stuck.  Pletz.  Lump:  lenken  — 
umkehren,  umwenden:  malmen  —  zermalmen:  Markt  —  Fleck,  Dorf:  Meudiel- 
mörder  —  heimlidi  Mörder:  Narben  —  Wunden.  Malzeichen:  Panier  —  Banner: 
Preis  —  Lob,  Ruhm:  Qual  —  Pein.  Krankheit:  quälen  —  peinigen,  quetschen: 
rasen  —  toben,  unsinnig:  rasseln  —  braspeln,  rauschen:  Raum  —  Weite.  Platz: 
rügen  —  sehenden,  sdiand  entdecken:  ruditpar —  ausgerüfft.  lautprecht :  Rüstzeug  — 
Werckzeug:  Sdiaubrot  —  heilig  Brot,  gewidit  Brot:  sdiautragen  —  öffentlidi  tragen: 
scheel  —  schielen,  übersidüig:  Sdiladittag  —  Metzeitag.  Tag  der  Wirtschaft:  schmucken  — 
zieren,  aufmutzen:  Schwelgerei —  Überfluß  in  Essen  und  Trinken:  schwulstig  —  auf- 
geblasen: Soller  —  Saal,  Summerlaub :  Spaltung  —  Zanck,  Zwitracht:  Stadiel  — 
eisene  Spitz  an  der  Stangen:  tadle n  —  strafen,  nadireden:  taugt  nit  —  ziemt  nicht, 
ist  unbillidi:  verhüllet  —  verbunden,  umwickelt:  versdimaditen  —  verkamen,  ver- 
derben: undeutlich  —  unverstündlidi :  untüchtig  —  ungesdiickt,  unnütz;  untadelidi  — 
unstrüflidi;  unverwelklich  —  allweg  grünend,  nit  welk:  wetterwendisch  —  unstet 
weiland  —  etwen.  vor  Zeiten;  wichtige  —  sdiwere,  lastig:  Ziegenfell  —  Geißfell, 
Kitzenfell;  zerschellen  —  zerkloben.  zerspalten.  Vgl.  auch  noch  Andreas  Scholl,  Adam 
Petris  Bibelglossen,  Freib.  Diss.  1908. 

Seit  wir  demnach  eine  gedruckte,  viel  gelesene  Literatur  besitzen,  haben 
sich  die  Fälle  immer  stärker  gemehrt,  in  denen  Worte  eines  Schriftstellers 
nicht  aus  der  heimischen  Mundart  stammen,  sondern  wo  sie  aus  der  Literatur 
übernommen  eigentlich  ganz  wo  anders  heimisch  waren.  Je  bedeutender  ein 
Schriftsteller  ist,  um  so  mehr  wird  sein  mundartlicher  Wortschatz  für  andere 
maßgebend  werden,  und  dementsprechend  werden  wir  zu  verschiedenen 
Zeiten  verschiedene  Landschaften  den  Wortschatz  der  Schriftsprache  beein- 
flussen sehen.  So  herrschte  im  Mittelalter  zweifellos  das  Oberdeutsche,  und 
die  niederdeutschen  Schriftsteller  nahmen  gern  hochdeutsche  Worte  auf. 
Dann  wurde  durch  Luther  der  mitteldeutsche  Wortschatz  maßgebend,  und 
der  Leipziger  Diktator  Gottsched  hat  sicher  diesen  Einfluß  noch  verstärkt. 
Aber  durch  Leute  wie  Wieland,  Schiller  und  auch  Goethe  haben  wir  wieder 
eine  Reihe   oberdeutscher  Ausdrücke   erhalten.    Fr.  Kluge  hat   neuerdings 


§  169.  Hilfsmittel  z.  Bestimm,  d.  Herkunft  d.  Wörter.  §  170.  1.  Form  d.  Wörter.     269 

auf  diesen  oberdeutschen  Einschlag  in  unserm  Wortschatz  hingewiesen. 
Wenn  er  auch  ziemlich  bedeutend  ist,  so  wifd  er  doch  mit  der  Zeit  von 
dem  niederdeutschen  immer  mehr  übertroffen.  Eine  ganze  Reihe  von 
Schriftstellern  des  18.  Jahrhunderts,  wenn  auch  nicht  allerersten  Ranges,  so 
doch  von  andauernder  Wirksamkeit  stammten  aus  Norddeutschland.  Man 
braucht  nur  an  Bürger,  Voss,  Campe  zu  denken.  Und  dieser  Einfluß  hat 
sich  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  noch  verstärkt.  Hervorragende  Dichter 
und  Schriftsteller  wie  Hebbel,  Storm,  Fontane,  Mommsen,  Geibel,  Raabe, 
Ranke  sind  Niederdeutsche.  Wenn  bei  einzelnen  auch  die  mundartlichen 
Elemente  sehr  zurücktreten,  manche  wie  Fontane  lassen  doch  die  Umgangs- 
sprache stark  zu  ihrem  Recht  komimen,  und  viele  niederdeutsche  Worte 
gehen  dadurch  in  den  allgemeinen  deutschen  Wortschatz  über.  Man  darf 
in  neuerer  Zeit  auch  die  Zeitungen  nicht  übersehen.  In  diesem  Punkt 
herrscht  Berlin,  also  Niederdeutschland.  So  wird  zweifellos  der  Wortschatz 
immer  mehr  verniederdeutscht  werden.  Man  wird  dies  nicht  als  Unglück 
betrachten  dürfen,  vielmehr  ist  es  ja  vielleicht  überhaupt  zu  bedauern,  daß 
nicht  das  Niederdeutsche  die  Grundlage  unsrer  Schriftsprache  geworden  ist. 

§  169.  Hilfsmittel  zur  Bestimmung  der  Herkunft  der  Wörter.  Es  ist  nun 
eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Wortforschung,  der  Zusammensetzung 
unseres  Wortschatzes  in  dieser  Beziehung  nachzugehen,  und  auch  für  den 
Unterricht  ist  es  von  großer  Bedeutung,  den  Schüler  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  ob  ein  Wort  bodenständig  ist,  das  heißt  der  heimischen  Mund- 
art angehört,  oder  ob  es  dort  ganz  unbekannt  ist.  Natürlich  muß,  wenn 
das  Wort  nicht  einheimisch  ist,  die  Frage  aufgeworfen  werden,  welches 
Wort  die  Mundart  dafür  gebraucht.  Mit  Notwendigkeit  führt  das  dann  auf 
literar-  wie  kulturgeschichtliche  Fragen. 

Hier  kann  freilich  wieder  nicht  der  ganze  Stoff  vorgeführt  werden, 
sondern  es  kann  sich  nur  um  die  Erörterung  der  Mittel  und  Wege  handeln, 
mit  und  auf  denen  wir  die  mundartliche  Herkunft  der  Wörter  unsrer  Schrift- 
sprache enthüllen  können. 

An  Hilfsmitteln  gibt  es  folgende: 

§  170.  1.  Die  Form  der  Wörter.  Die  Entv^icklung  der  einzelnen  Laute  ist 
im  Deutschen  nicht  überall  gleichmäßig  vor  sich  gegangen,  sondern  wir  finden 
mannigfache  Verschiedenheiten.  Die  meisten  Wörter  zeigen  nun,  entsprechend 
der  Herkunft  unsrer  Schriftsprache,  den  mitteldeutschen  Lautstand,  dessen  all- 
gemeine Entwicklung  oben  S.  25  ff.  kurz  dargestellt  ist.  Wörter  also,  die  aus 
einem  andern  Gebiet  stammen,  werden  nicht  selten  auch  eine  besondere  laut- 
liche Gestaltung  zeigen,  durch  die  allein  schon  ihre  Herkunft  enthüllt  wird. 
Dabei  ist  freilich  nicht  zu  vergessen,  daß  Wörter  auch  fremd  sein  können, 
ohne  etwas  Besonderes  in  ihrer  äußern  Gestalt  zu  zeigen.  Daß  Heimweh 
ein  Schweizerwort  ist,  kann  man   aus   lautlichen  Gründen  nicht  erkennen. 

Die  folgende  Zusamm.enstellung  stützt  sich  auf  die  beiden  besten  Dar- 
stellungen der  deutschen  Grammatik,  auf  W  .Wilmanns'  deutsche  Grammatik 


270  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 

Bd.  1  und  O.  Bkhaqhi:l,  Geschiclite  der  deutschen  Sprache,  2.  Aufl.  Sonder- 
abdruck aus  der  zweiten  Auflage  von  Pauls  Grundriß  der  germanischen  Pliilo- 
logie,  Straßburg  1905,  4.  Aufl.  1916  sowie  auf  K.  v.  Bahdkrs  Grundlagen  des 
neuhochdeutschen  Lautsystems,  Straßburg  1890,  wo  Genaueres  zu  finden  ist. 

A.  VOKALISMUS. 

1 .  Unter  dem  Einfluß  von  Labialen,  vor  /  und  sdi,  vor  Affrikaten  und  sonst 
werden  e,  ei,  i  zu  ö,  eii,  ü  gerundet,  namentlich  im  Ostfränkischen  und 
Südthüringischen  (auch  im  Schweizerischen),  und  es  sind  daher  eine  Reihe 
von  Worten  mit  dieser  Lautform  in  die  Schriftsprache  aufgenommen  worden: 

dörren,  alid.  derben;  —  erlösdieri,  ahd.  irleskan;  —  Flöz,  ahd.  f/ezzi;  —  Hölle,  ahd. 
Hella,  e.  kell;  —  lödcen  'mit  den  Füßen  ausschlagen',  mhd.  ledien,  gr.  /.üyfiijy  {U'igd<pn) 
mit  den  Füßen  ausschlagend';  —  Löffel,  mhd.  leffel;  Rotzlöffel  zu  Laffe;  —  lösdien, 
ahd.  leskan;  —  Löwe,  mhd.  Icwe;  —  nörgeln  neben  nergeln;  —  sdiwören,  mhd.  swern, 
e.  swear;  —  Sdtöffe,  ahd.  skeffeno;  —  sdiöpfen,  mhd.  sdiepfen;  —  Gesdiöpf,  bei  Luther 
Gesdiepffe ;  —  sdiröpfen,  mhd.  sdirepfen ;  —  stöhnen,  mhd.  stenen ;  —  wölben,  mhd.  weihen ;  — 
zwölf,  e.  twelve,  got.  twalif;  —  gewöhnen,  mhd.  gewenen;  —  Wort,  mhd.  wert,  ahd. 
warid;  —  pökeln,  nd.  pekeln;  —  ergötzen,  mhd.  ergetzen  (noch  Adelung  verlangt  e  und 
daher  auch  bei  Goethe  Ausgabe  letzter  Hand);  —  Gewölle,  mhd.  gewelle;  —  Kröte,  ahd. 
kreta;  —  Köder,  ahd.  querdar;  —  Sdiönbart,  mhd.  sdiemebart  zu  mhd.  sdieme  'Schatten';  — 
Möwe,  ahd.  mPh,  e.  mew;  —  rö(h)ren  'laut  schreien',  ahd.  nrf-n,  e.  roar  'blöken,  brüllen';  — 
Höhrandi  aus  heraudi,  \cizt  amüich  wieder  Hera udi  geschrieben;  —  Würde,  ahd.  wirdi;  — 
flüstern,  noch  im  \%.  Sh.  flistern,  ahd.  flistiran  'liebkosen';  —  rüffeln,  'einen  durch  die 
Riffel,  t.  ripple,  ziehen';  —  Würze  'das  noch  nicht  gegorene  Bier',  ahd.  ziy/rz 'Birnenmost', 
e.  wort  'Bierwürze' ;  —  abgeführt  aus  abgeviert;  —  Wetterleuditen,  mhd.  weterleih  'Wetter- 
spiel'  durch  Volksetymologie.  —  Die  Aussprache  gesdient,  mhd.  gesdude  war  sehr  verbreitet. 
Die  neue  Orthographie  kennt  sie  nicht  mehr.  —  Vgl.  hierzu  noch  E.  Schröder,  AnzfdA. 
24,  31.  —  Dagegen  ist  Reuter  ein  anderes  Wort  als  Reiter. 

2.  Umgekehrt  entrunden  die  meisten  Mundarten  mit  Ausnahme  der 
eben  erwähnten  die  Laute  ü,  üe,  öii,  eii  und  es  dringen  daher  auch  wieder 
Formen  dieser  Art  in  die  Schriftsprache  ein. 

a)  d  >  /:  Bingelkraut  zu  Bunge;  —  Findling  in  Anpassung  an  finden,  aber  noch  Moser, 
Wieland,  Schlegel  schreiben  Fündling;  ebenso  im  15.  Jh.  Fündelhaus  und  mhd.  vündec 
Findling,  mhd.  vundelinc,  e.  foundling;  —  Gimpel,  mhd.  gümpel  zu  mhd.  gumpen,  e. 
to  jump;  —  Kitt,  mhd.  kütt;  —  Spritze,  spritzen,  noch  bei  Schiller  Sprütze,  mhd.  sprütze 
zu  sprießen;  —  Sdilingel,  \ie\\.vAS\ex  Sdilüngel;  —  Kissen,  noch  im  18.  Jh.  Küssen,  mhd. 
küssen  aus  afrz.  cuissin,  woher  auch  engl,  cushion;  —  Pilz,  mhd.  bülz,  ahd.  bulii,  aus 
gr.lat.  boletus;  —  Gespinst,  mhd.  gespunst-,  —  spitzfindig  zu  Fund;  —  Sdiippe,  baycr. 
neben  Sdiüppe  zu  Sdiaufel.   In  giiltig  ist  jetzt  wieder  ü  zu  schreiben;  —  wirken  für  würken. 

b)  üe  >  /:  Mieder,  mhd.  muoder,  müeder. 

c)  öa  >  ei:  Ereignis,  ereignen  von  mhd.  erougen,  eröugen  'vor  Augen  stellen,  zeigen' ;  — 
streifen,  mhd.  ströufen  'die  Haut  abziehen' ;  —  Sdileife,  älternhd.  Sdiläufe  zu  mhd.  sloufen, 
slöufen  'sich  anziehen'. 

d)  iu  >  ei:  Steiß,  ahd.  stiuz;  —  Kreisel,  mhd.  kriusel;  —  spreizen,  mhd.  spriuzen 
'stemmen';  —  Alt  reis  'Schuhflicker',  mhd.  altriuze. 

3.  II  und  il  werden  in  mitteldeutschen  Mundarten  namentlich  vor  Nasal 

zu  0  und  ö.   Unsere  Schriftsprache  hat  diesen  Lautwandel  häufig,  aber  nicht 

ausnahmslos. 

Sohn,  e.  sun;  —  Sonne,  e.  sun;  —  Nonne,  e.  nun;  —  Wonne,  ahd.  wunna;  — 
Tonne,   e.  tun:  —  begonnen,   mhd.  begunnen;  —  geronnen,  gesponnen,   gesonnen,  ge 


§  170.  1.  Die  Form  der  Wörter.  271 

Wonnen;  —  Bronnen,  Heilbronn  neben  Brunnen;  —  anderseits  und,  unter,  Wunde,  Wunder, 
Wunsch,  Trunk,  aber  sonder,  sondern,  sonst. 

Vor  m  steht  u  in  dumm,  krumm,  Hummel,  Kummer,  äher fromm,  mhd.  frum ;  —  Sommer,  e. 
summer.  — geglommen,  geklommen, gekommen, gesdiwommen; — Rohrdommel,  mhd.rörtumel. 

Entsprechend  wird  ü  behandelt:  können,  gönnen,  König,  mhd.  künec,  Möndi,  aber  Mnndien. 

4.  o  ZU  a  war  obersächsisch.  Luther  schreibt  zunächst  noch  dachy 
nach,  ab  für  dodi,  noch,  ob.  Man  nahm  an,  daß  ein  solches  a  in  Aber- 
glaube, ndl.  overgeloof  vorliege,  doch  ist  dies  nicht  richtig,  dagegen  liegt 
der  Lautwandel  in  Endsilben  vor  wie  Heimat,  mhd.  heimote;  —  Monat, 
mhd.  mänöt;  —  Zierat,  mhd.  zierot;  —  Bräutigam,  mhd.  briutegome;  — 
Sommerlatte,  ahd.  sumarlota ;  —  Radehacke  zu  roden ;  —  Rakete,  ital.  rocchetta. 

5.  a  ist  in  deutschen  Mundarten  häufig  zu  o  geworden,  doch  ist  dieser 
Lautwandel  nicht  genau  zu  begrenzen. 

Argwohn,  mhd.  arcwan  neben  Wahn,  got.  wens;  —  Brodem,  mhd.  bradem  'Dunst', 
e.  breath;  —  Brombeere,  mhd.  brämber,  e.  bramble,  eig.  'Dornstrauchbeere';  —  Dodit, 
ahd.  taht:  —  Dohle,  mhd.  täle  aus  tahele;  —  Drohne,  asächs.  dran,  e.  drone;  -—  Kot, 
mhd.  quat,  kut;  —  lodien  'einen  Baum  bezeichnen',  neben  ladien,  mhd.  ladien;  —  Mohn, 
mhd.  mähen,  gr.  fir'j^ov  {mcekön);  —  Monat,  ahd.  mänöd,  e.  month;  —  Mond,  ahd.  mäno, 
e.  moon;  —  Odem  neben  Atem;  —  Ohm,  mhd.  ä/w^,  e.  awm,  aus  gr.lat.  ama;  —  Ohm(e)t 
'Nachschur  des  Grases',  mhd.  ämät  («  'übrig');  —  ohne,  mhd.  ane;  —  Otter,  aus  ahd. 
natara,  e.  orfrf^r;  —  Rosenmontag,  eig.  'rasender  Montag';  —  Roß  'Honigwabe',  mhd. 
nT3;  —  Rotspohn  zu  5pä«;  —  Sdilot,  mhd.  5/«^;  —  To«,  mhd.  tahe,  got.  /»«/zö  'Ton';  — 
Troddel  von  mhd.  ^rarf^  'Saum',  ahd.  trädo;  —  wo,  mhd.  wä,  noch  in  warum;  —  Woge^ 
mhd. i2;äc,  got.  wegs;  —  woben,  wogen,  mhd.  wäben,  wägen;  —  Zofe  zu  mhd. zäfen  'schmücken'. 

6.  In  dem  größten  Teil  des  Mittelfränkischen  und  Teilen  des  Ost- 
fränkischen sind  ie  und  uo  des  Mittelhochdeutschen  (nhd.  i  und  ü)  zu  e  (ei) 
und  ö  (ou)  geworden. 

Wir  haben  diesen  Lautwandel  in  Demant  neben  Diamant,  frz.  diamant;  —  Demut, 
mhd.  diemuot,  eig.  'Knechtssinn';  —  Almosen,  mhd.  alniuosen;  —  versöhnen  neben  Sühne, 
mhd.süene.  —  Moor,  mhd.  muor,bohnen,  mhd.  büenen  stammen  aus  demNdd.,  wo  altes  ö  blieb. 

7.  Der  Umlaut  des  u  unterbleibt  vor  ck  auf  oberdeutschen  und  auf 
mitteldeutschen  Gebieten  (südfränkisch  und  schlesisch).  Wir  haben  daher 
teils  Doppelformen,  teils  hat  die  Form  mit  u  gesiegt. 

Drudien  und  drüdien  werden  noch  im  18.  Jh.  ohne  Unterschied  der  Bedeutung  ge- 
braucht; doch  wurde  schon  seit  dem  15.  Jh.  drudien  für  den  Buchdruck  angewandt,  weil 
er  in  Süddeutschland  zu  Hause  war;  —  dudien,  mhd.  Indien,  tädien;  dazu  Tüdie;  —  jiidien, 
daneben  yV/öfe^«,  e.  itdi;  —  ludi  und  lüdi  'unfest  zusammenhängend';  —  dial.  Z,«c^^  neben 
Liidie  zu  Lodi;  —  Mudie  'Laune'  vielleicht  zu  Müdie;  —  rudien  neben  rüdzen;  —  Rudisack 
(bayer.)  neben  Rüdien,  e.  ridge. 

Dazu  kommen  noch  eine  Reihe  von  Fällen  mit  andern  Bedingungen:  purzeln  neben 
Bürzel;  —  Wonne,  mhd.  wünne;  —  hupfen  und  hüpfen;  —  lupfen  und  lüpfen;  —  rupfen, 
mhd.  auch  rupfen;  —  sdiuppen,  sdiupfen,  mhd.  auch  sdiüpfen;  —  sdilurfen  und  sdilürfen;  — 
Stupfen,  mhd.  auch  stapfen;  —  rutsdien  neben  mundartl.  ritsdien;  —  kundig,  mhd.  kündec;  — 
um,  mhd.  auch  ümbe,  um;  —  tupfen  neben  nd.  tippen;  —  sudien,  mhd.  selten  auch  säedien, 
got.  sökjan,  e.  beseedi.  Zum  Teil  handelt  es  sich  in  diesen  Fällen  wohl  nicht  um  lautliche 
Entwicklung,  sondern  um  analogische  Beeinflussung,  wie  z.  B.  in  nutz  und  nütze. 

Gleicherweise  ist  der  Umlaut  des  au  in  einer  Reihe  von  Worten,  nament- 
lich vor  Labialen,  unterblieben. 


272  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


So  glauben,  goL  galaubj an;  —  Haupt,  alid.  houbit;  —  raufen,  got.  raupjan;  —  taufen, 
got.daupjan;  —  Gau,  aber  Allgäu;  —  erlauben,  raufen,  kaufen,  Laube,  zaubern.  Luther 
dajjegen  hatte  den  Umhmt:  Heubt,  gleuben,  erleuben,  teufen,  keufen,  den  man  auch  vielfach 
noch  hört,  namentlich  in  du  kaufst.  Beim  junyen  Schiller  steht  glaubig,  betäubt  (Btr. 28,297). 

8.  Der  alte  Diphthong  iii  hat  sich  im  Neulioclideutschcn  normalerweise 
zu  eil  entwickelt.  Frühzeitig  ist  aber  in  einem  Teile  des  Mitteldeutschen,  bes. 
in  Hessen,  im  nördlichen  Thüringen,  im  Altenburgischen  daraus /<  undnhd.aw 
geworden.  Am  deutlichsten  ist  dieses  Gesetz  an  Ortsnamen  mit  Nau  zu  er- 
keimen,  Nauheim,  Naumburg,  die  sich  vom  Rhein  bis  nach  Schlesien  erstrecken. 

Wir  finden  auf  der  einen  Seite:  blauen,  mhd.  bliuwen,  e.  blow,  woneben  plauen  bei 
Goethe  Götz  erste  Fassung;  dazu  Bleuel  und  daneben  früher  Blauel;  —  Greuel,  mh6. grluwel 
neben  grauein,  mhd.  griuweln;  —  Knäuel  neben  md.  Knaul,  mhd.  cUuwelm;  —  widerkäucn 
nQ.bQ.\\  kauen,  mhd.  kiuwen;  —  Neuenburg  ncbtn  Naumburg;  —  Reue,  mhd.  riuwe;  Treue 
neben //■«««,  eig.  Dat.  Plur.,  mhd.  enlriuwen.  Durchgedrungen  ist  am  in:  d\Ä\.  aut  odtx  naut, 
mhd.  tut,  ahd.  eowiht,  neowiht;  —  Durdilaudit :  leuditen;  —  verlautbaren,  zu  ahd. liutbaro;  — 
verlauten,  mhd.  i>erliuten;  —  bedauern,  midi  dauert,  mhd.  betiuren  zu  teuer. 

9.  Die  Schreibung  ai  war  oberdeutsch.  Die  Worte  mit  ai  stammen  aus 
der  bayerischen  Kanzlei. 

Bayern,  Kaiser,  Maid.  Maiß  'Holzschlag',  Laib,  Laidi,  f^ain. 

10.  Das  alte  Umlauts-^  ist  in  einer  Reihe  von  Fällen  zu  /  geworden. 
Gitter,  mhd.  geter;  —  Himten,  md.  hemmete;  —  Hippe,  mhd.  heppe;  —  Urne,  mhd. 

elme;  —  kidiern  zu  mhd.  kadien ;  —  Triditer,  mhd.  trehter;  —  widisen  'mit  Wadis  bestreichen'. 

11.  Vereinzelte  Eigentümlichkeiten  des  Vokalismus  sind: 

aj  e  für  ei  in  Lehm,  obd.  Leim,  Leimen,  ahd.  leimo,  e.  loam;  Feldwebel:  Weibel;  — 
fett  zw  feist;  —  heftig,  s^iäi&hd.  heiftig,  goL  haifsts  'Streit,  Zank";  —  Reede,  Rhede  zu 
reiten;  —  Reep  'geteertes  Tau',  d.  Reif;  —  Rennsteig  aus  rain  'Grenze'  ist  md.  ndd.  Ein- 
fluß zuzuschreiben. 

Sense  ist  aus  mhd.  seinse,  segense;  —  -gen  aus  gein,  gegen  entstanden. 

b)  ö  für  au  in  Strom,  mhd.  stroum,  e.  stream. 

c)  ü  für  ou  in  Rahm,  mhd.  roum,  schott.  ream,  zu  awest.  raogna-  'Butter';  —  Bake, 
nd.  aus  fries.  buken,  ahd.  bouhhan,  e.  beacon. 

d)  ä  wurde  in  Teilen  des  Schwäbischen  und  sonst  zu  au.  Daher  anberaumen  aus 
anberamen,  so  noch  Adelung  1793,  mhd.  rümen  'zum  Ziel  nehmen'. 

B.  KONSONANTISMUS. 

Noch  viel  häufiger  und  meistens  auch  charakteristischer  sowie  besser 
der  Herkunft  nach  festzulegen  sind  die  Störungen  im  Konsonantismus. 

1.  w.  Wörter  mit  dem  Anlaut  wr  sind  nicht  oberdeutsch,  da  w  hier 
verloren  geht.  Die  wenigen  Worte,  die  wir  mit  diesem  Anlaut  haben, 
stammen  aus  dem  Niederdeutschen: 

Wradi,  nd.  wrak  'Untaugliches',  t.  wredi  'Wrack';  —  wribbeln  neben  ribbeln;  — 
wridien  'mit  einem  Ruder  rudern';  —  wringen  ist  ringen;  —  Wruke 'KohXmht'  aus  poln. 
brukiew;  —  Wruge  'wom  Rugengericht  erkannte  Buße'.  —  Vgl.  auch  den  Namen  Wrangel. 

In  Bradi  'Ausschuß'  ist  w  zu  b  geworden.  Das  Wort  ist  eins  mit  Wradi.  Ebenso  in 
Baldrian  aus  Valeriana. 

In  ein  paar  Fällen  erscheint  w  im  Auslaut  als  b:  Hieb  zu  hauen;  —  Wittib  zu  Witwe;  — 
Lob  Eigenname  zu  Löwe;  —  Eibe,  ahd.  iwa. 

In  der  Verbindung  kw  ist  w  im  Alemannischen  geschwunden. 


Daher  Kedi  neben  Quedisilber;  —  Köder,  älternhd.  Querder. 


§170.  1.  Die  Form  der  Wörter.  273 


2.  j.  j  ist  oberdeutsch  vor  hellen  Vokalen  zu  g  geworden  und  in  dieser 
Form  in  einigen  Fällen  in  die  Schriftsprache  aufgenommen  worden: 

gären,  ahd.Jesan,  gr.  t^w  (zeö);  dazu  Gisdit;  — ^  auch  gäten  statt  Jäten  war  und  ist 
sehr  häufig.  Auch  Gauner  hieß  ursprünglich  jauner.  Umgekehrt  haben  wir  jadi,  jäh,  ahd. 
gühi;  —  jappen,  obd.  gappen  zu  gaffen,  aus  dem  Niederdeutschen. 

Abgefallen  ist  j  in  Ingwer,  ahd.  gingebero,  frz.  gingembre. 

Nach  r  hat  sich  J  im  Oberdeutschen  erhalten  und  ebenfalls  zu  g  entwickelt:  Ferge, 
ahd.  ferio;  —  Scherge,  ahd.  skerio;  —  St.  Mär  gen  aus  St.  Marien;  —  Storger  aus  historier. 

Ein  später  aufgekommenes/  hat  sich  auch  nach  andern  Konsonanten  erhalten  {Metzger, 
mhd.  metzjcere,  lat.  matiärius;  —  Dönges  aus  Antonius)  oder  zu  ig  entwickelt:  Käfig, 
mhd.  kefje,  ahd.  /^^y/a  aus  cavea;  —  Mennig,  mhd.  menje,  lat.  miniuni. 

3.  Auf  niederdeutschem  und  mitteldeutschem  Gebiet  ist  r  häufig  um- 
gesprungen. 

Daher  Born  neben  Brunnen ;  —  Bernstein  für  Brennstein ;  —  bersten  neben  bresten ;  — 
nd.  hörnen  neben  brennen;  —  Albert  neben  Albredit  und  überhaupt  häufig  in  Eigennamen. 
Der  umgekehrte  Fall  liegt  in  nd.  Ortsnamen  mit  -drup  vor,  z.  B.  Ordruf. 

Von  zwei  r  ist  das  eine  gelegentlich  durch  Dissimilation  geschwunden. 

Köder,  ahd.  querdar;  —  Bord  'Rand',  ahd.  brort,  abg.  brazda  'Furche,  Rand';  — 
Polier  aus  parlier,  frz. parier;  —  im  18.  Jh.  häufig  fodern  neben  fordern;  —  Queder 
'Bund  an  Hemdsärmeln',  mnd.  querder  'Randeinfassung'. 

Im  Alemannischen  ist  rvor  di  zu  /  geworden:  Kildie  für  Kirdie;  Kilbi  aus  kildiweih; 
daher  Feldien  aus  *ferdxen,  ahd.  forhana  zu  Forelle. 

4.  m  in  vortoniger  Silbe  geht  in  b  über  in  mittelfränkischen  Dialekten, 
vgl.  J.  Meier,  Einleitung  zur  Jolande  XXXIX,  Frank,  AfdA.  35, 383.  Wir  haben 
aus  dem  Niederländischen  Besänmast,  -segel  aus  ital.  mezzana  zu  lat.  medius, 
also  eigentlich  'Mittelmast'. 

5.  Nasal  schwindet  vor  den  Spiranten  /,  s,  p  im  Niederdeutschen. 

Wir  haben  den  Schwund  durchgeführt  in  Süden,  ahd.  Sundwint;  dazu  auch  Sauer- 
land aus  suer,  süctarland;  —  sadit  zu  sanft.  Umgekehrt  schieben  die  Mundarten  öfter 
einen  Nasal  ein,  allerdings,  wie  es  scheint,  nur,  wenn  ein  Nasal  vorausgeht.  Eine  Reihe  von 
Formen  sind  so  in  die  Schriftsprache  gedrungen:  50/25^,  mhd.  sus,  wahrscheinlich  in  um- 
sonst ents\anden  (Behaghel,  Geschichte  der  deutschen  Sprache''  155);  —  genung  für  genug, 
jetzt  veraltet,  aber  noch  bei  Goethe;  —  nun  aus  nu. 

6.  Die  urdeutschen  Tenues  p,  t,  k  werden  nicht  überall  gleichmäßig  ver- 
schoben, und  das  ist  für  die  Herkunft  der  Wörter  unsrer  Schriftsprache  wichtig. 

a)  p  im  Anlaut  und  zwischen  Vokalen  ist  niederdeutsch,  im  Anlaut 
aber  auch  mittel-  und  rheinfränkisch.  Worte  mit  anlautendem  p  statt  pf 
stammen  aber  wohl  meist  aus  dem  Niederdeutschen. 

Padde,  t.paddock;  —  Park,  e.park;  —  Pegel,  e.  pail  'Weingefäß';  —  Pesel,  ahd. 
pfiesal;  —  petzen,  obd.  pfetzen;  —  Pinne,  mhd.  pfinne;  —  Pips,  obd.  Pfipfs;  —  plump, 
obd.  pflumpf;  —  Podie,  obd.  Pf odie;  —  Pranger,  mhd.  pfrengen  'drücken';  —  pusten, 
bzytx.  p fausten;  —  Kneipe,  kneipen,  obd.  kneif en;  —  Stapel,  obd.  Staffel. 

In  ein  paar  Fällen  hat  sich  pf  weiter  zu  /  entwickelt.  Fendi  'Art  wilder  Hirse',  mhd. 
pfenech;  —  Finne  'kleiner  spitzer  Nagel',  mhd.  pfinne,  \\d\.  pin;  —  Flaum,  mhd.  pf  In  me 
aus  \a{.  plama;  —  Fragner,  mhd.  p fragener. 

b)  Mit  pp  und  mp  hat  es  eine  besondere  Bewandtnis.  Sie  sind  er- 
halten geblieben  im  Schlesischen,  Obersächsischen,  dem  größten  Teil  des 
Thüringischen,  im  Rhein-  und  Mittelfränkischen.   Nach  andern  Konsonanten 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  18 


274  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


bleibt  p  in  den  übrij^en  Teilen  des  Fränkischen  ebenfal's  unverschoben. 
Es  kann  daher  nicht  wundernehmen,  daß  unsere  Schriftsprache  in  diesen 
Punkten  sehr  verschiedene  Gestalten  der  Wörter  aufweist. 

Wir  finden  dumpf,  Rumpf,  rümpfen,  Sumpf,  aber  Klumpen,  Humpen,  Stempel  neben 
stampfen;  —  Lumpen;  —  Stümper  neben  stumpf;  —  Krampe  :  Krampf;  —  Kämpe  neben 
Kampf;  —  Schnepfe  :  Sdineppe;  —  Sdinupfen  :  Sdmuppe;  —  Hopfen;  —  hüpfen;  — 
Sdileppe;  —  Lippe;  —  knapp;  —  Krüppel;  —  Lappen;  —  sdinippeln;  —  Klepper;  — 
Stoppel,  mhd.  stupfel;  —  Sdiuppen,  öst.  Sdiupfen;  *-  rumpeln,  e.  rumble. 

c)  t  ist  Überall  im  Hochdeutschen  zu  z,  s  verschoben.  Wörter  mit  t 
(statt  z,  s)  sind  also  niederdeutsch. 

Tadel,  mhd.  zfl^/t'/ 'Mangel';  —  Takel,  c.  tadile;  —  Talg,  c.  tallow;  —  Tau,  ndl. 
tou(we);  —  Tobe  'Hündin",  ndl.  teef;  —  Teer,  e.  tar;  —  Top,  eins  mit  Zopf;  —  Torf, 
e.  turf;  —  Tuder,  Tüder  'Strick  zum  Anbinden  von  Vieh  auf  der  Weide",  e.  tedder,  bayer. 
Zieter;  —  Tüte,  Tute,  obd.  Zotte,  Zeute  'Ausgießer  an  einem  Gefäß';  —  Beute,  ndl.  buit;  — 
Boot,  e.  boat;  —  Fant,  obd.  Fanz;  —  flott  zu  fließen;  —  fett  zu  feist. 

d)  k  ist  zwischen  Vokalen  und  im  Auslaut  hochdeutsch  zu  di  ver- 
schoben.  Niederdeutsche  Lehnwörter  sind  also: 

Bake,  e.  beacon;  —  Blodt,  obd.  BlodiQ);  —  Laken,  mhd.  ladien,  vgl.  Sdiarladi;  — 
Luke,  ndl.  luik;  —  Sdimöker  zu  sdimaudien;  —  Sdinake  'lustige  Erzählung',  t.snake;  — 
Spuk,  e.  spook;  —  mäk(le)n,  Makler  zu  niadien;  —  Küken,  obd.  Küdilein. 

Nach  /  und  r  findet  sich  k  und  di  nebeneinander.  Mildi,  e.  milk;  —  Stordi,  e.  stark;  — 
hordien,  e.  hearken,  hark,  aber  ß/rÄ^,  Borke  usw. 

7.  Germanisch  rf  ist  hochdeutsch  regelrecht  zu  /  geworden.  Eine  Reihe 
von  Worten,  die  unregelmäßig  d  haben,  stammen  aus  dem  Niederdeutschen 
und  Teilen  des  Fränkischen. 

dahlen,  hochd.  tallen,  e.  dally  'tändeln';  —  Damhirsdi,  mhd.  tarne,  e.  doe  'Rehkuh';  — 
dämisdi,  obd.  tämisdi ;  —  Damm,  mhd.  tarn,  e.  dam ;  —  Daune,  e.  down ;  —  deftig,  e.  deft 
'niedlich,  geschickt';  —  Deidi,  eins  mit  Teidi,  e.  dike,  ditdi;  —  dengeln,  e.  ding,  obd. 
tengeln;  —  dill,  mhd.  tille;  —  Döbel,  ahd.  ^u6/7fl,  e.  dowel;  —  Dodie,  mhd.  todte;  — 
Dogge,  e.  do^;  —  Dotter,  ahd.  totoro,  e.  rfo/  'Punkt';  —  Drohne,  obd.  ^r^/z^,  e.  drone;  — 
dröhnen,  got  drunjus  'Schall';    -  dumm,  e.  dumb. 

8.  Germanisch^  hat  sich  zu  ö?  gewandelt;  im  Oberdeutschen  und  zum 
Teil  im  Mitteldeutschen  ist  dieser  Laut  dann  stimmlos  geworden,  und  er 
wurde  infolgedessen  mit  t  bezeichnet.  In  einer  Reihe  von  Fällen  ist  diese 
Schreibung  und  Aussprache  durchgedrungen. 

tauen,  e.  thaw;  —  tausend,  e.  thousand;  —  Thüringen,  mhd.  zen  Däringen;  — 
Tölpel,  mh6.  dörpere;  —  Ton,  got.  pahö;  —  tosen  zu  ags.  pys  'Sturm';  —  traben,  ags. 
prafian  'antreiben';  —  Traube,  and.  thrafo;  —  Truhe,  ags.  pruh  'Trog,  Kasten,  Sarg';  — 
Trumm,  Trümmer,  e.  thruni;  —  tunken,  ahd.  dunkün. 

9.  pw  wird  zu  dw,  dann  tw;  weiter  wird  es  noch  zu  zw  verschoben.  Da- 
neben aber  entwickelt  sich  im  Niederdeutschen  und  im  Mitteldeutschen  auch  kw. 

Es  stehen  demnach  nebeneinander: 

Qualm,  ahd.  tualm;  —  Quark,  mhd.  twarc  aus  poln.twarög;  —  ^ue/z/^ 'Handtuch', 
Zwehle,  zwagen;  —  quer,  zwerdi;  —  Quinger  (Luther),  Zwinger;  —  quengen  verwandt 
mit  zwingen;  —  Quirl,  bayer.  Zwirl;  —  Querg  neben  Zwerg;  —  Quetsdie,  Zwetsdie. 

10.  b  und  g  sind  oberdeutsch  und  zum  Teil  auch  mitteldeutsch  stimm- 
los geworden,  und  man  schrieb  daher  auch  p  und  k.  In  einer  ganzen 
Reihe  von  Worten  hat  unsere  Schreibung  geschwankt. 


§  170.  l:  Die  Form  der  Wörter.  275 

a)  p  ist  fest  geworden  in  folgenden  Fällen: 

zu  Paaren  treiben,  eig.  'zum  Barn  (Krippe)';  —  nordd.  Pakäsdie  'Lumpengesindel'  für 
Bagage;  —  paffen  und  baffen;  —  Paias  aus  Bajazzo;  —  Pabst,  mhd.  babest;  —  patzig 
zu  Batzen;  —  durchpausen,  frz.  ebaudier;  —  Peitsche,  poln.  bicz;  —  Petz,  Koseform  zu 
Bär;  —  Pickelhaube  zu  Becken;  —  Pilz,  ahd.  buli'i  aus  lat.  boletus;  —  A>?j§^e  und  Binge 
zu  anord.  W«gT 'abgeteilter  Raum';  —  plänkeln,  mhd.  blenkeln  '(schlagend)  wiederholt  er- 
klingen oder  erschallen  machen'  zu  blinken;  —  plärren,  nd.  blarren,  e.  blare 'hrüWen' ;  — 
Plätzdien  'dünner  Kuchen'  zu  Hetzen  'flicken';  —  Plaue  gleich  Blähe;  —  plentern  'ge- 
mischten Waldbestand  durch  Aushauen  einzelner  Bäume  lichten',  t\g.  blendern;  —  Plinse, 
russ.  blinec  'Pfannkuchen';  —  Pokal  aus  ital.  boccäle  'Krug,  Becher',  gr.  ßavy.a/As  ibaükalis) 
'enghalsiges  Gefäß';  —  Polster,  e.  bolster;  —  poltern,  ndl.  bulderen;  —  Posaune,  gr.-lat. 
bücina;  —  Posse,  ixz.  bosse  'Beule,  Erhabenheit';  —  Pradit,  asächs.  ^ra/z^  'Lärm';  — 
prägen,  ags.  ä&raaß«  'eingraben' (?);  —  prahlen,  t.  brawl  •\axmtn' ;  —  prangen,  mhd. 
brangen;  —  Pranke  und  Branke,  ital.  branca;  —  prasseln  zu  ahd.  brastön;  —  prassen, 
ndl.  brassen;  —  Pratze  und  Bratze  aus  ital.  braccio;  —  preschen,  eins  mit  birschen;  — 
preßhaft  für  bresthaft;  —  Priedie  zu  Brüdie;  —  Pritsche,  Britsche  zu  ß/-^//^;  —  Protze, 
aus  venet.  birozzo  "zweirädriger  Wagen';  —  Prudel  zu  brodeln;  —  Prügel  zu  Brüdie;  — 
prusten  vielleicht  zu  brausen;  —  Pudiel,  nordd.  für  Budiel;  —  Purzel-,  Burzelbaum  zu 
Bürzel;  —  putzig  zu  Butzemann;  —  empor,  ahd.  m  6or  'in  die  Höhe'. 

b)  ^  ist  fest  geworden  in  folgenden  Fällen: 

Bertram  'Geiferwurz',  umgestaltet  aus  \a\.  pyrethrum;  —  Bimsstein,  lat  pümex;  — 
Binetsch,  ital.  spinaccio;  —  Birne,  \ai.  pirum;  —  Bisdiof,  grAat  episkopus;  —  Brente, 
Brinte  zu  v\.6\.  prenten,  t.print  'drücken';  —  Bricke,  mnd.pricke;  —  Büchse,  grAat.  pyxis;  — 
Buse  'Katze',  e.  puss.   Diese  Wörter  sind  wohl  alle  oberdeutsch. 

c)  k  findet  sich  in  folgenden  Fällen: 

Kalosdie  neben  Galosche,  hz.  galodie;  —  Kamasche  neben  Gamasche,  frz.  gamache;  — 
Kiebitz,  ohd.  hay er.  Geibitz;  —  Knan,  Knän,  mhd.  genanne  'Gleichnamiger';  —  Knote, 
nd.  genüte  'Genosse';  —  kokein  gleich  gaukeln.  Hier  gibt  es  also  wenig  Beispiele. 

d)  g  hat  sich  festgesetzt  in  folgenden  Wörtern: 

Galmei.  mhd.  kalemine  aus  frz.  calamine,  gr.-lat.  cadmia;  —  Gamander,  ital.  cala- 
mandrea;  —  Gant,  ital.  incanto,  lat.  in  quantum  'für  wieviel,  wie  hoch';  —  Ganter,  ital. 
cantiere;  —  Gardine,  ital.  span.  cor/ma  'Vorhang';  —  Gemse,- \{a\.  camizza;  —  Glocke, 
mlat.  clocca;  —  Glucke,  mnd.  klucke;  —  Gockel,  e.  cock. 

1 1 .  Die  Lautgruppen  bb  und  gg  weisen  meist  auf  niederdeutsche  Herkunft. 
babbeln,  t.  babble;    —    baggern,  ndl.  bagger  "Schlamm";    —   Dogge  aus  e.  dog;   — 

Ebbe,  nd.  ebbe;  —  Egge  'Seihende'  =  obd.  Ecke,  asächs.  eggia,  e.  edge;  —  Flagge, 
e.  flag;  — flügge,  mhd.  vlücke  zu  Flug;  —  knabbern;  —  Knagge,  e.  knag;  —  Knubbe;  — 
Krabbe,  e.  crab;  —  krabbeln,  e. grabble;  —  kribbeln;  —  Padde,  e.paddock;  —  quabbeln;  — 
Quaddel;  —  quaddern;  —  Quabbe;  —  rabbeln,  t.rabble;  —  Robbe;  —  Roggen,  e.rye;  — 
wabbeln,  e.  wabble. 

12.  Urgerm.  b  blieb  im  Niederdeutschen  und  großen  Teilen  des  Mittel- 
deutschen spirantisch,  während  im  Oberdeutschen  Verschlußlaute  entstanden 
waren.  Kamen  nun  Worte  mit  b  ins  Oberdeutsche,  so  wurde  b  durch  /  ersetzt. 

Hafen,  t.haven;  —  Hafer  neben  Haber;  —  Hufe  neben  Hube,  gx.xfjnog  {kcepos);  — 
Kofen  neben  Koben,  e.  cove;  —  Luther  schrieb  Pöfel  für  Pöbel  und  Buffe  für  Bube. 

13.  ft  ist  im  Ripuarischen  und  dem  nordwestlichen  Niederdeutschen  zu 
dit  geworden.   Wir  haben  eine  Reihe  derartiger  Fälle  in  der  Schriftsprache. 

Dudit  'Ruderbank',  ahd.  bofta;  —  edit  aus  thaft  'gesetzlich';  —  Juditen  aus  russ. 
juft;    —    Laäiter  'Klafter',    ohd.  Lafter;    —    Nichte,   ahd.  nift,  zu  lat.  neptis;    —    ruchbar, 

18* 


276  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


Gerüdit,  berüditigt  zu  rufen;  —  sadit  neben  sanft,  t.  soft;  —  Sdtadit,  t.shaft;  — 
Sdxaditclhalm  aus  Sdiafthalm;  —  siditen  zu  Sieb,  c.  sift;  —  besdiwiditigen  zu  shd.  gi. 
swifton  'Stille  sein,  schwcij^eu';  —  Sdiliidit  neben  Sdiliift  zu  m\\d.  slicfen,  d.  sdilüpfen. 

14.  Aus  den  Lautgruppen  agi,  egi,  igi,  ogi  entstehen  in  großen  Teilen 
der  deutschen  Dialekte  die  Diphthonge  ai,  ei,  ?,  oL 

Meister,  lat.  magister;  —  Maid,  ahd.  magad;  —  Eidedise,  ahd.  egidehsa ;  —  Ge- 
treide, ahd.  gitregidi;  —  verteidigen,  zu  ahd.  tageding;  —  Hain,  mhd.  hagen;  —  Mainz 
aus  Maginza;  —  Einhart.  Meinhart,  Rcinhart  aus  Eginhart  usw.;  —  Seifrit  aus  Sigi- 
frid;  —  Beidite  aus  ahd.  bigiht. 

Besonders  zeigen  Eigennamen  die  lautgeselzliclie  Form.  Voit  aus  voget;  —  Raimund 
aus  regin-,  ebenso  Reinhart,  Reineke. 

15.  Bei  dem.  s  zeigen  sich  folgende  Veränderungen: 

a)  rs,  rj  ist  meist  zu  rs  geworden;  im  Niederdeutschen,  aber  auch  in 
Teilen  des  Alemannischen  geblieben. 

Wir  haben  meist  rs,  wie  in  birsdien.  Kirsdie,  aber  rs  in  Börse,  Ferse,  Hirse,  Lerse, 
und  besonders,  wenn  t  folgt:  Borste.  Durst. 

b)  In  einer  Reihe  oberdeutscher  Dialekte  ist  s  auch  sonst  zu  s  geworden. 
Daher  Gisdit :  gären:   —  falsdi,  \.  falsus;   —  feilsdien,  xv^hd.  veilsen;  —  Grosdien, 

mhd.  grosse,  lat.  grossus;  —  Harnisdi,  mhd.  harnas. 

Man  sieht  also,  daß  sich  aus  dem  rein  Lautlichen  mancherlei  ermitteln 
läßt,  und  daß  auch  für  die  Geschichte  unsres  neuhochdeutschen  Wortschatzes 
die  Lautlehre  von  größter  Bedeutung  ist.  Natürlich  fehlt  ein  Wort  darum, 
weil  es  sich  in  einer  bestimmten  Form  festgesetzt  hat,  nicht  auch  notwendig 
den  andern  Mundarten.  Aber  es  muß  durch  besondere  Umstände,  meistens 
durch  die  Bedeutung  eines  Schriftstellers,  der  das  Wort  gebraucht  hat,  in 
der  betreffenden  Form  in  die  Schriftsprache  gekommen  sein.  Vor  allen 
Dingen  verdanken  wir  so  Luthers  sprachgewaltiger  Persönlichkeit  manche 
Worte,  aber  es  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  seine  Formen  nicht  in  allen 
Fällen  gesiegt  haben.  Für  die  spätem  Zeiten  werden  dann  mehr  und  mehr 
die  Grammatiker  maßgebend,  als  deren  letzter  wohl  Adelung  anzusehen  ist. 
Sein  Wörterbuch  wurde  die  Norm,  nach  der  selbst  Männer  wie  Goethe  ihre 
Schriften  korrigieren  ließen. 

§  171.  2.  Die  Überlieferung.  Außer  der  Lautform  kommen  für  den  Nach- 
weis mundartlicher  Herkunft  die  Angaben  der  Grammatiker  und  Wörter- 
bücher teils  unmittelbar,  teils  mittelbar  in  Betracht.  Diese  merken  zum  Bei- 
spiel an,  daß  ein  Wort  nicht  überall  gleich  gebräuchlich  sei,  sondern  aus 
einer  bestimmten  Gegend  stamme.  Im  allgemeinen  sind  diese  Angaben  sehr 
wertvoll,  da  uns  das  eigene  Sprachgefühl  meist  am  sichersten  führt.  Frei- 
lich können  dabei  Irrtümer  unterlaufen.  Mittelbar  sind  die  Lexikographen 
insofern  von  Bedeutung,  als  sie  Wörter  nicht  verzeichnen,  die  ein  gleich- 
zeitiger Lexikograph  oder  Schriftsteller  verwendet.  Dann  wird  das  Wort 
auch  in  der  Heimat  des  Verfassers  nicht  bekannt  gewesen  sein,  während 
er  umgekehrt  Worte  gebraucht,  die  andere  nicht  verzeichnen. 

Ich  begnüge  mich  hier,  eine  Reihe  von  Fällen  nach  den  unmittelbaren 
Angaben  der  Wörterbücher  anzuführen.   Im  allgemeinen  wird  man  hier  nicht 


§  171.  2.  Die  Überlieferung.  §  172.  3.  Die  gelehrte  Forschung.  277 


viel  anders  als  oberdeutsch  und  niederdeutsch  unterscheiden  können.  Zweifel- 
los würde  sich  aus  den  verschiedenen  Grammatiken  und  Wörterbüchern  ein 
großer  Stoff  zusammenbringen  lassen.  Natürlich  überwiegen  in  älterer  Zeit  die 
oberdeutschen  Einflüsse,  während  in  neuerer  die  niederdeutschen  zunehmen. 
Steinbach  hat  in  seinem  1734  erscliienenen  Wörterbucli  die  dialektisciien  Wörter  an- 
gezeiclinet.  Unter  ihnen  finden  sich:  Barre,  barsdi,  Base,  fürbaß,  Binse,  Birsch,  Block, 
blutarm.  Braß,  Büdierey,  düster,  Esse,  flott,  gefoppet,  Gäck  (Geck),  gähe,  tingar,  Gaudi, 
Gilde,  behagen,  Janhagel,  gehapert,  Harke,  Mast,  hastig,  barhaupt,  hübsdi,  Jadie.  Kaff, 
Kanten,  Karre,  Karst,  Kautz,  Kefidi,  kirdilidi,  Knidzs,  krauen,  verkümmert,  Kuppe,  Ladie. 
Laaken,  Gelaß,  Urlaub.  Gelehrtheit,  überlistet,  Mangel  f..  Amman,  ausmerzen,  Steinmetz, 
Mejer.  mundteln,  Muße,  genesen  eines  Kindes.  Nestel,  Podien. 

Als  oberdeutsch  wurden  am  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts  noch 
folgende  Ausdrücke  empfunden,  die  heute  mir,  einem  Niederdeutschen, 
völlig  geläufig  sind,  d.  h.  der  allgemeinen  Schriftsprache  angehören: 

abhanden  (Ad[elung]),  absdiweifen  (Ad.),  abstimmen  (Hey[natz]),  Ahn  (Ad.),  allgemadi 
(Ad.),  Ampel  {M),  ausstellen  [M.),  Ausstand  {Ad.  1796),  auskömmlidi  (Ad.  1774),  Anleihe 
(Ad.  1774),  anbei  (Ad.  1793,  Hey.),  Anbetradit  (Ad.  Hey.),  beiläufig  (Hey.),  Bein  (Hey.), 
befehligen  (Ad.),  Begebnis  (Ad.),  beeinträditigen  (Ad.),  behelligen  (Ad.),  behende  (Ad.),  be- 
hindern, deuten,  dumpf.  Eigensdiaft,  ergrauen,  förderlidi.  fortan,  gemeinsam,  gestalten, 
gewahren,  Hader,  hätsdiein,  klaffen,  kosen,  kostspielig,  lugen,  mehrmals,  unbefangen, 
Unbill,  vergeuden,  versteigern,  weitsdiiditig. 

Heute  hat  die  Bekanntschaft  mit  den  Alpen  infolge  des  jetzigen 
Fremdenverkehrs  eine  Fülle  bayerischer  und  schweizerischer  Worte  in  die 
allgemeine  Umgangssprache  eingeführt. 

Dahin  gehören:  haytx.  Alm,  Fex,  jodeln,  Klamm,  Marterl,  kraxeln,  rodeln,  Sommer- 
frisdie,  Sdiwemme,  Schweiz.  Firn,  Fluh.  Wildheuer. 

Recht  Stark  ist  auch  der  Einfluß  Wiens,  auf  den  folgende  Worte  zurückzuführen  sind: 
Fasdiing,  fesdi,  Gigerl,  Ländler,  Sdüager,  Spitzel,  Trottel. 

Von  der  Schweiz  aus  haben  sich  außerdem  verbreitet:  Töditersdiule,  von  Schweiz. 
Toditer  'junges  Mädchen',  Putsdi,  tagen,  Heimweh,  anheimeln,  aufbegehren, 
Faulpelz,  Käppi,  staunen  aus  frz.  etonner,  unentwegt,  vertagen,  Wädite,  Zer- 
würfnis u.  a. 

Als  niederdeutsch  bezeichnet  Adelung  mit  Recht  folgende  Wörter,  von 
denen   ich  freilich  nicht  zu  sagen  weiß,   wieweit  sie   dem   Oberdeutschen 

geläufig  sind. 

abmaradien,  abradiern,  Abort,  absdiurren,  Abstedier  (Hey.),  aufkrämpen,  auflehnen. 
Altenteil,  ampeln,  Ärger,  binnen,  blaken,  blank,  bißdien,  bisweilen,  Bettstelle  (Ad.),  Stedibeutel. 
besdiwiditigen  (noch  nicht  bei  Ad.  1793,  Wieland  1797),  besdiuppen  (Ad.  1774),  besdiummeln, 
bersten  (durch  Luther  aus  dem  Niederdeutschen),  benauen,  bekunden  (niederdeutsche 
Rechtssprache),  beklommen  (niederdeutsch  statt  beklemmt),  Behörde,  begehrlidi  (Hey.), 
Bauten  (Ad.),  Ansidit  (in  der  übertragenen  Bedeutung),  blank,  Budit.  didit  'nahe',  düster, 
ebben,  flau,  flink,  flott,  flugs,  hapern,  hastig,  Hast,  hasten,  Laken,  prunken,  sadit,  sdimudi, 
sdinippisdi.  verblüffen,  Wirrwarr. 

Als  Provinzialwörter  bezeichnet  Kinderling  S.  37fL:  beiläufig  für  ungefähr  (öst.); 
Truhe  für  Lade;  Ansprache  für  Besudi  (sächs.);  Morgenstern  'eine  Waffe';  Diele  für  Tenne; 
quieken  für  sdireien. 

§  172.  3.  Die  gelehrte  Forschung.  Neben  dem  Auftreten  bei  den  Lexiko- 
graphen geht  das  Erscheinen  in  der  Literatur  einher.    Hier  können  wir  oft- 


278  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


mals  durch  eingehende  Untersucliung  feststellen,  welchen  Weg  ein  Wort 
zurückgelegt  hat.  Eine  ganze  Reihe  wichtiger  Arbeiten  liegen  in  Einzel- 
artikeln vor,  unendlich  vieles  steckt  natürlich  im  Grimmschen  Wörterbuch. 
Auch  hier  nur  einige  Beispiele. 

DasVv'oTi  Heimweh  ist  schweizerisch;  das  Heimweh  ist  eine  Schweizer- 
krankheit, die  zuerst  1688  beschrieben  und  benannt  wurde.  Das  Wort  drang 
erst  ganz  allmühlich  vor,  vgl.  Kluge,  ZfdW.  2,  234.  Aus  der  Schweiz  haben 
wir  außerdem,  wie  Kluge,  Unser  Deutsch  S.  51,  ausführt,  noch  erhalten: 
staunen,  entspredien  (von  Gottsched  und  seiner  Schule  lebhaft  be- 
kdmpft,  aber  von  Lessing  empfohlen),  tagen  'verhandeln'  (Schillers  Teil: 
So  laßt  uns  tagen  nach  den  alten  Bräuchen),  anstellig,  geistvoll, 
kernhaß,  Unbill.  Umgekehrt  ist  Kneipe  nieder-  oder  mitteldeutsch. 
Was  oben  über  den  Gegensatz  der  Lutherschen  und  oberdeutschen  Wort- 
wahl gesagt  worden  ist,  gehört  ja  auch  hierher. 

Anmerkung.  Eine  wichtige  Quelle  für  die  Erkenntnis  des  mitteldeutschen  Wort- 
schatzes ist  Adam  Sibers,  Bearbeitung  des 'Nomenciator  H.Junii',  in  dem  die  neu  eingefügten 
obersächsischen  Worte  mit  einem  Stern  versehen  sind.  Vgl.  die  Freiburger  Dissertation  von 
Fritz  Ludin,  Adam  Sibers  Bearbeitung  des  'Nomenciator  H.Junii';  lexikalisch  erläutert. 
(Als  Beitrag  zur  Lokalisierung  des  neuhochdeutschen  Wortbestandes.)   Karlsruhe  1898. 

§  173.  4.  Die  Dialektforschung.  Als  vierter,  letzter,  aber  auch  wichtigster 
Punkt  kommt  die  unmittelbare  Untersuchung  des  Wortschatzes  der  Mund- 
arten in  Betracht,  das  heißt  die  Frage,  in  welchen  Mundarten  kommt  ein 
Wort  der  Schriftsprache  wirklich  als  einheimisch  vor,  in  welchen  nicht. 
Um  das  beurteilen  zu  können,  müssen  wir  natürlich  den  Wortschatz  der 
Mundarten  erst  einmal  kennen.  Da  aber  die  Erforschung  der  Mundarten 
auch  an  und  für  sich  von  größter  Bedeutung  ist,  so  muß  hier  etwas  näher 
darauf  eingegangen  werden. 

Die  Erforschung  der  Mundarten  und  ihres  Wortschatzes  geht  andere 
Wege  als  die  sonstige  Geschichte  der  germanischen  Philologie,  Wege,  die 
abseits  von  denen  führen,  die  in  J.  Grlm.ms  Tätigkeit  ausmünden.  Es  macht 
sich  dabei  wie  in  der  Dialektdichtung  ein  lokalpatriotisches  Element  geltend. 
Man  wurde  auf  das  aufmerksam,  was  die  heimische  Mundart  Abweichendes 
von  der  Schriftsprache  bot,  und  man  verzeichnete  zunächst  nur  dies,  während 
man  auf  die  Übereinstimmungen  wenig  Wert  legte. 

Auch  auf  diesem  Gebiet  gab  Leibnizens  großer  Geist  Anregungen, 
während  etwas  später  besonders  Frisch  hervorgetreten  ist. 

Erste  handschriftliche  oder  gedruckte  Versuche  von  Dialektwörterbüchern  finden  wir 
schon  im  17.  Jahrhundert;  erst  das  18.  aber  brachte  ein  größeres  Unternehmen,  das 
Idioticon  Hamburgense  von  Michael  Richey  1743,  ^1755.  Doch  wurde  dieses  Werk 
Lald  durch  eine  bedeutendere  Leistung  übertroffen,  den  Versuch  eines  bremisch- 
niedersächsischen  Wörterbuches,  herausgegeben  von  der  bremischen  deutschen  Ge- 
sellschaft, 1767—1771.  Ein  sechster  Band  erschien  als  zweiter  Nachtrag  1869.  Dies  Werk 
berücksichtigt  auch  die  altern  schriftlichen  Denkmäler  und  ist  bis  in  die  neuere  Zeit  hinein 
das  beste  Hilfsmittel  zum  Verständnis  des  Mittelniederdeutschen  gewesen. 

Unter  den  übrigen  altern  Arbeiten  sind  noch  hervorzuheben: 

DÄHN'ERT,   Plattdeutsches  Wörterbuch  nach  der  alten   und  neuen  pommerschen  und 


§  173.  4.  Die  Dialektforschung.  279 

rügischen  Mundart,  Stralsund  1781.  —  Zaupser,  Versuch  eines  baierischen  unJ  oberpfälzischen 
Idiotikons,  München  1789.  —  Schmid,  Versuch  eines  schwäbischen  Idiotil<ons,  1795. 

Der  eigentümlichste  unter  den  Dialel<tforschern  des  18.  Jahrhunderts  war  Friedrich 
Karl  Fulda  1724 — 1788.  Er  schrieb:  Sammlung  und  Abstammung  germanischer  Wurzel- 
wörter, nach  der  Reihe  menschlicher  Begriffe,  Halle  1776,  und  Versuch  einer  allgemeinen 
teutschen  Idiotikensammlung,  Berlin  und  Stettin  1788.  Auf  Anregung  Fuldas  gehen  dann 
die  Arbeiten  des  Schweizer  Pfarrers  Stalder  zurück,  der  den  Versuch  eines  schwei- 
zerischen Idiotikons,  Aarau  1812,  veröffentlichte,  der  sehr  reichhaltig  ist,  sich  aber 
auch  auf  die  in  der  Schriftsprache  nicht  vorkommenden  Worte  und  Bedeutungen  beschränkte. 

Weit  über  Stalder  hinaus  gehen  indessen  die  Leistungen  eines  Mannes,  der  zu  den 
bedeutendsten  Forschern  seiner  Zeit  gerechnet  werden  muß.  JOH.  Andreas  Schmeller 
(1785—1852)  gab  1827—33  sein  Bayerisches  Wörterbuch  heraus,  in  dem  zum  ersten 
Male  der  gesamte  Wortvorrat  eines  Dialektgebietes  dargestellt  wurde.  Die  zweite  Ausgabe 
dieses  monumentalen  Werkes  wurde  1869—78  durch  Frommann  besorgt. 

Mit  Schmellers  Werk  hat  die  streng  wissenschaftliche  Bearbeitung  der  deutschen 
Mundarten  begonnen,  aber  wir  sind  noch  weit  davon  entfernt,  für  alle  Gebiete  der  deutschen 
Sprache  genügende  Darstellungen  des  Wortschatzes  zu  besitzen.  Arbeiten  über  einzelne 
Gegenden  mit  mehr  oder  minder  vollständiger  Aufführung  des  Materials  sind  sehr  zahl- 
reich und  können  deshalb  hier  nicht  alle  aufgeführt  werden. 

Die  Literatur  ist  verzeichnet  bei:  v.  Bahder,  Die  deutsche  Philologie  im  Grundriß, 
1883  (bis  1881).  —  Mentz,  Bibliographie  der  deutschen  Mundarten.  Forschung  für  die  Zeit 
des  18.  Jahrhunderts  bis  zum  Ende  des  Jahres  1889.  Leipzig  1892.  Auch  unter  dem  Titel 
Sammlung  kurzer  Grammatiken  deutscher  Mundarten,  Herausgegeben  von  Otto  Bremer, 
Bd.  2.  —  Fr.  Kauffmann,  Deutsche  und  niederländische  Mundarten  in  Pauls  Grundriß  der 
germ.  Phil.  P.  Weitere  Angaben  in  dem  Jahresbericht  für  germanische  Philologie  und  in 
den  unten  erwähnten  Zeitschriften. 

Im  folgenden  gebe  ich  die  wichtigsten  Werke  und  zwar  nach  den  Landschaften  geordnet: 

A.  OBERDEUTSCH. 

1.  Bayerisch-Österreichisch. 
J.A.  Schmeller,  Bayerisches  Wörterbuch,  2.  Ausgabe  bearbeitet  von  Frommann,  2  Bände, 
München  1872—1877.  —  M.  Höfer,  Etymologisches  Wörterbuch  der  in  Oberdeutschland,  vor- 
züglich aber  in  Österreich  üblichen  Mundarten,  3  Bände,  Linz  1815.  —  J.  B.  Schöpf,  Tirolisches 
Idiotikon,  Innsbruck  1886.  — J.  F.  Castelli,  Wörterbuch  der  Mundarten  in  Österreich  unter  der 
Enns,  Wien  1847.  —  HÜGEL,  Der  Wiener  Dialekt,  1873.  —  Ed.M.Schranka,  Wiener  Dialekt- 
Lexikon,  Wien  1905.  —  M.  Lexer,  Kärntisches  Wörterbuch,  Leipzig  1862.  —  H.  Gradl,  Eger- 
länder  Wörterbuch,  Bd.  1,  Eger  1883.  —  Steirischer  Wortschatz  als  Ergänzung  zu  Schmellers 
Bayerischem  Wörterbuch  gesammelt  von  Theodor  Unger,  für  den  Druck  bearbeitet  und 
herausgegeben  von  Dr.  F.  Khull,  Graz  1903.  —  J.  v.  Zingerle,  Lusernisches  Wörterbuch, 
Innsbruck  1869  (Südtirol).  —  J.  Bacher,  Die  deutsche  Sprachinsel  Lusern,  Innsbruck  1905; 
auch  unter  dem  Titel:  Quellen  und  Forschungen  zur  Geschichte,  Literatur  und  Sprache  Öster- 
reichs, X.  —  K.  J.  Schröer,  Wörterbuch  der  Mundart  von  Gottschee,  Sitzungsberichte  der 
K.  Akademie  der  Wissenschaften  fn  Wien  1868  und  1870. 

2.  Alemannisch. 

a)  Schweizerisch.  Auf  alemannischem  Boden  ist  zunächst  das  ganz  hervorragende 
Schweizerische  Idiotikon  zu  nennen,  Wörterbuch  der  schweizerdeutschen  Sprache. 
Gesammelt  auf  Veranstaltung  der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich  unter  Beihilfe  aus 
allen  Kreisen  des  Schweizervolkes.  Bearbeitet  von  F.  Staub,  L.  Tobler  und  andern,  Frauen- 
feld 1881  fL  Vgl.  darüber  Kluge,  Bunte  Blätter  165. 

Kleinere  Arbeiten  sind:  G.A. Seiler,  Die  Basler  Mundart;  ein  grammatisch-lexikalischer 
Beitrag  zum  schweizerdeutschen  Idiotikon,  Basel  1879.  —  J.  Hunziker,  Aargauer  Wörterbuch 
in  der  Lautform  der  Leerauer  Mundart,  Aarau  1877.  —  T.  Tobler,  Appenzellischer  Sprach- 


280  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


schätz.  Eine  Sammliinj^  appenzcllischcr  Wörter,  Redensarten,  Spridiwörter,  RiUsel,  Anekdoten, 
Sagen  usw.,  Züricii  1837.  —  M.  TscilUMl'ERT,  V'crsuch  eines  bündncrisclien  Idiotikons,  Chiir 
1881  ff.  —  E.  Walthard-Hopf,  Wörterbuch  der  Mundart  von  Habkern;  Zschr.  für  dcutsclie 
Mundarten  1907  S.  52  ff.,  289  ff.  (Habkern  liegt  bei  Interlaken). 

b)  Schwäbisch: 

Das  Hauptwerk,  durch  das  wir  nacli  Vollendung  ein  vortreffliches  Hilfsmittel  für  die  Kennt- 
nis des  schwäbischen  Wortschatzes  haben  werden,  ist  H.  FiSCHEKS  Schwabisches  Wörterbuch, 
Tübingen  1901  ff.,  das  rasch  fortschreitet  und  in  absehbarer  Zeit  vollendet  sein  wird. 

Ältere  und  kleinere  Werke  sind:  J.  C.  SCHMID,  Schwabisches  Wörterbuch  mit  ety- 
mologischen und  historischen  Anmerkungen,  2.  (Titel-)  Auflage,  Stuttgart  1844.  —  A.  BiR- 
LINGER,  Schwabisch-Augsburgisches  Wörterbuch,  München  1864.  —  A.  Kaiser,  Lautlehre 
der  Mundart  von  Todtmoos-Schwarzenbach.  Bonn,  Georgi,  1910.  Freiburger  Diss.,  ist  auch 
lexikaliscii  wertvoll. 

c)  Elsässisch.  Die  älteren  Werke  sind  ersetzt  durch  das  Wörterbuch  der  elsässischen 
Mundarten,  bearbeitet  von  E.  Martin  und  H.  Lienhart.  2  Bde.  Straßburg  1899  ff. 

Zu  erwähnen  wäre  noch:  Historisches  Wörterbuch  der  elsässischen  Mundart  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  frühneuhochdeutschen  Periode.  Aus  dem  Nachlasse  von 
Charles  Sch.midt.  Straßburg  1901. 

Nach  Abschluß  des  Schweizer  Idiotikons  und  des  Fischerschen  Werkes  wird,  wie 
man  sieht,  das  Oberdeutsche  vortrefflich  bekannt  sein.  Nur  das  Badische  fehlt  noch.  Man 
kann  nicht  sagen,  daß  es  mit  den  übrigen  Teilen  unsres  Vaterlandes  gleich  gut  steht. 

'  B.  MITTELDEUTSCH. 
Während  wir  in  Bälde  über  den  oberdeutschen  Wortschatz  ausgezeichnet  unterrichtet 
sein  werden,  steht  es  auf  mitteldeutschem  Boden  bei  weitem  nicht  so  gut.  Größere  Werke 
liegen  hier  noch  gar  nicht  vor,  und  es  ist  höchste  Zeit,  daß  die  Forschung  ans  Werk  geht. 
Dieser  Mangel  hängt  natürlich  mit  der  Entstehung  unsrer  Schriftsprache  zusammen.  Da 
sie  mitteldeutsch  ist,  empfand  man  in  Mitteldeutschland  nicht  das  Bedürfnis,  den  Wortschatz 
aufzuzeichnen,  da  dieser  von  dem  schriftsprachlichen  Gebrauch  nicht  in  der  Weise  abweicht 
wie  der  oberdeutsche.  Erfreulicherweise  regt  sich  aber  auch  hier  die  Wissenschaft,  um  das 
Fehlende  nachzuholen.   Für  Thüringen  ist  jetzt  ein  großes  Idiotikon  in  Angriff  genommen. 

1.  Rheinfränkisch-Hessisch.  Autenrieth,  Pfälzisches  Idiotikon;  ein  Versuch; 
Zweibrücken  1899.—  Othmar  Meisinger,  Wörterbuch  der  Rappenauer  Mundart,  Dortmund 
1906.  —  A.  F.  C.  Vilmar,  Idiotikon  von  Kurhessen,  Marburg  und  Leipzig  1868,  neue  Aus- 
gabe 1883.   Nachträge  (1886)  und  erstes  und  zweites  Ergänzungsheft  dazu  durch  Hermann 

^  VON  Pfister,  Marburg  1889,  1894.  —  W.  Crecelius,  Oberhessisches  Wörterbuch,  Darm- 
^  Stadt  1890 — 1899.  —  G.  Schöner,  Spezialidiotikon  des  Sprachschatzes  von  Eschenrod 
i^Oberhessen);  Zeitschr.  f.  hochd.  Mundarten  3,  225—273;  328—354.  —  Ph.  Lenz,  Der  Hand- 
schuhsheimer  Dialekt  I;  Wörterverzeichnis;  Beil.  z.  Progr.  d.  Grh.  Bad.  Gymn.  zu  Konstanz, 
Konstanz  1887.  —  Ph.  Lenz,  Vergleichendes  Wörterbuch  der  neuhochdeutschen  Sprache  und 
des  Handschuhsheimer  Dialekts,  Baden-Baden  1898,  Selbstverlag. 

2.  Mosel  fränkisch.  Gangler,  Lexikon  der  Luxemburger  Umgangssprache.  —  Wörter- 
buch der  Luxemburgischen  Mundart,  Luxemburg  und  Leipzig  1906.  —  Dem  Luxemburgischen 
steht  bekanntlich  das  Siebenbürgische  am  nächsten.  V^gl.  dazu  G.  KiscH,  Vergleichendes 
Wörterbuch  der  Kösner  und  mosel-fränkisch-luxemburgischen  Mundart,  Hermannstadt  1905. 

Im  Erscheinen  ist:  Siebenbürgisch-sächsisches  Wörterbuch;  mit  Benutzung  der  Samm- 
lungen Johann  Wolffs  herausgegeben  vom  Ausschuß  des  Vereins  für  siebenbürgische  Landes- 
kunde, 1.  Lieferung,  Straßburg  1908, 

M.  F.  FOLLMANN,  Wörterbuch  der  deutsch-lothringischen  Mundarten.  Leipzig  1909.  — 
K.  Chr.  L.  Sch.midt,  W^esterwäldisches  Idiotikon  oder  Sammlung  der  auf  dem  Westerwalde 
gebräuchlichen  Idiotismen,  Hadamar  und  Herborn  1800.  —  (J.  Wegeler,]  Wörterbuch  der 


§  173.  4.  Die  Dialektforschung.  281 

Koblenzer  Mundart;   Rhein.  Antiquarius  III,  14  S.  698—759;    auch    besonders    erschienen 
Koblenz  1869. 

3.  Ripuarisch.  Jos.  Müller  und  W.  Weitz,  Die  Aachener  Mundart;  Idiotikon  nebst 
einem  poetischen  Anhange,  Aachen  und  Leipzig  1836.  —  Fritz  Honig,  Wörterbuch  der  Kölner 
Mundart,  Köln  1877;  2.  vermehrte  Auflage  1905.  —  Erich  Leihener,  Cronenberger  Wörter- 
buch (mit  ortsgeschichtlicher,  grammatischer  und  dialektgeographischer  Einleitung),  Marburg 
1908.   Cronenberg  ist  eine  niederdeutsch-ripuarische  Grenzmundart. 

4.  Ostfränkisch.  O.Böhme,  Beiträge  zu  einem  vogtländischen  Wörterbuche;  38.  JBer. 
der  Realschule  mit  Progymnasium  zu  Reichenbach  im  V'oigtlande,  1884.  —  F.  W.  Reinwald, 
Hennebergisches  Idiotikon,  Berlin  und  Stettin  1793,  1801.  —  B.  Spiess,  Volkstümliches  aus 
dem  Fränkisch-Hennebergischen,  Wien  1869;  enthält  ein  Idiotikon.  —  B.  Spiess,  Beiträge  zu 
einem  Hennebergischen  Idiotikon,  Wien  1881,  auch  in  den  „Deutschen  Mundarten"  von 
Frommann  7,  129—176,  257—304. 

5.  Thüringisch-Obersächsisch-Ostmitteldeutsch.  L.  Hertel,  Thüringer  Sprach- 
schatz, 1895.  —  M.  Schultze,  Idiotikon  der  nordthüringischen  Mundart,  Nordhausen  1874.  — 
R.  Jecht,  Wörterbuch  der  Mansfelder  Mundart,  Görlitz  1888.  —  K.  Hentrich,  Wörterbuch 
der  nordwestthüringischen  Mundart  des  Eichsfeldes,  Göttingen  1912.  —  K.  Albrecht,  Die 
Leipziger  Mundart,  Leipzig  1881.  —  K.  Müller-Frauenreuth,  Wörterbuch  der  ober- 
sächsischen und  erzgebirgischen  Mundarten,  Dresden  1908—1914.  —  O.  Philipp,  Zum  Wort- 
schatz der  Zwickauer  Mundart;  Zeitschr.  für  hochdeutsche  Mundarten  5,6—12;  6,40 — 52, 
209—227,  305—319.  —  J.  G.  Berndt,  Versuch  zu  einem  schlesischen  Idiotikon,  Stendal 
1787.  —  K.  Weinhold,  Beiträge  zu  einem  schlesischen  Wörterbuche;  Sitzber.  d.  Kais.  Akad. 
d.Wiss.  in  Wien  14  (1855),  Beilage  S.  1—56  und  15(1855),  Beilage  S.  57— 110;  auch  beson- 
ders Wien  1855.  —  K.  J.  Schröer,  Beitrag  zu  einem  Wörterbuche  der  deutschen  Mundarten 
des  ungarischen  Berglandes,  Sitzber.  d.  Kais.  Akad.  d.Wiss.  in  Wien  25  (1857)  213—272,  27 
(1858)  174—218;  auch  besonders  Wien  1858;  Nachtrag  dazu  ebenda  31,  245—292. 

C.  NIEDERDEUTSCH. 
Auch  mit  den  Idiotiken  Norddeutschlands  ist  es  schlecht  bestellt.  Über  Richey  und 
das  bremische  Wörterbuch  siehe  oben  S.  278.  —  J.  G.  L.  Kosegarten,  Wörterbuch  der 
niederdeutschen  Sprache  älterer  und  neuerer  Zeit,  Greifswald  1855 — 1860;  nur  A — Ange- 
toget.  —  H.  Berghaus,  Der  Sprachschatz  der  Sassen;  ein  Wörterbuch  der  Plattdeutschen 
Sprache  in  den  hauptsächlichsten  ihrer  Mundarten  I,  A— H,  Brandenburg  1880;  II,  J— N, 
Berlin  1883;  21.  Heft  O— Paddeln.  —  H.  Molema,  Wörterbuch  der  Groningenschen  Mund- 
art im  19.  Jahrhundert,  Norden  und  Leipzig  1888.  —  Wörterbuch  der  Elberfelder  Mundart 
nebst  Abriß  der  Formenlehre  und  Sprachlehre,  Elberfeld  1910.  —  Diederichs,  Beiträge  zu 
einem  Wörterbuch  der  Remsclieider  Mundart,  Remscheid  1910.  —  J.  C.  Strodtmann, 
Idioticon  Osnabrugense,  Leipzig  und  Altona  1756.  —  F.  WOESTE,  Wörterbuch  der  west- 
fälischen Mundart,  Norden  und  Leipzig  1882.  —  K.Bauer,  Waldeckisches  Wörterbuch  nebst 
Dialektproben;  herausgegeben  von  H.  Collitz;  Norden  und  Leipzig  1902.  —  P.  F.  Weddigen, 
Ravensbergisches  Idiotikon  (Weddigens  historisch-geographisch-statistische  Beschreibung  der 
Grafschaft  Ravensberg  II),  Leipzig  1790.  —  H.  Beck,  Idiotikon  von  Nordsteimke  bei  Vors- 
felde;  Jahrb.  f.  ndd.  Sprachf.  23,  131  ff.;  24,  113  ff.  —  G.  Schambach,  Wörterbuch  der  nieder- 
deutschen Mundart  der  Fürstentümer  Göttingen  und  Grubenhagen  oder  Göttingisch-Gruben- 
hagensches  Idiotikon,  Hannover  1858.  —  R.  Sprenger,  Versuch  eines  Quedlinburger  Idio- 
tikons; Niederd.  Jahrbuch  29,  139—162;  30,  1—32.  —  R.  Block,  Idiotikon  von  Eilsdorf  bei 
Halberstadt,  Nd.  Jb.  34,  35-  102;  Nachträge  dazu  Nd.  Jb.  36,  146-148,  —  Krause,  Wörter- 
verzeichnis der  Mundarten  im  Kreise  Jerichow;  Jahrbuch  für  ndd.  Sprachforschung  22,  25; 
26,  64.  —  J.  TEN  Doornkaat-Koolmann,  Wörterbuch  der  ostfriesischen  Sprache,  Norden 
1879  —  1884.  Ein  Verzeichnis  der  darin  fehlenden  Wörter  bietet  C.  Dirksen,  Jahrb.  f.  ndd. 
Sprachf.  25,  97  ff.  —  Jon.  Fr.  Schütze,  Holsteinisches  Idiotikon,  Hamburg  1800—1806.  - 
K.  Müllenhoff,  Glossar  nebst  Einleitung  zu  Klaus  Groths  Quickborn,  1854.  —  Colmar 


282  Elftes  Kapitel.  Verbreitung  der  Wörter  nach  Gegenden. 


Schumann,  Der  Wortschatz  von  Lübeck;  Probe  planmäßiger  Durcliforschung  eines  mund- 
arliichen  Sprachgebietes;  Beih.  zu  ZfdW.  Bd.  9;  Straübiirg  1907.  —  F.  Frehse,  Wörterbuch  zu 
Fritz  Reuters  sämtlichen  Werken,  Wismar,  Rostock  und  Ludwigslust  1867.  —  Ml  (C.  G.  Sibeth), 
Wörterbuch  der  mecklcnburgisch-vorponimerschcn  Mundart,  Leipzig  1876.  —  J.  C.  DäHNERT, 
Platt-deutsches  Wörterbuch,  nach  der  alten  und  neuen  pommerschen  und  rügischen  Mundart, 
Stralsund  1781.  —  J.  F.  Danneil,  Wörterbuch  der  aUmärkisch-plattdeutschen  Mundart.  Salz- 
wedel 1859.  —  H.  Frischbier,  Prcußisclics  Wörterbuch;  ost-  und  westpreußische  Provinzia- 
lismen in  alphabetischer  Folge,  Berlin  1882,  1883.  Ältere  Werke  für  dieses  Gebiet  sind 
Bock,  Idioticon  Prussicum,  Königsberg  1759,  und  Hennig,  Preußisches  Wörterbuch,  Königs- 
berg 1785.  —  W.  VON  Gutzeit,  Wörterschatz  der  deutschen  Sprache  Livlands,  4  Bände, 
Riga  1864  fL  Älter  ist  Hupel,  Livländischcs  Idiotikon,  1795.  In  Ostpreußen  zum  Teil  und 
ganz  in  den  russischen  Ostseeprovinzen  herrscht  der  hochdeutsche  Lautstand.  Man  be- 
zeichnet diese  Sprache  nebst  der  hochdeutschen  Umgangssprache  in  den  norddeutschen 
Städten  als  norddeutsch. 

Wichtig  für  die  Geschichte  des  deutschen  Wortschatzes  ist  auch  die  jüdisch-deutsche 
Sprache,  d.  h.  die  Sprache  der  Juden  in  Osteuropa.  Diese  Juden  sind  seit  dem  14.  Jahr- 
hundert nach  Osten  abgewandert  und  haben  das  Deutsche,  das  sie  damals  sprachen,  be- 
wahrt. Daher  findet  sich  in  ihrer  Ausdrucksweise  manches  altertümliche,  sonst  verloren 
gegangene  Wort.  Eine  erste  Darlegung  bietet  J.  Gerzon,  Die  jüdisch-deutsche  Sprache; 
eine  grammatisch-lexikalische  Untersuchung  ihres  deutschen  Grundbestandes,  Heidelberger 
Dissertation  1902,  Frankfurt  a.  M.  1902.   Dazu  Sainean,  Das  Jüdisch-Deutsch  in  Osteuropa. 

Am  Schluß  seien  hier  noch  die  Zeitschriften  genannt,  in  denen  ein  gewaltiger  Stoff 
für  die  Erforschung  der  Mundarten  aufgespeichert  ist.  Leider  ist  den  Zeitschriften  meist 
das  Schicksal  beschieden  gewesen,  nach  wenigen  Jahren  wieder  einzugehen.  Die  jüngste 
hat  allerdings  der  Allgemeine  deutsche  Sprachverein  unter  seine  Fittiche  genommen,  und 
so  darf  man  hoffen,  daß  ihr  unter  diesem  machtvollen  Schutz  eine  lange  Dauer  beschieden 
sein  wird. 

K.  Frommann,  Die  deutschen  Mundarten.  Eine  Monatschrift.  Bd.  1—6.  Nürnberg 
1854-59.  Bd.  7.  Halle  1877.  —  J.  W.Nagl,  Deutsche  Mundarten.  Zeitschrift  für  Bearbeitung 
des  mundartlichen  Materials.  Bd.  1.  Wien  1898  —  1901.  Enthält  auch  die  Bibliographie  für 
1890—99.  —  O.  Brenner  und  A.  Hartmann,  Bayerns  Mundarten.  Bd.  1  u.  2.  München 
1892—95.  —  O.  Heilig  und  Ph.  Lenz,  Zeitschrift  für  hochdeutsche  Mundarten.  Bd.  1—6. 
Heidelberg  1900—1905.  Seitdem  heißt  sie  Zeitschrift  für  deutsche  Mundarten.  Im  Auftrage 
des  Vorstandes  des  Allgemeinen  deutschen  Sprachvereins  herausgegeben.  Berlin  1906  ff. 
Sie  trägt  keine  Bandzahl.  —  Dazu  kommt  das  Jahrbuch  des  Vereins  für  niederdeutsche 
Sprachforschung.   Bd.  1  ff.   Bremen  lS76fL 

§  174.  Aufgaben  und  Bedeutung  der  Mundartenforschung.  Die  Mundarten- 
forschung  ist  ein  Kind  der  Lokalgeschichte.  Man  wurde  in  einer  Gegend 
auf  die  Abweichungen  des  Wortschatzes  von  dem  der  aligemeinen  Schrift- 
sprache aufmerksam  und  zeichnete  diese  auf.  Ganz  natürlicherweise  merkte 
man  nur  die  Abweichungen  an;  und  so  sind  die  altern  Idiotika  weit  davon 
entfernt,  den  ganzen  Wortschatz  zu  bieten.  Auch  die  zahlreichen  Schul- 
programme, die  sich  mit  dem  Wortschatz  einer  Mundart  beschäftigen,  haben 
immer  nur  die  Sonderbarkeiten  ins  Auge  gefaßt.  So  dankenswert  auch  alle 
Arbeiten  sind,  heute  kann  das  nicht  mehr  genügen.  Die  Aufgabe  der 
Mundartenforschung  ist  die  geworden,  den  Wortschatz  ohne  Rücksicht  auf 
die  Schriftsprache  aufzuzeichnen.  Ja,  es  wird  sogar  angebracht  sein,  aus- 
drücklich zu  bemerken,  wenn  ein  Wort  der  Schriftsprache  nicht  in  der 
Mundart   vorkommt,   da   eine  wirkliche  Angabe   immer  besser  ist  als  das 


§  174.  Aufgaben  und  Bedeutung  der  Mundartenforschung.  283 


bloße  Fehlen  des  Wortes,  das  schließlich  auf  einem  bloßen  Versehen  be- 
ruhen kann.  Insonderheit  wäre  es  eine  dankenswerte  Aufgabe,  den  Wort- 
schatz einer  kleinen  Verkehrsgemeinschaft,  z.  B.  eines  Dorfes  oder  einer 
kleinen  Stadt  einmal  völlig  aufzuzeichnen,  schon  um  zu  sehen,  mit  welchen 
und  wie  vielen  Worten  eine  bestimmte  Gruppe  von  Menschen  auskommt. 

Wo  geschichtliche  Quellen  der  Mundart  vorliegen,  wird  es  sehr  er- 
wünscht sein,  diese  heranzuziehen,  und  ebenso  ist  nach  dem  Lautstand  der 
Mundart  zu  bestimmen,  ob  ein  Wort  dort  einheimisch  ist  oder  nicht. 

Welche  Bedeutung  hat  aber  die  Muntiartenforschung  für  unsere  Zwecke, 
die  Geschichte  des  deutschen  Wortschatzes?  Nun,  zunächst  tritt  jener  oben- 
erwähnte Unterschied  psychologischer  Art  zutage,  die  größere  Anzahl  der 
Ausdrücke  für  die  konkreten  Begriffe.  Dann  aber  wird  sich  nicht  selten 
durch  genaue  Beobachtung  des  Wortschatzes  der  Mundarten  entscheiden 
lassen,  ob  ein  Wort  entlehnt  ist  oder  nicht.  Oft  genug  lassen  uns  bei  der 
Frage  der  Entlehnung  die  lautlichen  Entscheidungsgründe  im  Stich.  In 
solchem  Falle  wird  die  Verbreitung  in  den  Mundarten  von  ausschlag- 
gebender Bedeutung  sein.  Ein  Wort,  das  überall  bodenständig  ist,  unter- 
liegt dem  Verdacht,  entlehnt  zu  sein,  weit  weniger  als  eines,  das  nur  in 
einem  bestimmten  Mundartengebiet  vorkommt.  Romanische  Lehnworte  be- 
schränken sich  vielfach  auf  den  Süden  und  Westen  Deutschlands,  slawische, 
wie  Schöps  und  Grenze,  auf  den  Osten.  Den  Gebildeten  sind  diese  und 
andere  Worte  geläufig,  und  durch  deren  Sprache  läßt  sich  nichts  entscheiden. 
Wenn  wir  aber  die  Mundarten  kennen,  in  denen  diese  Worte  leben,  so 
stoßen  wir  damit  vielleicht  auf  die  Grenze  der  alten  Verbreitung  der  Slawen. 

Aber  auch  abgesehen  von  den  Fremdwörtern  ist  die  genaue  Angabe, 
wo  einzelne  Wörter  gesprochen  werden,  von  hervorragender  Bedeutung  für 
die  Festlegung  der  alten  Mundartengrenzen.  Wir  bestimmen  diese  im  all- 
gemeinen durch  die  Lautübergänge,  wissen  aber,  daß  in  dieser  Hinsicht 
ganz  bedeutende  Verschiebungen  stattgefunden  haben.  Oft  genug  hat  sich 
aber  trotzdem  die  Verbreitung  der  Worte  in  den  alten  Grenzen  erhalten. 
Leider  wird  in  der  letzten  Zeit  auf  diesen  Punkt  gar  nicht  mehr  geachtet. 
Nachdem  L.  Tobler  in  seiner  Abhandlung  über  die  lexikalischen  Unter- 
schiede der  deutschen  Dialekte,  Festschrift  zur  Begrüßung  der  39.  Versamrn- 
lung  deutscher  Philologen,  dargeboten  von  der  Universität  Zürich  1887,  eine 
Reihe  von  Bemerkungen  gegeben  hatte,  die  aber  keine  rechte  Beachtung 
mehr  gefunden  haben,  hat  neuerdings  K.  Bohnenberqer,  ZfdW.  2,  1  ff.  auf 
diese  arg  vernachlässigte  Frage  und  ihre  hohe  Bedeutung  hingewiesen. 
Durch  den  Fischerschen  Sprachatlas  von  Württemberg  kennen  wir  eine  Reihe 
derartiger  Wortgrenzen,  z.  B.  die  von  Zinstag  gegen  Dienstag,  von  Erchtag 
und  Pfinztag,  Aftermontag.  „Weiter  sind  von  interessanten  Wörtern  und 
Wortformen  geographisch  bestimmt  Kirsdie  und  Kriese,  Kirche  und  Kildie, 
Keller  =  Ker  und  Kern,  Scheuer  =  Stadel  und  Tenne,  Kamm  und  Strähl, 
leihen  und  lehnen,  schieben  =  schalten  und  stoßen,   die  Grenzen  der  ver- 


284  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

scliicdcncn  Bczcichnuns^en  für  Zuchtsticr  {Hummel,  Heime,  Odis,  Ha^en, 
Hägcl,  Heigel,  Stier),  über  {Eber,  Bär,  Beiß,  Häckel),  Schurz  {Schoß,  Fiirfleck, 
Fleck,  Fürtuch),  Flachs  (Wcr.uj,  Haar),  die  Grenzen  von  fei  ^  Mädchen."  Ebenso 
hißt  sich  aus  den  Karten  des  Wenkcrschcn  Sprachatlasses  manches  entnehmen. 

Derartige  Doppelheiten  der  Benennung  gibt  es  Hunderte.  Ich  erwähne  nur 
Metzger  —  Fleischer  —  Knodienhauer,  Klempner  —  Spengler,  Tisdiler  — 
Schreiner,  Töpfer  —  Hafner. 

Zwischen  meinem  Heimatsort  Magdeburg  und  Leipzig,  die  nur  120  Kilo- 
meter voneinander  entfernt  liegen^  gibt  es  eine  Unsumme  von  Verschieden- 
heiten, doch  ist  das  nicht  weiter  wunderbar,  da  zwisclien  beiden  Orten  die 
niederdeutsche  Sprachgrenze  liegt.  Ich  erwähne  nur  folgende:  In  Magde- 
burg spielen  die  Jungen  kriegen,  dort  haschen,  in  Magdeburg  sagt  man 
kiesein,  dort  kreiseln-,  in  Leipzig  tragen  die  Jungen  einen  Ranzen,  in 
Magdeburg  eine  Mappe;  dort  sagt  man  Lendenbraten,  Schoß,  Plättstahl, 
Schmeer,  Aschkuchen,  Bemme,  hier  Filet,  Rostbeef,  Plätte,  Flomen,  Topf- 
kuchen, Stulle.  In  Magdeburg  schlittern  die  Jungen,  in  Leipzig  sdmsseln 
oder  glandern  sie.  Untersuchungen  wie  die  von  C.  Schumann,  Der  Wort- 
schatz von  Lübeck  (s.  o.  S.  282),  werden  hoffentlich  bald  Nachfolge  finden 
und  dadurch  zur  Kenntnis  der  Wortgrenzen  beitragen.  Dieser  in  der  ersten 
Auflage  ausgesprochene  Wunsch  hat  seitdem  eine  erfreuliche  Erfüllung  er- 
fahren durch  Paul  Kretschmer,  Wortgeographie  der  hochdeutschen  Um- 
gangssprache, Göttingen  1916 — 18,  indem  er  nicht  nur  auf  die  allgemeinen 
Verschiedenheiten  des  Wortschatzes  in  der  Umgangssprache  hinweist,  son- 
dern auch  an  einer  Fülle  von  Beispielen  diese  Verschiedenheit  zeigt.  Dieses 
Buch  wird  hoffentlich  dazu  beitragen,  diesem  lang  vernachlässigten  Gebiet  die 
Aufmerksamkeit  der  Forscher  und  Lehrer  zuzuwenden.  Vgl.  auch  W.  Braune, 
Btr.  43,  364. 

Außerordentlich  reich  sind  die  Mundarten  an  Wörtern,  die  einst  vor- 
handen waren,  jetzt  aber  in  der  Schriftsprache  aufgegeben  sind.  Natürlich  ist 
das  meiste  mittelhochdeutsches  Sprachgut,  aber  auch  manches  urgermanische, 
ja  indogermanische  Wort  hat  sich  nur  in  den  Mundarten  erhalten.  So  leben 
im  heutigen  Bayerischen  in  ös  und  enk  die  gotischen  Dualformen  "^jut  und 
igqis  fort.  Bayer.  Dult  ist  got.  dulljs  'Fest';  österr.  P/^/flf/^/- 'Althändler'  ist 
von  Pfeid  abgeleitet,  got.  paida  'Kleid',  das  aus  gr.  ßuhii  entlehnt  ist.  Aus 
dem  Buchstaben  b,  p  des  Wörterbuchs  der  obersächsischen  und  erz- 
gebirgischen  Mundarten  kann  man  folgendes  anführen: 

hatten  'Profit  geben',  mhd.  baten  'nützen",  beniemen  'Namen  geben',  mhd.  bentiemen, 
besilfcrn  'beschmutzen',  mhd.  besülwen,  Beute  'Backtrog',  got.  biuds  'Tisch',  biesen  'wild 
umherrennen',  mhd.  bisen;  Bilwiß  'Kobold',  mhd.  bilwlz,  bis  'sei',  mhd.  bis,  Polze  'ge- 
rösteter Kartoffelbrei',  ahd.  polz,  Bornkinnel  'Christkind  in  der  Krippe'  zu  mhd.  barn  'Krippe'. 

Aus  dem  kurhessischen  Idiotikon  nenne  ich  aus  den  Buchstaben  i,j,  k 
folgendes: 

Jane  'Reihe,  Linie,  Strich  Arbeit',  mhd.  jrm,  mlat.  janiis  'Bezirk'  verwandt  mit  ai. 
jünah  m.  'Bahn',  jänam  n.  'Gang'.   Immes  'die  Kerbe  im  Ganzjoch,  in  welche  die  Deichsel 


§  175.  Allgemeines.  285 


gefügt  wird',  daneben  Eines,  sicher  all,  wenn  auch  nicht  genügend  erklärt.  Kabe  'Spreu' 
zu  nd.  kaff,  Kak  'Schandpfahl'  zu  lit.  zügaras  'dürrer  Ast'.  Kandel,  Kancl  'Röhre'  aus  lat. 
canälis,  schon  ahd.  käiiali.  Kar  'Gefäß'  zu  got.  kas.  Kante  'Grube',  ndd.  kide,  nihd. 
kräe,  Herkunft  dunkel.  Kelber  f.  'weibliches  Lamm,  Muttcrlamm'  ist  ahd.  kilburra.  Kelch 
'Felthaut  zwischen  Kinn  und  Hals',  ahd.  cheldi,  an.  kjalki  'Kinnlade'  von  ahd.  kela.  Kerne 
'Butterfuß'  gemeingermanisch,  e.  diurn,  anord.  kirna.  Kluppe  'Klemme'  zu  klieben.  Kneif 
'Messer',  e.  kni/e.  Knust  zu  khorren.  Kogel  'Kapuze',  ahd.  cucula,  ciigula  aus  lat.  ciiculla 
'Kapuze'.  Kreppet  zu  Krapfen.  Kregel  'beweglich,  munter',  zu  Krieg.  Krolle  'Haarlocke', 
vielleicht  mit  kraus  verwandt.    Krause  'Krug',  alt,  aber  dunkler  Herkunft. 

Es  ließe  sich  nach  dieser  Richtung,  wie  man  leicht  sieht,  ein  großer 
Stoff  zusammenbringen.  Sicher  wird  eine  Heranziehung  des  mundartlichen 
Wortschatzes  im  Unterricht  reiche  Anregung  bringen.  Vgl.  hierzu  A.  Fuckel, 
ZfdU.  24,  409  ff. 


Zwölftes  Kapitel. 
Die  Sondersprachen. 

§  175.  Allgemeines.  Wir  haben  im  vorhergehenden  Abschnitt  gesehen, 
wie  mannigfach  die  verschiedenen  Gegenden  unseres  Vaterlandes  an  der 
Ausbildung  unsres  Wortschatzes  beteiligt  sind,  wie  hier  ein  oberdeutsches, 
dort  ein  niederdeutsches  Wort  in  die  allgemeine  Umgangssprache  ein- 
gedrungen ist  und  eindringt. 

Aber  die  Sprache  ist  nicht  nur  räumlich  und  zeitlich  verschieden,  son- 
dern sie  ist  auch  in  sich  gegliedert  entsprechend  dem  ganzen  Aufbau  eines 
Volkes.  Es  ist  jedem  bekannt,  daß  die  einzelnen  Gesellschaftskreise,  Stände 
oder  Berufe  einen  besondern  Wortschatz  besitzen;  die  Aufmerksamkeit  der 
Gelehrten  wie  der  Laien  ist  auf  diese  Eigentümlichkeiten  der  Jäger-, 
Bergmanns-,  Schiffersprachen  usw.  früh  gelenkt  worden.  Wir  besitzen 
Angaben  darüber  schon  aus  der  frühneuhochdeutschen  Zeit.  Auch  J.  Grimm 
hat  sie  in  seinem  Wörterbuch  1,  XXX  wohl  beachtet;  aber  zusammenfassende, 
wissenschaftliche  Arbeiten  über  dieses  Gebiet  stammen  erst  aus  neuster  Zeit, 
und  man  kann  nicht  sagen,  daß  es  irgendwie  erschöpft  sei.  An  dieser  Stelle 
soll  das  bisher  Erreichte  geordnet  dargestellt  werden,  woraus  sich  dann 
sehr  leicht  die  noch  bestehenden  Lücken  erkennen  lassen  werden.  Zunächst 
einiges  Allgemeine. 

In  den  Standessprachen  gibt  es,  wie  Behaghel,  Die  deutsche  Sprache^  77, 
ausführt,  zahlreiche  Worte,  die  der  Allgemeinheit  völlig  unbekannt  sind. 
Der  Seemann  spricht  von  sichtigem  Wetter,  von  raiimem  Winde,  der  Setzer 
von  Tentoriiim  und  Tentakel,  der  Börsenmann  vom  Diskont,  von  Tratten  usw. 
Anderseits  gibt  es  aber  auch  ganz  gewöhnliche  Worte,  die  nur  in  den 
Standessprachen  eine  besondere  Bedeutung  haben.  So  versteht  der  Jäger 
unter  Schweiß  das  Blut  der  Tiere,  unter  Löffel  die  Ohren  des  Hasen,  der 
Soldat  unter  Äffe  seinen  Tornister,  und  der  Setzer  redet  von  Leichen  und 
Hochzeiten,  um  damit  gewisse  Satzfehler  zu  bezeichnen.   Wirft  man  einen 


286  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Blick  in  den  Handclstcil  einer  Zeitung,  so  wird  man  dort,  wenn  man  diesen 
Dingen  fernsteht,  z.  T.  ganz  unverständliche  Nachrichten  finden. 

Die  Ausbildung  von  Berufssprachen  hangt  natürlich  mit  der  ganzen 
wirtschaftlichen  Entwicklung  zusammen.  Je  größer  die  soziale  Gliederung,  um 
so  größer  auch  die  Verschiedenheit  der  Sprache.  In  der  altern  Zeit,  als  die  so- 
genannte Hauswirtschaft  bestand,  gab  es  kaum  ein  besonderes  Handwerk. 
Jeder  verfertigte  die  Sachen,  die  er  brauchte,  selbst.  Aber  diese  Zeit  ist  längst 
vorüber.   Seit  Jahrhunderten  haben  wir  eine  ausgeprägte  Gliederung. 

Die  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  der  Standessprachen  beruhen  nun 
im  wesentlichen  auf  folgenden  Punkten:  1.  Man  hat  für  die  besondern  Be- 
dürfnisse des  Standes  neue  Ausdrücke  geschaffen,  wie  z.  B.  Kontrahage 
bei  den  Studenten,  oder  2.  man  hat  Wörter  der  allgemeinen  Sprache  mit 
einem  besondern  Sinn  versehen,  und  3.  bewahren  die  Standessprachen  alte 
Worte  und  Bildungen,  die  sonst  längst  untergegangen  sind.  So  findet  sich 
bei  den  Seeleuten  der  Ausdruck  Wanten  für  'gestrickte  Handschuhe'.  Das 
ist  ein  altes  Wort,  welches  die  Romanen  entlehnt  haben,  frz.  gant,  ital.guanto. 
,In  der  Sprache  des  Jägers",  sagt  BehAghel  a.a.O. 78,  „bedeutet  absprossen 
'die  Knospen  abbeißen',  von  mhd.  broj  'die  Knospe';  rahmen  ist  'über- 
holen', von  ahd.  nimen  'nach  etwas  streben',  Wölfen  'gebären.  Junge  werfen', 
von  mhd.  ivelf  'Junges  von  Hunden  oder  von  wilden  Tieren'.  In  Fehrücken, 
Fehwamme,  Ausdrücken  der  Kürschnersprache,  steckt  ein  altdeutsches  Wort 
feh  'bunt',  verwandt  mit  gr.  :roixuog  (poikilos)."  Noch  heute  gebrauchen 
die  Pelzhändler  den  Ausdruck  Decher  für  10  Stück,  der  in  früher  Zeit  aus 
lat.  decuria  entlehnt  ist. 

Das  sind  wohl  die  wesentlichen  und  wichtigen  Punkte,  durch  die  sich 
die  Standes-  und  Berufssprachen  von  den  übrigen  unterscheiden.  Sie  allein 
dürften  schon  genügen,  um  die  eingehende  Beschäftigung  mit  ihnen,  die 
jetzt  herrscht,  berechtigt  erscheinen  zu  lassen.  Aber  ihre  Hauptbedeutung 
für  uns  beruht  darauf,  daß  die  Schriftsprache  aus  ihnen  zahlreiche  Worte 
aufgenommen  hat,  die  in  ihr  ihrer  Herkunft  nach  ganz  unverständlich  sind. 
Nur  wenn  man  auf  die  Standessprachen  zurückgeht,  wird  man  in  manchen 
Fällen  die  eigentümliche  Bedeutung  der  Worte  ermitteln  können.  Die  fol- 
gende Darstellung  wird  also  darauf  ihr  Hauptgewicht  legen,  die  aus  den 
Standes-  und  Sondersprachen  in  die  allgemeine  Schriftsprache  eingedrungenen 
Worte  anzuführen,  was  aber  nur  möglich  ist,  wenn  wir  eine  allgemeine 
Übersicht  über  die  Sondersprachen  geben. 

Im  allgemeinen  spricht  man  von  Standessprachen,  ich  habe  aber 
als  Überschrift  den  Ausdruck  Sondersprachen  gewählt,  um  etwas  weiter 
gehen  zu  können,  als  man  gewöhnlich  tut.  Denn  wir  haben  es  nicht  nur 
mit  Standes- und  Berufssprachen  zu  tun,  sondern  auch  mit  den  verschiedenen 
Sprachen  der  Geschlechter  und  der  Altersklassen.  Dazu  kommt,  daß  der  Ge- 
bildete von  heute  über  einen  merkwürdig  gemischten  Wortschatz  verfügt. 
Wir  gebrauchen  andere  Ausdrücke  im  gewöhnlichen  Leben,  andere  in  öffent- 


§  176.  Allgemeines.  287 


lieber  Versammlung.  In  einem  Briefe  kann  man  manches  Wort  anwenden, 
das  in  einem  Buche  nicht  angebracht  wäre.  Die  Lexikographen  des  18.  Jahr- 
hunderts unterscheiden  denn  auch  mit  Recht  eine  höhere  und  niedere  Schreib- 
art, sie  sprechen  von  dem  Adel  der  Wörter,  und  wenn  J.  Grimm  von  dieser 
Unterscheidung  nichts  wissen  wollte,  so  hatte  er  nur  insoweit  recht,  als  für 
den  Sprachforscher  beide  Abteilungen  gleich  wichtig  sind,  genau  wie  wir 
heute  den  Mundarten  wissenschaftlich  ebensoviel  Wert  beilegen  als  der 
Schriftsprache.  Die  Wortforschung  muß  aber  ihr  Augenmerk  gerade  auf 
diesen  Punkt  richten  und  die  Verschiedenheiten  des  Wortgebrauchs  auch  in 
der  allgemeinen  Verwendung  feststellen.  Es  handelt  sich  hierum  Verschieden- 
heiten, die  mit  der  Scheidung  der  Stände  zusammengehen.  Die  obern  Stände 
haben  oft  das  Bestreben,  sich  gewählt  auszudrücken  und  dementsprechend 
neue  Ausdrücke  zu  gebrauchen,  während  die  untern  sich  bemühen,  deren 
Sprache  nachzuahmen.  Es  steht  hier  wie  sonst  auf  den  Gebieten  der  Kunst. 
Das  Neue  kommt  in  den  obern  Kreisen  auf  und  sickert  nach  unten  durch. 
Aus  allen  diesen  Gründen  scheint  mir  der  Ausdruck  „Sondersprachen" 
mehr  am  Platz. 

Anmerkung.  Es  läßt  sich  am  besten  an  den  Fremdworten  zeigen,  daß  die  Wörter 
gleichsam  durch  die  verschiedenen  Volksschichten  durchsickern.  Denn  zweifellos  sind  viele 
Fremdworte  in  den  obern  Schichten  aufgenommen.  Wenn  sie  sich  heute  vielfach  in  der 
Alltagssprache  und  der  Volksmundart  finden,  so  können  sie  nur  aus  der  Sprache  der  obern 
Kreise  gekommen  sein.  Sehr  bemerkenswert  sind  die  oben  schon  erwähnten  Fremdwörter 
der  Alamodezeit,  wie  Mosjö,  Madam,  Mamsell,  Baselman,  bei  denen  dies  sicher  der  Fall 
ist.  Aus  Müller-Frauenreuth,  Wörterbuch  der  obersächsischen  Mundarten,  entnehme  ich 
folgende,  in  der  Mehrzahl  sicher  von  oben  her  durchgesickerte  Fremdwörter:  adje,  akkurat, 
Akzise,  allabonnör,  allemarsdi,  allong!,  Allären,  Ambition,  Ami,  veranimieren,  Animiis, 
apart,  ä  propos,  Babiisdien,  Badius,  Baiser,  Bammelasdie,  parforsdi  (par  force),  parierlidi 
'rüstig',  Parlaatsdi  'Gerede',  parier,  partout,  Passelteng  'Zeitvertreib'  aus  frz.  pour  passer 
le  temps,  Bataille  'Plage,  Arbeit,  Mühsal',  patent  'ausgezeichnet',  pensif  'nachdenklich', 
persdiee  "per  se'.  Pieke  'Groll',  frz.  pique,  Pikottdien  'kleine  Spitzen',  frz.  picot,  Blamasdie, 
Pli,  blimerant,  Point,  Portsdiäse,  Potage,  Pottsdiamper  (pot  de  diambre),  power  'kraftlos, 
schwach  und  gebrechlich',  powertee  'Armut',  Prä  'die  erste  Rolle',  Prilludig  'Vorrede', 
Bredulldie  'Verlegenheit',  Chaise,  Sdianksen  haben,  comme  il  faut,  complaisant,  Konte- 
witte,  Kontenangs,  au  contraire,  Kulör. 

1.  FRAUEN-  UND  MÄNNERSPRACHE. 

§  176.  Allgemeines.  Solange  ein  Volk  in  seinen  sozialen  Verhältnissen 
im  wesentlichen  einheitlich  ist,  so  lange  werden  wir  auch  einen  im  wesent- 
lichen gleichmäßigen  Wortschatz  voraussetzen  dürfen.  Aber  eine  Einheit- 
lichkeit, wie  man  sie  annehmen  möchte,  hat  wahrscheinlich  nie  bestanden, 
da  schon  die  einfachsten  Formen  der  Gesellschaft  gewisse  Verschiedenheiten 
enthalten.  Es  scheiden  sich  die  Männer  und  die  Frauen,  und  auf  der  andern 
Seite  die  verschiedenen  Altersklassen,  vor  allem  sondern  sich  die  Jungen 
von  den  Alten  ab,  sie  bilden  abgeschlossene  Verbände  für  sich.  Derartige 
Scheidungen  müssen  aber  auch  notwendigerweise  auf  den  Wortschatz  ab- 
färben. Weiter  haben  wir  nicht  nur  die  äußere  Gliederung  in  Männer  und 
Frauen,   sondern  wir  haben   auch  eine  Männer-  und  Frauenarbeit.   Soweit 


288  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


wir  auch  in  der  Gescliiciile  zurückkommen,  so  finden  wir,  daß  den  Frauen 
gewisse  Tätigkeiten  zufallen  und  andere  den  Männern,  und  daher  gelingt 
es  auch  der  Frau  von  allem  Anfang  an,  besondere  Fertigkeiten  zu  ent- 
wickeln und  ihrerseits  Fortschritte  und  Erfindungen  zu  machen.  Für  diese 
wird  und  muß  sie  neue,  besondere  Ausdrücke  prägen,  die  den  Männern 
nicht  bekannt  zu  werden  brauchen.  So  fällt  die  Arbeit  des  Webens  fast 
allgemein  den  Frauen  zu.  Für  die  mannigfachen  verschiedenen  Tätigkeiten 
dabei  müssen  Ausdrücke  ▼orhanden  sein,  und  es  ist  sehr  wohl  denkbar, 
daß  der  Mann  eine  ganze  Reihe  davon  nicht  gekannt  hat.  Außerdem  haben 
die  Frauen  noch  sehr  viele  andere  Künste  ausgeübt  (vergleiche  darüber 
Hirt,  Die  Indogermanen  passim),  so  daß  wir  dementsprechend  auch  eine  ge- 
wisse Besonderheit  ihres  Wortschatzes  vorauszusetzen  haben.  Leider  haben 
wir  darüber  bis  jetzt  keine  handgreiflichen  Nachrichten,  da  man  selbst  bei 
den  Naturvölkern  wenig  auf  diesen  Punkt  geachtet  hat. 

Heute  ist  diese  Teilung  der  Arbeit  und  damit  auch  die  sprachliche 
Scheidung  nach  dieser  Richtung  verwischt,  dafür  haben  sich  aber  andere 
Eigentümlichkeiten  geltend  gemacht. 

Zunächst  zeigt  sich  die  vielfach  beobachtete  Tatsache,  daß  die  Frauen- 
sprache in  manchen  Gegenden  infolge  der  größern  Abgeschlossenheit,  in 
der  die  Frauen  leben,  in  Lauten  und  Formen  einen  altertümlichen  Zug  hat.*) 
Dasselbe  dürfte  vom  Wortschatz  gelten.  Auch  da  wird  man  sonst  unter- 
gegangene Worte  noch  im  Munde  der  Frauen  antreffen.  Das  ist  bei  der 
Aufnahme  des  Wortschatzes  der  heutigen  Mundarten  zu  beachten.  Ander- 
seits kennen  die  Frauen  vielfach  die  Berufsausdrücke  des  Mannes  nicht. 
Die  größte  Zahl  der  technischen  Ausdrücke  in  den  Wissenschaften  ist  ihnen 
fremd.  Schließlich  meiden  schon  unter  einfachen  Verhältnissen  die  Frauen 
gewisse  Ausdrücke,  die  der  Mann  gebraucht.  Ich  habe  das  bei  den  Serben 
beobachtet.  Heute  kennen  sicher  unsre  gebildeten  Frauen  eine  ganze  Reihe 
von  Worten  nicht,  weil  man  sie  nicht  in  ihrer  Gegenwart  ausspricht,  weil 
sie  auch  nur  selten  gedruckt  werden,  oder  die  Werke,  in  denen  sie  stehen, 
Frauen  nicht  zugänglich  werden.  Ich  meine  natürlich  die  Ausdrücke,  die 
an  die  tierische  Seite  des  Menschen  erinnern.  Als  Goethe  seinen  Götz  an 
Gotter  schickte,  da  schrieb  er  ihm  eine  poetische  Epistel  (Briefe  2, 93),  in 
der  er  „all  die  garstigen  Wörter  zu  lindern"  bittet. 

Von  katholischer  Seite  wurde  Luther  vorgeworfen,  daß  er  überhaupt 
freche  und  ärgerliche  Worte  gebrauche,  ohne  auf  die  Jungfrauen  und  un- 
schuldigen Herzen  Rücksicht  zu  nehmen  (Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing* 
S.  47).  Wir  dürfen  also  auch  für  die  damalige  Zeit  eine  Vermeidung  ge- 
wisser Ausdrücke  voraussetzen. 

Dieser  Zug  der  Verschleierung  ist  aber  gewiß   noch  älter  als  Luthers 


')  Das  hat  schon  Plato  beobachtet.  Kraty-  '  wandte,  und  nicht  zum  wenigsten  die  Frauen, 
los418B  sagt  er:  , Du  weißt,  daß  unsere  ältere  |  die  überhaupt  rfm  meisten  die  alte  Aussprache 
Generation  das  Jota  und  Delta  häufig  an-  |  erhalten.' 


§  177.  Allgemeines.  §  178.  A.  Die  Ammensprache.  289 


Zeit.  Sicher  hat  er  zur  Veränderung  des  Wortschatzes  unsrer  Sprache  in 
ausgedehntem  Maße  beigetragen.  NamentUch  werden  sich  viele  Fälle  des 
sogenannten  Euphemismus  aus  Rücksichten  auf  die  Frauen  erklären.  Es 
tritt  sehr  häufig  der  Fall  ein,  daß  man  Worte  für  Begriffe,  die  man  nicht 
entbehren  kann,  durch  neue  ersetzt,  und  daß  die  alten  dadurch  allmählich 
abkommen.  So  darf  man  die  Worte  Hose^)  und  Strümpfe  in  guter  Ge- 
sellschaft nicht  mehr  gebrauchen,  man  nennt  erstere  die  Beinkleider,  die 
Unaussprechlichen,  während  der  Engländer  noch  weiter  geht  und  zu  dem 
Ausdruck  my  do'nt  niention  it  gelangt  ist.  Natürlich  gilt  auch  hier  das  Wort: 
andere  Zeiten,  andere  Sitten,  und  es  hat  sicher  Zeiten  gegeben,  in  denen  den 
Frauen  auch  die  gewöhnlichsten  Wörter  ebenso  geläufig  waren  als  den  Männern. 
Ob  es  gelingen  wird,  den  Einfluß,  den  diese  Dinge  einmal  auf  die 
Sprache  gehabt  haben,  auch  nur  einigermaßen  klarzulegen,  darf  man  billig 
bezweifeln,  und  es  ist  nur  zu  hoffen,  daß  man  der  Frage  für  die  Gegenwart 
einige  Aufmerksamkeit  zuwendet. 

2.  DIE  SPRACHE  DER  ALTERSKLASSEN.  - 
§  177.  Allgemeines.  Es  ist  das  Verdienst  von  Usener  (zuerst  in  einem 
Vortrag  der  Wiener  Philologenversammlung  1893,  Verhandlungen  S.  22  ff., 
abgedruckt  in  der  Beilage  zur  Münchener  Allgemeinen  Zeitung  1893  Nr.  148 
und  158,  und  in  den  Hessischen  Blättern  für  Volkskunde,  1,198 — 228,  und 
danach  in  seinen  Vorträgen  und  Aufsätzen,  Leipzig  1907,  S.  105)  urfd  von 
H.  ScHURTZ  (Altersklassen  und  Männerbünde,  eine  Darstellung  der  Grund- 
formen der  Gesellschaft,  Berlin  1902),  die  hohe  Bedeutung  der  Altersklassen 
für  die  kulturelle  Entwicklung  dargelegt  zu  haben.  Daß  sich  die  Gleichaltrigen, 
insbesondere  die  Jugend,  in  natürlichem  Gefühl  füreinander  zusammenfinden, 
ist  eine  allbekannte  und  verständliche  Erscheinung,  daß  aber  diese  Verbände 
von  so  hoher  Bedeutung  gewesen  sind,  ahnte  man  früher  nicht.  Was  sich 
so  deutlich  von  Wert  für  die  kulturelle  Entwicklung  zeigt,  dem  kann  auch 
eine  Einwirkung  auf  die  Sprache  nicht  mangeln.  Schließen  sich  die  Gleich- 
altrigen zu  besondern  Verbänden  zusammen,  so  müssen  sie  auch  einen  be- 
sondern Wortschatz  ausbilden.  Leider  ist  nur  noch  wenig  von  den  alten  Zu- 
ständen in  der  Gegenwart  zu  spüren,  aber  es  lassen  sich  doch  drei  Gruppen 
anführen,  die  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Sprache  der  Altersklassen  zu 
behandeln  sind;  es  sind:  1.  die  früheste  Kindersprache,  die  sogenannte 
Ammensprache,  2.  die  Schülersprache  und  3.  die  Studentensprache. 
§  178.  A.  Die  Ammensprache. 

Literatur:  WuNDT,  Völkerpsychologie  I,  1,267 ff.  —  Meringer,  Aus  dem  Leben  der 
Sprache.    Versprechen.   Kindersprache.   Nachahmungstrieb.   Berlin  1908. 

Wir  können  uns  an  dieser  Stelle  nicht  mit  der  Entstehung  der  Sprache 
beim  Kinde  befassen,  zumal  es  feststeht,  daß  von  einer  Worterfindung  beim 


')  Campe  sagt  in  seinem  Fremdwörter- 
buch 1801  S.  598b:  „Allein  da  die  Wörter 
Hose  und  Lende  zu  denen  gehören,  die  man 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  19 


in  feinen,  besonders  in  Frauenzimmergesell- 
schaften gern  vermeidet  . .  .'. 


290  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Kinde  nicht  die  Rede  sein  kann.  Ich  verweise  hierfür  auf  die  Schrift  von 
W.  Preyer,  Die  Seele  des  Kindes,  4.  Auflage,  und  auf  Wunüt  a.a.O.  Hier 
handelt  es  sich  nur  um  die  Frage,  wie  weit  die  Kindersprache  des  ersten 
Alters  von  Einfluß  auf  die  Sprache  im  allgemeinen  und  im  besondern  auf 
unser  Deutsch  gewesen  ist. 

Das  Kind  fängt  bekanntlich  an  zu  lallen,  d.  h.  Laute  ohne  damit  ver- 
bundenen Sinn  hervorzubringen.  Den  häufiger  wiederkehrenden  Lallsilben 
wird  von  den  Erwachsenen,  in  erster  Linie  von  der  Mutter,  eine  bestimmte 
Bedeutung  untergelegt.  Dazu  gehören  ma,  na,  pa,  ta.  Es  kann  kein  Zu- 
fall sein,  daß  die  meisten  Sprachen  mit  diesen  Lauten  die  Begriffe  'Mutter' 
und  'Vater'  verbinden,  und  zwar  haftet  der  erstere  mehr  an  den  Silben  ma, 

na,  der  letztere  an  pa,  ta. 

Darauf  beruhen  unser  Mama,  Papa,  got.  atta  'Vater',  während  die  übrigen  indo- 
germanischen Sprachen  auch  andere  Silben  zu  Worten  umbilden.  Möglicherweise  enthalten 
auch  die  indogermanischen  Worte  *pqttr,  d.  Vater,  und  *mdttr,  d.  Mutter  diese  Lall- 
silben. Ebenso  geht  unser  Muhme  auf  ein  älteres  mömö  zurück  (s.  o.  S.  87).  Weiter  lassen 
sich  anführen:  schwäb.  (/o^  für  'Patin',  vgl.  ahd. /o/o  'Vater';  schwäb.  d///  zu  got  atta; 
Amme,  ahd.  amma  f.,  Bube  (s.  o.  S.  87),  e.  boy  (auch  e.  baby  gehört  hierher);  Buhle, 
Urform  *bulü,  *bal(i,  ursprünglich  vielleicht  'Bruder'  bedeutend  und  eine  Kinderform  dazu, 
vgl.  lit.  *rö//5  'Bruder'  und  leU.  *fl/^/ms  'Brüderchen';  ßafls  'Meister',  ursprünglich  viel- 
leicht 'Vater',  dazu  Base.  Kuchen,  ahd.  kuodio  führt  auf  ein  urgerm.  *kökö,  weiter  *käkä, 
was  vielleicht  ebenfalls  hierher  gehört.   Im  Ablaut  dazu  steht  e.  cake. 

Die  Kindersprache  hat  die  Eigentümlichkeit,  die  Silben  gern  zu  wieder- 
holen, sie  zu  reduplizieren,  und  so  hat  man  die  Erscheinung  der  Reduplikation 
überhaupt  auf  die  Kindersprache  zurückgeführt,  vielleicht  nicht  ganz  mit 
Recht,  da  auch  Erwachsene  diese  Form  gern  anwenden,  vergleiche  Töfftöff. 
Jedenfalls  stehen  eine  ganze  Reihe  reduplizierter  Wörter,  namentlich  auch 
Bezeichnungen  für  Tiere,  im  Verdacht,  aus  der  Kindersprache  zu  stammen. 
Das  ist  sicher  für  Wauwau,  Motto  und  kann  demnach  auch  gelten  für 
Kuckuck,  Pappe  'Brei'  (siehe  oben  S.  88),  Bonbon  u.  a.  Hierher  dürften 
auch  die  reduplizierenden  Kosenamen,  wie  Alimi,  Lulu,  Lolo  und  auch 
manche  andere  wie  Benno  für  Bernhard,  Anno  für  Arnold,  Eppo  für 
Eberhard  gehören,  kommt  doch  bei  ihnen  das  Gesetz,  schwierigere  Laut- 
gruppen durch  einfache  wiederzugeben,  deutlich  zur  Geltung.  Besonders 
beweisend  ist  es,  daß  in  diesen  Koseformen  der  Laut  r,  der  bekanntlich  für 
die  Kinder  schwierig  ist,  vermieden  wird.  Vgl.  noch  e.  Fanny  für  Frances, 
Floss  für  Florence,  Kit  für  Christopfer,  Tina  für  Katerina  bei  E.  Björk- 
MAN,  IF.  30,  274.  Natürlich  verfügt  die  Kindersprache  über  eine  große  An- 
zahl von  Lautgruppen,  die  nicht  in  die  allgemeine  Sprache  übergehen,  es 
sind  vielmehr  immer  nur  einige  gewesen,  die  sich  von  diesem  Urboden 
losgerissen  haben.  Aber  im  Laufe  der  Zeit  kommen  schließlich  doch  nicht 
wenige  auf  diesem  Wege  entstandene  Wörter  zusammen. 

Anmerkung.  Es  gibt  in  den  indogermanischen  Sprachen  eine  ganze  Reihe  von 
Fällen,  in  denen  einfacher  Konsonant  einer  Gruppe  Konsonant  -fr  gegenübersteht.  Vgl.  e.  to 
speak  :  d.  sprechen;  gr.  (.-)äyrvfn  :  (f)Qi]yvvfu  'brechen',  d.  Wrack;  ai.  bhanakti  'bricht'  :  lat. 


§  179.  B.  Die  Sprache  der  Jugend.  §  180.  C.  Die  Pennälersprache.        291 

frango,  d.  breche;  Strumpf:  Stumpf;  Sdirank  :  Sdiank,  ahd.  skank  'Geschirrgestell';  brauchen, 
\at.fruor:a\nd.bhunäjmi,  latfungor'gQnitüe,  gebrauche';  Rasen,  mnd.  wrase  :  ohd.Wasen; 
Buhle,  mnd.  böte,  böleken  'leibliche  Geschwister',  s.  o.  Zahlreiche  weitere  Beispiele  bei 
NoREEN,  Abriß  der  urgermanischen  Lautlehre  219  ff.  Man  könnte  daran  denken,  solche 
Worte  aus  der  Kindersprache  herzuleiten.  Denn  es  ist  merkwürdig,  daß  gerade  r  so  häufig 
zu  fehlen  scheint. 

§  179.  B.  Die  Sprache  der  Jugend.  Wir  mit  unserni  Schulzwang  können 
uns  kein  rechtes  Bild  mehr  davon  machen,  wie  die  Kinder  in  frühern  Zeiten 
aufgewachsen  sind.  Jedenfalls  bildete  die  unerwachsene  Jugend  eines  Dorfes 
eine  Gesellschaft  für  sich.  Diese  ist  nicht  darum  wichtig  für  unsere  Zwecke, 
weil  sie  einen  besondern  Wortschatz  ausgebildet  hätte,  wohl  aber  ist  das 
Dasein  dieser  Gruppe  deshalb  von  Bedeutung,  weil  in  ihr  zweifellos  die  Be- 
dingungen für  den  Bedeutungswandel  und  den  Verlust  der  Worte  liegen.  Das 
junge  Geschlecht  lernt  nicht  alle  Worte  und  nicht  alle  Bedeutungen,  und  es 
sind  daher  alle  Bedingungen  dafür  vorhanden,  daß  bei  ihr  eine  neue  Sprache 
entsteht.  Leider  fehlt  uns  vorläufig  aller  Stoff,  um  hier  die  Grundlinien  der 
Entwicklung  zu  ziehen.  Man  kann  nur  hoffen,  daß  uns  die  ethnologische 
Forschung  Stoff  schafft.  Bei  den  Untersuchungen  der  altern  Sprachzustände 
dürfte  sich  aber  wohl  da  etwas  ergeben,  wo  wir  ein  genau  datierbares  Material, 
wie  bei  den  griechischen  Inschriften,  vor  uns  haben.  Als  Beispiel  kann  man 
schließlich  auch  das  Aussterben  einer  Sprache  anführen,  wie  wir  es  im 
Slowinzischen  treffen,  wo  Lorentz  festgestellt  hat,  daß  nur  noch  Leute  über 
fünfzig  Jahre  die  alte  slawische  Sprache  sprechen.   Vgl.  GDS.  178. 

Für  die  mittelalterlichen  Handschriften,  die  bei  den  Abschriften  doch 
auch  im  Wortschatz  modernisiert  wurden,  dürfte  eine  genaue  Untersuchung 
manches  ergeben,  vgl.  darüber  unten  §  187. 

Jedenfalls  kommt  es  einem  gerade  bei  diesem  Punkt  so  recht  lebhaft 
zum  Bewußtsein,,  daß  die  Sprache  an  die  Gesellschaft  gebunden  ist,  und 
daß  wir  sie  niemals  losgelöst  von  jenem  Faktor  betrachten  dürfen,  wenn 
wir  ihr  Leben  verstehen  lernen  wollen.  Als  Ersatz  für  dieses  nicht  mehr 
erkennbare  Gebiet  kann  man  die  Schülersprache  heranziehen,  obgleich  diese 
starken  äußern  Einflüssen  ausgesetzt  ist. 

§  180.    C.  Die  Pennälersprache. 

Literatur:  K.  Schladebach,  Die  Dresdener  Pennälersprache,  ZfdU.  18,  56;  R.Eilen- 
berger,  Pennälersprache,  Entwicklung,  Wortschatz  und  Wörterbuch,  Straßburg  1910,  wo 
noch  weitere  Literatur.  Außerdem  WocKE,  Mitt.  d.  Schles.  Ges.  f.  Volksk.  20,  215. 

Daß  die  Schüler  unsrer  höhern  Lehranstalten  eine  besondere  Sprache 
sprechen,  ist  jedem  bekannt,  der  eine  höhere  Schule  besucht  hat.  Man 
hat  sie  aber  wenig  beachtet.  Auf  meine  Anregung  hin  hat  es  Eilenberqer 
unternommen,  den  Stoff  zu  sammeln,  und  wir  haben  ein  recht  nettes  Büch- 
lein erhalten,  das  hoffentlich  dazu  beiträgt,  weiteren  Stoff  herbeizuschaffen 
und  weitere  Untersuchungen  zu  zeitigen.  Vor  allem  wären  Mitteilungen  aus 
frühern  Zeiten  sehr  zu  begrüßen.  Denn  zweifellos  hat  die  Pennälersprache 
ein  hohes  Alter  und  geht  im   letzten  Grunde  auf  die  Klostersprache  des 

19* 


292  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

Mittelalters  zurück.  Das  zeigt  sich  in  ein  paar  Fallen  auch  noch  in  der 
Sprache.  So  finden  wir  Zö/zrt/j^/ 'Speisesaal  in  Alumnaten',  informieren 
'essen',  kurieren  'strafweise  fasten  müssen',  Novize  'Tertianer'  (in  den 
Fürstenschulen  ist  die  Tertia  die  unterste  Klasse),  valedizieren  'abgehen'. 

Im  wesentlichen  geht  aber  die  Pennälersprache  auf  die  Studentensprache 
zurück,  was  nach  dem  ganzen  Gang  der  Entwicklung  eigentlich  selbst- 
verständlich ist.  Beachtenswert  ist,  daß  sich  in  ihr  Ausdrücke  erhalten,  die 
die  Studentensprache  selbst  wieder  aufgegeben  hat,  wie  Pennal  'Schule', 
ursprünglich  'Student  im  ersten  Semester'  nach  dem  mlat.  pennale  'Feder- 
büchse'; schassen,  frz.  diasser,  poussieren  'den  Hof  machen'  (jetzt  wohl 
allgemein  üblich),  frz.  pousser,  Wilder  'Schüler,  der  das  Abitur  macht,  ohne 
auf  der  Schule  gewesen  zu  sein'. 

Im  großen  und  ganzen  ist  die  Pennälersprache  wenig  selbständig,  wie 
das  nach  Lage  der  Dinge  kaum  anders  zu  erwarten  ist,  und  demnach  hat 
sie  auch  kaum  auf  die  Allgemeinsprache  eingewirkt.  Vgl.  noch  §  67  und 
den  Aufsatz  von  Wocke,  s.  oben. 

Anmerkung.  Zu  den  Quellen  der  Pennälersprache  kann  man  nach  dem  Nachweis 
von  W.  Fabricius,  ZfdW.  3,91  Vollmann,  Burschikoses  Wörterbuch,  Ragaz  1846,  rechnen. 

§  181.  D.  Die  Studentensprache.  Zweifellos  haben  wir  es  in  der  Studenten- 
sprache mit  der  Sprache  einer  bestimmten  Altersklasse  und  zugleich  eines 
bestimmten  Standes  zu  tun.  Sie  übertrifft  an  Bedeutung  die  bisher  genannten 
Sondersprachen  bei  weitem  und  hat  auch  weit  mehr  als  diese  auf  unsere 
Schriftsprache  eingewirkt. 

Die  Besonderheiten  der  Studenten-  oder  Burschensprache  haben  schon 
früh  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gelenkt.  Wir  besitzen  teils  systematische 
Darstellungen  von  ihr,  teils  wird  sie  in  der  Literatur  verwendet.  Hier  sind 
vor  allem  zu  nennen  Kortums  Jobsiade,  Zachariäs  Renommist,  Goethes 
Dichtung  und  Wahrheit  und  Heines  Harzreise.  Zachariä  sagt  gleich  im 
Anfang  seines  Renommisten: 

Laß  in  dein  Heiligtum  die  sdieue  Muse  sehen 
Und  laß  sie  den  Gebraudi  der  jensdien  Welt  verstehen, 
Daß  sie  die  Spradie  faßt,  die  der  Student  nur  spridit 
Und  nie  entweihet  ward  vom  komisdien  Gedidit. 
Anmerkung.  An  systematischen  Darstellungen  finden  wir:  Vergnügte  Abendstunden, 
Erfurt  1749,  2,  69.  353.    Diese  Zeilschrift   enthält  ein  kompendiöses  Handlexikon  der  unter 
den  Herrn  Purschen  auf  Universitäten  gebräuchlichen  Kunstwörter  von  Salmasius  mit  Nach- 
trägen von  Prokax.  —  Studenten-Lexicon.  Aus  den  hinterlassenen  Papieren  eines  unglück- 
lichen Philosophen,  Florido  genannt,  ans  Tageslicht  gestellt  von  Chr.  W.  Kindleben,  Halle 
1781;  Neudruck  Leipzig  1899.  —  [Augustin],  Bemerkungen  eines  Akademikers  über  Halle 
und  dessen  Bewohner  in  Briefen  nebst  einem  Anhange,  enthaltend  die  Statuten  und  Gesetze 
der  Friedrichs-Universität,  ein  Idiotikon  der  Burschensprache  und  den  sogenannten  Burschen- 
komment, Germanien  1795;  Neudruck  des  Idiotikons  Halle  1894.  —  Der  Göttinger  Student 
oder  Bemerkungen,   Ratschläge  und  Belehrungen  über  Göttingen   und  das  Studentenleben 
auf  der  Georgia  Augusta,  Qöttingen  1813.  —  Das  Leben  auf  Universitäten  oder  Darstellung 
aller  Sitten  und  Gebräuche  usw.  nebst  einem  Verzeichnis  aller  burschikosen  Ausdrücke  usw., 
Sondershausen  1822.  —  Studentikoses  Conversationslexikon  oder  Leben,  Sitten,  Einrichtungen, 


§  181.  D.  Die  Studentensprache.  293 

Verhältnisse  und  Redensarten  der  Studenten,  beschrieben,  erklärt  und  alphabetisch  geordnet, 
Leipzig  1825.  —  Der  flotte  Bursch  von  C.  B.  von  Rag . . .  y,  Lejpzig  1831.  —  Studentikoses 
Idiotikon,  Jena  1841.  —  Allgemeine  deutsche  Studentensprache;  herausgegeben  von  A.  H.; 
zweite  vermehrte  Auflage,  Jena  1860.  —  Andere  neuere  Werke  sind  von  keiner  besondern 
Bedeutung  mehr. 

Eine  wissenschaftliche  Behandlung  der  Studentensprache  verdanken  wir 
erst  der  neuern  Zeit,  und  zufällig  haben  wir  gleich  zwei  Bearbeitungen 
erhalten;  die  eine  von  John  Meyer  behandelt  'Die  Hallische  Studenten- 
sprache', Halle  1895,  während  Fr.  Kluge  1895  ein  Büchlein  'Deutsche 
Studentensprache'  veröffentlicht  hat,  nachdem  er  schon  1892  in  Beilage 
Nr.  297  der  Münchener  Allgemeinen  Zeitung  einen  Vortrag  über  diese 
Sprache  bekannt  gemacht  hatte.   Diese  Werke  enthalten  auch  Angaben  über 

die  frühere  Literatur. 

Anmerkung.  Dazu  kommen  noch  S.  Kleemann,  ZfdW.  1,  39 ff.;  E.  Schmidt,  Zeit- 
schrift des  Vereins  f.  Volkskunde  5,  225,  ZfdW.  2,292;  W.  Fabricius,  ZfdW.  3,91  ff.;  Otto 
Ladendorf,  ZfdW. 4, 309 ff.;  K.Müller,  ZfdW. 4, 314;  K. Konrad,  Ergänzungen  zu  Friedrich 
Kluges  'Deutscher  Studentensprache',  ZfdW.  12,  271  ff.;  John  Meyer,  Baseler  Studenten- 
sprache, Basel  1910. 

Die  Studenten-  oder  Burschensprache,  wie  sie  genannt  wird,  läßt  wie 
in  einem  Spiegel  die  Entwicklung  des  Studentenwesens  und  der  Studenten- 
bildung erkennen.  Bei  der  großen  Bedeutung,  die  die  studentischen  Kreise 
für  unser  ganzes  Volk  gehabt  haben,  ist  es  nur  zu  natürlich,  daß  wir  viel 
aus  ihr  aufgenommen  haben.  In  den  Ferien  kehrte  der  Student  in  die 
Heimat  zurück,  und  dann  ahmte  auch  der  Philister,  wie  man  die  Nicht- 
studenten  nannte,  die  Sprache  der  Burschen  nach.  Natürlich  ist  es  schwer 
zu  sagen,  in  welche  Schichten  die  Worte  wirklich  eingedrungen  sind,  aber 
in  der  Umgangssprache  der '  Gebildeten  steckt  sicher  ein  gut  Teil  und 
auch  auf  unsere  Literatur  hat  manches  abgefärbt.  Die  Burschensprache  ent- 
hält eine  Reihe  ganz  verschiedener  Bestandteile,  und  es  war  angebracht, 
wie  dies  Kluge  getan  hat,  sie  nach  diesen  Elementen  zu  behandeln. 

1.  Antike  Bestandteile.  Unter  diesen  tritt  uns  zunächst  das  Latein  entgegen.  Es 
war  ja  bis  in  das  18.  Jahrhundert  die  herrschende  Vortragssprache,  und  so  gebraucht  sie 
der  Student  in  allen  Lebenslagen.  Vermengt  mit  dem  Deutschen  führt  dies  zu  der  so- 
genannten makkaronischen  Poesie,  in  der  deutsche  und  lateinische  Wörter  vermischt  werden. 
So  sagte  man  qui  bibit  ex  neigis,  ex  frischibus  incipit  idem,  oder  sie  jacet  in  drecko,  qui 
modo  reuter  erat. 

Man  flektierte  aber  auch  die  Worte  und  bildete  Ablativa  Plur.  wie  in  baaribus,  in 
floribus.  Daneben  stehen  Bildungen  mit  dem  Gen.  Plur.  auf -orüm.  So  finden  w\x  Bucke- 
lorum  zur  Benennung  eines  'Bucklichten'  noch  heute  in  Hessen,  und  der  Hallore  heißt 
um  1700  Hallorum,  woraus  der  studentische  Ursprung  der  Bildung  klar  erhellt.  Neuer- 
dings sagt  man  auch  kennimiis. 

Durch  die  Vermittlung  der  Studentensprache  ist  dann  mancherlei  lateinisches  und 
griechisches  Sprachm.aterial  zu  uns  gekommen.  So  die  Ausdrücke  die  Moneten  'Geld', 
lat.  monetae,  zu  olims  Zeiten  (1678),  lat.  olim  'einst',  sidi  bene  tun  (16.  Jh.).  Unser 
fidel  ist  das  lat.  fidelis  'treu',  das  im  18.  Jahrhundert  nach  mancherlei  Wandlungen  die 
jetzige  Bedeutung  annimmt  Hierher  gehören  weiter  Judis  'Spaß'  aus  htjocus,  fix  'schnell, 
gewandt'  aus  lat.  fixus  (ursprünglich  wurde  es  in  der  Alchimie  gebraucht),  kurios  aus 
lat.  cariösus,  kraß  aus  lat.  crassus,  Kommers  aus  lat.  commercium. 


294  Zwölftes  Kapitel.-  Die  Sondersprachen. 


Schon  im  18.  Jahrhundert  wurden  die  Universitätsstädte  Athen  genannt,  unter  Hin- 
zufiigung  des  Flusses,  an  dem  sie  lagen.  So  finden  wir  Saalathen,  Pleißathen;  die  Stu- 
denten selbst  hießen  Musensöhne. 

Weiter  erhalten  wir  dann,  zum  Teil  wohl  unter  Einwirkung  der  makkaronischen 
Poesie,  eine  Reilie  lateinischer  Kndungen  an  deutschen  Worten.  So  haben  wir  -ikus  aus 
lat.-gr.  -uns  in  Politikus,  I'fiffikus,  Luftikus.  Sdiwadimatikus.  Aus  lat.  -itas 
wurde  -ität.  Es  gab  viele  Bildungen  mit  diesem  Suffix,  wir  besitzen  aber  nur  noch  das 
von  Bürger  eingeführte  Schwulität.  Sicher  verdanken  wir  den  lateinischen  Matrikeln 
unsere  leidigen  -enser  und  -aner  in  Herkunftsbezeichnungen  wie  Hallenser.  Jenenser. 
Weimaraner.  Glücklicherweise  fängt  man  jetzt  allmählich  an,  sie  zu  vermeiden,  nachdem 
schon  Campe  dagegen  geeifert  hatte.  Auch  die  Endung  -lade  verbreitete  sich  sehr  in  der 
Studentensprache  und  wurde  durch  Kortums  Jobsiade  allgemein  bekannt. 

Schließlich  ist  sogar  ein  griechischer  Bestandteil  auf  diesem  Wege  in  unsere  Schrift- 
sprache eingedrungen.  Die  griechische  Endung  -iy.i7K  {-ikös)  wird  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert sehr  häufig  gebraucht  und  sogar  mit  griechischen  Lettern  gedrückt.  So  liest  man 
student-t:<w^  und  daneben  tritt  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  bursdi-ixM^,  das  durch 
Schillers  Wallenstein  Literaturrecht  bekam: 

Zu  Altdorf  im  Studentenkragen 
Trieb  er's  —  mit  Permiß  zu  sagen  — 
Ein  wenig  lodter  und  bursdiikos. 

Es  mag  hier  gestattet  sein,  auf  noch  einige  antike  Elemente  hinzuweisen,  die  durch 
die  Vermittlung  der  lateinischen  Universitätssprache  oft  mit  ganz  merkwürdiger  Bedeutungs- 
entwicklung zu  uns  gekommen  sind. 

Das  frz.  cancan  geht  auf  lat.  quamquam  zurück,  das  zunächst  für  »Universitäts- 
rede*  gebraucht  wurde,  weil  diese  meist  mit  quamquam  begannen.  —  Ahnlich  steht  es 
mit  Quodlibet.  Auf  einigen  deutschen  Hochschulen  gab  es  im  16.  Jh.  jährlich  eine  dis- 
putalio  de  quolibet,  auch  concertatio  quodlibetica  genannt  'über  alles  mögliche',  in  die 
als  belustigende  Intermezzos  scherzhafte  Reden  eingeschoben  wurden  (ZfdA.  9,  120}.  — 
Tandem  'leichter  Wagen  mit  zwei  Pferden  hintereinander'  gehtauf  &.  tandem  zuxücV.,  von 
lat.  tandem  'endlich',  das  im  mittelalterlichen  Latein  die  Bedeutung  'in  der  Länge"  an- 
nahm. —  Rebus  ist  der  lat.  Dat.  Abi.  Plur.  von  res  'Sache'.  Um  1600  stellten  die  Studenten 
in  der  Pikardie  die  Stadtereignisse  als  Fastnachtsscherz  in  Bildern  dar.  —  Sparte  'Amt, 
Pfründe'  geht  auf  einen  Vers  aus  dem  Telephos  des  Euripides  zurück,  bei  Erasmus  Spartam 
nactus  hanc  adorna  'du  hast  Sparta  erlangt,  dieses  versorge'.  Nach  dieser  Analogie  ist  es 
auch  nicht  unmöglich,  daß  Fidibus  nach  M.  Haupt  aus  dem  Vers  des  Horaz  entstanden  ist 
et  ture  et  fidibus  juvat  placare  deos  'mit  Weihrauch  und  Saitenspiel  die  Götter  besänftigen'. 

Weiter  gehen  auf  die  frühere  Studentensprache  zurück:  Pennal,  ursprünglich  im 
17.  Jh.  Student  im  1.  Semester,  m\at  pennale  'Federbüchse',  —  Studio,  im  18.  Jh.  Bruder 
Studium;  —  Bacdiant,  Anfang  des  15.  Jh.,  lat  bacdians  'umherstreifend';  —  Kalfakter, 
16.  Jh.,  mlat.  calefactor  'Einheizer'  u.  a. 

2.  Französische  Bestandteile  zeigen  sich  seit  der  Zeit,  da  auf  einigen  Hoch- 
schulen ein  neuer  Geist  zu  herrschen  begann,  seit  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  Auch 
in  diesem  Fall  werden  soviel  Worte  herübergenommen,  daß  schließlich  ihre  Endungen 
ganz  geläufig  werden  und  weiter  wuchern,  so  finden  wir  -ier  in  Kneipier.  Suitier 
und  Sdiwitier,  -age  inRenommage.  Passage.  Kleidage.  -ös\n  malitiös , pediös. 
philiströs,  sdiauderös. 

3.  Besonders  stark  ist  der  Einfluß  des  Rotwelschen  (siehe  unten),  der  Gauner- 
sprache, auf  die  Studentensprache  gewesen,  und  zahlreiche  Worte  sind  durch  ihre  Ver- 
mittlung in  unser  Neuhochdeutsch  gedrungen,  ich  nenne  nur  berappen,  bledien.  brum- 
men, foppen.  Kaff  er.  keilen.  Kneipe.  Kniff,  mogeln,  pumpen  (siehe  unten  die 
Gaunersprache). 


§  182.  Allgemeines.  295 


4.  Die  Studentensprache  hat  natürhch  auch  sonst  noch  besondere  Eigentümlichkeiten. 
Zu  ihnen  gehört  vor  allem  die  häufige  Anwendung  von  Tierbezeichnungen  für  Menschen. 
Kluge  hat  daher  ein  Kapitel  'Burschikose  Zoologie'  überschrieben.  Der  Gymnasiast  ist  ein 
Frosch,  er  wird  zum  Mulus  'Maultier  oder  Maulesel',  und  schließlich  zum  Fuchs.  Diese 
Bezeichnung  scheint  schon  im  16.  Jahrhundert  belegt  zu  sein.  Wir  wissen  aber  nicht,  wie 
die  Bedeutungsübertragung  zustande  gekommen  ist.  Studenten,  die  keiner  Verbindung  an- 
gehören, heißen  an  einigen  Orten  Finken,  an  andern  Kamele.  Auch  der  Ausdruck 
Pecfivogel  ist  wohl  studentisch,  obgleich  er  zunächst  aus  der  Jägersprache  stammt  und 
den  Vogel  bezeichnet,  der  an  der  Leim-  oder  Pechrute  hängen  geblieben  ist.  Wie  der  Aus- 
druck Salamander  zu  erklären  ist,  steht  noch  aus,  vgl.  darüber  Kluge,  Studentensprache  54 
und  Bunte  Blätter  S.  94.  Daß  man  von  Bierfisdien  redet,  ist  verständlich,  wie  aber 
Spitz,  Kater,  Affe  ihre  Bedeutung  bekommen  haben,  ist  unklar.  Ebensowenig  ver- 
stehen wir  den  Ausdruck  He  cht  'dicker  Tabaksrauch'.  Das  weibliche  Geschlecht  wird 
gleichfalls  sehr  häufig  mit  Ausdrücken  aus  dem  Tierreich  belegt,  vgl.  Dohlen,  Schnepfen, 
Grasmücken,  Meisen.  Schließlich  ist  auch  die  Bezeichnung  Fisch  nebst  Backfisch 
studentisch. 

5.  Auch  manches  Theologische  hat  auf  die  Sprache  der  Studenten  abgefärbt.  So  wird 
der  Name  der  Sekte  der  Manichäer  wohl  unter  Anlehnung  an  mahnen  zur  Bezeichnung 
des 'Gläubigers'.  Über  die  Herkunft  des  Ausdruckes  Philister  sind  die  Akten  noch  nicht 
geschlossen. 

6.  Andere  Worte,  die  zuerst  in  der  Studentensprache  auftreten,  sind  Ehrenhandel; 
flott  in  flott  leben,  aus  dem  Niederdeutschen,  wo  es  als  Schifferwort  vorkommt;  Knote, 
niederdeutsch  für  Genosse;  ledern  in  übertragenem  Sinne;  Mucker,  ursprünglich  Be- 
zeichnung der  Pietisten  in  Jena;  Besen  für 'Dienstmädchen';  (Einfalts)-pinsel,  älteste 
Form  ist  Pm/z-5«/?/ 'Schusterahle'  und 'Knauser',  Salbader{})  (im  17.  Jh.  belegt),  Schwager 
'Postillon'.   Bei  manchen  ist  der  Ursprung  noch  nicht  recht  aufgeklärt. 

7.  Endlich  sind  noch  ein  paar  Ausdrücke  anzuführen,  die  sich  aus  alten  studentischen 
Sitten  erklären.  Im  16.  Jahrhundert  entwickelte  sich  der  Brauch  der  Deposition  auf  den 
Universitäten,  d.  h.  mit  der  Aufnahme  auf  die  Universität  waren  eine  Reihe  von  'sym- 
bolischen' Gebräuchen  verbunden,  die  andeuten  sollten,  daß  der  Bruder  Studio  einen  neuen 
Menschen  anziehen  werde.  So  wurde  ihm  ein  Hut  mit  'Hörnern'  aufgesetzt,  die  er  sich 
ablaufen  muQiQ,  er  wurde  gehobelt,  daher  ungehobelt  und  ungesdiliffen,  es  wurde 
ihm  der  Bacchaiitenzahn  ausgezogen.  Vgl.  darüber  Fabricius,  Die  akademische  Deposition, 
Frankfurt  1895.  So  erklärt  sich  denn  wohl  auch  Luthers  Ausspruch:  eine  Antwort,  die 
weder  Hörner  noch  Zähne  hat.  • 

3.  STANDESSPRACHEN  ALLGEMEINER  ART. 
§  182.  Allgemeines.  Auch  unser  Volk  zerfällt  seit  langer  Zeit  in  ver- 
schiedene Stände.  Schon  Tacitus  berichtet  von  ihnen.  Demnach  müssen 
sich  frühzeitig  Verschiedenheiten  der  Sprache  und  des  Wortschatzes  ein- 
gestellt haben.  Freilich  wissen  wir  darüber  für  die  althochdeutsche  Zeit  gar 
nichts  und  für  die  mittelhochdeutsche  kaum  etwas.  Man  kann  für  diese 
nur  anführen,  daß  die  Sprache  des  höfischen  und  des  Volksepos  in  einigen 
Punkten  verschieden  war.  So  gebraucht  man  im  höfischen  Epos  gewisse 
Ausdrücke  nicht,  die  das  Volksepos  noch  kennt.  Aber  z.  T.  mag  es  sich 
hier  um  veraltete  Ausdrücke  handeln,  die  das  Volksepos  aus  der  Über- 
lieferung schöpfte,  während  sie  die  natürliche  Umgangssprache,  auf  der  das 
höfische  Epos  beruhte,  nicht  mehr  verwendete.  Außerdem  kann  man  sich 
aber  dem   Eindruck  nicht   verschließen,   daß   wir  es  in   der  Sprache   des 


296  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


höfischen  Epos  mit  der  Sprache  eines  Standes  zu  tun  hal")en,  eines  Standes, 
der  die  höchste  Stelhing  im  Staat  einnimmt.  Wir  können  hier  also  von 
einer  höhern  Sprache  reden,  und  damit  tritt  uns  eine  Erscheinung  entgegen, 
die  in  der  Neuzeit  immer  mehr  an  Bedeutung  gewonnen  hat. 

§  183.  A.  Höhere  und  niedere  Sprache.  Wir  besitzen,  worauf  schon  oben 
hingewiesen  wurde,  einen  meri<würdig  verschiedenen  Wortschatz,  einen 
höhern  und  einen  niedrigem,  den  wir  je  nach  Gelegenheit  anwenden.  Wir 
können  aucli  von  edlen  und  unedlen  Ausdrücken  reden,  und  es  ist  schon 
mancher  darum  getadelt  worden,  weil  er  einen  Ausdruck  gebraucht  hat, 
den  andere  für  unedel  hielten.  Diese  Unterschiede  treten  schon  sehr  stark 
im  17.  Jahrhundert  hervor,  wo  man  sich  bemühte,  das  Unedle  zu  vermeiden. 
So  sagt  Kaspar  Stieler  in  seinem  Teutschen  Sprachschatz  Ib: 

Da  gehöret  zu  einer  Kunstrede  ein  reidier  Worlvorraht,  eine  kluge  Wahl  aus- 
erlesener, wohlklingender  Redarten,  eine  ungezwungene,  leiditfließende  Deuilidi- 
keit  in  Ausdrildiung  hoher  Gedanken,  und  ist  ie  einem  Gelehrten  allerdings  unverant- 
wortlidi  und  hödist  naditeilig,  wenn  er  mit  der  Spradie,  so  ihm  angeboren,  beßer 
nidit,  als  der  gemeine  Pöfel  umzugehen  gelernt  hat. 

Wir  haben  also  hier  die  Unterschiede  und  Eigentümlichkeiten,  die  auch 
anderswo  zu  Scheidungen  in  den  Sprachen  geführt  haben.  Natürlich  kann 
ein  Wort  seinen  Adel  ändern,  es  kann  steigen  oder  sinken,  und  es  wäre  zu 
untersuchen,  welche  Worte  das  getan  haben.  Der  Stoff,  den  die  Wörter- 
bücher des  17.,  vor  allem  aber  des  18.  Jahrhunderts  für  die  Unterscheidung 
des  Wortschatzes  der  höhern  und  niedern  Sprache  aufgespeichert  haben, 
verdiente  eine  eingehende  Untersuchung.  Hier  kann  nur  auf  die  Wichtig- 
keit dieser  Frage  hingewiesen  werden. 

Als  höchste  und  edelste  Schreibart  gilt  die  Dichtersprache,«über  die 
wir  weiter  unten  ausführlicher  handeln  werden.  Die  Dichtersprache  wählt 
häufig  seltene,  ungewöhnliche  Worte.  Ändert  ein  Wort  aber  seine  Gebrauchs- 
weise, so  daß  es  diesen  Anforderungen  der  Seltenheit  nicht  mehr  entspricht, 
so  können  wir  den  dichterischen  Ausdruck  nicht  mehr  nachempfinden.  Wir 
sind  verletzt,  wenn  wir  in  Dichtungen  ältrer  Zeiten  Ausdrücke  finden,  die 
heute  der  poetischen  Sprache  nicht  mehr  angehören.  Wenn  heute  jemand 
das  Fell  seiner  Geliebten  besingen  würde,  so  würden  wir  das  als  unmöglich 
ansehen.  Auch  der  Ausdruck  Weib  kann  heute  in  der  Dichtersprache  nur 
mit  großer  Vorsicht  benützt  werden,  und  Goethes:  Mein  sdiönes  Fräulein, 
darf  idi's  wagen  .  .  .  bietet  uns  nichts  Besonderes,  während  es  seinerzeit 
einen  ganz  besonderen  Klang  hatte. 

Während  uns  die  Worte  der  höhern  Schreibart  und  der  Umgangssprache 
zur  Genüge  bekannt  sind,  gilt  das  weniger  von  denen  der  niedern  Sprache. 
Sie  sind  meist  auf  einen  kleinen  Kreis  beschränkt  und  bereiten  daher  dem 
weitern  Verständnis  Schwierigkeiten.  Sie  sind  aber  für  die  Wortgeschichte 
nicht  minder  wichtig.  Es  steckt  viel  dialektisches  und  z.T.  auch  recht  altes 
Sprachgut  in  diesen  Worten.  Eine  ganz  nette  Skizze  hat  Söhns  geschrieben: 
Die  Parias  unsrer  Sprache.   Eine  Sammlung  von  Volksausdrücken,  Heilbronn 


§  183.   A.   HÖHERE  UND   NIEDERE  SPRACHE.    §  184.   B.   DiE  SPRACHE  DER  RELIGION.   297 

1898.  Vgl.  auch  A.  Genthe,  Deutsches  Slang.  Eine  Sammlung  familiärer 
Ausdrücke  und  Redensarten,  Straßburg  1892. 

Vielfach  werden  derartige  Worte  ganz  verloren  gehen,  weil  sie  eben 
immer  tiefer  sinken,  aber  zuweilen  heben  sie  sich  auch  und  werden  literatur- 
fähig. So  ließ  z.  B.  Goethe  das  Wort  Dreck  nicht  drucken,  und  viele  werden 
es  heute  noch  als  so  gewöhnlich  empfinden,  daß  sie  es  nicht  brauchen 
werden.  Dagegen  ist  es  in  der  norddeutschen  Stadtsprache  ganz  gewöhn- 
lich für  Schmutz,  ebenso  wie  dreckig  für  schmutzig.  Es  ist  möglich,  daß 
es  noch  weiter  steigt. 

Derartige  Fälle  sind  indessen  immerhin  selten;  viel  häufiger  ist  das 
Umgekehrte,  daß  ein  Wort  seine  Bedeutung  verschlechtert;  siehe  darüber 
weiter  unten. 

§  184.  B.  Die  Sprache  der  Religion.  In  allen  religiösen  Handlungen, 
namentlich  den  Kultvorgängen,  kommt  es  darauf  an,  nichts  zu  versehen, 
d.  h.  genau  nach  altem  Brauch  zu  verfahren.  Da  bei  allem  Religiösen  das 
Wort  eine  große  Rolle  spielt,  so  erhalten  sich  in  der  Sprache  des  Kultus 
leicht  alte  Wortformen  und  Wortformeln,  die  z.  T.  ganz  unverständlich  sein 
können.  So  scheint  das  alte  Arvallied  den  Römern  kaum  noch  recht -klar 
gewesen  zu  sein.  Die  Neugriechen  halten  mit  Fanatismus  an  der  Sprache 
des  Neuen  Testamentes  fest  und  weisen  jeden  Erneuerungsversuch  mit 
großer  Entrüstung  zurück.  Bei  den  Indern  sind  die  heiligen  Lieder  des  Weda 
mit  größter  Sorgfalt  überliefert  worden.  Nicht  anders  steht  es  bei  uns. 
Zwar  die  Formeln  unserer  heidnischen  Religion  sind  verloren  gegangen, 
dafür  aber  tritt  das  Christentum  ein,  in  dessen  religiösen  Urkunden  sich- 
das  gleiche  Bestreben  zeigt,  Altes,  selbst  unverständlich  Gewordenes  zu  er- 
halten. In  unsern  Gesangbüchern  herrscht  eine  durchaus  altertümliche 
Sprache,  wovon  man  sich  durch  eine  kurze  Einsicht  leicht  überzeugen  kann. 

Ebenso  bestehen  bei  uns  heftige  Kämpfe,  ob  und  wie  weit  man  den 
zweifellos  an  vielen  Stellen  veralteten  Text  der  Lutherschen  Bibelübersetzung 
ändern  darf.  Ob  sie  mehr  oder  minder  veraltet  ist,  darauf  kommt  es  schließlich 
wenig  an,  wir  lesen  sie  in  der  Hauptsache  in  der  Sprache  des  16.  Jahrhunderts. 

Die  natürliche  Entwicklung  der  germanischen  Religion  wurde  durch 
die  Einführung  des  Christentums  jäh  unterbrochen,  und  dadurch  wurde 
auch  die  Sprache  stark  beeinflußt.  Die  eindringenden  Bekehrer  mußten 
selbstverständlich  das  Christentum  in  der  Landessprache  verkünden,  in 
einer  Sprache,  die  für  die  Begriffe,  die  sie  lehrten,  sicher  oft  genug  keine 
Ausdrücke  hatte.  Die  Lehrer  des  Christentums  haben  nun  eine  Reihe  von 
Ausdrücken  für  die  neuen  Begriffe  neugeschaffen,  andere  haben  sie  aus 
dem  Lateinischen  und  Griechischen  herübergenommen,  und  diese  sind  dann 
auch  in  die  Volkssprache  eingedrungen. 

Anmerkung.  Das  alte  Erbgut  unsrer  Sprache  auf  dem  Gebiet  der  Religion  ist  nicht 
allzu  reichhaltig.  Es  sind  vor  allem  Ausdrücke,  die  sich  auf  den  einfachen  Volksglauben, 
die  sogenannte  niedere  Mythologie  beziehen.    Ich  stelle   auch  hier  den  Stoff  alphabetisch 


298  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


zusammen,  dem  ich  auch  das  hinzufüge,  was  in  neuerer  Zeit  aus  dem  Nordisclien  zu  uns 
gekommen  ist. 

Alp,  mild,  alp,  anord.  alfr,  jetzt  'brustbcklemmende  Traumgcstalt',  ursprüngHch  'ge- 
spenstiges Wesen".  Vielleicht  zu  ai.  rbhtih  Name  von  drei  kunstreichen  Elfen,  eig.  'kunst- 
reich. Bildner'.  Dasselbe  Wort  ist  Elfe,  das  aus  dem  Englischen  durch  Wiclands  Über- 
setzung des  Sommernachtstraum  zu  uns  gekommen  ist,  und  ebenso  steckt  es  in  lirlkönig, 
das  Herder  nach  dän.  ellefrjkonge  bildete,  wobei  er  eile  statt  als  Ulfe  für  Erle  nahm. 
Auf  diesem  dän.  Wort  beruht  auch  vielleicht  Harlekin  aus  Uz.  arlequin,  älter  hellequin.  — 
Alraun,  ahd.  alruna,  eig. 'Benennung  des  weissagenden  Geistes,  der  aös  der  Wurzel  der 
Pflanze  geschnitten  wird,  zu  ahd.  rüna  'Geheimnis'.  —  Berserker,  aus  dem  anord.  ber- 
serkr  'Bärenkleid,  ein  Mann,  der  ein  Bärenkleid  trägt',  auf  ähnlicher  Anschauung  beruhend 
wie  Werwolf.  —  Bntzenmann,  zsg.  mit  mhd.  butze  'Polter-,  Klopfgeist'  zu  ahd.  büian 
'schlagen',  noch  in  Amboß.  —  Drude,  vielleicht  zu  an.  prüdr  'göttliches  Wesen,  Walküre'.  — 
Gespenst,  zu  ahd.  gispanst  f.  'Verlockung'  zu  ahd.  spanan  'locken,  reizen',  gr.  o.nÜEiv 
(späin)  'ziehen'.  —  Heinzelmänndien ,  nihd.  heinze  'Hauskobold",  Koseform  zu  Hein- 
ridi.^)  —  Hexe,  ahd.  liagazussa.  Herkunft  unsicher.  —  Hölle,  ahd.  hellia.  e.  hell,  got. 
halja,  eig.  'Reich  der  Todesgöttin',  anord.  Hei  zu  hehlen.  —  Hüne,  obd.  Heune,  ahd. 
Hüni,  vielleicht  auf  den  Volksnamen  der  Hunnen  zurückgehend.  —  Klabautermann 
'Schiffskobold',  dunkler  Herkunft.  —  Kobold  'unheimlicher  Hausgeist',  md.  kobolt,  ge- 
wöhnlich aus  kob  :  hoben  und  a'o/rf 'Walter',  also  'Hausgeist'  erklärt.  —  AlöAr 'drückender 
Nachtgeist',  ahd.  mara,  e.  nightmare.  Dazu  air.  mör(r)igain,  eig.  'Alpkönigin',  poln.  mora 
und  auch  wohl  aind.  marut  'Sturmgott'.  Entlehnt  frz.  caudie-mar.  —  Nix  m.  'Wasser- 
geist', ahd.  nidius  'Krokodil'  (Wasserungeheuer),  e.  nix  'Teufel'.  Dazu  Nixe,  ahd.  nic- 
diessa.  —  Norne,  durch  Klopstock  aus  anord.  norn  eingeführt.  —  Popanz  'Schreck- 
gestalt', erst  nhd.,  wohl  zu  der  Interjektion  ftoW. —  Puöi,  aus  tngX.pudi.  —Rübezahl. 
eig.  'Rübenschwanz'.  —  Sdirat,  Sdiretel  'Waldteufel',  ahd.  skrati'o),  anord.  skrat(t)i 
'Riese,  böser  Geist,  Zauberer',  vielleicht  zu  norw.  skratta  'laut  lachen'.  —  Troll,  mhd. 
trol(le)  'gespenstiges  Ungetüm,  Kobold'.  Dazu  anord.  troll  und  vielleicht  auch  Trulle.  — 
Trug  und  trügen  haben  wohl  auch  mythologischen  Sinn,  da  anord.  draugr,  das  dazu 
gehört,  'Gespenst'  bedeutet.  —  Unhold  'feindliches,  böses  Wesen',  ahd.  unholdo  "böser 
Geist',  got.  unhulpa  'Teufel'.  Dazu  gehört  auch  der  Name  der  Frau  Holle.  —  Walküre, 
im  18.  Jh.  aus  an.  valkyrja,  zsg.  mit  Wal  in  Walstatt,  ahd.  wal  'Niederlage',  an.  valr  'die 
Erschlagenen  auf  dem  Schlachtfeld',  und  einer  Ableitung  von  kiesen  'wählen'.  —  Werwolf, 
mhd.  werwolf,  der  Mann  als  Wolf,  gr.  /.vxdy&gco.-ro;  {lykänthrüpos).  —  Zauber,  ahd.  zoubar, 
ags.  tcafor  '(rote)  Farbe,  Mennig',  e.  tiver  'Ocker'.  Mit  roter  Farbe  wurden  die  Runen  ein- 
geritzt, und  so  erklärt  sich  die  Bedeutungsentwicklung.  Doch  weiß  man  nicht,  welche 
Bedeutung  die  ältere  ist.  Weitere  Anknüpfung  fehlt.  —  Zwerg,  ahd.  getwerk,  e.  dwarf 
zu  ai.  drüh  f.  'weibliches  Gespenst,  Unholdin". 

Dazu  kommen  die  Ausdrücke  für  höherstehende  Wesen:  Gott,  ahd.  got,  e.  god, 
got.  gup  ist  ursprünglich  Neutrum  und  noch  nicht  genügend  erklärt.  Wegen  des  damit  in 
Zusammenhang  stehenden  Götze  nimmt  man  als  ursprüngliche  Bedeutung  'Bild,  Bildstock' 
an.    Zu  Gott  gehört  auch  obd.  Gote  'Pate',  ahd.  gota. 

Einzelne  Götternamen  haben  sich  in  den  Namen  der  Wochentage  erhalten:  obd. 
Ziestag  zu  ahd.  Ziu,  lat.  divos,  gr.  Zfr;  (Zeus),  e.  Wednesday  ist  Wodans  tag,  dessen 
Name  auch  noch  in  wütendes  Heer  vorliegt,  Donnerstag  zu  ahd.  Donar,  anord. 
pörr,  Freitag  zu  ahd.  Frtja,  anord.  Frigg. 

Ferner  nenne  ich  noch  weihen,  ahd.  wihan  'heiligen'  von  ahd.  wih,  got.  weihs 
'heilig',  noch  in  Weihnaditen,  vielleicht  zu  lat.  victima. 

Auf  dem  Gebiet  der  christlichen  Ausdrücke  sind  wir  zunächst  in  der 
glücklichen  Lage,  Wulfilas  sprachliche  Tätigkeit  würdigen  zu  können.   Vgl. 

')  Vgl.  hierzu  H.  Güntert,  Kalypso  124  ff. 


§  184.  B.  Die  Sprache  der  Religion.  299 


K.  Weinhold,  Die  gotische  Sprache  im  Dienste  des  Christentums,  Halle  1870. 
Wulfila  hat  verhältnismäßig  wenig  Fremdwörter  beibehalten,  für  die  meisten 
fremden  Begriffe  hat  er  alte  einheimische  Ausdrücke  verwendet  oder  neue 
gotische  Worte  geschaffen.  Über  die  Tätigkeit  der  althochdeutschen  Mönche 
ist  schon  oben  kurz  berichtet  worden,  i)  Trotzdem  sie  manches  verdeutscht 
haben,  besitzen  wir  gerade  auf  kirchlichem  Gebiete  eine  Fülle  von  Fremd- 
wörtern. Manche  von  ihnen  sind  aber  aus  der  engen  kirchlichen  Bedeutung 
herausgetreten  und  mit  allgemeiner  Bedeutung  in  die  Gemeinsprache  über- 
gegangen. Im  folgenden  stelle  ich  die  wichtigsten  Lehnwörter  auf  diesem 
Gebiete  zusammen. 

Abt,  ahd.  abbat,  e.  abbot  aus  lat.  abbäte/n;  —  Almosen,  ahd.  alamuosan,  e.  altns 
zns  \z\.-gx.  eleemosyna;  —  Altar,  ahd.  altari  aus  lat  altäre;  —  Ampel,  ahd.  ampla, 
ampulla 'Lampe,  Gefäß',  aus  lat.  ß/«;7«//a 'Fläschchen';  —  Bischof,  ahd.  biskof,  t.  bishop 
aus  gr.-lat  episkopus;  —  Dediant,  ahd.  techant,  e.dean  aus  lat.  decänus;  —  Engel,  ahd. 
engil,  e.  angel,  got.  aggilus  aus  lat.-gr.  angelus;  —  Erz- ,  ahd.  in  erzibisdiof,  e.  ardibishop 
aus  lai.-gx.  ardii-;  —  Feier,  ahd.  fira  aus  mlat  fen'a ;  —  firmeln,  ahd.  firmün  aus 
lat  firmüre;  —  Heide,  siehe  S.  139;  —  Kanzel,  ahd.  kancella  aus  lat  cancellus,  cancelli 
'Gitter';  —  Kapelle,  ahd.  kapella  aus  mlat  capella  (daneben  mit  echtdeutscher  Betonung 
der  Ortsname  Kappet);  —  Kaplan,  mhd.  kappe län  aus  mlat  capellänus;  —  kasteien, 
mhd.  kastigen,  ahd.  kestigön  aus  lat  castigdre;  —  Kirdie,  ahd.  kiricha,  t.  diurdi  aus 
gx.  xvQiaxov  (kyriakön),  mit  Geschlechtswechsel;  —  Klause,  ahd.  klüsa  'Einsiedelei,  Klause' 
aus  lat.  clüsa,  clausa;  —  Kloster,  ahd.  klöstar  aus  lat  claustr um;  —  Kreuz,  ahd.  krüzi 
aus  lat.  crücem;  —  laben,  ahd.  labön  'waschen,  erquicken'  aus  lat.  laväre;  —  Marter, 
ahd.  martira,  martera  von  lat.  martyrium;  —  Messe,  ahd.  messa,  e.  mass,  lat.  missa  'Ent- 
lassung'; —  Mette,  ahd.  mettina  aus  lat.  matütina  (hora)  'Frühstunde';  —  Mönch,  ahd. 
munih,  t.  monk  aus  lat  monachus;  —  Münster,  ahd.  munistri,  e.  minster 'Klosterkixche' 
aus  lat.-gr.  monästerium;  —  Mütze,  spätmhd.  mutze,  mutze  aus  mlat.  almutia,  armutia, 
almutium  'amictus  quo  canonici  caput  humerosque  tegebant';  —  None,  ahd.nöna,  t.noon 
'Mittag',  aus  lat  nöna;  —  Nonne,  ahd.  nunna,  e.  nun  aus  lat  nonna;  —  nüditern,  ahd. 
nuohtarnin  aus  lat  nocturnus;  —  Oblate,  ahd.  obläte,  mlat.  obläta;  —  opfern,  ahd. 
opfarön,  Herkunft  nicht  ganz  klar;  —  Orden,  mhd.  orden,  ahd.  ordena  aus  lat.  ordinem;  — 
Orgel,  ahd.  orgela,  Organa  aus  lat.  Organum;  —  Pein,  ahd.  pina,  e.pine  aus  latpoena;  — 
Petter,  obd.  Pfetter  'Pate',  lat.  patrinus;  —  Pfaffe,  ahd.  pfaffo  aus  gr.  :iujiJiäg  (pappäs), 
siehe  oben  S.  139;  —  Pfarre,  ahd.pfarra?;  —  Pfingsten,  got. paintekuste  aus  gr..T£>Tj;- 
y.ooTTj  (j)ent(ekost(e);  —  Pfründe,  ahd. pfruonta  'Nahrung,  Unterhalt'  aus  mlatprovenda;  — 
Plage,  ahd.plägaauslatplaga;  — Propst, ahd. probast  auslat  pröpositus;  —  Samstag, 
siehe  oben  S.  157;  —  segnen,  ahd.  seganön,  lat.  signäre;  —  Sigrist,  ahd.  sigiristo, 
mlat.  sacrista  'Küster',  wovon  auch  später  Sakristei,  mhd.  sacristie;  —  Teufel,  siehe 
oben  S.  139;  —  Vesper,  ahd.  vespera  aus  lat.  vespera. 

In  etwas  späterer  Zeit  treten  dann  noch  auf: 

Absolution,  spätmhd.,  lat  absolutio;  —  absolvieren,  mhd.,  lat  absolvere;  — 
benedeien,  mhd.  benedien,  lat.  benedicere;  —  Hostie,  mhd.  hostle,  lat.  hostia;  — 
Kollekte,  mhd.  collecte,  mlat  collecta;  —  Laie,  ahd.  leigo,  gx. -lat.  la'icus;  —  lamen- 
tieren, 1550,  lat.  lämentäri]    —    Letter  'Lesepult  in  der  Kirche',   ahd.  lector,    mlat.  lec- 


')  Vgl.  hierzu    noch    den    bedeutsamen  ,    deneStrömungenmiteinandergekämpfthaben, 

Aufsatz  von  W.  Braune,   Btr.  43,  362   und  j   eine  ältere  hochdeutsche  und  eine  etwas  spä- 

anschließend   daran   den  von  E.  OcHS,  Btr.  tere  mitteldeutsche,  die  unter  angelsächsischem 

44,  315.   Braune  weist  darauf  hin,  daß  in  den  Einfluß  stand, 

deutschen  christlichen  Benennungen  verschie-  | 


300  Zwölftes  Kapitel.  Die  SoNDERspkACHtN. 


torium;  —  Litanei,  mhd.  /etunu-,  yr.-lat. ///««ifl;  —  Makel,  mlid.,  lat.  morw/a; mole- 

deien,  mlid.  vermaledien,  lat.  maledicere;  —  Mirakel,  mlid.,  laL  mmtculum;  --  Patron, 
mhd.  patri>n(e)  nur  von  Christus,  lai.patrönus;  —  Pastor,  14.  Jh.,  \a\.pastor.  —  Person, 
mhd,  persön(e),  ursprünglich  von  jeder  der  drei  Personen  der  Gottheil  gebraucht;  —  prophe- 
zeien, mhd.  prophezien  von  mhd.  propht-tte,  gx.-lal  propfi  tia  •Prophetenamt'. 

Wie  man  sieht,  sind  eine  große  Anzahl  dieser  Wörter  teilweise  oder 
ganz  aus  ihrem  engern  Bedeutungskreis  herausgetreten,  wie  Ampel,  Feier, 
laben,  niUiitern,  Pein,  Plage,  Laie,  Makel,  Patron,  Person  usw. 

Auf  die  Sprache  des  Mittelalters  konnte  im  weitern  Verlauf  die  Kirchen- 
sprache allerdings  nur  wenig  einwirken,  weil  sie  noch  lateinisch  war.  Erst 
die  Mystiker*  haben  die  deutsche  Sprache  wesentlich  bereichert,  indem  sie 
eine  ganze  Reihe  neuer  und  fruchtbarer  Ausdrücke  neu  geprägt  haben.  Ihr 
Anteil  an  der  Ausbildung  unseres  Wortschatzes  ist  noch  nicht  hinreichend 
untersucht  worden,  und  ich  kann  daher  hier  nur  einige  Worte  nennen,  die 
wahrscheinlich  von  ihnen  herstammen:  Angedenken,  beschaulich  'con- 
templative',  begreifen  in  übertragener  Bedeutung,  Begriff,  einbilden, 
Einbildung,  Eindruck  in  übertragenem  Sinne,  Einfall  'unerwarteter 
Gedanke',  innere  Einkehr,  einsehen,  Sinnlichkeit,  unergründlich, 
Wesenheit,  Wirklidikeit,  Wirkung,  Zufall  ws"^.  Eine  wortgeschicht- 
liche Untersuchung  über  diesen  Teil  unsrer  Sprache  wäre  eine  sehr  dankens- 
werte Aufgabe. 

Ganz  anders  wurde  es  seit  der  Reformation,  weil  wir  in  Luthers  Bibel- 
übersetzung ein  Werk  erhielten,  das  sich  sehr  bald  kanonischen  Ansehens 
erfreute.  Luther  gebrauchte  den  mitteldeutschen  Wortschatz,  und  wir  haben 
schon  oben  gesehen,  wie  man  anfangs  in  Süddeutschland  die  mitteldeutschen 
Ausdrücke  Luthers,  die  dem  Süden  fremd  waren,  übersetzte,  daß  man  sie 
aber  später  stehen  Heß  und  durch  ein  Wörterbuch  das  Verständnis  erleichterte. 
Dadurch  wurde  natürlich  der  Wortschatz  Luthers  auch  andern  Gegenden 
durchaus  geläufig,  er  verbreitete  sich  in  ungeahnter  Weise,  und  es  ist  bis 
heute  kaum  ganz  klarzustellen,  wie  er  gewirkt  hat.  Schon  oben  sind  die 
mitteldeutschen  und  die  entsprechenden  oberdeutschen  Ausdrücke  neben- 
einandergestellt, und  es  hatte  sich  gezeigt,  daß  fast  in  allen  Fällen  die 
mitteldeutschen  Ausdrücke,  offenbar  unter  dem  andauernden  Einfluß  der 
Bibel,  gesiegt  haben.  Vgl.  noch  K.  Bachmann,  Der  Einfluß  von  Luthers 
Wortschatz  auf  die  schweizerische  Literatur  des  16.  und  17.  Jahrhunderts. 
Im  Anschluß  an  Adam  Petris  Bibelglossar.  Diss.  Freiburg  1910. 

Wir  haben  es  aber  bei  der  Bibelsprache  noch  mit  einer  ganz  besondern 
Eigentümlichkeit  zu  tun.  Sie  wirkte  nicht  nur  für  die  Zeit  ihrer  Entstehung, 
sondern  auch  für  die  spätem  Zeiten.  Wenn  die  Worte,  die  sie  gebrauchte, 
im  Volksmunde  ungebräuchlich  geworden  waren,  so  konnten  sie  doch  durch 
das  immerwährende  Lesen  in  der  Bibel  wieder  neu  aufleben.  Im  18.  Jahr- 
hundert war  die  Bibel  ein  Hausbuch,  und  es  ist  nur  zu  leicht  verständlich, 
wie  stark  sich  unsere  großen  Dichter,  vor  allem  Schiller  und  Goethe,  durch 
die  kernige  Sprache  Luthers   beeinflussen  ließen.    Wie  weit  dieser  Einfluß 


§  184.  B.  Die  Sprache  der  Religion.  301 


geht,  ist  noch  nicht  genügend  untersucht,  doch  ist  er,  wie  anerl^annt,  beim 
jungen  Schiller  sehr  beträchtlich. 

Luthers  Sprache  hat  natürlich  frühzeitig  die  Aufmerksamkeit  auf  sich 
gelenkt,  und  es  gibt  manche  Bemerkungen  darüber,  aber  noch  immer  fehlt 
uns  ein  ausreichendes  Wörterbuch,  an  dem  wir  erst  ihren  Einfluß  recht 
würden  abschätzen  können.  Die  Arbeit  von  Ph.  Dietz,  Wörterbuch  zu 
Dr.  Martin  Luthers  deutschen  Schriften,  ist  leider  nur  bis  H  gediehen.  So- 
lange die  große  Weimarer  Ausgabe  von  Luthers  Werken  nicht  fertig  ist, 
hat  auch  eine  neue  Wörterbucharbeit  wenig  Zweck. 

Da  jenes  Werk  nicht  vollendet  ist,  so  sind  die  altern  Arbeiten  nicht 
wertlos.  Ich  kenne  folgende  Schriften:  Ph.  Saltzmann,  Sonderbare  Worte, 
welche  entweder  veraltet,  oder  neu  erdichtet,  oder  sonsten  ein  feines  Nach- 
sinnen verursachen.  Aus  denen  Schrifften  des  Herrn  Martini  Lutheri  zu- 
sammengetragen. Naumburgk  1664.  Leider  läßt  sich  aus  den  Angaben 
des  Verfassers  nicht  erkennen,  welche  Worte  damals  veraltet  waren.  Da 
die  Worte,  die  der  Verfasser  verzeichnet,  ihm  immerhin  nach  einer  Rich- 
tung auffielen,  so  gebe  ich  die  an,  die  uns  ganz  geläufig  sind: 

abmergeln.  aburteilen,  Abweg,  aditsam,  allmehlig,  Amptmann,  Asdienbrödel,  Auf- 
geblasenheit, Aasbund,  auswehlen,  Bandzerot,  barhaupt,  behagen,  benedeien,  Besdiaulig- 
keit,  bevheden,  Biddermann,  Bilger,  Bintze  (Binse),  Blindckue  spielen,  Blutdurst,  Blut- 
hund. Bodtshorn.  bößlidi.  böswillig,  Botenbrod,  botz,  Bule,  Caplan,  casteyen,  Cüster, 
einbleuen.  Eisenfresser,  empfenglidi,  entsetzlidi.  Eseley.  Faustredit.  Fehde,  Filosoff. 
Fratzen,  furditloß.  Galgenfrist,  geiffern,  geldgierig,  gemanen.  gemeinnützig,  Gerumpel, 
Gewarsam,  Gewirre,  girig,  glutroth,  Gnatz,  greßlidi,  grob,  gröblidi,  größlidi,  Handtudi, 
harthertzig,  hartköpffig.  Hasenpanier,  hastig,  Hayn,  hehr,  Hesdier,  Hippe,  hodisinnig, 
hofiren,  Hofsdirantzen,  hohnledieln,  Holtzweg,  hordien,  Hungertudi,  immer  und  immer, 
Irrewisdi,  jugentlidi,  Kaff,  Kampfplatz,  Kautz,  Katzbalgen,  keddidi,  Kerle,  Kilkropp, 
klaffen,  Kleffer,  Knapsadi,  Kölerglauben,  Korn-Wurm,  Kretzsdimer,  kreysdien,  kriebeln, 
Kübel,  Kutten,  Lästermaul,  Laun,  leiditgläubig,  Leidinam,  leppisdi,  Lotterbuben,  Luder- 
leben, Maulaffe,  Memme,  Metze,  missebraudien,  Monkalb.  Mordgir,  mudten,  munckeln, 
mustern,  nadiohmen,  Naseweiß,  Newigkeit,  Oelgötze,  Raserey,  retlidi,  Rotwurst.  Sang 
(für  Gesang),  Sdielm,  sdiidilidi,  sdimehlidi,  sdiwedilidi,  sdiwülstig,  sittlidi  (moralis),  sondern, 
Spitzbuben,  spornen,  Spötterey,  störrig,  Stotterer,  Straudidieb,  Sudler.  Teuffling,  Todjter- 
kirdie.  Tölpel,  überrasdien,  vergeuden,  ungeheuer,  unredlidi.  unrümlidi.  unfrey,  unverblümbt, 
Wediselbalg,  wimmeln,  Wüterey,  zagen,  Zetergesdirey,  Zwickmühle. 

Zu  diesen  Worten  würden  wir  in  der  Hauptsache  heute  keine  Be- 
merkungen hinzufügen.  Zum  Teil  handelt  es  sich  sicher  um  volkstümliche 
Ausdrücke,  die  aber  der  Zeit  Saltzmanns  ungeläufig  waren. 

Weitere  Schriften  sind  folgende:  Diederich  von  Stade,  Erläuter-  und 
Erklärung  der  vornehmsten  deutschen  Wörter,  deren  sich  D.  Martin  Luther 
in  Übersetzung  der  Bibel  in  die  deutsche  Sprache  gebrauchet,  Stade  1711. 
2.  Auflage,  die  mir  allein  zugänglich  ist,  Bremen  1724.  Dieses  Werk 
verfolgt  mehr  etymologische  Zwecke  und  stellt  oft  den  Wortlaut  der  ver- 
schiedenen Bibelübersetzungen  nebeneinander.  W.  A.  Teller,  Vollständige 
Darstellung  und  Beurteilung  der  deutschen  Sprache  in  Luthers  Bibelüber- 
setzung.  1.  2.  Berlin  1794/95.   Teller  gibt  S.  49  ein  Verzeichnis  der  Wörter, 


302  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


„welche  entweder  ganz  veraltet  oder  doch  nach  der  beygefügten  Bedeutung 
in  der  guten  Schreibart  nicht  mehr  übhch  sind".  Es  ist  lehrreich,  aus  diesem 
Verzeichnis  die  herauszuheben,  die  heute  wieder  gebrauchlich  sind: 

angelegen  sein  'am  Herzen  liegen',  anheben  'anfangen',  au/erweJien,  beginnen  'an- 
fangen', blecken  'die  Zähne',  entbieten,  entwcidien  'sich  wegbegeben',  ereilen,  erkunden, 
frommen  'nützlich  sein',  hausen  'wohnen',  heisdien  'fordern',  locken,  quit  sein  'frei  sein', 
raunen,  vertrauen  'hoffen',  wähnen  'denken,  meinen',  walten  'herrschen',  allermeist,  An- 
beginn, auf  daß,  Creyß  'Landesabteilung',  da  'wo',  dieweil,  etlidier  'mancher',  Filz  'Geiz- 
hals', Fisdireusen.  flugs  'geschwind,  sogleich',  fürbaß,  für  und  für,  gäng  und  gebe,  Hader, 
Händler  'Handelsleute',  Hcerschaaren,  hehr,  Heiland,  Hippe,  hui  'geschwind',  Junker, 
h'ebsweib.  keusdi  'rein',  klärlidi  'deutlich',  Krieger,  Kriegsknedit,  Laib,  Leute,  Loch  'Ge- 
fängnis', Lotterbube,  Mähre  'Pferd',  Meister  'Künstler',  meudilings.  Nächsten  'Verwandte', 
nimmer  'nie  mehr',  Pöbel,  Prüfstein,  redlidi,  Regiment  'Regierung',  Reisige  'Reiterei',  Rotte, 
sammt  'mit',  Satzungen  'Vorschriften'.  Sdialksknedit,  Sdiarwadie,  Schemen,  Sdierge,  sdieuß- 
lidi.  Sdiidit,  sich  sdiicken,  Sduilmeister,  selbander,  Sitten,  sonderlidi,  Speer,  Sprudi.  störrig 
'widerspenstig',  straiks  'gerade'.  Streit  'Krieg',  zum  Streit  ziehen  'sich  zum  Streit  rüsten', 
Wandel,  Weibsbild,  weidlich,  weiland,  Weile  'Zeit',  Zetergeschrey. 

Weiter  sind  noch  zu  nennen:  PisCHON,  Erklärung  der  hauptsächlichsten  veralteten 
deutschen  Wörter  in  Dr.  Luthers  Bibelübersetzung;  Einladungsschrift  der  preußischen  Haupt- 
bibelgesellschaft zur  dreißigjährigen  Stiftungsfeier  der  Gesellschaft;  Berlin  1844.  —  Beck, 
Wörterbuch  zu  Luthers  Bibelübersetzung.  Siegen  und  Wiesbaden  1846.  —  Beelitz,  Lexilogus 
zur  Lutherischen  Bibelübersetzung  des  Neuen  Testaments  für  Gymnasien;  Programm  von 
Stendal  1857.  —  Jütting,  Biblisches  Wörterbuch,  enthaltend  eine  Erklärung  der  altertüm- 
lichen und  seltenen  Ausdrücke  in  Martin  Luthers  Bibelübersetzung,  Leipzig  1864. 

Von  den  oben  angeführten  Worten  sind  nun  zweifellos  nicht  wenige 
durch  die  eifrige  Beschäftigung  mit  unsrer  Bibel  wieder  aufgenommen  worden, 
andere  haben  im  Volk  weiter  gelebt  und  können  auch  von  dorther  gekommen 
sein.  Jedenfalls  zeigen  sie  uns  die  gewaltige  Macht,  die  von  einem  einzigen 
Literaturdenkmal  ausgegangen  ist. 

Jahrhundertelang  hat  die  Luthersche  Bibel  schon  auf  unser  Volk  ge- 
wirkt. Sie  ist  zwar  nicht  unverändert  geblieben,  sondern  die  Wortformen, 
die  Schreibung  und  sonstige  Eigentümlichkeiten  sind  unmerklich  geändert 
worden;  an  den  Wortschatz  hat  man  aber  am  wenigsten  getastet.  Vieles 
ist  ganz  und  gar  unverständlich  geworden  und  bedarf  daher  der  Erneuerung, 
denn  man  muß  verlangen,  daß  die  Bibel  in  einem  allgemein  verständlichen 
Gewände  dargeboten  wird.  Ist  diese  Erneuerung  durchgeführt,  so  wird  ihr 
sprachlicher  Einfluß  etwas  geringer  werden,  aber  aufhören  wird  er  nie. 

Auf  die  kirchlichen  Sitten  und  Gebräuche  gehen  noch  eine  Reihe  von  Ausdrücken 
zurück.  Der  Ausdruck  blauer  Montag  stammt  von  dem  durch  blaue  Altarumhänge  aus- 
gezeichneten Montag  vor  Fastnacht,  den  man  jetzt  Rosenmontag  (rasender  Montag)  nennt. 
Die  Haupteigentümlichkeit  an  diesem  Montag  war,  nicht  zu  arbeiten,  und  so  ist  allmählich 
die  heutige  Bedeutung  entstanden.  Stein  und  Bein  sdiwören  heißt  wohl  auf  die  Beine 
(Knochen)  der  Heiligen  und  die  Steine  der  Reliquienkästen  schwören.  Anders  Borchardt- 
Wustmann  1138.  Ausposaunen  stammt  aus  Matth.  6,  2.  Am  Hungertudi  nagen  ist 
eine  Verdrehung  für  am  Hungertudie  näjen  {nähen).  Das  Hungertuch  war  ein  blaues 
oder  schwarzes  Tuch,  womit  in  katholischen  Kirchen  zur  Advents-  und  Fastenzeit  die 
Altarbilder  verdeckt  wurden. 

Aus  der  Bibel  selbst  sind  zahlreiche  Redensarten  entlehnt:  den  alten  Adam  ausziehen 


§  185.  C.  Die  Rechtssprache.  303 


(Kol.  3, 9);  ohne  Ansehen  der  Person  (Rom.  2, 11);  ein  Stein  des  Anstoßes  sein  (Jes.  8, 14); 
babylonisdie  Spradiverwirrung  (1.  Mo.s.  11);  Berge  versetzen  (Hiob  9,5);  eine  aus  der 
siebenten  Bitte;  die  Bödie  von  den  Sdiafen  sondern  (Matth.  25,  32);  einem  ein  Dorn  im 
Auge  sein  (4.  Mos.  33,  55);  wahre  Enakssöhne  (4.  Mos.  13,29);  ägyptisdie  Finsternis 
(2.  Mos.  10,  22);  sidi  nadi  den  Fleisditöpfen  Ägyptens  sehnen  (2.  Mos.  16,  3);  ein  Koloß 
auf  tönernen  Füßen  (Dan.  2,  31 — 34);  die  Gottlosen  bekommen  die  Neige  (Ps.  75.  9);  je- 
mand eine  Grube  graben  (Spr.  Sal.  26,  27);  jemand  auf  den  Händen  tragen  (Matth.  4,  6); 
Hiobspost  (Hiob  1,  14  —  19);  alle  Jubeljahre  einmal;  Judaskuß  (Math.  26,  48);  Kainszeidien 
(1.  Mos.  4,  15);  das  goldene  Kalb  anbeten  (2.  Mos.  32);  feurige  Kohlen  auf  jemandes 
Haupt  sammeln  (Rom.  12,20);  Rotte  Korah  (4.  Mos.  16);  Krethi  und  Plethi  (2.Sam.8, 18); 
ein  Herz  und  eine  Seele  (Apostelg.  4,  32);  sein  Lidit  unter  den  Sdieffel  stellen  (Matth. 
5,15);  Linse ngeridit;  dem  Mammon  dienen  (Matth.  6,  24);  Matthäi  am  letzten;  Menetekel 
(Daniel  5,  25);  so  alt  wie  Methusalem  (1.  Mos.  5,  27);  Müdzen  seigen  und  Kamele  ver- 
sdüudien;  dem  Odisen  das  Maul  verbinden  (5.  Mos.  25,  4);  Perlen  vor  die  Säue  werfen 
(Matth,  7,  6);  ein  Pfahl  im  Fleiadie  (2.  Kor.  12,  7);  von  Pontius  zu  Pilatus  sdiidten;  nidit 
wert  sein,  einem  die  Sdiuhriemen  aufzulösen  (Mark.  1,7);  ein  Budi  mit  sieben  Siegeln 
(Off.  Joh.  5,  1);  Splitterriditer  (Matth.  7,3—5);  einen  Stein  auf  jemand  werfen  (Joh.  8,  7); 
der  Sündenbodi  sein  (3.  Mos.  16);  jemand  zum  Tempel  hinauswerfen  (Matth.  21, 12);  Urias- 
brief  (2.  Sam.  11,  14);  zu  seinen  Vätern  versammelt  werden  (1.  Mos.  25,  8);  den  Weizen 
von  der  Spreu  sondern  (Matth.  3,  12);  ein  Wolf  in  Sdiafskleidern  (Matth.  7,  15). 

Zu  untersuchen  wäre  auch  noch,  was  die  einzelnen  kirchlichen  Bewegungen,  die  wir 
seit  der  Reformation  zu  verzeichnen  haben,  an  neuen  Ausdrücken  geschaffen  haben.  Die 
Ausdrücke  Pietist  und  Mudier  erinnern  an  die  Bewegung  des  Pietismus,  und  den  Herren- 
hutern  verdanken  wir  den  Ausdruck  gemütlidi,  den  Goethe  aufnahm,  der  aber,  wie  so 
mancher  andere,  im  19.  Jahrhundert  ganz  verflacht  wurde. 

§  185.   C.  Die  Rechtssprache. 

Literatur:  Roethe,  Die  Reimvorreden  des  Sachsenspiegels  S.  88  f.  —  L.Günther, 
Deutsche  Rechtsaltertümer  in  unsrer  heutigen  deutschen  Sprache,  Leipzig  1903.  —  J.  Grimm, 
Deutsche  Rechtsaltertümer,  4.  Auflage,  Leipzig  1899.  —  Beiträge  zum  Wörterbuch  der 
deutschen  Rechtssprache,  Weimar  1908.  —  Fr.  Kauffmann,  Aus  dem  Wortschatz  der  Rechts- 
sprache, ZfdPh.  47,  153. 

"Einen  besondern  Richterstand  hat  es  bei  den  ahen  Germanen  noch 
nicht  gegeben,  wohl  aber  gab  es  eine  RechtsüberHeferung,  in  der  die  recht- 
lichen Vorgänge  durch  eine  Reihe  von  Formeln  und  Ausdrücken  genau  fest- 
gelegt waren.  Ebenso  wie  bei  den  gottesdienstlichen  Vorgängen  kommt  es 
im  Recht  genau  darauf  an,  daß  alles  Nötige  peinlich  genau  beobachtet  wird. 
Noch  heute  sind  Entscheidungen  ungüUig,  wenn  Verstöße  gegen  das  Ver- 
fahren stattgefunden  haben.  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  sich  auch  im 
Wortschatz  der  Rechtssprache  ein  besondrer  Zug  geltend  macht.  Er  besteht 
einmal  in  der  Bewahrung  alter  Formeln,  dann  aber  muß  jedem  Vorgang  im 
Recht  ein  festgeprägtes  Wort  entsprechen.  R.M.Meyer  sagt  Idg.  Forsch.  12,51 : 

„Es  ist  z.  B.  nicht  auffallend,  daß  die  Rechtssprache  Ausdrücke  wie  'Vertrag,  Frist, 
Schenkung'  verwendet  —  alle  Welt  verwendet  sie.  Das  Charakteristische  ist  vielmehr,  daß 
für  sie  eben  nur  diese  Ausdrücke  existieren,  und  alle  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch 
vorhandenen  gleichbedeutenden  Worte  abgestoßen  werden.  Ich  kann  zu  einem  Freund 
sagen:  wir  wollen  das  so  abmachen  oder  so  ausmachen  oder  wie  sonst;  vor  dem  Notar 
muß  ich  sagen:  ich  will  einen  Vertrag  abschließen.  Ich  mag  mündlich  erklären:  ich  hinter- 
lasse mein  gesamtes  Vermögen  dem  und  dem;  beim  Testament  soll  ich  nur  sagen:  ich 
setze  zum  Universalerben  ein.    Die  bewußte  Vermeidung   aller  Ausdrücke  mit  Ausnahme 


304  Zwölftes  Kapitel,  Die  Sondersprachen. 


des  einen,  den  das  Gesetzbuch  sanktioniert,  macht  die  Rechtssprache  schon  rein  lexiko- 
logisch  zu  einer  künstlichen  Sprache.  Sie  gehört  freilich  auch  hinsiclitiich  der  Wortfügung 
zu  den  normalisierten  Sprachen,  ü.  Roethe  (Die  Reimvorreden  des  Sachsenspiegels  S.  88  f.) 
hat  neulich  glänzend  in  erschöpfender  Darstellung  die  Entstehung  einer  individuellen 
Rechtssprache,  derjenigen  Elkes  von  Rcpkow,  vorgeführt.  Wir  finden  auch  hier  den  feier- 
lichen Gebrauch  altertümlicher  Worte  (S.  89),  auch  hier  die  Sanktion  eines  einzelnen  Syno- 
nyms für  bestimmte  Rechtsformeln  {mit  erven  gelove),  während  Eike  sonst  in  der  Regel 
urloub  sagt.' 

Die  Rechtssprache  ist  also  sehr  wichtig,  und  man  kann  es  verstehen, 
wenn  jetzt  in  gemeinsamer  Tätigkeit  ein  Wörterbuch  der  deutschen  Rechts- 
sprache in  Angriff  genommen  wird. 

Aus  der  Rechtssprache  fließen  aber  nun  anderseits  eine  Fülle  von  Aus- 
drücken, Worten  und  Redensarten  in  die  Schriftsprache,  Worte,  die  dort 
ihre  besondere  Bedeutung  angenommen  haben;  jetzt  aber  allgemein  ge- 
braucht werden.  L.  Günther  hat  in  dem  oben  erwähnten  Buche  den  ganzen 
Stoff  anregend  dargestellt.  Er  ist  aber  zu  reichhaltig,  als  daß  hier  mehr 
als  ein  kurzer  Auszug  geboten  werden  könnte. 

Wir  stellen  hier  zunächst  die  Worte  zusammen,  die  ursprünglich  eine 
rechtliche,  jetzt  aber  eine  allgemeine  Bedeutung  angenommen  haben. 

Ding,  ahd.  ding,  e.  thing,  anord.  ping  'Gerichtsverhandlung',  got.  peihs  'Zeit'  be- 
deutet wohl  ursprünglich  'Zeit,  festgesetzte  Zeit',  woraus  sich  dann-  der  Sinn  'Verhandlung 
zu  dieser  Zeit,  Gerichtsverhandlung'  ergeben  hat.  Heute  erscheint  die  alte  Bedeutung 
'Gerichtsverhandlung'  noch  in  dingliches  Redit,  dinglidier  Anspriidi,  ahd.  dinklih  'ge- 
richtlich', dingen,  ahd.  dingün  'vor  Gericht  verhandeln',  bedingen,  dingfest  machen 
(erst  1830),  Leibgedinge,  mhd.  Ilpgedinge,  aller  guten  Dinge  sind  drei.  Schließlich  ist 
auch  verteidigen  aus  tagedingen  mit  ding  zusammengesetzt.  Welche  mannigfaltige  Be- 
deutung hat  Ding  heute  angenommen! 

Sache.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  'Streit,  Streit  vor  Gericht',  ahd.  sahfia,  a'i.saka 
'Streit,  Streitsache,  Rechtshandel,  Sache,  Ursache',  ags.  sacu  'Streit,  Fehde',  e.  sake  'Ur- 
sache', an.  sOk  'Rechtssache,  Streit',  got.  das  Verb,  sakan  'streiten,  rechten'.  Das  Wort  ge- 
hört wohl  zu  sudien,  bedeutet  also  nichts  weiter  als  'das  Aufsuchen'.  Es  ist  dann  auf  das 
Aufsuchen  vor  Gericht  beschränkt  worden.  Aus  der  Gerichtssprache  ist  es  zurückgekehrt 
in  die  allgemeine  Sprache.  Heute  besitzen  wir  die  alte  Bedeutung  noch  in  folgenden 
Fällen:  eine  Sache  miteinander  oder  widereinander  haben  (Luther),  Sachen- 
recht, er  macht  seine  Sache  gut,  eine  böse  Sache,  das  tut  nichts  zur  Sache,  in 
Sadien  seines  Vaters,  Widersacher  (15.  Jh.),  ahd.  widersacho  (Notker),  Sachwalter, 
mhd.  sadiwalt(e),  Zivilsadien,  Straf  sadien. 

Rede,  ahd.  redea  "Rechenschaft,  Rede  und  Antwort,  Rede,  Erzählung',  got.  rapjö 
'Zahl,  Rechnung',  urverwandt  mit  oder  entlehnt  aus  lat.  ratio,  hat  gleichfalls  einen  Teil 
seiner  Bedeutungen  durch  die  Rechtssprache  erhalten,  so  in  Rede  stehen,  jemand  zur 
Rede  stellen  oder  setzen.  Rede  und  Antwort  geben,  eines  Mannes  Rede  ist 
keine  Rede. 

echt  erscheint  erst  im  Neuhochdeutschen  als  Lehnwort  aus  dem  Niederdeutschen, 
wo  echt  aus  ehaft  regelrecht  entwickelt  ist.  i  bedeutet  hier  'Gesetz,  Recht'  und  ist  das- 
selbe Wort  wie  unser  Ehe;  ihaft  ist  also,  was  vor  dem  Gesetz  standhält.  Durch  die  aus 
dem  Sachsenspiegel  fließenden  Rechtsbücher  drang  das  niederdeutsche  Adj.  ins  Mittel- 
deutsche (aber  erst  nach  Luther)  und  sogar  in  oberdeutsche  Mundarten  des  bayerisch- 
österreichischen Gebietes.  Ehe  selbst,  ahd.  ewa  ist  von  Notker  in  unsrer  Bedeutung  fest- 
gelegt, während   es   sonst   ahd.  'Ewigkeit,   endlos  lange  Zeit,  Recht,  Gesetz,  Vertrag'  be- 


§  185.  C.  Die  Rechtssprache.  305 

deutet.  Dazu  got.  aiws,  lat.  aevum,  gr.  aloiv  (aiön)  'Ewigkeit'.  Diese  alte  Bedeutung  'lange 
währende  Zeit'  steckt  noch  in  ewig,  ahd.  ewig,  je,  ahd.  io  'immer',  immer,  ahd.  iomer, 
jeder,  ahd.  iohwedar  'jeder  von  beiden',  jemand,  ahd.  ioman.  irgend,  ahd.  iowergin, 
je  glich,  ahd.  eogahh  'jeder',  jemals  und  den  entsprechenden  verneinenden  Bildungen 
nie,  ahd.  nio,  niemals,  niemand,  ahd.  nioman,  nimmer,  ahd.  niomer,  nirgend,  alt- 
niederfrk.  niewergin. 

Kampf  ist  ein  sehr  merkwürdiges  Wort.  Es  tritt  verhältnismäßig  spät  auf  und  soll 
auf  lat.  Campus  (Martins),  das  Feld,  auf  dem  die  Wettkämpfe  stattfanden,  zurückgehen. 
Im  Deutschen  tritt  dann  die  Bedeutung  'gerichtlicher  Zweikampf  stark  hervor. 

Sdiuld,  ahd.  skuld  heißt  überall  'zu  leistende  Verpflichtung'.  Verblaßter  ist  die  Be- 
deutung in  dem  dazugehörigen  sollen,  ahd.  skolan,  c.s/ial,  got  skulan.  Schon  J.  Grimm 
zog  zur  Aufklärung  afrs.  skalin  'getötet,  erschlagen'  und  lit.  skilti  'spalten'  heran,  mit  der 
Bedeutungsentwicklung  'ich  habe  getötet  und  bin  daher  zu  Wergeid  verpflichtet'.  Das  ist 
eine  sehr  ansprechende  Erklärung,  wenn  sie  auch  nicht  ganz  sicher  steht. 

Ähnlich  stammt  überführen  wohl  von  der  alten  Sitte,  den  vermuteten  Mörder  an 
der  Leiche  des  Erschlagenen  vorüberzuführen. 

Das  sind  ein  paar  bezeichnende  Ausdrücke,  die  aus  der  Rechtssprache 
stammen,  denen  man  aber  ihren  Ursprung  nicht  ansieht. 

Sehr  viel  größer  ist  die  Zahl  der  Redensarten,  die  ursprünglich  einen 

rechtlichen  wirklichen  Vorgang  bezeichnen,   während  sie   heute   meist  nur 

noch  bildlich  verstanden  werden. 

Vermählen  bedeutet 'feierlich  zusammensprechen',  ahd.  mahalian 'reden,  sprechen'; 
ebenso  verloben  'feierlich  geloben';  unter  die  Haube  kommen  rührt  von  der  Haube 
her,  die  die  junge  Frau  nach  der  Hochzeit  anlegte;  widmen  stammt  aus  dem  Eherecht 
und  bedeutet  'mit  dem  Wittum,  ahd.  widamo  (mit  gr.  l'edvov  [eednon]  'Brautgeschenk'  zu- 
sammenhängend) ausstatten';  auf  den  Sdiild  erheben.  Noch  1204  wurde  Balduin  von 
Flandern  bei  seiner  Wahl  zum  griechischen  Kaiser  auf  den  Schild  gehoben.  Ebenso  auf 
den  Thron  erheben  und  vom  Throne  stoßen.  Das  Tisditudi  entzwei  sdineiden 
war  die  rechtssymbolische  Handlung  der  Scheidung;  jemand  für  vogelfrei  erklären 
(mhd.  vogelvrt)  stammt  aus  der  Zeit  der  Friedlossetzung;  in  die  Brüche  gehen  gehört 
vielleicht  zu  ndd.  bröke,  broke  'Geld-,  Viehbuße',  früher  jemand  in  die  Brüdie  nehmen. 
Doch  kann  die  Redensart  auch  anders  erklärt  werden. 

Eine  Anzahl  andrer  Ausdrücke  stammt  aus  dem  altern  Gerichtsverfahren, 

dem  Gottesurteil,  der  Folter  usw. 

a)  Gottesurteil:  die  Feuerprobe  bestehen,  (wie)  auf  (glühenden)  Kohlen 
sitzen,  durchs  Feuer  gehen  für  jemand,  Gift  auf  etwas  nehmen. 

b)  Folter:  Folter  selbst  ist  1468  als  volter gerüst  'to.vXtus'  belegt  und  stammt  aus  mlat. 
poledrus  'Fohlen,  Füllen',  dann  'Marterwerkzeug  in  Gestalt  eines  Pferdchens'.  An  Redensarten 
gehören  hierher:  auf  die  Folter  spannen,  Folterqualen  leiden,  Daumschrauben 
ansetzen,  in  spanische  Stiefel  einsdinüren,  jemand  sdirauben  (1691),  ihn  auf- 
ziehen, sich  wie  gerädert  fühlen,  triezen,  eig. 'an  einer  7>/>2e 'Winde' hochziehen'. 

c)  Sonstiges:  über  jemand  den  Stab  brechen,  mit  gebundenen  Händen 
zusehen  oder  dastehen,  den  Gnadenstoß  geben.  Spießruten  laufen;  an  den 
Pranger  stellen;  einem  auf  das  Dach  steigen.  Man  stieg  in  früherer  Zeit  einem 
tatsächlich  auf  das  Dach  und  deckte  es  ab,  namentlich  Ehemännern,  die  sich  von  ihren 
Frauen  hatten  schlagen  lassen.  Hand  und  Fuß  haben. 

Allerdings  kommt  schon  im  Lateinischen  nee  caput  nee  pedes  nee  cor  habere  in  der 
Bedeutung  'gar  nichts  taugen'  vor,  trotzdem  geht  die  Redensart  wohl  auf  die  Sitte  zurück, 
dem  Verbrecher  eine  Hand  und  einen  Fuß  abzuhauen,  vgl.  Meier  Helmbrecht  1690:  Man 
räch  die  muoter,  daz  man  im  sluoc  abe  die  hant  und  einen  fuos- 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  20 


306  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


brandmarken  1678;  —  die  Hände  sind  einem  gebunden;  —  Haberfeld- 
treiben in  Bayern;  —  unter  den  Hammer  kommen;  —  Fersengeld  geben;  — 
radebredien,  ursprünglich  'auf  dem  Rad  liinriclitcn';  —  überhandnehmen,  wohl  'Ge- 
walt über  eine  Sache  nehmen;  —  Halsgeridit .  es  geht  einem  an  den  Hals  oder 
an  den  Kragen  {Kragen,  ursprünglich  'Hals');  —  zeter  sdireien  und  zetermordio;  — 
Galgenfrist,  Galgengesidit,  Galgenphysiognomie,  Galgenhumor,  Galgen- 
sdiwengel;  —  Henkersmahlzeit;  —  Wergeid,  ahd.  wergelt,  eig. 'Geld  für  den  (er- 
schlagenen) Mann';  —  Steckbrief,  ursprünglich  'Ladebrief  eines  Femgerichts,  der  dem 
Bel<lagten  in  den  Torriegel  seines  Hauses  gesteckt  wurde'. 

Die  eigentliche  Rechtssprache  ist  uns  ja  auch  z.T.  bekannt,  und  auch 
in  ihr  spiegelt  sich  die  Geschichte  des  deutschen  Volkes.  Wir  haben  eine 
Anzahl  einheimischer  Ausdrücke.  Schon  früh  kamen  einzelne  Lehnwörter 
dazu,  die  sich  mit  Eindringen  des  römischen  Rechtes  gewaltig  vermehrten, 
und  sich  eigentlich  erst  mit  der  Herstellung  des  bürgerlichen  Gesetzbuches 
vermindert  haben,  in  dem  die  deutsche  Sprache  wieder  zu  ihrem  Recht 
gekommen  ist. 

A.  EINHEIMISCHE  BESTANDTEILE. 

Aberadit,  mndd.  overddite,  zsg.  mit  Adit,  ahd.  ahta  'Verfolgung'  aus  *anhtö,  wohl 
zu  gr.  Hräyy.>j  (anaukif)  'Zwang';  —  ahnden,  ahd.  andon  'strafen';  —  Altenteil,  nordd.;  — 
Anerbe,  mhd.  anerbe;  —  anerkennen,  1774; —  Ansprudi,  mhd.  a/?5'/;r«o'i 'rechtliche 
Forderung';  —  Anwalt,  ahd.  anwalto;  — -  Anwartsdiaft,  1641;  —  Aufgebot;  — 
auflassen,  mnd.  upläten;  —  Bann,  ahd.  ban,  e.  fta«  zu  lat. /«r/ 'sprechen';  —  be- 
einträditigen,  von  älternhd.  Eintradit  statt  Eintrag  'Querfüden  des  Gewebes',  von 
Frisch  als  ein  seltsames  Juristenkompositum  bezeichnet;  —  Behelf,  spätmhd.  behelf;  — 
beistehen,  ahd.  bistandan ;  —  Beleg,  ursprünglich  die  unter  die  Grenzsteine  gelegten 
dauernden  Zeichen  der  Markmeister  und  Feldgeschworenen;  —  bemänteln,  frühnhd.,  der 
Mantel  ist  das  Sinnbild  des  gewährten  Schutzes;  —  berüditigt  zu  mnd.  beruditigen;  — 
Besdieid,  mhd.  besdieit;  —  Bürge,  ahd.  burgio  zu  bergen;  —  Burgfriede,  mhd.  burc- 
vride;  —  Buße,  ahd.  buo^a,  e.  boot  'Nutzen,  Vorteil'  zu  baß,  besser;  —  Büttel,  ahd. 
butil,  t.  beadle  zu  bieten;  —  Dieb,  ahd.  diob,  e.  thief,  got  piufs;  —  Ehehaften  'rechts- 
gültiges Hindernis',  ahd.  ehafti  'Recht,  Pflicht'  zu  ahd.  ehaft  'gesetzmäßig,  rechtsgültig' 
{s.  edit);  —  Eintrag,  im  15.  Jh.,  s.  beeinträditigen;  —  einwenden,  17.  Jh.;  —  Ein- 
wurf, frühnhd.;  —  Erbe  n.,  ahd.  erbi,  got.  arbi,  eig.  'bewegliche  Hinterlassenschaft',  zu 
lat.  orbus,  gr.  nocpuvö^  [orphanös)  'Weise';  —  Erbsdiiditer,  Luk.  12,  14;  —  Errungen- 
sdiaft,  1663;  —  erstehen,  mhd.,  'durch  Stehen  vor  Gericht  erwerben';  —  fähig, 
frülinhd.,  zu  fahen;  —  fahrlässig,  mhd.  verlce^ec  von  verli3  'Lässigkeit,  Versäumnis' ;  — 
Fehde,  ahd.  gafp.hida  von  ahd.  ^//('/z 'feindselig'  zu  got.  bifaihnn  'übervorteilen  ,  a\r.  oedi 
'Feind';  —  Feme,  mhd.  veime,  vgl.  WeiganD;  —  Fürspredi,  Schweiz.,  ahd.  furisprehho;  — 
Gefängnis,  mhd.  gevencnisse;  —  Gerade,  im  Sachsenspiegel  gerade  zu  Rat,  Vorrat;  — 
geredit,  ahd.  gireht,  got.  garaihts;  —  Geridit,  ahd.  girihti;  —  Gesetz,  ahd.  gisezzida;  — 
G espildere dl t 'Vorkauhrccht'  zu  spalten;  —  Gewähr,  ahd.  ^/tcm 'Einkleidung  in  den 
Besitz'  zu  ahd.  giwerjän,  got.  wasjan  'kleiden,  bekleiden',  lat.  vestire,  wohl  Übersetzung  von 
rrdat.investitura;  —  dazu  Gewährsdiaft,  mhd.,  und  Gewährsmann,  rr\hd.werman;  — 
gewaltsam,  15.  Jh.;  —  Haft,  ar^dirk.  hafta  'Gefangenschaft,  Gefängnis';  —  hand- 
haft, mhd.  handhafte  tat  'bei  der  der  Täter  noch  die  Waffe  in  der  Hand  hat';  — 
Henkersmahlzeit,  16.  Jh.;  —  hinriditen,  Luther;  —  Hodigeridit,  1256;  —  hodi- 
notpeinlidi,  17.  Jh.;  —  Justizmord,  1782  gebildet;  —  Kammergeridit,  15.  Jh., 
eig.  'Gericht  in  der  Kammer  des  Fürsten';  —  Klage,  ahd.  klaga  zu  a\.  gürhati  'klagt, 
klagt  an';  —  laden,  ahd.  ladön,  laden,  got.  lapön  'einladen,  berufen",  eig.  'mit  dem  Lade- 
brett berufen';    —    Märkerding  'Rügegericht  der  Afa/^genossen';   —    minderjährig, 


§  186.  D.  Die  Kanzleisprache.  307 


16.  Jh.,  Übersetzung  von  minorenn;  —  Morgengabe,  ahd.  morgengeba;  —  Mund 
'Schutz'  (Vormund),  ahd.  munt,  wohl  zu  lat.  manus  'Hand'.  Dazu  Mündel,  im  8.  Jh. 
mundilio;  mündig,  mhd.  mündic;  —  Nadierbe,  14.  Jh.;  —  Nadiricfiter,  m\\d.  nädi- 
rihter;   —   Nageimage,  mhd.  nagelmäc;  —  Näherredit,  1691;   —  Nießbraudi,  im 

17.  Jh.  nach  lat.  usus  fructus  gebildet;  —  Niftelgerade,  1^624;  —  Notzucht,  15.  Jh., 
ahd.  not numft  'Raub':  —  Nutznießung,  16.  Jh.;  —  Pfahlbärger,  1353;  —  Pfand, 
ahd.  pfant;  —  Pranger,  1270,  zu  nd.  ndl.  prangen  'drücken,  pressen',  got  anapraggan 
'bedrängen';  —  Redit,  ahd.  reht,  e.  right  zu  recht,  ahd.  reht,  e.  right,  got  raihts,  lat 
rectus,  h.  redit  'Gtsttz' :  dazu  rediten,  mhd.  rehten;  Rechtsanwalt,  \S.  Sh.  usvf.;  — 
redlidi,  ahd  redilih  'verständig';  —  Riditer,  ahd.  rihtari;  —  Sachsenspiegel,  das 
alte  Rechtsbuch  der  Sachsen;  —  Sdiöffe,  ahd.  skeffeno  zu  sdiaffen.  sdiöpfen,  eig.  'der 
Recht  schafft';  —  Spitzbube,  16.  Jh.,  zu  spitzen  'auf  etwas  lauern';  —  stehlen,  ahd. 
stelan,  e.  steal,  got.  stilan,  lat.  stellio  'ränkevolie  Person';  —  Strafe,  mhd.  (selten)  strafe;  — 
überhandnehmen,  mhd.,  wohl  zu  mhd  /zan^ 'Hand'  als  Rechtsausdruck  'Besitz,  Gewalt 
über  eine  Sache'  wie  mndl.  overhant  'Obergewalt';  —  überzeugen,  mhd.  überziugen 
'durch  Zeugen  überführen';  —  Umstand,  eig.  'die  umstehenden  Personen',  noch  eis. 
bayer.  Gerichtsumstand  'die  Zuschauer  beim  Gericht';  —  unbesdiolten,  mhd.;  —  Un- 
bill, Schweiz.;  —  Ungebühr,  17.  Jh.;  —  ungesdioren,  mhd.  ungesdiorn  län;  — 
Unterpfand,  mhd.  unterpfant;  —  Urgidit,  mhd.  urgiht  'Sündenbekenntnis'  zu  ahd. 
jehan  'sagen';  —  verantworten,  mhd.;  —  Verbrecher,  mhd.,  zu  verbredien,  ahd. 
farbrehhan;  —  verfangen;  —  verhaften,  mhd.  verheften  zu  Haft;  —  verjähren, 
mhd.  verjceren;  —  verklagen,  15.  Jh.;  —  Verlassensdiaft,  16.  Jh.;  —  vermadien, 

14.  Jh.;  —  versdiollen  (1780)  zu  verschallen  'aufhören  zu  schallen';  —  verstodit, 
mhd.;  —  verwandt;—  Vollmadit,  IZ12,  ÜbtxstXzung  von  m\at  plenipotentia;  ~  Vor- 
mund, ahd.  foramundo.  s.  Mund;  —  Wahrsprudi  {um  1840),  Übersetzung  von  Ver- 
dikt; —  Weistum,  ahd.  Wistuom,  t.wisdom;  —  Widerpart,  mhd.  widerpart(e);  — 
zeugen,  ahd.  giziugön  zu  ziehen;  —  zier  lieh, \n  der  altern  Rechtssprache  'förmlich,  feierlich'. 

B.  LEHNWÖRTER. 

An  Lehnwörtern  ist  die  Rechtssprache  natürlich  sehr  reich,  und  es  kommt 
dabei  wesentlich  der  lateinische  Sprachstoff  in  Betracht,  neben  dem  nur  in 
verhältnismäßig  wenigen  Fällen  das  Französische  eingewirkt  hat.  Der  Raum 
mangelt,  um  hier  den  Stoff  anzuführen. 

§  186.  D.  Die  Kanzleisprache.   Die  Sprache  der  Kanzlei,  die  sich  seit  dem 

15.  Jahrhundert  entwickelt,  hat  gewisse  Ähnlichkeiten  mit  der  Rechtssprache. 
Auch  bei  ihr  kommt  es  darauf  an,  die  angegebene  Meinung  ganz  bestimmt 
auszudrücken,  und  man  wählt  daher  immer  wieder  denselben  Ausdruck. 
Weiter  arbeitet  aber  die  Kanzlei  mit  Formularen.  Was  einmal  geschrieben 
ist,  liegt  ja  noch  vor,  und  man  schreibt  es  daher  wieder  ab.  So  erhalten 
sich  Ausdrücke,  die  längst  keiner  mehr  spricht.  Die  Kanzlei  neigt  ferner  zu 
Umständlichkeit,  was  nicht  wundernehmen  kann,  da  das  Schreibwerk  nach 
der  Elle  bezahlt  wird.  Anfangs  liebte  sie  auch  die  Fremdworte;  dagegen  hat 
man  früh  geeifert,  was  freilich  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  genützt  hat. 

Hier  stelle  ich  eine  Anzahl  von  Worten  zusammen,  die  wohl  aus  der 
Kanzleisprache  stammen  dürften.  Bei  vielen  empfindet  man  noch  heute 
den  Aktenstaub. 

ablehnen,  abmüßigen,  abnehmen,  Akten,  allenfallsig,  anbei,  anbelangen,  anberaumen, 
in  Anbetracht,  anderweit,  Anerbieten,  anhängig,  anheimstellen,  -geben,  -fallen,  anher, 
anitzt,    anläßlidi,    annodi,    Anredit,    anstatt,   Ansuchen,-  Anzeige,    approbieren,   Auflage 

20* 


308  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


'amtlicher  Auftrag',  aufwiegeln.  Aitsfltuiit.  aushändigen,  äußern.  Ausweis,  Bedarf.  Be- 
denken. Beding,  beendigen,  befehligen,  befremden,  behändigen,  beherzigen,  Behörde,  Be- 
huf, heimessen,  beipfliditen.  Belang,  bemängeln  (obd.),  benebst.  Benehmen,  besage,  be- 
seitigen. Betradit,  Betreff,  beziditigen,  bislang,  darleihen,  dazumal,  demnadt.  dergestalt, 
derjenige,  dermaßen,  dero,  desfalls,  diesfällig.  ehest,  einsdireiten.  Einverständnis,  sidi 
entsdiließen,  erbölig,  ermessen,  lirrungensdiaft.  ersprießlidt.  ersudien.  fahnden,  ahd.  fantön 
'durchforschen',  gewierig.  Ew.  Liebden.  unbesdiadet,  verausfolgen,  vorstellig  werden. 
Wagnis.  Weiterung.   Vgl.  dazu  noch  GDS.  243. 

§  187.  E.  Die  Dichtersprache.  Daß  die  Sprache  der  Dichtkunst  von  der 
der  Prosa  abweicht,  ist  allgemein  bekannt,  aber  worin  diese  Unterschiede 
bestehen,  ist  nicht  ohne  weiteres  klar.  Sie  lassen  sich  aber  in  aller  Kürze 
dahin  zusammenfassen,  daß  die  Dichtersprache  wie  Janus  zwei  Gesichter 
zeigt,  ein  vorwärts  gekehrtes  und  ein  rückwärts  gewandtes. 

Das  rückwärts  gewandte  erkennen  wir  sehr  leicht.  Überblickt  man 
irgendwelche  Zusammenstellungen  des  Wort-  und  Formenschatzes  der 
Dichtersprache,  so  stellt  sich  sofort  klar  heraus,  daß  wir  es  in  der  Haupt- 
sache mit  einer  altern  Sprachstufe  zu  tun  haben.  Die  Dichtersprache  hat 
im  allgemeinen  einen  altertümlichen  Sprachcharakter,  ja  sie  kann  sich  zu 
einer  neben  der  lebenden  stehenden  ganz  besondern  Sprache  entwickeln. 
Bei  den  Griechen  hatte  ja  jede  Dichtungsart,  das  Epos,  die  Elegie,  die 
Lyrik,  das  Drama,  seine  besondere  Sprachform  und  seinen  besondern 
Wortschatz,  und  noch  lange  nach  Homer,  selbst  in  byzantinischer  Zeit 
dichtete  man  jedes  Epos  in  homerischer  Sprache. 

Diesen  auf  griechischem  Boden  deutlich  hervortretenden  Grundzug  darf 
man  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  auf  andern  Sprachgebieten  erwarten, 
und  man  findet  ihn  tatsächlich  auch  im  Deutschen.  Die  Ursache  liegt  natür- 
lich darin,  daß  die  Dichtungen  im  Munde  des  Volkes  oder  der  Sänger  fort- 
leben, und  daß  sich  dadurch  ganze  Redensarten  und  Verbindungen  fest  dem 
Gedächtnis  einprägen  und  daher  zu  jeder  Zeit  wieder  verwendet  werden 
können,  daß  also,  wie  Schiller  treffend  gesagt  hat,  die  Sprache  für  den 
Dichter  dichtet  und  denkt.  In  diesen  Abweichungen  vom  gewöhnUchen 
Sprachgebrauch  liegt  zu  einem  guten  Teil  der  Reiz  der  dichterischen  Sprache 
begründet.  Selbstverständlich  können  Worte  aus  der  Dichtersprache  wieder 
in  die  Prosa  aufgenommen  werden  und  dort  eine  solche  Verbreitung  ge- 
winnen, daß  sie  nicht  mehr  als  poetisch  empfunden  werden. 

Die  Dichtersprache  ist  also  in  hohem  Grade  formelhaft,  und  nicht 
selten  führt  die  natürliche  Entwicklung  jenen  Weg,  den  die  Griechen  ein- 
geschlagen haben,  zu  den  Sprachen  besonderer  Dichtungsgattungen.  Bei 
uns  hat  sich  dieser  Entwicklungsgang  glücklicherweise  nicht  vollzogen,  weil 
zu  allen  Zeiten  Dichter  mit  neuen  Dichtarten  aufgetreten  sind,  die  den 
Bann  der  Überlieferung  gebrochen  und  die  Dichtersprache  wieder  natürlich 
gestaltet  haben.  Man  denke  an  die  Sturm-  und  Drangperiode.  Aber  auch 
sonst  greifen  verschiedene  Zeiten  wieder  auf  die  natürliche  Sprache  zurück. 

Auf  der  andern  Seite   richtet  die  Dichtersprache   den  Blick  nach  vor- 


§  187.  E.  Die  Dichtersprache.  309 


wärts  und  schafft  neue  Worte  und  Ausdrücke,  da  sie  möglichst  die  Aus- 
drücke der  gewöhnlichen  Umgangssprache  zu  vermeiden  sucht.  Am  meisten 
und  fruchtbarsten  wirkt  natürlich  auf  diesem  Gebiet  das  Genie,  das  durch 
seine  Tätigkeit  die  Sprache  wirklich  bereichert. 

Weiter  hat  es  immer  Vereinigungen  von  Dichtern  gegeben,  die  gewisse 
Kunst-  und  Sprachgesetze  auf  ihre  Fahnen  geschrieben  haben,  und  die  dann 
bewußt  eine  neue  Dichtersprache  schaffen.  Meist  verfällt  auch  sie  wieder 
dem  Los,  formelhaft  zu  werden. 

Will  man  auf  diesem  Gebiet  zur  Klarheit  kommen,  so  muß  man  von 
den  einzelnen  Dichtgattungen  der  Zeit  und  der  Art  nach  ausgehen.  Ob- 
gleich schon  mancherlei  auf  diesem  Gebiet  gearbeitet  ist,  so  ist  doch  alles 
nur  ein  Anfang,  und  es  wird  noch  lange  dauern,  ehe  wir  über  die  Ent- 
wicklung der  Dichtersprache  und  über  ihren  Einfluß  auf  unsern  neuhoch- 
deutschen Wortschatz  klar  sehen. 

Am  Anfang  unsrer  Dichtung  steht  eine  allen  germanischen  Stämmen 
eigene  volkstümliche  Poesie,  deren  metrische  Eigentümlichkeit  der  stab- 
reimende Vers  bildet.  Wie  längst  erkannt  ist,  enthält  sie  einen  großen 
Schatz  von  Formeln.  Diese  müssen  natürlich  wieder  aus  älterer  Zeit  stammen, 
ja  man  hat  versucht,  sie  bis  in  die  indogermanische  Urzeit  zurückzuverfolgen. 

Im  zweiten  Merseburger  Zauberspruch  liegt  die  Verbindung  vor 
ben  zi  bena,  bluot  zi  bluoda.  lid  zi  giliden. 

Ganz  ähnliche  Ausdrücke  kehren,  wie  A.  Kuhn  gezeigt  hat,  auf  indischem 
Boden  wieder.   Im  Atharwaweda  4,  2  heißt  es: 

.Zusammen  werde  Mark  mit  Mark  und  audi  zusammen  Glied  an  Glied, 
Was  dir  an  Fleisdi  vergangen  ist  und  audi  der  Knodien  wadise  dir. 
Mark  mit  Marke  sei  vereinigt,  Haut  mit  Haut  erhebe  sidi." 

Die  grundsätzliche  Annahme,  daß  solche  Formeln  bis  in  die  indo- 
germanische Urzeit  zurückgehen  können,  ist  gewiß  nicht  zu  leugnen.  So 
kehrt  die  Verbindung  Nacht  und  Tag  in  der  Weise,  daß  der  Begriff  Nacht 
vorangeht,  in  den  verschiedensten  Sprachen  wieder.  Sie  war  in  dieser 
Reihenfolge  sicher  indogermanisch.  Uralt  ist  z.  B.  auch  die  Verbindung 
Zwelfüßer  und  Vierfüßer,  aind.  dvlpäd  und  catuspäd,  welche  Verbindung 
sich  auch  im  Umbrischen  ganz  entsprechend  als  dupursus  peturpursus  findet. 

Die  Formelhaftigkeit  der  altgermanischen  Alliterationspoesie  ist  außer- 
ordentlich groß,  so  groß,  daß  es  bei  guter  Bekanntschaft  mit  diesen  Formeln 
nicht  schwer  ist,  Verse  in  dieser  Dichtart  zu  machen.  Natürlich  haben  diese 
Formeln  frühzeitig  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen,  und  sie  sind  ge- 
sammelt worden. 

Anmerkung  1.  Vgl.  Jakob  Grimm,  Andreas  und  Elene,  Einleitung  S.40ff.  —  L.Wein- 
hold,  Spicilegium  formularum,  Halle  1847.  —  R.  Heinzel,  Über  den  Stil  der  altgermanischen 
Poesie,  Straßburg  1878.  —  Sievers  in  dem  Anhang  zu  seiner  Ausgabe  des  Heiland,  Halle 
1878.  —  Otto  Hoffmann,  Reimformeln  im  Westgermanischen,  Darmstadt  1885.  —  R.  M. 
Meyer,  Die  altgermanische  Poesie  nach  ihren  formelhaften  Elementen  beschrieben,  Berlin 
1889.  —  Alberta  Johanna  Portengen,  De  oudgermaansche  dichtertaal  in  haar  ethno- 
logisch verband.  Proefschrift,  Leiden  1915. 


310  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Der  Entwicklun.^sgang  unsrcr  alten  Dichtkunst  wurde  dadurch  unter- 
brochen, daß  mit  dem  Reim  ein  ganz  neues  Kunstmittel  eingeführt  wurde, 
und  diese  neue  Dichtart,  deren  erster  großer  Vertreter  Otfried  war,  verlangte 
auch  eine  neue  Ausdruckweise.  Hier  fehlte  also  die  Überlieferung,  und 
naturgemäß  mußte  daher  der  Dichter  in  ganz  andrer  Weise  wortschöpferisch 
auftreten  als  ein  Dichter  der  alten  Art.  Man  merkt  Otfricds  Poesie  auch 
das  Neue  im  Wortschatz  an. 

Die  alte  Art  ist  indes  nicht  ausgestorben.  Die  Spielmannspoesie  und 
das  mittelhochdeutsche  Volksepos  haben  zweifellos  an  den  Stil  der  alten 
alliterierenden  Poesie  angeknüpft,  und  so  zeigen  sie  beide  tatsächlich  einen 
großen  Schatz  an  Formeln  und  sogar  an  alliterierenden  Verbindungen.  Oswald 
Berger  hat,  Beiträge  11,371,  für  das  Oswaldgedicht  eine  Reihe  derartiger 
alliterierender  Verse  zusammengestellt.  Es  würde  sich  dasselbe  für  jedes 
einigermaßen  volkstümliche  Gedicht  des  Mittelalters  ebenfalls  ergeben. 

Die  Kudrun  wimmelt  geradezu  von  Stabreimen  und  stabreimenden  Formeln,  z.  B. 
schirmen  unde  sdiieien;  man  unde  mngen;  die  minniclidien  meit:  —  kömen  heim  ze 
hove;  —  die  vremeden  ziio  den  vriunden;  —  des  wirtes  wille;  die  Hute  begunden 
ladien:  —  allez  über  al.  Ja,  es  lassen  sich  regelrechte  Stabreimverse  herausschälen  oder 
mit  leichter  Mühe  wieder  herstellen,  z.B.: 

der  was  nu  zergangen      mit  grözcr  arbeit    14,  2 
allen  die  ir  gerten,      den  gap  man  ir  genuoc   40,  2 
die  brähten  Hellte  sdiilde      unde  sdiefte  ridie   42,  3 
manegen  gast  mit  willen,      die  sie  oudi  gerne  sähen   46,  3 
daz  im.  die  vögele  künden      vliegende  nidit  entrinnen   97,  3 
du  sadi  er  vil  der  tiere      vrevele  unde  balt    100,  2 
Hetele  der  ridie  (1.  herre)      ze  Hegelingen  saz   207,  1 

Hilde  die  rldien 
des  wilden  Hagenen  tohter  226,  3.  4 
ze  Hilden  und  ze  Hagenen      hin  ze  hove  gdn   258,  3 
dö  bewant  man  diu  ruoder      rüt  alsam  ein  gluot   265,  2 
ir  ankerseil  wurden      da  her  von  Arabe 
gevüeret  harte  verre   266,  1.  2 
swie  so  was  ir  wille      üf  dem  wilden  sP. 
so  was  in  etewenne      von  ungemadie  we. 

swer  die  ünde  bouwet      der  muoz  mit  ungemadie  wesen   287,  1 .  2.  4 
mit  minem  Silber  sende      zwelf  soumcere  595,  3 
und  muost  diu  kleider  wasdien      in  den  küelen  winden    1064,  3. 

Annrerkung  2.  Auch  wir  haben,  was  kein  Wunder  nehmen  kann,  in  unsrer  heutigen 
Sprache  noch  manche  alliterierende  oder  reimende  Formel  bewahrt,  und  wenn  sie  zum  Teil 
auch  nicht  allzu  alt  sind,  so  zeigen  sie  doch  jenen  uralten  Zug  der  Dichtersprache.  Ich 
nenne:  Sdiimpf  und  Sdiande;  samt  und  sonders;  Küdie  und  Keller;  Kodi  und  Kellner: 
bitterböse;  der  wilde  Wald;  seine  sieben  Sadien;  in  Bausdi  und  Bogen;  durdi  Disteln 
und  Dornen;  drehen  und  deuteln;  an  allen  Edien  und  Enden;  Feuer  und  Flamme;  Freund 
und  Feind;  Fisdi  nodi  Fleisdi;  gang  und  gäbe;  Geld  und  Gut;  weder  Gidis  nodi  Gadis; 
Gift  und  Galle;  Glüdi  und  Glas;  Haus  und  Herd;  Haus  und  Hof;  mit  Haut  und  Haar; 
hoffen  und  harren;  Kind  und  Kegel;  Kisten  und  Kasten;  Kopf  und  Kragen;  Land  und 
Leute;  wie  er  leibt  und  lebt;  Lidit  und  Luft;  los  und  ledig;  Lust  und  Leid;  Lust  und 
Liebe;  Mann  und  Maus;  bei  Nadit  und  Nebel;  ohne  Rast  und  Ruh;  Roß  und  Reiter; 


§  187.  E.  Die  Dichtersprache.  311 


Seele  und  Seligkeit;  singen  und  sagen;  gestiefelt  und  gespornt;  über  Stodt  und  Stein; 
mit  Stumpf  und  Stiel;  vor  Tag  und  Tau;  Tor  und  Tür;  Tod  und  Teufel;  tun  und  treiben; 
nidit  wanken  und  nidit  weidien;  eine  gute  Wehr  und  Waffen;  Wind  und  Wetter;  Witwen 
und  Waisen;  Wohl  und  Wehe;  Zaum  und  Zügel;  zittern  und  zagen;  Zwedt  und  Ziel  usw. 

Ebenso  haben  wir  alte  Rcimformeln :  mit  Adi  und  Kradi;  unter  Dadi  und  Fadt; 
dann  und  wann;  edit  und  redit;  auf  oder  naut;  Freud  und  Leid;  Handel  und  Wandel; 
kein  Hind  und  kein  Kind;  Lug  und  Trug;  holt  und  voll;  Sang  und  Klang;  Wahl  madit 
Qual;  mit  Rat  und  Tat;  in  Saus  und  Braus;  Stein  und  Bein;  nadi  bestem  Wissen  und 
Gewissen;  über  Stodt  und  Blodi;  ohne  Rudi  und  Mudt;  Mudten  und  Tudten;  in  Hülle  und 
Fülle;  sdiledü  und  redit;  mein  und  dein;  langen  und  bangen;  sterben  und  verderben; 
gesdiniegelt  und  gebügelt;  gerüttelt  und  gesdiüttelt  usw.  Weitere  Beispiele  bei  Borchardt- 
WUSTMANN,  Die  sprichwörtlichen  Redensarten  im  deutschen  Volksmunde,  5.  Aufl.,  S.  8  ff. 

Zum  Teil  stammen  diese  Verbindungen  auch  aus  der  Rechtssprache  und  dem  Sprich- 
wort; die  Dichtersprache  ist  indessen  die  Grundlage.  Im  übrigen  wirkt  der  Stabreim  auch  in 
der  neuern  Poesie  nach,  und  selbst  Goethe  hat  ihn  häufig  genug  verwendet,  vgl.  W.  Ebrard, 
Alliterierende  Wortverbindungen  bei  Goethe,  Programm,  Nürnberg  1900. 

Eine  Untersuchung  über  das  erste  Auftreten  dieser  formelhaften  Verbindungen,  deren 
hohes  Alter  sich  schon  daraus  ergibt,  daß  in  manchen  von  ihnen  sonst  verloren  gegangene 
Ausdrücke  enthalten  sind,  wäre  eine  dankenswerte  Aufgabe. 

Zeigt  sich  also  schon  in  den  Stabreimen  der  inittelalterHchen  Volks- 
dichtung die  Abhängigkeit  von  den  älteren  Vorbildern,  so  wird  dies  auch  noch 
durch  etwas  anderes  erwiesen.  Sie  war  auch  von  abgestorbenen,  sonst  über- 
haupt nicht  mehr  oder  höchstens  in  den  Mundarten  lebenden  Worten  durch- 
setzt. Wir  erkennen  das  daraus,  daß  das  Volksepos  eine  ganze  Reihe  von  Aus- 
drücken gebraucht,  die  das  höfische  Epos  gar  nicht  oder  nur  spärlich  verwendet. 

Zu  diesen  Ausdrücken  gehören:  balt  'kühn',  barn  'Kind',  berht  'glänzend',  bilde 
'freundlich',  brcede  'gebrechlich',  brogen  'sich  in  die  Höhe  richten',  degen  'Kriegsmann', 
dürkel  'durchbohrt',  durnehte  'vollständig',  edie  'Schneide  einer  Waffe',  eilen  'Mannheit', 
ellenthaft  'mannhaft',  gemeit  'froh,  freudig',  gf-r  'Wurfspieß',  hell,  hervart,  küene,  marc 
'Streitroß',  m^re  'berühmt',  milte  'freigebig',  raste  'Ruhe',  redte,  sarwät  'Kriegsgewand', 
sn'H  'tapfer',  urliuge  'Krieg',  veige  'dem  Tode  verfallen',  verme^^en  'kühn',  versdiröten 
'zerhauen',  vredi  'kühn',  vrevel  'mutig,  kühn',  wal  'Schlachtfeld',  ivoetlidi  'schön,  stattlich'» 
wigant  'Krieger,  Held',  wie  'Kampf.  Vgl.  darüber  E.  Steinmeyer,  Über  einige  Epitheta  der 
mittelhochdeutschen  Poesie,  Erlangen  1889. 

Wir  können  weiter  verfolgen,  wie  eine  Reihe  von  Ausdrücken  in  den 
Handschriften  allmählich  durch  andere  ersetzt  werden,  d.  h.  also  ungebräuch- 
lich geworden  waren.  Vgl.  darüber  P.  Abel,  Veraltende  Bestandteile  des  mittel- 
hochdeutschen Sprachschatzes,  Erlangen  1902,  und  Alice  Vorkampff-Laue, 
Zum  Leben  und  Vergehen  einiger  mittelhochdeutscher  Wörter,  Halle  a/S.  1906. 

Dasselbe  Schicksal,  das  die  Volkspoesie  traf,  mußte  auch  der  höfischen 
Poesie  zuteil  werden.  Ging  sie  zunächst  ihre  eigenen  Bahnen,  für  die  sie 
eine  neue  Ausdrucksweise  schuf,  so  konnte  es  doch  nicht  ausbleiben,  daß 
ihre  großen  Dichter  ihrerseits  in  ihrem  Wortschatz  wieder  vorbildlich  wirkten. 

Die  Untersuchungen  über  alle  diese  Verhältnisse  liegen  noch  sehr  im  argen, 
wie  es  denn  überhaupt  kaum  Arbeiten  über  den  Wortgebrauch  im  Mittelalter  gibt. 

In  der  neuern  Zeit  liegen  die  Dinge  im  Grunde  ganz  gleichartig.  Die 
Dichtkunst  erstarrte  oft  in  gewissen  Formen  und  Formeln.  Zeitweise  finden 
wir  eine  gekünstelte  Sprache,   dann  aber  näherte   sich   auch  die  Dichter- 


312  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

spräche  der  Prosa  wieder  außerordentlich,  und  im  17.  Jahrhundert  ist  der 
Unterschied  am  geringsten.  Als  Beispiel  führt  Behaohel  Brockes  an,  dessen 
Sprache  uns  allerdings  arg  prosaisch  klingt,  z.  B.: 

Kann  man  also  leicht  erweisen. 

Daß  die  Luft  nicht  einerley, 
Sondern  in  versdnedenen  Kreisen 

Gleichsam  abgesondert  sey. 
Wie  denn  dieß  die  Wolken  zeigen. 
Die  bald  sinken  und  bald  steigen. 

Bloß  nachdem  sie  dünn  und  feucht, 
Frey,  gepresset,  sdiwer  und  leicht. 

Ein  neues  Leben  begann  mit  dem  Erwachen  der  Geister  im  18.  Jahr- 
hundert. Man  wollte  etwas  Neues  bieten.  Man  näherte  sich  einmal  der 
volkstümlichen  Rede  und  griff  tief  in  den  Wortschatz  der  Mundarten  hinein, 
anderseits  suchte  man  nach  neuen  Ausdrücken,  und  da  die  Wortschöpfung 
nicht  selten  etwas  Bedenkliches  hat,  so  ging  man  auf  die  literarisch  über- 
lieferte Sprache,  sogar  die  des  Mittelalters  zurück  und  erneuerte  zahlreiche 
tote  Worte,  vgl.  oben  S.  259.  Viele  von  ihnen  sind  vollständig  wieder  ein- 
gebürgert, ja  sogar  in  die  Umgangssprache  vorgedrungen.  Ganz  bewußt  hat 
R.Wagner  auf  die  alte  Sprache  zurückgegriffen,  und  bei  der  Verbreitung  seiner 
Werke  ist  es  nicht  wunderbar,  wenn  auch  die  Umgangssprache  davon  berührt 
wird.  Vgl.  auch  Felix  Ott,  R.Wagners  poetischer  Wortschatz.  Diss.  Gießen  1917. 

4.  DIE  SPRACHE  DER  EINZELNEN  BERUFE. 

§  188.  Allgemeines.  Neben  den  bisher  behandelten  Sondersprachen  all- 
gemeiner Art  stehen  außerdem  noch  die  Sprachen  der  in  unserm  heutigen 
Leben  so  stark  verzweigten  Berufe,  die  des  Landmanns,  des  Bergmanns, 
der  Buchdrucker,  der  Jäger,  der  Schiffer  und  Seeleute  usw.  Sie  alle  haben 
ihre  besondere  Sprache.  Dazu  kommen  noch  die  verschiedenen  Ausdrucks- 
weisen der  Wissenschaft.  Auch  bei  diesen  liegen  die  Grundfragen  so  wie 
bei  den  oben  besprochenen  Gebieten.  Einerseits  fragt  es  sich,  wie  sich 
alle  diese  Sprachen  mit  ihrem  eigentümlichen  Wortschatz  entwickelt  haben, 
und  anderseits,  welche  Einflüsse  sie  auf  den  Wortschatz  unsrer  Allgemein- 
sprache ausgeübt  haben. 

§  189.  A.  Die  Sprache  des  Ackerbauers.  Die  landwirtschaftliche  Tätigkeit 
war  ursprünglich  die  Grundlage  der  ganzen  wirtschaftlichen  Ordnung.  Acker- 
bau und  Viehzucht  sind  schon  die  Grundpfeiler  der  Wirtschaft  bei  den  Indo- 
germanen  gewesen,  sie  bleiben  es  lange  Zeit  bei  den  Germanen  und  den 
Deutschren,  und  erst  in  neuerer  Zeit  hat  sich  dies  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  geändert.  Grund  genug  also  dafür,  daß  wir  bei  vielen  Worten  ihre 
ursprüngliche  Bedeutung  in  dieser  Richtung  suchen  müssen,  d.  h.  daß  viele 
Worte  mit  allgemeiner  Bedeutung  einst  eine  engere  gehabt  haben,  die  sich 
auf  die  Landwirtschaft  bezog.  Da  die  Landwirtschaft  noch  jetzt  allgemein 
verbreitet  ist,  so  ist  nicht  anzunehmen,   daß  gerade  sehr  viel  Worte  in 


§  188.  Allgemeines.  §  189.  A.  Die  Sprache  des  Ackerbauers.  313 

neuerer  Zeit  aus  ihr  in  die  Schriftsprache  geflossen  sind,  es  wird  sich  viel- 
mehr meist  um  eine  eigenartige  Bedeutungsentwicklung  handeln. 

Es  gehört  zu  den  noch  heute  weitverbreiteten,  sicher  aber  falschen  Annahmen,  daß  die 
Indogermanen  Wanderhirten  waren.  Man  stützt  sich  daftir  auf  Wörter  wie  Trift,  zu  treiben 
und  Acker,  lat.  ager,  gx.ayQÖg  (agrös)  zu  lat.  agö,  gr.äyco  (ägö).  Aber  dieses  kann  nichts 
beweisen,  da  es  eben  'Acker,  Feld'  bedeutet  und  vielleicht  mit  agö  gar  nicht  zusammenhängt. 
Und  Trift  ist  eben  der  Ort,  wo  man  das  Vieh  getrieben  hat.  Auch  aus  der  ursprünglichen 
Bedeutung  von  Rast,  got.  rasta  'Meile',  anord.  /-ös^Wegstrecke'  läßt  sich  nichts  erschließen, 
da  man  zu  allen  Zeiten  gereist  ist.  Man  brauchte  diese  Ansichten  gar  nicht  anzuführen,  wenn 
sie  nicht  in  Kluges  verbreitetem  Wörterbuch  von  Auflage  zu  Auflage  wiederholt  würden. 

Dagegen  entwickelt  sich  der  Begriff  des  Vermögens,  nicht  des  Eigentums,  an  dem 
Vieh,  wofür  das  bekannte  lat  pecünia  von  pecu  'Vieh'  ein  Beispiel  ist.  Im  Deutschen  haben 
wir  unser  Schatz,  got.  skatts  'Geldstück,  Geld'.  Dies  bedeutet  aber  im  afrits.  sket  noch 
'Vieh',  und  diese  Bedeutung  zeigt  auch  ahg.  skotü  'Vieh';  e.  fee  =  got.  fai hu  'Vieh'  be- 
deutet'Trinkgeld';  —  abgedrosdien  ist  vielleicht  eine  Nachbildung  des  \ai.verba  trita. 

Sonst  bemerke  ich  noch  folgendes:  das  Gut  ist  ursprünglich  'etwas  Gutes',  dann 
'Vermögen,  Besitz,  Landbesitz',  und  wird  nun  aus  der  Sprache  der  Landwirtschaft  mit  dieser 
besondern  Bedeutung  allgemein  üblich;  —  ausmerzen  wird  zunächst  von  den  Schafen 
gebraucht;  —  ausgelassen  ist  das  Vieh,  das  nach  dem  langen  Stallaufenthalt  im  Winter 
herausgelassen  wird  und  nun  seinem  Übermut  Luft  macht;  —  der  Stall  ist  der  Ort,  wo- 
hin etwas  gestellt  wird,  vgL  mhd.  burcstal,  der  Platz,  auf  dem  eine  Burg  gebaut  ist. 

Derartiger  Beispiele  lassen  sich  noch  manche  anführen.  Unsere  Er- 
kenntnis auf  diesem  Gebiet  ist  aber  durch  mehrere  hochbedeutsame  Auf- 
sätze Meringers,  Idg.  Forsch.  17, 100,  sehr  erweitert  worden.  In  diesen  hat 
er  gezeigt,  daß  eine  Reihe  weitverbreiteter  und  in  ihren  Bedeutungen  stark 
verzweigter  Wortsippen  leicht  verständlich  werden,  wenn  man  von  der 
Grundbedeutung  ackern  oder  pflügen  ausgeht. 

So  sucht  Meringer  darzulegen,  daß  unser  Wort  Pflug,  ahd.  pfluok  ganz  regelrecht 
zu  pflegen  gehört.  Während  das  Substantiv  seine  alte  Bedeutung  bewahrt  hat,  ist  die  des 
Verbs  abgewichen.  Von  der  Bedeutung  'ackern'  kommt  man  zu  'wohnen',  und  von  'wohnen' 
zu 'gewöhnen,  gewöhnt  sein,  pflegen'  ist  kein  weiter  Schritt.  Was  hier  nun  vorliegt,  kann 
man  auf  den  Stamm  von  wohnen  selbst  anwenden.  Der  Stamm  wen  ist  in  den  indo- 
germanischen Sprachen  sehr  verbreitet.  Wir  haben  wohnen,  gewöhnen,  ahd.  winnan 
'arbeiten',  jetzt  gewinnen  'durch  Arbeit  erlangen'.  Den  Mai  nannte  Karl  der  Große  winne-, 
d.i.  Weide-monat,  so  daß  also  winjwen  auch  'Weide'  bedeutet.  Auch  bei  diesem  Wort 
zeigt  Meringer,  daß  man  von  der  Bedeutung 'pflügen,  ackern'  ausgehen  muß;  s.  unten. — 
Ferner  bezieht  sich  unser  üben,  verwandt  mit  lat.  opus,  operäri  zweifellos  auf  den  Acker- 
bau. Wir  finden  im  Althochdeutschen  noch  uobo  'colonus'.  —  Die  Wurzel  *bha  ist  in  ver- 
schiedenen Sprachen  zum  reinen  Hilfszeitwort  herabgesunken,  aind.  bhävati,  lat.  fuit,  d.  idi 
bin.  In  unserm  bauen,  Bauer  haben  wir  wiederum  noch  die  sinnliche  auf  den  Ackerbau 
bezügliche  Bedeutung,  die.  dann  erst  auf  den  Hausbau  und  ähnliches  übertragen  worden  ist.  — 
Unser  Wort  Art  tritt  erst  im  Mittelhochdeutschen  in  der  Bedeutung 'angeborene  Eigentüm- 
lichkeit, Natur,  Beschaffenheit,  Art'  auf.  Deshalb  dürfte  es  wohl  bedenklich  erscheinen,  das 
Wort  unmittelbar  mit  lat.  ars,  artis  zu  vergleichen.  Da  vielmehr  im  Althochdeutschen  und 
noch  im  Mittelhochdeutschen  ein  art  'das  Pflügen'  zu  lat.  aräre  neben  jenem  art  steht,  so 
wird  es  keinem  Bedenken  unterliegen,  dieses  von  jenem  abzuleiten.  —  Ebenso  gehört  ja 
zweifellos  Adel,  aM.  adal  'Geschlecht,  bes.  edles',  asäohs.  actali  'edles  Geschlecht,  die 
Edelsten,  der  Adel'  zu  ahd.  uodil,  nodal  'Erbsitz,  Heimat',  asächs.  öäil,  ags.  eäel  'Erbsitz, 
Heimat',  noch  erhalten  in  Ulrich,  ahd.  Uodalridi.  Der  Grundbesitzer  nahm  eben  eine  be- 
sondere Stellung  ein.   Die  ursprünglichste  Bedeutung  von  Gabel  war  'Mistgabel,  Heugabel'. 


314  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Unsere  jetzige  wesentlichste  Bcdciilunß  stammt  erst  aus  dem  16.  Jalirliimdert.  —  Joch, 
atid. /()//,  c.  yoke,  zo{.  jitk  zu  \M.  jttgtim,  gr.  :iyi',f  (zygön)  hat  zwar  seine  alte  Bedeutung 
bewahrt,  wird  aber  in  mannigfacher  bildUclier  Verwendung  gebraucht,  in  der  Hauptsache 
wohl  unter  biblischem  Einfluß. 

Man  wird  aus  den  behandelten  Worten  erkennen,  wie  oft  man  genötigt 
ist,  auf  die  einfachsten  wirtschaftlichen  Verhältnisse  bei  der  Erklärung  der 
Worte  zurückzugehen,  und  daß  es  daher  auch  unbedingt  nötig  ist,  sich  mit 
diesen  genau  vertraut  zu  machen. 

Anmerkung  1.  Die  heutigen  landwirtschaftlichen  Ausdrücke  werden,  was  kaum 
hervorgeheben  zu  werden  braucht,  häufig  genug  übertragen  gebraucht,  vgl.  ernten.  Saat, 
lirtrag,  hrudit.  fruchtbar,  der  Weizen  jemandes  blüht,  mit  fremdem  Kalbe  pflügen  u.  a. 

Anmerkung  2.  Der  Ackerbau  ist  oft  genug  auch  Zwangsarbeit  der  unterworfenen 
Bevölkerung  gewesen,  und  es  findet  sich  daher  leicht  der  Bedeutungsübergang  von  ackern 
zu  ackern  müssen.  So  haben  wir  in  dem  aus  dem  Slawischen  entlehnten  Robott  ein  Wort, 
das  ursprünglich  'Arbeit'  bedeutet.  Unser  Arbeit  könnte  sich  älinlich  entwickelt  haben. 
Jedenfalls  bedeutet  es  zunächst  'Knechtes  Arbeit',  dann  'Mühsal'.  Arm  stellt  MucH  bei 
Meringer,  Idg.  Forsch.  18,  246,  zu  lat.  aräre  'pflügen'.  Die  Grundbedeutung  ist  'elend, 
jammervoll",  die  älteste  wäre  'pflügend'. 

§  190.  B.  Die  Jägersprache.  Die  Jagd  ist,  da  die  Indogernianen  und 
Germanen  keine  Jägervölker  mehr  waren,  schon  früh  eine  „noble  Passion" 
geworden,  die  gewissen  Kreisen,  den  Herren,  vorbehalten  blieb.  Die  Fürsten 
betrieben  das  Weidwerk,  der  Bauer  wird  sich  höchstens  mit  dem  Fangen 
in  Gruben  und  Schlingen  befaßt  haben.  So  ist  also  die  Jagd  an  einen 
bestimmten  Stand  gebunden,  der  schon  an  und  für  sich  dazu  neigt,  eine 
besondere  Sprache  auszubilden,  und  wir  brauchen  uns  daher  nicht  zu 
wundern,  daß  wir  sehr  bald  eine  eigene  Jägersprache  antreffen.  Allerdings 
aus  althochdeutscher  Zeit  sind  keine  Nachrichten  vorhanden.  Erst  in  der 
Blütezeit  der  mittelhochdeutschen  Literatur,  in  Gottfrieds  von  Straßburg 
Tristan  lernen  wir  die  eigentliche  Jagd  und  die  Jägersprache  kennen.  Aber 
diese  ist  nicht  deutsch,  sondern  französisch.  Sie  hat  freilich  wenig  Spuren 
im  Deutschen  hinterlassen.  Es  stammen  aus  dieser  Zeit  etwa  Panzen 
'Magen',  mhd. panze,  Lümmel,  mhd.  Iiimbel  'Lendenbraten',  Ziemer,  mhd. 
zimere  aus  frz.  cimier  'Helmzier,  der  lange  Haarbüschel  am  Gliede  des 
Hirsches',  birsdien,  mhd.  birsen  aus  afrz.  berser  'mit  dem  Pfeil  jagen', 
Koppel  von  frz.  coiiple,  und  davon  kuppeln.  Daneben  stehen  große 
Dichtungen  wie  Hadamar  von  Labers  Jagd  aus  der  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts, in  der  das  ritterliche  Leben  unter  der  Allegorie  einer  Jagd  dar- 
gestellt wird,  ein  kurzes  Gedicht  von  Hugo  von  Montfort,  Peter  Suchen- 
wirts „Gejaid",  der  Minne  Falkner,  der  Minne  Jagd  und  die  Königsberger 
Jagdallegorie.  „Alle  diese  Dichter",  sagt  Lembke,  ZfdU.  12,236,  „schöpften 
in  reichem  Maße  aus  der  Jägersprache,  so  daß  sie  für  die  Feststellung  ihres 
damaligen  Bestandes  von  großer  Wichtigkeit  sind."  Weiter  ist  dann  be- 
achtenswert „die  Abhandlung  von  den  Zeichen  des  Rothirsches"  aus  dem 
Ende  des  14.  Jahrhunderts,  abgedruckt  in  Karajans  Ausgabe  von  „Kaiser 
Maximilians  L  geheimem  Jagdbuch",  Wien  1858. 


§  190.  B.  Die  Jägersprache.  315 


In  der  Neuzeit  besitzen  wir  vom  16.  Jahrhundert  an  zahlreiche  reinsprachliche  Auf- 
zeichnungen über  die  Jägersprache.  Das  älteste  stammt  von  dem  Grammatiker  Meichsner, 
der  in  seinem  1549  erschienenen  Lehrbuch  der  deutschen  Sprache  .etliche  zierliche  und 
artliche  Wörter"  verzeichnet,  „deren  man  sich  uff  und  zu  dem  Waidwerk  gebraucht". 
Kluge,  Unser  Deutsch  S.  131  hat  das  sehr  wichtige  Denkmal  wieder  abgedruckt,  und  es 
ist  überaus  lehrreich,  diese  Angaben  zu  lesen.  Aus  Meichsners  Verzeichnis  übernimmt 
Gesner  seine  Angaben  über  Jagdausdrücke.  Schon  hier  tritt  uns  eine  bereits  erwähnte 
Eigentümlichkeit  entgegen,  die  die  Weidmannssprache  bis  zum  heutigen  Tage  bewahrt  hat, 
der  Mangel  an  übergeordneten  Begriffen  und  die  Spezialisierung  der  Ausdrücke.  Die  Glieder 
der  Tiere  werden  nicht  mit  einem  allgemeinen  Ausdruck  bezeichnet,  sondern  für  jedes  Tier 
und  seine  Glieder  bestehen  besondere  Worte,  .der  Hirsch  hat  Lauf  oder  Klauen,  die 
Schweine  haben  Lauf  oder  Hammen.  des  Bars  Fuß  lieißen  Tatzen,  der  Fuchs  hat  Klauen, 
der  Has  Läufe,  der  Wolf  Klauen.  Die  Flügel  des  Falken  heißen  Schwingen."  Ähnliches 
gilt  ja  noch  in  mancher  Beziehung  für  die  Haustiere.  Schon  J.  Grimm,  Gesch.  d.  deutschen 
Sprache  317  bemerkte:  „Uns  reicht  trächtig,  dem  Römer /^^a,  praegnans,  inciens  von  allen 
Tieren  der  Herde  aus,  doch  gilt  ihm  für  die  Kuh  horda  oder  forda.  Die  Slawen  verfahren 
aber  so,  daß  sie  aus  der  Präposition  5  und  dem  Namen  des  jungen  Tiers  ein  eigenes  Wort 
für  die  tragende  Mutter  bilden,  .  .  der  Litauer  fügt  dem  Namen  des  Jungen  die  Endung 
-inga  hinzu  und  bezeichnet  damit  das  trächtige  Weibchen.  .  .  Auf  ähnliche  Weise  wird  mit 
dem  Namen  des  jungen  Tieres  auch  das  Werfen  desselben  bezeichnet,  wir  sagen:  die 
Stute  fohlt,  die  Kuh  kalbt,  das  Schaf  lammt,  die  Gais  zickelt,  die  Sau  frischt,  die  Hündin 
weift."  1560  erscheint  NoE  Meurers  Jag-  und  Forstrecht,  wo  in  einem  besondern  An- 
hang, betitelt:  Wie  weydmannisch  von  allem  Weydwerk  zu  reden,  verschiedene  Jagd- 
ausdrücke, nach  den  einzelnen  Wildarten  geordnet,  zusammengestellt  werden.  Eine  weitere 
Auflage  dieses  Werkes  aus  dem  Jahre  1576  enthält  außerdem  noch  eine  Sammlung  von 
Weydschreien,  Sprüchen  und  jägerischen  Dialogis  durch  weyland  Kaiser  Friedrichs  des 
dritten  Forstmeister  beschrieben.  Lembke,  ZfdU.  12,  237.  Vom  Jahre  1682  stammt  Johann 
Tänzers,  Der  Dianen  hohe  und  niedere  Jagtgeheimbnis,  Kopenhagen,  dem  ein  kurzes 
Wörterbuch  vorausgeht.  Darauf  beruht  dann  Flemings,  Der  vollkommene  Teutsche  Jäger, 
Leipzig  1719.  Außerdem  enthält  JoH.  Christoph  Nehrings  Historisch-Politisch- Juristisches 
Lexikon,  2.  Aufl.  1710  in  dem  vierten  Anhang  einen  Abschnitt;  der  Jäger-Terminorum  oder 
Wörter  vom  Weide-Werk.  Weiter  finden  wir  noch:  Grosskopf,  Neues  und  wohl  eingerich- 
tetes Forst-,  Jagd-  und  Weidwerks-Lexikon,  Langensalza  1759;  —  Chr.  W.  von  Heppe  ein- 
heimisch- und  ausländischer  wohlredender  Jäger  oder  nach  alphabetischer  Ordnung  ge- 
gründeter Rapport  derer  Holz-,  Forst-  und  Jagd-Kunstwörter,  Regensburg  1763,  2.  Aufl. 
1779.  —  Vollständiges  Forst-,  Fisch-  und  Jagdlexikon,  3  Bde.,  Frankfurt  und  Leipzig  1772 — 73. 

Von  neuern  Werken  sind  zu  nennen:  J.  und  F.  Kehrein,  Wörterbuch  der  Weidmanns-- 
spräche,  Wiesbaden  1871.  Neue  Ausgabe  1898.  Mit  Literaturverzeichnis  (unvollständig).  — 
E.  VON  DOMBROWSKI,  Deutsche  Weidmannssprache,  mit  Zugrundelegung  des  gesamten 
Quellenmaterials  für  den  praktischen  Jäger  bearbeitet,  2.  verm.  und  verbesserte  Aufl.,  Neu- 
damm 1897.  —  Theodor  Imme,  Die  deutsche  Weidmannsprache  nach  ihrer  Eigenart  und 
ihren  Wechselbeziehungen  zum  Gemeindeutsch  sprachwissenschaftlich  beleuchtet.  Neudamm, 
J.  Neumann,  bespr.  Arch.  f.  Kult.Gesch.  7, 241.  —  H.  Schmidt,  Die  Terminologie  der  deutschen 
Falknerei,  Freib.  Diss.  1910  oder  1911. 

Eine  fast  vollständige  Bibliographie  über  die  Jägersprache  findet  sich  bei  Souhart, 
Bibliographie  des  ouvrages  sur  la  chasse,  Paris  1886. 

An  wissenschaftlichen  Untersuchungen  über  die  Weidmannssprache  sind  zu  nennen 
P.  Lembke,  Studien  zur  deutschen  Weidmannssprache,  ZfdU.  12,  233  ff.  —  F.  Kluge,  Neue 
Jahrb.  f.d.  klassische  Altert.  4, 692  ff .  —  Unser  Deutsch  59  ff.,  127  ff.  Ersterer  verzeichnet  eine 
Menge  von  Ausdrücken,  die  aus  der  Jägersprache  in  die  Schriftsprache  eingedrungen  sind. 

Zweifellos  wird  man  mit  Ausdrücken  der  Jägersprache  schon  für  sehr  alte  Zeiten  zu 
rechnen  haben.    So  haben  wir  im  Gotischen  ein  Präteritopräsens  lais  'ich  weiß',  zu  dem 


316  ZwöLFFES  Kapitel.  Die  Sondersprachen, 


unser  lehren,  List  u.  a.  gehören.  Man  verbindet  dies  mit  yof.  /fl/5/5 'Spur',  d.  Gleis,  lat. 
hra  'Furclie'.  Es  würde  also  bedeutet  haben  'icli  bin  auf  der  Spur  gewesen  und  weiß  nun'. 
Ganz  Entsprechendes  zeigt  sich  bei  spüren,  das,  von  Spur  abgeleitet,  in  allen  germanischen 
Sprachen  die  übertragene  Bedeutung  hat.  Es  gehört  mit  Sporn  zusammen  und  weiter  zu 
lat.  spernere.  Weiter:  hetzen,  schon  mittelhochdeutsch  in  übertragener  Bedeutung;  Luder, 
mhd.  luoder,  'Lockspeise,  Schlemmerei,  lockeres  Leben,  liederliche  Weibsperson',  aus  der 
Sprache  der  Falkner;  nadihüngen,  eigentlich  dem  Leitlnuidc  das  Seil  locker  hängen 
lassen  zur  Aufspürung  des  Wildes;  vorlaut  ist  der  Hund,  der  zu  früh  /au/ wird;  Rudel; 
Didiidit,  abgeleitet  von  didt  in  der  alten  Bedeutung  'dicht';  bärbeißig  ist  abgeleitet  von 
Bärcnbeißer,  womit  schon  Täntzer  eine  Art  schwerer  Hunde  bezeichnet,  die  besonders 
gern  zur  Hetze  auf  Bären  benutzt  werden;  unbändig:  bändig  heißt  der  Hund,  der  sich 
gut  am  Seil  führen  läßt;  naseweis,  mhd.  «05^^/5^ 'spürkräftig'.  Noch  Gcßner  in  seinem 
Tierbuch  1563  gebraucht  es  in  diesem  Sinne;  Wild  fang  ist  nach  Fleming  ein  junger, 
wilder  Falke,  der  schon  auf  Raub  ausgeht;  Mundejunge,  weidmännische  Bezeichnung 
für  einen  Jagcrlehrling  im  ersten  Lehrjahr;  wittern  bedeutet  ursprünglich 'Geruch  haben'; 
stobern  stammt  von  Stöber  oder  Stöberhund,  dem  Namen  eines  Jagdhundes,  der  in  der 
Nähe  des  Jägers  zu  suchen  hat;  durdi  die  Lappen  gehen  kommt  durch  studentische 
Vermittlung  aus  der  Jägersprache,  wo  das  Lappen  eine  besondere  Art  der  Treibjagd  dar- 
stellt; ebenso  auf  den  Stricfi  gehen:  Stcidi  ist  der  Sdinepfen-  oder  Lerdienstridi; 
prellen:  geprellt  wird  ursprünglich  der  Fuchs.  Über  das  Vorgehen  dabei  siehe  Lembke, 
ZfdU.  12,  273;  den  Ausdruck  Kesseltreiben  übersah  noch  Hildebrand  in  DWB.;  er- 
pidit  ist  eigentlich  der  Vogel,  der  an  der  Pechrute  hängen  geblieben  ist;  berüdten  heißt 
ursprünglich  'das  Netz  über  die  gefangenen  Vögel  rücken',  Fallstridi,  umgarnen  und 
sidi  verstridien  sind  klar;  —  ebenso  wird  nadistellen  zuerst  vom  Jäger  und  Vogel- 
steller gebraucht.  Meute,  1746  auf  frz.  meute  'Jagdzug'  ist  insofern  bemerkenswert,  als 
Meuter  und  Meuterei  zu  demselben  Stamm  gehört.  Zahlreich  sind  die  sprichwörtlichen 
Redensarten,  die  aus  der  Jägersprache  stammen:  man  klopft  auf  den  Busdi,  ist  auf  dem 
Sprunge  (vom  Luchs  gesagt),  man  bringt  (einen  Gegner)  zur  Stredie,  kommt  ins  Gehege, 
ist  auf  falsdier  Führte,  auf  der  Spur,  bekommt  Wind  von  etwas,  ist  mit  allen  Hunden 
gehetzt;  man  läßt  Jemand  anlaufen,  eigentlich  das  Wild;  aufsdmeiden,  zuerst  in  der 
Redensart:  mit  dem  großen  Messer  aufsdmeiden,  usw.  Von  der  Hasenjagd  stammen:  das 
Hasenpanier  ergreifen,  man  weiß  nidit,  wie  der  Hase  läuft.  In  einem  den  Rang  ab- 
laufen gehört  Rang  zu  Rank,  mhd.  ranc  'Krümmung'. 

§  191.  C.  Die  Bergmannssprache.  Auch  die  Bergmannssprache  verdient 
unsere  Aufmerksamkeit,  da  sich  der  Stand  der  Bergleute  und  damit  ihre 
Sprache  sehr  früh  entwickelt  hat.  Über  cfie  Anfänge  sind  wir  im  dunkeln. 
Aber  sie  müssen  in  ziemliche  Fernen  zurückgehen,  da  uns  die  Bergmanns- 
sprache  schon  im  16.  Jahrhundert  wohlausgebildet  entgegentritt. 

Die  ältesten  Werke,  die  die  reichen  Schätze  der  Bergmannssprache  in 
lebendigem  Zusammenhange  zeigen,  sind  das  Freiberger  Stadtrecht  und  die 
Sarepta  des  Predigers  Jon.  Mathesius.  Diese  Sarepta  oder  Bergpostille  stellt 
einen  Zyklus  von  sechzehn  Predigten  dar,  die  in  Joachimstal  meist  in  Ge- 
stalt von  Fastnachtsreden  gehalten  sind.  Das  Werk  ist  verschiedentlich  auf- 
gelegt worden.  E.  Göpfert  hat  ihr  jetzt  eine  eingehende  Arbeit  gewidmet  'Die 
Bergmannssprache  in  der  Sarepta  des  Johann  Mathesius',  ZfdW.  3.  Beiheft. 
Seit  dem  16.  Jahrhundert  sind  dann  die  Ausdrücke  wiederholt  verzeichnet  oder  in 
Schriften  angewandt  worden,  so  z.  B.  bei  P.  Albinus,  Meißnische  Bergchronika,  1590; 
1710  bei  Nehring  im  Anhang  zu  seinem  Lexikon,  s.  o.  S.  315.  Ferner  Ch.  Herttwig, 
Neues  und  vollkommenes  Berg-Buch,  Dresden  und  Leipzig  1750.    —   Chr.  Meltzer,  Be- 


§  191.  C.  Die  Bergmannssprache.  §  192.  D.  Die  Buchdruckersprache.      317 


Schreibung  der  Churf.  Sächß.  Bergkstadt  Schncebergk,  Schneeberg  1684.  —  Neues  und 
wohleingerichtetes  Mineral-  und  Bergwercks-Lexikon  von  Minerophilo  (Zeisig,  Ratsherr  in 
Freiberg),  Chemnitz  1743.  —  Abraham  von  Schünberg.  Ausführliche  Berg-Information, 
Zwickau  1693.  —  Bergmännisches  Wörterbuch,  darinnen  die  deutschen  Benennungen  und 
Redensarten  erkläret  und  zugleich  die  in  Schriftstellern  befindliclien  lateinischen  und  fran- 
zösischen angezeiget  werden.  Chemnitz  1778.  —  H.  Veith,  Deutsches  Bergwörterbuch, 
Breslau  1871,  mit  Literaturverzeichnis. 

Über  die  Eigentümlichkeiten  der  Bergmannssprache  vergleiche  Th.  Imme,  Die  Eigen- 
tümlichkeiten und  Vorzüge  der  deutschen  Bergmannssprache.  Wiss.  Belh.z.ZADSV.,  5.  Reihe, 
Heft  31,  und  ZADSV.  23,  32—38. 

Viele  Ausdrücke  der  Bergmannssprache  sind  dem  Gebildeten  geläufig,  aber  nur  wenige 
sind  so  in  die  Schriftsprache  eingedrungen,  daß  ihre  ursprüngliche  Bedeutung  verloren 
gegangen  wäre.  Ich  erwähne  daher  die  Worte,  die  mir  bei  der  Durchsicht  des  Stoffes  auf- 
gefallen sind.  Bergmännisch  sind:  Ausbeute,  ein  altes  Wort,  das  früher  allgemein  ge- 
braucht wurde,  jetzt  meist  nur  vom  Ertrag  der  Bergwerke,  Salzwerke  und  Fischereien;  be- 
stedien,  eigentlich  'rings  um  etwas  stechen,  einstechend  versuchen';  Bremse  'Hemmungs- 
werkzeug'; fördern;  Fundgrube,  in  die  gelehrte  Sprache  besonders  als  Titel  ein- 
gedrungen; Grubenlicht;  den  Mund  anhängen  {Hund  bedeutet  bergmännisch  eine 
Art  kleiner  Förderwagen);  Hütte;  Ka.tzensilber;  Kerbholz;  Kuks;  Korn  in  Sdirot 
und  Korn;  Sdirot  bedeutet  das  Gewicht,  Korn  den  Feingehalt  der  Münze;  Kote;  muten; 
Raubbau;  Sdiadit;  Sdiidit,  hesondtrs  Sdiidit  madien;  Sdiladie;  Seife;  Silberblidi; 
Stidiprobe;  Stollen;  umsdiiditig;  verwittern;  Zedie;  Zubuße.  Wie  man  sieht, 
ist  dies  nicht  allzuviel. 

§192.  D.  Die  Buchdruckersprache.  Über  die  Buchdruckersprache  besitzen 
wir  eine  besondere  Untersuchung  von  H.  Klenz,  Die  deutsche  Druckersprache, 
Straßburg  1900,  mit  sehr  lehrreichen  Ausführungen.  „Die  deutsche  Drucker- 
sprache," sagt  Klenz  S.  1,  „hat  sich  unter  dem  Einfluß  der  lateinischen 
Gelehrtensprache  gebildet.  Die  Geschichte  der  Buchdruckerkunst  zeigt, 
in  wie  naher  Beziehung  die  Buchdrucker  der  ersten  Zeit  zu  den  Gelehrten 
gestanden  haben.  Die  Buchdruckerherren  waren  meist  selbst  Gelehrte;  die 
Buchdruckerlehrlinge  ließen  sich,  wenn  eine  Universität  am  Ort  war,  nicht 
selten  in  der  Artistenfakultät  derselben  immatrikulieren.  So  kam  es,  daß  die 
Buchdrucker  studentische  Gebräuche  annahmen  (z.  B.  den  der  Deposition, 
siehe  oben  S.  295)  und  sich  der  lateinischen  Sprache  vielfach  bedienten,  in 
der  damals  noch  alle  Vorlesungen  gehalten  und  die  meisten  Bücher  gedruckt 
wurden.  Hieraus  erklärt  sich  die  große  Anzahl  lateinischer  Benennungen 
im  Wortschatz  der  deutschen  Druckersprache.  Noch  heute  sagt  der  Setzer 
rnc\i{  Seite,  sondern  Kolumne;  nicht  Absatz,  sondern  Alinea-,  nicht  (runde) 
Klammer,  sondern  Parenthese,  nicht  Bindestridi,  sondern  Divis,  nicht 
Anmerkung,  sondern  Note  usw.  Er  befestigt  das  Manuskript  des  Autors 
am  Tenakel  mit  dem  Divisorium. 

Es  kann  daher  nicht  wundernehmen,  wenn  fast  die  ganze  Benennung 
lateinisch  ist,  neben  der  sich  nur  wenige  französische  Wörter  Eingang  ver- 
schafft haben. 

Abbreviatur,  m\dX.  abbreviatüra;  —  Faksimile,  nlat. /ac  simile;  —  Folio  aus 
lat.  m /o//o  'in  Blattgröße' ;  —  Format,  \at.  formätum;  —  Fraktur,  \zi.  fractüra;  — 
illuminieren  'mit  Farben  ausmalen',  \at.  illuminäre;  —  illustrieren,  lat  illusträre;  — 


318  Zwölftes  Kapitel  Die  Sondersprachen. 

Initialen,  \a{.  initiiilis;  —  KUsdiee,  Uz.  clidiäe;  —  Kodex,  \at.  codex; —  Korrektor, 
lat.  corrector;  —  Korrektur,  lat.  correctüra;  —  Letter,  frz.  lettie;  —  Matrize,  Uz. 
matrice;  —  Oktav,  lat  in  octilvo;  —  Pagina,  hlpagina;  -  Presse,  mlai.  pressa;  — 
Type,  Uz.  type;  —  Vignette,  Uz  Vignette. 

Auf  der  andern  Seite  hat  die  Druckersprache  auf  die  allgemeine  Schrift- 
sprache nicht  sehr  abgefärbt.  Wenn  auch  dem  Gelehrten  viele  Worte  der 
Drucker  geläufig  sind,  so  sind  diese  doch  nicht  in  die  Allgemeinheit  ein- 
gedrungen. Folgende  Worte  etwa  sind  beachtenswert.  Im  17.  und  noch  im 
18:  Jahrhundert  wurden  drucken  und  drücken  gleichbedeutend  neben- 
einander gebraucht,  bis  sich  beide  endlich  in  bestimmter  Bedeutung  fest- 
gesetzt haben.  Verleger  und  Verlag  sind  ursprünglich  allgemeine  Aus- 
drücke. Verleger  bezeichnet  den,  der  auf  seine  Kosten  etwas  unternimmt, 
die  Kosten  verlegt.  Dies  bekommt  dann  seine  besondere  Beziehung  auf 
den  Buchhandel,  und  so  hat  das  Wort  lange  Zeit  gegolten,  bis  in  der  neuern 
Zeit  sich  auch  der  Bierverleger  aufgetan  hat.  Makulatur,  ursprünglich 
'Schmutzpapier'  aus  mlat.  maculatiira  von  lat.  macul'ire  'fleckig  machen, 
beflecken'  hat  jetzt  einen  allgemeinern  Sinn  bekommen.  Fraktur  in  der 
Redensart  Fraktur  schreiben  ist  seit  1848  Schlagwort  geworden.  Vor  allem 
aber  stammt  der  Ausdruck  Presse  aus  der  Buchdruckersprache. 

§  193.  E.  Die  sonstigen  Handwerkersprachen.  Über  die  sonstigen  Hand- 
werkersprachen, ihre  technischen  Ausdrücke  und  Besonderheiten  sind  wir 
bis  jetzt  noch  schlecht  unterrichtet.  Es  ist  aber  zu  hoffen,  daß  sich  diese 
Lücken  allmählich  ausfüllen  lassen,  und  daß  wir  auch  mit  der  Zeit  klarer 
sehen.  Im  Hinblick  auf  künftige  Forschung  verzeichne  ich  hier  zunächst 
die  mir  bekannte  Literatur. 

An  lexikalischen  Arbeiten  früherer  Zeiten  kenne  ich:  Adrian  Beier,  Handwercks- 
Lexicon,  1722.  —  Lukas  Voch,  Allgemeines  Baulexicon  oder  Erklärung  der  deutschen 
und  französischen  Kunstwörter  in  der  bürgerlichen,  Kriegs-  und  Schiffsbaukunst  wie  auch 
der  Hydrotechnik  und  Hydraulik,  Augsburg  und  Leipzig  1781.  —  G.  S.  Benzler,  Lexikon 
der  beym  Deich-  und  Wasserbau  auch  beym  Deich-  und  Dammrecht  vorkommenden  fremden 
und  einheimischen  Kunstwörter  und  Ausdrücke,  Leipzig  1792. 

An  Einzelarbeiten  sind  noch  heranzuziehen:  Wilhelm  Klump,  Die  altenglischen  Hand- 
werkernamen, sachlich  und  sprachlich  erläutert,  Angl.  Forsch.  24.  —  Jos.  BröCHER,  Die 
Sprache  des  Schmiedehandwerkes  im  Kreise  Olpe  auf  Grund  der  Mundart  von  Rhonerd, 
Diss.  Münster,  Berlin,  R.  Frenkel,  1907. 

Das  Handwerk  mit  seinen  Zünften  hat  in  unserm  Mittelalter  und   bis 

in  das  18.  Jahrhundert  hinein   eine   wichtige  Rolle   in   der  wirtschaftlichen 

Entwicklung  gespielt  und  es  ist  kein  Wunder,  daß  sich  diese  Zustände  auch 

in  der  Sprache  niedergeschlagen  haben.  Das'Wori  Handwerk  ist  schon  ahd. 

belegt.   Die  Handwerker  verbanden  sich  zu  Zünften  und  Innungen.   Zunft, 

mhd.  zunft,  ahd.  zumft  gehört  zu  ziemen  und  bedeutet  eigentlich  'Bindung'. 

Innung  ist  erst  im  13.  Jahrhundert  belegt  und  gehört  zu  ahd.  innön  'in  sich, 

in  eine  Verbindung  aufnehmen'.    Die  Worte  Meister  und  Geselle  (ahd. 

gisello  'Saalgenosse' I,  die  einst  einen  allgemeinen  Sinn  hatten,  haben  in 

Handwerkskreisen  ihre  heute  herrschende  besondere  Bedeutung  gewonnen. 


§  193.  E.  Die  sonstigen  Handwerkersprachen.  319 


Das  Handwerk  ist  eine  Entwicklungsform  der  menschlichen  Wirtschaft, 
die  sich  wesentlich  erst  im  Mittelalter  und  da  besonders  in  den  Städten 
ausgebildet  hat,  und  hier  finden  sich  denn  auch  die  sprachlichen  Spuren 
am  stärksten.  Zunächst  gab  es  eine  Fülle  von  Bezeichnungen  für  die  Hand- 
werke selbst,  und  da  die  Ausbildung  der  Namen  verhältnismäßig  spät  ist, 
so  kann  es  nicht  wundernehmen,  wenn  wir  in  den  einzelnen  Teilen  Deutsch- 
lands verschiedene  Bezeichnungen  finden. 

So  haben  wir  z.  B.  Bäcker,  Pf  ister;  —  Binder,  Böttidier,  Küfer,  Büttner;  —  Fleisdier, 
Metzger,  Fleischhauer,  Knochenhauer;  —  Hafner,  Töpfer;  —  Altreis,  Sdiuster,  Schuh- 
macher; —  Leiendecker,  Schieferdecker,  Ziegeidecker;  —  Spengler,  Klempner,  Bledi- 
schmied;  —  Schreiner,  Tisdüer;  —  Maler,  Weißbinder;  —  Schneider,  Schröder. 

Zum  Teil  rühren  diese  allerdings  auch  von  einer  früher  vorhandenen 
größern  Sonderung  der  einzelnen  Handwerke  her. 

Manche  von  diesen  Bezeichnungen  sind  heute  verloren  gegangen,  sie 
leben  aber  fort  in  den  zahlreichen  nach  Gewerken  benannten  Straßenbezeich- 
nungen, die  wir  §  228  besprechen  werden,  dann  aber  auch  in  vielen  unsrer 
Personennamen,  was  in  §  217  ausgeführt  werden  wird.  Eine  reichhaltige, 
den  Stoff  außerordentlich  fördernde  Darstellung  gibt  jetzt  Karl  Bücher, 
Die  Berufe  der  Stadt  P^rankfurt  a.  M.  im  Mittelalter,  Abh.  d.  phil.-hist.  Klasse 
der  königl.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  30,3,  Leipzig  1914. 

Wir  kommen  nun  zu  den  zahlreichen  bildlichen  Ausdrücken  und  Redens- 
arten, die  wir  aus  den  Handwerkersprachen  übernommen  haben.  Ich  gebe 
im  folgenden  eine  sicher  nicht  vollständige  Liste,  geordnet  nach  den  ein- 
zelnen Gewerken. 

Barbier:  über  den  Löffel  barbieren;  Schaumschlagen,  Schaumschläger.  —  Böt- 
ticher:  außer  Rand  und  Band;  dem  Faß  den  Boden  ausschlagen.  —  Brauer:  an  dem 
ist  Hopfen  und  Malz  verloren.  —  Fleischer:  Fleisdiergang;  in  die  Pfanne  hauen;  zur 
Bank  hauen.  —  Gerber:  einem  das  Fell  gerben;  den  Pelz  waschen;  sidi  abäsdiern.  — 
Goldschmied:  die  Feuerprobe  bestehen.  —  Kupferstecher:  schreiben  wie  gestodien. — 
Müller:  Oberwasser  haben;  Wasser  auf  seine  Mühle.  —  Scherer:  alles  über  einen 
Kamm  scheren.  —  Schmied:  anfachen;  vor  die  redite  Sdimiede  gehen;  gut  beschlagen 
sein.  —  Schneider:  etwas  an  den  Nagel  hängen;  etwas  aufstecken.  —  Sdiuster:  ver- 
sohlen; einsamstem;  über  einen  Leisten  schlagen;  umgekehrt  wird  ein  Schuh  draus.  — 
Weber:  rüffeln;  durdihedieln;  anzetteln;  Eintrag  tun;  beeinträditigen.  -  Zimmermann: 
absägen;  hobeln;  über  die  Schnur  hauen-,  verbohren;  mit  jemanden  in  dieselbe  Kerbe 
hauen;  die  Sache  ist  im  Lote;  einen  Sparren  zu  viel  haben;  vernagelt;  verbohrt. 

Die  einzelnen  Handwerke  haben  sich  nicht  selten  mit  größerm  oder 
geringerm  Humor  verspottet  oder  auch  mit  bitterm  Ernst  gescholten.  Be- 
sonders die  unzünftigen  Leute  wurden  grimmig  verfolgt,  wovon  die  Aus- 
drücke Bönhase  (aus  dem  Ndd.,  1568  belegt,  eig.  'der  Hase  auf  dem  Boden'), 
Pfuscher  (16.  Jh.)  noch  Kunde  geben.  Ausführlich  über  dieses  Gebiet 
handelt  H.  Klenz  in  seinem  Schelten-Wörterbuch.  Die  Berufs-,  besonders 
Handwerkerschelten  und  Verwandtes,  Straßburg  1910. 

Handwerker  und  Gewerbetreibende  als  besondre  Stände  treten  verhält- 
nismäßig spät  auf.  Aber  wenn  es  die  Stände  nicht  gab,  so  gab  es  doch 
natürlich  die  verschiedensten  Tätigkeiten  und  Fertigkeiten.   Jedermann  war 


320  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

eben  sein  eigener  Handwerker.  Dem  ganzen  Weg  der  sprachlichen  Ent- 
wicklung gemäß  wurde  jede  Tätigkeit  unterschieden  und  benannt.  Derartige 
begrifflich  genau  bestimmte  Ausdrücke  haben  vielfach  im  Laufe  der  Zeit 
eine  allgemeine  Bedeutung  angenommen.  Will  man  die  wahre  Herkunft 
so  mancher  Worte  mit  allgemeiner  Bedeutung  ermitteln,  so  wird  man  not- 
wendigerweise zunächst  an  eine  viel  engere,  ganz  bestimmte  Bedeutung 
denken  müssen.  Wie  sich  die  sprachliche  Entwicklung  nach  dieser  Rich- 
tung vollzogen  hat,  das  hat  neuerdings  Meringer  in  den  schon  erwähnten 
Aufsätzen  gezeigt,  Idg.  Forsch.  16, 101;  17, 100;  18,204.  Mag  man  die  Richtig- 
keit einzelner  seiner  Aufstellungen  bezweifeln,  seine  Grundgedanken  und 
ihre  Bedeutsamkeit  muß  man  anerkennen. 

Wir  geben  hier  einzelne  Proben.  Zunäclist  war  die  Tätigl<eit  des  Flechtens  außer- 
ordentlich verbreitet.  Ich  habe  in  meinen  Indogermanen  S.  674  ausgeführt,  was  man  alles 
durch  Flechtwerk  iicrstellte.  Selbst  die  Hauswand  wird  geflochten,  wie  man  das  noch  heute 
an  jeder  Hürde  sehen  kann,  und  so  hat  man  ohne  Bedenken  Wand  zu  winden  gestellt, 
wie  Band  zu  binden.  Man  mache  sich  aber  nur  einmal  klar,  was  von  winden  noch  ab- 
geleitet ist:  gewunden  {eine  gewundene  Erklärung),  etwas  verwinden,  sich  unter- 
winden. Von  flechten  kommt  einflechten  im  übertragenen  Sinn.  Das  Wort  weben  hat 
ebenfalls  seine  Bedeutung  weit  ausgedehnt  und  hat  zum  Teil  einen  ganz  allgemeinen  Sinn 
bekommen:  er  lebt  und  webt  darin.  Noch  viel  allgemeiner  ist  spinnen  in  ent- 
spinnen, umspinnen,  sidi  abspinnen,  anspinnen,  einspinnen.  Auch  sdimieden, 
gerben  haben  übertragene  Bedeutung  angenommen. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  der  alte,  konkrete  Sinn  noch  lebendig.  Aber  dieser  kann 
natürlich  auch  leicht  verloren  gehen,  und  dann  ist  das  Ursprüngliche  nicht  immer  leicht 
zu  erkennen.  Zur  Aufhellung  solcher  Fälle  hat  Meringer  viel  beigetragen.  Fr  bezieht,  Idg. 
Forsch.  17,  153,  wirken,  Werk,  gr.  jJfCw  {rezö  aus  *regjö),  i'oyov  {ergon)  auf  die  Tätig- 
keit des  Webens.  Tatsächlich  ist  wirken  ein  Wort  der  Handwerkersprachen,  vgl.  die  Salz- 
wirker, der  Büdier  wirkt  den  Teig,  der  Sdimied  den  Huf,  besonders  aber  wird  es  vom 
Weben  und  Sticken  gebraucht.  Mhd.  wirkermeister  ist  'Webermeister',  wirken-garn  'Weber- 
garn', wirkenlön  'Weberlohn'.  Unser  madien,  ahd.  mahhün,  e.  to  make,  das  noch  ab- 
strakter ist  als  wirken,  hat  er  a.  a.  O.  147  mit  Recht  zu  gr.  fiäyeigog  {mägeros)  'Koch', 
fiayevg  [mageus)  'Bäcker',  uayi;  {magis)  'geknetete  Masse,  Teig',  fiäi^a  (rnäza)  'Teig', 
Gerstenbrot',  /tdaany  (mdssen)  'drücken,  kneten',  lat.  maceria  'Lehmmauer',  abg.  mazati 
'schmieren'  gestellt.  Man  muß  von  einer  Bedeutung  'kneten'  ausgehen,  aus  der  sich  dann 
die  von  'Teig  kneten,  backen,  kochen'  und  die  von  'Lehm  kneten,  bauen,  machen'  ent- 
wickelt hat.  Aus  dem  Deutschen  entlehnt  ist  frz.  mafon  'Maurer',  das  noch  auf  eine  ältere 
Bedeutung  weist. 

Unser  Wette,  ahd.  wetti  'Pfandvertrag,  Rechtsverbindlichkeit,  Pfand'  ist  got.  wadi 
'Handgeld,  Unterpfand'  und  gehört  weiter  zu  lat.  vas,  vadis  'Bürge',  vadimönium  'Bürg- 
schaft', lit.  vadüoti  'Pfand  einlösen'.  Es  war  also  diese  Bedeutung  schon  indogermanisch. 
Wir  können  es  aber  aus  einer  altern  herleiten.  Got.  gawidan  übersetzt  gr.  ovCevyvvvai  « 
{syzeugnynai  ti),  also  'verbinden'.  Dazu  ahd.  wetan  'verbinden',  was  noch  heute  in 
Wettung,  Wettköpfe  'die  über  die  Kreuzungsstelle  der  Balken  hinausragenden  Enden' 
fortlebt.  Von  'binden'  kommt  man  leicht  zu  'Vertrag,  Verpflichtung'.  Siehe  Idg. Forsch.  16, 177. 

recht,  ahd.  reht,  e.  right,  got.  raihts  ist  lat.  rectus,  und  dies  wieder  Partizip  zu  rego. 
Idg.  *rektos  heißt  ursprünglich  'aufgerichtet',  und  stammt  wohl  ebenfalls  von  der  Tätig- 
keit des  Bauens.  Diese  ursprüngliche  Bedeutung  liegt  auch  noch  in  lat.  rogus  'Scheiter- 
haufen', sizilisch-gr.  j5ojo,-  {rogös)  'Gelreidescheune'  vor.  Auch  hier  ist  die  Bedeutung  ur- 
sprünglich eine  rein  sinnliche. 


§  194.  F.  Die  Kaufmannssprache.  321 


Auch  unstT  werden  hat  eine  sinnHchere  Bedeutung  gehabt,  wie  ]Bt  vertere 'drehen, 
wenden',  d.  Wirtel  'Spinnwirtel'  zeigen.  Ob  es  freilich  ursprünglich  auf  das  Weben  ging, 
ist  nicht  sicher. 

Diese  Beispiele  mögen  genügen,  um  die  hohe  Bedeutung  der  Hand- 
werksausdrücke  für  die  Wortforschung  zu  erhärten.  Es  ist  sehr  zu  bedauern, 
daß  auf  diesem  Gebiet  die  Sonderuntersuchungen  der  heutigen  Handwerker- 
sprachen noch  ganz  fehlen,  und  wer  durch  irgendwelche  Umstände  Kenntnis 
von  der  Sprache  eines  Handwerks  hat,  sollte  sie  zusammenstellen  und  ver- 
öffentlichen. 

§  194.   F.  Die  Kaufmannssprache. 

Literatur:  B.  Fehr,  Die  Sprache  des  Handels  in  Altengland,  St.  Gallen  1909.  — 
P.  NOLTE,  Der  Kaufmann  in  der  deutschen  Sprache  und  Literatur  des  Mittelalters,  Göttinger 
Diss.  1909.  —  A.  Schirmer,  Zur  Geschichte  der  deutschen  Kaufmannssprache,  Leipz.  Diss. 
Straßburg  1911.  —  A.  Schirmer,  Wörterbuch  der  deutschen  Kaufmannssprache  auf  ge- 
schichtlichen Grundlagen  mit  einer  systematischen  Einleitung,  Straßburg  1911. 

Die  Darstellung  der  Kaufmannssprache  in  der  ersten  Auflage  dieses 
Buches  konnte  nur  dürftig  ausfallen,  da  durchaus  keine  Vorarbeiten  vor- 
lagen. Um  so  erfreulicher  ist  es,  daß  nicht  nur  die  beiden  erstgenannten 
Arbeiten  erschienen  sind,  sondern  daß  wir  in  dem  Werke  von  Schirmer 
eine  gründliche  und  tief  eindringende  Untersuchung  und  Darstellung  dieses 
Gebietes  vor  uns  haben,  dem  ich  in  allen  wesentlichen  Punkten  folgen  kann. 

Unter  einfachen  wirtschaftlichen  Verhältnissen,  wie  wir  sie  für  die  Indo- 
germanen  und  Germanen  vorauszusetzen  haben,  kann  von  einem  Kauf- 
mannsstande innerhalb  des  Volkes  nicht  die  Rede  sein.  Der  notwendige 
Austausch  der  Güter  vollzog  sich  im  Wege  des  Geschenkhandels,  später  des 
Marktverkehrs.  Indessen  ist  es  doch  bemerkenswert,  daß  wir  eine  indogerm, 
Gleichung  für  'Kaufpreis'  besitzen,  die  im  Germanischen  allerdings  fehlt. i) 

An   einheimischen  Ausdrücken,    die   sich    auf  den   Handel   beziehen, 

finden  wir  nur: 

Kram,  mhd.  ahd.  kräm,  ursprünglich  wohl  'Bude,  Zelt'.  Man  vergleicht  äind.  grdtnah 
'Schar,  Haufe,  Gemeinde,  Dorf  und  weiter  lat.  grex  'Herde'.  Dann  wäre  auch  die  Bedeu- 
tung 'Zelt'  jung.  Die  Ableitung  Krämer  taucht  schon  im  Althochdeutschen  auf,  krämari. 
Es  hat  heute  einen  etwas  verächtlichen  Sinn  gegenüber  Kaufmann.  Kramen  im  Sinne 
von  'einkaufen'  ist  noch  süddeutsch.  In  Norddeutschland  hat  es  eine  übertragene  Bedeu- 
tung; —  Wedisel,  ahd.  w^/zsa/ 'Handel,  Tausch',  \2X.vicPs;  —  leihen,  ahd.  lihan,  got. 
leüvan,  lat.  linquere;  —  Wandel  in  Handel  w."^.,  ahd.  wantal;  —  Wiidier,  ahd.  wiiodiar 
'Gewinn,  Ertrag  von  ausgeliehenem  Geld',  got.  wökrs  'Zins'  zu  wachsen;  —  Geld,  ahd. 
gelt,  got  gild 'Si&ner,  Zins' zu  gelten,  ahd.  g-^/Za« 'zurückerstatten,  bezahlen,  opfern,  ver- 
gelten', e.  gield,  got  fragildan,  vielleicht  zu  gr.  Ts/.dog  (telthos)  'schuldige  Gebühr';  — 
feil,  ahd.  feili,  daneben  mit  Ablaut /rt//,  anoxd.  fair  zu  gx-ncoksiv  {polen)  'verkaufen'.  — 
Ein  paar  alte  Ausdrücke  hat  das  Englische,  nämlich  to  buy  'kaufen',  got.  bngjan  und  to 
seil  'verkaufen',  got.  saljan  'opfern',  eigentlich  also  wohl  'hingeben'. 

Erst  durch  die  Römer  lernten  die  Germanen  einen  eigentlichen  Handel 
kennen.   Bemerkenswert  ist,  daß  got.  kaupon  'Handel  treiben',  ahd.  koufon. 


gin    'Ankaufspreis',    ai.  vasndh    'Kaufpreis', 
vasnäm  'Lohn',  vasnajati  'feilscht'. 


^)  Lat.  venum  in  venumdare,  gr.  Jjyog 
(önos)  'Kaufpreis',  mv/j  (önw)  'Kauf,  on-eotmi 
{öneomai)  'kaufe,  lasse  mir  verkaufen',  arm. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  21 


322  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

d.  kaufen  wahrscheinlich  von  lat.  coupo  'Schankwirt'  abgeleitet  ist.  Auf 
lat.  cciiipo  geht  ahd,  koiifo  zurück,  später  koufman,  ags.  ('eapmon,  e.  diapmon. 
Trotz  der  Bedenken  HiLnr:BRAN'r)S  und  Francks  (AnzfdA.  21,  291)  besteht 
diese  Erklärung  wohl  zu  Recht.  Das  Wort  muß  sehr  früh  zu  uns  gekommen 
sein,  da  es  schon  im  Gotischen  vorkommt,  und  von  diesen  zu  den  Slawen 
gewandert  ist.*) 

Ein  anderes  etwas  später  übernommenes  Wort  ist  ahd.  mangdri,  mhd. 
manger,  menger  'Händler'  aus  lat.  mango  'ein  Händler,  der  seine  Waren 
betrügerisch  herausputzt',  das  seinerseits  aus  dem  Griechischen  stammt. 
Das  Wort  lebt  noch  in  e.  cheesemonger,  ironnionger,  und  hat  sich  als  menge, 
menger  bis  ins  16.  Jahrhundert  bei  uns  erhalten.  Auch  in  den  Mundarten 
ist  es  wohl  geschwunden,  es  lebt  aber  noch  im  Rotwelschen.  Vgl.  dazu 
noch  E,  Schröder,  ZfdA.  44,  229-. 

Ferner  kommen  aus  dem  Lateinischen:  Zoll,  ahd.  zoll,  e.  toll  aus  lat.  telönium;  — 
Zins,  ahd.  2ms 'Abgabe' aus  lat.  c^/?5U5;  —  Markt,  ahd. /«fl/r^/zya^ 'Handelsmarkt.  Markt- 
platz', e.  market  aus  lat.  mercutus;  —  Speidier,  z\\A.  spidiari  ans  späÜaX.  spicariurn  'Korn- 
haus'; —  Kosten,  mhd.  kosten  aus  lai.  cofnjstare  'im  Preise  zu  stehen  kommen';  — 
Pfand,  ahd. pfant  aus  \at. pannus 'Tuch'}.  —  Dazu  gesellen  sich  Namen  für  röm.  Münzen, 
wie  Alünze,  ahd.  muniz(a),  e.  mint  aus  lat.  mom-ta  'Münzstätte';  —  Pfund,  ahd.  pfunt, 

e.  poiind  aus  lat.  pondus.  Das  Geld  wurde  ursprünglich  gewogen,  noch  heute  e.  Pfund 
Sterling;  —  Unze,  ahd.  unza  aus  lat.  uncia  ",12  As'. 

Möglicherweise  haben  wir  auch  Worte  von  der  untern  Donau  her  bekommen.  Maut, 
ahd.  müta  stammt  aus  got.  möta  'Zoll'.  Bayer.-österr.  Fragner  'Kleinhändler,  ahd.  pfrage- 
/2ar/ 'Marktmeister'  leitet  Kluge,  Btr.  35, 152  ff.  von  gT..ynayuaTEvoftui  {pragmateüomai)  her. 

Mit  Recht  weist  Schirmer  darauf  hin,  daß  wir  den  kaufmännischen 
Wortschatz  der  alten  Zeit  nicht  genügend  kennen,  da  die  geschäftlichen 
Aufzeichnungen,  soweit  sie  überhaupt  vorhanden  waren,  lateinisch  abgefaßt 
wurden.  Immerhin  finden  wir  doch  in  der  Zeit  bis  1400  eine  ganze  Reihe 
von  Ausdrücken,  deren  Bedeutung  durch  die  kaufmännische  Verwendung 
eingeengt  worden  ist.  Eine  ganze  Anzahl  haben  sich  seit  dieser  Zeit,  wie 
es  scheint,  gehalten;  vgl.  Schirmer  S.  XVII. 

Auch  Lehnwörter  kommen  in  dieser  Zeit  zahlreich,  meistens  wohl  aus 
dem  Latein  der  städtischen  Kanzleien: 

so  quitt  aus  mlat.  quittus  von  lat.  quietus  'ruhig,  frei',  und  dazu  quittieren;  Rente 
mhd.  rent(6)  aus  mlat.  rend(it)a  'Zurückgegebenes',  Datum,  Register  aus  mlat.  registrum 
'Verzeichnisbuch',  Summa,  Summa  Summarum,  nota,  minus,  Kopie  aus  lat  copia, 
eig.  'Vorrat  an  hergestellten  Büchern',  dann  'Abschrift',  Privilegium,  lat.  'Ausnahmegesetz'. 

Noch  bemerkenswerter  sind  aber  die  Lehnwörter,  die  auf  die  alten 
Wege  des  Handels  weisen.  Im  Mittelalter  war  Italien  ein  Hauptsitz  des 
Handels,  und  von  Oberitalien  kamen  zahlreiche  Handelsausdrücke  nach 
Süddeutschland  und  von  da  weiter. 

Der  italienische  Kaufmann  hieß  schon  im  13.  Jahrhundert  Z,j//«/7ar^,  d.h.  'Lombarde', 
und  daraus  hat  sich  das  heutige  Wort  Lombard 'Pfand,  Beleihung',  lombardieren 'ht- 

')  Die  Bedenken  liegen  weniger  in  der  '  vielfach  köpo  gesprochen,  wie  die  häufig  vor- 
Bedeutung  als  in  der  lautlichen  Beschaffen-      kommende  Schreibung  beweist, 
heit.   Lat.  caupo  wurde  doch  wahrscheinlich   , 


§  194.  F.  Die  Kaufmannssprache,  323 


leihen'  entwickelt.  —  Aus  dem  bei  Versteigerungen  üblichen  inqiianto  'bis  wie  hoch', 
nämlich  'bietet  ihr',  ging  ein  Substantivum  hervor,  das  in  England  und  Frankreich  als 
cant,  bei  uns  in  Oberdeutschland  als  Gant  'Versteigerung'  fortlebt,  krempeln  'Klein- 
handel treiben,  trödeln',  mhd.  grempeln,  grempen  stammt  wohl  von  ital.  comprare  'kaufen' 
aus  lat.  comparüre.  Tara  ist  aus  ital.  tara  entlehnt  und  dies  aus  dem  Arabischen. 
Unser  Bank  'Haus  für  Geldgeschäfte'  kommt  im  ausgehenden  Mittelalter  zunächst  als 
banco,  auch  in  der  Bedeutung  'Münzfuß'  (daher  hamburgisch  Mark  Bankö)  herüber.  Dieses 
Wort  ist  unser  deutsches  Bank,  das  eine  ähnliche  Bedeutung  durchgemacht  hat  wie  das 
gr.  roa.TfCa  (^ra/;^^«) 'Tisch,  Wechselbank'.  Weiter  kann  man  nennen  dito,  /Co/Zo 'Waren- 
pack', Konto,  Konterbande,  netto,  sporko  noch  heute  öst.  statt  brutto,  percento, 
noch  öst  Perzent,  Akkord  'Vergleich',  Avis(o),  avisieren,  Bankier,  Bankerott 
(aus  ital.  banco  rotto  'gebrochene  Bank';  dem  Zahlungsunfähigen  wurde  seine  Bank  zer- 
brochen); Bilanz,  Deposito,  Falliment,  fallieren,  Kapital,  Kassa,  Konto- 
korrent, Risiko,  saldieren,  Saldo,  Sensal'Mak\er\  Sorte,  sortieren,  Skontro, 
Valuta,  Vista,  Agio,  Delkredere,  Diskonto,  firm,  franko,  frankieren.  Giro , 
Indosso,  indossieren.  Obligo.  Pari,  Police.  Porto,  Prokura,  Rabatt,  Rimesse, 
Skonto,  Solawedisel,  Sortiment,  spedieren,  Spedition,  Spesen,  Transport, 
Tratte,  trassieren  usw. 

Neben  dem  Italienischen  wirkt  auch  jetzt  wie  später  immer  noch  dasLatein. 

Arrest,  Auktion,  datieren,  expedieren,  Folio,  Formular,  disponieren, 
Hypothek,  Interesse,  Inventar.  Junior,  Senior,  kalkulieren,  Kaution,  kon- 
fiszieren, Konsul,  Kontrakt.  Monopol,  Obligation,  offerieren,  per,  pro, 
plus,  Portion,  protestieren  (einen  Wechsel),  Rate,  Salär,  Taxe.  Termin. 

Schon  im  17.  Jahrhundert  macht  sich   dann   ein   starker  französischer 

Einfluß  geltend,   der  z.  T.  die  italienischen  Wörter   umgestaltet,   z.  T.  aber 

auch  neue  Worte  bringt. 

So  finden  wir  ä  'zu"  (vor  Preisen),  adressieren,  Adresse,  Agent,  Appoint 
'Abschnitt,  Wechsel',  Artikel  'Ware',  assortieren.  Billet.  Courtage  'Maklergebühr', 
Effekten  'Wertpapiere',  emballieren,  Emballage,  Fabrik,  fabrizieren,  Fonds, 
Galanteriewaren,  Garantie,  Kapitalist,  Kommandite,  Kommis,  Kommis- 
sionär, comptant  (älter  ital.  contante).  Korrespondent,  Manufaktur.  Ordre, 
prompt,  retour,  retournieren.  riskieren.  Trafik. 

Einen  tiefgehenden  Einfluß   erfährt  die   Kaufmannssprache  auch   von 

selten   des  Niederländischen.    Denn   in  den  Niederlanden  blühte  seit  dem 

17.  Jahrhundert  der  Handel  mächtig  auf. 

Dorther  stammen:  ßörs^ 'Versammlungsraum  der  Kaufleute',  eigentlich  das  Haus  der 
ßrügger  Kaufmannsfamilie  van  der  Burse,  die  im  Wappen  drei  Geldbeutel  führte;  —  Aktie 
'Anteilschein'  im  17.  Jh.  aus  ndl.  actie  und  dies  aus  lat.  actio;  —  Lediage  'Rinnverlust  bei 
flüssigen  V/aren':  —  Lotterie  im  17.  Jh.  aus  ndl.  loterije  von  ndl.  lot,  d.  Los;  —  Niete 
im  17.  Jh.  aus  ndl.  niet,  eig.  'das  Nichts'  zu  d.  Nidits;  —  pik  \n  pikfein  aus  ndl.  pu ick 
'fein',  ursprünglich  beim  Heringshandel  üblich;  —  Preiskurant  ist  wohl  (nach  Schirmer) 
eine  Nachbildung  des  ndl.  prijs  curant  von  frz.  prix  courant  'laufender  Preis". 

In  neuerer  Zeit,   seit  dem  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts  macht  sich 

mehr  und  mehr  englischer  Einfluß  geltend. 

So  erhaUen  wir  Partner,  Banknote,  Jobber.  Schwindler,  Patent,  Lloyd. 
Konsuls.  Sdiedi.  via.  Run,  Safe  'Stahlkammer'. 

Aus  Amerika  stammen:  Ring,  Trust,  Humbug,  smart,  Telegramm. 

Die  Kaufmannssprache  hat  natürlich  auch  unsere  allgemeine  Schrift- 
sprache beeinflußt,  wenn   auch  vielleicht   nicht  in   dem  Maße  wie  andere 

21=== 


324  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Sondersprachen.  Immerhin  ist  der  Einfluß  groß  genug.  Abgesehen  davon, 
daß  viele  kaufmännische  Ausdrücke  wie  Aktie,  Lombard,  Wedisel  dem  Ge- 
bildeten geläufig  sind,  werden  viele  Ausdrücke  in  übeitragcnem  Sinn  verwendet. 

Wir  geben  auch  hier  eine  Liste  des  Bemerkenswerten:  seine  Aktien  steiften;  — 
Ausbund,  eig.  'außen  auf  das  Warenstück  gebundener  Probeabschnitt'  (16.  Jh.);  — 
Bankerott;  —  Barschaft  (1363);  —  in  Bausch  und  Bogen;  —  billig,  ahd.  billifi 
'ebenmäßig,  angemessen,  geziemend';  —  buchen,  18.  Jh.;  —  Defizit,  18.  Jh.,  \a{.  deficit 
'es  fehlt';  —  extra;  —  Finanz,  mlat. //>ja/i^m 'Schlußleistung.  Qeldicistung';  —  Gläu- 
biger, 15.  Jh.;  —  handeln,  ahd. //on/fl/o« 'mit  der  Hand  begreifen';  —  Haus,  altes;  — 
Interesse;  —  Krach;  —  kramen;  —  Ladenhüter;  —  Messe  (1329);  —  Muster;  — 
/jfl/^/i/ 'fein' aus  der  Verbindung  Patentwaren  entwickelt;  —  pickfein,  \\o\\.puick;  — 
Ramsch.  1663;  —  Risiko,  16.  Jh.; —  solid,  \7.  3h.,  Uz.  solide;  —  Soll  und  Haben;  — 
spottbillig;  —  überhaupt,  zunächst  in  der  Redensart  überhaubt  kaufen,  d.  h.  'in 
Bauscii  und  Bogen'. 

Mit  dem  Handel  hängt  das  Geld  auf  das  engste  zusammen,  und  da 
die  deutschen  Münznamen  manches  Bemerkenswerte  bieten,  so  seien  sie 
hier  nach  ihrer  Herkunft  zusammengestellt.  Auch  hier  bietet  sich  erst  der 
wahre  Einblick  in  die  Sache,  wenn  man  die  Geschichte  der  gesamten 
Münznamen  überblickt.  Doch  ist  es  nicht  möglich,  diese  hier  auszuführen. 
Als  Ergänzung  möge  man  heranziehen  E.  Schröder,  Heinrich  Bünting,  der 
Verfasser  des  Anhangs  zum  Bergschen  Münzbuch,  Zschr.  d.  hist.Vereins  für 
Niedersachsen  1910,  430. 

i4/^w5  'Weißpfennig',  1360,  zuletzt  kurhessisch,  Vat  albus.  —  Angster  'kleinste 
Schweizer  Scheidemünze',  14.  Jh.,  w^olil  aus  \z{.  angustus.  —  Batzen,  um  1492  Münze 
von  Bern  mit  dessen  Wappen,  dem  Bären  (Petz),  und  davon  benannt.  —  Deut,  ndl. 
duit  aus  anord.  pveit  'eine  kleine  Münze'  von  pvita  'schneiden'.  —  Dublone,  um  1600 
aus  span.  doblon,  von  double  'doppelt'.  —  Dukaten,  spätmhd.  ducate  aus  \ta\.  ducato, 
von  duca  'Herzog'.  —  Florin,  abgekürzt//,  iia\. fiorino,  hanz.-span. florin,  ist  eine  zu- 
erst in  Florenz  mit  dem  Wappen  der  Stadt,  der  Lilie  {fior  aus  lat.//05),  geprägte  Gold- 
münze. Anfang  des  14.  Jh.  in  Deutschland.  —  Frank  'der  Franzose',  schon  \3S5  franke.  — 
Grosdien,  mhd.  (14.  Jh.)  gros,  grosse  aus  mlat.  grossus  'der  Dicke'.  —  Gulden,  eig. 
'der  goldene',  mhd.  guldin  pfenninc,  \ai.  denarius  aurius. —  Heller,  mhd.  hallcere,  haller, 
heller,  Münze  zu  Schwäbisch-Hall  geprägt.  —  Karolin,  Goldmünze,  15.  Jh.,  von  einem 
Fürsten  Carolus.  —  Kreuzet,  im  12.  Jh.  kriuzer,  eig.  Silbermünze  mit  aufgeprägtem 
Zeichen  des  Kreuzes,  lat.  denarius  cruciatus.  —  Krone,  im  16.  Jh.,  Münze  mit  der  Krone 
über  dem  Wappen.  —  Mark,  mhd.  marc  'halbes  Pfund  Silbers  oder  Goldes',  mlat.  marka 
schon  im  9.  Jh.,  anoxd.  mörk  'halbes  Pfund  Silber'.  Wohl  zu  Marke,  d.  h.  die  bestimmte 
Marke  auf  dem  Wagebalken.  —  Pfennig,  ahd.  pfenninc  'denarius,  eine  Sibermünze, 
Vij  Schilling',  dazu  ags.  penning,  pending,  e.  penny,  anord.  pen(n)ingr;  unerklärt.  — 
Plappert.  Blaffert,  15.  Jh.,  wohl  aus  frz.  blafard.  —  Rappen,  Name  einer  Münze 
mit  dem  Rabenkopf,  dem  Freiburger  Wappen;  mhd.  rappe.  —  Rosenobel,  ehemalige 
engl.  Goldmünze,  14.  Jh.  —  Sdierf,  Sdierflein  ''  2  Heller',  mhd.  scherpf  zu  Scherbe.  — 
Sdiilling,  ahd.  scilling,  e.  Shilling,  got.  skilliggs,  der  verbreitetste  germanische  Münzname; 
unerklärt.  Das  Sulfix  -ing  kommt  in  alter  Zeit  bei  Münznamen  ein  paarmal  vor,  vgl.  Pfennig, 
e.  farthing,  ahd.  keisur-ing.  —  Sterling,  c,  mhd.  sterlinc.  —  Taler  \si  Joadiimsthaler 
'Gulden  aus  Joachimsthal  in  Böhmen'.   Seit  1519.   Daher  auch  engl.-amerik.  dollar. 

Dazu  kommt  der  Ausdruck  prägen,  ahd.  giprähhan.   Dunkler  Herkunft. 

§  195.  G.  Die  Seemannssprache.  Die  Schiffahrt  kann  nach  der  Natur  der 
mg^  nicht  allerorten  bestehen.    Dazu   tritt  die  Flußschiffahrt  gegenüber 


§  195.  G.  Die  Seemannssprache.  325 


der  Seeschiffahrt  stark  zurück.  Die  Seeleute  aber  entwickeln  sehr  früh  eine 
besondere  Sprache,  die  nicht  weit  ins  Binnenland  hineingehen  kann.  Da 
gewisse  Stämme  der  alten  Germanen  an  der  See  saßen  und  Seeschiffahrt  be- 
trieben, andere  nicht,  so  mußte  sich  schon  in  früher  Zeit  eine  Verschieden- 
heit des  Wortschatzes  ausbilden,  je  nachdem  ein  Stamm  Schiffahrt  betrieb, 
ein  andrer  nicht.  Anderseits  ist  die  Seeschiffahrt  von  altersher  sozusagen 
international.  Am  Mittelmeer  treffen  wir  die  verschiedensten  Sprachstämmc, 
und  ebenso  an  der  Nord-  und  Ostsee.  Daß  da  ein  Austausch  stattfinden 
muß,  daß  wir  also  überall  in  der  Seemannssprache  Lehnworte  zu  erwarten 
haben,  ist  selbstverständlich,  ebenso,  daß  sich  die  Fortschritte,  die  auf  einem 
Gebiete  gemacht  werden,  leicht  auf  das  andere  übertragen. 

Die  lexikalischen  Aufzeichnungen  über  die  Seemannssprache  gehen 
bis  ins  16.  Jahrhundert  zurück.  Der  Nomenciator  Saxonicus  von  Nathan 
Chyträus,  Lemgo  1590,  enthält  auch  einige  Seemannsausdrücke.  Das  maß- 
gebende Werk  aber  ist  Johann  Heinrich  Röding,  Allgemeines  Wörterbuch  der 
Marine  in  allen  europäischen  Seesprachen  nebst  vollständigen  Erklärungen, 
Hamburg  1793 — 98.  Die  Einleitung  enthält  eine  reiche  Bibliographie.  Über 
sein  Werk  sagt  der  Verfasser  S.  V:  „In  dem  Hauptwerke  ist  die  deutsche 
Sprache  zum  Grunde  gelegt,  und  bey  jedem  Kunstwort  befindet  sich  ein 
gleichbedeutender  Ausdruck  in  der  Holländischen,  Dänischen,  Schwedischen, 
Englischen,  Französischen,  Italienischen,  Spanischen  und  Portugiesischen 
Sprache;  auch  ist  das  Genuesische,  Neapolitanische,  Venetianische  und 
andere  Italienische  Dialekte  angeführt,  wenn  sie  nämlich  vom  eigentlichen 
Italienischen  oder  Toscanischen  abweichen."  Eine  historische  Erklärung 
bietet  er  nicht,  wohl  aber  ein  reiches  Material. 

In  der  neuern  Zeit  sind  noch  erschienen  Guedel,  Etymologisches  Wörterbuch  der 
deutschen  Seemannssprache,  Kiel  und  Leipzig  1902.  —  A.  Stenzel,  Deutsches  Seemännisches 
Wörterbuch,  Berlin  1904.  —  Die  neueste  Erscheinung  ist:  Seemannssprache.  Wortgeschicht- 
liches Handbuch  deutscher  Schifferausdrücke  älterer  und  neuerer  Zeit,  herausgegeben  von 
Fr.  Kluge,  ein  Werk,  das  einen  reichen  geschichtlichen  Stoff  verarbeitet  und  allen  An- 
forderungen entspricht,  die  man  stellen  kann.  —  Eine  allgemeine  Übersicht  bietet  Kluge, 
Westermanns  Monatshefte  1911,  872. 

Sonstige  Literatur:  Breusing,  Jahrbuch  für  niederdeutsche  Sprachforschung  5,  1.  — 
Kluge,  Neue  Jahrbücher  für  klass.  Phil.  4,  699;  Unser  Deutsch  63;  110. 

Wir  haben  bereits  oben  S.  103  gesehen,  daß  sich  die  Ansicht,  die  Ger- 
manen wären  zu  einer  Schiffahrt  erst  gekommen,  seit  sie  sich  von  den  übrigen 
Indogermanen  getrennt  und  an  der  Nord-  und  Ostsee  niedergelassen  hätten, 
aus  der  Sprache  nicht  beweisen  läßt;  vielmehr  ergab  es  sich  als  wahrschein- 
lich, daß  schon  die  Indogermanen  die  See  befahren  haben.  Der  Grundstock 
der  Schiifahrtsausdrücke  ist  denn  auch  gemeingermanisch,  d.  h.  sie  kehren 
im  Englischen,  Niederdeutschen  und  Skandinavischen  wieder;  sie  fehlen 
aber  bezeichnenderweise  vielfach  bei  den  Oberdeutschen.  Das  kann  nicht 
wundernehmen.  Saßen  diese  doch  vom  Meere  entfernt,  in  einem  Gebiete, 
das  selbst  an  schiffbaren  Flüssen  arm  ist.    Wir  können   verfolgen,   wie  so 


326  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


niaiiclies  Wort  dieses  Begriffs^Tebicts  vom  Norden  nach  dem  Süden  vor- 
dringt. Noch  heute  hat  das  Wort  Süden  niedcrliindisclie  Lautform,  das 
Althochdeutsche  Iiat  in  siindana  den  Nasal  bewahrt,  der  sich  noch  in  zahl- 
reichen Ortsnamen  wie  Sundgan,  Siindhansen,  Sundheim,  Sund- 
//o/t'/z  u.  a.  zeigt.  Hafen  kennt  das  Mittelhochdeutsche  kaum.  Das  eigent- 
lich niederdeutsche  Ufer  ist  noch  heute  dem  bayerischen  Volke  fremd.  Es 
wird  mittelhochdeutsch  volksetymologisch  zu  ur-var  umgestaltet.  Ebenso 
fehlen  dem  Oberdeutschen  Worte  wie  Strand,  Boot,  Klippe,  Ebbe,  Düne, 
obgleich  wir  es  hier  mit  altem  Sprachgut  zu  tun  haben. 

An  sonstigen  Ausdrücken  nenne  ich  noch: 

Backbord,  schon  ags.  btvcbord,  eig.  'die  Rückenscite'.  Die  Benennung  erklärt  sich 
daraus,  daß  das  Steuer  früher  nicht  hinten,  sondern  an  der  rechten  Seite  angebracht  war, 
so  daß  der  Steuermann  der  linken  Seite  den  Rücken  zukehrte.  —  baggern  aus  ndl. 
baggeren 'z\\ssc\\\Ämmtn  von  n6.\.  bagger 'SMamni' .  —  Bake  'sichtbares  Schifferzeichen' 
aus  frs.  baken  =  e.  beacon,  ahd.  boiihhan.  —  Boot,  13.  Jh.,  aus  e.  boat.  —  Bord,  ahd. 
bort,  e.  board  'Schiffsrand'.  —  Bramsegel  u.  a.  Zusammensetzungen,  ndl.  bramzeil.  — 
branden,  18.  Jh.,  aus  ndl.  branden.  —  Brigg,  18.  Jh..  e.  brig,  gekürzt  aus  ital.  brigan- 
tino.  —  bugsieren  über  n(^\.  boegseeren,  wohl  aus  portug. p//.vflr  'schleppen'.  —  Bug- 
spriet, aus  ndl.  boegspriet  zu  Bug  und  sprießen.  —  Dock  aus  e.  dock.  —  Ewer,  1252 
envarc,  also  'Einfahrer'?.  —  Faden,  noch  seemännisch  als  Maßbezeiclinung,  t.fathom.  — 
Fallreep  aus  fall  und  Reif,  hier  gleich  'Schiffsleiter'.  —  Flagge,  nd.,  c.flag.  —  Flotte, 
17.  Jh.,  im  letzten  Grund  über  ndl.,  frz.  zurückgehend  auf  anord. //o^/ 'Wasserfahrzeug'  zu 
fließen.  —  Fock,  nd.,  n6\.  vocken  'wehen'.  —  Gaffel,  eins  mit  Gabel.  —  Gangspill, 
1794,  eig. 'Gangspindel'.  —  Gtsdiwader  eins  mit  Sdiwadron.  —  Hängematte.  — 
Heck  'Teil  des  Hinterschiffs',  mnd.  heck  —  Hedie.  —  Helling,  mnd.  Hellinge  zu  Halde, 
eig. 'geneigte  Fläche'.  —  heuern,  c.  hire.  —  hissen,  18.  Jh.,  an  der  See  allgemein  ver- 
breitet. —  Jadit,  16.  Jh.,  zu  jagen.  —  Jolle,  18.  Jh.,  wird  als  russisches  und  dänisches 
Fahrzeug  bezeichnet.  —  Kaper,  17.  Jh.,  aus  nd\.  kaper.  —  Kauffahrteisdiiff,  17.  Jh.  — 
kentern  zu  Kante.  —  Klüver,  1793,  ndl.  kluiver  wohl  zu  klieben  'spalten'.  —  Knoten 
als  Maß  beruht  auf  den  in  der  Logleine  angebrachten  Knoten.  —  kreuzen,  17.  Jh.  — 
Kreuzer,  1716.  —  landen  statt  obd.  landen.  —  ledi,  ags.  hlec  zu  ledicn,  ledizen.  — 
Lee  zu  ags.  hleow  'Schutz,  Zufluchtsort'.  —  Leiditer,  nd.  iiditer  zu  liditen,  eig. 'leicht 
machen'.  —  lösdien  zu  los.  eig.  'leer  machen'.  —  Lotse,  mnd.  lootsman  zu  e.  load 
'Gang  zu  leiten.  —  Luv,  mnd. /ö/ 'Windseite'. —  Maat,  e.  nXe  zu  ahd.  gimazzo 'Speise- 
genösse'  zu  got.  mats  'Speise'.  —  Mahlstrom,  ndl.  malstrooni.  —  Rahe,  mnd.  rä.  — 
Reede,  mnd.  re(i)de,  e.  road  zu  bereit.  —  reffen,  nd.  reffen.  —  Reling  von  nd.  regel 
'Riegel,  Stange,  Latte'.  —  Sdiote,  n\nd.  sehnte,  e.  sheats  zu  Sdioß.  —  Sdiott,  18.  Jh.,  zu 
d.  Sdioßgatter.  —  Sdiute,  Sdiüte,  mnd.  sehnt (tje,  an.  sküta  zu  sdiießen.  —  Speigatt. 
17.  Jh..  galt  ist  e.  gate,  d.  Gasse,  eig.  'Loch  zum  Ausspeien  des  Wassers'.  —  Steven, 
mnd.  Steven  zu  Stamm.  —  Topp  in  Toppmast  =  Zopf. 

Anderseits  hat  nun  die  deutsche  Seemannssprache  außerordentlich  viel 
fremdes  Gut  aufgenommen.  Was  in  vorgeschichtlicher  Zeit,  etwa  von  den 
Kelten,  deren  Vertrautheit  mit  dem  Meere  Cäsar  schildert,  entlehnt  ist,  läßt  sich 
nicht  sagen.  Sprachlich  macht  sich  zunächst  der  Einfluß  der  Römer  bemerk- 
bar, deren  Ausdrücke  zum  guten  Teil  allerdings  auf  dem  Griechischen  beruhen. 

Zu  diesen  ältesten  Ausdrücken  gehören  Anker,  ahd.  ankar  aus  lat.  ancora,  den 
oberdeutschen  Mundarten  noch  heute  meist  fremd;  —  Riemen  'Ruder',  ahd.  riemo  aus 
lat.  rimus,  am  Rhein  und  in  Norddeutschland;  —  dagegen  ist  Naue,  mhd.  näwe,  ncewe 
aus  lat.  nävis  schweizerisch,  und  ist  also  auf  einem  andern  Wege  zu  uns  gekommen  als 


§  195.  G.  Die  Seemannssprache.  327 

jene  Worte;  —  Strippe,  hochd.  Strupfe,  eigentlich  'Riemen  zum  Anbinden  der  Ruder'  aus 
lat.  striippus,  stroppus;  —  auch  lat.  canälis  ist  damals  aufgenommen  worden,  aber  wieder 
verloren  gegangen. 

Die  Kühnheit  der  germanischen  Seefahrer  war  bereits  früh  ganz  be- 
wundernswert. SchließHch  hielten  sie  sich  nicht  mehr  in  den  nördhchen 
Meeren  auf,  sondern  sie  drangen  um  Spanien  herum  nach  dem  Mittel- 
ländischen Meere  vor.  Die  Germanen  lernten  hier  manches  Neue  kennen 
und  erhielten  eine  Fülle  von  Ausdrücken,  von  denen  allerdings  nur  einige 
erhalten  sind.  Später  mehren  sich  die  Einflüsse,  und  wir  haben  Worte  fast 
aus  aller  Herrn  Länder  bekommen,  lateinische,  griechische,  arabische,  fran- 
zösische, italienische. 

In  die  Zeit  des  Mittelalters  fallen  noch: 

Barke,  mhd.  barke,  e.  bark  aus  spätlat.  barca,  das  dem  Koptischen  bari  ent- 
stammt; —  Büse  'Boot  zum  Heringsfang',  erst  in  neuerer  Zeit  aus  ndl.  biiis,  aber  schon 
einmal  im  Althochdeutschen  dXsba^o  herübergenommen;  —  Kabel 'knktxizxx,  mhd.  kabel 
aus  frz.  cäble. 

Da  es  vorläufig  unmöglich  ist,  die  weitern  Entlehnungen  der  Zeit  und 
dem  Raum  nach  genügend  zu  sondern,  so  begnüge  ich  mich  hier  damit, 
eine  Anzahl  von  ihnen  mit  Angabe  der  Herkunft  und  der  Zeit  des  ersten 
Auftretens  zu  verzeichnen. 

Admiral,  arabisch,  um  1500,  aber  schon  einmal  mittelhochdeutsch;  —  Arsenal, 
arabisch,  im  16.  Jahrhundert;  —  Aviso,  1712,  ital.  barca  d'aviso;  —  Bai,  auf  \?i{.  Bajae 
zurückgehend,  Ende  des  16.  Jahrhunderts;  —  Besanmast,  16.  Jahrhundert,  aus  ital.  mez- 
zana,  —  Blodiade,  17.  Jahrhundert,  ital.  bloccata;  —  Boje,  lat.,  17.  Jahrhundert;  — 
Boot,  im  16.  Jahrhundert  aus  e.  boat;  —  Brasse,  im  17.  Jahrhundert,  frz.  bras-,  — 
entern,  im  17.  Jahrhundert,  lat.  inträre;  —  Fregatte,  16.  Jahrhundert,  frz.  fregate;  — 
Golf,  im  15.  Jahrhundert,  frz.  golfe,  lat.  colpiis;  —  Harpune,  im  18.  Jahrhundert,  frz. 
harpon;  —  Havarie,  im  16.  Jahrhundert,  arabisch  (?);  —  Kabine,  19.  Jahrhundert,  e. 
cabin,  frz.  cabine;  —  Kabuse,  Kambüse ,  im  15.  Jahrhundert,  unklar;  —  Kai,  mnd. 
kaie,  frz.  qai;  —  Kajüte,  im  15. Jahrhundert,  Herkunft  dunkel;  —  kalfatern,  ndl.  kale- 
fateren  aus  mgr.  y-olaiffneTv  (kalaphaten)  und  weiter  aus  arab.  qalafa  'ein  Schiff  ver- 
kitten'; —  Kap,  im  17.  Jahrhundert  aus  ital.  capo;  —  Kapitän,  16.  Jahrhundert,  frz. 
capitaine;  —  Koje,  um  1600,  letzte  Quelle  lat.  cavea;  —  Kompaß,  15.  Jahrhundert, 
ital.  compasso  'Zirkel';  —  Korvette,  18.  Jahrhundert,  frz.  corvette;  —  Kurs,  im  15.  Jahr- 
iiundert,  lat.  cursus;  —  Küste,  im  17.  Jahrhundert,  über  das  Ndl.  aus  lat.  costa;  —  Kutter, 
1791,  c.  Cutter;  —  lavieren,  im  16.  Jahrhundert  aus  ndl.  laveeren;  —  Marine,  17.  Jahr- 
hundert, frz.  marine;  —  Mars  'Mastkorb',  ndl.  mars  aus  1.  merc(em)  'Ware';  —  Ma- 
trose, im  17.  Jahrhundert,  aus  matroos  und  dies  aus  frz.  matelots,  das  dem  anord.  motu- 
nautr  'Speisegenosse'  entstammt  (zu  got.  wa^s 'Speise'  und  genießen);  —  Messe,  aus  e. 
mess;  —  Mole,  18.  Jahrhundert,  frz.  mole,  ital.  molo;  —  Pilot,  im  16.  Jahrhundert,  aus 
dem  Niederländischen;  —  Pinasse,  1600,  frz.  pinasse  zu  lat.  pinus  'Fichte';  —  Qua- 
rantäne, 17.Jahrhundert,  hz.quarantaine;  —  Schaluppe,  17. Jahrhundert,  hz.chaloupe;  — 
Schleuse,  im  16.  Jahrhundert,  aus  dem  Niederländischen,  letzte  Quelle  mlat.  exclasa;  — 
Schoner,  18.  Jahrhundert,  &.  schooner,  zuerst  in  Amerika;  —  Torpedo,  lat.  torpedo  'der 
Zitterrochen';  —  Trosse,  frz.  trosse. 

Eine  Anzahl  dieser  Worte  wird  ja  noch  in  ihrem  eigentlichen  Sinn  ge- 
braucht, aber  bei  nicht  wenigen  hat  doch  schon  die  Übertragung  eingesetzt. 

Sogthxznchtnwh:  lavieren,  Kur  s,Kabel,steuern,stranden\xn<\m?inQh^szr[<\txt. 


328  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Bei  andern  ist  aber  der  seemännische  Ursprung  j^anz  verloren  gegangen. 
Ich  erinnere  an  den  roten  Faden,  der  sich  durch  alles  zieht,  d.h.  durch  das  Tau- 
werk der  engUschen  Marine  —  Goethe  hat  dies  Bild  in  den  Wahlverwandtschaften  ein- 
geführt; —  Abstecher  in  der  Bedeutung  'kleine  Reise'  von  seeni.  abstedien  'sich  mit 
einem  Boot  von  einem  Schiff  entfernen';  —  Ballast,  nd.  bailast,  e.  bailast;  —  Eiland, 
wohl  aus  dem  Fries.,  vgl.  Nordern-ey  und  in  seinem  ersten  Bestandteil  eins  mit  Aue;  — 
flott,  nd.  zn  fließen;  —  Janhagel,  Spottname  der  norddeutschen  Bootsleute;  —  Mund- 
raub, 1732;  —  eine  gute  Prise  aus  Uz.  prise;  —  ramponiert  'durch  Seeschaden  be- 
schädigt'; —  Takel,  eig.  'die  Scliiffsausrüstung';  —  Tau  'Scliiffsseil'  zu  got.  taujan  'machen'. 
Bei  der  gesteigerten- Anteilnahme,  die  heute  für  das  Seewesen  herrscht, 
werden  wir  sicher  immer  mehr  Seemannsausdrücke  in  unsere  Schriftsprache 
aufnehmen. 

§  196.   H.  Die  Soldatensprache. 

Literatur:  P.  Hörn,  Die  dcutsclie  Soldatensprache,  zweite  wohlfeile  Ausgabe,  Gießen 
1905.  Vgl.  dazu  die  Anzeige  von  J.  Meier,  ZfdPli.  32,  15  ff.  —  Franz  Helbling,  Das  mili- 
tärische Fremdwort  des  16.  Jahrhunderts,  ZfdW.  14,  20  ff.  —  G.  Stucke,  Deutsches  Heer 
und  deutsche  Sprache.  Wortgeschichtliche  Skizzen  über  Ausdrücke  unseres  Heereswesens 
alter  und  neuerer  Zeit.   Rastatt  1915. 

Die  Entwicklung  des  Heerwesens  im  Laufe  unsrer  Geschichte  zeigt  sich 
auch  in  der  Sprache.  In  frühern  Jahrhunderten  gab  es  nur  das  Söldnerheer, 
dessen  Angehörige  den  Soldatenstand  als  Beruf  erwählt  hatten,  dann  ent- 
wickelte sich  das  Volksheer,  womit  wir  wieder  an  die  Zustände  der  ältesten 
Zeiten  angeknüpft  haben.  Zwischen  diesen  beiden  besteht  innerlich  kein 
Zusammenhang,  und  so  ist  auch  der  sprachliche  sehr  gering.  Die  Über- 
lieferung ist  hier  unterbrochen  worden,  und  was  wir  unter  Soldatensprache 
verstehen,  ist  eine  verhältnismäßig  junge  Erscheinung,  die  allerdings  in 
ihrem  Grundcharakter  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  der  altern  Stufe  aufweist. 

Ehe  wir  aber  auf  die  Eigentümlichkeiten  dieser  Sprache  eingehen, 
wollen  wir  den  Wortschatz,  der  sich  auf  das  Heerwesen  bezieht  und  der 
doch  schließlich  auch  hierher  gehört,  im  allgemeinen  mustern. 

Anmerkung.  Es  gibt  natürlich  eine  ganze  Reihe  von  Werken,  in  denen  die  Aus- 
drücke der  Kriegskunst  schon  in  früheren  Zeiten  verzeichnet  sind.  Ich  nenne  hier:  Frons- 
perger, Fünft  Bücher  von  KriegßRegiment  unnd  Ordnung,  1555.  —  Fronspergfr,  Kriegß- 
buch  I,  II,  III.  1571,  1573.  —  Albertinus,  Der  Kriegßleuth  Weckuhr.  München  1601.  — 
von  Schwendli,  Kriegßdiscurs.  Frankfurt  1605.  —  J.  von  Wallhausen,  Kriegßkunst  zu 
Fuß.  Straßburg  1615;  Kriegßkunst  zu  Pferde.  Oppenheim  1616:  Corpus  militare.  1617.  — 
J.  VON  Egger,  Neues  Kriegs-,  Ingenieur-,  Artillerie-,  See-  und  Ritterle.xicon.  Dresden  und 
Leipzig  1757. 

Als  alter  Ausdruck  ergibt  sich  Heer,  ahd.  hari,  heri,  ags.  here,  gemeingermanisch; 
dazu  apreuß.  karjis,  lit.  karias  'Heer'  von  käras  'Krieg',  air.  cuire  'Heer,  Schar'  und  gr. 
y.oi'nato;  aus  *korJanos;  dazu  Herzog,  ahd.  herizogo,  -zoho  'Heerführer',  dessen  zweiter 
Teil  in  lat.  dux  wiederkehrt.  Damit  ist  aber  auch  der  alte  Sprachstoff  erschöpft.  Es  wirkt 
dann  das  römische  Heerwesen  etwas  ein.  Schon  im  Gotischen  ist  niilitön  'Kriegsdienste 
tun',  ahd.  milizza  'Soldaten'  belegt.  Aber  eine  wesentliche  Bereicherung  erfährt  die  Sprache 
nicht.  Seit  dem  12.  Jahrhundert  entwickelte  sich  das  Söldnerw-esen,  und  nun  kommen  eine 
Reihe  französischer  Worte:  Sold  aus  frz.  solde  (von  lat.  solidus).  davon  mhd.  soldenier 
oder  soUiencere;  —  sarjant  'Diener  des  Ritters,  Knappe.  Fußknecht'  aus  frz.  sergent  von 
lat.  serviens  'Diener'  (Sergeant  ist  eine  neuere  Entlehnung);  —  Rotte,  mhd.  rote,  rotte. 


§  196.  H.  Die  Soldatensprache.  329 

rot  'Schar,  Abteilung,  Rotte'  aus  frz.  rote  vom  lat.  rupta  'Abteilung',  eigentlich  'Bruchteil 
eines  Heeres';  —  Standarte,  mhd.  stanthart  aus  frz.  estendard  vom  lat.  extendere  'aus- 
breiten, entrollen'.  Daneben  aber  benutzte  man  vielfach  den  deutschen  Sprachstoff:  Haupt- 
mann, mhd.  houbetmann  'der  Anführer  im  Kriege,  Oberbefehlshaber',  1480 'Befehlshaber 
über  ein  Fähnlein';  —  Fähnridi,  mhd.  vanere;  —  Feldwebel,  im  16.  Jahrhundert;  — 
Feldherr,  1537;  — Feldsdierer,  im  16.  Jahrhundert;  — Feldzeidien,  bei  Luther;  — 
Feldzeugmeister,  im  16.  Jahrhundert;  — Feldzug,  1545;  — Kriegsknedit,  16.  Jahr- 
hundert; —  Kriegsmann,  15.  Jahrhundert;  —  Landsknedit,  in  den  achtziger  Jahren 
des  15.  Jahrhunderts;  —  Oberst,  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts;  —  Waditmeister, 
im  16.  Jahrhundert;  —  Gefreiter  'vom  Schildwachestehen  befreiter  Soldat',  1617;  — 
Zeughaus,  1537. 

Die  Geschichte  dieser  militärischen  Ausdrücke  muß  noch  geschrieben 
werden. 

Neben  diesen  deutschen  Bildungen  aber  ergießt  sich  über  die  Sprache 
eine  unendliche  Fülle  fremder  Ausdrücke.  Einiges  kommt  schon  im  Mittel- 
alter, dann  bringt  uns  das  16.  Jahrhundert  manches  Neue,  obgleich  in  dieser 
Zeit  die  Ausdrücke  noch  wesentlich  deutsch  sind.  Die  Hauptmasse  der 
Fremdwörter  bringt  der  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  und  der  Dreißigjährige 
Krieg.  Von  dem,  was  damals  entlehnt  wurde,  ist  zwar  manches  unter- 
gegangen, die  Hauptmasse  hat  sich  aber  bis  zum  heutigen  Tag  erhalten. 
Ich  verzeichne  im  folgenden  eine  Anzahl  von  Worten  nach  ihrem  zeitlichen 
Auftreten.  Die  Quelle  ist  meistens  das  Französische  und  ist  gewöhnlich 
nicht  weiter  angegeben.   Näheres  findet  der  Leser  in  Weigands  Wörterbuch. 

Truppenarten:  Arkebusier,  16. Jahrhundert;  —  Artillerie ,  seit  1500;  — Dra- 
goner, um  1600;  —  Füsilier,  um  1700;  —  Garde,  1474  die  burgundische  Truppe  im 
Heere  Karls  des  Kühnen;  —  Gendarme,  in  Frankreich  im  15.  Jahrhundert;  —  Grena- 
dier, 1694;  —  Husar,  1534;  —  Infanterie,  1616;  —  Ingenieur,  1616;  —  Kanonier, 
1617;  —  Kavallerie,  um  1600;  —  Konstabier,  1650;  —  Kürassier,  1476;  —  Pe- 
loton 'Abteilung  von  20— 40  Mann',  1710;  —  Pionier,  um  1700;  —Rekrut,  1617;  — 
Train,  1621;  —  Truppen,  1616;  —  Ulan,  im  18.  Jahrhundert. 

Truppenteile:  Armee,  um  1600;  —  Bataillon,  1616;  —  Brigade,  zuerst  in 
Gustav  Adolfs  Heer;  —  Division,  1716;  —  Eskadron,  SOjähriger  Krieg;  —  Ge- 
sdiwader,  16.  Jahrhundert,  ital.  squadra;  —  Kompagnie,  1616;  —  Korps,  17.  Jahr- 
hundert; —  Regiment,  16.  Jahrhundert;  —  Sdiwadron,  1616;  —  Furier,  16.  Jahrhundert. 

Befehlshaber:  General,  Mitte  des  16.  Jahrhunderts;  —  Konimandör,  1617;  — 
Kornett,  1616;  —  Korporal,  1616;  —  Leutnant,  16.  Jahrhundert;  —  Major,  1577;  — 
Marsdiall,  um  1600;  —  Offizier,  Ende  des  16.  Jahrhunderts;  —  Profos,  1504,  ndl. 
lat  propositus;  —  Sergeant,  1616. 

Waffen:  Armatur,  um  1600,  ita\.  armatura;  — Bajonett,  im  17.  Jahrhundert;  — 
Batterie,  1616;  —  Bombe,  1678;  — Büdise,  H.Jahrhundert;  — Degen,  im  15.  Jahr- 
hundert; —  Flinte,  1663;  —  Granate,  1616;  —  Haubitze,  im  Hussitenkriege;  — 
Kanone,  1616;  —  Karabiner,  1598;  —  Kartätsdie,  1691;  —  Kartaune,  16.  Jahr- 
hundert, ital.  quartana;  —  Lafette,  1616;  —  Munition,  1534;  —  Muskete,  1575;  — 
Pallasdi,  1640;  —  Patrone,  1642:  —  Petarde.  1617;  —  Pike,  17.  Jahrhundert;  — 
Pistole,  um  1600;  —  Protze  aus  Protzwagen  usw.  gekürzt  {Protzräder  im  16.  Jh.), 
venet.  birozzo  'zweirädriger  Wagen';   —  Rapier,  1534;   —  Sdirapnell,  1803  erfunden. 

Befestigung:  Barrikade,  spätes  17.  Jahrhundert;  —  Bastei,  spätmhd.  bastle, 
ital.  bastia;  —  blodiieren,  1617;  —  Bresdie,  1617;  —  Flanke  'Seitenwerk  einer 
Festung',  1616,  aus  Uz.  flanc ;  —  Glacis,  1712;  — Kaserne,  1703;  —Palisade,  1617. 


330  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

Sonstiges:  alert.  17.  Jahrhundert,  frz.  eig.  ä  l'erte  'auf  der  Hut.  auf  der  Hölie';  — 
Alarm,  15.  Jalirhundert;  —  attackieren,  1617;  —  Bagage,  1600;  —  Disziplin, 
16.  Jahrhundert;  —  Etappe,  1728;  —  exerzieren,  um  1600;  —  Front,  1616;  — Ka- 
merad, 30jähr.  Krieg;  —  Kampagne,  SOjähr.  Krieg;  —  kampieren,  1617;  —  kapi- 
tulieren, 1703;  —  Kommando,  ital.  span.  1639;  —  Kommiß,  16.  J:ihrhundcrf;  — 
Kontingent;  —  Kordon,  1791;  —  Liste,  1616;  —  Manöver,  18.  Jalirhundert;  — 
Marketender,  16.  Jahrhundert,  ital.  mercatante;  —  marode,  frz.  maraud  'unerlaubte 
Plünderung",  30jühr.  Krieg;  —  Marsdi,  30jähr.  Krieg;  —  marsdiieren,  1617;  —  Meu- 
terei, 1517;  —  Mine,  1601.  frz.  mine,  kelt.  mein-,  meinn-  'rohes  Metall;  —  Militär, 
18.  Jalirhundert;  —  mustern,  1449;  —  neutral,  16.  Jahrhundert;  —  offensiv,  1617;  — 
Parade,  1615;  —  Pardon,  1663.  auch  Perdon  aus  ital.  perdono;  —  Parole,  1617;  — 
Parteigänger,  1650;  —Patrouille,  1709;  —Proviant,  1556;  —  Quartier,  1529;  — 
Rang,  SOjähr.  Krieg;  —  Rapport,  1617;  —  Ration,  1716;  —  rebellieren,  1551;  — 
rekognoszieren.  1617;  — Remonte,  1728:  —  Retirade,  1616:  —  Reveille,  1716;  — 
Revolte.  17.  Jahrhundert;  — Ronde.  1617;  —  Route,  1703  (\a[.  via  rupta);  —  Salve, 
1648,  frz.  Sfl/y^,  lat.  salve.';  —  Sappe,  1728;  —  Sdiamade,  1703  (zu  lat.  clamäre);  — 
Signal,  1694;  —  Soldat,  1550.  ital.  soldato;  —  Spion,  1615.  frz.  espion  aus  ahd. 
speha;  —  Tornister,  17.  Jahrhundert,  byz.  ravmroo»'  (tägistron);  —  Traktament, 
18.  Jahrhundert;  —  7"ro>^,  15.  Jalirhundert,  m lat.  Grosso;  — Uniform,  18.  Jahrhundert;  — 
Vedette,  1727  (ital.  vedere  'sehen");  —  K^/^ra«,  18.  Jahrhundert;  —  zernieren, 
18.  Jahrhundert;  —  Zidizadi,  um  1700.  aus  frz.  zigzag  (1680). 

Im  16.  Jahrhundert  oder  vielleicht  noch  früher  muß  sich  nun  eine 
eigene  Soldatensprache  entwickelt  haben,  die  sogenannte  Feldsprache,  die 
Sprache  der  Landsknechte,  die  sich  zu  Parteien  vereinigt  hatten  und  im 
Lande  herumzogen.  Gleich  dem  fahrenden  Volke  hatten  sie  allen  Anlaß, 
ihr  Tun  und  Treiben  vor  dem  Licht  zu  verbergen,  und  sie  nahmen  daher 
auch  die  heimliche  Sprache  der  „Stromer"  an.  Diese  war  meist  aus  Gauner- 
worten zusammengesetzt  und  dem  Uneingeweihten  völlig  unver.ständlich. 
Fahrende  Leute  erkundschafteten  den  raubenden  Landsknechten,  mit  denen 
sie  im  Einverständnis  waren,  günstige  Gelegenheiten,  wo  man  Beute  machen 
konnte  und  sandten  ihnen  Botschaften,  die  man  Feldtauben  nannte. 

Die  ersten  Nachrichten  über  diese  Feldsprache  treffen  wir  bei  dem 
Satiriker  Moscherosch  (1601 — 1669),  der  1640  unter  dem  Namen  Philanders 
von  Sittewald  ein  'Soldatenleben'  schrieb  (in  seinen  'Gesichten'  sechstes 
Gesicht  des  andern  Teiles).  Wir  haben  es  hier  aber  mit  einer  Abart  der 
Gaunersprache  zu  tun,  und  das  Glossar,  das  Moscherosch  bietet,  ist  aus 
dem  liber  vagatorum  (siehe  unten)  abgeschrieben.  Vgl.  Kluge,  Rotwelsch 
I,  152.   Die  weitere  Entwicklung  liegt  noch  ganz  im  Unklaren. 

Die  neuere  Soldatensprache  hat  P.  Hörn  ausführlich  behandelt.  Ich 
verweise  den  Leser  auf  dieses  Buch,  da  es  uns  hier  nur  angeht,  was 
aus  dem  militärischen  Leben  an  Worten  und  Redensarten  in  die  Schrift- 
sprache geflossen  ist. 

Hierher  gehören:  abgebrannt,  im  Dreißigjährigen  Kriege  aufgekommen;  heller 
Haufen,  eigentlich  'der  Kern  des  Heeres*,  schon  im  16.  Jh.;  Kommiß  im  16.  Jh.;  ab- 
blitzen; hinter  dem  Berge  halten;  Spießruten  laufen;  sein  Absehen  auf 
etwas  riditen  {Absehen  'die  Kerbe  am  Gewehr');  zur  großen  Armee  abgehen;  blank 
mit  einem  stehn;  in  die  Bresdie  treten;  dem  Feinde  goldene  Brildten  bauen; 
HrtS/ü'z/-^r/Cfl«/Ort/s^  (aus  der  Zeit  Friedrich  Wilhelms  I.);  Fersengeld  geben;  zwisdien 


§  197.  J.  Die  Gaunersprache.  331 


zwei  Feuer  kommen;  die  Flinte  ins  Korn  werf en;  grobes  Geschütz  anfahren; 
das  Hasenpanier  ergreifen;  ins  Hintertreffen  kommen;  dem  Kalbfell 
{Trommel)  folgen;  einen  über  die  Klinge  springen  lassen;  etwas  aufs  Korn 
nehmen;  den  Kuhfuß  (Gewehr)  tragen;  fludien  wie  ein  Landsknedit;  mit 
jemand  eine  Lanze  brerlien  (aus  dem  mittelalterlichen  Turnierwesen);  Lärm  sdilagen; 
Lunte  riedien;  einem  den  Marsdi  madien  (oder)  blasen;  seine  Pappenheimer 
kennen  (Schiller  Wallenstein);  einem  den  Paß  verlegen;,  etwas  auf  der  Pfanne 
haben;  von  der  Pike  auf  dienen;  wie  aus  der  Pistole  gesdiossen;  auf  dem 
Platze  bleiben;  Posto  fassen;  mit  jemand  auf  dem  Quivive  stehen;  etwas 
auf  dem  Rohre  haben;  jemand  auf  den  Sand  setzen  (aus  dem  Turnier);  ebenso 
einen  aus  dem  Sattel  heben;  eine  Sdiarte  auswetzen;  etwas  im  Sdiilde 
jühren;  einem  vor  den  Sdiuß  kommen;  den  Spieß  umkehren;  Spießbürger; 
Spießruten  laufen;  einem  die  Spitze  (des  Schwertes)  bieten;  sidi  die  Sporen 
verdienen;  Stidi  halten  'den  Stich  des  Gegners  aushalten';  jemand  überflügeln; 
mit  offenem  Visier  kämpfen;  einem  in  den  Wurf  kommen;  den  Zapfenstreidi 
sdilagen;  übers  Ziel  sdiießen. 

Ihren  Ursprung  im  Soldatenleben  haben  ferner: 

Handgeld,  1616;  —  Handgemenge,  1631;  —  Fehdehandsdiuh,  im  Mittel- 
alter diente  der  Wurf  des  Handschuhs  als  Aufforderung  zum  Kampf;  —  Hinterhalt, 
1480;  —  Lauffeuer,  18.  Jh.;  —  plänkeln,  1763  als  Jägerausdruck;  —  sdilagfertig;  — 
Sdiar,  ahd.  scara 'Heeresabteilung';  —  Spießgeselle,  1556;  — Standredit,  1641;  — 
Wagenburg,  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege. 

Anmerkung.  Die  lange  Kriegszeit  hat  natürlich  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Sol- 
datensprache in  besonderm  Maße  gelenkt  und  manche  Schriften  hervorgerufen.  Ich  nenne 
hier  noch:  K.  Bergmann,  Wie  der  Feldgraue  spricht.  Scherz  und  Ernst  in  neuester  Sol- 
datensprache. Gießen  1916.  —  Th.  Imme,  Der  Humor  in  der  deutschen  Soldatensprache, 
Zfrhw.  V^olksk.  13,  26.  —  Ders.,  Die  deutsche  Soldatensprache  und  ihr  Humor.  1917.  — 
Hanns  Bächtold,  Aus  Leben  und  Sprache  des  Schweizer  Soldaten.   Basel  1916. 

§  197.  J.  Die  Gaunersprache. 

Literatur:  Pott,  Charakteristik  der  Gaunersprachen  in  seinen  Zigeunern,  Band  2, 
Einleitung;  Halle  1845.  —  Ave-Lallement,  Das  deutsche  Gaunertum,  4 Bände,  Leipzig  1858 
— 1862.  —  Anton,  Wörterbuch  der  Gauner-  und  Diebessprache,  3.  Auflage,  Berlin  1859.— 
Jos.  Mar.  Wagner,  Die  Literatur  der  Gauner-  und  Geheimsprachen  seit  1700,  in  Petzholdts 
Neuem  Anzeiger  für  Bibliographie,  1861,  S.69 — 75.  —  Derselbe,  Rotwelsche  Studien;  Archiv 
für  das  Studium  der  neuern  Sprachen  33,  197 — 246.  —  H.  Stumme,  Über  die  deutsche 
Gaunersprache  und  andere  Geheimsprachen,  Leipzig  1903.  —  L.  Günther,  Das  Rotwelsch 
des  deutschen  Gauners,  Leipzig  1905;  gut.  —  F.  Kluge,  Rotwelsch;  Quellen  und  Wort- 
schatz der  Gaunersprachen  und  der  verwandten  Geheimsprachen.  1.  Rotwelsches  Quellen- 
buch; Straßburg  1901.  —  Das  Hauptwerk  über  Gaunersprache  bilden  jetzt  die  von  Prof. 
L.  Günther  seit  1909  veröffentlichten  Abhandlungen  über  die  Gaunersprache.  I.  Das  Geld 
und  die  Münzen.  Archiv  für  Kriminalanthropologie  und  Kriminalistik.  Bd.  33,  219—322. 
II.  Die  Stände,  Berufe  und  Gewerke.  Arch.  38,  193—288;  42,  1—89;  43,  1—71;  46,  1—31; 
46,289—314;  47,  131—154;  47,  209—231;  48,311—351;  49,331—358;  50,  137-159;  50, 
341—370;  51,  137—168;  54,  148—191;  54,310—339;  55,  148—181;  56,41-71;  56,  158— 
185.  Dazu  ist  gekommen  L.  Günther,  Die  deutsche  Gaunersprache  und  verwandte  Ge- 
heim- und  Berufssprachen.    1919.    Ein  vortreffliches,  zusammenfassendes  Werk. 

Eine  besondere  Stellung  allen  bisher  behandelten  Sondersprachen 
gegenüber  nimmt  die  Gaunersprache  oder  das  Rotwelsch  ein,  als  eine 
der  anziehendsten  Erscheinungen  im  Leben  der  Sprache.  Das  lichtscheue 
Gesindel  der  fahrenden  Leute,  der  Verbrecher,  Diebe  und  Hehler,  das  früher 


332  Zwölftes  Kapitel.  Du:  Sondersprachen. 

noch  in  ganz  andrer  Weise  verbreitet  war  als  heute,  iiatte  allen  Anlaß, 
sein  Treiben  vor  den  Augen  der  Welt  zu  verbergen.  Der  Kampf,  den  der 
Staat  und  die  Gesellschaft  gegen  es  führt,  lä(3t  Kampfmaßregeln  entstehen, 
und  zu  diesen  gehört  die  Erfindung  einer  Geheimschrift,  der  sogenannten 
Gaunerzinken,  die  man  noch  heute  an  vielen  Haustüren  sehen  kann,  und 
die  Erfindung  einer  Geheimsprache,  der  sogenannten  Gaunersprache  oder 
des  Rotwelschen.  Der  Ausdruck  Rotwelsch  kommt  schon  um  1250  im 
Passional  und  zwar  in  übertragenem  Sinne  vor,  so  daß  er  schon  lange  Zeit 
eingebürgert  zu  sein  scheint. 

Später  mehren  sich  dann  die  Zeugnisse,  bis  wir  um  1510  den  Liber 
vagatorum  erhalten,  in  dem  ausführlich  von  den  fahrenden  Leuten  berichtet 
wird,  und  der  auch  ein  Glossar  des  Rotwelschen  als  dritten  Teil  enthielt. 
Welche  Bedeutung  man  dem  Buch  beimaß,  erhellt  daraus,  daß  kein  ge- 
ringerer als  Martin  Luther  es  1528  neu  herausgegeben  hat.  Von  dieser 
Zeit  an  nimmt  die  Überlieferung  zu,  die  jetzt  in  der  KLUGESchen  Ausgabe 
jedermann  leicht  zugänglich  ist. 

Die  besondern  Eigentümlichkeiten  des  Rotwelschen  bestehen  nun  in 
folgenden  Punkten: 

1.  enthält  es  eine  Reihe  eigentümlicher  Ausdrücke,  von  denen  eine 
große  Anzahl  aus  dem  Hebräischen,  d.h.  natürlich  aus  dem  Jüdisch-deutschen 
stammt.  Es  wirft  dies  klares  Licht  darauf,  aus  welchen  Kreisen  die  Gauner 
stammten  oder  mit  wem  sie  zu  tun  hatten.  Andere  Ausdrücke  stammen 
aus  dem  Zigeunerischen;  sehr  viel  geringer  ist  der  Einschlag  des  Lateinischen, 
sehr  bescheiden  der  des  Französischen  und  ganz  unbedeutend  der  englische; 

2.  bildet  man  aus  deutschem  Sprachgut  durch  Umschreibungen,  bildliche 
Ausdrücke,  Zusammensetzungen,  Ableitungen  neue  Worte,  z.  B.  TrittUnge 
'Schuhe',  Streif linge  'Strümpfe',  Ober-Mann  'Hut',  SpitzUnge  'Nähnadeln'  und 

3.  macht  man  die  Worte  unverständlich  durch  Einschieben  von  Silben, 
Umkehrung,  Anfügung  von  Lauten.  Dahin  gehört  die  sogenannte  /7/-Sprache, 
die  schon  oben  S.  90  erwähnt  ist,  und  anderes,  worüber  die  Quellen  aus- 
führlich berichten. 

Das  Rotwelsch  hat  nun  in  ausgedehntem  Maße  auf  unser  Deutsch  ein- 
gewirkt, indem  eine  große  Anzahl  teils  allgemein  verbreiteter,  teils  dialek- 
tischer Worte  in  unserm  heutigen  Deutsch  auf  diese  Quelle  zurückgehen, 
und  zwar  zuweilen  direkt,  indem  die  Worte  aus  dem  Dialekt  allmählich 
emporgestiegen  sind,   oft  indirekt  durch  Vermittlung  der  Studentensprache. 

Ich  gebe  im  folgenden  ein  Verzeichnis  der  mir  geläufigen  oder  in 
unsern  Wörterbüchern  angeführten  Worte  mit  Angabe  des  ersten  Beleges 
nach  Kluges  Quellenbuch  und  der  Herkunft,  soweit  sie  bekannt  ist.  Dabei 
hat  mich  mein  Kollege  Stumme,  der  auch  das  Buch  von  Günther  auf 
seinen  sprachlichen  Teil  durchgesehen  hat,  dankenswert  unterstützt. 

adieln  'essen',  1510,  hebr.  äkhcil  'essen'.  —  ansdiniusen,  sdimusen,  1791,  von 
hebr.  iimuöt  (jüdisch   ^niuös)   'Gehörtes,   Gerücht,   Nachricht'.  —  Baldober  'Angeber', 


§  198.  K.  Die  Sprache  der  Wissenschaft.  333 

1735,  aus  hebr.  ba  äl  dübär  (jüdische  Aussprache  duwör)  'Herr  der  Sache'.  —  Bas  'Mann', 
1510,  deutsch,    mit  Base   zusammenhängend.  —  benschen  'segnen',  1737,   aus   lat.  bene- 
dicere.  —  berappen  'bezahlen',  1814;  m'\{  Rappen  bezahlen.  —  besdiiippen  'betrügen', 
1687;  deutsch.  —  besdiwuddern,  sidi  'sich  betrinken',  1750;  wohl  deutsch.  —  besebeln 
'betrügen',  1510  sefeln  'scheißen',  zu  hebr.  zebel  'Mist,  Kot'.  —  betudit  'leise,  still,  ver- 
schwiegen',  hebr.  bCttiiädi   'Vertrauen    habend,    sicher'.  —  Bledi   'Geld',    1510;    nach    den 
Münzen  aus   'Gold-  oder  Silberblech'.  —  Bovel,   Babel,   Bafel  'alte  verlegene  Ware', 
1755,   von   der  Stadt  Babel  'Babylon',    da  Büfel  die   jüdische  Aussprache  des  hebr.  babel 
ist.  —  Dalles  'Unglück,  Verderben,  Armut,  Geldmangel';  wohl  von  hebr.  dallath  'Armut'.  — 
Dfl////z^^r 'Henker',  hebr.  täläh  'aufhängen',  1510.  —  Finkeljodiem  'Branntwein',  1687; 
funkeln  ist  'funkeln,  brennen',  jodiem  von  hebr.  jäjin  {]üd.  Jöjin)  'Wein'.  —  foppen  'zum 
besten  haben',  1510.    Aber  sciion  1343  fopperin   'die  nement   sich   unsinne   ah    und  ver- 
sagens'.  —  Füdise  'Dukaten'    1652;    übertragen   von  Fuchs.  —  Funke  'unsteter,   leicht- 
fertiger Mensch',  nach  gaun.  Funk  'Flamme'.  —  ganfen  'stehlen',  1510,  aus  \\t\)X.  gänüb 
(jüdisch  göndf)  'stehlen'.  —  Gauner,   im   15.  Jahrhundert  joner  'Spieler,   Falschspieler', 
von  jüd.  jöneh  'Spieler'.  —  Heu  'Geld',  1733;  wohl  das  deutsche  Heu.  —  Hodistapler 
'ein  berühmter  Dieb',  1753,  eigentlich  'der  hoch  stapft';  schon  früher  Stappier,  Stapplerin.  — 
Jodiem  'Wein',  hebr.  jäjin,  im  15.  Jh.  —  Kabrusdie  'Kameraden,  besonders  zu  Schlech- 
tigkeiten',   1753;    aus   dem  Hebr.  —  Kaffer  'Bauer',  1714,    aus   rabbinisch  kaphri  'Dorf- 
bewohner, Bauer';  von  hebr. /f''/7/z«/' 'Dorf. —  Kafiller  'Schinder',  von  talmudisch  ^fp/zd/ 
'abdecken,    abziehen',    1510.  —  Kalaisdien  'Kuchen',  1753,   aus   dem  Slawischen,   z.B. 
Ischech.  kolüc.  —  kapores  'tot.  zugrunde  gerichtet',  1783  kaporen  gan  'sterben  müssen', 
aus  hebr.  kappöreth  (jüd.  kappöres)  'Versöhnung,  Sühnopfer";  vgl.  Weigand.  —  Kassiber, 
jüd.  kes'iwö  'Geschriebenes,  Brief,  19.  Jh.  —  Kasten  'schlechtes  Haus',   1755;   aus   dem 
deutschen  Kasten.  —  Kies  'Geld',  schon  mhd.;  es  könnte  eine  Übertragung  von  d.  Kies 
sein,   anderseits   aber  auch  aus  hebr.  kls  'Beutel,  Geld'  stammen.  —  Kippe  madien  'Ge- 
meinschaft machen'.  —Kittdien  'Zuchthaus',  1811.  —Klepper  'Pferd',  1807;  schon  im 
15.  Jh.  im  Deutschen.  —  Kluft  'Kleidung',   älteste  Form  Klaffet  1510,   aus   hebr.  kal'iföt 
'Fcierkleider'.  —  Kneipe  'Diebswirtshaus',  1755,  deutsch.  —  Kohl  madien  'einen  blauen 
Dunst  machen',  1753,   wohl   von    hebr.  qöl  'Stimme,  Gerücht,  Schall';    davon  kohlen  'viel 
durcheinander  reden';  die  erste  Bedeutung  wohl  davon,  daß  die  Taschenspieler  viel  reden.  — 
kosdier,  1737,  aus  hebr.  koier  'recht,  gesetzmäßig'.  —  Kümmelblättdien  'gaunerisches 
Hasardspiel  mit  drei  Karten',   von  hebr.  gimel  'drei'.  —  Löffel  'Ohren',    1733;   aus   der 
Jägersprache.  —  Mädiler  'Unterhändler',  1737;   schon  früher  im  Deutschen  belegt;  jetzt 
Mäkler,  Makler,  wohl  zu  madien.  —  Masematten  'Geschäfte',  1737,   aus  hebr.  missab 
umittan  'nehmen  und  geben',  einer  Redensart,  die  für  'Geschäft'  schon  im  Altbabylonischen 
vorkommt.  —  mogeln,  gaun.  mohel  sein  'beschneiden'.  — Moos  'Geld',  1750,  aus  spät- 
hebr.   ma'öt,   jüd.   mö'ös   'kleine   Münzen,    Geld'.   —   mopsen   'stehlen',    Kundensprache 
Kluge  I.  427.  —  Päger  'vergifteter  Kuchen',  1812,  zu  \\tbx.  peger  'Ltichrnm  .  —  pasdien, 
1755,   gaun.  passen.  —  pletzen  'flicken',   1755;    deutsch.  —  Pradierin,    1121,   zu    ndl. 
pradiern  'zudringlich  fordern,  betteln'.  —  pumpen  'borgen',  1687;   wohl  übertragen  von 
d&u\sch  pumpen.  —  Rantz  'Sack',  1510,  jetzt  Ranzen;  nicht  sicher  erklärt.  —  sdiadiern 
'handeln',  1753,  aus  hebr.  sädiar  'handelnd  umherziehen'.  —  sdiäkern  'lügen',  1817,  von 
hebr.  seker  'Lüge,  Trugrede'.  —  Sdiidisel  'Meidlin,  Jungfrau',  1753,  von  aramäisch  siqfä 
'Greuel,  Götzenbild'.—  Sdilamässel  'Unglück',  1737,  aus  hebr.  mäzzäl 'Q.\ü.c\C  und  der 
Verneinung  ^ellö.  —  Sdimiere  stehn,  1714,  von  späthebr.  semlrä  'Beaufsichtigung,  Be- 
wachung'. —  Sdiwänzelpfennige,    1715.  —  sdiwänzen,    1724.  —  Sefel,   siehe   be- 
sefeln.  —  stanzen  'jem.  wozu  treiben'.  —  Stromer,  1350. 

§  198.  K.  Die  Sprache  der  Wissenschaft.  Mit  der  Gaunersprache  stehen 
wir  nun  am  Ende  der  zahlreichen  Sondersprachen,  die  wir  betrachtet  haben. 
Alle  haben  mehr  oder  minder,  früher  oder  später  auf  den  Wortschatz  unsrer 


334  Zwölftes  Kapitel.  Dif.  Sondeksckachen. 


alli^cmcincn  deutschen  Schriftsprache  eingewirkt,  wahrend  sie  in  sich  selbst 
eine  besondere  Entwicklung  zeigen.  Aber  es  bleibt  außerdem  noch  ein 
Gebiet  übrig,  das  wir  zwar  auch  nicht  völlig  erschöpfend  darstellen  können, 
auf  dessen  Wichtigkeit  wir  indessen  aufmerksam  machen  müssen,  das  ist 
die  Sprache  der  gelehrten  Berufe  und  der  Wissenschaften. 

Eine  jede  Wissenschaft  verfügt,  wie  allgemein  bekannt,  ebenfalls  über 
einen  besondern  Wortschatz,  und  auch  dieser  ist  der  Beachtung  wert  und 
der  Untersuchung  bedürftig.  Freilich  bedienen  sich  die  meisten  Wissen- 
schaften noch  heute  vorwiegend  der  lateinischen  und  griechischen  Ausdrücke, 
und  es  scheint,  als  ob  keine  auf  die  zu  neuen  Bildungen  so  geeigneten 
klassischen  Sprachen  ganz  verzichten  könnte.  Aber  wenn  uns  deren  Be- 
nutzung notwendig  zu  sein  scheint,  so  möge  man  bedenken,  daß  auf  ein- 
zelnen Gebieten,  teilweise  wenigstens,  deutsche  Bezeichnungen  vorhanden 
sind,  Bezeichnungen,  die  man  meistens  dem  bewußten  Vorgehen  einzelner 
Männer  verdankt,  gegen  die  man  aber  seinerzeit  ebenso  geeifert  hat,  wie 
man  jetzt  gegen  einen  Präger  neuer  deutscher  Ausdrücke  eifern  würde. 

In  der  Hauptsache  sind  es  drei  Gebiete,  auf  denen  die  deutschen  Aus- 
drücke ziemlich  weit  verbreitet  sind,  die  Philosophie,  die  Mathematik  und 
die  Sprachwissenschaft. 

Ehe  wir  aber  auf  diese  eingehen,  seien  hier  ein  paar  Bemerkungen 
eingefügt  über  eine -Wissenschaft,  die  zwar  immer  noch  der  bedeutendsten 
eine  ist,  die  aber  in  früherer  Zeit  die  Gemüter  der  Menschen  ganz  anders 
beschäftigt  hat  als  heute,  das  ist  die  Chemie  oder  wie  man  früher  sagte 
die  Alchimie.  Dies  Wort  selbst  kommt  schon  im  Mhd.  als  alcherme  vor 
und  stamm.t  aus  arab.  alkimijn,  das  das  mit  dem  arab.  Artikel  al  versehene 
gr.  ;fj;,««a  (gesprochen  kttnid)  ist.  Von  den  Arabern  gelangte  es  zu  den 
Spaniern,  weiter  zu  den  Franzosen  und  schließlich  zu  uns. 

Auf  die  vielen  Ausdrücke  für  chemische  Instrumente  und  Chemikalien 
kann  ich  hier  nicht  eingehen,  sondern  ich  will  nur  die  Ausdrücke  hervor- 
heben, die  in  die  allgemeine  Sprache  übergegangen  sind. 

Man  suchte  vor  allem  den  Stein  der  Weisen  oder  das  Elixier,  spätmhd.  elixire 
aus  arab.  el  iksir  'Stein  der  Weisen'.  Ein  außerordentlich  wichtiger  Stoff  war  das  Queck- 
silber, das  ja  die  Metalle  auflöst.  Diese  Verbindung  von  Metallen  mit  Quecksilber  heißt 
Amalgam  (16.  Jh.)  aus  span.ital.  amälgama  von  gr.  uä'/.ayua  {mälagma)  'Erweichungs- 
mittel".  Bemerkenswert  ist  der  volkstümliche  Ausdruck  sich  veramalgamieren  'sich 
vereinigen,  sich  mit  jemand  abgeben',  der  offenbar  recht  alt  sein  muß.  Dieselbe  Bedeu- 
tungsentwicklung zeigt  verquicken,  das  Adelung  nur  in  der  chemischen  Bedeutung  'ver- 
mittelst Quecksilber  auflösen'  kennt,  das  aber  jetzt  ganz  allgemein  gebräuchlich  ist.  — 
Ebenso  kommt  der  Ausdruck  Wahlverwandtsdiaft  (1779)  als  Übersetzung  des  lat. 
attractio  electiva  aus  der  Chemie,  doch  hätte  er  ohne  Goethe  wohl  nicht  seine  Verbreitung 
gewonnen.  —  Spiritus  bezeichnete  im  16.  Jh.  bei  den  Alchemisten  'eine  durch  Destillation 
gewonnene  wesenhafte  Flüssigkeit  von  Körpern',  wonach  wir  dann  im  18.  Jh.  Weingeist 
als  Übersetzung  von  spiritus  vini  gebildet  haben  und  von  geistigen  Getränken 
sprechen.  —  Essenz,  das  lat.  essentia,  kommt  im  16.  Jh.  auf.  Besonders  hat  sich  der 
Ausdruck  Quintessenz  aus  mlat.  quinta  essentia  'der  Äther'  von  seinem  Ursprungs- 
gebiet ganz  losgelöst. 


§  199.  L.  Die  Sprache  der  Philosophie.  335 


Weitere  alchemistische  Ausdrücke  sind  reagieren,  Reaktion  (im  politischen  Sinn 
erst  im  19.  Jh.),  7"/«/f^«r  (Paracelsus),  elementar  in  Elementargeister,  Extrakt 
(1585)  und  gewiß  noch  manclie  andere. 

§  199.   L.  Die  Sprache  der  Philosophie. 

Literatur:  R.  Eucken,  Geschichte  der  philosophischen  Terminologie  im  Umriß,  Leipzig 
1879.  —  B.A.Wagner,  Christian  Thomasius;  ein  Beitrag  zur  Würdigung  seiner  Verdienste 
um  die  deutsche  Sprache.  Berliner  Pirogramm  1872.  —  P.  PiUR,  Studien  zur  sprachlichen 
Würdigung  Christian  Wolffs,  Halle  1903.  —  J.  Kelle,  Die  philosophischen  Kunstausdrücke 
in  Notkers  Werken,  München  1886.  —  Julia  Wernley,  Prolegomena  zu  einem  Lexikon 
der  ästhetisch-ethischen  Terminologie  Friedrich  Schillers.  Untersuchungen  zur  neueren  Sprach- 
und  Literaturgeschichte,  hrsg.  von  Waltzel.  Neue  Folge.  10.  Heft.  Leipzig  1909.  —  W.  Meise, 
Beiträge  zu  einer  ethischen  Terminologie  Schillers,  Greifswald  1916. 

Die  Sprache  der  Philosophie  war  natürlich  bis  in  die  Neuzeit  lateinisch, 
und  Eucken  hat  über  sie  eine  kurze  Übersicht  gegeben.  Erst  im  18.  Jahr- 
hundert ringen  sich  deutsche  Ausdrucksweisen  durch.  Anfänge  und  Ver- 
suche dazu  sind  freilich  viel  früher  da,  aber  es  hat  kein  guter  Stern  über 
ihnen  gewaltet,  sie  vermochten  sich  nicht  durchzusetzen,  und  sie  sind  nicht 
einmal  genügend  untersucht.  Was  Eucken  bietet,  hat  bisher  noch  keine 
Fortsetzung  und  Erweiterung  gefunden. 

Der  erste  große  Übersetzer  der  Deutschen,  Notker,  der  sich  an  schwierige 
Stücke  lateinischer  Herkunft  wagte,  scheute  nicht  vor  einer  Übertragung 
der  fremden  Worte  zurück. 

„Mit  Geschick  sind  einmal  Ausdrücke  der  Volkssprache  zur  Vermittlung  des  Fremden 
herangezogen;  wo  eigene  Bildungen  zu  unternehmen  waren,  ist  das  Fremde  möglich  getreu 
in  der  deutschen  Sprache  wiedergegeben  (z.  B.  individiiits  —  unspaltig),  und  wenn  dabei 
zunächst  die  Biegsamkeit  dieser  zum  Ausdruck  kommt,  so  verdient  auch  Umsicht  und  Takt 
des  Autors  volle  Anerkennung.  Nur  selten  fehlt  ihm  ein  genau  entsprechender  Ausdruck, 
dann  muß  entweder  ein  allgemeiner  Begriff  oder  eine  Umschreibung  aushelfen,  schlimmsten- 
falls wird  das  Fremdwort  unverändert  beibehalten."    Eucken  S.  116. 

Von  seinen  Verdeutschungen  seien  hier  einige  angeführt: 

aeternus  —  ewig;  comprehendere  —  ervaren,  begrifan:  confusus  —  verworren; 
confusio  —  ununderskeit ;  contimms  —  zesamin,  zesamine  habig;  contrarius  —  wider- 
wärtig; convertere  —  umbewenden;  finis  —  ende;  forma  —  bild;  infinitus  —  unentilih; 
intelligere  —  vernemen;  liberum  arbitrium  —  selbwaltigi;  mens  —  muot;  mundus  — 
werlt;  necessarius  —  nothaft,  notmadiig;  necessitas  —  not,  notegunga;  perpetuus  ' — 
werig;  possibile  —  mahtlidi;  principium  —  anegenge;  proprius  —  eigenhaft;  singularis  — 
sunderig;  subjectum  —  da^  andere;  tempus  et  locus  —  zit  unde  stat;  dazu  kommen 
Ausdrücke  wie  ewigheit,  saligheit,  wi'ientheit,  anscouunga,  fliht  'Fürsorge,  Aufgabe,  Gebot', 
merheit,  minnirheit,  pildunga,  rihtig,  sein,  scinbare,  vernumenstig  'vernünftig',  Vernunft  u.  a. 

Notkers  Bestrebungen  fanden  aber  keine  Nachfolge.  Er  steht  einsam 
da,  und  die  meisten  seiner  Übersetzungsversuche  sind  untergegangen.  Ein 
neues  Streben  nach  Verdeutschung  eines  umfassenden  Gedankenkreises  ging 
erst  wieder  von  der  deutschen  Mystik  aus,  und  vor  allem  hat  hier  Meister 
Eckhart  manchen  philosophischen  Ausdruck  gut  verdeutscht.  Aber  auch 
andere  sind  daran  beteiligt  gewesen.  Leider  sind  wir  über  seine  Tätigkeit 
noch  nicht  genügend  unterrichtet.  Eine  kurze  Skizze  gibt  E.  Kramm,  Meister 
Eckeharts  Terminologie  in  ihren  Grundzügen  dargestellt,  ZfdPh.  16, 1  ff. 


336  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


Über  Eckliarts  Bedeutun.ir  ist  man  sich  allijemcin  einig.  „Gar  manches," 
sagt  Eucken  118,  „was  wir  der  deutschen  Sprache  als  Naturi^abe  zuschreiben 
niöcliten,  verdankt  sie  vor  allem  Eckhart.  Wie  sich  seine  Persönlichkeit  in 
ihrer  Hoheit,  Innigkeit  und  Macht  auch  in  der  Sprache  bezeugt,  wie  gewaltig 
er  das  Vorhandene  bewegt,  um  es  zum  Ausdruck  seiner  Geisteswelt  zu 
bilden,  wie  selbständig  und  kühn  er  auch  mit  Neuschöpfungen  vorangeht, 
das  verdiente  in  der  Tat  eindringende  Untersuchung."  Kramm  fügt  dem 
hinzu  (S.  3):  „Und  fürwahr!  Wer  mit  Eckehart  sich  beschäftigt  hat,  weiß, 
wie  sein  geistiger  an  die  den  Himmel  stürmenden  Titanen  erinnernder 
Riesenlauf  auf  das  treueste  in  des  Meisters  Sprache  sich  spiegelt;  Eckehart 
schwelgt  förmlich  in  dem  Genüsse,  die  Muttersprache  zum  ersten  Male  mit 
sich  zu  führen  hinab  in  die  Tiefen  seiner  spekulativen  Erörterung  und  hinauf 
in  die  Höhen  intellektuellen  Schauens."  Ein  etwas  glücklicherer  Stern  als 
über  Notker  hat  über  Eckhart  gewaltet.  Manche  seiner  Worte  sind  geblieben. 

Charakteristisch  sind  für  ihn  die  vielen  Ausdrücke  auf  -heit:  einekeit,  einvaltekeit, 
enpfindliiiisit,  ewikeit,  friheit,  gotheit,  gnintlosekeit,  klarheit,  hohrit,  innekeit.  iiplidieit. 
üterkeit,  manicvaltekeit,  mensdiheit,  mügelidieit,  natiurlidieit.  sinnelidieit.  imbegrifeüdieit, 
urspninglidieit,  verstendikeit,  Verworrenheit,  vollekonimenheit,  weltlidieit,  wesentheit,  würk- 
lidikeit  'sreoyeia,  zitlicheit.  Dazu  kommen  aber  noch  andere  charakteristische  Ausdrücke: 
angeborn,  begirde.  begrif,  begrifunge  'Inbegriff.  Umfang",  bezeidienunge,  bild  'forma,  species', 
bildiing,  eigenlidi,  eigentuom.  ersdunen,  fürsatz,  enpfinden.  griintlos,  hindernüsse,  inbilden 
und  ftzbilden,  inbildnng.  indruc,  influz,  innewendig,  üzwendig,  miteliden  'gemeinsames 
Leiden',  neigung.  sdiöp/ung.  unsinn,  Unvernunft  u.  a. 

Wenn  viele  dieser  Worte  noch  heute  fortleben,  so  hat  doch  natürlich 
manches  eine  andere  Bedeutung  angenommen. 

In  der  Folgezeit  setzt  sich  die  Verdeutschungstätigkeit  fort. 

Durch  Luther  ist  manches  neu  geschaffen,  vor  allem  das  Ältere  erst  allgemein  ver- 
breitet worden.  Wir  finden  bei  ihm:  Bedingung,  Bildnis,  Empfindung,  folgen. 
Freiwille,  freiwillig,  Gelegenheit  'opportunitas'.  Gewissen,  Pflidit  'rechtliche 
Verbundenheit',  deutlidi,  Erfahrung,  Ersdieinung,  Fühlen,  angeboren,  ein- 
geboren u.  a.  Wenig  bedeutend  als  Sprachschöpfer  erscheint  Paracelsus.  ,Am  bemerkens- 
wertesten dürfte  sein,  daß  er  den  Terminus  Erfahrung  zu  spezifisch  wissenschaftlicher 
Verwendung  bringt.  Die  Ausdrücke  Verstand  und  Vernunft  scheiden  sich  so,  daß 
jener,  als  dem  mittelalterlichen  intcllectus  entsprechend,  übergeordnet  wird.  Ort  steht  hier 
im  neuern  Sinn;  ferner  erscheinen  Auszug  =  Extrakt,  erfolgen  (kausal  wie  bei  Luther), 
notwendig."  Eucken  125.  Dazu  kommen  durch  ihn  eine  Reihe  von  Fremdwörtern  aus 
der  Scholastik:  Argument,  Zentrum,  Kriterium,  Doktrinen,  Experiment,  Fan- 
tasey,  Massa,  medianisdi.  Mikrokosmos,  Praktik  und  Theorik,  Proba,  Pro- 
zeß, Sophist,  Spekulation,  Substanz,  quinta  essentia. 

Weiter  ist  unsere  Kenntnis  der  philosophischen  Sprache  durch  eine 
Abhandlung  Prantls,  Abhandlungen  der  kgl.  bayer.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, I.Klasse,  VIII.  Band,  I.Abteilung,  München  1856,  bereichert  worden. 
Prantl  hat  die  beiden  ältesten  Kompendien  der  Logik  in  deutscher  Sprache, 
das  eine  von  Fuchsperger  (F.)  1533,  das  andere  von  Bütner  (B.)  1576, 
untersucht.  Nach  einer  Charakteristik  beider  Werke  stellt  er  ihre  Termino- 
logie zusammen  und  fügt  zur  Vergleichung  nicht  nur  die  entsprechenden 
Ausdrücke  Notkers  hinzu,  sondern  auch  die  der  deutschen  Rhetoriken,  die 


§  199.  L.  Die  Sprache  der  Philosophie.  337 


seit  den  letzten  Jahrzehnten  des  15.  Jahrhunderts  im  Interesse  der  juristischen 
Praxis  zahlreich  verfaßt  wurden. 

Alle  vier  haben:  communis  —  gemein.  N.  Rh.  F.:  contrarius  —  xi'iderwertig:  signi- 
jicare  —  bezeichnen.  Rh.  F.  B. :  circumstantiae  —  Umbständ;  compositio  —  Zusammen- 
setzung: definitio  —  Besdireibung:  impossibile  —  unmöglidi:  qualitas  —  Eigenschaft; 
quantitas  —  Größe.  F.  Rh.:  accidens  —  zuf ellig  Aygensdiafft;  argumentum  —  Anzug: 
causa  efficiens  —  würcklidi  Ursach ;  causa  materialis  —  materlidi  ilrsadi:  Converter e  — 
umbkeren:  conversio  —  umbkerung:  effectus  —  Volge:  exemplum  —  Beispiel:  finitio  — 
Beschreibung:  substantia  —  aigentlich  Wesen.  F.  B.:  necessarius  —  notwendig.  Die  Rh. 
haben  für  sich:  inductio  —  Erfahrung.  An  aufgenommenen  Fremdwörtern  hat  F.  pro- 
bieren   B.  Maximen. 

Ein  sehr  bedeutsamer,  kräftig  wirkender  Geist  tritt  uns  in  Jakob  Böhme 
entgegen,  dem  wir  sprachlich  mancherlei  verdanken.  Hier  tritt  Zweck  zu- 
erst in  philosophischer  Verwendung  auf,  Auswicklnng  und  sich  aus- 
wickeln im  Sinne  unseres  entwickeln.  Begriff  ist  oft  'Vorstellung'  im 
neuern  Sinn;  Begreiflichkeit,  Umstände  'species,  Qualitäten',  Unend- 
Jidikeiten,  Ungrund,  Vielheit,  Naturrecht,  Natursprache,  Ver- 
nunftschlüsse, Wohltun,  Wohlwollen.  An  fremden  Ausdrücken  führt 
er  ein:  theosophisch,  historischer  Glaube,  qualifizieren. 

Was  bis  zum  Schlüsse  des  17.  Jahrhunderts  geleistet  war,  findet  man 
im  wesentlichen  bei  Stieler  verzeichnet.  Eucken  merkt  aus  ihm  folgende 
Ausdrücke  an: 

ableiten,  Beschaffenheit  'qualitas',  Beziehung,  Deutlichkeit,  Einteilung, 
■entwid:eln,  Fertigkeit,  das  Gefüle,  Gegensatz  (nicht  technisch  logisch),  Gegen- 
stand 'oppositum,  pars  adversa,  objectum',  Gemeinwesen,  Gemütsbewegungen, 
Gemütskräfte,  Genauigkeit  'Sparsamkeit',  Kunstwort  'terminus  technologicus', 
Leidenschaft,  Mitleiden,  Sdiluß,  sdiließlidi,  Sdilußsatz  'conclusio',  sdileditweg, 
Sinnbild,  Stoff,  Urbild,  Urwesen  'Element,  Natur',  Unlust,  Vernunftschluß, 
■verursachen,  vorstellen,  Vorstellung  (aber  noch  nicht  in  der  spätem  psychologischen 
Bedeutung),  wahrsdieinlich,  Wahrscheinlichkeit,  Endursadie  'causa  finalis'. 

Auch  Leibnizens  ist  hier  zu  gedenken,  der  durch  seine  „Unvorgreif- 
lichen  Gedanken  betreffend  die  Ausübung  und  Verbesserung  der  deutschen 
Sprache"  1697  seine  Liebe  zur  Muttersprache  bekundete.  Seine  deutsche 
philosophische  Sprache  verdiente  eine  besondere  Untersuchung. 

An  neuen  Worten  scheinen  bei  ihm  zuerst  aufzutreten:  Beweisformen,  Endzweck, 
Gesidit-Punkt,  Grundbeweis,  Schlußfolge,  Schlußformen,  Selbstwesen  "Sub- 
stanz', Verhaltung  'proportio'.  Naturell  wird  eingebürgert  und  Idee  im  neuern  Sinn, 
ähnlich  Umstand,  Gesdilecht,  Unterschied,  Lust  und  Unlust,  Vernunft-  und 
Erfahrungsgründe,  Urteil,  Begränz ung  'definitio',  Logik  =  Vernunftkunst  oder 
Denkkunst,  Ontotogie  =  Wesenlehre. 

Chr.  Thomasius  hat  eine  unvergeßliche  Bedeutung  für  die  deutsche 
Sprache,  da  er  zuerst  Vorlesungen  in  deutscher  Sprache  hielt.  Daß  er  dabei 
notwendig  zu  neuen  deutschen  Ausdrücken  geführt  wurde,  versteht  sich  von 
selbst.  Aber  was  er  geleistet  hat,  läßt  sich  bis  heute  noch  nicht  klar  er- 
kennen. Er  schwankt  vielfach  hin  und  her  zwischen  verschiedenen  Aus- 
drücken für  den  gleichen  Begriff,  und  das  ist  zweifellos  ein  Hindernis  für 
einen  sichern  Erfolg.  Eucken  führt  als  bei  ihm  auftretend  an:  Einbildungs- 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  22 


338  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 


kraft,   Gemiits-Neigiingen,   Weltweisheit,   Absidit,  Motive,   ge- 
sunde Vernunft. 

Unbestritten  und  unbestreitbar  ist  aber  die  Stellung,  die  Christian 
Wolff  in  der  Verdeutschung  und  Festlegung  der  philosophischen  Ausdrücke 
einnimmt.  Wenn  Wolff  als  selbständiger  Philosoph  keine  besondere  Be- 
deutung hat,  so  war  er  doch  seinerzeit  eine  Größe,  der  man  begeisternd 
huldigte,  und  deren  Anschauungen  man  folgte.  Wolff  war  eben  maßgebend, 
und  da  er  klar  und  folgerichtig  seine  fremden  und  seine  deutschen  Aus- 
drücke wählte,  da  er  Bücher  über  Bücher  schuf,  so  ist  es  kein  Wunder, 
daß  er  einen  starken  Einfluß  ausübte.  Über  Wolffs  Sprache  besitzen  wir 
die  anziehende  Studie  von  Piur.  Dieser  sagt  S.  20:  „Wie  Wolffs  gesamte 
Philosophie  eine  großartige  Systematisierung  der  verschiedensten  philo- 
sophischen Richtungen,  so  ist  auch  seine  Sprache  und  Terminologie  ein 
Erzeugnis,  das  zum  größten  Teil  auf  früheren  Versuchen  beruht,  nur  daß 
er  hier  doch  selbständiger  erscheint  als  in  der  Philosophie.  Wolff  hat  wenig 
deutsche  Termini  neu  geschaffen,  und  doch  gebührt  ihm  der  hervorragendste 
Anteil  an  der  Schöpfung  der  wissenschaftlichen  deutschen  Sprache.  Gerade 
die  Vermeidung  der  Einführung  neuer  willkürlich  geschaffener  Ausdrücke, 
ein  Mißgriff,  an  dem  so  viele  Bemühungen  der  Sprachgesellschaften  ge- 
scheitert sind,  gerade  der  Umstand,  daß  er  den  vorhandenen  Sprachschatz 
für  die  Bildung  wissenschaftlicher  Termini  benutzt,  gerade  das  machte  ihn 
so  groß  und  ermöglichte  einzig  und  allein  seine  Wirkung.  Was  die  Sprache 
der  Scholastik  und  Mystik  an  brauchbaren  deutschen  Ausdrücken  aufwies, 
was  die  Theosophen  des  17.  Jahrhunderts,  was  die  Sprachgesellschaften  in 
kühnen  Anstrengungen  versucht  hatten,  was  zum  Teil  längst  verschollen 
war  oder  hier  und  da  unter  der  Asche  nur  noch  glimmte,  das  hat  er  her- 
vorgeholt, teils  in  der  alten  Bedeutung  gelassen,  meist  aber  mit  neuem 
Inhalt  erfüllt  und  so,  wie  es  Leibniz  in  den  'Unvorgreiflichen  Gedanken' 
wünscht,  die  alten  Worte  und  Reden  als  güldene  Gefäße  der  Egypter  ihnen 
abgenommen,  von  der  Beschmutzung  gereinigt  und  zu  dem  rechten  Ge- 
brauche gewidmet.  Was  Leibniz  an  deutschen  Worten  geschaffen,  ohne  daß 
ihm  ein  Echo  entgegenscholl,  was  der  buntschillernde  Thomasius  durch 
sein  wunderbar  reiches  sprachschöpferisches  Talent  spielend  hervorgebracht 
hatte,  allerdings  nie  greifbar  und  in  seinen  Ausdrücken  stets  variierend, 
alles  das  macht  sich  Wolffs  umsichtiges  Sprachgeschick  zunutze,  indem  es 
auch  hier  manche  Ausdrücke  fallen  läßt,  manche  annimmt,  manche  neu 
fixiert.  Was  endlich  in  der  Sprache  der  Literatur  jener  Zeit  vorhanden  war. 
benutzt  er,  um  ihm  einen  technischen  Inhalt,  'eine  abgemessene  Bedeutung', 
wie  er  es  selbst  nennt,  zu  geben  oder  etwaige  Synonyma  gegeneinander 
abzugrenzen,  oder  was  einen  spezifisch  technischen  Inhalt  hatte,  in  all- 
gemeinerem Sinne  zu  verwenden.  Überall  tut  sich  ein  entschiedenes  und 
feinfühliges  Verständnis  der  deutschen  Sprache  kund."  Wie  bedeutend 
Wolffs  Einfluß  den  Zeitgenossen  erschien,  erhellt  schon  daraus,  daß  1737 


§  200.  M.  Die  Sprache  der  Mathematik.  339 

Heinrich  Adam  Meissner  ein  Philosophisches  Wörterbuch  herausgab,  „dar- 
innen die  Erklärungen  und  Beschreibungen  Herrn  Christian  Wolffens  sorg- 
fältig zusammengetragen",  Bayreuth  und  Hof. 

Bei  dieser  Bedeutung  Wolffs  hat  es  aber  keinen  Zweck,  hier  Einzel- 
heiten anzuführen,  in  betreff  derer  ich  vielmehr  auf  Piur  verweise. 

Je  mehr  sich  nun  in  der  folgenden  Zeit  die  Philosophie  und  die  philosophische  Bil- 
dung verbreitet,  um  so  genauer  wird  ihre  Sprache  festgelegt,  und  es  sind  natürlich  eine 
ganze  Reihe  von  Männern  sowie  alle  großen  Philosophen  an  der  Ausbildung  beteiligt. 
Von  Baumgarten  stammt  Ästhetik  für  'Lehre  vom  Schönen',  er  verwendet  Erschei- 
nung im  weitern  technischen  Sinn,  subjektiv  und  objektiv  beginnen  hier  die  neuere 
Bedeutung  anzunehmen,  Absicht,  Zweck  und  Endzweck  werden  voneinander  geschieden. 
»Tetens  verdanken  wir  die  systematische  Durchbildung  und  Befestigung  der  psycho- 
logischen Terminologie,  auf  den  hier  festgelegten  Grundlagen  ist  bis  zur  Gegenwart  fort- 
gebaut."  Andere  neue  Ausdrücke  des  18.  Jahrhunderts,  die  auch  in  philosophischem  Sinne 
gebraucht  werden,  ohne  daß  ihr  Urheber  feststeht,  sind:  Ausdruck,  Bildung  (auf  den 
Geist  übertragen),  Einheit,  sidi  ergeben  (kausal),  Ergebnis,  Folgerung,  Fort- 
schritt, Gesinnung,  Hinsidit,  Mitleid,  Nadisidit,  nachsichtig,  das  Ohngefähr, 
Reiz,  Tendenz,  Tatsache,  Zustand.  Die  weitere  Entwicklung  der  philosophischen 
Ausdrucksweise  zu  verfolgen  müssen  wir  hier  unterlassen.  Dank  den  bisherigen  Unter- 
suchungen sehen  wir  hier  klarer  als  auf  andern  Gebieten,  aber  doch  fehlt  noch  außer- 
ordentlich viel,  eh  alles  aufgehellt  wäre.  Sicher  aber  ist  die  Geschichte  der  philosophischen 
Termini  ein  Teil  der  Philosophie  selbst,  und  man  kann  gerade  auf  diesem  Gebiete  so  recht 
die  Bedeutung  und  Bedeutsamkeit  der  Wortforschung  erkennen. 

§  200.  M.  Die  Sprache  der  Mathematik. 

Literatur:  Felix  Müller,  Zur  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften 
in  deutscher  Sprache;  Abhandlungen  zur  Geschichte  der  Mathematik.  Zeitschr.  i.  Mathematik 
und  Physik,  Band  44,  1899,  Supplement.  Festschrift  für  Cantor  S.  303— 333.  —  PiUR,  Studien 
zur  sprachlichen  Würdigung  Christian  Wolffs  S.  36.  —  Alfred  Schirmer,  Der  Wortschatz 
der  Mathematik  nach  Alter  und  Herkunft  untersucht.  Beiheft  zum  14.  Bd.  der  ZfdW.  Straß- 
burg 1912.  Dies  ist  eine  Darstellung  in  lexikalischer  Form  mit  reichen  Belegen.  —  A.  Götze, 
Anfänge  einer  mathematischen  Fachsprache  in  Keplers  Deutsch.  (Germ.  Studien  hrsg.  von 
E.  Eberiag,  Heft  1,  Berlin  1919.)   Vgl.  dazu  H.  Wocke,  Neue  Jahrb.  II.  Abt.  Bd.  46,  93  ff. 

Die  mathematischen  Ausdrücke  sind  ursprünglich  nicht  deutsch,  sondern, 
der  Entwicklung  der  Mathematik  entsprechend,  griechisch,  lateinisch,  arabisch, 
italienisch,  französisch,  englisch.  Seit  alten  Zeiten  werden  indessen  Versuche 
gemacht,  diese  fremden  Ausdrücke  zu  verdeutschen.  Manches  ist  verloren 
gegangen,  anderes  hat  sich  erhalten,  und  heute  ist  wenigstens  die  Schul- 
mathematik erstaunlich  weit  in  der  Verdeutschung  gekommen.  Was  in  älterer 
Zeit  versucht  und  geleistet  ist,  darüber  gibt  Müllers  Abhandlung  gute  Aus- 
kunft. 1)  Soviel  aber  auch  an  Verdeutschungen  vorlag,  durchsetzen  konnten 
sich  diese  nicht,  und  es  blieb  auch  hier  wieder  Chr.  Wolff  vorbehalten, 
zwar  nicht  die  deutsche  mathematische  Bezeichnungsweise  zu  schaffen,  aber 
doch  fest  zu  begründen.  Außer  durch  seine  Schriften  wirkte  er  durch 
sein  mathematisches  Lexikon,  darinnen  sämtliche  zur  Mathematik  gehörige 
Worte  .  .  .  erklärt  werden,   Leipzig  1716.    Ein   umfangreicheres  Werk  auf 


^)  Über  die  Bedeutung  Keplers  s.  die  beiden  letztgenannten  Aufsätze. 

22^ 


340  Zwölftes  Kapitel.  Die  Sondersprachen. 

Grund  von  Wolffs  Buch,  aber  nicht  von  Wolff  verfaßt,  ist  das  vollständige 
mathematische  Lexikon,  Leipzig  1742,  1747. 

Wolffs  Vorgehen  auf  dem  Gebiete  der  Mathematik  entspriciU  ganz  dem  in  der  Philo- 
sophie. So  übernimmt  er  aus  altern  Werken  die  Ausdrücke:  Nenner,  Zähler,  Punkt, 
Linie,  Winkel,  Ebene,  Maßstab,  verjüngter  Maßstab,  Bogen,  Senne  (—  Sehne), 
Würfel,  Kegel,  Kugel,  Dreieck,  Viereck,  Halbmesser,  Grundlinie,  Grund- 
flädie,  Durdtsdmitt.  oder  er  trifft  unter  verschiedenen  Ausdrücken  eine  Auswahl,  und 
der  von  ihm  bevorzugte  Ausdruck  bleibt,  so  Durdimesscr,  Umfang,  Oberflädie. 
Bei  andern  behalt  er  die  lateinische  Foran  bei,  und  wir  sind  ihm  darin  gefolgt:  Zylinder, 
Peripherie,  Quadrant,  Parabel,  Quadrat,  Trapez,  Rhombus,  Fixstern, 
Planet,  Mathematik.  Er  übernimmt  aber  mit  genauerer  Beschränkung  der  Bedeutung 
Lehrsatz,  Aufgabe,  Verhältnis.  Andere  Ausdrücke  übersetzt  er  neu:  Aussdinitt , 
Absdinitt,  und  eine  Anzahl  scheint  er  auch  neu  geschaffen  zu  haben:  Nebenwinkel, 
Wediselwinkel,  Gleidiung,  höhere  Gleidiung,  Größe,  Glied,  Einfallswinkel, 
Einfallslinie,  Brechungswinkel,  Brennpunkt,  Ruhepunkt,  Schwerpunkt, 
Strahlenbrechung,  Abweidiung  (der  Magnetnadel),  Wasserstand,  Gefälle.  Eine 
ganze  Anzahl  von  Ausdrücken  dringen  erst  seit  Wolff  durch:  Versudi  'experimentum', 
Ausdehnung't\itns\on,  Hebel,  Flüssigkeit,  Gesdiwindigkeit,  Wärme,  Gesetz, 
Erdferne,  Bahn  (der  Körper),  Breite,  Länge,  Entfernung,  Abstand,  Lage, 
Gesichtskreis,  Aufriß,  Umriß,  Abriß,  Wohlgereimtheit,  Schnörkel,  Spiel- 
raum, Böschung,  Abdaduing,  Angelpunkt,  Frühlings-  und Herbst-Nadit gleiche, 
Polhöhe,  Tagesa nbrudi,  Abenddämmerung,  Berührungspunkt,  Gesichtslinie. 

Noch  wichtiger  sind  „eine  Reihe  allgemeiner  mathematischer  und 
physikalischer  Begriffe,  die  bisweilen  zwar  auch  auf  älteren  gelegentlichen 
Gebrauch  zurückgehen,  zumeist  aber  erst  jetzt  durch  den  Aufschwung  der 
mathematischen  Wissenschaften  als  bestimmte  mathematische  Termini  Gel- 
tung erlangen  konnten".  Hierher  gehören:  Schwere.  Kraft,  Last.  Raum, 
Zeit,  (geometriscfier)  Ort,  Bewegung,  Größe,  Ähnlichkeit,  Einheit, 
Verhältnis,  Aufgabe,  Auflösung,  Beweis,  Zusatz,  Lehrsatz,  Satz, 
Grundsatz,  Bedingung,  Aussage. 

Seitdem  ist  an  Verdeutschungen  ja  noch  einzelnes  hinzugekommen, 
w\&  Ankreis,  Ansatz,  Ast  oder  Zweig  einer  Kurve,  Hyperbel,  Außen- 
winkel, echter  Bruch,  erweitern  (einen  Bruch),  goldener  Schnitt, 
Kettenbruch,  Lot,  Gleisen  (Parallelen),  Posten  (Summand),  Vorzeichen, 
aber  es  ist  das  wenig  im  Verhältnis  zu  den  Leistungen  der  frühern  Zeit. 
Weit  bedeutender  als  Sprachschöpfer  als  Wolff  ist  jedenfalls  Sturm  in 
seinen  verschiedenen  Werken.  Aber  trotzdem  bleibt  es  bestehen,  daß  erst 
durch  Wolff  die  mathematischen  Ausdrücke  festgeworden  sind. 

§  201.   N.  Die  Sprache  der  Grammatik. 

Literatur:  R.  Vortisch,  Grammatische  Termini  im  Frühneuhochdeutschen,  Freiburger 
Diss.,  Basel  (1910).  —  Ernst  Leser,  Geschichte  der  grammatischen  Terminologie  im  17.  Jh.. 
Freiburger  Diss.,  Lahr  (Schauburg)  1912.  —  Derselbe,  Fachwörter  zur  deutschen  Grammatik 
von  Schottel  bis  Gottsched.  1641—1749.  ZfdW.  15,  1—98.  —  G.  Krüger,  Die  Fachbezeich- 
nungen der  Sprachlehre  und  ihre  Verdeutschungen.  SA.  aus  Verf.  Syntax  der  englischen 
Sprache?    1917. 

Als  sich  die  ersten  Versuche  regten,  auch  das  Deutsche  grammatisch 
zu  behandeln,  zwängte  man  es  in  das  Prokrustesbett  der  lateinischen  Gram- 


§  201.  N.  Die  Sprache  der  Grammatik.  341 

matik  und  behielt  natürlich  auch  die  lateinischen  Ausdrücke  bei.  Aber  auch 
hier  zeigte  sich  bald  Besserung,  und  die  deutschen  Grammatiker  haben 
versucht,  deutsche  Ausdrücke  zu  schaffen.  Solange  es  nur  gelehrte  Schulen 
gab,  an  denen  selbstverständlich  Latein  gelehrt  wurde,  konnte  man  sich 
die  lateinischen  Ausdrücke  zur  Not  gefallen  lassen;  seitdem  aber  auch  die 
den  grammatischen  Unterricht  genossen,  die  keine  fremde  Sprache  erlernten, 
mußte  man  zu  deutschen  Ausdrücken  greifen,  und  heute  sind  diese  in  unsrer 
Volksschule  vollständig  durchgeführt.  Nur  in  den  Gymnasien  hält  sich  noch 
die  lateinische  Ausdrucksweise,  die  deutsche  ist  so  gut  wie  unbekannt.  An 
der  Schaffung  der  deutschen  Ausdruckweise  haben  eine  ganze  Reihe  Gram- 
matiker mitgewirkt,  über  deren  Tätigkeit  wir  jetzt  durch  die  Arbeit  von 
Leser  gut  unterrichtet  sind.  So  anziehend  es  wäre,  die  Entwicklung  auf 
diesem  Gebiete  darzustellen,  so  verzichte  ich  doch  darauf,  hier  näher  darauf 
einzugehen,  da  mir  der  Raum  fehlt.  Zu  bemerken  wäre  nur,  daß  auch  auf 
diesem  Gebiet  die  verschiedensten  Verdeutschungen  versucht  sind,  bis  der 
rechte  Ausdruck  gefunden  wurde.  Was  wir  heute  davon  haben,  wie  Haupt- 
wort, Zeitwort,  Eigenschaftswort,  das  ist  nicht  gleich  auf  den  ersten 
Anlauf  gefunden,  sondern  hat  meistens  eine  lange  Geschichte.  Jedenfalls 
muß  weiter  auf  diesem  Gebiet  gearbeitet  werden.  Vgl.  hierzu  Kl.  Bojunga, 
Einheitliche  deutsche  Fachwörter  zur  Sprachlehre,  ZfdU.  28,  417  ff. 

Die  neuere  sprachwissenschaftliche  Grammatik  hat  leider  ihre  Aufgabe 
hinsichtlich  der  Terminologie  nur  schlecht  erfüllt.  Sie  ist  nicht  den  Spuren 
Jak.  Grimms  gefolgt,  der  den  trefflichen  Ausdruck  Ablaut  geschaffen  hat, 
sondern  sie  hat  die  wissenschaftlichen  Werke  mit  einer  Fülle  fremder  Aus- 
drücke überschwemmt.  Die  Inder,  deren  Sprache  sich  als  ein  so  wertvolles 
Glied  des  Indogermanischen  erwies,  haben  das  Bedeutendste  auf  dem  Ge- 
biete der  Grammatik  geleistet,  und  da  das  Studium  des  Sanskrit  eine  Zeit- 
lang fast  Modesache  war,  da  mindestens  jeder  Sprachforscher  Sanskrit  gelernt 
haben  mußte,  so  war  es  kein  Wunder,  daß  man  eine  Fülle  von  grammatischen 
Ausdrücken  des  Sanskrit  herübernahm.  Man  sprach  von  Svarabhakti  'Vokal- 
entfaltung zwischen  Konsonanten',  Sandhi  'Beeinflussung  der  im  Auslaut 
stehenden  Laute  durch  das  folgende  Wort',  Dvandva-,  Bahuvrihi-Kom- 
posita  usw.  Glücklicherweise  ist  diese  Zeit  vorüber.  Freilich  braucht  die 
Sprachwissenschaft  noch  immer  neue  Ausdrücke.  Wer  aber  nötig  hat,  ein 
neues  Wort  zu  bilden,  der  sollte  daran  denken,  daß  auch  mit  deutschem 
Sprachgut  neue  und  gute  Ausdrücke  geschaffen  werden  können. 

Damit  stehen  wir  am  Ende  der  Betrachtung,  die  den  Sondersprachen 
gewidmet  war.  Je  mehr  sich  unser  Volk  im  Laufe  der  Zeit  in  einzelne  Be- 
rufe und  Stände  verzweigt  hat,  um  so  mehr  hat  sich  auch  der  Wortschatz 
verzweigt,  und  es  erhellt  wohl  aus  dem  Angeführten  zur  Genüge,  daß  nur 
eine  eingehende  Untersuchung  jedes  einzelnen  Gebietes  uns  zu  dem  Ziel 
führen  kann,  das  die  Wortforschung  im  Auge  haben  muß,  die  allmähliche 


342  Dreizehntes  Kapitel.  KuLiuKüEstiiicHTLiCHES  in  unsrer  Sprache. 


Entstehung  des  deutschen  Wortschatzes  aufzuhellen.  Es  muß  noch  viel  Arbeit 
geleistet  werden,  eh  dies  auch  nur  notdürftig  geschelien  ist,  aber  ich  glaube 
gezeigt  zu  haben,  daß  hier  eine  dankenswerte  und  auch  eine  den  Forschenden 
befriedigende  Aufgabe  vorliegt.  Mögen  diese  Ausführungen  zu  neuen  Unter- 
suchungen anregen.  Gern  wäre  ich  auch  auf  die  Sprache  der  Naturwissen- 
schaften eingegangen,  die  nicht  wenige  Ausdrücke  neu  geschaffen  hat,  aber 
mir  fehlt  ein  Einblick  in  die  Verhältnisse  dieser  Wissenschaften. 

Manches  ist  auch  übergegangen,  was  vielleicht  Beachtung  verdient  hätte. 
So  hat  das  Parlament  seine  besondere  Sprache,  über  die  in  der  Frank- 
furter Zeitung  Nr.  325  vom  24.  11.  1910  und  Nr.  329  vom  28.  11.  1910  ge- 
handelt ist.  Da  wir  in  unsrer  Entwicklung  auf  diesem  Gebiet  von  England 
und  Frankreich  abhängig  sind,  so  kann  es  nicht  wundernehmen,  wenn  wir 
in  unsern  Ausdrücken  von  den  Sprachen  dieser  Länder  abhängig  sind. 

Zum  größten  Teil  handelt  es  sich  um  Übersetzungslehnworte:  Tagesordnung,  frz. 
ordre  du  jour;  —  Vertagung,  e.  adjournement;  —  zur  Ordnung  rufen,  Uz.  rappeler 
ä  l'ordre;  —  Thronrede,  e.  speedi  frorn  the  throne-.  —  der  Tisdi  des  Hauses,  e. 
table  of  the  house;  —  ein  Gesetz  einbringen,  e.  introduce  a  bill;  —  Jungfern- 
rede, e.  maidenspeadi. 

Die  besondern  Ausdrücke  für  das  Turnen  verdanken  wir  im  wesent- 
lichen Jahn.  Von  ihm  stammt  ja  vor  allen  Dingen  das  Wort  turnen  selbst. 
Er  schuf  es  nach  dem  bei  Moscherosch  vorkommenden  Turner  'junger 
Soldat,  ein  frischer,  junger  Gesell',  das  im  letzten  Grunde  auf  das  mittel- 
hochdeutsche Turnier  zurückgeht.  Weiter  hat  er  dann  Barren,  Hantel, 
Reck  und  andere  Worte  gebildet. 

Über  die  Dienstbotensprache  hat  H.  Klenz,  ZfdW.  11,225—235 
eine  kleine  lehrreiche  Abhandlung  geschrieben.  Die  Sprache  des  modernen 
Arbeiters  behandelt  O.  Basler,  ZfdW.  15,  246. 


Dreizehntes  Kapitel. 
Kulturgeschichtliches  in  unsrer  Sprache. 

§  202.  Überblick.  Auf  die  reichen  kulturgeschichtlichen  Niederschläge, 
die  wir  in  unserm  Wortschatz  antreffen,  haben  wir  fast  in  allen  frühern 
Abschnitten  aufmerksam  gemacht,  und  es  ist  geradezu  erstaunlich,  wie  viel 
sich  von  den  Zuständen  und  Einrichtungen  durch  die  Sprache  erkennen 
läßt.  Diese  kulturgeschichtliche  Bedeutung  ist  denn  auch  längst  beachtet 
worden.  Sie  hat  auf  viele  stets  eine  lebhafte  Anziehungskraft  ausgeübt. 
Ich  hoffe,  daß  auch  mein  Buch  dazu  dienen  wird,  diese  zu  vermehren. 

Wir  kommen  hier  auf  diesen  Gegenstand  noch  einmal  zurück,  weil  es 
nicht  wenige  Tatsachen  gibt,  die  sich  in  dem  Rahmen  der  frühern  Abschnitte 
nicht  unterbringen  ließen,  und  daher  sei  an  dieser  Stelle  noch  auf  einige 
Punkte,  besonders  aber  auf  einige  Bücher  hingewiesen,  in  denen  man  nach 
dieser  Richtung  Belehrung  findet. 


§  202.   ÜBERBLICK.  343 


Auf  den  hohen  Wert,  den  die  kulturgeschichtlichen  Reste  in  der  Sprache  für  den 
Unterricht  haben,  hat  schon  R.  Hildebrand,  Vom  deutschen  Sprachunterricht^  S.  89  ff., 
hingewiesen.  Besonders  viel  Altertümliches  steckt  in  den  sprichwörtlichen  Redensarten. 
Diese  sind  behandelt  von  Borchardt-Wustmann,  Die  sprichwörtlichen  Redensarten  im 
deutschen  Volksmunde  nach  Sinn  und  Ursprung  erläutert,  5.  Auflage,  Leipzig  1895.  Das 
Buch  bietet  vortrefflichen  Stoff  mit  guten  Erklärungen.  Es  berührt  sich  im  Stoffgebiet  eng 
mit  den  beiden  Büchern  von  H.  Schrader,  Der  Bilderschmuck  der  deutschen  Sprache  in 
Tausenden  volkstümlicher  Redensarten,  2.  Auflage,  Weimar  1894,  und  Aus  dem  Wunder- 
garten der  deutschen  Sprache,  Weimar  1896.  Einen  kurzen  Überblick  mit  manchem  Be- 
achtenswerten bietet  G.  Blumschein,  Kulturgeschichtliches  in  unsrer  Sprache,  WB.z.  ZADSV. 
1,  108  ff.,  145  ff.  Auch  Fr.  Härder,  Werden  und  Wandern  unserer  Wörter.  Etymologische 
Plaudereien,  S.Auflage,  Berlin  1906,  sei  hier  genannt.  Das  Buch  behandelt  nach  sachlichen 
Gesichtspunkten  geordnet  eine  Reihe  von  Wörtern  der  heutigen  Sprache  ihrer  Herkunft  nach. 
Ferner  O.  Weise,  Unsere  Muttersprache,  ihr  Werden  und  ihr  Wesen,  Leipzig  1895  und  öfter. 

Betrachten  wir  unsere  heutigen  Zustände,  so  sind  wir  unzweifelhaft  die 
Erben  der  altern  Vergangenheit,  und  wenn  man  das  19.  und  20.  Jahrhundert 
voll  verstehen  will,  muß  man  in  die  fernsten  Zeiten  zurückgehen.  Wir  haben 
uns  nicht  allein  aus  den  Zuständen  des  Mittelalters  heraus  entwickelt,  sondern 
wir  stehen  auch  auf  den  Schultern  der  Griechen  und  Römer,  ja  des  alten  Orients. 
Dieser  hat  uns  ja  dementsprechend  auch  manches  Lehnwort  gespendet. 

Es  wäre  eine  dankenswerte  Aufgabe,  die  ganzen  geschichtlichen  Ein- 
wirkungen dieser  Art,  die  sich  in  unsrer  Sprache  niedergeschlagen  haben, 
in  ihrer  Folge  darzulegen.  Indessen  müßte  dabei  vieles  Gesagte  wieder- 
holt werden,  und  wir  greifen  daher  hier  nur  einige  Punkte  heraus,  die 
noch  nicht  zur  Sprache  gekommen  sind,  geben  aber  doch  auch  einige 
allgemeine  Bemerkungen. 

Mit  Hilfe  des  Wortschatzes  ist  es  möglich,  die  Kultur  der  Indogermanen 
zu  erschließen,  und  wir  haben  nach  dieser  Richtung  in  dem  genannten 
Kapitel  einige  Andeutungen  gegeben,  obgleich  diese  Frage  ja  eigentlich  über 
den  Rahmen  dieses  Buches  hinausführt.  Klarer  tritt  uns  dann  an  der  Hand 
des  Wortschatzes  die  gar  nicht  geringe  Kultur  der  Germanen  entgegen. 

Deutlicher  konnten  wir  den  kulturellen  Einfluß  der  Griechen  und 
Römer  an  der  Hand  der  Lehnworte  nachweisen.  Besonders  bemerkenswert 
ist  hier  die  durch  die  Goten  vermittelte  Einwirkung  des  griechischen  Wort- 
schatzes, der  uns  einen  Einblick  in  die  Bedeutung  der  gotischen  Kirche 
bietet  und  zugleich  Aufschlüsse  gewährt,  von  der  keine  Geschichte  meldet. 

In  den  geschichtlichen  Zeiten  werden  solche  überraschende  Aufschlüsse 
ireilich  seltener,  aber  sie  fehlen  natürUch  niemals  ganz. 

Daß  die  antiken  Sitten  und  Anschauungen  noch  mehrfach  bei  uns  nachwirken,  wird 
bei  den  Ausdrücken  für  Sterben  (unten  §  204)  zur  Sprache  kommen.  Das  Bild  des  Lebens- 
fadens  ist  griechisch.  Von  den  römischen  Gladiatorenspielen  stammt  die  Redensart: 
jemand  den  Daumen  halten.  Sollte  der  verwundete  Gladiator  am  Leben  bleiben,  so 
kniff  man  den  Daumen  ein  und  hielt  die  vier  andern  Finger  in  die  Höhe.  Zankapfel 
ist  nach  dem  pomum  Eridis  im  16.  Jahrhundert  gebildet.  Wir  sprechen  von  Achilles- 
ferse, Danaergesdienk,  Pyrrhussieg,  Sisyphusarbeit,  Tantalusqualen  usw. 
Aus  unsrer  eigenen  primitiven  Vorzeit  rührt  noch  die  Redensart:  die  Tafel  aufheben, 
älter  den  Tisdi  aufheben  her.   Die  Tische  wurden  tatsächlich  hinausgetragen.   Derartiges 


344  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Sprachgutes.  Sprachl.  Versteinerungen. 

haben  wir  schon  verschicdenflich  kennen  gelernt.  Wir  wollen  hier  nur  noch  einige  all- 
gemeine Gebiete  berühren,  die  bisher  nicht  zur  Sprache  gekommen  sind.  Aus  dem  Kreis 
der  Zauberei  stammen  die  Redensarten:  einem  blauen  Dunst  vormadien,  sein 
blaues  Wunder  sehen.  Etwas  aus  dem  Ärmel  sdiütteln  rührt  vom  Taschenspieler 
her.  Über  die  mittelalterlichen  Schützenfeste  und  ihre  Nachklänge  in  der  Sprache  spricht 
Blumschein  a.  a.  O.  150  f.  Das  Wort  Zweck,  eigentlich  'Zielpflock'  hat  sicher  seine 
übertragene  Bedeutung  von  dem  Scheibenschießen  aus  erhalten.  Er  heißt  noch  bei  Fischart 
er  sdioß  zum  Zwedi.  Ebendahin  gehören  ins  Sdiwarze  treffen,  den  Vogel  ab- 
sdiießen.  Der  Hauptpreis  hieß  das  Beste,  und  damit  hängt  sicher  unser  zum  besten 
geben,  eigentlich  'als  Preis  aussetzen'  zusammen. 

Welche  Nachwirkungen  aus  der  Sprache  der  Künste  noch  jetzt  zu 
finden  sind,  ist  noch  nicht  genügend  untersucht.  Aus  der  Malerei  stammen 
kasdiieren  und  vertusdien.    Über  die  Musik  ist  oben  gesprochen  worden. 

Auch  das  Kartenspiel  ist  von  Wiciitigkeit.  Wenn  man  bedenkt,  daß  jetzt  schon 
aus  dem  doch  jungen  Skatspiel  volkstümliche  Redeweisen  wie  etwas  in  den  Skat  legen 
oder  im  Skat  liegen  geflossen  sind,  so  wird  man  gleiche  Einwirkungen  auch  für  die 
altern  Zeiten  voraussetzen  dürfen.  Wir  gebrauchen  ganz  gewöhnlich  in  übertragenem 
Sinne:  abtrumpfen,  übertrumpfen,  einen  Trumpf  darauf  setzen,  sidi  nidit 
in  die  Karten  sehen  lassen,  va  banque  spielen,  Farbe  bekennen.  Unverständlich 
aber  ist  schon  einen  labet  madien,  worin  frz.  faire  la  bete  steckt.  Vor  allem  abergeht 
die  böse  Sieben  auf  das  Kartenspiel  zurück.  In  des  Teufels  Karnöffelspiel,  einem  Spiel 
des  16.  Jh.,  war  die  Sieben  eine  Freikarte,  die  von  keinem  Blatt  gestochen  werden  konnte 
und  die  der  Teufel  oder  'die  böse  Sieben'  hieß.  Man  hat  später  das  Bild  einer  Frau 
darauf  angebracht,  und  so  ist  unsere  heutige  Gebrauchsweise  entstanden.  Über  weitere 
Ausdrücke  vgl.  H.  Schr.ader  a.  a.  O.  448.  Die  außerordentlich  hohe  Bedeutung  des  Schach- 
spiels zeigt  sich  darin,  daß  der  Ausdruck  matt,  ja  sogar  s  dj  a  di  m  a  1 1  herübergenommen  wurde. 

Das  sind  nur  noch  einige  Beispiele  zu  dem  früher  bereits  Angeführten. 
Erschöpfend  kann  der  Stoff  überhaupt  nicht  vorgeführt  werden.  Jeder  Band, 
ja  jede  Seite  eines  ausführlichen  Wörterbuches  bietet  neue  Belege.  Es  ist 
aber  nicht  immer  leicht,  der  ursprünglichen  Herkunft  eines  Wortes  nach- 
zukommen. Oft  wird  sie  nur  durch  den  Zufall  aufgedeckt.  Wenn  wir  heute 
Jalousie  gebrauchen,  so  empfindet  man  wohl,  daß  es  das  französische 
Jalousie  'Eifersucht'  ist,  und  da  wir  nicht  so  eifersüchtig  sind,  um  unsere 
Frauen  hinter  vergitterten  Fenstern  einzuschließen,  so  wird  man  naturgemäß 
nach  dem  Orient  geführt,  wo  diese  Vergitterung  für  das  Frauengemach 
üblich  war.  Wir  würden  aber  dennoch  im  Dunkeln  tappen,  wenn  wir  nicht 
eine  Bemerkung  bei  Nehring  1710  fänden,  in  der  es  heißt:  „In  dem  Divan 
zu  Constantinopel  über  dem  Haupt  des  Großveziers  ist  ein  Fenster  mit 
einem  eisernen  Gitter,  durch  welches  der  Großsultan  alles  was  im  Divan 
passiert,  sehen  kann,  welches  man  la  Jalousie  nennet." 

Wir  werden  unten  eine  große  Anzahl  von  Worten  anführen,  die,  aus 
Eigennamen  entstanden,  heute  eine  allgemeine  Bedeutung  angenommen 
haben.  Welche  Rolle  dabei  der  Zufall  spielt,  liegt  klar  zutage.  Man  hat 
aber  diese  Worte  nur  soweit  aufzuklären  vermocht,  als  die  geschichtliche 
Überlieferung  uns  die  allmähliche  Entstehung  des  Wortes  verfolgen  läßt.  So 
kennen  wir  die  Herkunft  des  Ausdrucks  Röntgenstrahlen,  wir  wissen,  wo- 
her Chassepot,  Maasergewehr  stammen.    Was  aber  heute  möglich  ist,  näm- 


§  203.  Das  aufgegebene  Sprachgut.  345 

lieh  daß  Sachen  nach  Individuen  benannt  werden,  das  hat  auch  früher  ge- 
schehen können.  -In  solchen  Fällen  versagt  dann  aber  die  Möglichkeit 
der  Erklärung  und  darum  bleiben  noch  so  manche  Wörter  völlig  dunkel. 


Vierzehntes  Kapitel. 
Aufgeben  alten  Sprachgutes.    Sprachliche  Versteinerungen. 

§  203.  Das  aufgegebene  Sprachgut.  In  unsrer  Sprache  herrscht  nicht  nur 
ein  Leben,  das  immerfort  neue  Wörter  schafft,  sondern  in  gewissem  Sinne 
auch  ein  Verfall,  es  sterben  Wörter  aus.  Schon  das  Mittelhochdeutsche  zeigt 
uns  zum  Teil  einen  Sprachschatz,  den  wir  heute  nicht  mehr  besitzen. 

Anmerkung.  Vgl.  hierzu  auch  die  Arbeit  von  Alice  Vorkampff-Laue,  Zum  Leben 
und  Vergehen  einiger  mhd.  Wörter.  Halle  (Niemeyer)  1906.  —  P.  Abel,  Veraltende  Bestand- 
teile des  mhd.  Wortschatzes.  Diss.  Erlangen  1902.  —  Bernt,  Ausgabe  der  Werke  Heinrichs 
von  Freiberg.   Halle  1911,  Einleitung  S.  11  ff. 

Noch  größer  ist  unser  Verlust  gegenüber  dem  Althochdeutschen  und 
Gotischen. 

Aus  dem  einen  gotischen  Buchstaben  b  sind  folgende  verlorene  Wortstämme  zu 
nennen:  baidjan  'zwingen',  bairan  'tragen',  bairhts  'hell,  offenbar',  balwa-  'böse',  banja 
'Wunde',  barizeins  'gersten',  barnis  'Busen,  Schoß',  barn  'Kind',  barusnjan  'verehren', 
ufbauljan  'aufblasen',  baiips  'stumm',  beidan  'warten',  beist  'Sauerteig',  berusjös  'Eltern', 
biuhts  'gewohnt',  biups  'Tisch',  blandan  'vermischen',  bleips  'barmherzig',  blötan  'verehren', 
bnaiian  'reiben',  braJv-  'Blick',  brakja  'Ringen',  bugjan  'kaufen'. 

Anmerkung.  Dank  der  Dissertation  von  Schenk  (oben  S.  255)  können  wir  auch 
etwas  über  den  althochdeutschen  Wortschatz  sagen.  Er  verzeichnet  58  Wörter,  die  außer 
im  keronischen  Glossar  noch  in  Glossensammlungen  und  zusammenhängenden  Sprach- 
denkmälern des  8.  und  beginnenden  9.  Jahrhunderts  belegt  sind.  96  Wörter  sind  außerdem 
noch  im  9.  und  10.  Jahrhundert,  insbesonders  bei  Otfrid  und  Tatian  nachzuweisen,  dann 
aber  verloren  gegangen.   Hier  treffen  wir  sehr  viel  altes  Erbgut. 

Sicher  ist  demnach  auch  viel  altes  indogermanisches  Erbgut  verloren 
gegangen.  Zweifellos  ist  das  der  Fall,  wenn  die  in  andern  indogermanischen 
Sprachen  fortlebenden  Wörter  in  einer  germanischen  Mundart  noch  vor- 
handen sind  oder  vorhanden  waren.  Dahin  gehören  z.  B.  aus  dem  Buch- 
staben a  des  Lateinischen: 

lat.  ad,  noch  got.  at,  ahd.  az;  lat.  aedes  'Zimmer',  eig.  'Feuerstätte',  ahd.  eit  'Scheiter- 
haufen'; lat.  agnus  'Lamm',  gr.  d/nvög  (amnös)  noch  in  ags.  eanian,  e.  io  yean  'lammen'; 
lat.  ago  'führe'  noch  in  an.  aka  'fahren' ;  lat.  albus,  gr.  a}.rp6g  {alphös)  'weiß'  in  ahd.  albiz 
'Schwan';  lat.  alias,  gr.  älXog  (ällos)  'anderer'  in  got.  alj'is,  jetzt  noch  in  Elend;  lat.  annus 
'Jahr'  in  got.  apn;  lat.  antae  'die  frei  endigenden  und  von  etwas  verstärkten  Wände,  die 
den  Pronaos  eines  Tempels  oder  die  Prostas  eines  Hauses  einschließen'  noch  in  an.  önd 
'Vorzimmer';  lat.  aqua  'Wasser'  in  got.  afva;  lat.  orätrum  'Pflug'  in  an.  arär;  lat.  arcus 
'Bogen'  in  got.  arhazna  'Pfeil';  lat.  ardea  'Reiher'  in  an.  arta  'ein  Vogel';  lat.  arduus 
'hoch'  in  an.  öräugr  'steil';  lat.  armentum  'Großvieh'  in  slu.  jönnuni  'Rxnd,  Pferd';  lat.  aro 
'pflügen',  ahd.  erran;  lat.  at  'aber',  got.  appan  'aber';  lat.  augere  'vermehren',  got.  aukan 
'wachsen';  lat.  avus  'Großvater',  got.  awö  'Großmutter'. 

Das  ist  eine  recht  beträchtliche  Zahl.   Aber  wenn  auch  im  Germanischen 


346  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Spr.\chgutes.  Sprachl.  Versteinerungen. 

jede  Spur  eines  sonst  auftretenden  Wortes  fehlt,  so  kann  man  doch  mit 
Siciierheit  annehmen,  daß  es  auch  bei  uns  einst  voriianden  war. 

So  viel  ich  sehe,  ist  Försteaunn,  Geschichte  des  deutschen  Sprach- 
stammes 1,  458  ff.,  der  einzige  gewesen,  der  den  einschlägigen  Stoff  zu- 
sammengestellt hat.  Seine  Liste,  die  freilich  heute  durchaus  nicht  mehr 
zutreffend  ist,  gibt  wenigstens  einigen  Anhalt,  und  es  ist  wohl  angebracht, 
hier  ein  paar  Worte  anzuführen,  die  sonst  in  den  indogermanischen  Sprachen 
mehr  oder  minder  weit  verbreitet  sind,  im  Germanischen  aber  fehlen.  Es 
wäre  eine  dankenswerte  Aufgabe,  sie  einmal  vollständig  zu  sammeln. 

Dahin  gehören:  aind.  fkiah,  lat.  ursus,  gr.  ägxTo:  {ärktos),  dafür  bei  uns  Bär;  ai. 
nar-,  gr.  ä)»;;.)  {amr).  szh'm.  ner-  'Mann';  gr.  .-rontr/y  (poimtn),  Wi.piemuö,  dafür ///W;  aind. 
äs,  lat.  öS,  dafür  Mund;  gr.  lag  (ear),  lat.  asser,  dafür  Blut;  gr.  ßü).avo;  (btUanos),  lat. 
glans,  dafür  Eidiel;  ai.  javah,  gr.  ^eä  {zeä)  'Gerste';  g\.  neUrt]  (melinf),  lat.  milium  'Hirse*; 
aind.  yM^'a-,  lat.  yw^  'Brühe*;  aind.  agnüi,  lit.  ugn'is,  lat.  ignis  'Feuer'  usw.  Auf  sonstige 
Fälle  ist  schon  gelegentlich  aufmerksam  gemacht  worden,  und  zweifellos  ließe  sich  diese 
Liste  leicht  vermehren. 

§  204.  Die  Gründe  für  das  Aufgeben  der  Worte.'i  Die  Gründe,  die  zum 
Verlust  alten  Sprachgutes  führen,  sind  völlig  wohl  nicht  klarzulegen,  aber 
eine  ganze  Reihe  von  Ursachen  lassen  sich  erkennen. 

1.  Zunächst  bestehen  für  eine  große  Anzahl  von  Begriffen  mehrere 
Ausdrücke.  Es  war,  wie  wir  gesehen  haben,  in  früherer  Zeit  alles  mehr 
durch  einzelne  Wörter  ausgedrückt,  vgl.  oben  S.  98  f.  Der  Zug  der  geistigen 
Entwicklung,  der  an  die  Stelle  der  Vielheit  immer  mehr  die  Verallgemeinerung 
setzt,  bedarf  des  einen  und  des  andern  Wortes  nicht  mehr  und  gibt  es  auf, 
sobald  die  Bedeutungen  zusammengefallen  sind.  So  haben  wir  im  Indo- 
germanischen zwei  Worte  für  Feuer,  aind.  agnih,  abg.  ogni,  lit.  ugnis,  lat. 
ignis  und  gr.  tivq  (pyr),  umbr.  pir,  arm.  hur,  ahd.  ßur,  e.  fire.  Soviel  ich 
sehe,  hat  keine  Sprache  beide  Ausdrücke  bewahrt.  Sie  waren  aber  beide 
im  Indogermanischen  vorhanden,  wie  daraus  hervorgeht,  daß  das  Umbrische 
den  einen,  das  Lateinische  den  andern  kennt.  Ursprünglich  haben  sie  höchst- 
wahrscheinlich etwas  Verschiedenes  bedeutet,  wie  etwa  heute  Feuer  und  Glut. 

Ferner  gab  es  mehrere  Ausdrücke  für  Gerste:  lat.  hordeum,  d.  Gerste;  lat.  far,  ags. 
bere,  e.  barley;  &\.  javah,  Wi-javal,  gr.  '^fä  {zeä).  Davon  behielt  man  nur  einen  bei,  hatte 
aber  im  Urgermanischen  noch  mindestens  zwei,  e.  barley  und  d.  gerste.  Eine  Entsprechung 
des  lat.  agnus  'Lamm'  war  im  Urgermanischen  noch  vorhanden,  wie  ags.  eanian,  e.  to 
yean  'lammen'  beweist,  es  wurde  durch  Lamm  verdrängt,  das  auch  alt  ist,  da  es  mit  gr. 
f/.aqoi  {elaphos)  'Hirsch'  verwandt  ist.  —  Neben  idg.  *sünus  stand  noch  das  in  lat.  fUius 
vorliegende  Wort,  von  dem  das  Deutsche  keine  Spur  bewahrt.  Selbst  wir  haben  ja  noch 
eine  ganze  Fülle  verschiedener  Ausdrücke  für  diesen  Begriff  Junge,  Kind,  Sohn  mit  einer 
gewissen  Bedeutungsverschiedenheit,  und  so  wird  es  auch  in  alter  Zeit  gewesen  sein.   mhd. 

')  Literatur:  A.NOREEN.  Ordensdöd  in   ,  Verba    im   Englischen.    Diss.  Kiel  1908.  — 

Spridda  Studier,  Stockholm  1903,  S.  126—137.  Oberdörffer,  Das  Aussterben  altenglischer 

—  Br.  Liebich,  Btr.  23,  228  ff.  —  F.  Holt-  Adjektiva  und  ihr  Ersatz.  Diss.  Kiel  1908.  — 

HAUSEN,  Vom  Aussterben  der  Wörter.  Wörter  Fr.  Teichert,    Über    das   Aussterben   alter 

und  Sachen  7,  184  ff.   —  E.  He.mken,   Das  Wörter  im  Verlaufe  der  englischen  Sprach- 

Aussterben  der  Wörter  im  Englischen.   Diss.  geschichte.  Diss.  Kiel  1912. 
Kiel  1906.  —  Offe.   Das  Aussterben   alter 


§  204.  Die  Gründe  für  das  Aufgeben  der  Worte.  347 


tougen  und  heimlidi  waren  ursprünglich  verschieden  in  der  Bedeutung.  Als  sie  zusammen- 
fielen, wurde  tougen  aufgegeben.  Dasselbe  gilt  von  mhd.  midiel  und  grU^,  lüzzel  und 
klein.  Für  „Schwan"  gab  es  noch  mittelhochdeutsch  zwei  Ausdrücke  swan  und  elbiz,  von 
denen  der  zweite  fast  überall  verloren  gegangen  ist  und  nur  noch  im  Bernischen  fortlebt. 
Beispiele  dieser  Art  lassen  sich  noch  viele  anführen. 

2.  Verlust  von  Worten  infolge  lautlichen  Zusammenfalls.  Im 
Laufe  der  Sprachentwicklung  tritt  der  Fall  sehr  oft  ein,  daß  Worte  ver- 
schiedener Form  lautlich  zusammenfallen.  Da  sich  dann  leicht  Mißverständ- 
nisse einstellen  können,  so  verwendet  man  für  das  eine  Wort  gern  ein 
gleichbedeutendes,  und  dann  stirbt  es  aus. 

Ein  wichtiges  Beispiel  bietet  das  alte  Wort  für  'Pflug'  im  Indischen. 
Dem  gr.  uootqov  (ärotron),  lat.  aratrum  sollte  im  Indischen  aritram  ent- 
sprechen. Da  aber  dies  auch  'Ruder'  bedeutet,  einer  Ablautsform  zu  unserm 
deutschen  Ruder,  so  ist  die  Bedeutung  'Pflug'  verloren  gegangen. 

In  ähnlicher  Weise  dürfte  das  Wort  für  'Schwiegertochter'  ahd.  snura  wegen  des 
Zusammenfalls  mit  die  Sdinur  aufgegeben  worden  sein.  Vergleiche  ferner  Adit,  nur  noch 
in  Adit  geben  u.  a.  und  Adit  (zu  äditen);  Art  'gepflügtes  Feld'  und  Art  'Art  und  Weise'; 
Aue  'Mutterschaf  und  Aue  'Land';  Bär  'Zuchteber'  neben  Bär  'ursus';  Beutel  in  Stedi- 
bentel  neben  Beutel  'Säckchen";  Beute  'hölzernes  Bienenfaß'  neben  ß^u^^ 'Gewinn';  Latte 
'schmales  Holz'  und  Latte  'jung  aufgeschossener  Baum';  ledien  'lambere'  und  ledien  'mit 
dem  Fuß  ausschlagen';  mäkeln  'bekritteln'  und  mäkeln  'den  Unterhändler  machen';  eng- 
lisdi  'engelhaft  und  den  Engländern  zugehörig'.  Die  erstere  Bedeutung  ist  heute  fast  un- 
gebräuchlich und  Goethes 

sie  stellen  wie  vom  Himmel  sidi  gesandt 

und  lispeln  englisdi,  wenn  sie  lügen.    Faust  1141 

bedarf  der  Erklärung.  Neben  Sdioß  in  der  Bedeutung  'Mutterleib'  usw.  konnte  sich  Sdioß 
'Geldabgabe'  nicht  halten.  Zahlreiche  Beispiele  kann  man  aus  Weigands  Wörterbuch  ent- 
nehmen, wo  sich  sehr  viele  Doppelartikel  finden.  Gewöhnlich  ist  das  eine  der  angeführten 
Wörter  heute  nicht  mehr  recht  üblich. 

3.  Verlust  an  Worten  durch  Euphemismus. 

Literatur:  Scheffler,  Der  verhüllende  oder  euphemistische  Zug  in  unserer  Sprache. 
WBzZADS.  14.  15  (1898).  —  Nyrop-Vogt,  Das  Leben  der  Wörter.  1.  Euphemismus.  Leipzig 
1903.  —  Hans  Schulz,  Frühneuhochdeutsche  Euphemismen.   ZfdW.  10,  129  ff. 

Einen  dritten  Grund  kann  man  als  Euphemismus  bezeichnen.  Man 
will  und  darf  das  Ding  nicht  beim  rechten  Namen  nennen.  Dabei  lassen 
sich  wieder  mehrere  Unterabteilungen  unterscheiden. 

Zunächst  haben  wir  abergläubische  Scheu  vor  bösen  Mächten  oder  die  Ehrfurcht  vor 
dem  Erhabenen.  Bekanntlich  dürfen  die  Israeliten  den  Namen  Jehova  nicht  aussprechen 
und  ersetzten  ihn  durch  Adonai.  Es  kann  auf  einem  ähnlichen  Grund  beruhen,  wenn  der 
Ausdruck  für  'Gott',  idg.  *deiwos  in  so  vielen  Sprachen  durch  neue  Worte  ersetzt  wird, 
so  daß  wir  im  Griechischen  i}e6;  (theös),  im  Lat.  deus,  im  Germanischen  got.  gup,  im 
Slawischen  bogu  finden.  In  spätrer  Zeit  wird  Gott  auch  bei  uns  ausgelassen,  wir  sagen 
behüte,  bewahre  oder  wandeln  das  Wort  um  in  Potz  Wetter,  Potz  Blitz.  Man  soll  auch 
den  Teufel  nicht  an  die  Wand  malen,  und  es  treten  daher  eine  Fülle  neuer  Namen  für 
ihn  auf.  wie  der  Böse,  der  Versudier,  der  Sdiwarze,  der  alte  böse  Feind. 

Mit  der  linken  Seite  war  das  Unglück  verbunden,  und  daher  wird  das  Wort  dafür 
vermieden.  Während  das  Wort  für  redits  fast  durch  alle  indogermanischen  Sprachen  hindurch- 
geht, ai.  dakHnah,  abg.  desXnu,  lit.  deUne,  alb.  diapta,  gr.  öeSio;  (dexiös),  lat.  dexter,  got. 


348  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Sprachgutes.  Sprachl.  Versteinerungen. 

~  ' JT—    .-■■,-  ■  — --.-  --■■■  y  ,  —  ,-■,.,  -■■---  ■■■■—       ^^ 

taihswü,  finden  wir  für  links  eine  Fülle  von  Ausdrücken,  nämlich  aind.  savjdh,  abg.  sitj; 

gr.  kauK  (laiös),  lat.  laevus,  abg.  Icvn;  gr.  oxoio,-  (skaiös),  lat.  scaevus;  ir.  cU,  got.  ///^z- 

diuna.  die  sich  infolge  ihrer  Übereinstimmung  in  verschiedenen  Sprachen  als  alt  erweisen. 

Daneben  stehen  offenbare  Neubildungen.    Gr.  dniaxtuo;  {aristerös)  heißt  'die  bessere',  lat. 

sinister  vielleicht  etwns  ähnliches,   ahd.  winistar  gehört  zu  wini  'Freund';    so   wird   also 

auch  links  ein  Fuphemismus  sein,  wenn  wir  das  Wort  auch  vorläufig  nicht  erklären  können. 

Ein  alter  Reim  sagt: 

Wenn  man  den  Wolf  nennt, 

kommt  er  gerennt. 

Man  hat  es  also  vermieden,  das  Wort  auszusprechen.  Indessen  hat  sich  hier  das  alte  Wort 
bis  zum  heutigen  Tage  erhalten.')  Das  Wort  für  Bär,  lat.  iirsus,  gr.  änxjo::  [ärktos),  aind. 
fk<ah  ist  dagegen  im  Germanischen  und  Slawischen  verloren  gegangen,  hier  durch  med- 
vedi  'Honigesser',  dort  durch  Bür,  ahd.  bßro,  eigentlich  'der  Braune',  verdrängt  worden. 
Daneben  besteht  in  den  Dialekten  der  Ausdruck  Betz  oder  Petz,  eine  Koseform  zu  Bär. 
Es  ist  möglich,  wenn  auch  nicht  sicher,  daß  abergläubische  Scheu  diese  Namen  geschaffen 
hat.  Vgl.  Meillet,  Interdictions  dans  les  langues  indo-europeennes,  A.  J.  Vendryes  zum 
3.  Juli  1906  gewidmet,  Chartres  1906,  und  H.  Schulz,  ZfdW.  10,  167  ff. 

Von  Tod  und  Krankheit  hören  noch  heute  viele  Leute  nicht  gern  sprechen,  und  so 
wird  es  schon  in  alten  Zeiten  gewesen  sein.  Fast  auf  keinem  Gebiet  können  wir  Um- 
schreibungen und  neue  Worte  für  die  Begriffe  so  gut  nachweisen  wie  gerade  hier.  Für 
Tod  und  sterben  sagt  man:  sdieiden,  eingehen  zu  einem  bessern  Leben,  hinsdieiden,  zu 
seinen  Vätern  versammelt  werden,  entsdilafen,  der  Verklärte.  Gott  hat  ihn  zu  sidi  ge- 
nommen usw.;  für  krank  unpäßlidi,  leidend,  unwohl  w.  a.  Derartige  Umschreibungen, 
wie  sie  in  allen  Sprachen  wiederkehren,  vgl.  Nyrop-Vogt,  Das  Leben  der  Wörter,  Leipzig 
1903,  S.  16  ff.,  weisen  uns  den  Weg  zur  Erklärung  der  altern  Ausdrücke. 

Anmerkung  1.  Den  verschiedenen  Ausdrücken  für  sterben  liegen  natürlich  ver- 
schiedene religicJse  und  philosophische  Anschauungen  zugrunde.  Diese  sind  untersucht  von 
Friedrich  Wilhel.m,  Die  Euphemismen  und  bildlichen  Ausdrücke  unsrer  Sprache  über 
Sterben  und  Totsein  und  die  ihnen  zugrunde  liegenden  Vorstellungen;  Alemannia  27,  73  ff. 
Er  zeigt,  daß  eine  Reihe  von  Ausdrücken  wie  seine  Seele  fliegt  zum  Himmel,  entseelt, 
entleibt,  absdieiden,  den  Weg  alles  Fleisdies  gehen,  durdi  den  Tod  erlöst  werden  auf  die 
katholische  Kirche  des  Mittelalters  und  auf  die  Mystiker  zurückgehen.  Die  meisten  Euphemis- 
men sind  dann  durch  die  Bibel  und  den  Protestantismus  hervorgerufen,  so:  in  die  Ewigkeit 
abrufen,  in  ein  besseres  Jenseits,  in  die  ewige  Heimat;  zu  Staub,  zu  Erde  werden;  in 
den  Himmel,  in  Abrahams  Sdioß  eingehen ;  den  Kampf  der  Leiden  auskämpfen,  zu  seinen 
Vätern  versammelt  werden  \x.  a.  Weiter  wirken  die  antiken  Anschauungen  ein:  das  Lebens- 
lidit  ausblasen,  entsdilafen,  den  Geist  aufgeben,  den  Lebensfaden  absdineiden.  Die  Volks- 
sprache dagegen  ist  sehr  viel  derber.  Sie  sagt:  zur  großen  Armee  abberufen  werden,  die 
Reisestiefel  anziehen,  abfahren,  um  die  Edte  gehen,  ins  Gras  beißen;  vgl.  über  letzteres 
PiSCHEL,  SB.  der  preuß.  Akad.  der  Wiss.  1908,  445  ff.  Auf  die  Kriegs-  und  Rechtssprache  des 
Mittelalters  weisen  Ausdrücke  wie:  das  Leben  lassen,  verlieren;  es  geht  an  sein  Leben, 
es  kostet  ihm  sein  Leben,  er  bezahlt  etwas  mit  seinem  Leben.  Dichterisch  und  erst  neu- 
hochdeutsch sind:  sein  letztes  Stündlein  hat  gesdilagen,  seine  Uhr  ist  abgelaufen. 

Unser  sterben,  ahd.  sterban,  e.  to  starve  'umkommen,  besonders  vor  Hunger  oder 
Kälte'  findet  keine  Entsprechung  in  den  verwandten  Sprachen.  Da  sich  aber  im  Alt- 
nordischen ein  starf  n.  "Arbeit,  Mühe,  Anstrengung'  findet,  dazu  starfa  'sich  mühen',  so 
könnte  streben,  mhd.  streben  'sich  heftig  bewegen,  sich  abmühen,  ringen'  verwandt  sein. 


')  H.  Schulz,  ZfdW.  10,  167  ff.  handelt  '   stiel.  Holzgangel.    Nach  dem  Aberglauben 
über  die  Ersatzausdrücke  für  Wolf.  Er  heißt      der   Schäfer   durfte    man    den   Namen   des 


im  16.  Jh.  Untier,  Hölzing,  Wul,  der  Hen- 
nidie,  Unflat,  Ungeziefer,  Grauhans,  Grau- 


Wolfes  nicht  in  den  zwölf  Nächten  nennen. 


§  204.  Die  Gründe  für  das  Aufgeben  der  Worte.  349 

Man  vergleiche  gr.  ol  y.aiiövzec  {hoi  kamöntes)  'die  Verstorbenen'  zu  xäuveiv  {kämnen) 
'sich  mühen'.  Anderseits  hat  man  auch  lat.  torppre  'betäubt  sein'  herangezogen,  vergleiche 
ersterben,  anord.  stjarfe  'Starrkrampf.  Welche  Ableitung  richtig  ist,  läßt  sich  nicht  sagen. 
Das  gr.  Oävarog  {thänatos)  gehört  zu  aind.  dhvan-  'erlöschen,  schwinden,  dunkeln'. 

Tod,  ahd.  töd,  e.  death,  got.  daupus,  tot,  ahd.  tot,  e.  dead,  got.  daups,  also  mit  gram- 
matischem Wechsel  und  daher  alt,  stellt  sich  zu  lit.  dövlti  'quälen',  ahg.daviti  'erwürgen'. 

Mord,  ahd.  mord  ist  auch  charakteristisch.  Es  gehört  zu  lat.  mortuus,  gr.  ßooiög 
(brotös)  aus  *mrotds  und  den  entsprechenden  Worten  der  verwandten  Sprachen,  die 
überall  nur  'Tod'  bedeuten.  Die  Bedeutungsverengerung  zu  'gewaltsamer  Tod'  deutet  darauf 
hin,  daß  dieser  in  altgermanischer  Zeit  sehr  gewöhnlich  gewesen  sein  muß. 

Für  den  Begriff  'toter  Körper'  haben  wir  den  Ausdruck  Leidie,  mittelhochdeutsch 
mit  dem  Sinn  'Leib,  Körper'.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  steckt  noch  in  Leididorn 
'Hühnerauge',  d.h.  'Dorn  im  Körper';  ebenso  in  Leidinam;  denn  ahd.  iihhinamo,  daneben 
lihhamo,  ist  eine  Umschreibung;  die  ursprüngliche  Bedeutung  war  'Hülle  des  Körpers'. 
Es  ist  dies  wahrscheinlich  ein  Ausdruck  der  Dichtersprache,  wie  ags.  fkesdioma  'Fleisch- 
hülle', bänfcet  'Knochengefäß',  bänhüs  'Knochenhaus'. 

Unser  Wort  krank,  das  mittelhochdeutsch  noch  'schmal,  gering,  kraftlos'  bedeutet, 
hat  das  gemeingermanische  Wort  siedi,  ahd.  sioh,  e.  sidi,  got.  siuks  verdrängt.  In  den 
Ableitungen  Seudie  und  -sudit,  Sdiwindsudit  ist  es  noch  allgemein  vorhanden,  siedi 
könnte  als  Ablautsform  zu  sdiwadi,  mhd.  sdiwadi  gehören. 

Anmerkung  2.  Auch  leben,  ahd.  leben,  e.  to  live,  got.  liban  ist  seiner  Herkunft 
nach  sehr  bemerkenswert.  Das  indogermanische  Wort  lat.  vivus,  gr.  ßlo;  (bios)  ist  nur 
noch  in  quedi  {Quecksilber),  kedi  erhalten,  leben  hat  es  im  wesentlichen  verdrängt.  Alt- 
nordisch bedeutet  Ufa  'leben'  und  'übrig  sein',  und  daher  ist  der  Zusammenhang  mit 
bleiben  sicher.  Wenn  man  sich  an  die  Schilderungen  der  nordischen  Sagas  erinnert,  wie 
so  oft  durch  einen  feindlichen  Überfall  eine  ganze  Familie  vernichtet  wurde,  oder  an  die 
heftigen  Schlachten,  aus  denen  nur  wenige  davon  kamen,  so  wird  man  die  Bedeutungs- 
entwicklung von  'übrig  bleiben'  zu  'leben'  verstehen. 

Weiter  vermeidet  man  überhaupt,  die  Dinge  beim  rechten  Namen  zu  nennen.  Für 
die  geistige  Beschränktheit  oder  Dummheit  sagt  man  heute  schon  einfältig,  ansprudislos, 
harmlos,  unsdiuldig.  Beschränkt  ist  selber  ein  Euphemismus,  wie  wahnsinnig,  wahnwitzig 
'ohne  Sinn,  ohne  Verstand'.  Vielfach  treten  da  in  neuerer  Zeit  die  Fremdwörter  ein.  Ferner 
unterläßt  man  es  schon  seit  langem,  gewisse  natürliche  Vorgänge  und  gewisse  Teile  des 
menschlichen  Körpers  zu  benennen.  Wo  man  sie  doch  bezeichnen  muß,  verwendet  man 
Umschreibungen  und  Ersatzausdrücke.  Das  Wort,  das  Luther  mit  'lateinische  Kunst'  um- 
schrieb, ließ  Goethe  nicht  mehr  drucken.  Es  entspricht  bekanntlich  dem  gr.  öooog  (örros), 
und  es  ist  einigermaßen  auffällig,  wie  es  sich  so  lange  erhalten  hat.  Aus  scheiden  'aus- 
scheiden' bildet  man  ein  Wort  für  eine  notwendige  Verrichtung,  während  das  gr.  ;^f','fo  (chezö) 
verloren  gegangen  ist.  Das  Wort  Wasser  wird  gebraucht,  um  eine  andere  Ausscheidung  des 
Körpers  zu  bezeichnen,  wie  denn  auch  lat.  ürma  ursprünglich  nichts  anderes  bedeutet,  da 
es  dem  aind.  vär  'Wasser'  entspricht.  Die  bessere  Gesellschaft  vermeidet  heute  das  Wort 
schwitzen,  während  transpirieren  erlaubt  ist. 

Auf  ähnliche  Grundanschauungen  führt  es,  wenn  der  Ausdruck  für  Gift  immer  durch 
neue  abgelöst  wird.  Es  gab  dafür  einen  indogermanischen  Ausdruck,  der  in  lat.  virus, 
gr.  ifk  dös)  vorliegt.  Daneben  steht  lat.  veninum,  wohl  aus  *venesnom  'Liebestrank'.  Im 
ähesten  Germanischen  finden  wir  got.  lubja-  'Gift",  ahd.  luppi,  mhd.  Kippe,  das  vielleicht 
ursprünglich  'Zaubertrank'  bedeutet  hat  und  zu  gr.  E/.ecfaioofiai  {elephairomai)  'täuschen', 
lit.  vilbinti  'beschwichtigen'  oder  zu  d.  Liebe  gehört.  Dies  Wort  wird  dann  durch  das 
schon  althochdeutsch  auftretende  gift.  ursprünglich  Femininum,  verdrängt,  das  zu  geben 
gehört  und  einfach  'die  Gabe'  heißt,  vgl.  frz.  poisson  aus  lat.  potio  'Trank'. 

Unendlich  groß  ist  die  Zahl  der  Umschreibungen  für  'betrunken'.  Diese  hat  schon 
Lichtenberg,  Verm.  Sehr.  3,  73  ff.  (Göttingen  1844)  gesammelt.    Von   seinen  Ausdrücken 


350  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Sprachgutes.  Sprachl,  Versteinerungen. 


sind  manche  heute  schon  wieder  iingebräuchlich  geworden  oder  verloren  gegangen,  während 
sich  viele  neu  eingestellt  haben. 

Welche  Wege  die  Ersetzung  anstößiger  Ausdrücke  durch  Euphemismen  geht,  ist  im 
einzelnen  natürlich  nicht  zu  sagen,  und  darum  ist  eine  Arbeit  wie  die  von  H.  Schulz,  die 
die  Sache  im  einzelnen  verfolgt,  höchst  dankenswert.  Es  sei  daher  einzelnes  daraus  an- 
geführt. Um  im  Druck  das  Anstößige  zu  vermeiden,  setzt  man  .  .  .  oder  — ,  oder  schreibt 
auch  etcetera,  und  dieses  kann  nun  bedeuten  'Podex,  crepitus  ventris,  Teufel,  Dreck,  cacare, 
Hundsfott,  Schuft,  Hure".  Oder  man  sagte  der  Ungenannte,  was  schon  früh  für  eine  Finger- 
krankheit, den  sogenannten  Wurm  steht.  Dem  entspricht  heute  die  Unansspredilidien, 
was  allerdings  ein  Übersctzungslehnwort  von  engl,  inexpressibles  ist.  Sehr  bemerkens- 
wert ist  der  Ausdruck  Produkt  für  eine  Tracht  Schläge.  Die  Sache  ist  erst  von  A.  Götze, 
ZfdW.  10,  203  aufgeklärt.  Die  Zahl  der  Schläge  betrug  häufig,  so  muß  man  annehmen, 
zwölf,  und  so  sagte  man  dafür  Sdiilling,  das  den  Sinn  von  Dutzend  bekam.  Dafür  stellte 
sich  aber  auch,  offenbar  in  der  Schulsprache,  Produkt  ein,  da  man  ja  für  zwölf  auch  das 
Produkt  3x4  gebrauchen  kann. 

4.  Kulturgeschichtliche  Gründe.  Auch  die  Entwicklung  und  Ver- 
änderungen der  Kultur  bedingen  den  Verlust  von  Wörtern.  Wird  ein  Ding 
wesentlich  verändert,  so  kann  dafür  ein  neuer  Ausdruck  aufkommen  und 
der  alte  verloren  gehen,  oder  es  können  überhaupt  alte  Wörter  aufgegeben 
werden,  weil  die  Begriffe,  die  sie  bezeichnen,  nicht  mehr  vorhanden  sind. 

Letzteres  zeigt  sich  vor  allem  bei  den  Verwandtschaftsnamen.  Die  ältere  gesellschaft- 
liche Ordnung  baute  sich  auf  der  Familie  und  der  Sippe  auf.  Hatte  die  Verwandtsciiaft 
die  größte  Bedeutung,  so  war  es  nur  natürlich,  jeden  Grad  nach  der  männlichen  wie  nach 
der  weiblichen  Seite  durch  einen  besondern  Ausdruck  zu  bezeichnen.  Tatsächlich  besaß 
man  im  Indogermanischen  eine  große  Anzahl  von  Ausdrücken  für  Verwandtschaftsgrade, 
von  denen  wir  die  meisten  aufgegeben  haben.  Man  unterschied  den  Schwiegervater,  die 
Schwiegermutter  des  Mannes  und  der  Frau,  den  Bruder,  die  Schwester  des  Vaters  und  der 
Mutter  durch  besondere  Ausdrücke.  Die  Frauen  zweier  Brüder  bezeichneten  sich  mit  einem 
besonderen  Namen,  ebenso  wohl  auch  die  Männer  zweier  Schwestern,  siehe  oben  S.  209. 
Wir  haben  mehr  als  die  Hälfte  dieser  Worte  aufgegeben.  Uns  genügen  Sdiwiegervater, 
-mutter,  -todiier,  -söhn,  Sdiwager,  Sdiwägerin,  Onkel,  Tante,  Vetter,  Kusine,  und  von 
diesen  sind  die  meisten  neu. 

Nur  selten  hat  sich  das  Bedürfnis  geltend  gemacht,  einen  neuen  Ausdruck  zu  schaffen, 
wie  wir  ihn  in  Gegensdiwähcr  haben. 

Von  den  zahllosen  frühern  Benennungen  für  Handwerke  und  Gewerbe  sind  viele 
verloren  gegangen,  weil  diese  selbst  aufgegeben  worden  sind.  Mit  den  Sdiwertern  kamen 
die  Sdiwertfeger  ab,  mit  dem  Bogen  die  Bogner,  mit  der  Armbrust  dit  Armbruster, 
mit  den  Marnisdien  die  Ptatncr.  eig.  Plattenmacher. 

Für  verbesserte  Dinge  erscheinen  neue  Bezeichnungen.  So  wird  das  alte  Wort  für 
•Mühle'  got.  qairnus  durch  das  aus  dem  Lateinischen  entlehnte  Mühle  ersetzt.  Jenes 
war  die  Handmühle,  die  wir  nicht  mehr  haben,  dieses  die  Wassermühle. 

Bei  dem  Wagenbau  vollziehen  sich  immer  neue  Fortschritte  und  Veränderungen,  und 
so  kommen  immer  neue  Ausdrücke  auf,  die  allerdings  das  alte  Wort  nicht  zu  verdrängen 
vermögen,  vgl.  oben  S.  204. 

Wenn  das  alte  Wort  für  'Pferd',  lat.  equus,  gr.  Ht.to?  (hippos),  durch  neue  Worte  er- 
setzt wird,  so  mag  daran  auch  die  Einführung  andrer  Rassen  und  eine  neue  Verwendungs- 
weise schuld  sein.  Unser  Wort  Pflug,  ahd.  pfluoc,  bezeichnete  jedenfalls  gegenüber  dem 
durch  lat.  arätrum,  gr.  änornor  (ärotron),  gegebenen  Wort  eine  neue  verbesserte  Form,  wie 
denn  die  Serben  noch  heute  ralo  (=  lat.  arätrum)  und  plug  für  verschiedene  Formen  verwenden. 

Man  könnte  nach   dieser  Richtung   noch  viel  Stoff  anhäufen,    doch 


§  205.  Sprachliche  Versteinerungen.  351 


werden  die  Beispiele  genügen,  um  den  angedeuteten  Gesichtspunkt  hin- 
reichend zu  würdigen. 

5.  Modegründe.  Auch  die  Mode  spielt  bei  dem  Verlust  alter  Worte 
mit.  Die  obern  Stände,  die  Dichter  u.  a.  suchen  nach  neuen  Ausdrücken, 
um  das  Gewöhnliche  ungewöhnlich  zu  sagen.  Sie  wollen  sich  von  dem 
niedern  Volke  und  dessen  Sprache  auch  in  ihren  Ausdrücken  unterscheiden, 
während  dieses  seinerseits  das  Bestreben  hat,  jenen  nachzuahmen. 

In  der  neuern  Zeit  spielt  im  Geschäftsleben  dieselbe  Erscheinung  ihre  Rolle.  Man 
will  etwas  Neues  bieten,  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen,  und  dafür  ist  das  alte  Wort 
nicht  gut  genug.  So  wird  Gast-  oder  Wirtshaus  allmählich  ungebräuchlich  und  wird  durch 
Hotel  ersetzt.  'Bessere  Häuser'  nennen  sich  schon  Grandhotel.  Sdienke  ist  eigentlich  nur 
noch  dichterisch  und  mundartlich,  man  gebraucht  dafür  Restaurant.  Über  dem  kleinsten 
Zigarrenladen  kann  man  jetzt  Cigarrenimport  lesen.  Diesen  Einflüssen  auf  die  Umwand- 
lung des  Wortschatzes  nachzugehen,  wäre  eine  sehr  dankenswerte  Aufgabe. 

Am  Hofe  der  fränkischen  Könige  nannte  sich  der  Leibarzt  (vgl.  Gfegor  von  Tours  5,  14) 
mit  dem  griech. -byzantinischen  Titel  ardiiatrös,  und  diesem  Ausdruck  mußte  der  ein- 
heimische got.  lekeis,  ahd.  lädii  (noch  engl,  leecfi  'Wundarzt')  weichen.  Jetzt  besteht  nicht 
nur  Arzt,  sondern  auch  zahlreiche  Ableitungen. 

§  205.  Sprachliche  Versteinerungen.  Wie  wir  gesehen  haben,  gibt  es 
eine  ganze  Reihe  von  Gründen,  die  zum  Verlust  alten  Sprachgutes  geführt 
haben  und  noch  täglich  führen.  Dieser  Verlust  tritt  natürlich  nicht  plötzlich 
ein,  sondern  so,  daß  ein  Wort  erst  seltener  gebraucht  wird,  bis  es  dann, 
vielleicht  erst  nach  Generationen,  völlig  untergegangen  ist.  Worte  werden 
aber  nicht  einzeln,  sondern  fast  immer  nur  in  bestimmten  Verbindungen 
gebraucht.  Diese  werden  gedächtnismäßig  überliefert,  und  es  ist  nicht  un- 
bedingt nötig,  daß  gleichzeitig  alle  Verbindungen  verloren  gehen.  Vielmelir 
bleiben  des  öftern  einzelne  erhalten,  und  damit  lebt  ein  sonst  längst  un- 
gebräuchlich gewordenes  Wort  noch  fort.  Behaghel  hat  derartige  Worte 
treffend  'sprachliche  Versteinerungen'  genannt. 

Wir  können  dabei  mehrere  Fälle  unterscheiden.  Es  kann  das  Wort 
ganz  ungebräuchlich  geworden  sein  und  nur  in  bestimmten  Redensarten 
noch  vorliegen,  oder  es  hat  sich  eine  bestimmte  Bedeutung  in  der  Ver- 
steinerung erhalten. 

a)  Das  Erste  haben  wir  in  folgenden  Fällen:  in  Anbetradit;  —  anheim  in  anheim- 
fallen, -geben,  -stellen;  —  armen  'arm  machen'  \n  Almosen  geben  armet  nidii;  —  Asdi- 
kudien;  —  Aufhebens  machen;  —  in  Bälde;  —  mit  dem  Beding;  —  bemoostes 
Haupt;  —  sidi  bene  tun;  —  Fug  in  mit  Fug  und  Redit;  —  Gudi  in  auf  einen  Gudi 
kommen;  —  Hehl  in  kein  Hehl  aus  etwas  madien;  —  Irre  in  in  die  Irre  gehen;  — 
Deut  'kleinste  Münze'  in  keinen  Deut  darum  geben;  —  Kippe  in  auf  der  Kippe  stehen;  — 
Nutz  in  zu  Nutz  und  Frommen;  —  das  Adi  in  Adi  und  Weh;  —  Saus  in  in  Saus  und 
Braus;  —  weder  Gidis  nodi  Gadis;  —  Kind  und  Kegel;  —  gang  und  gäbe;  —  klipp 
und  klar;  —  sidi  anheisdiig  madien  wozu;  —  einen  beim  Sdilafitdien  kriegen. 

b)  Eine  jetzt  nicht  mehr  vorhandene  Bedeutung  liegt  vor  in:  Abbrudi  tun;  —  ab- 
gebrüht; —  Akt  nehmen;  —  mit  einem  anbinden;  —  Bein  'Knochen'  in  Stein 
und  Bein  sdiwören,  Mark  und  Bein,  es  friert  Stein  und  Bein;  —  der  helle  Haufen;  — 
Brief  und  Siegel  {Brief  'Urkunde');  —  in  Bausdi  und  Bogen,  eigentlich  mit  auswärts 
sich  dehnender  Grenzfläche  {Bausdi)  und  mit  einwärts  biegender  {Bogen);  —  Ding  'Ge- 


352  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Scrachgutes.  Sprachl.  Versteinerungen. 


riclit'  in  dingfest  macftrn;  —  /^a^j 'Wand'  in  unter  Dadi  und  Fach:  —  bieten  'gebieten' 
in  Feierabend  bieten;  —  grün  'frisch'  in  grüne  Heringe;  —  sidi  schlagen  'sich  werfen, 
sich  rasch  begeben'  in  sidi  ins  Mittel  sdilagen;  —  sein  Absehen  auf  etwas  riditen;  Ab- 
sehen bezeichnete  auch  'das  Visier  an  Meßwerkzeugen  und  Gewehren',  die  Redensart  be- 
deutet also  'auf  etwas  zielen";  Leididorn  "Dorn  im  Körper'. 

§  206.  Verdunkelte  Zusammensetzungen.  Es  steht  mit  den  sprachlichen 
Versteinerungen  im  Satzzusammenhang  i^anz  auf  einer  Linie,  wenn  ein  Wort 
nur  noch  in  der  Zusammensetzung  vorliegt.  Da  in  diesen  verdunkelten 
Bildungen  zum  Teil  sehr  altes  und  wichtiges  Sprachgut  steckt,  führe  ich 
hier  zahlreiche  Beispiele  an.  Man  könnte  auch  hier  verschiedene  Möglich- 
keiten unterscheiden,  Verdunklung  des  ersten  oder  des  zweiten  Gliedes 
oder  beider,  und  schließlich  Veränderung  der  Bedeutung,  doch  nehme  ich 
darauf  weiter  keine  Rücksicht  und  gebe  den  Stoff  nach  der  Reihenfolge 
der  Buchstaben  und  führe  dabei  auch  einige  Beispiele  an,  deren  Bestand- 
teile sonst  in  der  Sprache  noch  erhalten  sind. 

Adebar,  ndd.  'Storch',  ahd.  odobero;  der  zweite  Teil  gehört  zu  ahd.  beran  'tragen, 
bringen',  lat.  fero,  gr.  c/-fg<o  {pherö),  der  erste  wird  gewöhnlich  zu  as.  vd  'Besitz,  Gut' 
gestellt.  —  Adler,  aus  ahd.  adali  'edel"  und  aro  "Aar".  —  Allmende,  mhd.  almeinde 
aus  algemeinde.  —  Allod  'das  echte  Eigentum",  ahd.  alöt  aus  al-  und  üt  'Besitz';  dieses 
zu  got.  auda-hafts  'beglückt'.  Wir  haben  das  Wort  nur  in  Eigennamen,  wie  e.  Edward 
aus  ead-ivard,  ital.  Odo-ardo.  —  Alraun,  ahd.  al-rüna  zu  räna  'Geheimnis'.  —  Amboß, 
ahd.  ana-böi  zu  bö^an  'schlagen',  e.  to  beat,  lat.  confutäre.  —  Am  mann  aus  ahd.  ambaht- 
mann,  also  dasselbe  wie  Amtmann.  —  anderweit,  mhd.  andem'eide,  eigentlich  'zum 
zweiten  Male",  mhd.  weide  'Fahrt,  Reise".  —  Antlitz,  mhd.  antlitze,  daneben  antlütze, 
ahd.  antluzzi,  antlutti.  Im  ersten  steckt  got.  wlits  'Angesicht,  Ansehen,  Gestalt';  im  zweiten 
got.  ludja  'Gesicht'.  —  Auerhahn,  ahd.  orrehuon  zu  schwed.  orre  'Birk-,  Wasser- 
huhn'. —  Auerodis,  ahd.  ür;  siehe  oben  S.  175.  —  Badibunge,  eine  Pflanze,  aus 
Bach  und  bunge,  ahd.  bungo  'Pflanzenknollen",  zu  gr.  .-rayv:  (pakhys)  'dicht'.  —  Bach- 
stelze, ahd.  wayiarstelza;  stelza  ist  'Stelzengängerin'.  —  Bärlapp,  aus  Bär  und  läpp, 
ahd.  lappo  'Ruderschaufel',  eigentlich  'Hand,  Tatze'.  —  beide,  aus  bai-pai  zu  lat.  am-bo.  — 
Bibergeil  zu  mhd.  geil,  geile  'Hode'.  —  Bilsenkraut,  ahd.  bloß  bilisa,  zu  russ.  belenä.  — 
Binis-stein,  ahd.  bumis  aus  lat.  pümex.  —  Bingelkraut,  zu  ahd.  bnngil  von  bungo, 
siehe  Bachbunge.  —  Bladifeld,  Bladifrost  zu  fladi.  —  blutrünstig,  von  mhd.  bluot- 
runs  'Abrinnen  des  Blutes',  zu  rinnen.  —  Boll-werk,  mhd.  bole-werc,  von  mhd.  boln 
'schleudern,  werfen'.  —  Borkirche  zu  ahd.  bor  'Höhe,  oberer  Raum'.  —  Bradi-wasser, 
brack  noch  in  brackig  'salzig'.  —  Bram-segel.  -Stange,  zusammengesetzt  mit  ndl. 
bram  'Bramsegel,  Segel  am  Obermast'.  —  Bräutigam,  ahd.  brüti-gomo;  gomo  =  lat. 
homo,  also  'Mann  der  Braut".  —  Brom-beere,  ahd.  bräm-beri  zu  brämo  'Dornstrauch'.  — 
Bug-spriet,  aus  ndl.  boeg-spriet,  spriet  'schräg  gehende  Segelstange  am  Mäste',  bug 
'Vorderteil  des  Schiffes".  —  Demut,  ahd.  dio-muoti  zu  ahd.  *-thio  Ad],  'dienstwillig'  und 
das  zu  ahd.  deo,  got.  pius  'Knecht'.  Vgl.  Btr.  43,  39  f.  —  Diebstahl,  ahd.  stala  von 
stehlen,  also  'Stehlen  des  Diebes'.  —  Dudi-mäuser,  von  spätmhd.  todiel-müsen  'Heim- 
lichkeiten treiben",  zu  mhd.  müsen  'langsam  und  leise  gehen".  —  Eidergans;  Eider  ist 
entlehnt  aus  dem  isländischen  cepr,  gesprochen  eiper,  das  schon  'Eidergans"  bedeutet;  dies 
noch  in  Eiderdaunen.  —  elend,  ahd.  elilenti,  eig.  'im  andern  Land",  zsg.  mit  eli,  got. 
aljis,  lat.  alius,  gr.  «/./.oc  (ällos).  Dazu  auch  Elsaß  zu  ahd.  Elisäzo.  —  Elen-tier;  Elen 
stammt  aus  lit.  elnis  'Hirsch'.  —  Elfenbein,  ahd.  hilfantbein  'Elefantenknochen';  bein 
noch  im  Sinne  von  'Knochen'.  —  Essigmutter  'dicker  Bodensatz  im  Essig';  der  zweite 
Teil  zu  ndd.  mudder,  modder  'Schlamm',  e.  mud  'Schmutz'.  —  Faselsdiwein,  mhd. 
fasel  'Zucht-',   wahrscheinlich   zu   mhd.  fisel  'penis'   zu  gr.  niog  (peos).  —  Fedi-,  Feh- 


§  206.  Verdunkelte  Zusammensetzungen.  353 

distel,  mhd.  vechdistel;  vedi  'bunt',  got.  -faihs  gehört  zu  gr.  noinlko?  (poikilos).  — Feh' 
wamrne,  zsg.  mit  Fehe  'das  sibirische  graue  Eichhörnchen',  was  zum  vorigen  gehört. — 
Feldwebel;  -webel,  älter  weibel  zu  mhd.  weihen  'sich  hin-  und  herbewegen',  zu  lat. 
vibräre.  —  Firnewein,  zsg.  mit  firn  'alt',  ahd.  firni,  got  fairneis,  \'\t  pernai  'im  vorigen 
Jahr'.  —  Fledermaus,  ahd.  fledarmüs  zu  ahd.  fledirön,  verwandt  m\t  flattern.  —  Flitz- 
bogen,  zusammengesetzt  mit  älternhd.  flitsdi  aus  frz.  fledie  'Pfeil'.  —  Freitag,  ahd. 
frtatag,  e.  Friday  ,dies  Veneris,  Tag  der  Freia'.  —  frohlocken;  lodien  wahrscheinlich 
■'springen',  zu  got.  laikan  'hüpfen'.  —  Fronleidinam  u.  a.;  fron,  ahd.  fröno,  Gen.  Plur. 
von  frö,  got.  frauja  'Herr';  das  Femininum  dazu  ist  Frau.  —  Gaudieb,  zusammengesetzt 
mit  nd.  gau  'geschwind,  gewandt'.  —  Griesgram,  mhd.  grisgram  'Zähneknirschen',  mhd. 
gris-grammen,  asächs.  gristgrimmo.  E)er  erste  Bestandteil  zu  mhd.  gristen  'zerreiben',  der 
zweite  zu  Gram,  Grimm.  —  Grummet  aus  Grünmahd.  —  Grünspan,  älternhd.  auch 
spansdi-grün,  also  von  spanisdi.  —  Nabergeiß  'Heerschnepfe';  der  erste  Teil  ist  ein 
haber,  das  dem  lat.  caper  'Bock'  entspringt;  der  Vogel  ist  so  benannt,  weil  er  zur  Be- 
gattungszeit einen  meckernden  Ton  hören  läßt.  —  Heirat,  ahd.  hirat,  eigentlich  'Zu- 
rüstung'  {rat)  für  die  Familie  {hl-,  got.  heiwa-frauja  'Hausherr',  verwandt  mit  lat.  civis).  — 
Hellebarde,  mhd.  helm-barte,  also  Barte  'Beil'  zum  Durchhauen  des  Helms.  —  Her- 
berge, ahd.  heri-berga  'ein  das  Heer  bergender  Ort,  Heer-,  Feldlager'.  —  Hifthorn; 
der  erste  Bestandteil  ist  Hift  'Stoß  ins  Jagdhorn',  zu  got.  hiufan  'klagen'.  —  Him-beere, 
.ahd.  hint-beri,  eigentlich  Hindebeere,  vgl.  Löwe  oben  S.  189.  —  Jubeljahr,  mhd.  jübeljär; 
der  erste  Teil  von  hehr,  jöbel  'Hörn  zum  Blasen  im  Halljahr'.  —  Jungfer  aus  Jungfrau.  — 
Junker,  mhd.  Juncherre.  —  Kammertudi,  Leinwand  aus  Cambray.  —  Karfreitag, 
kar  ist  ahd.  kara  'Klage'.  —  Kauderwelsdi;  kauder  ist  wohl  schwäbisch  kauderer  'Werg-, 
Flachshändler',  und  welsdi  'fremdsprachlich,  unverständlich'.  —  Kaul  barsdi,  Kaul- 
quappe; kaul  ist  mhd.  küle  aus  kugele,  also  'Kugelbarsch'.  —  KUppsdiule,  ndd. ;  klipp 
bedeutet  hier  'klein,  unbedeutend'.  —  Knob-laudi,  ahd.  klobo-louh,  zu  kloben,  e.  clove 
^Zehe  des  Knoblauchs'.  —  Kroppzeug,  ndd.  krop  'schlechtes,  nichtsnutziges  Volk',  wohl 
zu  krupen  'kriechen'.  —  Langwiede  'den  Wagen  durchziehender  Baum,  der  das  hintere 
Gestell  mit  dem  vorderen  verbindet*  zu  ahd.  witu,  e.  wood  'Holz,  Baum',  das  auch  in 
Wiedehopf  steckt  und  zu  ir.  fid  'Baum'  gehört.  —  langwierig  zu  währen.  —  Laubrüst 
^Laubhüttenfest',  mhd.  laupbrost  'Laubfall,  Laubfallszeit'  zu  bresten  brechen'.  —  Leber- 
meer 'geronnenes  Meer'  zu  geliefern  'gerinnen',  ndd.  Glibber  'geronnene  Masse',  Lab.  — 
Lebkudien  'dünner  Honigkuchen',  zsg.  m\t  Leb  einer  Ablautsform  zu  Laib 'Brot'.  Ebenso 
Lebzelt  'Lebkuchen',  dessen  zweiter  Teil  ahd.  zelto  'Kuchen'  ist.  —  Leidina m,  ahd.  lihhin- 
hämo,  eig.  'Gestalt  des  Körpers':  hämo  zu  Hemde.  —  Leikauf,  mhd.  lltkouf,  zsg.  mit 
llt  'Obstwein',  got.  leipu-,  also  so  viel  wie  Weinkauf,  dasselbe  llt  steckt  in  obd.  Leutgeb 
■"Schenkwirt'.  —  Leiladi  'Leintuch'  aus  ahd.  li(n)lahhan  'Leinlaken'.  —  Lenz,  ahd.  len- 
gizin,  ags.  lengten,  e.  lent  'Fastenzeit'  enthält  ein  germ.  *tina-  'Tag',  got.  sin-teins  'täglich' 
zu  lat.  nundinae  'neun  Tage'.  —  liditerloh  aus  Gen.  liditer  Lohe  'mit  heller  Flamme'.  — 
Liedlohn  'Taglöhnerlohn',  mhd.  litlön  zsg.  mit  litus,  lidus,  lito  'höriger  Diener'.  —  Lind- 
wurm, zsg.  mit  ahd.  lint,  anord.  linnr  'Schlange'.  —  Loditaube  'Waldtaube',  zsg.  mit 
lodi  'Wald',  lat.  lacus,  das  noch  in  Ortsnamen  fortlebt.  —  Lorbeer,  ahd.  lörberi,  eigentlich 
■"die  Beere  des  Lorbeers',  lat.  laurus.  —  Magsame  'der  Same  des  Mohns.  Mohn',  zsg. 
mit  mag,  einer  Nebenform  von  Mohn.  —  Mahlsdiatz,  eig.  'das  Kaufgeld  für  die  Braut', 
zu  vermählen,  Gemahl.  —  Mahlstatt,  ahd.  mahalstat  'Gerichtsstätte'  zu  ahd.  mahal 
'Gerichtsversammlung'  zu  ahd.  mahaljan  'sprechen',  got.  mapljan  'öffentlich  reden'.  — 
Mallepost  'Briefpost'  zu  ahd.  malaha,  mhd.  malhe  'Ledertasche,  Mantelsack,  Reisesack' 
zu  gr.  ^loXyog  {molgös)  'Sack  von  Rindsleder'.  —  Marsdiall,  Marstall  enthalten  im 
ersten  Teil  ahd.  marha  'Mähre,  Pferd',  sdiall  ist  sdialk  'Knecht',  got.  skalks.  —  Maß  leid 
'Essensüberdruß',  zsg.  mit  ahd.  ma3,  got.  mats  'Speise'.  —  Maulbeere,  ahd.  mülberi; 
der  erste  Teil  ist  dissimiliert  aus  mar-,  lat.  mörus  'Maulbeerbaum'.  —  Meineid,  zsg.  mit 
Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  2.  Aufl.  23 


1354  Vierzehntes  Kapitel.  Aufgeben  alten  Sprachgutes.  Sprachl.  Versteinerungen. 

alrd.  mein(e)  'falsch'  zu  lit.  mainas  'Tausch'.  —  Messer,  ahd.  rnejsira/is,  zsg.  aus  me!^- 
'Speise',   s.  Maßleid,  und  rahs,  das  mit  grammatischem  Wechsel  zns  sahs  'Messer',   lat. 
saxum  'Fels'  entstanden  ist.  —  Mettwurst,  ndd.,  zsg.  mit  asächs.  /n^^/ 'Speise',  s.  Messer.  ^ 
Mißpiiitel  'Arsenikkies',   vielleicht  zu  Buckel.  —  Montag,   ahd.  munotag,   enthält   dea 
alten  Stamm  ahd.  muno,  e.  moon,  got.  mrna  'Mond',  ohne  das  angetretene  d  von  Mond.  -*- 
Mörbraten,   enthält  mürbe.  —  Miunmensdianz   enthält  Mumme  'Verkleidung',   noch 
in  vermummen,  und  sdianz  'Spiel'  (Sdianze).  —  Mumpitz,  wohl  .entstanden  aus  pberhcss. 
Mombutz  'Gespenst,  Schreckgestalt',  zsg.  aus  Mumme  s.  o.  und  butze  'Poltergeist/Lärm'.  — 
Mußteil,  gehört  zu  Mus,  ahd.  m//05  "gekochte  Speise'  aus  *mritta-  und  mit  goi.mats,  s, 
Mettwurst,  zusammenhängend;  Afus/^'// ist  also 'Speiseteü';  man  versteht  darunter  das,  was^ 
am  dreißigsten  Tage  nach  dem  Tode  eines  Mannes  an  Speise  und  zu  Speise  dienendem 
vorhanden  ist;  die  Hallte  erhält  die  Witv.e.  —  mutsdiieren  'mit  Beibehaltung  des  Qe- 
samteigentums  die  Nutzungen  teilen',   von  rad.  mütsdmr,  zgs.  aus  muot  'Verlangen'  und 
sdtar  'Teilung'.  —  Nadi-bar,   ahd.  nfih-gibwr,   e.  neighbour,   also   'naher  Bauer'  (Woh- 
nender). -—  Naditi-gall,  ahd.  nahti-gala  zu  asächs.  galan,  'singen'.  —  nahrhaft,  zu- 
sammengesetzt mit  ahd.  nara  'Rettung^  Er-,  Unterhaltung'.  —  Narrenteiding'  Narrheit', 
zsg.  mit  mhd.  tagedinc  'Verhandlung'.  — Nasen-stüber;  stüber  ist  'Schneller',  zusammen- 
hängend mit  stieben.  —  nein,  ahd.  ni  ein,  lat.  ne\  nidU,  ahd.  ni-wiht,  e.  nought,  got.  ni 
waihts  'nichts',  zsg.  mW  ni  und  widit  'Geschöpf,  Wesen",  e.  wight,  abg.  veMi  'Ding.  Sache'.— 
Nidifänger  zu  Genidi.  —  Nießbraudi,  gebildet  nach  lat.  usus  fructus,  zsg.  mit  älterqhd. 
Nieß  'Ertrag'.  —  Nipp-sadie,  zsg.   mit  frz.  nippe   'Putz'.  —  Norwegen   enthält  NQr(( 
und  anord.  vegr  'Weg,  Strecke,  Strich'.  —  nur,  ahd.  niwdri  'es  wäre  nicht'.  —  Öhiiid^ 
Ohm(e)t,  ahd.  amäd  enthält  die  ahd.  Präposition  ä  'übrig',  ai.  ä.  —  Orlogsdiiff  'Kriegs- 
schiff aus  ndl.  oorlogsdiip  enthält  ein  Wort,  das  mit  ahd.  urliugi  'Krieg',  eigentlich  'Ver^ 
tragslosigkeit'  zusammenhängt.  —  Paßgang,  zsg.  mit  Pajß  'Schritt',  frz.  pas,  lat  passus.  — 
Pausdiquantum,  zsg.  mit  Pausdi,  Baitsdi,  das  noch  in  'in  Bausdi  und  Bogen'  vorliegt;  — r 
Pfennigfudiser,  zu  fudisen  'betrügen'.  —  Pfinztag,  bayer.  'Donnerstag'  aus  gr;  jriumrf 
{pemptw)  'fünfte'.  —  Pimpernuß,  eigentlich  'Klappernuß'  zu  mhd.  pumpern  'klappern'.  ; — 
Pinsel  'Einfaltspinsel',  ndd.  Pinn-sahl  'Schusterpfriem',   zsg.  aus  Pinne  und  -suhl.    Der 
zweite  Bestandteil  hängt  mit  ahd.  siula  zusammen,  nhd.  Säule  'Stechwerkzeug  des  Schusters*" 
zusammen,  das  zu  lat.  suere  gehört.  —  Plerrauge  'mit  einer  Augenkrankheit  behaftetes 
Auge',  zu  e.  bleareyed  'triefäugig'.  Die  Herkunft  von  Plerr  ist  dunkel.  ^Pluderhosen, 
zsg.  mit  pluder,  bluder  'blasebalgartig  aufgeblähte  Weite',  verwandt  mit  plaudern.  —  Preisel- 
beere,  aus  tschech.  brusnice,   brusina.  —  preisgeben,   zsg.  mit  preis,   älter  pris,   frz^ 
prise.    Ebenso  preismadien.  —  Pumphosen,   zsg.   mit  nd.  pump  'Gepränge'   aus   lat. 
pompa.  —  Quadi-salber;  der  erste  Teil  zu  ndd.  quäken  'schreien,  schwatzen',  der  zweite 
ahd.  5ö/ftflr/ 'Salbenverkäufer'.  —  Quidiborn,  zsg.  mW.quidi  'frisch,  gesund',  lat.  vlvos.  — 
Radehadie  von   md.  roden  'ausreuten'.  —  Rädelsführer,  Rädel  wzt  bei  den  Lands- 
knechten 'der  Ring,  Kreis  der  Soldaten',  zu  Rad.  —  Raps,  aus  Rapsaat. —  Ratönkudien, 
obhess.   Radänkudien,  Art   Kuchen,    zsg.   mit   frz.   raton   'ein    klein   rund    Küchlein    wie 
eine  Maus'  von  frz.  raton  'kleine  Ratte'.  —  Raudi-werk,  mhd.  rsukwerc,   enthält  eine 
Nebenform  von   rauh,   die   sich   zu    dieser  verhält  '^{t<  hodi   zu   höh.  —  Rausdi-gelb- 
'geschwefelter  Arsenik',   rausdi  von  lat.  russus.  Ua\.  rosso  'rot'.  —  Renn-tier,   e.  rain- 
deer;   der  erste  Teil  ist  entlehnt   und  gehört  zu  ags.  hrän,   anord.  hreinn,  'Renntier'.  -^ 
Riegelhaube    'eine    Art    kleiner    gestickter    Hauben',    zsg.    mit    mhd.    rigel   'Schleier^ 
Haube',   entlehnt   aus  lat.  ricula  'Häubchen'.  —  rot-welsdi,   zu   rot  iBettiet', .  aiso;  idas- 
Welsdi  'fremde  Sprache'   der  Bettler,   siehe   oben  S.  331.  —  Rübezahl,]  Zahl  ist  Zagef 
'Schwanz';  —  Rübsen  aus  Rübsamen.    —   rudi-los,   mhd.  ruodie-lös  'unbekümmert'  zu 
mhd.  ruodie 'Soxgt,  Sorgfalt',  das  mit  geruhen  zusammenhängt.  —  Runkelrübe,  zsg.mit 
Runken.  —  Sal-bader,   die  Herkunft   des   ersten  Teils  ist  dunkel.  —  Salfbudi,  m\iA, 
sal-buodi  'Urkundenbuch'  zu  mhd.  so/  'rechtliche  Übergabe  eines  Gutes';  dazu  ahd.  seilen^ 
ags.  sellan  'übergeben',   noch   in  e.  ^p' 5«// 'verkaufen'.  — Salweide,  zsg.  mit  ,^«/i , aus. 


§  206.  Verdunkelte  Zusammensetzungen.  355 

ahd.  salaha  zu  lat.  salix  'Weide'.  —  Sams-tag,  ahd.  samba^-iag,  aus  einer  Form  gr. 
oäußazov  (sämbaton),  die  neben  aäßßazov  (säbbaton)  stand.  —  Sdiaber-nack,  mhd.  sdiaber- 
nac  'necliender  Streich,  Spott,  Hohn';  unerklärt.  —  Sdiell-fisdi,  wohl  'Spaltefisch',  d.  h. 
'Fisch,  dessen  Fleisch  sich  spaltet',  zu  anord.  skilja '\ti\tn\  —  Sdiell-hengst,  ahd.  sÄe/o 
'Beschäler'  steckt  im  ersten  Teil.  —  Schermaus  'Maulwurf,  zsg.  mit  ahd.  skero  'Maul- 
wurf zu  Sdiar  in  Pflugschar  gehörig.  —  Schild-patt,  aus  ndd.  sdiüd-pad  'Schildkröte' 
und  'Schildkrötenschale';  päd  ist  ndd.  padde  'Kröte'.  —  Schillebold  'Libelle'  zu  schielen 
'schillern'  und  mnd.  bolte  'Bolzen'.  —  Schlafittich  wird  aus  Sdilag-fittich,  'Schwungfedern 
des  Flügels',  dann 'Rockschoß'  erklärt,  was  aber  sehr  unsicher  ist.  —  Schlar-affe,  mhd. 
slür-affe  zu  mhd.  5/wr 'Faulenzerei,  Fauler'.  —  schlohweiß,  wohl  aus  nd.  slötewitt  'weiß 
wie  eine  Schloße'.  —  Schnurrbart,  zsg.  mit  Schnurre  'Nase,  Schnauze,  Maul'.  —  Schorn- 
stein, mhd.  sdior(n) stein,  zu  ndl.  schoor  'Stütze,  Strebebalken'?  —  Schoßgatter  'Fall- 
gatter im  Tor'  zu  schießen  'schießend  niederfallen'.  —  Sdioß kelle  zu  Sdioß  'Schublade'.  — 
Schultheiß,  ahd.  skulthei^so  'Verpflichtungen  oder  Leistungen  Befehlender',  zu  heißen. 
Gekürzt  Schulze.  —  Sedelhof  'Edelsitz',  zsg.  mit  mhd.  sedel  'Landsitz'  zu  siedeln.  — 
semperfrei  'reichsunmittelbar,  zu  Ratsstellen  in  den  Städten  wählbar',  zsg.  mit  mhd.  sent- 
pere  'zur  Teilnahme  am  Send  berechtigt'.  Letzteres  aus  gr.-lat.  synodus.  —  Senesdiall 
aus  frz.  senedial  und  dies  aus  deutsch-mlat.  seniscalcus,  zsg.  mit  seni  'alt'  zu  lat.  senex, 
und  Sdialk  'Knecht'.  —  Singrün,  zsg.  mit  sin  'immer',  zu  lat.  sem-per.  Ebenso  Sinfnjau 
'alchemilla  vulgaris',  mnd.  sindouwe  zu  Tau.  —  sintemal  aus  mhd.  sint  dem  male,  sint 
=  Sit.  —  sinwell  'völlig  rund',  zsg.  aus  sin,  s.  Singrün,  und  well,  das  zu  Welle  gehört.  — 
Sommerlatte.  Der  zweite  Teil  zu  lode  "Schößling'  zu  got.  liadan  'wachsen'.  —  Span- 
ferkel; der  erste  Teil  ist  mhd.  spen  'Brust,  Milch',  zu  lit.  spenis  'Zitze'.  —  Sparkalk  'aus 
Gips  gebrannter  Kalk',  zsg.  mit  spätmhd.  spar,  sper,  spor  'Gips'  zu  ags.  spoerstän  'Gips, 
Kalk'.  —  Speichernagel  'langer,  schmaler  eiserner  Nagel  mit  einem  Kopf,  zsg.  mit  md. 
spidier 'YizgtX ,  ndl.  spijker,  e.  spike  'spitzer  Pflock'.  —  Sperber,  ahd.  sparwari,  zsg.  aus 
ahd.  sparo  'Sperling'  und  Aar.  —  Spessart  aus  Spechtes  hart.  Hart  ist  Wald.  —  Stegreif, 
ahd.  stegareif  'Steigbügel'  zu  ahd.  stegön  'steigen'.  —  Steinmetz,  ahd.  steinmezzo  zu  got. 
maitan  'hauen',  d.  Meißel.  —  Tarnkappe,  der  erste  Teil  zu  ahd.  tarnen  'verbergen'.  — 
Tauner,  Schweiz.,  spätmhd.  tagewaner  zu  tagewan  'Tagwerk',  worin  wan  zu  gewinnen  ge- 
hört. —  Trudi-seß,  ahd.  truh-sä^^o  zu  ahd,  truht  'Schar,  Kriegsschar'.  —  Trut-hahn,  un- 
erklärt, trüt  muß  ein  selbständiges  Wort  gewesen  sein.  —  Turtel-taube,  ahd.  turtul-tiiba; 
das  erste  Glied  aus  lat.  turtur.  —  Unflat,  mhd.  unvlät,  zsg.  mit  mhd.  vlät  'Sauberkeit.  — 
ungestüm,  ahd.  ungistuomi  zur  Wurzel  stehen.  —  unmustern  'aus  Unwohlsein  un- 
behaglich' zu  mhd.  unmunst  'Unfreudigkeif.  —  Unter-sdileif,  mhd.  under-sluof  zu 
sdilüpfen.  —  unweigerlich,  mhd.  unweigerlidie  zu  weigern.  —  unwirsdi,  mhd.  un- 
wirdisdi  zu  unwert.  —  vierschrötig,  mhd.  viersdircetic  'viereckig  zugehauen',  zu  Schrot 
'abgeschnittenes  Stück',  ahd.  skröt,  e.  shred  zu  schroten,  ahd.  skrötan,  e.  shred  zu  lat. 
scrautum,  scrötum.  —  Vormund,  ahd.  fora-munto  zu  Mund  'Schutz'.  —  Wal-nuß,  ndl. 
walnoot,  e.  walnut  aus  walh-  'wälsch'.  —  Wal-statt,  ahd.  tval  'Kampfplatz',  anord.  valr 
'Leichen  auf  dem  Schlachtfelde'.  —  Wankel-mut,  zsg.  mit  ahd.  wankal  'schwankend, 
unbeständig'.  —  Weidi-bild,  mhd.  wich-bilde  'Stadtgebiet,  Gerichtsbarkeit  darüber';  wtdi 
zu  asächs.  wik  'Flecken,  Ort'.  —  Weidtsel-kirsche,  ahd.  wihsila  'Weichselkirsche'  zu 
gleichbed.  abg.  vimja.  —  Wellfleisch,  zsg.  mit  wellen  'aufkochen  lassen'.  —  Wer-wolf, 
Wer-geld,  enthalten  das  Wort  wer  'Mann'  zu  lat.  vir.  —  Westerhemd  'Taufhemd',  mhd. 
xces^^r 'Taufkleid'  zu  got.  was// 'Kleid',  lat.  vestis.  —  Wildbret,  enthält  Braten.  —  Will- 
kür, zsg.  mit  Kür  'Wahl'.  —  Wimper,  ahd.  wintbräwa,  worin  wint  vielleicht  zu  air. 
find,  finn  'Haar'  gehört.  —  Zaspel,  älteres  Garnmaß,  aus  zalspille  aus  Zahl  'Garnmaß' 
und  Spindel.  —  Zeiselwagen  'Leiterwagen',  zu  bayer.  zeiseln  'eilen'.  —  zwar,  ahd. 
zi  wäru  'in  Wahrheit'.  —  Zwerdi-fell  enthält  ahd.  dwerah  'quer'. 


23* 


356  Fünfzehntes  Kapitel.  Volksetymologie. 


Fünfzehntes  Kapitel. 
'  Volksetymologie. 

§  207.  Das  Wesen  der  Volksetymologie.  Den  Namen  Volksetymologie 
hat  FöRSTEMANN,  KZ.  1,  1  ff.  in  die  Wissenschaft  eingeführt.  Man  kann 
damit  das  Bestreben  bezeichnen,  zwei  etymologisch  in  der  Regel  ganz 
unverwandte  Worte  miteinander  zu  verknüpfen,  wobei  sich  leicht  Um- 
gestaltungen der  eigentlichen  Lautform  einstellen.  Das  naive  Sprachgefühl 
nimmt  eine  solche  Verbindung  sehr  häufig  bei  vereinzelten  Worten  vor,  und 
es  werden  daher  verdunkelte  Zusammensetzungen  und  Fremdwörter  davon 
betroffen.  Die  Volksetymologie  ist  natürlich  in  allen  Sprachen  zu  finden, 
in  geschichtlichen  wie  vorgeschichtlichen  Zeiten,  nur  ist  da,  wo  die  Über- 
lieferung im  Stich  läßt,  die  Umwandlung  durch  die  Volksetymologie  nicht 
sicher  nachzuweisen.  K.  G.  Andresen  hat  eine  Fülle  von  Beispielen  in 
seinem  Buche  über  deutsche  Volksetymologie,  6.  Aufl.,  Leipzig  1899  zu- 
sammengestellt.  Dort  möge  man  Weiteres  nachlesen. 

Grundsätzlich  kann  man  unterscheiden  zwischen  Bildungen,  die  nur 
eine  zeitliche  oder  örtliche  Verbreitung  haben,  und  solchen,  die  Bürger- 
recht in  unsrer  Sprache  erlangt  haben.  Das  Verbreitungsgebiet  der  erstem 
ist  besonders  die  Volkssprache  und  die  Mundart,  und  es  sind  hier  vor  allem 
die  Fremdwörter,  die  im  Volksmund  umgestaltet  werden. 

Aus  Müller-Fraureuth,  Wörlerbucli  der  obersäclisischen  Mundarten,  entnehme  ich 
folgende  Beispiele:  römische  Strahlen  für  Röntgenstrahlen;  rattenkahl,  ratzekahl  lux  radikal; 
Magneten  für  Moneten;  Mordhäuser  für  Nordhäuser;  Moritz  lehren  für  Mores  lehren; 
angewendeter  Napoleum  für  unguentum  Neapolitanurn;  ölumination  für  Illumination, 
Armelatten  \m  Omeletten;  reene  Knoten  i\Xx Reineclauden;  Rehpulver  \üx  Revolver;  Reiß- 
matismus  für  Rheumatismus;  Sadisenfrage  für  Saxifraga.  Manches  wird  auch  bewußt 
geschaffen,  wie  z.  B.  Luthers  Lugende  für  Legende  und  ähnliches. 

§  208.  Beispiele.  Wir  wenden  uns  nunmehr  zu  den  Fällen,  die  im  all- 
gemeinen Sprachgefühl  zu  einer  Umgestaltung  oder  volksetymologischen 
Anlehnung  geführt  haben.  Natürlich  sind  manche  Fälle  unsicher,  da  man 
über  die  psychologischen  Fäden  nicht  immer  richtig  urteilen  kann. 

Abenteuer,  mhd.  au^/z^/ur^ 'Begebenheit,  wunderbares  Ereignis',  aus  frz.  aventure, 
mlat.  adventura  von  advemre  'hinzukommen,  sich  ereignen',  angelehnt  an  Abend.  — 
Aberadit  'die  über  andrer  Acht  stehende  kaiserliche,  als  vogelfrei  erklärende  Acht',  aus 
mhd.  oberähte,  eig.  'die  Überacht'.  —  Aberraute,  mit  Anlehnung  an  Raute  aus  gr.-lat. 
abrotanum.  —  abgebrüht,  gehört  zu  mhd.  brüen  'coire',  angelehnt  an  brühen.  —  ab- 
geführt, aus  abgeviert  'viereckig  wie  ein  Würfel'.  —  Abseite,  mhd.  absite,  ahd.  absita 
aus  gr.-mlat.  absida,  gr.  ai/'/V  (apsis)  'Gewölbe',  angelehnt  an  Seite.  —  abspannen  'Ge- 
sinde durch  Verlockung  an  sich  ziehen',  für  mhd.  abspenen  'abziehen'.  —  Abzug,  -zudit 
'Ableitung  für  unreine  Wasser'  unter  Anlehnung  an  abziehen  aus  lat.  aquaeductus.  — 
Adierwurz.  Hier  wird  Adier  auf  d.  Adier  bezogen,  während  es  auf  lat.  acorus  zurück- 
geht. —  Affodill  'lilienartiges  Gartengewächs',  unter  Anlehnung  an  Affe  und  Dill  aus  gr.- 
lat  asphodilus.  —  allmählidi  aus  mhd.  all(ge)medilidi  unter  Anlehnung  an  Mal.  —  an- 
beraumen  unter  Anlehnung  an  Raum  aus  anberamen  (so  noch  Adelung  1793),   mhd. 


§  207.  Das  Wesen  der  Volksetymologie.  §  208.  Beispiele.  357 

rämen  'zum  Ziel  nehmen'.  —  anheisdiig  durch  Einwirkung  von  heischen  aus  mhd. 
anthei^ec  'durch  Versprechen  schuldig'  zu  heißen.  —  anrücfiig.  Hier  gehört  riidi  zu 
Gerücht,  weiter  zu  Ruf.  Es  ist  an  riedien  angelehnt.  —  Armbrust  aus  mlat.  arbalista 
arciibaiista  'Bogenwurfmaschine'  (zsg.  aus  arciis  'Bogen'  und  einer  Ableitung  von  gr. 
ßdU.Fiv  [ballen]  'werfen');  an  Arm  und  Brust  angelehnt.  —  Asdilaudi,  ahd.  asklouh  aus 
ascalonia  nach  der  Stadt  Askalon  in  Palästina.  —  Attentäter  von  Attentat  in  Anlehnung 
an  Täter.  —  ausmerzen,  nicht  zu  März,  sondern  aus  merkzen.  —  Bakkalaureus 
mit  Anlehnung  an  laureus  'Lorbeer'  aus  mlat.  baccalarius.  --  bärbeißig  aus  bernbeißig 
zu  Bern  'Krippe'.  —  Batengel  aus  mhd.  batonie,  batenie,  batenge.  —  baumeln  unter 
Anlehnung  an  Baum  aus  bammeln.  —  Baumschlag.  Hier  bedeutet  5rA/a^ 'Art  und  Weise' 
zu  ahd.  slahan  'arten,  nacharten,  nach  jem.  schlagen'.  —  Beifuß  aus  mhd.  bivöi,  bibö^ 
zu  ahd.  bö:ian  'stoßen,  schlagen',  also  wohl  'zu  stoßendes  Kraut',  angelehnt  an  Fuß.  — 
Beispiel,  mhd.  ö/s;?^/ 'Nebenerzählung',  angelehnt  an  Spiel.  — Beißker  mit  Anlehnung 
an  beißen  aus  ^o\n.  piskorz.  —  Bertram,  ahd.  berhtram  unter  Anlehnung  an  den  Mannes- 
namen aus  gr.-lat.  pyrethrum.  —  Biberneil,  mhd.  bibernelle  mit  Anlehnung  an  Biber  aus 
mlat.  pipinella.  —  Blankscheit  aus  frz.  planchette.  —  bleuen  'heftig  schlagen',  mhd. 
bliuwen  zu  lat.  fligere,  hat  mit  blau  nichts  zu  tun.  blümerant  unter  Anlehnung  an 
Blume  aus  frz.  bleu  mourant  'sterbeblau'.  —  blut-  in  Zss.  hat  manchmal  nichts  mit  Blut 
zu  tun,  sondern  ist  eigentlich  blutt  'bloß,  kahl'.  Hier  gehört  blutarm,  blutfremd,  blutjung, 
blutsauer,  blutwenig.  —  Bockbier,  eig.  Eimbeckerbier.  —  Bocksbeutel  'steif  bewahrter 
Brauch'  geht  auf  nd.  boksbüdel  'BuchheuitV  zurück.  —  Bofist,  aus  vohenfist  'Füchsinfist', 
angelehnt  an  Bube  oder  Pfau  (Bubenfist,  Pfauenfist).  —  Brente  'Gebäck  mit  eingedrückter 
Figur',  unter  Anlehnung  an  brennen  aus  Prente  zu  lat.  premere  'drücken'.  —  Brosame 
ist  entstanden  aus  ahd.  brösma,  asächs.  brdsmo  'Brocken'.  —  büffeln,  eig.  wohl  Diminu- 
tivum  zu  mhd.  buffen  'schlagen',  an  Büffel  angelehnt.  —  bürsten  'trinken'  zu  Burse.  — 
Bussard  aus  frz.  busard,  erscheint  teils  als  Bußhort,  teils  als  Bußaar.  —  Dänisch 
Leder  ist  mhd.  tenisch  von  afrz.  daine  'Damhirschkuh'.  —  Degen  'Kriegsmann'  ist  an 
Degen  'Waffe'  angelehnt,  wie  Hau-,  Raufdegen  zeigen,  obgleich  die  Worte  nichts  mit- 
einander zu  tun  haben.  —  deidiseln  'bearbeiten,  fertig  bringen'  steht  für  dechseln  zu 
lat.  texo  'webe'  unter  Anlehnung  an  Deichsel.  —  Dickbein  'Bein  von  der  Hüfte  bis  zum 
Knie',  aus  mhd.  diechbein  von  mhd.  diedi  'Schenkel'  zu  lit.  taukai  'Fett'.  —  Dienstag 
hat  nichts  mit  Dienst  zu  tun,  sondern  steht  für  dingestag  nach  Thingsus,  einem  Beiwort 
des  Ziu.  —  ehender  'eher'  mit  Anlehnung  an  ehe  zurückgehend  auf  mhd.  end,  ent  'be- 
vor'. —  Ehren-  vor  Namen,  z.  B.  Ehren  Loth  bei  Bürger  geht  auf  mhd.  ern  aus  herren 
zurück.  Eichhorn,  ahd.  eihhorn,  ags.  äcwern,  an.  ikorni  hat  nichts  mit  Eidie  und 
Hörn  zu  tun.  —  Eiland,  mhd.  ei-  und  einlant  ist  an  ein  und  Ei  angelehnt,  es  steckt 
aber  darin  ein  Wort  für  'Insel',  das  wir  auch  in  Nordern-ey  haben.  —  Eimer,  ahd.  eimbar^ 
also  'Gefäß  mit  einem  Griff,  ist  aus  gr.-lat.  amphora  umgestaltet.  —  Einöde  unter  An- 
lehnung an  öde  aus  ahd.  einödi,  worin  ödi  wohl  zu  Adel  gehört  und  'Grund  und  Boden' 
bedeutet.  Einöde  ist  eigentlich  'Einzelgut'.  —  Eintradit  steht  für  eintraft  zu  treffen, 
also  eig.  'das  Treffen  eines  Zieles',  wird  jetzt  auf  tragen  bezogen.  —  Eisbein,  wohl 
sicher  volksetymologisch  umgestaltet,  doch  die  Entwicklung  unklar.  —  Ekelname,  mit 
Anlehnung  an  Ekel  aus  nd.  ökelname,  wozu  an.  aukanafn,  zsg.  mit  as.  ökian  'mehren' 
zu  lat.  augere,  also  eig.  'Zuname'.  —  Enterich  unter  Anlehnung  an  rieh  (daher  auch 
Entreidi)  aus  ahd.  antrehho,  worin  ant  'Ente'  und  nd.  drake,  e.  drake  'Enterich'  steckt.  — 
ereignen  unter  Anlehnung  an  eigen  aus  mhd.  eröugen,  ahd.  irougen  'sehen  lassen'  zu 
Auge.  —  fahnden  mit  Anlehnung  an  fahen  aus  ahd.  fantön  'durchforschen,  aufsuchen, 
ausspüren',  das  wohl  zu  finden  gehört.  —  fahrlässig,  kaum  aus  fahren  lassen  gebildet,, 
sondern  unter  Anlehnung  an  fahren  aus  mhd.  verlie^ec  'lässig',  abgeleitet  von  verlaß 
'Lässigkeit,  Versäumnis'.  Vgl.  nadilässig.  —  Feldstuhl  entstellt  aus  Faltstuhl.  —  Fell- 
eisen unter  Anlehnung  an  Fell  und  Eisen  aus  mhd.  velis  von  frz.  valise.  —  Fett- 
männdien  'kölnische  Münze'  entstanden  aus  Fettmönch.  —  Firlefanz  unter  Anlehnung 


358  Fünfzehntes  Kapitel.  Volksetymologie. 


an  Firl  'Kreisel'  und  Fanz  'Possen'  aus  mlid.  firlafei,  von  frz.  virelai  'Ringcltanz'.  — 
Flamberg  aus  frz.  flamberge,  das  unter  Anichnunj,'  an  flambe  'Flamme'  aus  Floberge, 
dem  Eigennamen  eines  Scliwcrtes,  entstanden  ist.  —  Flederwisdi  aus  mhd.  vederwlsdt 
durch  Anlehnung  an  f ledern.  —  Flittidt  aus  Fittidi  unter  Anlehnung  an  fliegen,  Flügel.  — 
flöten  gehen  aus  n6.  fleuten  gähn,  das  aus  jüd.-deutsch  pleite  gehn  'flüchtig  sich  davon- 
machen' entstanden  ist,  von  jüd.  pliHö  'Flucht'.  —  freudig  steht  verschiedentlich  für 
freidig  'mutig,  klilin'.  —  Friedhof,  mhd.  vrithof  von  ahd.  vrUen  'begünstigen,  hegen'.  — 
Fußtapfe  aus  miid.  vuoistapfe  zu  stapfen  unter  Anlehnung  an  Tappe.  —  Gewürz 
gehört  nicht  zu  würzen,  sondern  zu  Würz.  —  Gottlieb.  ahd.  Gotleip  unter  Anlehnung 
an  lieb,  -leib  gehört  zu  bleiben  und  heißt  'der  Zurückgelassene,  der  Sohn'.  —  Griffel 
mit  Anlehnung  an  Griff  und  greifen  entlehnt  aus  gr.-lat.  graphium  von  gr.  yodq^eiv  (gräphtn) 
'schreiben'.  —  Grobgrün  aus  Grobgrün,  Uz.  gros  grain,  ifal.  grosso  grano  'dickes  Korn'.  — 
Grobzeug  umgedeutet  aus  Kropzeug.  —  Gruft,  mhd.  kruft  aus  gr.-lat.  crypta  'Gewölbe, 
Gruft'  unter  Anlehnung  an  Grube.  —  Grünspan  ist  spanisdi  Grün.  —  Grütze  in  der  Be- 
deutung 'Verstand'  ist  aus  älternhd.  Kritz  'Verstand'  umgedeutet.  —  Gundermann  um- 
gebildet aus  gunderam,  spätahd.  gundram.  —  gut  Gesdiirr  madien  'ausgelassen,  lustig 
sein'  ist  umgedeutet  aus  frz.  faire  bonne  diere.  —  Hagestolz,  mhd.  hagestalt  'der  im 
Hag  sitzt,  allein  lebt'.  —  handlangen  wohl  umgestaltet  aus  mhd.  andelangen  'über- 
antworten'. —  Hängematte  aus  ndl.  hangmat,  hangmak,  das  durch  Anlehnung  an 
hängen  und  matte  aus  hamaca,  einem  Wort  einer  Indianersprache,  stammt.  —  hantieren 
aus  frz.  hanter  'oft  besuchen,  hin-  und  herziehen'  unter  Anlehnung  an  Hand.  —  hase- 
lieren  unter  Anlehnung  an  Hase  'Narr'  entlehnt  aus  frz.  harceler  'reizen,  plagen,  necken*.  — 
Havarie  aus  frz.  avarie  wohl  mit  Anlehnung  an  Hafen.  —  Hebamme  unter  Anlehnung 
an  Amme  aus  ahd.  hevanna,  hevianna.  —  Hederidi  unter  Einwirkung  von  Wegeridi  um- 
gebildet aus  lat.  hederäceus.  —  herrisdi,  herrlidi  zn  Herr  angelehnt,  ursprünglich  aber 
von  hehr  abgeleitet.  —  Hödter  unter  Einfluß  von  hodten  aus  hofer  umgebildet.  —  Höhen- 
raudi  ist  aus  heraudi  umgebildet,  das  aus  /z«"/ 'trocken'  und  Raudi  zusammengesetzt  ist.  — 
hohnedien  wohl  umgestaltet  aus  holhippeln  unter  Anlehnung  an  Hohn.  —  Kalauer 
umgestaltet  aus  frz.  calembour(g)  unter  Anlehnung  an  den  Namen  des  Städtchens  Kalau 
bei  Berlin.  —  Kälberkern  umgedeutet  aus  Kälberkerbel.  —  Kämpf  er 'K^agsXtxn,  Balken- 
kopf', umgebildet  aus  Käpfer  von  lat.  capreolus  'hervorragender  Strebe-  und  Stützbalken*.  — 
Kanone,  unter  der  'unter  allem  Maß*,  scherzhafte  Umbildung  von  Kanon.  —  Kapp- 
hahn  für  Kapaun,  mhd.  kappe  aus  lat.  cäpo  unter  Anlehnung  an  Hahn.  — Kappzaum 
mittels  Anlehnung -an  Kappe  und  Zaum  aus  frz.  cavegon.  — Karfunkel  mit  Anlehnung 
an  funkeln  aus  lat.  carbunculus.  —  Kater  'Katzenjammer'  wohl  umgebildet  aus  Katarrh.  — 
Kette  'Volk  jagdbarer  Hühner'  geht  auf  ahd.  kutti  'Herde'  zurück.  —  Keusdilamm, 
Übersetzung  des  lat.  agnus  castus.  —  Kohlmeise  'Meise  mit  kohlschwarzem  Schnabel', 
also  zu  Kohle,  nicht  zu  Kohl.  —  kostspielig.  Der  zweite  Teil  ist  ahd.  spildig  'ver- 
schwenderisch', angelehnt  an  Spiel.  —  Kreisel,  angelehnt  an  Kreis  und  kreisen  aus 
Krauset  zu  ndd.  Krüsel  'Wirbel'.  —  kritteln  aus  gritteln  unter  Anlehnung  an  Kritik.  — 
Küdiensdielle  'anemona  pulsatilla'  aus  frz.  coquelourde.  —  Kümmelblättdien,  der 
erste  Teil  aus  gaunerisch  gimmel  'drei'.  —  kunterbunt,  im  15.  Jh.  contrabund  aus 
Kontrapunkt.  —Lambertsnuß,  elg.  'lombardisdie  Nuß\  von  Lamparten 'Lombaidti  — 
Landsknedit,  wird  vielfach  auf  Lanze  bezogen,  gehört  aber  zu  Land.  —  Laube,  nicht 
zu  Laub,  sondern  zu  anord.  lopt  'Zimmerdecke'.  —  Leididorn  ist  'Dorn  im  Körper'  zu 
ahd.  lih  'Körper',  nhd.  Leidie.  —  Leinwand  mit  Anlehnung  an  Gewand  aus  mhd.  lin- 
wät.  —  zu  guter  Letzt.  Letzt  gehört  zu  mhd.  /^^z^ 'Abschied,  Abschiedsgeschenk',  von 
letzen  'erfreuend  aufrichten,  laben'.  —  Leumund,  ahd.  (h)liumunt  ist  keine  Zusammen- 
setzung, sondern  eine  Ableitung  vom  Stamme  hliu-  zu  gr.  y.Uog  {kleos)  'Ruhm'.  —  Lieb- 
stödiel  'ligusticum  levisticum'  aus  mlat.  levisticum  unter  Anlehnung  an  lieb  und  Stödtel.  — 
liederlidi,  unter  Anlehnung  an  Luder  oft  lüderlidi  gesprochen  und  geschrieben.  —  Ala- 
joran,  Meiran  mit  Anlehnung  an  maior  umgebildet  aus  gr.-lat.  amäracus.  —  Manidiäer 


§208.  Beispiele;:  '.wi  <i:/::!.:  ;;^  359 


iinter  Anlehnung  an  mahnen  umgedeutet  aus  lat.  Manicitaeiis  'Anhänger  des  Mani'.  — 
Maßholder  mit  Anlelmung  an  Holder  'Hohmder'  aus  mhd.  ma^alter.  —  Maulwurf 
■umgedeutet' aus  mhd.  moltwerf 'ErdwcTier".  —  Meerrettidi,  eig.  wohl  'Sumf)frettich'  von 
Meer  'Sümpf,  Graben'.  —  Meltau  aus  mhd.  miltou,  in  dem  tnil  zu  got.  niilif)  'Honig', 
lat.  mel,  gr.  /«tUt  {meli)  'Honig'  gehört,  angelehnt  an  Mehl.  —  m^r^^/«  'kraftlos  machen' 
von  Mark,  aber  angelehnt  an  Mergel.  —  Meßner,  kommt  nicht  von  Messe,  sondern  ist 
entlehnt  aus  mlat.  mesenarius,  älter  mansionarius  'Türhüter  des  Tempels'  von  lat.  mansiö 
"•Wohnung,  Haus'.  —  Miniatur  aus  ital.  miniatura  'kleines  Gemälde'  von  lat.  miniäre 
■'mit  Mennig  färben',  wird  mit  minder  zusammengebracht.  —  mundtot,  gehört  zu  dem 
veralteten  Mund  'Schutz'  in  Vormund.  —  Murmeltier,  umgebildet  aus  mhd.  mürmendin, 
^hd.  murmenti,  entlehnt  aus  lat.  mürem  montis  'Bergmaus'.  —  Muskedonner  unter  An-, 
lehnung  an  Donner  umgebildet  aus  frz.  mousqueton.  —  Mutter  'dicker  Bodensatz,  Hefe', 
€ins  mit  Moder,  aber  umgedeutet  auf  Mutter  als  Grundstock  des  gärenden  Getränkes.  — 
Mutterkrebs,  gehört  zu  mutern,  ndd.  Form  für  mausern,  also  'sich  mausernder  Krebs'.  — •. 
Nachdrudi  'das  Wiederkäuen'  (vom  Rotwild),  umgebildet  aus  Nachrudi,  worin  ra^  'kauen' 
bedeutet,  zu  lat.  ructäre.  —  Nigromantie  'Schwarze  Kunst'  aus  lat.  nicromantia,  in  dem 
nicro  auf  gr.  vexgög  (nekrös)  'Toter'  zurückgeht,  das  aber  auf  lat.  niger  'schwarz'  bezogen 
wurde.  —  Odermennig,  umgebildet  aus  lat.  agrimönia.  —  Ohnmadit,  ahd.  ämaht, 
zsg.  mit  der  Präposition  ä  'un',  umgebildet  nach  ohne.  —  Ohrfeige.  Der  zweite  Beständ- 
teil gehört  zu  ndl.  veeg  'Schlag,  Streich'.  —  Oleander,  durch  mannigfache  Anlehnungen 
umgestaltet  aus  gr.-lat.  rhododendron.  —  Orange  aus  frz.  orange  unter  Anlehnung  an 
er  'Gold'  umgestaltet  aus  ital.  arancia,  das  im  letzten  Grunde  auf  aind.  nuravga-  'Orangen- 
baum' zurückgeht.  —  Osterluzei  aus  mlat.  aristolocia  durch  Anlehnung  an  Ostern.  — 
Oxhoft  aus  engl,  hogshead  'Schweinskopf',  noch  mehr  verdeutlicht  Oxenhaupt.  —  zu 
Paaren  treiben,  umgedeutet  aus  zum  parn  bringen  'zur  Krippe  [barn)  treiben'.  — 
Pappenstiel  aus  Pappelstiel  unter  Anlehnung  an  Pappe.  —  Petsdiaft  unter  Anlehnung 
an  sdiaft  umgebildet  aus  mhd.  petsdiat  und  dies  aws  ischtzh.  pecet  —  Pf  eif  holt  er  d.nxch 
Anlehnung  an  pfeifen  aus  mhd.  vivalter.  —  Pidtelhaube  aus  mhd.  bediinhabe  , Kriegs- 
haube in  Form  eines  Beckens'.  —  Pirol  wohl  nach  dem  Ruf  des  Vogels,  umgedeutet  in 
Bierhold,  Bierholer,  Vogel  Bülow.  —  Rainblume  und  Rainschwalbe  gehören  beide 
nicht  zu  Rain,  sondern  zu  Rhein.  —  Reitersalbe  'Salbe  zur  Heilung  der  Räude',  um- 
gedeutet aus  ndl.  ruitzalve  von  ndl.  ra^Y 'Räude'.  —  Rempter,  mhd.  revent(er)  mit  zahl- 
reichen Nebenformen,  vielleicht  umgestaltet  aus  mlat.  refectorium.  —  Rennsteig,  um- 
gedeutet aus  Rainsteg  'Grenzstieg'.  —  Ridikül  aus  glbed.  frz.  ridicule  für  reticule  aus 
lat.  reticulum  'kleines  Netz'.  —  Rohrdommel  mit  Anlehnung  an  Rohr  aus  ahd.  horo- 
dumil  von  ahd.  horo  'Schmutz'.  —  Rosenmontag  aus  rasender  Montag.  —  rösten 
'die  Stengel  des  Flachses  mürbe  machen'  durch  Einfluß  von  rösten  aus  mhd.  rce^en  'mürbe 
machen',  das  zu  verrotten  gehört.  —  rudibar  gehört  nicht  zu  riechen,  sondern  zu  mhd. 
ruoft  'Ruf,  Leumund',  das  zu  rudit  wurde.  —  Rundteil  umgedeutet  aus  mlat.  rondellum 
^Runde,  Kreis'.  — Saflor  umgebildet  aus  ital.  asfiori.  — Salband  'das  Zettelende',  um- 
gebildet aus  mhd.  selbende  'das  eigene,  nicht  angesetzte  Ende  des  Gewebes'.  —  Salweide 
enthält  ahd.  salaha  'Weide'.  —  Sdiäl-,  Sdiellhengst,  ahd.  skelo,  mit  beschälen  zu  ai. 
salabhdh  'Heuschrecke',  eig.  'Springer'.  —  Schanze,  in  die  Sdi.  sdilagen  ist  frz.  Chance.  — 
Sdiarladi  mit  Anlehnung  an  Lachen  'Laken'  aus  mlat.  scarlatum.  —  Sdiellkraut  mit 
Anlehnung  an  Sdielle  umgebildet  aus  mlat.  dielidonia.  —  sdiimpfieren  unter  Anlehnung 
an  Sdiimpf  aus  afrz.  desconfire  'völlig  htsxtgzn'.'-^  Sdilagetot  ist  z.T.  volkstümliche 
UmgestaUung  von  Soldat.  —  Sdilittschuh  aus  älternhd.  Sdirittsdiuh  unter  Einfluß  von 
Schlitten.  —  Sdinake  'lustiges  Gerede'  wird  im  Hinblick  auf  Grillen,  Mucken  mit  Sdinake 
'Mücke'  in  Verbindung  gebracht.  —  sdinippisdi  aus  ndl.  snebbig  'maulgewandt'  von  sneb 
'Schnabel'  unter  Anlehnung  an  sdinippen  'ein  Schnippchen  schlagen'.  —  Schönbartspiel 
'von  Maskierten  aufgeführtes  Fastnachtsspiel'  ist  aus  mhd.  sdiemebart  'bärtige  Maske' 
.umgedeutet,  zsg.  mit  mhd.  sdieme  'Schatten,  Larve'.  —  Schuppenpelz  'Pelz  aus  Wasch- 


360  Sechzehntes  Kapitel  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

barfeilen',  umgedeutet  aus  russ.  iuba  'Pelz*.  —  schurigeln  unter  Anlehnung  an  Sditih 
umgebildet  aus  sduirgeln,  einer  Ableitung  von  sdiürgen  'stoßen,  schieben".  —  Schütze 
'öffentlicher  Wächter,  Flurschütz'  ist  Ableitung  von  sdiützen.  wird  aber  mit  Schütze  'der 
Schießende'  zusammengebracht.  —  Sdiwabe  'Mehlkäfer'  aus  Sdiabe  durch  Anlehnung  an 
den  Volksnamcn  Sdiwabe.  —  sdiwadronicren  umgebildet  aus  sdiwadern  'viel  schwatzen' 
durch  Anlehnung  an  Schwadron.  —  Schwarte  'Redefluß'  umgebildet  aus  Sdiwade.  — 
Schwein  'Hirt.  bes.  Schweinehirt'  ist  mhd.  ahd.  swein,  verwandt  mit  lit.  sva'inis  'der 
Gattin  Schwestermann',  angelehnt  an  Sdiwein  'sus'.  —  Sdiwibbogm  aus  mhd.  swiboge 
durch  Anlehnung  an  sdtwcben.  Ursprünglich  hieß  es  swibibogo  'Schwebebogen'.  Es  ist 
also  hier  das  Richtige  getroffen.  —  sdiivin  i •' ,  mhd.  sweric,  eig.  'voll  Schwären',  an  schwer 
angelehnt.  —  Seidelbast,  aus  mhd.  zidelbast,  zsg.  mit  ahd.  zidal  'Honig'.  Anlehnung 
an  Seide.  —  Sorbet  aus  ital.  sorbetto,  das  mit  Anlehnung  an  ital.  sorbire  aus  türk.-pers. 
Werbet  'süßer  Kühlfrank'  entlehnt  ist.  —  Siidit  'krankhaftes  Verlangen'  gehört  nicht  zu 
sitdien.  sondern  mit  Ablaut  zu  siech.  —  Sündjiut,  umgedeutet  aus  mhd.  sin(t)fluot  'an- 
dauernde Flut'.  —  Teerjacke  'Matrose',  umgedeutet  aus  engl.  Jadi-tar.  —  Theriak,  aus 
gr.-lat.  thfriaciis  'wider  Schlangenbiß  dienlich*,  ist  volkstümlich  mannigfach  umgestaltet  zu 
Dreiacker,  Trujak,  Driages.  —  Trampeltier,  umgestaltet  aus  Dromedar.  —  Tuffstein 
ist  auch  umgebildet  zu  Duckstein,  Taudistein.  —  Ungeld  '(lästige)  Abgabe  von  Einfuhr 
und  \'erkauf  von  Lebensmitteln  usw.',  wohl  Übersetzung  des  lat.  indebitum,  wird  um- 
gebildet zu  Ohmgeld,  mhd.  umbgeld.  —  Untersdileif,  mhd.  nndersleipf  neben  under- 
slouf  'Versteck',  gehört  wohl  eigentlich  zu  mhd.  undersliefen  'hintergehen,  betrügen'  mit 
Anlehnung  an  schleifen.  —  unverzüglidi,  ursprünglich  zu  verziehen  gehörig,  jetzt  zu 
Verzug  gestellt.  —  Vielfraß  'gulo'.  vielleicht  umgedeutet  aus  norvv.  fjeldfross  'Berg- 
kater'. —  Wadwider  aus  ahd.  wcdialter  unter  Anlehnung  an  Holder.  —  Wahnsinn, 
Wahnwitz  enthält  ein  Adjektivum  wahn  'leer',  zu  lat.  vänus.  wird  aber  auf  Wahn  be- 
zogen. —  Wahrzeichen,  bei  Notker  wortzeidien,  asächs.  wordtPkan,  also  'Erkennungs- 
wort', aber  an  wahr  angelehnt.  —  Weichbild,  mhd.  wtdibilde  'Stadtgebiet'  zu  wich,  wik 
'Stadt'.  —  weisniadien,  mhd.  einen  wis  madien  'einen  kundig  machen'.  —  ivrissagen, 
ahd.  wijagön  von  wi^ago  'Wahrsager",  einer  Ableitung  von  wissen,  jetzt  mit  weise  und 
sagen  zusammengebracht.  —  Wetterleuchten,  spätmhd.  weiter  laidien  von  wetterleidi 
'Wetterspier, •  leidi  zu  got.  laiks 'S\i\t\' .  —  Wiedehopf,  ahd.  tf/Yw/zo/?/« 'Holzhüpfer',  das 
aber  wohl  eine  Umgestaltung  eines  Wortes  ist,  das  den  Ruf  des  Vogels  nachahmt,  d.  Hupp- 
hupp, lat.  upupa,  gr.  f.Tov  (cpops).  —  Wildsdiur  'Wolfspelz',  umgebildet  aus  poln.  wilczura 
'Wolfspelz'  zu  poln.  wilk  'Wolf.  —  Windmonat  'November',  ursprünglich  windumemänöth 
, Weinlesemonat  (Oktober)'  von  lat.  vindemia  'Weinlese'.  —  Windsbraut,  schon  ahd. 
wintesprat.  Doch  steckt  kaum  Braut  in  dem  zweiten  Bestandteil.  —  Wonnemonat,  ahd. 
winne-,  wunnimänüth  bedeutet 'Weidemonaf,  zu  ahd.  wunnia  'Weidt'.  — zerknirsdien, 
ahd.  zeknnsen  von  ahd.  knussan  'stoßen,  schlagen'.  —  Zierat,  bei  Stieler  Z/V/ta/,  weil 
er  darin  eine  Zusammensetzung  mit  rät  sah.  -at  ist  aber  Ableitungssilbe,  mhd.  zierüt.  — 
Zwiebel,  ahd.  zwibollo  unter  Anlehnung  an  Bolle  umgestaltet  aus  lat.  caepula. 


Sechzehntes  Kapitel. 
Die  Bildung  der  Eigennamen. 

§  209.  Allgemeines.  Unter  den  vielen  Gebieten  der  Wortforschung  ist 
vielleicht  eines  der  anziehendsten,  aber  sicher  auch  eines  der  schwierigsten, 
die  Untersuchung  der  Eigennamen.  Namen  stehen  vielfach  nicht  mehr  in  deut- 
lich erkennbarem  etymologischem  Zusammenhang  mit  andern  Wörtern,  und 


§209.  Allgemeines.  A.  Die  Personennamen.  §210.  Allgemeines.  361 


daher  setzt  hier  das  Bedürfnis,  Aufklärung  zu  erhalten,  früh  ein.  Es  kommt 
die  persönliche  Anteilnahme  hinzu,  die  jeder  an  den  Namen  hat,  die  ihn 
umgeben.  Man  möchte  wissen,  was  der  Name,  den  man  selber  führt,  der 
Name  des  Ortes,  in  dem  man  wohnt,  des  Flusses,  den  man  sieht,  eigent- 
lich bedeutet.  Eine  Reihe  von  Fällen  sind  ja  ohne  weiteres  klar.  Namen 
wie  Schneider,  Sdmster,  Müller,  Hirt.  Sattler  bedürfen  zunächst  keiner 
Erklärung;  ebensowenig  andere  wie  Thüringer  Wald,  Erzgebirge,  Magde- 
burg, Regensburg,  Neustadt.  Aber  die  große  Masse  ist  undeutlich,  und 
bedarf  daher  der  Untersuchung  und  Erläuterung.  Die  Sprachforschung  hat 
bisher  das  Ihrige  dazu  beigetragen,  dieses  immerhin  dunkle  Gebiet  auf- 
zuhellen. Die  Anzahl  der  Arbeiten,  die  sich  mit  der  Deutung  einzelner 
Lokalnamen  beschäftigen,  ist  geradezu  unabsehbar.  An  dieser  Stelle  kann 
es  sich  nur  darum  handeln,  die  hauptsächlichen  und  grundsätzlichen  Er- 
gebnisse der  bisherigen  Forschung  zusammenzustellen  und  mit  den  nötigen 
Beisp'elen  zu  belegen.  Auf  eine  vollständige  Anführung  der  Literatur  muß 
verzichtet  werden.  Unser  Gebiet  zerfällt  in  die  Eigennamen  für  lebende 
Wesen  (Personen-,  Völker-  und  sonstige  Namen)  und  die  örtlichen 
Namen  (Gebirgs-,  Fluß-,  Orts-,  Straßen-  und  Häusernamen). 

A.  DIE  PERSONENNAMEN. 

§  210.  Allgemeines.  Über  die  Grundgesetze  der  Deutung  der  Personen- 
namen ist  man  seit  langem  im  klaren,  aber  in  den  Einzelheiten  ist  noch 
vieles  unsicher,  und  es  ist  merkwürdig,  wie  wenig  wahrhaft  fördernde 
Arbeiten  wir  besitzen  bei  der  großen  Menge  von  Schriften,  die  sich  mit 
der  Frage  nach  der  Herkunft  der  Personennamen  beschäftigen.  Vor  allem 
fehlten  genaue  geschichtliche  Untersuchungen  so  gut  wie  ganz.  Erst  neuer- 
dings ist  ein  großes  Werk  erschienen,  das  die  oberrheinischen  Verhältnisse 
in  trefflicher  Weise  behandelt:  A.  Socin,  Mittelhochdeutsches  Namenbuch; 
nach  oberrheinischen  Quellen  des  12.  und  13.  Jahrhunderts,  Basel  1903.  Für 
die  althochdeutsche  Zeit  bietet  E.  Förstemann  das  Material  in  seinem  Alt- 
deutschen Namenbuch:  1.  Personennamen,  Nordhausen  1854;  2.  Auflage  1901. 

Anmerkung.  Aus  der  übrigen  Literatur  hebe  ich  nur  hervor,  was  heute  noch  einiger- 
maßen von  Wert  und  Bedeutung  ist:  W.  Wackernagel,  Die  germanischen  Personennamen, 
Schweizerisches  Museum  für  historische  Wissenschaft  1  (1837),  96— 119.  H.  F.  O.  Abel, 
Die  deutschen  Personennamen,  Berlin  1852,  2.  Auflage  1890.  —  Pott,  Die  Personennamen, 
insbesondere  die  Familiennamen  und  ihre  Entstehungsarten,  Leipzig  1853,  2.  Auflage  1859.  — 
ViLMAR,  Deutsches  Namenbüchlein,  Frankfurt  a.  M.  1863,  '■  1896.  —  M.  Heyne,  Altniederdeutsche 
Eigennamen  aus  dem-  9.  bis  11.  Jalirhundert,  Halle  1867.  —  L.  Steub,  Die  oberdeutschen 
Familiennamen,  München  1870.  —  K.  G.  Andresen,  Die  altdeutschen  Familiennamen  in  ihrer 
Entwicklung  und  Erscheinung  als  heutige  Geschlechtsnamen,  Mainz  1873.  —  K.  G.  Andresen, 
Konkurrenzen  in  der  Erklärung  der  deutschen  Geschlechtsnamen,  Heiibronn  1883.  —  Alb. 
Heintze,  Die  deutschen  Familiennamen  geschichtlich,  geographisch,  sprachlich;  Halle  1882, 
•*1914;  dieses  Werk  bietet  augenblicklich  die  beste  Übersicht.  —  Fr.  Kluge,  Deutsche 
Namenkunde,  1917.  —  A.  B.^HNiscH,  Die  deutschen  Personennamen,  1914.  —  Khull, 
Deutsches  Namenbüchlein,  Braunschweig  1891.  —  Tetzner,  Namenbuch,  Leipzig  ^  1895.  — 
Tobler-Meyer,  Deutsche  Familiennamen   nach   ihrer  Entstehung  und  Bedeutung  mit  be- 


362  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 


sondrer  Rücksicht  auf  Zürich  und  die  Ostschweiz,  Zürich  1894.  —  H.  GLOfiL,  Die  Familien' 
namen  Wesels,  Wesel  1901.  —  Karl  Heinrichs  Studien  über  die  Namengcbung  im  Deutschen 
seit  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts,  Straßburg  1908.  —  H.  Reichert,  Die  deutschen 
Familiennamen  nach  Breslauer  Quellen  des  13.  und  14.  Jahrhunderts,  Breslau  1908.  — 
E.  Schröder,  Die  deutschen  Personennamen,  Göttingen  1907.  —  F.  Vetter,  Über  Per^ 
sonennamen  und  Namengebung  in  Bern  und  anderswo.  Rektoratsrede.  Bern  1910.  —  G.  Werle,' 
Die  ältesten  germanischen  Personennamen,  Straßburg  1910.  Beiheft  zu  ZfdW.  12.  Derselbe, 
Mainzer  Ztschr.  5,  54—66.  —  M.  Schönfeld,  Wörterbuch  der  altgermanischen  Personen^ 
und  Völkernamen.  Nach  der  Überlieferung  des  klassischen  Altertums  bearbeitet.  Heidelberg 
lÖll.  —Weiteres  bibliographisches  Material  bei  VON  Bahder,  Die  deutsche  Philologie  im 
Grundriß  145,  Internationale  Zeitschrift  für  allgemeine  Sprachwissenschaft  1,  33  und  für  die 
letzten  Jahre  im  Jahresbericht  für  germanische  Philologie. 

T'»'^ '  In  der  Entwicklung  der  germanischen  und  deutschen  Personennamen 
muß  man  zwei  Abschnitte  unterscheiden,  erstens  den  altern,  in  dem  es  keine 
festen  Familiennamen  gab,  sondern  jeder  Mensch  nur  einen  Namen  hatte; 
und  zweitens  den  Jüngern,  in  dem  sich  die  Familiennamen  ausgebildet  haben. 

Während  auf  diesem  Gebiet  manches  ohne  weiteres  klar  war,  herrschte 
über  die  Bildung  und  Herkunft  der  altgermanischen  Personennamen  Un- 
klarheit, bis  das  Grundgesetz  der  germanischen  Namengebung  von  ver- 
schiedenen Seiten  aufgedeckt  wurde,  von  K.  Strackerjahn,  Die  jeverländischen 
Personennamen  mit  Berücksichtigung  der  Ortsnamen,  Jever  1864;  Fr.  Stark, 
Die  Kosenamen  der  Germanen;  zuerst  in  den  Sitz.Ber,  der  Wiener  Akad.  52 
(1866),  dann  als  Buch  Wien  1868;  A.  Fick,  Die  griechischen  Personennamen, 
1.  Aufl.  1874;  in  der  zweiten  Auflage  fehlt  der  betreffende  Abschnitt. 

Für  das  Folgende  bemerke  ich,  daß  es  den  Zwecken  dieses  Buches 
entsprechend  nur  darauf  ankommt,  die  Bildungsgesetze  und  die  Herkunft 
der  Namen  darzustellen,  während  die  allmähliche  Ausbildung  und  das  Fest- 
werden der  Familiennamen  zu  verfolgen  nicht  in  unsere  Aufgabe  fällt.      , 

§  21 1.  1.  Die  indogermanischen  und  altgermanischen  Personennamen.  In  den 
ältesten  uns  bekannten  Zeiten  bis  in  das  12.  Jahrhundert  und  weiter  trägt 
jeder  Deutsche  nur  einen  Namen,  der  ihm  bei  der  Geburt  beigelegt  wird 
und  der  mit  seinem  Tode  erlischt.'  Ich  erinnere  an  Arminias,  Segestes,  Sigfrid^ 
Sigmund,  Theodoridi  {Dietrich).  Diese  Art  stammt  aus  der  indogermanischen 
Zeit,  da  eine  ganze  Reihe  der  verwandten  Völker  dieselbe  Weise  mit  den- 
selben Bildungsgesetzen  anwendet,  vgl.  Hirt,  Die  Indogermanen  2,  718  ff. 

Da  aber  auch  in  alter  Zeit  oft  die  gleichen  Namen  vorkamen,  so  fügte 
man  als  besonderes  Kennzeichen  den  Namen  des  Vaters  hinzu.  So  heißt 
Agamemnon  der  Sohn  des  Atreus,  Odysseus  der  Sohn  des  Laertes.  Im 
Griechischen  blieb  es  bei  dieser  Art  der  Benennung,  und  die  Russen  haben 
sie  noch  heute  bewahrt.  Wenn  es  dort  jetzt  auch  Familiennamen  gibt,  so  wird 
doch  jeder  im  Umgang  mit  seinem  Vornamen  und  einer  Ableitung  vom  Vor-; 
ngmen  seines  Vaters  bezeichnet.  So  hieß  der  letzte  Zar  Nikolaj  Alexandrowicl 
d,  h.  Sohn  des  Alexander.  In  jedem  russischen  Roman  kann  man  diese 
Namengebung  antreffen,  die  uns  manchmal  das  Verständnis  etwas  erschwert] 
Auch  bei  uns  galt  dieselbe  Benennungsweise.    Im   Hildebrandslied   heißt 


§211.  Die  indogermanischen  und  altgermanischen  Personennamen.       363 


Hiltlbrant  Heribrantes  siinii  und  sein  Sohn  Hadubrant  Hiltibrantes  siinu. 
Jahrhundertelang  haben  sich  so  die  Deutschen  genannt,  und  in  gewissen 
Gegenden  ist  diese  Art  erst  im  18.  Jahrhundert  durch  staatlichen  Zwang 
beseitigt  worden. 

Aber  auch  unsere  jetzigen  Familiennamen  sind  zum  großen  Teil  nichts 
als  jene  altgermanischen  Individualnamen,  die  sich  in  gewissen  Geschlechtern 
als  FamiUennamen  festgesetzt  haben. 

Nun  scheinen  die  indogerm.  Personennamen  außerordentlich  mannigfach 
zu  sein,  aber  sie  gehorchen  doch  einem  einfachen  Grundgesetz,  das  von  den 
obengenannten  Forschern  unabhängig  voneinander  entdeckt  worden  ist. 

Die  indogermanischen  Personennamen  waren  Zusammensetzungen  aus  zwei 
Stämmen,  wie  wir  es  noch  haben  in  Sig-frid  {Sieg  und  Friede),  Lud-wig  (Jilud  'berühmt' 
zu  gr.  xlvxög  und  wig  'der  Kampf),  Fried-rich  {Friede  und  reich),  Lot-har  {hlot  =  hlud, 
siehe  oben,  und  hari  'Heer'),  Günt-her  {giint  'Kampf  und  hari),  Diet-ridi  {diot  'Volk'  und 
r%di)\  ferner  Rüdi-ger,  Volk-mär,  Rein-hart,  Arn-wald  'Arnolt'  usw. 

Es  ist  vorauszusetzen,  daß  ursprünglich  einmal  diese  Zusammensetzungen  bedeutungs- 
voll gewesen  sind.  Aber  das  hat  schon  früh  aufgehört,  da  sich  die  Sitte  schon  als  indo- 
germanisch nachweisen  läßt,  in  dem  Namen  des  Sohnes  einen  Teil  des  Vaternamens  zu 
wiederholen.  Vgl.  Sigfrid,  Sohn  des  Sigmund,  Hadubrant,  Sohn  des  Hilde b r a n t ,  und 
dieser  Sohn  des  Heribrant  u.  a.  Natürlich  schließt  das  nicht  aus,  daß  man  gewisse 
Namenbestandteile  mit  besondrer  Vorliebe  wählte.  Tatsächhch  können  wir  im  Germanischen 
eine  Vorliebe  für  Wörter  wie  Ruhm,  Sieg,  Kampf  feststellen. 

In  den  verwandten  Sprachen  finden  wir  nicht  nur  dasselbe  Grundgesetz  der  Namen- 
gebung,  sondern  es  finden  sich  sogar  dieselben  Worte  zur  Bildung  verwendet,  so  daß  wir 
eine  ganze  Reihe  indogermanischer  Namen  und  Namenbestandteile  erschließen  können. 

Ich  stelle  im  folgenden  das  Wichtigste  zusammen. 

Idg.  *kluto-  'berühmt':  aind.  Sruta-maghah,  gr.  Klvro-jn^drjg  {Klyto-mäd^s),  gall.  Cluto- 
rix,  ags.  Hlophere,  ahd.  Lot-hari,  Lothar,  Hlud-olf,  Ludolf,  ahd.  Hludwig,  lat.  Chlodo- 
vicus,  Ludwig.  —  Idg.  *segho-  'Kraft,  Sieg':  aind.  Saha-jah,  gr.  "Ex£-(pQOiv  {Ekhe-phrön), 
gall.  Sego-vesus,  germ.  Sigimerus,  Siegmar,  Sigimundus,  Sigmund,  Siegfried.  —  Idg. 
*wlko-  'Wolf:  ai.  Vrka-karman,  gr.  Avxo-rpQcoy  (Lykö-phrön),  Wolf -gang,  Wolf-ram 
und  als  zweites  Glied  in  Ludolf,  Rudolf,  ags.  Hröä-wulf.  —  Idg.  teuto-  'Volk':  hom. 
TEVTa-/.udao  (Teuta-midao),  gall.  Toutorix,  ahd.  Diot-rih,  Dietrich,  lat.  Theodericus, 
Dietmar.  —  \dg.* kerati- 'Rnhm':  ai.  Kirti-dharah,  Su-kirtili,  ahd.  Hruod-berht,  Robert, 
Rupert,  Ruprecht,  ahd.  Ruodarlh,  Roderich,  ahd.  (H)ruodolf,  Rudolf.  —  Idg.  *katu- 
'Kampf:  gall.  Catu-rlx,  Cata-gnätos,  ahd.  Hadu-bald,  Hadu-brant,  Hedwig.  —  Idg. 
*wesu-  'gut' :  ai.  Vasu-dattah,  gr.  Ev-^ievr)?  (Eu-menws),  kelt.  Visu-rix,  illyr.  Ves-clevis,  ahd. 
Wisu-mär.  —  Idg.  *koitu-  'Gestalt,  Glanz':  aind.  Ketu-dharman,  ahd.  Heid-berht,  ahd.  Adal- 
heit,  Adelheid. 

Bei  weiterer  Untersuchung  dürften  sich  noch  mehr  derartige  Stammwörter  ergeben. 

Anmerkung.  Die  germanischen  Personennamen  stimmen  z.  T.  ganz  mit  keltischen 
überein.  Da  sich  unter  diesen  auch  solche  mit  *riks  'reich'  befinden,  dieses  Wort  aber  aus 
dem  Keltischen  entlehnt  ist,  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  die  ganzen  Namen  herüber- 
genommen sind.  Das  führt  aber  mit  Notwendigkeit  zu  der  Annahme,  daß  die  Kelten  einst 
das  höherstehende,  herrschende  Volk  waren,  und  diese  läßt  sich  auch  durchaus  mit  den 
geschichtlichen  Tatsachen  vereinigen.  Vgl.  O.  Bremer,  Ethnographie  d.  germ.  Stämme  S.  53. 

Zu  den  in  den  germanischen  Personennamen  sonst  noch  auftretenden 
verlorenen  Stämmen  gehören  noch  folgende: 

ahd.  hiltia  'Kampf  in  Hildebrand,  Hildegard,  Hildegunde;  —  ahd.  gund  'Kampf, 


364  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigf  • 


lit.  f^inc'as  'Streif  in  (Jilnther,  Günther;  —  ahd.  wig  'Kampf  zu  laf.  virico  in  Ludwig;  — 
alid.  magin,  megirt  'Kraff  zu  mögen  in  Mcinhard;  —  got.  ragin  'Raf  in  Reinhard  u.v.a. 

Aus  diesen  alten  zweistämmigen  Namen  sind  nun  im  Laufe  der  Zeiten 
zahlreiche  deutsche  Familiennamen  entstanden,  indem  diese  Namen  zu 
Familiennamen  wurden.  Je  nach  der  Verschiedenheit  der  Gegend  wechselt 
die  lautliche  Form  etwas.  Andere  aber  nicht  ins  Gewicht  fallende  Unter- 
schiede sind  durch  die  Orthographie  geschaffen. 

Grundform  ahd.  Sigu-frid  wird  zu  Siefert,  Sifard,  Siffert,  Seffert,  Seifried,  Seifert, 
Seyfahrt,  Scifhardt.  Seiffer,  Seitffert,  Seefrid  und  in  genitivisclier  Form  Siefers,  Seifritz.  — 
Sigibald  wird  zu  Siebold,  Siebet,  Sybel,  Sebald,  Seepolt,  Seybold,  Seibcld,  Seihet,  Seyppel, 
Seibt,  Scubcl,  Siebotd,  Sirbetis.  —  Hari-berht  wird  zu  Harprecht,  Harhert,  Harbcrt, 
Herbredit,  Herbert,  Herbart,  Herborth.  —  Hari-man  wird  zu  Härmen,  Hermann,  Hör- 
mann, Gen.  Harmans,  Harms,  Herms.  —  Hario-walda  wird  zu  Harald,  Herwald, 
Herold,  Herholdt,  Herbt,  Herlt,  Hörold,  Gen.  Herholz,  Hörholz.  —  Agi-berht  wird  zu 
Eggebredit,  Eggebert,  Edtebredit,  Edtenbredit,  Edibert,  Ediert,  Eidihardt  usw. 

Sicher  gehen  Tausende  von  deutschen  Familiennamen  auf  diese  alten 
Vollnamen  zurück. 

Noch  häufiger  ist  eine  Art  Abkürzung,  die  sogenannte  Koseform,  die 
schon  im  Indogermanischen  üblich  war.  Die  zweistämmigen  Namen  wurden 
als  zu  lang  empfunden,  man  verkürzte  sie,  besonders  im  täglichen  Gebrauch, 
ähnlich  wie  wir  Fritz  für  Friedrich,  Heinz  für  Heinrich  gebrauchen.  Als 
Grundgesetz   gilt   dabei,    nur   einen   Teil   des   Vollnamens   zu   verwenden. 

1.  Eine  der  gewöhnlichsten  ist  die,  daß  statt  des  schließenden  Kon- 
sonanten die  Doppeltcnuis  eintrat.  Sie  wurde  nach  den  Regeln  der  Laut- 
verschiebung im  Hochdeutschen  verschoben  und  später  dann  je  nach  dem 

Ort  noch  mannigfach  verändert. 

So  entstand:  Dietz,  Dletze,  Tietz  aus  Dietridi;  —  Fritz,  Fritze,  Fritsdie  aus  Friedridi;  — 
Götz.  Götze  aus  Gotfrid;  —  Bartsdi,  Partsdi.  Pertsdi  aus  Berthold;  —  Riietz.  Rietz  aus 
Rüdiger;  —  Lutz  aus  Ludwig.  Belege  aus  den  Urkunden  gibt  Socin  192:  Liuzo  =  Liud- 
prand,  Luzo  =  Liuderih,  Azo  ^-  Adelbertus,  Nizo,  qui  et  Nithardus,  Reinzo  —  Reginald, 
Sizzo  =  Sigebert,  Wetzet  =  Wernher. 

Da  dieses  tz  sehr  häufig  war.  so  wurde  es  auch  auf  Formen  ühertragen,  denen  es 
eigentlich  nicht  zukommt,  so  in  Heinz,  Heinze,  Hentze  zu  Heinridi;  Seitz  zu  Sigfrid. 

Doppeltes  p  finden  wir  in  Ebbo  =  Eberhardus,  Geppa  --  Gerberga,  doppeltes  k  in 
Buggo  {ego  Burdiardns  qui  et  Buggo  nominor,  Socin  193),  Sicco  —  Sigibert  usw. 

Anmerkung.  Ähnlich  finden  wir  im  Griechischen  nkh;  neben  Fvhnjioi;,  TüX<k 
neben  Te/.eöijuog  usw. 

2.  Diese  Verdoppelung  des  letzten  Lautes  war  indessen  nicht  unbedingt 
nötig.  Ebenso  beliebt  war  es,  das  erste  Glied  der  Zusammensetzung  zu 
nehmen  und  daran  Suffixe  zu  fügen.  Das  gewöhnlichste  und  schon  indo- 
germanisch verwendete  ist  -n,   mit  dem  Nominativ  althochdeutsch   auf  -o, 

vgl.  gr.  -cüj-  {-ön),  lat.  -o. 

Daher  stammt  dann  die  Fülle  eingliedriger  Personennamen  auf  -e,  wie  Bode  zu  Bodomär. 

Sehr  gewöhnlich  war  auch  das  Suffix  -/-  oder  -lo-,  das  einen  kosenden,  diminuierenden 
Sinn  hatte,  vgl.  gr.  Ainyv/.o;  (Aiskhylos).  So  heißt  denn  der  Gotenbischof  Wulfila  jetzt 
WölfeL  Es  ist  das  die  Koseform  eines  mit  Wolf  zusammengesetzten  zweistämmigen  Namens, 
aus  dem  sich  der  Name  Wolf  entwickelt  hat. 


§  212.  Die  christlich-biblischen  und  antiken  Namen.  365 


3.  Doch  ist  dieses  Suffix  nur  noch  in  Oberdeutschland  vorhanden  als 
-el,  -le,  -lein,  -lin,  während  in  Nieder-  und  Mitteldeutschland  -ken,  -ke,  -chen, 
-gen  herrscht.  Es  ist  derselbe  Unterschied,  der  sich  in  den  Worten  Mädel, 
Mägdlein  gegenüber  Mädchen,  Mäken  zeigt.  So  haben  wir  also  die  ober- 
deutschen Namen  Böckel,  Böcklin,  Tröndlin,  Oberlin,  Ködilin,  Merkle,  Eberle, 
Enderle,  während  nieder-  und  mitteldeutsch  die  zahlreichen  Namen  auf  ke 
und  -ken  sind.  Die  beiden  letzten  Formen  sind  übrigens  auch  wieder  land- 
schaftlich verschieden,  -ken  herrscht  im  Westen,  während  im  östlichen 
Niederdeutschland  das  n  abgefallen  ist. 

So  entwickelt  sich  also  aus  Heinrich.:  Heinike,  Hennike,  Henke,  Hink,  und  auf  der 
andern  Seite  Heinel,  Heindl,  Hähnel,  Henle.  Beide  Suffixe  sind  vereinigt  in  Henckel, 
Hindiel.  —  Aus  Meinhart  entsteht  Meineke,  Menken;  aus  Ludwig  Lüdeke,  Lüdken;  aus 
Wilhelm  Wilken,  Wilke;  aus  Wernher  Werneke  usw. 7  aus  Gisebredit  Giseke. 

Seit  idg.  Zeit  fügte  man  nun  zu  dem  eigentlichen  Namen  den  des  Vaters  hinzu,  und 
man  mußte  dies  tun,  wenn  eine  Verwechslung  möglich  war.  Natürlich  konnte  auch  diese  Be- 
nennnng  zum  Familiennamen  werden.  So  nannte  man  den  Betreffenden  mit  nachgestelltem 
Sohn:  schwed.  Torstenson,  norw.  Björnson,  engl.  Wilson,  Robinson,  Thomson  oder  ab- 
geschwächt -sen  Wilmsen,  Frenssen,  Hinridisen,  Volqnardsen.  Man  kann  mit  Sicherheit  sagen, 
daß  alle  derartige  Namen  aus  Niederdeutschland  stammen.  Oder  das  -sen  kann  auch  weg- 
bleiben, und  es  kann  der  bloße  Genetiv  eintreten,  der  teils  auf  -s,  teils  auf  -an  ausgeht. 
So  heißt  es  z.  B.  in  alten  Urkunden  Henriciis  dictus  Arnoltz.  Hierher  gehören  also  Namen 
wie  Diederidis,  Hermanns,  Gompertz,  Reinholz  oder  Thielen,  Otten.  Selbst  der  lateinische 
Genetiv  wird  in  solchen  Fällen  gebraucht.  Da  das  Latein  die  Sprache  der  Urkunden  war, 
kann  es  nicht  wundernehmen,  daß  sich  Namen  wie  Arnoldi,  Friederici,  Heinrici,  Bern- 
hardy  festgesetzt  haben. 

Neben  dieser  Bezeichnung  schuf  der  Volksmund  auch  andere  Unterscheidungen,  in- 
dem er  dem  Namen  irgendein  Kennwort  hinzufügte,  z.  B.  Adterkurt,  Jiingkiirt,  Kurzkurt, 
Großkurt,  Hofkurt. 

Überblickt  man  das  gesamte  Namenmaterial,  so  tritt  uns  die  überraschende 
Tatsache  entgegen,  daß  noch  heute  der  größte  Teil  unsres  Volkes  die  alten  ger- 
manischen Namen  trägt.  Es  gab  hier  so  viel  verschiedene  Stämme,  so  viel  ver- 
schiedene Abkürzungen  und  Sonderentwicklungen,  daß  gewöhnlich  nicht  allzu- 
viel Träger  des  gleichen  Namens  vorhanden  waren,  und  dadurch  die  in  jeder 
Weise  wünschenswerteVerschiedenheit  der  Namen  von  selbst  erreicht  worden  ist. 

§  212.  2.  Die  christlich-biblischen  und  antiken  Namen.  Neben  die  große 
Schicht  altgermanischer  Benennungen  treten  seit  Einführung  des  Christen- 
tums und  dem  Eindringen  der  antiken  Bildung  die  fremden  Namen,  die 
man  aus  der  Bibel  und  sonstigen  Schriften  kennen  lernte.  Auch  bei  ihnen 
ist  das  Grundgesetz  dasselbe.  Der  Mensch  bekommt  nur  einen  Namen. 
Wie  die  echt  germanischen  Namen  erbten  sich  auch  diese  in  den  Familien 
fort,  und  so  wurden  auch  sie  vielfach  zu  Familiennamen.  Dabei  ist  eine 
Bemerkung  über  die  lautliche  Gestaltung  vorauszuschicken.  Das  Altdeutsche 
legte  auch  bei  den  fremden  Namen  den  Ton  zunächst  auf  die  erste  Silbe. 
Das  erkennen  wir  deutlich  aus  ihrer  Verwendung  im  Alliterationsvers.    Im 

HeHand  heißt  es: 

Lukas  endi  Johannes        sie  wärun  gode  lieba. 


366  Sechzehntes  Kapitel.  Dje  Bildung  der  Eigennamen, 


Hier  reimen  die  ersten  Buchstaben  der  Namen  kreuzweis  mit  f^ocie  Heim.  Da 
indessen  durch  den  immerwährenden  Einfluß  der  lateinischen  Sprache  der 
ursprüngliche  Ton  manchmal  wieder  sein  Recht  erhielt,  so  entstehen  viel- 
fach Doppelformen,  die  echt  volkstümlichen  mit  dem  Ton  auf  der  ersten 
Silbe,  und  die  mehr  gelehrten  mit  dem  lateinischen  Akzent.  So  hat  sich 
Johannes  zu  John,  Jahn,  Johannes  zu  Hans  entwickelt.  Aus  Bartholomaeus 
wird  Bartel  und  Meives  (Alöbius),  aus  Andreas  Enders  und  Drewes,  aus 
Nikolaus  Nickel  und  Klaus. 

Auch  diese  fremden  Namen  sind  sehr  verbreitet,  am  meisten  wohl  Johannes,  z.  B. 
Johannes,  Johanns.  Joanni,  Johansson,  westf<1l.  Aldejohann,  lingeljohann,  Jungjohann, 
Koiiijohann.  Liittjohann,  Joanning;  dann  John,  Johns,  Johnen,  Jonke,  JOhnke.  Jahn, 
Jans,  Jans,  Fiihljahn,  ürotjan.  Ottenjan,  Schmidtjan.  Janson,  Jansen,  Janssen,  Jenssen, 
Janeke,  Jiinicke,  Jänidien  usw.  Auf  der  andern  Seile  Hannes,  Althans.  Großhans,  Jung- 
hans. Kleinhans.  Langhans.  Langerhans.  Sdiumrzhans  u.  a. 

§  213.  3.  Die  Herkunftsbezeichnungen.  Spät  im  10.  Jahrhundert  tauchen 
die  ersten  Belege  dafür  auf,  daß  man  dem  Namen  die  Herkunft  hinzufügte. 
1044  finden  wir  in  einer  Urkunde  ausgestellt  zu  Embrach  im  Zürichgau 
Uodalridi  de  Ustra,  Bernger  de  Unowa,  Herhart  de  Wihenanc,  Berditoldt  et 
Uiiodalridi  de  Toccanburg  usw.,  Socin  233.  Diese  Sitte  kommt  zuerst  beim 
alten  Adel  auf  und  erst  später  beim  Dienstadel.  Hierin  liegt  zweifellos  die 
erste  deutliche  Bildung  von  Geschlechtsnamen,  wenn  auch  anfänglich  der 
Name  nicht  stets  hinzugefügt  wurde.  Die  Verwendung  von  de  ist  übrigens 
auch  beim  Adel  nicht  unbedingt  nötig;  die  Zahl  der  Adligen,  die  im 
13.  Jahrhundert  kein  de  bei  ihrem  Namen  haben,  ist  verhältnismäßig  groß, 
während  umgekehrt  auch  viele  Bürgerliche  ein  de  vor  ihrem  Namen  tragen. 
Erst  im  17.  Jahrhundert  ist  von  als  Vorrecht  des  Adels  durchgedrungen. 
Der  bloße  Ortsname,  den  wir  schon  früh  als  Namen  antreffen,  ist  aus 
dem  Ortsnamen  mit  von  verkürzt.  Sobald  der  Zuname  eine  größere 
Rolle  zu  spielen  anfing,  mußte  sich  die  Unbequemlichkeit  des  von  im  Satz- 
gefüge merkbar  machen,  und  so  ließ  man  es  einfach  weg.  Vgl.  Socin  347. 
Derartige  einfache  Ortsnamen  als  Familiennamen  sind  im  13.  Jahrhundert 
schon  häufig  und  leben  noch  heute  oft  genug  fort.  Je  mehr  man  in  deut- 
schen Landen  herumwandert,  um  so  mehr  staunt  man  über  die  Fülle  von 
Ortsnamen,  die  zu  Personennamen  geworden  sind,  z.  B.  Liditenberg,  Hunds- 
hagen, Viereck,  Brockhaus,  Wadienhiisen,  Möllhausen,  Buchholz,  Scharn- 
horst,  Karlstadt  usw.  Daneben  stehen  Ableitungen  auf  -er  wie  Badiheinier, 
Baidinger,  Basler,  Berner,  Brender,  Cappeller,  Hasuler,  Horburger,  Oltinger, 
Sempadier.  Diese  verschiedenen  Arten  sind  aber  nicht  fest.  „Derselbe 
Mann",  sagt  Bücher,  Frankfurts  Bevölkerung  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
S.  74,  „der  1390  Heincz  von  Buczpadi  genannt  wird,  heißt  1389  an  der- 
selben Stelle  Heincz  Buczpadi  und  1388  Heincz  Buczbecher" ,  und  es  dauert 
geraume  Zeit,  bis  einer  dieser  Namen  zur  ständigen  Bezeichnung  wird. 
Die  Benennungen,  die  von  der  Herkunft  ausgehen,  finden  sich  natürlich 
vornehmlich  in  den  Städten,  nach  denen  eine  große  Zuwanderung  aus  der 


§  213.  Die  Herkunftsbezeichnungen.  §214.  Die  Übernamen.  367 


nähern  Umgebung  stattfand.  Nach  Bücher  machen  die  Namen  mit  Her- 
kunftsangabe beinahe  ein  Drittel  sämtlicher  Familiennamen  aus. 
I  Familiennamen  nach  der  Wohnstätte,  d.h.  abgeleitet  vom  Namen  des 
Hauses  oder  von  einem  Flurnamen  kommen  seit  der  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts vor.  Im  Unterschied  zu  den  eigentlichen  Ortsnamen  können  bei 
ihnen  auch  andere  Präpositionen  als  de  allein  zur  Verwendung  kommen 
and  zwar  fast  immer  mit  dem  Artikel.  Weiter  kann  dafür  auch  der  Name 
ohne  Präposition  und  die  Ableitung  mit  -er  gesetzt  werden.  Neben  Hein- 
rich im  Bongarten  finden  wir  auch  Johannes  dictus  Bongarte,  Biirchart  der 
Bongarter  und  Heini  Bongarter.  Weitere  Beispiele  sind  imme  Engillo  = 
Engillo,  ze  Herde  =  Herde,  am  Herwege  =  Herweg,  zer  Hurst  =  Hurst, 
zem  Reb stocke  =  Reb stock,  zem  Sperwer  =  Spenver,  im  Steinhaus  =  Stein- 
haus, am  Bäte  =  Buler,  ad  Rosam  =  Resler,  in  dem  Winkel  =  Winkler. 
Auf  der  andern  Seite  ist  nicht  selten  die  Präposition  auch  festgeworden, 
7..B.  Am-bronn,  ten  Brink,  von  der  Ohe,  Zum-steg,  Im-hoff,  Am-rain.  Ver- 
gleiche dazu  die  Schweizer  Namen  in  Schillers  Teil:  Hans  auf  der  Mauer, 
Jörg  im  Hofe,  Burkhart  am  Bühel,  Klaus  von  der  Flüe. 

In  derartigen  Namen  steckt  oft  genug  Sprachgut,  das  wir  nicht  mehr 
besitzen.  So  stammt  Blatter  von  zir  Blattun  'flache  Anhöhe',  Bolle  von 
auf  dem  Bolle  'runder  Erdvorsprung',  Hosang  ist  Hoch  sang  'Rodung',  die 
durch  Brennen  erzielt  wird. 

Die  natürlichen  Verhältnisse  machen  sich  hier  insoweit  geltend,  als  die 
Städter  nach  den  Häusern,  die  Bauern  nach  der  Flur  oder  sonstigen  Ört- 
Hchkeiten  genannt  werden.  In  den  Städten  gibt  es  ursprünglich  keine  Straßen- 
namen und  noch  viel  weniger  Nummern  der  Häuser.  Heißt  nun  auch  das 
Haus  vielfach  nach  seinem  Besitzer,  so  ist  doch  auch  der  umgekehrte  Fall 
nicht  selten,  daß  der  neue  Besitzer  nach  dem  Haus,  das  schon  einen  Namen 
hatte,  genannt  wird. 

Wenn  jemand  aus  seiner  Heimat  fortgewandert  ist,  so  kann  er  in  der 
Fremde  nach  seinem  Heimatslande  benannt  werden.  So  haben  wir  Schwabe, 
Baier,  Franck,  Hesse,  Preuß,  Sachs,  Westfal,  Flemming,  Polender,  Ungar, 
Schweizer,  Böhm,  Oestreich,  Meißner,  Dilring,  Friese,  Vogtländer.  Diese 
Namen  sind  nicht  jung,  sie  kommen  seit  dem  14.  Jahrhundert  vor  und 
sind  in  neuerer  Zeit  nicht  mehr  gebildet  worden,  so  daß  die  neuen  Länder- 
namen wie  Rheinlande,  Baden  in  den  Benennungen  nicht  vorkommen, 
wohl  aber  Franzos.  Daneben  stehen  dann  auch  Bezeichnungen,  die  von 
der  Richtung  hergenommen  sind,  aus  der  jemand  gekommen  ist:  Norder- 
mann (Nordmann), Westermann,  Sudermann,  Ostermann,  Österling,  ÖsterleL 

§  214.  4.  Die  Übernamen.  Übernamen  sind  Bezeichnungen,  die  einem 
Menschen  wegen  einer  besondern  Eigenschaft  als  Auszeichnung,  im  Scherz, 
zum  Spott  gegeben  werden.  Sie  sind  gewiß  alt,  denn  etwas  derartiges 
kehrt  bei  allen  Völkern  wieder,  vgl.  lat.  Cicero,  Piso  usw.,  und  wir  haben 
Belege  im  Germanischen  schon  aus  früher  Zeit.    „Schon  in  einer  runischen 


368  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bilduno  der  Eigennamfn. 


Bracteateninschrift  aus  Seeland  kommt  der  Beiname  Favavisa  'der  wenig 
Erfahrene'  vor."  Der  Name  des  Gotenkönigs  Wamba  bedeutet  'Bauch'; 
zum  Jahre  509  ist  ein  Ostgote  Mamnio,  d.  i.  'Fleisch'  erwähnt.  Gregor  von 
Tours  zitiert  einen  fränkischen  Herzog  Guiitdiramnus  Boso  'böse'.  Beda, 
Hist.  eccl.  5,  10,  berichtet  von  zwei  Glaubenspredigern:  iitcrque  eorum 
appellabatur  Hewald,  ea  tarnen  distincltone.  iit  pro  diversa  capilloriim 
specie  unus  niger  Hewald,  alter  albus  Hewald  diceretur  usw."  Socin 
S.  457.  Derartige  Übernamen  wurden  zu  Familiennamen  wie  alle  übrigen 
auch.  Schon  im  12.;i3.  Jahrhundert  ergibt  sich  nach  Socin  452  die  Erb- 
lichkeit als  die  Regel,  die  Beziehung  auf  ein  einziges  bestimmtes  Indivi- 
duum als  Ausnahme.  Die  Zahl  der  Übernamen  ist  so  groß,  daß  sie  auch 
nicht  annähernd  hier  angeführt  werden  können.  Wir  geben  daher  nur  eine 
kleine  Auswahl  aus  Socins  Zusammenstellungen. 

a)  Adjektivnamen  (immer  in  der  schwachen  Form):  Böse,  Brune,  Criimbo.  Friscfie, 
Grawe,  Groze,  Gute,  Harte,  Hohe,  Junge,  Kurze,  Lange,  Lise,  Lose.  Rote,  Starke,  Swarze, 
Veizte,  Watze.  Wilde,  Wize,  Zeisse. 

b)  Körperliche,  geistige,  moralische,  soziale  Eigenschaften,  Eigentüm- 
lichkeiten und  Zufälligkeiten,  Gestalt,  Aussehen,  Auftreten:  Bart,  Bertiin. 
Geizebart,  Bidermann,  Blinthaso,  Bocsdiedel,  Bonstengel,  Bube,  Bäler,  Durrevinger. 
Fromnian,  Frünt,  Refus,  Geilfuz,  Gensecoph,  Gutkneht,  Hendelin,  Houpt,  Knode.  Kurzaten. 
Lieber.  Liebermann.  Loseman.  Man-ezzo,  Mörder,  Nadigebure,  Nase,  Rennhase,  Rippe, 
Rotnian,  Sdiatz,  Sdiedel,  Sciiönherre.  Sdiönman.  Stamler.  Strubel.  Zan.  Zopf  u.  a. 

c^  Tiere  und  tierische  Merkmale;  Pflanzen  und  deren  Bestandteile,  Ge- 
wäciisc,  Produkte,  Früchte,  Gesteine:  Adler,  Ber,  Biber.  Bodi.  Egel,  Eidiorn,  Esel, 
Frösdi.  Fudis,  Hano.  Hase,  Hasenbein,  Hering,  Hirz,  Hirceman,  Hunt,  Kalb.  Krebs,  Löwe. 
Odise,  Rephun,  Sdiimelli,  Störe.  Struz,  Sunmindialbus.  Valke.  Vinke.  Wolf.  Rezagel; 
Boumilin,  Berenlap,  Budiedier.  Chienast.  Clobeloudi.  Hirsekorn.  Hanfstengel.  Harz. 
Hederidi,  Holzapphel,  Margelstein.  Pfefferkorn,  Retidi,  Salz.  Tanris.  Zwigelin. 

d)  Eßlust,  Eßwaren:  Bratsdienkel,  Brotvraz.  Lambervras.  Melmus.  Sdiönbrot, 
Sniz.  Wedielin,  Zweibrot. 

e)  Kleidung,  Schmuck,  Waffen,  Ausrüstung,  Instrumente,  Werkzeug, 
Geräte,  Manufaktur,  Wohnung  und  Einrichtung,  Fahrzeug:  Beiz.  Breithut, 
Colbe,  Krantze,  Gennsveder,  Guldenfus.  Harnesdi.  Holbein,  Holtzsdiudi,  K»lbvel,  Kessel- 
huot.  Klingelfiis,  Kupfernagel,  Lamphel,  Mörser,  Nagel.  Pfläg,  Rucstül.  Sdianz,  Siegel. 
Snabeler,  Spies,  Stegereif,  Stival.  Wagen.  Watsadi. 

f)  Auffallende  Beschäftigung  oder  Handel,  Liebhaberei,  vorübergehende 
Funktion  oder  Stand:  Bettelere.  Chorntahs,  Criec,  Chriegere,  Drüman,  Reke.  Rössel- 
mann, Sdiade.  Lantsdiad,  Sdiedelin,  Senger.  Tanz,  Tenzer.  Vilhedier. 

g)  Glaube  und  Religion,  Kirche,  Obrigkeit:  Bögge  (Popanz),  Engel.  Geist. 
Helrigel,  Tilvel,  Widit:  Babest,  Crücer,  Pfaffe,  Waller;  Fursto,  Grave,  Herzoge,  Keiser, 
Küng,  Lantvogt,  Prince. 

h)  Alter  und  Verwandtschaft:  Briidir,  Jundierre.  Chint.  Niukint,  Knabe,  Man, 
Vettern. 

i)Münze,MaßundGewicht:  Arne.  Helbelinc.  Örtellin,  Phenning,  Sdiillinc,  Silbersadi. 

k)Jahr,  Woche,  Tageszeit:  Sumer.  Herbst,  Winter,  Hornunc.  Mercze,  Meige, 
Vasenaht.  Ostertag,  Zistag,  Fritac,  Virabint. 

1)  Abstraktwörter:  Angist,  Anlas,  Arbeit,  Ding,  Fride.  Frost,  Hits,  Hunger,  Rat. 
Riditäm,  Sdilaf.  Site,  Sorge,  Strit,  Sweiz,  Tot,  Trost,  Unnuz,  Vreisi,  Welt.  Bözwelt, 
Wirtsdiaft.  Wolleben.  Zorn. 


§  215.  Satznamen.  §  216.  Namen  von  Amt  und  Stand. 369 


Jeder  wird  unter  diesen  Übernamen  eine  Reihe  von  Bekannten  treffen 
und  anderseits  wird  er  aus  dem  ihm  vertrauten  Namenkreis  neue  Beispiele 
hinzufügen  können. 

Eine  Reihe  von  Erläuterungen  mögen  noch  hinzugefügt  werden.  1.  Die 
Farbennamen:  Weiße,  Rote,  Schwarze,  Grau  stammen  von  der  Haarfarbe, 
was  daraus  hervorgeht,  daß  blau,  grün,  gelb  in  alter  Zeit  nicht  vorkommen. 
2.  Ein  Name  wie  Bart  ist  im  allgemeinen  aus  einer  längern  präpositionalen 
Verbindung  entstanden,  vergleiche  den  Namen  Frldericus  Mittemmunde 
um  1190  =  Fr.  Munt  ca.  1160.  3.  Besonders  behebt  waren  die  Übernamen 
bei  dem  Volk  der  fahrenden  Leute,  vgl.  Spervogel,  Heinrich  der  Glichesaere, 
Mörolt  nennt  sich  Stolzelm.  Auch  Vndanc  und  Frowenlop  gehören  hier- 
her. Ich  erinnere  noch  an  die  Dichtung  vom  Meier  Helmbrecht,  in  dem 
Helmbrecht  den  Namen  Slintezgeu  bekommt,  während  seine  Spießgesellen 
Lemberslint,  Slickenwider,  Hellesac,  Rütelschrm,  Küefraz,  Müschenkelch, 
Wolvesguome,  Wolvesdrüzzel,  Wolvesdarm  heißen.  Es  handelt  sich  hier 
um  absichtliche  Namengebung,  wie  wir  sie  weiter  bei  den  Ordensleuten 
und  den  Handwerkern  finden.  Bei  einigen  Handwerken  mußten  die  Lehr- 
linge, wenn  sie  in  die  Reihe  der  Gesellen  eintraten,  besondere  Benennungen 
annehmen,  mit  denen  sie  nachher  als  solche  und  zum  Teil  auch  noch  als 
Meister  von  ihren  Gewerbsgenossen  genannt  wurden. 

§  215.  5.  Satznamen.  Eine  besondere  Abart  der  eben  behandelten 
Übernamen  bilden  die  Satznamen,  d.  h.  Namen,  die  aus  einer  syntaktischen 
Verbindung  entstanden  sind.  Solche  tragen  z.  B.  teilweise  die  Spießgesellen 
<les  Helmbrecht  und  er  selbst.   Ihrer  Bildung  nach  zerfallen  sie: 

a)  in  Imperativnamen:  Habe-niei,  Hebe-stnt.  Henge-nadi.  Lösdi-für.  Schür-brant. 
lösdi-brant.  Höwen-sdiilt  'Hau  den  Schild',  Haltidifrisdi  'Halt  dich  frisch',  Sdiis-in-garten. 
Vgl.  noch  Störenfried,  Springinsfeld; 

b)  in  Redensarten:  Ane-sorge,  Durdi-ten-walt,  Lipundgüt,  Mornen-weg,  Nidanc, 
Thusentmardi  (vgl.  Dusentsdiön  bei  Frenssen),  Verloren-gut. 

Die  frühesten  derartigen  Namen  sind  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts belegt,  ihre  eigentliche  Blütezeit  erlebten  sie  aber  erst  im  15.  Jahr- 
hundert, während  sie  heute  wieder  sehr  zurückgetreten  sind. 

§  216.  6.  Namen  von  Amt  und  Stand.  Da  sich  Amt  und  Stand  häufig 
vererbten,  so  ist  wiederum  nicht  zu  verwundern,  daß  derartige  Namen 
Familiennamen  werden.  „Die  Amtsnamen  umfassen  alle  Stufen  vom  ritter- 
lichen Marschall  und  Truchseß  bis  hinab  zum  Totengräber,  Schweinehirten, 
Jäter  und  Schärmauser. "  Auch  hier  dürfte  eine  kurze  Übersicht  willkommen  sein. 

a)  Amtsnamen:  1.  Hofämter:  Marsdialc  {Marsdialk,  Maresdiall.  Marsdiall). 
Truhsesze  (Truchseß,  ndd.  Droste),  Sdienke  {Sdienk),  Butelarius,  Kamerer  {Cammerer. 
Kämmerer),  Senesdialc,  Kudiinmeister  (Küdienmeister),  Kodi  {Kodi,  Codiius.  Coccejus. 
Schwab.  Ködile.  Schweiz.  Ködily,  Ködilin,  nd,  Kodi,  Koodi,  Kok.  Gen.  Kodis,  Kox.  ndrhein. 
Cox),  Spender.  Spiser,  Valkener  {Falkner,  obd.  Faldmer,  Felkner). 

2.  Gericht  und  Polizei:  Vogt  {Voget.  Vogt,  Voogd,  Voght.  Voit,  Voitus,  Voigt, 
Voigdt,  nd.  Vagd.  Gen.  Voigts,  Vögting,  Voigtel,  Vögtlin,  Zss.  Dreisvogt.  Hünervogt.  Land- 
voigt. Waldvoigt,  Slevoigt,  Sdileevoigt,  Sdüeenvoigt;  Voigtmann),  Sdiulthei^e  {Sdiultheiß. 

Hirt,  Etymologie  der  neuiiochdeutschen  Spraciie.  2.  Aufl.  24 


370  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 


Schult fieß:  Sdiultes.  Sdiitlts.  Si1ml(t)ze:  Schitl(t)z:  Gen.  Sdiuhrn :  Sdiolz(e):  Siiiolzen; 
ndd.  Sdnüte.  Gen.  Sdiiilten:  Sdmltens,  Sdiolten:  lat.  Scultetiis.  Gen.  Sciiltety,  übersetzt 
Prätoriits),  Stulmeister.  F.ider.  Dritman,  DrUmati,  Sehser.  Solman  iSahl-,  Scelmanri), 
Leister.  Gelter.  Meyer  (südd.  Majer,  Mayer,  Mayr,  Maier.  Mair,  nordd.  Meyer,  Meier, 
Mejer.  Meyr,  Meir.  Gen.  Maiers,  Mayers,  Meyers,  Mayern,  Meyern  mit  unendlich  vielen 
Zusammensetzungen,  sie  füllen  bei  Heintze  4"^  Spalten),  Amman,  ahd.  ambahtman  (Am- 
mann. Amann.  Anton).  Wcibel,  Turner.  Wediter,  ahd.  wahtäri  [Wciditer,  Waditer).  Waht- 
meister.  Wartmann  {Wart-,  Wortmann).  Werter,  Stocwerter  'Gefangenenwärter'. 

3.  Verwaltung:  Viztäm  aus  lai.  vicedo minus  {Vicedomini,  Vi(t)zthum),  Burcgrave 
•Stadtricliter'  [Burggraf).  Waltprobst.  Probst  aus  lat.  propositus,  Waltbote,  Sdxaf jener, 
Sorgere.  Keiner,  ahd.  kclnüri  aus  mlat.  cellenarius  'Kellermeister',  daneben  Keller  aus  lat. 
cellarius  (Keller.  Cellarius,  Kellerer,  Kellcrmann),  Milnzcr,  ahd.  munizfiri  aus  lat.  mone- 
tarius  {Milnzer,  nd.  Munter),  Münzmeister,  Brotmeister,  Zunftmeister,  Brunnmeister, 
Wercmeister,  Wagcnmeistcr.  Zolner.  ahd.  zollanäri,  daneben  Zoller  {Zoll(n)er,  Zöllfnjer,. 
nd.  Tollner,  Tolner,  Toller).  Zeltender  'der  Zehntenerheber'  [Zeltender,  Zehnter.  Zehnter), 
Zeler.  Treger.  ahd.  tragCtri  [Trager,  Träger),  Tesselman,  Sinner,  Spidtwerter,  Kornmesser, 
Stridier,  Salzman,  Füller.  Herberger.  Loufer  {Laufer.  Läufer),  Kündiger,  Rufer. 

4.  Ländliche  Ämter:  Ringreve,  Heinbürge.  Banwart,  Mardter,  Forster,  Waldener,. 
Härder,  Hegeman,  Hegener.  Heyer,  Brenner,  Nüwer,  Räther,  Vronvisdter,  Hofmeister, 
Sdtürer,  Sdiürman,   Gömer.  Hütere,  Pastor,  Herter,  Knehirte.  Rinder,  Bürzeler,  Muser. 

5.  Kirchendienst:  Parrodier,  Capellanus,  Scolasticus,  Senger,  Sdtriber,  Kanzeler, 
Spittaler.  Oblarius.  Kildimeier,  Kilwart,  Küster,  Sigrist.  Greber. 

b)  'Namen  vom  Stand:  Ritter,  Templer,  Knappe.  Waffeler,  Sdttiler.  Edelman,. 
Edel,  Vrie,  Vriman,  Burger.  Meister,  Helfer.  Lerknedtt,  Muntman,  Adierman,  Buman, 
Hofer,  Hofman.  Hiiber.  Widemer.  Haldende,  Lenman.  Leiner,  Man.  Albansman,  Fron- 
man.  Geburo,  Hüscler,  Husman.  Seider,  Seier. 

§  217.  7.  Namen  vom  Beruf.  Mit  dieser  Abteilung  betreten  wir  den 
kulturhistorisch  vielleicht  wichtigsten  Teil  der  Namengebung,  insofern  sich 
in  den  heutigen  Namen  eine  Fülle  alter  Gewerbenamen  erhalten  haben. 
Die  Gewerbe  waren  im  Mittelalter  bekanntlich  außerordentlich  spezialisiert, 
anderseits  aber  von  höchster  Bedeutung.  Zu  festen  Innungen  zusammen- 
gefügt bildeten  die  Handwerker  eine  bedeutsame  Klasse  in  den  Städten. 
Über  die  Entwicklung  dieser  Namen  sagt  Socin  546:  „Die  Namen  aus  dem 
Beruf  stellen  zeitlich  die  letzte  Bildungsphase  der  Doppelnamigkeit  vor.  In 
der  Seltenheit  der  Gewerbebezeichnungen  im  12.  und  ihrer  Häufigkeit  in 
der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  spiegelt  sich  eine  im  Laufe  des 
13.  Jahrhunderts  vollzogene  gewaltige  soziale  Umwälzung.  .  .  Was  wir  seit 
ungefähr  1850  durchmachen,  die  Umwandlung  der  jahrhundertlang  gleich- 
gebliebenen Provinzialstädte  zu  industriellen  Großstädten,  das  ist,  vergleichs- 
weise, von  1250 — 1300  schon  dagewesen." 

Viele  Gewerbe  leben  heute  noch  fort,  und  es  sind  daher  auch  Familien- 
namen wie  Müller,  Sdimid,  Bäcker  durchaus  verständlich.  Aber  viele  sind 
auch  ausgestorben,  und  so  dürfte  eine  Erklärung  und  Sammlung  angebracht  sein. 

Altbußer  -Schuhflicker',  Armbruster,  Ayrer  'Eierhändler',  Bader,  Bedierer.  Bcdier,. 
auch  Bedi  nebst  Fladenbedi.  Sdtwarzpedi,  Wasserbedi,  Brodbedi.  Die  Süddeutschen  haben 
daneben  das  lateinische  Wort  pistor  entlehnt,  und  es  lebt  daher  auch  der  Name  Pf  ister  noch, 
fort.  Beisdier  'Peitschenmacher',  Benggeler  'Bankier'!?),  Benner 'Käxmtf  Q),  Bettere 'Bttt- 
macher'.  Beutler.  Böttidier  (daneben  Binde,  Binder,  Küfer,  Küper.  Sdteffler).  Bögler  'Bogen- 


§217.  Namen  vom  Beruf.  §218.  Latinisierungen.  371 

macher',  Boner  'Bohnenpflanzer',  Bretere  'Bretschneider'.  Brezzeler  'Bretzelbäcker',  Büdisen- 
sdimidt,  Büdiner,  Budiner,  Budier  •Buchmacher',  Burdiner  'Lastträger',  Büttner  'der  die 
Bütten  macht',  auch  Bütridier,  Böttridi,  Chamber  'Kammacher',  Carpenter  'Zimmermann', 
Decker.  Drechsler,  Drescher,  Eicheler.  Enteler  'Entenzüchter',  Falkner,  Färber.  Fleischer, 
auch  Fleischhauer,  Fleisdihacker,  Knochenhauer.  Beinhauer,  Pfotenhauer.  Metzger;  Flöter, 
Förster.  Forster.  Forstner.  Fröweler  'Frauenwirt',  Gabeler.  Garenwinder.  Gartener.  Gepeller 
'Verfertiger  von  Gäbelchen',  Gernler  'Netzflechter',  Gerber.  Gerwer.  Gießer.  Gipser.  Glaser. 
Goltsleger.  Goltsmit.  Gratüdier  'pannifex',  Grempe  'Trödler',  Gürtler,  Haberer.  Hafner, 
Harer  'Flachshändler',  Hedüer.  Helmer  'Helmschmied',  Hentheler  'Verfertiger  von  Faust- 
handschuhen', Hoser  'Strumpfwirker',  Holzsdiuher.  Huller  'Mützenmacher',  Huter,  Jeger, 
Irker  'Weißgerber',  Isener  'Eisenhändler',  jetzt  Eißner.  Käser.  Kandelmadier.  Kaltsdimit, 
Karredier  'Kärrner',  Kempfe  'der  für  Miete  gerichtliche  Zweikämpfe  ausficht',  Kannegießer. 
Kästner  'Kastenmacher'.  Kesseler,  Kleiber  'Lehmdecker',  Kouffman,  Koler,  Körber.  Korn- 
man.  Korman.  Korner  'Kornhändler',  Kramer.  Kubler.  Kuderer  (Kuder  'Werg'^  Kufer. 
Kupfersmit.  Kürbler  'Schleifsteinverfertiger',  Kürsener.  Kürsdiner.  Kutteier  'triparius', 
Legeller.  Lezser  'Aderlasser',  Leiendecker  'Schieferdecker',  Linweter.  Löfler.  Lohgerber, 
Mäder.  Metzger.  Menger  'Händler',  Messerer.  Messersdimid,  Metter  'Metsieder',  Mulner, 
Müllner,  Müller,  Af«//^/^/- 'Muldenmacher',  Maurer,  Af«^z^«^r 'Wamsschneider' (?),  Nadler, 
Nagler  'Nagelschmied',  Nestler  oder  Senkler,  Nüsseier  'Nußölbereiter  oder  Nußhändler', 
Neier  'Näher',  Öler,  Ofner,  Ölsdiläger,  Paternosterer.  Permenter.  Perlenhefter,  Pfister, 
Plattener  'Panzerschmied',  Preiswerk  'Posamentierer',  Rademacher,  Reber  'Rebenpflanzer'. 
Rebeknecht.  Rebman.  Reseler  'Schuhflicker',  Riemer.  Rintköf  'Viehhändler',  Roller,  Schaber.. 
Sdiefter.  Sdiedeler  'Kubier',  Sdxefer.  Sdieler  'Eichenschäler',  Sdierer,  Sdiiffer.  Sdiilter, 
Schindeler;  Sdiröder.  Schrader,  Schröter  'Schneider',  Sdiwertfeger,  Sdmster.  mittelhoch- 
deutsch hieß  der  Schuhmacher  Schuohworhtcere.  Daraus  hat  sich  eine  Fülle  heute  nicht 
mehr  erkennbarer  Namen  entwickelt,  in  Süddeutschland  Schubert,  Schubart.  in  Norddeutsch- 
land Schuchhardt,  Sdiuhardt,  Schuhwirt,  ferner  Schumann,  Schuhmacher;  Seiler,  Seiden- 
sticker,  Seigermacher,  Sporer,  Simeler  'Händler  mit  Semmelmehl',  Schlosser,  Stellmacher.. 
Schmid.  Sdinezzer  'Schnitzler',  Schneider.  Soler,  Spengeler.  Spiegeler.  Spilman.  Spinneier. 
Steinler  'Steinklopfer',  Steinmetz,  Stengler  'Stangenschmied',  Stöllare,  Streler  'pectinarius', 
Suter,  Siiterli.  Swerter.  Teller,  Tesdier  'Täschner',  Tücher,  Tudisdierer,  Töpfer,  auch  Hafner, 
Euler,  Potter;  Vazzare.  Vazbinder,  Verwer,  Vesere  'Spreuhändler',  Vischer,  Vogler  'Vogel- 
steller', Vuller  'Walker',  Wagener,  Walker,  Weber.  Weggiler  'Weckenbäcker',  Wehseier. 
Weideman  'Weidner',  Weller  zu  welle  'Reisigbündel',  Wesdier.  Wirt.  Wucherer,  Winkler 
.Kleinverkäufer',  Zideler,  Zeidler  'Bienenzüchter',  Zimmermann. 

§  218.  8.  Latinisierungen.  Seit  der  Wiederbelebung  der  klassischen 
Studien  zur  Zeit  der  Renaissance  suchte  der  Gelehrte  in  den  lateinischen 
Schriften  die  deutschen  Namen  zu  vermeiden.  Man  konnte  eine  lateinische 
Endung  anfügen,  aber  noch  besser  war  es,  sie  zu  übersetzen. 

Anmerkung.   Bekannt  ist  die  Stelle  in  Goethes  Götz: 

Liebetraut.  Ihr  seid  von  Frankfurt!  Ich  bin  wohl  da  bekannt.  .  .  Euer  Name  ist 
Olearius?  Ich  kenne  so  niemanden. 

Olearius.  Mein  Vater  hieß  Öhlmann.  Nur,  den  Mißstand  auf  dem  Titel  meiner 
lateinischen  Schriften  zu  vermeiden,  nenn'  ich  mich,  nach  dem  Beispiel  und  auf  Anraten 
würdiger  Rechtslehrer,  Olearius. 

Aus  dieser  Zeit  stammen  also  die  Namen  wie  Avenariiis  'Habermann',  Xylander 
'Holzmann',  Oekolampadius  'Hausschein',  Melandithon  'Schwarzer!',  Lipsius,  Faber.  Sar- 
tor(iiis)  'Schneider',  Pistor(ius)  'Bäcker'.  Auch  die  Vornamen  des  Vaters  werden  in  latei- 
nischer Genitivform  Personennamen:  Friederici.  Bernhardy.  Derartige  Namen  waren  in 
Sachsen,  der  Pfalz,  in  Basel,  vor  allem  aber  am  Hofe  des  Landgrafen  Philipps  des  Groß- 
mütigen verbreitet. 

24* 


372  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

§  219.  9.  Fremde  Namen.  Die  geschichtliche  Entwicklung  hat  uns  eine 
bedeutende  Schicht  fremder  Volksbcstandteile  zugeführt  und  damit  auch 
deren  Namen.  Wir  finden  solche  aus  aller  Herrn  Ländern.  Sie  im  ein- 
zelnen durchzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen,  vielmehr  kann  ich  nur  auf 
die  Hauptgruppen  hinweisen.  Durch  die  Einwanderung  der  französischen 
Hugenotten  haben  wir  ein  gut  Teil  französischer  Namen  bekommen,  die 
im  allgemeinen  leicht  erkennbar  sind.  Wie  weit  wir  im  Süden  etwa  italie- 
nische Namen  antreffen,  entzieht  sich  meiner  Beurteilung. 

Den  wichtigsten  fremden  Stamm  bilden  die  Slawen,  die  einst  ganz 
Ostdeutschland  inne  hatten  und  bis  über  die  Saale  und  Elbe  vorgedrungen 
waren.  Sie  sind  nicht  vernichtet,  sondern  zum  größten  Teil  nur  germanisiert 
worden,  während  sich  die  Sorben  in  der  Lausitz  als  Enklave,  die  Polen, 
Kaschuben  im  Osten  als  zusammenhängende  Masse  erhalten  haben.  Bis 
in  den  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  lebte  noch  die  Sprache  der  alten  Eib- 
slawen im  Lüneburgischen.  Daß  wir  also  slawische  Namen  in  Hülle  und 
Fülle  haben,  ist  kein  Wunder.  In  neuerer  Zeit  dringt  das  slawische  Volks- 
element auch  in  rein  deutsche  Gegenden  vor,  und  namentlich  die  Groß- 
städte üben  eine  nicht  geringe  Anziehungskraft.  Daher  weist  denn  auch 
das  Adreßbuch  von  Berlin  zahllose  slawische  Namen  auf.  Es  wird  aller- 
dings weit  von  dem  Wiens  übertroffen,  wo  man  seitenweis  nur  slawische 
Namen  findet.  Die  Grundgesetze  der  slawischen  Namengebung  sind  die 
gleichen  wie  bei  den  deutschen.  Aber  hierbei  ist  ein  Punkt  zu  beachten. 
Die  Ortsnamen  Ostdeutschlands  sind  größtenteils  slawisch.  Viele  Menschen 
sind  danach  benannt,  wie  Canimin,  Schwerin,  BiiblUz,  DewLtz,  Nemitz, 
Flotow,  Grabow,  Vangerow,  Virdiow,  womit  aber  nicht  gesagt  ist,  daß 
Leute,  die  solche  Namen  tragen,  slawischer  Herkunft  sind.  Auf  der  andern 
Seite  sind  die  auf  Berufsnamen  erwachsenen  slawischen  Namen  der  Be- 
achtung wert.  Ich  nenne  hier  nur  einige  sehr  bekannte:  Kretsdimar 'Wirt' 
von Är^m/n 'Schenke,  Kneipe',  PaA/z^^ 'kleiner  Herr,  Junker',  Pigorsch 'Bäcker'. 

Im  alten  Preußenlande  saßen  die  alten  Preußen  und  in  Ostpreußen 
finden  wir  noch  heute  die  Litauer,  beide  Reste  eines  selbständigen  indo- 
germanischen Sprachstammes.  Ihre  Namen  sind  durchaus  eigenartig  ge- 
bildet, und  mancher  Deutsche  trägt  einen  davon. 

Am  spätesten  haben  die  Juden  Familiennamen  angenommen.  In  Öster- 
reich wurden  sie  erst  unter  Joseph  IL,  in  Preußen  durch  Hardenbergs  Edikt 
vom  11.  März  1812  dazu  gezwungen.  Da  es  sich  hier  also  nicht  um  einen 
natürlich  gewordenen  Zustand,  sondern  um  ein  künstliches  Erzeugnis  han- 
delt, so  tragen  die  Namen  vielfach  dies  deutlich  zur  Schau.  Man  kann 
folgendes  unterscheiden. 

1.  Auch  hier  werden  die  Vornamen  zu  Familiennamen,  wie  Abraham,  Cohn,  David. 
Jakob.  Levy,  Moses.  Salomon,  Simon,  Simson,  oder  es  wird  der  Sohn  nach  dem  Vater 
benannt:  Abrahamsohn,  Levysohn,  zum  Teil  auch  mit  lateinischer  Genitivendung,  wie 
Jakoby,  oder  unter  Beibehaltung  des  hebräischen  Ben-  'Sohn',  Ben-ary,  Ben-fey. 

2.  Man  legte  sich  deutsche  Eigenschaftswörter  als  Namen  bei:  Aufrecht.  Edel.  Ehr- 


§  219.  Fremde  Namen.  §  220.  Die  Verschiedenheit  der  Namengebung.       373 

lidi.  Treu,  oder  man  griff  zu  Tiernamen,  wobei  besonders  Adler,  Hirsch,  Löwe,  Leo,  Wolf 
gewählt  wurden,  wohl  unter  dem  Einfluß  der  alttestamentlichen  Sprache. 

3.  Man  benannte  sich  nach  Orten :  Cassel.  Falkenstein,  Friedländer,  Wronker,  Exiner, 
Meseritzer.  Zum  Teil  wählte  man  aber  rein  erdachte  Ortsnamen,  wie  Lilienthal,  Veildien- 
feld,  Cohnfeld,  Cohnstein,  Cohnheim,  Eulenbiirg. 

.  4.  Sehr  häufig  sind  auch  schönklingende  Namen,  die  mit  Löwe,  Rose,  Lilie,  Veilchen, 
Gold,  Silber  zusammengesetzt  sind.  So  Löwenstamm.  Löwenthal,  Rosendorf.  Rosenberg, 
Goldader,  Goldberg,  Goldberger,  Goldfinger,  Goldmann,  Goldstein,  Goldtreu,  Goldzieher. 

5.  Am  schlimmsten  ging  es  den  galizischen  Juden.  Da  sie  sich  nicht  dazu  verstehen 
wollten,  Familiennamen  anzunehmen,  so  wurden  ihnen  Namen  von  den  Behörden  gegeben. 
Diesen  war  vorgeschrieben,  „solche  Namen  zu  wählen,  die  möglichst  große  Besonderheit 
hätten;  auch  sollte  man  wiederholte  Wahl  desselben  Namens  in  dem  Bezirk  vermeiden." 
So  kamen  denn  Namen  zustande  wie:  Wohlgeruch,  Veilchenduft,  Sdiöndufter;  Wohltäter, 
Weisheitsborn;  Geldschrank,  Smaragd,  Saphir;  Singmirwas,  Küssemich;  Ladstockschwinger, 
Pulverbestandteil,  Maschinendraht,  Nußknacker,  Schulklopfer,  Reinwascher;  Temperatur- 
wechsel, Maulwurf,  Naditkäfer,  Rebenwurzel;  Notleider,  Hungerleider,  Sdinapser,  Esels- 
kopf, Odisensdiwanz,  Drachenblut;  Stinker,  Kanalgeruch;  Galgenvogel.  Galgenstrick, 
Taschengreifer,  Hirsditöter,  Wanzenknicker,  Saumagen,  Groberklotz  usw.  Vgl.  Heintze, 
Die  deutschen  Familiennamen^  S.  67  f.  Dazu  noch  Ph.  Stauff,  Deutsche  Judennamen, 
Berlin-Lichterfelde  1912. 

§  220.  Die  Verschiedenheit  der  Namengebung  je  nach  der  Örtlichkeit.  Aus 
den  frühern  Ausführungen  ging  hervor,  daß  die  Namenbildung  von  den 
wirtschaftlichen  und  sozialen  Bedingungen  Deutschlands  abhängig  war.  Die 
Namen  nach  dem  Handwerk  oder  Gewerbe  waren  im  allgemeinen  auf  die 
Städte  beschränkt.  Wo  große  Städte  fehlten,  konnten  diese  Namen  nicht 
aufkommen.  Außerdem  aber  zeigen  sich  zwischen  den  einzelnen  Teilen 
Deutschlands  wesentliche  Unterschiede,  indem  in  einzelnen  Gegenden  die, 
in  andern  jene  Namentypen  vorherrschen.  Das  gilt  noch  heute,  und  wer 
viel  herumgekommen  ist,  dem  wird  die  Verschiedenartigkeit  der  Namen- 
gebung wohl  aufgefallen  sein.  Ja  dies  geht  so  weit,  daß  man  oft  genug 
einem  Namen  ansehen  kann,  woher  der  Träger  stammt. 

1.  Orthographische  Verschiedenheiten. 

Da  man  im  deutschen  Vaterlande  verschieden  schrieb,  so  wurde  der- 
selbe Name  hier  so,  dort  so  geschrieben.  Einiges  davon  ist  für  die  Be- 
stimmung der  Herkunft  des  Namens  wichtig. 

ai  —  ei.  Die  Schreibung  des  alten  echten  Diphthongen  ei  (siehe  oben 
S.  272)  mit  ai  ist  oberdeutsch,  besonders  ostoberdeutsch,  so  daß  daher 
Namen  wie  Kaiser  —  Keiser,  Maier,  Mayer  —  Meier,  Meyer,  Baier  —  Beier 
nach  diesem  Gesichtspunkt  zu  beurteilen  sind. 

2.  Mundartliche  Verschiedenheiten. 
Wir  haben  oben  S.  270  ff.  gesehen,  daß  wir  eine  Reihe  von  Wörtern 
unsrer  Schriftsprache  nach  ihrer  Lautgestalt  bestimmten  Gegenden  zuweisen 
können.  Waren  es  dort  nur  wenige  Beispiele,  so  tritt  dieser  Gesichtspunkt 
bei  den  Namen  in  ganz  andrer  Weise  hervor,  muß  es  ja  auch,  da  der  Name 
eben  nicht  der  hochdeutschen  Form  angepaßt  wird.   Eine  große  Anzahl  von 


374  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

Namen  tritt  in  recht  verschiedenen  Formen  auf,  und  man  kann  darauf  hin 
teilweise  ihre  ursprüngliche  Heimat  bestimmen.    So  finden  wir: 

Küster,  ndd.  Köster;  Krüger,  bayer-österr.  Krieger,  ndd.  Kroger;  Sdiulz,  Sdnilze,  da- 
neben Sdiolz  (schlesisch),  Sdiolzen  (Trier),  ndd.  Sdnilte;  Müller,  bayer.  Miller,  ndd.  Moller, 
Möller;  Fiidis,  ndd.  Voß;  Pfeifer,  ndd.  Pieper;  Sdiröter,  ndd.  Sdiröder,  Sdirader,  Sdiröer; 
Krause,  ndd.  Kruse;  Große,  ndd.  Groote,  Grothe,  Groth;  Bürger,  ndd.  Borger;  Teidimann, 
Deidimann,  ndd.  Diedimann;  Fisdier,  friesisch  Visser;  Förster,  schwäb. -bayer.  For^/fT  usw. 

Bei  andern  weist  der  Name  selbst  auf  die  Herkunft,  insofern  als  wir  es  mit  Worten 
zu  tun  haben,  die  nur  eine  mundartliche  Verbreitung  haben,  so  z.B.  Knodienhauer  (ndd.); 
Grotefend;  Hafner  (obd.),  Töpfer  (md.),  Potter  (ndd.).  Eine  eingehende  Untersuchung  des 
gesamten  Stoffes  wäre  sehr  dankenswert. 

§  221.  Die  prinzipiellen  Verschiedenheiten.  Außer  den  bisher  erwähnten 
Punkten  gibt  es  aber  noch  Verschiedenheiten  grundsätzlicher  Art,  die  auf 
alte  Kulturverschiedenheiten  zurückgehen.  Auch  diese  ermöglichen  es  uns 
oft,  die  Herkunft  eines  Namens  ziemlich  genau  zu  bestimmen.  Eine  Über- 
sicht über  diesen  Punkt  bietet  A.  Heintze  S.  73. 

1.  Namen  auf  -a,  eigentlich  Gen.  Plur.  alter  Patronymika  finden  sich 
nur  in  Ostfriesland:  Wiarda,  Böjunga,  Ebbinga. 

2.  Genitivische  Namen  nach  der  starken  Deklination  (auf  -s)  oder  der 
schwachen  (auf  -en)  sind  ostfriesisch  (Aurich,  Emden,  Leer,  Jever,  Papen- 
burg), oldenburgisch,  holsteinisch;  wir  treffen  sie  weiter  in  Westfalen  und 
am  Niederrhein,  also  in  allen  Teilen  des  westlichen  Norddeutschlands,  auch 
noch  in  Koblenz  und  Trier. 

3.  Namen  nach  der  Örtlichkeit  (eigentlich  dem  Einzelhofe),  mit  den 
Endungen  hövel  'Hügel',  brink  'Grasfläche',  diek  'Teich',  brok  'Bruch',  loh, 
holt,  hörst,  kamp  sind  charakteristisch  für  Westfalen  und  das  östliche  Hannover. 

4.  Die  Verkleinerungsformen  auf  -ke  sind  besonders  in  Nordostdeutsch- 
land heimisch. 

5.  Die  Verkleinerungsformen  auf  -el,  -lein,  -le  sind  oberdeutsch,  zum 
Teil  mitteldeutsch  usw. 

Gewisse  Namenbildungen  sind  also  auf  gewisse  Gegenden  beschränkt. 
Daß  wir  im  Norden  die  genitivischen  Namen  finden,  hat  seinen  Grund 
darin,  daß  man  hier  am  längsten  an  der  altgermanischen  Art  der  Einnamig- 
keit  festhielt. 

B.  DIE  VÖLKERNAMEN. 

Literatur:  Die  Sammlung  des  Stoffes  bei  M.  Schönfeld,  Wörterbuch  der  alt- 
germanischen Personen-  und  Völkernamen,  Heidelberg  1911. 

§  222.  Allgemeines.  Ebensosehr  wie  die  Untersuchung  der  Personen- 
namen hat  die  Forschung  die  Aufhellung  der  Völkernamen  gelockt,  und 
fast  alle  hervorragenden  Germanisten  haben  sich  mit  dieser  Seite  der  Wort- 
forschung beschäftigt,  leider  nicht  immer  mit  Glück,  wie  man  offen  ein- 
gestehen muß.  In  frühern  Zeiten  handelte  es  sich  eigentlich  immer  nur  um 
die  Herleitung  einzelner  Namen,  und  diese  Deutungen  sind  oft  genug, 
wenn  sie  durch  Namen  wie  Jak.  Grimm  oder  MüUenhoff  gedeckt  waren, 
in  weite  Kreise  und  selbst  in  die  Schulbücher  vorgedrungen.    Gerade  auf 


§  22 1 .  Die  prinzipiellen  Verschiedenheiten.  B.  Die  Völkernamen.  §  222.  Allgemeines.  375 

diesem  schwierigen  Gebiete  ist  es  aber  nötig,  genau  wie  auf  dem  der 
Personennamen,  erst  einmal  die  Grundlinien  der  Deutung  aufzudecken. 
Versuche,  diese  festzustellen,  sind  in  neuerer  Zeit  von  verschiedenen  Seiten 
gemacht  worden,  so  von  L.  Laistner,  Germanische  Völkernamen,  S.A.  aus 
den  Württembergischen  Vierteljahrsheften  für  Landesgeschichte,  Neue  Folge, 
1892,  von  R.  Much,  Beitr.  17,  1  ff.  passim.  Letzterer  hat  namentlich  Spott-, 
aber  auch  Tiernamen  in  dem  germanischen  Material  gefunden.  Es  hat  sich 
zwischen  ihm  und  dem  Verfasser  eine  Fehde  über  die  prinzipielle  Berech- 
tigung seiner  Deutungsversuche  entsponnen,  vgl.  Beitr.  18,  511 ;  20,  1  ff.; 
21,  125  ff.  Ich  habe  zuerst  auf  der  Bremer  Philologenversammlung  eine 
grundsätzlich  andere  Auffassung  zur  Geltung  zu  bringen  versucht,  die  ich 
dann  in  meinen  Indogermanen  2,  708  etwas  ausführlicher  dargestellt  habe. 

Zunächst  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  gewisse  germanische 
Völkernamen  älter  zu  sein  scheinen  als  die  germanische  Sonderentwicklung, 
weil  sie  auch  in  andern  indogermanischen  Sprachen  auftreten.  So  ent- 
spricht der  Name  Ambrones  lautlich  genau  dem  ital.  Umbri,  unser  Hessen 
dem  gall.  Cassl,  germ.  Marsl  und  Marsingi  dem  ital.  Marsi,  Burgundiones 
dem  kelt.  Brigantes;  der  Name  der  Veneter  in  Oberitalien  kehrt  als  'Everoi 
(Enetoi)  in  Kleinasien,  als  Veneter  in  Gallien,  als  Venedi  in  Ostdeutsch- 
land als  Bezeichnung  der  Slawen  wieder.  Das  weist  darauf  hin,  daß  diese 
Namen  aus  indogermanischem  Sprachgut  hergeleitet  werden  müssen. i) 
Aber  selbst  wenn  wir  diesen  Grundsatz  festgelegt  haben,  sind  wir  nicht 
viel  besser  daran,  denn  wir  wissen  nicht,  was  die  Namen  bedeuten,  und  wir 
würden  bei  jedem  Versuch,  sie  zu  erklären,  auf  dieselben  Abwege  geraten, 
die  sich  bei  den  Versuchen,  indogermanische  Worte  zu  etymologisieren, 
ergeben  haben,  vgl.  oben  S.  7.  Anklänge  an  andere  Worte  sind  natürlich 
immer  vorhanden,  aber  irgendwelche  Sicherheit  können  wir  nicht  erlangen. 
Immerhin  gibt  es  aber  doch  zwei  Wege,  die  uns  weiter  führen,  den  einen 
weist  die  Sprache  selbst,  den  andern  die  Kulturgeschichte. 

Die  Kulturgeschichte  lehrt  uns,  daß  die  Sippe  und  der  Sippenverband 
die  Grundlage  der  sozialen  Ordnung  in  der  altern  Zeit  war.  Der  Stamm 
ist  in  älterer  Zeit  schließlich  nichts  weiter  als  eine  große  Sippe.  Eine  Sippe 
aber  benennt  sich  gewöhnlich  nach  einem  Ahnherrn.  Sie  nennen  sich  die 
Leute  eines  N.  N.,  wie  wir  dies  im  Nordischen  finden.  Im  Indogermanischen 
haben  wir  nun  eine  eigentümUche  Verwendung  des  Duals,  den  sogenannten 
elliptischen  Dual,  der  neuerdings  rege  Aufmerksamkeit  erregt  hat.  Wenn 
ein  Paar  von  zusammengehörigen  Dingen   genannt  werden  soll,   so   kann 

1)  Es  hat  selbstverständlich  schon  indo-  ,   wird  kaum  jemand  zweifeln,  daß  die  Stämme 

germanische  Völkernamen  gegeben,  und  eben-  |   einst  eins  waren.    Die  Volcae  in  Südfrank- 

so  selbstverständlich  liegt  die  Vermutung  nahe,  reich  hängen  mit  den  Volcae  in  Deutschland 

daß  die  Stämme  gleichen  Nam.ens  Ursprung-  zusammen.  Aber  für  Jene  altern  Zeiten  steht 

lieh  eins  waren.    Wenn  wir  in  Oberitalien  die  Sache  natürlich  insofern  schlecht,  als  uns 

die  keltischen  Stämme  der  Cenomani,  Lin-  mit  der  Annahme  der  ursprünglichen  Einheit 

gones,  Senones  finden  und  ebenso  in  Gallien  nicht  weiter  geholfen  wird, 
und  zwar  hier  nicht  weit  voneinander,   so 


376  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 


der  eine  Ausdruck  in  den  Dual  treten,  während  der  andere  fortbleibt.  So 
haben  wir  ai.  pitäni  'Vater  und  Mutter',  eii^.  'die  beiden  Väter',  gr.  Ah'une 
{Aidnte)  'Aias  und  sein  Bruder  Teukros',  im  Lateinischen,  wo  der  PluraF 
statt  des  Duals  eingetreten  ist,  Castores  für  Castor  und  Polliix.  Ebenso 
konnte  nun  meines  Erachtens  im  Indogermanischen  der  Plural  verwendet 
werden,  um  einen  Mann  und  seine  Söhne,  einen  Ahnherrn  und  seine  Sippe 
zu  bezeichnen,  und  ich  nehme  daher  an,  daß  die  Völkernamen  zum  guten 
Teil  nichts  weiter  als  Plurale  von  Personennamen  sind.  Denn  in  den  Völker- 
namen finden  wir  tatsächlich  genau  dieselben  Bildungsweisen,  die  wir  bei 
den  Personennamen  kennen  gelernt  haben,  teils  Vollnamen,  teils  Suffixe, 
die  auch  Personennamen  ableiten,  oder  Suffixe,  die  deutlich  die  Herkunft 
von  einem  Manne  bezeichnen. 

Zum  Überfluß  lassen  sich  die  Stammesnamen  auch  vielfach  als  Personen- 
namen nachweisen.  Kluge  hat  ZfdW.  8,  141  eine  Anzahl  von  Fällen  zu- 
sammengestellt, in  denen  ^Völkernamen  als  erste  Glieder  von  Personen- 
namen vorkommen.  Nur  hat  er  fälschlich  das  Verhältnis  gerade  umgekehrt. 
Er  sieht  in  dem  Volksnamen  das  Ursprüngliche,  in  dem  Personennamer» 
das  Abgeleitete.  In  einzelnen  Fällen  ist  das  ja  möglich,  aber  in  der  Haupt- 
sache nicht,  wie  die  nachfolgende  Zusammenstellung  zeigen  wird. 

Wir  finden  unter  den  Volksnamen  also  folgendes: 

A.  Vollnamen,  verhältnismäßig  selten,  so  in  Hermunduri,  Langobardi.  Austro- 
gothae,  Wisigothae,  Sugambri,  vielleicht  Usipites. 

B.  Kosenamen: 

1.  Suffix  -n,  Herminones;  Hennino  wird  die  Kurzform  zu  Hermiindurus,  Herman- 
ricus  sein,  vgl.  afränk.  Ermenmär;  Aviones,  vgl.  westgot.  Avemarus,  anord.  Eymundr,. 
Eysteinn,  Eyulfr,  ahd.  Awigaoz,  Aujulf;  —  Eburones,  vgl.  Eburhart,  -heim,  -firam, 
-■wart;  —  Ingiiaeones,  vgl.  Ingiiiomerus,  ahd.  Inghard,  -hram,  -mär;  —  Saxones,. 
vgl.  ahd.  Sahsberaht,  -gcr,  -heim,  -mär,  -munt,  -rlh,  ags.  Seaxwulf,  -bald;  —  Teutones. 
Ihr  König  oder  der  Kimbernkönig  heißt  Teiitobodns.  Wir  finden  ferner  Dietrich,  Teutomeres. 
In  teuto  steckt  ein  Wort,  das  zwar  mit  got.  piuda  'Volk'  dem  Stamme  nach  zusammen- 
hängt, als  Namenelement  aber  vielleicht  eine  andere  Bedeutung  hatte  und  wohl  schon  indo- 
germanisch war.  Kommt  doch  in  der  Ilias  B  843  schon  ein  Tutcuköu;  vor,  als  Name  eines 
alten  Pelasgers.  Ferner  finden  wir  im  Illyrischen  den  Namen  Teiita,  in  Thrakien  Tiovxa 
und  auch  den  Ortsnamen  Tiutiamenos.  Der  oben  erwähnte  pelasgische  Namen  ist  höchst 
wahrscheinlich  identisch  mit  Tautomedes  dux  Daciae  ripensis,  vgl.  Tomaschek,  Die  alten 
Thraker  II,  2  S.  38.  Daß  in  diesem  Fall  in  dem  Personennamen  der  Volksname  stecke,  wie 
Kluge  annimmt,  ist  ganz  unmöglich. 

2.  Der  bloße  o-Stamm  steht  in  Amali,  vgl.  Amala-berga,  -suintha,  -ricus;  —  Angili^ 
vgl.  ahd.  Engil-bald,  -berafit,  -frid,  -gfr,  -hart;  —  Balthae,  vgl.  ahd.  Bald-ger,  -hart, 
-heri;  —  Bardi,  vgl.  Barthart,  -heri;  —  Boi,  vgl.  kelt.  Boiorix;  —  Dani,  ags.  Deneberct^ 
ahd.  Denihart,  westgot.  Danildiis;  —  Franci,  vgl.  Francward,  Francbertus;  —  Gauti, 
vgl.  an.  Gauträdr,  Gautstafr.;  —  Hassi,  vgl.  ahd.  Hasbald,  Hasberaht;  —  Chaiici,  vgL 
ags.  Heaberht,  Heahferd;  —  Heruli,  in  ahd.  Erluni  für  Erl-wini,  Erla-beraht,  -frid,  -hard,. 
-Ulf,  langob.  Erlefredus;  —  Sciri  in  ahd.  Scirbald,  Scirolf,  ags.  Scirbeald,  Scirburg;  — 
Suibi  in  ahd.  Swäb-beraht,  -ger,  -gast  usw. 

C.  Am  meisten  beweisen  aber  eine  Reihe  in  Völkernamen  auftretender  Suffixe,  die 
deutlich  die  Zugehörigkeit  ausdrücken. 


B.  Die  Völkernamen.  §  222.  Allgemeines.  377 

1.  Das  Suffix  -jo  erscheint  häufig  in  Völkernamen  und  bezeichnete  sicher  die  Zu- 
gehörigkeit, vgl.  lat.  patriiis  zu  pater,  got.  hairdeis  'Hirt'  zu  hairda  'Herde',  ja  es  wird 
auch  in  verschiedenen  Sprachen  zur  Bildung  der  Patronymika  verwendet,  besonders  im 
Lateinischen,  Julius.  Wir  finden  es  im  Germanischen  in  folgenden  Völkernamen :  Harü  zu 
Ariovistusl \  —  Frisii  zu  ahd.  Fresberaht,  -ger,  -wini;  —  Hessen  aus  Hassii  zu  Has- 
beraht  usw.;  Rugii  zu  westgot.  Rugemirus,  anord.  Rugualtr,  ahd.  Rugolf. 

2.  Ganz  sicher  drückt  das  Suffix  -ing,  -ung  die  Zugehörigkeit  aus,  vgl.  Wilmanns 
Deutsche  Grammatik^  2,  372.  Mit  Beowulf  Scyldiriga  'Beowulf  aus  dem  Geschlecht  der 
Scyldinger'  stehen  auf  einer  Linie  Namen  wie:  Duringi,  vgl.  Hennunduri;  —  Greutungi;  — 
Turcilingi. 

3.  Dasselbe  gilt  von  dem  Suffix  -aeon  in  Ingwaiones,  Istwaiones,  Frisaevones. 

So  erweist  sich  denn  die  patronymische  Herkunft  der  Namen  bei  einer 
großen  Anzahl  als  durchaus  sicher.  Natürlich  können  einige  Völkernamen 
auch  einen  andern  Ursprung  haben,  wie  z.  B.  Alamanni  wahrscheinlich  die 
Gesamtheit  der  Männer  bezeichnet.   Aber  diese  Fälle  sind  doch  selten. 

Aus  dem  Vorhergehenden  ergibt  sich  also,  daß  alle  Versuche,  die  Volks- 
namen von  bedeutungsvollen  Worten  abzuleiten,  hinfällig  sind,  daß  wir  es  bei 
allen  Versuchen  mit  nichts  anderm  als  geistreichen  Einfällen  zu  tun  haben,  und 
daß  die  Wissenschaft  hier  gründlich  auf  dem  Holzweggewesen  ist.  Wie  man  es 
jetzt  meistens  aufgegeben  hat,  in  den  altgermanischen  Personennamen  einen 
wirklichen  Sinn  zu  suchen  —  Siegfried  heißt  nicht  so,  weil  er  etwa  durch 
Sieg  Friede  bringen  sollte,  sondern  er  ist  so  genannt,  weil  der  Name  Sieg 
in  seinem  Geschlecht  üblich,  und  weil  auch  das  Wort  Friede  in  Namen 
behebt  war  — ,  wie  man  also  auf  die  Deutung  der  Personennamen  ver- 
zichtet hat,  so  muß  man  die  der  Völkernamen  erst  recht  aufgeben.  Völker 
werden  nicht  künstUch  benannt,  sondern  ihr  Name  muß  erwachsen. 

Zu  den  allergewöhnlichsten  Vorgängen  bei  den  Völkernamen  gehört  es 
weiter,  daß  die  Namen,  die  ursprünglich  für  einen  kleinern  Stamm  galten, 
allmählich  etwas  Weiteres,  eine  größere  Gruppe  bezeichnen.  Das  beruht  auf 
der  geschichthchen  Entwicklung,  die  von  den  kleinen  Verbänden  zu  größern 
führt.  So  verschwinden  denn  von  den  vielen  Namen,  die  am  Anfang  der 
Geschichte  stehen,  immer  mehr,  und  es  bleiben  nur  wenige  übrig,  Friesen, 
Sadisen,  Westfalen,  Thüringer,  Hessen,  Schwaben,  Bayern  usw.,  bis  sich 
dann  bei  uns  ziemlich  spät  der  Gesamtname  'die  Deutschen'  entwickelt 
hat.  Bei  diesem  liegt  die  Entstehung  glücklicherweise  klar  vor  uns.  Unser 
Wort  deutsch  erscheint  zuerst  im  Jahre  788  in  latinisierter  Form  als  theodiscus. 
Es  ist  dies  ein  Adjektivum,  abgeleitet  von  einem  Wort,  das  in  got.  piuda, 
ahd.  diot  'Volk'  vorliegt  (heute  nur  noch  in  Eigennamen  wie  Dietrich, 
Dietmar).  Es  heißt  also  'zum  Volke  gehörig'.  Hätten  wir  nun  keine  Über- 
lieferung weiter,  so  würde  man  dies  leicht  für  einen  Volksnamen  halten 
können,  den  sich  ein  Stamm  beigelegt  hätte,  er  hieße  'die  Volksleute'. 
Tatsächlich  hat  man  für  andere  Namen  solche  Deutungen  vorgeschlagen. 
In  Wirklichkeit  bezieht  sich  dieses  theodiscus  nur  auf  die  Sprache,  d.  h.  die 
Volkssprache  im  Gegensatz  zur  gelehrten  Sprache,  dem  Latein.  Die  weitere 
Entwicklung  zu  verstehen,  bietet  dann  keine  Schwierigkeiten  mehr. 


378  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

Wenn  ich  oben  sagte,  daß  Volksnamcn  von  selbst  entstehen,  so  ist 
dabei  noch  ein  Punkt  zu  beachten.  Eine  Gemeinschaft  benennt  sich  mit 
irgendeinem  Namen,  ob  aber  die  Nachbarn  diesen  Namen  gebrauchen,  ist 
eine  andere  Frage.  Bei  denen  können  andere  umgehen,  es  kann  dabei  der 
Spott  eine  Rolle  spielen  und  sonstiges,  aber  es  ist  die  Frage,  wie  weit  sich 
diese  Benennungen  durchsetzen.  Möglich  ist  es  natürlich,  aber  ich  kenne 
keinen  sichern  Fall. 

Das  Bedürfnis  für  einen  Gesamtnamen  mehrerer  die  gleiche  Sprache  sprechender 
Stämme  macht  sich  bei  diesen  selbst  meist  verhältnismäßig  spät  geltend.  Anders  steht  es 
bei  den  fremdsprachlichen  Nachbarn.  Für  diese  ist  die  Sprachgrenze  eine  außerordentlich 
wichtige  Erscheinung.  Alles,  was  jenseits  dieser  Grenze  liegt,  benennen  sie  mit  einem 
Gesamtnamen.  Das  Nächstliegende  ist  dabei,  den  Namen  des  ersten  fremdsprachlichen 
Stammes  auf  die  Gesamtheit  zu  übertragen.  So  nennen  uns  die  Franzosen  Allemands  nach 
den  Alemannen,  die  Slawen  Nernci.  Man  deutet  dies  gewöhnlich  als  'Stumme'.  Oas  gibt 
aber  kaum  einen  Sinn.  Sehr  viel  wahrscheinlicher  ist  es,  daß  darin  der  alte  Volksname 
der  Nemetes  steckt.  Wir  unserseits  nennen  die  Franzosen  ursprünglich  Waldie,  wovon 
walhisk  'welscir  abgeleitet  ist.  Auch  dies  Wort  ist  nichts  weiter  als  der  Name  des  kel- 
tischen Stammes  der  Volcae,  der  offenbar  einst  den  Germanen  benachbart  war.  Die  Slawen 
dagegen  heißen  seit  uralter  Zeit  Wenden  {Venedi  bei  Tacitus).  Wenngleich  sich  kein 
slawischer  Volksstamm  selbst  so  nennt,  so  steckt  doch  darin  auch  der  Name  eines  Volks- 
stammes. Wir  kennen  Veneti  in  Oberitalien,  in  der  Bretagne,  ' KveioI  {Enetoi)  in  Paphla- 
gonien,  und  die  Vermutung  ist  nicht  zu  kühn,  daß  östlich  der  Germanen  einst  ein  Volks- 
stamm mit  Namen  Veneti  saß,  dessen  Namen  die  Germanen  auf  all  ihre  Ostnachbarn 
übertragen  haben. 

Über  die  Herkunft  des  Namens  Germani  wird  viel  gestritten.  Ich  kann  auf  die  vielen 
Deutungsversuche,  sowie  auf  die  Interpretation  der  bekannten  Tacitusstelle  nicht  weiter  ein- 
gehen, vgl.  KossiNNA,  Beitr.  20,  257,  und  bemerke  nur  so  viel,  daß  es  mir  aus  den  oben 
entwickelten  Gedanken  heraus  völlig  ausgeschlossen  erscheint,  den  wahren  Sinn  des 
Namens  zu  ermitteln.  Ich  glaube  nicht,  daß  es  sich  um  einen  Übernamen  handelt,  bin 
vielmehr  der  Ansicht,  daß  ein  Stammesname  vorliegt,  der  sich  ewig  der  Deutung  entziehen 
wird,  weil  er  eben  keinen  wirklichen  Sinn  gehabt  hatte. 

C.  SONSTIGE  BENENNUNGEN  (VON  TIEREN  UND  LEBLOSEN  GEGENSTÄNDEN). 

§  223.  Obersicht.  Außer  den  Menschen  finden  wir  aber  auch  die  Tiere, 
die  den  Menschen  als  Hausgenossen  umgeben,  benannt,  und  weiter  eine 
Reihe  von  Gegenständen,  wie  vor  allem  Schwerter  und  Schiffe,  die  damit 
sozusagen  in  die  Reihe  der  Lebenden  eintreten.  Diese  Sitte  ist  zweifellos 
uralt,  da  sie  bei  den  verschiedensten  Völkern  anzutreffen  ist  und  zu  den  ver- 
schiedensten Zeiten  wiederkehrt.  Wunder  kann  uns  das  nicht  weiter  nehmen, 
denn  der  primitive  Mensch  kennt  keine  Grenze  zwischen  Mensch  und  Tier. 

Schon  in  der  Ilias  finden  wir  Pferdenamen,  und  des  Odysseus  Hund 
"Äoyoi  (Argos)  ist  allen  bekannt.  Auf  germanischem  Boden  ist  die  Über- 
lieferung nicht  alt,  was  aber  nur  darauf  beruhen  kann,  daß  diese  Dinge 
zufällig  in  der  altern  Zeit  nicht  erwähnt  werden.  An  dem  hohen  Alter  der 
Tierbenennungen  auch  bei  uns  ist  nicht  zu  zweifeln. 

Die  Forschung  ist  an  diesen  Namen  nicht  vorübergegangen,  aber  es 
fehlen  uns  doch  noch  immer  ausreichende  Sammlungen,  und  den  Vereinen 


C.  Sonstige  Benennungen.  §  223.  Übersicht.  D.  Die  Namen  der  Örtlichkeiten.    379 

für  Volkskunde  böte  sich  eine  dankbare  Aufgabe,  wenn  sie  die  Benennungen 

der  Haustiere,  vor  allem  der  Hunde,  Rinder,  Schafe  in  den  verschiedenen 

Gegenden  unsres  Vaterlandes,  sammeln  würden. 

Anmerkung.  An  Literatur  verzeichne  ich:  W.  Wackernagel,  Germania  3,  146; 
4, 129 ff.;  5,  290  ff.  (=  Kleine  Schriften  3,  59  ff.);  B.  Kahle,  Aitwestnordische  Namenstudien, 
Idg.  Forsch.  14,  133  (hat  den  im  Altnordischen  vorliegenden  Stoff  gesammelt  und  verarbeitet); 
F.  Kluge,  ZfdW.  7,  38  (Hundenamen),  weist  darauf  hin,  daß  Namen  wie  Wasser,  Strom. 
Rin,  Donau,  Neckar,  Birs  als  Hundenamen  vorkommen.  Es  scheint  mit  diesen  Namen  eine 
besondere  Bewandtnis  zu  haben.  Hunde  mit  derartigen  Namen  können  nicht  behext  werden. 
Fr.  Branky,  Moderne  Hundenamen,  ZfdW.  9,  229,  mit  Literaturangaben  und  einer  reich- 
haltigen Sammlung;  A.  Gysin,  Schwarzwälder  Kuhnamen,  ZfdW.  11,  304;  O.  Heilig,  Tier- 
namen und  Verwandtes  in  der  Mundart  von  Ballenberg,  ZfdMa.  1910,  359;  A.  Brunner, 
Über  Pferdenamen,  ZADSV.  30,  369. 

Auch  diese  Namen  sind  in  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung  bemerkens- 
wert und  geben  bei  tieferm  Eindringen  kulturgeschichtliche  Aufschlüsse. 
Branky  a.  a.  O.  232  führt  dafür  folgende  Stelle  aus  einer  Zeitung  an: 

„Der  Wechsel  des  Geschmacks  und  der  Wandel  des  Stils  spiegelt  sich  wie  in  der 
Architektur  und  in  der  Zimmereinrichtung,  wie  in  der  Gestaltung  unsrer  Gärten  und  unsrer 
Gewandung  auch  in  den  Namen,  die  wir  unseren  Lieblingen,  den  Haushunden,  geben. 
In  einer  klassisch  angehauchten  Zeit  zog  man  Namen  wie  Cäsar,  Nero,  Kastor,  Hektor 
vor;  als  das  Barock  herrschte,  kamen  die  Karo,  Bianca,  Stella  auf;  die  Vorherrschaft  des 
Rokoko  und  des  Stils  Ludwig  XJV.  brachten  uns  die  Ami.  Cheri,  Bijou,  Joli;  und  in 
einer  germanistisch  angehauchten  Zeit  waren  die  Frithjof,  Teil,  Freia.  Fafner  in  Mode. 
Es  ist  sehr  interessant,  das  Vorwiegen  der  einen  oder  andern  Kategorie  mit  den  Zeit- 
verhältnissen in  Beziehung  zu  setzen  und  zu  beobachten,  wie  dieser  oder  jener  Name  in 
einen  bestimmten  geschichtlichen  Zeitabschnitt  zurückweist.  Oft  spiegeln  sich  politische 
Konstellationen  und  Stimmungen  in  den  Namen  der  Hunde  wider,  indem  sich  ein  satirischer 
aggressiver  Zug  in  die  Namengebung  mischt;  solche  Namen  sind  Boulanger,  Caprivi, 
Bebet,  Roberts,  die  alle  politischer  Abneigung  ihre  Entstehung  verdanken,  während  Cronje, 
Wrangel,  Kosziusko,  De  Wet  politische  Sympathien  bekunden." 

Ebenfalls  verdienten  andere  Namen  unsrer  Zeit,  wie  die  von  Schiffen,  Lokomotiven, 
eine  Sammlung.  Sie  würden  uns  gleichfalls  in  die  Anschauungen  unsrer  wie  auch  ver- 
gangener Zeiten  blicken  lassen.  Auch  die  Namen  der  Zeitungen  und  Zeitschriften  bieten 
uns  ein  Zeitbild.  Welch  tiefen  Blick  in  die  früheren  Anschauungen  läßt  ein  Titel  tun,  wie 
Intelligenz-  und  Leseblatt.  Das  Wort  Zeitung  selbst  tritt  zuerst  spätmhd.  auf  in  der  Be- 
deutung 'Nachricht,  Kunde'  und  ist  dem  mnd.  tidinge,  ndl.  tijding  nachgebildet.  Zu  frühest 
erscheint  ags.  tidung  'Nachricht'  von  tidan  'sich  ereignen'.  Daneben  steht  anord.  tiäindi 
'Ereignis'.   Es  handelt  sich  also  um  ein  Wort  der  Nordseevölker. 

D.  DIE  NAMEN  DER  ÖRTLICHKEITEN. 
§  224.  Allgemeines.  Die  Erforschung  der  Ortsnamen  ist  von  jeher  in 
den  einzelnen  Orten  selbst  behebt  gewesen,  sie  ist  aber  daneben  frühzeitig 
in  den  Dienst  der  allgemeinen  Geschichte  getreten.  Die  Ortsnamen  geben 
uns  nämlich  nicht  nur  Kenntnis  von  der  Siedelung  der  deutschen  Stämme, 
sondern  sie  lehren  auch,  daß  in  gewissen  Gegenden  vor  dem  Deutschen 
andere  Sprachen  dagewesen  sind,  von  denen  wir  sonst  keine  oder  nur 
mangelhafte  Kunde  haben.  Aber  auch  da,  wo  wir  eine  geschichtliche  Über- 
Heferung  besitzen,  z.  B.  die,   daß   die  Länder  östlich   der  Elbe  einst  von 


380  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

Slawen  besiedelt  gewesen  sind,  wird  diese  durch  die  Ortsnamenforschung 
ergänzt  und  vertieft. 

Wir  finden  unter  den  Ortsnamen  leicht  verständliche,  dann  andere,  die 
erst  bei  dem  Zurückgehen  auf  ältere  Formen  klar  werden,  und  schließlich 
solche,  die  aus  deutschem  Sprachgut  nicht  deutbar  sind.  Für  sie  hat  man 
frühzeitig  an  fremde  Herkunft  gedacht.  Mit  Feuereifer  hat  man  dann  solche 
Namen  je  nach  der  gerade  herrschenden  Richtung  in  der  Forschung  einem 
bestimmten  Volke  zugeschrieben.  Man  braucht  ja  nur  an  die  Sucht  ver- 
gangener Zeiten  zu  erinnern,  in  allem  etwas  Keltisches  zu  sehen.  Derartige 
Versuche  sind  indessen  vielfach  gescheitert,  und  man  ist  oft  genug  auf  Irr- 
wegen gewandelt. 

Wenn  eine  Deutung  aus  deutschem  oder  sonst  bekanntem  Sprachgut 
nicht  gelingt,  so  bleibt  uns  weiter  nichts  übrig,  als  gleich  oder  ähnlich 
klingende  Namen  zusammenzustellen,  um  auf  diesem  Wege,  wenn  nicht 
die  Bedeutung,  so  doch  die  Verbreitung  der  Namen  und  die  Frage  zu  er- 
mitteln, welchem  Sprachstamm  sie  angehören.  So  haben  wir  z.  B.  die  Städte- 
namen Beigard,  Belgrad,  Stargard,  Nowgorod.  Daß  die  beiden 
ersten  gleich  sind,  und  daß  der  zweite  Bestandteil  aller  vier  derselbe  ist, 
würde  man  auch  ohne  weitern  Anhalt  vermuten  dürfen.  Tatsächlich  wissen 
wir,  daß  die  Namen  slawisch  sind,  und  daß  das  zweite  Element  das  gleiche 
ist,  nur  umgewandelt  nach  den  Lautgesetzen  der  verschiedenen  slawischen 
Sprachen.  Auf  dem  Gebiet,  das  die  slawischen  Völker  innehatten,  finden 
wir  außerdem  noch  eine  Fülle  gleicher  Namen,  bald  im  Osten  und  Westen, 
bald  im  Norden  und  Süden,  und  auf  Grund  dieser  Namen  könnten  wir 
das  Verbreitungsgebiet  der  slawischen  Sprachen  feststellen,  auch  wenn  das 
Slawische  als  Sprache  zugrunde  gegangen  wäre. 

Wenn  uns  also  dieser  Grundsatz  auf  einem  bekannten  Gebiet  zu 
richtigen  Ergebnissen  führt,  so  kann  man  ihn  auch  anderswo  anwenden. 
So  kehrt  der  Flußname  Iser  in  wenig  geänderter  Gestalt  verschiedentlich 
wieder.  Wir  treffen,  um  nur  das  Allbekannte  zu  nennen,  die  Iser  als  Neben- 
fluß der  Elbe,  die  Isar  bei  München  und  die  Isere  in  Südfrankreich.  Der 
Name  der  Rhone,  Rhodanus  findet  sich  als  Rhotanus  auch  auf  Korsika. 
Es  gibt  zwei  Elstern,  zwei  Mulden,  während  eine  ganze  Reihe  von  Saalen 
vorhanden  sind.  Man  wird  nicht  umhin  können  anzunehmen,  daß  derartige 
gleiche  Benennungen  von  einem  Volke  herrühren. 

Örtlichkeitsnamen  beharren  also,  auch  wenn  die  Sprache  sich  ändert. 
Diese  oft  zu  beobachtende  Tatsache  tritt  uns  am  deutlichsten  in  Ostelbien 
entgegen,  wo  die  Ortsnamen  im  wesentlichen  slawisch  sind. 

In  bezug  auf  das  Beharrungsvermögen,  wie  man  die  Fortdauer 
der  Ortsnamen  auch  bei  geänderter  Sprache  nennen  kann,  verhalten  sich 
die  einzelnen  Arten  der  Namen  verschieden.  Die  Übertragung  der  Namen 
von  einer  Sprache  auf  die  andere  setzt  natürlich  den  Zusammenstoß  der 
beiden  Sprachen  voraus.   Wo  dieser  fehlt,  ist  Übertragung  unmöglich.   Um- 


D.  Die  Namen  der  Örtlichkeiten.  §224.  Allgemeines.  381 

gekehrt  folgt  aus  der  Fortdauer  des  Namens  die  Berührung  der  Sprachen. 
Man  führt  z.  B.  den  Namen  Schlesien,  der  aus  dem  Slawischen  stammt, 
auf  den  Stamm  der  germanischen  Silingae  zurück.  Daraus  mußte  im  Munde 
der  Slawen  SlUiz  —  und  weiter  Siez  —  werden,  ebenso  wie  aus  germanisch 
kuning  'König'  slawisch  knez  entstanden  ist.  Die  vordringenden  Slawen 
müssen  also  diesen  Volksstamm  noch  angetroffen  haben.  Ostdeutschland 
kann  nach  der  Völkerwanderungszeit  nicht  wüst  und  leer  gewesen  sein. 

Den  Zusammenstoß  vorausgesetzt  gilt  nun  folgendes.  Je  bedeutender 
die  Örtlichkeit  ist,  um  so  wahrscheinlicher  ist  die  Fortdauer  des  Namens, 
je  unbedeutender,  um  so  leichter  kann  ein  neuer  Name  auftreten.  Orte 
werden  im  Laufe  der  Zeit  neu  gegründet  und  erhalten  dann  den  Namen 
von  den  Gründern.  Die  Flüsse  fließen  dagegen  seit  Ewigkeiten  und  können 
daher  viel  eher  alte  Namen  tragen. 

Aber  auch  die  Völker  verhalten  sich  in  bezug  auf  die  Herübernahme 
der  Namen  verschieden.  Während  die  europäischen  Stämme  viele  Namen 
übernommen  haben,  haben  die  Araber  in  Spanien,  die  Türken  auf  der 
Balkanhalbinsel  die  Flüsse  vielfach  neu  benannt.  Zum  Teil  mag  dies  mit 
sozialen  Anschauungen  zusammenhängen,  mit  der  Verachtung,  mit  der  die 
Asiaten  auf  die  Europäer  herabgesehen  haben.  Ganz  bestimmte  Regeln 
lassen  sich  daher  auf  diesem  Gebiete  nicht  aufstellen. 

Bei  der  Erforschung  der  Ortsnamen  sind  ein  paar  Grundsätze  schlechter- 
dings unentbehrlich.  Zunächst  muß  man  auf  die  ältesten  belegten  Quellen 
zurückgehen,  und  die  Ausschöpfung  des  urkundlichen  Materials  ist  erstes 
Erfordernis.  Dabei  bekommen  dann  die  Namen  oft  ein  ganz  anderes  Aus- 
sehen, und  zuweilen  ergibt  sich  die  Deutung  der  ältesten  Form  ganz  von 
selbst.  Daneben  ist  die  wirkliche  Aussprache  im  Volksmunde  von  nicht 
geringer,  vielfach  sogar  von  ausschlaggebender  Bedeutung.  Denn  die  laut- 
lichen Verhältnisse  sind  von  jeder  Überlieferung  unbeeinflußt  geblieben, 
während  bei  schriftHcher  Festlegung  oft  Mißverständnisse  unterlaufen,  die 
sich  nicht  selten  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  forterben. 

Wo  es  sich  um  Namen  fremder  Herkunft  handelt,  tut  man  gut,  den 
Suffixen  besondere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Denn  da  die  Ortsnamen 
nach  gewissen  allgemeinen  Grundgesetzen  gebildet  sind,  treten  bei  ihnen 
häufig  die  gleichen  suffixalen  Elemente  auf. 

An  fremden  Elementen  in  unsern  Ortsnamen  finden  wir  folgende: 

1.  Im  Osten  und  Südosten  saßen  die  Slawen,  die  sehr  deutliche  Spuren  hinterlassen 
haben,  siehe  darüber  unten. 

2.  Im  äußersten  Norden  unseres  Vaterlandes  wohnten  die  alten  Preußen  und  leben 
noch  jetzt  die  Litauer. 

3.  Im  Westen  und  im  Süden  stoßen  wir  dagegen  in  den  Ortsnamen  auf  keltische  Spuren. 
Nur  dürftige  geschichtliche  Nachrichten  belehren  uns  über  die  Anwesenheit  von  Kelten  auf 
germanischem  Boden.   Die  Ortsnamenforschung  hat  ihre  alten  Sitze  genauer  bestimmt. 

4.  Am  Rhein  und  in  den  Alpenländern  treffen  wir  neben  den  keltischen  auf  romanische 
Siedelungen  und  romanische  Namen. 


382  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

5.  Daneben  .iber  sudit  man  jetzt  in  Tirol  eine  noch  ältere  Schicht  von  Namen  auf 
die  liiyrier  zuriickzufiiliren,  die  ja  einst  ein  machtiges  Volk  gebildet  haben. 

6.  Unter  den  keltischen  Namen  wird  neuerdings  aber  noch  eine  andere  Schicht  ver- 
mutet, die  den  Ligurern  angehören  soll.  Die  Ligurer  sind  in  den  geschichtlichen  Zeiten 
ein  nur  unbedeutendes  und  in  der  Kultur  zurückgebliebenes  Volk  in  den  Seealpen.  Daß 
sie  zurückgedrängt  sind  und  einst  ein  weiteres  Gebiet  innehatten,  unterliegt  keinem  Zweifel. 
Auf  Korsika  saßen  sie,  und  so  wird  Rhodanus  (siehe  oben)  ein  ligurisches  Wort  sein. 
Aber  auch  die  Namen  Genua  und  Genf  falt  Genavä)  sind  gleich  und  werden  den  Ligurern 
zugesprochen.  Erst  in  der  neuern  Zeit  hat  man  Spuren  ihrer  Sprache  auch  in  Ortsnamen 
am  Rhein  zu  finden  geglaubt,  und  man  wird  diese  Ansicht  nicht  so  leichthin  abtun  können 
(siehe  unten).  Natürlich  kann  jede  Hypothese  übertrieben  werden.  So  gut  wir  früher  eine 
Keltomanie  gehabt  haben,  die  überwunden  ist,  so  gut  können  wir  eine  Liguromanie  be- 
kommen, falls  wir  sie  nicht  schon  haben.  Sicher  aber  ist  das  eine:  vieles,  was  man  früher 
als  keltisch  angesehen  hat,  ist  es  nicht,  sondern  muß  einem  andern  Sprachstamm  angehören; 
ob  das  nun  in  allen  Fällen  der  ligurische  oder  vielleicht  noch  ein  andrer  gewesen  ist,  tut 
zunächst  nichts  zur  Sache.') 

§  225.  1.  Gebirgs-  und  Ländernamen.  Unsere  Gebirgsnamen  sind  zum  Teil 
jung  und  deutlich  ableitbar  wie  Thüringerwald,  Frankenwald,  Schwarzwald, 
Fiditelgebirge.  Andere  Namen  sind  zunächst  dunkel,  werden  aber  beim 
Zurückgehen  auf  ältere  Sprachstufen  erklärbar.  So  ist  Spessart  der  Spedites- 
hart  (über  hart  s,  u.),  Elm  eigentlich  der  Elmen-(Ulmen-)wald.  Der  Name 
hart  ist  in  Deutschland  weit  verbreitet.  Wir  finden  ihn  in  Harz,  Haardt 
(Neustadt  an  der  Haardt),  Spessart  und  vielleicht  auch  in  Haarstrang. 
Die  Herkunft  ist  nicht  sicher  aufgeklärt.  Mhd.  hart  bedeutet  'Wald',  aber 
auch  'fester  Sandboden',  und  daher  könnte  man  an  Ableitung  von  hart 
'fest'  denken.  Dieser  Anklang  dürfte  aber  doch  wohl  täuschen.  Möglicher- 
weise steckt  darin,  wenn  die  Bedeutung  'Wald'  ursprünglich  ist,  ein  Baum- 
name, da  auch  sonst  die  Gebirge  als  Wälder  und  die  Wälder  wieder  als 
Wälder  einer  bestimmten  Baumart  bezeichnet  werden.  So  haben  wir  Elm,  und 
sehr  häufig  ein  Elchidit,  Büdiidit,  bei  den  Römern  überliefert  sllva  Caesia 
zu  ndd.  Heister  'Buche',  Bacenis  silva  =  ahd.  Buodionia  zu  Budie  und 
mhd.  Virgunt,  got  fairguni  'Gebirge'  =  kelt.  herkynla  silva,  abgeleitet  von 
idg.  *perqw-,  lat.  querciis,  ahd.  forha  'Eiche',  also  eigentlich  'Eichenwald'. 

Anmerkung!.  Die  letzte  Etymologie,  die  ich  Idg.  Forsch.  1,479  vertreten  habe,  wird 
immer  wieder  bestritten,  so  von  Wiedemann,  Bezz.  Btr.  28,  7,  Uhlenbeck,  Btr.  30,  273.  Die 
lautlichen  Verhältnisse  sind  aber  ganz  klar  und  einfach.  Aus  idg.  *perk^  oder  *perkw  wurde 
im  Keltischen  bei  Antritt  des  u-Suffixes,  vgl.  lit.  Perkünas,  got.  fairguni,  regelrecht  *perk 
und  weiter  herk. 

Anmerkung  2.  Den  Namen  des  Mährischen  Gesenkes  erklärt  man  aus  Ischcch.  jesenka 
zu  jesen  'Esche',  also  'Eschenwald'.   Doch  wird  dies  neuerdings  bestritten. 

Wir  finden  aber  auch  fremde  Gebirgsnamen.   So  leitet  man  den  Namen 

der  Finne  von  ke\t.  pen  'Kopf  ab. 

Einige  Benennungen  gehen  aber  noch  vor  die  keltische  Besiedelung  zurück.  So  vor 
allem   der  Name  der  Alpen.    Man  bringt  damit  folgende  Namen  zusammen:   die  rauhe 


*)  Vgl.  hierzu  O.  Weise,  Die  deutsche  mayer,  Ziele  und  Methoden  der  Ortsnamen- 
Ortsnamenforschung  im  letzten  Jahrzehnt.  forschung,  Zschr.  f.  d.  Realschulwesen  34, 705. 
Germ.rom.  Monatsschrift   2,  433;   K.  v.  ElT-   i 


§  22Ö.  Gebirgs-  USD  LAsnEBSAXEs,  §  226.  Die  Fll-ss?»ave>.'.  383 

Alb,  Albion  (alter  Name  von  England)  und  die  zahlreicfiea  itaJiäciieii  Scädtenamen  /l/friz 
wie  ^/da  longa,  Alba  Augasta,  Albmm  Intermeüam,  ASbmm  Ingßsaaam,  Aün  Detiäa, 
Alba  Pompeia.  Man  bat  darin  da  J^nriscfaes  Wort  ffiff  "Bog,  Habe'  gesdtei,  k]^  Hkt, 
Die  Indogermanen  1, 46.  Jedfnfalb  dfidlea  dfe  NlanKn  yM*jmniii#i)*i%yi|  g^  deoHdba 
Sprachstamm  angehören. 

Unsere  Ländernamen  sind  zum  guten  Teä  ahe  Dathre  Plnr.  Toa 
Volksnamen.  Im  Mittelalter  sagte  man  zen  Burgpnden,  zen  Ssmben  *bei 
den  Burgunden,  bei  den  Schwaben*.  Preußen  heifit  nach  dem  VoUsslamm 
der  alten  Preußen,  deren  ^nache  mit  der  litanisdien  mid  lelifisdien  zu- 
sammen den  baltischen  Zweig  der  indogermanisciien  Familie  bildet;  Pom- 
mern nach  dem  sfawisdien  Namen  der  Pomeriam  (e^;enflidi  'Meer- 
anwohner'); Ragen  nach  den  Ragiem;  Böhmen  ist  'Heim  der  Bc^ei', 
Bayern  heißt  nach  den  BajtwarL  Über  Sihlesien  s,o.  S.381.  Atte-Vcfts- 
namen  stecken  auch  noch  vidEadi  in  den  Gannamen. 

Anmerkung.  Ich  stdle  hier  oocfa  die  FaBe  zasamraea,  m  deaea  sich  afie  Vfilker- 
namen  erhalten  haben.  Unadier  is^  ob  Bomkolm  Burgumderhobm  ist.  Barffad  am.  der 
Rhone  r  '  Burgunden.  Lombardei  nach  den  Laagokardea.  JSÜmmd  vath  den  Jätern. 

Sormandu  '      mtamen.   Ostfrieaimtd  nach  den  Ffiesem.  En^iaad  oack  den 

Angeln.   Saj.^.  .  .'-.,  "^n/itsen. 

§  226.  2.  Die  F  nen. 

Literatar:  L  -  z?,  Beffiige  znr  ElpiEoIogie  dentsdier  Flttflnamca,  Göirägen 
1881.  —  Ders.,  Die  H:  tr  geno.  FhAnama^eiMBi^  Kid  ISOL  IN^acb  E.  SCHBräKB 

sind  diese  Arbeiten  '  .   t  Spiekieien.  —  Sauinmlmiiigea  des  S&ofies  leblen  sboc&l 

Material  findet  skh  ü-zl  z  .  * '" Jenfscfaes  NaifnliBrii  BdL  2L  Ort»-  and  sonsiiee 

geographische  Namen.    Yö._-- .   _— _:       Sreddni^^,  Gevässer-,  Gdäis^,  Beig-,  WaU-, 
Flurnamen  und  dergleichen.  3L  völlig  -  ^  ^  :  .  -t»CTtele,  wm  100  Jaine  (1100 — 12Q0|  i 
Auflage,  mit  Beiträgen  von  E.  S - -:. r  : "  3  H.  hSSäa^KO^  Bonn  1911  ffi.;  — 

BCCJCVIANN  in  der  Zeitschrift  -  :.  Nr.SfärdKLBndMn^erHeide.  Xt.Zahs^ 

Ortsnamenboch  -=-  ?-  ;—  '  -.3?.  Die  drid«hrn  Bog-,  Har-Hid 

Ortsnamen  des  ai;  ..- -  ^.       -     ^  lianmidt  md  edkSät  Aaiie^  190SL 

Systemaris  che  .\ui :.:'::-;-_  -  MCllevho  ff.  Beoteciie  AÜertiMsiamde  2.  Bd. 

1887.  —  E.  Schröder,  Litt-   :  '  .edfiEdivEg  1SQ8.  —  Den^ 

Flußnamen  in  H ::;  ~  -    t2LBd.72S. 

Die  Flußnamcri  „.c.c:.  _-:  £:  ;  :  _  -  .■  r-'-!reidier  SEnd, 
einen  sehr  viel  reic'-^"  -^':':  :  :  i-:  i-\.-^z  zi,:  :.r  V-"?rsndnmg 
des  Gebietes  in  grcuz...  .-.^^c  .-:  .. :       :   :   '  ;  .    "  -    .-  ^  :7-^':"imien- 

GiücklicherÄ»-eise  lieee-:    -'■^-      -    7  -   -    ,  :     ^-^"de 

Flußnamen   noch    e^""~   '-'    '        ^  ;;:-  :  -- 

Material,   so   finc^::  .:      ::7    :   i   '  -::  . 

Handatlas  5.  Auflag  t         -  -         -       ;       '    '  ,         '    -  ; 

Colorado.   Entsprech-.i  ^.::  —    .'      -  •;  ;' 

bedeutet.   Slaw. /^^Äa  heißt  eir:-:.  -  - 

daß  der  thiakische  Name  Strymon 
Strom.  Wir  kommen  also  au:  ^:  ;:   ^        ;       ■ 
auch  im  Deutschen.   Da  man  gewör 
Wohnortes  nur  ein  oder  zwei  G-  -"    .:  --  : 

dieses  mit  einem  Ausdruck  wie  _  :\~:'  :  -.. 


384  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

und  diesen  Allgemeinbet^riff  gegebenenfalls  durch  ein  Eigenschaftswort  oder 
ähnliches  näher  zu  bestimmen.  Da  wir  nun  in  alter  Zeit  mit  zahlreichen 
Wanderungen  zu  rechnen  haben,  so  ergibt  sich  zweierlei.  Erstens  Siedler, 
die  an  einen  neuen  Ort  und  ein  neues  Wasser  kamen,  nannten  dieses  wie 
das  in  der  Heimat,  woraus  sich  teilweise  die  an  vielen  Orten  wieder- 
kehrenden gleichen  Flußnamen  erklären,  und  zweitens,  man  benannte  das 
Gewässer,  und  darauf  hat  E.  Schröder  nachdrücklich  aufmerksam  gemacht, 
unbekümmert  darum,  ob  es  in  einem  andern  Teil  seines  Laufes  schon 
einen  andern  Namen  führte.  Ein  Fluß  oder  Bach  wird  also  nur  dann  einen 
einzigen  Namen  tragen,  wenn  die  Besiedelung  seinem  Laufe  gefolgt  ist. 
In  jedem  andern  Fall  dürfte  er  mehrere  haben.  Beispiele  für  doppelte  Be- 
nennung sind  zur  Genüge  vorhanden.  Das  bekannteste  ist  der  Doppel- 
name/5//-05 —  Danuvius  für  die  Donau.  Andere  hat  E.  Schröder  angeführt. 
Sicher  ist  die  einheitliche  Benennung  unserer  Flüsse  erst  ein  Werk  späterer  Zeit. 
So  ist  es  zweifellos,  daß  viele  Benennungen  unserer  Gewässer  verloren  gegangen 
sind.  Wir  können  aber  diese  zum  Teil  wiedergewinnen  in  den  Ortsnamen. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  den  Flußnamen. 

So  finden  wir  häufig  die  Bezeichnung  Wasser. 

Es  gibt  ein  Landwasser  zur  Albiila,  ein  Klosterwasser,  12  x  Schwarzwasser,  2  x 
Weißwasser,  ein  Kaltewasser. 

Sehr  viel  häufiger  ist  Bach.  Bei  unzähligen  Dörfern  heißt  das  vorbei- 
fließende Wasser  der  o6tT  die  Bacli,  und  sehr  groß  ist  die  Zahl  der  Zu- 
sammensetzungen, wie  wir  noch  sehen  werden. 

Ein  mhd.  klinge  'rauschender  Waldbach'  hat  sich  ein  paarmal  erhalten 
in  Klingbach,  Klingelbach,  Klingental. 

Alle  aber  an  Zahl  übertrifft  ein  jetzt  verloren  gegangenes  altgerm.  ahwa, 
das  dem  lat.  aqua  entspricht.  Im  Deutschen  erscheint  das  in  mehreren 
Formen,  einmal  mit  verschärftem  h  als  Adie,  dann  mit  ausgefallenem  h 
als-  Aa  und  schließlich  als  Au  aus  '-^'agwu. 

Mit   der  Form  Adie  verzeichnet   der  Atlas   folgende  Flüsse  und  Bäche:   1.  zum  Inn, 

2.  zur  Mosel,  3.  zum  Königssee,  4.  Rauriser-,  5.  Brixentaler-,  6.  Gasteiner-,  7.  Großarier-, 
8.  Große-  ^zum  Chiemsee),  9.  Griesler-,  10.  Jodiberger-,  \\.  Leutaschtaler-,  12.  Ötztaler-, 
Pillersee-Ache.    Mit  der  Form  Adi  gibt  es  folgende  Namen:    1.  zur  Donau,  2.  zum  Lech, 

3.  zur  Aitradi,  4.  zur  Blau,  5.  zum  Halbledi,  6.  zum  Schüssen,  7.  zum  Sinket,  8.  zum  Staffel- 
see, 9.  die  Bregenzer-,  10.  die  Fusdier-,  11.  die  Kapruner-,  12.  die  Unterach.  Dazu  kommen 
noch  zwei  Aach,  eine  zum  Bodensee  und  die  Radolfzeller  Aach. 

Gleichfalls  zahlreich  sind  die  Aa:  1.  zum  Greifensee,  2.  zum  Ley,  3.  zur  kleinen 
Nethe.  4.  in  Nordbrabant,  5.  zur  Nordsee,  6.  zum  Zuid.-Will.-Kanal,  7.  die  Ahauser-, 
8.  Bocholter-,  9.  Burgsteinfurter-,  10.  Engelberger-,  W.  Haiverder-,  \2.H erster-,  \Z.Hopster-, 
14.  Ibbenbürer-,  15.  Kurländer-,  16.  Livländer-,  17.  Münstersche-,  18.  Sarner-,  19.  Vers- 
molder-,  20.  Weerijs-,  21.  Westfälisdie  Aa. 

Die  dritte  Form  Au,  Aue  findet  sich  in  folgenden  Fällen:  1.  zum  Barstaler  Tief,  2.  zur 
Fuse,  3.  zur  Ilmenau,  4.  zur  Luhe,  5.  zur  Oste,  6.  bei  Osterwieck,  7.  zur  Save,  8.  zur  Weser. 

Unaufzählbar  sind  nun  die  Zusammensetzungen  mit  diesem  Wort.  Man  kann  im  all- 
gemeinen annehmen,  daß  die  Flüsse  und  Bäche  auf  -a,  -ach,  -au  hierher  gehören,  wie 
Sdiwarza,  Schwarzach.  Ilmenau,  Fulda,  Partnadi. 


§  226.  Die  Flussnamen.  385 


Mit  diesen  Elementen  ist  eine  große  Anzahl  von  Flußnamen  gebildet. 
Es  fragt  sich  nun,  womit  diese  Elemente  zusammengesetzt  sind.  Ehe  ich 
den  Stoff  gebe,  muß  ich  zweierlei  bemerken.  Erstens,  das  Element  -a  ist 
sehr  häufig  zu  e  geschwächt  worden  und  zum  Teil  ganz  geschwunden,  so 
daß  scheinbar  gar  keine  Zusammensetzung  vorliegt,  und  zweitens,  zahlreiche 
Fluß-  oder  Bachnamen  haben  sich  als  solche  nicht  erhalten,  stecken  aber 
in  Ortsnamen.  Ein  Ort  Lauterbach  hat  seinen  Namen,  weil  er  am  Lauter- 
bach  lag.  Ich  halte  mich  daher  für  berechtigt,  in  einzelnen  Fällen,  wo  die 
Flußnamen  fehlen,  die  Ortsnamen  heranzuziehen. 

Zuerst  suchen  wir  nach  romanischem  Vorbild  in  den  Flußnamen  Farben- 

bezeichnungen. 

Wir  finden:  Schwarz:  5  Sdiwarza,  7  Schwarzach,  2  Sdiwarzau,  10  Sdiwarzbadi, 
1  Sdiwarzenbadi,  12  Schwarzwasser.  —  Weiß:  1  Weißa,  3  Weißadi,  5  Weißbadi,  4  Weißen- 
bach, 2  Weißwasser.  —  Lauter,  ahd.  hlatar  'rein,  klar':  7  Lauter,  6  Lauterbadi;  dazu 
-unzählige  Ortsnamen.  —  Rot:  2  Rotbadi,  5  Roterbadi,  3  Rothbadi,  1  Rothau,  1  Rothadi, 
1  Rotwasser,  1  Rötheibach  und  6  Roth.  —  Blau:  Blau  z.  Donau.  —  Finster:  1  Finster- 
bach. —  Gelb:  1  Gelbach.  —  Dann  kommen  die  Begriffe  kalt  und  warm;  warm:  2  Warme, 
1  Warmenau,  und  außerdem  Warme  Bode,  Warme  Mandling,  Warme  Moldau.  —  Lau: 
1  Laubach  und  viele  Ortsnamen  —  Kalt:  1  Kalten-Bach,  1  Kalter  Bach,  1  Kalte  Wasser, 
Kalte  Bode,  Kalte  Mandling,  Kalte  Moldau.  —  Kühl:  2  Kühlbach  als  Ortsname. 

Sehr  häufig  sind  auch  die  Zusammensetzungen  mit  Baumnamen:  Holz:  2  fLolzbach, 
1  Holzemme.  —  Birke:  1  Berka,  1  Berkach.  —  Buche:  1  Buchbach,  1  Buchenbach, 
1  Buchebach.  —  Eiche:  2  Eichelbach,  1  Aich,  Aichbach  (Ortsname).  —  Else:  2  Else, 
Eisbach  (Ortsname).  —  Erle:  1  Erle,  5  Erlenbach,  1  Erlbach,  2  Erlau.  —  Esche: 
1  Eschen,  Eschenbach  (Ortsname).  —  Hasel:  3  Hasel,  1  Haslach,  1  Haßlach,  5  //as^/- 
i>flc/i.  —  ///n:  1  Um,  1  //w^,  1  Ilmenau,  2  f/w.  —  Lenne  ,Ahorn':  2  I^/z/z^.  —  Linde: 

1  Z./«rf^,  Lindenbach  (Ortsname).  —  Rohr:  1  Rohrbach.  —  Weide:  3  W7<?/rf^,  3  IF^/rfa, 
3  Weidbach,  1  Weidenbach.  —  Wid 'Ho\z':  1  IF/^rf,  1  W7/^rffl,  2  Wiedau.  —  Dazu  kommen 
ferner   noch:   Salz:   3  ^cfea,    1  Salzach,   4  Salzbach,   1  Salzböde,    3  Saa/.    —   Sauer: 

2  Sflu^r,  2  Sauerbach,  2  Su^r.  —  Breit:  Breitenbach  (als  Ortsname  häufig).  —  F^-Zöf: 
"2  F<?/rf^,  1  Feldbach  und  mit  Ablaut  Fulda. 

Weiter  haben  wir  Zusammensetzungen  mit  Tiernamen  wie  Auerbach,  Fischbach, 
Hirzbach,  Hundsbach,  Katzbach,  Kälbersbach,  Marbach  [March),  Meisebach,  Ottersbach, 
Rosbach  und  natürlich  auch  mit  Personennamen. 

Zu  den  deutbaren  Bestandteilen  kommt  aber,  da  unsere  Namen  zum 
Teil  sehr  alt  sind,  auch  Dunkles,  das  sich  zum  Teil  durch  die  Sprach- 
wissenschaft wird  aufklären  lassen,  zum  Teil  aber  für  immer  dunkel  bleiben 
wird,    Not  tut  vor  allem  eine  vollständige  Sammlung  des  Stoffes. 

Wenn  man  so  die  deutbaren  Flußnamen  zusammenstellt,  so  kommt 
man  zu  gewissen  sehr  einfachen  Grundgesetzen,  und  diese  wird  man  auch 
bei  den  unklaren  Namen  anwenden  dürfen.  Auch  bei  den  Flußnamen,  die 
nicht  sofort  klar  sind,  tritt  uns  die  weite  Verbreitung  gewisser  Namenelemente 
entgegen.  Außer  der  zur  Nordsee  fließenden  Elbe  gibt  es  noch  eine  zur 
Eder,  einen  Elb-Bach  und  einen  Elbing.  Die  uns  zugängliche  Bedeutung 
ist  jedenfalls  'Fluß',  denn  im  Schwedischen  tritt  uns  elf  in  derselben  Ver- 
wendung wie  im  deutschen  Aclie,  Aa  entgegen,  vgl.  Göta-,  Dal-,  Torneä-, 
Liileä-,  Piteä-,  Umeä-,  Ängerman-,  Indals-,  Ljusne-elf.   Trotzdem  ist  auch 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl.  25 


386  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

bei  dieser  Sachlage  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  ursprüngliche  Bedeutung 
eine  andere  war,  ndmlich  die  von  'weiß',  und  daß  das  Wort  zu  lat.  albus 
'weiß',  gr.  uXfpüs  {alphös)  gehört.   Hierher  wohl  auch  gr.  'AX(pdoq  {Alphios). 

Ebenso  ist  es  ansprechend,  wenn  man  den  Flußnamen  Iser  {Isar  bei 
München,  Iser  Nebenfluß  zur  Elbe,  Isere  in  Frankreich)  zu  dem  idg. 
Adjektivum  i'sarös,  isara  'schnell,  kräftig'  (gr.  hock,  hierös)  stellt.  Als  Mas- 
kuliiiforin  könnte  auch  der  alte  Name  der  Donau  Istros  dazugehören. 

Bei  der  Beurteilung  derartiger  weitverbreiteter  Namen  darf  man  nicht 
ohne  weiteres  fremden  Ursprung  annehmen.  Wenn  der  Name  Albls  auch  in 
Frankreich  vorkommt,  so  kann  er  dorthin  von  Germanen  gebracht  sein.  Da 
wir  den  Namen  auch  in  Schweden  finden,  so  ist  an  dem  echt  germanischen 
Ursprung  nicht  zu  zweifeln,  und  wenn  gr.  \Ahie7oc:  {Alpheos)  verwandt  ist, 
so  hätten  wir  es  mit  einem  uralten  indogermanischen  Namen  zu  tun. 

Ähnlich  wie  mit  Aiibe  (Albis)  steht  es  vielleicht  mit  dem  Namen  Rhin 
in  der  Mark.  Man  kann  sehr  wohl  vermuten,  daß  dieser  erst  von  den 
niederländischen  Kolonisten  so  benannt  ist. 

Außer  einer  Reihe  von  Flußnamen  auf  deutschem  Boden,  die  ihrer 
Herkunft  nach  nicht  näher  zu  bestimmen  sind,  haben  wir  drei  Gruppen 
fremder  Namen  zu  unterscheiden. 

a)  Die  keltischen  Flußnamen.  Diese  treffen  wir  in  einem  großen 
Teil  von  Süd-  und  Nordwestdeutschland.  Man  schließt  dies  daraus,  daß  die 
gleichen  Namen,  die  wir  hier  finden,  auch  auf  dem  von  Kelten  besetzten 
Boden  Frankreichs  wiederkehren.  Vgl.MüLLENHOFF,  Deutsche  Altertumskunde 
2,  218  ff.  Bei  Rhein  trägt  die  älteste  Form  Rhenus  keltische  Lautgebung, 
die  Form  Sieg,  alt  Sigina  setzt  Müllenhoff  =  Sequana.  Tauber  ist  keltisch 
dubra 'Wasser'.  Eine /^///zr  fließt  auch  als  Nebenfluß  zur  Maas.  Denselben 
Namen  wie  die  Nidda  tragen  die  Nied  in  Lothringen,  ein  Nebenfluß  der 
Saar  und  der  Nith  bei  Dumfries  in  Schottland  usw. 

Vielleicht  haben  wir  es  bei  einigen  dieser  nichtgermanischen  Namen  nicht  mit  kel- 
tischen Benennungen  zu  tun,  sondern  mit  denen  einer  vorkeltischen  Urbevölkerung.  Zu 
dieser  Annahme  gelangt  man,  erstens  weil  die  Namen  auch  aus  keltischem  Sprachgut 
nicht  immer  deutbar  sind,  zweitens  weil  einige  auch  auf  nichtkeltischem  Gebiet  vorkommen. 
Ob  und  wieviel  auf  das  Geschlecht  zu  geben  ist,  verm^ig  ich  nicht  zu  bestimmen.  Wir 
sagen  der  Rhein,  der  Main,  der  Neckar,  aber  die  Elbe,  die  Weser.  Aber  auch  die  echt 
keltischen  Flußnamen  hatten  eigentlich  weibliches  Geschlecht,  vgl.  Sequana.  Demnach 
könnten  die  männlichen  Flußnamen  auf  eine  noch  ältere  Schicht  hinweisen.  Man  sieht 
darin  jetzt  gern  Hgurische  Sprachreste,  und  ich  stehe  dieser  Auffassung  durchaus  nicht  ab- 
lehnend gegenüber.  Eine  Sammlung  der  Namen  (auch  der  Ortsnamen),  die  aus  dem 
Ligurischen  stammen  könnten,  bietet  Fr.  Cramer,  Rheinische  Ortsnamen  aus  vorrömischer 
und  römischer  Zeit  S.  5  ff.  Einige  Beispiele  mögen  die  Verbreitung  dieser  Flußnamen  ver- 
anschaulichen. .Die  Moder,  Nebenfluß  des  Rheins,  alt  Matra,  sowie  die  Metter  (eben- 
falls Matra),  welche  der  württembergischen  Enz  zuströmt,  entsprechen  dem  piemontesischen 
Bach-  und  Ortsnamen  Madro  sowie  der  Matrona,  dem  alten  Namen  der  Meyrone  bei 
Ai.x  en  Provence  und  ferner  einer  Quelle  am  M.  Genevre.  Ebenso  hieß  bekanntlich  die 
Marne,  Nebenfluß  der  Seine."  Cramer  S.  12.  ,Die  Thur,  Nebenfluß  der  111  —  aus  *Dura  — 
hat  wohl  denselben  Namen   wie   die  piemontesischen  Dora  (alt  Dura)  BaUea  und  Dora 


§  227.  Die  Ortsnamen.  337 


Riparia.   Zu  vergleichen  sind  die  Schweizer  Thur,  der  spanisch-portugiesische  Duero  bezw. 
Douro,  vielleicht  auch  der  alte  Name  der  Dordogne:  Durononia." 

Aus  der  Verbreitung  dieser  und  anderer  Namen  scheint  mir  hervor- 
zugehen, daß  wir  es  nicht  mit  keltischem  Sprachgut  zu  tun  haben,  sondern 
mit  Namen,  die  von  einem  andern  Volk  herrühren.  Ob  wir  dieses  nun  Ligurer 
oder  sonstwie  nennen,  ist  zunächst  ziemlich  gleichgültig.  Die  Hauptsache 
ist,  daß  man  auf  diesem  Gebiet  vergleichend  vorgeht.  Die  Frage  ist  übrigens 
bei  weitem  noch  nicht  geklärt  und  bedürfte  einer  gründlichen  Untersuchung. 

b)  Die  slawischen  Flußnamen.  Die  Slawen  sind  bekanntlich  nach 
der  Völkerwanderung  nach  Deutschland  eingewandert  und  bis  über  Elbe 
und  Saale,  ja  auch  nach  Nordbayern  vorgedrungen.  Während  die  großen 
Flüsse,  wie  Elbe,  Saale,  Oder,  ihre  Namen  behielten,  haben  sie  die  kleinem 
selbständig  benannt.  In  Ostdeutschland  ist  also  vieles  slawisch,  so  bei 
Leipzig  die  Pleiße,  die  Rltschke  (slaw.  ricka  'Flüßchen')  usw.  Ebenso  Swine, 
Peene,  Diwenow,  der  Boberfluß  usw. 

c)  Im  alten  Preußenlande  saß  der  baltische  Sprachzweig  und  daher 
tragen  hier  die  Flußnamen  zum  Teil  baltisches  Gepräge,  wozu  z.  B.  die 
Namen  auf  -ap  zu  rechnen  sind. 

Überblickt  man  unser  deutsches  Sprachgebiet  in  bezug  auf  die  Fluß- 
namen, so  bleibt  nur  ein  verhältnismäßig  kleines  Gebiet  für  die  echt  deutschen 
Namen  übrig,  nämlich  das  Flußgebiet  der  Weser,  Fulda,  Elbe,  Oder.  Diese 
Flüsse  und  ein  Teil  ihrer  Nebenflüsse  sind  deutsch  benannt,  und  sie  lehren 
uns  demnach  die  ursprünglichen  Sitze  der  Germanen  kennen.  Abzusehen 
ist  natürlich  von  den  kleinen  Flüßchen  und  Bächlein,  die  ihren  Namen 
später  erhalten  haben. 

§  227.  3.  Die  Ortsnamen.  Die  ganze  Fülle  der  eigentlichen  Ortsnamen 
auch  nur  annähernd  zu  erläutern,  ist  unmöglich.  Es  kann  sich  nur  darum 
handeln,  einige  allgemeine  Bemerkungen  zu  geben  und  die  Grundgesetze 
der  Bildung  klarzustellen. 

Die  Literatur  über  die  Ortsnamenforschung  ist  unübersehbar,  und  ich 
muß  mich  darauf  beschränken,  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Schriften  zu 
verzeichnen.  Eine  vollständige  Bibliographie  zusammenzustellen  ist  mir 
nicht  möglich. 

Anmerkung.  Unter  den  folgenden  Schriften  befinden  sich  sehr  verschiedenartige, 
mehr  oder  minder  wertvolle.  Man  tut  gut,  an  jede  Schrift  über  Ortsnamen  zunächst  mit 
einem  gewissen  Mißtrauen  heranzutreten,  jedenfalls  auf  die  einzelnen  Deutungen  nicht 
allzuviel  zu  geben.  Die  altern  Schriften  bis  1879  sind  bei  VON  Bahder,  Die  deutsche 
Philologie  im  Grundriß  S.  151  ff.  verzeichnet.  Für  die  spätere  Zeit  bietet  dann  der  Jahres- 
bericht für  germanische  Philologie  Jahr  für  Jahr  eine  Zusammenstellung,  in  der  auch  die 
Besprechungen  der  Schriften  verzeichnet  sind. 

E.  W.  Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch,  s.  o.  S.  361.  —  E.  W.  Förstemann,  Die 
deutschen  Ortsnamen,  Nordhausen  1863;  die  einzige  umfassende  und  noch  immer  brauch- 
bare Gesamtdarstellung;  S.  9  ff.  eine  reichhaltige  Bibliographie.  —  W.Arnold,  Ansiede- 
lungen und  Wanderungen  deutscher  Stämme  zumeist  nach  hessischen  Ortsnamen,  2.  un- 
veränderte Auflage,  Marburg  1881.  —  F.  Gramer,  Rheinische  Ortsnamen  aus  vorrömischer 

25* 


388       * Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  EiopNAMEN. 

und  römischer  Zeit,  Düsseldorf  1901  (mit  gutem  Material).  —  O.  Heilig,  Die  Ortsnamen 
des  GroClicrzogtums  Baden  gemeinfaßlich  dargestellt,  Karlsruhe  [1906).  —  H.  Jrllinghaus, 
Die  westfälischen  Ortsnamen  nach  ihren  Grundwörtern,  Kiel  und  Leipzig  1896.  —  P.  Vogt, 
Die  Ortsnamen  aui -scheid  und  -auel  {ohl),  Programm  Neuwied  1895.  —  K.  Damroth,  Die 
älteren  Ortsnamen  Schlesiens,  ihre  Entstehung  und  Bedeutung;  mit  einem  Anhange  über  die 
schlcsisch-polnischen  Personennamen;  Beuthen  O.-S.  1896.  —  P.  Cassi-:l.  Über  Thüringische 
Ortsnamen;  Abdruck  aus  den  wissenschaftlichen  Berichten  der  Erfurter  Akademie;  I  Erfurt 
1856,  II  Erfurt  1858.  —  J.  Miedel,  Oberschwäbische  Orts-  und  Flurnamen,  Memmingen  1906.  — 
W.  Sturmfels,  Die  Ortsnamen  Hessens;  etymologisches  Wörterbucli  der  Orts-,  Berg-  und 
Flußnamen  des  Großherzogtums  Hessen;  Rüsselsheim  a.M.  [1902].  —  J.  Studer,  Schweizer 
Ortsnamen;  ein  historisch-etymologischer  \'ersuch;  Zürich  1896.  —  A.  von  Jaksch,  Über 
Ortsnamen  und  Ortsnamenforschung  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Kärnten,  Klagenfurt 
1891.  —  A.Achleitner,  Tirolische  Namen;  Handbuch  zur  Namendeutung;  Innsbruck  1901.— 
Val.  Hintner,  Die  Stubaier  Ortsnamen  mit  Einschluß  der  Flur-  und  Gemarkungsnamen, 
Wien  1902.  —  A.SCHU.M.M,  Unterfränkisches  Orts-Namen-Buch,  2  Auflage,  Würzburg  1901.  — 
Theodor  Imme,  Die  Ortsnamen  des  Kreises  Essen  und  der  angrenzenden  Gebiete,  Essen-R. 
1905.  —  G.  Heeger,  Die  germanische  Besiedelung  der  Vorderpfalz  an  der  Hand  der  Orts- 
namen, Programm  des  Gymnasiums  Landau,  1900.  —  P.  VoGT,  Die  Ortsnamen  auf  -seifen, 
-siefen,  -siepen,  -siek,  -seih;  Programm  des  Wilhelmsgymnasiums  Kassel,  1900.  —  J.  Leit- 
HÄUSER,  Bergische  Ortsnamen,  Elberfeld  1901 .  —  K.  Schulze,  Die  Ortsnamen  des  anhaltischen 
Harzes.  Zeitschrift  des  Harzvereins  20,  149—239.  —  W.  Stur.mfels,  Die  Ortsnamen  Hessens; 
Etym.  Wörterbuch  der  Orts-,  Berg-  und  Flußnamen  des  Großherzogtums  Hessen;  2.  Auflage, 
Weinheim  1910.  —  P.  Heffter,  Ursprung  und  Bedeutung  der  Ortsnamen  im  Stadt-  und 
Landkreis  Breslau,  Breslau  1910.  —  P.  Dohm,  Holsteinische  Ortsnamen,  Ztschr.  d.  Gesellsch. 
f.  schleswig-holsL  Geschichte  28,  109—235.  —  AuG.  Kübler,  Die  deutschen  Berg-,  Flur- 
und  Ortsnamen  des  alpinen  Hier-,  Lech-  und  Sennengebicts,  Amberg  1909.  —  S.  Riezler, 
Die  bayrischen  und  schwäbischen  Ortsnamen  auf  -ing  und  -ingen  als  historische  Zeugnisse; 
SB.  d.  bayr.  Akad.  d.  Wiss.  1909,  2,  1—60.  —  O.  Behaghel,  Die  deutschen  Weiler-Oxit; 
Wörter  und  Sachen,  2,  1  ff. 

Was  die  Deutung  der  Ortsnamen  betrifft,  so  treten  uns  natürlich  die 
gleichen  fremden  Elemente  entgegen  wie  die,  die  wir  bei  den  Flußnamen 
kennen  gelernt  haben.  Auch  die  Ortsnamenforschung  trägt  in  ganz  hervor- 
ragendem Maße  zur  Aufhellung  der  ältesten  Geschichte  unseres  Landes  bei. 

1.  Im  Westen  haben  wir  römische,  vorrömische,  d.  h.  keltische  und 
ligurische  Ortsnamen. 

Römische  Namen  werden  nicht  allzu  häufig' sein,  denn  die  Römer  kamen  ja  in  kein 
unkultiviertes  Land,  sondern  in  ein  Gebiet,  dessen  Besiedelung  verhältnismäßig  weit  fort- 
geschritten war.  Wo  sie  neue  Siedelungen  anlegten,  wird  es  sich  hauptsächlich  um  mili- 
tärisch wichtige  Punkte,  Straßenkreuzungen,  Brückenköpfe  usw.  gehandelt  haben. 

So  finden  wir  Augusta  Rauracorum  (Äugst  bei  Basel),  Castelhim  (Kastei  bei  Mainz). 
Colonia  Augusta  Treverorum  (Trier),  Co/onia  Claudia  Augusta  Agrippinensis  (Köln). 
ConfUientes  (Koblenz),  Taberna,  Tabernae  (Zabern). 

Sehr  viel  zahlreicher  sind  die  keltischen  Namen.  Ihre  ursprüngliche 
Form  ist  zwar  oft  nicht  überliefert,  sie  kann  aber  mit  Sicherheit  erschlossen 
werden.  Ich  muß  es  unterlassen,  auf  diesem  immerhin  zweifelhaften  Gebiet, 
auf  dem  man  nur  mit  reichem  Material  etwas  beweisen  könnte,  einzelne 
Punkte  anzuführen,  und  verweise  auf  die  Schrift  von  Fr.  Cramer,  Rheinische 
Ortsnamen  S.  41  ff.,  die  viel  Beispiele  bietet. 

Nur  einen  Punkt  möchte  ich  herausheben. 


§  227.  Die  Ortsnamen.  389 


Zu  den  Namen  fremden  Ursprungs,  die  eine  hohe  l<ulturgeschichtliche  Bedeutung 
haben,  gehört  auch  Hall.  V.  Hehn  hat  diesem  Ortsnamen  in  seiner  kleinen  Schrift  'Das 
Salz',  2.  Auflage,  1901,  S.  50,  eine  eingehende  Untersuchung  gewidmet.  Es  ist  merkwürdig, 
daß  in  Deutschland  die  Flüsse  vielfach  mit  Sal-  gebildet  werden,  die  daran  liegenden  Salz- 
siedestätten ahtT  Hall  heißen;  ich  erinnere  an  Reichenhall,  Hall  bei  Innsbruck,  Salzlieben- 
hall, Hall  am  Kocher,  Hall  bei  Admont  an  der  Ens,  Herzogenhall  bei  Kremsmünster, 
Niederhall  im  Hohenloheschen,  Hai  an  der  Semme  in  der  Grafschaft  Hennegau,  Friedrichs- 
hall und  schließlich  Halle  a.  d.  Saale.  Daß  das  Wort  Salzsiedestätte  bedeutet,  ist  ganz 
sicher.    Schon  althochdeutsch  kommt  halhas  'Saline'  und  halgräve  vor. 

Die  meisten  neuern  Etymologen  suchen  darin  das  deutsche  Wort  die  halle,  Hehn  aber 
vertritt  nach  Schmellcr  den  Standpunkt,  daß  darin  ein  Wort  für  Salz  vorliegt.  Nun  läßt 
sich  hal  ohne  Schwierigkeiten  auf  sal  zurückführen,  wenn  man  den  Übergang  des  s  in  h 
annimmt.  Dieser  Übergang  liegt  im  Griechischen  vor  und  im  Britannischen,  einer  Mundart 
des  Keltischen,  und  daraufhin  erklärte  Hehn  das  Wort  für  keltisch.  Nun  ist  freilich  der 
Übergang  von  s  zu  h  nicht  allgemein  keltisch  und  vor  allem,  wie  es  scheint,  bei  den  fest- 
ländischen Kelten  noch  gar  nicht  belegt  (vgl.  Thurneysen,  Keltoromanisches  S.  25),  aber 
dieser  Punkt  kann  uns  nicht  veranlassen,  von  der  Hehnschen  Ansicht  gänzlich  abzugehen. 
Sie  wird  nur  so  lange  sehr  unsicher  bleiben,  als  nicht  in  andern  Fällen  Spuren  dieses  Laut- 
wandels nachgewiesen  sind.  Immerhin  scheint  sie  mir  doch  wahrscheinlicher  zu  sein  als 
die  Ableitung  des  Wortes  von  Halle.  Wenn  nun  auch  das  Wort  fremden  Ursprungs  sein 
sollte,  so  ist  nicht  daraus  zu  schließen,  daß  alle  die  genannten  Orte  keltischen  Ursprungs 
sind.  Im  Bayerischen  bedeutet  Hall  eben  Salz.  Wir  finden  dort  Hall-asch  'Salzschiff', 
Hallfahrt  'eine  Fahrt  oder  Transport  Salz  auf  der  Salzach',  Hallforst  'Forst,  der  zu  einer 
Saline  gehört',  Hallgraf  u.  a.,  und  es  können  daher  neue  Salzsiedestätten  Hall  benannt 
sein,  als  die  fremde  Sprache,  aus  der  es  entlehnt  war,  gar  nicht  mehr  bestand. 

Schließlich  haben  wir  bei  den  Ortsnamen  auch  noch  die  vorkeltische, 
wenn  man  will,  die  ligurische  Sprache  ins  Auge  zu  fassen,  und  bei  den 
Ortsnamen  liegen  nun  augenscheinlich  ligurische  Namen  auch  in  Deutsch- 
land vor.  Der  französische  Forscher  Arbois  de  Jubainville  hat  in  seinem 
Buche  Les  premiers  habitants  de  l'Europe,  2.  Auflage,  Paris  1894,  das  Suffix 
-asc-,  -usc-,  -ose-  für  ligurisch  in  Anspruch  genommen,  und  man  hat  ihm 
in  diesem  Punkte  ziemlich  allgemein  beigestimmt.  Namen  mit  diesem  Suffix 
kommen  nun  auch  in  Deutschland  z.  B.  in  der  Eifel  vor.  Dort  begegnet 
uns  762  Carouuascus  und  in  einer  Urkunde,  die  zwischen  861  und  884 
fällt,  vUla  Camsco.  Weitere  Fälle  bei  Cramer  S.  5  ff.  Ferner  dürfte  der 
Namel^oz-ms,  älteste  Form  Bormltomagus,  ligurisch  sein,  da  sich  der  Stamm 
Borm  sehr  häufig  auf  Hgurischem  Sprachboden  findet.  Vgl.  Cramer  S.  9. 

Man  sieht,  es  stecken  in  den  Ortsnamen  ganz  verschiedene  Elemente, 
und  man  kann  dabei  auf  allerlei  Überraschungen  gefaßt  sein. 

2.  Im  Süden  haben  vor  allem  die  tirolischen  Forscher  viel  zur  Er- 
klärung ihrer  Ortsnamen  beigetragen.  Ich  erwähne  nur,  daß  man  in  Tirol 
alte  etruskische  Namen  finden  zu  können  geglaubt  hat.  Doch  ist  das  meiste 
echt  romanisch.  Dagegen  hat  man  neuerdings  alte  illyrische  Namen  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  festgestellt. 

Anmerkung.  Vgl.  Fr.  Stolz,  Linguistisch-historische  Beiträge  zur  Paläo-Ethnologie 
von  Tirol,  aus  Beiträge  zur  Anthropologie  von  Tirol,  1894,  S.  1  ff.  —  Fr.  Stolz,  Zur  alt- 
tirolischen  Ethnologie,  1894—1904,  Ferd.-Zeitschrift  S.Folge  48. Heft  S.  143 ff.  —  A.  Walde, 


390  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 


Über  die  Grundsätze  und  den  heutigen  Stand  der  nordtiroiisclien  Ortsnamenforschung,  Inns- 
bruck 1901,  Wagner.  —  A.  Walde,  Die  üesiedching  Tirols  durch  iilyrischc  Stämme;  Mit- 
teilungen der  K.  K.  Geographischen  Gesellschaft  1898,  477  ff. 

3.  Im  Osten  herrschen  in  der  Hauptsache  die  slawischen  Namen,  die 
ja  meistens  recht  deuthch  in  die  Ohren  fallen.  Ob  darunter  eine  noch  ältere 
Schicht  verborgen  ist,  läßt  sich  zurzeit  noch  nicht  sagen.  Die  Arbeiten  über 
die  slawischen  Ortsnamen  sind  sehr  zahlreich,  zum  Teil  aber  von  Leuten 
geschrieben,  die  das  Slawische  nur  notdürftig  beherrschen  und  ihre  Kennt- 
nisse meist  aus  den  Wörterbüchern  beziehen.  Wir  besitzen  aber  auch  eine 
Reihe  vortrefflicher  Werke,  aus  denen  sich  sehr  viel  für  die  Wanderungen 
und  Verbreitung  der  Slawen  lernen  läßt. 

Anmerkung.  Ich  fülire  hier  nur  die  wichtigsten  Schriften  an:  A.  Brückner,  Die 
slawischen  Ansiedelungen  in  der  Altmark  und  im  Magdeburgischen,  Leipzig  1879;  vortreff- 
liche Arbeit.  —  E.  MuCKE,  Di  \slavischen  Ortsnamen  der  Neumark;  Sonderabdruck  aus  den 
Mitteilungen  des  V^ereins  für  C  ischichtc  der  Neumark,  Landsberg  a  W.  1898;  zuverlässig.  — 
P.  KüHNEL,  Die  slawischen  Ortsnamen  in  Mecklenburg;  Jahrbuch  des  Vereins  für  Mecklen- 
burgische Geschichte,  1880.  —  P.  KCjhnel,  Die  slawischen  Ortsnamen  in  Meckienburg- 
Strelitz;  1.  Gymnasialprogramm  Neubrandenburg,  1881;  IL  Die  slawischen  Flurnamen  in 
Mecklenburg-Strelitz,  ebenda  1883.  —  P.  Kühnel,  Die  slawischen  Orts-  und  Flurnamen  der 
Oberlausitz,  Heft  1 — 5;  SA.  aus  dem  Neuen  Lausitzischen  Magazin  66;  67;  69;  70;  71;  73.  — 
P.  KüHNEL,  Die  slawischen  Orts-  und  Flurnamen  im  Lüneburgischen  I;  SA.  aus  der  Zeit- 
schrift des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen.  —  O.  Vogel,  Slawische  Ortsnamen  der 
Prignitz;  Programm  des  Realgymnasiums  Perleberg,  1904.  —  Bronisch,  Die  slawischen 
Ortsnamen  in  Holstein  und  im  Fürstentum  Lübeck,  Sonderburg  1901 — 1903.  —  G.  Weisker, 
Slawische  Sprachreste,  insbesondere  Ortsnamen,  aus  dem  Havellande  und  den  angrenzenden 
Gebieten  I;  Rathenow  1890.  —  Hey,  Die  slawischen  Ortsnamen  des  Königreichs  Sachsen; 
Programm  der  Realschule  Döbeln,  1883.  —  O.  Weise,  Die  slawischen  Ansiedelungen  im 
Herzogtum  Sachsen-Altenburg;  Programm  des  Gymi;asiums  Eisenberg,  1883.  —  Im.misch, 
Die  slawischen  Ortsnamen  in  der  südlichen  Oberlausitz;  Programm  des  Gymnasiums  in 
Zittau,  1874.  —  Derselbe,  Die  slawischen  Ortsnamen  im  Erzgebirge;  Programm,  Annaberg 
1866.  —  Hey,  Die  slawischen  Ortsnamen  von  Lauenburg.  1888.  —  Beyersdorf,  Slawische 
Streifen  (Orts-  und  Flurnamen,  hauptsächlich  in  Pommern);  Beilagen  zur  baltischen  Monats- 
schrift, 10  Hefte  bis  1884.  —  Hoppe,  Ortsnamen  der  Provinz  Preußen,  8  Teile,  Königsberg 
1873  ff.;  in  der  Altpreußischen  Monatsschrift. —  Hoppe,  Ortsnamen  des  Regierungsbezirks 
Gumbinnen  (deutsche,  polnische, litauische);  Programm  vonGumbinnen,  1875.  —  Ketrzynski, 
Die  polnischen  Ortsnamen  in  den  Provinzen  Preußen  und  Pommern,  Lemberg  1879. 

Die  Bildung  der  slawischen  Ortsnamen  beruht  auf  denselben  Grund- 
gesetzen wie  die  der  deutschen  (siehe  unten).  Wir  finden  entweder  Appel- 
lative oder  Ableitungen  von  Personennamen.  Zu  letztern  gehören  vor  allem 
die  zahlreichen  Namen  auf  -itz,  -ow,  -an,  -in.  Grundlegend  für  die  Er- 
klärung waren  die  beiden  Arbeiten  von  Miklosich,  Die  Bildung  der  Orts- 
namen aus  Personennamen,  Die  slawischen  Ortsnamen  aus  Appellativen  I.  II. 
In  den  Abhandlungen  der  Wiener  Akademie  1865,  1872,  1874. 

Wenn  man  den  Lauf  der  Elbe  zugrunde  legt,  so  ist  östlich  derselben 
sehr  viel  slawisch.  Über  die  Elbe  selbst  sind  die  Slawen  im  Norden  und 
im  Süden  herübergegangen.  Im  Norden  saßen  sie  im  Lüneburgischen,  im 
sogenannten  hannoverschen  Wendland,  im  Süden  waren  sie  bis  an  die  Saale 


§  227.  Die  Ortsnamen.  391 


vorgedrungen.   Die  Gegend   um  Magdeburg  dagegen   blieb   mit  geringen 
Ausnahmen  frei  von  slawischen  Siedelungen. 

Auf  deutschem  Boden  finden  wir  verschiedene  slawische  Stämme,  die 
in  zwei  große  Gruppen  geteilt  werden  können,  eine  nördliche,  der  heute 
noch  das  Polnische  angehört,  und  eine  südliche,  zu  der  das  Sorbische  in 
der  Lausitz  gerechnet  wird.  Dementsprechend  gehören  auch  die  Ortsnamen 
einem  der  beiden  Sprachstämme  an,  und  es  ist  nicht  allzu  schwer  die  Grenzen 
zu  ziehen.  Jedenfalls  hat  die  Erforschung  der  slawischen  Ortsnamen  recht 
Beträchtliches  dazu  beigetragen,  die  vorgeschichtlichen  Wanderungen  der 
slawischen  Stämme  aufzuhellen. 

4.  Im  fernsten  Osten  unseres  Vaterlandes,  in  der  Provinz  Preußen,  finden 
wir  schließlich  Namen,  die  von  den  alten  Preußen  und  Litauern  herrühren. 

5.  Die  deutschen  Namen.  Die  meisten  G.^snamen  in  Deutschland 
sind  aber  nun  doch  deutschen  Ursprungs.  Was  ihre  Bildung  betrifft,  so 
kann  man  im  wesentlichen  zwei  Arten  unterscheiden. 

a)  Eine  überaus  große  Anzahl  ist  nach  Personen  benannt.  Die  alten 
Deutschen  wohnten  in  einzelnen  Höfen  oder  in  Dörfern,  und  es  ist  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  anzunehmen,  daß  in  einem  Dorfe  meistens  die  An- 
gehörigen einer  Sippe  lebten.  Doch  kann  natürlich  das  Dorf  nach  dem  einen 
genannt  sein,  der  dort  die  größte  Besitzung  hatte.  Hierher  gehören  zunächst 
die  Namen  auf  -ingen,  namentlich  im  alemannischen  Gebiet,  denen  die  auf 
-engo  in  Oberitalien,  -inges  in  Savoyen,  -ange  in  Limousin  entsprechen. 
Heilig  sagt  S.  80,  es  gäbe  davon  mehr  als  230.  Die  Namen  auf  -ingen  sind 
eigentlich  Dative  Pluralis  und  bedeuten  'bei  den  Leuten  des  x',  also  Eppingen 
'bei  den  Leuten  des  Eppo\  Giindlingen  'bei  den  Leuten  des  Gundilo'. 

Weiter  enthalten  zahlreiche  Zusammensetzungen  im  ersten  Gliede  einen 
Personennamen,  so  die  auf  -heim,  z.B.  Handschuhsheim  'Heim  des  Hant- 
skoh',  -hüsen,  -hausen  (Germershausen),  -dorf,  -hofen,  -höfen,  -reut,  -rode, 
-riet,  -statt,  -statten,  -wang,  -wangen,  -leben  usw. 

Man  wird  immer  gut  tun,  in  dem  ersten  Gliede  zweistämmiger  Orts- 
namen zunächst  einen  Personennamen  zu  suchen. 

b)  Eine  andere  weniger  zahlreiche  Gruppe  ist  einfach  nach  der  Ört- 
lichkeit benannt. 

R.  Kögel  hat  Btr.  14,  95  ff.  eine  Reihe  derartiger  Namen  zusammen- 
gestellt. Vielfach  stehen  diese  Ortsnamen  im  Dativ-Lokativ,  und  dieser  hat 
sich  auch  nicht  selten  als  Nominativ  festgesetzt.  So  haben  wir  heute  noch: 
An-der-matt,  Am-steg,  Im  Haag.  Bei  andern  ist  der  Dativ  ohne  Präposition 
verwendet  worden  und  dann  zum  Nominativ  geworden,  so  Achen  von  ahwa, 
Baden  von  Bad,  Wiesbaden  'bei  den  guten  Bädern',  Laufen,  Bergen,  Stetten, 
eig.  ze  den  Stetten  (ad  locos)  und  schließlich  steht  auch  der  Nominativ 
des  Grundwortes,  zum  Teil  mit  hinzugefügten  Adjektiven:  Breitenbronn, 
Kaltenbrunn,  Beiten-au,  Moos,  Todtmoos,  Brühl,  Spring. 

c)  Während   es  unmöglich  ist,   die  ersten  Glieder  der  zweistämmigen 


392  Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 

Ortsnamen  auch  nur  andeutend  zu  behandeln,  ließe  sich  über  die  häufig 
wiederkehrenden  zweiten  Bestandteile,  in  denen  recht  viel  altes  verlorenes 
Sprachgut  steckt,  mehr  sagen.  Förstemann  in  seinen  deutschen  Ortsnamen 
S.  26  hat  die  Grundwörter  zusammengestellt,  und  ich  hätte  gern  auch  hier 
eine  Liste  des  Wichtigsten  gegeben.  Aber  ohne  eine  genaue  Kenntnis  der 
Lautveränderungen  jedes  einzelnen  Dialektes,  in  dem  der  betreffende  Name 
vorkommt,  würde  man  sehr  leicht  auf  falsche  Wege  geraten,  und  ich  muß 
daher  verzichten,  diese  Elemente  hier  zu  besprechen.  Auch  in  diesem  Falle 
kann  nur  die  lokalgeschichtliche  Untersuchung  einsetzen.  Ich  beschränke 
mich  daher  darauf,  die  allgemeinen  Ausdrücke  zu  erklären. 

Schon  bei  den  Indogermanen  muß  es  feste  Niederlassungen,  sagen  wir  Burgen,  ge- 
geben haben,  wie  eine  alte  im  Germanischen  allerdings  verloren  gegangene  Gleichung  be- 
weist. Griechisch  .-rö/.n  ipö'is)  'Burg'  kehrt  im  Indischen  als  pur  'befestigter  Platz,  Burg', 
im  Litauischen  als  pilis  'Bu  p  Schloß"  wieder.  Bei  den  Germanen  tritt  dafür  Burg,  ahd. 
bürg,  e.  boroiigfi,  got.  baiirgs  ein,  das  als  zweites  Glied  in  einer  Reihe  alter  Städtenamen 
Straßburg.  Regensburg,  Augsburg,  Magdeburg,  Naumburg,  Hamburg  auftritt  und  auch 
in  England  und  Skandinavien  so  erscheint.  Man  stellt  es  entweder  zu  Berg  oder  zu 
bergen.  Doch  ist  letzteres  mir  weniger  wahrscheinlich.  Griechisch  nvoyo?  {pyfgos)  kann, 
da  die  Lautverschiebung  mangelt,  nicht  unmittelbar  verwandt  sein.  Vielleicht  ist  es  aber 
im  Griechischen  ein  Fremdwort.  —  Alt  ist  auch  Dorf,  ahd.  dor/,  t.  thorp,  got  paiirp 
'Bauland,  Feld".  Man  stellt  es  zu  lat.  trabs  'Balken',  osk.  trUbüm  'Gebäude',  ir.  treb  'Dorf, 
lit.  trObä  'Gebäude'.  Auf  niederdeutschem  Gebiete  erscheint  es  in  Eigennamen  umgestaltet 
zu  drnf,  trup.  —  Stadt,  ahd.  stat  'Stätte,  Stelle',  got.  staf)s  'Stätte,  Stelle,  Raum,  Gegend'. 
Unsere  jetzige  Bedeutung  entwickelt  sich  erst  im  Mittelhochdeutschen.  —  Flecken,  das- 
selbe wie  Fledt,  tritt  erst  im  15.  Jahrhundert  in  unserer  Bedeutung  auf.  —  Weiler,  ahd. 
w'ilari  in  Ortsnamen,  stammt  aus  mlat.  villare  'Gehöft',  abgeleitet  von  villa,  das  gleich- 
falls entlehnt  in  Ortsnamen  wie  Rottweil,  Petterweil  fortlebt.  Vgl.  dazu  Behaghel  a.  a.  O.  — 
Ort  heißt  eigentlich  'Spitze,  Ecke,  Ende'  und  hat  seine  jetzige  hauptsächlichste  Bedeutung 
recht  spät  erhalten. 

d)  Die  Ortsnamenforschung  ist,  wie  wir  schon  aus  dem  bisher  An- 
geführten erkennen  können,  von  außerordentlicher  Wichtigkeit.  Lehrt  sie 
uns  doch  z.  B.,  welche  Völker  auf  dem  Boden  unseres  Vaterlandes  einst 
gesessen  haben  und  wie  weit  sie  verbreitet  waren.  Derselbe  Wert  kommt 
auch  den  germanischen  Namen  in  jetzt  nicht  mehr  deutschen  Gebieten  zu. 
Auch  hier  lehrt  die  Namenforschung  manches  über  die  einstige  Ausdeh- 
nung der  deutschen  Sprache.  Auf  der  andern  Seite  belehren  uns  die  Orts- 
namen über  die  Besiedelung  Deutschlands  selbst,  wenn  man  sie  nur  richtig 
aufzufassen  versteht. 

Deutschland  besaß  in  alter  Zeit  viel  mächtigere  Wälder  als  jetzt.  Als 
die  Bevölkerung  wuchs,  drang  man  in  dieses  Gebiet  vor.  Man  rodete; 
und  die  Orte  tragen  davon  ihren  Namen.  Daher  finden  wir  im  Harz  und 
Vorharz  die  große  Zahl  der  Namen  auf  -rode,  die  mit  einem  Personen- 
namen zusammengesetzt  sind:  Wernigerode,  Elbingerode,  Gernrode.  Bei 
genauer  Untersuchung  lehren  die  Personennamen  auch  noch,  woher  diese 
Ansiedler  gekommen  sind.  In  andern  Gegenden  finden  wir  ein  gleich- 
bedeutendes Element,  aber  in  andrer  Form,  so  -reut,  -reit,  -ried,  -roit,  -rijty 


§  228.  Die  Strassen-  und  Hausnamen.  393 

-reyt\  'den  Wald  vernichten'  heißt  im  Mhd.  den  walt  swenden;  swenden 
ist  das  Kausativum  zu  schwinden,  heißt  also  'schwinden  machen',  heute 
noch  erhalten  in  verschwenden.  Zahlreiche  Ortsnamen  zeugen  noch  von 
dieser  Tätigkeit  des  Mittelalters.  So  finden  wir  Molmers-schwende,  Bürgers 
Geburtsort,  und  die  zahlreichen  Sdiwands  und  Schwends  in  der  Schweiz. 
Anderswo  brannte  man  den  Wald  nieder  und  nannte  den  Ort  Brand. 

Wo  wir  Ortsnamen  finden,  die  verschiedenen  Spraciien  angehören,  muß  man  die 
Lage  der  einzelnen  Orte  genau  beachten.  Bei  Leipzig  springt  die  Verschiedenheit  der 
Siedelungsweise  sofort  in  die  Augen.  Überali  an  den  Flußläufen  liegen  die  slawischen 
Niederlassungen,  die  nicht  nur  an  den  Namen,  sondern  auch  an  der  Bauart  zu  erkennen 
sind.  Bekanntlich  bauten  die  Slawen  ihre  Dörfer  so,  daß  sie  sich  an  den  Fluß  oder  den 
Sumpf  anlehnten,  um  dadurch  Schutz  zu  haben.  So  haben  wir  denn  Gohlis,  Möckern, 
Wahren,  Liitzsdiena,  Quasnitz,  Modelwitz,  Papitz,  Sdikeuditz  an  der  Elster;  an  der  Parthe 
liegen  Modiau,  Portitz,  P/ausig,  Seegeritz,  Taudia.  Nur  vereinzelt  haben  wir  zwischen 
ihnen  auch  deutsche  Namen.  Abseits  vom  Flusse  liegen  dagegen  Lindenthal,  Breitenfeld, 
Zweinaundorf,  Sommerfeld,  Borsdorf,  Engelsdorf,  Baalsdorf,  Holzhausen,  Zudielhausen, 
Seifertshain,  Albrechtshain,  Wolfshain,  Fuchshain,  Eidia,  Naunhof  usw.  Es  wird  sich 
leicht  nachweisen  lassen,  daß  die  Orte  mit  diesen  Namen  durchweg  jüngere  Gründungen  sind. 

Es  ist  ferner  längst  aufgefallen,  daß  sich  bestimmte  Ortsnamenelemente 
nur  in  gewissen  Gegenden  finden.  Ich  erinnere  nur  an  die  Namen  auf 
-Ingen,  die  im  wesentlichen  alemannisch  sind,  die  auf  -heim,  die  man  für 
fränkisch  in  Anspruch  genommen  hat,  oder  die  auf  -leben.  Die  Endung 
-leben  findet  sich  in  einem  ganz  bestimm.ten  Gebiet.  „Es  erstreckt  sich  von 
Gotha  mit  einem  kleinen  Auslauf  jenseits  des  Thüringers  Waldes  in  Franken 
bis  an  die  Grenzen  der  Altmark;  die  Elbe  und  Saale  sind  östhche,  der 
Thüringer  Wald,  der  westliche  Harz,  die  Ocker  und  Ohre  westliche  weiteste 
Scheidungen."  Cassel  216.  Aber  wir  finden  die  Endung  noch  an  einem 
andern  Ort  und  zwar  wiederum  außerordentlich  häufig,  nämhch  in  Schles- 
wig, nördlich  von  Flensburg,  in  Jütland  und  auch  auf  den  Inseln,  z.  B. 
Harrislev,  Fröslev,  Tinglev,  Kliplev,  Bollenslev,  Alslev,  Aasslev  usw.  Ob 
man  daraufhin  auf  einen  einstigen  Zusammenhang  der  Völker  dieser  Ge- 
biete schließen  darf,  ist  zweifelhaft. 

§  228.  4.  Die  Straßen-  und  Hausnamen. 

A.   Die  Straßennamen. 

Literatur:  FöRSTEMANN,  Germania  14,  Iff.;  15,261;  16,265.  — Hildebrand  im  Grimm- 
schen Wörterbuch  unter  Gasse.  Außerdem  zahlreiche  Einzelarbeiten  über  die  Straßennamen 
einzelner  Orte.  —  A.  Hoffmann,  Die  typischen  Straßennamen  im  Mittelalter  und  ihre  Be- 
ziehungen zur  Kulturgeschichte.  Unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Ostseestädte;  Diss. 
Königsberg  1914. 

Auch  die  Straßennamen  bieten  kulturhistorischen  und  etymologischen 
Stoff  in  Hülle  und  Fülle,  und  mit  Vorteil  wird  man  an  sie  im  Unterricht 
anknüpfen  können.  Es  erfordert  dabei  natürlich  jede  Stadt  ihre  besondere 
Untersuchung,  bei  der  es  aber  nicht  schwer  sein  kann,  die  Einzelheiten 
genau  festzustellen. 

Schon  die  Benennungen  Gasse,  Weg,  Straße  sind  bedeutungsvoll.  Gasse  Hegt 
schon   im  Gotischen  als  gatwö  'Gasse'  vor  und  hängt  vielleicht  mit  ags.  geat  'Tor,  Tür, 


394 


Sechzehntes  Kapitel.  Die  Bildung  der  Eigennamen. 


Eingang,  Öffnung'  zusammen.  Es  zeigt  ursprünglich  nichts  von  der  ihm  jetzt  anhaftenden 
Bedeutung  des  Kleinen  und  Engen.  Diese  kommt  vielmehr  dadurch  zustande,  daß  Straße, 
alid.  sträia,  e.  street  aus  spätlat.  strCita  (via)  'gepflasterter  Weg,  Chaussee'  die  Landstraße 
bezeichnete,  die,  soweit  sie  durch  die  Städte  führte,  breiler  war  als  die  meisten  Gassen. 
Heute  ist  Straße  schon  im  allgemeinen  auf  'Wege  in  der  Stadt'  beschränkt,  während  sich 
für  Landstraße  der  neuere  Ausdruck  Chaussee  über  hz.  Chaussee  aus  mlat.  calciata  'mit 
Kalk  gemauerte  Straße'  vielfach  durchgesetzt  hat. 

Das  Wort  Gasse  ist  dem  Niederdeutschen  ursprünglich  fremd,  und  es  gebraucht  dafür 
Weg,  was  sich  noch  heute  vielfach  findet.  Die  Stein-  und  Bohlwege  mancher  Städte 
weisen  auf  die  Bemühungen  hin,  feste  Straßen  zu  schaffen. 

Außerdem  gibt  es  in  den  Straßennamen  noch  manchen  sonst  ver- 
schollenen Ausdruck,  wie  Brink,  niederdeutsch,  eigentlich  'Hügel',  Brühl 
'sumpfige,  mit  Buschwerk  bewachsene  Wiese',  Fleet,  Fleete,  niederdeutsch 
'schiffbarer  Kanal  der  Stadt'  zu  fließen  u.  a. 

Was  die  Benei.-^'ipg  der  Straßen  betrifft,  so  ist  auf  dem  Dorf  kaum  ein 
Bedürfnis  vorhanden,  die  wenigen  Gäßchen  und  Wege  genauer  zu  bezeichnen, 
erst  die  Stadt  muß  Namen  schaffen,  und  es  macht  sich  auch  hier  wie  bei 
den  Personennamen  der  Unterschied  zwischen  natürlicher  und  künstlicher 
Benennung  geltend.  In  alter  Zeit  entwickelten  sich  die  Namen  von  selber, 
heute  müssen  die  Straßen  benannt  werden,  und  die  Stadtverwaltungen 
wenden  oft  ihren  ganzen  Scharfsinn  auf,  um  treffende  Namen  zu  finden. 
Wir  können  uns  nur  mit  den  natürlich  gewordenen  beschäftigen. 

1.  Zunächst  ergeben  sich  Namen  aus  der  Lage  oder  Gestalt.  Eine  Haupt-,  Neben-, 
Seiten-,  Ober-,  Unter-,  Mittel-,  Kreuz-,  Quer-gasse  oder  -Straße  trifft  man  an  vielen  Orten, 
ebenso  wie  breite,  hinge,  krumme.  Daneben  kommt  die  Benennung  nach  hervorragenden 
Gebäuden,  Kirchen,  Rathäusern,  Hospitälern  in  Betracht,  wie  Kirch-,  Sdiul-,  Sdüoß-,  Burg-, 
Hospitalstraße.  Aber  offenbar  haben  auch  andere  Gebäude  Anlaß  zu  Straßennamen  ge- 
geben. Früher  hatten  die  Häuser  keine  Nummern,  sondern  eine  Art  Wappen  oder  Zeichen, 
und  danach  sind  dann  die  Straßen  benannt,  so  z.  B.  in  Magdeburg  die  Dreienbretzel-, 
Dreiengel-,  Blauebeilstraße.  \g\.  die  Sammlung  bei  Grohne  (s.  u.)  S.  157  ff. 

2.  Vor  allem  aber  siedelten  sich  die  Gewerke  in  alten  Zeiten  zusammen 
in  bestimmten  Straßen  an,  und  daher  tragen  die  Straßen  oft  Handwerker- 
namen. Viele  Namen  sind  noch  heute  verständlich,  andere  aber  sind  uns 
nicht  mehr  geläufig,  sie  leben  aber  in  den  Straßennamen  fort.  Es  ist  lehr- 
reich, die  Fülle  der  alten  Handwerkernamen  zu  überblicken,  die  sich  hier 
und  dort  erhalten  haben. 

Man  findet  folgendes: 

Ankerschmiedeg.  (Danzig);  Baderg.  (Dresden);  Bandschneiderg.  (Königsberg);  Becken- 
werperstr.  (Braunschweig);  Bekmadierstr.  (Hamburg);  Beutlerg.  (Danzig);  Binderg.  [Nürn- 
berg);  Bognerg.  (Wien);  Bootsmanng.  (Danzig);  Brauerg.  (Dresden);  Biittnerg.  (Breslau); 
Dreherg.,  d.i.  Bernsteindreher  {Danzig);  Eimermacherhof  {Danzig);  Grapengießer  {Stettin); 
Gröperg.  (Halberstadt);  Hafnerberg  {kusgbnxg);  Hosennäherg.  (Danzig);  Irrerg.,  d.'x.Weiß- 
^er^^r^g'.  (verschiedentlich);  Kannegießer  {V>raunsc\\\\ti^;  Knochenhauerufer,  ±\.  Fleischer 
(Magdeburg);  Korkenmadierg.  (Danzig,  Korken  =  Pantoffeln);  Loderg.,  d.  i.  Tuchmacher 
(Nürnberg) ;  Pfannenschmiedeg.  (Nürnberg) ;  Platnerg.  (Platner  'Verfertiger  von  Harnischen') ; 
Sdiröterg.  (von  sÄrö/an 'schneiden');  Schwertfegerstr.  (Magdeburg);  Wulweberstr.  (Bremen). 

Anmerkung  1.  Auf  den  überaus  reichen  Sprachstoff,  der  in  den  Flurnamen  steckt, 
sei  hier  nur  anmerkungsweise  hingewiesen. 


§  228.  Die  Strassen-  und  Hausnamen.  395 

B,  Die  Häusernamen. 

Literatur:  Ernst  Grohne,  Die  Hausnamen  und  Hauszeichen.  Ihre  Geschichte, 
Verbreitung  und  Einwirkung  auf  die  Bildung  der  FamiHen-  und  Gassennamen,  Göttingen 
1912.  Hier  ist  auch  die  ältere  Literatur  verzeichnet.  —  O.  Schütte,  Häuser-  und  Familien- 
namen in  Braunschweig;  ZfdM.  24,  631 — 635. 

Die  Untersuchung  der  Häusernamen  bildet  den  letzten  Teil  des  großen 
Gebietes  der  Namengebung,  und  hier  sind  wir  nun  neuerdings  durch  die 
eingehende  Arbeit  von  Grohne  auf  das  beste  unterrichtet  worden.  „Die 
ältesten  Hausnamen",  s^rgt  Grohne  S.  3,  „beruhen  auf  natürlichen  Kenn- 
zeichen des  Hauses  oder  Grundstückes.  Sie  werden  von  der  Allgemeinheit 
gefunden  und  gegeben  —  domus  vulgariter  dlcta,  das  hiis  dem  man 
sprichet.  Ich  bezeichne  sie  deshalb  als  natürliche  Hausnamen,  im  Gegen- 
satz zu  den  spätem  künstlichen  Hausnamen,  die  auf  ein  künstliches  Haus- 
zeichen zurückgehen,  das  der  Besitzer  selbst  am  Hause  angebracht  hat, 
um  es  danach  zu  benennen."  Die  ältesten  Hausnamen  erscheinen  in  Köln 
um  1150,  und  dann  folgen  andere  Städte.  Die  Sitte  ist  aber  nicht  gleich- 
mäßig verbreitet,  vielmehr  ist  sie  auf  niederdeutschem  Boden  in  manchen 
Städten  wenig  zur  Entfaltung  gekommen. 

Auf  die  einzelnen  Namen  hier  einzugehen,  hat  keinen  Zweck,  es  ist 
vielmehr  nur  hervorzuheben,  welche  Bedeutung  sie  für  unsere  Zwecke  haben. 
Da  haben  wir  denn  einerseits  eine  Reihe  von  Straßennamen,  die  von  einem 
Hausnamen  stammen,  wie  wir  soeben  schon  hervorgehoben  haben.  Weiter 
aber  kommt  die  Sitte  auf,  den  Besitzer  nach  seinem  Hause  zu  nennen,  und 
es  erhalten  dadurch  eine  ganze  Reihe  sonderbarer  Familiennamen  ihre  Auf- 
klärung, vgl.  Grohne  S.  113  ff. 

Hierher  gehören  Namen  wie  Affe,  Birnbaum,  Eber,  Einhorn,  Frosch,  Goldstein, 
Henne,  Hörn,  Kranich,  Rabe,  Rauchfaß,  Rebstock,  Rose,  Rosenbusch,  Schwan,  Wag{e)  usw. 

Schließlich  hat  aber  auch  die  Sitte  der  Hausnamen  auf  unsere  all- 
gemeine Sprache  abgefärbt,  indem  Dinge,  die  in  dem  Hause  verfertigt 
werden  usw.,  nach  dem  Hause  benannt  werden. 

Ich  kann  allerdings  bis  jetzt  nur  wenige  Fälle  nachweisen. 

Fiaker  stammt  von  dem  Namen  eines  Hauses  in  Paris,  das  das  Bild  des  heiligen 
Fiacre  (Fiacrius)  trug.  Man  konnte  darin  Mietskutschen  haben.  —  Lachs  'feiner  Brannt- 
wein' wurde  in  Danzig  im  Hause  zum  Lachs  gebrannt.  —  Rastrum  'das  Leipziger  Stadtbier' 
hieß  so,  weil  der  Rechen  das  Zeichen  jener  Häuser  war,  in  denen  das  Bier  gebraut  wurde. 

Die  Sitte  der  Hausnamen  hat  sich  jetzt  nur  noch  wenig  erhalten.  Es 
sind  nur  gewisse  Gebäude,  die  der  wirtschaftlichen  Bedeutung  wegen  einen 
Namen  tragen.  So  z.  B.  die  Gasthäuser  und  die  Apotheken.  Es  ist  be- 
merkenswert, auch  auf  diesem  Gebiet  den  Wandel  der  Zeiten  und  der  An- 
schauungen in  der  Namengebung  zu  betrachten.  Die  ältesten  Gasthäuser 
sind  meist  nach  Tieren  benannt:  zum  weißen  Schwan,  zum  Bären,  zum 
Elefanten,  zum  schwarzen  Bock,  zum  güldenen  Roß,  zum  Hirschen,  zum 
Löwen,  zum  Lamm,  zum  Pfauen,  zum  Adler,  zur  Meise  sind  Namen,  die 
ich  ohne  weiteres  Suchen  zusammenbringe.  Man  kann  im  allgemeinen  sicher 


396  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


sein,  daß  derarti^^e  Häuser  schon  eine  lange  Geschichte  hinter  sich  haben, 
und  daß,  wenn  sie  noch  heute  auf  der  Höhe  sind,  in  ihnen  gut  zu  hausen 
sein  wird.  Oftmals  sind  sie  freilich  zu  Gasthäusern  dritten  und  vierten 
Ranges  herabgesunken. 


Siebzehntes   Kapitel. 
Bedeutungswandel. 

§  229.  Allgemeines.  Wir  sind  in  den  frühern  Kapiteln  nicht  selten  auf 
Worte  gestoßen,  die  im  Laufe  der  Zeit  eine  besondere  Bedeutung  an- 
genommen haben,  und  wir  haben  auch  des  öftern  vom  Bedeutungswandel 
gesprochen  und  damit  eine  Frage  berührt,  die  für  die  Wortforschung  und 
Etymologie  zweifellos  von  ganz  hervorragender  Wichtigkeit,  vor  allem  auch 
in  der  Schule  unentbehrlich  ist.  Denn  bei  der  Betrachtung  der  Literatur  ver- 
gangener Zeiten,  wenn  es  auch  nur  die  des  beginnenden  19.  oder  endenden 
18.  Jahrhunderts  ist,  wird  man  überall  auf  einen  abweichenden  Sinn  der 
Wörter,  also  auf  Bedeutungswandel  stoßen.  Nun  ist  es  sehr  leicht  zu  sagen: 
hier  hat  das  Wort  eine  andere  Bedeutung  als  jetzt,  und  von  dem  Betrieb 
der  klassischen  Sprachen  her  ist  der  Schüler  an  diese  nichtssagende  Er- 
klärung gewöhnt,  aber  es  wäre  bedauerlich,  wenn  es  immer  so  bhebe,  und 
wenn  nicht  auch  hier  eine  Vertiefung  und  Verbesserung  einträte. 

Zunächst  lassen  sich  die  mannigfachen  Bedeutungsverzweigungen,  die 
ein  Wortstamm  in  seinen  verschiedenen  Gestaltungen  im  Neuhochdeutschen 
angenommen  hat,  zu  anziehenden  Übungen  verwenden,  wobei  die  Samm- 
lungen Liebichs  in  seinen  Wortfamilien  der  lebenden  neuhochdeutschen 
Sprache  (siehe  oben  S.  55)  von  großem  Nutzen  sein  werden.  Dann  aber 
wird  man  die  einzelnen  Fälle,  die  in  der  Literatur  auftreten,  heranziehen 
müssen.  Mancher  denkt  vielleicht,  daß  die  Sprache  des  18.  Jahrhunderts 
dieselbe  sei  wie  die  unsrige.  Nun  ja,  der  Wort-  und  Formenschatz  ist 
ungefähr  der  gleiche,  was  aber  vielfach  abweicht,  ist  eben  die  Bedeutung. 
Diese  Abweichungen  sind  oft  nicht  sehr  stark,  aber  gerade  die  unwesent- 
lichen Verschiedenheiten  verändern  den  Sinn,  wir  legen  jetzt  etwas  anderes 
unter,  als  der  Dichter  damals  gemeint  hat.  Einige  Beispiele  mögen  das  zeigen. 

Wenn  Max  von  Schenkendorf  singt: 

Freiheit,  die  ich  meine. 

Die  mein  Herz  erfüllt, 

so  hat  meinen  hier  einen  ganz  andern  Sinn  als  jetzt.  Es  heißt  'lieben'  und  hängt  mit  dem 

alten   wieder  belebten  Ausdruck  Minne  zusammen.     Noch   stärker   tritt  diese  Bedeutung 

in  einem  Liede  Bürgers  hervor 

O  was  in  tausend  Liebespracht 

Das  Mädel,  das  ich  meine,  lacht. 

und  schließlich  haben  wir  eine  ganz  unzweideutige  Belegstelle  in  den  Worten  eines  andern 

Dichters: 

Es  ist  kein  Spaß,  ein  hübsches  Kind  zu  meinen. 


§  229.  Allgemeines.  397 


Ein  anderes  Beispiel  bietet  der  Faust.    Faust  sagt  zu  Gretchen 
Mein  schönes  Fräulein,  darf  idi's  wagen, 
Arm  und  Geleit  ihr  anzutragen. 

Und  sie  erwidert: 

Bin  weder  Fräulein,  weder  schön. 
Kann  ungeleitet  nach  Hause  gehn. 
Aus  unserm  Sprachgebrauch  ist  das  nicht  zu  verstehen.    Auch  V  2905  heißt  es 
Denk.  Kind,  um  alles  in  der  Welt 
Der  Herr  Didi  für  ein  Fräulein  hält. 

Ähnlich  redet  in  der  Minna  von  Barnhelm  Franziska  immer  von  ihrem  Fräulein,  während 
sie  selbst  mit  Mamsell  angesprochen  wird.  Es  geht  aus  diesen  und  anderen  Stellen,  die 
sich  in  Menge  anführen  lassen,  klar  hervor,  daß  Fräulein  noch  eine  besondere  Be- 
deutung, die  des  .adligen  Fräuleins'  hatte.  Es  wurde  im  18.  Jahrhundert  noch  streng  auf 
eine  Scheidung  der  Stände  gehalten  und  auch  die  Titelbezeichnungen  waren  nicht  ver- 
wischt.  Vgl.  Th.  Matthias,  Wielands  Aufsatz:  Demoiselle  oder  Fräulein  ZfdW.  5,  23 ff. 

Tatsächlich  hat  sich  nicht  ^nur  in  diesen  Fällen,  sondern  in  zahllosen  andern  der 
Sinn  der  Worte  seit  dem  18.  Jahrhundert  stark  geändert,  so  daß  die  Texte  dieser  Zeit  schon 
der  philologischen  Untersuchung  und  Erläuterung  bedürfen.  Manche  Bedeutung  hängt  mit 
den  besondern  Anschauungen  der  Zeit  zusammen,  für  die  dann  ein  Wort  in  eigentümlicher 
Weise  verwendet  wird.  Verschwindet  diese  Auffassung  wieder,  so  verstehen  wir  die  Be- 
deutung nicht  mehr.  Hierher  gehören  vor  allen  Dingen  viele  Schlag-  und  Modeworte, 
die  später  unverständlich  werden  oder  in  ihrem  Zeitsinne  nicht  ohne  weiteres  erfaßt  werden 
können.  So  bekommt  unser  Wort  Wahl  unter  dem  Einfluß  einer  von  England  und  Frank- 
reich ausgehenden  idealisierenden  Kunsttheorie  und  als  Übersetzung  des  frz.  dioix  einen 
ganz  bestimmten  Wert.  Unter  andern  sagt  Raph.  Mengs:  idi  will  also  unter  Ideal  die 
Wa  h  l  verstanden  wissen,  nämlich  die  Kunst  in  der  Natur  eine  gute  Auswahl  zu  treffen 
und  nicht  neue  Dinge  zu  erfinden.  Nur  wenn  man  diese  Kunsttheorie  im  Auge  hat 
versteht  man  ein  paar  Stellen  unsrer  großen  Dichter,  die  ihr  ja  auch  huldigten. 
Audi  diesem  Gold  ist  mit  Geschmack  und  Wahl 

Der  Blumen  Schmelz  metallisch  aufgebrämt.  (Goethe,  Nat.  Tochter  2,  5.) 
Die  Auswahl  einer  Blumenflur 
Mit  weiser  Wahl  in  einen  Strauß  gebunden. 
So  trat  die  erste  Kunst  aus  der  Natur.    (Schiller,  Künstler.) 
Regel  wird  alles,  und  alles  wird  Wahl  und  alles  Bedeutung.   (Schiller,  Spaziergang.) 

Es  weichen  also  schon  die  Bedeutungen  im  18.  Jahrhundert  von  denen 
unserer  Zeit  ab,  und  H.  Paul  hat  sein  deutsches  Wörterbuch  gerade  deshalb 
geschrieben,  um  auf  die  zahlreichen  Fälle  dieser  Art  aufmerksam  zu  machen 
und  um  dem  Lehrer  ein  Mittel  zum  genauen  Verständnis  der  Texte  an  die 
Hand  zu  geben.  Auch  Weigand  hat  seinerzeit  diesen  Punkt  beachtet,  und 
in  der  neuen  Bearbeitung  ist  das  nötige  Gewicht  darauf  gelegt,  ihn  ge- 
nügend hervortreten  zu  lassen. 

Allbekannt  sind  die  mannigfach  abweichenden  Bedeutungen  in  Luthers 
Bibelübersetzungen,  die  den  Text  oft  ganz  unverständlich  machen.  Was 
heißt:  Wenn  aber  das  Salz  dumm  wird?  Ohne  Erklärung  kann  das  keiner 
verstehen.  Luther  hat  aber  die  Bibel  nicht  darum  übersetzt,  daß  sie  wieder 
erklärt  werden  müßte,  sondern  damit  das  Volk  sie  verstehe,  und  so  müßte 
sein  Werk  den  Veränderungen  der  Wortbedeutungen  entsprechend  geändert 


398  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


werden.  Luther  hat  indessen  unsere  Schriftsprache  erst  geschaffen,  seine 
Worte  sind  unsere  Worte  geworden,  und  daher  ist  seine  Sprache  uns  nicht 
so  fremd,  wie  etwa  ein  gleichzeitiger  oberdeutscher  Text.  Das  Oberdeutsche 
weicht  in  den  Wortbedeutungen  viel  beträchtlicher  von  unserer  Sprache  ab 
als  das  Mitteldeutsche  Luthers.  Oberdeutsch  ist  aber  das  Mittelhochdeutsche. 

Die  Frage,  wann,  wo  und  wie  das  Mittelhochdeutsche  auf  den  Schulen 
getrieben  worden  ist,  hat  Matthias  in  diesem  Handbuch  1,  1,  293  ff.  ein- 
gehend dargestellt,  und  er  hat  gezeigt,  daß  heute  immer  mehr  die  Be- 
deutung und  die  Notwendigkeit  des  Mittelhochdeutschen  für  die  Schule  an- 
erkannt wird.  Und  in  der  Tat  wäre  es  traurig,  wenn  die  Gymnasiasten  auf 
dieses  Bildungsmittel,  auf  das  Lesen  des  Nibelungenliedes  und  von  Walthers 
Gedichten  in  ihrer  ursprünglichen  Fassung  verzichten  sollten.  Denn  bei 
diesen  Werken  kann  eine  Übersetzung  gar  nichts  leisten,  und  zwar  aus 
dem  Grunde,  weil  wir  vielfach  noch  die  gleichen  Worte  haben,  und  diese 
auch  in  der  Übersetzung  beibehalten  werden,  obgleich  sie  ihren  Sinn  stark 
geändert  haben.  Überhaupt  liegen  die  Schwierigkeiten  für  das  Verständnis 
des  Mittelhochdeutschen  nicht  in  der  Laut-  und  Formenlehre,  die  in  aller- 
kürzester Zeit  zu  bewältigen  sind,  sie  liegen  auch  nicht  in  den  verloren 
gegangenen,  unbekannten  Worten,  diese  sind  leicht  in  einem  Glossar  zu 
verzeichnen,  nein  sie  beruhen  auf  den  Worten,  die  auch  im  Neuhochdeutschen 
in  gleicher  Form  vorhanden  sind,  aber  eine  wesentlich  andere  Bedeutung 
haben.  Diese  schlägt  der  Schüler,  schlägt  auch  der  Student  oft  genug  nicht 
nach,  und  daher  bleibt  dann  der  eigentliche  Sinn  dunkel.  Hier  wird  nichts 
andres  übrig  bleiben,  als  daß  für  die  Schule  kommentierte  Ausgaben  be- 
nutzt werden,  in  denen  gerade  die  dem  Hochdeutschen  gleichen  Worte  mit 
abweichendem  Sinn  in  den  Anmerkungen  hervorgehoben  werden,  und  in 
denen  die  Abweichung  besonders  angegeben  wird. 

Zur  Einführung  in  diese  Abweichungen  des  Mittelhochdeutschen  dient 
am  besten  noch  immer  die  Ausgabe  von  Hartmanns  Iwein  mit  Anmerkungen 
von  G.  F.  Beneke  und  K.  Lachmann. 

Es  dürfte  wohl  angemessen  erscheinen,  hier  einige  dieser  abweichenden 

Bedeutungen  zusammenzustellen: 

gekret  'wer  lesen  konnte',  gerne  'mit  Vergnügen',  boese  'ein  Mensch,  den  weder  edle 
Geburt  noch  edle  Gesinnung  auszeichnet',  senen,  senede  'leiden,  leidend',  sich  senen  'sich 
grämen',  sltdien  'nicht  heftig,  mit  Würde  gehen',  erbcere  'wer  immer  das,  was  der  Ehre 
gemäß  ist,  vor  Augen  hat',  ziiht  'feine  Sitte',  unziiht,  das  Gegenteil  davon,  trxsten 
'jemanden  eines  Dinges  versichern',  tugent  'das  feinere  Gefühl,  aus  dem  wohlwollende 
Teilnahme  und  Äußerung  derselben  hervorgeht',  grö5  'dick',  genade,  ungenäde  'Ruhe  — 
drohende  Gefahr,  Ungemach,  Not',  dicke  'oft',  ere  'die  Ehre,  die  der  Sieg  verleiht",  grüe^en 
'anrufen',  verklagt  .durch  Weinen  entstellt',  idi  kan  'ich  vermag',  idi  mac  'ich  kann',  geil 
'froh',  hodizU  'hohes  Fest',  wän  'Hoffnung',  wcsn  ich  'meine  ich,  sollte  ich  meinen,  traun', 
kumber  'Last'  usw. 

Ausführlich  gehtWeigand  in  seinem  Wörterbuch  auf  die  abweichenden 
Bedeutungen  des  Mittelhochdeutschen  ein.  Sicher  ist  das  eine,  daß  die 
Worte  abstrakter  Natur  ihren  Sinn  sehr  viel  häufiger  geändert  haben   als 


§230.  AuFG.D. Bedeutungserforschung.  §231.  Beispiele  f. D.Bedeutungswandel.  399 

die  konkreten  Ausdrücke.  Bei  jedem  Wort  für  Allgemeinbegriffe  sollte  man 
daran  zweifeln,  daß  der  heutige  Sinn  alt  ist. 

Der  Bedeutungswandel  ist  also  eine  Tatsache,  an  der  nicht  zu  rütteln  ist. 
Es  dürfte  wenig  Worte  geben,  die  sich  in  dieser  Beziehung  nicht  gewandelt 
oder  nicht  wenigstens  neue  Bedeutungen  neben  der  alten  entwickelt  haben, 
ebenso  wie  nur  wenige  seit  alten  Zeiten  lautlich  unverändert  geblieben 
sind.  Es  fragt  sich  nun,  welche  wissenschaftlichen  Aufgaben  bei  der  Er- 
forschung dieses  Gebietes  zu  erfüllen  sind. 

§  230.  Aufgaben  der  Bedeutungserforschung.  Wie  es  eine  wesentliche  Auf- 
gabe der  Wortforschung  war,  das  Wort  einerseits  in  seiner  heutigen  Ver- 
breitung festzulegen  und  anderseits  es  in  möglichst  weite  Fernen  zurück- 
zuverfolgen,  um  dadurch  seinem  Ursprung  näher  zu  kommen,  so  steht  es 
auch  mit  der  Bedeutungserforschung.  Wir  müssen  vor  allem  feststellen, 
welche  verschiedene  Bedeutungen  jetzt  bei  einem  Worte  vorliegen,  und  wir 
müssen  dann  jede  möglichst  weit  zurückverfolgen.  Dabei  wird  sich  zeigen, 
daß  manche  erst  zu  einer  gewissen  Zeit  auftreten,  daß  sie  also  abgeleitet 
sind;  wir  werden  auf  die  mannigfachsten  Wandlungen  der  Bedeutungen 
stoßen,  und  es  fragt  sich,  ob  man  diese  Wandlungen  nicht  unter  allgemeine 
Gesichtspunkte  vereinigen,  sie  also  einteilen  kann.  Schließlich  handelt  es 
sich  darum,  die  Ursachen  des  Bedeutungswandels  klarzulegen. 

Die  ersten  Aufgaben  hat  jeder  Artikel  in  einem  großen  Wörterbuche 
zu  leisten.  Zunächst  müssen  die  mannigfach  verzweigten  Bedeutungen  eines 
Wortes  in  der  Allgemeinsprache  verzeichnet  und  in  ihrem  Alter  nachgewiesen 
werden.  Es  kommt  dann  ein  Wort  nicht  selten  mit  besonderm  Sinne  in 
gewissen  Verbindungen  vor,  wo  es  zum  Teil  versteinert  sein  mag.  Dazu 
gesellen  sich  die  besonderen  Bedeutungseigentümlichkeiten  in  den  Sonder- 
sprachen. Wenn  man  all  dies  zusammengestellt  hat  und  nun  geschichtlich 
zurückverfolgt,  so  werden  allmählich  die  Verhältnisse  einfacher.  Manches  ist 
im  Laufe  der  geschichtlichen  Zeit  entstanden,  scheidet  also  aus,  und  so  bleibt 
denn  beim  Beginn  der  Überlieferung  oft  nur  ein  kleiner  Kern  übrig.  Ist  eine 
Bedeutung  abgeleitet,  so  kommt  man  vielleicht  zu  einer  eng  begrenzten, 
fest  bestimmten  Urbedeutung,  in  andern  Fällen  ist  sie  schließlich  schon  am 
Anfang  verzweigt.  Obgleich  jeder  Artikel  eines  größern  Wörterbuches,  wie 
z.  B.  das  Grimmsche,  Stoff  bietet,  um  daran  die  Bedeutungsverzweigung 
zu  studieren,  so  werden  doch  hier  einige  Beispiele  willkommen  sein, 

§  231.  Beispiele  für  den  Bedeutungswandel. 

Es  gibt  im  Gotischen  ein  Wort  peihs,  das  'Zeit,  Gelegenheit'  bedeutet,  entstanden 
aus  *pii3hs.  Es  ist  mit  grammatischem  Wechsel  unser  jetziges  Ding.  Wie  mannigfach, 
auf  den  ersten  Blick  schlechterdings  unfaßbar,  ist  heute  der  Sinn  dieses  Wortes.  Es  ist 
nun  nicht  sicher,  daß  etwa  die  gotische  Bedeutung  die  ursprüngliche  ist.  Wenn  auch  das 
Gotische  am  frühesten  überliefert  ist,  so  kann  es  trotzdem  Bedeutungsveränderungen  vor- 
genommen haben,  die  in  andern  Dialekten,  die  wir  erst  aus  späterer  Zeit  kennen,  nicht 
eingetreten  sind.  Dieser  Gesichtspunkt  ist  außerordentlich  wichtig.  Es  ist  darum  auch 
die  Bedeutung  eines  Wortes  im  Sanskrit  nicht  immer  die  älteste,   obgleich  man  dies  zum 


400  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


Schaden  der  Sache  oft  angenommen  hat.  Schon  im  Althochdeutschen  ist  die  Bedeutung 
von  Ding  sehr  verzweigt.  Graft  5,  178  gibt  an:  'res,  substantia,  sors,  status,  conditio,  ne- 
gotium, causa,  piacitum,  consilium,  Judicium,  concilium,  concio,  curia,  conventus,  forum". 
Im  Hehand  bedeutet  thing  .Gericht,  Sache',  im  Ahniederdcutschen  'Ding,  Sache,  Ratsver- 
sammlung', im  Altfriesischen  'Ding,  Gegenstand,  Sache,  Gericht,  Klage',  im  Angelsächsischen 
'a  Single  objckt,  a  mceting,  court',  im  Altnordischen  'Zusammenkunft,  namentlich  gericht- 
liche Versammlung,  ihr  Ort,  ihre  Zeit',  im  Plural  auch  'Dinge,  Sachen".  Was  ist  nun  der 
ursprüngliche  Sinn?  Um  diesen  zu  finden,  wird  man  gut  tun,  etwaige  Zusammensetzungen 
heranzuziehen,  weil  in  diesen  nicht  selten  eine  ältere:  Bedeutung  fester  haftet  als  in  dem 
einfachen  Wort.  So  finden  wir  denn  ahd.  noch  dingiidi  'judicialis,  forensis',  dingOn  'judi- 
ciare.  concionare,  disceptare',  tagoding  (heute  noch  in  verteidigen)  ,diecula,  tempusculum, 
piacitum,  concilium,  induciae'.  Alles  dieses  nebst  einigem  andern  führt  auf  die  Bedeutung 
'Versammlung',  von  welcher  sich  recht  wohl  alle  übrigen  ableiten  lassen.  Wir  haben  dafür 
eine  vortreffliche  Parallele  an  der  Bedeutungsentwicklung  von  Sadie,  das  ursprünglich 
'gerichtliche  Verhandlung'  bedeutet.  Setzen  wir  also  als  ursprüngliclie  Bedeutung  von 
'Ding'  'Versammlung'  an,  so  kommen  wir  von  da  leicht  zu  der  von  'Zeit'  oder  'Ort  der 
Verhandlung',  'Verhandlung  auf  dieser  Versammlung,  Angelegenheit,  Sache,  Gegenstand'  usw. 
Alles  das  bietet  weiter  keine  Schwierigkeiten.  Die  gotische  Bedeutung  'Zeit,  Gelegenheit' 
läßt  sich  ebenfalls  daraus  ableiten,  wenn  sich  auch  umgekehrt  diese  als  die  ältere  ansehen 
läßt:  'Zeit',  dann  'Versammlung  zu  einer  Zeit,  zu  einer  bestimmten  Zeit'.  Um  zu  ent- 
scheiden, was  das  Ursprüngliche  ist,  müßte  man  sich  nun  an  die  verwandten  Sprachen 
wenden.  In  diesen  hat  man  gern  lat.  tempns  verglichen.  Allerdings  kann  das  p  dem 
germanischen  Guttural  nur  entsprechen,  wenn  das  lateinische  Wort  aus  dem  Umbrisch- 
Oskischen  entlehnt  wäre.  Ob  man  dies  für  wahrscheinlich  hält,  ist  eine  Frage  für  sich. 
Jedenfalls  stimmt  die  Bedeutung  des  lateinischen  Wortes  'Zeitpunkt'  ausgezeichnet  zu  einer, 
mit  der  man  die  germanischen  Bedeutungen  erklären  könnte.  Dies  bleibt  also  unsicher, 
und  da  man  sonst  kein  entsprechendes  Wort  in  den  verwandten  Sprachen  antrifft,  so  muß 
man  sich  die  Form  des  Wortes  ansehen.  Nun  ist  got.  peilis,  ahd.  ding  zweifellos  ein 
neutraler  -es-Stamm,  idg.  *tenkos,  -'^tenkes;  die  Bedeutung  solcher  -^5-Stämme  ist  aber  ge- 
wöhnlich eine  abstrakte.  Man  kann  nun  leicht  eine  altindische  Wurzel  vergleichen  ä-tanäkti 
'zieht  zusammen,  macht  gerinnen",  lit.  tünkiis  , dicht',  unser  dihtu.a.  Unser  */?«/?05  würde 
also  heißen  können  ,das  Verdichtetsein,  die  dichte  Masse,  die  Volksversammlung'.  So  kann 
man  sich  die  Sache  zurechtlegen.  Sicher  ist  das  freilich  nicht.  Wir  werden  aber  in 
diesem  Falle  nach  der  suffixalen  Bildung  des  Wortes  auf  solch  abstrakten  Sinn  geführt. 

Anmerkung.  Ansätze  zu  einer  ähnlichen  Entwicklung  zeigt  auch  Ta^.  Ursprünglich, 
wie  wir  oben  gesehen  haben,  'heiße  Zeit",  dann  'der  Tag'  im  Gegensatz  zur  'Nacht',  'be- 
stimmter Tag'.  Aus  dieser  Bedeutung  geht  weiter  tagen,  schweizerisch  (im  Teil)  'eine  Ver- 
sammlung abhalten',  und  Reidjstag  hervor. 

Ein  anderes  Beispiel  mannigfach  gewandelter  Bedeutung  bietet  das  Wort  grün.  Ahd. 
griioni  heißt  'grün,  recens,  crudens,  viridis',  and.  gröni  'grün,  cyaneus,  viridis'  usw.  Die 
Farbenbedeutung  'grün"  tritt  unverkennbar  als  die  ursprüngliche  hervor,  und  es  ist  ebenso 
zweifellos  das  Grün  der  Natur  gemeint.  Im  Althochdeutschen  gibt  es  noch  ein  Verbum 
gruoan  'virere,  virescere,  grünen',  ags.  gröwan  'wachsen,  grünen,  blühen',  e.  grow  'wachsen, 
werden',  anord.  gröa  'wachsen,  gedeihen,  heilen".  Obgleich  bei  dem  Verbum  die  Be- 
deutung etwas  verzweigt  ist,  so  ist  doch  der  ursprüngliche  Sinn  als  'neuwachsen,  grün- 
werden" klar  zu  erkennen.  Und  daher  wird  also  die  Ableitung  '''gröni  bedeuten  'frisch 
gewachsen,  grünend",  sich  also  auf  die  frische  Farbe  des  Frühlings  beziehen.  In  dieser 
ältesten  Bedeutung,  von  den  Pflanzen  gesagt,  finden  wir  es  noch  häufig,  z.  B.  im  Grünen, 
die  grüne  Ware,  der  grüne  Donnerstag  'wo  man  Grünes  ißt*.  Grün  wird  dann  aber 
überhaupt  von  der  Farbe  gebraucht.  Die  Jäger  und  die  Förster  heißen  die  Grünen.  Wir 
sprechen  auch  von  einem  grünen  Tisch,  d.  h.  einem  Tisch,  der  grün  überzogen  ist.  Da 
dies  nun  die  Tische  der  Behörden   sind,   von  denen   an  derartigen  Tischen   manches  Un- 


§232.  Stammbaum  der  Bedeutungsentwicklung.  40 1 


praktische  beschlossen   wird,   so  verbinden   wir  heute   mit   dem  Ausdruck  grüner  Tisch 
etwas  ganz  Besonderes. 

Aus  der  ursprüngUchen  Auffassung  des  'frischwachsenden'  hat  sich  unter  Beiseite- 
lassen der  Farbe  der  Sinn  von  'frisch'  entwickelt,  im  Gegensatz  zum  'Dürren  und  Welken'. 
.So  man  das  tut  am  grünen  Holz,  was  will  am  dürren  werden.  Dies  liegt  denn  auch 
Goethes  Worten  zugrunde:  Grün  ist  des  Lebens  goldner  Baum.  Der  grüne  Zweig  ist 
das  Sinnbild  des  Kräftigen,  Gedeihenden,  und  daher  sagt  man  von  einem,  der  nicht  ge- 
deiht: er  kann  auf  keinen  grünen  Zweig  kommen. 

Hat  sich  in  den  angeführten  Fällen  noch  die  Beziehung  auf  die  Pflanzenwelt  erhalten, 
■so  liegt  in  einer  Reihe  von  Sondersprachen  die  Bedeutung  'frisch'  ohne  diese  Beziehung 
vor.  So  spricht  man  allgemein  von  grünen  Heringen,  von  grünem  Obst,  in  Bayern  von 
grünem  Bier,  der  Gerber  von  grüner  Haut  und  der  Hutmacher  von  grünen  Haaren, 
d.  h.  Haaren  von  frisch  abgezogenen  Fellen. 

Bei  den  ungünstigen  Wohnungsverhältnissen  des  Mittelalters  war  der  Winter  eine 
schreckliche  Zeit,  der  Frühling  daher  mit  dem  Aufblühen  und  Aufgrünen  der  Natur  der 
Beginn  der  Freude  und  der  Anfang  der  Liebe.  So  ist  denn  grün  die  Farbe  der  Freude, 
der  Hoffnung  und  der  Liebe  geworden  und  geblieben,  und  grün  nimmt  die  Bedeutung 
'lieb'  an.  Davon  haben  wir  noch  die  grüne  Seite  'die  liebe  Seite,  die  Herzseite  des  Men- 
schen' und  den  Ausdruck  einem  grün  sein,  d.  h.  einem  gewogen  sein. 

Aus  grün  'frisch'  entwickelt  sich  schließlich  grün  'unreif,  jung'.  So  spricht  man  von 
grünem  Obst  als  'unreifem  Obst'  (aber  auch  'frisches  Obst'),  einem  grünen  Jungen,  einem 
Grünsdinabel,  oder  Schiller  sagt  unsere ' Bekanntsdiaft  ist  nodi  grün. 

Zu  beachten  bleibt  aber,  daß  je  länger  je  mehr  grün  die  Bedeutung  der  Farbe  be- 
hält, und  diese  immer  ausschließlicher  zur  Gehung  kommt.  Die  abgeleiteten  Bedeutungen, 
«inst  weit  verbreitet,  sind  heute  als  Versteinerungen  anzusehen,  die  mit  der  Zeit  ver- 
schwinden werden. 

Auch  die  übrigen  Farbenbezeichnungen  bieten  manches  Anziehende,  was  ich  indessen 
hier  übergehe.  Vgl.  die  reichen  Sammlungen  bei  H.  Schrader,  Aus  dem  Wundergarten  der 
deutschen  Sprache,  wo  blau,  rot,  gelb,  grün,  weiß,  sdiwarz,  grau  behandelt  sind. 

§  232.  Stammbaum  der  Bedeutungsentwicklung.  An  diesen  Beispielen  kann 
man  sofort  ersehen,  daß  einige  Bedeutungen  alt  und  ursprünglich,  andere 
dagegen  abgeleitet  und  durch  besondere  Umstände  bedingt  sind.  Zweifel- 
los wird  man  immer  versuchen  müssen,  zu  einer  Grundbedeutung  vor- 
zudringen, diese  voranzustellen  und  die  übrigen  Ableitungen  nach  ihrem 
geschichtlichen  Auftreten  daran  anzufügen.  Dieser  Grundgedanke  der  lexi- 
kalischen Anordnung  ist  denn  auch  längst  in  der  Wissenschaft  anerkannt, 
nur  läßt  er  sich  infolge  der  oft  sehr  verwickelten  Verhältnisse  in  den  meisten 
Fällen  nicht  streng  durchführen.  Vor  allen  Dingen  ist  es  aber  oft  genug 
nicht  möglich,  zu  einer  Grundbedeutung  vorzudringen.  Wenn  wir  sehen, 
wieviel  verschiedene  Bedeutungen  heute  nebeneinander  stehen,  so  wird  man 
sich  sagen  müssen,  daß  es  in  älterer,  in  urgermanischer  und  indogermanischer 
Zeit  auch  nicht  anders  gewesen  ist,  da  ja  jene  Sprachstufen  in  keiner  Weise 
grundsätzlich  von  der  unsern  verschieden  waren.  Auch  damals  wird  es  Worte 
mit  verzweigter  Bedeutung  gegeben  haben,  und  nur  die  wissenschaftliche 
Hypothese  kann  versuchen,  hier  eine  Einheit  zu  schaffen. 

Jedenfalls  müssen  wir  in  allen  Fällen  versuchen,  sozusagen  einen  Stamm- 
baum der  Bedeutungsentwicklung  aufzustellen.  Dabei  sind  nun  2  Fälle  möglich : 

1.  Entweder  ist  die  ursprüngliche  Bedeutung,  aus  der  sich  alle  andern 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.   2.  Aufl.  26 


402  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 

unmittelbar  ableiten  lassen,  noch  erhalten,  dann  bekommen  wir  etwa  folgendes 
Bild  ^,  oder 

2.  die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  nicht  mehr  vorhanden,  sei  es,  daß 
sie  im  Laufe  der  geschichtlichen  Entwicklung  ausgestorben,  sei  es,  daß  sie 
überhaupt  nicht  mehr  nachzuweisen  ist.  Denn  wie  Worte  aussterben,  so 
können  natürlich  auch  Bedeutungen  zugrunde  gehen.  Von  der  Bedeutung 
'Versammlung'  haben  wir  bei  Ding  heute  keine  Spur  mehr,  wohl  aber  liegt 
sie  im  Nordischen  noch  vor  in  Stor-thing  eigentlich  'die  große  Versamm- 
lung', vgl.  auch  das  oben  über  Tag  bemerkte.  Einen  solchen  Fall  muß 
man  sich  unter  dem  Bilde  konvergierender  Linien  vorstellen,  wobei  die 
erschlossenen  Teile  punktiert  dargestellt  werden. 


Der  zweite  Fall  ist  natürlich  sehr  viel  schwerer  zu  beurteilen  als  der 
erste.  Es  muß  dabei  die  Phantasie  des  Forschers,  sowie  eine  genaue  Kenntnis 
des  Lebens  mitspielen.  Was  für  derartige  Wörter,  deren  ursprüngliche  Be- 
deutung nicht  klar  ist,  in  den  landläufigen  etymologischen  Wörterbüchern 
geboten  wird,  ist  meistens  mehr  als  dürftig.  Vielfach  geht  man  von  einem 
möglichst  allgemeinen  Sinn,  meist  einem  verbalen,  aus  und  errichtet  darauf 
sein  Gebäude,  während  nichts  sichrer  ist,  als  daß,  zu  je  einfachem  Kultur- 
verhältnissen wir  kommen,  die  Ausdrücke  für  die  Allgemeinbegriffe  abnehmen. 

Für  das  bisherige  Vorgehen  einige  Beispiele.  So  sagt  Kluge:  „Ob  Bauch  zu  der 
sanskritischen  Wurzel  bhiij  (vgl.  lat.  fungor)  'Speise  genießen'  oder  zu  skr.  bhuj  'biegen', 
Baudi  eigentlich  'biegsame  Stelle'  gehört,  ist  unsicher."  Wahrscheinlich  ist  beides  falsch. 
Viel  annehmbarer  wäre  es,  wenn  man  eine  Bedeutung  'Faß'  oder  'Strunk,  Stumpf  als  ur- 
sprünglich annähme.  —  Wohnen:  .Die  zugrundeliegende  indogermanische  Wurzel  wen 
hat  wahrscheinlich  'sich  gefallen'  bedeutet;  das  Gewohnte  ist  dasjenige,  woran  man  Ge- 
fallen findet,  wohnen  eigentlich  'sich  irgendwo  erfreuen'."  Kluge.  —  Knabe  hat  man  seit 
langem  zu  der  indogermanischen  Wurzel  gen,  lat.  gignere  'erzeugen',  gestellt.  Das  ist 
natürlich  möglich,  da  ja  Kind  sicher  'das  Geborene'  bedeutet.  Aber  die  Suffixverhältnisse 
bleiben  dunkel.  Man  kommt  besser  zum  Ziel,  wenn  man  auch  hier  von  etwas  ganz  Kon- 
kretem ausgeht.  Hessisch  heißt  Knabe  auch  'Stift,  Bolzen',  und  dies  wird  der  ursprüng- 
liche Sinn  sein,  wie  ja  Stift,  Bengel  solche  Übertragung  zu  'Junge'  erfahren  haben.  Es 
gehört  also  vielleicht  zu  Kamm,  ahd.  kamb  mit  Schwebeablaut. 

Man  könnte  derartige  Ableitungen  zahlreich  anführen,  da  sich  wohl 
jeder  Forscher  solcher  schuldig  gemacht  hat. 

Einen  wesentlich  andern,  neuen  Standpunkt  hat  R.  Meringer  in  den 
schon  mehrfach  erwähnten  Aufsätzen,  Idg.  Forsch.  16.  17.  18,  sowie  in  seiner 
Zeitschrift  'Wörter  und  Sachen'  an  sehr  anziehenden  und  zum  Teil  schla- 
genden Beispielen  gezeigt.  Sein  Grundgedanke  ist,  von  einer  möglichst 
konkreten  Vorstellung  auszugehen,  was  mit  den  allgemeinen  Gesetzen  der 
Wortentwicklung  durchaus  im  Einklang  steht.  Außerdem  betont  er,  daß  die 
ursprüngliche  Bedeutung  vollständig  verloren  sein  kann,  daß  wir  sie  daher 


§  232.  Stammbaum  der  Bedeutungsentwicklung.  403 

erst  erschließen  müssen.  Ich  möchte  nun  eines  seiner  Beispiele  hier  an- 
führen und  zwar  gerade  das,  das  ihm  den  Vorwurf  haltloser  Phantasterei 
zugezogen  hat. 

Wir  haben  im  Deutschen  Wörter  wie  wohnen,  sich  gewöhnen,  Wonne,  gewinnen,  die 
alle  auf  eine  Wurzel  wen  weisen.  Auf  die  gleiche  Urform  gehen  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Worten  der  germanischen  und  der  andern  Sprachen  zurück.  Aber  die  Bedeutungen 
von  lat.  venus  'Liebesgenuß',  aind.  van  'behagen',  asächs.  winnan  'kämpfen'  scheinen  sich 
schwer  vereinigen  zu  lassen.  Dazu  kommt  noch  ein  aind.  vanam.  'Wald,  Baum,  Waldbaum, 
Holz,  Holzstück',  vdnaspätih  m.  eigentlich  'Fürst  des  Waldes',  dann  'Waldbaum,  Opfer- 
pfosten, hölzerne  Mörserkeule',  vdnä  f.  'Holzstück,  Reibholz'.  Daß  man  auch  diese  Worte 
mit  den  vorigen  zusammenbringen  könnte,  scheint  unmöglich  zu  sein.  Wenn  man  aber 
anderseits  nebeneinander  findet  aind.  vanin-  'heischend,  begehrend'  und  vanin-  'Wald- 
baum, Baum',  so  ist  man  gezwungen,  entweder  zwei  gleichlautende  Wörter  verschiedener 
Bedeutung  anzunehmen  oder  den  Versuch  zu  machen,  sie  trotz  dieser  Verschiedenheit  zu 
vereinigen.  Meringer  vermutet  nun,  daß  die  Urbedeutung  der  Sippe  in  dem  aind.  vanam 
'Baum'  noch  nahezu  erhalten  sei.  Idg.  *weno-  bedeute  den  'Pflock'  oder  'Ast',  den  man 
zum  Pflügen  verwendete.  Worte  wie  Ast,  Pflock  sind  verschiedentlich  in  die  Bedeutung 
'Pflug'  übergegangen,  z.  B.  got.  höha  'Pflug'  =  lit.  mkä  'Ast',  aind.  sdkhä  'Ast'.  Von  weno- 
sei  nun  ein  Verbum  abgeleitet,  idg.  *wen3ti  'er  ackert',  eigentlich  'er  arbeitet  mit  einem 
Holzstück',  das  nirgends  mehr  erhalten  ist.  Aus  'ackern'  kann  einerseits  die  Bedeutung 
'wohnen'  hervorgehen,  vgl.  z.  B.  lat.  cives  Romani,  qui  arant  in  Sicilia.  Mhd.  art  m.  f. 
'Ackerbau,  Ackerland  und  dessen  Ertrag'  gehört  zu  lat.  anire.  Im  asächs.  ard  heißt  es  'Auf- 
enthaltsort, Wohnort,  Wohnung'.  Von  wohnen  stammt  dann  sicher  gewöhnen.  Anderseits 
kann  sich  aus  'ackern'  auch  der  Sinn  'sich  mühen,  sich  anstrengen'  entwickeln,  wie  wir 
sie  in  anord.  vinna  'arbeiten',  ahd.  winnan  'sich  abarbeiten'  finden.  Dieselbe  Bedeutungs- 
entwicklung treffen  wir  heute  schon  bei  dem  jungen  Wort  ackern:  Da  schrieb  und  ackerte 
ich  denn  mit  dem  breiten  Federspaten  meine  Freude  an  dich  ohne  weiteres  zu  Ende. 
J.  Paul,  Komet  3,  229.  Weiter  ist  nunmehr  gewinnen  ganz  klar,  es  heißt  mit  der  Perfekti- 
vierung  durch  ge  'erarbeiten',  'durch  Arbeit  erlangen'.  Von  'arbeiten,  sich  mühen',  zu 
'kämpfen'  ist  kein  Sprung,  der  irgendwie  begründet  zu  werden  brauchte.  Wir  haben  ihn 
in  ahd.  winna  'Streit',  as.  winnan  'kämpfen'.  Der  Ausdruck  'ackern'  wird  weiter  auf  vielen 
Sprachgebieten  für  das  'Kinderzeugen'  angewendet.  So  haben  wir  bei  den  Griechen  die 
alte  Formel  £.t<  jimöcov  yvtjoicov  ägörcp  [epi  paidOn  gncesiön  arötöi)  'zur  Erackerung  echter 
Kinder'  und  der  Vater  heißt  aoorljo  rexvcov  {arotcsr  teknön)  'Erpflüger  von  Kindern'.  So 
läßt  sich  denn  lat.  venus,  eigentlich  ein  Neutrum,  mit  der  Bedeutung  'das  Ackern,  der 
Liebesgenuß'  hier  leicht  unterbringen,  ebenso  wie  ahd.  wini  'Freund,  Geliebter,  Gatte'.  Es 
ist  also  in  der  Tat  möglich,  die  so  stark  auseinandergehenden  Bedeutungen  zu  vereinigen. 
Es  ist  dazu  nirgends  eine  Annahme  nötig,  die  sich  nicht  durch  gute  Parallelen  stützen 
ließe.  Von  Phantasterei  kann  hier  also  keine  Rede  sein,  wohl  aber  wird  es,  wie  alles,  was 
sich  auf  das  Vorgeschichtliche  bezieht,  eine  Hypothese  bleiben,  eine  Hypothese  indessen, 
auf  die  alles  das  zutrifft,  was  man  von  einer  guten  Hypothese  verlangen  muß,  daß  sie 
nämlich  die  Tatsachen  erklärt.  Daß  der  Weg,  den  Meringer  eingeschlagen,  gangbar  ist, 
daß  er  uns  eher  zum  Ziel  führt  als  andere,  davon  bin  ich  fest  überzeugt. 

Auf  eine  andere  Möglichkeit,  auseinandergehende  Bedeutungen  zu  vereinigen,  möge 
hier  noch  aufmerksam  gemacht  werden.  Wir  haben  oben  S.  162  von  dem  Übersetzungs- 
lehnwort gesprochen,  d.  h.  Wörter  andrer  Sprachen  sind  nicht  als  solche,  sondern  als  Über- 
setzungen aufgenommen,  meistens  gewiß  nur  in  einer  bestimmten  Bedeutung.  Man  kann 
nun  aber  sehr  leicht  dazu  kommen,  auf  ein  einheimisches  Wort,  das  eine  Bedeutung  eines 
fremden  hat,  auch  andere  Bedeutungen  des  fremden  zu  übertragen.  So  heißt  frz.  repondre 
sowohl  „antworten"  wie  „entsprechen".  Letzteres  ist  im  18.  Jahrhundert  aufgekommen. 
Jetzt  aber  fängt  man  an,  d.  antworten  auch  im  Sinne  von  .entsprechen'  zu  gebrauchen. 

26* 


404  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


D.  lesen  mit  seiner  doppelten  Bedeutung  'sammeln'  und  'lesen'  hat  man  bislicr  immer 
aus  der  Runentechnik  erklärt.  Wahrscheinlicher  aber  ist  es,  daß  man  die  neue  Bedeutung 
verwendete  nach  dem  Muster  des  lateinischen  legere.  Taufen  neißt  ursprünglich  'ein- 
tauchen', wie  noch  ags.  dyppan.  Zu  der  heutigen  Bedeutung  kamen  die  Goten,  weil 
gr.  /i^oTiCf«»'  {baptizen)  sowohl  'tauchen'  wie  'taufen'  hieß. 

§  233.  Sammlung  der  Bedeutungsübergänge.  Wir  haben  in  dem  vor- 
liegenden Fall  gesehen,  daß  merkwürdige  Bedeutungsübergänge  vorkommen. 
Natürlich  vollziehen  sich  diese  ganz  allmählich,  und  wo  wir  es  mit  ge- 
schichtlichen Erscheinungen  zu  tun  haben,  da  können  wir  sie  schrittweis 
verfolgen.  Aber  wir  müssen  uns  oft  genug  auch  mit  den  vorgeschichtlichen 
Stufen  beschäftigen,  wir  haben  in  den  verwandten  Sprachen  nicht  selten 
die  gleichen  Worte  bei  stark  abweichender  Bedeutung.  Wie  sollen  wir  da 
die  Brücke  schlagen?  So  bequem  wie  bei  dem  Lautwandel,  wo  uns  die 
Lautgesetze  helfen,  haben  wir  es  nicht.  Zwar  ist  es  selbstverständlich,  daß 
auch  der  Bedeutungswandel  nicht  regellos  eintritt,  daß  er  vielmehr  Gesetzen 
gehorcht,  aber  es  ist  freilich  zu  bezweifeln,  ob  diese  Gesetze  uns  jemals 
erkennbar  sein  werden.  Es  bleibt  uns  daher  nichts  anderes  übrig,  als  uns 
auf  gleichartige  Bedeutungsübergänge  zu  stützen,  d.  h.  auf  Bedeutungs- 
übergänge, bei  denen  wir  entsprechend  große  Verschiedenheiten  antreffen, 
die  sich  aber  in  ihrem  allmählichen  Entstehen  in  der  Geschichte  verfolgen 
lassen.  Was  einmal  auf  einem  Gebiete  möglich  gewesen  ist,  das  ist  über- 
haupt möglich.  Wir  können  glücklicherweise  eine  ganze  Reihe  von  Sprachen 
lange  Zeit  geschichtlich  verfolgen.  Vom  alten  Latein  bis  zum  heutigen 
Romanischen,  vom  Altgriechischen  bis  zum  Neugriechischen  sind  Abschnitte 
von  über  2000  Jahren,  und  in  solcher  Zeit  kann  sich  manches  verändern. 
Da  können  am  Anfang  und  Ende  sehr  verschiedene  Bedeutungen  bei  dem 
gleichen  Worte  vorhanden  sein.  Und  nach  dieser  Richtung  gilt  es,  den  Stoff 
zu  sammeln.  Leider  gibt  es  noch  nichts,  was  die  sicher  beglaubigten  Be- 
deutungsübergänge in  genügender  Zahl  zusammenfaßte,  man  muß  sich  die 
ähnlichen  Fälle  immer  erst  mühsam  zusammensuchen.  Jedenfalls  hat  aber 
der,  der  einen  Bedeutungsübergang  annimmt,  die  Verpflichtung,  sicher  be- 
glaubigte gleichartige  Fälle  beizubringen.  Ist  es  einer,  so  ist  es  gut;  kann 
er  mehrere  anführen,  so  ist  es  besser. i) 

In  neuerer  Zeit  sind  eine  Reihe  von  Arbeiten  erschienen,  die  die  Wörter  einer  ge- 
wissen Begriffsgruppe  untersuchen.  So  hat  Brug.viann  die  Ausdrücke  für  den  Begriff  der 
Totalität,  Leipziger  Dekanatsprogramm  1894,  für  die  Personen  dienenden  Standes,  Idg. 
Forsch.  19,  377,  Meringer,  Idg.  Forsch.  18,  204,  die  für  'müssen'  behandelt.  Das  sind  sehr 
dankenswerte  Arbeiten;  denn  bei  einer  solchen  vergleichenden  Behandlung  müssen  sich 
notwendig  gewisse  häufiger  wiederkehrende  Bedeutungsübergänge  erkennen  lassen,  die 
dazu  dienen  können,  unerklärte  Worte  aufzuhellen.  Man  kann  nur  wünschen,  daß  diesen 
Arbeiten  zahlreiche  andere  nachfolgen. 


')  Mit  Recht  macht  E.  Wellander,  Stu-  immer  unabhängig  voneinander  eingetreten 

dien  zum  Bedeutungswandel  im  Deutschen  I.  ist,    daß    sich    vielmehr    die    europäischen 

Uppsala  1917,  S.  131  darauf  aufmerksam,  daß  Sprachen  stark  beeinflußt  haben.    Ich  halte 

der  gleiche  Bedeutungsübergang  in  den  ver-  es  aber  nicht  für  schwierig,  diese  Fälle  aus- 

schiedenen    europäischen    Sprachen    nicht  zuscheiden. 


§  234.  Heranziehung  d.  Ableitungen.  §  235.  Einteilung  d.  Bedeutungswandels.  405 

§  234.  Heranziehung  der  Ableitungen.  Ein  andrer  Punkt,  der  für  die  Auf- 
stellung der  ursprünglichen  Bedeutung  von  Wichtigkeit  ist,  ist  heute  all- 
gemein anerkannt.  Ein  Wort  steht  meist  nicht  allein,  sondern  ist  mit  einer 
Anzahl  andrer  etymologisch  verbunden.  Es  bestehen  Ableitungen,  Zusammen- 
setzungen u.  a.  Dabei  kann  das  eine  Wort,  etwa  das  Grundwort  seinen  Sinn 
ändern,  das  andere  nicht,  und  so  erhalten  wir  zwei  scheinbar  auseinander- 
gehende Bedeutungen,  aus  denen  wir  die  ursprüngliche  erschließen  müssen. 
Heerdegen  hat  dies  in  seinen  Untersuchungen  zur  lateinischen  Semasiologie 
außerordentlich  treffend  gezeigt,  ornre  hat  im  Altlateinischen  die  Bedeutung 
'reden',  diese  behält  es  in  der  Ableitung  orator,  während  sonst  dicere  dafür 

eintritt. 

Derartige  Fälle  lassen  sich  aus  allen  Sprachen,  auch  aus  dem  Germanischen  anführen. 
Die  Hilfszeitwörter  können  und  mögen  haben  einst  eine  andere  Bedeutung  gehabt,  mhd. 
heißt  ich  kan  'ich  verstehe',  idi  mac  'ich  kann'.  Diese  Hegt  noch  klar  vor  in  Kunst, 
eigentlich  'das  Wissen,  Verstehen  einer  Sache'  und  in  Macht  neben  vermögen.  Ebenso 
weist  Schuld  eine  ältere  Bedeutung  als  das  zum  gleichen  Namen  gehörige  sollen  auf, 
das  allerdings  noch  verblaßter  in  e.  /  shal  erscheint.  Ahd.  giberan  heißt  'zu  Ende  tragen, 
gebären'.  Diese  alte  Bedeutung  noch  in  Bahre.  Lesen  zeigt  den  abgeleiteten  Sinn  des 
Q.  'to  read'  nicht  in  erlesen,  auslesen.  Die  ältere  Bedeutung  von  frei  'Heb'  finden  wir 
noch  in  freien,  Freier,  Freite.  In  Kinnbein  hat  Kinn  die  alte  Bedeutung  'Wange',  lat. 
gena.  Kragen  im  ursprünglichen  Sinne  von  'Hals',  mhd.  krage  findet  sich  öfter:  es  geht 
ihm  an  den  Kragen,  Kopf  und  Kragen,  auch  Geizkragen  (in  meiner  Heimat,  weil  un- 
verständlich, umgestaltet  zu  Geizmagen).  Leib  in  der  alten  Bedeutung  'Leben'  liegt  vor 
in  Leibrente,  Leibzucht,  Nehmen  sie  uns  den  Leib,  am  Leibe  strafen,  bei  Leibe  nicht,  leib- 
haftig. Kopf  isi  ursprünglich  'Becher,  becherartiges  Gefäß',  wie  noch  in  Pfeifen-,  Schröpf-, 
Tassenkopf.  Leidi  in  der  ursprünglichen  Bedeutung  'Körper'  findet  sich  noch  in  Leichdorn, 
eig.  'Dorn  im  Körper'.  Witz  heißt  'Verstand',  daher  Aber-,  Mutter-,  Wahnwitz.  Gift  ist 
die  'Gabe',  so  noch  in  Mitgift,  Giftbude  (an  der  Nordsee).  Graf  heißt  'Vorsteher',  vgl. 
Deich-,  Salzgraf.  Vor  allem  bieten  auch  die  sprachlichen  Versteinerungen  und  die  Redens- 
arten viel  Stoff  nach  dieser  Richtung. 

Es  wird  also  immer  nötig  sein,  wenn  man  den  ursprünglichen  Be- 
deutungsinhalt eines  Wortes  erschließen  will,  die  ganze  Sippe  heranzuziehen. 
Dazu  leisten  jetzt  Liebichs  Wortfamilien  gute  Dienste. 

§  235.  Einteilung  des  Bedeutungswandels.  Auf  dem  Gebiet  des  Bedeutungs- 
wandels ist  es,  wie  wir  gesehen  haben,  nötig,  möglichst  Parallelen  zu  einem 
angenommen  Wandel  zur  Verfügung  zu  haben.  Denn  was  auf  diesem 
Gebiet  einmal  geschehen  ist,  das  kann  sich  wiederholen.  Wenn  man  so 
die  Fälle  des  wirklich  vorliegenden  Bedeutungswandels  überschaut,  so  zeigt 
sich  sehr  bald,  daß  psychologisch  ähnliche  Erscheinungen  sehr  häufig 
wiederkehren,  und  man  hat  sich  daraufhin  bemüht,  die  verschiedenen  Fälle 
zu  klassifizieren,  also  den  Bedeutungswandel  einzuteilen. 

Anmerkung.  Die  Versuche  sind  recht  beträchtUch  an  Zahl,  und  da  es  sich  um  Ge- 
setze handelt,  die  auf  allen  Sprachgebieten  in  gleicher  Weise  wirken,  so  führe  ich  auch 
die  Aufsätze  an,  die  sich  mit  nichtdeutschen  Sprachen  beschäftigen.  F.  Heerdegen,  Unter- 
suchungen zur  lateinischen  Semasiologie,  3  Hefte,  Erlangen  1875—1881 ;  Lateinische  Semasio- 
logie, Berlin  1890.  —  M.  Hecht,  Die  griechische  Bedeutungslehre,  eine  Aufgabe  der  klas- 
sischen Philologie,  Leipzig  1888.  —  G.  Lehmann,  Der  Bedeutungswandel  im  Französischen, 


406  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 

Erlangen  1884.  —  A.  Darmesteter,  La  vie  des  mots  ^tudi^e  dans  leurs  significations. 
5.  Auflage,  Paris  1899.  —  H.  Paul,  Prinzipien  der  Sprachgeschichte,  4.  Auflage,  Halle  1909.  — 
Rosenstein,  Die  psychologischen  Bedingungen  des  Bedeutungswechsels  der  Wörter,  Leipziger 
Dissertation,  1884.  —  O.  Hey,  Semasiologische  Studien;  Jahrb.  f.  klass.  Phil.,  18.  Supplement- 
band, S.  83—212;  auch  Leipzig  1890.  —  Gerh.  Franz,  Über  den  Bedeutungswandel  latei- 
nischer Wörter  im  Französischen;  Programm  des  Wettiner  Gymnasiums,  Dresden  1890.  — 
K.  MOhlefeld,  Abriß  der  französischen  Rhetorik  und  Bedeutungslehre,  Leipzig  1887;  Die 
Lehre  von  der  Vorstcllungsverwandtschaft  und  ihre  Anwendung  auf  den  Sprachunterricht, 
Leipzig  1894.  —  Engelbert  Schneider,  Semasiologische  Beiträge  I;  Gymnasial-Programm, 
Mainz  1892.  —  Morgenroth,  Zum  Bedeutungswandel  im  Französischen;  Ztschr.  f.  franz. 
Spr.  u.  Lit.  15  (1893),  1—23.  —  K.  ScHiMIDT,  Die  Gründe  des  Bedeutungswandels;  ein  semasio- 
logischer Versuch;  Programm  des  Kgl.  Realgymnasiums  in  Berlin,  1894.  —  R.Thomas,  Über 
die  Möglichkeiten  des  Bedeutungswandels;  Blätter  für  das  Gymnasialschulwesen  30,  705  fL  -- 
M.  NiTZSCHE,  Über  Qualitätsverschlechterung  französischer  Wörter  und  Redensarten;  Leip- 
ziger Dissertation,  1898.  —  JOH.  Stöcklein,  Untersuchungen  zur  Bedeutungslehre,  Dillingen 
1895;  Bedeutungswandel  der  Wörter,  München  1898.  —  W.  Wundt,  Völkerpsychologie; 
erster  Band:  Die  Sprache;  Leipzig  1900  ff.,  2,  420  ff.  —  K.  O.  Erdmann,  Die  Bedeutung 
des  Wortes,  Aufsätze  aus  dem  Grenzgebiet  der  Sprachpsychologie  und  Logik,  2.  Auflage 
Leipzig  1910.  —  RiCH.  M.  Meyer,  Bedeutungssysteme,  Kuhns  Zeitschrift  43,  352—368.  — 
Elise  Richter,  Die  Rolle  der  Semantik  in  der  historischen  Grammatik,  Verhandl.  d.  50.  Vers. 
d.  Phil.  u.  Schulmänner  in  Graz  1909.  —  W.  Rahn,  Der  reguläre  Bedeutungswandel,  Pro- 
gramm der  Oberrealschule  zu  St.  Petri  u.  Pauli,  Danzig  1909.  —  W.  van  Helten,  Semasio- 
logie, ZfdW.  14,  161  ff.  —  Erik  Wellander  s.  o.  S.  404. 

Ich  muß  es  dem  Leser  überlassen,  diese  Schriften  zu  studieren.  Die 
meisten  dieser  Versuche,  den  Bedeutungswandel  einzuteilen,  gehen  von 
logischen  Gesichtspunkten  aus,  und  sie  sind  also  noch  von  jener  Zeit  be- 
einflußt, in  der  man  in  der  Sprache  etwas  Logisches  suchte.  Einen  wirk- 
lichen Wert  für  die  Erkenntnis  des  Bedeutungswandels  haben  alle  diese 
Einteilungen  nicht.  Sie  können  nur  dazu  dienen,  den  reichen  Stoff  etwas 
übersichtlicher  zu  gestalten  und  bei  der  Anlegung  von  Sammlungen  Ord- 
nung ZU  schaffen.  Für  die  Darstellung  in  den  Wörterbüchern  ist  zweifellos 
in  erster  Linie  die  geschichtliche  Entwicklung  zu  berücksichtigen  (s.  o.  S.  399). 
Da  sich  aber  dabei  die  mannigfachsten  Erscheinungen  kreuzen,  so  läßt  sich 
der  geschichtliche  Standpunkt  schwerlich  glatt  durchführen,  und  man  wird 
also  doch  zu  einer  äußerlichen,  wenn  auch  logischen  Anordnung  als  der 
einfachsten  und  bequemsten  gedrängt. 

Sehr  einfach  ist  es,  die  eigentliche  und  die  übertragene  Bedeutung  zu 
unterscheiden,  d.  h.  einzuteilen,  je  nachdem  die  veränderte  Bedeutung  inner- 
halb desselben  Begriffes  bleibt  oder  nicht.  Im  ersten  Falle  kann  sie  sich 
a)  verengern  oder  b)  erweitern,  verallgemeinern. 

Den  zweiten  Fall  nennt  man  die  Metapher.  Auch  bei  ihr  lassen  sich 
abgesehen  von  Verengerung  und  Erweiterung  zwei  Unterabteilungen  aufstellen : 

a)  Die  Bedeutung  ist  in  eine  andere  Begriffssphäre  übertragen  durch 
rein  gedankliche  Vermittlung,   das  ist  die  eigentliche  reine  Metapher,   oder 

b)  es  besteht  zwischen  zwei  Dingen  ein  sachlicher  Zusammenhang,  auf 
Grund  dessen  ein  Wort  einen  andern  Sinn  erhält.  Dies  bezeichnet  man  jetzt 
mit  Metonymie. 


§  236.  a)  Verengerung  der  Bedeutung.  407 

Außerdem  gibt  es  noch  einige  andere  Arten,  wie  die  Hyperbel,  die 
Litotes.  1) 

Diese  Einteilung  stammt,  soweit  ich  sehe,  von  Thomas,  und  nach  diesen 
Gesichtspunkten  ist  der  Stoff  von  Bedeutungsveränderungen,  der  sich  in 
Pauls  deutschem  Wörterbuch  findet,  von  A.Waag  behandelt  worden:  Be- 
deutungsentwicklung unsres  Wortschatzes.  Auf  Grund  von  Hermann  Pauls 
deutschem  Wörterbuch  in  den  Haüpterscheinungen  dargestellt;  Lahr  i.  B., 
3.  vermehrte  Auflage  1915.  In  diesem  Buche,  das  nur  zu  empfehlen  ist, 
findet  man  in  ansprechender  Darstellung  eine  Fülle  von  Bedeutungsüber- 
gängen angeführt,  und  ich  kann  mich  daher  an  dieser  Stelle  auf  eine  Aus- 
wahl von  Beispielen  beschränken. 

I.  BEDEUTUNGSWANDEL  INNERHALB  DESSELBEN  BEGRIFFSGEBIETS. 

§236.  a)  Verengerung.  Bei  der  Verengerung  der  Bedeutung  werden  ge- 
wisse Momente,  die  schon  an  und  für  sich  in  dem  Begriff  waren,  besonders 
betont  und  hervorgehoben,  so  daß  allmählich  die  übrigen  Merkmale  und 
der  allgemeine  Sinn  ganz  verdrängt  werden.  Zunächst  steht  die  allgemeine 
Bedeutung  noch  neben  der  verengten,  und  in  vielen  Fällen  ist  das  bis  auf 
den  heutigen  Tag  so  geblieben,  indem  eben  die  meisten  Worte  eine  all- 
gemeine und  eine  verengte  Bedeutung  haben.  Erst  in  den  Fällen,  wo  der 
allgemeine  Sinn  ganz  verdrängt  und  nur  der  besondere  geblieben  ist,  er- 
scheint der  Vorgang  als  abgeschlossen.  Derartige  Übergänge  erfordern 
natürlich  Zeit,  und  der  Gang  der  Entwicklung  erstreckt  sich  durch  Jahr- 
hunderte. Zu  beachten  ist  noch,  daß,  wenn  auch  der  Übergang  ganz  be- 
endet zu  sein  scheint,  doch  noch  in  einzelnen  erstarrten  Verbindungen  der 
ursprüngliche  Sinn  vorliegen  kann.  So  heißt  arm  ursprünglich  'beklagens- 
wert, unglücklich',  und  dies  hat  sich  noch  in  armer  Sünder,  arme  Seele, 
armer  Teufel  erhalten. 

Der  Stoff  für  diese  Art  des  Bedeutungswandels  ist  überaus  reichhaltig. 
Es  gehören  hierher  vor  allem  die  Fälle,  wo  ein  Wort  in  einer  Sondersprache 
eine  engere  Bedeutung  angenommen  hat.  Ich  kann  also  zum  Teil  auf  die 
Beispiele  verweisen,  die  in  dem  früheren  Kapitel  angeführt  sind,  und  füge 
denen  noch  einige  hinzu. 

Die  Ausdrücke  für  Nutzpflanzen  allgemeiner  Art  werden  für  die  Pflanzen  gebraucht, 
die  in  einer  Gegend  am  verbreitetsten  sind.  So  gilt  in  Süddeutschland  Kraut  jetzt  für 
'Kohl',  vgl.  auch  Rot-,  Weiß-,  Welsdi-,  Sauerkraut.  Frudit,  entlehnt  aus  hl  fructus,  be- 
kommt süddeutsch  die  Geltung  'Getreide',  daher  Frudithalle.  Korn,  M.  gränum,  bezeichnet 
je  nach  der  Gegend  die  vorwiegend  gebaute  Getreideart,  so  in  vielen  Gegenden  Norwegens 
und  Schwedens,  in  Island,  in  Nordfriesland,  Helgoland,  Butjadingen,  Jeverland  die  Gerste, 
im  nördlichen  und  mittlem  Deutschland,  auch  in  Bayern,  den  Niederlanden,  schweizerisch 
im  Aargau  und  Wallis  den  Roggen,  in  Franken,  Schwaben,  der  Schweiz  den  Dinkel 
oder  Spelt,  in  Siebenbürgen  den  Weizen,  in  Westfalen,  Schottland,  Nordengland  den 
Hafer.  Ebenso  hatGetreide  ursprünglich  einen  allgemeinen  Sinn,  ahd.gitregidi 'Erträgnis'. 

Auf  ähnliche  Weise  wird  man  es  wohl  auch  erklären  können,  daß  Baumnamen  ihre 


')  Daß  alle  diese  Einteilungen  unzureichend  sind,  betont  Wellander  (s.o.S.  404)  mit  Recht. 


408  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


Bedeutungen  so  häufig  wechseln,  l.ni.  (jucrcus  entspricht  dem  ahd.  forha,  jetzt  /Ohre. 
Das  Wort  *perkiio-  wird  eine  Zeitlang  den  haupts.lclilich  vertretenen  Baum  bezeichnet  haben. 

Durch  den  kircliliciien  Gebrauch  werden  eine  ganze  Reihe  von  Ausdrücken  in  ihrer 
Gebrauchsweise  verengert:  Abendmahl,  Andadit  von  an  etwas  denken,  Beidite  von 
ahd.  bijehan  'etwas  aussprechen',  Rene,  mhd.  riiiwe  'Herzeleid,  Kummer,  Betrübnis",  Buße 
eigentlich  'Besserung,  Schadenersatz',  Ablaß,  Bann  'Strafe  für  Übertretung'  usw. 

Aus  dem  kaufmännischen  Leben  haben  wir:  Knnde  'wer  bekannt  ist',  billig,  ur- 
sprünglich 'recht',  billig  in  unserm  Sinne  heißt  'nicht  teurer  als  sich  gehört'.  Die  Ableitung. 
billigen  zeigt  noch  die  Grundbedeutung.  Sdmld,  Sdiulden  ist  Abstraktbildung  von. 
sollen  und  heißt  eigentlich  'Verpflichtung  zu  einer  Leistung'.  Währung  ist  'Gewähr- 
leistung', dann  'staatliche  Festsetzung  des  Wertes  einer  Münze,  staatliche  Gewährleistung', 

So  könnte  man  aus  allen  Sondersprachen  reichen  Stoff  beibringen. 

§  237.  Verschlechterung  der  Bedeutung.  Eine  besonders  wichtige  Abart  der 
Bedeutungsverengerung  ist  die  Verschlechterung  der  Bedeutung,  wie  sie  sich 
tatsächlich  in  vielen  Worten  findet.  Man  hat  zur  Erklärung  dieser  seltsamen 
Erscheinung  einen  pessimistischen  Grundzug  der  Sprache  angenommen^ 
wie  man  ja  auch  sonst  häufig  den  Satz  aussprechen  hört,  daß  alles  schlechter 
geworden  ist.  In  Wirklickheit  liegt  die  Sache  ganz  anders.  Diese  Erschei- 
nung beruht  im  wesentlichen  darauf,  daß  mit  dem  betreffenden  Wort  zu- 
nächst etwas  Allgemeines  ohne  lobenden.^ oder  tadelnden  Nebensinn  be- 
zeichnet wird,  daß  dann  aber  zur  Hervorhebung  des  Bessern  ein  neues 
Wort  gebildet  oder  ein  anderes  dafür  verwendet  wird. 

So  bedeutet  z.  B.  riedien  das  Allgemeine,  und  man  kann  unterscheiden  es  riedit 
gut  und  es  riedit  sdiledit.  Für  gut  riedien  haben  wir  aber  schon  einen  neuen  Ausdruck 
duften  geschaffen,  und  daher  dient  das  bloße  Wort  riedien  bereits  zur  Bezeichnung  des 
schlechten  Geruches.  Wenn  es  irgendwo  riedit,  dann  riecht  es  eben  schlecht.  Was  hier 
in  den  Anfängen  vor  uns  liegt,  ist  bei  stinken  vollzogen.  Ahd.  stinkan  kann  heißen 
'odorent  dare,  olere,  redolere,  riechen,  duften';  aber  auch  schon  'stinken'.  Riedien  heißt 
aber  im  Althochdeutschen  erst  'rauchen,  dampfen',  erhalten  in  dem  Hauptwort  Raiidi,  und 
bekommt  erst  im  Mittelhochdeutschen  'vielleicht  vom  Weihrauch'  her  die  Bedeutung  'duften'. 
Erst  mit  dem  Aufkommen  dieses  Wortes  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  daß  stinken  seine 
Bedeutung  verschlechtert.  —  Der  Pfaffe  ist  im  Mittelhochdeutschen  noch  der  Geistliche 
im  allgemeinen,  ohne  üblen  Nebensinn.  Dieser  scheint  aus  der  Zeit  der  Reformation  zu 
stammen,  indem  Luther  das  W^ort  vorwiegend  für  die  katholischen  Geistlichen  gebrauchte. 
Er  konnte  das  aber  nur  tun,  weil  er  das  Wort  Priester  daneben  hatte.  Außerdem  haben 
wir  Prediger,  Pastor,  Pfarrer,  Geistlidier,  unter  denen  sich  vielleicht  wieder  ein  Rang- 
streit entwickeln  wird,  wie  denn  vielfach  schon  der  Titel  Pfarrer  dem  ersten  Geistlichen 
einer  Gemeinde  beigelegt  wird,  während  der  zweite  Pastor  heißt.  —  Wahn  bezeichnet 
im  Mittelhochdeutschen  eine  unsichere  Hoffnung.  Es  sinkt  zu  der  Bedeutung  'falscher, 
trügerischer  Glauben',  sobald  ein  anderes  Wort  aufkommt,  das  die  'sichere  Erwartung'  aus- 
drückt. —  Mit  Frau  und  Fräulein  redete  man,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  'adlige 
Frauen'  an.  Als  die  französische  Revolution  die  Schranken  der  Stände  gebrochen  hatte, 
fing  man  auch  in  Deutschland  an,  diese  Ausdrücke  zunächst  auf  gesellschaftlich  hoch- 
stehende bürgerliche  Familien  anzuwenden.  Je  mehr  sich  dies  verbreitete,  um  so  tiefer 
sanken  Madam  und  Mamsell,  die  bis  dahin  zur  Bezeichnung  von  Frauen  bürgerlichen 
Standes  gedient  hatten.  Jetzt  ist  aus  letzterm  ein  technischer  Ausdruck  geworden.  Die 
Mamsell  herrscht  auf  dem  Lande  und  in  der  Küche  der  Gasthäuser.  Aber  auch  Fräulein 
ist  entadeh  —  wie  denn  'bessere'  Familien  heute  ein  Fräulein  haben  — ,  weil  der  Aus- 
druck gnädiges  Fräulein   aufgekommen  ist.    Die  Zeit   ist   sicher   nicht  fern,   in   der  auch 


§  237  Verschlechterung,  §  238  Verbesserung  der  Bedeutung.  409 


dieser  Ausdruck  abgelöst  werden  wird.  Ganz  die  gleiche  Entwicklung  zeigen  Worte  wie 
Jungfer,  Magd,  und  mit  nocli  tieferm  Sinken  Dirne  —  ahd.  thiorna  wurde  für  die 
Jungfrau  Maria  gebraucht.  Das  Gasthaus  wird  zu  einem  Unterkunftsort  geringern  Grades, 
seitdem  das  Hotel  aufgekommen  ist.  Auch  hier  steht  man  nicht  still.  Heute  bezeichnen 
sich  schon  viele  Gasthäuser  als  Grandhotels.  Restaurant  drückt  das  alte  Wort  Sdienke. 
Weiter  führt  die  Reklame  zu  immer  neuen  Auswüchsen  nach  dieser  Richtung.  Über  dem 
kleinsten  Zigarrengeschäft  kann  man  lesen  Zigarrenimport,  \johei -import  einfach  die 
Bedeutung  'Geschäft'  angenommen  hat.  Ebenso  ist  es  im  Titelwesen.  Jeder  Zusatz,  jeder 
neue  Titel  drückt  den  altern.  Seitdem  die  Bezeichnung  Oberlehrer  gebraucht  wird,  be- 
zeichnet Lehrer  einen  geringern  Grad. 

Eine  merkwürdige  Erscheinung,  die  hierher  gehört,  ist  es  auch,  daß  wir  für  die  Tätig- 
keiten oder  Eigenschaften  der  Tiere  besondere  Ausdrücke  geschaffen  haben.  Das  Tier /r/yj^ 
sein  Futter,  säuft  mit  dem  Maul  und  ist  mit  einem  Fell  bedeckt.  Diese  Ausdrücke 
wurden  früher  zum  Teil  auch  für  den  Menschen  gebraucht.  So  heißt  es  im  Mittelhoch- 
deutschen Wigalois  872: 

eben  und  lüter  was  ir  vel  oder 

si  zarte  von  den  linden  wangen 
das  vil  rote  vel. 
und  im  Erec  2130: 

idi  wil  iu  zeiner  mä^e 

sagen  von  ir  vräje, 
d.  i.  'von  ihrem  Essen',   bei  dem  Gastmahle,  das  Erec  bei  seiner  Vermählung  gibt.    Diese 
Verschlechterung  der  Bedeutung  konnte  erst  eintreten,  als  essen,  trinken,  Haut  als  die 
edlern  Ausdrücke  gefühlt  wurden.   Heute  dringt  ja  speisen  als  das  Feinere  vor. 

Dieser  eigentümliche  Vorgang  ist  nunmehr,  wie  ich  denke,  klar,  und 
es  bleibt  mir  nur  noch  übrig,  in  aller  Kürze  eine  Reihe  anderer  Beispiele 
zu  geben,  die  der  Leser  in  einem  Wörterbuche  weiter  verfolgen  möge: 

Mähre  'schlechtes  Pferd',  ebenso  Klepper,  Gaul;  Aas,  eigentlich  'Speise',  ver- 
gleiche äsen,  beide  zu  essen,  Luder  'Lockspeise',  Metze,  Koseform,  zu  Mathilde, 
sdimuggeln  zu  schmiegen,  Seudie  'Krankheit',  sudeln,  eigentUch  'kochen',  zu  sieden, 
sich  stellen  bei  Luther  'sich  gebärden'.   Hodimut  ursprünglich  'gehobene  Stimmung'  usw. 

Eine  kurze  Bemerkung  sei  noch  über  die  Ausdrücke  hinzugefügt,  die  moralische  Eigen- 
schaften bezeichnen.  Hier  zeigt  sich  wieder  eine  andere  Grundtendenz  sehr  deutlich,  indem  alles, 
was  der  Allgemeinheit  angehört,  allmählich  als  niedrig  und  schlecht  empfunden  wird.  So  haben 
wir  gemein,  gewöhnlidi,  niedrig,  vor  allem  aber  sdiledit.  Dieses  bedeutet  ursprünglich 
'einfach,  glatt,  eben',  wie  wir  es  noch  in  sdiledit  und  redit  haben,  oder  wie  wir  bei  Luther  finden : 
Krumm  kann  nidit  schledit  werden.  Auch  sdilidit  ist  ja  dasselbe  Wort  wie  sdiledit;  albern 
ist  entstanden  aus  mhd.  alwcere,  ahd.  alawari  'gütig,  freundlicli,  zugeneigt'. 

Schließlich  verdienen  hier  an  dieser  Stelle  auch  die  Fremdwörter  unsere  Aufmerksam- 
keit. Fremdwörter  werden  ja  auch  aufgenommen,  ohne  daß  ein  besonderes  Bedürfnis  dazu 
vorliegt,  indem  ein  einheimisches  Wort  für  den  Begriff,  den  sie  ausdrücken,  schon  vor- 
handen ist.  In  solchen  Fällen  dienen  sie  nicht  selten  jenem  Trieb  der  Sprache,  einen  bessern 
Ausdruck  zu  haben.  So  sagen  wir  transpirieren  für  sdiwitzen,  korpulent  für  didi. 
Arbeiter  und  Dienstboten  erhalten  Lohn,  Schauspieler  Gage.  Der  Kaufmann  schickt  eine 
Redinung,  der  Arzt  und  der  Rechtsanwalt  eine  Liquidation.  Deckt  sich  aber  das 
Fremdwort  völlig  mit  dem  Deutschen,  dann  bekommt  es  meist  eine  etwas  schlechtere  Be- 
deutung. Wir  haben  daher  Bravour  neben  Tapferkeit  in  dem  Sinne  von  'renom- 
mierender, unüberlegter  Tapferkeit',  Kurage  neben  Mut. 

§  238.  Verbesserung  der  Bedeutung.  Auf  der  andern  Seite  gibt  es  aber 
auch  eine  Verbesserung  der  Bedeutung.  Hierbei  handelt  es  sich  oft  um 
Ausdrücke  der  Dichtersprache,  d.  h.  Ausdrücke,  die  im  gewöhnlichen  Leben 


410  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 

verloren  gegangen,  in  der  Dichtersprache  aber  erhalten  geblieben  sind,  und 
nun  als  edel  empfunden  werden.  Nach  dieser  Richtung  wäre  leicht  mancherlei 
zu  sammeln,  da  die  Wörterbücher  des  18.  Jahrhunderts  häufig  das  unedle 
eines  Ausdrucks  anmerken  oder  durch  ein  besonderes  Zeichen  kenntlich 
gemacht  haben.   Ich  nenne  hier  nur  Range,  Racker,  Sdielm,  Dreck. 

§  239.  b)  Erweiterung  der  Bedeutung.  Während  Waag  für  die  Bedeutungs- 
verengerung 133  Nummern  anführt,  gibt  er  für  die  Erweiterung  nur  59.  Es 
könnte  also  scheinen,  als  ob  dieser  Fall  sehr  viel  seltener  wäre.  Nach  dem 
aber,  was  wir  oben  S.  98  über  die  genaue  Unterscheidung  der  einzelnen 
Dinge  unter  einfachen  Verhältnissen  angeführt  haben,  wird  man  mit  der  Tat- 
sache der  Bedeutungserweiterung  gerade  in  den  altern  Zeiten  sehr  stark  zu 
rechnen  haben.  Es  ist  nur  nicht  leicht  möglich,  diesem  Punkt  nachzukommen. 

Wenn  wir  z.  B.  für  den  Begriff  'Feuer'  zwei  Ausdrücke  im  Indogermanischen  nach- 
weisen können,  ahd.  fiur  gr.  jivo  {pyr)  und  lat.  ignis,  aind.  agnih,  so  ist  es  durchaus  wahr- 
scheinlich, daß  jeder  von  ihnen  eine  engere  Bedeutung  gehabt  hat;  aber  beim  Beginn  der 
Überlieferung  liegt  eben  nur  die  eine  allgemeine  vor,  so  daß  wir  eine  Erweiterung  der- 
selben hier  nicht  nachweisen  können.  Auf  andere  derartige  Fälle  ist  schon  oben  aufmerk- 
sam gemacht  worden.  Unsere  Wörterbuchbearbeiter  gehen  zudem  fast  stets  von  dem  All- 
gemeinen als  dem  Ursprünglichen  aus,  obgleich  dies  durchaus  nicht  sicher  ist,  so  daß  wir 
auch  dadurch  ein  ganz  falsches  Bild  bekommen.  So  steht  bei  Grimm  unter  Ding  die 
allgemeinste  Bedeutung  voran,  während  Paul  allerdings  von  der  von  'Gerichtsverhandlung' 
ausgeht.  Für  bauen  geht  Paul  von  der  Bedeutung  'wohnen'  aus,  aus  der  sich  die  speziellere 
'das  Feld  bebauen'  entwickelt  hätte.  Möglich  ist  aber  auch,  daß  diese  ursprünglicher  ist. 
Was  also  Waag  verzeichnet,  sind  nur  die  ganz  sichern  Fälle,  die  zweifellos  sehr  vermehrt 
werden  könnten.  Hierher  gehören  zunächst  viele  Worte,  die  aus  den  Berufssprachen  unter 
Aufgeben  des  besondern  Sinnes  in  die  Allgemeinsprache  vorgedrungen  sind.  Beispiele 
sind:  Chor,  zuerst  Chor  der  Geistlichen;  Feier,  mhd.  vire  'Kirchenfest',  vgl.  Petri- 
kettenfeier;  Mütze,  mlat.  almiiccia  'Kopfbedeckung  eines  Geistlichen';  Zehnte  'Abgabe 
eines  Zehntels  des  Ertrages  an  die  Geistlichkeit';  stiften  'ein  Stift  gründen';  widmen 
bezog  sich  im  Mittelhochdeutschen  auf  das  der  Frau  bei  der  Verheiratung  ausgesetzte 
Wittum;  sdienken  hieß  'Getränke  eingießen',  daher  noch  Sdienke 'Schtnk' ;  nadiahmen 
gehört  zu  Ohm  'ein  Gefäß',  also  eigentlich  'ein  Gefäß  ausmessen';  sdiildern  ist  eigent- 
lich 'Schilder  malen';  hauen  'mit  einem  scharfen  Werkzeug  schlagen',  daher  noch  Hau- 
degen, es  ist  nidit  gehauen  und  nidit  gestodien;  treiben  bezog  sich  wohl  auf  das  Vieh; 
widisen  eigentlich  'mit  Wachs  bestreichen'.  Aus  der  Rechtssprache  stammen  Ding, 
Sadie,  Rede.   Kapelle  hieß  ursprünglich  die  Musikerschar  in  einer  Kirche. 

II.  BEDEUTUNGSWANDEL  UNTER  ÜBERGANG  IN  EIN  ANDRES  BEGRIFFSGEBIET. 
§  240.  a)  Die  Metapher.  Die  Metapher,  die  Übertragung,  der  Übergang 
der  Bedeutung  in  eine  andere  Begriffssphäre  gehört  zu  den  gewöhnlichsten 
Vorgängen  auf  dem  Gebiete  des  Bedeutungswandels.  Wir  treffen  sie  überall, 
denn  bildliche  Ausdrücke,  phantasievolle  Vergleiche  bilden  eben  eine  tief 
in  der  menschlichen  Natur  wurzelnde  Eigentümlichkeit.  Ohne  Bilder,  ohne 
Metaphern  hat  nie  eine  Sprache  bestanden.  Man  darf  nicht  etwa  annehmen, 
daß  die  Metapher  ein  Erzeugnis  jüngerer  Sprachepochen  sei.  Aus  den  Be- 
richten über  die  primitiven  Völker  wissen  wir,  wie  sehr  sie  sich  die  ganze 
Natur  belebt  denken,  wie  sie  überall  Ähnlichkeiten  entdecken  und  Ähnlich- 
keiten herstellen.   Als  Karl  von  den  Steinen  seinen  Indianern  einen  Spiegel 


§  239.  b)  Erweiterung  der  Bedeutung.  §  240.  a)  Metapher.  §  241.  b)  Metonymie.  41 1 

zeigte,  besahen  sie  ihn,  dann  aber  sagten  sie  'Wasser'.  Damit  war  das  Ding 
klassifiziert.  Bei  vielem,  was  neu  auftritt,  verfahren  wir  nicht  anders.  Jedes 
Gefäß  wird  in  menschenähnlicher  Gestalt  dargestellt  und  bekommt  daher 
einen  Bauch,  einen  Schnabel,  das  Backwerk  ahmt,  heute  noch  erkennbar, 
mannigfach  Formen  der  Natur  nach.  Wenn  wir  jetzt  von  einem  Bart  am 
Schlüssel  reden,  so  hatte  bei  den  Alten  ebenso  die  Axt  einen  Bart,  sie  hieß  die 
Bärtige,  d.  h.  Barte.  Die  Teile  unseres  menschlichen  Körpers  kehren  daher 
überall  in  der  unbelebten  Natur  wieder:  Auge  —  Fettauge,  Pfauenauge; 
Zunge  — Landzunge, Seezunge, Zunge  2in^&r^?LgQ.;  Ohr  — Eselsohr;  Öhr— 
Nadelöhr;  Nagel;  Nase.  Unser  Giebel  ist  dsiSgr.xecpaXri  (kephalct)  'Kopf. 

Reichen  Stoff  für  metaphorische  Übertragungen  bietet  Waag.  Außerdem 
kann  man  aber  mit  leichter  Mühe  selbst  vielerlei  zusammenbringen,  da  die 
Metapher  zum  allergewöhnlichsten  in  der  Bedeutungsentwicklung  gehört. 
Sie  ist  jedenfalls  auch  die  Erscheinung  des  menschlichen  Geistes,  die  zu 
den  häufigsten  und  weitgehendsten  Veränderungen  der  Bedeutungen  führt. 
Ist  doch  dem  Vergleichen  kein  Ziel  gesetzt,  und  die  Phantasie  macht  oft- 
mals die  wildesten  Sprünge.  Vgl.  hierzu  auch  Wellander,  Studien  I,  153  ff. 

§  241.  b)  Die  Metonymie.  Von  der  Metapher  läßt  sich  eine  andere  Art 
der  Übertragung  in  eine  neue  Begriffssphäre  unterscheiden,  die  Metonymie. 
Die  Bedeutungsverschiebung  ist  hierbei  dadurch  bedingt,  daß  zwei  Dinge 
in  Raum,  Zeit  oder  nach  Grund  und  Folge  verbunden  auftreten,  und  daß 
daher  der  eine  Begriff  leicht  den  andern  erweckt.  Infolgedessen  dient  das 
Wort,  das  den  einen  Begriff  bezeichnet,  nicht  selten  auch  zur  Bezeichnung  des 
andern.  Diese  metonymischen  Übertragungen  sind  das  Allergewöhnlichste 
von  der  Welt,  und  es  kommen  dabei  die  sonderbarsten  Erscheinungen  vor. 
Wenn  aber  die  geschichtliche  Vermittlung  fehlt,  dann  kann  man  schwer  mit 
dieser  Art  der  Bedeutungsübertragung  etwas  machen. 

Wie  sollte  man  zum  Beispiel  unser  bigott  mit  span.  W^o^^ 'Knebelbart' vereinigen? 
Die  Erklärung  ist  zwar  nicht  sicher,  aber  doch  wahrscheinlich  richtig.  Spanisch  finden  wir 
hombre  de  bigote  'Mann  von  ernstem  festem  Charakter'.  Man  muß  annehmen,  daß  ge- 
wisse Kreise,  die  bestimmte  ernste  Ziele  hatten,  einen  Knebelbart  trugen,  worin  nichts 
Wunderbares  liegt,  da  die  Barttracht  oft  als  Parteizeichen  verwendet  wird.  Ferner  hängt 
unser  Knaster  mit  span.  canastro  'Korb'  zusammen.  Auch  hier  liegt  eine  Metonymie  vor. 
Span,  canastro  bezeichnete  den  Korb,  in  dem  Tabak  verpackt  wurde.  Der  Übergang  der 
Bedeutung  zu  'Tabak  im  Korbe',  'Tabak'  überhaupt,  ist  dann  nicht  schwer. 

Der  Anstoß,  den  Meringers  oben  erwähnte  Versuche  erregt  haben,  liegt 
darin  begründet,  daß  er  diesen  Faktor  der  Metonymie  auch  stark  für  die 
vorgeschichtlichen  Zeiten  verwendet.  Wenn  uns  für  diese  Zeit  auch  die 
positiven  Nachrichten  fehlen,  so  können  diese  doch  durch  die  Phantasie 
des  Forschers  und  eine  genaue  Kenntnis  des  wirklichen  Lebens  und  der 
wirklichen  Zustände  der  alten  Zeit  ersetzt  werden.  Wem  diese  so  lebendig 
sind  wie  Meringer,  dem  werden  auch  gute  Ergebnisse  zuteil  werden. 

Man  kann  auch  bei  der  Metonymie  noch  manche  Unterabteilungen 
annehmen.  Wir  beschränken  uns  auf  einige  Hauptpunkte. 


412  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 

1.  Örtlicher  Zusammenhang.  Hierbei  geht  die  Bedeutung  leicht 
von  der  des  Ortes,  an  oder  in  dem  sich  etwas  befindet,  zu  dem  über,  was 
sich  daran  oder  darin  befindet. 

Hierher  gehören  die  Bezeichnungen  einiger  Kleidungsstücke:  Kragen,  mhd.  krage 
Hals',  also  'das,  was  sich  am  Hals  befindet'.  Ähnlich  Leibdien,  Bein  (einer  Hose),  Rücken 
(eines  Rockes);  es  kommen  mundartlich  auch  vor //rJ/so'/en,  Brust,  Brüstdien,  Busen 
(vgl.  r3VVB.  5,  1960).  Man  wird  weiter  so  erklären  können  Brudi  'Hose',  ags.  bnc  'Steiß', 
Mieder,  mhd.  muoder  n.,  africs.  wö^Atr 'Ürustbinde  der  Frauen'  zu  Mutter.  Vgl.  auch  gr.  ui'ixoa 
{nuitra),  lat.  niatrix  'Gebarmutter',  was  auf  einen  ähnlichen  Bedcutungsübergang  hinweist. 

Man  wählt  weiter  Dinge,  die  mit  einer  Person  vereinigt  auftreten,  zur  Bezeichnung 
dieser  Person,  so  z.B.  Sdilaf mutze,  Blaustrumpf,  Sdiürze,  Blaujadie,  Teerjadie, 
Grünrod:  oder  Besen  =  Dienstmädchen.  Roßkamm  'Pferdehändler',  ^/2/>r/V/n 'Schuster', 
Pjlasterkasten  'Apotheker,  Arzt',  P/effersack  'Kaufmann'. 

Der  Ort,  wo  sich  Personen  aufhalten,  wird  zur  Bezeichnung  dieser  Personen  selbst. 
Hierfür  gibt  es  zahlreiche  Beispiele:  Hof,  Geriditshof,  Frauenzimmer,  Tafelrunde, 
Nachbildung  des  franz.  table  ronde  'runde  Tafel',  Kabinett  im  Sinne  von  Ministerium. 
Ebenso  kann  der  umgekehrte  Fall  eintreten:  Universität,  Ministerium.  Das  Wort 
Kapelle  zeigt  eine  Fülle  metonymischer  Übertragungen:  es  stammt  von  mlat.  cappa  'das 
Haupt  milbedeckender  Mantel",  woher  unser  Kappe.  Kapelle  als  'Mantel'  wifrde  dann  in 
seiner  Bedeutung  verengt  auf  den  Mantel  des  heiligen  Martinus;  da  dieser  in  einer  'Ka- 
pelle' aufbewahrt  wurde,  so  trat  die  metonymische  Übertragung  ein.  In  den  Schloßkapellen 
der  Fürsten  wirkten  Musiker  mit,  auf  die  dieser  Name  schließlich  weiter  übertragen  wurde. 
Nachdem  diese  Bedeutung  einmal  fest  geworden  war,  wurde  sie  wieder  erweitert  und  be- 
zeichnet nun  eine  Musikerschar  überhaupt.  Wer  würde,  wenn  uns  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung fehlte,  auf  den  Gedanken  kommen,  daß  die  beiden  Bedeutungen  des  Wortes 
Kapelle  'Gotteshaus'  und  'Musikerschar'  auf  die  eine  einzige  zurückgingen.  Wir  haben  da- 
neben noch  die  etwas  veraltete  Bedeutung  "Schmelztieger.  So  gut  bei  dieser  ein  selb- 
ständiges Wort  vorliegt,  könnte  es  auch  bei  den  beiden  andern  der  Fall  sein. 

2.  Zeitlicher  Zusammenhang.  Hier  liegt  der  gleiche  Vorgang,  wenn  auch  nicht 
so  häufig,  vor.  Mahlzeit,  eigentlich  "Zeit  des  Mahles',  dann  'was  dabei  gegessen  wird'; 
Messe  'Jahrmarkt'  ist  dasselbe  Wort  wie  Messe  'Abendmahlsfeier'.  Mit  der  kirchlichen 
Feier  war  aber  sehr  häufig  in  alter  Zeit,  wie  noch  heute  in  Russisch-Polen,  ein  Verkauf, 
ein  Markt  verbunden.  So  entsteht  dann  die  Bedeutung  'Jahrmarkt'.  Toast  bedeutet  im 
Englischen  'geröstete  Brotschnitte'.  Die  Bedeutung  'Trinkspruch'  rührt  daher,  weil  dem, 
der  reden  sollte,  ein  Glas  mit  einem  Toast  überreicht  wurde. 

3.  Zusammenhang  nach  Grund  und  Folge.  Ein  derartiger  Bedeutungsübergang 
liegt  bei  müssen  vor.  Got.  gamötan  bedeutet  'Raum  haben,  Platz  finden';  daraus  ent. 
wickelt  sich  'die  Erlaubnis  haben,  dürfen'.  Da  aber  die  Möglichkeit  häufig  nur  eine  Zwangs- 
möglichkeit ist,  so  entsteht  der  jetzige  Sinn  (schon  im  Mittelalter).  Bedeutungsübergänge, 
die  darauf  beruhen,  daß  etwas  Freiwilliges  durch  den  Zwang  der  Verhältnisse,  durch  Sitte 
und  Brauch  zum  Muß  wird,  haben  wir  nicht  selten.  So  ist  Bede  'Abgabe,  die  ursprünglich 
Freie  bezahlten'  nichts  anderes  als  Bitte.  Weit  verbreitet  in  der  Welt  ist  die  sogenannte 
•Bittarbeit'.  Bücher,  Arbeit  und  Rhythmus*  S.  256  sagt  darüber:  .Bei  Feldarbeiten,  beim 
Hausbau  und  gewissen  häuslichen  Verrichtungen,  die  keinen  Aufschub  erleiden,  namentUch 
solchen,  die  mit  der  Ernte  zusammenhängen,  werden  freiwillige  Hilfskräfte  zur  Unter- 
stützung von  den  Nachbarn  erbeten;  an  die  Arbeit  schließt  sich  in  der  Regel  eine  festliche 
Bewirtung  im  Hause  des  Arbeitgebers  an.  Beruht  diese  Bittarbeit  bei  den  gewöhnlichen 
Dorfgenossen  auf  Gegenseitigkeit,  so  wird  sie  dem  Häuptlinge  gegenüber  leicht  zum 
Dienste  oder  zur  Fronde.*  Was  bei  uns  Bitte,  Bede  heißt,  nennen  die  Serben  ganz 
ähnlich  moba  von  molitf  'bitten'.  Unserm  Wort  bitten  entspricht  wahrscheinlich  aind. 
badhate,  das  'drängt,  verdrängt,  bedrängt'  bedeutet. 


§242.  Metonymische  Ableitungen  von  Eigennamen.  413 

Frondienst  ist  ja  nichts  anderes  als  Herrendienst  (zu  ahd.  frö  'Herr').  Steuer 
heißt  eigentUch  'Stütze',  dann  'Unterstützung,  Beistand'  (noch  in  der  Redensart  zur  Steuer 
der  Wahrheit).  Von  den  Abgaben  an  den  Landesherrn  heißt  ursprünglich  nur  diejenige 
Steuer,  die  insofern  freiwillig  ist,  als  sie  von  den  Ständen  zu  einem  besondern  Zweck  be- 
willigt wird.  Ebenso  entwickelt  sich  sehr  leicht  aus  'arbeiten'  'arbeiten  müssen',  wie  wir 
dies  in  dem  slawischen  Robott  haben. 

Hierher  gehören  denn  auch  die  Bedeutungsübergänge,  in  denen  der  Stoff,  aus  dem 
etwas  besteht,  als  Bezeichnung  des  Gegenstandes  selbst  gebraucht  wird,  wie  anord.  askr 
'Speer',  d.  Asdi  'Napf. 

§  242.  Metonymische  Ableitungen  von  Eigennamen.  Mit  Metonymie  haben 
wir  es  in  den  meisten  Fällen  zu  tun,  wo  etwas  nach  einem  Ort,  einer  Person 
oder  ähnlichem  benannt  wird,  sei  es,  daß  die  Sache  von  dem  Orte  stammt 
oder  von  dem  betreffenden  Mann  erfunden  oder  sonst  mit  ihm  verkettet  ist. 
Ich  halte  es  für  angebracht,  einiges  aus  dem  überaus  reichen  Stoff,  den  wir 
nach  dieser  Richtung  in  unsrer  Sprache  haben,  zusammenzustellen.  Vieles 
findet  man  nicht  in  den  Wörterbüchern,  und  die  Fülle  der  hier  vereinten  Bei- 
spiele wird  einigermaßen  in  Erstaunen  setzen,  aber  auch  gut  zu  Besprechungen 
zu  verwenden  sein.  Ich  ordne  den  Stoff  nach  der  Buchstabenfolge. 

Adiat,  nach  dem  Fluß  Adiates  in  Sizilien.  —  Akademie ,  nach  dem  Heros  Aka- 
demos.  Auf  dem  nach  ihm  benannten  Platz  lehrte  Piaton.  —  Alexandriner,  Versart, 
benannt  nach  dem  roman  d'Alixandre,  in  dem  sie  verwendet  wurde.  —  Apfelsine,  Apfel 
aus  Sina  =  China.  —  Arabeske,  nach  Art  der  Araber.  —  artesisdi,  nach  der  Graf- 
schaft Artois.  —  Asdilaudi,  nach  der  Stadt  Askalon.  —  Atlas,  Name  des  mauretanischen 
Königs  Atlas,  den  Mercator  zur  Autschrift  eines  erdkundigen  Werkes  benutzte.  —  Badiauner, 
Schwein  aus  dem  Bakonyerwald  in  Ungarn.  —  Bai,  wohl  auf  den  Ortsnamen  Bajae  zurück- 
gehend. —  Bajonett,  nach  der  Stadt  Bayonne  in  Südfrankreich.  —  Baldadiin,  nach 
der  Stadt  Bagdad.  —  ballhornisieren  nach  Johann  Ballhorn,  1531  Buchdrucker  zu 
Lübeck.  —  Batist,  nach  Batiste  Chambray,  der  im  13.  Jahrhundert  die  Leinwandweberei 
in  Flandern  in  Aufnahme  brachte.  —  Batzen,  von  Betz  'Bär',  Münze  von  Bern  mit  dessen 
Wappen.  — Bediamelsauce,  nach  Vicomte  dt  Bediamel  de  Noitel,  Haushofmeister  Lud- 
wigs XIV.  —  Begine,  nach  Lambert  Le  Begue.  —  Berline,  Berliner  V/agen,  1712.  — 
Betonte,  gall.  vettonica  nach  den  am  Tajo  wohnenden  Vettones.  —  Bibel,  nach  dem 
Namen  der  Papyrusstaude  ßlßlog  oder  ßvßlo;,  und  dies  wieder  nach  dem  Ortsnamen 
Bvß'/.o;.  —  Bluse,  angeblich  nach  der  Stadt  Pelusium  in  Unterägypten.  —  Bodi,  Bier 
aus  Eimbedi.  —  Börse,  nach  einem  Haus  und  einer  Familie,  ndl.  Boers.  —  Boykott, 
nach  James  Boykott,  einem  Gutsverwalter  in  Irland,  über  den  1880  die  irische  Landliga 
den  Bann  verhängte.  —  Bronze,  vielleicht  aes  Brundisium,  Erz  aus  Brindisi.  —  Bund- 
sdiuh  'Meuterei,  Empörung'.  Von  den  aufrührerischen  Bauern  wurde  der  Bundsdiuh  als 
Zeichen  getragen.  —  Champagner,  Wein  der  Champagne.  —  Chassepot,  nach  dem 
Erfinder  Chassepot  1858.  —  Chauvinismus,  nach  dem  Veteranen  Nik.  Chauvin  aus 
Rochefort.  —  Cheviot,  nach  den  Cheviothills  in  England.  —  Chinin,  nach  dem  in 
Südamerika  einheimischen  Chinchonabaum,  und  dieser  ist  benannt  nach  der  Gräfin  Chinchon, 
der  Gemahlin  des  Vizekönigs  von  Peru,  weil  diese  im  Jahre  1636  durch  seine  Rinde  vom 
Fieber  geheilt  wurde.  —  Damast,  Seidenzeug  von  Damaskus.  — Damaszener,  eben- 
daher. —  Dietridi,  nach  dem  Namen  Dietridi.  —  Domino,  eig.  'das  Kleid  des  Geist- 
lichen' {dominus).  —  Draisine,  erfunden  von  Karl  v.  Drais  1817.  —  Dukaten,  von 
Aoi-y.ag,  dem  Namen  byzantinischer  Cäsaren.  —  Fasan.  \aX.  phasianus  'Vogel  vom  Flusse 
Phasis  in  Kolchis'.  —  Fayence,  nach  dem  Fabrikort  Faenza  in  der  Romagna.  —  Fes, 
nach  der  Stadt  Fez  in  Marokko.  —  Fiaker,  nach  dem  heiligen  Fiacre,  dessen  Bild  das 
Zeichen  des  zu  Paris  gelegenen  Hauses  war,  in  dem  man  Wagen  haben  konnte.  —  Flam- 


414  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 

berg  'breites  Schlachlschwerf  ist  ein  Schwertname.  —  flämisch  'verdrießlich,  mürrisch', 
nach  den  Flamen.  —  Florin,  nach  Florenz.  —  Frank,  Franken,  nach  Frank  'Fran- 
zose'.—/ra/i/t  'unabhängig,  frei',  von  lat./ro/icas 'fränkisch';  ddizu  frankieren,  franko. — 
Franzbrot,  -wein,  -obst,  enthält  Franze  'Franzose'.  —  Gagat,  benannt  nach  Fluß 
und  Stadt  Gagas  in  Lykien.  —  Gamasdie,  nach  Gadames,  Stadt  in  Tripolis.  —  Gaze, 
ben;innt  nacti  der  Stadt  Gaza  in  Palästina.  -  Glaubersalz,  von  Glauber  (i  1688)  er- 
funden. —  Gobelin,  nach  dem  Erfinder  Jean  Gobelin  in  Paris.  —  Grog,  angeblich  nach 
dem  Spitznamen  des  englischen  Admirals  Vcrnon,  der  zuerst  dieses  Getränk  statt  unver- 
mischten  Rums  unter  die  Matrosen  verteilen  ließ.  —  Guillotine ,  1789  von  dem  fran- 
zösischen Arzt  Guillotin  erfunden.  —  Harlekin,  aus  einem  germanischen  ellekin,  viel- 
leiclit  dän.  ellekong  'Erlenkünig'.  —  Heiduck,  ursprünglich  ein  in  Ungarn  heimischer 
Volksstamm.  —  Heller,  Münze  aus  Schwäbisch  Hall.  —  Herme,  Bildsäule,  nach  Hermes.  — 
hermetisdi,  nach  Hermes  Trismegistus,  der  für  den  Vater  der  Alchimie  gehalten  wurde.  — 
Hokuspokus,  ursprünglich  Name  eines  Gauklers.  —  Indian  'Truthahn',  eigentlich  der 
Indianer.  —  Indigo  aus  span.  indigo  'das  Indische'.  —  Jaike,  angeblich  benannt  nach 
dem  Häuptling  Jaque  von  Beauvais  (um  1358).  —  Jeremiade,  nach  den  Klageliedern 
Jeremiä.  — jovial,  dem  Jovis  zukommend.  — Juli,  nach  Julius  Caesar.  —Juni,  nach 
der  Juno.  —  Kaiser,  nach  Caesar.  —  Kalekut,  nach  Calicut;  davon  auch  Kaliko.  — 
Kamelie,  nach  dem  Jesuiten  Camelli.  —  Kammertudi,  aus  Canibray.  —  Kannibale, 
Umbildung  des  Volksnamens  Karaiben.  —  Kartause,  nach  dem  Ort  Cartausa  (Char- 
treuse). —  Kasdimir,  Stoff  aus  Kaschmir.  —  Kirsdie,  lat.  cerasus  nach  der  Stadt 
Kerasus  am  Schwarzen  Meer.  —  Kognak,  nach  der  Stadt  Cognac  in  Frankreich.  — 
Kolophonium,  nach  der  Stadt  Kolophon.  —  Korduan,  Ziegenleder  aus  Cordova.  — 
Korinthe,  nach  Korinth.  —  Krabate,  eig.  der  Kroat;  ebenso  ist  Kravatte  eig.  die 
kroatisdie.  —  Kremser,  nach  dem  Hofagenten  und  preußischen  Kriegskommissär  Kremser, 
der  solche  Wägen  zuerst  fahren  ließ.  —  Krimmer,  Lammfell  aus  der  Krim.  —  Krim- 
stedier,  Fernglas,  zuerst  im  Krimkrieg  gebraucht.  —  Kuli,  eig.  Name  eines  chinesischen 
Stammes.  —  Kupfer,  lat.  aes  Cuprum  nach  Cypern.  —  Kutsdie,  nach  dem  Dorfe  Koszi 
bei  Raab.  — Ladis  'Schnaps'  nach  dem  Haus  zum  Lachs  in  Danzig.  —  lakonisdi  'kurz 
und  schlagend  im  Ausdruck'  nach  Art  der  Lakonen.  —  Landauer,  nach  der  Stadt 
Landau.  —  Ländler,  nach  dem  Ländl,  d.  i.  Österreich  ob  der  Enns.  —  Latein  'unver- 
ständliche Sprache'  in  Jägerlatein.  —  Lausewenzel  'schlechter  Tabak'.  —  Lazarett, 
nach  Lazarus. —  Litewka,  eig.  die  litauisdie.  —  Litfaßsäule,  nach  Lit faß,  der  solche 
Säulen  zuerst  aufstellte.  —  Lloyd,  nach  Eduard  Lloyd,  der  Ende  des  17.  Jh.  in  London 
ein  Kaffeehaus  hielt,  wo  sich  eine  Art  von  Schifferbörse  zusammenfand.  —  Lombard 
'Leihbank,  Pfand',  von  dem  Volksnamen  Lombard,  Langobarde,  weil  die  Oberitaliener  im 
13.  Jh.  in  Frankreich  Leihhäuser  errichten  durften.  —  Z.o«/sdor 'goldener  Ludwig'  mit 
dem  Bild  Ludwig  XIIL  —  lyndien,  benannt  nach  dem  Farmer  John  Lyndi.  —  Lyzeum, 
von  gr.  AvHdov  (lykeion),  Tempel  des  Lykeios.  —  Magie,  nach  dem  medischen  Priester- 
stamm der  Magoi.  —  Magnet,  gr.  Mayrt'jri].;  (MagncEtifS),  Stein  aus  der  Landschaft 
Magnesia.  —  Majolika,  nach  der  Insel  Majorka.  —  Makadam,  von  dem  Amerikaner 
Mac  Adam  erfundene  Straßendecke.  —  makkaronisdi,  nach  Makkaroni,  der  Lieblings- 
speise der  Italiener.  —  Malvasier,  nach  der  Stadt  Napoli  di  Malvasia  auf  Morea.  — 
Manichäer,  studentisch,  eig.  Anhänger  des  Mani.  —  Mansarde,  benannt  nach  dem 
französischen  Baumeister  Fran^ois  Mansard  (1598—1666).  —  Mansdiester  'baumwollener 
Samt',  nach  der  Stadt  Manchester.  —  Marelle,  Marille,  wohl  umgestaltet  aus  itaL  ar- 
mellino  und  dies  aus  armeniacum  'armenischer  Apfel'.  —  Markise,  benannt  nach  der 
Marquise  Pompadour.  —  Maroquin,  eig.  marokkanisches  Leder.  —  Masurka,  nach 
den  Masuren.  —Mausoleum,  nach  dem  König  Mausolos.  —  Mayonnaise,  angeblich 
nach  der  Stadt  Mahon  auf  Menorka  benannt,  bei  der  1756  der  Herzog  von  Richelieu 
einen  glänzenden  Sieg  erfocht,  infolgedessen  man  verschiedene  Sachen,  darunter  auch  eine 
neue  Sauce,  nach  der  Stadt  benannte.  —  Mäzen,  nach  Maecenas,  dem  Gönner  des  Horaz.  — 


§242.  Metonymische  Ableitungen  von  Eigennamen.  415 

Melis  'Hutzucker',  eig.  'Zucker  von  der  Insel  Malta',  ital.  Melite.  —  Mentor  'Ratgeber', 
nach  Mentor,  dem  Begleiter  Telemachs.  — Metaphysik,  nach  der  Schrift  des  Aristoteles 
Hf.iuffvoiy.ä  (metaphysikä)  'nach  den  physischen  Dingen'.  —  Mirabelle,  nach  Mirabel 
'Ort  in  Frankreich'.  —  Mohr,  lat.  Maurns  'Bewohner  Nordafrikas'.  —  Mumme,  von 
Christian  Mumme  in  Braunschweig  gebraut.  —  Münze,  benannt  nach  dem  Tempel  der 
Juno  Moneta  in  Rom,  deren  Tempel  der  Münzstätte  benachbart  war.  —  Musselin,  nach 
der  Stadt  Mosul  am  Tigris.  —  Nanking,  nach  der  chines.  Stadt.  —  Nikotin,  nach  Jean 
Nicot,  der  um  1560  den  Tabak  einführte.  —  Ottomane,  abgeleitet  von  Othman,  dem 
Namen  des  1326  verstorbenen  Stifters  des  türkischen  Reichs.  —  Palast,  Palais,  Pf  alz, 
lat.  palatium,  nach  dem  Schloß  des  Augustus  auf  dem  mons  Palatinus.  —  Palatine, 
Palatin  'Halzkragen',  abgeleitet  von  Palatin  'Pfalzgraf'.  —  Pandur,  angeblich  nach  der 
ungarischen  Stadt  Pandur,  woher  die  ersten  Panduren  stammen  sollen.  —  Panik,  nach 
dem  panisdien  Schrecken.  — Pantalons  'Beinkleider',  nach  Pantalöni,  einem  Beinamen 
der  Venezianer,  weil  sie  den  heiligen  Pantalon  verehrten.  —  Pantalon  'Klüpfelklavier', 
von  Pantaleon  Hebenstreit  1697  erfunden.  —  Pasquill,  nach  einem  Römtr  Pasquino.  — 
Paternosterwerk  'in  beständiger  Bewegung  befindlicher  Aufzug',  benannt  nach  dem 
PaternosterbcXtn  am  Rosenkranz.  —  Perdieron  'schweres  Pferd',  benannt  nach  der  fran- 
zösischen Provinz  Perdie.  —  Pergament,  nach  Pergamos.  —  Pfirsidi,  lat.  persicum 
'der  Persische'.  —  Phaethon,  nach  Phaethon,  dem  Sohne  des  Sonnengottes.  —  Pharo 
'Hasardspiel',  benannt  nach  Pharao,  ursprünglich  Bezeichnung  des  Herzkönigs.  —  Pistole 
nach  der  Stadt  Pistoja.  —  Pläner,  eig.  Plauenerstein  nach  Plauen  bei  Dresden.  — 
Polonaise,  t'ig.  polnisdier  Tanz.  —  Po/w/ner 'Art  Haushund',  aus  Pommern  stammend.  — 
Pompadour,  benannt  nach  der  Marquise  Pompadour.  —  Portwein,  Wein  aus  Oporto.  — 
Pralines,  nach  dem  Namen  des  Marschalls  du  Plessis-Praslin,  dessen  Koch  sie  erfunden 
hat.  —  Quassia,  angeblich  von  einem  Neger  Coassi  entdeckt  und  nach  ihm  benannt.  — 
Quitte,  lat.  malum  cydonium,  von  der  Stadt  Kydonia  auf  Kreta.  —  Rasdi,  nach  der 
Stadt  Ar  ras  in  Nordfrankreich.  —  Rastrum  'Leipziger  Stadtbier',  nach  dem  rastrum 
'Rechen',  dem  Zeichen  der  Häuser,  in  denen  das  Bier  gebraut  wurde.  —  Reineclaude, 
nach  Claudia,  Tochter  Ludwigs  XII.  —  /?^uj3 'kastriertes  Pferd',  nach  dem  Volksnamen  Reuß.  — 
Rodielor  'Reisemantel',  benannt  nach  dem  Herzog  von  Roquelaure  (f  1738).  —  Rodo- 
montade ,  nach  Ro domo nte  (ein  Mohrenheld,  der  in  Ariosts  rasendem  Roland  die  Helden 
herausfordert).  —  /?o/a/2d 'Standbild'  nach  Roland.  —  Roman,  eig.  'der  romanische'.  — 
Romanze,  eig.  'romanisch'.  —  Russe  'der  kleine  schwarze  Küchenkäfer',  in  Rußland 
häufig.  —  Salmiak,  aus  lat.  sal  ammoniacus,  nach  Jupiter  Ammon.  —  Samariter, 
nach  dem  barmherzigen  Samariter.  —  Sandwidi,  nach  John  Montague,  vierter  Earl  of 
Sandwidi  (1718—92).  —  Sardelle,  die  sardinisdie ;  ebenso  Sardine.  —  Sardonisdies 
La  dien  'krampfhaftes  Lachen',  hervorgerufen  durch  die  herba  Sardonia  'Sardinisches 
Kraut'.  —  Sdialaune  'feines  Wollenzeug',  nach  Chalons  a.  d.  Marne.  —  Sdialotte, 
Lauch  von  Askalon.  —  Sdirapnell ,  nach  dem  Erfinder,  dem  engl.  Oberst  Shrapnet 
(1803).  —  Silhuette,  nach  dem  Generalkontrolleur  und  späterm  Minister  Etienne  de 
Silhouette  (f  1757),  der  alles  mit  größter  Sparsamkeit  einrichtete.  Man  sagte  zuerst  'es  ist 
ä  la  Silhouette'.  —  Simonie,  nach  dem  Zauberer  Simon  (Apostelgesch.  8,  18—20).  — 
Sinöpel  'blutroter,  eisenhaltiger  Jaspis',  nach  Sinope  am  Schwarzen  Meer.  —  Sklave 
ist  eigentlich  Slawe.  —  Sodomit,  nach  Sodom  (1.  Mos.  19,4—9).  —  Spaniol  'feiner 
Schnupftabak',  der  spanisdie.  —  Spenzer,  nach  Lord  Spencer  (1758 — 1834).  —  Stentor- 
stimme, nach  Stentor,  einem  Griechen  vor  Troja,  der  lauter  als  50  Männer  schrie.  — 
Sybarit  von  Sybaris  'Stadt  in  Unteritalien'.  —  Syenit  'Gesteinsart',  nach  Syene  'Stadt 
in  Oberägypten'.  —  Taler  ist  Joachimstaler  von  Joadiimstal.  —  Talmi,  benannt  nach 
dem  Erfinder,  dem  Pariser  Fabrikanten  Tallois.  —  Tarantel,  Tarantella,  nach  der  Stadt 
Tarent.  —  Tattersall,  nach  dem  englischen  Trainer  Tattersall  (1777).  —  Tesching, 
nach  der  Stadt  Tesdien.  —  Tirolienne,  Tirolertanz.  —  Trakehner,  Pferd  aus  Tra- 
kehnen.  —  Tüll,  frz.  tulle,  nach  der  Stadt  Tülle  (Correze).  —   Türkis,  der  türkische.  — 


416  Siebzehntes  Kapitel,  Bedeutungswandel. 

Ulrich  'Erbrechen  vom  Trünke',  nach  Sl.  Ulrich  anrufen  'sich  erbrechen'.  —  Vandale, 
nach  den  Vancialen.  —  Vatikan,  nach  lat.  mons  Vaticänus  'der  Vatikanische  Hügel'.  — 
Veitstanz,  nach  dem  heiUgen  Veit.  —  Vertiko,  nach  dem  Berliner  Tischlermeister 
Vertikov.  —  Vulkan,  nach  Viilcanus,  dem  Feuergott.  —  Wallacii,  nach  den  Walladien.  — 
Wed^wood,  nach  dem  Erfinder  Wedgwood.  —  Wenzel  'der  Bube  in  einzelnen  Karten- 
spielen', ist  der  Name  Wenzel.  —  welscfi,  nach  dem  Volksstamm  der  Volcne.  —  Ziegen- 
hainer,  Stock  aus  Ziegenhain.  —  Zwetsdie,  Zwetschke,  Frucht  aus  Damaskus. 

Als  besondere  Art  führe  ich  hier  noch  die  zahlreichen  Fälle  an,  in 
denen  unsere  Vornamen  zu  AppcUativnamen  geworden  sind. 

Literatur:  O.  Meisinger,  Die  Appellativnamen  in  den  hochdeutschen  Mundarten. 
I.  Die  männlichen  Appellativnamen.  Ein  Beitrag  zur  Sprachgeschichte.  Beilage  zum  Pro- 
gramm des  Ciymn.  in  Lörrach,  iy09.  —  Dcrs.,  Die  weiblichen  Appellativnamen  in  den 
hochdeutschen  Mundarten,  ZfhdMa.  5,  84 — 91.  —  Ders.,  Weibliche  Appellalivnamen.  ZfdMa. 
3,  220—224.  Die  Appellativnamen  in  den  hd.  Mundarten  (Nachträge),  Beilage  zum  Pro- 
gramm d.  Gymn.  in  Lörrach,  1910. 

Zunächst  liegen  hier  ganz  deutliche  Fälle  vor,  wie  z.  B. 

Prahlhans,  Zornmidiel,  Sdiwatzliese,  Heulsuse,  Zigarrenfritze.  Harfenjule,  Flüster- 
lotte, dummer  August. 

Aber  die  Sache  geht  weiter,  und  vieles  dieser  Art  ist  absolut  unverständlich. 

faulenzen  hat  man  im  16.  Jh.  von  fauler  Lenz  abgeleitet.  —  hänseln,  eigentlich 
"einen  Hans  nennen';  dazu  Hanswurst  aus  Hans  Worst,  Sdimalhans.  Hansdampf  u.  a.  — 
Heinz  zur  Bezeichnung  des  Kobolds  (noch  in  Heinzelmännchen),  des  Waldkaters  (jetzt 
im  Ticrepos  Hintze),  der  wilden  Waldbienen.  —  Hinz  und  Kunz.  —  Jahn  = 
Johann  in  Lüdrian.  —  Janhagel,  bei  Bürger  Johann  Hagel.  —  Jockei,  der  Name  yadfe, 
Jakob.  —  Kasper l  von  Kasper,  dem  Namen  eines  der  drei  heiligen  Könige.  —  Laban. 
/flwjD^^r 'schlaffer  Mensch',  wohl  nach  dem  Namen /.afra«.  —  Z,ozi/5 'Zuhälter'.  —  Mario- 
nette, aus  frz.  marionette  von  frz.  marlon  'Maria',  ebenso  Marotte,  frz.  marotte  'Puppe, 
Spielzeug,  Steckenpferd'.  —  Markolf  'der  Nußhäher',  der  Mannsname  Markolf.  —  Matz 
in  Starmatz,  Piepmatz  ist  Kürzung  von  Matthäus.  Dazu  Mätzchen  machen.  —  Mette 
'fliegender  Sommerfaden'  ist  eine  Abkürzung  von  Margareta  oder  Medithild.  —  Metze 
ist  Koseform  zu  Mathilde.  —  Miez  'Katze'  ist  Koseform  von  Maria.  —  Nickel  'ver- 
mummende Schreckgestah',  Kürzung  von  Nikolas.  Danach  ist  wieder  das  Metall  benannt.  — 
Petz,  Koseform  zu  Bernhard.  —  Reineke  'Fuchs'  ist  Kürzung  zu  Reginhard.  Reinhard.  — 
Rüpel,  ahd.  Rupilo,  Koseform  von  Ruprecht.  —  Stadies  'närrischer  Mensch',  Kürzung 
aus  Eustadiius.  —  Stoffel  und  Toffel,  Kürzung  von  Christoffel.  —  Trine  'dumme 
Person',  Kürzung  von  Kathrine.  —  uzen  zu  Uz,  Koseform  von  Ulridi,  wie  hänseln  von  Hans. 

Anmerkung.  Erschöpft  ist  damit  der  Stoff  keineswegs.  Ich  erwähne  nur  noch  neue  Bil- 
dungen wie  sdiweningern,  röntgen.  Unendlich  viel  gibt  es  in  den  Sondersprachen  der  Wissen- 
schaften, vgl.  Vb//,  Ampere,  Farad,Weber.  S.  darüberH.DuNGER.Wiss.Beih.z.ZdADSV.9,136ff. 

§  243.  Bedeutungsdifferenzierung  lautlich  verschiedener  Wörter,  die  aus  der- 
selben Grundform  entstanden  sind.  Wir  kommen  nunmehr  zu  einer  weiteren 
Frage,  die  viel  besprochen  worden  ist.  Die  verschiedenen  Formen  eines 
Haupt-  oder  Zeitworts,  die  miteinander  assoziiert  oder,  wenn  wir  uns  rein 
äußerlich  ausdrücken  wollen,  zu  einem  Paradigma  verbunden  sind,  werden 
oft  durch  die  Lautveränderungen  und  die  nachwirkende  Formenassoziation 
auseinandergerissen,  so  daß  Doppelformen  entstehen.  So  bilden  die  Neutra 
im  Mittelhochdeutschen  einen  Plural  ohne  Endung,  das  bant,  diu  bant. 
An  Stelle  dieser  endungslosen  Form  führt  die  Sprache  allmählich  wieder 
welche  mit  Endungen  ein,  und  zwar  Formen  mit  -e  oder  mit  -er.  Zunächst 


§243.  Bedeutungsdifferenzierung  lautlich  verschiedener  Wörter.       417 


kommen  häufig  beide  Bildungsweisen  bei  demselben  Worte  vor.  Da  die 
Sprache  aber  jedem  Überfluß  abhold  ist,  so  entsteht  zwischen  den  Formen 
«in  Kampf,  in  dem  die  eine  Form  untergeht.  Nur  in  einem  Falle  können 
sich  die  Doppelformen  erhalten,  wenn  nämlich  in  der  Zeit,  in  der  die  beiden 
Bildungsweisen  bestehen,  an  sie  eine  Bedeutungsverschiedenheit  geknüpft 
wird.  So  haben  wir  als  ein  bekanntes  Beispiel  die  Pluralbildungen  Worte 
und  Wörter.  Wörter  soll  man  anwenden,  wenn  man  von  einzelnen  Aus- 
drücken redet.  Freilich  ist  diese  Unterscheidung  durchaus  nicht  durch- 
gedrungen und  z.  B.  nicht  in  meinem  Sprachgefühl  vorhanden.  Sie  beruht 
auch  nicht  auf  einer  natürlichen  Entwicklung,  sondern  sie  verdankt  den  Vor- 
schriften der  Grammatiker  ihr  Dasein,  vgl.  Schroeder,  Vom  papiernen  Stil. 
Früher  hat  man  freilich  sogar  angenommen,  die  Sprache  hätte  solche 
Verschiedenheiten  zu  dem  Zweck  geschaffen,  derartige  Bedeutungsunter- 
schiede zum  Ausdruck  zu  bringen.  Davon  kann  keine  Rede  sein.  Die 
Doppelformen  sind  entstanden,  und  die  Bedeutungsverschiedenheit  hat  sich 

•allmählich  damit  verbunden. 

Bei  der  verwickelten  Zusammensetzung  unseres  Wortschatzes  kommt  noch  ein  anderer 
Fall  in  Betracht.  Die  heute  vorhandenen  Doppelformen  stammen  aus  ganz  verschiedenen 
Gegenden  oder  Sprachkreisen.  Die  eine  Gegend,  der  eine  Stand  hat  die  eine  Form  bevor- 
zugt, der  andere  die  andere.  Erst  dadurch,  daß  derartige  Formen  in  die  Schriftsprache 
aufgenommen  worden  sind,  haben  wir  die  Doppelheit  erhalten.  So  sagen  wir  die  Säue, 
der  Jäger  aber  bildet  den  Plural  die  Sauen,  wobei  er  natürlich  die  Wildschweine  meint, 
der  Unterschied  der  Schriftsprache  ist  daher  jünger.  Der  Plural  von  Ort  schwankt  bis  ins 
18.  Jh.  als  Orie  und  Örter.  Noch  Schiller  sagt:  an  den  Örtern,  wo  sie  standen.  Jetzt 
hat  Orte  gesiegt,  aber  der  Astronom  redet  nur  von  Fixsternörtern. 

Anmerkung.  Die  besprochene  Frage  hat  seit  langem  die  Aufmerksamkeit  der  Sprach- 
forschung erregt.  Es  bestehen  eine  ganze  Reihe  von  Untersuchungen;  da  die  Sache  auf 
allen  Sprachgebieten  dieselbe  ist,  so  führe  ich  hier  die  Literatur  auch  aus  den  andern 
Sprachen  an:  Nicolas  Catherinot,  Les  doublets  de  la  langue  fran?aise,  1863.  —  A. Brächet, 
Dictionnaire  des  doublets  de  la  langue  franfaise,  Paris  1868,  Supplement  Paris  1871.  — 
CoELHO,  Romania  2,  281  ff.  (für  das  Portugiesische).  —  Caroline  Michaelis,  Romanische 
Wortschöpfung,  Leipzig  1876  (behandelt  das  Spanische  und  andere  romanische  Sprachen).  — 
Breal,  Memoires  de  la  societe  de  linguistique  de  Paris  1,  162  ff.,  1868  (behandelt  das  Latei- 
nische). —  Eine  kleine  Sammlung  aus  dem  Englischen  steht  bei  Mätzner,  Englische  Gram- 
matik^  1,  221  ff.  —  O.  Behaghel,  Die  neuhochdeutschen  Zwillingswörter,  Germania  23,  257  ff. 
Der  überaus  reiche  Stoff,  der  in  dieser  Richtung  besteht,  läßt  sich  nach 
einigen  allgemeinen  Gesichtspunkten  ordnen. 

A.  DOPPELFORMEN  BEI  EINHEIMISCHEM  GUT. 

1.  Ein  paar  gleiche  Wörter  sind  von  den  Grammatikern  mit  verschiedener  Schrei- 
bung versehen  worden,  so  daß  und  das,  Stadt  und  Statt,  wieder  und  wider.  In  diesen 
Fällen  besteht  kein  Unterschied  der  Aussprache,  aber  die  Bedeutungsverschiedenheit  ist 
da  und  bei  dem  Gebildeten  mit  der  Schreibung  verbunden. 

2.  Verschiedenes  Geschlecht.  Das  grammatische  Geschlecht  haftet  nicht  durchaus 
fest  an  dem  Worte.  Vielmehr  vollziehen  sich  im  Laufe  der  Zeit  mannigfache  Wandlungen. 
Diese  können  natürlich  nur  so  entstehen,  daß  eine  Zeitlang  Altes  und  Neues  nebeneinander 
steht.  Das  kann  dann  benutzt  werden,  um  daran  eine  Verschiedenheit  der  Bedeutung  zu 
knüpfen.  So  haben  wir:  der,  das  Band,  der,  die  Flur,  der,  das  Mensch,  der,  das  Schild, 
Aer,  das  Verdienst,  der,  die  See. 

Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.   2.  Aufl.  27 


418  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


3.  Verschiedene  Pluralbildung:  Bande  —  Bänder,  Dinge  —  Dinger.  Lidite  —  l.iditer, 
Ttidie  —  Tüdier.  Worte  —  Wörter,  Orte  —  örter,  Effekte  —  Effekten,  Männer  —  Mannen. 

4.  Durchführung  der  verschiedenen  Formen  eines  Paradigmas. 

a)  n-Dekiination.  Die  «-Deklination  flektiert  mittelhochdeutsch  Nominativ  -e,  die 
übrigen  Kasus  -en.  Nun  wird  bei  leblosen  Wesen  der  Akkusativ  für  den  Nominativ  ver- 
wendet und  dann  ein  starker  Genitiv  gebildet,  während  bei  den  belebten  das  e  unter  Um- 
ständen abfällt.  So  haben  wir  Franke  —  Franken,  Tropf  -  Tropfen,  noch  Haller  sagt: 

Du  bist  der  Weisheit  Meer, 

Wir  sind  davon  nur  Tröpfe, 
während  Wieland   dem   armen  Tropfen  bildet;   Lump  — Lumpen,   Rabe,   Rappe  —  Rappert 
(Münze),  Bull— Ballen. 

b)  Fem.  /-Deklination.  Mittelhochdeutsch  flektiert  diese  Nom.-Akk.  stat,  Gen.-Dat.  stete. 
Es  wird  nun  teils  die  Nominativform  durchgeführt,  also  die  Stadt,  der  Stadt,  oder  die 
Genitivform  Stätte,  und  daran  knüpft  sich  dann  eine  verschiedene  Bedeutung.  So  noch 
Fahrt  --  Fährte,  Gnatz  —  Gnätze. 

c)  Sonstige  Fälle:  Bett  —  Beet.  Knabe  —  Knappe.  Rabe  — Rappe,  Magd  —  Maid, 
Quelle  —  Quell ;  fahl  — falb:  gehl  — gelb:  gadi—jäh. 

d)  Verbalformen:  drudaen  —  drildten:  zudten  —  ziidien:  bestellt  —  bestallt:  durdi- 
lendttet  —  durdilaudit:  erleuditet  —  erlaudit:  gesendet  —  gesandt:  getröstet  —  getrost;  ge- 
wendet —  gewandt:  erhoben  —  erhaben. 

5.  Einfluß  des  Stammwortes.  Grundwort  und  Ableitung  sind  häufig  durch  Vokal- 
wechsel geschieden,  z.B.  Erde  —  irden,  vgl.  die  oben  S.  21  f.  behandelten  Lautgesetze.  Da 
aber  der  Zusammenhang  der  Worte  vielfach  noch  gefühlt  wird,  so  tritt  in  solchen  Fällen 
leicht  eine  Ausgleichung  ein.  Zum  Beispiel  wird  das  Adverbium  ursprünglich  vielfach  ohne 
Umlaut  gebildet,  es  schließt  sich  dann  aber  später  wieder  seinem  Adjektivum  an.  Nur 
fast  und  sdion  (eigentlich  Adverbien  zu  fest  und  sdiön)  haben  sich  erhalten,  weil  diese 
beiden  einen  besonderen  Bedeutungsinhalt  bekommen  haben.  Gulden  ist  eigentlich  das 
Adjektivum  zu  Gold,  mhd.  guldin.  Dies  wird  aber  umgebildet  zu  golden.  Ebenso  steht 
es  mit  hübsdi  und  höfisdi.  In  Ammann  liegt  die  regelrechte  aus  mhd.  ambetman  ent- 
wickelte Form  vor,  Amtmann  ist  neugebildet.  Ebenso  unterscheiden  wir  Jungfer  und  Jungfrau. 

6.  Verschiedene  Suffixbildung.  An  Stelle  von  -heit  tritt  vielfach -/^Ä^/7,  und  es 
entstehen  dann  Doppelformen,  die  eine  Zeitlang  in  gleichem  Sinne  gebraucht  werden.  Wir 
unterscheiden  jetzt  Kleinheit  und  Kleinigkeit,  während  man  das  im  18.  Jahrhundert  noch 
nicht  tat.  So  schreibt  Goethe  an  Zelter:  Der  Fehler  lag  in  fehlerhafter  Konstruktion,  die 
sidi  nadi  und  nadi  aus  hundert  Kleinheiten  entwidielt  hatte.  Umgekehrt  spricht  Kant  von 
der  Kleinigkeit  der  hellen  Punkte  (der  Fixsterne).  Ebenso  steht  es  mit  Neuheit  und  Neuig- 
keit, vgl.  Lessing:  Heldentaten  hört  man  nur  einmal  mit  sonderlidiem  Vergnügen:  ihre 
Neuigkeit  rührt  am  meisten. 

B.  DOPPELFORMEN  DURCH  ENTLEHNUNG. 
Sehr  viel  Doppelformen  sind  auch  dadurch  entstanden,  daß  wir  zu  dery 
schon   bestehenden  Worten   die  ursprünglich  damit  identischen  aus  unsere 
Mundarten  oder  aus  fremden  Sprachen  entlehnt  haben, 

1.  Aus  dem  Mittel-  und  Niederdeutschen:  Atem  —  Odem:  Brunnen  —  Born: 
ehe  — eher;  kneifen  —  kneipen;  Ladie  —  Lake:  Natter — Otter;  nun-nu;  (aus)rotten  — 
roden:  sanft — sadit;  Sdiaft-Sdiadit;  sdiledit  —  sdilidit ;  sdinauben  —  sdinaufen;  Sdinupfen 
—  Sdinuppe:  sühnen  — versöhnen:  Staffel  — Stapel;  Teidi  —  Deidi;  Waffen —  Wappen; 
Buhne  —  Bühne;  Drommete  —  Trompete. 

2.  Aus  dem  Englischen:  streidien  —  streiken. 

3.  Aus  dem  Lateinischen  und  Romanischen.  Entweder  werden  dabei  Worte 
entlehnt,  die  eigentlich  urverwandt  sind,  oder  es  werden  welche  aus  dem  Romanischea 
zurückentlehnt,  oder  sie  werden  aus  der  fremden  Sprache  mehrere  Male  herübergenommen. 


§244.  Die  Ursachen  des  Bedeutungswandels.  419 

und  die  Worte  zeigen  dann  die  verschiedenen  Formen,  die  das  Wort  im  Laufe  der  Zeit  in 
der  fremden  Sprache  angenommen  hat. 

a)  Urverwandtschaft  liegt  vorbei:  Vater  und  Pater;  lau  — flau:Lanke — Flanke;  Fell —  Pelle. 

b)  Rückentlehnung:  Balken  —  Balkon;  Breche  —  Bresche;  Dorf—  Trupp.  Truppe; 
Feldstuhl  —  Fauteuil;  graben  —  gravieren ;  Laube  —  Loge ;  Leiste  —  Liste;  Mark  —  Marke; 
Raub  —  Robe;  Ring  —  Rang;  Rock  —  Frack;  Schmelz  —  Email;  Wagen  —  Waggon ;  warnen 
—  garnieren;  Warte  —  Garde;  Wette  —  Gage;  Bollwerk  —  Boulevard;  Beiwacht  —  Biwak. 

c)  Doppelentlehnung  desselben  Wortes  aus  einer  fremden  Sprache  zu  verschiedenen 
Zeiten :  Kompost  —  Kompot;  legal  —  loyal;  Parabel  —  Parole;  Pfalz  —  Palast  —  Palais; 
proben  —  prüfen;  Pulver  —  Puder;  Quadrat  —  Karree;  real  —  reell;  Spital,  Spittel  — 
Hospital  —  Hotel;  Speise  —  Spese;  Joppe  —  Sdiaube;  Schafott  —  Katafalk;  Möbel  —  mobil; 
Brief — Breve;  Kerker — Karzer;  Pacht  —  Pakt;  Pfarre  —  Parochie;  Sdiüler  —  Scholar; 
Teppidi  —  Tapete;  Ziegel  —  Tiegel;  Partei  —  Partie;  Beryll  —  Brille;  Chaise  —  Katheder: 
Armada  —  Armee;  Pön  —  Pein;  Reich  —  Schah. 

§  244.  Die  Ursachen  des  Bedeutungswandels.  Die  Bedeutung  der  Wörter 
und  der  Bedeutungswandel  ist  bisher,  wie  vieles  auf  dem  Gebiet  der  Sprach- 
wissenschaft, von  zwei  Seiten  behandelt  worden,  von  Psychologen,  die  sich 
natürlich  mit  den  allgemeinen  Fragen  beschäftigen,  und  von  den  eigent- 
lichen Sprachwissenschaftlern,  die  mehr  von  den  konkreten  Tatsachen  aus- 
gehen, oder,  um  zwei  Namen  zu  nennen,  von  Wundt  und  H.  Paul.  Durch 
diese  getrennte,  aber  doch  nach  einem  gemeinsamen  Ziel  strebende  Arbeit 
ist  unendlich  viel  geleistet  worden;  und  wir  sehen  heute  in  vielen  Punkten 
sehr  viel  klarer  als  früher.  Aber  freilich  die  Verhältnisse  liegen  durchaus 
nicht  einfach,  und  es  muß  noch  vieles  klar  gestellt  werden.  Außerordentlich 
belehrend  sind  die  beiden  Schriften  von  E.  Wellander,  oben  S.  122  u.  S.404. 

Wenn  wir  zu  einer  richtigen  Erkenntnis  der  Ursachen  des  Bedeutungs- 
wandels kommen  wollen,  so  müssen  wir  uns  von  vielen  Anschauungen  frei- 
machen, namentlich  davon,  das  Wort  als  solches  ins  Auge  zu  fassen,  woran 
wir  uns  durch  die  Benutzung  der  Wörterbücher  gewöhnt  haben.  Das  rein  ab- 
strakte Wort  und  die  abstrakte  Bedeutung  gibt  es  nur  im  Wörterbuch.  Die 
Bedeutung  eines  Wortes  wird  auf  zwei  Weisen  ergänzt.  Entweder  durch  die 
ganze  Lage,  in  der  wir  uns  befinden,  so  wenn  wir  Feuer!  rufen  oder  am 
Fahrkartenschalter  fordern:  Zweiter  Berlin.  Oder  durch  den  Zusammen- 
hang des  Satzes,  in  dem  sich  das  Wort  befindet.  Durch  diesen  ergibt  sich  stets 
ein  besonderer  Sinn.  Daher  strebt  die  heutige  Arbeit  an  Wörterbüchern  auch 
danach,  möglichst  alle  Verbindungen  anzuführen,  in  der  ein  Wort  vorkommt. 

An  einem  Beispiel  will  ich  die  Sachlage  erläutern. 

Wir  lernen  zwar  Tisdi,  lat.  mensa,  und  denken  dabei  an  unsern  vierbeinigen  Tisch, 
es  wird  sozusagen  bei  dem  Aussprechen  des  Wortes  die  Idee  des  Tisches  bei  uns  erweckt. 
In  Wirklichkeit  gibt  es  aber  kaum  eine  Gelegenheit,  wo  wir  das  Wort  allein  gebrauchen 
werden.  Verfolgen  wir  dieses  Beispiel  einmal  weiter. 

Unser  Tisch  ist  entlehnt  aus  gr.-lat.  discus  'Wurfscheibe',  in  nachklassischer  Zeit 
'Schüssel,  Teller'.  Mit  dieser  Bedeutung  kommt  das  Wort  herüber.  Noch  ahhochdeutsch 
heißt  tisc  auch  'Schüssel'.  Unsern  jetzigen  Gebrauch  können  wir  aber  nur  erklären,  wenn 
wir  die  kulturelle  Entwicklung  ins  Auge  fassen.  Ursprünglich  hatte  man  keine  Eßtische  im 
Zimmer,  an  denen  etwa  mehrere  hätten  essen  können,  sondern  wie  Tacitus  Germ.  22  be- 
richtet: separatae  singulis  sedes  et  sua  cuique  mensa.   Es  waren  kleine,  meist  wohl  drei- 

27* 


420  Siebzehntes  Kapitel.  Bedeutungswandel. 


beinige  niedrige  Tische,  die  zusammen  mit  der  Speise  ins  Zimmer  getragen  und  vor  jeden 
einzelnen  hingesetzt  wurden.  Als  sich  nun  die  Sitte  änderte,  wurde  der  Ausdruck  auch 
auf  die  größeren  Tische  angewendet,  und  schließlich  entwickelte  sich  eine  Bedeutung,  die 
ganz  von  jener  andern  abwich.  Aber  jener  alte  Sinn  'Eßtisch'  erhält  sich  bis  zum  heutigen 
Tage.  Wir  sagen  noch  heute:  den  Tisch  bereiten,  zu  Tisdie  laden,  rufen,  bitten,  zu  Tisdie 
gehen,  kommen,  sidi  zu  Tisdi  setzen,  bei  Tisdie  sitzen.  In  letzterm  Ausdruck  haben  wir 
eine  alte  Redensart  mit  ganz  bestimmtem  Sinn.  Sagen  wir  aber  um  den  Tisdi  herum  sitzen, 
oder  am  Tisdi  sitzen,  so  wird  keiner  an  das  Speisen  denken. 

Das  Wort  Tisdi  nimmt  aber  nun  infolge  ganz  natürlicher  Übertragung  die  Bedeutung 
Zeit  des  Essens  an.  Wir  sagen  vor  und  nadi  Tisdi,  vom  Tisdie  sidi  erheben.  Etwas  anderes 
ist  wieder:  reinen  Tisdi  madien.  Aucii  dies  ist  eine  überkommene  Redensart.  Wir  können 
nicht  in  demselben  Sinn  sagen:  den  Tisdi  rein  madien. 

Nach  der  Mahlzeit  wurden  die  Tische  einst  wieder  herausgetragen.  Noch  bis  ins  16.  Jh.  sagte 
man  den  Tisdi  aufheben,  wofür  wir  jetzt  die  Tafel  aufheben  gebrauchen.  Bei  diesem  Worte,  das 
eine  ganz  ähnliche  Bedeutungsentwicklung  aufweist,  wie  Tisdi,  hält  sich  die  Redensart  länger, 
offenbar  weil  hier  Ausdruck  und  Sache  nicht  in  einem  so  starken  Gegensatz  stehen,  wie  bei  Tisdi. 
Durch  metonymische  Übertragung  entwickeln  sich  weiter  die  Bedeutungen  'das  Essen, 
die  Kost,  die  Mahlzeit,  insbesonders  die  Mittagsmahlzeit',  z.  B.  auf  einen  guten  Tisdi  halten, 
einen  guten  Tisdi  führen,  ein  sdilediter  Tisdi.  Daneben  findet  sich  auch  eine  Verengerung: 
Tisdi  des  Herrn  'Abendmahl',  zum  Tisdi  des  Herrn  gehen. 

Aus  der  Bedeutung  'Tisch',  wie  wir  sie  jetzt  gewöhnlich  haben,  entwickeln  sich  außer- 
dem eine  Reihe  andrer  Benennungen.  Je  nach  der  Lage  der  Dinge  findet  sich  eine  be- 
sondere Nuance:  Spieltisdi,  Sdireiotisdi,  Küdientisdi,  die  aber  nur  selten  ohne  Zusammen- 
setzung so  gebraucht  werden.  Schiller  spricht  von  einem  Tisdi  von  Ruthen  und  Prälaten. 
Da  die  Tische,  an  denen  die  Verhandlungen  von  Behörden  stattfinden,  meist  grün  überzogen 
sind,  so  verbinden  wir  mit  dem  Ausdruck  'grüner  Tisch'  wieder  einen  besonderen  festen  Sinn. 

Die  Bedeutungsverschiedenheiten  sind  also,  wie  man  sieht,  an  eine  Reihe 
fester  Verbindungen  geknüpft.  Die  obenerwähnten  Redensarten  be'iTisch  sitzen, 
reinen  Tisch  machen  sind  unveränderlich  und  müßten,  genau  genommen,  als 
Komposita  aufgefaßt  werden.  Man  muß  sie  lernen,  wie  man  ja  bekanntlich  beim 
Studium  einer  jeden  fremden  Sprache  derartige  Redensarten  lernen  muß.  Es 
sind  die  sogenannten  Idiotismen.  Wir  haben  nun  oben  auf  die  Sprache  der 
Altersklassen  hingewiesen,  insbesonders  auf  die  in  früheren  Zeiten  stark  hervor- 
tretende Abteilung  der  heranwachsenden  Jugend,  die  zum  guten  Teil  ein  Leben 
für  sich  führte.  Diese  werden  nun  sicher  nicht  alle  die  verschiedenen  Be- 
deutungen lernen,  wie  sie  nicht  alle  Worte  aufnehmen.  Das  weniger  Übliche 
schwindet  allmählich,  und  so  kann  mit  der  Zeit  eine  Bedeutung  vollständig 
aufgegeben  werden.   Es  kann  dies  natürlich  auch  die  ursprüngliche  sein. 

Der  Bedeutungswandel  ist  also  an  die  Wortverbindung  fest  gebunden. 
Jede  ausführliche  Darstellung  der  Bedeutungsentwicklung  wird  daher  von 
den  mannigfachen  Verbindungen  ausgehen  müssen,  in  denen  ein  Wort  vor- 
kommt. Wird  in  einer  solchen  Verbindung  auf  der  einen  Seite  der  Sinn 
des  Wortes  näher  begrenzt,  so  können  sich  anderseits  dadurch,  daß  auch  die 
andern  Worte  eine  mehrfache  Bedeutung  haben,  wieder  neue  Assoziationen 
einstellen,  und  es  vermag  dadurch  eine  neue  Entwicklung  angebahnt  zu  werden. 
Diese  Andeutungen  mögen  genügen.  Das  Gebiet  ist  zu  umfangreich, 
als  daß  es  in  Kürze  befriedigend  dargestellt  werden  könnte. 


WÖRTERVERZEICHNIS 


-a  202. 

Aa  33.  44.  106.  202. 
Aal  26.  184. 
Aalraupe  185. 
Aar  33.  179. 
Aas  48.  109.  223. 
ab  33.  123. 
Abele  191. 
Abend  26.  205. 
Abenteuer  356. 
Aberacht  306.  356. 
Aberraute  356. 
abgebrüht  356. 
abgedroschen  313. 
abgeführt  356. 
Abseite  356. 
abspannen  356. 
Absticher  328. 
Abt  25.  299. 
abziehen  106. 
Abzucht  356. 
Abzug  356. 
-ach  202. 
Achat  200.  413. 
Ache  202.  384. 
acheln  332. 
Achse  204. 
Achsel  169. 
Acht  347. 
acht  166. 
Acker  194.  313. 
Ackerwurz  356. 
Adebar  182.  352. 
Adel  127.  212.  313. 
Ader  18.  169. 
Adler  183.  352. 
Admiral  327. 
Affe  12.  26.  135. 
Affodill  356. 
After  173. 
-age  118. 
Aglei  196. 
Agn  106. 
Ahle  219. 
Ahn  33.  209. 
ahnden  306. 
Ahne  18.  33.  194. 
Ahorn  100.  190. 
Ähre  33.  106.  194. 
Akademie  413. 
Akelei  196. 
Aktie  323. 
Alant  185.  196. 
Alarm  112. 
Alb  383. 
Albe  227. 
Albe(l)  185. 
albern  42.  242. 


Albion  383. 
Albus  324. 
Alchemie  112. 
Alchimie  334. 
e.  ale  223. 
Alexandriner  413. 
-alien  118. 
Alkohol  112. 
all  26. 
allein  28. 
Alligator  188. 
allmächtig  162. 
allmählich  356. 
Allmende  352. 
AUod  352. 
Alm  106. 
Almosen  299. 
Al(o)se  185. 
Alp  110.  298. 
Alpdrücken  232. 
Alpe  203. 
Alpen  382. 
Alraun  298.  352. 
also  26. 

alt  7.  11.  33.  242. 
Altar  299. 
Althee  196. 
Amalgam  334. 
Amarelle  191. 
Amboß  106.  200.  352. 
Ameise  186. 
Amelmehl  193. 
Amethyst  200. 
Ammann  352. 
Amme  88.  208.  290. 
Ammer  182.  191. 
Ampel  205.  299. 
Ampfer  49.  197. 
Amphibie  188. 
Amsel  26.  106.  180. 
Amt  137. 
an  123. 

anbequemen  159. 
anberaumen  356. 
Anchovis  185. 
ander  18.26.109.167. 
anderweit  352. 
-aner  118. 
Angedenken  300. 
Angel  19.  25.  33.  186. 

219. 
Anger  33.  202. 
Angst  33.  242. 
Angster  218.  324. 
anheischig  357. 
Anis  196. 

Anke  33.  44.  169.  179. 
Anker  25.  326. 


Anleihe  28. 
Anmerkung  159. 
anrüchig  357. 
anschmusen  332. 
Anschrift  158. 
-ant  118.  123.  124. 
Antlitz  41.  173.  352. 
antworten  163.  403. 
Apfel  12.  26.  107. 190. 
Apfelsine  413. 
Apotheke  233. 
Arabeske  413. 
Arbeit  212. 
Arche  12.  25.  218. 
arg  39.  241. 
Arm  25.  33.  40.  169. 
arm  25. 

Armbrust  230.  357. 
Ärmel  226. 
Armut  8.  212. 
Arsch  33.  169. 
A'senal  327. 
Art  256.  313.  347. 
Artacker  33.  194. 
artesisch  413. 
Arve  190. 
Arzenei  233. 
Arzt  233.  350. 
Asch  192.  216. 
Asche  26.  33.  184. 
Aschlauch  357.  413. 
Äser  216. 
Äser  216. 
Asphalt  201. 
Assel  186. 

Ast  33.  46.  127.  191. 
Aster  198. 

Atem  18.43.  110.174. 
Atlas  227.  413. 
atmen  249. 
Attentäter  357. 
Ätti  88.  290. 
Attich  196. 
Attila  88. 
got.  a{)n  106. 
auch  12.  28.  33. 
Aue  33.  44.  202.  347. 
Auer  110.  175. 
Auerhahn  182.  352. 
Auerochs  352. 
Auf  182. 
auf  12.  123. 
aufgedunsen  252. 
Auge  107.  169. 
Aurikel  198. 
aus  123. 
Ausbeute  317. 
Ausdruck  162. 


ausdrucksvoll  159. 

Ausfuhr  162. 

ausgelassen  313. 

ausmerzen  313.  357. 

ausposaunen  302. 

Ausstellung  162. 

Auster  188. 

aut  272. 

Auto  113. 

Aviso  327. 

Axt  26.  33.  43.  219. 

Baas  290. 

Babe  88. 

Babel  42. 
[babbeln  88. 
I  Bach  202. 

Bachauner  413. 

Bachbunge  197.  352. 
'Bache  178. 
:  Bachstelze  352. 
j  Bacenis  silva  382. 
I  Backbord  326. 

Backe  15.  169. 

backenl5.26.  38.  222. 

Bad  12.  25.  229. 

baden  26. 

Bafel  42.  333. 

baggern  326. 

bähen  15. 

Bahre  15.  26.  219. 

Bai  203.  327.  413. 

Bajonett  413. 

Bake  272.  326. 

Bakkalaureus  357. 

bald  241. 

Baldachin  413. 

Baldober  332. 

Baldrian  196.  272. 

Balg  15.  17.  169. 

Balken  15.  215. 

Ball  15. 

Ballast  328. 

ballhornisieren  413. 

bammeln  85. 

Band  219. 

Bank  31.  216.  323. 

Bankert  210. 

Bann  306. 

bannen  15.  38. 

Banse  15. 

bar  15.  26.  226. 

-bar  116. 

Bär  7. 15. 175. 177.348. 

Barbe  185. 

bärbeißig  316.  357. 

Barch  177. 

Barke  327. 


422 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


Bärlapp  352. 
Bärinc  15. 
barmherzig  156. 
Barn  15.  193.  214. 
Baron  211. 
Barren  342. 
Barsch  185. 
barsch  243. 
Bart  15.  20.  170.  229. 
Barte  219.  230. 
Bas  88.  333. 
Base  88.  208.  290. 
Basilisk  188. 
Bast  15.  191. 
Bastard  210. 
Batengcl  196.  357. 
Batist  227.  413. 
Batzen  324.  413. 
Bauch  172.  192. 
bauchen  192. 
bauchen  192. 
bauen  15.  195.  313. 
Bauer  28. 
Baum  15.  28.  190. 
baumeln  357. 
Baumschlag  357. 
Bayern  383. 
be-  124. 

beben  15.  89.  249. 
Bechamelsauce  413. 
Becher  195.  218. 
Becken  31.  218. 
Bedag  90. 
bedauern  272. 
Bede  248.  412. 
bedingen  304. 
beeinträchtigen  306. 
Beere  27.  197. 
Beet  15. 
Beete  195. 
Befehl  127. 
begann  26. 
begehren  248. 
Beginn  413. 
beginnen  29.  48.  65. 
begreifen  162. 248.300 
behende  31. 
bei  28. 

Beichte  156.  251.  276. 
beide  12.  15. 167.  352. 
Beifuß  357. 
Beil  7.  48.  219. 
Bein  28.  172. 
Beispiel  252.  357. 
beißen  11.  15.28.224. 
Beißkar  357. 
Beißker  145.  185. 
Beiswind  202. 
Beiwagen  159. 
bekehren  156. 
beladen  40. 
Belche  179. 
Beleg  127.  306. 
Belt  31. 
bemänteln  306. 


Bemme  88. 
Bengcl  219. 

Bcnnc  204. 

bcnschen  333. 
bequem  31. 

berappen  333. 

berauben  28. 
'  Bereich  127. 
;  bereit  28. 
JBerg  17.  202. 

Bericht  127. 
:  Berline  204.  413. 

Bernstein  199. 
I  Berserker  298. 
;  bersten  27. 
'  Bertram  196.  275.  357. 
'  berücken  316. 

Beruf  127. 

Beryll  200. 
1  Besänmast  273.  327. 

Besatz  127. 

beschaulich  300. 
I  Bescheid  127. 
; beschuppen  333. 
I  beschwiclitigen  276. 
!  beschwuddern  333. 

besebeln  333. 

Besen  27.  219.  295. 
I  Besing  197. 

besprechen  232. 

besser  U.  27. 

best  27. 

bestechen  317. 

Betonie  196.  413. 

betrunken  349. 
'Bett  U.  15.  27.  216. 

betucht  333. 

Beule  232. 

Beute  108.  216.  347. 

Beutel  219. 

bewegen  34.  250. 

bezichtigen  34. 

Bibel  413. 

Biber  7. 15. 17.89.175. 

Bibergeil  352. 

Bibernell  357. 
i  bieder  65.  241. 
'biegen  15.18.35.252. 

Biene  15.  186. 

Bier  29.  223. 

bieten  11.  17. 
I  bigott  411. 
'  Bilchmaus  175. 

Bilsenkraut  197.  352. 

bimmeln  85. 

Bimsstein  275.  352. 

bin  48. 

I  Binde  15.  17. 
I  binden  29.  252. 

Binetsch  196. 

Bingelkraut  197.  270. 
352. 

binnen  125. 

Binse  197. 

Birke  15.  190.  192. 


Birne  191.  275. 
blrschen  314. 
Bischof  12.29. 139.275. 

299. 
Bise  202. 
Biß  29. 
bissen  34. 
bitte  17. 

bitten  29.  248.  412. 
bitter  17.29.110.241. 
Bittsteller  159. 
Blachfeld  352. 
Blaffert  324. 
blank  239. 
Blankscheit  357. 
Blase  172. 
blasen  15.  250. 
blaß  239. 
Blatt  11.  26. 
Blatter  232. 
blau  49.  239. 
bläuen  272. 
blauer  Montag  302. 
Blech  333. 

Blei  49.  135.  185.  199. 
bleiben  34.  126. 
bleich  12.  28.  239. 
bleichen  28. 
Bleuel  219. 
bleuen  15.  226.  357. 
blind  29.  109.  240. 
Blinddarm  162. 
Blitz  201. 
Block  126.  219. 
blöde  243. 
blond  75.  239. 
bloß  243. 

Blume  15.  29.  198. 
blümerant  240.  357. 
Bluse  413. 
Blut  172. 
blut-  357. 
Blutegel  187. 
blutrünstig  352. 
Bock  15.  178.  413. 
Bockbier  357. 
Bocksbeutel  357. 
Boden  27.  34. 
Bofist  357. 
Bogen  230. 
Böhmen  383. 
Bohne  27.  193. 
bohnen  271. 
bohren  15.27.34.253, 
Bohrer  219. 
Bolle  15. 

Bollwerk  158.  352. 
Bolzen  230. 
Bönhase  319. 
Boot  104.  326. 
Borch  177. 
Bord  27.  39.  108.  273 

326. 
borgen  27. 
Borke  191. 


Borkirche  352. 
Bornholm  383. 
Borrctsch  196. 
Börse  323.  413. 
Borste  15. 
Borte  226. 
bosseln  253. 
böse  241. 

böse  Sieben  168.  344. 
,  Bottich  27.  218. 
Boykott  413. 
brachen  34. 
brachte  26.  32. 
Brack  272. 
Bracke  176. 
brackig  49. 
Brackwasser  352. 
Bram(en)  197. 
Bramsegel  326.  352. 
Branke  173. 
Brasse(n)  185. 
Bratsche  113.  235. 
braten  49.  222. 
brauchen  106.  291. 

Braue  15.  28.  35.  170. 
brauen  15.  39.  222. 

Bräutigam  200.210.352. 

braun  15.  28.  35.  240. 

Braut  210. 

brechen  12.  15.  252. 

-brecht  27. 

Bregen  49.  170. 

Brei  223. 

breit  28.  243. 

Breite  28. 

Bremse  110.  186. 

brennen  27.  108. 

Brente  275.  357. 

Brett  39. 

Brezel  224. 

Bricke  185. 

Brief  238. 

Briefwechsel  162. 

bringen  29.  108.  250. 

Brink  49.  394. 

Brinte  275. 

Brocken  32.  43. 

Brodem  222. 

Brombeere    197.    271. 
352. 

Bronze  199.  413 

Brosame  357. 

Brot  27.  223. 

Bruch  15.  226. 
!  Brüche  305. 
j  Bruchstück  159. 

Brücke  203. 

Bruder  7.  12.  15.  18. 
I     35.  208. 

Brühe  223. 
'  brühen  222. 

brüllen  251. 
I  brummen  49.  251. 
j  Brünne  231. 
i  Brunnen  15.  202. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


423 


Brüsch  46. 

dämpfen  222. 

Dönges  273. 

Düse  145. 

Brust  101.  172. 

Dampfschiff  162. 

Donner  11.  13.  201. 

Dusel  242. 

Brut  29. 

Dänisch  Leder  357. 

Donnerstag  298. 

Dussek  145. 

got.  hTüpialps  211. 

Dank  11.  26. 

doppelt  168. 

Dutzend  168. 

Bube  87.  290. 

dann  11. 

Dorf  11.  215.  392. 

Buch  12.  29.  237. 

dar(um)  11. 

Dorn   11.  14.  27.  34. 

Ebbe  27.  105. 

Buche  15.  35. 190. 192. 

Darm  13.  170. 

197. 

eben  244. 

Bücherei  158. 

Darre  219. 

dörren  14. 

Ebenholz  191. 

Buchsbaum  191. 

das  13.  33. 

Dorsch  109.  184. 

Eber  106.  177. 

Büchse  233.  275. 

daß  11.  26. 

dort  197. 

Eberesche  190. 

Buchstabe  237. 

dauerlos  66. 

Dost(en)  197. 

echt  253.  275.  304. 

Bude  29. 

Daumen  11.  170. 

Dot  290. 

Ecke  19.  27.  33.  106. 

Buff  86. 

Daumen  halten  343. 

Drache  188. 

Ecker  191. 

büffeln  357. 

Daune  28.  183. 

Drachen  231. 

edel  241. 

Bug  15.  17.  35.  170. 

Dechant  299. 

Draht  11.  14.  26.  34. 

Efeu  197. 

bugsieren  326. 

Decher  168. 

219. 

Egge   194.  219. 

Bugspriet  326.  352. 

Dechsel  13.  219. 

Draisine  413. 

Ehe  100.  209.  253.  304. 

Buhle  290.  291. 

dechsen  226. 

drall  243. 

ehender  357. 

Bulle  177. 

decken  11.  13. 

Drang  11.  26. 

ehegestern  207. 

bummeln  86. 

Degen  11.  13.48.357. 

drechseln  14.  39. 

Ehehaften  306. 

Bundschuh  413. 

dehnen  13.  252. 

Dreck  174.  179.  297. 

ehern  27.  33.  199. 

Burg  29.  215.  392. 

Deich  274. 

drehen  11.  14.  253. 

Ehren-  357. 

Bürge  306. 

Deichsel  13.  204. 

drei  11.  14.  166. 

Ehrenpunkt  162. 

Burgunden  137. 

deichseln  357. 

Dreibund  162. 

Ei  183. 

burschikos  294. 

dein  11.  28. 

dreist  241. 

-ei  118. 

bürsten  357. 

Delle  31. 

Drell  167. 

Eibe  190. 

Bürzel  196. 

dem  48. 

dreschen  11.  27. 

Eibenschütz  192. 

Busch  191.  198. 

Demant  200. 

drillen  11. 

Eibisch  196. 

Buse  275. 

Demut  109.  139.  352. 

Drilling  167. 

Eiche  12.  28.  33.  190. 

Büse  327. 

denken  11. 13. 106.248. 

dringen  250. 

Eichel  191. 

Busen  172. 

derb  243. 

dritte  14.  18. 

Eichhorn  176.  357. 

Bussard  357. 

Deube  32. 

drohen  14. 

Eid  12.  28.  108.  137. 

Buße  29.  306. 

deutsch  13.  211.  377. 

Drohne  186. 

Eidam  209. 

butt  243. 

Deut  324. 

Dromedar  178. 

Eidechse  187. 

Butt(e)  185. 

Diamant  200. 

Droschke  145.  204. 

Eidergans  352. 

Butte  218. 

dicht  41.  243. 

Drossel  12. 14.  27. 172. 

ei  der  Tausend  168. 

Büttel  218.  306. 

dichten  238. 

179. 

Eifer  42. 

Butter  29.  179.  224. 

dick  11.  29.  108. 

drucken  271.  318. 

eigen  110. 

Butzenmann  298. 

Dickbein  170.  357. 

drückenl08.  253.  271. 

Eiland  328.  357. 

Dickicht  316. 

318. 

eilen  250. 

Cancan  235.  294. 

Dieb  11.  29.  306. 

Drude  298. 

Eimer  167.  218.  357. 

Cello  235. 

Diebstahl  352. 

Drüse  172.  232. 

ein  28.  33. 

Chaise  204. 

Diele  13.  215. 

du  12.  14.  34. 

Eindruck  162. 

Champagner  413. 

Diener  212. 

Dublone  324. 

eingefleischt  159. 

Chassepot  413. 

Dienst  212. 

Ducht  219.  275. 

Einkommen  162. 

Chaussee  203.  394. 

Dienstag  157.  357. 

Duckmäuser  352. 

Einöde  212.  357. 

Chauvinismus  413. 

dies  29. 

dudeln  145. 

eins  99.  165.  167. 

-chen  118. 

Dietrich  413. 

Dukaten  324.  413. 

Einschiebsel  159. 

Cheviot  413. 

Dill  197. 

dulden  12.  14.  249. 

einschreiben  159. 

Chinin  413. 

Ding  29. 106.304.399. 

Dult  139.  206. 

einsehen  248. 

cif  90. 

dingen  304. 

dumm  29.  41.  240. 

Einsiedel  156. 

dingfest  304. 

dumpf  243. 

Eintracht  357. 

Da  11. 

Dinkel  193. 

Düne  105.  203. 

einverleiben  159. 

Dachll.  13.26.33.213. 

Dirne  212.  409. 

Dung  29. 

Eis  28.  110.  201. 

Dachs  175. 

Distel  11.  29.  197. 

dunkel  244. 

Eisbein  172.  357. 

dachte  26.  32. 

Doa  90. 

dünken  12. 

Eisen  28.  137.  200. 

Dahlen  274. 

Döbel  185.  219. 

dünn  12.  14.  48.  243. 

Eisenbahn  162. 

Dalles  333. 

doch  11. 

Dunzel  212. 

Eiß  17. 

Dallinger  333. 

Dock  326. 

durch  12.  30. 

ahd.  eit  15. 

Damast  413. 

Dohle  182. 

Durchlaucht  162.  272. 

eitel  28.  244. 

Damaszener  413. 

Dohne  13. 

Durchmesser  159. 

Eiter  17.  232. 

Dame  212. 

Dolch  108.  145. 

durchpausen  275. 

ekel  244. 

Damhirsch  178. 

Dolman  145. 

Dürnitz  146. 

Ekelname  357. 

Dämmerung  13.  205. 

Dolmetsch  145. 

dürr  244. 

-el  118. 

Dampf  12.  205. 

Domino  413. 

Durst  12.  108.  224. 

Elbe  15.  385. 

424 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


Elbinß  385. 

Ernst  27. 

Faust  109.  170. 

Firnewein  353. 

Elbs  181. 

Ernte  109.  194. 

Fauteuil  75. 

First  14. 

KIch  12.  27.   175. 

Erpel   182. 

1  Fayence  413. 

Fisch   14.  29.  34.  184. 

nicfant  178. 

erpicht  316. 

Fechdistel  352.  353. 

fischen  186. 

-elei  118. 

erster  167. 

fechten  27. 

m//rf.  fisel  171. 

Elen  145. 

erwilgcn  250. 

1  Feder  12.  14.27.  170. 

1  Fistel  233. 

elend  31.  352. 

erwiUinen  44.  251. 

Feh  33. 

fisten  14.  46.  249. 

lilentier  352. 

Erz  135.  200.  299. 

Fehde  306. 

Fitze  14. 

elf  166. 

es  11. 

Fehe  14.  240. 

fix  293. 

Elfe  298. 

Esch  106.  194. 

Fehwammc  353. 

flach  14. 

Elfenbein  352. 

Esche  31.  190. 

Feier  206.  299. 

Flachs  26.  193. 

Elixier  233.  334. 

Esel  31.  42.  178. 

Feifalter  106. 

Fladen  14.  223. 

Elle  27.  33.  170.  214. 

Espe  31.  109.  190. 

Feige  191. 

Fladuse  237. 

Elm  382. 

Esse  214. 

feige  241. 

Flagge  26.  326. 

Elritze  185. 

essen  11.  27.34.224. 

feil  14.  321. 

Flamberg  358.  414. 

Elsaß  352. 

Essenz  334. 

Feile  28.  219. 

flämisch  414. 

Else  190. 

Essig  31.  195. 

Feim  14.  28.  33. 

Flasche  195.  218. 

Elster  182. 

Essigmutter  352. 

fein  256. 

Flaum  183.  273. 

Elter  113. 

Estrich  31.  215. 

feist  28.  244. 

flechten   14.  34.  226. 

Eltern  208. 

Ettcr  213. 

Felber  100.  110.  190. 

Flecken  392. 

Email  75. 

Etzel  88.  208. 

Felchen  273. 

Fledermaus   175.  353. 

empfinden  247. 

Etymologie  5. 

Feld  14.  27.  194. 

Flederwisch  358. 

empor  275. 

Eule  182. 

Feldmesser  158.  160. 

Flegel  31.  195. 

Emporkömmling  159. 

Euter  11.  170. 

Feldwebel  353. 

flehen  42. 

emsig  244. 

Ewer  326. 

Felge  27.  219. 

Fleisch  28.  170. 

Ende  27. 

ewig  33.  305. 

Fell  14.  48.  170. 

flennen  248. 

endgültig  160. 

Felleisen  357. 

Fletz  214. 

Endivie  198. 

Fach  14. 

Fels  14. 

Flieder  197. 

eng  15.  44.  243. 

Fackel  205. 

Feme  306. 

Fliege  187. 

Engel  139.  299. 

Faden  12.  14.  26.  108. 

Fench  195.  273. 

fliegen  250. 

Engerling  187. 

326. 

Fenchel  195. 

fliehen  29.  42.  250. 

Enkel  170.  209. 

fahen  14. 

Fenster  214.  215. 

Fliese  198. 

-enser  118. 

fahl  14.  42.  240. 

Ferge  31.  47. 

fließen  14. 

ent-  33.  123.  124. 

fahnden  357. 

Ferien  206. 

Flint   199. 

Entartung  163. 

Fahne  14.  33.  226. 

Ferkel   14.  177. 

Flinte  231. 

Ente  18.  33.  163.  179. 

Fähre  192. 

fern  14.  27. 

Flittich  358. 

Enterich  182.  357. 

fahren  14.  26.  250. 

Ferse  14.  19.  170. 

Flitz  231. 

entern  327. 

fahrlässig  306.  357. 

Fes  413. 

Flitzbogen  353. 

entsprechen  163.  278. 

falb  14.  26.  42.  240. 

Fessel  14.  219. 

Flocke  227. 

entwickeln  163. 

Falke  182. 

Fest  206. 

Floh  14.  27.  187. 

entziffern  163. 

Falle  219. 

fest  243. 

Flom  172. 

entzwei  167. 

fallen  26.  250. 

Fettmännchen  357. 

Flor  228. 

Eppich  195. 

fallende  Sucht  158. 

Fetzen  31. 

Florin  324.  414. 

Equipage  204. 

Fallreep  326. 

feucht  110.  244. 

Flöte  235. 

-er  118.                         i 

Fallstrick  316. 

Feuchte  32. 

flöten  gehen  358. 

er-  124.                        ] 

falsch  242. 

Feuer  14.  99.  205. 

flott  295.  328. 

erbarmen  156. 

fälschen  242. 

Fiaker  204.  395.  413. 

Flotte  326. 

Erbe33. 108.  137.306. 

-falt  14. 

Fichte  14.  100.  190. 

fluchen  14. 

Erblasser  160. 

Falte  11. 

fickt  106. 

flügge  275. 

Erbse  42.  135.  193. 

Falter  187.  188. 

fidel  293. 

Fluh  14.  203. 

Erde  12.  27.  202. 

Falz  14. 

Fidibus  294. 

Flunder  30.  185. 

Erdgeschoß  160. 

Farbe  240. 

got.  fidwör  18. 

Flur  14.  29.  108.  202. 

Erdkunde  160. 

Farn   197. 

Fieber  29.  233. 

214. 

erdrosseln  27.  172.      j 

Farre  14.  177. 

Fiedel  29.  235. 

Fluß  202. 

Erdzunge  160. 

Färse  14.  177. 

Filz  14.  30.  226. 

Flut  14.  35.  105. 

-erei  118. 

farzen  14.  249. 

finden  29. 

fob  90. 

ereignen  357. 

Fasan  183.  413. 

Finger  29.  172. 

Fock  326. 

Ereignis  270. 

Fasel  14. 

Fink  14.  29.  179.         ' 

fodern  273. 

Er(e)n  214. 

Faselschwein  177.352. , 

Finkeljochem  333. 

ahd.  föh  106. 

ergötzen  43. 

Fasen  226. 

Finne   106.   187.  273. 

Fohlen  14.  177. 

erinnern  248. 

Faseole  196. 

382. 

Föhn  202. 

erlauben  28. 

Faser  226. 

finster  42.  49.  243. 

Föhre  14.  190. 

Erle  190. 

Faß  14.  216. 

mhd.  Firgunt  192. 

folgen  27.  250. 

Erlkönig  298. 

faul  14.  28.  35.  232. 

Firlefanz  234.  357. 

folgerecht  66.  160. 

Erlöser  163. 

faulenzen  416. 

firmeln  299. 

foppen  333. 

Wörterverzeichnis. 


425 


Forelle  14.  184. 
Forke  195. 
forschen  14.  34.  248. 
Forst  191. 
Fortschritt  163. 
Frack  228. 
fragen  14.  39.  248. 
Fragner  273.  322. 
Fraisen  232. 
Fraktur  318. 
Frank  324. 
frank  414. 
Frank(en)  414. 
Franzbrot  414. 
Frau  211. 
Fräulein  212. 
frech  108. 
frei  14.  108.  137.  211. 

243.  405. 
Freidenker  160. 
freidig  14.  18. 
Freistatt  158. 
Freitag  28.  298.  353. 
fremd  244. 
fressen  224. 
Freude  31. 
freudig  358. 
freuen  249. 
Frevel  42. 
frevel  242. 
Friede  230. 
Friedhof  358. 
frieren  14.  29.  201. 
Friesel  232. 
frisch  14.  30.  109. 
frohlocken  249.  353. 
Frohn  110. 
fromm  14.  241. 
Fron-  211. 
Frondienst  413. 
fronen  211. 
Fronleichnam  353. 
Frosch  187. 
Frost  27.  201. 
früh  14. 
Frühling  206. 
Fuchs  175. 
Füchse  333. 
füge  35. 
fügen  252. 
fühlen  14.  247. 
führen  250. 
Füllen   14.  177. 
Fundgrube  317. 
fünf  14.  18.  44.  166. 
Funke  205.  333. 
Funse(l)  205. 
Funzel  205. 
Furche  14.  30. 
Furcht  242. 
fürder  12. 
Fürst  167.  211. 
Furt  14.  203. 
Fußll. 14.29.101. 170. 
Fußtapfe  358. 


Fut  170. 

Futter  14.  35.  110.219. 

223. 
Futteral  219. 

Gabel  108.  219.  313. 
Gabelfrühstück  160. 
Gaden  212. 
Gaffel  326. 
gaffen  12.  26. 
Gagat  414. 
gähnen  14.  249. 
Gala  212. 
Galan  212. 
galant  212. 
Galgant  196. 
Galgen  14.  26.  219. 
Galle  14.  26.  170. 
Galmei  200.  201.  275. 
Gamander  196.  275. 
Gamasche  414. 
Gambe  113.  235. 
ganfen  333. 
Gang  14. 
Gangspill  326. 
Gans  14.  26.  33.  101. 

179. 
Ganser  182. 
Gant  275.  323. 
Ganter  182.  275. 
ganz  244. 
Garbe  17.  197. 
Gardine  275. 
gären  44. 

Garn  14.  25.  170.226. 
Garnat  188. 
Garnele  188. 
garstig  243. 
Garten  14.  33.  213. 
Gas  89. 

Gasse  203.  393. 
Gast  14.  31.  33. 
Gastfreund  160. 
got.  gastifads  75. 
Gatte  210. 
Gatter  213. 
Gau  202. 
Gauch  179. 
Gaudieb  353. 
Gaul  177. 
Gaumen  14.  170. 
Gauner  333. 
Gaze  228.  414. 
ge-  124. 
gebären  34. 
geboren  27. 
gebunden  30. 
Geburt  18.  34. 
mhd.  gedingen  249. 
Geduld  34. 
Geest  203. 
Gefahr  14.  26. 
Gefäß  217. 
gefroren  27. 
gefunden  30. 


gegangen  250. 
legend  163. 

Gegenfüßler  158. 

Gegenschwäher  350. 

Gegenstand  160. 

Gegenwart  207. 

gehen  250. 

geheuer  244, 

gehl  42.  240. 

gehört  11. 

Geier  182. 

Geige  235. 

geil  243. 

Geisel  108.  137. 

Geiß  11.14.28.33.106. 
178. 

Geißel  219. 

Geist  14.  28.  46. 

Geiz  109. 

geizen  248. 

gelb  14.  27.  42.  240. 

Geld  321. 

Geleise  44. 

geleitet  28. 

Gelenk  172. 

gellen  27. 

Gelse  187. 

gelt  244. 

Gelte  218. 
i  gelten  27. 

Geize  177. 

Gemahl  209.  210. 

gemein  33.  106.  243. 
j  Gemeinde  156. 

Gemeingeist  160. 
I  Gemeinplatz  159. 
j  Gemme  200. 
I  Gemse  178.  275. 

Gemüse  48.  223. 

gemütlich  303. 

genau  244. 

Genf  382. 

genießen  45. 
1  genug  244. 

genung  273. 

Ger  14.  230. 

Gerade  306. 

gerade  126.  244. 

Geranium  198. 

gerben  42.  225. 

gerecht  306. 

gering  243. 

geritten  11. 

Germanen  378. 

Germer  197. 

gern  14.  27.  244. 
I  Gerste  14.  17.46.  106. 

193. 
,  Gerstenkorn  214. 

Gerte  14.  33.  46.  106. 
!      109. 
i  Gerücht  276. 

gescheit  244. 

gescheut  270. 

geschlagen  26. 


Geschlecht  211. 
1  Geschmack  247. 
;  geschossen  27. 

geschwind  108.  243. 

Geschwür  232. 
i  Geselle  318. 
i  Gesichtspunkt  163. 
j  Gesinde  203. 
'  gesotten'  11.  27. 

Gespan  145. 

Gespenst  298. 
I  gestern  27.  34.  207. 
I  gestohlen  27. 

Gestrüpp  107. 

gesund  30. 

gesungen  30. 

gesunken  30. 

Getreide  276. 

Gevatter  156. 

geviert  160. 

Gewähr  306. 

gewahren  247. 

Gewehr  230. 

Geweih  172. 

gewesen  46. 

Gewicht  172.  250. 

gewinnen  29.  106. 

gewiß  48. 

Gewissen  156. 

Gewürz  358. 

Gicht  232.  251. 

Giebel  17.34. 170. 185. 
214. 

Gienmuschel  249. 

Gier  248. 

gießen  14.  35.  106. 

Gift  29.  349.  405. 

Gilde  29. 

Güte  218. 

Gimpel  182.  270. 

Gips  201. 

Gitter  213. 

Glas  25.  199. 

glatt  14.  15.  26.  243. 

gl  au  244. 

Glaube  126. 

glauben  28.  248. 
I  Glaubensbekenntnis 
158. 

Glaubersalz  414. 

gleich  28.  109.  126. 

Gleicher  160. 

Gleichgewicht  163. 

gleichnamig  160. 

Gleis  126.  316. 

Gleisner  126. 

gleiten  28.  250. 

Gletscher  153.134.203. 

Glied  126.  170. 

Glimmer  201. 

Glimmstengel  161. 

GHmpf  126. 

glitzern  29. 

Glocke  275. 

Glück  126. 


426 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


Glücksritter  160. 
Glücksspiel  158. 
glum  244. 
glupen  247. 
Glut  205. 
Glucke  275. 
Gnade  126. 
Gnadenwahl  160. 
Gnätze  232. 
Gneis  201. 
Gnitte  187. 
Gobelin  414. 
Gockel  181.  275. 
Gold  14.  18.  200. 
Golf  203.  327. 
Göre  21.  208. 
Gote  298. 

Gott  11.  27.298.347. 
Gotte  156. 
Götti  156. 
Gottlieb  358. 
Götze  298. 

graben   109. 
iraf  126.  211.  405. 
gram  14.  244. 
Granat  200. 
Grand  199. 
Granit  201. 
Graphit  201. 
Gras  25.  197. 
graß  244. 
Grat  108. 
grau  14.  106.  240. 
Graupe  145.  201. 
Graus  199. 
Grauß  199. 
Greif  183. 
greifen  12.  28.  109. 
greinen  248. 
greis  240. 
grell  244. 
Grenze  145. 
Grieche  12.  29.  140. 
Gries  223. 
Griesgram  353. 
Grieß  199. 

Griffel  219.  238.  358. 
Grille  188. 
Grind  232. 
grinen  248. 
grinsen  248. 
Grippe  145. 
grob  126. 
Grobgrün  358. 
Grobzeug  358. 
Grog  414. 
Groppe  185. 
Groppen  217. 
Groschen  324. 
groß  27.  244. 
Gruft  358. 
Grummet  353. 
grün  240.  400. 
Grund  30.  202. 
Grundsatz  160. 


Grundstein  158. 

Grünspan  353.  358. 

grüßen  11. 
!  Grütze  223.  358. 
!  gucken  247. 

Gudrun  230. 

Guillotine  414. 
I  Gulasch  145. 

Gulden  324. 

Gundelrebe  197. 

Gundermann  197.358. 
,  Günsel  196. 

Günther  230. 
!  Gurgel  173. 
t  Gurke  145. 

Gurt  219. 

Gürtel  219.  226. 

Gut  313. 

gut  11.  29.  241. 

gut  Geschirr  358. 

Haar  26.  172. 193.  202. 

228. 
Haardt  382. 
Haarstrang  382. 
haben  17.  33.  106. 
Habergeiß  13. 178.353. 
Habicht  182. 
Hachse  13.  170. 
Hacke  219. 
Hacken  172. 
hacken  47. 
Hacksch  109. 
Hader  13. 100. 108. 230. 
Hafen    103.  104.  217. 

326. 
Hafer  193. 
Hafergeiß  33. 
Haft  33. 
-haft  13.  117. 
Hag  108. 

Hagel  13.  26.  201. 
Hag(en)  197. 
Hagen  109. 
hager  13.  19. 
Hagestolz  358. 
haben  32. 
Häher  110.  179. 
Hahn  13.  181. 
Hahnrei  210. 
Hai  184. 

got.  haihs  33.  240. 
Hain  197. 
Hakatisten  90. 
Haken  219. 
halb  25.  244. 
Halbwelt  160. 
Halde  202. 
Hälfe  113. 
Halfter  219. 
Hall  389. 
Halle  13.  213. 
Hallore  293. 
Halm  13.  194. 
Hals  13.  106.  170. 


halten  11. 

Halunke  91.  145. 

Hamen  17.  186. 

Hamme  13. 

Hammel  241. 

Hammer  13.  26.  198. 
219. 

Hamster  175. 
iHand  13.26.  114.  170. 
'      173. 

handhaft  306. 
,  handlangen  358. 
1  Handstreich  160. 
!  Handwerk  318. 

Hanf  12.  13.  31.  133. 
135. 

Hängematte  326.  358. 
i  Hanke  172. 
i  hänseln  416. 

Hantel  342. 
'  hantieren  3^8. 

Hapag  90. 
[Härder  185. 
'Harfe  12.25.219.235. 

Harke  220. 

Harlekin  298.  414. 

Harm  13.  25.  109. 

harmlos  160. 

Harn  174. 

Harnisch  231. 

harren  249. 

harsch  243. 

hart  11.  13.  18.  243. 

-hart  382. 

Hartriegel  190. 

Harz  13.  191.  382. 

Hase  13.  26.  102.  106. 
175.  240. 

Hasel  13.  26.  190. 

haselieren  358. 

Haspe(l)  220. 

Haß  13. 

Haß  226. 

hassen  11.  26. 

hasten  250. 

hatte  11.  26. 

Haube  13.  226. 

Haubitze  145.  231. 

Haue  220. 

hauen  13.  253. 

Haufen  12.  28. 

Haug  202. 

Haupt  11.  13.  28.  170. 

Haus  28.  48.  212. 

Hausen  185. 

Hausmeier  160. 

Haut  13.  35.  170. 

Havarie  358. 

Hebamme  358. 

Hebel  220. 

heben  13.  27.  33. 106. 

Hechel  220. 

Hecht  185. 

Heck  326. 
,  Hecke  27.  108. 


Hede  193. 

Hederich  358. 

Heer  13.  33.  328. 

Heft  220. 

heftig  244.  272. 

hehlen  13. 

hehr  27.  243. 

Heide  12.  13.  28.  139. 
202. 

Heiduck  145.  414. 

heikel  244. 

heil  13. 

heilen  28. 

heilig  28.  139. 

heiligen  28. 

Heim  13.  28.  214. 

Heimat  212. 

Heimchen  187. 

Heimweh  278. 

heint  207. 

Heinz  416. 

Heinzelmännchen  298. 

Heirat  13.  209.  353. 

heischen  28.  248. 

heiser  28.  232. 

heiß  11.  205. 

Heister  190.  382. 

Heit  116. 

-heit  13.  HO.  116. 

heiter  13.  18.  HO. 

Held  108.  137. 

helfen  12.  27.  109. 

hell  244. 

Hellebarde  353. 

Heller  31.  324.  414. 

hellig  244. 

Helling  326. 

Hellseher  160. 

Helm  13.  27.  31.  HO. 
220.  230. 

Hemd  226. 

Hengst  177. 

Henkel  220. 

Henne  27.  181. 

Heppe  178. 
jherb  241. 

Herberge  353. 

Herbst  13.  27.  206. 

Hercynia  Silva  192.382. 
I  Herd  12.  27.  214. 
!  Herde  27.  HO.  179. 

Hering  185. 

Herlitze  190. 

Herme  414. 
!  Hermelin  13.  175. 
I  hermetisch  414. 

Herr  211. 

herrisch  358. 

herrlich  358. 

Herz  11.  13.  27.  170. 

Herzog  34.  107.  211. 
328, 

Herzynisch  137. 

Hesse  31. 
,  Hessen  137. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


427 


Helman  145. 
Hettel  42.  178. 
hetzen  250.  316. 
Heu  197.  333. 
heuer  106.  207. 
heuern  326. 
Heuschrecke  187. 
heute  17.  207. 
Hexe  298. 
Hexenschuß  232. 
Hiefe  197. 
hier  29. 
Hifthorn  353. 
Hilde-  230. 
Hilfsquelle  160. 
Himbeere  197.  353. 
Himmel  42.  48.  201. 
Hinde  29. 
hindern  29. 
hinke  13.  241. 
Hinkel  181. 
hinten  29. 
Hintere  173. 
Hinterwäldler  160. 
Hippe  178.  220. 
Hirn  13.  170. 
Hirsch  13.  106.  175. 
Hirse  13.  193. 
Hirt  11.  179. 
Hisch  211. 
hissen  326. 
Hobel  220. 
hoch  243. 
Hochstapler  333. 
Hochzeit  209. 
hocken  251. 
Höcker  109.  171.  358. 
Hode  171. 
Hof  213. 

hoffen  12.  27.  32.  249. 
Höhenrauch  358. 
hohl  13.  27. 
Hohn  13. 
hohnecken  358. 
Hokuspokus  414. 
hold  244. 
Holle  228. 
Hölle  139.  156.  298. 
Holm  13.  202. 
Holunder  190. 
Holz  13.  191. 
Honig  13.  19.  34.  187. 
Hopfen  12.27.43.193 
horchen  247. 
Horde  145.  213. 
hören  13.  27.  33.  247. 
Hörn  13.  27.  34.  171. 

235. 
Hornis  13. 
Hornisse  34.  186. 
Hornung  206. 
Hort  13.  27.  34. 
Hose  27.  226.  289. 
Hotte  217. 
Hube  35.  213. 


hübsch  256. 
Huf  13.  29.  110. 
Hufe  13.  213.  214. 
Huflattich  196. 
Hüfte  13.  171. 
Hügel  202. 
Huhn  13.  107.  181. 
Hülse  220. 
Hülst  197. 
Hummel  41.  186. 
Hummer  13.  34.  187. 
Humor  234. 
humpeln  13. 
Humpen   13.  39.  135. 

217. 
Hund  13.30,114.175. 
Hundejunge  316. 
hundert  13.30.34.166. 
Hüne  298. 
Hunger  30.  224. 
Hungertuch  302. 
hüpfen  12.  250. 
Hürde  13.  34. 107.  213. 
Hure  13.  35. 
Husar  145. 
Husten  13.  232. 
Hut  226. 
Hütte  213. 
Hutzel  191. 

-iade  119. 

-ian  116. 

Ibea  90. 
I  ich  34. 
i-icht  117. 

-ier  119. 
'  -ieren  118. 

Igel  15.  42.  176. 

-ikus  119. 

IIa  90. 

Iltis  176. 

Imme  41.  186. 

in  29.  34. 

-in  117. 

Indian  414. 

Indigo  414. 

-iner  118. 

Infusorien  188. 

-ing  117. 

Ingwer  273. 

Innung  318. 

Insekt  188. 

Inster  171. 

irgend  305. 

irre  244. 

irren  34.  107. 

Iser  380.  386. 
'  ist  34. 

-ist  119. 

Istros  386. 

Itsche  188. 

jach  244. 

Jacht  326. 

I  Jacke  414. 


jagen  250. 

jähe  244. 

Jahn  44.  416. 

Jahr  26.  44.  206, 

Jahrbücher  158. 

Jahrhundert  207. 

Jahrtausend  207. 
'  Jahrzehnt  207. 
,  Jalousie  218.  344. 

Jammer  44. 

Janhagel  328.  416. 
I  Jaspis  200. 
•  jäten  44. 

Jauche  145. 

je  305. 
^  jehen  251. 
■  Jeremiade  414. 
:  Joch  12.  34.  44.  220. 
i     314. 

Jochem  333. 

Jockei  416. 

Jolle  326. 
!  jovial  414. 

Jubeljahr  353. 

Juchert  44. 

Juchten  145.  275. 
I  jucken  232. 
! Jucks  293. 
I  Jugend  12.  44. 
Ijüh  176. 

Juli  414. 

jung  19. 30. 34.44. 243. 

Jungfer  353. 

Jungfernrede  160.342. 

Juni  414. 

Junker  353. 

Jütland  383. 

Kabache  145. 
Kabel  327. 
Kabeljau  185. 
Kabriolett  204. 
Kabrusche  333. 
Kachel  215. 
Kadetten  90. 
Käfer  31.  187. 
Kaff  194. 
Kaffer  333. 
Käfig  183.  273. 
Kafiller  333. 
Käfter  215. 
kahl  42.  245. 
Kahn  104. 

Kaiser  133.  211.  414. 
Kaiserschnitt  160. 
Kakerlak  188. 
Kalatschen  333. 
Kalauer  358. 
Kalb  25.  177. 
Kälberkern  358. 
Kaidaunen  173. 
Kalebasse  198. 
Kalekut  414. 
Kalesche  145.  204. 
Kalfakter  294. 


kalfatern  327. 
Kalk  26.  215. 
Kalmus  198. 
kalt  11.  15.  40.  243. 
Kamelie  414. 
kamen  34. 
Kamille  196. 
Kamm  15.  33.  39.  41. 

220.  229. 
Kammer  215. 
Kammertuch  228.  353. 

414. 
Kampf  230.  305. 
Kämpfer  358. 
Kanapee  218. 
Kandare  145. 
Kandel  217. 
Kandelaber  205. 
Kaninchen  178. 
Kanker  187. 
kann  26. 
Kanne  217. 
Kannibale  414. 
Kanone  358. 
Kante  217. 
Kantschu  145. 
Kanzel  299. 
Kap  203. 
Kapelle  299. 
Kaper  326. 
Kaplan  299. 
kapores  333. 
Kappe  26.  227. 
Kappes  195. 
Kapphahn  358. 
Kappzaum  358. 
Karaffe  218. 
Karausche  145.  185. 
Karbatsche  145. 
Karch  204. 
Kardätsche  196, 
Karde  196. 
Karfreitag  353. 
Karfunkel  200.  358. 
karg  244. 
karmin  240. 
Karneol  200. 
Karolin  324. 
Karosse  204. 
Karotte  198. 
Karpfen  12.  185. 
Karre(n)  204. 
Karrete  204. 
Karriere  204. 
Karriol(e)  204. 
Karst  220. 
Kartause  414. 
Kartoffel  196. 
kaschieren  344. 
Kaschmir  228.  414. 
Käse  179.  224. 
Kasel  227. 
Kasperl  416. 
Kassiber  333. 
Kastanie  191. 


428 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


kasteien  299. 
Kasten  217.  333. 
Kästen  134. 
Kate  213. 
Kater  176.  358. 
Kattun  228. 
Katze  26.  176. 
Kauderwelsch  353. 
kauen  15.  109.  224. 
kauern  15.  251. 
Kauf  12.  28. 
kaufen  28.  321. 
Kaulbarsch  353. 
Kaulquappe  353. 
kaum  244. 
Kaute  145. 
Kauz  182. 
Kavalier  211. 
Kebse  210. 
keck  243.  272. 
kedern  251. 
Kees  203. 
Kegel  210.  220. 
Kehle  15.  171. 
Keidel  48.  220. 
Keil  48.  220. 
Keiler  145.  178. 
-keit  116. 
Keitel  217. 

Kelch  31. 172. 195.218. 
Keile  220. 
Keller  133.  215. 
Kellner  133.  215. 
Kelter  195. 
Kemenate  215. 
kennen  15.  40.  248. 
kentern  31.  326. 
Kerbel  133.  195. 
kerben  15.  27. 
Kerf  113. 
Kerker  31. 
Kerl  27. 
Kern  15. 
Kerze  205. 
Kescher  217. 
Kessel  27.  31.  42.  218. 
Kessellreiben  316. 
Kette  31.  179.  358. 
Kettich  197. 
Keule  220. 
Keuper  201. 
keusch  244. 
Keusche  145. 
Keuschlamm  358. 
Kibitz  182.  275. 
Kichererbse  133.  195. 
Kiefer  171.  190. 
Kieke  217. 
kieken  247. 
Kiel  29. 
Kiepe  217. 
Kies  333. 
Kiesel  199. 
kiesen  15.  247. 
Kieze  213. 


Kilbi  206. 

Küche  273. 

Kilt  113. 

Kimme  220. 

Kind  15.  29.  208. 

Kinn  15.  29.  48.  171. 

Kinnbein  405. 

Kippe  machen  333. 

Kirb(e)  206. 

Kirche  133.  299. 

Kirchweih  206. 

Kirmes  206. 

kirre  244. 

Kirsche  133.  191.  414. 

Kiü(e)  220. 

Kissen  270. 

Kiste  133.  217. 

Kitt  44.  191. 

Kittchen  333. 

Kittel  226.  228. 

Kitze  178. 

kitzeln  43. 

Klabautermann  298. 

Klafter  109.  214.  306. 

klagen  251. 

Klamm  202. 
:  Klammer  220. 

Klampe  220. 
'  klar  240. 

klauben  252. 

Klaue  15.  171. 
I  Klause  299. 
'  Klavier  235. 
!  Klee  27.  197. 
iKlei  15.  199. 

Kleid  12.  28.  226. 

klein  28.  243. 

Kleinmeister  160. 

Klepper  333. 

Klette  197. 

klettern  250. 

klieben  15. 

klimmen  29.  41.  250. 

Klingel  220. 

Klingelbach  384. 

Klinke  220. 

Klinker  201. 

Klippe  29. 
'  Klippschule  353. 

Kloben  220. 

Klöpfel  220. 

Kloster  299. 

Klotz  220. 

Kluft  333. 

klug  15.  108.  242. 

Kluppe  220. 

Klüver  326. 
'  Knabe  26.  208. 

Knan  275. 

Knaster  411. 

Knebel  15.  39.  220. 

Knecht  27.  212. 

Kneif  220. 

Kneipe  220.  278.  333. 

Knes  145. 


knete  108.  253. 

Knie  15.29.38.39.171. 

Knöbel  172. 

Knoblauch  353. 

Knöchel  172. 

Knoclicn  172. 

Knödel  48. 

Knolle  48. 

Knorpel  172. 

Knospe  198. 

Knote  275. 

Knoten   27.  226.  326. 

Knüppel  220. 

Knute  145. 

Knüttel  220. 

Kobalt  200. 

Koben  15.  213. 

Kober  213.  217. 

Kobold  298. 

Koch  222. 
I  kochen  222. 

Köcher  222.  231. 

Köder  226.  272.  273. 

Kognak  414. 

Kohl  195. 

Kohl  machen  333. 

Kohlmeise  358. 

Kohle  199. 

Koje  327. 

kokein  275. 

Kolben  15.  39.  220. 

Kolk  202. 

Koller  231.  233. 

Kolophonium  414. 
\  Koloquinte  198. 

Kolter  222. 

kommen  44.  250. 

Kommers  293. 
i  Kompaß  327. 
[Komtesse  211. 

Kone  209. 

König  105.  211. 

können  15. 
i  Kontertanz  235. 

Kopf  173.  218.  405. 

Koppel  314. 

Koralle  188. 
!  Korb  218. 
I  Kordel  134.  222. 

Korduan  414. 

Koriander  198. 

Korinthe  414. 

Korn  15.  27.  34.  193. 

Kornelikirsche  191. 

Körper  173. 

koscher  333. 
i  kosten  15.  133.  322. 
!  kostspielig  358. 
iKot  174.  179. 

Kote  213. 

Kote  172. 

Köter  176. 

Kotze  227. 

Kötze  213. 

Krabate  145.  414. 


Krabbe  26.  187. 

Kraft  25. 

Kragen  44.  171.  405. 

Krähe  182. 
i  krähen  15. 

Krake  188. 

Kralle  172. 
jKram  110.  321. 
'  kramen  321. 
1  Krämer  321. 

Krammetsvogel  183. 

Krampe  220. 

Krampf  232. 

Kran  181.  222. 
,  Kranich  15.  40.  181. 
I  krank  348.  349. 
I  Krapfen  220. 
■  kraß  293. 
!  Kräften  217. 
I  Krätze  217. 
j  Kräuel  220. 
'  kraus  228. 

Krause  218. 

Kraut  193. 

Kraxe  220. 

Krebs  187. 

Kreide  201. 
I  Kreisel  218.  358. 
!  Krempel  220. 

krempein  323. 
I  Kremser  204.  414. 

Kren  146. 

Kresse  185.  197. 

Kretscham  145. 
'  Kreuz  299. 

Kreuzer  324. 

Krieche  191. 
:  kriechen  250. 

Krieg  230. 

Kriegspfad  163. 

Krimmer  414. 

Krimstecher  414. 

Krinitz  145. 

Krippe  29.  214. 

Krist  139. 
,  Kristall  200. 
,  kritteln  358. 
I  Krokodil  188. 
I  Krokus  198. 
I  Krolle  48. 
I  Krone  205.  324. 

Kropf  12.  171. 

Kroppzeug  353. 

Kröte  44.  187. 
I  Krücke  220. 
i  Krug  218. 

Kruke  218. 
;  Krume  15. 
i  krumm  41.  244. 

Krüppel  241. 

Kuchen  223.  290. 

Kübel  218. 

Küche  222. 

Küchenschelle  358. 

Kuckuck  87. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


429 


Kufe  195.  218.  220. 
Kuh  101.  177. 
kühl  244. 
kühn  241. 
Küken  181. 
Kukumer  198. 
Kuli  414. 
Kumme  217. 
Kümmel  42.  195. 
Kümmeiblättchen  333. 

358. 
Kummer  41. 
Kump  217. 
Kumpan  211. 
Kumt  145. 
kund  15. 
Kunkel  222. 
ahd.  kunni  211. 
Kunst  405. 
Kunstkammer  158. 
kunterbunt  237.  358. 
Küpe  218. 

Kupfer  12.43.200.414. 
kuppeln  314. 
Küste  327. 
Kurbe(l)  222. 
Kürbis  195. 
kurios  293. 
Kürschner  145. 
Kuß  107. 
Küste  203. 

Kutsche  145.204.414. 
Kutte  227. 
Kuttel  172. 
Kux  445. 

Laban  416. 

laben  299. 

Laberdan  185. 

labet  112. 

lachen  25.  40.  248. 

Lachner  233. 

Lachs44.105.109.184. 

395.  414. 
Lachter  214.  275. 
Lade  217. 
Laden  215. 
laden  306. 
Lafette  112. 
lag  26. 

Lägel  195.  218. 
lahm  26.  241. 
lähmen  108. 
Laib  28.  34.  40.  223. 
Laich  234. 
Lakeien  212. 
Lalcen  226. 
lakonisch  414. 
Lakritze  233. 
lallen  88.  251. 
Lambertsnuß  358. 
Lamm  26.  41.  44.  177. 
Lampe  205. 
Lamprete  185. 
Land  26.  44.  202. 


Landauer  414. 
Ländler  235.  414. 
Landsknecht  358. 
lang  26.  33.  44.  107. 

243. 
Langwiede  353. 
langwierig  353. 
Lanke  172. 
Lanne  204. 
Lanze  231. 
Lappen  26.44. 171.227. 

316. 
Lärche  191. 
Larifari  237. 
Lärm  112. 
lasch  108. 
Lasche  227. 
Läse  217. 
laß  44.  243. 
lassen  11.  26.  44. 
Last  48. 
Laster  49. 
Lasur  112. 
Latein  414. 
Laterne  205. 
Latte  25. 108.  215.  220. 

347. 
Lattich  196. 
Latwerge  233. 
lau  40.  205. 
Laub  28.  44.  191. 
Laube  213.  358. 
Laubrüst  353. 
Lauch  28.  197. 
Läufe!  191. 
laufen  12.  28.  40.  250. 
Lauge  44.  229. 
Laus  28.  108.  187. 
lauschen  247. 
Lausewenzel  414. 
laustem  247. 
laut  11.  28.  243. 
lauter  17.  40. 
Lavendel  196. 
lavieren  327. 
Lazarett  414. 
Lazerte  188. 
mhd.  le  202. 
leben  34.  249.  349. 
Lebensfaden  343. 
Leber  171. 
Lebermeer  353. 
Lebkuchen  34. 223. 353 
Lebzelt  353. 
lech  244. 
leck  244.  326. 
lecken  34.  44.  48.  224. 

347. 
Leder  12.  27.  44.  108. 

225. 
ledig  244. 
Lee  326. 
leer  244. 
Lefze  44. 
Legel  218. 


legen  44. 

Lehen  19.  44.  110. 

Lehm  28.44.  107.  199. 

Lehne  40.  178.  190. 

lehnen  34.  40.  251. 

Lehre  27. 

lehren  316. 

Lehrgang  66. 

Lei  199. 

-lei  118. 

Leib  28.  172.  405. 

Leibgedinge  304. 

Leich  234.  250.  405. 

Leichdorn  358. 

Leiche  172.  349. 

Leichnam  353. 

leicht  44.  243. 

Leichter  326. 

leid  28. 

leiden  249. 

leihen  35.  44.  321. 

Leikauf  353. 

Leilach  353. 

Leim  28.  44.  107. 

Lein  44.  183. 

-lein  118. 

Leine  28.  220. 

Leinwand  358. 

Leis  113. 

leise  48. 

Leiste  44.  107. 

Leisten  28.  220. 

leisten  250. 

Leitartikel  160. 

Leite  40.  202. 

leiten  11.28.110.250. 

Leiter  11.  28.  40.  215. 

Lende  15.  45.  171. 

Lenne  190. 

Lenz  27.  31.  206.  353. 

Lerche  182. 

lernen  27.  34. 

lesen  45. 109.163.237. 

404.  405. 
Letten  108.  199. 
Letter  299. 
Letzt  358. 
letzt  243. 
letzte  31. 
Leuchse  204. 
Leuchter  205. 
Leumund  40.  247.358. 
Leute  211. 
Levkoie  198. 
-lieh  116. 
Licht  35.  45.  205. 
lichterloh  353. 
Lid  29.  40. 
lieb  15.  29.  45. 
Liebstöckel  196.  358. 
Lied  45. 

liederlich  45.  211.358. 
Liedlohn  353. 
liegen  34.  45.  251. 
liehen  34. 


!  Liesch  197. 
Lilie  196. 
Linde  190. 
linde  45.  107. 
Lind(wurm)  187.  353. 
-ling  117. 
link  45.  110. 
links  347. 
Linnen  44. 
Linse  135.  195. 
Lippe  29.  44. 107. 171. 
lispeln  29.  41. 
Litanei  300. 
Litewka  414. 
Litfaßsäule  414. 
Lloyd  414. 
Lob  272.      . 
Lochtaube  353. 
Locke  27.  45.  48.  109. 

228 
locken  45.  248. 
locken  270. 
locker  244. 
Lockspitzel  163. 
Lode  211. 
Loden  45.  227. 
Löffel  220.  333. 
Loge  75. 
Loh  45. 
Lohe  205. 
Lohn  45. 
Lolch  196. 
Lombard  322.  414. 
Lombardei  383. 
lombardieren  322. 
Lomber  112. 
Lorbeer  191.  353. 
löschen  326. 
Los  40. 
los  27.  45. 
lose  191.  244. 
losen  40.  247. 
lösen  253. 
Löß  201. 

Lot  27.  45.  108.  137. 
Lotse  326. 
lotter  211. 
Lotterie  323. 
Louis  416. 
Louisdor  414. 
Luch  145. 
Luchs  45.  176. 
luck  32. 
Luder  316. 
Luft  202. 
Lüge  242. 
lügen  45.  247. 
lullen  88. 
Lümmel  41.  314. 
Lümmel  241. 
Lunge  30.  34.  172. 
lungern  243. 
Lüning  181. 
Lünse  110.  204. 
Lupine  198. 


430 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


Liirch  187. 
Lust  30.  45. 
Lüster  205. 
Luv  326. 
Luzerne  198. 
lynchen  414. 
Lyzeum  414. 

Maat  326. 
Macheier  228. 
machen  12.26.45.253. 

320. 
Macht  26.  45.  405. 
Mäckler  333. 
Mädchen  208. 
Madame  212. 
Made  187. 
mag  26. 
Magd  26.  208. 
Mage  211. 
Magen  172. 
mager  19. 45. 243.  245. 
Magie  414. 
Magnet  200.  414. 
Magsame  353. 
Mahd  35.  45. 
mähen  45.  194. 
Mahl  26. 
mahlen  45. 
Mahlstatt  353. 
Mahlschatz  353. 
Mähne  31.  45.  171. 
mahnen  45.  248. 
Mahr  45.  298. 
Mähre  45. 108.177.179. 
Mährisches    Gesenke 

382. 
Maid  276. 
Maische  45.  46. 
Mais  196. 
Majolika  414. 
Majoran  196.  358. 
Makadam  414. 
Makel  300. 
makkaronisch  414. 
Makrele  185. 
Makulatur  318. 
Mal  45. 
maiedeien  300. 
malen  237. 
Mallepost  353. 
Malve  26. 
Malvasier  414. 
Malz  26.  45.  223. 
Mama  290. 
Mamsell  212. 
manch  45. 
mancher  108. 
Mande  217. 
Mandel  168.  192. 
-mang  119. 
Mange(i)  222. 
Mangel  45. 
Manichäer    295.   358. 

414. 


j  Mann  26.  45.  209. 
I  Mansarde  414. 
I  Manschester  414. 
;  Mantel  227. 
;  Marbel  201. 
j  Marbel  201. 
'Marder  176. 
I  Marelle  414. 
1  Margell  145. 
'Marille  414. 

Marionette  416. 

Mark  26.  33.  45.  46. 

171.  202.  324. 
I  Märkerding  306. 
I  Markise  218.  414. 
•Markoif  416. 

Markt  322. 

Marmor  201. 

Maroquin  414. 

Marotte  416. 

Marquis  211. 

Mars  112.  327. 

Marsch  203. 

Marschall  75.212.353. 

Marstall  353. 

Märte  224. 

Marter  299. 

März  145. 

Masche  45.  109.  227. 

Mäschel  32. 

Masematten  333. 

Masern  232. 

Maß  214. 

Maßholder  359. 

-mäßig   117. 

Maßleid  353. 

maßleidig  31. 

Mast  25.  45.  46.  104. 
107. 

Masurka  235.  414. 

Matrose  327. 

matt  344. 
I  Matte  203. 
I  Matz  416. 

Mauer  215. 

Maulbeere  192.  353. 
1  Maultier  178. 

Maulwurf  359. 

Maus  28.  35.  45.  101. 
176. 

Mauser  183. 

Mausoleum  414. 

Maut  139.  172.  322. 
,  Mayonnaise  414. 
I  Mäzen  414. 

Meer  45.  103. 

Meerrettich  359. 
'  Mehl  27.  45. 
j  mehr  27. 

Meile  28.  183. 

Meiler  145. 
'  mein  28.  45. 
I  Meineid  353. 
'  meinen  28.  45.  248. 
,  Meiran  358. 


Meise  48.  182.  217. 

Meißel  220. 

meist  28. 
I  Meister  238.  276. 

Melde  197. 

Melis  415. 

melken  45    179. 
I  Melone  198. 
I  Meltau  34.  45.  359. 
;  Memme  87. 

mengen  45. 
'•  Menger  322. 

Mennig  273. 
I  Mensch  210. 

Mentor  415. 

Mergel  201. 
I  mergeln  359. 
I  merken  247. 
!  Messe  206.  299. 

messen  34.  45.  214. 

Messer  31.  198.  220. 

354. 
'  Messing  200. 

Meßner  359. 

Meste  217. 

Met  15.  45.  187.  223. 

Metall  200. 

Metaphysik  415. 

Meter  214. 

Mette  299.  416. 

Mettwurst  354. 

Metze31.45. 107.  214. 
217.  416. 

Metzger  273. 

Meuchel-  108. 

Meute  316. 

Meuter  316. 

mich  34.  45. 

michel  34.  45. 

Mieder  270. 

Miere  197. 

Miete  29.  34.  45.  46. 

Miez  416. 

Milbe  30.  42.  187. 

Milch  12.  29.  108. 179. 
;  mild  29.  45. 
I  Milliarde  168. 
I  Million  168. 

Milz  114.  172. 

Mimi  88. 

minder  34.  45.  48. 

Miniatur  '359. 

Minne  45. 

Minute  207. 

Minze  29.  195. 

Mirabelle  415. 

Mirakel  300. 

mischen  195. 

Miselsucht  233. 

Mispel  192. 

miß  48.  108.  125. 

missen  29. 

Mißpickel  354. 

Mist  29.  45.  49.  179. 

Mistel  197. 


mit  34.  45.  125. 

Mitleid  160. 

Mitte  34.  45. 

Mittelalter  160. 

mittelländisch  160. 

Mittelstraße  160. 

mitten  15. 

Mixtur  233. 

Mübel  218. 

Müder  45. 

mogeln  333. 

mögen  45. 

Mohär  228. 

mohl  243. 

Mohn  45.  193.  271. 

Mohr  228.  415. 

Möhre  45.  193. 

Molch  188. 

moll  243. 

Molle  218. 

Monat  206.  271. 

Mönch  299. 

Mond  12.  35.  45.  201. 
271. 

Möne  184. 

Moneten  293. 

Monsieur  212, 

Montag  354. 

Moor  202. 

Moos  45.  197.  333. 

Mops  176. 

mopsen  333. 

Mörbraten  354. 

Morchel  197. 

Mord  34.  45.  349. 

Morgen  27.  205.  207. 
214. 

morsch  243. 

Mösch  181.  183. 

Moskito  188. 

Most  195. 
'  Motte  27.  188. 

Möwe  182. 
:  Mucke  271. 

Mücke  45.  188. 

Mucker  303. 
I  müde  243. 
I  Muff  30. 

Mühe  35.  45. 

Mühle  350. 

Muhme  87.  209.  290. 

Mulde  218. 

Mull  199.  228. 

Müll  199. 

Mumme  415. 

Mummenschanz  354. 

Mumpiz  354. 

Mundl2.  45. 171.307. 
j  Mundart  158. 
I  Mundraub  328. 
'  mundtot  359. 

Mund  Vorrat  160. 

Münster  299. 

Münze  322.  415. 

Muräne  185. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


431 


mürbe  108.  243. 

naut  272. 

Oboe  236. 

Pappel   192. 

murmeln  251. 

Nebel  15.  34.  45.  100. 

Obst  223. 

)appen  88. 

Murmeltier  178.  359. 

201. 

Oblate  224.  299. 

^appenstiel  359. 

murren  251. 

neben  125. 

Ocker  201. 

^aprika  145. 

Mus  48.  223. 

necken  31. 

Ochse  27.  34.  177. 

Paradeis  196. 

Musch  181. 

Neffe  18.  45.  209. 

öde  18.  33. 

paschen  333. 

Muschel  188. 

nehmen  45. 

Odem  174. 

Pasquill  415. 

Musje  212. 

Nehrung  203. 

joder   12. 

Paßgang  354. 

Muskedonner  359. 

Neidnagel  232. 

Odermennig  196.  359. 

Pastinake  196. 

Muskel  173. 

neigen  40.  107. 

Ofen  44.  215. 

Pastor  300. 

Musselin  228.  415. 

nein  28.  107.  354. 

offen  12.  244. 

Patate  196. 

müssen  412. 

Nerv  173. 

oft  27. 

Paternosterwerk  415. 

mußte  30. 

Nerz  145. 

Oheim  33.  208. 

Patron  300. 

Mußteil  354. 

Nessel  27.  45.  197. 

Ohm  195.  218.  271. 

Patsch  86. 

Mut  29.  242. 

Nest  27. 34. 45. 46. 127. 

Öhmd  354. 

patschen  86. 

mutschieren  354. 

Nestel  45. 46. 107. 220. 

Ohm(e)t  271. 

pätscheln  86. 

Mutter  18.  35.  45.  88. 

227. 

Ohnmacht  359. 

patzig  275. 

208.  359. 

Netz  27.  45.  186. 

Ohr  27.  33.  171. 

Pauke  235. 

Mutterkrebs  359. 

neu  35.  45.  243. 

Ohrfeige  359. 

Pauschquantum  354. 

Mütze  227.  299. 

neun  45.  166. 

Oleander  359. 

Pech  195. 

Nichte  45.  209.  275. 

Olims  Zeiten  293. 

Pechvogel  295. 

-n  119. 

Nichtstun  163. 

01m  112.  188. 

Pegel  16. 

Nabe  45.  204. 

Nickel  200.  416. 

Omnibus  204. 

Pein  299. 

Nabel  15.  39.  45.  171. 

Nickfänger  354. 

Onyx  200. 

Peitsche  145. 

nach  125. 

nie  305. 

opfern  299. 

Pekesche  145. 

Nachbar  354. 

nieder  45.  110.  125. 

Orange  112.  359. 

Pelikan  183. 

Nachdruck  359. 

Niere  44.  45.  171. 

Orden  299. 

Pelz  227. 

Nachen  45.  47.  104. 

niesen  45.  232. 

Orfe  185. 

Pennal  291.  294. 

nachhängen  316. 

Nießbrauch  160.  307. 

Orgel  299. 

Percheron  177.  415. 

Nachschrift  160. 

354. 

Orkan  202. 

Pergament  238.  415. 

nachstellen  316. 

Niet(e)  220. 

Orlogschiff  137.  230. 

Perle  201. 

Nacht  26.  33.  45.  101. 

Niete  323. 

354. 

Person  300. 

205. 

nieten  40. 

Ort  220.  392. 

Petersilie  196. 

Nachtigall  26. 182.354. 

Nigromantie  359. 

-öS  119. 

Petschaft  145.  359. 

Nacken  31.  40.  171. 

Nikotin  415. 

Osten  27.  33.  105. 

Petter  299. 

nackt   11.  43.  44.  45. 

Ninne  88. 

Osterluzei  196.  359. 

Petz  275.  416. 

107.  226. 

Nippsache  354. 

Ostern  27. 49. 139. 156. 

Pfad  12.  135.  203. 

Nadel  26.  45.  220. 

nirgend  305. 

206. 

Pfaffe  51. 139. 299. 4C8. 

Nagel  26.  39.  45.  171. 

-nis  117. 

Otter  11.  17.  34.  176. 

Pfahl  12.  51.  231. 

220. 

Niß  188. 

271. 

Pfaid  16. 

nahe  244. 

Nix(e)  298. 

Ottomane  415. 

Pfalz  51.  215.  415. 

nähen  226. 

Nixe  43.  45. 

Oxhoft  359. 

Pfand  322. 

nähren  45. 

Nobiskrug  112. 

Pfanne  12.  51.  218. 

nahrhaft  354. 

None  207.  299. 

Paar  275, 

Pfau  12.  51.  183. 

Naht  35. 

Nonne  299. 

zu  Paaren  treiben  359. 

Pfebe  195. 

Nanking  415. 

Nord  27.  45. 

Pachulke  145. 

Pfeffer  12.  51.  195. 

Name  40.  45. 

Norden  12.  104. 

Padde   16.   188. 

Pfeidler  227. 

Nanne  88. 

Normandie  383. 

Päger  333. 

Pfeife  12.  28.  51.  235. 

Napf  39.  40.  217. 

Norne  298. 

Paias  275. 

Pfeifholter  89.  359. 

Narbe  42.  45. 

Norwegen  354. 

Pakasche  275. 

Pfeil  51.  231. 

Narr  45. 

Noß  176. 

Palais  415. 

Pfeiler  51.  215. 

Narrenteiding  354. 

Nößel  217. 

Palast  415. 

Pfeit  139. 

Narzisse  198. 

Not  27.  45. 

Palatin(e)  415. 

Pfennig  12.  27.  324. 

naschen  40. 

nüchtern  299.  245. 

Palme  25.  197. 

Pfennigfuchser  354. 

Nase  19.  33.  45.  171. 

Nudel  223. 

Pallasch  145. 

Pferd  176.  178.  350. 

naseweis  316. 

Null  168. 

Pandur  415. 

Pfingsten  51. 139.  206. 

Nasenstüber  354. 

nun  45. 

Panik  415. 

289. 

naß  244. 

nur  354. 

Pansen  173. 

Pfinztag  139.  354. 

Nast  112. 

Nuß  8.  30.  40.  45.  107. 

Pantalon  415. 

Pfirsich  51.  139.  192. 

Nation  211. 

191. 

Panzen  173.  314. 

415. 

Natter  26.  45.  188. 

Nüster  171. 

Panzer  231. 

Pf  ister  51. 

Naturgeschichte  160. 

Nutzen  109. 

Päonie  197. 

Pflanze  12.  51. 195  198. 

Naturrecht  160. 

Papa  290. 

Pflaster  12.51.215.233. 

Nau-  272. 

ob  125. 

Papier  238. 

Pflaume   12.  51.  140. 

Naue  326.                    ; 

ober  125. 

Pappe  88. 

192. 

432 


Wörterverzeichnis. 


pflegen  12. 
Pflock  220. 
pflücken  12.  195. 
>flug  12. 194.313. 350. 
Pfniisel  232. 
Pforte  51.  215. 
Pfosten  51.  215. 
Pfote  172. 
Pfriem  12. 
Pfriemen  220. 
Pfriile  185. 
Pfründe  51.  299. 
Pfuhl  12.  29.  48.  109. 
Pfühl  12.  51. 
Pfund  12.30.51.322. 
Pfuscher  319. 
Pfütze  12.  51.  215. 
Phäethon  204.  415. 
Pharo  415. 
Philister  295. 
Piano  113. 
Picke(l)  220. 
Pickelhaube  42.  231. 

275.  359. 
Pieraas  188. 
Pietist  303. 
pik  323. 
Pille  233. 
Pilz  195.  270. 
pimmeln  86. 
pimpeln  86. 
Pimpernuß  354. 
Pinasse  327. 
Pinsel  354. 
Pinte  218. 
pipi  88. 
Pips  183. 
Pirol  359. 
Pistole  415. 
pladdern  16. 
Plage  299. 
Pläner  415. 
plänkeln  275. 
Plappert  324. 
plärren  275. 
Platin  200. 
Platteise  185. 
Plätzchen  275. 
Plaue  275. 

Plauze  105.  172.  173. 
plentern  275. 
Plerrauge  354. 
pletzen  333. 
PHnse  145.  275. 
Plötze  145.  185. 
Pluderhosen  354. 
plump  30. 
Plüsch  228. 
Pocke  232. 
Pogrom  145. 
Pokal  275. 
Polei  196. 
Polier  273. 
Polka  145.  235.  262. 
Polonaise  415. 


Polster  216. 
Poltergeist  158. 
poltern  109.251.  275. 
Polyp  188. 
)oniadig  145. 
^ommer  415. 
^ommern  383. 
Pompadour  415. 
Pomuchcl  145.  185. 
Popanz  145.  298. 
Popo  88. 
Porphyr  201. 
Porree  198. 
Porst  197. 
Portulak  198. 
Portwein  225.  415. 
Posaune  235.  275. 
Posse  275. 

postlagernd  159.  160. 
Pott  217. 
poussieren  291. 
Pracherin  333. 
Pracht  275. 
prägen  275.  324. 
prahlen  251.  275. 
Prahm  146. 
Pralines  415. 
)rangen  275. 
^ranger  307. 
Pranke  173.  275. 
prasseln  275. 
Preiselbeere  146.  354. 
preisgeben  354. 
Preiskurant  323. 
preschen  275. 
Presse  195.  318. 
preßhaft  275. 
Prezel  224. 
Prickel  220. 
)rickeln  109. 
^rieche  275. 
Priel  203. 
Priester  29. 
Primel  198. 
Prinz  211. 
pritsch  146. 
Pritsche  275. 
Produkt  350. 
prophezeien  300. 
Propst  299. 
Protze  329. 
Prügel  275. 
prusten  275. 
Psalm  25. 
Puck  298. 
Puckel  275. 
Pudel  29.  48.  176. 
Puff  86. 
Puffer  86. 
Pulk  146. 
Pulle  218. 
pumpen  333. 
Pumphosen  354. 
Punkt  207. 
Punsch  225. 


pupen  88. 
Puppe  88. 
puppern  88. 
Pusta  146. 
putzig  275. 

Quacksalber  354. 
Quaddel  44. 
Qual  109.  232. 
Qualle  188. 
Quappe  44.  109.  185. 
Quark  146. 
Quarz  199. 
Quas  146. 
Quassia  415. 
'  quatschen  251. 
queck  34.  44.  243. 
Quecksilber  47.  200. 
Queder  273. 
e.  queen  44. 
Quehle  229. 
Quelle  202. 
Quendel  195. 
quengeln  31. 
Quese  232. 
quetschen  253. 
quick  43.  47. 
Quickborn  354. 
Quintessenz  334. 
Quirl  220. 
quitt  322. 
Quitte  192.  415. 
Quodlibet  294. 

rabanzen  91. 

Rabe  40.  181. 

Rabisch  146. 

Rache  41. 

Rachen  40.  171. 

rächen  39.  41.  250. 

Rad  18.  33.  45.  204. 

Rade(n)  197. 

Radehecke  354. 

Rädelsführer  354. 

ragen  40. 

Rahe  45. 109. 220.  326 

Rahm  179.  272. 

Rahmen  220. 

Raimund  276. 

Rain  108. 

Rainblume  359. 

Ramm  177. 

ramponiert  328. 

Range  41.  178. 

Ränke  41. 
'Ränzel  217. 

Ranzen  217.  333. 
I  Rappen  324. 
I  Raps  354. 

Rapünzchen  198. 

Rapunzel  198. 

Rapuse  146. 

Rasch  228.  415. 

Rasen  41.  202. 

rasen  45. 


Raspe(l)  220. 
Rast  31.  45.  108.313. 
Rastrum  395.  415. 
faß  45. 

raten  26.  35.  45.  237. 
i  Ratonkuchen  354. 
Ratte  26.  177. 
Rätter  217. 
Ratz(e)  177. 
rauben  45. 
Rauch  205.  247. 
Rauchwerk  354. 
Räude  40.  232. 
raufen  225. 
rauh  28.  45.  243. 
Raum  28.  45. 
raunen  237. 
Raun(e)  177. 
Raupe  188. 
Rausch  196. 
rauschen  45. 
Rauschgelb  354. 
Rebe  198. 
Rebhuhn  39.  181. 
Rebus  294. 
Rechen  220. 
Rechnung  finden  160. 
Rechnungsabschluß 

160. 
Recht  307. 

recht  27.  34.  45.  320. 
rechts  347.  348. 
Rechtschreibung  160. 

Reck  342. 
I  Recke  41.  43. 

recken  45.  252. 
j  Rede  45.  107.  304. 
1  reden  251. 

Reede  272.  326. 

Reff  39.  40.  220. 

Regen  107.  201. 
j  regnen  45. 
'  Reh  27.  177. 

reiben  41. 

reich  136. 

reichen  28.  109.  250. 

Reif  28.  40.  201. 

reif  12.  28.  244. 

Reif(en)  220. 
1  Reifen  12. 

Reigen  234. 

Reihe  45. 

Reihen  172.  234. 

Reiher  182. 

rein  40. 

Reineclaude  415. 

Reineke  416. 

Reis  40.  191. 

reißen  11.28.  41.  237. 

Reitel  41. 

reiten  11.28.45.  108. 
'      250. 

Reiter  40.  220. 
\  Reitersalbe  359. 
;  Reizker  146. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


433 


Reling  326. 
Rempter  359. 
Renke  185. 
renken  41. 
Rennsteig  272.  359. 
Renntier  177.  354. 
Rente  322. 
Reptil  188. 
Requiem  90. 
Reseda  90.  198. 
rette  40. 
Rettich   195. 
Reue  40. 
Reuse  186.  217. 
Reuß  177.  415. 
Reute  110. 
reuten  45.  194. 
Rhede  272. 
Rhone  382. 
-rieh  363. 
Ridikül  359. 
riechen  247.  408. 
Ried  29    40.  197. 
Riegel  39.  45.  213. 
Riegelhaube  354. 
Riemen  45.  220.  326. 
Riese  41. 
Riester  220.  227. 
Riff  45.  104. 
Riffel  220. 
Rind  40.  177. 
Rinde  29.  108.  191. 
Ring  29.  40.  109.  220. 
ringen  41.  253. 
Rinken  220. 
rinnen  45.  48. 
Rippe29.  45.  109. 171. 
Rispe  40.  107. 
Riß  41.  237. 
Rist  29.  172. 
Ritten  40.  232. 
ritten  29. 

Robot  146.  212.  314. 
Roche  185. 
Rock  227. 
Rockelor  415. 
Rocken  220. 
-rode  392. 
rodeln  153. 
Rodomontade  415. 
Rogen40.48. 109. 185. 
Roggen  43.  45.  193. 
roh  40.  222. 
Rohr  197. 

Rohrdommel  183.359. 
Röhre  220. 
Roland  415. 
Roman  415. 
Romanze  415. 
Rose  196. 
Rosenmontag  27 1 .  302. 

359. 
Rosenobel  324. 
Rosmarin  198. 
Roß  40.  177.187.271. 


Rost  45.  200.  215. 
rösten  222.  226.  359. 
rot  15.27.39.45.  240. 
roter  Faden  328. 
Rotspon  223.  271. 
Rotte  235.  328. 
rotwelsch  354. 
Rotz  40.  100.  232. 
Rübe  35.  45.  193. 
Rübezahl  298.  354. 
Rubin  200. 
ruchbar  275.  359. 
ruchlos  354. 
Rücken  40.  108.  171. 
rücken  45. 
Rücksicht  163. 
Rüde  40.  175. 
Ruder  35.  40.  45.  104. 

220. 
Ruf  40. 
Rufe  40. 
rufen  251. 
rüffeln  270. 
Rüge  41. 
Rügen  383. 
Ruhe  35.  45. 
ruhen  251. 
Ruhm  40. 
rühren  40. 

Rumpf  12.30.109.172. 
Rundteil  359. 
Rune  45.  108.  237. 
Runge  40.  221. 
Runkelrübe  354. 
Runzel   172.  . 
Rüpel  416. 
Russe  415. 
Rüssel  41.  172. 
rüsten  40.  48. 
Rüster  108.  190. 
Rute  29.  45.  214.  221. 
rütteln  45. 

Saal  213. 
Saat  26. 
Säbel  146. 
Sache  12.  304. 
Sachse  26. 
sacht  273.  276. 
Sachwalter  304. 
Sack  26.  218. 
säen  46. 
Saffian  146. 
Saflor  359. 
Saft  12. 

Säge  7.  46.  221. 
sagen  26.  46    251. 
Sahne  46. 110. 171. 179 
Saibling  185. 
Saite  46. 
Sakristei  299. 
-sal  118. 

Salamander  188.  295. 
Salbader  354. 
Salband  359. 


Salbe  46. 
Salbei  196. 
Salbuch  354. 
Salm  185. 
Salmiak  415. 
Salpeter  201. 
Salweide  46.  190.  354. 

359. 
Salz  26.  33.  46.  199. 
-sam  46.  116. 
Samariter  415. 
Samen  35.  46. 
sämisch  146. 
Sammetpfötchen  163. 
Samstag  41,  157.  299. 

355. 
Samt  228. 
Sand  26.  46.  199. 
Sander  146.  185. 
Sandwich  415. 
sanft  26. 
Sang  26. 
Saphir  2C0. 
Sardelle  185.  415. 
Sardine  185. 
Sardonisches    Lachen 

415. 
Sarraß  146. 
saß  26. 
saßen  35. 

satt  26.  33.  46.  224. 
Satte  217. 

Sattel  11.  26.  46.  221. 
Sau  28.  35.  46. 
sauber  42.  195.  245. 
sauer  28.  46.  241. 
Sauerland  273. 
saufen  46.  224. 
sauge  35. 

saugen  46,  224. 

Säule  46.  213.  221. 

Saum  227. 

sausen  46. 

Schabe  188. 

Schabelle  218. 

schaben  16.  26. 

Schabernack  355. 

Schabracke  146. 

schachern  333. 

Schacht  146.  276. 

Schachtel  218. 

Schachtelhalm  276. 

Schade  16.  105. 

Schädel  171. 

Schade(n)  185. 

Schaf  12.  26.  177. 

Schäferstunde  160. 

Schaff  217. 

Schafgarbe  42.  197. 

Schaft  16.  25.  221. 

-Schaft  116. 

schäkern  333. 

schal  244. 

Schale  16.  217. 
[Schalaune  228.  415. 


Hirt,  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.    2.  Aufl. 


Schälhengst  177.  359. 
Schalk  121. 
Schalmei  235. 
Schalotte  415. 
Scham  26. 
schämen  249. 
Schande  249. 
Schank  216.  291. 
Schänzchen  217. 
Schanze  359. 
Schar  221.  331. 
Schäre  203. 
scharf  12.  25.  244. 
Scharlach  274.  359. 
Scharlei  196. 
schartig  111. 
Scharwenzcl  146. 
schassen  291. 
Schatten  16.26.33.205. 
Schatz  16.  177.  313. 
schauen  16.38.39.247. 
Schauer   16.  28.   105. 

201. 
Schaufel  221. 
-sehe  118. 
scheel  240. 
Scheffel  217. 
Scheibe  221. 
Scheide  12.  28.  221. 

Scheidekunst  158, 

Scheiden  185. 

scheiden  33.  253.  349. 

scheinen  16.  28.  109. 

Scheit  16. 

Scheitel  172. 

Schelfe  197. 

Schelle  221. 

Schellfisch  185.  355. 

Schellhengst  355.  359. 

Schellkraut  359. 

Schemel  218. 

Schemen  205. 

schempeln  241. 

Schenkel  172. 

schenken  216. 

Scherbe  16.  182.  217. 

scheren  16.  127.  225. 
229. 

Schert  324. 

Scherge  47. 

Schermaus  355. 

scherzen  16.  234.  250. 

Scheune  213. 

Scheuer  213. 

Schibbeke  146. 

Schicksal  333. 

schieben  16. 

Schiefer  30.  199. 

schiel  240. 

Schiene  221. 

schier  29.  243. 

Schierling  197. 

schießen  16. 

Schiff  12.  29.  104. 

Schildpatt  188.  355. 

28 


434 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


Schilf  197. 

Schmcer  27. 

Schröder  226. 

Schillebold  355. 

schmelzen  27.  41. 

schroff  244. 

Schilling  29.  324.  350. 

Schmer  41. 

schroten  226.  253 

scliimpfiercn  359. 

Schmerle  41.  185. 

Schrulle  111. 

Schindel  29.  215. 

Schmerz    11.   27.   41. 

Schuh  29.  227. 

schinden  108.  225. 

232. 

Schuld  305.  405. 

Scliinkcn  172. 

schmerzen  249. 

Schule  29. 

Schinne  225. 

Schmetten   146. 

Schulter  173. 

Schirm  16. 

Schmetterling  188.265. 

Schultheiß  355. 

schitter  243. 

Schmied  29.  41.  200. 

Schulze  355. 

Schlack  41. 

Schmiede  12.  29. 

Schuppen  213. 

Schlacke  201. 

schmiegen  41. 

Schuppenpelz  1 46. 359 

Schlaf  12. 

Schmiele  197.  248. 

schurigeln  360. 

Schläfe  172. 

Schmiere  stehn  333. 

Schurz  227. 

schlafen  12.  26.  249. 

Schinock  146. 

Schürze  227. 

schlaff  41. 

sclimoren  222. 

Schüssel  218. 

Schlafittich  355. 

schmunzeln  248. 

Schute  326. 

Schlag  232. 

schmutzein  248. 

schütten  127. 

schlagen  26.  41.  253. 

Schnabel  31.  41.  109. 

Schütze  360. 

Schlagetot  359. 

Schnake  26.  111.  188. 

Schwabe  360. 

Schlamassel  333. 

359. 

schwach  244. 

Schlamm  199. 

Schnalle  227. 

Schwaden  26.  222. 

Schlange  41.  109.188. 

Schnäpel   185. 

schwadronieren  360. 

schlank  244. 

Schnaps  223. 

Schwager41. 100.111. 

Schlaraffe  355. 

Schnauze  172. 

209.  275. 

schlau  244. 

Schnecke  188. 

Schwäher   19.  34.  41. 

schlecht  241. 

Schnee  41.  44.  201. 

209. 

schlecken  127. 

schneiden  226. 

Schwaige  41. 

Schlegel  221. 

schnell  241. 

Schwalbe  26.   181. 

Schlehe  27.  41.  190. 

Schnepfe  182. 

Schwall  107. 

schleichen  250. 

Sclmeppe  31. 

Schwamm  41.  197. 

Schleie  185. 

schnippisch  359. 

Schwan  26.  41.  181. 

Schleier  227. 

schnöde  244. 

schwanger  243. 

Schleife  205.  270. 

Schnupf-  30. 

schwank  108. 

Schleim  41. 

Schnupfen  232. 

Schwänzelpfennige 

schleißen  127.  253. 

Schnur  19.41.209.221. 

333. 

schleppen  127. 

347. 

schwänzen  333. 

Schlesien  381. 

Schnurrbart  229.  355. 

Schwäre  232. 

Schleuder  221. 

Schock  168. 

Schwärm  26. 

schleunig  250. 

Schöffe  307.  • 

Schwarte  173.  360. 

Schleuse  327. 

Scholle  185. 

schwarz  41.  107.  240. 

schliefen  41. 

schön  243. 

Schwefel  42.  107.  199. 

Schlier  201. 

Schönbartspiel  359. 

Scliwegel  235. 

schließen  41. 127. 133. 

schöne  Seele  163. 

Schweif  173. 

schlimm  41. 

Schopf  228. 

schweifen  250. 

schlingen  41.  109. 

Schoppen  217. 

Schwein28.35.41.109. 

Schlitten  41.  205. 

Schöps  146. 

177.  209.  360. 

Schlittschuh  205.  359. 

Schorf  232. 

Schweiß  28.  41.  174. 

schlohweiß  355. 

Schornstein  355. 

249. 

Schloß  221. 

Schoß  347. 

Schwelle  213. 

Schloße  201. 

Schoßgatter  355. 

schwellen  27.  107. 

Schlot  214. 

Schoßkelle  355. 

Schwengel  221. 

Schlucht  202.  276. 

Schote  198.  326. 

schwenken  250. 

schlucken  41.  224. 

Schott  326. 

schwer  41.  107.  243. 

Schlummer  30.  41. 

Schrank  216. 

Schwert  230. 

schlüpfen  41.  250. 

Schranne  216. 

Schwertmage  211. 

schlürfen  224." 

Schrapnell  415. 

Schwester  34.  41.  49. 

Schlüssel  213.  221. 

Schrat  31.  298. 

208. 

Schmach  41. 

schreiben  237.  238. 

Schwibbogen  360. 

schmachten  247. 

schreien  127.  251. 

Schwiegel  235. 

schmal  26.  41.  243. 

Schrein  28.  218. 

Schwieger  19.  30.  34. 

Schmant  146. 

schreiten  109.  250. 

42.  209. 

Schmasche  146. 

Schretel  298. 

schwierig  360. 

schmauchen  41. 

Schretz  31. 

schwimmen    29.   108. 

schmecken  247. 

schrill  244. 

250. 

Schwindel  29. 

schwingen  29.  2.50. 

Schwirren  42. 
I  schwitzen  249. 
'  schwören  42. 

schwül  244. 

Schwulität  294. 

Sech  221. 

sechs  34.  46.  166. 

Sedelhof  355. 

See  104. 

Seehund  178. 

Seele  27.  174. 

Segel  104.  221. 

Segge  197. 

segnen  299. 

sehen  27.  38.  39.  44. 
246. 

Sehne  230. 

sehr  27.  46.  232. 

sei  35. 

seicht  244. 
'  Seide  227. 

Seidel  218. 

Seidelbast  366. 
'  Seife  12.  229. 

Seil  221. 

Seim  33.  46. 

sein  46. 

Seite  28. 

Sekt  225. 

Sekunde  207. 

selb  27. 

selbständig  158. 

Selbstherrscher  160. 

selbstisch  160. 
;  Selbstverwaltung  163. 
i  Sellerie  198. 

selten  27. 

Selters  17. 

Semde  197. 

Semmel  224. 

semperfrei  355. 
I  senden  27. 

Seneschall  46.212.243. 
i      355. 
'  Senf  195. 
:  Senkel  221. 
I  Sense  46. 
i  Sessel  46.  216. 
!  Sette  217. 

setzen  27. 
j  Seuche  349. 
i  sich  46. 
'  Sichel  29.  195. 
I  sicher  245. 
I  sichten  276. 
!  sie  46. 
;Sieb  29.  221. 
\  sieben  18.  30.  34.  46. 
166. 

siech  12.  349. 
!  sieden  12.  29.  222. 
I  Sieg  15.  46. 
!  Siegel  238. 


Wörterverzeichnis. 


435 


Siel  203. 

Speck  17.  47. 

Stall   11.  17.  48.  213. 

Stiefvater  12. 

Siele  221. 

Specke  203. 

313. 

Stiege  168.  215. 

Sigrist  299. 

Speer  12.  17.  27.  230. 

Stamm  11.  191. 

stiegen  34. 

Silbe  238. 

Speiche  12.  221. 

Stammbaum  163. 

Stieglitz  146.  183. 

Silber  29.  30. 135.200. 

Speiciiel  47. 

stampfen  12.  251. 

Stiel  195. 

Silhiiette  415. 

Speiclier  215.  322. 

Standarte  329. 

Stier  17.  177. 

Simonie  415. 

Speichernagel  355. 

Stande  217. 

Stift  221.  226. 

sind  46. 

Spei(de)l  221. 

Ständer  217. 

still  17.  29.  244. 

singen  29.  251. 

speienl2.17. 127. 174. 

Standort  160. 

Stimme  11.  17. 

Singrün  167.  355. 

249. 

Stange  11.  17.  221. 

stinken  29.  247.  408. 

sinl<en  29. 

Speigatt  326. 

Stank  31. 

Stint  185. 

Sinn  46.  48.  248. 

Speik  198. 

Stanne  217. 

Stirn  17.  171. 

Sinnau   197. 

Speise  ,224. 

Stapel  11.  221. 

St.  Märgen  47. 

sinnen  107.  248. 

spellen  252. 

Stapfe  11. 

stöbern  316. 

Sinngediclit  160. 

Spelt  194. 

Star  11.  17.  25.  182. 

Stocher  221. 

sinnverwandt  160. 

Spenadel  221. 

Star  33. 

Stock  11.  221. 

Sinopel  415. 

Spenzer  228.  415. 

stark  11.  17.  111.243. 

Stoffel  416. 

sintemal  355. 

Sperber  42.  182.  355. 

starr  17.  243. 

stöhnen  17.  252. 

sinwell  355. 

Sperk  181. 

starren  26. 

Stollen  17.  48. 

Sippe  46.  111.  211. 

Sperling   12.  17.  181. 

stat  244. 

Stöpfel  222. 

Sitte  30.  34.  46.  242. 

sperren  12. 

Stätte  33. 

Stoppel  195. 

Sittich  183. 

Spessart  355.  382. 

Statthalter  158.  160. 

Stopfen  222. 

sitzen  11.29.34.46.251. 

spicken  30. 

Staub  199. 

Stör  105.  109.  185. 

Skat  344. 

Spiegel  218. 

stauen  17. 

Storch  11.  12.  17.  27. 

Ski  205. 

Spieke  198. 

Stauf  217. 

182. 

Sklave  212.  415. 

Spieß  12.  29.  230. 

staunen  278. 

stören  11. 

Skorpion  188. 

Spille  221. 

stechen  12.  17.  253. 

Storger  273. 

Smaragd  200. 

Spillmage  211. 

Stecken  11.  17. 

stoßen  17.  127.  253. 

Sobranje  146. 

Spind  218. 

Stegreif  355. 

stottern  241. 

Socke  227. 

Spindel  29.  221. 

stehen  17.  251. 

straff  244. 

Sod  202. 

Spinne  12.  188. 

stehlen  11.  27.  307. 

Strahl  17.  221.  230. 

Sodomit  415. 

spinnen  17.  29.  226. 

steif  11.  17.  243. 

Strähl  221. 

Sohle  171.  185.  227. 

Spiritus  334. 

steigeni5. 17.  35.251. 

strählen  229. 

Sohn  34.  46.  208. 

Spirk  181. 

steil  244. 

Strähne  228. 

sohr  46. 

spitz  244. 

Stein  11.  17.  28.  109. 

stramm  244. 

Sold  328. 

Spitzbube  307. 

198. 

Strand  11.  26.  203. 

sollen  305. 

Sporkel  206. 

Stein  und  Bein  schwö- 

Strang 17.  221. 

Söller  215. 

Sporn  12.  17.  221. 

ren  302. 

Straße  11. 26.203. 394. 

Sommer  205. 

Sprache  12.  26. 

Steindruck  160. 

Strauch  191. 

Sommerlatte  211.355. 

sprechen    12.   17.  27. 

Steinmetz  355. 

Strauß  183. 

sondern  34. 

252.  290. 

Steinweg  158. 

streben  39. 

Sonne  46.  201. 

Sprehe  182. 

Steiß  173. 

strecken  11. 

sonst  273. 

spreiten  12.  28. 

stellen  17. 

streichen  11. 12. 28. 252. 

Sorbet  360. 

Spreu  17. 

Stelze  221. 

Streifen  108. 

Sorge  27.  111. 

sprießen  12. 

Stempel  221. 

Streik  128. 

Spagat  134. 

Spriet  221. 

Stentorstimme  415. 

Streit  230. 

spähen  17.  34.  247. 

springen  12.17.29.250. 

stenzen  333. 

Strelitzen  146. 

Spake  221. 

Spritze  221. 

Steppe  146. 

streng  11.  244. 

spalten  253. 

spröde  244. 

steppen  226, 

streuen  11.  17. 

Span  12.  17.  221. 

Sprosser  182. 

sterben  11.27.39.348. 

Strich  316. 

Spanferkel  109.  355. 

Sproß  12. 

Sterblichkeit  159. 

Strick  49.  111.  221. 

Spange  12.  221. 

Sprotte  185. 

Sterke  11.  17.  177. 

stricken  226. 

Spaniol  415. 

spucken  47.  249. 

Sterlet  146. 

Strippe  327. 

spannen  252. 

Spule  221. 

Sterling  324. 

Stroh  11.  194. 

sparen  12.  17.  26. 

Spulwurm  188. 

Stern  11.  17.  27.  134. 

Strohwitwe(r)  210. 

Spargel  198. 

Spur  12.  17. 

201. 

Strom  11.  27.49.202. 

Sparkalk  355. 

spüren  247.  316. 

Sterz  17. 

Stromer  333. 

Sparren  12.  221. 

sputen  12.  17.  251. 

Steuer  17.  221. 

Strumpf  227. 

Sparte  294. 

Stab  11.  16.  25.  109. 

Steven  326. 

Strunk  191. 

Spat  199. 

Stachel  221. 

stibitzen  91. 

Stubben  11. 

spät  17.  207. 

Staches  416. 

Stichel  221. 

Stube  11.  215.  229. 

Spatel  222. 

Stadel  16.  48.  213. 

sticket  43.  244. 

Stuhl  11.  29.  35.  216. 

Spaten  12.17.26.221. 

Stadt  16.  392. 

sticken  226. 

Stulpe  217. 

Spatz  181. 

Stahl  11.  17.  26.200. 

stief  11.  244. 

stumm  241. 

Specht  17.  107.  181. 

Staken  221. 

Stiefel  228. 

Stummel  41. 

28* 


436 


Wörterverzeichnis. 


Stumpf  11.  30.  291. 
stumpf  12.  244. 
Stunde  207. 
Stunze  217. 
Sturm  11.  105.  201. 
stürzen  251. 
Stuten.  109.176.179. 
suchen  12.  46. 
Sucht  232.  360. 
-sucht  349. 
Süd  46.  103. 
Süden  12.39.104.326. 
Sühne  46.  107. 
Sülze  199. 
Sumpf  202. 
Sund  203. 
Sund-  326. 
Sündflut  167.  360. 
süß  11.  35.  46,  241. 
Sybarit  415. 
Syenit  415. 

Tadel  274. 

Tafel  238. 

Tafel  aufheben  3  13. 

Taft  228. 

Tagll.14. 17.  26.205. 

Tc-aebuch  158.  160. 

Tagegelder  160. 

tagen  278. 

Tagesordnung  163  3-J2. 

Taifun  202 

Takel  221.  328. 

Tal  14.  26.  202. 

Taler  324.  415. 

Talg  26. 

Talmi  415. 

Tandem  204.  294. 

Tanne  14. 111. 190. 192. 

Tanz  234. 

tapfer  11.  14.43.  241. 

Tappe  173. 

Tara  323. 

Tarantel  188. 

Taranlel(Ia)  415. 

Tarnkappe  3-55. 

Tasche  227. 

tasten  247. 

Tat  11.  14.  35. 

-tat  118. 

Tatkraft  160. 

Tatsache  160. 

Tatsche  173. 

Tatte  88. 

Tattersall  415. 

Tau  11.  201.221.328. 

taub  11.  17.  28.  240. 

Taube  11.  182. 

tauchen  11. 

taufen  139.  404. 

taugen  17. 

taumeln  14.  251. 

Tauner  355. 

tausend  28.  167. 

Tausendkünstler  168. 


Teckel  176. 

Tedcum  90. 

Teer  27.  190.  191. 

Teerjacke  360. 

Tcctotaler  90. 

Teig    11.   14.   15.   17. 
33.  256. 

Teil  11.  14.  28.  109. 

Teiler  160. 

Teilhaber  160. 

Teile  31. 

Tenne  11.  31. 

Teppich  218. 

Terrier  113. 

Tesching  231.  415. 

teuer  11.  244. 

Teufel   11.  139. 

teufen  32. 

Theriak  360. 

Thronrede  163.  342. 

Thymian  196. 

tief  11.  12.  14.29.243. 

Tiegel  218. 
|Tier  11.  29.  178. 
,  Tinte  238. 
'  Tirolienne  415. 

Tisch  11.216.218.419. 
;  Titte  88. 

Tobel  109. 

Tochter  7.  11.  14.  27. 
208. 

Töchterschule  277. 
I  Tod  11. 12.27.348.349. 
i  Toffel  416. 
jTöle  175. 

toll  11.  243. 

Tolpatsch  146. 

Tölpel  144.  256. 

Tomate  196. 

Ton  199.  236. 
i  Tonne  218. 
j  Tonsetzer  160. 
I  Top  274. 
(Topas  200. 
iTopf  108.  217. 
iTopp  326. 

Tor  11. 14.  27.34.  213. 
,      242. 
iTorf  197. 
ITorkel  195. 

Tornister  146. 

Torpedo  327. 

tosen  274. 

Tot  156. 

tot  11.  27. 

Tote  88. 

tote  Hand  163. 

Trabant  146. 

traben  274. 

träge  244. 

tragen  11.  252. 

Tragweite  160. 

Trakehner  177.  415. 

Tram  113. 

Trampel  113. 


Trampeltier  360. 

Tran  174.  249. 

Träne  17.  174.  248. 

trank  26. 

Trappe  146.  183. 

trauen  17.  191.  249. 

trauern  249. 

Traum  11.  28. 

träumen  249. 

traun  272. 

traurig  11.  28. 

traut  108. 

Treber  11.  17. 

treiben  11.  28.  251. 

trennen  17.  253. 

Treppe  215. 

Trespe  197. 

treten  11.  251. 

treu  11.  17.  190. 

Trichter  195.  218. 

trieben  29. 

Triel  173. 

Trift  313. 

Trine  416. 

trinken  11.  29.  224. 

Trinkgeld  163. 

got.  triu  38.  39. 

trocken   11.  17. 

Troddel  227.  271. 

Trog  11.  17.  217. 

Troll  298. 

Trommel  235. 

Trompete  235. 

Tropf  232. 

Tropfen  11.  12.  27. 

Trost  191.  249. 

trübe  17. 

trüben  40. 

Truchseß  355. 

Trug  298. 

trügen  17.  242. 

Truhe  217.  274. 

Trunk  11. 

trunken  30. 

Trüsche  185. 

Truthahn  355. 
i  Tschako  146. 

Tschapka  146. 

Tschardasch  146. 

Tschingel  134. 

Tuch  111.  227. 

tüchtig  11. 

Tuder  204.  274. 

Tüder  204.  274. 

Tuffstein  360. 

Tüll  228.  415. 

-tum  29.  35.  116. 

Tümpel  202. 

tun  11.  14.  29. 
I  tünchen  216. 

Tür  14.  34.  101.  213. 

Turbot  185. 

Türkis  200.  415. 
I  Turm  216. 
'■  turnen  342. 


Turteltaube  183.  355. 
Tüte  217. 
Twenter  167. 

Abel  241. 

üben  194.  313. 

über  34.  125. 

übereignen  158. 

überführen  305. 

überhandnehmen  307. 

Übermensch  262. 

Übertrag  160. 

überzeugen  307. 

Uchte  205. 

Ufer  103.  104.  326. 

Uhr  207. 

Uhu  182. 

Ukas  146. 
■  Ukelei  146.  185. 
;  Ulan  146. 

Ulme  190.  192. 

Ulrich  313.  416. 

Ultramontan  263. 

um  41.  125. 

umgarnen  316. 

Umschlag  159. 

Umstand  307. 

Umstände  160. 

Umwelt  160. 

un-  34. 

Unaussprechlichen  160. 

unbändig  316. 

und  111. 

unfehlbar  160. 

Unflat  355. 

-ung  117. 

ungehobelt  295. 

Ungeld  360. 

ungeschliffen  295. 

ungestüm  355. 

Unhold  298. 

Unke  188. 

unmustern  355. 

unter  18.  30.  123. 

Unternehmer  160. 

Unterschleif  355.  360. 

unverzüglich  360. 

unweigerlich  355. 

unwirsch  355. 

Unze  322. 

üppig  244. 

-ur  119. 

Uraufführung  160. 

Urbild  160. 

Urgicht  307. 

Urne  218. 

Urschrift  158. 

Ürte  32. 

uzen  416. 

Vampir  146. 
Vandale  416. 
Vase  218. 

Vater   14.  18.  25.  33. 
88.  208. 


WÖRTERVERZEICHNIS. 


437 


Vatikan  416. 
Veilchen  196. 
Veitstanz  416. 
ver-  125. 

veramalgamieren  334. 
Veranda  216. 
Verbrauch  160. 
verfiimfeien  237. 
vergessen  27. 
Verhältnis  160. 
Verlag  127. 
verlautbaren  272. 
Verleger  318. 
verletzen  31. 
verloben  210.  305.  ' 
verloren  27. 
vermählen  210.  305. 
vermummen  158. 
verquicken  334. 
verrottet  226. 
Vers  238. 
Versand  127. 
Versicherung  158. 
verstehen  248. 
Vertagung  342. 
verteidigen  276.  304. 
Vertiko  416. 
vertonen  160. 
Vertrag  158. 
vertuschen  344. 
verwundet  30. 
verzehren  252. 
Vesper  207.  299. 
Vetter  14.  208. 
Vieh   14.   19.  29.  30. 

34.  178. 
viel  14.  30. 
Vielfraß  360. 
Vielweiberei  160. 
vier  44.  166. 
vierschrötig  355. 
Viper  188. 
Vlies  29.  171. 
Vogel  182. 
Vogelperspektive  160. 
Voit  276. 
Volk  27.  211. 
Volkswirtschaft  160. 
voll  14.  48.  243. 
Vollmacht  158.  160. 
Volt  89. 
vor  14. 
vorder  14. 
Vorgebirge  160. 
vorlaut  316. 
Vormund  355. 
vorn  27. 
Vorsitz  160. 
Vulkan  416. 

Wabe   100.  107.  187. 
wachen  26.  46.  249. 
Wacholder  190.  360. 
Wachs    26.    46.    109. 
187. 


wachsen  39.  46.  250. 

Wachtel  182. 

Wacke  46. 

wacker  43.  46.  111. 

Wade  46.  171. 

Wadel  48.  221. 

Waffe  12.  26.  46.  230. 

Waffel  42.  173. 

Waffenbruder  160. 

Wage  46.  250. 

Wagen    26.    46.    108. 
203. 

wägen  46.  250. 

Wahl  111. 

wahlfrei  160. 

Wahlspruch  160. 

Wahlverwandtschaft 
160.  334. 

Wahn  46.  249.  408. 

wahn  46.  243. 

Wahnsinn  360. 

wahr  35.  46.  107.  242. 

wahren  46. 

wahrnehmen  247. 

Wahrnehmung  160. 

Wahrspruch  160. 

Wahrzeichen  360. 

Waid  28.  46.  197. 

Waise  210. 

Wal  26. 

Wald  46.  111.  191. 

Walfisch  40.  105.  178. 

walken  26.  46.  226. 

Walküre  298. 

Wall  26.  168.  231. 

Wallach  177.  416. 

wallen  48. 

Wallnuß  192. 

Walm  46. 

Walnuß  26.  355. 

Walstatt  355. 

walten  46. 

Walze  221. 

Walzer  235. 
I  Wamme  41.  173. 
I  Wams  227.  231. 
'  Wand  214.  320. 

Wandel  321. 

Wandelstern  160. 

wandern  26. 

Wange  173. 

Wankelmut  355. 

Wanne  195.  221.  222. 

Wanst  46.  111.  172. 

Wanten  286. 

Wanze  188. 

war  26. 

Ware  26.  111. 

waren  26. 
I  warm  26.  44.  205. 

warnen  26. 
I  Warze  26.  172. 
'was  11.  26.  33.  40. 
I  waschen  229. 
:  Wasen  202.  291. 


Wasser  11.26.46.202. 

349. 
Wasserleitung  160. 
Wasserwage  160. 
Wat  227. 
Wate  46. 

waten  26.  46.  107.251. 
Watt  46.  83.  203. 
Wau  197. 

weben  15.  27.  46.  226. 
Wechsel  34.  46.  321. 
Wechselbalg  232. 
Weck  46.  109.  221. 
Wedel  221. 
weder  12.  18.  27.  40. 
Wedgwood  416. 
Weg  46.  203. 
Weh  27. 
wehen  46. 
wehren  46. 
Wehrmann  113. 
Weib  28.  210. 
weich  12.  28.  244. 
Weichbild  2 16. 355.360 
weichen  46.  251. 
Weichselkirsche  355. 
Weichselzopf  146. 
Weichtier  160. 
Weide  46.  190.  192. 
Weidwerk  108. 
weifen  46. 
Weigand  46.  230. 
Weih(e)  167. 
Weihe  46. 
weihe  28. 
weihen  46.  298. 
Weiher  203.  216. 
Weihnachten  156.  206. 
Weile  28.  40.  2G7. 
Weiler  216.  392. 
Wein  28.  195. 
weinen  248. 
Weingeist  160.  334. 
weise  48.  242.  248. 
weismachen  360. 
weiß  11.28.33.40.48. 

111.  240. 
weissagen  360. 
Weißpfennig  160. 
weit  28.  243. 
Weizen  11.28.40.194. 
Weif  40.  178. 
welken  46. 
Welle  46.  48.  104.  109. 
Wellfleisch  355. 
Wels  185. 
welsch  137.  416. 
Welsche  378. 
Welt  27.  34.  46. 
Weltbürger  160. 
Wendekreis  160. 
Wenden  378. 
wenig  244. 
Wenigkeit  160. 
Wenzel  416. 


wer  40. 

werben  40.  251. 
werden  18.46.251.320. 
Werder  203. 
Werft  31.  40. 
Wergeid  355. 
Werk  27.  46.  320. 
Wermut  197. 
Werre  188. 
Werst  146. 
Wert  108.  203. 
wert  27.  46. 
Werwolf  298.  355. 
Wesentlichkeit  160. 
Wespe  46.  187. 
Weste  228. 
Westen  27. 34.  46.105. 
Westerhemd  46.  355. 
Wettbewerb  160. 
Wette  46.  320. 
Wetter  27.  46. 109.201. 

204. 
Wetterglas  160. 
Wetterleuchten     234. 

270.  360. 
Wettung  320. 
wetzen  11.  27.  40. 
wichsen  272. 
Wicht  46.  110. 
Wicke  195. 
wickeln  108. 
Widderl2.30.  46. 177. 

206. 
wider  46. 
Widersacher  304. 
Widerhall  158. 
Wiebel  46.  110. 
Wiede  46. 
Wiedehopf    182.    191. 

360. 
wieder  30    111. 
Wiedergeburt  160. 
wiederkäuen  224. 
Wiedertäufer  160. 
Wiege  221. 
Wiegendruck  160. 
Wiek  203. 
-wiek  213. 
Wiesel  178. 
wild  29.  46.  108.  243. 
Wildbret  355. 
Wildfang  316. 
Wildschur  146.  360. 
will  34. 

Wille  29.  46.  248. 
willkommen  30. 
Willkür  355. 
Wimpel  227. 
Wimper  355. 
Wind  29.  34.  46.  105. 
winden  29.  253. 
Windhund  176. 
Windmonat  360. 
Windsbraut  360. 
Winter  17.  29.^06. 


438 


WöRTHRVERZEICHNIS. 


Winzer  195. 

Würze  270. 

Zein  10.  222. 

Zither  236. 

wir  46. 

Wurzel  34.  40.  198. 

Zeine  217. 

Ziltcr  204. 

Wirbel  221. 

wüst  46.  107. 

Zeiselwagen  355. 

zittern  17.  89.  249. 

wirken  46.  226.  320. 

Wut  46. 

Zeisig  146.  183. 

Zitferoch  11.  232. 

Wirren  230. 

wütendes  Heer  298. 

Zeit  11.  28.  207. 

Zitze  11.  88.  108. 

Wirte!  42.  221. 

Zeitabschnitt  160. 

Zobel  146.  179. 

Wisch  46. 

Zacke  10. 

Zeitalter  160. 

Zoche  146, 

Wisent  178. 

Zagel  10.26.173.228. 

Zeitrechnung  160. 

Zofe  271. 

wissen  34.46.247.248. 

zäh  10. 

Zeitschrift  160. 

Zoll  11.  214.  322. 

wittern  247.  316. 

Zahl  10.  15.  26. 

Zeitung  379. 

Zopf  11.  12.  27.  229 

Wittum  305. 

zählen  10. 

Zeitwort  160. 

Zorn  242. 

Witwe  15.  29.  34.  46. 

zahlungsfähig  160. 

Zelle  133.  216. 

Zotte  217. 

210. 

zählungsunfiiliig  160. 

Zelt  11. 

zu  11.  16.29.125.  127 

Witz  29.  405. 

Zahlwort  160. 

Zelter  178. 

Zuber  11.  167.  218. 

Woche  12.  206. 

Zahlzeichen  160. 

Zent  133. 

Zucht  107. 

Wodanstag  298. 

zahm  IC.  15.  26.244. 

Zepter  133. 

Zug  11. 

Woge  271. 

zähmen  33. 

zer-  16.  126. 

Zügel  222. 

Wühlklang  160. 

Zahn    10.  15.  26.  33. 

zergen  11. 

Zukunft  34.  207. 

Wohltat  i()0. 

101.  172. 

zerknirschen  360. 

zünden  11. 

Wohlwollen  160. 

Zähre  10.  15.  19.  33. 

zermalmen   109. 

Zunder  1 1. 

woiinen   9.  194.   313. 

174.  248. 

zerren  11.   16.  252. 

Zunft  318. 

403. 

Zain  10.  222. 

Zettel  222. 

Zunge  11.  15.  16.30 

Wolf  18.34.44.46.178. 

Zander  185. 

zelten  16. 

107.  172. 

Wolke  46.  201. 

Zange  10.  15.  26.  222. 

Zeug  222. 

zusammen  167. 

Wolkenkuckucksheim 

zanger  222. 

Zeute  217. 

zwanzig  11.  166. 

160. 

Zankapfel  343. 

Zichorie  198. 

zwar  355. 

Wolle  34.  46.  48.  172. 

Zapfen  10.  12.  222. 

Zieche  11. 

Zweck  344. 

179.  225. 

Zarge  10.  15.  222. 

Ziege  178. 

Zweck(e)  222. 

wollen  46.  248. 

zart  243. 

Ziegel  11.  216. 

Zwehle  229. 

Wonnemonat  206.360. 

Zaspel  355. 

Ziegenhaingr  416. 

zwei  11.  16.  166.  167 

Wörde  213. 

Zauber  10.  298. 

ziehen  16.35. 107.251. 

Zweifel  44.  107. 

Würfel  222. 

zaudern  15. 

252. 

Zweig  11.  167.  191. 

Wort  11.  46. 

Zaum  10.  28.  222. 

Ziemer  314. 

Zweikampf  160. 

Wortbuch  158. 

Zaun    11.  15.  28.  35. 

Zierat  360. 

Zwerchfell  355. 

Wortforschung  160. 

105.  108.  133.  137. 

Zierbengel  160. 

Zwerg  31.  298. 

Wortfügung  160. 

213. 

Zieselmaus  146.  179. 

Zwetsche  192.  416. 

Wrak  40.  290. 

Zaunkönig  183. 

Ziestag  298. 

Zwi-  34. 

Wruke  146.  272. 

zausen  11.  16. 

Ziffer  168. 

Zwick(el)  222. 

Wucher  321. 

Zeche  43. 

-zig  li.  30.  166. 

Zwiebel  196.  360. 

wund  232. 

Zecke  11.  188. 

Zille  146. 

Zwiesel  167. 

Wunder  30. 

Zeder  133. 

Zimbel  133.  235. 

Zwilch  167. 

wünschen  46. 11 1.248. 

Zeh  11.  27.  107.  172. 

Zimmer  11.  16.29.34. 

ZwilUng  11    167. 

Wurd  213. 

zehn  8.  11.  16.  19.27. 

•   41.  168.  213. 

zwingen  229. 

würdig  12. 

34.  166. 

Zink  200. 

Zwirn  107.  167.  227. 

Würfel  222. 

zehnte  27. 

Zinn  11.  29.  200. 

zwischen  11.  167. 

würgen  46. 

zehren  11.  16.  225. 

Zinne  108. 

Zwist  167.  230. 

Wurm  46.  107.  188. 

Zeichen  11.  12.  28. 

Zins  322. 

zwitschern  252. 

Wurst  223. 

zeigen  16.  107. 

Zipfel  11. 

Zwitter  167. 

wursteln  223. 

zeihen  16. 35. 107.  252. 

Zipperlein  232. 

zwölf  11.44.110.  166 

Würz  46. 

ahd.  zeihhur  47.  209. 

zischen  252. 

Zypresse  192. 

NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN 

S.  11  Z.  4  V.  u.  lies:  e.  thick  statt  thik.  —  S.  14  Z.  13  v.  o.  lies:  Fell  statt  Fett.  — 
S,  15  Z.  6  V.  0.  lies:  Bär  statt  Bar.  —  S.  31  Z.  6  v.  u.  lies:  Punkten  abgesehen  statt 
Punkten.  —  S.  35  Z.  1  v.o.  lies:  Mahd  statt  Mat.  —  S.  48  Z.  10  v.  o.  lies:  lat.  statt  d.  — 
S.  53  Abschnittt  2  füge  hinzu:  Ein  kleines  brauchbares  Hilfsmittel  ist  E.  Wassürzieher. 
Woher?  3.  Aufl.  1919.  —  S.  53,  1:  Von  Feist,  Etymol.  WB.  ist  jetzt  die  dritte  Auflage  er- 
schienen. —  S.  53  §38,2  füge  hinzu:  A.  Torp,  Nynorsk  etymologisk  ordbok,  Kristiania 
1916.  —  Zu  §38,4  füge  hinzu:  F.  Holthausen,  Etymologisches  Wörterbuch  der  englischen 
Sprache,  Leipzig  1917.  —  §38,  11:  Meyer-Lübkes  Wörterbuch  ist  jetzt  vollendet.  Statt 
1900  lies  1911.  —  §39,  12:  BoiSACQ  ist  ebenfalls  vollendet.  —  S.  73  §51,2  füge  hinzu: 
O.  Östergren,  Nusvensk  ordbok,  Stockholm  1916.  —  §52:  Die  Zeitschrift  für  deutsche 
Wortforschung  ist  leider  eingegangen.  —  S.  77  §  56  Literatur  füge  hinzu:  WiKLUND,  Indo- 
germanisches Jahrbuch  5,  1—21.  —  Zu  S.  79  §59  Literatur  füge  hinzu:  E.  Tappolet,  Die 
alemannischen  Lehnwörter  in  den  Mundarten  der  französischen  Schweiz,  Kulturhistorisch- 
linguist. Unters.,  I.Teil,  Straßburg  1914.  2.  Teil:  Etymologisches  Wörterbuch  1917.  —  Zu 
S.  140  §  105  Literatur  füge  hinzu:  Paul  Möller,  Fremdwörter  aus  dem  Lateinischen  im 
späteren  Mittelhochdeutschen  und  Mittelniederdeutschen,  Diss.  Gießen  1915.  —  Zu  S.  154 
füge  hinzu:  Maxlmilian  Martin,  Die  französischen  Wörter  im  Rheinhessischen,  Diss.  Gießen 
1914.  —  E.  JäSCHKE,  Lateinisch-romanische  Fremdwörter  der  schlesischen  Mundart,  Breslau 
1908.  —  Karl  Roos,  Die  Fremdwörter  in  den  elsässischen  Mundarten,  Diss.  Straßburg 
1903.  —  Zu  S.  224  füge  hinzu:  O.  H.  Schwabe,  The  semantic  development  of  words  for 
eating  and  drinking  in  Germanic  (Linguistic  Studies  in  Germanic,  ed.  by  Francis  A.  Wood 
Nr.  1),  Chicago  1915.  —  Zu  S.  328  §  196  Literatur  füge  hinzu:  Th.  Imme,  Die  deutsche 
Soldatensprache  der  Gegenwart  und  ihr  Humor,  Dortmund  1917.—  O.  Mausser,  Deutsche 
Soldatensprache.  Ihr  Aufbau  und  ihre  Probleme,  Straßburg  1917.  —  Zu  S.  346  §204'): 
Lis  Jacobsen,  Om  Ordenes  Död.  Arkiv  för  nord.  filologi  31  (1915)  236—284.  —  S.  346') 
lies:  Holthausen,  Germ.-rom.  Monatsschrift  statt  Wörter  und  Sachen. 


Herman  Hirt 

ord.  Professor  an  der  Universität  Gießen 

Geschichte  der  deutschen  Sprache 

XII,  301  Seiten  Lex.S*^.   Geheftet  M  18.—,  gebunden  M  24.— 

(Handbudi  des  deutschen  Unterrichts  an  höheren  Schulen.  Begründet  von  Adolf  Matthias. 

IV.  Band  1.  Teil.) 

Aus  dem  Vorwort: 

Ich  habe  die  Absicht  gehabt,  eine  Geschichte  der  deutschen  Sprache  zu 
schreiben  für  den  Kreis  von  Menschen,  für  den  das  Buch  seinem  Plane 
nach  bestimmt  war,  für  die  Lehrer  und  die  Schule.  Ich  habe  versucht, 
möglichst  gemeinverständlich  zu  schreiben,  dabei  aber  alle  Fragen  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart  zu  berühren.  Ich  habe  die  Her- 
kunft des  Deutschen  und  Germanischen  aus  dem  Indogermanischen  ver- 
hältnismäßig ausführlich  behandelt  und  habe  dabei  Geschichte  der  deutschen 
Sprache  im  Sinne  von  Jakob  Grimm  und  Wilhelm  Scherer  gefaßt. 
Ich  meine,  gerade  das  gehört  in  eine  Geschichte  der  deutschen  Sprache. 
Ich  selbst  erinnere  mich  noch  aus  meinen  Sekundanerzeiten,  mit  welcher 
Aufmerksamkeit  wir  allgemein  der  Kunde  von  den  indogermanischen 
Sprachen  lauschten.  Damals  gab  es  viele  Lehrer,  die  gute  sprachwissen- 
schaftliche Kenntnisse  hatten,  während  heute  offenbar  die  Sprachwissen- 
schaft mehr  und  mehr  aus  der  Schule  verbannt  ist.  Wenigstens  habe  ich 
schon  sehr  viel  Studenten  getroffen,  die  auch  nicht  die  leiseste  Ahnung 
von  den  Ergebnissen  der  Sprachwissenschaft  besaßen,  von  denen  Hegel 
sagte,  daß  sie  zu  den  großartigsten  Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der 
Geisteswissenschaften  gehörten.  —  Auf  der  andern  Seite  habe  ich  auch 
die  neueste  Entwicklung  in  unserer  Sprache,  die  Einigung  in  der  Schreibung 
und  in  der  Aussprache  und  schließlich  auch  die  Frage  der  Sprachrichtigkeit 
behandelt.  Alles  dies  geht  den  Schulmann  besonders  an.  Die  Muttersprache 
ist  unser  höchstes  Gut,  und  die  Schule  muß  daran  arbeiten,  sie  zu  pflegen 
und  immer  höher  auszubilden. 

^ 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


p^         ,        -  ^  K         In   '"   Verbindung'    mit   FRIEDRICH    RANKii    und 

üeUtSCneS  OageilDUCn  kARI.  WI-HRHAN  lierausgc^ebcn  von  FRIED- 
RICH V.  d.  LEYEN.  l.Tcil:  Die  Götter  und  Göttersagen  der  Germanen.  Von  Professor 
Dr.  FR.  V.  d.  LEYEN.  2.  neubcarbeitete  Auflage,  ücbunden  M  22.—  /  2.  Teil:  Die  deutschen 
Heldensagen.  Von  Professor  Dr.  I'R.  v.  d.  IJ:YEN.  Gebunden  M  1 1 .—  /  3.  Teil :  Die  deutschen 
Sagen  des  Mittelalters.  Von  Rektor  K.  WEHRHAN  /  Erste  Hälfte:  Kaiser  und  Herren. 
Gebunden  M  11.—.  /  Zweite  Hülfte:  Stumme  und  Landschaften,  Ritter  und  Sänger. 
Gebunden  M  17.  —  (Soeben  erschienen.)  /  4.  Teil:  Die  deutschen  Volkssagen.  Von 
Dr.  FRIEDRICH  RANKE.    Gebunden  M  11.— 

.Soweit  meine  Kenntnis  reicht,  ist  den  Ergebnissen  der  Wissenschaft  noch  in  keiner  für 
weitere  Volkskreise  bestimmten  Darstellung  Rechnung  getragen,  ganz  gewiß  nicht  in  den 
für  die  Jugend  bestimmten  Lese-  und  Erzählungsbüchern  aus  der  germanischen  Mythologie. 
Hier  nun  ist  dies  endlich  geschehen."  Professor  Dr.  Karl  Berger  (Deutsche  Zeitung;. — 
,Es  ist  dem  Verfasser  geglückt,  die  zum  Teil  sehr  schwierigen  Probleme,  unter  Zurück- 
schiebung des  gelehrten  Materials,  in  glatter  Darstellimg  zu  bezwingen.  Ein  gebildeter  und 
für  den  Stoff  eingenommener  Leser  wird  das  Buch  mit  Gewinn  und  Genuß  benutzen.* 
Deutsche  RundsctKiu. 

p.         i       U       i^  W     Ui        ^°"  OSKAR  JÄGER.  Zwei  Bände  mit  220  Ab- 

UCUtSCnG  UGSCniCntC  bildungen  und  lö  historischen  Karten.  5.  Auflage 
(14.  bis  17.  Tausend).    In  Halbleinwand  gebunden  M  45.— 

.Dies  Werk  ist  das  literarische  Testament  eines  hochverdienten  Gelehrten  und  heischt 
pietätvolle  Aufnahme,  aber  es  ist  auch  wirklich  in  seiner  ganzen  Abrundung  und  künst- 
lerischen Gestaltung  des  Riesenstoffes  ein  Meisterwerk."  Gymnasiaidirektor  Dr.  A.  Biese 
(Koblenzer  Zeitung).  —  „Was  man  hier  vor  sich  hat,  ist  die  völlig  ausgereifte  Frucht  einer 
in  jeder  Hinsicht  abgeklärten,  von  edlem  Feuer  für  die  Sache  des  Deutschtums  beseelten, 
von  souveräner  Beherrschung  des  Stoffes  zeugenden  Denkarbeit.'  ProL  Dr.  W.  Martens 
(Frankfurter  Zeitung).  —  .Das  Buch  verbindet  wissenschaftliche  Zuverlässigkeit  mit  volks- 
tümlicher und  doch  gewählter  Schreibweise  und  trifft  in  der  Ausführlichkeit  mit  wirklich 
großem  Geschick  die  rechte  Mitte."  Literarisches  Zentralblatt.  —  ,\'om  ersten  Kapitel 
seines  prächtigen  Buches  bis  zum  letzten  zeigt  der  Verfasser,  wie  der  Gang  des  politischen 
Lebens  in  Wechselwirkung  steht  mit  der  Einwirkung  des  geistigen  und  wirtschaftlichen 
Lebens  unserer  Nation."  Allgemeine  Deutsche  Lehrerzeitung.  —  „Eine  edel  volks- 
tümliche Deutsche  Geschichte,  die  Leben  zeugen  wird."    Kölnische  Zeitung. 

rN         xt-l*x  X  t-«l-x       Von  ALFRED  BIESE.    17.  Auf- 

Deutsche  Literaturgeschichte  lageji  bis 75  Tausend)  Erster 

Band:  Von  den  Anfängen  bis  Herder.  /  Zweiter  Band:  Von  Goetiie  bis  Mörike.  /  Dritter 
Band:  Von  Hebbel  bis  zur  Gegenwart,    in  Halbleinen  gebunden  je  M  45. — 

„Eine  so  großzügige  Darstellung  der  gesamten  deutschen  Literatur,  so  umsichtig  in  der 
Auswahl  und  modern  in  der  Auffassung,  zugleich  von  so  reifem,  sicherem  Urteil,  so  klar 
in  den  Umrissen,  warm  in  den  Farben  und  verständlich  in  allen  Teilen,  so  aus  einem  Guß 
und  mit  sicherer  Gewalt  über  die  Sprache  geschrieben  —  ist  bisher  in  dieser  Art  schwerlich 
geboten  worden."  Konservative  Monatsschrift.  —  .Feinsinn  und  maßvolle  Sachlichkeit 
in  ansprechendem  Gewände  —  diese  Eigenschaften  lassen  mir  Bieses  Buch  zur  Einführung  und 
häuslichen  Lektüre  geeigneter  erscheinen  als  irgend  eine  der  mir  bekannten  bisherigen  Lite- 
raturgeschichten."  Univ.-Prof.  Unger  (Jahresberichte  f.  neuere  deutsche  Literaturgeschichte). 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


T  ^<s^\na  llllH  ^PltlP  7Plf  von  WALDEMAR  OEHLKE.  zwei  Bände  mit 
'-"^'^'^"'^  uiivi  o^iiiv;  M^^ii.  den  Lessingbildnissen  vonTischbein  und  Anton 
Graff.    Gebunden  M  40. — 

,In  dem  Titel  .Lessing  und  seine  Zeit'  bedeutet  der  Zusatz  zum  Namen  des  Dichters  kein 
nebensächliciies  Anhängsel,  sondern  einen  so  wesentlichen  Teil  des  Ganzen,  daß  er  strecken- 
weise den  ersten  Rang  beansprucht.  Der  zeitgeschichtliche  Hintergrund,  von  dem  sich  die 
Gestalt  des  Helden  abhebt,  ist  so  weit  genommen,  mit  einer  so  großen  Reihe  von  Figuren. 
Landschafts-  und  Zeitbildern  ausgefüllt,  so  sorgsam  und  liebevoll  behandelt,  daß  die  Dar- 
stellung eine  Kulturgeschichte  Deutschlands  zur  Zeit,  man  könnte  fast  sagen:  unter  der 
Regierung  Lessings  bildet.  .  .  Der  Verfasser  begnügt  sich  dabei  nicht  mit  den  schon  er- 
schlossenen Quellen,  sondern  benützt  zur  Beleuchtung  der  Verhältnisse  und  Menschen  eine 
Menge  neu  hervorgeholter  Urkunden,  Briefe,  Tagebücher,  von  denen  er  eine  stattliche 
Auslese  in  den  Anmerkungen  abdruckt.  So  ist  durch  gewissenhafte  Verwertung  der  ge- 
samten Lessingliteratur  und  durch  neue  eifrige  Forschung  ein  Bild  des  großen  Mannes  zu- 
stande gekommen,  das  neben  früheren  Darstellungen  in  Ehren  besteht  und  an  kultur- 
geschichtlicher Weite  sie  alle  übertrifft."    Nord  und  Süd. 


Goethe 


Sein  Leben  und  seine  Werke.   Von  ALBERT  BIELSCHOWSKY.  37.  und 

38.  Auflage.    Zwei  Bände  mit  zwei  Porträtgravüren.    Gebunden  M  70.— 

„Ästhetisch  und  auf  ihre  innere  analytische  Darstellungskunst  hin  gewertet  verdient  diese  Goethe- 
biographie den  ersten  Platz  unter  allen,  die  wir  besitzen."    Westermanns  Monatshefte. 

Q    <   «ll  Sein  Leben  und  seine  Werke.  Von  KARL  BERGER.    12.  und  11.  Auflage. 

v3dflllld      Zwei  Bände  mit  zwei  Porträtgravüren.   Gebunden  M  65. — 

,Wir  besitzen  in  diesem  Buch  durchweg  eine  Verbindung  von  zuverlässiger  Sachlichkeit  und 
edler  sprachlicher  Darstellung,  die  der  Schillerbiographie  Karl  Bergers  den  höchsten  Rang  an- 
weist, den  solche  Werke  überhaupt  erlangen  können."    Dr.  J.  V.  Widmann  (Berner  Bund). 

^fl^L-ACrtciQ  Ck  ^^^  Dichter  und  sein  Werk.  Von  MAX  J.  WOLFF.  4.  Auflage 
OnaKeSpeare     (lo.  Ms  H.  Tausend).  Zwei  Bände,  jeder  mit  Gravüre.  Geb.  M 40.— 

„Hier  haben  wir  endlich  unsere  moderne  deutsche,  sowohl  wissenschaftlichen  als  künstlerischen 
Ansprüchen  gerecht  werdende  Shakespearebiographie!"  Franz  Servaes  (Neue  freie  Presse). 

1^1  »j  Sein  Leben  und  sein  Werk.  Von  WILHELM  HERZOG.  2.,  unveränderte  Auflage 
iViCI^l    (4.  bis  6.  Tausend).  Mit  zwei  Porträtgravüren.   Gebunden  M  26.50 

.Das  Buch  ist  ein  schriftstellerisches  und  psychologisches  Meisterwerk."  Hanns  Martin 
Elster  (Rheinisch-Westfälische  Zeitung). 

U        j  Sein  Leben  und  seine  Werke.  Von  EUGEN  KÜHNEMANN.  2.,  neubearbeitete 

ncrUer  Auflage.    Mit  Porträtgravüre.    Gebunden  M  24.— 

«Ein  bedeutendes  Buch.  Es  ist,  getragen  von  einer  hochgesteigerten  sittlichen  Stimmung, 
eine  mächtige  Predigt  in  Form  eines  Lebensbildes."    Theologische  Literaturzeitung. 

o    |^!||  Von  EUGEN  KÜHNEMANN.   6.  Auflage  (16.  bis  18.  Tausend).  Gebunden 

OCnUier    M40.—    (Soeben  erschienen.) 

„Das  Buch  ist  ein  Musterbeispiel,  wie  in  einem  Einzelnen  eine  ganze  geschichtliche  Epoche 
lebendig  gemacht  werden  kann.  Es  lebt  wirklich!  Ausblicke  von  hoher  Warte  verbinden 
überall  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft  des  fortschreitenden  Lebens.  In  dieser  Form 
gewinnt  Kühnemanns  Buch  einen  Wert  über  sein  besonderes  Ziel  hinaus:  es  hilft  zur  Lebens- 
schätzung in  höherem  Sinne  erziehen."    Kunstwart. 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


IDer  Mann   und   sein  Werk    im  Rahmen  der  Zeit  und  Litcratur- 
mmermann     gescl»ichtc.   von  HARRY  MAYNC.   vi,  627  S.   Gebunden  M  60.— 
Soeben  erschienen. 

Inhalt.  Vorwort  —  FAnleitimg  —  Erstes  Budt:  Jugendlidies  Siidien  und  Irren.  I.  Ur- 
sprilnge  und  Heimatjahre.  1796 — 1813.  2.  Lehr-  und  Wanderjahre  des  Studenten  und 
Befreiungskriegers.  1813—1819.  3.  Auf  roter  Erde.  l'5l9—1824.  4.  Die  Werke  der 
Münsterisdien  Zeit.  5.  Krisenjahre.  1824 — 1827.  —  Zweites  Budi:  Münnlidies  Ringen 
und  Wirken.  6.  Düsseldorfer  Anfänge.  1827—1830.  7.  Um  eine  Lebens-  und  Welt- 
anschauung (Politik  —  Gesdiidite  —  Religion:  .Alexis'.  .Merlin').  1830—1832.  8.  Immer- 
manns theatralisdie  Sendung.  1832—1837.  —  Drittes  Budi:  Reife  und  Ernte.  9.  Epigonen. 
10.  Vita  nuova.  1837—1839.  11.  Mündihausen.  12.  Glüdi  und  Ende.  1839—1840.  — 
Schluß:  Der  Mann  und  sein  Werk. 

Immcrmann  ist  dem  deutschen  Voll<e  noch  weniger  bekannt  als  er  nach  seiner  literarischen 
Betätigung  und  nach  dem  Gewicht  seiner  männlichen  Persönlichkeit  verdiente.  Dieses  durch- 
weg fesselnde,  mit  der  jedem  Biographen  uricrläßlichen  Liebe  und  einer  eher  zu  strengen 
als  zu  nachsichtigen  Kritik  geschriebene  Lebensbild,  das  neben  dem  Mann  seine  ganze 
Zeit  lebensvoll  vor  uns  erstehen  läßt,  wird  ihm  in  kurzer  Zeit  den  ihm  zukommenden  Platz 
im  deutschen  Herzen  sichern. 

Theodor  Fontane  Tm- '"^'^  """'"'''■  """■ '" ''  "''"""^ 

.Bisher  gab  es  kein  Buch  über  Fontane,  das  seiner  kulturellen  und  dichterischen  Bedeutung 
entsprach.  Conrad  Wandrey  gibt  nun  eine  umfassende,  eindringliche,  liebevolle  und  künst- 
lerische Gesamtdarstellung  von  Fontanes  dichterischer  Entwicklung.  Alles  drängt  sich  um 
das  Wesen  und  Werden  des  Dichters,  insonderheit  des  Epikers,  das  Wesen  und  Werden 
der  epischen  Form  bei  Fontane.  Und  da  wir  in  der  neueren  deutschen  Literaturgeschichte 
noch  keine  vorbildliche  Darstellung  von  der  Entwicklung  eines  Epikers  besitzen  (die  Bio- 
graphien Gottfried  Kellers  von  Bächtold  und  Ermatinger  dringen  nicht  durch  zur  , inneren 
Form'),  so  ist  Wandreys  Buch  nicht  nur  eine  erschöpfende  Darstellung  von  Fontanes  Dich- 
tungen; darüber  hinaus  ist  seine  Analyse  großer  epischer  Dichtungsfolgen  in  der  Gemeinsam- 
keit ihrer  inneren  und  äußeren  Form  für  die  deutsche  Literaturwissenschaft  bedeutsam. 
Fontane,  der  sich  —  wie  auch  Gottfried  Keller  —  so  oft  ablehnend  und  spöttisch  gegen 
den  Naturalismus  der  Wilhelm  Scherer-Schule  ausgesprochen  hat,  würde  dieser  lebendigen 
und  schöpferischen  Betrachtung  gewiß  seine  Zustimmung  nicht  versagt  haben."  Professor 
Dr.  Philipp  Witkop  (Frankfurter  Zeitung). 

Der  Untergang  des  Abendlandes  j^orifd^XS,: 

Von  OSWALD  SPENGLER.  Erster  Band:  Gestalt  und  Wirklichkeit.  23.— 32.  AufL 
XV,  615  S.   Gebunden  M  58.— 

.Das  Spenglersche  Buch  ist  kein  zufälliges  Buch.  Es  ist  selbst  das  Schicksalsbuch  unseres 
ganzen  Zeitalters.  Wir  werden  uns  immer  mit  ihm  auseinanderzusetzen  haben,  ob  wir  nun 
seine  Schlußfolgerungen  anerkennen,  oder  ob  wir  sie  bestreiten.  Und  wir  werden  es  nicht 
wie  mit  einem  Buche  tun,  das  auch  ungeschrieben  hätte  bleiben  können,  sondern  wie  mit 
einem  Ereignis,  das  wir  nicht  zu  umgehen  vermögen.  So  sehr  ist  es  die  Erfüllung  jenes 
Versprechens,  das  der  zweite  Unzeitgemäße  gab,  als  er  die  Geschichte  auf  ihren  Nutzen 
und  ihren  Nachteil  untersuchte:  nur  soweit  die  Historie  dem  Leben  dient,  wollen  wir  ihr 
dienen."    Moeller  van  den  Brück  (Deutsche  Rundschau). 


C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Das     pädagogische     Seminar     führung  in  den  Lehrberuf   Heraus 
gegeben  von  KARL  NEFF,  Oberstudienrat  und  Rektor  in  Bayreuth. 

Erster  Band:  Der  deutsche  Unterricht,  von  Karl  Neff.  Mit  einer  Ein- 
führung in  die  mittelhochdeutsche  Lektüre  von  Georg  Kinateder.  VIII,  175  S.  S'^.  Leicht 
geb.  M  15.—.   (Soeben  erschienen.) 

Zweiter  Band:  Der  Geographieunterricht,    von  Max  Pörderreuther. 

VI,  96  S.  S".   Leicht  geb.  M  10. — .  (Soeben  erschienen.) 

Dieses  Handbuch  für  die  praktische  Einführung  in  den  Lehrberuf  tritt  an  die  Stelle  des 
1908  erschienenen  und  seit  geraumer  Zeil  vergriffenen  Buches  des  gleichen  Herausgebers 
„Das  pädagogische  Seminar",  das  den  Verlauf  des  philologisch-historischen  Seminarjahres 
schilderte  und  nur  die  für  die  Behandlung  des  Unterrichts  im  Deutschen,  in  den  antiken 
Sprachen,  in  der  Geschichte  und  Geographie  notwendigsten  methodischen  Richtlinien  enthielt. 

Dieses  neue  Werk  soll  zu  einem  Handbuch  für  die  praktische  Einführung  in  den  Lehr- 
beruf überhaupt  werden  und  ein  anschauliches  Bild  von  einer  wissenschaftlichen  Arbeits- 
gemeinschaft überhaupt  geben,  bei  der  die  Kandidaten  nicht  bloß  m.ethodische  Kunstgriffe 
lernen,  sondern  auch  eine  richtige  Auffassung  ihrer  für  die  Gesamtheit  so  bedeutsamen 
erziehlichen  Berufsarbeit  bekommen. 

Bausteine  zu  einer  Ästhetik  der  inneren  Form 

Von  FR.  LIPPOLD.  XXIV,  397  S.  Gr. 8°.  (Soeben  erschienen.)  Gebunden  M  20 — 
.Die  Wahl  dieses  Titels  muß  durchaus  als  glücklich  bezeichnet  werden,  findet  sich  in  ihm 
doch  der  Grundgedanke  der  Lippoldschen  Ästhetik,  der  sogleich  auch  auf  seinen  berühmteren 
Vorgänger  Vischer  hinweist,  angedeutet.  Auch  hier  steht  das  Problem  »Form  und  Inhalt" 
im  Mittelpunkte  der  Betrachtung.  Auch  hier  wird  ein  Ausgleich,  ein  Mittelweg  gesucht.  Und 
er  wird  gefunden  mit  der  Verlegung  des  rein  Formprinzipiellen  in  das  Geistige  und  Seelische. 
Dabei  ist  seine  Ästhetik  durchaus  nicht  in  modernem  Sinne  einseitig  psychologisch-empirisch 
gerichtet.  Neben  der  Erfahrung,  für  die  ihm  die  eigene  Person  stets  das  reichste,  inter- 
essanteste und  zuverlässigste  Beobachtungsmaterial  bot,  weiß  er  den  Wert  der  Spekulation 
wohl  zu  schätzen.  Die  Idee  ist  ihm  zwar  nicht  das  Erste  und  einzig  Wichtige,  wohl  aber  das 
Kernhafte,  Bleibende,  Wertgebende.  Das  Buch,  das  im  wesentlichen  aus  dem  Nachlaß  Lippolds 
zusammengestellt  wurde,  enthält  eine  Fülle  fruchtbarer,  gerade  für  unsere  in  ihrem  ästhe- 
tischen Empfinden  so   unklare  Zeit  wegweisender  Anregungen."    Deutsches  Volkstum. 


Johannes   Müllers   Gedanken   über  Er- 
ziehung   und    Unterricht.     Nach    seinen 


Innerliche  Schulreform 

Reden   und  Schriften   dargestellt  von  Dr.  WILLY  SCHEEL.    IV,    111  S.  Geheftet  M  9.— . 

Was  Joh.  Müller  über  Erziehung  und  Unterricht  sagt,  ist  kein  Lehrgebäude,  kein  neues 
Erziehungssystem,  sondern  bietet  die  Darstellung  dessen,  was  er  über  diese  Dinge  in  sich 
selbst  erlebt  hat.  In  seinen  Schriften,  Reden  und  Gesprächen  hat  er  sich  oft  über  diese 
Fragen  geäußert.  Dieses  Material  wird  hier  übersichtlich,  meist  mit  Müllers  eigenen  Worten, 
dargeboten.  Die  Jugenderziehung  gipfelt  bei  ihm  darin,  das  ursprüngliche  Wesen  im  Kinde 
heranzuziehen  und  zu  fördern.  Denn  das  Ziel  seiner  Sehnsucht  ist  der  Mensch  des  .dritten 
Reiches",  der  xMensch  der  wiedergewonnenen  Unmittelbarkeit.  Alle,  die  Kinder  zu  erziehen 
haben,  sollten  suchen,  die  Grundgedanken  Johannes  Müllers  kennen  zu  lernen,  zumal  sie 
ihnen  hier  so  bequem  zusammengefaßt  dargeboten  werden.  Heute,  wo  die  Eltern  in  Schule 
und  Kirche  mehr  denn  je  mitzureden  haben,  ist  es  unerläßlich,  die  eigenen  Gedanken  mit 
denen  eines  so  selbständigen  Geistes  wie  dem  Johannes  Müllers  zu  vergleichen. 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Handbuch  des  deutschen  Unterrichts 

begründet  von    Df.  Adoll   MättniaS,    Wirklichem  Geheimen  Oberrcgierungsral 

1.  Band: 

1.  Geschichte  des  deutschen  Unterrichts  von  Wirkl.  Geh.  Oberregierungsrat 
Dr.  Adolf  Matthias.    28  Bogen  Lex.S".    Geh.  M  15.75,  geb.  M  20.— 

2.  Der  deutsche  Aufsatz  von  Professor  Dr.  Paul  Geyer.  Zweite  Auflage. 
22'.- Bogen  Lex.  8".     Geheftet  M  10.50.  gebunden  M  21.50 

3.  Lesestücke  und  Schriftwerke  im  deutschen  Unterricht  von  Gymnasial- 
direktor Dr.  Paul  Goldscheider.  32  Bogen  Lex, 8".    (Vergriffen.) 

ll.Band; 

1,  I  Einführung  in  das  Gotische  nebst  Wörterverzeichnis  von  Professor 
Dr.  von  der  Leyen.    12  Bogen  Lex. 8".    Gebunden  M  16.— 

1,  2.  Einführung  in  das  Althochdeutsche  nebst  Wörterverzeichnis  von  Professor 
Dr.  Georg  Baesecke.  19  Bogen  Lex. 8".   Geheftet  M  17.50,  gebunden  M23  50 

1,  s.  Einführung  in  das  Mittelhochdeutsche  nebst  Wörterverzeichnis  von  Pro- 
fessor Dr.  Friedrich  von  der  Leyen.    Hn  Vorbereitung.) 

2.  Grammatik  der  neuhochdeutschen  Sprache  von  Professor  Dr.  Ludwig 
Sütterlin  (Freiburg  i.  B.).  Mit  Anhang:  Die  deutsche  Aussprache  auf 
phonetischer  Grundlage  von  Professor  Dr.  Theodor  Siebs  (Breslau). 
(Im  Druck.) 

lll.Band 

1.  Deutsche  Stilistik  von  Professor  Dr.  Richard  M.Meyer.  Zweite  Auflage. 
17  Bogen  Lex. 8".     Geheftet  M  8.75,  gebunden  M  18.75 

2.  Deutsche  Poetik  von  Professor  Dr.  Rudolf  Lehmann.  18'  +  Bogen  Lex. 8°. 
Zweite,  neubearb.  Auflage.    Geh.  M  16.50,  geb.  M  22.50 

3.  Deutsche  Verslehre  von  Professor  Dr.  Franz  Saran  (Erlangen).  23  Bogen 
Lex.8°.     Geheftet  M  12.25,  gebunden  M  21.50 

IV.Band: 

1.  Geschichte  der  deutschen  Sprache  von  Professor  Dr.  Her  man  Hirt. 
Geheftet  M  18.—,  gebunden  M  24.— 

2.  Etymologie  der  neuhochdeutschen  Sprache.  Eine  Darstellung  des  deutschen 
Wortschatzes  in  seiner  geschieht!.  Entwicklung.  Mit  Index.  Von  Prof.  Dr.  Her- 
rn an  Hirt  (Gießen).  Zweite  Auflage. 

3.  Sprichwörter,  sprichwörtliche  Redensarten,  geflügelte  Worte  von  Gym- 
nasialdireklor  Dr.  Friedrich  Seiler  (Wittstock).  (Ersdieint  Anfang  1921.) 

V.Band: 

1.  Deutsche  Altertumskunde  von  Professor  Dr.  Friedrich  Kauffmann  (Kiel). 
I.  Hälfte:  Von  der  Urzeit  bis  zur  Völkerwanderung.  32^4  Bogen  Lex. 8°  und 
35  Tafeln.    Geh.  M  17.50,  geb.  M  24.— 

2.  Religion  und  Mythologie  von  Professor  Dr.  Friedrich  Kauffmann. 
(In  Vorbereitung.) 

3.  Deutsche  Heldensage  von  Professor  Dr.  Friedrich  Panzer  (Frankfurt a.M.). 
(In  Vorbereitung.) 

VI.Band: 

Geschichte  der  deutschen  Literatur  bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters. 
Von  Professor  Dr.  G.  Ehrismann.  I.  Teil:  Die  althochdeutsche  Literatur. 
Geh.  M  22.50,  geb.  M  32.50.  —  IL  Teil:  Die  mittelhochdeutsche  Literatur. 
(In  Vorbereitung.) 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


C.  H.  Beck'sche  Buctidruckerei  in  Nördlingen 


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