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Full text of "Evangelische Besuch (1853)"

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CLASS. Q > O 5 2 Ses SP DB Un 
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0 V. 


Der 


Evangeliſche Beſuch, 
Eine Monats- Schrift 
In Begleitung und als Dolmetſcher des 
rontyig Gospel⸗isiter-s; 


Gewidniet 
der Darſtellung und Vertheidigung 
Esdangeliſcher Grundſätze und Uebungen 
in ihrer urſ per uͤng lichen Reinheit und Einfachheit 
zur Befoͤrderung chriſtlicher Eintracht bruͤderlicher Liebe, und 
allgemeinen Wohlwollens. 


Herausgegeben von Heiurich Kurtz. 


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„Denn ich ſchaͤme mich des Evangeliums von Chriſto nicht; denn 
es iſt eine Kraft Gottes, die da ſelig macht alle, die daran glauben, 
die Juden vornemlich, und auch die Griechen.“ Roͤm. 1, 16. 


ahr gaug 1⸗3. 1853⸗5. 


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Gedruckt unweit Poland, Mahoning Co., Ohio, 
In der Druckerey des Goſpel-Viſiteres. 
G. S. und Comp, 


Tran 
5 N * 


emen. 
Evaugeliſche Beſuch. 
Dieſes Monatsblatt erſche | 


ſchein t zugleich mit dem 
o eh Cen. 


eden Monat 16 Seiten Median⸗Octav zu dem geringen Preis von 
nur fuͤnfzig Cents de Jahrs einzeln, oder fuͤnf Thaler fuͤr 12 Co⸗ 
dien. Der Goſpel⸗Viſiter enthält mit dem Umſchlag von 
28—36 Seiten monathlich. koſtet Einen Thaler des Jahrs, und zehn 
Thaler fuͤr en Beide zuſammen beim Dutzend Fünf: 
zehn Thaler, alles in Vorausbezahlung. * 

Das Poſtgeld (unter 3000 Meilen) iſt nur 6 Cents des Jahrs. 
Geldſendungen mit der Poſt auf das Niſies des Herausgebers. 


Der Evan 


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A 


Ing 
Inhalt 
Des Evangeliſchen Beſuchs. 
Jahrgang 1—3. 1852-1855, 


Jahrgang 1, Evangeliſche Grund ſätze. Nro. 1. Wahrs 

Pro, 1, heit und Enthaltung vom Eidſchwoͤren 36 

uſre liebe Leſer. EEE Der Meſſtas. Von P. Nead 39 
Brief eines Bruders im Weſten 6 Nro. 5. N | 

Eorrefpondenn #7 + „Die Gemeinde in der Wuͤſte ꝛc. Nachtrag 
Für die Jugend. Etwas Alterthumliches 13 ‚ur Geſchichte der Waldenſer 41 

Ein koͤſtliches Lied e 160 Noch etwas von dem Grundſatz der 

Nro. 2. Wahrheit und Aufrichtigkeit 43 

Die Gemeinde in der Wuͤſte, oder Zeug: Brief von Jeruſalmm = 45 


Der Meſſias (Schluß.) Von P. Nead 46 


niſſe von dem, Daſeyn einer apoftelifchen | Der 7 * 1 
f I io Ein Lied vom verſtorbenen Bruder Jo— 


Gemeinde vom Anfang des Evangeliums 


bis auf unſere Zeit. l 17 hannes Holſinger 48 
Vom Fall des Menſchen. VonP. Nead 19 Nro. 6. 


Der Nachfolger Chriſti und die Welt 22 Aus dem „Geiſtlichen Magazin, publicirt 


Frage und Antwort ⸗ = 23 pon Br. Chriſtoph Saur vor mehr als 100 
Auf Leiden folgt die Herrlichkeit. Lied. 24 Jahren. Von der Natur und Vortreff⸗ 
Nro. 8. lichkeit der chriſtlichen Andacht 49 
Die Gemeinde in der Wüſte ꝛc. Die Gemeinde in der Wüſte ꝛc. Die boͤh⸗ 
Geſchichte der Waldenſern 28.6 miſchen Bruder 8 
Die Bruderſchaft der deutſchen Taͤufer 28 Correſpondenz : z 2 56 
Vom Fall des Menſchen z 2 Nro. 7. 
Neujahrs⸗Lied z E 2 32 Die Gemeinde in der Wuͤſte ꝛc. Die babe 


maiiſchen Bruͤder ⸗ 57 
am, das Ich oder die Selbſt⸗ 
ſucht : 60 


Nro. 4. I - > 
Die Gemeinde in der Wuͤſte ꝛe. Ge⸗ Der alte Ad 
ſchichte der Waldenſer 38% 


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* Inhalt des Esangeliſch 


Nro. 8. * N ro. 6. 
Die Gemeinde in der Wuͤſte ꝛc. Die boͤh⸗„Da iment in der Geſchichte 
miſchen Brüder = e rer Bruͤderſchaft 41 


Was Br Felbingk fen vor 200 De ne endbote des eb nns 48 
Jahren bezeugte. Ba Mt weg Neo. 7. 
Taufe M unſere Brüder yor 1 

por 140 

ihr iſthafte Antworten 49 

chte der Bruͤder „ 58 

u Hg deutſche Leſer ⸗ 56 

hi Nro. 8. 


Nro. 9. 


Die Gemeinde in der Wuͤſte ꝛc. 1 1975 
J. Felbinger's Zeugniß von Ach er 15 
eren x. 


Nro. 10. charfe Fragen an unfre Brüder ꝛc. 57 
Die * in der Ei 1 8108 ollen die Weſſzungen in Erfuͤllung 
Chriſtus im Garten. etzt 820 gehen 2 D 61 
J. Felbingers Zeugniß von er rg der Evangeliſche Beſuch ⸗ 64 
Der nächſte Weg zum Himmel Nro. 9. 
Nro. 11. A ſollen die Beiffagungen erfüllt wer⸗ 
Kein Kreutz, keine Krone 89 den . : 65 
Felbinger's ; Zeugniffe von der Vufe 92 Noch ein anderes uraltes Document 70 
Taͤgliche Nahrung 2 2 96 Correſpondenz a . P 72 
Nro. 12. f Nro. 10—14. 
Weihnachts-Betrachtung bt Geſpraͤch zwiſchen Vater und Sohn 
Kein Kreutz, keine Krone z 10 73—112 
Felbinger's Zeugniß von der h. Taufe 103 { 
Der Hirt. , .0, a Jahrgang 3. 
Tahrgang. 2. Neo. 1. # 1 i Januar No. 1. W 5 
1 i or wor x eite 1 
ee auf Mh 4 In welchem Sinn der Evangelifihe e be, 
er's Zeugaiſſe ꝛc. f W 
Correſpondenz f ad fuch geführt werden fo 5 . . 1 
An ne ne Freunde ih Pautſchland “ Geſchichte der Gemeinde in Lancaſter 
Pennſylvanien · 1 4 
g Nro. 2. Michael Frantz P : 5 
Bm er dreimaligen Eintauchung ind Ehritags⸗Gebonken 3 6 
Kein Kreutz, keine Krone = 4 Neujahrs⸗Gedanken 8 7 
Nro. 3. Correſpondenz : : 8 
Kein Freutze keine Krone E 17 Februar No. 2. 
Felten,“ deugnſſſe von der h. Taufe 21 Aus dem Geiſtlichen Magazin 9 
Nie d pur 1 „ 24 Die Gemeinde in Lancaſter Co Pa. 11 
Nre. 4. Der ſich ſelbſt pruͤfende Lehrer 12 
Wache auf, der du ſchläfeft - 25 Brunnen ohne Waſſer e „ 13 
Felbiſiger's Zeugniſſe von der h. Taufe 290 Der alte Simeon Ne z 14 
Urſpiung der River⸗Brüder + 30 Ein Kind als Bußprediger : 15 
Sterbfall einer jungen Schweſter 32 März No. 3. 
Nro. 5. Aus Br. Jacob N err vr 17 
Eine kurze Beſchreibung einer langen Reis Treugemeinter Zuruf . 18 
fe von Babylon nach Bethel 33 Die Gemeinde in Lancaſter Co. Pa. 21 
Felb nger's Zeugniſſe von der h. Taufe. Warnung vor Betruͤgern al 
* Schluß : 35 Bete uud arbeite : : 25 
Fin Reiſelied : £ : 36 | Evangelifirte Spruͤchwoͤrter : 26 


RN : 37 Poeſie, wahrſcheinlich von kn 
Schlußwert an unfere I. deutſche“ Leſer 40 Mack 2» e P 


* 


zZan? a 


ngelöfchen Beſuchs. 1 


30 Schicke dich zur Seligkeit ⸗ 100 
1 Das herrliche Licht des Evangeliums 10K. 
32 Das Leben Hans Engetbrechts 4 62 
Trauriger Unglücks⸗und a: © 20:3 


Se 
Todes⸗Anzeige 
April No 


Die Kreutzigung Jeſu * =» n 7. Mi 10 
Die Auferſtebung Jeſu 1 tember Ne 9. 1 ’ 
Noch etwas von Bruder J Con * t j 105 
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ee hen und Tobes Anzeige B rüderlicher Kar) Rn ad en 
* 2 N RX PN * 8 Ja n „ 1 
ne 1 ee Gartarine Summe 09 
12 Himmelfahrt hriſti 417 i N 
Das Pfingſtfeſt EINER aten Ad „ 
Noch etwas von Dauer 50 Ein⸗ | Brief von Biſchoff Gobat in I 
faltig = 


Aus einem Brief vo Bent 
Briefe aus dem gelo en 
Die Bekehrung Iſrael's betreff 
Der reiſende Pilger wah den 


Neue Ww 1 


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Aus dem Brief Antes l. Br, in e 64 1. 80 on in, 10 1 
Von der geiſtlichen eee 0 War obe men Jiu 21 
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BEE Juny No. 6. N Der Evangeliihe Beſuch 0 131 
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Etwas fuͤr verzagte Herz en 2 58 fr nr 
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mähte Haus⸗Gottesdienſt 69 13 x 


Schuh, am Niagara⸗Fall 70 
IR 2 3 Bibel 


. Der erſte Winterabend . 
Unſere arme Bruder in Druiſchtand 144 
Ein Brief an Kinder x 145 
Correſpondenz und dude ge 145 


December Ns. 12. N 


2] Die Taufe nach der Se * 125 
Ein Brief aus dem heil. 1 149-153 
5 Der erſte Winserabend 1855 193-1 2 

Ein Lied 2 z Huf 3 

in Wort zu rechter Zeit 237 
Die neue Abe in Deutſo 

land N ⸗ 

Wir haben hier keine bleibende Stadt ee 10 ** v * 

Das gelobte Land, deſſen Lage ze. Das Sterbebette einer N 

Die Gemeinden getaufter Ci riſten 95 Cerreſpondenz de. 

Der Herr k unſer Schatten B 99 5 


Kir haben hier keine bleibende nad ae 
Baptiſten in. Deutſchland ꝛc. 
Das Leben Hans Engelbrechts 
Ein Beſuch am Niagara⸗Fall 
Etwas für die Jugend = 
Brief non Michael Frantz 2 
Dit Gemeinde in Lancaſter Co. Pa, 86 
Ei eines Schullehrers . 
Die geiſtlichen Jahreszeiten «+, = 


Auguſt Ne. 8. 


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ſchneiden. Aber von der anderen Seite, es 
ſollte berückſichtigt werden, daß jede — wie die 
erwähnte — und von ihnen noch fortwährend 
in Beſitz gehaltene Ueberlegenheit auf die Dauer 
nicht beſtehen kann, ſondern wie die Erfahrung 
lehrt, ſtets einen entſprechenden Rückzug hervor— 
bringen muß. Es iſt die Natur der Gewalt, 
wenn ſie zu ſtark auf einen Punkte ſich ver— 
einigt, ſo muß eine Gegengewalt entſtehen, die 
ihr das Gleichgewicht hält. Unter einer freien 
Regierung iſt dies beſonders nöthig. Wenn 
ein Mann oder Männer, einſeitig zu lange re— 
gieren und beaufſichtigen ſo muß natürlich mit 
der Zeit ihren übrigen Mitbürgern der größte 
Nachtheil dadurch erwachſen. Nun wenn es 
einmal zugegeben worden iſt, daß eine ſolche 
Gewalt unter der gegenwärtigen Form der 
Conſtitution „vermöge des Negers“ entſtanden 
iſt, ſo iſt es überflüßig noch weitere Beweiſe an- 
zuführen, ſondern Vollen Maßregeln ergreifen, 
damit es in Zukunft unterbleiben muß und der 
Majorität dieſer Staatenbewohner durch die 
Minorität kein Nachtheil erwachſen kann. Wir 
anerkennen die Wahrheit des Satzes: „Steie 
Wachſamkeit iſt der Preis der Freiheit“ eben fo 
wohl als den folgenden Satz, welcher wie ich 
mich erinnere in meiner Jugendzeit in gewiſſen 
Verſammlungen allgebräuchlich war, aber jetzt, 
wie es mir ſcheint, ſeltener hervorgehoben wird: 
„Gewalt iſt ein der Majorität entzogenes 
Recht, ausgeübt von Wenigen.“ „Gewalt iſt 
ein unrechtmäßiger Beſitz Weniger, der Majori⸗ 
tät entgegen.“ Ich ſage wenn die Herrſchaft, 
welche „vermöge des Negers“ beſteht, könnte 


beweiſen daß ſie dieſelben zum Vortheil aller 


Klaſſen der Bevölkerung der Ver. Staaten aus⸗ 
geübt und daß nichts, gethan ſei, um die Säu⸗ 
len des Freiheits⸗Tempels zu untergraben; ſo 
iſt es doch Thatſache, daß während eines unbe- 
wachten Augenblicks es zum äußerſt möglichen 
Unrecht zu thun, gekommen iſt und daß nur des 
Volkes eigener Wille im Wege ſtand um es zu 


verhindern; auch würde dies eine weitläufige 


Rechtfertigung ſein um einen augenblicklichen 
Zufluchtsort zu finden den mehr energiſchen 
Maßregeln der Geſellſchaft gegenüber die Ge— 
fahr abzuwenden. 

Es wird an dieſem Orte nicht nothwendig 
ſein, tiefer in die Gründe für das Wachſen der 
republikaniſchen Partei einzugehen. Wir ſind 
verſichert worden, daß ſie eine immerwährende 
Drohung für unſere Bundesgenoſſen in den 
Sklavenſtaaten bildete, und daß nichts geringe⸗ 
res als ihre fofortige Auflöſung ſie beruhigen 
würde. Nun abgeſehen von der ſonderbaren 
Un kenntniß der Eigenthümlichkeiten der Partei- 


3 


politik in einem freien Lande, welche eine ſolche 
Forderung erweiſt, drängt ſich die Frage auf, 
wo bleibt der Grund zu jenen Befürchtungen, 
da ſich die Partei zu einer rein defenſiven Stel- 
lung verpflichtet? Kein vernünftiger Mann 
kann in Abrede ſtellen, daß ſich die Neger raſch 
vermehren; daß in Folge, dieſer Zunahme die 
pecuniären Macht, welche das Beſitzthum von 
Sklaven einſchließt, beſtändig wächſt; daß 
dieſe Zuſtände einer Partei fortwährend größere 
Macht in die Hände ſpielen, eine Macht, die ſich 
ſowoͤhl in dieſem Haufe, als in den übrigen 
Zweigen der Regierung kund gibt, und die in 
ihrer ganzen Richtung und ihrem ganzen Ein— 
fluß ſchädlich auf die Erhaltung unſerer einge- 
pflauzten Freiheit wirkt. Sollen wir belehrt 
werden, wie für ſie, dieſes Uebergewicht in den 
Congreß-Verhandlungen ſchwer fühlbar wird, 
daß wir nicht das Recht hätten, uns mit der 
Abſicht zu verbinden, die traurigen Folgen dies 
ſer Zuſtände abzuwehren. Man dachte nicht 
im entfernteſten an dergleichen Einwendungen, 
in dem Falle verhältnißmäßig unbedeutender 
Aktien⸗Geſellſchaften auch denn nicht, wenn 
man ſich gegen die Macht eines einzelnen unbe⸗ 
deutenden induſtriellen Betriebs glaubte ſichern 
zu müſſen; weshalb nur denn, wenn es ſich um 
einen Reichthum, um eine politiſche Macht han⸗ 
delt, gegen welche Bank- und Tarif nur als 
Atome in der Schöpfung erſcheinen? 

Dieſe Verbindung aber halte ich nicht nur 
gerechtfertigt, als eine Vorſichtsmaßregel gegen 
den möglichen Fall eines Mißbrauchs von Gewalt, 
ich halte ſie für eine unbedingte Nothwendigkeit 
für die wirkliche Aufrechterhaltung unſerer freien 
Geſetze und Einrichtungen. Noch iſt vielleicht 
Niemand fo ſtumpfſinnig, es in Abrede zu ftel= 
len, daß der Sinn für Freiheit, der Schutz und 
Hort des einzelnen Bürgers gegen alle Angriffe 
willkührlicher Macht, ſeit den Zeiten der Revo⸗ 
lution den tiefſten Grundzug des amerikaniſchen 
Gemüths bildet. „Widerſtand gegen Gewalt 
iſt Gehorſam zu Gott,“ iſt eine Maxime die 
nirgends mehr als in Virginien unfere Vorfah⸗ 
ren zu dem Kampfe begeiſtert, in deſſen Folge 
wir hier unſere Sitze einnehmen als Vertreter 
eines freien Volkes. Es fand ſeinen Ausdruck 
in dem berühmten Akt der Unabhängigfeitser- 
klärung, welche der Welt in einer Sprache über⸗ 
macht wurde, zu bekannt, um hier wiederholt 
werden zu dürfen. Zu jener Zeit wurde der 
Sinn und die Sprache dieſer Unabhängigkeits⸗ 
erklärung und der Conſtitution von Keinem 
mißverſtanden. Niemand unterſuchte den Hel⸗ 
denmuth, welcher die Rechte der unterdrückten 
Koloniſten, das ganze menſchliche Geſchlecht 


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hier in die Schranken rief. 
hundert iſt verfloſſen und nicht Einer von der 
Unzahl von Staatsmännern und Rednern, welche 

Jeder zu ſeiner Zeit, mit dem Bewußtſein der 
hohen Stellung dem Vaterlande dienten — dem 
Vaterland, welches es ſich zur Aufgabe gemacht 
hatte — jene erhabenen Prinzipien zu verwirk— 
lichen, ich ſage nicht Einer dachte darin einen 
Zweifel zu ſetzen, über die Allgemeinheit und 
den Sinn jener erhabenen Grundſätze, welche 
in der Unabhängigkeitserklärung niedergelegt 
ſind. Es war für die Leute der Gegenwart 
aufgehoben, eine neue Auslegung zu erfinden, 
welche, indem fie die Anwendung auf eine beſon— 
dere und begünſtigte Klaſſe beſchränkt, mit einem 
Streiche die Patrioten der Revolution ernie 
drigt und entwürdigt und ihren Standpunkt in 
dem würdigſten Kampfe der Weltgeſchichte, zu 
dem Riveau des letzten Preiskampfes — auf 
der anderen Seite des Oceans herabzieht, wo 
es ſich um den Beſitz emes Gürtels handelte. 

Iſt dieſe ihre Anſicht die richtige, dann wäre 
die ganze Frage auf einen abſichtlichen Betrug 
überführt — dann iſt die Welt durch falſche 
Vorſtellungen betrogen worden — dann waren 
unſere Vorfahren Schurken, welche wegen ihres 
Auflehnens gegen die geſetzliche Obrigkeit des 
Mutterlandes die Strafe des Geſetzes gegen 
Rebellen verdienten, anſtatt den glorreichen 
Beſitz der Patrioten Krone. 

Der Haupt⸗Prinzipienpunkt der Revolution, 
welcher einen wirklichen Fortſchritt in den Re— 
ſultaten aller bis jetzt ſtattgefundenen politiſchen 
Inſtitutionen ausmacht, iſt der, daß der Menſch, 
ſei er in oder außer der ſozialen Organiſation 
hat — wenn er ſonſt ſich kein Vergehen zu 
Schulden kommen läßt — gewiſſe Rechte, wel— 
che feine Nebenmenſchen über den ganzen Erd⸗ 
ball, anzuerkennen gebunden ſind. 

Die allgemeine Beſtätigung dieſes Grund— 
ſatzes für die ganze Welt, war während dieſem 
Jahrhundert die Miſſion Amerikas, und es 
hätte es vollbringen mit dem Einfluß ſeiner Zu— 
nahme und Macht. Im Jahr 1776 hatte 
man die beſten Hoffnungen den Grundſatz end- 
lich zur Verwirklichung für alle Menſchen zu 
bringen. Einige Jahre hindurch verbreitete er 
ſich hier und auswärts, wie denn die Lehre über⸗ 
haupt den tiefſten Herzenswunſch aller Völker 

in ſich begreift. Niemand wird in Abrede ftel- 
len können, daß in allen civiliſirten Ländern bis 
heutiger Stunde, immer wieder aufs neue agi— 
tirt wird, um die Anerkennung gewiſſer all⸗ 
gemeiner Rechte zu erringen. Das Ergebniß 
wäre wahrlich ein mehr Erfreuliches für die 
übrigen Völker geweſen, wenn nicht die erſtaun⸗ 


N 


4 
Ein halbes Jahr- liche Thatſache vor'öge, daß gerade das Volk 


welches dieſe großen Wahrheiten zuerſt erklärte 
ſich wieder langſam doch beſtändia davon zurück⸗ 
gezogen hätte und dadurch alle Sympathie ver⸗ 
loren bat. X 

Dieſer Rückſchritt, begann im Anfang unbe> 
deutend, nach kurzer Zeit namentlich ſeit dem 
Beginn der gegenwärtigen Adminiſtration, aber 
ſehr bemerkbar. Dieſe Adminiſtration, die Re⸗ 
präſentanten dieſer großen Nation, haben ſich 
vereinigt der Welt gegenüber, eine Contre-Er⸗ 
klärung abzugeben, deren Inhalt iſt, daß da 
Menſchen in der Welt ſind, deren 
Rechte kein weißer Mann anzuer⸗ 
kennen gebunden iſt. 

Es iſt eine Gewißheit, daß dieſe feierlich und 
ernſthaften Ausſprüche von Richtern, Präſiden⸗ 
ten und Mitgliedern im Senate und Haus, eines 
freien Landes unwürdig find und der Unabhängige 
keits⸗Erklärung gerade zu ins Geſicht ſchlagen. 
Lange genug iſt uns ungeheuchelte Authorität 
für politiſche Doktrinen bekannt. Aber wir 
geben jetzt in dieſer Halle zu verſtehen, daß gar 
keine Schwierigkeit vorhanden iſt, die Ver- 
ſöhnung dieſes augenſcheinlichen Wiederſpruchs 
herbeizuführen. Die Sprache der Unabhängig⸗ 
keits⸗Erklärung iſt zu klar. 

„Wir halten folgende Wahrheiten für keines 
Beweiſes bedürfend: Alle Menſchen ſind gleich 
geſchaffen; fie haben von ihrem Schöpfer ge- 
wiſſe unveräußerliche Rechte empfangen; zu die- 
ſen Rechten gehört Leben, Freiheit und Streben 
nach Glückſeligkeit.“ 

Die neue Lehre iſt, daß Thomas Jefferſon, 
als er dieſe Worte „Alle Menſchen“ ſchrieb, 
klar beabfichtigt hätte nur weiße Menſchen 
darunter zu verſtehen. Natürlich, wenn dies 
der Sinn iſt, ſo wäre die nothwendige Folge⸗ 
rung, daß der Reſt des Menſchengeſchlechts 
keine gewiſſe unveräußerliche Rechte vom Schö⸗ 
pfer empfangen hat, ſondern dieſe nur dem weiſ— 
fen Menſchen zukommen; folglich auch die Letz— 
teren gerechtfertigt daſtehen, wenn fie die far⸗ 
bigen Menſchen als untergeordnete Individuen, 
können, ihrem Willen unterwerfen. 

Die Conſequenzen, die dieſer Auffaſſung ent⸗ 
ſpringen, ſind natürlich von den Freunden der 
neuen Lehre durchgängig adoptirt. Die That⸗ 
ſache iſt allbekannt, daß Thomas Jefferſon, der 
Verfaſſer dieſes ausgezeichneten Schriftſtücks ſehr 
fähig und der Beſte war, ſeine Meinung, mit 
Kraft und Klarheit, und dem gehörigen Aus- 
druck als Schriftſteller wieder zu geben. Wäre 
dieſe neue Auslegung des Satzes wahr, was 
ſollen wir von ſeiner Fähigkeit denken, wenn er 
ſagt: „Alle Menſchen ſind gleich geſchaffen“ 
und er hätte wollen gleich der neuen Doctrin 


5 


ſagen: „Alle Menſchen ſind nicht gleich ge— 
ſchaffen, und folglich, daß die Rechte, welche er 
als gewiſſe unveräußerliche bezeichnet 
in Thatſache aber für einen großen Theil der 
Menſchen gewiſſe veräußerliche ſind, 
und dem Willen und Gefallen einer Minorität 
die zufällig mit weißen Geſichtern erſchaffen 
wurden, untergeordnet find. Es iſt unglaub⸗ 
lich, daß ein ſo klarer Schreiber wie Jefferſon, 
in einem ſolchen Document — welches er ſelbſt 
5 das ausgezeichneſte Schriftſtück ſeines Lebens 
ält — in einen ſolchen Irrthum gefallen wäre, 
das Gegentheil zu beabſichtigen was er ſchrieb. 
Ein weiterer Beweis iſt der daran zu denken, 
daß trotzdem Jefferſon noch ein halbes Jahr- 
hundert inmitten von Diseuſſionen und Dis⸗ 
putationen lebte, welche theilsweis durch die 


Meinung und Faſſung obigen Satzes hervorge⸗ 
rufen wurden zer hat weder zu Privatleuten noch 
Beamten jemals den mindeſten Zweifel geäußert, 
daß der Satz, wegen ſeiner Klarheit könne miß⸗ 
verſtanden werden. Er kannte den Verſtand 
einer Zeitgenoſſen zu wohl und wußte, daß fie 
eine Worte richtig auffaßten. Hätte er etwas 
eiteres gedacht, ſo hätte er ja ſpäter noch Zeit 
ehabt den Satz zu verändern oder zu vollſtän⸗ 
igen! Aber ich, ein Sohn Maſſachuſetts der 
as große Schriftſtück und den hervorragenden 
erfaſſer, ein Sohn Virginiens gegen die frechen 
ngriffe von Bürgern feines eigenen Staates 
ertheidige, ich bringe noch andere Stellen aus 
jeſer unſterblichen Schrift um zu beweiſen, Naß 
gefferſon genau ſagte, was er meinte und, daß 
e neue Auslegung der Aftergedanke einer ſpä⸗ 
tren Zeit iſt. Fern von dem engherzigen Ge— 
dinken, als hätten die Worte „Alle Menſchen“ 
nir Bezug auf weiße Menſchen, welche unver⸗ 
erliche Rechte auf Leben und Freiheit bean- 
ſpruchen, geht er noch weiter in ſeinem Original⸗ 
2 5 der ernſten Anklage gegen den König von 
Großbrittanien — Für was, bitten? — Warum 
um feine eigenen Worte zu gebrauchen, „weil 
er es gewagt, einen grauſamen Krieg 
gegen das Menſchengeſchlecht 
felbft zu führen verletzend feine,, 
großen heiligen Rechte und ſeine 
Freiheit in den Perſonen eines ſchüchternen 
und entfernten Volkes.“ Es ſcheint durch dies 
daß Hr. Jefferſon dachte, dieſe heiligen Rechte, 
welche er als „unveräußerlich“ bezeichnet, der 
ganzen Menſchheit gehörten und nicht nur dem 
kleineren Theil derſelben, der weißen Population 
zukämen. Ja, das iſt noch nicht Alles. Wer, 
frage ich ſind die „Perſonen eines entfernten 
Volks,“ bei welchen er die heiligen Rechte unter 
der unmenſchl. Tyrannei meint? Das iſt die afri⸗ 


kaniſche Race, welche der König aus ihrer Hei⸗ 
math hierher brachte und zu Sklaven für die 
amerikaniſchen Coloniſten machte. Sie ſind 
daſſelbe Volk, von welchen uns die Richter des 
höchſten Gerichts ſagen — um wie es ſcheint mit 
ihrer Entſcheidung den Monarchen vollſtändig 
zu rechtfertigen — daß „die Neger keine Rechte 
haben, welche ein weißer Mann gehalten iſt zu 
reſpektiren.“ Es iſt auffallend genug bezeich- 
net um der Abernheit Raum zu geben, als kön— 
ne ein Mißverſtändniß obwalten. Jefferſon 
in der Beſchuldigung des Souveräns wegen ſei⸗ 
nes unmenſchlichen Entſchluſſes — einen offenen 
Markt zu halten, wo Menſchen gekauft und ver⸗ 
karft werden ſollen — legt einen beſonderen 
Werth darauf und ſchreibt das Wort „MEN- 
SCHEN! mit großen Buchſtaben. Das ein⸗ 
zige Wort was ſo geſchrieben iſt im ganzen Dos 
kument, damit es recht in die Augen fallen 
ſollte. Sollte irgend ein weiterer Verſuch ge— 
macht werden, den Worten „Alle Menſchen,“ 
eine andere Deutung zu geben, als was ſie klar 
ſagen, ſo können wir noch weit ſtärkere Argu⸗ 
mente einbringen die zu Gunſten des ganzen 
Menſchengeſchlechts, ſomit auch der 


afrikaniſchon Race, ſprechen, als nur zum aus- 


ſchließlichen Vortheil der weißen Bevölkerung. 
Doch wenn Jefferſon im umfaſſenden Ausdruck 
die „Menſchheit“ erwähnt, welche dieſe Rechte 
beſäßen, ſo iſt es doch klar genug, daß er we⸗ 
nigſtens für Einſchluß der ganzen Menſchen⸗ 
Race unter dem Schutz dieſer wohlthätigen 
National-Proklamation war. n 

Doch die Frage iſt jetzt nicht was Hr. Jef⸗ 
ferfon oder feine Genoſſen beabſichtigten. Die 
Thatſache ſteht feſt, daß das Obergericht und 
die Administration die entgegengeſetzte Meinung 
der Worte angenommen und eine große Maſſe 
des Volkes vorbereitet haben, die Sache gutzu⸗ 
heißen. Der Grund dieſer merkwürdigen Re⸗ 
volution der Meinungen leitet uns mit einem⸗ 
male zum Urſprung unſerer gegenwärtigen Zer⸗ 
ſplitterung. Uebergehend all die unbedeutende⸗ 
ren Streitfragen, wie das Wilmot Proviſo 
(Vorbehalt oder Bedingungen), Squatter-Sou⸗ 
veränität, Sklaven⸗Fanggeſetz, oder Beſchützung 
der Rechte über das ſogenannte „Eigenthum“ 
als des bloßen Zufalls laßt uns der 
endlichen Entſcheidung ruhig entgegenſehen. 
Die Meinung der Unabhängigkeits-Erklärung 
wie fie die erſten 50 Jahre unſeres Beſtehens 
galt, ſichert die Freiheit der Menſchheit über 
die ganze Welt. 

Die jetzige Meinung, welche man von dem⸗ 
ſelben Schriftſtück hat, zerſtört nicht nur die 
frühere, ſondern erhebt einen Theil der Men⸗ 


= 


ſchen fo hoch über den andern, daß es Erfterem 
gerechtfertigt erſcheint, Letzteren zur Unterwür⸗ 
figfeib und Gehorſam eines Willens zu zwingen. 

Hiernach wäre es ſpeſtätigt, daß die weiße 
Population gleich geſchüffen iſt und gewiſſe un- 
veräußerliche Rechte beſitzt. Dieſe Beſtätigung, 
recht verſtanden, iſt von ihnen ſelbſt gemacht 
und ausſchließlich für ihren eignen Vortheil und 
mit bedachter Vorſicht, einer anderen Menſchen— 
klaſſe der Erde irgend welche Vorzüge einzuräu— 
men, um dieſelben mit Gewalt oder Liſt zu 
Sklaven machen zu können. Wenn es einmal 
die weiße Bevölkerung angenommen hat, daß 
der ſchwarze Afrikaner keine Rechte hat, welche 
der weiße Mann iſt gebunden zu reſpektiren; 
durch feſtſtellen dieſes Grundſatzes folgt es un— 
vermeidlich, daß eine Zuflucht zu demſelben Ver— 
fahren von Gewaltthätigkeit und Grauſamkeit, 
welche ihn in den kläglichen Zuſtand brachten, 
von ihm erwartet werden darf, wenn einmal 
eine Wendung eintritt und er die Gewalt über 
die Weißen bekömmt. Dasſelbe wird ſich bei 
irgend einer Menſchen-Race beſtätigt finden, 
welche ſich ſelbſt zum Schiedsrichter über die 
Schöpfungsrechte erhebt. Da kann denn aber 
bei einer ſolchen Theorie nicht mehr die Rede 
davon fein, irgend einem Menſchen feine Frei— 
heit zu garantiren. Dieſe Entſcheidung ent— 
zieht uns Allen irgend welche Rechte, außer 
denen, die wir aufrecht erhalten möchten mit un⸗ 
ſern eignen rechten Waffen. Es iſt die ameri— 
kaniſche Heilighaltung der Oberherrlichkeit der 
Gewalt. Es iſt des Tyrannen Ausrede der 
Nothwendigkeit übergoldet mit der modernen 
politiſch-rechtlichen Demokratie. 

Ich bin recht in meiner Schlußfolge, denn 
die Sache ſteht in dieſem Augenblick folgender 
maßen: Eine große und ſtarke Verbindung exi⸗ 
ſürt in den Ver. Staaten, die fähig genug iſt, 


die politiſche Meinung zu kontroliren, um die 


Regierung zu gewinnen und dieſe dann zu ver— 
hindern, die Rechtlichkeit allgemeiner Frei⸗ 
heitsgrundſätze — wie fie in der erſten Hälfte des 
Jahrhundert unſeres Regierungsweſens beſtan— 
den — anzuerkennen; und noch mehr, die Re— 
gierung für gewiſſe Zwecke ſtets zu vertheidigen 


und zu rechtfertigen, ein Verfahren auf nichts andes |, 


res gegründet als Betrug und Gewalt. Sicher— 
lich, wenn dies zugelaſſen wird, ſo hat man 
dann keine Urſache mehr ſich zu wundern, daß 
Diejenigen des Volkes, welche immer noch bei 
den alten Prinzipien halten und dieſelben unter⸗ 
ſtützen, wie in den beſſeren Tagen der Republik, 
und die überzeugt, daß es die Aufgabe der Re- 
gierung iſt, das Geſetz für allgemeine Freiheit 
zu fördern und aufrecht zu erhalten und irgend 


welche Beſchränfung zu verhindern — und 
welche beabſichtigen mit ehrlichen 
Mitteln es wieder her zuſtellen, 
ſich vereinigen zu einer Organiſation, die nur 
das eine Ziel im Auge hat: Die Unterdrückung 
der falſchen Doktrin und Herſtellung des alten 
und wahren Begriffes. Soll etwas gethan wer- 
den mit Erfolg, fo iſt es die höchſte Zeit zu bes 
ginnen. Nahezu alle die Wege, welche uns die 
Gewalt zuführen könnten, ſind von unſeren Ef 
pakerinben beſetzt. 

Die ſtärkſte politiſche Organiſation, weg 
jemals beſtanden, hat ſich zum Werkzeug ihres 
Willens gemacht. Nichts wird uns gegen die 
Allmacht der „vermöge des Negers“ erworbes ’ 
nen Gewalt nützen, wie ich hinlänglich bewieſen 
habe, als Einigkeit, Energie und unausgeſetzte 
Wachſamkeit gegen deren fernern Fortſchritt. 
Hier ſtehen ſich wieder einmal die alten Feinde — 
Freiheit und Authorität — gegenüber. Hier 
iſt in erneuter modifirter Form der „unvermeid⸗ 
liche Conflikt“ der wenigſtens fo alt iſt, als die 
Zeit, wenn Moſes die Egyptier fchlug. Muß 
denn, wie uns geſagt wurde, dieſe Organiſation 
auſgelöſt werden, weil ſie eine Drohung gegen 
die ſklavenhaltenden Staaten iſt? Was! Die 
Doktrine der Freiheit, eine Drohung gegen 
die Sklavenſtaaten! Eure Väter dachten nicht 
ſo, wenn ſie dieſelbe vor Jahren erklärten, und 
wir thun gegenwärtig nicht mehr als was Eure 
Väter damals thaten! 

8 muß zugeſtanden werden, daß unter allen 
Formen im Streite für das Recht, die ſich Wis, 
derſprechenden in eine extreme Meinung 71 . 
len. Einer findet den Andern des Angriffs 
ſchuldig, und jede Seite glaubt ſich der Gewalt 
der Umſtände, welche ſie umgeben, widerſetzen 
zu können. Kein Zweifel, manche Fehler ſind 
dadurch entſtanden und werden auch in der Zum 
kunft kommen, welche jeder rechtliche Patriot 
beklagen und fein Beſtes thun wird, dieſelben 
wieder gut zu machen. Dieſe Fehler im Grund 
genommen entfpringen der Natur der Volks— 
Regierung, welche Klaſſen von Menſchen er⸗ 
zeugt, deren Beſtreben es iſt ſich 1 zu 
machen und zu regieren. 

Nun iſt es bei einem rein politiſchen Konflit 
mehr natürlich, als in der Handlung der Skla— 
venfrage, bei welcher die pecuniären Intereſſen 
die gebräuchliche Erbitterung mehr verſchlimmern. 
Dies ein Grund, warum die Doctrin der ſkla— 
venhaltenden Partei ſo ſchnell ſtattgefunden hat. 
Das gemachte Material zu dieſer Lehre und das 
die gegenwärtige Stellung der Parteien unver⸗ 
meidlich macht, entſprang vor ungefähr 30 Jah- 
ren, als man ſtatt dem alten Revolutions⸗ 


0 


Der ee WMesuch. 


Band 1. 


Aus dem „Geiſtlichen Magazin.“ 


Herausgegeben vor mehr als 100. Jah⸗ 
ren von unſerm alten Bruder 
ſtoph Sauer, und für den „Evange— 
liſchen Beſuch“ mitgetheilt von ſeinem 
Ur⸗enkel Theophilus. 


Von der Natur und Vortrefflich⸗ 
keit der Chriſtlichen Andacht. 


Die wahre Andacht iſt weder ein ver— 


borgenes noch öffentliches Beten; aber 
Gebeter moͤgen verbor 1 öffentlich 
geſchehen, fo find fie beſondere Theile oder 
Wirkungen der Andacht. Andacht be 


widmet 1 
Der iſt alſo ein andaͤchtiger Menſch, 
welcher nicht mehr nach ſeinem eigenen 
Willen oder nach Art des Geiſtes dieſer 
Welt lebet, ſondern lediglich dem Willen 
Gottes ergeben iſt, der bey alen Gelegen— 
heiten Gottes gedenket, der Gott dienet in 
allem was er thut, der alle Theile ſeines ge— 
meinen Lebens gottſeliglich verrichtet, i 
dem er alles in Gottes Namen thut, ı 
in ſolcher Einrichtung, daß es u 


En geſchiel et. Me 1 
Wir be denen gerne, daß Gett die e⸗ 
a und ſchtſchnur unſerer Gebeter iſt; 


daß wir in denſelbigen alleine auf ihn ſeh⸗ 
en ſoſlen, und ſollen ſolche alleine vor ihm 
verrichten, und daß wir auf ſolche Weiſe 
um ſolche Dinge bitten ſollen, und zu ſol— 
chem Endzweck, daß es zu ſeiner Ehre ge⸗ 
reichen moͤge. 

Nun ſo ſuche dann einer nach der Urſa— 
che, warum es geziemend iſt, daß er ſoernſt— 
lich uͤnd gottſelig ſein ſoll in ſeinen Gebet— 
ern, ſo wird er bald ſo viel Urſachen finden 
in allenübrigen Verrichtungen ſeines Wan— 
dels, eben ſo ernſtlich und gottſelig zu ſein. 

Dann wir werden nicht den geringſten 
Schein der Billigkeit aufbringen koͤnnen, 
warum wir Gott zur Regel und Richtſchnur 
unſeres Gebets machen ſollen, und warum 
wir alsdann allein auf ihn ſehen ſollen, 
und nach ſeinem Willen beten, da uns 
nicht eben auch dieſelbige Nothwendigkeit 
begegnen wird, ihn gleichfalls auch in allen 
anderen Verrichtungen unſers Lebens zur 
Regel und Richtſchnur zu machen und al— 
lein auf ihn zu ſehen. 


tet ein a das Gott ergeben ode 


Chris 


Anwer Rh unferer Gaben, es ſeien une 
ere Kräfte, unſere Zeit oder Geld, wann 
ſie nicht vollkoͤmmlich nach Gottes Willen 
und zu feiner ve angewendet werden, 
find eb n fo u ereimt und mangelhaft, 
als wann wir nicht "ed Gottes Willen 
beten. * 

Ba es iſt keine andere Urſache warum 
unſere Gebeter nicht nach Gottes Willen 


ſeyn ſollen, warum darinnen nichts ſoll 
enthalten ſein als was weißlich, heilig und 


himmliſch iſt, da nicht auch dieſelbigen Ur— 
Niuchen ſind, daß unſer Leben von gleicher 
„Art fein ſoll, voll von derſelbigen Meise 
ie ene und himmliſcher Eigen- 
ſchaften, da wir nicht Urſache hätten vor 
Gott in demſelbigen Geiſte zu wandeln, 
in welchem wir zu ihm een. 
* 2 * 


Wäre es nicht unſere nachdruͤckliche 
Pflicht, nach der Billigkeit zu leben, alle 
unſere Lebensverrichtungen Gott zu wid— 
men; waͤre es nicht hoͤchſt noͤthig vor ihm 
zu wandeln in Weisheit und Heiligkeit, 
in aller hnmiiteien Gemeinſchaft, da wir 
alles in ſeinem Namen thaͤten, und zu ſei⸗ 
nen Ehren, ſo wuͤrde keine Vortrefflichkeit 
gefunden werden in denen allergeiſtlichſten 
Gebetern. Nein, ſolche Gebeter wuͤrden 
ungereimt ſein; es wuͤrde nichts anderes 
ſein, als ob man um Fluͤgel beten wollte, 
da es doch uns nicht gebuͤhret zu fliegen. 


So gewiß das Weisheit iſt, daß wir 
um den Geiſt Gottes bitten ſollen, eben ſo 
gewiß ſollen wir dieſen Geiſt zum Bewe— 
ger aller 9 Werke machen; ſo ge⸗ 
wiß es iſt, daß wir uns in allen unſern 
Gebetern zu Gott wenden ſollen, ſo gewiß 
iſt es unſere Pflicht, daß wir Ihm mit uns 
ſerem ganzen Wandel dienen ſollen. 


Aber es kann eben fo wenig geſagt wer 
den, daß wir Gott dienen in allen unſern 
Verrichtungen, wo er nicht die Regel und 
Richtſchnur derſelben iſt, als es kann ges 
ſagt werden, daß wir zu Gott beten, wo 
unſere Abſicht nicht ganz auf ihn gerichtet 
iſt. Daher iſt ein unbilliger und verkehrter 
Lebenswandel, es ſey in Verſchwendung 
uuſres Geldes, eben fo abgeſchmackt, als ein 


WER 
Wi. 


50 


kaltſinniges Gebet, und iſt Gott eben 
ärgerlich. 

Es kommt her von Ermanglung des 
Erkenntnißes, oder rechter Betrachtung die— 
ſer Dinge, das wir im Wandel vieler 
Menſchen eine ſo große Menge von Uns 
gereimtheiten ſehen: Ihr ſehet daß ſie zu 
gewiſſen Zeiten und an gewiſſen Plätzen 
andaͤchtig und ernſtlich ſind; wann aber 
der Gottesdienſt vorbei iſt, fo leben ſie eben 
wie die andere, welche ſelten oder gar nie 
in die Kirche gehen. 

In ihrem Lebens-wandel, in Verſchwen— 
dung ihrer Zeit und Geldes, in ihren Sor— 
gen und Furchten, in ihren Ergoͤtzlichkei— 
ten und Nachgebungen, in ihren Geſchaͤf— 
ten und Zeitvertreiben ſind ſie den andern 
Weltmenſchen ganz gleich. 

Dieſes verurſacht dann, daß die losge— 
laſſene Menſchen ihr Geſpoͤtt treiben über 
die, welche alſo andaͤchtig ſcheinen, weil fie 
ſehen, daß ihre Andacht ſich mit ihrem Ge— 
bet endigt, und wann ihre Gebeter aus 
find, fo ſiehet man keinen gottſeligen Wan— 
del mehr, bis die Zeit des Gottesdienſtes 
wieder herbei kommt, fondern fie 750 in 
allen Thorheiten des menſchlichen Lebens; 
daher werden ſie ein Geſpoͤtt der Leute, 
und nicht um ihrer Froͤmmigkeit halben. 


Julius wohnet allen Betſtunden bei; 
das ganze Kirch-ſpiel denket, er muͤſſe krank 
ſein, wann ſie ihn nicht in der Kirche ſeh— 
en; aber ſollte man ihn fragen, warum 
er ſeine uͤbrige Zeit ſo unbedachtſam zu— 
bringe? Warum er ſich in denen Geſell— 

ſchaften der alberſten Leute und bei ihren 
albernen Ergoͤtzlichkeiten verweile? War— 
um er denen nichtswuͤrdigen Zuſammen— 
kuͤnften fo willig beiwohne? Warum er 
die eitele Gefpräche 0 en anhoͤrt und 
mit unterhalten helfe? Warum er Freund— 
ſchaft mache und unterhalte mit ſolchen, 
welche keiner beſondern Freundſchaft 
werth ſind? Warum er gegen einige Men— 
ſchen in Haß und Neid lebe, ohne zu bes 
denken, daß er alle Menſchen lieben ſolle 
als ſich ſelbſt? Wann ihr ihn fragen ſolltet, 
warum ſeine Unterredungen, ſeine Zeit und 
Habſeligkeiten nicht unter die Regeln der 
Gottſeligkeit gebracht ſind; ſo kann Juli— 
us nichts weiters antworten, als der al— 
lerungeregelteſte Menſch. 
+ 

Dann der ganze Aufſatz der heiligen 

Schrift iſt f. 5 wo! hl gegen eine ſolche Lebens⸗ 


9 


SE. 


Der Evangeliſche Beſuch. } 


0 art gerichtet, als gegen Freſſerey und 


Schwelgerey; wer in einem ſolcher Stü— 
cken der Eitelkeit und Thorheit lebet, der 
lebt fo wenig in der chriſtlichen Religion, 
als derjenige, welcher in Freſſen und Sau- 
fen lebt. 

Sollte Jemand dieſem Julius (ddkn, 
es wäre nicht noͤthig, fo fleißig in denen 
Betſtunden zu ſeyn, und daß er ohne füh 
zu beſchaͤdigen des Kirchendienſtes ſowohl 
als andere Leute ſich entziehen duͤrfe: Er 
ſollte denken, ein ſolcher wäre kein Chriſt, 
und daß es ſeine Pflicht waͤre, eines ſol— 
chen Menſchen Geſellſchaft zu meiden. 


Wann ihm aber einer ſagte, er moͤchte 
leben wie 15 der allgemeine Brauch in der 
Welt iſt, d daß er ſich beluſtigen moͤge wie 
andere Leute, daß er feine; Zeit und Geld 
n moͤge, wie andere Staats⸗ 

Leute zu thus pflegen, daß er ſich denen 

Thorheiten, Gebräuchen und Unvellfonz 
menbeiten des gemeinen Weſens moͤge 
gleich ſtellen, und ſeine Eigenſchaften und 
Begierden erſattigen, wie die meiſten Leute 
thun, ſo wuͤrde Julius niemals glauben, 
daß einem ſolchen Menſchen der Geiſt 
Chriſti mangelte, oder daß er des Teufel's 
Werk verrichtete. 

Und wann doch Julius das ganze Neue 
Teſtament von vornen bis hinten d durchlaͤſe, 
ſo wurde er ſeinen Wandel auf allen 
Blättern verurtheilet finden. Und es kan 
in Wahrheit nichts abgeſchmackteres er— 
dacht werden, als ein verftändiges, andäch— 
tiges und himmliſches Gebet zu vereinigen 
mit einem Wandel, der in der Eitelkeit 
und Thorheit gefuͤhrt wird, da weder Urs 
beit noch Ergoͤtzungen, weder Zeit noch 
Geld, unter die Verwaltung der Weisheit 
und himmliſche Regierung des Gebets ge— 
bracht iſt. 


Sollten wir einen Menſchen ſehen, der 
vorgäbe, er thäte alle feine Verrichtungen 
zu Gottes Ehren, er thäte weder Zeit noch 
Geld verſchwenden, er arbeitete und er— 


quickte ſich nur fo wie es mit den genaue— 


ſten Gründen der Billig- und Gottſeligkeit 
uͤbereinkaͤme, und unterließe doch zu gleich⸗ 
er Zeit alles oͤffentliche und verborgene Ges 
bet, ſollten wir uns nicht billig über einen 
ſolchen Menſchen verwundern, wie es ſein 
koͤnnte, daß einer ſo viel Thorheit beſitzen 
koͤnnte, bei fo viel vorgegebener Gottſelig⸗ 
keit. 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Und wäre dieſes doch eben fa billig, als 
wann einer vorgaͤbe, er wäre ernftlich in ſei⸗ g 
ner Andacht, in Beobachtung der Zeiten 
und Platze des Öffentlichen Gebets, und 
ließe doch das uͤbrige ſeiner Zeit und Ar— 
beit, ſeiner Gaben und Geld verſchwendet 
werden, ohne einige Regeln einer ernſtli— 
chen Gettſellgkeit und Andacht. 

Dann es iſt eben ſo ungereimt, wann 
man vermuthen wollte, es koͤnne einer hei— 
lige Gebeter vor Gott bringen ohne einen 
dazu ng geziemenden Lebens-wandel zu fuͤh⸗ 
ren als einen heiligen Wandel ohne Gebet. 


Bedenke es ein jeder ſelbſt, wie leicht 
man einen überzeugen koͤnnte, der große 
Ernſthaftigkeit im Wandel ohne Gebet vor— 
gaͤbe; und eben dieſelbigen Gruͤnde wer— 
den einen andern uͤberzeugen, der große 
Ernſthaftigkeit im Gebet vorgäbe, ohne 
dieſelbige auch in ſeinem uͤbrigen Wandel 
zu erweiſen. 

Denn leichtſinnig und thoͤricht unſere 
Zeit und Geld verſchwenden, iſt kein groͤ⸗ 
ßrrer Irrthum, als leichtſinnig und thö⸗ 
richt ſeyn in Andachten des gemeinen Le— 
bens, weil fie ſollen geübt, ja gar ein 
Theil unſeres Wandels werden, und ger 
hören ſonſt nirgend hin. 


Dieſes iſt alſo kurzlich die Sache, ente 
weder ſchreibt uns die Billig- und Gott⸗ 
ſeligkeit Regeln vor zu allen gemeinen Ver— 
richtungen unſers Lebens, oder ſie thun es 
nicht: thun ſie es, ſo iſt es eben ſo noͤthig, 

daß wir alle unſere Ver richtungen nach 
ſolchen Regeln einrichten, als es noͤthig iſt 
zu Gott zu beten. 

Denn wenn uns die Gottſeligkeit unter— 
weiſet, wie wir eſſen und trinken, und un⸗ 
ſere 3 Zeit und Vermoͤgen anwenden ſollen; 
wie wir die Welt gebrauchen oder verach— 
ten ſollen, wie wir unſern Lebens-Wan⸗ 
del führen ſollen, wie wir uns gegen alle 

Menſchen betragen, und uns verhalten 
follen gegen Kranke, Arme und Verlaſſene; 
wenn ſie uns unterweiſet, vor wen wir 
eine beſondere Hochachtung und Liebe ha— 
ben ſollen, wie wir und gegen unſere 
Feinde verhalten ſollen, und wie wir uns 
ſelbſt verläugnen und haſſen ſollen; fo 
muͤßte der doch ſehr unverſtaͤndig fein, der 

da glauben wollte, daß dieſe gottſelige 
Pflichten nicht mit eben ſolchem Fleiß und 
Sorgfalt ſollten beobachtet werden, als ei— 
niger Unterricht vom Gebet. 


51 


Es Liſ fee bedenttich, daß in der heili— 
Schrift nie fo nachdruͤcklich auf die äuf— 

ſerliche 8 ottesdienſte und äuſſerliche Ge— 
beter gedrungen wird als auf die gottfelis 
ge Andacht, welche zur Beherrſcherin aller 
unſerer Geſchaͤfte geſetzt wird. Die Leh— 
re von einem andächtigen gottſeligen Wan⸗ 


del wird in allen Verſen der Lehre unſers 


geſegneten Heilandes und ſeiner Aten 
gelehrt und befohlen. 

Sie erinnern uns, daß wir die Welt 
verlaͤugnen ſollen und uns in keinem Stuͤck 
ihr gleich ſtellen, olle ihre Herrlichkeiten 
nichts achten, ihre Leidenſchaften nicht 
t fürchten, ihre Ergoͤtzungen und Glückſelig⸗ 
keiten nicht annehmen, und als jetzt-gebor⸗ 
ne Kinder begierig ſeyn nach der vernuͤnfti— 
gen lautern Milch, um ſolche Pilgrimme 
zu werden die in eine andere Welt reiſen, 
und mit ſolchen Begierden erfüllt zu fein, 
welche ſich nach einem andern Leben jirts 
cken, unſer Kreuz täglich . 
und uns ſelbſt zu verlaͤugnen, das heilige 
Leidtragen aufnehmen, die Armuth des 
Geiſtes ſuchen, den Stolz und Nichtigkeit 
der Reichthuͤmer verachten, nicht vor 
Morgen ſorgen, im Stande tiefſter Des 
muth leben, ſich im Leiden freuen, der 
Augenluſt, Fleiſchesluſt, und hoffärtigem 
Leben abſagen, Beleidigungen erdulden, 
den Feinden vergeben und ſie ſegnen, das 
menſchliche Geſchlecht ſo lieben, wie ſie 
Gott liebet, unſer ganzes Herz und Liebe 
an Gott übergeben, und durch die enge 
Pforte zum ewigen Leben eingehen. 


Dieſe Andacht hat unſer geſegneter 
Heiland ſo allgemein gelehrt, damit ſie das 


gemeine Leben aller Chriſten werden 
2 a . e 
ſoll. Iſt es derhalben nicht hoͤchſtens zu 


verwundern, daß Leute ſo viel Gerechtigkeit 
in die Verrichtung äuſſerlicher Gottesdienſte 
ſetzen, da ſolche nicht ſo nachdruͤcklich von 
unſerem Meiſter befohlen ſind, als der 
Wandel der Gottſeligkeit, und unterlaſſen 
doch dieſe wichtigen Pflichten des gemeinen 
Wandels der Gottſeligkeit, welcher faſt 
auf a ip Blättern der Evangeliſten gebos 
ten iſt? Ich heiſſe dieſe Pflichten Andach— 
ten des gemeinen Lebens, weil fie follen 
geübt, ja gar ein Theil unſers Wandels 


werden, und gehören ſonſt nirgend hin. 


Wann die Verachtung der Welt und 
die himmliſche Liebe nothwendige Stücke 
bei Chriſten find, ſo iſt es auch noͤthig, 


52 


daß ſich dieſe Beſchaffenheiten in ihrem 
ganzen Wandel fpüren laſſen, in dem Ge: 
brauch dieſer Welt; dann wo ſollte es 
ſonſt hingehoͤren? 

Wann die Selbſt-verlaͤugnung ein noͤ⸗ 
thiges Stuͤck zu unſerer Seligkeit iſt, ſo 
müͤſſen es alle, die da ſelig werden wollen, 
einen Theil ihrer taͤglichen Uebung machen. 
Wann die Demuth eine chriſtliche Tugend 
iſt, ſo muß nothwendig der gemeine Wan— 
del eines Chriſten eine beſtändige Uebung 
der Demuth ſeyn, in allen Theilen deſſel— 
ben. 
Iſt die Armuth des Geiſtes nothwendig, 
fo muß es täglich unſer Weſen fein. 
Sollen wir dem Nacketen, dem Kranken 
und Gefangenen behuͤlflich ſein, ſo muß es 
die gemeine Liebe unſers Lebens ſein, ſo 

vr „ e - 6 
weit wir Vermoͤgen haben ſolche werkſtel— 
lig zu machen. 

Iſt es unſere Pflicht unſere Feinde zu 
lieben, ſo muͤſſen wir unſern ganzen Wan— 
del ſo fuͤhren, daß er ſolches ſichtbarlich 
darſtellet. 

Wann Zufriedenheit, Dankbarkeit, und 
Erduldung des Uebels goͤttliche Tugenden 
find, fo muͤſſen es unſere täglichen Tugend— 
en werden, und ſich bei allen Gelegenhei— 
ten erweiſen. 

Wann wir klug und heilig ſein ſollen 
als die neugebornen KinderGottes, fo koͤn— 
nen wir auf keine andere Weiſe ſo ſeyn, 
es ſei dann daß wir alles was thoͤricht 
und eitel iſt, in unſerem ganzen Wandel 
verlaͤugnen. 

Sollen wir neue Kreaturen werden in 
Chriſto, ſo muͤſſen wir ſolches erweiſen in 
dem daß wir auf neuen Wegen wandeln 
durch dieſe Welt. Sollen wir Chriſto 
nachfolgen, ſo muß es in der gemeinen 
Anwendung eines jeden Tages geſchehen. 


So iſt es beſchaffen mit allen den Tu— 
genden, und heiligen Eigenſchaften des 
Chriſtenthums: fie gehoͤren uns nicht eher 
zu, bis ſie die Tugenden und Eigenſchaften 
unſers gemeinen Lebens werden. 


Daher iſt das Chriſtenthum ſo ferne 
davon, daß es uns zugeben ſollte, daß wir 
in unſerem gemeinen Leben uns den thoͤ— 
richten Gewohnheiten ergeben, oder daß 
wir der Erfuͤllung unſerer Luſte, Leiden— 
ſchaften oder Gewohnheiten, in welchen der 
Geiſt dieſer Welt ſein Vergnügen hat, uns 
ergeben ſollten. 


Der Evangelifihe Beſuch. 


Es iſt ſo ferne davon, daß es uns zu⸗ 
laſſen ſollte in einigen dieſer Dinge uns zu 
verweilen, daß es alle ſeine Tugenden, wel⸗ 
che zur Seligkeit noͤthig ſind, zu lauter 
Wegen macht, die Uber und gegen die We— 
ge der Welt im ganzen Leben erhaben 
find, j 

Iſt unſer gemeines Leben nicht ein ges 
meiner Lauf der Demuth, Selbſtverläug— 
nung, Verlaͤugnung der Welt, Armuth des 
Geiſtes und himmliſchen Liebe, ſo fuͤhren 
wir keinen Chriſtlichen Wandel. 

Und obwohl es ſo deutlich iſt, daß die 
Ausübung der chriſtlichen Tugenden allein 
die chriſtliche Liberey iſt, ſo iſt es doch 
eben fo deutlich zu erſehen, daß auch uns 
ter denen Leuten von einer beſſern Sorte 
ſo wenig davon wahrgenommen wird. 

Man ſiehet ſie fleißig in der Kirche, und 
ſehr vergnuͤgt mit guten Predigten; aber 
ſehet ihren Wandel an, fo werdet ihr oͤf⸗ 
ters vor andern die nicht ſo viel vorgeben, 
nichts beſonders wahrnehmen koͤnnen. 

Der Unterſchied zwiſchen beiden iſt ofs 
ters nur derjenige Unterſchied, welcher in 
jedes Natur -Eigenſchaft insbeſondere 
herrſcht; ſie haben einerlei Liebe der Welt, 
einerlei weltliche Furcht und Freuden, ſie 
ſind beide eitel in ihrem Dichten und 
Trachten. 

Ihr ſehet einerlei Verlangen nach Ehr 
und Herrlichkeit in Stolz unb Kleider 
pracht, einerlei Selbſtliebe und Zaͤrtlich— 
keit, dieſelbige naͤrriſche Freundſchaft und 
ungegründeten Haß, dieſelbige Niederträch—⸗ 
tigkeit des Gemuͤths und kleinen Geiſtes, 
dieſelbigen Begierden nach Ergoͤtzlichkeiten, 
dieſelbige muͤſſige und eitele Wege die 
Zeit zu vertreiben mit Viſiten und unnü— 
tzen Befprächen, wie die uͤbrige Weltleute 
thun, welche keinen Ruhm von der Gottſe— 
ligkeit machen. 

Ich vergleiche nun nicht gutſcheinende 
Leute und offenbare Schandflecken mit 
einander, ſondern Leute eines ehrbaren 
Wandels. Laßt uns zum Exempel zwei 
ehrbare Weiber uns vorſtellen; geſetzt, 
die eine iſt ſorgfaͤltig dem äuſſern Gottes— 
dienſt fleißig und pftichtmaͤßig beizuwoh— 
nen: und die andere hat keine berzliche 
Bekuüͤmmerniß deshalben, ſondern fie gehet 
fleißig oder ſelten in die Kirche, wie es 
ſich ſchicket. 

Da iſt nun der Unterſchied leichtlich zu 
ſehen zwiſchen dieſen Zwei Perſonen; a— 
ber wann ihr dieſes ſehet, koͤnnt ihr auch 


— 


Der Evangeliſche Beſuch. 


wohl einen weitern Unterſchied zwiſchen 
ihnen ſehen? Koͤnnt ihr auch ſehen, daß 


ihr gemeiner Wandel unterſchieden iſt? 


Sind nicht die Geſtalten und Gebraͤu— 
che bei einer wie bei der andern? Leben 


ſie als ob ſie in verſchiedene Welten gehoͤr— 


ten, verſchiedene Abſichten, und verſchiede— 
ne Richtſchnuͤre und Maßregeln in ihrem 
ganzen Wandel hätten? Haben fie nicht 
daſſelbige gute und boͤſe? Haben fie nicht 
einerlei Vergnuͤgen und Mißvergnuͤ— 
gen über dieſelbige Stucke? Führen fie 
nicht einerlei Wandel? 


Scheint die Eine dieſer Welt zuzugeho— 
ren, und ſiehet auf die ſichtbaren Dinge, 
und die Andere von einer andern Welt 
gaͤnzlich ſehende auf das Ewige? Lebet 


die Eine in Freuden und vergnügt ſich im 


Staat und Pracht, und die Andere in 
Selbſtverläugnung, Ertoͤdtung und Abſa— 
gung alles deſſen das Eitel iſt, es ſey am 
Leib, Kleider, eder Betragen? 

Bringt die Eine ihre Zeit zu in oͤffent— 
lichen Ergoͤtzungen, in unnoͤthigem Beſu— 
chen und unnuͤtzen Geſprächen, und wen— 
det die Andere allen ihren Fleiß an, ihre 
Zeit im Guten zuzubringen, in Beten, Wa⸗ 
chen und guten Werken zu ihrem Vortheil 
auf die Rechnung des letzten Tages anzu⸗ 
wenden? 

Iſt die Eine ſorglos zu ihren Ausga⸗ 
ben, und froh daß fie ſich mit allerlei koſt— 
barem Putz zieren kann, und ſiehet die 
Andere ihr Vermoͤgen als eine Gabe Got⸗ 
tes an, welche fie Gottgefaͤllig anwenden 
ſoll? Und eben ſo unbillig iſt, daß es un— 
noͤthig ſoll verſchwendet werden, als wie es 
unbillig it, ed in die Erde zu verſcharren. 


Wie wenig Leute werdet ihr finden, 
welche alſo von einander verſchieden ſind! 
Und wann ſie in den ebgemeldten Stuͤcken 
nicht unterſchieden ſind, kann man dann 
wohl mit einer Billigkeit ſagen: Eine iſt 
eine gute Chriſtin, und die andere nicht. 

Laſſet uns ein Gleichniß nehmen unter 
Männern. Leo hat viele ſchoͤne natüͤrli— 
che Eigenſchaften in feiner Natur. Er 
unterhält was man gute Cempanie nennt, 
haſſet alles was falſch und boͤſe iſt, it 
Fehr freigebig und milde gegen feine Freun— 
de. Er bekümmert ſich aber ſo wenig um 
die Religion, daß er ſchier den Unterſchied 
zwiſchen einem Juden und Chriſten nicht 
zu ſagen weiß. 


53 


Euſebius hingegen hat fruͤhzeitige Ein— 
druͤcke von der Religion, und kauft gottſeli 
ge Bücher. Er kann von allen Faſt- und 
Feſttagen der Kirche reden,; und weiß fait 
alle heilige Kirchenvater mit Namen zu 
nennen, es hoͤrt ihn niemand fluchen oder 
einen groben Scherz treiben; und wann 
er von der Religion redet, ſo redet er da— 
von als von einer Sache von groͤſter Wich— 
tigkeit. | | 

Hier ſehen wir einen welcher nach Welt— 
art Religion genug hat ein frommer Chriſt 
genannt zu werden, und der andere iſt ſo 
weit ver allem Schein des Chriſtenthums 
entfernt, daß er wohl mag ein Heide ge— 
nannt werden. 

Und wann man doch auf ihren gemei— 
nen Wandel ſiehet, wann man ihre haupt⸗ 
regierende Eigenſchaften betrachtet in den 
fuͤrnehmſten Lebens-pflichten, oder in den 
Hauptlehren des Chriſtenthums, ſo wird 
man einen gar geringen Unterſchied ver— 
merken. Betrachtet ſie nach dem, wie ſie 
die Dinge dieſer Welt gebrauchen; dann 
dieſes iſt es, was jederman ſehen kann. 


Es iſt eben ſo noͤthig, rechte Begriffe und 
Schluͤſſe von dieſer Welt zu faſſen, und iſt 
der Gottſeligkeit eben ſo vortheilhaftig, als 
einen rechten Begriff von Gott zu haben; 
und es iſt eben fo leicht moͤglich, daß ein 
Menſch ein Krokodil anbete, und doch ein 
frommer Mann ſei, als es moͤglich iſt, 
ein weltlich geſinnet Herz zu haben, und 
doch dabei ein guter Chriſt zu heiſſen. 

Wann ihr nun den Leo und Euſebius 
auf dieſe Weiſe beurtheilet, ſo werdet ihr 
ſie einander ganz gleich finden, indem ſie 
alles was ſie in dieſer Welt haben koͤn— 
nen, auf eine gleiche Art und zu gleichem 
Endzweck ſuchen, gebrauchen, und genie— 
ſen. 

Ihr werdet ſehen, daß Reſchthumer, 
Gluͤckſeligkeiten, Ergoͤtzungen, Zaͤrtelungen, 
Staat, Pracht und Ehre, ſind eben ſo 
viel des Euſebius als des Les ſeine Gluͤckſe— 
ligkeit; und wann das Chriſtenthum ei— 
nem Menſchen fein Gemüth und Eigene 
ſchaften in Anſehung dieſer Dinge nicht 
verändert hat, was koͤnnen wir dann nen- 
nen, daß es ihm genuͤtzet habe? 

Dann wann die Lehre Chriſti recht ges 
braucht würde, ſo wuͤrde ſie einen Men— 
ſchen ſo unterſchieden machen von andern 
Leuten in Anſehung aller weltlichen Eigen— 
fihaften, ſinnlichen Ergoͤtzlichkeiten, und 


54 


hoffärtigen Lebens, als ein kluger Menſch 
von einem andern unterſchieden iſt. 


Es wuͤrde eben ſo leicht ſeyn einen Chri— 
ſten an feinem aͤuſſerlichen Wandel zu ers 


kennen, als es nun rar iſt, einen zu entde— 
cken, der dieſen Weg bewandelt. Dann 
es iſt bekannt, das die Chriſten heut zu 
Tage nicht nur wie andere Menſchen mit 
Schwachheiten und Gebrechlichkeiten umge— 

ben ſind, als welches koͤnnte noch einiger 
maßen zul entſchuldigen ſein; ſondern die 
Klage iſt, daß fie in den wichtigſten Stü— 
cken ihres Wandels den Heiden gleich find. 


Sie gebrauchen die Welt wie jene, und 
leben täglich in denſelbi 90 Eigenſchaften, 
denſel bigen Abſichten und Losgelaſſenheiten, 
wie die thun, welche weder Gott noch die 
(Gluͤckſeligkeiten der andern Welt erkannt 
haben. Ein jeder, der nur im Stande 
iſt etwas zu überlegen, der wird wahrge— 
nommen haben, daß dieſes überhaupt der 
Zuſtand vieler andaͤchtigen Perſonen ſo— 
wohl männlichen als weiblichen Ge⸗ 

ſchlechts iſt. 

Ihr werdet freilich viele finden, welche 
von andern Leuken unterſchieden find, fo 
weit es die Zeit und Art der Gebeter bes 
trift; aber in allen uͤbrigen Theilen ihres 
Wandels find fie wie die uͤbeige. Das iſt 
nichts anders als einen chriſtlichen Gottes 
dienſt zu einem heidniſchen Wandel fuͤgen. 

Unſer geſegneter Heiland rechtfertiget 
dieſen Ausdruck, wann er ſagt: „Ihr 
ſollt nicht ſorgen und ſagen: was ſollen 
wir eſſen, oder was ſollen wir trinken, 
oder womit follen wir uns kleiden; dann 
nach allem dieſem trachten die Heiden.“ 


Wann dann die Unmaͤßigen weltlichen + 


Sorgen in nothdürftigen Dingen vor die— 
ſes Leben erweiſen, daß wir Chriſti Geiſt 
noch nicht haben, ſondern den Heiden gleich 
ſind; Fit es gewißlich ein weit groͤßeres 
Heidenthum, wann wir die Eitelkeit und 
Thorheit dieſer Welt genießen, wie ſie thun, 
ihnen gleichfoͤrmig zu werden in den Haupt⸗ 
ſtücken und Beſchaffenheiten unſeres Le— 
bens, in Eigenliebe, in Zärtlichkeiten, in 
weg Ergotzlichkeiten und Freuden, 
in der Eitelkeit des Putzes, in der Liebe 
zum inf den und Großheit oder einigem 
andern Vorzug der Reichthuͤmer. Und 
wer auf ſolche Weiſe die Gottſeligkeit j 
einem weltlichgeſinnten Wandel fuͤgen will 
von dem kann man ſagen, er bete als Än 
Chriſt, und lebe als ein Heide 


ſprache 


* 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Die Gemeinde in der Wuüſte, 
f oder: 

Feugniße von dem Daſeyn einer 
e Semeinde vom Ans 
fang des Evangeliums bis auf unfez 
re Zeit. 

Die Böhmiſchen Brüder. > 
Fortgefetzt von Seite 43. 

Dieſer Idee, daß es Bon eniſche Brüder 
gab lange vor Huf, wird one Zweifel 
widerſprochen werden von 1 die 
lieber den Sagen ihrer Vorvaͤter folgen, 
als bei der einfachen Darſtellung der Wahr⸗ 
heit und Thatſachen bleiben. Es mus 
auch zugeſtanden werden, daß die Kühere 
Geſchichte der Boͤhmiſchen Kirche voller 
Schwierigkeiten iſt, und daß es, folglich 
beſonders bei ſpaͤtern Geſchichtſchreibern, 
don einſeitigen Anſichten. befangen, ſe hr 
leicht war, in Irrthum zu gerathen. 

Um indeſſen dieſes zu vermeiden, is 
nichts mehr von noͤthen als gewiſſe wohl- 
begründete Thatſachen ink Sinne zu de⸗ 
halten, welche niemand bezweifeln kann, 

als diejenige, welche es ihrem Intereſſe zu— 
wider finden, ſie gelten zu laſſen. Diele 
Thatſachen find, wie folgt: 

I. Daß das Chriſtenthum urſprüng⸗ 
lich in Boͤhmen eingefuhrt wurde durch 
Griechiſche Chriſten. 

2. Daß es der Roͤmiſchen Kirche 
endlich, nach vieler Muͤhe, gelang einen 
großen Theil des Volks, namentlich de 
Hohen und Weltlichgeſinnten unter ihre 

e: 1 bringen. 

3. Daß Waldenſer, welche im 
Jahr 1176. d 1 e entflohen mas 
ren, in großer Anzahl nach Boͤhmen ka— 


+ 


men, und dort, wegen ihrer Herkunft aus 


der Picardie, und weil fie ihre Mutterz 
redeten, Picarden genannt 
wurden. 

4. Daß dſeſe Waldenſer eine Zuflucht 
fanden, nicht in denjenigen Theilen, wo 
die Roͤmiſche Kirche das Ruder führte, 
ſondern an denen Orten, wo das Volk noch 
dem alten Glauben anbieng, und wo ſie, 
die Waldenſer, für eine Zeitlang volle Nez 
ligions⸗Freiheit genoſſen. 

5. Daß, während fie dieſe Freiheit be— 
ſaſſen, itr Einfluß ſich auch an ihren Boͤh— 
miſchen Nachbarn zeigte, und daß viele von 
dieſen, da ſie ſahen, an die Waldenſer 
oder Piearden den Weg des HErrn voll 


Der 
Der Evangeliſche 2 


ſtänd'ger lehrten als ſelbſt ihre eigene Vor— 


Fa wen, die Grundſaͤtze und Lehren derſel— 
ben annahmen, und ſo ihre „Boͤhmiſche 
Bruder“ wurden. b 

6. Das auf ſolche Art der Urſprung 
dieſer Brüder nicht vonn Jahr 1467, wie 
einige thun, ſondern beinahe 300 Jahre 
früher anzunehmen iſt, von der Zeit da 
die Waldenſer nach Boͤhmen gekommen 
waren. 

7 Daß dieſe alten Boͤhmiſchen Bruͤ⸗ 
der, ſo lanz fie in dem Glauben und Ue— 
bung beharreten, welche fie von den Walz 
deu ſern gelernt batten, ganz und gar kei— 
nen Antheil hatten an dem Kuſſiten-Krie— 
ge, und folglich weder zu der Parthei der 
Calxtiner noch der Taboriten gehoͤrten. 


Aus dieſen Thatſachen und Schlußfol⸗ 

zen duͤrfen wie es als feſtgeſtellt anſehen, 
datzaieſt alten Bruder weder mehr noch 
weniger waren als ein Zweig der Apoſto— 
üben Kirche, deren Spur wir bis hieher 
unter dem Namen der Waldenſer ꝛc. ge⸗ 
folgt ſind, obſchon ſie wegen ihrer Spra— 
che und Geburts-Landſe haft nicht Picar— 
den oder Waldenſer, ſondern Boͤhmiſche 
Brüder genannt wurden. 

Noch ehe Huß geboren wurde, hatte die 
Roͤmiſche Kirche fo viel Macht in Boͤh— 
men erlangt, daß keine andere Weiſe Gott 
anzubeten erlaubt war, als ihre eigene. 
Daher mußte das ee von Grie— 
chiſchen Chriſten ſowohl, als die Walden— 
ſer und Boͤhmiſche Brüder im Verborge— 
nen leben und ihren Gottes-dienſt halten, 
oder Verfolg: ing leiden. 

Zu welcher Parthei Hr ge fee iſt 
nicht ſchwer zu entſcheiden. je Roͤmiſche 
Kirche wollte nicht 8 daß irgend 
ein Zeugniß der Wahrheit gehoͤrt werden 
ſollte von denen, die auſſerhalb ihrer Ge— 
meinſchaft waren, weil ſolches Zeugniß fe 
allezeit beſtrafte. Darum erweckte Gett 
Zeugen der Wahrheit innerhalb ihrer eige— 
nen Graͤnzen. 

Solche waren Wickliff ff in Eng: 
land, und Huß in Boh me n, —ſol⸗ 
che wiren Luther, Zwingli und Calvin in 


Deutſchland, der Schweitz und Frank- 
reich. Ihr Zeugniß war mehr oder we— 


niger vollſtandig. Sie waren erweckt aus 
der Finſterniß, in welcher ihre Kirche ſie 
gehalten hatte, und konnten nicht gleich 
BEE Wahrheit und Irrthum in allen 
Stuͤcken erkennen und unterſcheiden. 


Beſuch. 55 

Hätte Huß z. B. den Charakter“ der 
Roͤmiſchen Kirche, welches ſeine eigene 
war, in dem wahren Licht erkannt, in wele 
chem jeder Griechiſche Chriſt, und noch 
mehr jeder Waldenſer und Boͤhmiſche Bru— 
der ſie erkannte, und ihn unterrichtet ha⸗ 
ben koͤnpte, er wurde es nicht gewagt ha— 
ben freiwillig in die Loͤwengrube e zu Con⸗ 
ſtanz zu gehen, wo er Marterthum aus⸗ 
ſtehen mußte für feine Kuühnheit. 

Hatten ſeine Nachfolger das wahre Chri— 
ſtenthum begriffen, fo würden fie nicht ver— 
ſucht haben die Wahrheit zu vertheidigen 
mit dem Arm des Fleiſches und den Waf⸗ 
fen dieſer Welt, und wenn es wahr wäre, 

daß alle Waldenſer Theil nahmen an den 
dee jo koͤnnen wir nur ſagen, 
daß fie weit weit von den Grundſätzen 
ihrer Vorfahren abgewichen waren, und 
nicht länger als ihre wahre Nachkommen 
angeſehen werden konnten. 

Aber dieſes kann nicht als wahr ange- 
nommen oder buchſtaͤblich verſtanden wer⸗ 
den; eben ſo wenig als wenn wir ſagen 
wollten mit Hinſicht auf den Krieg, den 
unſere Nation mit Mexico führte, daß une 
ſer ganzes Volk an dieſem Kriege Theil ges 
nommen habe. In einem gewiſſen Sinn 
zwar mag es als wahr gelten. Wenn 
wir aber damit zu verſtehen geben wollten, 
daß jeder Bürger perſoͤnlichen Antheil 
daran genemmen habe, ſo wäre es falſch, 
in ſo fern Jedermann weiß, daß Tauſen— 
de in unſerem Americaniſchen Volk aus 
Grundſatz gegen alles Kriegführen find, 
und daß Millionen unſerer Buͤrger lieber 
daheim bleiben als einen thaͤtigen Antheil 
daran nehmen wollten. 

Se, ohne Zweifel, waren Tauſende von 
Waldenſiſchen und Boͤhmiſchen Bruͤdern, 
die von beiden Partheien, den Huſſiten 
und ihren Feinden, lieber leiden wollten 
waͤhrend jenem langen, ſchrecklichen und 
grauſamen Krieg, als daß ſie Theil daran 
genommen hatten. Die Ewigkeit wird es 
uns erſt voͤſlig offenbaren, was fie gelitten 
haben. Wohin ſie auch flohen, ſo bald 
ſie erkannt wurden, ſo mußten ſie die 
ſchrecklichſte Verfolgung leiden. 


Sollte man auch glauben muͤſſen, daß 
dieſe alten Boͤhmiſchen Bruͤder ganzlich 
ausgerottet wurden, ſo finden wir doch ein 
Ueberbleibſel ihrer Grundſätze in den 
Neuen Boͤhmiſchen Brüdern, die um 

das Jahr 1453 entſtanden, und Religions— 


56 
Freiheit erlangten. Sie ließen ſich auf ei⸗ 


nem Diſtrickt an den Grenzen von Schle⸗ 


fien, Litiz genannt, nieder, ſtrebten nach 
apoſtoliſcher Einfalt, und nannten ſich An— 
fangs „Fratres Legis Christi,“ das 
iſt: die Bruder des Geſetzes Chriſti; lies 
ßen aber ſpäterhin die zwei letzten Worte 
weg, und wollten nur Bruder“ heiſſen. 


Dieſe allgemeinen” Anmerkungen hielten 
wir fuͤr noͤthig, damit unſere liebe Leſer in 
der nun folgenden Geſchichte dieſes Brü— 
der⸗Volks alles recht verſtehen, und ein je— 
des an feinen gehörigen Ort legen moͤchten. 

(Fortſetzung folgt.) 


— — 


Correſpondenz. 

Von einem lieben alten Bruder, der 
jetzt in Miſſouri wohnt. 

Mein theuerſter Bruder in Jeſu, dem 
Heilbringer unſrer Seelen. In demſelben 
grüße ich dich, wie auch dein Weib, die lie- 
be Schweſter, und alle, denen die Erſchei⸗ 
nung IESlil lieb iſt. 

Es war ſchon eine geraume Zeit, daß 
ich nichts von dir gehoͤrt hatte. Auch ha— 
be ich oͤfters gewuͤnſcht zu wiſſen, wo du 
wohneſt und wie es dir gehet. — —End— 


lich bekam ich eine Nummer des „Gospel— 


Viſiter's,“ welches uns ſehr erfreute. 

Wir haben es unterſucht, und ſind wohl 
zufrieden mit der Materie, die du deinen 
Leſern mittheileſt. Auch werde ich ſuchen, 
ob ich einige Subſeribenten ſammlen kann. 


Bis den fuͤnften naͤchſten Monats find 
es fünf Jahre, daß mein Weib geſtorben 
iſt. Ich lebe mit meinem Sohn Eli, und 
habe keinen Mangel. Gott hat niemals 
kein großer Werk an mir gethan, als wie 
er mein Chaos in CH — vernichtete, 
und wenn ich einmal nach Haus komme, 
ſo werde ich Ihm danken in alle Ewigkeit. 


Lieber Bruder, ſeit ich dein Angeſicht 
nicht mehr geſehen, haben ſich viele Auf— 
tritte bey mir ereignet. Erſtens fuͤhlte ich 
die Schwache des Koͤrpers, und Zweitens 
mußte meine Seele durch viele Dunkelhei— 
ten hindurch gehen, bis ich endlich Gott in 
Chriſto im Dunkeln fand. 1. Koͤn. 8, 12. 
So wallete ich fort bis an mein achzigſtes 


Jahr. 


. 
Der Evangeliſche Beſuch. 


Jetzt fühlte ich, daß ſich meine Leibes 
und Seelen-Kräfte um ein großes wieder 
einſtellten; und bekam einen ſtarken Trieb, 
das arme Leben Jeſu ſchriftlichtund muͤnd— 
lich zu bekennen. — Allein meine Briefe 
blieben meiſtentheils unbeantwortet, und 
fo habe ich meinen Briefwechfel geſchloſſen, 
auſſer mit etlichen vertrauten Bruͤdern. 


Ich habe mich nun an das Haus Iſra— 
el und Juda gewandt, —fand den groͤſten 
Beifall, und bekam eine Einladung bis 
kuͤnftigen Sommer an ihrer Synagoge in 
St. Louis zu erfiheinen. — — 

Ich habe ſeit 3 Jahren mehrere Stucke 
geſchrieben, von denen ich dir das letzte 
ſchicke. Kannſt du etwas damit machen; 
ſo ſteht es in deiner Hand. 

—Ich erwarte bald eine Antwort, und 
em pfehle mich deinem Gebet. 

Von einem SO jährigen 
Nazarener. 


Antwort. 

— Verzeihe, lieber Bruder, daß ich 
deinem Begehren nicht eher Folge leiſten 
konnte. Jeden der vielen Briefe, die ich 
zu dieſer Zeit empfange, beſonders zu bez 
antworten, iſt rein unmoͤglich. 

Du wirſt mir hoffentlich um ſo lieber 
verzeihen, als ich gethan habe, was ich 
konnte. Ich ſandte dir nämlich auf 
Befehl eines theuren uns beiden wohl- 
bekannten Bruders in Virginien alle 
Nummern des Viſiters vom erſten An- 
fang an, die du oder vielmehr dein Sohn 
richtig erhalten haben wird, und werde 
auch fortfahren zu ſenden, ſo lange der 
Herr unſerem geringen Werk Fortgang 
gibt. 

Deine Mittheilung, ein ziemlich langer 
Aufſatz, wirſt du mir erlauben, noch fuͤr 
eine Weile zuruͤckzulegen, bis ich Zeit und 
Gelegenheit habe, ihn einzuruͤcken. Unſer 
deutſches Blatt iſt ſo klein und noch ſo 
jung, daß ich ſehr behutſam ſein muß, um 
es beim Leben zu erhalten. Du weiſt je, 
was der Apoſtel ſagt: „Kindern muß 
man Milch geben, und nicht ſtarke Speiſe.“ 
Wegen der Einladung der Juden an dich 
brauche ich Armer einem achzigjährigen Na⸗ 
zarener keinen Rath zu geben. Aber mein 
Gebet iſt, daß Gott dir Gnade und Weise 
heit verleihen möge zu prüfen, was da ſey 
Sein guter, wohlgefälliger und vollkomme⸗ 
ner Gottes-Wille. Amen. — — 


* 


Der (paugel 


Juny 


— — — — 


Die Gemeinde in der Wüſte, 
oder: 
Feugniße von dem Daſeyn ciner 
apoſtoliſchen Bemeinde vom A 


An⸗ 
fang des Evangeliums bio auf unſe⸗ 
re Zeit. 


Die Böhmiſchen Bräder. 

Dieſe boͤhmiſche Bruder erhielten end— 
lich im Jahr 1453 von dem Koͤnig Georg 
Podiebrad Religionsfreiheit, errichte— 
ten eigene Geme nden, wählten Verſteher, 
und hielten gemeinſchaftllche Berathungen, 
wie ſie Lehre, Leben und Verfaſſung ihrer 
Kirche immer mehr nach Gottes Wort bil⸗ 
den, und alles auf 
keit der erſten apoſteliſchen Kirche zurück— 
führen konnten. Auch ven den Calirti— 
nern, denen ſeitdem die Augen aufgegang— 
en waren, ſchlugen ſich viele zu ihnen, und 
je erhielten nun den den en 


Namen der boͤhmiſchen Brud 


Um das Jahr 1460 brach ein neuer 
Sturm über die Bruder aus. Viele wur— 
den verbrannt, gefoltert, mit Pferden zerriſſ 
en, im Winter krank auf's Feld geworfen; 
Andere hieng man mi it ſchweren Eiſen an 
den Fuͤßen auf, und ließ ſie fo an der Ver- 
renkung aller Glieder ſterben, oder man 
packte ihnen Hände und Fuße ab. 

Während dieſer Verfolgung ſchickten die 
Brüder in Lititz nach allen Seiten bin 
Abgeordnete aus, um die Verfolgten im 
Lauben zu ſtärken, und zur Geduld zu er— 
muntern. So kam auch der Bruder Gre— 
gor, Neffe des Erzbiſchofs ven Prag, eines 
Hauptverfolgers, nach Pr ag, und verſam— 
melte die Bruder in einem Hauſe, um mit 
ihnen das Abendmahl zu halten. Der 
Richter, der ihnen heimlich geneigt war, 
ließ ihnen unter der Hand zu wiſſen thun, 
man ſey ihnen auf der Spur, ſie ſollten 
fliehen. 

Gregor glaubte, Chriſten müßten ſich 
der Gefahr nicht ohne Noth ausſetzen, und 
rieth, man ſollte nicht einmal eſſen, ſondern 
eilend entrinnen. Die andern ſagten: 
„Nein, wer glaubt, der feucht nicht; laſ— 
ſet uns ruhig eſſen, und erwarten, was 
kommen wird.“ Einige Studenten ruͤhm— 


ische & 


1853. 


die Einfalt und Lauter- 


ſich, die Folter waͤre ihnen ein Fruͤh⸗ 
ſtück, und der Scheiterhaufen ein Mittags- 
nahl. 
Sie wurden alſod uͤberfallen, und der 
(Gerichtsdiener rief ihnen unter der Thuͤre 


zu: „Es ſteht geſchrieben: Alle, die 
dentſeli leben wollen, müſſen Verfolgung 
leiden. Folget mir alſo auf Befehl der 


Obrigkeit in's Gefangniß.“ Nun ſollten 
ſie auf die Folter; aber faſt Alle, die ſich 
vorher ihrer Standhaftigkeit gerühmt hats 
len, verlaugneten jetzt ihren Glauben aus 
Furcht vor der Mitter: 

(Gregor hingegen, der in der Geſchich⸗ 
te der Patriarch der Brüder genannt wird, 
ließ ſich nicht ſchrecken. Auf der Folter 
ſank er in Ohnmacht, und Jedermann 
glaubte, daß er todt ſey. Auf dieſe Nach⸗ 
richt eilte ſein Oheim, der Erzbiſchof, herzu, 
und brach voll Wehmuth und mit Thränen 
in die Werte aus: „Ach mein lieber Gr es 
gor, wollte Gott, ich wäre, wo du jetzt 
bir 

Gregor kam wieder zu ſich, und wurde 
auf des Erzbiſchors Fürbitte freigelaſſen. 
Er erzählte hernach, er habe in dieſem bee 
wußtliofen Zuſtand einen ſchoͤnen Baum gez 
feben voll herrlicher Fruͤchte, an denen eine 
Heerde lieblich ſingender Voͤgel ſich wai— 
deten, und die ein freundlicher Knabe mit 
einem Stab im Gehorſam hielt. Drei 
ehrwuͤrdige Manner ſtanden als Wächter 
dabei, deren Geſtalten er ſechs Jahre her— 
nach an den drei Maͤnnern erkannte, die 
als die e ien Biſch oͤfe der Brüder gewählt 
wurden. Letzteres geſchah im Jahr 1467, 


Die Brüder waren nämlich in Sergen, 
weher ſie taugliche Prediger bekommen ſoll⸗ 
ten, wenn ihre jetzigen einmal abgiengen, 
und baten ſich daher einen guten Rath 
von den waldenſiſchen Gemeinden aus, 
welche in dem benachbarten Oeſtreich 
ſammt ihren Bıfıbefen wohnten. In dem 
Dorfe Lhota, nahe an der Gränze, wurde 
eine Verſammlung gehalten, zu welcher ſich 
aus Böhmen und Mähren TO Abgeordne— 
te, Prieſter, Edelleute, Gelehrte, Burger 
und Bauern einfanden. 

Der Anfang wurde unter vielen Thrä— 
nen mit Faſten und Beten gemacht. Dar⸗ 


— 


4 


58 


auf erwaͤhlten fie 20 Perſonen, von denen 
11 die Verhandlungen zu leiten ane 
unter den 9 uͤbrigen aber ſollte der HErr 
diejenigen, anzeigen, welche er zu Bi ſchoͤfen 
Seiner e Gemeinde auserſehen 
hätte. Den Willen Gottes in dieſem 
© he fucten ſie auf folgende Weiſe zu erz 
forſchen. Sie wickelten 12 Zeddel zuſam⸗ 
men, unter welchen 9 leer waren, auf drei— 
en aber ſtand: us” er iſt's; als ein Zei⸗ 
chen der goͤttlchen Wahl. Alle 12 Papie⸗ 
re wurden nun unter einander in ein Ge— 
faͤß geworfen. 

Darauf ermahnte Gregor abermals 
zum Gebet, daß Gott nach Seiner Liebe 
aus dieſen vorgeſtellten 9 Männern einen, 
zwei oder drei für Seine Kirche erwählen 
wolle. Wofe rn es aber nicht Sein Wille 
wäre, fo moͤge Er es lenken, daß keiner ge— 
troffen, ſondern lauter leere Zeddel heraus— 
gezogen 1 1 Waͤhrend dieſes herz— 
hen ene haftlichen Gebets, mußte 
ein Knabe ein Loos nach dem andern aus 
dem Topfe herausziehen, und jedem von den 
9 Maͤnnern eines in die Hand legen. Als 
man nun die Zeddel oͤffnete, ſo fand man, 

daß die drei bezeichneten Looſe den Matthi— 
as Convaldenſis, Themas Pr ze— 
laus, und Elias Chizenov, drei aus⸗ 
gezeichnete Maͤnner, getroffen hatten, die— 
ſelben, welche Gregor 6 Jahre zuvor im 
Traume geſehen. 

Dieß hielt die Gemeinde für einen offen⸗ 
bar goͤttlichen Beruf. Ja es wollten Ei— 
nige unter dem Beten und Leſen die Worte 
vom Himmel gehoͤrt haben: 

‘(est ma wule; giz gest czah”, 

D. h. es iſt mein Wille, nun iſt es Zeit. 
Sie lobten Alle GOtt, verſprachen den Ge— 

waͤhlten Gehorſam und Chriſto Treue, ga— 
ben einander die Hand darauf, und ließen 
die drei Bruͤder durch die Biſchoͤfe der Wale 
denſer zu Biſchoͤfen der boͤhmiſchen Brüder— 
kirche weihen, welche die Vollmacht hatten, 
Andere zu Biſchoͤfen und Predigern zu or⸗ 
diniren. Von da an pflegt man fie boͤh— 
miſche und mähriſche B brüder, 
und ihre verbundenen Gemeinden die ver— 
einigte Bruͤderkirche (unitas fratrum) zu 
nennen. 

Bald darauf erhob ſich eine neue Ver- 
folgung gegen die Bruder. Der Koͤnig 
Georg Podiebrad befahl, fir überall 
aufzufangen, und zur 1 Zäugnung ihres 
Glaubens zu noͤthigen. Die Gefängniffe 


— 


Der Coangeliſche Beſuch. | 


in Böhmen und namentlich in Prag wur— 
den bald mit Bruͤdern angefuͤllt, und auch 
ihr erſter Biſchof mußte darin bis nach des 
Koͤnigs Tode (1471) ſchmachten. Man⸗ 
che ſtarben in dieſen Behaͤltniſſen vor 
Hunger, und Andere wurden ſonſt ſchreck— 
lich mißhandelt. Die Uehrigen waren ge⸗ 
noͤthigt, in die dickſten Waͤlder zu ſluͤch— 
ten, und den Tag über ſich in Hoͤhlen 1 
Felsklüften zu verbergen. Um am Tage 
nicht durch den aufſteigenden Rauch ve rra⸗ 
then zu werden, machten ſie nur bei Nacht 
Feuer, laſen bei demſelben die Bibel, und 
beteten. 
Wenn Schnee gefallen war, und ſie doch 
ausgehen mußten, etwas zur Nahrung 
aufzutreiben, oder Andere zu beſuchen, ſo 
giengen ſie Einer hinter dem Andern, ſe, 
daß der Folgende immer in des Vorhergeh— 
enden Fußſtapfen trat; fund der Letzte 
ſchleppte einen Strauch hinten nach, um die 
Spur zu verwiſchen, daß man weiter nichts 
vermuthen due als es muſſe etwa ein 
armer Mann da gegangen ſeyn, der Reiſer 
aus dem Buſch geholt habe. 


Unter dieſen Wonen wurde der Bruder 
Matthias Dolanscius, weil er 
das reine Evangelium bekannte, in Prag 
zuerſt 6, dann 4 Jahre in das Gefängniß 
geſetzt. Anfangs unterhielten ihn etliche 
gute Leute mit Speiſe und Trank, unter 
welchen beſonders eine vornehme Frau war, 
deren Magd durch ſeine Ermahnungen zur 
Erkenntniß der Wahrheit gelangte. Als 
aber die Feinde dieſen Leuten geboten, ihm 
nichts mehr in's > Gefängniß zu ſenden, und 
alſo Gef ahr war, daß er * Hunger ſter⸗ 
ben würde, ſo half ihm Gott auf eine an— 
dere Weiſe. 

Einmal ſah er von ungefaͤhr nach den 
Fenſtern des Gefaͤngniſſes, und bemerkte, 

daß ſich eine Dohle dort geſetzt hatte, die 
etwas in ihrem Schnabel trug. Indem 
ſich Matthias nach ihr wendete, flog 
ſie zwar hinweg, ließ aber aus ihrem 
Schnabel ein kleines zuſammengewickeltes 
Tüchlein fallen. In dieſem fand er ein 
Goldſtück, fir welches er bei den Huͤtern 
des Gefängniffes Speiſe kaufen konnte, 
und mit dieſer konnte er ſein Leben erhal— 
ten, bis der Koͤnig ſtarb. Was alſo die 
Raben dem Elias gethan, das koͤnnen im⸗ 
mer noch, wenn GOtt es haben will, die 
Behlen einem Matthias thun. 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Mit dem Tode des Erzbiſchofs und des 
Koͤuigs Georg horte dieſe Verfol gung 
auf, und unter dem neuen König, Ba MINE 
dislaus aus Polen, hatten die Brüder 
eine Zeit lang Ruhe. Solche ruhige Zeiten 
pflegten ſie aus 1 oͤrderung des Reichs 
GOttes auf allerlei Weſſe zu benutzen. 
So ſendeten ſie z. B. Einige aus ihrer 
Mitte ab, um ſich nach dem Zuſtande des 
Reichs Chriſti auf der Erde zu erkundigen, 
und zu erforſchen, ob irgendwo in der Welt 
ſolche Chriſten waren, die Chriſtum nicht 
blos mit dem u bekenneten, ſondern 
ihm auch im Leben nachfolgeten, die an der 
reinen Lehre aus GOttes Wort hielten, den 
Papſt für den Antichriſt erkenneten, und 
mit denen ſie in bruͤderliche Gemeinſchaft 
treten, oder von denen ſie, was zur Ver— 
beſſerung ihrer Gemeinde diente, annehmen 

konnten. 

Der erſte Verſuch wurde im Jahr 1474 
gemacht. Einige Edelleute nahmen die 
Unkoſten auf ſich, und erhielten vom Koͤnig 
ſichere Geleitsbriefe. Die Abgeordneten 
zogen durch Polen nach Conſtantinopel. 
Daſelbſt theilten fie ſich, und Luk ea s reis 
te nach Griechenland und Italien zu, Wa⸗ 
reſſa Cocovecius darch Seythien 
nach Moskau und e ſlaviſchen Pro⸗ 
vinzen, Martin Ca patuik nahm 
einen Juden zum Dolmetſcher, und zog 
durch Paläſtina und Aegypten, während 
Caſpar Marchicus Thracien unter⸗ 
ſuchte. Als ſie wieder nach Hauſe kamen, 
verſicherten fir, ſie hatten das, was fie ge— 
ſucht, nicht gefunden, wohl aber muͤßten fie 
beklagen, daß fie in der ganzen Chriſten— 
beit den gräulichſten Verfall angetroffen 
hatten, und daß es ſcheine, als hatten fich 

die Chriſten untereinander verabredet, ſich 
den ſchaͤndlichſten Laſtern'zu ergeben. 
fi 
Die Brüder verſammelten demnach wie— 
der einen Synodus, und berathſchlagten, 
was ſie nun thun wollten, damit ſie von 
dem Vorwurf einer Kirchentrennung we⸗ 
nigſtens vor Gott und in ihrem Gewiſ— 
ſen frei wären, und ihren Nachkommen 
einen gewiſſen. Weg hinterließen. End⸗ 
lich wurde beſchloſſen: „Wenn Gott ir⸗ 
gendwo in der Welt fromme Kirchenleh⸗ 
rer und Reformatoren erwecken wird: ſo 
wollen wir uns zu denſelben halten.“ 
Dieß geſchah 1486. Als ihnen nun leine 
dergleichen bekannt werden wollten, ſand⸗ 
ten ſie drei Jahre hernach abermal obigen 


59 


Lukas und einen Thomas Germa— 
nus nach Frankreich und Italien, um in 
dieſen Ländern heilige und der Wahrheit 
befliſſene Gemeinden aufzuſuchen. 

Dieſe fanden aber, daß die meiſten 
Chriſten von ei Lehre und Leben ab⸗ 
gefallen waren; doch trafen ſie auch etliche 
gottesfürchtige Ai unter großen FTruͤbſa— 
len und Gefahren ſeufzende Seelen an, 
mit denen fie ſich über ihren Glauben uns 
terredeten, und gegenſeitig ſtärkten. Sie 
mußten mit Augen anſehen, wie einige 
dieſer verborgenen Chriſten verrathen und 
zum Feuer verdammt wurden, worunter 
auch Hieronymus Savonarola, 
ein Wahrheits „Jer ge in Italien, gewe— 
ſen. 

In Frankreich kamen ſie zu den Wal— 
denſern, die fie als fromme Leute erkann— 
ten, und von denen ſie . aufge- 
nommen und bewirthet wurden. In Rom 
kamen ihnen Dinge zu Geſicht, vor welchen 
ihnen ſchon lange gegraut hatte. Dieß 
Alles erzaͤhlten ſie bei ihrer Heimkunft den 
Brüdern, welche nun wohl ſahen, daß ih— 
nen nichts mehr übrig bleibe, als für die 
n zu Gott zu ſeufzen, und da⸗ 
heim bey der Erduldung goͤttlicher Prüfe 
ungen Gedult und Standhaftigkeit zu be— 
weiſen. 

In den ruhigen Zeiten, welche Gott der 
Bruderkirche geſchenkt hatte, breitete ſie ſich 
immer mehr aus, und viele Edelleute, wel— 
che ſich an fie anfe hloßen, raͤumten ihr auf 
ihren Gütern Bethäuſer ein. Noch waren 
ſeit der feierlichen Stiftung der 3 
kirche keine 50 Jahre verfl ls ma 
ſchon (im Jahr 1500) geg 0 folcher 
Kirchen zählen konnte. Die Feinde der 


Brüder konnten aber dem blühenden Zu— 
ſtand dieſer ihnen ſo verhaßten Kirche 


nicht lange zuſehen; und im Anfang des 
folgenden Jahrhunderts brachten ſie den 
Einig dahin, einen Verfolgungsbefehl ges 
gen die Bruͤder zu erlaſſen. 

Er wurde zwar bald zurückgenommen; 
allein der Landtag beſchloß auf's Neue ihre 
Ausrottung, und um den 1 zur Ein⸗ 
willigung zu bewegen, beredeten d e katholi⸗ 
ſchen Biſchoͤfe die Koͤnegin, wenn fie nicht 
zur Ausrottung der Pikarden ſſo wurden 
die Bruder genannt) be bülflich ſey, fo dro⸗ 
be ihr eine ungluͤck liche Geburt Die Koͤ⸗ 

nigin bot nun Allen auf, m König 
herum zu bringen, und der Konig hatte 
nicht den Muth, es abzuſchlagen. Er, 


MINE | 


00 


gieng aber darguſ in fein Cabinet, fiel auf 
die Knie, und bat nut Thränen, Gott wol— 
le doch dieſen Rath zu nichte machen, weil 
er kein Gefallen habe an dem Vergießen 
des unſchuldigen Blutes. 

Die Feinde der Brüder frohlockten; 
aber hoͤret, wie es ihnen gung. Die Kor 
nigin lag etliche Tage in den groͤßten Ge— 
burts ſchmerzen, und gab unter denſelben 
ihren Geiſt auf. Der Reichskanzler Col— 
lowrat begab ſich vom Landtag nach 
Krupka, und bat zu ſich den Herrn von 
Colditſch, welchem er mit Freuden erzaͤhl— 
te, es fen nun einmüthig ausgemacht, daß 
die Pikarder alle ſollten ausgerottet werden. 
Darauf fragte der Herr von Colditſch ſei⸗ 
nen Bedienten, der hinter ihm ſtand, und 
zu den Brüdern gehoͤrte: „Simeon, was 
meinſt du? weil Alle ſo einſtimmig ſind, 
wird es wohl ſo hinaus gehen?“ Simon 
antwortet: s iſt noch Einer dabei ge— 
weſen, von dem ich nicht weiß, ob er einge— 
ſtimmt hat, ohne den aber wird nichts dar- 
aus werden.“ Der Kanzler, welcher mein— 
te, er wiſſe von einer neuen Verſchwoͤrung, 
fuhr ihn zornig an, und fragte: Wer iſt 
der, der ſich allen Reichsſtanden zu wider— 
ſetzen wagen darf? Das müßte ein Ver— 
raͤther des Vaterlandes und ein Erzſchalk 
ſeyn, der nichts Beſſeres verdient hatte als 
die Pikarder ſelbſt.“ 1 0 ſchlug er 
auf den Tiſch und be theuer e, Gott ſolle ihn 
nicht en 3 chen laſſen, wenn er tur 
bete, fo lange noch Einer 90700 wäre. Der 
Diener hob auch ſeine Hand auf gen Him⸗ 
mel, und ſprach: „Da droben eh 
Einer; wenn der nicht ja dazu geſagt hat, 
ſo ha en Rath Def: cles a aber es 
wird nie aus werden.” r Kanz⸗ 
ler verſetzte: „Du Schelm Mi es ſchon 
erfahren,“ und ſtand vom Tiſch auf, um 
nach ſeinem Schloß zu gehen. Auf der Stel— 
le fuhr eine brennende Blatter an ſeinem 
Fuße auf, an welcher er, da noch der Brand 
dazu kam, den die Aerzte nicht 
konnten, etliche Wochen 
mußte. 

Der Erzbiſchof Biſek war eben auf 
dem Weg nach Maͤhren, um die kenigliche 
Verordnung kund zu thun. Er hatte Wils 
len eingenommen, die trieben ihn, daß er 
aus dem Wagen ſpringen wollte. Er 
blieb aber mit einem Fuße bangen und 
verletzte etwas jm Leibe, wovon er aufge- 
laufen, zerbeſten und geſtorben iſt. Ra⸗ 
d pr auf dem Mennkblitten, und 

5 >; 


loſch Ven 
hernach ſterben 


Der Evangeliſche Beſuch. 


hatte neben ſih eine Schleuder und zwei 
Spieße. Da der Schlitten in heftigen 
Schwung kam, fuhr ihm der eine Spietz 
gewaltig durch die Nieren, daß er am drit— 
ten Tage ſtarb. Puta von Synich ov 
war zu Raby auf ſeinem Schloſſe; und 
als ein beftiges & Donnerwetter kam, lief er 
vor Schrecken in ſeine Kammer, und zog 
den Schlüſſel ab. Da er lange nicht mehr 
herauskam, und auf das Anklopfen ſeiner 
Bedienten nicht aufmachte, ließen ſie den 


Schloſſer kommen, und die Thuͤre auf⸗ 
brechen. Vier der vornehmſten Anweſen— 


den giengen hinein; die zwei eriten aber 
traten ſogleich wieder zurück, ließen einen 
Sarg machen und wohl verpichen, datz 
Niemand recht wußte, was r 
Biron v. Neuhaus ſiel auf der Jagd 
aus dem Wagen, und der Spieß fuhr ihn 
dermaßen in die Hüfte, daß er daran ſtarb, 
Der Doctor Auguſtinus, ein Rechts⸗ 
ge lehrt er, der mit einer luͤgenhaften Schrift 
die Brüder bei'm Koͤnig und allen Men— 
ſchen gräulich anzuſchwärzen geſucht hatte, 
ſtarb zu gleicher Zeit in Olmus über dem 
Nachteſſen plötzlich dabin. Dieſe ſchnellen 
und ſchreckllchen Todesfalle mehrerer der 
beftigiren Feindet welche die Brüder zu 
fürchten hatten, machten großes und allge⸗ 
meines Aufſehen, und gaben Veranlaſſung 
zu einem Sprüchwort, das um jene Zeit 
haufig gehoͤrt wurde: „Wer des Lebens 
überdruͤſſig iſt, der reibe ſich nur an der 

Pifarden; ſo wird er kein Jahr mehr uͤber⸗ 
leben.“ 


(Der folgende Aufſatz wurde geſchrie⸗ 
ben und kurzlich publicirt von einem 
Mann, wie er ſelbſt ſagt, an die Ammi⸗ 
ſchen Gemeinden, ſeine geweſene Glau— 
bensbrüder. Es iſt manches beherzigens⸗ 
werthe darinnen, und wir geben einen 
kurzen Auszug davon zur Pruͤfung.) 


Der te Adam, das Ich, oder d ie 
Selbſtſucht. 


Die Liebe Gottes des Vaters unſer aller 
wolle uns in Chriſto Jeſu, in Gnaden anz 
ſehen, und unſer „Ich““ durch die Ueber⸗ 
zeugung des beiligen Geiſtes in uns daͤmp⸗ 
fen und ganzlich zernichten. Denn ohne 
das gänzliche Zerſtͤren des“ Ich's oder 
der Selbſtſucht in uns koͤnnen wir nicht zu 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Jeſu kommen; alles, was wir ſind, und 
glauben zu haben, müſſen wir ablegen, 
wenn wir zu Jeſu kommen wollen. 

Wir müſſen erſt arm werden, ehe Er 
uns reich machen will. So lange wir et— 
was haben, (glauben zu haben,) worauf 
wir uns ſtützen koͤnnen, brauchen wir Ihn 
und feine Huͤlfe nicht; Er iſt uns von kei— 
nem Nutzen. Er will uns erſt zu Hülfe 
Kommen, und reich und glücklich machen, 
wenn wir arm find. 

Erſt wenn wir wiſſen, daß wir elend, 
jaͤmmerlich, arm, blind und blos find, ra- 
thet Er uns, daß wir Gold von Ihm kau— 
fen, das mit Feuer durcbläutert iſt, dafuͤr 
Er uns weiſſe Kleider geben witz, damit 
zvir unſere Blöße decken konnen. Offenb. 
3, 17. 18. Er will nicht haben, daß wir 
unſere Bloͤße mit Adamiſchen Feigenblät— 
tern zudecken, 1 Meſ. 3,7. und 1065 
durch ſelbſt-erwählten Gottesdienſt und D 
muth. Col. 2, 18. Erſt wenn wir N 
und jammerlich, arm, blind und blos find, 
konnen wir fühlen, was uns mangelt; wir 
ſind dann arm am Geiſt. Matth. 5, 3. 

Alle Guͤter und Reicht der ganzen Welt 
ſamt aller ihrer Herrlichkeit, Matth., 8. 
koͤnnen unſerem Gemuͤthe keine Erleichter— 
ung geben. Aller Welt Freuden, und kurz 
alles was zur Welt gehoͤrt, iſt weiter nichts 
als 905 und Verderben zu unſerer Seele 
Marc. 8, 36. 37. Und doch ſcheint es, als 
wenn Halt von Natur dazu geboren mären, 
(weil wir Erde ſind,) alles perkehrt anzu— 
ſehen. Wir wolken erſt die Welt und ihre 
Guͤter haben; recht ſatt wollen wir ſie ha— 
ben, und dann erſt, wenn wir mit jenem 
reichen Manne ſagen konnen: „Iß und 
trink, meine Seele, freue dich, und ſey gu— 
tes Muths; denn du haſt einen Vorrath 
auf viele Sabre,” Luc. 12, 16 = 20. dann 
erſt wollen wir zu Gott kommen, und wol— 
len ihm ſagen: Wir ſind Chriſti Nachfol— 
ger. Wir wollen Ihm ſagen: Wir ſind 
in den Unterricht gegangen; wir haben dei— 
nen Namen bekennet vor den Menſchen, — 
ſind auf deinen Namen getauft nach einer 
Regel, und find fleißig in die Verſamm— 
lung gegangen; — wir haben an deinem 
Tiſch gegeſſen und getrunken, wir haben in 
deinem Namen geweiſſaget, Teufel ausge— 
trieben, und viel Thaten gethan: Uns muß 
32 der Himmel und die Seligkeit gehören. 


Br. in Adam! 


Was giebt aber 
der liebe Heiland 


Jeſus auf allen dieſen ° 


61 


22% 28. 


Prunk, fuͤr Antwort? Matth. 7, 
„Weichet von mir ihr Uebelthater, Ich ha— 
be euch noch nie erkannt!“ Welcher Aus— 
ſpruch! Jedes dieſer Worte muß als ein 
ſtarker Donnerſchlag in jeder Seele buten, 
die es betrift. Er wird ſagen, Ihr Lauen, 
weil ihr weder kalt noch warm ſeid, muß 
Ich euch als das hee 2 ing aus— 


ſpeien aus meinem Munde. Offenb. Joh. 
3, 19 I. 16. 
Aber warum ſoll uns dann die 


Seligkeit fehlen, wenn wir doch allen Tu— 
genden und Befehlen die Er uns gegeben 
bat, ſo pünktlich nachgekommen ſind? 
Warum will Er uns dann ausſtoßen? 
Antw. Weil er uns nicht erkannt hat. 
Warum hat er uns nicht erkannt? Antw. 
Darum, daß wir alles aus keiner andern 
Urſache gethan haben, als um unſer ſelbſt 
willen, und nicht aus Liebe zu Jeſu. 

Sehet hier, l. Br. das „Ich“ die 
Selbſtſucht iſt die Urſache unſerer Ver— 
dammniß: Wir thun alles nur um unſer 
ſelbſt willen, und nichts aus Liebe zu Jeſu, 
unſerem lieben Erloͤſer. Er ſagt ja ſelbſt, 
Matth. 10, 37, 38. Wer mich nicht liebet 
iſt meiner nicht werth. Darum ſpricht 
der Apoſtel Paulus das Anathema uͤber 
uns aus. 1. Corinth. 16, 22. Wuͤrden 
wir Jeſum lieb haben, ſo wuͤrde Er durch 
ſeinen guten Geiſt zu uns kommen, und 
Wohnung bey uns machen, und wuͤrde 
uns erkennen, und zu ſich nehmen in die 
ewige Freud und Herrlichkeit. Matth. 
25,34. Joh. Cap. 14. ganz. 

Allein das „Ich,“ welches Satan in A- 
dam und Eva gepflanz et, und das gleich 
dem Tod durch ſie beide, zu allen Men— 
ſchen durchgedrungen iſt, Rom. 5, 12. 
verriegelt dem Heiland Jeſu die Thuͤre 
unſeres Herzens. Daher kommt der blin— 
de Hochmuth und Stolz, die Einbildung 
auf unſere eigenen guten Werke: die dun— 
kele Unerkenntniß ſeiner ſelbſt, und das 
daraus fließende Phariſaiſche Geſchrei. 
Luca 18, 11. 12. 
nicht 


O Gott!! Ich danke dir, daß ich 
bin wie dieſer und jener. Ich habe das 


Bekenntniß abgelegt vor den Menſchen, 
bin getauft, bin zum Abendmahl gegang— 
en, beſuche fleißig die Verſammlung, halte 


fleißig die Meidung an den Ausgeſtoſſenen, 
gebe Alnieſen nach meinem Vermögen, 


bete fleißig 3 mahl des Tags meine Gebe 
te; — Kurz, bey aſle dem muß ich ein 
Nachfolger Chriſti ſein. 


62 


Aber eben wegen dieſem heuchleriſchen 
Prunk, ſagt der Heiland Matth. 7. 22. 
23. Weichet.—Ich habe euch nie erkannt 
Es iſt alſo nur Buchſtaben— Chriſtenthum, 
der Kern, die wahre Liebe zu Jeſu Chriſtoe, 
iſt nicht dabei. Matth. 10, 37. Und 
ſomit nur Phariſäiſcher Prunk. 

O wehe, wehe! des gegenwärtigen 
Chriſtenthums. Der erbarmende Gott 
wolle doch einem jeden, der ſich den Na— 
men Chriſti oder Chriſt aneignet, die Au— 
gen oͤffnen, und durch ſeinen guten Geiſt 
ihm zeigen, welche Kluft zwiſchen dem 
wahren Licht Jeſu Chriſti, und dem lieb— 
loſen Abgrund des gegenwärtigen Chri⸗ 
ſtenthums, des in Geiz und Habſucht ver 
ſunkenen, verleumderiſchen, afterredneri⸗ 
ſchen, unzuͤchtigen, liebloſen, ja gottloſen 
Weſens iſt. 

Aller Gottesdienſt, aller Glauben, und 
wenn er fo ſtark waͤre, daß man Berge 
verſetzen koͤnnte, alle guten Werke, ab ſie 
ſchon aus Glauben gefchehen, ohne die 
wahre Liebe zu Jeſu Chriſto, würde nach 
dem! Nusſpru⸗ h Pauli 1. Cor. 13/1. 2 3 
nichts ſein, als ein toͤnend Erz, und eine 
klingende Schelle. 

Die Liebe zu Jeſu Chriſto vermag, als 
les. Denn die Liebe zu Jeſu, kan une 
moͤglich ohne ſtarken Glauben exiſtiren. 
Die Erkenntniß, elend, jämmerlich, arm 
blind und bloß su fein, Offenb. 3, 17. 18. 
kommt erſt; dann der Glaube und die 
Sehnſucht nach der Erloͤſung: dann die 
Erkenntniß und der Glaube an die Erloͤ⸗ 
fung J. Timoth. 1, 15. dann die Liebe zu 
dem Erloͤſer Jeſu Chriſto, als dem wah- 
ren Erloͤſer. 

O! wir ſollten ja aus Dankbarkbeit wer 
das vor uns gethane Werk, ver das vor uns 
vollbrachte Soͤhn-opfer, Hebr. 9, 25—28. 
das Jeſus vor uns vollbracht, und uns wire 
der in das durch Adam verlorne Recht 
geſetzt, unſern erzuͤrnten Gott durch Ihn 
wieder zum liebreichen Vater haben koͤn⸗ 
nen, Jeſullg Chriſtum nicht uͤber alles in 
der Welt lieben, und darin ein gettſeliges 
Leben fuͤhren, in aller Dankbarkeit und De— 
muth. 

O! Welche Liebe find wir Holle und 
Verdammniß-wüurdige Sünder, Ihm nicht 


ſchuldig? Iſt es nun nicht genug, daß wir 


Urſache haben, den alten Adam mit ſeinem 
Ich“ aus dem Herzen zu jagen (und das 
werden wir aber ohne die Hülfe des guten 
Geiſtes nicht thun konnen,) und Jeſu die 


Der Evangeliſche 


Beſuch. 


Thuͤre des Herzens weft aufmachen daß, Er 
Wohnung bey uns machen kann durch Terz 
nen guten Geiſt? Iſt es nun nicht genu y 
vor uns gethan, ſein heiliges Blut am Kreuz, 
fuͤr uns zu vergießen? 

Aber vor wen hat der liebe Heiland 
fein Blut auf ſolche Weiſt dahin gegeben,, 
als vor die, die geiſtlich arm ſind? Matth. 
5, 3. Für ſeine Schaafe. Joh. 10, 12. 
Für die, die Ihm der Vater im ewiger 
Rath des Friedens gegeben hat. Joh. 15, 
9-12. C. 17, 1-26. und durch ſeinen 
Zug zu Ihm ziehet; Joh. 6, 44-85. und 
die Starken beduͤrfen des Arztes nicht, ſon⸗ 
dern die Kranken. Matth. 9, 12. 13. 
Marc. 2, 16. 17. 

Er iſt nicht für die geſtorben, die ſtark 
find, nicht für die, fo ſah beſſer denken als 
andere Menſchen, Matth. 5, 20. Tone 
dern ver ſolche, die ſich erkennen und be⸗ 
kennen als die vornehmſten unter den, 
Sündern, und ſich mit dem Apaſtel Pau⸗ 
lus, unter die vornehmſten unter den Sün⸗ 
dern zählen: 1. Tim. 1, 15. Matth. 8, 


dle, 


44: 42. Die mit wer großen Suünderin, 
mit Thränen ſeine Füße netzen, und fie 


nit den Paaren gleichfam abtrocknen. Luc. 
7, 37. 38. Joh. 12,3. 

Diefe find es vornehmlich, vor welche 
Er gelitten hat; dieſe ſind es, die den 
Heiland Jeſu ihr Herz aufſchließen, und 
dieſe nun endlich ſind es, welchen Er mot: 
„Dir find deine Sünden vergeben.“ Luce 


7, 48. Ihr ſeid jetzt erloͤſfet von dem 
Fluch des Geſetzes; Ich habe euer Schul⸗ 


den⸗buch vor eh ans Kreuz getragen. 
Epheſ. 2, 14. 15. Coloſ. 2, 13-17. 
Ihr ſeid jetzt nichts mehr ſchuldig als daß 
ihr erkennet und glaubet, daß Ich es fen, 
der euch aus der Gewalt des Teufels erloͤſet 
und euch ewige Geer tigen zu wege ge⸗ 
bracht habe. Roͤm. 3, 24. 25. Hebr. 4,16. 


dere ich von euch nichts weiter, 
als daß ihr eure Untüchtigkeit, vor euch 
ſelbſt etwas gutes zu thun, erkennet, und 
mich von Herzen bittet um Hülfe, ſo will 


Jetzt for 


Ich euch von meinem Geiſt ſenden, der 
wird euer hartes Perz weich machen, euch 
eure Bloͤße zeigen, Oßfenb. 3, 17. euch 


beſchamen und belehren, und in euch das 
Verlangen nach Mir erwecken. 

Dann werde ich kommen und ſammt. 
meinem Geiſt, bleibende Wohnung bei euch. 
machen, und der Geiſt der Wahrheit wird 
euch in alle Wahrheit leiten. Joh. 16, 13. 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Er wird euch zeigen, wie große Made ihr 
Habt, Mich uber ales zu lieben. Matth. 
10, 37. Es wird eue 0 dann wicht ſchwer 
1 5 u, aus Liebe zu mir auch euch unter 
inander zu. lie 110 Joh. 13, 34. Cap. 

38 17. Es wird euch dann nicht ſchwer 
fallen, aus Liebe zu mir auch euer Kreuz 
auf euch zu bebe N mie nachzufolgen. 
Matth. 38. Cap. 11, 28-30. 

Meine Lieben! Wie Udet der liebevolle 
Erloſer, alle muͤhſeligen und beladenen 
Seelen ein zu ihm zu konnen, 5 Er will 
ſie garden. Matth. 11, 28-30. Er will 
ihnen Waſſer geben das ins an Leben 
quillet, Jeh. 4, 14. wo fe nimmermehr 
Dürſten werden. Er will ihnen alles ges 


10, 


ben, was ihnen vonndthen iſt. Matth. 
6, 25-32. Luc. 12, 16-30. Er will ſie 
durch feinen Geiſt untewichten: Er will 


ihnen die Schrift offenbaren: Er will ſie 
lehren, Er wit gie in alle Wahrheit leiten. 
Joh. 16, 13. Er will izren Lebens-wan⸗ 
wel heiligen, alles durch ſeinen guten Geiſt. 
Ohne mich koͤnnet ihr 1980 thun,“ ins 


er ſelbſt. Joh. 15, 5. Cap. 6, 63. 2 2. 
Cor. 3 6. 
Das, „Ich' (die Selbſtſucht) der alte 


Adam in uns, der laͤßt uns aber nicht zu, 
uns gründlich zu bekehren; er gibt uns zu, 
der Gemeinde nachzugehen, (in den Unter⸗ 
richt z) e gibt ferner zu, ein gezwungenes 
Ich glaube daß Jeſus Chriſtus Gottes 
Sohn iſt,“ Actor 8, 37. ohne Gedanken 
(unter e ohne Andacht nach⸗ 
zuſtammlen. Mare. 8, 38. Er gibt ferner 
zu, daß wir uns taufen laſſen; auch ſtraͤu— 
wet er ſich nicht arg, uns zum Tiſch des 
Herrn gehen zu laſſen. 
(wiewohl mit Vorbehalt der Perſon⸗aus⸗ 
wahl) z u, nach dem Abendmahl die Fuß 
zu De. 

Alles dieſes kann der alte dam noch 
leidentlich thun und zugeben, er gehet ohne 
Andacht, und ohne große Hinderniſſe an ſei— 
nen Welt⸗geſchäften vorbay: : auch kann er 
wenn er gefragt wird: Biſt du all deinen 
Pflichten den Verſchriften der Lehre Chri— 
ſti und der Apoſtel gemäß nachgekommen? 2 
Haſt du das Bekenntniß von Chriſto Jeſu 
abgelegt? Tauf und Abendmahl genom- 
men? Die Fuͤße nach dem Abendmahl ges 
waſchen? Die Meidung an den Ausge— 
ſtoßenen gethan? Haſt du die Verſamm⸗ 
lung fleißig beſuchet? Biſt fleißig gewe— 
ſen am Gebet? Getroſt ſagen, O ja! das 
alles habe ich gehalten von meiner Jugend 


Er gibt auch noch M 


63 


auf: Was fehlet mir noch? 
20-22. 

Willſt du vollkommen ſein, ſo gehe hin, 
verkaufe was du haſt, und giebs den Ar— 
men, ſo wirſt du einen Schatz im Himmel 
haben: und komm und folge mir nach. 

Sprach Jeſus zum Jüngling. — Liebe 
Brüder! Sehet bier Vers 22. er gieng 
betrübt von eine denn er hatte viele Guͤ— 
ter. Sehet hier! der allwiſſende liebevolle 
Heiland lie dieſem wortheiligen 
Phariſäer, dem ſtolzen Juͤngling, dem 
ſcheinheiligen Adam, ſeine feigenblätterne 
Schürze (J. Buch Moſe 3, 7.) ab, und 
ſtellet ihn nackt und blos vor die Augen 
der ganzen Welt, als einen habſuͤchtigen 
Geizhals und Pranger. Sehet her und 
pruͤfet euch mit mir. 

Der alte Adam in uns will nicht ha— 
ben, daß wir das Licht Jeſu, und des heili— 
gen Geiſtes, als vSerechtigfei: Heiligkeit 
und en e den Leuchter ſtellen. 
Matth. 5, 16. 1. Petri 2, 1. 2. O nein! 
Es moͤchte ihm * Br bringen. Epheſer 
47 22. 23. Col. 10. 


Matth. 19, 


Er will ſein 160 ns Licht auf den Leuch⸗ 


ter ſtellen. Er will die Denkzettel breit, 
und die Säume an den Kleidern groß 
machen: Er will ſich lange Haare und 
Bart wachſen laſſen: 1. Cor. 11, 3-15. 
Er will durch ein ſaueres Geſicht ſich ſeh— 
en laſſen beim Faſten: er will vor ſich po— 
ſaunen laſſen beim Almoſen geben: er 
will Harn an den Straßen-ecken Matth. 
6, 2—5. Cap. 23. alles blos wegen feines 
Ichs: (Selb ſtſucht) daß er von den Men- 
ſchen angeſehen und geprieſen werde. 
atth. 23, 1-23. Luc. 11, 39-46. 
Allein er wird nach dem Ausſpruch Je— 
e ſu, Matth. 6, 5-16. feinen Lohn dahin 
haben. Der alte Adam hat es in allem 
gern, wenn er fein „Ich' zu guter Münze 
machen, oder wenigſtens dem Scheine nach 
machen kann. —— 

Wie ſträubet er ſich aber, wenn er ſich 
feinen feigenblaͤtternen Schurz (aller ſelbſt 
gewählte Gottesdienſt und Demuth, Col. 
2, 18-23.) abreiſſen laſſen muß, und das 
reine weiße Kleid der Gerechtigkeit, Heilig— 
keit und Erkenntniß, als das wahre ausge— 
druͤckte Ebenbild Gottes, 1. Buch Moſe 1, 
26. in Chriſto Jeſu anziehen ſoll. Eph. 
4, 24. Coloſ. 3, 10. Offenb. Joh. 6, 11. 
und 7, 9. 

Das iſt denn das Ende des Ichs' (der 
Selbſtſucht) der Tod des alten Adams, 


* 


64 


das Zertreten des Kopfes der alten Schlan— 
ge in uns. Liebe Bruͤder! Das Auszie— 
hen des alten Menſchen; Roͤm. 6, 6. 
Eph. 4, 22. Col. 3, 9, das Ablegen des 
„Ichs?“ (der Selbſtſucht) das Umkehren 
und alles verlaſſen, Matth. 10, 37. Lue. 
14, 26. gehet hart: am allerhaͤrteſten 
aber das „Ich'' (die Ssdlbſtſucht.) 

Die wahre Liebe zu Jeſu, macht es uns 
alles leicht, und moglich. Er will uns 
durch ſeinen guten Geiſt Beiſtand leiſten. 
Joh. 14, 13. 14. Denn wir von uns ſelbſt 
konnen das Ich' den alten Adam in uns 
micht toͤdten. Ohne mich koͤnnet ihr nichts 
thun: ſagt der liebe Heiland Jeſus. Joh. 
15, 5. Aber wenn ihr alles verlaſſet und 
mir nachfolget, Matth. 10, 37. 38. und 
Cap. 16, 24. Marci 8, 34. Luc. 9, 23. 
und 14, 26. und mich uͤber alles in der 
Welt llebet, ſo werde Ich durch meinen gu— 
ten Geiſt Wohnung bei euch machen ewige 
lich. Joh. 14, 23. Wer aber etwas 
mehr liebet dann Mich, der iſt meiner nicht 
werth. Matth. 10, 37. Luc. 14, 26. 

Liebe Wader! Es iſt nun Zeit, daß 
Jeir dem alten Adam in uns, etwas naͤher 
ins Angeſicht ſehen, und ſeine Häßlichkeit 
etwas näher kennen lernen; denn er trägt 
das Bild des Teufels, der alten Schlange 
in ſich. Nom. 6, 28-32. Er hat das 
groͤßte Vergnuͤgen, wenn er alle Reiche 
der Welt, und ihre Herrlichkeit uͤberſchau— 
en, und fie ſich aneignen kan. Matth. 4, 
8. 9. Aber! Wie eckelt es ihn an, wenn 
er alles das was er uͤberſehen hat; die 
Reiche dieſer Welt und ihre Herrlichkeit, 
jetzt verlaſſen ſoll; ſich ausziehen, ja toͤd- 
ten, und den weißen Rock, des Verdienſts 
Jeſu Chriſti, als Gerechtigkeit, Heiligkeit 
und Erkenntniß, Epheſ. 4, 24. Col. 3, 
9. 10. 1. B. Moſe 1, 26. anziehen fell. 

Hier iſt denn wieder des alten Adams 
„Ich, Gott und Jeſus ſammt dem hei— 
ligen guten Geiſt, migen durch alle ihre 
Diener rufen und ſchreien wie ſie wollen, 
fo hat der alte Adam wieder fein „Ich; 
ich will es verſuchen mich zu beſſern, ich 
will umkehren, und gehorſam ſeyn, ich 
will dieſes und jenes thun. O Ich! O 
Selbſtſucht!! Was kannſt du von dir 
ſelbſt thun? Joh. 15, 5. 

Liebe Bruͤder! Das uns felbſt beſſer 
kennen lernen, iſt nicht unſer Werk: der 
Satan hat einmal durch Adam's Fall 1. 
B. Moſ. 3. unſer Herz ſo eingenommen, 
daß wir weder recht ſehen, hoͤren, noch 


Der Evangeliſche 


Beſuch. 


verſtehen konnen. Er hat unſere Augen 
fo verblendet, daß wir das in uns gepſtanz⸗ 
te Schlangen-bild ſogar für ein ſchoͤnes 
Engels-bild anſehen, und der, der ſich dar— 
in verkrochen hat, kann uns glauben ma— 
chen was er will, nur die reine Wahrheit 
nicht; denn er iſt ein Luͤgner, und ein Va— 
ter aller Luͤgner. Joh. 8, 44. 

Liebe Brüder, kast uns Ju Jeſu um— 
kehren, Offenb. 3, 1-3. und Ihm Zerſchlage⸗ 
nen Herzens unſer Elend und unſere Un— 
vermoͤglichkeſt von uns ſelbſt etwas gutes 
zu thun, bekennen; und Ihn gefliſſentlich 
und ohnaufhoͤrlich um die Gnade und der 
Beiſtand des Heiligen Geiſtes bitten, daß 
Er vor uns, den Teufel, die Welt, und be— 
ſonders den alten Adam, das „Ich““ (die 
Selbſtſucht, den Hochmuth in uns) bekam— 
pfen und toͤdten wolle; damit das Ich? 
(der ſuͤndliche Leib in uns) aufhoͤre. Roͤm. 
6, 6. Gal. 5, 24. Epheſ. 4, 22. Offenb. 
3, 1-3. 

Denn mit dem „Ich“ (der Selbſtſucht 
in uns) ſind wir gewiß auf immer und 
ewig verloren. Matth. 18, J. Joh. 3. 
3-5. Tit. 3, 5. Laſſet uns unaufhoͤrlich 
ſeufzen, um den Zug des Vaters, Joh. 6, 
44-65. daß er nicht aufhoͤre, uns zu er— 
mahnen, uns umzukehren, ſonſt werden 
wir im alten Adam mit unſerem Ich 
ſelbſt“ im Glauben, wir ſeyen fiben bekehrt 
Offenb. Joh. 3, 17. zu Grunde gehen. 

Liebe Bruͤder. Jeder Menſch hoͤret zu 
Zeiten (mittelbar oder unmittelbar) dieſen 
Zuruf, dieſe Stimme in ſeinem Innern; 
niemand iſt davon ganz ausgeſchloſſen: 
aber nur zu oft, geben wir zur Antwort: 
gehe hin vor diesmal, wann ich gelegenere 
Zeit ga will ich dich hören. Ap. Geſch. 
24, 25. Luc. 14, 16-24. wie es Paulus 
ergangen iſt. Wer von uns weis aber, ob 
er Morgen dieſe Weckſtimme noch hoͤren 
kan? Kann es uns bei unſerem Lebens— 
wahn nicht gehen wie jenem reichen Mann? 
Luc. 12, 20. Oder wird es uns gehen wie 
Pharaoh? 2. B. Moſ. 7, 3.— 

Ich ſage jetzt noch einmal vor immer: 
Wenn wir nicht umkehren und werden wie 
die Kinder, ſo koͤnnen wir nicht ins Reich 
der Gnade kommen, und noch viel weniger 
ins Reich der Herrlichkeit. Matth. 18, 3. 
Cap. 19, 14. Marei 10, 14. Epheſ. 5, 
3-6, Es ſey denn daß jemand von neue 
em geboren werde, kann er das Reich 
Gottes nicht ſehen. Joh. 3, 3. Tit. 3, 5. 

f wide 


Der ragt d esguch. 


Band 1. 


Die Gemeinde in der Wüſte, 
oder: 

Jeugniſſe von dem Daſeyn einer 
apoſtoliſchen Gemeinde vom Ans 
fang des Evangeliums bis auf un— 
ſere Zeit. 

Die Böhmiſchen Brüder. 


Das Glaubensbekenntniß der Böhmi— 
ſchen Brüder, ſtimmte in den Haupt— 
Artikeln mit dem der Waldenſer uͤber— 
ein, und fo gleicher Weiſe ihre kirchliche Ein— 
richtung und Ordnung, worin die apo— 
ſteliſche Kirche ihnen allezeit als Vorbild 
diente. Beſonders ſtrenge beobachteten ſie 
die Zucht des Evangeliums, welcher alle 
Bruͤder ohne Unterſchied ſich unterwerfen 
mußten. Bei geringeren Fehlern wurde 
die geheime Erinnerung und Beſtrafung 
. welche die Brüder untereinan⸗ 

der beobachteten; bei groͤßeren fand oͤf— 
fentliche Beſtrafung vor der Gemeinde, u. 
in ganz ſchweren Fällen gänzliche Aus— 
ſchließung von der Gemeinde ſtatt. 

Um die Anſichten und Grundſätze die— 
fer neuen Boͤhmiſchen Bruder noch voͤlli— 
ger ins Licht zu ſtellen, fuͤgen wir noch fol— 
gendes Zeugniß aus einer andern Quelle bei. 

„Die Boͤhmiſchen Bruͤder ſind eine 
Seckte chriſtlicher Leute, welche in Boͤh— 
men aufſtanden im Jahr 1467. Sie ſah— 
en den Pabſt mit ſeinen Cardinaͤlen als 
den Antichriſt, und die Roͤmiſche Kirche 
als die Hure an, von welcher in der Offen— 
barunged die Rede iſt. Sie verwarfen die 
Sacramente der Roͤmiſchen Kirche, und 
erwählten Laien zu ihren Predigern. Sie 
hielten die Schrift für ihre einzige Glau— 
bens-Regel, und verwarfen die päbſtlichen 
Ceremonien in der Begehung der Meſſe: 
noch machten ſie Gebrauch von irgend ei— 
nem andern Gebet, als dem Gebet des 
HErrn.— — 

Sie tauften alle diejenige wieder, wel— 
che ſich an ihre Gemeinde anſchloſſen. Sie 
verabſcheuten die Anbetung der Heiligen 
und Bilder, Gebete fuͤr die Verſtorbenen, 
Eheloſigkeit, Geluͤbde und Faſten (durch 
Menſchengebdoͤte verordnet,) und beobach— 
teten keine Feyertage als die des Chriſt— 
tags, der Oſtern und Pfingſten. 


July 1853. 


Nro. 8. 


— me 


— 


In 1503. wurden ſie von den Katholi— 
ſchen bei Koͤnig Ladislaus dem Zwei— 
ten angeklagt, welcher ein Edikt gegen ſie 
ausgehen ließ, und ihnen verbot, weder 
heimliche noch oͤffentliche Verſammlungen 
zu halten. Als Luther ſich gegen die Kir- 
che von Rom erklärte, ſuchten die Boͤhmi— 
ſchen Bruͤder mit ſeinem Anhang Gemein— 
ſchaft. Anfaͤnglich zeigte dieſer Reformator 
großen Widerwillen gegen ſie. Als aber 
die Boͤhmen ihre Deputirten an ihn 
ſandten im Jahr 1535. mit einem aus— 
führlichen Bericht ihrer Lehre, ſo erkannte 
er ſie als eine Geſellſchaft von Chriſten, 
deren, Lehre der Reinheit des Evangelız 
ums am nächſten käme. Dieſe Seckte 
publieirte ein anderes Glaubensbekennt— 
niß in 1535, worin ſie der Wiedertaufe 
entſagten, welche fie anfänglich geübt hat— 
ten, worauf eine Vereinigung geſtiftet wur— 
de mit den Lutheranern, und nach— 
her mit den Zwinglianern, deren Mei— 
nungen ſie von da an fortfuhren zu fol— 
gen.“ 

Aus dieſem erhellet, daß die Boͤhmiſchen 
Bruͤder Baptiſtiſche Grundfäge behaupte— 
ten bis auf das Jahr 1535, in der Peri— 
ode der Reformation des ſechzehnten Jahr— 
hunderts. 

Wäre irgend jemand geneigt dieſes zu 
bezweifeln, der, laſſe ſich erinnern an das, 
was fie ſelbſt bezeugten in ihrer „Recht— 
fertigung des Glaubens, Gottesdienſtes u. 
Gebräuche der Bruͤder in Boͤhmen und 
Maͤhren Anno 1532.“ wo fie ſagen; 


„Es iſt offenbar, daß die Kinder— 
baue von keinem Nutzen, noch nach 

der Einſetzung Chriſti iſt, ſondern 
von dem herſtammt, der ſolche er— 
funden hat nach ſeinem eigenen 
Willen und Gutdünken. Aber Chri— 
ſtus will ſeine Taufe haben nach 
ſeinem Wort zur Vergebung der 
Sünden, worauf er auch Seligkeit 
verheißt, wenn Er ſpricht: „Wer 
da glaubet und getauft, wird der 
wird ſeelig werden.” Siehe Starks 
Geſchichte der Taufe und Taufgefinnten. 
Seite 117. 

Aus dieſen Zeugniſſen, welchen wir noch 
viele andere beifuͤgen koͤnnten, iſt es hin— 

8 


66 


laͤnglich klar, daß die Boͤhmiſchen Brüder 
gegen die Kindertaufe waren, und alle 
die wiederum tauften, welche zu ihrer Ge— 
meinde kamen. Die Frage wie ſie die 
Taufe verrichteten, ob durch Eintauchung, 
oder Begießen, und wenn durch Eintauch— 
ung, ob durch einmalige oder dreimalige 
Eintauchung F ann nicht zwafelh aft ſeyn, 
wenn wir uns erinnern, daß die Boͤhmen 
erſtlich zum Glauben des Evangeliums ge⸗ 
bracht worden waren durch die Predigt von 
Griechiſchen Chriſten, welche allezeit die 
dreimalige Eintauchung für weſent— 
lich hielten zur Taufe; (ſiehe oben) daß 
dreimalige Eintauchung noch allge— 
mein gebräuchlich war ſelbſt in den Roͤmi— 
ſchen een von Boͤhmen, Deutſch— 
land u. ſ. w. bis auf die Zeit der Refor— 
mation, 1 0 wenn wir keine andere 
Zeugniſſe hätten, die Taufſteine in den ale 
ten Kirchen-gebäuden Zeugen wären, wel— 
che meiſtens groß genug ſind, nicht allein 
ganz kleine Kinder einzutauchen, ſondern 
auch ſolche von einem hoheren Alter; und 

daß die Reformatoren, Luther und an⸗ 
dere, ſolche uͤbten, lernen wir aus einem 
Bericht von Pomeranus, einem Freund 
und Mitarbeiter Luthers, den er uns gibt 
von der Weiſe einen Juden zu tauefn, und 
welche wir unſern Leſern mittheilen, 
um ihnen zu zeigen, wie ſelbſt die 
Lutheraner die Taufe verrichteten 
in den Tagen der Reformation. 

Pomeranus 1 : Wenn ein Que 
de bei uns die Taufe Chriſte begehret, ſo 
glauben wir ihm nicht ſo balde. Er muß 
uns etliche Spruͤche aus Moſe und aus 
den Propheten von Chriſto aufſagen, und 
beſonders, was er aus der ee des 
Evangelii Chriſti gelernt habe? Daraus 
185 moͤgen merken, ob es ſein Ernſt ſey ꝛc. 

Dann befehlen wir ihn etlichen Catechiſten, 
die ihn den chriſtlichen Catechismus leh— 
ren.“ 

„Darnach auf einen beſtimmten Tag zur 
Taufe laſſen wir mitten in unſere Kirche 
ſetzen einen Braukübel mit Waſſer, fo voll 

daß ein Manch koͤnne darin ſitzen auf den 
Knien, und das Waſſer ihn bedecket bis an 
die Schultern. Solcher Kuͤbel ſoll um 
und um und daroben behangen werden 
mit Tuͤchern, doch alſo, daß auch fuͤr dem 
Kübel mit denſelbigen Tuͤchern werde ein 
Raum eingenommen, da ſich der Jude ver— 
decket, auszieht zur Taufe, und wieder an— 
ziehet nach der Taufe. Darum werden 


Der Evangeliſche Beſuch. 


die Tuͤcher an allen Seiten alſo umhangen, 
daß man ſie kan aufwerfen, wenn der Jude 
im Waſſer auf den Knieen ſitzet, und wie— 
der niederziehen, wenn er getauft iſt. 

„Zur rechten Zeit bringet der Pfarrherr 
oder Prediger den Juden, van ſtellet ihn 
mitten in die Kirche fuͤr allen Leuten, und 
fraget ihn offenbarlich: Jude, wie willt 
du gerne heiſſen? Er antwortet: Johan— 
nes oder N. Der Prediger ſaget: Johan— 
. ſollt du heiſſen. Johannes, ſage her 

die zehn Gebote Gottes aus Moſe. Da 
hebet er alſo an: die zehn Gebote Gottes 
find, das erſte ꝛc. Darnach ſpricht der Pre- 
diger: Johannes, dieweil du willt getau— 
fet ſeyn mit der Taufe Chriſti, ſo bekenne 
deinen Glauben für der ganzen Gemeinde, 
Er antwortet: Ich glaube an Gott den 
Vater, Allmächtigen Schoͤpfer ꝛc. Weiter 
ſpricht der Prediger: Johannes, willt du 
auf den Glauben, den du jetzt bekennet 
haft, getauft ſeyn? 2— Er antwortet: Ja, 
von Herzen gerne.“ 


„Bald gehet der Jude hinter den Fürs 
hang zu dem Kuͤbel, und weil er das 
Wammes und Hoſen daheim gelaſſen hat, 
ſo zeucht er da die Schuhe aus, wirft den 
Rock ab, ſteiget ins Waſſer, und wirft das 
Hemd zum Rock, und a ſich bald ins 
Waſſer auf die Knie. Dann wirft man 
aufd den Umhang, daß Jedermann offentlich 
koͤnne zuſehen und zuhoͤren.“ 


(Wie es kam, daß man die Taͤuflinge 
nackend taufen zu muͤſſen glaubte, gegen 
alle Gefuͤhle der Ehrbarkeit und Scham— 
haftigkeit, und ohne einen Schatten von 
Autoritaͤt in der Schrift, iſt nur dadurch 
zu erklaren, daß nachdem einmal die Kine 
dertaufe un und mehr eingeriſſen war, 
wo man das Nackend-Taufen am bequem— 
ſten fand, man dieſes auch bei Erwachſe— 
nen zu thun anſieng, um dadurch die Kin— 
dertaufe mehr und mehr allgemein zu ma— 
chen.) 

„Da faſſet der Taͤufer mit der rechten 
Hand Johannes bei dem Kopf, und ſpricht 
laut: Und ich taufe dich im Namen 
des Vaters, (hier drücket er ihm den 
Kopf ins Waſſer, und zeucht ihn bald wie— 
der herfuͤr;) und des Sohnes, (hier 
druͤcket er ihn ins Waſſer zum andernmal 
wie zuvor;) und des heiligen Geis 
ſte s, (hier druͤcket er ihn ins Waſſer zum 
drittenmal wie vorhin 3)—der getaufte Jo— 
hannes ſpricht: Amen.” 


Der Evangeliſche Beſuch. 67 


„Bald zeucht man den Umhang wieder 
zu, daß man nicht darein ſehen kann, und 
der Getaufte ſteigt aus dem Waſſer, zeucht 
fib an, kommt herfür, und ſtehet wieder 
mitten in der Kirche, wie zuvor. Er hebet 
aber ſeine Augen und Haͤnde in den Him— 
mel, und ſpricht mit lauter Stimme 
langſam und deutlich: Das walte 
Gott der Vater, und der Sohn, 
und der heilige Geiſt, Amen. 

Damit fällt er auf ſeine Knie, und betet 
öffentlich: Vater unſerſꝛc. Amen. 
1 05 leget der Prieſter ſeine Hand auf 

5 Getauften Haupt, und ſpricht das letz⸗ 
te Gebet über ihn, aus unſerem Taufbüch⸗ 
lein: Der All mächtige Gott und 
Vater ꝛc. Amen. Des naͤchſten Sonn— 
tags darnach gehet der getaufte Jude voran, 
mit den andern Chriſten, zum Nachtmahl 
unſers HErrn Jeſu Chriſti.“ 

So weit Pome ranus in Lutheri 
Schriften Tom. 12. Wittenberg 1603. fol. 
196. u. folgend. 

Wenn ſolche richtige Anſichten von der 
Taufe Chriſti noch herrſchend waren 
bei den Sächſiſchen Reformatoren, wie dies 
ſe einfache Erzaͤhlung beweißt, und viel aus- 
führlicher bewieſen werden koͤnnte durch 
eine Wolke von Zeugniſſen aus ihren eige— 
nen Schriften, obſchon ſie Nachkommen 
waren jener alten Sachſen, welche ges 
n oder durch Soldaten getrieben 
wurden auf Befehl des Noͤmiſch-Catholi— 
ſchen Kaiſers, Chriſten zu werden, und ſich 

taufen zu laſſen; z—wie viel mehr Grund iſt 
vorhanden zu glauben, daß die Boh mi— 
ſchen Brüder die nämlichen richtigen 
Anſichten behaupteten u. uͤbten, die ſie, fo 
zu ſagen, von ihren Voreltern geerbt hatten, 
weiche wie oben erzaͤhlt, zum Chriſtenthum 
bekehrt wurden durch die einfache Predigt 
des Evangeliums, vermittelſt zweier Grie— 
chiſchen Chriſten. 

Wir koͤnnen uns nicht enthalten, hier 
unſern herzlichſten Dank gegen unſere alte 
Lutheriſche Brüder dafuͤr auszudruͤ— 
cken, daß ſie eine ſolche deutliche, unmiß— 
greifliche Beſchreibung der Taufe Chri— 
ſti, wie ſie fie ſelbſt, und wir mit ihnen 
nennen, aufgezeichnet und aufbehalten ha⸗ 
ben. Zur nemlichen Zeit koͤnnen wir es nur 
beklagen, daß ihre Kinder heutiges Tages 
ſo weit in die Irre gegangen ſind, als zu— 
weilen lächerlich zu machen, was ihre Vä— 
ter nicht allein nannten, ſondern auch be— 
obachteten, als die Taufe Chriſti. 


Zum Schluſſe dieſer Bemerkungen muͤſ— 
fen wir einen Umſtand anführen, der fich 
zutrug, während wir das Obige aus dem 
deutſchen Original-Werk abſchrieben, und 
ins Engliſche überſetzten, (für den Goſpel— 
Viſiter.) Ein deutſcher Mann, auch ein 
Lutheraner, der für uns arbeitete, und zu 
Zeiten zu uns auf die Stube kam, nahm 
als ein Liebhaber vom Leſen zuweilen ein 
Buch zur Hand während der Ruheſtunde. 
Eines Tages ergriff er zufällig das Buch, 
aus dem der obige Artikel genommen iſt, 
und fiel gerade auf dieſen nemlichen Arti— 
kel. Er las ihn aufmerkſam, und als er 
damit W we 8 er: „Gewißlich— 
wenn d ſti i je di 
Vater N 8 Kirche bezeugen, ſo 
iſt es die unſere nicht, d. h. nicht Chriſti 
Taufe.“ Und nach einigen weitern Aeu— 
ßerungen, deren wir uns nicht genau erin— 
nern, beſchloß er mit den Worten: „War— 
um ſollten wir nicht getauft werden mit 
der nemlichen Taufe Chriſti, wie dieſer Ju— 
de wurde?“ Wir wollen nur fagen, was 
wir damals innerlich ſeufzten: Moͤchte 
der Geiſt Gottes dieſe leberzeugung nicht 
allein in ihm, ſondern in vielen andern 
feines Namens erhalten, die dieſes leſen.“ 

(Fortſetzung folgt.) 


Etwas 
vom erſten Anfang und Fortgang 
der Brüderſchaft der deutſchen 

Täufer. 
Mitgetheilt für den evangeliſchen Beſuch 

von Theophilus. 

Es hat dem guten Gott gefallen, beim Ein— 
gang des vorigen Jahrhunderts, da man 
begann zu ſchreiben Sieb zehnhundert. 
nach Chriſti Geburt, viele ſeiner Men— 
ſchenkinder zu erwecken, die hin und her 
Privat⸗Verſammlungen hielten nebſt dem 
gemeinen Kirchenweſen; bis der geiſtliche 
Prieſterneid die Herzen der Obrigkeit era 
bitterte und hin und wieder Verfolgungen 
entſtanden. Nemlich in der Schweiz, 
in dem Würtenbergerland, in der 
TChur-Pfalz, im Heſſenland, und 
mehreren andern Orten. 


* 
68 


Dieſen verfolgten Exulanten zeigte 
nun der Herr einen Zufluchtsort, oder ein 
kleines Pella, in dem Witgenſteiner— 
land, wo dazumahl ein gelinder Graf u. et— 
liche erweckte Graͤfinnen wohnten; da wur— 
de Gewiſſensfreiheit gegeben zu Schwar— 
zenau, ohngefehr eine Stunde von ber: 
lenburg, daher obwohl das Witgen— 
ſteiner Land ein armes und rauhes 
Land iſt, ſo kamen doch viele und mancher— 
lei Menſchen in Schwarzenau zuſam— 
men, und wurde gar bald der ſonſt wenig 
geachtete Ort in eine ganz andere Geſtalt 
verändert, ſo daß es in wenig Jahren ein 
weit und breit berufener Ort wurde. 

Die aber aus der Verfolgung daſelbſt 
zuſammen kamen, ob fie wohl in mancher— 
lei Meinungen unterſchieden und auch in 
Sitten und Gebräuchen unterſchiedlich wa— 
ren, ſo wurden ſie doch zuerſt alle Pie— 
tiſten genannt; ſie ſelbſt nannten 
ſich aber untereinander Brüder, 

Da fanden ſich einige kräftig angezogen 
die Spuren der erſten Chriſten wieder auf— 
zuſuchen und ſehnten ſich herzlich die befoh— 
lene Zeugniſſe Jeſu Chriſti nach ihrem 
rechten Verſtand u. Werth im Glauben zu 
ergreifen. So ward es ihnen dann auch 
zu gleicher Zeit, und mit tiefem Nachdruck 
aufgeſchloſſen, wie nothwendig der Ge— 
horſam des Glaubens iſt für eine Seele, 
die da ſelig werden will. 

Solcher Aufſchluß brachte ſie dann 
auch zugleich an das Geheimniß der Waſ— 
ſertaufe, welche ihnen vorſtünde als ei— 
ne Thüre in die Gemeinde, nach welcher 
ſie ſich ſo herzlich ſehnten. — Von der Tau— 
fe aber wurde unter den Pietiſten 
damals ſehr unterſchiedlich geredet, welches 
zwar manchesmal den Wahrheitslieben— 
den Seelen wehe that. 

So gieng es bis im Jahr 1708. Da has 
ben ſich dann 8. Perſonen mit einander 
verbunden, einen Bund eines guten Gewifz 
ſens mit Gott aufzurichten und alle Befeh— 
le Jeſu Chriſti als ein ſanftes Joch aufs 


Der Evangeliſche Beſuch. 


zunehmen, und alſo dem Herrn Jeſu, ih- 
rem guten und getreuen Hirten, in Liebe 
und Leid als treue Schaͤflein nachzufolgen, 
bis zu einem ſeeligen Ende. 

Dieſe 8. Perſonen waren nemlich: fünf 
Bruͤder und drei Schweſtern. Die Namen 
der Bruͤder waren wie folgt: der erſte war 
Georg Grebi von Heſſencaſſel, der 
zweite Lukas Vetter auch vom Seſſen— 
land; der dritte war Alexander Mack 
aus der Pfalz von Schrießheim zwi— 
ſchen Manheim und Heidelberg, der vierte 
war Andreas Bonp von Baſel aus der 
Schweiz, der fünfte Johannes Rips 
ping von Borreit aus dem Wuͤrten— 
bergerland; und die Schweſtern waren 
Johanna Nöͤthigerin oder Bony— 
fin, Anns Wargaretha Mackin, u. 
Johanna Rippingin. 

Dieſe S. Perſonen verbunden ſich als 
Brüder und Schweſtern zu einer Chriſt— 
gläubigen Gemeinde. Und als ſie in be— 
währten Hiſtorien fanden, daß die Chris 
ſten in den erſten Jahrhunderten ſich nach 
dem Befehl Chriſti durch ein, dreimaliges 
Eintauchen in das Waſſerbad der heiligen 
Taufe haben einpflanzen laſſen in den 
Kreuzestod Zefa Chriſti z—ſo forſcheten 
fie ſodann fleißig in dem Neuen Teſtament 
nach, und fanden Alles vollkommen damit 
uͤbereintreffend. 

Daher bekamen ſie ein ſehnliches Ver— 
langen durch dieſes von Chriſto ſelbſt ge— 
übte u. von Ihm befohlene Mittel, nach ſei— 
nem fo heilſamen Rath zur Erfüllung 
aller Gerechtigkeit auch hierin gefoͤrdert zu 
werden, und begehrten deswegen von dem, 
der das Wort fuͤhrte, nach dem Exempel 
der erſten und beſten Chriſten auf ihren 
Glauben eingetauchet zu werden. 

Weil er aber ſich ſelbſt als einen unge— 
tauften anſahe, ſo begehrte er zuerſt von 
ihnen getauft zu werden, ehe er einen an— 
dern taufen ſollte. —In ſolchem Vertrauen 
dann auf Gottes theure und gewiſſe Ver— 
heiſſung, daß wo zwei oder drei in feinem 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Namen verſammelt waͤren, er mitten un— 
ter ihnen und bei ihnen ſeyn wollte, loo— 
ſeten fe bei Faſten und Beten, welcher 
von den vier Bruͤdern den Bruder taufen 
ſollte— 

Sie gaben aber untereinander ihr Wort 
von ſich, daß es Niemand verrathen ſollte, 
welcher der erſte Täufer unter ihnen gewe— 
ſen, damit Niemand Urſache nehmen moͤch— 
te, ſie irgend nach einem Menſchen zu nen— 
nen, weil fie ſolche Thorheit ſchen von 
Paulo an den CTerinthern beſtraft fanden. 


Als ſie nun dazu bereit waren, ſo gieng— 
en ſie des Morgens in der Einſamkeit ſelbe 
achte hinaus an das Waſſer, genannt die 
„Aeder,“ und der Bruder, auf den das 
Loos gefallen war, taufte zuerſt den Bru— 
der, und als er getauft war, taufte er den, 
der ihn getauft hatte, und die ubrigen 3. 
Bruͤder und 3. Schweſtern, und ſo wur— 
den ſie alle 8. getauft in der fruͤhen Mor— 
genſtunde. 

Nachdem ſie aber aus dem Waſſer her— 
aufgeſtiegen waren, u. ſich wieder angeklei— 
det hatten, ſo wurden ſie auch inwendig mit 
großer Freudigkeit angezogen: Dieſes iſt 
geſchehen in dem oben gemeldeten Jahr 
1708, von dem Monat oder von dem Ta— 
ge des Monats oder Woche haben ſie uns 
keine Nachricht hinterlaͤſſen. 


Nach dieſem wurden die obgemeldeten 
acht Perſonen in dem einmal angetretenen 
Gehorſam des Glaubens, mehr und mehr 
kräftiglich geſtaͤrket, auch oͤffentlich in den 
Verſammlungen von der Wahrheit zu zeu— 
gen, wozu ihnen der HErr ſeine Gnade ſon— 
derlich mittheilte, daß Ihrer bald mehr 
dem Glauben unterthaͤnig wurden, alſo 
daß in Zeit von ſieben Jahren, naͤmlich 
bis in das Jahr 1715. nicht allein in 
Schwarzenau eine große Gemeinde 
wurde, ſondern auch hin und wieder in der 
Pfalz fanden ſich Liebhaber, und ſonder— 
lich zu Marienborn ſammelte ſich auch 
eine bedeutende Gemeinde. 


69 


Denn als ſich in der Pfalz eine Gemein— 
de ſammlen wollte, ſo wurden ſie verfolgt, 
und kamen nach Marienborn; und als 
die Gemeinde daſelbſt ſehr groß wurde, ſo 
wurden ſie da auch verfolgt, und ſammel— 
ten ſich dann zu Creyfeld unter dem Kor 
nig von Preußen. Da fanden ſie Freiheit. 


Es hat aber der Herr in denen ſieben 
Jahren auch hin und wieder Mitarbeiter 
erwecket und in feine Ernte ausgeſtoßen, 
unter welchen waren Johann Zeinrich 
Relklöfer von Frankenthal, Chriſtian 
Liebe und Abraham Duboy von Ep— 
ſtein, Johannes Naas und mehr ande— 
re von Norden, Peter Becker von Diels— 
heim, uns zu dieſen geſellten ſich auch Jo— 
hann Heinrich Traut und feine Bruͤ— 
der, wie auch Heinrich Holzapfel und 
Stephan Koch ſammt vielen andern. 


Die meiſten von dieſen kamen inner— 
halb dieſen ſieben Jahren nach Creyfeld: 
Johann Heinrich Kaͤlkloͤſer, aber und Abra— 
ham Duboy kamen nach Schwarzenau. 
Dahin kam auch noch Georg Bolſer-ganz 
von Umſtadt und Michael Eckerling von: 
Straßburg. — 


Wie ſie aber auf der einen Seite Gna— 
de hatten bei Gott und den Menſchen, ſo 
fanden ſich auch auf der andern Seite 
Feinde der Wahrheit, und entſtunden hin 
und wieder heftige Verfolgungen um des 
Worts willen. Da denn einige zwar 
den Raub ihrer Guͤter mit Freuden er— 
dulteten; andere aber mußten auch Ban— 
de und Gefaͤngniße erdulten. 


Einige zwar haben nur einige Wochen, 
andere aber auch unterſchiedliche Jahre in 
den Gefängniſſen zugebracht. Chriſtian 
Liebe hat etliche Jahre auf der Galeere 
angeſchloſſen unter den Uebelthätern muͤſ— 
ſen am Ruder ziehen. Doch ſind ſie alle 
durch Gottes ſonderbare Fuͤgung mit gu— 
tem Gewiſſen wieder loß worden, und wur— 
den durch die Verfolgungen, Armuth, 


70 


Truͤbſal und Gefaͤngniſſe, womit fie gez 
druͤcket wurden, nur deſto freudiger, u. 
ſ. w. 

N. B. Obiges iſt zum Theil aus etli— 
chen Papieren, welche von Alexander Mack 
und Peter Becker hinterlaſſen wurden, ges 
zogen. —Zum Theil iſt auch hie und da 
etwas von dem mit eingezogen was unter 
den Alten erzählt iſt worden von denen, 
die da Augenzeugen waren, welches münd— 
lich bewahrt iſt blieben zur Aufmunterung 
und Troſt der Nachkoͤmmlinge. 

Fernere Fortſetzung. Die erſte Ankunft 
von Brüdern in Amerika war im Herbſt 
von 1719. Damals kamen ungefehr 20. 
Familien in Philadelphia an: zer 
ſtreueten ſich aber bald, einige nach Ger⸗ 
mantaun, Skippack, Oley, Con⸗ 
eſtoga und ſonſt wo. Dieſe Zerſtreu— 
ung verhindertezſie, ſich oͤffentlich zu vers 
ſammlen; daher geriethen ſie auch bald 
in Lauigkeit bis im Jahr 1722. 

Da machten ſich die Brüder Gomery, 
Becker, Gantz, und die Trauts auf, 
um die zerſtreute Brüder zu beſuchen, wel⸗ 
ches den geſegneten Erfolg hatte, ſie uͤber— 
all zu erregen und zu verneuertem Ernſte 
aufzumuntern, inſofern daß fie ſich in Ge⸗ 
ſellſchaften bildeten zur offentlichen Gottes— 
verehrung, wo auc nur etliche Familien. 
ſich befanden. 

Im Jahr 1729. aber kamen noch 30. 
Familien ihrer verfolgten Mitbruͤder hier 
an, welches erquickte die Herzen der lie— 
brigen und hielt ſie zu immer noch groͤßerer 
Tapferkeit an, in ſo weit daß ſie ſich ſehr 
vemehrten, wuchſen und nahmen über 
hand, uͤberall weit und breit im Lande 
umher, bis daß aus dem kleinen Tauſend 
wurden und aus dem geringen Haufen 
ein maͤchtiges Volk. Nach Jeſaias 60, 
22. „Ja Ich der Here will ſolches zu 
feiner Zeit eilend aufrichten.“ 

Obige waren urſpruͤnglich alle Glieder 
von der einen Gemeinde, die in Schwar— 
zenau 1708. entſtand, allwo Alexander 
Mack ihr Vorſteher war, und fi bald 


Der Evangeliſche Beſuch. 


ausbreitete bis nach Marienbern, Epftein, 
u. ſ. w. wo ſie Johann Naas und Ehr. 
ſtian Liebe als Vorgeſetzte oder 
hatten. 

Verfolgung vertrieb ſie aber bald, einige 
nach Holland, uad einige nach Crey⸗ 


Lehrer 


feld; die Mutterkirche aber wich von 
Schwarzenau nach Seruſtervin in 


Friesland, und von da machten ſö: 
ſich dann nach Amerika im obgenannten 
Jahre 1729. 

Die von Creyfeld und Holland machten 
dann ihre Reiſe auch mit nach dem ſegens— 
vollen Amerika, wo ſie, Gott ſeys ge— 
dankt! bis daher als wie unter ihren ei, ® 
nen Feigenbaͤumen u. Weinſtoͤcken ungehln— 
dert ihrem Gott und Schoͤpfer dienen konn— 
ten nach dem Laut ihres eigenen Gewiſſens. 
O hilf uns dann, getreuer Vater! die 
Thore weit und die Thuͤren in der Welt 
hoch zu machen, daß der Koͤnig der Ehren. 
einziehen und in ſeiner majeſtätiſchen 
Pracht herrlich unter uns wohne. 200 men. 
Was Jeremias Felbinger ſchon vor 

zweihundert Jahren bezeuget. 

Bon der heiligen Taufe 

Taufen und eintauchen iſt einerich 
alſd auch die Taufe und Eintauchung. 
Taufen hat den Namen von tief oder tiefen, 
daher kommt das zuſammen geſetzte Werk— 
wort vertiefen. Denn wenn man jeman⸗ 
den recht taufen will, fa muß man ihn in 
die Tiefe des Waſſers hinabſtoßen, alſs 
daß das Waſſer über ihm zuſammen ſchla⸗ 
ge. In den Griechiſchen Büchern des 
neuen Bundes ſtehet das Wort baptizein, 
welches auf lateiniſch heißt znergere, auf 
deutſch aber eintanchen: daher Femme 
baplisma und htp h,¹ανs eine Eintauch⸗ 
ung, baptistes ein Eintau⸗ ber. 

Und das Eintauchen oder Taufen kann 
von vielen Dingen geſaget werden, nicht 
allein von Menſchen, als wenn der Str 
Jeſus beſiehlt, daß feine Apoſtel ſollten 
die Voͤlker eintauchen, Matth. 28, 19. ſon⸗ 
dern auch von einem einigen Gliede des, 
menſchlichen Leibes, als von Händen, Fe 
ßen, vom N und fe fortan: imgleiz 
chen von unlebhaften Dingen, von Bech— 


Der Evangeliſche Beſuch. 7 


* 


ern, Krügen ehernen Gefäſſen, Bettſtärten, 
und dergleichen Art zu reden wir finden 
Mars 7, 4. da alſo ſtehet: „Und wenn 
fie (nemlich die Juden) vom Markte kom— 
inen, wenn ſie nicht eingetauchet haben, 
(verſtehet die Hände, wie aus dem nächſt 
verhergehenden dritten Verſe klaͤrlich zu ſe⸗ 
hen iſt,) ſo eſſen ſie nicht; viel andere Din— 
ge Find, welche ſie haben angenommen zu d 
halten, als die Eintauchung der Becher, 
und Krüge und ehernen Gefäße, und Bette 
ionrten, 

Dieſer V insgemeim alſe ver— 
ſtanden, daß die Juden, wenn fie vom 
Markte lommen, nichts eſſen, ie waſchen 
ſich denn; und daß fie den Gebrauch ha— 
ben, ihre Trinkgefäße und Krüge, und eher— 
me Gefaͤße und Tiſche zu waſchen. 

Aber Marc 7, 4. ſtehet nicht, daß ſich 
die Juden waſchen, ſendern, «%, me bap- 
ldi, wein fie nicht eingetaucht haben, 
auch ſtehet hie nicht, was ſie e 
ſondern der naͤchſtvorhergehende dritte Vers 
zeigt an was ſie eintauchen, ehe ſie eſſen, 
nemlich die . welche ſie vor dem Eſ— 
gen pflegten mit der Fauſt zu waſchen. 
So ſtehet nun zwar im deitten Vers, daß ſie 
die Hände waſchen, aber im vierten daß 
gie eintauchen, verſtehet die Haͤnde. 

Und wenn denn ja eintauchen ſo viel 
Tote heiſſen als waſchen, (welches doch, d 
wie allen halb erwachſenen Kindern bekannt 
iſt, unterſchiedliche Dinge find,) ſo muß 
doch hie nothwendig ein ſolch Waſchen 
verſtauden werden, welches mit eintauchen 
geſchietet: wie man weiß, daß die Haͤnde 
ins Waſſer geſteckt, uud ganz und gar 
feuchte gemacht, und alſo nach geſchehener 
Eintanchung mit der Fauſt gewaſchen werz 
den: wurde aber jemand nur die Finger 
vorne eintauchen, von demſelbigem kann 
man mit Wahrheit nicht ſagen, daß er die 
Hände ganz, ſondern nur das foͤrderſte der 
Finger eingetaucht habe, dergleichen Art 
zu reden gefunden wird, Luc. 16, 24.1 

Ferner, daß zwiſchen eintauchen und 
waſchen Unterſchied ſey, iſt auch daher 
offenbar, weil eine Taufe, das iſt eine Ein— 
tauchung, gar wohl geſchehen kann, ob 
gleich keine Abwaſchung dabey geſchiehet: 
ſolches zeiget Petrus wenn er ſchreibet 1. 
Pet. 3, 21. daß die heilige Eintauchung 
nicht eingeſetzt ſey zur Abwaſchung und 
Ablegung des Unflaths am Fleiſche: dieſe 
kann wohl zur andern Zeit, und vor der 
heiligen Eintauchung geſchehen. 


ers wird 


1 


Darnach ſage mir einer, ob nicht auch 
die Deutſchen und Holländer und andere 
Voͤlker ihre Trinkgeſchirre, Gefäße und 
Tiſche waſchen? Iſt dem alfe: wie ihm 
freilich alſo iſt: denn kein Volk iſt ſo 
ſchlaudericht, das 99 Trinkgeſchirre und 
Speiſegefäße und Tiſche nicht reinige und 
waſche: mit was Schein darf man denn 
dem Evangeliſten Marco andichten, daß 
er dieſes Waſchen von den Juden derge— 
ſtalt ſolle geſagt haben, gleichſam wäre es 
nur bei ihnen allein gebräuchlich; ſo muß 
demnach Marcus kein Waſchen der Trink— 
geſchirre ꝛc. allhie verſtehen, welches fo 
wohl bei allen andern Völkern als bei den 
Juden gebräuchlich iſt: ſondern er will fo 
viel ſagen, daß die Juden ihre Becher, und 
Krüge, und Keſſel und Bettſtaͤtten (alſo 
ſtehet im Griechiſchen Teſtamente) nicht ges 
brauchen, ob fie gleich gewaſchen wären, 
es ſey denn daß ſie dieſelbigen zuvor ins 
Waſſer eingetaucht haben, und dieſes (wie 
auch das Eintauchen und Waſchen der 
Haͤnde ver dem Eſſen) haben ſie nach der 
Ulebergebung der Aeltern gethan, und zwar 
unter dem Schein eines ſonderbaren Got- 
tesdienſtes, wie zu ſehen iſt aus Marc. 
3-8. Matth. 15, 2-9. 

Aber aus ſolchen und dergleichen Dinge 
en machen andere Völker keine Gottes— 
dienſte: fee gehen wohl nach Gelegenheit 
der Zeit und des Orts zur Tafel mit unge- 
waſchenen Händen, ſie eſſen und trinken 
auch wohl aus gewafihenen Gefaͤſſen, und 
ſchlafen in gewaſchenen Spannbetten, ob 
dieſelbigen gleich nicht nach dem Waſchen 
in das Waſſer eingetaucht ſind. Hierin. 
beſtehet dieſes Theils der Unterſchied zwi— 
ſchen den Juden und andern Voͤlkern. 

Gleichwie aber ein merklicher Unter— 
ſchied iſt zwiſchen Eintauchen und Waſch— 
en, alſo iſt noch viel ein groͤßerer Unter— 
ſchied Duden Eintauchen und Beſpreng⸗ 
en. Das? Beſprengen kann mit etlichen 
l Troͤpſtein geſchehen, aber willt 
du etwas großes eintauchen, zum Krempel 
einen erwachfenen Menſchen, ſo muſt du 
viel und tief Waſſer dazu haben: darum 
meldet die heilige Schrift, daß Johannes 
der Eintaucher geweſen ſey und eingetaucht 
habe zu Enon, nahe bei Salim, dieweil 
viel Waſſer daſelbſt war. Joh. 3, 23 
Merket, der Evangeliſt meldet von 
vielen Waſſern, in der mehrfaͤltigen 
Zahl: hätte er ſollen, beſprengen ein wenig 
am Vorhaupte, fo waͤre ihm dieſer waſſer— 


77 


4 


72 


reiche Wohnplatz und die vielen Waſſer 
unnorhig geweſen. 

Dieſer Erinnerung beduͤrfte es nicht, 
wenn nur die Chriſten in Bedienung der 
Taufe nebſt dem Worte Gottes die geſun— 


de Vernunft wollten zu Rathe nehmen, 
denn obwohl der Unterſchied zwiſchen Tau- 


fen und Eintauchen und zwiſchen Beſpren⸗ 
gen allen vernuͤnftigen Menſchen bekannt 
iſt, eder zum wenigſten bekannt ſeyn kann, 
ſo beſindet ſich doch, daß hie und da eines 
fuͤr das andere, nemlich das Beſprengen 
für das Eintauchen und zwar ohne dring⸗ 
ende hohe Noth gebraucht wird. 

Wem Wottes und Chriſti Ehre, und ſei— 
ne ſelbſt eigene Seligkeit zu Herzen gohet, 
der unterſuche mit mir in der Furcht Got— 
tes ſein Chriſtenthum, ſeinen Glauben, und 
inſonderheit auch ſeine Taufe, ob ſie mit 
der Einſetzung Chriſti übereinkomme; fin— 
det er ſich auf dem Irrwege, welchen ihm 
das heilige Evangelium, im Fall er dem⸗ 
ſelbigen nur glauben will, bald zeigen wird, 
ſo gebe er Gott die Ehre, und kehre bey 
Zeiten um, und folge nach ſeinem Selig⸗ 
macher Chriſto, nicht allein in denen Stüͤ⸗ 
cken, die hoch und vollkommen ſcheinen, 
ſondern auch in denen, die geringe und 
unanſehnlich zu ſeyn ſcheinen. 


Niemand kann zum Ende kommen, ohne 
den Anfang; und der Meter, welcher 
uns die Chriſtliche Vollkommenheit anbe⸗ 
fohlen hat, eben derſelbige hat uns auch 
die erſten Anfänge unſers Bekennt⸗ 
nißes zu halten befohlen. Heb. 6, 1. 2. 
Matth. 5, 48. und 28, 19. 20. Marc. 16, 
15. 16. Will aber Jemand die erſten 
Anfänge als geringſchätzige vorbeigehen 
u. ſchlechterdinge nach der Vollkommenheit 
(wie er meint) trachten, der ſehe zu, daß 
er in feinem Dunkel nicht betrogen werde: 
denn der im geringſten treu iſt, iſt auch in 
vielem getreu, und der im geringſten unge— 
recht iſt, iſt auch in vielem ungerecht, bezeu— 
get Chriſtus ſelbſt, Luc. 16, 10. 


Darum indem wir nunmehr von dem 
Eintauchen reden wollen, fo mag ein jeder 
wiſſen, daß wir hie kein Gauckelſpiel trei⸗ 
ten werden, wie etliche heutiges Tages das 
Eintauchen für ein unnoͤthig Dͤng und gar 
fiir eine lächerliche Thorheit halten, da ſie 
doch billig erwägen ſollten, daß dieſe heilige 

Ceremonie ihren Urſprung von Gott ſelbſt 
Mr habe, und von unſerem Meiſter und 


Der Evangeliſch Beſuch. 


Herrn Jeſu Chriſto ſelbſt eingeſetzt ſey, 
auch ohne Ausrufung und glaubige Anz 
nehmung des gnadenreichen Evangelii 
nicht konne bedienet nech wuͤrdiglich em= 
pfangem werden. 

Johannes der Eintaucher, der Vorlaͤu— 
fer des Herrn Jeſu, iſt von Gott geſandt, 
daß er ſollte eintauchen ius Waſſer, Joh. 
1, 33. und er war die rufende Stimme in. 
der Wuͤſten, davon Gott lange zuvor 
durch den Propheten Jeſaias ſeinem Volk 
verfündiget hatte. Matth. 3, 3. Jeſa. 
40. 3. welches auch der Herr IEſus be- 
zeuget, Luc. 7, 27. und aus Matth. 21, 
25. Marc. 11, 30. Luc. 20, 4. erſchei⸗ 
net klaͤrlich, daß die Eintauchung Johan⸗ 
nis aus dem Himmel ſey. Gleichwohl 
ſollte es bei der Eintauchung Johannis 
nicht verbleiben; denn hinter ihm her kam 
ein Etärferer, der ihm zuvor kommen iſt, 
denn er war vortreflicher als Johannes, und 
dieſer iſt Chriſtus, der Sohn Gottes, 
der im heiligen Geiſte eingauchet. Marc. 
3, 11. Joh. 1, 26-34. Chriſtus mußte 
wachſen, Johannes aber vermindert wer— 
den. Jah. 1, 30. 


Derowegen indem Johannes mit mehliz 
chen feinen Lauf vollendete, und als eine 
brennende Kerze begonnte abzunehmen, da 
begonnte der Herr Jeſus erſt recht zu wach- 
ſen, denn alle kamen zu ihm, ſeine Lehre 
zu hören, und ließen ſich eintauchen, alſo⸗ 
daß er mehr Lehr-Juͤnger machte und ihrer 
mehr eintauchte als Johannes: wiewohl 
Jeſus nicht ſelbſt eintauchte, ſondern feine 
Lehr-Juͤnger, aber mit feinem Wiſſen und 
Wilten; denn anders koͤnnte dieſe Eintauch— 
ung dem Herrn Jeſu nicht zugeſchrieben 
werden. Joh. 3, 22-26. Joh. 4, 1. 2. 
Und dieſe Eintauchung iſt zur ſelbigen Zeit 
nur den gläubigen Iſraeliten gereicht wor⸗ 
den, wie erſcheinet aus Matth. 15, 24. 
Joh. 3, 22. und 4, 1. 2. und aus allen 
Umſtaͤnden der Lehre Chriſti vor ſeinem 
Leiden und Tode. N 

Fortſetzung folgt. 


Wie ſehr oft geben wir unſere Ver— 
nunft den Leidenſchaften gefangen! Mer 


aber will ſie dem Glauben gefangen ge⸗ 
ben? * 

Auf Welt paßt: Geld, auf Teufel: 
Zweifel. 


Wer Evangelische besuch. 


Band 1. 


Auguſt u. September 1853. 


Yro. 9. 


Die Gemeinde in der Wüſte, 

een: 

Jeugniſſe von dem Daſeyn einer 
apoſtoliſchen Gemeinde vom An— 
fang des Evangeliums bis auf un— 
ſere Zeit. Fortgeſetzt. 

Wir haben nun die Spuren der wahren 
Kirche Chriſti, abgeſondert und unterſchie— 
den von der abgefallenen Kirche, aufge 
ſucht bis auf die Zeit der Reformation im 
ſechzehnten Jahrhundert. Wir haben ge— 
ſehen, wie ſelbſt die Reformatoren, obſchon 
nur eben ausgegangen von Babylon, wie 
ſie ſelbſt bekannten, ſo weit erleuchtet wa— 
ren als anzuerkennen, daß die dreima— 
lige Eintauchung einer glaubigen 
Perſon die chriſtliche Taufe wäre. 
Die Frage moͤchte nun entſtehen; Warum 
die Reformatoren nicht voͤllig zur Uebung 
dieſes Grundſatzes kommen konnten? 
Warum ſie fortführen, die Kindertaufe zu 
üben — Und warum fie und ihre Nach— 
kommen bis auf dieſen Tag die Kinder— 
taufe, das iſt: Eintauchung, ver— 
tauſchten fir Kinder-Beſpreng⸗ 
ung? 

Dieſe Fragen weitläuſig zu betrachten, 
würde uns zu weit abführen von unſerem 
gegenwärtigen Zweck. Indeſſen find fie fo 
intereſſant, fo wichtig, daß fie billig beſon— 
derer Aufmerkſamkeitzwerth ſind zu ande— 
rer Zeit und an einem andern Ort. Fuͤr 
jetzt mag es genug ſeyn zu ſagen, daß die 
Reformatoren im Grundſatz alles aner— 
kannten, was immer die einfältigen Nach— 
folger Chriſti zu allen Zeiten bis auf den 
heutigen Tag behaupten mit Hinſicht auf 
die Chriſtliche Taufe, daß fie es aber, lei— 
der! zu unbequem fanden, ihre Grundſätze 
in Ausuͤbung zu bringen. 

Allein, was noch mehr zu beklagen iſt, 
jene alten Waldenſer und Boͤhmiſche Bru— 


der, die ſo lange die Wahrheit, wie ſie in 
Chriſto Jeſu iſt, bekannt, und ſo viel erlit— 
ten hatten um des Zeugniſſes des Worts 
Gottes willen im Grundſatz und in der 
Uebung ja auch dieſe, wie wir geſehen 
haben, gaben endlich den Kampf auf, mie 
de der fortwährenden Verfolgungen, unter 
welchen ſie bis dahin geſeufzt hatten; und 
in der Hoffnung denſelben zu entgehen 
durch Vereinigung mit den Reformatoren, 
welche mächtige Fuͤrſten ꝛc. zu ihren Ber 
ſchuͤtzern hatten, gaben fie ihre Grundſaͤtze 
auf, und verkauften ihr Geburtsrecht fuͤr 
weltliche Gemaͤchlichkeit. 

Doch nicht alle thaten ſo; es war im— 
mer noch ein Ueberbleibſel vorhanden, denn 
woher ſollten die Schaaren von fogenanne 
ten Anabaptiſtenloder Wiedertaͤufern) 
gekommen ſeyn, von denen wir ſo viel hö⸗ 
ren in den Zeiten der Reformation? —Die— 
ſer Name kommt jetzt zum erſten mal vor 
ſeit der Gruͤndung der Kirche Chriſti auf 
Erden (als Secten-Name). Er wurde al⸗ 
len denjenigen beigelegt, die die Guͤltigkeit 
der Kindertaufe laͤugneten, und ſolche wie— 
derum tauften, welche in ihrer Kindheit ge— 
tauft worden waren, wie verſchieden ſie 
auch in andern Hinſichten ſeyn mochten. 


Dieß war keiner der geringſten Kunſt⸗ 
griffe und boshaften Abſichten des Erzfein⸗ 
des der Seelen. Dadurch, daß die ein— 
fältigen, aufrichtigen und friedſamen Nach⸗ 
folger des Lammes unter eine Benennung 
mit wilden und zuͤgelloſen Schwaͤrmern 
und Rebellen gebracht wurden, welche es 
unternommen hatten das Reich Chriſti mit 
dem Schwerdt aufzurichten, fand Satan 
Mittel zur Aufreitzung der ganzen ſoge— 
nannten Chriſtlichen Welt, beides der Nor 
miſch-Katholiſchen und der Reformirten, 
um nicht allein die raſenden Fanaticker, 


ſondern auch die armen, wehrloſen und 
9 


74 


ſtill en Mennoniten, 112 ſie endlich 
genannt wurden, 1 Grau 
folgen. 


11 


„Ver Märtyrer Epiegel eashälre 


vollſtändige Beſchreibung dieſes Volks, ih⸗ 


rer Lehre, ihrer Grundſaͤtze, und ihrer 
ſchrecklichen Leiden um Chriſti und des 
Worts willen, ſo daß wir nicht anſtehen 
koͤnnen zu ſagen, daß, ſo lange ſie beſtändig 
blieben in der Ausübung ihrer Grundſätze, 
ſie die wahre Kirche Chriſti in ihrer Zeit 
und Ort darſtellten. Daß ſie damals 
Baptiſten (oder Täufer) waren in Grund⸗ 
ſatz und Uebung, kann keinem Zweifel un⸗ 
terworfen ſeyn. In Benediet's Ge 
ſchichte der Täufer (Histo of the 
‚Baptists page: 150) finden wir folgende 
Anmerkungen über dieſen Punkt. 


ugs iſt gewiß, daß die deutſchen Anz 
abaptiſten die Eintauchung uͤbten, und es 
iſt wahrſcheinlich, daß die Obrigkeiten jener 
Zeiten, in der Abſicht ihre Beſtrafung mit 
ihrem Verbrechen in ein Gleichgewicht zu 
bringen, viele von ihnen ertränfen ließen.“ 
(Selbſt Zwingli, der Schweizeriſche 
Reformator, gab folgenden ſehr unchriſt— 
lichen Rath und Meinung: * mersus 
Fuerit, mergatur z” das iſt: wer ſich ein— 
tauchen laßt, ſoll eingeſenkt (ertraͤnkt) wer- 
den. O'mores! Robin- 
son ſagt, daß Luther das Dogmatiſi— 
ren der Zwinglianer dultete, aber ei⸗ 
ne weitere Reformation in den Haͤnden der 
Taͤufer nicht ertragen konnte. Men⸗ 
no behauptete die Lehre der Eintauchung 
ausſchließlich. „Nachdem wir aufs fleiß— 
igſte geſucht haben,“ ſpricht er, «fo werden 
wir keine andere Taufe finden auſſer der 
Eintauchung im Waſſer, welche angenehm 
iſt vor Gott, und gegründet in ſeinem 
Wort.“ Nachher ſetzt er hinzu: „Laß, 
widerſprechen wer da will, dieß iſt die ein⸗ 
zige Art zu taufen, welche Jeſus Chriſtus 
eingeſetzt hat, und welche die Apoſtel gelehrt 
und geuͤbt haben.““ 


O tempora ! 


zu ber⸗ 


6 Der Cvangeliſch Beſuch. 


Wir finden in der Geſchichte der Engli— 
ſchen Baptiſten, daß ungefehr einhundert 
Jahre, nachdem, Men ns dieſe Erklärung 


gemacht, hatte, eine, Geſellſ chaft von Chri⸗ 
ſten um L 9 ond N n überzeu gt wurde von der 


Taufe der Glaubis gen durch Eintauchung; 
weil, fie ſich aber nicht befriedigen konn⸗ 
ten wegen irgend einem Mann in Emia? 
land ſolche zu verwalten, und die Uebung 
anzufangen, und hoͤrten daß einige in den 
Niederlanden die Eintauchung üb⸗ 
ten, fo ſandten fie einen[ Namens) Richard 
Blount hinüber, welcher von einem Nie— 
derdeutſchen Lehrer Mae Jan Batte 
eingetaucht wurde, ꝛc.“ 

Auf dieſe Weiſe iſt denn die Thatſache 
beſtätigt, daß die Deutſchen und hollaͤndi⸗ 
ſchen Taufgeſinnte oder Men no⸗ 
niten urſpuͤnglich Baptiſten waren, und 
die Taufe der Glaubigen durch Eintauch⸗ 
ung übten noch hundert Jahre nach Wiens 
no und unſer Zeuge ſagt: „Zu welcher 
Zeit das Begießen ſtatt der Eintauchung 
unter den Mennoniten eingefuͤhrt wurde, 
finde ich nicht.“ 

Die Urſache diefer! Veränderung io 
Eintauchen zum Begießen) nach Worgan 
Edwards war wie folgt: „Wenn ſie 
Jünger machten in Gefängniſſen, oder 
ſonſt verhindert wurden vom Gehen an 
Fluͤße, ſo halfen fie ſich ſo gut als fie, konn- 
ten, und brauchten die Begießung, wenn ſie 
nicht eintauchen konnten. Aber wie in 
Africa, fo in Europa, was anfänglich. ges 
than wurde aus einer vermeinten Noth⸗ 
wendigkeit, wurde nachher geuͤbt aus 
Wahl,“ weil man es ſo bequemer fand. 

Es iſt in der That zu bedauern, daß dies 
fe Benennung, urfprünglich gegründet auf 
die einfachen Grundſaͤtze des Evangeliums, 
und auf die Beobachtung der Verordnung⸗ 
en Chriſti nach dem Wort, weswegen ſie 
ſo viel erlitten hatten waͤhrend dem erſten 
Jahrhundert ihrer Exiſtenz, jo bald abzu- 
weichen anfieng von ihrem urfpruͤnglichen 
Glauben und Thun. 

} 


Der Evangeliſche Bis uch. 75 


Doch auch dieſes war nicht der Fall mit 
allen. Stark in ſeiner „Geſchichte 
der Tau fe und Taufsege unten” be⸗ 
zeugt, (Seite 4310 daß einige von ihnen 
taufen noch immer mit t gänzlicher Eintauch⸗ 
ung, und beobachten auch das Fuß was ch⸗ 
en daß ſie die Taufe an allen wiederho⸗ 
len die zu ih rer Geimeinſchaft treten wol⸗ 
len, wenn ſie auch ſchon als Erwachſene 
bei andern Gemeinden ge tauft worden; u. 
es wurde dem Schreiber dieſes ſo ſpaͤt als 

das Jahr 1839. dur. ch einen Mennoniten 
Prediger zu Rotterdam in Holland, von 
welchem er mit zwei ſchätzbaren Werken de 
ber die Geſchichte der Taufs⸗geſinnten be⸗ 
ſcbenkt wurde, be ezeugt: daß noch ein 
Ueberbleibſel jener alten Domplers' vor⸗ 
handen ſey, welche mit dreimaliger Ein⸗ 
tauchung tauften, das Fußwaſchen bei ih⸗ 
ren Liebesmählen uͤbten, und feſt an den 
Grundſaͤtzen des Nicht⸗ſchworens, der 
Wehrloſigkeit und Nicht⸗Gleichſtellung mit 
der Pracht und SE: dieſen Welt hiel⸗ 
a Ua 


Die Wahrheit iſt, daß alle Mennoniten 
ſo weit als bekannt noch jetzt an dieſen letzt⸗ 
genannten Grundſaͤtzen halten, obſchon ſie 
die Taufe meiſtens durch Begießen, ſelbſt 
in dieſem unſerem freien Lande verrichten 
mit Ausnahme einer kleinen Parthei, die 
ſich von ihnen abſonderte vielleicht vor nicht 
ganz fuͤnfzig Jahren, und g genannt wurde 
Die River⸗Bruͤder.“ 


eigenen Brüdern. fo nahe ähnlich, daß die 
Welt kaum irgend einen Unterſchied fehen 
kann, und wir es beklagen muͤſſen, daß ſie 
eine abgeſonderte Secte bleiben, aus Ur⸗ 
ſa mu. die ihnen wohl am beſten bekannt 
man N 


50 welch, ein mächtiges Zeugniß; te 
vor der 
diejenige, welche das Wort Gottes als ih⸗ 
ren einzigen 7 Führer, bekennen, und ‚mins 
ſchen ihrem Herrn in Einfalt zu dienen, als 
ein Leib vereiniget waͤren, wie weit ſie auch 


f Dieſe uͤben die drei⸗ 
malige Eintauchung, und find ſonſt unfern, 


Welt abgelegt werden, wenn alle 


getrennt, fepn möchten in Hinſicht auf Ort 
und Stelle Aber ach, ein Geiſt des See— 
tenweſens und der Trennung hat diejenige 
abgeſondert, welche einſt fein liefen, wel⸗ 
che im Geiſt anſiengen, aber im Fleiſche 
vollendeten. 

Um zu zeigen, was die leitende Grund⸗ 
ſätze der Anabaptiſten in der Zeit der Nez 
formation waren, fügen wir folgenden Aus⸗ 
zug aus Stark's Geſchichte der Taufe und 
ee Seite 174 und 175 bei 


J. 
1. Daß die Clemente 505 Taufgeſinn⸗ 
ten die einzige ſey, in welcher das Wort 
Gottes rein gelehret, und die Sacramente 
der Stiftung gemaͤß verwaltet würden und. 
daß dieſelbe mit keiner einzigen andern Ge⸗ 
meinſthaft haben muͤſſe. f 
2. Daß in ihrer Gemeinde nur allein 
wahre Diener des Worts wären, die aus 
innerem Trieb, und nicht um Sold und 
Lohn predigten, wie in andern Kirchen 5 
Gemeinden. 


3. Daß alle Glaubige, als ſolche d die 
ven einerlei Geiſte getrieben würden, prediz, 
gen und weiſſagen koͤnnten, und daß nicht 
einer allein, wie in den andern Kirchen gez, 
ſchaͤhe, dazu ein ausſchließendes Recht haͤt⸗ 
te. 

4. Daß Luther und Zwingli, 
durch Leugnen des freien Willens der Men— 
ſchen, und der Nothwendigkeit der guten 
Werke allen Unordnungen und Ausſchweif⸗ 
ungen Thur und Thore geoͤffnet. 

5. Man koͤnne die göttliche Gebote volz, 
kommen erfuͤllen. Dieß werde nur von 
denen verneint, die unregelmäßig leben, 
und nicht die Taufe kur Buße empfangen, 
wollten. 

6. Die Gemeinſchaft der Guter ſey die 
Seele des Chriſtenthums, und wo die nicht 
eingefuͤhrt wäre, ſey keine vollkommne. Ge⸗ 
meine von Chriſten. N 

7. Das alte Teſtament habe als ein, 
abgeſchaftes Geſetz nicht dieſelbe Autorität,, 
die das Neue habe. 


76 


8. Es ſey wahrſcheinlich, daß die See⸗ 
le nach dem Tode nicht gleich an den Ort 
der Freude oder der Verdammniß gelange, 
ſondern bis zur Erweckung 3 am jüngiten 
Tage ſchlafe. \ 

9. In einer Gemeinſchaft wahrhaft 
Glaubiger ſeyen Obrigkeiten uͤberfluͤßig, 
und es ſey einem Chriſten nicht erlaubt ein 
obrigkeitliches Amt zu bekleiden. 

10. Die einzigen Strafen, die wider 
Verbrechen unter den Chriſten verhaͤnget 
werden koͤnnten, beſtehen in der Excommu⸗ 
nication. 5 

11. Proceſſe, Kriegs⸗dienſte, ja ſogar 
Selbſt⸗Vertheidigung find Stücke, die ei— 
nem Chriſten nicht anſtehen. 

12. Alle Eide, auch vor Gericht, ſind 
dem Chriſten verboten. 

13. Die Kindertaufe iſt eine Erfin⸗ 
dung der Paͤbſte und ein Werk des Teufels, 
und es iſt keine andere Taufe gültig als 
nur diejenige, welche Erwachſenen ertheilt 
wird, die von ihrem Glauben Rechenſchaft 
ablegen koͤnnen. 

14, Wer wiedergeboren iſt, fuͤndiget 
weiter nicht, und die Gemeinde welche die— 
ſe ausmachen, iſt vollkommen gleich der 
Verſammlung der Auserwählten im Him— 
mel.“ 

Dieſe Artikel, muͤſſen wir bekennen, ſind 
alleſammt ſtark gefärbt von dem Geſchicht⸗ 
ſchreiber, und auf eine Weiſe ausgedruckt, 
daß die darin enthaltene Wahrheit leicht 
verkehrt und falſch angewandt werden 
kann. Wir wollen den Schreiber keiner 
vorfaͤtzlichen Entſtellung beſchuldigen, aber 
da er ſelbſt ein Pedobaptiſt, u. ein Prediger 
war in einer der proteſtantiſchen Kirchen 
in hoher Stellung, ſo war es leicht moͤg⸗ 
lich, daß er die wahre Geſinnung dieſer al— 
ten Anabaptiſten misverſtanden hat. Oder, 
im Fall er dieſe Artikel in den nämlichen 
Worten ausgedrückt hat, wie ſie in der 
Schweiz bekannt wurden von dieſen ſelbſt, 
ſo wird man uns erlauben zu ſagen, daß ſie 
wenigſtens zum Theil ſtark an den Fanatie 


Der Evangeliſche Beſuch. 


cismus erinnern, welcher fo bee 
war in jenen unruhigen Zeiten. arg 
Die einfache Thatfache iſt dieſe, daß 
Grundfaͤtze, wie wahr und richtig ſie auch 
ſeyn moͤgen an ſich ſelbſt, konnen aufs 
Aeuſſerſte getrieben werden, und fo zu Ex⸗ 
ceſſen von der traurigſten Art Anlaß geben. 
Es iſt nur bei einem wahren Gleichge— 
wicht aller Evangeliſchen Grundſätze, wo 
ein jeder innerhalb feiner gebuͤhrenden 
Schranken ausgeuͤbt, und jede Uebertrei⸗ 
bung von irgend einer Art vermieden wird. 
Nachſchrift. Es verſteht ſich wohl von 
ſelbſt, daß, was wir hier von einem Be⸗ 
kenntniß vor Dreiyundert Jahren angeführt 
haben, niemand ſo unbillig ſeyn wird, uns 
oder wenigſtens dem Schreiber als ſein ei⸗ 
genes aufzubuͤrden. 


—ͤä (w—— — 


Was Jeremias Felbinger vor 200 
Jahren bezeugte. , 
Don der heiligen Taufe... 
(Fertſetzung.) 

Aber nachdem Jeſus von Gott feinem 
himmliſchen Vater aus den Todten aufer— 
wecket war, da befahl er feinen Apoſteln, 
und ſprach: Gehet hin in alle Welt, rufet 
das Evangelium aus alle dem Geſchoͤpfe. 
Wer da glaubet, und eingetaucht wird, der 
wird ſelig werden: wer aber nicht glaubet, der 
wird verdammt werden. Marc. 16, 15. 
16. und Matth. 28, 1820, Mir iſt ge⸗ 
geben alle Macht im Himmel und auf 
Erden. Gehet derhalben hin, und machet 
zu Lehr-Jüngern alle die Voͤlker, und tau⸗ 
chet fie ein auf den Namen des Vaters, 
und des Sohnes und des heiligen Geiſtes. 


Gleich wie aber die Menſchen vor ihrer 
Eintauchung ſollen zu Lehr-Juͤngern gex 
macht werden, alſo müſſen fie auch nach 
empfangener Eintauchung je mehr und, 
mehr in der angenommenen Lehre und fol⸗ 
gends in einem gettſeligen Leben und Wan⸗ 
del zunehmen; darum ſaget Chrtſtus fera 


Der Evangeliſche Beſuch. | 77 


ers Und lehret fie halten alle die Gebetze, 
awelche ich euch gebeten habe, nu 
Hieraus verſtehen wir, daß die Ein⸗ 
Tauchung ihren Urſprung wen Gott habe, 
wie ſie denn auchogenannt wird der Rath 
Gottes, Luc. 7, 30. und darum uuß fik 
fo unnoͤthig u. veraͤchtlich nicht ſeyn, als ſie 
won den irrdiſch geſinnten ausgerufen wird. 
Abſonderlich weil ſelbſt der Sohn Gottes 
ſowehl mit ſeinem eigenen Exempel als 
mit feiner Rede bezeuget hat, daß auch ihm 
gebührte in dem Stuͤcke der heiligen Eine 
tauchung alle Gerechtigkeit zu erfüllen. 
Matth. A, 13-17. 
Sehen wir ferner an bie Männer, welche 
die Eintauchung auf Gottes und Chriſti 
Befehl bedienet haben, ſo tritt am erſten 
Herfuͤr Johannes der Eintaucher, welcher, 
wie der Sohn Gottes ſelbſt von ihm zeugt, 
weit mehr iſt als ein Prophet. Denn dies 
ſer iſt, von welchem geſchrieben ſtehet: 
Siehe ich ſende meinen Boten fuͤr deinem 
Angeſicht her, welcher deinen Weg fuͤr dir 
bereiten wird. Ames ich ſage euch, (ſpricht 
der Sohn Gottes ferner) unter denen, die 
von Weibern geboren find; iſt kein groͤßerer 
auferwecket worden, als Johannes der 
Eintaucher. Matth. 11, 911. 
Nach ihm haben die Eintauchung auf 
Chriſti Befehl bedienet die heiligen Apo— 
ſtel, und ihre Mitdiener am Worte Gettes. 
Welche traun unſers Lobens nicht beduͤr— 
fen, ſintemal ihr Gehorſam gegen Chri— 
ſtum, ihr heiliger Wandel, ihre ſonderbare 
von Chriſto empfangene Gaben, ihre unerz 
muͤdete Arbeit in Ausbreitung des heiligen 
Evangeliums, ihre große Gedult und 
Standhaftigkeit in mancherley Truͤbſalen, 
endlich ihr blutiger und ſchmerzhafter Tod, 
den ſie um der Lehre und Ehre Gottes und 
Chriſti willen auszuſtehen ſich nicht ge⸗ 
weigert haben, ſie z 
allen Menſchen, als einen Spiegel der 
chriſtlichen Nachfolge ver Augen ſtellen. 
Waͤre nun an der Eintauchung nichts oder 
wenig gelegen, fie hatte nicht dürfen durch 


Schwang gebracht werden. 


zur Gnuͤge preiſen, und, 


ſolche vortrefliche Männer bedienet und in 
Zugeſchwei⸗ 
gen, daß daran ſehr viel muß gelegen ſeyn, 
welches ſoll verrichtet werden im Namen 
des himmliſchen Vaters, und ſeines Soh— 
nes Jeſu Chriſti, und des bee aut 
Matth. 28, 19. de 

Erwägen wir aber die Wes e be 
dieſer Ceremonie anhängen, wer wird als⸗ 
denn nicht bekennen muſſen ihre hohe Vor— 
treflichkeit; Jehannes kam in alle die umlie⸗ 
gende Landſchaft des Jordans, u. tief aus 
eine Eintauchung der Beſſerung zur Verge— 
bung der Suͤnden. Luc. 3. 3. Petrus der 
Apoſtel ſprach zu den Juden in Jerufalem! 
Beſſert euch, u. ein jeglicher unter euch wer⸗ 
de eingetaucht in den Namen Jeſu Chri— 
ſti, zur Erlaffung der Suͤnden. Und ihr 
werdet empfangen die Gaben des heiligen 
Geiſtes. Apoſt. Geſch. 2, 38. Stehe auf, 
(ſprach Ananias zu Saul) und laß dich 
eintauchen, und deine Suͤnde abwaſchen, 
Pa den Namen des een een 
Geſch. 22, 16. 

Und was bedarfs vieler Sauce der 
heiligen Schrift; ein einiges kann uns ger 
nug ſeyn, zu behaupten unſern Zweck, nem— 
lich daß Chriſtus ſelbſt allen glaubigen 
Eingetauchten die Seligkeit verſprochen 
hat, wenn er Marc. 16, 15. 16. zu ſei⸗ 
nen Apoſteln alſo ſagt: Gehet hin in alle 
Welt, rufet das Evangelium aus alle dem 
Geſchoͤpfe. Wer da glaubet, und einge— 
taucht wird, der wird ſelig werden. Dieſe 
und dergleichen anadenreiche Verheiſſungen 
mehr, derer die Bücher des neuen Bundes 
hin und wieder voll ſind, bezeugen hell und 
klar die uͤbergroße Wüͤrdigkeit der heiligen 
Eintauchung. Und gleichwie ſie den glau— 
bigen Getauften die Seligkeit und das ewi⸗ 
ge Leben zuſagen, alſo dräuen fie im Gegen- 
ſatz den Verächtern der von Chriſto einge— 


Ai es die‘ mon Verdamm— 


niß. 
am müſſe von uns An; geringe zu 
achten die Ceremonie, welche unſer Selig— 


78 


Der Evangeliſche Beſuch. 


macher ſelbſt geordnet, und welcher Er die Chriſti und feiner Apoſtel ſey vekrichter 


Verheißung der ewigen Seligkeit ange⸗ 
Ferne muͤſſe von uns ſeyn, 
die heilige Eintauchung für eine Wieder⸗ 
mit Glauben und Verſprechung eines hei⸗ 


haͤnget hat. 


räuferey für ein laͤcherbaftiges Dumpeln, 
und für ein phantaſtiſch“ Narren werk zu 
ſchelten. 
ren würdig iſt, alfe muüſſan wir ſie hoch 
halten, Chriſto dafür danken, und derſel⸗ 


bigen in allen Stücken vermoͤge der erſten 
Einſetzung Chriſti und Bedienung der hei⸗ 


ligen Apoſtel nachkommen. ö ni 
Und nunmehr, it auch zur Genüge kund 
klärlich aus der heiligen Schrift angewieſen: 
1. Was die Taufe ſey, nemlich eine 
Eintauchung von Gett durch Chriſtum be⸗ 
fohlen. - 
2. Wen man abe ſolle, nemlich 
nicht Glocken, und dergleichen lebleſe Din- 


ge, auch nicht unmuͤndige ſechswochen J 


Kindlein, die die Lehre Chriſti nicht verſte— 
hen noch glauben koͤnnen, denen der Ges 
horſam und Tod Chriſti genug und übrig 
genug iſt zu ihrer Seligkeit, im Fall fie in 
ihren unmuͤndigen Jahren hinſturben; 
ſondern mündige erwachſene Leute, die 
man vor ihrer Taufe kann unterrichten von 
allen noͤthigen Stücken des Chriſtlichen 
Glaubens, und die auch der Lehre Beyfall 
geben, und nach derſelben, als ihrem Mei— 
ſter Chriſto zu gehorſamen, ihr Leben und 
Wandel heiliglich wollen anſtellen. End— 
lich 

3. Haben wir auch beſehen die hohe 
Nutzbarkeit und Vortreflichkeit der heiligen 
Eintauchung. Jetzund wird nicht unge⸗ 
reimt ſeyn koͤnnen, wenn wir daſſelbe, was 
bieher geſagt iſt, mit ungezweifelten Ex⸗ 
empeln beweiſen. 
noͤthig zu ſeyn, daß man ferner viel Worte 
mache, wer der Einſetzer der heiligen Tau— 
5 ſey, item von ihrer Wuͤrde und großen 

Nutzbarkeit, ſintemal in dieſen Stücken 
me alle Chriſten übereinſtim⸗ 
men. 

Aber es will nöthig ſeyn, daß man Ber. 
ner zeige, daß die heilige Taufe zur Zeit 


Hingegen, gleſchwie fie aller Eh⸗ den. 


Und zwar ſcheinet un⸗ 


worden im flieſſenden Waſſer mt Eintau⸗ 
chen, und ferner daß fie niemanden als nur 
erwachſenen Leuten, die die Lehre Chriſti 


ligen Lebens annahmen, ſey gereichet wor⸗ 
Denn eben dieſe ſind die Stücke, 
welche von vielen, die ſich. doch Für, Lehrer, 
der Chriſten ausgeben, aufs allerſchändlich⸗ 

ſte geſchmähet, verläͤſtert, und verdammet 
werden. Ich bitte von He der. H Er 

IEſus wolle ihnen d eſe, große Suͤnde aus 
Gnaden vergeben, uns fie, bekehren, wo ſie. 
zu bekehren find... 


r 


* N. 


Das erfte Exempel wollen wir beſdhen 
an dem Sohne Gottes ſelbſt, welcher auf 
ſein inſtändiges Anhalten von Johafines“ 
getauft ward, ohngefehr im dreyſigſten 
Jahre ſeines Alters. Er bedurfte aber! 
nicht vor der Taufe, wie andere Taͤuflinge, 
der Lehre und Unterweiſung Jehannes des 
Eintauchers, ſintemal er“ ſelöſt die ſelig⸗ 
machende Lehre von GoOtt feinem Vater 
im Himmel gehoͤret hatte, und der himmli⸗ 
ſche Vater ſelbſt hatte ihn gelehret, wie er 
klärlich bezeuget, Joh. 8, 26. 28. 40. und 
er war der rechte Lehrer, den Gott gefandt 
hatte, daß er durch die goͤttliche Lehre follte 
erleuchten beides Juden und Heiden, wie 
von ihm geweiffiget war, Eſa. 42, 6. und 
49, 6. Luc. 2, 30-32. Darum ward er 
zwar getaufet von Johanne ſeinem Verbo⸗ 
ten, aber nicht zuvor von ihm gelehret. 


Wie ward er aber getauft? Die heiligen 
Evangeliſten Matth. 3, 16. Marc. 1, 9. 
10. Luc. 3, 21. bezeugen einmuͤthiglich, er 
ſey von. Johanne eingetaucht worden, (fie 
gebrauchen alle das Wort baprizein, wele 
ches auf Latein mergere und auf Deutſch 
eigentlich eintauchen bedeutet, davon man 
nachſe blagen kann in allen Griechiſchen 
Wort⸗ Büchern,) und zwar in den Jordan: 
mente wohl, in den Jordan, welches. 
nicht ſchlechter Dinge bedeutet, daß er ſey 
im Jordan, Mondern eis ton Jordanin in. 


Der-Evangeliſche Beſuch. 


den Jordan hineingetaucht worden. Wie⸗ 
wohl es ſonſten verſtändlich genug gelagert: 
iſt, wenn Marcus Cap. 1/5. ſchrelbet, daß 
Johannes in dem Fluße oder Strome 
Jordan habe eingetauchet dieſelbigen, welche 
nach gehoͤrter ſeiner Lehre 905 Sünden be⸗ 
kannt haben. 


Aber hier, damit ja niemand an. der 


rechten Eintauch ung zweifeln koͤnne oder 
dürft, fo wird ausdrücklich gemeldet, daß 
Johannes den Sohn Gottes in den Jor⸗ 
dan hinein habe eingetaucht. Und daß 
der Herr Jeſus vor ſeiner Taufe ſey in den 
Jordan hineingeſtiegen, wird auch damit 
befeſtiget, weil die Evangeliſten melden an 
den obenangezogenen Orten, er ſey nach 
der Eintauchung wieder heraus geſtiegen. 
Matthäus ſaget: Und da Jeſus einge⸗ 
tau ht war jeg er ſtracks herauf von dem 
Waſſer. Marcus: Und alsbald, da er 
von dem Waſſer herauf ſtieg, ꝛc. Gleich⸗ 
wie nun der Herr Jeſus in das B Jaſſer ein⸗ 
getaucht iſt, alſo ſind auch alle andere 
Taufbegierige von Johanne eingetaucht 
werden, von welcher Eintauchung, wie auch 
von vorhergehender Lehre und Unterwei⸗ 
ſung, man leſen kann Matth. 3, 1 bis 16. 
Marc. 1, 4 bis 8. Luc. 3, 1 bis 21. Jeh. 
1, 15 bis 36. und 3, 23 bis 36. 

Dieſeszſt alſo geſagetwon der Eintauch— 
ung, welche Johannes dem HErrn JEſu 
und andern Taufbegierigen geleiſtet hat. 


Unterſuchen wir nun wie die heiligen 
Apoſtel, da ihr Meiſter noch bey ihnen zu— 
gegen war, getauft haben, ſo meldet die 
h. Schrift ebenmäßig, daß Jeſus habe dieje— 
nigen erſtlich zu Lehr-Jungern gemacht, das 
iſt, durch die Ausrufung des goͤttlichen 
Wortes unterwieſen, welche die Apoſtel 
hernach getauft haben, ſonder Zweifel 
auf des Herrn Jeſu Befehl, weil ihm 
dieſe Taufe ſelbſt zugeſchrieben wird. 
Hievon ſchreibet Johannes in ſeinem 
Evangelio Cap. 3, 21. alſo: Darnach 
kam Jeſus und feine Lehr-FJuͤnger in das 


nahm, 


79 
Juͤdiſche Land. Und, brachte allda' die 
Zeit zu mit ihnen, und tauchte ein. Und 
Cap. 4, 1. 2. Da nun der HErr ver⸗ 
daß die Phariſäer gehoͤret hatten, 

daß Jeſus mehr Lehr⸗Fünger machet und 
eintauchet, als Johannes, (wiewohl Je⸗ 


ſus ſelbſt nicht eintauchte, e fein 


Lehre Junger) ꝛc. 

Aber wir wollen uns hierin nicht lange 
aufhalten, ſondern fortfahren zu beſehen 
wie die Apoſtel nach der ſiegreichen Him⸗ 
melfahrt unſers HErrn Chriſti getaufet ha⸗ 
ben. Ehe der HErr IEſus non, feinen 
Lehr-Jungern ſichtbarlich hinaufgenommen 
ward in den Himmel, gab er ihnen von der 
Taufe nachfolgenden Befehl: Matth. 28 
18. 19. 20. Mir iſt gegeben alle Macht 
im Himmel und auf Erden. Gehet der? 
halben hin, und machet zu Lehr-Juͤngern 
alle die Voͤlker, und tauchet ſie ein auf den 
Namen des Vatexs und des Sohns und 
des heiligen Geiſtes. 

Und damit ja keiner, dem die Taufe Dir 
fohlen worden, ihm einbilden duͤrfe, es ſey 
an der vorhergehenden Lehre der Taͤuflinge 
wenig oder nichts gelegen, wenn ſie nur ge— 
tauft werden, ob fie ſchon die Lehre Chris 
ſti weder wiſſen noch gehoͤrer haben, noch 
verſtehen oder faſſen koͤnnen, fo wiederho— 
let der Herr JEſus feinen Befehl noch 
einmal, um alſo denen Taͤufern, welche die 
Täuflinge nicht vor der Taufe lehren, alle 
Entſchuldigung zu benehmen, und ſpricht: 
Und lehret fie (verſtehet vor und nach der 
Taufe) halten alle die Gebote, welche ich 
euch geboten habe. Beſehet auch Mare. 
16, 15. 16. Luc. 24, 47. 


So iſt es demnach an dem, daß wir 
fleißig nachforſchen ſollen, ob und auf was 
Weiſe die heiligen Apoſtel den Befehl des 
HErrn JeEſu ſeyn gehorſam geweſen in 
Bedienung der heiligen Taufe, ob ſie haben 
erſtlich gelehret, ob ſie hernach haben ins 
Waſſer eingetaucht, oder ob ſie hergegen, 
ſonder einige vorhergehende Lehre des 
Täuflings, denſelbigen nur ein wenig am 


65 
Bei, 
Borhaupte mit etlichen Tröpflein Waſſer 
defprenget haben. 


Denn der HErr hatte ihnen befohlen, 


die Voͤlker, die Menſchen, in Summa ei⸗ 
nen jeglichen Menſchen, ſo groß u. lang er 
iſt, nicht etwan das Vorhaupt oder die 
Hand, oder irgend einen andern Theil des 
Menſchen, ins Waſſer einzutauchen. Die⸗ 
ſes ſoll dienen uns allen zur Lehre den 
Schwachen und Irrenden zur Verbeſſer— 
ung, den Starken aber und Rechtmeinen— 
den zur Befeſtigung, und zum Troſt, wenn 
fie um der Wahrheit willen geſchmaͤhet, gez 
laͤſtert, des Ihrigen beraubet, verjaget, 
verfolget, und getoͤdtet werden. 


Correſpondenz. 
Lieber Beſuch. 

Weil du deinen lieben Leſern ſchon eine 
Zeit her ziemlich viel von des alten Je re— 
mias Felbinger's Erkenntniſſen 
und Schriften mitgetheilt haft, fo glaube 
ich dir einen angenehmen Dienſt zu thun, 
wenn ich etwas weniges von ſeinem Le— 
ben und Schriften mittheile. 

Jeremias Felbinger, gebuͤrtig 
von Brieg aus Schleſien (anno 1616, 
wurde frühzeitig zum Recktor der Schule 
zu Coͤßlin in Pommern ernannt, bediente 
aber dieſe Stelle nicht gar lange, indem er 
wegen ſeiner Lehre abgeſetzt und aus dem 
Lande gejagt wurde. 


Nachgehends hat er ſich in Amſterdam 
noch bis 1690 gar armſelig mit Kinder- 
Informiren und Correcturen in Buchdru- 
ckereyen ſich befchäftiget, und iſt vermuth⸗ 
lich dort geſtorben. 

Seine Schriften waren folgende: 

1. Das Chriſtliche Handbuͤchlein, erſt— 
malsgedruckt 1651. 

2. Ein Werk in lateiniſcher Sprache, 
betitelt, /Demonstrutiones Christiane” 
in Groß⸗Quarto. 1653. 


Der Evangeliſche Beſuch. 


3. In deutſcher Sprache, „Bekennt⸗ 
wiß der Polnischen Brüder.“ 1653. 

4. Vorläufer übers alte Teſtament. 
1654. 

3. Die Lehre von Gott, Chriſto und 
dem heiligen Geiſt, mit eigentlichen Worten 
der Schrift zuſammen getragen, welches 
ſchon 1657 deutſch, lateiniſch, franzoͤſiſch 
und holländiſch herausgekommen iſt. 

6. Das Neue Teſtament in einer eige— 
nen Ueberſetzung aus dem Griechiſchen von 
Wert zu Wort ꝛc. Emden 1660. (Diefe 
Ueberſetzung wäre werth, neu aufgelegt zus 
werden.) 

In der Warsede über fein Neues Teſta— 
ment gedenket er noch einer Ueberſetzung 
aus der griechiſchen Sprache ins Holländi⸗ 
ſche, wie auch eines griechiſch-deutſchen 
Lexicons, welche auch 1657. gedruckt wor⸗ 
den. 

Auſſerdem End ven ihm etliche Tractate 
wider die Soeinianer ze. 1672. und 
81. herausgekemmen. Das Lexicon ver⸗ 
fertigte er, um den Deutſchen einen Teiche 
tern Zutritt zu der Schrift in der griechi⸗ 
ſchen Originalſprache zu verſchaffen, weil 
bisher alle erſtlich Lateiniſch lernen muß⸗ 
ten, um die griechiſche Schulbücher un? 


Lexica zu gebrauchen, ꝛc. x. 
ja Theophilus. 


— 2 — ꝗ ꝙꝗ T— 


Die Quelle. 
eoͤcht' meine Seele doch 
So ruhig, ſtill und rein, 
So ſpiegel-hell und klar 
Gleich einer Quelle ſeyn. 
Wie ſchoͤn wird dann in ihr 
Die Gottheits⸗Sonne ſtrahlen, 
Mie hold ihr lieblich Bild 
In ihrem Grunde mahlen. 
Selig find, die reines Herzens find z 


denn fie werden Gott ſchauen. Matth. 5, 
8. Pf. 51,10. 1 Cor. 2. 9. 


Band 1. 


— 


Die Gemeinde in der Wüſte, 
oder: 
FJeugniſſe von dem Daſeyn einer 
apoſtoliſchen Gemeinde vom Anz 
fang des Evangeliums bis auf un⸗ 


ſere Zeit. Fertgeſezt. N 

Eine alla ndige Geſchichte des 
Urſprungs, der Ausbreitung und ſchreckli⸗ 
chen Verfole gungen der Zeugen der Wahr⸗ 
heit, nämlich der ſogenannten! 1 65 75 
ſten, Taufgeſinnten odet Menponiten im 
ſechzehnten und ſiebzehnten Jahrhundert 
zu liefern, werde uns welt über die Gränz 
zen führen; die wir üm der Kürze willen 
zu beobachten haben. Wir muſſen uns 
daher begnügen mit der Mittheilung von 
noch einigen wenigen Zeugniſſen in Bezug 
auf ſie, und Hinzufügung von vielleicht 
einer oder zwei Anmerkungen von uns 
ſelbſt. f 

Um derer willen indeſſen, welche weitere 
Nachricht über dieſes Volk wünſchen moͤch— 
ten, wollen wir abermals auf den Mar- t 
tyrer Spiegel der wehrloſen. Chtiſten“ 
hinweiſen, welcher züerſt vor zweihundert 
Jahren ungefehr in Holländiſcher oder 
Niederdeutfcher Sprache herauskam, feit— 
dem aber auch in hochdeutſcher Sprache, 
ſelbſt hier in unſerm Lande, ſchon zu zwei⸗ 
en Malen gedruckt worden, und endlich 
ünlängſt auch, ins Engliſche überſetzt, er⸗ 
ſchienen iſt. 


Dieſes Buch enthaͤlt in der Einleitung 
eine kurze Ueberſicht der wahren Kirche 
Gottes, ihres Urſprungs, Fortgangs und 
unerſchuͤtterlichen Beſtehens, durch alle 
Zeitperioden, von Adam bis auf Noah, 
von Noah bis auf Abraham, von 
Abraham bis auf Mofes, von Me 
fes bis auf Chriſt um, und von Chris 
ſt bis auf das Jahr Chriſti 1632, und 
ebenſo eine kürze Beſchreibung der ungoͤtt⸗ 


156 


6 


= 


4 m } 
Urs. 19 


lichen und falſchen Kirche, welche das Ge— 
gentheil iſt von der Kirche GüOttes, ihres 
Urſprungs, Fortgangs und ihrer ae. 
anderfolge in allen Zeiten. 

Dann in dem erſten Theil faͤngt es mit 
dem erſten Jahrhundert von Chriſt! Ge— 
burt an, und führt fort bis auf das ſech⸗ 
zehnte Jahrhundert zu geben 
1. Eine ſummariſche Ueberſicht der 
irtyrer, die während dem Ja bee 


Ma 
litten haben. 


ge 


Einen Bericht von der heiligen Tau⸗ 
derer, die Marterthum erlitten. 


2 
fe 

Im zweiten Theil bis zum Ende des 
Buchs wird gegeben eine ausführliche Ge— 
ſchichte und Nachricht von den Martyrern 
der Taufgeſinnten, ihren, Anſichten, 
Grundſätzen und Geſinnungen, vom Jahr 
1532 bis 1660. Hier kann der Leſer fin⸗ 
den, wie viele von dieſem Volk den Tod zu 
erleiden hatten um des Zeugniſſes Chriſti 
willen, micht allein von den Roͤmiſch⸗ FRE 

holiſchen, ſondern auch von den Prote— 
ſtanten, inſofern wir unter andern auch 
ein Edict von der Obrigkeit in Zürich (in 
der Schweitz) wo Zwingli die Reforma— 
tion eingeführt hatte, gegen die armen An⸗ 
abaptiſten finden, ja foger daß in weniger 
als ſieben Jahren mehr als dreihundert in 
verſchiedenen Gegenden Deutſchlands, der 
Schweitz, der Niederlande c. wegen kei— 
nes andern Verbrechens hingerichtet wur⸗ 
den, als daß fie einfältig das Wort Got⸗ 
tes glaubten und übten. 


Auf dieſes Buch verweiſen wir daher 
unſere liebe Leſer, und geben nun die we— 
nigen Zeugniſſe in Betreff dieſer alten 
Mennoniten und Taufgeſinnten, die wir 
oben verſprochen haben. Erſtlich mit Hin⸗ 
ſicht auf ihren Urſprung, welcher ſelbſt 
heutzutage noch zuweilen in den wilden 


Unternehmungen Muͤntzer's, oder gar in 
10 


den G haten der Fanaticker zu M uns 
5 95 Nad werden, Gerade als ob man 

den Urſprung der Baptiſten bei der 
Secte der Mormonen ſuchen und den 
Baptiſten zur Laſt legen wollte, was die 
Mormonen verſchuldet, blos darum, weil 
dieſe mit jenen in einigen Stuͤcken uͤber— 
einſtimmen moͤgen. 

Unſer Zeuge iſt Stark in feiner bereits 
angeführten. „Geſchichte der Taufe und 
Tanfgefinnten.” Am Schluſſe derſelben 
und ſeines Buchs ſagt er, was wir der be— 
ſondern Aufmerkſamkeit des a, Le⸗ 
ſers anempfehlen, da es das Zeugniß eines 
Paido-Baptiſten iſt, der folg lich nicht ſehr 

partheiiſch oder zu Ganjten der Baptiſten 
sehr, 

„Die Taufgeſinnten find nicht eine Rot— 
te aufruͤhreriſcher Schwaͤrmer, die Mün⸗ 
zern ihr eigentliches Daſeyn zu verdanken 
haben; fie find Altern Urſprungs, und ges 
hören zu den Sonderlingen, die ſchon 
laͤngſt mit der roͤmiſchen Kirche, wie in vie— 
len andern Stuͤcken, alſo auch in Anfehe 
ung der Kindertaufe misvergnügt, geweſen 
waren. Aber die furchtbaren und wach⸗ 
ſamen Kezzergerichte hatten fie genoͤthigt, 
ſich ſtille zu halten und ſich nur im Betz 
borgenen fortzupflanzen. 

Aber der Beyfall den die Grundſaͤtze der 
Reformatoren und die von ihnen unter- 
nommene Veränderungen ſowohl in Sach— 
fen als in der Schweitz erhielten, mache 
ten auch nun dieſen bisher unterdruͤckten 
Sonderlingen Muth, mit ihren Meynung— 
en hervorzutretten. Dies geſchahe in 
Deutſchland von Münzern, Storch, 
Stübnern, Kellern, Zaferiz und an⸗ 
dern, und in der Schweiz von Zubmey⸗ 
ern, Felix Manz, Grebel, RXubli, 
Blaurock und andern, die ſich nicht we- 
niger als Luther und Zwingli zu re— 
formiren berechtigt duͤnkten.“ 

„Aber die Schritte welche ſie wagten, 
waren zu kühn. Noch nicht zufrieden mit 
den in Sachſen und der Schweiz vorge— 


Der Evangeliſche Beſuch. 


nommenen Verbeſſerungen, die ihnen noch 
lange nicht alles zu erſchoͤpfen ſchienen, 
wollten ſie auch die Kindertaufe abgeſchafft 
und dafür die Taufe der Erwachſenen wie⸗ 
der eingeführt wiſſen, und da fie die roͤmi⸗ 
ſche Kirche als eine Mutter aller Unord— 
nungen, als eine ſtindige Gemeinſchaft und 
das eigentliche Babel der Apocalypſe anz 
ſahen, ein Gedanke den auch die andern 
Reformatoren jener Zeit oft und lebhaft 
genug äußerten, wollter' fie an deren Stelle 
eine neue und ganz heilige Kirche der Aus— 
erwaͤhlten auf Erden gegruͤndet wien.” 
Nun, was wir auch einwenden machten! 
gegen die Art 152 Form dieſer Zeugniſſe , 
fo ſind fie hinreichend dieſe Eine Thatſache 
zu beſtatigen, welche allezeit von den Par⸗ 
theyen ſelbſt behauptet, und durch Gleich— 
heit der Anſichten, Grundſaͤtze und Ue⸗ 
bung bekräftiget ward, naͤmlüh; daß' die 
Baptiſten des ſechzehnten Jahrhun- 
derts nicht von rebelliſchen Fanati⸗ 
ckern, fondern von jenen ſonderba- 
ren Partheien, wie man ſie nannte, 
im Mittelalter entſprangen, welche 
unzufrieden waren mit der roͤmi⸗ 
ſchen Kirche, und welche keine andere 
ſeyn können als die Waldenſer 
und Böhmiſchen Br der. 


Ebriftus im Garten. 


Nach dem Engliſchen. Siehe Göspel-Vis, 
Band 1. Seite 16. 


15 

Als einſten der Abend zur Stille ſich 
neigt’, 

Und Tageslicht nur noch in Dartin’rung. 
ſich zeigt”, 

Des Mond's bleiche Strahlen das Erdreich 
heſchien'n, 

In tiefem Nachdenken ich wandelte hin. 


j 2. 
Ich kam an ein'n Garten, und da blieb ich 
ſteh'n 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Zu hoͤr'n eine Stimme voll klaͤglichem 


Fleh'n; 

Die Stimme des Beters ßewegte mein 

b e s 

Er bat für die Sünder, ihr Heil war fein 

Schmerz. 
4 4 3. 

Judem er, ſeel-zagend, zum Himmel ſich 
wandt', 

Sprach er pon den Qualen, die uns zuer— 
kannt; 

Sein Leben als L osgeld er mig bot an, 
Da aß Sünder, erlöfet, das Leben empfah'n, 
4. 

Ich horcht' eine Weile, dann wandt' mich 
zu ſeh'n 

Den Fremdling voll Mitleid, der ſo konnte 
fleh'n: 


Und ſiehe, ich ſahe, gebeugt auf die Erd, 
Das lieblichſte Weſen, mit Aengſten bes 


ſchwert. 
55 

Sein Mantel war feuchte vom Thaue der 
Nacht; 


Sein Haar glaͤnzt' im Mondlicht mit ſelte— 
ner Pracht; 

Sein Auge mild ſtrahlend zum Himmel 
blickt auf, 

Weil um ihn ſteht ſtaunend ein himmli— 
ſcher Hauf, 


6. 
So tief iſt fein Kummer, fa ernſt fein Ge— 
bet 


Daß Angſtſchweiß mit Blut auf dem 
0 Antlitz ihm ſteht; 
Ich weint' bei dem Anblick, ich frug ſei— 
neg Nam', 
Er gg prach: Ich bin IEſus, vom Himmel 
ich kam. 
7. 
Ich bin dein Erloͤſer, ich leide für dich; 
Den Kelch, der ſo bitter, austrinken muß 


1 ich. 
Es find deine Sünden, die druͤcken fo 
ſchwer, 


A ch ihrer iſt, leider, ein zahlloſes Heer. 


* 


Mit tiefer N ich 
8 Wort, 

Und Thränen dep Reue vergoß 

Die Urſach 


be. 


ich ſofor t; 3 

des Leidens, das er dulden 

muß 

Drang tief mir durchs Herz, und ich fiel 
ihm zu Fuß. 
9, 

Zerknirſcht rief ich: JEſus! 
dich mein! 

Herr, hilf mir, ſonſt kann ich verloren 
nur ſeyn, 

Er blickt' auf mich freundlich und fprach 
voller Huld: 

Bei mir iſt Vergebung, ich ſchenk dir die 


erbarme 


Schuld. 
10. 

Wie lieblich der Ausſpruch! ich war hoch 
erfreut, 

Mein Herz war erquicket, mein Geiſt ganz 
verneut. 

Ich beugte mich willig ſein'm ſanften 
Panier, 

Und fand Ruh' der Seelen, o. IJEſu, bei 
dir. 
1. 


ich ein Pilgeim, der Himmel 
mein Ziel, 
irdiſchen Guͤtern bedarf ich nicht viel; 
Mein Herz iſt bei IEſus, mein Schatz 
iſt auch dort, 
Ich habe Licht, Friede, all' Angſt iſt nun 


Hier hin 


Von 


fort. 
12; 

Der Tag iſt am kommen, der herrliche. 
Tag 

Wann endet all' Kummer, all' Suͤnde und 
Plag; 

Ich werde daheim ſeyn beim HErrn al— 
lezeit 

Und loben und ſchau'n Ihn in ewiger 
Freud. 

— — eꝗʃas ee — 


mias Felbinger vor 200 
hren bezeugte. 

Von der heiligen Taufe. 
(Fortſetzung.) 

Laſſet uns derowegen im Namen GOt— 
tes eigentlich beſchauen, was fuͤr eine Tauf⸗ 
Ordnung die heiligen Apoſtel gehalten ha— 
ben, nach der Himmelfahrt des HErrn 
JEſu, und zwar an dem Tage, in welchem 
fie alle erfuͤllet wurden mit dem heiligen 
Geiſte, und anfiengen zu reden mit andern 
Zungen, nach dem der Geiſt ihnen gab aus— 
zuſprechen. Hievon meldet Lucas 

1. In den Geſchichten der Apoſtel 
Cap. 2. daß Petrus mit den Eilfen habe 
geſtanden, und feine Stimme erhohen, und 
eine ſolche Vermahnung zu dem Volke ge— 
than, welche die Herzen ihrer vieler habe ge— 
ſtochen und heftig beweget, alſo daß fie zu 
ihm und den übrigen Apoſteln geſprochen: 
Was ſie doch thun ſollten? Darauf 
ſprach Petrus zu ihnen: Beſſert euch, 
und ein jeglicher unter euch werde einge— 
taucht in dem Namen JEſu Chriſti, zur 
Erlaſſung der Suͤnden, und ihr werdet 
empfangen die Gabe des heiligen Geiſtes, 
Darauf folget endlich: Die nun 
zwar ſeine Rede gerne annahmen, die wur⸗ 
den eingetaucht, und es wurden ihnen zu⸗ 
gethan an demſelbigen Tage bei drey tau⸗ 
ſend < Seelen. 

Und ferner: Sie, nemlich die Einge— 
tauchten, beharreten aber in der Lehre der 
Apoſtel und in der Gemeinſchaft, und in 

dem Brechen des Brods, und in den Gebaͤ— 
ten. Leſet das Capitel bis zum Ende. 


2c. 


Sehet Freunde, die Apoſtel lehren erſt⸗ 
lich, ehe ſie taufen, ſie taufen mit Ein— 
tauchen, ſie tauchen ein diejenigen, welche 
die Lehre Chriſti gern annahmen, und in 
Summa wer das ganze Capitel in der 
Furcht Gottes lieſet, und glaubet den 
Worten des Evangeliſten Lucas, der wird 
in feinem Gewiſſen überzeuget werden, daß 
die heiligen Apoſtel keine unmündige Kin— 


; Der Evangeliſche Beſuch. 


der getaufet, ſondern erwachſene Leute zus 
erſt gelehret, und nach angenommener Leh; 
re im Namen JEſu Chriſti eingetauchet 
haben. 

Ferner 18 ſtehet Afoſt. Geſch, 4. v. 4. 
Viele derer, die die Rede (verſtehet, die Piz 
trus und Johannes zum Volke thaten, 
gehoͤret hatten, glaubeten, und die Zahl der 
Männer ward bei fuͤnf tauſend. Hier wer⸗ 
den den vorigen drey tauſend Getauften 
noch zwey tauſend zugethan, und dieſe alle 
ſind erwachſene Leute geweſen, die die Leh— 
re der Apoſtel konnten hoͤren, verſtehen, 
und mit Glauben annehmen. 

3. Apoſt. Geſch. 5, 12. Sie, (die 
Apoſtel) waren alle einmuͤthiglich in der 
Halle E Salomons, nemlich daß fie daſelbſt 

die Lehre Chriſti ausbreiteten, des Gottes; 
dienste, und des Gebäts abwarteten. v. 
14. Es wurden aber jemehr hinzugethan, 
die da glaubeten dem Herrn, große Mens 
gen, bepdes der Männer und Weiber. 
Hier werden den vorigen Getaüſten große 
Mengen hinzuge than, aber unter den 
großen Mengen wird keines unmündigen 
Kindes gedacht, ſintemal den getauften 
Chriſten nur die Maͤnner und Weiber 
hinzugethan ſind, die da nen dem 
HeErrn. > 

4. Apoſt. Geſch. 6, v. 7. Und die 
Rede Gottes wuchs, und die Zahl der 

Lehr-Jünger zu Jeruſalem ward fehr ver⸗ 
mehret, auch viel Volk der Prieſter gehor⸗ 
ſamten dem Glauben. 
Apoſt. Geſch. 8, v. 1. Es kam 
aber an demſelbigen Tage eine große Ver— 
folgung über die Gemeine, die zu Jeruſalem 
war, und alle wurden zerſtreuet durch die 
Landſchaften des Judiſchen Landes und 
Samarla, ohne die Apoſtel. v. 4. Die 
nun zwar zerſtreuet waren, giengen das 
Land durch, und verkündigten die Rede. 
v. 5. Philippus aber kam hinab in eine 


5. 


Stadt der Landſchaft Samaria und ruf⸗ 


te ihnen Chriſtum aus p. 6. Und die 
Leute hatten acht auf die Worte, die von 


Der Evangeliſche Beſuch. 


dem Philippo geſaget wurden, einmuͤthig⸗ 
lich, 2c.p. 12. Da fie aber dem Philippo 
glaubeten, der ihnen verfündigte die Worte 
von dem Koͤnigreiche GOttes, und dem 
Namen Je ſu Ehrifä, wurden fir einge⸗ 
taucht beyde Männer und Weiber, ꝛc. 

6. Apoſt. Geſch. 8, v. 35. Philip⸗ 
pus verkündigte dem Mehrmanne, dem 
Kämmerlinge Kandaces der Koni gin ber 
Mohren, IEſum, v. 36. Als fie aber der 
Straße nach zogen, kamen fie über ein 
Waſſer, und der Kaͤmmerling ſpricht: 
Siehe, da iſt Waſſer, was verhindert mich 
eingetaucht iu werden; v. 37. Philip⸗ 
pus aber ſprach: Ss du glaubeſt aus 
ganzem Herzen, ſo iſts frey. Er antwortete 
aber, und ſprach: Ich eg. laube, daß Fels 
Chriſtus der Sohn Gottes iſt. v. 38. 
Und er hieß den Wagen ſtihe halten, und 
ſie ſtiegen beyde hinab in das Waſſer, bey— 
des Philippus und der Kar mmerling, und 
er tauchte ihn ein. v. 39. Di fie aber 
heraufgeſtiegen waren aus dem Waſſer, riß 
ein Geiſt. des ern den Philppum hin⸗ 
weg, . 

7. Apoſt. Geſch. , b. 17, 18. 19. 
und 22, v. 12. bis 16. vermahnet Ana⸗ 
nias auf Chriſtt Befehl den Saul, der auch 
Paulus heißt, zur Bekehrung, zur Auruf⸗ 
ung des Namens des Ber, und zur 

Taufe, und als er der Vermahnung Ge⸗ 
horſam leiſtete, ward er eingetaucht. 

8. Apeſt. Geſch. 10, v. 34 bis 43. 
thut Petrus dem Hauptmann Cornelio, 
und deſſen verwandten und vertrauten 
Freunden, eine trefliche Predigt von Chris 
ſto, und gebrauchet unter andern auch die— 
fe Werte, v. 43. Demſelbigen (Chriſte) 
geben alle Propheten Zeugniß, daß Erlaſ- a 
ſung der Sünden empfahe, durch ſeinen 
Namen, ein jeglicher, der an ihn glaubet. 
Darauf felget v. 44. Da Petrus eben 
die ſelbigen Worte noch redete, ſiel der Hei— 
lige Geiſt auf alle, die die Rede hoͤreten, 
ꝛc. v. 47. Da antwortete Petrus: Kann 
auch jemand das Waſſer wehren, daß Diez 


fe nicht ſollten eingetaucht wert 

den Heiligen Geiſt empfange ' 
wie auch wir? v. 48. Und er befa [ 
fie eingetaucht würden in dem Namen des 
e 

Apoſt. Geſch. 16, v. 13. Paulus 

308 5 Reisgefährte Silas gieingen biz 
naus vor die Stadt Philippi, an einen 
Fluß, da das Gebäte zu ſeyn pflegte, und 
Tasten führe und redeten zu den Weibern, 
die zuſammen kommen waren. v. 14. Un 
ein Weib, mit Namen Lydia, eine Purpur⸗ 
Kramerin der Stadt der Thyatjrer, die 
Gott fürchtete, hoͤrete zu, welcher Herz 
der HErr aufthat, daß fie darauf acht Harz 
te, was von Paulo geredet ward. v. 15. 
Als ſie aber eingetaucht war, und ihr 
Haus, das iſt, ihre Freundſchaft und An⸗ 
verpandten, (welche ſonder ‚Zweifel auch 
an dem vorgedachten Fl luſſe das Wort 
Gottes gehoͤret und angenommen haben,) 

bat ſie und ſprach: So ihr geurtheilet, ha⸗ 
bet, daß ich dem Hexen getreu bin, fe kom⸗ 
met hinein in mein Haus, und bleibet 
all da. 


10. Apoſt. Geſch. 16, v. 30. 
Stockmeiſter zu Philippi ſprach zu Paulo 
und“ Sila: Ihr Herren, was ſoll ich thun, 

daß ich ſelig werde? v. 31. Sie aber 
ſprachen: Glaube an den HErrn IEſum 
Chriſtum, ſo wirſt beydes du ſelig werden, 
und dein Haus. v. 32. Und ſie redeten 
zu ihm die Rede des HErrn, und zu allen 
die in ſeinem Hauſe waren. v. 33. Und 
er nahm ſie zu ſich in derſelbigen Stunde 
der Nacht, und wuſch ſie ab nach den 
Schlägen, und er ward eingetaucht, und 
alle die Seinen, von Stund an. 


11. Apeſt. Geſch. 18, v. 8. Kriſpus 
der Oberſte der Verſammlung zu Sorins 
thus, glaubete dem HErrn, ſammt ſeinem 
ganzen Hauſe, und viele der Corinthier, 
die da zuhoͤreten, (nemlich der Lehre des 
Apoſtels Pauli,) glaubeten, und wurden 
eingetaucht. 


Der 


was darfs endlich vieler Weitlaͤuf— 
? Man durchſuche die Bücher des 
ceſta jents von Anfang bis zu Enz 
; man wird nirgend finden, daß die 
Apoſtel jemanden getauft haben, ohne vor— 
hergegangene Lehre und Unterweiſung, 
vielweniger daß fie ſellten unmuͤndige 
Kinder getauft haben, die das Wort Got⸗ 
tes nicht verſtehen nah glauben Fonnen, 
vielweniger haben ſie anſtatt der Taufe 
mit wenigem Waffer das Vor-Paupt be⸗ 
ſprenget, ſondern ſie haben allwege erſtlich 
gelehret, hernach haben ſie diejenigen, die 
die Lehre des Evangeliums mit Glauben 
annahmen, ins fließende Waſſer einge⸗ 
taucht, wie die bisher angefuͤhrten Oerter 
und Exempel der Schriften des neuen Te— 
ſtaments klaͤrlich bezeugen. 


Wiewohl nun zwar daſſelbige, was uns 
die heilige Schrift von Bedienung der heilie 
gen Taufe klarlich und deutlich vorhaͤlt, al— 
len rechtſchaffenen Chriſten gnug thut, die 
rechte Tauf-Ordnung bey ihnen aufzurich— 
ten und zu erhalten, ſo wollen wir dennoch 9 
zum Ueber fluß beweiſen, daß von dem T 
de der Apoſtel her, bis auf dieſe unſere Zei— 
ten, allwege Chriſtliche Gemeinen und vor— 
nehme Chriſtliche Lehrer geweſen, die der 
Tauf⸗Ordnung Jeſu Chriſti beygepflichtet, 
ungeachtet der großen und mannigfaltigen 
Aenderungen und Mißbräuchen, die unter 
dem groͤßten Haufen der Chriſten mit. 

Langheit der Zeit in Bedienung der Taufe 
find entſtanden, ja ungeſcheuet der ſchwe— 
ren Verfolgungen, welche die Rechtgläubi- d 
gen wegen Unterhaltung der rechten Taufe D. 
von vielen hundert Jahren her ausgeſtan— 
den haben, und noch an manchen Orten 
der Welt ausſtehen. 


To⸗ 


Darbey denn zugleich wird angewieſen 
werden, wie die rechte und uralte von Chri— 
ſto eingeſetzte, und bey ung übliche Tauf— 
Ordnung auch noch heut zu Tage gute 
Zeugniſſe hat ſelbſt auch bey denen Lehrern, 
die ihr doch ſonſt nicht in allen Sfuͤcken 


Der Evangeliſche Beſuch. 


beipflichten. Aber dieſes ſoll geſchehen, fa 
viel moglich, aufs allerkuͤrzeſte. Wer bie 
von weitläyftigern Unterricht begehret, der 
durchleſe die große Tauf-Hiſtorig, im Jahr 
1646 und 1647 zu Dortmund gedruckt, 
daraus dieſes itztfolgende als ein ſummari⸗ 
ſcher Auszug genemmen iſt. 

Zum erſten tritt herfür Juſtinus 
Martyr, der faſt um N 80 0, Jahr vor 
Tertülllano in der Kirche iſti i 
rühmt geweſen, das iſt auf 0 80 Jahr 
ungefehr nach der Apoſtel Zeiten, 40 nach 
dem Apoſtel Johannes; und erzehlet in friz 
ner zweiten Verantwortung für die Chri— 
ſten an die Kaifer Titus und Aelius, Adri⸗ 
anus, Antonius Pius, was die Chriſten 
bey ſeiner Zeit fuͤr Uebuggen⸗ im Gottes— 
dienſt gehabt, und unter andern, auf w 05 
Weiſe die Taufe d damals ſey bedienet wor— 
den. „Nun will ich erzählen (ſagt er) 
wie wir uns Gott ergeben, nachdem wir 
durch Chriſtum erneuert worden, damit wir, 
nicht geachtet werden, als wollten wir etz 
was betruͤglicher Weiſe verſchweigen.““ 

Merket wohl, chriſtliche Leſer, er will den, 
Kaiſern nichts verſchweigen: wenn er 
denn nichts melden wird von der Kinder ra 
Taufe, fo iſt gewiß, daß fie auch damals 
in den Chriſtlichen Gemeinen weder be- 
kannt noch uͤblich geweſen ſey. 


— 
* 
D 


kun er ſchreibet von Bedienung der 
Taufe zu ſeiner Zeit alſo: „Alle, fo d dahin 
gebracht und uͤberzeugt werden, daß fie un—⸗ 
ſere Lehre fuͤr wahr halten, die ihnen von 
uns wird vorgeſaget, und verſprechen nach 
derſelben zu leben, die lehren wir vor allen 
Dingen durch Beten und Faſten Verzeih— 
ung der begangenen Sünden von Gott zu 
begehren, und wir beten und faſten mit ih— 
nen. Darnach werden ſie zum Waſſer 
geführet, wiedergeboren und getauft, auf 
die Weiſe, wie auch wir ſind neugeboren 
worden: denn fie werben auf den Namen, 
unſers aller Vaters, und unſers Herrn und 
Heilandes Jeſu Chriſti, der unſer aller 
Seligmacher iſt, und des heiligen Geiſtes, 


Der Evangeliſche Beſuch. 


mit Waſſer gewaſchen; denncChriſtus ſelber 
geſaget: Es ſey dann daß ihr von neuem 
gezeuget werdet, fo koͤnnet ihr nicht einge— 
hen in das Königreich Gottes.“ 

Und bald hernach: „Solches haben wir 
in dieſem Handel von den Apoſteln geler— 
net, denn dieweil wir von Natur unwiſſend 
find, und in boͤſen Sitten und Gewohnhei— 
ten auferzogen, ſo wird, damit wir keine 
Kinder der Unwiſſenheit und unferet Noth— 
durft bleiben, ſondern einen freiwilligen 
Verſatz und 3 erlangen, und im 
Waſſer die Verge bung der i 
Sünden beksmmen, über dieſelben, die 
freiwillig wiedergeboren zu ſeyn begehren, 
und über ihreß vorgehenden Sünden Reue 
haben, der Name Gottes, aller Menſchen 
Vaters und Herrn, angerufen, und nach 
ſolchem Gebet führen wit den, der getauft 
fell werden, zum Waſſerbade, das wird ei— 
ne Erleuchtung genennet, dieweil derer 
Verſtand, die dieſe Dinge lernen, erleuch— 
tet wird; aber derjenige, der alſo erleuchtet 
wird „der wird auch auf den Namen Jeſu 
Chriſti der unter Pontio Pilato gekreutziget 
iſt, auf den Namen des heiligen Geiſtes, 
der alles von Ehriſto durch die Propheten 
hat zuvor geſaget, gewaſchen.“ 

Und wiedertem darnach: „Aber wir, 
wenn der, fo der Wahrheit uͤberzeuget iſt, 
mit uns einträchtig und alfo gewaſchen iſt, 
führen ihn hin zu den andern Brüdern, da 


ſie zuſammen kommen, thun eifrig das ge- 


meine Gebet fuͤr uns ſelber, und fuͤr den, 
ſo neulich ekleuchtet iſt worden, und fir al— 
le andere Menſchen, wo fie auch ſeyn moͤ— 
gen, damit wir würdig ſeyn moͤgen zu ſeyn 
Nachfolger der Wahrheit, und mit der That 
einen guten Wandel fuhren, und nach Got— 
tes Geboten zu wandeln, auf daß wir wo— 
gen die ewige Seligkeit erlangen, ꝛc.“ 
„Darnach bringet man einem Aelteſten 
unter den Bruͤdern das Brod, und den 
Becher mit Waſſer vermiſchet, welchen er 
annimmt, lobet und danket Gott, unſerem 
aller Vater, im Namen des Sohnes, und 


des heiligen Gelſtes , und betet alſo ei 
te Weile vorgedachte Dinge von ; 
erlangen, nach deffen Gebet und De 
gung ſpricht die ganze Gemeine darauf 
Amen. Welches Hebräifihe Wort ſo viel 

heißet, als: es fol geſchehen und wahr 
werden.” 

Wenn nun der Voerſteher Gott alſo gez 

danket, und alles Volk darauf Amen geſa— 
get, fo geben die Diafoni oder Mitdiener 
einem jeden, fo zugegen iſt, ein Theil des 
Brods, und vermiſchten Kelchs, uͤber wel— 
che die Dankſagung geſchehen iſt, und laſ— 
ſens auch denen, fo nicht gegenwärtig find, 
heimtragen: dieſe Speiſe und Trank nen— 
nen wir Euchariſtian, das iſt, ein Geheime 
niß der Dankſagung. Darzu niemand ger 

laſſen wird, er halte dann unſere Lehre fiir 
gewiß, und ſey vorhin getauft worden zur 
Vergebung der Sünden, und lebe alfo, wie 
es Chelſtus befohlen hat.“ 

Aus dieſen jetztangezogenen Orten, nicht 
allein aus allen Zeilen, ſondern faſt aus al— 
len und jeglichen Worten, iſt offenbar, daß' 
zu den Zeiten Juſtint Markyrs keine Uns 
muͤndigen Sechswochen-Kindlein, ſondern 
allein erwachſene und zuvor im Chriſten— 
thum unterwieſene Menſchen ſind getauft 
worden. Und iſt nur vergeblich Ding, daß 
man aus einem unge wiſſen Buͤchlein der 
Fragen und Antworten Juſtinus ein nis 
Friges erweiſen will: ſintemal ſelbſt dieje— 
rigen, welche der Kindertaufe beypflichten, 
fihon längſt mit unwidertreiblichen Gruͤn— 
den bewieſen haben, daß dieſes Buch von 
Juſtino Martyr keinesweges geſchrieben 
ſey; hiervon leſe man in der zweiten 
Magdeburgiſchen Centuria, Cap. 10. 

Und iſt genug, daß Juſtinus in voran— 
gezogenen Orten bezeuget, daß allen, die 
der Lehre Jeſu Chriſt zu ſeiner Zeit bey— 
pflichteten, befohlen ward, daß fie erjtlicy 
Vergebung der vorbegangenen Suͤnden von 
Gott ſollten bitten, darnach wurden ſie in 
der Verſammlung an dem Ort getauft, da 
Waſſer war: die Getauften aber empfing— 


Der 


Leib und das Blut C Thi 


den 


hen auch Gebete, die ein jeder ſowohl für 
ſich ſelbſt, als auch die laͤngſt Getauften für 
die neulich Getauften, fprachen: 

Clemens, der zu Zeiten der Apo— 
ſtel ſoll gelebet haben, ſchreibet in ſei⸗ 
nem dritten Briefe alſo: „So jemand will 
glaͤubig werden, und begehret getauft zu 
ſeyn, der ſoll ſich ſchicken daß er die vori— 
gen Bosheiten ablege, auf daß er hinfort 
mit gutem Wandel ein Erbe der himmli— 
ſchen Güter nach feinen eigenen Thaten 
moͤge werden; der nun ſolches will, der. ges 
he zu ſeinem Prieſter, und hoͤre von ihm 
die Geheimniße des Himmelreichs und uͤbe 
ſich mit ſleißigem Faſten, und prüfe ſich 
ſelbſt wohl in allem, auf daß er nach drey— 
en Monden moͤge ae, werden, und der 
Name der ſeligen Dreyeinigkeit uͤber ihm 
angerufen.’ 

Dergleichen Zeugniſſe von der Taufe fürs 
te man ſehr viele aus den Schriften der 
Allen herfuͤrbringen, aber unſer Vorhaben 
iſt nicht anjetzo, den Leſer durch Vielheit 
der angeführten Zeuzniſſen müde zu mas 
chen. Unterdeſſen aber ſind wir auch nicht 
in Abrede, daß um die dreihundertjährige 
Zeit die erſte und einfaͤltige Taufordnung 
unſers Heilandes von etlichen hie und da 
geandert worden durch Zuſetzung allerhand 
unnoͤthiger und unnützer Ceremonien, bis 


endlich Cyprianus in Africa mit etlichen 


ſeiner Meinung die Kindertaufe und das 
Kindernachtmahl befeſtiget haben. Mit! 
der Zeit ſind allerhand aberglaubiſche Din 
Taufe zugethan worden, bis daß 
man endlich gar Glocken und andere leblo— 
ſe Dinge getauft hat, nicht ohne große 
Schmach der erſten von Chriſts eingeſetzten 
Tauf⸗Ordnung. 


ge der 


Nichtsdeſtoweniger aber hat die rechte 
Taufe allwege ihre Handhaber und Unter— 
halter gehabt. Tertullianus, der 
geſchrieben hat ums Jahr Chriſti 250, als 


Evangeliſche Beſuch. 


er ſahe, daß zu feiner Zeit die Kinder- Laus 
fe allmaͤhlich be gonnte, ſchreibet im 
von der Taufe: „Man ſoll die Kinder 


nicht alſobald taufen; und aus dem Spru⸗ 


che Matth. 19. Laſſet die Kinder, und 


wehret ihnen nicht zu mir zu kommen, ant⸗ 


wertet er: „Sie moͤgen kemmen, wenn fie 
erwachjen, fie kommen indem fie lernen, 
indem fie gelehret werden, wohin ſie kom⸗ 
men ſollen. Laſſet ſie Chriſten werden, 
wenn ſie Chriſtum werden kennen koͤn— 
nen. Warum: eilet die unſchuldige Kind— 
heit zur Vergebung der Eiinden? Man 
handelt ja in zeitlichen Dingen vopſichti ger, 
als daß man denjenigen, welchen man die 
irrdiſchen Guter nicht anvertrauet, ſollte 
die goͤttlichen anvertrauen. Laſſet fie kom⸗ 
men, wenn ſie wiſſen die Seligkeit zu be— 
gehren, auf daß man ſehe, daß mans denje— 
nigen gegeben habe, die es begehret haben.“ 


Weil nun Tertultianus die Kinder-Tau⸗ 
fe fd freimuͤthig verwirft, als kann hieraus 
mit gutem Grunde geſchloſſen werden daß 
dieſelbige vor ſeiner Zeit der Gemeine Chri— 


ſti von den Apoſteln keinesweges ſey uͤberlie- 


fert worden. Wäre die Kinder-Taufe in 
den Schriften der Apoſtel gegründet, von 
den Apoſteln den Chriſtlichen Gemeinden 
übergeben, und von den Chriſtlichen Ger 


meinten bis auf Tertullianus Zeiten unter— 


halten worden, gewiß dieſer Lehrer wuͤrde 
ſich derſelbigen im geringſten nicht wider⸗ 
ſetzet haben. j 

(Fortſetzung folgt.“ 


— —6 


Der nächſte Weg zum Simmel. 
Was du nicht willſt, das thu', 
Und was du willſt, das laſſe! 
Dieß iſt zur Seligkeit 
Fuͤr 


dich die naͤchſte Straße. — 4 

Da ſprach er zu ihnen allen: Wer mix 
folgen will, der verleugne ſich feldft, und 
nehme ſein Kreutz auf ſich taͤglich, und fol- 
ge mir nach. Luc. 9, 23. 


Buche 


Der (Vvangeltsche 


November 1853. 


Band 1. 


22 


besuch, | 


Auf Verlangen aus dem Diſiter uͤberſetzt. 


Rein Kreutz, keine Krone. 
„Und jo jemand auch kaͤmpfet, wird er 
doch nicht gekroͤnet, er Fämpfe denn recht.” 
2. Tim. 2, 5. 
Kein Kreutz, keine Krone. Dieß iſt ei— 
ne harte Rede. Jedermann will die Krone; 
Niemand will das Kreutz. Wenn wir den 
Heiland reden hoͤren von der Seligkeit de— 
rer, die das Himmelreich ererben ſollen,. — 
derer, die getroͤſtet werden, —die Barmher— 
zigkeit erlangen, —Gott ſchauen, und Kin— 
der Gottes heiſſen ſollen; (Matth. 5.) 
wenn wir hoͤren, was der Geiſt den Ge— 
meinen ſagt von einer Krone des Lebens, 
die dem Ueberwinder zu Theil werden ſoll; 
von dem Verborgenen Manna zu effen, von 
einem neuen Namen zu empfangen; von 
Macht Uber die Heiden; von angelegt wer— 
den mit) weiſſen Kleidern; von gemacht 
werden zu einem Pfeiler in dem Tempel 
Gottes, und mit Chriſto zu ſitzen auf ſei— 
nem Stuhl, Offenb. 2. u. 3. mit einer 
Krone der Gerechtigkeit und Herrlichkeit 
auf feinem Haupt z—alles dieſes iſt ſehr 
lieblich, und Niemand wuͤrde ſolcher guten 
Botſchaft muͤde werden. 


Aber wenn der nemliche Heiland ſagt: 
Wahrlich, wahrlich, ich ſage dir: Es ſey 
denn daß Jemand von neuem geboren wer— 
de, kann er das Reich Gottes nicht ſehen. 
Joh. 3, 3. ſolches wiederholend und erklaͤ— 
rend aber und abermal; wenn wir ihn hoͤ— 
ren ſagen: Will mir Jemand nachfolgen, 
der verlaͤugne ſich ſelbſt, und nehme ſein 
Kreutz auf ſich, und folge mir; Matth. 
16, 24. kurz, wenn wir in Verbindung 
mit jeder Verheiſſung eine Bedingung oder 
Forderung an den Menſchen finden, deren 
Erfüllung unſern natürlichen Neigungen 
zuwider iſt — dann fangen wir an mit de— 
nen im Evangelium Joh. 6, 60. zu ſagen: 


„Das iſt eine harte Rede, wer kann ſie 
hoͤren? 

Indeſſen, ſey es eine harte Rede oder 
nicht, es iſt eine wahre Rede, ein wahres 
Wort: Kein Kreutz, keine Krone. Ob— 
fihon der Menſch in feinem urſpruͤngli— 
chen Zuſtand eine Krone beſaß, ohne ein 
Kreutz, ſo hat er dieſe Krone verloren. 
Obſchon er einſt ein geborner Koͤnig war, 
als entſproſſen aus dem goͤttlichen Geſchlecht 
des Koͤnigs aller Koͤnige, des HErrn aller 
Herren z—ddurch Ungehorſam gegen feinen 
guͤtigen himmliſchen Vater verſcherzte er 
ſein Koͤnigreich, und ward ein armer Scla— 
ve ;—ein Sclave der Luft, der Suͤnde, des 
Satans. Obſchon er einſt bekleidet war 
mit Macht, Autorität und Herrſchaft, fo 
wie nie mals ein irdiſcher Monarch beſaß, 
zu herrſchen uͤber die Fiſche im Meer, und 
über die Voͤgel unter dem Himmel, und tie 
ber das Vieh, und über die ganze 
Erde, (wo war jemals ein Koͤnigreich 
gleich dieſem?) und uͤber alles Gewuͤrm, 
das auf Erden kriecht;“ dieſe Herrſchaft 
iſt von ihm (dem Menſchen) gewichen, u. 
er wird an ſeinen traurigen Zuſtand erin— 
nert, ſo oft ein Hund ihn anbellt, ein Pferd 
den Fuß gegen ihn aufhebt, oder irgend ei— 
ne der unvernuͤnftigen Creaturen feiner 
Autorität Trotz bietet. Ja, wir wiederho— 
len es, obſchon der Menſch einſt im Beſitz 
einer Krone des Lebens, u. ſelbſt der Baum 
des Lebens unter ſeiner Bewahrung ſtand, 
durch die Suͤnde iſt er beraubt von dieſer 
Krone ohne Kreutz, und ausgeſchloſſen von 
dem Baum des Lebens, und unterworfen 
dem Tod. 

O Menſch, wie biſt du gefallen! 
der du geſchaffen warſt nur ein wenig gr 
ringer als die Engel; der du gekroͤnet warſt, 
mit Herrlichkeit und Ehre, und geſetzet ıtz 
ber die Werke des Allmaͤchtigen z—o wie 
tief biſt du gefallen -wie gänzlich beraubt 


Du 


der ichkeit und Ehre und Macht, die 
einſt dein war! wie unrettbar, wie unwie— 
derbringlich verloren für dich war die Kro— 
ne, begleitet von keinem Kreutz! — 

Nein, meine Freunde, dieſer Verluſt 
konnte nimmer erſetzt, Krone konnte 
niemals wieder erlangt werden durch den 
Menſchen, den gefallenen Men: 
ſchen. Kein Menſch, wie immer weiſe und 
erfinderiſch, wie immer ſtark an Kraft und 
Willen, wie immer groß in Autorität und 
Herrſcha t, konnte dieſe verlorne Krone für 
ſich ſelbſt wieder gewinnen z kein Bruder 
konnte ſie wieder erwerben fuͤr ſeinen Bru— 
der. Pf. 49, 7. 8. Nein; kein geſchaffe— 
nes Weſen, ſelbſt kein herrlicher Engel vor 
dem Throne Gottes, noch wenn alle Engel 
im Himmel und alle Menſchen auf Erden 
alle ihre Weisheit und Macht zu dieſem 
Zweck vereinigt hätten, Niemand, keine 
bloſe Creatur konnte der Menſchheit dieſe 
Krone wieder verſchaffen. Warum? 
Einfaͤltig darum, weil Gott ſie urſpruͤng— 
lich dem Menſchen ſchenkte, und Gott al— 
lein ſie wieder geben konnte. 


dieſe 


Gott allein, ich wiederhole es, war ver— 
moͤgend ſie wieder zu geben, und, o gelobet 
ſey der HErr für Seine unbegreifliche Liebe 
und Guͤte! er war auch willig es zu thun. 
Und o welche ſchwindelnde Tiefe der Liebe 
öffnet ſich vor unſern Augen, wenn wir 
betrachten, wie dieſes ausgefuͤhrt wurde. 
„Denn alſo hat Gott die Welt geliebet, daß 
Er feinen eingebornen Sohn gab.” Er, 
welcher in des Vaters Schooß, und im Be— 
ſitz uuvergaͤnglicher goͤttlicher Herrlichkeit 
war; Er, den anzubeten alle Engel für ih: 
re Seligkeit hielten; den der Vater geſe— 
tzet hatte zum Erben aller Dinge, durch 
den Er auch die Welten gemacht hatte; 
der der Abglanz ſeiner Herrlichkeit, und 
das ausdrückliche Ebenbild feines 
war; der alle Dinge im Weſen erhält durch 
das Wort ſeiner Macht Er, von dem 
elsa wird, „Gott, dein Stuhl währet 
von Ewigkeit zu Ewig 


Weſens 


gkeit, ein Seepter der 


Der Evangeliſche Beſuch. 


Gerechtigkeit iſt das Scepter deines Koͤ— 
nigreichs; Er unternahm es freiwillig, 
die verlorne Krone der Menſchheit wieder 
zu erwerben. | 

Aber Fein Kreutz, Feine” Krone. Hätte 
Gott in ſeiner ewigen Weisheit irgend ei— 
nen andern Weg erſehen, um die nemliche 
Abſicht zu erreichen, koͤnnen wir fuͤr einen 
Augenblick denken, daß er feinen eingebor— 
nen und hochgeliebten Sohn ans Kreutz 
übergeben hätte? Nein, nein. Wir muͤſ— 
fen daher ein für allemal ſchließen daß 
kein anderer Weg war, oder ſicherlich wuͤr— 
de Gott feinen eingebornen Sohn verſcho— 
net haben von dem Kreutz. 

Oder ſtellen wir uns vor, daß Chriſtus 
das Kreutz nur erdultete am Ende ſeiner 
irdiſchen Wallfahrt? Nein, nein. Von 
dem Augenblick, ſo zu reden, daß der Sohn 
Gottes willig ward, die Erloͤſung der Welt 
zu unternehmen, von dem Augenblick an 
hatte er auf ſich genommen das Kreutz. 
Daher heißt es, “das Lamm das erwürget 
iſt von Anbeginn der Welt.“ Offenb. 8, 
8. Er erdultete bereits das Kreutz, als er 
ſeines himmliſchen Vaters Thron verließ, 
und ſeine Wohnung nahm mitten unter 
Suͤndern; als er, der Verſorger einer gan— 
zen Welt, ſelbſt ein huͤlfloſes Kindlein 
ward; der HErr und Erbe aller Dinge 
unterthan wurde feinen irdiſchen Aeltern; 
als er, der Heilige in Iſrael, in Geſell— 
ſchaft mit Suͤndern zur Taufe Johannes 
kam; wenn er Hunger und Durſt, und 
Verſuchungen vom Teufel und von Men⸗ 
ſchen ausſtand; wenn für alles Gute, das 
Er that, er verſpottet, verworfen und ver— 
folgt wurde. 

Ja, wir ſagen noch einmal, Chriſtus dul⸗ 
tete, und hatte erdultet das Kreutz lange 
zuvor, ehe die Menge ſeiner Feinde aus— 
rief: „Kreutzige, kteutzige ihn! Lange be— 
vor Pilatus ihn uͤberantwortete, daß Er 
gekreutziget würde; lange bevor die Kriegs 
knechte ihn auszogen, und ihm ein koͤniglich— 
es Purpurkleid anlegten, und eine Krone 


a 


Der Evangeliſche Beſuch. 


von Dornen, (alſo kein Kreutz, keine Kro— 
ne, nicht einmal eine Dornenkrone,) ihm 
aufs Haupt ſetzten, und ein Rohr in ſeine 
rechte Hand gaben, und Spottweiſe zu ihm 
ſagten: Gegrüßeſt ſeyſt du, Juden-Koͤ⸗ 
nig!' lange bevor Er zur Schädelſtaͤtte 
hinaus geführt, ſein Kreutz tragend, und 
endlich ans Kreutz geheftet, genagelt 
wurde. Aber je näher es dazu kam, deſto 
ſchwerer wurde das Kreutz. 


Oder denket ihr nicht, liebe Freunde, es 
war ein Kreutz für unſern Erloͤſer, wenn 
Er ſah und hoͤrte, wie ſeine Juͤnger ſich 
darum ſtritten, welcher unter ihnen der 
Groͤßeſte waͤre, und Er, der HErr und 
Meiſter ſich ſelbſt herablaſſen mußte, ihre 
Füße zu waſchen und fo fie Demuth zu 
lehren? (Hier iſt keineswegs der Sinn, 
daß das Werk des Fußwaſchens unſerem 
demuͤthigen Heiland ein Kreutz war, ſon— 
dern nur die Urſache, der Ehrgeitz ſeiner 
Junger.) Denker ihr nicht es war ein 
Kreutz fuͤr ihn zu wiſſen, daß ſelbſt unter 
ſeinen geliebteſten Freunden einer ihn ver— 
zathen, der andere ihn verleugnen wuͤrde? 
Denket ihr nicht es war ein Kreutz fuͤr ihn 
zu wiſſen, daß ſeine Stunde gekommen 
war; zum Voraus zu wiſſen alles was da 
kommen würde, ja es mit ſolcher Gewiß— 
heit zu wiſſen, daß fein Leib gemartert, 
und ſein Blut vergoſſen wuͤrde, daß Er ſo— 
gar Brod und Wein einſetzte zum Ge dächt— 
niß ehe es wirklich geſchahe? 


Dennoch, meine Freunde, verſtehen wir 


das Geheimniß des Kreutzes, und die une 


bedingte und unausweichliche Nothwendig— 
keit deſſelben nicht, es ſey denn daß wir 
unſerem Heiland in den Garten Gethſema- 
ne folgen. Dort ſehen wir in der That, daß 
ohne Kreutz keine Krone ſeyn würde. Denn 
dort ſehen wir Ihn in ſeel-zagender Be— 
truͤbniß, ſelbſt bis an den Tod, auf dem 
Angeſichte liegend, und hoͤren Ihn beten, 
abermal und abermal: „Vater, iſt es 
moglich, fo gehe die ſer Kelch 
von mir.“ Hier laßt uns ſtille ſtehen, 


91 


und tief bedenken den Sinn dieſer Werte 
unſers tiefbetruͤbten Heilandes: „I ſt es 
moͤglich.“ 


„Hoͤret, ihr Himmel, und faſſe zu Oh— 
ren, du Erde:“ denn der Sohn Gottes 
betet dreimal in groͤßter Herzensangſt zu 
feinem Vater: 4ſt es möglich, fo gehe 
dieſer Kelch von mir!“ und doch wird der 
Kelch nicht weggenommen. War es nicht 
möglich für die ewige Weisheit, irgend ei⸗ 
nen andern Plan zur Erloͤſung der Menſch— 
heit zu entwerfen? War es nicht moͤglich, 
für die unendliche Allmacht Sünder zu erz 
retten, ohne den Heiligen ſo zu behandeln? 
War es nicht moͤglich fuͤr göttliche, 
unumſchraͤnkte Gnade, ein Begnadigungs— 
Manifeſt, einen GeneralPardon für: 
Uebertreter ausgehen zu laſſen, ohne den 
Unſchuldigſten als Uebertreter zu behan- 
deln? Mit einem Wort, War es nicht 
moglich für graͤnzenloſe Liebe, dem Sohn 
Gottes das Kreutz zu erſparen, und die 
Welt doch ſelig zu machen! 


Nein, nein: die Thatſache, daß Chriſtus 
wirklich dieſen bittenn Kelch trinken, und 
allen den ſchrecklichen Leiden, und dieſem 
grauſamſten und ſchmachvolleſten Tod am 
Kreutz ſich unterwerfen mußte, nach allem 
was er zuvor gethan und erlitten hatte, 
und ungeachtet feiner Thranen, feiner Ge— 
bete, feiner Bitten, —dieſe Thatſache be— 
weißt aufs allerklarſte, daß es nicht 
möglich war für Chriſtus, eine Kros 
ne des Lebens und der Ehren für 
den Menſchen zu erwerben, ohne 
ſelbſt zu erdulten das Kreutz, und daß 
der einzige und ganze Plan der Erlofung in, 
den Worten ausgedruͤckt werden kann: 

„Rein Kreutz, keine Krone 
Fortſetzung folgt. 


2 


. 


Was Jeremias Felhinger vor 200 
Jahren bezeugte. 
Von der heiligen Taufe. 
(Fortſetzung) 

Zu Zeiten Tertullianus iſt geweſen 
Clemens Ale xandrinus, welcher 
zwar weitläufig von der Taufe ſchreibet, er 
gedenket aber der Kinder-Taufe nicht mit 
einem einigen Worte, ſondern er gebrauch 
et ſich durchaus ſolcher Weiſen zu reden, 
die genugſam mitbringen, daß er von ſelbi— 
ger nichts gewußt oder gehalten hat: unter 
andern ſchreibt er Pædagog. lib. 1. cap. 
6. „Die Lehre und Unterweiſung gehet 
vorher zum Glauben, aber der Glaube zu— 
ſamt mit der Taufe wird durch den heiliz 
gen Geiſt gegeben und verrichtet. Item: 
Eben alſo auch wir, dieweil wir Reue uͤ— 
ber unſere begangene Suͤnden haben, und 
von ihren Gebrechen abgeſchieden durch die 
Taufe gefaubert find, fo laſſet uns laufen 
zu dem ewigen Lichte gleich wie die Kinder 
zu ihrem Vater.“ 

Und was beduͤrfen wir viele Worte; 
man leſe die alte Kirchengeſchichte, ſo wird 
man finden, daß viel Chriſten, ſchon etliche 
hundert Jahr nach Chriſti Geburt, ihre 
Kinder nicht haben taufen laſſen, ehe und 
bevor ſie erwachſen und in der Lehre des 
Glaubens unterwieſen waren. 

Theodoretus lib. 1. cap. 31. mel⸗ 
det, Kaiſer Conſtantin ſey gar alt, und da 
er bald dem Tode nahe, (nemlich da er 
ſchon viel Jahr lang ſich zu Chriſto bekannt 
hatte,) endlich getauft worden. lüb. 4. cap. 
12. erzehlet er, wie Kaiſer Conſtantinus, 
als er mit den Gothen Krieg anfangen 
wollte, mit großem Schaden der Kirche ſey 
getauft worden. 

Theodoſius der Kaiſer aus Hiſpan— 
ien von beiden Chriſtlichen Eltern geboren, 
und von Jugend auf in der Chriſtlichen 
Lehre auferzogen, iſt erſt im zweiten Jahr 
feiner Regierung (ums Jahr Chriſti 380, 
zu Theſſalonich vom Biſchof Athalio getauft 
worden, als er in eine Krankheit gefallen 


Der Evangeliſche Beſuch. 


war, davon er in wenig Tagen nach der 
Taufe genaß. 

Auch Valentinianus, von Val⸗ 
entiand I. dem Gottesfürchtigen Fuͤrſten, 
und Juſtina einer Chriſtgläubigen Frauen 
(doch Arianiſch geſinnet) geboren, und von 
ihnen in der Lehre Chriſti auferzogen, iſt 
nicht in feiner Jugend getauft worden: a— 
ber als er zu ſeinen Jahren kommen war, 
und ſchon 16. Jahre regieret hatte, hat er 
ſich vorgenommen, von Ambroſio Biſchof 
zu Mayland taufen zu laffen, und ihm auch 
ſolches zu erkennen gegeben. Aber ehe er 
ſolches hat koͤnnen vollbringen, iſt er von 
Arbogaſto verrätheriſch umgebracht wors 
den. Daruͤber ſprach Ambroſius in ſei— 
ner Leichpredigt Tom. 3. Welchen ich im 
Evangelio ſollte geboren haben, den hab ich 
zwar verloren, jedoch hat er die Gnade 
nicht verloren, deren er begehret hat. 
Hiervon mag man leſen im Socrate, Hist. 
Eecles. lib. 4. cap. 9. und 26. und lüb. 
5. cap. 6. 

Inſonderheit iſt merkwuͤrdig, daß die 
meiſten und vortrefflichſten Kirchen-Lehrer, 
ob fie gleich von Chriſtlichen Eltern ge— 
zeuget waren, dennoch erſt in ihren muͤn— 
digen Jahren, und nachdem fie die Lehre 
Chriſti gelernet hatten, ſind getauft wor— 
den. 

Gregorius Nazianzenus iſt 
von Chriſtlichen Eltern gezeuget worden, 
fein Vater war Biſchof zu Nazianz, auch 
Gregorius genannt, und ſeine Mutter 
Nonna, eine gottesfuͤrchtige Frau, auch von 
Chriſtlichen Eltern geboren: dieſe feine 
Eltern haben ihren Sohn nicht in der 
Kindheit taufen laffen, denn er iſt erſt im 
20ſten Jahr ſeines Alters getauft worden. 

Baſilius der große, und Tubulus 
als ſie die heiligen Oerter im gelobten Lan— 
de beſucht und geſehen, haben ſich beide im 
Jordan taufen laſſen, wie Amphilochius 
im Leben Baſilius meldet; und dieſe find 
auch von Chriſtlichen Eltern geboren, und 
doch nicht in ihrer Kindheit getaufet wor— 


Der Evangeliſche Beſuch. 


den. Der jetztgemeldete Baſilius iſt zu 
Caiſaria in Cappadocia Biſchof geweſen, 
ums Jahr Chriſti 386. 

Hieronymus iſt in einem Staͤdt— 
chen genannt Stridon in Dalmatien an 
den Ungariſchen Grenzen von chriſtlichen 
Eltern gezeuget, ſein Vater hat geheißen 
Euſebius: Dieſer chriſtliche Mann ließ 
ſeinen Sohn nicht taufen in der Kindheit, 
ſondern hat ihn in der ſeligmachenden Leh— 
re von Jugend auf fleißig unterwieſen, a— 
ber erſt hernach im 30ſten Jahr ſeines Al— 
ters iſt er zu Rom getauft worden. Hie— 
ronymns meldet ſelbſt davon, Cap. 6. in 
der 87ſten Epiſtel, und Georg Wicelius. 

Ueber den Evangeliſt Mattheus ſchrei— 
bet Hieronymus: Der Herr hat ſeinen 
Apoſteln befohlen, daß ſie erſtlich alle Voͤl— 
ker ſollen unterrichten und lehren; nach— 
mals ſollen fie die Unterrichteten im Zace 
rament des Glaubens taufen. Denn es 
kann nicht ſeyn, daß der Leib der Taufe 
Sacrament empfangen mag, es habe denn 
die Seele den wahrhaftigen Glauben em— 
pfangen. Dieſer fromme Kirchen-Lehrer 
iſt beruͤhmt geweſen um das Jahr Chriſti 
370. 

Der berühmte Kirchenlehrer Umbro; 
fius hat gelebet in der 400jährigen Zeit 
nach Chriſti Geburt. Paulinus ſchreibet 
von ihm, daß er (der doch von chriſtlichen 
Eltern geboren war, wie Baſilius, Hiero- 
nymus, und viel andere) in dem Catechis— 
mo ungetauft iſt geblieben, bis in ſein 
männliches Alter und bis an den Tag, da 
er zu einem Biſchof zu Mayland erkohren 
war, da ließ er ſich erſt taufen. 

Weiter um das Jahr 399. hat gelehret 
Au guſtinus, Biſchof zu Hippon in 
Africa: feine Mutter iſt geweſen Moni— 
ca, eine ſehr gottesfuͤrchtige Frau, und von 
chriſtlichen Eltern geboren, auch ſelber in ih— 
ren verſtändlichen Jahren getauft, wie Au— 
guſtinus ſelber bezeuget, lib. 2. confess. 
cap. 3. und lib. 9. cap. 8. und 13. Wel⸗ 
che ihren Sohn Auguſtinum auch in ſeiner 


93 


Kindheit nicht hat taufen Inffen, denn er 
war erſt im 33ſten Jahr feines Alters zu 
Mayland vom Biſchof Ambroſio getauft. 

Dies lieſet man wohl daß er habe be— 
gehret getauft zu werden, da er noch ein 
Juͤngling, und in eine ſchwere Krankheit 
gefallen war, und daß feine Mutter ge— 
ſchäftig war, ihn mit der Taufe zu verſor— 
gen, als er aber bald wieder geſund ward, 
ſo iſt ſeine Taufe noch ausgeſtellet. Da— 
mals war Auguſtinus ſchon fo alt, daß es 
doch keine Kindertaufe mehr geweſen wäre, 
wenn er gleich waͤre getauft worden, ſon— 
dern eine ſolche Taufe die man unter die 
Taufe der Bejahrten haͤtte muͤſſen rechnen, 
dieweil er ſie freiwillig begehrte, darbey auch 
wie er ſelber bekennet, lib. 1. confess. cap. 
11. ſein Glaube und die Bekenntniß des 
Namens Jeſu geweſen wäre; welches bey 
der unmuͤndigen Kindertaufe nicht kann 
geſchehen. 

Ob nun gleich der Lehrer Auguſtinus 
nach der Zeit ein Verfechter der Kindertau— 
fe und des Kindernachtmahls worden iſt, 
ſo ſiehet man gleichwohl aus obiger Ge— 
ſchichte, daß ſeine Mutter, und viel andere 
Chriſten, Cyprianus und feiner Mit-Bi— 
ſchoͤffe Synodal-Beſchluß nicht gehalten ha- 
ben, ſondern daß ſie ſich vielmehr gerichtet 
haben nach der Taufordnung unſers Hei— 
landes; und daß demnach die Kindertaufe 
in Africa ſelber zu Zeiten der Mutter und 
Großmutter Auguſtini, auch da er noch 
ein Kind und folgends ein Juͤngling und 
ein Mann war, bey allen Chriſten nicht 
für gut iſt erkannt worden. 

Der Kirchen-Lehrer Hilarius lib. 12. 
de Trinit. betet alſo zu Gott: Lieber Gott, 
erhalte mir meinen Glauben, und das 
Zeugniß meines Gewiſſens, auf daß ich, 
was ich im Sacrament meiner Wiederge— 
burt bekannt habe, da ich getauft ward im 
Namen des Vaters, und des Sohnes, und 
des heiligen Geiſtes, allezeit behalten moͤge, 
nemlich dich Gott unſern Vater, und dei— 
nen Sohn mit dir anbete, und den heiligen 


— 


94 


Geiſt, der von dir ausgehet, erwecken moͤge. 
Aber alle und jede Exempel anzuführen, 
würde viel zu lang fallen: doch hab ich die 
ſe wollen beybringen, auf daß offenbar ſey 
daß auch ſelbſt die Catholiſchen Kirchen— 
Lehrer in der dritten, vierten und fuͤnften 
hundertjaͤhrigen Zeit nach Chriſti Geburt 
die Kindertauße ſo hochndͤthig nicht geach⸗ 
tet haben, wie ſie heutiges Tages von vie⸗ 
len geachtet wird: gewißlich hatten jene 
dieſe Meinung gehabt von der Kindertaufe, 
fie wurden fo langweiligen Aufſchub der 
Taufe nimmermehr geſtattet haben. 

Und wiewohl die Kindertaufe nach der 
Zeit je mehr und mehr hat überhand ge— 
nommen, ſo ſind nichtsdeſtoweniger auch 
allewege große Gemeinen und Clxiſtliche 
Lehrer geweſen, die bewieſen haben, daß 
die Taufe den erwachſenen Gläubigen nicht 
aber den unwiſſenden Kindern zukomme. 


Unter andern iſt in der fuͤnfhundertjäh— 
rigen Zeit aufgeſtanden Pe lagius, der 
bewieß mit der Schrift, daß die neugebohr⸗ 
nen Kinder nicht in des Teufels Gewalt 
wären, und demnach koͤnnten gleichwohl 
ſelig werden, ob fie ſchon ungetauft hin— 
ſtuͤrben: wie Baronius Anne 415. und 
417. zeuget. 

Alſo meldet Auguſtinus von Hilario, 
einem Lehrer zu Syracuſa, der habe ihm 
geſchrieben: (Wenn ein ungetauft Kind 
gleich ſterbe, ſo koͤnne es 
ewige Verdammniß gerathen, dieweil es oh- 
ne Sünde gebohren werde.“ 

Noch gedenket Auguſtinus lib. 8. 
anima & ejus orig. cap. 14. eines Biſch⸗ 
offs, Vincencius Victor genannt, der gegen 
ihn über die Kindertaufe geſtritten habe. 

Und was darfs vieler Exempel, ſinte— 
mal noch in der neunhundertjahrigen Zeit J 
nach Chriſti Geburt melden die Magdebur— 
giſchen Centurien, daß Hinckmarus, Biſch— 
of zu Laudon, die Kindertaufe nicht habe 
billigen koͤnnen. 

Allerdings in der elfhundertjährigen 
Zeit ſind noch unter den Catholiſchen ges 


de 


doch nicht in die 


Der Evangeliſche Beſuch. 


weſen, die der heiligen Tauferdnung um 
ſers Seligmachers kraftige Zeugniſſe haben 
gegeben, und den Kindern die Tauße nicht 
wollten gut heiſſen, eh und bevor fie die 
ſeligmachende Lehre aus dem Munde der— 
Lehrer gehoͤret, und mit gläubigem Herzen 
angenommen, und öffentlich für der Gemei- 
ne bekannt und zu beleben angelebet hatten. 

Solches lehrte Bruno, Biſchef zu Angiers 
in Frankreich, und Berengarius ven 
Touron, fein Diacon, waren man leſem 
kann beim Baronius über das Jahr 1035 

Auch ſchreibet Mersla, daß im Jahr 
2105. unter dem Erz Bifchef Bruno zw Trier 
find aus feinem Erz-Stift vier Perfonen als 
Ketzer verbannet worden, weil fie die Kin⸗ 
dertaufe, und die Vewandlung im Abend⸗ 
mahl des Breds in dem weſentlichen Leib 
und des Weins in das weſentliche Blut 
Chriſti nicht bilkigten. 

Sehet, liebe Leſer, hier hab ich euch für 
viel treffliche Lehrer vorgeſtellet, die Theils 
ſchriftmaßige Zeugniſſe von der rechten er— 
ſten und einfaͤltigen Taufe uns verlaſſew 
haben: Theils auch, die, ob fie wohk von 
Chriſtlichen Eltern gezerget waren, den- 
noch nicht in ihrer unmündigen Kindheit, 
ſondern in ihrem erwachſenen Alter, von 
ihren Chriſtlichen Eltern zur heiligen Tau- 
fe ſind befoͤrdert worden, nemlich nachdem 
fie die ſekigmachende Lehre gelernet und 

ſelbigen geglaubet haben. 

Aber nun laſſet uns beſehen ganze Ge— 
meinen, derer die zuvor lehrten, ehe ſte tauf— 
ten. Hierzu koͤnnen uns die Magdeburgi⸗ 
ſchen Centuriatores gute Anleitung geben: 
dieſe ſchreiben in der 1200 jährigen Zeit viek 
von den Waldenſern in Frankreich, 
welche zwar den Namen ohngefehr um das 
Jahr Chriſti 1160 bekommen haben von 
einem frommen und gettesfürchtigen Manz 
ne und Bürger zu Lyon, genannt Peter 
Waldo: aber dennoch ſind dieſe genannte 
Waldenſer, was nemlich ihre Verſammlung 
und Lehre betrift, damals nicht erſt aufge— 
kommen, oder als eine neue Seckte entſtan— 


Der Evang 


den, fendern (glich wie die Magdeburgi⸗ 
ſchen Öenturiatores ferner von ihnen bezeu— 
gen,) die Papiſtiſchen Buͤcher-Schreiber bee 
kennen ſelber, daß ſolche ſchon bey Zeiten 
Papſt Sylveſters, ja auch lange vor ihm 
zu den Apoſtel Zeiten geweſen ſeyen. Denn 
dir weil fie Kiedmaßen der wahren Kirche 
Chriſti geweſen ſind, ſo wird ihnen nicht 
unbillig auch von ihren Feinden das Zeug— 
niß des wahren Alters zu ganieſſen. Denn 
die Kirche Chriſti iſt allezeit und bleibet 
allezeit, ob fie gleich jetzt klaͤrer, dann dunk— 
ler, zu ſeyn ſcheinet. Bis hierher die 
Magdeburger. 

In Verſelbigen 1100jaͤhrigen Zeit, und 
drüber in der 1200jaͤhrigen (wie? Bareni⸗ 
us Anno 1126 angezeichnet) 
andere fromme CEhriſten zu Arles, zu Nar— 
bona, zu Tholoſſa, in Gaskonjen, und hin 
und wieder in Frankreich geweſen, die man 
Petrobruſianer nannte, nach einem 
ihrer fuͤrnehmſten Lehrer, Petrus de Bruis 
seheiften, welcher auch ein Märtyrer wor— 
den iſt, zu <t. Aegidius bey Nismes ver— 
Frannt, welche die Kindertaufe nicht billige 
wen, noch gebrauchten. Dies bezeuget Pe— 
trus Abbas Gluniac. im Anfang feines 
Buchs gegen die Petrobruſianer, zu finden 
in Bibliotheca Patrum, Tom. 12. part. 
fol. 206. 

Nach Petrus 

Fein Lehrjünger 
wie Baronius Tom. XII. angezeichnet, 
am Jahr 1147. welcher als er eine Zeitz 
lang gelehret hatte, iſt er durch des Pabſtes 
Legaten ausgekundſchaftet, auch gegriffen 
und gedaͤmpfet werden, alſo daß man nicht 
weiß, was ihm widerfahren ſey. 


de Bruis iſt bald geßolget 
Heinrich Peters, nemlich 


Um dieſelbige Zeit, ein wenig zuvor oder 
hernach, wie Baronius Anno 1130. Num. 
Z. ſetzet, hat Arnaldus ein Vorleſer zu 
Brixien in Italien, der rechten Tauforde 
nung Zeugniß gegeben; gleich wie auch 
Petrus Abelardus in Frankreich, 
von welchem Arnaldus ſeine Lehre empfan⸗ 
gen hatte. Dieſer Arnaldus hat auch in 


* 


ſind viel. 


2 


95 


eliſche Beſuch. 


Deutſchland und Schweizerland und end— 
lich auch mit großem Zulauufe des Volks in 
Rom gelehret: er hat aber für feine Chriſt— 
liche Dienſte den Lohn der Welt bekom— 
men, und iſt auf Befehl des Pabſtes an 
eimnem Pfahl zu Aſche verbrannt, und die 
Aſche in die Tiber geworfen worden, da— 
mit ihn das Volk nicht ehren ſollte. Hie— 
von kann man leſen, was Baronius Anno 
1145. Nam. 3. ſchreibet. 


Im Jahr 1155. wie Nicolaus Sander 


in lib! de visib. Monarehia ſchreibet, oder 
im Fahr 1147. wie Baronius zeuget, find 
in obgedachten Landſchaften in Frankreich, 
geweſen die Apeoſtoliſchen, die alſo— 
genannt wurden, dieweil fie ſich erklaͤr— 
ten, wie ſie ſich allein an die apoſtoliſchen 

Schriften wollten halten, und aus denſel— 

ben unter andern Puncten trieben, die Kin— 
dertaufe ware darinnen nirgends befohlen: 

wider welche Bernhard von Clarevalle, 

Serm. 16. in cant. und Epäst. 240. auch 
geſchrieben hat, darunter auch etliche, wie— 
Sander erzahlet, Märtyrer worden, und 
mit Freuden zum Tode gegangen ſind. 

Im Jahr 1470. oder um ſelbige Zeit 
ſind in Frankreich geweſen, wie Baronius 
Anne 1170. zeuget, die Albigenſer, die 
alſo genannt wurden, dieweil ſie meiſten— 
theils in der Landſchaft Albi ſich enthiel— 
ten. 

Und dieſe vorgemeldeten Petrobruſianer, 
Apeſtoliſchen, und Albigenſer, waren in 


der Lehre, Glauben und Leben geſinnet 


gleich wie die Waldenſer. Wer da will, 


mag vom Urſprung der Religion und recht— 
ſchaffenem Chriſtenthum der Maldenfer - 
weitläufiger leſen, was hievon Matthias 


Flacius Illyricus in ſeinem Catalogo tes- 
tium veritatis vom 263ſten Blatt bis zum: 
277 ſten ruͤhmlich ſchreibet: er wird fine: 
den, daß dieſe Leute lange zuvor widerleget 
haben alle Irrthuͤmer und Mißbraͤuche u. 
Tyranney des Pabſtthums, die hernach 
Johannes Huß, Martin Luther, Zwingel, 
Calvinus, und ihre Nachfahren widerleger 


* 
* 


Taufordnung unſers Seligmachers 
pflichteten, find auch ſonſt ſchier in allen 


es wohl und richtig bewieſen habe, bezeu— 
get ſein Catalogus testium veritatis an ob⸗ 


96 + 
haben: und daß jie mit Gottes Wort bee 
feſtiget haben alle das ſchriftmaßige, was 
heutiges Tages die Evangeliſchen lehren: 
inſonderheit haben ſie die erſte einfältige 
Taufordnung behalten, und niemanden ge— 
tauft, er habe denn zuvor die Lehre Chriſti 
mit glaͤubigem Herzen angenommen, und 
mit dem Munde bekennet, daß er ſie bele— 
ben wolle. kun 
Dergleichen Chriſten, die der rechten 
bey⸗ 


Landen geweſen, wie M. Flacius unter 
andern auch aus Reinerio beweiſet, welcher 


ausdrücklich gefihrieben hat, daß ſchier kein 
Land ſey, da dieſe Secte (wie er ſie nen— 
net) nicht eingeriſſen ſey. 


Und iſt gewiß, 
daß ihrer auch viel in der Lombardey ge— 
weſen ſind, von denen die rechte Lehre durch 
ganz Welſchland bis in Sicilien fortge— 
pflanzet iſt. Von dannen hat ſich ihre 
Lehre auch in Deutſchland, ſonderlich ins 
Elſaß und an den Rhein, item in Boͤhmen, 
deßgleichen in Sachſen, Mähren, in Poh⸗ 
len, Preuſſen, und in Pommern, ſchon vor 
etlichen hundert Jahren erſtrecket. Denn es 
find in der Lombardey Kirchen und Schu— 
len geweſen, d arinnen die Chriſtliche Lehre 
und Theologia ift getrieben worden, wel— 
ches ich (ſchreibet abermal M. Flacius in 
in obenangezogenem Orte,) alles aus der 


Ketzermeiſter Büchern, und aus gewiſſen 


* 
Und daß er 
5 Bin fintemal wir annoch heut zu 


Zeugnißen weiß zu beweiſen. 


gemeldetem Orte uͤberfluͤßig. 
Dieſe alle mit einander, wie imgleichen 
die Beringarianer, Henricianer, Pikarder, 
Flagellanten, Grubenheimer, und wie 
man ſie mehr geheiſſen, ſind um die 1200 
jährige Zeit noch alle zumal einerley Volk 
zund Gemeine, auch einig im Glauben und 
Religions-Sachen geweſen, und haben 
micht allein allen andern Paͤbſtlichen Miß— 
rauchen und Menſchen-Satzungen durch 
Gottes Geiſt widerſprochen, ſondern auch 


— 


Der Evangeliſche Beſuch. 


vornehmlich die erſte und einfaͤltige Tauf— 
ordnung in ihren Gemeinen beybehalten, 
nemlich fie haben erſtlich gekehret, und her 
nach getaufet. Solches koͤnnen wir aus 
Flacio und den Magdeburgiſchen Centuri— 
en erſehen, und ſolches bezeuget noch jetz— 


und Baronius in feinen Kirchen: Annali- 


bus, und Joseph Vicecomes in observat. 
Keeles. lib. 2. cap. I. bezeuget ſolches 
aus Bernhardi Epist. 240. und homil. 
66. in Cant. und aus Petro Cluniacense 
in Argum. Epist. 1. Min beſehe Bib- 
liothecam Patrum. Tom. 15. pag- 
300. Hier koͤnnte auch viel gefaget wer- 
den von denen Chriſten in England, in den 
Niederlanden, und angränzenden Landern, 
welche (allermaſſen wie die vorgemeldeten 
Waldenſer und ihre obgenannte Glaubens⸗ 
alen den Schriften der Evangeliſten 
und Apoſtel beygepflichtet, der Menſchen⸗ 
Satzungen ſich enthalten, und vornemlich 
die einfältige und erſte Taufordnung un⸗ 
ſers Seligmachers unterhalten haben, ine 
dem ſie nemlich nach dem Befehl unſers u. 
ihres Heilandes JEſu Chriſti vor allen 
Dingen gelehret, und hernach diejenigen, 
welche die ſeligmachende Lehre mit glaͤubi⸗ 
gem Herzen und befennendem Munde anz 
nahmen, getauft haben: aber mein Vor⸗ 
ſatz iſt anjetzo nichts anders, als der, 
mich zu befleißigen, weil dieſes alles vor 
andern weitläufig It ausgeführet worden. 
Und Niemand kann an dero Gewißheit a 


Tage ſehen, daß derer Bekenner noch hin 
und wieder nicht wenige ſchier in allen 
Landen gefunden werden. 

Fortſetzung folgt. 


Tägliche Nahrung. 
Verleugnung iſt die Speiſ' 
Gebet das taͤglich Brod; 
Wenn eins von beiden fehlt, 
So leid ich —Hungersnoth. 
Epheſ. 5, 14. 6, 18. 2 Tim. 2, 5. 


Der Evangelitche Beſuch. 


Jahrgang 3. Poland, O. December 1855. Nro. 12. 
. Fa ih. 


— — 


= 3 ee} 


x 


Der liebe Bruder aus Deutſchland, deſ- gem Herzen nachkommt und befolgt; we— * 
ſen Brief wir in letzter e mittheil⸗ nigſtens dasjenige in derſelben ſuchet und 
ten, war ſeitdem bei uns auf Beſuch, 1. forſchet, was zum Seligwerden hoͤchſt nöthig 


ließ uns etliche in Deutſchland 9 
Schriften zuruck, aus welchen feine u ‚nd nemllch folgende drei Stuͤcke: Buße, 
ſlauben, Taufe. Apoſtg. 2, 37. 38 Cap. 


ſeiner Mitgenoſſen Geſinnung mit Mehr] E 
erem zu erſehen it. Zu dem Ende rücken 8, 37. 38. Cap. 16, 30—33. Marc. 


wir hier den Anfang I Taufbuchleins 16, 16. Joh. 3, 5. 50 Bat * 


ein, welches betite t iſt 3, 21. Gal. 3, 26 


Die Taufe nach der Schrift.“ Eines der nn PA und Hei 
. der Fragen: ver orden unſeres Herrn Jeſu Chi iſti 

„ . 1. Was iſt die Taufe? it fürn del Glaͤubigen die Taufe, welt 5 
f Welche follen Aare Wer⸗ Ch i möcht am Eingang feine . 
den ‚4 Johannes empfangen 6 | 
134: wie ſoll die Taufe geſche⸗ , 13.) gen als ſein letztes 1 2 
hen. ꝛc. Elberfeld 1852. 9 Ausgang aut dieſer Welt feinen. J ingern 
e lachen Brüdern in Elberfeld, noch ſcheidend anbefohlen hat, nemlich erſt? 
Graͤfrath, Wald, Solingen, Burg, Ren lich zu lehren, und darnach zu taufen. * 
ſcheid, Wermelskirchen und Hückeswagen, Malkh. 28, eſus ſpricht: Geher i 
ſäammt allen Denen, die anrufen den Na- bine N ker, und taufet ſie 
nen unſers Herrn Jeſu Chriſti, an 8 u un 173 33 2 


br ihren und unfern Orten. 
Gnade ſey mit euch, und Friede ven 
Gokt unſerm en und zb Herren Jeſu das Gebot er Ta 
Chriſto. iſte ausg pr chen, 
e , 18. 21. Jeſus ſpricht: N cl cn 
bet ih 1 ſo m. meine ka ler wle Mi 2 e 


In d eg € Wort n unſers Herrn iſt 


de bee 


. 5 0 der wg f ben 
Jioh. 8, 31. 32. So ihr bleiben wer⸗ 4 G 8 a 
det an meiner Kede, fo feid ihr meine ae en die Taufe. und m eh kin 14 1 
te Junger. Und werdet die Wahrheit er“ ſie Chriſtas eingeſetzt! . 
kennen, und die Wahrheit wird euch frei 4 In der Taufe empfängt der Buß⸗ 75 6 
machen. a fertige Vergebung feiner Sünden, und 2 \ 
Apoſtg. 17, 11. Sie waten die Edel⸗ Gate des heiligen Mit * 
ſten unter denen zu Theſſalsnich; die nah- Apaeſtg. 9 8. Wem ſpeach zu ihs 
men des Wert auf ganz williglich, und nen: Thut Buße, und Safe ſich ein Jegli⸗ 
forſchten täglich in der Schritt ob ſichs cher taufen auf ben Nan er Chriſti 
alſo hielte. zur Vergebang der Sünden, ſo werdet ir 
Es iſt die erſte Nothwendigkeit eines empfangen die Gaben des heiligen Geiſtes. 
jeden Ehtiſten, der Chriſtum liebet, und! 2. In der Taufe werden dem Bußfer⸗ 7 
das ewige Leben ererben will, daß er dem tigen feine Sünden abgewa e N 
Su bad aan der Schrift“! dem Apoſtel Pr A W e be⸗ | 
Joh mit aufrichti em d demüthi⸗ wei 5 5 
39. mit aufrichtigem und bi 1 W 9 1 5 


N 7 
+ 1 SM nu a A 


N 


145 vn Die Taufe nach der Schrift. 2 
Y * 


Apoſtg. 22, (und Ananias; Röm. 6, 3. 4. Wiſſet ihr nicht, daß 
ſprach zu Paulo): Und nun was verzieheſt Alle, die wir in Jeſum Ehriſt getauft find, 
du? Stehe auf, und laß dich taufen, die ſind in ſeinen Tod getauft? So ſind 
und abwaſchen deine Sünden, wir je mit ihm begraben durch die Taufe 


16. 


und rufe an den Namen des Herrn. 
1 Cor. 6, 11. ind ſolche find euer Et⸗ 
05 ne . aber i 1 1 e 9 d a ab ge⸗ 


10 deroorden 50 ee Ru ien 
M Jeſu, und durch den Geiſt unſe 
ottes. 
Heb. 10, So laſſet uns hinzu 
N geben, mit wahrhaftigem Herzen, in voͤlli⸗ 
gem Glauben, beſprenget 1 
und los on dem boͤſen Gewiſſen, und ge— 
6 1 aſchen am Leibe mit reinem Waſſer. 
Eph. 5, 25—27. Ihr Manner, lieber 
eure Weiber; gleichwie Chriſtus auch ge— 
liebet hat die Gemeine, und hat ſich ſelbſt 
für fie gegeben, auf daß er fir heiligte, 
und hat fie gereiniget durch das Waſſer— 
bad im Wort, auf daß er s 
ſelbſt darſtellete eine Gemeinde, die herrlich“ 
ſey, die nicht habe einen Flecken, oder Run⸗ 


zel, oder Sauwas, ſondern daß ſie heilig 


ſey und unſträſlich 


ed 


99 


ne. 


5 Mar © die Tauf 


555 d 


eißt de ß⸗ 
ſie im 
und ihre 


das AWaſſerba 85 

rt des Herrn ihren B. 

Kraft hat, und weil in der Taufe das 

' Waſſ er und das Wort miteinander ver— 
N en find. Kr 


— 


. Durch die Taufe nach dem Glau 
folgt die rechte Wiedergeburt, nentide |" 
dem lebendigen Wort Gottes. 

1 Petr. 1, 23. Joh. 3, 5. Jeſus ant⸗ 
wortete: Wahrlich, wahrlich, ich ſage dir: 


Es ſey denn, daß Jemand geboren werde 
5 aus 
nicht in das Reich Gottes kommen. 


Tit. 3, 3. Nicht um der Werke willen 
Ser erechtigkeit, die wir gethan hatten, 


a Ho ia > feiner Ba emberzigkeit machte 
uns ſelig, durch, das Bad der Wieder⸗ 


geburt und Erneuerung des alten Geiſtes. g 


L ** * 
Pe 


werden, er ſey getauft oder 


sh 


wer die Perſon ſey, die ſolch 


in den Tod, auf daß, gleichwie Chriſtus iſt 
auferwecket von den Todten, durch die 
Herrlichkeit des Vaters, alle ſellen auch 


ſeyd wir in einem neuen Leben wandeln.“ 


4. Die Taufe nach dem Glauben iſt 


zur Seligkeit nothwendig. 


Marcus 16, 15. 16. Jeſus ſpricht; 
Gehet hin in alle Welt, und prediget das 
Evangelium aller Creatur. Wer da glau- 


bet und getauft wird, der wird ſelig wi 
den; wer aber nicht glaubet, der wird ver- 


1 


dammet werden. 


Alſo ſind fuͤr jeden Menſchen, der jet g 


werden will, zwei Stucke erforderlich, erſt⸗ 
1 y der Glaube, darnach die Taufe; wer 

ber nicht glaubet, der wird verdammet 
ungetauft, 


weil die Taufe ohne Glauben nichts iſt, 


daher der Herr die Taufe ohne Glauben 


nicht einmal benennt. 


Der Glaube aber kommt aus der Pre- 


digt, das Predigen aber durch das Met 
Gottes. Nom. 10, 17. 

Da nun die Taufe erſt nach dem Gtau- 
ben, der aus der Predigt kommt, ſtattfin⸗ 
en fell, fo gehört, um die Predig 
Wortes verſtehen zu koͤnnen, das e 
liche Alter dazu. 


Weil wir den großen Nutzen und Kraft 
der Taufe haben, ſo laß nun weiter ſehen, 
empfahe, 
was die Taufe giebt und nüͤtzet. Das iſt 
abermal aufs feinſte und klärlichſte ausge⸗ 


5 und Geiſt, fo kann er drückt, eben in den Worten: Wer da glau⸗ 


bet und getauft wird, der wird ſelig. Das 
iſt, der Glaube macht die Perſo allein 
würdig, das heilſame, goͤttliche Waſſer 
nuͤtzlich zu empfangen. Denn weil ſolches 
allhier in den Worten, bei und mit dem 
Waſſer fuͤrgetragen und verheißen wird, 


* 


. 


5 6 . 4 * 
uma, von Luther über di Taufe: 


Die Taufe nach der Schrift. 


kann es nicht anders empfangen werden, 
denn daß wir ſolches von Herzen glauben. 
Ohne Glauben iſt es nichts nutze, ob es 
gleich in ihm ſelbſt ein goͤttlicher, ber 
ſchwaͤnglicher Schatz iſt. 
das einige Wort „wer da glauber” ſo viel, 
daß es ausſchließet und zuruͤcke treibet alle 
Werke, die wir thun koͤnnen, der Meinung, 
als dadurch Seligkeit zu erlangen und ver— 
dienen. Denn es iſt beſchloſſen, was 


nicht Glaube iſt, das thut nichts dazu, em⸗ 


pfaͤhet auch nichts. 
Großer Catechismus. 


at 


e von Calvin über die Taufe: 


„Da Chriſtus das Lehren vor dem Tau⸗ 
fen befiehlt und nur Glaͤubige zur Taufe 
gelaſſen haben will, fa ſcheint es, als wenn 
die Taufe nicht recht verwaltet werde, wenn 
nicht der Glaube vorhergeht.““ * 

In Harm. Evan. Comment. 
EX VI II. P. 272 


t — 12. 
. 

5. 
Mittel zur Seligkeit. 

1 Petr. 3, 20. 21. Da man die Arche 
ziuruͤſtete, in welcher wenige, das iſt, acht 
Seelen, behalten wurden durchs Waſſer; 
welches nun auch uns ſelig macht in der 
ue die durch jenes bedeutet iſt, nicht 

5 Abthun des Unflaths am Fleiſch, ſon— 
ya n der Bund eines guten Gewiſſens mit 


Gott durch die Auferſtehung Jeſu Chriſti. 


A mend 
i e 
8 Waſſer der Sundfluth. 
heit zwiſchen beiden zeigt ſich in fol— 

Stuͤcken: 

Gott der Herr ließ die Suͤndfluth 
über die En kommen. Alſo hat auch die 
Taufe Gott zum Urheber. Matth. 21, 
25. Luca 3, 2. 


Darum vermag 


ſe ine Gnade. 


Die Taufe ib den Glaubigen ein. 


ung: Es iſt die Taufe vor⸗⸗ 
n durch die Arche Noah und“ 
Die 


142 


3) In der Suͤndftuth wurden beim 
Leben erhalten, was in, die Arche eingegan⸗ 


ebe 
gen war. Alſo werden auch zum ewigen 


Leben erhalten, welche glauben und getauft IN 
werden, und im Glauben verharren. W 05 
4) Nach der Sündfluth machte Gott 


Bund mit Noah, und verſprach ihm 
Alſo macht auch Gott durch 
die 2 Ta ufe einen Gnadenbund mit uns, und 

Apiſcht uns Leben und Seligkeit. Da⸗ 
fie Taufe nicht wie ein gewöhnt 


einen 


ches N ad zum Abthun oder Abwaſchen des 
aͤußern Unflaths' am Fleiſch, ſondern Ar 0 


Bund (Grundtert, die Frage) eines guten — 
Gewiſſens zu Gott, weil bei der Taufe dern 
erſten Chriſten der Taͤufting gefragt wurde, 

ob er dem Teufel und allen ſeinen Werken Mr 
abſage, fo wie der Welt und allen ihren Eiz 
telkeiten. (Siehe Cave 's erſtes Ehrj⸗ 


ſtenthum.) N 5 
The E. Cap. W p. 327 9 


7 


6. Durch den Glauben, ziehen die za 
Gläubigen. in der Taufe Chriſtum an, mit 


ſeiner Gerechtigkeit, Verdienſt und allen 
feinem, Woehltl thaten, welche er durch ſein 
bit teres Leiden, Sterben und Auferſtehen 
ihnen erworben hat, und ſie werden theil⸗ 
haftig der goͤttlichen. Natur, nach dem 
Maaß ihres Glaubens z indem fie Chriſtum. 
ſelber als das rechte hochzeitliche Kleid und 
den Rock der Gereihtigit durch die . 

anziehen, wol ch. ſte erſt recht zu Gottes 

Kindern gemacht werden, wie ſolches der . 
Apoſtel Paulus bekräftiget. au 
al. 3, 26. 27. Denn ihr ſeß 
tes Kinder, durch den Glaube 


Shriſtum Iiſum. Denn, wie viele eu 

getauft ſind, die deen, Shaun angezos 
Mi Mr 

gen. 5 


Daß nun, die Kindertaufe, welche im 
bewußtloſen Zuſtande ohne Glauben und 
daher auch ehne Wirkung geſchieht, nicht 
die von Chriſto eingeſetzte Kraft⸗Taufe 


PR 


2) Durch die Sündfluth wurden die nach dem Glauben iſt in welcher Chriſtus 
Sunder erfäuft, und blieb nichts am Leben aug gezogen wird, ſiehet man ja leider a 
was außer dem Kaſten das Leben hatte. dem heidniſchen Weltchriſtenthum, u 


Alſo wird auch in der Taufe der alte 
Menſch mit feinen boͤſen Luͤſten ate de gere und chriſtfeindlichen Sn 
welche ja alle nach ihrer Art getauft finde 


und getödtet, wenn anders der Glaube e 
N x * 2 N 2 N 
rechter Art iſt. Rom. 6, 3. und noch dazu in ihrem unbußfertigen 


| 


” 


118 N Die Wufe i d 


Weltgeiſte meynen, fie ſeyen durch die Kine 
dertaufe Chriſten geworden. Daher auch 
die Predigt der Buße, der Vergebung der 
Sünden, und Wiedergeburt von den Mei: 
ſten, welche die Kindertaufe empfangen 
haben, verlacht und verworfen wird. * 
wird dad Wort erfullt, Sprüche 2 
Wenn die Weiſſagung aus iſt, (nen 
rechte Auslegung des Worts,) w 
Volk wild und wüſte; wohl aber dem 
der das Geſetz nt! t. * 

7. Die Taufe nach dem Glauben iſt 
einer der drei Zeugen auf Erden, welche 
ſind: Der heilige Geiſt, das Waſſer der 
Taufe, und das Blut Jeſu ee des 
Sohnes | Gottes. 

1 Joh. 5, 8. 


Und drei ſind, die da 


Waser, und das Blut; und dieſe drei ſind 


e auf Erden: Der Geiſt, und das 


RR 


N ſeyn zu konnen, daß 
an Sohn Gottes glaube; denn es 


0 gehört zum wahren Glauben an n 


beifammen, Wer da glaubet an den Sohn 
Gottes, der hat ſolches Zeugniß bei ihm. 
Wer Gott nicht glau 
zum Lügner, denn er glaubet ma 
Zeugniß, das ‚Sei zeuget von feinem \ 
ne. 


Dieſes dreifache Zeugniß, von dem heil 
Taufe, 


2 ld von dem Blut Chri i gehört nothwen⸗ 


gen Geiſt, von dem Waſſer der 


dig dazu, um, ı beweiſen 
man nach der Schrif 


zer da glaubet an den 


er hat ſolches Zeugniß bei 


2 
Sohn Gottes dieſes breifiche Zeus gniß: 


Erſtlich: Der heilige Geiſt, welcher den 
landen wirket, und giebt Seagniß un⸗ 


ben Geiſt, daß wir Gottes Kinder ſind. 


Zweitens: : Das Waſſer der Taufe, als 
das Siegel oder die Beſtätigung des Glau⸗ 


bens. 
Drittens: Das Blut Jeſu C 


t, der macht ihn 
m 


Chriſti des 


der Schrift. 


deln, und Gemeinfchaft mit Gott haben, 
die haben das Blut Chriſti als den dritten 
Zeugen. 

Es heißt; und dieſe drei find, beifamz 
men, und laſſen ſich nicht trennen, ſondern 
gehoͤren zu einem völligen Glauben an den 
[Sehn Gottes, unk wer da ſagt,! daß er ei⸗ 
nen von dieſen Zeugen nicht, noͤthig habe, 


der macht Gott, nach 1 Joh. 3, 10., A 


Lügner; denn er glaubet nicht dem Zeug⸗ 
niß, das Gott zeuget von feinem Sohne, 

Wer kann deng far gen, weil er den heis 
ligen Geiſt oder die Geiſtestaufe habe, fg 
ſey ihm bie Taufe im Waſſer nicht ſonder⸗ 
lich noͤthig, da es doch gerade ein Grund 
der Nothwpendigkeit für ſolche Seelen it 
wenn ſich der heilige Geiſt ihnen mitge⸗ 
thellt und in ihnen wirket, daß ſie ſich in 


den Tod Chriſti tauſen laſſen, wie es dort 


Apoſtg. 10, 47. 48. heiß; Da antworte⸗ 
te Petrus; Mag auch! Jemand das Waſ—⸗ 
fer wehren, daß dieſe nicht getauft wer⸗ 


den, die den heiligen Geiſt empfangen ha- 


„ben, gleichwie auch wir? Und befahl ſie 
zu taufen im Namen des Herrn. 
Matth. 3, 11. Johannes ſprach; Ich 
taufe euch mit Waſſer zur Buße; der aber 
nach mir kommt, iſt ſtaͤrker, denn ich, dem 


ee und mit Feuer taufen. 

Dieſe Stellen wenden manche Gläubi⸗ 
ge ein, um die Taufe als u üͤſſig oder 
als nicht noͤthig für fie zu halten, da doch 
der Apoſtel Petrus gerade, dieſe | 
eigentlichen Grund hervorhebt, da 
gen ſollteng getauft werden, welche den hei⸗ 


die Apoſtel. 
Apoſtg. 10, 47. 48. Cap. 11, 15. 16. 
Petrus ſprach; Mag auch. Jemand das 


Waſſer wehren, daß dieſe nid getauft f 


ich auch nicht genugſam bin ſeine Schuhe 
zu tragen; der wird euch mit dem gehe; 
N 


ligen Geiſt empfan gen hatten, gleich wie 


von aller Sünde, 1 Joh. 1, 7., nemlichf haben, gleichwie auch wir? Und befahl 
und Johannes ſpricht von den Gläubi— ſie zu taufen in dem Namen des Herrn. 


gen u ind Getauften, welche im Lichte das Wert des Herrn, 


Wän⸗ 


Sohnes Gottes, welches uns rein 8 die den heiligen Geiſt empfangen 
Pr Da gedachte ich an 


ER 


+ 


* 


Ein Brief von dem heiligen Lande. 


als er ſagte: Johannes hat mit Waſſer 
gstauft, ihr aber ſollt mit dem heiligen 
Geiſt getauft werden. 0 

Die Taufe des heiligen Geiſtes macht die 
von Chriſto eingeſetzte Taufe im Waſſer 
nicht überfluͤſſig oder unnoͤthig, ſondern 
macht erſt recht faͤhig und tuͤchtig dazu. 
Denn ſolche Leute, welche der heilige Geiſt 


erneuert hat, find die einzigen rechtmäßi⸗ 


gen Theilnehmer der Taufe und des A— 
bendmahls. 

Es hat daher jeder Gläubige, in Folge 
der apoſtoliſchen Worte, den lauterſteu und 
unbeſtreitbarſten Grund zur Annahme 
und Beobachtung der Taufe, habe er auch 
den heiligen Geiſt in dem Maß wie die 
Apoſtel. Denn nur Glaͤubige ſollen ge— 
tauft werden, und nicht Unglaͤubige. 

Hüte ſich doch jeder Glaͤubige, welcher un— 
ter der Zucht des heiligen Geiſtes ſteht, 
daß er demſelben nicht widerſtrebe, wie es 
von den Schriftgelehrten heißt, Luc. 7, 
30. Aber die Phariſaͤer und Schriftge— 
lehrten verachteten Gottes Rath wider ſich 
ſelbſt, und ließen ſich nicht von 
ibm taufen. Aber der Herr ſprach: 
Wem ſoll ich die Menſchen dieſes Ge— 
ſchlechts vergleichen? Und wem ſind ſie 
gleich? 


a, 


Ki 


— . — 


Ein Brief aus dem heiligen 
Lande. N 
1 Aus dem Engliſchen uͤberſetzt. 5 
[Folgender Brief wurde uns kurzlich in 
Abſchrift von einem lieben Bruder in Vir— 
ginien zugeſandt. 
wurde, iſt und» unbekannt. Indeſſen 
ſind darin Fragen beantwortet, die wir 


laͤngſt im Viſiter aufgeworfen hatten.“ 


(Siehe Gospel- Visiter vol. 4. page 92.) 

Wir haben ſchon mehrere Briefe von dieſer 

lieben Lydia Schuler ehedem mitge- 

theilt, indem ſie intereſſant, lehrreich und 

erbaulich ſind, wenn wir an ſte behal⸗ 
\ 


ten, und das Uebrige an feinem Ort ſtehen 
laſſen. Zugleich haben as ſchuldig 
gefunden vor Mißbraue E 


An wen er geſchrieben 


149 
| cher leicht moglich wäre, wenn wir uns 
verleiten ließen durch die reitzende Schilde— 
rungen des Gelobten Landes ꝛc. zu Schrit— 
ten, die uns hernach gereuen koͤnnten.— 
Bedenket, liebe Leſer, daß wir nicht auf 
ein irdiſches, ſondern auf ein himmliſches 
Canaan gewieſen find im Evangelium, 
und daß wenn die Zeit kommt, der Herr 
ſelbſt fein altes Volk Iſrael erloͤſen, in 
"A Land einführen, und daſelbſt ſegnen 
wird. Dem Herrn vorzulaufen, iſt alles 
zeit gefaͤhrlich. Mit dieſen Erinnerungen 
geben wir nun auch den gegenwärtigen 
Brief. — Herausgeber.] 
Ebene Saron, May 10, 1854. 

Lieber Bruder in Chriſto. — Ich erz 
hielt deinen Brief mit Vergnuͤgen am 
21gſten Februar, und ſollte ihn fruͤher er— 
wiedert haben, wenn es Zeit und Umſtaͤn— 
de erlaubt haͤtten. Als ich deinen Brief 
oͤffnete, ſiel ein Geld-Thaler heraus, wofü 
ich dir danke, und den Herrn bitte, 


nen wolle. . ‚ 
Du druͤckſt den Wunſch aus zu wiſſen 


m. bewogen habe Vater, Mutter, 
Bruder, Schweſtern und Freunde zu ver⸗ 
laſſen, und in dieſes Land zu kommen. Da 
ich meine Sünden ſchwer auf mir fühlte, 
und Niemand ſie wegnehmen konnte als 
8. 1 0 x 3 N PN: 
Er, deſſen Blut vergoffen wurde hier in 
dieſen Land, ſprach Er: Komm zu mir; 


Ich will dich troͤſten. Und in der That 


bu und theuer war, auf den Alta und 


len thun, und nützlich ſeyn in ſeine 
Weinberg. 10 85 N 

Nach dieſer Veränderung wurde 
die Schrift ſehr koͤſtlich, und war 
Studium und Ergoͤtzen, ſonderlich die X 
heiſſangen und unerfuͤllte Weiſſagungen mit 
9 auf die Zukunft und das Koͤnig⸗ 


| 


I 


1 


reich unſers theuren Heilandes. Ja Ver— 
bindung damit und unmittelbar daraus 
fließend ſahe ich die vielen Verheiſſungen 
des Segens und der Wiederherſtellung Iſ— 
Ev. Beſuch, Jahrg. 3. 12 


dich reichlich, ja hundertfaͤltig dafur ſeg⸗ 


etete, daß ich nur moͤchte des Herrn Wil⸗ f 
m 


4 * 0 


N 


* 


as 
x 


. 


ich fand ihn koͤſtlich für meine Seele, N 
ich legte mich ſelbſt, und alles was nir 


00 * 
%% 
. 


5 


15) Ein Brief von dem heiligen Lande. 
raels ia dieſem Lund (urh ihrer Bekeh- ung uns unterſtützen, und unſern Weg 
rung) zu dem Gott der Bibel, aller Pre- babneu würde. Dieſes koſtete mich kei— 
pheten und der Juden. Ich wurde uber- nen geringen Kampf, meinen geliebten 
zenge, daß die Helden eine Verpflichtung Vater und Mutter, Bruder und Schwe— 
haben gegen Iſrael, und daß dieſes Werk ſtern zu verlaſſen, und im Glauben, ohne 
und Pflicht hier auszurichten iſt, wo Gott einige zuverlaͤßige Stütze, in ein ſolches 
allein ſich jemals geoffenbart hat in Seg⸗ e verwuͤſtetes Land zu gehen 14. 
nungen gegen ſie, und wo allein er ver-] Seitdem wir hierher kamen, haben wir 
heiſſen hat ſie zu reinigen und zu ihm | manche ſchwere Prüfungen und empfinde 
ruͤckzubringen, wie in Heſek. 36, 25. und liche Entbehrungen in unſerer Lebensweiſe 
vielen andern aͤhnlichen Stellen. erduldet, indem wir ſehr einfach und aͤrm— 
Zu dieſer Zeit leitete mich die Vorſe- lich leben und wohnen. Aber der Herr 
hung auch zur Bekanntſchaft mit einigen war mit uns, unterſtuͤtzte und ſorgte für 
ſehr frommen Seelen in Philadelphia, an uns, und oͤffnete die Herzen der Juden, 
welche ich mich anſchloß. Sie hatten fruͤ- in uns Vertrauen zu ſetzen als ihre unin— 
her zu verſchiedenen Benennungen gehoͤrt, tereſſirte und aufrichtige Freunde, vermit- 
wurden aber durch das Leſen der Bibel |telit dieſer nemlichen Einfachheit und Ar— 
uͤberzeugt, daß alles Seetenweſen unrecht muth bei uns, während ihnen alle fein ges 


1 Sie hatten ſich von allen menſchli- kleidete und hochbeſoldete Miſſtonaren zur 
ee (Verbindungen) zu- wider und verdächtig find. 
rückgezogen, obſchon fie immer noch chrüftlie | Von dieſen Claſſen gibt 10 viele in 0 
che Liebe und Wohlwollen gegen alle wah- Städten hier: Engliſch-biſchoͤffliche, Roͤ⸗ 
re Kinder Gottes jedes Namens fühlten. miſch-katholiſche, Griechen und Armenier 
Dieſe ſowohl als ich kamen auf die Ueber- mit ihren ſchoͤnen Häuſern, Kirchen und 
zeugung von der Pflicht, einen Verſuch zu Kloͤſtern, mit ihren reichen Kleidern und } £ 
machen und etwas zu thun zum Beſten | prächtigen Ceremonſen. "Wir haben Land 
der leidenden Juden. W gepachtet und cultivirt, und wohnen im 
Hiernaͤchſt hatten einige von uns dieſes Lande und auf dem Lande, wie keine ande 
Land beſucht, und die große Armuth und re Europäer oder Chriſten get 7 haben, 
Neth der Juden hier, und ihre Unwiſſen⸗ Wir beſchäftigen aſle die arme junge Ju⸗ 
beit und Mangel an Beſchäftigung, fo wie den, fo viel wir Geld awerben Wen ſie 
das ſchoͤne Clima und den fruchtbaren Bo- zu bezahlen mit unſerer Arbeit. Wir 
den erkundigt. Sie beſchloßen ihre K 0 machen auch Kleider fuͤr 1 
math zu verlaſſen, und als eine kleine und geben alte Kleider, Garkengewächſe 
* christliche Colonie hieher zu kommen, und und Arzneien für die Kranken unentgeld⸗ 
alles was in ihren Kräften ſtand zu thun, lich weg. 
fir (die Juden) Ackerbau und Erwerbung 
| does Unterhalts zu lehren, und ſo ihre 
9 zen zu gewinnen zur Bereitſchaft für 
eine geiftige Welt, und fuͤr das was der ſehen im Moraliſchen und Induſtriellen 
Hert in Baͤlde unter ihnen thun wird. bei denen, welche unter unſerm Dache und 
Nach vielem Gebet und Ueberlegen bee in unſerm Dienſt ſind. Sie ſind nun⸗ 
ſchloß ch ebenfalls mich dem Heren in die- mehr {of lich an uns, daß die This 
fon mähevollen, ſelbſtverleugnenden Werk re fuͤr uns u einige Andere offen iſt, 
du ergeben, und mein Leos mit dieſen auf de chen einfältigen Plan viel 
Sltunden zu werfen fo länge die Vorſeh⸗ r und dieſem Land zu thun. 


In dieſen Dingen finden wir Vieles und 
Schweres zu thun. Aber wir freuen uns 
eine große Veränderung zum Beſſern zu 


Cin Brief aus dem heiligen Lande. 131 
Aber wir brauchen mehr Mittel. Viele] Dort wohnten wir drei Monate. Wäß⸗ 


kommen und bitten uns ihnen Arbeit zu rend dieſer Zeit hatten wir Gelegenheit 
geben zu Vier Thaler des Monats, und viele heilige und intereſſante 
ſich ſelber zu finden, welche wir genothiget| ſuchen, als den Oelberg, 
find abzuweiſen; arme, leidende Menſchen der Schmerzen weinte, und oft ſuch in die 
mit Familien. Ihre vornehmſten Nobbi nenen zurückzog, um Jen 40 auszu⸗ 
ner beſuchen uns, und ſind ſehr freundlich, ſchütten vor ſeinem Vater, der ihn ſandte 
heiſſen unſer Werk gut, und ſagen, ſie um Heil zu bringen einer gefallenen Welt. 
wollen uns irgend eine Zahl Schüler ſchi⸗ Gethſemane iſt am Fuß des Oelbergs, 
cken, ſobald uns Gott Huͤlfe ſendet ſie zu und im Beſitz der Roͤmiſch-Katholiſchen, 
beſchäftigen, und einige ſchreiben an die die einen Blumengarten daraus machten. 


Deter, zu Des 


worder Mann 


Juden in der Ferne, uns Huͤlfe zu ſchicken 


um ihretwillen. 

O ich denke manchmal, wenn die lieben 
Tunker⸗Bruͤder nur ſehen koͤnnten, wie 
verhungert und nackend und willig zur Ar— 
beit dieſe Leute (Juden) ſind, ſie wuͤrden 
von ihrem Ueberfluß ſenden, um denen zu 
helfen, deren Schuldner wir ſind. 

(Hier müͤſſen wir bemerken, daß dieſer 


a an „die liebe Tunker-Bruͤder“ doch 


wohl zunächſt an diejenige gerichtet iſt, 
die den ſiebenten Tag feiern, und alſo mit 
der Schreiberin und ihrer Geſellſchaft ei— 
nig ſind. Was unſere Brüder angeht, 
die ſich in allen Fallen nach dem ausdrück— 
lichen Wort Gottes richten, ſo glauben ſie 


das durch Paulus cer e Geheimniß 


* 


wir dort wohnten, wurden wir g 


in Demuth, Kom. 11, 25. daß «Blinde 
heit iR Iſrael eines Theils wiederfahren, 
To lange bis die Fülle der Heiden ein⸗ 
gegangen ſey;“ — und daß wir alſo Ifſrael 
ie helfen koͤnnen, wenn wir auch gerne 
ten, ſo lange noch Heiden zu be— 
tehren ſind, und wirklich bekehrt werden. 
Der Ruf uns rer armen Bruͤder in Deutſch— 
land geht uns billig näher zu Herzen, und 
noch naher der unſerer armen Brüder hier, 
die wir kennen. Ed.) 


Wir find nun zwei‘ Jahr und drei Mo⸗ 
nate in dieſem Land. Das erſte Jahr 
wohnten wir in einem ſchoͤnen kleinen 
Thal bei Bethlehem, genannt A r⸗ 
dos oder Salomonis Garten. Waͤh 


handelt und verfolgt von einige 


letzt ausgetrieben und gezwu 
ru ſalem zu ziehen. 


Als ich dahin ging, dachte ich an Ihn, 
welcher der Welt Suͤnde trug, und aufs 
äuſſerſte rang, bis ſein Schweiß auf die 
Erde fiel gleich großen Blutstropfen. 
Bethanien, die Stadt der Maria u. 
Martha, iſt ungefehr zwei Meilen ſuͤdoͤſt⸗ 
lich von Jeruſalem; es ſind nur einige 
wenige alte Ruinen uͤbrig, welche von 
Arabern bewehnt ſind. Sie zeigen noch 
das Grab des Lazarus, eine kleine Hoͤhle 
im Felſen. Ich beſuchte auch die Gräber 
der Koͤnige; ſie ſind ungefehr eine halbe 
Meile noͤrdlich von Jeruſalem, ausgebaute. 
en aus ſoliden Felſen unter dem Grund. 
Wir gingen durch eine ungefehr 3 Fuß 
hohe Thuͤre in ein großes dunkles Ges 
mach, von welchem drei andere Thuͤren 
in Gemächer führen mit Plätzen in den 
Felſen gehauen, um Todtenladen aufzu— 
ſtellen. Wir ſahen einige Ueberbleibſel 
von zerbrochenen ſteinernen Särgen. A 
r Jordan iſt auch eine Merfwürs 
digkeit, die ich beſuchte, ungefehr dreißig 
Meilen oͤſtlich von Jeruſalem. 
Strom enthält ungefehr fo viel Waſſer als 
die Schuylkill, obſchon fhmäter und 
ſchneller im Lauf. Ich kann das Gefu 
nicht ausſprechen, das ich hatte, als ich a 
Ufer des Jordans Stand. Ich dachte an 
ihn, der in das Waſſer hinabſtieg, und ges 
tauft wurde, und nachdem er heraufſtieg 
aus dem Waſſer, ſiehe, 


Gottes gleich einer Taube herabfahren. Er 


erwählte einen Ort, wo viel Waſſer war. 


— 


* 


Dieſer 


da that ſich der 
Himmel auf uber ihm, und ſahe den Geiſt— 


* 


5 


ung! 
N 

0 

Y 


152 


Eine Handvoll war ihm nicht hinlaͤnglich. 
— Der Berg Nebo, wo Moſes das Land 
Canaan uͤberſah, war vor Augen an dem 
Ort, wo ich war. 

July 8. Im Juny war es ein Jahr, 


daß wir an dieſen Ort (Ebene Saron) zo⸗ 


gen, anderthalb Meilen von Joppe, jetzt Jaf— 
fa genannt, wo wir 20 Acker Land pachte— 
ten, die einem Juden gehoͤren, welcher ſie 
ſechs Jahre lang anbaute. Vier Acker 
davon find bepflanzt mit Obſtbaͤumen, 
als Pomegranaten, Orangen, Lemonen, 
Citronen, Bananen, Palmen, Quitten, 
Aepfeln, Birnen, und Pflaumen-Bau⸗ 
men. 

Dieſes Grundſtuͤck erfordert Waͤſſerung 


Ein Brief aus dem heiligen Lande. 


Alle kamen in derſelben Abſicht wie 
wir, Iſrael zu helfen. Alle beobachten 
den ſiebenten Tag, den Sabbath Gottes 
des Herrn. Wir haben jeden Sabbath 
Morgen und Nachmittag Verſammlung 
an unſerm Hauſe, wo alle Bruͤder und 
Schweſtern zuſammen kommen. Es ſind 
unſerer 20 Sabbath-Beobachter, von wel— 
chen 4 Deutſche ſind, die vor 4 Jahren in 
dieſes Land kamen in der nemlichen Abe 
ſicht wie wir. 

Es iſt in der That ein Vorrecht mit ſo 
vielen von des Herrn Kindern zuſammen 
zu kommen, nachdem wir fo lang von einiz 
ger religioͤſen Gemeinſchaft getrennt was 
ren. Lieber Bruder, du bitteſt mich in deiz 


im Sommer. Das Waſſer wird durch nem Brief fuͤr dich zu beten, wenn ich auf 
Maulthiere mit einer ſchwerfaͤlligen dem Hausdach (Soller) ſey. Ich habe fo 
Maſchine aus einem Brunnen in einen gethan, und bete allezeit mit der Hülfe 


Behälter getrieben, von wo es in Canä- Gottes für alle feine Kinder. Wir haben 


len um die Baume herum gebracht wird. oft in Sommer-Abenden unfer Familiene 


Gartengewaͤchſe werden auf dieſelbe Weiſe Gebet auf dem Hausdach, weil es ein kuͤh— 


gezogen waͤhrend der trockenen Jahrszeit. 
Der Winter hier iſt die beſte Zeit Gewaͤch— 
ſe zu ziehen, weil kein Froſt auf die Ebene 
kommt. 

Dieſer letzte Winter war ungemein kalt, 
und eines Tags fiel ein wenig Schnee; 
er ſchmolz aber beinahe ſo ſchnell, als er 
auf den Grund ſiel. Es war ganz ein 
Wunder für die Eingebornen, und alte 
Einwohner hier ſagten uns, daß ſie keinen 
Schnee geſehen hätten auf der Ebene in 
30 Jahren. Schnee iſt häufiger im Ge— 
birge.— 

Vor ſieben Monaten waren wir vier an 
der Zahl die einzigen Americaniſchen Eine 
wohner im gelobten Lande auſſer einer 


ler Ort iſt. 


Sehr viele Leute in Jeruſalem ſchlafen 
auf dem Hausdach im Sommer; fie 
breiten eine Matte aus, und decken ſich 
mit einem Teppich zu.“ Ich habe auch ge— 
ſehen Waitzen, Squaſches und Saffron 
wachſen auf den Hausdaͤchern in Jeruſa— 
lem; natürlich find es alte Haͤuſer, wo 


der Staub von hoͤhern Haͤuſern dahin ge⸗ 


waſchen worden ſeit vielen Jahren. 


Du ſchreibſt auch, daß du hoffeſt, ich 
haͤtte die Liebe Gottes in meinem Herzen 
erfahren. Ja, ihm ſey Dank, der mein 
Vater, mein Freund, mein Alles it. Haͤt— 
te ich feine Liebes-Macht nicht gefühlt, waͤ⸗ 


Miſſions⸗Familie in Jeruſalem, welche re ich heute nicht hier. Ich wäre geblie— 


a 


ſeitdem nach den Vereinigten Staaten ben, wo ich die Ergoͤtzlichkeiten tiefer Welt 


auf Beſuch zurückgekehrt find, und nun hat genießen, eſſen und trinken und froͤhlich ſeyn 
ſich unfere Zahl auf Sechzehn vermehrt. konnte. 
Eine Familie kam von Maſſachuſetts letz- beſſere Welt. Es iſt mir einerley wohin 
ten December, und ließ ſich in unſerer Naͤ- mein Herr mich ruft zu wohnen, ob in der 
he nieder. Zwei Familien kamen letzten kalten oder in der heiſſen Zone, fo daß ich 


May aus Rhode Island und Neu Jer- nur in Seinem Dienſte bin. 


ey. 


Aber ach, nein! ich ſuche eine 


Der erſte Winterabend 1855. 


5 


Wir haben bereits eine Erndte von de unſers Herrn Jeſu Chriſti, die Liebe 
Welſchkorn und Grundbirn ſeit der Mitte Gottes, und die Gemeinſchaft des heiligen 


März Wir koͤnnen grünes Welſchkorn 
für den Tiſch beinahe das ganze Jahr herz 
um haben. Die Leute hier haben ſehr 
wenig Fleiſch. Sie leben meiſtens von 
Brod, Obſt und Gartengewaͤchſen. Ich 


mache oft eine Mahlzeit von Brod und 


Orangen, oder Brod und Weintrauben, 
und es ſchmeckt mir ſo gut als der beſte 
gebratene Welſchhahn oder Fleiſchkuchen 
(minee-pie) in Pennſylvanien. — Der 
Seidenbau und Manufactur iſt ein gro⸗ 
ßer Erwerbzweig hier. 

Die oͤſtreichiſchen und franzoͤſiſchen 
Daͤmpfer kommen nach Jaffa alle 2 Wo⸗ 
chen, und von unſerer Terraſſe ſehen wir 
ſie ankommen und abfahren, jenſeit des 
Waldes von Palm⸗Orangen und Banan⸗ 
nabaͤumen, welche zwiſchen unſerm Haus 
und der See ſind; aber ſie bringen ſelten 
einige Neuigkeiten von meinem fernen Ge⸗ 
burtslande. Ich will dir ein wenig etwas 
ſchicken, das auf der Ebene Saron waͤchst. 
Ich wuͤrde gerne mehr Blumen ſchicken; 
aber es macht den Brief zu ſchwer. 

Lieber Bruder, Ich danke dir fuͤr deine 
Ermahnung zur Demuth, zum Geherfam 
und bruͤnſtigem Gebet. Ich bin nicht wie 


einige, welche denken, fie wiſſen alles, Ich 


liebe ermahnet und aufgemuntert zu wer— 
den zu guten Werken, und taͤglich zu ler— 
nen. 
Joch, und lernet von mir; denn ich bin 
ſanftmuͤthig und demuͤthig. Ich fühle, 
daß Gott will, wir ſollen ein himmliſches 
Leben hier fuͤhren, und daß wir deßwegen 
ſo wenig als moͤglich irdiſch leben ſollten. 

Zu leben mit Ihm, abgeſchieden von der 
Welt, zufrieden mit allem was er uns zu 
genießen und zu leiden gibt, haben wir 
jetzt zu kämpfen mit Verderbniß und Ver— 
ſuchungen, mit Truͤbſalen und mit Satan. 
Aber uber ein Kleines wird die Palme in 
unſere Hand gelegt werden. —Meinen Lie⸗ 
besgruß an dich und Familie. Die Gna⸗ 


1 


Jeſus ſagt: Nehmet auf euch mein 


Geiſtes ſey mit dir; Amen. 
Deine Schweſter in Jeſu 
Lydia Schuler. 


Der erſte Winterabend 1855. 
(Fortſetzung.) 

Sophie. 

das ſchon laͤngſt gerne gewußt, ob der Wins 


ter im gelobten Lande dem unſern ähnlich 
iſt? 


Vater. Wie meynſt du das? 
Sophie. Nun, ob es z. B. auch 


Schnee gibt und friert? ob man auch hei— 
zen muß und dergl.? 

Mutter. Schnee gibt es freilich, 
und zuweilen muß es auch recht kalt ſeyn; 
denn es heißt ja im Palm: „Er gibt 
Schnee wie Wolle, Er ſtreuet Reifen wie 
Aſche; Er wirft ſeine Schloßen wie Biſ— 
fen. Wer kann bleiben vor feinem Froſt.“ 
Pf. 147, 16. 17.) 

Sophie. Ach ja, du haft Recht. — 
Es fällt mir ſelbſt eine andere Stelle ein 
aus den Spruͤchen, wo Salomo die fleißi— 
ge Hausfrau beſchreibt und ſagt: „Sie, 
ihres Hauſes wegen, fuͤrchtet ſich nicht vor 
dem Schnee; denn ihr ganzes Haus hat 
zwiefache Kleider.“ (Spruͤche 31, 21.) 

Emilie. Alſo haben ſich die ifraelie 
tiſchen Frauen auch mit allerley Arbeit 
auf den Winter vorgeſehen, ſo gut wie 
wir, wenn wir wollene Struͤmpfe ſtricken. 
Aber freilich, fo lange man ſich noch mit 
Kleidern helfen kann, iſt die Kälte wohl 
zu ertragen. Oder haben ſie vielleicht 
auch Oefen gehabt. 

Heinrich. Oefen? freilich. Der 
Heiland ſagt ja: „Das Gras, das heute 
ſtehet, und morgen in den Ofen gewor— 
fen wird.““ Matth. 6, 30. 

Mutter. Ta l—ob aber das ein 
Zimmerofen iſt, das iſt nicht geſagt. Va— 


Ei, ſage mir doch, ich hätte 


154 Ein Lied, 


ter, haben denn die Iſraeliten Oefen im) gewußt hat. Aber er iſt eben auch nicht 
Zimmer gehabt? dabei geweſen und hat die Sitten des Mor- 
Vater. Von einem Zimmerofen biz genlandes nicht recht ſtudirt. Statt des 
be ich in der Bibel noch nichts gefunden. Kamins hätte er einen Kohlentopf oder 
Der Heiland redet dort von einem kleinen fein Feuerbecken in die Mitte des Zimmers 
Backofen, oder vielmehr von einem Gefäß ſetzen ſolen, wie man es noch heutzutag⸗ 
zum Backen des Brodes. Es war ein im Orient antrifft. Einen ſolchen tragba⸗ 
u oder eifernes Geſchirr, unten weis ven Ofen ſtellt man in eine dazu ange⸗ 
ter als oben, worin man im Feuer oder brachte Mirerfung mieren ins Zimmer hin— 
mit herumgelegten Kohlen Brod zu backen Rü Vor dieſem ſaß Jojakim im neunten 
pflegte, das bei der geſchloſſenen 8 ſeinem Winterpalaſt. Es war 


beſſer als im Backofen gerieth. Sonſt iſt uugefähr December nach unſerer Jahres⸗ 
eintheilung. Ja, da haben wir doch neh 


Etwas gefunden, das die Stelle unferer 
Oefen vertrat. Aber dieſe Sitte war nur 
Häuſe V Wir fin⸗ 

oͤfen. Ueberhaupt gab es im Alterthum |" Nen Oo e Wir ſin⸗ 
wohl nur in den Badeſtuben Etwas, was den Ih im di * PR. a emal 
erwähnt. Wißt i ohl, wo? 

man mit unſeren geſchloſſenen Oefen ve ah ißt ihr mahl, wo 


freilich in der Schrift oͤfters von Oefen 
die Rede, aber nur von gewohnlichen 
Backoͤfen, oder Brennoͤfen, oder Schmelz 


ben kann; ae n ich Ich ll es: in Bw 
Mutter. Aber wie halfen fie ſich] Palaſt des Hohenprieſters Cairhas.— 
denn, wenn die Kälte ſo groß wurde, daß „Die Knechte zündeten ein Kohlfeuer an 
man davor nicht bleiben konnte? und wärmeſ ſich, . 15 m kalſer 
Vater. Nun, da zündete man eben Dater. Ja, das iſt aber ein verſuch⸗ 
ein Feuer an, aber gewoͤhnlich nur auf Be Kehlfeuer, an dem es dem lieben 
dem Heerde, der ohnedieß in den meiſten Petrus ſiedheiß geworden iſt. Wäre er 
Haushaltungen an demſelben Orte war, leber weit davon weggeblicben! N 
wo man zu wohnen pflegte. 5 Hein rich. (nimmt np Bild von 
Mutter. Aber jetzt fällt mir Et⸗ Jojakim wieder.) Aber, Vater, was iſt 
was ein. Es kommt doch einmal ein Kö- denn das? Da wirft ja Einer Etwas in 
nig vor, der im Winterhauſe vor dem Ka- das Kaminfeuer hinein. Sind es nicht 
min ſaß. Wie heißt er nun gleich 2— Blätter von einem Buche? 
Warte, im Augenblick will ich's ſagen—] Vater. Das wird dir die Mutter 
Ja, Jojakim war's; im Jeremias | Fagen 1 
kommt es vor. (36, 22.) Mutter. Das iſt Ju di, ein Dies 
Vater. Ganz richtig!. So heißt es ner des Kent Jojakim. Er hat das 
von Jojakim. Heinrich, da, nimm die Buch der Weiſſagungen des Propheten in 
Bibel und ſuche einmal das Bild. der Hand und ließt laut daraus vor. Und 
Sophie. Komm', ich will dir hel⸗ſo oft er ein paar Blätter geleſen hat, 
fen. Sieh, da iſt's. Da net er vor dem ſchneidet er fie von der Rolle ab und wirft 
der boͤſe Mann. 


Kamin und noch viele andere Leute ſtehen ſie in's Feuer, d j 
(Fertſetzung folgt. 


auch herum. Sieh' einmal, was das Ka- 


min für ein nettes Geſimſe hat! Und 5 4 1 
was liegt denn da? 8 ki 
Heinrich. Das iſt die Feuerzange. 1% ein Aid, 


Vater. Ja ja! das iſt alles ganz] Wie ſelig ſeyd ihr Boten all', 
naturlich gemacht, ſo gut es der Zeichner“ Die ihr des Lebenswortes Schall 


Ein Wort zu rechter Zeit. 


Hintragt in alle Lande! 
Wie lieblich toͤnt dech euer Ruf 
Von Dem, der alle Welten ſchuf⸗ 
Und ſprengt des Todes Bande! 
Sein Reich durch euch 
Kommt zu Allen; 
Bald wird's ſchalen: 
Aller Drten 


Sinddi N eiche Thriſt i werden!“ 


Sagt an: was treibt euch doch hinaus 
Durch We e Meer und Sturmgebraus, 
Hin zu den armen Heiden: 
Iſt's nicht die Lie b zu Jeſu Chriſt, 
Der eures Lebens end iſt⸗ 
Ven dem euch nichts kann ſcheiden? 
Sein eich in euch 
Sit verkläret, 
Und bewähret, 
Neu geboren: 


* aller Koͤnig—Koͤnig iſt 
Und aller Voͤlker Hirte. 
Ja, Er iſt Koͤnig aller Welt, 
Ihm alles noch zu Fuße fällt. — 
Drum iſt's euch eine Wurde: 
Für Ihn hin 
In die Weiten 
Zu erbeuten 
Arme Seelen, 
Die ſich ſonſt zu Tode quaͤlen. 


* 


Gefangen hält ſie Satan noch, 
Auf ihnen liegt der Suͤnde Joch 
Mit allen ſeinen Qualen. 
Die Finſterniß hat ſie umſtrickt, 
Und ihre Sinne find verrͤͤckt, — 
Wer kann den Jamwer mahlen? 
Traurig, ſchaurig 
Das Verderben, 
Und ihr Sterben; 
Und zu ſehen, 


Wie wi, Verderben gehen! 
Ja ae hier iſt große Noth, 


Es mäht der letzte Feind, der Tod, 


Drum habt ihr zur Fahn gefihweren 5 
— 
Hur Fahn' des Feldherrn Jeſu Chriſt' 


155 


Zu Tauſenden ſie nieder. 
Es wuͤthet Satan hier mit Macht, 
Und halt hier eine Seelenſchlacht, 
Und doch ſind's unſre Bruͤder. 
Wie lang, wie lang 
Soll noch währen 
Dies Verzehren? 
Ueberwinder! 
Komm und rett' die armen Suͤnder! 


O großer Koͤnig, mach' Dich auf, 
Und hemm' des Satan's Würgerlauf 

Auf dieſer armen Erde, N 
Die Du mit Deinem Blut benetzt, 
Und Dir ſchon damals vergeſetzt: 
Daß ſie verherrlicht werde. 

Mach Dich ploͤtzlich 

Auf- zu retten 

Die in Ketten! 
Fuͤrſt des Lebens, 
Zu dir fleht man nicht vergebens! 


7 


* 


Die todte Chriſtenheit weck' auf, 
Mit Deines Geiſtes Feu'r fie tauf, 
Daß ſie lebendig werde? 

Gib, daß ſie ihre Pflicht erkennt, 
Und Boten zu den Heiden ſend't, 
Du großer Kunde Heerde! 

Eile, heile 

Die Gebrechen! 

Wollſt nicht raͤchen 
Unſre Suͤnden, — 
Gnade laß Du Alle finden? 


. 4 


* * 


Ein Wort zu rechter Zeit. 


An einem Sonntag Abend ging eine 
fromme Frau mit ihrer Laterne nach der 
Tabernakelkapelle in Lenden. Unterwegs 
bemerkte ſie einen jungen Menſchen, der 
ſich mit allerlei muthwilligen Streichen 
ee und in dem ſie bei'm Schein 
ihrer Laterne den Sohn eines ihrer Nach— 
barn erkannte. Sie fragte ihn, was er 
55 mache. Im erſten Augenblick war er 


kein wenig verlegen, und geſtand ihr dann, 


156 


er warte auf einige Kameraden, mit denen 
er den Abend luſtig zubringen wolle. Die 
gute Frau hatte einiges Anſehen bei ihm, 
und ſtellte ihm vor daß das nicht die rech— 
te Weiſe ſey, den Tag des Herrn zu bes 
ſchließen; zuletzt drang ſie in ihn, mit ihr 
den Gottesdienſt zu beſuchen. Dort hoͤr— 
te er eine vortreffliche Predigt uͤber die 
Worte des Heilandes: Was haͤlfe es 
dem Menſchen, wenn er die ganze Welt 
gewoͤnne, und verloͤre ſeine Seele!“ Die— 


ſe Predigt machte auf den jungen Mens | 
iefen und heilſamen Eindruck, 


ſchen einen 
und wurde das Mittel zu ſeiner Bekeh— 
rung. Einige Zeit nachher, als er 18 
Jahre alt war, wurde er feierlich in die 
Tabernakelgemeinde aufgenommen, und 
machte ſich bald nuͤtzlich, 
chriſtlichen Kinderunterricht, 
Kranken beſuche, oder durch Traktatenver— 
theilung. Aber auch das genügte ihm 
noch nicht. Etliche Jahre ſpaͤter ging ein 
Schiff nach dem ſtillen Meere, das den 
wilden Bewohnern ſeiner Inſeln eine An— 
zahl von Friedensboten zufuͤhrte; unter 
ihnen war auch der junge Mann, der von 
der Straße weg in die Kapelle gefuͤhrt 
worden war, —der nachmalige beruͤhmte 
Miffienar und Märtyrer, John Wil 
liams. ® 
* 
* * 


neue Bruͤder-Gemeinde 
in Deutſchland. 


Wir haben ſchon oben (auf der erſten 
Seite dieſer Nummer) angedeutet, daß der 
Prediger dieſer Gemeinde und Verfaſſer des 
Büchleins, das wir hier mitzutheilen an— 
gefangen haben, Dr. Friedrich Herz 
ring, uns mit einem perſoͤnlichen Be— 
ſuch erfreut hat, und etliche Tage unter 
uns verweilte. Nach den weitern Eroͤff— 
nungen und Nachrichten, die wir von ihm 
erhielten, koͤnnen wir den Wunſch und die 
Hoffnung nicht unterdrücken, daß es dem 


Die 


theils durch 
theils durch 


Die neue Bruͤder-Gemeinde in Dentſchland. 


Herrn gefallen moͤchte, dieſe Gemeinde 
noch länger in Deutſchland zu laſſen, um 
als eine Miſſions⸗Gemeinde zum Zeugniß 
der Wahrheit und zum Heil unſterblicher 
Seelen dort noch ferner wirkſam zu ſeyn. 
Es freut uns melden zu koͤnnen, daß, 
Bruder Herring der nemlichen Mey— 
nung iſt, und glaubt, daß allerdings eine 
Gemeinde, dort in Deutfibland bleiben follz 
te und würde; und auch das war uns be— 
ruhigend, als wir vernahmen, daß dieſe 
Gemeinleins keineswegs nunmehr hirten— 
kos ſind, wie wir Anfangs glaubten, ſon— 
dern mit etlichen getreuen Lehrern verſehen 
find, die ihnen mit dem Werte und den 
Heilsmitteln der Taufe, des Brodbrechens 
ꝛc. dienen. Unter dieſen Umſtänden koͤn⸗ 
nen wir mit etwas mehr Ruhe und Um- 
ſicht abwarten, bis wir ſehen koͤnnen, was 
der Wille Gottes und unſere Pflicht iſt. 
Unterdeſſen kann es A auf keinen Fall 
ſchaden, wenn wir nebſt unferer Fuͤrbitte 
für dieſe Gemeinde ins auch mit Mitteln 
rüſten, um denſelben zu Hülfe zu kommen, 
wie es die Umſtände erfordern moͤgen, und 
wie es bei der nächiten Jahres-Ver⸗ 
ſammlung fuͤr gut angefehen wird; und 
da wir in voriger Nummer verſprochen ha— 
ben, oͤffentliche Rechnung über alle an uns 
eingehende Beiträge im „Viſiter“ abzule⸗ 
gen, ſo machen wir jetzt den Anfang. 
Freiwillige Beiträge für unfre 
deut ſche Bruder. 


Von der Gemeinde M. Co. O. als Bei- 


trag zu den Reiſeks ften des l. Bruders F. 
H. von Wisconſin zu dem Liebesmahl bes 
fagter Gemeinde . 82500 
Dieſe Fuͤnf und zwanzig Thaler, welche 
die Umſtände zu erfordern ſchienen, obwohl 
ſie hingereicht hätten, einen der ſiebnezig 
noch in Deutſchland befindlichen Brüder 
über's Meer zu bringen, wurde dem lieben 
Bruder zugeſtellt mit der für noͤthig erach—⸗ 
teten Liebes-Erinnerung, inskünftige ſolche 
koſtſpielige Reiſen fo viel als moͤglich zu 
vermeiden, oder wenigſtens nicht ohne Rath 
der Bruͤder zu unternel welch ezuvor 
von unſern Umſtänden dlich und offen 
zu unterrichten waͤren, W 
1 4 


; 


Ehreifitags - Godanfen. —- Beim Jahres-Schluß. 157 


Chriſttags-Gedanken. in euren Augen; arm im Geiſte, ſo wird 
And ſie gebar ihren erſtgebornen Sohn, ſich dieſes kleine, arme Kindlein euch ins 
wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in Herz legen; wird euch erheben aus eurem 
eine Krippe, weil in der Herberge nz Staube and Keth, wird euch groß machen. 
fan Platz mehr für ſie übrig war. Luc. Denn was ift eure ſtelze Einbildung und 
7. Wer. fü ch nun demüthiget, wie die⸗ Boffärt anders, als Staub und Koth? 
1 Kind, der iſt der Größte im Himmel⸗ Weg damit, zum Kindlein hin! Betrach⸗ 
reich. Matth. 18, 4. Der den Gerin⸗ bet es recht; ergebet euch ihm, ſo wird et⸗ 
gen auftichtet aus dem Staube, und erhö⸗ was aus eich⸗-ſonſt ewig nichts. | 
het den Armen aus dem Bath. Pf. 
113, 7. 
Gottes Eingeberner wird der Exſtgeborne 
einer armen Jungfrau, liegt im Stalle, 
in einer Krippe, in ſchlechte Windeln ge— 
wickelt, der den Himmel ausbreitete = 
einen Teppich, der das Meer und alle En⸗ 
den der Erde wie mit einer Spanne um⸗ 
faßt. Welche Groͤße! welche Kleinheit! 
Gottes Sohn i in Windeln! — Da ſehen wir 
ja, was Gott will. Hat Er auch ſeinen 
Sohn, wie ſie ſagen, bur zum, Beiſpiel 
und Vorbild in die? Welt geſandt: nun, ſo 
kommt her da, und ſehet, welch ein 5 
ſpiel in der ippe liegt; kommt her, und 
f RE 
lernet von dieſem Vor bilde der Geetheit 
Demuth und Kleinheit. Lernet hier eu⸗ 
ren Stolz, Hochmuth, Eigenduͤnkel, Ehr⸗ 
geitz, Ruhmbegierde, Selbſtgefälligk eit und b e 
all das hochhet; ahrende Weſen ablegen und Du, liches Kefir; merke dies! 
dieſem Kindlein zum Opfer bringen. | Ä 
Der Schöpfer Himmels und der Erde hat 
kaum ein Plaͤtzchen, we er geboren werden Deim Jaßres⸗Schluß. 
kann, und eurem breiten und dicken Stolze Ich dachte: Laß die Jahre reden. Sie 
iſt die Welt zu enge, und nirgends Raum ob 32, 7. Herr, laß ihn noch dieſes Jahr, 
genug, euch auszubreiten und groß machen bis ich um ihn her aufgegraben und Duͤn— 
zu koͤnnen, wie ihr gerne wolltet. Nun, fo ges daran gelegt habe. Luc. 13, 8. Ich 
ſey es / Jeſus ſey blos euer Beiſpiel! Laſ⸗ will ihnen noch Friſt geben 120 Jahre. 
ſet es ihn doch ſein, werdet ſo klein, wie er 1 Moſ. 6, 3, 
dann werdet ihr die Größte im Himmel⸗ Wenn deine Jahre reden, was hoͤrſt du? 
reiche. Verſuchet es nur einmal, fo wer⸗ Was hoͤrt Gott von dir? Was hoͤren 
det ihr bald finden, daß er euch noch mehr dei e Mitbrüder? Das Ende, der Schluß 
werden und ſeyn muß, daß ihr ohne ihn dos Wr Rede, den du daraus ziehen ſollſt, 
Kleinſte, das Kleinwerden, nicht einmal wird wohl kein anderer als der ſeyn; Thue 
vermoͤget; wie wollt ihr denn groß wer- Buße! Alle deine Jahre rufen dir zu: 
den 21 0 Fe beim A, beim Klein- Beſſere dich Der Gartner kommt heute 


Mel. Hier legt mein Sinn ſich. 
Da liegt das Kindlein in der Krippe. 
Noch ſchweigt des Himmels-Kindes Lippe. 
Sein Weſen mir doch ſagen will: 
O waͤreſt du fo rein und ſtil! 


ae die Menſchheit an auf Erden, 
Und mußte erſt ein Kindlein werden; 
Denn's kann durch Kindlichkeit allein 
Der Menſch mit Gott vereinigt ſeyn. 


Ein ſanftes, ſtilles Kinderweſen, 
Die Schoͤnheit hat ſich Gott erleſen. 
Ein unverſtellter Einfalts-Sinn 
Fuͤhrt uns zur erſten Unſchuld hin. 


Wer ſich vom Geiſt dahin laͤßt ziehen, 
Wird einſt im Garten Goftes blühen, 
Wie Blümchen in dem Para sies. 


— — nn nn nn 


werden an, Wie Jeſus. Werdet geringe in ſeinen Garten, und ſucht Früchte. 
1 


158 Beim Jahres⸗Schluß. 


Wenn er ſich vor den Baum deines Lebens 
ſtellt und deine Jahre frägt, dieſes Jahr 
beſonders fraͤgt, was antworten ſie? was 

ſpricht dieſes Jahr von dir? Findet er die 
erwuͤnſchten Fruͤchte? Er hat viele Gna⸗ 
den an dich gewandt, hat dir viel gegeben: 

und wem viel gegeben iſt, von dem wird 
auch viel gefordert. —Wenn nun der Vater 
ſpricht; So viele Jahre komme ich ſchon, 
und ſuche Frucht an dieſem Baume, und 
finde keine, haue ihn um — Wie! wenn 
wirklich heute dieſes im Himmel heſchloſſen | 
würde! 1 5 es nicht ſeyn? Hät⸗ 
teſt du es nicht verdient? Ich wohl. — 
Was wollen wir alſo thun? Wir wol 
len uns ohne Verzug und mit ganzem 
Herzen zu Jeſu wenden, vor ihm ie 
len auf unſer Angeſicht, als vor unſerm. 
einzigen Mittler und Verſoͤhner, daß er, 
uns vertritt und fir uns bittet beim Va- 
ter; ſo wird er auch fuͤr uns, fuͤr dich, 
und fuͤr mich, zu dem Vater ſagen: Laß 
ihn noch dieſes Jahr, bis ich um ihn her 
aufgrabe und Dünger daran. lege, vielleicht, 
bringet er dann Frucht. Wo nicht, fo, 
kannſt du ihn umbauen. —Liehe, der Fuͤr- 
bitte Jeſu haſt du es allein zu verdanken, 
daß dir Gott ſo viele Jahre ſchenket. Aber 
vielleicht iſt das kommende das letzte.“ 
Darum wende es ſo an, halte dich ſo an, 
deinen Gott und Heiland, daß er nicht Ur— 
ſache habe, zu ſagen: Haue ihn weg, was. 
ſoll er das Land umſonſt einnehmen. Gott, 
iſt ſehr langmuͤthig; das ſehen wir an ſei 
ner Geduld zu den Zeiten Noahs: Er gab. 
ihnen lange Friſt -aber, je Länger die. 
Friſt, je großer ihre Bosheit. Endlich, 
brach er los mit ſeinen Gerichten. Der ale, 
te Gott lebt noch. Schließe daher. Rabe) 
Jahr mit beſonderem Gebete und innigem 
Flehen, daß Gott nicht ins Gericht mit 
dir gehe, ſondern dein Herz durch Jeſum 
zur wahren Buße und Beſſerung erneure; 
und dir ein Leben nach feinem Wohlge— 
fallen ſchenke. 


Mel. Nun danket alle Gott. 
Ein J Fahr der Sterblichkeit, 
Der 41 7 Lebenstage 

Iſt abermal dahin, 

Mit aller Luſt und Plage; 
Auf immer iſt ein Theil 
Der kurzen Pilgerſchaft, 

Wie ſchnelb! zuruͤckgelegt. * 
Gott fordert Rechenſchaft !“ 


2. Herr, deine Huld iſt nur, 
(Die nimmer uns zu lieben 
Ermuͤdet, noch vergißt, ), 
Daß wir ſind uͤbrig blieben. 
Nimm unſers Herzens Dank 
In Gnaden von uns a 
Für das, was du an uns 
In dieſem. Jahr gethan. 


3. Wir ſchließen uns auſ's neu” 
In dein fo treues Sorgen, 
In deine Obhut ein, 
Da find wir wohl geborgen 
Da iſt daß feſte Schloß 
Vor aller Feinde Trutz. 
irgt ſein Volk ſich hin, 
Und findet ſichern Schutz. 


4. Gieb mit dem neuen Jahr 
Uns neue Stärk im Glauben; 
Laß uns den alten Grund 
Der, Wahrheit ziemand rauben! 
Erneure Herz und Sinn, 

Und das gegoͤnnte Licht 
Des ewig wahren Worts 
Erkoͤſche bei uns nicht. 


5. Exmecke neue Lieb' 
Und Hoffnung in uns allen! 
N And follt im neuen Jahr 
Uns neue Noth befallen, 
So ſtaͤrke die Geduld, 
Und mache deine Treu’, 
O Heiland! über uns 
Mit jedem Tage neu! 


18 


6. Gieb, daß wir 15 und mehr 
Des Fleiſches Ln fe tödten! 


u 


* 


un ihrer großen Schwachheit ſpran, 


Das Sterbebette einer jungen Seele. 159 


Verleih' an Seel' und Leib, 
Was jedem iſt von Noͤthen; 
Und laß uns, Herr, mit dem, 
Was deine Weisheit thut, 
Stets wohl zufrieden ſeyn; 
Du mug 1 alles gut. 


IL 7a) 

7. Wenn du im neuen Jahr, 

Aus dieſer Welt zu ſcheiden, 
Das Ziel geſetzet haſt, 

Den laß in dir mit Freuden, 
Im Glauben ſelig hier 
Beſchließen ſeinen Lauf, 

Und nimm in deine Hand 

Die Seele gnädig auf. Amen 


Das Sterbebette einer jungen 1 
Aus einem Brief erhalten Nov. 


aus dem Bette, und zertrat das Bonnet 


mit ihren Fuͤßen. 

Hierauf fing ſie an ihre Brüder und 
Schweſtern zu ermahnen, nicht zu thun, 
wie ſie gethan hatte, und meynte, ob fie 
gleich jetzt alle dieſe verbotene Stucke von 
ſich gethan hätte, fo müßte fie doch zur 
Helle gehen. (Dieſes iſt eine gewiſſe, 
ewig⸗feſte Wahrheit, und nicht blos eine 
Meinung, die aus der Einbildung, Furcht 8 
und Angſt vor dem Tode entſprungen iſt. 
Glaubt es nur, ihr lieben Seelen alle, und 
ſonderlich ihr jungen Seelen, die ihr dieſes 
leſet; wenn Chriſtus nicht gekommen 
waͤre als das Lamm Gottes, das der 


1 Suͤnde wegnimmt, fo würde kein 
Menſch ſelig; ſo muͤßten wir alle, Alle 


zur Hoͤlle gehen. Und wenn wir auch 
Buße thäten, und die verbotene Stuͤcke ab— 


5 Welker will ich dich ge von legten, und unſer Lebenlang keine neue 
etwas, das fh in unſerer Nachbarſchaft Sundenſchu ld mehr machten, und o wo 


an e e, Ein Bruder und Schwe— 
ſter (Mitglieder und Ehegatten) wurden 


ſich aber wieder. Darauf wurden drei; 
ihrer Tochter von demſelben Fieber ange— 
griffen. Die aͤlteſte derſelben war in Ge— 
ſchaͤften ahweſend von Hauſe, und kam 
krank heim, und während ihre zwei jün— 
geren Schweſtern ſich von der Krankheit 
erholten, ginge es mit ihr dem Ende zu, und 
mußte in ihrem 22gſten Jahre ſterben. 

Dieſe To hter war in ihren geſunden 
jungen Tagen ſehr eitel und hoffaͤrtig in ih— 
ren Kleidern geweſen. In ihrer Krankheit 
aber ſing ſie an dieſe Dinge zu bereuen, 
und da ſie fi hon ſehr fi chwach war, begehr⸗ 
te fie, man ſollte ihr alle ihre ſchoͤnen Klei⸗ 
der und Schmuckſachen, als das Bonnet, 
den Schleier (veil) Bruſtnadeln (breast- 
bins) a e Dinge, die weder 
für warm ‚no och kalt waren, ans Bette 
ungen und wünſch te ſie zu Aſche zu ver⸗ 
brennen. Das Bonnet nahm ſie, druͤckte 
es ganz zuſammen, warf es zu Boden, und 
ſie 


iſt der, welcher nicht taglich neue Urſache 


ſtändet zu beten: „Vergieb uns unſere 
krank mit dem Typhoid⸗ Fieber, en | 


Schulden?“ — doch geſetzt einer koͤnnte es, 
ſo wuͤrde doch das die alte Sͤnden— 
ſchuld nicht bezahlen, die uns verdammet, 
ſobald wir zur Erkenntniß derſelben kom— 
men. Erſt wenn wir als muͤhſelige und 
beladene Suͤnder unſere Zuflucht zu Jeſu 
nehmen, nach feinem Wert zu Ihm kom— 
men, an Ihn glauben, wie die Schrift 
ſagt, erlangen wir Erquickung, und wenn wir 
ſo willig werden, ſein Joch auf uns zu 
nehmen, und von Ihm zu lernen, ſo fin— 
den wir Ruhe für unſere Seelen. Auch 
von dieſem durfte die verſtorbene junge 
Seele etwas erfahren, wie es ſcheint. 
Denn es heißt ferner:) Dennoch ehe ſie 
ſtarb, glaubte ſie etwas von jener Erquick— 
ung und Ruhe erlangt zu haben, (Matth. 
11, 28. 29.) ſagte den Umſtehenden, nicht 
ihretwegen zu weinen, und übergab ſich fo 
gänzlich dem Herrn, daß fie erklärte, wenn 
Er ihr Geſundheit und Kräfte wieder 
ſchenken würde, fo ſey fie willig, Chriſto 
in der Taufe und in allen ſeinen Geboten 


160 Correſpondenz und Todes-Anzeige. 


die bei ſo geringer Unterſtuͤtzung das 
Werk fertzuſetzen geneigt wären. Indeſ— 
jungen Seele nicht ganz fruchtlos und un- ſen hat die Zahl feiner Freunde, wenn auch 
geſegner bleiben wird an ihren ehemaligen langſam⸗ dach zugenommen, und if noch 
Geſpielen und andern jürgen Herzen, die am Zunehmen. Wir find auch verfühert 
diefes leſen. Könnte fle noch reden ſo worden, Faß dieſes geringe, unanſehnliche 
wurde fie ohne Zweifel ſagen mit dem Werk nicht ganz ohne Nutzen war für die 
Dichter: Erbauung unſerer Leſer. Und weil Neſes, 
O Jugend, ſo den Lilien gleich und nicht Geld und Ehre unſer Abſehen 
Mit Roſenfarb vermenget, von Anfang war, ſs wagen wir es noch- 

Du weißt nicht, wer ſchon Morgen blelch mals im Aufſehen auf den Herrn und in 
Mit kaltem Tode ringet: Hoffnung weiterer Huͤlfe und Unterſtuͤtz⸗ 

Ach ſpar deine Buße nicht, ung, mit künftigem Neujahr einen neuen 
BES, Was dein Heiland ſpricht? Jahrgang anzufangen, und alle unſere liebe 
Wer mein Wort halt, mich liebet. Leſer um Geduld und Nachſicht zu erſuchen 
wegen des Vergangenen, und um ihre fortz 


nachzufolgen; und wir mochten hoffen 
und wünſchen, daß dieſes Sterbelager einer 


ee waͤhrende brimftige Fürbitte, daß der Kerr 
. uns niit Lich Weisheit, Kraft 
Correſpondenz. uns mit Licht und Weisheit, Kraft und 


Gnade ausrüͤſten wolle, zur ferneren 
Fortſetzung des Werks, und es gedeihen 
Bei der letzten (November) Nummer laſſen wolle zum Heil unſterblicher See— 

waren wir ſehr im Gedränge, um damit ſen, zur Ausbreitung Seines Reichs, und 

fertig zu werden vor unſerm Liedesmahl! zur Verherrlichung Seines Namens in 
am 31 October, wo wir ziemlich Beſuch Chriſto Jeſu. Amen. 

erwarteten, und wenigſtens eine N 


Entſchuldigung. 


frey von Geſchaͤften in der Druckerey zu e 
ſeyn wuͤnſchten. So kam es, daß wir etz! Todes- Anz 117 
liche Stuͤcke aus Wechſelelättern n odes⸗Anzelge⸗ 


men ließen, worin Dinge vorkommen, die | Starb am 19 September 1855 in 
einigen unſerer Leſer Anſtoß verurſachen EkEriek Gemeinde, Semerſek Co. Par 
könnten, und Berichtigung verdienten. Schwefter Kliſa DBirchler Gattin den 
Wir hoffen indeſſen, unſere geneigte Leſer Bruder Dameb Bible an der Lungen⸗ 
805 gi en Schwindſucht, ihres Alters 45 Jahre, 9 
werden Geduld mit uns tragen, und ſich Monate und 24 Tage. Sie war ein würs 
ein jedes dem Mißverſtändniß unterwor-(diges Mifglied der Gemeinde für 22 Jah 
fenes Wort eines Menſchen nach dem un— | ve, und hinterließ einen Ehegatten und 7 
fehlbaren Wert des Herrn zurecht zu legen Kinder, ihren Verluſt zu deklagen. 


wiſſen. Starb am 25 September in Ste⸗ 


** 


* * 


Schluß dieſes Jahrgangs. 

Mit der gegenwaͤrtigen Nummer geht 
det dritte Jahrgang unſeres deutſchen 
Evangeliſchen Beſuchs zu Ende. Es iſt 
uns ſauer geworden, denſelben neben dem 
Engliſchen Gospel- Visiter herauszugeben, 
und nur wenige moͤchten zu finden ſeyn, 


» 


phenſon Co. Illinois unſer betagter 
Bruder Johannes Frey, fen. feines 
Alters 78 Jahre, 5 Monate und 8 Tage. 


Starb am 1 Oetsber 1855 in der 
Ten Mile Gemeinde, Waſchington Co. 
Pa. Bruder Jacob Scheidler, in einen 
Alter von 75 Jahren, 9 Monaten und 
14 Tagen. — Der Verſterbene war ſeit 25 
Jahren ein Armendiener in der Gemeinde, 
in welcher er ſtarb. 


EEE