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3^ö5
JULIUS MEIER-GRAEFE / EUGENE DELACROIX
PHOTOGRAPHIE NACH DEM LEBEN, 1862.
Pierre Petit, Paris
JULIUS MEIER-GRAEFE
EUGENE DELACROIX
BEITRÄGE ZU EINER ANALYSE
MIT
HUNDERTFÜNFUNDVIERZIG
ABBILDUNGEN, ZWEI FACSIMILES UND EINER
ANZAHL UNVERÖFFENTLICHTER
BRIEFE
MÜNCHEN / R. PIPER & CO. / VERLAG
Vit)
553
I NH ALT
Seite
Der Romantiker i
Die Lehrer der Jugend 25
Analyse und Synthese 41
Rubens und Raffael 49
Die Farbenlehre 67
Die Dekoration 87
Der Graphiker 107
Rembrandt 115
La Maniera Magnifica 131
Abbildungen 139
Briefe an den Baron Schwiter 255
Vier Abbildungen 267
Verzeichnis der Abbildungen 271
DER ROMANTIKER
Les grandes pensdes viennent
toujours du coeur.
Vauvenargues.
Der Vater, einer der Aufgeklärten des i8. Jahrhunderts, hatte mit
über Louis X VI . zu Gericht gesessen, wurde unter dem Directoire
Minister des Äußern, und in dieser Stellung von seinem Freunde,
dem Prinzen Talleyrand, abgelöst^. Als Eugene Delacroix, sein
dritter und letzter Sohn, geboren wurde — es war am 7. Floreal des
'■ Die Legende, nach der Eugene Delacroix der Sohn des Prinzen Talleyrand sein
soll, hat heute keine Anhänger mehr.
4 DER ROMANTIKER
Jahres VI, d. i. dem 26. April 1798, in seinem Landhause in
Charenton bei Paris — , war der Vater Gesandter Frankreichs in
Holland. Die beiden anderen Söhne waren Soldaten; der
eine tapferer General Napoleons, der andere fiel jung in der
Schlacht bei Friedland. Eine Tochter, Henriette, zwanzig Jahre
älter als der Bruder, war mit dem Gesandten de Verninac Saint-
Maur verheiratet. An sie erinnert ein schönes Bildnis von David,
das früher Delacroix gehört hat. Unter den nächsten Verwandten
der Mutter, Victoire Geben, finden sich geschickte Kunstgewerbler
aus der besten Zeit Frankreichs, deren Namen mit Wohlgefallen
von den Sammlern der Bibelots des Dixhuitieme genannt werden.
Ihr Vater war der Sieur Geben. Er hat für die Pompadour manchen
kostbaren Spiegel kreiert und soll ein Lieblingsschüler des Alt-
meisters Boule gewesen sein. Noch berühmter war und ist im selben
Fach ihr Onkel Riesener, von dem die Pariser Museen viele schöne
Möbel und Zeichnungen für Innendekorationen bewahren. Riesener
und Geben haben viel zusammen gearbeitet und unter anderem mit
Duplessis den kostbaren Sekretär Ludwigs XV. geschaffen, eins der
Prunkstücke des Louvre. Es paßt nicht eben schlecht zu Delacroix,
daß meisterliche Handwerker der Materie zu seiner Familie gehören.
Der Sohn des Ebenisten Riesener, Delacroix' Onkel, der Maler Henri-
Francois Riesener, ein Schüler Davids, bestimmte den Achtzehn-
jährigen, in das Atelier Guerins einzutreten. Der Umstand, daß
schon der Knabe großes Talent bewies, unterscheidet diese Bio-
graphie nicht von vielen anderen. Auffallender als die Anlage für die
Kunst war das musikalische Gehör des Kindes. Ein alter Musiker,
ein persönlicher Freund Mozarts, damals Organist der Kathedrale
von Bordeaux, wo Delacroix einen Teil seiner Jugend verlebte, tat
alles mögliche, um die Mutter zu bestimmen, den Jungen das
Komponieren lernen zu lassend
' Die meisten biographischen Details sind der autobiographischen Skizze ent-
nommen, die am vollständigsten der Freund Delacroix', L. Veron, im ersten Band
seiner Memoires d'un bourgeois de Paris (Gonet 1853, Paris) abgedruckt hat und
die DelacroLx wahrscheinlich für ihn geschrieben hat (vgl. Journal II, 225). Dieselben
Notizen haben Piron vorgelegen, der einige von V. nicht benützte Stellen wieder-
gegeben hat (Eugene Delacroix, Sa vie et ses oeuvres, Imprimerie Jules Claye,
Paris [anonym] 1865 S. 38 ff.). Die autobiographische Skizze Delacroix' enthält
auch interessante Nachrichten über Gericault.
DER ROMANTIKER
Delacroix hatte von der Mutter die Zartheit der Empfindung und
vielleicht die geschickte Hand, die auffallend klein war; von dem
Vater den philosophischen Geist, die männliche Energie und etwas,
das bei dem Umfang des Künstlers gering erscheint, den nie ver-
hehlten Anstand des « homme du monde » und des klugen, wenn
auch nie doppelzüngigen Diplomaten. Talleyrand hatte ihn auf
den Knien gewiegt. Freilich besaß er nicht die Maske des nor-
malen Weltmannes, überhaupt keine normale Maske. Der olivene
Teint, das bis ins Alter rabenschwarze Haar, der breite Mund
mit den breiten Zähnen, das energische Kinn, die stark zurück-
liegenden, oft fieberhaften Augen gaben ihm etwas Fremdartiges,
Exotisches. Er erschien auf einem Maskenball, den der Herzog
von Orleans in den Tuilerien gab, in einem orientalischen Kostüm
und hätte, berichten die Augenzeugen, wirklich für einen morgen-
ländischen Fürsten gelten können^. Er war nicht schön, sah eher
wild aus, und zu dieser Wildheit bildete die vollendete Ruhe, seine
sehr gewählten Bewegungen und die stille, temperierte Liebens-
würdigkeit einen seltsamen Kontrast. Hinter dem frühzeitig durch-
gearbeiteten Antlitz ahnte man Stürme. Wenn Michelangelo zu
seiner Zeit gelebt hätte, wäre er ähnlich gewesen. Er war ungemein
leicht erregbar und verbarg es, um am nächsten Tag in seiner
Klause dafür zu büßen. Die Stimme zitterte leicht, wenn er in ge-
lassenen Worten einer Meinung widersprach. Er hatte oft zu wider-
sprechen und tat es mit ausgesuchter Höflichkeit, aber kurz. Die
Freunde rühmen seinen blendenden Witz. Er verstand, ihn zurück-
zuhalten. Die Frauen muß schon das Äußere des Seltsamen gelockt
haben. Doch kennt man keine seiner Lieben, und er hat keine, die
ihn mehr als eine Stunde seiner Erholung gekostet hätte — auch die
nur in der ersten Jugend — , gehabt. Er haßte den Vulgus mehr als
seine Feinde. Als Laurent Jan von seiner nicht witzlosen Broschüre
gegen Ingres eine Massenauflage veranstaltete, trat Delacroix mit
großer Energie für den Gegner ein, dessen Schwächen er wie kein
anderer durchschaute, und der ihm wie kein anderer im Wege war^
• G. Dargenty, Eugtae Delacroix par lui-m6me (J. Rouam, Paris 1885).
* Laurent Jan, « Ingres, peintre et martyr i>. Theophile Silvestre (Eugene Delacroix,
documents nouveaux, Paris 1864) verkennt in diesem Falle, so gut er ihn sonst ver-
steht, die Koketterie des Meisters. Man braucht nur das Journal Delacroix' nach-
DER ROMANTIKER
Er war stolz und undurchdringlich und bezauberte jeden, zumal
die ganz Einfachen, so die Handwerker, mit denen er zu tun hatte;
war ungemein gesellig und lebte wie ein Anachoret, war skeptisch
bis zur tiefsten Menschenverachtung und selbst beschränkten Ge-
nossen der beste Freund. Er liebte sehr seine Mutter, die er noch
als Jüngling verlor, und sah am Tage ihres Begräbnisses von
einem Fenster gleichgültig der Aufstellung des Leichenzuges zu,
so kühl, daß er sich seiner selbst schämte. Da erblickte er zufällig
auf der anderen Seite der Straße eine Bettlerin, der seine Mutter
stets ein Almosen zu geben pflegte. Er brach in solche Verzweiflung
aus, dass die Seinigen um ihn besorgt wurden^.
Viele Widersprüche in seinem Schicksal. Dreimal im Verlauf
eines Jahres wird das Leben des Kindes nur durch Wunder ge-
rettet. Er lebt und scheint von seinem zwanzigsten Jahre an lang-
sam zu sterben. Er beginnt um diese Zeit das größte Oeuvre, das
die Geschichte der neueren Kunst besitzt. Er lebt vorsichtig wie
ein Schwindsüchtiger — nie traf man ihn in dem stets überhitzten
Atelier anders als mit einem Riesenschal um den Hals und einer
Mütze auf dem Kopf — und gönnt sich trotz des Widerspruchs
seines Arztes nur eine Mahlzeit am Abend, um tagsüber, von acht
Uhr morgens an, besser arbeiten zu können. Er ist vom ersten
Bilde an berühmt und hat nie ein Publikum gefunden. Ja, man
könnte fast sagen, die Zahl der Verehrer seiner Kunst, namentlich
seiner einflußreichen Verehrer, habe mit den Jahren im selben
Maße abgenommen, in dem seine Berühmtheit, die Achtung, die
seine Mitbürger dem Menschen entgegenbrachten, zunahmt Und
er erscheint uns heute als der einzige der großen Künstler des
19. Jahrhunderts, der als ein Repräsentant im Sinne der alten
Meister gelten kann.
zulesen und den Brief, den Delacroix an denselben Kritiker schrieb (Lettres, Burty
S. 261), in dem er seinen Verehrer auf die Art von Diskussionen weist, die er allein
für würdig und ersprießlich hielt.
* Vgl. die Erinnerungen seines Vetters, des Malers Leon Riesener, die Burty in
der Vorrede zu den « Lettres d'Eugene Delacroix » (Quantin, Paris 1878) zitiert.
' Chesneau schrieb: « L'artiste, ä vrai dire, n'a jamais eu de pubUc. . . . C'est un
singulier phenomene qu'un homme superieur reussissant par ses quaUtes personnelles,
par l'elegance et la distinction de son esprit, et m a 1 g r e les qualites qui consti-
tuent sa superiorite: ses qualites d'artiste. >
DER ROMANTIKER
In seiner Kunst glaubt mancher ebenso viele Widersprüche zu
finden. Doch bestehen sie in Wirklichkeit hier so wenig wie irgend-
wo in dem Dasein dieses Menschen, erscheinen nur so dem Kurz-
sichtigen, der die Größe nicht zu überblicken vermag. Freilich,
wer kann das? Das Werk liegt heute weit genug zurück. Man
sollte meinen, Abstand nehmen zu können. Aber es fehlt, wenn nicht
an Abstand, an Voraussetzungen, um ihn recht zu benützen. Und
wenn einer schon die Empfindungen mitbrächte, um sich für sich
ein schwankendes Bild aus den unzähligen Bildern zu malen, wie
soll er es darstellen? Es fehlt an Worten, die stark genug wären,
seinen Wert von den anderen, die so viel Worte verbraucht haben,
abzuheben, und an der Möglichkeit einer Resonanz, auf die man
rechnen müßte. Wie tief, könnte ich mit einem seiner unzähligen
Biographen sagen, fühle ich mich der Aufgabe unterlegen, diesen
Menschen zu schildern. Und wie tief, könnte man hinzufügen, ist
unsere ganze Zeit dem Verständnis solcher Aufgaben entrückt!
Delacroix ist der letzte der Großen, deren Art Poussin die Ma-
niera magnifica nennt. Er gehört zu dem göttlichen Meister der
«Entführung der Sabinerinnen», des «Triumph der Flora», der
«Bacchanale», gehört irgendwie zu ihm, z. B. weit eher als zu
David, Ingres, Corot und Daumier. Das ist sehr sonderbar, wenn
man es recht überdenkt. Wie wenig haben solche Zeitgenossen, die
uns neben ihm als die bedeutendsten Meister seiner Epoche er-
scheinen, mit ihm gemein! Weist ihm das etwa eine Stellung in der
Vergangenheit an? ist er wirklich dem Meister Frankreichs, den
man allein als seinen Vorgänger in der Würde, die er einnahm,
bezeichnen kann, verwandt?
Vier Dinge sieht Poussin als wesentlich an: als erstes die große
materia, so viel und mehr als das würdige Motiv; dann das argo-
mento und concetto, das heißt, den schöpferischen, wohldurch-
dachten Gedanken ; dann die struttura, den wohlgefügten Bau und
den Stil — «una maniera particolare e industria di dipingere e
disegnare nata dal particolare genio di ciascuno» . . . Das paßt auch
auf Delacroix. Diese vier Dinge hatte er ganz gewiß. Aber während
sie Poussins Art, soweit es überhaupt solche Begriffe vermögen,
ungefähr bestimmen, scheinen sie von Delacroix' Art nur ganz
schemenhafte Umrisse zu geben. Eins bleibt von diesen Begriffen
8 DER ROMANTIKER
ganz unberührt oder erscheint nebensächlich, während es bei
Delacroix zu dem Kern wird, der seiner materia, seinem argo-
mento e concetto, seinem struttura e stilo eine ganz andere Be-
deutung zuweist, eine, die es in der Maniera magnifica Poussins
nicht gab, noch geben konnte — weshalb Poussin nicht kleiner
erscheint ^, die erst Jahrhunderte später entstehen konnte, nach
Zeiten einer tiefgründigen Evolution des Menschlichen: die durch-
aus zentrale, mit dramatischer Gewalt wirkende Teilnahme der
Persönlichkeit an der Schöpfung, an einer Schöpfung, die mit der
Umsicht und Gelassenheit eines Poussin zustande kommt.
Man hat in dieser Schöpfung immer nur den Teil gesehen, der
dem Geiste Poussins, ich meine alles, was mit diesem Geiste zu-
sammenhängt, zu widersprechen scheint, und hat auf Grund dieser
Meinung die Stellung Delacroix' bestimmt. Die Kunstgeschichte
nennt ihn Romantiker, weil er für den Überwinder des Klassizismus
gilt, weil er romantische Dinge gemalt hat, und noch aus manchen
anderen Gründen. Der Name wäre gut, wenn er ganz falsch oder
ganz richtig wäre. Man kann mit ihm ungefähr alles machen und
unter anderem auch das bezeichnen, das sicher in Delacroix war,
und etwas anderes, das nicht weniger typisch für die Romantik
gilt und von dem nicht das mindeste in ihm zu finden ist. Aber
auch die weiteste, vom Historischen absehende Fassung des Begriffs
der Romantik wird Delacroix zu eng nehmen, und eine Betrachtung,
die von der Romantik ausgeht, um zu ihm zu gelangen, wird Mühe
haben, gerade die Irrtümer zu vermeiden, die wesentliche Eigen-
schaften des Künstlers und des Menschen in Frage stellen^. Ein-
facher und ersprießlicher ist es, von dem Menschen und seiner
Schöpfung auszugehen, von seinen Bildern, ihrer Entwicklung,
ihrer Gesamtheit, und von der Beziehung dieser Gesamtheit zu dem
Menschen. E^as aber geschah schon in früheren Zeiten, als sich in
Frankreich noch geistvolle Menschen mit Kunststudien abgaben,
selten, geschieht heute so gut wie gar nicht mehr. Baudelaire sagte
einmal, er möchte sehr alt werden oder noch einmal wieder-
kommen, nur um sich an dem Frohlocken der Generationen über
Delacroix zu weiden. Wer weiß, wie lange er auf diese Wiederkunft
' Vgl. z. B. die lesenswerte Studie von Konrad Weiss: Eugen Delacroix, das Pro-
blem des romantisclien Genies (Hochland, Septemberheft 1912).
DER ROMANTIKER
noch warten kann. Es gibt wenige Künstler, deren Namen ge-
läufiger sind, und mit denen man leichtfertiger umgeht. Man
spricht von ihm wie von einem Bilde, von dem man nur eine
brutale Holzschnittreproduktion gesehen hat. Das romantische
Klischee hat es fertig gebracht, daß die Wirkung des Meisters mit
dem Anteil der Impressionisten erschöpft scheint und gegenwärtig
überhaupt kaum noch gespürt wird. Unsere Zeit steht zu ihm etwa
wie das Dixhuitieme zu Raffael und Michelangelo, vor denen
Boucher seinen Schüler Fragonard, als dieser nach Rom ging, auf
das eindringlichste warnte: Mein lieber Frago, ich sage dir als Freund
und im Vertrauen : wenn du diese Leute ernst nimmst, bist du verloren.
Wie wenig ernst ihn die Welt nahm und nimmt, beweist unter
anderem die geringe Zahl der Werke in den Galerien außer Frank-
reich. Bei Wallace und in der Jonides-Collection hängen ein paar
gute Bilder, die National- Gallery hat erst jetzt dank dem Ver-
mächtnis Cheramys ein würdiges Werk erhalten. Kleinigkeiten
finden sich in englischem Privatbesitz; blutwenig. Kein franzö-
sischer Meister war bei uns um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in
der Zeit der größten Schwärmerei für die Pariser Schule, so wenig
geschätzt. Delaroche, Horace Vernet, Cogniet herrschten in den
akademischen Ausstellungen Berlins, in der Gesellschaft und bei
den Künstlern. Die jungen Deutschen zogen scharenweise zu
Couture und Gleyre. Selten traf einen der Wissensdurstigen eine
Ahnung von dem Meister, neben dem alle, die man zu ihm rechnet,
wie Folien erscheinen. Und wenn der Forscher in der deutschen
Kunst jener Zeit einmal auf so einen Reflex Delacroix' stößt,
glaubt er in dem Geringsten einen Schimmer von Herrlichkeit zu
entdecken. Heute aber wird das geringste von Manet und seinen
Freunden mit Gold aufgewogen, man ist mit van Gogh und Gauguin
intim, besitzt Signac und Groß, diskutiert die Jüngsten, und Dela-
croix, ohne den sie alle nicht möglich wären, von dem sie das
beste haben, den Schimmer von Herrlichkeit, der uns mit ihrer
Nacktheit versöhnt, wird vergessen. Ein paar Privatsammler
jüngeren Datums hier und da haben in den letzten Jahren einige
Bilder Delacroix' erworben^ In deutschen Museen gibt es noch heute
' Die bedeutendste Sammlung dürfte die von Gerstenberg bei Berlin sein, in der
sich mehrere kleine Ölgemälde und Aquarelle befinden.
10 DER ROMANTIKER
kaum ein einziges repräsentatives Werk^. Vielleicht stände manches
anders bei uns, wenn man nicht die Betrachtung der französischen
Kunst von hinten angefangen hätte. Die Sage von der bedingungs-
losen Originalität der Impressionisten, die zu törichten Kämpfen
und noch zweifelhafteren Siegen führte, hätte vielleicht weniger
Nahrung gefunden. Man soll mir nicht weismachen, etwas Wesent-
liches von Cezanne zu verstehen, wenn Delacroix für überwunden
gilt. Wer ihn für zu dunkel hält, der hat nie das Dunkle in Cezannes
Helligkeiten, das Hemmende in dem Glanz Renoirs genossen.
Delacroix' Landsleuten zu seinerzeit war er zu hell. Die Schwär-
mer hielten sich an das Dämonische. Vielleicht hatten die miß-
trauischen Naturalisten, die nachher kamen, recht, wenn sie sich
von der Kühle seiner Doktrin abstoßen ließen. Das Herz, dessen
überhitzte Pulse die Romantiker berauschte, schlug in einem
kalten Menschen. Das gab ihm die Größe.
Alles, was sich über das Menschliche Delacroix' sagen läßt,
über den kühnen Erfinder und den scharfsinnigen Entdecker,
über seine Synthese und seine Analyse, enthält dieses Paradox.
Er war ein Feuer, das versengend über die Leinwand fiel, und
sah von oben zu, wie es brannte und lenkte das Feuer. Nur in der
heißesten Erregung wurde er zum Schöpfer. Das hat er selbst oft
gestanden. « Wenn ich nicht zittere, wie die Natter in der Hand des
Schlangenbändigers, bin ich kalt. Das weiß ich und damit habe
ich zu rechnen. Alles, was ich Brauchbares geschaffen habe, ist
so entstanden»-. Das Geständnis eines Romantikers. Doch war ihm,
wie Theophile Silvestre berichtet, nichts verhaßter als die Hymnen
auf das Feurige seines Wesens. Er scheute keine Mühe, um seinen
Freunden zu beweisen, daß alles, was er machte, kaltblütig vor-
bedacht war. « Le mot f o u g u e , qui pourtant lui revient de
droit naturel, l'horripilait; il ne voulait aucunement que l'on prit
ses plus heiles inflammations pour des ardeurs inconscientes; il
* Swarzenski und Wiehert ( Städelsches Institut und das Mannheimer jMuseum)
sind, soviel ich weiß, die einzigen deutschen Museumsdirektoren, die begonnen haben,
diese Lücke zu füllen. In dem Bureau der Berliner Nationalgalerie wartet die
« Medea >, die Tschudi zu erwerben versuchte, auf ihren Tag.
' « Si je ne suis pas agit6 comme le serpent dans la main de la Pjrthonisse, je suis
froid ; il faut le reconnaitre et s'y soumettre. Tout ce que j 'ai fait de bien a ete fait
ainsi. »
DER ROMANTIKER ii
ne souffrait pas que Ton supposät animal ce feu sacre qui le
devorait »^
Er verstand seinen Dämon so weit zu objektivieren, daß selbst
dem Beobachter, der ihn bei der Arbeit sah, die Erregung entging.
Lady Egle Charlemont, für die Byron schwärmte und die Ingres
für seine « Stratonice » saß, meint ganz naiv, Delacroix sei überall
lebhaft und geistreich gewesen, nur nicht vor der Staffelei. Sie
nennt Ingres « un perpetuel instrument d'enthousiasme », «un
poeme epique enveloppe dans une grande redingote ». Delacroix
habe nichts dergleichen, nicht den leisesten Zug zum Majestä-
tischen, Feierlichen, Grandiosen gehabt. Nach seinen Bildern
müsse man wohl schließen, daß er zuweilen nicht frei von feurigen
Visionen gewesen sei, aber man hätte nie, wenn man ihn bei der
Arbeit sah, etwas davon bemerkt^.
Romantik ist eine begrenzte Auseinandersetzung mit der Welt
mit unbegrenzten Absichten. Eine persönliche Empfindung um-
kreist die Höhen und Tiefen des Lebens, zumal die der Vergangen-
heit oder abgelegener Zonen, wo die Details keine hemmende Rolle
spielen. Die Teilnahme an den Leiden und Freuden dieser Welt
wird Ziel der Darstellung. Der Romantiker gebraucht den erregten
Gegenstand, der ihn fortreißt. Es bedroht ihn, sein Fortgerissen-
werden für Kunst zu nehmen und sich von seinem Gefühle ab-
halten zu lassen, erregende Momente aus der gesetzmäßigen Be-
nützung der spezifischen Darstellungsmöglichkeiten seiner Kunst
zu bilden; Dinge zu erzählen, zu deren verewigender Darstellung
andere Mittel als die seinen geeigneter sind, die vielleicht schon
mit anderen Mitteln erschöpfender dargestellt wurden, die sich
vielleicht überhaupt der Sphäre seiner Kunst entziehen. Er stützt
sich mit Vorliebe auf die Literatur und gerät in Gefahr, lediglich
zu ihrem überflüssigen Gehilfen zu werden.
Wir können das Literarische Delacroix'^ soweit es den Be-
'■ La galerie Bruyas par Alfred Bruyas, avec le concours des dcrivains et des
artistes contemporains. Introduction par Theophile Silvestre (Imprimerie de J. Claye,
Paris 1876) S. 299.
• « Reviie de Paris» vom 20. Januar 1867.
' Näheres darüber in der Vorrede zu den literarischen Werken Delacroix' (Insel-
Verlag, Leipzig 1912).
12 DER ROMANTIKER
trachter angeht, lediglich als eine Titelfrage auffassen. Viele
Bilder sind nach literarischen Werken benannt. Diesen Stand-
punkt ergibt die Einsicht, daß keinerlei Vertrautheit mit der
Literatur zu dem Verständnis irgendeines Delacroixschen Werkes
gehört. Delacroix hat nie Erzählungen, immer nur Bilder ge-
schaffen. Der Irrtum, etwas anderes in den Bildern zu sehen,
entspringt der Tatsache, daß Delacroix der Literatur weitgehende
Anregungen verdankte, eine Tatsache, die nur für die Biographie des
Menschen mehr oder weniger wesentlich ist, für den Betrachter des
Werkes so bedeutungslos ist wie die Frage, ob er bei der Arbeit
Pantoffel oder Stiefel trug. Die Biographen haben Delacroix
schlechte Dienste erwiesen. Wäre er in der Lage Grecos, von
dessen persönlichem Dasein uns nichts bekannt ist, würde der
Weg zu seinen Bildern freier sein. Es wird sich Gelegenheit geben,
darauf hinzuweisen, daß die Vertrautheit des Betrachters mit dem
literarischen Motiv, das Delacroix anregte, sobald sie den Be-
trachter bestimmt, seinem Aufnahmevermögen schädlich werden
kann. Nur der Zufall entscheidet, ob das, was der Maler dem Wort
des Dichters entnahm, sofort mit der Vorstellung des Betrachters
zusammenklingt. Das Bild läuft schneller als das Wort. Diese
Verschiedenheit der Tempis kann ebensogut Steigerungen des
Literarischen ergeben wie Schwächungen, ohne daß daraus eine
Kritik gefolgert werden könnte. Wir brauchen vor der «Dante-
barke» nichts von der Göttlichen Komödie zu wissen. Zwei hohe
Gestalten treiben auf wildem Meer in einem Nachen, den wilde
Nackte zu erklimmen suchen. Das Symbol läßt tausend Aus-
legungen jenseits von Dante zu. Wir brauchen v/eder zu wissen,
wer die hohen Gestalten sind, noch wo sie sich befinden. Das
erregende Moment in dem Bilde ist nicht das Gedicht Dantes,
sondern die Differenz zwischen der erhabenen Ruhe der hohen
idealen Gestalten und dem Toben, das unter ihnen und um sie herum
vorgeht; einfacher gesagt, das Aufragende neben dem Gewühl;
noch einfacher, das stille Vertikale neben dem bewegten Hori-
zontalen. Vernimmt man nun angesichts dieses ganz in sich ge-
schlossenen, allen Deutungen geöffneten Symbols, daß sich der
Maler, als er den Kopf der einen Höllengestalt, die sich an dem
Nachen festbeißt, malte, die Verse Dantes vorlesen ließ, so mag
DER ROMANTIKER 13
in einem mit dem erhabenen Dichter vertrauten Gemüt die Be-
geisterung über den Künstler noch größer werden, weil ihm gelang,
unter der Fülle der Gesichte seiner Vision auch dieses eine überaus
teure entstehen zu lassen, ein Urgebild der Göttlichen Komödie.
In der Zeit, als man noch über ihn schrieb, spielte der Vergleich
Delacroix' mit Victor Hugo eine große Rolle. Delacroix' Freund,
Frederic de Mercey war es, glaube ich, der den Feuilletonisten
diesen Brocken hinwarf, und zwar schon 1838 in einem Aufsatz
der Revue des deux Mondes. Es lohnt sich, ein Stück daraus zu
zitieren. «II y avait analogie entre les deux novateurs; tous deux
etaient prodigues de couleurs vives et tranchantes, et possedaient
si bien la science des grands coloristes qu'ils etaient tout a fait
disposes ä sacrifier le fond a l'enveloppe, la pensee a l'expression.
Le peintre neanmoins avait plus d'etendue d'esprit que le poete;
il etait plus rationnel dans les sacrifices qu'il faisait a la couleur,
la couleur etant une des parties constitutives de son art, tandis
qu'elle n'est qu'un des accessoires de la poesie; il y avait aussi plus
de pensee sur la toile du peintre que dans les pages de l'ecrivain.
Le peintre comme le poete temoignaient peut-etre un dedain trop
marque pour la verite simple, toute nue, et pour la perfection du
contour. Ce fut la sans doute une des necessites attachees a leur
titre de revolutionnaires . . . Quant a la maniere dont M.M. Hugo
et Delacroix emploient la couleur, eile a aussi beaucoup d'ana-
logie sans etre identiquement semblable. II y a chez Tun et chez
l'autre la meme recherche, la meme puissance d'effet, le meme
dedain du fini, le meme laisser-aller de la touche. M. Hugo empäte
ses vers comme M. Delacroix ses tableaux; on voit trop la plume
chez Tun, la brosse chez l'autre; seulement le peintre a plus d'esprit,
de naturel et de souplesse que le poete, il est parfois sauvage,
il n'est jamais faux. II est plus juste envers lui-meme, il se connait
mieux: aussi, a notre avis, M. Eugene Delacroix restera-t-il plus
grand peintre que M. V. Hugo grand poete. » Man braucht nur die
Tendenzen des geistvollen Kritikers (den vielleicht nur der Um-
stand hinderte, daß er selbst Maler war) auszudehnen, um zu der
Wahrheit zu gelangen und zu erkennen, daß gerade das, was den
beiden gemeinsam scheint, sie für die Ewigkeit scheidet. Baudelaire
hat den Unterschied zu formulieren gewußt und in Hugo den
£4 DER ROMANTIKER
geborenen Akademiker gefunden, mit allen Kniffen der Routine
gesegnet und immer nur imstande, Einzelheiten zu geben, deren
Vielseitigkeit nicht die sterile Anschauung verbirgt. « Victor
Hugo commence par le detail, Delacroix par l'intelligence intime
du sujet; d'oü il arrive que celui-ci n'en prend que la peau, et que
l'autre en arrache les entrailles »i. Delacroix hat sich selbst ent-
schieden gegen den Vergleich gewehrt, der später fast zu einem
Etikett für ihn wurde. « Je ne merite ni cet exces d'honneur, ni
cette indignite, » soll er einmal gesagt haben-. Ihm war Victor
Hugo nur der « brouillon d'un homme de talent »^, der Mensch,
der « nie auf hundert Meilen der Wahrheit und Einfach-
heit nahe gekommen ist »*, ein Neuerer ohne inneren gültigen
Anlaß. Dieselbe Art von Kritik, die Delacroix mit Victor
Hugo zusammenbrachte, nannte ihn wohl auch den Berlioz
der Malerei. Nietzsche verstieg sich zu dem Vergleich mit
Richard Wagner. Nie ist ein von allen Gekannter so verkannt
worden,
Delacroix war nichts weniger als ein Romantiker. Er ver-
achtete ebensosehr die Stimmungsmacherei wie die Verrohung
des Handwerks. Mozarts Wort, die Musik müsse Musik bleiben,
galt ihm für alle Künste. Er haßte jede bewußte und unbe-
wußte Nachlässigkeit, in der Literatur den saloppen Stil, alle
Versuche, mit unliterarischen Worten zu wirken, und war ein
Feind aller Neuerungen der Syntax. Er meinte, solche Neuerungen
äußerlicher Art könnten nur beitragen, die großen Dichter der
Vergangenheit altmodisch zu machen und der Gegenwart zu ent-
fremden. Er zeigte, daß sich mit einem so konservativen Sinn die
liberalste Empfänglichkeit für alles wertvolle Neue verbinden konnte.
Baudelaire hat ihn mit Stendhal verglichen und damit mindestens
die Kategorie des Menschen zutreffend bezeichnet. Delacroix
gehörte zu den wenigen Franzosen, die die Schriften des Unbe-
' CuriosiLes esthetiques. Salon de 1846.
^ V. G. Wautemiaux (Eugöne Delacroix, Imprim^ par Jacques Godenne, Liöge,
1891) zitiert den Ausspruch. Hier übrigens auch eine, ein wenig plumpe Zurück-
weisung des Vergleichs Delacroix' mit Victor Hugo.
' Journal I, S. 210, 211.
* Dito, S. 363. Vgl. auch S. 371.
DER ROMANTIKER 15
rühmten lasen und in sich aufnahmen, (Stendhal begegnete ihm
nicht mit dem gleichen Verständnis)^. Er war ein ähnlicher Esprit
wie Stendhal, aber ein unendlich größerer Geist, besaß dieselbe
unbewußte Freiheit, dieselbe Fähigkeit, sich im Moment, wenn der
Moment gut war, unwiderstehlich zu äußern, sprach ebensogut,
so gut, daß jemand einmal von ihm sagte: Dommage qu'il
fasse de la peinture ! Er war instinktiver Aristokrat wie der Dichter,
besaß eine ähnliche Noblesse in allen Dingen, aber hatte das alles
noch einfacher und natürlicher, ohne die Nuance von Dixhui-
tieme, die man selbst in den modernsten Werken Stendhals spürt.
Das reizend Spielerische des Verfassers der «Chartreuse de Parme»
kam weniger zum Vorschein und war doch auch in dem tieferen
Ernst Delacroix' enthalten, war deshalb noch köstlicher, so etwa
wie der Humor des stillen Flaubert, dem er in der natürlicheren
breiteren Handhabung seiner Kunst so weit überlegen war.
Seltsam, wie schwer es ist, auch nur für gewisse Teile des
Menschen und des Künstlers gültige Parallelen zu finden. An
allen anderen ist immer irgendeine Seite und in jeder Seite irgend-
ein Stück verblasst, das nicht mehr die volle Wirkung ausübt,
das wir wie etwas Veraltetes ansehen, obwohl der Künstler oder
der Mensch seiner Zeit ihm größtes Gewicht beilegte. Delacroix
bleibt farbig selbst in den Bildern, die seitdem die Farbe verloren
haben, und er bleibt ein unerschöpflicher Mensch selbst da, wo
wir seine Irrtümer erkannt haben. Es mag daran liegen, daß er
verstand, in seinen Auffassungen das Gewicht, wie in seinen
Bildern das Licht, auf einzige Art zu verteilen.
Doch werden wir ihn immer einen Romantiker zu nennen haben,
aber ohne ein Atom jenes Zusatzes schmälernder Bedeutung, der
dem historischen Lustrum anhaftet. Nie war er den Don Quichottes
der Kunst verwandt, deren Ehrgeiz keine Norm findet. Alle seine
Kräfte wurden Form. Romantiker war er von jener größten Art,
zu der die Geistesheroen aller Zeiten beitragen, der Shakespeare
so gut wie Goethe, Lionardo so gut wie Rembrandt angehören:
Leute, die romantisch genug sind, ihrem Ideal zu dienen. Dem
eigenen. Das teilen sie wie Delacroix mit den Stürmern, die nur
' Vgl. Stendhals « Mölanges d'art et de litterature ». Über das Massacre de Chios:
er könne weder das Werk, noch den Autor bewundern.
i6 DER ROMANTIKER
stürmen wollen, daß sie nicht den Weg der Menge gehen; das
sogar, daß sie vielleicht ihr letztes Ziel nie erreichen. Aber nicht
eitler Dünkel entfernt sie von den Zeitgenossen, sondern die Er-
kenntnis. Ihr Werk beweist, daß sie recht hatten. Und daß wir
selbst in den schönsten Zeugnissen ihrer Kraft das Ziel immer noch
über ihren Häuptern erblicken, ist uns nicht Zeichen ihrer
Schwäche, sondern stärkster Beweis ihrer Kraft. Sie wären nicht
unsterblich, wenn ihr Wollen im Endlichen bliebe.
Die Abneigung des Germanen gegen Delacroix ist eine Folge
seines größten Stolzes, des Sieges über die Romantik. Unsere
Meister warfen die Sentimentalität unserer Großväter über Bord
und taten recht daran. Aber man warf manches andere aus Ver-
sehen hinterdrein. Der Radikalismus der Aktion ist verdächtig. Er
hinderte nicht die Pose, im scharlachroten Kleid Böcklins wieder-
zukommen oder sich die farbige Maske Watts umzubinden, hindert
heute nicht junge Leute, eine Romantik von wildester Herkunft
zu treiben. Deutsche und Engländer haben unter den hundert
Pinselträgern kaum einen Romantiker gehabt, der außer dem
Zeichen seiner Zugehörigkeit zu der Romantik auch noch Genie
besessen hätte. Die Erinnerung an trübe Stunden warnt sie vor
Delacroix, dem Dichter, weil sie nicht wie er zu dichten ver-
mögen, weil sie hinschmelzen wie Wachs, sobald sie warm werden,
weil sie nicht seine Widerstände besitzen, zu deren Überwindung
er just seiner Dichtung bedurfte. Den wohlbegründeten Ruf: Weg
von der Poesie! sprach ein in Lumpen gehüllter Protestantismus,
den seine Armut um den Glauben an die Allmacht der Kunst
brachte. Ein barbarischer Bildersturm war seine Folge. Der Ekel
über die Hohlheit der Phrasenmacher trübte die Freude an jeder
Geste, auch an der edelsten, und hält noch heute die Verirrten
von den großen Meistern fern. Als ob ein Michelangelo, ein Tizian,
ein Rubens, ein Rembrandt ohne ihre königlichen Gebärden zu
denken wären! Weil die Gebärden aus organischen Formen ge-
wonnen wurden, schloß man, alles Organische müsse königlich
sein, müsse lediglich auf Grund der mehr oder weniger weit-
getriebenen Ökonomie der Kräfte bereits jenes geheime Ver-
mögen, die Menschheit anzuziehen, die höchsten menschlichen
Instinkte auszulösen, besitzen. So wurde aus der Empfindung, die
DANTE ET VIRGILE, 1S22.
2,40 : 1,80. (ROBAUT Nr. 49.;
LOUVRE, PARIS.
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V
DER ROMANTIKER 17
früher die Menschen mit dem Werke einte, die sie trieb, in dem
Kunstwerk ihr eigenes höheres Bewußtsein zu erkennen, eine
Rarität des Artisten. Dem gebrechlichen Artistentum ist die von
keinem SpeziaHsmus getrübte Unbefangenheit Delacroix' ver-
dächtig. ReaHsten sahen in ihm einen Barockmaler, weil sie
eine seiner « Convenances », eine von vielen, für seine Kunst
nehmen. Man projiziert den eigenen unwandelbaren Per-
sönlichkeitsbegriff auf einen über jedes Klischee hinaus-
ragenden Menschen, erkennt die heroischen Umrisse der Ge-
stalt so wenig, daß man ihm am liebsten die Persönlichkeit
absprechen möchte, weil er ebensowenig die Zugehörigkeit des
Menschen zu seiner Zeit wie die Herkunft des Malers verleugnet.
Sein Verhältnis zur eigenen Kunst wird genau so mißverstanden,
wie seine Beziehungen zu anderen Künsten. Man wirft ihm vor,
daß er anderen Meistern nahm, und übersieht das Resultat, macht
den einen für die Genesis jedes großen Fortschrittes haftbar, nennt
Schv/äche, was gerade seine Stärke offenbart. Der Enthusias-
mus eines Menschen, dem die Kunst über das Leben, mithin auch
über die erbärmliche Selbstgenügsamkeit des Eitlen ging, wurde
für feile Berechnung genommen; die Selbstzucht, die dem schäu-
menden Genius die Fessel strenger Schulung auferlegte, zur Nach-
ahmung gestempelt. Noch heute sieht mancher Deutsche in ihm
einen Epigonen und wiederholt die kümmerlichen Argumente, die
der Neid einem Couture in die Feder diktierte'.
Es gibt keinen Fetzen Leinwand Delacroix', in deren flüchtigen
Zeichen man nicht sofort seine Hand erkennt. Das ist das geringste.
Es gibt kein Bild Delacroix', in dem sich nicht die Spuren der
größten Meister kreuzen, das nicht wie ein Sammler höchster
überlieferter Werte erscheint. Und es gibt kein einziges, in dem
nicht das Ganze wie das Einzelne ausschließlich von seinem Geiste
getragen wird. Nie war er auf die Neuheit seiner Formen stolz.
Das lag ihm so fern, wie das Vorkehren seiner Originalität in
Kleidung, Sprache, Sitte. Sein ganzes Zielen ging eher dahin,
seine Neuheit verzeihlich, verständlich zu machen, sie so unter
den Werten, die er zu erhalten suchte, zu verstecken, daß sie wie
' Thomas Couture: Methode et Entretiens d'atelier. (Paris 1868.)
Meier-Graefc, Delacroix
i8 DER ROMANTIKER
Teil des Alten, das er in sich aufnahm, erschien. Einem Menschen,
der in dem Schönen « le rencontre de toutes les convenances » er-
kannte\ mußte die Durchdringung alles Schönen zur Aufgabe
werden. Dafür nahm er, was er nehmen konnte. Er zeichnet und
malt nach Raffael, Tizian, Michelangelo, Rubens, Veronese,
Poussin, Bourdon, Tiepolo, Goya und vielen anderen, nach der
Antike, nach Architektur, Möbeln, Medaillen; nach der Natur,
wo immer sich Gelegenheit bietet, auf dem Lande, im Jardin des
Plantes, auf der Reise, nach Bäumen, Pflanzen, Tieren und
Menschen aller Rassen, Weißen und Schwarzen, Gelben und
Braunen, Indiern, Türken, Arabern, Wilden. Er liest, wie andere
träumen und lieben, umschlingt die Poesie wie einen Lebenszweck,
der jedes Opfer lohnt, mit der Leidenschaft des Jägers, mit der
Gründlichkeit des Gelehrten, mit der Wachsamkeit des Kritikers
und der Willkür des Liebhabers. Die französischen Klassiker,
zumal Corneille, Racine, Moliere, Bossuet, La Fontaine, und die
Enzyklopädisten, namentlich Diderot, sind ihm schon früh aufs
engste vertraut, auch Pascal, Montesquieu, Le Sage, und er kennt
die Dinge von ihnen, die nicht an der Straße liegen. Er liebt
die Alten, vor allem Horaz und Virgil, kennt die Tragödien der
Griechen, liebt die Werke aller großen Geister der Antike, die
er mit den Neueren zusammen in der Kuppel des Luxembourg
vereint hat. Seine Säulen sind Dante, Homer, Shakespeare. Er
liest sie in der Ursprache. Dante steht ihm über allem, ist ihm
tägliches Brot. Er wird, während er liest, zum Schöpfer. In früher
Zeit, 1824, notiert er einmal in fliegender Eile, ohne sich die Zeit
zu nehmen, Sätze zu bilden: «On frisonne devant lui comme devant
la chose ; superieur en cela a Michelange, ou plutot dif ferent, car
il est sublime autrement mais pas par la verite. — ,,Come colombe
adunate alle pasture . . . Come si sta a gracidar la rana . . . Come
il villanello . . ."» Und triumphierend wie über eine plötzliche Er-
kenntnis: «Et c'est cela que j'ai toujours reve sans le definir,
precisement cela. C'est une carriere unique»-. Dante ist ihm der
blutverwandte Ahne, dem nachzueifern zu einem heiligen Gebot
wird. Das Tagebuch der ersten Jahre ist voll von Ermahnungen
' Journal I, 266.
^ Journal I, iii.
DER ROMANTIKER 19
an sich selbst. «Denke an Dante! Denke immer an Dante! lies ihn
fortwährend, um auf große Ideen zu kommen!» — Es ist nicht
der Schatz von Stoffen, was ihn lockt und treibt, sondern die
Reinigung der Inspiration, die er von dem großen Beispiel erhofft.
Dante und Homer geben ihm ein Maß. Homer ist ihm der In-
begriff künstlerischer Wahrheit. Was er darunter versteht, sagt
der Titel, den er Rubens gibt, dem Homer des Nordens. Homerisch
muß man schaffen, mit dieser Einfachheit, mit dieser Natur. Er
nennt Rubens homerischer als VirgiU. Ähnlich steht er zu Shake-
speare. Aber schon überwiegt um eine Nuance der Nutzen des
Bildreichen für den Maler die Verehrung des Menschen. Seine
Schwärmerei übersieht nicht die barbarischen Seiten, die dem
klassisch gebildeten Franzosen wie Untiefen erscheinen, aber nie
entgeht ihm die gewaltige Einheit des Bildners. Er entnimmt
Shakespeare Erregungen; Ariost, Petrarca, Virgil die Stützen der
Gesittung. Die Einsicht in die Überlegenheit des Geschmacks und
die Sachlichkeit des Sprachlichen der französischen Klassiker
kämpft oft mit der Freude an dem lebendigen Ausdruck eines
Cervantes, eines Calderon. Sie macht ihn wählerisch einem Cor-
neille gegenüber, ungerecht gegen Goethe, dem er nur Bilder ent-
nimmt, trübt nicht sein Urteil vor einem Rousseau und vielen
anderen, die ihm nicht nahestehen. Er studiert die Kritiken
Diderots, amüsiert sich mit Lamartine über Chateaubriand, liest
von der Jugend bis zum Alter immer wieder Voltaire und macht
sich Auszüge aus Voltaires Korrespondenz und schwärmt mit
derselben Beständigkeit für Casanova. Byron begeistert ihn zumal
in der Jugend. Die Dankbarkeit für die Motive Walter Scotts
treibt ihn zu keiner Überschätzung, ebensowenig die Freundschaft
mit George Sand oder Dumas, dessen Niveau er unbarmherzig
fixiert. Er liest mit seltenem Verständnis Stendhal, widersteht
Balzac, verschließt sich nicht vor Baudelaire. Er verfolgt die
Politik, treibt Weltgeschichte und die Geschichte der Kunst aller
Länder. Er hinterläßt ein literarisches Oeuvre. Dabei geht er täg-
lich in Gesellschaft, verkehrt mit unzähligen Menschen, ist mit
allen geistigen Größen bekannt und pflegt eine verzweigte Korre-
Journal III, 240.
20 DER ROMANTIKER
spondenz. Er kennt das Theater, ist Habitue in den Italiens und im
Theätre francais und gibt über Schauspiel und Schauspieler
profunde Urteile. Den weitesten Platz in seinem Haushalt nimmt
die Musik ein. In jungen Jahren spielte er mit Talent Violine und
sang, solange ihn nicht das Halsleiden quälte. Moreau erzählt, er
habe sogar einmal in einer Gesellschaft bei Herrn de Conflans
mit seiner Stimme einen gewissen Erfolg davongetragen, für den
er nicht unempfindlich gewesen sei'. In der späteren Zeit, auch
in den letzten Jahren unterbrach er oft die Arbeit, um nach der
Gitarre zu greifen, trällerte eine Melodie und kam wieder in
Schwung. Es hat wenige Tage gegeben, an denen er nicht Musik
gehört, an Musik gedacht hat. Sie war ihm vielleicht noch nötiger
als die Dichtung. Sein Verhältnis zu ihr scheint eine Personifikation
des Parallelismus zwischen den Vibrationen des Lichtes und der
Töne. Sein Ohr reagierte wie sein Auge und übertrug jede sinn-
liche Erfahrung auf das geistige Zentrum. Wie Liszt in seinem
Aufsatz über Chopin erzählt, fehlte Delacroix nie unter den Zu-
hörern des großen Komponisten, dessen Spiel ihn immer in tiefes
Träumen versetzte, und Delacroix' Studie über ihn im « Journal »
beweist, wie er ihn verstand. Er war, Bach ausgenommen, mit allen
Alten intim, und trotz seiner Abneigung gegen die Moderne, die sich
auf unwiderlegliche Argumente stützte, versäumte er keine Ge-
legenheit, Neues zu hören und war für das Geringste dankbar,
sobald das Neue ihm nicht das Alte verdarb. Es gibt im Geistes-
leben seiner Zeit und aller Zeiten kaum einen Gipfel, den er nicht
berührt hätte. Schon allein das Aufnahmevermögen des Menschen
ist etwas Ungeheures, und so gut wir begreifen, daß diese Fähigkeit
seiner Produktion unentbehrlich, nur dank seiner Produktion
möglich war, so wenig vermögen wir uns neben diesen zahllosen
Beschäftigungen die rein materiellen Möglichkeiten seiner Pro-
duktion vorzustellen. Er wurde 65 Jahre alt und hat über neun-
tausend Werke seiner Hand hinterlassen^ und war ein Mensch,
• Adolphe Moreau: E. Delacroix et son oeuvre (Paris, Librairie de bibliophiles
1873). p. XII.
* Es ist schwer, den Umfang des Werkes genau anzugeben. Robauts Katalog
(L'oeuvre complet de Eugene Delacroix, Charavay freres, Paris 1885) hat es versucht
und als annähernde Zahl 9140 genannt. In dieser Summe ist natürlich alles inbegriffen.
DER ROMANTIKER 21
der es verschmähte, ohne Inspiration den Pinsel anzurühren, war
fast jede Woche tagelang unfähig, der Inspiration zu gehorchen,
selbst wenn sie den Kranken wie ein Dämon sein Opfer überfiel.
Seine Oekonomie der Kräfte ist vielleicht das erstaunlichste und
edelste Phänomen.
Delacroix nahm nicht, weil er mußte. Das Neue des Debütanten
reichte für einen klangvollen Namen, auch wenn er auf derselben
Stelle geblieben wäre. Die Erfindung in der «Dantebarke» stellt
die Originalität außer jeden Zweifel. Die Mitwirkung anderer
Meister ist weniger entscheidend als das, was wir in jedem Michel-
angelo und Tizian von übernommenen Werten spüren. Kein
Rubens hat je das Architektonische dieses Baues besessen. Gros
vergaß sich in seiner Begeisterung so weit, zu behaupten, daß
Rubens in dem Bilde « chätie » werde, und es gibt viele, die das noch
heute nachsprechen und womöglich meinen, der ganze spätere
Delacroix werde von dem Bilde «chätie», weil es die Origi-
nalität auf einem jedem flüchtigen Blick zugänglichen Wege
erweist. Gros' Behauptung war nicht gerecht, da das Wesentliche
des Werkes außerhalb der Rubensschen Bahnen liegt. Eben das
schien dem Maler der « Dantebarke », als er das Bild hinter sich
hatte, ein Mangel. Er fand diese Art des Monumentalen zu leicht,
die Struktur des Baus zu einfach, das Pathos, das uns wie eine
gewaltige Woge umbraust, zu leer für das, was er in sich trug.
Viele solcher wuchtig gerundeten Sätze mögen ihm damals ein-
gefallen sein. Er widerstand. Wenn sein dichterischer Einfall den
was Robaut bekannt war, und die Einheit ist sowohl die geringfügigste Skizze wie
das Werk größten Umfangs, an dem der Meister Monate und Jahre arbeitete. Der
größte Teil der Summe kam erst nach dem Tode des Meisters beim Verkauf des
Nachlasses zum Vorschein. Die einzelnen Kategorien des Werkes sind nach Robaut
(Rückseite des Vortitels des Katalogs) 853 Malereien, 1525 Pastelle, Aquarelle und
Tuschzeichnungen, 6629 Zeichnungen, 24 Radierungen, 109 Lithographien und
mehr als 60 Skizzenbücher. Die letzteren sind in der Summe von 9140 nicht mit-
gerechnet. Trotz der bewunderungswürdigen Sorgfalt, mit der der Katalog, eines
der schönsten Denkmäler der Kunstwissenschaft, hergestellt wurde, sind seitdem
noch viele nicht katalogisierte Werke zum Vorschein gekommen.
Im Jahre 1856 schrieb Delacroix an TheophUe Silvestre, der ihn nach seinen zu-
künftigen Arbeiten fragte: an vollkommen feststehenden, fertigen Entwürfen habe
er für zwei Menschenleben genug, und an Projekten, die geeignet seien, Geist und
Hand zu beschäftigen, habe er für vierhundert Jahre (Lettres, 263).
22 DER ROMANTIKER
Raum im Fluge durchmessen hatte, kam ein scharf analysierender
Geist hinterher und kontrollierte den Weg der Erfindung. Der
Weg wurde ihm mit den Jahren immer wichtiger. Sein Leben hat
sich auf viele Preise gerichtet, am stärksten auf die Erfindung
einer vollendeten Disziplin, geeignet, die Macht seiner Dichtung
vollkommen zu organisieren. Man kann nicht sagen, die Disziplin
wäre ihm wichtiger geworden als die Kühnheit des dichterischen
Flugs, denn wenn ihn diese nicht beseelt hätte, wäre jene ohne
Inhalt, wäre Delacroix nicht Delacroix gewesen. Vermöchten wir
in dem Resultate auch nur das eine von dem andern zu unter-
scheiden oder gar die Überlegenheit der Reflexion festzustellen,
so würde uns die beste Disziplin nicht den Mangel an Gefühl
ersetzen. In Delacroix' Werken entscheidet nur das Gefühl, und
nichts widerspricht der Vernunft. Er illustriert das Wort des
Freundes Voltaires: les plus grandes pensees viennent toujours
du coeur.
Nicht für seine Dichtung, sondern für seine Malerdisziplin be-
durfte er der Hilfe anderer, zumal der großen Meister der Ver-
gangenheit, da seine eigene Zeit abgewirtschaftet hatte. David war
nicht infolge, sondern trotz seiner barbarischen Disziplin ein
großer Maler. Seine Nachfolger zeigten, was sie wert war. Mit den
Ingresschülern stand es nicht viel besser. Wenn nicht der Zufall
dem Maler einen Porträtauftrag in die Hand spielte, versagte
jedes natürliche Empfinden. Und selbst bei den Bildnissen Davids
und seiner Schüler bedarf es zuweilen aller Freude an den Dingen,
die der Maler nur reproduziert, zuweilen einer nicht geringen
Duldsamkeit, um das künstlerische Niveau erträglich zu finden.
Die Disziplin schien nur dazu da, dem Maler den Pinsel zu ent-
winden. Hier setzt die wirkliche Rolle des Uberwinders der Klassi-
zisten ein. Nicht der Romantiker kämpft mit seiner Geste gegen die
Geste der Davidschule. Dieser Gegensatz, eine Äußerlichkeit, zum
Teil Fiktion, ist ungeeignet, einen gültigen Fortschritt unzweideutig
zu erweisen. Was die Klassizisten besiegt, ist der Klassiker, der
große Organisator, der die Armut der Epoche erkennt, die Ursache
sieht, begreift, was die Revolution und alles, was vorherging, der
Kunst geraubt hat, und nach dem Niedergang, nach der ge-
waltsamen Zerstörung der Überlieferung zum Erbauer wird und
DER ROMANTIKER
23
mit seinem unteilbaren Werk eine alle unentbehrlichen Werte
umfassende Synthese vollbringt. Er gibt dem Gedanken, der unter
dem Klassizismus erstarrte, die Freiheit zurück. Sicher ein Großes,
das man ihm damals begeistert danken konnte, aber das für uns
nur etwas Geschichtliches bedeutet, das auch ohne ihn gekommen
wäre, ein Negatives, fast bedeutungslos neben dem, was er an
Positivem brachte. Er reißt Schranken ein, aber stellt in dem
gleichen Augenblick neue Gesetze von unvergänglicher Weisheit
auf, unwiderleglich, weil sie nicht fesseln, sondern stützen, weil
sie sich mit nichts gegen die Malerei richten, sondern alle Mög-
lichkeiten des Malerischen bloßlegen. Die Malerei wird frei, und
die neue Disziplin setzt sie instand, ihre Freiheit zur größten
Aufbietung ihrer besonderen Macht zu verwenden.
Neben der Bedeutung dieser Tat, dieses Gedankens und der
Art, wie er ausgeführt wurde, tritt jedes andere Moment, das zu
Delacroix' Ruhm beiträgt, zurück. Die Kunst war damals — aus
anderem, gewaltsameren, im Grunde weniger bedenklichem An-
laß — an einem ähnlichen Punkt angekommen wie heute, und
mancher Kunstfreund gab sich dem finstersten Pessimismus hin.
Da kam er. Sofort, so erscheint es dem Rückblickenden, ändert
sich alles. Mit Delacroix beginnt eine neue Entwicklung. Das
Stück, das ihm allein in ihr auszufüllen gelingt, gleicht einem
vollendeten Dome.
DIE LEHRER DER JUGEND
Viele Künstler begleiteten ihn. Wollte man sie alle nennen,
müßte man einen guten Teil des Louvrekatalogs zitieren, zumal
fast alle Großen, die uns heute am nächsten stehen. Man könnte
eine Kunstgeschichte im Geiste Delacroix' schreiben — auch eine
Geschichte der Literatur, auch eine Geschichte der Musik — , und
es wäre lohnend, bestände nicht die Gefahr, mit solchem Versuch
alten Irrtümern über den Eklektizismus des Meisters neue Nah-
rung zuzuführen. Er hat bis ins Alter unzählige Meister kopiert
und zwar so, daß man das, was er von Rubens sagte — er sei ori-
gineller in seinen Werken nach anderen Meistern, als in seinen
28 DIE LEHRER DER JUGEND
eigenen — mit der gleichen Übertreibung von ihm selbst wieder-
holen könnte. Geringer ist die Zahl der Zeitgenossen, die dem An-
fänger dienten. Eine eigene Rolle scheint in der ersten Zeit der
wenig bekannte Maler Hippolyte Poterlet gespielt zu haben, der
1829 starb. Theophile Silvestre berichtet*, Delacroix habe an-
fangs kein bedeutendes Bild gemalt, ohne Poterlet vorher eine
Skizze zu zeigen, und zwar habe er immer gleich eine zweite Lein-
wand mitgebracht. Auf die habe der Kamerad jedesmal skizzieren
müssen, wie er sich die Interpretation des Motivs nach seiner Art
denken würde. Poterlet hat an selbständigen Werken nichts Be-
deutendes hinterlassen. Dagegen gibt es glänzend skizzierte Kopien
von ihm nach Delacroix-. Trotzdem braucht Silvestre nicht unbe-
dingt falsch unterrichtet gewesen zu sein. Das Genie bedient sich zu-
weilen in gewissen Stadien der Schöpfung fiktiver Stützen, die es
auf unkontrollierbare Art — unter Umständen nur durch eine
negative Teilnahme, z. B. ihren Widerspruch — fördern. Eine
wirkliche Förderung verdankt der Anfänger Gericault, einem Vor-
läufer, der wie so manche andere seit den Zeiten Masaccios sein
Hellsehertum mit frühem Tode bezahlte. Delacroix hat vor 1821,
dem Entstehungsjahr der «Dantebarke», nichts geschaffen, das
als eine Voraussage des Werkes gelten könnte. Es gibt ein paar
mehr oder weniger gelungene Porträts, eine ganze Reihe von
lithographierten Karikaturen, deren politische Anspielungen keiner-
lei Interesse erwecken, viele Banalitäten. Man hätte eher auf
' Eugene Delacroix, Documents nouveaux (Levy freres, Paris 1864).
' Eine zitiert Robaut unter Nr. 202 (Le Combat du Giaour et du Pacha), die im
Besitz von Theophile Gautier war und später in die Sammlung Cheramy gelangte.
Wir haben sie in dem Werk über diese Sammlung abgebildet (R. Piper & Co., München
1908, Nr. 160). Delacroix hat das Bildchen retuschiert. Der Katalog der Vente Cheramy,
Mai 1908 Nr. 167, verschweigt die BeteiUgung Poterlcts an dem Bude. Der Katalog
der Succession Cheramy, April 191 3 Nr. 20, behauptet, das Bild sei das Original.
Er verwechselt das Original, von dem Theophile Gautier in einem Aufsatz der « Beaux-
Arts en Europe » spricht, mit der von Delacroix retuschierten Kopie, die im Besitz
Gautiers war. Robaut gibt die Maße des Originals mit 0,58x0,72 an, während das
Bild bei Cheramy nur einen Umfang von 0,19x0,24 besitzt. Den «Christ au jardin
des Oliviers », den Silvestre in diesem Zusammenhang zitiert, hat Poterlet litho-
graphiert. Verschiedene Bilder und Zeichnungen Poterlets aus dem Nachlasse des
Baron Schwiter befinden sich heute im Besitz des Baron v. BUttersdorff in Ottens-
heim a. d. Donau. Poterlet endete durch Selbstmord.
DIE LEHRER DER JUGEND 29
einen zukünftigen Raffet, allenfalls einen Daumier schließen
können. Aus diesen meist belanglosen Dingen erhebt sich plötz-
lich das Schiff mit den beiden Dichtern. Er malt das Bild binnen
zweiundeinhalb Monaten, ohne den Pinsel abzusetzen. Ein großer
Eindruck muß ihn bestürmt haben. Er hatte Gericaults Medusen-
floß gesehen. Was er dabei empfand, hat er in seiner autobio-
graphischen Notiz, die Piron zitiert, niedergeschrieben. Er sei,
schrieb er, wie toll durch die Straßen gelaufen. Gericault war ihm
damals einer der Größten.
Diese Episode hat am meisten zu einer Verkennung des Ein-
flusses Gericaults beigetragen. Manche Kritiker sind so weit ge-
gangen, geradezu den ganzen Delacroix von dieser Anregung ab-
hängig zu machend Die Übertreibung hängt mit der Überschätzung
des ganzen Oeuvre Gericaults zusammen, mit der man die Gleich-
gültigkeit der Zeitgenossen Gericaults gutzumachen suchte, und
ein großer Teil der Kritik außer Frankreichs macht sich noch
heute diese Schätzung zu eigen. Delacroix selbst tat nichts gegen
den Irrtum. Vornehmheit und Dankbarkeit hinderten ihn, sich
öffentlich zu widerrufen, als er in reiferen Jahren die unausbleib-
liche Revision seines Urteils vornahm, und in dem Schwung, der
ihn in der Jugend begeistert hatte, hier und da den Mangel an
Wärme und Einheit, in dem scheinbar Spontanen die versteckte
Fessel allzu bewußten Willens erkannte. Er hat sich nur zu sich
selbst über diese Revision geäussert, die übrigens nie den wirk-
lichen Wert Gericaults in Frage stelltet
Gericault schien mit der Palette geboren, wie der kühne Reiter
auf dem Sattel, aber sah in der Kunst etwas ganz anderes als
Delacroix, mehr ein edles Roß, das ihn zum Siege tragen müsse,
dem man in guten Augenblicken die Sporen gab, um sich ihm
blindlings zu überlassen. Ein anderer Ehrgeiz, eine andere Welt-
anschauung, ein anderes Resultat. Es hat wenig Zweck, die Über-
legenheit Delacroix' mit dem Vergleich einzelner Werke nach-
zuweisen. Die eine Seite bietet zu viel, die andere zu wenig. Das
Dasein Gericaults war zu kurz für den Aufbau einer Delacroixschen
Kunst, aber er hätte auch bei längerem Leben nichts Gleichwertiges
• Vgl. z. B. Valbert Chevillard: Theodore Chasseriau (Lemerre, Paris 1893).
- Journal II, 454, III, 120, 121.
30 DIE LEHRER DER JUGEND
geschaffen. Dem Stück, das ihm vergönnt war, fehlt der Mörtel
Delacroix'. Auch verrät es nicht die Sehnsucht nach höherer Ent-
wicklung, das unentbehrliche Besonnene des Meisters, sondern die
«dissipation», den Mangel an Konzentration, in dem Emerson das
entscheidende Hindernis gegen das Heroentum erblickte. Gericaults
Bilder sind zum Teil phänomenale Erscheinungen. Die Freude
an ihrer Kraft beschwichtigt nicht den Zweifel an einer sicheren
Norm, der sie entspringen müßten, um in uns das Staunen mit
Zuversicht zu paaren. Obwohl Gericault wesentlich älter als
Delacroix war, sehen wir ihn immer als den jüngeren der beiden
Freunde vor uns. Er ist ein Teil des anderen. Wir finden seine
Art oft in der Kunstgeschichte. Jeder Künstler ist einmal Geri-
cault; wir nennen ihn Talent. Unter hundert Gericault kommt
selten ein Delacroix zum Vorschein, das Genie.
Was Gericaults Ehrgeiz schmerzlich vermißte, fiel Delacroix
mit seinem ersten Werke, das die Öffentlichkeit erblickte, mühe-
los in den Schoß: ein beispielloser Erfolg. Der Vierundzwanzig-
jährige war sofort berühmt. Die Kritik mit Thiers an der Spitze
lobte fast einstimmig und, Seltenheit ohnegleichen, selbst die
beiden Lehrer, Guerin und Gros, stimmten in den Chorus ein. Er
hatte mit der «Dantebarke» wie- mit einer Wünschelrute den Teil
Frankreichs berührt, aus dem der Enthusiasmus quillen mußte,
den lateinischen Rasse-Instinkt. Das Bild machte Empfindungen
frei, die seit undenklichen Zeiten keinem Werke mehr gegönnt
gewesen waren. Es stellte plötzlich zwischen Volk und Kunst einen
Kontakt her, den David und Gros nur mit Aktualitäten erreicht
hatten, der ohne Kompromisse unmöglich erschienen war, und
wirkte, noch bevor es allgemein bekannt wurde, mit der Suggestion
dieses latenten Kontaktes. Noch heute ist das Generöse des Werkes,
die warme Wallung eines großen Menschen, der zum erstenmal
in die Welt tritt, unwiderstehlich. Die Form bietet sich so einzig
in ihrer stolzen Geschlossenheit dar, daß die Analyse keinen Angel-
punkt zur Teilung findet. Dadurch übertrifft diese Barke die andere,
die ihr voranging. Gericaults Werk war nicht weniger kräftig,
aber ließ die Anstrengung sehen, war nicht im gleichen Zuge
als unteilbare Masse erfunden. Die Absicht verstimmte. Obwohl
der Einfluß des Alteren auf den Jüngeren feststeht, ist man ver-
DIE LEHRER DER JUGEND 31
sucht, Delacroix' Bild für das Original zu halten und neben ihm
dem « Medusenfloß » die Spur von akademischer Pose anzurechnen,
die ohne den Vergleich kaum bemerkt wird.
Das einzige, was ein Zeitgenosse der «Dantebarke» vorwerfen
konnte, war ein Paradox: die Vollkommenheit des Werkes. Man
mußte sich unwillkürlich mit Besorgnis die Laufbahn eines
Menschen vorstellen, der mit seinem Debüt solche Ansprüche stillte.
Würde er die zukünftigen erfüllen, die sein Sieg entstehen ließ ?
Delacroix selbst war sich dessen kaum unbewußt. In dem Briefe
^ i-vom jj[i^April_i82i .^an seinen Freund Soulier spricht er von
^ dem «Coup de fortune», den er mit dem soeben vollendeten
j Bilde wagt. Er hatte es in wenig mehr als zwei Monaten herunter
^ gemalt. An dem zweiten Salonbild arbeitete er mit äußerster An-
^ strengung zwei Jahre. Der Erfolg blieb ihm treu. Auch das
«Massacre de Scio» wurde sofort vom Staate angekauft. Aber
der Enthusiasmus hatte sich schon um viele Grade abgekühlt, um
bald ganz zu vergehen. Das Bild rührte den Betrachter in ganz
anderer Weise als die Dantebarke. Wieder mit einem Appell an
die Rasse, der aber diesmal dem engen Kreis der Zeitgeschichte
entnommen schien. Delacroix kam die Erinnerung an die Greuel
der Türken gegen die Griechen zugute. Das Bild wurde als Illu-
stration genommen. Von diesem Prestige eines glänzenden Illu-
strators ist er seitdem bei seinen französischen Zeitgenossen kaum
wieder losgekommen. «La Grece expirant sur les ruines de Misso-
longhi», von 1827, im Museum von Bordeaux^, das Barrikadenbild,
im Louvre, und ähnliche Werke bestätigten ihn als Tribun gene-
röser Ideen. Der Nachruf, den ihm Cleuziou 1864 widmete^ ist
typisch für alle andern. Dante, Griechenland, Byron, Goethe spielten
in den meisten Epilogen eine größere Rolle als der Künstler. Die
Zeit hat die Geschichte des « Massacre » längst verblaßt. Das Bild
aber ist noch ebenso lebendig, erscheint uns sogar von größerer
Leibhaftigkeit als den Zeitgenossen, die es miterlebten. Die wenigen
Kritiker, die es lediglich auf ihren Kunstwert untersuchten, waren
' Die schöne Skizze zu dem Bilde, die bei Cheramy war (Robaut 206), ist vor
kurzem in die Sammlung Schmitz in Blasewitz bei Dresden gelangt.
' Henri du Cleuziou: L'oeuvre de Delacroix (auch 1885 als Broschüre bei Mar-
pon & Flammarion, Paris).
32 DIE LEHRER DER JUGEND
mehr als bedenklich. Die Klassizisten schrieen Feuer, und Baron
Gros nannte das Bild « le massacre de la peinture ».
Gerade Gros hätte auf dieses Werk des Malers, der sich dankbar
seinen Schüler nannte^ stolz sein müssen. Es zeigt, wie kaum ein
anderes, was sein Autor dem Verherrlicher Napoleons verdankte. Es
ist die Atmosphäre der «Pestkranken von Jaffa», gelichtet und
erleichtert, und die Geste der berühmten Schlachtenbilder, von
aller Illustration befreit; eine Mischung der beiden Tendenzen,
die Gericaults Erstlingswerke und die Details des « Medusenf losses »
mit Gros verbinden. Freilich verschwinden diese Bestandteile
vollkommen in der neuen Absicht des Künstlers. Gros war ein
genialer Leutnant Napoleons und, solange ihn der Bann des Ge-
bieters schützte, von unerschrockener Selbständigkeit. Der größte
Schlachtenmaler seit Salvator Rosa und den Courtois, der einzige
des Jahrhunderts, das diesem Genre so viel Unrat verdankt. Er
verstand wie der von ihm verewigte Kaiser Massen zu erregen.
Doch verbirgt die Kühnheit seiner Details nicht das Ungeregelte,
Ungesicherte seiner Bewegung. Man ahnt, selbst in dem « Napoleon
bei Eylau », mit dem Vordergrund von farbigen Kolossen, daß der
Schwung eines Tages ebenso ungezügelt ins Reaktionäre Davids
zurückschnellen konnte. Gros brannte nicht, er flackerte, be-
geisterte sich, um andere zu entzünden. Seine Begeisterung
entbehrte des flammenden Geistes. Charles Blanc hat seine
Grenzen angedeutet. « II n'ecrit pas son Intention de ce style
refl6chi, calme, austere, plein d'heureuses reticences, qui
laisse travailler l'imagination en ne disant pas tout; mais
il remue, il echauffe, il entraine, il nous communique l'en-
' Ohne unmittelbaren Grund. Delacroix war nur Schüler Gu6rins, aber er verehrte
Gros, wie er selbst wörtlich sagte, wie ein Idol und schlug daher das Lob, das ihm der
Abgott über die « Dantebarke » spendete, sehr hoch an. Er erzählt, wie er, glücklich
über die Worte des Meisters, ilin bat, die Bilder Gros' aus der Kaiserzeit betrachten
zu dürfen, die damals im Atelier standen. Gros gab ihm die Erlaubnis und ließ ihn
allein im Atelier. Als er nach einigen Stunden wieder kam, war Delacroix immer noch
in die Betrachtung der Gemälde versunken. Gros wollte Delacroix als Schüler auf-
nehmen und ihm den Rompreis verschaffen. Delacroix lehnte ab, und das führte zu
einer leisen Abkühlung der Beziehungen. (Vgl. Piron: Delacroix, Sa vie et ses ceuvres.
Piron zitiert diese Details aus der obenerwähnteiii autobiographischen Skizze De-
lacroix'.)
SCENES DES MASSACRES DE SCIO, 1824.
3,57 : 4,22. (ROBAUT Nr. 91.)
LOUVRE, PARIS.
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DIE LEHRER DER JUGEND 33
thousiasme dont il est penetre. II nous montre l'exterieur de
l'histoire, son allure, son costume; il la promene au soleil et nous
la fait suivre des yeux comme on fait une revue eclatante »^. Das
alles kann man ihm lassen. Er besaß ein gutes Stück Gericaults.
Vielleicht war ihm Gericault nur durch die vornehmere Erziehung
überlegen. Gros war Proletarier, so recht der Mann, um einen Murat
zu malen, war ein Murat der Malerei, mit stierem Mut begabt,
versagend, sobald ihn die abenteuerliche Lust verließ. Auch
Delacroix verkannte nicht die Schwächen seines Meisters, den
Mangel an Gleichgewicht, die übertriebene Detaillierung gewisser
Teile. Aber der Mangel hinderte ihn nicht, seinen Aufsatz über Gros
mit dem Satze zu beginnen: « Gros a eleve les sujets modernes
jusqu'a l'ideal-. » Gerade das mißlang dem Enthusiasten. Was die
Dankbarkeit dem Meister zuschrieb, hat erst der Schüler erreicht.
Delacroix legte Gros die eigenen Tendenzen unter, weil er sie, zum
Teil mit dem Ausbau der Mittel des Vorgängers, befolgte. Der
zweideutige Begriff des Ideals wird sofort geklärt, sobald man das
« Massacre » neben die « Pestkranken » oder ähnliche Bilder stellt.
Gros gab für das « Massacre » das Gerüst her, die groß und rück-
sichtslos hingestellen Massen. Sie blieben ungeschlacht in den
meisten Gros'schen Bildern. Es fehlt diesen unklassischen Kom-
positionen dasselbe, was Delacroix an den antikisierenden Bildern
der Davidschule entbehrte, das, was er die « Execution » nannte.
Die Malerei umschlang die groben Stücke nicht oder band nur Teile.
Es ist, als habe Gros die Zeit gefehlt, seine Bilder fertig zu denken.
Sobald er über den naiven Enthusiasmus in der ersten Anlage
hinaus wollte, wurde er banal. Eine weitere Idealisierung Gros'
hätte immer zu dem abgeblaßten Klassizismus geführt, in dem
das unglückliche Medium Davids eines Tages endete. Die Phantasie
Delacroix* schuf eine neue Form. Er idealisierte den Vorgang nicht
nur mit der kühnen Geste der Komposition, obwohl ganz allein
schon die Sprache der Delacroixschen Gebärde eine göttliche Her-
kunft offenbart. Er ließ den in den Umrissen wirksamen Impuls
die ganze Fläche gleichmäßig durchdringen und vervielfachte durch
' Histoire des peintres frangais au XVIII. siecle. (Paris 1845.)
* Revue des Deux Mondes, Septembre 1848. Auch in der Pironschen Sammlung
der Aufsätze Delacroix'. Deutsche Ausgabe im Inselverlag 1912.
Meler-Graefe, Delacroix •>
r*'
34 DIE LEHRER DER JUGEND
die Veredelung der Materie das Ideal. Diese differenzierte Er-
höhung kam anfangs nicht ohne Opfer zustande. Man kann
in der Gruppe des Reiters mit der ans Pferd gefesselten
halbnackten Frau und in dem wunderbaren Stück, dem Ka-
daver der Mutter mit dem Kinde an der Brust, etwas von
der Schönheit der « Dantebarke » wiederfinden, ohne sich zu ver-
hehlen, daß hier zu Fragmenten wird, was in dem Werke des
Debüts gerade mit dem Gegenteil, einer vollkommenen Geschlossen-
heit, wirkte. « Scenes des Massacres de Scio » war der offizielle
Titel, und man möchte fast glauben, Delacroix habe mit dieser Prä-
zisierung von vornherein einen berechtigten Vorwurf abschwächen
wollen. Gros hatte nicht ganz unrecht mit seinem zornigen Spott.
Das Bild sieht wirklich wie ein Massacre der Malerei aus. Es ist ein
Haufen von schimmernden Trümmern, ein Golgatha der alten, bis
dahin in Frankreich geübten Komposition. Aber aus diesen Ruinen
blüht neues Leben. Man findet in der « Dantebarke » nicht eine
Handbreit von dem zuckenden Fleisch, das sich im « Massacre » auf
dem Boden windet. Niemand wird es entbehren. Der Dunst des höl-
lischen Sees umhüllt die Gestalten der Dichter. Wir brauchen das
Fleisch nicht zu sehen, es wäre sogar zu viel, würde uns die Stim-
mung verderben. Aber stellen wir uns mit dieser Malerei einen
anderen Gegenstand vor, der nicht mit gleicher Notwendigkeit für
die mystische Hülle paßt, und suchen wir andere Vorgänge, die einer
im wesentlichen auf Zeichnung gestützten Komposition einen glei-
chen « Coup de f ortune » bieten wie dieses Wasser mit dem doppelten
Bau nackter und bekleideter Körper. Darauf rechnen, hätte für
Delacroix die Abhängigkeit vom Zufall bedeutet, und der Zufall
konnte ihn nur um so leichter begünstigen, je mehr er sich in die
Sklaverei einer Gruppe von Motiven begab. Dafür war er nicht der
Mann, lebte im 19. Jahrhundert, entblößt von allen Möglichkeiten,
die eine Komposition im Sinne der Alten züchten, dafür war er zu
reich an Keimen neuer Gebilde. So entstand das «Massacre» und
mußte entstehen. Ein Temperament, das den Kadaver der Frau mit
dem Kinde, den tragischen Gegensatz zwischen Leben und Tod,
ohne Benützung aller Symbole, mit stärkster Dramatik darzu-
stellen vermochte, mußte eine Form zerbrechen, die es an eine
einseitige Komposition band. Zerbrechen, um sie umzubilden und
DIE LEHRER DER JUGEND 35
zu einer neuen zusammenzufügen. Kein Genie hat es je anders
gemacht. Der Prozeß ist bei allen dieselbe Anwendung der römischen
Regel: Divide et impera. Delacroix teilte die Komposition, um in
der Einzelheit fortzuschreiten. Das Verfahren motiviert, aber ent-
schuldigt nicht die Schwächen des « Massacre ». Man kann sich das
Gemälde ungefähr in der Mitte durch eine Vertikale geschnitten
denken; dann erhält man rechts ein Hochformat von schlechter-
dings einzigem Reichtum. Es ist der neue Delacroix, der über das
Bild des Jahres 1827, «Mort de Sardanapale», zum Hauptwerk von
1841, der « Eroberung von Konstantinopel», dem lichten Pendant
zum «Massacre», fortschreitet. Die linke Hälfte enthält den ab-
hängigen Delacroix, die Reste von Gros und Gericault. Freilich
bleiben bei dieser Teilung die Schönheiten des zweiten Planes, die
ganz modern aufgefaßte weite Ebene und der Himmel unberück-
sichtigt. Sie entgehen dem Betrachter um so leichter, als das Bild
wie so viele Delacroix' im Louvre viel zu hoch hängt^. Das
schönste Stück, die tote Frau mit dem Kinde% hat Delacroix
ein Dutzend Jahre später noch einmal gemalt, und schon
diese Detaillierung verriet das Prinzip der zukünftigen Entwicklung.
' Wird sich die Direktion des Louvre nicht endlich entschließen, den Werken
des größten Meisters Frankreichs den Platz zu geben, der ihnen erlaubt, ihre volle
Wirksamkeit auszuüben ? Und wäre es wirkhch unmöglich, alle Bilder Delacroix'
in einem Saal zu vereinen ? Wenn die egoistischen Bestimmungen der Stifter im
Wege stehen, könnte man wenigstens zeitweise eine solche Zusammenstellung durch-
setzen. Herr Leprieur, der neuerdings das Prestige der Leitung des Louvre so ent-
schieden gehoben hat, würde sich mit dieser rationellen Ordnung der einzigen Dela-
croix-Sammlung ein Verdienst sichern, das von keiner Neuerwerbung, sei sie auch
noch so glücklich, übertroffen werden könnte.
• War bis heute in der Sammlung Cheramy, in der sich auch noch eine kleine Wieder-
holung des Fragmentes befand (Katalog Robaut Nr. 92, 93) und wurde von Cheramy
der National GaUery in London vermacht. Bei Robaut irrtümUch mit der Bemerkung
« Salon 1824 D. Der Irrtum kommt vermutlich von der falschen Datierung im Louvre-
Katalog her. Hier wird das Hauptbild, das jetzt im Louvre hängt, mit « Salon 1834 »
bezeichnet, während es tatsächlich im Jalire der Constable-Ausstellung, 1824, aus-
gestellt war. Dagegen wird unser Detail vom Louvre- Katalog in den Salon 1824
gelegt. Delacroix malte das Detail, bevor er an die « Entree de Crois6s ä Constantinople t
ging, « pour se faire la main », wie er sagte. Die Koloristik ist viel heller und prächtiger
als im Gemälde des Louvre und entspricht der Entwicklung, die Delacroix inzwischen
durchgemacht hatte. Klossowski hat in unserem Werk über die Sammlung Cheramy
die genaue Farbenbeschreibung gegeben.
3*
36 DIE LEHRER DER JUGEND
Die Macht der Geste des Dantebildes hat sich auf das ganze Fleisch
verteilt und dadurch an Kraft vervielfacht. Schon meint man das
Vibrieren des Lebens zu spüren, das der «Medea» unbegreifliche
Schönheit gibt.
Daß die beiden von mir improvisierten Hälften des Gemäldes
hervortreten, verdankt das « Massacre » seiner Koloristik. In dem
Braun des « Medusenf losses » oder in der diesem ähnlichen Technik
der « Dantebarke » gemalt, würde das Diffuse der Gruppen weniger
bemerkt werden. Die braune Sauce würde das ihrige tun. So ist
das Bild tatsächlich gewesen, als Delacroix es in den Louvre
— den «Salon» zu seiner Zeit — brachte und dort den «Hay-
Wain» Constables erblickte. Wie Villot, ein Augenzeuge, berichtet,
erbat und erhielt er die Erlaubnis, das Bild nochmal von der Wand
zu nehmen, brachte es in den Saal der Karyatiden und übermalte
binnen vier Tagen die ganze Fläche. Einer der englischen Aus-
steller, Thaies Fielding, den er schon vorher durch Bonington
kennen gelernt hatte, und sein Freund Soulier halfen ihm bei der
Übermalung des Himmels^. Bei der Eröffnung des «Salon» hatte
das Bild ein neues Gewand an. Das akademische Braun war einer
gemäßigten aber wirksamen Palette gewichen, und der mehr oder
v/eniger glatte Auftrag zu einer entschiedenen Struktur von Pinsel-
strichen geworden. Die Komposition, mit der er sich zwei Jahre
lang gequält hatte, ohne ein vollkommen befriedigendes Resultat
zu erzielen, wurde mit dieser im Sturmschritt vollzogenen Änderung
nicht verbessert. Sie zeigte ihm vielmehr jetzt erst, nachdem er
sie zum Träger eines Organismus gemacht hatte, wo der Fehler lag.
Die Einsicht hatte gewonnen.
Der Fall entscheidet über Delacroix' Zukunft und über die Zu-
kunft der modernen Malerei. Er zeigt in der Form einer nahezu
romanhaften Episode die ganz improvisierte, lediglich auf persön-
liche Schicksale gestellte Tendenz zu Beginn der neuen Entwicklung.
Delacroix hat Constable nie persönlich kennen gelernt. Beider Werke
' Vgl. E. Chesneau in der Vorrede des Robaut-Kataloges, Robauts Bemerkungen
in dem Katalog zu Nr. 91 und 96, Maurice Toumeux in seiner Monographie über
Delacroix (Paris, H. Laurens), S. 31 u. a. Wie Lassalle-Bordes berichtet, übermalte
Delacroix 1847 auch den Himmel vollständig, so daß die Retuschen von fremder
Hand ganz verschwanden.
DIE LEHRER DER JUGEND 37
und beider Persönlichkeiten waren so verschieden, wie möglich;
Constable reinster Engländer, der Repräsentant der edelsten Eigen-
schaften seines Volkes, der Liebe zur freien Natur, zum Landleben,
ohne eine Spur von Klassizismus und aller Romantik bar; Dela-
croix reinster Franzose, tief durchdrungen von allen geistigen In-
spirationen seines Volkes, durchaus Lateiner, ein Temperament,
wie es nur seine Rasse hervorbringt. Und über alle Unterschiede
siegte die Erkenntnis eines lichten Menschen. Delacroix sah durch
die scheinbare Harmlosigkeit des ländlichen Künstlers hindurch,
ließ sich nicht von den nichtssagenden Bauern und Pferden, von
der einfachen Szenerie der Landschaften Constables abschrecken,
sondern erkannte ein System, das, so einfach die gegenwärtigen
Exempel waren, die Fähigkeit besaß, die ganze Historienmalerei
großen Formates, wie sie in Frankreich geübt wurde, durch hand-
große Flächen zu übertreffen. Er sah den Teilungsmodus des Eng-
länders, die Möglichkeit einer Belebung und gleichzeitig eines
Schmucks der Leinwand, an die keine zeitgenössische Komposition
und wäre sie aus der Summe aller, der Linie dienenden Meister
gewonnen, heranreichte. Nur so konnte man Farbe geben, indem
man nicht die plastische Form deckte, sondern öffnete, statt des
Anstrichs ein in sich wirksames Netz von Flecken erfand; nur so
ließen sich Atmosphäre und Licht ohne Schwächung der Palette
erreichen. Wenn anderen Constable materiell und beschränkt er-
schien, sah Delacroix in ihm gerade das Gegenteil, den Bringer
einer neuen, inbrünstig ersehnten Idealisierung. Sie war nichts
anderes als die unbegrenzte Steigerung der Erscheinung über die
Natur hinaus mit den in der Natur begründeten gesetzmäßigen
Wirkungen. Ihm, dem der Geist alles war, mußte die Neuerung wie
ein unentbehrlicher Zuwachs zu seinen eigenen Fähigkeiten er-
scheinen.
Dieses Verhalten zu den Engländern unterschied sich recht
gründlich von Gericaults Schwärmerei, der zuerst das Neuland ge-
sehen hatte.
Auch Delacroix begeisterte nicht nur Constable, sondern die Neu-
heit der ganzen englischen Kunst, wenn auch nicht so unbedingt
wie Gericault. Im Sommer 1825 ist er drei Monate in London.
Seine Briefe zeigen, daß er in England der Franzose blieb. « L'An-
38 DIE LEHRER DER JUGEND
gleterre me semble peu amüsante, » schreibt er an Pierret. « II
n'y aurait qu'un motif bien puissant comme par exemple, d'y faire
des affaires qui püt m'y retenir»^. Dem feinfühligen Pariser ent-
geht nicht die unter robustem Äußeren verborgene « mesquinerie
generale ». Aber er verschließt sich ebensowenig den schönen
Dingen Englands. Er kommt gerade in die Glanzzeit der Kean
und Young, sieht zum erstenmal Shakespeare würdig auf der
Bühne. Goethes Faust, gründlich verstümmelt, nach englischem
Rezept halb als Oper arrangiert, aber phantastisch und wirksam,
gibt ihm Eindrücke, die auch nach der Reise bleiben. Er kommt in
alle berühmten Ateliers und entdeckt das, was einem Erben Davids
wie eine Neuheit fruchtbarster Art erscheinen mußte: die von
keiner Revolution unterbrochene handwerkliche Tradition der
englischen Malerei. Auch er schätzt Lawrence — « la fleur de la
politesse et un veritable peintre de grands seigneurs »^ — noch höher
Wilkie, aber zumal seine Skizzen — « il gäte regulierement ce qu'il
fait de beau »' — am höchsten Bonington, Turner und Constable.
Mit Bonington, den er schon 1819 kennen gelernt hatte, teilte er
nach seiner Rückkehr aus England sein Atelier, und die Anregung
war für ihn nicht ohne Nutzen. « J'ai eu quelque temps Bonington
dans mon atelier », schreibt er Anfang des Jahres 1826 an Soulier.
« J'ai bien regrette que tu n'y sois pas. II y a terriblement a gagner
dans la societe de ce luron-la et je te jure que je m'en suis bien
trouve »*. Später modifiziert er — nicht seine Sympathie für den
Menschen, der ihm von allen Engländern am nächsten stand — wohl
aber die Schätzung des Künstlers. Er erkennt die Gefahren der Ge-
schicklichkeit in Boningtons « touche coquette ». « Sa main l'entrai-
nait, et c'est ce sacrifice des plus nobles qualites ä une malheureuse
facilite, qui fait dechoir aujourd'hui ses ouvrages et les marque d'un
' Lettres 82.
2 Lettres 79. Ähnliche Äußerungen haben P. Dorbec dahin gebracht, den
Einfluß von L. auf Delacroix' BUdnisse zu überschätzen. (Gaz. Beaux-Arts
August 191 3 S. 100 ff).
" Lettres 74, 75. Er sagte zu Wilkie, als er die Skizze zum «John Knox» sah:
« ApoUon lui meme prenant le pinceau ne pouvait que la gäter en la finissant ».
* Lettres 84. Delacroix verdankte dem Einfluß Boningtons zumal die Bekanntschaft
mit dem Aquarell, das für ihn zum größten Vorteil werden sollte.
DIE LEHRER DER JUGEND 39
cachet de faiblesse comme ceux des Vanloo »^ Auch von Lawrence
kommt er später zurück. Er spricht in dem Briefe an Th. Silvestre,
von 1858, von der « Exageration des moyens d'effet qui sentent un
peu trop l'ecole de Reynolds »^. Und sein reifes Urteil überTurner, den
er persönlich kannte, und der ihm früher mit Constable auf gleicher
Höhe erschienen war, klang wesentlich anders^. Dagegen blieb sein
Verhältnis zu Constable unverändert. «Homme admirable, une des
gloires anglaises» — nennt er ihn in dem Brief an Silvestre. Dem
Zusammentreffen mit Constable wird in den Biographien Delacroix'
keine oder nur eine ganz nebensächliche Bedeutung zugewiesen.
Das ist weiter nicht auffallend. Chesneau nennt noch 1885 als einen
der Gründe für die Unpopularität Delacroix' die Unfähigkeit des
Betrachters, sich vom Gegenstand loszumachen, und meint damit
einen spezifischen Fehler seiner Landsleute zu treffen. Er ist offen-
bar nie jenseits der Grenze gewesen. Die Unfähigkeit ist inter-
national wie die meisten Laster. Einer Kunstbetrachtung, die das
Werk in Form und Gegenstand zerlegte, und die Technik als eine
nebensächliche Zutat ansah, über die zu reden, nicht ganz an-
ständig erschien, mußte der Beitrag Constables gleichgültig
bleiben. Den anderen aber, den Chevillard und Couture der
Kunstbetrachtung, denen der Nachweis einer Abhängigkeit genügte,
um den Künstler ihrer Verachtung zu überliefern, bestätigte diese
eklatante Entlehnung vor allen Augen den schwärzesten Argwohn.
Die erste Kategorie hatte im Falle Delacroix', wenigstens in
Frankreich, das Übergewicht. Da Delacroix, so dachte man etwa,
unmöglich seine romantischen Entwürfe einem Landschafter ver-
dankte, konnte es sich nur um eine Kleinigkeit handeln. Die
Schnelligkeit der Hinnahme und die Einfachheit, mit der Delacroix
darüber sprach, bestätigten diese Vermutung. Den Nutzen enthält
der simple Satz im Tagebuch des Meisters: « Constable dit que la
superiorite du vert de ses prairies tient a ce qu'il est un compose
d'une multitude de verts differents. Ce qui donne le defaut d'in-
tensite et de vie a la verdure du commun des paysagistes, c'est qu'ils
' Journal II, 279, 278. Später mildert er das Urteil, vgl. III, iS
" Lettres 296, vgl. auch Journal III, 377.
' Journal III, 19 und 377. Vgl. damit Journal I, 39.
40 DIE LEHRER DER JUGEND
la fönt ordinairement d'une teinte uniforme». Und er fügt hinzu:
« Ce qu'il dit ici du vert des prairies peut s'appliquer a tous les
autres tons^. » In der Tat beruht das ganze Geheimnis des « Hay-
Wain » auf dieser einfachen Überlegung. Also lediglich eine Frage
der Palette, sagt der Laie, « une question de cuisine », und stützt sich
auf die Tatsache, daß Delacroix vorher und ohne jede Beihilfe Con-
stables die « Dantebarke » gemalt hat, die mindestens ebenso schön
ist wie das « Massacre », v/enn nicht noch schöner. Aber diese
Überlegung behält nur so lange einen Schein von Recht, als
man sie auf die beiden Bilder beschränkt. Sobald man nur
noch ein paar Werke aus den nächsten zehn Jahren dazu-
nimmt, z. B. den « Boissy d'Anglas », das Dogenbild in der Wallace
Collection, den « Meurtre de l'Eveque de Liege » oder gar die
«Femmes d'Alger», so ändert sich zusehends die Bedeutung jener
Äußerlichkeit. Nimmt man gar das ganze Werk dazu, die Schlach-
tenbilder, die «Eroberung Konstantinopels», den «Raub der Re-
bekka» und die vielen anderen strahlenden Meisterwerke, so er-
kennt man den alten Delacroix, der einen Moment, ohne von
Constable getroffen zu sein, malte, kaum noch wieder. Der Meister
ist nicht der primitive Künstler. Diesen finden wir ungeklärt, er
erscheint uns, wenn wir von seinen Spätwerken zurückblicken,
abhängig von Gericault und anderen. Der Selbständige ist der
Delacroix, der Constables Maxime annimmt. Constable unterjochte
ihn nicht, denn wir finden keinerlei Ähnlichkeit zwischen beiden,
weder vor noch nach dem «Massacre». So befreite er ihn also,
machte den neuen Künstler aus ihm, trieb ihn auf den eigenen zur
Höhe führenden Weg. Der Zweifel an der Bedeutung der Technik
und Farbe in diesem Werden ist nicht klüger als die Frage, was im
Smaragd der Stein bedeutet.
' Journal I, 234.
ANALYSE UND SYNTHESE
'«?fr3;^«
Constable hatte ein zeitgenössisches Mittel gefunden; nicht er-
funden. Viele Meister vom i6, bis i8. Jahrhundert haben sich
instinktiv desselben Mittels bedient, nur war es keinem so klar zum
Bewußtsein gelangt. Ahnte Constable die Tragweite ? Die Kunst war
in den Händen eines so einfachen Menschen ein verhältnismäßig
materieller Faktor. Sein unmittelbares Verhältnis zur Natur, der
unverhohlene Utilitarismus des Landschafters, hielt von der Er-
oberung alle psychologischen Weiterungen fern, und es darf nicht
verschwiegen werden: das Mittel schützte das Naturkind nicht
immer vor Banalitäten; es glich zuweilen dem subtilen Instrument,
44 ANALYSE UND SYNTHESE
das bei der Verwendung zu wenig subtilen Zwecken die Schneide
verliert.
Delacroix machte etwas Ungeheures daraus. Es wurde zu einer
der Handhaben jener Entmaterialisierung, die das Ziel aller seiner
technischen Spekulationen war. Nach einem bekannten Wort malte
er nicht den Degen, sondern das Leuchten der Klinge ; so wie Greco
und die anderen großen Vergeistiger früherer Zeiten. Nicht dem
Sein des Dings galt seine Gestaltung, sondern der vom Dinghaften
möglichst befreiten Funktion; nicht der Natur als solcher, sondern
dem, was sie ihm an Ausdruck geben konnte ; nicht der Farbe, dem
Rot, Gelb, Grün, sondern dem Rieseln und Glühen, Drohen und
Schmeicheln des Farbigen, dem Akkord, der, verbunden mit an-
derem, einen Gefühlsinhalt darstellen konnte. Die Teilung Con-
stables wurde von dem Forscher durch ständige Beobachtung der
Natur fortwährend erweitert. Sie war ihm nie hemmende Maßregel,
sondern ein weites System, das dem kühnen Subjektiven, dem jedes
Erlebnis zum Gleichnis wurde, einen wie ein wissenschaftliches
Resultat objektiven Schutz, auf den er sich verlassen konnte,
darbot. Das wunderbar Segenreiche war das Zusammenwirken
dieser analytischen und synthetischen Tendenzen, auf dem die
einzigartige Mischung von Komposition und Koloristik im Werke
Delacroix' beruht, die Wirkung einer absolut rationellen Methode
in einem Künstler, den keine Wissenschaft gefährden konnte, die
Handhabung eines Teilungsmodus durch einen ganz unteilbaren
Geist, dessen Regung in jedem Augenblick über der Technik blieb.
So wurde der Romantiker zu dem Klassiker. Mit der Erfindung
taumelnder Gesichte entsteht im selben Augenblick die unfehl-
bare Struktur, die das zuweilen tollkühne Gerüst vor jedem
Schwanken bewahrt. So allein wurde das Barock Delacroix' ge-
sichert und die Übernahme einer Form, die unserem Realismus
zu widersprechen scheint, von der Willkür befreit. Auch das Barock
ist, ähnlich wie bei Greco, nur so ein Teilungsmodus und wird
selbst durch die strahlende Objektivierung des Meisters geteilt.
Den Vorteil der Koloristik erweisen am deutlichsten die mit
der « Dantebarke » verwandten und daher dem Vergleich am leich-
testen zugänglichen Motive, also die «Don-Juan-Barke» im Louvre,
von 1840 oder die verschiedenen Fassungen des« Christ sur le lac
\
\
LK NAUFRAGE DE DON JUAN, 1840.
1,95 : 1,30. (ROBAUT Nr. 707.)
LOUVRE, PARIS.
da'.
LTJD ÖYrJlHiibit-
(.venig subtilen Zwecken die Schneide
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ANALYSE UND SYNTHESE 45
de Genesareth». «Le Naufrage de Don Juan» zeigt einen Kahn
mit Menschen allein auf dem Meer. Die eng zusammengedrängte
Gruppe ist stark bewegt. Aber die Bewegung liegt weniger in den
Gesten als in der fleckenhaften Beleuchtung, die immer nur einige
Teile der Kleider und des Fleisches hervorhebt, und vor allem in
dem Gegensatz dieses flackernden Knäuels von Menschen zu der
weiten Fläche des Wassers und des Himmels. Das Erlebnis ist
ähnlich wie vor der « Dantebarke », nur viel tiefer und kompli-
zierter, auf reichere verzweigtere Formenwirkungen aufgebaut. Nur
der Byron-Kenner, der genau zusieht, kann mit einiger Phantasie
die schaudervolle Szene aus dem zweiten Gesänge wiedererkennen,
die Auslösung des Genossen, der den Hungernden die Mahlzeit geben
soll. Nicht im mindesten trägt dieser Vorgang zum Eindruck bei.
Keiner meiner Leser, die das Bild kennen, wird sich je gefragt haben,
was diese Unglücklichen auf dem Schiffe treiben, und keinem wird
die Nachricht, um was es sich handelt, den Eindruck verstärken.
Empfindliche Kenner des Bildes werden sogar peinlich berührt sein
und mit Unbehagen diese verengende Auslegung hinnehmen. Sie
sehen etwas viel weiteres darin, als eine reproduzierte Dichterstelle.
Keine Episode kann ihren Eindruck zusammenfassen. Farbe und
Licht haben eine Abstraktion der Dichtung vollbracht, in der das
Gedicht nur noch eine historische Bedeutung besitzt. Was daraus
wurde, geht weit darüber hinweg. Darauf beruht der Fort-
schritt. Man kann ihn schrittweise von David an vorwärtsdringen
sehen, von einem Gemälde des Klassizisten zu Gros, von Gros
zu Gericault, von Gericault zum frühen Delacroix, von dem zum
Meister, und wird dann trotz der Progression zwischen den einzelnen
Stationen immer noch den größten Abstand innerhalb der Lauf-
bahn desselben Menschen finden. Vom «Massacre» zu diesem
Bilde ist weiter, als von David zu Delacroix. Gericaults « Medusen-
floß», dessen Motiv in dem Schiffe Don Juans ausklingt, verhält
sich dazu etwa wie die Schale zum Kern.
Die « Don-Juan-Barke », sagte der treuste Kritiker des Meisters,
Th. Gautier, « c'est le radeau de la Meduse depouille de son
appareil tragique et theätral et ramene ä la plus simple expression».
Die glänzende Formel gilt nur in einem durchaus übertragenen
Sinne. Es ist im Grunde gar keine Gemeinschaft zwischen dem
46 ANALYSE UND SYNTHESE
«Medusenfloß» und der « Don- Juan- Barke »; wenn man sehr
streng sein will, nicht mehr als zwischen einer wundervoll erzählten
tragischen Episode der Wirklichkeit und einer dichterischen Vision.
Ob diese unbedingt eine Vereinfachung jener ist, bleibt dahin-
gestellt, so sicher sie eine Vereinfachung ist. Es fehlt der Formel
die Bezeichnung der positiven Zugabe des Vereinfachers, die im
Geistigen liegt und so bedeutend ist, daß sie keine Beziehung zu
dem scheinbar gemeinsamen Objekt zuläßt. Der Geist Delacroix'
steht über der Gestaltung Gericaults etwa wie Goethe über Schiller.
Auch die entscheidendste Anregung Schillers könnte zwischen ihm
und dem Dichter des Faust kein wesentliches gemeinsames Niveau
herstellen. Eher paßt die Formel Gautiers auf das Verhältnis der
beiden Barken Delacroix' zueinander. Don Juans Schiff ist eine
Vereinfachung der «Dantebarke». Der «tragische und theatrale
Apparat» des Frühwerks wird auf Abstraktionen reduziert, an die
der Debütant nie gedacht hat. Und diese Reduktion bereichert die
Wirkung des Bildhaften. Statt einer Gattung von Formen, die wir
in dem Frühwerk mit dem Gegensatz zwischen Vertikal und Hori-
zontal grob bezeichnen konnten, wirken viele Arten von
Formen zusammen. Es ist, als übernähmen Farben und Töne,
das flackernde Licht über Gesichtern und Stoffen die dra-
matische Rolle der dantesken Gebärden. Das Prinzip dieser Ent-
wicklung ist bei vielen, um nicht zu sagen, allen neueren Meistern
das gleiche. Der Geist sucht sich von der mehr oder weniger engen
Personifikation früherer Vorstellungen zu befreien und die wort-
reiche Rolle des Helden immer mehr der Regie zu überweisen.
Die Frage ist, ob bei dieser Reduktion nicht Werte, die sich der
Verschiebung widersetzen, verloren gehen, ob der Gewinn ohne
Opfer an wesentlichen Dingen zustande kommt. Man konnte sich
auch bei Delacroix fragen, ob hinter solcher Weisheit nicht die
Schwäche lauerte, ob dem Sucher mit seinem neuen, unendlich
differenzierten Mittel ein Kraftausdruck von der Wucht der « Dante-
barke » gelingen würde. Darauf geben hundert meisterliche Werke
vor und nach dem «Don Juan» Antwort. In diesem verbietet das
Motiv eine grössere Wucht. Aber auch hier sieht man das Tempera-
ment ganz frei von den Erwägungen, die es in der «Dantebarke»
zurückhielten, ohne auch nur im mindesten in die Unordnung des
ANALYSE UND SYNTHESE 47
«Massacre» zu geraten. Es löst spielend die Aufgabe, ohne ein
Atom von Kraft zu vergeuden. Man findet die Steigerung des
Dramas innerhalb desselben Motivs in der Serie von sieben Bildern
des Jahres 1853 mit dem «Christ sur le lac de Genesareth», von
denen Gallimard in Paris eins der schönsten besitzt^ Es geht
einem merkwürdig mit diesem Christus. Bevor man noch mit
Sicherheit die Gestalt des Heilands, die sich hier in so ungewohnter
Form zeigt, erkannt hat, glaubt man vor dem See Genezareth zu
stehen. Es ist natürlich eine Selbsttäuschung. Wie sollte man die
Legende ahnen ohne den Inhalt! Und doch etwas Ähnliches wenig-
stens geht in uns vor. Ohne Kulissen, ohne irgend eins der Mittel,
mit denen wir gewohnt sind, das Religiöse zu assoziieren, entsteht
eine Stimmung, die uns zur Legende treibt. Es liegt an der Be-
wegung dieser tosenden Wellen, dieses Segels, das die Wellen des
Wassers vergrößert, dieser drei oder vier Menschen, von denen
jeder nach einer anderen Himmelsrichtung gerissen wird. Aber
diese vervielfachte Bewegung müßte uns mit in Taumel versetzen,
uns krampfhaft erregen, niederschmettern oder in die Höhe reißen,
wie etwa Gericaults Barke. Wir aber stehen ganz still davor, von
einem seltsamen Rauschen gebannt, das mit in die Bewegung klingt
wie erhabene Stimmen von Glocken, die, vom Sturm in Bewegung
gesetzt, das Getöse mit tiefem Baß übertönen. Das ist die Farbe.
Das Geheime liegt darin, daß wir erst sie sehen, den schimmernden
Rhythmus ihrer aus Edelsteinen, aus Prunkgewändern, aus
prangenden Früchten gewonnenen Akkorde, bevor wir die düstere
Szene entdecken. Und haben wir dann in dem leuchtendsten Juwel
die unendlich naive Gestalt des schlafenden Mannes entdeckt, so
sammeln sich hundert Kräfte statt einer zur Deutung des Heiligen.
Fromentin schrieb: «Chez Delacroix la couleur n'a jamais cesse
d'etre un langage. » Van Gogh verstand diese Sprache: «Oh le
' Sowohl der « Naufrage de Don Juan » wie der « Christ sur le lac de G. » gehen
auf eine Skizze zurück, die schon 1821, also noch vor der «Dantebarke» entstand
(Robaut, Nr. 1473) ; ein Schiff mit gebrochenem Mast mit einer gehäuften Menge
von Insassen, das von einer riesigen Woge bedroht wird. Der Einfluß Gericaults
ist unverkennbar. Ein dem Don Juan ähnliches Motiv, ebenfalls ohne die christliche
Legende, war 1847 im Salon (Robaut, Nr. loio). Die sieben Bilder mit dem Christ,
bei Robaut, Nr. 1214 bis 1220.
48 ANALYSE UND SYNTHESE
beau tableau d' Eugene Delacroix» schreibt er in einem seiner
Briefe, «la Barque du Christ sur la mer de Genesareth, Lui — avec
son aureole d'un pale citron — dormant, lumineux, dans la tache
de violet dramatique, de bleu sombre, de rouge sang, du groupe
des disciples ahuris, sur la terrible mer d'emeraude, montant,
montant jusque tout en haut du cadre. » Van Gogh nennt zwei
Menschen, die Christus gemalt haben: Rembrandt und Delacroix.
Man muß von der Kunst so klare Vorstellungen haben, wie dieser
letzte Schüler des Meisters, um die ganze Wahrheit seiner Behaup-
tung zu fassen. Die Gott-Darstellung Delacroix' ist, obwohl aus
ganz anderen Quellen stammend, die einzige Folge der Rem-
brandtschen, die bis dahin die glaubhafteste war, weil auch ihr
eine Atmosphäre gelingt, in der heilige Legenden existieren können.
Dies Vermögen, nicht ein Stück, sondern die Welt in einen
Strahlenkranz von Farben zu konzipieren, ist Delacroix' Genie.
An diese unersetzliche Gabe mag Taine gedacht haben, als er die
Tadler mahnte: «Grondez, en le comparant aux vieux maitres;
mais songez qu'il a dit une chose neuve et la seule dont nous
ayons besoin»i.
War es wirklich ein Neues, nicht lediglich ein Seltenes, das
früher, als die Menschheit noch großen gemeinsamen Ideen zu-
gänglicher war, zuweilen sichtbar wurde? — Die Form, an der
wir Tausende beteiligt glauben, die jeden Gedanken an das herrsch-
süchtige Individuum fernhält, und die einer macht, ein Gott-
begnadeter, der uns eint, wie er in seinem Werk die Fülle einte.
Die kosmische Konzeption scheidet Delacroix ebenso von
seinen französischen wie von seinen englischen Zeitgenossen.
Mit Constable behält er nur peripherische Beziehungen, mit
Gericault und Gros hat er bald nichts mehr gemein. Dagegen
nähert er sich all den Meistern, von denen er eine Bereicherung
jenes Allweltlichen erhoffte. Man sieht in seinem « Journal », wie
er nach und nach immer weitere Kreise der Erkenntnis umfaßt.
Seine Bilder zeigen dasselbe. Zwei Meister stehen hier und dort
immer im Mittelpunkt der Handlung, zwei Meister, die sich die
Kunstgeschichte als einander entgegengesetzte Pole denkt. Sie
begegnen sich im Denken und Schaffen Delacroix' wie Geschwister.
' Essais de Critique et d'histoire.
RUBENS UND RAFFAEL
Schon David hatte, wenn er ein Bildnis auf der Staffelei hatte,
verstohlen nach Rubens gesehen. Für Gros und Gericault war
er der Schild gegen den Klassizismus gewesen. Aber dafür ge-
nügte schon das erlösende Temperament des Vorbildes. Niemand
außer Constable hatte seit dem Dixhuitieme die Rubenssche Palette
gesucht, und auch dem Dixhuitieme war schließlich nur ein
enger artistischer Begriff von Rubens, eine Spezialität, zugänglich
geworden.
Delacroix war von allen diesen nachgeborenen Rubensschülern
der kongeniale, der einzige, der Raum für den Riesen hatte in
4*
52 RUBENS UND RAFFAEL
seiner Empfindung, in seinem Schöpfervermögen, in seiner Kunst.
Man verwechselt zu leicht die Ähnlichkeit zwischen Bildern, die
keinem tiefer dringenden Auge anders als oberflächlich erscheint,
mit der Ähnlichkeit zwischen den Gelüsten beider. Delacroix hatte
teil an demselben ins Ungeheure gehenden Pantheismus, war eine
bis zu einem gewissen Grade ähnliche Psyche, nur in einem ganz
anderen Körper, in einer ganz anderen Umgebung. Die Ähnlich-
keit gab der Beziehung der beiden Künstler zueinander eine nie
wiederholte Gültigkeit. Leicht war es einem Stillebenmaler, aus
der wogenden Fülle Rubensscher Formen brauchbare Elemente
für eine einzige Gattung zu finden, dieses oder jenes Detail des
Riesen zum Mittelpunkt einer bescheidenen Welt zu machen, mit
einem Strahl des Gestirns einen kleinen Winkel taghell zu er-
leuchten. Delacroix bemaß seine Aufgabe an dem Umfang des
Vorgängers. Er trat der unübersehbaren Rubensschen Welt von
Motiven mit einer gleich reichen Welt gegenüber und durchdrang
mit demselben, ganz einzigen Erobererglück alle Gebiete der
Malerei vom kleinsten Staffeleibild bis zur größten Wand-
dekoration. Und war allein, ein einziger gegen alle. Die Eigenhändig-
keit der Schöpfung Delacroix' läßt einen neuen Begriff von Reich-
tum entstehen, der jetzt noch dunkel oder an die enge Bedeutung ge-
bunden bleiben mag, die der kunstwissenschaftliche Forscher im
Sinne hat; den wir am Ende des Werkes von der Höhe des Zieles
Delacroix' wie eine unvergleichliche Tat erkennen werden. Rubens
war ein Heerführer. Delacroix war allein. Der Unterschied ist
gewaltig. Die klare Einsicht in diesen Unterschied hat Delacroix
eine Gewalt gegeben, die jede schmälernde Bedeutung seiner
Beziehung zu Rubens aufhebt. Rubens' Bilder waren die natürliche
Dekoration eines glanzvollen Daseins. So wie er malte, lebte
der Liebling der Fürsten. Delacroix wäre mit einem ähn-
lichen Lebensideal banal geworden und mit zwanzig Jahren ge-
storben. Ihm, dem aller Prunk der Lebensführung verhaßt war,
der die notwendige Heimlichkeit aller unserer Genüsse erkannte,
wurden die Bilder allein zur fürstlichen Heimat. Er dichtete, wie
Rubens lebte, malte mit der Lust, mit der Rubens die Weiber,
den Ruhm, das Leben umschlang, und das künstliche Band, diese
Projizierung auf das Geistige, gewann Bestand, wuchs über die
RUBENS UND RAFFAEL 53
Fiktion hinaus, weil der Erbauer ein Umschlinger war, nicht
weniger als Rubens. Man könnte wagen zu sagen, die freiwillige
Beschränkung auf den einzigen Ort, wo ihm das Schwelgen erlaubt
schien, habe Delacroix eine noch höhere Dramatik verliehen. Sein
Geist steht leibhaftiger, mächtiger, prunkvoller vor uns als das,
unseren sozialen Bedingungen längst entrückte. Künstlerleben des
Flamen.
Keinen Meister hat Delacroix mehr kopiert. Robaut hat nur einen
Teil der Kopien registrieren können. Es gibt Dutzende^, Vor einigen
Jahren war bei Kleinberger in Paris die berühmteste ausgestellt,
« Die Mirakel des H. Benoit », aus dem Jahre 1841, und daneben
hing das Riesenoriginal von Rubens, das mit dem Delacroix im
Besitz des verstorbenen Königs der Belgier war. Der Blick irrte
von dem einen Bild zu dem anderen, um festzustellen, was der
Kopist eigentlich nachgeahmt habe. Die Tatsache, daß es sich
um dieselbe Komposition handelte, die hier anders wie dort « ge-
malt » sei, genügte dem Sinn nicht. Eher hätte man glauben können,
ein Gedanke habe den beiden vorgelegen und habe zu zwei ganz
verschiedenen Äußerungen geführt. Die Interpretation Delacroix'
war so überzeugend, daß man die Genesis des Werkes vergaß.
Und wenn man dieser Fiktion nachgab, hätte man folgern müssen,
in der Kopie sei die Erfindung größer als im Original, so voll-
kommen hatte Delacroix alle Bedingungen des Motivs erfüllt.
Delacroix sah in dem Meister das Fundament der von der Revo-
lution unterbrochenen Entwicklung. Rubens hatte nicht alles,
aber die Hauptsache, die der Zeit am meisten not tat: gesundes
Fleisch. Und noch ein zweites: er zeigte die Möglichkeiten einer
Malerei in schnellem Tempo. Vielleicht war diese Aussicht noch
wichtiger als die Palette. An der Palette Delacroix' haben die
Venezianer größeren Anteil gehabt. Der Vorgänger der Im-
pressionisten brauchte vor allem eine rapide Malerei, um nichts
von seiner Empfindung zu verlieren. Er sagte einmal zu einem
jungen Maler: «Wenn Sie nicht einen Menschen, der sich
aus dem Fenster stürzt, in der Zeit, bis er vom vierten Stock auf
den Boden ankommt, zeichnen können, werden Sie nie große
' Eine der schönsten, die Robaut entgangen sind, ist die Kopie oder vielmehr
Variation nach der Dresdner Wolfsjagd in der Münchener Pinakothek.
54 RUBENS UND RAFFAEL
Bilder fertig bringen»^. Und Dumas bezeugt mit der hübschen
Geschichte einer Skizze, daß Delacroix, annähernd wenigstens,
dieses Verlangen erfüllte-. Behendigkeit hatte aber auch das
i8. Jahrhundert von Rubens gelernt, und die Eile hatte nur
gedient, um die Nachfolger Bouchers noch schneller der Deko-
ration auszuliefern. Nicht diese Eile war Delacroix' Ziel.
Er sagte oft: « Da der dem Künstler von der Natur übermittelte
Eindruck das wichtigste ist, das er wiedergeben muß, ist es not-
wendig, daß er sich vorher mit allen Mitteln der schnellsten Über-
setzung versieht. » Also um der Wahrheit willen brauchte er die
Geschwindschrift. Das Dixhuitieme malte fix, um graziös zu er-
scheinen.
Die Zeit Delacroix' hatte sich noch nicht von der Reaktion des
Empire gegen das Dixhuitieme erholt. Die Nachfolger Davids
"■ Baudelaire, L'Axt Romantique, S. 35. Auch der folgende Ausspruch stammt
aus derselben Quelle.
' Es handelt sich um die herrliche Skizze großen Umfangs « le roi Rodrigue
perdant sa couronne », früher bei Dumas, dann in der Sammlung Cheramy,
hier abgebildet. Dumas hatte seine Malerfreunde Decamps, Barye, u. a. auch Dela-
croix, gebeten, für eine Gesellschaft, die er geben wollte, einen Saal mit Panneaux
zu schmücken. Die Bilder sollten an einem bestimmten Tage fertig sein, an dem
Dumas einen Ball gab. Alles ist so weit, nur das für Delacroix bestimmte Panneau
ist noch leer. Der Maler kommt am Nachmittag zu Dumas und erschrickt über die
große Fläche ; er hatte geglaubt, sich mit ein paar Blumen aus der Affäre zu ziehen.
« Hören Sie, » sagt Dumas, « ich habe soeben etwas für Sie gelesen », und erzählt
ihm den ersten Gesang des Romancero, wo Rodrigo, der Verführer der Cava, im
Kampf mit den Mauren sein Reich verliert. Delacroix geht augenblicklich im Salon-
rock an die Arbeit und malt die ganze Szene herunter, noch dazu in den seltensten
Farben, einer Harmonie in Gelb, die in seinem Frühwerke allein steht. — « Dela-
croix », so erzählt Dumas, « commenja par prendre son fusain ; en trois ou quatre
coups, il eut esquisse le cheval, en cinq ou six, le cavalier; en sept ou huit le paysage,
morts, mourants et fuyards compris ; puis, faisant assez de ce croquis inintelligible
pour tout autre quo lui il prit brosses et pinceaux, et commenfa ä peindre. Alors en un
instant, et comme si Ton eüt dechire une teile, on vit sous sa main apparaitre d'abord
un cavalier tout sanglant ....
Tout cela etait merveilleux ä voir: aussi un cercle s'etait-il fait autour du maitre,
et chacun, sans Jalousie, Sans envie, avait quitte sa besogne pour venir battre des
mains ä cet autre Rubens qui improvisait tout ä la fois la composition et l'execution.
En deux ou trois heures tout fut fini ». (Memoires de Alexandre Dumas, Paris, Calman
L^vy 1898, IV, S. 110 ff.) Man denkt unwillkürlich an das ähnliche Stückchen Cour-
bets vor den Münchener Akademikern im Jahre 1869.
RUBENS UND RAFFAEL 55
hielten die Amoretten in festen Banden. Noch war kein Goncourt
auf der Suche nach den verschleuderten Schätzen. Delacroix unter-
lag nicht der Mode, dieser so wenig wie irgendeiner. Er bewunderte
das Metier, das glänzende Farbenspiel, «l'admirable artifice» der
Maler Ludwigs XV., besaß selbst einen Watteau und studierte ihn
eifrigS aber seiner ganzen Anschauung von der Kunst widersprach
zu sehr der zweifelhafte Standpunkt des Amateurs, um ihn den
Unterschied zwischen der Geschicklichkeit der Watteau-Schule und
der Natur ihrer größeren Vorgänger übersehen zu lassen. Ein so
tief von Rubens durchdrungener Geist, der gleich Großes zu
schaffen hoffte, durfte und mußte in dem 18. Jahrhundert nur
eine niedliche Spielerei erblicken. Er trank an der Quelle, trank
in vollen Zügen. Unverdünnt drang der wie Milch und Blut
fruchtbare Strom Rubensscher Empfindung in ihn hinein, und nie
hat ein anderer den Flamen tiefer durchdrungen. Doch verlor der
Trinker nicht die Besinnung. Dies mag er, wenn man überhaupt
für die Mäßigung, die kein Kompromiß war, nach einem äußeren
Anlaß suchen soll, dem Meister verdankt haben, der in seinem
Herzen den zweiten Platz einnahm: Raffael.
Es ist nicht leicht, die Beziehung Delacroix' zu Raffael anschau-
lich zu machen, schon weil uns Raffael selbst nicht mehr anschau-
lich wird. Die Zeit geht nach schärfer ausgeprägten, vor allem
nach bewegteren Individuen. Wir sind für so stille Leute zu träge
und blasiert geworden. Was konnte, fragen wir uns skeptisch, der
Jüngling von Urbino dem glühenden Temperamente eines Dela-
croix geben ? Doch ist unser Begriff des Temperaments recht
winzig neben dem Temperamente Delacroix'. Wir achten nur auf
das Ungestüme, das jeder flinke Strich verrät, nicht auf die Wider-
stände, die es überwindet. Auch entgeht uns die Stellung der
ganzen Zeit Delacroix' zu dem Urbinaten. Ihr war er keineswegs
der respektable aber längst abgenutzte Wert, sondern unentbehr-
liches Glied einer ganz aktuellen Entwicklung. Die Minorität
vornehmer Geister sah in ihm das unangreifbare Dokument gegen
jenen undifferenzierten Klassizismus, der noch in der Jugend
Delacroix' herrschte. Er wurde das Terrain, auf dem sich damals
' Vgl. Journal I, 295 ; II, 397 u. a. St. Er besass « les Apothicaires » Watteaus, die
er gegen eines seiner Bilder eingetauscht hatte. Vgl. Journal III, 316, 317.
56 RUBENS UND RAFFAEL
viele Fortschrittler, selbst so feindliche Gegensätze wie der Maler
der « Dantebarke » und der Maler des « Homere deifie » be-
gegnen konnten. Delacroix fand in Raffael den Ausdruck eines
edleren klassischen Geistes, der ihn nicht nur vor dem Pseudo-
klassizismus rechtfertigte, sondern auch das von proletarischen
Gelüsten nicht freie Heroentum der Gros und Gericault, seiner
Paten, zu läutern vermochte. Die Differenz der Temperamente,
die Delacroix mit den Jahren vielleicht stärker als anfangs emp-
fand, hinderte nicht diesen idealen Nutzen, machte ihn vielleicht
größer. Weil ihm die Natur wenig von der gelassenen Art des
Madonnenmalers gegeben hatte, suchte er so zu werden. 1824 dik-
tiert ihm Raffael den Satz von der unbedingten Bedeutung zeich-
nerischer Umrisse^. Der Satz wäre, von der Feder eines anderen,
z. B. Ingres geschrieben, mehr als bedenklich. Er treibt uns bei
Delacroix nicht zum Widerspruch, da wir wissen, wie wenig er
ihm zur allein gültigen Richtschnur wurde, sondern zum Nach-
denken, wie weit er von einem Delacroix befolgt werden konnte
und wirklich befolgt wurde. Immer wieder bewundert er die Grazie
des Raffaelschen Linienspiels, und noch 1847 schreibt er, man
dürfe nicht zu viel an Raffael denken, um nicht getrieben zu
werden, «alles aus dem Fenster zuwerfen»-. Eine unmittelbare
Folge mag die Disposition der Pinselschrift gewesen sein, die Vor-
liebe, die Bilder, die immer mit rubenshaftem Schwung in großen
Strichen begonnen worden, mit kleinen Strichen zu vollenden.
(Wenigstens betont er wiederholt in seinen Notizen das feinmaschige
Gewebe der Bilder Raffaels.) Aber diese Methode, die sich aus
seiner differenzierten « Teilung » von selbst ergab, finden wir auch
schon, freilich in primitiver Form, bei David und vielen David-
schülern, und sie entsprach seinem ganzen altmeisterlichen Emp-
finden. Entscheidend wird die Annäherung an Raffael in der
Komposition. Sie ist am deutlichsten in den meisten Monumental-
werken, zumal in der Dekoration der Bibliothek des Palais Bourbon
und in den Fresken der S. Sulpice. Hier hat Delacroix das Kom-
positionsschema, wenn auch nicht bestimmte Kompositionen
Raffaels, so frei benutzt wie Raffael die Antike. Aber auch da,
' Journal I, 82.
» Journal I, 284.
RUBENS UND RAFFAEL 57
wo die Aufgabe dem Maler keinerlei Beschränkung befahl, auch
in den reichsten Tafelbildern, in Skizzen, die wie Improvisation
erscheinen, in Legenden, deren Art Raffael ganz fern liegt, eher auf
Rubens oder auf Venedig hinweist, in den Legenden kleinen Um-
fangs, neben deren Pracht der Meister der vatikanischen Fresken wie
ein Primitiver erscheint, bleibt die Beziehung wie eine sehr zarte
aber unverkennbare Melodie erhalten; ja, sie enthüllt hier, wo
an die Stelle künstlerischer Vergleichsmöglichkeiten rein mensch-
liche Eigenschaften, wie Grazie, Jugendlichkeit, Anstand treten,
ihren wirklichen Charakter. Delacroix sah Raffael mit seinen
Augen an und fand einen Verwandten. Man könnte sagen, er habe
in allen großen Dingen, weil er sie mit seinen schöpferischen Augen
ansah. Verwandte gefunden. Es ist nicht nur Wahlverwandtschaft.
Etwas im Wesen Delacroix' scheint von der Natur in die Nähe
einer raffaelschen Lieblichkeit gerückt und es verträgt sich durchaus
mit seiner Kraft, seinem Ungestüm, vollbringt wie alles, was wir
unter seinen Eigenschaften mit dem Namen anderer Größen
bezeichnen oder wenigstens andeuten können, eine Veredelung
seiner Natur und eine Veredelung des Wertes, der uns zum Ver-
gleich dient. Viele Gestalten seiner Bilder scheinen seltsam ver-
wandelte Götter, Propheten, Engel Raffaels. Irgend etwas unter den
vielen Schönheiten, die sie schmücken, scheint ganz unmittelbar
dem Urbinaten entsprungen, und oft ist es, als ob ihre Art auf
einen erhöhten, gleich belebten wie erhabeneren Raffael hin-
weise.
Der Maler besaß nicht von vornherein dieses hohe geistige Ver-
hältnis zu dem geliebten Meister, ebenso wie der Kritiker nicht
gleich ein gültiges Urteil über ihn fand. Man kann die Entwicklung
an manchen Bildern verfolgen. Es ist eine der vielen Entwick-
lungen Delacroix'.
1838 malt er seine erste Medea. Es ist die kleine Skizze im
Museum von Lille^, der noch im gleichen Jahre das Hauptwerk,
der Stolz der Liller Galerie, folgte. Die Idee des Bildes ist nichts
weniger als Raffael, sie ist auch nicht Rubens, noch venezianisch.
' Diese Skizze übermalte er vollständig im Jahre 1847 (vgl. Journal I, 324) —
Repris une ancienno esquisse de Medee qua j'ai metamorphosee ; daraus erklärt sich
die Verschiedenheit der Materien in Skizze und Bild.
58 RUBENS UND RAFFAEL
Die Erfindung der ungeheuren Geste, « ce geste de lionne »,
wie Gautier sagte, in der sich die Tragik dieser Mutter zum Sprunge
sammelt, ist reinster Delacroix. Diese ganz elementare Art von
Symbolik hat ihn keiner gelehrt, sie war sein Empfinden, In den
Kindern zwischen den Armen der Heldin, die wie die Jungen am
Leibe der gereizten Löwin zappeln, kommt ein Lächeln Raffaels,
eine Erinnerung an die Kindlichkeit der Sixtinischen Madonna,
zum Vorschein. Es bleibt in dem Liller Bilde ein isoliertes Detail,
das zur Kontrastwirkung beiträgt und die Dramatik steigert.
Diese erste Fassung trägt noch die Schlacken der Jugend, obwohl
sie bereits einen wesentlichen Fortschritt gegen die erste Skizze
darstellt, in der die Kinder noch nicht ihren rechten Platz haben
und das Haupt der Medea noch von dem Mantel umwallt wird,
(ein romantisches Hilfsmittel, das die Einfachheit beeinträchtigt)^.
Das Liller Werk ist die bei weitem größte Fassung und gilt als
die beste; mir scheint, mit Unrecht. Wohl ist die Komposition
der Gruppe ideal gelöst, sie hat das Gefundene des Meisterwerks,
das uns sofort die Überzeugung gibt: so und nicht anders muß
es sein, nie wird man diese Gruppe anders gestalten können, so
wird die Medea immer vor uns stehen. Auch das landschaftliche
Motiv ist glänzend als Rahmen für die Gruppe getroffen. Doch
möchte man zwischen einer Komposition der Gruppe und der
Komposition des Bildes unterscheiden. Das große Format wird
nicht in allen Teilen gleichmäßig von der Gestaltung belebt. Das
Ungestüme des gewaltigen Einfalls scheint über dem Willen des
Künstlers zu stehen, der Erfinder wurde fortgerissen von seiner
Erfindung. Wohl trägt die Farbe den Ausdruck, in jedem Pinsel-
strich zuckt die Empfindung des Visionärs, aber die Farbe versagt
die ganz abgeklärte, verewigende Harmonie, versagt sie zumal
in dem heutigen Zustand des Bildes, der nicht die verheerenden
Schäden schlechter Pigmente verschweigt. Das unbestimmte Grau-
schwarz des Gewandes, das den Unterkörper der Medea bedeckt,
mit dem stumpfen Umschlag in Türkischrot ist nahezu erblindet
und die vergilbten Braun, Gelb und Grün der Szene haben ihre
Wirkung verloren. Mächtig ergreift uns das fahle gespenstische
' Man kann den Fortschritt in der Komposition fast schrittweise an der Hand
der Serie von Zeichnungen zur « Medea » im Museum von Lille verfolgen.
RUBENS UND RAFFAEL 59
Fleisch der Medea, fast zu mächtig; wir werden zu schnell, zu
gewaltsam in die düstere Stimmung getrieben, als daß unser
Empfinden in alle Tiefen dringen könnte. Nur in den Kindern,
zumal in dem Knaben zur Linken siegt das blonde Licht, das wir
schon in dem Kind an der Brust der toten Mutter des « Massacre »
bewundern und das uns auch da schon wie eine Verklärung Raf faels
erscheint. In jedem der folgenden Jahrzehnte beschäftigt ihn die
Medea aufs neue. 1847 fällt ihm die Skizze zu dem Liller Bild in
die Hand, und er übermalt sie vollständig. 1856 wiederholt er das
Motiv in ganz veränderter Disposition. Es ist das Bild, das früher
in der Amsterdamer Sammlung van Eghen war und das Tschudi
vergeblich für die Nationalgalerie zu sichern suchte, datiert 1859.
Delacroix hatte die Mängel der ersten Fassung eingesehen und
erfand die wundervolle Harmonie der grünen und blauen Töne.
Als Materie steht das Bild unvergleichlich höher als die Liller
Fassung. Das Fleisch der Medea ist eine göttliche Malerei. Aber
die Beschäftigung mit dem koloristischen Problem, die das
« Journal » von 1856 bezeugt^, scheint ihn von allem übrigen ab-
gezogen zu haben. Die Komposition büßt viele, fast alle Vorzüge
der ersten Fassung ein. Medea sitzt nicht zum Sprunge bereit,
sondern bewegt sich, sie geht nach der Seite hin. Dadurch gerät
das ganze Motiv ins Schwanken. Die Gestalt verliert die könig-
liche Würde und die sichere Statik, die Gruppe das ganz geschlossene
Zusammensein der Kinder mit der Mutter; zumal die selbständige
Bewegung des Knaben zur Rechten löst den Zusammenhang.
Die Hinzufügung des Zuges der Verfolger in der engen Schlucht
bereichert das Farbige, aber schmälert empfindlich das dramatische
Moment. Denn wie könnte ein Sichtbares das Drohen des ver-
borgenen Feindes ersetzen, den wir mit den Augen der Medea
erblicken 1 — Die Unruhe des Ganzen wird dadurch noch ver-
größert. Man könnte glauben, der Kolorist habe die frühere Kom-
position zu gelungen gefunden und sich mit Absicht Hemmungen
geschaffen, um mit dem malerischen Mittel allein zu triumphieren.
Er erreicht eine modernere Form. Die Unruhe verscheucht
jeden Gedanken an die Antike, auch den an Raffael, und
' Journal III, 157, 158. Hier viele Einzelheiten über die Koloristik dieser Medea.
6o RUBENS UND RAFFAEL
setzt an die Stelle der Unsterblichen, die die Sage in den
elysäischen Gefilden zur Gattin des Achilles werden ließ,
ein verfolgtes Weib. Das Bild behält Schönheiten genug,
um es jeder Galerie würdig zu machen, aber ist nichts-
destoweniger eines der sehr seltenen Beispiele für das Versagen
jener einzigartigen Ökonomie des Meisters, in der wir den stärksten
Hebel seiner Größe erblicken. Er besann sich. 1862 nimmt er die
alte Komposition wieder vor. Mit ganz unwesentlichen Ver-
änderungen, nur in einem mäßig verkleinerten Format wird das
Liller Bild wiederholt, und jetzt entsteht die Medea des Louvre^
Aus der dunkelschimmernden Wölbung der Schlucht wächst,
gleich einer Vegetation, die nur in dieser weltfernen Grotte er-
blühen konnte, das Leuchten, das sich zu der dreifachen Nackt-
heit verdichtet. Die Gestalten sind von vollendeter Körperlichkeit;
nicht das geringste Detail, das wir sehen wollen, bleibt uns
verborgen. Und doch ist das Ganze nur ein Leuchten, eine über-
irdische, ganz unteilbare Erscheinung, die jede Frage nach dem
Detail unterdrückt. Selbst die vollendete Harmonie der Farben wird
zu einem Detail, ja selbst die Tragödie der Medea. Das ist der Unter-
schied zwischen diesem Bilde und dem in Lille. Wohl mag das rohe
Sehen im ersten Augenblick etwas Ähnliches ergeben. Die hier
nicht weniger konzentrierte Dramatik mag einen Moment den
Atem des Betrachters ebenso hemmen wie die einem Schrei ver-
gleichbare Gebärde der ersten Fassung. Das dauert nur Sekunden.
Bleibt man einen Augenblick, so geht die Spannung in ruhige,
wohltuende Schwingung über, und es ist, als weite sich unser Emp-
finden, das vor dem Bilde in Lille krampfhaft erstarrt. Die unter
dem Farbigen, unter dem Leuchten verborgenen, mit allen Linien
verbundenen rhythmischen Kräfte steigen zu derselben Höhe
hinauf, auf die uns der dramatische Gedanke des Motivs versetzte,
und halten uns oben in einer unverlierbaren, unendlich reinen
Sphäre. Und wieder meldet sich hier, zarter als eine in der Ferne
klingende Melodie, der Gedanke an Raffael. So abstrakt uns jetzt
diese Erinnerung dünkt, so befreit von allem engeren Utilitarismus
war Delacroix' Denken an den geliebten Meister. Wir werden viele
' Gleichzeitig entstand die kleine JNIedea der Sammlung Bischoffsheiin in Paris,
eine Wiederholung des Louvrebildes (Robaut Nr. 1437).
RUBENS UND RAFFAEL 6i
Meister, viele Erfahrungen an der Entwicklung Delacroix' be-
teiligt finden. Hinter allem steht wie ein ungreifbares Gefühl
Raffael. So erhaben uns in der Serie der Medea die Verklärung
des jungen Delacroix durch den reifen scheint, eine Verklärung,
die wir in hundert anderen Beispielen wiederfinden können, so
erhaben erschien seinem schöpferischen Auge die stille Anmut
des Jünglings von Urbino. Stille werden, hieß ihn das Beispiel.
Es bedeutet alles für den von Stürmen gepeitschten Genius. Es
wurde auch Rubens gegenüber zur Richtschnur. Wo wir in dem
unergründlichen Verhältnis zu dem Flamen auf den geheimen
Widerstand stoßen, der kein Ablehnen, sondern ein höheres Auf-
nehmen ist, da steht Raffael, nicht wie ein Persönliches, sondern
wie ein Begriff vor uns. Raffael, seine Art Raffael, ist das klärende
Element, das ihn treibt, auf die kühle Gliederung des rubens-
haften Chaos zu achten. Raffael bringt ihn zu Rubens in ein ähn-
liches und noch höheres Verhältnis wie das zwischen Poussin und
Tizian. Es ist höher, weil es die Erfindung des Jüngers noch weniger
berührt. Delacroix lehrt uns das zu erkennen, was der barocke
Raffael schon von Rubens vorhersagte und was Rubens in einem
Winkel seines Herzens von Raffael behielt. Er macht die Ver-
bindung zwischen den Teppichen des Vatikans und den Medici-
Bildern, die uns längst entging, wieder leuchtend.
Selten verdrängte der unbändige Flame die Mahnung des
Römers. Nur einmal, scheint es, hat Rubens den Jünger trunken
gemacht. Es war in der ersten Zeit, als Delacroix an das merk-
würdigste Werk seiner Jugend ging, den « Tod des Sardanapal ». Er
nannte das Bild in dem Brief an seinen Freund Soulier, als er es
zu Beginn des Jahres 1828 in den Salon von 1827 gebracht hatte,
sein « Massacre Nr. 2 ». Nachher, als das Publikum gesprochen hatte,
nannte er es sein «Waterloo».
Das wurde es für ihn. Selbst die Freunde verstummten. Die Wag-
nisse des « Massacre » schienen verzehnfacht. Statt der Leere eine
Überfülle, aber um ebensoviel größer die Unordnung; der Schlaf
eines Erwachenden, in dem sich die Reste der Traumbilder mit
Realitäten vermischen; ein asiatischer Teppich eher als ein
Historienbild, und als Teppich wiederum viel zu fleischlich, von
einem Sensualismus, wie ihn eben nur Rubens besaß. Hier mag
62 RUBENS UND RAFFAEL
sich Delacroix wirklich einmal als Enkel des nordischen Giganten
gefühlt haben, dem alles erlaubt schien. Den kalten Magier, der
nie das Maß verlor, packte das Bewußtsein seines Übermenschen-
tums. Die Wollust, sich mit Unmöglichem zu versuchen, riß ihn
hin. Hier mag er sich wirklich einmal ganz als Romantiker ge-
fühlt haben, aber wurde es auch hier nicht auf Kosten der Dichtung.
Byron treibt die Phantastik nicht annähernd so weit, und die Un-
aufführbarkeit seines Dramas beruht nicht auf dem Übermaß des
Delacroixschen Gemäldes. Auf seinem Scheiterhaufen zum
Schluß thront nur der König, neben ihm die verzückte Myrrha.
Delacroix macht einen Weltbrand daraus, als würden alle Juwelen
der Erde geopfert, und dazu Männer, Weiber, Tiere im Knäuel um
das hohe Pfühl. Sogar ein Roß — das Profil eines guten Bekannten
— wiehert mit in den Taumel hinein. Es wäre vollkommener Wahn-
sinn, wenn die Form dieser « dantesken Vision der orien-
talischen Antike», wie Vachon das Bild nannte^ nicht Möglich-
keiten enthielte, an die wir zu glauben vermögen, wenn der Vor-
gang nicht gemalt, nicht von Delacroix gemalt wäre. Es gibt
wenig Werke, in denen das Wunder jener theoretisch so unfaß-
baren Übertragung des Gegenstands in die Form gleich berückend
zutage tritt, in denen die Widerstände und die Kräfte, die sie bannen,
eine gleich hohe Spannung erreichen. Schöne Einzelheiten haben
sicher teil an diesem Sieg über den Realismus des Betrachters.
Nie sah man seit Rubens ein Fleisch wie den Rücken der über
das Polster gelehnten Favoritin, ein Detail, das Delacroix noch
einmal in dem großen Fragment gemalt hat, das jetzt das Museum
von Angers besitzt. Kaum hat Delacroix selbst einen erhabeneren
Ausdruck von Würde geschaffen als jene Pose des Herrschers,
der seinen eigenen Untergang befiehlt; selten einen größeren
Zauber als die delirierende Wollust der das Lager des Satrapen um-
ringenden Gestalten. Doch würde alles das nicht unsere Skepsis
überwinden, wären nicht alle Einzelheiten, die möglichen so gut
wie die scheinbar unmöglichen, einem Zusammenhang Untertan,
der keine Vereinzelung erlaubt und an Stelle des mit bedachtsamer
Reflexion aufzunehmenden Dinghaften ein blitzschnell Fühl-
' Marius Vachon: Eugene Delacroix ä l'Ecole des Beaux-Arts (L. Baschet, Paris
s. d. [1885]) mit großen Abbildungen.
RUBENS UND RAFFAEL 63
bares, auf viel weitere Erfahrungskomplexe bezogenes Rhyth-
misches setzt. Fühlen wir den Rhythmus, so glauben wir an alles,
würden noch an tollere Dinge glauben. Es ist eine höchst organisch
wirksame Kraft, die alle Dinge in ein Gewebe von wunderbaren
Farben wirkt, uns da, wo wir das Übertragene in unser gewohntes
Dasein zurücktragen möchten, einen Teppich von wunderbaren
Farben vorzaubert, der das einzelne der Diskussion entzieht; uns
da, wo wir dem Reiz der Dekoration folgen möchten, mit flam-
menden Gebärden zum Visionären fortreißt'. In den kleinen Skizzen
oder Wiederholungen, von denen die schönste bei Cheramy war^,
eine andere bei dem Händler Sortais in Paris bewahrt wird, ist
der Rhythmus deutlicher, das Juwelenhafte des Farbigen noch
berauschender, aber man gelangt nicht in jenen tieferen Rausch,
der die vollkommene Vorstellungswelt des Hellsichtigen erschließt
und uns in einem höchst gesteigerten Moment « einen tieferen
Einblick in jenes monstruöse, fast übermenschliche Altertum ge-
stattet, als es die Kolossalbauten der Paläste von Khorsobad und
Saigon und die zyklopischen Reliefs von Ninive und Babylon zu
tun vermögen »^.
Delacroix' Temperament ging in dem « Sardanapal » durch,
aber das Genie des Malers machte das Tempo mit, organisierte
auch diese, entlegenen Gefilden entsprungene, Laune, ordnete das
Durcheinander. Darin, in diesem Ausgleich, steckt die wahre
' Leider ist das BUd nicht mehr vollkommen intakt. Es mußte schon zu Lebzeiten
DelacroLx' restauriert werden. Andrieu, der Schüler Delacroix', der die Restauration
mit bestem Erfolg übernahm, führt die Schäden, zumal die schweren Risse, auf
die Kombination der Temperauntermalung mit der Oelübermalung zurück. (Vgl.
La Galerie Bruyas S. 367.) Andrieu hat 1857 auch die Dantebarke restauriert.
^ Die Vente-Kataloge der Auktionen Cheramy (Mai 1908, Nr. 226, und April 1913.
Nr. 57) nehmen ohne ersichtlichen Grund die Beteiligung Poterlets an dem Bilde
an, während sie bei dem « Combat du Giaour et du P;,cha » die vollkommen fest-
stehende Autorschaft Poterlets verschweigen. S. S. 28. Wenn wirklich Poterlet
einen Anteil an dem « Sardanapal » gehabt haben sollte, könnte dieser nur ganz äußer-
licher Art gewesen sein und wäre dann von Delacroix vollständig verwischt worden.
Die Juwelenhafte Oberfläche des Bildes kann nur von dem Meister selbst herrühren.
Der Irrtum beruht wahrscheinlich auf einer von dem verstorbenen Haro begangenen
Verwechslung. Auch Cheramy war von der lückenlosen Eigenhändigkeit des Bildes
vollkommen überzeugt.
' Marius Vachon. S. oben.
64 RUBENS UND RAFFAEL
Verwandtschaft mit Rubens, viel mehr als in Einzelheiten der
Farbe oder der Linie. Es gibt Skizzen von Fragonard, die man fast
für gefälschte Skizzen von Rubens nehmen könnte. Die Variation
bedingt lediglich das geminderte geistige Niveau. Die Flüssigkeit ist
vielleicht noch geschmeidiger, weil alles Steinige aus dem Flussbett
entfernt ist. Das ist große Geschicklichkeit kleinen Kalibers. In der
Stellung Delacroix' zu Rubens spricht ein Geist zu einem anderen
Geiste. Auf dem immensen Wege zu einer Leistung universellen
Grades findet er einen Vorgänger und läßt sich die Etappen, die jener
durchgemacht hat, dienen, um weiter zu dringen auf der Fahrt
zum Pole. Nicht ohne sie gründlich zu kontrollieren. Wir werden
Rubens noch oft finden. Er kommt auch in den Monumentalwerken
Delacroix', gleich neben Raffael zum Vorschein, Wir werden ihn
in fast allen Werken jeglicher Art finden. Aber nie etwa als Bau-
stein, den man so wie er ist, zum Gebäude verwendet, immer von
einem unendlich sorgsamen Analytiker gesiebt und gesäubert, auf
das reduziert, was dem Gebäude nottut, und doch nie verkleinert.
An der großen « Bataille de Taillebourg » von 1837 hat sicher der
Flame gewichtigen Anteil. Dafür spricht deutlich manches
Detail, so das weit ausgreifende Schlachtroß in der Mitte. Es hätte
ebensogut Gros und Gericault als Modell dienen können, und man
glaubt es noch bei Chasseriau in dem Rosse des Macbeth wieder-
zufinden, das sich vor den Hexen bäumt. Aber während in den
Leiberverschlingungen des Flamen die Lust am Fleisch grandiose
Orgien feiert, mildert Delacroix das Schlachten und vergrößert die
Schlacht. Und über der Wucht, ganz unabhängig von den bewegten
Einzelheiten, wirkt noch etwas anderes mit, das man schwächer
auch in allen schönen Rubens spürt, etwas ganz Friedliches, das den
Sinn gelassen macht und zu sehr viel tieferen, sehr viel ruhigeren
Empfindungen treibt, als der Anblick einer wirklichen Schlacht
einzuflößen vermöchte. Es ist der Farbenrhythmus. Wir nennen
ihn bei Rubens das Rubenshafte, weil er uns wie die Essenz des
Meisters erscheint. Diese Essenz ist bei Delacroix vollkommen
ersetzt. Wo wir Rubens zu finden glauben, stoßen wir auf einen
viel reicheren Begriff, dessen Quelle wir eher von Veronese ab-
leiten möchten und in dem schließlich auch Veronese nur eine
Eigenschaft darstellt.
RUBENS UND RAFFAEL 65
Der Farbenrhythmus ist deutlicher als in dem großen Bilde, von
dem man keinen rechten Abstand nehmen kann, in den beiden
Skizzen, von denen die eine bei Haro war, die andere in der Samm-
lung Gallimard hängt. Als Renoir die zweite von diesen sah, meinte
er, sie gleiche einem Rosenbukett. Vielleicht hätte Delacroix
dasselbe von der Amazonenschlacht seines Vorgängers gesagt.
Die endgültige « Bataille de Taillebourg », in der der S. Ludwig
die von den Engländern besetzte Brücke nimmt (die Brücke auf
dem Bilde ist später abgeschnitten worden), hängt in Versailles,
in der berühmten « Galerie des Batailles » mit den riesigen
Szenen von Gros. Man muß sich zwingen, an ihnen nicht
vorüberzueilen. Es fehlt ihnen das Blumenhafte, und sie
machen zu viel Geräusch. Schon das 1831 entstandene
Schlachtenbild von Delacroix, « Bataille de Nancy », im
Museum von Nancy, das der Komposition Gros' nähersteht,
besiegt mit derselben Entschiedenheit alle Bilder des Lehrers. Der
ganze Unterschied zwischen Gros und Delacroix ist vielleicht nur
der, daß der eine ein Schlachtenmaler ist und der andere noch
etwas anderes. Delacroix hat wie Rembrandt alles gemalt und ist
gar nicht denkbar ohne die Fähigkeit, alles zu können. Und hat
alles gleich leidenschaftlich gemalt; ob es Stilleben sind oder Morde.
Man kann verfolgen, wie sich das Schreckhafte des Stoffs der ersten
Jahre später immer mehr verflüchtet. In den Greuelszenen des
«Meurtre de l'Eveque de Liege» und des «Boissy d' Anglas», von
1829 und 1831 scheint der Tumult den Raum zu sprengen. Frei-
lich bezwingt die Architektur auf diesen Bildern das Getümmel.
Man weiß, welche Suggestionen Delacroix aus den Raumwirkungen
schöner Säle gewann, und er wußte sie zu benutzen^. Aber das
' Robaut erzählt darüber eine hübsche Geschichte. Er hatte mit Corot die « Amanda
honorable » Delacroix' im « Salon » von 1831 bewundert, auch eines der Bilder, auf
dem die Architektur eine bedeutsame RoUe spielt (Robaut Nr. 351). Delacroix war
das in Spanien spielende Motiv in dem großen Saale des Palais de justice von Rouen
eingefallen. Ein paar Tage nach der Eröffnung des « Salon » waren Corot und Robaut
in Rouen und besuchten den alten Palast. Robaut war in die Bewunderung des be-
rühmten pfeilerlosen Holzgewölbes versunken. Und Corot rief plötzlich aus: « Quel
homme! quel homme! » Er dachte nur an das, was Delacroix aus dieser Architektur
gemacht hatte.
In einem anderen Bilde derselben Zeit gelingt der Architektur nicht, die mangel-
Meier-Graefe, Delacroix C
66
RUBENS UND RAFFAEL
Mittel bleibt, zumal in dem « Meurtre de l'Eveque de Liege »,
physischer Art, eine Architektur von außen, wird nicht ganz zu
der inneren Baukunst, zu der spezifisch malerischen Struktur. Die
Malerei läuft auf den nicht ganz ungekünstelten Beleuchtungs-
effekt mit dem Tischtuch hinaus, den schon die Bestimmung des
Werkes charakterisiert. Sollte doch das Bild, nach Delacroix' Idee,
zumal abends bei Lampenlicht wirken. Die Ausstellung des be-
rühmten Gemäldes im vorigen Jahre auf der Vente Carcano ent-
täuschte ein wenig. Mir fiel eine flämische Derbheit in der Schil-
derung der wilden Tafelrunde auf, die nicht ganz der Noblesse
entspricht, an die wir bei Delacroix gewöhnt sind, und die Ab-
stammung von Raffael verleugnet.
Je mehr später die Bilder Farbe aufnehmen, desto ferner tönt
das Lärmen der dargestellten Menge, trotzdem die Massen leben-
diger werden. Bei Rubens und bei Rembrandt ist es geradeso.
hafte Bewegung der Menge zu ersetzen. Ich meine das Bild « Mirabeau et Dreux »,
das 1907 auf der Delacroix-Ausstellung bei Cassirer figurierte. Es stellt die Worte
Mirabeaus dar, mit denen die Revolution begann, ein unglücklicher Einfall, der
auf das Konto des öffentlichen Preisausschreibens zu setzen ist, an dem sich Delacroix
vielleicht ohne Begeisterung (man denke an seinen Aufsatz über Preisausschreiben)
beteiligte. Auch das « Boissy d'Anglas » entstand aus gleichem Anlaß. In der schönen
Skizze zu dem « Mirabeau », die der Baron Denys-Cochin besitzt, hat Delacroix das
Motiv überwunden.
DIE FARBENLEHRE
Eine Ergänzung aller künstlerischen Erlebnisse seiner Jugend
fand Delacroix im Orient. Im Januar 1832 schifft er sich in
Toulon nach Marokko ein. Die Reise ist die wichtigste Station
seines Lebens^. Das halbe Jahr an der Küste Afrikas ist für seine
Entwicklung das gewaltige Stück Natur, das zu allen künstle-
rischen Einflüssen hinzukommen mußte, um ihnen Erde, Humus
' Näheres über die Reise in dem von Jean Guiffrey herausgegebenen Textband zu
dem faksimilierten Skizzenbuch des Louvre « Le Voyage de Eugene Delacroix au
Maroc » (Andre Marty, Paris 1909). Vor kurzem ist, ebenfalls auf Veranlassung von
Andre Marty, auch das schöne Skizzenbuch der Reise, das sich im Museum von
70 DIE FARBENLEHRE
zu geben, und bedeutet mehr als sie. Er fand in Marokko das
« Dictionnaire » für alle kommenden Bilder, die Motive, die seiner
Art angemessen waren, die Modelle, die er brauchte, die Farbe
für seine Palette, und mehr als alles das: das Land seiner Träume.
Das gilt im engen und im weitesten Sinne. Er hatte bis dahin die
Szenen seiner Bilder, die schon vor der Reise gern im Süden
spielen, erdacht, und zuweilen spürt man das Erdachte. Jetzt
findet er das Objekt für das geheime Sehnen seines Temperaments,
das immer im Norden fröstelte, das ein rätselhafter Wille der Natur
für diesen Süden bestimmte, auf den schon manches an der äußeren
Erscheinung des Menschen hinzuweisen schien. Er bleibt trotzdem
im vollen Besitz seiner Subjektivität, wird so wenig Orientalist,
wie er vorher Schlachtenmaler war oder Dante- oder Goethe-
bilder gemalt hat, aber entdeckt eine Heimat, das ideale Gefäß
für seinen Geist, so wie Greco in Spanien seine Heimat entdeckte.
Und wenn ihn vorher die ärmere Natur zum Glühen brachte, hier,
unter dem leuchtenden Himmel, flammte er.
Diese Europaflucht könnte als wohlbekanntes Symptom der
Romantik gelten, wüßten wir nichts Näheres über die Reise.
Delacroix war nichts weniger als Träumer und Dichter in dem
fremden Lande. Geträumt hat er von seinen Erlebnissen, als er
wieder in der Heimat war. In Marokko tat er nichts als seine
Augen gebrauchen. Er erscheint als Forscher. Die schönen
Skizzenbücher der Reise könnten einem genial begabten Ethno-
graphen gehören, der in das Land geht, um Sitten und Gebräuche
zu studieren. Sie sind voll von allen nur erdenklichen Angaben.
Wir können uns bei vielen, auch wenn alle auf dem Gebiet des
Sichtbaren liegen, kaum erklären, warum sie gerade ihm, dem
kühnen Dichter, wesentlich erscheinen konnten. Er beschreibt
eingehend in Wort und Bild die Kostüme der Männer und Frauen,
die er zuweilen nur mit Lebensgefahr zeichnen konnte; wie die
Leute der verschiedenen Klassen den Burnus binden, wie der
« Halle » gerafft wird. Unten auf einer Seite ermahnt er sich, zu
Chantilly befindet, faksimiliert und von Guiffrey herausgegeben worden. (J.Terquem
& Co. und P. Lemare, Paris 191 3.) Der Aufenthalt in Afrika dauerte vom 24. Januar
bis 28. Juni, wurde aber durch einen Ausflug von mehreren Wochen nach Spanien
(Cadiz und Sevilla) unterbrochen.
DIE FARBENLEHRE 71
lernen den Haik « a la mode de Tripoli » zu tragen. Natürlich
werden die verschiedensten Arten von Behausungen skizziert
und das, was darin vorgeht, das Leben des Alltags und das der
Feste. Er beschreibt mit minutiösen Einzelheiten eine jüdische
Hochzeit, und wir erleben in der Form einer objektiven, peinlich
genauen Darstellung die « Noce juive au Maroc » des Louvre,
die sieben Jahre nach der Reise entstand. Wir finden die Doku-
mente für Werke, die dreißig Jahre später entstanden. Fast gilt
von Delacroix dasselbe wie von Flaubert, von dem man sagen
könnte, jedes Wort sei durch Bände belegt. Und die Sicherung
unseres Gefühls ist in diesem Falle noch um vieles merkwürdiger.
Es gelingt uns leichter, uns vorzustellen, daß Delacroix aus der
Phantasie allein seine die Erde kaum berührenden Gestalten
schuf, als uns klar zu werden, daß er Dinge benützte, die auch
jeder von uns gesehen haben könnte. Nichtsdestoweniger ist dieser
Zusammenhang von Dichtung und Wahrheit das a und w seiner
ganzen Kunst.
Man hat sich oft gefragt, warum der begeisterte Verehrer der
Römer und Venezianer nie die geplante Reise nach Italien unter-
nahm; zumal nach Venedig, der Stadt des Veronese, dem er, wie
er einmal sagte, sein ganzes Wissen verdankte. Die Fahrt nach
Marokko ist die Antwort. Sie war eine Reise über Venedig und
Rom hinaus, ein dichterisches Erleben jener die Jahrhunderte
umfassenden Befruchtung des Okzidents durch den Orient, das
ihm keine Galerie Italiens zu ersetzen vermocht hätte. Vor den
Augen des Reisenden verwirklicht sich der kühne Traum von der
Vereinigung Raffaels mit Rubens, von der Wiederauferstehung
eines Veronese. Und noch Höheres. Er erblickte, nicht in Marmor
oder Erz, sondern in Fleisch und Blut, die Antike, seine Antike.
Die Leute in Tanger wirkten auf ihn wie wahre « personnages
consulaires » des alten Rom. In dem entlegenen Mequinez, dem
Endpunkt der Expedition, der er durch die Freundschaft des
französischen Gesandten zugeteilt war, scheint er keine skanda-
lierenden Wilde, sondern Tizian, Veronese, Tintoretto gefunden zu
haben.
Der afrikanische Himmel war das denkbar günstigste Ver-
suchsobjekt, um hinter das Physiologische der Venezianer zu
72 DIE FARBENLEHRE
kommen. Delacroix erkannte hier die Notwendigkeit, die Gesetze
der Optik für die Konfektion der Palette zu verwenden, die Chevreul
wissenschaftlich bestätigen sollte; die entscheidende Fortsetzung
Constables, die wesentliche Ergänzung der Koloristik des späteren
Turner. Auf eine der ersten Seiten des Skizzenbuches, das dem
Museum von Chantilly gehört, hat Delacroix folgendes Dreieck
gezeichnet :
Darunter steht:
« Des trois couleurs primitives se forment les trois binaires.
— Si au ton binaire vous ajoutez le ton primitif qui lui
est oppose, vous l'annihilez, c'est a dire vous en produisez
la demi-teinte necessaire. » Damit war das für die moderne
Malerei unentbehrliche Prinzip der « Contrastes simultanes des
couleurs » gegeben. Der Maler zog die Sonne, die Urheberin
aller Pracht, zur Mithelferin heran. Wie sich die Strahlen
in der Linse des Auges brechen, so mußten sie auf die Leinwand
kommen. Also vor allem keine schmutzigen Mischtöne mehr, kein
Anlehnen an den Zufall in der Patina alter Bilder, womit doch nie,
Reynolds und die anderen zeigten es deutlich, die Pracht der Alten
wieder zu erreichen war. Im Licht gab es keinen Schmutz, auch
nicht im Schatten des Lichtes. Das Schwarz oder Braun, mit dem
die Klassizisten die Modellierung machten, war eine ganz willkür-
liche Zutat. «Aj outer du noir n'est pas aj outer de la demi-teinte,
c'est salir le ton dont la demi-teinte veritable se trouve dans le ton
PRISE DE CONSTANTINOPI.E PAR LES CROISES, 1841.
5,00 : 4,13. (ROBAUT Nr. 734.)
LOUVRE, PARIS.
PHOTO BRAUN.
<endes Drf.
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(
DIE FARBENLEHRE 73
oppose que nous avons dit.» Und die Konsequenz: «De la, les
ombres vertes dans le rouge. » Er hat es an zwei Eingeborenen be-
obachtet: «Celui qui etait jaune avait des ombres violettes; celui
qui etait le plus sanguin et le plus rouge, des ombres vertes.»
Übrigens hatte Delacroix das Wesentliche dieses Gesetzes von der
Tönung einer Farbe im Schatten durch die Komplementäre
derselben Farbe im Licht, das ihm der Orient in tausend An-
wendungen zeigte, schon vorher in Paris entdeckt, und zwar
ebenso spontan, wie zu gleicher Zeit Goethe vor dem Krokus-
beet in Weimar. « Er war eines Tages — gegen 1830 — dabei,
einen gelben Vorhang zu malen und außer sich, weil es ihm nicht
gelang, dem Gelb den Glanz zu geben, der ihm vorschwebte.
Wie haben, fragt er sich, Rubens und Veronese ihre schönen
leuchtenden Gelbs erreicht? Er beschließt, in den Louvre
zu gehen und läßt einen Wagen holen. Man bringt ihm
eines der kanariengelben Kabrioletts, die damals im Gebrauch
waren. Wie er einsteigen will, hält er plötzlich inne und sieht zu
seinem Erstaunen, daß das Gelb des Wagens im Schatten Violett
erzeugt. Er entläßt den Kutscher, läuft die Treppen wieder hinauf
und gibt sich sofort daran, das soeben Gesehene auf die Leinwand
zu bringen. » Die Episode ist Charles Blanc entnommen, dem wir
die beste Darstellung der Entdeckerrolle Delacroix' verdanken^.
Die beste (die glänzende Analyse Signacs^ nicht ausgenommen),
weil er nicht die durch keine noch so rationelle Formel zu fassende
Gesetzmäßigkeit Delacroix' zu verengen versucht hat. Sein Hin-
weis auf die Tatsache, daß der Kolorist, da ihm die Bestimmung
der Mengen seiner chromatisch angeordneten Farben^ und un-
zählige Modifikationsmöglichkeiten bleiben, in seiner Gestaltung
nicht gehindert ist, findet sich auch in den Theorien der Spezialisten,
aber wird immer im Nebensatz behandelt, während er in Wirk-
lichkeit die Hauptsache betrifft. Die Farbenlehre blieb bei
' Grammaire des Arts du Dessin, zuerst in der Gazette des Beaux Arts vom
I. April 1866. Vgl. auch den Aufsatz Blancs über Delacroix in derselben Zeitschrift
vom I. Januar 1864, -wiederholt in Les Artistes de mon temps (Didot, Paris 1876).
' De Delacroix au neoimpressionisme (Revue Blanche, Paris 1890).
' Man denke an den glänzenden Vergleich mit der durch den Wind bewegten
Trikolore (Ziegler).
74 DIE FARBENLEHRE
Delacroix im Unterbewußtsein des Dramatikers. Sein Schwung
ließ die Farben zu Handlangern seiner Leidenschaft werden,
ohne sie ihrer Rechte zu berauben. Er dachte, wenn er
malte, nicht an den « Chronometer », den er sich, um die
gesetzmäßigen Wirkungsverhältnisse der Farben immer vor Augen
zu haben, gemacht hatte^. Er sah nur hin, wenn ihm der Dämon
Zeit ließ. Sein Genius war dem edlen Renner vergleichbar, der auch
in der rasendsten Bewegung das Ebenmaß der Glieder, ein stets
wechselndes Maß, behält.
Aber ebensowenig war er der Mensch, Erfahrungen unbenutzt
zu lassen, am wenigsten so elementare Erfahrungen, die seiner
ganzen Geistesart entsprachen. Der Mensch, dem nichts so ver-
haßt war, wie der Zufall, der in der Struktur des Bildes die « infer-
nale commodite de la brosse» über alles fürchtete und schon da-
mals in der von keiner Erkenntnis geleiteten Geschicklichkeit der
Hand das größte Hindernis gegen den Fortschritt sah — hätte er
geahnt, was diese «manie universelle» uns bescheren würde! —
dem mußte diese Farbenlehre, soweit er sie erkannte, zur Not-
wendigkeit werden. Nicht weil er sie brauchte, gerade weil er sie
nicht gebraucht hätte, weil sie dem Instinkt des Dichters so ent-
gegengesetzt wie möglich war. Er sah in ihr das, was alle vernünf-
tige Konvention dem adeligen Menschen bedeutet, ein Mittel gegen
die Willkür des Individuellen, in diesem Falle nahezu eine Hygiene.
Man kann nicht genug betonen, wie rein geistiger Art diese Hygiene
war. Wohl liebte Delacroix die Farbe als solche wie der Krieger
seine Waffe und hatte an der Palette, die er stets mit größter
Sorgfalt zusammenstellte, bevor er an eine neue Arbeit ging,
die größte, man darf sagen, animalische Freude. Nie aber
mischte sich ein verengender Materialismus in die Spekulation
des mit Farben deduzierenden Philosophen. Ja, er vernach-
lässigte sogar mit genialer Sorglosigkeit gewisse rein äußerliche
Vorsichtsmaßregeln des Handwerks, die der Erhaltung seiner
1 Pour l'application de ce Systeme (des Gesetzes von den Komplementäxfarben),
Delacroix s'6tait fait une espece de cadran en carton que l'on pourrait appeler son
chronometre. A chacun des degres etait dispose, comme autour d'une palette, un
petit tas de couleur qui avait ses voisinages immediats et ses oppositions diametrales.
(Th. Silvestre, E. Delacroix, Documents nouveaux, S. 17.)
DIE FARBENLEHRE 75
Bilder von Vorteil gewesen wären. Darüber hat uns Villot, derselbe,
dem wir die erste Nachricht von Delacroix' Beziehungen zu Con-
stable verdanken, eine lehrreiche, wenn auch nicht ganz gültige
Nachricht hinterlassen. Sensier hatte in einem Aufsatz über die
Restauration der Kuppel des Luxembourg auf Delacroix' Sorgfalt in
der Bereitung des Malgrundes usw. hingewiesen^ Darauf antwortet
Villot in einem Brief an Sensier: «Delacroix war, solange er lebte,
unfähig, eine gute Leinwand von einer schlechten, haltbare Farben
von schädlichen und vergänglichen zu unterscheiden. Sobald ihm
das Korn der Leinwand oder die Nuance der Farbe gefielen, waren
alle Warnungen, um ihn von der Verwendung solcher Materialien
abzuhalten, vergebens. Ich habe es mehr als tausendmal erfahren.
Trotzdem sich seine Bilder schon nach sehr kurzer Zeit ver-
änderten und er diese Veränderungen bitter beklagte, konnte er
sich nie entschließen, von dem bequemen, aber gefährlichen Asphalt
und den fetten Ölen zu lassen oder Stellen, die noch naß waren
und die er ändern wollte, zu übergehen. Die einfachsten Elemente
der Physik, der Chemie und der Mathematik (Perspektive) gingen
ihm vollständig ab; die exakten Wissenschaften waren ihm toter
Buchstabe und fast zuwider ( ?). Die Leute, die sich damit abgaben,
mit dem Kompaß arbeiteten, saubere Linien zogen etc., nannte er
C o 1 1 e u r s. Ich war für ihn der Colleur par excellence. In dieser
Eigenschaft bediente er sich meiner bei gewissen Anlässen, die ihn
langweilten und ihm im Grunde gleichgültig waren. Aber wenn
sein Colleur ihn von seiner schrecklichen Methode abbringen wollte
und ihm bessere, die seit drei Jahrhunderten von Paul Veronese,
Tizian, Rubens usw. befolgt wurden, vorschlug, antwortete er,
obwohl ich ihm die Beweise und die zeitgenössischen Schriften vor
Augen hielt, stets mit derselben Frage: «Sind Sie dessen wirklich
sicher?» Dieser stereotype Satz wollte höflich sagen: «Schere dich
zum Teufel! ich habe vielleicht im Grunde unrecht, aber will vor
allem nach meiner Idee handeln und mir genug tun.» Und selt-
sam, derselbe Delacroix, der uneigennützigen, auf wissenschaft-
liche Tatsachen gestützten Ratschlägen so unzugänglich war, fiel
auf alle Erfindungen der Farbenhändler herein, obwohl er mehrere
' In der Revue internationale de TArt et de la Curiosit6 vom 15. Juli 1869 unter
dem Pseudonym Jean Ravenal.
76 DIE FARBENLEHRE
Male grausam dafür bestraft wurde. Aufsaugende, halbsaugende
Leinwand, Kombinationen von Wachs, öl und den Firnissen (die
schon Reynolds so schlecht bekommen waren), neue, unsolide
Farben, alles das fand in ihm einen Bewunderer, sobald es den
Bedürfnissen des Augenblicks entsprach. Dasselbe wiederholte sich,
wenn es galt, seine Bilder in Wölbungen oder Plafonds anzubringen.
Ich konnte ihm noch so oft empfehlen, die Dekoration in zahl-
reichere Stücke zu zerlegen und die Teile nach der Methode der
Dekorateure, die die großen Plafonds der Theater malen, zu
befestigen (übermalte Nägel anzubringen, d. h. ein Verfahren, das
im Falle eines Unfalls erlaubte, das Leinwandstück von der Mauer
oder dem Balken zu entfernen) : alles vergebens. Er hielt sich aus-
schließlich an die Erfahrung der Herren Haro senior und junior »^
Wir dürfen bei dieser Epistel nicht vergessen, daß der Schreiber
zu der besonderen Kategorie von Malern gehörte, die sich mit der
Restaurierung von Bildern beschäftigen. Einige Hauptwerke des
Louvre tragen noch heute die unglücklichen Spuren Villotscher
Tätigkeit; zumal der große Veronese, den Villot nach dem Worte
Delacroix', «unter sich tötete »2. Delacroix sah in dem Freund,
mit dem er gern verkehrte, tatsächlich das, was dieser vermutete.
«Le bon Villot,» sagt er einmal, «qui ne peut rien tirer de son
fonds sterile, est orne des connaissances les plus variees et les
plus inutiles ; il a ainsi la satisfaction de se trouver ä tout instant
superieur a l'homme le plus rare ou les plus eminent, qui ne
Test dans une partie oü il excelle »^. Übrigens hat sich später
Delacroix mit seinem C o 1 1 e u r überworfen*.
' Villot schreibt der Beteiligung der beiden Haro (der Leibhändler Delacroix')
die Schicksale der Monumentalmalereien Delacroix' zu, von denen die Dekoration
des Luxembourg bekanntlich eines Tages von der Kuppel herunterfiel und nur mit
großen Schwierigkeiten restauriert werden konnte. Der Louvreplafond mußte neu
geklebt werden und die Dekorationen der Chambre des deputes sind in ruinösem
Zustand. Der erste Teil des ausführlichen Briefes gibt interessante Details über
Delacroix' Konzeption seiner literarischen Motive. Den Brief hat Toumeux in seinem
ausgezeichneten Buch « Eugene Delacroix devant ses Contemporains » (Jules Rouam,
Paris 1886) veröffentlicht.
- Journal II, S. 237.
^ Journal II, S. 100.
' Vgl. den im Anhang unseres Buches veröffentlichten Brief an Schwitervom27. 1.61.
DIE FARBENLEHRE 77
Der von Villot behaupteten Abneigung Delacroix' gegen die
Wissenschaft widerspricht nicht nur das Verhältnis des Meisters
zur Farbenlehre, sondern alles, was wir von seiner Lebensan-
schauung wissen. Er war nur gegen das unnütze Wissen eines
Villot, nicht gegen eine Wissenschaft aus geistigen Quellen und
geistigen Grades. Ich erinnere an die Spazierfahrt mit Chopin im
Frühling 1849, von der eine schöne Seite im Journal berichtet.
Der Freund hatte ihn über den Kontrapunkt und die Fuge unter-
richtet, «die reine Logik in der Musik». Dieser Ideengang führt
Delacroix zu einem Exkurs über die Wissenschaft. «La vraie
Science n'est pas ce que Ton entend ordinairement par ce mot,
c'est a dire une partie de la connaissance differente de l'art, non!
La science envisagee ainsi, demontree par un homme comme
Chopin, est l'art lui meme, et par contre l'art n'est plus alors ce
que le croit le vulgaire, c'est a dire une sorte d'inspiration qui
vient de je ne sais oü, qui marche au hasard et ne presente que
l'exterieur pittoresque des choses. C'est la raison elle-meme ornee
par le genie, mais suivant une marche necessaire et contenue
par des lois super ieures»^.
Trotzdem hat Villot, nicht im wesentlichen, aber in der Einzel-
heit, recht. Wohl verschmähte Delacroix nicht, sich um alle großen,
kleinen und kleinsten Fragen des Handwerks zu kümmern, und
die Frage nach den besten Pigmenten und Firnissen gehört sicher
nicht zu den kleinen. Aber er ließ sich im gegebenen Moment ver-
führen, wäre mit seinem Pensum, wenn er anders gehandelt hätte,
nicht fertig gev/orden, vergaß die Vorsicht, eigene Erfahrung und
gute Ratschläge, wenn es höhere Interessen galt.
Das beweist manches Bild Delacroix' zumal aus der frühen und
mittleren Zeit, das nur noch die Ruine des Palastes ist, den der
Meister mit unzureichendem Baumaterial errichtete. Gerade viele
Bilder, die auf die Marokkoreise folgten, z. B. die « Noce juive »,
im Louvre, haben am schwersten gelitten. Freilich triumphiert
der Geist auch noch in diesen Fragmenten über die Materie. Sie
sind wie die Münzen der Alten, denen keine Abnützung die Größe
zu rauben vermag, weil sie groß komponiert sind.
' Journal I, S. 365.
78 DIE FARBENLEHRE
Das erste leuchtende Resultat des Koloristen war das Louvre-
bild « Femmes d'Alger dans leur appartement », von 1833; das
letzte wurde erst mit dem letzten Bilde seiner Hand erschöpft.
Die Entwicklung des Farbigen ist mindestens fünfundzwanzig Jahre
lang von der Reise nach Marokko an im stetigen Fortschritt.
Und zwar sei unter dem Farbigen nicht nur die aus der Palette
gewonnene Harmonie verstanden, sondern auch das, was die
mechanische Behandlung der Farbenpartikel ergibt. Delacroix
vergaß nie, daß eine Fläche, auf der die Farbe in mehreren Strichen
verteilt ist, eine viel reichere Wirkung hervorbringt als eine, auf
der dieselbe Farbe in einem einzigen Pinselstrich aufgetragen
wurde. So wenig er sich verleiten ließ, aus dem Strich ein be-
sonderes Zeichen seiner Persönlichkeit zu machen — was uns
nicht hindert, seine Art in jedem Strich zu erkennen — , so wenig
übersah er die Hilfen, die aus dem Ziselieren des Farbenflecks
zu erreichen waren. Auch darin brachte er es mit den Jahren zu
einer Meisterschaft, die um so erstaunlicher wirkt, je verhüllter
sie auftritt.
Die « Femmes d'Alger » zeigen die ganze Pracht der Palette
und die Weisheit des Koloristen, der aus dem Pigment die größte
Wirkung gewinnt. Die Rot und Grün, Orange und Blau mischen
sich im Auge zu reinen Harmonien. Delacroix hat sie nicht immer
rein nebeneinander gesetzt, aber durch ein Spiel von verwandten
Tönen wenigstens so genähert, daß der Kontrast erreicht wird.
So findet man das Rot mit Orange gemischt, das Blau mit
Grün. Die verwandten Farben liegen oft in kleinen Strichen über-
einander. Das Gelb wird durch Rot gekräftigt, das Orange gewinnt
durch kleinere Teile von Gelb ein erhöhtes Leuchten. Der Be-
trachter, der nicht näher tritt, glaubt an eine starke Beteiligung
grauer Mischtöne. In Wirklichkeit bildet er selbst erst das Grau.
Es entsteht aus Rosa und Grün auf Weiß usw. Diese unbewußte
Beteiligung des Betrachters, die sich bei jedem Schritt ändert,
gibt den Reichtum des Bildes. Es ist, als wäre der ganze Orient
in diesem stillen Raum mit der glitzernden Fayencewand
und dem unerhörten Prunk der Stoffe eingeschlossen. Die
Frauen liegen da wie träumende Schlangen, die ein tier-
anbetender Kult mit Juwelen schmückt. Es muß ein merk-
DIE FARBENLEHRE 79
würdiger Eindruck gewesen sein, in demselben Salon von 1834
dieses Bild neben der Schlacht von Nancy zu sehen, die erst damals
ausgestellt wurde. Das Blumige des erregten Schlachtenbildes wirkt
schwach neben der Kostbarkeit des stillen Harems^. Doch war der
Harem erst der Anfang. Das Bild zeigt noch nicht die volle Kon-
sequenz des Koloristen. Noch sind die Fleischteile — wenn auch
mit größter Meisterschaft — gesondert behandelt, ohne die Farben-
teilung, die den Stoffen und den Einzelheiten des Raumes die
Pracht gibt. Noch fehlt das Selbstverständliche in der Handhabung
des komplizierten Mittels. Das Bild bedeutet für den Koloristen
dasselbe wie die «Dantebarke» für die erste Zeit. Mit den zwanzig
Jahre später entstehenden Werken verglichen, wirkt die Pracht
materiell. Freilich, was hätte besser den Spiritus loci schildern
können als diese ungeistige Schönheit! In der späteren kleineren
Variante zu dem Bilde- hat Delacroix diesen Eindruck gemildert.
1840 entsteht die «Justice de Trajan» mit der schönen Gruppe
zu Füßen des sprengenden Cäsars, eins der Lieblingsbilder des
Meisters. « Brillant quoique en general le ton soit sombre, » notiert
er in sein Tagebuch, als er es später in einer Ausstellung wieder-
sieht, glücklich, keine Enttäuschung zu erleben^. Das Bild hat die
rauhe Luft von Rouen nicht vertragen. Von der Farbe ist nur das
« Sombre » übriggeblieben. Das « Brillant » hat die Zeit und die
Arbeit der Restauratoren verzehrt. Doch kann es auch in Zeiten
seiner Pracht nur die Vorstufe für ein gleich darauf entstandenes
Werk gewesen sein, das noch heute, als Zentrum des Louvre-
' Zu den wenigen Kritikern, die der Bedeutung des Werkes gerecht wurden, gehörte
Alexandre Decamps, der Bruder des Malers, Verfasser von « Le Musee, Revue du
Salon de 1834», (A. Ledoux, Paris 1834), mit radierten Reproduktionen, u. a. nach
den « Femmes d 'Alger ». Auch Laviron (Le Salon de 1834, L. Janet, Paris 1834)
lobte « la rare finesse du coloris » und « la transparence extraordinaire », konnte sich
aber, wie die meisten, selbst die milderen Kritiker, nicht enthalten, die Zeichnung
zu tadeln ; der ewige Refrain aller Einwände. Immerhin sieht Laviron in dem Bilde
das bisher vollkommenste Werk Delacroix'.
' Diese Variante erschien im Salon von 1849 (Robaut Nr. 1077), heute im Museum
von Montpellier. A. Bruyas, der frühere Besitzer, meint in seinem interessanten
Galeriewerk («La Galerie Bruyas», J. Claye, Paris 1876), Delacroix sei, als er die
Variante malte, von Correggio « besessen » gewesen, und nennt das Bild von allen
« le plus corregesque ». ( ?)
" Journal I, S. 386.
8o DIE FARBENLEHRE
saals, als Zentrum der Kunst des 19. Jahrhunderts, in vollem
Glänze erstrahlt.
Die « Eroberung von Konstantinopel »gilt manchem Nüchternen als
Theater. Was könnte es anders sein? Es fragt sich nur, welche
Art von Theater, ob die Bühne und ihr Spiel würdig ist oder nicht
und ob das Gleichnis zustande kommt. Schließlich kommt es auch
darauf an, ob wir zu folgen verstehen. Das Bild ist Theater wie
jenes riesige Festspiel des Veronese im Louvre, « Die Hochzeit
von Canaa », an die der farbige Dunst auf dem Delacroix erinnert;
Theater wie das Begräbnis von Courbet und Manets Olympia, wie
Renoirs Tanz im Luxembourg und Cezannes Stilleben. Wehe dem
Bilde, das nicht Theater ist! Delacroix spielt die erhabene, die
größte Gattung, zu der es gefesselter Sklaven, strahlender Ritter,
hoher Säulen und riesiger Hintergründe bedarf. Wer die Gebärden
innerhalb dieses Theaters nicht für echt, sondern für theatralisch,
wer die Architektur dieser Säulen oder den Hintergrund für
Kulissen nimmt, der sieht nicht das Spiel. « Die Eroberung von
Konstantinopel » ist die Erfüllung des Versprechens, das Dela-
croix mit dem « Massacre » gegeben hatte. Die kahle Fläche
zwischen den grandiosen Bruchstücken, deren Schönheit hier,
in den Gruppen des Vordergrundes verzehnfacht, wiederkommt,
hat sich gefüllt, und alle Teile des Riesengemäldes wirken wie dort
ein Detail. So ein Detail, das schönste, ist hier die Frauengruppe
auf der rechten Seite zu Füßen des gewaltigen Ritters. Aus dem
herunterhängenden Haar der Frau, die sich über die Leiche bückt,
tropft Gold. So schön das ist, so unwiderstehlich der göttliche
Rücken dieses Weibes den Blick anzieht, man bleibt nicht haften.
Dahinter winden sich, halb im Schatten, andere wunderbare Ge-
stalten. Der Rücken ist nur ein Beginn. Auf der anderen Seite
wartet die Gruppe mit dem barhäuptigen Greis, um die Form, die
unser Auge pfeilschnell bildet, zu ergänzen. Der gebogene Hals
des Rosses Balduins und Balduin selbst weist darauf hin. Aus
Lichtern entsteht ein sicher wirkendes Dreieck. Von dem Greis
steigt dasselbe Spiel über belebte Treppenstufen zu der Gruppe
zwischen den Säulen hinauf; nochmal, auf einem zweiten Plan,
ein Gegenspiel für den Frauenrücken. Die Säulen schnellen den
Blick noch höher hinauf, und nun empfängt er mit aller Wucht
L'ENLEVEMENT DE REBECCA, 1846.
0,82 : 1,00. (ROBAUT Nr. 974.)
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DIE FARBENLEHRE 8i
das kolossale Zentrum des Bildes, dieses wie ein Herz wirkende
Bündel der Reiter mit ihren Fahnen. Die unendliche Perspektive
im Hintergrund ist gerade groß genug, um die Wallung zu ver-
teilen.
Ich will mit dieser Tonleiter nicht behaupten, so sähe jeder das
Bild. Es gibt tausend andere Stufen. Man kann im Hintergrund
anfangen und zu den Reitern emporsteigen, kann von den Reitern
aus Umschau halten, sich von den Säulen in die Ebene stürzen:
immer wird irgendwo die Schwingung den Blick fassen und ihn
durch alle Winkel, über alle Täler und Höhen geleiten. Die Un-
ebenheiten dieses scheinbar so unsymmetrischen Gebildes werden
den Blick nicht verwirren, sondern stählen, und schließlich wird
das Spiel — nicht die naturgetreue Historie, nicht das echte Detail,
sondern das Verbindende, der Rhythmus, das Theater — die not-
wendige, hier mit wunderbarem Takt respektierte Fiktion über-
winden und uns jene Wirklichkeit geben, für die wir nur ganz
allgemeine Begriffe wie Reichtum, Frohsinn, Gesundheit als
Namen zu finden wissen.
Mit der « Eroberung Konstantinopels » erringt Delacroix
einen jener Siege, die in der Geschichte der Kunst stehen
v/ie entscheidende Wendepunkte der Weltgeschichte. Es be-
deutet für die Neuzeit ebensoviel, wie das « Embarquement
pour Cythere » für das Dixhuitieme. Es bedeutet mehr. Kein
Spiel, dem die Zeitgenossen mit lässiger Zärtlichkeit, dem
wir verwundert mit neidischen oder fremden Augen zusehen,
ist sein Inhalt. Wir einen uns leichter mit diesen wehenden Fahnen,
mit dem Eroberer, der diese Eroberung malte, als mit der genialen
Tändelei eines Watteau, der ein primus inter pares war. Ein einziger
rief der verarmten und verirrten Epoche neuen Enthusiasmus zu,
bewies, daß einer allein kraft seiner Einsicht, kraft seines Macht-
bewußtseins, kraft seiner eigenen Gesittung fähig sei, alle ver-
lorenen Schätze zurückzubringen und zu erneuen. Der Enthusias-
mus übertrug sich auf die Betrachter. Leute in farblosen Röcken,
die nichts von Kreuzfahrern hatten, nicht viele, aber nicht die
schlechtesten, standen davor mit leuchtenden Augen und fühlten
ihre heimliche Kreuzfahrt, hinweg von dem drückenden Joch der
David-Schule zur Freiheit, hier zu flammenden Farben werden.
Meicr-Graefe, Delacroix 6
82 DIE FARBENLEHRE
Ein Dutzend Jahre später, als die Weltausstellung von 1855 dem
Meister die ersten großen Triumphe bereitete, waren ihrer schon
mehr geworden. Noch heute überträgt sich der Enthusiasmus auf
jeden fühlenden Betrachter, und auch heute noch steigen zu dem
Werke wie zu einem Heiligenbilde die Hoffnungen derer hinan, die
eine Erlösung von den Dumpfheiten der Zeit erwarten.
Für Delacroix war das Bild eine schmetternde Ouvertüre,
Die Struktur der Bilder wird mit den Jahren immer reicher.
Er sagte einmal zu Baudelaire, als sie über Technik sprachen:
« Ein gutes Bild, das dem Traum, der es geboren hat, treu ist und
ihm gleichkommt, muß wie eine Welt geschaffen sein. Wie die
Schöpfung, die wir vor Augen haben, das Resultat vieler Schöp-
fungen ist, von denen die früheren immer von den folgenden ver-
vollständigt werden, so besteht ein harmonisch vollendetes Bild
aus einer Reihe von übereinander gelegten Bildern, und jede neue
Lage gibt dem Traum größere Realität und nähert ihn um einen
Grad der Vollkommenheit. » Es ist das Bekenntnis eines alten
Meisters. Delacroix hat in der Tat meistens mit Tempera unter-
malt und dann mit mehreren ölschichten gedeckt. Sein Ideal war,
die Tempera mit der öltechnik zu kombinieren^. Nichts lag ihm
ferner als die Primamalerei eines Manet, der das Schicksal des
Bildes auf das Gelingen des « premier coup » setzte und daher dem
Pinselstrich alles überließ. Delacroix' Temperament hatte längeren
Atem und erlaubte jede Differenzierung des Ausdrucks. Der feine
Haarpinsel, mit dem er seine Bilder vollendete, wurde ihm zur
Feder. Er schrieb damit^. Aber noch energischer wies er das isolierte
Ausführen des Bildes zurück, das in der Davidschule üblich war.
Jede Bildschicht ging über das Ganze und stellte einen in sich
abgeschlossenen Zustand dar, der sich wiederum nur im Ganzen
verändern ließ. Früher, als er nicht die Technik besaß, die mit
' Vgl. Andrieu in dem Kommentar zu den Paletten Delacroix' in « La Galerie
Bruyas ». (Mehrere der Paletten Delacroix' von der Jugend bis zur Spätzeit sind
hier farbig schematisch reproduziert.) Auch Bruyas selbst hat in demselben Werk
manchen interessanten Beitrag zur Technik Delacroix' erbracht. Vgl. endlich auch
die Vorrede zu dem Katalog der Vente de M. F. V. vom ii. Februar 1865 (Vente
Frederic Villot).
' Ueber seine Pinsel vgl. La Galerie Bruyas S. 359, 360.
DIE FARBENLEHRE 83
Übermalungen rechnete, hat das Verfahren zuweilen üble Folgen
gehabt. Später wurde es geradezu zu einer Bedingung für das
letzte Resultat. Ich glaube nicht, daß Delacroix jede Wirkung
seiner Farbenschichten wie ein alter Meister vorausbestimmte —
er sagt selbst einmal, oft habe sich ihm das Bild unter der Hand
verändert — , er rechnete instinktmäßig damit und gewöhnte sich
immer mehr daran, so dünn wie möglich zu malen. Daher die
wunderbare Durchsichtigkeit, die zuweilen an die Malerei Grecos
erinnert, und gleichzeitig die Dichtigkeit des Gewebes. « La pein-
ture de Delacroix est comme la nature », schrieb Baudelaire über
den ersten «Raub der Rebekka » von 1846, «eile a horreur du
vide ». Baudelaires kluge Bemerkung paßt noch viel besser auf
die sowohl in der Komposition wie in der Farbe wesentlich
verbesserte zweite Fassung des Bildes von 1859, heute im Louvre,
einer der Gipfel des Meisters. Die Kurve von dem kühn gebogenen
Pferd über den die Rebekka tragenden Ritter hinweg zu dem
Schildknappen zuckt wie ein roter Blitz aus dem rauchenden Ge-
mäuer hervor und schlängelt sich doch so geschmeidig durch das
Bild wie ein Bach durch üppiges Gefilde.
Einer der Gipfel, vor dem Publikum und Kritik gemeine Witze
rissen. Robaut nennt die Art, wie das Bild im Salon beurteilt wurde,
den schmählichsten Skandal seiner Kritikerlaufbahn, und Burty den
ganzen Salon von 1859 ein «veritable Waterloo» des Meisters.
Man muß bei Burty die gelassenen Dankschreiben Delacroix' an
die wenigen Kritiker, die für ihn eintraten, lesen, um ein Bild des
Menschen zu erhalten. Seine Freunde gaben die wildesten Angriffe
in einem Bändchen heraus, das man heute mit der melancholischen
Empfindung durchblättert, ob sich der Unsinn nicht bei passender
Gelegenheit in wenig gemilderter Form wiederholen würde^.
Das war einer der Gipfel unter vielen anderen. Ich kann mir
Leute denken, die eine der winzigen, wie fließendes Blut leuchten-
den Legenden, wie z. B. jene Befreiung Angelicas durch Roger,
aus dem Jahre 1847, in derselben Sammlung Thomy Thiery, über
alles stellen; andere, die dem farbentrunkenen und wuchtigen
Hauptbild der «Eroberung Konstantinopels» die zehn Jahre später
' Les Quatorze Stations du Salon 1859 suivies d'un recit douloureux. (Poulet-
Malassis et de Broise, Paris 1859.)
6*
84 DIE FARBENLEHRE
entstandene kleinere und stillere Fassung in der Sammlung
Moreau, wegen ihrer reicheren Atmosphäre, wegen der höheren
Subjektivität des Malers und des Komponisten vorziehen; wiederum
andere, die das Ritterliche und Prächtige seiner Reiterkämpfe
oder die Mystik der Christusbilder oder die Wildheit einer
Tiger jagd als höchste Gipfel bewundern. Und sie haben alle
recht, die einen wie die andern, wie Leute, die den Morgen dem
Mittag, den Mittag dem Abend, den Abend dem Morgen vorziehen.
Innerhalb der zwanzig Jahre vom Erscheinen der «Eroberung
Konstantinopels» bis zum Tode kann der Forscher allerlei kon-
statieren, Entwicklungen hierhin und dorthin, Bereicherungen,
Vereinfachungen, eine immer Neues erfindende Verfeinerung in der
Ökonomie der Mittel, die sowohl in stark bewegten wie in ruhigen
Motiven, in Bildern mit reicher und in solchen mit beschränkter
Palette zutage tritt; nur findet er keinen bestimmten Anhalt, das
eine Werk über das andere zu stellen. Jedes oder fast jedes hat die
Vollkommenheit einer in den zwanzig vorhergehenden Jahren vor-
bereiteten Art, erfüllt das Ideal einer Gattung. Wohl kann der
kühne Eroberer immer noch höher. Nie fühlt er sich am Ende, nie
hat er alles gesagt. Auf seinem letzten Krankenlager, während der
sieche Körper zerfällt, stürmen im Geiste die Bilder. « In meinem
Hirn kocht es», murmelt er. «Wenn ich wieder gesund bin, mache
ich wunderbare Dinge »i. Das Wunder steht immer über ihm, in
den letzten Jahrzehnten wie in den ersten. Aber während man an-
fangs verfolgen kann, wie sich der Meister des Dantebildes zum
Licht erhebt, entgeht unserem unzureichenden Auge später, wo
immer zahlreichere Elemente an der Bewegung teilnehmen, ihr
Tempo. Farben, Flecken, Dinge entwickeln sich in der ersten Zeit.
Schon das Vertrautwerden mit seinem unübersehbaren Personal
gibt Bewegung. Nachher zieht langsam und majestätisch ein
Gestirn.
Um so enden zu können, mußte Delacroix mit einem «Massacre
de Scio» anfangen. Das Geheimnis der Entwicklung eines großen
Künstlers besteht vielleicht nur darin, seine Erregung durch immer
engere Kanäle zu pressen. Dazu gehört die brutale Kraft der Erst-
• Theophile Silvestre hat in den zitierten « Nouveaux Documents » genau die
letzten Tage beschrieben.
DIE FARBENLEHRE
85
lingswerke. Die hatten viele, Gros und Gericault. Gericault hatte
vielleicht noch mehr davon. Aber es gehört notwendiger ein anderes
dazu, der Geist, der die Kanäle erfindet, das Göttliche jenseits der
Kraft, das die angeborenen Gaben der Natur unablässig zu höherem
Nutzen treibt, die weise Ökonomie der Verteilung, die Fähigkeit,
die Kunst jung zu halten, auch wenn des Körpers Kräfte versagen.
Ein ganz ungebrochener Jugendmut malte den zweiten «Raub der
Rebekka». Die Malerei scheint in dem Bilde glühende Zungen zu
bekommen. Ihr Schöpfer hatte damals die Sechzig überschritten
und widerstand nur mit spartanischer Hygiene den Gebrechen
des Leibes. « J'ai trouve la peinture lorsque je n'avais plus ni dents,
ni Souffle.»
'S^'^i
V--
DIE DEKORATION
Die Monumentalkunst Delacroix' zeigt den gleichen Aufstieg.
1 86 1 , zwei Jahre vor dem Tode, war die Dekoration der Kapelle
in der St. Sulpice vollendet. 1833 hatte ihm Thiers den ersten Auf-
trag ähnlicher Art verschafft, den Schmuck des Salon du Roi im
Palais Bourbon. Zwischen den beiden Endpunkten liegen nicht
weniger als noch sechs umfangreiche Monumentalaufgaben^ Die
' 1833 — 37, Salon du Roi, Palais Bourbon (öl).
1834, Drei Freskenversuche für Supraporten in Valmont.
1843, Pietä. Kirche St. Denis du St. Sacrement, Paris (Wachsmalerei auf die
Mauer).
1
90 DIE DEKORATION
Summe entspricht der Lebensarbeit eines recht fleißigen Fresken-
malers des Quattrocento. Die Serie spiegelt die Entwicklung von der
«Dantebarke» an bis zu den Bildern der Reife, gedämpft und ver-
einfacht, nicht weniger deutlich. Die Rücksicht auf die Bestimmung
der Arbeiten schloß das Experimentieren aus. Wir begegnen keinem
«Massacre» und keinem «Sar danapal». Die Bewegung der Re-
aktionen des Künstlers sendet in diese großen Flächen nur ge-
glättete Wellen, bis der Meister fertig ist und dann im größten
Rahmen die Vorteile des Siegers erweist.
Im «Salon du Roi» des Palais Bourbon sind die nackten Ge-
stalten der « Dantebarke » vereinfacht. Dabei tritt deutlicher als
sonst im Werke Delacroix' der Meister hervor, zu dem er sich nächst
Rubens am meisten hingezogen fühlte, auch wenn er es vielleicht
nicht unumwunden zugab: Michelangelo. Ein von weicher
Malerei gedämpfter Michelangelo. Gleich bei dieser ersten Aufgabe
großen Stils zeigt er den edlen Rationalismus, zu dem sich sein
erhabenes Vorbild nicht immer gleich willig verstand. Er unter-
wirft seinen Genius einem endlichen Zweck, legt ihm die jedem
Staffeleimaler und zumal einem solchen Staffeleimaler ungewohnte
Fessel eines von der Architektur diktierten Gefüges an und äußert
sich trotzdem, wenigstens in dem Hauptteil des Werkes, so
vollendet, daß die Fessel zu einer Qualität wird. Karyatiden, die
Flüsse und Meere Frankreichs, teilen die Wände. Solche Kolossal-
gestalten, Nachahmungen der Plastik, gehören seit der fran-
zösischen Renaissance zu den Requisiten der großen Dekoration.
Sie behalten auch bei Delacroix etwas von ihrer traditionellen
Rolle, aber dies ist mehr ein Schmuck ihrer Art, mehr Zeichen
einer guten Erziehung als ihr eigentliches Wesen. Sie bereichern
sich um ein Element, das ihren vielen Genossen auf der langen
Reise allmählich abhanden kam, sind lebendig. Ihr Dasein beruht
1838 — 47, Bibliothek des Palais Bourbon. (Die beiden großen Halbkreise Wachs-
malerei auf die Mauer; die 20 Kuppelbüder [5 Kuppeln mit je 4 Bildern] 01
auf Leinwand.)
1845 — 47, Bibliothek des Palais du Luxembourg. Die Kuppel, Halbkreis und
4 Sechsecke (öl).
1849—51, Plafond d'Apollon, Louvre (öl).
1849 — 53, Salon de la Paix im alten Rathaus. Verbrannt, (öl auf geleimte Lwd.)
1849 — 61. St. Sulpice (Fresco).
I
DIE DEKORATION 91
nicht auf einem schwachen Reflex der Plastik, sie sind aus dem
Farbigen gewonnene Geschöpfe, in einem sehr diskreten, fast
grisaillenhaften Blond gemalt, das sich unmerklich zu einer bei
aller materiellen Beschränkung der Palette reichen Tonfülle aus-
dehnt. Diese Malerei erlaubt nicht das strenge Gepränge der edlen
Gestalten eines Jean Goujon, noch die proletarische Wucht der
Riesen Pugets. An die Stelle des Pathos der Epigonen, das nicht
immer die Hohlheit verbirgt, tritt der weiche urbane Anstand eines
neuzeitlichen Geistes, der sich rnit einem Lächeln zu der pomp-
reichen Rolle versteht.
Diese Karyatiden sind der einzige Teil des Raumes, der einiger-
maßen gut belichtet ist, und daran mag es liegen, daß sie den Rest
der Dekoration so weit übertreffen. Die Friese und der Plafond
haben so wenig mit den schönen Pilastern gemein, daß man
glauben könnte, sie seien von anderer Hand^. In dieser Disharmonie
der Teile zeigt sich der Anfänger. Vielleicht wäre sie vermieden
worden, wenn Delacroix die Dekoration in einem Zug und al fresco
gemalt hätte. Während er bei der Arbeit war, versuchte er sich in
Valmont mit ein paar antiken Motiven kleinen Umfanges, und ein
Brief darüber an Villot bezeugt, daß ihm die Vorteile des Fresco
nicht verschlossen blieben-. Aber man kann zweifeln, ob er in
diesem Stadium nicht Fiasko gemacht hätte. Sein Ausdrucks-
vermögen war damals viel zu sehr auf die pastose Art der Öl-
malerei gestützt, und die Hand besaß noch nicht die notwendige
Schnelligkeit der Bewegung.
Die Bibliothek desselben Palais beherbergt Delacroix' monu-
mentales Hauptwerk der vierziger Jahre, eine vielgegliederte und
sehr schön gegliederte, an zahllosen Schönheiten reiche, nie über-
ladene Schöpfung, das Werk einer fruchtbaren Phantasie und ein
vielleicht noch überzeugenderes Dokument der Selbstzucht. Der
lange Saal hat sehr schöne Verhältnisse, und die Einteilung des
' Doch ist von der Mitarbeit eines Schülers nichts bekannt. Mit dem Maler Lassalle-
Bordes, der ihm bei der Bibliothek des Palais de Bourbon half, trat Delacroix erst
1838 nach der Vollendung des Salon du Roi in Verbindung. Andrieu wurde erst 1845
sein Schüler.
' Fragmentarisch mitgeteilt von Robaut, als Kommentar zu Robaut, Nr. 545,
546, 547. Fehlt in der Burtyschen Sammlung der Lettres.
92 DIE DEKORATION
Plafonds in die fünf Kuppeln ist eine selten schöne architektonische
Lösung, die Delacroix glänzend benützt hat. Doch fragt es sich,
ob der Raum für einen Künstler geeignet war, der sich nicht mit
Ornamenten begnügte. Es geht uns hier wie bei so vielen Monu-
mentalwerken der größten Meister. Die Bewunderung beschwich-
tigt nicht das Bedauern des Betrachters, dem Fluge der Erfindung
nicht so in allen Einzelheiten folgen zu können, wie es der Wert
des Gebotenen verlangt. Das Auge stolpert über die fünf Kuppeln,
von denen jede einzelne immer neue Bilder zeigt. Man besitzt
nicht die Gelassenheit, auf die die Bescheidenheit des Schöpfers
rechnete, das Mannigfaltige mit der Selbstverständlichkeit hinzu-
nehmen, mit der man rein schematischen Wiederholungen in
denselben Kuppeln gegenüberstehen würde. Man darf aus diesem
Eingeständnis nicht den leisesten Vorwurf gegen den Meister
herauslesen, nur einen Vorwurf gegen uns selbst, gegen unsere
Armut, der die einfältige Hinnahme des Großartigen fremd ge-
worden ist. Das Preziöse unserer Kunst hat die Organe künst-
lerischen Aufnahmevermögens zu sensibel gemacht. Wir sind zu
sehr gewöhnt, in alle Ecken zu blicken und das Kleine und Kleinste
zu genießen, und schrecken zurück, wenn der Ecken zu viel werden,
auch wenn jede vollkommen eine maßvolle Harmonie erfüllt.
Delacroix tat alles, um dem Plafond die notwendige Ruhe zu
geben. Die Mannigfaltigkeit kommt in einer reichen, aber einzigen
Art zustande. Die Bilder, ausschließlich von weitem leserliche
Motive antiken Geistes, sind in Farbe und Materie nicht individuell
konzipiert, sondern immer in Rücksicht auf die Kuppeln ge-
schaffen, wo sie mit anderen zusammenstehen, und eine Kuppel
paßt zu der anderen^. Von allen Bildern gibt es Studien; manche
Motive führten zu selbständigen Staffeleibildern, z. B. «Der Tod
des Johannes» zu dem schönen farbenprächtigen Kabinettstück
(Robaut Nr. 858), das neben dem Hexagon wie Drama neben Epos
erscheint. Der Vergleich der Studien und solcher Bilder mit den
' Die beiden dem Orpheusbilde zunächst liegenden Kuppeln sind, wie schon
Delacroix' Schüler Planet bemerkt hat, dunkler als die anderen. Sie waren als
Grisailles untermalt. Die anderen drei Kuppeln entstanden ohne diese Präparation
und sind leuchtender gebUeben. Nach Planet war diese Verschiedenheit be-
absichtigt. — Unsere Abbildungen bringen wenigstens diese Dekoration vollständig.
DIE DEKORATION ^93
Stücken in der Kuppel zeigt, wie bewußt der Meister opferte. Der
Rubensschüler wappnete sich mit der Strenge Poussins und ging
nicht um Haaresbreite über das vom Raum gegebene Gesetz
hinaus. Die Bilder sind nur für die Kuppeln gedacht, kommen nur
an dieser Stelle zu ihrer Wirkung und würden, wenn man sie, wie
Geffroy vorgeschlagen hat, von der Wand löste, um sie zu schützen,
und an der Wand durch Kopien ersetzte^ vielleicht den Forscher
belehren, aber den Freund Delacroix' enttäuschen und sicher der
Bestimmung, die sie vollkommen erfüllen, entzogen werden.
Einen seltsamen Kontrast zu diesen stillen Deckenausschnitten,
in denen der Epiker mit Gelassenheit die schönsten Geschichten
der Menschheit aneinanderreiht, bilden die beiden großen
Hauptbilder, die an den Enden der Galerie je eine halbe
Kuppel einnehmen. Den ein wenig gewagten Vergleich der
Bibliothek mit der Sixtinischen Kapelle- legitimiert wenigstens
dieser Wechsel des Stils in den beiden Teilen. Bis zum ge-
wissen Grade erklärt den Wechsel die Verschiedenheit der Zeiten.
Die beiden Kuppelhälften entstanden später als die Ausschnitte.
Vielleicht hat auch die Verschiedenheit des Materials — die beiden
Bilder wurden mit Wachsfarben direkt auf die Mauer gemalt —
mitgewirkt. Das Entscheidende dürfte die Verschiedenheit der
Dimensionen gewesen sein. Die größeren Flächen führten den
Meister zu größerer Beweglichkeit. In dem friedlichen Orpheus-
bilde dringt eine fast gestenlose Lyrik hervor, die mit einem
Lächeln Poussin ade winkt. In dem Attilabilde bewegt das
Dramatische, wie der Sturm das Meer, die Fläche. Es bedarf
der vielen Zwischenglieder zwischen diesen Enden, um solche
Extreme in einem Raum zu vereinen. Die Unruhe, mit der man
die Mittelglieder überfliegt, mag wohl auch von der Ungeduld be-
stimmt werden, zu diesen Endpunkten zu gelangen, wo der Meister
mit weniger verhaltener Stimme von seinen eigensten Dingen erzählt.
Die Dekoration der Bibliothek im Luxembourg, der genial
komponierte Halbkreis mit dem trauernden Alexander, die Sechs-
1 Les Peintures d'Eugene Delacroix ä la bibliotheque de la Chambre des Deputes
(Librairie de l'Art ancien et moderne, Paris 1903).
' Jules Rais, Le Palais et la Chambre des Deputes (Revue universelle [Larousse]
vom 15. Oktober 1902).
94 DIE DEKORATION
ecke und die prachtvolle Kuppel, ist einheitlicher erdacht. Die
Kuppel setzt gewissermaßen das gleichzeitig entstandene, in der
Gestaltung verwandte Friedensbild im Palais Bourbon fort. Es ist
Delacroix' Parnaß mit seinen Lieblingsgestalten der Antike und
der Renaissance, freier, loser, lebendiger als der Parnaß Raffaels,
an den er gedacht haben mag, von derselben Würde; ein Garten,
in dem die vielen, vielartigen Gestalten wie die Vegetation der
üppigen Flur erscheinen. Ein Teil des Reizes liegt in der ver-
hüllten kompositioneilen Tendenz. Die Dekoration erscheint als ganz
freie Schöpfung, Resultat einer Empfindung, nicht im geringsten
einer Berechnung, und überliefert dem Betrachter trotzdem ein ge-
schlossenes Bild. Die kleinen einfarbigen Sechsecke haben die Ein-
fachheit und Größe griechischer Reliefs, an die sie sicher erinnern
sollen, und sind ungehemmte Niederschriften wie alles andere.
Delacroix komponiert nicht mit Linien, sondern mit Massen und
mit allen dem Maler gehörenden Mitteln. Das bindende Element
ist genau dasselbe wie in den Staffeleibildern, nur dem Zwecke,
den Raum- und Lichtverhältnissen angepaßt. Was das in diesem
Falle, schon allein in rein materiellem Sinne, bedeutet, das läßt
sich nur angesichts des Raumes ermessen. Die geschlossene Kuppel
erhält nur von einem tief unten, seitlich gelegenen Fenster ein
zweifelhaftes Licht. Infolgedessen ist ein großer Teil der Fläche
stets in einen Schatten gehüllt, dessen Intensität von der Witterung
abhängt. Darum hätten sich die Früheren wenig gekümmert. Gros,
dessen Pantheon-Kuppel Delacroix gerade damals wiedersah —
« helas ! maigreur ! inutilite ! » ist der Eindruck des Werkes des ge-
liebten Meisters^ — hätte sich einen, mit einer Lampe versehenen,
Betrachter auf Riesenstelzen gedacht, dem es gelang, das Bild auf-
gerollt und in der Nähe zu betrachten. Ein findigerer Kopf hätte,
wie Chesneau meint ^, mit starken Kontrasten gewirtschaftet und
der Belichtung des dunklen Drittels die Harmonie des Ganzen ge-
opfert. Delacroix findet hier eine einzigartige Verwendung seines
Kolorismus. Es gelingt ihm, mit weisen Abtönungen und Be-
nützung der Komplementärfarben wenigstens ein Dämmer-
' Journal I, p. 235; vgl. auch den Aufsatz Delacroix' über Gros (Literarische
Werke, Insel- Verlag).
" In dem Kommentar zu dem Katalog Robauts; dort S. 251.
DIE DEKORATION 95
licht in das Dunkel zu bringen, ein Licht, das die ganze
Komposition gleichmäßig durchströmt. Als Charles Blanc ein-
mal mit einem Maler, einem Bekannten Delacroix', den zarten
Fleischton des Oberkörpers der Frau unter dem Baum, einer
der schönsten Gestalten des Werkes, bewunderte, sagte ihm
der Maler, der, als Delacroix an dieser Stelle arbeitete, zugegen ge-
wesen war: « Sie wären nicht wenig erstaunt, wenn Sie wüßten,
mit welchen Farben dieses Fleischrosa zustande gekommen ist.
Einzeln gesehen, wären Ihnen diese Töne — straf mich der Himmel I
— ebenso farblos erschienen wie Straßenschmutz.» Und Blanc
fügt hinzu: «Wie kam das Wunder zustande? Durch die Kühn-
heit Delacroix', den nackten Torso der Frau rücksichtslos mit ge-
hackten Strichen eines entschiedenen Grüns zu bearbeiten, das
zum Teil durch seine Komplementärfarbe, das Rosa, neutralisiert
wird und mit dem Rosa einen frischen Mischton ergibt, der nur
aus der Entfernung wirkt . . . »^
Wir können heute solche Wirkungen nur noch ahnen. Die Be-
richte der Zeitgenossen erwecken Erwartungen an die Farbe der
Dekorationen, die nur zum Teil erfüllt werden. Man hofft, wenn
man von den Komplementärfarben hört, auf eine leuchtende Sonne
und steht nachher ein wenig verdutzt im Dunkel und reibt sich
die Augen. Villots Mahnungen waren nicht ganz ungerechtfertigt.
Das Material der Farben hat nicht gehalten. Oder sind unsere an
stärkere Reize gewöhnten Augen daran schuld .? Man betrachtet die
anormal tiefe Kuppel, deren höchste Stellen nie von dem jämmer-
lichen Licht erreicht werden, mit wahrem Ingrimm über die Zu-
mutung, die dem Genius so unerhörte Bedingungen vorschrieb.
Wer von den Prätentiösen unserer Zeit würde sich verstehen,
den Halbkreis über dem Fenster zu bemalen ? Doch ist es rat-
sam, den Grimm zu bekämpfen und Geduld zu fassen. Dann be-
ginnt es sich in der Kuppel und über dem Fenster zu regen. Nicht
die Grüns und die Rosas, von denen die Berichte melden, treten
hervor, aber besseres. Gestalten, die von aller Materialität befreit
scheinen, wandeln in der Kuppel wie im Äther, und ihre aus
der Oberwelt zu uns dringenden Gesten ersetzen dem Geiste, was
die Ungunst des Raums die Sinne entbehren läßt.
' In dem oben zitierten « Grammaire des Arts du Dessin ».
96 DIE DEKORATION
Mit noch weniger günstigen Lichtverhältnissen hat Delacroix
einige Jahre vorher in der Kirche St. Denis du St. Sacrement bei
seiner Pietä zu kämpfen gehabt, die er direkt auf die Mauer malte.
Er half sich, indem er die Lichter mit reinem Chromgelb, die
Schatten und Halbtöne mit Preußischblau machte^ und so sich
eine künstliche Beleuchtung schuf. Auch sie hat mit den Jahren
viel von ihrer Kraft verloren. Das Motiv hat Delacroix mehrmals
in schönen Staffeleibildern wiederholt.
Von den Monumentalwerken der fünfziger Jahre ist die Deko-
ration des Salon de la Paix im alten Pariser Rathaus durch
den Brand von 1871 zerstört worden. Sie war nächst der Biblio-
thek des Palais Bourbon das umfangreichste Werk Delacroix'.
Außer dem großen Mittelbild der Decke gab es, im Plafond ein-
gelassen, acht Ovale (jedes über einen Meter hoch und fast zwei-
einhalb Meter breit) mit den Gottheiten des Friedens, und elf
Halbkreise von ähnlicher Größe, die zu einem Fries zusammen-
gesetzt waren, mit den Arbeiten des Herkules. Er mag an die
zerstörten Herkules-Medaillons Poussins für die Große Galerie des
Louvre gedacht haben, von denen er in seinem Aufsatze über den
Meister mit Bitterkeit spricht. Den seinen erging es nicht besser.
Von der Schönheit des verlorenen Schatzes berichten nur noch
die Skizzen. Das Ensemble muß, obwohl auch die Lichtverhältnisse
dieses Saales nicht ideal waren, einzig gewesen sein.
Zum Glück bleibt uns der Plafond im Louvre, das Werk, das
heute noch die ganze Realität, die ihm der Meister gab, besitzt,
ein so glanzvolles Werk, so vollkommen im ganzen wie in allen
Teilen, so unentbehrlich in dem Oeuvre, daß die Opfer an Zeit
und Anstrengung, die Delacroix vorher der Monumentalmalerei
brachte, die ungeheuren Verluste, die uns das Gebiet seit seinem
Tode gekostet hat, zurücktreten. Delacroix füllte den Platz, den
Lebrun unbesetzt gelassen hatte, als diesen Louis XIV. zwang,
die Galerie d'ApoUon aufzugeben und sein vielfältiges Talent
dem Schloß von Versailles zu widmen. Wir verdanken der Laune
des Königs die merkwürdigste und glorreichste Probe auf das
Exempel Delacroix'. Kein Besucher dieser Galerie, die man mit
1 Bericht seines Schülers und Mitarbeiters Henry de Planet, mitgeteilt von Th.
Silvestre in Eugene Delacroix, Nouveaux Documents.
ROGER DELIVRANT ANGELIQUE, 1847.
0,36 : 0,28. [ROBAUT Nr. 1003.)
LOUVRE, PARIS. (COL. THOMY-THIKRY.)
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gesetzt waren, mit den Arbeiten des Herkules. Er mag an die
zerstörten Herkules-Medaillons Poussins für die Große Galerie des
Louvre gedAcht haben, von denen er in seinem Aufsatze über den
Meister : es nicht besser.
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DIE DEKORATION 97
Recht eine der schönsten der Welt nennt, wird, wenn er die
Dekoration der langen Decke überfliegt, in dem Mittelstück ein
dem übrigen widersprechendes Idiom erkennen. Delacroix hielt
sich nicht nur an das Apollo-Motiv, das Lebrun vorgeschrieben
hatte, den siegreichen Sonnengott auf seinem Wagen, nicht nur '
an den üppigen Rahmen, den der Restaurator der Galerie in seiner
alten Pracht wiederhergestellt hatte und dessen Motiv, eines der
Glanzstücke Lebruns, Delacroix mit Bedacht in sich aufnahm^.
Er traf die wirkliche Bestimmung dieser Pracht, die kein Bild
von Lebrun je vollkommen in Einklang mit den Zieraten des kunst-
gewerblichen Pomps der Epoche zu erfüllen vermocht hätte, über-
traf alles, was dem verwöhnten König je in Farben gelacht hat.
Das Bild füllt die Mitte, nicht wie dafür gemacht, sondern als ob
die Umgebung nach ihm gemacht sei, wie ein Stein in seiner
Fassung. Es hält den Wettkampf mit dem massenhaften Gold,
mit all der Verschwendung der verschwenderischsten Epoche, die
je die Neue Welt sah, siegreich aus und ist doch nur, nicht mehr,
nicht weniger, ein Delacroix, ein Stück seines ureigenen Ruhms.
Die Bewunderung der gleißenden Schmeichelei, die königlicher
Eitelkeit diente, vergeht vor den Wundern dieses Roi-Soleil.
Die Komposition nähert sich dem rubenshaften Schema des Rat-
hausplafondbildes, das übrigens etwas später entstand, und scheint
es zu verbessern. Was in diesem, wenn wir uns an die Abbildungen
halten, ein wenig verworren wirken könnte, wird geklärt. Freilich ist
die Beurteilung nach Abbildungen, auf die man bei dem Rathaus an-
gewiesen ist, gerade bei Delacroix vom Übel. Die wunderbare
Skizze zu dem Rathausbild, die Cheramy besaß- und die alles
Wesentliche der Komposition mit geringen Modifikationen an-
deutet, ist von jeder Verworrenheit frei. Die Differenz der Töne
rückt die Massen, die in den oft mäßigen Abbildungen nach dem
verbrannten Bilde auf einer Fläche und deshalb unorganisch er-
' Er kopierte viele Motive der Decke teils direkt, teils nach einem Werk, das ihm
Duban, der Architekt des Louvre, geborgt hatte. (Journal III, S. 14. Die Fußnote
unter dieser Seite beruht auf einem Irrtum. Im Robaut befindet sich nur eine Zeich-
nung Delacroix' nach der Decke ; es ist die nach dem schönen Lebrunschen Rahmen-
Motiv, Robaut Nr. 11 17.)
• Robaut Nr. 11 20.
Meier-Gracfe, Delacroix 7
98 DIE DEKORATION
scheinen, auf verschiedene Pläne und enthüllt uns die herrlich ge-
schmückte Tiefe, die dem Bilde einen ganz anderen Sinn, der
Komposition die Vollendung gibt. Waren die Massen in dem end-
gültigen Werke ebenso äquilibriert wie in der Skizze? Das be-
geisterte Lob Gautiers scheint einen leisen Einwand dieser Art
frei zu lassen^. Das Auge suchte vielleicht die Stelle, die es als
Mittelpunkt nehmen konnte. Die regelmäßige Form der Leinwand
hat möglicherweise den Meister, der von allen Lösungen nie die
leichteste wählte, zu einer zu weitgehenden Komplikation ge-
trieben. Ich betone, daß alles das gegenstandslose Vermutungen
sein können.
In dem Louvreplafond kam schon die weniger regelmäßige Form
der Malfläche den Instinkten des Künstlers entgegen. Die Lein-
wand ist nicht wie im Salon de la Paix ein Kreis, sondern eine
aus Rundungen und Graden zusammengesetzte Figur, etwa eine
in einen unsichtbaren Kreis gebaute Ellipse mit rechtwinklig aus-
gebauchten Längsseiten. Die Extremitäten der Ellipse und des
Rechtecks berühren die Peripherie des gedachten Kreises. Diese
gegebene Fläche, die einen anderen zur Verzweiflung gebracht
hätte, wurde zu einem idealen Stadion für die Muse Delacroix'.
Die Komposition verwandelt die unregelmäßige Ellipse in einen
idealen Kreis. Sie verteilt alle Massen zentrifugal, häuft sie in den
ausgebauchten Seiten der Ellipse, wo aus eilenden Leibern grotesk
gewundene Säulen entstehen und gewinnt jede Gruppe aus kon-
trastierenden Bewegungen, die scheinbar zufällig zu der Rundung
beitragen. Wo die Ellipse entscheidet, oberhalb Apolls in den Ge-
nien, unterhalb Apolls, wo der Panther mit ungeheurer Wucht
dahinstürzt, wird die Rundung am deutlichsten, und diese
Bewegung genügt dem Auge, um die motorischen Andeutungen
in den anderen Teilen richtig zu interpretieren. Wie die
Koloristik Delacroix' ist sein kompositionelles Prinzip ein
Zielen auf die produktiven Kräfte des betrachtenden Auges.
Es gibt die einander zuströmenden komplementären Teile. Frei-
lich muß man sehen wollend
^ Moniteur universel vom 25. März 1854. Über die Farben der Dekoration des
Salon de la Paix vgl. Andrieu in « La Galerie Bruyas ».
- Chesneau, der Vorredner des Robaut-Katalogs, meint, Delacroix habe in dem
DIE DEKORATION 99
Die Komposition interpretiert in idealer Weise den Siegeszug
des Sonnengotts, der mit seinen Pfeilen die Gewalten der Finsternis
verscheucht. Der Gedanke an den Ursprung der Aufgabe ver-
schwindet, wenn man in ihre Lösung eindringt, und der Geist eines
Erhabenen, dem Delacroix schon in seinem frühesten Monumental-
werke einen Tribut darbrachte, dem er sich jetzt wie ein gleich-
gestellter Genosse nahen darf, übernimmt die Führung. Etwas
von der Wucht, mit der Roms größter Meister in seinem
größten Werk die Gestalten in den Abgrund schleudert, steckt in
dem Gemälde. Die Wucht drang zu Delacroix, der nie den Boden
Italiens betrat, über Rubens, der es sich angelegen sein ließ, sie
zu vermenschlichen, und gleichzeitig jene Vergeistigung des Un-
geheuerlichen begann, die allein das Erbe Michelangelos zu retten
vermochte. Das Stück, das der Flame bezwang, ist nicht größer
als das, was Delacroix in gleicher Richtung errang, indem er der
Wucht seine Harmonie entgegenstellte und doch die Kraft frei
ließ. Man versteht vor keinem Bilde wie vor diesem Plafond so gut
die Tiefe seiner Kritik Michelangelos, des zerstörenden und hin-
reißenden Genius. Und man versteht das tiefe Wort Montesquieus :
zwei gemeine Schönheiten heben sich auf, zwei große heben sich
hervor. Nirgend ist die geistige Rolle der Koloristik Delacroix',
die wir seine Hygiene nannten, so deutlich. Die Farbe^ scheint
der Sage von dem Sonnengotte eine noch großartigere Auslegung,
zu geben, als es der gewaltigen Komposition gelingt. Freilich, wer
kann in dieser Sonnenlegende zwischen Farbe und Komposition
unterscheiden? Der materiellen Substanz mag der Umstand von
Vorteil gewesen sein, daß Delacroix hier ausnahmsweise auf den
Zusatz von Wachs zu seinen Ölfarben, den er bei den meisten
anderen — wenn nicht allen — Dekorationen anwendete, verzichtete. ,
Plafond nicht ganz die Irrtümer großer Vorgänger vermieden, und wirft ihm den
Mangel an « vertikaler Perspektive », die Unlogik in den Gestalten der Peripherie,
die nach seiner Ansicht in die Galerie zu fallen drohen, usw., vor. Solche Ein-
wände einer primitiven Ornamentik oder eines ebenso primitiven Naturalismus
suchen die Kunst mit üirem Rahmen zu widerlegen und erinnern an den braven Zu-
schauer im Theater, der, nachdem er eine Weile dem Faust zugehört hatte, meinte:
Was gehen mich eigentlich diese Leute an ?
• Delacroix hat selbst eine zum Teil ins Detail gehende Farbenbeschreibung des
Werkes gegeben. Vgl. Journal I S. 448 ff., II S. 54 ff. Vgl. auch Andrieu.
7*
100 DIE DEKORATION
Die Skizze zu dem Plafond, in der Brüsseler Galerie, nach der wir
leider, da nach dem Louvrebilde ebensowenig wie nach den meisten
anderen Dekorationen Aufnahmen zu erreichen waren, unsere
Abbildung machen mußten, hat gelitten und durch schlechten
Firnis ein speckiges Gesicht erhalten. Die Farben geben nur die
rohe Substanz des Gemäldes.
Während Delacroix an dem Plafond malte, machte er die Ent-
würfe für die zehn Jahre später nach zahllosen Unterbrechungen
vollendete Kapelle des Saints Anges in St. Sulpice mit der Ver-
treibung Heliodors, dem Kampf Jakobs mit dem Engel und dem
Erzengel Michael mit dem Drachen. Es wurde daraus die Probe
auf ein anderes Exempel, der Beweis, wie ernst es dem Geschickten
mit seinem Kampf gegen die Geschicklichkeit war, wie wenig das
wunderbare Gespinst seiner Pinselzüge für das Wesen seiner Kunst
bedeutete, wie unabhängig der Gestalter von den Zufälligkeiten
der Materie war, die seinen Staffeleibildern so viele Reize verleiht.
Die Materie, auf die Delacroix in der Kapelle angewiesen war,
schloß mindestens einen sehr großen Teil der gewohnten Reize aus :
er malte die Dekoration als Fresco^.
Die Freskenmalerei erlebte in Frankreich, eine Generation später
als bei uns, eine ähnliche Renaissance wie die von den Deutschen
in Rom versuchte. Die Ingres-Schüler brachten sie. Victor Mottez,
Amaury Duval, Orsel und andere bedeckten stille Kapellen mit
ausführlichen Geschichten, ein wenig zurückhaltender, vorsich-
tiger als die Cornelius, Overbeck, in ähnlichem Geiste, im Grunde
noch öder. Man übertrug mit Fleiß und Artigkeit Zeichnungen,
die schon auf dem Papier keine Kraft hatten, auf die Mauer und
ins Große. Das Resultat war der vollkommene Ausdruck einer
geistigen Unzulänglichkeit. Delacroix war schon gegen den Meister
dieser Schüler, zumal wenn dieser sich in der Dekoration ver-
suchte, von unbeugsamer Kritik^, weil er nie die Folgen einer
'■ Ich behalte Robauts Bezeichnung « Fresken » bei, obwohl ich die Dekorationen
nicht für reine al fresco-Malerei, vielmehr für eine Art Tempera halte.
2 Als er den Plafond im Hotel de Ville malte, hatte er wiederholt Gelegenheit,
die Schöpfungen des <i Ulustre confrere en plafond » zu sehen, die einen anderen Saal
desselben Gebäudes nicht eben vorteilhaft schmückten. Merkwürdig, daß die Kritik
es nie gewagt hat, den Unterschied zwischen dem Monumentalstil Delacroix' und
DIE DEKORATION loi
kompilierenden Inspiration zu übersehen vermochte, die An-
strengung, sich in einem Gebiet zurecht zu finden, für das Ingres
als Wesentlichstes nur seine Bildung und eine verschrobene
Methode mitbrachte. So wenig wir das Recht haben, Delacroix in
allen Einzelheiten seiner wohl begründeten Kritik zu folgen,
der Meister der Kapelle des Saints Anges durfte so urteilen. Was
in der Ingres-Schule geschwollene Phrase blieb, wurde in Dela-
croix' Fresken Tatsache. Er gab ein den Alten ebenbürtiges Werk,
mit den Mitteln der Alten, sogar aus ihrem Gedankenkreis ge-
wonnen; und ein ganz persönliches Werk, so persönlich wie der
Louvreplafond, von dem die Fresken um eine Welt entfernt sind.
Wiederum eine Pracht, aber von ganz anderer, man könnte
sagen, weniger weltlicher Art; wiederum ein Rauschen von Farben,
eine gewaltige Bewegung, weniger überweltlich, schlichter, zumal
unter den Bäumen, die Riesen sind, wo seitlich die Karawane fröh-
lich mit Jakobs reichen Geschenken zieht, und vorn der stierige
Mensch mit dem gutmütigen Engel kämpft; ein Engel breit-
schultrig mit festen Armen und Beinen und dabei ganz
leicht beschwingt; eine Mischung, die den Griechen be-
kannt war, die Delacroix allen seinen Frauen gab; ein leise
sich wiegender Engel, der spielend den Stürmenden bezwingt,
nicht mit der Kraft der Muskeln, sondern mit einer viel
überzeugenderen Gewalt, mit dem Rhythmus, der die Woge hinab
und hinauf bis in die Baumwipfel schwingt, der die ganze Mauer,
die zum Bild wurde, in ein leises Schwingen bringt und das Wunder
ist, das pulsierende Herz dieser Legende.
Gegenüber aber glitzert die Pracht des Palastes mit dem ge-
bärdenreichen Wunder. Der Palast gehört zu denen, die man nie
bauen, immer nur malen könnte; mit Säulen, die nicht zwei
Menschen umspannen und die um keinen Preis dünner sein dürften,
Kolonnaden, die nie enden, Treppen, so breit, daß zehn Reiter
Ingres' in unzweideutiger Weise festzustellen. Zu Lebzeiten des Meisters hat, glaube
ich, nur L. Vitet (Revue des Deux Mondes, Aprü 1862) eine für Delacroix nicht
ungünstige Parallele angedeutet. — Delacroix hatte für Ingres' wesentliche Eigen-
schaften ein vorurteüloses Verständnis. Wie Baudelaire erzählt (l'Art Romantique
S. 37), kopierte er sorgfältig verschiedene Photographien nach BleistiftbUdnissen
Ingres'.
102 DIE DEKORATION
nebeneinander hinaufreiten könnten, Balustraden, wo die Menge
wogt, inmitten der würdige Priester mit dem langen Bart und den
weitgeöffneten Armen. Vielleicht hat man dergleichen schon
irgendwo, irgendwann gesehen, als Kind, als man zum erstenmal
in das große Theater geführt wurde und alles glaubte, was da vorne
in dem strahlenden Lichte vorging, das furchtbar Schöne und
schöne Furchtbare. Der Traum machte es nachher noch viel
schöner. Auch dieser Palast mit dem stürmischen Getöse, das
nicht ans Ohr dringt, obwohl die ganze Begebenheit fest und sicher
wie in Mosaik geschnitten erscheint, mit der Gewalt des ein-
zelnen, das nie greifbar wird, obwohl man drei Schritte davor steht,
mit dem gewaltigen Schwung, der nur das Bildhafte kräftigt, ist
Traum, der Traum eines Künstlers, der das größte Vorrecht des
Kindes, an Erschautes zu glauben, zu realisieren weiß.
Was haben die beiden Wände, dieser stille Wald auf der einen,
das prunkende Tempelvestibül auf der anderen gemein? Den Geist
des Schöpfers, der sie entstehen ließ. Es ist, als habe sein Genius
mit der Farbe herausgelockt, was in der Architektur eines Baum-
geästes und in der eines Tempels, in zwei Geschichten von so grund-
verschiedener Art an Gemeinsamem enthalten sei, was den Wind,
der die Blätter regt, mit dem sausenden Flug eines züchtenden
Engels verbindet. Sicher findet man es nicht so schnell wie das
Gemeinsame zwischen den Wänden eines byzantinischen Mosai-
kisten oder zwischen den Fresken, die ein Meister des Quattrocento
ersann. Dafür ist es ergreifender, von tieferer Bedeutung, von
edlerem Nutzen, wenn man es gefunden hat.
Seltsam, daß der Kolorist Delacroix in diesem Werk einer ver-
gleichsweise primitiven Technik einen seiner Höhepunkte erreicht,
wenn nicht überhaupt seinen höchsten Gipfel; seltsam und be-
greiflich. Auf dem Gipfel alles Großen steht immer das Einfache.
Die Farbe scheint allen Reichtum Venedigs zu kondensieren. Sie
beherrscht dies Bild ohne den milden Schleier, den Veronese über
seine Hochzeit deckte, und ist einfach wie die Farbe frühchrist-
licher Mosaiken. « Er malt nur noch », schreibt Signac, « mit den
einfachsten und reinsten Farben und verzichtet endgültig darauf,
seine Farbe dem Clair-obscur zu unterwerfen. Das Licht ist überall.
Nirgend mehr ein schwarzes Loch, kein einziger dunkler Fleck,
DIE DEKORATION 103
der mit anderen Teilen des Bildes nicht übereinstimmte, keine
undurchsichtigen Schatten, keine flachen Stellen, Er gewinnt seine
Töne aus allen Elementen, die sie verstärken und beleben können,
und verzichtet auf jede Nachahmung des Scheins, auf alle natura-
listische Färbung. Die Farbe für die Farbe ohne andere Rücksicht!
Fleisch, Szenerie, Nebensachen — alles ist in derselben Art be-
handelt, kein Teilchen der Malerei, das nicht klingt, nicht schwingt,
nicht spiegelt. Jede Lokalfarbe ist auf den höchsten Grad ihrer
Kraft getrieben und trotzdem immer im Einklang mit der benach-
barten, von der sie bestimmt wird und die sie bestimmt. Alle
fließen mit den Lichtern und den Schatten zusammen in einem
farbigen ganz harmonischen Ganzen. Klar und deutlich strömt die
Melodie aus den vielartigen und mächtigen Instrumenten, Delacroix
hat endlich die Einheit in Vielem, die Pracht in der Harmonie
erreicht, die er sein ganzes Leben gesucht hat^ ».
Gerechte Einwände können allenfalls den kleinen Plafond treffen,
den Delacroix nach Robauts Meinung vielleicht von Helfern fertig
machen ließ. Er begnügte sich, ihn vollkommen harmonisch in das
Ensemble einzuordnen, an dem die Decke übrigens infolge ihrer
Höhe nie wesentlichen Anteil hätte nehmen können. Auch gegen
die beiden Hauptwände bringt man vielerlei vor. In früheren
Jahren pflegte ich deutsche Bekannte, die mich in Paris besuchten
und etwas sehen wollten, hierher zu führen. Mir schien immer
diese Kapelle der passendste Ort für die friedliche Eroberung der
Ungläubigen, weil man darin nicht zu laut sprechen darf. Ein
Mensch, der zwei Wände solcher Art in Gleichgewicht halten
konnte, müßte, so glaubte ich, dem Betrachter genügend Respekt
einflößen, um ihn dahin zu bringen, die Schönheit zu empfangen.
Die Probe trügt nie, nicht weil es nicht suggestivere Delacroix' gibt,
sondern weil gerade dieses Werk, um verstanden zu werden, zu
jener Klarheit der Anschauung zwingt, ohne die alles Aufnehmen
von Kunst willkürliche Suggestion bleibt. Was grobe Bären ein-
' « De Delacroix au Neo-impressionisme », S. 40. — Über die Palette Delacroix'
in der Chapelle des S. Anges vgl. Andrieu, der in ihr — vielleicht nicht ganz mit
Recht — die letzte Palette des Meisters erblickt. (La Galeric Bruyas, S. 376.) Viele
der letzten Staffeleibilder Delacroix' sind, so scheint mir, mit einer einfacheren,
gedämpfteren Palette gemalt.
104 DIE DEKORATION
wenden, nennen sie die Unwahrheit; literarisch Gebildete fühlen
hier wieder die alte Romantik oder das Barock. Damit kann man
den ganzen Delacroix abtun und ach, wie viele andere noch. Dazu
kommt das Durchsichtige des Vorbildes für Leute, die morgens im
Louvre gesehen haben, wie Raffael seinen heiligen Michael den
Teufel niederwerfen lässt. Denen wird nie aufgehen, warum Dela-
croix ein Genie wäre, auch wenn er sich noch viel enger an Raffael
gehalten hätte, als er wirklich getan. Die Begründung hat Delacroix
selbst gegeben, nicht um sich, sondern um gegen denselben Vorwurf
den Meister zu verteidigen, auf dessen Art man die Einwände
gegen ihn aufbaut. Er schreibt während der Arbeit in St. Sulpice
in sein Tagebuch: «Poussin sagte in einer leichtsinnigen Stunde,
Raffael sei ein Esel neben der Antike, und hatte recht, weil er
nur Zeichnung und Beherrschung des Nackten zum Vergleich zu-
ließ. Ebensogut hätte er auch sich selbst über Raffael stellen
können, nur in einer anderen Richtung. Wenn er dagegen die
Wunder an Grazie und den aufs höchste verfeinerten Sinn für die
Komposition bedacht hätte, so wäre ihm aufgegangen, daß Raffael
in mancherlei Teilen der Kunst selbst der Antike überlegen war,
nämlich in denen, die Poussin verschlossen geblieben sind. Raffaels
Anatomie und seine Farbenerfindung waren so gut, als er konnte ;
nicht gerade schlecht, aber so, wie sie sind, mit den Leistungen
Tizians, Correggios und der alten Flamen auf diesem Gebiet ver-
glichen, geringer und mußten geringer sein, Sie hätten noch viel
mäßiger sein können, ohne die Vorzüge wesentlich zu verringern,
die Raffael nicht nur in die erste Reihe, sondern in der Art seiner
Gaben über alle alten und neuen Künstler stellen. Ich möchte
sogar fast behaupten, daß diese Eigenschaften durch eine stärkere
Betonung der Anatomie und des Pinselstrichs vermindert worden
wären. Und dasselbe könnte man nahezu von Poussin selbst
sagen »^.
Es läßt sich viel gegen die Monumentalkunst Delacroix' sagen,
z. B., daß sie nicht stilisiert ist, nicht so ornamental wie die Pro-
dukte späterer Stilisten. Kein Wunder, daß eine Konstruktion
konstruktiver ist, als ein Gemälde. Diese Konstruktion ist der
Journal II, 131, 132.
DIE DEKORATION 105
Teilungsmodus unserer Tage. Er erreicht das den Zielen Delacroix'
Entgegengesetzte, erlaubt, Ausdruck, Geist und Leben als bild-
fremde Störungen auszuscheiden und überliefert das Kunst-
werk dem Tapezierer. Delacroix hielt das Dekorative für
einen relativen Wert, der nur in Verbindung mit anderen,
weniger greifbaren Faktoren eine Rolle spielen dürfe und
erst dann als Errungenschaft zu gelten habe, wenn er sich
trotz Ausdruck, Geist und Leben erhielt. Unter den vielen Kunst-
problemen, die den Denker beschäftigten, sucht man vergebens
das Monumentale oder das Dekorative, Dinge, deren Diskussion
heute im Vordergrund steht, vielleicht, weil wir sie nicht be-
sitzen, und über die sich zu äußern, er nicht der Mühe wert fand,
vielleicht, weil er sie besaß. Dagegen findet man unzählige
Hinweise auf die Notwendigkeit, dem Kunstwerk auf jede
mögliche Weise Größe zuzuführen. Eigentlich drehte sich sein
ganzes Denken um nichts anderes, als dem Rat Stendhals zu folgen,
der ihm schrieb : « Ne negligez rien de ce qui peut vous faire
grand!» Daher beschäftigte er sich viel mit den Opfern, die jede
auf Geist zielende Gestaltung zu bringen hat, und die Verein-
fachung, ein terminus technicus, der heute eine große Rolle spielt,
war ihm nicht fremd. Doch schrieb er einmal : « Könnte man nicht
oft die Abwesenheit der Kunst für den Gipfel der Kunst nehmen?
Wenn die Entwicklung der Kunst nur dahin führt, immer simplere
Dinge hervorzubringen, so verzeihe man meine tiefe Sympathie
mit den Epochen, die nicht der komplizierten künstlerischen
Arbeit entraten konnten. Man sollte sich vor einem großen Wort,
dem Schlagwort aller Pedanten von heute, in acht nehmen: dem
von der Einfachheit. Es kann nicht das Gesetz einer Zeit werden,
in der diese Einfachheit nicht mehr möglich ist. . . Diese ver-
götterte Einfalt hängt oft nur an den barbarischen Floskeln primi-
tiver Literaturen, d. h. mehr an dem Kleid des Gedankens als an
dem Gedanken selbst. . . Du mußt die Mittel nehmen, die deiner
Zeit angemessen sind, sonst wirst du nicht verstanden werden
und nicht bleiben. Das Mittel einer anderen Zeit, dessen du dich
bedienst, um zu deinen Zeitgenossen zu reden, wird immer ein
Scheinmittel sein. Die Menschen, die nach dir kommen, werden
deine entliehene Art mit den Werken der Epochen vergleichen,
io6 DIE DEKORATION
als diese Art die einzig bekannte und verstandene und infolge-
dessen besser geübte war, und werden dich zu den Geringen
rechnen, zu denen du dich selbst gestellt hast»^
Goldene Worte!
Die Reihe der Dekorationen ist mit den hier genannten öffent-
lichen Werken Delacroix' nicht erschöpft und läßt sich wohl
überhaupt nicht genau begrenzen. Welcher Delacroix ließe sich
nicht als Dekoration verwenden? Welche seiner Dekorationen
wäre kein vollgültiger Delacroix? Robaut berichtet von vier halb-
runden Füllungen mit den Jahreszeiten, die 1831 den Speisesaal
Talmas geschmückt haben sollen. Die Jahreszeiten, die Delacroix
ursprünglich für den Salon von 1863 bestimmt hatte, ließ er
unvollendet zurück^ Zwei wundervolle Supraporten, ein
Triumph des Bacchus und ein Triumph der Amphitrite wurden
vor einigen Jahren im Hotel Drouot als Schule Tiepolos verkauft
und hängen jetzt in der Sammlung Biermann in Bremen^. Sie
stammen aus der letzten Zeit und scheinen mit Nervenenden ge-
malt. Der Experte, der sie Tiepolo zuschrieb, war nicht fein be-
saitet.
Was man gegen Delacroix' Monumentalkunst im Louvre-
plafond und in der St. Sulpice einwenden kann, ist der Hinweis auf
unsere Armut, daß wir uns kaum noch ein Zeitalter, in dem ein
Veronese und ein Tintoretto die Wände schmückten, vorzustellen
vermögen, geschweige einen Prunk fassen können, der die Vene-
zianer zu Essenzen verdichtet. Dazu kommt, daß Delacroix seine
Staffeleibilder so verführerisch gemacht hat, gerade seine aller-
kleinsten, wie die Perlen in dem Saal Thomy Thiery. Gerade zur
Zeit der Fresken in der St. Sulpice entstanden die schönsten Historien-
bilder in Diminutiv. Manche von ihnen sehen wie kleine Skizzen
von Rubens aus, die Tintoretto und Veronese mit Saphiren und
Smaragden gespickt haben. Das Blut auf seinen Löwenjagden
gleicht flüssig gewordenen Rubinen.
' Journal III, S. 264 — 266.
'^ Robaut Nr. 1428, 1430, 1431, 1432. Vgl. auch Theophile Silvestre: Eugöne Dela-
croix, Documents nouveaux (Paris 1864) S. 14 ff.
^ Robaut Nr. 1419, 1420. Robauts Angabe, die Bilder seien auf Holz gemalt, beruht
auf einem Irrtum.
DER GRAPHIKER
Delacroix machte mit der Farbe Bilder, nicht mit Gegenständen.
Manchmal könnte man sogar glauben, die Farbe vollbringe
selbsttätig das Bildhafte. Sie liegt nicht auf der Leinwand, sondern
kommt aus der Tafel heraus, scheint, sobald sie ihren Erzeuger
verlassen, ein eigenes Leben zu beginnen. — Deshalb hat man ihm
den Titel eines Koloristen zuerkannt. Doch zeigt die Verwandt-
schaft der späteren Werke mit den früheren, die den Glanz
der Palette entbehren, und wiederum der Vergleich der
mittleren Zeit, die dem Materialismus des Farbigen huldigt, mit
den viel einfacheren und doch reicheren, ganz geeinten Bildern
I
HO DER GRAPHIKER
der letzten Jahre, daß nicht die Palette allein das Werden des
Malers bestimmte, und wir wissen von Chesneau, wie bitter der
Meister lächelte, wenn man ihn mit der Anerkennung abspeiste,
ein guter Kolorist zu sein^. Einem Liebhaber, der seine Farben
pries, erzählte er, Michelangelo habe einem Verehrer, der seine
Anatomie lobte, gesagt, die Natur sei ihm zuwider. — Ich kann
mir denken, daß er lieber gar nicht gelten wollte, als nur als Farben-
mischer.
Manche Bilder sind zuerst als Steindrucke entstanden. Der
Vergleich der Lithographien mit den Gemälden ist lehrreich. Er
erweist, daß Delacroix keiner Palette bedurfte, um mindestens die
Umrisse seiner Art zu begründen. Er begann als Graphiker und
brachte es auch auf diesem Gebiet, obwohl er es später vernach-
lässigte, zu einem umfangreichen Oeuvre-. Die Entwicklung ist in
anderen Formen dieselbe, die Delacroix als Staffeleimaler und als
Dekorateur durchlief.
Seine meisten graphischen Werke fallen in die zwanziger und
dreißiger Jahre. Die Radierungen treten zurück. Das Metall wider-
setzte sich seiner Handschrift. Er versuchte als ganz junger Mensch
Radierungen von Rembrandt zu vereinfachen und gab die Haupt-
gruppe der großen « Auf erweckung des Lazarus ». Eine unvollendete
Platte « Scene d'interieur » steht anscheinend Goya nahe, den er
schon vor der spanischen Reise kannte. 1833 entstehen mehrere
Radierungen mit orientalischen Motiven, flüchtige Niederschläge
der Reise nach Marokko, die wenig von dem Eindruck verraten,
den jedes Aquarell der Zeit zu erkennen gibt. Ein einziges Blatt,
die Löwin mit dem Araber, datiert 1849, gibt die wahren Umrisse
des Künstlers. Es ist seine letzte Radierung.
Viel früher gibt ihm die Lithographie eine eigene Form. Die
beiden frühesten Blätter stellen Orientalen dar, den persischen
Gesandten und seine Favoritin. Dann folgt die seltsame Reihe
von teilweise politischen Karikaturen, die man ohne sichere Be-
weise ihm nie zuschreiben würde. Aus welchen Niederungen stieg
' Peintres et Statuaires romantiques (Charavay freres, Paris 1879).
' Loys Delteil hat im dritten Bande des « Le peintre graveur illustre 9 (Paris
1908) das graphische Werk Delacroix' mit gewohnter Sorgfalt katalogisiert und 25
Radierungen und 106 Lithographien gefunden.
DER GRAPHIKER iii
dieser Geist empor! Nach der Londoner Reise zeichnet er sechs
Blätter mit antiken Medaillons, die bereits eine Richtung geben,
und reproduziert die Metope mit dem Theseus, der den Kentauren
besiegt. Man meint in die Werkstatt des werdenden Genius zu
blicken. 1827, im Jahre des « Sar danapal », entsteht die
Serie der Faustillustrationen, die Goethe ergötzte^. Den Goethe-
forschern könnte zu denken geben, daß der Dichter mit dieser
Darstellung des Künstlers zufrieden war. Sie deckt sich durchaus
nicht mit seinem Geiste, noch weniger mit den modernen Vor-
stellungen der Tragödie; vor allem ist es keine Tragödie, sondern
ein krauses Volksstück. Delacroix scheint Goethe nur benutzt zu
haben, um die Quellen aufzudecken, aus denen Goethe schöpfte.
Es ist der primitive Faust, noch ganz in der schlackenreichen
derben Fülle, von der der Dichter nur Teile behielt, der Faust des
Mittelalters, den ein kaum merklicher Hauch des Dixhuitieme
glättet, nicht der Faust der Hofschauspieler, eher der von der
alten Puppenbühne: der arme dumpfe, gierige Abenteurer, der
vom Teufel besessen ist, den auf seiner Fahrt mehr Galgen, Hexen
und wüste Gesellen als tiefsinnige Gedanken begleiten*. Eckermann
beschreibt das Blatt, « wo Faust und Mephistopheles, um Gretchen
aus dem Kerker zu befreyen, in der Nacht auf zwey Pferden an
einem Hochgerichte vorbeysausen. Faust reitet ein schwarzes,
das im gestrecktesten Galopp ausgreift und sich, so wie sein Reiter,
vor den Gespenstern unter dem Galgen zu fürchten scheint. Sie
reiten so schnell, daß Faust Mühe hat, sich zu halten; die stark
entgegenwirkende Luft hat seine Mütze entführt, die, von dem
' Der Inselverlag hat 191 2 einen Faust mit Lichtdrucken nach den 17 Lithographien
DelacroLx' herausgegeben. Umschlag und Titel der Originalausgabe, die bekanntlich
nicht von Delacroix herrühren, fehlen.
' Die Anregung kam von der erwähnten Londoner Faustaufführung. In einem
Brief aus London vom 18. Juni 1825 an Pierret schreibt er: « J'ai vu ici une piöce
de Faust qui est la plus diabolique qu'on puisse imaginer. Le Mephistophdlös est
un chef d'ceuvre de caricature et d'intelligence. C'est le Faust de Goethe, mais
arrange: le principal est conserve. Ils en ont fait un opera mele de Comique et de
tout ce qu'il y a de plus noir. On voit la scöne de l'eglise avec le chant du prStre et
l'orgue dans le lointain. L'effet ne peut aller plus loin sur le theätre. i> Lettres/s.
Vgl. auch den Brief an Burty vom i. März 1862 (Lettres 351), in dem Delacroix auf
die Londoner Anregung verweist und als Darsteller des Mephisto Terry nennt.
112 DER GRAPHIKER
Sturmriemen am Halse gehalten, weit hinter ihm herfliegt. Er
hat sein furchtsam fragendes Gesicht dem Mephistopheles zu-
gewendet und lauscht auf dessen Worte. Dieser sitzt ruhig, un-
angefochten, wie ein höheres Wesen. Er reitet kein lebendiges
Pferd, denn er liebt nicht das Lebendige. Auch hat er es nicht von-
nöten, denn schon sein Wollen bewegt ihn in der gewünschten
Schnelle. Er hat bloß ein Pferd, weil er einmal reitend gedacht
werden muß; und da genügt es ihm, ein bloß noch in der Haut
zusammenhängendes Gerippe vom ersten besten Anger aufzu-
raffen. Es ist heller Farbe und scheint in der Dunkelheit zu
phosphoreszieren. Es ist weder gezügelt noch gesattelt, es geht
ohne das. Der überirdische Reiter sitzt leicht und nachlässig im
Gespräch zu Faust gewendet; das entgegenwirkende Element ist
für ihn nicht da, er wie sein Pferd empfinden nichts, es wird ihnen
kein Haar bewegt ».
Goethe fügt hinzu:
« Da muß man doch gestehen, daß man es sich selbst nicht so
vollkommen gedacht hat. »
Dann betrachten sie die Trinkszene in Auerbachs Keller, « wo
der verschüttete Wein als Flamme auflodert und die Bestialität
der Trinkenden sich auf die verschiedenste Weise kund gibt. Alles
ist Leidenschaft und Bewegung, und nur Mephistopheles bleibt in
der gewohnten heiteren Ruhe. Das wilde Fluchen und Schreien
und das gezückte Messer des ihm zunächst Stehenden sind ihm
nichts. Er hat sich auf eine Tischecke gesetzt und baumelt mit den
Beinen; sein aufgehobener Finger ist genug, um Flamme und
Leidenschaft zu dämpfen ».
Goethe fügt hinzu: « Herr Delacroix ist ein großes Talent, das
gerade am Faust die rechte Nahrung gefunden hat. Die Franzosen
tadeln an ihm seine Wildheit, allein hier kommt sie ihm recht zu-
statten. Er wird, wie man hofft, den ganzen Faust durchführen,
und ich freue mich besonders auf die Hexenküche und die Brocken-
szenen. Man sieht ihm an, daß er das Leben recht durchgemacht
hat, wozu ihm denn eine Stadt wie Paris die beste Gelegenheit
geboten. »
Eckermann rühmt, wie viel solche Bilder zum besseren Ver-
stehen des Gedichtes beitragen. Darauf Goethe: « Das ist keine
DER GRAPHIKER 113
Frage, denn die vollkommenere Einbildungskraft eines solchen
Künstlers zwingt uns, die Situationen so gut zu denken, wie er
sie selber gedacht hat. Und wenn ich nun gestehen muß, daß Herr
Delacroix meine eigene Vorstellung bey Szenen übertroffen hat,
die ich selber gemacht habe, um wie viel mehr werden nicht die
Leser alles lebendig und über ihre Imagination hinausgehend
finden ! »
Kurz nach dem Faust entsteht eine Reihe von radierten und
lithographierten Tieren, darunter der « Lion d'Atlas », der das
Kaninchen verspeist, und der « Tigre royal », eins der schönsten
Blätter. Das Schwarz des Steindrucks wird zu dem tiefen, saugenden
Sammet der Streifen des Fells. Der Gegenstand ist aufs äußerste
detailliert; man denkt, der Künstler müsse neben dem Modell ge-
standen haben. Und alle Details dienen nur dazu, die Größe des
Ausdrucks zu steigern.
1834 beginnt die Hamlet-Serie\ Auch dieses Theater bleibt
Theater. Was die Geste gibt, wird zur Darstellung gebracht. Schau-
spieler können daran lernen. Der Ausdruck ist ganz unzweideutig.
Jeder weiß sofort: Dies ist das Bild aus der und der Szene. Die
Vereinfachung ist weniger primitiv als in den Faust-Illustrationen.
An diese Serie erinnert nur noch der Hamlet vor dem Vorhang
und allenfalls die Szene: Geh in ein Kloster. In den anderen kommt
es zu reicheren Linien und Flächen, doch wird nie die treibende
Handlung verdunkelt. Man könnte Hamlet, fühlt man, mit
Marionetten geben, die nach solchen Bildern gemacht wären. Eine
einzige Welle vielartigen Gefühls hält alle Gestalten der Szene am
Bande. Arabesken werden zu Begebenheiten! Diese Ophelia mit
dem phantastischen Flor am Boden vor den beiden in Entsetzen
und Tücke erstarrten Gestalten; der wüste Kampf auf dem Kirch-
hof; die Theaterszene — ein vervielfachtes Theater; Arabesken,
die ein Nichts — ein halbgeschlossenes Auge, ein Zucken um den
Mund, eine Linie lebenden Fleisches — zu unerbittlichen Tra-
gödien macht. Die Arabesken wirken flächig und gehen gleich-
zeitig in die Tiefe. Der betende König ist eine gotische Holzplastik,
' Auch die 16 Blätter dieser Serie hat der Inselverlag in einem mit Lichtdrucken
nach den Lithos illustrierten Hamlet gesammelt (Leipzig, 191 3). Hoffentlich bringt
er auch noch den Götz mit den sieben Lithos, die zwischen 1836 und 1843 entstanden.
Meier-GraefCj Delacroix 8
114
DER GRAPHIKER
Hamlet steht wie ein heiliger Georg Donatellos hinter ihm, und
das Ganze ist in vollendet malerischer Einheit. Die Beschränkung
auf das spröde Material läßt den Genius Delacroix'wie einen König,
der sich verkleidet, erkennen. Viele Motive der Lithographien
kehren in berühmten Bildern wieder. Der « Jeune tigre jouant
avec sa mere » in dem gleichzeitigen großen Gemälde des Louvre ;
der « Lion d 'Atlas » in dem dreißig Jahre später entstandenen Ge-
mälde^; Hamlet und Horatio vor dem Schädel Yoricks mit etwas
veränderter Komposition in dem Gemälde des Louvre von 1859";
und das reichste Blatt der Hamletserie, die ertrunkene Ophelia,
in mehreren Bildern, von denen der Louvre das schönste besitzt.
Man wird nicht die juwelenhafte Farbe dieses Bildes in
dem Blatte finden und wird sie nicht suchen, aber dafür
ein anderes mit dem Bilde Gemeinsames finden, das im Grunde
noch wesentlicher ist: Das Farbige, das man auch den Geist Dela-
croix' nennen kann. Man begreift vor seinen Lithographien den
Satz, den ein Freund von ihm sagte: « Donnez-lui de la boue, il
en fera des chefs-d'oeuvre. »
' Robaut Nr. 1299.
" Robaut Nr. 660, 790 und 1386.
REM BRANDT
I
Das Farbige war Delacroix' Blut, seine Sprache, sein Leben,
der ganz organische Bestandteil einer unübersehbaren Welt,
war trotz allem Verstandes- und Gesetzmäßigen, das ihn leitete,
von dem wir winzige Bruchstücke erblicken können, rätsel-
haft wie der Blick auf ein Antlitz, in dem wir plötzlich, weil die
Stirn sich ein wenig verzieht, weil der Mund einen Laut ausstößt,
in einer Sekunde ein Verbrechen, ein Unglück, ein Drama, eine
höchst verwickelte Situation entdecken. Seine Farben sind wie
seine Natur, und das, was uns bei ihm Natur scheint, ist wie seine
Farben. Wir wissen, wie gewissenhaft er studierte. Doch scheint
ii8 REMBRANDT
er nicht den Umweg über die Natur gebraucht zu haben, um seine
Menschen lebendig zu machen. Sie sind nur für das Bild gedacht,
sind Lichter und Schatten. Auch die Ophelia im Wasser, der Christ
im ölgarten, die Kreuzfahrer sind Lichter und Schatten. Und sie
erscheinen uns deshalb im Bilde so natürlich wie die rätselhaften Er-
scheinungen der Luft und des Lichts in der Natur, vielleicht sogar
natürlicher als in den Werken der Dichter. Das eine, das Delacroix
gibt, indem er sich auf das Bildhafte beschränkt, gibt so voll-
kommen alles übrige, daß wir, fern von dem Werk, das Ge-
denken an die Gestalten mit uns tragen, so, als ob wir mit
ihnen gelebt hätten. Sind seine Tiere Natur? Wir wissen von
Taine über Delacroix' Tierstudien^ und besitzen viele Dokumente
darüber von Delacroix selbst. Doch erklären sie nicht die Wahrschein-
lichkeit seiner Löwen, Tiger und Panther. Man sieht selten Löwen
bei uns in der Wirklichkeit, die nicht ein wenig komisch wirken.
Delacroix wird in der Natur auch keine anderen gesehen haben.
Er hat mehr an zahmen Katzen gelernt, als an den Raubtieren
im Jardin des Plantes, wo er mit Barye zeichnete. Sein Schüler
Planet erzählt, daß ihm, als er einmal für Delacroix eine Palme
malen sollte und kein Modell zur Hand war, der Meister einen Topf
Nelken gab mit der Weisung, ihn für die Palme zu benutzen^.
Auf dem gleichen Wege wurde vielleicht der Hühnerknochen, den
der Kater verzehrte, zu dem Kadaver des Indiers, den der Löwe
zerfleischt. Doch sind die Löwen, Tiger, Panther usw. wilde
1 In seiner «Philosophie de l'art en Italie » (Paris 1866) spricht Taine von den
« Divinations zoologiques de Delacroix o. Delacroix erzählte ihm von seinen ana-
tomischen Studien nach einem toten Löwen. «Ce qui l'avait le plus frappe, c'est que
la patte anterieure du lion etait le bras monstrueux d'un homme, rnais tordu et
renverse. Selon lui il y a ainsi dans toutes les formes humaines des formes animales
plus ou moins vagues qu'il s'agit de demeler; et U ajoutait qu'en poursuivant l'etude
de ces analogies entre les animaux et l'homme on arrive ä decouvrir en celui-ci ses
instincts plus ou moins vagues par lesquels sa nature intime le rapproche de tel ou
tel animal.
' Delacroix fügte hinzu: « Tout ce qui dans la nature se rapproche en petit ou
en grand de l'objet que vous avez ä. peindre doit vous servir, ä defaut du modele
veritable. » (Publiziert von Th. SUvestre in dem erwähnten Eugdne Delacroix,
Nouveaux documents.) Vgl. auch die freilich nicht zuverlässigen Bemerkungen des
Gehilfen Lassalle-Bordes in dem bekannten Briefe an Burty, der in der zweibändigen
Ausgabe der Lettres von 1880 wiedergegeben ist.
REMBRANDT 119
Bestien, die irgendwo in der Wildnis hausen. Man glaubt
an diese Rachen, diese « mächoire montee sur deux pattes »,
wie Taine sagt; noch mehr an das Fletschen des Rachens, an das
Schleichende, Geduckte und das Phantastische der Sprünge, an
die ungeheuerlichen Kämpfe, an das Hingeschleuderte, Ge-
lähmte, Lächerliche der Beute unter den Pranken. Und das ist
alles trotz der Wahrheit nicht schrecklich, sondern weich und
anziehend, daß man streicheln möchte. Man sieht dem Furcht-
baren zu wie einem Feste.
So wirken alle Dramen Delacroix'. Die Handlung gibt ihr
aktuelles Element einer höheren Welt ab und erscheint nur noch
als bewegte Form. Das Höhere, das eigentlich Löv/enhafte ist die
Hand des Malers. « Quand Delacroix peint », schrieb van Gogh,
der auch etwas von der gleichen Art besaß, « c'est comme le Hon
qui devore le morceau». Ich habe die große Skizze mit dem Löwen
und dem toten Pferd vor mir, das Motiv, das ähnlich in der Litho-
graphie von 1844 wiederkommt. Auf dem Bilde liegt der Leichnam
des Gaules auf der rechten Seite. Der Löwe ist von links darauf
gesprungen und hat beide Vorderpranken, die ungeheuren Hebel
einer Höllenmaschine, auf dem Kadaver. Der Kopf blickt fletschend
zurück nach einem verborgenen Feind, der auch auf die Beute
lauert. Das ganze Bild ist in ein paar Stunden gemalt, die Lein-
wand ist kaum bedeckt. Man sieht nur die Bewegung, die aufs
äußerste gespannte Vitalität des Raubtiers, das absolut Tote der
Beute. Die Bewegung des Löwen füllt das ganze Bild. Ein Blond,
von etwas Weiß in den Lichtern erhellt, geschwärzt in den kolos-
salen Konturen, dehnt sich über die ganze Fläche und scheint
das fahle Grau des Kadavers zu verschlingen. Die pfeilschnellen
Striche sind wie Miasmen des Löwenhaften. Das Schauspiel steckt
in der ganzen Atmosphäre.
Das Schauspiel ist durchaus nicht immer tragisch, der Löwe
ist nie eo ipso das schreckliche Ungeheuer, er ist das, was Delacroix
aus ihm macht. In dem « Daniel in der Löwengrube » unterwerfen
sich die Bestien gehorsam der Legende, wie gebannt von dem
Zauber eines Orpheus, und die Wildheit, die ihnen Delacroix läßt,
paart sich mit einer Nuance von Komik. Und die Komik ist keines-
wegs willkürlich, entstammt so gut der Natur wie das Grausige.
120 REMBRANDT
Sie interpretiert ebenso sicher das Motiv, das nicht geistvoller
dargestellt werden könnte, vsrie eine tatsächliche Eigenschaft der
Tiere. So ist es immer bei Delacroix. « Nul apres Shakespeare »,
schrieb Baudelaire, « n'excelle comme Delacroix a fondre dans une
unite mysterieuse le drame et la verite ! » Das unterscheidet ihn
von allen Nachfolgern. Sie sind nicht weniger wahr, aber ihre
Wahrheit hat nicht den Preis der seinen, ist nie den Gefahren
der seinen ausgesetzt, überwindet sie nicht ebenso siegreich. Nie
erscheint die Natur als das Primäre, das ihn zur Gestaltung trieb.
Sie bleibt das Mittel, eine gehorsame Gehilfin. Tiere, Menschen,
Landschaft, selbst die gleichgültigsten Dinge spielen das Stück,
das er aufführt. Aber die Gehilfin büßt nie ihre Würde ein. Sie
muß sich Opfer gefallen lassen, notwendige, rationelle Opfer, die
der Kritik zu Zeiten Delacroix' und auch ihm selbst, dem un-
erbittlichsten seiner Kritiker, zuweilen wie Fehler erschienen^
'■ Der Maler Jean Gigoux hat darüber in seinen «Causeries sur les Artistes » amü-
sante Anekdoten aufgehoben. « Tout le monde peut voir ä Versailles son « Entree
des Cioises ä Constantinople » (heute das Hauptwerk des Louvre). Dans cette grande
tolle toutes les figures sont ä leur place, et il semble qu'elles y respirent l'air ä
pleins poumons. Vous diriez une fenetre ouverte sur le passe. Vous voilä transporte
comme par enchantement sur le Bosphore ; vous voyez la ville avec ses rues etroites
et blanches ; au pemier plan un de ces rüdes croises maltraite un senateur, peut-6tre
le Paleologue lui-meme ; le vieülard se cramponnc aux colonnes de porphyre ; une
femme ä genoux implore la clemence de ce brutal ; ä droite, voici les guerriers ä cheval ;
tout cela est süperbe de vie et de couleur ; mais le Croise qui renverse le vicillard en
rohe violet et or montre-t-il son dos ou sa poitrine ? Ne me fiant pas ä mon seul juge-
ment, j'ai consulte des artistes et des amateurs, nul ne put me repondre. Le mau-
grabin que je citais plus haut est dans les memes conditions vagues, si bien que
Ricourt, grand partisan de Delacroix, repondit plaisamment ä quelqu'un qui lui
dcmandait: « Est-ce une poitrine ou un dos? » Ricourt, dis-je, repondit: « Ni l'un ni
l'autre, c'est de la peinture. » Delacroix etait le premier ä convenir de ces choses,
mais il n'en riait point. Un jour que mon ami Frangais (Schüler Gigoux', Freund
Delacroix') faisait une lithographie d'apres la « Barque de Don Juan », il pria
Delacroix de venir voir son travail. Celui-ci, afflige outre mesure en voyant froide-
ment les defauts de son tableau, lui dit: « Que voulez-vous que je fasse ä present!
Voilä une epaule de profil sur une poitrine de face ! Voici un homme qui meuit de faim
au milieu de l'Ocean et je Tai fait gras et bien portant! C'est insense! Comment ai-je
pu faire cela ? » Franfais lui dit : « Est-ce que vous ne pourriez pas y retoucher un
peu ? » — « Y retoucher ? II y aurait trop ä faire. J'avais la fievre de la production dans
ce moment-lä. Que voulez-vous ? Faites comme vous pourrez. Est-ce que Audran a
copie Le Brun litteralement ? II l'a recale. Eh bien, recalez-moi aussi. « — « Mais,
LE LION AU LAPIN, 1856.
0,56:0,46. (ROBAUT Nr. 1299.)
LOUVRE, PARIS. (COL. THOMY-THIERY.)
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REMBRANDT 121
die wir, an Opfer nur zu Gewöhnte, nicht mehr bemerken; nie
wird sie zur mißhandelten Sklavin. Gleich neben unserer Be-
wunderung der kühnen Phantasie steht die sichere Zuversicht:
das muß so sein. Die Möglichkeit, Delacroix könne je gegen die
Natur sündigen, ist ausgeschlossen. Man führt diesen Eindruck
gern allein auf die Macht der Empfindung zurück, die keine Kon-
trolle erlaubt. Aber auch solche Erklärungen sind unkontrollier-
bar. Die Sicherheit Delacroix' beruht auf dem Reichtum des Reper-
toire, das für alle Empfindungen, für alle Übertreibungen im
Namen der Empfindung, Belege des Natürlichen bereit hat.
Diese größte Eigenschaft entfernt Delacroix ein wenig von
seinen lateinischen Verwandten, auch von seinem geliebten Rubens,
und nähert ihn dem großen Erhöher der nordischen Vorstellungs-
welt. Rembrandt hat an der Genesis Delacroix' keinen unmittel-
baren Anteil. Den Werdenden trieb es immer wieder, das Un-
gestüme seiner Jugend an der stillen Erhabenheit des Urbinaten
zu klären. Über der Auseinandersetzung mit Veronese und Rubens
und mit dem Gegensatz zwischen Rubens und Raffael, in dem er
einen der vielen Gegensätze seines eigenen Wesens wiederfand,
vergaß er anfangs den dritten, der von beiden gleich fern war.
Rubens und Raffael waren ihm Gehilfen. Er soll des Morgens,
bevor er an die Malerei ging, imimer ein paar Augenblicke nach
Werken der beiden gezeichnet haben. Wir können uns denken,
daß er, wenn der rubenshafte Drang die Hand zittern machte, nach
Raffael griff, um sich ruhig zu machen; wenn er die gefürchtete
« Paresse » fühlte, die Lässigkeit des Träumenden, der das Bild
lieber im Geiste behielt, nach Rubens. Die Beziehung zu Rem-
brandt war platonischer, stellte sich ohne sein Dazutun ein, kam
mit der Reife. Sie gibt der Maniera magnifica die sonore Tiefe.
Im « Journal » kann man das Verhältnis verfolgen. In den
ersten Jahrzehnten kommt kaum der Name vor. Raffael ist der
Gott. Die schöne Geste, die Perfektion in jeder Einzelheit, die
monsieur Delacroix ? . . . » — « Non, non, recalez-moi tout ccla ; vous faites des choses
süperbes tous les jours. » Cette anecdote vous prouvc que Delacroix eüt ecrit tres
bien sa propre critique. » Lasalle-Bordes, der das Andenken Delacroix' nicht ver-
schönt hat, schrieb: «II n'etait pas content lorsqu'il s'examinait ; mais lorsqu'il
se comparait, c'etait different. »
122 REMBRANDT
Majestät aller Gestalten des Urbinaten gehen ihm über alles.
1851 vertraut er dem Tagebuch eine «Blasphemie» an. Er hat
mit unbegreiflicher Härte die vermeintliche Trockenheit und
Inkohärenz der Teile in den Bildern Poussins gerügt und findet
denselben Mangel an Zusammenhang in Raffael. Wie anders
Rembrandt! Vielleicht, schreibt er, wird man entdecken, daß
Rembrandt ein viel größerer Maler als Raffael war. Er beschränkt
die Überlegenheit nicht nach bekanntem Rezept auf das handwerk-
liche Gebiet. Wohl ist ihm Rembrandt mehr Maler, « plus native-
ment peintre », gleichzeitig aber auch ein schlechterdings höherer
Wert, der Repräsentant eines größeren Ausdrucks, eines geistigeren
Begriffs der Wahrheit. Rembrandt besitzt vielleicht nicht im
einzelnen die absolute Erhabenheit, die der Größe gewisser Gegen-
stände Raffaels entspricht; dafür besitzt er sie in der Erfassung
des Motivs, in der tiefen Einfalt des Ausdrucks.
Auf einer Seite des «Journal» von 1853 kommt es zu einer weit-
gehenden Auseinandersetzung mit Rembrandt, Rubens und den
Venezianern, aus der sich die Stellung zu Rembrandt mit aller
Deutlichkeit ergibt. Es ist von den Verzichten die Rede, die das
Malen verlangt. Delacroix glaubt an die Notwendigkeit vieler Opfer,
aber mag nicht, daß der Künstler sie sehen läßt. Rembrandt erreicht
mit diesen sichtbaren Opfern schöne Wirkungen, und an ihm stört
die Art nicht, weil sie ihm natürlich ist. Dem Schreiber des « Jour-
nal » wären sie nicht natürlich. Auf diese Betrachtung bringt ihn
das soeben gemalte Porträt des Sammlers Bruyas, das in jeder
Hinsicht vollendetste der wenigen Bildnisse. « Rembrandt hätte
nur den Kopf gezeigt, Hände und Kleidung wären kaum ange-
deutet worden. Ohne sagen zu wollen, daß mir die Art, die alle
Einzelheiten gemäß ihrer Bedeutung sehen läßt, unbedingt lieber
ist — denn ich verehre Rembrandt über alle Maßen — , fühle ich,
daß mir seine Wirkungen nicht liegen. Darin gehöre ich zu den
Italienern. Veronese ist das Nec-plus-ultra der Darstellung aller
Teile, auch Rubens, der vielleicht in seinen pathetischen Bildern
vor Veronese den Vorteil besitzt, mittels gewisser Übertreibungen
die Aufmerksamkeit auf die Hauptsache zu lenken und die Stärke
des Ausdrucks zu vergrößern. Bei alledem liegt in dieser Art
etwas Künstliches, das ebenso fühlbar und vielleicht noch fühl-
REMBRANDT 123
barer ist als die Verzichte Rembrandts und das Unbestimmte
seiner nebensächlichen Dinge. Weder der eine noch der andere
befriedigen mich ganz für das, was ich brauche. Ich möchte —
und glaube, ich erreiche es oft — daß das Künstliche gar nicht ge-
fühlt und das Wichtige doch hervorgehoben wird. Das läßt sich
wiederum nur mit Verzichten erreichen. Aber diese Opfer müssen,
um meinen Wünschen genug zu tun, viel versteckter (infiniment
plus delicats) sein als in der Art Rembrandts. » Soweit der Theo-
retiker und Kritiker Delacroix, der trotz seines einzigartigen
Scharfsinns immer weit hinter der Intuition des Malers zurück
blieb. Er hat hier das Wesentliche seines Verhältnisses zu Rem-
brandt mindestens angedeutet. Die Ergänzung ist leicht in den
Bildern zu finden.
Der vorhin erwähnte « Daniel in der Löwengrube » ist eine
der vielen Brücken und wohl die deutlichste. Es gibt zwei Fassungen
des Motivs. Die erste, im Museum von Montpellier, wo auch der
Bruyas hängt, entstand 1849; die zweite, viel glücklichere, in
der Sammlung Th. Behrens in Hamburg, ist 1853 datiert. Beide
weisen, und zwar in ganz verschiedener Weise, auf die Welt Rem-
brandts. Die erste Fassung erinnert sogar in einer Schwäche der
Komposition an ihn, dem etwas willkürlichen Ausschnitt mit den
Zuschauern oberhalb der Höhle. Es steckt etwas von nordischer
Unbeholfenheit in dem Bilde, von der Schwerfälligkeit der Engel
Rembrandts, von dem Rembrandt der mittleren Zeit, als die Wucht
noch nicht alle Einzelheiten gleichmäßig durchdrang. Ich glaube,
Delacroix hat diese Schwere wie Würze genossen, so wie sie uns
erscheint, wenn wir im Louvre nach der Schwelgerei in den Vene-
zianern vor das Dunkel des Holländers treten. Er hat sie oft als
Würze in seinen eigenen Bildern, wo sie dem kühnen Schwung
irgendwo eine wohlbewußte Hemmung entgegensetzt, wie um
unsere Lust einen Augenblick zu Bewußtsein kommen zu lassen.
Diese beschwichtigende Hemmung, die zu Steigerungen führt,
trägt auch in der späteren Fassung des Daniel zu der geheimnis-
vollen Wirkung bei. Das Bild wirkt langsamer als das frühere.
Es sieht dunkler aus, dunkel wie ein Rembrandt. Aber das Dunkel
ist wie bei Rembrandt Tiefe. Es hindert nicht die Gestalten. Sie
erscheinen viel harmonischer und reiner als auf der ersten Fassung.
124 REMRBANDT
Alles, was dort Materie blieb, ist hier Geist geworden. Auch das
Rembrandthafte scheint vergeistigt. Die Bewegung, die der alte
Meister mit gehäuften Farben erreichte, kommt mit einem spiegel-
glatten dünnen Auftrag zustande und läßt trotzdem die ganze
Fläche fibrieren, sondert trotzdem die Licht- und Schattenteile zu
ordnenden Massen. Der Pinsel entlockt spielend die Erscheinung
der Fläche. Die drollige Löwin im Hintergrund links ist noch halb
Pinselstrich geblieben und scheint die zarte Farbe zu lecken, die
sie entstehen ließ. Trotzdem dröhnt die Höhle von der Wucht der
Körper. Der Engel, kräftig wie der Engel Rembrandts auf dem
Tobiasbilde des Louvre, hat doch das Magische, das unsere Vor-
stellung beflügelt. Und das Magische ist ein tiefer aber kristall-
klarer Farbenakkord, mit einem gedämpften Rosa im Licht, da
wo sich die Erscheinung zu der rührenden Jünglingsgestalt ver-
dichtet, und einem leuchtenden Smaragd im Dunkel. Man versteht,
was in dem « Journal » mit den « delikateren » Opfern gemeint ist.
Delacroix steht zu Rembrandt wie zu Raffael. Der Vorgänger
erscheint wie die breite Vorstufe einer rein geistigen Macht. Poussin
steht ähnlich zu Tizian. Nur bedroht seinen Verzicht die Durch-
sichtigkeit der wundervollen Methode. Delacroix scheint Rem-
brandt zu lösen und wiederum gleich dicht und mächtig zu einer
nicht weniger tiefen Mystik zusammenzuballen. Vergessen wir
nicht, daß, wenn auch der Maler Delacroix ohne Rembrandt zu
denken ist, wir nicht fähig wären, ihn zu begreifen, hätte nicht
Rembrandt jene Welt von Gleichnissen erschlossen.
Die Tierbilder haben Delacroix die kühnsten Gleichnisse ge-
geben. Auf einem Bilde, das 1856 datiert istS wird eine halb-
nackte Frau von einem Tiger angefallen. Die Situation ist,
in die Wirklichkeit übertragen, so kraß wie möglich. Die Bestie
beißt die Unglückliche in die Brust. Der Künstler erfindet eine
das Bild wie eine lose Schlinge durchziehende Arabeske. Tier
und Mensch werden eins. Der schmerzliche Seufzer, mit dem die
Getroffene über den geschmeidigen Leib des Tigers hinsinkt,
könnte höchste Wollust sein. Und nichts wie eine wahrhaft gött-
liche Wollust empfindet man beim Betrachten der blutigen Idylle.
I
' Robaut legt es in das Jahr 1852 (Nr. 1200).
REMBRANDT 125
Eine verwandte Umschlingung von Mann und Löwin hat Robaut
in seiner schönen Faksimile-Sammlung lithographiert^. Der Mann
mit dem Schwert in der Faust liegt halb sitzend auf der Erde. Die
Bestie umarmt ihn mit einer ungeheuerlichen Gebärde. Die Sach-
lichkeit, mit der der Besiegte, dem nicht einmal zum Entsetzen
Zeit bleibt, und der mörderische Mechanismus der Löwin erfaßt
ist, rivalisiert mit der statuarischen Größe der Gruppe.
Wie viel Monumente stecken in Delacroix! Manche seiner Tier-
bilder, wo die Bestie sich allein in Umrissen, die Gebirgen gleichen,
vom Horizont abhebt, könnten, meint man, so wie sie sind, in
Plastik übertragen werden. Nie wurde es versucht. Nie hat ein
Barye diese Monumente geahnt. Rodin kam in sehr seltenen Mo-
menten in die Nähe der Sphäre. Neuere haben sich durch sche-
matische Vereinfachungen die Arbeit zu leicht gemacht. Delacroix'
Vereinfachung ist immer ein Bereichern der Natur, nicht nach
einer Richtung, sondern nach unzähligen. Nie hemmt das Plastische
die Fülle des Malerischen. Da, wo man soeben noch das Statuarische
der Gruppen bewunderte, löst die Farbe alles in fließenden Prunk.
Auf der Löwenjagd der Sammlung Wolde formen sich unmerklich
die farbigen Flecken zu gewundenen, gestreckten, springenden
Leibern. In der Löwenjagd der Akademie in Petersburg ist
der Vorgang zu einer fließenden Materie geworden, deren hin-
reißende Schönheit die Gespanntheit des Motivs überwindet. Die
blauen Töne auf der rechten Seite des Bildes, wo sich nur die Land-
schaft den Blicken zeigt, halten die stark bewegte Szene auf der
anderen Seite im Gleichgewicht und produzieren die Quelle des
Rhythmus, der sich über die ganze Fläche ergießt.
Das große Löwenbild von 1854, im Museum von Bordeaux, war
die reichste Beute dieser unerschöpflichenjagdgründe des Künstlers.
Es wurde 1870 durch den Brand des Rathauses von Bordeaux
schwer beschädigt. Wir können uns aber mit dem übrig gebliebenen
Fragment und der ein Jahr später gemalten viel kleineren Variante,
in der nur die Landschaft wesentlich verändert ist, einen Begriff
' Alf. Robaut, Eugene Delacroix. Facsimile de dessins et croquis originaux.
Zwei Serien. Bei Dusacq & Cie., Paris 1864. Die erwähnte Zeichnung ist Nr. 35
der II. Serie.
126 REMBRANDT
von dem Werke machen. Es hat ungefähr das Format der großen
Löwenjagd von Rubens in der Münchener Pinakothek (3,60 breit,
2,60 hoch) und erscheint vielleicht schon aus diesem Grunde als
der am meisten rubenshafte Delacroix. Es ist eines seiner kühnsten
und wildesten Phantasien. Ein Knäuel von Löwentatzen, Löwen-
rachen, von flatternden Mähnen, sich bäumenden Leibern, von
sprengenden und gestürzten Pferden, kämpfenden, schreienden,
sterbenden Menschen, von Flinten und Säbeln, von flatternden
bunten Mänteln und zerfetztem Fleisch. Alles das findet sich auch
auf dem Rubens, auch das Temperament, auch die Wildheit. Ein
ungeheurer Windstoß scheint auf dem Münchener Bilde die
Massen von links nach rechts in das Bild zu schleudern bis zu
dem Pferd hin auf der äußersten Rechten, das dem Anprall mit
stämmigen Beinen standzuhalten scheint.
Wie oft wünscht man sich, die Macht zu haben, Bilder desselben
Geistes oder die von demselben Geiste erscheinen, und die der
Zufall hierher oder dorthin gebracht hat, einmal auf eine Stunde
zusammenzubringen, so wie damals bei Kleinberger die beiden
« Mirakel des S. Benoit ». Was damals nur mit einer Fiktion
möglich zu werden schien, die Überlegenheit der Erfindung Dela-
croix', das ist jetzt beweisbar geworden. Von der Mitgift des Vor-
gängers ist jetzt wirklich nur noch allenfalls eine Idee übrig ge-
blieben : der Vorwurf, eine Löwenjagd zu malen ; und wir brauchen
aus den gewohnten Faktoren des Vergleichs nichts, auch nicht
die Komposition mehr auszuscheiden.
Die Überlegenheit gilt in jeder Hinsicht. Rubens ist trotz seiner
Wucht von viel geringerer Dramatik. Er schleudert den Betrachter
ebenso nach einer einzigen Richtung wie die Massen des Bildes
und gibt mehr die Folgen der Handlung, die erregten Rosse, die
stürzenden Reiter, die Leiche, als die Handlung selbst. Seine
riesigen Einzelheiten scheinen die Bewegung eher zu hemmen als
zu fördern, und füllen und bedrängen uns, wie sie die grosse Lein-
wand des Bildes vom unteren Rande bis zum oberen hin füllen.
Dieser empfindliche Mangel an Horizont (er wird nur unter-
halb der Gruppe zwischen den Gliedern sichtbar und bleibt des-
halb wirkungslos) drängt uns wiederum zu dem Detail. Wir
stehen, wie wir uns auch stellen mögen, viel zu nahe, um mehr
REMBRANDT 127
als Einzelheiten zu sehen. Die Folge ist eine Verwirrung, die uns
die Verehrung des Meisters als Wirkung der Größe auslegen läßt,
die wir sonst Verworrenheit nennen würden. Delacroix hinderte
die Bewunderung des Bildes nicht, diese Schwäche in ihrem ganzen
Umfang zu erkennen^.
Er gibt in seiner Jagd nicht weniger Einzelheiten. Wir sehen alle
Phasen der Begebenheit, sehen sie, obwohl sie nicht so detailliert
sind, viel deutlicher, weil sie besser gegliedert sind und weil alles
Wichtige, z. B. die Löwen (die bei Rubens zurücktreten), im ganzen
Umfang gezeigt wird, aber sehen sie immer im Zusammenhang
mit der zentralen Handlung, dem Kampf, der Jagd. Das allein,
das Kämpfen, das Jagen, die zuckende Bewegung, ist der wahre
Gegenstand des Werkes, und es erscheint uns als solcher wesent-
licher, natürlicher und bedeutender, als der Rubenssche Inhalt.
Was kümmert uns in dem Rubens, daß da ein Mensch tot ist, da
einer entsetzlich der ganzen Länge nach, mit dem Kopf zu
Unterst, hinstürzt und dabei sein von Schreck zerfetztes Gesicht
zeigt, oder daß ein anderer, der auf der Erde liegt, noch gerade
dem anderen Löwen ins Maul spießt. Mag das möglich sein, ob-
wohl manches daran recht unwahrscheinlich aussieht, wir würden
es weder in Wirklichkeit sehen, noch wollen wir es hier sehen,
weil wir nicht so nahe ständen, noch so nahe stehen wollen. Aber
den Kampf wollen wir, die Wut der Angreifer, den Widerstand
der Angegriffenen, die Lust am Kampfe, nicht das Aufgeregte,
sondern das Aufregende. Das gibt uns Delacroix in allen Nuancen,
so, als wenn wir mitten darin wären, und doch so, daß wir frei
bleiben, von keinem Entsetzen, nur von der Schönheit getroffen
werden. Er erreicht diese ideale Nähe und Ferne mit der wunder-
baren Komposition von Linie und Farbe, von Licht und Schatten.
Vor allem stellt er den Kampf in eine durchaus mitwirkende Land-
schaft, deren Beteiligung uns allein schon ein Objektivieren der
' In seiner eingehenden Beschreibung des Bildes, das ihm freilich nur durch den
Stich von Sontman bekannt war, meint Delacroix, nachdem er alle Details und
die wunderbare « Execution » bewundert hat : « Mais l'aspect est conf us, l'oeil ne
sait oü se fixer, il a le sentiment d'un affreux desordre; il semble que l'art n'y a pas
assez preside pour augmenter par une prudente distribution ou par des sacrifices
l'effet de tant d'inventions de genie. » (Journal I, 244.)
128 REMBRANDT
Handlung erleichtert; und dann macht er aus dem Kampf un-
merklich, ohne ihn im mindesten zu beschränken, eine riesige
Woge, die in dem mittleren Reiter die Höhe erreicht und in wunder-
baren unregelmäßigen Terrassen nach allen Seiten abfließt. Wir
wissen nicht, ob die Bewegung den Kampf, oder der Kampf die
Bewegung bestimmt, aber sie leitet uns an, im Fluge da ihre
Stützpunkte zu suchen, wo die Flecken und Lichter, die Schatten
und Dunkelheiten sitzen. Da sitzen gleichzeitig die Hebel der
prachtvollen Koloristik, und da sitzen gleichzeitig die Bewegungs-
elemente der Tiere und Menschen, deren wir zur Erfassung und
Ergänzung bedürfen. Glaubt man nicht in dem Bilde die Reali-
sierung jener Forderung Delacroix' zu finden, die der Literat
zwischen der Detaillierung des Rubens und den Verzichten eines
Rembrandt suchte?
Der Rubens ist nicht ganz eigenhändig, lehrt uns die Kunst-
geschichte. Deshalb tut die Überlegenheit Delacroix' in diesem
Bilde dem großen Flamen keinen Abbruch. Doch fühlen wir,
wenn wir es nicht wissen, daß die Eigenart der Rubensschen
Löwenjagd mit ihrer Macht und Schönheit und auch mit allem,
was uns daran im Vergleich mit dem Delacroix' als Schwächen
erscheint, im Grunde von der Frage, ob Rubens das Bild selbst
vom Anfang bis zu Ende gemalt hat, unabhängig ist. Nur sehr
seltene Kenner vermögen in den großen Gemälden mit Sicherheit
die Hand des Meisters von Schülerhänden zu unterscheiden, und
diese Kennerschaft bedingt keine Steigerung des Genusses. Die
Gesellen, die Rubens halfen, wußten, wie er es wollte. Er war
zufrieden mit ihnen; wir sind es auch. Diese Unabhängigkeit des
Rubensschen Werkes ehrt den Meister und seine Zeit. Es war
seine Größe, eine Welt hinzustellen, an deren Bau viele die Hände
rühren konnten, ohne sie zu verderben. Der Gedanke, der ihn be-
seelte, durchdrang die anderen. Sie vermochten ihm zu folgen,
sich ihm zu unterwerfen, ohne dumpfes Werkzeug zu werden. Sie
waren Künstler, wurden Meister, nicht Meister wie Rubens, aber
würdige Verwandte, die wir heute noch gern in seiner Nähe erblicken.
Delacroix' Größe war, allein eine Welt hinzustellen. Seine Ge-
hilfen, wenn von ihnen überhaupt die Rede sein kann, waren
namenlose Handlanger. Er ließ sich zuweilen von ihnen, wie er
CHASSE AUX LIONS, 1858.
0,98 : 0,76. (ROBAUT Nr. 1 349.)
MUSEUM VON BOSTON.
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REMBRANDT 129
einmal mit einerai Worte Tizians sagte, das Bett der Farbe bereiten,
die primitive erste Deckung des Grundes bei großen Dekorationen,
und sah selbst diesen Manipulationen mit Ungeduld und Miß-
trauen zu. Es gibt keinen nicht eigenhändigen Delacroix.
Das, was man bei Rubens Atelierstück nennt, dem der Meister
allenfalls zuletzt ein paar Lichter aufsetzte, ist bei Delacroix
Fälschung.
Den Begriff dieser Eigenhändigkeit sehen wir heute von dunklen
Trabanten umgeben. Hinweise tragischer Art verbergen sich dar-
unter. Er kann mit Bitternis gefüllt sein und uns deshalb groß
erscheinen, weil er allein steht. Er ist, aus Delacroix gewonnen,
notwendig höher als der Begriff, der sich mit dem gleichen Wert,
auf Rubens angewendet, verbindet. Nicht das entscheidet, daß
Delacroix' Meisterwerke nur von seiner Hand sein können. Was
geht uns der eine an, der sich eine Persönlichkeit zurecht macht?
Es ist das Wunderbare, daß wir an Stelle des Persönlichen mit
seinem bestimmten Namen, seinen Gewohnheiten, Lastern und
Vorzügen einen großen Unbekannten setzen können, der nichts
dergleichen hatte, der ein Künstler war, wie Gott der Herr-
gott ist.
Delacroix' Bilder können nur von einer Hand gemalt sein, weil
der ungeheure Komplex von Wirkungsmöglichkeiten nur von
einem Hirn erdacht und beherrscht werden konnte.
Rubens ist ein lachendes Ungeheuer. Wir hören ihn schmatzen,
wenn er die Körper durcheinander wirft. Wir hören die stillen
Seufzer Rembrandts, von dem man auch sagen kann, er habe nur
eigenhändige Bilder gemalt. Dieses Hervortreten des Persönlichen
stört uns nicht. Es gehört zu unseren Lieblingen. Sie sind ohne
das nicht denkbar.
Delacroix hat uns eine höhere Gattung der Spezies Künstler
erwiesen. Wir sehen keine Gebärde an ihm, die nicht Form wäre,
hören keinen Laut von seinen Lippen, der nicht in Melodie auf-
ginge. Er ist ganz drin in der Kunst, der Mensch scheint über-
wunden. Er steht ganz außerhalb der Kunst, der Mensch
ist alles.
Bevor die Göttin, die Jahrtausende der Menschheit geleuchtet
hatte, langsam begann, der fremden Epoche ihr Antlitz zu ver-
Meier-Graefe , Delacroix Q
130
REMBRANDT
schieiern, kam ihr einer näher, als es je einem Sterblichen ver-
gönnt war.
Er kam ihr so nahe, daß man zwischen beiden nicht mehr
zu unterscheiden vermag.
LA MANIERA MAGNIFICA
Was muß dieser Mensch gedacht, gesehen und empfunden haben,
welche Meere von Wonnen müssen ihn berauscht, welche
Erscheinungen überirdischer Art ihm geleuchtet haben, wenn das,
was wir in seinen Bildern sehen, nur ein schwacher Reflex seines
Innern war ! Darüber hat er oft geklagt, und es stimmte ihn traurig
wie alles Irdische, dessen Gebrechlichkeit er erkannte. Er, der
das Unaussprechliche mit Posaunen ertönen ließ, der die Dämme-
rung über den tiefsten Dingen unserer Seele lichtete, der alle
Natur, alle Geistesgeschichte durchdrang, für den es, scheint es,
keine Grenzen gab, sagte einmal seufzend zu Maxime Du Camp,
134 LA MANIERA MAGNIFICA
er sei doch nur ein Ixion^. Er sehe wohl das Schöne, betrachte es,
gestalte es in seinem Hirn zu sichtbarer Vollkommenheit, und
wenn er es auf die Leinwand bringen wolle, entgleite es ihm und
lasse ihm nur eine Wolke. Ist vielleicht diese Differenz, die, wenn
wir sie in den Werken anderer bemerken, tödlich werden kann,
die bei ihm wie ein unfaßbares Gnadengeschenk wirkt, ist sie
etwa die mystische Kraft, die seine Bilder mit Fruchtkeimen
schwängert und jedem Strich seiner Hand das Göttliche gibt?
Ist sie es, was uns sagen läßt, er war mehr als Maler, mehr als
Künstler, war ein Universum? Danken wir es etwa jenem Un-
endlichen, neben dem ihm sein Werk schwach und vergänglich
erschien, daß die Geschichte seiner Entwicklung über sein irdisches
Dasein hinausgeht?
Weit über seinen Tod hinaus wirken die Kräfte, die er einen
Augenblick bannte. Kein Meister Frankreichs hat so großen Ein-
fluß gehabt. Alle bedeutenden Künstler Frankreichs, die nach ihm
kamen, Courbet und Manet, und mehr als alle anderen die beiden
Maler, die wie Leuchten in die Zukunft weisen, Renoir und Cezanne,
hat er befruchtet. Bei uns gab er Marees in einem entscheidenden
Moment die Richtung. Auf seiner Koloristik beruht eine ganze Schule.
Seine «Hygiene» ist den Neo-Impressionisten zur Doktrin geworden.
Doch kann man ebensogut sagen: Kein Meister hat so geringen
Einfluß gehabt. Wie Michelangelo, Rembrandt und Rubens turm-
hoch über den nahen und fernen Nachfolgern stehen, wie uns
das, was andere in ihrem Geiste brachten oder zu bringen ver-
suchten, so groß es, am Zeitgenössischen gemessen, sein mag,
winzig erscheint: so gering dünkt uns das Ergebnis der Schule
Delacroix' neben dem Löwengriff des einzigen. Sein Einfluß war
nicht so verderblich wie der seiner erhabenen Vorbilder. Er gab
den Epigonen keine leichte Ware. Die Schwachen schreckten vor
ihm zurück. Aber so hoch wir unsere großen Zeitgenossen stellen
mögen, die wenigen, die von ihm zu nehmen wußten: der Geist,
der ihnen in aller Herrlichkeit vorschwebte, entglitt ihnen und
ließ ihnen nur eine Wolke.
^ Souvenirs litteraires. Les uns et les autres. Ateliers de peintres. (Revue des deux
Mondes, 15. Juli 1882, wiederholt in den 1883 bei Hachette, Paris, erschienenen
« Souvenirs ».)
LA MANIERA MAGNIFICA 135
Unsere Kunst steht und fällt mit Delacroix. Wie von der Musik
gelten könnte, sie sei verloren, sobald ihr jede lebendige Ver-
bindung mit Bach und Mozart abhanden komme, so kann man,
und vielleicht mit noch größerem Recht, das Schicksal der Kunst
von dem Grade ihrer Beziehung zu Delacroix abhängig machen.
Natürlich meine ich nicht die besonderen Formen Delacroix', noch
weniger seine Motive, sondern den Geist und die Gesittung des
Meisters, seine Ansprüche, seinen Ausgleich zwischen Persönlich-
keit und der Übereinkunft, zwischen dem Romantiker und dem
Klassiker. Die Welt hat eine Personifikation seines Verhältnisses
zur Kunst nicht zum zweitenmal erlebt. Er war der große Erbauer
in einer stürzenden Zeit, der einzige Allumfasser, den die Kunst
unserer Zeit einem Goethe zur Seite zu stellen hat. Schon die
nächsten Nachfolger haben den Umfang jenes Verhältnisses
reduziert. Sie konnten nicht anders, waren nicht mehr naiv genug,
die Zeit mit anderen Dingen, als denen, die sie vor Augen hatten,
zu überwinden, aber überwanden sie, haben Großes geschaffen,
und in ihren Bildern, die neben denen Delacroix' wie Fragmente
erscheinen, spricht immer noch vernehmlich sein Idealismus,
seine Einsicht, seine Umsicht. Was wurde aus seiner Disziplin?
Ich meine nicht die seines Lebens, sondern die seiner Kunst.
Vielleicht kann man die eine nicht von der andern trennen, und
daran mag es liegen, daß heute kein Künstler mehr auch nur
einen Begriff von den Ansprüchen besitzt, die Delacroix an die
gemalte Fläche stellte. Schon der Schritt von ihm zu den Im-
pressionisten, die auftraten als er starb, deren Führer noch bei
ihm war und nachher von «eisigen Doktrinen» sprach, bedeutet für
die Disziplin Delacroix' den Verlust einer Welthälfte. Die Im-
pressionisten vereinfachten Delacroix so wie der Gärtner einen
Baum vereinfacht, dessen Aste er bis zum Stamme köpft. Renoir
besann sich, als er dem Greisenalter nahe war. Unter den Nach-
folgern des Impressionismus hat die Reduktion der Disziplin
Delacroix' reißende Fortschritte gemacht, und heute sind nur noch
Reste übrig, die der eine oder andere, fern vom Strom der Menge,
zaghaft bewahrt. Das Gefühl von der Notwendigkeit, die Ver-
bindung mit den Werten zu erhalten, die Delacroix noch einmal
zu sammeln vermochte, ist so gut wie verschwunden.
136 LA MANIERA MAGNIFICA
Es ist kaum übertrieben, zu sagen : unsere Kultur steht und fällt
mit Delacroix. Nicht mit seiner Malerei; vielleicht lernt eine Zeit,
ohne große Maler zu leben. Das Gewicht der künstlerischen Tätig-
keit, so groß es sein mag, und es umfaßt das bedeutendste Oeuvre
seit Rubens und Rembrandt, kann man von Delacroix abziehen,
ohne die Bedeutung der Persönlichkeit zu vernichten. Das Vor-
bildliche des Menschen ist unvergänglich, muß uns unvergänglich
sein, wollen wir den Grad von Kultur, mit dem sein Dasein seine
ganze Epoche auszeichnet, behalten. Vorbildlich für jeden, sei
er Künstler oder nicht, ist sein Weltbild, die Art, wie er sich mit
der Welt abfand, wie er sie verstand, welche Pflichten er daraus
für sein Dasein gewann, wie er lebte. Er widerstand den Illusionen
des Romantikers, jener dem Enthusiasten naheliegenden Ver-
mengung des Scheins mit dem Sein, und seine Skepsis war Weis-
heit. Er sah das Leben, erkannte es, und nie krümmte die Erfahrung
die stolze Linie seines Idealismus. Umgeben von den hervorragend-
sten Geistern seiner Zeit, engverbunden mit einem gesellschaftlichen
Getriebe, das uns heute wie ein nie endender Festtag erscheint, er-
kannte er das Gebrechliche aller gesellschaftlichen Realitäten und
wandte sich an die höheren des Geistes. Seine Klugheit ließ ihn
Menschen und Dinge, die seiner Sache dienen konnten, brauchen.
Er lächelte, wenn es gelang, und lächelte, wenn sein bescheidener
Anspruch unerfüllt blieb. Seine Skepsis war milde. Man hat das Ge-
fühl, es hätte ihm von Menschen nichts Böses zugefügt werden
können, weil er sein Inneres unverletzbar hielt. Er war der gesellige
Einsame. Eine zur Schau getragene Zurückgezogenheit wäre ihm
formlos erschienen. Er sah in der würdigen sozialen Repräsen-
tation seiner Persönlichkeit eine Notwendigkeit. Die Biographen
haben für die Hartnäckigkeit, mit der er darauf bestand, in die
Akademie zu gelangen, Entschuldigungen gesuchte Uns dünkt
der Eitle bescheiden, und wir erkennen in der vermeintlichen
Schwäche sein Gefühl für Pflichten. « II y a plus de fatuite que
de veritable estime de soi-meme a rester dans sa tente » ; schrieb
' Er stellte sich fünfmal vergeblich zur Wahl, das erstemal 1837, zweimal im
Jahre 1838, dann wieder erst 1849, dann 1856. Man zog ihm die Langlois, Couder,
Schnetz und Cogniet vor. Erst seine Kandidatur im Januar 1857, sechs Jahre vor
seinem Tode, hatte Erfolg.
LA MANIERA MAGNIFICA 137
er darüber anDutilleux^. Doch blieb sein Inneres auch denen unnah-
bar, die ihm mehr als Tischgenossen bei der wechselnden Mahlzeit
waren. Was er den anderen unmerkbar vorenthielt, gab er seinen
Gedanken hin. Er war der Meister göttlicher Fiktionen. Leuchtender
noch als seine Bilder, baute er seine Einsamkeit aus. Nicht die
Minister, nicht die Herzöge und Prinzen, die seinen Verstand
schätzten, nicht die schönen und geistvollen Frauen, die sein An-
stand ergötzte, noch die Tuilerien, noch die leuchtenden Säle der
vornehmen Welt, wo es still wurde, wenn er sprach, noch die Aka-
demie, die, solange er ihr Mitglied war, zu einer Pairskammer
wurde, noch das Rathaus, wo er nicht verschmähte, als pflicht-
treuer Bürgerrat zu wirken, vernahmen sein Inneres; sondern sein
Atelier, wo er sann und träumte, wenn kein Besucher ihn störte,
die stille Wohnung der Rue Furstenberg mit der langen Treppe,
die ohne Biegung hinaufführt, die man mit ähnlichen Empfin-
dungen betritt wie Goethes Haus in Weimar-. Da schwelgte er,
nicht ohne Anstand — er war einer der Menschen, die man nie
überrascht hätte — , aber hingegeben, mit einer Leidenschaft, die
sicher war, sich nicht umsonst zu verschenken, der das Ziel, an das
sie sich richtete, alle Last hinwegnahm. Da trieb er seine geheime
Maniera magnifica. Die Wände dehnten sich, das Dunkel wurde
leuchtend; es war, als ließe sein brennender Blick vielfältige Ge-
stalten zu feurigen Umrissen werden, leuchtender, als er je sie ge-
malt. Musik ertönte, erhabene und liebliche Weisen. In langem
Zuge schritten hohe mit Lorbeer geschmückte Gestalten und
grüßten ihn.
' Lettres S. 274. Daß es ihm übrigens nicht lediglich auf den Titel ankam, beweist
der Brief an Perignon, in dem er sich bitter beklagt, nicht zum Professor an der
ficole des Beaux-Arts ernannt worden zu sein.
^ Da man schon lange dort einen Straßendurchbruch machen will, habe ich das
Haus nebst dem im Garten gelegenen Atelier photographieren lassen. (Siehe die
Abbildungen im Anhang.) Hier ist Delacroix am 13. August 1863 gestorben. Er
bezog die Wohnung Ende Dezember 1857. Von 1845 — 57 wohnte er Rue Notre Dame
de Lorette Nr. 54. Das Atelier in diesem Hause ist in einem Holzschnitt abgebildet,
der in der « Illustration » vom 25. September 1852 erschienen ist und den Robaut
in seinem Katalog (S. LI Nr. 29) verkleinert wiedergegeben hat. Von 1829 — 45
wohnte er Quai Voltaire Nr. 1 5 ; vorher hatte er sein Atelier Rue St. Dominique-
St. Germain Nr. 36, und eines seiner ersten Ateliers, das er nach Piron gegen 1820
bezog, lag in der Rue de Varenne (damals Rue de la Planche).
138 LA MANIERA MAGNIFICA
Neben ihm saß über einer Handarbeit seine treue Pflegerin, die
alte Jenny, eine Bäuerin aus der Nähe von Brest, ein kleines
verhutzeltes Geschöpf, das den Freunden des Meisters zum Cerberus
wurde, und hörte zu, wenn er zu ihr, zu sich, zu den Gestalten
von seiner Welt erzählte.
ABBILDUNGEN
140
ALIXE LA MULÄTRESSE, gegen li
0,65 : 0,80. (Robaut Nr. 47.)
Museum von IMonlpcllier.
Photographie E. Bulloz.
141
CHEVAL EFFRAYfe PAR L'ORAGE, Aquarell, 1824.
0,32 : 0,235. (Robaut Nr. loi.)
Vente Cheramy 190S.
142
ODALISQL'E, 1Ö25. 0,445 : (^■37- (Kobaut Nr. 140.)
Sammlung Rothermund, Dresden.
^^^^^E^^Qjfl^^^^^^^^^^^^^^^l
^^^^^^^^^^E^^^^^^HiHtej3N *
.1
LES NATCHEZ, 1824. 1,15 : 0,90. {Rchaul Xr. 108.)
Photo Durand-Rucl, Paris.
143
LE CHRIST AU JARDIN DES OLIVIERS, 1826 ( ?).
0,35 : 0,27. (Robaut Nr. 181.)
Sammlung Strölin, Paris (früher Cheramy).
144
LE CHRIST AU JARDIX DES OLIVIERS, Pastell, 1826.
0,35 : 0,27. (Wahrscheinlich Robaut Nr. 1523.)
Photo Durand-Rucl, Paris.
145
LE BARON SCHWITER, Lithographie, 1826.
0,22; : o,29v
Sammlung Baron Blittersdorff, Otterslieim a. d. Donau.
146
LA MORT DE SARD ANAPALE, 1827.
4.95 : 3.95- (Robaut Nr. 198.)
Sammlung Baron Vitta, Paris.
Photo Durand-Ruel, Paris.
"U
147
LE TASSE DANS I.A MATSON DES FOUS,
0,50 : 0,60. (Robaut Nr. 199.)
Sammlung Baron Denys Cochin, Paris.
Photo Durand-Ruel, Paris.
TS27.
148
CHI- \ AI. SAI NAGl' rKl<.KAbbE PAK LX
0,276 : 0,20. Lithographie. (Robaut Nr. 288.
iiijRli, 1S2S.
Delteü Nr. yj III. E.)
149
SELBSTPORTRÄT, 18:19.
0,51 : 0,64. (Robaut Nr. 295.
Louvre, Paris.
ISO
LE ROI JEAN A LA BATAILLE DE POITIERS,
0,54 : 0,65. (Robaut Nr. ^22.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
ASSASSINAT DE JEAN SANS PEUR, gegen 1S30 (i
0,25 : 0,41.
München, Moderne Galerie Thannhauser.
151
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SELBSTBILDNIS, Blei, 1832.
Originalgröße. Skizzenbuch der Rlarokkoreise.
Louvre, Paris.
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FRAUEN IN MAROKKO, 1832.
0,12 : 0,17 (Blattgröße). Skizzenbuch der Marokkoreise.
Musce Conde, Chantilly.
154
FRAUEN IN MAROKKO, 1832.
0,12 : o, !/ (Blattgröße). Skizzenbuch der Marokkorcise.
Musee Conde, Chantilly.
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FEMMES JUIVES ARABES, Aquarell, 1832.
0,10 : 0,29. (Kobaut Nr. 169.)
Früher Sammlung Cheramy.
156
TUSCHZEICHNUNG, gegen 1832.
Sammlung Freiherr v. Blitlersdorff, Ottersheim a. d. Donau.
157
JEUNE LlÜNNE MARCHANT, 183J
0,325 : 0,245. (Robaiit Nr. 421.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
158
BOAS ET RUTH, gegen 1S32.
0,555 : 0.46-
Photo Durand-Rucl, Paris.
159
FANTASIA MAROCAINE, 1832.
0,72 : 0,59. (Robaut Nr. 408.)
Museum von Montpellier.
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£TUDE de FEMME, Radierung, 1833.
0,163 ■ 0,113. (Robaut Nr. 463 ; Delteil 21 II. Etat.
Bremer Kunsthalle.
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6TUDES D'INDIENNES, Aquarell, gegen 1835 ( ?).
0,34 : 0,37.
Sammlung Moreau Nelaton, Paris.
Photo Druet, Verlag Bernheim jeune, Paris.
i63
BATAILLE DE TAILLEBOURG, 1837
Skizze 0,66 : 0,54. (Robaut Nr. 651.)
Sammlung P. Gallimard, Paris.
i64
HENRI IV PARTANT POUR LA GUERRE (nach Rubens)
1,15 : 0,88. (Robaut Nr. 1947.)
Photo Durand-Ruel, ParLs.
gegen 1S35 (i
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L'ARABE AU TOMBEAU, 1S3S.
0,55 : 0,45. (Robaut Nr. 663.)
Photographie Braun.
i66
LES CONVULSIONNAIRES DE TANGER,
1,35 ■■ i.oo. (Robaut Nr. 662.)
Sammlung Balcnsi, Paris.
1838.
i67
UtDtE, Skizze, 1S3S.
0,37 : 0,45. (Robaut Nr. 667.
Museum von Lille.
i68
m£diiE, 1838.
1,65 : 2,60.
Museum von Lille
i69
ZEICHNUNGEN ZUR MEDEA.
Museum von Lille.
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ZEICHNUNGEN ZUR MEDEA.
Museum von Lille.
MEDEA, 1859.
||,>)S : 1,31. (Robaut Nr. 140.5.)
Im Besitz Berliner Kunstfreunde (Nalionalgalerie).
171
MllDfiE, 1862.
0,85 : 1,22. (Robaut Nr. 1436.)
Louvre (Sammlung Thomy-T hiery), Paris.
Photographie Braun.
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LA JUSTICE DE TRAJAN (Entwirf), Bleizeichnung gegen 1839.
(Zu Robaut Nr. 1605.)
jMuseum von Ronen.
Photo J. E. Bulloz, Paris.
174
LA JUSTICE DE TKAJAxV, 1840.
3,96 : 4,95. (Robaut Nr. 714.)
Museum von Rouen.
Photographie E. Bulloz.
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ARABE SE CHAUFFANT, 1841.
0,29 : 0,34. (Robaut Nr. yyj.)
Sammlung Martell, Paris.
\'erlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druet
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PRISE DE CONSTANTINOPLE PAR LES CROISltS, 1841, Ausschnitt.
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LE PARC DE NOHANT, 1842.
0,545 : 0,435.
Frühei" Sammlung Cheramy.
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LA FlAXCllE D'ABYDOS, 1S43.
0,41 : 0,33. (Robaut Nr. 773.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
i8i
LA FIAN'Ctli D'ABYDUS, 1^43.
0,27 : 0,35. (Robaut Nr. 772.)
Louvre (Sammlung Thomy-Thi6ry), Paris.
Photographie Braun.
l82
CHEVAL TERRASSE PAR LINE PANTHERS, gegen 1843.
0,42 : 0,35. (V'ariante zu Robaut Nr. 761.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
i83
L'EMPEREUR DU MARüC Mrt.EY-ABD-KI.-RAlIMAN, Aquarell,
o,i6 : 0,25. (Robaut Nr. 799.) 184.4.
Sammlung Grosdidier, Paris.
Photo Druet. Verlag Bernheim jeuno, Paris.
i84
LION DllVORANT UN CHEVAL, Bleizeichnung, 1844.
0,235 • 0,120. (Robaut Nr. 804.)
Musee du I.uxembourg, Paris.
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LION DliVORANT UN CHEVAL, Skizze, gegen 1844.
2,06 : 1,36. (Robaut Nr. 842.)
Privatsammlung Berlin.
Photographie BoU, Berlin.
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L':^DUCATION D'ACHILLE. 1844.
Skizze zu einem Pendentif des Palais Bourbon.
0,44 : 0,35.
Photo Durand-RucI, Paris.
JEUNES FILLES DE SPARTE, Bleistiftzeichnung, 1844.
0,26 : 0,22. (Robaut Nr. 810.)
Nicht ausgeführtes Projekt für die Dekoration des Palais Bourbon.
i87
ALEXANDRE ET LES POEMES D'HOM^RE.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 898.)
L'liDUCATION D'ACHILLE.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 899.)
DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. I. KUPPEL: I A PO]£SIE.
i89
OVIDE CHEZ LES BARBARES.
2,91 : 2,2 1. (Robaut Nr. goo.)
HltSIODE ET LA MUSE, Skizze, 1844.
0,44 :o,35. Photo Durand-Ruel, Paris.
DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. I. KUPPEL: LA POESIE.
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ADAM ET EVE, Skizze, 1844.
0,44 : 0,35.
Photo Durand-Ruel, Paris.
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LA CAlTIVITli A HABYLONE, Skizze, 1S44.
044 : 0,35. Photo I )iirand-Rucl, Paris.
DKKÖKATIONEN DES l^VLAIS ]«)UKB()N. 11. KUPPEL: LA THliDLOGIE.
191
LA RIORT DE ST. JEAN BAFUSTE, Skizze, 1844.
0,44 : 0,35.
Photo Durand-Ruel,^ Paris.
LA DRACHME DU TRIBUT, Skizze, 1844.
0,44 : 0,35. Photo Durand-Ruel, Paris.
DEKORATIONEN DES PATATS BOURBON. II. KUPPEL: LA TH6OLOGIE.
192
NUMA ET £g£RIE. Skizze, 1S44.
0,44 : 0,35.
Photo Durand-Ruel, Paris.
LYCURGUE CONSULTE LA PVI illE.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 907.)
DEKORATIONEN DES PALAIS BOLRHON. III. KUPPEL: LA LliOiSLATlON.
193
DfiMOSTH^NES HARANGUE LES FLOTS.
2,Qi : 2,21. (Robaut Nr. 908.)
CICERON ACCUSE VERRES, Skizze, 1844.
0,44 : 0,35. Photo Durand-Rucl, Paris.
DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. HI. KUPPEL: LA LEGISLATION.
194
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H]&RODOTE INTERROGE LES TRADITIONS DES MAGES.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 910.)
LES BERGERS CHALDliENS INVENTEUJ<S DE L'ASTRONOMIE.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 911.)
DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. IV. KUPPEL: LA PHILOSOPHIE
195
SlfeNtQUE SE FAIT OUVRIR LES VEINES, 1844.
2,01 : 2,21. (Robaut Nr. 91J.)
SOCRATE ET SON D]£mON.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 913.)
DEKOR.\TI0NEN DES PALAIS BüURBON. IV. KtH'l'EL: LA l'HILOSOPHIE.
196
MORT DE PLINE L'ANCIEN.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 914.)
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ARISTOTE DECKIT LES ANIMAUX, Skizze. 1844.
0,44 : o,.^5.
DEKORATIONEN DES PAI.AIS BOURBON. V. KUPPEL: LA SCIENCE.
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HIPPOCRATE REFUSE LES PRÄSENTS DU ROI DE PERSE
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. i_;i6.)
ARCHIMfeDE rVt PAR LE SOLDAT.
2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 917.)
DEKOI^TIONEN DES PALAIS BOURBÜN. V. KUPPEL: LA SCIENCE.
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ROMEO ET JULIETTE, 1845.
0,50 : 0,62. (Robaut Nr. 939.)
Früher Sammlung Marquise Carcano, Paris.
Photo Durand-Ruel, Paris.
200
L'ENLEVEMENT, Zeichnung, 1846.
0,203 : 0,227. (Robaut Nr. 975.)
Museum von Lille.
201
CHEF ARABE, Pastell, 1040.
0,27 : 0,34. (Robaut Nr. q8i.)
Sammlung Alphonsc Kann, Paris.
Verlag Bcrnhcim jcunc, Paris. Proccde E. Dnict.
202
CHASSE AU LION, 1847.
0,54 : 0,44. (Robaut Nr. 1019.)
Sammlung Bessoneau, Angeis.
V'eilag Bernlieim jeune, Paris. Procede E. Druet.
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LION DltCHIRANT UN CADAVRE, Aquarell, 1848.
0,27 : 0,215. (Robaut Nr. 1054.)
Früher Sammlung Cheramy, Paris.
205
LA MADELEINE EN FRIERE, gegen 1S4;.
0,23 : 0,31. (Robaut Nr. 920) Früher Sammlung Clicramy, Faris.
MISE AU TOMBEAU, gegen 184« ( ?).
Eine der Varianten zu der Pietäin der Kirche St. Dcnis-du-Sa.int-Sacrement
in Faris (vielleicht Robaut Nr. 1038). Fhoto Durand-lvuel, Faris.
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DANIEL DANS LA FOSSE AUX LIONS, 1849.
0,48 : 0,67. (Robaut Nr. 1066.)
Museum von Montpellier
Photographie E. Bulloz.
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SKIZZE ZUM PLAFOND DES LOUVRE,
1,05 : 1,40. (Robaut Nr. im.)
Museum von Brüssel.
1849.
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WETSSI.TXGEN ENLEVfi PAR T.ES GENS DE GÖTZ, 1S50.
".59 : ".74- (Robaut Nr. 1169.)
Sammlung Eisslcr, Wien.
\'erlag Berntnim jcune, Paris. Procedc E. Druet.
MICHELANGE DAN.t S( »:\ Alhl,ll-:iv, 1851.
0,40 : 0,60. (Robaut Nr. 1184.)
Museum von Montpellier.
Photographie Bulloz.
211
ANGJiLIQüE ET MADUR BLESSli, 1S5C
0,66 : 0,81. (Robaut Nr. 1164.)
Vcnte DoIIfus, 191 2.
212
LA R^SURRECTION DE LAZARE,
0,50:0,58. (Robaut Nr. 1163.)
Photographie Braun.
1850.
21-
LE LEVER, 1850.
0,36 : 0,45. (Robaut Nr. 1165.)
Sammlung A. Vacqvierie, Paris.
214
ARIANE ABANDOXNEE, 185U.
0,36 : 0,27. (Robaut Nr. 1167.)
Sammlung Barnes, New York.
V^erlag Bernheim jeune. Procede E. Druct.
215
LES PELERINS D'EMMAÜS, 1850—52.
0,46 : 0,56. (Robaut Nr. iiq2.)
Verlag Bernheim jcune, Paris. Procede E. Druet.
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ArL\BE A L'AFFUT, Zeichnung. 1853.
0,27 : 0,21. (Robaut Nr. 1228.)
Musee du Luxembourg, Paris.
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LE CHRIST SUR LE LAC DE GliNfiSARETH, 1853.
0,46 : 0,39. (Skizze zu Robaut Nr. 1214.)
Photo Durand-Rucl, Paris.
221
LE CHRIST SUR LE LAC DE GIiN:6SARETH, 1853.
0,60 : 0,49. (Robaut Nr. 1215.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
222
DANIEL DANS LA FOSSE AUX LIONS,
0,60 : 0,73. (Robaut Nr. 1213.)
Sammlung Theo Behrens, Hamburg.
Photo Durand-Ruel, Paris.
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LE CHRIST SUR LE LAC DE g6n6SARETH,
0,54 : 0,46. (Skizze zu Robaut Nr. 12 17.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
1853.
224
LE CHRIST SUR LE LAC DE g6n6SARETH, 1853.
0,54 : 0,46. (Robaiit Nr. 1219.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
225
BILDNIS DES SAMMLERS BRUYAS, 1853.
0,8g : 1,16. (Robaut Nr. 1209.)
Museum von Montpellier.
Photographie J. E. Bulloz, Paris.
226
LION GUETTANT SA PROIE, 1854.
0,33 : 0,25. (Robaut Nr. 1249.)
Vente Dollfus 1912.
Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druct.
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LE LION AU C AI MAN, 1855.
0,42 : 0,32. (Robaut Nr. 1281.)
Louvre (Sammlung Thomy-Thiery), Paris.
Photographie Braun.
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CAV ALIER ARABE, 1S56.
0,46 : 0,56. (Robaut Nr. 1294.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
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CO.MBAT D'UNXION ET D"UN TIGKE, Aquarell, 1856.
0,20 : 0,245. (Robaut Nr. 1305.)
Sammlung Lebargy, Paris.
Verlag Bernheim jcune, Paris. Procede E. Druct.
233
CHRIST EN CROIX, gegen 1856.
0,60 : 0,73. (Variante zu Robaut Nr. 1289.)
Sammlung Baron Denys-Cochin, Paris.
Verlag Bernheim jeune. Procede E. Druet.
234
MAROCAIN ET SON CHEVAL, 1S57.
0,61 : 0,50. (Robaut Nr. 1317.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
235
LES COTES DU MAROC, 1S58.
1,00 : 0,73. (Robaut Nr. 13^8.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
236
MORT DE LARA, 1S58.
0,50 : 0,62. (Robaut Nr. 1355.)
Sammlung Neil Demelette, Paris.
Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druet.
237
HfiLIODORE CHASSfi DU TEMPLE, Fresko,
4,85 : 7,15. (Robaut Nr. 1340.)
St. Sulpice, Paris.
Photo E. Bulloz.
1S57— 1861.
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L'KNLEVK.MENT DE REBECCA, 1K59.
0,80 : 0,98. (Robaut Nr. 1383.)
Loiivre (Sammlung Thomy-Thiery), Paris.
Photographic Braun.
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TRIUMPHE DE BACCHUS, gegen 1861.
1,41 : 0,91. (Robaut Nr. 1419.)
Sammlung Biermann, Bremen.
TRIUMPHE D'AMPHITRITE, gegen 1861.
1,41 : o,Qi. (Robaut Nr. 1420.)
Sammlung Biermann, Bremen.
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Sammlung Frau Georg Woldc, Bremen.
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LE NAUFRAGE, 1862.
0,54 : 0,46. (Robaut Nr. 1444.)
Sammlung Baron Denys-Cochin, Paris.
Verlag Bernheim jeunc, Paris. Procedc E.
Druet.
245
ORPH6e et EURYDICÄE, Sluzze, 1S62
0,50 : 0,61. {Robaut Nr. 1435 )
Museum von Montpellier.
Photo J. E. Bulloz, Paris.
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MULEY-ABD-EL-RHAMAN PASSANT LA REVUE DE SA GARDE,
0,65 : 0,81. (Robaut Nr. 1441.)
(Variante des Gemäldes von 1845 im Museum von Toulouse.)
Photographie Braun.
1862.
248
BACCHUS^ET ARIANE, 1862.
0,46 : 0,56. (Robaut Nr. 1431.)
Früher Sammlung Cheramy, Paris.
249
LE PRINTEMPS, 1862.
1,63 : 2,03. (Robaut Nr. 1430.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
250
COMBAT D'ARABES, 1862. (La perception de l'impöt arabe.)
o,7i •■ 0,92. (Robaut Nr. 1448.)
Photo Durand-Ruel, Paris.
251
L'HIVER, Skizze, 1862.
1,63 : 2,10. (Robaut Nr. 1432.)
Photo Durand-Rucl, Paris.
252
L'ABREUVOIR, 1862.
o,Q2 : 0,74.
Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druct.
253
LIONNE PRETE Ä S'^LANCER. 1863.
0,39 : o,2Q. (Robaut Nr. 1456.)
LouvTe (Sammlung Thomy-Thiery), Paris.
Photographie Braun.
BRIEFE
AN DEN BARON SCHWITER
T^aron Schwiter, an den die folgenden Briefe gerichtet sind, war
■^^ ein Schüler Delacroix'. Die Bekanntschaft datiert aus der
ersten Zeit (1823), wurde von dem Intimus Delacroix', Pierret,
dessen Vetter Schwiter war, vermittelt und dauerte bis zum Tode
des Meisters. Delacroix ernannte Schwiter zu einem seiner Testa-
mentsvollstrecker, die beauftragt wurden, die Zeichnungen zu
ordnen.
Baron Louis Auguste Schwiter wurde 1805 in Nienburg an der
Weser geboren als Sohn des französischen Kapitäns Henry Cesar
Auguste Schwiter (geb. 1768 in Rueil), der sich als General unter
Napoleon namentlich in dem Krieg gegen Spanien ausgezeichnet
hat. Die Familie des Vaters stammte aus der Schweiz und siedelte
sich gegen 1700 in Frankreich an. Seine Mutter war eine Deutsche
und stammte aus Frankfurt a. M. Er starb 1889 in Paris (nicht,
wie Delteil behauptet, 1865).
Schwiter war seinerzeit ein geachteter Bildnismaler und emi-
nenter Sammler und ist mit Unrecht dem Bereich der zeitge-
nössischen Kunstgeschichte entrückt. Er stellte von 1831 bis 1859
regelmäßig im Salon aus und war ein energischer Förderer des
englischen Einflusses auf die französische Malerei. Seine meisten
Bilder befinden sich in Nancy und in den Schlössern Chambord und
Chatillon; einige, darunter das im Katalog Robaut erwähnte Brust-
bild Delacroix' von 1831 (am Tage vor dem Antritt der Marokko-
258 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER
reise gemalt) in der Sammlung seiner Tochter bzw. seines Schwie-
gersohns, des Freiherrn v. Blittersdorff in Ottensheim a. d. Donau,
der auch die hier veröffentlichten Dokumente besitzt. Der Ver-
fasser ist ihm für die leihweise Hergabe der Briefe und des kost-
baren Testamententwurfs sowie für die Erlaubnis, diese Reliquien
und das Bildnis Delacroix' zu publizieren, sehr verpflichtet. Auch
die Reproduktion des sehr seltenen Bildnisses Schwiters, das
Delacroix im Jahre 1826, also noch vor den Faustillustrationen,
auf den Stein zeichnete, wurde nach einem Originaldruck im
gleichen Besitz angefertigt.
Außer verschiedenen, bereits bekannten Briefen an Schwiter,
die wir unberücksichtigt gelassen haben, hat Burty aus den Briefen
vom 3. Juli 1833 und vom 8. August 1862 in seinen «Lettres de
Eugene Delacroix» je ein Bruchstück abgedruckt.
Wir haben uns möglichst an die Orthographie der Originale
gehalten.
Der faksimilierte Testamententwurf stimmt, abgesehen von
einer unwesentlichen grammatikalischen Änderung, wörtlich mit
dem von Burty u. a. mitgeteilten Testament überein, dessen Fort-
setzung Delacroix diktiert hat. Wir haben in dem Entwurf offenbar
das letzte Zeichen seiner Hand vor uns.
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BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 259
(1828 oder 18291.)
Monsieur Louis Schwiter
Chez Ml le baron Schwiter
marechal de camp
a Nancy.
Mon eher Louis, J'ai recu avec grand plaisir votre lettre et vous
ne serez pas surpris cependant de ma paresse a y repondre. Vous
me connaissez assez pour savoir que c'eut ete un phenomene par
trop extraordinaire. Je vous dirai que le sieur Crozet s'est trouve
indispose a la suite de ses immenses travaux du salon et que votre
commande a du en souffrir. Mais il ne me l'a pas dit tout de suite.
Ce qui fait que je n'ai pu m'adresser a d'autres. Si vous partez
le 20 comme vous l'annonciez il faudra vous resigner a ne pas
voir vos portraits encadres. II est meme sur que ma lettre ne vous
trouvera pas. Dans tous les cas je suppose que vous aurez laisse
des Instructions concernant la maniere de vernir les tableaux.
Le salon est comme toutes les annees un salmi de detestables
peintures parmi lesquelles quelquesunes ont du merite. Vous en
serez bien vite degoute. Je suis bien charme que vous ayez bien
employe votre temps. Pour ce qui est de moi j'ai passe quelque
temps a. Mantes ce qui a un peu retarde l'achevement de mon
tableau qui neanmoins a fait des pas notables. Je vous dirai pour
nouvelle que le portrait du petit Lambton que vous avez vu grave
a la maniere noire chez tous les marchands de Paris est au salon
depuis une semaine et y fait l'admiration generale. On y attend
aussi une tete d'enfant par une Anglaise, dont j'ai par paranthese
ete regale par avance et qui surpasse ou egale au moins tout ce
qu'on peut imaginer. Je vous souhaite donc de voir ces belles
choses qui outre le plaisir qu'elles ne manqueront pas de vous
faire, contribueront puissamment a vous faire faire des progres.
Poterlet qui travaille a cote de moi^ vous fait mille compliments
' Der Brief ist 1829 klassiert, dürfte aber aus 1828 kommen, da in diesem Jahre
Delacroix in Mantes war. Vgl. den aus Mantes datierten Brief an Victor Hugo in
den Lettres S. 96.
* Vielleicht an der (S. 28 Fußnote erwähnten) Kopie des « Combat du Giaour et du
Pacha », der in diesem Jahre im « Salon » gewesen war.
26o BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER
ainsi que tous les amis qui m'ont plusieurs fois demande de
vos nouvelles.
Je vous prie d'offrir ä Monsieur votre pere et a Madame votre
mere l'assurance de mon respect. Croyez en particulier, mon eher
Louis, ä mon bien sincere attachement
Eug. Delacroix.
Ca mercredi 21 novembre.
(1828 oder 1829.)
Vous me feriez bien plaisir de me faire le plutot possible une
etude d'apres la tete du cardinal de Richelieu de Philippe de
Champaigne qui est au musee. Ce ne serait pas je pense tout a fait
du temps perdu. C'est une des bonnes choses de ce maitre. D'ailleurs
eile rentrera dans votre musee quand j'aurai pris la liberte de m'en
servir.
Adieu et mille compliments
Eug. Delacroix.
Voulez vous dire a Poterlet que je ne pourrai avoir le plaisir
de diner avec lui demain jeudi.
3 juillet (1833)
(nach London adressiert).
Mon eher Schwiter, je re^ois votre lettre qui me met dans un
assez grand embarras. Triqueti est parti depuis deux jours au
moins de sorte que je ne sais comment vous faire parvenir ce
dont je puis disposer en votre faveur. Je ne puis reellement vous
envoyer que 300 fr. et croyez que c'est avec grand et sincere regret
de ne pouvoir d'avantage. Si cependant vous vous etiez engage
pour d'avantage et qu'il vous füt absolument necessaire d'avoir
500 fr., comme je puis vous y avoir induit par ma promesse, je le
pourrais. Mais je vous avoue que cela me serait onereux.
BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 261
J'ai vu avec chagrin par votre lettre a Pierret que vous n'etes
pas content de la maniere dont on avait place vos tableaux. II
parait aussi que John Bull ne se laisse pas attraper facilement,
en peinture j'entends et pour son argent. Quant a des pratiques
benevoles, vous en trouverez tout autour du globe. Du reste je
dois vous avouer que je vous en ai souffle une. Maurice qui est
ici a voulu absolument avoir un portrait: il voulait qu'il füt fait
par vous, et en votre Heu et place il m'a accepte. Vous voyez que
souvent la fortune nous attend quand nous courons apres eile.
Vous la trouverez peut-etre a votre porte ou sur une borne.
Faites, je vous prie, mille compliments aux Elmore, a Rochard,
aux Fielding. Savez-vous que sur votre lettre oü vous parliez
des expositions de Lawrence et de Reynolds, j'ai ete sur le point
de partir? Mais j'ai passe Tage des etourderies.
Adieu, donnez-moi une prompte reponse et croyez, mon eher
Schwiter, a mon amitie bien sincere
Eug. Delacroix.
Ce jeudi matin (August 1856).
Mon eher Schwiter,
II faut que vous sachiez que je profite maintenant des beaux
jours pour travailler a St. Sulpiee. C'est un travail tres fatigant
et il me serait penible de penser le soir a un deplacement comme
eelui de St. Germain contre lequel j'ai d'ailleurs eertaines objeetions.
Si vous voulez nous irions tout simplement chez l'anglais de la
rue St. Marc oü nous boirions de l'ale, la meilleure chose du monde
dans cette Saison. Dans le cas oü vous voudriez un autre lieu dites
moi oü je pourrais me rendre et a quelle heure. Mille amities et
compliments sinceres
E. Delacroix.
Ce 9 juillet 1858.
Mon eher Schwiter,
J'ai vivement regrette de ne pas me trouver chez moi quand
vous avez pris la peine d'y passer; je eomptais aller vous voir
262 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER
avant de repartir pour les eaux; mais le temps me presse et je suis
oblige d'y renoncer. Depuis trois semaines j'ai ete fort souffrant
d'un refroidissement qui m'a rendu une partie des accidents dont
j'ai souffert. C'est ce qui m'a retenu chez moi presque tout le
temps.
Aussitot mon retour j'espere pouvoir passer chez vous. Recevez
en attendant l'assurance de ma vieille et bien sincere amitie
Eg. Delacroix.
Champrosay 2 septembre 1858.
Mon eher Schwiter,
Je regois ici votre lettre. Je m'empresse de vous en remercier
et de vous dire que si je n'ai pas ete vous voir a mon retour de
Plombieres c'est que je m'en suis trouve plutot mal que bien et
que je suis revenu aussitot m'etablir ici oü je retrouve plus de
sante que dans les deplacements lointains. Je suis bien afflige de
votre Indisposition: ne negligez pas tous les soins necessaires
tant que vous ne vous sentirez pas tout a fait remis. Ce qui a
autant prolonge l'etat de souffrance oü je me suis trouve, ca ete
l'impatience de reprendre trop tot les habitudes d'un homme en
sante. Je compte etre a Paris a la fin de la semaine prochaine, et
cette fois je vous verrai ainsi que votre belle curiosite. Cela doit
etre effectivement de la plus grande rarete et du plus grand interet.
Recevez en attendant, mon eher Schwiter, l'assurance de ma
vieille et bien sincere amitie. ^r t\ 1
Eug. Delacroix.
Ce dimanche matin (27. Januar 1861).
Mon eher Schwiter, je suis tres fache d'avoir manque votre
visite. Je sors des le matin et ne rentre que pour diner. Hier vers
6 heures j'ai trouve vos deux lettres: apres mon diner j'ai ete
chez Merimee a tout hasard. II est encore absent mais on m'a dit
qu'il serait peut-etre de retour dans peu de jours. Je vais faire
mettre chez lui une lettre qu'il trouvera a son arrivee. Je serais
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; BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 263
bien heureux de vous voir placer vos belies antiquites; je m'en
rejouirais surtout si elles etaient placees au musee.
Je vais ecrire dans la journee une lettre pressante a Mr. le duc
de Tascher, premier chambellan de l'imperatrice qui peut agir
de maniere ä vous etre favorable. Malheureusement le peu de
relations que j'avais aux Tuileries se sont terriblement relachees
par deux ou trois ans de maladie qui m'en ont eloigne. Je vais
aussi prevenir Mr. Saulcy qui sera probablement consulte. Quant a
Longperier je Tai rencontre depuis ma brouille avec Villot et il
m' a fait mauvaise mine. Je lui avais parle avec l'insistance de
votre casque; il n'a pas daigne remuer. Si vous etes bien avec
Villot, comme ils sont tres bien ensemble, je ne doute pas qu'il
ne puisse vous etre utile. II serait bien regrettable comme vous
dites que l'on achetät isolement l'admirable casque; je ne com-
prends meme pas que l'idee puisse en venir, si ce n'est a un petit
particulier qui n'aurait pas les moyens d'acquerir le tout.
Recevez mille amities bien devouees avec l'expression de mon
desir de vous voir reussir dans votre affaire
Eug. Delacroix.
Ce lundi soir (28. Januar 1861).
Mon eher Schwiter,
Je re9ois cette lettre de Mr. de Tascher en reponse a la mienne.
Je vous l'envoie pour que vous ne pensiez pas que tout est manque.
Je crois que Saulcy n'avait pas regu la mienne quand il a fixe
un prix si ridicule pour des objets si remarquables. II est courtisan
et n'aura pas ete sincere dans cette estimation. Si Merimee avait
ete ici, je crois qu'il eut ete plus juste. Ne le trouvant pas, je lui
ai adresse une lettre tres pressante.
Je vous prie, voulant repondre a Mr. de Tascher, de mettre sa
lettre sous enveloppe et de me la renvoyer quand vous l'avez lue.
Votre sincerement devoue
Eug. Delacroix.
264 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER
Le 31 janvier 1861.
Mon eher Schwiter,
Sur votre avant-derniere lettre je m'applaudissais de ce que les
objets en question restassent definitivement en France bien que
vous ne fussiez pas entierement satisfait quant au prix. Je vois
par Celle d'hier qu'il y a encore de nouvelles difficultes. Mal-
heureusement mon credit n'est pas grand et je ne pourrais guere
me permettre d'insister aupres de Mr. de Tascher dans les termes
oü nous sommes. Je ne crois pas d'ailleurs qu'il voulüt ou püt
dans sa position aller bien loin dans ses recommandations. Long-
perier et Saulcy n'ont pas ete ce qu'ils devraient etre en presence
d'objets aussi rares. Je me flatte encore cependant qu'il y aura
de part ou d'autre quelque regret de laisser echapper cette occasion.
Je vous felicite de votre distinction d'Italie si toutefois vous
pouvez la porter. Ce qui se passe par la est bien extraordinaire.
Mille amities sinceres et devouees
Eug. Delacroix.
Champrosay par Draveil (Seine et Oise).
Ce 8 aoüt 1862.
Mon eher Sehwiter,
Je suis force par ma sante d'une part, et de l'autre par des
eonsiderations que je vais vous dire, d'ajourner un projet de voyage
en Italie. J'ai eu une aggravation de l'indisposition dont je vous
ai parle (maladie de la vessie, sonde, etc.), laquelle rend les de-
placements difficiles. Peut-etre les chaleurs y ont-elles contribue;
mais en tout eas il y a un inconvenient que je craindrais de rendre
serieux. En second Heu votre belle Italie me parait se remettre
en eampagne pour de nouvelles aventures. II serait desagreable
quand on voyage pour s'amuser de se voir pris dans quelque
bagarre ou simplement detourne de ses projets par les circon-
stances ou simplement par la qualite de Francais surtout a Rome
qui est mon objet essentiel. Tout cela ne sera peut-etre que de la
fumee malgre des apparences qui me paraissent assez serieuses.
Vous habitez si souvent le pays que j'espere ne pas perdre l'occasion
BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 265
dont j'etais tres heureux de faire avec vous ce voyage; je me berce
encore de cet espoir et je tacherai alors de choisir un moment
oü nous n'aurions a craindre ni l'ardeur du climat ni les excentri-
cites des patriotes.
Voilä, mon eher Schwiter, le resultat de mes reflexions sur
notre projet que je suis loin d'abandonner et qui me sera agreable
surtout avec vous. Recevez en attendant l'assurance de ma vieille
amitie et de mon bien sincere devouement
Eug. Delacroix.
Champrosay, 21 acut 1862.
Mon eher Schwiter,
Je suis bien desole du desappointement que vous m'annoncez
et du changement que vous aviez bien voulu faire a vos projets
en vue de notre rencontre en Italie. Je ne voudrais pas cependant
que ce desagrement veritable que je regrette autant que vous,
me laissät completement dans votre esprit l'air d'un homme par
trop leger et inconsequent.
Veuillez vous rappeler que mon objection principale porta
sur l'insupportable chaleur du moment que vous m'aviez designe
et d cet egard, les chaleurs que nous avons eues ici ne m'ont que
trop confirme dans ma juste apprehension. Si je ne me trompe
vous me dites qu'il vous etait impossible de vous trouver ä Venice
au mois de septembre. Quant a une excursion un peu etendue
dans le reste de l'Italie qui etait mon but egalement, vous me par-
lätes de la raison d'economie, excuse trop legitime pour qu'il me
füt permis d'insister.
J'eus ä la suite de notre entrevue des renseignements tellement
unanimes sur les inconvenients de la saison que je dus a part moi
et a mon grand regret, puisque le nouveau projet devait me priver
de votre societe, remettre mon voyage a l'automne. Je ne vous
reparle pas de ma sante au point de vue de l'incommodite dont
je vous ai parle; c'est un obstacle qui n'est bien compris que de
ceux qui l'eprouvent et qui devenait plus incommode en voyage.
C'est dans cette Situation d'esprit que la nouvelle des mouvements
266 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER
de Garibaldi, que je me suis figure a tort ou a raison comme
pouvant augmenter les desagrements d'un voyage entrepris seule-
ment pour mon plaisir, m'a fait ajourner tout-a-fait et me reprendre
a mes travaux qui me tiraillent beaucoup et ä de petit voyages
d'agrement chez des parents et amis. Pardonnez-moi donc, mon
eher Schwiter, et soyez bien persuade que j'eprouve un veritable
chagrin du desagrement que je vous ai cause, mais j'espere que
cette lettre diminuera dans votre esprit mes torts apparents dans
cette occasion. Je n'ose encore faire de nouveaux projets, je me
borne a vous reiterer l'assurance d'un attachement deja bien
ancien et qui, j'espere, durera autant que moi. Votre bien devoue
Eug. Delacroix.
Champrosay le 8 juin (1863),
Mon eher Sehwiter,
On m'apporte votre earte et je viens vous exprimer combien
je regrette de ne pas vous voir. J'ai eprouve des accidents assez
graves pour lesquels on m'envoie dans un lieu oü je serai a meme
d'observer un silence absolu. Vous aurez demain ee mot car presque
tous les jours j'ai besoin pour diverses affaires d'envoyer a Paris.
Je erains que eette Indisposition soit longue quoique depuis quelques
jours je sois mieux. Comme j'envie votre belle sante et votre
aetivite! au reste vous avez ete comme eela toute votre vie et Dieu
merci, j'espere que eela continuera. Moi j'ai toujours ete accroche
par quelque eote. Le plus ennuyeux pour moi, c'est l'impossibilite
de m'oceuper et en outre eelle de ne pouvoir faire assez d'exeer-
cice pour me desennuyer.
Si j'etais assez heureux pour aller mieux d'ici a la fin du mois,
je vous ecrirais le jour que je pourrais aller vous serrer la main
et je n'y manquerais pas
Votre bien devoue
Eg. Delaeroix.
267
Baron Schwiter: BILDNIS DELACROIX', 1831.
Sammlung Freifrau v. Blittcrsdorff, Ottenshcim a. d. Donau.
BILDNIS DELACROIX'. Künstler unbekannt.
Mcsdag-Muscum, Haag.
270
LETZTES ATELIER DELACROIX'.
Ll-nZTLS ATEr.IEK IJKLACRCJIX',
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Eugene Delacroix, Photographie nach dem Leben, 1862 Tafel I vor dem
Dante et Virgile, 1822 Tafel II vor Seite
Seines des massacres de Scio, 1824 Tafel III
Le naufrage de Don Juan, 1840 Tafel IV
Prise de Constantinople par les Croises, 1841 . . Tafel V
L'enldvement de Rebecca, 1846 Tafel VI
Roger delivrant Angelique, 1847 Tafel VII
Le Lion au lapin, 1856 Tafel VIII
Chasse aux lions, 1858 Tafel IX
Mort de Caton, 1824 Tafel X
Le 28 Juillet 1830, 1830 Tafel XI
Lion devorant un arabe, 1847 Tafel XII
Michelange dans son atelier, 1851 Tafel XIII
Chasse aux lions, 1855 Tafel XIV
Medea, 1859 Tafel XV
Aline la Mulätresse, gegen 1821
Cheval effraye par l'orage, Aquarell, 1824
Odalisque, 1825
Les Natchez, 1824
Le Christ au Jardin des Ohviers, 1826 (?)
Le Christ au Jardin des Oliviers, Pastell, 1826 ....
Le Baron Schwiter, Lithographie, 1826
La Mort de Sardanapale, 1827
Le Tasse dans la maison des fous, 1827
Cheval sauvage terrasse par un tigre, 1828 ....
Selbstporträt, 1829
Le roi Jean ä la bataille de Poitiers, Skizze, 1830
Assassinat de Jean Sans Peur, gegen 1830 ( ?) .
Mort de Charles le Tem6iaire ä la bataille de Nancy, 1831
Selbstbildnis, Blei, 1832
Frauen in Marokko, 1832
Frauen in Marokko, 1832
Femmes juives arabes, Aquarell, 1832
Araber mit Pfeife, Tuschzeichnung, gegen 1832 ....
Jeune lionne marchant, 1832
Boas et Ruth, gegen 1832
Fantasia marocaine, 1832
fitude de femme, Radierung, 1833
Titel
17
33
45
71
81
97
121
129
147
155
203
211
219
243
Seite
140
141
142
142
143
144
145
146
147
148,
149
150
150
152
153
154
155
156
157
158
159
160
272 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Seite
Femmes d'Alger dans leur appartement, 1834 161
£tudes d'indiennes, Aquarell, gegen 1835 (?) 162
Bataille de Taillebourg, 1837 163
Henri IV partant pour la guerre (nach Rubens), gegen 1835 (?) ... 164
L'arabe au tombeau, 1838 165
Les convulsionnaires de Tanger, 1838 166
Medee, Skizze, 1838 167
Medee, 1838 168
Zwei Zeichnungen zur Medea 169
Zwei Zeichnungen zur Medea 170
Medee, 1862 171
Noce'^juive dans le Maroc, 1839 172
La justice de Trajan (Entwurf), Bleizeichnung, gegen 1839 173
La justice de Trajan, 1840 174
S. Sebastien secouru par les Saintes Femmes, 1840 ... ... 175
Arabe se chauffant, 1841 176
Prise de Constantinople par les Croises, 1841, Ausschnitt 177
Paysage ä Champrosay, 1842 178
Le Parc de Nohant, 1842 179
La Fiancee d'Abydos, 1843 180
La Fiancee d'Abydos, 1843 181
Cheval terrasse par une panthöre, gegen 1843 182
L'empereur du Maroc Muley-Abd-el-Rahman, Aquarell, 1844 183
Lion devorant un cheval, Bleizeichnung, 1844 184
Lion devorant un cheval, Skizze, gegen 1844 184
La mort d'Ophelie, 1844 185
L'education d'Achille, 1844 186
Jeunes filles de Sparte, Bleistiftzeichnung, 1844 186
Attila et les Barbares foulant aux pieds ITtalie et les arts, 1844 ... 187
Alexandre et les poömes d'Homöre 188
L'6ducation d'Achille 188
Ovide chez les barbares 189
Hesiode et la muse, Skizze, 1844 189
Adam et feve, Skizze, 1844 190
La captivite ä Babylone, Skizze, 1844 190
La Mort de St. Jean Baptiste, Skizze, 1844 191
La Drachme du Tribut, Skizze, 1844 191
Numa et 6gerie, Skizze, 1844 192
Lycurgue consulte la Pythie 192
Demosthdnes harangue les flots 193
Ciceron accuse Verrös, Skizze, 1844 193
Herodote Lnterroge les traditions des Mages 194
Les bergers chaldeens inventeurs de Tastronomie 194
Senöque se fait ouvrir les veines, 1844 195
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 273
Seite
Socrate et son demon 195
Mort de Pline l'ancien 196
Aristote decrit les anünaux, Skizze, 1844 196
Hippocrate refuse les presents du roi de Perse 197
ArchimÄde tue par le soldat 197
Orphee vient enseigner aux Grecs les arts de la paix, 1844 198
Romeo et Juliette, 1845 199
L'enlevement, Zeichnung, 1846 200
Chef arabe, Pastell, 1846 ., 201
Chasse au üon, 1847 202
Comediens et bouffons arabes, 1848 203
Lion dechirant un cadavre, Aquarell, 1848 204
La Madeleine en pridre, gegen 1847 205
Mise au tombeau, gegen 1848 (?) 205
Ugohn et ses fils, 1849 206
Femmes d 'Alger dans leur interieur, 1849 207
Daniel dans la fosse aux lions, 1849 208
Skizze zum Plafond des Louvre, 1849 209
Weisslingen enlev6 par les gens de Götz, 1850 210
Angelique et Mador blesse, 1850 211
La Resurrection de Lazare, 1850 212
Le lever, 1850 213
Ariane abandonnee, 1850 214
Les pelerins d'Emmaüs, 1850 — 1852 215
L'education de la Vierge, gegen 1852 216
L'enlövement par les pirates, 1852 217
Arabe ä l'affüt, Zeichnung, 1853 218
Chasse au lion, 1853 219
Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 220
Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 221
Daniel dans la fosse aux lions, 1853 222
Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 223
Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 224
Bildnis des Sammlers Bruyas, 1853 225
Lion guettant sa proie, 1854 226
St. Georges, 1854 227
Rubens: Löwenjagd 228
Le Lion au caiman, 1855 229
Cavalier arabe, 1856 230
Indienne mordue par un tigre, 1856 231
Combat d'un lion et d'un tigre, Aquarell, 1856 232
Christ en croix, gegen 1856 233
Marocain et son cheval, 1857 234
Les cötes du Maroc, 1858 235
274 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Seite
Mort de Lara, 1858 236
Heliodore chasse du temple, Fresko, 1857 — 1861 237
Hermione chez les bergers, 1859 238
Hamlet et Horatio, 1859 239
L'enlövement de Rebecca, 1859 240
Chevaux se battant dans une 6curie, 1860 241
Triomphe de Bacchus, gegen 1861 242
Triomphe d'Amphitrite, gegen 1861 242
Chasse aux Hons, gegen 1860 243
Le naufrage, 1862 244
Orphee et Eurydic6e, Skizze, 1862 245
Ovide chez les scjrthes, 1862 246
Muley-Abd-el-Rhaman passant la revue de sa garde, 1862 247
Bacchus et Ariane, 1862 248
Le Printemps, 1862 249
Combat d'arabes, 1862 250
L'hiver, Skizze, 1862 251
L'abreuvoir, 1862 252
Lionne prete ä s'elancer, 1863 253
Baron Schwiter: Bildnis Delacroix', 1831 267
Bildnis Delacroix'. Künstler unbekannt 268
Treppe zur Wohnung Delacroix' 269
Letzte Wohnung Delacroix' 269
Letztes Atelier Delacroix' 270
Zeichnungen Delacroix' befinden sich im Text auf folgenden Seiten: 3, 23, 27, 43,
51, 66, 69, 72, 85, 89, 109, 114, 117, 130, 133.
K. B. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reiche! in Augsburg.
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8INDING SECT. AUG 2 6 1982
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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
ND
553
D33Mif
1913
Meier-Graefe, Julius
Eugene Delacrolx
SP