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Full text of "Eugène Delacroix, Beiträge zu einer Analyse"

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3^ö5 


JULIUS  MEIER-GRAEFE  /  EUGENE  DELACROIX 


PHOTOGRAPHIE   NACH   DEM  LEBEN,   1862. 


Pierre  Petit,  Paris 


JULIUS  MEIER-GRAEFE 

EUGENE  DELACROIX 

BEITRÄGE   ZU   EINER  ANALYSE 

MIT 

HUNDERTFÜNFUNDVIERZIG 

ABBILDUNGEN,   ZWEI  FACSIMILES  UND  EINER 

ANZAHL  UNVERÖFFENTLICHTER 

BRIEFE 


MÜNCHEN  /  R.  PIPER  &  CO.  /  VERLAG 


Vit) 

553 


I  NH  ALT 


Seite 

Der  Romantiker i 

Die  Lehrer  der  Jugend 25 

Analyse  und  Synthese 41 

Rubens  und  Raffael 49 

Die  Farbenlehre 67 

Die  Dekoration 87 

Der  Graphiker 107 

Rembrandt 115 

La  Maniera  Magnifica 131 

Abbildungen 139 

Briefe  an  den  Baron  Schwiter 255 

Vier  Abbildungen 267 

Verzeichnis  der  Abbildungen 271 


DER  ROMANTIKER 


Les  grandes  pensdes  viennent 
toujours  du  coeur. 

Vauvenargues. 

Der  Vater,  einer  der  Aufgeklärten  des  i8.  Jahrhunderts,  hatte  mit 
über  Louis  X  VI .  zu  Gericht  gesessen,  wurde  unter  dem  Directoire 
Minister  des  Äußern,  und  in  dieser  Stellung  von  seinem  Freunde, 
dem  Prinzen  Talleyrand,  abgelöst^.  Als  Eugene  Delacroix,  sein 
dritter  und  letzter  Sohn,  geboren  wurde  —  es  war  am  7.  Floreal  des 

'■  Die  Legende,  nach  der  Eugene  Delacroix  der  Sohn  des  Prinzen  Talleyrand  sein 
soll,  hat  heute  keine  Anhänger  mehr. 


4 DER  ROMANTIKER 

Jahres  VI,  d.  i.  dem  26.  April  1798,  in  seinem  Landhause  in 
Charenton  bei  Paris  — ,  war  der  Vater  Gesandter  Frankreichs  in 
Holland.  Die  beiden  anderen  Söhne  waren  Soldaten;  der 
eine  tapferer  General  Napoleons,  der  andere  fiel  jung  in  der 
Schlacht  bei  Friedland.  Eine  Tochter,  Henriette,  zwanzig  Jahre 
älter  als  der  Bruder,  war  mit  dem  Gesandten  de  Verninac  Saint- 
Maur  verheiratet.  An  sie  erinnert  ein  schönes  Bildnis  von  David, 
das  früher  Delacroix  gehört  hat.  Unter  den  nächsten  Verwandten 
der  Mutter,  Victoire  Geben,  finden  sich  geschickte  Kunstgewerbler 
aus  der  besten  Zeit  Frankreichs,  deren  Namen  mit  Wohlgefallen 
von  den  Sammlern  der  Bibelots  des  Dixhuitieme  genannt  werden. 
Ihr  Vater  war  der  Sieur  Geben.  Er  hat  für  die  Pompadour  manchen 
kostbaren  Spiegel  kreiert  und  soll  ein  Lieblingsschüler  des  Alt- 
meisters Boule  gewesen  sein.  Noch  berühmter  war  und  ist  im  selben 
Fach  ihr  Onkel  Riesener,  von  dem  die  Pariser  Museen  viele  schöne 
Möbel  und  Zeichnungen  für  Innendekorationen  bewahren.  Riesener 
und  Geben  haben  viel  zusammen  gearbeitet  und  unter  anderem  mit 
Duplessis  den  kostbaren  Sekretär  Ludwigs  XV.  geschaffen,  eins  der 
Prunkstücke  des  Louvre.  Es  paßt  nicht  eben  schlecht  zu  Delacroix, 
daß  meisterliche  Handwerker  der  Materie  zu  seiner  Familie  gehören. 
Der  Sohn  des  Ebenisten  Riesener,  Delacroix'  Onkel,  der  Maler  Henri- 
Francois  Riesener,  ein  Schüler  Davids,  bestimmte  den  Achtzehn- 
jährigen, in  das  Atelier  Guerins  einzutreten.  Der  Umstand,  daß 
schon  der  Knabe  großes  Talent  bewies,  unterscheidet  diese  Bio- 
graphie nicht  von  vielen  anderen.  Auffallender  als  die  Anlage  für  die 
Kunst  war  das  musikalische  Gehör  des  Kindes.  Ein  alter  Musiker, 
ein  persönlicher  Freund  Mozarts,  damals  Organist  der  Kathedrale 
von  Bordeaux,  wo  Delacroix  einen  Teil  seiner  Jugend  verlebte,  tat 
alles  mögliche,  um  die  Mutter  zu  bestimmen,  den  Jungen  das 
Komponieren  lernen  zu  lassend 

'  Die  meisten  biographischen  Details  sind  der  autobiographischen  Skizze  ent- 
nommen, die  am  vollständigsten  der  Freund  Delacroix',  L.  Veron,  im  ersten  Band 
seiner  Memoires  d'un  bourgeois  de  Paris  (Gonet  1853,  Paris)  abgedruckt  hat  und 
die  DelacroLx  wahrscheinlich  für  ihn  geschrieben  hat  (vgl.  Journal  II,  225).  Dieselben 
Notizen  haben  Piron  vorgelegen,  der  einige  von  V.  nicht  benützte  Stellen  wieder- 
gegeben hat  (Eugene  Delacroix,  Sa  vie  et  ses  oeuvres,  Imprimerie  Jules  Claye, 
Paris  [anonym]  1865  S.  38  ff.).  Die  autobiographische  Skizze  Delacroix'  enthält 
auch  interessante  Nachrichten  über  Gericault. 


DER  ROMANTIKER 


Delacroix  hatte  von  der  Mutter  die  Zartheit  der  Empfindung  und 
vielleicht  die  geschickte  Hand,  die  auffallend  klein  war;  von  dem 
Vater  den  philosophischen  Geist,  die  männliche  Energie  und  etwas, 
das  bei  dem  Umfang  des  Künstlers  gering  erscheint,  den  nie  ver- 
hehlten Anstand  des  «  homme  du  monde  »  und  des  klugen,  wenn 
auch  nie  doppelzüngigen  Diplomaten.  Talleyrand  hatte  ihn  auf 
den  Knien  gewiegt.  Freilich  besaß  er  nicht  die  Maske  des  nor- 
malen Weltmannes,  überhaupt  keine  normale  Maske.  Der  olivene 
Teint,  das  bis  ins  Alter  rabenschwarze  Haar,  der  breite  Mund 
mit  den  breiten  Zähnen,  das  energische  Kinn,  die  stark  zurück- 
liegenden, oft  fieberhaften  Augen  gaben  ihm  etwas  Fremdartiges, 
Exotisches.  Er  erschien  auf  einem  Maskenball,  den  der  Herzog 
von  Orleans  in  den  Tuilerien  gab,  in  einem  orientalischen  Kostüm 
und  hätte,  berichten  die  Augenzeugen,  wirklich  für  einen  morgen- 
ländischen Fürsten  gelten  können^.  Er  war  nicht  schön,  sah  eher 
wild  aus,  und  zu  dieser  Wildheit  bildete  die  vollendete  Ruhe,  seine 
sehr  gewählten  Bewegungen  und  die  stille,  temperierte  Liebens- 
würdigkeit einen  seltsamen  Kontrast.  Hinter  dem  frühzeitig  durch- 
gearbeiteten Antlitz  ahnte  man  Stürme.  Wenn  Michelangelo  zu 
seiner  Zeit  gelebt  hätte,  wäre  er  ähnlich  gewesen.  Er  war  ungemein 
leicht  erregbar  und  verbarg  es,  um  am  nächsten  Tag  in  seiner 
Klause  dafür  zu  büßen.  Die  Stimme  zitterte  leicht,  wenn  er  in  ge- 
lassenen Worten  einer  Meinung  widersprach.  Er  hatte  oft  zu  wider- 
sprechen und  tat  es  mit  ausgesuchter  Höflichkeit,  aber  kurz.  Die 
Freunde  rühmen  seinen  blendenden  Witz.  Er  verstand,  ihn  zurück- 
zuhalten. Die  Frauen  muß  schon  das  Äußere  des  Seltsamen  gelockt 
haben.  Doch  kennt  man  keine  seiner  Lieben,  und  er  hat  keine,  die 
ihn  mehr  als  eine  Stunde  seiner  Erholung  gekostet  hätte  —  auch  die 
nur  in  der  ersten  Jugend  — ,  gehabt.  Er  haßte  den  Vulgus  mehr  als 
seine  Feinde.  Als  Laurent  Jan  von  seiner  nicht  witzlosen  Broschüre 
gegen  Ingres  eine  Massenauflage  veranstaltete,  trat  Delacroix  mit 
großer  Energie  für  den  Gegner  ein,  dessen  Schwächen  er  wie  kein 
anderer  durchschaute,  und  der  ihm  wie  kein  anderer  im  Wege  war^ 

•  G.  Dargenty,  Eugtae  Delacroix  par  lui-m6me  (J.  Rouam,  Paris  1885). 

*  Laurent  Jan,  « Ingres,  peintre  et  martyr  i>.  Theophile  Silvestre  (Eugene  Delacroix, 
documents  nouveaux,  Paris  1864)  verkennt  in  diesem  Falle,  so  gut  er  ihn  sonst  ver- 
steht, die  Koketterie  des  Meisters.   Man  braucht  nur  das  Journal  Delacroix'  nach- 


DER  ROMANTIKER 


Er  war  stolz  und  undurchdringlich  und  bezauberte  jeden,  zumal 
die  ganz  Einfachen,  so  die  Handwerker,  mit  denen  er  zu  tun  hatte; 
war  ungemein  gesellig  und  lebte  wie  ein  Anachoret,  war  skeptisch 
bis  zur  tiefsten  Menschenverachtung  und  selbst  beschränkten  Ge- 
nossen der  beste  Freund.  Er  liebte  sehr  seine  Mutter,  die  er  noch 
als  Jüngling  verlor,  und  sah  am  Tage  ihres  Begräbnisses  von 
einem  Fenster  gleichgültig  der  Aufstellung  des  Leichenzuges  zu, 
so  kühl,  daß  er  sich  seiner  selbst  schämte.  Da  erblickte  er  zufällig 
auf  der  anderen  Seite  der  Straße  eine  Bettlerin,  der  seine  Mutter 
stets  ein  Almosen  zu  geben  pflegte.  Er  brach  in  solche  Verzweiflung 
aus,  dass  die  Seinigen  um  ihn  besorgt  wurden^. 

Viele  Widersprüche  in  seinem  Schicksal.  Dreimal  im  Verlauf 
eines  Jahres  wird  das  Leben  des  Kindes  nur  durch  Wunder  ge- 
rettet. Er  lebt  und  scheint  von  seinem  zwanzigsten  Jahre  an  lang- 
sam zu  sterben.  Er  beginnt  um  diese  Zeit  das  größte  Oeuvre,  das 
die  Geschichte  der  neueren  Kunst  besitzt.  Er  lebt  vorsichtig  wie 
ein  Schwindsüchtiger  —  nie  traf  man  ihn  in  dem  stets  überhitzten 
Atelier  anders  als  mit  einem  Riesenschal  um  den  Hals  und  einer 
Mütze  auf  dem  Kopf  —  und  gönnt  sich  trotz  des  Widerspruchs 
seines  Arztes  nur  eine  Mahlzeit  am  Abend,  um  tagsüber,  von  acht 
Uhr  morgens  an,  besser  arbeiten  zu  können.  Er  ist  vom  ersten 
Bilde  an  berühmt  und  hat  nie  ein  Publikum  gefunden.  Ja,  man 
könnte  fast  sagen,  die  Zahl  der  Verehrer  seiner  Kunst,  namentlich 
seiner  einflußreichen  Verehrer,  habe  mit  den  Jahren  im  selben 
Maße  abgenommen,  in  dem  seine  Berühmtheit,  die  Achtung,  die 
seine  Mitbürger  dem  Menschen  entgegenbrachten,  zunahmt  Und 
er  erscheint  uns  heute  als  der  einzige  der  großen  Künstler  des 
19.  Jahrhunderts,  der  als  ein  Repräsentant  im  Sinne  der  alten 
Meister  gelten  kann. 

zulesen  und  den  Brief,  den  Delacroix  an  denselben  Kritiker  schrieb  (Lettres,  Burty 
S.  261),  in  dem  er  seinen  Verehrer  auf  die  Art  von  Diskussionen  weist,  die  er  allein 
für  würdig  und  ersprießlich  hielt. 

*  Vgl.  die  Erinnerungen  seines  Vetters,  des  Malers  Leon  Riesener,  die  Burty  in 
der  Vorrede  zu  den  «  Lettres  d'Eugene  Delacroix  »  (Quantin,  Paris  1878)  zitiert. 

'  Chesneau  schrieb:  «  L'artiste,  ä  vrai  dire,  n'a  jamais  eu  de  pubUc.  .  .  .  C'est  un 
singulier  phenomene  qu'un  homme  superieur  reussissant  par  ses  quaUtes  personnelles, 
par  l'elegance  et  la  distinction  de  son  esprit,  et  m  a  1  g  r  e  les  qualites  qui  consti- 
tuent  sa  superiorite:  ses  qualites  d'artiste.  > 


DER  ROMANTIKER 


In  seiner  Kunst  glaubt  mancher  ebenso  viele  Widersprüche  zu 
finden.  Doch  bestehen  sie  in  Wirklichkeit  hier  so  wenig  wie  irgend- 
wo in  dem  Dasein  dieses  Menschen,  erscheinen  nur  so  dem  Kurz- 
sichtigen, der  die  Größe  nicht  zu  überblicken  vermag.  Freilich, 
wer  kann  das?  Das  Werk  liegt  heute  weit  genug  zurück.  Man 
sollte  meinen,  Abstand  nehmen  zu  können.  Aber  es  fehlt,  wenn  nicht 
an  Abstand,  an  Voraussetzungen,  um  ihn  recht  zu  benützen.  Und 
wenn  einer  schon  die  Empfindungen  mitbrächte,  um  sich  für  sich 
ein  schwankendes  Bild  aus  den  unzähligen  Bildern  zu  malen,  wie 
soll  er  es  darstellen?  Es  fehlt  an  Worten,  die  stark  genug  wären, 
seinen  Wert  von  den  anderen,  die  so  viel  Worte  verbraucht  haben, 
abzuheben,  und  an  der  Möglichkeit  einer  Resonanz,  auf  die  man 
rechnen  müßte.  Wie  tief,  könnte  ich  mit  einem  seiner  unzähligen 
Biographen  sagen,  fühle  ich  mich  der  Aufgabe  unterlegen,  diesen 
Menschen  zu  schildern.  Und  wie  tief,  könnte  man  hinzufügen,  ist 
unsere  ganze  Zeit  dem  Verständnis  solcher  Aufgaben  entrückt! 

Delacroix  ist  der  letzte  der  Großen,  deren  Art  Poussin  die  Ma- 
niera  magnifica  nennt.  Er  gehört  zu  dem  göttlichen  Meister  der 
«Entführung  der  Sabinerinnen»,  des  «Triumph  der  Flora»,  der 
«Bacchanale»,  gehört  irgendwie  zu  ihm,  z.  B.  weit  eher  als  zu 
David,  Ingres,  Corot  und  Daumier.  Das  ist  sehr  sonderbar,  wenn 
man  es  recht  überdenkt.  Wie  wenig  haben  solche  Zeitgenossen,  die 
uns  neben  ihm  als  die  bedeutendsten  Meister  seiner  Epoche  er- 
scheinen, mit  ihm  gemein!  Weist  ihm  das  etwa  eine  Stellung  in  der 
Vergangenheit  an?  ist  er  wirklich  dem  Meister  Frankreichs,  den 
man  allein  als  seinen  Vorgänger  in  der  Würde,  die  er  einnahm, 
bezeichnen  kann,  verwandt? 

Vier  Dinge  sieht  Poussin  als  wesentlich  an:  als  erstes  die  große 
materia,  so  viel  und  mehr  als  das  würdige  Motiv;  dann  das  argo- 
mento  und  concetto,  das  heißt,  den  schöpferischen,  wohldurch- 
dachten Gedanken ;  dann  die  struttura,  den  wohlgefügten  Bau  und 
den  Stil  —  «una  maniera  particolare  e  industria  di  dipingere  e 
disegnare  nata  dal  particolare  genio  di  ciascuno»  .  .  .  Das  paßt  auch 
auf  Delacroix.  Diese  vier  Dinge  hatte  er  ganz  gewiß.  Aber  während 
sie  Poussins  Art,  soweit  es  überhaupt  solche  Begriffe  vermögen, 
ungefähr  bestimmen,  scheinen  sie  von  Delacroix'  Art  nur  ganz 
schemenhafte  Umrisse  zu  geben.  Eins  bleibt  von  diesen  Begriffen 


8  DER  ROMANTIKER 


ganz  unberührt  oder  erscheint  nebensächlich,  während  es  bei 
Delacroix  zu  dem  Kern  wird,  der  seiner  materia,  seinem  argo- 
mento  e  concetto,  seinem  struttura  e  stilo  eine  ganz  andere  Be- 
deutung zuweist,  eine,  die  es  in  der  Maniera  magnifica  Poussins 
nicht  gab,  noch  geben  konnte  —  weshalb  Poussin  nicht  kleiner 
erscheint  ^,  die  erst  Jahrhunderte  später  entstehen  konnte,  nach 
Zeiten  einer  tiefgründigen  Evolution  des  Menschlichen:  die  durch- 
aus zentrale,  mit  dramatischer  Gewalt  wirkende  Teilnahme  der 
Persönlichkeit  an  der  Schöpfung,  an  einer  Schöpfung,  die  mit  der 
Umsicht  und  Gelassenheit  eines  Poussin  zustande  kommt. 

Man  hat  in  dieser  Schöpfung  immer  nur  den  Teil  gesehen,  der 
dem  Geiste  Poussins,  ich  meine  alles,  was  mit  diesem  Geiste  zu- 
sammenhängt, zu  widersprechen  scheint,  und  hat  auf  Grund  dieser 
Meinung  die  Stellung  Delacroix'  bestimmt.  Die  Kunstgeschichte 
nennt  ihn  Romantiker,  weil  er  für  den  Überwinder  des  Klassizismus 
gilt,  weil  er  romantische  Dinge  gemalt  hat,  und  noch  aus  manchen 
anderen  Gründen.  Der  Name  wäre  gut,  wenn  er  ganz  falsch  oder 
ganz  richtig  wäre.  Man  kann  mit  ihm  ungefähr  alles  machen  und 
unter  anderem  auch  das  bezeichnen,  das  sicher  in  Delacroix  war, 
und  etwas  anderes,  das  nicht  weniger  typisch  für  die  Romantik 
gilt  und  von  dem  nicht  das  mindeste  in  ihm  zu  finden  ist.  Aber 
auch  die  weiteste,  vom  Historischen  absehende  Fassung  des  Begriffs 
der  Romantik  wird  Delacroix  zu  eng  nehmen,  und  eine  Betrachtung, 
die  von  der  Romantik  ausgeht,  um  zu  ihm  zu  gelangen,  wird  Mühe 
haben,  gerade  die  Irrtümer  zu  vermeiden,  die  wesentliche  Eigen- 
schaften des  Künstlers  und  des  Menschen  in  Frage  stellen^.  Ein- 
facher und  ersprießlicher  ist  es,  von  dem  Menschen  und  seiner 
Schöpfung  auszugehen,  von  seinen  Bildern,  ihrer  Entwicklung, 
ihrer  Gesamtheit,  und  von  der  Beziehung  dieser  Gesamtheit  zu  dem 
Menschen.  E^as  aber  geschah  schon  in  früheren  Zeiten,  als  sich  in 
Frankreich  noch  geistvolle  Menschen  mit  Kunststudien  abgaben, 
selten,  geschieht  heute  so  gut  wie  gar  nicht  mehr.  Baudelaire  sagte 
einmal,  er  möchte  sehr  alt  werden  oder  noch  einmal  wieder- 
kommen, nur  um  sich  an  dem  Frohlocken  der  Generationen  über 
Delacroix  zu  weiden.  Wer  weiß,  wie  lange  er  auf  diese  Wiederkunft 

'  Vgl.  z.  B.  die  lesenswerte  Studie  von  Konrad  Weiss:  Eugen  Delacroix,  das  Pro- 
blem des  romantisclien  Genies  (Hochland,   Septemberheft  1912). 


DER  ROMANTIKER 


noch  warten  kann.  Es  gibt  wenige  Künstler,  deren  Namen  ge- 
läufiger sind,  und  mit  denen  man  leichtfertiger  umgeht.  Man 
spricht  von  ihm  wie  von  einem  Bilde,  von  dem  man  nur  eine 
brutale  Holzschnittreproduktion  gesehen  hat.  Das  romantische 
Klischee  hat  es  fertig  gebracht,  daß  die  Wirkung  des  Meisters  mit 
dem  Anteil  der  Impressionisten  erschöpft  scheint  und  gegenwärtig 
überhaupt  kaum  noch  gespürt  wird.  Unsere  Zeit  steht  zu  ihm  etwa 
wie  das  Dixhuitieme  zu  Raffael  und  Michelangelo,  vor  denen 
Boucher  seinen  Schüler  Fragonard,  als  dieser  nach  Rom  ging,  auf 
das  eindringlichste  warnte:  Mein  lieber  Frago,  ich  sage  dir  als  Freund 
und  im  Vertrauen :  wenn  du  diese  Leute  ernst  nimmst,  bist  du  verloren. 
Wie  wenig  ernst  ihn  die  Welt  nahm  und  nimmt,  beweist  unter 
anderem  die  geringe  Zahl  der  Werke  in  den  Galerien  außer  Frank- 
reich. Bei  Wallace  und  in  der  Jonides-Collection  hängen  ein  paar 
gute  Bilder,  die  National- Gallery  hat  erst  jetzt  dank  dem  Ver- 
mächtnis Cheramys  ein  würdiges  Werk  erhalten.  Kleinigkeiten 
finden  sich  in  englischem  Privatbesitz;  blutwenig.  Kein  franzö- 
sischer Meister  war  bei  uns  um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts,  in 
der  Zeit  der  größten  Schwärmerei  für  die  Pariser  Schule,  so  wenig 
geschätzt.  Delaroche,  Horace  Vernet,  Cogniet  herrschten  in  den 
akademischen  Ausstellungen  Berlins,  in  der  Gesellschaft  und  bei 
den  Künstlern.  Die  jungen  Deutschen  zogen  scharenweise  zu 
Couture  und  Gleyre.  Selten  traf  einen  der  Wissensdurstigen  eine 
Ahnung  von  dem  Meister,  neben  dem  alle,  die  man  zu  ihm  rechnet, 
wie  Folien  erscheinen.  Und  wenn  der  Forscher  in  der  deutschen 
Kunst  jener  Zeit  einmal  auf  so  einen  Reflex  Delacroix'  stößt, 
glaubt  er  in  dem  Geringsten  einen  Schimmer  von  Herrlichkeit  zu 
entdecken.  Heute  aber  wird  das  geringste  von  Manet  und  seinen 
Freunden  mit  Gold  aufgewogen,  man  ist  mit  van  Gogh  und  Gauguin 
intim,  besitzt  Signac  und  Groß,  diskutiert  die  Jüngsten,  und  Dela- 
croix, ohne  den  sie  alle  nicht  möglich  wären,  von  dem  sie  das 
beste  haben,  den  Schimmer  von  Herrlichkeit,  der  uns  mit  ihrer 
Nacktheit  versöhnt,  wird  vergessen.  Ein  paar  Privatsammler 
jüngeren  Datums  hier  und  da  haben  in  den  letzten  Jahren  einige 
Bilder  Delacroix'  erworben^  In  deutschen  Museen  gibt  es  noch  heute 

'  Die  bedeutendste  Sammlung  dürfte  die  von  Gerstenberg  bei  Berlin  sein,   in  der 
sich  mehrere  kleine  Ölgemälde  und  Aquarelle  befinden. 


10  DER  ROMANTIKER 


kaum  ein  einziges  repräsentatives  Werk^.  Vielleicht  stände  manches 
anders  bei  uns,  wenn  man  nicht  die  Betrachtung  der  französischen 
Kunst  von  hinten  angefangen  hätte.  Die  Sage  von  der  bedingungs- 
losen Originalität  der  Impressionisten,  die  zu  törichten  Kämpfen 
und  noch  zweifelhafteren  Siegen  führte,  hätte  vielleicht  weniger 
Nahrung  gefunden.  Man  soll  mir  nicht  weismachen,  etwas  Wesent- 
liches von  Cezanne  zu  verstehen,  wenn  Delacroix  für  überwunden 
gilt.  Wer  ihn  für  zu  dunkel  hält,  der  hat  nie  das  Dunkle  in  Cezannes 
Helligkeiten,    das   Hemmende   in   dem    Glanz   Renoirs   genossen. 

Delacroix'  Landsleuten  zu  seinerzeit  war  er  zu  hell.  Die  Schwär- 
mer hielten  sich  an  das  Dämonische.  Vielleicht  hatten  die  miß- 
trauischen Naturalisten,  die  nachher  kamen,  recht,  wenn  sie  sich 
von  der  Kühle  seiner  Doktrin  abstoßen  ließen.  Das  Herz,  dessen 
überhitzte  Pulse  die  Romantiker  berauschte,  schlug  in  einem 
kalten  Menschen.  Das  gab  ihm  die  Größe. 

Alles,  was  sich  über  das  Menschliche  Delacroix'  sagen  läßt, 
über  den  kühnen  Erfinder  und  den  scharfsinnigen  Entdecker, 
über  seine  Synthese  und  seine  Analyse,  enthält  dieses  Paradox. 
Er  war  ein  Feuer,  das  versengend  über  die  Leinwand  fiel,  und 
sah  von  oben  zu,  wie  es  brannte  und  lenkte  das  Feuer.  Nur  in  der 
heißesten  Erregung  wurde  er  zum  Schöpfer.  Das  hat  er  selbst  oft 
gestanden.  «  Wenn  ich  nicht  zittere,  wie  die  Natter  in  der  Hand  des 
Schlangenbändigers,  bin  ich  kalt.  Das  weiß  ich  und  damit  habe 
ich  zu  rechnen.  Alles,  was  ich  Brauchbares  geschaffen  habe,  ist 
so  entstanden»-.  Das  Geständnis  eines  Romantikers.  Doch  war  ihm, 
wie  Theophile  Silvestre  berichtet,  nichts  verhaßter  als  die  Hymnen 
auf  das  Feurige  seines  Wesens.  Er  scheute  keine  Mühe,  um  seinen 
Freunden  zu  beweisen,  daß  alles,  was  er  machte,  kaltblütig  vor- 
bedacht war.  «  Le  mot  f  o  u  g  u  e  ,  qui  pourtant  lui  revient  de 
droit  naturel,  l'horripilait;  il  ne  voulait  aucunement  que  l'on  prit 
ses  plus  heiles  inflammations  pour  des  ardeurs    inconscientes;  il 

*  Swarzenski  und  Wiehert  ( Städelsches  Institut  und  das  Mannheimer  jMuseum) 
sind,  soviel  ich  weiß,  die  einzigen  deutschen  Museumsdirektoren,  die  begonnen  haben, 
diese  Lücke  zu  füllen.  In  dem  Bureau  der  Berliner  Nationalgalerie  wartet  die 
«  Medea  >,  die  Tschudi  zu  erwerben  versuchte,  auf  ihren  Tag. 

'  «  Si  je  ne  suis  pas  agit6  comme  le  serpent  dans  la  main  de  la  Pjrthonisse,  je  suis 
froid ;  il  faut  le  reconnaitre  et  s'y  soumettre.  Tout  ce  que  j  'ai  fait  de  bien  a  ete  fait 
ainsi.  » 


DER  ROMANTIKER ii 

ne  souffrait  pas  que  Ton  supposät  animal  ce  feu  sacre  qui  le 
devorait  »^ 

Er  verstand  seinen  Dämon  so  weit  zu  objektivieren,  daß  selbst 
dem  Beobachter,  der  ihn  bei  der  Arbeit  sah,  die  Erregung  entging. 
Lady  Egle  Charlemont,  für  die  Byron  schwärmte  und  die  Ingres 
für  seine  «  Stratonice  »  saß,  meint  ganz  naiv,  Delacroix  sei  überall 
lebhaft  und  geistreich  gewesen,  nur  nicht  vor  der  Staffelei.  Sie 
nennt  Ingres  «  un  perpetuel  instrument  d'enthousiasme »,  «un 
poeme  epique  enveloppe  dans  une  grande  redingote  ».  Delacroix 
habe  nichts  dergleichen,  nicht  den  leisesten  Zug  zum  Majestä- 
tischen, Feierlichen,  Grandiosen  gehabt.  Nach  seinen  Bildern 
müsse  man  wohl  schließen,  daß  er  zuweilen  nicht  frei  von  feurigen 
Visionen  gewesen  sei,  aber  man  hätte  nie,  wenn  man  ihn  bei  der 
Arbeit  sah,  etwas  davon  bemerkt^. 

Romantik  ist  eine  begrenzte  Auseinandersetzung  mit  der  Welt 
mit  unbegrenzten  Absichten.  Eine  persönliche  Empfindung  um- 
kreist die  Höhen  und  Tiefen  des  Lebens,  zumal  die  der  Vergangen- 
heit oder  abgelegener  Zonen,  wo  die  Details  keine  hemmende  Rolle 
spielen.  Die  Teilnahme  an  den  Leiden  und  Freuden  dieser  Welt 
wird  Ziel  der  Darstellung.  Der  Romantiker  gebraucht  den  erregten 
Gegenstand,  der  ihn  fortreißt.  Es  bedroht  ihn,  sein  Fortgerissen- 
werden für  Kunst  zu  nehmen  und  sich  von  seinem  Gefühle  ab- 
halten zu  lassen,  erregende  Momente  aus  der  gesetzmäßigen  Be- 
nützung der  spezifischen  Darstellungsmöglichkeiten  seiner  Kunst 
zu  bilden;  Dinge  zu  erzählen,  zu  deren  verewigender  Darstellung 
andere  Mittel  als  die  seinen  geeigneter  sind,  die  vielleicht  schon 
mit  anderen  Mitteln  erschöpfender  dargestellt  wurden,  die  sich 
vielleicht  überhaupt  der  Sphäre  seiner  Kunst  entziehen.  Er  stützt 
sich  mit  Vorliebe  auf  die  Literatur  und  gerät  in  Gefahr,  lediglich 
zu  ihrem  überflüssigen  Gehilfen  zu  werden. 

Wir  können    das  Literarische  Delacroix'^    soweit   es    den   Be- 


'■  La  galerie  Bruyas  par  Alfred  Bruyas,  avec  le  concours  des  dcrivains  et  des 
artistes  contemporains.  Introduction  par  Theophile  Silvestre  (Imprimerie  de  J.  Claye, 
Paris   1876)   S.  299. 

•  «  Reviie  de  Paris»  vom  20.   Januar  1867. 

'  Näheres  darüber  in  der  Vorrede  zu  den  literarischen  Werken  Delacroix'  (Insel- 
Verlag,  Leipzig  1912). 


12 DER  ROMANTIKER 

trachter  angeht,  lediglich  als  eine  Titelfrage  auffassen.  Viele 
Bilder  sind  nach  literarischen  Werken  benannt.  Diesen  Stand- 
punkt ergibt  die  Einsicht,  daß  keinerlei  Vertrautheit  mit  der 
Literatur  zu  dem  Verständnis  irgendeines  Delacroixschen  Werkes 
gehört.  Delacroix  hat  nie  Erzählungen,  immer  nur  Bilder  ge- 
schaffen. Der  Irrtum,  etwas  anderes  in  den  Bildern  zu  sehen, 
entspringt  der  Tatsache,  daß  Delacroix  der  Literatur  weitgehende 
Anregungen  verdankte,  eine  Tatsache,  die  nur  für  die  Biographie  des 
Menschen  mehr  oder  weniger  wesentlich  ist,  für  den  Betrachter  des 
Werkes  so  bedeutungslos  ist  wie  die  Frage,  ob  er  bei  der  Arbeit 
Pantoffel  oder  Stiefel  trug.  Die  Biographen  haben  Delacroix 
schlechte  Dienste  erwiesen.  Wäre  er  in  der  Lage  Grecos,  von 
dessen  persönlichem  Dasein  uns  nichts  bekannt  ist,  würde  der 
Weg  zu  seinen  Bildern  freier  sein.  Es  wird  sich  Gelegenheit  geben, 
darauf  hinzuweisen,  daß  die  Vertrautheit  des  Betrachters  mit  dem 
literarischen  Motiv,  das  Delacroix  anregte,  sobald  sie  den  Be- 
trachter bestimmt,  seinem  Aufnahmevermögen  schädlich  werden 
kann.  Nur  der  Zufall  entscheidet,  ob  das,  was  der  Maler  dem  Wort 
des  Dichters  entnahm,  sofort  mit  der  Vorstellung  des  Betrachters 
zusammenklingt.  Das  Bild  läuft  schneller  als  das  Wort.  Diese 
Verschiedenheit  der  Tempis  kann  ebensogut  Steigerungen  des 
Literarischen  ergeben  wie  Schwächungen,  ohne  daß  daraus  eine 
Kritik  gefolgert  werden  könnte.  Wir  brauchen  vor  der  «Dante- 
barke» nichts  von  der  Göttlichen  Komödie  zu  wissen.  Zwei  hohe 
Gestalten  treiben  auf  wildem  Meer  in  einem  Nachen,  den  wilde 
Nackte  zu  erklimmen  suchen.  Das  Symbol  läßt  tausend  Aus- 
legungen jenseits  von  Dante  zu.  Wir  brauchen  v/eder  zu  wissen, 
wer  die  hohen  Gestalten  sind,  noch  wo  sie  sich  befinden.  Das 
erregende  Moment  in  dem  Bilde  ist  nicht  das  Gedicht  Dantes, 
sondern  die  Differenz  zwischen  der  erhabenen  Ruhe  der  hohen 
idealen  Gestalten  und  dem  Toben,  das  unter  ihnen  und  um  sie  herum 
vorgeht;  einfacher  gesagt,  das  Aufragende  neben  dem  Gewühl; 
noch  einfacher,  das  stille  Vertikale  neben  dem  bewegten  Hori- 
zontalen. Vernimmt  man  nun  angesichts  dieses  ganz  in  sich  ge- 
schlossenen, allen  Deutungen  geöffneten  Symbols,  daß  sich  der 
Maler,  als  er  den  Kopf  der  einen  Höllengestalt,  die  sich  an  dem 
Nachen  festbeißt,  malte,  die  Verse  Dantes  vorlesen  ließ,  so  mag 


DER  ROMANTIKER 13 

in  einem  mit  dem  erhabenen  Dichter  vertrauten  Gemüt  die  Be- 
geisterung über  den  Künstler  noch  größer  werden,  weil  ihm  gelang, 
unter  der  Fülle  der  Gesichte  seiner  Vision  auch  dieses  eine  überaus 
teure  entstehen  zu  lassen,  ein  Urgebild  der  Göttlichen  Komödie. 
In  der  Zeit,  als  man  noch  über  ihn  schrieb,  spielte  der  Vergleich 
Delacroix'  mit  Victor  Hugo  eine  große  Rolle.  Delacroix'  Freund, 
Frederic  de  Mercey  war  es,  glaube  ich,  der  den  Feuilletonisten 
diesen  Brocken  hinwarf,  und  zwar  schon  1838  in  einem  Aufsatz 
der  Revue  des  deux  Mondes.  Es  lohnt  sich,  ein  Stück  daraus  zu 
zitieren.  «II  y  avait  analogie  entre  les  deux  novateurs;  tous  deux 
etaient  prodigues  de  couleurs  vives  et  tranchantes,  et  possedaient 
si  bien  la  science  des  grands  coloristes  qu'ils  etaient  tout  a  fait 
disposes  ä  sacrifier  le  fond  a  l'enveloppe,  la  pensee  a  l'expression. 
Le  peintre  neanmoins  avait  plus  d'etendue  d'esprit  que  le  poete; 
il  etait  plus  rationnel  dans  les  sacrifices  qu'il  faisait  a  la  couleur, 
la  couleur  etant  une  des  parties  constitutives  de  son  art,  tandis 
qu'elle  n'est  qu'un  des  accessoires  de  la  poesie;  il  y  avait  aussi  plus 
de  pensee  sur  la  toile  du  peintre  que  dans  les  pages  de  l'ecrivain. 
Le  peintre  comme  le  poete  temoignaient  peut-etre  un  dedain  trop 
marque  pour  la  verite  simple,  toute  nue,  et  pour  la  perfection  du 
contour.  Ce  fut  la  sans  doute  une  des  necessites  attachees  a  leur 
titre  de  revolutionnaires  .  .  .  Quant  a  la  maniere  dont  M.M.  Hugo 
et  Delacroix  emploient  la  couleur,  eile  a  aussi  beaucoup  d'ana- 
logie  sans  etre  identiquement  semblable.  II  y  a  chez  Tun  et  chez 
l'autre  la  meme  recherche,  la  meme  puissance  d'effet,  le  meme 
dedain  du  fini,  le  meme  laisser-aller  de  la  touche.  M.  Hugo  empäte 
ses  vers  comme  M.  Delacroix  ses  tableaux;  on  voit  trop  la  plume 
chez  Tun,  la  brosse  chez  l'autre;  seulement  le  peintre  a  plus  d'esprit, 
de  naturel  et  de  souplesse  que  le  poete,  il  est  parfois  sauvage, 
il  n'est  jamais  faux.  II  est  plus  juste  envers  lui-meme,  il  se  connait 
mieux:  aussi,  a  notre  avis,  M.  Eugene  Delacroix  restera-t-il  plus 
grand  peintre  que  M.  V.  Hugo  grand  poete. »  Man  braucht  nur  die 
Tendenzen  des  geistvollen  Kritikers  (den  vielleicht  nur  der  Um- 
stand hinderte,  daß  er  selbst  Maler  war)  auszudehnen,  um  zu  der 
Wahrheit  zu  gelangen  und  zu  erkennen,  daß  gerade  das,  was  den 
beiden  gemeinsam  scheint,  sie  für  die  Ewigkeit  scheidet.  Baudelaire 
hat  den  Unterschied  zu  formulieren  gewußt    und  in  Hugo  den 


£4 DER  ROMANTIKER 

geborenen  Akademiker  gefunden,  mit  allen  Kniffen  der  Routine 
gesegnet  und  immer  nur  imstande,  Einzelheiten  zu  geben,  deren 
Vielseitigkeit  nicht  die  sterile  Anschauung  verbirgt.  « Victor 
Hugo  commence  par  le  detail,  Delacroix  par  l'intelligence  intime 
du  sujet;  d'oü  il  arrive  que  celui-ci  n'en  prend  que  la  peau,  et  que 
l'autre  en  arrache  les  entrailles  »i.  Delacroix  hat  sich  selbst  ent- 
schieden gegen  den  Vergleich  gewehrt,  der  später  fast  zu  einem 
Etikett  für  ihn  wurde.  «  Je  ne  merite  ni  cet  exces  d'honneur,  ni 
cette  indignite,  »  soll  er  einmal  gesagt  haben-.  Ihm  war  Victor 
Hugo  nur  der  «  brouillon  d'un  homme  de  talent  »^,  der  Mensch, 
der  « nie  auf  hundert  Meilen  der  Wahrheit  und  Einfach- 
heit nahe  gekommen  ist  »*,  ein  Neuerer  ohne  inneren  gültigen 
Anlaß.  Dieselbe  Art  von  Kritik,  die  Delacroix  mit  Victor 
Hugo  zusammenbrachte,  nannte  ihn  wohl  auch  den  Berlioz 
der  Malerei.  Nietzsche  verstieg  sich  zu  dem  Vergleich  mit 
Richard  Wagner.  Nie  ist  ein  von  allen  Gekannter  so  verkannt 
worden, 

Delacroix  war  nichts  weniger  als  ein  Romantiker.  Er  ver- 
achtete ebensosehr  die  Stimmungsmacherei  wie  die  Verrohung 
des  Handwerks.  Mozarts  Wort,  die  Musik  müsse  Musik  bleiben, 
galt  ihm  für  alle  Künste.  Er  haßte  jede  bewußte  und  unbe- 
wußte Nachlässigkeit,  in  der  Literatur  den  saloppen  Stil,  alle 
Versuche,  mit  unliterarischen  Worten  zu  wirken,  und  war  ein 
Feind  aller  Neuerungen  der  Syntax.  Er  meinte,  solche  Neuerungen 
äußerlicher  Art  könnten  nur  beitragen,  die  großen  Dichter  der 
Vergangenheit  altmodisch  zu  machen  und  der  Gegenwart  zu  ent- 
fremden. Er  zeigte,  daß  sich  mit  einem  so  konservativen  Sinn  die 
liberalste  Empfänglichkeit  für  alles  wertvolle  Neue  verbinden  konnte. 
Baudelaire  hat  ihn  mit  Stendhal  verglichen  und  damit  mindestens 
die  Kategorie  des  Menschen  zutreffend  bezeichnet.  Delacroix 
gehörte  zu  den  wenigen  Franzosen,  die  die  Schriften  des  Unbe- 


'  CuriosiLes  esthetiques.   Salon  de   1846. 

^  V.  G.  Wautemiaux  (Eugöne  Delacroix,  Imprim^  par  Jacques  Godenne,  Liöge, 
1891)  zitiert  den  Ausspruch.  Hier  übrigens  auch  eine,  ein  wenig  plumpe  Zurück- 
weisung des  Vergleichs  Delacroix'  mit  Victor  Hugo. 

'   Journal  I,   S.  210,  211. 

*  Dito,   S.   363.  Vgl.  auch  S.   371. 


DER  ROMANTIKER 15 

rühmten  lasen  und  in  sich  aufnahmen,  (Stendhal  begegnete  ihm 
nicht  mit  dem  gleichen  Verständnis)^.  Er  war  ein  ähnlicher  Esprit 
wie  Stendhal,  aber  ein  unendlich  größerer  Geist,  besaß  dieselbe 
unbewußte  Freiheit,  dieselbe  Fähigkeit,  sich  im  Moment,  wenn  der 
Moment  gut  war,  unwiderstehlich  zu  äußern,  sprach  ebensogut, 
so  gut,  daß  jemand  einmal  von  ihm  sagte:  Dommage  qu'il 
fasse  de  la  peinture !  Er  war  instinktiver  Aristokrat  wie  der  Dichter, 
besaß  eine  ähnliche  Noblesse  in  allen  Dingen,  aber  hatte  das  alles 
noch  einfacher  und  natürlicher,  ohne  die  Nuance  von  Dixhui- 
tieme,  die  man  selbst  in  den  modernsten  Werken  Stendhals  spürt. 
Das  reizend  Spielerische  des  Verfassers  der  «Chartreuse  de  Parme» 
kam  weniger  zum  Vorschein  und  war  doch  auch  in  dem  tieferen 
Ernst  Delacroix'  enthalten,  war  deshalb  noch  köstlicher,  so  etwa 
wie  der  Humor  des  stillen  Flaubert,  dem  er  in  der  natürlicheren 
breiteren  Handhabung  seiner  Kunst  so  weit  überlegen  war. 

Seltsam,  wie  schwer  es  ist,  auch  nur  für  gewisse  Teile  des 
Menschen  und  des  Künstlers  gültige  Parallelen  zu  finden.  An 
allen  anderen  ist  immer  irgendeine  Seite  und  in  jeder  Seite  irgend- 
ein Stück  verblasst,  das  nicht  mehr  die  volle  Wirkung  ausübt, 
das  wir  wie  etwas  Veraltetes  ansehen,  obwohl  der  Künstler  oder 
der  Mensch  seiner  Zeit  ihm  größtes  Gewicht  beilegte.  Delacroix 
bleibt  farbig  selbst  in  den  Bildern,  die  seitdem  die  Farbe  verloren 
haben,  und  er  bleibt  ein  unerschöpflicher  Mensch  selbst  da,  wo 
wir  seine  Irrtümer  erkannt  haben.  Es  mag  daran  liegen,  daß  er 
verstand,  in  seinen  Auffassungen  das  Gewicht,  wie  in  seinen 
Bildern  das  Licht,  auf  einzige  Art  zu  verteilen. 

Doch  werden  wir  ihn  immer  einen  Romantiker  zu  nennen  haben, 
aber  ohne  ein  Atom  jenes  Zusatzes  schmälernder  Bedeutung,  der 
dem  historischen  Lustrum  anhaftet.  Nie  war  er  den  Don  Quichottes 
der  Kunst  verwandt,  deren  Ehrgeiz  keine  Norm  findet.  Alle  seine 
Kräfte  wurden  Form.  Romantiker  war  er  von  jener  größten  Art, 
zu  der  die  Geistesheroen  aller  Zeiten  beitragen,  der  Shakespeare 
so  gut  wie  Goethe,  Lionardo  so  gut  wie  Rembrandt  angehören: 
Leute,  die  romantisch  genug  sind,  ihrem  Ideal  zu  dienen.  Dem 
eigenen.  Das  teilen  sie  wie  Delacroix  mit  den  Stürmern,  die  nur 

'  Vgl.  Stendhals  «  Mölanges  d'art  et  de  litterature  ».  Über  das  Massacre  de  Chios: 
er  könne  weder  das  Werk,  noch  den  Autor  bewundern. 


i6 DER  ROMANTIKER 

stürmen  wollen,  daß  sie  nicht  den  Weg  der  Menge  gehen;  das 
sogar,  daß  sie  vielleicht  ihr  letztes  Ziel  nie  erreichen.  Aber  nicht 
eitler  Dünkel  entfernt  sie  von  den  Zeitgenossen,  sondern  die  Er- 
kenntnis. Ihr  Werk  beweist,  daß  sie  recht  hatten.  Und  daß  wir 
selbst  in  den  schönsten  Zeugnissen  ihrer  Kraft  das  Ziel  immer  noch 
über  ihren  Häuptern  erblicken,  ist  uns  nicht  Zeichen  ihrer 
Schwäche,  sondern  stärkster  Beweis  ihrer  Kraft.  Sie  wären  nicht 
unsterblich,  wenn  ihr  Wollen  im  Endlichen  bliebe. 

Die  Abneigung  des  Germanen  gegen  Delacroix  ist  eine  Folge 
seines  größten  Stolzes,  des  Sieges  über  die  Romantik.  Unsere 
Meister  warfen  die  Sentimentalität  unserer  Großväter  über  Bord 
und  taten  recht  daran.  Aber  man  warf  manches  andere  aus  Ver- 
sehen hinterdrein.  Der  Radikalismus  der  Aktion  ist  verdächtig.  Er 
hinderte  nicht  die  Pose,  im  scharlachroten  Kleid  Böcklins  wieder- 
zukommen oder  sich  die  farbige  Maske  Watts  umzubinden,  hindert 
heute  nicht  junge  Leute,  eine  Romantik  von  wildester  Herkunft 
zu  treiben.  Deutsche  und  Engländer  haben  unter  den  hundert 
Pinselträgern  kaum  einen  Romantiker  gehabt,  der  außer  dem 
Zeichen  seiner  Zugehörigkeit  zu  der  Romantik  auch  noch  Genie 
besessen  hätte.  Die  Erinnerung  an  trübe  Stunden  warnt  sie  vor 
Delacroix,  dem  Dichter,  weil  sie  nicht  wie  er  zu  dichten  ver- 
mögen, weil  sie  hinschmelzen  wie  Wachs,  sobald  sie  warm  werden, 
weil  sie  nicht  seine  Widerstände  besitzen,  zu  deren  Überwindung 
er  just  seiner  Dichtung  bedurfte.  Den  wohlbegründeten  Ruf:  Weg 
von  der  Poesie!  sprach  ein  in  Lumpen  gehüllter  Protestantismus, 
den  seine  Armut  um  den  Glauben  an  die  Allmacht  der  Kunst 
brachte.  Ein  barbarischer  Bildersturm  war  seine  Folge.  Der  Ekel 
über  die  Hohlheit  der  Phrasenmacher  trübte  die  Freude  an  jeder 
Geste,  auch  an  der  edelsten,  und  hält  noch  heute  die  Verirrten 
von  den  großen  Meistern  fern.  Als  ob  ein  Michelangelo,  ein  Tizian, 
ein  Rubens,  ein  Rembrandt  ohne  ihre  königlichen  Gebärden  zu 
denken  wären!  Weil  die  Gebärden  aus  organischen  Formen  ge- 
wonnen wurden,  schloß  man,  alles  Organische  müsse  königlich 
sein,  müsse  lediglich  auf  Grund  der  mehr  oder  weniger  weit- 
getriebenen Ökonomie  der  Kräfte  bereits  jenes  geheime  Ver- 
mögen, die  Menschheit  anzuziehen,  die  höchsten  menschlichen 
Instinkte  auszulösen,  besitzen.  So  wurde  aus  der  Empfindung,  die 


DANTE  ET  VIRGILE,   1S22. 
2,40  :  1,80.  (ROBAUT  Nr.  49.; 
LOUVRE,  PARIS. 


die  Er- 


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DER  ROMANTIKER 17 

früher  die  Menschen  mit  dem  Werke  einte,  die  sie  trieb,  in  dem 
Kunstwerk  ihr  eigenes  höheres  Bewußtsein  zu  erkennen,  eine 
Rarität  des  Artisten.  Dem  gebrechlichen  Artistentum  ist  die  von 
keinem  SpeziaHsmus  getrübte  Unbefangenheit  Delacroix'  ver- 
dächtig. ReaHsten  sahen  in  ihm  einen  Barockmaler,  weil  sie 
eine  seiner  « Convenances »,  eine  von  vielen,  für  seine  Kunst 
nehmen.  Man  projiziert  den  eigenen  unwandelbaren  Per- 
sönlichkeitsbegriff auf  einen  über  jedes  Klischee  hinaus- 
ragenden Menschen,  erkennt  die  heroischen  Umrisse  der  Ge- 
stalt so  wenig,  daß  man  ihm  am  liebsten  die  Persönlichkeit 
absprechen  möchte,  weil  er  ebensowenig  die  Zugehörigkeit  des 
Menschen  zu  seiner  Zeit  wie  die  Herkunft  des  Malers  verleugnet. 
Sein  Verhältnis  zur  eigenen  Kunst  wird  genau  so  mißverstanden, 
wie  seine  Beziehungen  zu  anderen  Künsten.  Man  wirft  ihm  vor, 
daß  er  anderen  Meistern  nahm,  und  übersieht  das  Resultat,  macht 
den  einen  für  die  Genesis  jedes  großen  Fortschrittes  haftbar,  nennt 
Schv/äche,  was  gerade  seine  Stärke  offenbart.  Der  Enthusias- 
mus eines  Menschen,  dem  die  Kunst  über  das  Leben,  mithin  auch 
über  die  erbärmliche  Selbstgenügsamkeit  des  Eitlen  ging,  wurde 
für  feile  Berechnung  genommen;  die  Selbstzucht,  die  dem  schäu- 
menden Genius  die  Fessel  strenger  Schulung  auferlegte,  zur  Nach- 
ahmung gestempelt.  Noch  heute  sieht  mancher  Deutsche  in  ihm 
einen  Epigonen  und  wiederholt  die  kümmerlichen  Argumente,  die 
der  Neid  einem  Couture  in  die  Feder  diktierte'. 

Es  gibt  keinen  Fetzen  Leinwand  Delacroix',  in  deren  flüchtigen 
Zeichen  man  nicht  sofort  seine  Hand  erkennt.  Das  ist  das  geringste. 
Es  gibt  kein  Bild  Delacroix',  in  dem  sich  nicht  die  Spuren  der 
größten  Meister  kreuzen,  das  nicht  wie  ein  Sammler  höchster 
überlieferter  Werte  erscheint.  Und  es  gibt  kein  einziges,  in  dem 
nicht  das  Ganze  wie  das  Einzelne  ausschließlich  von  seinem  Geiste 
getragen  wird.  Nie  war  er  auf  die  Neuheit  seiner  Formen  stolz. 
Das  lag  ihm  so  fern,  wie  das  Vorkehren  seiner  Originalität  in 
Kleidung,  Sprache,  Sitte.  Sein  ganzes  Zielen  ging  eher  dahin, 
seine  Neuheit  verzeihlich,  verständlich  zu  machen,  sie  so  unter 
den  Werten,  die  er  zu  erhalten  suchte,  zu  verstecken,  daß  sie  wie 


'  Thomas  Couture:   Methode  et  Entretiens  d'atelier.   (Paris   1868.) 

Meier-Graefc,  Delacroix 


i8  DER  ROMANTIKER 


Teil  des  Alten,  das  er  in  sich  aufnahm,  erschien.  Einem  Menschen, 
der  in  dem  Schönen  «  le  rencontre  de  toutes  les  convenances  »  er- 
kannte\  mußte  die  Durchdringung  alles  Schönen  zur  Aufgabe 
werden.  Dafür  nahm  er,  was  er  nehmen  konnte.  Er  zeichnet  und 
malt  nach  Raffael,  Tizian,  Michelangelo,  Rubens,  Veronese, 
Poussin,  Bourdon,  Tiepolo,  Goya  und  vielen  anderen,  nach  der 
Antike,  nach  Architektur,  Möbeln,  Medaillen;  nach  der  Natur, 
wo  immer  sich  Gelegenheit  bietet,  auf  dem  Lande,  im  Jardin  des 
Plantes,  auf  der  Reise,  nach  Bäumen,  Pflanzen,  Tieren  und 
Menschen  aller  Rassen,  Weißen  und  Schwarzen,  Gelben  und 
Braunen,  Indiern,  Türken,  Arabern,  Wilden.  Er  liest,  wie  andere 
träumen  und  lieben,  umschlingt  die  Poesie  wie  einen  Lebenszweck, 
der  jedes  Opfer  lohnt,  mit  der  Leidenschaft  des  Jägers,  mit  der 
Gründlichkeit  des  Gelehrten,  mit  der  Wachsamkeit  des  Kritikers 
und  der  Willkür  des  Liebhabers.  Die  französischen  Klassiker, 
zumal  Corneille,  Racine,  Moliere,  Bossuet,  La  Fontaine,  und  die 
Enzyklopädisten,  namentlich  Diderot,  sind  ihm  schon  früh  aufs 
engste  vertraut,  auch  Pascal,  Montesquieu,  Le  Sage,  und  er  kennt 
die  Dinge  von  ihnen,  die  nicht  an  der  Straße  liegen.  Er  liebt 
die  Alten,  vor  allem  Horaz  und  Virgil,  kennt  die  Tragödien  der 
Griechen,  liebt  die  Werke  aller  großen  Geister  der  Antike,  die 
er  mit  den  Neueren  zusammen  in  der  Kuppel  des  Luxembourg 
vereint  hat.  Seine  Säulen  sind  Dante,  Homer,  Shakespeare.  Er 
liest  sie  in  der  Ursprache.  Dante  steht  ihm  über  allem,  ist  ihm 
tägliches  Brot.  Er  wird,  während  er  liest,  zum  Schöpfer.  In  früher 
Zeit,  1824,  notiert  er  einmal  in  fliegender  Eile,  ohne  sich  die  Zeit 
zu  nehmen,  Sätze  zu  bilden:  «On  frisonne  devant  lui  comme  devant 
la  chose ;  superieur  en  cela  a  Michelange,  ou  plutot  dif ferent,  car 
il  est  sublime  autrement  mais  pas  par  la  verite.  —  ,,Come  colombe 
adunate  alle  pasture  .  .  .  Come  si  sta  a  gracidar  la  rana  .  .  .  Come 
il  villanello  .  .  ."»  Und  triumphierend  wie  über  eine  plötzliche  Er- 
kenntnis: «Et  c'est  cela  que  j'ai  toujours  reve  sans  le  definir, 
precisement  cela.  C'est  une  carriere  unique»-.  Dante  ist  ihm  der 
blutverwandte  Ahne,  dem  nachzueifern  zu  einem  heiligen  Gebot 
wird.  Das  Tagebuch  der  ersten  Jahre  ist  voll  von  Ermahnungen 

'   Journal  I,  266. 
^  Journal  I,  iii. 


DER  ROMANTIKER 19 

an  sich  selbst.  «Denke  an  Dante!  Denke  immer  an  Dante!  lies  ihn 
fortwährend,  um  auf  große  Ideen  zu  kommen!»  —  Es  ist  nicht 
der  Schatz  von  Stoffen,  was  ihn  lockt  und  treibt,  sondern  die 
Reinigung  der  Inspiration,  die  er  von  dem  großen  Beispiel  erhofft. 
Dante  und  Homer  geben  ihm  ein  Maß.  Homer  ist  ihm  der  In- 
begriff künstlerischer  Wahrheit.  Was  er  darunter  versteht,  sagt 
der  Titel,  den  er  Rubens  gibt,  dem  Homer  des  Nordens.  Homerisch 
muß  man  schaffen,  mit  dieser  Einfachheit,  mit  dieser  Natur.  Er 
nennt  Rubens  homerischer  als  VirgiU.  Ähnlich  steht  er  zu  Shake- 
speare. Aber  schon  überwiegt  um  eine  Nuance  der  Nutzen  des 
Bildreichen  für  den  Maler  die  Verehrung  des  Menschen.  Seine 
Schwärmerei  übersieht  nicht  die  barbarischen  Seiten,  die  dem 
klassisch  gebildeten  Franzosen  wie  Untiefen  erscheinen,  aber  nie 
entgeht  ihm  die  gewaltige  Einheit  des  Bildners.  Er  entnimmt 
Shakespeare  Erregungen;  Ariost,  Petrarca,  Virgil  die  Stützen  der 
Gesittung.  Die  Einsicht  in  die  Überlegenheit  des  Geschmacks  und 
die  Sachlichkeit  des  Sprachlichen  der  französischen  Klassiker 
kämpft  oft  mit  der  Freude  an  dem  lebendigen  Ausdruck  eines 
Cervantes,  eines  Calderon.  Sie  macht  ihn  wählerisch  einem  Cor- 
neille gegenüber,  ungerecht  gegen  Goethe,  dem  er  nur  Bilder  ent- 
nimmt, trübt  nicht  sein  Urteil  vor  einem  Rousseau  und  vielen 
anderen,  die  ihm  nicht  nahestehen.  Er  studiert  die  Kritiken 
Diderots,  amüsiert  sich  mit  Lamartine  über  Chateaubriand,  liest 
von  der  Jugend  bis  zum  Alter  immer  wieder  Voltaire  und  macht 
sich  Auszüge  aus  Voltaires  Korrespondenz  und  schwärmt  mit 
derselben  Beständigkeit  für  Casanova.  Byron  begeistert  ihn  zumal 
in  der  Jugend.  Die  Dankbarkeit  für  die  Motive  Walter  Scotts 
treibt  ihn  zu  keiner  Überschätzung,  ebensowenig  die  Freundschaft 
mit  George  Sand  oder  Dumas,  dessen  Niveau  er  unbarmherzig 
fixiert.  Er  liest  mit  seltenem  Verständnis  Stendhal,  widersteht 
Balzac,  verschließt  sich  nicht  vor  Baudelaire.  Er  verfolgt  die 
Politik,  treibt  Weltgeschichte  und  die  Geschichte  der  Kunst  aller 
Länder.  Er  hinterläßt  ein  literarisches  Oeuvre.  Dabei  geht  er  täg- 
lich in  Gesellschaft,  verkehrt  mit  unzähligen  Menschen,  ist  mit 
allen  geistigen  Größen  bekannt  und  pflegt  eine  verzweigte  Korre- 


Journal  III,  240. 


20 DER  ROMANTIKER 

spondenz.  Er  kennt  das  Theater,  ist  Habitue  in  den  Italiens  und  im 
Theätre  francais  und  gibt  über  Schauspiel  und  Schauspieler 
profunde  Urteile.  Den  weitesten  Platz  in  seinem  Haushalt  nimmt 
die  Musik  ein.  In  jungen  Jahren  spielte  er  mit  Talent  Violine  und 
sang,  solange  ihn  nicht  das  Halsleiden  quälte.  Moreau  erzählt,  er 
habe  sogar  einmal  in  einer  Gesellschaft  bei  Herrn  de  Conflans 
mit  seiner  Stimme  einen  gewissen  Erfolg  davongetragen,  für  den 
er  nicht  unempfindlich  gewesen  sei'.  In  der  späteren  Zeit,  auch 
in  den  letzten  Jahren  unterbrach  er  oft  die  Arbeit,  um  nach  der 
Gitarre  zu  greifen,  trällerte  eine  Melodie  und  kam  wieder  in 
Schwung.  Es  hat  wenige  Tage  gegeben,  an  denen  er  nicht  Musik 
gehört,  an  Musik  gedacht  hat.  Sie  war  ihm  vielleicht  noch  nötiger 
als  die  Dichtung.  Sein  Verhältnis  zu  ihr  scheint  eine  Personifikation 
des  Parallelismus  zwischen  den  Vibrationen  des  Lichtes  und  der 
Töne.  Sein  Ohr  reagierte  wie  sein  Auge  und  übertrug  jede  sinn- 
liche Erfahrung  auf  das  geistige  Zentrum.  Wie  Liszt  in  seinem 
Aufsatz  über  Chopin  erzählt,  fehlte  Delacroix  nie  unter  den  Zu- 
hörern des  großen  Komponisten,  dessen  Spiel  ihn  immer  in  tiefes 
Träumen  versetzte,  und  Delacroix'  Studie  über  ihn  im  «  Journal » 
beweist,  wie  er  ihn  verstand.  Er  war,  Bach  ausgenommen,  mit  allen 
Alten  intim,  und  trotz  seiner  Abneigung  gegen  die  Moderne,  die  sich 
auf  unwiderlegliche  Argumente  stützte,  versäumte  er  keine  Ge- 
legenheit, Neues  zu  hören  und  war  für  das  Geringste  dankbar, 
sobald  das  Neue  ihm  nicht  das  Alte  verdarb.  Es  gibt  im  Geistes- 
leben seiner  Zeit  und  aller  Zeiten  kaum  einen  Gipfel,  den  er  nicht 
berührt  hätte.  Schon  allein  das  Aufnahmevermögen  des  Menschen 
ist  etwas  Ungeheures,  und  so  gut  wir  begreifen,  daß  diese  Fähigkeit 
seiner  Produktion  unentbehrlich,  nur  dank  seiner  Produktion 
möglich  war,  so  wenig  vermögen  wir  uns  neben  diesen  zahllosen 
Beschäftigungen  die  rein  materiellen  Möglichkeiten  seiner  Pro- 
duktion vorzustellen.  Er  wurde  65  Jahre  alt  und  hat  über  neun- 
tausend Werke  seiner  Hand   hinterlassen^   und   war  ein   Mensch, 


•  Adolphe  Moreau:  E.  Delacroix  et  son  oeuvre  (Paris,  Librairie  de  bibliophiles 
1873).  p.  XII. 

*  Es  ist  schwer,  den  Umfang  des  Werkes  genau  anzugeben.  Robauts  Katalog 
(L'oeuvre  complet  de  Eugene  Delacroix,  Charavay  freres,  Paris  1885)  hat  es  versucht 
und  als  annähernde  Zahl  9140  genannt.  In  dieser  Summe  ist  natürlich  alles  inbegriffen. 


DER  ROMANTIKER 21 

der  es  verschmähte,  ohne  Inspiration  den  Pinsel  anzurühren,  war 
fast  jede  Woche  tagelang  unfähig,  der  Inspiration  zu  gehorchen, 
selbst  wenn  sie  den  Kranken  wie  ein  Dämon  sein  Opfer  überfiel. 
Seine  Oekonomie  der  Kräfte  ist  vielleicht  das  erstaunlichste  und 
edelste  Phänomen. 

Delacroix  nahm  nicht,  weil  er  mußte.  Das  Neue  des  Debütanten 
reichte  für  einen  klangvollen  Namen,  auch  wenn  er  auf  derselben 
Stelle  geblieben  wäre.  Die  Erfindung  in  der  «Dantebarke»  stellt 
die  Originalität  außer  jeden  Zweifel.  Die  Mitwirkung  anderer 
Meister  ist  weniger  entscheidend  als  das,  was  wir  in  jedem  Michel- 
angelo und  Tizian  von  übernommenen  Werten  spüren.  Kein 
Rubens  hat  je  das  Architektonische  dieses  Baues  besessen.  Gros 
vergaß  sich  in  seiner  Begeisterung  so  weit,  zu  behaupten,  daß 
Rubens  in  dem  Bilde  «  chätie  »  werde,  und  es  gibt  viele,  die  das  noch 
heute  nachsprechen  und  womöglich  meinen,  der  ganze  spätere 
Delacroix  werde  von  dem  Bilde  «chätie»,  weil  es  die  Origi- 
nalität auf  einem  jedem  flüchtigen  Blick  zugänglichen  Wege 
erweist.  Gros'  Behauptung  war  nicht  gerecht,  da  das  Wesentliche 
des  Werkes  außerhalb  der  Rubensschen  Bahnen  liegt.  Eben  das 
schien  dem  Maler  der  « Dantebarke »,  als  er  das  Bild  hinter  sich 
hatte,  ein  Mangel.  Er  fand  diese  Art  des  Monumentalen  zu  leicht, 
die  Struktur  des  Baus  zu  einfach,  das  Pathos,  das  uns  wie  eine 
gewaltige  Woge  umbraust,  zu  leer  für  das,  was  er  in  sich  trug. 
Viele  solcher  wuchtig  gerundeten  Sätze  mögen  ihm  damals  ein- 
gefallen sein.  Er  widerstand.  Wenn  sein  dichterischer  Einfall  den 

was  Robaut  bekannt  war,  und  die  Einheit  ist  sowohl  die  geringfügigste  Skizze  wie 
das  Werk  größten  Umfangs,  an  dem  der  Meister  Monate  und  Jahre  arbeitete.  Der 
größte  Teil  der  Summe  kam  erst  nach  dem  Tode  des  Meisters  beim  Verkauf  des 
Nachlasses  zum  Vorschein.  Die  einzelnen  Kategorien  des  Werkes  sind  nach  Robaut 
(Rückseite  des  Vortitels  des  Katalogs)  853  Malereien,  1525  Pastelle,  Aquarelle  und 
Tuschzeichnungen,  6629  Zeichnungen,  24  Radierungen,  109  Lithographien  und 
mehr  als  60  Skizzenbücher.  Die  letzteren  sind  in  der  Summe  von  9140  nicht  mit- 
gerechnet. Trotz  der  bewunderungswürdigen  Sorgfalt,  mit  der  der  Katalog,  eines 
der  schönsten  Denkmäler  der  Kunstwissenschaft,  hergestellt  wurde,  sind  seitdem 
noch  viele  nicht  katalogisierte  Werke  zum  Vorschein  gekommen. 

Im  Jahre  1856  schrieb  Delacroix  an  TheophUe  Silvestre,  der  ihn  nach  seinen  zu- 
künftigen Arbeiten  fragte:  an  vollkommen  feststehenden,  fertigen  Entwürfen  habe 
er  für  zwei  Menschenleben  genug,  und  an  Projekten,  die  geeignet  seien,  Geist  und 
Hand  zu  beschäftigen,  habe  er  für  vierhundert   Jahre  (Lettres,  263). 


22 DER  ROMANTIKER 

Raum  im  Fluge  durchmessen  hatte,  kam  ein  scharf  analysierender 
Geist  hinterher  und  kontrollierte  den  Weg  der  Erfindung.  Der 
Weg  wurde  ihm  mit  den  Jahren  immer  wichtiger.  Sein  Leben  hat 
sich  auf  viele  Preise  gerichtet,  am  stärksten  auf  die  Erfindung 
einer  vollendeten  Disziplin,  geeignet,  die  Macht  seiner  Dichtung 
vollkommen  zu  organisieren.  Man  kann  nicht  sagen,  die  Disziplin 
wäre  ihm  wichtiger  geworden  als  die  Kühnheit  des  dichterischen 
Flugs,  denn  wenn  ihn  diese  nicht  beseelt  hätte,  wäre  jene  ohne 
Inhalt,  wäre  Delacroix  nicht  Delacroix  gewesen.  Vermöchten  wir 
in  dem  Resultate  auch  nur  das  eine  von  dem  andern  zu  unter- 
scheiden oder  gar  die  Überlegenheit  der  Reflexion  festzustellen, 
so  würde  uns  die  beste  Disziplin  nicht  den  Mangel  an  Gefühl 
ersetzen.  In  Delacroix'  Werken  entscheidet  nur  das  Gefühl,  und 
nichts  widerspricht  der  Vernunft.  Er  illustriert  das  Wort  des 
Freundes  Voltaires:  les  plus  grandes  pensees  viennent  toujours 
du  coeur. 

Nicht  für  seine  Dichtung,  sondern  für  seine  Malerdisziplin  be- 
durfte er  der  Hilfe  anderer,  zumal  der  großen  Meister  der  Ver- 
gangenheit, da  seine  eigene  Zeit  abgewirtschaftet  hatte.  David  war 
nicht  infolge,  sondern  trotz  seiner  barbarischen  Disziplin  ein 
großer  Maler.  Seine  Nachfolger  zeigten,  was  sie  wert  war.  Mit  den 
Ingresschülern  stand  es  nicht  viel  besser.  Wenn  nicht  der  Zufall 
dem  Maler  einen  Porträtauftrag  in  die  Hand  spielte,  versagte 
jedes  natürliche  Empfinden.  Und  selbst  bei  den  Bildnissen  Davids 
und  seiner  Schüler  bedarf  es  zuweilen  aller  Freude  an  den  Dingen, 
die  der  Maler  nur  reproduziert,  zuweilen  einer  nicht  geringen 
Duldsamkeit,  um  das  künstlerische  Niveau  erträglich  zu  finden. 
Die  Disziplin  schien  nur  dazu  da,  dem  Maler  den  Pinsel  zu  ent- 
winden. Hier  setzt  die  wirkliche  Rolle  des  Uberwinders  der  Klassi- 
zisten  ein.  Nicht  der  Romantiker  kämpft  mit  seiner  Geste  gegen  die 
Geste  der  Davidschule.  Dieser  Gegensatz,  eine  Äußerlichkeit,  zum 
Teil  Fiktion,  ist  ungeeignet,  einen  gültigen  Fortschritt  unzweideutig 
zu  erweisen.  Was  die  Klassizisten  besiegt,  ist  der  Klassiker,  der 
große  Organisator,  der  die  Armut  der  Epoche  erkennt,  die  Ursache 
sieht,  begreift,  was  die  Revolution  und  alles,  was  vorherging,  der 
Kunst  geraubt  hat,  und  nach  dem  Niedergang,  nach  der  ge- 
waltsamen Zerstörung  der   Überlieferung  zum  Erbauer  wird  und 


DER  ROMANTIKER 


23 


mit  seinem  unteilbaren  Werk  eine  alle  unentbehrlichen  Werte 
umfassende  Synthese  vollbringt.  Er  gibt  dem  Gedanken,  der  unter 
dem  Klassizismus  erstarrte,  die  Freiheit  zurück.  Sicher  ein  Großes, 
das  man  ihm  damals  begeistert  danken  konnte,  aber  das  für  uns 
nur  etwas  Geschichtliches  bedeutet,  das  auch  ohne  ihn  gekommen 
wäre,  ein  Negatives,  fast  bedeutungslos  neben  dem,  was  er  an 
Positivem  brachte.  Er  reißt  Schranken  ein,  aber  stellt  in  dem 
gleichen  Augenblick  neue  Gesetze  von  unvergänglicher  Weisheit 
auf,  unwiderleglich,  weil  sie  nicht  fesseln,  sondern  stützen,  weil 
sie  sich  mit  nichts  gegen  die  Malerei  richten,  sondern  alle  Mög- 
lichkeiten des  Malerischen  bloßlegen.  Die  Malerei  wird  frei,  und 
die  neue  Disziplin  setzt  sie  instand,  ihre  Freiheit  zur  größten 
Aufbietung  ihrer  besonderen  Macht  zu  verwenden. 

Neben  der  Bedeutung  dieser  Tat,  dieses  Gedankens  und  der 
Art,  wie  er  ausgeführt  wurde,  tritt  jedes  andere  Moment,  das  zu 
Delacroix'  Ruhm  beiträgt,  zurück.  Die  Kunst  war  damals  —  aus 
anderem,  gewaltsameren,  im  Grunde  weniger  bedenklichem  An- 
laß —  an  einem  ähnlichen  Punkt  angekommen  wie  heute,  und 
mancher  Kunstfreund  gab  sich  dem  finstersten  Pessimismus  hin. 
Da  kam  er.  Sofort,  so  erscheint  es  dem  Rückblickenden,  ändert 
sich  alles.  Mit  Delacroix  beginnt  eine  neue  Entwicklung.  Das 
Stück,  das  ihm  allein  in  ihr  auszufüllen  gelingt,  gleicht  einem 
vollendeten  Dome. 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 


Viele  Künstler  begleiteten  ihn.  Wollte  man  sie  alle  nennen, 
müßte  man  einen  guten  Teil  des  Louvrekatalogs  zitieren,  zumal 
fast  alle  Großen,  die  uns  heute  am  nächsten  stehen.  Man  könnte 
eine  Kunstgeschichte  im  Geiste  Delacroix'  schreiben  —  auch  eine 
Geschichte  der  Literatur,  auch  eine  Geschichte  der  Musik  — ,  und 
es  wäre  lohnend,  bestände  nicht  die  Gefahr,  mit  solchem  Versuch 
alten  Irrtümern  über  den  Eklektizismus  des  Meisters  neue  Nah- 
rung zuzuführen.  Er  hat  bis  ins  Alter  unzählige  Meister  kopiert 
und  zwar  so,  daß  man  das,  was  er  von  Rubens  sagte  —  er  sei  ori- 
gineller in  seinen  Werken  nach  anderen  Meistern,  als  in  seinen 


28 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

eigenen  —  mit  der  gleichen  Übertreibung  von  ihm  selbst  wieder- 
holen könnte.  Geringer  ist  die  Zahl  der  Zeitgenossen,  die  dem  An- 
fänger dienten.  Eine  eigene  Rolle  scheint  in  der  ersten  Zeit  der 
wenig  bekannte  Maler  Hippolyte  Poterlet  gespielt  zu  haben,  der 
1829  starb.  Theophile  Silvestre  berichtet*,  Delacroix  habe  an- 
fangs kein  bedeutendes  Bild  gemalt,  ohne  Poterlet  vorher  eine 
Skizze  zu  zeigen,  und  zwar  habe  er  immer  gleich  eine  zweite  Lein- 
wand mitgebracht.  Auf  die  habe  der  Kamerad  jedesmal  skizzieren 
müssen,  wie  er  sich  die  Interpretation  des  Motivs  nach  seiner  Art 
denken  würde.  Poterlet  hat  an  selbständigen  Werken  nichts  Be- 
deutendes hinterlassen.  Dagegen  gibt  es  glänzend  skizzierte  Kopien 
von  ihm  nach  Delacroix-.  Trotzdem  braucht  Silvestre  nicht  unbe- 
dingt falsch  unterrichtet  gewesen  zu  sein.  Das  Genie  bedient  sich  zu- 
weilen in  gewissen  Stadien  der  Schöpfung  fiktiver  Stützen,  die  es 
auf  unkontrollierbare  Art  —  unter  Umständen  nur  durch  eine 
negative  Teilnahme,  z.  B.  ihren  Widerspruch  —  fördern.  Eine 
wirkliche  Förderung  verdankt  der  Anfänger  Gericault,  einem  Vor- 
läufer, der  wie  so  manche  andere  seit  den  Zeiten  Masaccios  sein 
Hellsehertum  mit  frühem  Tode  bezahlte.  Delacroix  hat  vor  1821, 
dem  Entstehungsjahr  der  «Dantebarke»,  nichts  geschaffen,  das 
als  eine  Voraussage  des  Werkes  gelten  könnte.  Es  gibt  ein  paar 
mehr  oder  weniger  gelungene  Porträts,  eine  ganze  Reihe  von 
lithographierten  Karikaturen,  deren  politische  Anspielungen  keiner- 
lei   Interesse  erwecken,    viele   Banalitäten.    Man    hätte  eher  auf 

'  Eugene  Delacroix,  Documents  nouveaux  (Levy  freres,  Paris  1864). 

'  Eine  zitiert  Robaut  unter  Nr.  202  (Le  Combat  du  Giaour  et  du  Pacha),  die  im 
Besitz  von  Theophile  Gautier  war  und  später  in  die  Sammlung  Cheramy  gelangte. 
Wir  haben  sie  in  dem  Werk  über  diese  Sammlung  abgebildet  (R.  Piper  &  Co.,  München 
1908,  Nr.  160).  Delacroix  hat  das  Bildchen  retuschiert.  Der  Katalog  der  Vente  Cheramy, 
Mai  1908  Nr.  167,  verschweigt  die  BeteiUgung  Poterlcts  an  dem  Bude.  Der  Katalog 
der  Succession  Cheramy,  April  191 3  Nr.  20,  behauptet,  das  Bild  sei  das  Original. 
Er  verwechselt  das  Original,  von  dem  Theophile  Gautier  in  einem  Aufsatz  der  «  Beaux- 
Arts  en  Europe  »  spricht,  mit  der  von  Delacroix  retuschierten  Kopie,  die  im  Besitz 
Gautiers  war.  Robaut  gibt  die  Maße  des  Originals  mit  0,58x0,72  an,  während  das 
Bild  bei  Cheramy  nur  einen  Umfang  von  0,19x0,24  besitzt.  Den  «Christ  au  jardin 
des  Oliviers  »,  den  Silvestre  in  diesem  Zusammenhang  zitiert,  hat  Poterlet  litho- 
graphiert. Verschiedene  Bilder  und  Zeichnungen  Poterlets  aus  dem  Nachlasse  des 
Baron  Schwiter  befinden  sich  heute  im  Besitz  des  Baron  v.  BUttersdorff  in  Ottens- 
heim  a.  d.  Donau.  Poterlet  endete  durch  Selbstmord. 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 29 

einen  zukünftigen  Raffet,  allenfalls  einen  Daumier  schließen 
können.  Aus  diesen  meist  belanglosen  Dingen  erhebt  sich  plötz- 
lich das  Schiff  mit  den  beiden  Dichtern.  Er  malt  das  Bild  binnen 
zweiundeinhalb  Monaten,  ohne  den  Pinsel  abzusetzen.  Ein  großer 
Eindruck  muß  ihn  bestürmt  haben.  Er  hatte  Gericaults  Medusen- 
floß gesehen.  Was  er  dabei  empfand,  hat  er  in  seiner  autobio- 
graphischen Notiz,  die  Piron  zitiert,  niedergeschrieben.  Er  sei, 
schrieb  er,  wie  toll  durch  die  Straßen  gelaufen.  Gericault  war  ihm 
damals  einer  der  Größten. 

Diese  Episode  hat  am  meisten  zu  einer  Verkennung  des  Ein- 
flusses Gericaults  beigetragen.  Manche  Kritiker  sind  so  weit  ge- 
gangen, geradezu  den  ganzen  Delacroix  von  dieser  Anregung  ab- 
hängig zu  machend  Die  Übertreibung  hängt  mit  der  Überschätzung 
des  ganzen  Oeuvre  Gericaults  zusammen,  mit  der  man  die  Gleich- 
gültigkeit der  Zeitgenossen  Gericaults  gutzumachen  suchte,  und 
ein  großer  Teil  der  Kritik  außer  Frankreichs  macht  sich  noch 
heute  diese  Schätzung  zu  eigen.  Delacroix  selbst  tat  nichts  gegen 
den  Irrtum.  Vornehmheit  und  Dankbarkeit  hinderten  ihn,  sich 
öffentlich  zu  widerrufen,  als  er  in  reiferen  Jahren  die  unausbleib- 
liche Revision  seines  Urteils  vornahm,  und  in  dem  Schwung,  der 
ihn  in  der  Jugend  begeistert  hatte,  hier  und  da  den  Mangel  an 
Wärme  und  Einheit,  in  dem  scheinbar  Spontanen  die  versteckte 
Fessel  allzu  bewußten  Willens  erkannte.  Er  hat  sich  nur  zu  sich 
selbst  über  diese  Revision  geäussert,  die  übrigens  nie  den  wirk- 
lichen Wert  Gericaults  in  Frage  stelltet 

Gericault  schien  mit  der  Palette  geboren,  wie  der  kühne  Reiter 
auf  dem  Sattel,  aber  sah  in  der  Kunst  etwas  ganz  anderes  als 
Delacroix,  mehr  ein  edles  Roß,  das  ihn  zum  Siege  tragen  müsse, 
dem  man  in  guten  Augenblicken  die  Sporen  gab,  um  sich  ihm 
blindlings  zu  überlassen.  Ein  anderer  Ehrgeiz,  eine  andere  Welt- 
anschauung, ein  anderes  Resultat.  Es  hat  wenig  Zweck,  die  Über- 
legenheit Delacroix'  mit  dem  Vergleich  einzelner  Werke  nach- 
zuweisen. Die  eine  Seite  bietet  zu  viel,  die  andere  zu  wenig.  Das 
Dasein  Gericaults  war  zu  kurz  für  den  Aufbau  einer  Delacroixschen 
Kunst,  aber  er  hätte  auch  bei  längerem  Leben  nichts  Gleichwertiges 

•  Vgl.  z.  B.  Valbert  Chevillard:  Theodore  Chasseriau  (Lemerre,  Paris  1893). 
-  Journal  II,  454,  III,   120,   121. 


30 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

geschaffen.  Dem  Stück,  das  ihm  vergönnt  war,  fehlt  der  Mörtel 
Delacroix'.  Auch  verrät  es  nicht  die  Sehnsucht  nach  höherer  Ent- 
wicklung, das  unentbehrliche  Besonnene  des  Meisters,  sondern  die 
«dissipation»,  den  Mangel  an  Konzentration,  in  dem  Emerson  das 
entscheidende  Hindernis  gegen  das  Heroentum  erblickte.  Gericaults 
Bilder  sind  zum  Teil  phänomenale  Erscheinungen.  Die  Freude 
an  ihrer  Kraft  beschwichtigt  nicht  den  Zweifel  an  einer  sicheren 
Norm,  der  sie  entspringen  müßten,  um  in  uns  das  Staunen  mit 
Zuversicht  zu  paaren.  Obwohl  Gericault  wesentlich  älter  als 
Delacroix  war,  sehen  wir  ihn  immer  als  den  jüngeren  der  beiden 
Freunde  vor  uns.  Er  ist  ein  Teil  des  anderen.  Wir  finden  seine 
Art  oft  in  der  Kunstgeschichte.  Jeder  Künstler  ist  einmal  Geri- 
cault; wir  nennen  ihn  Talent.  Unter  hundert  Gericault  kommt 
selten  ein  Delacroix  zum  Vorschein,  das  Genie. 

Was  Gericaults  Ehrgeiz  schmerzlich  vermißte,  fiel  Delacroix 
mit  seinem  ersten  Werke,  das  die  Öffentlichkeit  erblickte,  mühe- 
los in  den  Schoß:  ein  beispielloser  Erfolg.  Der  Vierundzwanzig- 
jährige  war  sofort  berühmt.  Die  Kritik  mit  Thiers  an  der  Spitze 
lobte  fast  einstimmig  und,  Seltenheit  ohnegleichen,  selbst  die 
beiden  Lehrer,  Guerin  und  Gros,  stimmten  in  den  Chorus  ein.  Er 
hatte  mit  der  «Dantebarke»  wie- mit  einer  Wünschelrute  den  Teil 
Frankreichs  berührt,  aus  dem  der  Enthusiasmus  quillen  mußte, 
den  lateinischen  Rasse-Instinkt.  Das  Bild  machte  Empfindungen 
frei,  die  seit  undenklichen  Zeiten  keinem  Werke  mehr  gegönnt 
gewesen  waren.  Es  stellte  plötzlich  zwischen  Volk  und  Kunst  einen 
Kontakt  her,  den  David  und  Gros  nur  mit  Aktualitäten  erreicht 
hatten,  der  ohne  Kompromisse  unmöglich  erschienen  war,  und 
wirkte,  noch  bevor  es  allgemein  bekannt  wurde,  mit  der  Suggestion 
dieses  latenten  Kontaktes.  Noch  heute  ist  das  Generöse  des  Werkes, 
die  warme  Wallung  eines  großen  Menschen,  der  zum  erstenmal 
in  die  Welt  tritt,  unwiderstehlich.  Die  Form  bietet  sich  so  einzig 
in  ihrer  stolzen  Geschlossenheit  dar,  daß  die  Analyse  keinen  Angel- 
punkt zur  Teilung  findet.  Dadurch  übertrifft  diese  Barke  die  andere, 
die  ihr  voranging.  Gericaults  Werk  war  nicht  weniger  kräftig, 
aber  ließ  die  Anstrengung  sehen,  war  nicht  im  gleichen  Zuge 
als  unteilbare  Masse  erfunden.  Die  Absicht  verstimmte.  Obwohl 
der  Einfluß  des  Alteren  auf  den  Jüngeren  feststeht,  ist  man  ver- 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 31 

sucht,  Delacroix'  Bild  für  das  Original  zu  halten  und  neben  ihm 
dem  «  Medusenfloß  »  die  Spur  von  akademischer  Pose  anzurechnen, 
die  ohne  den  Vergleich  kaum  bemerkt  wird. 

Das  einzige,  was  ein  Zeitgenosse  der  «Dantebarke»  vorwerfen 
konnte,  war  ein  Paradox:  die  Vollkommenheit  des  Werkes.  Man 
mußte     sich    unwillkürlich    mit    Besorgnis    die    Laufbahn     eines 
Menschen  vorstellen,  der  mit  seinem  Debüt  solche  Ansprüche  stillte. 
Würde  er  die  zukünftigen  erfüllen,  die  sein  Sieg  entstehen  ließ  ? 
Delacroix  selbst  war  sich  dessen  kaum  unbewußt.  In  dem  Briefe 
^  i-vom  jj[i^April_i82i  .^an  seinen  Freund   Soulier    spricht    er    von 
^  dem   «Coup   de    fortune»,   den  er  mit    dem  soeben    vollendeten 
j       Bilde  wagt.  Er  hatte  es  in  wenig  mehr  als  zwei  Monaten  herunter 
^  gemalt.  An  dem  zweiten  Salonbild  arbeitete  er  mit  äußerster  An- 
^     strengung   zwei   Jahre.    Der   Erfolg    blieb    ihm   treu.   Auch    das 
«Massacre  de   Scio»  wurde  sofort  vom  Staate  angekauft.    Aber 
der  Enthusiasmus  hatte  sich  schon  um  viele  Grade  abgekühlt,  um 
bald   ganz   zu  vergehen.   Das  Bild  rührte  den  Betrachter  in  ganz 
anderer  Weise  als  die  Dantebarke.  Wieder  mit  einem  Appell  an 
die  Rasse,  der  aber  diesmal  dem  engen  Kreis  der  Zeitgeschichte 
entnommen  schien.  Delacroix  kam  die  Erinnerung  an  die  Greuel 
der  Türken  gegen  die  Griechen  zugute.  Das  Bild  wurde  als  Illu- 
stration genommen.  Von  diesem  Prestige  eines  glänzenden  Illu- 
strators ist  er  seitdem  bei  seinen  französischen  Zeitgenossen  kaum 
wieder  losgekommen.  «La  Grece  expirant  sur  les  ruines  de  Misso- 
longhi»,  von  1827,  im  Museum  von  Bordeaux^,  das  Barrikadenbild, 
im  Louvre,  und  ähnliche  Werke  bestätigten  ihn  als  Tribun  gene- 
röser Ideen.  Der  Nachruf,    den  ihm  Cleuziou  1864  widmete^   ist 
typisch  für  alle  andern.  Dante,  Griechenland,  Byron,  Goethe  spielten 
in  den  meisten  Epilogen  eine  größere  Rolle  als  der  Künstler.  Die 
Zeit  hat  die  Geschichte  des  « Massacre »  längst  verblaßt.  Das  Bild 
aber  ist  noch  ebenso  lebendig,  erscheint  uns   sogar  von   größerer 
Leibhaftigkeit  als  den  Zeitgenossen,  die  es  miterlebten.  Die  wenigen 
Kritiker,  die  es  lediglich  auf  ihren  Kunstwert  untersuchten,  waren 


'  Die  schöne  Skizze  zu  dem  Bilde,  die  bei  Cheramy  war  (Robaut  206),  ist  vor 
kurzem  in  die  Sammlung  Schmitz  in  Blasewitz  bei  Dresden  gelangt. 

'  Henri  du  Cleuziou:  L'oeuvre  de  Delacroix  (auch  1885  als  Broschüre  bei  Mar- 
pon  &  Flammarion,  Paris). 


32 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

mehr  als  bedenklich.  Die  Klassizisten  schrieen  Feuer,  und  Baron 
Gros  nannte  das  Bild  «  le  massacre  de  la  peinture  ». 

Gerade  Gros  hätte  auf  dieses  Werk  des  Malers,  der  sich  dankbar 
seinen  Schüler  nannte^  stolz  sein  müssen.  Es  zeigt,  wie  kaum  ein 
anderes,  was  sein  Autor  dem  Verherrlicher  Napoleons  verdankte.  Es 
ist  die  Atmosphäre  der  «Pestkranken  von  Jaffa»,  gelichtet  und 
erleichtert,  und  die  Geste  der  berühmten  Schlachtenbilder,  von 
aller  Illustration  befreit;  eine  Mischung  der  beiden  Tendenzen, 
die  Gericaults  Erstlingswerke  und  die  Details  des  «  Medusenf losses  » 
mit  Gros  verbinden.  Freilich  verschwinden  diese  Bestandteile 
vollkommen  in  der  neuen  Absicht  des  Künstlers.  Gros  war  ein 
genialer  Leutnant  Napoleons  und,  solange  ihn  der  Bann  des  Ge- 
bieters schützte,  von  unerschrockener  Selbständigkeit.  Der  größte 
Schlachtenmaler  seit  Salvator  Rosa  und  den  Courtois,  der  einzige 
des  Jahrhunderts,  das  diesem  Genre  so  viel  Unrat  verdankt.  Er 
verstand  wie  der  von  ihm  verewigte  Kaiser  Massen  zu  erregen. 
Doch  verbirgt  die  Kühnheit  seiner  Details  nicht  das  Ungeregelte, 
Ungesicherte  seiner  Bewegung.  Man  ahnt,  selbst  in  dem  «  Napoleon 
bei  Eylau  »,  mit  dem  Vordergrund  von  farbigen  Kolossen,  daß  der 
Schwung  eines  Tages  ebenso  ungezügelt  ins  Reaktionäre  Davids 
zurückschnellen  konnte.  Gros  brannte  nicht,  er  flackerte,  be- 
geisterte sich,  um  andere  zu  entzünden.  Seine  Begeisterung 
entbehrte  des  flammenden  Geistes.  Charles  Blanc  hat  seine 
Grenzen  angedeutet.  «  II  n'ecrit  pas  son  Intention  de  ce  style 
refl6chi,  calme,  austere,  plein  d'heureuses  reticences,  qui 
laisse  travailler  l'imagination  en  ne  disant  pas  tout;  mais 
il    remue,    il    echauffe,    il    entraine,    il    nous    communique    l'en- 


'  Ohne  unmittelbaren  Grund.  Delacroix  war  nur  Schüler  Gu6rins,  aber  er  verehrte 
Gros,  wie  er  selbst  wörtlich  sagte,  wie  ein  Idol  und  schlug  daher  das  Lob,  das  ihm  der 
Abgott  über  die  «  Dantebarke  »  spendete,  sehr  hoch  an.  Er  erzählt,  wie  er,  glücklich 
über  die  Worte  des  Meisters,  ilin  bat,  die  Bilder  Gros'  aus  der  Kaiserzeit  betrachten 
zu  dürfen,  die  damals  im  Atelier  standen.  Gros  gab  ihm  die  Erlaubnis  und  ließ  ihn 
allein  im  Atelier.  Als  er  nach  einigen  Stunden  wieder  kam,  war  Delacroix  immer  noch 
in  die  Betrachtung  der  Gemälde  versunken.  Gros  wollte  Delacroix  als  Schüler  auf- 
nehmen und  ihm  den  Rompreis  verschaffen.  Delacroix  lehnte  ab,  und  das  führte  zu 
einer  leisen  Abkühlung  der  Beziehungen.  (Vgl.  Piron:  Delacroix,  Sa  vie  et  ses  ceuvres. 
Piron  zitiert  diese  Details  aus  der  obenerwähnteiii  autobiographischen  Skizze  De- 
lacroix'.) 


SCENES  DES  MASSACRES  DE  SCIO,   1824. 
3,57  :  4,22.  (ROBAUT  Nr.  91.) 
LOUVRE,  PARIS. 


is: 

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Doch  verbirgt  die  Kühnheit  seiner  Details  nicht  das  Ungeregelte, 
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(.IQ  .lY.  TJAQOSl)  .£S,4.  :  t;j,j 

.awAT  .aavuoj 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 33 

thousiasme  dont  il  est  penetre.  II  nous  montre  l'exterieur  de 
l'histoire,  son  allure,  son  costume;  il  la  promene  au  soleil  et  nous 
la  fait  suivre  des  yeux  comme  on  fait  une  revue  eclatante  »^.  Das 
alles  kann  man  ihm  lassen.  Er  besaß  ein  gutes  Stück  Gericaults. 
Vielleicht  war  ihm  Gericault  nur  durch  die  vornehmere  Erziehung 
überlegen.  Gros  war  Proletarier,  so  recht  der  Mann,  um  einen  Murat 
zu  malen,  war  ein  Murat  der  Malerei,  mit  stierem  Mut  begabt, 
versagend,  sobald  ihn  die  abenteuerliche  Lust  verließ.  Auch 
Delacroix  verkannte  nicht  die  Schwächen  seines  Meisters,  den 
Mangel  an  Gleichgewicht,  die  übertriebene  Detaillierung  gewisser 
Teile.  Aber  der  Mangel  hinderte  ihn  nicht,  seinen  Aufsatz  über  Gros 
mit  dem  Satze  zu  beginnen:  «  Gros  a  eleve  les  sujets  modernes 
jusqu'a  l'ideal-.  »  Gerade  das  mißlang  dem  Enthusiasten.  Was  die 
Dankbarkeit  dem  Meister  zuschrieb,  hat  erst  der  Schüler  erreicht. 
Delacroix  legte  Gros  die  eigenen  Tendenzen  unter,  weil  er  sie,  zum 
Teil  mit  dem  Ausbau  der  Mittel  des  Vorgängers,  befolgte.  Der 
zweideutige  Begriff  des  Ideals  wird  sofort  geklärt,  sobald  man  das 
«  Massacre  »  neben  die  «  Pestkranken  »  oder  ähnliche  Bilder  stellt. 
Gros  gab  für  das  «  Massacre  »  das  Gerüst  her,  die  groß  und  rück- 
sichtslos hingestellen  Massen.  Sie  blieben  ungeschlacht  in  den 
meisten  Gros'schen  Bildern.  Es  fehlt  diesen  unklassischen  Kom- 
positionen dasselbe,  was  Delacroix  an  den  antikisierenden  Bildern 
der  Davidschule  entbehrte,  das,  was  er  die  «  Execution  »  nannte. 
Die  Malerei  umschlang  die  groben  Stücke  nicht  oder  band  nur  Teile. 
Es  ist,  als  habe  Gros  die  Zeit  gefehlt,  seine  Bilder  fertig  zu  denken. 
Sobald  er  über  den  naiven  Enthusiasmus  in  der  ersten  Anlage 
hinaus  wollte,  wurde  er  banal.  Eine  weitere  Idealisierung  Gros' 
hätte  immer  zu  dem  abgeblaßten  Klassizismus  geführt,  in  dem 
das  unglückliche  Medium  Davids  eines  Tages  endete.  Die  Phantasie 
Delacroix*  schuf  eine  neue  Form.  Er  idealisierte  den  Vorgang  nicht 
nur  mit  der  kühnen  Geste  der  Komposition,  obwohl  ganz  allein 
schon  die  Sprache  der  Delacroixschen  Gebärde  eine  göttliche  Her- 
kunft offenbart.  Er  ließ  den  in  den  Umrissen  wirksamen  Impuls 
die  ganze  Fläche  gleichmäßig  durchdringen  und  vervielfachte  durch 

'  Histoire  des  peintres  frangais  au  XVIII.  siecle.  (Paris  1845.) 
*  Revue  des  Deux  Mondes,  Septembre  1848.  Auch  in   der  Pironschen  Sammlung 
der  Aufsätze  Delacroix'.  Deutsche  Ausgabe  im  Inselverlag  1912. 

Meler-Graefe,  Delacroix  •> 


r*' 


34 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

die  Veredelung  der  Materie  das  Ideal.  Diese  differenzierte  Er- 
höhung kam  anfangs  nicht  ohne  Opfer  zustande.  Man  kann 
in  der  Gruppe  des  Reiters  mit  der  ans  Pferd  gefesselten 
halbnackten  Frau  und  in  dem  wunderbaren  Stück,  dem  Ka- 
daver der  Mutter  mit  dem  Kinde  an  der  Brust,  etwas  von 
der  Schönheit  der  «  Dantebarke  »  wiederfinden,  ohne  sich  zu  ver- 
hehlen, daß  hier  zu  Fragmenten  wird,  was  in  dem  Werke  des 
Debüts  gerade  mit  dem  Gegenteil,  einer  vollkommenen  Geschlossen- 
heit, wirkte.  «  Scenes  des  Massacres  de  Scio  »  war  der  offizielle 
Titel,  und  man  möchte  fast  glauben,  Delacroix  habe  mit  dieser  Prä- 
zisierung von  vornherein  einen  berechtigten  Vorwurf  abschwächen 
wollen.  Gros  hatte  nicht  ganz  unrecht  mit  seinem  zornigen  Spott. 
Das  Bild  sieht  wirklich  wie  ein  Massacre  der  Malerei  aus.  Es  ist  ein 
Haufen  von  schimmernden  Trümmern,  ein  Golgatha  der  alten,  bis 
dahin  in  Frankreich  geübten  Komposition.  Aber  aus  diesen  Ruinen 
blüht  neues  Leben.  Man  findet  in  der  «  Dantebarke  »  nicht  eine 
Handbreit  von  dem  zuckenden  Fleisch,  das  sich  im  «  Massacre  »  auf 
dem  Boden  windet.  Niemand  wird  es  entbehren.  Der  Dunst  des  höl- 
lischen Sees  umhüllt  die  Gestalten  der  Dichter.  Wir  brauchen  das 
Fleisch  nicht  zu  sehen,  es  wäre  sogar  zu  viel,  würde  uns  die  Stim- 
mung verderben.  Aber  stellen  wir  uns  mit  dieser  Malerei  einen 
anderen  Gegenstand  vor,  der  nicht  mit  gleicher  Notwendigkeit  für 
die  mystische  Hülle  paßt,  und  suchen  wir  andere  Vorgänge,  die  einer 
im  wesentlichen  auf  Zeichnung  gestützten  Komposition  einen  glei- 
chen «  Coup  de  f ortune  »  bieten  wie  dieses  Wasser  mit  dem  doppelten 
Bau  nackter  und  bekleideter  Körper.  Darauf  rechnen,  hätte  für 
Delacroix  die  Abhängigkeit  vom  Zufall  bedeutet,  und  der  Zufall 
konnte  ihn  nur  um  so  leichter  begünstigen,  je  mehr  er  sich  in  die 
Sklaverei  einer  Gruppe  von  Motiven  begab.  Dafür  war  er  nicht  der 
Mann,  lebte  im  19.  Jahrhundert,  entblößt  von  allen  Möglichkeiten, 
die  eine  Komposition  im  Sinne  der  Alten  züchten,  dafür  war  er  zu 
reich  an  Keimen  neuer  Gebilde.  So  entstand  das  «Massacre»  und 
mußte  entstehen.  Ein  Temperament,  das  den  Kadaver  der  Frau  mit 
dem  Kinde,  den  tragischen  Gegensatz  zwischen  Leben  und  Tod, 
ohne  Benützung  aller  Symbole,  mit  stärkster  Dramatik  darzu- 
stellen vermochte,  mußte  eine  Form  zerbrechen,  die  es  an  eine 
einseitige  Komposition  band.  Zerbrechen,  um  sie  umzubilden  und 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 35 

zu  einer  neuen  zusammenzufügen.  Kein  Genie  hat  es  je  anders 
gemacht.  Der  Prozeß  ist  bei  allen  dieselbe  Anwendung  der  römischen 
Regel:  Divide  et  impera.  Delacroix  teilte  die  Komposition,  um  in 
der  Einzelheit  fortzuschreiten.  Das  Verfahren  motiviert,  aber  ent- 
schuldigt nicht  die  Schwächen  des  «  Massacre  ».  Man  kann  sich  das 
Gemälde  ungefähr  in  der  Mitte  durch  eine  Vertikale  geschnitten 
denken;  dann  erhält  man  rechts  ein  Hochformat  von  schlechter- 
dings einzigem  Reichtum.  Es  ist  der  neue  Delacroix,  der  über  das 
Bild  des  Jahres  1827,  «Mort  de  Sardanapale»,  zum  Hauptwerk  von 
1841,  der  «  Eroberung  von  Konstantinopel»,  dem  lichten  Pendant 
zum  «Massacre»,  fortschreitet.  Die  linke  Hälfte  enthält  den  ab- 
hängigen Delacroix,  die  Reste  von  Gros  und  Gericault.  Freilich 
bleiben  bei  dieser  Teilung  die  Schönheiten  des  zweiten  Planes,  die 
ganz  modern  aufgefaßte  weite  Ebene  und  der  Himmel  unberück- 
sichtigt. Sie  entgehen  dem  Betrachter  um  so  leichter,  als  das  Bild 
wie  so  viele  Delacroix'  im  Louvre  viel  zu  hoch  hängt^.  Das 
schönste  Stück,  die  tote  Frau  mit  dem  Kinde%  hat  Delacroix 
ein  Dutzend  Jahre  später  noch  einmal  gemalt,  und  schon 
diese  Detaillierung  verriet  das  Prinzip  der  zukünftigen  Entwicklung. 

'  Wird  sich  die  Direktion  des  Louvre  nicht  endlich  entschließen,  den  Werken 
des  größten  Meisters  Frankreichs  den  Platz  zu  geben,  der  ihnen  erlaubt,  ihre  volle 
Wirksamkeit  auszuüben  ?  Und  wäre  es  wirkhch  unmöglich,  alle  Bilder  Delacroix' 
in  einem  Saal  zu  vereinen  ?  Wenn  die  egoistischen  Bestimmungen  der  Stifter  im 
Wege  stehen,  könnte  man  wenigstens  zeitweise  eine  solche  Zusammenstellung  durch- 
setzen. Herr  Leprieur,  der  neuerdings  das  Prestige  der  Leitung  des  Louvre  so  ent- 
schieden gehoben  hat,  würde  sich  mit  dieser  rationellen  Ordnung  der  einzigen  Dela- 
croix-Sammlung  ein  Verdienst  sichern,  das  von  keiner  Neuerwerbung,  sei  sie  auch 
noch  so  glücklich,   übertroffen  werden  könnte. 

•  War  bis  heute  in  der  Sammlung  Cheramy,  in  der  sich  auch  noch  eine  kleine  Wieder- 
holung des  Fragmentes  befand  (Katalog  Robaut  Nr.  92,  93)  und  wurde  von  Cheramy 
der  National  GaUery  in  London  vermacht.  Bei  Robaut  irrtümUch  mit  der  Bemerkung 
«  Salon  1824  D.  Der  Irrtum  kommt  vermutlich  von  der  falschen  Datierung  im  Louvre- 
Katalog  her.  Hier  wird  das  Hauptbild,  das  jetzt  im  Louvre  hängt,  mit  «  Salon  1834  » 
bezeichnet,  während  es  tatsächlich  im  Jalire  der  Constable-Ausstellung,  1824,  aus- 
gestellt war.  Dagegen  wird  unser  Detail  vom  Louvre- Katalog  in  den  Salon  1824 
gelegt.  Delacroix  malte  das  Detail,  bevor  er  an  die  «  Entree  de  Crois6s  ä  Constantinople  t 
ging,  «  pour  se  faire  la  main  »,  wie  er  sagte.  Die  Koloristik  ist  viel  heller  und  prächtiger 
als  im  Gemälde  des  Louvre  und  entspricht  der  Entwicklung,  die  Delacroix  inzwischen 
durchgemacht  hatte.  Klossowski  hat  in  unserem  Werk  über  die  Sammlung  Cheramy 
die  genaue  Farbenbeschreibung  gegeben. 

3* 


36 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

Die  Macht  der  Geste  des  Dantebildes  hat  sich  auf  das  ganze  Fleisch 
verteilt  und  dadurch  an  Kraft  vervielfacht.  Schon  meint  man  das 
Vibrieren  des  Lebens  zu  spüren,  das  der  «Medea»  unbegreifliche 
Schönheit  gibt. 

Daß  die  beiden  von  mir  improvisierten  Hälften  des  Gemäldes 
hervortreten,  verdankt  das  «  Massacre  »  seiner  Koloristik.  In  dem 
Braun  des  «  Medusenf  losses  »  oder  in  der  diesem  ähnlichen  Technik 
der  «  Dantebarke  »  gemalt,  würde  das  Diffuse  der  Gruppen  weniger 
bemerkt  werden.  Die  braune  Sauce  würde  das  ihrige  tun.  So  ist 
das  Bild  tatsächlich  gewesen,  als  Delacroix  es  in  den  Louvre 
—  den  «Salon»  zu  seiner  Zeit  —  brachte  und  dort  den  «Hay- 
Wain»  Constables  erblickte.  Wie  Villot,  ein  Augenzeuge,  berichtet, 
erbat  und  erhielt  er  die  Erlaubnis,  das  Bild  nochmal  von  der  Wand 
zu  nehmen,  brachte  es  in  den  Saal  der  Karyatiden  und  übermalte 
binnen  vier  Tagen  die  ganze  Fläche.  Einer  der  englischen  Aus- 
steller, Thaies  Fielding,  den  er  schon  vorher  durch  Bonington 
kennen  gelernt  hatte,  und  sein  Freund  Soulier  halfen  ihm  bei  der 
Übermalung  des  Himmels^.  Bei  der  Eröffnung  des  «Salon»  hatte 
das  Bild  ein  neues  Gewand  an.  Das  akademische  Braun  war  einer 
gemäßigten  aber  wirksamen  Palette  gewichen,  und  der  mehr  oder 
v/eniger  glatte  Auftrag  zu  einer  entschiedenen  Struktur  von  Pinsel- 
strichen geworden.  Die  Komposition,  mit  der  er  sich  zwei  Jahre 
lang  gequält  hatte,  ohne  ein  vollkommen  befriedigendes  Resultat 
zu  erzielen,  wurde  mit  dieser  im  Sturmschritt  vollzogenen  Änderung 
nicht  verbessert.  Sie  zeigte  ihm  vielmehr  jetzt  erst,  nachdem  er 
sie  zum  Träger  eines  Organismus  gemacht  hatte,  wo  der  Fehler  lag. 
Die  Einsicht  hatte  gewonnen. 

Der  Fall  entscheidet  über  Delacroix'  Zukunft  und  über  die  Zu- 
kunft der  modernen  Malerei.  Er  zeigt  in  der  Form  einer  nahezu 
romanhaften  Episode  die  ganz  improvisierte,  lediglich  auf  persön- 
liche Schicksale  gestellte  Tendenz  zu  Beginn  der  neuen  Entwicklung. 
Delacroix  hat  Constable  nie  persönlich  kennen  gelernt.  Beider  Werke 


'  Vgl.  E.  Chesneau  in  der  Vorrede  des  Robaut-Kataloges,  Robauts  Bemerkungen 
in  dem  Katalog  zu  Nr.  91  und  96,  Maurice  Toumeux  in  seiner  Monographie  über 
Delacroix  (Paris,  H.  Laurens),  S.  31  u.  a.  Wie  Lassalle-Bordes  berichtet,  übermalte 
Delacroix  1847  auch  den  Himmel  vollständig,  so  daß  die  Retuschen  von  fremder 
Hand  ganz  verschwanden. 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 37 

und  beider  Persönlichkeiten  waren  so  verschieden,  wie  möglich; 
Constable  reinster  Engländer,  der  Repräsentant  der  edelsten  Eigen- 
schaften seines  Volkes,  der  Liebe  zur  freien  Natur,  zum  Landleben, 
ohne  eine  Spur  von  Klassizismus  und  aller  Romantik  bar;  Dela- 
croix  reinster  Franzose,  tief  durchdrungen  von  allen  geistigen  In- 
spirationen seines  Volkes,  durchaus  Lateiner,  ein  Temperament, 
wie  es  nur  seine  Rasse  hervorbringt.  Und  über  alle  Unterschiede 
siegte  die  Erkenntnis  eines  lichten  Menschen.  Delacroix  sah  durch 
die  scheinbare  Harmlosigkeit  des  ländlichen  Künstlers  hindurch, 
ließ  sich  nicht  von  den  nichtssagenden  Bauern  und  Pferden,  von 
der  einfachen  Szenerie  der  Landschaften  Constables  abschrecken, 
sondern  erkannte  ein  System,  das,  so  einfach  die  gegenwärtigen 
Exempel  waren,  die  Fähigkeit  besaß,  die  ganze  Historienmalerei 
großen  Formates,  wie  sie  in  Frankreich  geübt  wurde,  durch  hand- 
große Flächen  zu  übertreffen.  Er  sah  den  Teilungsmodus  des  Eng- 
länders, die  Möglichkeit  einer  Belebung  und  gleichzeitig  eines 
Schmucks  der  Leinwand,  an  die  keine  zeitgenössische  Komposition 
und  wäre  sie  aus  der  Summe  aller,  der  Linie  dienenden  Meister 
gewonnen,  heranreichte.  Nur  so  konnte  man  Farbe  geben,  indem 
man  nicht  die  plastische  Form  deckte,  sondern  öffnete,  statt  des 
Anstrichs  ein  in  sich  wirksames  Netz  von  Flecken  erfand;  nur  so 
ließen  sich  Atmosphäre  und  Licht  ohne  Schwächung  der  Palette 
erreichen.  Wenn  anderen  Constable  materiell  und  beschränkt  er- 
schien, sah  Delacroix  in  ihm  gerade  das  Gegenteil,  den  Bringer 
einer  neuen,  inbrünstig  ersehnten  Idealisierung.  Sie  war  nichts 
anderes  als  die  unbegrenzte  Steigerung  der  Erscheinung  über  die 
Natur  hinaus  mit  den  in  der  Natur  begründeten  gesetzmäßigen 
Wirkungen.  Ihm,  dem  der  Geist  alles  war,  mußte  die  Neuerung  wie 
ein  unentbehrlicher  Zuwachs  zu  seinen  eigenen  Fähigkeiten  er- 
scheinen. 

Dieses  Verhalten  zu  den  Engländern  unterschied  sich  recht 
gründlich  von  Gericaults  Schwärmerei,  der  zuerst  das  Neuland  ge- 
sehen hatte. 

Auch  Delacroix  begeisterte  nicht  nur  Constable,  sondern  die  Neu- 
heit der  ganzen  englischen  Kunst,  wenn  auch  nicht  so  unbedingt 
wie  Gericault.  Im  Sommer  1825  ist  er  drei  Monate  in  London. 
Seine  Briefe  zeigen,  daß  er  in  England  der  Franzose  blieb.  «  L'An- 


38 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

gleterre  me  semble  peu  amüsante,  »  schreibt  er  an  Pierret.  «  II 
n'y  aurait  qu'un  motif  bien  puissant  comme  par  exemple,  d'y  faire 
des  affaires  qui  püt  m'y  retenir»^.  Dem  feinfühligen  Pariser  ent- 
geht nicht  die  unter  robustem  Äußeren  verborgene  «  mesquinerie 
generale ».  Aber  er  verschließt  sich  ebensowenig  den  schönen 
Dingen  Englands.  Er  kommt  gerade  in  die  Glanzzeit  der  Kean 
und  Young,  sieht  zum  erstenmal  Shakespeare  würdig  auf  der 
Bühne.  Goethes  Faust,  gründlich  verstümmelt,  nach  englischem 
Rezept  halb  als  Oper  arrangiert,  aber  phantastisch  und  wirksam, 
gibt  ihm  Eindrücke,  die  auch  nach  der  Reise  bleiben.  Er  kommt  in 
alle  berühmten  Ateliers  und  entdeckt  das,  was  einem  Erben  Davids 
wie  eine  Neuheit  fruchtbarster  Art  erscheinen  mußte:  die  von 
keiner  Revolution  unterbrochene  handwerkliche  Tradition  der 
englischen  Malerei.  Auch  er  schätzt  Lawrence  —  «  la  fleur  de  la 
politesse  et  un  veritable  peintre  de  grands  seigneurs  »^  —  noch  höher 
Wilkie,  aber  zumal  seine  Skizzen  —  «  il  gäte  regulierement  ce  qu'il 
fait  de  beau  »'  —  am  höchsten  Bonington,  Turner  und  Constable. 
Mit  Bonington,  den  er  schon  1819  kennen  gelernt  hatte,  teilte  er 
nach  seiner  Rückkehr  aus  England  sein  Atelier,  und  die  Anregung 
war  für  ihn  nicht  ohne  Nutzen.  «  J'ai  eu  quelque  temps  Bonington 
dans  mon  atelier  »,  schreibt  er  Anfang  des  Jahres  1826  an  Soulier. 
«  J'ai  bien  regrette  que  tu  n'y  sois  pas.  II  y  a  terriblement  a  gagner 
dans  la  societe  de  ce  luron-la  et  je  te  jure  que  je  m'en  suis  bien 
trouve  »*.  Später  modifiziert  er  —  nicht  seine  Sympathie  für  den 
Menschen,  der  ihm  von  allen  Engländern  am  nächsten  stand  —  wohl 
aber  die  Schätzung  des  Künstlers.  Er  erkennt  die  Gefahren  der  Ge- 
schicklichkeit in  Boningtons  «  touche  coquette  ».  «  Sa  main  l'entrai- 
nait,  et  c'est  ce  sacrifice  des  plus  nobles  qualites  ä  une  malheureuse 
facilite,  qui  fait  dechoir  aujourd'hui  ses  ouvrages  et  les  marque  d'un 


'  Lettres  82. 

2  Lettres  79.  Ähnliche  Äußerungen  haben  P.  Dorbec  dahin  gebracht,  den 
Einfluß  von  L.  auf  Delacroix'  BUdnisse  zu  überschätzen.  (Gaz.  Beaux-Arts 
August  191 3  S.  100  ff). 

"  Lettres  74,  75.  Er  sagte  zu  Wilkie,  als  er  die  Skizze  zum  «John  Knox»  sah: 
«  ApoUon  lui  meme  prenant  le  pinceau  ne  pouvait  que  la  gäter  en  la  finissant  ». 

*  Lettres  84.  Delacroix  verdankte  dem  Einfluß  Boningtons  zumal  die  Bekanntschaft 
mit  dem  Aquarell,  das  für  ihn  zum  größten  Vorteil  werden  sollte. 


DIE  LEHRER  DER  JUGEND 39 

cachet  de  faiblesse  comme  ceux  des  Vanloo  »^  Auch  von  Lawrence 
kommt  er  später  zurück.  Er  spricht  in  dem  Briefe  an  Th.  Silvestre, 
von  1858,  von  der  «  Exageration  des  moyens  d'effet  qui  sentent  un 
peu  trop  l'ecole  de  Reynolds  »^.  Und  sein  reifes  Urteil  überTurner, den 
er  persönlich  kannte,  und  der  ihm  früher  mit  Constable  auf  gleicher 
Höhe  erschienen  war,  klang  wesentlich  anders^.  Dagegen  blieb  sein 
Verhältnis  zu  Constable  unverändert.  «Homme  admirable,  une  des 
gloires  anglaises»  —  nennt  er  ihn  in  dem  Brief  an  Silvestre.  Dem 
Zusammentreffen  mit  Constable  wird  in  den  Biographien  Delacroix' 
keine  oder  nur  eine  ganz  nebensächliche  Bedeutung  zugewiesen. 
Das  ist  weiter  nicht  auffallend.  Chesneau  nennt  noch  1885  als  einen 
der  Gründe  für  die  Unpopularität  Delacroix'  die  Unfähigkeit  des 
Betrachters,  sich  vom  Gegenstand  loszumachen,  und  meint  damit 
einen  spezifischen  Fehler  seiner  Landsleute  zu  treffen.  Er  ist  offen- 
bar nie  jenseits  der  Grenze  gewesen.  Die  Unfähigkeit  ist  inter- 
national wie  die  meisten  Laster.  Einer  Kunstbetrachtung,  die  das 
Werk  in  Form  und  Gegenstand  zerlegte,  und  die  Technik  als  eine 
nebensächliche  Zutat  ansah,  über  die  zu  reden,  nicht  ganz  an- 
ständig erschien,  mußte  der  Beitrag  Constables  gleichgültig 
bleiben.  Den  anderen  aber,  den  Chevillard  und  Couture  der 
Kunstbetrachtung,  denen  der  Nachweis  einer  Abhängigkeit  genügte, 
um  den  Künstler  ihrer  Verachtung  zu  überliefern,  bestätigte  diese 
eklatante  Entlehnung  vor  allen  Augen  den  schwärzesten  Argwohn. 
Die  erste  Kategorie  hatte  im  Falle  Delacroix',  wenigstens  in 
Frankreich,  das  Übergewicht.  Da  Delacroix,  so  dachte  man  etwa, 
unmöglich  seine  romantischen  Entwürfe  einem  Landschafter  ver- 
dankte, konnte  es  sich  nur  um  eine  Kleinigkeit  handeln.  Die 
Schnelligkeit  der  Hinnahme  und  die  Einfachheit,  mit  der  Delacroix 
darüber  sprach,  bestätigten  diese  Vermutung.  Den  Nutzen  enthält 
der  simple  Satz  im  Tagebuch  des  Meisters:  «  Constable  dit  que  la 
superiorite  du  vert  de  ses  prairies  tient  a  ce  qu'il  est  un  compose 
d'une  multitude  de  verts  differents.  Ce  qui  donne  le  defaut  d'in- 
tensite  et  de  vie  a  la  verdure  du  commun  des  paysagistes,  c'est  qu'ils 


'  Journal  II,  279,  278.  Später  mildert  er  das  Urteil,  vgl.  III,  iS 

"  Lettres  296,  vgl.  auch  Journal  III,  377. 

'  Journal  III,   19  und  377.  Vgl.  damit  Journal  I,  39. 


40 DIE  LEHRER  DER  JUGEND 

la  fönt  ordinairement  d'une  teinte  uniforme».  Und  er  fügt  hinzu: 
«  Ce  qu'il  dit  ici  du  vert  des  prairies  peut  s'appliquer  a  tous  les 
autres  tons^.  »  In  der  Tat  beruht  das  ganze  Geheimnis  des  «  Hay- 
Wain  »  auf  dieser  einfachen  Überlegung.  Also  lediglich  eine  Frage 
der  Palette,  sagt  der  Laie,  «  une  question  de  cuisine  »,  und  stützt  sich 
auf  die  Tatsache,  daß  Delacroix  vorher  und  ohne  jede  Beihilfe  Con- 
stables  die  «  Dantebarke  »  gemalt  hat,  die  mindestens  ebenso  schön 
ist  wie  das  «  Massacre »,  v/enn  nicht  noch  schöner.  Aber  diese 
Überlegung  behält  nur  so  lange  einen  Schein  von  Recht,  als 
man  sie  auf  die  beiden  Bilder  beschränkt.  Sobald  man  nur 
noch  ein  paar  Werke  aus  den  nächsten  zehn  Jahren  dazu- 
nimmt,  z.  B.  den  «  Boissy  d'Anglas  »,  das  Dogenbild  in  der  Wallace 
Collection,  den  «  Meurtre  de  l'Eveque  de  Liege »  oder  gar  die 
«Femmes  d'Alger»,  so  ändert  sich  zusehends  die  Bedeutung  jener 
Äußerlichkeit.  Nimmt  man  gar  das  ganze  Werk  dazu,  die  Schlach- 
tenbilder, die  «Eroberung  Konstantinopels»,  den  «Raub  der  Re- 
bekka»  und  die  vielen  anderen  strahlenden  Meisterwerke,  so  er- 
kennt man  den  alten  Delacroix,  der  einen  Moment,  ohne  von 
Constable  getroffen  zu  sein,  malte,  kaum  noch  wieder.  Der  Meister 
ist  nicht  der  primitive  Künstler.  Diesen  finden  wir  ungeklärt,  er 
erscheint  uns,  wenn  wir  von  seinen  Spätwerken  zurückblicken, 
abhängig  von  Gericault  und  anderen.  Der  Selbständige  ist  der 
Delacroix,  der  Constables  Maxime  annimmt.  Constable  unterjochte 
ihn  nicht,  denn  wir  finden  keinerlei  Ähnlichkeit  zwischen  beiden, 
weder  vor  noch  nach  dem  «Massacre».  So  befreite  er  ihn  also, 
machte  den  neuen  Künstler  aus  ihm,  trieb  ihn  auf  den  eigenen  zur 
Höhe  führenden  Weg.  Der  Zweifel  an  der  Bedeutung  der  Technik 
und  Farbe  in  diesem  Werden  ist  nicht  klüger  als  die  Frage,  was  im 
Smaragd  der  Stein  bedeutet. 

'  Journal  I,  234. 


ANALYSE  UND  SYNTHESE 


'«?fr3;^« 


Constable  hatte  ein  zeitgenössisches  Mittel  gefunden;  nicht  er- 
funden. Viele  Meister  vom  i6,  bis  i8.  Jahrhundert  haben  sich 
instinktiv  desselben  Mittels  bedient,  nur  war  es  keinem  so  klar  zum 
Bewußtsein  gelangt.  Ahnte  Constable  die  Tragweite  ?  Die  Kunst  war 
in  den  Händen  eines  so  einfachen  Menschen  ein  verhältnismäßig 
materieller  Faktor.  Sein  unmittelbares  Verhältnis  zur  Natur,  der 
unverhohlene  Utilitarismus  des  Landschafters,  hielt  von  der  Er- 
oberung alle  psychologischen  Weiterungen  fern,  und  es  darf  nicht 
verschwiegen  werden:  das  Mittel  schützte  das  Naturkind  nicht 
immer  vor  Banalitäten;  es  glich  zuweilen  dem  subtilen  Instrument, 


44 ANALYSE  UND  SYNTHESE 

das  bei  der  Verwendung  zu  wenig  subtilen  Zwecken  die  Schneide 
verliert. 

Delacroix  machte  etwas  Ungeheures  daraus.  Es  wurde  zu  einer 
der  Handhaben  jener  Entmaterialisierung,  die  das  Ziel  aller  seiner 
technischen  Spekulationen  war.  Nach  einem  bekannten  Wort  malte 
er  nicht  den  Degen,  sondern  das  Leuchten  der  Klinge ;  so  wie  Greco 
und  die  anderen  großen  Vergeistiger  früherer  Zeiten.  Nicht  dem 
Sein  des  Dings  galt  seine  Gestaltung,  sondern  der  vom  Dinghaften 
möglichst  befreiten  Funktion;  nicht  der  Natur  als  solcher,  sondern 
dem,  was  sie  ihm  an  Ausdruck  geben  konnte ;  nicht  der  Farbe,  dem 
Rot,  Gelb,  Grün,  sondern  dem  Rieseln  und  Glühen,  Drohen  und 
Schmeicheln  des  Farbigen,  dem  Akkord,  der,  verbunden  mit  an- 
derem, einen  Gefühlsinhalt  darstellen  konnte.  Die  Teilung  Con- 
stables  wurde  von  dem  Forscher  durch  ständige  Beobachtung  der 
Natur  fortwährend  erweitert.  Sie  war  ihm  nie  hemmende  Maßregel, 
sondern  ein  weites  System,  das  dem  kühnen  Subjektiven,  dem  jedes 
Erlebnis  zum  Gleichnis  wurde,  einen  wie  ein  wissenschaftliches 
Resultat  objektiven  Schutz,  auf  den  er  sich  verlassen  konnte, 
darbot.  Das  wunderbar  Segenreiche  war  das  Zusammenwirken 
dieser  analytischen  und  synthetischen  Tendenzen,  auf  dem  die 
einzigartige  Mischung  von  Komposition  und  Koloristik  im  Werke 
Delacroix'  beruht,  die  Wirkung  einer  absolut  rationellen  Methode 
in  einem  Künstler,  den  keine  Wissenschaft  gefährden  konnte,  die 
Handhabung  eines  Teilungsmodus  durch  einen  ganz  unteilbaren 
Geist,  dessen  Regung  in  jedem  Augenblick  über  der  Technik  blieb. 
So  wurde  der  Romantiker  zu  dem  Klassiker.  Mit  der  Erfindung 
taumelnder  Gesichte  entsteht  im  selben  Augenblick  die  unfehl- 
bare Struktur,  die  das  zuweilen  tollkühne  Gerüst  vor  jedem 
Schwanken  bewahrt.  So  allein  wurde  das  Barock  Delacroix'  ge- 
sichert und  die  Übernahme  einer  Form,  die  unserem  Realismus 
zu  widersprechen  scheint,  von  der  Willkür  befreit.  Auch  das  Barock 
ist,  ähnlich  wie  bei  Greco,  nur  so  ein  Teilungsmodus  und  wird 
selbst  durch  die  strahlende  Objektivierung  des  Meisters  geteilt. 

Den  Vorteil  der  Koloristik  erweisen  am  deutlichsten  die  mit 
der  «  Dantebarke  »  verwandten  und  daher  dem  Vergleich  am  leich- 
testen zugänglichen  Motive,  also  die  «Don-Juan-Barke»  im  Louvre, 
von  1840  oder  die  verschiedenen  Fassungen  des«  Christ  sur  le  lac 


\ 

\ 


LK  NAUFRAGE  DE  DON  JUAN,   1840. 
1,95  :  1,30.  (ROBAUT  Nr.  707.) 
LOUVRE,  PARIS. 


da'. 


LTJD  ÖYrJlHiibit- 


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die  verschiedenen  Fassungen  des  «  Christ  sur  le  lac 


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ANALYSE  UND  SYNTHESE 45 

de  Genesareth».  «Le  Naufrage  de  Don  Juan»  zeigt  einen  Kahn 
mit  Menschen  allein  auf  dem  Meer.  Die  eng  zusammengedrängte 
Gruppe  ist  stark  bewegt.  Aber  die  Bewegung  liegt  weniger  in  den 
Gesten  als  in  der  fleckenhaften  Beleuchtung,  die  immer  nur  einige 
Teile  der  Kleider  und  des  Fleisches  hervorhebt,  und  vor  allem  in 
dem  Gegensatz  dieses  flackernden  Knäuels  von  Menschen  zu  der 
weiten  Fläche  des  Wassers  und  des  Himmels.  Das  Erlebnis  ist 
ähnlich  wie  vor  der  «  Dantebarke  »,  nur  viel  tiefer  und  kompli- 
zierter, auf  reichere  verzweigtere  Formenwirkungen  aufgebaut.  Nur 
der  Byron-Kenner,  der  genau  zusieht,  kann  mit  einiger  Phantasie 
die  schaudervolle  Szene  aus  dem  zweiten  Gesänge  wiedererkennen, 
die  Auslösung  des  Genossen,  der  den  Hungernden  die  Mahlzeit  geben 
soll.  Nicht  im  mindesten  trägt  dieser  Vorgang  zum  Eindruck  bei. 
Keiner  meiner  Leser,  die  das  Bild  kennen,  wird  sich  je  gefragt  haben, 
was  diese  Unglücklichen  auf  dem  Schiffe  treiben,  und  keinem  wird 
die  Nachricht,  um  was  es  sich  handelt,  den  Eindruck  verstärken. 
Empfindliche  Kenner  des  Bildes  werden  sogar  peinlich  berührt  sein 
und  mit  Unbehagen  diese  verengende  Auslegung  hinnehmen.  Sie 
sehen  etwas  viel  weiteres  darin,  als  eine  reproduzierte  Dichterstelle. 
Keine  Episode  kann  ihren  Eindruck  zusammenfassen.  Farbe  und 
Licht  haben  eine  Abstraktion  der  Dichtung  vollbracht,  in  der  das 
Gedicht  nur  noch  eine  historische  Bedeutung  besitzt.  Was  daraus 
wurde,  geht  weit  darüber  hinweg.  Darauf  beruht  der  Fort- 
schritt. Man  kann  ihn  schrittweise  von  David  an  vorwärtsdringen 
sehen,  von  einem  Gemälde  des  Klassizisten  zu  Gros,  von  Gros 
zu  Gericault,  von  Gericault  zum  frühen  Delacroix,  von  dem  zum 
Meister,  und  wird  dann  trotz  der  Progression  zwischen  den  einzelnen 
Stationen  immer  noch  den  größten  Abstand  innerhalb  der  Lauf- 
bahn desselben  Menschen  finden.  Vom  «Massacre»  zu  diesem 
Bilde  ist  weiter,  als  von  David  zu  Delacroix.  Gericaults  «  Medusen- 
floß», dessen  Motiv  in  dem  Schiffe  Don  Juans  ausklingt,  verhält 
sich  dazu  etwa  wie  die  Schale  zum  Kern. 

Die  «  Don-Juan-Barke  »,  sagte  der  treuste  Kritiker  des  Meisters, 
Th.  Gautier,  «  c'est  le  radeau  de  la  Meduse  depouille  de  son 
appareil  tragique  et  theätral  et  ramene  ä  la  plus  simple  expression». 

Die  glänzende  Formel  gilt  nur  in  einem  durchaus  übertragenen 
Sinne.  Es  ist  im  Grunde  gar  keine  Gemeinschaft  zwischen  dem 


46 ANALYSE  UND  SYNTHESE 

«Medusenfloß»  und  der  «  Don- Juan- Barke »;  wenn  man  sehr 
streng  sein  will,  nicht  mehr  als  zwischen  einer  wundervoll  erzählten 
tragischen  Episode  der  Wirklichkeit  und  einer  dichterischen  Vision. 
Ob  diese  unbedingt  eine  Vereinfachung  jener  ist,  bleibt  dahin- 
gestellt, so  sicher  sie  eine  Vereinfachung  ist.  Es  fehlt  der  Formel 
die  Bezeichnung  der  positiven  Zugabe  des  Vereinfachers,  die  im 
Geistigen  liegt  und  so  bedeutend  ist,  daß  sie  keine  Beziehung  zu 
dem  scheinbar  gemeinsamen  Objekt  zuläßt.  Der  Geist  Delacroix' 
steht  über  der  Gestaltung  Gericaults  etwa  wie  Goethe  über  Schiller. 
Auch  die  entscheidendste  Anregung  Schillers  könnte  zwischen  ihm 
und  dem  Dichter  des  Faust  kein  wesentliches  gemeinsames  Niveau 
herstellen.  Eher  paßt  die  Formel  Gautiers  auf  das  Verhältnis  der 
beiden  Barken  Delacroix'  zueinander.  Don  Juans  Schiff  ist  eine 
Vereinfachung  der  «Dantebarke».  Der  «tragische  und  theatrale 
Apparat»  des  Frühwerks  wird  auf  Abstraktionen  reduziert,  an  die 
der  Debütant  nie  gedacht  hat.  Und  diese  Reduktion  bereichert  die 
Wirkung  des  Bildhaften.  Statt  einer  Gattung  von  Formen,  die  wir 
in  dem  Frühwerk  mit  dem  Gegensatz  zwischen  Vertikal  und  Hori- 
zontal grob  bezeichnen  konnten,  wirken  viele  Arten  von 
Formen  zusammen.  Es  ist,  als  übernähmen  Farben  und  Töne, 
das  flackernde  Licht  über  Gesichtern  und  Stoffen  die  dra- 
matische Rolle  der  dantesken  Gebärden.  Das  Prinzip  dieser  Ent- 
wicklung ist  bei  vielen,  um  nicht  zu  sagen,  allen  neueren  Meistern 
das  gleiche.  Der  Geist  sucht  sich  von  der  mehr  oder  weniger  engen 
Personifikation  früherer  Vorstellungen  zu  befreien  und  die  wort- 
reiche Rolle  des  Helden  immer  mehr  der  Regie  zu  überweisen. 
Die  Frage  ist,  ob  bei  dieser  Reduktion  nicht  Werte,  die  sich  der 
Verschiebung  widersetzen,  verloren  gehen,  ob  der  Gewinn  ohne 
Opfer  an  wesentlichen  Dingen  zustande  kommt.  Man  konnte  sich 
auch  bei  Delacroix  fragen,  ob  hinter  solcher  Weisheit  nicht  die 
Schwäche  lauerte,  ob  dem  Sucher  mit  seinem  neuen,  unendlich 
differenzierten  Mittel  ein  Kraftausdruck  von  der  Wucht  der  «  Dante- 
barke »  gelingen  würde.  Darauf  geben  hundert  meisterliche  Werke 
vor  und  nach  dem  «Don  Juan»  Antwort.  In  diesem  verbietet  das 
Motiv  eine  grössere  Wucht.  Aber  auch  hier  sieht  man  das  Tempera- 
ment ganz  frei  von  den  Erwägungen,  die  es  in  der  «Dantebarke» 
zurückhielten,  ohne  auch  nur  im  mindesten  in  die  Unordnung  des 


ANALYSE  UND  SYNTHESE 47 

«Massacre»  zu  geraten.  Es  löst  spielend  die  Aufgabe,  ohne  ein 
Atom  von  Kraft  zu  vergeuden.  Man  findet  die  Steigerung  des 
Dramas  innerhalb  desselben  Motivs  in  der  Serie  von  sieben  Bildern 
des  Jahres  1853  mit  dem  «Christ  sur  le  lac  de  Genesareth»,  von 
denen  Gallimard  in  Paris  eins  der  schönsten  besitzt^  Es  geht 
einem  merkwürdig  mit  diesem  Christus.  Bevor  man  noch  mit 
Sicherheit  die  Gestalt  des  Heilands,  die  sich  hier  in  so  ungewohnter 
Form  zeigt,  erkannt  hat,  glaubt  man  vor  dem  See  Genezareth  zu 
stehen.  Es  ist  natürlich  eine  Selbsttäuschung.  Wie  sollte  man  die 
Legende  ahnen  ohne  den  Inhalt!  Und  doch  etwas  Ähnliches  wenig- 
stens geht  in  uns  vor.  Ohne  Kulissen,  ohne  irgend  eins  der  Mittel, 
mit  denen  wir  gewohnt  sind,  das  Religiöse  zu  assoziieren,  entsteht 
eine  Stimmung,  die  uns  zur  Legende  treibt.  Es  liegt  an  der  Be- 
wegung dieser  tosenden  Wellen,  dieses  Segels,  das  die  Wellen  des 
Wassers  vergrößert,  dieser  drei  oder  vier  Menschen,  von  denen 
jeder  nach  einer  anderen  Himmelsrichtung  gerissen  wird.  Aber 
diese  vervielfachte  Bewegung  müßte  uns  mit  in  Taumel  versetzen, 
uns  krampfhaft  erregen,  niederschmettern  oder  in  die  Höhe  reißen, 
wie  etwa  Gericaults  Barke.  Wir  aber  stehen  ganz  still  davor,  von 
einem  seltsamen  Rauschen  gebannt,  das  mit  in  die  Bewegung  klingt 
wie  erhabene  Stimmen  von  Glocken,  die,  vom  Sturm  in  Bewegung 
gesetzt,  das  Getöse  mit  tiefem  Baß  übertönen.  Das  ist  die  Farbe. 
Das  Geheime  liegt  darin,  daß  wir  erst  sie  sehen,  den  schimmernden 
Rhythmus  ihrer  aus  Edelsteinen,  aus  Prunkgewändern,  aus 
prangenden  Früchten  gewonnenen  Akkorde,  bevor  wir  die  düstere 
Szene  entdecken.  Und  haben  wir  dann  in  dem  leuchtendsten  Juwel 
die  unendlich  naive  Gestalt  des  schlafenden  Mannes  entdeckt,  so 
sammeln  sich  hundert  Kräfte  statt  einer  zur  Deutung  des  Heiligen. 
Fromentin  schrieb:  «Chez  Delacroix  la  couleur  n'a  jamais  cesse 
d'etre  un  langage. »  Van  Gogh  verstand  diese  Sprache:   «Oh  le 


'  Sowohl  der  «  Naufrage  de  Don  Juan  »  wie  der  «  Christ  sur  le  lac  de  G.  »  gehen 
auf  eine  Skizze  zurück,  die  schon  1821,  also  noch  vor  der  «Dantebarke»  entstand 
(Robaut,  Nr.  1473) ;  ein  Schiff  mit  gebrochenem  Mast  mit  einer  gehäuften  Menge 
von  Insassen,  das  von  einer  riesigen  Woge  bedroht  wird.  Der  Einfluß  Gericaults 
ist  unverkennbar.  Ein  dem  Don  Juan  ähnliches  Motiv,  ebenfalls  ohne  die  christliche 
Legende,  war  1847  im  Salon  (Robaut,  Nr.  loio).  Die  sieben  Bilder  mit  dem  Christ, 
bei  Robaut,  Nr.  1214  bis  1220. 


48 ANALYSE  UND  SYNTHESE 

beau  tableau  d' Eugene  Delacroix»  schreibt  er  in  einem  seiner 
Briefe,  «la  Barque  du  Christ  sur  la  mer  de  Genesareth,  Lui  —  avec 
son  aureole  d'un  pale  citron  —  dormant,  lumineux,  dans  la  tache 
de  violet  dramatique,  de  bleu  sombre,  de  rouge  sang,  du  groupe 
des  disciples  ahuris,  sur  la  terrible  mer  d'emeraude,  montant, 
montant  jusque  tout  en  haut  du  cadre. »  Van  Gogh  nennt  zwei 
Menschen,  die  Christus  gemalt  haben:  Rembrandt  und  Delacroix. 
Man  muß  von  der  Kunst  so  klare  Vorstellungen  haben,  wie  dieser 
letzte  Schüler  des  Meisters,  um  die  ganze  Wahrheit  seiner  Behaup- 
tung zu  fassen.  Die  Gott-Darstellung  Delacroix'  ist,  obwohl  aus 
ganz  anderen  Quellen  stammend,  die  einzige  Folge  der  Rem- 
brandtschen,  die  bis  dahin  die  glaubhafteste  war,  weil  auch  ihr 
eine  Atmosphäre  gelingt,  in  der  heilige  Legenden  existieren  können. 

Dies  Vermögen,  nicht  ein  Stück,  sondern  die  Welt  in  einen 
Strahlenkranz  von  Farben  zu  konzipieren,  ist  Delacroix'  Genie. 
An  diese  unersetzliche  Gabe  mag  Taine  gedacht  haben,  als  er  die 
Tadler  mahnte:  «Grondez,  en  le  comparant  aux  vieux  maitres; 
mais  songez  qu'il  a  dit  une  chose  neuve  et  la  seule  dont  nous 
ayons  besoin»i. 

War  es  wirklich  ein  Neues,  nicht  lediglich  ein  Seltenes,  das 
früher,  als  die  Menschheit  noch  großen  gemeinsamen  Ideen  zu- 
gänglicher war,  zuweilen  sichtbar  wurde?  —  Die  Form,  an  der 
wir  Tausende  beteiligt  glauben,  die  jeden  Gedanken  an  das  herrsch- 
süchtige Individuum  fernhält,  und  die  einer  macht,  ein  Gott- 
begnadeter, der  uns  eint,  wie  er  in  seinem  Werk  die  Fülle  einte. 

Die  kosmische  Konzeption  scheidet  Delacroix  ebenso  von 
seinen  französischen  wie  von  seinen  englischen  Zeitgenossen. 
Mit  Constable  behält  er  nur  peripherische  Beziehungen,  mit 
Gericault  und  Gros  hat  er  bald  nichts  mehr  gemein.  Dagegen 
nähert  er  sich  all  den  Meistern,  von  denen  er  eine  Bereicherung 
jenes  Allweltlichen  erhoffte.  Man  sieht  in  seinem  «  Journal »,  wie 
er  nach  und  nach  immer  weitere  Kreise  der  Erkenntnis  umfaßt. 
Seine  Bilder  zeigen  dasselbe.  Zwei  Meister  stehen  hier  und  dort 
immer  im  Mittelpunkt  der  Handlung,  zwei  Meister,  die  sich  die 
Kunstgeschichte  als  einander  entgegengesetzte  Pole  denkt.  Sie 
begegnen  sich  im  Denken  und  Schaffen  Delacroix'  wie  Geschwister. 

'  Essais  de  Critique  et  d'histoire. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 


Schon  David  hatte,  wenn  er  ein  Bildnis  auf  der  Staffelei  hatte, 
verstohlen  nach  Rubens  gesehen.  Für  Gros  und  Gericault  war 
er  der  Schild  gegen  den  Klassizismus  gewesen.  Aber  dafür  ge- 
nügte schon  das  erlösende  Temperament  des  Vorbildes.  Niemand 
außer  Constable  hatte  seit  dem  Dixhuitieme  die  Rubenssche  Palette 
gesucht,  und  auch  dem  Dixhuitieme  war  schließlich  nur  ein 
enger  artistischer  Begriff  von  Rubens,  eine  Spezialität,  zugänglich 
geworden. 

Delacroix  war  von  allen  diesen  nachgeborenen  Rubensschülern 
der  kongeniale,  der   einzige,   der   Raum  für  den  Riesen   hatte  in 

4* 


52 RUBENS  UND  RAFFAEL 

seiner  Empfindung,  in  seinem  Schöpfervermögen,  in  seiner  Kunst. 
Man  verwechselt  zu  leicht  die  Ähnlichkeit  zwischen  Bildern,  die 
keinem  tiefer  dringenden  Auge  anders  als  oberflächlich  erscheint, 
mit  der  Ähnlichkeit  zwischen  den  Gelüsten  beider.  Delacroix  hatte 
teil  an  demselben  ins  Ungeheure  gehenden  Pantheismus,  war  eine 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  ähnliche  Psyche,  nur  in  einem  ganz 
anderen  Körper,  in  einer  ganz  anderen  Umgebung.  Die  Ähnlich- 
keit gab  der  Beziehung  der  beiden  Künstler  zueinander  eine  nie 
wiederholte  Gültigkeit.  Leicht  war  es  einem  Stillebenmaler,  aus 
der  wogenden  Fülle  Rubensscher  Formen  brauchbare  Elemente 
für  eine  einzige  Gattung  zu  finden,  dieses  oder  jenes  Detail  des 
Riesen  zum  Mittelpunkt  einer  bescheidenen  Welt  zu  machen,  mit 
einem  Strahl  des  Gestirns  einen  kleinen  Winkel  taghell  zu  er- 
leuchten. Delacroix  bemaß  seine  Aufgabe  an  dem  Umfang  des 
Vorgängers.  Er  trat  der  unübersehbaren  Rubensschen  Welt  von 
Motiven  mit  einer  gleich  reichen  Welt  gegenüber  und  durchdrang 
mit  demselben,  ganz  einzigen  Erobererglück  alle  Gebiete  der 
Malerei  vom  kleinsten  Staffeleibild  bis  zur  größten  Wand- 
dekoration. Und  war  allein,  ein  einziger  gegen  alle.  Die  Eigenhändig- 
keit der  Schöpfung  Delacroix'  läßt  einen  neuen  Begriff  von  Reich- 
tum entstehen,  der  jetzt  noch  dunkel  oder  an  die  enge  Bedeutung  ge- 
bunden bleiben  mag,  die  der  kunstwissenschaftliche  Forscher  im 
Sinne  hat;  den  wir  am  Ende  des  Werkes  von  der  Höhe  des  Zieles 
Delacroix'  wie  eine  unvergleichliche  Tat  erkennen  werden.  Rubens 
war  ein  Heerführer.  Delacroix  war  allein.  Der  Unterschied  ist 
gewaltig.  Die  klare  Einsicht  in  diesen  Unterschied  hat  Delacroix 
eine  Gewalt  gegeben,  die  jede  schmälernde  Bedeutung  seiner 
Beziehung  zu  Rubens  aufhebt.  Rubens'  Bilder  waren  die  natürliche 
Dekoration  eines  glanzvollen  Daseins.  So  wie  er  malte,  lebte 
der  Liebling  der  Fürsten.  Delacroix  wäre  mit  einem  ähn- 
lichen Lebensideal  banal  geworden  und  mit  zwanzig  Jahren  ge- 
storben. Ihm,  dem  aller  Prunk  der  Lebensführung  verhaßt  war, 
der  die  notwendige  Heimlichkeit  aller  unserer  Genüsse  erkannte, 
wurden  die  Bilder  allein  zur  fürstlichen  Heimat.  Er  dichtete,  wie 
Rubens  lebte,  malte  mit  der  Lust,  mit  der  Rubens  die  Weiber, 
den  Ruhm,  das  Leben  umschlang,  und  das  künstliche  Band,  diese 
Projizierung  auf  das  Geistige,  gewann  Bestand,  wuchs   über  die 


RUBENS  UND  RAFFAEL 53 

Fiktion  hinaus,  weil  der  Erbauer  ein  Umschlinger  war,  nicht 
weniger  als  Rubens.  Man  könnte  wagen  zu  sagen,  die  freiwillige 
Beschränkung  auf  den  einzigen  Ort,  wo  ihm  das  Schwelgen  erlaubt 
schien,  habe  Delacroix  eine  noch  höhere  Dramatik  verliehen.  Sein 
Geist  steht  leibhaftiger,  mächtiger,  prunkvoller  vor  uns  als  das, 
unseren  sozialen  Bedingungen  längst  entrückte.  Künstlerleben  des 
Flamen. 

Keinen  Meister  hat  Delacroix  mehr  kopiert.  Robaut  hat  nur  einen 
Teil  der  Kopien  registrieren  können.  Es  gibt  Dutzende^,  Vor  einigen 
Jahren  war  bei  Kleinberger  in  Paris  die  berühmteste  ausgestellt, 
«  Die  Mirakel  des  H.  Benoit »,  aus  dem  Jahre  1841,  und  daneben 
hing  das  Riesenoriginal  von  Rubens,  das  mit  dem  Delacroix  im 
Besitz  des  verstorbenen  Königs  der  Belgier  war.  Der  Blick  irrte 
von  dem  einen  Bild  zu  dem  anderen,  um  festzustellen,  was  der 
Kopist  eigentlich  nachgeahmt  habe.  Die  Tatsache,  daß  es  sich 
um  dieselbe  Komposition  handelte,  die  hier  anders  wie  dort  «  ge- 
malt »  sei,  genügte  dem  Sinn  nicht.  Eher  hätte  man  glauben  können, 
ein  Gedanke  habe  den  beiden  vorgelegen  und  habe  zu  zwei  ganz 
verschiedenen  Äußerungen  geführt.  Die  Interpretation  Delacroix' 
war  so  überzeugend,  daß  man  die  Genesis  des  Werkes  vergaß. 
Und  wenn  man  dieser  Fiktion  nachgab,  hätte  man  folgern  müssen, 
in  der  Kopie  sei  die  Erfindung  größer  als  im  Original,  so  voll- 
kommen  hatte   Delacroix   alle   Bedingungen   des   Motivs   erfüllt. 

Delacroix  sah  in  dem  Meister  das  Fundament  der  von  der  Revo- 
lution unterbrochenen  Entwicklung.  Rubens  hatte  nicht  alles, 
aber  die  Hauptsache,  die  der  Zeit  am  meisten  not  tat:  gesundes 
Fleisch.  Und  noch  ein  zweites:  er  zeigte  die  Möglichkeiten  einer 
Malerei  in  schnellem  Tempo.  Vielleicht  war  diese  Aussicht  noch 
wichtiger  als  die  Palette.  An  der  Palette  Delacroix'  haben  die 
Venezianer  größeren  Anteil  gehabt.  Der  Vorgänger  der  Im- 
pressionisten brauchte  vor  allem  eine  rapide  Malerei,  um  nichts 
von  seiner  Empfindung  zu  verlieren.  Er  sagte  einmal  zu  einem 
jungen  Maler:  «Wenn  Sie  nicht  einen  Menschen,  der  sich 
aus  dem  Fenster  stürzt,  in  der  Zeit,  bis  er  vom  vierten  Stock  auf 
den   Boden   ankommt,   zeichnen  können,   werden   Sie   nie   große 

'  Eine  der  schönsten,  die  Robaut  entgangen  sind,  ist  die  Kopie  oder  vielmehr 
Variation  nach  der  Dresdner  Wolfsjagd  in  der  Münchener  Pinakothek. 


54 RUBENS  UND  RAFFAEL 

Bilder  fertig  bringen»^.  Und  Dumas  bezeugt  mit  der  hübschen 
Geschichte  einer  Skizze,  daß  Delacroix,  annähernd  wenigstens, 
dieses  Verlangen  erfüllte-.  Behendigkeit  hatte  aber  auch  das 
i8.  Jahrhundert  von  Rubens  gelernt,  und  die  Eile  hatte  nur 
gedient,  um  die  Nachfolger  Bouchers  noch  schneller  der  Deko- 
ration auszuliefern.  Nicht  diese  Eile  war  Delacroix'  Ziel. 

Er  sagte  oft:  «  Da  der  dem  Künstler  von  der  Natur  übermittelte 
Eindruck  das  wichtigste  ist,  das  er  wiedergeben  muß,  ist  es  not- 
wendig, daß  er  sich  vorher  mit  allen  Mitteln  der  schnellsten  Über- 
setzung versieht.  »  Also  um  der  Wahrheit  willen  brauchte  er  die 
Geschwindschrift.  Das  Dixhuitieme  malte  fix,  um  graziös  zu  er- 
scheinen. 

Die  Zeit  Delacroix'  hatte  sich  noch  nicht  von  der  Reaktion  des 
Empire   gegen   das   Dixhuitieme   erholt.    Die   Nachfolger    Davids 

"■  Baudelaire,  L'Axt  Romantique,  S.  35.  Auch  der  folgende  Ausspruch  stammt 
aus  derselben   Quelle. 

'  Es  handelt  sich  um  die  herrliche  Skizze  großen  Umfangs  « le  roi  Rodrigue 
perdant  sa  couronne  »,  früher  bei  Dumas,  dann  in  der  Sammlung  Cheramy, 
hier  abgebildet.  Dumas  hatte  seine  Malerfreunde  Decamps,  Barye,  u.  a.  auch  Dela- 
croix, gebeten,  für  eine  Gesellschaft,  die  er  geben  wollte,  einen  Saal  mit  Panneaux 
zu  schmücken.  Die  Bilder  sollten  an  einem  bestimmten  Tage  fertig  sein,  an  dem 
Dumas  einen  Ball  gab.  Alles  ist  so  weit,  nur  das  für  Delacroix  bestimmte  Panneau 
ist  noch  leer.  Der  Maler  kommt  am  Nachmittag  zu  Dumas  und  erschrickt  über  die 
große  Fläche ;  er  hatte  geglaubt,  sich  mit  ein  paar  Blumen  aus  der  Affäre  zu  ziehen. 
«  Hören  Sie,  »  sagt  Dumas,  « ich  habe  soeben  etwas  für  Sie  gelesen  »,  und  erzählt 
ihm  den  ersten  Gesang  des  Romancero,  wo  Rodrigo,  der  Verführer  der  Cava,  im 
Kampf  mit  den  Mauren  sein  Reich  verliert.  Delacroix  geht  augenblicklich  im  Salon- 
rock an  die  Arbeit  und  malt  die  ganze  Szene  herunter,  noch  dazu  in  den  seltensten 
Farben,  einer  Harmonie  in  Gelb,  die  in  seinem  Frühwerke  allein  steht.  —  «  Dela- 
croix »,  so  erzählt  Dumas,  «  commenja  par  prendre  son  fusain ;  en  trois  ou  quatre 
coups,  il  eut  esquisse  le  cheval,  en  cinq  ou  six,  le  cavalier;  en  sept  ou  huit  le  paysage, 
morts,  mourants  et  fuyards  compris ;  puis,  faisant  assez  de  ce  croquis  inintelligible 
pour  tout  autre  quo  lui  il  prit  brosses  et  pinceaux,  et  commenfa  ä  peindre.  Alors  en  un 
instant,  et  comme  si  Ton  eüt  dechire  une  teile,  on  vit  sous  sa  main  apparaitre  d'abord 
un  cavalier  tout  sanglant  .... 

Tout  cela  etait  merveilleux  ä  voir:  aussi  un  cercle  s'etait-il  fait  autour  du  maitre, 
et  chacun,  sans  Jalousie,  Sans  envie,  avait  quitte  sa  besogne  pour  venir  battre  des 
mains  ä  cet  autre  Rubens  qui  improvisait  tout  ä  la  fois  la  composition  et  l'execution. 
En  deux  ou  trois  heures  tout  fut  fini  ».  (Memoires  de  Alexandre  Dumas,  Paris,  Calman 
L^vy  1898,  IV,  S.  110  ff.)  Man  denkt  unwillkürlich  an  das  ähnliche  Stückchen  Cour- 
bets  vor  den  Münchener  Akademikern  im  Jahre  1869. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 55 

hielten  die  Amoretten  in  festen  Banden.  Noch  war  kein  Goncourt 
auf  der  Suche  nach  den  verschleuderten  Schätzen.  Delacroix  unter- 
lag nicht  der  Mode,  dieser  so  wenig  wie  irgendeiner.  Er  bewunderte 
das  Metier,  das  glänzende  Farbenspiel,  «l'admirable  artifice»  der 
Maler  Ludwigs  XV.,  besaß  selbst  einen  Watteau  und  studierte  ihn 
eifrigS  aber  seiner  ganzen  Anschauung  von  der  Kunst  widersprach 
zu  sehr  der  zweifelhafte  Standpunkt  des  Amateurs,  um  ihn  den 
Unterschied  zwischen  der  Geschicklichkeit  der  Watteau-Schule  und 
der  Natur  ihrer  größeren  Vorgänger  übersehen  zu  lassen.  Ein  so 
tief  von  Rubens  durchdrungener  Geist,  der  gleich  Großes  zu 
schaffen  hoffte,  durfte  und  mußte  in  dem  18.  Jahrhundert  nur 
eine  niedliche  Spielerei  erblicken.  Er  trank  an  der  Quelle,  trank 
in  vollen  Zügen.  Unverdünnt  drang  der  wie  Milch  und  Blut 
fruchtbare  Strom  Rubensscher  Empfindung  in  ihn  hinein,  und  nie 
hat  ein  anderer  den  Flamen  tiefer  durchdrungen.  Doch  verlor  der 
Trinker  nicht  die  Besinnung.  Dies  mag  er,  wenn  man  überhaupt 
für  die  Mäßigung,  die  kein  Kompromiß  war,  nach  einem  äußeren 
Anlaß  suchen  soll,  dem  Meister  verdankt  haben,  der  in  seinem 
Herzen  den  zweiten  Platz  einnahm:  Raffael. 

Es  ist  nicht  leicht,  die  Beziehung  Delacroix'  zu  Raffael  anschau- 
lich zu  machen,  schon  weil  uns  Raffael  selbst  nicht  mehr  anschau- 
lich wird.  Die  Zeit  geht  nach  schärfer  ausgeprägten,  vor  allem 
nach  bewegteren  Individuen.  Wir  sind  für  so  stille  Leute  zu  träge 
und  blasiert  geworden.  Was  konnte,  fragen  wir  uns  skeptisch,  der 
Jüngling  von  Urbino  dem  glühenden  Temperamente  eines  Dela- 
croix geben  ?  Doch  ist  unser  Begriff  des  Temperaments  recht 
winzig  neben  dem  Temperamente  Delacroix'.  Wir  achten  nur  auf 
das  Ungestüme,  das  jeder  flinke  Strich  verrät,  nicht  auf  die  Wider- 
stände, die  es  überwindet.  Auch  entgeht  uns  die  Stellung  der 
ganzen  Zeit  Delacroix'  zu  dem  Urbinaten.  Ihr  war  er  keineswegs 
der  respektable  aber  längst  abgenutzte  Wert,  sondern  unentbehr- 
liches Glied  einer  ganz  aktuellen  Entwicklung.  Die  Minorität 
vornehmer  Geister  sah  in  ihm  das  unangreifbare  Dokument  gegen 
jenen  undifferenzierten  Klassizismus,  der  noch  in  der  Jugend 
Delacroix'  herrschte.  Er  wurde  das  Terrain,  auf  dem  sich  damals 

'  Vgl.  Journal  I,  295  ;  II,  397  u.  a.  St.  Er  besass  « les  Apothicaires  »  Watteaus,  die 
er  gegen  eines  seiner  Bilder  eingetauscht  hatte.  Vgl.   Journal  III,  316,   317. 


56 RUBENS  UND  RAFFAEL 

viele  Fortschrittler,  selbst  so  feindliche  Gegensätze  wie  der  Maler 
der  « Dantebarke »  und  der  Maler  des  «  Homere  deifie »  be- 
gegnen konnten.  Delacroix  fand  in  Raffael  den  Ausdruck  eines 
edleren  klassischen  Geistes,  der  ihn  nicht  nur  vor  dem  Pseudo- 
klassizismus  rechtfertigte,  sondern  auch  das  von  proletarischen 
Gelüsten  nicht  freie  Heroentum  der  Gros  und  Gericault,  seiner 
Paten,  zu  läutern  vermochte.  Die  Differenz  der  Temperamente, 
die  Delacroix  mit  den  Jahren  vielleicht  stärker  als  anfangs  emp- 
fand, hinderte  nicht  diesen  idealen  Nutzen,  machte  ihn  vielleicht 
größer.  Weil  ihm  die  Natur  wenig  von  der  gelassenen  Art  des 
Madonnenmalers  gegeben  hatte,  suchte  er  so  zu  werden.  1824  dik- 
tiert ihm  Raffael  den  Satz  von  der  unbedingten  Bedeutung  zeich- 
nerischer Umrisse^.  Der  Satz  wäre,  von  der  Feder  eines  anderen, 
z.  B.  Ingres  geschrieben,  mehr  als  bedenklich.  Er  treibt  uns  bei 
Delacroix  nicht  zum  Widerspruch,  da  wir  wissen,  wie  wenig  er 
ihm  zur  allein  gültigen  Richtschnur  wurde,  sondern  zum  Nach- 
denken, wie  weit  er  von  einem  Delacroix  befolgt  werden  konnte 
und  wirklich  befolgt  wurde.  Immer  wieder  bewundert  er  die  Grazie 
des  Raffaelschen  Linienspiels,  und  noch  1847  schreibt  er,  man 
dürfe  nicht  zu  viel  an  Raffael  denken,  um  nicht  getrieben  zu 
werden,  «alles  aus  dem  Fenster  zuwerfen»-.  Eine  unmittelbare 
Folge  mag  die  Disposition  der  Pinselschrift  gewesen  sein,  die  Vor- 
liebe, die  Bilder,  die  immer  mit  rubenshaftem  Schwung  in  großen 
Strichen  begonnen  worden,  mit  kleinen  Strichen  zu  vollenden. 
(Wenigstens  betont  er  wiederholt  in  seinen  Notizen  das  feinmaschige 
Gewebe  der  Bilder  Raffaels.)  Aber  diese  Methode,  die  sich  aus 
seiner  differenzierten  «  Teilung  »  von  selbst  ergab,  finden  wir  auch 
schon,  freilich  in  primitiver  Form,  bei  David  und  vielen  David- 
schülern, und  sie  entsprach  seinem  ganzen  altmeisterlichen  Emp- 
finden. Entscheidend  wird  die  Annäherung  an  Raffael  in  der 
Komposition.  Sie  ist  am  deutlichsten  in  den  meisten  Monumental- 
werken, zumal  in  der  Dekoration  der  Bibliothek  des  Palais  Bourbon 
und  in  den  Fresken  der  S.  Sulpice.  Hier  hat  Delacroix  das  Kom- 
positionsschema, wenn  auch  nicht  bestimmte  Kompositionen 
Raffaels,  so  frei  benutzt  wie  Raffael  die  Antike.   Aber  auch  da, 

'   Journal  I,  82. 
»   Journal  I,  284. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 57 

wo  die  Aufgabe  dem  Maler  keinerlei  Beschränkung  befahl,  auch 
in  den  reichsten  Tafelbildern,  in  Skizzen,  die  wie  Improvisation 
erscheinen,  in  Legenden,  deren  Art  Raffael  ganz  fern  liegt,  eher  auf 
Rubens  oder  auf  Venedig  hinweist,  in  den  Legenden  kleinen  Um- 
fangs,  neben  deren  Pracht  der  Meister  der  vatikanischen  Fresken  wie 
ein  Primitiver  erscheint,  bleibt  die  Beziehung  wie  eine  sehr  zarte 
aber  unverkennbare  Melodie  erhalten;  ja,  sie  enthüllt  hier,  wo 
an  die  Stelle  künstlerischer  Vergleichsmöglichkeiten  rein  mensch- 
liche Eigenschaften,  wie  Grazie,  Jugendlichkeit,  Anstand  treten, 
ihren  wirklichen  Charakter.  Delacroix  sah  Raffael  mit  seinen 
Augen  an  und  fand  einen  Verwandten.  Man  könnte  sagen,  er  habe 
in  allen  großen  Dingen,  weil  er  sie  mit  seinen  schöpferischen  Augen 
ansah.  Verwandte  gefunden.  Es  ist  nicht  nur  Wahlverwandtschaft. 
Etwas  im  Wesen  Delacroix'  scheint  von  der  Natur  in  die  Nähe 
einer  raffaelschen  Lieblichkeit  gerückt  und  es  verträgt  sich  durchaus 
mit  seiner  Kraft,  seinem  Ungestüm,  vollbringt  wie  alles,  was  wir 
unter  seinen  Eigenschaften  mit  dem  Namen  anderer  Größen 
bezeichnen  oder  wenigstens  andeuten  können,  eine  Veredelung 
seiner  Natur  und  eine  Veredelung  des  Wertes,  der  uns  zum  Ver- 
gleich dient.  Viele  Gestalten  seiner  Bilder  scheinen  seltsam  ver- 
wandelte Götter,  Propheten,  Engel  Raffaels.  Irgend  etwas  unter  den 
vielen  Schönheiten,  die  sie  schmücken,  scheint  ganz  unmittelbar 
dem  Urbinaten  entsprungen,  und  oft  ist  es,  als  ob  ihre  Art  auf 
einen  erhöhten,  gleich  belebten  wie  erhabeneren  Raffael  hin- 
weise. 

Der  Maler  besaß  nicht  von  vornherein  dieses  hohe  geistige  Ver- 
hältnis zu  dem  geliebten  Meister,  ebenso  wie  der  Kritiker  nicht 
gleich  ein  gültiges  Urteil  über  ihn  fand.  Man  kann  die  Entwicklung 
an  manchen  Bildern  verfolgen.  Es  ist  eine  der  vielen  Entwick- 
lungen Delacroix'. 

1838  malt  er  seine  erste  Medea.  Es  ist  die  kleine  Skizze  im 
Museum  von  Lille^,  der  noch  im  gleichen  Jahre  das  Hauptwerk, 
der  Stolz  der  Liller  Galerie,  folgte.  Die  Idee  des  Bildes  ist  nichts 
weniger  als  Raffael,  sie  ist  auch  nicht  Rubens,  noch  venezianisch. 

'  Diese  Skizze  übermalte  er  vollständig  im  Jahre  1847  (vgl.  Journal  I,  324)  — 
Repris  une  ancienno  esquisse  de  Medee  qua  j'ai  metamorphosee ;  daraus  erklärt  sich 
die  Verschiedenheit  der  Materien  in   Skizze  und  Bild. 


58 RUBENS  UND  RAFFAEL 

Die  Erfindung  der  ungeheuren  Geste,  « ce  geste  de  lionne », 
wie  Gautier  sagte,  in  der  sich  die  Tragik  dieser  Mutter  zum  Sprunge 
sammelt,  ist  reinster  Delacroix.  Diese  ganz  elementare  Art  von 
Symbolik  hat  ihn  keiner  gelehrt,  sie  war  sein  Empfinden,  In  den 
Kindern  zwischen  den  Armen  der  Heldin,  die  wie  die  Jungen  am 
Leibe  der  gereizten  Löwin  zappeln,  kommt  ein  Lächeln  Raffaels, 
eine  Erinnerung  an  die  Kindlichkeit  der  Sixtinischen  Madonna, 
zum  Vorschein.  Es  bleibt  in  dem  Liller  Bilde  ein  isoliertes  Detail, 
das  zur  Kontrastwirkung  beiträgt  und  die  Dramatik  steigert. 
Diese  erste  Fassung  trägt  noch  die  Schlacken  der  Jugend,  obwohl 
sie  bereits  einen  wesentlichen  Fortschritt  gegen  die  erste  Skizze 
darstellt,  in  der  die  Kinder  noch  nicht  ihren  rechten  Platz  haben 
und  das  Haupt  der  Medea  noch  von  dem  Mantel  umwallt  wird, 
(ein  romantisches  Hilfsmittel,  das  die  Einfachheit  beeinträchtigt)^. 
Das  Liller  Werk  ist  die  bei  weitem  größte  Fassung  und  gilt  als 
die  beste;  mir  scheint,  mit  Unrecht.  Wohl  ist  die  Komposition 
der  Gruppe  ideal  gelöst,  sie  hat  das  Gefundene  des  Meisterwerks, 
das  uns  sofort  die  Überzeugung  gibt:  so  und  nicht  anders  muß 
es  sein,  nie  wird  man  diese  Gruppe  anders  gestalten  können,  so 
wird  die  Medea  immer  vor  uns  stehen.  Auch  das  landschaftliche 
Motiv  ist  glänzend  als  Rahmen  für  die  Gruppe  getroffen.  Doch 
möchte  man  zwischen  einer  Komposition  der  Gruppe  und  der 
Komposition  des  Bildes  unterscheiden.  Das  große  Format  wird 
nicht  in  allen  Teilen  gleichmäßig  von  der  Gestaltung  belebt.  Das 
Ungestüme  des  gewaltigen  Einfalls  scheint  über  dem  Willen  des 
Künstlers  zu  stehen,  der  Erfinder  wurde  fortgerissen  von  seiner 
Erfindung.  Wohl  trägt  die  Farbe  den  Ausdruck,  in  jedem  Pinsel- 
strich zuckt  die  Empfindung  des  Visionärs,  aber  die  Farbe  versagt 
die  ganz  abgeklärte,  verewigende  Harmonie,  versagt  sie  zumal 
in  dem  heutigen  Zustand  des  Bildes,  der  nicht  die  verheerenden 
Schäden  schlechter  Pigmente  verschweigt.  Das  unbestimmte  Grau- 
schwarz des  Gewandes,  das  den  Unterkörper  der  Medea  bedeckt, 
mit  dem  stumpfen  Umschlag  in  Türkischrot  ist  nahezu  erblindet 
und  die  vergilbten  Braun,  Gelb  und  Grün  der  Szene  haben  ihre 
Wirkung  verloren.  Mächtig  ergreift  uns  das  fahle  gespenstische 

'  Man    kann  den  Fortschritt  in  der  Komposition  fast  schrittweise  an  der  Hand 
der  Serie  von  Zeichnungen  zur  «  Medea  »  im  Museum  von  Lille  verfolgen. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 59 

Fleisch  der  Medea,  fast  zu  mächtig;  wir  werden  zu  schnell,  zu 
gewaltsam  in  die  düstere  Stimmung  getrieben,  als  daß  unser 
Empfinden  in  alle  Tiefen  dringen  könnte.  Nur  in  den  Kindern, 
zumal  in  dem  Knaben  zur  Linken  siegt  das  blonde  Licht,  das  wir 
schon  in  dem  Kind  an  der  Brust  der  toten  Mutter  des  «  Massacre  » 
bewundern  und  das  uns  auch  da  schon  wie  eine  Verklärung  Raf  faels 
erscheint.  In  jedem  der  folgenden  Jahrzehnte  beschäftigt  ihn  die 
Medea  aufs  neue.  1847  fällt  ihm  die  Skizze  zu  dem  Liller  Bild  in 
die  Hand,  und  er  übermalt  sie  vollständig.  1856  wiederholt  er  das 
Motiv  in  ganz  veränderter  Disposition.  Es  ist  das  Bild,  das  früher 
in  der  Amsterdamer  Sammlung  van  Eghen  war  und  das  Tschudi 
vergeblich  für  die  Nationalgalerie  zu  sichern  suchte,  datiert  1859. 
Delacroix  hatte  die  Mängel  der  ersten  Fassung  eingesehen  und 
erfand  die  wundervolle  Harmonie  der  grünen  und  blauen  Töne. 
Als  Materie  steht  das  Bild  unvergleichlich  höher  als  die  Liller 
Fassung.  Das  Fleisch  der  Medea  ist  eine  göttliche  Malerei.  Aber 
die  Beschäftigung  mit  dem  koloristischen  Problem,  die  das 
«  Journal »  von  1856  bezeugt^,  scheint  ihn  von  allem  übrigen  ab- 
gezogen zu  haben.  Die  Komposition  büßt  viele,  fast  alle  Vorzüge 
der  ersten  Fassung  ein.  Medea  sitzt  nicht  zum  Sprunge  bereit, 
sondern  bewegt  sich,  sie  geht  nach  der  Seite  hin.  Dadurch  gerät 
das  ganze  Motiv  ins  Schwanken.  Die  Gestalt  verliert  die  könig- 
liche Würde  und  die  sichere  Statik,  die  Gruppe  das  ganz  geschlossene 
Zusammensein  der  Kinder  mit  der  Mutter;  zumal  die  selbständige 
Bewegung  des  Knaben  zur  Rechten  löst  den  Zusammenhang. 
Die  Hinzufügung  des  Zuges  der  Verfolger  in  der  engen  Schlucht 
bereichert  das  Farbige,  aber  schmälert  empfindlich  das  dramatische 
Moment.  Denn  wie  könnte  ein  Sichtbares  das  Drohen  des  ver- 
borgenen Feindes  ersetzen,  den  wir  mit  den  Augen  der  Medea 
erblicken  1  —  Die  Unruhe  des  Ganzen  wird  dadurch  noch  ver- 
größert. Man  könnte  glauben,  der  Kolorist  habe  die  frühere  Kom- 
position zu  gelungen  gefunden  und  sich  mit  Absicht  Hemmungen 
geschaffen,  um  mit  dem  malerischen  Mittel  allein  zu  triumphieren. 
Er  erreicht  eine  modernere  Form.  Die  Unruhe  verscheucht 
jeden    Gedanken    an    die    Antike,    auch    den    an  Raffael,    und 


'  Journal  III,  157,  158.  Hier  viele  Einzelheiten  über  die  Koloristik  dieser  Medea. 


6o RUBENS  UND  RAFFAEL 

setzt  an  die  Stelle  der  Unsterblichen,  die  die  Sage  in  den 
elysäischen  Gefilden  zur  Gattin  des  Achilles  werden  ließ, 
ein  verfolgtes  Weib.  Das  Bild  behält  Schönheiten  genug, 
um  es  jeder  Galerie  würdig  zu  machen,  aber  ist  nichts- 
destoweniger eines  der  sehr  seltenen  Beispiele  für  das  Versagen 
jener  einzigartigen  Ökonomie  des  Meisters,  in  der  wir  den  stärksten 
Hebel  seiner  Größe  erblicken.  Er  besann  sich.  1862  nimmt  er  die 
alte  Komposition  wieder  vor.  Mit  ganz  unwesentlichen  Ver- 
änderungen, nur  in  einem  mäßig  verkleinerten  Format  wird  das 
Liller  Bild  wiederholt,  und  jetzt  entsteht  die  Medea  des  Louvre^ 
Aus  der  dunkelschimmernden  Wölbung  der  Schlucht  wächst, 
gleich  einer  Vegetation,  die  nur  in  dieser  weltfernen  Grotte  er- 
blühen konnte,  das  Leuchten,  das  sich  zu  der  dreifachen  Nackt- 
heit verdichtet.  Die  Gestalten  sind  von  vollendeter  Körperlichkeit; 
nicht  das  geringste  Detail,  das  wir  sehen  wollen,  bleibt  uns 
verborgen.  Und  doch  ist  das  Ganze  nur  ein  Leuchten,  eine  über- 
irdische, ganz  unteilbare  Erscheinung,  die  jede  Frage  nach  dem 
Detail  unterdrückt.  Selbst  die  vollendete  Harmonie  der  Farben  wird 
zu  einem  Detail,  ja  selbst  die  Tragödie  der  Medea.  Das  ist  der  Unter- 
schied zwischen  diesem  Bilde  und  dem  in  Lille.  Wohl  mag  das  rohe 
Sehen  im  ersten  Augenblick  etwas  Ähnliches  ergeben.  Die  hier 
nicht  weniger  konzentrierte  Dramatik  mag  einen  Moment  den 
Atem  des  Betrachters  ebenso  hemmen  wie  die  einem  Schrei  ver- 
gleichbare Gebärde  der  ersten  Fassung.  Das  dauert  nur  Sekunden. 
Bleibt  man  einen  Augenblick,  so  geht  die  Spannung  in  ruhige, 
wohltuende  Schwingung  über,  und  es  ist,  als  weite  sich  unser  Emp- 
finden, das  vor  dem  Bilde  in  Lille  krampfhaft  erstarrt.  Die  unter 
dem  Farbigen,  unter  dem  Leuchten  verborgenen,  mit  allen  Linien 
verbundenen  rhythmischen  Kräfte  steigen  zu  derselben  Höhe 
hinauf,  auf  die  uns  der  dramatische  Gedanke  des  Motivs  versetzte, 
und  halten  uns  oben  in  einer  unverlierbaren,  unendlich  reinen 
Sphäre.  Und  wieder  meldet  sich  hier,  zarter  als  eine  in  der  Ferne 
klingende  Melodie,  der  Gedanke  an  Raffael.  So  abstrakt  uns  jetzt 
diese  Erinnerung  dünkt,  so  befreit  von  allem  engeren  Utilitarismus 
war  Delacroix'  Denken  an  den  geliebten  Meister.  Wir  werden  viele 

'  Gleichzeitig  entstand  die  kleine  JNIedea  der  Sammlung  Bischoffsheiin    in  Paris, 
eine  Wiederholung  des  Louvrebildes  (Robaut  Nr.   1437). 


RUBENS  UND  RAFFAEL 6i 

Meister,  viele  Erfahrungen  an  der  Entwicklung  Delacroix'  be- 
teiligt finden.  Hinter  allem  steht  wie  ein  ungreifbares  Gefühl 
Raffael.  So  erhaben  uns  in  der  Serie  der  Medea  die  Verklärung 
des  jungen  Delacroix  durch  den  reifen  scheint,  eine  Verklärung, 
die  wir  in  hundert  anderen  Beispielen  wiederfinden  können,  so 
erhaben  erschien  seinem  schöpferischen  Auge  die  stille  Anmut 
des  Jünglings  von  Urbino.  Stille  werden,  hieß  ihn  das  Beispiel. 
Es  bedeutet  alles  für  den  von  Stürmen  gepeitschten  Genius.  Es 
wurde  auch  Rubens  gegenüber  zur  Richtschnur.  Wo  wir  in  dem 
unergründlichen  Verhältnis  zu  dem  Flamen  auf  den  geheimen 
Widerstand  stoßen,  der  kein  Ablehnen,  sondern  ein  höheres  Auf- 
nehmen ist,  da  steht  Raffael,  nicht  wie  ein  Persönliches,  sondern 
wie  ein  Begriff  vor  uns.  Raffael,  seine  Art  Raffael,  ist  das  klärende 
Element,  das  ihn  treibt,  auf  die  kühle  Gliederung  des  rubens- 
haften Chaos  zu  achten.  Raffael  bringt  ihn  zu  Rubens  in  ein  ähn- 
liches und  noch  höheres  Verhältnis  wie  das  zwischen  Poussin  und 
Tizian.  Es  ist  höher,  weil  es  die  Erfindung  des  Jüngers  noch  weniger 
berührt.  Delacroix  lehrt  uns  das  zu  erkennen,  was  der  barocke 
Raffael  schon  von  Rubens  vorhersagte  und  was  Rubens  in  einem 
Winkel  seines  Herzens  von  Raffael  behielt.  Er  macht  die  Ver- 
bindung zwischen  den  Teppichen  des  Vatikans  und  den  Medici- 
Bildern,  die  uns  längst  entging,  wieder  leuchtend. 

Selten  verdrängte  der  unbändige  Flame  die  Mahnung  des 
Römers.  Nur  einmal,  scheint  es,  hat  Rubens  den  Jünger  trunken 
gemacht.  Es  war  in  der  ersten  Zeit,  als  Delacroix  an  das  merk- 
würdigste Werk  seiner  Jugend  ging,  den  «  Tod  des  Sardanapal  ».  Er 
nannte  das  Bild  in  dem  Brief  an  seinen  Freund  Soulier,  als  er  es 
zu  Beginn  des  Jahres  1828  in  den  Salon  von  1827  gebracht  hatte, 
sein  «  Massacre  Nr.  2  ».  Nachher,  als  das  Publikum  gesprochen  hatte, 
nannte  er  es  sein  «Waterloo». 

Das  wurde  es  für  ihn.  Selbst  die  Freunde  verstummten.  Die  Wag- 
nisse des  «  Massacre  »  schienen  verzehnfacht.  Statt  der  Leere  eine 
Überfülle,  aber  um  ebensoviel  größer  die  Unordnung;  der  Schlaf 
eines  Erwachenden,  in  dem  sich  die  Reste  der  Traumbilder  mit 
Realitäten  vermischen;  ein  asiatischer  Teppich  eher  als  ein 
Historienbild,  und  als  Teppich  wiederum  viel  zu  fleischlich,  von 
einem  Sensualismus,    wie  ihn  eben  nur  Rubens  besaß.  Hier  mag 


62 RUBENS  UND  RAFFAEL 

sich  Delacroix  wirklich  einmal  als  Enkel  des  nordischen  Giganten 
gefühlt  haben,  dem  alles  erlaubt  schien.  Den  kalten  Magier,  der 
nie  das  Maß  verlor,  packte  das  Bewußtsein  seines  Übermenschen- 
tums. Die  Wollust,  sich  mit  Unmöglichem  zu  versuchen,  riß  ihn 
hin.  Hier  mag  er  sich  wirklich  einmal  ganz  als  Romantiker  ge- 
fühlt haben,  aber  wurde  es  auch  hier  nicht  auf  Kosten  der  Dichtung. 
Byron  treibt  die  Phantastik  nicht  annähernd  so  weit,  und  die  Un- 
aufführbarkeit  seines  Dramas  beruht  nicht  auf  dem  Übermaß  des 
Delacroixschen  Gemäldes.  Auf  seinem  Scheiterhaufen  zum 
Schluß  thront  nur  der  König,  neben  ihm  die  verzückte  Myrrha. 
Delacroix  macht  einen  Weltbrand  daraus,  als  würden  alle  Juwelen 
der  Erde  geopfert,  und  dazu  Männer,  Weiber,  Tiere  im  Knäuel  um 
das  hohe  Pfühl.  Sogar  ein  Roß  —  das  Profil  eines  guten  Bekannten 
—  wiehert  mit  in  den  Taumel  hinein.  Es  wäre  vollkommener  Wahn- 
sinn, wenn  die  Form  dieser  « dantesken  Vision  der  orien- 
talischen Antike»,  wie  Vachon  das  Bild  nannte^  nicht  Möglich- 
keiten enthielte,  an  die  wir  zu  glauben  vermögen,  wenn  der  Vor- 
gang nicht  gemalt,  nicht  von  Delacroix  gemalt  wäre.  Es  gibt 
wenig  Werke,  in  denen  das  Wunder  jener  theoretisch  so  unfaß- 
baren Übertragung  des  Gegenstands  in  die  Form  gleich  berückend 
zutage  tritt,  in  denen  die  Widerstände  und  die  Kräfte,  die  sie  bannen, 
eine  gleich  hohe  Spannung  erreichen.  Schöne  Einzelheiten  haben 
sicher  teil  an  diesem  Sieg  über  den  Realismus  des  Betrachters. 
Nie  sah  man  seit  Rubens  ein  Fleisch  wie  den  Rücken  der  über 
das  Polster  gelehnten  Favoritin,  ein  Detail,  das  Delacroix  noch 
einmal  in  dem  großen  Fragment  gemalt  hat,  das  jetzt  das  Museum 
von  Angers  besitzt.  Kaum  hat  Delacroix  selbst  einen  erhabeneren 
Ausdruck  von  Würde  geschaffen  als  jene  Pose  des  Herrschers, 
der  seinen  eigenen  Untergang  befiehlt;  selten  einen  größeren 
Zauber  als  die  delirierende  Wollust  der  das  Lager  des  Satrapen  um- 
ringenden Gestalten.  Doch  würde  alles  das  nicht  unsere  Skepsis 
überwinden,  wären  nicht  alle  Einzelheiten,  die  möglichen  so  gut 
wie  die  scheinbar  unmöglichen,  einem  Zusammenhang  Untertan, 
der  keine  Vereinzelung  erlaubt  und  an  Stelle  des  mit  bedachtsamer 
Reflexion    aufzunehmenden    Dinghaften    ein    blitzschnell     Fühl- 

'  Marius  Vachon:  Eugene  Delacroix  ä  l'Ecole  des  Beaux-Arts  (L.  Baschet,  Paris 
s.  d.   [1885])  mit  großen  Abbildungen. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 63 

bares,  auf  viel  weitere  Erfahrungskomplexe  bezogenes  Rhyth- 
misches setzt.  Fühlen  wir  den  Rhythmus,  so  glauben  wir  an  alles, 
würden  noch  an  tollere  Dinge  glauben.  Es  ist  eine  höchst  organisch 
wirksame  Kraft,  die  alle  Dinge  in  ein  Gewebe  von  wunderbaren 
Farben  wirkt,  uns  da,  wo  wir  das  Übertragene  in  unser  gewohntes 
Dasein  zurücktragen  möchten,  einen  Teppich  von  wunderbaren 
Farben  vorzaubert,  der  das  einzelne  der  Diskussion  entzieht;  uns 
da,  wo  wir  dem  Reiz  der  Dekoration  folgen  möchten,  mit  flam- 
menden Gebärden  zum  Visionären  fortreißt'.  In  den  kleinen  Skizzen 
oder  Wiederholungen,  von  denen  die  schönste  bei  Cheramy  war^, 
eine  andere  bei  dem  Händler  Sortais  in  Paris  bewahrt  wird,  ist 
der  Rhythmus  deutlicher,  das  Juwelenhafte  des  Farbigen  noch 
berauschender,  aber  man  gelangt  nicht  in  jenen  tieferen  Rausch, 
der  die  vollkommene  Vorstellungswelt  des  Hellsichtigen  erschließt 
und  uns  in  einem  höchst  gesteigerten  Moment  «  einen  tieferen 
Einblick  in  jenes  monstruöse,  fast  übermenschliche  Altertum  ge- 
stattet, als  es  die  Kolossalbauten  der  Paläste  von  Khorsobad  und 
Saigon  und  die  zyklopischen  Reliefs  von  Ninive  und  Babylon  zu 
tun  vermögen  »^. 

Delacroix'  Temperament  ging  in  dem  « Sardanapal »  durch, 
aber  das  Genie  des  Malers  machte  das  Tempo  mit,  organisierte 
auch  diese,  entlegenen  Gefilden  entsprungene,  Laune,  ordnete  das 
Durcheinander.    Darin,    in   diesem   Ausgleich,    steckt   die   wahre 

'  Leider  ist  das  BUd  nicht  mehr  vollkommen  intakt.  Es  mußte  schon  zu  Lebzeiten 
DelacroLx'  restauriert  werden.  Andrieu,  der  Schüler  Delacroix',  der  die  Restauration 
mit  bestem  Erfolg  übernahm,  führt  die  Schäden,  zumal  die  schweren  Risse,  auf 
die  Kombination  der  Temperauntermalung  mit  der  Oelübermalung  zurück.  (Vgl. 
La  Galerie  Bruyas  S.  367.)  Andrieu  hat  1857  auch  die  Dantebarke  restauriert. 

^  Die  Vente-Kataloge  der  Auktionen  Cheramy  (Mai  1908,  Nr.  226,  und  April  1913. 
Nr.  57)  nehmen  ohne  ersichtlichen  Grund  die  Beteiligung  Poterlets  an  dem  Bilde 
an,  während  sie  bei  dem  «  Combat  du  Giaour  et  du  P;,cha  »  die  vollkommen  fest- 
stehende Autorschaft  Poterlets  verschweigen.  S.  S.  28.  Wenn  wirklich  Poterlet 
einen  Anteil  an  dem  «  Sardanapal »  gehabt  haben  sollte,  könnte  dieser  nur  ganz  äußer- 
licher Art  gewesen  sein  und  wäre  dann  von  Delacroix  vollständig  verwischt  worden. 
Die  Juwelenhafte  Oberfläche  des  Bildes  kann  nur  von  dem  Meister  selbst  herrühren. 
Der  Irrtum  beruht  wahrscheinlich  auf  einer  von  dem  verstorbenen  Haro  begangenen 
Verwechslung.  Auch  Cheramy  war  von  der  lückenlosen  Eigenhändigkeit  des  Bildes 
vollkommen  überzeugt. 

'  Marius  Vachon.   S.  oben. 


64 RUBENS  UND  RAFFAEL 

Verwandtschaft  mit  Rubens,  viel  mehr  als  in  Einzelheiten  der 
Farbe  oder  der  Linie.  Es  gibt  Skizzen  von  Fragonard,  die  man  fast 
für  gefälschte  Skizzen  von  Rubens  nehmen  könnte.  Die  Variation 
bedingt  lediglich  das  geminderte  geistige  Niveau.  Die  Flüssigkeit  ist 
vielleicht  noch  geschmeidiger,  weil  alles  Steinige  aus  dem  Flussbett 
entfernt  ist.  Das  ist  große  Geschicklichkeit  kleinen  Kalibers.  In  der 
Stellung  Delacroix'  zu  Rubens  spricht  ein  Geist  zu  einem  anderen 
Geiste.  Auf  dem  immensen  Wege  zu  einer  Leistung  universellen 
Grades  findet  er  einen  Vorgänger  und  läßt  sich  die  Etappen,  die  jener 
durchgemacht  hat,  dienen,  um  weiter  zu  dringen  auf  der  Fahrt 
zum  Pole.  Nicht  ohne  sie  gründlich  zu  kontrollieren.  Wir  werden 
Rubens  noch  oft  finden.  Er  kommt  auch  in  den  Monumentalwerken 
Delacroix',  gleich  neben  Raffael  zum  Vorschein,  Wir  werden  ihn 
in  fast  allen  Werken  jeglicher  Art  finden.  Aber  nie  etwa  als  Bau- 
stein, den  man  so  wie  er  ist,  zum  Gebäude  verwendet,  immer  von 
einem  unendlich  sorgsamen  Analytiker  gesiebt  und  gesäubert,  auf 
das  reduziert,  was  dem  Gebäude  nottut,  und  doch  nie  verkleinert. 
An  der  großen  «  Bataille  de  Taillebourg  »  von  1837  hat  sicher  der 
Flame  gewichtigen  Anteil.  Dafür  spricht  deutlich  manches 
Detail,  so  das  weit  ausgreifende  Schlachtroß  in  der  Mitte.  Es  hätte 
ebensogut  Gros  und  Gericault  als  Modell  dienen  können,  und  man 
glaubt  es  noch  bei  Chasseriau  in  dem  Rosse  des  Macbeth  wieder- 
zufinden, das  sich  vor  den  Hexen  bäumt.  Aber  während  in  den 
Leiberverschlingungen  des  Flamen  die  Lust  am  Fleisch  grandiose 
Orgien  feiert,  mildert  Delacroix  das  Schlachten  und  vergrößert  die 
Schlacht.  Und  über  der  Wucht,  ganz  unabhängig  von  den  bewegten 
Einzelheiten,  wirkt  noch  etwas  anderes  mit,  das  man  schwächer 
auch  in  allen  schönen  Rubens  spürt,  etwas  ganz  Friedliches,  das  den 
Sinn  gelassen  macht  und  zu  sehr  viel  tieferen,  sehr  viel  ruhigeren 
Empfindungen  treibt,  als  der  Anblick  einer  wirklichen  Schlacht 
einzuflößen  vermöchte.  Es  ist  der  Farbenrhythmus.  Wir  nennen 
ihn  bei  Rubens  das  Rubenshafte,  weil  er  uns  wie  die  Essenz  des 
Meisters  erscheint.  Diese  Essenz  ist  bei  Delacroix  vollkommen 
ersetzt.  Wo  wir  Rubens  zu  finden  glauben,  stoßen  wir  auf  einen 
viel  reicheren  Begriff,  dessen  Quelle  wir  eher  von  Veronese  ab- 
leiten möchten  und  in  dem  schließlich  auch  Veronese  nur  eine 
Eigenschaft  darstellt. 


RUBENS  UND  RAFFAEL 65 

Der  Farbenrhythmus  ist  deutlicher  als  in  dem  großen  Bilde,  von 
dem  man  keinen  rechten  Abstand  nehmen  kann,  in  den  beiden 
Skizzen,  von  denen  die  eine  bei  Haro  war,  die  andere  in  der  Samm- 
lung Gallimard  hängt.  Als  Renoir  die  zweite  von  diesen  sah,  meinte 
er,  sie  gleiche  einem  Rosenbukett.  Vielleicht  hätte  Delacroix 
dasselbe    von    der    Amazonenschlacht   seines    Vorgängers    gesagt. 

Die  endgültige  «  Bataille  de  Taillebourg  »,  in  der  der  S.  Ludwig 
die  von  den  Engländern  besetzte  Brücke  nimmt  (die  Brücke  auf 
dem  Bilde  ist  später  abgeschnitten  worden),  hängt  in  Versailles, 
in  der  berühmten  «  Galerie  des  Batailles »  mit  den  riesigen 
Szenen  von  Gros.  Man  muß  sich  zwingen,  an  ihnen  nicht 
vorüberzueilen.  Es  fehlt  ihnen  das  Blumenhafte,  und  sie 
machen  zu  viel  Geräusch.  Schon  das  1831  entstandene 
Schlachtenbild  von  Delacroix,  «  Bataille  de  Nancy »,  im 
Museum  von  Nancy,  das  der  Komposition  Gros'  nähersteht, 
besiegt  mit  derselben  Entschiedenheit  alle  Bilder  des  Lehrers.  Der 
ganze  Unterschied  zwischen  Gros  und  Delacroix  ist  vielleicht  nur 
der,  daß  der  eine  ein  Schlachtenmaler  ist  und  der  andere  noch 
etwas  anderes.  Delacroix  hat  wie  Rembrandt  alles  gemalt  und  ist 
gar  nicht  denkbar  ohne  die  Fähigkeit,  alles  zu  können.  Und  hat 
alles  gleich  leidenschaftlich  gemalt;  ob  es  Stilleben  sind  oder  Morde. 
Man  kann  verfolgen,  wie  sich  das  Schreckhafte  des  Stoffs  der  ersten 
Jahre  später  immer  mehr  verflüchtet.  In  den  Greuelszenen  des 
«Meurtre  de  l'Eveque  de  Liege»  und  des  «Boissy  d' Anglas»,  von 
1829  und  1831  scheint  der  Tumult  den  Raum  zu  sprengen.  Frei- 
lich bezwingt  die  Architektur  auf  diesen  Bildern  das  Getümmel. 
Man  weiß,  welche  Suggestionen  Delacroix  aus  den  Raumwirkungen 
schöner  Säle  gewann,  und  er  wußte  sie  zu  benutzen^.  Aber  das 

'  Robaut  erzählt  darüber  eine  hübsche  Geschichte.  Er  hatte  mit  Corot  die  «  Amanda 
honorable  »  Delacroix'  im  «  Salon  »  von  1831  bewundert,  auch  eines  der  Bilder,  auf 
dem  die  Architektur  eine  bedeutsame  RoUe  spielt  (Robaut  Nr.  351).  Delacroix  war 
das  in  Spanien  spielende  Motiv  in  dem  großen  Saale  des  Palais  de  justice  von  Rouen 
eingefallen.  Ein  paar  Tage  nach  der  Eröffnung  des  «  Salon  »  waren  Corot  und  Robaut 
in  Rouen  und  besuchten  den  alten  Palast.  Robaut  war  in  die  Bewunderung  des  be- 
rühmten pfeilerlosen  Holzgewölbes  versunken.  Und  Corot  rief  plötzlich  aus:  «  Quel 
homme!  quel  homme!  »  Er  dachte  nur  an  das,  was  Delacroix  aus  dieser  Architektur 
gemacht  hatte. 

In  einem  anderen  Bilde  derselben  Zeit  gelingt  der  Architektur  nicht,  die  mangel- 

Meier-Graefe,  Delacroix  C 


66 


RUBENS  UND  RAFFAEL 


Mittel  bleibt,  zumal  in  dem  «  Meurtre  de  l'Eveque  de  Liege », 
physischer  Art,  eine  Architektur  von  außen,  wird  nicht  ganz  zu 
der  inneren  Baukunst,  zu  der  spezifisch  malerischen  Struktur.  Die 
Malerei  läuft  auf  den  nicht  ganz  ungekünstelten  Beleuchtungs- 
effekt mit  dem  Tischtuch  hinaus,  den  schon  die  Bestimmung  des 
Werkes  charakterisiert.  Sollte  doch  das  Bild,  nach  Delacroix'  Idee, 
zumal  abends  bei  Lampenlicht  wirken.  Die  Ausstellung  des  be- 
rühmten Gemäldes  im  vorigen  Jahre  auf  der  Vente  Carcano  ent- 
täuschte ein  wenig.  Mir  fiel  eine  flämische  Derbheit  in  der  Schil- 
derung der  wilden  Tafelrunde  auf,  die  nicht  ganz  der  Noblesse 
entspricht,  an  die  wir  bei  Delacroix  gewöhnt  sind,  und  die  Ab- 
stammung von  Raffael  verleugnet. 

Je  mehr  später  die  Bilder  Farbe  aufnehmen,  desto  ferner  tönt 
das  Lärmen  der  dargestellten  Menge,  trotzdem  die  Massen  leben- 
diger werden.  Bei  Rubens  und  bei  Rembrandt  ist  es  geradeso. 

hafte  Bewegung  der  Menge  zu  ersetzen.  Ich  meine  das  Bild  «  Mirabeau  et  Dreux  », 
das  1907  auf  der  Delacroix-Ausstellung  bei  Cassirer  figurierte.  Es  stellt  die  Worte 
Mirabeaus  dar,  mit  denen  die  Revolution  begann,  ein  unglücklicher  Einfall,  der 
auf  das  Konto  des  öffentlichen  Preisausschreibens  zu  setzen  ist,  an  dem  sich  Delacroix 
vielleicht  ohne  Begeisterung  (man  denke  an  seinen  Aufsatz  über  Preisausschreiben) 
beteiligte.  Auch  das  «  Boissy  d'Anglas  »  entstand  aus  gleichem  Anlaß.  In  der  schönen 
Skizze  zu  dem  «  Mirabeau  »,  die  der  Baron  Denys-Cochin  besitzt,  hat  Delacroix  das 
Motiv  überwunden. 


DIE  FARBENLEHRE 


Eine  Ergänzung  aller  künstlerischen  Erlebnisse  seiner  Jugend 
fand  Delacroix  im  Orient.  Im  Januar  1832  schifft  er  sich  in 
Toulon  nach  Marokko  ein.  Die  Reise  ist  die  wichtigste  Station 
seines  Lebens^.  Das  halbe  Jahr  an  der  Küste  Afrikas  ist  für  seine 
Entwicklung  das  gewaltige  Stück  Natur,  das  zu  allen  künstle- 
rischen Einflüssen  hinzukommen  mußte,  um  ihnen  Erde,  Humus 


'  Näheres  über  die  Reise  in  dem  von  Jean  Guiffrey  herausgegebenen  Textband  zu 
dem  faksimilierten  Skizzenbuch  des  Louvre  «  Le  Voyage  de  Eugene  Delacroix  au 
Maroc  »  (Andre  Marty,  Paris  1909).  Vor  kurzem  ist,  ebenfalls  auf  Veranlassung  von 
Andre  Marty,  auch  das  schöne  Skizzenbuch  der  Reise,    das  sich    im  Museum    von 


70 DIE  FARBENLEHRE 

zu  geben,  und  bedeutet  mehr  als  sie.  Er  fand  in  Marokko  das 
«  Dictionnaire  »  für  alle  kommenden  Bilder,  die  Motive,  die  seiner 
Art  angemessen  waren,  die  Modelle,  die  er  brauchte,  die  Farbe 
für  seine  Palette,  und  mehr  als  alles  das:  das  Land  seiner  Träume. 
Das  gilt  im  engen  und  im  weitesten  Sinne.  Er  hatte  bis  dahin  die 
Szenen  seiner  Bilder,  die  schon  vor  der  Reise  gern  im  Süden 
spielen,  erdacht,  und  zuweilen  spürt  man  das  Erdachte.  Jetzt 
findet  er  das  Objekt  für  das  geheime  Sehnen  seines  Temperaments, 
das  immer  im  Norden  fröstelte,  das  ein  rätselhafter  Wille  der  Natur 
für  diesen  Süden  bestimmte,  auf  den  schon  manches  an  der  äußeren 
Erscheinung  des  Menschen  hinzuweisen  schien.  Er  bleibt  trotzdem 
im  vollen  Besitz  seiner  Subjektivität,  wird  so  wenig  Orientalist, 
wie  er  vorher  Schlachtenmaler  war  oder  Dante-  oder  Goethe- 
bilder gemalt  hat,  aber  entdeckt  eine  Heimat,  das  ideale  Gefäß 
für  seinen  Geist,  so  wie  Greco  in  Spanien  seine  Heimat  entdeckte. 
Und  wenn  ihn  vorher  die  ärmere  Natur  zum  Glühen  brachte,  hier, 
unter  dem  leuchtenden  Himmel,  flammte  er. 

Diese  Europaflucht  könnte  als  wohlbekanntes  Symptom  der 
Romantik  gelten,  wüßten  wir  nichts  Näheres  über  die  Reise. 
Delacroix  war  nichts  weniger  als  Träumer  und  Dichter  in  dem 
fremden  Lande.  Geträumt  hat  er  von  seinen  Erlebnissen,  als  er 
wieder  in  der  Heimat  war.  In  Marokko  tat  er  nichts  als  seine 
Augen  gebrauchen.  Er  erscheint  als  Forscher.  Die  schönen 
Skizzenbücher  der  Reise  könnten  einem  genial  begabten  Ethno- 
graphen gehören,  der  in  das  Land  geht,  um  Sitten  und  Gebräuche 
zu  studieren.  Sie  sind  voll  von  allen  nur  erdenklichen  Angaben. 
Wir  können  uns  bei  vielen,  auch  wenn  alle  auf  dem  Gebiet  des 
Sichtbaren  liegen,  kaum  erklären,  warum  sie  gerade  ihm,  dem 
kühnen  Dichter,  wesentlich  erscheinen  konnten.  Er  beschreibt 
eingehend  in  Wort  und  Bild  die  Kostüme  der  Männer  und  Frauen, 
die  er  zuweilen  nur  mit  Lebensgefahr  zeichnen  konnte;  wie  die 
Leute  der  verschiedenen  Klassen  den  Burnus  binden,  wie  der 
«  Halle  »  gerafft  wird.  Unten  auf  einer  Seite  ermahnt  er  sich,  zu 


Chantilly  befindet,  faksimiliert  und  von  Guiffrey  herausgegeben  worden.  (J.Terquem 
&  Co.  und  P.  Lemare,  Paris  191 3.)  Der  Aufenthalt  in  Afrika  dauerte  vom  24.  Januar 
bis  28.  Juni,  wurde  aber  durch  einen  Ausflug  von  mehreren  Wochen  nach  Spanien 
(Cadiz  und  Sevilla)  unterbrochen. 


DIE  FARBENLEHRE 71 

lernen  den  Haik  «  a  la  mode  de  Tripoli »  zu  tragen.  Natürlich 
werden  die  verschiedensten  Arten  von  Behausungen  skizziert 
und  das,  was  darin  vorgeht,  das  Leben  des  Alltags  und  das  der 
Feste.  Er  beschreibt  mit  minutiösen  Einzelheiten  eine  jüdische 
Hochzeit,  und  wir  erleben  in  der  Form  einer  objektiven,  peinlich 
genauen  Darstellung  die  «  Noce  juive  au  Maroc »  des  Louvre, 
die  sieben  Jahre  nach  der  Reise  entstand.  Wir  finden  die  Doku- 
mente für  Werke,  die  dreißig  Jahre  später  entstanden.  Fast  gilt 
von  Delacroix  dasselbe  wie  von  Flaubert,  von  dem  man  sagen 
könnte,  jedes  Wort  sei  durch  Bände  belegt.  Und  die  Sicherung 
unseres  Gefühls  ist  in  diesem  Falle  noch  um  vieles  merkwürdiger. 
Es  gelingt  uns  leichter,  uns  vorzustellen,  daß  Delacroix  aus  der 
Phantasie  allein  seine  die  Erde  kaum  berührenden  Gestalten 
schuf,  als  uns  klar  zu  werden,  daß  er  Dinge  benützte,  die  auch 
jeder  von  uns  gesehen  haben  könnte.  Nichtsdestoweniger  ist  dieser 
Zusammenhang  von  Dichtung  und  Wahrheit  das  a  und  w  seiner 
ganzen  Kunst. 

Man  hat  sich  oft  gefragt,  warum  der  begeisterte  Verehrer  der 
Römer  und  Venezianer  nie  die  geplante  Reise  nach  Italien  unter- 
nahm; zumal  nach  Venedig,  der  Stadt  des  Veronese,  dem  er,  wie 
er  einmal  sagte,  sein  ganzes  Wissen  verdankte.  Die  Fahrt  nach 
Marokko  ist  die  Antwort.  Sie  war  eine  Reise  über  Venedig  und 
Rom  hinaus,  ein  dichterisches  Erleben  jener  die  Jahrhunderte 
umfassenden  Befruchtung  des  Okzidents  durch  den  Orient,  das 
ihm  keine  Galerie  Italiens  zu  ersetzen  vermocht  hätte.  Vor  den 
Augen  des  Reisenden  verwirklicht  sich  der  kühne  Traum  von  der 
Vereinigung  Raffaels  mit  Rubens,  von  der  Wiederauferstehung 
eines  Veronese.  Und  noch  Höheres.  Er  erblickte,  nicht  in  Marmor 
oder  Erz,  sondern  in  Fleisch  und  Blut,  die  Antike,  seine  Antike. 

Die  Leute  in  Tanger  wirkten  auf  ihn  wie  wahre  «  personnages 
consulaires  »  des  alten  Rom.  In  dem  entlegenen  Mequinez,  dem 
Endpunkt  der  Expedition,  der  er  durch  die  Freundschaft  des 
französischen  Gesandten  zugeteilt  war,  scheint  er  keine  skanda- 
lierenden  Wilde,  sondern  Tizian,  Veronese,  Tintoretto  gefunden  zu 
haben. 

Der  afrikanische  Himmel  war  das  denkbar  günstigste  Ver- 
suchsobjekt,   um    hinter    das    Physiologische    der    Venezianer   zu 


72 DIE  FARBENLEHRE 

kommen.  Delacroix  erkannte  hier  die  Notwendigkeit,  die  Gesetze 
der  Optik  für  die  Konfektion  der  Palette  zu  verwenden,  die  Chevreul 
wissenschaftlich  bestätigen  sollte;  die  entscheidende  Fortsetzung 
Constables,  die  wesentliche  Ergänzung  der  Koloristik  des  späteren 
Turner.  Auf  eine  der  ersten  Seiten  des  Skizzenbuches,  das  dem 
Museum  von  Chantilly  gehört,  hat  Delacroix  folgendes  Dreieck 
gezeichnet : 


Darunter  steht: 

«  Des  trois  couleurs  primitives  se  forment  les  trois  binaires. 
—  Si  au  ton  binaire  vous  ajoutez  le  ton  primitif  qui  lui 
est  oppose,  vous  l'annihilez,  c'est  a  dire  vous  en  produisez 
la  demi-teinte  necessaire. »  Damit  war  das  für  die  moderne 
Malerei  unentbehrliche  Prinzip  der  «  Contrastes  simultanes  des 
couleurs »  gegeben.  Der  Maler  zog  die  Sonne,  die  Urheberin 
aller  Pracht,  zur  Mithelferin  heran.  Wie  sich  die  Strahlen 
in  der  Linse  des  Auges  brechen,  so  mußten  sie  auf  die  Leinwand 
kommen.  Also  vor  allem  keine  schmutzigen  Mischtöne  mehr,  kein 
Anlehnen  an  den  Zufall  in  der  Patina  alter  Bilder,  womit  doch  nie, 
Reynolds  und  die  anderen  zeigten  es  deutlich,  die  Pracht  der  Alten 
wieder  zu  erreichen  war.  Im  Licht  gab  es  keinen  Schmutz,  auch 
nicht  im  Schatten  des  Lichtes.  Das  Schwarz  oder  Braun,  mit  dem 
die  Klassizisten  die  Modellierung  machten,  war  eine  ganz  willkür- 
liche Zutat.  «Aj outer  du  noir  n'est  pas  aj outer  de  la  demi-teinte, 
c'est  salir  le  ton  dont  la  demi-teinte  veritable  se  trouve  dans  le  ton 


PRISE  DE  CONSTANTINOPI.E  PAR  LES  CROISES,  1841. 
5,00  :  4,13.  (ROBAUT  Nr.  734.) 
LOUVRE,  PARIS. 
PHOTO  BRAUN. 


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DIE  FARBENLEHRE 73 

oppose  que  nous  avons  dit.»  Und  die  Konsequenz:  «De  la,  les 
ombres  vertes  dans  le  rouge. »  Er  hat  es  an  zwei  Eingeborenen  be- 
obachtet: «Celui  qui  etait  jaune  avait  des  ombres  violettes;  celui 
qui  etait  le  plus  sanguin  et  le  plus  rouge,  des  ombres  vertes.» 

Übrigens  hatte  Delacroix  das  Wesentliche  dieses  Gesetzes  von  der 
Tönung  einer  Farbe  im  Schatten  durch  die  Komplementäre 
derselben  Farbe  im  Licht,  das  ihm  der  Orient  in  tausend  An- 
wendungen zeigte,  schon  vorher  in  Paris  entdeckt,  und  zwar 
ebenso  spontan,  wie  zu  gleicher  Zeit  Goethe  vor  dem  Krokus- 
beet in  Weimar.  «  Er  war  eines  Tages  —  gegen  1830  —  dabei, 
einen  gelben  Vorhang  zu  malen  und  außer  sich,  weil  es  ihm  nicht 
gelang,  dem  Gelb  den  Glanz  zu  geben,  der  ihm  vorschwebte. 
Wie  haben,  fragt  er  sich,  Rubens  und  Veronese  ihre  schönen 
leuchtenden  Gelbs  erreicht?  Er  beschließt,  in  den  Louvre 
zu  gehen  und  läßt  einen  Wagen  holen.  Man  bringt  ihm 
eines  der  kanariengelben  Kabrioletts,  die  damals  im  Gebrauch 
waren.  Wie  er  einsteigen  will,  hält  er  plötzlich  inne  und  sieht  zu 
seinem  Erstaunen,  daß  das  Gelb  des  Wagens  im  Schatten  Violett 
erzeugt.  Er  entläßt  den  Kutscher,  läuft  die  Treppen  wieder  hinauf 
und  gibt  sich  sofort  daran,  das  soeben  Gesehene  auf  die  Leinwand 
zu  bringen. »  Die  Episode  ist  Charles  Blanc  entnommen,  dem  wir 
die  beste  Darstellung  der  Entdeckerrolle  Delacroix'  verdanken^. 
Die  beste  (die  glänzende  Analyse  Signacs^  nicht  ausgenommen), 
weil  er  nicht  die  durch  keine  noch  so  rationelle  Formel  zu  fassende 
Gesetzmäßigkeit  Delacroix'  zu  verengen  versucht  hat.  Sein  Hin- 
weis auf  die  Tatsache,  daß  der  Kolorist,  da  ihm  die  Bestimmung 
der  Mengen  seiner  chromatisch  angeordneten  Farben^  und  un- 
zählige Modifikationsmöglichkeiten  bleiben,  in  seiner  Gestaltung 
nicht  gehindert  ist,  findet  sich  auch  in  den  Theorien  der  Spezialisten, 
aber  wird  immer  im  Nebensatz  behandelt,  während  er  in  Wirk- 
lichkeit    die     Hauptsache     betrifft.    Die    Farbenlehre     blieb     bei 


'  Grammaire  des  Arts  du  Dessin,  zuerst  in  der  Gazette  des  Beaux  Arts  vom 
I.  April  1866.  Vgl.  auch  den  Aufsatz  Blancs  über  Delacroix  in  derselben  Zeitschrift 
vom  I.  Januar  1864,  -wiederholt  in  Les  Artistes  de  mon  temps  (Didot,  Paris  1876). 

'  De  Delacroix  au  neoimpressionisme  (Revue  Blanche,  Paris  1890). 

'  Man  denke  an  den  glänzenden  Vergleich  mit  der  durch  den  Wind  bewegten 
Trikolore  (Ziegler). 


74 DIE  FARBENLEHRE 

Delacroix  im  Unterbewußtsein  des  Dramatikers.  Sein  Schwung 
ließ  die  Farben  zu  Handlangern  seiner  Leidenschaft  werden, 
ohne  sie  ihrer  Rechte  zu  berauben.  Er  dachte,  wenn  er 
malte,  nicht  an  den  « Chronometer »,  den  er  sich,  um  die 
gesetzmäßigen  Wirkungsverhältnisse  der  Farben  immer  vor  Augen 
zu  haben,  gemacht  hatte^.  Er  sah  nur  hin,  wenn  ihm  der  Dämon 
Zeit  ließ.  Sein  Genius  war  dem  edlen  Renner  vergleichbar,  der  auch 
in  der  rasendsten  Bewegung  das  Ebenmaß  der  Glieder,  ein  stets 
wechselndes  Maß,  behält. 

Aber  ebensowenig  war  er  der  Mensch,  Erfahrungen  unbenutzt 
zu  lassen,  am  wenigsten  so  elementare  Erfahrungen,  die  seiner 
ganzen  Geistesart  entsprachen.  Der  Mensch,  dem  nichts  so  ver- 
haßt war,  wie  der  Zufall,  der  in  der  Struktur  des  Bildes  die  « infer- 
nale commodite  de  la  brosse»  über  alles  fürchtete  und  schon  da- 
mals in  der  von  keiner  Erkenntnis  geleiteten  Geschicklichkeit  der 
Hand  das  größte  Hindernis  gegen  den  Fortschritt  sah  —  hätte  er 
geahnt,  was  diese  «manie  universelle»  uns  bescheren  würde!  — 
dem  mußte  diese  Farbenlehre,  soweit  er  sie  erkannte,  zur  Not- 
wendigkeit werden.  Nicht  weil  er  sie  brauchte,  gerade  weil  er  sie 
nicht  gebraucht  hätte,  weil  sie  dem  Instinkt  des  Dichters  so  ent- 
gegengesetzt wie  möglich  war.  Er  sah  in  ihr  das,  was  alle  vernünf- 
tige Konvention  dem  adeligen  Menschen  bedeutet,  ein  Mittel  gegen 
die  Willkür  des  Individuellen,  in  diesem  Falle  nahezu  eine  Hygiene. 

Man  kann  nicht  genug  betonen,  wie  rein  geistiger  Art  diese  Hygiene 
war.  Wohl  liebte  Delacroix  die  Farbe  als  solche  wie  der  Krieger 
seine  Waffe  und  hatte  an  der  Palette,  die  er  stets  mit  größter 
Sorgfalt  zusammenstellte,  bevor  er  an  eine  neue  Arbeit  ging, 
die  größte,  man  darf  sagen,  animalische  Freude.  Nie  aber 
mischte  sich  ein  verengender  Materialismus  in  die  Spekulation 
des  mit  Farben  deduzierenden  Philosophen.  Ja,  er  vernach- 
lässigte sogar  mit  genialer  Sorglosigkeit  gewisse  rein  äußerliche 
Vorsichtsmaßregeln    des    Handwerks,    die    der    Erhaltung    seiner 


1  Pour  l'application  de  ce  Systeme  (des  Gesetzes  von  den  Komplementäxfarben), 
Delacroix  s'6tait  fait  une  espece  de  cadran  en  carton  que  l'on  pourrait  appeler  son 
chronometre.  A  chacun  des  degres  etait  dispose,  comme  autour  d'une  palette,  un 
petit  tas  de  couleur  qui  avait  ses  voisinages  immediats  et  ses  oppositions  diametrales. 
(Th.  Silvestre,  E.  Delacroix,  Documents  nouveaux,  S.  17.) 


DIE  FARBENLEHRE 75 

Bilder  von  Vorteil  gewesen  wären.  Darüber  hat  uns  Villot,  derselbe, 
dem  wir  die  erste  Nachricht  von  Delacroix'  Beziehungen  zu  Con- 
stable  verdanken,  eine  lehrreiche,  wenn  auch  nicht  ganz  gültige 
Nachricht  hinterlassen.  Sensier  hatte  in  einem  Aufsatz  über  die 
Restauration  der  Kuppel  des  Luxembourg  auf  Delacroix'  Sorgfalt  in 
der  Bereitung  des  Malgrundes  usw.  hingewiesen^  Darauf  antwortet 
Villot  in  einem  Brief  an  Sensier:  «Delacroix  war,  solange  er  lebte, 
unfähig,  eine  gute  Leinwand  von  einer  schlechten,  haltbare  Farben 
von  schädlichen  und  vergänglichen  zu  unterscheiden.  Sobald  ihm 
das  Korn  der  Leinwand  oder  die  Nuance  der  Farbe  gefielen,  waren 
alle  Warnungen,  um  ihn  von  der  Verwendung  solcher  Materialien 
abzuhalten,  vergebens.  Ich  habe  es  mehr  als  tausendmal  erfahren. 
Trotzdem  sich  seine  Bilder  schon  nach  sehr  kurzer  Zeit  ver- 
änderten und  er  diese  Veränderungen  bitter  beklagte,  konnte  er 
sich  nie  entschließen,  von  dem  bequemen,  aber  gefährlichen  Asphalt 
und  den  fetten  Ölen  zu  lassen  oder  Stellen,  die  noch  naß  waren 
und  die  er  ändern  wollte,  zu  übergehen.  Die  einfachsten  Elemente 
der  Physik,  der  Chemie  und  der  Mathematik  (Perspektive)  gingen 
ihm  vollständig  ab;  die  exakten  Wissenschaften  waren  ihm  toter 
Buchstabe  und  fast  zuwider  ( ?).  Die  Leute,  die  sich  damit  abgaben, 
mit  dem  Kompaß  arbeiteten,  saubere  Linien  zogen  etc.,  nannte  er 
C  o  1 1  e  u  r  s.  Ich  war  für  ihn  der  Colleur  par  excellence.  In  dieser 
Eigenschaft  bediente  er  sich  meiner  bei  gewissen  Anlässen,  die  ihn 
langweilten  und  ihm  im  Grunde  gleichgültig  waren.  Aber  wenn 
sein  Colleur  ihn  von  seiner  schrecklichen  Methode  abbringen  wollte 
und  ihm  bessere,  die  seit  drei  Jahrhunderten  von  Paul  Veronese, 
Tizian,  Rubens  usw.  befolgt  wurden,  vorschlug,  antwortete  er, 
obwohl  ich  ihm  die  Beweise  und  die  zeitgenössischen  Schriften  vor 
Augen  hielt,  stets  mit  derselben  Frage:  «Sind  Sie  dessen  wirklich 
sicher?»  Dieser  stereotype  Satz  wollte  höflich  sagen:  «Schere  dich 
zum  Teufel!  ich  habe  vielleicht  im  Grunde  unrecht,  aber  will  vor 
allem  nach  meiner  Idee  handeln  und  mir  genug  tun.»  Und  selt- 
sam, derselbe  Delacroix,  der  uneigennützigen,  auf  wissenschaft- 
liche Tatsachen  gestützten  Ratschlägen  so  unzugänglich  war,  fiel 
auf  alle  Erfindungen  der  Farbenhändler  herein,  obwohl  er  mehrere 

'  In  der  Revue  internationale  de  TArt  et  de  la  Curiosit6  vom  15.  Juli  1869  unter 
dem  Pseudonym   Jean  Ravenal. 


76 DIE  FARBENLEHRE 

Male  grausam  dafür  bestraft  wurde.  Aufsaugende,  halbsaugende 
Leinwand,  Kombinationen  von  Wachs,  öl  und  den  Firnissen  (die 
schon  Reynolds  so  schlecht  bekommen  waren),  neue,  unsolide 
Farben,  alles  das  fand  in  ihm  einen  Bewunderer,  sobald  es  den 
Bedürfnissen  des  Augenblicks  entsprach.  Dasselbe  wiederholte  sich, 
wenn  es  galt,  seine  Bilder  in  Wölbungen  oder  Plafonds  anzubringen. 
Ich  konnte  ihm  noch  so  oft  empfehlen,  die  Dekoration  in  zahl- 
reichere Stücke  zu  zerlegen  und  die  Teile  nach  der  Methode  der 
Dekorateure,  die  die  großen  Plafonds  der  Theater  malen,  zu 
befestigen  (übermalte  Nägel  anzubringen,  d.  h.  ein  Verfahren,  das 
im  Falle  eines  Unfalls  erlaubte,  das  Leinwandstück  von  der  Mauer 
oder  dem  Balken  zu  entfernen) :  alles  vergebens.  Er  hielt  sich  aus- 
schließlich an  die  Erfahrung  der  Herren  Haro  senior  und  junior  »^ 
Wir  dürfen  bei  dieser  Epistel  nicht  vergessen,  daß  der  Schreiber 
zu  der  besonderen  Kategorie  von  Malern  gehörte,  die  sich  mit  der 
Restaurierung  von  Bildern  beschäftigen.  Einige  Hauptwerke  des 
Louvre  tragen  noch  heute  die  unglücklichen  Spuren  Villotscher 
Tätigkeit;  zumal  der  große  Veronese,  den  Villot  nach  dem  Worte 
Delacroix',  «unter  sich  tötete »2.  Delacroix  sah  in  dem  Freund, 
mit  dem  er  gern  verkehrte,  tatsächlich  das,  was  dieser  vermutete. 
«Le  bon  Villot,»  sagt  er  einmal,  «qui  ne  peut  rien  tirer  de  son 
fonds  sterile,  est  orne  des  connaissances  les  plus  variees  et  les 
plus  inutiles ;  il  a  ainsi  la  satisfaction  de  se  trouver  ä  tout  instant 
superieur  a  l'homme  le  plus  rare  ou  les  plus  eminent,  qui  ne 
Test  dans  une  partie  oü  il  excelle  »^.  Übrigens  hat  sich  später 
Delacroix  mit  seinem  C  o  1 1  e  u  r  überworfen*. 


'  Villot  schreibt  der  Beteiligung  der  beiden  Haro  (der  Leibhändler  Delacroix') 
die  Schicksale  der  Monumentalmalereien  Delacroix'  zu,  von  denen  die  Dekoration 
des  Luxembourg  bekanntlich  eines  Tages  von  der  Kuppel  herunterfiel  und  nur  mit 
großen  Schwierigkeiten  restauriert  werden  konnte.  Der  Louvreplafond  mußte  neu 
geklebt  werden  und  die  Dekorationen  der  Chambre  des  deputes  sind  in  ruinösem 
Zustand.  Der  erste  Teil  des  ausführlichen  Briefes  gibt  interessante  Details  über 
Delacroix'  Konzeption  seiner  literarischen  Motive.  Den  Brief  hat  Toumeux  in  seinem 
ausgezeichneten  Buch  «  Eugene  Delacroix  devant  ses  Contemporains »  (Jules  Rouam, 
Paris   1886)  veröffentlicht. 

-   Journal  II,   S.   237. 

^   Journal  II,   S.   100. 

'  Vgl.  den  im  Anhang  unseres  Buches  veröffentlichten  Brief  an  Schwitervom27. 1.61. 


DIE  FARBENLEHRE 77 

Der  von  Villot  behaupteten  Abneigung  Delacroix'  gegen  die 
Wissenschaft  widerspricht  nicht  nur  das  Verhältnis  des  Meisters 
zur  Farbenlehre,  sondern  alles,  was  wir  von  seiner  Lebensan- 
schauung wissen.  Er  war  nur  gegen  das  unnütze  Wissen  eines 
Villot,  nicht  gegen  eine  Wissenschaft  aus  geistigen  Quellen  und 
geistigen  Grades.  Ich  erinnere  an  die  Spazierfahrt  mit  Chopin  im 
Frühling  1849,  von  der  eine  schöne  Seite  im  Journal  berichtet. 
Der  Freund  hatte  ihn  über  den  Kontrapunkt  und  die  Fuge  unter- 
richtet, «die  reine  Logik  in  der  Musik».  Dieser  Ideengang  führt 
Delacroix  zu  einem  Exkurs  über  die  Wissenschaft.  «La  vraie 
Science  n'est  pas  ce  que  Ton  entend  ordinairement  par  ce  mot, 
c'est  a  dire  une  partie  de  la  connaissance  differente  de  l'art,  non! 
La  science  envisagee  ainsi,  demontree  par  un  homme  comme 
Chopin,  est  l'art  lui  meme,  et  par  contre  l'art  n'est  plus  alors  ce 
que  le  croit  le  vulgaire,  c'est  a  dire  une  sorte  d'inspiration  qui 
vient  de  je  ne  sais  oü,  qui  marche  au  hasard  et  ne  presente  que 
l'exterieur  pittoresque  des  choses.  C'est  la  raison  elle-meme  ornee 
par  le  genie,  mais  suivant  une  marche  necessaire  et  contenue 
par  des  lois  super ieures»^. 

Trotzdem  hat  Villot,  nicht  im  wesentlichen,  aber  in  der  Einzel- 
heit, recht.  Wohl  verschmähte  Delacroix  nicht,  sich  um  alle  großen, 
kleinen  und  kleinsten  Fragen  des  Handwerks  zu  kümmern,  und 
die  Frage  nach  den  besten  Pigmenten  und  Firnissen  gehört  sicher 
nicht  zu  den  kleinen.  Aber  er  ließ  sich  im  gegebenen  Moment  ver- 
führen, wäre  mit  seinem  Pensum,  wenn  er  anders  gehandelt  hätte, 
nicht  fertig  gev/orden,  vergaß  die  Vorsicht,  eigene  Erfahrung  und 
gute  Ratschläge,  wenn  es  höhere  Interessen  galt. 

Das  beweist  manches  Bild  Delacroix'  zumal  aus  der  frühen  und 
mittleren  Zeit,  das  nur  noch  die  Ruine  des  Palastes  ist,  den  der 
Meister  mit  unzureichendem  Baumaterial  errichtete.  Gerade  viele 
Bilder,  die  auf  die  Marokkoreise  folgten,  z.  B.  die  «  Noce  juive  », 
im  Louvre,  haben  am  schwersten  gelitten.  Freilich  triumphiert 
der  Geist  auch  noch  in  diesen  Fragmenten  über  die  Materie.  Sie 
sind  wie  die  Münzen  der  Alten,  denen  keine  Abnützung  die  Größe 
zu  rauben  vermag,  weil  sie  groß  komponiert  sind. 


'   Journal  I,   S.   365. 


78 DIE  FARBENLEHRE 

Das  erste  leuchtende  Resultat  des  Koloristen  war  das  Louvre- 
bild  «  Femmes  d'Alger  dans  leur  appartement »,  von  1833;  das 
letzte  wurde  erst  mit  dem  letzten  Bilde  seiner  Hand  erschöpft. 
Die  Entwicklung  des  Farbigen  ist  mindestens  fünfundzwanzig  Jahre 
lang  von  der  Reise  nach  Marokko  an  im  stetigen  Fortschritt. 
Und  zwar  sei  unter  dem  Farbigen  nicht  nur  die  aus  der  Palette 
gewonnene  Harmonie  verstanden,  sondern  auch  das,  was  die 
mechanische  Behandlung  der  Farbenpartikel  ergibt.  Delacroix 
vergaß  nie,  daß  eine  Fläche,  auf  der  die  Farbe  in  mehreren  Strichen 
verteilt  ist,  eine  viel  reichere  Wirkung  hervorbringt  als  eine,  auf 
der  dieselbe  Farbe  in  einem  einzigen  Pinselstrich  aufgetragen 
wurde.  So  wenig  er  sich  verleiten  ließ,  aus  dem  Strich  ein  be- 
sonderes Zeichen  seiner  Persönlichkeit  zu  machen  —  was  uns 
nicht  hindert,  seine  Art  in  jedem  Strich  zu  erkennen  — ,  so  wenig 
übersah  er  die  Hilfen,  die  aus  dem  Ziselieren  des  Farbenflecks 
zu  erreichen  waren.  Auch  darin  brachte  er  es  mit  den  Jahren  zu 
einer  Meisterschaft,  die  um  so  erstaunlicher  wirkt,  je  verhüllter 
sie  auftritt. 

Die  «  Femmes  d'Alger »  zeigen  die  ganze  Pracht  der  Palette 
und  die  Weisheit  des  Koloristen,  der  aus  dem  Pigment  die  größte 
Wirkung  gewinnt.  Die  Rot  und  Grün,  Orange  und  Blau  mischen 
sich  im  Auge  zu  reinen  Harmonien.  Delacroix  hat  sie  nicht  immer 
rein  nebeneinander  gesetzt,  aber  durch  ein  Spiel  von  verwandten 
Tönen  wenigstens  so  genähert,  daß  der  Kontrast  erreicht  wird. 
So  findet  man  das  Rot  mit  Orange  gemischt,  das  Blau  mit 
Grün.  Die  verwandten  Farben  liegen  oft  in  kleinen  Strichen  über- 
einander. Das  Gelb  wird  durch  Rot  gekräftigt,  das  Orange  gewinnt 
durch  kleinere  Teile  von  Gelb  ein  erhöhtes  Leuchten.  Der  Be- 
trachter, der  nicht  näher  tritt,  glaubt  an  eine  starke  Beteiligung 
grauer  Mischtöne.  In  Wirklichkeit  bildet  er  selbst  erst  das  Grau. 
Es  entsteht  aus  Rosa  und  Grün  auf  Weiß  usw.  Diese  unbewußte 
Beteiligung  des  Betrachters,  die  sich  bei  jedem  Schritt  ändert, 
gibt  den  Reichtum  des  Bildes.  Es  ist,  als  wäre  der  ganze  Orient 
in  diesem  stillen  Raum  mit  der  glitzernden  Fayencewand 
und  dem  unerhörten  Prunk  der  Stoffe  eingeschlossen.  Die 
Frauen  liegen  da  wie  träumende  Schlangen,  die  ein  tier- 
anbetender   Kult    mit   Juwelen    schmückt.    Es    muß    ein    merk- 


DIE  FARBENLEHRE 79 

würdiger  Eindruck  gewesen  sein,  in  demselben  Salon  von  1834 
dieses  Bild  neben  der  Schlacht  von  Nancy  zu  sehen,  die  erst  damals 
ausgestellt  wurde.  Das  Blumige  des  erregten  Schlachtenbildes  wirkt 
schwach  neben  der  Kostbarkeit  des  stillen  Harems^.  Doch  war  der 
Harem  erst  der  Anfang.  Das  Bild  zeigt  noch  nicht  die  volle  Kon- 
sequenz des  Koloristen.  Noch  sind  die  Fleischteile  —  wenn  auch 
mit  größter  Meisterschaft  —  gesondert  behandelt,  ohne  die  Farben- 
teilung, die  den  Stoffen  und  den  Einzelheiten  des  Raumes  die 
Pracht  gibt.  Noch  fehlt  das  Selbstverständliche  in  der  Handhabung 
des  komplizierten  Mittels.  Das  Bild  bedeutet  für  den  Koloristen 
dasselbe  wie  die  «Dantebarke»  für  die  erste  Zeit.  Mit  den  zwanzig 
Jahre  später  entstehenden  Werken  verglichen,  wirkt  die  Pracht 
materiell.  Freilich,  was  hätte  besser  den  Spiritus  loci  schildern 
können  als  diese  ungeistige  Schönheit!  In  der  späteren  kleineren 
Variante  zu  dem  Bilde-  hat  Delacroix  diesen  Eindruck  gemildert. 
1840  entsteht  die  «Justice  de  Trajan»  mit  der  schönen  Gruppe 
zu  Füßen  des  sprengenden  Cäsars,  eins  der  Lieblingsbilder  des 
Meisters.  «  Brillant  quoique  en  general  le  ton  soit  sombre,  »  notiert 
er  in  sein  Tagebuch,  als  er  es  später  in  einer  Ausstellung  wieder- 
sieht, glücklich,  keine  Enttäuschung  zu  erleben^.  Das  Bild  hat  die 
rauhe  Luft  von  Rouen  nicht  vertragen.  Von  der  Farbe  ist  nur  das 
«  Sombre  »  übriggeblieben.  Das  «  Brillant »  hat  die  Zeit  und  die 
Arbeit  der  Restauratoren  verzehrt.  Doch  kann  es  auch  in  Zeiten 
seiner  Pracht  nur  die  Vorstufe  für  ein  gleich  darauf  entstandenes 
Werk  gewesen  sein,   das  noch  heute,    als  Zentrum  des  Louvre- 

'  Zu  den  wenigen  Kritikern,  die  der  Bedeutung  des  Werkes  gerecht  wurden,  gehörte 
Alexandre  Decamps,  der  Bruder  des  Malers,  Verfasser  von  « Le  Musee,  Revue  du 
Salon  de  1834»,  (A.  Ledoux,  Paris  1834),  mit  radierten  Reproduktionen,  u.  a.  nach 
den  « Femmes  d 'Alger  ».  Auch  Laviron  (Le  Salon  de  1834,  L.  Janet,  Paris  1834) 
lobte  «  la  rare  finesse  du  coloris  »  und  « la  transparence  extraordinaire  »,  konnte  sich 
aber,  wie  die  meisten,  selbst  die  milderen  Kritiker,  nicht  enthalten,  die  Zeichnung 
zu  tadeln ;  der  ewige  Refrain  aller  Einwände.  Immerhin  sieht  Laviron  in  dem  Bilde 
das  bisher  vollkommenste  Werk  Delacroix'. 

'  Diese  Variante  erschien  im  Salon  von  1849  (Robaut  Nr.  1077),  heute  im  Museum 
von  Montpellier.  A.  Bruyas,  der  frühere  Besitzer,  meint  in  seinem  interessanten 
Galeriewerk  («La  Galerie  Bruyas»,  J.  Claye,  Paris  1876),  Delacroix  sei,  als  er  die 
Variante  malte,  von  Correggio  « besessen  »  gewesen,  und  nennt  das  Bild  von  allen 
«  le   plus  corregesque  ».   (  ?) 

"  Journal  I,  S.  386. 


8o DIE  FARBENLEHRE 

saals,   als  Zentrum  der  Kunst  des   19.   Jahrhunderts,   in  vollem 
Glänze  erstrahlt. 

Die  «  Eroberung  von  Konstantinopel  »gilt  manchem  Nüchternen  als 
Theater.  Was  könnte  es  anders  sein?  Es  fragt  sich  nur,  welche 
Art  von  Theater,  ob  die  Bühne  und  ihr  Spiel  würdig  ist  oder  nicht 
und  ob  das  Gleichnis  zustande  kommt.  Schließlich  kommt  es  auch 
darauf  an,  ob  wir  zu  folgen  verstehen.  Das  Bild  ist  Theater  wie 
jenes  riesige  Festspiel  des  Veronese  im  Louvre,  «  Die  Hochzeit 
von  Canaa  »,  an  die  der  farbige  Dunst  auf  dem  Delacroix  erinnert; 
Theater  wie  das  Begräbnis  von  Courbet  und  Manets  Olympia,  wie 
Renoirs  Tanz  im  Luxembourg  und  Cezannes  Stilleben.  Wehe  dem 
Bilde,  das  nicht  Theater  ist!  Delacroix  spielt  die  erhabene,  die 
größte  Gattung,  zu  der  es  gefesselter  Sklaven,  strahlender  Ritter, 
hoher  Säulen  und  riesiger  Hintergründe  bedarf.  Wer  die  Gebärden 
innerhalb  dieses  Theaters  nicht  für  echt,  sondern  für  theatralisch, 
wer  die  Architektur  dieser  Säulen  oder  den  Hintergrund  für 
Kulissen  nimmt,  der  sieht  nicht  das  Spiel.  «  Die  Eroberung  von 
Konstantinopel »  ist  die  Erfüllung  des  Versprechens,  das  Dela- 
croix mit  dem  « Massacre »  gegeben  hatte.  Die  kahle  Fläche 
zwischen  den  grandiosen  Bruchstücken,  deren  Schönheit  hier, 
in  den  Gruppen  des  Vordergrundes  verzehnfacht,  wiederkommt, 
hat  sich  gefüllt,  und  alle  Teile  des  Riesengemäldes  wirken  wie  dort 
ein  Detail.  So  ein  Detail,  das  schönste,  ist  hier  die  Frauengruppe 
auf  der  rechten  Seite  zu  Füßen  des  gewaltigen  Ritters.  Aus  dem 
herunterhängenden  Haar  der  Frau,  die  sich  über  die  Leiche  bückt, 
tropft  Gold.  So  schön  das  ist,  so  unwiderstehlich  der  göttliche 
Rücken  dieses  Weibes  den  Blick  anzieht,  man  bleibt  nicht  haften. 
Dahinter  winden  sich,  halb  im  Schatten,  andere  wunderbare  Ge- 
stalten. Der  Rücken  ist  nur  ein  Beginn.  Auf  der  anderen  Seite 
wartet  die  Gruppe  mit  dem  barhäuptigen  Greis,  um  die  Form,  die 
unser  Auge  pfeilschnell  bildet,  zu  ergänzen.  Der  gebogene  Hals 
des  Rosses  Balduins  und  Balduin  selbst  weist  darauf  hin.  Aus 
Lichtern  entsteht  ein  sicher  wirkendes  Dreieck.  Von  dem  Greis 
steigt  dasselbe  Spiel  über  belebte  Treppenstufen  zu  der  Gruppe 
zwischen  den  Säulen  hinauf;  nochmal,  auf  einem  zweiten  Plan, 
ein  Gegenspiel  für  den  Frauenrücken.  Die  Säulen  schnellen  den 
Blick  noch  höher  hinauf,  und  nun  empfängt  er  mit  aller  Wucht 


L'ENLEVEMENT  DE  REBECCA,   1846. 
0,82  :  1,00.  (ROBAUT  Nr.  974.) 
SAMMLUNG  SECRETAN,  PARIS. 


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Kunst  dt 


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DIE  FARBENLEHRE 8i 

das  kolossale  Zentrum  des  Bildes,  dieses  wie  ein  Herz  wirkende 
Bündel  der  Reiter  mit  ihren  Fahnen.  Die  unendliche  Perspektive 
im  Hintergrund  ist  gerade  groß  genug,  um  die  Wallung  zu  ver- 
teilen. 

Ich  will  mit  dieser  Tonleiter  nicht  behaupten,  so  sähe  jeder  das 
Bild.  Es  gibt  tausend  andere  Stufen.  Man  kann  im  Hintergrund 
anfangen  und  zu  den  Reitern  emporsteigen,  kann  von  den  Reitern 
aus  Umschau  halten,  sich  von  den  Säulen  in  die  Ebene  stürzen: 
immer  wird  irgendwo  die  Schwingung  den  Blick  fassen  und  ihn 
durch  alle  Winkel,  über  alle  Täler  und  Höhen  geleiten.  Die  Un- 
ebenheiten dieses  scheinbar  so  unsymmetrischen  Gebildes  werden 
den  Blick  nicht  verwirren,  sondern  stählen,  und  schließlich  wird 
das  Spiel  —  nicht  die  naturgetreue  Historie,  nicht  das  echte  Detail, 
sondern  das  Verbindende,  der  Rhythmus,  das  Theater  —  die  not- 
wendige, hier  mit  wunderbarem  Takt  respektierte  Fiktion  über- 
winden und  uns  jene  Wirklichkeit  geben,  für  die  wir  nur  ganz 
allgemeine  Begriffe  wie  Reichtum,  Frohsinn,  Gesundheit  als 
Namen  zu  finden  wissen. 

Mit  der  «  Eroberung  Konstantinopels »  erringt  Delacroix 
einen  jener  Siege,  die  in  der  Geschichte  der  Kunst  stehen 
v/ie  entscheidende  Wendepunkte  der  Weltgeschichte.  Es  be- 
deutet für  die  Neuzeit  ebensoviel,  wie  das  «  Embarquement 
pour  Cythere »  für  das  Dixhuitieme.  Es  bedeutet  mehr.  Kein 
Spiel,  dem  die  Zeitgenossen  mit  lässiger  Zärtlichkeit,  dem 
wir  verwundert  mit  neidischen  oder  fremden  Augen  zusehen, 
ist  sein  Inhalt.  Wir  einen  uns  leichter  mit  diesen  wehenden  Fahnen, 
mit  dem  Eroberer,  der  diese  Eroberung  malte,  als  mit  der  genialen 
Tändelei  eines  Watteau,  der  ein  primus  inter  pares  war.  Ein  einziger 
rief  der  verarmten  und  verirrten  Epoche  neuen  Enthusiasmus  zu, 
bewies,  daß  einer  allein  kraft  seiner  Einsicht,  kraft  seines  Macht- 
bewußtseins, kraft  seiner  eigenen  Gesittung  fähig  sei,  alle  ver- 
lorenen Schätze  zurückzubringen  und  zu  erneuen.  Der  Enthusias- 
mus übertrug  sich  auf  die  Betrachter.  Leute  in  farblosen  Röcken, 
die  nichts  von  Kreuzfahrern  hatten,  nicht  viele,  aber  nicht  die 
schlechtesten,  standen  davor  mit  leuchtenden  Augen  und  fühlten 
ihre  heimliche  Kreuzfahrt,  hinweg  von  dem  drückenden  Joch  der 
David-Schule  zur  Freiheit,   hier  zu  flammenden  Farben  werden. 

Meicr-Graefe,    Delacroix  6 


82 DIE  FARBENLEHRE 

Ein  Dutzend  Jahre  später,  als  die  Weltausstellung  von  1855  dem 
Meister  die  ersten  großen  Triumphe  bereitete,  waren  ihrer  schon 
mehr  geworden.  Noch  heute  überträgt  sich  der  Enthusiasmus  auf 
jeden  fühlenden  Betrachter,  und  auch  heute  noch  steigen  zu  dem 
Werke  wie  zu  einem  Heiligenbilde  die  Hoffnungen  derer  hinan,  die 
eine  Erlösung  von  den  Dumpfheiten  der  Zeit  erwarten. 
Für  Delacroix  war  das  Bild  eine  schmetternde  Ouvertüre, 
Die  Struktur  der  Bilder  wird  mit  den  Jahren  immer  reicher. 
Er  sagte  einmal  zu  Baudelaire,  als  sie  über  Technik  sprachen: 
«  Ein  gutes  Bild,  das  dem  Traum,  der  es  geboren  hat,  treu  ist  und 
ihm  gleichkommt,  muß  wie  eine  Welt  geschaffen  sein.  Wie  die 
Schöpfung,  die  wir  vor  Augen  haben,  das  Resultat  vieler  Schöp- 
fungen ist,  von  denen  die  früheren  immer  von  den  folgenden  ver- 
vollständigt werden,  so  besteht  ein  harmonisch  vollendetes  Bild 
aus  einer  Reihe  von  übereinander  gelegten  Bildern,  und  jede  neue 
Lage  gibt  dem  Traum  größere  Realität  und  nähert  ihn  um  einen 
Grad  der  Vollkommenheit. »  Es  ist  das  Bekenntnis  eines  alten 
Meisters.  Delacroix  hat  in  der  Tat  meistens  mit  Tempera  unter- 
malt und  dann  mit  mehreren  ölschichten  gedeckt.  Sein  Ideal  war, 
die  Tempera  mit  der  öltechnik  zu  kombinieren^.  Nichts  lag  ihm 
ferner  als  die  Primamalerei  eines  Manet,  der  das  Schicksal  des 
Bildes  auf  das  Gelingen  des  «  premier  coup  »  setzte  und  daher  dem 
Pinselstrich  alles  überließ.  Delacroix'  Temperament  hatte  längeren 
Atem  und  erlaubte  jede  Differenzierung  des  Ausdrucks.  Der  feine 
Haarpinsel,  mit  dem  er  seine  Bilder  vollendete,  wurde  ihm  zur 
Feder.  Er  schrieb  damit^.  Aber  noch  energischer  wies  er  das  isolierte 
Ausführen  des  Bildes  zurück,  das  in  der  Davidschule  üblich  war. 
Jede  Bildschicht  ging  über  das  Ganze  und  stellte  einen  in  sich 
abgeschlossenen  Zustand  dar,  der  sich  wiederum  nur  im  Ganzen 
verändern  ließ.  Früher,  als  er  nicht  die  Technik  besaß,  die  mit 


'  Vgl.  Andrieu  in  dem  Kommentar  zu  den  Paletten  Delacroix'  in  « La  Galerie 
Bruyas  ».  (Mehrere  der  Paletten  Delacroix'  von  der  Jugend  bis  zur  Spätzeit  sind 
hier  farbig  schematisch  reproduziert.)  Auch  Bruyas  selbst  hat  in  demselben  Werk 
manchen  interessanten  Beitrag  zur  Technik  Delacroix'  erbracht.  Vgl.  endlich  auch 
die  Vorrede  zu  dem  Katalog  der  Vente  de  M.  F.  V.  vom  ii.  Februar  1865  (Vente 
Frederic   Villot). 

'  Ueber  seine  Pinsel  vgl.  La  Galerie  Bruyas  S.  359,  360. 


DIE  FARBENLEHRE 83 

Übermalungen  rechnete,  hat  das  Verfahren  zuweilen  üble  Folgen 
gehabt.  Später  wurde  es  geradezu  zu  einer  Bedingung  für  das 
letzte  Resultat.  Ich  glaube  nicht,  daß  Delacroix  jede  Wirkung 
seiner  Farbenschichten  wie  ein  alter  Meister  vorausbestimmte  — 
er  sagt  selbst  einmal,  oft  habe  sich  ihm  das  Bild  unter  der  Hand 
verändert  — ,  er  rechnete  instinktmäßig  damit  und  gewöhnte  sich 
immer  mehr  daran,  so  dünn  wie  möglich  zu  malen.  Daher  die 
wunderbare  Durchsichtigkeit,  die  zuweilen  an  die  Malerei  Grecos 
erinnert,  und  gleichzeitig  die  Dichtigkeit  des  Gewebes.  «  La  pein- 
ture  de  Delacroix  est  comme  la  nature  »,  schrieb  Baudelaire  über 
den  ersten  «Raub  der  Rebekka »  von  1846,  «eile  a  horreur  du 
vide ».  Baudelaires  kluge  Bemerkung  paßt  noch  viel  besser  auf 
die  sowohl  in  der  Komposition  wie  in  der  Farbe  wesentlich 
verbesserte  zweite  Fassung  des  Bildes  von  1859,  heute  im  Louvre, 
einer  der  Gipfel  des  Meisters.  Die  Kurve  von  dem  kühn  gebogenen 
Pferd  über  den  die  Rebekka  tragenden  Ritter  hinweg  zu  dem 
Schildknappen  zuckt  wie  ein  roter  Blitz  aus  dem  rauchenden  Ge- 
mäuer hervor  und  schlängelt  sich  doch  so  geschmeidig  durch  das 
Bild  wie  ein  Bach  durch  üppiges  Gefilde. 

Einer  der  Gipfel,  vor  dem  Publikum  und  Kritik  gemeine  Witze 
rissen.  Robaut  nennt  die  Art,  wie  das  Bild  im  Salon  beurteilt  wurde, 
den  schmählichsten  Skandal  seiner  Kritikerlaufbahn,  und  Burty  den 
ganzen  Salon  von  1859  ein  «veritable  Waterloo»  des  Meisters. 
Man  muß  bei  Burty  die  gelassenen  Dankschreiben  Delacroix'  an 
die  wenigen  Kritiker,  die  für  ihn  eintraten,  lesen,  um  ein  Bild  des 
Menschen  zu  erhalten.  Seine  Freunde  gaben  die  wildesten  Angriffe 
in  einem  Bändchen  heraus,  das  man  heute  mit  der  melancholischen 
Empfindung  durchblättert,  ob  sich  der  Unsinn  nicht  bei  passender 
Gelegenheit  in  wenig  gemilderter  Form  wiederholen  würde^. 

Das  war  einer  der  Gipfel  unter  vielen  anderen.  Ich  kann  mir 
Leute  denken,  die  eine  der  winzigen,  wie  fließendes  Blut  leuchten- 
den Legenden,  wie  z.  B.  jene  Befreiung  Angelicas  durch  Roger, 
aus  dem  Jahre  1847,  in  derselben  Sammlung  Thomy  Thiery,  über 
alles  stellen;  andere,  die  dem  farbentrunkenen  und  wuchtigen 
Hauptbild  der  «Eroberung  Konstantinopels»  die  zehn  Jahre  später 

'  Les  Quatorze  Stations  du  Salon  1859  suivies  d'un  recit  douloureux.  (Poulet- 
Malassis  et  de  Broise,  Paris   1859.) 

6* 


84 DIE  FARBENLEHRE 

entstandene  kleinere  und  stillere  Fassung  in  der  Sammlung 
Moreau,  wegen  ihrer  reicheren  Atmosphäre,  wegen  der  höheren 
Subjektivität  des  Malers  und  des  Komponisten  vorziehen;  wiederum 
andere,  die  das  Ritterliche  und  Prächtige  seiner  Reiterkämpfe 
oder  die  Mystik  der  Christusbilder  oder  die  Wildheit  einer 
Tiger jagd  als  höchste  Gipfel  bewundern.  Und  sie  haben  alle 
recht,  die  einen  wie  die  andern,  wie  Leute,  die  den  Morgen  dem 
Mittag,  den  Mittag  dem  Abend,  den  Abend  dem  Morgen  vorziehen. 
Innerhalb  der  zwanzig  Jahre  vom  Erscheinen  der  «Eroberung 
Konstantinopels»  bis  zum  Tode  kann  der  Forscher  allerlei  kon- 
statieren, Entwicklungen  hierhin  und  dorthin,  Bereicherungen, 
Vereinfachungen,  eine  immer  Neues  erfindende  Verfeinerung  in  der 
Ökonomie  der  Mittel,  die  sowohl  in  stark  bewegten  wie  in  ruhigen 
Motiven,  in  Bildern  mit  reicher  und  in  solchen  mit  beschränkter 
Palette  zutage  tritt;  nur  findet  er  keinen  bestimmten  Anhalt,  das 
eine  Werk  über  das  andere  zu  stellen.  Jedes  oder  fast  jedes  hat  die 
Vollkommenheit  einer  in  den  zwanzig  vorhergehenden  Jahren  vor- 
bereiteten Art,  erfüllt  das  Ideal  einer  Gattung.  Wohl  kann  der 
kühne  Eroberer  immer  noch  höher.  Nie  fühlt  er  sich  am  Ende,  nie 
hat  er  alles  gesagt.  Auf  seinem  letzten  Krankenlager,  während  der 
sieche  Körper  zerfällt,  stürmen  im  Geiste  die  Bilder.  «  In  meinem 
Hirn  kocht  es»,  murmelt  er.  «Wenn  ich  wieder  gesund  bin,  mache 
ich  wunderbare  Dinge  »i.  Das  Wunder  steht  immer  über  ihm,  in 
den  letzten  Jahrzehnten  wie  in  den  ersten.  Aber  während  man  an- 
fangs verfolgen  kann,  wie  sich  der  Meister  des  Dantebildes  zum 
Licht  erhebt,  entgeht  unserem  unzureichenden  Auge  später,  wo 
immer  zahlreichere  Elemente  an  der  Bewegung  teilnehmen,  ihr 
Tempo.  Farben,  Flecken,  Dinge  entwickeln  sich  in  der  ersten  Zeit. 
Schon  das  Vertrautwerden  mit  seinem  unübersehbaren  Personal 
gibt  Bewegung.  Nachher  zieht  langsam  und  majestätisch  ein 
Gestirn. 

Um  so  enden  zu  können,  mußte  Delacroix  mit  einem  «Massacre 
de  Scio»  anfangen.  Das  Geheimnis  der  Entwicklung  eines  großen 
Künstlers  besteht  vielleicht  nur  darin,  seine  Erregung  durch  immer 
engere  Kanäle  zu  pressen.  Dazu  gehört  die  brutale  Kraft  der  Erst- 

•  Theophile  Silvestre  hat  in  den  zitierten  « Nouveaux  Documents  »  genau  die 
letzten  Tage  beschrieben. 


DIE  FARBENLEHRE 


85 


lingswerke.  Die  hatten  viele,  Gros  und  Gericault.  Gericault  hatte 
vielleicht  noch  mehr  davon.  Aber  es  gehört  notwendiger  ein  anderes 
dazu,  der  Geist,  der  die  Kanäle  erfindet,  das  Göttliche  jenseits  der 
Kraft,  das  die  angeborenen  Gaben  der  Natur  unablässig  zu  höherem 
Nutzen  treibt,  die  weise  Ökonomie  der  Verteilung,  die  Fähigkeit, 
die  Kunst  jung  zu  halten,  auch  wenn  des  Körpers  Kräfte  versagen. 
Ein  ganz  ungebrochener  Jugendmut  malte  den  zweiten  «Raub  der 
Rebekka».  Die  Malerei  scheint  in  dem  Bilde  glühende  Zungen  zu 
bekommen.  Ihr  Schöpfer  hatte  damals  die  Sechzig  überschritten 
und  widerstand  nur  mit  spartanischer  Hygiene  den  Gebrechen 
des  Leibes.  «  J'ai  trouve  la  peinture  lorsque  je  n'avais  plus  ni  dents, 
ni  Souffle.» 


'S^'^i 


V-- 


DIE  DEKORATION 


Die  Monumentalkunst  Delacroix'  zeigt  den  gleichen  Aufstieg. 
1 86 1 ,  zwei  Jahre  vor  dem  Tode,  war  die  Dekoration  der  Kapelle 
in  der  St.  Sulpice  vollendet.  1833  hatte  ihm  Thiers  den  ersten  Auf- 
trag ähnlicher  Art  verschafft,  den  Schmuck  des  Salon  du  Roi  im 
Palais  Bourbon.  Zwischen  den  beiden  Endpunkten  liegen  nicht 
weniger  als  noch  sechs  umfangreiche  Monumentalaufgaben^   Die 


'  1833 — 37,   Salon  du  Roi,  Palais  Bourbon  (öl). 

1834,  Drei  Freskenversuche  für  Supraporten  in  Valmont. 

1843,  Pietä.  Kirche  St.  Denis  du  St.  Sacrement,  Paris  (Wachsmalerei  auf  die 
Mauer). 


1 


90 DIE  DEKORATION 


Summe  entspricht  der  Lebensarbeit  eines  recht  fleißigen  Fresken- 
malers des  Quattrocento.  Die  Serie  spiegelt  die  Entwicklung  von  der 
«Dantebarke»  an  bis  zu  den  Bildern  der  Reife,  gedämpft  und  ver- 
einfacht, nicht  weniger  deutlich.  Die  Rücksicht  auf  die  Bestimmung 
der  Arbeiten  schloß  das  Experimentieren  aus.  Wir  begegnen  keinem 
«Massacre»  und  keinem  «Sar danapal».  Die  Bewegung  der  Re- 
aktionen des  Künstlers  sendet  in  diese  großen  Flächen  nur  ge- 
glättete Wellen,  bis  der  Meister  fertig  ist  und  dann  im  größten 
Rahmen  die  Vorteile  des  Siegers  erweist. 

Im  «Salon  du  Roi»  des  Palais  Bourbon  sind  die  nackten  Ge- 
stalten der  «  Dantebarke  »  vereinfacht.  Dabei  tritt  deutlicher  als 
sonst  im  Werke  Delacroix'  der  Meister  hervor,  zu  dem  er  sich  nächst 
Rubens  am  meisten  hingezogen  fühlte,  auch  wenn  er  es  vielleicht 
nicht  unumwunden  zugab:  Michelangelo.  Ein  von  weicher 
Malerei  gedämpfter  Michelangelo.  Gleich  bei  dieser  ersten  Aufgabe 
großen  Stils  zeigt  er  den  edlen  Rationalismus,  zu  dem  sich  sein 
erhabenes  Vorbild  nicht  immer  gleich  willig  verstand.  Er  unter- 
wirft seinen  Genius  einem  endlichen  Zweck,  legt  ihm  die  jedem 
Staffeleimaler  und  zumal  einem  solchen  Staffeleimaler  ungewohnte 
Fessel  eines  von  der  Architektur  diktierten  Gefüges  an  und  äußert 
sich  trotzdem,  wenigstens  in  dem  Hauptteil  des  Werkes,  so 
vollendet,  daß  die  Fessel  zu  einer  Qualität  wird.  Karyatiden,  die 
Flüsse  und  Meere  Frankreichs,  teilen  die  Wände.  Solche  Kolossal- 
gestalten, Nachahmungen  der  Plastik,  gehören  seit  der  fran- 
zösischen Renaissance  zu  den  Requisiten  der  großen  Dekoration. 
Sie  behalten  auch  bei  Delacroix  etwas  von  ihrer  traditionellen 
Rolle,  aber  dies  ist  mehr  ein  Schmuck  ihrer  Art,  mehr  Zeichen 
einer  guten  Erziehung  als  ihr  eigentliches  Wesen.  Sie  bereichern 
sich  um  ein  Element,  das  ihren  vielen  Genossen  auf  der  langen 
Reise  allmählich  abhanden  kam,  sind  lebendig.  Ihr  Dasein  beruht 

1838 — 47,  Bibliothek  des  Palais  Bourbon.  (Die  beiden  großen  Halbkreise  Wachs- 
malerei auf  die  Mauer;  die  20  Kuppelbüder  [5  Kuppeln  mit  je  4  Bildern]  01 
auf  Leinwand.) 

1845 — 47,  Bibliothek  des  Palais  du  Luxembourg.  Die  Kuppel,  Halbkreis  und 
4  Sechsecke  (öl). 

1849—51,  Plafond  d'Apollon,  Louvre  (öl). 

1849 — 53,  Salon  de  la  Paix  im  alten  Rathaus.  Verbrannt,  (öl  auf  geleimte  Lwd.) 

1849 — 61.  St.  Sulpice  (Fresco). 


I 


DIE  DEKORATION  91 


nicht  auf  einem  schwachen  Reflex  der  Plastik,  sie  sind  aus  dem 
Farbigen  gewonnene  Geschöpfe,  in  einem  sehr  diskreten,  fast 
grisaillenhaften  Blond  gemalt,  das  sich  unmerklich  zu  einer  bei 
aller  materiellen  Beschränkung  der  Palette  reichen  Tonfülle  aus- 
dehnt. Diese  Malerei  erlaubt  nicht  das  strenge  Gepränge  der  edlen 
Gestalten  eines  Jean  Goujon,  noch  die  proletarische  Wucht  der 
Riesen  Pugets.  An  die  Stelle  des  Pathos  der  Epigonen,  das  nicht 
immer  die  Hohlheit  verbirgt,  tritt  der  weiche  urbane  Anstand  eines 
neuzeitlichen  Geistes,  der  sich  rnit  einem  Lächeln  zu  der  pomp- 
reichen Rolle  versteht. 

Diese  Karyatiden  sind  der  einzige  Teil  des  Raumes,  der  einiger- 
maßen gut  belichtet  ist,  und  daran  mag  es  liegen,  daß  sie  den  Rest 
der  Dekoration  so  weit  übertreffen.  Die  Friese  und  der  Plafond 
haben  so  wenig  mit  den  schönen  Pilastern  gemein,  daß  man 
glauben  könnte,  sie  seien  von  anderer  Hand^.  In  dieser  Disharmonie 
der  Teile  zeigt  sich  der  Anfänger.  Vielleicht  wäre  sie  vermieden 
worden,  wenn  Delacroix  die  Dekoration  in  einem  Zug  und  al  fresco 
gemalt  hätte.  Während  er  bei  der  Arbeit  war,  versuchte  er  sich  in 
Valmont  mit  ein  paar  antiken  Motiven  kleinen  Umfanges,  und  ein 
Brief  darüber  an  Villot  bezeugt,  daß  ihm  die  Vorteile  des  Fresco 
nicht  verschlossen  blieben-.  Aber  man  kann  zweifeln,  ob  er  in 
diesem  Stadium  nicht  Fiasko  gemacht  hätte.  Sein  Ausdrucks- 
vermögen war  damals  viel  zu  sehr  auf  die  pastose  Art  der  Öl- 
malerei gestützt,  und  die  Hand  besaß  noch  nicht  die  notwendige 
Schnelligkeit  der  Bewegung. 

Die  Bibliothek  desselben  Palais  beherbergt  Delacroix'  monu- 
mentales Hauptwerk  der  vierziger  Jahre,  eine  vielgegliederte  und 
sehr  schön  gegliederte,  an  zahllosen  Schönheiten  reiche,  nie  über- 
ladene Schöpfung,  das  Werk  einer  fruchtbaren  Phantasie  und  ein 
vielleicht  noch  überzeugenderes  Dokument  der  Selbstzucht.  Der 
lange  Saal  hat  sehr  schöne  Verhältnisse,  und  die  Einteilung  des 


'  Doch  ist  von  der  Mitarbeit  eines  Schülers  nichts  bekannt.  Mit  dem  Maler  Lassalle- 
Bordes,  der  ihm  bei  der  Bibliothek  des  Palais  de  Bourbon  half,  trat  Delacroix  erst 
1838  nach  der  Vollendung  des  Salon  du  Roi  in  Verbindung.  Andrieu  wurde  erst  1845 
sein  Schüler. 

'  Fragmentarisch  mitgeteilt  von  Robaut,  als  Kommentar  zu  Robaut,  Nr.  545, 
546,  547.  Fehlt  in  der  Burtyschen  Sammlung  der  Lettres. 


92  DIE  DEKORATION 


Plafonds  in  die  fünf  Kuppeln  ist  eine  selten  schöne  architektonische 
Lösung,  die  Delacroix  glänzend  benützt  hat.  Doch  fragt  es  sich, 
ob  der  Raum  für  einen  Künstler  geeignet  war,  der  sich  nicht  mit 
Ornamenten  begnügte.  Es  geht  uns  hier  wie  bei  so  vielen  Monu- 
mentalwerken der  größten  Meister.  Die  Bewunderung  beschwich- 
tigt nicht  das  Bedauern  des  Betrachters,  dem  Fluge  der  Erfindung 
nicht  so  in  allen  Einzelheiten  folgen  zu  können,  wie  es  der  Wert 
des  Gebotenen  verlangt.  Das  Auge  stolpert  über  die  fünf  Kuppeln, 
von  denen  jede  einzelne  immer  neue  Bilder  zeigt.  Man  besitzt 
nicht  die  Gelassenheit,  auf  die  die  Bescheidenheit  des  Schöpfers 
rechnete,  das  Mannigfaltige  mit  der  Selbstverständlichkeit  hinzu- 
nehmen, mit  der  man  rein  schematischen  Wiederholungen  in 
denselben  Kuppeln  gegenüberstehen  würde.  Man  darf  aus  diesem 
Eingeständnis  nicht  den  leisesten  Vorwurf  gegen  den  Meister 
herauslesen,  nur  einen  Vorwurf  gegen  uns  selbst,  gegen  unsere 
Armut,  der  die  einfältige  Hinnahme  des  Großartigen  fremd  ge- 
worden ist.  Das  Preziöse  unserer  Kunst  hat  die  Organe  künst- 
lerischen Aufnahmevermögens  zu  sensibel  gemacht.  Wir  sind  zu 
sehr  gewöhnt,  in  alle  Ecken  zu  blicken  und  das  Kleine  und  Kleinste 
zu  genießen,  und  schrecken  zurück,  wenn  der  Ecken  zu  viel  werden, 
auch  wenn  jede  vollkommen  eine  maßvolle  Harmonie  erfüllt. 

Delacroix  tat  alles,  um  dem  Plafond  die  notwendige  Ruhe  zu 
geben.  Die  Mannigfaltigkeit  kommt  in  einer  reichen,  aber  einzigen 
Art  zustande.  Die  Bilder,  ausschließlich  von  weitem  leserliche 
Motive  antiken  Geistes,  sind  in  Farbe  und  Materie  nicht  individuell 
konzipiert,  sondern  immer  in  Rücksicht  auf  die  Kuppeln  ge- 
schaffen, wo  sie  mit  anderen  zusammenstehen,  und  eine  Kuppel 
paßt  zu  der  anderen^.  Von  allen  Bildern  gibt  es  Studien;  manche 
Motive  führten  zu  selbständigen  Staffeleibildern,  z.  B.  «Der  Tod 
des  Johannes»  zu  dem  schönen  farbenprächtigen  Kabinettstück 
(Robaut  Nr.  858),  das  neben  dem  Hexagon  wie  Drama  neben  Epos 
erscheint.  Der  Vergleich  der  Studien  und  solcher  Bilder  mit  den 


'  Die  beiden  dem  Orpheusbilde  zunächst  liegenden  Kuppeln  sind,  wie  schon 
Delacroix'  Schüler  Planet  bemerkt  hat,  dunkler  als  die  anderen.  Sie  waren  als 
Grisailles  untermalt.  Die  anderen  drei  Kuppeln  entstanden  ohne  diese  Präparation 
und  sind  leuchtender  gebUeben.  Nach  Planet  war  diese  Verschiedenheit  be- 
absichtigt. —  Unsere  Abbildungen  bringen  wenigstens  diese  Dekoration  vollständig. 


DIE  DEKORATION ^93 


Stücken  in  der  Kuppel  zeigt,  wie  bewußt  der  Meister  opferte.  Der 
Rubensschüler  wappnete  sich  mit  der  Strenge  Poussins  und  ging 
nicht  um  Haaresbreite  über  das  vom  Raum  gegebene  Gesetz 
hinaus.  Die  Bilder  sind  nur  für  die  Kuppeln  gedacht,  kommen  nur 
an  dieser  Stelle  zu  ihrer  Wirkung  und  würden,  wenn  man  sie,  wie 
Geffroy  vorgeschlagen  hat,  von  der  Wand  löste,  um  sie  zu  schützen, 
und  an  der  Wand  durch  Kopien  ersetzte^  vielleicht  den  Forscher 
belehren,  aber  den  Freund  Delacroix'  enttäuschen  und  sicher  der 
Bestimmung,  die  sie  vollkommen  erfüllen,  entzogen  werden. 

Einen  seltsamen  Kontrast  zu  diesen  stillen  Deckenausschnitten, 
in  denen  der  Epiker  mit  Gelassenheit  die  schönsten  Geschichten 
der  Menschheit  aneinanderreiht,  bilden  die  beiden  großen 
Hauptbilder,  die  an  den  Enden  der  Galerie  je  eine  halbe 
Kuppel  einnehmen.  Den  ein  wenig  gewagten  Vergleich  der 
Bibliothek  mit  der  Sixtinischen  Kapelle-  legitimiert  wenigstens 
dieser  Wechsel  des  Stils  in  den  beiden  Teilen.  Bis  zum  ge- 
wissen Grade  erklärt  den  Wechsel  die  Verschiedenheit  der  Zeiten. 
Die  beiden  Kuppelhälften  entstanden  später  als  die  Ausschnitte. 
Vielleicht  hat  auch  die  Verschiedenheit  des  Materials  —  die  beiden 
Bilder  wurden  mit  Wachsfarben  direkt  auf  die  Mauer  gemalt  — 
mitgewirkt.  Das  Entscheidende  dürfte  die  Verschiedenheit  der 
Dimensionen  gewesen  sein.  Die  größeren  Flächen  führten  den 
Meister  zu  größerer  Beweglichkeit.  In  dem  friedlichen  Orpheus- 
bilde dringt  eine  fast  gestenlose  Lyrik  hervor,  die  mit  einem 
Lächeln  Poussin  ade  winkt.  In  dem  Attilabilde  bewegt  das 
Dramatische,  wie  der  Sturm  das  Meer,  die  Fläche.  Es  bedarf 
der  vielen  Zwischenglieder  zwischen  diesen  Enden,  um  solche 
Extreme  in  einem  Raum  zu  vereinen.  Die  Unruhe,  mit  der  man 
die  Mittelglieder  überfliegt,  mag  wohl  auch  von  der  Ungeduld  be- 
stimmt werden,  zu  diesen  Endpunkten  zu  gelangen,  wo  der  Meister 
mit  weniger  verhaltener  Stimme  von  seinen  eigensten  Dingen  erzählt. 

Die  Dekoration  der  Bibliothek  im  Luxembourg,  der  genial 
komponierte  Halbkreis  mit  dem  trauernden  Alexander,  die  Sechs- 


1  Les  Peintures  d'Eugene  Delacroix  ä  la  bibliotheque  de  la  Chambre  des  Deputes 
(Librairie  de  l'Art  ancien  et  moderne,  Paris  1903). 

'  Jules  Rais,  Le  Palais  et  la  Chambre  des  Deputes  (Revue  universelle  [Larousse] 
vom  15.  Oktober  1902). 


94  DIE  DEKORATION 


ecke  und  die  prachtvolle  Kuppel,  ist  einheitlicher  erdacht.  Die 
Kuppel  setzt  gewissermaßen  das  gleichzeitig  entstandene,  in  der 
Gestaltung  verwandte  Friedensbild  im  Palais  Bourbon  fort.  Es  ist 
Delacroix'  Parnaß  mit  seinen  Lieblingsgestalten  der  Antike  und 
der  Renaissance,  freier,  loser,  lebendiger  als  der  Parnaß  Raffaels, 
an  den  er  gedacht  haben  mag,  von  derselben  Würde;  ein  Garten, 
in  dem  die  vielen,  vielartigen  Gestalten  wie  die  Vegetation  der 
üppigen  Flur  erscheinen.  Ein  Teil  des  Reizes  liegt  in  der  ver- 
hüllten kompositioneilen  Tendenz.  Die  Dekoration  erscheint  als  ganz 
freie  Schöpfung,  Resultat  einer  Empfindung,  nicht  im  geringsten 
einer  Berechnung,  und  überliefert  dem  Betrachter  trotzdem  ein  ge- 
schlossenes Bild.  Die  kleinen  einfarbigen  Sechsecke  haben  die  Ein- 
fachheit und  Größe  griechischer  Reliefs,  an  die  sie  sicher  erinnern 
sollen,  und  sind  ungehemmte  Niederschriften  wie  alles  andere. 
Delacroix  komponiert  nicht  mit  Linien,  sondern  mit  Massen  und 
mit  allen  dem  Maler  gehörenden  Mitteln.  Das  bindende  Element 
ist  genau  dasselbe  wie  in  den  Staffeleibildern,  nur  dem  Zwecke, 
den  Raum-  und  Lichtverhältnissen  angepaßt.  Was  das  in  diesem 
Falle,  schon  allein  in  rein  materiellem  Sinne,  bedeutet,  das  läßt 
sich  nur  angesichts  des  Raumes  ermessen.  Die  geschlossene  Kuppel 
erhält  nur  von  einem  tief  unten,  seitlich  gelegenen  Fenster  ein 
zweifelhaftes  Licht.  Infolgedessen  ist  ein  großer  Teil  der  Fläche 
stets  in  einen  Schatten  gehüllt,  dessen  Intensität  von  der  Witterung 
abhängt.  Darum  hätten  sich  die  Früheren  wenig  gekümmert.  Gros, 
dessen  Pantheon-Kuppel  Delacroix  gerade  damals  wiedersah  — 
«  helas !  maigreur !  inutilite ! »  ist  der  Eindruck  des  Werkes  des  ge- 
liebten Meisters^  —  hätte  sich  einen,  mit  einer  Lampe  versehenen, 
Betrachter  auf  Riesenstelzen  gedacht,  dem  es  gelang,  das  Bild  auf- 
gerollt und  in  der  Nähe  zu  betrachten.  Ein  findigerer  Kopf  hätte, 
wie  Chesneau  meint  ^,  mit  starken  Kontrasten  gewirtschaftet  und 
der  Belichtung  des  dunklen  Drittels  die  Harmonie  des  Ganzen  ge- 
opfert. Delacroix  findet  hier  eine  einzigartige  Verwendung  seines 
Kolorismus.  Es  gelingt  ihm,  mit  weisen  Abtönungen  und  Be- 
nützung    der     Komplementärfarben     wenigstens    ein     Dämmer- 

'  Journal  I,  p.  235;  vgl.  auch  den  Aufsatz  Delacroix'  über  Gros  (Literarische 
Werke,  Insel- Verlag). 

"  In  dem  Kommentar  zu  dem  Katalog  Robauts;  dort  S.  251. 


DIE  DEKORATION 95 


licht  in  das  Dunkel  zu  bringen,  ein  Licht,  das  die  ganze 
Komposition  gleichmäßig  durchströmt.  Als  Charles  Blanc  ein- 
mal mit  einem  Maler,  einem  Bekannten  Delacroix',  den  zarten 
Fleischton  des  Oberkörpers  der  Frau  unter  dem  Baum,  einer 
der  schönsten  Gestalten  des  Werkes,  bewunderte,  sagte  ihm 
der  Maler,  der,  als  Delacroix  an  dieser  Stelle  arbeitete,  zugegen  ge- 
wesen war:  «  Sie  wären  nicht  wenig  erstaunt,  wenn  Sie  wüßten, 
mit  welchen  Farben  dieses  Fleischrosa  zustande  gekommen  ist. 
Einzeln  gesehen,  wären  Ihnen  diese  Töne  —  straf  mich  der  Himmel  I 
—  ebenso  farblos  erschienen  wie  Straßenschmutz.»  Und  Blanc 
fügt  hinzu:  «Wie  kam  das  Wunder  zustande?  Durch  die  Kühn- 
heit Delacroix',  den  nackten  Torso  der  Frau  rücksichtslos  mit  ge- 
hackten Strichen  eines  entschiedenen  Grüns  zu  bearbeiten,  das 
zum  Teil  durch  seine  Komplementärfarbe,  das  Rosa,  neutralisiert 
wird  und  mit  dem  Rosa  einen  frischen  Mischton  ergibt,  der  nur 
aus  der  Entfernung  wirkt  .  .  .  »^ 

Wir  können  heute  solche  Wirkungen  nur  noch  ahnen.  Die  Be- 
richte der  Zeitgenossen  erwecken  Erwartungen  an  die  Farbe  der 
Dekorationen,  die  nur  zum  Teil  erfüllt  werden.  Man  hofft,  wenn 
man  von  den  Komplementärfarben  hört,  auf  eine  leuchtende  Sonne 
und  steht  nachher  ein  wenig  verdutzt  im  Dunkel  und  reibt  sich 
die  Augen.  Villots  Mahnungen  waren  nicht  ganz  ungerechtfertigt. 
Das  Material  der  Farben  hat  nicht  gehalten.  Oder  sind  unsere  an 
stärkere  Reize  gewöhnten  Augen  daran  schuld .?  Man  betrachtet  die 
anormal  tiefe  Kuppel,  deren  höchste  Stellen  nie  von  dem  jämmer- 
lichen Licht  erreicht  werden,  mit  wahrem  Ingrimm  über  die  Zu- 
mutung, die  dem  Genius  so  unerhörte  Bedingungen  vorschrieb. 
Wer  von  den  Prätentiösen  unserer  Zeit  würde  sich  verstehen, 
den  Halbkreis  über  dem  Fenster  zu  bemalen  ?  Doch  ist  es  rat- 
sam, den  Grimm  zu  bekämpfen  und  Geduld  zu  fassen.  Dann  be- 
ginnt es  sich  in  der  Kuppel  und  über  dem  Fenster  zu  regen.  Nicht 
die  Grüns  und  die  Rosas,  von  denen  die  Berichte  melden,  treten 
hervor,  aber  besseres.  Gestalten,  die  von  aller  Materialität  befreit 
scheinen,  wandeln  in  der  Kuppel  wie  im  Äther,  und  ihre  aus 
der  Oberwelt  zu  uns  dringenden  Gesten  ersetzen  dem  Geiste,  was 
die  Ungunst  des  Raums  die  Sinne  entbehren  läßt. 

'  In   dem  oben  zitierten  «  Grammaire  des  Arts  du  Dessin  ». 


96 DIE  DEKORATION 


Mit  noch  weniger  günstigen  Lichtverhältnissen  hat  Delacroix 
einige  Jahre  vorher  in  der  Kirche  St.  Denis  du  St.  Sacrement  bei 
seiner  Pietä  zu  kämpfen  gehabt,  die  er  direkt  auf  die  Mauer  malte. 
Er  half  sich,  indem  er  die  Lichter  mit  reinem  Chromgelb,  die 
Schatten  und  Halbtöne  mit  Preußischblau  machte^  und  so  sich 
eine  künstliche  Beleuchtung  schuf.  Auch  sie  hat  mit  den  Jahren 
viel  von  ihrer  Kraft  verloren.  Das  Motiv  hat  Delacroix  mehrmals 
in  schönen  Staffeleibildern  wiederholt. 

Von  den  Monumentalwerken  der  fünfziger  Jahre  ist  die  Deko- 
ration des  Salon  de  la  Paix  im  alten  Pariser  Rathaus  durch 
den  Brand  von  1871  zerstört  worden.  Sie  war  nächst  der  Biblio- 
thek des  Palais  Bourbon  das  umfangreichste  Werk  Delacroix'. 
Außer  dem  großen  Mittelbild  der  Decke  gab  es,  im  Plafond  ein- 
gelassen, acht  Ovale  (jedes  über  einen  Meter  hoch  und  fast  zwei- 
einhalb Meter  breit)  mit  den  Gottheiten  des  Friedens,  und  elf 
Halbkreise  von  ähnlicher  Größe,  die  zu  einem  Fries  zusammen- 
gesetzt waren,  mit  den  Arbeiten  des  Herkules.  Er  mag  an  die 
zerstörten  Herkules-Medaillons  Poussins  für  die  Große  Galerie  des 
Louvre  gedacht  haben,  von  denen  er  in  seinem  Aufsatze  über  den 
Meister  mit  Bitterkeit  spricht.  Den  seinen  erging  es  nicht  besser. 
Von  der  Schönheit  des  verlorenen  Schatzes  berichten  nur  noch 
die  Skizzen.  Das  Ensemble  muß,  obwohl  auch  die  Lichtverhältnisse 
dieses  Saales  nicht  ideal  waren,  einzig  gewesen  sein. 

Zum  Glück  bleibt  uns  der  Plafond  im  Louvre,  das  Werk,  das 
heute  noch  die  ganze  Realität,  die  ihm  der  Meister  gab,  besitzt, 
ein  so  glanzvolles  Werk,  so  vollkommen  im  ganzen  wie  in  allen 
Teilen,  so  unentbehrlich  in  dem  Oeuvre,  daß  die  Opfer  an  Zeit 
und  Anstrengung,  die  Delacroix  vorher  der  Monumentalmalerei 
brachte,  die  ungeheuren  Verluste,  die  uns  das  Gebiet  seit  seinem 
Tode  gekostet  hat,  zurücktreten.  Delacroix  füllte  den  Platz,  den 
Lebrun  unbesetzt  gelassen  hatte,  als  diesen  Louis  XIV.  zwang, 
die  Galerie  d'ApoUon  aufzugeben  und  sein  vielfältiges  Talent 
dem  Schloß  von  Versailles  zu  widmen.  Wir  verdanken  der  Laune 
des  Königs  die  merkwürdigste  und  glorreichste  Probe  auf  das 
Exempel  Delacroix'.  Kein  Besucher  dieser  Galerie,  die  man  mit 

1  Bericht  seines  Schülers  und  Mitarbeiters  Henry  de  Planet,  mitgeteilt  von  Th. 
Silvestre  in  Eugene  Delacroix,  Nouveaux  Documents. 


ROGER  DELIVRANT  ANGELIQUE,  1847. 
0,36  :  0,28.  [ROBAUT  Nr.   1003.) 
LOUVRE,  PARIS.  (COL.  THOMY-THIKRY.) 
PHOTO  BRAUN. 


DIE 


weniger  günstige: 
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gesetzt waren,  mit  den  Arbeiten  des  Herkules.  Er  mag  an  die 
zerstörten  Herkules-Medaillons  Poussins  für  die  Große  Galerie  des 
Louvre  gedAcht  haben,  von  denen  er  in  seinem  Aufsatze  über  den 
Meister  :  es  nicht  besser. 


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DIE  DEKORATION 97 


Recht  eine  der  schönsten  der  Welt  nennt,  wird,  wenn  er  die 
Dekoration  der  langen  Decke  überfliegt,  in  dem  Mittelstück  ein 
dem  übrigen  widersprechendes  Idiom  erkennen.  Delacroix  hielt 
sich  nicht  nur  an  das  Apollo-Motiv,  das  Lebrun  vorgeschrieben 
hatte,  den  siegreichen  Sonnengott  auf  seinem  Wagen,  nicht  nur ' 
an  den  üppigen  Rahmen,  den  der  Restaurator  der  Galerie  in  seiner 
alten  Pracht  wiederhergestellt  hatte  und  dessen  Motiv,  eines  der 
Glanzstücke  Lebruns,  Delacroix  mit  Bedacht  in  sich  aufnahm^. 
Er  traf  die  wirkliche  Bestimmung  dieser  Pracht,  die  kein  Bild 
von  Lebrun  je  vollkommen  in  Einklang  mit  den  Zieraten  des  kunst- 
gewerblichen Pomps  der  Epoche  zu  erfüllen  vermocht  hätte,  über- 
traf alles,  was  dem  verwöhnten  König  je  in  Farben  gelacht  hat. 
Das  Bild  füllt  die  Mitte,  nicht  wie  dafür  gemacht,  sondern  als  ob 
die  Umgebung  nach  ihm  gemacht  sei,  wie  ein  Stein  in  seiner 
Fassung.  Es  hält  den  Wettkampf  mit  dem  massenhaften  Gold, 
mit  all  der  Verschwendung  der  verschwenderischsten  Epoche,  die 
je  die  Neue  Welt  sah,  siegreich  aus  und  ist  doch  nur,  nicht  mehr, 
nicht  weniger,  ein  Delacroix,  ein  Stück  seines  ureigenen  Ruhms. 
Die  Bewunderung  der  gleißenden  Schmeichelei,  die  königlicher 
Eitelkeit  diente,  vergeht  vor  den  Wundern  dieses  Roi-Soleil. 

Die  Komposition  nähert  sich  dem  rubenshaften  Schema  des  Rat- 
hausplafondbildes, das  übrigens  etwas  später  entstand,  und  scheint 
es  zu  verbessern.  Was  in  diesem,  wenn  wir  uns  an  die  Abbildungen 
halten,  ein  wenig  verworren  wirken  könnte,  wird  geklärt.  Freilich  ist 
die  Beurteilung  nach  Abbildungen,  auf  die  man  bei  dem  Rathaus  an- 
gewiesen ist,  gerade  bei  Delacroix  vom  Übel.  Die  wunderbare 
Skizze  zu  dem  Rathausbild,  die  Cheramy  besaß-  und  die  alles 
Wesentliche  der  Komposition  mit  geringen  Modifikationen  an- 
deutet, ist  von  jeder  Verworrenheit  frei.  Die  Differenz  der  Töne 
rückt  die  Massen,  die  in  den  oft  mäßigen  Abbildungen  nach  dem 
verbrannten  Bilde  auf  einer  Fläche  und  deshalb  unorganisch  er- 


'  Er  kopierte  viele  Motive  der  Decke  teils  direkt,  teils  nach  einem  Werk,  das  ihm 
Duban,  der  Architekt  des  Louvre,  geborgt  hatte.  (Journal  III,  S.  14.  Die  Fußnote 
unter  dieser  Seite  beruht  auf  einem  Irrtum.  Im  Robaut  befindet  sich  nur  eine  Zeich- 
nung Delacroix'  nach  der  Decke ;  es  ist  die  nach  dem  schönen  Lebrunschen  Rahmen- 
Motiv,  Robaut  Nr.  11 17.) 

•  Robaut  Nr.   11 20. 

Meier-Gracfe,  Delacroix  7 


98 DIE  DEKORATION 


scheinen,  auf  verschiedene  Pläne  und  enthüllt  uns  die  herrlich  ge- 
schmückte Tiefe,  die  dem  Bilde  einen  ganz  anderen  Sinn,  der 
Komposition  die  Vollendung  gibt.  Waren  die  Massen  in  dem  end- 
gültigen Werke  ebenso  äquilibriert  wie  in  der  Skizze?  Das  be- 
geisterte Lob  Gautiers  scheint  einen  leisen  Einwand  dieser  Art 
frei  zu  lassen^.  Das  Auge  suchte  vielleicht  die  Stelle,  die  es  als 
Mittelpunkt  nehmen  konnte.  Die  regelmäßige  Form  der  Leinwand 
hat  möglicherweise  den  Meister,  der  von  allen  Lösungen  nie  die 
leichteste  wählte,  zu  einer  zu  weitgehenden  Komplikation  ge- 
trieben. Ich  betone,  daß  alles  das  gegenstandslose  Vermutungen 
sein  können. 

In  dem  Louvreplafond  kam  schon  die  weniger  regelmäßige  Form 
der  Malfläche  den  Instinkten  des  Künstlers  entgegen.  Die  Lein- 
wand ist  nicht  wie  im  Salon  de  la  Paix  ein  Kreis,  sondern  eine 
aus  Rundungen  und  Graden  zusammengesetzte  Figur,  etwa  eine 
in  einen  unsichtbaren  Kreis  gebaute  Ellipse  mit  rechtwinklig  aus- 
gebauchten Längsseiten.  Die  Extremitäten  der  Ellipse  und  des 
Rechtecks  berühren  die  Peripherie  des  gedachten  Kreises.  Diese 
gegebene  Fläche,  die  einen  anderen  zur  Verzweiflung  gebracht 
hätte,  wurde  zu  einem  idealen  Stadion  für  die  Muse  Delacroix'. 
Die  Komposition  verwandelt  die  unregelmäßige  Ellipse  in  einen 
idealen  Kreis.  Sie  verteilt  alle  Massen  zentrifugal,  häuft  sie  in  den 
ausgebauchten  Seiten  der  Ellipse,  wo  aus  eilenden  Leibern  grotesk 
gewundene  Säulen  entstehen  und  gewinnt  jede  Gruppe  aus  kon- 
trastierenden Bewegungen,  die  scheinbar  zufällig  zu  der  Rundung 
beitragen.  Wo  die  Ellipse  entscheidet,  oberhalb  Apolls  in  den  Ge- 
nien, unterhalb  Apolls,  wo  der  Panther  mit  ungeheurer  Wucht 
dahinstürzt,  wird  die  Rundung  am  deutlichsten,  und  diese 
Bewegung  genügt  dem  Auge,  um  die  motorischen  Andeutungen 
in  den  anderen  Teilen  richtig  zu  interpretieren.  Wie  die 
Koloristik  Delacroix'  ist  sein  kompositionelles  Prinzip  ein 
Zielen  auf  die  produktiven  Kräfte  des  betrachtenden  Auges. 
Es  gibt  die  einander  zuströmenden  komplementären  Teile.  Frei- 
lich muß  man  sehen  wollend 


^  Moniteur  universel  vom  25.  März   1854.   Über  die  Farben    der  Dekoration  des 
Salon  de  la  Paix  vgl.  Andrieu  in  «  La  Galerie  Bruyas  ». 

-  Chesneau,  der  Vorredner  des  Robaut-Katalogs,  meint,  Delacroix  habe  in  dem 


DIE  DEKORATION 99 


Die  Komposition  interpretiert  in  idealer  Weise  den  Siegeszug 
des  Sonnengotts,  der  mit  seinen  Pfeilen  die  Gewalten  der  Finsternis 
verscheucht.  Der  Gedanke  an  den  Ursprung  der  Aufgabe  ver- 
schwindet, wenn  man  in  ihre  Lösung  eindringt,  und  der  Geist  eines 
Erhabenen,  dem  Delacroix  schon  in  seinem  frühesten  Monumental- 
werke einen  Tribut  darbrachte,  dem  er  sich  jetzt  wie  ein  gleich- 
gestellter Genosse  nahen  darf,  übernimmt  die  Führung.  Etwas 
von  der  Wucht,  mit  der  Roms  größter  Meister  in  seinem 
größten  Werk  die  Gestalten  in  den  Abgrund  schleudert,  steckt  in 
dem  Gemälde.  Die  Wucht  drang  zu  Delacroix,  der  nie  den  Boden 
Italiens  betrat,  über  Rubens,  der  es  sich  angelegen  sein  ließ,  sie 
zu  vermenschlichen,  und  gleichzeitig  jene  Vergeistigung  des  Un- 
geheuerlichen begann,  die  allein  das  Erbe  Michelangelos  zu  retten 
vermochte.  Das  Stück,  das  der  Flame  bezwang,  ist  nicht  größer 
als  das,  was  Delacroix  in  gleicher  Richtung  errang,  indem  er  der 
Wucht  seine  Harmonie  entgegenstellte  und  doch  die  Kraft  frei 
ließ.  Man  versteht  vor  keinem  Bilde  wie  vor  diesem  Plafond  so  gut 
die  Tiefe  seiner  Kritik  Michelangelos,  des  zerstörenden  und  hin- 
reißenden Genius.  Und  man  versteht  das  tiefe  Wort  Montesquieus : 
zwei  gemeine  Schönheiten  heben  sich  auf,  zwei  große  heben  sich 
hervor.  Nirgend  ist  die  geistige  Rolle  der  Koloristik  Delacroix', 
die  wir  seine  Hygiene  nannten,  so  deutlich.  Die  Farbe^  scheint 
der  Sage  von  dem  Sonnengotte  eine  noch  großartigere  Auslegung, 
zu  geben,  als  es  der  gewaltigen  Komposition  gelingt.  Freilich,  wer 
kann  in  dieser  Sonnenlegende  zwischen  Farbe  und  Komposition 
unterscheiden?  Der  materiellen  Substanz  mag  der  Umstand  von 
Vorteil  gewesen  sein,  daß  Delacroix  hier  ausnahmsweise  auf  den 
Zusatz  von  Wachs  zu  seinen  Ölfarben,  den  er  bei  den  meisten 
anderen  —  wenn  nicht  allen  —  Dekorationen  anwendete,  verzichtete.  , 

Plafond  nicht  ganz  die  Irrtümer  großer  Vorgänger  vermieden,  und  wirft  ihm  den 
Mangel  an  «  vertikaler  Perspektive  »,  die  Unlogik  in  den  Gestalten  der  Peripherie, 
die  nach  seiner  Ansicht  in  die  Galerie  zu  fallen  drohen,  usw.,  vor.  Solche  Ein- 
wände einer  primitiven  Ornamentik  oder  eines  ebenso  primitiven  Naturalismus 
suchen  die  Kunst  mit  üirem  Rahmen  zu  widerlegen  und  erinnern  an  den  braven  Zu- 
schauer im  Theater,  der,  nachdem  er  eine  Weile  dem  Faust  zugehört  hatte,  meinte: 
Was  gehen  mich  eigentlich  diese  Leute  an  ? 

•  Delacroix  hat  selbst  eine  zum  Teil  ins  Detail  gehende  Farbenbeschreibung  des 
Werkes  gegeben.  Vgl.   Journal  I  S.  448  ff.,  II  S.   54  ff.  Vgl.  auch  Andrieu. 

7* 


100  DIE  DEKORATION 


Die  Skizze  zu  dem  Plafond,  in  der  Brüsseler  Galerie,  nach  der  wir 
leider,  da  nach  dem  Louvrebilde  ebensowenig  wie  nach  den  meisten 
anderen  Dekorationen  Aufnahmen  zu  erreichen  waren,  unsere 
Abbildung  machen  mußten,  hat  gelitten  und  durch  schlechten 
Firnis  ein  speckiges  Gesicht  erhalten.  Die  Farben  geben  nur  die 
rohe  Substanz  des  Gemäldes. 

Während  Delacroix  an  dem  Plafond  malte,  machte  er  die  Ent- 
würfe für  die  zehn  Jahre  später  nach  zahllosen  Unterbrechungen 
vollendete  Kapelle  des  Saints  Anges  in  St.  Sulpice  mit  der  Ver- 
treibung Heliodors,  dem  Kampf  Jakobs  mit  dem  Engel  und  dem 
Erzengel  Michael  mit  dem  Drachen.  Es  wurde  daraus  die  Probe 
auf  ein  anderes  Exempel,  der  Beweis,  wie  ernst  es  dem  Geschickten 
mit  seinem  Kampf  gegen  die  Geschicklichkeit  war,  wie  wenig  das 
wunderbare  Gespinst  seiner  Pinselzüge  für  das  Wesen  seiner  Kunst 
bedeutete,  wie  unabhängig  der  Gestalter  von  den  Zufälligkeiten 
der  Materie  war,  die  seinen  Staffeleibildern  so  viele  Reize  verleiht. 
Die  Materie,  auf  die  Delacroix  in  der  Kapelle  angewiesen  war, 
schloß  mindestens  einen  sehr  großen  Teil  der  gewohnten  Reize  aus : 
er  malte  die  Dekoration  als  Fresco^. 

Die  Freskenmalerei  erlebte  in  Frankreich,  eine  Generation  später 
als  bei  uns,  eine  ähnliche  Renaissance  wie  die  von  den  Deutschen 
in  Rom  versuchte.  Die  Ingres-Schüler  brachten  sie.  Victor  Mottez, 
Amaury  Duval,  Orsel  und  andere  bedeckten  stille  Kapellen  mit 
ausführlichen  Geschichten,  ein  wenig  zurückhaltender,  vorsich- 
tiger als  die  Cornelius,  Overbeck,  in  ähnlichem  Geiste,  im  Grunde 
noch  öder.  Man  übertrug  mit  Fleiß  und  Artigkeit  Zeichnungen, 
die  schon  auf  dem  Papier  keine  Kraft  hatten,  auf  die  Mauer  und 
ins  Große.  Das  Resultat  war  der  vollkommene  Ausdruck  einer 
geistigen  Unzulänglichkeit.  Delacroix  war  schon  gegen  den  Meister 
dieser  Schüler,  zumal  wenn  dieser  sich  in  der  Dekoration  ver- 
suchte, von  unbeugsamer  Kritik^,   weil   er   nie  die  Folgen  einer 


'■  Ich  behalte  Robauts  Bezeichnung  «  Fresken  »  bei,  obwohl  ich  die  Dekorationen 
nicht  für  reine  al  fresco-Malerei,  vielmehr  für  eine  Art  Tempera  halte. 

2  Als  er  den  Plafond  im  Hotel  de  Ville  malte,  hatte  er  wiederholt  Gelegenheit, 
die  Schöpfungen  des  <i  Ulustre  confrere  en  plafond  »  zu  sehen,  die  einen  anderen  Saal 
desselben  Gebäudes  nicht  eben  vorteilhaft  schmückten.  Merkwürdig,  daß  die  Kritik 
es  nie  gewagt  hat,   den  Unterschied  zwischen  dem  Monumentalstil  Delacroix'  und 


DIE  DEKORATION  loi 


kompilierenden  Inspiration  zu  übersehen  vermochte,  die  An- 
strengung, sich  in  einem  Gebiet  zurecht  zu  finden,  für  das  Ingres 
als  Wesentlichstes  nur  seine  Bildung  und  eine  verschrobene 
Methode  mitbrachte.  So  wenig  wir  das  Recht  haben,  Delacroix  in 
allen  Einzelheiten  seiner  wohl  begründeten  Kritik  zu  folgen, 
der  Meister  der  Kapelle  des  Saints  Anges  durfte  so  urteilen.  Was 
in  der  Ingres-Schule  geschwollene  Phrase  blieb,  wurde  in  Dela- 
croix' Fresken  Tatsache.  Er  gab  ein  den  Alten  ebenbürtiges  Werk, 
mit  den  Mitteln  der  Alten,  sogar  aus  ihrem  Gedankenkreis  ge- 
wonnen; und  ein  ganz  persönliches  Werk,  so  persönlich  wie  der 
Louvreplafond,  von  dem  die  Fresken  um  eine  Welt  entfernt  sind. 

Wiederum  eine  Pracht,  aber  von  ganz  anderer,  man  könnte 
sagen,  weniger  weltlicher  Art;  wiederum  ein  Rauschen  von  Farben, 
eine  gewaltige  Bewegung,  weniger  überweltlich,  schlichter,  zumal 
unter  den  Bäumen,  die  Riesen  sind,  wo  seitlich  die  Karawane  fröh- 
lich mit  Jakobs  reichen  Geschenken  zieht,  und  vorn  der  stierige 
Mensch  mit  dem  gutmütigen  Engel  kämpft;  ein  Engel  breit- 
schultrig mit  festen  Armen  und  Beinen  und  dabei  ganz 
leicht  beschwingt;  eine  Mischung,  die  den  Griechen  be- 
kannt war,  die  Delacroix  allen  seinen  Frauen  gab;  ein  leise 
sich  wiegender  Engel,  der  spielend  den  Stürmenden  bezwingt, 
nicht  mit  der  Kraft  der  Muskeln,  sondern  mit  einer  viel 
überzeugenderen  Gewalt,  mit  dem  Rhythmus,  der  die  Woge  hinab 
und  hinauf  bis  in  die  Baumwipfel  schwingt,  der  die  ganze  Mauer, 
die  zum  Bild  wurde,  in  ein  leises  Schwingen  bringt  und  das  Wunder 
ist,  das  pulsierende  Herz  dieser  Legende. 

Gegenüber  aber  glitzert  die  Pracht  des  Palastes  mit  dem  ge- 
bärdenreichen Wunder.  Der  Palast  gehört  zu  denen,  die  man  nie 
bauen,  immer  nur  malen  könnte;  mit  Säulen,  die  nicht  zwei 
Menschen  umspannen  und  die  um  keinen  Preis  dünner  sein  dürften, 
Kolonnaden,   die  nie  enden,   Treppen,  so  breit,   daß  zehn  Reiter 


Ingres'  in  unzweideutiger  Weise  festzustellen.  Zu  Lebzeiten  des  Meisters  hat,  glaube 
ich,  nur  L.  Vitet  (Revue  des  Deux  Mondes,  Aprü  1862)  eine  für  Delacroix  nicht 
ungünstige  Parallele  angedeutet.  —  Delacroix  hatte  für  Ingres'  wesentliche  Eigen- 
schaften ein  vorurteüloses  Verständnis.  Wie  Baudelaire  erzählt  (l'Art  Romantique 
S.  37),  kopierte  er  sorgfältig  verschiedene  Photographien  nach  BleistiftbUdnissen 
Ingres'. 


102  DIE  DEKORATION 


nebeneinander  hinaufreiten  könnten,  Balustraden,  wo  die  Menge 
wogt,  inmitten  der  würdige  Priester  mit  dem  langen  Bart  und  den 
weitgeöffneten  Armen.  Vielleicht  hat  man  dergleichen  schon 
irgendwo,  irgendwann  gesehen,  als  Kind,  als  man  zum  erstenmal 
in  das  große  Theater  geführt  wurde  und  alles  glaubte,  was  da  vorne 
in  dem  strahlenden  Lichte  vorging,  das  furchtbar  Schöne  und 
schöne  Furchtbare.  Der  Traum  machte  es  nachher  noch  viel 
schöner.  Auch  dieser  Palast  mit  dem  stürmischen  Getöse,  das 
nicht  ans  Ohr  dringt,  obwohl  die  ganze  Begebenheit  fest  und  sicher 
wie  in  Mosaik  geschnitten  erscheint,  mit  der  Gewalt  des  ein- 
zelnen, das  nie  greifbar  wird,  obwohl  man  drei  Schritte  davor  steht, 
mit  dem  gewaltigen  Schwung,  der  nur  das  Bildhafte  kräftigt,  ist 
Traum,  der  Traum  eines  Künstlers,  der  das  größte  Vorrecht  des 
Kindes,  an  Erschautes  zu  glauben,  zu  realisieren  weiß. 

Was  haben  die  beiden  Wände,  dieser  stille  Wald  auf  der  einen, 
das  prunkende  Tempelvestibül  auf  der  anderen  gemein?  Den  Geist 
des  Schöpfers,  der  sie  entstehen  ließ.  Es  ist,  als  habe  sein  Genius 
mit  der  Farbe  herausgelockt,  was  in  der  Architektur  eines  Baum- 
geästes und  in  der  eines  Tempels,  in  zwei  Geschichten  von  so  grund- 
verschiedener Art  an  Gemeinsamem  enthalten  sei,  was  den  Wind, 
der  die  Blätter  regt,  mit  dem  sausenden  Flug  eines  züchtenden 
Engels  verbindet.  Sicher  findet  man  es  nicht  so  schnell  wie  das 
Gemeinsame  zwischen  den  Wänden  eines  byzantinischen  Mosai- 
kisten  oder  zwischen  den  Fresken,  die  ein  Meister  des  Quattrocento 
ersann.  Dafür  ist  es  ergreifender,  von  tieferer  Bedeutung,  von 
edlerem  Nutzen,  wenn  man  es  gefunden  hat. 

Seltsam,  daß  der  Kolorist  Delacroix  in  diesem  Werk  einer  ver- 
gleichsweise primitiven  Technik  einen  seiner  Höhepunkte  erreicht, 
wenn  nicht  überhaupt  seinen  höchsten  Gipfel;  seltsam  und  be- 
greiflich. Auf  dem  Gipfel  alles  Großen  steht  immer  das  Einfache. 
Die  Farbe  scheint  allen  Reichtum  Venedigs  zu  kondensieren.  Sie 
beherrscht  dies  Bild  ohne  den  milden  Schleier,  den  Veronese  über 
seine  Hochzeit  deckte,  und  ist  einfach  wie  die  Farbe  frühchrist- 
licher Mosaiken.  «  Er  malt  nur  noch  »,  schreibt  Signac,  «  mit  den 
einfachsten  und  reinsten  Farben  und  verzichtet  endgültig  darauf, 
seine  Farbe  dem  Clair-obscur  zu  unterwerfen.  Das  Licht  ist  überall. 
Nirgend  mehr  ein  schwarzes  Loch,  kein  einziger  dunkler  Fleck, 


DIE  DEKORATION 103 


der  mit  anderen  Teilen  des  Bildes  nicht  übereinstimmte,  keine 
undurchsichtigen  Schatten,  keine  flachen  Stellen,  Er  gewinnt  seine 
Töne  aus  allen  Elementen,  die  sie  verstärken  und  beleben  können, 
und  verzichtet  auf  jede  Nachahmung  des  Scheins,  auf  alle  natura- 
listische Färbung.  Die  Farbe  für  die  Farbe  ohne  andere  Rücksicht! 
Fleisch,  Szenerie,  Nebensachen  —  alles  ist  in  derselben  Art  be- 
handelt, kein  Teilchen  der  Malerei,  das  nicht  klingt,  nicht  schwingt, 
nicht  spiegelt.  Jede  Lokalfarbe  ist  auf  den  höchsten  Grad  ihrer 
Kraft  getrieben  und  trotzdem  immer  im  Einklang  mit  der  benach- 
barten, von  der  sie  bestimmt  wird  und  die  sie  bestimmt.  Alle 
fließen  mit  den  Lichtern  und  den  Schatten  zusammen  in  einem 
farbigen  ganz  harmonischen  Ganzen.  Klar  und  deutlich  strömt  die 
Melodie  aus  den  vielartigen  und  mächtigen  Instrumenten,  Delacroix 
hat  endlich  die  Einheit  in  Vielem,  die  Pracht  in  der  Harmonie 
erreicht,  die  er  sein  ganzes  Leben  gesucht  hat^  ». 

Gerechte  Einwände  können  allenfalls  den  kleinen  Plafond  treffen, 
den  Delacroix  nach  Robauts  Meinung  vielleicht  von  Helfern  fertig 
machen  ließ.  Er  begnügte  sich,  ihn  vollkommen  harmonisch  in  das 
Ensemble  einzuordnen,  an  dem  die  Decke  übrigens  infolge  ihrer 
Höhe  nie  wesentlichen  Anteil  hätte  nehmen  können.  Auch  gegen 
die  beiden  Hauptwände  bringt  man  vielerlei  vor.  In  früheren 
Jahren  pflegte  ich  deutsche  Bekannte,  die  mich  in  Paris  besuchten 
und  etwas  sehen  wollten,  hierher  zu  führen.  Mir  schien  immer 
diese  Kapelle  der  passendste  Ort  für  die  friedliche  Eroberung  der 
Ungläubigen,  weil  man  darin  nicht  zu  laut  sprechen  darf.  Ein 
Mensch,  der  zwei  Wände  solcher  Art  in  Gleichgewicht  halten 
konnte,  müßte,  so  glaubte  ich,  dem  Betrachter  genügend  Respekt 
einflößen,  um  ihn  dahin  zu  bringen,  die  Schönheit  zu  empfangen. 
Die  Probe  trügt  nie,  nicht  weil  es  nicht  suggestivere  Delacroix'  gibt, 
sondern  weil  gerade  dieses  Werk,  um  verstanden  zu  werden,  zu 
jener  Klarheit  der  Anschauung  zwingt,  ohne  die  alles  Aufnehmen 
von  Kunst  willkürliche  Suggestion  bleibt.  Was  grobe  Bären  ein- 


'  « De  Delacroix  au  Neo-impressionisme  »,  S.  40.  —  Über  die  Palette  Delacroix' 
in  der  Chapelle  des  S.  Anges  vgl.  Andrieu,  der  in  ihr  —  vielleicht  nicht  ganz  mit 
Recht  —  die  letzte  Palette  des  Meisters  erblickt.  (La  Galeric  Bruyas,  S.  376.)  Viele 
der  letzten  Staffeleibilder  Delacroix'  sind,  so  scheint  mir,  mit  einer  einfacheren, 
gedämpfteren  Palette  gemalt. 


104        DIE  DEKORATION 


wenden,  nennen  sie  die  Unwahrheit;  literarisch  Gebildete  fühlen 
hier  wieder  die  alte  Romantik  oder  das  Barock.  Damit  kann  man 
den  ganzen  Delacroix  abtun  und  ach,  wie  viele  andere  noch.  Dazu 
kommt  das  Durchsichtige  des  Vorbildes  für  Leute,  die  morgens  im 
Louvre  gesehen  haben,  wie  Raffael  seinen  heiligen  Michael  den 
Teufel  niederwerfen  lässt.  Denen  wird  nie  aufgehen,  warum  Dela- 
croix ein  Genie  wäre,  auch  wenn  er  sich  noch  viel  enger  an  Raffael 
gehalten  hätte,  als  er  wirklich  getan.  Die  Begründung  hat  Delacroix 
selbst  gegeben,  nicht  um  sich,  sondern  um  gegen  denselben  Vorwurf 
den  Meister  zu  verteidigen,  auf  dessen  Art  man  die  Einwände 
gegen  ihn  aufbaut.  Er  schreibt  während  der  Arbeit  in  St.  Sulpice 
in  sein  Tagebuch:  «Poussin  sagte  in  einer  leichtsinnigen  Stunde, 
Raffael  sei  ein  Esel  neben  der  Antike,  und  hatte  recht,  weil  er 
nur  Zeichnung  und  Beherrschung  des  Nackten  zum  Vergleich  zu- 
ließ. Ebensogut  hätte  er  auch  sich  selbst  über  Raffael  stellen 
können,  nur  in  einer  anderen  Richtung.  Wenn  er  dagegen  die 
Wunder  an  Grazie  und  den  aufs  höchste  verfeinerten  Sinn  für  die 
Komposition  bedacht  hätte,  so  wäre  ihm  aufgegangen,  daß  Raffael 
in  mancherlei  Teilen  der  Kunst  selbst  der  Antike  überlegen  war, 
nämlich  in  denen,  die  Poussin  verschlossen  geblieben  sind.  Raffaels 
Anatomie  und  seine  Farbenerfindung  waren  so  gut,  als  er  konnte ; 
nicht  gerade  schlecht,  aber  so,  wie  sie  sind,  mit  den  Leistungen 
Tizians,  Correggios  und  der  alten  Flamen  auf  diesem  Gebiet  ver- 
glichen, geringer  und  mußten  geringer  sein,  Sie  hätten  noch  viel 
mäßiger  sein  können,  ohne  die  Vorzüge  wesentlich  zu  verringern, 
die  Raffael  nicht  nur  in  die  erste  Reihe,  sondern  in  der  Art  seiner 
Gaben  über  alle  alten  und  neuen  Künstler  stellen.  Ich  möchte 
sogar  fast  behaupten,  daß  diese  Eigenschaften  durch  eine  stärkere 
Betonung  der  Anatomie  und  des  Pinselstrichs  vermindert  worden 
wären.  Und  dasselbe  könnte  man  nahezu  von  Poussin  selbst 
sagen  »^. 

Es  läßt  sich  viel  gegen  die  Monumentalkunst  Delacroix'  sagen, 
z.  B.,  daß  sie  nicht  stilisiert  ist,  nicht  so  ornamental  wie  die  Pro- 
dukte späterer  Stilisten.  Kein  Wunder,  daß  eine  Konstruktion 
konstruktiver   ist,   als  ein  Gemälde.   Diese   Konstruktion   ist   der 


Journal  II,   131,  132. 


DIE  DEKORATION  105 


Teilungsmodus  unserer  Tage.  Er  erreicht  das  den  Zielen  Delacroix' 
Entgegengesetzte,  erlaubt,  Ausdruck,  Geist  und  Leben  als  bild- 
fremde Störungen  auszuscheiden  und  überliefert  das  Kunst- 
werk dem  Tapezierer.  Delacroix  hielt  das  Dekorative  für 
einen  relativen  Wert,  der  nur  in  Verbindung  mit  anderen, 
weniger  greifbaren  Faktoren  eine  Rolle  spielen  dürfe  und 
erst  dann  als  Errungenschaft  zu  gelten  habe,  wenn  er  sich 
trotz  Ausdruck,  Geist  und  Leben  erhielt.  Unter  den  vielen  Kunst- 
problemen, die  den  Denker  beschäftigten,  sucht  man  vergebens 
das  Monumentale  oder  das  Dekorative,  Dinge,  deren  Diskussion 
heute  im  Vordergrund  steht,  vielleicht,  weil  wir  sie  nicht  be- 
sitzen, und  über  die  sich  zu  äußern,  er  nicht  der  Mühe  wert  fand, 
vielleicht,  weil  er  sie  besaß.  Dagegen  findet  man  unzählige 
Hinweise  auf  die  Notwendigkeit,  dem  Kunstwerk  auf  jede 
mögliche  Weise  Größe  zuzuführen.  Eigentlich  drehte  sich  sein 
ganzes  Denken  um  nichts  anderes,  als  dem  Rat  Stendhals  zu  folgen, 
der  ihm  schrieb :  « Ne  negligez  rien  de  ce  qui  peut  vous  faire 
grand!»  Daher  beschäftigte  er  sich  viel  mit  den  Opfern,  die  jede 
auf  Geist  zielende  Gestaltung  zu  bringen  hat,  und  die  Verein- 
fachung, ein  terminus  technicus,  der  heute  eine  große  Rolle  spielt, 
war  ihm  nicht  fremd.  Doch  schrieb  er  einmal :  «  Könnte  man  nicht 
oft  die  Abwesenheit  der  Kunst  für  den  Gipfel  der  Kunst  nehmen? 
Wenn  die  Entwicklung  der  Kunst  nur  dahin  führt,  immer  simplere 
Dinge  hervorzubringen,  so  verzeihe  man  meine  tiefe  Sympathie 
mit  den  Epochen,  die  nicht  der  komplizierten  künstlerischen 
Arbeit  entraten  konnten.  Man  sollte  sich  vor  einem  großen  Wort, 
dem  Schlagwort  aller  Pedanten  von  heute,  in  acht  nehmen:  dem 
von  der  Einfachheit.  Es  kann  nicht  das  Gesetz  einer  Zeit  werden, 
in  der  diese  Einfachheit  nicht  mehr  möglich  ist.  .  .  Diese  ver- 
götterte Einfalt  hängt  oft  nur  an  den  barbarischen  Floskeln  primi- 
tiver Literaturen,  d.  h.  mehr  an  dem  Kleid  des  Gedankens  als  an 
dem  Gedanken  selbst.  .  .  Du  mußt  die  Mittel  nehmen,  die  deiner 
Zeit  angemessen  sind,  sonst  wirst  du  nicht  verstanden  werden 
und  nicht  bleiben.  Das  Mittel  einer  anderen  Zeit,  dessen  du  dich 
bedienst,  um  zu  deinen  Zeitgenossen  zu  reden,  wird  immer  ein 
Scheinmittel  sein.  Die  Menschen,  die  nach  dir  kommen,  werden 
deine  entliehene  Art  mit  den  Werken  der  Epochen  vergleichen, 


io6  DIE  DEKORATION 


als  diese  Art  die  einzig  bekannte  und  verstandene  und  infolge- 
dessen besser  geübte  war,  und  werden  dich  zu  den  Geringen 
rechnen,  zu  denen  du  dich  selbst  gestellt  hast»^ 

Goldene  Worte! 

Die  Reihe  der  Dekorationen  ist  mit  den  hier  genannten  öffent- 
lichen Werken  Delacroix'  nicht  erschöpft  und  läßt  sich  wohl 
überhaupt  nicht  genau  begrenzen.  Welcher  Delacroix  ließe  sich 
nicht  als  Dekoration  verwenden?  Welche  seiner  Dekorationen 
wäre  kein  vollgültiger  Delacroix?  Robaut  berichtet  von  vier  halb- 
runden Füllungen  mit  den  Jahreszeiten,  die  1831  den  Speisesaal 
Talmas  geschmückt  haben  sollen.  Die  Jahreszeiten,  die  Delacroix 
ursprünglich  für  den  Salon  von  1863  bestimmt  hatte,  ließ  er 
unvollendet  zurück^  Zwei  wundervolle  Supraporten,  ein 
Triumph  des  Bacchus  und  ein  Triumph  der  Amphitrite  wurden 
vor  einigen  Jahren  im  Hotel  Drouot  als  Schule  Tiepolos  verkauft 
und  hängen  jetzt  in  der  Sammlung  Biermann  in  Bremen^.  Sie 
stammen  aus  der  letzten  Zeit  und  scheinen  mit  Nervenenden  ge- 
malt. Der  Experte,  der  sie  Tiepolo  zuschrieb,  war  nicht  fein  be- 
saitet. 

Was  man  gegen  Delacroix'  Monumentalkunst  im  Louvre- 
plafond  und  in  der  St.  Sulpice  einwenden  kann,  ist  der  Hinweis  auf 
unsere  Armut,  daß  wir  uns  kaum  noch  ein  Zeitalter,  in  dem  ein 
Veronese  und  ein  Tintoretto  die  Wände  schmückten,  vorzustellen 
vermögen,  geschweige  einen  Prunk  fassen  können,  der  die  Vene- 
zianer zu  Essenzen  verdichtet.  Dazu  kommt,  daß  Delacroix  seine 
Staffeleibilder  so  verführerisch  gemacht  hat,  gerade  seine  aller- 
kleinsten,  wie  die  Perlen  in  dem  Saal  Thomy  Thiery.  Gerade  zur 
Zeit  der  Fresken  in  der  St.  Sulpice  entstanden  die  schönsten  Historien- 
bilder in  Diminutiv.  Manche  von  ihnen  sehen  wie  kleine  Skizzen 
von  Rubens  aus,  die  Tintoretto  und  Veronese  mit  Saphiren  und 
Smaragden  gespickt  haben.  Das  Blut  auf  seinen  Löwenjagden 
gleicht  flüssig  gewordenen  Rubinen. 


'  Journal  III,  S.  264 — 266. 

'^  Robaut  Nr.  1428,  1430,  1431,  1432.  Vgl.  auch  Theophile  Silvestre:  Eugöne  Dela- 
croix, Documents  nouveaux  (Paris  1864)  S.  14  ff. 

^  Robaut  Nr.  1419,  1420.  Robauts  Angabe,  die  Bilder  seien  auf  Holz  gemalt,  beruht 
auf  einem  Irrtum. 


DER  GRAPHIKER 


Delacroix  machte  mit  der  Farbe  Bilder,  nicht  mit  Gegenständen. 
Manchmal  könnte  man  sogar  glauben,  die  Farbe  vollbringe 
selbsttätig  das  Bildhafte.  Sie  liegt  nicht  auf  der  Leinwand,  sondern 
kommt  aus  der  Tafel  heraus,  scheint,  sobald  sie  ihren  Erzeuger 
verlassen,  ein  eigenes  Leben  zu  beginnen.  —  Deshalb  hat  man  ihm 
den  Titel  eines  Koloristen  zuerkannt.  Doch  zeigt  die  Verwandt- 
schaft der  späteren  Werke  mit  den  früheren,  die  den  Glanz 
der  Palette  entbehren,  und  wiederum  der  Vergleich  der 
mittleren  Zeit,  die  dem  Materialismus  des  Farbigen  huldigt,  mit 
den  viel  einfacheren  und  doch  reicheren,   ganz  geeinten  Bildern 


I 


HO  DER  GRAPHIKER 


der  letzten  Jahre,  daß  nicht  die  Palette  allein  das  Werden  des 
Malers  bestimmte,  und  wir  wissen  von  Chesneau,  wie  bitter  der 
Meister  lächelte,  wenn  man  ihn  mit  der  Anerkennung  abspeiste, 
ein  guter  Kolorist  zu  sein^.  Einem  Liebhaber,  der  seine  Farben 
pries,  erzählte  er,  Michelangelo  habe  einem  Verehrer,  der  seine 
Anatomie  lobte,  gesagt,  die  Natur  sei  ihm  zuwider.  —  Ich  kann 
mir  denken,  daß  er  lieber  gar  nicht  gelten  wollte,  als  nur  als  Farben- 
mischer. 

Manche  Bilder  sind  zuerst  als  Steindrucke  entstanden.  Der 
Vergleich  der  Lithographien  mit  den  Gemälden  ist  lehrreich.  Er 
erweist,  daß  Delacroix  keiner  Palette  bedurfte,  um  mindestens  die 
Umrisse  seiner  Art  zu  begründen.  Er  begann  als  Graphiker  und 
brachte  es  auch  auf  diesem  Gebiet,  obwohl  er  es  später  vernach- 
lässigte, zu  einem  umfangreichen  Oeuvre-.  Die  Entwicklung  ist  in 
anderen  Formen  dieselbe,  die  Delacroix  als  Staffeleimaler  und  als 
Dekorateur  durchlief. 

Seine  meisten  graphischen  Werke  fallen  in  die  zwanziger  und 
dreißiger  Jahre.  Die  Radierungen  treten  zurück.  Das  Metall  wider- 
setzte sich  seiner  Handschrift.  Er  versuchte  als  ganz  junger  Mensch 
Radierungen  von  Rembrandt  zu  vereinfachen  und  gab  die  Haupt- 
gruppe der  großen  «  Auf  erweckung  des  Lazarus  ».  Eine  unvollendete 
Platte  «  Scene  d'interieur  »  steht  anscheinend  Goya  nahe,  den  er 
schon  vor  der  spanischen  Reise  kannte.  1833  entstehen  mehrere 
Radierungen  mit  orientalischen  Motiven,  flüchtige  Niederschläge 
der  Reise  nach  Marokko,  die  wenig  von  dem  Eindruck  verraten, 
den  jedes  Aquarell  der  Zeit  zu  erkennen  gibt.  Ein  einziges  Blatt, 
die  Löwin  mit  dem  Araber,  datiert  1849,  gibt  die  wahren  Umrisse 
des  Künstlers.  Es  ist  seine  letzte  Radierung. 

Viel  früher  gibt  ihm  die  Lithographie  eine  eigene  Form.  Die 
beiden  frühesten  Blätter  stellen  Orientalen  dar,  den  persischen 
Gesandten  und  seine  Favoritin.  Dann  folgt  die  seltsame  Reihe 
von  teilweise  politischen  Karikaturen,  die  man  ohne  sichere  Be- 
weise ihm  nie  zuschreiben  würde.  Aus  welchen  Niederungen  stieg 


'  Peintres  et  Statuaires  romantiques  (Charavay  freres,  Paris  1879). 

'  Loys  Delteil  hat  im  dritten  Bande  des  «  Le  peintre  graveur  illustre  9  (Paris 
1908)  das  graphische  Werk  Delacroix'  mit  gewohnter  Sorgfalt  katalogisiert  und  25 
Radierungen  und   106  Lithographien  gefunden. 


DER  GRAPHIKER  iii 


dieser  Geist  empor!  Nach  der  Londoner  Reise  zeichnet  er  sechs 
Blätter  mit  antiken  Medaillons,  die  bereits  eine  Richtung  geben, 
und  reproduziert  die  Metope  mit  dem  Theseus,  der  den  Kentauren 
besiegt.  Man  meint  in  die  Werkstatt  des  werdenden  Genius  zu 
blicken.  1827,  im  Jahre  des  « Sar danapal »,  entsteht  die 
Serie  der  Faustillustrationen,  die  Goethe  ergötzte^.  Den  Goethe- 
forschern könnte  zu  denken  geben,  daß  der  Dichter  mit  dieser 
Darstellung  des  Künstlers  zufrieden  war.  Sie  deckt  sich  durchaus 
nicht  mit  seinem  Geiste,  noch  weniger  mit  den  modernen  Vor- 
stellungen der  Tragödie;  vor  allem  ist  es  keine  Tragödie,  sondern 
ein  krauses  Volksstück.  Delacroix  scheint  Goethe  nur  benutzt  zu 
haben,  um  die  Quellen  aufzudecken,  aus  denen  Goethe  schöpfte. 
Es  ist  der  primitive  Faust,  noch  ganz  in  der  schlackenreichen 
derben  Fülle,  von  der  der  Dichter  nur  Teile  behielt,  der  Faust  des 
Mittelalters,  den  ein  kaum  merklicher  Hauch  des  Dixhuitieme 
glättet,  nicht  der  Faust  der  Hofschauspieler,  eher  der  von  der 
alten  Puppenbühne:  der  arme  dumpfe,  gierige  Abenteurer,  der 
vom  Teufel  besessen  ist,  den  auf  seiner  Fahrt  mehr  Galgen,  Hexen 
und  wüste  Gesellen  als  tiefsinnige  Gedanken  begleiten*.  Eckermann 
beschreibt  das  Blatt,  «  wo  Faust  und  Mephistopheles,  um  Gretchen 
aus  dem  Kerker  zu  befreyen,  in  der  Nacht  auf  zwey  Pferden  an 
einem  Hochgerichte  vorbeysausen.  Faust  reitet  ein  schwarzes, 
das  im  gestrecktesten  Galopp  ausgreift  und  sich,  so  wie  sein  Reiter, 
vor  den  Gespenstern  unter  dem  Galgen  zu  fürchten  scheint.  Sie 
reiten  so  schnell,  daß  Faust  Mühe  hat,  sich  zu  halten;  die  stark 
entgegenwirkende  Luft  hat  seine  Mütze  entführt,   die,   von  dem 


'  Der  Inselverlag  hat  191 2  einen  Faust  mit  Lichtdrucken  nach  den  17  Lithographien 
DelacroLx'  herausgegeben.  Umschlag  und  Titel  der  Originalausgabe,  die  bekanntlich 
nicht  von  Delacroix  herrühren,  fehlen. 

'  Die  Anregung  kam  von  der  erwähnten  Londoner  Faustaufführung.  In  einem 
Brief  aus  London  vom  18.  Juni  1825  an  Pierret  schreibt  er:  «  J'ai  vu  ici  une  piöce 
de  Faust  qui  est  la  plus  diabolique  qu'on  puisse  imaginer.  Le  Mephistophdlös  est 
un  chef  d'ceuvre  de  caricature  et  d'intelligence.  C'est  le  Faust  de  Goethe,  mais 
arrange:  le  principal  est  conserve.  Ils  en  ont  fait  un  opera  mele  de  Comique  et  de 
tout  ce  qu'il  y  a  de  plus  noir.  On  voit  la  scöne  de  l'eglise  avec  le  chant  du  prStre  et 
l'orgue  dans  le  lointain.  L'effet  ne  peut  aller  plus  loin  sur  le  theätre.  i>  Lettres/s. 
Vgl.  auch  den  Brief  an  Burty  vom  i.  März  1862  (Lettres  351),  in  dem  Delacroix  auf 
die  Londoner  Anregung  verweist  und  als  Darsteller  des  Mephisto  Terry  nennt. 


112  DER  GRAPHIKER 


Sturmriemen  am  Halse  gehalten,  weit  hinter  ihm  herfliegt.  Er 
hat  sein  furchtsam  fragendes  Gesicht  dem  Mephistopheles  zu- 
gewendet und  lauscht  auf  dessen  Worte.  Dieser  sitzt  ruhig,  un- 
angefochten, wie  ein  höheres  Wesen.  Er  reitet  kein  lebendiges 
Pferd,  denn  er  liebt  nicht  das  Lebendige.  Auch  hat  er  es  nicht  von- 
nöten,  denn  schon  sein  Wollen  bewegt  ihn  in  der  gewünschten 
Schnelle.  Er  hat  bloß  ein  Pferd,  weil  er  einmal  reitend  gedacht 
werden  muß;  und  da  genügt  es  ihm,  ein  bloß  noch  in  der  Haut 
zusammenhängendes  Gerippe  vom  ersten  besten  Anger  aufzu- 
raffen. Es  ist  heller  Farbe  und  scheint  in  der  Dunkelheit  zu 
phosphoreszieren.  Es  ist  weder  gezügelt  noch  gesattelt,  es  geht 
ohne  das.  Der  überirdische  Reiter  sitzt  leicht  und  nachlässig  im 
Gespräch  zu  Faust  gewendet;  das  entgegenwirkende  Element  ist 
für  ihn  nicht  da,  er  wie  sein  Pferd  empfinden  nichts,  es  wird  ihnen 
kein  Haar  bewegt ». 

Goethe  fügt  hinzu: 

«  Da  muß  man  doch  gestehen,  daß  man  es  sich  selbst  nicht  so 
vollkommen  gedacht  hat.  » 

Dann  betrachten  sie  die  Trinkszene  in  Auerbachs  Keller,  «  wo 
der  verschüttete  Wein  als  Flamme  auflodert  und  die  Bestialität 
der  Trinkenden  sich  auf  die  verschiedenste  Weise  kund  gibt.  Alles 
ist  Leidenschaft  und  Bewegung,  und  nur  Mephistopheles  bleibt  in 
der  gewohnten  heiteren  Ruhe.  Das  wilde  Fluchen  und  Schreien 
und  das  gezückte  Messer  des  ihm  zunächst  Stehenden  sind  ihm 
nichts.  Er  hat  sich  auf  eine  Tischecke  gesetzt  und  baumelt  mit  den 
Beinen;  sein  aufgehobener  Finger  ist  genug,  um  Flamme  und 
Leidenschaft  zu  dämpfen  ». 

Goethe  fügt  hinzu:  «  Herr  Delacroix  ist  ein  großes  Talent,  das 
gerade  am  Faust  die  rechte  Nahrung  gefunden  hat.  Die  Franzosen 
tadeln  an  ihm  seine  Wildheit,  allein  hier  kommt  sie  ihm  recht  zu- 
statten. Er  wird,  wie  man  hofft,  den  ganzen  Faust  durchführen, 
und  ich  freue  mich  besonders  auf  die  Hexenküche  und  die  Brocken- 
szenen. Man  sieht  ihm  an,  daß  er  das  Leben  recht  durchgemacht 
hat,  wozu  ihm  denn  eine  Stadt  wie  Paris  die  beste  Gelegenheit 
geboten. » 

Eckermann  rühmt,  wie  viel  solche  Bilder  zum  besseren  Ver- 
stehen des  Gedichtes  beitragen.  Darauf  Goethe:  «  Das  ist  keine 


DER  GRAPHIKER  113 


Frage,  denn  die  vollkommenere  Einbildungskraft  eines  solchen 
Künstlers  zwingt  uns,  die  Situationen  so  gut  zu  denken,  wie  er 
sie  selber  gedacht  hat.  Und  wenn  ich  nun  gestehen  muß,  daß  Herr 
Delacroix  meine  eigene  Vorstellung  bey  Szenen  übertroffen  hat, 
die  ich  selber  gemacht  habe,  um  wie  viel  mehr  werden  nicht  die 
Leser  alles  lebendig  und  über  ihre  Imagination  hinausgehend 
finden !  » 

Kurz  nach  dem  Faust  entsteht  eine  Reihe  von  radierten  und 
lithographierten  Tieren,  darunter  der  «  Lion  d'Atlas »,  der  das 
Kaninchen  verspeist,  und  der  «  Tigre  royal »,  eins  der  schönsten 
Blätter.  Das  Schwarz  des  Steindrucks  wird  zu  dem  tiefen,  saugenden 
Sammet  der  Streifen  des  Fells.  Der  Gegenstand  ist  aufs  äußerste 
detailliert;  man  denkt,  der  Künstler  müsse  neben  dem  Modell  ge- 
standen haben.  Und  alle  Details  dienen  nur  dazu,  die  Größe  des 
Ausdrucks  zu  steigern. 

1834  beginnt  die  Hamlet-Serie\  Auch  dieses  Theater  bleibt 
Theater.  Was  die  Geste  gibt,  wird  zur  Darstellung  gebracht.  Schau- 
spieler können  daran  lernen.  Der  Ausdruck  ist  ganz  unzweideutig. 
Jeder  weiß  sofort:  Dies  ist  das  Bild  aus  der  und  der  Szene.  Die 
Vereinfachung  ist  weniger  primitiv  als  in  den  Faust-Illustrationen. 
An  diese  Serie  erinnert  nur  noch  der  Hamlet  vor  dem  Vorhang 
und  allenfalls  die  Szene:  Geh  in  ein  Kloster.  In  den  anderen  kommt 
es  zu  reicheren  Linien  und  Flächen,  doch  wird  nie  die  treibende 
Handlung  verdunkelt.  Man  könnte  Hamlet,  fühlt  man,  mit 
Marionetten  geben,  die  nach  solchen  Bildern  gemacht  wären.  Eine 
einzige  Welle  vielartigen  Gefühls  hält  alle  Gestalten  der  Szene  am 
Bande.  Arabesken  werden  zu  Begebenheiten!  Diese  Ophelia  mit 
dem  phantastischen  Flor  am  Boden  vor  den  beiden  in  Entsetzen 
und  Tücke  erstarrten  Gestalten;  der  wüste  Kampf  auf  dem  Kirch- 
hof; die  Theaterszene  —  ein  vervielfachtes  Theater;  Arabesken, 
die  ein  Nichts  —  ein  halbgeschlossenes  Auge,  ein  Zucken  um  den 
Mund,  eine  Linie  lebenden  Fleisches  —  zu  unerbittlichen  Tra- 
gödien macht.  Die  Arabesken  wirken  flächig  und  gehen  gleich- 
zeitig in  die  Tiefe.  Der  betende  König  ist  eine  gotische  Holzplastik, 

'  Auch  die  16  Blätter  dieser  Serie  hat  der  Inselverlag  in  einem  mit  Lichtdrucken 
nach  den  Lithos  illustrierten  Hamlet  gesammelt  (Leipzig,  191 3).  Hoffentlich  bringt 
er  auch  noch  den  Götz  mit  den  sieben  Lithos,  die  zwischen  1836  und  1843  entstanden. 

Meier-GraefCj  Delacroix  8 


114 


DER  GRAPHIKER 


Hamlet  steht  wie  ein  heiliger  Georg  Donatellos  hinter  ihm,  und 
das  Ganze  ist  in  vollendet  malerischer  Einheit.  Die  Beschränkung 
auf  das  spröde  Material  läßt  den  Genius  Delacroix'wie  einen  König, 
der  sich  verkleidet,  erkennen.  Viele  Motive  der  Lithographien 
kehren  in  berühmten  Bildern  wieder.  Der  «  Jeune  tigre  jouant 
avec  sa  mere  »  in  dem  gleichzeitigen  großen  Gemälde  des  Louvre ; 
der  «  Lion  d 'Atlas  »  in  dem  dreißig  Jahre  später  entstandenen  Ge- 
mälde^; Hamlet  und  Horatio  vor  dem  Schädel  Yoricks  mit  etwas 
veränderter  Komposition  in  dem  Gemälde  des  Louvre  von  1859"; 
und  das  reichste  Blatt  der  Hamletserie,  die  ertrunkene  Ophelia, 
in  mehreren  Bildern,  von  denen  der  Louvre  das  schönste  besitzt. 
Man  wird  nicht  die  juwelenhafte  Farbe  dieses  Bildes  in 
dem  Blatte  finden  und  wird  sie  nicht  suchen,  aber  dafür 
ein  anderes  mit  dem  Bilde  Gemeinsames  finden,  das  im  Grunde 
noch  wesentlicher  ist:  Das  Farbige,  das  man  auch  den  Geist  Dela- 
croix'  nennen  kann.  Man  begreift  vor  seinen  Lithographien  den 
Satz,  den  ein  Freund  von  ihm  sagte:  «  Donnez-lui  de  la  boue,  il 
en  fera  des  chefs-d'oeuvre.  » 


'  Robaut  Nr.  1299. 

"  Robaut  Nr.  660,  790  und  1386. 


REM  BRANDT 


I 


Das  Farbige  war  Delacroix'  Blut,  seine  Sprache,  sein  Leben, 
der  ganz  organische  Bestandteil  einer  unübersehbaren  Welt, 
war  trotz  allem  Verstandes-  und  Gesetzmäßigen,  das  ihn  leitete, 
von  dem  wir  winzige  Bruchstücke  erblicken  können,  rätsel- 
haft wie  der  Blick  auf  ein  Antlitz,  in  dem  wir  plötzlich,  weil  die 
Stirn  sich  ein  wenig  verzieht,  weil  der  Mund  einen  Laut  ausstößt, 
in  einer  Sekunde  ein  Verbrechen,  ein  Unglück,  ein  Drama,  eine 
höchst  verwickelte  Situation  entdecken.  Seine  Farben  sind  wie 
seine  Natur,  und  das,  was  uns  bei  ihm  Natur  scheint,  ist  wie  seine 
Farben.  Wir  wissen,  wie  gewissenhaft  er  studierte.  Doch  scheint 


ii8  REMBRANDT 


er  nicht  den  Umweg  über  die  Natur  gebraucht  zu  haben,  um  seine 
Menschen  lebendig  zu  machen.  Sie  sind  nur  für  das  Bild  gedacht, 
sind  Lichter  und  Schatten.  Auch  die  Ophelia  im  Wasser,  der  Christ 
im  ölgarten,  die  Kreuzfahrer  sind  Lichter  und  Schatten.  Und  sie 
erscheinen  uns  deshalb  im  Bilde  so  natürlich  wie  die  rätselhaften  Er- 
scheinungen der  Luft  und  des  Lichts  in  der  Natur,  vielleicht  sogar 
natürlicher  als  in  den  Werken  der  Dichter.  Das  eine,  das  Delacroix 
gibt,  indem  er  sich  auf  das  Bildhafte  beschränkt,  gibt  so  voll- 
kommen alles  übrige,  daß  wir,  fern  von  dem  Werk,  das  Ge- 
denken an  die  Gestalten  mit  uns  tragen,  so,  als  ob  wir  mit 
ihnen  gelebt  hätten.  Sind  seine  Tiere  Natur?  Wir  wissen  von 
Taine  über  Delacroix'  Tierstudien^  und  besitzen  viele  Dokumente 
darüber  von  Delacroix  selbst.  Doch  erklären  sie  nicht  die  Wahrschein- 
lichkeit seiner  Löwen,  Tiger  und  Panther.  Man  sieht  selten  Löwen 
bei  uns  in  der  Wirklichkeit,  die  nicht  ein  wenig  komisch  wirken. 
Delacroix  wird  in  der  Natur  auch  keine  anderen  gesehen  haben. 
Er  hat  mehr  an  zahmen  Katzen  gelernt,  als  an  den  Raubtieren 
im  Jardin  des  Plantes,  wo  er  mit  Barye  zeichnete.  Sein  Schüler 
Planet  erzählt,  daß  ihm,  als  er  einmal  für  Delacroix  eine  Palme 
malen  sollte  und  kein  Modell  zur  Hand  war,  der  Meister  einen  Topf 
Nelken  gab  mit  der  Weisung,  ihn  für  die  Palme  zu  benutzen^. 
Auf  dem  gleichen  Wege  wurde  vielleicht  der  Hühnerknochen,  den 
der  Kater  verzehrte,  zu  dem  Kadaver  des  Indiers,  den  der  Löwe 
zerfleischt.    Doch    sind   die    Löwen,    Tiger,    Panther   usw.    wilde 

1  In  seiner  «Philosophie  de  l'art  en  Italie  »  (Paris  1866)  spricht  Taine  von  den 
« Divinations  zoologiques  de  Delacroix  o.  Delacroix  erzählte  ihm  von  seinen  ana- 
tomischen Studien  nach  einem  toten  Löwen.  «Ce  qui  l'avait  le  plus  frappe,  c'est  que 
la  patte  anterieure  du  lion  etait  le  bras  monstrueux  d'un  homme,  rnais  tordu  et 
renverse.  Selon  lui  il  y  a  ainsi  dans  toutes  les  formes  humaines  des  formes  animales 
plus  ou  moins  vagues  qu'il  s'agit  de  demeler;  et  U  ajoutait  qu'en  poursuivant  l'etude 
de  ces  analogies  entre  les  animaux  et  l'homme  on  arrive  ä  decouvrir  en  celui-ci  ses 
instincts  plus  ou  moins  vagues  par  lesquels  sa  nature  intime  le  rapproche  de  tel  ou 
tel  animal. 

'  Delacroix  fügte  hinzu:  «  Tout  ce  qui  dans  la  nature  se  rapproche  en  petit  ou 
en  grand  de  l'objet  que  vous  avez  ä.  peindre  doit  vous  servir,  ä  defaut  du  modele 
veritable.  »  (Publiziert  von  Th.  SUvestre  in  dem  erwähnten  Eugdne  Delacroix, 
Nouveaux  documents.)  Vgl.  auch  die  freilich  nicht  zuverlässigen  Bemerkungen  des 
Gehilfen  Lassalle-Bordes  in  dem  bekannten  Briefe  an  Burty,  der  in  der  zweibändigen 
Ausgabe  der  Lettres  von  1880  wiedergegeben  ist. 


REMBRANDT 119 


Bestien,  die  irgendwo  in  der  Wildnis  hausen.  Man  glaubt 
an  diese  Rachen,  diese  «  mächoire  montee  sur  deux  pattes », 
wie  Taine  sagt;  noch  mehr  an  das  Fletschen  des  Rachens,  an  das 
Schleichende,  Geduckte  und  das  Phantastische  der  Sprünge,  an 
die  ungeheuerlichen  Kämpfe,  an  das  Hingeschleuderte,  Ge- 
lähmte, Lächerliche  der  Beute  unter  den  Pranken.  Und  das  ist 
alles  trotz  der  Wahrheit  nicht  schrecklich,  sondern  weich  und 
anziehend,  daß  man  streicheln  möchte.  Man  sieht  dem  Furcht- 
baren zu  wie  einem  Feste. 

So  wirken  alle  Dramen  Delacroix'.  Die  Handlung  gibt  ihr 
aktuelles  Element  einer  höheren  Welt  ab  und  erscheint  nur  noch 
als  bewegte  Form.  Das  Höhere,  das  eigentlich  Löv/enhafte  ist  die 
Hand  des  Malers.  «  Quand  Delacroix  peint »,  schrieb  van  Gogh, 
der  auch  etwas  von  der  gleichen  Art  besaß,  «  c'est  comme  le  Hon 
qui  devore  le  morceau».  Ich  habe  die  große  Skizze  mit  dem  Löwen 
und  dem  toten  Pferd  vor  mir,  das  Motiv,  das  ähnlich  in  der  Litho- 
graphie von  1844  wiederkommt.  Auf  dem  Bilde  liegt  der  Leichnam 
des  Gaules  auf  der  rechten  Seite.  Der  Löwe  ist  von  links  darauf 
gesprungen  und  hat  beide  Vorderpranken,  die  ungeheuren  Hebel 
einer  Höllenmaschine,  auf  dem  Kadaver.  Der  Kopf  blickt  fletschend 
zurück  nach  einem  verborgenen  Feind,  der  auch  auf  die  Beute 
lauert.  Das  ganze  Bild  ist  in  ein  paar  Stunden  gemalt,  die  Lein- 
wand ist  kaum  bedeckt.  Man  sieht  nur  die  Bewegung,  die  aufs 
äußerste  gespannte  Vitalität  des  Raubtiers,  das  absolut  Tote  der 
Beute.  Die  Bewegung  des  Löwen  füllt  das  ganze  Bild.  Ein  Blond, 
von  etwas  Weiß  in  den  Lichtern  erhellt,  geschwärzt  in  den  kolos- 
salen Konturen,  dehnt  sich  über  die  ganze  Fläche  und  scheint 
das  fahle  Grau  des  Kadavers  zu  verschlingen.  Die  pfeilschnellen 
Striche  sind  wie  Miasmen  des  Löwenhaften.  Das  Schauspiel  steckt 
in  der  ganzen  Atmosphäre. 

Das  Schauspiel  ist  durchaus  nicht  immer  tragisch,  der  Löwe 
ist  nie  eo  ipso  das  schreckliche  Ungeheuer,  er  ist  das,  was  Delacroix 
aus  ihm  macht.  In  dem  «  Daniel  in  der  Löwengrube  »  unterwerfen 
sich  die  Bestien  gehorsam  der  Legende,  wie  gebannt  von  dem 
Zauber  eines  Orpheus,  und  die  Wildheit,  die  ihnen  Delacroix  läßt, 
paart  sich  mit  einer  Nuance  von  Komik.  Und  die  Komik  ist  keines- 
wegs willkürlich,  entstammt  so  gut  der  Natur  wie  das  Grausige. 


120  REMBRANDT 


Sie  interpretiert  ebenso  sicher  das  Motiv,  das  nicht  geistvoller 
dargestellt  werden  könnte,  vsrie  eine  tatsächliche  Eigenschaft  der 
Tiere.  So  ist  es  immer  bei  Delacroix.  «  Nul  apres  Shakespeare  », 
schrieb  Baudelaire,  «  n'excelle  comme  Delacroix  a  fondre  dans  une 
unite  mysterieuse  le  drame  et  la  verite !  »  Das  unterscheidet  ihn 
von  allen  Nachfolgern.  Sie  sind  nicht  weniger  wahr,  aber  ihre 
Wahrheit  hat  nicht  den  Preis  der  seinen,  ist  nie  den  Gefahren 
der  seinen  ausgesetzt,  überwindet  sie  nicht  ebenso  siegreich.  Nie 
erscheint  die  Natur  als  das  Primäre,  das  ihn  zur  Gestaltung  trieb. 
Sie  bleibt  das  Mittel,  eine  gehorsame  Gehilfin.  Tiere,  Menschen, 
Landschaft,  selbst  die  gleichgültigsten  Dinge  spielen  das  Stück, 
das  er  aufführt.  Aber  die  Gehilfin  büßt  nie  ihre  Würde  ein.  Sie 
muß  sich  Opfer  gefallen  lassen,  notwendige,  rationelle  Opfer,  die 
der  Kritik  zu  Zeiten  Delacroix'  und  auch  ihm  selbst,  dem  un- 
erbittlichsten  seiner   Kritiker,   zuweilen   wie   Fehler   erschienen^ 

'■  Der  Maler  Jean  Gigoux  hat  darüber  in  seinen  «Causeries  sur  les  Artistes  »  amü- 
sante Anekdoten  aufgehoben.  «  Tout  le  monde  peut  voir  ä  Versailles  son  «  Entree 
des  Cioises  ä  Constantinople  »  (heute  das  Hauptwerk  des  Louvre).  Dans  cette  grande 
tolle  toutes  les  figures  sont  ä  leur  place,  et  il  semble  qu'elles  y  respirent  l'air  ä 
pleins  poumons.  Vous  diriez  une  fenetre  ouverte  sur  le  passe.  Vous  voilä  transporte 
comme  par  enchantement  sur  le  Bosphore ;  vous  voyez  la  ville  avec  ses  rues  etroites 
et  blanches ;  au  pemier  plan  un  de  ces  rüdes  croises  maltraite  un  senateur,  peut-6tre 
le  Paleologue  lui-meme ;  le  vieülard  se  cramponnc  aux  colonnes  de  porphyre ;  une 
femme  ä  genoux  implore  la  clemence  de  ce  brutal ;  ä  droite,  voici  les  guerriers  ä  cheval ; 
tout  cela  est  süperbe  de  vie  et  de  couleur ;  mais  le  Croise  qui  renverse  le  vicillard  en 
rohe  violet  et  or  montre-t-il  son  dos  ou  sa  poitrine  ?  Ne  me  fiant  pas  ä  mon  seul  juge- 
ment,  j'ai  consulte  des  artistes  et  des  amateurs,  nul  ne  put  me  repondre.  Le  mau- 
grabin  que  je  citais  plus  haut  est  dans  les  memes  conditions  vagues,  si  bien  que 
Ricourt,  grand  partisan  de  Delacroix,  repondit  plaisamment  ä  quelqu'un  qui  lui 
dcmandait:  «  Est-ce  une  poitrine  ou  un  dos?  »  Ricourt,  dis-je,  repondit:  «  Ni  l'un  ni 
l'autre,  c'est  de  la  peinture.  »  Delacroix  etait  le  premier  ä  convenir  de  ces  choses, 
mais  il  n'en  riait  point.  Un  jour  que  mon  ami  Frangais  (Schüler  Gigoux',  Freund 
Delacroix')  faisait  une  lithographie  d'apres  la  « Barque  de  Don  Juan  »,  il  pria 
Delacroix  de  venir  voir  son  travail.  Celui-ci,  afflige  outre  mesure  en  voyant  froide- 
ment  les  defauts  de  son  tableau,  lui  dit:  «  Que  voulez-vous  que  je  fasse  ä  present! 
Voilä  une  epaule  de  profil  sur  une  poitrine  de  face !  Voici  un  homme  qui  meuit  de  faim 
au  milieu  de  l'Ocean  et  je  Tai  fait  gras  et  bien  portant!  C'est  insense!  Comment  ai-je 
pu  faire  cela  ?  »  Franfais  lui  dit :  «  Est-ce  que  vous  ne  pourriez  pas  y  retoucher  un 
peu  ?  »  —  «  Y  retoucher  ?  II  y  aurait  trop  ä  faire.  J'avais  la  fievre  de  la  production  dans 
ce  moment-lä.  Que  voulez-vous  ?  Faites  comme  vous  pourrez.  Est-ce  que  Audran  a 
copie  Le  Brun  litteralement  ?    II  l'a  recale.  Eh  bien,  recalez-moi  aussi.  «  —  « Mais, 


LE  LION  AU  LAPIN,   1856. 
0,56:0,46.  (ROBAUT  Nr.   1299.) 
LOUVRE,  PARIS.  (COL.  THOMY-THIERY.) 
PHOTO  BRAUN. 


von  aiien 


licht   geistvolle; 

; liehe  Eigenschaft  der 

res  Shakespeare  », 

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de  venir  voir  son  travail.  Celui-ci,  afflig' 
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REMBRANDT  121 


die  wir,  an  Opfer  nur  zu  Gewöhnte,  nicht  mehr  bemerken;  nie 
wird  sie  zur  mißhandelten  Sklavin.  Gleich  neben  unserer  Be- 
wunderung der  kühnen  Phantasie  steht  die  sichere  Zuversicht: 
das  muß  so  sein.  Die  Möglichkeit,  Delacroix  könne  je  gegen  die 
Natur  sündigen,  ist  ausgeschlossen.  Man  führt  diesen  Eindruck 
gern  allein  auf  die  Macht  der  Empfindung  zurück,  die  keine  Kon- 
trolle erlaubt.  Aber  auch  solche  Erklärungen  sind  unkontrollier- 
bar. Die  Sicherheit  Delacroix'  beruht  auf  dem  Reichtum  des  Reper- 
toire, das  für  alle  Empfindungen,  für  alle  Übertreibungen  im 
Namen  der  Empfindung,  Belege  des  Natürlichen  bereit  hat. 

Diese  größte  Eigenschaft  entfernt  Delacroix  ein  wenig  von 
seinen  lateinischen  Verwandten,  auch  von  seinem  geliebten  Rubens, 
und  nähert  ihn  dem  großen  Erhöher  der  nordischen  Vorstellungs- 
welt. Rembrandt  hat  an  der  Genesis  Delacroix'  keinen  unmittel- 
baren Anteil.  Den  Werdenden  trieb  es  immer  wieder,  das  Un- 
gestüme seiner  Jugend  an  der  stillen  Erhabenheit  des  Urbinaten 
zu  klären.  Über  der  Auseinandersetzung  mit  Veronese  und  Rubens 
und  mit  dem  Gegensatz  zwischen  Rubens  und  Raffael,  in  dem  er 
einen  der  vielen  Gegensätze  seines  eigenen  Wesens  wiederfand, 
vergaß  er  anfangs  den  dritten,  der  von  beiden  gleich  fern  war. 
Rubens  und  Raffael  waren  ihm  Gehilfen.  Er  soll  des  Morgens, 
bevor  er  an  die  Malerei  ging,  imimer  ein  paar  Augenblicke  nach 
Werken  der  beiden  gezeichnet  haben.  Wir  können  uns  denken, 
daß  er,  wenn  der  rubenshafte  Drang  die  Hand  zittern  machte,  nach 
Raffael  griff,  um  sich  ruhig  zu  machen;  wenn  er  die  gefürchtete 
«  Paresse  »  fühlte,  die  Lässigkeit  des  Träumenden,  der  das  Bild 
lieber  im  Geiste  behielt,  nach  Rubens.  Die  Beziehung  zu  Rem- 
brandt war  platonischer,  stellte  sich  ohne  sein  Dazutun  ein,  kam 
mit  der  Reife.  Sie  gibt  der  Maniera  magnifica  die  sonore  Tiefe. 

Im  «  Journal »  kann  man  das  Verhältnis  verfolgen.  In  den 
ersten  Jahrzehnten  kommt  kaum  der  Name  vor.  Raffael  ist  der 
Gott.   Die  schöne   Geste,   die  Perfektion   in  jeder  Einzelheit,   die 


monsieur  Delacroix  ?  .  .  .  »  —  «  Non,  non,  recalez-moi  tout  ccla ;  vous  faites  des  choses 
süperbes  tous  les  jours.  »  Cette  anecdote  vous  prouvc  que  Delacroix  eüt  ecrit  tres 
bien  sa  propre  critique.  »  Lasalle-Bordes,  der  das  Andenken  Delacroix'  nicht  ver- 
schönt hat,  schrieb:  «II  n'etait  pas  content  lorsqu'il  s'examinait ;  mais  lorsqu'il 
se  comparait,  c'etait  different.  » 


122  REMBRANDT 


Majestät  aller  Gestalten  des  Urbinaten  gehen  ihm  über  alles. 
1851  vertraut  er  dem  Tagebuch  eine  «Blasphemie»  an.  Er  hat 
mit  unbegreiflicher  Härte  die  vermeintliche  Trockenheit  und 
Inkohärenz  der  Teile  in  den  Bildern  Poussins  gerügt  und  findet 
denselben  Mangel  an  Zusammenhang  in  Raffael.  Wie  anders 
Rembrandt!  Vielleicht,  schreibt  er,  wird  man  entdecken,  daß 
Rembrandt  ein  viel  größerer  Maler  als  Raffael  war.  Er  beschränkt 
die  Überlegenheit  nicht  nach  bekanntem  Rezept  auf  das  handwerk- 
liche Gebiet.  Wohl  ist  ihm  Rembrandt  mehr  Maler,  «  plus  native- 
ment  peintre  »,  gleichzeitig  aber  auch  ein  schlechterdings  höherer 
Wert,  der  Repräsentant  eines  größeren  Ausdrucks,  eines  geistigeren 
Begriffs  der  Wahrheit.  Rembrandt  besitzt  vielleicht  nicht  im 
einzelnen  die  absolute  Erhabenheit,  die  der  Größe  gewisser  Gegen- 
stände Raffaels  entspricht;  dafür  besitzt  er  sie  in  der  Erfassung 
des  Motivs,  in  der  tiefen  Einfalt  des  Ausdrucks. 

Auf  einer  Seite  des  «Journal»  von  1853  kommt  es  zu  einer  weit- 
gehenden Auseinandersetzung  mit  Rembrandt,  Rubens  und  den 
Venezianern,  aus  der  sich  die  Stellung  zu  Rembrandt  mit  aller 
Deutlichkeit  ergibt.  Es  ist  von  den  Verzichten  die  Rede,  die  das 
Malen  verlangt.  Delacroix  glaubt  an  die  Notwendigkeit  vieler  Opfer, 
aber  mag  nicht,  daß  der  Künstler  sie  sehen  läßt.  Rembrandt  erreicht 
mit  diesen  sichtbaren  Opfern  schöne  Wirkungen,  und  an  ihm  stört 
die  Art  nicht,  weil  sie  ihm  natürlich  ist.  Dem  Schreiber  des  «  Jour- 
nal »  wären  sie  nicht  natürlich.  Auf  diese  Betrachtung  bringt  ihn 
das  soeben  gemalte  Porträt  des  Sammlers  Bruyas,  das  in  jeder 
Hinsicht  vollendetste  der  wenigen  Bildnisse.  «  Rembrandt  hätte 
nur  den  Kopf  gezeigt,  Hände  und  Kleidung  wären  kaum  ange- 
deutet worden.  Ohne  sagen  zu  wollen,  daß  mir  die  Art,  die  alle 
Einzelheiten  gemäß  ihrer  Bedeutung  sehen  läßt,  unbedingt  lieber 
ist  —  denn  ich  verehre  Rembrandt  über  alle  Maßen  — ,  fühle  ich, 
daß  mir  seine  Wirkungen  nicht  liegen.  Darin  gehöre  ich  zu  den 
Italienern.  Veronese  ist  das  Nec-plus-ultra  der  Darstellung  aller 
Teile,  auch  Rubens,  der  vielleicht  in  seinen  pathetischen  Bildern 
vor  Veronese  den  Vorteil  besitzt,  mittels  gewisser  Übertreibungen 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  Hauptsache  zu  lenken  und  die  Stärke 
des  Ausdrucks  zu  vergrößern.  Bei  alledem  liegt  in  dieser  Art 
etwas  Künstliches,  das  ebenso  fühlbar  und  vielleicht  noch  fühl- 


REMBRANDT  123 


barer  ist  als  die  Verzichte  Rembrandts  und  das  Unbestimmte 
seiner  nebensächlichen  Dinge.  Weder  der  eine  noch  der  andere 
befriedigen  mich  ganz  für  das,  was  ich  brauche.  Ich  möchte  — 
und  glaube,  ich  erreiche  es  oft  —  daß  das  Künstliche  gar  nicht  ge- 
fühlt und  das  Wichtige  doch  hervorgehoben  wird.  Das  läßt  sich 
wiederum  nur  mit  Verzichten  erreichen.  Aber  diese  Opfer  müssen, 
um  meinen  Wünschen  genug  zu  tun,  viel  versteckter  (infiniment 
plus  delicats)  sein  als  in  der  Art  Rembrandts.  »  Soweit  der  Theo- 
retiker und  Kritiker  Delacroix,  der  trotz  seines  einzigartigen 
Scharfsinns  immer  weit  hinter  der  Intuition  des  Malers  zurück 
blieb.  Er  hat  hier  das  Wesentliche  seines  Verhältnisses  zu  Rem- 
brandt  mindestens  angedeutet.  Die  Ergänzung  ist  leicht  in  den 
Bildern  zu  finden. 

Der  vorhin  erwähnte  «  Daniel  in  der  Löwengrube »  ist  eine 
der  vielen  Brücken  und  wohl  die  deutlichste.  Es  gibt  zwei  Fassungen 
des  Motivs.  Die  erste,  im  Museum  von  Montpellier,  wo  auch  der 
Bruyas  hängt,  entstand  1849;  die  zweite,  viel  glücklichere,  in 
der  Sammlung  Th.  Behrens  in  Hamburg,  ist  1853  datiert.  Beide 
weisen,  und  zwar  in  ganz  verschiedener  Weise,  auf  die  Welt  Rem- 
brandts. Die  erste  Fassung  erinnert  sogar  in  einer  Schwäche  der 
Komposition  an  ihn,  dem  etwas  willkürlichen  Ausschnitt  mit  den 
Zuschauern  oberhalb  der  Höhle.  Es  steckt  etwas  von  nordischer 
Unbeholfenheit  in  dem  Bilde,  von  der  Schwerfälligkeit  der  Engel 
Rembrandts,  von  dem  Rembrandt  der  mittleren  Zeit,  als  die  Wucht 
noch  nicht  alle  Einzelheiten  gleichmäßig  durchdrang.  Ich  glaube, 
Delacroix  hat  diese  Schwere  wie  Würze  genossen,  so  wie  sie  uns 
erscheint,  wenn  wir  im  Louvre  nach  der  Schwelgerei  in  den  Vene- 
zianern vor  das  Dunkel  des  Holländers  treten.  Er  hat  sie  oft  als 
Würze  in  seinen  eigenen  Bildern,  wo  sie  dem  kühnen  Schwung 
irgendwo  eine  wohlbewußte  Hemmung  entgegensetzt,  wie  um 
unsere  Lust  einen  Augenblick  zu  Bewußtsein  kommen  zu  lassen. 
Diese  beschwichtigende  Hemmung,  die  zu  Steigerungen  führt, 
trägt  auch  in  der  späteren  Fassung  des  Daniel  zu  der  geheimnis- 
vollen Wirkung  bei.  Das  Bild  wirkt  langsamer  als  das  frühere. 
Es  sieht  dunkler  aus,  dunkel  wie  ein  Rembrandt.  Aber  das  Dunkel 
ist  wie  bei  Rembrandt  Tiefe.  Es  hindert  nicht  die  Gestalten.  Sie 
erscheinen  viel  harmonischer  und  reiner  als  auf  der  ersten  Fassung. 


124 REMRBANDT 


Alles,  was  dort  Materie  blieb,  ist  hier  Geist  geworden.  Auch  das 
Rembrandthafte  scheint  vergeistigt.  Die  Bewegung,  die  der  alte 
Meister  mit  gehäuften  Farben  erreichte,  kommt  mit  einem  spiegel- 
glatten dünnen  Auftrag  zustande  und  läßt  trotzdem  die  ganze 
Fläche  fibrieren,  sondert  trotzdem  die  Licht-  und  Schattenteile  zu 
ordnenden  Massen.  Der  Pinsel  entlockt  spielend  die  Erscheinung 
der  Fläche.  Die  drollige  Löwin  im  Hintergrund  links  ist  noch  halb 
Pinselstrich  geblieben  und  scheint  die  zarte  Farbe  zu  lecken,  die 
sie  entstehen  ließ.  Trotzdem  dröhnt  die  Höhle  von  der  Wucht  der 
Körper.  Der  Engel,  kräftig  wie  der  Engel  Rembrandts  auf  dem 
Tobiasbilde  des  Louvre,  hat  doch  das  Magische,  das  unsere  Vor- 
stellung beflügelt.  Und  das  Magische  ist  ein  tiefer  aber  kristall- 
klarer Farbenakkord,  mit  einem  gedämpften  Rosa  im  Licht,  da 
wo  sich  die  Erscheinung  zu  der  rührenden  Jünglingsgestalt  ver- 
dichtet, und  einem  leuchtenden  Smaragd  im  Dunkel.  Man  versteht, 
was  in  dem  «  Journal  »  mit  den  «  delikateren  »  Opfern  gemeint  ist. 

Delacroix  steht  zu  Rembrandt  wie  zu  Raffael.  Der  Vorgänger 
erscheint  wie  die  breite  Vorstufe  einer  rein  geistigen  Macht.  Poussin 
steht  ähnlich  zu  Tizian.  Nur  bedroht  seinen  Verzicht  die  Durch- 
sichtigkeit der  wundervollen  Methode.  Delacroix  scheint  Rem- 
brandt zu  lösen  und  wiederum  gleich  dicht  und  mächtig  zu  einer 
nicht  weniger  tiefen  Mystik  zusammenzuballen.  Vergessen  wir 
nicht,  daß,  wenn  auch  der  Maler  Delacroix  ohne  Rembrandt  zu 
denken  ist,  wir  nicht  fähig  wären,  ihn  zu  begreifen,  hätte  nicht 
Rembrandt  jene  Welt  von  Gleichnissen  erschlossen. 

Die  Tierbilder  haben  Delacroix  die  kühnsten  Gleichnisse  ge- 
geben. Auf  einem  Bilde,  das  1856  datiert  istS  wird  eine  halb- 
nackte Frau  von  einem  Tiger  angefallen.  Die  Situation  ist, 
in  die  Wirklichkeit  übertragen,  so  kraß  wie  möglich.  Die  Bestie 
beißt  die  Unglückliche  in  die  Brust.  Der  Künstler  erfindet  eine 
das  Bild  wie  eine  lose  Schlinge  durchziehende  Arabeske.  Tier 
und  Mensch  werden  eins.  Der  schmerzliche  Seufzer,  mit  dem  die 
Getroffene  über  den  geschmeidigen  Leib  des  Tigers  hinsinkt, 
könnte  höchste  Wollust  sein.  Und  nichts  wie  eine  wahrhaft  gött- 
liche Wollust  empfindet  man  beim  Betrachten  der  blutigen  Idylle. 


I 


'  Robaut  legt  es  in  das  Jahr  1852  (Nr.   1200). 


REMBRANDT 125 


Eine  verwandte  Umschlingung  von  Mann  und  Löwin  hat  Robaut 
in  seiner  schönen  Faksimile-Sammlung  lithographiert^.  Der  Mann 
mit  dem  Schwert  in  der  Faust  liegt  halb  sitzend  auf  der  Erde.  Die 
Bestie  umarmt  ihn  mit  einer  ungeheuerlichen  Gebärde.  Die  Sach- 
lichkeit, mit  der  der  Besiegte,  dem  nicht  einmal  zum  Entsetzen 
Zeit  bleibt,  und  der  mörderische  Mechanismus  der  Löwin  erfaßt 
ist,  rivalisiert  mit  der  statuarischen  Größe  der  Gruppe. 

Wie  viel  Monumente  stecken  in  Delacroix!  Manche  seiner  Tier- 
bilder, wo  die  Bestie  sich  allein  in  Umrissen,  die  Gebirgen  gleichen, 
vom  Horizont  abhebt,  könnten,  meint  man,  so  wie  sie  sind,  in 
Plastik  übertragen  werden.  Nie  wurde  es  versucht.  Nie  hat  ein 
Barye  diese  Monumente  geahnt.  Rodin  kam  in  sehr  seltenen  Mo- 
menten in  die  Nähe  der  Sphäre.  Neuere  haben  sich  durch  sche- 
matische Vereinfachungen  die  Arbeit  zu  leicht  gemacht.  Delacroix' 
Vereinfachung  ist  immer  ein  Bereichern  der  Natur,  nicht  nach 
einer  Richtung,  sondern  nach  unzähligen.  Nie  hemmt  das  Plastische 
die  Fülle  des  Malerischen.  Da,  wo  man  soeben  noch  das  Statuarische 
der  Gruppen  bewunderte,  löst  die  Farbe  alles  in  fließenden  Prunk. 
Auf  der  Löwenjagd  der  Sammlung  Wolde  formen  sich  unmerklich 
die  farbigen  Flecken  zu  gewundenen,  gestreckten,  springenden 
Leibern.  In  der  Löwenjagd  der  Akademie  in  Petersburg  ist 
der  Vorgang  zu  einer  fließenden  Materie  geworden,  deren  hin- 
reißende Schönheit  die  Gespanntheit  des  Motivs  überwindet.  Die 
blauen  Töne  auf  der  rechten  Seite  des  Bildes,  wo  sich  nur  die  Land- 
schaft den  Blicken  zeigt,  halten  die  stark  bewegte  Szene  auf  der 
anderen  Seite  im  Gleichgewicht  und  produzieren  die  Quelle  des 
Rhythmus,  der  sich  über  die  ganze  Fläche  ergießt. 

Das  große  Löwenbild  von  1854,  im  Museum  von  Bordeaux,  war 
die  reichste  Beute  dieser  unerschöpflichenjagdgründe  des  Künstlers. 
Es  wurde  1870  durch  den  Brand  des  Rathauses  von  Bordeaux 
schwer  beschädigt.  Wir  können  uns  aber  mit  dem  übrig  gebliebenen 
Fragment  und  der  ein  Jahr  später  gemalten  viel  kleineren  Variante, 
in  der  nur  die  Landschaft  wesentlich  verändert  ist,  einen  Begriff 


'  Alf.  Robaut,  Eugene  Delacroix.  Facsimile  de  dessins  et  croquis  originaux. 
Zwei  Serien.  Bei  Dusacq  &  Cie.,  Paris  1864.  Die  erwähnte  Zeichnung  ist  Nr.  35 
der    II.  Serie. 


126  REMBRANDT 


von  dem  Werke  machen.  Es  hat  ungefähr  das  Format  der  großen 
Löwenjagd  von  Rubens  in  der  Münchener  Pinakothek  (3,60  breit, 
2,60  hoch)  und  erscheint  vielleicht  schon  aus  diesem  Grunde  als 
der  am  meisten  rubenshafte  Delacroix.  Es  ist  eines  seiner  kühnsten 
und  wildesten  Phantasien.  Ein  Knäuel  von  Löwentatzen,  Löwen- 
rachen, von  flatternden  Mähnen,  sich  bäumenden  Leibern,  von 
sprengenden  und  gestürzten  Pferden,  kämpfenden,  schreienden, 
sterbenden  Menschen,  von  Flinten  und  Säbeln,  von  flatternden 
bunten  Mänteln  und  zerfetztem  Fleisch.  Alles  das  findet  sich  auch 
auf  dem  Rubens,  auch  das  Temperament,  auch  die  Wildheit.  Ein 
ungeheurer  Windstoß  scheint  auf  dem  Münchener  Bilde  die 
Massen  von  links  nach  rechts  in  das  Bild  zu  schleudern  bis  zu 
dem  Pferd  hin  auf  der  äußersten  Rechten,  das  dem  Anprall  mit 
stämmigen  Beinen  standzuhalten  scheint. 

Wie  oft  wünscht  man  sich,  die  Macht  zu  haben,  Bilder  desselben 
Geistes  oder  die  von  demselben  Geiste  erscheinen,  und  die  der 
Zufall  hierher  oder  dorthin  gebracht  hat,  einmal  auf  eine  Stunde 
zusammenzubringen,  so  wie  damals  bei  Kleinberger  die  beiden 
« Mirakel  des  S.  Benoit ».  Was  damals  nur  mit  einer  Fiktion 
möglich  zu  werden  schien,  die  Überlegenheit  der  Erfindung  Dela- 
croix', das  ist  jetzt  beweisbar  geworden.  Von  der  Mitgift  des  Vor- 
gängers ist  jetzt  wirklich  nur  noch  allenfalls  eine  Idee  übrig  ge- 
blieben :  der  Vorwurf,  eine  Löwenjagd  zu  malen ;  und  wir  brauchen 
aus  den  gewohnten  Faktoren  des  Vergleichs  nichts,  auch  nicht 
die  Komposition  mehr  auszuscheiden. 

Die  Überlegenheit  gilt  in  jeder  Hinsicht.  Rubens  ist  trotz  seiner 
Wucht  von  viel  geringerer  Dramatik.  Er  schleudert  den  Betrachter 
ebenso  nach  einer  einzigen  Richtung  wie  die  Massen  des  Bildes 
und  gibt  mehr  die  Folgen  der  Handlung,  die  erregten  Rosse,  die 
stürzenden  Reiter,  die  Leiche,  als  die  Handlung  selbst.  Seine 
riesigen  Einzelheiten  scheinen  die  Bewegung  eher  zu  hemmen  als 
zu  fördern,  und  füllen  und  bedrängen  uns,  wie  sie  die  grosse  Lein- 
wand des  Bildes  vom  unteren  Rande  bis  zum  oberen  hin  füllen. 

Dieser  empfindliche  Mangel  an  Horizont  (er  wird  nur  unter- 
halb der  Gruppe  zwischen  den  Gliedern  sichtbar  und  bleibt  des- 
halb wirkungslos)  drängt  uns  wiederum  zu  dem  Detail.  Wir 
stehen,  wie  wir  uns  auch  stellen  mögen,  viel  zu  nahe,  um  mehr 


REMBRANDT  127 


als  Einzelheiten  zu  sehen.  Die  Folge  ist  eine  Verwirrung,  die  uns 
die  Verehrung  des  Meisters  als  Wirkung  der  Größe  auslegen  läßt, 
die  wir  sonst  Verworrenheit  nennen  würden.  Delacroix  hinderte 
die  Bewunderung  des  Bildes  nicht,  diese  Schwäche  in  ihrem  ganzen 
Umfang  zu  erkennen^. 

Er  gibt  in  seiner  Jagd  nicht  weniger  Einzelheiten.  Wir  sehen  alle 
Phasen  der  Begebenheit,  sehen  sie,  obwohl  sie  nicht  so  detailliert 
sind,  viel  deutlicher,  weil  sie  besser  gegliedert  sind  und  weil  alles 
Wichtige,  z.  B.  die  Löwen  (die  bei  Rubens  zurücktreten),  im  ganzen 
Umfang  gezeigt  wird,  aber  sehen  sie  immer  im  Zusammenhang 
mit  der  zentralen  Handlung,  dem  Kampf,  der  Jagd.  Das  allein, 
das  Kämpfen,  das  Jagen,  die  zuckende  Bewegung,  ist  der  wahre 
Gegenstand  des  Werkes,  und  es  erscheint  uns  als  solcher  wesent- 
licher, natürlicher  und  bedeutender,  als  der  Rubenssche  Inhalt. 
Was  kümmert  uns  in  dem  Rubens,  daß  da  ein  Mensch  tot  ist,  da 
einer  entsetzlich  der  ganzen  Länge  nach,  mit  dem  Kopf  zu 
Unterst,  hinstürzt  und  dabei  sein  von  Schreck  zerfetztes  Gesicht 
zeigt,  oder  daß  ein  anderer,  der  auf  der  Erde  liegt,  noch  gerade 
dem  anderen  Löwen  ins  Maul  spießt.  Mag  das  möglich  sein,  ob- 
wohl manches  daran  recht  unwahrscheinlich  aussieht,  wir  würden 
es  weder  in  Wirklichkeit  sehen,  noch  wollen  wir  es  hier  sehen, 
weil  wir  nicht  so  nahe  ständen,  noch  so  nahe  stehen  wollen.  Aber 
den  Kampf  wollen  wir,  die  Wut  der  Angreifer,  den  Widerstand 
der  Angegriffenen,  die  Lust  am  Kampfe,  nicht  das  Aufgeregte, 
sondern  das  Aufregende.  Das  gibt  uns  Delacroix  in  allen  Nuancen, 
so,  als  wenn  wir  mitten  darin  wären,  und  doch  so,  daß  wir  frei 
bleiben,  von  keinem  Entsetzen,  nur  von  der  Schönheit  getroffen 
werden.  Er  erreicht  diese  ideale  Nähe  und  Ferne  mit  der  wunder- 
baren Komposition  von  Linie  und  Farbe,  von  Licht  und  Schatten. 
Vor  allem  stellt  er  den  Kampf  in  eine  durchaus  mitwirkende  Land- 
schaft, deren  Beteiligung  uns  allein  schon  ein  Objektivieren  der 


'  In  seiner  eingehenden  Beschreibung  des  Bildes,  das  ihm  freilich  nur  durch  den 
Stich  von  Sontman  bekannt  war,  meint  Delacroix,  nachdem  er  alle  Details  und 
die  wunderbare  «  Execution  »  bewundert  hat :  «  Mais  l'aspect  est  conf us,  l'oeil  ne 
sait  oü  se  fixer,  il  a  le  sentiment  d'un  affreux  desordre;  il  semble  que  l'art  n'y  a  pas 
assez  preside  pour  augmenter  par  une  prudente  distribution  ou  par  des  sacrifices 
l'effet  de  tant  d'inventions  de  genie.  »  (Journal  I,  244.) 


128  REMBRANDT 


Handlung  erleichtert;  und  dann  macht  er  aus  dem  Kampf  un- 
merklich, ohne  ihn  im  mindesten  zu  beschränken,  eine  riesige 
Woge,  die  in  dem  mittleren  Reiter  die  Höhe  erreicht  und  in  wunder- 
baren unregelmäßigen  Terrassen  nach  allen  Seiten  abfließt.  Wir 
wissen  nicht,  ob  die  Bewegung  den  Kampf,  oder  der  Kampf  die 
Bewegung  bestimmt,  aber  sie  leitet  uns  an,  im  Fluge  da  ihre 
Stützpunkte  zu  suchen,  wo  die  Flecken  und  Lichter,  die  Schatten 
und  Dunkelheiten  sitzen.  Da  sitzen  gleichzeitig  die  Hebel  der 
prachtvollen  Koloristik,  und  da  sitzen  gleichzeitig  die  Bewegungs- 
elemente der  Tiere  und  Menschen,  deren  wir  zur  Erfassung  und 
Ergänzung  bedürfen.  Glaubt  man  nicht  in  dem  Bilde  die  Reali- 
sierung jener  Forderung  Delacroix'  zu  finden,  die  der  Literat 
zwischen  der  Detaillierung  des  Rubens  und  den  Verzichten  eines 
Rembrandt  suchte? 

Der  Rubens  ist  nicht  ganz  eigenhändig,  lehrt  uns  die  Kunst- 
geschichte. Deshalb  tut  die  Überlegenheit  Delacroix'  in  diesem 
Bilde  dem  großen  Flamen  keinen  Abbruch.  Doch  fühlen  wir, 
wenn  wir  es  nicht  wissen,  daß  die  Eigenart  der  Rubensschen 
Löwenjagd  mit  ihrer  Macht  und  Schönheit  und  auch  mit  allem, 
was  uns  daran  im  Vergleich  mit  dem  Delacroix'  als  Schwächen 
erscheint,  im  Grunde  von  der  Frage,  ob  Rubens  das  Bild  selbst 
vom  Anfang  bis  zu  Ende  gemalt  hat,  unabhängig  ist.  Nur  sehr 
seltene  Kenner  vermögen  in  den  großen  Gemälden  mit  Sicherheit 
die  Hand  des  Meisters  von  Schülerhänden  zu  unterscheiden,  und 
diese  Kennerschaft  bedingt  keine  Steigerung  des  Genusses.  Die 
Gesellen,  die  Rubens  halfen,  wußten,  wie  er  es  wollte.  Er  war 
zufrieden  mit  ihnen;  wir  sind  es  auch.  Diese  Unabhängigkeit  des 
Rubensschen  Werkes  ehrt  den  Meister  und  seine  Zeit.  Es  war 
seine  Größe,  eine  Welt  hinzustellen,  an  deren  Bau  viele  die  Hände 
rühren  konnten,  ohne  sie  zu  verderben.  Der  Gedanke,  der  ihn  be- 
seelte, durchdrang  die  anderen.  Sie  vermochten  ihm  zu  folgen, 
sich  ihm  zu  unterwerfen,  ohne  dumpfes  Werkzeug  zu  werden.  Sie 
waren  Künstler,  wurden  Meister,  nicht  Meister  wie  Rubens,  aber 
würdige  Verwandte,  die  wir  heute  noch  gern  in  seiner  Nähe  erblicken. 

Delacroix'  Größe  war,  allein  eine  Welt  hinzustellen.  Seine  Ge- 
hilfen, wenn  von  ihnen  überhaupt  die  Rede  sein  kann,  waren 
namenlose  Handlanger.  Er  ließ  sich  zuweilen  von  ihnen,  wie  er 


CHASSE  AUX  LIONS,   1858. 
0,98  :  0,76.  (ROBAUT  Nr.   1 349.) 
MUSEUM  VON  BOSTON. 
PHOTO  BRAUN. 


ier  Tiere 


:  er  aus  dem  Kampf  un- 
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geschichte.  Deshalb  tut  die  Überlegenheit  Delacroix'  in  diesen 
Bilde  dem  großen  Flamen  keinen  Abbruch.  Doch  fühlen  wir 
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Löwenjagd  mit  ihrer  Macht  urr'  c-i --i— <•  •—  ^  auch  mit  allerr. 
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REMBRANDT  129 


einmal  mit  einerai  Worte  Tizians  sagte,  das  Bett  der  Farbe  bereiten, 
die  primitive  erste  Deckung  des  Grundes  bei  großen  Dekorationen, 
und  sah  selbst  diesen  Manipulationen  mit  Ungeduld  und  Miß- 
trauen zu.  Es  gibt  keinen  nicht  eigenhändigen  Delacroix. 
Das,  was  man  bei  Rubens  Atelierstück  nennt,  dem  der  Meister 
allenfalls  zuletzt  ein  paar  Lichter  aufsetzte,  ist  bei  Delacroix 
Fälschung. 

Den  Begriff  dieser  Eigenhändigkeit  sehen  wir  heute  von  dunklen 
Trabanten  umgeben.  Hinweise  tragischer  Art  verbergen  sich  dar- 
unter. Er  kann  mit  Bitternis  gefüllt  sein  und  uns  deshalb  groß 
erscheinen,  weil  er  allein  steht.  Er  ist,  aus  Delacroix  gewonnen, 
notwendig  höher  als  der  Begriff,  der  sich  mit  dem  gleichen  Wert, 
auf  Rubens  angewendet,  verbindet.  Nicht  das  entscheidet,  daß 
Delacroix'  Meisterwerke  nur  von  seiner  Hand  sein  können.  Was 
geht  uns  der  eine  an,  der  sich  eine  Persönlichkeit  zurecht  macht? 
Es  ist  das  Wunderbare,  daß  wir  an  Stelle  des  Persönlichen  mit 
seinem  bestimmten  Namen,  seinen  Gewohnheiten,  Lastern  und 
Vorzügen  einen  großen  Unbekannten  setzen  können,  der  nichts 
dergleichen  hatte,  der  ein  Künstler  war,  wie  Gott  der  Herr- 
gott ist. 

Delacroix'  Bilder  können  nur  von  einer  Hand  gemalt  sein,  weil 
der  ungeheure  Komplex  von  Wirkungsmöglichkeiten  nur  von 
einem  Hirn  erdacht  und  beherrscht  werden  konnte. 

Rubens  ist  ein  lachendes  Ungeheuer.  Wir  hören  ihn  schmatzen, 
wenn  er  die  Körper  durcheinander  wirft.  Wir  hören  die  stillen 
Seufzer  Rembrandts,  von  dem  man  auch  sagen  kann,  er  habe  nur 
eigenhändige  Bilder  gemalt.  Dieses  Hervortreten  des  Persönlichen 
stört  uns  nicht.  Es  gehört  zu  unseren  Lieblingen.  Sie  sind  ohne 
das  nicht  denkbar. 

Delacroix  hat  uns  eine  höhere  Gattung  der  Spezies  Künstler 
erwiesen.  Wir  sehen  keine  Gebärde  an  ihm,  die  nicht  Form  wäre, 
hören  keinen  Laut  von  seinen  Lippen,  der  nicht  in  Melodie  auf- 
ginge. Er  ist  ganz  drin  in  der  Kunst,  der  Mensch  scheint  über- 
wunden. Er  steht  ganz  außerhalb  der  Kunst,  der  Mensch 
ist  alles. 

Bevor  die  Göttin,  die  Jahrtausende  der  Menschheit  geleuchtet 
hatte,  langsam  begann,  der  fremden  Epoche  ihr  Antlitz  zu  ver- 

Meier-Graefe ,  Delacroix  Q 


130 


REMBRANDT 


schieiern,  kam  ihr  einer  näher,  als  es  je  einem  Sterblichen  ver- 
gönnt war. 

Er  kam  ihr  so  nahe,    daß  man   zwischen    beiden  nicht    mehr 
zu  unterscheiden  vermag. 


LA  MANIERA  MAGNIFICA 


Was  muß  dieser  Mensch  gedacht,  gesehen  und  empfunden  haben, 
welche  Meere  von  Wonnen  müssen  ihn  berauscht,  welche 
Erscheinungen  überirdischer  Art  ihm  geleuchtet  haben,  wenn  das, 
was  wir  in  seinen  Bildern  sehen,  nur  ein  schwacher  Reflex  seines 
Innern  war !  Darüber  hat  er  oft  geklagt,  und  es  stimmte  ihn  traurig 
wie  alles  Irdische,  dessen  Gebrechlichkeit  er  erkannte.  Er,  der 
das  Unaussprechliche  mit  Posaunen  ertönen  ließ,  der  die  Dämme- 
rung über  den  tiefsten  Dingen  unserer  Seele  lichtete,  der  alle 
Natur,  alle  Geistesgeschichte  durchdrang,  für  den  es,  scheint  es, 
keine  Grenzen  gab,  sagte  einmal  seufzend  zu  Maxime  Du  Camp, 


134 LA  MANIERA  MAGNIFICA 

er  sei  doch  nur  ein  Ixion^.  Er  sehe  wohl  das  Schöne,  betrachte  es, 
gestalte  es  in  seinem  Hirn  zu  sichtbarer  Vollkommenheit,  und 
wenn  er  es  auf  die  Leinwand  bringen  wolle,  entgleite  es  ihm  und 
lasse  ihm  nur  eine  Wolke.  Ist  vielleicht  diese  Differenz,  die,  wenn 
wir  sie  in  den  Werken  anderer  bemerken,  tödlich  werden  kann, 
die  bei  ihm  wie  ein  unfaßbares  Gnadengeschenk  wirkt,  ist  sie 
etwa  die  mystische  Kraft,  die  seine  Bilder  mit  Fruchtkeimen 
schwängert  und  jedem  Strich  seiner  Hand  das  Göttliche  gibt? 
Ist  sie  es,  was  uns  sagen  läßt,  er  war  mehr  als  Maler,  mehr  als 
Künstler,  war  ein  Universum?  Danken  wir  es  etwa  jenem  Un- 
endlichen, neben  dem  ihm  sein  Werk  schwach  und  vergänglich 
erschien,  daß  die  Geschichte  seiner  Entwicklung  über  sein  irdisches 
Dasein  hinausgeht? 

Weit  über  seinen  Tod  hinaus  wirken  die  Kräfte,  die  er  einen 
Augenblick  bannte.  Kein  Meister  Frankreichs  hat  so  großen  Ein- 
fluß gehabt.  Alle  bedeutenden  Künstler  Frankreichs,  die  nach  ihm 
kamen,  Courbet  und  Manet,  und  mehr  als  alle  anderen  die  beiden 
Maler,  die  wie  Leuchten  in  die  Zukunft  weisen,  Renoir  und  Cezanne, 
hat  er  befruchtet.  Bei  uns  gab  er  Marees  in  einem  entscheidenden 
Moment  die  Richtung.  Auf  seiner  Koloristik  beruht  eine  ganze  Schule. 
Seine  «Hygiene»  ist  den  Neo-Impressionisten  zur  Doktrin  geworden. 

Doch  kann  man  ebensogut  sagen:  Kein  Meister  hat  so  geringen 
Einfluß  gehabt.  Wie  Michelangelo,  Rembrandt  und  Rubens  turm- 
hoch über  den  nahen  und  fernen  Nachfolgern  stehen,  wie  uns 
das,  was  andere  in  ihrem  Geiste  brachten  oder  zu  bringen  ver- 
suchten, so  groß  es,  am  Zeitgenössischen  gemessen,  sein  mag, 
winzig  erscheint:  so  gering  dünkt  uns  das  Ergebnis  der  Schule 
Delacroix'  neben  dem  Löwengriff  des  einzigen.  Sein  Einfluß  war 
nicht  so  verderblich  wie  der  seiner  erhabenen  Vorbilder.  Er  gab 
den  Epigonen  keine  leichte  Ware.  Die  Schwachen  schreckten  vor 
ihm  zurück.  Aber  so  hoch  wir  unsere  großen  Zeitgenossen  stellen 
mögen,  die  wenigen,  die  von  ihm  zu  nehmen  wußten:  der  Geist, 
der  ihnen  in  aller  Herrlichkeit  vorschwebte,  entglitt  ihnen  und 
ließ  ihnen  nur  eine  Wolke. 


^  Souvenirs  litteraires.  Les  uns  et  les  autres.  Ateliers  de  peintres.  (Revue  des  deux 
Mondes,  15.  Juli  1882,  wiederholt  in  den  1883  bei  Hachette,  Paris,  erschienenen 
«  Souvenirs  ».) 


LA  MANIERA  MAGNIFICA 135 

Unsere  Kunst  steht  und  fällt  mit  Delacroix.  Wie  von  der  Musik 
gelten  könnte,  sie  sei  verloren,  sobald  ihr  jede  lebendige  Ver- 
bindung mit  Bach  und  Mozart  abhanden  komme,  so  kann  man, 
und  vielleicht  mit  noch  größerem  Recht,  das  Schicksal  der  Kunst 
von  dem  Grade  ihrer  Beziehung  zu  Delacroix  abhängig  machen. 
Natürlich  meine  ich  nicht  die  besonderen  Formen  Delacroix',  noch 
weniger  seine  Motive,  sondern  den  Geist  und  die  Gesittung  des 
Meisters,  seine  Ansprüche,  seinen  Ausgleich  zwischen  Persönlich- 
keit und  der  Übereinkunft,  zwischen  dem  Romantiker  und  dem 
Klassiker.  Die  Welt  hat  eine  Personifikation  seines  Verhältnisses 
zur  Kunst  nicht  zum  zweitenmal  erlebt.  Er  war  der  große  Erbauer 
in  einer  stürzenden  Zeit,  der  einzige  Allumfasser,  den  die  Kunst 
unserer  Zeit  einem  Goethe  zur  Seite  zu  stellen  hat.  Schon  die 
nächsten  Nachfolger  haben  den  Umfang  jenes  Verhältnisses 
reduziert.  Sie  konnten  nicht  anders,  waren  nicht  mehr  naiv  genug, 
die  Zeit  mit  anderen  Dingen,  als  denen,  die  sie  vor  Augen  hatten, 
zu  überwinden,  aber  überwanden  sie,  haben  Großes  geschaffen, 
und  in  ihren  Bildern,  die  neben  denen  Delacroix'  wie  Fragmente 
erscheinen,  spricht  immer  noch  vernehmlich  sein  Idealismus, 
seine  Einsicht,  seine  Umsicht.  Was  wurde  aus  seiner  Disziplin? 
Ich  meine  nicht  die  seines  Lebens,  sondern  die  seiner  Kunst. 
Vielleicht  kann  man  die  eine  nicht  von  der  andern  trennen,  und 
daran  mag  es  liegen,  daß  heute  kein  Künstler  mehr  auch  nur 
einen  Begriff  von  den  Ansprüchen  besitzt,  die  Delacroix  an  die 
gemalte  Fläche  stellte.  Schon  der  Schritt  von  ihm  zu  den  Im- 
pressionisten, die  auftraten  als  er  starb,  deren  Führer  noch  bei 
ihm  war  und  nachher  von  «eisigen  Doktrinen»  sprach,  bedeutet  für 
die  Disziplin  Delacroix'  den  Verlust  einer  Welthälfte.  Die  Im- 
pressionisten vereinfachten  Delacroix  so  wie  der  Gärtner  einen 
Baum  vereinfacht,  dessen  Aste  er  bis  zum  Stamme  köpft.  Renoir 
besann  sich,  als  er  dem  Greisenalter  nahe  war.  Unter  den  Nach- 
folgern des  Impressionismus  hat  die  Reduktion  der  Disziplin 
Delacroix'  reißende  Fortschritte  gemacht,  und  heute  sind  nur  noch 
Reste  übrig,  die  der  eine  oder  andere,  fern  vom  Strom  der  Menge, 
zaghaft  bewahrt.  Das  Gefühl  von  der  Notwendigkeit,  die  Ver- 
bindung mit  den  Werten  zu  erhalten,  die  Delacroix  noch  einmal 
zu  sammeln  vermochte,  ist  so  gut  wie  verschwunden. 


136 LA  MANIERA  MAGNIFICA 

Es  ist  kaum  übertrieben,  zu  sagen :  unsere  Kultur  steht  und  fällt 
mit  Delacroix.  Nicht  mit  seiner  Malerei;  vielleicht  lernt  eine  Zeit, 
ohne  große  Maler  zu  leben.  Das  Gewicht  der  künstlerischen  Tätig- 
keit, so  groß  es  sein  mag,  und  es  umfaßt  das  bedeutendste  Oeuvre 
seit  Rubens  und  Rembrandt,  kann  man  von  Delacroix  abziehen, 
ohne  die  Bedeutung  der  Persönlichkeit  zu  vernichten.  Das  Vor- 
bildliche des  Menschen  ist  unvergänglich,  muß  uns  unvergänglich 
sein,  wollen  wir  den  Grad  von  Kultur,  mit  dem  sein  Dasein  seine 
ganze  Epoche  auszeichnet,  behalten.  Vorbildlich  für  jeden,  sei 
er  Künstler  oder  nicht,  ist  sein  Weltbild,  die  Art,  wie  er  sich  mit 
der  Welt  abfand,  wie  er  sie  verstand,  welche  Pflichten  er  daraus 
für  sein  Dasein  gewann,  wie  er  lebte.  Er  widerstand  den  Illusionen 
des  Romantikers,  jener  dem  Enthusiasten  naheliegenden  Ver- 
mengung des  Scheins  mit  dem  Sein,  und  seine  Skepsis  war  Weis- 
heit. Er  sah  das  Leben,  erkannte  es,  und  nie  krümmte  die  Erfahrung 
die  stolze  Linie  seines  Idealismus.  Umgeben  von  den  hervorragend- 
sten Geistern  seiner  Zeit,  engverbunden  mit  einem  gesellschaftlichen 
Getriebe,  das  uns  heute  wie  ein  nie  endender  Festtag  erscheint,  er- 
kannte er  das  Gebrechliche  aller  gesellschaftlichen  Realitäten  und 
wandte  sich  an  die  höheren  des  Geistes.  Seine  Klugheit  ließ  ihn 
Menschen  und  Dinge,  die  seiner  Sache  dienen  konnten,  brauchen. 
Er  lächelte,  wenn  es  gelang,  und  lächelte,  wenn  sein  bescheidener 
Anspruch  unerfüllt  blieb.  Seine  Skepsis  war  milde.  Man  hat  das  Ge- 
fühl, es  hätte  ihm  von  Menschen  nichts  Böses  zugefügt  werden 
können,  weil  er  sein  Inneres  unverletzbar  hielt.  Er  war  der  gesellige 
Einsame.  Eine  zur  Schau  getragene  Zurückgezogenheit  wäre  ihm 
formlos  erschienen.  Er  sah  in  der  würdigen  sozialen  Repräsen- 
tation seiner  Persönlichkeit  eine  Notwendigkeit.  Die  Biographen 
haben  für  die  Hartnäckigkeit,  mit  der  er  darauf  bestand,  in  die 
Akademie  zu  gelangen,  Entschuldigungen  gesuchte  Uns  dünkt 
der  Eitle  bescheiden,  und  wir  erkennen  in  der  vermeintlichen 
Schwäche  sein  Gefühl  für  Pflichten.  «  II  y  a  plus  de  fatuite  que 
de  veritable  estime  de  soi-meme  a  rester  dans  sa  tente  » ;  schrieb 


'  Er  stellte  sich  fünfmal  vergeblich  zur  Wahl,  das  erstemal  1837,  zweimal  im 
Jahre  1838,  dann  wieder  erst  1849,  dann  1856.  Man  zog  ihm  die  Langlois,  Couder, 
Schnetz  und  Cogniet  vor.  Erst  seine  Kandidatur  im  Januar  1857,  sechs  Jahre  vor 
seinem  Tode,  hatte  Erfolg. 


LA  MANIERA  MAGNIFICA 137 

er  darüber  anDutilleux^.  Doch  blieb  sein  Inneres  auch  denen  unnah- 
bar, die  ihm  mehr  als  Tischgenossen  bei  der  wechselnden  Mahlzeit 
waren.  Was  er  den  anderen  unmerkbar  vorenthielt,  gab  er  seinen 
Gedanken  hin.  Er  war  der  Meister  göttlicher  Fiktionen.  Leuchtender 
noch  als  seine  Bilder,  baute  er  seine  Einsamkeit  aus.  Nicht  die 
Minister,  nicht  die  Herzöge  und  Prinzen,  die  seinen  Verstand 
schätzten,  nicht  die  schönen  und  geistvollen  Frauen,  die  sein  An- 
stand ergötzte,  noch  die  Tuilerien,  noch  die  leuchtenden  Säle  der 
vornehmen  Welt,  wo  es  still  wurde,  wenn  er  sprach,  noch  die  Aka- 
demie, die,  solange  er  ihr  Mitglied  war,  zu  einer  Pairskammer 
wurde,  noch  das  Rathaus,  wo  er  nicht  verschmähte,  als  pflicht- 
treuer Bürgerrat  zu  wirken,  vernahmen  sein  Inneres;  sondern  sein 
Atelier,  wo  er  sann  und  träumte,  wenn  kein  Besucher  ihn  störte, 
die  stille  Wohnung  der  Rue  Furstenberg  mit  der  langen  Treppe, 
die  ohne  Biegung  hinaufführt,  die  man  mit  ähnlichen  Empfin- 
dungen betritt  wie  Goethes  Haus  in  Weimar-.  Da  schwelgte  er, 
nicht  ohne  Anstand  —  er  war  einer  der  Menschen,  die  man  nie 
überrascht  hätte  — ,  aber  hingegeben,  mit  einer  Leidenschaft,  die 
sicher  war,  sich  nicht  umsonst  zu  verschenken,  der  das  Ziel,  an  das 
sie  sich  richtete,  alle  Last  hinwegnahm.  Da  trieb  er  seine  geheime 
Maniera  magnifica.  Die  Wände  dehnten  sich,  das  Dunkel  wurde 
leuchtend;  es  war,  als  ließe  sein  brennender  Blick  vielfältige  Ge- 
stalten zu  feurigen  Umrissen  werden,  leuchtender,  als  er  je  sie  ge- 
malt. Musik  ertönte,  erhabene  und  liebliche  Weisen.  In  langem 
Zuge  schritten  hohe  mit  Lorbeer  geschmückte  Gestalten  und 
grüßten  ihn. 

'  Lettres  S.  274.  Daß  es  ihm  übrigens  nicht  lediglich  auf  den  Titel  ankam,  beweist 
der  Brief  an  Perignon,  in  dem  er  sich  bitter  beklagt,  nicht  zum  Professor  an  der 
ficole  des  Beaux-Arts  ernannt  worden  zu  sein. 

^  Da  man  schon  lange  dort  einen  Straßendurchbruch  machen  will,  habe  ich  das 
Haus  nebst  dem  im  Garten  gelegenen  Atelier  photographieren  lassen.  (Siehe  die 
Abbildungen  im  Anhang.)  Hier  ist  Delacroix  am  13.  August  1863  gestorben.  Er 
bezog  die  Wohnung  Ende  Dezember  1857.  Von  1845 — 57  wohnte  er  Rue  Notre  Dame 
de  Lorette  Nr.  54.  Das  Atelier  in  diesem  Hause  ist  in  einem  Holzschnitt  abgebildet, 
der  in  der  « Illustration  »  vom  25.  September  1852  erschienen  ist  und  den  Robaut 
in  seinem  Katalog  (S.  LI  Nr.  29)  verkleinert  wiedergegeben  hat.  Von  1829 — 45 
wohnte  er  Quai  Voltaire  Nr.  1 5 ;  vorher  hatte  er  sein  Atelier  Rue  St.  Dominique- 
St.  Germain  Nr.  36,  und  eines  seiner  ersten  Ateliers,  das  er  nach  Piron  gegen  1820 
bezog,  lag  in  der  Rue  de  Varenne  (damals  Rue  de  la  Planche). 


138 LA   MANIERA   MAGNIFICA 

Neben  ihm  saß  über  einer  Handarbeit  seine  treue  Pflegerin,  die 
alte  Jenny,  eine  Bäuerin  aus  der  Nähe  von  Brest,  ein  kleines 
verhutzeltes  Geschöpf,  das  den  Freunden  des  Meisters  zum  Cerberus 
wurde,  und  hörte  zu,  wenn  er  zu  ihr,  zu  sich,  zu  den  Gestalten 
von  seiner  Welt  erzählte. 


ABBILDUNGEN 


140 


ALIXE  LA  MULÄTRESSE,  gegen   li 
0,65  :  0,80.     (Robaut  Nr.  47.) 
Museum  von  IMonlpcllier. 
Photographie  E.  Bulloz. 


141 


CHEVAL  EFFRAYfe  PAR  L'ORAGE,  Aquarell,    1824. 
0,32  :  0,235.     (Robaut  Nr.    loi.) 
Vente  Cheramy  190S. 


142 


ODALISQL'E,   1Ö25.     0,445  :  (^■37-     (Kobaut  Nr.   140.) 
Sammlung  Rothermund,  Dresden. 


^^^^^E^^Qjfl^^^^^^^^^^^^^^^l 

^^^^^^^^^^E^^^^^^HiHtej3N  * 

.1 

LES  NATCHEZ,   1824.    1,15  :  0,90.     {Rchaul   Xr.    108.) 
Photo  Durand-Rucl,  Paris. 


143 


LE  CHRIST  AU   JARDIN  DES  OLIVIERS,   1826  ( ?). 

0,35  :  0,27.     (Robaut  Nr.   181.) 

Sammlung  Strölin,  Paris  (früher  Cheramy). 


144 


LE  CHRIST  AU   JARDIX  DES  OLIVIERS,  Pastell,    1826. 
0,35  :  0,27.     (Wahrscheinlich  Robaut  Nr.   1523.) 
Photo  Durand-Rucl,   Paris. 


145 


LE  BARON   SCHWITER,  Lithographie,    1826. 

0,22;  :  o,29v 

Sammlung  Baron  Blittersdorff,  Otterslieim  a.  d.  Donau. 


146 


LA  MORT  DE   SARD ANAPALE,   1827. 
4.95  :  3.95-     (Robaut  Nr.   198.) 
Sammlung  Baron  Vitta,  Paris. 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


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147 


LE  TASSE  DANS  I.A  MATSON  DES  FOUS, 
0,50  :  0,60.     (Robaut  Nr.   199.) 
Sammlung  Baron  Denys  Cochin,  Paris. 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


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CHI- \  AI.   SAI  NAGl'    rKl<.KAbbE  PAK   LX 
0,276  :  0,20.     Lithographie.    (Robaut  Nr.  288. 


iiijRli,    1S2S. 
Delteü  Nr.  yj  III.  E.) 


149 


SELBSTPORTRÄT,    18:19. 
0,51  :  0,64.     (Robaut  Nr.  295. 
Louvre,  Paris. 


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LE  ROI   JEAN  A  LA  BATAILLE  DE  POITIERS, 
0,54  :  0,65.     (Robaut  Nr.   ^22.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


ASSASSINAT  DE   JEAN   SANS  PEUR,  gegen   1S30  (i 

0,25  :  0,41. 

München,  Moderne   Galerie  Thannhauser. 


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SELBSTBILDNIS,  Blei,   1832. 

Originalgröße.     Skizzenbuch  der  Rlarokkoreise. 

Louvre,  Paris. 


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FRAUEN  IN  MAROKKO,   1832. 

0,12  :  0,17  (Blattgröße).     Skizzenbuch  der  Marokkoreise. 

Musce  Conde,  Chantilly. 


154 


FRAUEN  IN  MAROKKO,    1832. 

0,12  :  o, !/    (Blattgröße).     Skizzenbuch  der  Marokkorcise. 

Musee  Conde,  Chantilly. 


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FEMMES   JUIVES  ARABES,  Aquarell,    1832. 
0,10  :  0,29.   (Kobaut  Nr.    169.) 
Früher  Sammlung  Cheramy. 


156 


TUSCHZEICHNUNG,  gegen   1832. 

Sammlung  Freiherr  v.  Blitlersdorff,  Ottersheim  a.  d.  Donau. 


157 


JEUNE  LlÜNNE  MARCHANT,    183J 
0,325  :  0,245.   (Robaiit  Nr.  421.) 
Photo  Durand-Ruel,   Paris. 


158 


BOAS  ET  RUTH,  gegen   1S32. 

0,555  :  0.46- 

Photo  Durand-Rucl,   Paris. 


159 


FANTASIA  MAROCAINE,   1832. 
0,72  :  0,59.  (Robaut  Nr.  408.) 
Museum  von  Montpellier. 


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£TUDE  de  FEMME,  Radierung,   1833. 

0,163  ■  0,113.   (Robaut  Nr.  463 ;  Delteil  21    II.   Etat. 

Bremer  Kunsthalle. 


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6TUDES  D'INDIENNES,  Aquarell,  gegen   1835   ( ?). 

0,34  :  0,37. 

Sammlung  Moreau  Nelaton,   Paris. 

Photo  Druet,   Verlag  Bernheim  jeune,  Paris. 


i63 


BATAILLE  DE  TAILLEBOURG,    1837 
Skizze  0,66  :  0,54.   (Robaut   Nr.  651.) 
Sammlung  P.  Gallimard,  Paris. 


i64 


HENRI  IV  PARTANT  POUR  LA  GUERRE  (nach  Rubens) 
1,15  :  0,88.  (Robaut  Nr.   1947.) 
Photo  Durand-Ruel,  ParLs. 


gegen  1S35  (i 


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L'ARABE  AU  TOMBEAU,    1S3S. 
0,55  :  0,45.   (Robaut  Nr.  663.) 
Photographie  Braun. 


i66 


LES  CONVULSIONNAIRES  DE  TANGER, 

1,35  ■■  i.oo.   (Robaut  Nr.  662.) 
Sammlung  Balcnsi,  Paris. 


1838. 


i67 


UtDtE,   Skizze,    1S3S. 

0,37  :  0,45.      (Robaut  Nr.  667. 

Museum  von  Lille. 


i68 


m£diiE,  1838. 

1,65  :  2,60. 
Museum  von  Lille 


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ZEICHNUNGEN  ZUR  MEDEA. 
Museum  von   Lille. 


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ZEICHNUNGEN  ZUR  MEDEA. 
Museum  von  Lille. 


MEDEA,    1859. 

||,>)S  :    1,31.    (Robaut    Nr.    140.5.) 


Im   Besitz   Berliner   Kunstfreunde   (Nalionalgalerie). 


171 


MllDfiE,   1862. 

0,85  :  1,22.   (Robaut   Nr.    1436.) 

Louvre  (Sammlung  Thomy-T  hiery),  Paris. 

Photographie  Braun. 


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LA  JUSTICE  DE  TRAJAN  (Entwirf),  Bleizeichnung  gegen    1839. 
(Zu  Robaut  Nr.    1605.) 
jMuseum  von  Ronen. 
Photo   J.   E.   Bulloz,   Paris. 


174 


LA  JUSTICE  DE  TKAJAxV,    1840. 
3,96  :  4,95.  (Robaut  Nr.  714.) 
Museum  von  Rouen. 
Photographie  E.  Bulloz. 


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ARABE  SE  CHAUFFANT,    1841. 

0,29  :  0,34.   (Robaut   Nr.  yyj.) 

Sammlung  Martell,  Paris. 

\'erlag  Bernheim  jeune,   Paris.  Procede  E.  Druet 


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PRISE    DE    CONSTANTINOPLE    PAR    LES    CROISltS,    1841,    Ausschnitt. 


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LE  PARC  DE  NOHANT,   1842. 

0,545   :  0,435. 

Frühei"   Sammlung  Cheramy. 


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LA  FlAXCllE  D'ABYDOS,    1S43. 
0,41   :  0,33.   (Robaut  Nr.   773.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


i8i 


LA  FIAN'Ctli  D'ABYDUS,   1^43. 

0,27  :  0,35.   (Robaut  Nr.  772.) 

Louvre  (Sammlung  Thomy-Thi6ry),   Paris. 

Photographie  Braun. 


l82 


CHEVAL   TERRASSE    PAR    LINE    PANTHERS,    gegen    1843. 
0,42  :  0,35.   (V'ariante  zu   Robaut  Nr.  761.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


i83 


L'EMPEREUR  DU  MARüC  Mrt.EY-ABD-KI.-RAlIMAN,  Aquarell, 
o,i6  :  0,25.   (Robaut  Nr.  799.)  184.4. 

Sammlung  Grosdidier,   Paris. 
Photo  Druet.   Verlag  Bernheim  jeuno,   Paris. 


i84 


LION  DllVORANT  UN  CHEVAL,    Bleizeichnung,    1844. 
0,235  •  0,120.   (Robaut  Nr.  804.) 
Musee  du  I.uxembourg,   Paris. 


10^ 


LION  DliVORANT  UN  CHEVAL,   Skizze,  gegen   1844. 
2,06  :  1,36.   (Robaut  Nr.  842.) 
Privatsammlung  Berlin. 
Photographie  BoU,  Berlin. 


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L':^DUCATION  D'ACHILLE.    1844. 

Skizze  zu  einem  Pendentif  des  Palais  Bourbon. 

0,44  :  0,35. 

Photo  Durand-RucI,  Paris. 


JEUNES  FILLES  DE  SPARTE,  Bleistiftzeichnung,   1844. 

0,26  :  0,22.   (Robaut  Nr.  810.) 

Nicht  ausgeführtes  Projekt  für  die  Dekoration   des   Palais   Bourbon. 


i87 


ALEXANDRE  ET  LES  POEMES  D'HOM^RE. 
2,91  :  2,21.      (Robaut  Nr.  898.) 


L'liDUCATION  D'ACHILLE. 
2,91  :  2,21.     (Robaut  Nr.  899.) 

DEKORATIONEN    DES    PALAIS   BOURBON.     I.   KUPPEL:    I  A  PO]£SIE. 


i89 


OVIDE  CHEZ  LES  BARBARES. 
2,91  :  2,2  1.     (Robaut  Nr.  goo.) 


HltSIODE  ET  LA  MUSE,   Skizze,    1844. 
0,44  :o,35.      Photo  Durand-Ruel,  Paris. 

DEKORATIONEN  DES  PALAIS  BOURBON.       I.  KUPPEL:     LA  POESIE. 


190 


ADAM  ET  EVE,  Skizze,   1844. 

0,44  :  0,35. 

Photo  Durand-Ruel,   Paris. 


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LA  CAlTIVITli  A    HABYLONE,   Skizze,    1S44. 
044  :  0,35.     Photo   I  )iirand-Rucl,    Paris. 


DKKÖKATIONEN   DES   l^VLAIS  ]«)UKB()N.     11.  KUPPEL:   LA   THliDLOGIE. 


191 


LA  RIORT  DE   ST.   JEAN   BAFUSTE,   Skizze,    1844. 

0,44  :  0,35. 

Photo  Durand-Ruel,^  Paris. 


LA  DRACHME  DU  TRIBUT,   Skizze,    1844. 
0,44  :  0,35.      Photo  Durand-Ruel,    Paris. 


DEKORATIONEN  DES  PATATS  BOURBON.   II.  KUPPEL:  LA  TH6OLOGIE. 


192 


NUMA  ET  £g£RIE.   Skizze,    1S44. 

0,44  :  0,35. 

Photo  Durand-Ruel,   Paris. 


LYCURGUE  CONSULTE  LA  PVI  illE. 
2,91  :  2,21.     (Robaut  Nr.  907.) 


DEKORATIONEN   DES   PALAIS  BOLRHON.     III.  KUPPEL:    LA  LliOiSLATlON. 


193 


DfiMOSTH^NES  HARANGUE  LES  FLOTS. 
2,Qi  :  2,21.     (Robaut  Nr.  908.) 


CICERON  ACCUSE  VERRES,   Skizze,    1844. 
0,44  :  0,35.      Photo  Durand-Rucl,    Paris. 

DEKORATIONEN  DES  PALAIS  BOURBON.  HI.  KUPPEL:  LA  LEGISLATION. 


194 


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H]&RODOTE  INTERROGE  LES  TRADITIONS  DES  MAGES. 
2,91  :  2,21.      (Robaut  Nr.  910.) 


LES  BERGERS  CHALDliENS  INVENTEUJ<S  DE  L'ASTRONOMIE. 
2,91  :  2,21.     (Robaut  Nr.  911.) 


DEKORATIONEN  DES   PALAIS  BOURBON.     IV.    KUPPEL:   LA  PHILOSOPHIE 


195 


SlfeNtQUE   SE  FAIT  OUVRIR  LES  VEINES,    1844. 
2,01  :  2,21.      (Robaut  Nr.  91J.) 


SOCRATE  ET  SON  D]£mON. 
2,91  :  2,21.     (Robaut  Nr.  913.) 

DEKOR.\TI0NEN  DES  PALAIS   BüURBON.      IV.   KtH'l'EL:    LA   l'HILOSOPHIE. 


196 


MORT  DE  PLINE  L'ANCIEN. 
2,91  :  2,21.     (Robaut  Nr.  914.) 


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ARISTOTE  DECKIT  LES  ANIMAUX,   Skizze.    1844. 
0,44  :  o,.^5. 


DEKORATIONEN  DES   PAI.AIS  BOURBON.      V.  KUPPEL:    LA   SCIENCE. 


197 


HIPPOCRATE  REFUSE  LES  PRÄSENTS  DU  ROI  DE  PERSE 
2,91  :  2,21.      (Robaut  Nr.  i_;i6.) 


ARCHIMfeDE  rVt  PAR  LE   SOLDAT. 
2,91  :  2,21.      (Robaut  Nr.  917.) 

DEKOI^TIONEN   DES   PALAIS   BOURBÜN.      V.  KUPPEL:   LA   SCIENCE. 


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ROMEO   ET   JULIETTE,    1845. 

0,50  :  0,62.   (Robaut   Nr.  939.) 

Früher  Sammlung  Marquise  Carcano,   Paris. 

Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


200 


L'ENLEVEMENT,   Zeichnung,    1846. 
0,203  :  0,227.   (Robaut  Nr.  975.) 
Museum  von  Lille. 


201 


CHEF  ARABE,  Pastell,    1040. 

0,27  :  0,34.   (Robaut  Nr.  q8i.) 

Sammlung  Alphonsc  Kann,  Paris. 

Verlag  Bcrnhcim  jcunc,   Paris.  Proccde  E.  Dnict. 


202 


CHASSE  AU  LION,    1847. 

0,54  :  0,44.   (Robaut  Nr.    1019.) 

Sammlung  Bessoneau,   Angeis. 

V'eilag  Bernlieim  jeune,   Paris.  Procede  E.  Druet. 


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LION  DltCHIRANT   UN  CADAVRE,   Aquarell,    1848. 
0,27  :  0,215.   (Robaut  Nr.    1054.) 
Früher  Sammlung  Cheramy,  Paris. 


205 


LA  MADELEINE  EN  FRIERE,  gegen   1S4;. 

0,23  :  0,31.   (Robaut  Nr.   920)      Früher    Sammlung  Clicramy,    Faris. 


MISE  AU  TOMBEAU,  gegen    184«  (  ?). 

Eine  der  Varianten  zu  der  Pietäin  der  Kirche  St.  Dcnis-du-Sa.int-Sacrement 
in  Faris  (vielleicht  Robaut  Nr.    1038).      Fhoto  Durand-lvuel,   Faris. 


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DANIEL  DANS  LA  FOSSE  AUX  LIONS,   1849. 
0,48  :  0,67.   (Robaut  Nr.    1066.) 
Museum  von  Montpellier 
Photographie  E.  Bulloz. 


209 


SKIZZE  ZUM  PLAFOND  DES  LOUVRE, 
1,05  :  1,40.  (Robaut  Nr.   im.) 
Museum  von  Brüssel. 


1849. 


210 


WETSSI.TXGEN  ENLEVfi  PAR  T.ES  GENS  DE  GÖTZ,    1S50. 

".59  :  ".74-   (Robaut  Nr.    1169.) 

Sammlung  Eisslcr,  Wien. 

\'erlag  Berntnim  jcune,  Paris.  Procedc  E.  Druet. 


MICHELANGE  DAN.t   S(  »:\   Alhl,ll-:iv,    1851. 
0,40  :  0,60.   (Robaut  Nr.    1184.) 


Museum  von  Montpellier. 
Photographie  Bulloz. 


211 


ANGJiLIQüE  ET  MADUR  BLESSli,    1S5C 
0,66  :  0,81.   (Robaut  Nr.    1164.) 
Vcnte  DoIIfus,    191 2. 


212 


LA    R^SURRECTION    DE    LAZARE, 
0,50:0,58.   (Robaut  Nr.   1163.) 
Photographie   Braun. 


1850. 


21- 


LE  LEVER,    1850. 

0,36  :  0,45.   (Robaut   Nr.    1165.) 

Sammlung  A.  Vacqvierie,   Paris. 


214 


ARIANE  ABANDOXNEE,    185U. 

0,36  :  0,27.   (Robaut  Nr.    1167.) 

Sammlung  Barnes,  New  York. 

V^erlag  Bernheim  jeune.  Procede  E.  Druct. 


215 


LES  PELERINS  D'EMMAÜS,   1850—52. 

0,46  :  0,56.   (Robaut  Nr.    iiq2.) 

Verlag  Bernheim  jcune,  Paris.  Procede  E.  Druet. 


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ArL\BE  A  L'AFFUT,  Zeichnung.    1853. 
0,27  :  0,21.   (Robaut  Nr.    1228.) 
Musee  du  Luxembourg,  Paris. 


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LE  CHRIST   SUR  LE  LAC  DE   GliNfiSARETH,    1853. 
0,46  :  0,39.  (Skizze  zu   Robaut   Nr.    1214.) 
Photo  Durand-Rucl,   Paris. 


221 


LE  CHRIST  SUR  LE  LAC  DE   GIiN:6SARETH,    1853. 
0,60  :  0,49.  (Robaut  Nr.   1215.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


222 


DANIEL  DANS  LA  FOSSE  AUX  LIONS, 
0,60  :  0,73.  (Robaut  Nr.   1213.) 
Sammlung  Theo  Behrens,   Hamburg. 
Photo  Durand-Ruel,   Paris. 


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LE  CHRIST   SUR  LE  LAC  DE  g6n6SARETH, 
0,54  :  0,46.   (Skizze  zu  Robaut  Nr.    12 17.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


1853. 


224 


LE  CHRIST   SUR  LE  LAC  DE  g6n6SARETH,    1853. 
0,54  :  0,46.   (Robaiit  Nr.   1219.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


225 


BILDNIS  DES  SAMMLERS  BRUYAS,   1853. 
0,8g  :   1,16.   (Robaut  Nr.    1209.) 
Museum  von  Montpellier. 
Photographie   J.  E.   Bulloz,   Paris. 


226 


LION  GUETTANT   SA  PROIE,   1854. 

0,33  :  0,25.   (Robaut  Nr.    1249.) 

Vente  Dollfus  1912. 

Verlag  Bernheim  jeune,  Paris.   Procede  E.  Druct. 


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LE  LION  AU  C  AI  MAN,    1855. 
0,42  :    0,32.   (Robaut  Nr.    1281.) 
Louvre   (Sammlung  Thomy-Thiery),   Paris. 
Photographie  Braun. 


230 


CAV ALIER  ARABE,    1S56. 
0,46  :  0,56.   (Robaut  Nr.  1294.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


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CO.MBAT  D'UNXION  ET  D"UN  TIGKE,   Aquarell,    1856. 

0,20  :  0,245.   (Robaut  Nr.    1305.) 

Sammlung  Lebargy,  Paris. 

Verlag  Bernheim  jcune,   Paris.  Procede  E.  Druct. 


233 


CHRIST  EN  CROIX,  gegen   1856. 
0,60  :  0,73.  (Variante  zu  Robaut  Nr.   1289.) 
Sammlung  Baron  Denys-Cochin,   Paris. 
Verlag  Bernheim  jeune.  Procede  E.  Druet. 


234 


MAROCAIN  ET  SON  CHEVAL,    1S57. 
0,61  :  0,50.   (Robaut  Nr.    1317.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


235 


LES  COTES  DU  MAROC,    1S58. 
1,00  :  0,73.  (Robaut  Nr.   13^8.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


236 


MORT  DE  LARA,    1S58. 

0,50  :  0,62.   (Robaut  Nr.    1355.) 

Sammlung  Neil  Demelette,  Paris. 

Verlag  Bernheim  jeune,  Paris.    Procede  E.  Druet. 


237 


HfiLIODORE  CHASSfi  DU  TEMPLE,  Fresko, 
4,85  :  7,15.   (Robaut  Nr.    1340.) 
St.   Sulpice,  Paris. 
Photo  E.  Bulloz. 


1S57— 1861. 


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L'KNLEVK.MENT  DE  REBECCA,   1K59. 
0,80  :  0,98.   (Robaut  Nr.   1383.) 
Loiivre  (Sammlung  Thomy-Thiery),  Paris. 
Photographic  Braun. 


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TRIUMPHE  DE  BACCHUS,  gegen   1861. 
1,41  :  0,91.   (Robaut  Nr.    1419.) 
Sammlung  Biermann,    Bremen. 


TRIUMPHE  D'AMPHITRITE,  gegen   1861. 
1,41  :  o,Qi.  (Robaut  Nr.   1420.) 
Sammlung  Biermann,   Bremen. 


243 


i,02  :  0,71. 

Sammlung  Frau   Georg  Woldc,   Bremen. 


244 


LE  NAUFRAGE,   1862. 
0,54  :  0,46.   (Robaut  Nr.   1444.) 
Sammlung  Baron  Denys-Cochin,  Paris. 
Verlag  Bernheim  jeunc,  Paris.     Procedc  E. 


Druet. 


245 


ORPH6e  et  EURYDICÄE,   Sluzze,    1S62 
0,50  :  0,61.  {Robaut  Nr.    1435  ) 
Museum  von  Montpellier. 
Photo   J.  E.  Bulloz,  Paris. 


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MULEY-ABD-EL-RHAMAN  PASSANT  LA   REVUE  DE    SA   GARDE, 
0,65  :  0,81.    (Robaut    Nr.  1441.) 

(Variante   des    Gemäldes   von    1845    im   Museum   von   Toulouse.) 
Photographie  Braun. 


1862. 


248 


BACCHUS^ET  ARIANE,   1862. 
0,46  :  0,56.  (Robaut  Nr.   1431.) 
Früher   Sammlung  Cheramy,  Paris. 


249 


LE  PRINTEMPS,   1862. 

1,63  :  2,03.   (Robaut  Nr.  1430.) 

Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


250 


COMBAT  D'ARABES,   1862.  (La  perception  de  l'impöt  arabe.) 
o,7i  •■  0,92.   (Robaut  Nr.   1448.) 
Photo  Durand-Ruel,  Paris. 


251 


L'HIVER,   Skizze,    1862. 

1,63  :  2,10.   (Robaut  Nr.  1432.) 

Photo  Durand-Rucl,  Paris. 


252 


L'ABREUVOIR,   1862. 

o,Q2  :  0,74. 

Verlag  Bernheim  jeune,  Paris.  Procede  E.  Druct. 


253 


LIONNE  PRETE  Ä  S'^LANCER.   1863. 
0,39  :  o,2Q.  (Robaut  Nr.   1456.) 
LouvTe  (Sammlung  Thomy-Thiery),   Paris. 
Photographie  Braun. 


BRIEFE 
AN  DEN  BARON  SCHWITER 


T^aron  Schwiter,  an  den  die  folgenden  Briefe  gerichtet  sind,  war 
■^^  ein  Schüler  Delacroix'.  Die  Bekanntschaft  datiert  aus  der 
ersten  Zeit  (1823),  wurde  von  dem  Intimus  Delacroix',  Pierret, 
dessen  Vetter  Schwiter  war,  vermittelt  und  dauerte  bis  zum  Tode 
des  Meisters.  Delacroix  ernannte  Schwiter  zu  einem  seiner  Testa- 
mentsvollstrecker, die  beauftragt  wurden,  die  Zeichnungen  zu 
ordnen. 

Baron  Louis  Auguste  Schwiter  wurde  1805  in  Nienburg  an  der 
Weser  geboren  als  Sohn  des  französischen  Kapitäns  Henry  Cesar 
Auguste  Schwiter  (geb.  1768  in  Rueil),  der  sich  als  General  unter 
Napoleon  namentlich  in  dem  Krieg  gegen  Spanien  ausgezeichnet 
hat.  Die  Familie  des  Vaters  stammte  aus  der  Schweiz  und  siedelte 
sich  gegen  1700  in  Frankreich  an.  Seine  Mutter  war  eine  Deutsche 
und  stammte  aus  Frankfurt  a.  M.  Er  starb  1889  in  Paris  (nicht, 
wie  Delteil  behauptet,   1865). 

Schwiter  war  seinerzeit  ein  geachteter  Bildnismaler  und  emi- 
nenter Sammler  und  ist  mit  Unrecht  dem  Bereich  der  zeitge- 
nössischen Kunstgeschichte  entrückt.  Er  stellte  von  1831  bis  1859 
regelmäßig  im  Salon  aus  und  war  ein  energischer  Förderer  des 
englischen  Einflusses  auf  die  französische  Malerei.  Seine  meisten 
Bilder  befinden  sich  in  Nancy  und  in  den  Schlössern  Chambord  und 
Chatillon;  einige,  darunter  das  im  Katalog  Robaut  erwähnte  Brust- 
bild Delacroix'  von  1831  (am  Tage  vor  dem  Antritt  der  Marokko- 


258 BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 

reise  gemalt)  in  der  Sammlung  seiner  Tochter  bzw.  seines  Schwie- 
gersohns, des  Freiherrn  v.  Blittersdorff  in  Ottensheim  a.  d.  Donau, 
der  auch  die  hier  veröffentlichten  Dokumente  besitzt.  Der  Ver- 
fasser ist  ihm  für  die  leihweise  Hergabe  der  Briefe  und  des  kost- 
baren Testamententwurfs  sowie  für  die  Erlaubnis,  diese  Reliquien 
und  das  Bildnis  Delacroix'  zu  publizieren,  sehr  verpflichtet.  Auch 
die  Reproduktion  des  sehr  seltenen  Bildnisses  Schwiters,  das 
Delacroix  im  Jahre  1826,  also  noch  vor  den  Faustillustrationen, 
auf  den  Stein  zeichnete,  wurde  nach  einem  Originaldruck  im 
gleichen  Besitz  angefertigt. 

Außer  verschiedenen,  bereits  bekannten  Briefen  an  Schwiter, 
die  wir  unberücksichtigt  gelassen  haben,  hat  Burty  aus  den  Briefen 
vom  3.  Juli  1833  und  vom  8.  August  1862  in  seinen  «Lettres  de 
Eugene  Delacroix»  je  ein  Bruchstück  abgedruckt. 

Wir  haben  uns  möglichst  an  die  Orthographie  der  Originale 
gehalten. 

Der  faksimilierte  Testamententwurf  stimmt,  abgesehen  von 
einer  unwesentlichen  grammatikalischen  Änderung,  wörtlich  mit 
dem  von  Burty  u.  a.  mitgeteilten  Testament  überein,  dessen  Fort- 
setzung Delacroix  diktiert  hat.  Wir  haben  in  dem  Entwurf  offenbar 
das  letzte  Zeichen  seiner  Hand  vor  uns. 


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BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 259 

(1828  oder  18291.) 
Monsieur  Louis  Schwiter 
Chez  Ml  le  baron  Schwiter 
marechal  de  camp 

a  Nancy. 

Mon  eher  Louis,  J'ai  recu  avec  grand  plaisir  votre  lettre  et  vous 
ne  serez  pas  surpris  cependant  de  ma  paresse  a  y  repondre.  Vous 
me  connaissez  assez  pour  savoir  que  c'eut  ete  un  phenomene  par 
trop  extraordinaire.  Je  vous  dirai  que  le  sieur  Crozet  s'est  trouve 
indispose  a  la  suite  de  ses  immenses  travaux  du  salon  et  que  votre 
commande  a  du  en  souffrir.  Mais  il  ne  me  l'a  pas  dit  tout  de  suite. 
Ce  qui  fait  que  je  n'ai  pu  m'adresser  a  d'autres.  Si  vous  partez 
le  20  comme  vous  l'annonciez  il  faudra  vous  resigner  a  ne  pas 
voir  vos  portraits  encadres.  II  est  meme  sur  que  ma  lettre  ne  vous 
trouvera  pas.  Dans  tous  les  cas  je  suppose  que  vous  aurez  laisse 
des  Instructions  concernant  la  maniere  de  vernir  les  tableaux. 
Le  salon  est  comme  toutes  les  annees  un  salmi  de  detestables 
peintures  parmi  lesquelles  quelquesunes  ont  du  merite.  Vous  en 
serez  bien  vite  degoute.  Je  suis  bien  charme  que  vous  ayez  bien 
employe  votre  temps.  Pour  ce  qui  est  de  moi  j'ai  passe  quelque 
temps  a.  Mantes  ce  qui  a  un  peu  retarde  l'achevement  de  mon 
tableau  qui  neanmoins  a  fait  des  pas  notables.  Je  vous  dirai  pour 
nouvelle  que  le  portrait  du  petit  Lambton  que  vous  avez  vu  grave 
a  la  maniere  noire  chez  tous  les  marchands  de  Paris  est  au  salon 
depuis  une  semaine  et  y  fait  l'admiration  generale.  On  y  attend 
aussi  une  tete  d'enfant  par  une  Anglaise,  dont  j'ai  par  paranthese 
ete  regale  par  avance  et  qui  surpasse  ou  egale  au  moins  tout  ce 
qu'on  peut  imaginer.  Je  vous  souhaite  donc  de  voir  ces  belles 
choses  qui  outre  le  plaisir  qu'elles  ne  manqueront  pas  de  vous 
faire,  contribueront  puissamment  a  vous  faire  faire  des  progres. 
Poterlet  qui  travaille  a  cote  de  moi^  vous  fait  mille  compliments 

'  Der  Brief  ist  1829  klassiert,  dürfte  aber  aus  1828  kommen,  da  in  diesem  Jahre 
Delacroix  in  Mantes  war.  Vgl.  den  aus  Mantes  datierten  Brief  an  Victor  Hugo  in 
den  Lettres  S.  96. 

*  Vielleicht  an  der  (S.  28  Fußnote  erwähnten)  Kopie  des  «  Combat  du  Giaour  et  du 
Pacha  »,  der  in  diesem  Jahre  im  «  Salon  »  gewesen  war. 


26o BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 

ainsi    que    tous    les    amis    qui   m'ont  plusieurs  fois  demande  de 
vos  nouvelles. 

Je  vous  prie  d'offrir  ä  Monsieur  votre  pere  et  a  Madame  votre 
mere  l'assurance  de  mon  respect.  Croyez  en  particulier,  mon  eher 
Louis,  ä  mon  bien  sincere  attachement 

Eug.  Delacroix. 

Ca  mercredi  21  novembre. 


(1828  oder  1829.) 

Vous  me  feriez  bien  plaisir  de  me  faire  le  plutot  possible  une 
etude  d'apres  la  tete  du  cardinal  de  Richelieu  de  Philippe  de 
Champaigne  qui  est  au  musee.  Ce  ne  serait  pas  je  pense  tout  a  fait 
du  temps  perdu.  C'est  une  des  bonnes  choses  de  ce  maitre.  D'ailleurs 
eile  rentrera  dans  votre  musee  quand  j'aurai  pris  la  liberte  de  m'en 
servir. 

Adieu  et  mille  compliments 

Eug.  Delacroix. 

Voulez  vous  dire  a  Poterlet  que  je  ne  pourrai  avoir  le  plaisir 
de  diner  avec  lui  demain  jeudi. 


3  juillet  (1833) 
(nach  London  adressiert). 

Mon  eher  Schwiter,  je  re^ois  votre  lettre  qui  me  met  dans  un 
assez  grand  embarras.  Triqueti  est  parti  depuis  deux  jours  au 
moins  de  sorte  que  je  ne  sais  comment  vous  faire  parvenir  ce 
dont  je  puis  disposer  en  votre  faveur.  Je  ne  puis  reellement  vous 
envoyer  que  300  fr.  et  croyez  que  c'est  avec  grand  et  sincere  regret 
de  ne  pouvoir  d'avantage.  Si  cependant  vous  vous  etiez  engage 
pour  d'avantage  et  qu'il  vous  füt  absolument  necessaire  d'avoir 
500  fr.,  comme  je  puis  vous  y  avoir  induit  par  ma  promesse,  je  le 
pourrais.  Mais  je  vous  avoue  que  cela  me  serait  onereux. 


BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 261 

J'ai  vu  avec  chagrin  par  votre  lettre  a  Pierret  que  vous  n'etes 
pas  content  de  la  maniere  dont  on  avait  place  vos  tableaux.  II 
parait  aussi  que  John  Bull  ne  se  laisse  pas  attraper  facilement, 
en  peinture  j'entends  et  pour  son  argent.  Quant  a  des  pratiques 
benevoles,  vous  en  trouverez  tout  autour  du  globe.  Du  reste  je 
dois  vous  avouer  que  je  vous  en  ai  souffle  une.  Maurice  qui  est 
ici  a  voulu  absolument  avoir  un  portrait:  il  voulait  qu'il  füt  fait 
par  vous,  et  en  votre  Heu  et  place  il  m'a  accepte.  Vous  voyez  que 
souvent  la  fortune  nous  attend  quand  nous  courons  apres  eile. 
Vous  la  trouverez  peut-etre  a  votre  porte  ou  sur  une  borne. 

Faites,  je  vous  prie,  mille  compliments  aux  Elmore,  a  Rochard, 
aux  Fielding.  Savez-vous  que  sur  votre  lettre  oü  vous  parliez 
des  expositions  de  Lawrence  et  de  Reynolds,  j'ai  ete  sur  le  point 
de  partir?  Mais   j'ai  passe  Tage  des  etourderies. 

Adieu,  donnez-moi  une  prompte  reponse  et  croyez,  mon  eher 
Schwiter,   a  mon  amitie  bien  sincere 

Eug.  Delacroix. 


Ce  jeudi  matin  (August  1856). 

Mon  eher  Schwiter, 

II  faut  que  vous   sachiez  que  je  profite  maintenant  des  beaux 

jours  pour  travailler  a  St.  Sulpiee.   C'est  un  travail  tres  fatigant 

et  il  me  serait  penible  de  penser  le  soir  a  un  deplacement  comme 

eelui  de  St.  Germain  contre  lequel  j'ai  d'ailleurs  eertaines  objeetions. 

Si  vous  voulez  nous  irions  tout  simplement  chez  l'anglais  de  la 

rue  St.  Marc  oü  nous  boirions  de  l'ale,  la  meilleure  chose  du  monde 

dans  cette  Saison.  Dans  le  cas  oü  vous  voudriez  un  autre  lieu  dites 

moi  oü  je  pourrais  me  rendre  et  a  quelle  heure.  Mille  amities  et 

compliments  sinceres 

E.  Delacroix. 


Ce  9  juillet  1858. 
Mon  eher  Schwiter, 
J'ai  vivement  regrette  de  ne  pas  me  trouver  chez  moi  quand 
vous  avez  pris  la  peine  d'y  passer;  je  eomptais  aller  vous  voir 


262 BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 

avant  de  repartir  pour  les  eaux;  mais  le  temps  me  presse  et  je  suis 
oblige  d'y  renoncer.  Depuis  trois  semaines  j'ai  ete  fort  souffrant 
d'un  refroidissement  qui  m'a  rendu  une  partie  des  accidents  dont 
j'ai  souffert.  C'est  ce  qui  m'a  retenu  chez  moi  presque  tout  le 
temps. 

Aussitot  mon  retour  j'espere  pouvoir  passer  chez  vous.  Recevez 
en  attendant  l'assurance  de  ma  vieille  et  bien  sincere  amitie 

Eg.  Delacroix. 

Champrosay  2  septembre  1858. 
Mon  eher  Schwiter, 

Je  regois  ici  votre  lettre.  Je  m'empresse  de  vous  en  remercier 
et  de  vous  dire  que  si  je  n'ai  pas  ete  vous  voir  a  mon  retour  de 
Plombieres  c'est  que  je  m'en  suis  trouve  plutot  mal  que  bien  et 
que  je  suis  revenu  aussitot  m'etablir  ici  oü  je  retrouve  plus  de 
sante  que  dans  les  deplacements  lointains.  Je  suis  bien  afflige  de 
votre  Indisposition:  ne  negligez  pas  tous  les  soins  necessaires 
tant  que  vous  ne  vous  sentirez  pas  tout  a  fait  remis.  Ce  qui  a 
autant  prolonge  l'etat  de  souffrance  oü  je  me  suis  trouve,  ca  ete 
l'impatience  de  reprendre  trop  tot  les  habitudes  d'un  homme  en 
sante.  Je  compte  etre  a  Paris  a  la  fin  de  la  semaine  prochaine,  et 
cette  fois  je  vous  verrai  ainsi  que  votre  belle  curiosite.  Cela  doit 
etre  effectivement  de  la  plus  grande  rarete  et  du  plus  grand  interet. 

Recevez  en  attendant,   mon  eher  Schwiter,   l'assurance  de  ma 

vieille  et  bien  sincere  amitie.  ^r         t\  1 

Eug.  Delacroix. 


Ce  dimanche  matin   (27.  Januar  1861). 

Mon  eher  Schwiter,  je  suis  tres  fache  d'avoir  manque  votre 
visite.  Je  sors  des  le  matin  et  ne  rentre  que  pour  diner.  Hier  vers 
6  heures  j'ai  trouve  vos  deux  lettres:  apres  mon  diner  j'ai  ete 
chez  Merimee  a  tout  hasard.  II  est  encore  absent  mais  on  m'a  dit 
qu'il  serait  peut-etre  de  retour  dans  peu  de  jours.  Je  vais  faire 
mettre  chez  lui  une  lettre  qu'il  trouvera  a  son  arrivee.  Je  serais 


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; BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 263 

bien  heureux  de  vous  voir  placer  vos  belies  antiquites;  je  m'en 
rejouirais  surtout  si  elles  etaient  placees  au  musee. 

Je  vais  ecrire  dans  la  journee  une  lettre  pressante  a  Mr.  le  duc 
de  Tascher,  premier  chambellan  de  l'imperatrice  qui  peut  agir 
de  maniere  ä  vous  etre  favorable.  Malheureusement  le  peu  de 
relations  que  j'avais  aux  Tuileries  se  sont  terriblement  relachees 
par  deux  ou  trois  ans  de  maladie  qui  m'en  ont  eloigne.  Je  vais 
aussi  prevenir  Mr.  Saulcy  qui  sera  probablement  consulte.  Quant  a 
Longperier  je  Tai  rencontre  depuis  ma  brouille  avec  Villot  et  il 
m'  a  fait  mauvaise  mine.  Je  lui  avais  parle  avec  l'insistance  de 
votre  casque;  il  n'a  pas  daigne  remuer.  Si  vous  etes  bien  avec 
Villot,  comme  ils  sont  tres  bien  ensemble,  je  ne  doute  pas  qu'il 
ne  puisse  vous  etre  utile.  II  serait  bien  regrettable  comme  vous 
dites  que  l'on  achetät  isolement  l'admirable  casque;  je  ne  com- 
prends  meme  pas  que  l'idee  puisse  en  venir,  si  ce  n'est  a  un  petit 
particulier  qui  n'aurait  pas  les  moyens  d'acquerir  le  tout. 

Recevez  mille  amities  bien  devouees  avec  l'expression  de  mon 
desir  de  vous  voir  reussir  dans  votre  affaire 

Eug.  Delacroix. 


Ce  lundi  soir  (28.  Januar  1861). 
Mon  eher  Schwiter, 

Je  re9ois  cette  lettre  de  Mr.  de  Tascher  en  reponse  a  la  mienne. 
Je  vous  l'envoie  pour  que  vous  ne  pensiez  pas  que  tout  est  manque. 
Je  crois  que  Saulcy  n'avait  pas  regu  la  mienne  quand  il  a  fixe 
un  prix  si  ridicule  pour  des  objets  si  remarquables.  II  est  courtisan 
et  n'aura  pas  ete  sincere  dans  cette  estimation.  Si  Merimee  avait 
ete  ici,  je  crois  qu'il  eut  ete  plus  juste.  Ne  le  trouvant  pas,  je  lui 
ai  adresse  une  lettre  tres  pressante. 

Je  vous  prie,  voulant  repondre  a  Mr.  de  Tascher,  de  mettre  sa 
lettre  sous  enveloppe  et  de  me  la  renvoyer  quand  vous  l'avez  lue. 

Votre  sincerement  devoue 

Eug.  Delacroix. 


264 BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 

Le  31  janvier  1861. 
Mon  eher  Schwiter, 

Sur  votre  avant-derniere  lettre  je  m'applaudissais  de  ce  que  les 
objets  en  question  restassent  definitivement  en  France  bien  que 
vous  ne  fussiez  pas  entierement  satisfait  quant  au  prix.  Je  vois 
par  Celle  d'hier  qu'il  y  a  encore  de  nouvelles  difficultes.  Mal- 
heureusement  mon  credit  n'est  pas  grand  et  je  ne  pourrais  guere 
me  permettre  d'insister  aupres  de  Mr.  de  Tascher  dans  les  termes 
oü  nous  sommes.  Je  ne  crois  pas  d'ailleurs  qu'il  voulüt  ou  püt 
dans  sa  position  aller  bien  loin  dans  ses  recommandations.  Long- 
perier  et  Saulcy  n'ont  pas  ete  ce  qu'ils  devraient  etre  en  presence 
d'objets  aussi  rares.  Je  me  flatte  encore  cependant  qu'il  y  aura 
de  part  ou  d'autre  quelque  regret  de  laisser  echapper  cette  occasion. 

Je  vous  felicite  de  votre  distinction  d'Italie  si  toutefois  vous 
pouvez  la  porter.  Ce  qui  se  passe  par  la  est  bien  extraordinaire. 

Mille  amities  sinceres  et  devouees 

Eug.  Delacroix. 


Champrosay  par  Draveil  (Seine  et  Oise). 

Ce  8  aoüt  1862. 
Mon  eher  Sehwiter, 

Je  suis  force  par  ma  sante  d'une  part,  et  de  l'autre  par  des 
eonsiderations  que  je  vais  vous  dire,  d'ajourner  un  projet  de  voyage 
en  Italie.  J'ai  eu  une  aggravation  de  l'indisposition  dont  je  vous 
ai  parle  (maladie  de  la  vessie,  sonde,  etc.),  laquelle  rend  les  de- 
placements  difficiles.  Peut-etre  les  chaleurs  y  ont-elles  contribue; 
mais  en  tout  eas  il  y  a  un  inconvenient  que  je  craindrais  de  rendre 
serieux.  En  second  Heu  votre  belle  Italie  me  parait  se  remettre 
en  eampagne  pour  de  nouvelles  aventures.  II  serait  desagreable 
quand  on  voyage  pour  s'amuser  de  se  voir  pris  dans  quelque 
bagarre  ou  simplement  detourne  de  ses  projets  par  les  circon- 
stances  ou  simplement  par  la  qualite  de  Francais  surtout  a  Rome 
qui  est  mon  objet  essentiel.  Tout  cela  ne  sera  peut-etre  que  de  la 
fumee  malgre  des  apparences  qui  me  paraissent  assez  serieuses. 
Vous  habitez  si  souvent  le  pays  que  j'espere  ne  pas  perdre  l'occasion 


BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 265 

dont  j'etais  tres  heureux  de  faire  avec  vous  ce  voyage;  je  me  berce 
encore  de  cet  espoir  et  je  tacherai  alors  de  choisir  un  moment 
oü  nous  n'aurions  a  craindre  ni  l'ardeur  du  climat  ni  les  excentri- 
cites  des  patriotes. 

Voilä,  mon  eher  Schwiter,  le  resultat  de  mes  reflexions  sur 
notre  projet  que  je  suis  loin  d'abandonner  et  qui  me  sera  agreable 
surtout  avec  vous.  Recevez  en  attendant  l'assurance  de  ma  vieille 
amitie  et  de  mon  bien  sincere  devouement 

Eug.  Delacroix. 


Champrosay,  21  acut  1862. 
Mon  eher  Schwiter, 

Je  suis  bien  desole  du  desappointement  que  vous  m'annoncez 
et  du  changement  que  vous  aviez  bien  voulu  faire  a  vos  projets 
en  vue  de  notre  rencontre  en  Italie.  Je  ne  voudrais  pas  cependant 
que  ce  desagrement  veritable  que  je  regrette  autant  que  vous, 
me  laissät  completement  dans  votre  esprit  l'air  d'un  homme  par 
trop  leger  et  inconsequent. 

Veuillez  vous  rappeler  que  mon  objection  principale  porta 
sur  l'insupportable  chaleur  du  moment  que  vous  m'aviez  designe 
et  d  cet  egard,  les  chaleurs  que  nous  avons  eues  ici  ne  m'ont  que 
trop  confirme  dans  ma  juste  apprehension.  Si  je  ne  me  trompe 
vous  me  dites  qu'il  vous  etait  impossible  de  vous  trouver  ä  Venice 
au  mois  de  septembre.  Quant  a  une  excursion  un  peu  etendue 
dans  le  reste  de  l'Italie  qui  etait  mon  but  egalement,  vous  me  par- 
lätes  de  la  raison  d'economie,  excuse  trop  legitime  pour  qu'il  me 
füt  permis  d'insister. 

J'eus  ä  la  suite  de  notre  entrevue  des  renseignements  tellement 
unanimes  sur  les  inconvenients  de  la  saison  que  je  dus  a  part  moi 
et  a  mon  grand  regret,  puisque  le  nouveau  projet  devait  me  priver 
de  votre  societe,  remettre  mon  voyage  a  l'automne.  Je  ne  vous 
reparle  pas  de  ma  sante  au  point  de  vue  de  l'incommodite  dont 
je  vous  ai  parle;  c'est  un  obstacle  qui  n'est  bien  compris  que  de 
ceux  qui  l'eprouvent  et  qui  devenait  plus  incommode  en  voyage. 
C'est  dans  cette  Situation  d'esprit  que  la  nouvelle  des  mouvements 


266 BRIEFE  AN  DEN  BARON  SCHWITER 

de  Garibaldi,  que  je  me  suis  figure  a  tort  ou  a  raison  comme 
pouvant  augmenter  les  desagrements  d'un  voyage  entrepris  seule- 
ment  pour  mon  plaisir,  m'a  fait  ajourner  tout-a-fait  et  me  reprendre 
a  mes  travaux  qui  me  tiraillent  beaucoup  et  ä  de  petit  voyages 
d'agrement  chez  des  parents  et  amis.  Pardonnez-moi  donc,  mon 
eher  Schwiter,  et  soyez  bien  persuade  que  j'eprouve  un  veritable 
chagrin  du  desagrement  que  je  vous  ai  cause,  mais  j'espere  que 
cette  lettre  diminuera  dans  votre  esprit  mes  torts  apparents  dans 
cette  occasion.  Je  n'ose  encore  faire  de  nouveaux  projets,  je  me 
borne  a  vous  reiterer  l'assurance  d'un  attachement  deja  bien 
ancien  et  qui,  j'espere,  durera  autant  que  moi.  Votre  bien  devoue 

Eug.  Delacroix. 

Champrosay  le  8  juin  (1863), 
Mon  eher  Sehwiter, 

On  m'apporte  votre  earte  et  je  viens  vous  exprimer  combien 
je  regrette  de  ne  pas  vous  voir.  J'ai  eprouve  des  accidents  assez 
graves  pour  lesquels  on  m'envoie  dans  un  lieu  oü  je  serai  a  meme 
d'observer  un  silence  absolu.  Vous  aurez  demain  ee  mot  car  presque 
tous  les  jours  j'ai  besoin  pour  diverses  affaires  d'envoyer  a  Paris. 
Je  erains  que  eette  Indisposition  soit  longue  quoique  depuis  quelques 
jours  je  sois  mieux.  Comme  j'envie  votre  belle  sante  et  votre 
aetivite!  au  reste  vous  avez  ete  comme  eela  toute  votre  vie  et  Dieu 
merci,  j'espere  que  eela  continuera.  Moi  j'ai  toujours  ete  accroche 
par  quelque  eote.  Le  plus  ennuyeux  pour  moi,  c'est  l'impossibilite 
de  m'oceuper  et  en  outre  eelle  de  ne  pouvoir  faire  assez  d'exeer- 
cice  pour  me  desennuyer. 

Si  j'etais  assez  heureux  pour  aller  mieux  d'ici  a  la  fin  du  mois, 
je  vous  ecrirais  le  jour  que  je  pourrais  aller  vous  serrer  la  main 
et  je  n'y  manquerais  pas 

Votre  bien  devoue 

Eg.  Delaeroix. 


267 


Baron    Schwiter:   BILDNIS  DELACROIX',    1831. 
Sammlung  Freifrau  v.  Blittcrsdorff,   Ottenshcim  a.  d.  Donau. 


BILDNIS  DELACROIX'.     Künstler  unbekannt. 
Mcsdag-Muscum,  Haag. 


270 


LETZTES   ATELIER  DELACROIX'. 


Ll-nZTLS  ATEr.IEK  IJKLACRCJIX', 


VERZEICHNIS  DER   ABBILDUNGEN 


Eugene  Delacroix,  Photographie  nach  dem  Leben,  1862  Tafel  I  vor  dem 

Dante  et  Virgile,   1822 Tafel  II       vor  Seite 

Seines  des  massacres  de  Scio,   1824 Tafel  III 

Le  naufrage  de  Don   Juan,   1840 Tafel  IV 

Prise  de  Constantinople  par  les  Croises,   1841        .      .  Tafel  V 

L'enldvement  de  Rebecca,   1846 Tafel  VI 

Roger  delivrant  Angelique,   1847 Tafel  VII 

Le  Lion  au  lapin,   1856 Tafel  VIII 

Chasse  aux  lions,   1858 Tafel  IX 

Mort  de  Caton,   1824 Tafel  X 

Le  28  Juillet  1830,  1830 Tafel  XI 

Lion  devorant  un  arabe,   1847 Tafel  XII 

Michelange  dans  son  atelier,   1851  Tafel  XIII 

Chasse  aux  lions,   1855 Tafel  XIV 

Medea,   1859 Tafel  XV 


Aline  la  Mulätresse,  gegen  1821 

Cheval  effraye  par  l'orage,  Aquarell,    1824 

Odalisque,   1825 

Les  Natchez,  1824 

Le  Christ  au  Jardin  des  Ohviers,   1826  (?) 

Le  Christ  au  Jardin  des  Oliviers,  Pastell,   1826   .... 

Le  Baron  Schwiter,  Lithographie,    1826 

La  Mort  de  Sardanapale,   1827 

Le  Tasse  dans  la  maison  des  fous,   1827  

Cheval  sauvage  terrasse  par  un  tigre,   1828  .... 

Selbstporträt,   1829 

Le  roi  Jean  ä  la  bataille  de  Poitiers,  Skizze,  1830 

Assassinat  de  Jean  Sans  Peur,  gegen   1830  (  ?)     . 

Mort  de  Charles  le  Tem6iaire  ä  la  bataille  de  Nancy,   1831 

Selbstbildnis,  Blei,   1832 

Frauen  in  Marokko,    1832 

Frauen  in  Marokko,   1832 

Femmes  juives  arabes,  Aquarell,   1832 

Araber  mit  Pfeife,  Tuschzeichnung,  gegen   1832   .... 

Jeune  lionne  marchant,   1832 

Boas  et  Ruth,  gegen   1832 

Fantasia  marocaine,   1832 

fitude  de  femme,  Radierung,   1833 


Titel 
17 
33 
45 
71 
81 

97 
121 
129 

147 
155 
203 
211 
219 
243 

Seite 

140 
141 
142 
142 

143 
144 

145 
146 

147 

148, 

149 

150 

150 

152 

153 
154 
155 
156 

157 
158 
159 
160 


272 VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

Seite 

Femmes  d'Alger  dans  leur  appartement,   1834 161 

£tudes  d'indiennes,  Aquarell,  gegen   1835   (?) 162 

Bataille  de  Taillebourg,   1837 163 

Henri  IV  partant  pour  la  guerre  (nach  Rubens),  gegen    1835  (?)        ...  164 

L'arabe  au  tombeau,   1838 165 

Les  convulsionnaires  de  Tanger,  1838 166 

Medee,   Skizze,   1838 167 

Medee,  1838 168 

Zwei  Zeichnungen  zur  Medea 169 

Zwei  Zeichnungen  zur  Medea 170 

Medee,    1862 171 

Noce'^juive  dans  le  Maroc,   1839 172 

La  justice  de  Trajan  (Entwurf),  Bleizeichnung,  gegen  1839 173 

La  justice  de  Trajan,    1840 174 

S.  Sebastien  secouru  par  les  Saintes  Femmes,   1840       ...            ...  175 

Arabe  se  chauffant,   1841 176 

Prise  de  Constantinople  par  les  Croises,   1841,  Ausschnitt 177 

Paysage  ä  Champrosay,    1842 178 

Le  Parc  de  Nohant,   1842 179 

La  Fiancee  d'Abydos,   1843 180 

La  Fiancee  d'Abydos,   1843 181 

Cheval  terrasse  par  une  panthöre,  gegen  1843 182 

L'empereur  du  Maroc  Muley-Abd-el-Rahman,  Aquarell,   1844 183 

Lion  devorant  un  cheval,  Bleizeichnung,  1844 184 

Lion  devorant  un  cheval,   Skizze,  gegen   1844 184 

La  mort  d'Ophelie,   1844         185 

L'education  d'Achille,   1844 186 

Jeunes  filles  de  Sparte,  Bleistiftzeichnung,    1844 186 

Attila  et  les  Barbares  foulant  aux  pieds  ITtalie  et  les  arts,   1844      ...  187 

Alexandre  et  les  poömes  d'Homöre 188 

L'6ducation  d'Achille 188 

Ovide  chez  les  barbares 189 

Hesiode  et  la  muse,   Skizze,   1844 189 

Adam  et  feve,   Skizze,   1844 190 

La  captivite  ä  Babylone,   Skizze,   1844 190 

La  Mort  de   St.   Jean  Baptiste,   Skizze,   1844 191 

La  Drachme  du  Tribut,   Skizze,   1844 191 

Numa  et  6gerie,   Skizze,   1844 192 

Lycurgue  consulte  la  Pythie 192 

Demosthdnes  harangue  les  flots 193 

Ciceron  accuse  Verrös,   Skizze,   1844 193 

Herodote  Lnterroge  les  traditions  des  Mages 194 

Les  bergers  chaldeens  inventeurs  de  Tastronomie 194 

Senöque  se  fait  ouvrir  les  veines,  1844 195 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 273 

Seite 

Socrate  et  son  demon 195 

Mort  de  Pline  l'ancien 196 

Aristote  decrit  les  anünaux,   Skizze,   1844 196 

Hippocrate  refuse  les  presents  du  roi  de  Perse 197 

ArchimÄde  tue  par  le  soldat 197 

Orphee  vient  enseigner  aux  Grecs  les  arts  de  la  paix,   1844 198 

Romeo  et  Juliette,   1845 199 

L'enlevement,  Zeichnung,   1846 200 

Chef  arabe,  Pastell,   1846        ., 201 

Chasse  au  üon,   1847 202 

Comediens  et  bouffons  arabes,   1848 203 

Lion  dechirant  un  cadavre,  Aquarell,   1848 204 

La  Madeleine  en  pridre,  gegen   1847 205 

Mise  au  tombeau,  gegen   1848  (?) 205 

Ugohn  et  ses  fils,   1849 206 

Femmes  d 'Alger  dans  leur  interieur,  1849 207 

Daniel  dans  la  fosse  aux  lions,   1849 208 

Skizze  zum  Plafond  des  Louvre,   1849 209 

Weisslingen  enlev6  par  les  gens  de  Götz,   1850 210 

Angelique  et  Mador  blesse,   1850 211 

La  Resurrection  de  Lazare,   1850 212 

Le  lever,   1850 213 

Ariane  abandonnee,   1850 214 

Les  pelerins  d'Emmaüs,   1850 — 1852 215 

L'education  de  la  Vierge,  gegen   1852 216 

L'enlövement  par  les  pirates,   1852         217 

Arabe  ä  l'affüt,  Zeichnung,   1853 218 

Chasse  au  lion,   1853 219 

Le  Christ  sur  le  lac  de  Genesareth,    1853 220 

Le  Christ  sur  le  lac  de  Genesareth,  1853 221 

Daniel  dans  la  fosse  aux  lions,   1853 222 

Le  Christ  sur  le  lac  de  Genesareth,   1853         223 

Le  Christ  sur  le  lac  de  Genesareth,    1853         224 

Bildnis  des   Sammlers  Bruyas,   1853 225 

Lion  guettant  sa  proie,   1854 226 

St.  Georges,   1854 227 

Rubens:  Löwenjagd 228 

Le  Lion  au  caiman,   1855 229 

Cavalier  arabe,   1856 230 

Indienne  mordue  par  un  tigre,   1856 231 

Combat  d'un  lion  et  d'un  tigre,  Aquarell,   1856 232 

Christ  en  croix,  gegen  1856         233 

Marocain  et  son  cheval,  1857 234 

Les  cötes  du  Maroc,  1858 235 


274 VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

Seite 

Mort  de  Lara,  1858 236 

Heliodore  chasse  du  temple,  Fresko,  1857 — 1861 237 

Hermione  chez  les  bergers,   1859 238 

Hamlet  et  Horatio,   1859 239 

L'enlövement  de  Rebecca,  1859 240 

Chevaux  se  battant  dans  une  6curie,  1860 241 

Triomphe  de  Bacchus,  gegen  1861 242 

Triomphe  d'Amphitrite,  gegen   1861 242 

Chasse  aux  Hons,  gegen  1860 243 

Le  naufrage,   1862         244 

Orphee  et  Eurydic6e,   Skizze,   1862         245 

Ovide  chez  les  scjrthes,  1862 246 

Muley-Abd-el-Rhaman  passant  la  revue  de  sa  garde,   1862 247 

Bacchus  et  Ariane,   1862 248 

Le  Printemps,   1862 249 

Combat  d'arabes,   1862 250 

L'hiver,   Skizze,   1862 251 

L'abreuvoir,   1862 252 

Lionne  prete  ä  s'elancer,   1863 253 

Baron  Schwiter:  Bildnis  Delacroix',   1831         267 

Bildnis  Delacroix'.     Künstler  unbekannt 268 

Treppe  zur  Wohnung  Delacroix' 269 

Letzte  Wohnung  Delacroix' 269 

Letztes  Atelier  Delacroix' 270 


Zeichnungen  Delacroix'  befinden  sich  im  Text  auf  folgenden  Seiten:  3,  23,  27,  43, 
51,  66,  69,  72,  85,  89,   109,    114,    117,   130,   133. 


K.  B.  Hofbuchdruckerei  von  Gebrüder  Reiche!  in  Augsburg. 


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8INDING  SECT.       AUG  2  6  1982 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


ND 

553 

D33Mif 

1913 


Meier-Graefe,  Julius 
Eugene  Delacrolx 


SP